Skip to main content

Full text of "Das Zunftwesen der Stadt Aachen bis zum Jahre 1681"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commcrcial parties, including placing technical restrictions on automatcd qucrying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain from automated querying Do not send aulomated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogX'S "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct andhclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http : //books . google . com/| 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .corül durchsuchen. 



/ 




Or. phil. 
IC Hermandung. 



Das 



Zunftwesen der Stadt Aachen 



is zum Jahre 1681. 



isß^ Mk. 



AACHEN 1908. 

^= Druck und Verlag der ^=: 
La Rueile'schen Accidenzdruckerei 
^= (Inh.: Jos. Deterre). = 



•Sf± 



"••■■'' i 

I 
i 



. Das 

t 

Zunftwesen der Stadt Aachen 

bis zum Jahre 1681. 



Von 



Dr. phiL Alex Hermandung 



Preis 1,50 Mk. 



Aaohen 1008. 



Drack und Verlag der La Ruelle'schen Accidenzdruckerei 

(Inh.: Jos. Deterre). 






Inhaltsübersicht. 



Seite 

Vorwort 6 



Einleitung 7 

Die Entwickelang Aachens unter besonderer fierßcksichtiflrunflr der 
Gewerbe- und Handelsverh&ltnisse. 

I. Teil: 

Die tiandwerkerverbände. 

1. Kapitel: Die äussere Gesohlchte 11 

Zahl, Alter und Statuten der Zünfte. — Bezeiobnungr. — Entstebungr. — 
Die Zeit der Zanftbeweffungren. — Zfinfte und stAdtisobe Selbstver- 
waltung. — Gliederung der Zünfte. 

2. Kapitel: Verfassung und Organisation 45 

Zunftmitglieder und Aufnahmebediitflruneren. — Zunftbeamte. — Ge- 
richts* und Finanzwesen. -~ Zunfthäuser und Zunftrersammluiigen. 

3. Kapitel: Wirtschaftliche Bedeutung 76 

Verbot der Einfuhr, des Kaufs und Verkaufs fremder Waren. — 
Sorge der Zünfte für die Güte der Handwerkserzeugnisse. — Prüfung 
der Waren durch die Zunftbeamten. — Abgrenzung des Arbeits- 
gebietes und Gleichstellung der Meister. 

4. Kapitel: Die liirchlich-religiilsen Ziele 88 

Allgemeine Ausübung religiöser Gebräuche. — Zunftpatrone und 
Brüderschaften. 

5. Kapitel: Die Anzeichen des Niederganges und Verfalles 93 

IL Teil: 

Die Zünfte ohne ^gewerblichen Charakter 97 

Allgemeines. — Verfassung und Organisation* 



433 



Vorwort. 



In der gesohiohtliohen Forschung ist die Frage nach der 
Entstehung und Bntwickelung der Handwerkerverbände immer von 
hervorragender Bedeutung gewesen. Eine sichere und festbegrün- 
dete Lösung ist aber nur auf Grund eines grossen Kreises von 
Einzeluntersuchungen möglich. Vorliegende Abhandlung, die ags 
der Geschichte der alten Kaiserstadt Aachen schöpft, soll daher 
einen Beitrag zur Erforschung des Zunftwesens liefern. Zeitlich 
umfasst sie den Spannraura von der Entstehung der Aachener 
Zünfte beziehungsweise ihrem ersten Erkennen bis zum Jahre 1681. 
Denn in diesem Jahre findet das Ringen der Zünfte um politische 
Gleichberechtigung mit den Patriziern in der Verleihung des letzten 
„Gaffelbriefes** seinen Abschluss. In gewerblicher Beziehung ist 
der Zünfte Blüte um diese Zeit schon dahin, so dass die folgende 
Epoche kein so grosses Interesse mehr erweckt und auch die nach 
1681 gegebenen Verordnungen wesentlich Neues nicht mehr ent- 
halten. Nur die Rolle der Barbiere, Wund- und Arzneikünstler 
vom Jahre 1701 ist infolge Verlustes der alten Rolle vom Jahre 1427 
noch raitbenuzt, wie auch hier und da einige Bestimmungen aus 
jüngerer Zeit zur Erläuterung herangezogen worden sind. Das 
verwandte archivalische Material ruht zum Teil im Staatsarchiv 
zu Berlin (Manuscripta Borussica quart. 277: R. d. Zimmerleute, 
Steinmetzen und Leineweber), zum Teil im Stadtarchiv zu Aachen : 
Aktensaramlung von 1590 — 96, Aachener Zunftsachen^) (ent- 
haltend: Rolle der Schmiede und Radermacher, Rolle der licien- 
decker, Brüderschaftsordnung der Bäcker und Krämer), Extractus 
(Auszüge verschiedener Zunftrollen), Gaffelbrief des Jahres 1681, 
Handschriftliche Aufzeichnungen von der Hand des Meyer, Ver- 
ordnungen der Zünfte zum Bock und zum Stern, Werkmeister- 
gericht Bd. I u. II, Zunftbuch der Schneider, sowie sämtliche 
übrigen Rollen der Zünfte.^) 



1) Zitiert A. Z. 

2) Die Rollen sind zitiert: „R". Die in Klammern beigefügte Zahl gibt das Jahr 
an, in dem die Verordnung erlassen worden ist. 



Einleitung. 



Urbs aqaensis, urbs renalis, 
Regoi sedes principa)i8, 
Prima regnim curia. 

Diese stolzen Worte lenken unseren Bliok zurück in eine 
Zeit, in der Aachen, die alte Kaiser- und Krönungsstadt, im 
Mittelpunkte des politischen Lebens stand und durch ihren Ruhm 
und ihre Bedeutung zu den ersten Städten des heiligen römischen 
Reiches deutscher Nation zählte. Freilich ist die Entstehuägs- 
und Urzeit des Ortes Aachen der geschichtlichen Forschung durch 
einen dichten Nebel verhüllt, wenn auch einige Strahlen jenes 
Dunkel durchbrechen, die ein wenigstens annäherndes Bild der 
geschichtlichen Entwickelung Aachens entwerfen lassen. 

Die ersten Bewohner dieser Gegend waren keltischen Stammes, 
die wie alle übrigen linksrheinischen Völkerschaften der Welt- 
machtpolitik Roms zum Opfer fielen. Dass auch über Aachen 
der römische Adler einst seine Schwingen breitete, bekunden die 
vielen archäologischen Funde.*) Die besondere Bedeutung zur 
römischen Zeit spiegelt sich darin wieder, dass sich hier vier 
römische Strassen kreuzten.^) Sogar eine Militärstation war hier 
errichtet, deren Lager sich auf dem heutigen Marktplatze 
befand. In Verbindung hiermit und wohl auch durch das Vor- 
handensein der warmen Quellen beeinflusst, entstand sehr wahr- 
scheinlich, wie vorgefundene römische Ueberreste dartun, eine 
bürgerlich römische Ansiedelung. Welches Geschick Aachen weiter- 
hin gehabt, entzieht sich vollständig unserer Kenntnis. Erst zu 
der Zeit der Merowingor tritt Aachen wiederum aus seinem Dunkel 
hervor.^) 

Einen Glanzpunkt in der Geschichte Aachens bildet das 
Zeitalter der Karolinger. Ist ja auf das innigste der Name Karls 
des Grossen mit Aachen verknüpft I Ragt ja heute noch das 
herrliche und altehrwürdige Münster aus einer längst entschwun- 
denen ^eit als ein Denkmal der Liebe und Fürsorge Karls für 
seine Pfalz hervor ! Besonders der seit 792*) ständige Winteraufenthalt 

*) Pick and Siedamgrotsky, Die romische Wasserleitnnir von BurUoheid nach 
Aachen. Zeitschrift des Aachener Gesohiohtsvereins (kunftiir zitiert Z. d. A. G.) Bd. XI. S. 272. 
Adenaw, Archäologische Funde in Aachen bis zum Jahre 1898. Z. d. A. Qt, Bd. XX. S. 179 ff. 

') Schneider, Bömerstrassen im Begierungrsbezirk Aachen. Z. d. A. Q. XI. S. 73. 

') Gross, Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs. Aachen 1894 S. 22. 

*•) Hegel, Die Entstehung des deutschen Städtewesens. Leipzig 1896 S. 20. 



— 8 — 

des ersten Karolingers belebte und förderte die Entwiokelung 
Aachens, zog Kaufleute und Handwerker herbei und übte einen 
nicht geringen Binfluss auf Gewerbe und Handel aus. Wie weit 
schon das Gewerbeleben unter den Karolingern gediehen w^ar, 
zeigt eine sehr wahrscheinlich von Ludwig dem Frommen etwa 
um 820 herrührende Verordnung betreffs guter Polizei und Sittenzucht, 
die sich erstreckte »per raansiones omnium negotiatorum sive in 
mercato, sive aliubi negotientur, tarn christianorum quam et 
Judaeorum.**^) Dass auch das jüdische Element besonders genannt 
wird, zeugt einerseits von seinem zahlreichen Vorhandensein, andrer- 
seits von einer starken Betätigung des Handels, da zu den Kauf- 
leuten vor allem die Juden gehörten. Einen ferneren Beweis für den 
bedeutenden Handel Aachens in dieser Zeit liefert uns die Tatsache, 
dass Aachen zu den gewinnbringendsten Zollstätten des Reiches 
gehörte. Um ihre Getreuen in der Pfalz Aachen vor einer 
Schmälerung dieser Einkünfte zu schützen, wurde Aachen im Privileg 
Ludwigs des Frommen und Lothars I. im Jahre 828 von der 
allgemeinen Zollfreiheit ausgenommen.^) 

So musste der Ort Aachen unter dem mächtigen Schutze 
und der segensreichen Huld der deutschen Herrscher immer mehr 
und mehr sich entwickeln und erweitern. Frühzeitig finden wir 
daher Aachen schon als eine Dorfschaft ; denn die Urkunden dos 
9. Jahrhunderts führen die Bezeichnung „villa" oder ,,vicus", wenig 
dagegen „locus", Ortschaft.^) 

Von grösster Bedeutung aber hinsichtlich der Entwiokelung 
und des Gewerbelebens war der Besitz des Marktrechtes, nicht 
nur wegen des wenig entwickelten Verkehrs und der mangelhaften 
Verbindung in jener Zeit, sondern weil das wirtsohaftspolitisohe 
Prinzip des Mittelalters die Konzentrierung des Verkehrs auf dem 
Marktplatze teilweise forderte.^) Ein solches Marktrecht wurde 
Aachen durch das Privilegium Friedrichs L vom 9. Januar 1166 
zuteil, indem den Aachenern zwei vierzehnlägige Jahrmärkte, ver- 
bunden mit Zoll- und Marktfreiheit für die Kaufleute verliehen 
wurde.^) Wenn nun auch keine Quelle von einem früheren Besitze 
des Marktrechtes spricht, so können wir es doch wohl voraussetzen ; 
denn es ist nicht zu bezweifeln, dass schon früh neben königlichen 
Märkten auf Pfalzgütern auch andere öffentliche Märkte bestanden.*^) 
Am 8. April 1359 verleiht Karl IV. den Aachener Bürgern das 
Recht, vom 1. bis 15. Mai jährlich Jahrmarkt zu halten. Der 
Erzbischof von Köln, der Bischof von Lüttich, die Herzoge von 
Brabant, Geldern, Jülich und der Graf von Loes werden sogar 
aufgefordert, den Kaufleuten, die den Jahrmarkt besuchen, Schutz 
und Schirm zu gewähren.^) 



*) fioretiuB, M. G. Hist. Legum, Sectio II, Capitularia L S. 297. 

«) Heerel, a. a. 0. S. 63. 

3) Piok, Aus Aachens Vergangenheit. Beiträge zur Geschichte der alten Kaisenftadt 
Aachen. 1895. S. 126. 

^) V. Below, Ursprung der deutschen Stadtverfassung S. 15 ff. 

^) Lacomblet, ürkundenbuch ffir die Geschichte des Niederrheins. DütseMorf 
1840 bis 1858. B. I. S. 283 Nr. 412. 

0) Hegel, a. a. 0. S. 51. 

'') Haagen, Geschichte Achens Ton seinen Anfingen bis zur neuesten Zeit Aachen 
1873 und 1874. B. I. S. 294. 



— 9 - 

Indem so Hondel und Gewerbe gefördert wurden, wuchsen 
Wohlstand und Reichtum der Aachener Bürgerschaft, so dass 
Friedrich Barbarossa einst sagen konnte: „Aquisgranum omnes 
provincias et civitates dignitatis et honoris prerogativa precellit/*) 

Die Bevölkerung Aachens setzte sich aus freien Bürgern 
zusammen und war wie auch in den übrigen mittelalterlichen 
Städten nach Ständen geordnet. Den bevorzugteren und macht- 
volleren aber an Zahl geringeren Stand bildete das Patriziat,^) 
während die Masse des Volkes aus Handwerkern und Ackerbau- 
treibenden sich zusammensetzte. Daneben wird auch die Zahl der 
Geistlichkeit infolge der in Aachen zahlreich vorhandenen und 
reich dotierten Stifte eine nicht geringe gewesen sein. Der 
durch die günstige Verbindung Aachens mit dem damals kultu?*ell 
und gewerblich höher stehenden Westen — denn zwei Wege 
Köln — Bavai umschlossen mit einem alten Wegenetz die wichtigen 
Punkte Aachen, Lüttich und Namur — '*) geförderte Handel und 
Verkehr werden wohl den Grund gebildet haben, dass auch das 
Freradenelement in Aachen stark vertreten war. Wie wir gesehen, 
waren die Juden schon unter den Karolingern zahlreich in Aachen 
ansässig. Im Jahre 1241 werden die Judei de Aquis mit einem 
Steuerbetrag von 15 M. aufgeführt.*) Dieser Umstand und die 
1330^) erwähnte Judengasse liefern den Beweis für eine verhält- 
nismässig zahlreiche jüdische Bürgerschaft. Zur Bevölkerung 
Aachens gehörten ferner die Lombarden, die nicht nur Geld- 
geschäfte betrieben,'') sondern auch dem Gewerbe der Tuch- 
manufaktur oblagen.®) 

Selbst neue Gewerbe wurden durch jene einwandernden 
Fremden in Aachen ins Leben gerufen oder wenigstens in ihrer 
Art vervollkommnet. So begründeten Johann Amya und Sohn 
aus Amiens im Jahre 1450 ^) das Kupferschlägerhandwerk. In 
einer Entscheidung des Rates auf Klage des Mützentnacher- 
ambaohts gegen einen Handwerker aus Brüssel, der sich „mit 
dem Stricken der seidenen Hosen ernährte", heisst es: „dieweil 
solch stricke eine newlich erfondene alhie bissher wenig gebrauchte 
kunst ist,*®) und das Borabasinhandwerk wird als das „newe 
Bruggische Bombaseien" bezeichnet.**) Die Nadelfabrikanten wur- 
den die „spanischen" Nadelmacher*^) genannt, ein Beweis, dass 



1) Lacomblet, I Nr. 412. 

^) ygrl. h. aasführl. Hoeffler, Entwickelungr der kommunalen Verfassung und Ver- 
waltung der Stadt Aachen bis zum Jahre 1450. Z. d. A. G. Bd. 23 S. 175 if. 

^) lieber den Ursprung des Standes der Patrizier vgl. Max Foitz, Beiträge zur 
Gfesohichte des Patriziats in den deutschen Städten vor dem Ausbruch der Zunftkämpfe. 
(Strassburg, Basel, Worms, Freiburg i. Br.) Marburger Dissertation 1899. 

*) von Veith, Das alte Wegenetz zwischen Köln, Limburg, Mastricht und Bavai, 
mit besonderer Berücksichtigung der Aachener Gegend. Z. d. A. G. Bd. VIII S. 97. 

^) Sohwalm, Ein unbekanntes Eingangsverzeichnis von Steuern der königlichen 
Städte aus der Zeit Kaiser Friedrichs II. Keues Archiv XXIII S. 522. 

") Loersoh, Aachener Chronik. Annalen des historischen Vereins für den Nieder- 
rhein, insbesondere die alte Erzdiözese Köln. Heft XVII S. 3. 

') Hoeffler, S. 180. 

^) Werkmeistergericht I. 

*) Noppius, Aaoher Chronick I S. 111 ; künftig zitiert „Noppius*'. 

10) R. d. Mützenmacher. (1585) Nr. 18. 

") B. d. Bombasiner. (1626). 

1^ B. d. spanischen Nadelmacher. 



10 — 



dieses Handwerk, das heute noch einen hervorragenden Platz in 
der Industrie Aachens einnimmt, spanischen Einwanderern seine 
Entstehung verdankt.^) Im Jahre 1544 verlieh der Rat 30 fremden 
Familien zum grössten Teil aus Flandern und Artois, die mit 
Wollenzeug Handel trieben, das Bürgerrecht.*) So sehen wir, dass 
gerade aus fremden Landen das Aachener Gewerbe manche för- 
dernde Anregung empfing, und dass hierdurch der Kreis der einzelnen 
Handwerkszweige erheblich vermehrt wurde. Der tiefere Grund 
jedoch für die fruchtbringende und reiche Entwicklung des Hand- 
werks in Aachen in der ersten Hälfte des Mittelalters liegt in 
einem Institut, das zur damaligen Zeit nicht nur ein mächtiger 
Faktor im kommunalen Leben der Stadt, sondern auch ganz be- 
sonders die Beherrscherin der gesamten Wirtschaftspolitik war, 
nämlich der Zunft. Sie war die Wurzel für den hervorragenden 
Aufschwung und einer bis jetzt nie mehr erreichten Blüte des 
Handwerks. 

Diese Zünfte von ihrem Entstehen bis zur Zeit ihres Ver- 
falles zu ergründen, ihre Bedeutung für Aachen in wirtschaft- 
licher und politischer Beziehung zu beleuchten und die Anzeichen 
und Gründe ihrer späteren wirtschaftlichen Schädigung darzulegen, 
soll Zweck und Aufgabe der weiteren Ausführungen sein. 



>) vgl. auch Hansen, Die Aachener NadelinduKtrie. 
') Petrus ä Beeok, Aquisgranum S. 258. 



I. Teil. 



Die Handwerkerverbände 



I. Kapitel. 

Die äussere Geschichte. 

Ueber die Zeit, in der die Handwerkerverbände Aachens 
entstanden, gibt uns keine Nachricht sicheren und zuverlässigen 
Aufsohluss. Der Grund dieser auffallenden Tatsache ist wohl darin 
zu suchen, dass der grosse Stadtbrand des Jahres 1656, der sehr 
viele Ueberlieferungen der Aachener Vorfahren vernichtete, auch 
die ersten Spuren des Aachener Zunftwesens verwischt hat.^) Aus 
verhältnismässig später Zeit dringt somit erst eine zuverlässige 
Kunde von dem Bestehen mehrerer Zünfte zu uns. 

Bis zum Jahre 1428, den 29. Juni hatten sich in Aachen 
folgende Gewerbe zu Genossenschaften vereinigt.^) Das Ambacht 
der Schröder myt eyren zubehorenden ambacht, ambacht der becker, 
bruwer, smede, vuolre, schuhmecher, leder, buntmecher ind zemer- 
lude mit eren kleynen zobehoren ambachten.^) 

Ausser diesen genannten Gewerben hatten sich aber zu dieser 
Zeit, wie dies aus dem Zusatz „Zubehören ambachten" hervorgeht, 
noch verschiedene andere zunftmässig organisiert, die freilich keine 
selbständige Stellung einnahmen, sondern einem verwandten Gewerbe 
zugeteilt waren. Erst spätere Nachrichten machen uns mit diesen 
angegliederten Zünften bekannt.^) Da die Schneider nur ein „zu- 
behorendes ambacht**, nämlich die Tuchscherer hatten, so ist deren 
Bestehen im Jahre 1428 ausser Zweifel gesetzt. Anders verhält es 
sich mit den „Zubehören ambachten** der Zimmerleute. Ein sicherer 
Schluss ist hier, weil mehrere Zünfte in Frage kommen, nicht möglich, 
immerhin aber liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass die uns in 



Durch den Stadtbrand des Jahres 1656 wurden nachweislich Ternichtet: die 
^lle der Schreiner, Barbiere und Meister der Wund- und Ä.rzneikunst, der Leineweber, 
Knpfersohlftger, Steinmetzen und Zimmerleute. 

>) Gross, a. a. O. S. 78 l&sst die Orgranisation der Handwerker in zehn Zünften 
irrtümlich sich erst im Jahre 1428 vollziehen. Wie die weiteren Ausführungen ergeben, be- 
standen die Zünfte schon viel früher. 

') Loersch, Achener Rechtsdenkm&ler aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert, Bonn 1871 
(künftig zitiert: »Loersch, A. R. D.*) S. 204. Nr. 13. 

*) Aktensammlung Ton 1590 h}9 }596. 



— 12 — 

der Folge bekannten angegliederten Zünfte, nämlich die Steinmetzen, 
Schreiner und Leiendeoker, ebenfalls wenigstens zum Teil um diese 
Zeit bestanden haben. 

Weiterhin bildeten die Fleischer 1428 schon eine Zunft, die 
jedoch wegen Nichtbeteiligung an den Zunftunruhen nicht auf- 
gezählt wird.^) 

Entgegen Hoeffler^) möchte ich der Ansicht Ausdruck geben, 
dass es noch mehr Zünfte, als die in dem Vertrage vom 29. Juni 
des Jahres 1428 aufgezählten, die Fleischer und die „Zubehören 
ambachten" miteinbegriffen, gab. Denn während der Vertrag 
vom Jahre 1428 ausser den Fleischern nur neun Ambachten nennt, 
errichteten noch keine zwei Monate später am 10. August^) zehn 
Handwerkerverbände einen neuen Rat. Diese zehnte Zunft ist 
nicht die der Fleischer, da sie sich ja nicht an diesem Gewaltstreiche 
beteiligte, noch wird irgend ein zugehöriges Ambacht als gleich- 
wertig von den übrigen betrachtet worden sein und Sitz und 
Stimme in dem neuen Rate erhalten haben. Der Kreis der 1428 
bestehenden Zünfte ist ein grösserer gewesen. Dafür spricht auch die 
Nachricht, dass nur „eyn deyll der Ambachtzlude** gemmnsame 
Sache mit den Empörern machte.^) Die Zünfte, die damals 
selbständig schon bestanden, wie wir unten nachweisen werden, 
und allem Anscheine nach eine neutrale Stellung bei den ersten 
Unruhen des Jahres 1428 einnahmen, waren die Krämer, Barbiere 
und Meister der Wund- und Arzneikunst und die Müller, so dass 
sich die Zahl der 1428 bestehenden selbständigen Handwerker- 
verbände auf dreizehn beläuft. 

Die Tatsache nun, dass im Verhältnis zu dem hohen Alter 
und der grossen Vergangenheit der einstigen Kaiserstadt und dem 
blühend entwickelten Gewerbeleben die Zünfte recht spät erkennbar 
in die Geschichte Aachens eintreten und zu einer Zeit, als dieselben 
schon zu einer solchen Macht sich entwickelt, dass sie, wenn 
auch nur für kurze Zeit, einen siegreichen Kampf gegen eine seit 
Jahrhunderten bestehende Ordnung ausgefochten haben, liefert von 
selbst den Beweis für ein viel höheres Alter der obenerwähnten 
Zünfte. Unsere Aufgabe soll es demnach zunächst sein, in etwa 
die Bntstehungszeit dieser Zünfte zu erforschen und zugleich das 
Alter der ihnen vom Rate verliehenen Satzungen und Ordnungen 
zu bestimmen. 

Die älteste Nachricht von einer gewerblichen Vereinigung 
Hefert uns eine handschriftliche Aufzeichnung des Chronisten 
Meyer des Aelteren, derzufolge die erste „Verbrüderung" der 
Schneider im Jahre 1288 unter dem Namen „Schroederzunft" von 
85 Meistern geschlossen wurde. ^) 1512 erhalten die Schneider 



^) vgl. den Abschnitt: „Die Zeit der Zunftbewegungen." 
*) Hoeffler, S. 197 und 199. 
^) Loersch, Aachener Chronik S. 6. 

