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Das
Stndiam des Italienischen
Die Entwicklang der Litterärspraclie.
Bibliograpliie der Httlfsmittel des
Stadiums.
Von
H. Breitinger
Professor der neueren Sprachen an der UniTersität ZilricL
Zürich
Druck und Verlag von F. Schulthess
187*. .^
J
Vorwort,
Für das Studium des Englischen und des Französischen
besitzen wir in dem encyclopädischen Werke von Bernhard
Schmitz und dessen Fortsetzungen (Die neuesten Fortschritte
der französisch-englischen Philologie) ein umfassendes Hülfs-
mittel der Orientirung. Mein Leitfaden: Studium und Unter-
richt des Französischen, Zürich, Fr. Schulthess 1877, be-
schränkt sich auf das Gebiet dieser letzteren Sprache. Auf
dem italienischen Gebiete dagegen ist seit Blanc's gediegenen
Arbeiten (Einleitung der italienischen Grammatik 1844;
^^Italienische Sprache^ und ^^Italienische Litteratur^ bei Erscb
und Gruber 1847) meines Wissens nichts Zusammenfassendes
geschrieben worden. Ich suche heute die empfindliche Lücke
pro yirili parte auszufüllen. So skizzenhaft mein Versuch
auch ausgefallen sein mag, so hoffe ich doch, allen Freun-
den der italienischen Litteratur und Sprache durch dessen
Fublication einen Dienst geleistet zu haben. Meine Abhand-
lung über die Entwicklung der italienischen Litterärsprache
will dasjenige zusammenfassen, was die italienischen Forscher
der neuesten Zeit über den Gegenstand geschrieben haben.
Sie enthält ferner eine eingehende Analyse der epoche-
machenden Schriften Bembo's und Cesarotti's. — Die Biblio-
graphie der Hülfsmittel konnte nicht die ganze Litteratur
IV
verzeichnen, aber ich sachte wenigstens keine Hauptsache
zu vergessen. Allfällige Unterlassungssünden habe ich viel-
leicht im voraus durch die Erwerbung derjenigen Bücher
gesühnt, vor welchen ich die Kauflust meiner Leser warnen
zu müssen glaube.
WerthvoUe bibliographische Beiträge und Nachweise
erhielt ich von Frl. Heim in Zürich, von Prof. Fuchs in Frauen-
feld, von Herrn Bauer in Mailand und von Herrn Bühler in
Florenz. Ihnen allen sage ich hiemit besten Dank. Von mehreren
italienischen Autoren und Gelehrten empfieng ich die bereit-
willigsten und liebenswürdigsten Aufschlüsse. Belehrungen
meiner Recensenten und Leser sollen mit aufrichtigem Danke
entgegengenommen und sorgfältig benutzt werden.
Ein zweites Heft beabsichtige ich der Syntax und
der Synonymik des „Uso vivente^, ein drittes dem gegen-
wärtigen Stande der italienischen Litteratur zu widmen.
Jedes Heft bildet ein Ganzes für sich.
Ziiricli, 15. September 1878.
B
I.
Ueber die Entwicklung der italienischen Litterärsprache.
Das XJrlatein, die „prisca latinitas", hatte seit dem Ent-
stehen einer römischen Litteratur und ihres Widerscheines, der
vornehmen Conversationssprache, im Volksmunde fröhlich fort-
geleht, mit dem Verfalle jener auch den G-ebildeten sich auf-
genöthigt, durch das Eindringen germanischer Elemente und
unter dem Einflüsse regionaler Eigenthümlichkeiten den Typen
der modern-italischen Dialekte sich genähert.
Wie entstand nun aus dem bunten Gemische dialektischer
Unterschiede und localer Gegensätze eine nationale Litterär-
sprache ?
Der erste entscheidende Schritt zur Erreichung dieser Ein-
heit war in Italien wie anderswo die Bildung einer einheit-
lichen Dichtersprache. Versuchen wir es, das Werden
derselben zu reconstruiren. *)
Das naive Volkslied war vermuthlich auch in Italien
die erste Form einer nationalen Poesie. Es wurde nicht gelesen,
sondern gesungen, pflanzte sich also mündlich fort. In diesem
Umstände liegt die Erklärung der Thatsache, dass die poetische
^) Ich folge den neuesten italienischen Forschungen von Ascoli, Caix (Nuoya
Antologia, XXYII und XXX, Jahrg. 1874 und 1875) und d'Ancona.
1
I
~ 2 —
Sprache in ihren Formen sowohl als in ihren Worten und Wen-
dungen eine gemischte ward, d. h. ihre Elemente aus den ver-
schiedensten Diale]^ten zusammensuchte.
So sehr es alten und neuen Forschern daran liegen musste,
Denkmäler dieser primitiven Volksdichtung zu sammeln, so ist
es heute keinem gelungen, uns italieniche Lieder vorzulegen,
die unzweifelhaft vor die Zeit des provengalischen Ein-
flusses fallen. Dass solche Lieder vorhanden waren, ist wahr-
scheinlich; dass sie spurlos verschwunden sind, dass kein Echo
einer ursprünglichen Volkspoesie in der späteren Dichtung
durchklingt, macht es ebenso wahrscheinlich , dass die Bedeu-
tung derselben von jeher eine sehr geringe war. Die Geschichte
Italiens und die Bedingungen seiner Culturentwicklung belegen
diese Vermuthung.
Einmal war die germanische Einwanderung nicht massen-
haft genug, um die römischen Erinnerungen in den Quellen
germanischer Sagen aufzulösen. Italien blieb an Sitte und an
praktisch nüchternem Sinne ein lateinisches Land. Auch das
frühe Mittelalter führte ihm keine Poesie zu. Spanien war
heldenhaft und religiös und erzeugte so seine Cidromanzen,
Italien war keines von Beiden und hatte daher auch keine Hel-
denlieder. Niemals bildete das Eitterwesen in Italien ein natio-
nales Moment; die früh sich entwickelnden städtischen Gemein-
wesen pflegten die Prosa, den Sinn der Arbeit und des Erwerbes,
wandelten auf Wegen, die weit abführten vom Feenlande der
Dichtung. Schon im elften Jahrhundert unterrichteten jene
ernsten Söhne der alten Kömer ihre Elinder nicht etwa in der
schönen Litteratur ihrer classischen Ahnen, sondern im römi-
schen Rechte. Noch am Ende des zwölften Jahrhunderts er-
schienen sie Conrad, dem Abte von Ursperg *), „abgehärtet und
besonnen, nüchtern und sparsam"; er nennt jene Municipien
die einzigen Genossenschaften, welche von geschriebenen Ge-
setzen sich regieren lassen. Diese wackeren Leute arbeiteten
*) Bnrcliardi et Conrad! ürgpergensiam chronicon. Monnm. Germ. Script.
XXni, p. 337 sqq.
— 3 ^
vom Morgen bis Abend an der Aeuffnung ihres Wohlstandes, an der
Ausdehnung ihres Handels, an der Ausbildung ihrer Gewerbe,
ihrer Verfassungen und Freiheiten. „Wie ihre Vorfahren, die
alten Eömer, leisteten sie viel und sangen wenig (operarono
molto, cantarono poco)". Sie hatten keine Kindheit zu vertän-
deln und damit fielen auch die Wiegenlieder und die Kinder-
reime weg. Als sie später Zeit und Lust zum Pabuliren fanden,
war die provengalische Muse bereits über die Landesgrenze
eingedrungen und beherrschte die Höfe, die Schlösser und den
Greschmack der Zeit. Man rechne noch die alte Concurrenz
der lateinischen Kirchen-, Kriegs- und Gesellschaftslieder hinzu,
und es klingt nicht länger unwahrscheinlich, dass dem primi-
tiven Volksliede in Italien kein günstiger Boden zur Verfügung
stand; es wird begreiflich, dass von jener vermutheten Volks-
litteratur so viel als nichts gerettet ist.
Ebenso begreiflich aber ist es, dass der italienische Patriotis-
mus diese Litteratur von jeher um jeden Preis nachzuweisen be-
müht war. Der berühmte Codex des Vaticans, Nro. 3793, eine
kostbare Sammlung italienischer Lieder aus dem Xm. und XIV.
Jahrhundert, zum ersten Male kritisch herausgegeben von den
Professoren Comparetti und d'Ancona,^) enthält die vielbe-
sprochene* Canzone des Sicilianers CiuUo d'Alcamo, die für das
älteste Denkmal italienischer Dichtung gilt, ein zwischen dem
Dichter und einem Mädchen geführtes Gespräch, in welchem
Sultan Saladin und der Kaiser erwähnt werden. Nach diesen
schwachen Anhaltspuncten lassen nun die Einen das fragliche
Gedicht vor dem Todesjahre Saladin's (1193), die Andern vor
demjenigen Priedrich's II. (1250) entstanden sein. Noch eifriger
aber wird in Italien die Frage discutirt, ob wir hier eine urwüch-
sige Volkspoesie, oder aber eine Nachahmung im provengalischen
Geschmacke vor uns haben. Der Dialektforscher Caix neigt
^) Le antiche rime yolgari secondo la lezione del Godice yaticano 3793,
pnbblicate per cnra di A. d'Ancona e D. Comparetti. Vol. I. Bologna, Borna-
gnoli 1873 , in der CoUezione di opere inedite o rare dei primi tre secoU deUa
lingna pnbblicata per cura deUa Regia Commissione pe' Testi di lingna.
1»
— 4 —
sich zur letzteren, die Herausgeber der „Rime antiche" zur
ersteren Ansicht. So viel ist sicher, Ciullo's Gedicht bleibt
für alle Zeiten kein unzweifelhaftes Denkmal des primitiven
Volksliedes. Auch andere einfache Lieder des dreizehnten Jahr-
hunderts werden bald als unmittelbare Erzeugnisse naiver Volks-
dichtung, bald als höfische Reflexe derselben betrachtet, ohne
die Frage durch ein * entscheidendes Beweismaterial lösen zu
können. Die Lösung aber wird dadurch noch erschwert, dass
die Abschreiber einer späteren Zeit die Originalzüge der ursprüng-
lichen Redaction vielfach entstellt haben. So ist vielleicht auch
Cuillo's Canzone gewissermaassen eine Uebersetzung aus dem
Sicilischen in's Italienische.
Es wird also die höfische Dichtung im provengalischen
Geschmacke als das erste Denkmal italienischer Poesie zu be-
trachten sein. Sie blühte in der ersten Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts an den Höfen von Palermo und Neapel, während
in Nord- und in Mittelitalien nicht nur in provengalischem Ge-
schmacke, sondern auch in provengalischer Sprache gedichtet
wurde. Erst in der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts taucht
eine nationale Schule in Bologna auf, die sich auch nach Florenz
verzweigt. Bologna, begünstigt schon durch seine annähernd
centrale Lage zwischen den Dialekten von Nord- und Süditalien,
als erste Universitätsstadt zugleich ein Mittelpunct des geistigen
Verkehres und der feinen Umgangsformen, musste bedeutsam
werden für die Entwicklung einer einheitlichen, einer nationalen
Dichtersprache. Hier vollzog sich die Befreiung vom provengali-
schen Einflüsse, die Rückkehr zu den lateinischen Formen der
südlich gelegenen Dialekte. Der innige Verkehr zwischen den
Höfen von Palermo und Neapel, die Beziehung norditalienischer
Dichter zu Letzterem, der rege Austausch alter und neuer Lie-
der hatte längst schon in unbewusster Weise auf jene Einheit
hingearbeitet; die Bologneserschule nun setzte jenes Streben
mit bewussten Zielen fort.
So hatte sich, wie Caix sagt, das Knochengerüst der
einheitlichen Dichtersprache, die Laute und die Formen, zu-
sammengefunden, es fehlte noch die Ausfüllung mit Fleisch
und Blut, die Sprachsubstaxiz mit ihren Farben und ihren
Lichtern.
Hier greift nun der centrale Dialekt der Toscana
ein. Die geographische Lage dieser Provinz prädestinirte deren
Sprache zur künftigen Herrschaft über die Schwesterdialekte,
gerade wie in Deutschland Sachsen, in Spanien Castilien und
in Frankreich die Isle de France ihrer centralen Lage eine
Präponderenz wenigstens theilweise zu danken hatten. Dazu
kam nun aber die weitere Thatsache, dass der toscanische Dia-
lekt, dem dunklen Ideale der bisherigen Einigungsversuche, dem
unbewussten Principe ihrer Wahl und Ausscheidung, dem
Typus der lateinischen Litterärsprache, am nächsten stand und
einer Anpassung an jenes Ideal die geringsten. Schwierigkeiten
in den Weg legte; endlich auch die Klarheit, Reinheit, Lebendig-
keit und Plastik des Toscanischen an sich. Der Boden war vor-
bereitet, es fehlte noch die individuelle sprachbildende Thätig-
keit eines grossen toscanischen Dichters, und der Sieg musste
auf alle Zeiten entschieden sein.
Dante's unmittelbare Vorläufer und Dante selbst setzen
bewusst und methodisch jenes Wahlverfahren fort. Francesco
da Barberino, Toscaner und Zeitgenosse Dante*s, beschreibt
es in den Versen:
E parlerai sol nel yolgar toscano
e potrai mescidare
alcnn yolgare consonante in esso
di qnei paesi doye hai piü nsato
pigliando i belli e i non belli lasciando.
Neuere Forscher haben nachgewiesen, dass Dante, haupt-
sächlich in seinen lyrischen Gedichten (Rime), nur diejenigen
toscanischen Formen aufzunehmen pflegte, die entweder bereits
gemein-italienisch oder dann classisch-lateinisch waren. Er spricht
sich gegen die kritiklose Aufnahme des reinen toscanischen
Dialektes in die Litterärsprache deutlich genug aus. Tadelt er
doch unter anderm einen Gallo Pisano, Bonagiunta da Lucca
und Guittone d'Arezzo, dass sie einfach und rein toscanisch ge-
schrieben hätten. Aber das Toscanische bleibt auch bei Dante
die Grundlage und der Grundstock der poetischen Sprache:
— 6 —
denn schon zu Dante^s Zeit behaupteten dessen Landsleute, ihr
Dialekt sei das Fundament der italienischen Landessprache.
Dante lässt sie deshalb nun allerdings hart an, aber die blosse
, Thatsache einer solchen Behauptung ist bezeichnend, setzt ge-
radezu das schweigende Einverständniss der übrigen Landes-
theile voraus.*)
Nach dem bisher Gesagten ist also das Vorhandensein
einer relativen Spracheinheit Italiens am Ende des dreizehnten
Jahrhunderts durchaus kein Mythus, sondern eine historische
Thatsache. Dante selbst aber hat in seinem merkwürdigen
Buche: „De vulgari Eloquentia^ die erste Theorie dieser
Nationalsprache entworfen. Fassen wir deren Grund-
gedanken zusammen.
Dante's Schrift ist wahrscheinlich zwischen 1304 und 1306
in Bologna entsanden. *) Am Schlüsse des ersten Buches gibt
Dante selbst den Plan des Ganzen. Er wolle, sagt er dort,
zunächst von der vornehmen Landessprache handeln, und zwar
ausführen, wer würdig sei, dieselbe zu gebrauchen, für welche
Gegenstände sie gebraucht werden solle und in welcher Weise,
ferner wo und wann, auch an wen sie sich zu wenden habe.
*) Caiz führt ein Zengniss ans den dreissiger Jahren des yierzehnten Jahr-
hunderts an. Antonio da Tempo, Trattato delle rime volgari (Ed. Grion, Bologna
1869) zieht das Toscanische aUen übrigen Dialekten vor: „qnia lingna tusca
magis apta est ad literam siye literatnram quam aUsB lingose, et ideo magis
est communis et intelligibilis. Non tamen propter hoc negatnr quin et aliis
Unguis sive idiomatibus ant prolationibns uti possimus'^.
*) Vgl. Böhmer: Ueber Dante's Schrift De vulgari Eloquentia, Halle 1868,
welchem ich vorstehenden Auszug entlehne. Aus der Editio princeps von
1677 ftige ich hier die Hauptstellen im Urtexte bei. Von den drei Handschriften
befindet sich die eine in Grenoble, die zweite in Mailand, die dritte im Vatican.
Letztere weist das Datum 1608, die beiden erstem stammen aus dem Ende des.
XIV. Jahrhunderts. Trissino soU nach dem heutigen Mailändercodex gearbeitet
haben, die Handschrift von Grenoble dem Texte der Edition CorbinelU's (Paris
1677) zu Grunde liegen.
Vulgarem locutionem asserimus quam sine omni regula, nutricem imitantes
accipimus. — Grammatica nil aliud est quam qusedam inalterabilis locutionis
identitas diversis temporibus atque locis (die Litterärsprache ist eine aUgemeine
und eine bleibende). — Quare ad minus XIIJI vulgaribus sola videtur Italia
variari, qua adhuc omnia vulgaria in sese variantur: ut puta in Tuscia, Senenses,
— 7 —
Nachdem dies ausgeführt worden, wolle er die nfedriger stehen-
den Vulgärsprachen behandeln, stufenweise hinabsteigend bis zu
derjenigen, welche einer einzelnen Eamilie eigen sei. Dante
hat aber nicht einmal das zweite Buch dieser auf vier bis fünf
Bücher berechneten Poetik vollendet. Er bezeichnet sich selbst
als den Ersten, der da-s Thema der Volkssprache behandelt
habe. Auch die Italiener, fährt. er fort, besitzen neben ihrer
Alltagssprache eine Litterärsprache (grammatica). Wo ist nun
aber diese zu Hause? Ist sie identisch mit diesem oder mit
jenem Dialekte? Hat sie eine bestimmte Provinz oder eine
Stadt zur Heimat und Wohnung ? Dante verneint es. Er mustert
die vierzehn Dialekte Italiens, verurtheilt sie alle, auch denjeni-
gen seiner Vaterstadt, als hässlich und roh. Das Bolognesische
dürfte nach seiner Ansicht allerdings die erste Stelle einnehmen,
aber identisch mit jener vornehmen Sprache (volgare illustre)
sei es deshalb keineswegs ; sonst wäre der grösste Dichter der
bologneser Schule, Guido Guinicelli, in seinen Liedern vom
Dialekte seiner Heimat gewiss nicht abgewichen. „Die beson-
ders rücksichtsvolle Behandlung Bologna's, sagt Böhmer, erklärt
sich daraus, dass Bologna die Universitätsstadt Italiens, das
Aretini ; in Lombardia Ferarienses et Flacentini , necnon in eadem dyitate ali-
qnalem yariationem perpendimns.
Post hffic veniamns ad Tuscos qni propter amentiam snam infroniti, titnlnm
sibi Vulgaris iUnstris arrogare videntur — et qnoniam Tnsci pr» aliis in hoc
ebrietate bacchantur, dignnm, ntileqne yidetor mnnicipalia yolgaria Tascanomm
singnlatim in aliqno depompare. Loqnantnr Florentini et dicnnt: „Manichiamo
introqne'* Sed qnamquam fere omnes Tnsci in sno turpUoqnio sint obtnsl,
nonnnllos ynlgaris excellentiam cognoyisse sentimns, scilicet Gnidonem Lnpnm et
nnnm alinm, Florentinos : et Cinnm Pistoriensem. Non restat in dnbio quin aliud
Sit yulgare quod quaerimus, quam quod attinglt populus Tuscanorum.
In quantum ut homines latini (als Italiener) agimus, quadam babemns
simplicissima signa et morum et habituum et locutionis quibus latinse actiones
ponderantur et mensurantur. Quse quidem nobilissima sunt earum quse Latinomm
sunt, actionum, hsßc nullius ciyitatis Italiae propria sunt, sed in omnibus communia
sunt: inter quse nunc potest discerni yulgare, quod superius yenabamur: quod
in qualibet redolet ciyitate, nee cubat in uUa: potest tarnen magis in nna quam
in alia redolere. — Itaque adepti quod quserebamus, dicimus iUustre cardinale
aulicum et curiale yulgare in Latio (Italien), quod omnis Lati» ciyitatis est et
— 8 —
geistige Centruin der Halbinsel war. Und um so mehr mnsste
Dante zu Anfang 1305, als er dies schrieb, Pietät gegen Bologna
hegen, da diese Stadt damals der Hort der florentiner Ver-
bannten war".
Das vornehme Italienisch gehöre also keiner einzelnen
italischen Provinz ausschliesslich an. Es sei vielmehr in ganz
Italien zu Hause. Doch könne geschehen, dass es in einem
Theile mehr durchblicke als in einem andern. ,^Illiistre" heisse
es, weil es selbst Licht empfange und Licht verbreite. Unter
Zucht und Lehrmeistern habe es gestanden. „Aus sö viel rohen
Wörtern, aus so viel verdrehten Constructionen , aus so viel
mangelhaften Aussprachen, so viel bäurischen Lauten sehen
wir etwas so Ausg^uchtes, so Schlichtes, so Vollkommenes
und Gebildetes erstanden, wie Cino von Pistoja und dessen
Freund (Dante selbst) es in ihren Canzonen zeigen". „Carrft-
na/e" nenne er es, weil, wie die Thür um die Angel, so um
dieses sich alle municipalen Dialekte drehen; es stehe wie
ein Familienvater inmitten derselben. „Eodet es nicht täglich
nallins esse yidetur, et quo nmnicipia vnlgaria omnia Latinornm mensnrantnr,
ponderantnr et comparantnr.
Magistratn qnidem (latinnm iUustre) snbUmatnm videtnr, cum de tot mdibas
Latinornm vocabnlis, de tot perplexis constnictionibus , de tot defectivis prola-
tionibns, de tot rnsticanis accentibns tam egreginm, tarn extricatnm, tarn per-
fectnm et tam nrbannm videamns electnm, nt Cinus Pistoriensis et Amicns ejus
ostendnnt in Cantionibns suis.
(Vulgare cardinale). Nam sicnt totnm ostinm cardinem seqnitnr, et quo
cardo yertitnr, yersetnr et ipsnm, sen introrsnm, siye eztrorsnm flectatnr: sie
et nniyersns monicipalinm ynlgarinm grez yertitnr, et reyertitnr, moyetnr et
pansat, secnndnm qnod istnd : qnod qnidem yere paterfamilias esse yidetuTf nonne
cotidie eztirpat sentosos frnctices de Italica silya ? Nonne cotidie plantas inserit,
yel plantaiia plantat?
Est etiam merito CuricUe dicendnm, qnia carialitas nil alind est qnam Ubrata
regnla eornm qnse peragenda sunt. — Falsnm esset dicere Curia carere Italos,
qnamqnam Principe careamns: qnoniam cnriam habemns, licet corporaliter sit
dispersa.
Sicnt qnoddam ynlgare est inyenire qnod proprium est Cremonse, sie qnoddam
est inyenire qnod proprium est Lombardise: et sicnt est inyenire aliqnod, qnod
sit proprium Lombardise, sie est inyenire aliquod, qnod sit totius sinistrse Italise
proprium. Et sicnt omnia baec est inyenire, sie est illnd qnod totius Italia est.
— 9 —
Knorren aus im italienischen "Walde? Nimmt es nicht täglich
Pfropfungen oder Pflanzungen vor? Was anders treiben seine
Ackerleute als täglich hinzuthun und hinwegthun?" Hier
zeigt sich so recht das bewusste Vorgehen des Spraohbildners,
die individuelle Arbeit des Wählens und Ausscheidens, deren
Gesammtergebniss schliesslich Landessprache heisst „Aulieum'^
und „Curiah'^ nennt Dante seine vornehme Sprache, als diejenige
der Kaiserburg (aula) und der Hofmänner (curia, corte). Der
erwartete Kaiser werde sich mit den Edelsten und Gediegensten
des ganzen- Landes umgeben und in seiner Hofburg werde mit
diesen auch die erlauchte Sprache einziehen. Da aber diese
Hofburg annoch fehle, so müsse die erlauchte Sprache auf der
Wanderschaft bleiben und in bescheidenen Freistätten gasten.
Wenn aber auch kein K!aiserhof in Italien zu finden sei, so
fehlen wenigstens seine Glieder nicht, sie verbinde trotz ört-
licher Trennung das Band ihrer hohen Bildung. Der Hof sei
also vorhanden, nur nicht versammelt. — Endlich nennt Dante
seine erlauchte Sprache auch „Vulgare latinum^^ Latium ist ihm
Italien, mithin latinum: italienisch, national.
Das zweite Buch behandelt die Sprache und die Formen
der Poesie. Da für die Prosa, bemerkt Dante, die gebundene
Eede als Muster diene, und nicht, wie Einige annehmen, umge-
kehrt, so wolle er zuerst von dieser gebundenen handeln. Waffen,
Minne, Tugend seien die Gegenstände der erlauchten Dichtung.
Die Minne habe Cino von Pistoja gesungen, die Tugend dessen
Freund (Dante). Die Waffen aber finde er von keinem Italiener
besungen. — Die edelste poetische Form sei die Canzone, ihr
folge die Ballata, dieser das Sonett. Jene höchste Form der
Poesie verlangt einen feierlich - pathetischen Stil, den Dante
„Tragoedia" nennt. Dieser Stil fordere gewichtige Gedanken,
stolze Verse, vornehmen Satzbau, gewählte Worte. Dante be-
handelt nun den Gegenstand einlässlich, nach der metrischen
und der stilischen Seite; hier bricht nun seine Arbeit ab, also
lange vor dem Abschlüsse seines Thema's.
Nach dem vierten Kapitel des zweiten Buches beschränkt
Dante das erlauchte Italienisch auf den pathetischen und ge-
— 10 —
hobenen Stil, ihm gegenüber stellt er den niederen (inferiorem),
den er als einen gemischten (quandoque mediocre, quandoqne
humile) bezeichnet und im Gegensatze zur „Tragoedia" nun
„Comoedia" nennt. „Da nun Dante sein grosses Gedicht „Com-
media" betitelt, so hat er damit wohl auch den Stil desselben
als einen gemischten und niederen bezeichnen wollen**. In der
That verwendet er in jenem Gedichte sogar Florentinismen
(z. B. introque), die er in seinem Buche als dialektische Hässlich-
keiten ausdrücklich tadelt.
Wenn man Dante's Theorie ihres scholastischen Gewandes
entkleidet, so ist seine Meinung klar genug. Sie ist nicht so-
wohl ein Programm der Zukunft als eine Constatirung histori-
scher Thatsachen. Gleichwohl haben die italienischen Gegner
der Einheitstheorie in ihr eine leere Abstraction, ein in der Luft
hängendes Hirngespinnste finden wollen, gerade wie Luther's
bestimmtes Zeugniss, dass er keine „gewisse, sonderliche, eigene
Sprache", sondern die bereits vorhandene, allgemeine hoch-
deutsche in seiner Bibelübersetzung verwendet habe, die un-
gläubigsten Widersacher finden sollte.
Den wichtigsten Dienst leistete Dante seiner Landessprache
aber damit, dass er die persönliche Aufgabe des Sprachbildners
in vollendeter Weise erfüllte, dem Werke der Natur den Stempel
seines Genius aufdrückte. Nur die Schöpferkraft des Genies
vermag eine solche Aufgabe zu lösen. Ihre glückliche Lösung
aber wird epochemachend für die Zukunft. So ist es in Italien
ein litterarisch künstlerisches, nicht wie in Deutsch-
land, Frankreich und Spanien, ein politisches Moment, das
dem centralen Dialekte das Uebergewicht verschafft hat.
Den Inhalt von Dante's litterarischem Ideal verwirklichte
Petrarca.
Cardinal Bembo vergleicht Dante mit Ennius und Petrarca
mit Virgil. Der Ehetor des sechszehnten Jahrhunderts wollte
damit den Fortschritt und den Triumph der italienischen Vers-
kunst bezeichnen. Petrarca's Formvollendung, die Harmonie
seines Verses und die Prüderie seines rhetorisirenden Geschmackes
entsprachen ja Bembo's eigenem Programme. Poetischen Inhalt
— 11 —
verlangte er nicht, die raffinirte Form war ihm Alles. Ein
Humanist des fünfzehnten Jahrhunderts, Pico von Mirdndola,
hatte Dante in diesem Sinne hereits gerichtet, wenn er meinte,
Dante fehle die Form und Petrarca der Inhalt. Es lag indess
in diesem Urtheile noch eine gewisse Anerkennung, die hei
Bemho vollends verloren geht. Doch beweist uns Dante's Ah-
handlung über die Canzone (De vulg. Eloquio, IT) wie sehr auch
ihn die Theorie der Kunst hereits beschäftigte. Petrarca aller-
dings war es, der Dante's Ideal vor allem durch sein Form-
talent, dann auch durch die Gunst der vorgeschrittenen Cultur,
d. h. die Vortheile des Späterkommenden, verwirklichte. Ihm
war es vorbehalten, Sprache und Formen der italienischen Lyrik
auf Jahrhunderte hinaus zu bestimmen. Verglichen mit Boccaccio's
Prosa war Petrarca's Poesie von den Einflüssen römischer Rhe-
torik frei, sie war national, wahrhaft italienisch und bot für
kommende Zeiten eine feste und einheitliche Norm. Daher denn
um 1500 eine fertige Dichtersprache, die selbst heute weder
antiquirt noch localisirt erscheint, was man von der Prosa
derselben Epoche keineswegs behaupten kann.*)
Parallel mit dei* poetischen Sprache entwickelte sich die-
jenige der Prosa. Als in den italienischen Municipien (Jes
elften und zwölften Jahrhunderts das republicanische Leben zu
erwachen begann, ward die vulgäre Prosa aUmälig zur Con-
currentin der lateinischen Greschäftssprache, verdrängte diese
^) Gino Capponi: „Fatti relativ! alla storia deUa nostra Ungna.** N. Ant.
XI. 673: Ma si tenga a mente come tra Taso deUa poesia e qneUo della prosa
le oose andassero in modo diyerso. La poesia Urica fa italiana dai suoi primordii
e si mantenne : da CinUo d'Alcamo siciliano al GniniceUi bolognese ed al Petrarca
un andamento sempre nniforme la conduceva fino al sommo della perfezione per
una via che rimase sempre la stessa nel corso dei secoli. Emancipatasi dal latino
prima della prosa, fn in essa piii certo Fnso dell^i lingna ed ebbe consenso che
Taltra non ebbe: qnindi noi troviamo che in snlla fine del quattrocento v'era
una lingua nazionale della poesia, che nulla ha per noi nh d'antiquato n^ di
provinciale; il che non pa6 dir si dei libti di prosa!
— 12 —
erst aus den Acten des privaten, später ans denjenigen des
öffentliclien Lebens , im dreizehnten Jahrhundert auch aus
den Büchern, aber nicht ohne von Anfang an sich
ihr anzupassen und ihrem grammatischen Typus
sich anzuschliessen. Für Italien war die Sache weder
schwierig noch unnatürlich. Eine Vergleichung der Volks-
spräche mit dem claasischen Typus lag so nahe, eine Anpassung
an diesen letzteren war so leicht, dass Schreibung und Wort-
bildung von ihnen stark beeinflusst werden mussten; und jener
Einfluss ward um so fühlbarer, je allgemeiner ein Dialekt als
Schriftsprache zur Verwendung kam. So bildete sich in den
verschiedenen Landestheilen ein Idiom, das zwischen dem classi-
schen Typus und dem localen Vulgärtypus die Mitte hielt, das
alt und neu zugleich war, erst in Urkunden und Büchern, dann
in der feierlichen Eede, endlich auch im Verkehre der Ge-
bildeten angewendet wurde. Je nach dem Dialekte, aus welchem
sie hervorgewachsen, war diese Prosa eine verschiedene. Aber
die Dialekte standen sich damals noch näher als heute, flössen
vieKach ineinander, tauschten mitunter ihre Eormen und Wörter
aus, so dass, als im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts die
toscanische Prosa Vorbild und Führer wurde, die Anpassung
an diese durchaus keine unvermittelte und gewaltsame schien.
Wo sind nun aber die Documente dieser ältesten Prosa zu
finden? Kleine Bruchstücke italienischer Prosa führt schon
Muratori aus lateinischen Urkunden des achten (seit 730) , des
neunten und des zehnten Jahrhunderts auf.
Die ältesten Urkunden sardischer und sicilianischer Prosa
stammen aus dem zwölften Jahrhundert, venetianische und
senesische aus dem Anfange des dreizehnten, an welche sich
etwas später pistojesische und florentinische anschliessen. Am
Ende des dreizehnten und im Anfange des vierzehnten folgen
Chroniken, Statuten, Privatmemoiren und selbst didaktische
Bücher in gereinigter Vulgärprosa. Allerdings ist die Anpassung
hier eine langsamere gewesen als im Gebiete der gebundenen
Bede, wo die mündliche Mittheilung eine raschere Angleichung
bewirkte. Das entscheidende Moment des Processes war die
— 13 —
lateinische Tradition, welche die Prosa von jeher beherrscht
hat ''), und das wachsende Uehergewicht der Toscaner.
Was Dante und Petrarca für die gebundene Rede geleistet,
das leistete Boccaccio in der Entwicklung der Prosa. Er
ist der erste moderne Schriftsteller Italiens und Europas. Tos-
caner, man darf wohl sagen Florentiner, war Boccaccio 1313, das
heisst neun Jahre nach Petrarca und acht Jahre vor Dante's
Tod, geboren. „Die Schule, sagt De Sanctis, bildete ihn weniger
als das Leben; denn er unterbrach seine Studien, um für das
Geschäft seines Vaters, wie wir heute sagen würden, den Com-
mis Voyageur zu machen". So wurde denn auch sein berühmtes
Buch vor Allem ein Bild der bunten zeitgenössischen Gesell-
schaft. Mit dreiundzwanzig Jahren lebt er als Herr am neapoli-
tanischen Hofe, und am siebenten April 1341 verliebt er sich
während einer Messe in die natürliche Tochter von König
Roberto, die er als sein Flämmchen (Fiammetta) gefeiert hat.
Eine Frucht seiner jugendlichen Dantebegeisterung ist seine
„Vita di Dante". Den grossen Dichter bewundert er, ohne ihn
zu verstehen; denn Dante's Geist wohnte nicht in ihm. Nicht
der Denker, sondern der mit classischem Wissen wohl versehene
Gelehrte spricht aus jenem Schriftchen. Der heidnische Genius
der Renaisance spukt hier schon, dictirt ihm eine charakteristische
Definition der Poesie in die Feder. Nur der moderne Mann
konnte sagen, dass Dichtung und Theologie im Grunde identisch
seien, dass letztere eine poetische Fiction der Gottesidee (una
poesia dTddio e poetica fizione) wäre. Auch die lateinischen
Schriften Boccaccio's dienen belletristischen Zwecken, indem
sie für die Bedürfnisse einer modernen Lesewelt berechnet sind.
Boccaccio hat die Novelle zur Kunstform erhoben. Er schreibt
für eine Welt, deren Ideal nicht mehr die asketische Tugend,
sondern die „Gentilezza", die feine Bildung ist. Tugend und
Laster liefern hier nicht mehr den Text zu einer Predigt, son-
^) üebersetznDgen ans dem Lat«inischen gehören zn den ältesten Prosa-
denkmälern und lateinische Einschiebsel finden sich selbst in Priyatbriefen und
Familienpapieren, Caix.
