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Das Weltbild von
Darwin und Lamarck
j, Freudig war, vor vielen Jahren,
Eifrig so der Geist bestrebt,
Zu erforschen, zu erfahren.
Wie Natur im Schaffen lebt.
Und es ist das ewig Eine,
Das sich vielfach offenbart;
Klein das Große, groß das Kleine,
Alles nach der eignen Art.-
Immer wechselnd, fest sich haltend.
Nah imd fern, und fern und nah;
So gestaltend, umgestaltend —
Zum Erstaunen bin ich da."
Goethe.
(Parabase, aus i,Gott und Welt".)
Das Weltbild von
Darwin und Lamarck
Festrede zur hundertjährigen Geburtstagfeier von
Charles Darwin
am 12. Februar 1909
gehalten im Volkshause zu Jena
von
Ernst Haeckel
Zweite Auflage
LEIPZIG
!röne
1909
Alfred Kröner Verlag
O
^ f 37
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/ 0 7 0 0
Druck von Oscar Brandstetter in leipzig.
Hocliansehnliche Festversammlung!
Das hohe Fest der Wissenschaft, das uns heute hier
zusammengeführt hat, wird gleichzeitig an zahl-
reichen Orten der gebildeten Welt feierhch begangen.
Nicht allein an den meisten Universitäten und Akade-
mien des alten Europa, sondern ebenso in Asien und
Afrika, in Amerika und Australien, sind heute viele ge-
lehrte Gesellschaften, Naturforscher und Philosophen,
Lehrer und Ärzte, Freunde der Aufklärung und Förderer
der Wahrheit versammelt, um einmütig den hundert-
jährigen Geburtstag von Charles Darwin zu feiern.
Kein anderer großer Schriftsteller hat in der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts so tief in den inneren
Entwicklungsgang des menschlichen Geistes eingegriffen,
hat so viel zur Begründung unserer modernen Welt-
anschauung beigetragen, wie es diesem gewaltigen eng-
lischen Naturphilosophen zu tun beschieden war. Als
1859 sein epochemachendes Hauptwerk „Über die Ent-
stehung der Arten im Tier- und Pflanzenreich" erschien,
hatte Darwin bereits sein fünfzigstes Lebensjahr über-
schritten; so reif war diese Frucht seines zwanzigjährigen
Denkens und Forschens, daß sie schon in kürzester Zeit
ihren anregenden und teilweise umwälzenden Einfluß
auf alle Gebiete menschlicher Erkenntnis zu äußern be-
gann. Und doch war der weltbewegende Grundgedanke
— 6 —
desselben, die Theorie von der beständigen Umbildung
aller Lebensformen, keineswegs neu; schon 50 Jahre
früher, im Geburtsjahr Darwins selbst, hatte der geist-
reiche französische Naturphilosoph Jean Lamarck ihn
in eine klare und feste Form gegossen, in seiner bewunde-
rungswürdigen „Philosophie zoologique" (Paris 1809).
Allein dieser kühne Versuch war seiner Zeit viel zu weit
vorausgeeilt und wurde in den Kreisen der strengeren
Naturforschung bald vergessen.
Erst im Laufe der letzten dreißig Jahre hat sich
Lamarcks Werk, und zwar in zunehmendem Maße, die
verdiente Anerkennung gewonnen, die ihm seine Zeit-
genossen versagten. Es hat sich sogar in neuester Zeit
eine extreme Schule des „Lamarekismus" gebildet,
welche seine Bedeutung übertreibt und zu seinen Gunsten
den ,, Darwinismus" herabsetzen will. Selbst zwei mo-
derne Schulen, die sich als „Neolamarckismus" und
,, Neodarwinismus" gegenüberstehen, kämpfen gegen-
wärtig um den Vorrang. Da nun außerdem auch noch
andere Epigonen besondere Richtimgen der Entwicklungs-
lehre vertreten und im Kampfgewühle derselben oft be-
trächtliche Staubmassen das sonnenklare Licht der Wahr-
heit verdunkeln, wird es zweckmäßig sein, wenn wir
heute unseren Blick vor allem auf die Werke und die
Personen der beiden großen Heerführer lenken, die wir
gleichzeitig hier zu feiern das Recht und die Pflicht
haben. Worin besteht denn eigentlich das große Reform-
werk von Lamarck und Darwin ? Und in welchen Rich-
tungen unterscheiden sich die beiden Geisteshelden?
Kurz, in zwei Worte zusammengefaßt, ist das Haupt-
verdienst der Lamarck-Darwinschen Theorie die
endgültige Lösung der großen ,, Schöpfungsfrage",
die wissenschaftliche Beantwortung des uralten Problems :
,,Wie sind die unzähligen Arten von Tieren und Pflanzen,
die unsere Erde bevölkern, in die Welt gekommen ? Wie
sind die vielen zweckmäßigen Eim-ichtungen ihrer Or-
ganisation entstanden? Und woher ist der Mensch
selbst gekommen, das vollkommenste aller organischen
Wesen?"
So lange es denkende Menschen auf diesem Erdball
gibt — oder richtiger ausgedrückt: Seitdem sich das
Nachdenken des Menschen über sein Wesen und sein
Verhältnis zur Natur langsam entwickelt hat, ist die
Beantwortung jener großen Schöpfungsfrage in der ver-
schiedensten Weise versucht worden ; gewöhnlich durch
die anthropistische Hypothese eines persönlichen Schöpfers.
Dieser ,, allweise, allgütige und allmächtige Gott" sollte
für die Erschaffung einer jeden einzelnen Art einen
,, Schöpfungsplan" entworfen und ihn mit zweckentspre-
chenden Mitteln technisch ausgeführt haben. Bald wurde
dabei der menschenähnlich denkende und arbeitende
Schöpfer mit einem phantasiereichen Dichter verglichen,
der die wunderbaren Erzeugnisse seiner Einbildungskraft
aus reinem Geiste erschuf; bald mit einem kunstreichen
Welten -Baumeister, der mit vollendeter Technik seine
komphzierten Maschinen zusammensetzte und ihnen seinen
lebendigen Odem einhauchte. Noch 1859 konnte der be-
rühmte Louis Agassiz sagen: ,,Jede einzelne Tier- und
Pflanzen- Art ist ein verkörperter Schöpfungsgedanke Got-
tes." Bekanntlich ist die besondere Form dieses Schöp-
fungs-Mythus, welche sich im ersten Buche Moses findet,
durch die Ausbreitung der Bibel zur Weltherrschaft ge-
langt und wird noch heute in den meisten Schulen früh-
zeitig den Kindern als zweifellose Wahrheit eingeprägt.
— 8 —
Durch Linne fand sie (1735) auch Eingang in dessen
grundlegendes Natursystem.
Seine bedeutungsvolle Definition des Art -Begriffes
lautete: „Es gibt so viel verschiedene Spezies, als ur-
sprüngUch verschiedene Formen vom unendhchen Wesen
erschaffen worden sind".
Diesen und anderen mythologischen Schöpfungssagen
gegenüber hatten schon sechs Jahrhunderte vor Christus
mehrere Häupter der bewunderungswürdigen jonischen
Naturphilosophie den Versuch gemacht, die Entstehung
der Erde und ihrer Organismen auf natürlichem Wege
zu erklären, durch die Annahme einer selbständigen
Entwicklung der Materie; so vor allem Anaximenes,
später Heraklit und Empedokles. Allein diese ersten
Keime einer naturgemäßen Entwicklungstheorie und einer
darauf begründeten monistischen Naturphilosophie wur-
den bald unterdrückt durch die Ausbreitung der dualis-
tischen ,, Geistesphilosophie", die im vierten Jahrhundert
vor Christus von Plato und seiner transzendenten Ideen-
lehre ausging. Sie gewann durch ihre Verknüpfung mit
dem christlichen Dogmengebäude bald die weiteste Gel-
tung und erhielt sich bis zum Beginne des neunzehnten
Jahrhunderts.
Diesen herrschenden Anschauungen trat zuerst vor
hundert Jahren Jean Lamarck bestimmt entgegen. Er
behauptete, daß alle Organismen, die unseren Erdball
gegenwärtig beleben, von älteren, davon verschiede-
nen Arten früherer Erdperioden abstammten und daß
sie aus diesen durch allmähliche Umbildung entstanden
seien. Das war der bedeutungsvolle Grundgedanke der
neuen Abstammungslehre (Deszendenz -Theorie) oder
Umbildungslehre (Transformismus). Als die wichtig-
_ 9 —
sten Faktoren dieses beständigen langsamen Umbildungs-
prozesses erkannte Lamarck die Anpassung und die
Vererbung. Die allgemeine Veränderlichkeit oder Varia-
bilität aller organischen Formen, der Gebrauch oder
Nichtgebrauch der Organe, gestattet durch Anpassung
an neue Lebensbedingungen ihre weitgehende Umbildung
(Transformation); anderseits ist die konservative Ver-
erbung bestrebt, die von Eltern und Voreltern über-
tragenen Eigenschaften bis zu einem gewissen Grade be-
ständig zu erhalten. Bei der beständigen Wechselwirkung,
welche zwischen den beiden physiologischen Tätigkeiten
der Vererbung und Anpassung stattfindet, ist von höch-
ster Bedeutung die progressive oder transformative Ver-
erbung, die vielumstrittene ,, Vererbung erworbener Eigen-
schaften".
Da Lamarck von dem einheitlichen Zusammenhang
aller Naturerscheinungen fest überzeugt war, da er eine
ununterbrochene Kette zusammenhängender Entwicklung
von den niedrigsten bis zu den höchsten Lebensformen
annahm, konnte er vernünftigerweise auch den Menschen
davon nicht ausschließen. Mit klarem Scharfblick hatte
er bereits 1794 die natürliche Einheit des Wirbeltier-
Stammes erkannt, der die vier höheren Klassen des da-
mals herrschenden Linneschen Systems umfaßt, die
Fische, Amphibien, Vögel und Säugetiere. Ihnen stellte
er die beiden niederen Klassen, Insekten und Würmer,
als Wirbellose gegenüber. Alle Merkmale des Körper-
baues, durch welche sich die Säugetiere von den übrigen
Wirbeltieren unterscheiden, besitzt auch der Mensch.