*) V. Fürth, Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizier-Familien I. 
(künftig zitiert: „v. Fürth*'.) S. 52 Nr. 18. 
^) Stadtarchiv Aachen, 



— 13 — 

vom Rate die Bestätigung ihrer Statuten, die am 26. Juli 1541 
„korrigiert und verändert" werden.^) 

Ein hohes Alter kommt ferner dem Wollenambacht zu, dessen 
Vorsteher, die Werkmeister, im Jahre 1333 zum ersten Male 
genannt werden.^) Spätestens zu dieser Zeit muss also diese Zunft 
bestanden haben. Bedenkt man aber, dass schon seit dem 
12. Jahrhundert der Wohlstand der Stadt Aachen vor allem auf 
der Tuohmanufaktur sich begründete^) und in dem benachbarten 
Burtsoheid, das an Macht, Grösse und Tuchfabrikation weit hinter 
Aachen zurückstand, schon im Jahre 1306 eine Zunft der Tuch- 
macher ins Leben trat*), so kann man sicherlich auch für Aachen 
um diese Zeit an eine Vereinigung im Tuchgewerbe denken. Von 
einer frühzeitigen Entwickelung und Brstarkung legen die ersten 
Zunftunruhen im Jahre 1368 und 1401 Beweis ab, die ihren Ursprung 
gerade bei den Walkern und Webern nahmen. Recht eingehende 
Nachrichten und Kenntnisse über diese Zunft erhalten wir aus der 
Verordnung der Werkmeisterund Geschworenen genannten Ambachts 
vom Jahre 1387^) und dem Privilegium vom 3. Februar 1406®), 
während die vom Rate verliehene Rolle ') aus dem Jahre 1442 nur 
im Auszuge erhalten ist.®) Wahrscheinlich hat aber das WoUen- 
arabacht schon früher eine Rolle gehabt; Goedart von Eichhorn 
wird nämlich in der Anklageschrift vom Jahre 1429 vorgeworfen, 
des WoUenambachts Briefe von „alrehande puncten ind vryheiden 
des regimentz yre ambacht antreffende*' unter die Bürgerschaft 
gebracht zu haben, um Zwietracht zu säen.^) Diese Zunft setzte 
sich aus all denjenigen Handwerkern zusammen, die sich des 
„Wullenwebens oder dergleichen ernährten". ^^) 

Während diese einzelnen Gewerbezweige das Wollenambacht 
bildeten, waren die Färber unter dem Charakter einer besonderen 
Zunft als „zubehorendes ambacht" dem Wollenambacht zugeteilt. 
Für diese Auffassung spricht sowohl die Unterordnung der Pärber- 
zunft unter die Jurisdiktion des Werkmeistergerichtes ^^) als auch 
die Abgabe eines Teiles der Strafgelder seitens der Färber an die 
Werkmeister.^*) Am meisten drängt zu dieser Annahme, dass die 
Vorsteher des WoUenambachts sogar Anteil an der Handwerks- 



^) B. d. Schneider, v Von den Schneidern ist auch noch ein Zunftbuoh erhalten. Es 
diente zur Ansohreibung der neu aufgenommenen Lehrlinge, derjenigen, die das Meisterstück 
ffesohnitten, der Meister, der Batsentscheidungen u. a. m. Es wurde am 2(X Mai 1626 ,,ge- 
sehrieben und kopiert**. Auf der ersten Seite steht „Deyst bouch gebeert den Schneider 
grafTell zu gott meist unss allen. Amen." 

*) Laurent, Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert. Aachen 1866. 
8. 411 Nr. 10, (künftig zitiert: „Laurent A. St. B.") 

*) Quix, Historische Beschreibung der Münsterkirche und der Heiligtums-Fahrt in 
Aachen nebst der Geschichte der Johannisherren. Aachen 1825. S. 113. 

*) Quix, Die Frankenburg, insgemein Frankenberg genannt und die Vogtei über 
Burtscheid. Aachen 1828. S. 133. Kr. 8. 

*) Loersch, A. B. D. S. 75. Kr. 12. 

*) Werkmeistergericht I, rergl. auch Noppius. 

^ Die Statuten der Handwerker wurden, weil sie auf Pergament geschrieben und 
zusammengerollt aufbewahrt wurden, »Bollen* genannt. 

*) Extractus der Zunftrollen. — ») v. Fürth, I. S. 38 Nr. 15. 

^<^) AktcDsammlung von 1590 bis 1596, Bl. 267 und Tgl. den Abschnitt: „Gliederung 
der Zünfte*. 

") Loersch, A. B. D. 8. 75. Nr. 12. 

^) B. d. Färber. (1576.) Nr. 9. 



.- 14 — 

gerechtigkeit haben^) und Bestimmungen über die Ausübung des 
Gewerbes erlassen»*) Hierdurch erklärt sich denn auch die Nicht- 
erwähnung der Färber in dem Vertrage vom Jahre 1428, obwohl 
auf ihr Bestehen als Zunft ein Posten der städtischen Ausgabe- 
rechnung vom Jahre 1333/34') hindeutet, nämlich „den verweren 
up den Sacramentzdag vier Viertel Wein**. Legt die Schenkung 
von Wein unter der blossen Bezeichnung den „verweren^ an und 
für sich schon den Oedanken an eine geschlossene Vereinigung 
nahe,*) so wird diese Vermutung glaubhaft und zur Gewissheit, 
wenn man bedenkt, dass es von Seiten der Zünfte Sitte und Brauch 
war, up Sacramentzdag die Schar wache zu beziehen, wobei diese 
Scharwache vom Rate eine Weinspende erhielt.*) Selbst der Stand 
des Gewerbes spricht nicht gegen eine solche frühe Vereinigung 
der Färber. Schon 1268 wurde in Aachen allgemein das Färber- 
handwerk selbständig betrieben,^) während anderwärts noch lange 
jeder Tuchmacher selbst färbte.') Die Färber hatten die Rolle 
gemeinsam mit den Reedern. Sie war ihnen vor 1576, da in 
diesem Jahre der Rat ihre „bis daher gehabte Rolle und Ordnung 
verbesserte und erweiterte", verliehen worden.®) 

Die Zunft der Krämer scheint nach einer den Krämern 
zugeschriebenen religiösen Brüderschaf isordnung auf das Jahr 1319 
zurückzugehen.^) Freilich ist diese Ordnung nur in einer Abschrift 
des 18. Jahrhunderts vorhanden, und wird der Name der 
Krämer in der Ordnung selbst nicht genannt. Zweifelhaft könnte 
es demnach sein, ob die Ordnung zu einer religiösen Brüderschaft 
der ganzen Stadt oder nur der Krämerzunft in Beziehung zu 
setzen wäre. Allein die Echtheit und Glaubwürdigkeit dieser 
Ue herlief erung ist trotzdem wohl gewährleistet! Denn unter den- 
selben Begleitumständen wird auch den Bäckern eine solche 
Brüderschaftsordnung zugeschrieben, die sich tatsächlich auch 
als zu den Bäckern gehörig herausstellt.^^) Weiterhin unter- 
stützt diese Anschauung, dass der Rat 1468 auf Grund einer 
Einsicht und Verbesserung der ^alten Rolle" einen Beschluss 
fasst.^^) Da die Bäcker nun mit ihrer Brüderschaftsordnung zu- 
gleich ihre Rolle erhalten, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass 
auch die Krämer im Jahre 1319 mit ihren gewerblichen Satzungen 
ausgestattet wurden, und dass die 1468 erwähnte „alte Rolle^ mit 
dieser identisch ist. Dies ist keineswegs unmöglich. Denn das 
Gewandschneiderambacht, eine von den Krämern abhängige Zunft, 



1) a. a. O. Nr. 12. 

>) Loeraeh, A. B. D. S. 75 Nr. 12. 

') Laurent, A. St B. S. 406 Z. 16. 

*) vgl. Hoeffler, S. 187. 

<^) Yffl. Kapitel 4. 

") Loersch, Aachener Urkunden aus dem 13.« 14. und 15. Jahrhundert Z. d. A. Q. L 8. 130. 

'") Schmoller, Die Strassburffer Tucher- und Weberzunft Urkunden und Darstellung 
nebst Kegesten und Glossar. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Weberei und des 
deutschen Gewerberechts Tom 13. bis 17. Jahrhundert S. 444. Kin Irrtum Schmollers aber 
ist es, die Färber in Aachen als Mitglieder der Weberzunft, ohne Voraussetzung einer 
eigenen Zunft, hinzustellen. 

8) B. d. Farber und Böder. 

») A. Z. 8. 854 f. 

10) B. d. Bäcker und A. Z. S. 368. 
") B. der Kr&mer. 



— 15 — 

erhielt schon im Jahre 1388 seine Satzungen.^) Im Jahre 1486 
wurde die Rolle der Krämer abermals visitiert und geändert und 
infolge Verlustes des Originals am 21. Mai 1492, indem das Krämer- 
ambacht „eine alte gleichlautende Oopey hinter sich hatte", 
eine neue Rolle beschrieben.^) 

Nach der städtischen Ausgaberechnung des Jahres 1833/34 
gab der Rat auf Grosskirmestag (17. Juli) den „vleischheuweren** 
9 Pfund Kerzen.*) Auch hier lässt die allgemeine Bezeichnung 
der Empfönger wie auch besonders die Art des Geschenkes auf 
eine Vereinigung der Fleischer schliessen. Spätestens um diese 
Zeit bildeten daher die Fleischer ein Ambacht. Laut Stadtrechnung 
von 1344/45 kauft die Stadt den Fleischern ein vexillum, worunter 
jedenfalls ein Zunftabzeichen zu verstehen ist.*) Eine Bestätigung 
des Bestehens und zugleich ein Zeichen der Wohlhabenheit des 
Fleisoherambachts ergibt nach der Stadtrechnung 1391/92 seine 
Pachtung der Fleischakzise für 600 M.^) Am 27. Januar 1536 
wurde der Fleischerzunft, um das Ambacht zu „unterhalten", 
vom Rate eine Rolle gegeben.®) 

Die Statuten der Gewandschneider '^) sind vom Jahre 1338, 
wozu die Stadtrechnung dieses Jahres meldet: dominis nostris 
commedentibus supra domum civium, quando fecerunt statuta 
exoisorum.®) Die Gewandschneider bildeten jedoch keine selbstän- 
dige Zunft, sondern waren, wie wir sehen werden, den Krämern 
angegliedert.^) 

Gleichfalls aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts er- 
halten wir einen Anhaltspunkt, der auf den Zusammenschluss der 
Qerber hinweist. Die Lederakzise ist nach der städtischen Ein- 
nahmerechnung des Jahres 1344/45 von den cerdones, den Lodern, 
für 202 M. gepachtet.^®) Während diese Pachtung eine gewisse 
Wohlhabenheit verrät, scheint das Löderambacht späterhin eine 
Zeitlang im Argen gelegen zu haben; denn der Rat verleiht ihm 
1449 seine Satzungen mit der Begründung, wie dat sy . . . . 
eine zyther an irre narongen sere zo eichterste ind zo kort ge- 
gangen syu.") 

Wie bei den Lodern stammen auch bei den Schuhmachern 
die ersten Nachrichten über ihre Vereinigung aus der städtischen 
Einnahmerechnung des Jahres 1344/45 und gehen aus der Pachtung 



1) Laurent, A. 8t B. S. 128. Z. 18. 

^ B. d. Krftmer. 

*) Laurent, A. St B. a 410. Z. 28. 

^) Laurent, a. a. O. S. 147. Z. 21. vgl auch Hoeffler. S. 188. 

^) Laurent, a. a. O. S. 383. Z. la 

^ Extraotns, BI. 15 ff. 

^ Hoeffler, S. 118, identifiziert hier excisi Gewandachneider also Tuchhändler mit 
äehruder — Schneider — und glaubt daher in obigem Posten die Nachricht für das Be- 
stehen des Schneiderambachts gefunden zu haben. Macco, Beiträge zur Genealogie rheini- 
scher Adels- und Patrizier-Familien lY. S. 10, bringt den „Johannes Pastoir, Gewandmacher 
(sartor) in Verbindung mit einem Johann Pastoir, dem Schröder oder Tuchhändler.'* Sartor 
bedeutet aber nicht Gewandmaoher, sondern Schneider, und Schröder nicht Tuohhändler, 
aondem Schneider. 

") Laurent, A. St B. S. 128. Z. 18. 

*) Tgl. d. Abschnitt: „Gliederung der Zünfte." 

^^ Laurent, A. St B. 8. 168. Z. 9. 

")B. 



— 16 — 

der Corduanakzise durch die oorduani, Sohuhmacher, hervor.^) 
Irrig ist die Angabe Hoefflers über die „corduani, die sonst 
nirgends erwähnt, wohl kaum als selbständiges Arabacht bestan- 
den haben werden, sondern wohl nur ein zugehöriges Ambaeht 
bildeten",*) da doch 1428 in dem zwischen Rat und mAbachten 
geschlossenen Vertrage die Schuhmacher (corduani) mit aufgefühit 
werden,^) wodurch schon die selbständige Stellung des Schuh- 
macherambachts dokumentiert wird. Dass sie 14ö0 in dem GaflFel- 
brief nicht genannt werden, hängt eben mit ihrer Beteiligung an 
den Zunftunruhen zusammen. Wie wenig an ihrem Portbestehen 
gezweifelt werden kann, beweist unter anderem, dass der Rat 
den Schuhmachern 1461 auf St. Bernhardstag (20. August) eine 
Rolle gibt.^) 

Das Ambacht der Bäcker geht nachweislich auf das Jahr 
1350^) zurück. In diesem Jahre auf St. Mathäustag (21. Sep- 
tember) erhielt die Zunft nach einer handschriftlichen Aufzeichnung 
ihre Satzungen. Gleichsam eine Bestätigung dieser Nachricht 
liefert die Rolle vom 28. Juni 1517, die den Bäckern zu „anderen 
ihres Ambachts Ordinantien und Punkten" verliehen wird®) und die 
1387^) erwähnten ^broitmartmeister", die uns später als Beamte 
dieser Zunft begegnen.®) 

Die Zunftunruhen von 1428 bringen uns die erste Kunde 
von dem „ambaeht der zemerlude". Jeder Zweifel ist aber wohl 
ausgeschlossen, dass die Zimmerleute schon viel früher als Zunft 
bestanden. 1386 nämlich werden in der Stadtrechnung die 
„gesworen van den huysdeckeren*' aufgeführt,^) die sicherlich 
analog den Geschworenen des MüUerambachts Beamte einer gleich- 
namigen Zunft waren. Diese Hausdecker werden 1428 als selb- 
ständige Zunft nicht erwähnt, wohl aber die Zimmerleute und 
zwar mit „eren kleynen zobehoren ambachten*. Da aber die 
Haus- oder Leiendecker ^^) ein Spliss der Zimmerleute waren,^^) so 
haben die Zimmerleute als die Hauptzunft sicherlich schon 1386 
bestanden. Auf ein erheblich frühes Alter der Zimmerleutezunft 
deuten auch die im Jahre 1436 bereits veränderten Satzungen.**) 
Wie die erste Ordnung durch unbestimmte Ursachen verloren ge- 
gangen ist, so wurde letztere durch den Stadtbrand des Jahres 
1656 vernichtet. In demselben Jahre wurde dann eine neue 



^) Laurent, a. a. O. 8. 16a Z. 10. 

») Hoeffler, S. 188. 

') Geradezu befremdend ist es, dass Hoeff 1er später selbst (a. a. O. S. IM') die Schuh- 
macher als 1428 bestehend erwähnt. 

*■) B. d. Schuhmaoher. 

B) R. d. Bäcker. 

») R. d. Backer. 

') Laurent, A. St. R. 8. 366. Z. 27 u. S. 383. Z. 21. 

^) Im Jahre 1486 hat der Rat den Bftckem keine Rolle gegeben, wie Quix (Wochen- 
blatt für Aachen und Umgegend, Jahrg. II. 8. 61) berichtet. Es handelt sich hier nur um 
eine von den Bäckern aufgestellte Ordnung über das Verhalten auf dem Zunftsaale. Diese 
Ordnung hat nicht den Charakter, der durch die Bezeichnung „Rolle** bei den Zünften zum 
Ausdruck kommt. 

•) Laurent, a. a. O. S. 343. Z. 1. 

^°) An den Kamen der Leiendecker knüpft sich eine kleine interessante Episode. 
Als in Aachen nämlich andauernd Blei nachts gestohlen wurde, galt allgemein der Spruch: 
„We djet dit anders dan die Leyendecker.^ R. d. Leiendecker. A. Z. Bl. 377. 
^0 Aktensammlung v. 1590—96. Bl. 209 u. 268. 
^*) ExtraotuB, BL 12 f. 



17 



Aufzeichnung vorgenommen.^) Die Leiendecker erhalten ihre Rolle 
auf ^underthenigs supplioieren* und ^hochfleissig bitten* am 
15. August 1506. Am 19. April 1533 ward sie bereits einer Um- 
gestaltung unterworfen.*) 

Auch über die Bntstehungszeit und das Alter des Pelzer- 
und Buntmacherambaohts fehlen uns vor 1428 direkte Nachrichten. 
Vielleicht aber deutet das 1385^) erwähnte „nuwe pelsserhuys*, 
das eine Gemeinsamkeit der Verkaufsplätze verrät, auch auf eine 
Körperschaft dieses Gewerbes. Während die älteste „Velpeelre- 
rolle* vom 29. Oktober 1461 datiert ist, stammt die gemeinsame 
Rolle der Buntwirker und Pelzer vom 27. August 1511.*) 

Am 31. Mai 1409*) entscheidet der Sohöffenstuhl zu Aachen 
in einer Streitsache mit Hinzuziehung der „Geschworenen des 
Mühleiiambachts'*. Folglich waren auch die Müller zur damaligen 
Zeit schon organisiert.®) Zweifelhaft bleibt auch bei dieser Zunft 
das Ursprungsjahr. Schon früher waren nämlich die Müller im 
Besitze von Satungen. Nach einem von Jakob Grimm veröffent- 
lichten Weisthum/) sollen die Müller am 30. Dezember 1393 sich 
versammelt haben, um nach Brauch ihrer Vorfahren ihr Recht 
festzustellen. Die wichtigsten allgemeinen Verordnungen wurden 
im 17. Jahrhundert in der „Wasser-Rolle"®) niedergelegt. Diese 
enthält nach Loersch in ihren meisten Bestimmungen „unzweifelhaft 
nur alte üebung in neuerer Porm.**^) 

Die Meister der löblichen und geehrten Arzneikunst (Barbiere) 
werden im Jahre 1427 vom Rate mit einer Rolle ausgestattet.^^) 

Während für alle obengenannten Zünfte ein Bestehen vor 
dem Jahre 1428 sich nachweisen Hess, sind für das Tuchscher er-,") 
Brauer- und Schmiedegewerbe derartige Anhaltspunkte nicht auf uns 
gekommen. Freilich ist damit keineswegs ein höheres Alter der Zünfte 
ausgeschlossen. Einen Beweis zum Beispiel für eine frühere Aus- 
dehnung des Schmiedehand Werks liefert die 1320 genannte Strasse 



^) R. d. Zimmerlente. 

^ B. d. Leiendecker, A. Z. 51. 37a 

") Laurent, A. St. R. S. 357. Z. 17. 

*) R. d. Pelzer und fiuntwirker. 

^) Pick, Aus Aaohens Vergran^enheit. S. 440 f. Nr. 2. 

®) Hoeffler, a. a. 0. schliesst aus dem Umstände, dass „die Brotmarktmeister auch 
in den Mühlen kontrollieren, während die Müller doch auch eigene Geschworenen haben, 
zu deren Obliegenheiten die Regelung der Stauverhältnisse des zum Mühlenbetrieb ver- 
wendeten Paubaches gehörten, dass das Müllerambacht kein selbständiges Ambacht war, 
sondern zu den Bäckera gehörte.'* Die Begründung dieser Auffassung ist doch wohl zu 
wenig stichhaltig, besonders, weil die Quelle, aus der Hoeffler schöpfk, nur von der Aufsicht 
der Brotmarktmeister in den Mühlen des Stiftes und nicht in der Stadt spricht. Hätten 
die Bäcker überhaupt ein „zubehorendes ambacht** gehabt, so würde dies sicherlich in dem 
Vertrage des Jahres 1428, wie dies auch bei den übrigen Zünften geschehen ist, zum Aus- 
dmck gekommen sein. 

^ J. Grimm, Weisthümer IV. S. 800, vgl. auch Loersch, Beiträge zum A ebener 
Wasserrecht im Mittelalter in Picks Monatsschrift für rheinisch- westfälische Geschichts- 
forsohnng und Altertumskunde. Jahrgang L S. 231. Anmerk. 1. 

^) Abgedruckt bei I^oppius, B. III. S. 144. 

') Loersch, a. a. 0. S. 231. 

*o) R. d. Barbiere. Da diese Rolle 1666 durch die Feuersbrunst zerstört wurde, 
erhielt die Zunft am 26. April 1701 eine neue Rolle, die am 28. Juli 1714 neu geschrieben wurde. 

") Uach Meyer (handschriftliche Aufzeichnungen), sollen die Tuchscherer am 
^. Janaar 1584 eine Rolle erhalten haben. 



— 18 - 

„inter fabros".^) Mit den Schmieden bildeten naoh der Rolle vom 
8. August 1443^) eine gemeinsame Zunft die Radermacher. 

Bin frühzeitiger, verhältnismässig grosser Umfang des Brau- 
gewerbes geht aus einer von dem Grafen von Jülich nach vor- 
heriger Beratung mit den Richtern, Schöffen, Ratsmitgliedern, Bürger- 
meistern und Aachener Bürgern erlassenen Verordnung des Jahres 
1272^) über den Bierverkauf und das Bierbrauen in Aachen hervor. 
Am 15. Oktober 1506*) wird der Brauerzunft eine Rolle verliehen, 
unter Beibehaltung aller anderen Gerechtigkeiten, „die sy nac 
innehält irs boichs bys zo diesem daige zo gehadt hauen**. 1511 
wurde diese Rolle noch erweitert. 

War es nun möglich, für diese Zünfte ein erheblich höheres 
Alter festzustellen, als die ihnen vom Rate verliehenen Rollen 
vermuten Hessen, so erhalten wir für die Mehrzahl der Aachener 
Handwerkerverbände erst aus den Statuten die erste Kunde von 
ihrem Bestehen. Keineswegs ist jedoch der Zeitpunkt der Ver- 
leihung der Statuten zugleich auch immer die Entstehungszeit der 
Zünfte. Denn das Bedürfnis zur schriftlichen Aufzeichnung ihrer 
Rechte trat erst mit der Erstarkung und Entwiokelung der Zünfte 
ein, vor allem in dem „Augenblicke, wo die Streitigkeiten über 
die Rechte und Befugnisse unter den verschiedenen Zünften 
der Stadt oder unter den Mitgliedern derselben Zunft sich mehrten, 
und es notwendig ward, bestimmte Ordnungen zur Vermeidung 
solcher Zwiste festzustellen."^) So wird den Nadel- und Krempen- 
machern eine Rolle gegeben, „da zwischen ihnen allerhand Irrungen 
entstanden".^) Wie wenig die Verleihung der Statuten ein sicherer 
Beweis für das Alter einer Zunft sein kann, geht auch schon 
daraus hervor, dass manche der jüngeren Zünfte ältere Rollen 
besitzen, als die schon 1428 genannten. 

Schon 1428 bestanden sehr wahrscheinlich die Zünfte der 
Steinmetzen und Schreinemacher.'') Seit dem 20. Januar 1434 
und dem 1. März 1487 waren die Steinmetzen^/ und seit dem 
1. September 1528 die Schreinemacher ^) im Besitze einer Ordnung. 
Bei dem grossen Stadtbrand von 1656 verbrannten sämtliche 
Privilegien und Handwerksstatuten beider Zünfte, so dass das Ambaoht 
der Steinmetzen am 8. November 1670 alle Privilegien ,,neu 
schreiben und renovieren" Hess, und das Ambacht der Schreine- 
macher am 30. Dezember 1660^^) eine neue Rolle «rhielt.^^) 



*) Pick, Aus Aachens Vergrangenheit. S. 342. Anm. 6. 
^) R. d. Schmiede. 
8) Loersch, A. R. D. S. 35. Nr. 2. 
*) R. d. Brauer. 