— 14 —
dem Stoff zu Abenteuern und Scherzen, und Zufall helsst der
Gott, der in diesem Mikrokosmos waltet. Der Gebildete aber
hat zwei Feinde, den Priester und den Pöbel. Beide werden
von Boccaccio dem Spotte seiner Leser ausgeliefert.
Wir leben also hier nicht mehr in einer naiven und rohen
Welt, nicht mehr im asketischen Dunstkreise des Scholastikers,
sondern in einer Welt der höfischen Convenienz, der Kunst und
des Genusses; und auch die Sprache sucht ihre Normen in
einer entsprechenden Region der classischen Vergangenheit.
Virgil und Livius, Ovid und Cicero werden Typen einer mecha-
nischen, mitunter knechtischen Nachahmung. Sie passten für
einen Schriftsteller, der viel Phantasie und wenig Herz , und
mehr Verstand als Vernunft besass. Wie Boccaccio die metrische
Periode, die Stanze, freilich mit ungenügendem Ohre, zu bilden
versuchte, so hat er auch den rhythmischen Tonfall der
oratorischen Prosa, diese mit grösserem Erfolge, zuerst
gesucht. Seine Perioden vergleicht De Sanctis mit dem ein-
förmigen Rauschen der Strandwellen. „War das ein Fortschritt,
war es ein Rückschritt? Was steckte hinter alledem ? — Jener
Gemeinplatz, den man später euphemistisch die litterarische
Form nennt".
Die Beschreibungen und Amplificationen, vor allem aber die
rhetorische Inversion sind ein zweites Danaergeschenk, das Boc-
caccio seiner Litteratur bot. Gedanke und Bild werden zur
Periode ausgeweitet, und die Stelle des prägnanten Wortes droht
die Phrase zu erobern. Boccaccio hasst die Pedanten, wie sie
Petronius gehasst hatte, aber sein Geschmack hat nicht immer taube
Ohren für die Verführungen eines geschickt maskirten Syllogis-
mus. So wird er gelegentlich zu einem neumodischen Scholiasten.
Der Ausdruck seiner Gefühle, und das ist bezeichnend für den
Rhetor, trägt in der Regel einen Panzer von Nebensätzen und
Conjunctionen. — Neben diesen von De Sanctis so trefflich ge-
zeichneten Schattenseiten des „Stilo boccaccevole" dürfen aber
dessen Lichtaeiten nicht verschwiegen werden. Wo Sinnlich-
keit und komische Motive ins Spiel kommen, concipirt er wie
Plautus, schreibt wie Petronius. Hier wird dann seine Stil-
- 15 —
mechanik zum lebendigen Organismus. Wie alle Gründer einer
litterarischen Form, fand Boccaccio einen Schweif von unglück-
lichen Nachahmern, die, wie das immer zu gehen pflegt, das
Räuspern und Spucken des Meisters mit peinlicher Gewissen-
haftigkeit copirten. Und die seit 1500 auftretenden Grammatiker
thaten das ihrige, Boccaccio als erste Autorität des Prosastiles
den kommenden Schulgeschlechtern feierlich aufzudrängen. So
ist denn die künstlich invertirte Redeform des grossen Meisters
auf Jahrhunderte hinaus ein wahres Landesunglück der ita-
lienischen Prosa geworden, und selbst der besonnene Gino
Gapponi muss sein Urtheil über Boccaccio in die Worte zu-
sammenfassen : „Boccaccio hat unsere Prosa auf schlimme Pfade
geleitet".?) Boccaccio hat in der That jene Entzweiung
zwischen der Litterärsprache und der Umgangs-
sprache eingeleitet, jene Spaltung, die bald zur unübersteig-
lichen Kluft sich erweitem sollte.
So hatte denn um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts
die Poesie in Petrarca einen glücklichen und sichern, die
Prosa in Boccaccio keinen ungefährlichen Führer gefunden,
^) Gino Capponi, N. Ant. XI, 665. GU scrittori (del trecento) non ebbero,
tanta fidncia di se stessi ne tanta snperbia. II che si dimostra in primo Inogo
dal disputare che si fece subito intorno aUa lingna, la qnale avendo taccia di
bassezza non era autoreyole bastantemente snlla nazione; era nn dialetto vennto
st qnando nna spinta maravigUosa fa data agU ingegni, ma senza corredo di
scienza bastante. Sentiano mancare aU' efScacia deUa lingna Tarte del dire: in
qneUa etä noi cercbiamo la potenza della parola e della fräse, ma non vi' troviamo
bastante eyidenza dei costrntti, e l'orditura dei periodi si dimostra per lo piii
timida o intralciata. N^ avrebbe il Boccaccio al nostro idioma fatto la yiolenza
ch'egli fece, se non abesse egli neUa prosa crednto trovarlo come giacente e da
cercare altrove i modi e le forme a dargli grandezza. — II Boccaccio avend^
trovato la lingiui giä bene adulta ma inesperta, la fece andare per mala via:
ü solo Petrarca piü degli ältri fortunato, lasciö dietro se lunga e prospera
discendenza.
Ebenda, pag. 680: Sentenzio il Bembo cbe l'antica lingna stava nel Boccaccio
di cni gU piaceyano le grandi cadenze, e tntti 1 chiarissimi d'Italia per bene tre
secoli dopo loi accettarono la sentenza, — denn : il Bembo era il solo antore di
cni s'inalzasse non contestata Vantoritä.
— 16 —
die Toscana eine bleibende Hegemonie der italienischen Sprache
erlangt. ®)
Wenden wir uns nun drittens zur Entwicklungsgeschichte
der Lingua parlata und ihrer Beziehungen zur Litterär-
sprache.
Wir haben bereits gesehen, wie sich Poesie und Prosa
parallel, wenn auch mit ungleicher Raschheit in Italien entfalteten.
Aus schon ganz italienisch klingenden Wörtern und Wendungen
der römischen Vulgärsprache, aus den modernen Einschiebseln
lateinischer Urkunden des achten und neunten Jahrhunderts
lässt sich schliessen, dass eine relative Einheit auch der ita-
lienischen Verkehrssprache vorhanden war, noch bevor ein
Reflex der Litterärsprache auf sie fallen konnte. Wie diese
^) Gino Capponi, N. Ant. pag. 674. In qnesto tempo era trovata la
stampa, dal che la parola ayeva aqnistato come nn nnovo organo a diffondersi.
— Qnando si cominciö a stampare qnei libri ch'erano piü cercati, ebbe il
Petrarca la prima edizione Tanno 1470, e la ebbe U Boccaccio nel tempo mede-
slmo, nel 1472 tre non delle maggiori cittä. d'Italia si onoravano pnbblicando
ciascuna 11 Foema di Dante che nsciva a Napoli poi nel 1473. D'altri toscani
antichi non ml pare che avesse edizioni in qnei primi anni altri che il Cavalca
sparsamente per Tltalia ma per tutte quasi le varie sne opere ; e oltre lui pochi
degli ascetici: stamparono questi perch^ erano i soll che avessero fama allora
in Italia. — Der erste italienische Dantecommentar von Cristoforo Landino
(1481) und desselben Plininsübersetznng (1476) verbreiteten nicht minder das
Toscanische in ganz Italien: „Qnesta (versione di Plinio) ed il Commento io
cr.ecLo non poco servissero agli scrittori tnttora inesperti che ebbero in qnei
libri nn esemplare di lingna vivente ma non toscana soverchiamente , perch6 il
Landino per antico abito disdegnava qnei modi di scrivere che a Ini sapessero
di plebeo. Nello stesso anno 1481 nsciva il Morgante di Luigi Pulci e insieme
1 tre libri non poco servirono a rendere meglio familiäre l'uso dello scrivere in
liugna comnne. Imperocchö 11 Pnlci che soUevava l'ottava riraa della pesantezza
del Boccaccio e delle bassezze degli altri, scrittore di vena copiosa e facile, ha
in so qnalcosa quanto alla lingna, dl meglio compito alla strnttnra del discorso,
di piü andante nei periodi, qnalcosa insomma di piü avanzato e piü universale
di qnello che fosse generalmente negli antori del trecento e che annnnzia maggiore
coltnra.
Ebenda pag. 677: Um 1500 beginnt man ausserhalb der Toscana nach tos-
canischen Mustern zu schreiben. L'istoria di Bernardlno Corio milanese che
finisce al primo entrar del cinque cento e Tistoria napolitana di Pandolfo
CoUenuccio da P^saro credo sieno i primi libri dove il toscano fosse cercato
da scrittori non toscani.
— 17 —
*
Einheit aus der Dialektverschiedenheit herauswuchs , lehren
uns Beispiele anderer Sprachen und das von den Sprach-
forschern aus jenen Analogien ahstrahirte Gesetz der vom'
Sprachinstincte des Volkes vollzogenen Wahl und Aus-
scheidung.
Jenes Eliminationsverfahren heruht aber auf einer Combi-
nation der individuellen und der collectiven Thätigkeit der Na-
tion, fällt weder ganz in das Grebiet der Natur, noch ganz in
dasjenige der Kunst. Das Princip jenes Wahlverfahrens ist
kein anderes als Behagen und MissboJiagen, Lust und Unlust.
Je nachdem ein Wort der Mehrheit gefällt oder missfällt, nimmt'
sie es an oder weist es zurück. Das Individuum hat gleich-
sam das Torschlagsrecht, aber der Entscheid ruht beim sou-
veränen Volke. In der litterarischen Welt wiederholt sich
derselbe Process, wenn auch mit bewussterer Initiative; aber
auch hier entscheidet in letzter Linie der Grenius der Nation;
denn nur diejenigen Schriftsteller, welche jenen Genius in sich
tragen und mit ihrer Eigenart am glüc^ichsten zu verbinden
wissen, erreichen die neidenswerthe Höhe des nationalen Classi-
kers.' Dante's packender Realismus, Tasso's melodische Lyrik
und Ariosto's heitere Objectivität wurzeln alle in einer Seite
des italienischen Geistes : sie bleiben deshalb mit allem Eechte
die Auserwählten ihres Volkes. Und .nicht anders verhält es
sich mit dem Principate des herrschenden Dialektes. Diese
Führerschaft wird demjenigen Dialekte zu Theil, der durch
Eeinheit, Klarheit, Anmuth und die Erzeugnisse seiner Litteratur
eine stillschweigende Majorität sich erobert hat.
Schon im dreizehnten Jahrhundert besass in Italien das
Toscanische jene Führerschaft. Um sich ein ungefähres
Bild seiner Lingua parlata in jener Zeit zu machen, muss man
der heutigen Sprache der toscanischen' Land- besonders seiner
Gebirgsbevölkerung und den sprachlichen Eigenthümlichkeiten
der ältesten toscanischen Volkslitteratur nachgehen. Diese Prü-
fung ist mit wissenschaftlichem Ernste erst in neuerer Zeit
von den italienischen Dialektforschern vorgenommen worden.
Es ergibt sich aus ihren Untersuchungen, dass noch zu Dante's
Breitingrer, Jtal. Littträraprache, 2
— 18 —
4
Zeit die drei toscanischen Gruppen: Pisa-Lucca, Arezzo-Siena
und Florenz-Pistoia einander ebenbürtig gegenüberstanden. Die
nördliche und die südliche flössen in die nördlichen und süd-
lichen Dialekte Italiens hinüber. Da seither die Dialekte sich
mehr und mehr localisirt und gegeneinander abgegrenzt haben,
überhaupt gegenüber der wachsenden Einheit der nationalen
Sprache den umgekehrten Weg zunehmender Verschiedenheit
einschlugen, so darf es nicht wundern, wenn wir heute Wörter,
die einst toscanische waren, nicht mehr in der Toscana selbst,
sondern theils in Nord- und theils in Süditalien treffen. Mit
dem Aufkommen einer Litteratur und einer gebildeten G-esell-
schaft in Florenz, mit dem wachsenden Relchthume und dem
politischen Uebergewichte jener Republik entwickelte sich auch
eine städtische Umgangssprache, die, wie überall, wo eine
Litteratur ersteht , von dieser viel empfieng , ohne ihr viel zu
geben, in ihrem Wesen mehr und mehr ein Reflex der Litter är-
sprache wurde. Auf diesem Umwege gelangte der municipale
florentiner Usus zu Geltung und Einfluss in der Umgangsprache
der Provinz und nachgerade auch Italiens. Er besiegte den-
jenigen des benachbarten Siena meist in solchen Fällen, wo
die florentiner Form dem classisch-lateinischen Typus entsprach,
doch zuweilen auch* mit Yerleugnung jenes Vorbildes („lungo"
statt des senesischen „longo"). Das classische Latein veranlasste
ferner die Einführung gelehrter Scheideformen, die sich durch
untoscanische oder unflorentinische Lautcombinationen kenn-
zeichnen und heute bald dem poetischen Stile angehören, bald
Begriffsunterscheidungen , bald Begriffswiederholungen consti-
tuiren. Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts gab es also
«
in Florenz bereits eine Lingua parlata der Gebildeten neben
derjenigen des Volkes und über Beiden eine italienische Litterär-
sprache, die sich mehr und mehr von der gesprochenen ent-
fernte.
In dieser Letztern nun beginnt schon frühe eine Spaltung,
je nachdem die Einen der Lingua parlata sich nähern, die
Andern zu derselben in bewussten und feindlichen Gegensatz
treten. Betrachten wir hier den Stammbaum der vulgären üb-
— 19 —
servanz. *®) Nach den schlichten, vielleicht künstlich volksmässi-
gen Mustern der „Eime antiche", nach den unsicheren Tastungen
der ältesten Chroniken, nach den absichtlich vulgär-realistisch ge-
haltenen Stellen der Divina Commedia, die später der Gemeinde
Bembo's ein Greuel vor dem Herren sind, treffen wir jene bei
alten toscanischen Volksdichtern. **) Dahin gehören Folgere
da San Gemignäno mit seinen Sonetten über die Wochentage
und die Monate („Poeti del primo secolo della lingua italiana");
einige gereimte Christus-Legenden, in welchen sich die zwei
Hauptbedürfnisse des Volkes, die sintiliche Eeligion und die
»0) Caix: ünificazione deUa Lingua. N. Ant. XXVII, 41. Ma di quali
scrittnre d serviremo noi, volendo scemere le yere proprietä della lingua parlata ?
Non certo degli scritti composti con intenti e criterii letterarii, dettati per lo
piii e spesso ricopiati e rassettati nella loro ortografia sotto l'influeuza di tradl-
zioni letterarie prevalenti, ma di quelli che per la natura loro e per lo scopo
a cui erano destinati furono senza alcun'arte dettati in quel favellare domestico
che allora correva, n6 mai vennero poi ritoccati n^ ricopiati, sicch6 mostrano
ancora nell' incerta ortografia espressa la mobile ed incerta pronnnzia. Tali
sono i registri, le carte notarili, le lettere d'affari, le cronache private, ec, che
con tntta diUgenza furono pubblicate in questi ultimi anni, e tra cui ricorderö
qui come piü importanti: 11 libro deUa Tavola di Riccomano Jacopi fiormtino
(Archivio stör, ital., ser. 3», XVIII) ; 11 libro degli ordinamenti della Compagnia
di Santa Maria del Carmine (Bologna, 1867); il Documento lucchese del 1280
publicato nel Propugnatore (1871, pag. 246); i Ricordi di una famiglia senese,
1233 — 1261 (Arch, st. it., App. 20); le Lettere volgari del secolo XIII scritte
da Senesi (Bologna 1871); i Ricordi di Miliadusso Baldicdone de' Casalberti
pisano (Arch, st. it., App. 25), a cui sono da aggiungere gli Statuti ed Ordina-
menti scritti tradotti pel popolo nello schietto yolgare corrente, come gli
Ordinamenti di giustizia del Comune di Firenze, gli Statuti senesi, i Bandi
liicchesi, gli Statuti delle Compagnie del popolo di Pisa; e yarie Cronache
municipali, come la Cronaca pisana di Ranieri Sardo (Arch. st. it., VI), ed i
Friigmenta historice pisance {Mural Script., XXIV), ec, od anche scritture di
altre materie, di cui ci sia rimasto il codice originario coUa sua primitiya orto-
grafia, quäle il Volgarizzamento dei Trattati morali di Albertano, pubblicato
dal Ciampi secondo un Codice del secolo XIII, o il Libro della Composizione
del mondo di Bistoro di Arezzo, di cui rimane nella Riccardiana un codice dello
stesso secolo, e piü altrl che io ebbi Topportunitä di esaminare.
Man yergl. noch das Schriftchen yon Giamb. Giuliani: „Dante ed il yiyente
linguaggio toscano*^, Florenz 1872.
^') Vgl. Fanfani: La poesia giocosa, yon Dante bis auf Guadagnoli, zwei
Artikel N. Ant. V, 1867. — Fanfani findet sogar bei Dante einen Beitrag zu
seiner allerdings sehr skizzenhaft gehaltenen Monographie.
2*
1
(
— 20 —
sinnliclie Liebe wunderlich begegnen; besonders aber Cecco
Angiolieri von Siena (geb. 1258), der humoristische Dichter
eines humoristischen Stadtvolkes. Alessandro d'Ancona hat in
einem vortrefflichen Artikel der Nuova Antologia (XXV, 1874)
die Monographie dieses Volkspoeten geschrieben und nebenbei
die humoristische Ader Siena's verfolgt. Wie die senesische
Malerei, sagt d'Ancona, so war auch die senesische Dichterei jo-
vialen Schlages (gioconda). — Eine ähnliche Arbeit hat Pornaciari
(N. Ant. XXXI, 1876) dem florentinischen Glockengiesser und
Stadttrompeter Pucci gewidmet, dem Freunde Sacchetti's, dem
Vorläufer Berni's, dem Begründer des burlesken Florentiner-
stiles. Pucci's Todesjahr ist ungewiss, er nennt sich alt im
Jahre 1375. Er ist der Aristophanes des Florentinervolkes, sein
Ausdruck, besonders im Dialog, der urwüchsige Atticismus dieser
Kegion. Er beherrscht den Volkshumor, weil er ihn selber
theilt, joviale Sinnlichkeit ist der Kern seines Wesens. Pucci
hat volksthümliche Heiligen- und Ritterlegenden in Verse ge-
bracht, und, allerdings mit wenig Glück, die Chronik Giovanni
Villani's in Terzinen umgesetzt. Am natürlichsten bewegt er
sich im „Sonetto caudato" und im „Capitolo", deren zwanglose
Form ad infinitum sich fortspinnen lässt. Pucci^s Genre nennen
die Italiener „borghese", es entspricht dem „Urbanismus" eines
Plautus und CatuUus, dem Atticismus eines Aristophanes. Das
Leben und die Anschauungen des Volkes, sein satirischer Humor,
sein materialistisches Dichten und Trachten, seine sinnreiche
Bosheit, seine Schlauheit, komisch lauernd unter der Maske
gutmüthiger, acht florentinischer Nonchalance und Trägheit,
sinnliche Bilder und sinnliche Neigungen, alles das wird in
Pucci's fliessender, mitunter breiter Sprache poetisch verwerthet.
Gelegentliche Eohheiten sind erträglich oder missfallen weniger
als anderswo, weil sie naiv vorgetragen werden. Pucci ist der
Finder des epischen Stiles, seine naive Epik wird einst der
geniale Ariosto zur höchsten Vollendung führen. Aber clie lange
Kette, welche diese Pole verbindet, setzt sich aus Elementen von
sehr verschiedenem Werthe zusammen. Pucci's unmittelbare
Nachfolger sind roh zugleich und langweilig. Der florentiner
— 21 —
Barbier: Domenico Burchiello kleidet die Pointe von Boccac-
cio's Novellen in mystisches Kauderwelsch und schlägt sie damit
gründlich todt. Andere holen ihrö StoflFe im karolingischen Sagen-
kreise. Luigi Pulci, der Freund und Schützling der Medici,
karrikirt in volksthümlicher Sprache, in seinen Riesen Morgante
und Margutte, die Wunderlichkeiten seiner Mitbürger, während
ein ferraresischer Hofmann, Bojardo, das Epos zu einem ernsten
Kunstproduct zu machen sucht. Der unvergleichliche Ariosto
endlich versöhnt beide Richtungen in seinem Orlando, dessen plan-
los scheinende Manigfaltigkeit entfernt noch an den volksthüm-
lichen Ursprung des epischen Gedichtes erinnert; Tasso endlich
begründet das gelehrte Kunstepos und entzieht dessen Sprache
vollends den Regionen des Volkslebens, bis Grossi und Sestini
diese mit einigem Glücke wieder aufsuchen. Die alten Legenden
aber werden heute noch für die toscanischen Bauern von armen
Teufeln versificirt und auf dem Markte verkauft.
Ganz in Pucci's Geiste sind die Novellen seines Preundes
>
Sacchetti (1 330 — 1400) geschrieben. ^ In stilistischer Be-
ziehung sind dieselben ein glückliches Gegenstück Boccaccio's,
indem sie fast (ich denke hier an seine mitunter geschraubten
Einleitungen) ohne alle rhetorische Pretention, das bürgerliche
E^einleben der Republik in Volksthümlicher, aber nicht in
plebejischer Sprache, mit satirischem Humore, mit achtem Er-
zählertalent und einer gewissen Virtuosität in der Zeichnung des
Hässlichen uns vorführen. Sacchetti war ein gebildeter Patricier
der florentinischen Republik, obendrein ein Stück von einem
Staatsmann ; er schreibt für ein Publicum , das den wachsenden
Einfluss der untersten Classen (der Ciompi- Aufruhr fällt ins Jahr
1378) und das Abhandenkommen des guten alten Tones nicht
ohne heimlichen Grimm betrachtete und durch indirecte Ver-
höhnung des Gegners seines Aergers froh zu werden bemüht war.
Sacchetti's Buch bezeichnet einen Wendepunct in der tos-
canischen Litteratur, insofern es das erste und zugleich das beste
Muster der sogenannten Gassenprosa (prosa plateale) ist. Der
Riss zwischen der gelehrten und der naiven Prosa wurde unter
dem Drucke der florentinischen Plebejerherrschaft immer grösser
— 22 —
und der schroffe Gegensatz zwischen scholastischer Barbarei
und naiver Eohheit für die Interessen der Kunst nachgerade
bedenklich. Doch hat auch die volksthümliche Reihe einige
bleibende, in ihrer Art classische Werke erzeugt. Mit einem
Meisterstücke hatte sie begonnen, brachte sodann 1482 Pulci's
urwüchsiges Epos hervor, und schloss fast ein Jahrhundert
später mit der originellen Autobiographie Benvenuto Cellini's
(1500 — 1570), einem Buche, das zum Theil in der Werkstatt
und während der Arbeit dictirt, grammatisch nicht eben correct,
aber frisch, klar und acht florentinisch geschrieben ist. Er-
wähnen wir beiläufig auch die 1877 bei Sansoni erschienene
Familiencorrespondenz von Alessandra Macinghi (XV. Jhd.),
herausgegeben von Cesare Gruasti, als ein lebendiges Muster der
damaligen Alltagssprache (vergl. Ant. XXXVI, 1878,. Art.:
d'Ancona).
Die herj'liche Entfaltung der Benaissance schenkte den
Italienern den Gedankenreichthum, die Kunstideale, den classi-
schen Geschmack und das fröhliche Heidenthum der alt^n
Griechen und Römer. Es erstand eine Generation raffinirter
Epikuräer der Phantasie und des Geschmackes, welche für alles
offeneren Sinn besassen, als für die naive Unmittelbarkeit der
Volkssprache und ihrer Litteratur. Was war da natürlicher
als der Versuch, die Litterärsprache nach dem classischen B-e-
cepte zu veredeln? Hatten doch Petrarca für die Sprache der
lyrischen Poesie, Boccaccio für diejenige der Prosa in diesem
Sinne bereits gearbeitet. Angelo Polmano von Montepulciano
(gest. 1494) schuf die melodische Octave, die Boccaccio ver-
geblich gesucht und die Tasso hundert Jahre später zur vollen-
deten Musik gestalten sollte. Daher denn die Italiener den
giyssen Humanisten als den „Restaurator der pathetischen
Poesie" bezeichnen. Sein Zeitgenosse, der Neapolitaner Jacopo
Sannazzaro, leistet Aehnliches in der poetischen Prosa, durch
eine geschmackvolle Fortbildung von Boccaccio's rhetorischer
Manier. Ein Heer von Rhetoren folgte, welche dem trostlosen
„Seicento", dem Jesuiten- und Schäferjahrhundert, eine decla-
— 23 —
matorische Prosa und eine „gelehrte" Poesie überlieferten, der
bald weder Saft noch Kraft, weder Gedanke noch Empfindung blieb.
Zwei grosse Dichter erzeugte die Renaissance, Ariosto,
in welchem Kunst und Natur in schönster Harmonie zusammen-
fliessen und vereint das Höchste leisten; Ariosto, dessen im
Jahre 1516 auftauchender Orlando zum ersten Male die Summe
modernen Cultur in die goldene Schale der Dichtung fasst;
und Tasso, der leidenschaftlich subjective Lyriker nach dem
objectiven Epiker, der Schöpfer des musikalischen Rythmus,
als Mensch und Dichter der unglückliche Typus einer zerrissenen
Zeit, jenes Ueberganges aus der heiteren Sinnlichkeit der Re-
naissance zur grübelnden Heuchelei des Jesuitenthums, aus dem
genialen Weten einer grossen Zeit in die philiströse G-eschäftig-
keit der Kunstpedanten.
Durch die Veredlungsversuche der classicirenden Schrift-
steller windet sich die populäre Litteratur wie der dünne Fa-
den eines wasserarmen Bächleins. Den Florentiner B e r n i
(1536), der Bojardo's Orlando ins Komisch-Satirische umdichtet,
gelegentlich die Petrarchisten persiflirt und sich nebenbei im
„ländlichen" Drama versucht, verweisen wir besser in das Gebiet
der Kunstdichtung. Dagegen seien die Komödien Macchivelli's
und ein wunderlicher Pamphletist des XVI. Jahrhunderts, der
Flctrentiner. Doni, erwähnt, der unter anderm die Abend-
gespräche des Florentiner Volkes auf den Marmorstufen der
Kirche S. Maria del Fiore in Prosadialogen (betitelt: I Marmi)
niederschrieb. Auch der famose Pietro Aretino (gest. in Venedig
1557, s. Artikel De Sanctis, N. Ant. XV) muss hieher gerechnet
werden.
So wenig die classicirenj^e Schule der Lingua parlata und
ihren litterarischen Pretentionen hold sein mochte. Schlimmeres
drohte der letzteren von Seite der neuerstandenen Zunft der
Grammatiker und Latinisten, von denen Mehrere alles Ernstes
die Vulgärsprache durch die Lateinische geradezu ersetzen wollten.
Der Traum vom römischen Kaiser war dahin, es folgte ein
anderer: der* der römischen Reichssprache. Man musste sich indess
mit der Latinisirung der Vulgärsprache begnügen. Die ersten
— 24 —
•
Vertreter der italienischen Grammatik sind Fortunio (1516)
nnd Libumio (1521), aber der Latinist Bembo ward auch
hier tonangebende Autorität.
Cardinal Bembo, den einer seiner Bewunderer alles
Ernstes „Simia Ciceronis" nennt, stammte aus Venedig. Sein
langes Leben umfasst die ganze litterarische Entwicklung der
ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. Am Hofe von Urbino
hatte der galante junge Abbe mit Castighone über das Wesen
der Liebe disputirt, in Ferrara die schöne Lucrezia Borgia an-
gesungen, die erste Geige am Hofe Leo's X. gespielt, mit Ruhm
und Ehre gesättigt, sich 1521 nach Fadua zurückgezogen, wo
sein Palast eine Academie, seine Bibliothek ein Museum be-
herbergte. Er starb 1539, als das Orakel der italienischen
Litteratur und ihrer Träger. **)
Bembo gab 1525 unter dem Titel y,Pros€ di M. Pietro Bembo,
nelle quali si ragiona deüa volgar Lingua" einen dialogisirten
Tractat nach ciceronianischem Muster (s. Vorrede von Varchi's
florentiner Ausgabe v. 1548 : „stimar si puo quanto questo suo
volume al Ciceroniano „Oratore" sia prossimano") über die
italienische Sprache heraus, den ich hier wie oben Dante's
Theorie von der Vulgärsprache, soweit es mein Thema erheischt,
den leitenden Gedanken nach resumire.
Das erste Buch führt den Titel: „Di M. Pietro Bembo
a Monsignor M. GiuUo Cardinale de^ Medici deüa volgar Lingua
Libro primo".
Wir haben, so heisst es im Eingange, viele vulgäre Schrift-
steller, aber eine genügende Theorie der Vulgärsprache ist
bisher noch nicht geschrieben worden (Non si vede ancora chi
delle leggi e regele dello scriver habbia scritto bastevolmente).
Und doch ist eine Theorie Bedürfniss; denn Schreiben ist nichts
Anderes als kunstgerechtes Sprechen (E pure e ci6 cosa a oui
dovrebbono i dotti uomini sopra noi stati haver inteso , concio
sia cosa ch' altro non ^ lo scrivere che parlare pensatamente. Bembo^s
") VgL den treflflichen Aufsatz Fornaciari's über Guidiccioni (N. Ant. XXIII,
1873), der mit einer licbtvoUen Grnppining der Schriftsteller des sechszehnten
Jahrhunderte beginnt.
— 25 —
neuester und bedeutendster Gegner, Manzoni, hat also sein „par-
lare pensato" nicht selbst erfunden, sondern einfach seinem
Feinde abgenommen).
Das fingirte Gespräch findet um's Jahr 1502 zwischen
Giuliano dei Medici, dem dritten Sohne Lorenzens, Tederigo
Fregoso, welchen Papst Julius II. „wenige Jahre nachher" zum
Erzbisohofe von Salerno machte, Hercole Strozza von Ferrara
und „M. Carlo, mio fratello in Vinegia" statt. Dieser habe es
dem Autor in Padua erzählt und Letzterer zu Nutz und Frommen
eines wissbegierigen Publicums aufgezeichnet.
Carlo Bembo beginnt damit die Süssigkeit der italieni-
schen Vulgärsprache zu loben und sagt sodann, das classische
Latein sei den heutigen Italienern so fremd, wie den Römern
einst das Griechische gewesen. Der einseitige Latinist Her-
cole Strozza erwiedert ihm: Aber die Eömer stellten das
Griechische als die edlere Sprache über ihre eigene. Ebenso
ist bei uns das Lateinische über das Italienische zu stellen.
Uebrigens habe ich behaupten hören, unsere Vulgärsprache
sei schon bei den Römern vom Volke gesprochen und von ihren
Litteraten verachtet worden. Was sollte man nun von uns
halten, wenn jene verachtete Vulgärsprache bei uns zur Litterär-
sprache erhoben würde? — Giuliano: Die Würde entscheidet
nicht, sondern das nationale Interesse. Man beginnt in der
eigenen Sprache zu schreiben, sobald sich diese hiezu eignet.
Auch wir haben übrigens bereits unsere Classiker: Dante,
Petrarca und Boccaccio. Es wäre pietätlos, diese verachten zu
wollen. Dass unsere Vulgärsprache den Römern bekannt ge-
wesen sei, ist ganz aus der Luft gegriffen. Weder auf Inschriften
noch in Büchern zeigt sich eine Spur von ihrem Dasein unter
den alten Römern. Die Römer kannten nur das Griechische
und das Lateinische ihrer Classiker. — Nachdem Federigo
die beiläufige Bemerkung gemacht, dass man ja nur des Lateini-
schen wegen das Griechische erlerne, wirft Hercole die Frage
auf: Wie entstand denn das Italienische? Federig]o meint,
aus einer Mischung des Lateinischen mit der rohen Sprache der
eingewanderten Barbaren. Das lateinische Element habe indesa
- 26 -
als das überwiegende und als die Sprache der Heimat gesiegt.
— Woher stammt die Sprache der italienischen Poesie? lautet
eine weitere Trage. — Antwort : Wir haben sie von den Pro-
vengalen überkommen ; das Sicilianische hat gar keine Rolle in
ihrer Bildung gespiett. — Federigo verbreitet sich nun über
die provengalischen Dichter, ^agt, er habe sie eifrig studirt
und fügt bei, dass über hundert provengalische Poeten heute
noch gelesen werden (Pu adunque la Provenzale favella estimata
e operata grandemente, si come tuttavia veder si pui, che piü
di cento suoi poeti ancora si leggono, e ho gli giä letto io, che
non ne ho altrettanti letti de' nostri). Sodann sucht er den
provenQalischen Einfluss im Wortschatz, in der Metrik und
Poetik des Italienischen nachzuweisen. Hercole, der einseitige
Humanist, durch diese Auseinandersetzungen gelangweilt, hängt
unterdess seinen eigenen Gedanken nach und greift nach einer
Pause in die allgemeine Unterhaltung mit der Bemerkung ein,
dass das Lateinische als die einzige allgemeine Sprache
auch den Italienern unentbehrlich sei. Dies gibt dem Gespräche
eine neue Wendung. Wo ist die nationale Norm der italieni-
schen Vulgärsprache zu finden? Calmeta (in seinem Buche: Della
volgar poesia) bezeichne den päpstlichen Hof als das mass-
gebende Centrum. Aber die Eömer besitzen keine Litteratur und
der römische Hof sei ein Babylon, wo je nach der Herkunft des
Papstes, bald spanisch, bald französisch, bald italienisch über-
wiege. Trifone Gabriele habe Calmeta's Theorie nach Gebühr
zurückgewiesen. Derselbe Trifone wird bei dieser Gelegenheit als
„intendentissimo delle volgari cose" bezeichnet. Giuliano, dem
diese Bemerkungen in den Mund gelegt worden, weist Calmeta's
Vorschlag mit dem grundsätzlichen Entscheide zurück, eine
Normalsprache sei nicht denkbar ohne Schriftsteller und Littera-
tur. (Non si puö dire che sia veramente lingua alcuna favella
che non ha scrittore). Der Toscaner weist nun nach, dass eben
deshalb den Toscanern der Vortritt gebühre. Er weist auf
das gewichtige Beispiel des Cardinais Bembo hin, der in seinen
Schriften das Toscanische dem Dialekte seiner venetianischen
Heimat vorgezogen habe. Das Toscanische sei die attische
— 27
Sprache Italiens. Carlo Bembo stellt hierauf die Vor-
züge der toscanischen Sprache zusammen. Sie sei melodisch,
correct und bilderreich. Die Venetianer dagegen, besitzen keine
Litterärsprache. Das Toscanische sei für die Prosa wie geschaffen
und habe in der That auch classische Muster derselben aufzu-
weisen. Es vermöge das Höchste wie das Niedrigste auszu-
drücken, sei mitunter sogar reicher als das classische
Latein. Wie wolle man beispielsweise das toscanische „va-
lore" lateinisch wiedergeben? Wer in ganz Italien gelesen
zu werden wünsche, der schreibe toscanisch. Man
kenne in diesemLande kaum eine andereProsa als
die toscanische. (Di prose non par e giä che ancor si veggano
oltra i Toscani molti scrittori). Dies sei übrigens erklärlich,
wenn man bedenke, dass ausserhalb der Toscana die
Prosa erst beginne. Die Toscaner haben eben von
Haus aus, was dieUebrigen erst wählen und lernen
müsssen. Aber freilich gerade in Folge dieser zugestandenen
Führerschaft verfallen die Toscaner häufig in die nachlässige
Alltagssprache. „Per la quäl cosa, sagt er zum Toscaner G-iu-
liano sich wendend, non ne cercate altramente gli scrittori, a
quello del popolaresco uso tenöndovi senza passar piü avanti, il
quäle nel vero non e mai cosi gentile, cosi vago come sono
le buone scritture. Ma gli altri, che toscani non sono, da buoni
libri la lingua apprendendo, l'apprendono vaga e gentile". Selbst
diejenigen Toscaner, die ihre classischen Autoren nicht vernach-
lässigen, haben in der gesprochenen Sprache ihrer Heimat einen
lauernden -Feind zu bekämpfen. „Quandö la penna pighate in
mano, per occulta forza della lunga usanza che nel parlare avete
fatta del popolo; molte di queUe voci e molte di quelle
maniere del dire vi si parano malgrado vostro dinanzi che
offendono e quasi macchiano le scritture, e queste tutte fuggire
e schifare non si possono il piü delle volte, il che non
avviene di coloro che lo scrivere nella lingua vostra dalle buone
composizioni vostre solamente e non altronde hanno appreso".