In der Klasse der Säugetiere selbst aber stehen ohne
Zweifel die Affen und Halbaffen dem Menschen am
nächsten; deshalb hatte sie schon Linne 1735 mit ihm in
— 10 —
der Ordnung der Menschenartigen (Anthropomorpha)
oder Her rentiere (Primates) vereinigt. Folgerichtig zog
Lamarck daraus den Schluß, daß auch ihr Ursprung
gemeinsam sein müsse, und daß das Menschengeschlecht
im Laufe sehr langer Zeiträume durch allmähliche Um-
bildung aus einer vielgestaltigen Stufenleiter von Säuge-
tieren hervorgegangen sei. Als die ältesten Wurzeln
aber dieses vielverzweigten Stammbaumes betrachtete
er niederste Tiere einfachster Art, durch Urzeugung aus
anorganischer Materie entstanden.
Diese Ansichten von Lamarck, die wir heute als
Grundpfeiler unserer modernen Entwicklungslehre be-
trachten, und welche die alte Schöpfungslehre beseitigten,
erregten zwar bei ihrem Erscheinen vor hundert Jahren
vielfaches Aufsehen; sie eilten aber ihrer Zeit so weit
voraus und wurden von den herrschenden Autoritäten
(voran dem großen Cuvier) so energisch bekämpft, daß
sie bald nahezu vergessen wurden. Als dann fünfzig
Jahre später Charles Darwin sie von neuem aufnahm,
und, mit ganz anderen Hilfsmitteln arbeitend, von an-
deren Gesichtspunkten ausgehend, sie in kurzer Zeit zu
weitester Geltung brachte, erschien die ganze Abstam-
mungslehre als eine völlig neue Theorie, die vielfach
kurzweg als Darwinismus (im weiteren Sinne !) bezeichnet
wurde. Im Verlaufe weniger Jahre machte sich ihr ge-
waltiger Einfluß im Gesamtgebiete der Wissenschaft
geltend.
Der auffälHge Gegensatz zwischen dem Mißerfolge
Lamarcks und dem reichen Erfolge Darwins erklärt
sich zunächst durch die glänzenden Fortschritte der
Naturwissenschaft, welche in das fruchtbare, zwischen
beiden liegende halbe Jahrhundert fallen. In diesem
— 11 —
merkwürdigen Zeitraum entstand eine ganze Reihe von
biologischen DiszipHnen, welche die Aufgaben und Ziele der
Lebenswissenschaft unendlich erweiterten. Schon in die
ersten Dezennien des neunzehnten Jahrhunderts fällt die
Begründung der vergleichenden Anatomie und Paläonto-
logie durch Cuvier. 1828 veröffentlichte Carl Ernst von
Baer seine klassische Entwicklungsgeschichte der Tiere,
gegründet auf „Beobachtung und Reflexion". 1838 schufen
Schieiden und Schwann die Zellentheorie und öffneten
dadurch die Einsicht in den inneren feineren Bau des
Tier- und Pflanzenkörpers. 1833 erschien das klassische
Lehrbuch der Physiologie, durch welches der große Jo-
hannes Müller die Lebenserscheinungen auf physika-
lische und chemische Gesetze zurückfülirte. Gleichzeitig
wurde durch zahlreiche überraschende Entdeckungen
unsere Kenntnis vom Körperbau und Leben, von der
Entwicklung und Verwandlung besonders der niederen
Tiere und Pflanzen außerordentlich gefördert. So häufte
sich in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts
ein ungeheures empirisches Material von Kenntnissen
an, von denen Darwin 1859 zur Stütze seiner Theorien
den ergiebigsten Gebrauch machen konnte, während sie
seinem Vorgänger Lamarck noch gefehlt hatten.
Das großartige Gebäude der Entwicklungslehre,
dessen Umrisse der geniale Griff von Lamarck 1809
mit einemmale in die Welt gesetzt hatte, glich dem
eisernen Gerüste eines gewaltigen Palastes, von dessen
höchsten Zinnen das erstaunte Auge des denkenden
Naturforschers eine entzückende Übersicht über das ein-
heitliche Weltbild genoß. Aber die zahlreichen Säle
dieses monistischen Museums und die langen Korridore,
die sie in vielen Stockwerken verbanden, waren großen-
— 12 —
teils leer. Der skeptische Beobachter sah sich vergebens
nach den empirischen Beweisgründen um, welche die
kühnen Hypothesen des weitblickenden Baumeisters
durch handgreifliche Tatsachen stützen sollten. Durch
die hohen offenen Fenster stürmten von allen Seiten die
Zweifel und Bedenken herein, welche einerseits die Kritik
der Vernunft, andererseits die Selbstgewißheit des tra-
ditionellen rehgiösen Glaubens den neuen Lehren des
Transformismus gegenüber stellten.
Ganz anders gestaltete sich der wundervolle massive
Bau der Entwicklungslehre, welcher jenem schimmernden
Phantasiepalast von Lamarck gegenüber fünfzig Jahre
später von Charles Darwin errichtet wurde. Darwin
füllte die weiten Räume seines Museums mit Tausenden
von anschaulichen Objekten, welche der Bienenfleiß der
neuen, inzwischen entstandenen biologischen Wissenschaf ts-
zweige gesammelt hatte. Tausende von Beobachtungen
und Versuchen aus allen Zweigen der modernen Biologie
lieferten nun die handgreiflichen, jeden klar denkenden
Forscher überzeugenden Beweise für das stolze und fest-
gegründete Hypothesengebäude der Deszendenztheorie.
Außerdem aber füllte Darwin mit erfahrener Meister-
hand die weite Lücke aus, welche Lamarck darin noch
offen gelassen hatte. Durch die Aufstellung seiner Se-
lektionstheorie — der ihm eigenen „Zuchtwahllehre"
— löste er das große Rätsel von der mechanischen Ent-
stehung der zweckmäßigen Organisation; er erledigte
zuerst befriedigend die dunkle, bisher noch von niemand
beantwortete Frage: ,,Wie können die verwickelten,
offenbar für einen bestimmten Lebenszweck zusammen-
wirkenden Einrichtungen im Körperbau der Tiere und
Pflanzen von selbst entstanden sein, ohne daß eine be-
— 13 —
wußte Schöpferkraft oder ein zielbewußtes metaphysisches
Prinzip dabei mitwirkte?" Die klare und überzeugende
Antwort auf diese schwierigste Frage der Natui-philo-
sophie ist eben die Selektionstheorie, der Darwinismus
im engsten und eigentlichsten Sinne.
Wenn wir als das höchste und letzte Ziel aller
unserer wissenschaftlichen Arbeiten die Gewinnung eines
klaren und einheitlichen Weltbildes betrachten, und
wenn wir in dieser Hinsicht die allgemeinsten Ergebnisse
der riesigen Lebensarbeit unserer beiden bahnbrechenden
Meister vergleichen, so kann es keinem Zweifel unter-
liegen, daß dieses Ziel für beide Begründer dasselbe war.
Das höchste Streben von Lamarck ebenso wie von
Darwin war darauf gerichtet, die natürUchen Ursachen
für die wundervollen Erscheinungen der organischen
Natur zu erkennen, die uns überall umgeben — ,,Rerum
cognoscere causas." Die Allmacht des unbeugsamen
Naturgesetzes sollte erwiesen werden gegenüber den
althergebrachten mystischen Vorstellungen von der
technischen Arbeit eines persönlichen Schöpfers. Die-
selbe Gesetzmäßigkeit in der historischen Entwicklung
der Erscheinungsketten, welche für die anorganische
Natur, in der Astronomie und Geologie, längst nach-
gewiesen war, sollte nun auch für die gesamte organische
Natur geltend gemacht werden, für die stufenweise Ent-
wicklung der gesamten Pflanzenwelt und Tierwelt, und
für den Menschen an deren Spitze. Indem so die natür-
liche Einheit des Weltbildes nachgewiesen wurde,
führte die Naturphilosophie von Darwin und Lamarck
zum reinen Monismus.
Die Wege, auf denen Lamarck und Darwin, un-
abhängig voneinander, zur Konstruktion ihres einheit-
— 14 —
liehen Weltbildes gelangten, waren völlig verschieden,
zum Teil sogar entgegengesetzt. Schon vor 20 Jahren
hat Arnold Lang in einem Vortrage, den er hier in Jena
„Zur Charakteristik der Forschungswege von Lamarck
und Darwin" hielt, gezeigt, wie sich dieser Gegensatz
erklären läßt: einerseits aus den verschiedenen Geistes-
anlagen und inneren Charakterzügen der beiden großen
Naturphilosophen, anderseits aus ihr'.-m ganz verschie-
denen Lebenslaufe und äußeren Arbeitsbedingungen.
Trotzdem war beiden gemeinsam der Charakter des
Autodidakten; beide erwarben sich ihre ausgedehnte
und tiefgründige Naturerkenntnis nicht durch regelmäßige
akademische Studien, nicht durch Vergraben in eine
umfangreiche Literatur, sondern durch unmittelbare An-
schauung der Naturerscheinungen selbst und durch un-
befangenes Nachdenken über ihre Ursachen. Beide For-
scher blieben so bewahrt vor manchen Irrtümern und
Vorurteilen, welche der Autoritätsglaube im gewöhn-
lichen regulären Gange des akademischen Studiums mit
sich zu führen pflegt ; sie wurden dadurch befähigt, ihre
eigenen neuen Wege selbständig einzuschlagen und ganz
neue Pforten der Erkenntnis zu öffnen.
Jean Lamarck wurde am 1. August 1744 zu Bazentin
in der Picardie geboren, als das elfte Kind des Barons
Pierre de Monet, Ritter von Lamarck. Der Vater, der
nur ein sehr bescheidenes Vermögen besaß, bestimmte
ihn für den Dienst der Kirche und brachte ihn bei den
Jesuiten von Amiens unter. Die dortige klerikale Er-
ziehung war ihm aber so zuwider, daß er gleich nach
dem Tode des Vaters, 1760, aus dem Kloster austrat
und nach dem Beispiele seiner älteren Brüder sich zur
französischen Armee nach Westfalen begab. Hier zeichnete
— 15 —
sich der 17jährige JüngUng in einem Gefecht bei Lipp-
stadt so aus, daß er sofort zum Offizier befördert wurde.