^) Bodemann, Die älteren Zunfturkunden der Stadt Lüneburg. Quellen und Dar- 
stellungen zur Geschichte Niedersachsens. Bd. I. Hannover 1880. Einl. S. 20. 

6) R. d. Krämer. Bl. 10. 

7) vgl, S. 11 f. 

^) R. d. Steinmetzen. 

°) R. d. Schreinemacher (Extractus). Bl. 13. 

^^) R. d. Schreinemacher. 

^^) Meyer (Handschriftliche Aufzeichnungen, Stadtarchiv Aachen) bringt hierzu noch 
eine Notiz von der Bewilligung einer Brüderschaft der Schreiner im Jahre 1511 am 4. März 
mit nachfolgenden Gewerbeordnungen. Letztere stimmen nun wesentlich mit denen des 
Jahres 1660 überein. Das Eigentümliche aber ist, dass Meyer, obwohl er die Schreine- 
macher 1511 als Zunft entstehen lässt, ihnen schon am 19. April 1498 eine Rolle zuschreibt. 



19 — 



Die wahrscheinlich nach 1428 entstandenen Zünfte sind 
uaoh dem 





Alter der Rollen 


die Hutmacher ^) 


1. Nov. 1456 u. 28. April 1673. 


Hamacher (Sattler) 


3. Mai 1481 u. 26. Nov. 1637. 


Vettewärer^) 


1486. In diesem Jahre wird die Rolle be- 
reits verändert. Aelteste Passung verloren. 


Mützenmacher^) 


1486. In diesem Jahre wird die Rolle be- 
reits verändert. Aelteste Fassung verloren. 


Alträuscher 
und Schoyenlepper*) 


1486. 


Spiegelmacher ^) 


1493. Rolle und Buch werden nur erwähnt.®) 
Beides ist aber nicht erhalten. Am 10. Aug. 
1618 erhalten die Spiegelmacher eine ge- 
meinsame Rolle mit den Schilderern, Kisten- 
malern, Glasmalern und Glasmaohern. 


Kannegiesser '^) 


13. Februar 1487 bereits Rolle verändert. 
Aelteste Fassung nicht mehr vorhanden. 


Sackträger ^) 


3. Dez. 1500. 


Kupferschläger®) 


10. Aug. 1505. Rolle wird verändert 1510 

und 1548, und da diese 1656 verbrannte, 

in demselben Jahre erneuert. 


Goldschmiede ^®) 


8. Oktober 1510.^^) und als eine Erweite- 
rung der ersten 16. Aprü 1573. 



^) R. d. Hutmacher. Am 29. August 1698 wurde die Rolle abermals geändert. Die 
Kolle vom Jahre 1456 ist nicht mehr vorhanden. 

^) Fettwarenhändler, Tgl. Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. V. 
8. 249; R. d. Krämer Bl. 12 f. 

') R. d. Mützenmacher. 

*) R. d. Alträuscher. 

^) R. d. Spiegelmacher. 

ö) R. d. Krämer, Bl. 4 f. 

^) R d. Kannegiesser. 

8) Loersch, A. E. D. S. 156. Nr. 27a. 

^) R. d. Kupferschläger. 

^^) Loersch, Die Rolle der Aachener Goldschmiede vom 16. April 1573. Z. d. A. Gt, 
ßd. XIII. S. 247 flF. 

^1) Diese Rolle ist nicht mehr erhalten. — Nicht möchte ich mich der Ansicht Loerschs 
(a. a. 0. S. 330 S.) anschliessen, der eine Vereinigung der Goldschmiede schon für das 
ülnde des 13. oder den Anfang des 14. Jahrhunderts annimmt, mag auch die Behauptung 
Beissels (Beissel, Der Marienschrein des Aachener Münsters. Z. d. A. G. Bd. V. S. 19 fi'.) 
zutreffend sein, dass die Lichterkrone, der Karls- und Marienschrein in Aachen verfertigt 
worden seien. Denn dem stehen die kläglichen und dürftigen Nachrichten über die Gold- 
Bchmiedekunst in Aachen im 14. Jahrhundert schroff gegenüber. In der städtischen Ausgabe- 
reehnmig von 1338/39 (Laurent, A. St. R. S. 126. Z. 25.) wird ein Goldschmied Wernerus genannt, 
der geringfügige Arbeiten an Gefässe macht, und 1395/96 (a. a. O. S. 397. Z. 26.) ein golsmet 
meister Willem, der zwei silberne Kannen, die man dem jungen Grafen von Jülich schenkte, 
instand «etzte. Wie wenig diese Kunst gerade in dieser Zeit in Aachen gepflegt wurde, geht klar 
daraus hervor, dass grössere Geschenke nicht bei einem Goldschmied, sondern bei Patriziern, 
Schöffen, ja bei einem Bürgermeister gekauft wurden. (Laurent, A. St. R. S. 119. Z. 38, 
B' 120. Z. 3, S. 121. Z. 14.) Zieht man weiterhin in Betracht, dass eine Goldschmiedezunft 



- 20 - 



Alter der Rollen 



Kohlen werk ^) 

Bombasiner*) 

Passbender ^) 

Kessler^) 

Nadel- und Krempen- 
maoher ^) 

Spanische 
Nadelmacher ^) 

Büchsenlademacher 

Drahtzieher 

Nagelschmiede 

Weissgerber und 
Harnischmacher ^) 

Maler ®) 

Leineweber 



Posamentwirker ^^) 

Plasch- und Lampen- 
macher ^^) 

Kratzmacher ^^) 



1541. 

12. Februar 1572. 

1577. 

27. November 1578. 

11. August 1584. 

3. November 1615. 
1579. 
1580. 
1590. 

1596. 

1601. 

1656 Rolle verbrannt. Die 1657 erneuerte 
wurde 1659 durch andere Satzungen auf- 
gehoben.®) 

10. November 1609. 

1634 wird die Rolle, die verloren gegangen 

ist, nur genannt. 

4. Juni 1637. 



bei den wichtigTsten Ereignissen in der Aachener Zunftgeschichte in den Jahren 1428, 1450, 
1513 und 1681 gar nicht aufgeführt wird, so legt dies einerseits deutlich Zeugnis Yon der 
geringen Kunst in j^ener Periode ab, andererseits von dem späten Eintreten der Goldschmiede- 
zunft in das Aachener Zunftwesen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass eine Aufzeichnung 
Meyers (Handschriftliche Aufzeichnungen Meyers über die Zünfte, Aachener Stadtarchiv) 
anscheinend für die Ansicht Loerschs spricht, indem Meyer uns nämlich berichtet, dass die 
ZunftroUe der Goldschmiede Yom 16. April 1252 stamme. Dass es sich hier aber um einen 
Irrtum handelt, wird klar durch einen Vergleich der Ton Meyer angeführten Satzungen 
mit denen der Bolle yom Jahre 1573. Nicht nur stimmen diese genau überein, sondern, 
und dies ist charakteristisch, haben wir auch die gleichen Daten in der Meyer'schen 
Ueberlieferung und der späteren Zunftrolle, nämlich den 16. April. 

^) Verordnung des Kohlenwerks. — Ob diese Gewerbetreibenden eine Zunft gebildet 
haben, oder ob es sich hier nur um eine allgemeine städtische Verordnung handelt, geht 
aus den einzelnen Bestimmungen nicht klar hervor. 

^) Bombasin gleich Baumwollenstoff. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch 
Bd. I. S. 326. — R. d. Bombasiner. 

■) R. d. Fassbender. 

*) R. d. Kessler. 

5) R. d. Krämer. Bl. 10 ff. 

ö) R. d. spanischen Nadelmacher. — Irrtümlich setzt Lehmann (Festschrift zur 
72. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Aachen 1900, S. 329) das Jahr 1513 
für das Bestehen einer Nadlerzunft an. 

"0 Letztere werden nur in den angegebenen Jahren genannt ; ygl. den Abschnitt 
»,Gliederung der Zünfte.*' 

^) Werden nur erwähnt; vgl. Stemzunft. 

*) R. d. Leineweber. Zunft schon 1601 erwähnt; vgl. Sternzunft. 

10) R, d. Posamentwirker. 

11) R. d. Kessler. i») jt^, d, Kratzmacher. 



— 21 — 

Wirft man einen Blick zurück über die Entstehungszeit der 
Aachener Handwerkerverbände, so erhellt, dass das Aachener 
Zunftwesen sich in verschiedenen Zeitabschnitten entwickelt hat. 
Nach kleinen Anfängen am Ende des 13. Jahrhunderts geht ein 
frischer Zug nach genossenschaftlicher Vereinigung durch das 
ganze 14. und den Anfang des 15. Jahrhunderts. Diese Zeit kann 
man auch wohl als die Blütezeit der Aachener Zunftgeschichte 
betrachten, in der die Zünfte nicht nur wirtschaftlich, sondern 
vor allem politisch zu einem mächtigen Faktor im kommunalen 
Leben der Stadt wurden. Während in der zweiten Hälfte des 
15. Jahrhunderts die Neubildung der Zünfte etwas zum Stillstande 
kommt, setzt im 16. Jahrhundert der Zusammenschluss gleicher 
Gewerbe wieder ein, um im Anfange des 17. Jahrhunderts seinen 
Abschluss zu finden. 

Die Bezeichnung der Handwerkerverbände ist eine mannigfache. 
Bald ist sie von allgemeiner Natur, bald enthält sie eine besondere 
charakteristische Eigenschaft. Für Aachen kommen in Betracht 
Brüderschaft, Gesellschaft, Laube, Handwerk, Zunft, Ambacht und 
Gaffel. Gilde und Innung waren gar nicht gebräuchlich.^) Die 
älteste Quelle einer Handwerkervereinigung spricht von einer 
„geselsohaf in de bruderschaf*. Während hier mit Brüderschaft 
offenbar die Gesamtvereinigung bezeichnet werden soll, dient der 
Ausdruck in späterer Zeit fast ausschliesslich zur Charakterisierung 
der religiösen Seite der Zünfte. Der Ausdruck Laube kommt nur 
bei den Werkmeistern beziehungsweise dem Wollenambacht vor. 
Er ist eine Uebertragung der Bezeichnung des Zunftsaales auf 
die Vereinigung selbst. Ohne besondere Bedeutung werden die 
Namen Zunft ^) und Handwerk gebraucht, wohingegen Ambacht 
und Gaffel für die Aachener Zunftgeschichte die ganz besondere 
Beachtung auf sich lenken. Im Jahre 1409*) tritt zum ersten 
Male nachweislich der Ausdruck Ambacht in die Aachener Geschichte 
ein, ein Name, der während der ganzen Zunftperiode die meiste 
Anwendung findet. Der Sinn dieses Wortes zur damaligen Zeit 
wird wohl der Bezeichnung Handwerk entsprechen, da geradezu 
statt Handwerk Ambacht gebraucht wird. Infolge dieser Bedeutung 
wird der Name nur bei den Handwerkerverbänden, aber nie bei 
den zunftartig organisierten Verbänden ohne gewerbliche Tendenz 
gebraucht. 

Diente somit der Name Ambacht zur Bestimmung des gewerb- 
lichen Charakters einer Vereinigung, so wurde durch die Bezeichnung 
Gaffel nur der politischen Betätigung einer Zunft Ausdruck verliehen. 
In diesem Zusammenhange reiht sich ja auch die Tatsache an, dass 
erst im Jahre 1450, als einigen Zünften Binfluss und Vertretung 
in der städtischen Selbstverwaltung gewährleistet wurde, diese 
politisch berechtigten Zünfte eine solche Benennung erhielten, und 



^) Ueber die Verbreitung der l^amen Gilde, Ambacht usw. Tgl. y. Below in dem 
Wörterbuch der Volkswirtschaft Bd. II S. 977 f. und Hegel, Die Entstehung des deutschen 
Stftdtewesens S. IIS. 

') Die Bezeichnung Zunft kommt übrigens sehr selten in Aachen vor und zwar in 
der Rolle der Eupfersohläger Nr. 24 und Bolle der Steinmetzen. 

') Pick, Aus Aachens Vergangenheit S. 440 Nr. 2. 



— 22 — 

die in diesem Sinne zwischen Rat und Zünften abgeschlossenen 
Verträge „Qaffelbriefe*' genannt wurden. 

Wirft man nun die Frage auf, welche Bedingungen und 
Paktoren haben bei der Bildung der mittelalterlichen Zünfte der 
Stadt Aachen mitgewirkt, und wo liegt die Ursache ihrer Ent- 
stehung, so betritt man damit ein Gebiet, das lange Zeit den 
Schauplatz wissenschaftlicher Kontroversen unserer namhaftesten 
Gelehrten gebildet hat. 

Keineswegs darf man die Aachener Zünfte, wie Quix^) dies 
tut, als ursprüngliche religiöse Brüderschaften bezeichnen, die erst 
im Laufe der Zeit dazu übergingen, ihren Vereiniguntren ein vor- 
nehmlich gewerbliches Gepräge zu geben. ^) Eine religiöse Brüder- 
schaft, aus der später eine Zunft entstanden, lässt sich zunächst 
für Aachen gar nicht nachweisen. Insbesondere bietet überdies 
die Geschichte der Bäckerzunft noch ein Argument gegen die 
Ansicht von einer zunftbildenden Wirkung der religiösen Ver- 
einigungen. Diese Zunft, deren Entstehung auf das Jahr 1350 
zurückgeht, erhielt zu diesem Zeitpunkte und an demselben Tage 
zugleich die Statuten ihres Handwerks und die ihrer religiösen 
Brüderschaft.^) Polglich ist das religiöse Moment wenigstens bei 
der Bäckerzunft nur eine Begleiterscheinung ohne jegliche direkte 
entstchungsgeschichtliche Bedeutung. Preilich tritt die Bäcker- 
zunft zu spät in die Erscheinung, um aus ihr einen Rückschluss 
auf die übrigen Zünfte ziehen zu können, doch lassen sich ohne 
weiteres die von Keutgen^) gegen die religiöse Brüderschaftslehre 
ins Peld geführten Gründe auch auf die Aachener Verhältnisse 
anwenden. Ebenso verfehlt wie die Herleitung der Aachener 
Zünfte aus religiösen Brüderschaften wäre der Versuch, das Hof- 
recht als die Quelle und den Ursprung des Zusammenschlusses 
der Handwerker anzusehen.^) 



^) Quix, HistoriRch-topographische Beschreibung der Stadt Aachen und ihrer Um- 
erebung. S. 150. In denselben Fehler verfällt Macco, a. a. 0. Bd. IV. S. 11. 

') Diese Lehre ist neuerdings von Eberstadt (in seinen Werken: »Magisterium und 
Fraternitas". Kine verwaltungsgeschichtliche Darstellung der Entstehung des Zunftweiiens. 
Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen. Band 15, Heft 2. Leipzig 1897. und „Der 
Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des Mittelalters*^. Leipzig 
1900.) wiederum betont worden. E. lässt zum Teil die späteren Handwerkerverbände ur- 
sprünglich nur gottesdienstliche, wohltätige Zwecke verfolgen und bezeichnet diese Brüder- 
schaften als die Handwerkerverbände übertragenen Rechts. Gegen ihn wendet sich be- 
sonders Keutgen, Aemter und Zünfte. Zur Entstehung des Zunftwesens. Jena 1903. S. 168. 

8) R. d. Bäcker u. A. Z. S. 368. 

*) Keutgen, a. a. O. 

^) Die Hauptvertreter der hof rechtlichen Theorie sind: Eberstadt Rudolf, Magiste- 
rium und Fraternitas; der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerker- 
verbände des Mittelalters. Nietzsch, Ministerialität und Bürgertum im 11. und 12. Jahr- 
hundert. Ein Beitrag zur deutschen Stadtgeschichte. Leipzig 1859. Weiterhin: Arnold 
Wilh., Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte L Gotha 1854. S. 66 ff und S. 246 ff 
und das Aufkommen des Handwerkerstandes im Mittelalter. Basel 1861. Heusler Andreas, 
Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter. Basel 1860. S. 83 und 114. Stieda, 
W., Zur Entstehung des deutschen Zunftwesens. Jahrbücher für Nationalökonomie and 
Statistik. Band 27. 1876. Während diese mehr oder minder aus der Zunftverfassung die 
Anklänge an das Hofrecht wahrnehmen, sucht Bücher, Entstehung der Volkswirtschaft. 
Tübingen 1900, aus der angeblich gleichen Betriebsweise — dem Lohnwerk — des städti- 
schen und hofhörigen Handwerkers die Theorie von dem hofreohtlichen Ursprung zur 
Geltung zu bringen. Diese Ansicht widerlegt namentlich v. Below Georg, Territorium und 
Stadt. Aufsätze zur deutschen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte. 
München 1900. S. 321. Die hofreohtliohe Theorie zu Fall gebracht haben unter Betonung 



— 23 — 

Die Gewerbeorganisationen der Handwerkerverbände enthalten 
zunächst keinerlei Anhaltspunkte, die, wie es von den Vertretern 
der hofrechtliohen Theorie zu geschehen pflegt^), als Reste ehe- 
maliger hofrechtlioher Abhängigkeit erklärt werden könnten. Die 
Bezeichnung Ambaoht — Amt — ist keineswegs der Ausdruck 
hofreohtlicher Verbände gewesen, sondern wurde, wie schon aus 
dem Oapitulare de villis*) hervorgeht, für jede berufliche Tätigkeit 
gebraucht.^) Was die Abgaben oder Leistungen der Zünfte an den 
Stadtherrn anbetrifft, so flössen ein Teü der Innungskauf- und 
Strafgelder zum Teil an die Bürgermeister, zum Teil an die Stadt.*) 
Ausserdem mussten die Mützenmacher dem Rate jährlich ein Birreit 
(Barett^) geben.^) Eine Ausnahme machten allein die Hutmacher. 
Ihre Abgaben sowie jährlich auf Sakramentsabend „einen neuen 
feinen Hut* erhielten die Werkmeister des WoUenambachts und ein 
Werkmeisterdiener fünf Aachener Gulden. Dahingegen übernahmen 
diese Werkmeister die Verpflichtung, das Ambaoht der Hutmacher 
zu „schützen und zu handhaben".^) Also erklären sich hier die 
Abgaben und Leistungen nur als Entgelt für zu gewährenden 
Schutz und zwar offenbar des Handwerks in Gewerbesachen. Als auf- 
fallende Tatsache kommt noch die Berechtigung der Werkmeister und 
Geschworenen des WoUenambachts hinzu, den Hutmachern die Rolle 
„zu geben, zu mehren und zu mindern'^®) An Stelle des Rates treten 
hier die Vorsteher einer Zunft. Dabei stand das Hutmacherambacht 
absolut nicht in einem zugehörigen Verhältnis zum Wollenambacht, 
sondern es war ein „zubehorenes arabacht** der vom Wollenambacht 
vollständig unabhängigen Pelzerzunft.®) Die Beziehungen zwischen 
Werkmeister des WoUenambachts und Hutmacher sind also genau 
dieselben wie zwischen dem Rat und den übrigen Zünften der 
Stadt.^^) Daher sind auch die Abgaben der übrigen Zünfte nur als 
Gegenleistungen aufzufassen für den vom Rate verliehenen öffent- 
lich-rechtlichen Charakter der gewerbhchen Statuten und für 
Schutz des Handwerks selbst. An Reste ehemaligen Hofrechtes 
braucht man daher bei einem solchen Abhängigkeitsverhältnis 
keineswegs sogleich zu denken. 

und Hinweis des Prinzips der freien Einigungr besonders v. Beiow, Die Entstehung* des Hand- 
werks in Deutschland. Zeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Bd. V.; Zur Ent- 
stehung der deutschen Stadtverfassung. Historische Zeitschrift. Bd.5d. S. 193 ff.; Territorium 
und Stadt. S. 299 ff.; Wörterbuch der Volkswirtschaft. Bd. U. S. 977. Keutgen, Aemter 
und Zünfte. 

^) Stieda, Zur Entstehung des deutschen Zunftwesens, S. 30 ff. führt vor allem die 
drei Argumente, eine angeblich technische Bedeutung des Wortes officium, die Einsetzung 
der ZunftYorsteher durch den Stadtherrn und die Abgaben und Leistungen an den Stadtherrn 
zum Beweise an. Gegen ihn v. Below, Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung S. 213 ff. 

') Boretius, M. Gt. Hist. Legum Sectio II, Capitularia. Bd. I. S. 82 ff. 

>) Keutgen, Aemter und Zünfte. S. 138. 

*) K. d. Hutmacher. 

*) Schiller-Lübben, Bd. I S. 340. — Birreit bezeichnet besonders die Kopfbedeckung 
der Geistlichen. 

') B. d. Mützenmacher. 

^ R. d. Hutmacher. Nr. 20 und 23. 

^) K. d. Hutmaoher. 

») Aktensammlung v. J. 1590 bis 1696 Bl. 209 ff. (1593.) 

*®) Eine Erklärung dieser Rechte der Werkmeister des WoUenambachts gegenüber 
«Jen Hatmachem lässt sich weder aus den Rollen noch sonstwie finden. Der einzige 
Berührungspunkt zwischen beiden Zünften war nur der, dass die Hutmacher auch Tuche 
in ihrem Gewerbe verarbeiteten. Dafür unterlagen aber die Hutmacher noch besonders 
dem Werkmeistergericht. Vgl. darüber den Abschnitt „Gerichtswesen"'. 



— 24 — 

Befand sioh aber in Aachen überhaupt ein hofhöriger Ver- 
band, wie ihn das Oapitulare de villis Karls des Grossen nach den 
Ansichten der Vertreter der hofreohtlichen Theorie voraussetzen 
lässt ? Es läge doch sehr nahe, dass insbesondere die alte Kaiser- 
pfalz Aachen ein ergiebiges Feld für die hofrechtliche Theorie 
böte, und dass vor allem hier jener Musterentwurf eine ausge- 
dehnte Verwirklichung gefunden hätte. Aber gerade das Oapitulare 
Aquisgranense,^) das Oapitulare Disciplina Patatii Aquisgranensis^) 
und die Schrift des Brzbischofs Hincmarus über die Ordnung der 
Pfalz*) beweisen nach Keutgens*) eingehenden Untersuchungen, 
dass an dem karolingischen Hofe zu Aachen die Handwerker gar 
nicht in jener Zahl vorhanden gewesen sind, um sie nach den 
einzelnen Handwerkszweigen verbandsmässig zu organisieren.^) 
Setzen wir selbst die Möglichkeit eines hofhörigen Verbandes in 
Aachen voraus,^) so würden überdies die städtischen Verfassungs- 
verhältnisse einem hofrechtlichen Ursprung der Aachener Hand- 
werksverbände direkt entgegenstehen. 

Schon frühzeitig gab es nach dem Edictum Pistense'') von 
864 in Aachen neben den persönlich Unfreien wirtschaftlich Unab- 
hängige®) und eine Urkunde des Marienstiftes vom Jahre 1108^) 
beweist, dass die in Aachen bestehende Unfreiheit mit einer ver- 
hältnismässig grossen wirtschaftlichen Freiheit verbunden war. In 
diesem Zusammenhang reiht sich zwanglos die Tatsache an, dass 
durch das Privileg Friedrichs I. vom 9. Januar 1166^^) für Aachen 
als die erste deutsche Stadt der Grundsatz ausgesprochen wird, 
„Stadtrecht kennt keine Unfreiheit ''.^\) 

In einer Urkunde Ottos IV. vom Juli 1198 für das Marienstift 
in Aachen heisst es: decernimus, ut ministri eiusdem ecolesie, 
videlicet campanarii, pistor, cocus, brassator, claustrarius, fenestra- 
rius ab omni exactione publica liberi sint . . . Judicium quoque 
civile, si prefati ministri ab aliquo conveniantur, ecolesie reservamus.^^) 
Steuerbefreiung war aber nach damaliger Auffassung zugleich mit Aus- 
schluss vom Markte verbunden und demnach in Aachen ein Arbeiten der 



i) BoretiuB, M. G. Hist. Capitularia. Bd. I. S. 170 ff. 