Griuliano versucht es, die Lingua parlata in ihren Rech-
ten zu schützen. Die italienische Sprache sei keine todte.
— 28 —
•
sondern eine lebende, also in steter Bewegung und veränder-
lich. Man schreibe nicht für die Vergangenheit und die Todten,
sondern für die Gegenwart und die Zeitgenossen. Wesshalb auf
todte Autoritäten zurückgreifen? Auch diese seien ia dem Gre-
setze der Wandelbarkeit unterthan. Dante habe anders ge-
schrieben als Guido, Boccaccio anders als Dante. Die Litter är-
sprache müsse den Veränderungen der Lingua parlcUa
folgen. In einer todten Sprache für die Mitwelt schreiben,
sei nicht anders, als seinen Kindern statt der italienischen
Muttersprache das Deutsche eintrichtern wollen.
Carlo Bembo versetzt: Dieses Eaisonnement ist falsch.
Sonst müsste man consequenterweise die Lingua parlata des
Tages als mustergültig hinstellen. Von jeher hat sich nun
aber die Litterärsprache vom Volke fern gehalten.
Ihre Würde muss gewahrt werden. Nur insofern diese in keiner
Weise verletzt wird, darf die Litterärsprache sich der volks-
thümlichen Alltagssprache nähern. Wer für aUe Zeiten muster-
gültig werden will, der kann von einer Eintagssprache keinen
Gebrauch machen. Boccaccio lässt allerdings das Volk auch
reden, aber er hat dafür gesorgt, dass sein Buch des höheren
Stiles nicht entbehre. Auch Cicero hat zum Volke geredet,
aber nicht in der Ausdruckweise des Volkes. Das Volk errieth
das Einzelne aus dem Zusammenhange der Bede (la catena
delle voci). Nicht dieMenge begründet den Ruf eines grossen
Autors, sondern die Auserwählten, die Gebildeten.
Die „Dotti" aber richten sich niemals nach dem Urtheile der
Masse, die sie verachten. Nicht das Alter macht den Classiker,
sondern die classische Entwicklungs-Periode einer Litterär-
sprache. Dante ist unser Ennius, Boccaccio unser Cicero tmd
Petrarca unser Virgil. Die lateinischen Autoren der Kaiserzeit
hätten besser gethan zu schreiben wie Virgil und Cicero. Wir
stehen heute sprachlich auf dem Niveau der römischen Kaiser-
zeit. Kehren wir wenigstens zurück zu den unvergänglichen
Mustern unserer Classiker. Für die Todten schreiben wir
deshalb noch keineswegs, denn für die Todten schreibt nur der,
welcher keine Leser oder nur ungebildete Lober findet.
— 29 —
Pederigo: Ich habe dem nichts beizufügen; denn: „aggiun-
gere non si pu6 sopra il vero".
G-iuliano. Auch ich kann mich mit dem zufrieden geben.
Denn ob man das alte oder das neue riorentinische lobe, das
Lob kommt immer meiner Heimat zu.
Hercole, der eingefleischte Latinist, bezeigt Lust, über
das Thema der Vulgärsprache noch Weiteres zu vernehmen,
von welcher er in der That bisher weder Notiz genommen noch
auch etwas gehört habe. Möglich, dass er einmal anderen
Sinnes würde und sich beifallen liesse; selbst italienisch zu
schreiben. Auf dem Heimwege wirft» er Carlo Bembo die Be-
merkung hin: Wie? Wenn Einer das alte und das neue Floren-
tinische zu einer modernen Litterärsprache combinirte?
Carlo Bembo versetzt: Könnte er etwas Besseres zu Wege
bringen, als die alte Sprache der florentinischen Classiker?
Kann eine Substanz überhaupt besser werden, wenn man ihr
eine schlechtere beimischt?
Das zweite Buch ist eine Stilistik der poetischen Sprache.
Die Wahl des poetischen Vorwurfes, sagt unser Autor, dürfe
unberührt bleiben, nur das Wie der Ausführung komme hier
in Betracht. Dieses zerfalle aber in zwei Haupttheile:
„Ogni maniera di scrivere comporsi di due parti, l-una delle
quali k Velettioney l'altra e la dispositione delle voci."
Bembo geht historisch vor. Er weist an Petrarca und an
Boccaccio nach, wie man schreiben müsse, an Dante aber, wie
man nicht schreiben dürfe. Dante ist ihm als Asketiker und
als unvollendeter Künstler ein heimlicher Greuel. „Hätte man
meinen Geschmack, sagt Bembo an einer Stelle, so wäre der
Streit, ob Dante oder Petrarca der Erste sei, bald zu Ende."
Auf die Erfindung und das Thema komme es nicht an, sondern
auf die Form und Ausführung. Auch der ärmste Gegenstand
könne durch die Art der Behandlung* geadelt werden. An einer
anderen Stelle wird Dante mit einem Aehrenfelde verglichen,
wo allerlei Unkraut unter dem Getreide wuchere. Dante habe
weniger Anhänger als Petrarca, aber immerhin noch viele.
Wodurch lassen sich diese bestimmen? Bembo meint, durch
— 30 —
die Grösse seines Vorwurfes (!) „Tratti della grandczza e varieta
del suggetto piü che da altro: nella quäl cosa essi s'ingannano".
Das dritte Buch, zwei und ein halbes Mal so lang als jedes
der beiden ersten, enthält grammatische Bemerkungen über
eine Reihe von Stellen aus den drei toscanischen Classikern,
nach den Redetheüen geordnet. Eine systematische G-rammatik
ist es also nicht. Erst Corticelli hat diese (1745) begründet.
Bembo's Standpunct ist, man sieht es, derselbe, den die
neuere Zeit mit der Formel „Vart pour tart*' bezeichnet. —
Für die italienische Litteratur sucht er eine dem Typus der
lateinischen Classik möglichst entsprechende Norm zu finden.
Dieselbe heisst Petrarca in der Poesie und Boccaccio in
der Prosa. Er geht von rein Htterären Gesichtspuncten aus,
die sich stolz und ängstlich zugleich gegen alle und jede Ein-
flüsse der zeitgenössischen Verkehrssprache absperren. So hat
Bembo's gewaltiger Einfluss auf Jahrhunderte hinaus das Pro-
gramm jener sogenannten Trecentisti festgestellt, welche
eine einseitige Verehrung ihrer Classiker mit unbedingter Ver-
achtung des „XJso vivente" verbanden und das stationäre imd
conservative Element im Rathe der Schriftstellerrepublik vor-
stellten. '
Es fehlte indess nicht an Widerstandsversuchen, wenn
nicht gegen die innere Berechtigung, so doch gegen die heraus-
fordernden Prätentionen des toscanischen Primates. Kegionale
Eifersüchteleien sowohl als das erstarkende Gefühl der ita-
lienischen Nationalität machten sich zunächst in dem schein-
bar müssigen Wortstreite über die Frage Luft, ob die
Landessprache die florentinische, die toscanische
oder die italienische heissen solle. Macchiavelli (?),
Salviati, Varchi und Bembo vertheidigten die erste dieser Be-
nennungen, Bargagli, Citadini und Bulgarini wollten sie die
senesische nennen, Claudio Tolomei die toscanische,
die Lombarden Castiglione, Trissino und Muzio: die ita-
lienische. Die letztere Ansicht wurde unvermuthet und
mächtig unterstützt durch das Auffinden eines ganz verscholle-
nen Buches , Dante's Tractat „De vulgari eloquio" , welchen
— 31 —
Trissino anno 1529, nicht im Urtexte, sondern in seiner Ueber-
setzung und unter fingirtem Namen herausgab. Kein Wunder,
wenn die Aechtheit des Buches, selbst nach der ersten Aus-
gabe des lateinischen Originales (v. Corbinelli, Paris 1577),
vieKach angezweifelt wurde. Natürlich begrüssten alle anti-
tosoanischen Prätentionen in Dante's Verurtheilung des florenti-
nischen Dialektes ein willkommenes Argument, im Gewährs-
manne selbst aber eine schwerwiegende Autorität. Trissino's
Publication wurde wie diejenige Bembo's zum Ausgangspuncte
einer Schule. Bembo hatte die toscanische Gemeinde der
Trecentisti gegründet, Trissino schuf jene nationale Secte,
welcher Gravinaim Anfange des achtzehnten, in diesem Jahr-
hundert der Dichter Monti und sein Schwiegersohn Perti-
cari angehören.
Mit dem Aufkommen der Grammatiker steht die Geburt
der berühmten Crusca in mittelbarem Zusammenhange. Die
florentinische Academie constituirte sich 1540 unter
dem Namen der „Umidi" („attendendo che cosa alcuna non
fussi procreata in questo mondo senza umiditä") und nahm erst
1582 den Namen „Dei Cruscani", nachher denjenigen der
Crusca an. Im Jahre 1612 erschien die erste Auflage ihres
Vocabolario. Dasselbe stützt sich ausschliesslich auf den-
jenigen Theil der italienischen Litteratur, welchen die Aca-
demiker als classische Texte (testi di hngua) aus dem gesammten
Schriftwesen der Nation herausgehoben hatten. Es schüesst also
ausdrücklich und von vorne herein den „Uso vivente" und die
„Lingua parlata" als Elemente oder als Grundlage des natio-
nalen Wörterbuches aus. *^)
*') Vgl. Blanc: „Italienische Sprache" b. Ersch u. Gruber: „Das
Wörterbnch der Academie, im engsten Municipalgeist angelegt, ist eigentlich nur
ein Idiotikon des Florentinismus. Fast nur SchriftsteUer des Trecento, und unter
diesen wieder nur Toscaner, werden darin als Testi di lingua angeführt und
von Späteren, auch den grössten Schriftstellern der Nation, sind nur wenige
Nichttoscaper auch in den folgenden Ausgaben dieser Ehre gewürdigt worden.
Daher fehlen darin eine Unzahl der edelsten Ausdrücke, deren auch selbst
Florentiner nicht entbehren können; dagegen sind alte, elende Uebersetzungen
— 32 —
So näherte man sich den schlimmen Tagen jener Periode,
deren Erbärmlichkeit die Bezeichnungen „Seicento" und „Sei-
centisti" heute wie einen Hohn erklingen lässt. Die Renaissance
hatte Kunst und Wissenschaft erst im Zusammenhange mit dem
Lehen, sodann, in den Tagen ihres zunehmenden Verfalles, ge-
trennt vom Leben angebaut. Ihre Laster: Zügellosigkeit und
Hochmuth, hatten sie um die Früchte ihrer Bildung betrogen,
und das Einbrechen der Fremden, der Untergang italienischer
Unabhängigkeit, entzog dem nationalen Leben vollends seinen
Inhalt. *^) Die Litteratur nun suchte jene wachsende Leere
durch das Raffinement ihrer Kunstformen zu verhüllen , sie
trennte die Kunst von der Natur, *zog sich in's Cabinet und
aus dem Trecento, Chroniken, Elosterreclinnagen etc. anf das Genaaeste aus-
gebeutet. Alle Verstümmelungen, welche die Unwissenheit und der Pöbelgebrauch
eingeführt, wie „Astorlomia'^ etc. und tausend Andere, sind gewissenhaft registnrt;
ja, was noch toller ist, offenbare Schreibfehler alter Manuscripte sind zu Wörtern
gestempelt worden, die ganze Fülle des schmutzigen Gergo oder liugua fnrbesca
(Rothweisch) , die Sprache der gemeinsten Lüderlichkeit ist in überreichlichem
Maasse aufgenommen, was keine andere europäische Academie sich erlaubt hat;
ja, was fast unbegreiflich, selbst solche Ausdrücke, deren die Crusca selbst sich
zur Erklärung anderer Wörter bedient, sind im Wörterbuche weggelassen worden
und die Nachlässigkeit der Ausführung entspricht vollkommen der Engherzigkeit
der Anlage. Diese Mängel wurden zwar schon von mehreren Zeitgenossen wie
Gigli (Sieua) und dem gelehrten Grafen Magalotti wahrgenommen und beklagt,
aber selbst die späteren Ausgaben haben keine wesentliche Abhilfe gebrachf^ etc.
Vgl. Cantü: Geschichte der ital. Litt. pag. 707: „Die Crusca geniesse
keine Autorität in Italien", üebrigens datirt auch djüe Autorität der fran-
zösischen Academie erst aus dem Anfange unseres Jahrhunderts. Vgl. Didot's
Observations sur l'orthographe (Paris 1866), im Auszuge in meiner Schrift
über das Studium des Französischen, — und Cantu, ital. Litt., Anmerkung
pag. 179: II Magalotti (gest. 1712) Fiorentino e Academico riconobbe colpa
principale del dizionario il yolersi appoggiare all' autoritä, dei classici: „II
vocabolario della Crusca ha questo di particolare sopra quelli di Francia, di
Spagna, d'Inghilterra , che laddoye essi sono una sicura guida nelle rispettive
lingue, 11 nostro c'inganna addirittura delle dieci yolte le Otto, e ci6 perchö noi
non siamo ancora tanto corraggiosi d'approvar per buono, come gli altri popoli
fanno, quello che di mano in mano si parla, e non altro."'
1*) Mit 1530 beginnt der Verfall der nationalen Blüthe. Gino Capponi
N. Ant. XI, pag. 678: Dopo le guerre e depo i primi trent* anni del cinque
cento erano i tempi ed il pensare ed il sentire di questa nazione tanto mntati
da mostrar il vuoto che era sotto a quella civilti splendida ma incompiuta. Da
— 33 —
die Cotterie zurück, wurde gespreizt und geziert mit den
Marinisten, pedantisch unter der Feder des Gelehrten, zur
Stilheuchlerin in der rhetorischen Schule Bärtoli's und anderer
Jesuiten. Schliesslich tauchten die süsslichen Arcadier und die
unverständigen Nachahmer der Franzosen auf.
Indessen die Corruption war weder eine vollständige, noch
eine allgemeine; kdne vollständige, da die Prosa eben
so viel, vielleicht noch mehr gewann als sie verlor. Der
Florentiner Galilei kleidete grosse Gedanken- in einen grossen
Stil und wurde Vater einer neuen und gesunden Stilschule.
Der Jesuit Segneri hielt wenigstens die Mitte zwischen dieser
und der jesuitischen Rhetorik. Auch die Poesie erzeugte eine
neue Gattung, die pindarische Lyrik (Chiabrera). Jene Ver-
derbniss war aber auch keine allgemeine, da wenigstens
die Toscaner mehr oder weniger von ihr sich frei zu halten
wussten (s. R. Fornaciari, Disegno 117 — 119).
Begreiflicher Weise sind die Vertreter der Lingua parlata
in dieser Zeit nicht zahlreich. Der jüngere Buonarotti sucht
in zwei langen metrischen Comödien den Sprichwörterreichthum
der florentinischen Volkssprache zu sammeln und so seiner
Crusca auf dem Umwege eines „Textes" zum Sprachschatze
des Volkes zu verhelfen. Der florentinische Satiriker Men-
zini, welchen Giusti der plebeischen Rohheit bezüchtigt, leistet
in seiner schlichten Art unendlich mehr als der neapolitanische
Rhetor Salvator Rosa. Zwei Senesen pflegen die heimat-
liche humoristische Ader in der Comödie: es sind Gigli und
Nelli. Sie begründen ein neues Lustspiel, welches im acht-
zehnten Jahrhundert der Florentiner Fagiuoli und der Vene-
tianer Goldoni anzubauen bestimmt sind.
Das achtzehnte Jahrhundert bahnte eine Rückkehr zum
quelli anni in poi calaya ü nostro valore specifico e il nostro Uvello venne a
discenidere ogni glorno.
Vgl, auch Fornaciari N. Ant. XXIII, 513, im Artikel Guidiccioni. Das
XVI. Jahrhundert vereinige die antike und die moderne Corruption : Materialitä
pagana, violenza tedesca, mollezza francese, scaltrezza ed impudenza italiana.
Es sei colto und gentile, aber guasto nei costumi.
Breitinirer, Ital, LiU9r&rapi-aehe. 3
— 34 —
Leben und zur Natur an. Seit 1700 bemerkt man auch
in der italienischen Litteratur die Neigung zum volksthüm-
lichen, heimatlichen Ausdruck. — Zwei denkende Kritiker,
G-ravina") und Muratori, fördern diese Eichtung durch
^^) lieber Grawna hat Casetti (XXY. N. Ant.) drei lehrreiche Artikel ge-
schrieben. Wie sinnig ist folgendes Gedicht Grayina's über den Gang der ita-
lienischen Poesie:
Petrarca primnm temperavit Italam
Lyram, sed nsns artibns scholasticis
Qnas iUins ferebat aetas sqnallida;
Post cnltiores prodiere literae
Sacri Leonis a favore provido,
Qni yersiones provocans Grainm novas
Exsnscitayit et Latinas Gratias.
Has anteire cum stnderet Ciampolus
Musarum adnlter et Marinus impndens,
Et qnot Petrarcam nominarnnt aridum,
Inane mnrmnr, spumeosque tnrbines
Stulti dedere, et dum cavent commnniai
Fernntnr imprndenter et contraria.
Qua peste mnlti saniores territi,
Stylo PetrarcsB mnninntnr sobrio;
At cum poetsB verba misso spiritn
Tezant, neqne ultra quam Petrarca prodeant,
Per cantilenas, perque eorum neenias
Tox yana sensu destituta circuit
Casetti gibt auch ein amüsantes Stilmuster arcadischer Schäferpoesie:
«
Ahimä, Arcadil Kon vi ha nuUa dl piü stomachevole 'd'un certo sogno dello Zappi:
Sognai sul far dell' alba, e mi parea
Ch'io era trasformato in cagnoletto.
Sognai che al coUo un vago laccio ayea,
E una Striscia di neye in mezzo al petto.
Era in un praticello, oye sedea
Clori di Ninfe in un bei coro eletto;
lo d'eUa, eUa di me prendeam dUetto ;
Dicea: corri Lesbino, ed io correa.
Seguia: doye lasciasti, oye sen gio,
Tirsi mio, Tirsi tuo; che fa, che fai?
Io gia latrando e yolea dir: son io.
M'accolse in grembo, in due piedi m^alzai,
Inchino il sno beMabbro al labbro mio;
Quando yolea baciarmi io mi syegliai.
(AUo Zappi corrispondeya il nome di Tirsi Leucatio),
\
— 35 —
die Schöpfung der italienischen Poetik, durch die Aufstellung
leitender Grundsätze im Gebiete der litterarischen Composition.
Man bekam wieder Lust am Kräftigen und " Schwungvollen. •
Frugoni suchte diese Dinge allerdings am unrechten Orte:
im Bombaste; sein „Frugonismo" erzog indess auch tüchtige
Schüler, regte selbst einen Alfieri und einen Monti an, genoss
so grosses Ansehen, dass der mantuanische Jesuit Bettinelli
keck behaupten konnte, dem grossen Frugoni müssten Dante,
Petrarca und Tasso den Platz räumen. Dieser falschen Rich-
tung trat der an den Alten, besonders an den Griechen so fein
gebildete Venetianer Gaspero Gozzi mit Erfolg entgegen,
reinigte die Prosa, stellte die Poesie in ihrem Wesen als eine
Nachahmung der Natur dar , züchtigte . mit attischem Witze
Bettinelli für seine Dantesünden. — Aber auch die butterweichen
Arcaxiier fanden ihren unbarmherzigen Geissler in dem Pie-
montesen Baretti (gest. in London 1789), dessen „Frusta
letteraria" (Venedig und Ancona 1763 — 65) die weibische Litte-
ratur der Zeit erbarmungslos verhöhnt.
Ein mächtiger Gegner der unverfälschten Sprache hatte
unterdessen Fuss gefasst in der italienischen Litteratur: der
französische Einfluss "). Seine Anfänge zeigen sich
bereits bei zwei Florentinern des siebzehnten Jahrhunderts:
Salvini ( — 1729) und Magalotti ( — 1712), sie wuchsen
im Laufe des folgenden Jahrhunderts unter dem Drucke der
französischen Cultur so rasch und so gewaltig , dass der gute
Abb6 Denina ( — 1813) alles Ernstes den Vorschlag machte,
das Italienische wenigstens in der Prosa fallen zu lassen und
diese fortan französisch zu schreiben (N. Ant. XXVII, 211);
und der Paduaner Cesarotti, welcher als Uebersetzer Ossians
seine Landsleute zuerst mit dem Geiste der nordischen Litte-
*•) Blanc („italienisclie Sprache" b. Erscli u. Gruber) sagt yon der Prosa
der ersten Hälfte des XYIII. Jabrlmnderts , sie sei oft nichts anderes als fran-
zösische Prosa mit italienischen Endungen. Algarotti, Cesarotti und BettinelU
seien die Hauptvertreter der französirenden Prosa, ihnen stehe der puristische
Gaspare Gozzi gegenüber, während Carlo Gozzi, Goldoni und Baretti die Mitte
halten.
8*
— 36 —
raturen bekannt gemacht,- erhob sich (1785) in seinen „Saggi
fulla ßlotoßa delle Lingm applicaia alla iingua italiana" nicht nur
.gegen die pedantische Dictatur der Crusca, sondern er wagte
auch die Einführung von Neologismen, besonders Gallicismen
zu vertheidigen.
Wir wollen aach diesem Buche eine analysitende Episode
widmen.
Melchior Cesarotti (geb. in Padua 1730, gest. 1808)
erscheint in jenem Buche als ein kritischer, in der französischen
Ideenschule des XVIII. Jahrhunderts zu sprachphilosophischen
Anschauungen durchgedrungener Geist. Sein Buch machte leb-
haftes Aufsehen, fand viele Freunde; anderseits in den con-
servativen Empirikern der puristischen Bichtung, wie au er-
warten stand, erbitterte Gegner, Von dem Piemontesen, Grafen
Galeani-Napione , wurde Cesarotti in der Schrift: „Dell' uso e
dei pregi della Iingua italiana" (1791) einer systematischen
Verderbung der Sprache durch den Gallicismus
angeklagt; und dieser Vorwurf ist ihm denn auch trotz einer
siegreichen Rechtfertigung („Bischiaramenti apologetici" und
„Lettera al conte Napione") auf die Autorität der Puristen hin
bis heute geblieben. Aber Cesarotti verlangte im Grunde nichts
Anderes, als was jede Sprache zu jeder Zeit sich erlaubt hat,
die Berechtigung unvermeidlich gewordener Neologismen und
Beschränkung des Purismus auf ein vernünftiges Walten i
Vernunft und Einsicht waren überhaupt auf seiner Seite,
nicht auf der seiner Gegner. Mit bündiger Klarheit setzt er
das Wesen der Sprachentwicklung auseinander, weist er die
Bornirtheit einseitiger Puristen nach, betrachtet er die Er-
scheinungen in ihrem Zusammenhange und misst sie nach all-
gemeinen Gesichtspuncten. An Einsicht und an TTebersicht ist
Cesarotti seinen Gegnern durchaus überlegen: ein heller, ge-
scheiter Kopf mit einer Dialektik, deren style coup^ mitunter
an Lessing anklingt und die Lectüre seines Buches zu einem
Vergnügen macht.
Er beginnt mit dem Portrait des italienischen Puristen.
„Diese Herren theilen die Sprachen ein in edle und gemeine ;
— 37 —
jene, so meinen sie, seien ihrer Natur nach aristokratische
Gebilde, diese ein für allemal schlecht und roh; einen zur
Herrschaft gelangten Dialekt halten sie für die Sprache der
Nation und bestreiten den übrigen Dialekten jeden Einfluss
auf dieselbe ; sie leugnen das Dasein internationaler Strömungen,
erblicken in der unverfälschten Reinheit ihrer Sprache deren
wesentliche Bedingung und höchste Vortrefflichkeit, mithin in
iedem Fremdworte ein Attentat auf deren Keuschheit; was recht
alt, das heisst ihnen classisch, was seither entstanden: ver-
dorben imd verkommen; denn ein Fortschritt der Sprache ist
heute nicht mehr möglich, das Wörterbuch der classischen
Periode muss für alle Zukunft reichen; keine neue Idee, kein
neuer Begriff hat ein Anrecht a;uf ein neues Wort. Von der
inneren Schönheit eines Wortes, einer Wendung haben sie
keine Ahnung: ihren Werth und ÜQwerth entscheidet nur die
Frage, ob gewisse canonische Autoren dieselbe kennen oder
nicht. Schliesslich glauben sie an die Unfehlbarkeit gewisser
Grammatiker und proclamiren den Grundsatz: Che Tuso, Tesem-
pio e Tautoritä dei grammatici sono i legislatori inappellabili
in fatto di lingua."
Betrachtet man nun aber den Entwicklungsgang der"
Sprachen im Lichte philosophischer Speculation, so werden sich
folgende Sätze ergeben:
1) Keine Sprache ist von Natur raffinirt oder roh, an sich
besser, an sich schlechter als eine andere. — 2) Keine Sprache
kann eine reine genannt werden. — 3) Keine Sprache ist das
Werk eines individuellen Planes, alle Sprachen sind vielmehr
das Werk des Sprachtriebes und zufälliger Einflüsse. — 4) Die
Autorität hat keine Macht über die Sprache, wohl aber das
Wahl- und Ausscheidungsverfahren det Mehr-
heit:
„Niuna lingua fu mai formata per privata o pubblica
autoritä, ma per libero e non espresso consenso del maggior
numero. Quindi niuna autoritä d'un individuo o d'un corpo pu6
mai nemmeno in progresso arrestare o circosorivere la liberti
della nazione in fatto di lingua ; quindi la nazione stessa, ossia
- 38 -
il maggior numero dei parlanti, avrä sempre la facoltäi di
modificare, accrescere e configurar la lingua a suo seimo, senza
che possa mai dirsi esser questa una lingua diversa, finolie non
giunge a perdere la suä struttura caratteristica. — E siccome
nella lingua parlata il maggior numero dei parlanti fe quello
che autorizza un vocabolo, cosi nella scritta una voce o una
fräse nuova non pu6 essere condannata ä priori sulle leggi
arbitrarie dei grammatici, ma suir accoglienza che vien fatta
ad esse in capo a qualche tempo dal maggior numero degH
scrittori, intendendo sempre quelli che hanno orecchio, senti-
mento e giudizio proprio, non di quelli che sono inceppati dalle
prevenzioni d'una illegitima autoritä." — 5) Keine Sprache ist
vollkommen, wie überhaupt keine menschliche Einrichtung voll-
kommen genannt werden kann: „I pregi delle lingue si esclu-
dono reciprocamente. Una collezione di termini propri e distinti
per ogni idea affogherebbe la memoria, e toglierebbe alla lingua
la vivacitä : il sistema dei traslati e delle derivazioni genera
confusioni ed equivoci. La costruzione logica degl' Italiani e
Francesi rende la lingua piü precisa e meno aniniata; le
inversioni dei Latini interessano il sentimento, ma turbano
Tintelligenza". — 6) Keine Sprache ist reich genug. Zu jeder
Zeit bedarf sie neuer Schätze: „Allora solo la lingua poträ
cessar d'arrichirsi , quando lo spirito non avrä piü nuUa da
scoprire, ne da riflettere". — 7) Keine Sprache ist unwandelbar.
Die Ursachen ihrer Veränderlichkeit sind unvermeidlich und
nothwei^iiig. Die Sprache verändert sich aber in zwiefacher
Weise : durch das Volk und durch die Schriftsteller. —
8) Keine Sprache wird von der ganzen Nation gleichförmig
gesprochen.
Hieraruf wird von Cesarotti die Frage untersucht, ob die
Herrschaft eines Dialektes ein Vortheil oder ein Nachtheil sei ;
sodann das Verhältniss der „Lingua parlata" zur Litterärsprache
und die Licht- und Schattenseiten Beider. Er zieht hierauf die
Consequenzen : 1) die Litterärsprache steht über der „Lingua
parlata" und deren Usus ; 2) sie ist weder der Autorität früherer
Schriftsteller, noch derjenigen der Grammatiker unterworfen.
— 39 —
Grleichwohl hat sie 1) den Usus, 2) die Classiker und 3) die
Grrammatiker zu berücksichtigen:
„Conchiuderemo che la lingua scritta deve aver per base
Tuso, per consiglier Tesempio, e per direttrice la ragione".
Der zweite Theil des ideenreichen Buches handelt von
"den Grundsätzen der eben genannten rationellen Elritik. Er
bietet eine philosophische Theorie der Wortbedeutungen, der
Phraseologie und der Syntax.
Der dritte Theil enthält die Speculation der Stilistik.
Hier werden unter Anderem die Synonymen besprochen
und das Eecht des Schriftstellers, die allgemeine Sprache,
nach individueller Eingebung zu modificiren : „Diritto di coniar
termini nuovi. Licenza del neologismo condannata.-' — Fund-
gruben des Neologismus : 1) Neubildungen innerhalb der natio-
nalen Sprache; 2) italienische Dialekte; 3) das Lateinische;
4) das Griechische; 5) fremde Idiome. Hier kommen nim
die Gallicismen zur Sprache. Gesarotti äussert sich über
diesen verfänglichen Punct folgendermassen :
(m, § 13). „n quarto ed ultimo fönte sono le lingue
straniere, le quali ai tempi nostri rapporto all' italiana si
riducono alla sola francese, ch'6 appunto la sola universalmente
nota, ed addimesticata coli' Italia. Questa h la pietra dello
scandalo, il pomo della discordia, TElena delle nostre Hiadi,
il soggetto eterno delle poetiche lamentazioni dei zelatori. lo
rinforzo le mie proteste, e mi dichiaro di condannar altamente
la licenza di coloro che vanno tutto giorno infrancesando la
lingua italiana senza proposito. Quando non si fossero altre
ragioni di condannar questo abuso, converrebbe ancora astener-
sene per non offendere la vanitä nazionale, che nelle cose pic-
ciole si fa forse sentir piü al vivo che nelle grandi. Ma daU'
altro canto, se la lingua francese ha dei termini appropriati
ad alcune idee necessarie che in Italia mancano di nome, e se
questi termini hanno tutte le condizioni sopra richieste, per
quäle strano e ridicolo aborrimento ricuserem di accettarle?"
Der vierte Theil handelt von der Entwicklung der
jtaüeniscben Litterärsprache. Derselbe ist für uns der inte-
— 40 —
ressanteste des interessanten Buches. Die italienische Sprache,
sagt Cesarotti, besitzt trotz ihrer vielen Dialekte eine relative
Einheit. Ihre Dialekte sind alle unvollkommen, indessen das
Primat kommt dem Toscanischen zu: „Sarebbe ingiusto e
insensato chi non riconoscesse in Italia l'idioma toscano per piü
corretto ed elegante, e degnissimo del primato sopra d'ogni
alti'o : Quindi lo scriver esattamente e nobümente h pei Toscani
un* attenzione, per noi uno studio." — Zu der Geschichte der
Litterärsprache übergehend, sagt Cesarotti, diese sei wie überall
von den Dichtern und zwar hier von Nachahmern einer fremden
Litteratur, der provengalischen, begründet worden. Dieselben
hätten in ihren verschiedenen Dialekten die schönsten Elemente
ausgewählt und aus diesen die Fundamente der italienischen
Nationalsprache zusammengetragen. Florenz gebühre der Euhm,
auf jene Grundlagen einen herrlichen Bau gestellt zu haben,
„n genio di Dante, il gusto squisitissimo del Petrarca, la copia
e piacevolezza del Boccaccio la impressero dei loro caratteri e
le comunicarono colori, armonia, movimento e richezze proprio."
Aber das Lob, das dem individuellen Talente dieser Classiker
gebühre, sei nachgerade von der kurzsichtigen Nation deren
Vaterland Florenz zuerkannt worden, wobei denn auch secundäre
Schriftsteller jener Zeit mehr Autorität erlangten als sie ver-
dienten. So bildete sich das doppelte Vorurtheil: 1) dass die
Litterärsprache Italiens als die florentinische zu bezeichnen sei;
2) dass die Autoren des Trecento eine unfehlbare Norm der
Sprache constituiren. Die Autorität Bembo's besiegelte feierlich
das eine und das andere dieser Vorurtheüe imd legte, nach
dem Vorgange Fortunio's, der Sprache das lastende Joch der
Grammatik auf. — Aber Italien besass selbstständige Geister
des Widerspruchs. Tolomei an der Spitze seiner Senesen und
Dolce forderten für die Landessprache den Namen der toscani-
schen; Trissino, Castighone und Muzio denjenigen der ita-
lienischen, während MarteUi und Varchi und andere Florentiner
Bembo's Meinung vertheidigten. Hinter dem müssigen Wort-
streite verbarg sich eine wichtige sachliche Consequenz: die
Dictatur der Stadt Florenz in Sachen der Landessprache. Dieser
— 41 —
Pretention trat nun Trissino mit seiner Uebersetzung der dante-
schen Theorie entgegen, in welcher der grosse, über den Local-
patriotismus erhabene Dichter mit ganz denselben Gründen
Trissino's Ansichten befürwortet.
Auch die drei von Allen anerkannten Classiker konnten
nicht für alle Zeiten als Typen litterarischer Vollendung gelten*
„Dante, come ognun sa, ebbe piü genio che gusto. II Boccaccio,
ricco delle locuzioni del comico familiäre, manca dei torni dell'
urbanitä delicata, e da lui forse h addivenuto che lltaHa in
questo genere h tanto inferiore alla Prancia ; nei soggetti gravi
snaturö la lingua coUe sforzate inversioni latine, e diede per
carattere all' eloquenza italiana la sterile abbondanza delle
parole, Taggiramento e la tediositä periodica. Deshalb sei seine
Manier seit langem und von Allen aufgegeben worden: ed e
gia gran tempo che quella maniera di scrivere fu abbandonata
generalmente in Italia."
Petrarca allein hat bleibend gewirkt, aber auch er nur
in beschränktem Sinne , ist doch seine Erotik weder sinnlich
wie diejenige der Lateiner, noch "lebhaft heiter wie diejenige
Anakreons, noch harmlos naiv wie diejenige Gessners, noch
galant-witzig wie die französische, noch tief und träumerisch
wie die der Engländer und der Deutschen. — Die übrigen
Autoren des Trecento werden nur im Namen der Reinheit ihrer
ehrwürdigen Sprache empfohlen. Es ist aber lächerlich, eine
abgeleitete Sprache wie die italienische als eine reine und ur-
sprüngliche darstellen zu wollen. Was wir heute für acht und
altitalienisch halten, war damals grossentheils lateinischer oder
provengalischer Neologismus.