Nach dem bald erfolgten Friedensschluß wurde er in
Garnison nach Toulon und Monaco geschickt. Hier er-
regte die herrhche Pflanzenwelt der Riviera sein leb-
haftes Interesse, und er stürzte sich eifrig in die systema-
tische Botanik. Als er dann, infolge von Erkrankung
pensioniert, nach Paris übersiedelte, setzte er diese
Studien im dortigen Pflanzengarten fort und wurde mit
Buff on bekannt. In kurzer Zeit vollendete er hier sein
erstes großes Werk, die dreibändige Flore FrauQaise, ,,die
Mutter aller späteren Floren, die zum leichten Bestimmen
der Pflanzen imd zur Übersicht des Systems dienen".
Nachdem dieses Werk unter Buffons Protektion 1778
(im Todesjahre vonLinne) erschienen war, wurde Lamarck
in die Pariser Akademie der Wissenschaften aufgenommen.
Der intime viel jährige Verkehr mit dem geistreichen
Buffon — einem der ersten Naturforscher, die an der
Beständigkeit der Arten zu zweifeln wagten — wird
vielleicht den ersten Keim der Abstammungslehre in
Lamarck gelegt haben. Sie befestigte sich in ihm durch
die ausgedehnten systematischen botanischen Studien der
folgenden 20 Jahre. In einem umfangreichen Werke von
12 Bänden, einem Teile der großen Encyclopedie metho-
dique, gab Lamarck die Charaktere von 2000 Pflanzen-
gattungen und illustrierte sie durch 900 Kupferstiche;
von dem Ertrage dieser mühsamen Arbeiten fristete er
sein nicht vom Glück begünstigtes Leben.
So war Lamarck als berühmter Botaniker 50 Jahre
alt geworden, ohne doch in Paris eine feste Stellung er-
langen zu können. Da öffnete sich ihm die Gelegenheit,
an dem neu gegründeten Museum für Naturgeschichte
— 16 —
eine Professur für Zoologie, und zwar für Naturgeschichte
der niederen Tiere, zu erhalten. Auch in dieses neue,
ihm bisher wenig bekannte Gebiet, arbeitete er sich mit
solchem Eifer und Talent ein, daß er nach einjähriger
Vorbereitung schon 1794 seine zoologischen Vorlesungen
beginnen konnte. Sein erster glücklicher Griff dabei war
die Unterscheidung der Wirbeltiere von den Wirbellosen,
sowie die Einteilung der letzteren in eine größere An-
zahl von verschiedenen Klassen. Die ausgedehnten
systematischen Forschungen über dieses große Gebiet
fanden ihren Abschluß in den sieben Bänden der be-
rühmten ,, Naturgeschichte der wirbellosen Tiere" (1816
bis 1822).
Viele Tausende von Tier- und Pflanzenarten hatte
Lamarck durch eigene kritische Untersuchung genau
kennen gelernt und bei den Bemühungen, sie in die
Fächer des Systems, in die Gattungen, Familien, Ord-
nungen, KJassen einzuordnen, sich überzeugt, daß ein
inneres Band wirklicher Verwandtschaft sie alle verbindet.
Das natürliche System gewann so bei ihm zuerst die
Bedeutung eines hypothetischen Stammbaums der Orga-
nismen. Da er nicht nur die lebenden Arten mitein-
ander vergUch, sondern auch die ausgestorbenen Formen,
die in früheren Perioden der Erdgeschichte gelebt hatten,
zu ihnen in Beziehung brachte, gelangte er zu der Über-
zeugung, daß die letzteren die wirklichen Vorfahren der
ersteren seien. Dadurch geriet er in scharfe Opposition
zu Cuvier, der das herrschende Dogma von der Spezies-
Konstanz hartnäckig verteidigte und überdies durch seine
sonderbare Lehre von den Katastrophen der Erde und
der wiederholten Neuschöpfung ihrer Bewohner der De-
szendenztheorie jeden Boden entzog. Seiner hohen Autori-
— 17 —
tat gegenüber vermochten die weitgehenden Hypothesen
von Lamarck keine Geltung zu gewinnen. Er beschloß
sein arbeitsreiches Leben 1829 in dem hohen Alter von
85 Jahren in dürftigen Verhältnissen, noch dazu in den
letzten 10 Jahren erblindet.
Völlig verschieden gestaltete sich der Lebenslauf
und Bildungsgang von Charles Darwin. Am 12. Februar
1809 zu Shrewsbury als Sohn eines angesehenen und
wohlhabenden Arztes Robert Darwin geboren, wurde
er von diesem schon im 17. Lebensjahr, zusammen mit
einem älteren Bruder, nach Edinburgh geschickt, um
Medizin zu studieren. Allein der dortige Unterricht war
so jämmerlich und die Abneigung des angehenden Medi-
ziners gegen Anatomie und Krankensäle so groß, daß
er diesen Beruf schon nach zwei Jahren aufgab. Er be-
zog dann die Universität Cambridge, um Theologie zu
studieren und sich auf den angenehmeren Beruf des Land-
pfarrers vorzubereiten. Aber auch dafür vermochte er
keine tiefere Neigung zu gewinnen. Er benutzte seine
Zeit mehr zur Pflege seiner allgemeinen körperlichen und
geistigen Ausbildung, besonders aber zu Exkursionen,
auf denen er sich mit Reiten und Jagen, Sammeln von
Käfern und anderen Naturobjekten beschäftigte. Das
theologische Studium nahm ihn nur wenig in An-
spruch; er bestand zwar nach drei Jahren das erste
Examen und wurde Baccalaureus Theologiae; aber ein-
gehender Vertiefung in theologische und philosophische
Probleme war er abhold.
Um so wichtiger wurde für Darwin in Cambridge
der nahe persönliche Umgang mit mehreren ausgezeich-
neten Lehrern, vor allem mit dem liebenswürdigen Bota-
niker Henslow. Durch ihn gewann er auf gemeinsamen
2
— 18 —
botanischen Exkursionen das tiefere Verständnis für das
Pflanzenleben sowie für die systematische Unterscheidung
der Arten. Henslow, der selbst zugleich streng gläu-
biger Theologe war, erkannte richtig, daß in dem jungen
Darwin mehr Talent zu einem tüchtigen Naturforscher
als zu einem gewöhnhchen Landpfarrer stecke. Er ver-
anlaßte ihn auch, sich am Schlüsse seiner dreijährigen
Studienzeit noch mit Geologie zu beschäftigen und an
einer geologischen Exkursion in das westliche Eng-
land, unter Führung von Professor Sedgwick, teilzu-
nehmen. Hierbei gewann Darwin Geschmack und Ein-
sicht für das Fach, in dem er bald darauf so fruchtbare
eigene Tätigkeit entfalten sollte. Aber zu einem ent-
scheidenden Entschlüsse über seine Zukunft konnte er
nicht kommen.
So stand der 22 jährige Darwin am Schlüsse seiner
akademischen Studien, ohne ein bestimmtes Lebensziel
erreicht zu haben. Da traf ihn ganz unerwartet die
Einladung zu einer mehrjährigen Reise um die Welt,
welche mit einem Schlage ihn in die richtige Bahn lenken
und sein ganzes epochemachendes Lebenswerk bestimmen
sollte. Die englische Regierung hatte eine Expedition
ausgerüstet für die Aufgabe, die noch ungenügend be-
kannten südhchsten Küsten von Südamerika, sowie ver-
schiedene Punkte der Südsee genau zu erforschen und
kartographisch aufzunehmen. Der ausgezeichnete Führer
des Forschungsschiffes, das den Namen ,,Beagle" (Spür-
hund) trug, Kapitän Fitzroy, wünschte einen jungen
Naturforscher mit an Bord zu nehmen, der diese vor-
zügliche Gelegenheit zum Sammeln von Naturalien be-
nutzen sollte, und auf Empfehlung von Professor Hens-
low wählte er dazu Darwin.
— 19 —
Die Weltreise des „Beagle" dauerte nahezu fünf
Jahre (vom Dezember 1831 bis Oktober 1837); die erste
und größere Hälfte davon entfiel auf die Ostküste und
später die Westküste von Südamerika. Darwin konnte
in diesem merkwürdigen Erdteile viele und weite Land-
reisen selbständig ausführen, während die Schiffsoffiziere
mit Küstenaufnahmen beschäftigt waren. Besonders
wichtig wurde nachher der Besuch der Galapagos-Inseln
und der zahlreichen Korallen -Inseln der Südsee. Die
seltsamen Formen der letzteren, die ringförmigen Atolle
und wallartigen Küstenriffe, über deren Entstehung sich
viele Naturforscher vergebens den Kopf zerbrochen hatten,
erklärte der junge Darwin durch eine geniale Theorie,
die ihn zuerst als selbständigen Naturforscher berühmt
machte. Auf der weiteren Reise wurden auch Neusee-
land und Australien berührt, später das Kap der Guten
Hoffnung und Sankt Helena, zuletzt wieder die Küste
Brasiliens bei Bahia.
Darwin selbst hat diese fünfjährige Weltreise mit
Recht als das glücklichste Ereignis seines Lebens ge-
priesen. Aber die Umstände, unter denen er sie aus-
führte, waren auch höchst eigentümlich. Seine natur-
wissenschaftliche Vorbildung war, trotz seines frühzeitig
entwickelten Enthusiasmus für Naturbetrachtung und
Naturaliensammeln , höchst mangelhaft und unsystema-
tisch, in keinem einzigen Zweige streng durchgeführt.
Seine Kenntnis der Literatur und der technischen Arbeits-
Methoden war sehr beschränkt. Aber diese empfind-
lichen Mängel wurden bald aufgewogen durch den eisernen
Fleiß, den er an Bord des Schiffes zu ihrer Ausfüllung
entwickelte, durch eine seltene Beobachtungsgabe und
Originalität der persönlichen Auffassung, und durch die
2*
— 20 —
rege Vielseitigkeit und Tiefe seiner geistigen Interessen.
Das ausführliche Tagebuch, das er mit größter Gewissen-
haftigkeit führte, lieferte später die Grundlage für sein
hochinteressantes Werk : ,, Reise eines Naturforschers um
die Welt", welches dem klassischen Reisewerk seines Vor-
bildes, Alexander von Humboldt, an die Seite ge-
setzt wurde.