2) , a. a. O. S. 237 ff. 

3) „ a. a. 0. Bd. n. S. 517 ff. 
^) Eeatsren, Aemter und Zünfte. S. 16 ff. 

'^) Die Ueberschätzangr des Handwerksbetriebes auf den Grundherrschaften behan- 
delt y. Below, Die Entstehung: des Handwerks in Deutschland. Zeitschrift für Sozial- und 
Wirtschaftsgeschichte. V. S. 127 ff. und Eeutgen, Aemter und Zünfte. S. 18 ff. 

^) Loersch, Beiträge zum Achener Wasserrecht im Mittelalter, a. a. O. S. 47, nimmt 
eine hofrechtliche Innung der Müller an, ohne jedoch ein direktes Zeugnis für diese Be- 
hauptung vorbringen zu können. 

7) Boretius, Capitularia. Bd. II. S. 310 ff. 

^) Eeutgen, a. a. O. S. 43. 

®) hao lege, ut vir de progenie eius solveret eoclesie quatuor denarios in 

purifioatione beate Marie feminis vero duos: ita ut, si quis eiusdem gentis mercator esset 
nee definitum oensum statuta die solveret propterea, quod a loco suo abesset dans operam 
meroature vel ad orationes sanctorum profectus sine omni existimatione incurie expectaretur 
et (!) a reverso diebus ooto post exigeretur census. vgl. v. Below, a. a. O. S. 139. 

10) Lacomblet, Bd. I. S. 283. Nr. 412. 

11) Loersch, Legende Karls des Grossen. Publikationen der Gesellschaft für rheinische 
Gesohichtskunde. Bd. VII. 

1*) Jahrbücher der deutschen Geschichte, Bd. I S. 545. Urkunde II. vgl. auch 
V. Below, Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung. S. 206. 



~ 25 — 

Hofhandwerker für Markt und Herrn nicht üblich. Eine Bestätigung 
findet diese Ansicht in einem späteren Vertrage zwischen Stift 
und Rat vom 3. Januar 1424,^) der zugleich zeigt, dass die Stadt 
nicht immer in der Lage war, dieses Verhältnis auch aufrecht zu 
erhalten. Im Prinzip bestand aber die Forderung entweder Markt- 
oder Hofhandwerker; eine Zwischenstellung gab es nicht.^) Es 
war also einerseits ein Uebergang der Hofhandwerker von ihrer 
grundherrlichen Abhängkeit zur freien Arbeit auf dem Markt aus- 
geschlossen,^) andrerseits setzte sich die Aachener Bevölkerung 
nur aus freien, wenigstens wirtschaftlich freien Elementen zusammen. 
Nirgendwo ein Anhaltspunkt für hofrechtliche Abhängigkeit. 

Die Entstehungsweise der Aachener Handwerkerverbände lässt 
sich nach Ausschaltung der hofrechtlichen und religiösen Brüder- 
sohaftstheorie überhaupt nicht in eine feste, auf urkundlichem 
Material sicher fussende Norm kleiden. Nur zur Entwerfung 
eines ziemlich getreuen Bildes und zur Erzielung eines nur annähernd 
zutreffenden Resultates bietet die geschichtliche Vergangenheit 
des Handwerks und Gewerbes einen Fingerzeig. 

Die mittelalterliche städtische Obrigkeit erachtete es als ihre 
besondere Pflicht, der Bürger Wohlfahrt hinsichtHch der Versorgung 
mit guten und einwandfreien Waren zu pflegen und zu fördern. 
Die Frucht dieses Prinzips ist die mittelalterUche Marktordnung, 
die zu einer Konzentrierung des Verkaufs gleichartiger Waren an 
bestimmten Orten und hierdurch zu einer Gruppierung der einzelnen 
Handwerksarten führte. Auch die Aachener Geschichte weist 
jene Marktvorrichtungen auf, die den gesonderten Gewerben zum 
Peilhalten ihrer Erzeugnisse dienten, oder solche Orte, die eine 
gemeinsame Arbeitsverrichtung gleicher Gewerbe zur Voraussetzung 
machen. Die älteste Kunde, die das Bestehen einer solchen Ein- 
richtung in Aachen bezeugt, stammt aus dem Jahre 1243.^) In 
diesem Jahre genehmigte Friedrich U. die Verpfändung des Ge- 
wandhauses (auf dem Ohorusplatz) domus nostra, in qua panni 
integri venduntur Aquis durch König Konrad an den Schultheissen 
Arnold von Qymnich. Wahrscheinlich wurde jedoch die alte 
Tuchhalle, später das Gewandhaus genannt, schon um 1166 errichtet, 
als Friedrich I. in jenem Jahre der Stadt Aachen manche handels- 
rechtliche Privilegien verlieh.^) Nach der städtischen Ausgabe- 
rechnung wurde 1338/39®) ein neues Gewandhaus gebaut. Zugleich 
wird 1243 auch das Haus Blandin (an der Kockerellstrasse) ver- 
pfändet. Aus einer Urkunde Kaiser Friedrichs III. vom 16. De- 
zember 1473 geht hervor, dass mit dem Hause Blandin das „brothaus" 
gemeint ist.'') Dieses Brothaus ist identisch mit der in der Stadt- 
rechnung 1344/45®) als domus, in quo panis venditur erwähnten 

1) Qaix, Mfinsterkirehe. S. 148 f. Urkunde 14. 

^ Eeatgen, Aemter und Zünfte. S. 67 und Anm. 165. 

^) Hiermit fällt auch die Ansicht Loerschs, Beiträge zum Achener Wasserrecht im 
Mittelalter (a. a. O. S. 49) In sich zusammen, dass das „Müllerambacht" f^us einem Hof- 
Terband sich entwickelt habe. 

^) Quix, Codex diplomatious Aquensis. S. 161. Nr. 235, 

*) Pick, a. a. 0. S. 316. 

«) Laurent, A. St. R. S. 128, Z. 2 und 131, Z. 2. 

'') Pick, a. a. 0. 

«) Laurent, A. St R. S. 165, 10. 



— 26 — 

Brotplanke,^) an der die Stadt damals auf ihre Kosten eine Aus- 
besserung vornehmen Hess. 

Die Fleischer hielten ursprünglich auf dem Markte ihre 
Waren feil. Hierzu dienten ihnen nach dem Nekrologium des 
Marienstiftes macella (Bänke), die spätestens um die Mitte des 
13. Jahrhunderts vorhanden waren. Pur die Benutzung dieser 
Bänke musste eine Abgabe gegeben werden, wie z. B. XLI den: 
de quodara macello in foro.^) In späterer Zeit verlegte man den 
Fleischverkauf in eine besondere Halle; genannt wird die alte 
Fleischhalle (gegenüber der Propstei auf der Jakobstrasse,^) also 
zwischen Kookerellstrasse und Judengasse) und zwar zugleich mit 
der neuen (auf deni Büchel) in der Stadtrechnung von 1344/45.*) 
1585 ging das ganze Besitztum von der oberen Kookerellstrasse 
bis zur Judengasse für 275 Goldgulden in das Eigentum der 
Fleischerzunft über.^) In der alten Pleischhalle durften nur die- 
jenigen Fleisch verkaufen, welche am Handwerk geboren und aus 
dem Gesohlechte der Nutten, Mees, Ketteniss, Startz und Berns- 
berg waren, während in der neuen Fleischhalle jeder mit Erlaubnis 
des Rates zum Verkaufe ausstellen konnte.®) Nach dem Stadtbrand 
des Jahres 1656 wurde die städtische Fruchthalle auf dem Hühner- 
markt (1385 Kornmarkt) zur Fleischhalle eingerichtet."^) Eine ge- 
meinsame Arbeitsstätte besassen die Walker in der 1334/35®) ge- 
nannten domus follonum, dem Walkhaus für die Tuchmanufaktur, 
jener Stätte, wo auch der Zunftaufstand des Jahres 1401 seinen 
Ursprung nahm. Dieses Haus hatte die Stadt von dem Mark- 
grafen von Jülich in Pacht, die es ihrerseits wiederum an 
die Walker vermietete. Auf zusammenhängende Verkaupfsplätze 
der Krämer deutet dje städtische Rechnung 1334/35.^) It. de ferro 
prope institores iuxta cimiterium, womit wohl die heutige Kräraer- 
strasse identisch ist. Demselben Zwecke diente wohl auch die 
1320^®) erwähnte Strasse „inter fabros*' für das Schmiedehandwerk. 
Die Pelzer benutzten wahrscheinlich zum Feilhalten ihrer Waren 
das 1385^^) erwähnte „nuwe pelsser huys*^. Die „curia sutorum*, 
seit 1412 „üp den Schohmeicherhof* genannt, kann als Verkaufs- 
platz der Schuhmacher gelten. ^^) Ob auch die Löder schon früh- 
zeitig im Besitz einer besonderen Marktstelle waren, lässt sich 
nicht erkennen. Wir erfahren erst 1491,^^) dass sie in diesem 
Jahre auf St. Johannestag (24. Juni) vom Rate eine am Büchel 
gelegene Behausung, zum Keller genannt, für zehn Gulden jähr- 
lichen Zins nebst acht Gulden für die Armen zu Melaten mieten, 

^Diese Brotplanke lag dem Hause zur öeiss (Eckhaus von Markt und Kiosfcergasse, 
jetzt Markt 2) gegenüber und zwar zwischen Judengasse und Kockerel Istrasse. Vgl. Pick, 
a. a. 0. S. 197 Anm. 4. 

2) Quix, Necrologium Ecclesiae. B. M. V. Aquensis, S. 3. 

8) Laurent, A. St. E. S. 311. Z. 35. 

*) Laurent, a. a. 0. S. 168, 4 u. 5. 

») Haagen, Geschichte Achens. Bd. IL S. 181. 

ö) Noppius, B. I. S. 130. 

7) Pick, a. a. O. S. 197. Anm. 4. 

8) Laurent, A. St. R. S. 104. Z. 28. 
») Laurent, A. St. R. S. 110. Z. 35. 

10) Pick. Aus Aachens Vergangenheit. S. 342. Anm. 6. 
1») Laurent, a. a. O. S. 3hl. Z. 17. 
*2) Pick, Aus Aachens Vergangenheit. S. 281. Anm. 1. 
13) Meyer, Handschriftliche Aufzeichnungen. 



^ 21 — 

um hier ihren ordentlichen Markt am Mittwoch und Samstag einer 
jeden Woche zu halten. Weiterhin geben auch der Rader-, Salz-,^) 
Korn-2) und Pischmarkt, letzterer auch Parvisoh genannt,^) Zeugnis 
von der Lokalisierung des Handelsverkehrs. 

Aus dieser wirtschaftlichen Neuerung erwuchsen beiden Inter- 
essentengruppen, den Konsumenten beziehungsweise der städtischen 
Obrigkeit und den Produzenten gleiche Vorteile. Der städtischen 
Obrigkeit war jetzt die Ausübung einer scharfen Kontrolle über 
die Befolgung ihrer marktherrlichen Vorschriften, die sich auf 
Mass, Gewicht. Preisbestimmung, Güte der Waren und Beaufsich- 
tigung der Handwerker erstreckte,*) durch besondere Beamte er- 
leichtert und den Handwerkern ein Schutz geboten gegen jeden 
unlauteren Wettbewerb. Jene Beamten sind zwar in Aachen vor 
dem Bestehen der Zünfte nicht mehr nachzuweisen, trotzdem aber 
anzunehmen, da ja allgemein die Entwickelung des städtischen 
Gewerbekon troll Wesens zeigt, dass das spätere zünftige Recht der 
Ordnung des gewerblich-wirtschaftlichen Lebens nur eine Fort- 
setzung der ehedem ausnahmlos behördlichen Befugnis ist.^) Indem 
aber der Rat jenes Amt der Zunft übertrug, begab er sich nicht 
gänzlich jeglicher Mitwirkung. Sein Einfluss spiegelt sich in der 
Einsetzung der zünftigen Gewerbeaufsiohtsbeamten wieder, und 
der sich je nach der Bedeutung und dem Werte des Handwerks 
für das Bürgerwohl im allgemeinen und der Stadt im besonderen 
richtete. Die alleinige Ernennung stand auch weiterhin dem 
Rate bei den Kontrollbeamten der Lebensmittelbranche, Bäckerei 
und Fleischerei und der für die Stadt hochbedoutsamen Tuch-, 
Gewehr- und Lederfabrikation zu,^) eine durch Zunftmitglieder 
beschränkte in dem immerhin wichtigen Brau- und Tuchhandel- 
gewerbe, während bei dem das gewöhnliche Interesse wohl nicht 
überschreitenden Pelzer-, Buntwirker- und Goldschmiedehandwerk 
der Rat sich nur das Recht der Vereidigung vorbehielt.''^) 

Jene Regelung der städtischen Marktverhältnisse wie auch 
besonders die Tatsache, dass der mittelalterliche Handwerker vor 
allem ,,mercator" war®), sind für die Entstehungsgeschichte der 
gewerblichen Verbände von grosser Bedeutung. Freilich möchte 
ich nicht mit Keutgen annehmen, dass die Handwerkerverbände 
in den von der städtischen Obrigkeit geschaffenen Aemtern ihre 
Vorläufer haben und „die Organisation des städtischen Handwerks 
nach Aemtern als ein natürlicher Ausfluss der Marktordnung sich 

^) Loersch, Aachener Chronik. S. 3. — *) Laurent, A. St. R. S. 421, 29. 

^) Pick, Aus Aachens Vergangenheit. S. 242 und 340 f. 

*) Keutgen, Aemter und Zünfte. S. 131. — ^) Keutgen, a. a. O. 

®) Von der Aachener Gewehrfabrikation berichtet der Chronist, dass sie blühend 
und glänzend war, „also dass ein formal Kirmes (Kirmes-Geschenk, Gross, a. a. O. S. 143.) 
nichts anderes sein, als ein paar Pistolen". Selbst Kaiser und Könige nahmen ein solch 
Geschenk mit Dank an. Noppius, I. S. 29. — Die Bedeutung der Lederfabrikation geht 
daraus hervor, dass der neue Meister schwören musste, nur in Aachen das Handwerk 7m. 
verrichten (vgl. Kapitel 2. : Zunftmitglieder), während über das Kannegiesserambacht, dessen 
Oewerbeaufsiohtsbeamten ebenfalls vom Rate ernannt wurden, freilich weiterhin nichts 
gemeldet wird. 

') vgl. Kapitel 2: „Zunftbeamte". 

8) Keutgen, a. a. O. S. 133 und Philippi, Die gewerblichen Gilden des Mittelalters, 
Preussische Jahrbücher. Bd. 69. 1892. S. 657 ff., und Handwerk und Handel im deutschon 
Mittelalter. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Bd. 25. 1904. 
S. 112 flf. 



— 28 — 

erweist."^) Abgesehen davon, dass diese Aemtertheorie schon an 
und für sich wenig Glaubwürdigkeit beanspruchen kann,^ kennt 
Aachen solche Aemter überhaupt nicht. Daher muss die Triebkraft 
zum Zusamraenschluss in den Reihen der Handwerker selbst und 
deren Interessensphäre zu suchen sein,*) wobei jedoch ein Einfluss 
der Marktordnung nicht ausser acht gelassen und unterschätzt 
werden darf. Durch die Marktordnung wurde erst das Solidaritäts- 
gefühl der Gewerbetreibenden gleicher Gattung gestärkt und gehoben, 
durch die segensreichen Früchte der Marktordnung erst die Erkennt- 
nis gezeitigt, dass bei allumfassenden Gewerbebestimmungen, besonders 
durch den Geist der Berufsgenossen geleitet, das Handwerk zu 
seinem und seiner Inhaber Nutz und Frommen eine höhere Stellung 
sich zu erringen vermöchte. So entstanden aus sich selbst heraus 
unter Beeinflussung und Vorschubleistung durch die Marktordnung 
die gewerblichen Vereinigungen, deren Zweck nach den Nachrichten 
über die Entstehung der Schneiderzunft nicht immer der Zunft- 
zwang war.*) Vortme weirt ouch sache, dat unser bruder eynich 
deme aingezegen werde van eynchen manne of vrouwe, dat he un 
niet wail gesohroden in hedde inde duich inthindert hedde, deme 
bruder soln wir alle truwelichen bistoin inde helpen zu sinen reicht. 
Weirt, dat de bruder in deme unreicht vonden werde, so soln 
wirs alle unse hant affdun inde solen eme syn denck loissen duin, 
mer dieser geselschaf inde bruderschaf sal he guyt syn, los inde 
ledich inde nummerme her in diese bruderschaf me zu komen. 
Trotz des Ausschlusses aus der Zunft konnte jeder auch fernerhin 
in der Stadt „syn denck duin," während unter der Herrschaft des 
Zunftzwanges Mitgliedschaftsverlust mit Arbeitsverbot gleichbe- 
deutend war. Einen gewissen Zwang übte freilich immerhin von 
vornherein auch diese Zunft aus, aber nur insoweit, als sie zur 
Anfertigung guter Handwerkserzeugnisse verpflichtete. Ein Verstoss 
gegen dieses Gesetz zog Verlust der Zunftzugehörigkeit und damit 
des von der Zunft gebotenen Schutzes und der Hilfe nach sich. Erst 
in späterer Zeit finden wir bei den Schneidern den Zunftzwang 
im eigentlichen Sinne des Wortes, dessen Einführung und gesetzliche 
Regelung vielleicht mit dem Eindringen des fremden Elements in 
in die einheimisch städtische Bevölkerung, der Vermehrung der 
Handwerker, kurzum mit dem Erstarken und Aufblühen der Zunft 
Hand in Hand gingen. Keineswegs ist es aber notwendig, dass 
der Zunftzwang bei allen Zünften einer solchen Entwickelung sein Be- 
stehen verdankt. Dies möge, da die Anfangszeit des Aachener Zunft- 
wesens ein undurchdringliches Dunkel verhüllt, die Tuchmacherzunft 
des Aachen benachbarten und von diesem wohl stark beeinflussten 



^) Keutgen, a. a. O. S. 133 ff. Ihm folgt in der neueren lokal gesebiohtiicheo 
Forschung Hartmann, Geschichte der Handwerkerverbände der Stadt Hildesheim im 
Mittelalter. Beiträge für die Geschichte Niedersaohsens und Westfalens. Heft I. S. 29, 
während Tuckermann, Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, 
Tübinger Dissertation 1906 S. 34, der jüngsthin ebenfalls Hildesheim zum Gegenstande 
seiner Untersuchungen gemacht hat, jene Theorie abweist. 

2) V. Below, Hist. Vierteljahrschrift VH. Jahrgang 1904. S. 552 ff. 

^) Dies ist mit Einschluss des Zunftzwanges als Zweck der Vereinigung die Lehre 
V. Belows. 

*) Vor allem ist es v. Below, der den Zunftzwang als Zweck und massgebendste Be- 
deutung der Zunftbildung betont. Zuletzt. Hist. Vierteljahrschr. Jahrg. VU. S. 549 f. 



— 2Ö — 

Burtsoheid zeigen. In ihr ist der Zunftzwang mit all seinen 
Konsequenzen ein entstehungsgesohichtliohes Moment.^) Es kann 
daher in Aachen bei der einen Zunft der Zunftzwang eine primäre 
Erscheinung, bei der anderen wiederum ein Produkt der Zeit sein.^) 

Die Verwaltung und Regierung der Stadt Aachen ruhte bis 
zu den Zeiten der Zunftbewegungen gänzlich in den Händen 
der bevorzugteren Klasse der Bevölkerung, der Patrizier. In dem 
letzten vollständig erhaltenen Mitgliederverzeichnis des Rates vom 
Jahre 1351^) ist noch kein einziger Handwerker in dem Rats- 
kollegium vertreten. Während in der Entwickelungszeit der 
städtischen Verhältnisse dieses System wohl allgemein Anerkennung 
fand und auch in sich begründet war, musste mit der Erstarkung 
des Bürgertums dieses Gefühl immer mehr und mehr schwinden.^) 
Der Wunsch der Anteilnahme an dem Stadtregiment trieb all- 
mählich auch in den unteren Schichten der Bürgerschaft seine 
Keime, und bald erhob sich der Ruf nach politischer Gleichberech- 
tigung. Patrizier und Rat aber trugen in Verkennung der sich 
neu entwickelnden Verhältnisse der veränderten Lage keine Rech- 
nung. Urteilt doch der patrizische Rat über die Aufnahme zweier 
Mitglieder der Zünfte in den Rat nach dem grossen Aufstande des 
Jahres 1428, dass „dat sere unbillich ind ungewoenlich was.*^^) 

Diese politische Rechtlosigkeit der niederen Bürger ist der 
eigentliche Grund und Keim jener Erschütterungen gegen die 
herrschende Ordnung, während die schlechte Verwaltung der 
Patrizier im städtischen Haushalt und vielleicht auch die Gewalt- 
tätigkeiten der Patrizier nur als unmittelbare, den Gärungsprozess 
beschleunigende Momente aufzufassen sind.®) Direkte Zeugnisse 
über Gewalttätigkeiten der Patrizier gegen ihre Mitbürger liegen 
zwar nicht vor, aber die sofortige Aufhebung des abhängigen Ver- 
hältnisses der Zünfte vom Rat bei der Aufnahme neuer Mitglieder 
und die Absetzung der dem Wollenambacht vom Rate aufge- 
zwungenen Vorsteher nach dem siegreichen Aufstande des Jahres 
1428 liefern den Beweis, dass die Zünfte diese früher bestehende 
Ordnung als eine grosse Last und einen widerrechtlichen und 
gewalttätigen EingrijQf des patrizischen Regiments in ihr inneres 
Leben betrachteten. 



*) Quix, Frankenburg. Urk. 7. S. 133 f. 

^) Selbst V. BeloWf Die Entstehung des modernen Kapitalismus, Bist. Zeitschr. Bd. 91 
S. 447. Anm. 1, gibt zu, dass der Zunftzwang sich im Laufe der Zeit verstärkt haben könne, 
nur dürfe man nicht den Zunftzwang für Hhewerbefreiheit ausgeben. Dass aber Gewerbe- 
freiheit besteher kann, zeigt ja evident die Aachener Schneiderzunft. Man muss sich daher 
bei dieser sicherlich lokalgeschiohtlich und auch innerhalb der Lokalgeschichte selbst 
yerschiedenen Materie vor einer allzustarken Verallgemeinerung hüten, und demzufolge 
ist es nicht angängig, einseitig den Zunftzwang nur als eine primäre (v. Below. a. a. O.) 
oder nur als eine sekundäre (Phillipi, Handwerk und Handel im deutschen Mittelalter. 
MitteilaDgen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Bd. 25. 1904. S. 113) Er- 
scheinung gelten zu lassen. 

') Quix, Biographie des Ritters Gerard Chorus, Erbauers des Rathauses und des 
Chors an der Marien- oder Münsterkirche. Aachen 1842. 8. 46. Nr. 1. 

*) SohmoUer, Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe. Quellen und Forschungen zur 
Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Volker, Bd. XI. S. 21 f. 

») V. Fürth, L S. 34. Nr. 15. 

•) V. Below, Wörterbuch der Volkswirtschaft Bd. IL S. 977, nimmt allgemein diese 
drei Momente als die Gründe der Zunftunruhen an, die sich ja auch mit den Aachener 
Verhältnissen decken. 