Die Crusca trat ins Leben und schuf ihr Vocabolario
auf Grund eines zwiefachen Vorurtheiles : des Localpatriotismus
und der Scholastik. Ihr Programm war von Anfang an ein
lückenhaftes: denn es beruhte auf der todten Sprache der
Trecentisti. Die Meisten fügten sich, sei es aus Furcht, sei
es aus Trägheit, dem neuen Meister. Aber nach 1650 brach
eine neue Zeit an. Florenz trug Italien die Fackel der Philo-
— 42 —
Sophie vor (Galilei, gest. 1642). In Frankreich begann ein
gleiches Licht zu leuchten.
„Quindi le scienze, lo spirito filosofico e il francesismo
furono le tre cagioni che riunite alterarono non poco Tidee
comuni in fatto di Hngua." — Mit dem Bedürfnisse und dem
erwachenden Geiste der Freiheit riss aber auch der Missbrauch
und die Uebertreibung ein.
„ A poco a poco si ando all' eccesso : ogni legge parve
tirannica, ogni regola si tacciö di superstizione : una folla di
voci e di locuzioni forestiere, introdotte senza necessitä e senza
scelta, inondö l'Italia ; i nostri scrittori furono obliati, trascurate
le nostre richezze. Dali' ^Itra parte il zelo cieco dei rigoristi
irrit6 il libertinaggio in luogo di frenarlo."
Die Besten begannen nun einzusehen, dass man Aus-
schweifungen nur durch Gewährung der Freiheit verhindern
könne (che conveniva patteggiar col secolo e permetter la libertä
per impedir la licenza). Die Crusca ist seither den Bedürfnissen
der Zeit einigermassen entgegengekommen, aber diese lassen
sich nur auf nationalem Wege ganz befriedigen. Cesarotti schlägt
daher der Crusca vor, in ganz Italien Wahlcollegien zu er-
nennen, deren Deputirte einen Nationalrath der italienischen
Sprache zu bilden hätten. Als dessen Arbeiten werden von ihm
bezeichnet: 1) Erforschung des Ursprunges der italienischen
Sprache auf sprachvergleichendem Wege. 2) Etymologische
Forschungen. Die allgemeinen Grundsätze dieses Gebietes würde
„der Mechanismus der Sprachen" von Präsident De Brosses . an
die Hand geben. 3) Das Studium der Dialekte. Eedaotion ihrer
Vocabolarien. Muratori und De Brosses haben bereits ihre Rechte
betont. 4) Inventarisirung der Sprache sowohl der classischen
als der nichtclassischen Autoren. 5) Bestimmung der Lücken
und Mängel unserer Sprache. Sammlung der technischen Vo-
cabolarien auf directem Wege, d. h. durch Mittheilungen und
Beiträge ^on Fachleuten. 6) Ergänzungen aus fremden Spra-
chen. 7) Redaction eines grossen, nach Wort- Wurzelsilben ge-
ordneten Wörterbuches, eines universellen, wissenschaftUohen,
nationalen Dictionaires. „Vocabolario veramente e pienamento
— 43 —
italiano, ciofe contenente le voci e locuzioni di tutti i dialetti
nazionali, vocabolario etimologico , storico, filologico, critico,
rettorico, comparativo, atto a servir a tutti gli oggetti per ctii
pu6 studiarsi una lingua". 8) Redaction eines kleineren Wörter-
buches zu praotischen Zwecken. Hier sollen namentlich die
technischen und wissenschaftlichen Kunstausdrücke nicht fehlen,
dagegen sind Archaismen, pedantische Latinismen, und die
„Brutture e storpiature della plebaglia" zu streichen. — Die
Fremdwörter sind möglichst zu vermeiden, unter den italieni-
schen die toscanischen Wörter vorzuziehen: — avvertendo
sempre di dar a cosa pari la preferenza ai toscani, indi agli altri
italici, e di non ricorrere agli stranieri se non in caso di vero
bisogno e di riconosciuta e sensibili pozioriti. 9) TJebersetzungen
von Originalschriftstellern aus allen Sprachen.
Die Verhältnisse schienen Cesarotti's Theorie begünstigen
zu wollen ; denn Italiens Unterwerfung durch den Dictator der
französischen Eevolution und sein zwanzigjähriges Verbleiben
unter französischer Herrschaft sicherten dem französischen Ein-
flüsse eine lange Dauer und eine blühende Zukunft. In der
That gewann die französische Neuclassik auch in Italien,
besonders in Mailand, dem Sitze der franco-italienischen Re-
gierung, festen Boden. Aber Monti, das Haupt, dieser classi-
schen Schule, theilte mit ihren Vorläufern Alfieri und Parini
und ihren halbromantischen Grliedern Foscolo und Leopardi das
patriotische Moment, welches die nachdrängenden Romantiker
bald mit dem katholischen verbinden sollten.
Mit dieser nationalen Reaction erwacht von Neuem das
Verlangen nach einer einheitlichen, reinen und cor-
recten Nationalsprache. Es herrschte aber so wenig Klar-
heit in diesen Bestrebungen, dass man sich nicht nur von den
Gallicismen, sondern auch von den eleganten Stilmustern der
französischen Prosa abwenden und ausschliesslich wieder den
Trecentisti zuwenden zu müssen glaubte.
Dante und Petrarca waren als Typen einer noch lebenden
poetischen Sprache nun allerdings weit weniger veraltet als
Boccaccio und die Prosaisten seiner Zeit, Für die Normen der
— 44 —
Prosa taugten die modernen Franzosen unstreitig besser. *^)
Sie hatten die Italiener des achtzehnten Jahrhunderts weiter
gebracht als die lange und unglückliche Nachahmung der halb
lateinischen Periode Boccaccio's. — Jene Eüokkehr zum Tre-
cento war indessen insofern wiederum fruchtbar, als man sich
mit Feuereifer auf das philologische Studium der alten National-
litteratur warf, und viele noch unedirte Schriften jener Zeit
durch den Druck zum. Gemeinbesitz der Gebildeten wurden.
Mittelmässigkeit und Unverstand carikirten auch diesmal ein
an sich vernünftiges Streben der Führer (wie eines Giordani
*^) Die Eleganz und die Klarheit der französisclien Prosa ist eine Frucht
jener Umgangssprache, welche sich im XYII. Jahrhundert in Paris entwickelt
und mit Pascal's Provinciales in die Litteratur einzieht. Daher die französische
Prosa-Litteratur schon frühe einen weltmännischen Ton, eine Anmuth und eine
Durchsichtigkeit besitzt, welche die deutsche und die italienische Litteratur lange
entbehren mussten. Die Italiener selbst haben dies erkannt :
Gino Capponi (N. Ant. XI, 1869, pag. 670) : A chi scrive manca una scuola
molto essenziale quando egli non abbia la mente gia instrutta dl quelle forme
per cui si esprimono parlando le cose che egli vuole scrivere. La quäle mancanza
che fu in Italia dei tempi antichi e si protrasse poi nei modemi, ha dato spesso
ai nostri Ubri certa ariditä. solenne, la quäle ebbe nome di stüe CLccademico,
Da questo yizio salvo i Francesi la conyersazione, la quäle fu ad essi come una
sorta di vita pubblica e informö lo scrivere in ogni qualsiasi piü grave argo-
mento; talchfe gli scrittori nel tempo medesimo che ne acquistayano maggior
Tita, divennero anche piü facilmente e piü generalmente popolari, cosl da
esercitare nella lingua quel maestrato 11 quäle ha bisogno la lingua medesima
che venga dai libri. Questa sorta di maestrato qnale si sia, disse tanto bene
Vita Fornari in un recente suo libretto, ch'io farei torto al mio concetto se non
lo esprimessi con le medesime sue parole: „se egli e giusto il dire che il
linguaggio non ista tutto negli scrittori, non si vorrä per questo affermare che
si troyi intero fuori degli scrittori. Certi fatti mentali e certe piü fine relazioni
e determinazioni del pensiero, non si vedono distintamcnte e non yengono signi-
ficate se non quando si scriye, cosicche alcuna piccola parte de' yocaboli e molta
parte dei modi di dire e dei costrutti non si puo imparare altroye che neUe
scritture". (Lettera stampata nel Propugnatore, Bologna 1869).
Vgl. hiezu eine Stelle bei Cantü, Storia di Letterat. pag. 714: „Voltaire
si yantaya di non ayer mai fatto una fräse: Ma da noi, oye manca la buona
compagnia, manca di necessitä anche il tono della buona compagnia, che in tal
fatto sarebbe canone impreteribüe", — ^
und: Gino Capponi (N. Ant. XI, 668) fasst in demselben Sinne ein Wort
Foscolo's, das schon Blanc kennt: Mi soyyiene ayer una volta udito il Foscolo
dire neir impeto del discorso „che la lingua nostra non era stata mai parlata*^.
— 45 —
und eines Leopardi) und verloren sich in archaistischen Lieb-
habereien und im kindischen Wortgetändel. Die Pedanten und
die Schulmeister thaten das Uebrige. Sie namentlich bevölker-
ten die Zunft der Puristen. An ihrer Spitze glänzt Pater
Antonio Cesari von Verona (1760 — 1828). Dante und die
Asketiker des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts waren
seine Lust, mit fünfundzwanzig Jahren übersetzte er Thomas a
Kempis : eine reinitalienische Prosa mitten in der französischen
Corruption. Von nun an predigte er, sei es in Ausgaben der
Trecentisti, sei es in Uebersetzungen der Alten (Terenz), sei
es in einer annotirten Ausgabe des Vocabolario della Crusca
mit unerschütterlicher Beständigkeit sein puristisches Glaubens-
bekenntniss. Im Jahre 1808 löste er eine Preisfrage der mai-
länder Academie: „Determinare lo stato presente della lingua
italiano e specialmente toscano, indicar le cause che portar la
possono verso la sua decadenza, ed i mezzi acconci per impedirla"
durch die im December 1809 gekrönte Abhandlung: „sopra lo
stato presente della lingua italiana". In dieser Abhandlung,
welche Fornaoiari den Codex der Puristen nennt, proclamirt
er das litterarische Primat der Toscana, d. h. dasjenige seiner
drei Classiker, Dante, Petrarca und Boccaccicjj, bemüht sich
nachzuweisen, dass nur diese Periode der italienischen Sprache
eine classische sei, vertheidigt sie gegen die AngriflFe der Ar-
cadier, bekämpft die „Sophismen" Cesarotti*s, betont endlich
die Noth wendigkeit einer nachahmenden Rückkehr zu jenen
Typen italienischer Classik. Viele seiner Schriften, wie das
Leben Jesu, das Leben der Heiligen, seine Novellen und die
Uebersetzung des Terenz und der Briefe Cicero's sind, ihrer Form
nach, fruchtbare Anwendungen seiner puristischen Theorie.
Cesari's lombardische Landsleute waren es, die den härte-
sten Angriff auf seine Theorien machten. Die Weigerung der
Crusca, gemeinschaftlich mit der Mailänder Academie ein ita-
lienisches Nationalwörterbuch zu verfassen, gab das Signal,
and Monti begann im Jahr 1817 die Publication eines
voluminösen Werkes, betitelt: „Proposta di alcune correzioni
ed aggiunte al Vocabolario della Crusca (7 Theile, Mailand
— 46 —
1817 — 26). Sein Schwiegersohn Perticari, ein Romagnole,
war bis zu seinem frühen Tode (1822) sein wackerer Mitarbeiter.
In dem ebenso geistreichen als kundigen Riesenpamphlet der
„Proposta" nahm Monti die Ansichten Gravina's und Cesarotti's
wieder auf, erhob die individuelle Vernunft statt des allgemeinen
Usus zum alleinigen Richter der Sprache, die Litterärsprache
zur Norm der Nationalsprache und erklärte Italien, nicht die
Toscana, als deren nährende Quelle. Dante*s Theorie wurde
hier natürlich als die älteste und gewichtigste Autorität wieder
angerufen, die prusca und ihr Commentator Cesari schonungslos
verhöhnt, endlich Cesarotti's Vorschlag eines nationalen
unter Mitwirkung der besten Schriftsteller des
ganzen Landes ausgeführten Wörterbuches wieder
aufgenommen. Das Werk ist, wie schon angedeutet worden,
nicht im Tone einer wissenschaftlichen Arbeit, sondern in dem
einer geistreichen Flugschrift verfasst. Perticari seinerseits ver-
fasste zwei hieher gehörende Abhandlungen: „Ueber die Schrift-
steller des Trecento" und eine „Vertheidigung von Dante's
Schrift: De vulgari eloquio". Der Streit erhitzte die Gemüther
der Litteratenrepublik, es wurde heftig und viel für und gegen
die Mailänder geschrieben, endlich Jedem klar, dass die Crusca
Vieles zu berichtigen und den Catalog ihrer classischen Texte
abermals und zwar bedeutend zu erweitern habe. — Anderseits
ergriff die puristische Bewegung auch das bisher indolent ge-
bliebene Süditalien. In Neapel war es der reiche Marquis
Basilio Puoti (gest. 1847), welcher, von reiner Begeisterung
für die reine Sprache geleitet, lange Jahre eine Stilschule
leitete, deren Disciplin und Methode Puoti's grösste Schüler:
Settembrini und De Sanctis uns anmuthig geschildert
haben. Aus dieser Schule ging auch eine bedeutende Dichterin :
Maria Griuseppa Gruacci hervor, deren Tod die Conter-
revolution Neapels vom 15. Mai 1848 befördern sollte.
In der Romagna war es namentlich der Professor Costa
von Ravenna, welcher im Sinne der Puristen eine Rhetorik und
Poetik von feinem Geschmacke schuf. Sein Schüler, der Ro-
magnole Ferdinando Ranalli, arbeitete in demselben Sinne
— 47 —
eine heute noch' geschätzte allgemeine Theorie der Litteratur
aus (Ammaestramenti, 4 Bde., Lemonnier, dritte Aufl.).
In der Lombardei war es der unermüdliche G her ardini
(gest. 1861), welcher, wenn auch mit erweiterten Gesichtspuncten,
Oesari's Theorien in seinen grammatischen Arbeiten festhielt.
Er ist der letzte Vertreter der rationalistischen Schule.
In der Toscana waren es Gino Capponi, Lambruschini,
Niccolini („della proprietä della lingua"), Nannucci und andere
Cruscaner, welche die Sache des Purismus vertheidigten. Ihr
Erbe hat PietroFanfani angetreten. *®)
Unterdessen hatte sich in der Stille eine neue Richtung
Bahn gebrochen, nämlich eine Bückkehr zur gesprochenen
und lebenden Sprache der Toscana.
Manzoni und die Lingua parlata. ^^) Die Litteratur der
zweiten HäKte des achtzehnten Jahrhunderts hatte durch ihre
*8) Lambruschini, Der alte Herr hat sich in der N. Ant. zweimal (VI u. XII)
als puristische Kassandra yernehmen lassen. Er beschränkt sich nicht auf eine
Kritik der Fremdwörter (tnnnel, conpon etc.), sondern notirt auch Grammatisches :
„Ci h regalato di gik il d per gli, il lo si, il non fatelo, non ditelo e simili
altre seoncezze. — XII, 548: II popolo fiorentino accetta perfino i costrutti
meno italiani, accetta il ce per gli: ce Vho detto; — e gli scrittori dal canto
loro accettano il non fatelo, non ditelo, lo si e altre tali sgrammaticature.^
*^) manzoni und die Lingua parlata, Manzoni's Theorie war seit Galyani's
Schrift gegen Perticari (1834) eine von Vielen getheilte Ansicht. Ich erinnere
an Cantii's Abhandlung über die Lingua parlata, Milano 1859, und an das
Zeugniss von Giusti's Biographen Frassi (Epistolario; £d. Lemonnier 1859, pag. 76) :
„ün altro e non minore servigio rese il Giusti alla patria favella: e fn di
prendere a modello la lingua parlata in Toscana per fissare la forma di qudla
da parlarsi e scriversi da Italia tutta; nel quäle concetto oggi (1858) con for-
tunato ardore i piü sapienti scrittori s'accordano. Ferocch^, lode a Dio, anche
un pastoreUo arcade sa che si cerca unificar la lingua per unificare la nazione;
sa che ci occupiamo delle parole per meglio intenderci, quando che sia, snlle
cose; sa finalmente che si cerca di preparare alla patria una lingua in tanto
che la FroYTidenza ci sta preparando una patria.*^
Und Cantü, Storia della Letter, ital, 1865, trägt im letzten Capitel: Lingua
e Stile etc. pag. 691 sqq. so ziemlich die ganze manzonische Theorie, selbst den
Punct betreffs der toscanischen Lehrer (pag. 715) schon drei Jahre vor ihrer
offieiellen Geburt vor.
Die Proposta hat eine Menge von Brochuren hervorgerufen. Ich notire nur
^das Bekanntere. Die „Proposta" selbst ist gedruckt. N. Ant. (VII), Märzheft
— 48 —
Vorliebe für die FabelJ das Drama, die Satire und die periodische
Presse eine relative Volksthümlichkeit sich angeeignet. Diese
Richtung hatte die classische Mailänderschule unterbrochen,
bis die ebenfalls in Mailand (1818) auftauchende romantische
Schule sie von Neuem zu gewinnen suchte. Manzoni fasste
das Programm der Schule in die Worte: „proporsi Tutile per
iscopo, il vero per soggetto, Tinteressante per. mezzo. Per conse-
quenza, scegliere argpmenti, pei quali la massa dei lettori ha
una disposizione di curiositi e di affezione, nata da rapporti reali,
a preferenza degli argomenti pei quali una classe sola di lettori
ha un' affezione, una riverenza non sentita ne ragionata, ma
ricevuta ciecamente . . ."
Die zwischen 1825 und 1827 publicirten „Promessi sposi"
waren in der That das erste wahrhaft nationale Buch im Italien
des neunzehnten Jahrhunderts. Trotz seiner langen Beschrei-
1868: „DeU' Uniti della Lingua di A. Manzoni". — - N. A. VIII, ein Artikel von
Lambrnschini über die Proposta (vgl. N. A. XII). — Für Mansoni trat Buscaino
Campt in Trapani auf: La lingna d'Italia, Trapani 1868; gegen ihn Älfonso Cerquetti
in seinen Studi filologid 1868, — nnd Pasquini: Della unificazione etc. b. Lemonnier.
— In dritter Auflage: R. Bonghi: Perchö la Letteratnra italiana non sia popo-
lare in Italia. Dieses breite FeuiUetongeschwatz existirt schon seit 1856. Man
sacht darin vergebens instmctive Thatsachen ; — wenigstens sind dieselben durch
Sandwüsteii der Phrasenmacherei getrennt. Nicht viel besser Ist das zweibändige
Buch Gelmetti's: „La lingna parlata di Firenze e la lingua letteraria dlt^lia
(gegen Manzoni), Milano 1874", — von der N. Ant. XVII zu günstig benrtheilt.
— lüorandi: SnU' ünitä della Lingua rispetto alla Commedia, als Vorrede der
beiden Comödien: La Maestrina, La Figlia senza ßabbo, Loescher 1877.
Die Artikel von Napoleon Caix: „La formazione degli Idiomi letterari",
1874, N. Ant. XX,VII., und in Hillebrands Italia, 'Band 3. — A. Fran-
chetti drückt die Meinung des Juste Milieu aus, wenn er bei Anlass* dieser
Artikel sagt, was man auch halten möge vom Ursprünge der Litterärsprache,
„sembra che nella pratica debba aver il predominio Tuso toscano, temperato
dal gusto e congiunto con l'autoritä dei buoni scrittori". Aehnlich, nur etwas
derber, drückt sich Fanfani aus (XVII, am Schlüsse des Artikels Un poeta popo-
lare). — Der Manzonianer JHorandi liess 1874 „Le correzioni ai Promessi
sposi e l'unitä deUa lingua" erscheinen, Milano, Richiedei. — Prina: Dell' efflcaoia
deUe nuove condizioni d'Italia suUa letter. nazion. Mil. 1873. — Giorgini's
Vocabolario Novo (sie) erscheint seit 1870, recensirt von Äscoli in seiner Ein-
leitung z. Archivio und in. d. N. Ant. (XIV, 1870). — Manzoni selbst erläutert
die Proposta in seiner Schrift: „Appeudice".
— 49 —
»
bungen, seiner historischen Digressionen und der etwas schwer-
fälligen Anlage fesselte es die Masse durch die Plastik seiner
Darstellung und das dramatische Lehen volksthümlicher Scenen.
Manzoni's Sprache war eine packende, eine originelle, aber sie
konnte vor dem toscanischen Puristen nicht bestehen. Dieser
wünschte sich die Lombardismen und die Gallicismen weg.
Manzoni selbst, dessen Erziehung, wie diejenige Göthe's, eine
halbfranzösische war, hatte unterdessen seine gallischen Jugend-
eindrücke mit patriotischen und katholischen Strebungen ver-
tauscht und auch in der Sprache das Nationale zu suchen be-
gonnen. Ln Gregensatze zu früheren Theorien erblickte er dieses
in der lebenden Sprache Toscana's, beziehungsweise
derjenigen seinerHauptstadt Florenz. Deshalb beschloss
er „sein dürftiges Kleid im Arno zu waschen" und gab anno
1840 eine toscanische Version der „Promessi sposi" heraus.
(Die von Professor FoUi, Mailand 1877, besorgte Interlinear-
ausgabe bietet in übersichtlicher Weise den lombardischen und
den toscanischen Text). Manzoni liess nun jenen Gredanken
nicht mehr fallen. Schon 1845 in einem Briefe an den piemon-
tesischen Lexicographen Giacinto Carena bemüht er sich nachzu-
weisen, dass Florenz die massgebende Sprache Italiens besitze;
es T^ar um dieselbe Zeit, als Giusti die lebendige Sprache Tos-
cana's zu seiner Litterärsprache machte, — systematisch hat
Manzoni jenen Gedanken aber erst 1868 in der berühmten
„Proposta manzoniana" ausgearbeitet und der ganzen Na-
tion entgegengebracht. Der manzonische Vorschlag wurde im
Frühjahre 1868 im Auftrage des damaligen XJnterrichtsministers
Emilio Broglio von einer durch Manzoni präsidirten Commission
discutirt. Sein Gegenstand ist „die Einheit der Sprache und
die Mittel diese Einheit zu verwirklichen". Als Mittel zur
Erreichung dieses Zweckes schlägt Manzoni die Eedaction eines
neuen Wörterbuches vor, welches die gegenwärtige Sprache
der gebildeten Florentiner enthalten solle. Im Anhange des
von der Commission redigirten Documentes wird behufs rascher
Verbreitung der toscanischen Sprache die Bestallung der Landes-
schulen mit toscanischen Lehrern vorgeschlagen.
— 50 —
Zwei Jahre später erschien die erste Lieferung des Novo {bic)
Vocabolario della Lingua italiana mit einer von Manzoni^s
Schwiegersohn, Professor Giorgini, unterzeichneten vierund-
sechszig Seiten starken Einleitung, welche den Gedanken Man-
zoni's aufs gründlichste ausführt.
Italien, so heisst es da, ist heute zwar eine politische Ein-
heit, es fehlt ihm aher immer noch die Einheit der Sprache,
besonders der Litterärsprache. „Versetzen wir uns (sagt Geor-
gini Seite 17) in die Lage eines aussertoscanischen Schriftstellers,
der weder in fremder noch in todter Sprache zu seinen Lands-
leuten reden möchte. Er hat zwei Sprachen zu seiner Ver-
fügung, die gegenwärtige Litterärsprache und den Dialekt
seiner Provinz. Natürlich wird er erstere verwenden wollen;
dann braucht er Wörter aus diesem und aus jenem Jahrhundert,
beglaubigt durch diese oder jene Autorität". Sein Buch kommt
heraus, gelangt unter die Leute: „Was in aller Welt meint
^ der Mann mit jener Wendung? Wo in aller Welt hat er diese
Wörter geholt? Todte Sprache! Sprache aus der anderen Welt!"
„Will er aber dieser Kritik Rechnung tragen, wiU er natür-
lich und modern schreiben, so sucht er ein fehlendes Wort in
seiner Muttersprache, d. h. in seinem Dialekte, fällt auch wohl
in diesen von selbst hinein. Dann erst fallen die Kritiker über
ihn h^r ! „Wird nicht angenommen, ist sprachwidrig, ist nicht
italienisch!" Und damit schicken sie ihn wieder zu jenen Schrift-
stellern und Wörterbüchern zurück, denen er anfanglich gefolgt
war".
„Wie soll nun Einer glücklich durchschiffen zwischen dem
Vorwurfe der Pedanterie und demjenigen der Barbarei? Man-
zoni sieht die practische Lösung dieser Schwierigkeit in der frei-
willigen Erlernung der gesprochenen, der lebenden Florentiner-
sprache".
Wie viel Mühe ein Nichttoscaner sich geben muss, um
sich die toscanische „Lingua parlata" anzueignen, hat uns der
beliebteste Schriftsteller des heutigen Italiens, De Amicis,
mit gewohnter Offenheit in seinen „Pagine sparse" (1876)
geschüdert.
— 51 —
„Als ich nach Florenz kam", sagt er dort, „glaubte ich
höchstens für meine Aussprache gewinnen zu können. Mein in
Classikern und Mchtclassikern zusammengelesenes Schulbank-
italienisch, so dachte ich, müsste für die Bedürfnisse des Autors
ausreichen. Aber bald gewahrte ich zu -meiner Beschämung,
dass gerade der Wort- und Phrasenschatz, der natürliche Tact,
das Sprachgefühl und die Anmuth in der Wahl des Ausdrucks
dasjenige sei, was der Nichttoscaner in Fterenz vor Allem zu
studiren habe.
„Gleich am ersten Morgen bewunderte ich einen Strassen-
jungen, der mit seinem Cameraden Messer nach einer Thüre
warf. „Pass auf, ich werfe, es steckt, zittert und steht
stiUe! Sta attento, io lo tiro, vi si configge, oscilla e poi
si queta!"
„Das Treffende und Malerische, das in diesen Worten lag,
frappirten mich, und ich richtete an mich selbst die Frage:
„Hättest du dich ebenso und ebenso gut ausgedrückt?" Mein
Grewisseri antwortete: „Anders und schlechter".
„Ich fand Zutritt in gebildeten florentiner Kreisen. Da
erst begann für mich die schwere Noth. So lange es sich um
landläufige Dinge, um Politik, um Litteratur und Theater han-
delte, ging alles gut genug. Aber in der Unterhaltung mit
Damen, im scherzenden und vertraulichen Gespräche, das vom
Hundertsten aufs Tausendste kommt und in der anmuthigen
Behandlung von Bagatellen schwelgt, wo so oft der Inhalt
nichts und die Form Alles ist, da war es, wo ich meine Ohn-
macht und Hülflosigkeit so recht empfand, ja oft behielt ich
meinen Gedanken für mich, weil das bezeichnende Wort sich
nicht einfinden woUte. Jedeh Tag hatte ich einen Piemontis-
mus, einen Gallicismus, eine Pedanterie, eine poetische Wen-
dung zu streichen. Täglich mehr bestärkte ich mich in der
schmerzlichen Ueberzeugung, dass statt italienisch zu sprechen,
ich italienisch componire, dass mein Sprachschatz ein Ge-
schmeide von falschen Diamanten sei, und dass, sofern ich
ordentlich zu sprechen und zu schreiben wünschte, ich mit dem
Studium der Sprache von vorn anfangen müsste.
4*
— 52 —
„Die härteste Probe meiner Eigenliebe aber kam, als ich
die Correcturbogen meines Buches in florentiner Hände legte.
Die Dame gab mir meine Bogen schwarz von allerlei Puncten
und Fragezeichen zurück. Ich biss vor Aerger meine Lippen.
Die Verbesserung setzte meist das Einfache an die Stelle des
Gezierten, das Elare an die Stelle des Zweideutigen, die Grazie
an die Stelle der Pedanterie. Es war der Anprall eines Cata-
pultengeschosses, das den ganzen Prachtbau meiner litterarischen
Erziehung erschütterte. Ich suchte mich zu vertheidigen, stützte
mich auf Autoritäten und wiederholte immer wieder : „Es ist
doch italienisch, ich berufe mich auf diesen und auf jenen
Classiker". — „Gehen Sie mir doch mit ihrem Italienisch!"
erwiederte meine liebenswürdige Scharfrichterin. Ich mache
mich anheischig, mit lauter italienischen Wendungen alle meine
Besuche diesen Abend aus meinem Salon zu treiben".
„Wie man sieht", so fährt De Amicis fort, „handelte es
sich hier durchaus nicht um Verstösse gegen Lexicon und
Grammatik. Es waren fast immer Wortvertauschungen und
Wortversetzungen, Entwirrungen, unscheinbare Eetouchen, doch
wie änderten diese Kleinigkeiten die Miene eines Satzes, die
Farbe eines Gedankens! Besonders aber war es eine fortlau-
fende Instruction über die Vertheilung und Combinirung jenes
Kieselgerölles einsilbiger Wörter, welche in der Handl^abung
unserer modernen Sprachen stets so grosse Schwierigkeit machen ;
denn es müssen jene kleinen Dinger so vertheilt und einge-
schachtelt werden, dass der Ausdruck nicht roh und unver-
mittelt, die Fugen nicht hart, die üebergänge nicht mühsame,
die Ohren nicht beleidigt werden, wie das den meisten ausser-
toscanischen Schriftstellern passirt".
„Das scheinen Kleinigkeiten", sagte meine Lehrmeisterin,
„aber worin unterscheidet sich denn der elegante Schriftsteller vom
rohen und vom anmuthslosen ? Nicht in der Correctheit ruht die
Kunst, vielmehr in jenem künstlerischen Tacte, in jener tieferen
Harmonie, für die das unerzogene Ohr keinen Sinn besitzt. Lassen
sie unsere Italiener nur schwatzen. Es bleibt doch unumstösslich
wahr: Wir Toscaner können unsere Landsleute was lehren".
— 53 —
De Amicis hat in seinem Aufsatz: „Un caro pedante"
(Fanfani?) die Pedantenznnft der heutigen' Puristen nach
, Gebühr behandelt, aber mit Talent und Geist folgt er ander-
seits dem manzonianischen Programme, welches die lebendige
Sprache der gebildeten Florentiner in die Litteratur einführen
möchte.
Durch unverdrossene Energie suchen viele der heutigen
Schriftsteller Italiens dem Postulate des grossen Dialektforschers
Ascoli zu entsprechen, welcher den Wunsch äussert, es
möchten die grossen Ahnen der italienischen Litteratur statt
fremder Legionen einmal eigene Soldaten zu führen bekommen.
In der That, Gino Gapponi's Wort wird immer eine Wah^eit
bleiben :
„S*io dovessi quanto aUe future condizioni della lingua far
un pronostico, direi senz' altro : La lingua in Italia sara quelle
che sapranno essere gl'Italiani" (N. Ant. XI, 682).
Kehren wir nach dieser Digression zurück zur „Proposta
manzoniana".
Manzoni's Vorschlag stiess, wie das vorauszusehen war,-
trotz der persönlichen Autorität und Volksthümlichkeit seines
Urhebers auf manigfachen Widerspruch. Die Epigonen Bembo's
widersetzten sich im Namen der Kunst, diejenigen Monti's im
Namen Italiens, Andere waren für eine vernünftige Combination
der - bestehenden Litterärsprache und des Uso toscano ; die
Dialektforscher Ascoli und Caix endlich wiesen den manzoniani-
schen Empirikern nach, dass sie von dem Werden einer National-
spiache, von der Bedeutung des Dialektes, von dem Wesen der
heutigen Sprache der gebildeten Florentiner keinen Begriff
haben und so gut wie ihre Vorgänger im Finstern tappen. „Die
heutige F.lorentinersprache Manzoni's", sagt Caix, „ist ein blasser
Reflex der Litterärsprache, mit allerhand ausländischen, beson-
ders französischen Elementen verquickt. Die reine alte Sprache
hat höchstens der Pöbel von Florenz gerettet. Eine einheit-
liche Sprache lässt sich übrigens nicht machen. Sie bildet
sich durch die unbewusste Wahl der Nation und durch den
Einfluss grosser Nationalschriftsteller. Sammelt indess nur den
— 54 —
«
Wortschatz der Toscana, wenn dieser von Fanfani, von Rigutini
und allen Andern nicht bereits gesammelt ist".
Gleichwohl hat die Proposta manzoniana gute Früchte ge-
tragen. Sie ging aus einer allgemeinen Tendenz hervor, welche
die Trennung von Litteratur und Leben, von Schriftsteller und
Nation zu beseitigen strebt, sie brachte jene Tendenz so recht
zum Bewusstsein, lenkte die Aufmerksamkeit der Schriftsteller
von Neuem auf die immer noch so reich fliessende Quelle des
XTso toscano, weckte das Nachdenken über den Gegenstand und
erzeugte jene Mittelansicht, welche eine Wechselwirkung zwi-
schen Litterärsprache und Conversationssprache als das Richtige
festhält und Kunst und Natur auch hier zu verchmelzen trachtet.
Eigutini's Vocaholario della Lingua parlafa (1875) hat eine
gewaltige Lücke in der italienischen Lexicographie ausgefüllt
und geniesst schon heute neben demjenigen Fanfani 's in ganz
Italien eine grosse Autorität.
Wo ist nun die „Lingua parlata" in der italienischen
Litteratur des neunzehnten Jahrhunderts zu suchen? Welches
sind im Besonderen die toscanischen Texte des Uso vivente?
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit machen zu können oder
zu wollen, lasse ich eine raisonnirende Liste von Texten folgen,
die nach italienischen, besonders toscanischen Zeugnissen in
dieser Richtung mustergültig sein dürften.
Texte der heutigen Lingua parlata^^)
Gherardi del Testa: Teatro comico. Florenz, Barbera,
1874 u. ff. in Lieferungen, welche je ein oder zwei Stücke ent-
*^) Im grossen Ganzen sind die jüngsten Schriftsteller weit weniger rheto-
risch, viel nüchterner nnd positiver als diejenigen der ersten Hälfte des Jahr-
hunderts. Vgl. N. Ant. X, 439, Artikel: Settembrini e i snoi critici v. De Sanctis. •
E c'6 nn* altra cosa che in questi scritti mi ha fatto impressione : ed fe lo stile.
La nostra generazione (die alte Schule), salvo pochissimi, h piü o meno nello
stüe arcadica, rettorica, e talora nebbiosa, come gente vissuta fuori della pratica
delle cose , e nutrita in mezzo alle astrazioni ed a vaghe aspirazioni. Nel f6ro,
ne* teatri, nel parlamento, ne' diarii, nelle poesie, nelle prose, fino nelle tratta-
zioni scientifiche regna spesso la rettorica, una certa esagerazione de' sentimenti,
Hü certo Ürismo d'immagini, uno scaldarsi a freddo v^üe cose piü semplici, e
— 56 —
halten. Der Autor, Toscaner (geb. 1818), begann seine dramati-
sche Laufbahn 1845 mit der Comödie: Una folla ambizione
(s. K A. Bd. XXn, pag. 712). lieber ihn De Gubernatis:
Bicordi biografici. Noch 1873 lieferte Gherardi der Bühne ein
neues Stück: La vita nuova.