Nach der glücklichen Rückkehr von der gefahr-
vollen, vielen Wechselfällen unterworfenen Weltreise ver-
lebte Darwin zunächst sechs Jahre teUs in London,
teils in Cambridge, um deren wissenschaftliche Ergeb-
nisse im Verein mit einer Anzahl ausgezeichneter Fach-
genossen zu verarbeiten. AUein die außerordentlichen
Strapazen der fünfjährigen Reise, und besonders der un-
aufhörliche Kampf mit der widerwärtigen Seekrankheit,
hatten seine Gesundheit so zerrüttet, daß er gezwungen
wurde, sich von dem unruhigen und aufreibenden Leben
in London ganz zurückzuziehen. Nachdem er sich 1839
verheiratet hatte, kaufte er sich im Herbst 1842 ein
Landgut in dem kleinen Dorfe Down, in der Nähe von
Bromley in der Grafschaft Kent (mit der Eisenbahn
kaum eine Stunde von London entfernt). Auf diesem
lieblichen Landsitze, dessen Gärten und Wiesen, Felder
und Wälder seinem feinen Natursinne eine stetige Quelle
reinsten Genusses und vernunftgemäßer Offenbarung
bildeten, verbrachte Darwin in stiller Zurückgezogen-
heit, begünstigt von einem glücklichen und behaglichen
Familienleben, die letzten vierzig Jahre seines Daseins.
Hier konnte er, abgeschieden von dem rastlosen Treiben
und den vielen Zerstreuungen der Weltstadt, seine ganzen
Kräfte ungestört auf die Lösung des großen Rätsels
verwenden, auf das er schon im Beginn der Weltreise
— 21 —
durch seine originellen Beobachtungen in Südamerika
hingelenkt worden war, auf die Frage von der natür-
lichen „Entstehung der Arten" — oder kurz: die
Schöpfungsfrage.
Dieses Hauptproblem der Entwickelungslehre hatte
Lamarck , gestützt auf die ausgedehntesten systemati-
schen Forschungen und morphologischen Vergleichungen,
wesentlich auf deduktivem Wege zu lösen versucht,
durch Synthese und Reflexion. Er erkannte im natür-
lichen System der unzähligen Tier- und Pflanzenarten
ihren hypothetischen Stammbaum und suchte die Ab-
stammungs-Verhältnisse der größeren Gruppen von den
einfachsten Infusorien bis zum Menschen hinauf zu er-
kennen. Indem er als weitschauender Naturphilosoph
seine Entwickelungstheorie auf das Naturganze ausdehnte,
aber seine umfassenden Hypothesen durch die ungenü-
genden empirischen Beweismittel des damaligen Be-
obachtungskreises nicht genügend zu stützen vermochte,
verlor er sich in luftigen Spekulationen, die keine An-
erkennung fanden.
Ganz anders verfuhr fünfzig Jahre später Darwin.
Er ging aus von der unmittelbaren Erfahrung, daß alle
Tier- und Pflanzenarten variieren und daß eine scharfe
Grenze zwischen Art und Spielart, zwischen Spezies und
Varietät nicht zu finden ist. Gestützt auf seine geo-
logischen und chorologischen Beobachtungen in Süd-
amerika, gelangte er zu der Überzeugung, daß die eigen-
tümlichen, heute dort lebenden Säugetiere aus den ähn-
lichen, aber spezifisch verschiedenen Formen, die daselbst
in früheren Zeiten lebten, durch Umbildung entstanden
sein müßten. Die Fragen dieser Transformation suchte
er nun durch induktive Forschung zu beantworten,
— 22 —
durch exakte Analyse und physiologisches Experiment.
Zu diesem Behuf e studierte er jahrelang auf das sorg-
fältigste die Umbildung der Arten, welche der Mensch
durch künstliche Züchtung seit Jahrtausenden an den
Haustieren und Kulturpflanzen hervorgebracht hat. Als
erfahrener Gärtner und Landwirt und speziell als um-
sichtiger Taubenzüchter lernte Darwin die speziellen Be-
dingungen und Erfolge des künstlichen Züchtungspro-
zesses genauer kennen als irgendein früherer Naturforscher.
Er war sogar der erste Physiologe, der sich in die ver-
wickelten theoretischen Verhältnisse desselben, die aus
der Praxis längst bekannt waren, kritisch vertiefte. Als
die wichtigste umbildende Kraft erkannte er die Zucht-
wahl oder Selektion, die Benutzung auserlesener In-
dividuen zur Nachzucht. Als er dann durch einen
glücklichen Zufall (1838) das berühmte Werk des National-
ökonomen Malthus über: ,,Die Bedingungen und die
Folgen der Volks Vermehrung" in die Hand bekommen
hatte, entdeckte er den gewaltigen ,, Kampf ums Dasein"
— das große züchtende Prinzip, welches in der freien
Natur beständig die allmähliche Umbildung der Formen
ebenso unbewußt leitet, wie sie im Zustande der Do-
mestikation bewußt durch den zwecktätigen Willen des
Menschen geleitet wird.
Obgleich nun Darwin schon 1838 die Grundzüge
seiner Selektionstheorie festgestellt hatte, konnte er sich
doch mehr als zwanzig Jahre lang nicht entschließen,
sie zu veröffentlichen. Zwar hatte er tausende und aber-
tausende von Beobachtungen und Mitteilungen gesammelt,
die zu ihrer Stütze dienen sollten ; er wollte aber immer
noch mehr empirische Beweise beisammen haben, um
seine Theorie auf möglichst breiter Erfahrungsbasis un-
— 23 —
erschütterlich zu begründen. So wäre er vielleicht über-
haupt nicht zu ihrer Publikation gelangt, wenn nicht
1858 ein unerwarteter Zwischenfall ihn direkt dazu ge-
zwungen hätte. Ein ausgezeichneter systematischer
Zoologe, Alfred Wallace, der jahrelang in den Ur-
wäldern von Südamerika und in den Wüdnissen des
malayischen Archipels umhergestreift war , sandte an
Darwin selbst ein Manuskript ein, in dem ähnliche Ge-
danken enthalten waren, scharfsinnige Betrachtungen
,,über die Neigung der Varietäten, in unbestimmter
Weise von dem ursprünglichen Typus abzuweichen".
Darwin teilte dieses Manuskript zweien seiner besten
und berühmtesten Freunde mit, dem Geologen Charles
Lyell und dem Botaniker Josef Hooker, Beide
kannten Darwins Arbeiten seit langer Zeit und be-
standen nun darauf, daß in den Proceedings of the
Linnean Society gleichzeitig (am 1. Juli 1858) ein Aus-
zug aus Darwins Arbeiten und das eingesandte Manu-
skript von Wallace veröffentlicht wurden.
Dem dringenden Rate dieser beiden Freunde folgend,
entschloß sich nun Darwin endlich, eine kurzgefaßte
Darstellung seiner Theorie baldigst folgen zu lassen.
Schon im Jahre 1844 hatte er einen Abriß derselben (im
Umfang von 230 Seiten) niedergeschrieben. Aber die
Sammlung von Beobachtungen und Mitteilungen wuchs
bald dergestalt an, daß ein großes Werk von vielen
Bänden daraus zu werden drohte. Als ein Auszug dieses
großartig entworfenen Hauptwerkes, das niemals voll-
ständig geworden ist, erschien nun im November 1859
das epochemachende Buch: ,,Über die Entstehung der
Arten im Tierreich und Pflanzenreich durch natürliche
Züchtung, oder die Erhaltung der vervollkommneten
— 24 —
Rassen im Kampfe ums Dasein". Es wurde in wenig
mehr als Jahresfrist niedergeschrieben. Die deutsche
Übersetzung von Bronn erschien 1860. Unter den zahl-
reichen Schriften, welche Darwin in den folgenden zwanzig
Jahren noch veröffentHchte und welche in einer deutschen
Gesamtausgabe von 13 Bänden erschienen, sind die
wichtigsten: 1868 das zweibändige, äußerst inhaltreiche
Werk über ,,Das Variieren der Tiere und Pflanzen im
Zustande der Domestikation" und 1871: ,,Die Abstam-
mung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl".
Ein physiognomischer Anhang des letzteren erschien
1872 unter dem Titel: „Der Ausdruck der Gemüts-
bewegungen beim Menschen und bei den Tieren".
Weniger allgemein bekannt als diese Hauptwerke
Darwins sind seine geistvollen und originellen botanischen
Arbeiten: über die Befruchtung der Orchideen (1862),
über die verschiedenen Formen der Blüten (1877), über
kletternde Pflanzen (1864), über insektenfressende Pflanzen
(1875), über die Wirkungen der Kreuz- und Selbst-
befruchtung (1876) u. a. Aber auch auf ganz anderen
Gebieten der Biologie hatte Darwin schon viel früher
eine Fülle von wichtigen neuen Beobachtungen mit-
geteilt und sie durch originelle Gedankenverbindungen
zu erklären versucht. Dahin gehört vor allem das be-
wunderungswürdige Werk über die Entstehung der
Korallenriffe, das zuerst seinen hohen Ruf als Natur-
forscher begründete (1842); ferner die grundlegende
Monographie der Cirripedien — einer Ordnung von fest-
sitzenden Krebstieren, die früher sehr irrtümlich beurteilt
und selbst von Cuvier noch für Weichtiere gehalten
worden waren. Nichts beweist aber mehr die Vielseitig-
keit dieses umfassenden Genius als die Tatsache, daß
— 25 —
er auch auf den entfernter liegenden Gebieten der Greo-
logie und Geographie vielfach anregend und bahnbrechend
arbeitete. Ja gerade diese weitblickenden Forschungen,
die er schon im Anfang seiner Weltreise begann, mit
ungenügenden Vorkenntnissen ausgestattet, aber um so
mehr vorurteilsfrei und originell, lieferten den großartigen
Hintergrund für sein einheitliches Weltbild.
Südamerika fesselt hier in erster Linie unsere Auf-
merksamkeit, jenes wundervolle Land, welches auch für
Darwins großen Vorgänger und leuchtendes Vorbild,
Alexander von Humboldt, nicht nur der Ausgangs-
punkt seiner besonderen Forschungen, sondern auch seiner
allgemeinen Naturanschauung geworden ist. Betrachten
wir diesen merkwürdigen Erdteü in gewohnter Weise, so
wie ihn jedes Kind im geographischen Schulunterricht
kennen lernt, so erscheint er nur als die südliche Hälfte
von Amerika, von einem der sogenannten fünf Erdteile.
Wii' brauchen aber nur in der Geschichte der Erde ein
wenig zurückzugehen und uns von der Gegenwart in die
vorhergehende sogenannte „Tertiärzeit" zu versetzen,
um eine ganz andere Ansicht zu gewinnen.