— 30 — 

Die Quellen sprechen aber am meisten von einer finanziellen 
Misswirtsohaft der Gesohlechter. Die Stadtrechnung des Jahres 
1387/88^) schliesst mit einem Defizit. Zu wiederholten Malen finden 
wir selbst Bürgermeister als Pächter städtischer Akzisen,^) und 
auch ein vom 25. Juli 1349^) von Karl IV. ausgestelltes Privileg 
weist auf die Schuldenlast der Stadt hin. Besonderer Erwähnung 
der schlechten Finanzlage der Stadt geschieht bei den Aufständen 
des Jahres 1428 und 1477. Gerade die schlechte Pinanzverwal- 
tung der Patrizier musste die im Bürgertum entstandene Un- 
zufriedenheit zum offenen Ausbruch bringen; denn die Masse der 
Bevölkerung setzte sich in Aachen aus den Handwerkern zu- 
sammen, so dass auf ihnen in der Hauptsache die bürgerlichen 
Lasten in militärischer und finanzieller Beziehung ruhten. 

Die durch diese unmittelbaren. Begleiterscheinungen erhöhte 
Missstimmung der Bürger über ihre politische Unselbständigkeit 
gewann naturgemäss durch die einheitlich organisierten Zünfte 
immer mehr an Boden. Mit der gewerblichen und genossenschaft- 
lichen Entwickelung der Zünfte, die am Ende des 14. und im 
Anfange des 15. Jahrhunderts ihre volle Blüte erreichten, musste 
die politische Hand in Hand gehen. Was Wunder, wenn die Zünfte, 
die die Masse der Bürger in sich vereinigten, den Fehdehandschuh 
dem Patrizierregiment entgegen warfen und den Kampf aufnahmen 
für Gleichheit und Recht im politischen Leben der Stadt I 

Die erste Kunde von Bürgerunruhen, die aber gleich ge- 
dämpft wurden, dringt aus dem Jahre 1348^) zu uns. Inwieweit 
Zünfte daran beteiligt gewesen, ist bei der mangelhaften Kenntnis 
der Anfangszeit unserer Zünfte nicht zu entscheiden. Genaueres 
bringt schon der Aufstand des Jahres 1368,^) wo Walker und 
Weber den Anstoss geben und sich gegen den Rat auflehnen. 
Durch die Hinrichtung der vier Rädelsführer wird die Ruhe in 
der Stadt wieder hergestellt. Die Gärung unter den Mitgliedern 
des Wollenambachts wurde aber trotzdem nicht unterdrückt. Im 
Jahre 1401^) wird ein aufrührerisches Schreiben an dem Koraphaus 
(Walkhaus der Tuchmacher) angeschlagen und ein neuer Aufstand 
entfacht. Eine Bestätigung findet dieser Aufstand durch einige 
nach Köln gerichtete Briefe, die das Komplott und die Hinrichtung 
der Führer schildern.'') 

Auch in der Folgezeit schlummerten die aufrührerischen 
Ideen keineswegs, sondern immer wieder suchte man durch 
Empörungen das ersehnte Ziel zu erreichen, so dass der Chronist 
meldet, „desto weniger doch nit in den folgenden Jahren an Tumulten 
nicht gemangelt, die alle zu beschreiben (sonderlich was das Komphaus 
anbetrifft) ich ein Ueberfluss erachte."^) 



1) Laurent, A. St. R. S. 71. 

2) a. a. O. S. 365, 10 u. S. 382, 12. 

3) Loersch, A. R. D. S. 62. § 12. 
*) ßeeck, Aquisgranum. S. 221. 

•'■») Loerach, Aachener Chronik. S. 4. 

ö) Loersch, Aachener Chronik. S. 4. vgl. auch Noppius, II. S. 119. 
■') Keussen, Kleine Mitteilungen in d. Z. d. A. G. Bd. XXII. Nr. I. 
«) Noppius, II. S. 169. 



— 31 — 

Während alle diese Unruhen gleichsam nur als die • ersten 
Zuckungen des sich regenden Volksgeistes zu betrachten sind, 
zeigen die Ereignisse des Jahres 1428 diesen in seiner ganzen 
elementaren Macht und Grösse. 

Dem Vertrage vom 29. Juni 1428,^) der zwischen Rat und dem 
Schröderarabacht, als dem Vertreter der übrigen Zünfte, geschlossen 
wurde, ging wohl ein allgemeiner grosser Aufstand dieser Zünfte 
vorauf. Leider werden wir über den Verlauf der Unruhen selbst 
nicht unterrichtet. 

Die Triebfeder dieser Empörung ist in der schlechten Finanz- 
wirtschaft der Patrizier, der Erhebung einer Reichssteuer und der 
das gemeine Volk schwer belastenden Akzise, das Mahlgeld, zu 
suchen.^) Eine undatierte Urkunde, deren Entstehungszeit nach 
Loersch^) vor das Jahr 1428 fällt, enthält Vorschläge zur Umge- 
staltung der Finanzverwaltung. Besonders wird Sparsamkeit, Be- 
schränkung der Entschädigungen für Reisen und Ehrengeschenke 
verlangt. Windeck*) gibt in dem Vorworte seiner Gedichte als 
Grund des Aufstandes an, „wann der rait wolde schatzunge han". 
Mit dieser Schätzung ist wohl das von Reichswegen zu erhebende 
Geld für die Hussitenkriege gemeint, da in dem Berichte der Werk- 
meister und Geschworenen des WoUenambachts ^) und der „gesel- 
schaff van leewensteyn"®) an König Sigmund die Weigerung, 
das „Hussengeld^* zu bezahlen, als Veranlassung bezeichnet wird. 
Dass auch das Mahlgeld die Unzufriedenheit mitschürte, beweist, 
dass dessen Abschaffung eine Hauptforderung in dem Vertrage 
vom 29. Juni 1428 darstellt und vom Rate dem Goedart v. Eich- 
horn'^) und Proest Buter ^) besonders vorgeworfen wird, zur Ab- 
schaffung dieser Akzise beigetragen zu haben. 

An dem Aufstande beteiligten sich die Zunft der Schröder 
rait ihrem zugehörigen Ambacht (Tuchscherer), der Bäcker, Brauer, 
Schmiede, Weber, Schuhmacher, Löder, Buntwirker und Zimmerleute 
rait deren zugehörigen Ambachten (Leiendecker, Steinmetzen und 
Schreinemacher?®), während Fleischer, Müller und Barbiere wohl eine 
neutrale Stellung in diesem Kampfe einnahmen. ^^) 

Herrschte demnach im Lager der Zünfte Uneinigkeit, die zu 
einer Absonderung einiger Ambachten führte, so macht sich die- 
selbe Erscheinung auch auf der gegnerischen Seite bemerkbar. 
Selbst Patrizier beteiligten sich an der Erhebung gegen ihre eigenen 



*) Loersch, A. R. D. S. 204. Nr. 13. 

^) Mahlgeld war die Abgabe, die von den zur Brotbereitung eingeführten Früchten 
und sonstigen Produkten erhoben wurde. 

') Loersch, A. R. D. S. 193. Nr. 11, 

"*) Loersch und Reiffersoheid, Zwei Achener historische Gedichte des 15. u. 16. Jahr- 
hunderts. Haagen, Geschichte Achens II. Beilage A. u. H, 

») V. Fürth, I. S. 49. Nr. 17. 

«) V. Fürth, I. S. 52. Nr. 18. 

») V. Fürth, I. S. 34. Nr. 15. 

8) T. Fürth, a. a. 0. 8. 30. Nr. 14. 

») Loersch, A. R. D. S. 204. Nr. 13. 

^°) Diese Auffassung unterstützt für die Fleischer die Notiz einer kleinen handschrift- 
liehen Chronik (Loersch und Reiffersoheid, a. a. O. Bd. li. S. 607. Anlage 1), dat der rait 
moiste nemen van allen ambaohten zwene man zo rade sitzen mit dem alden rade, usge- 
noraen de vleischhouwer, de in wolden is neit zo schaffen hain ind erkanten ir overhouft, 
jährend für die anderen Zünfte es ja schon daraus hervorgeht, dass sie trotz ihres Bestehens 
in dein Vertrage von 1428 nicht genannt werden, 



- 32 — 

Standesgenossen. Es waren dies Goedart v. Eichhorn*) und Pro est 
Buter,^) die freilich als Werkmeister beziehungsweise Geschworene 
des Wollenambachts immerhin zu den Zünften in einer gewissen 
Beziehung standen. Gegen diese richtet sich sogar die Klage des 
alten patrizischen Rates, die Anstifter des Aufstandes gewesen zu 
sein. Doch wohl mit Unrecht 1 Der eigentliche Grund war herauf- 
beschworen durch Zeit und Verhältnisse. 

Die Bemühungen der Zünfte waren diesmal, wenn auch noch 
in bescheidenem Masse, von Erfolg gekrönt.') Diese neu ge- 
schaffene Lage hätte bei einer umsichtigen und verständigen 
Politik der Zünfte die Gewähr geboten, auf friedlichem Wege das 
angestrebte Ziel zu erreichen. Statt dessen empörten sich an 
dem Feste des hl. Laurentius*) (10. August) desselben Jahres 
zehn Handwerkerverbände. Der alte Rat wurde gestürzt und aus 
der Mitte der Empörer ein neuer gewählt, der in dem Umgange 
des Augustinerklosters ^) und auch an anderen dazu geeigneten 
Orten tagte. Nach den vorhandenen Quellen ist nicht mit Sicher- 
heit zu entscheiden, wen die Schuld an diesem Friedensbruohe 
trifft. Haben die Patrizier vielleicht versucht, die am 29. Juni 1428 
gemachten Zugeständnisse wieder rückgängig zu machen, oder 
haben die Zünfte, durch den ersten Erfolg übermütig geworden, 
weitergehende und unerfüllbare Forderungen gestellt? 

Ein einmütiges Vorgehen der Zünfte kam auch diesmal nicht 
zustande. Zwei Zünfte beteiligten sich nicht an diesem „ Staats- 
streich **. Eine dieser beiden Zünfte waren die Fleischer; denn 
über sie ergiesst sich der ganze Zorn der zur Herrschaft gelangten 
Zünfte. Neben der alten Fleischhalle wurden jetzt noch drei 
andere errichtet ;^) ja, das Fleischerambacht scheint überhaupt auf- 
gelöst und erst nach Beseitigung des „ Zunftregiments ** von dem 
alten Erbrat neu konstituiert worden zu sein. In einer durchkreuzten 
Notiz der Urkunde vom 19. Oktober 1429 werden nämlich die 
Fleischer, die „nuwe vleisohoiwer" genannt."^) 

Lange erfreuten sich aber die Zünfte ihrer unumschränkten 
und selbstherrlichen Gewalt und Macht nicht. Am 2. Oktober 1429 
schon wurde der alte Rat, der durch das Ratsmitglied Konrad 
V. Eichhorn die Hülfe des Herrn von Heinsberg, Johannes von Loen, 
Graf Ruprecht von Virnenburg und Graf Gumpert von Neuenahr, 
Erbvogt von Köln, gewonnen hatte, in seine frühere Stellung 
wieder eingesetzt. Im allgemeinen leisteten die vollkommen über- 
raschten Bürger keinen grossen Widerstand; Jiur die Bewohner 
der Jakobstrasse traten den fremden Hülfstruppen in ernster 
Gegenwehr entgegen,®) ohne jedoch das Zunftregiment vor seinem 
kläglichen Ende bewahren zu können. 



1) V. Fürth, I. S. 33. Nr. 15. 
3) a. a. O. S. 29. Nr. 14. 

3) vgl. d. Abschnitt: „Zünfte und stadt. Selbstverwaltung". 
*) Loersoh, Aachener Chronik. S. 6. 

^) Es ist dies das frühere Kaiser-Karls-Gymnasium in der Pontstrasse. Pick, Aus 
Aachens Vergrangrenheit. S. 378. 

®) Loersch, Aachener Chronik, a. a. O. 

7) V. Fürth, I. S. 4. Nr. 3. 

8) Loersch, Aachener Chronik. S. 6 f. vgrl. auch Noppius, II. S. 170. 



I 



— 33 - 

Sogleich suchten die Patrizier durch strenge Massregeln ihr 
Ansehen und ihre Stellung bei den eingeschüchterten Bürgern zu 
befestigen und zu stärken. Fünf Rädelsführer, deren man habhaft 
werden konnte, wurden am folgenden Tage hingerichtet. Den 
meisten jedoch, darunter Qoedart v. Eichhorn und Proest Buter, 
war es gelungen zu entkommen. Diesen Entwichenen wurde für 
immer die Rückkehr in die Stadt verboten. Kaiser Sigmund, der 
diesen Bannspruch bestätigte, machte dann weiterhin eine etwaige 
Wiederaufnahme von seiner kaiserlichen Genehmigung abhängig.^) 
Alle anderen Bürger der Stadt mussten im Rathause zu je sechs 
auf St. Stefansblut dem Rate den Eid der Treue leisten^) und 
geloben, dass alle Eide oder Gelöbnisse, die dem eigenen oder 
anderen Ambachten getan und sich gegen die Freiheiten und 
Rechte der Stadt richteten, ^genzlich ave gestalt" sein sollten.^) 
Nicht möchte ich Hoefflers*) Ansicht folgen, einige Zünfte, die 
Schneider, Pelzer, Schuhmacher und Zimmerleute, weil sie im 
Gaffelbrief des Jahres 1450 nicht genannt werden, seien vom alten 
Erbrat aus Rache aufgelöst worden. Gegen eine Auflösung spricht 
nicht nur das Interesse, das der Rat an der gedeihlichen Ent- 
Wickelung eines Gewerbes hatte und die mit dem „Rechtsbewusstsein 
der Zeit auf das engste verwebte Anschauung von der Notwendig- 
keit des Zunftwesens"^), sondern insbesondere der Umstand, dass 
•die Ziramerleute 1451®) nachweislich als Zunft bestanden. Die 
Nichterwähnung dieser Zünfte im GafTelbrief des Jahres 1450 findet 
viehnehr darin seinen Grund, dass die Patrizier die betreffenden 
Zünfte zu einer untergeordneten Stellung herunterdrückten, die 
ihren Ausfluss in der Aberkennung der politischen Berech- 
tigung fand. 

Keineswegs zogen aber die Patrizier jetzt eine Lehre aus den 
bitteren Erfahrungen der Vergangenheit! Gar bald fielen sie wieder 
in ihren alten Fehler der Misswirtschaft im städtischen Haushalt 
zurück. Der städtischen Schulden wegen erfolgte 1437^) ein neuer 
Aufstand der Zünfte, der durch die Aufnahme von sechs Mann 
aus jeder Zunft in den Rat beendigt wurde. 

Im Jahre 1439®) versuchten die Kinder des 1429 hingerichteten 
Stefan Brog einen Aufruhr anzuzetteln. Während dieser keine 
allgemeine Unterstützung fand, geriet 1440 die ganze Gemeinde 
mit dem Rate in Uneinigkeit. Sieben Jahre später meldet die 
Chronik einen abermaligen „Irrtum und Streit mit den Herren auf 
der Gaffeln.''») 

Die schier unheilbare Krankheit einer ungeordneten und alles 
schädigenden Pinanzverwaltung, an der das Patrizierregiment litt, 



^) Loeraoh und Reiffenicheid, a. a. 0. Bd. n. S. 617. Anlagre 8. 

') LoerBoh, Aachener Chronik, a. a. O. S. 8. 

') Loersoh und Eeiffersoheid, a. a. O. Bd. II. S. 611. Anlage 3. 

«) Hoeffler, S. 188. 

^) Sohmoller, Strassburffer Tucher- und Weberznnft S. 472. 

^ Loersoh, Aachener Chronik. S. 13. 

"") Loersch, Aachener Chronik. S. 9. 

8) NoppiuB, II. 170 f. 

") Loersch, Aachener Chronik. S. 11. 



— 34 - 

erzeugte in der Folgezeit neue Unzufriedenheit. Die Bürger konnten 
kaum auswärtigen Handel treiben, und immer wieder erhoben sich 
die Klagen, dass der Rat über Einnahmen und Ausgaben keine 
Rechenschaft mehr gebe.^) Neue Unruhen entstanden unter der 
Bürgerschaft. Doch die Nachgiebigkeit des Rates vermochte durch 
die volle Erfüllung der bürgerlichen Wünsche das entglommene 
Feuer des Aufruhrs noch im Keime zu ersticken. Die politische 
Berechtigung und Ratsanteilnahme der Handwerker bildeten den 
Kaufpreis des Friedens vom Jahre 1450. Bezeichnend ist es, dass 
in diesem Vertrage, dem ersten Gaffelbrief, ^) den Qaffelmeistern 
es zur besonderen Pflicht gemacht wird, auf die Kunde von Un- 
ruhen bei den Gaffeln jeglichen Widerstand zu verhindern und zu 
unterdrücken. 

Die Empörungen der nächsten Zeit zeigen im allgemeinen 
einen anderen Charakter und eine andere Tendenz. Keine grossen 
Forderungen politischer Natur liefern den Zündstoff der Un- 
ruhen, sondern einige kleine Misshelligkeiten und Uebelstände auf 
gewerblichem oder wirtschaftlichem Gebiete. 1467*) sucht das 
Wollenambacht durch Gewalt die Absetzung seiner Geschworenen 
zu erreichen. Inwieweit ihr Beginnen und Wunsch mit Erfolg 
begleitet, lässt sich nicht erkennen. 

Einen grösseren Umfang gewann dagegen der Aufruhr des 
Wollenambachts im Jahre 1477. Am 17. Februar legten sämt- 
liche Gesellen des Kumphauses die Arbeit nieder. Von hier 
pflanzte sich dann der rebellische Geist über alle Grafschaften fort 
und hatte bald eine allgemeine Arbeitsniederlegung zur Folge. In 
einem Schreiben begehrte man vom Rate die Absetzung eines 
Werkmeisters, eines Meisters der Brauerzunft und eines Markt- 
meisters, weil er unredlich die Wage anwende, sowie einen Preis- 
abschlag des 8-Pfennig-Bieres auf 6 Pfennig. Weiterhin wurde 
die Abschaffung sonstiger die „Gemein*' betreffenden Unangenehm- 
lichkeiten verlangt, unter anderen alle „Eigenschaften*, die gegen 
der Bürger Freiheit wären, und dass jedermann ^sein nahrungh 
und hantterungh thuen moegt, dweil das esz ein keyserliche freye 
statt wehre" ; Forderungen, die auch alle erfüllt wurden.*) Eigen- 
tümlich berührt letzteres Verlangen, denn es steht in direktem 
Gegensatz zu der Wirtschaftspolitik der Zünfte. Gross ^) trifft 
wohl das Richtige, wenn er meint, dass diese Forderung von einer 
Partei ausging, die die Gleichberechtigung mit den Aachenern 
erstrebte, den Untersassen. Die Bedeutung dieses Aufstandes 
erkennt man aus den Worten, mit denen der Chronist den Bericht 
schliesst; ^Esz hait aber in allen irthumben und auffleuffen nieh- 
malen die saichen zo ubell gestanden alsz eben dieser vorg. auff- 
stantt oder irthumb".^) 



^) Beeok, Aquisfirranum. S. 252 f. 

») Noppius, III. S. 133. 

■) Loersch, Aachener Chronik. S. 14. 

*) Loersch Aachener Chronik. S. 15 und 16. 

'V Gross, a. a. O. S. 83. 

•) Loersch, Aachener Chronik. S. 17. 



— 35 — 

Beeok ^) berichtet für dasselbe Jahr einen unruhigen Zwiespalt, 
der eine Ratsveränderung zur Folge gehabt habe. Diese Rats- 
veränderung, die in einer Umgestaltung des durch den Gaffelbrief 
festgelegten Modus der Ratswahlen bestand, wird 1513^) bestätigt. 
Aller Wahrscheinlichkeit nach war diese Ratsveränderung gleich- 
bedeutend mit der Einsetzung des alten Erbrates. Da nun der 
Aufstand vom Februar 1477 von keinem Wechsel im bestehenden 
städtischen Verfassungssystem spricht, andrerseits aber auch die 
Zünfte als die Sieger keine Beschneidung ihrer politischen Rechte 
geduldet hätten, so kommen wohl für das Jahr 1477 zwei zeitlich 
voneinander getrennte Empörungen in Betracht. 

Ein Zeichen, dass der patrizische Erbrat in der städtischen 
Verwaltung wiederum das Ruder führte, gibt sich in den im Laufe 
der Zeit sich wiederholenden Klagen über die schlechte Finanz- 
wirtschaft und die ungewöhnlichen, das Bürgertum belastenden 
Steuern kund. Nichts tat aber der Rat, um die Schuldenlast der Stadt 
zu tilgen ; nein, es wurden sogar in der unverantworthchsten Weise 
von einzelnen Bürgermeistern die Leib- und Erbrenten verkauft.^) 
Eine Gesundung und Auffrischung der finanziellen Kräfte der Stadt 
konnte unter diesen Umständen unmöglich erfolgen. Man nahm 
daher von selten der Zünfte abermals zur Gewalt und Empörung 
seine Zuflucht.^) 

Am Freitag vor Fastnacht, den 11. Februar 1513^), versam- 
melten sich die Gaffeln. Die Bierbrauer brachten den Gaffelbrief 
des Jahres 1450 vor, auf den alle einen Eid leisteten. Am 15. des 
Monats fand abermals eine Zusammenkunft in dem Hause zum 
Stern statt. Man kam zu dem Beschluss, die Stadttore zu besetzen 
und dem Rate zu befehlen, sich am folgenden Tage zu versammeln. 
In dieser Ratssitzung forderten die Aufständischen von den Rats- 
mitgliedern Niederlegung ihres Eides, Beschwörung des alten 
Gaffelbriefes, eine Rechnungsablage, das Stadtsiegel und die Schlüssel 
zu dem Aufbewahrungsort der Privilegien. Nur unter diesen Be- 
dingungen verpflichteten sich die Gaffeln, mit Rat und Tat die 
Stadt von den schweren Schulden zu befreien. Obgleich aber die 
Ratsmitglieder schliesslich auf diese Forderungen eingingen, wurden 
sie doch ihres Amtes entsetzt, einige auch in Haft genommen. Die 
Gaffeln erwählten sodann auf Grund des Gaffelbriefes von 1450 
aus ihrer Mitte einen neuen Rat. In demselben Jahre versuchte 
noch Wilhelm Beissel und ein Genosse die Zünfte wider den Rat 
aufzuhetzen. Dieses Vorhaben schlug aber fehl und endete mit 
dessen Hinrichtung.«) 



*) Beeck, Aquisgranum S. 253. 

^) Meyer, Aachensche Geschichten. S. 424. § 62. 

*) Beeck, Aquisgranum, a. a. O. und Meyer, Aachensche Geschichten, S. 419—26. 

*) vgl. Loersch u. Reifferscheid, a. a. O. R. 635. 

"') Meyer, a. a. O. Die Daten Meyers stimmen im einzelnen nicht mit denen des 
Spottliedes von 1513 überein. Loersch in Haagens Geschichte Achens, II. S. 638 hält die 
Angaben Meyers für zutreffender. — Zu derselben Zeit waren auch in Köln Unruhen, so dass 
nach Loersch, a. a. O. S. 636, es nicht unmöglich ist, dass die Aachener Unruhen unter dem 
Eindnicke der ersteren zum Durchbruch gekommen sind. 

ß) Beeek, a. a. 0. S. 254 f. 



- 36 — 

Der Beginn der Reformation und die daraus entspringenden 
Wirren und Kämpfe, von denen gar bald die deutschen Lande 
widerhallten, fanden auch in der Stadt Aachen einen fruchtbaren 
Boden. Da jedoch Ursache wie Zweck dieser Unruhen weder in 
dem gewerblichen oder politischen Leben der Stadt selbst zu suchen 
sind, treten sie aus dem Rahmen dieser Abhandlung heraus. Ob 
der Erweiterung des Qaffelbriefes im Jahre 1681 aufrührerische 
Kundgebungen voraufgingen, ist ungewiss. 

Hiermit nehmen die gewaltigen Kämpfe und das entscheidungs- 
volle Ringen zwischen Demokratie und Aristokratie, die dem ganzen 
15. und Anfang des 16. Jahrhunderts der Geschichte Aachens ihr 
eigenartiges Gepräge aufdrücken, ein Ende. Sieg auf Seiten der 
Zünfte 1 Welcher Art aber die Früchte im einzelnen waren, die 
jene Opfer im Laufe der Jahre zeitigten, und welche Stellung die 
Zünfte im öffentlichen Leben der Stadt einnahmen, möge Gegenstand 
der weiteren Darstellung sein. 