Zannoni (gest. 1832), Verfasser einer Geschichte der Crusca,
hat in seinen Scherzi comici (z. B. Le ciane di Firenze mit Noten,
von Frizzi Flor. 1872, s. N. Ant. XXI, pag. 472) das florentiner
Volksleben zum Gegenstande seiner Lustspiele gemacht und so
auch in Florenz die „Commedia plateale" begründet; „ciane"
und „beceri" sind die weiblichen und männlichen Vertreter
der untersten Volksclassen von Florenz. Aecht comisches Talent
bekunden auch die in reiner florentiner Sprache verfassten
Commediole per Tlnfanzia von Coletti, 1872, und das Buch des
Advocaten Franceschi: Li Cittk e in Campagna, Dialoghi di
lingua parlata (1868). Um Nichttoscaner die reine Umgangs-
sprache zu lehren, führt uns der Verfasser dieses köstlichen Buches
in einer Eeihe von charakteristischen Scenen das Leben einer be-
güterten und gebildeten florentiner Familie im Sommer und Winter
vor. August Franchetti, der geistreiche Verfasser der Bassegna
drammatica in der N. A., schliesst sein Urtheil über Franceschi's
Gespräche (N. A. Sept. 1874) mit der Bemerkung, der Boman
„Casa bianca" von Enrico Cafttelnuovo, „La festa dei fiori" von
Yorick (Advocat Ferrigni in Florenz) und unsere „Dialoghi di
lingua parlata" beweisen, wie viel Gomik ausserhalb der Bühne
zu finden sei.
Unter den neueren und neuesten Dramatikern Italiens:
Giacometti, Cicconi, Paolo Ferrari, Suuer, Fambri (II caporale
certe consnetndini e maniere di espressione, ehe sono testimonianze flagranti
della poca nostra sinceritä nel pensiero e neUa parola, sopratutto ne' lavori
letterarü. Di questa lebbra nessun yestigio ne' dne scritti che aveya dinanzi: nel
Kontefredini la severitä e sobrietä dello stile 6 tale che rasenta Taritmetica ; neUo
Znmbini lo stile e qnieto, ngnale, come acqna che yada per ]i china senza intoppo
e senza rnmore, e niente vi trovi soperchio o artificiato. Dis'si fra me: II Settem-
brini scrive cosi yiyo e spigUato: in veritä mi pare che ü Settembrini sia U
giorane, e i yecchi siano loro.
— 56 —
della settimana, 1866), Marenco, Molmenti, Torelli, Carrera,
Ferreol, Alberti, Leo Castelnuovo, Bersezio, Giacosa, Muratori,
Bettoli, Costetti, Montecorboli, Chiaves, Morandi, — hat sich die
„Lingua parlata" ihrer gewünschten Einheit um einen guten
Schritt genähert.
Erwähnen wir im Anschlüsse an das Lustspiel auch die
acht florentinische Plautusübersetzung von Eigutini
und Grradi (Lemonnier 1870), diejenige des Terenz von
Gradi allein (Livorno 1876), endlich diejenige dea Lucian
von Settembrini, dem Verfasser der Litteraturgeschichte , im
Bourbonenkerker Neapels ausgeführt (Lemonnier 1861, drei Bde.).
Die N. A. bezeichnet auch das dialogisirte Buch von Celso
Fiaschi: Dell' Educazione (Elorenz, Gasten 1868), als ein Er-
zeugniss der nachlässigen „Lingua parlata".
Im epischen Gebiete sind vor Allem die toscanischen Dorf-
geschichten von Thouar und von Gradi anzuführen. Seine
ersten Eacconti gab Themistokles Gradi 1864 in Siena heraus,
im Jahre darauf seine Kindermärchen: Scritti letterari per la
gioventii. (Er sei nicht rein von Senesismen, N. A. I, 162). —
Sodann: die Novellen von Emma (üna fra tante 1878), der un-
ermüdlichen Vermittlerin nordischer Litteraturen in der Nuova
Antologia, einer in Florenz lebenden Lombardin; — von RosaKa
Piatti (Eacconti. di una donna), von Caterina Percoto
(„I due sogni" brachte die N. A. 1868), von DalT Ongaro,
De Amicis, Fanfani (II Fiacherrajo und: La Bambola),
von Alfani (Scene e ritratti, Flor. 1870. N. A. XIV, 432), beson-
ders von Mario Pratesi, einem Senesen von hoher Begabung
(Memorie del mio amico Tristane; Jacopo e Marianna 1872).
Es ist nicht übertrieben, was N. A. XXTT, 247 von ihm steht :-
Scrive un italiano schiettissimo, anzi toscano, anzi qualchevolta
senese. Non infila periodetti alla Victor Hugo ne periodoni
alla Guerazzi. Ama il reale, vero, palpabile. Ein anderer Kri-
tiker beschwert sich, dass Pratesi's Priester immer nur lächer-
liche Menschen* seien.
Die Norditaliener Enrico Castelnuovo (Prof. in Mai-
land, zu unterscheide» von dem Dramatiker Leo C,)i Boito,
- 57 -
Farina, Barrili, Bersezio und Ghislanzoni glänzen durch
ihr Erzählertalent. Letzteren nennt die N. A. den italienischen
Zschokke, er erinnert ater anderseits auch an Paul de Kock.
Der bucklige Hun^orist ist den Besuchern des Cafffe delle tre
colonne in Lecco wohlbekannt.
Die Märchenlitteratur, welche die Venezianer Basile
(Cunti delli Cunti) und Carlo Gozzi einst gepflegt, fesselt heute
wieder die Aufmerksamkeit der Litteraten Italiens. TDer Neapoli-
taner Imbriani hat die Sagen von Florenz, von Mailand und
des Südens (die „Novellaja fiorientina" sei ihm, so behauptet er,
vom Volke selbst in die Feder dictirt worden, vgl. die Kritik
d'Ancona's N. A. XIX, 696); — Bernoni diejenigen Venedigs,
Verschiedene, besonders Pitrfe, diejenigen Siciliens gesammelt.
Ein modemer Boccaccio, der anrüchige Pisaner'Batacchi
(geb. 1748) spielt unter den Studenten Pisa's immer noch seine
BroUe wie zu Frassi's und Giusti's Zeiten (N. Ant. .XVH, Art.
V. Tribolati, seither als Buch erschienen).
Der SiciUaner Verga ist in Mailand und in Florenz zu
sehr zu Hause, um seine Erzählungen aus dem toscanischen
und lombardischen High Life nicht unter diejenigen des Nor-
dens reihen (s. über ihn meine Artikel „Zwei sicilianische
Belletristen", Gegenwart 1878, Nro. 11, 12) zu dürfen. Ein
florentiner Kritiker wirft seiner glatten und kristallheUen Sprache
antitoscanische Grammatik vor (A. N. XXIX, 478 : „deve aver
costato" statt: „essere costato"); diese Kleinigkeiten hindern
aber nicht, Verga als ein Muster der eleganten modernen Con-
versationssprache zu bezeichnen.
Eine dritte Fundgrube der „Lingua parlata" ist, nach dem
Drama und dem Eomane, auch die „Poesi.a giocosa".
Hiehergehört vor allem der Aretiner Antonio Guada-
gnoli, Zeitgenosse Giusti's, welchen das Volk kennt, während
ihm Giusti von jeher fremd gewesen. „Giusti", sagt Fanfani
(N. A. XVn), „ist zu. litterarisch und zu toscankch, selbst für
uns Toscaner. Auch wir können ihn ohne Commentar nicht
verstehen. Er gehört in die Categorie der Classiker, ist nichts
weniger als volksthümüch : „Questo puzzo di letterato il popolo
— 58 —
lo sente subito e lo fugge come la peste". Zu toscanisch sei
er, „perch^ pecca di sovercliio toscanismo, spesso abusa il par-
lare plebeo non pur di Pirenze, ma di altri popoli toscani". —
Guadagnoli ist auch deshalb so populär, weil sein Geist das
Niveau der Mittelmässigkeit nicht überragt; es macht wenig
Kopfweh, ihm zu folgen. Sein Schüler Arnaldo Fusinato
von Venedig, Gatte der berühmten 1874 in Rom verstorbenen
Improvisatrice Erminia Fuä, ist ganz desselben Geistes Kind.
Fusinato ist 1817 in Vicenza geboren, seine Popularität föllt
zwischen 1843 — 1864. Poesie, 2 Bde., Milano bei Carrara
1868; ein dritter Band Poesie patriotiche erschien 1871,
nach seinem Tode. Fusinato's bekanntestes und bestes Ge-
dicht ist sein humoristisches Gemälde des Studentenlebexis in
Padua. Für die Kenntniss der italienischen Sitten, der Zustände
von 48 und 49 (Band 3), der comischen Ressourcen der „Lingua
parlata" sind diese Leistungen von Bedeutung. Fusinato's dich-
terische Individualität ist, wie gesagt, diejenige Guadagnoli's,
ein amüsanter äusserer Mensch ohne Tiefe zwar, aber auch
ohne feierliche Langweile.
Seither ist in Florenz ein neuer Humorist aufgetaucht
in der Person des Architekten Renate Fucini (Anagramm
dieses Namens ist sein Nom de plume: Neri Tanfuccio). Er
begann mit humoristischen Sonetten im Pisanerdialekt. Fanfani
widmet ihm N. Ant. XVIII einen Artikel : II poeta popolare,
1871. Er nennt seine Poesie „schiettissima e quasi nuda natura",
und fordert ihn auf, den Dialekt in Zukunft zu lassen und für
die Nation zu dichten. Dies that Fucini in neuen bei Barbera
1876 erschienenen Sonetten.
Erwähnen wir hier im Vorbeigehen die Humoristen der
italienischen Dialekte, wenn sie auch nicht zu den Vertretern
der „Lingua parlata" gehören: Brofferio (gest. 1866), den
piemontesischen B6ranger, seinen Landsmann Rosa; den Lom-
barden Raiberti; Porta, den mailändischen Grübel; Belli,
den Hjimoristen und Satiriker Roms, (Sonette 1870, Barbera.
„Se ne fece un gran dire", Fanfani).
Hieran schliessen sich die lyrischen Volkslieder der
— 59 —
Toscana (Tigri: Canti popolari toscani, Barbara 1860, mit einer
Untersuchung über die Entwicklung der „Eispetti").
Fanfani (N. A. V, 1867) entwirft in zwei Artikeln die
Geschichte der Poesia giocosa in Italien von Dante bis Guada-
gnoli. — Ueber die florentiner Strassen- und Stenterellolitteratur
hat derselbe 1876 einen hübschen Artikel (N. A. XXXII) : „La
letteratura e la critica del popolino" erscheinen lassen.
Prosa giocosa. Der Yorick des Fanfulla, Ferrigni
von Florenz, schreibt humoristische Feuilletons in reinem fioren-
tino. Sein „Su e giü per Firenze" (Barbera 1877) enthält gelungene
Volksscenen. — Der Fanfulla und die Witzblätter Pasquino
und Spirito folletto sind selbstverständlich lebendige Quel-
len der „Lingua parlata". Wer sehen will, wie diese schmähen
kann, lese die „Rana" von Bologna.
Die neuere Pamphletlitteratur behandelt Roux: Litt, con-
temporaine en Italic, Charpentier 1874.
Die didaktische Belletristik der Jugend- und
Kinderlitteratur muss schliesslich auch hieher gerechnet
werden. Hier wie anderswo trifft sie den richtigen Ton, den-
jenigen der ungekünstelten Einfachheit, nur schwer und selten.
Ohne streng zwischen Unterhaltendem und Belehrendem
zu scheiden; notire ich folgende Schriften:
B6rtoli. Epistolario dei Giovinetti, 1870. 3. Aufl., Paravia.
„Einfach und gut toscanisch" (N. A.). — Ich warne hier vor
dem durchaus rhetorisch gehaltenen Epistolario: La famiglia
Bolognani von Neri, Barbera 1861 ; — einer verfehlten Nach-
ahmung eines guten franz. Vorbildes (Lettres de famiUe, von
Mme Carreau, Hachette).
Kinderdramen, von Luzzato und von Bianchi (Mi-
lano bei Carrara); — von Calenzoli und von Coletti (Beide
sehr gut), — von E o s e 1 1 i n i (Commedine, München, G. Franz),
— von Rocca, — von Morandi etc.
Pardini. Raccontini per Tinfanzia. Flor. 1878.
Die Verlagscataloge von Paggi und Barbera in Florenz,
von Carrara und Treves in Mailand sind reich an Jugend-
und Schulschriften, Misslungen finde ich Fanfani 's kleine
— 60 —
Biographien berühmter Italiener für Knaben- und für Mädchen-
schulen (Plutarco „maschile" u. „femminile"). — Die Geschichte
Italiens in Biographien von Savina (Paggi) ist ein trockenes
Compendium in biogr. Form! — Paccini. Piccola storia dltalia
per i fanciulli, 2 vol. Florenz (Eom und Mittelalter). — Hübsch
sind die von Georg Franz in München herausgegebenen
Racconti di Luigi Carrara Fiorentino. — Cantii: Fanciulli
celebri (Milano, Carrara). — Fornaciari (N. A.) empfiehlt:
Catalani: Baccontini, Bologna 1873.
Banderbibliotheken haben die Cataloge von Paravia, Paggi,
Carrara, Treves, Kichiedei aufzuweisen. — Tarducci: Favole e
miti, eine griech. Mythologie für Kinder. — Loggende e panzane,
bei Bichiedei, Mailand. — Verfasser und Sammler von Kinder-
liedern: Rocoa (Canzoniere della gioventü etc. bei Paravia),
Coppini (ebenda 1871, vom Schulrathe in Siena empfohlen,
ledern und schulmeisterhaft).
In Dialekten: Angelo dal Medico (1871): Le ninne-naime
e i giuochi infantili di Venezia (N. Ant. XYiii, 685). — Herr
Fornaciari in Florenz schreibt mir, dass die Kinderlieder der
Toscana noch nicht gesammelt sind. Schade, nach dem Muster
zu schliessen, das Yorick in „Su e giü per Firenze" gibt.
Prime Letture, 4. Aufl. bei Gnocchi in Mailand, 1870.
— Le prime Letture, ein Unterhaltungsblatt mit Bezeichnung
der Accente, dirigirt von Sailer in Mailand, existirt seit sechs
Jahren. — Die Eaccontini der CaterinaPercoti (Triest) zeich-
nen sich durch elegante Einfachheit aus. — Der Giannetino
von Parravicini ist eine Encyclopädie des elementaren Wissens.
— Falorsi: Guardare e pensare, Florenz bei Sansoni, wird
sehr empfohlen.
Das BoUetino bimestrale von Paravia (Juni 1878) notirt
auch eine Bibliotechina di premio pei fanciulli v. Bencivenni,
die Nummer zu 10 Cts.
n.
Bibliographische Uebersicht der Hfllfsmittel des
Stndioms.
1. Sprachgeschichte. ^
Die Geschichte des Vulgärlateins skizzirt die Einleitung
von Schuch^rdts: Vocalismus des Vulgärlateins (1866);
dessen Sprachschatz haben D i e z : Grammatik der romanischen
Sprachen (seit 1836; verbesserte und vermehrte Auflage in fran-
zösischer Uebersetzung von Brächet, Gaston Paris u. Morel-Fatio.
Paris 1874 — 76), Desselben: Altromanische Glossare, sodann
Könsch: Itala und Vulgata (1869) ; Pott, Fuchs und Andere
gesammelt.
Ueber die Geschichte der italienischen Sprache schrieben
in neuester Zeit Demattio, Professor in Innsbruck: Origine,
formazione ed elementi della lingua italiana (1869); — Caix,
Professor in Florenz: Saggio della storia della lingua e dei
dialetti dltalia con un' introduzione sopra Torigine delle lingue
neolatine ; parte prima, Parma 1872 (der zweite Theil ist meines
Wissens nie erschienen). In zwei durch die „Proposta manzo-
niana" veranlassten Artikeln der Nuova Antologia (XXVII;
1874): La formazione degli idiomi letterarii (vgl. Caix in
Hillebrands Italia IH.), hat Derselbe eine Entwicklungs-
geschichte des Italienischen bis auf dessen Fixirung durch die
Trecentisti gegeben. — Bedeutend sind die sprachgeschicht-
— 62 —
liehen Ergebnisse der italienischen Dialektforschung durch
Ascoli, Flecehia, Fahretti, Mussafia, Cihac. —
Caix hat 1875 zwei neue Arbeiten (s. u.) herausgegeben und
lässt nun seine etymologischen Studien drucken (v. N. A. XXIX,
474). — Bärtoli, Prof. in Florenz, eröffnet seine Litteratur-
geschichte der . ersten zwei Jahrhundefrte mit einem Capitel über
Ursprung und Bildung des Italienischen (1871). — Artikel von
Fanfani: La Crusca e la lingua italiana (N. Ant. lU, 1866);
Gino Capponi: Fatti relativ! alla storia, della nostra lingua
(N. Ant. XI, 1869). — Derselbe in seiner Geschichte der
Kepublik Florenz (1875) äussert sich über die Entwicklung
des Toscanischen : Buchlll, 9 und V, 9. — Zannoni: Storia
deir Accademia della Crusca, Firenze 1848. — Caix über
Ciullo d'Alcamo (K Ant. XXX, 1875). — Derselbe: Osser-
vazi^i sul vocalismo italiano, Firenze 1875; und: Le alterazioni
generali nella lingua italiana", Roma 1875. — Blancc „Ita-
lienische Sprache", ein umfangreicher Artikel in der Ency-
clopädie von Ersch u. Gruber 1847. Desselben Einlei-
tung zur italienischen Grammatik, 1844. Desselben Artikel:
„Italienische Litteratur" bei Ersch u. Gruber enthält Notizen,
die hieher gehören. — Der letzte (IV.) Theil von Cesarotti's
„Saggi suUa filosofia delle lingue" ist eine kurze Geschichte
der italienischen Litterärsprache, welche Gino Capponi in seinem
Artikel der Nuova Antol. (Fatti etc.) benutzt zu haben scheint.
— Karl von Reinhardstöttner's: Die italienische Sprache,
ihre Entstehung etc., 1869, ist von Comparetti (N. Ant. X, 396)
grausam hingerichtet worden. — Max-Müller's Buch über
die Wissenschaft der Sprache hat Nerucci, Prof. in Pistoja,
übersetzt. — Ugo Angelo Canello: II professore Federigo
Diez e la filologia romanza del nostro secolo, Firenze 1872.
2. Lexica.
Brunet erwähnt am Schlüsse der betreffenden systemati*
sehen Tafel ein Vocabolario iicUiano^ieutonico , Venedig 1477,
welches sich in Wien befinde.
— 63 —
1536. Fabricio de Luna: Vocabolario di cinque mila
vocaboli toschi del Purioso, Petrarca, Boccaccio e Dante.
Napoli.
1543. Accarisio: Vocabolario et ortografia della Kngua
volgare. Cento (bei Perrara).
1556. Alunno: La fabrica del mondo, ein Vocabular aus
Dante, Petrarca und Boccaccio. Venezia.
1568. Toscanella. Dittionario volgare et latino. Venezia.
1612. Vocabolario degli Accademici della Crusca.
Veni^zia. Die von der Crusca selbst veranstalteten weiteren Aus-
gaben: zweite: 1623, Venedig; — dritte: 1691, Ploren^;
— vierte: 1729—1738; — fünfte: 1842. Diese von Salvini
redigirte Ausgabe wurde von der Crusca im Laufe der Publi-
cation zurückgezogen. Vgl. Panfani, N. A. III: „La Crusca e
la Lingua italiana". Eine neue fünfte Auflage wurde 1858
begonnen und erscheint seit 1863; Heft 1 — 3 des dritten Bandes
erschienen 1877 (Ci — Coppa), 720 Seiten, Plorenz, Cellini.
Past jede Edition der Crusca wurde hart angefochten und ver-
anlasste unerquickliche Händel. Heute ist es Prof. Cerquetti,
der mit dem Cruscaner Tortoli kämpft. Die Grerichte haben
Cerquetti zu — 2 Prs. Busse verurtheiltl — Seine Polemik
bei Carrara in Mailand. Ebenda: Panfani: H Vocabolario
novello deUa Crusca, 1877. — Die beste der annotirten
Ausgaben der Crusca ist die von Pater Cesari in Verona,
1806 sqq. herausgegeben. Band VII. enthält ausser der So-
praggiunta : Indice delle Voci e locuzioni latine, Indice de' Pro-
verbi e delle Prasi latine, Catalogo degli Autori o libri d'Autori
del buon secolo e degli Autori moderni.
1780. Alberti: Nuovo Dizionario italiano - francese e
francese - italiano. 2 Bde., Nizza.
1797. Alberti: Dizionario universale, 6 Bde., Lucca. „Das
erste nationale Wörterbuch der ital. Sprache". Blanc;
1819 — 1826. Dizionario della Lingua italiana, von Cardi-
nali, Orioli und Costa. Von Blanc als das gehaltvollste
Wörterbuch der Epoche bezeichnet. Reiche Supplemente dazu
schrieb Parenti: Modena 1823 — 1826.
— 64 —
1817 — 1826. Monti: Proposta di alcune correzioni ed
aggiunte al vocab. della Crusca, in sieben Theilen.
1829. Vocabolario universale. Napoli, Societi tipografica
Tramater. Nene Ausgabe, König Umberto gewidmet, von
Luciano Scarabelli 1B78 (121 Lire). CiveUi.
1831. Valentini: Grosses ital.-deutsches und deutsch-
ital, Wörterbuch. 2 Bde., Leipzig. Seit dieser Leistung hat das
ital. Wörterbuch in Deutschland wenig Fortschritte gemacht.
Alle unsere Handwörterbücher, der kleine Valentini und
F. A. Weber neues vollständiges Wörterbuch der ital.-deut-
schen Sprache, Leipzig, Holtze 1872, mitgerechnet, sind weder
nach den neuesten Leistungen Italiens noch auch nach den-
jenigen der deutschen Lexicographie revidirt worden. Möchte
auch hier ein Sachs eingreifen!
1837. Grande Dizionario tedesco-italiano e itaUano-
tedesco. Milano, 2 Bde.
1844. Tommaseo: Vocabolario universale. Florenz.
1852. Bolza: Vocabolario genetico-etimologico della lingua
italiana, Wien. Sehr schön gedruckt, aber auch sehr unvoll-
ständig. Die Stammwörter sind fast alle griechisch, classisch-
lateinisch und deutsch, während das Vulgärlatein und die
romanischen Schwestersprachen so zu sagen unberücksichtigt
bleiben. So steht z. B. unter aes : aestimare — stimare, während
das zu altfr. esmer gehörende azzimare fehlt. Diez' etymolo-
gisches Wörterbuch kam eben erst 1853 heraus.
1852 — 1857. Gherardini: Supplemente zum Vocabol.
della Crusca, 6 Bde., Milano.
1856. Erste Auflage von Fanfani's Vocabolario della
lingua italiana, Firenze.
1856. Ruggeri Greco: Vocabolario mnemosino o rime-
morativo per aver in fronte e ricercare i termini dimenticati
ignorati. Ein Sprachschatz wie unser Sanders und das fran-
zösische Werk von Boissi^re.
1863. Fanfani: Vocabolario deir uso toscano.
1865 — 1878. Tommaseo und Bellini: Dizionario della lin-
gua italiana nuovamente compilato dai Signori Nicolö Tommaseo
— 65 —
e cav. prof. Bellini con oltre cento mila Giunte ai precedenti
dizionari, raccolta da Tommaseo, Campi, Meini e Fanfani.
Torino. Einleitung (im Widerspruche mit dem Titel nicht von
Tommaseo) von dem Director der herausgebenden Gesellschaft :
Pomba. Heute bis auf zwei Lieferungen vollendet; 8 Bde.
1870. (Giorgini, Schwiegersohn Manzoni's, nebst Mit-
arbeitern) ; Novo (sie) Vocabolario della Lingua parlata, Pirenze,
Cellini ; unternommen in Ausführung der Proposta manzoniana,
wird ca. 1880 vollendet sein (?). Auf dem Titel sind die Autoren
nicht genannt.
1871. Vocabolario della lingua ital. compilato sui dizio-
narii Tramater, D'Alberti ecc. per cura di A. Sergent
con aggiunte cavate dal Diz. de' Sinonimi per Tommaseo.
Milano. Anhang von Eigennamen. 1344 Seiten für nur 4
Lire !
1874. Eerrari e Caccia. Grand Dictionnaire frangais-
italien et it.-£r.; Paris, Garnier; sehr brauchbar.
1874. Trinchera: Vocabolario universale. Milano, schlecht
und klein gedruckt, aber billig (6 Lire), behauptet, 10,000
neue Wörter zu bringen. Anhang von Eigennamen.
1876. Eigutini und Fanfani:, Vocabolario italiano della
lingua parlata. Firenze, 2. Aufl. Ein unschätzbares Hülfsmittel
von 1648 Seiten mit Supplement von 127 Seiten (Preis nur
22 Lire). Wie im Dict. der franz. Academie, sind die Beispiele
zwar gemacht, aber sehr gut gemacht.
Sp€CiftlwSrt6rbflGher. Leider fehlt noch eine wissenschaft-
liche Specialarbeit im Gebiete der italienischen Etymologie.
Das etymologische Wörterbuch von Diez umfasst nicht den
ganzen Sprachschatz der einzelnen romanischen Sprachen, dessen
englische, alphabetisch geordnete Bearbeitung von Donkin
(Williams and Norgate 1864) hat so viel als Nichts hinzugefügt
die älteren Werke von Ferrarius (Patavii 1676), Menagius
(Genevsö 1683) und Bolza (1852) stehen nicht auf der Höhe
der heutigen Wissenschaft, — so dass ein Ascoli oder Caix
hier eine grosse Lücke auszufüllen hätte.
— «;n —
Die italienische Synonynnk wurde von Rabbi (Sinonirai
ed aggiunti ital., Bologna 1732), Grass i (Saggio intomo ai
sinonimi della lingua italiana, Torino 1821), Romani (Teoria
dei sinonimi italiani. Dizionario generale dei sinonimi italiani,
in dessen Werken, 8 Bde., !Milano 1826) in Angriff genommen.
Das Hauptwerk neuerer Zeit ist verdienstlich, aber keineswegs
abschliessend: Toramaseo's Synonymen (zuerst in Florenz
1832) sind 1867 zum fünften Male in Mailand erschienen:
Dizionario dei sinonimi della Lingua italiana, accresciuto e
rifuso in nuov' ordine dall' autore (Milano), 1222 Seiten stark.
— De Gubernatis (Manuale di Weber, 1878, pag. 904) nennt
„il sinonimista Volpicella".
An orthoepisehen Dictionären ist leider noch immer Mangel.
Nesi liess 1825 ein Dizionario ortologico in Mailand erschei-
nen, in neuer Ausgabe bei Battezzati in Mailand (6 Lire). Die
Tractate von Buscaino Campi und von Gradi s. unter
„Grammatik". Die Vocabolarien von Panfani und von Rigutini
bezeichnen die Aussprache nicht mit deutlichen und genügenden
Mitteln. Namentlich fehlt der Accent bei den Verben, welche
denselben auf die Drittletzte zurückziehen oder nicht zurück«-
ziehen (61evo; edüco). Eine einfache Accentuirung von 1. Sing.
praBS. Ind., in Klammern dem Infinitive beigefügt, würde dem
Uebelstande abhelfen. Ebenso fehlt noch ein accentuirtes General-
verzeichniss der Eigennamen, während doch in Italien selbst
oft verschiedene Betonungen herrschen.
Vocabolarien von Carena und von !5'anfani s. im Abschnitte
„Phraseologie".
1875. Pico Luri: Saggi di modi di dire proverbiali e
di motti popolari. Roma, Sinimberghi. WerthvoUe philologische
Erklärung alter Sprichwörter; von N. Ant. sehr günstig be-
urtheilt. Verfasser ist: L. Passarini.
Eine Uebersicht der zahlreichen Dialekt -Vocabolarien:
Bibliografia dei vocabolari ne' dialetti ital. raccolti e posseduti
da Gaetano Romagnoli. Bologna, Romagnoli 1876, mit
einem Supplement.
J681, Filippo Baldinucci, Vocabolario toscano deir
— 07 —
arte del Jisegno, nel quäle si esplicaiio i propri termini e Toci
uon sole della Fittura, Scoltura ed Arcbitettura, rna ancora di
altre Art! a quelle subordinate e che abbiano per foudamento
il disegno. Firenze. Aufgeführt in Band VII. der Ausgabe der
Crusca v. Cesari. Ebenda:
1769. Voci, maniere di dire e osservazioni di Toscani
Scrittori e per la maggior parte del Kedi raccolte e corredate
di note da Andrea Pasta, che possono servire d'istruzione
ai giovani neir arte del medicare e di materiali per comporre
con proprietä e pulizia di lingua italiana i consulti di medicina
e di cirusia.
1682. Magri, Notizia dei Vocaboli ecclesiastici. Bologna.
Vocabolari militari von &rassi (Turin 1833) und
von Mariano d'Ayala.
De Gubernatis (Manuale di Weber 1878, pag. 902) : „ Alla
lingua marinaresca dltalia oltre il conte Simone Stratico della
Dalmazia ed i.Siciliani Parrilli e Pitrfe, rivolsero i loro studii
due nobiH ingegni liguri, Emmanuele Gelesia e Giulio Uezasco^'.
— 1870 erschien in Genua ein ital.-franz. Marinendictionnär
von Luigi Fincati.
Palma, Prof. in Mailand, ist Verfasser eines Vocabolario
metodico dell' Agricoltura. Milano, bei Carrara x)hne Datum.
3. Grammatik.
Wie in Frankreich, so entstanden auch in Italien die
ersten grammatischen Tractate der Vulgärsprache unter dem
Drucke des Humanismus. Der erste seiner Grammatiker ist der
Dalmatiner Fortunio, dessen Büchlein 1516 in Ancona er-
schien. Er handelt die Grammatik nach den Redetheilen ab
und schliesst mit orthographischen und orthoepischen Regeln,
welche unter die einzelnen Buchstaben des Alphabetes ge-
reiht sind.
Der Anfang des Buches lautet:
6*
— 08 —
„De' Nomi. De' parti della volgar grammatica, cosi baste-
voli per cognizione di lei, come necessarie, sono quattro, Nome,
Pronome, Verbo, Adverbio. Di ciascuna delle qnali regolatamente
ragionar intendo : e del nome pigliando principio dico : La prima
regola del nome essere, che li nomi, li quali in alcnna di
queste vocali e over o finiscono nel lor minor numero, in questa
vocale % nel maggior saran terminati." Die vielen von Fortunio
gegebenen Beispiele sind fast alle Dante und Petrarca,
wenige dem Boccaccio entnommen. Titel des Buches: „Regele
grammaticali della volgar lingua", Ancona 1516.
Nach ihm erscheint der Venetianer Libnrnio (1474 —
1557): „Le vulgari Elegantie", Venedig 1521. Die Dedication
des Buches nennt seine classischen Vorbilder :
„Cosi etiamdio alli compositori di verso e prosa vulgare
istimo non convenire disordinatamente dettare, ma con leggia-
dria e acconciamente del comporre Tufficio esercitare. Per la
quäl cosa, da Phrinico, da Giovanni Mastro e da Moscopulo
Elegantie della greca litteratura furono per avanti pienamente
composte. Macrobio, Cellio e Asconio Pediano di pura latiniti
ottimi osservatori alli seguaci della virtu Vergiliana e ai lettori
della TuUiana maestate ornamento non picciolo arrecarono. lo
dunque di grechi e latini le dotte vestigia imitando primo vengo
air ApoUineo Palladio tribunale, cui al meglio che per me si
puote, delle vulgari eleganze nostre le vigilate notti inchine-
volmente offerisco".
Im „Proemio della terza parte del primo libro" wird der
Vorgänger Francesco Fortunio genannt:
„Leggesi al presente una brieve grammatica vulgare di
Messer Francesco Fortunio : il quäle veramente in picciol campo
emmi paruto diligente assai, ma pure se il prelibato scrittore
havesse potuto in piü di quatro parti la sua grammatica dividere
e con fondata raggione, rimetto al d'altrui giudizio".
Andere Vorgänger erwähnt Liburnio nicht. Liburnio,
der Fortunio's Plan kritisirt, hat selbst sehr wenig Plan in
seinem Buche; es ist ein kunterbuntes Durcheinander gram-
matischer, lexicographischer, orthographischer und stilistischer
— 69 —
Bemerkungen. Eine Inhaltsübersicht des dritten Abschnittes
des ersten Buches möge dies belegen:
„Altrui; — ahi, ohime, deh, ah; — cui, lui; — se, si,
vo, vado, o; — loro; — nuvoli, nuvole, nuviletto, nuviletta,
nebbia, nube; — lodi, loda, laude, lodo; — saggio, sedia, sede;
— ambo, ambe, ambedue, ambeduo, ambodue ; — fronde, fronda,
frondi; — fune, fine; — pio, dio; — ringrattio; — stormo,
stormire; — ire, gire".
In dem nämlichen Jahre 1521 gab Marc Antonio Fla-
minio in Bologna ein Compendio della volgar Grammatica
heraus. Nach Blanc ein Auszug aus dem Manuscripte von
Bembo's Prose *).
1524 erscheint in Rom Trissino*s: „Epistola intorno
aUe Lettere nuovamente aggiunte alla lingua italiana". Es
^) üeber dieses von Blanc als sehr selten bezeichnete Büchlein schreibt mir
Herr J. Bauer, ein Kenner nnd Sammler der italienischen Litteratnr:
„Leider bin ich bis jetzt im Nachsuchen in Betreff des y^Compendio della
volgar grammatMa, Bologna 1521" noch nicht sehr glückUch gewesen. Nur so
viel scheint mir sicher zn sein, dass Blanc (Ital. Grammat. p. 24) sich irrt, wenn
er meint, es sei vielleicht identisch mit: „Le Frose dl Monsignor Bembo ridotte
a metodo da M. Marc Antonio Flaminio, Napoli 1569" und wieder abgedruckt
im XII, Bande der Hailänderausgabe der Werke des Bembo: es müssen zwei
Terschiedene Schriften sein. Ich habe zunächst in der Tita des M. Ant. Flaminio
nachgesehen, die der Canonicus Fr. M. Mancurti der Ausgabe der Gedichte des-
selben vorgesetzt hat (Marci ^ntonii, Joannis Antonii et Gabrielis Flaminiorum
carmina, Patavii 1743). In der Vita selbst spricht er nicht davon, wohl aber
führt er unter den „Opera etrusco sermone edita" auf: „Compendio deUa volgare
grammatica, Bononiae, opera Hieron. de Benedictis, 1521" ; — und sodann: „Le prose
di Mons. Bembo ridotte a metodo, Napoli (apud Jos. Cacchium, 1569, 12°"; —
und fügt dann bei: „Ho sempre dubitato se la grammatica volgare sia vera-
mente opera di M. Ant. Flaminio. poiche s'egli fu nemico de' laberinti di gram-
matica latina, molto piü il fu di quelli deUa grammatica volgare. Oltre di che
non abbiam documento alcuno che provi esserdetta grammatica opera di lui.