Die Tertiärzeit oder das zänozoische Zeitalter der
Erde ist der jüngste, nächstliegende und kürzeste von
den vier oder fünf Hauptabschnitten, in welche die
moderne Geologie die organische Erdgeschichte einteilt.
Viele Millionen Jahre — jedenfalls mehr als hundert —
sind verflossen, seitdem das organische Leben auf unserem
Planeten begann und sich durch unzählige Verwandlungen
hindurch bis zur gegenwärtigen Gestaltung entwickelte.
Eine bestimmte Berechnung der einzelnen großen Ab-
schnitte derselben, entsprechend der Dicke der Schichten
der Erdrinde, die während derselben aus dem Meere ab-
— 26 —
gelagert wurden, ist nicht möglich. Wenn wir aber
auch nur nach der bescheidensten Schätzung in runder
Zahl hundert Jahrmillionen für ihre ganze Dauer an-
nehmen, so fällt die größere Hälfte (etwa 52) auf den
ungeheuren Zeitraum, in dem die ältesten, archozoischen
Schichten abgelagert wurden (vom Laurentium und Algon-
kium bis zum Cambrium) ; aus diesem ganzen Schichten-
komplex sind noch keine Reste von versteinerten Wirbel-
tieren bekannt. Dann folgte das paläozoische oder pri-
märe Zeitalter (etwa auf 32 Millionen Jahre geschätzt) ; da
treten zuerst im Silur versteinerte Fische auf, die Stamm-
formen aller folgenden Wirbeltiere. Es folgen im Devon
die Lurchfische, im Carbon die ältesten landbewohnen-
den Wirbeltiere, salamanderähnliche Amphibien (Stego-
cephalen), im Perm die ältesten Amniontiere. Dagegen
fehlen noch alle Spuren der höchst entwickelten Klasse,
der Säugetiere. Diese erscheinen erst im Beginn der
Sekundärzeit oder des mesozoischen Zeitalters, während-
dessen die Schichten der Trias, Jura und Kreide ab-
gelagert wurden (zusammen auf etwa elf Millionen Jahre
geschätzt). Indessen sind alle diese älteren Mammalien-
Reste noch sehr spärhch und gehören nur kleinen, unan-
sehnlichen Formen der niedersten Ordnungen an, den
Monotremen und Marsupiaüen. Die vielgestaltige Ent-
faltung der Säugetierklasse fand erst in dem nachfolgen-
den zänozoischen oder tertiären Zeitalter statt, das viel
kürzer war, vielleicht nur drei bis vier Millionen Jahre,
nach neueren Schätzungen allerdings das Doppelte oder
noch mehr.
Die großen Fortschritte der modernen Geologie haben
uns in den Stand gesetzt, uns ein allgemeines Bild von
der Oberfläche unserer Erde im Beginn der Tertiärzeit,
— 27 —
also vor mindestens 3 Millionen von Jahren, zu ent-
werfen. Die eozäne Erdkarte ist von unserer moder-
nen so verschieden, daß es schwer hält, sich hinein-
zudenken. Die Verteilung von Wasser und Land, die
Ausdehnung der Ozeane und Kontinente, war völlig
anders als jetzt. Die ungeheuren Gebirgsketten, welche
gegenwärtig die Physiognomie unserer fünf Erdteile in
erster Linie bestimmen, die Alpenkette in Europa, der
Atlas in Afrika, der Himalaja in Asien, die Kordilleren
in Amerika, existierten noch nicht ; sie alle sind infolge
langsamer Erhebung von Falten der erstarrten Erdrinde,
unabhängig von vulkanischen Katastrophen, erst während
der Tertiärzeit entstanden. Ein riesiger zusammenhängen-
der Kontinentalgürtel bedeckte wie eine Kappe die ark-
tische Zone; die nördlichsten Teile von Europa, Asien
und Nordamerika standen Hunderttausende von Jahren
in ununterbrochenem Zusammenhang, so daß vielfache
Wanderungen der landbewohnenden Tiere und Pflanzen
von Osten nach Westen und umgekehrt stattfinden
konnten. Hingegen war Südamerika ein selbständiger
Kontinent, durch ein breites und tiefes Mittelmeer von
Nordamerika getrennt; erst viel später, in der jüngsten
Tertiärzeit, trat er mit ihm durch die Hebung von
Zentralamerika in Verbindung.
Bereits in der vorhergehenden Kreideperiode war
Australien von dem übrigen Festlande abgeschnitten
worden und auch später isoliert geblieben. So erklärt
sich der uraltertümliche Charakter der landbewohnenden
Fauna und Flora, den dieser Erdteil bei seiner Ent-
deckung bot. Abgesehen vom Menschen und seinem
steten Begleiter, dem Hunde, sowie einigen kleineren,
durch Fhegen oder Schwimmen zu Wanderungen besonders
— 28 —
befähigten Säugetieren — sämtlich erst später ein-
gewandert — fehlten in AustraUen damals alle Plazen-
taltiere, alle jene höheren und vielgestaltigen Säugetiere,
die erst in der Tertiärzeit die Weltherrschaft gewannen;
Raubtiere und Huftiere, Nagetiere und Herrentiere. Die
emgeborene Mammalien-Bevölkerung von Australien be-
stand nur aus Vertretern der niedrigsten Ordnungen :
Monotremen und Marsupialien; das sind jene älteren
Ordnungen, zu denen auch die ausgestorbenen Säugetiere
gehörten, deren versteinerte Reste sich im Jura von
Europa, Asien und Amerika finden. Ihre ältesten, klein-
sten und niedrigsten Stammformen liegen in den oberen
Schichten der Trias-Formation, im Keuper begraben.
Während mehrerer Millionen Jahre gab so in der
älteren und mittleren Tertiärzeit die räumliche Isolie-
rung des großen, damals wahrscheinlich viel weiter aus-
gedehnten, südamerikanischen Kontinentes, die Gelegen-
heit zur Entwicklung selbständiger Formengruppen, die
der übrigen Welt fehlten. Noch heute ist Südamerika
ausgezeichnet durch den Besitz mehrerer höchst eigen-
tümHcher Familien von altertümlichen Säugetieren, be-
sonders Westaffen, Nagetieren und Zahnarmen (Gürtel-
tieren, Ameisenfressern und Faultieren). Dieselben Grup-
pen sind aber auch versteinert in den düuvialen und den
darunter liegenden Tertiärschichten desselben Erdteils zu
finden, vertreten durch ähnliche, aber verschiedene, zum
Teil riesengroße Formen. Auf Darwin machte es den
tiefsten Eindruck, als er selbst dort Ausgrabungen mit
reichem Erfolge anstellte und ausgestorbene Gürteltiere
(Glyptodon) und Faultiere (Megatherium) von der Größe
eines Rhinozeros und Elephanten entdeckte. Unwill-
kürlich drängte sich ihm der Gedanke eines direkten Zu-
— 29 —
sammenhanges zwischen diesen fossilen Riesen und den
ähnlich gestalteten Zwergen der Gegenwart auf — beide
ausschließlich auf diesen Erdteil beschränkt. Dieser Zu-
sammenhang konnte nur ein genetischer sein ; die heute
noch lebenden Gürteltiere und Faultiere mußten die ver-
kümmerten Nachkommen derselben, charakteristisch ge-
stalteten Familien sein, die in früheren Zeiten dieselben
Gegenden in jenen erstaunlichen Koloßformen bewohnt
hatten.
Diese genetischen Gedankenverbindungen, die ersten
Keime von Darwins eigener Deszendenztheorie, erhielten
weitere Begründung durch die vielseitigen chorologi-
schen und geologischen Beobachtungen, die der eifrige
junge Naturforscher auf seinen Wanderungen durch Süd-
amerika während eines Zeitraumes von S-^/g Jahren
machte (vom April 1832 bis zum Oktober 1835). Durch
unmittelbare eigene Beobachtung lernte Darwin, längs
der Ostküste Südamerikas hinabwandernd, die ver-
schiedensten Zonen und Klimate, die größten Gegen-
sätze der Landschaft und Bevölkerung kennen, von den
üppigen Urwäldern Brasiliens zu den ungeheuren Gras-
steppen Argentiniens, von diesen Pampas weiter hinab zu
den Einöden von Patagonien und den undurchdringlichen
Wäldern des Feuerlandes ; den wüsten Falklandinseln
und der berüchtigten Magellanstraße. Dann wieder längs
der Westküste bis zum Äquator aufsteigend besuchte er
das südliche, zentrale und nördliche Chile, den wilden
Archipel der Chonosinseln und Chiloe, überstieg die ge-
waltige Kette der Kordilleren und erforschte die öden
Bergwerke von Peru. Obgleich nun diese Gegenden in
bezug auf Klima und Lebensbedingungen die auffallend-
sten Unterschiede zeigen, bleibt dennoch der Charakter
— 30 —
ihrer Fauna und Flora in vielen Beziehungen derselbe;
verschiedene, aber naheverwandte Arten derselben Fa-
milien ersetzen einander in den verschiedenen Breiten;
auch diese Erscheinung erklärt sich nur mit Hilfe der
Deszendenztheorie und Migrationstheorie.
Von ganz besonderer Bedeutung für diese wurde aber
der Schlußakt der langen Südamerika-Reise, der Besuch
der einsamen Galäpagos-Inseln (im September und
Oktober 1835). Dieser merkwürdige Archipel, aus fünf
größeren und zehn mittleren und vielen kleineren Inseln
bestehend, liegt unter dem Äquator, gegen 600 Meilen
von der Westküste Südamerikas (von Ecuador) entfernt.
Die Gebirgsmasse dieser Inseln, die sich bis gegen
4000 Fuß Höhe erhebt, ist rein vulkanischer Natur und
erst in neuerer Zeit aus dem Schöße des pazifischen
Ozeans emporgestiegen ; über 2000 einzelne Kraterberge
lassen sich unterscheiden. Die organische Bevölkerung
dieser öden, früher von Menschen selten besuchten Inseln
ist höchst eigentümlich. Die Mehrzahl der Tier- und
Pflanzenarten ist eingeboren und findet sich sonst nir-
gends; sogar die einzelnen Inseln sind teilweise durch
den Besitz besonderer Arten ausgezeichnet. Aber alle
diese Spezies sind mehr oder weniger nahe mit ähnlichen
Arten verwandt, welche die benachbarte, 600 Meilen ent-
fernte Küste des Festlandes von Ecuador bewohnen.