Die städtische Selbstverwaltung wurde, wie wiii gesehen, vor 
den Zunftunruhen allein von den Mitgliedern der angesehenen 
Geschlechter der Stadt ausgeübt. Erst im Jahre 1428 gelang es 
den Zünften, als den Vertretern der unteren Bürgerschaft, eine 
Bresche in die feste Position dieses Systems zu legen. Der Vertrag 
vom 29. Juni 1428^) räumte den neun an den Zunftunruhen 
beteiligten Zünften das Recht ein, aus jeder Zunft zwei Mitglieder 
zum Rate zu wählen, die alle Ratssachen mitverhandehi sollten. 
Die das Ambacht betreffenden Angelegenheiten durften die beiden 
Zunftmänner ohne Zuwiderhandlung gegen ihre Eide mit sechs der 
besten ihrer Zunft beratschlagen. Ihre Amtsdauer betrug zwei 
Jahre. Die Aufnahme neuer Mitglieder in die Zunft bedurfte 
nicht mehr der Zustimmung des Rates, sondern war dem Gutdünken 
der beiden zünftigen Ratsmitglieder überlassen. Das Mahlgeld, 
eine das Volk schwer belastende Akzise, wurde abgeschafft. Von 
grösster und weittragendster Bedeutung für das Gedeihen des Hand- 
werkerstandes war jedenfalls die Erlaubnis, „dat onse burger ge- 
meynlioh onder eynander den zensgulden bennen onse stat geven 
ind nemen seien". ^) Es waren dies alles Errungenschaften von nicht 
zu unterschätzender Bedeutung. Ein friedliches und segensreiches 
Zusammenarbeiten von Aristokratie und Demokratie lag darin be- 
gründet. Doch der 10. August brachte neue Umwälzungen. Der 
Rat wurde gestürzt, und die Zünfte kamen in den Vollbesitz der 
städtischen Macht und Gewalt. Mässigung, Klugheit und Ueber- 
legung fehlten der neuen Regierung^) und stürzten sie bald aus 
ihrer höchsten politischen Allgewalt in ihre frühere rechtlose 
Stellung zurück. Im Jahre 1437 aber zwangen die Zünfte schon wieder 

1) Loersch, A. R. D. S. 204. Nr. 13. 

^) Loersch, A. R. D. S. 207. Die Kirche hat die Verleihung Ton Kapital gegen 
Zahlung von Zinsen yerboten. Indem der Rat dieses Verbot für Aachen aufhob, fiel eine 
besonders die £ntwickelung des Handwerks hemmende Schranke. Denn der Handwerker, 
der früher, weil meistenteils ohne Grundbesitz, das zur Entfaltung seines Gewerbes not- 
wendige Geld nicht auftreiben konnte, war nun, da an die Stelle der „dinglichen Belastung"* 
die „regelmässige Zinszahlung^' trat, darin unbehindert. Vgl. Loersch und Reiffersoheid, 
a. a. 0. S. 590. 

') Loersch und Rei£ferscheid. a. a. 0. S. 594. 



— 37 — 

den „Erbrat", sechs Mann aus jeder Gaffel in den Rat aufzu- 
nehmen.^) Diese sollten Rat und Vorschläge geben, um die alten 
Schulden zu tilgen, während ohne deren Vorwissen neue nicht 
gemacht werden durften. Eine solch aufgezwungene Beaufsichti- 
gung empfand der alte Erbrat sicherlich als eine grosse Last. Er 
suchte daher im Jahre 1439 mit Hülfe der Leute aus dem Aachener 
Reich die der Bürgerschaft eingeräumten Rechte wieder an sich 
zu reissen. Doch die Bewohner der Jakobstrasse, von dem An- 
schlage benachrichtigt, machten mit Unterstützung der Bewohner 
der St. Petergrafschaft den Plan des Erbrates zuschanden.^) 

Am 24. November 1450^) wurde sodann den Zünften eine 
vollkommene Anteilnahme an der städtischen Verwaltung einge- 
räumt. Diese politische Berechtigung erstreckte sich auf die Hand- 
werkerverbände der Werkmeisterlaube, Bäcker, Brauer, Fleischer, 
Löder und Schmiede.^) Diese Gaffeln wählten je sechs Männer 
von gutem Rufe, von denen drei am St. Johannes Baptisttage 
jedes Jahres ausscheiden und durch andere ergänzt werden sollten. 
Zwei dieser Qaffelgenossen gehörten dem kleinen Rat an, der aus 
40 Personen bestand, und die übrigen vier dem grossen oder 
geraeinen Rat, der zusammen 84 Mitglieder zählte.^) Befugnisse 
und Pflichten dieser sechs waren folgende. 

Sie wählten die Bürger-, Wein-. und Baumeister und die übrigen 
Beamten des Rates. Jedes Vierteljahr sollte eine Rechnungsablage 
vor dem Rate und den Vertretern der Zünfte erfolgen. Keine Eigen- 
tums- und Besitzveränderung an liegendem Gut durfte ohne Wissen 
und Willen der sechs Gaffelgenossen geschehen. Bei sehr wichtigen 
Fragen stand es ihnen ungeachtet des Ratseides frei, vor der Ent- 
scheidung sich mit den besten und erfahrensten Zunftgenossen zu 
beraten. Ausserdem wählten die Gaffeln noch unter sich zwei 
Mann, mit denen sich die sechs über Gaffelangelegenheiten, die 
vor den Rat kamen, besprechen konnten. Jede Gaffel erhielt einen 
Schlüssel zu dem Behältnis, worin die Privilegien und das grosse 
Schuldsiegel aufbewahrt wurden,^) und einen solchen von Wort 
zu Wort gleichlautenden Gaffelbrief.*^) Auf Grund dieses Vertrages 



^) Noppius, II. S. 170. Die Aachener Chronik von Loersch (a. a. 0. S. 9) lagst 
unriohtigerweise die sechs aus jeder ^Grafschaft* (9) hervorgrehen, da sonst der Ausschuss 
nicht die «36** sondern die ^54** genannt werden müsste. Für die Riohtigrkeit der Ueber- 
liefenuiflr des Koppias sprechen aber sowohl die den beiden Chroniken flromoinsame Be- 
zeichnungr die »Se** als auch die Ursache der Aufnahme der sechs in den Rat. Diese ging 
aus der Empörungr der Zünfte hervor, und es liegt daher nahe, dass auch die Früchte des 
Aufstandes den 1450 politisch berechtigrten sechs Handwerkerverbänden zukommen und 
nicht den Grafschaften, in denen adeUge Patrizier und Handwerker zusammen wohnten. 

^ Loersch, Aachener Chronik. S. 10. Aachen war früher in Grafschaften eingeteilt 
vgl HoeflFler, S- 240. 

') Noppius, HL S. 133. Hoeffler, S. 238 bezeichnet unrichtigerweise diesen Tag als 
den 25. November. 

^) Macco, a. a. 0. lY. Vorwort, zählt für dieses Jahr 14 Gaffeln auf, obwohl es mit 
den nicht gewerblichen Zünften nur neun gab. 

») V. Fürth, n. S. 209. 

®) Hoeffler, S. 239, erwähnt, dass die Gaffeln Schlüssel zu den Stadttoren erhalten 
h&tten. Weder die von ihm zitierte Quelle noch eine andere spricht davon. 

^) Noppius, I. S. 114, knüpft an diesen Gaffelbrief einige Erläuterungen an, die sich, 
da er plötzlich 14 Zünfte nennt, nicht auf diesen Brief beziehen können. Die Zahl 
14 deckt sich mit der des Jahres 1513, und so werden auch wohl die Erläuterungen auf 
dieses Jahr hinweisen. 



- 38 — 

beteiligten sich in der Folgezeit die Zünfte neben den Patriziern 
an der Verwaltung der Stadtangelegenheiten, bis im Jahre 1477 
eine Aenderung eintrat. In diesem Jahre sicherte sich der patrizische 
Rat wiederum seine frühere Stellung oder verschob wenigstens die 
Verhältnisse zu seinen Gunsten. Der ganze SchöffenstuhP), der 
sich nur aus Adeligen zusammensetzte, wurde mit vier Mann aus 
jeder Grafschaft dem Erbmagistrat einverleibt, zugleich mit dem 
Beschlüsse, dass hinfort sowohl die Ratsverwandten aus den neun Graf- 
schaften als auch die Schöffen ihr Leben lang den Rat bilden sollten.^) 
Durch letztere Bestimmung suchte man also das Bindringen der 
Zünfte in den Rat in Zukunft von vornherein auszuschalten. Als 
daher 1513 die Zünfte ihre Rechte wiederum geltend machten, 
gab der Rat die Antwort, dass vor 36 Jahren die Gemeinde von 
Aachen übereingekommen sei, dass alle einmal in den Rat 
Gewählten lebenslänglich diesem angehören, und der Rat das Recht 
haben sollte, nach eigenem Gutdünken drei oder vier zu wählen. 
Folglich sei den Gaffeln die Gewalt zu einer Wahl abgeschnitten.^) 
Trotzdem setzten die Zünfte ihren Willen durch, indem am letzten 
Februar 1513 der alte Gaffelbrief wieder in Kraft trat.*) In Ver- 
bindung hiermit vermehrte man die Zahl der politisch berechtigten 
Handwerkerverbände um sechs, darunter die vier im Jahre 1429 
gemassregelten Zünfte. Es war dies gleichsam eine Restitution 
der 1429 unterlegenen Partei, Dem Rate gehörten jetzt an: die 
Werkmeister (Wollenambacht), Bäcker, Fleischer, Löder, Schmiede. 
Kupferschläger, Krämer, Ziramerleute, Schneider, Pelzer, Schuh- 
macher und Brauer.^) Die Ratswahl wurde nun so getätigt, dass 
die Zünfte jährlich an Stelle der abgehenden drei Ratsdeputierten 
acht oder neun Personen dem Rate präsentierten, und der Rat 
aus diesen das Ratskollegium wiederum ergänzte.*) 

Die religiösen Wirren der folgenden Jahrzehnte brachten 
naturgemäss manche Schwankungen im politischen Leben der 
Stadt mit sich, ohne indes eine nachhaltige und dauernde Wirkung 
auszuüben und die Stellung der Zünfte wesentlich zu ändern. 

Auch der letzte Gaffelbrief vom 21. Januar 1681 bedeutet 
keinen Systemwechsel oder eine Verfassungsänderung; vielmehr 
hat er nur den Wert einer genauen Fixierung und schriftlichen 
Niederlegung der dem Rate zustehenden Befugnisse und des Modus 
der Ratswahlen, hervorgerufen durch die vorgekommenen „Miss- 
bräuche, grossen Irrsale und Verwirrungen." Insofern ist denn 
der letzte Gaffelbrief eine Erläuterung und Ergänzung seiner Vor- 
gänger. 

Nach dem letzten Gaffelbrief war nicht jeder Bürger wahl- 
berechtigt oder wählbar, sondern hierfür waren sowohl moralische 
als auch soziale Gründe massgebend. Eheliche Geburt, ein unver- 
leuradeter Handel und Wandel, keine Heirat mit einer infamen 



^) Schon im Jahre 1456 waren die sämtlichen Schöffen in den Rat grekommen. 
V. Fürth, II. S. 209. 

*) Beeck, Aquisgranum. S. 254 ff. vgl. auch v. Fürth, II. S. 209 f. 
') Meyer, Aachensche Geschichten S. 424. 
*) V. Fürth, IL S. 210. 
*) Gaffelbrief von 1681. 
ö) V. Fürth, II. S. 210 ff. 



— 39 



Person und ein standhafter katholischer Glaube, bildeten yor allem 
die Bedingungen, die an einen Ratskandidaten gestellt wurden. 
Ferner musste jeder ein Alter von 25 Jahren haben und mindestens 
sieben Jahre wirklicher Bürger sein.^) Nicht wählbar waren alle 
diejenigen, die eines fremden Herrn Amt bekleideten, Befehlsleute 
oder Diener, und diesem ihren Herrn mehr als Lehnspflichten schul- 
dig waren; weiterhin diejenigen, die in dem Dienste des Rates 
standen, die Akzisen „einbuhrten^ und dabei interessiert waren. 
Freilich war ihnen nicht das Recht genommen, auf den Gaffeln 
von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.*) Da sicherlich schon 
manche Zwietracht darüber entstanden, wurde auch angeordnet, 
dass ein jeder nur von einer Gaffel und zwar von der, wo er am 
ersten „gekohren", zum Ratssitz präsentiert werden sollte. Den 
Greven wurde es zur Pflicht gemacht, ihre Gaffelgenossen und 
Beigekorenen zu ermahnen, nur solche in den Rat zu wählen, die 
den an sie gestellten Forderungen in jeder Weise entsprächen."^) 

Der Rat der Stadt zerfiel in zwei Teile, den kleinen und den 
grossen Rat. Der grosse Rat beriet über Blut, Vergebung von 
Qemeindegut auf Erbe, erbliche Rentverschreibung und alle die- 
jenigen Dinge, wozu der kleine Rat sich für inkompetent erklärte.*) 
Die anderen Fälle unterlagen der Entscheidung des kleinen Rates. 
Zu dem grossen Rate wählten die Gaffeln sechs Vertreter.^) Der 
kleine Rat setzte sich zusammen aus zwei Vertretern der vierzehn 
Qaffeln — davon zwölf Handwerkerverbändo — den beiden im 
Amte befindlichen Bürgermeistern, den beiden Bürgermeistern des 
letzten Jahres, zwei Werkmeistern, zwei Rent-, zwei Wein-, zwei 
Baumeistern und sechs Neumännern.^) Die Abstimmung im Rate 
geschah nicht nach Köpfen, sondern war in folgender Weise ge- 
ordnet. Jede Gaffel hatte ihr besonderes ,,votum" oder „stim". 
Die 15. Stimme stand dem nicht aus dem Scliöffenstuhl hervor- 
gegangenen abgestandenen Bürgermeister zusammen mit den 
Rent-, Wein-, Baumeistern und Neumännern zu. Ob diese Art 
der Abstimmung bei beiden Ratskörperschaften gebräuchlich war, 
bleibt dahingestellt. Nach einem „Verzaichnus undt Anweisung 
wie es mit Besatzung dess Raths zue Aach vom Jahr 1450 biss 
uf das Jetzig 1584 eine gelegenheit gehabt undt noch" ^) war in 
jener Zeit diese Abstimmungsregel nur für den grossen Rat mass- 
gebend. Im kleinen Rat dagegen hatte ein jeder mit Ausnahme 
der Bürgermeister, denen nur ein Vorschlagsrecht zustand, „Votum 
oder Stimme". Das Votum einer jeden Zunft im grossen Rat 
wurde bei Abstimmung unter den Mitgliedern der Zunft durch 



^) Gaffelbrief 1681. Nr. 18. Letztere Forderungr wurde schon am 10. Juni 1560 ge- 
Btelit. A. Z. S. 296. 

») Gaffelbrief v. 1681. Nr. 7. 

») a. a. O. Nr. 6. 

*) Gaffelbrief v. 1681. Nr. 10. 

^) Die zum Rate grew&hlten Zunftmitglieder mussten den Meistern der Zunft ein 
C^elage geben, wie aus einer vom 29. Juni 1655 datierten Verordnung der Sehneider her- 
vorgeht. Zunftbuch der Schneider. Bl. 139. 

•) Gaffelbrief, a. a. 0. Nr. 9. 

') V. Fürth, n. S. 209. 



— 40 — 

Majorität festgesetzt, und im Falle der Stimmengleichheit ent- 
schied das Los.^) 

Diesen politisohen Rechten der Zünfte standen naturgemäss 
manche öffentliche, das Interesse der Allgemeinheit erheischende 
Pflichten gegenüber. Vereinigten ja die Zünfte seit dem Jahre 1450*) 
in politischer Hinsicht die ganze Bürgerschaft in sich I Die Heran- 
ziehung zu den öffentlichen Lasten erstreckte sich nach den vor- 
handenen Quellen auf finanzielle und militärische Gebiete und das 
Feuerlöschwesen der Stadt. 

Als Feuerwehr fungierten von den Zünften die Sackträger ^), 
Leiendecker*), Bäcker*), Zimraerleute, Steinmetzen und Koil- 
schuddere.®) Bei Ausbruch eines Brandes mussten die beiden Greven 
und zwei andere von dem Ambacht der Leiendecker zu der Brand- 
stelle hineilen. Im Verhinderungsfalle war es auch gestattet, 
zwei Knechte zu senden. Ein Vergehen gegen diese Anordnung 
wurde mit einer Strafe von sechs Merk belegt, die unter Bürger- 
meister, Stadtbau und Ambacht geteilt wurden. Den Bäckern lag 
es ob, das Wasser herbeizutragen. Aus ihrer Mitte wurde 1583 
ein Brandmeister gewählt.^) Ob sonst noch andere Zünfte sich 
persönlich an dem Löschen beteiligen mussten, ist nicht bestimmt 
zu entscheiden, aber wohl wahrscheinlich, da auf den jährlichen 
Versammlungen der Zünfte die Greven die „gemeine Brandordnung" 
stets vorlesen mussten.®) Eine indirekte Anteilnahme lag für jeden 
insofern vor, als er beim Eintritt in die Zunft einen ledernen 
Eimer zu geben hatte.®) 

Im Militärwesen der Stadt mussten die Zünfte sich sowohl 
persönlich als auch finanziell betätigen. 1451 wurde zum ersten 
Male die „zoldener" beschrieben, auf Grund der die Zunft des 
WoUenambachts vier, Brauer, Fleischer, Löder, Bäcker und Ziramer- 
leute je zwei Pferde zu stellen hatten. Freilich scheint von den 
Zünften nur der Geldeswert gezahlt worden zu sein.^®) Von der 
Zunft zum Stern heisst es nämlich, dass sie ihr „Geld*^ auf der 
Rentkammer abgab. Für einen persönlich militärischen Dienst 
spricht eine Notiz vom Oktober 1602.^^) Der Rat Hess alle Innungen 
bei Verlust ihrer Zunftreohte zusammenkommen und verlangte, die 
Zünfte sollten die Wachtordnung im Auf- und Abziehen mit dem 
Trommelschlag halten, damit man im Notfalle desto eher auf seiner 
Hut sein könnte. Die Zünfte waren aber gegen diese Neuordnung 
und forderten, es bei der wohlbestellten Wachtordnung des Jahres 1572, 
nämlich bei Läutung der Glocke und im Auf- und Abziehen, es 
bewenden zu lassen. 



1) V. Fürth, n. S. 211 I. 

») Noppiiia, IIL S. 134. 

») Hoef ner, S. 276. 

^) B. d. Leiendecker. Bl. 375. 

») R. d. Bäcker. (1547.) 

•) Loereoh, A. R. D. S. 154. Nr. 27. 

^) Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgreerend. Jahrgrangr II« S. 13. 

8) Gaffelbrief von 1681. 

») B. d. Zünfte. 

^^) Loersch, Aachener Chronik. S. 13. 

^^) Mey^er, Aachensche Geschichten. S. 536. § 96. 



- 41 - 

EDtsprangen diese Rechte und Pflichten dem politisch-bürger- 
lichen Charakter der Ziinfte, so ist der Eitifluss des Rates auf die 
Zünfte aus ihrer hohen wirtschaftlichen Bedeutung für die Stadt 
abzuleiten. 

Dieser Einfluss des Rates auf die Zünfte war im allgemeinen 
gering und wenigstens seit der politischen Berechtigung der Zünfte 
nicht mehr von weittragender Bedeutung. 

Mit dem Jahre 1428^) fiel eine, besonders für die freie Ent- 
wickelung der Zünfte hinderliche Schranke. Die Aufnahme der 
neuen Zunftmitglieder wurde der Bevormundung des patrizischen 
Rates entzogen und der Entscheidung der zum Rate deputierten 
Zunftgenossen überlassen.^) Auch diese doch nur formelle Ein- 
schränkung schwand mit der Zeit. Die Zunft entschied dann selbst 
über die Aufnahme der Bewerber. Eine Ausnahme hiervon machten 
allein die spanischen Nadelmacher, die auch noch späterhin — im 
Jahre 1615 — in dieser Beziehung dem Rate unterstanden,*) 

Fernerhin lag dem Rate die Einsetzung oder Vereidigung 
der Oewerbeaufsichtsbeamten ob, während von den Zunftvorstehern 
nur die des Wollen- und Qoldschmiedeambachts unter Mitwirkung 
des Rates ihr Amt bekleideten.*) 

Wichtiger und bedeutender war jedenfalls der Einfluss, den 
der Rat durch das Recht der Verleihung der Handwerksstatuten, 
der sogenannten Rollen, auf die Zünfte auszuüben vermochte. PreUich 
— wenigstens was die Zunft selbst anbetrifft — ist uns direkt 
nicht überliefert, welche Paktoren bei der Abfassung dieser Statuten 
mitgewirkt haben. Der Rechtsgang wird aber wohl folgender gewesen 
sein. Die Zunft selbst entwarf die Statuten. Denn nur solche, die 
mit allen technischen und wirtschaftlichen Prägen des betreffenden 
Handwerks aufs beste vertraut waren, konnten zur Pörderung eines 
Gewerbes Verordnungen von so weittragender Bedeutung auf- 
stellen. Darauf lässt auch die Notiz des Schuhmacherambachts 
schliessen, dass „die Brüderschaft der Schuhmacher zu folgenden 
Punkten kam, die der Rat bestätigte".^) Dem Rate lag alsdann 
die Bestätigung und .die Verleihung ob. Noch ein weiteres Recht 
ruhte in den Händen der Aachener Stadtobrigkeit. Jede Rolle wurde 
nur verliehen unter dem Vorbehalte, sie „allzeit zu kürzen, längen 
oder zu verändern". Dieser Vorbehalt findet sich nicht ausdrücklich 
erwähnt in den Rollen der Schmiede®) und Buntwirker.'') 

Eine merkwürdige Tatsache enthüllt uns die Rolle der Hut- 
macher. An Stelle des Rates treten bei dieser Zunft die Zunft- 
beamten des WoUenambachts, die Werkmeister und Geschworenen. 
Die von den Werkmeistern am 29. August 1898 den Hutmachern 
gegebene Rolle meldet, dass die Werkmeister „von etlioh hundert 
Jahren her dahin berechtigt gewesen und noch sind, den 



^) Loeraoh, A. B. D. S. 204. Nr. la 

*i Hoeffler, S. 265 spricht von einer grenauen Beaufslohtigrungr der Zünfte durch 
«Ratsdeputierte, die allerdings gresohah, um jede Selbständigkeit der ZQnfte zu verhindern.* 
') B. d. spanischen Nadelmaoher. 
*) Vgl. d. Abschnitt: «Zunftbeamte". 
^) R. d. Schuhmacher. 
^ R. d. Schmiede. Extraotus. Bl. 27. 
^ R. d. Buntwirker a. a. 0. Bl. 5 f. 



— 42 



Hutmachern ihres Ambachtssachen. Gesetz und Ordnung zu geben 
und mitzuteilen ; dieselben zu vermehren und zu mindern, wie dies 
unter anderem aus der uralten in unserem Archiv befindlichen 
Hutmacherrolle vom Jahre 1456 hervorgeht.*' Kraft dieser den 
Werkmeistern zustehenden Befugnis wird auch die Rolle der Hut- 
macher im Jahre 1673 von den Werkmeistern „ratifiziert und 
approbiert*.^) 

Betrachtet man die Erfolge, die die Zünfte im Laufe der Zeit 
Schritt für Schritt in hartnäckigem Verfolgen ihrer Ziele errangen, 
so haben sie die ehedem aristokratische Selbstverwaltung der Stadt 
in eine demokratische verwandelt. Mit ihrem Siege über die 
Patrizier wuchs der Zünfte Bedeutung so sehr, dass ein jeder 
Bürger verpflichtet war, ihre Mitgliedschaft zu erlangen. Die Zunft 
war von nun an der Angelpunkt des gesaraten öffentlichen Lebens, 
und nur in ihr und durch sie fand der Bürger politisches Recht 
und politischen Schutz. 