Per me giudico ch'essa sia piutosto del padre (Giov. Ant. Flaminio). Parimente
ho dubbio se il Metodo delle prose del Bembo sia altresi parte di M. Antonio,
mentre ne Tuno ne Taltro parla giammai di lal metodo in alcuna delle loro
opere o lettere. lo son di parere che un tal metodo sia opera d'un certo Marc
Antonio Flaminio del Regno di Napoli, una di cui lettera a Silvio di Gaeta
leggesi nella Eaccolta di Lod. Dolce a carte 477." — Auch Tiraboschi erwähnt
das Compendio; wahrscheinlich hat auch er, wie Mancurti und Zeno, es nur dem
Titel nach gekannt," *
— 70 —
handelt sich um Einführung gewisser ^griechischer Buchstahen
ins Alphabet der Vulgärsprache. £ und o) sollten das geschlossene
e und o bezeichnen. Trotz des Widerspruchs d^r Grammatiker:
Liburnio,' Firenzuola, Tolomei und Martelli sind wenigstens
Trissino's Unterscheidungen: i und j, u und v und die Ver-
wendung von 55 statt t (eleganzia, nazione etc.) geblieben. Der
hierauf bezügliche Passus der Epistola lautet:
„Appresso si e da notare ancora la differenzia che e tra
lo t et lo u, quando sono consonanti et quando vocali; si scri-
veranno per le cousuete cancellaresche, quando saranno vocali;
ma quando saranno consonanti, lo i si scriverä per uno j lungo
che si extenda di sotto da la riga, et lo u jper un «? antico".
Livet (Les Graramairiens frauQais du XVI* siecle p. 199) weist
übrigens nach, dass der Spanier Nebrixa (gest. 1522) schon vor
Trissino diese Reform in seine Bücher eingeführt habe.
Cardinal Bembo's Prose erschienen 1525 in Venedig:
„Le Prose di Messer Pietro Bembo nelle quali si ragiona della
volgar lingua". Das Manuscript soll 1500 begonnen, die zwei
ersten Bücher 1502 vollendet worden sein.
Wie oben gezeigt wurde, ist eigentlich nur das dritte und
letzte Buch grammatischen Inhalts. Der Stoff ist nach den
Redetheilen geordnet, die einzelnen Regeln lose aneinander-
gereiht, ohne systematischen Zusammenhang. Der Anfang er-
innert an Fortunio:
„E per incominciar dal nome, dico che — i nomi in alcuna
delle vocali terminano et finiscono sempre" — etc. Sansovinus
(s. u.) behauptet in der That, Fortunio habe Bembo's Manuscript
benutzt.
Ein Jahr nach Bembo's „Prose" erschienen, ebenfalls in
Venedig: „Le tre Fontane di Messer Nicolo Liburnio in
tre libri devise, sopra la Grammatica et Eloquenza di Dante,
Petrarca et Boccaccio, e nel primo libro haverete: Verbi, Adverbi,
Intergettioni, Pronomi, Prepositioni, Congiuntioni, Relativi etc."
Venezia 1526. — Das Buch, methodischer angelegt als Libur-
nio*s erste Schrift, enthält auch alphabetische Wörterverzeich-
nisse und einen polemischen Anhang gegen Trissino,
— 71 —
Maoohiavelli wird fälschlich zugeBchrieben : „l)ialogo
nel quäle si CBamina se la lingua in cui scrissero Dante, Boc-
caccio, Petrarca, si debba chiamare italiana, toscana o fioren-
tina" ; Macchiavelli's Autorschaft taucht zum ersten Male in
Varchi's Ercolano, Dialogo nel quäle si ragiona delle Lingue etc.
Edit. 1730 auf. Vgl. Gamba, Nr. 1001.
1529. Trissino: II Castellano, Dialogo, Vicenza, will
nachweisen, dass die Sprache Italiens die italienische und nicht
die tosoanische heissen müsse. — In demselben Jahre publi-
cirte Trissino seine „Dubbi grammaticali" als Antwort auf die
Angriffe seiner Gregner. Die „Grammatichetta" fällt vor 1529.
1536. Acarisio (Alberto degl' Acarisi): Grammatica
volgare, Bologna.
1545. J. Gabriele: Begole grammaticali, Venezia.
1546. P. F. Giambullai-i: II Gello etc., Firenze. Eine
Schrift über den etruskischen ( ! ) Ursprung des Italienischen.
Giambullari gab J547 die erste von einem Toscaner verfasste
Grammatik heraus : Della lingua che si parla e sörive a
Firenze.
1549. Kinaldo Cor so: Fondamenti del parlar toscano,
Venezia. Der erste schwache Versuch eftier systematischen Be-
handlung der Grammatik.
1550. Dolce: Osswrvazioni ecc, Venezia. Nach Blanc sehr
mittelmässig.
1555. Tolomei: II Cesano, dialogo nel quäle si disputa
del nome della volgar lingua, Venezia.
1570. Varchi: L'Ercolano, Dialogo nel quäle si ragiona
generalmente delle lingue et in particolare della toscana e
della fiorentina, Firenze, fünf Jahre nach des Autors Tode ge-
druckt. „Herzlich langweilig'', Blanc.
1582. Muzio: Le Battaglie per difesa delV italica lingua,
2 Bde., Venezia; eine Sammlung gegen die Florentiner ge-
richteter Streitschriften, von dem Sohne des Autors nach dessen
Tode herausgegeben.
1588. Salviati. Avvertimenti della Lingua sopra il
Decamerone , 2 Bde. , Firenze ; eine (unvollendete) Boccaccio-
— 72 —
grammatik , die Quintessenz des pedantischen , schwerfalligen,
verknöcherten Florentinismus.'
Erwähnen wir schliesslich noch ein Corpus grcmmaiicorum
aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. Ich gehe die
Reihenfolge nicht nach dem mangelhaften Titel, sondern nach
dem Texte seihst. Die Stadthihliothek Zürich besitzt ein
Exemplar dieses ziemlich selten gewordenen Bandes.
„Le osservationi della Hngua volgare de' diversi huomini
illustri", herausgegeben von Erancesco S an sovino, Venedig
1565. Enthält: 1) Bembo, 2) Eortunio, 3) Gabriele,
Neffen des von Bembo als Kenner der Vulgärsprache belobten
Trifon Gabriele. „Egli le (regele) trasse dalla viva voce di
M. Trifone", sagt Sansovino's Vorrede; 4) Einaldo Corso,
5) Alberto Acarisio. Die Vorrede sagt, Acarisio sei ent-
schlossen dem Donat gefolgt, > und fügt bei, der Schüler beginne
am besten mit Acarisio, da er der bündigste und klarste aller
italienischen Grammatiker sei: „Ma io direi che innanzi che
altri leggesse le cose del Bembo o del Gabriele, o del Corso,
si arrecasse innanzi queste deir Acarisio, conciosia che risoluta-
mente abozza nella mente degl' imparanti le regele pure e
semplici de' nomi, de' verbi e degli altri membri di questa
lingua, li quali appresso fia poi agevol cosa il cäpir cio che ne
ragionano gli altri Scrittori".
Grammatiker des XVII. Jahrhunderts:
1601. Celso Gittadini: Trattato della vera origine e
del processo e nome della nostra lingua, Venezia. Desselben:
Le Origini della toscana favella, wurden in Siena 1604 gedruckt.
Ein bedeutender Grammatiker, der mit Scharfsinn Leonardo
Bruni's (gest. 1444) Theorie über den Ursprung des Italienischen
aus. der römischen Vulgärsprache vertheidigt. •
1613. Paolo Beni: L'Anticrusca , Padova. Der erste
gegen die Autorität Boccaccio's gerichtete Angriff. Eine scharfe
Kritik der Fehler und Schattenseiten von Boccaccio's Sprache.
1 643. Buonmattei: Della lingua toscana, Eirenze ; neun-
zehn Tractate, deren sieben erste schon 1826 erschienen sind,
— 73 —
mit Noten von Salvini 1714. Buonmattei war Secretär der
Crusca, diese betrachtete das weitläufige und schwerfällige
Bepertorinm als das Exegi monumentum der toscanischen
Grrammatik. Es ward für spätere Pedanten eine bequeme Fund-
grube gelehrter Kleinigkeiten.
1643. Subasiano (pseud. für Aromatari): Ein Corpus
grammaticorum in neunzehn Bänden, Venedig. S. Blanc bei
lErsch u. Gruber.
1644. Cinonio (Marc Antonio Mambelli): Osservazioni
della Lingua italiana, Ferrara; ein grosses Sammelsurium.
1668. Daniele Bartoli (Jesuit aus Ferrara): II torto e
il diritto del non si puö, Roma, weist nach, dass die ersten
Schriftsteller sich nicht an die pedantischen Segeln der Gram-
matiker kehren. — 1670. Desselben: Ortografia italiana.
Heute noch brauchbar.
V
Grammatiker des XVIII. Jahrhunderts:
1711. R o g a c c i : Pratica e compendiosa istruzione ai
principanti, Roma. Von Fernow gerühmt. Rogacci sei der Erste
und Einzige, der seine Beispiele selbst gemacht habe. Blanc.
1723. Amenta: Della li^gua nobile d'Italia, NapoH.
„Bedeutend", Blanc.
1737. Manni: Lezioni di Ungua toscana, Firenze. „Zehn
wirklich gehaltene Vorlesungen im florentinischen Geiste", Blanc.
Im achtzehnten Jahrhundert begegnen wir dem ersten
Systematiker der italienischen Grammatik: Corti-
ce lli in Bologna: . „Regole ed osservazioni della lingua toscana"
(Bologna 1745), che sono tuttora il piü autorevole codice di
nostra lingua" (Raff. Fornaciari, Disegno storico della Lett. ital.
Firenze 1877). Desselben: „Della toscana Eloquenza, Dis-
corsi cento", Bologna 1752 sind Gespräche über die Redekunst
mit Beispielen aus dem Decamerone, dessen fanatischer Ver-
ehrer Corticelli war.
Gegen Ende des Jahrhunderts erschienen zwei Bücher, die
viel von sich . reden machten : Pie ,,Saggi sulla filosofia dejl^
— 74 —
lingue et del gusto" von dem franzosenfreundlichen Melchior
Cesarotti in Padua (Padua 1785) und das Buch des piemon-
tesischen Puristen Galeani Napione: „Dell' uso e de' pregi
della lingua italiana" (Torino 1791), in welchem er das Fran-
zösische mit dem Italienischen vergleicht und diesem die Palme
zuspricht.
In der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hat
Mastrofini eine musterhafte Theorie der Verben (Rom 1814),
Ambrosöli, 1828, ein klares Manuale deUa lingua, der Mai-
länder Grherardini (gest. 1861) die gründlichste Kritik der
Crusca und umfangreiche grammatische Arbeiten geliefert: „In-
troduzione alla grammatica, 1825". — „Voci e maniere di dire
Italiane", 2 vol. (Milano 1838. 1840). — „Lessigrafia italiana"
(über die Orthographie der ital. Sprache, Milano 1843). — „ Appen-
dice alle Grammatiche italiane", Milano 1841, ein grosses Sammel-
werk, das immer noch nicht veraltet ist.
Mit Nannucci beginnt die wissenschaftlich historische
Richtung der bisherigen empirischen Concurrenz zu machen.
Vincenzo Nannucci, gebürtig aus Signa bei Florenz, Professor
des Griechischen, erst in Eavenna, dann auf den ionischen
Inseln, beschloss sein Leben 1857 als Conservator einer floren-
tiner Bibliothek. Er hegte den Plan, eine Geschichte der
älteren it^ilienischen Sprache zu schreiben, fragmentarisch führte
er denselben auch aus in den beiden "Werken: „Manuale della
Letteratura del primo secolo della lingua italiana" (Flor. 1837)
und in der historischen Formenlehre: — „Analisi critica dei
verbi" etc. (Lemonnier 1843) und : „Teorica dei nomi" (Ba-
racchi 1858), beide in Florenz gedruckt.
Im Anschlüsse an Friedrich Diez endlich hat Raffaello
Fornaciari, Professor in Florenz (geb. in Lucca 24. Febr.
1837), seine „Grammatica storica della lingua italiana estratta
e compendiata dalla grammatica romana di Federico Diez, parte
prima: Morfologia" (Löscher 1872) herausgegeben; Kritik von
Mussafia (N. A. XX, 429). Herr Fornaciari schreibt mir, dass
er eine neue Grammatik der italienischen Sprache unter der
Presse habe, welche im Herbst 1878 erscheinen wird. — Kurz
— 75 —
nachher Hess Prof. Deinattioin Innsbruck seine Diez gewidmete
Fonologia (1875) und Morfologia (1875) erscheinen. Die „Sin-
tassi" hatte derselbe schon 1872 herausgegeben, eine italienische
Schulgrammatik desselben erschien. 1876 bei Gerold iir Wien.
Die von Diez stammende Schule ist heute durch folgende
Professoren der romanischen Philologie vertreten: As coli in
Mailand, Fleochia und Grraf in Turin, Caix in Florenz,
C'anello in Padova, Carducci in Bologna, Monaciinßom,
De Ovidio in Napoli, Pumi in Palermo.
Mehr oder weniger in's Gebiet der alten empirischen Schule
gehören folgende Schriften:
1865. Compagnoni: Teorica dei verbi italiani, rivista da
Pietro Panfani. Florenz.
1867. Pesamento, Prof. in Padova: Vergleichende Syntax
des Lateinischen und des Italienischen, ein Werk von gegen
1000 Seiten! (N. A. XXVI, 1874).
1867. Moise, nach N. Ant. Verfasser einer Art „Grammaire
des Granimaires", Florenz 1867.
1869. Sailer: Sul valore scientifico delle riforme orto-
grafiche. Mailand.
1869. Maggione: Precetti intorno alla lingua e lett. ital. .
3 Bde. Mailand. Weitschweifig und mittelmässig.
1870. Lambruschini: Principi di grammatica ^d uso
delle Scuole popolari, zweite Auflage, Florenz. Die florentiner
Lehrer beklagen sieh über den „philosophischen" Stil des ver-
ehrten alten Herrn.
1874. Bocci: Ortoepia e Ortografia, Torino.
1875. Moise: Compendium seiner grösseren Grammatik.
Florenz.
1876. Venturini: Avviamento allo studio della lingua
materna ad uso delle scuole elementari, parte prima : Corso pre-
paratorio. „Syllabaire" mit Lesestücken, Florenz^
1876. Fr. Pera: Teorica e pratica della lingua italiana
per uso delle scuole e delle famiglie, sechste Auflage, Florenz,
Paggi's Biblioteca scolastica, In Frage und Antwort reiches
— 76 —
Material zu grammatischen Uebungen, zahlreiche als Beispiele
und Stilproben eingestreute Erzählungen. Anecdoten, worin
vorwiegend die Autoren des Trecento vertreten sind.
1876. Falorsi: Elementi di grammatica italiana ad uso
delle scuole elementari, normali, ginnasiali e techniche, Firenze.
In 897 Paragraphen, mit wissenschaftlichen Pretentionen, Bei-
spiele modern, ein gutes Buch.
1876. Ambrosöli: Nuoya grammatica deUa lingua italiana,
sechste Auflage, Milano. Bemerkenswerth ist das dritte Capitel
der Syntax : Officio ed uso di molte voci. Usi notabili di verbi.
1876. Pescatori: Grammatica deUa lingua italiana, fünfte
Auflage, 2 Bde., Florenz. Beigegeben ist eine den älteren
Schriftstellern entnommene Antplogia di Prose. Die Syntax ist
hier wie in den meisten obigen Büchern zu wenig eingehend
behandelt und lässt den Ausländer über viele syntactische
Fragen unbefriedigt.
1876. Gurrie-t: Complement de TEtude de la langue
frauQaise, die Lieblingsfehler der Italiener beim Französisch-
sprechen. Rom, im Selbstverlage des unwissenden Verfassers
(er schreibt z. B. : tampis statt tant pis !).
1878. Meschia: Esercizi su i sinonimi italiani, 2. Auflage,
Foligno. In zwei Heften, das zweite Heft ein Schlüssel für die
Lehrer. Nicht bedeutend. Der Autor kündet auf dem Um-
schlage an : „La lingua italiana in relazione col latino per Carlo
di Eeinhardstoettner. Traduzione dal tedesco".
Philologiscbe Stadien. — Cesari's Dissertation: Sopra lo
stato presente della lingua italiana coronata dair Accademia di
Milano 1809; — Monti's geistreiches Pamphlet: Proposta di
alcune correzioni ed agginute al Vocabolario della Crusca, 3 Bde.,
Mailand 1817 — 1824; — Gherardini's: Voci e maniere di dire,
Mailand 1838 — 1840, sind im ersten Capitel genannt worden.
1857. C ant ü : Eine Abhandlung über die „Lingua parlata",
Mailand.
1850. U g 1 i n i : Vocabolario di modi errati, prima Ed. napol.
1865, Giambattista Oiuliani (geb. in Asti 1818):
— 77 —
Briefe „sul vivente linguaggio della toscana, 3. Auflage, Florenz;
(1. Aufl. 1853). — (Gegen ihn: Cannonero, Imola 1871).
1868. Achte Auflage von Baron M anno 's: Della fortuna
delle parole (zuerst 1831, Turin). Kurz vor seinem 1867 erfolgten
Tode liess Derselbe „La fortuna delle frasi" erscheinen. —
Etwas breit aber angenehm geschriebene Artikel über die
Schicksale italienischer Wortbedeutungen und Eedensarten.
1870. Giorgini: Lettera a Quintio Sella, bildet die Vor-
rede des Novo Vocabolario. Eine schöngeschriebene Darlegung
von Manzoni's Theorie.
1871. Panfani: Lettera di un tedesco (Pederigo Haupt)
suU' infrancesamento della Hngua itäüana, Plorenz, Polverini.
1872. Antonio de Nino. Errori di lingua. Löscher.
1872. Giamb. Giuliani: Dante e il vivente linguaggio
toscano, Discorso. Plorenz.
1873. Derselbe: MoraUtä e poesia del vivente linguaggio
della toscana, Plorenz, Lemonnier.
1874. Gelmetti: La lingua parlata di Pirenze e la lingua
letteraria dltalia, 2 Bde., Milano. „Molto fumo e poco d'arrosto".
1874. Morandi: Le correziöni ai Promessi sposi e l'üniti
deUa lingua. Lettera del Manzoni al Casanova. Milano 1874.
1874. Tommaseo: Saggio di modi conformi all' uso vivente
itaüano, Plorenz, Lemonnier; zieht gegen die Gallicismen zu
Pelde. Die Kritik der N. Ant. wünscht eine ähnliche Arbeit
gegen die „einbrechenden Germanismen".
1875. Capitani: Voci e maniere di dire piü spesso mutate
da Manzoni, Brigola, Milano. Studien über den lombardischen
und den toscanischen Text der „Promessi sposi".
1875. Buscaino Campi: Eegole per la pronunzia, 3. Aufl.,
TrApani 1875. Unter demselben Titel hat sein Gegner Gradi
einen kleinen Tractat bei Paravia herausgegoben, 2. Aufl. 1874.
1876. De Amicis: Pagine sparse, enthalten mehrere Ar-
tikel über die moderne florentiner Sprache.
1876. Gambini: Prasi e voci errate usate nel foro e nei
pubblici uflSzi. Milano.
1877. Panfani und Arlia: Lessico della corrotta Italia-
— 78 —
nitk, Milano, Carrar<i, eine Puristenthat ^egen den Gallieismus.
Das leider sehr klein gedruckte Buch enthält eine Menge
interessanter Einzelnheiten. Ein älteres und kleineres von Bolza:
Prontuario di modi errati, 2. Auflage, Venezia 1855.
1877. Morandi: Discorso siilV Unitii della lingua rispetto
alla commedia, Milano^ Löscher. Als Vorrede zu zwei Comödien
des Verfassers.
1877. Buscaino Campi, Prof. in Trapani, den die N.
Ant, „H valente Trapanese, argato conoscitore della piü ripost^
bellezza del parlar toscano" nennt, hat seine grammatischen
Schriften 1877 (Palermo) gesammelt. — Fanfani's grammat.
Schriften s. in dessen Bibliografia, Roma-Firenze 1874. —
Prediani in Pistoja und Cerquetti in Porli haben andere
verfasst.
Deutsche Grammatiken für Italiener von Uebelhardt,
von Heinrich Keller (beide in Mailand bei Höpli), von Heinrich
Wild, von Sauer-Ferrari, von Müller. Sauer, Martelli
(4. Auflage 1853, Paris), Vergani, Greggiati (Lausanne
1875) haben ital. Grammatiken für Franzosen geschrieben.
Deatsehe Lehrmittel der italieniscben Sprache (Grammatik,
Uebungsbuch, Lesebuch u. s. w.) Wissenschaftlichen Werth
besitzen die Grammatiken von Fernow (Tübingen 1804),
Minner (Frankfurt 1830). Nach der bahnbrechenden Leistung
von Friedrich Diez (Grammatik der romanischen Sprachen, erster
Band 1836) machte Blanc, wie er selbst sich ausdrückt, den
ersten Versuch „einer historischen Grammatik der italienischen
Sprache". Sie erschien 1844 in Halle und hat ihren Werth
noch nicht verloren. — Julius und Moritz Wiggers:
Italienische Grammatik (Hamburg 1859), wissenschaftlich ge-
halten, ohne Uebungen. — Stadler, Lehrbuch der italienischen
Sprache, 3. Auflage, Berlin 1871. — Vockeradt, Oberlehrer
am Gymnasium in Paderborn : Lehrbuch der italienischen Sprache,
erster Theü : Grammatik, Berlin 1878 ; ohne Uebungen, gründ-
lich und ausführlich, heute wohl das vollständigste Lehrbuch
der italienischen Syntax.
— 79 —
Gute Schulbücher auf wissenschaftlicher Grundlage haben
Mussafia (siebente Auflage, Wien 1878), Johannes Keller
(zweite Auflage, Zürich 1875) und Heinrich Keller (zweite
Auflage, Aarau 1873) verfasst. Eine beliebte Conversations-
grammatik von CM. Sauer (sechste Auflage, Heidelberg 1876)
wird häufig zum Classenunterricht benutzt.
Langenscheit's ital. Unterrichtsbriefe. — Verbreitete
Lehrmittel sind ferner: Fogolari's neuer Lehrgang in prac-
tischen Lese- und Uebersetzungsübungen (Leipzig 1863). —
Schäfer: Lehrbuch der ital. Sprache (Paderborn 1875). —
Fornasari-Verce (Wien, 5. Aufl.; seit 1827). — Ollen-
dorf (2. Aufl., Altenburg -Paris 1870). — Pilippi: Schul-
grammatik nach Ahn's Methode (Wien 1864). — Deutsch:
Parallelgrammatik des Italienischen und Pranzösischen für
Deutsche (Zürich 1871). — Claus (Leipzig 1877). — Nieder -
berger (Heidelberg 1877). — Ahn (4. Aufl., Köln 1870).—
Noir6: Kurzgefasste Grammatik (Mainz 1871, viele Druck-
fehler). — Die meisten Lehrbücher halten sich vorwiegend an
den oberital. Sprachgebrauch, sie enthalten viel zweifelhaftes,
mitunter auch unrichtiges Italienisch.
Lehrmiltel ßr Uebersetzungen aus dem Deutschen in*s IIa"
Uenische, — Pogolari: Eaccolta di pezzi teatrali tedeschi
proposta per la traduzione. Erschienen sind: Minna von Barn -
heim, der Neffe als Onkel, der Parasit, die Hochzeitsreise,
Anne - Lise . Dresden .
Heinrich Keller: TIebungsstücke zum Uebersetzen aus
dem Deutschen in's Italienische (Zürich 1874).
Lesebücher von Messi: Saggio di letture italiane tratte da
autori moderni, Pest 1856, eine hübsche Auswahl mit Vocabo-
larien; — von H. Keller (Aarau 1877, berücksichtigt die
„Lingua parlata" und die moderne Litteratur). — Sauer (Ital.
Conversationslesebuch, 2. Aufl., Heidelberg 1869). — Schäfer
(fünfter und sechster Theil des Lehrbuches, Paderborn 1875).
Pogolari: Lesebuch (Leipzig 1873). — Locella:. Letture
amene, Leipzig 1876.
— 80 —
Handehcorrespondenzen von Pogolari (Leipzig 1863); — von
Locella (Leipzig 1878); — von Bonifaccio (deutsch-ital. Brief-
steller, Stuttgart 1871).
Deutsch-italienische Conversationsbücher und Vocabolarien von
Camerini, Piori, Pabbrucci, Eeinhardstöttner, Schlikum etc. s. u.
4. Phraseologie.
1866. Marina: Studi di lingua, Dialoghi, Genova. Die Ver-
fasserin ist Venetianerin (günstig recensirt, N. A^ 1866, I, 578).
1868. Enrico Franceschi: In Citti e in Gampagna,
Dialoghi di lingua parlata, Torino. Vierte Auflage, 1877, mit
Vocabolarietto. Das beste Buch der florentiner Lingua
pari ata! Der Autor ist Plorentiner, Bibliothekar des italieni-
schen Senates.
1870. Corbella: Corrispondenza commerciale e famigliare
in quattro Ungue, Carrara, Müano.
1870. B^rtoli: Epistolario dei Giovinetti, Plorenz, Paravia^
von Pornaciari empfohlen, s. o.
1873. Aufsätze und Briefe der mailänder Töchterschule,
für die Wienerausstellung gedruckt ; von Gabelli, N. A. XXTV,
666 besprochen.
1874. Angiolina Bulgarini: Dialoghi famigliari ossia
studi di „Lingua parlata" , zweite Auflage, Mailand, prämirt
vom pädag. Congresse.
Die Handwerkersprache von Florenz haben P. A. Bres-
ciani: Saggio di alcune voci toscane ecc, 1872, Milano; Gar-
giolli: H parlare degli artigani di Pirenze, Sansoni 1876; und
Ar IIa: Linguaggio degli Artigiani fiorentini 1876, in Gespräch-
form gebracht.
Das Vocabolario domestico von Carena (Prof. in Turin;
dort publicirte er 1831: Osservazioni intorno ad Vocab. deUa
lingua itaJ.) ist 1869 bei Pagnoni in Mailand unter dem
Titel : Nuovo Vocabolario italiano, domestico, prima ediz. mila-
nese, von Sergent bearbeitet, neu erschienen. Es behandelt
artikelweise die technische Sprache des gesammten Hausstandes,
— 81 —
♦
Geräthe, Kleidung etc. — Gleichförmig damit publicirte der
Verleger Carena^s: Nuovo Vocabolario italiano d'arti e mestieri.
Beide sehr empfehlenswerth.
Panfani hat das Vocabolar des Hauses (üna Casa da
vendere, Flor. 1868) und der Oelbereitung (Una fattoria toscana,
b. Carrara 1877) für die Schulen gesammelt. — Seine Jugend-
schriften: „H Piaccherrajo" und „La Bambola" sind für das
Studium der „lingua parlata" von Bedeutung.
Die besten Lehrmittel der Phraseologie sind die neueren
und neuesten Lustspiele. Das Plorilegio Drammatico (Milano,
Bettoni) zählt schon mehr als 500 Bändchen. Darunter Lust-
spiele von Paolo Perrari und Cicconi. Das in Beziehung auf
Reinheit und Eleganz der Sprache mustergültige Teatro Comico
di P. Gherardi del Testa (Pirenze Barbara) ist in etwa 30 Di-
spense a 1. 1. 15 vorhanden. Eine weitere Sammlung ist bei
Treves in Milano erschienen. Sie enthält Arbeiten von Martini,
Donati etc. Kinderdramen von Rosellini, Eocca, Morandi, be-
sonders Coletti und Calenzoli (Sansoni, Plorenz).
Von italienisch-deutschen Conversationsbüchern nenne ich
Annibale Piori's Handbuch, Stuttgart 1874, und VEco
italiana, fiore del parlar famigliare e della conversazione civile
in Italia, raccolto da Eugenio Camerini, private professore
di Lingua e Letteratui'a italiana in Torino, mit Wörterb. von
Stier, 3. Aufl., Leipzig, Violet 1863.
Die ital.-deutschen Vocabolarien von Carl von Reinhard-
stöttner (Berlin, Herbig 1868) und von Schlikum (2. Aufl.
1875) sind zwar nach dem Muster des „Vocabulaire syst6-
matique" von Plötz angelegt, aber schwerlich nach dessen Ver-
fahren ausgeführt. Plötz hat eine ausgezeichnete Arbeit geliefert,
weil er sie nicht dem Wörterbuche, sondern dem Ver-
kehre der Gebildeten abgelauscht.
6. Anthologien nnd Lesebücher.
Im Dienste der Litteraturgeschichte sind folgende Hand*
bücher bearbeitet worden:
Breiiinger, IU»1. Litterät'Bprache. A
— 82 —
Leopardi: Crestomazia, 1828. Neue Aufl. 1877. Neapel.
L. Pornaciari: Esempi di hello Bcrivere, Lucca 1829,
Florenz 1839. Erster Band: Prosa. Zweiter Band: Poesie; von
dem Sohne des Autors, R. Fornaciari, neu hearheitet, Paggi 1876.
Daverio: Scelta di Prose Italiane mit hiog. Notizen.
Beichhaltig, aher wenig Modernes. Zürich. Neu hearheitet von
E. Wolf 1852.
Francesco Amhrosöli (gest. 1868), ein unermüdHoher
XJehersetzer alter und neuer Schriftsteller, gah sein vierhändiges
„Manuale deUa letteratura italiana 1832^' in Mailand heraus;
fünfte Auflage, Florenz, Barh^ra 1872.
Adolf Ehert: Handhuch der italienischen Nationallittera-
tur; mit einem gediegenen Ahrisse der ital. Litteraturgeschichte.
Zweite Aufl., Frankfurt 1864.
Paul Heyse: Antologia di moderni poeti italiani. Stutt-
gart 1869; eine göschmackvolle Auswahl. Der Ejitiker der
N. A. (XTT, 410) vermisst die grössten unter den heutigen
Poeten: Carducci und die Gehrüder Maccari.
Cesare Cantii (geh. 1807): Della Letteratura italiana,
esempj e giudizj ; seine „Letture giovaniH" hahen üher 30 Auf-
lagen erleht.
Carlo Cajmi: II Bello delle Lettere italiane proposto ai
giovanetti, 3. Aufl., Milano, Carrara 1875. Empfehlenswerth.
Adolf Tohler: Italienische Chrestomathie, Solothurn,
erste Aufl. 1866, zweite: 1868. Eine gehaltvolle Auswahl.
Rigutini: Fiori di Lettere e di liriche (von und für
Frauen), Florenz 1873.
Parazzi: Pensieri e giudizi di Manzoni, Milano 1873.
Massimo d'Azeglio: Consigli al Popolo i taliano estratti
dai miei Ricordi, 3. Aufl., Florenz, Barh^ra.
Mehr practischen Schulzwecken dienen:
Barhöra: Prose e poesie scelte in ogni secolo della lettera-
tura italiana. Erster Band: Prosa, zweiter Band: Poesie.
4. Aufl., Florenz 1871. — Von Pietro Dazzi und De Lungo
gesammelt.
— 83 —
Eigutini und Fanfani: Antologia per uso delle souole
tecniche, Florenz.
Dazzi: Yersi e Prose; für Elementarschulen, 2. Auflage,
Florenz 1869.
Die Litteratur des XIX. Jahrhunderts illustriren die Muster-
sammlungen von Zoncada (fasti della lett. ital. nel corrente
secolo, zwei starke und stattliche Bände,. Mailand 1853; eine
hübsche Auswahl mit Einleitungen, von Puccianti als die beste
Sammlung dieser Art bezeichnet); Prudenzano (Napoli 1864);
Puccianti: Antologia moderna (Lemonnier, 2 Bde.). Der die
Poesie behandelnde Band ist von einer Abhandlung über die
ital. Poesie des neunzehnten Jahrhunderts eingeleitet.
6. Rhetorik und Poetik.
Fanfani sagt (N. Ant. XXXII, 450) : „GFItaliani sono una
nazione di rettorici e di pedanti" ; man denkt unwillkürlich an
diese Worte, wenn man einen Blick auf alle die neuen Hand*
bücher der Rhetorik, besonders der Stilistik und der Poetik
wirft, die Jahr um Jahr aus der alten Latinererde wie Pilze
aufschiessen. Die „Precetti" und „Principi" und „Elementi"
und „Instituzioni di letteratura, di belle lottere, di hello scrivere"
nehmen kein Ende.
Die 1783 in England erschienene Rhetorik Blair's, dann
diejenige Soave's (gest. 1806) waren im achtzehnten Jahrhundert
die Wegweiser der italienischen Jugend. Sie spielen heute noch
eine Holle; Soave: Istituzioni di Retorica e delle Lettere tratte
delle Lezioni di Ugo Blair, ampliate da Montanari, 2 Bde., Ca-
polago 1862. — Paolo Costa (gest. 1836, Prof. in Bologna)
gründete eine neue Schule mit seinen beiden Compendien : Della
Elocuzione (Stillehre) parti due ; — Dell' Arte poetica sermoni
quattro. — August Pranchetti, der hochgebildete Kritiker
des italienischen Dramas sagt (N. A. XXXVI, 463 anlässlich
Pornaoiarrs 1877 erschienenen „Dichiarazioni ed Esempi"):
„Avendo ogni secolo un modo suo proprio d'intendere Tarte
e d'interpretarne le bellezze, ne nasce il bisogno di modificare
6*
— 84 —
di tratto in tratto i sisterai d'educazione letteraria e la ricerca
di libri scolastici atti ad iniziare i giovaiii alla vita intelettuale
conteinporanea. Chi raffronti le Istituzioni retoriche di TJgone
Blair e del biion Padre Soave con le opere dell' Amicarelli, del
Castagnola e del Mestica, riconoscerä quanto cammino siasi
porcorso, da alcuni anni a questa parte in si ragguardevole ramo
dell' insegnamento. Ed a Paolo Costa, ove si volesse delineare
una storia dell'arte rettorica, converrebbe dar lode di simile
riforma. Essa erasi per fermo liberata dal vieto pregiudizio
che riduceva i cannoni deir arte in formule e le istituzioni retoriche
in ricettari, ma non si che non ve ne rimanesse qualche traccia."
Paolo Costa's bedeutendster Schüler ist Ferdinando Ra-
nalli (ein Romagnole), heute Professor der Greschichte in Pisa.
Fornaciari (Disegno p. 214) sagt von ihm:
„Nato nelle provincie meridionali, divoto seguace della scuola
romagnola, ad imitazione del suo maestro Paolo Costa, scrisse
gli Ammaestramenti di letteratura con criteri severissimi di puris-
mo". — Man vergl. Am6dee Roux, Bd. I, pag. 445: „Pendant
que M. Griudici s'appliquait ä retracer les fastes litteraires de sa
patrie (in den vierziger Jahren), un homme dont nous avons
indiqu6 d6jä, les tendances classiques, M, RanalH, menait k bonne
fin une oeuvre importante de pedagogie : Gli Ammaestramenti di
letteratura (3. Aufl., 4 Bde., Lenionnier). Ce livre excellent qui,
des la seconde edition, a regu des ameliorations et des devoloppe-
ments considerables, rendra d'immenses Services i la nombreuse
famille enseignante, et sauf le Cours de Litterature de La-
harpe nous n'avons rien en France qu'on puisse mettre en
parallele avec le savant ouvrage de Tinfatiguable professeur
italien. Les „Ammaestramenti" nous presentent Tapplication
du plan que s'etait propos6 M. Le Clerc dans un admixable
opuscule (Eoux meint wohl die Nouvelle Eh^torique frangaise,
1822). — Dans le livre italien Texemple est toujours k cöt^
du precepte, et lorsqu'il s'agit de donner une definition, Tauteur
s'efface autant qu'il le peut, pour laisser la parole k Quintilien,
k Gravina ou ä Zanotti".