Es kann kein Zweifel bestehen, daß alle diese ,, ein-
geborenen" Bewohner der Galapagos-Inseln von anderen
Arten abstammen, die erst in neuerer Zeit von der West-
küste Amerikas eingewandert und durch Anpassung an
die besonderen Lebensbedingungen der einzelnen Inseln
spezifisch umgebildet worden sind.
Von hohem Reize ist die Schilderung dieser ori-
— 31 —
gineilen Beobachtungen und der daran geknüpften Schluß-
folgerungen, die Darwin selbst in seinem Reisetagebuch
gibt. Schritt für Schritt läßt sich hier der strenge in-
duktive Charakter seiner mustergültigen Forschungs-
weise verfolgen, das ängstliche Bestreben, überall Massen
von sicher beobachteten Tatsachen zu sammeln, und doch
anderseits der weite und klare philosophische Blick, der
die ursächlichen Beziehungen dieser mannigfaltigen, oft
scheinbar isolierten Erscheinungen zu erkennen strebt.
Das tiefsinnige Wort von Goethe: ,,Es kommt alles
auf die Beziehungen an" — ist in Darwins Forschungen
tatsächlich der Leitstern geblieben. Dasselbe gilt ja
eigentlich auch von seinem großen Vorgänger Lamarck,
aber freilich in anderem Sinne. Bei dem großen fran-
zösischen Naturphilosophen war in erster Linie das um-
fassende morphologische Verständnis der verwandten
Gestalten bestimmend, zu welchem ihn seine vieljährigen
systematischen Untersuchungen von unzähligen Tier- und
Pflanzenarten geführt hatten, und das beständige Be-
streben, sie möglichst naturgemäß, d. h. ihrer wahren
,, Verwandtschaft" entsprechend, in die gewaltige Re-
gistratur des ,, Natürlichen Systems" einzuordnen. Hier-
bei mußte der deduktive Charakter seiner Spekulationen
um so mehr hervortreten, zu je höheren Stufen seiner
Naturbetrachtung er sich erhob. Dagegen besaß La-
marck weder Neigung und Talent, noch Anregung und
Gelegenheit zu jenen überwiegend physiologischen
Untersuchungen, die Darwin namentlich in späteren
Jahren zur exakten Begründung seiner Selektionstheorie
anstellte und vielfach experimentell stützte.
So verschieden nun auch in diesen und anderen Be-
ziehungen die Forschungswege der beiden Begründer der
— 32 —
Abstammungslehre waren, begegneten sie sich doch nicht
nur in den höchsten allgemeinen Zielen, sondern auch
in vielen wichtigen besonderen Fragen. Von diesen ist
keine bedeutungsvoller, als das Problem vom Ursprung
des Menschen — die „Frage aller Fragen", wie sie
Huxley 1863 genannt hat.
Mit voller Klarheit und Sicherheit erklärte Lamarck
schon vor hundert Jahren, daß es nur eine richtige
Antwort auf diese Frage gebe, und daß diese durch
die Abstammungslehre bereits gegeben sei. Wenn alle
höheren Tiere sich ursprünglich aus niederen entwickelt
haben, so muß dieser Satz auch für das höchstentwickelte
Wirbeltier, den Menschen, gelten. Da aber der Mensch, wie
schon 1735 Linne erkannt hatte, im gesamten Körperbau
unter allen Säugetieren den Affen am nächsten steht, da
er im System der Herrentiere (Primates) von diesen
nicht getrennt werden kann, so ist die Hjrpothese durch-
aus gerechtfertigt, daß der Mensch ursprünglich durch
Umbildung aus einer Reihe von menschenähnlichen Affen
entstanden ist. Lamarck erörtert auch bereits in sehr
scharfsinniger Weise den wahrscheinlichen Gang dieses
Transformations-Prozesses. Er nimmt an, daß zunächst
die Angewöhnung an den aufrechten Gang ( — der ja
auch bei noch heute lebenden Menschenaffen zeitweilig
versucht wird — ) die Sonderung der vorderen und hin-
teren Gliedmaßen herbeigeführt habe ; vorn entwickelten
sich Greifarme und Hände, hinten Waden und platte
Fußsohlen. Der aufrechte Gang hatte die freiere Um-
schau, die höhere Entwicklung der Sinne und des Ge-
hirns zur Folge. Die Herrschaft über die Natur,
welche die Anthropoiden dadurch erlangten, wurde
verstärkt durch ihre sozialen Gewohnheiten, die Bil-
— 33 —
düng von Gesellschaften, in denen die Mitteilung ihrer
Gedanken und Neigungen zur allmählichen Ausbil-
dung der Sprache führte. Die weitere Artikulation der
Sprache hatte wieder eine höhere Entwicklung des Ge-
hirns zur Folge, und so entstand zuletzt als dessen
höchste Tätigkeit die Vernunft. Auch diese vollkom-
menste Seelenfunktion ist langsam durch stufenweise
Entwicklung entstanden; sie ist in Wahrheit eine physio-
logische Arbeit der Gehirnzellen, und als solche zuletzt
auf physikalische Verhältnisse zurückzuführen.
Genau dieselbe Auffassung des großen „Menschen-
Problems' * wie bei L a m a r c k , finden wir auch bei D a r w i n ;
sobald er sich ( — schon im Jahre 1838 — ) von der Ver-
änderlichkeit der Arten und von der gemeinsamen Ab-
stammung formverwandter Spezies fest überzeugt hatte,
war er nicht in Zweifel, daß dieses allgemeine Gesetz
auch auf den Menschen seine Anwendung finden müsse.
Er fürchtete aber mit Recht, daß das allgemein herr-
schende Vorurteil gegen die tierische Abstammung des
Menschen auch für die Annahme seiner allgemeinen De-
szendenz-Theorie hinderlich sein werde. Als er daher deren
Grundzüge 1859 in seinem Hauptwerk veröffentlichte, be-
schränkte er sich darauf, im Schlußkapitel die wichtigsten
Folgeschlüsse zu berühren und dabei den kurzen Satz
einzuschalten: ,, Licht wird auch fallen auf den Ursprung
des Menschen und seine Geschichte". Aber selbst diese
geheimnisvolle Andeutung erschien dem deutschen Über-
setzer, B r o n n , so bedenklich, daß er sie wegheß . Erst nach-
dem 1863 der kühne Thomas Huxley in seinen gedanken-
reichen drei Vorlesungen über ,,die Stellung des Menschen
in der Natur" die morphologischen, embryologischen und
paläontologischen Beweise für die verhaßte „Abstammung
3
— 34 —
des Menschen vom Affen" überzeugend dargestellt hatte,
und nachdem auch Karl Vogt, Ludwig Büchner und
andere sich in gleichem Sinne geäußert hatten, entschloß
sich Darwin, in einem selbstständigen Werke seine An-
sichten darüber zu entwickeln; dieses gedankenreiche
Buch erschien 1871 unter dem Titel: ,,Die Abstammung
des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl". Dieser
letztere Gegenstand, ein besonderes Kapitel seiner Se-
lektions- Theorie, gab Darwin wieder Gelegenheit, die
Fälle seiner vielseitigen biologischen Kenntnisse, im Ver-
ein mit dem Reichtum seiner originellen Ideenverknüp-
fungen, im glänzendsten Lichte zu zeigen. Dasselbe gut
auch für das physiognomisch- psychologische Werk über
den ,, Ausdruck der Gemütsbewegungen beim Menschen
und bei den Tieren", welches im Jahre 1872 erschien.
Die hohe allgemeine Bedeutung dieser anthropo-
logischen Werke Darwins liegt besonders darin, daß er in
ihnen offen und rückhaltlos seine einheitliche oder moni-
stische Auffassung des menschlichen Organismus bekannte.
Ebenso wie jedes einzelne Organ unseres Körpers sich
als ein Erbstück von unseren affenartigen Säugetier-
Ahnen nachweisen läßt, ebenso hat sich auch seine ge-
samte Seelentätigkeit aus den niederen Vorstufen dieser
letzteren stufenweise entwickelt. Die ,, Seele" des Men-
schen ist kein besonderes übernatürliches Wesen, sondern
die Summe seiner Gehirnfunktionen ; und ebenso wie der
verwickelte Wunderbau unseres menschlichen Gehirns
sich morphologisch von einer langen Kette aufsteigender
Entwicklungsstufen unserer tertiären Säugetierahnen ab-
leiten läßt, ebenso ist auch physiologisch unsere Geistes-
tätigkeit aus der psychologischen Stufenleiter der letzte-
ren hervorgegangen. Das gilt nicht allein für die niederen
— 35 —
Sinnes- und Verstandes-Tätigkeiten, sondern auch für die
höheren Gehirnfunktionen der Vernunft und des Ge-
mütes; auch unsere feinsten moraHschen Eigenschaften
sind ursprünglich aus den sozialen Instinkten tertiärer
Säugetiere hervorgegangen.
Zur Vermeidung vielfach noch herrschender Mißver-
ständnisse und zur Beseitigung altgeheiligter Vorurteile
ist es wichtig, bei dieser Gelegenheit daran zu erinnern
daß die verhaßte ,, Affen- Abstammung des Menschen"
noch heute vielfach ganz falsch aufgefaßt wird. Erstens
ist es ganz sicher, daß keine einzige von den lebenden
Affenformen ( — auch nicht die menschenähnlichsten,
Gorilla und Schimpanse, Orang und Gibbon — ) als
direkter Vorfahre des Menschen gelten kann; sie sind
sämtlich einzelne Ästchen eines vielverzweigten Stamm-
baums, dessen meiste Äste längst abgestorben sind.
Zweitens ist es aber für die außerordentliche Tragweite
dieser phyletischen Erkenntnis und insbesondere für ihre
philosophischen Folgerungen ganz gleichgültig, ob wir
die besondere Stammlinie des Menschengeschlechts weiter
oben oder weiter unten, in geringerem oder in größerem
Abstände von dem gemeinsamen Primatenstamm ab-
gehen lassen.