Bei der Erörterung des Verhältnisses der Zünfte zu der 
Stadtobrigkeit und der Anteilnahme der Zünfte an Verwaltung 
und Regierung der Stadt haben wir gesehen, dass nur einem Teile 
der Aachener Handwerkerverbände eine politische Berechtigung zu- 
teil geworden. Im Anschlüsse hieran macht sich die eigentümliche 
Tatsache kund, dass neben den politisch unberechtigten, aber doch 
sonst selbständigen Zünften noch eine dritte Klasse bestand, die 
^Zubehören ambachten". 

Unter „Zubehören ambachten" versteht man solche, die 
wegen zu geringer Anzahl der Mitglieder einer meist gewerblich 
verwandten Vereinigung zugeteilt waren.^) Entstanden sind sie 
wahrscheinlich durch die im Laufe der Zeit eingetretene Arbeits- 
teilung innerhalb eines Gewerbes. Die infolgedessen nur noch mit dem 
einzelnen Verbrauchsgegenstand beschäftigten Handwerker sonderten 
sich allmählich von ihren früheren Zunftgenossen ab. Doch zu schwach 
noch an Kräften, um eine eigene, selbständige Zunft bilden zu 
können, blieben sie als „zubehorenes ambacht** unter der Vormund- 
schaft der Mutterzunft, während ihren späteren Bmanzipationsbestre- 
bungen die alten verbrieften Rechte der Hauptzunft hindernd im 
Wege standen.^) Ihre Zahl ist eine verhältnismässig grosse. Am 
frühesten hören wir von dem Ambacht der Tuchscherer, das 1428 
zu den Schneidern gehörte. Zu den Zimmerleuten wurden die 
Steinmetzen oder Maurer, Schreiner, Leiendecker und Glasmacher 
gezählt.^) Die Glasmacher trennten sich aber später von diesen. 
Im Jahre 1618^) bildeten sie mit dem Spiegelambacht eine gemein- 
same Zunft. Den Pelzern waren 1511 die Buntwirker,^) 1593 die 
Hutmacher ^) und ausserdem 1596 noch die Weissgerber, Mützen- 
stricker und „dergleichen gehörig"®) angegliedert. Die Pärberzunft 

^) R. d. Hutm acher. 

2) Stahl, Das deutsche Handwerk. Bd. I. Einleitung S. 28. 
«) Yg\. S. 44. 

*) Aktensammlung Ton 1590 bis 1596. anno 1593. Bl. 209 und 268. 
6) Vgl. S. 19. 

^) B. d. Pelzer und Buntwirker y. 1511 und vgl. Aktensammlung a. a. O. Bl. 268 
'") Aktensammlung a. a. 0. Bl. 209. 

^) a. a. O. Bl. 268. Quix, Hist-top. Beschreibung der Stadt Aachen, S. 147 rechnet 
mit Unrecht auch die Nadler hinzu. YgL oben. 



— 43 — 

bildete einen Anhang des Wollenambaohts, während die Walker, 
Weber, Käraraerer usw. zwar ein eigenes Gewerbe, aber keine 
eigene Zunft innerhalb des Wollenambaohts bildeten.^) Bei der 
Schmiedegaffel ^) waren die Nadelraaoher^), Harnisch-, Radermaoher 
und „andere". Wer mit den ^anderen** gemeint sind, erfahren wir 
aus einigen verschiedenen Notizen. Es waren dies die Büohsen- 
lademaoher,"*) Drahtzieher,^) Nagelsohmiede ^) und Sattler.'') Auch 
den Krämern waren, wie dies bei ihren mancherlei umfassenden 
Gewerben verständlich ist, einige Zünfte zugehörig, wie die Vette- 
wärer, Gewandschneider und „andere, die ihre Ware stückweise 
feilhielten und verkauften."®) 

Aufföllig muss es erscheinen, dass in Aachen die Gewand- 
schneider nur ein „zubehorenes ambacht", und dabei nicht einmal 
des Wollenambaohts, sondern der Krämer bildeten, während in fast 
allen anderen Städten die Gewandschneider Mitglieder der ersten 
und mächtigsten Zunft waren. ^) Es ist dies um so merkwürdiger, 
als gerade die Tuchmanufaktur und folglich auch der Tuchhandel 
in Aachen zu den hervorragendsten und bedeutendsten Gewerben 
gehörten. Daher werden, da die Gewandschneider der Krämerzunft 
nur die stückweise verkaufenden Händler waren, die eigentlichen 
Grosskaufleute Zunftgenossen des mächtigen und einflussreichen 
Wollenambaohts gewesen sein. Weiterhin reihen sich der Krämer- 
zunft die Nadel- und Krempenraacher an, von denen es bei der 
Verleihung ihrer Rolle heisst, „nachdem Nadel- und Krempenmacher 
sich dem Krämerhandwerk unterworfen" haben. ^^) 

Diese „zubehorenen ambachten" hatten zum grössten Teil 
ihre eigenen Vorsteher. Nicht nachzuweisen sind diese bei den 
Harnischmachern, Büchsenlademachern, Drahtziehern und Weiss- 
gerbern.^^) Eigene Rollen ^^) besassen sogar die Hutmacher, 

1) Vgri. s. 13. 

^) Aktensammlun^ a. a. 0. anno 1596. Bl. 270. 

') Es sind dies die spanischen Nadelmaoher, da die andern zu den Krämern ge- 
hörten. V^l. oben. 

*) B. d. Schmiede 1579. A. Z. ^ 37 f. Die Krämer verlanerten, dass die Büchsen- 
lademacher zu ihnen grehören sollten, doch entschied der Rat im Sinne der Schmiede. 

'^) a. a. O. S. 38. Batsentscheidung: vom 29. Dezember 1580. 

«) a. a. O. S. 152. 

^) a. a. 0. S. 44. Zwar werden die Sattler (Hamacher) nicht ausdrücklich als ein zu- 
behorenes Ambacht der Schmiede bezeichnet; esgreht aber daraus hervor, dass alle Bats- 
entscheidun^en über Streitigkeiten in betreff der Sattler in den Schmiederollen Aufnahme 
finden, wie dies auch bei den übrigen zugehörigen Ambachten der Fall ist. — Quix, Hist.-top. 
Beschreibung d. Stadt Aachen S. 147) führt weiterhin noch die Schwertfeger und Sohäfte- 
maoher auf. Da aber ein aus dem Jahre 1685 stammendes Verzeichnis der zu dem 
Schmiedeambacht gehörenden Schmiedegattungen diese beiden noch nicht kennt, muss man 
annehmen, dass sie in einer späteren Zeit entstanden sind. A. Z. S. 82 ff. 

^ Aktensammlung von 1590 bis 1596. Bl. 268. 

•) Schmoller, Strassburger Tucher- und "Weberzunft S. 393. 

*<^) R. d. Krämer. Bl. 10 ff. — Quix (Histor.-top. Beschreibung der Stadt Aachen. 
S. 147.) zählt noch zu den Krämern die Apotheker, Buchbinder, Bleigiesser, Knopfmacher 
and Klempner. Da Quix für seine Behauptung keine Belege angibt und die Quellen keinen 
Aufschluss darüber geben, lässt die Wahrheit sich kaum ermitteln. Es scheint aber, dass 
die Apotheker überhaupt keine Zunft gebildet haben, da der Bat 1609 nur in bezug auf 
,einen" Apotheker, der Gewürz und Spezereien verkaufen will, entscheidet, dass er sich an 
das Erämerambacht wenden soll und ebenso 1626 in bezug auf vcinen** Seifensieder, falls er 
Seife pfundweise verkaufe. (R. d. Krämer, Manuscripta Borussica, quart. 277.) Von den 
übrigen werden nur die Bleigiesser (Kannegiesser) als Zunft genannt. 

^^) Die Greven der Gewandschneider werden nicht besonders genannt Da sie aber 
eine eigene Rolle besassen, werden sie wohl auch eigene Zunftvorsteher gehabt haben. 

") Vgl. Kap. Rollen der Zünfte. 



44 — 



Mützenstrioker, Schreiner, Nadler und Krempenmaoher, spanische 
Nadelraaoher, Leiendeoker, Vettewärer, Gewandsohneider, Stein- 
metzen, Hamacher und Tuchsoherer. Eine geraeinsame Rolle hatten 
die Buntwirker mit den Pelzern, die Radermaoher mit den Schmieden 
und die Glasmacher mit dem Spiegelambaoht. 

Ueber das Verhältnis dieser zugehörigen Ambachten zu der 
Hauptzunft gewährt uns Aufsohluss ein Bericht an den Rat infolge 
eines Streites zwischen den Schneidern und Tuchscherern.^) Greven 
und Meister des Tuohsohererarabachts verlangten nämlich eine 
eigene Laube (Zunfthaus), eine Forderung, die von den Schneidern 
mit dem Hinweis bekämpft wurde, dass sie aus einer „uralten 
possesion" die Zugehörigkeit der Tuchscherer beweisen könnten. 
Nach Erstarkung und Vermehrung, so geht aus dem Bericht weiter 
hervor, versuchten die Tuchscherer, vom Rate die politische Berech- 
tigung zu erlangen. Diese Bitte wurde aber von dem Rate 
abgeschlagen; vielmehr sollten sich die Tuchscherer an die 
Schneidergaffel wenden. Zwischen den beiden letzteren kam nun 
die Vereinbarung zustande, dass die Tuchscherer den dritten Teil 
der Ratssitze der Schneider erhalten sollten, und zwar einen im 
kleinen und zwei im grossen Rat. Die Wahl hierzu durfte nur 
auf der Gaffel der Schneider geschehen, und die Namen der Ge- 
wählten mussten durch den Gaffeldiener der Schneider an deren 
kleine Rats verwandten schriftlich mitgeteilt werden. Diese nahmen 
sodann auch die Präsentation der Tuchschererratsdeputierten bei 
dem Rat vor. Von dem Scharwachtswein erhielten die Tuchscherer 
den dritten Teil. Die Hutmacher 2) wählten nach altem Brauch bei 
der Pelzergaffel zwei Personen zum Rat, während den zugehörigen 
Ambachten der Zimmerleute der vierte Teil des Soharwaohts- 
geldes zukam. ^) 

Den Rechten der Tuchscherer standen manche Pflichten 
gegenüber. Sie mussten, wie sie sich ^verbunden und angelobt 
und bis auf diese Zeit ohne Gegenrede getan", den dritten Teil zu 
der „Heuer oder Zins" der Gaffel, ^/s zu den Kosten des Gaffel- 
dieners und des Leichenkleides zusteuern und den dritten Teil 
aller eintretenden Lasten mittragen.*) In derselben Weise wird 
wohl auch bei den übrigen zugehörigen Zünften das Abhängig- 
keitsverhältnis zum Ausdruck gekommen sein. 



^) Zunftbuch der Schneider. Bl. 133 u. 134. 

*) R. d. Hutmacher. Nr. 19. 

<^) B. d. Zimmerleute. 

*) Zunftbuch der Schneider. Bl. 134. 



2. Kapitel. 

Verfassung und Organisation der Handwerkerverbände. 

Die Quellen für das innere Leben der Aachener Handwerker- 
verbände entspringen aus ihren schriftlichen Satzungen und 
Statuten, den Rollen. Wie steht es aber mit dem Inhalte dieser 
Aufzeichnungen? Geben sie uns ein vollständiges Bild des ge- 
samten Zunftrechtes und aller damit zusammenhängenden Einrich- 
tungen und Bestimmungen? Keineswegs! Man muss beachten, 
dass, betrachtet man speziell die Aachener (Jeschiohte, nicht nur 
manche Ordnungen und Statuten durch äussere Ereignisse verloren 
gegangen, sondern auch allgemein viele Punkte als selbstverständ- 
lich angesehen, einer genauen schriftlichen Fixierung nicht be- 
durften. ^Die Zunftstatuten sind nur die Niederschrift der Hand- 
werkergewohnheiten oder beschäftigen sich mit brennenden Fragen."^) 
Darauf ist es in der Hauptsache zurückzuführen, wenn manche Er- 
scheinungen in der Verfassung und Organisation der Aachener 
Handwerker verbände gar keine oder nur eine dürftige Erklärung 
finden. 

Zur Erreichung und Verwirklichung all der Zwecke und Ziele 
der Zünfte war vor allem eine gute und vollkommene Organisation 
notwendig. Schon die Lebensfähigkeit einer Zunft erforderte es, 
diesem Gegenstande vorzüglich ihre Sorge und ihr Interesse 
zuzuwenden. 

Zuerst musste naturgemäss an eine scharfe Abgrenzung der 
Mitgliedschaft und der dieser entspringenden Rechte und Pflichten 
gedacht werden. Nach Gierke^) können wir auch für das Aachener 
Zunftwesen zwei Hauptgruppen der Zunftmitglieder unterscheiden, 
die Voll- und Schutzgenossen. Zu den letzteren gehörten die 
Lehrlinge, Gesellen, Frauen und Mädchen und die „ausserordent- 
lichen Mitglieder", die Beigekorenen.^) 



^) Neubur^ £., Zunftfferichtsbarkeit und ZunftverfassuiiAr vom 13.— 16. Jahrhundert 
Ein Beitragr zur ökonomiacnen Geschichte des Mittelalters. Jena 1880. S. 144. ygrl. auch 
Sehönbergr, Zur wirtschaftlichen Bedeutung: des deutschen Zunftwesens im Mittelalter. Ein 
Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens. Berlin 1868. S. 11 ff. 

^) Gierke, Das deutsche Handwerk. S. i^. vgl. auch Krumbholtz, Die Gewerbe der 
Stadt Münster bis zum Jahre 1661. Publikationen aus den Königl. Preussischen Staats- 
archiven. Bd. 70. Leipzig 1898. Einleitung. S. 77. 

') Unter Beigekorenen versteht man jene Mitglieder der Zünfte, die kein Handwerk 
aasübteoi, sondern lediglich Bürger der Stadt waren. Diese nBeigekorenen** werden in 
Münster Beigesohworene genannt, vgl. Krumbholtz, a. a. O. 



- 46 — 

Die unterste Stufe der Mitgliedschaft bildeten die Lehrlinge. 
Diese waren im allgemeinen männlichen Gesohlechtes. Freilich 
scheinen einige Gewerbe auch Mädchen zur Erlernung eines 
Handwerks zugelassen zu haben. Die Brauer befreiten nämlich 
die ehelichen Töchter ihrer Handwerksmeister von den Lehrjahren/) 
während die Sackträger,*) Kämmerer,^) Mützenmacher*) und Wollen- 
weber ^) Frauen beschäftigten und die Schneider®) ein Frauenambacht 
unterschieden. Die Ausübung dieser Gewerbe setzt aber selbst- 
verständlich auch eine praktische Erlernung voraus. Ueber das 
erforderhche Alter der Lehrlnige schweigen die Quellen fast ganz. 
Wenn die Lehrlinge der Leiendecker 18 Jahre alt sein mussten/) 
so war dies wohl eine vereinzelte und anormale Erscheinung. 
Man kann wohl behaupten, dass, wie auch in anderen Städten, so 
auch in Aachen ein Alter von 14 Jahren massgebend war.®) Von 
grösserer Bedeutung freilich waren die sonstigen Forderungen, die 
beim Eintritt des Lehrlings von den Zünften gestellt wurden. 

Wenn bei der Aufnahme der Lehrlinge nicht ausdrücklich 
das moralische Moment betont wird, so können wir diesbezügliche 
Statuten doch ohne weiteres annehmen. Sonst wäre ja nach langer 
Lern- und Gesellenzeit manchen die Meisterschaft versagt geblieben. 
Nur die Bäcker®) verlangten von jedem Lehrling ein Zeugnis seiner 
Obrigkeit über „Namen und Famen". Als ein Ausfluss der da- 
maligen Religionswirren ist es sicherlich aufzufassen, dass nur noch 
katholische Ausländer als Lehrlinge zugelassen werden sollten. ^^) 
Boten sich in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten, so erfolgte die 
Annahme. Dieser ging bei den Schmieden,^^) Schreinern, ^^) Posa- 
raentwirkern,'^) Barbieren,^*) Hutmachern,^^) spanischen Nadel- 
machern,^^) Steinmetzen^'') und Fassbendern^®) eine vierzehntägige 
Probezeit voraus. Die eigentliche Aufnahme erfolgte wohl ähnlich 
wie bei den Goldschmieden.^^) Der angehende Lehrling musste 
den Greven des Ambachts vorgestellt und sein Name in das 
Ambachtsbuch eingetragen werden. Diese Vorstellung bezweckte, 
wie aus der Rolle der Barbiere^®) hervorgeht, den Greven die 
Gelegenheit zu geben, persönlich den Knaben kennen zu lernen, 
damit ihr Ambacht „sauber und rein fortgepflanzt" werde. Für 
das Einschreiben musste der Lehrling eine bestimmte Gebühr 
entrichten. 

Während bei den Goldschmieden 2^) diese Gebühr in Gestalt 
einer Flasche „Weines des Besten" und bei den Barbieren ^^) im 
Betrage von 4^/2 Reichstalern den Greven zukam, gelangte sie in 



1) R. Nr. 4. — 2) Loersch, A. R. D. S. 156. Nr. 17. § 2. — ») Loersch, a. a. O. — *) R. 
(1486) Nr. 6. — ^) R. (1442.) — «) Zunftbuch der Schneider ßl. 6. — 7) A. Z. S. 374. 

8) Erumbholtz, a. a. 0. Einleitungr S. 78. Vgl. auch Hartmann, Geschichte der Hand- 
werkerverbände der Stadt Hildesheim. S. 42. 

») Quix, "Wochenblatt für Aachen und ümgregrend. II. J. S. 9. 

lö) R. d. Kessler. Nr. 21. Bl. 9. - ") A. Z. S. 13. - ^^) R. Nr. 2. - »») R. (1606). — 
1*) R. Nr. 16. Bl. 5. - i») R. Nr. 1. - iß) R. Nr. 3. - ") R. (1487). 

18) R. Nr. 1. Zwar ist bei diesen eine Probezeit nicht ausdrücklich erwähnt, aber der 
Umstand, dass die Meister verpflichtet sind, innerhalb vierzehn Tage den Lehrling anzu- 
geben, lässt dieses vermuten. 

lö) R. Nr. 1. — 20) R. Nr. 24. Bl. 5 f. 

21) R. Nr. 1. 

W) R. Nr. 17. Bl. 5. 



— 47 — 

den übrigen Zünften an .das Handwerk.^) Die Lehrlinge der Mützen- 
macher 2) und Kannegiesser^) waren von jeglicher Abgabe befreit. 
Von einer Zahlung der Lehrlinge an die Meister ist nirgendwo die 
Rede; vielmehr bestrafte das Bäokerambacht^) jeden, der einen 
Lehrling gegen ein „Geschenk oder Nutzen* annimmt mit Verlust 
des Handwerks auf drei Jahre. Demgegenüber bestand aber die 
Verpflichtung der Meister, von jedem Lehrling ein Entgelt der 
Zunft zukommen zu lassen. Die Alträusoher^) erhielten von jedem 
Meister ein Pfund Wachs oder 2 M, die Goldschmiede^) 2 Gold- 
gulden und die Hutmacher'') 20 Aachener Gulden. Je nach der 
Verwendung des Lehrlings richtete sich diese Abgabe bei den 
Schmieden.®) Diese brauchten der Zunft nichts zu geben, falls sie 
den Lehrling zum Blasen der Bälge nahmen, aber Wachs und 
Wein, wenn sie ihn das Handwerk lehrten. Wie es in Reichs- 
städten vielfach üblich war,^) war mit der Aufnahme als Lehrling 
auch die Ablegung eines Eides verbunden. Während die Alt- 
räuscherroUe ^^) besonders darauf hinweist, dass in ihrem Ambacht 
von einem Eide Abstand genommen werde, musste der Lehrling 
der Brauer ^^) schwören, dies Handwerk ausserhalb der Stadt nicht 
auszuüben, jemanden zu lehren oder zu dienen. Ein Meister, 
der einen Lehrling ohne diese Bedingungen annahm, zahlte 
6 Gulden Strafe. 

Grosse Vorteile waren den Meisterssöhnen vorbehalten, die 
vielfach nur die Hälfte der Gebühren zu entrichten hatten. Die 
Goldschmiede,^^) Brauer ^^) und Borabasiner^^) erliessen sogar 
vollständig die vorgeschriebene Lehrzeit. Die Bombasiner nahmen 
überhaupt nur Meisters- und Bürgerskinder als Lehrlinge auf.^^) 

Wie die Natur der einzelnen Handwerksgattungen verschieden 
ist, so macht sich auch eine grosse Mannigfaltigkeit in der Dauer 
der festgesetzten Lehrzeit kund. 1^/2 Jahr verlangten die Alt- 
räuscher ^^) — ihr Wunsch im Jahre 1640,^^) die Lehrzeit auf 
zwei Jahre zu erhöhen, wurde vom Rate nicht erfüllt — zwei 
Jahre die Mützenmacher,^®) Pelzer und Buntwirker,^^) Fassbender,^®) 
Nadler,^^) Bombasinmacher,^^) Drahtzieher^^) und Kannegiesser,^*) 
drei Jahre die Schuhmacher,^^) Posamentwirker,^®) Schmiede,^^) 
Leiendecker,^®) spanischen Nadelmacher, 2^) Hamacher,^®) Bäcker,^^j 
Kessler,^^) Schneider,^^) Glas- oder Penstermacher,^^) Schreiner,^^) 



^) Die Forderungen der einzelnen Zünfte waren folgrende: Schmiede, 2 ^r. Pfd. 
Wachs der Bruderschaft, 2 Viertel Wein der Gesellschaft. (A. Z. cap. 23. S. 13.) ; Pelzer 
und Buntwirker. 3 M. u. 1 kl. Pfd. Wachs. (R.) (1511.); Schreiner, 1 üoldgulden (R. (1660) 
Kr. 2.); Kessler, 1 Goldsrulden. (R. (1578) Nr. 3.); Schneider, 1 Pfd. Wachs (R. Nr. 1, Bl. 1.); 
Schuhnacheri ein Fremdfer 4, ein Bür^erskind 2 Goldfulden. (R. (1641) Nr. 60.); Fassbender, 
1 Goldgulden. (K. Nr. 2.); Posamentwirker, 1 Goldgulden anno 1616, 8 Gulden anno 1640. 
(11 d. F.); span. Nadelmaoher, 1 Flasche Wein oder 12 M. (R. Nr. 3.); Bäcker, statt der 2 
schlecht. Gulden 2 Goldgulden, 2 Pfd. Wachs oder 2 Goldgulden, dem Marktmeister V* Wein. 
Quix Wochenblatt, a. a. O. S. 13.); Leiendecker, 2 Pfd. Wachs und V* Wein des Besten. 
(A. Z. S. 374.); Steinmetzen, Wein und Wachs. (R. 1487). 

2) K. (i486) Nr. 5. - ») R. 

*) Quix. Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jahrg. II. S. 13. Ratsbesohluss 1574. 

») R. (1486) Nr. 7. - «) R. (1573) Nr. 1. - ») R. Nr. 1. - S) a. Z. S. la 

*) Stahl, Das deutsehe Handwerk, I. S. 183. 

1") R. d. Alträusoher. - ^i) R. Nr. 2. — i«) r. Nr. 3. — i»j R. Nr. 4. — ") R. (1618). 
~ ") R. Nr. 88. - 10) R. (1609). - ^^) su ik, O. (1640). - i») R. Nr. 6. - ") R. Nr. 5. — 
") ß. - 2») R. d. Krämer (1584) Bl. 11. -- «3) R. Nr. 37. — «3) a. Z. 8. 38 f. — «*) R. (1587). 
1 R. (1625) Nr. 52. - =»«) R. (1616). - ") R. (1582) 8. 22. - 2») A. Z., Bl 373 f. - 



- 85' 

**^?lNj:- ^_— "'*) R- ^r- IjL -,") Quix; Wochenblatt "mr' Aachen und Ümgegendl II.J. 8. 9. 

K' 



«) R. Nr. 3. — 8«) Zunftbuch. Bl. 7 f. - »*) R. d. Spiegelambachts. Nr. 3. — 

) K. (leeo) Nr. 9. 