Eanalli hat 1861 bei Lemonnier in Florenz unter dem Titel:
— 85 —
„La letteratura nazionale^' einige Yorlesungen drucken lassen,
welche den allgemeinen Gang der NationaHitteratur mit gedanken-
reicher Bündigkeit, aber auch in jenem strengen puristischen
Gathederstil darstellen, der die Lesung des Büchleins nicht gerade
zu einer leichten macht. Banalli ist der bedeutendste Vertreter
einer heute fast verschwundenen classischen Puristensohule. Sein
„Compendio degli Ammaestramenti di Letteratura per uso delle
scuole", 2. Auflage, Lemonnier 1865, resumirt sein grösseres
Werk.
Zu den besseren Publicationen auf diesem Gebiete gehören
die Bücher von Spalazzi (I^emonnier 1877, etw. abstrus und
schwer geschrieben); — Mor ini (Faenza 1871, elementarer 1874
für „Ginnasj", d. h. im Gegensatz zu Licei: Lateinschulen; 1873
eine dritte für Industrieschulen); — Gabba: Trattato di belle
lettere e sunto di storia letter. per le fanciulle (3. Aufl., Pisa
1872); — Mestica: Istituzioni di Letteratura (Barbara 1874,
zwei Bände, gut aber weitläufig). — Als eine wissenschaftliche
Leistung wird Pizzi: Ammaestramenti di Letteratura (Turin,
Löscher 1875) N. Ant. XXVIII, 778 angepriesen. — Der römische
Professor und Litterat Castagnöla hat eine Stilistik für höhere
Töchter herausgegeben, Rom 1874; — in Verbindung mit An-
giolina Bulgarini ein ähnliches Buch: Aiuto allo studio della
lingua (Bom 1876). — Die „Lingua parlata" betont Bossi : Le
proprietä della lingua nel discorso, 1877 (N. A. XXXVI, 238).
Die Begründer der neueren Poetik sind Gravi na (Della
Ragion poetica, Rom 1708. Della Tragedia. Della Istituzione
dei Poeti. Epochemachende kleine Schriften, neue Auflage in
einem Bande per cura di Paolo Emiliani-Giudici, Barbara 1857)
und Muratori: Della perfetta poesia italiana, Modena 1706.
üeber Gravina s. die gehaltvolle Monographie von Casetti (N. A.
XXV). Zanotti: Dell'arte poetica, Bologna 1768. Geschätzt
wird heute noch: Gherardini: Elementi di poesia, 3. Aufl.,
Mailand 1847. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Poetik
behandelt von Trissino (1529), DanieUo (1536), Minturno (1564),
Patrizii (1586), Denores (1588) und Menzini (1690). Auch die
Discorsi von Giraldi (1554) gehören in dieses Gebiet,
— 86 —
lieber Versification und Metrik besitzen die Italieaer viele
alte, aber wenig neue Tractate. Dante: de vulgari Eloquio. —
Antonio da Tempo: Trattato deUe ßime volgari (1832),
Edit. Grrion, Bologna 1869. — Gridino: Trattato dei ritmi
volgari, Nro. 105 der bei EomagnoH in Bologna erschei-
nenden Scelta di Curiositi letterarie. — Blanc: Anhang
zur italienischen Grammatik 1844. — Schuchardt: Eitor-
nell und Terzine, Halle 1875 (recensirt N. Antol. XXVm,
theuer!). — Berengo: Versificazione italiana, Venezia 1854,
Nro. 17 und 18 einer Biblioteca dei giovani. — Zambaldi:
II ritmo dei versi italiani, Löscher 1874. — Professor Pa-
glicci: Della metrica italiana, Aquila, bei Vecchioni 1877.
— Chiarini: N. Antol. XXXVHI, 1878: La nuova metrica
nella poesia italiana, bei Anlass von Carducci's Odi barbare,
und die Einleitung zur zweiten Ausgabe jener Oden: I critici
italiani e la metrica deUe odi barbare, discorso di Giuseppe
Chiarini, Bologna 1878. — Ein älteres über den Accent des
ital. Verses von Valentini, Berlin 1834. — Gnoli hat N. Ant.
XXXm einen bemerkenswerthen Artikel: „La Eima e la Poesia" ;
Carducci antwortet ihm N. Ant. XXXV, 205 mit einem tour
force k la Victor Hugo: „AUa Eima". — Ein Eimario exi-
stirt von Gir. Euscelli (seit 1559, Venedig), nuovissima edizione,
Napoli 1868; ein anderes von Eosasco (Padova 1763). Das
älteste wurde von Pellegrini aus Dante und Petrarca ge-
zogen, s. Blanc : „Italienische Sprache" b. Ersch und Gruber.
Die Kunst des mündlichen Vortrages behandelt der Verfasser
von „In Cittä, e in Campagna" in dem schönen Buche : L'Arte
della parola nel Discorso, nella dramatica e nel canto dall' awoc.
E. Franceschi, Milano 1877. Er löst seine Aufgabe noch um-
fassender als die entsprechenden französischen Schriften von
Mennechet und Legouv6. — Endlich müssen wir noch auf zwei
deutsche Werke: GotschalTs Poetik und den letzten
Theil von Vischer's Aesthetik: Die Dichtkunst, als
auf zwei vorzügliche Hülfsmittel auch der italienischen Poetik
hinweisen. Die Grammatiken von J. Keller, Noir6, Vockeradt
enthalten kurzgefasste Abrisse der Metrik,
— 87 —
7. BibUographie der Litteratnr.
Die Biblioteca italiana von Haym, 2. Auflage, Yenedig
1736, umfasst: Storia — poesia — prose — arti — scienze. —
Gamba: Serie di testi di lingua, 4. Auflage, Venedig 1839.
Ein bequemes, wenn auch nicht immer zuverlässiges Nach-
schlagewerk in einem Bande, das bis in's neunzehnte Jahr-
hundert hineinreicht. Im Exemplar unserer Stadtbibliothek
notirt C. von Orelli: „1841 cadde morto il Gamba, tenendo a
Yenezia un discorso accademico". — Bazzolini: Indice delle
Edizioni citate dalla Crusca, Milano 1863. — Zambrini: Le
opere volgari a stampa dei secoli XTTT e XIY, Bologna, 2. Aufl.,
1878; sehr gut.
Die NoveUenlitteratur von Borromeo (Bassano 1794),
Passano (Milano 1864) und Papanti (Livorno 1871); die
Bomanzi di Cavalleria von Melzi (Milano 1865); die italieni-
schen TJebersetzungen von Scipioni Maffei (Yenezia 1720);
die Opere anonime von Melzi (Milano 1848); die alten Mysterien
von Oolomb de Batines (Firenze 1852); die Dramen von
A 1 1 a c c i 1766. — Eine allgemeine italienische Bibliographie be-
arbeitet Bertooci; erster Band: Storia. Boma 1876. — Biblio-
grafia italiana, Giornale dell' Associazione typogr. Milano 1868
u. ff". — Cereseto: Appendice alla storia della poesia in Italia
dal Prof. Cereseto, Milano 1857. — La Bibliografia di Pietro
Fanfani, Firenze -Roma 1874. Yon 1843 bis zum Datum
des Druckes 164 Nummern; die letzte: Lessico della corrotta
italianitä.
VerlagscatalogeYonCa,rr3iTa.^ Löscher, Höpli, Yallardi, Treves,
Sonzögno in Mailand; — von Paravia, Paggi, Sansoni, Barbara,
Lemonnier in Florenz; — von Bomagnoli in Bologna.
Der erste allgemeine Catalog italienischer Yerleger erschien
1878 in Mailand. Es sind 110 zusammengeheftete Yerlags-
cataloge mit einem Autorenregister. Yiele italienische Yerleger
fehlen noch. Immerhin ein willkommenes bibliogr. Hülfsmittel.
Wichtig ist der Catalog der romanischen Philologie, zwei
— 88 —
Supplementhefte zum ersten Band von Gröberes Zeitschrift
für roman. Philologie (1877).
Kleinere und grösserere biographische Sammelwerke: von
Öazzino; von Roberti (Milano 1877). — Biografie degli
Italiani illustri, Venezia 1835. — Pitrfe: Profili biografici di
contemporanei italiani, Palermo 1864. Die Vorrede nennt als
Vorgänger I Contemporanei italiani, Galleria Nazionale
di L. Pomba, Torino 1860 ff. und: Profili biografici di
Ricciardi „cui fa seguito la presente opericciuola". Das 189
Seiten grosse Bändchen enthält 33 Biographien. Pitre liess
1868 unter dem Titel: Nuovi profili biografici, 33 weitere Bio-
graphien folgen. Beide Bändchen sind nur noch antiquarisch
zu finden. Wichtiger ist: Angelo de Gubernatis: Ricordi
biografici, pagine estratte dalla storia contemporanea letteraria
italiana in servigio della gioventii, Firenze 1872; 42 Biographien,
welche zuerst die Rivista Europea gebracht hatte. Der Verfasser
verspricht einen zweiten Band, der indess noch nicht erschienen
ist. Molmenti's Impressioni letterarie, 2. vemehrte Auflage,
Mailand 1875, haben durch ihre kecken Urtheile und ihre
elegante Darstellung Aufsehen gemacht. Em est Renan sagt
von ihnen: „Quel delicieux petit volume ! Ce petit 6crin d'6cri-
vains italiens, choisis avec tant d'art, sera pour moi une antho-
logie souvent lue et precieusement gardee". Und der Pungolo
beginnt seine Recension mit den Worten : „Stringiamo la mano
air iconoclasta". Es sind 30 skizzirte Portraits von Zeitgenossen.
— Derselben Gattung gehören Camerini's Profili letterari
(4 Bde.) an, obgleich sie sich weder ausschliesslich mit Italienern
noch mit Zeitgenossen beschäftigen. Auch Bosio's Ricordi
personali (Mailand 1878) und Barbieri's Simpatie (Mailand 1877)
sind hier zu erwähnen. — Die in Neapel von De Sanctis' Schülern
publicirten Essais über zeitgenössische Litteratur werden von
der N. Ant. wenig gerühmt.
Allgemeine Hülfsmittel. Vapereau, Dictionnaire des Con-
temporains; Dictionnaire des Litt^ratures. — Didot-Höfer:
Biographie generale. — Nach dem Muster des franz. Bouillet sind
— 89 —
gearbeitet: Lessona: Dizionario di scienze, lettere ed arti
(Treves 1875). — Straf forello: Dizionario di geografia e
storia (Treves 1877).
8. Litteraturgeschichte.
Allgemeine Werke, Crescimbeni: Istoria della volgar
poesia, divisa in sei libri, Roma 1698. Crescimbeni war das
Haupt der arcadisohen Academie. — Vapereau citirt: G. Gim-
ma: Idea della storia dell' Italia letterata. Napoli 1723, 2 Bde.
in 4®. — Quadrio (von Ponte im Veltlin, ein entlaufener Jesuit) :
Due libri della Poesia italiana, Venedig 1734, unter dem Namen
„Giuseppe Andrucci" publicirt. Desselben: Storia e ragione
(Poetik) di ogni poesia, 1739 in Bologna. — Fontanini:
Biblioteca dell' Eloquenza ital. 1737, 1753 ; die Anmerkungen von
Apostolo Zeno machen (nach Gamba) den Werth des Buches
aus. — Tiraboschi (geb. in Bergamo 1731, gest. in Modena
1794): Storia della letteratura italiana; Modena 1772 — 81, 9 Bde.
— Corniani (von Brescia): I secoli della letteratura italiana
dopo il suo risorgimento (9 Bde., Brescia 1818), fortgesetzt von
Ugoni 1820, von Ticozzi, Mil. 1832, und von Predari, Turin 1856.
— Nach Tiraboschi arbeitete der Franzose Ginguen6: Histoire
litteraire dltalie (Paris 1811 — 1835). Ginguene starb 1816, so
dass Band X — XIV seines Werkes von einem Nachfolger
(Salfi) verfasst sind. — Sismondi: Tableau de la litterature
du midi de TEurope (Paris 1813—1829, 4 Bde.) — Signorelli:
Storia dei teatri (2. Aufl. 1813). — Giuseppe Maffei: Storia
della letteratura italiana, 2. Aufl., Milano 1834; immer noch
gut, enthält schon manche culturhistorische Einzelnheiten : „ha
dei pregi e non merita i biasimi che gli si danno", Settembrini.
— Emiliani Giudici: Storia delle lettere in Italia, 1841;
erweitert 1855 unter dem Titel : Storia della letteratura italiana,
2 Bde. Settembrini sagt von ihm : „Primo considerö la lettera-
tura nella vita (also culturgeschichtlich) ; „und in der Politik",
fügt Fornaciari hinzu. Emiliani starb 1872 als Professor der
italienischen Litteratur in Florenz ; er war Sicilianer und seine
1
— 90 —
Scliriften sind in der That nicht frei von den Ueberschwäng-
liehkeiten südlicher Rhetorik. — Gaterina Ferruoci: I primi
qnattro secoli della letteratura italiana, Florenz 1850, zwei
Bände. Die Dame stammt aus Bologna und ist „academica della
cmsca^^ Sie schreibt schön, aber mit ausgesprochen katholischer
Tendenz. — Cereseto: Storia della poesia in Italia, Milano
1857. — Cantü: Storia della letteratura italiana, Lemonnier
1865. Eine hastige und unschöne Gompilation, reich an Flüchtig-
keiten und Geschmacklosigkeiten. Die N. Ant. wirft ihm mit
Recht vor, er zeige weder Geduld noch Geschmack im Compi-
liren: „La firetta e una gran traditora". Gleichwohl findet sich
hier und in den litteraturhistorischen Beigaben seiner Welt-
geschichte manche willkommene Notiz. — Sanfilippo: Storia
della letteratura italiana, 3 Bde., Palermo 1858 — 1863.
Seit 1860 hat das Studium der Litteraturgeschichte unter
den Italienern einen neuen Aufschwimg genommen. Zwei Neapoli-
taner, Settembrini (1812— 1877) und De Sanctis (geb. 1818),
Beide Zöglinge des Puristen Marchese Puoti, haben, jeder in
seiner Weise, Originelles geleistet. Von De Sanctis publicirte
die Nuova Antologia seit 1868 eine Reihe von Artikeln, welche
seither in Buchform erschienen sind : — Storia della letteratura
italiana (Napoli 1870, 2 Bde.). — Ss^gio critico sul Petrarca,
NapoH 1869. — Saggi Critici, 3. Aufl. 1874. — Nuovi Saggi cri-
tici, 1872. — Parole in morte di Luigi Settembrini, Napoli 1876.
— Die Gharakteristik der Perioden seiner Litteraturgeschichte
lässt zu wünschen übrig, es fehlt De Sanctis überhaupt an
historischem Sinn, aber in den scharfen und geistreichen Zeich-
nungen der Individuen und im realistisch colorirten Genrebilde
ist De Sanctis hochbedeutend. De Gubernatis sagt treffend
von ihm: „ha due facoltä potenti, la penetrativa e la pla-
stica^^
De Sanctis ist nach De Gubernatis der „critico per imagini",
Settembrini der „critico per affetti". Dessen „Lezioni di
Letteratura italiana" (3 Bde., 3. Aufl., Neapel 1875) athmen das
patriotische Feuer, mit dem sie gesprochen wurden. Der Autor
si^^ es ausdrücklieb in der Vorrede, er habe nicht eine Ge-
— 91 —
schichte schreiben wollen, er wünsche nur anzur^en nnd für
das Studinm des Gegenstandes zu begeistern. Lidess ist sein
Buch doch nicht rhetorisch gehalten, es darf im Gegentheile
instructiv genannt werden und liest sich recht angenehm. Auch
Settembrini ist Bealist in seiner Darstellung. Sein schroffes
Auftreten gegen Manzoni hat ihm heftige Gegner erweckt. Er
macht überhaupt keine Gomplimente. Yillemain kanzelt er
wegen seines ürtheiles über Jacopone da Todi also ab (I, 65):
„U Yillemain con la sua saccenteria francese dice che costui
era il buffone di quel genere di cui Dante era il poeta. Oh si,
egli era come il buffone di Be Lear, il solo amico di quelle
sventurato, il solo cuore che sentiva affetto per lui. Se in
Jacopone si riguarda Tarte, egli h niente : se si riguarda il senti-
mento religiöse, egli ^ poeta Cosi rispondiamo al francese
e a tutti quelli che senza intenderci vogliono dottoreggiare nelle
cose nostre". Wie sehr Settembrini ein „critico per affetti" ist,
mag unter anderem seine Kritik von Filicaja's berühmtem
Sonette beweisen (IE, 310). „Italia, Italia, o tu etc. Ecco
ritalia fuori del poeta : II Petrarca che la sentiva dentro di s^
disse: Italia mia, e con piü d'affetto il Leopardi: patria mial*^
— Weder Settembrini noch De Sanctis sind wissenschaftliche
Kritiker, aber Beide haben nach dem Vorgange von Emiliani-
Giudici das fruchtbare Moment der Culturgeschichte in die
Behandlung der italienischen Litteraturgeschichte eingeführt;
De Sanctis mit neapoletanischem Esprit und Settembrini mit
patriotischem Brio. Ueber Settembrini s. N. Ant. X : „D. Set-
tembrini ed i suoi critici" von De Sanctis.
Unter den Auspicien des ersten italienischen Historikers
Pasquale Villari wurde gegen 1870 ein grosses Collectivwerk
von Dottor Francesco Yallardi in Mailand eröfihet: ,,V Italia,
sotto Vaspetto fisico, storicOy artistico". Den ersten Theil desselben
bildet ein Ortslexicon „Dizionario corografico compilato dal
Amato Amati^' mit einem Atlas, dem man bessere Kartenzeichner
i^ünschen möchte; den zweiten Theil die „Trattati sdent^d
9ull' häHa^\ TtVL diesen gehören dann auch Monographien über
die verschiedenen Epochen der italienischen Litteratur, De
— 92 —
Sanctis in seinem oben citirten Artikel über Settembrini sagt,
so lange es an Monographien fehle, werde man eine erschöpfende
Geschichte der italienischen Litteratur nicht unternehmen können.
Die Monographien über einzelne Schriftsteller mehren sich nun
aber mit jedem Jahre, und man war somit berechtigt, in dem
1871 erscheinenden ersten Hefte von Bärtoli's „Primi due
secoli della letteratura italiana" den Anfang jener erschöpfenden
Greschichte zu erblicken. Aber schon das erste Capitel dieser
nun fast ausgefüllten Rubrik der Italia zeigte Spuren einer
kritiklosen Compilation (vergl. Eecension d'Ancona's N. Ant.
XVni, 443) und die Folge hat bewiesen, dass der florentiner
Professor die für eine solche Arbeit nothwendige Ausdauer
nicht besitzt. Es klingt unglaublich, aber es ist buchstäblich
wahr, dass der Autor über Dante's Divina Commedia nichts,
aber auch gar nichts sagt, sondern seine wissbegierigen Leser
(p. 367 — 432) mit einer durch gelegentliche Flickzeilen noth-
dürftig zusammengefügten Kette von meist recht langen Citaten
aus dem Inferno, dem Purgatorio und dem Paradiso zu befrie-
digen sucht ! ! Fünfundsechszig Seiten und 3257 Verse aus
einem Buche, das jeder Leser wenigstens in einer Ausgabe
besitzt ! Auf einen solchen Gedanken ist meines Wissens noch
kein Compilator von Litteraturgeschichten verfallen. Ueber
Petrarca hat der Verfasser etwas zu schreiben geruht. Aber
auch diesen Abschnitt beginnt er mit der Erklärung, über
Petrarca seien gegen zweitausend Bände geschrieben worden,
selbstverständlich könne diese Stoffmasse nicht bewältigt werden,
man suche Petrarca am besten in Petrarca's Werken, indem
man ihn selber reden lasse. Hienach hat De Sanctis eine sehr
überflüssige Bemerkung gemacht, wenn er auf die Nothwendig-
keit der Einzelnforschung hinweist! Noch überflüssiger ist es,
für Bartoli's Buch 20 Liren zu opfern. — Die folgenden Perioden
sind bearbeitet oder in Aussicht gestellt von Invernizzi (il
risorgimento dal 1375 al 1494, bisher 12 Lieferungen), Canello
(1494-1595), Gargiolli (1595— 1748), Carducci (von 1748
bis heute). Wie ich vernehme, wird die „Italia" aus Mangel an
Finanzmitteln schwerlich vollendet werden.
— 93 —
■
Zahlreich sind die Corapendien der italienischen Litteratur-
geschichte, aber wie überall sind die meisten werthlose Compi-
lationen. Ein einziges ist mit gründlicher Kenntniss nnd feinem
Geschmack verfasst. Ich nenne es mit der Nuova Antologia ein
„aureo übretto": — Raffaello Pornaciari: Disegno storico
della Letteratura italiana, 3. Aufl., bei Sansoni, Florenz 1877.
Hiezu gab der treffliche Verfasser 1876 einen Band: Dichiarazioni
ed es^mpi; eine reiche Sammlung kurzer charakteristischer Stil-
proben, welche in ihrem Zusammenhange eine Stilgeschichte in
Beispielen bilden. Als brauchbar können ferner auch folgende
Compendien bezeichnet werden: Ambrosöli: Considerazioni
suUa storia della letteratura italiana ; am Schlüsse seines Hand-
buches (Manuale). — Storia deUa letteratura italiana ad uso
dei Licei, dal professore J. G.; Milano, Libreria arcivescovale
1867, hübsch geschrieben und wie Fornaciari bis auf die neueste
Zeit gehend. — Vago: Della letteratura italiana, 2. Auflage,
Neapel 1873, anziehend geschrieben, aber ohne Vertiefung. —
Sommario di storia letteraria ad uso dei Licei von Monte -
fredini, Neapel 1874; knapp und nüchtern gehalten.. — In
den Manuali Höpli erschien 1878 ein Compendium von Fenini,
nach meiner Ansicht ganz verfehlt, da es statt der Thatsachen
nur Reflexionen gibt und die Geschichte aus dem Kopfe des
Autors construirt. Endlich verdienen in diesem Abschnitte noch
genannt zu werden: Eovani: Storia delle lettere e degli arti
in Italia, 4 Bde., Mailand 1855. — Die biographischen Artikel
im Manuale Ambrosöli's, die Einleitungen der Anthologien von
Zoncada und Puccianti, und De Gubernatis : Quadro deUa coltura
italiana nel secolo XIX in Weber's: Manuale di storia con-
temporanea, Lfrg. 11 und 12; b. Treves 1878. — Linguisti:
Le lottere italiane considerate nella storia ovvero nelle loro
attinenze coUe condizioni morali e civili degli Italiani, precedute
da un breve trattato suUa Letteratura (Poetik). Salerno, 2. Aufl.
von der N. Ant. empfohlen (1877).
Schriften über einzelne Theile der italienischen Litteratur. —
Barzellotti, Prof. in Florenz: La rivoluzione e la letteratura,
— 94 —
dentsch in Hillebrand's Italia. Der Autor, von welchem ein
Ejitiker der Nnova Antologia behauptet, er schreibe schwer-
fälliges Italienisch, weil er zu viel Deutsch treibe, verfolgt in
diesem Schriftchen in ganz allgemeiner Weise den patriotischen
Einheitsgedanken der italienischen Litteratur während der ersten
Hälfte xmseres Jahrhunderts und bedauert am Schlüsse seiner
Darstellung, dass man auch in Italien sich mehr und mehr
der frivolen Bomanlitteratur zuwende. Nur Manzoni und Leo-
pardi, meint er, bleiben noch von der ganzen Litteratur der
ersten fünf Decennien. — G-uerzoni, Professor in Padua: II
terzo rinascimento. Erster Band: Parini und seine Zeit. Zweiter
Band : Die Dramatiker des XVIII. Jahrhunderts. Florenz 1874.
— Die Geschichte des Volksliedes ist 1877 von Rubieri
und 1878 von D'Ancona geschrieben worden. Letzterer ist
instructiv, Eubieri moralisirt. — Die neuesten Bomane bespricht
De Gubernatis in einem kurzen Artikel der deutschen
Rundschau 1877. — Rizzini: Studi sul Romanzo, Chiari 1867.
— Die Ursprünge des Dramas behandelt mit gewohnter Rhe-
torik Emiliani-Q-iudici: Storia del Teatro, Lemonnier 1869 ;
— mit gewohntem Wissen D' Anco na, Professor in Pisa, in
seiner Sammlung italienischer Mysterien, 3 Bde., Florenz 1872
und in: Origini del Teatro, Florenz 1877. lieber die Mysterien
schrieb auch Lumini, Prato 1875. — Bartoli (I primi due
secoli p. 183): „Vediamo con piacere che si comincia qualche
studio serio sulla storia della letteratura drammatica italiana.
H Signor Vicenzo de Amicis ha pubblicato una memoria sulla
imitazione latina nella commedia italiana del XYI. secolo, Pisa
1871, nella quäle promette un lavoro speciale suUa derivazione
della commedia deir arte dai mimi e dalle attellane'\
Birtoli: I precursori del rinascimento, Florenz 18'f7. —
Castagnöla, Prof. in Rom: Delle presenti condizioni del
teatro e della poesia drammatica 1869. — August Franchetti's
geistreiche Rassegna drammatica in der Nuova Antologia seit
1866. — Trezza, Prof. in Florenz: Studi critici 1877. Einiges
über neuere Litteratur. — (Lombardi): Saggio sulla storia
della letteratura italiana nei primi 25 anni del secolo XIX,
— 95 —
Mailand 1831. — Die litteraturhistorischen Capitel von Villari's
Macchiavelli und von Capponi's G-eschichte der Bepublik
Florenz. — Camerini's Profili. — HiUebrand's Italia s. den
Abschnitt Culturgesohichte.
Schriften über die Lüleratur einzelner Ptomnzen:
Vasella in seiner Geschichte Siena's: Die Litteratur der
Senesen. Siena 1862. — Foscarini: Della letteratura veneziana
(1854). Lnigia Codemo-&erstenbrand: La letteratura di
Venezia (1872). — Prina: Sulla Letteratura lombarda, Florenz
1871. — Vallauri: Storia della poesia in Piemonte, und: Storia
delle Universität e delle societä letterarie in Piemonte. — Alessio
Narbone: Storia della letteratura siciHana ; über diese seither
Pitr6 und Scinä. — Spotorna: über die Litteratur Liguriens.
Artikel der Nuova Antologia über ital. Litteraturgeschichte :
1866. (I): Brofferio über Paolo Fambri's Aufsehen er-
regendes Lustspiel: II caporale della settimana. — (H): Dali'
Ongaro über Brofferio. — (HI): Fanfani: La Grusca e la
lingua.
1867. (IV): pag. 399: Taine's Urtheil über die italienische
Litteratur kritisirt. — Carducci, drei Artikel über: La varia
fortuna di Dante, Dante's Schicksale bei der Nachwelt. —
Ueber den Dichter Giuseppe Maccari (gest. 1867, Oct. 27). —
(V): Fanfani: La poesia giocosa seit Dante, zwei Artikel.
1868. (Vni): Imbriani über Berchet. Im Anfange des
Artikels eine gewiss übertriebene Darstellung des französischen
Einflusses auf Italien. — (IX): De Sanctis: über Petrarca
und die franz. Monographie von Mezieres. Derselbe über
den letzten Puristen Puoti (Neapel).
1869. (X): De Sanctis über Settembrini. — (XI): Gino
Gapponi über die Geschichte der italienischen Litterärsprache.
Salvatore Bonghi: Le prime gazette d'Italia. — v (XII):
D'Ancona: über toscanische Volksschauspiele.
1870. (XTTT): De Sanctis über ein italienisches Mysterium,
welches Ebert und Klein bearbeitet haben. — (XV): E. For-
naciari über Sacchetti. — De Sanctis über Pietro Aretino.
— 96 —
1871. (XVI): De Sanctis über Tasso, Ariosto. — (XVII):
Fanfani über ßenato Fucini: „H poeta popolare". — De
Sanctis über Foscolo, Metastasio. — ■ (XVIII): De Sanctis
über Parini. — Camerini: I precursori del Goldoni.
1872. (XIX): De Sanctis über Manzoni. — (XX): II
G-abinetto Vieusseux (p. 931).
1873. (XXII): B arz eil otti über Mario Pratesi(p. 247).—
(XXTTT): Fornaciari über Guidiccioni : Die Einleitung eine
lichtvolle Rundschau des XVI. Jahrhunderts.
1874. (XXV): D' Anco na über Cecco d' Angiolieri , den
Humoristen des XIV. Jahrhunderts. — Casetti über Gravina,
drei Artikel. — (XXVI): Mamiani über Petrarca und die
moderne Dichtkunst; er verlangt von dieser letztern: 1) soda
virilität e fede neUa [spiritualitä. Der italienische Realismus
wird auch von Andern im Namen der Kunst angegriffen;
2) pensiero meditative assetato di scienza; 3) ritorno all' amore
della lingua dei classici. — (XXVII): Tribolati über Batacchi:
Un novellista toscano del secolo XVCU. „Die Noten werden
in der Separatausgabe folgen".
1875. (XXIX): Tabarini über Gino Capponi's Geschichte
der Republik Florenz. — Rajna über die Quellen des Ariost
(Genealogia dell' Ariosto). — Puccianti über den Realismus
in der Poesie. — (XXX): Ca ix über CiuUo d'Älcamo.
1876. (XXXI): Fornaciari: Pucci und die Volksdichtung
im XIV. Jahrhundert. — Fanfani über Petronius ■ Ueber-
setzungen. — Am Ende des XXXI. Bandes: Generalindex
der ersten dreissig Bände der N. Antologia. [NB,
Das Epitheton „Nuova" erklärt die Existenz einer früheren
„Antologia", welche Gianpietro Vieusseux 1821 — 1832
herausgab (48 Bde.). Ihr folgte als Fortsetzung das Archivio
storico.J — (XXXTT) : Fanfani: La letteratura critica del
popolino. — D'Ancona: II secentismo nella poesia cortigiana
del secolo XV. — (XXXIII): Gnoli: Nerone nell' Arte con-
temporanea. — De Sanctis über MacchiaveUi. Er nennt ihn
bezeichnend: la negazione del Rinascimento. — Tirinelli: Le
commedie deir Ariosto. — G n o 1 i : La Rima e la poesia italiana.
— 97 —
1877. (XXXIV): Guerzoni: Napoleone I e il suo regno
dltalia. — (XXXV): Villari: H Einascimento italiano nel
secolo XV. Ein Capitel aus seiner Monographie über Macchia-
velli. — (XXXVI): Zumbini: Del sentimento della natura
nel Petrarca. — Piccardi: Del teatro ital. contemporaneo. —
Gnoli über den römischen Satiriker und Dialektdichter Belli
(1791—1864).
1878. (XXXVn): Zumbini: L'Africa del Petrarca, in
mehreren Artikeln.
Der Propugnatore, eine philologisch-historische Zeit-
schrift, erscheint seit 1868 in Bologna. Die Firma ßoma-
gnoli ist ein Publicationsherd für die Antiquitäten der italieni-
schen Litteratur. Man sehe die zwei Sammlungen: „Scelta di
Curiositä" und: „CoUezione di opere inedite o rare dei primi
tre secoli della Lingua", edirt von der königlichen Commission
„dei Testi di Lingua".
Neben dem Propugnatore und der Nuova Antologia
ist die von De Gubernatis gegründete E-ivista Europea für
unseren Gegenstand ebenfalls von grosser Bedeutung. Hier er-
schienen 1872/73 die Biographien von De Gubernatis: Ricordi
biografici. Eine litterarische Wochenzeitung „LaEassegna
s et tim anale" erscheint in Florenz seit dem 1. Januar 1878.
Monographien und deutsche V eher Setzungen.
Dante's Leben von Scartazzini, Biel 1869; — von
Wegele, Jena 1865; — von Fraticelli, Florenz 1861; — Paur:
über die Quellen zur Lebensgeschichte Dante's, 1862. — Oza-
nam: Dante et la philosophie catholique du XIH® si^cle, 1845.
— Fauriel: Dante et les örigines de la langue et de la
litterature italiennes 1854. — Carducci: La varia fortuna di
Dante (drei Artikel der N. Ant. IV. Dante's Schicksale im Urtheile
der Nachwelt). — Dante e il suo secolo, zwei hübsche
Bände, Florenz 1865, eine von Verschiedenen verfasste Jubiläums-
schrift. — D'Ancona: I precursori di Dante, Florenz 1874.
— Uebersetzungen von Kopisch, von Philaletes (König
Johann von Sachsen), von Carl Witte 1865, von Bartsch
Breitinger, Rat. Litifrärapraehe» 7
— 98 —
1877, englisch von Longfellow (Tauchnitz Edition). — Blanc:
Vocabolario dantesco, Florenz 1877. — Caverni: Voci e modi
nella Divina commedia del uso popolare toscano, Florenz 1877.
— Ferruzzi: Manuale dantesco, 5 Bde., Bassano 1866 ff. —
Petzhold: Dante-Bibliographie seit 1865, Dresden 1873.
Petrarca's Lehen von Geiger, Berlin 1874; — von
Körting 1878, als erster Band einer Litteraturgeschichte Italiens
im Zeitalter der Kenaissance. Studien über Petrarca von De
Sanctis; — von Mezieres, Paris 1868; — von Zumbini,
Neapel 1878. — Deutsche Uebersetzungen von Förster, von
Kekule, von Biegeleben, von Krigar.
Boccaccio's Leben von Landau 1877. Derselbe über
die Quellen des Decamerone 1869. — Uebersetzung von Carl
Witte, Brockhaus 1859. — Lettere edite ed inedite, aus dem
Lateinischen von Corazzini, Florenz 1877.
Burchiello von Mazzi, Bologna 1877. — Castiglione
von Bottari, Pisa 1874. — Macchiavelli's Leben, erster
Band, von Villari, Florenz 1877, deutsch von Mangold; —
Studien von Giova, Florenz 1874; — von Passerini, Florenz
1873; — von Nitti, Neapel 1876. — Ariosto. Le fonti deir
Ariosto von Eajna, Florenz 1876; — Ariosto's Leben von Pipoli,
Ferrara 1875. Die beste deutsche Uebersetzung von Hermann
Kurz. — Michelangelo und seine Zeit von Hermann Grimm,
eine classische Monographie. Eine populäre Jubiläumsschrift:
Eicordo al popolo italiano, Florenz 1875. — Tasso's Leben
von Serassi (1790) wird immer noch neu aufgelegt; bei Barbera
1858. — Studien über Tasso von Cecchi, bei Lemonnier 1877 ; —
von Ovidio, Mailand 1875; — über Tassö*s Wahnsinn schrieb
Cardona 1873. -^ Paravia: Tasso in Turin. 1846. — Deutsche
Uebersetzungen von Gries, von Streckfuss, von Duttenhofer.