Das wichtigste allgemeine Ergebnis der zahlreichen
genauen Untersuchungen über die Naturgeschichte der
Säugetiere ist die Überzeugung der Einheit ihres Stam-
mes, die jetzt fast alle Zoologen und Anatomen ( — mit
vereinzelten skeptischen Ausnahmen — ) teilen. In vielen
wichtigen Merkmalen ihres Körperbaues stimmen alle
Mammalien — trotz der großen Manigfaltigkeit äußerer
Körperform — völlig überein ; ihre Haut trägt Haare und
Milchdrüsen ; ihre Brusthöhle (Lunge und Herz enthaltend)
3*
— se-
ist von der Bauchhöhle (in der Magen, Leber und Dünn-
darm liegen) durch ein Zwerchfall vollständig getrennt,
während beide Höhlen bei den übrigen Wirbeltieren noch
zusammenhängen ; das Kiefergelenk der letzteren ist nicht
so stark umgebildet wie bei den Mammahen; auch die
Gaumenfalten, der Kehldeckel, die Kniescheibe u. a.
sind Körperteile, die nur den Säugetieren zukommen.
Wir müssen daraus auf den monophyletischen Ursprung
aller Säugetiere schließen, von den niedersten Mono-
tremen und Beuteltieren bis zu den Affen und Menschen
hinauf; und dieser wichtige Schluß wird bestätigt durch
die Paläolontogie. Die ältesten Säugetierreste, die wir
kennen, sind in der oberen Trias (im Keuper) gefunden
worden; sie gehören kleinen Formen an, deren Gestalt
etwa zwischen Eidechse und Maus die Mitte hielt, weshalb
man sie heute vielfach als ,, Molchmäuse" bezeichnet. Auch
in der folgenden Juraperiode bleiben die fossilen Reste
noch spärlich und unbedeutend, ebenso in der jüngeren
Kreide. Erst in der nachfolgenden Tertiärzeit beginnt
jene reiche Entfaltung der vielgestaltigen Säugetierklasse,
welche für diesen jüngsten Zeitraum der organischen
Erdgeschichte charakteristisch ist.
Wenn wir uns die auffällige Verschiedenheit der
lebenden Säugetiere vor Augen halten und besonders die
mannigfaltige Form ihrer Bewegungsorgane und ihres
Schädels, so erfüllt uns mit immer neuem Staunen, daß
trotzdem ihr inneres Knochengerüst überall in gleicher
Weise aus denselben Stücken zusammengesetzt ist.
Die kurzen Beine der kriechenden Mäuse und Spitz-
mäuse, die langen Laufbeine der schnelKüßigen Raubtiere
und Huftiere, die gedrungenen Grabschaufeln der Maul-
würfe und Wühlmäuse, die breiten Schwimmflossen der
— 37 —
Robben und Waltiere, die verlängerten Finger in den
Flughäuten der Fledermäuse, die schlanken Kletterbeine
der Halbaffen und Affen, die gesonderten Arme und
Beine des Menschen — sie bestehen alle aus denselben
Knochen- Gruppen; ihre Unterschiede sind bloß durch
verschiedene Größe und Form der einzelnen Teile be-
dingt, und deren Ursache ist das verschiedene Wachstum,
inAnpasssung an die verschiedenen Lebensbedingungen
und Gewohnheiten. Die Gemeinsamkeit ihrer inneren
Struktur ist nur durch Vererbung von gemeinsamen
Stammformen erklärbar. Das wurde ebenso von La-
marck wie von Darwin klar erkannt; und beide stim-
men auch darin überein, daß sie dabei das größte Ge-
wicht auf die transformative Vererbung legen, auf die
vielbestrittene ,, Vererbung erworbener Eigenschaften".
Aber schon Jahrzehnte vorher, und ohne von La-
marck etwas zu wissen, war durch ähnliche Studien in
der vergleichenden Anatomie hier in Jena unser größter
Dichter und Denker, Wolf gang Goethe zu ähnlichen
Anschauungen gelangt. Es ist viel darüber gestritten
worden, inwieweit Goethe als wirklicher Vorläufer
von Darwin angesehen werden kann. Aber so viel steht
jetzt fest, daß die Morphologie, wie sie Goethe zuerst
hier 1807 nannte, die vergleichende Formenlehre, uns
überall zur Erkenntnis einheitlicher Entwicklungsgesetze
hinführt. Ebenso in seiner ,, Metamorphose der Pflanze",
wie in seiner „Wirbeltheorie des Schädels" ist der ge-
meinsame Grundgedanke unserer modernen Entwick-
lungslehre offenbar, die Entstehung der mannigfaltigen
Gebilde aus gemeinsamen einfachen Urformen. Und daß
Goethe aus diesem allgemeinen Entwicklungsgesetze
auch den Menschen nicht ausschloß, ergibt sich unzwei-
— 38 —
deutig aus dem unermüdlichen Eifer, mit dem er jahre-
lang den Schädel des Menschen und der übrigen Säuge-
tiere vergleichend studierte ; die glänzenden Früchte dieser
Studien, auf die Goethe mit Recht stolz sein konnte,
waren die Entdeckung des Zwischenkiefers beim Men-
schen — hier auf unserer Anatomie in Jena ausgeführt
— und die berühmte ,, Wirbeltheorie des Schädels."
Diese bewunderungswürdigen biologischen Studien
von Goethe, die er schon als Studiosus juris in Straß-
burg begann und über sechzig Jahre hindurch mit leben-
digem Interesse verfolgte, lieferten den festen, realen
Untergrund, auf welchem der größte deutsche Genius
sein ideales einheitliches Weltbild aufbaute. In seiner
klaren monistischen Weltanschauung sind die Begriffe
von Gott und Natur untrennbar verknüpft; und wenn
wir in den erhabensten Dichtungen von Goethe uns
an den unvergleichlichen Offenbarungen seines tief reli-
giösen Gemütes erbauen, so beruht das auf ihrer Har-
monie mit unserem modernen Monismus. Das ist die-
selbe pantheistische Religion, die schon vor 300 Jahren
Giordano Bruno und Baruch Spinoza gelehrt hatten
und die durch unsere moderne Entwicklungslehre erst
ihre volle empirische Begründung erlangt hat. Bruno
sagt von dieser ,, Weltseele, die das ganze Weltall er-
füllt und erleuchtet: „Ein Geist findet sich in allen
Dingen, und es ist kein Körper so klein, der nicht einen
Teil der göttlichen Substanz in sich enthielte, wodurch
er beseelt wird".
Ebenso legt Spinoza seiner allumfassenden univer-
salen Substanz die beiden fundamentalen Attribute der
Ausdehnung (Materie) und des Denkens (Geist) bei.
Nachdem die Gesetze von der Erhaltung des Stoffes und
— 39 —
der Kraft jetzt sicher nachgewiesen sind, vereinigt unser
Monismus beide im „Substanz-Gesetz".
Die großen Grundzüge dieses klaren, einheitlichen
Weltbildes sind bei Goethe dieselben wie bei Lamarck
und Darwin, obgleich seine Ausführung im einzelnen
bei diesen drei Naturphilosophen vielfach verschieden ist.
Gemeinsam ist ihnen vor allem das Endergebnis ihres
tiefgründigen Denkens, daß ein großes einheitliches Ent-
wicklungsgesetz das Gesamtgebiet der Natur beherrscht,
und daß auch der Mensch, als deren vollkommenstes
Produkt, von diesem Gesetz nicht ausgeschlossen ist.
Durch seine Anerkennung gewinnen wir jene umfassende
kosmologische Perspektive, welche unseren forschenden
Geist über die Schranken von Zeit und Raum erhebt;
wir werden dadurch von den Irrtümern und Vorurteilen
der traditionellen, dualistischen und anthropistischen
Weltanschauung befreit. Kopernikus hatte den geozen-
trischen Irrtum widerlegt, daß die Erde der feststehende
Mittelpunkt der Welt sei. Darwin zerstörte das anthro-
pozentrische Dogma, daß der Mensch der vorausbestimmte
Mittelpunkt des Erdenlebens und die übrige Natur nur
zu seinem Dienste erschaffen sei. Wohl aber dürfen wü'
es als den höchsten Vorzug des Menschen rühmen, daß
seine höher entwickelte Vernunft ihn allein befähigt,
sich ein beglückendes, klares und einheithches Weltbüd
auf Grund der Naturerkenntnis zu entwerfen ; und wir
dürfen schließlich mit Goethe sagen:
,,Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare:
Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,
Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre."
Phyletische Tabellen
des Verfassers zur Erläuterung seiner eigenen Auffassung
vom hypothetischen Stammbaum des Menschen.
Abgedruckt aus: Ernst Haeckel, Über unsere gegen-
wärtige Kenntniss vom Ursprung des Menschen.
Leipzig, Alfred Kröner Verlag. 10. Auflage. 1908.
(Die nähere Begründung dieser stammesgeschichtlichen Hjrpothesen
enthält des Verfassers Schrift über: Unsere Ahnenreihe (Pro-
gonotaxis hominis); kritische Studien über Phyletische Anthropologie.
Festschrift zur 350 jährigen Jubelfeier der Universität Jena, am
30. Juli 1908. Mit 6 Tafeln. Jena, Gustav Fischer).
Erläuterung der Ahnenreihe (Progonotaxis) des Menschen.
In den nachstehenden phyletischen Tabellen (S. 44, 45) ist neben
jeder Stufe der Ahnenreihe (1 — 30) rechts diejenige Gruppe von lebenden
Organismen der Gegenwart angegeben, welche die nächsten Verwandten
der hypothetischen Ahnen enthält. In den drei schmalen Spalten
daneben (rechts) ist von jeder der drei phylogenetischen Urkunden
der relative Wert angedeutet, welchen dieselbe (bei dem gegen-
wärtigen Zustande unserer empirischen Kenntnisse) für die Begrün-
dung der betreffenden phyletischen Hypothese besitzen dürfte. In
der ersten Spalte:
Paläontologische Urkunde, bedeutet:
0 gänzlichen Mangel an versteinerten Resten,
w daß dieselben selten und unbedeutend,
ß daß sie in mäßiger Fülle bekannt und wichtig,
K daß sie reichhaltig mid bedeutungsvoll sind.
Ontogenetische Urkunde (zweite Spalte), bedeutet:
? daß ihr phylogenetischer Wert zweifelhaft,
! daß er gering oder vieldeutig,
I! daß er bedeutungsvoll, und endlich
!!! daß er höchst wichtig und lehrreich ist.
Morphologische Urkunde (dritte Spalte), bedeutet:
1 daß die vergleichende Anatomie nur wenig,
II daß sie viel historische Auskunft gibt,
III daß sie sehr viel über die Phylogenie aussagt.
System der Primaten oder Herrentiere.
(NB. + bedeutet ausgestorbene Formen, — V noch lebende Gruppen, — ® die hypothetische
Stammform. Vgl. meine Natürliche Schöpfungsgeschichte, 11. Aufl. 1909, Vortrag 27;
Anthropogenie, V. Aufl. 1903. Vortrag 23.)
Ordnungen
Unterordnungen
Familien
Gattungen
Prosimiae
Halbaffen
(Hemipitheci vel
Lemures )
Orbita von der Tem-
poral-Grube durch
einen Knochenbo-
gen unvollständig
getrennt. Uterus
duplex oder bicor-
nis. Placenta dif-
fusa indeeidua
(meistens 1). Groß-
hirn relativ klein,
glatt oder schwach
gefurcht.
1. Lemuravida
( Palalemures )
Alte Halbaffen
(Generalisten)
Ursprünglich Krallen
an allen oder den
meisten Fingern, spä-
ter Übergang zur
Nagelbildung. Tar-
sus primitiv.
2. Lemurogona
(Neolemures)
Moderne Halb-
affen
(Spezialisten)
Gewöhnlich alle Finger
mit Nägeln (ausge-
nommen die zweite
Hinterzehe). Tarsus
modifiziert.
1. Pachylemures +
( Hyopsodina)
Dent. (44) = I : -1 : |. : I
Primitive Dentur
2. Necrolemures +
( Anaptomorpha)
Dent. (40) = |-:|:|-:|
Eeduzierte Dentur
3. Autolemures V
(Lemurida )
Dent. (36)= |:|:|:|-
Spezialisierte Dentur
4. Chlrolemures V
(Chiromyida)
Dent. (18) = i-:-g-:-^:|-
Rodentien-Dentu^
Archiprimas
Lemuravus
Alt- Eozän
IPelycodus
Alt-Eozän
Hyopsodus
Jung-Eozän
®
+
+
+
Adapis -f
Plesiadapis +
Necrolemur -h
Eulemur
Eapalemur
LepUemur
Nycticebus
Stenops
, Oalago
Chiromys
(Krallen an al-
len Fingern, ex-
cepto Halluce)
II.
Simlae
Affen
{Pitheci vel
Pitheeales)
Orbita von der Tem-
poral-Grube durch
ein Knochen-Sep-
tnm vollständig
getrennt. Uterus
Simplex, pyrifor-
mis. Placenta dis-
coidea, deciduata.
Großhirn relativ
groß, stark ge-
furcht.
I
3. Platyrrhinae
Plattnasige
Affen
Eesperopitheca
Westaffen
(Amerika)
Nasenlöcher seitlich, '
mit breitem Septum,
Drei Prämolaren.
4. Catarrhinae
Schmalnasige
Affen
Eopitheca
Ostaffen
(Arctogaea)
Europa, A^ien u. Afrika
Nasenlöcher vorn, mit
schmalem Septum.
ZweiPrämolaren. Nägel
an allen Fingern.
5, Arctopitheca
Dent. (32)
■> i 3 2 } S^ap«"^«
T • T • "3 • Y : I Midas
Nur am Hallux ein Nagel \ \
6. Dysmopitheca V
Dent. (36) = f : -}- : f : I
Nägel an allen Fingern
7. Cynopitheca V
Dent. (32) = f : t; : f : f
Meist mit Schwanz und
Backentaschen. Kreuz-
bein mit 3 oder 4 Wirbeln, i
8. Anihropomorpha V
Dent.(32) = |:|:|:|
Ohne Schwanz und ohne
Backentaschen. Kreuz-
bein mit 5 Wirbeln
Callithrix
Nyotipithef-us
Cebus
Mycetes
Ateles
' Cynocephalus
Cercopithecvs
Inuus
Semnopüfiecus
Cdobus
Nasalis
' Hylobates
Satyrus
Pliopitkecus +
Oorilla
Anthropithecus
Dryopitfiecus +
Pithecanthropus -|-
l Homo
Progonotaxis des Menschen.
Erste Hälfte:
Ältere Ahnen-Reihe, ohne fossile Urkunden, vor der Silur-Zeit.
PalS-
Mor-
Haupt-
Stammgroppen
Lebende Verwandte
onto-
Onto-
Dho-
Stufen.
der Ahnen-Reihe
der Ahnen-Stufen
logle
genle
logie
1. Monera
1. Chromaeea
O
!?
I
1.— 5. Stufe:
(Plasmodoma)
Ohne Zellkern
(Chwococcus)
Phycochromacea
Protisten-
\
Ahnen
2. Algaria
Einzellige Algen
Z. Paulotomea
Palmellacea
O
!P
I
Einzellige
Mit Zellkern
Eremosphaera
Organismen
/ 3. Lobosa
3. Amoebina
0 !!
n
1—2:
Einzellige (Amoebina)
Amoeba
Plasmodome
Rhizopoden
Leucocyta
Protophyten
4. Infusoria
4. Flagellata
O I P
II
8 — 5:
Einzellige
Euflagellata
Infusionstiere
Zoomonades
Plasmophage
Protozoen
6. Blastaeades
Vielzellige Hohlkugeln
(Coenobia)
5. Catallacta
Magosphaera, Volvocina
Blastvla!
o
I ; 1
ITT
6. Gastraeades
6. Gastrula
o
! ! !
m
Mit zwei Keimblättern
Hydra, Olynthus
Urdarmtiere
Pemmatodiscus
6.— 11. Stnfe:
7. Piatodes I
7. Cryptocoela
0
P
I
Wirbellose
Platodaria
(Convoluta)
Metaioen-
(Ohne Nephridien)
(Proporus)
Ahnen <
1
8. Piatodes II
8. Rhabdocoela
0
?
I
6—8
Platodinia
(Vortex)
Cölenterien,
, (Mit Nephridien)
(Morwtus)
ohne After und
9. Provermalia
9. Gastrotricha
o
?
I
Leibeshöhle
(Urwurmtiere)
Trochozoa
i i
fr-11:
Rotatoria
Trochophora
j 1
Vermalien,
10. Frontonia
10. Enteropneusta
o
?
I
mit After und
(Rhynchdminthes)
Balanoglossus
mit Leibes-
höhle
1
Küsselwürmer
Cephalodiscus
11. Prochordonia
11. Copelata
0
j !
II
Chordawürmer
Appendicaria
Mit Chorda!
Chordula-Larvenl
12. Acrania 1
12. Larven von
O !!! II
12.— 15. Stufe:
Ältere Schädellose
Amphioxus
Monorrhlnen-
Ahnen
(Prospondylla)
18. Leptocardia
0 ! m
1
13. Acrania II
Amphioxus
11 teste
Jüngere Schädellose
(Lanzelot)
Wirbeltiere,
ohne Kiefer und
14. Cyclostoma 1
14. Larven von
O ! ! ! n
ohne paarige
Ältere Rundmäuler
Petromyzon
1
Gliedmaßen,
(Archicrania)
15. Marsipobranchia
1 1
O ! III
mit unpaarer
15. Cyclostoma II
Myxinoides
1
Naaenbildung
Jüngere Rundmäuler
Petromyzontes
Progonotaxis des Menschen.
Zweite Hälfte:
Jüngere Ahnen-Reihe, mit fossilen Urkunden, im Silur beginnend.
Perioden der
Erdgeschichte
j
Stammgruppen Lebende Verwandte
der Ahnen-Reihe i der Ahnen-Reihe
!
Paiä- „ .
Onto-
onto-
. , gerne
logie
Mor-
pho-
logie
Silurische
Periode
Silurische
Periode
Devonische
Periode
Karbonische
Periode
Permische
Periode
r 16. Seiachii
} Urflsclie
1 Prosdachii
( 17. Ganoides
} Schmelzfisciie
y Proganoides
( 18. DIpneusta
< Lurcliflsche
y Paladipneusta
( 19. Amphibia
i Lurche
( StegocephcUa
( 20. Reptilia
i Schleiclier
( Proreptüia
16. Notidanidet
Chlamydoselachus
Heptanchus
17. Accipenserides
(Störfl'^che)
Polypterus
18. Neodipneusta
Ceratodus
Protopterus
10. Phanerobranchia
Salamandrina
(Proteus, Triton)
20. Rhynchocephaiia
Ureidechsen
Hatteria
ö
H
0
B
!I
!
!!
! ! !
t f
111
n
ni
n
Trias-
Periode
(Mesoz. I)
Jura-
Periode
(Mesoz. II)
Kreide-
Periode
(Mesoz. 111)
( 21. Monotrema
< Gabeltiere
y Promammalia
( 22. IVIarsupialia
} Beuteltiere
[^ Prodidelphia
( 23. iVlallotherla
< Urzottentiere
y Prochoriata
21. Ornithodelphia
Echidna
Ornithorhynchus
22. Didelphia
Didelphys
Perameles
23. Insectivora
Erinaceida
(Ictopsida +)
H
H
!!!
M
;
TTT
n
I
Alt- Eozän-
Periode
Neu- Eozän-
Periode
Ollgozän-
Periode
Alt-Miozän-
Periode
Neu-IMiozän-
Periode
Pliozän-
Periode
Pleistozän-
Periodo
( 24. Lemuravida
l Ältere Halbaffen
[ Dent. 3. 1. 4. 3.
( 25. Lemurogona
< Jüngere Halbaffen
[ Dent. 2. 1, 4. 3.
( 2d. Dysmopitheca
l Westaffen
y Dent. 2. 1. 3. 3.
( 27. Cynopitheca
< Hundsaffen
[ (geschwänzt)
( 28. Anthropoides
< Menschenaffen
y (schwanzlos)
( 29. Pithecanihropl
< Affenmenschen
y (Alali, sprachlos)
f 30. Homines
(.(Loquacea, sprechend)
24. Pachylemures
(Eyopsodus +)
(Adapis -{-)
25. Autolemures
Evdemur
Stenopa
2Ö. Piatyrrhinae
(Änthropops +)
(Homunculus -\-)
27. Papiomorpha
Papstaffen
Cynocephalm
28. Hylobatida
Hylobates
Satyrus
29. Anthropitheca
Anthropithecua
Gorilla
SO. Weddalet
Australneger
ö
M
ö
H
H
H
a
M
IP
!?
1
!
I!
IM
in
n
II
n
ni
in
in
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;
/