Ueber Goldoni schrieb Molmenti, Mailand 1875; über
C. Gozzi's Märchen (fiabe): Magrini 1876; über Forte-
guerri's Satiren: Procacci, Pistoja 1877. — Vieusseux
fand einen Biographen in Tommaseo, Giusti in Frassi 1859;
hier findet sich ein gutes Capitel über die Entwicklung der
Satire in Italien. Giusti's vortrefflicher Uebersetzer ist Paul
— 99 —
Heyse (Berlin 1875). — Leopardi's Gedichte wurden über-
setzt von Hammerling 1866, von Paul Heyse 1878. Studien
über Leopardi von Giozza (1876), von Bouch6 le Clercq, Paris
1874; von Zumbini: Leopardi presse i Tedeschi 1876; ein Ar-
tikel Heyse's in der Rundschau 1878.
M a n z n i. Bibliographie von Vismara. Biographische Stu-
dien von Marc Monnier, Revue des deux Mondes 1873 ; — von
Prina 1874; — von Bersezio 1873. — Guerazzi. Studien
von Bosio 1877 und von Fenini 1874 ; beide Arbeiten in Mai-
land erschienen. — Ippolito Nievo von Paul Heyse (Nord
und Süd 1877), von Molmenti, von Erminia Fuä-Fusinato. —
Im Weiteren verweise ich auf die oben angeführten Artikel der
!Nuova Antologia. — Baudissin hat sechs Stücke von Gozzi^
Gherardi und Giraud übersetzt (Ital. Theater, Leipzig 1877).
— Kaden: Italiens Wunderborn (Uebersetzungen italienischer
Volkslieder, Stuttgart 1878). Von Aleardo Aleardi hat
Pfarrer Kitt in Bergamo eine sehr gelungene Uebersetzung
geliefert. Sie erschien ohne Namen des Autors bei Schweig-
hauser in Basel.
Ausgaben italienischer Classiker.
Erste Ausgabe der Divina Commedia : 1472; des Can-
zoniere P-etrarca's: 1471; des Decamerone: 1471; des Orlando
Furiose: 1516; der Gerusalemme liberata, 1581.
Die Sammlungen von Lemonnier, Barbara undSon-
zogno; des Letzteren: Biblioteca economia, una lira al volume,
von Camerini (gest. 1875) dirigirt und mit guten Einlei-
tungen versehen. — Desselben Verlegers : Biblioteca romantica
economica, una lira al volume, zeitgenössische Romane. — Col-
lezione di commedie con Stenterello, Flor., Salani, 6 Bde. —
Die Sammlungen von Brockhaus in Leipzig und von G. Franz
in München.
Die ältesten Dichtungen und die Volkslieder Italiens geben
D'Ancona und Comparetti in den beiden Sammlungen : „Rime
antiche" (Bologna, Romagnoli) und: Canti e racconti del popolo
italiano (Löscher) heraus. Auch Carducci und vor ihm Trucchi
7*
— 100 —
(Prato 1846) und Tigri (Florenz 1859) haben solche Samm-
lungen herausgegeben. Eine häufig citirte Sammlung älteren
Datums: „Poeti del primo secolo della lingua italiana", Firenze
1816. Ohne Namen des Autors.
Dante. Mit Commentar von Fraticelli, Barbara 1877
(nur 472 lire). — Von Scartazzini mit Commentar bei Brock-
haus 1877. — Kritischer Text von Carl Witte (2 Thaler),
Berlin, Decker 1862. — Mit Commentar von Bianchi: Le-
monnier 1868 (6 lire). — Schulausgabe der Divina Commedia
bei Barbera mit Noten (2 lire).
Die Ausstattung dieser wohlfeilen Ausgaben der vier grossen
Dichter ist weit besser als bei Sonzogno.
Opere minori, 3 Bde. von Fraticelli, Barbara 1861.
Petrarca. Rime, krit. Auszug von Carducci, Livorno
1876, mit Noten; — Epistolse von Trucassetti, Lemonnier
1859. — Schulausgabe der Rime bei Barbara mit dem Commentar
von Leopardi und den Noten von Ambrosöli.
Boccaccio. Decamerone, Brockhaus, 2 Bde., 1865; —
von Fanfani bei Lemonnier 1857; — von Dazzi, Schulausgabe,
2. Aufl., Florenz, Barbara 1868.
Macchiavelli, nach Decret der toscan. Regierung von
1859 auf Staatskosten herausgegeben von Polidori, Passerini
und Fanfani. Der Plan des Ganzen s. N. Ant. XI (October 1869),
Artikel von Mamiani auf das Centenario von 1869.
Ariosto. Orlando, von Casella mit Noten, Barbara
1877. — Opere minori, von Polidori, Lemonnier 1857; Com-
medie e Satire, von Tor toi i, Barbera 1858. — Schulausgabe
des Orlando in einem Bande mit Noten und Index von Bolza
bei Barbara 1876.
Tasso. Edit. Lemonnier, Barbara; bei Brockhaus von
Scartazzini 1871. — Schulausgabe bei Barbera (lira 1,10).
Leopardi. Eine vollständige Elzeviredition der Gedichte
von Chiarini 1869. Livorno. — Ed. Lemonnier, — Brockhaus.
Giusti. Zwei commentirte Ausgäben einer Auswahl der
Gedichte von Fanfani (für Schulen und für Nicht-Toscaner)
bei Carrara 1877. — Eine vollständigere Ausgabe der Gedichte
— 101 —
von Fioretto mit gutem Commentar und Einleitungen, bis
jetzt zwei Bände, Verona 1876. Ausgabe der Prosawerke bei
Lemonnier 1859.
Manzoni. Opere varie, 1845. Diese Ausgabe erklärt der
Autor selbst in der Vorrede als die authentische und definitive.
Die beiden Texte der Promessi sposi (der lombardische von
1825 und der toscanische von 1840) von Professor Froljli
interlinear zusammengestellt (Milano 1877). Billige Ausgabe
von Cdrcano (Kichiedei, una lira!).
Französische und deutsche Werke über itcU. LittercUur geschickte,
Saint- Evremont: De la com^die italienne, 1689; —
Riecoboni: Histoire du thiätre Italien, 1727, 2 Bde.; —
Villemain: Tableau de la Litt6r. du moyen äge, 2 Bde., 1828 ;
— z an a m : Documents inedits pour servir k THistoire litt^raire
de ritaüe depuis le YUt jusqu'au XHI* siede, Paris 1850; —
Bathery: Influence de Tltalie sur les lettres fran§aises, Paris
1853; — Fauriel: Dante et les origines de la langue et de
la litt^rature itaüennes, 1854, 2 Bde.; — Vapereau: Diction-
naire des Contemporains, 1858, 1861, 1865; — Moland: Mö-
llere et la Com6die italienne, Paris 1867; — Ph^larfete
Chasles: Verschiedene essaiistische Studien. — Die Handbücher
der ital. Litteraturgeschiohte von Etienne (Hachette 1875)
und Perrens (1865) haben wenig selbstständigen Werth; weit
bedeutender ist A. Eoux: Histoire de la Litt. ital. contempo-
raine, 2 Bde., Hachette 1874. — Mar c-Monnier's treffliches
Buch : L'Italie est-elle la terre des morts ? Hachette 1860, ent-
hält auch Abschnitte über die Litteratur.
Bouterweck: Geschichte der Poesie und Beredsamkeit
seit dem Ende des XIII. Jahrhunderts, Göttingen 1801 — 1819.
Conrad v. Orelli: Beiträge zur Geschichte der ital. Poesie,
Zürich 1810. — Blanc: Italienische Litteratur, bei Ersch und
Gruber. — A. Wolff : Die ital. Nationallitteratur, Berlin 1860.
— Johannes Scherr: Allgemeine Geschichte der Litteratur,
5. Aufl., 2 Bde., 1875; und die XJebersetzungsproben in Des^
selben: Bildersaal der Weltlitteratur, 2. Aufl., 1869. — Klein:
— 102 —
G-eschichte des Dramas. — Ruth: Geschichte der ital. Poesie,
Brockhaus 184*1. — Georg Voigt: Die Wiederbelebung des
classischen Alterthuras, 1859, hat schöne Abschnitte über Dante,
Petrarca, Boccaccio. Kurz vor diesem erschien Jakob Burk-
hardt*s Cultur der Renaissauce, dritte Aufl., 1878, 2 Bde.;
ital. von Valbusa, Sansoni 1876. — Körting: Italienische
Litteratur der Renaissance, I. Bd.: Petrarca, 1878.
9. Uebersetzungen.
Der greise Andrea Maffei aus Verona ist der Vater der
heutigen Uebersetzer Italiens genannt worden. Schon 1818 über-
setzt er, kaum siebzehnjährig, Gessners Idyllen; dann: Frag-
mente der Messiade, 1827 die Braut von Messina, später auch
Byron, eine Uebertragung, die wie Hannibal Caro's Aeneis und
Monti's Iliade in die Reihe der „Belle infedeli" gehört. Noch
um 1870 erscheint Maffei mit kleinen metrischen Uebersetzungen
in der Nuova Antologia. Ja 1876 taucht der Greis mit einer
Anakreon-Uebersetzung auf; das erinnert an die Erotik des
99jährigen Hafis!
Cä3;cano in Mailand (geb. 1812); nach dem „Vicar of
Wakefield" schrieb er 1839 den ersten „romanzo intimo" Ita-
liens (Angiola Maria). Carcano's Shakespeare -Uebersetzung
(1873 sqq. bei Höpli in Mailand) hat eine grosse Lücke der
italienischen üebersetzungslitteratur ausgefüllt. Als Rusconi's
Hamlet (Prosaübersetzung, col testo inglese di riscontro, Le-
monnier) 1867 in siebenter Auflage erschien, bemerkte die
Anzeige der N. Ant., dies sei neben dem Macbeth das einzige
bisher ins Italienische übersetzte Stück des grossen englischen
Dichters.
1873 begann der Venetianer Pasqualigo eine Ueber-
setzung Shakespeare's , welche die N. Ant. sehr günstig be-
urtheilt.
Neben Shakespeare sind es namentlich Göthe, Heine und
Hammerling, die gegenwärtig die Italiener beschäftigen. Ueber
italienische Faustübersetzungen s. einen Artikel in der Gegen-
— 103 —
wart (Juni 1878) und N. AntoL (XXm, 1873) einen Artikel von
„Emma". Daneben notire ich noch:
Guerrieri- Gronzaga (der üebersetzer des Taust):
Erminio e Dorotea; — Varese: Gröthe's Tasso, Flor., 1876.
SchiUer's lyrische Gedichte übersetzt Gandini, Modena
1869; — Bürger's BaUaden: Varese, Flor. 1870. — Heine ist
von Zendrini aus Bergamo, jetzt Prof. der ital. Litteratur
in Palermo, und dem sprachgewandten Prof. Chiarini in
Livorno (Atta Troll, 1877) übersetzt worden. Zendrini's Artikel:
„Heine und seine Ausleger" (N. Ant. XXVII) zeugen von
tüchtigen Studien.
Hammerling's Ahasver hat 1877 nicht weniger als drei
üebersetzer gefunden. Diejenige des Veronesen Bettolini
soll die beste sein.
Eine Bibliographie der altern Uebersetzungen ist oben
angeführt worden. Neben ^m alten Rufe von Davanzati's
Tacitus, Firenzuola's Apulejus, Marchetti's Lucrez, Monti's
Ilias etc., haben sich die Uebersetzungen des Plautus von Ri-
gutini und Gradi, die des Terenz von Gradi (1876), des Juvenal
von Vescovi (1875, Flor.), des CatuUus von Bocci (Paravia
1874, besser als die von Eapisardi, Lemonnier 1875) einen
Namen gemacht. S. auch Fanfani über ital. Petronius-Üeber-
setzer (Artikel der N. Ant. XXXI, wo der Petrönius-Kritiker
Bücheier als „Signor Beucheier" aufgeführt wird). — Settem-
brini hat im neapolitanischen Kerker den Luzian meisterhaft
übersetzt.
Emma Landini (eine in Florenz residirende lombardi-
sche Schriftstellerin) und Camerini haben der N. Ant. eine
Reihe von Artikeln über deutsche und englische Schriftsteller-
grössen geliefert.
.lO, Geschichte,
Muratori's (geb. 1672) Sammlungen: Antiquitates ita-
licsß medii aevi ; Annali dltalia ; und : Rerum italicarum scrip-
tores.
» /
— 104 —
Die ältesten Urkunden Norditalieiis in dem unter Carl Albert
angefangenen Sammelwerke: Historiae patriae Monu-
menta, seit 1836.
Die Aechtheit der ältesten italienischen Chroniken ist heute
sehr in Zweifel gestellt. Vgl. Bernhardi: der falsche Spinelli,
1868; — Schefer über Malespini, 1874; — Grion (Prof.
in Verona, Dalmatiner) über Dino Compagni; gegen ihn Carl
Hegel 1875 , der * die Aechtheit Dino's zu retten sucht. In
dieser Frage schrieb auch Fanfani 1875 und Del Lungo
1877.
Die älteren italienischen Geschichtsschreiber nennt die
Litteraturgeschichte. Von den Neueren seien erwähnt:
Carlo Troya, Neapolitaner (gest. 1 858) : Geschichte
Italiens im Mittelalter bis zu Carl dem Grossen. — Cesare
Balbo (gest. 1853): Sommario della Storia dltalia (1845 in
zwei Monaten für eine Turiner-Encyclopädie geschrieben), Lau-
sanne 1846; Settembrini (III, 413) nennt es „prima storia
nostra organica".
Cantü. Storia degli Italiani. Aus dieser Compilation hat
der ultramontane Weltgeschichtsschreiber grossentheils wieder
seine ital. Litteraturgeschichte compilirt. Desselben: „Gli Eretici
in Italia" behandelt speciell die italienischen Ketzer.
Der Lombarde Litta'(gest. 1852) schrieb ein monumentales
Werk über die berühmten Familien Italiens.
Gino Capponi (1792 — 1876). Storia della repubblica
di Firenze, 2 Bde., Barbara 1875 (über sie Tabarini N. A. XXIX).
Ein Capitel des mit Spannung erwarteten Werkes hatte die
N. A. (XVII) publicirt: der Aufstand der Ciompi 1378. —
Mit Gino Capponi ist eine ehrwürdige florentiner Generation
ins Grab gesunken, diejenige Vieusseux's, Lambruschini's,
Tommaseo's. Fornaciari, Disegno 252, nennt ihn „uomo di
mente non tanto profonda quanto acuta e fornita di un criterio
rarissimo, largo di soccorsi agU uomini illustri che nel tempo
delle persecuzioni politiche riparassero a Firenze, promotore di
riforme civili e di utili pubblicazioni".
Villari (geb. 1827 in Neapel, d. Z. Professor in Florenz),
— 105 —
ist der grösste gebende Historiker Italiens, gross als Kritiker
und als Schriftsteller. Seine Popularität stand 1866 in ihrem
Zenith nach der Publication seiner berühmten Fingschrift:
„Di chi la colpa?" Dort ertheilt Villari dem neuen Italien die
liosung: „Modestia — Volontä — Lavoro". Sein Savonarola er-
schien 1859—1861, sein MacchiavelU 1877. — Villarrs Briefe
"über das Elend der italienischen Bauern und der Proletarier
in Neapel gingen letztes Jahr durch die ganze italienische
Presse, um — ohne practische Resultate zu bleiben!
Der Senator Ercole Ricotti hat neben seinen Special-
werken über piemontesische Geschichte auch Schulbücher ver-
fasst: Compendio di storia patria, bis 1861 reichend, 12. Aufl.,
Milano 1875; und: Breve Storia d'Europa e specialmente dltalia
al 1861, 12. Aufl., Milano 1876.
Ferdinand Kanalli: L'Italia dopo 1859, Lemonnier
1875, ist in strengem Kathederton geschrieben.
Michele Amari (geb. 1806 in Palermo, 1864 Unter-
richtsminister) : Monographien aus der Geschichte Siciliens und
Süditaliens.
Das schon genannte Unternehmen: L'Italia etc. hat für
die Section der Geschichte folgendes Programm aufgestellt und
zum Theü schon ausgeführt:
Bertolini: Storia antica (744 Seiten). — Derselbe:
I Barbari (392 Seiten). — Lanzani: I Comuni (bis heute
16 Liefgn.). — Cipolla: Le Signorie (612 Seiten). — Cosci:
Le preponderanze straniere (612 Seiten). — A. Franchetti:
Storia moderna, 1789—1799 (bis heute 10 Liefgn.). — Silin-
gardi: Storia moderna, 1799 — 1814. — Bertolini; L'Italia
dal 1814 al 1870 (bis heute 2 Liefgn.).
Die italienische Geschichte seit 1814 haben überdies der
Eomagnole Farini (gest. 1864) und der Sicilianer LaFarina
(gest. 1863) behandelt, Letzterer als Fortsetzung seiner „Storia
d'Itaüa narrata al popolo italiano".
Der Senator Atto Vannucci in Florenz ist Verfasser
der Monographie: I Märtiri della liberta italiana dal 1794 al
1848, Lemonnier 1860.
— 106 —
LombrosoeBesara: Storia di dodici anni (1848 — 1861),
4 Bde., Milano 1861.
Gregorovius' G-eschichte Rom's im Mittelalter wird
seit 1872 von Bertolini übersetzt. Desselben: Lucrezia
Borgia fand einen Widersprecher in Capelletti, Pisa 1876
(vgl. N. Ant. XXVI, Artikel von Emma über L. Borgia).
lieber Italiens Geschiclite im XIX. Jahrhundert s. die
Werke von Ruth und von Keuchlin.
Caracciolo; L'Evo moderno, italienische Geschichte bis
Umberto L Napoli 1878; für Gymnasien. — Saltini: La
Storia italiana narrata ai giovinetti. Florenz 1875.
Die Legenden der Heiligen sind insofern für uns von einiger
Bedeutung, als in der älteren und der neueren Litteratur
mitunter auf dieselben angespielt wird, so z. B. in Franceschi's
Dialogen der Lingua parlata (In Cittä, ed in Campagna). Wo
soll der Erklärer sich Rath holeui ? Das grosse Repertorium der
BoUandisten ist zu weitläufig und steht nicht in seiner Biblio-
thek; der Dizionario Strafforello's (Milano, Treves 1877, ein
ital. Bouillet) ist kurz gehalten, wie der Dizionario storico von
Ladvocat (Bassano 1806). Gute Dienste thun Antonio Ce-
sari's Piori di storia ecclesiastica , und eine alte Legenden-
sammlung: Collezione di Leggende inedite scritte nel buon
secolo della lingua toscana. Bologna 1855, 2 vol.; — s. auch
bei Zambrini die Artikel : Leggenda, Leggende, Collezione etc.
— Professor Pornaciari in Florenz schreibt mir, er kenne keine
neuere, gutgeschriebene, der katholischen Jugend bestimmte
Sammlung dieser Art. Ich verweise schliesslich auch auf fol-
gende deutsche Werke : Ikonographie Gottes und der Heiligen
von Wessely. Leipzig 1875. — Die Attribute der Heiligen,
alphabetisch geordnet, Hannover 1843. — Stadler und Heim:
Vollständiges Heiligenlexikon. Augsburg 1858 sqq. — Helms-
dorfer; Christliche Kunstsymbolik und Ikonographie. Frank-
furt a./M. 1839.
— 107 —
11. Geographie. Statistik.
DeGubernatis bei Weber: Manuale di storia contempo-
ranea p. 894: „Ebbero giä molta voga TAtlante statistico
del Serristori, la Geografia d'Italia del lilarfllocchi, buono
scrittore nel tempo stesso che dotto geografo, e quella dello
Zuccagni Orlandi, e meritö una parte delle lodi che gli furono
date il Dizionario geografico di Carta. Buoni trattati elementari
pubblicarono ancora De Luca, Schiaparelli, Eicotti e Mini".
Alberti: Descrittione di tutta Italia, Bologna 1550. Ein
grosser Theil dieses Buches befasst sich mit der alten Geographie
des Landes.
Die trefflichen Reisehandbücher von Gsell-Pels, drei
Bände, Hildburghausen 1877.
Annuario italiano, bei Sonzogno, ein Verzeichniss ent-
haltend : I comuni del Regno, Servizio postale, telegrafico, stazioni'
ferroviarie e lacuali, ordinamento giudiziario, parlamento nazio-
nale. Calendario. Anno primo 1875.
Stato del Personale addetto alla pubblica istruzione del
ßegno dltalia (officiell), mit einem alphabetischen Namens-
register. — Pederzini: Studi sopra le nazioni e sopra Tltalia,
1862, Turin.
Stoppani: II Bei Paese, conversazioni suUe bellezze na-
turali, la geologia e la geografia fisica dltalia, mit Illustrationen,
populär und reichhaltig, Mailand 1876.
Pozzi (Lehrer an einer turiner Industrieschule): L'Italia
nelle sue presenti condizioni, Milano 1875. Etwas unpractisch
eingerichtet, ohne Register, aber fleissig und sehr brauchbar.
Der Verfasser stützt sich namentlich auf die Arbeiten der zwei
verdienten italienischen Statistiker Correnti und Maestri (p. 90
Anmerkung).
12. Sitten und Cultur.
Baretti. Gritaliani ossia relazione degli usi e costumi
dltalia. Der Autor starb in London 1789. Auch seine Prusta
letteraria (1763 — 65) ist von culturhistorischem Interesse.
— 108 —
Mastriani. I vermi di Napoli, studi sopra le classi peri-
colose di Napoli 1863, in Romanform k la Dumas, aus welchen
gewisse Effectscenen entlehnt sind ; sehr schlecht gedruckt.
Die Academie von Modena stellte die Frage : Wie ist der
italienischen Trägheit beizukommen? Dino Carina (Lucca
1870) und Carlo Lozzi (Turin 1871) antworteten mit ihren
Monographien: „Dell' Ozio in Italia". — Der Yorick des Fan-
fulla (Advocat Ferrigni in Florenz) vereinigte 1877 eine An-
zahl Feuilletons unter dem Titel: „Su e giü per Firenze",
Barbara. Sie enthalten u. a. gelungene Volksscenen und an-
ziehende Sittenbilder. — Giuliani's Buch: Del Üso vivente
etc. enthält auch Sittenschilderungen.
Cantü. n carnevale italiano, der Jugend geschildert,
Milano 1872. *
SerraG-ropelli. Le cinque piaghe dell' Italia. Discorsi
cihque, Milano 1869. Polemische Antwort von De Vincenti, 1870.
Alfani. H carattere degli Italiani, Firenze 1878, zu allge-
mein gehalten, um instructiv zu sein.
Das berühmte Buch von Massimo d' Azeglio (gest. 1866):
I miei Ricordi (Barbara, 2 Bde., 1868) enthält viele Sitten-
schilderungen, besonders aus dem Römischen.
Marc-Monnier. L'Italie est-elle la Terre des Morts ? Ein
Gesammtbild der modernen italienischen Cultur, Hachette 1860.
— Marc-Monnier ist Franzose von väterlicher, Italiener von
mütterlicher Seite. Lehrreich sind Desselben Artikel in der
Revue des deux Mondes: Naples et le Brigandage de 1860 k
1864. — La politique et la litterature k Naples 1830 — 1865. —
LltaHe k l'oeuvre de 1860 k 1868.
Umilta (Prof. in Neuchätel, Schweiz): Camorra e Mafia,
ein interessantes Bild der socialen Verhältnisse des heutigen
Italiens, Paris, Sandoz 1878. Der Verfasser stammt aus Reggio
in Emilia. — Onufrio: La Mafia (N. Ant. XXXIV). Mafia bedeute
Beherztheit, also mafiose = bravo. Cammora sei = Capo scelto
al giuoco della mora).
Grregorovius. Wanderungen in Italien, 3 Bde., besprochen
von Emma (N. Ant. XX).
— 109 ^
Artikel der Nuova Antologia.
(Vlii). Ueber den Einfluss Frankreichs auf die italienische
Cultur, Imbriani im Artikel Berchet. — (XI). Die florent.
Sitte des „Verde", Novelle von DalT Ongaro. Unrichtig
nennt der Verfasser den „Verde" eine Myrte, statt „Buchs". —
(XTT). Guerzoni über die Presse Italiens. — (XTTT). Gabelli
über das Schulwesen, vgl. von Demselben sehr anziehend ge-
schriebene Artikel (Bd. XXTT und XXIV). — Ueber denselben
Gegenstand Villari (XXTTT) und De Sanctis (Eine Schule
in Neapel, XX). — Ueber die Eefprm der Gymnasien (XXXTTT,
XXXIV). — Ueber die italienische Philosophie: Trezza,
Professor in Florenz (XTT), vgl. Marianii'La philosophie con-
temporaine en Italic, Paris 1868. — Lampertico: Die Statistik
Italiens (XXTT). — Ueber das Seewesen (marineria) (XVUl,
XXIX). — Terenzio Mamiani: II fatto e il da farsi degl'
Italiani (XXIX). — Vgl. noch im Eegister (XXXI) die Namen
Magliani (über Centralisation), B r o g 1 i o (über die Geschäfts-
ordnung des italienischen Parlamentes). — Branchi: über die
italienische Magistratur (XII). — Rajna: Die romanischen
Litteraturen an den italienischen Universitäten (XXXVII). —
Bär: La miseria a NapoU (XXXIX) 1878.
Italia, herausgegeben von Carl Hillebrand in Florenz.
Erster Band, ^lusgegeben am 15. October 1874. Leipzig, Här-
tung und Sohn. Die Vorrede dieses heute vier Bände zählen-
den Unternehmens nennt als Zweck des Sammelwerkes, das
lebendige, gegenwärtige Italien dem deutschen Leser in einer
Reihe kleiner Monographien itaKenischer und deutscher Schrift-
steller vorzuführen. Die Arbeiten Ersterer sollen in guten
deutschen Uebersetzungen geboten werden. „Wir mögen noch
so viel Statistiken, Gesetzestexte und officielle Berichte lesen;
Der Schlüssel fehlt uns, der uns die Thüren des wahren Ver-
ständnisses öf&iet. Auf's Verstehen aber, nicht auf's Wissen
kommt's an. Den Deutschen einen Blick in das innere Wesen
der italienischen Gegenwart zu vermitteln, ist ein Hauptzweck
dieser Sammlung",
./
— 110 —
Dieser erste Band enthält folgende für uns wichtige Auf-
sätze : Manzoni's Verlobte und der historische Roman in Italien
von DeGrubernatis. — Die litterarische Bewegung in Italien
seit 1848 von Barzellotti.
Der zweite Band (1875): Die philosophische Bewegung
Italiens seit 1860 von Fiorentino. — Das italienische Theater
seit 1848 von Torick (Advocat Ferrigni in Florenz).
Der dritte Band (1876): lieber die geistige Nahrung des
italienischen Volkes von Lioy (Statistik des Buchhandels, der
Zeitungen u. s. w.). — Die Streitfrage über die italienische
Sprache von Caix.
Verweilen wir einen Augenblick bei diesem letzten Artikel,
welcher auf 34 Seiten eine bündige Geschichte der Theorien
über die italienische Nationalsprache und ihr Verhältniss zur
Lingua parlata bietet. Die rationalistische Schule (Cesarotti —
Monti — Perticari — Gherardini) mit ihren Gegnern den Puristen
wird gut gezeichnet, einlässlich sodann die manzonische Theorie
behandelt. Ihre erste Formulirung entdeckt der Verfasser in
dem Buche des Grafen Galvani aus Modena : „Zweifel über die
Wahrheit der Theorie Perticari's" (1834). Galvani stellt darin
folgende Grundsätze auf: „Die italienischen Schriftsteller müssen
in Zukunft aus zwei Quellen schöpfen. Die erste ist das Wörter-
buch; die zweite ist die lebendige Sprache, und zwar die-
jenige, welche in ihren Grundzügen der classischen Schrift-
sprache am ähnlichsten ist, d. h. die toscanische". Die
Arbeiten und Tendenzen von Niccolini, Tommaseo, Giusti,
Carena, Tigri, Giuliani und Fanfani zeugten bald für die nach-
haltige Wirkung von Galvani's Theorie. Keiner aber schloss
sich ihr begeisterter an als Manzoni. Die Einseitigkeit der
Proposta von 1868 richtet Caix treffend mit den Worten : „Es
handelt sich nicht um eine Umwälzung der Sprache, sondern
um eine Entwicklung, die den Dialekt zur Würde einer natio-
nalen Sprache erhebt, nicht eine nationale Sprache zu einer
Mundart erniedrigt".
Der vierte Band der Italia erschien 1877, Von be-
sonderem Interesse sind die Artikel : „Was die Ausländer
— 111 —
in Italien nicht bemerken" von P. Villari. — Die italieni-
sche Gerichtsordnung von Luchini. — Italiens moderne
Lyriker von Günther von Freiherg. — Ebenda werden
W. Lang 's Transalpinische Studien 1875 warm empfohlen.
Sie enthalten Aufsätze über Cavour, Niccolini, Dante, Man-
zoni u. a.
W e b e r ' 8 Handbuch der zeitgenössischen Geschichte
(1815 — 1870) übersetzt und erweitert von Canini: „Con Tag-
giunta di un quadro della coltura ital. nel secolo XIX di A. D e
Gubernatis, Milano 1878.
Giusti: Eaccolta di Proverbi toscani, Firenze 1853. —
Gradi: Proverbi e modi di dire toscani dichiarati con racconti,
112 Seiten, Paravia.
Gaetano Pacchi: Cose vecchie sempre unove, 1874,
Paravia. Unter diesem nichtssagenden Titel hat der elegante
Autor ein anziehendes Buch über die Cultur und die bürger-
liehen Pflichten des neuen Italiens geschrieben, welches der
italienischen Jugend dasjenige bieten will, was die Franzosen
„Instruction civique" nennen.
Giamb. Giuliani: Moralitä e poesia del vivente lin-
guaggio della Toscana, enhält wie Desselben oben angeführtes
Buch: Sul vivente linguaggio della Toscana, Vieles über tos-
canische Sitten.
Castiglione: II libro del cortigiano, Venedig 1528. —
Giovanni della Casa: II Galateo, Venedig, 1558; —
„Galateo" ist appellativer Titel italienischer Anstandsiehren ge-
worden. Die von der Marchesa Colombi verfasste: „La
gente per bene", Turin 1877, verdient das Aufsehen, welches
sie gemacht. Vergl. auch Franceschi: In cittä e in cam-
pagna, p. 422.
Celso Fraschi: Deir Educazione. Flor. Gaston 1868.
Gespräche in der nachlässigen Jorm der lii^gua parlata.
Giulia Molino: Educazione della Donna, drei Bände,
Turin, 3. Aufl., 1870.
Luisa Paladini: Manuale per le Giovinette italiane,
Lemonnier, einfach und schön geschrieben.
— 112 —
Die verschiedenen in elegantem Italienisch verfassten Stu-
dien von Mantegazza, Professor in Florenz, über die Physio-
logie des Lehens.
Tommaseo: Dizionario morale. — Bianohetti: Dello
scrittore italiano. DegU uomini di Lettere. Dei Lettori e dei
Pariatori (Lemonnier).
Celesina (Bibliothekar in Grenua): Storia della pedagogia
italiana, 2 Bde., 1874, enthält im zweiten Theile interessante
Beiträge zur Kenntniss des heutigen Italiens.
— 113
Nachträge nnd Berichtignngen.
Die zwei bibliographischen Publicationen von Löscher, deren
kleinere (das BoUettino bimestrale) das Resum^ der grösseren
bildet, Orientiren heute wohl am besten über die neuen Er-
scheinungen der italienischen Litteratur. Das Buch von Falorsi :
Guardare e pensare, hat die Nuova Antologia ungünstig be-
urtheilt. Zur deutschen Litteratur italienischer Schulbücher
wäre etwa noch nachzutragen: Die Grammatiken von Possart
(Stuttgart 1837), von Franceson (Leipzig 1853), Petit (Breslau
1862), Eeinhardtstöttner (1868), Pozetti (Conversationsgram-
matik, Leipzig 1867), Adolph (Elementarunterricht, Wien 1861).
— Die Lesebücher von Ife (Berlin 1839), Filippi (Nürnberg
1854), Pellegrini (Triest 1856), Zamboni (Wien 1861). — Teatro
italiano, zwei Hefte (Leipzig 1875). — CoUezione di scrittori
italiani, 4 Hefte von Eeinhardtstöttner (Leipzig 1869 ff.). —
Biblioteca moderna italiana von Sauer (Leipzig 1878), bis jetzt
drei Bändchen ; scheint dem längst gefühlten Bedürfnisse nach
Schullecture aus der modernen Litteratur entgegen-
kommen zu wollen). — Storia di Carlo XII, eine üebersetzung
des voltaireschen Werkes von Filippi (Nürnberg, ohne Datum).
— Bertoni, Handbuch der deutschen und italienischen Umgangs-
sprache (Wien 1853). — Carrara, Erzählungen in deutscher
Sprache zum Uebersetzen in's Italienische (München 1844). —
Handelscorrespondenz von Ahn (Köln 1872). — Cärcano, il
consigliere in affari (Triest 1864).
Sandrini, das italienische Vorwort und Zeitwort (1858). —
Fogolari, Conjugation des italienischen Zeitwortes (Leipzig 1866).
— Zur Litteraturgeschichte : Professor Graf in Turin hat eine
Abhandlung über die wissenschaftliche Behandlung der Litte-
raturgeschichte (1877 bei Löscher) geschrieben. — Die Litteratur-
geschichte von E. Notari (3 Bde., Bologna, 2. Aufl. 1878)
wird von den „Ultramontanen" gerühmt.
Inhaltsverzeichniss-
Mrmtem Capitel. Entwicklung der Litterärspraehe . . . pag. 1^60.
Ursprung der poetischen Sprache 1. — Eingreifen der Toscana 5. —
Dante's Schrift von der Vulgärsprache 6. — Petrarca 10. — Entwicklung
der Prosa 11. — Die Lingua parlata in der Litteratur 16. — Die Re-
naissance. Bembo^s Theorie 23. — Die Grammatiker und die Crusca 30. —
Der französische Einfluss. Cesarotti 35. — Die Puristen 43. — Manzoni
und die Lingua parlata 47. — Texte der heutigen Lingua parlata 47.
Zweites Capitel. Bibliographie der Htilfsmittel . . . pag. 61—113.
Sprachgeschichte 61. — Specialwörterbücher 65. — Grammatik 67. —
Philologische Studien 76. — Deutsche Lehrmittel 78, und Nachträge 113.
— Phraseologie 80. — Anthologien und Lesebücher 81. — Rhetorik und
Poetik 83. — Bibliographie der Litteratur. — Litteraturgeschichte 89. —
Monographien und deutsche üebersetzungen 97. — Ausgaben der Classiker
99. — Französische und deutsche Werke über italienische Litteratur-
geschichte 101. — üebersetzungen der Italiener 102. — Geschichte 103. —
Legenden 106. — Geographie, Statistik 107. — Sitten und Cultur 107. —
Nachträge 113.
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