— 48 — 

Leineweber^) und Zimmerleute,*) vier Jahre dia Kratzmacher, ^) Brauer,*) 
Hutmacher,*) Barbiere^) und Steinmetzen^) und sechs Jahre die 
Goldschmiede®) und Kunst- und Glassohilderer.^) Diese Lehrjahre 
durften bei manchen Gewerben nur bei einem Meister ausgedient 
werden, wie z. B. bei den Kesslern,^^) Mützenmachern^^) und Draht- 
ziehern,**) bei den Schuhmachern^^) bei einem, höchstens zwei 
Meistern dieser Stadt. Verliess ein Lehrling» ohne Verständigung 
mit dem Meister sein Lehrverhältnis, so trug dieser Schritt für 
den Lehrjungen schwere Polgen. Die Passbender^*) erklärten die 
bis dahin vollbrachten Lehrjahre für null und nichtig. Die Gold- 
schmiede^*) bestimmten nach einem besonderen BeschJuss aller 
Meister die noch zu leistenden Lehrjahre. Kam der Lehrling bei 
den Hutmachern ^®) innerhalb vierzehn Tagen zurück, musste er 
24 Aachener Gulden für das Einschreiben bezahlen und die Lehrzeit 
von neuem beginnen; kam er nach vierzehn Tagen nicht zurück, 
so war ihm die Erwerbung des Handwerks vollständig abgeschnitten. 
Hiermit steht im Zusammenhange, dass die Hutraacher^') sogar 
von den Eltern des Lehrlings Bürgschaft für die volle Absolvierung 
der Lehrjahre erheischten. Die Durchführung dieses Prinzips, 
einen häufigen Wechsel der Lehrjuiigen zu verhindern, förderte 
die Bestimmung, dass kein Meister einen anderen Lehrling ohne 
vorherige Rücksprache mit dem ersten Lehrherrn oder ohne ein 
Wahrzeichen annehmen durfte.'®) 

Entsprangen die Verordnungen über die Dauer der Lehrzeit 
in der Blüte des Zunftwesens nur dem Wunsche, das Handwerk 
durch eine gute Ausbildung der späteren Meister zu heben, so ist 
auch wohl die seitens der Zunft den Meistern auferlegte Beschrän- 
kung der Lehrlingenzahl auf denselben Beweggrund zurückzuführen. 
In diesem Sinne ist es wohl aufzufassen, wenn das Spiegelambacht ^^) 
dem Meister, der des Glasmalens unerfahren " war, verbot, einen 
Lehrjungen anzunehmen oder ihn durch einen fremden Knecht 
unterrichten zu lassen. Es erlaubten die Kratzmacher,^^) Leien- 
decker,^^) Barbiere,^^) Drahtzieher,^^) Laderaacher,^*) Schneider, 2^) 
Steinmetzen 2^) und Schmiede^'') nur einen Lehrling anzunehmen; 
die Schmiede den zweiten nur dann, wenn der erste Lehrling sein 
letztes Jahr antrat. Drei Lehrlinge durften die spanischen Nadel- 
macher 2®) halten. 

Während seines Dienstverhältnisses trat der Lehrling, wie auch 
in anderen Städten, *^^) wohl vollständig in die Familie des Meisters 
ein. Die Hutraacher^^) weisen daher besonders darauf hin, dass 
die Lehrjungen innerhalb der Lehrjahre ihrem Meister und deren 
Prauen gehorsam sein sollten. Ohne Erlaubniss durften sie an 
Sonn- und Feiertagen nicht ausgehen. Falls der Meister über 
Ungehorsam zu klagen hatte, verlor der Lehrling seine Lehrjahre. 



1) R. Nr. 1. - 2) R. Nr. 22. - ») R. Nr. 1. — *) R. Nr. 4. - ») R. Nr. 1. — «) R. 
Nr. 1 Bl. 4. — ') R. (1487). — s) R. Nr. 1. — ») R. d. SpiegrelambaohtsNr. S. ~ ^^) R.Nr. 3. 
- ») R. Nr. 5. - 12) A. Z. (1580) S. 38. — ") R. d. Schuhmacher a. a. O. — ") R. — »») R. 
Nr. 2. — 16) R. Nr. 5. — i^) a. a. O. Nr. 1. i«) R. d. Krämer, Bl. 11. (1584.)— »») R. Nr. & - 
2«) R. Nr. 3. - 2») A. Z. S. 381. - 2«) R. Nr. 24. — 2») A. Z. 8. 38. — 24) a. a. O. a 69. - 
2ö)R. (1624) Bl. 7. — 26) B. (i670) Nr. 17. - »') A. Z. (1644) 8. 69. — 28) R. Nr. 7. 

20) Hartmann, Geschichte der Handwerkerverbände der Stadt Hildesheim S. 43. 

80) R. Nr. 4. 



— 49 — 

Eine Milderung dieser Strafe konnte nur durch das Ambaoht 
geschehen.^) 

Zieht man nun in Betracht, dass die Zunft der Posament- 
wirker^) sogar ihren Meistern die gute Behandlung der Lehrlinge 
besonders ans Herz legen und dass den Lehrlingen der Kessler^) und 
Hutmacher*) ein Beschwerderecht bei den Greven der Zunft ein- 
geräumt werden musste, so war nach alledem, vorzüglich durch 
die keineswegs humane Auffassung in damaliger Zeit verstärkt, 
die Stellung des Lehrlings wenig beneidenswert. Der Lohn des 
Lehrlings bestand im allgemeinen in freiem Unterhalt und freier 
Unterkunft. Die Hutmacher ^) aber gewährten nach einem ,, alten 
Brauch*^ dem Lehrling im ersten Jahr drei, im zweiten Jahr vier, 
ira dritten Jahr fünf und im vierten Jahr sechs Aachener Merk 
täglich und die Leiendecker^) neben der Kost im ersten Jahr fünf, 
im zweiten Jahr sechs und im dritten Jahr sieben Bauschen täglich. 

Mit der Vollendung der Lehrjahre trat der Lehrling aus 
seinem früheren Dienstverhältnis in den Stand der Gesellen."^) Ob 
hiermit irgendeine Förmlichkeit, wie an anderen Orten,®) verbun- 
den war, ist nicht ersichtlich. lieber die „redlich ausgestandenen" 
Lehrjahre gaben die Kutmacher^) und Barbiere*^) auf Begehren 
bei entsprechender Würdigkeit ein Zeugnis, wofür 24 Aachener 
Gulden beziehungsweise 4^/2 Reichstaler zu entrichten waren. 

Im Gegensatz zu der Aufnahme des Lehrlings oder Meisters 
wurde im allgemeinen beim Eintritt in das Gesellentum eine Ge- 
bühr nicht verlangt. Eine Ausnahme machen allein die Stein- 
metzen,^^) deren Gesellen, die 14 Tage am Handwerk arbeiteten, 
sechs Goldgulden zu entrichten hatten. Die Hamacher ^2) dagegen 
forderten von dem Meister bei der Annahme eines Knechtes ein 
Pfund Wachs. Die Aufnahme verwehrt wurde von den Kupfer- 
schlägern ^*) jedem, der Geld seinem früheren Herrn schuldete 
oder beim Diebstahl ertappt worden war, von den Stein- 
metzen^*) jedem ausländischen Knecht. Eine besonders grosse 
und wichtige Rolle spielte das frühere Verhältnis zum Meister im 
Leben des Gesellen. Der Geselle verpflichtete sich nämlich bei 
Uebernahme der Arbeit, auf eine bestimmte Zeit bei seinem Brot- 
herrn zu bleiben.^*) Ein solcher Vertrag konnte bei dem Spiegel- 
ambacht ^®) auf einen Monat oder auf ein Jahr geschlossen werden. 
Hieran knüpfte sich die Bedingung, dass bei Lösung des Ueberein- 
kommens der Geselle ein halbes Jahr weder in der Stadt noch 
im Reiche Aachen arbeiten durfte. Um dem Gesellen jede Mög- 
lichkeit, sich über seine Verpflichtungen hinwegzusetzen, zu ver- 



^) Eine Entsoheidung des Rates für die Bäokerzunft, die freilich aus dem Jahre 1699 
Btammtf sei zur VerTollständigung hier wiedergegreben. Der Bat bestimmte, dass die Lehr- 
jnn^en der Bäcker dem Meister und seiner Frau in allem Billigen gehorsam sein sollten, 
wie z. B. Kinder halten, Klüte machen, Wasser herbeitragen. Ohne Erlaubnis durfte der 
Lehrling das Haus nicnt verlassen oder während der Nacht ausbleiben, widrigenfalls er 
seiner bisherigen Lehrzeit yerlustig ging und zwölf Taler Strafe zahlte. (Quix, Wochenblatt 
lar Aachen und Umgegend. Jhrg. II. S. 14.) 

») R. — ») R. Nr. 4. — *) R. Nr. 4. — ß) a. a. 0. Nr. 2. — o) A. Z. S. 374. 

^) Der terminus teohnicus für Geselle war »Knecht*. 

^) Hartmann, a. a. 0. S. 44. 

•) R. Nr. 3. — 10) R. Nr. 17. Bl. 6. - ") R. (1670) Nr. 18. — ") R. Nr. 6. 

") R. Nr. ö. (1550). — ") R. Nr. 21. — ") R. d. Kupferschläger. Nr. 5 u. 6. 



— 50 — 

sperren, wurde seitens der Zünfte/) ebenso wie bei den Lehrlingen, 
den Meistern verboten, den im , Unfrieden*' geschiedenen Gesellen 
zu beschäftigen. Eine genaue Kontrolle ermöglichte die Verordnung 
der Kupferschläger,*) wonach ein jeder Geselle ein ^Wahrzeichen" 
beibringen musste, während bei den übrigen Ambachten im allge- 
meinen es den Meistern oblag, sich bei dem früheren Dienstherrn 
des neuen Gesellen zu erkundigen. Ein wie grosser Wert diesen 
Bestimmungen beigemessen wurde und von wie grosser Bedeutung 
sie für das gewerbliche Leben waren, zeigt, dass selbst die 
Schmiedezunft der Stadt Köln sich im Jahre 1470 mit der gleich- 
namigen Zunft der Stadt Aachen zur Durchführung dieses Prinzips 
in Verbindung setzte.^) 

Wie bei den Lehrlingen finden wir auch bei den Gesellen 
der Brauer und Kessler dieselben Hinweise auf die Ablegung eines 
Eides vor der Aufnahme. 

Erklärlicherweise waren für die fremden Gesellen besondere 
Bestimmungen notwendig, deren Härten jedoch hier weniger als 
bei der Erwerbung der Meisterschaft zum Vorschein kommen. Ein 
fremder Knecht, der das Handwerk in einer anderen Reichsstadt 
gelernt, war nach einem Aufenthalt von einem Monat verpflichtet, 
den Passbendern ^) einen Goldgulden und den Steinmetzen,^) wenn 
er länger als 14 Tage arbeitete, ein Viertel Wein und ein Pfund 
Wachs zu geben. Die fremden Hutmaoher-^) und Goldschmiede- 
gesellen ^) hatten ein Zeugnis ihrer vorgeschriebenen Lehrjahre zu 
bringen. Die Meister des Hutmacherambachts waren gezwungen, 
jedem fremden Knecht einen Zehr- und Reisepfennig verdienen zu 
lassen. Diese Arbeitsbeschäftigung durfte aber, falls keine Stelle 
frei war, 14 Tage nicht überschreiten. 

Erhalten wir über die Dauer der täglichen Arbeitszeit der 
Gesellen gar keine Kunde, so sind wir über den Arbeitslohn nur 
auf recht dürftige Nachrichten angewiesen. Im Jahre 1625®) be- 
stimmt der Rat, dass die Spuler der Bombasiner acht Bauschen 
täglich, die Spinner von jedem Pfund im Hause sechs Merk, 
ausserhalb des Hauses fünf Merk und vom Pfund doppelt „ahren** 
Garn im Hause sechs und ausserhalb des Hauses sieben Merk 
erhalten sollten. Die Glas- oder Fenstermaler ^) durften nur im 
Monatslohn, nicht aber im Stücklohn arbeiten. Erbärmliche Zu- 
stände herrschten bei den Posamentierern. Der Rat sah sich 1623 ^^) 
veranlasst, dem genannten Ambacht aufzutragen, ihren Knechten 
einen solchen Lohn zu geben, dass diese von „anderer Leute 
Türen und dem Betteln" abgehalten würden. Arbeiten auf eigene 
Rechnung waren den Gesellen verboten. ^^) 

In dem Wesen der Zunftinstitution begründet lag vor allem 
das Ziel, einen das Handwerk schädigenden Wettbewerb, wie der 



^) B. d. Mützenmacher, Schreiner Nr. 8; Hamacher Nr. 7: Schmiede A. Z. S. 10; 
Kupfersohläger Nr. 16: Schneider Nr. 6; Leiendecker A.Z.S.374; d. Spiegelambachts (1637). 

2) R. (1550) Nr. 3. - ») A. Z. S. 14. - *) R. Nr. 6. - ») R. (1487). - «) R. Nr. 9. 

7) R. Nr. 9. 

*^) R. d. Bombasiner. Diese Stücklohnarbeit findet sich auch bei den Wollwebern 
Hildesheims. Hartmann, a. a. 0. S. 46. 

^) R. d. Spiegelambachts. Nr. 6. - i«) R. d. Posamentierer. (9. XI. 1623). 

11) IL d. Schneider Bl. 4 Nr. 7; R. d. Spiegelambachts Nr. 6. 



— 51 — 

Grossbetrieb ihn im Gefolge hat, fernzuhalten. Zur Erreichung 
dieses Zieles bot analog dem Lehrlingswesen die gleichmässige 
Beschränkung der Gesellenzahl eine günstige Handhabe. Einen 
Knecht gestatteten die spanischen Nadelmacher,^) Alträuscher,*) 
Kratzmacher; ^) 'zwei die Lademaoher,*) Leiendecker ;^) drei die 
Barbiere*) und Schreiner;') die Schneider®) seit 1646 vier Knechte, 
vorher sechs und die Steinmetzen^) fünf. Die Kessler ^^) beschäf- 
tigten anfangs nur einen Knecht, bis 1640 vom Rate ein zweiter 
bewilligt wurde. Aus einer Klage des Jahres 1641 seitens des 
Kesslerambaohts stellt sich aber heraus, dass ohne sein Vorwissen 
ein Meister „Franz Olocker und Konsorten" bei dem Rate um 
Erhöhung der Knechtzahl gebeten hatten. Deswegen wird die 
Ratsentscheidung des Jahres 1641 wieder aufgehoben und der 
betreflFende Meister mit einem Müdt Roggen für das arme Waisen- 
haus bestraft. Ein Meister des Hutmacherambachts^^) konnte einen 
Knecht und einen Lehrjungen oder zwei Knechte und keinen 
Lehrjungen halten. Ausserdem stand es ihm frei, seine Söhne 
und einen Meister, der als Knecht arbeiten wollte, zu beschäftigen, 
weil diese, wie es in der eigentümlichen Begründung heisst, keinen 
„Platz beschlagen". Das übliche Wanderwesen, ^^) das jedem neuen 
Gesellen den Zwang des Wanderns und Arbeitens in fremden 
Städten auferlegte, nahmen auch die Aachener Zünfte in ihre Rollen 
auf. Die Wanderzeit der Barbiere ^^) betrug vier und die der 
Schmiede ^^) zwei Jahre. 

In manchen Städten ^^) hatte sich im Laufe der Zeit auch 
eine Vereinigung der Gesellen als selbständige Körperschaft mit 
zunftartiger Organisation herausgebildet. Die Aachener Geschichte 
weist zwar solche Gesellenverbände nicht auf, lässt aber der Ver- 
mutung Raum, dass seitens der Gesellen Versuche gemacht worden 
sind, solche Vereinigungen als Schutz und Wehr gegen die immer 
grösser werdenden Lasten und einseitigen Beschränkungen zu 
bilden.^^) Den Gesellen der Kupferschlägerzunft ^'^) wurde nämlich 
vom Rate verboten, „Versammlungen oder Heuffung" in Bier- 
häusern oder an anderen Orten abzuhalten, um ihre Meister zu 
benachteiligen.^®) Beschwerden sollten sie an den Rat oder die 
Ambachtsmeister richten. Da sonst nirgendwo weitere derartige 
Bestrebungen der Gesellen sich bemerkbar machen, so scheint in 
Aachen mit Hülfe des Rates jede selbständige Regung der Gesellen 
niedergehalten worden zu sein. 

Zu den Schutzgenossen der Zunft gehörten ferner die Frauen und 
Mädchen. Dass selbst einige Zünfte Mädchen als Lehrlinge zuliessen, 

1) R. Nr. 7. — 2) R. (1633) Nr. 18. — «) R. Nr. 3. *) A. Z. (1644) S. 67. — ») A. Z Bl. 381 f. 

•) R. Nr. 24. Bl. 5 t — ') R. (1660) Nr. 12. — 8) R. (1646) Bl. 9 und (1624) Bl. 7. 

«j R. (1670) Nr. 17. — »o) R. Nr. 12, 27 und Nr. 42. — ") R. Nr. 7 und 8. 

^V Vffl. hierüber ausf&hrlioh Stahl, Das deutsche Handwerk. Bd. I. S. 384 ff. u. Schanz, 
Zar Gesohiobte der deutschen Gesellen verbände im Mittelalter. Leipzig 1876. 

*») R. Bl. 4. — 1*) A. Z. (1582) S. 40. 

i5j Yg\, Bodemann. Die älteren Zunfturkunden der Stadt Lüneburg. Quellen und 
Darstellungen zur Gesohiobte Niedersachsens. Band I. Hannover 1880. Einleitung. S. 58 ff. 
and Uartmann, a. a. O. S. 47 ff., Knunbholtz, a. a. 0. Einleitung S. 88. 

^^ Eingehend behandelt dieses Emanzipationsbestreben der Gesellen Schonlank» 
Soziale Kämpfe vor 300 Jahren. Altnürnbergische Studien. Leipzig 1894. 

") R. Nr. lö. 

^^) Ein ähnliches Verbot erliess der Strassburger Rat im 15. Jahrhundert an den 
dortigen Gesellenstand. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgesohichte der Stadt Strass- 
barg. Historische Studien von E. Ehering. Heft 40. Berlin 1903. S. 65. 



— 52 — 

haben wir sohon erfahren. Es sind dies im allgemeinen solche Gewerbe, 
deren Eigenart und Produktion dies rechtfertigen, und die auch heute 
zum Teil dem weiblichen Qesohlechte offen stehen, wie das Ambacht 
der Wollenweber, Schneider, Mützenmacher und Sackträger. Die Er- 
werbung der Hand Werksberechtigung war gerade wie bei den Männern 
mit einer Geldzahlung verknüpft, während freilich von den ander- 
'^eitigen Forderungen keine Rede ist. Die Abgabe einer Arbeiterin 
an das Wollenambacht ^) betrug zwölf rheinische Gulden und die an 
die Schneiderzunft anfangs drei Gulden und eine Flasche Wein, 
späterhin drei Reichstaler. Zu der Tätigkeit des Frauenschneider- 
ambachts gehörte die Anfertigung von Unterröcken, und was man 
von ^/4 Neutuch machen konnte, Hosen, Aermel und dergleichen. 
Jede üebertretung dieser abgegrenzten Rechte zog eine Strafe 
von zwei Merk nach sich.^) Die Sackträgerfrauen waren vor allem 
in der Wollküche mit dem Auflesen der Flocken beschäftigt^) und 
die Mützenmacherinnen mit dem Stricken der Mützen.*) 

Die Schutzgenossenschaft der Zunft erwarben die Frauen 
aber meistenteils erst nach dem Tode des Handwerksmeisters, 
indem dann den Witwen gestattet wurde, das Handwerk auf 
eigenen Namen fortzusetzen.^) Bei den Lodern ging das Gewerbe, 
falls kein Sohn vorhanden war, auf die eheliche Tochter des Ver- 
storbenen über, die» „solange sie wollte und lebte und unverändert 
blieb, gleich einem Bruder nach Bruderschafts- und Ambachts- 
brauch sein sollte*^.®) 

Während die bisher angeführten Schutzgenossen irgendeine 
gewerblich begründete Beziehung zu dem Ambacht hatten, standen 
die Beigekorenen dem betreffenden Handwerk vollständig fern. 
Die Ursache ihrer Zunftangehörigkeit liegt auf politischem 
Gebiete. Mit dem Siege der Zünfte im Jahre 1450 über das alte 
Patrizierregiment verordnete der Rat, „dat nu ind vertan wir ind 
ein jeder unser burger ind underseessen in und zu einer der 
vurgenanten gaffeln, der eine dan beste genügt kiesen ind vereid 
sein sal".^) 1580®) wird das Zuwiderhandeln gegen dieses Gebot 
mit dem Verlust des Bürgerrechts bestraft.^) Diese Masnahme er- 
klärt sich wohl dadurch, dass durch diese Organisation sämtlicher 
Aachener Bürger und Untersassen dem Rate besser die Möglich- 
keit geboten war, seinen Einfluss auf alle diese geltend zu machen 
und einen neuen Aufstand zu verhindern. 

Die Aufnahme in eine Zunft hatte innerhalb 14 Tage, nachdem 
einer zur ^.Bhe gegriffen" oder sich zu ,,Hause gesetzt*', zu geschehen. 
Alsdann wurde der bürgerliche Eid vor den Bürgermeistern geleistet.^®) 

Diese Beigekorenen nahmen an allen Stuhltagen wie auch 
an allen wichtigen Verhandlungen teil. Sie besassen freüich, wie 



1) K. d. WoUenambaohts (1442) Extractus. 

3) R. d. Schneider. Bl. 3 f. Nr. 14, Nr. 13 u Zunftbuoh der Schneider. Bl. 6 f. 
0) Ordnuner der Sackiräfer, Loersch, A. R. D. S. 166. Nr. 27a. § 2. 
*) B. d. Mützenmacher. Nr. 6. 
'^) R. d. Schmiede, cap. 5. 
0) B. d. Loder, Extractus. Bl. 24. 
A Noppius. III. S. 134. 

^) Quix, Beiträgre zur Geschichte Aachens. III. S. 104. 

^) In Münster war der Eintritt in eine Zunft als nBeisresohworener* nicht oblisra- 
torieoh. Krumbholtz, a. a. 0. Einleitungr* S. 100. 
^0) Gaffelbrief ron 168L Nr. 2. 



— 53 — 

es scheint, nur beratende und keine besohliessendo Stimme.*) 
Pernerhin konnten sie von den Zünften als Ratsmitglied präsentiert 
werden, doch mit der Beschränkung, dass stets ein Ambachts- 
meister Mitglied des kleinen Rates war.^) Diesen ausgedehnten 
Rechten gegenüber waren die Pflichten sehr gering. Die Be- 
freiung von Gaffel-Laufgeld und anderen Kosten trat ein, falls der 
Beigekorene sich gewerblich nicht betätigte und auf dem Stuhl- 
tage oder sonst kein Zeichen mit empfing.^) 

Dieser Reihe der Schutzgenossen standen die Vollgenossen, 
die Meister des Handwerks, gegenüber, jene, die den eigentlichen 
Kern der Zunft und die Träger des Zunftgedankens waren. Die 
Aufnahme in diese Zunftklasse war mit der Eröffnung eines 
selbständigen Handwerksbetriebes verbunden. Doch manche For- 
derungen, die bei jeder Zunft mehr oder minder gross waren, 
harrten vorher der Erfüllung durch den Bewerbenden. 

Die erste Vorbedingung wird auch in Aachen, wie in anderen 
Städten, der Besitz des Bürgerrechtes gewesen sein, wenn auch 
nur die Goldschmiede*) und Kessler^) dies besonders betonen. 
Schon bei der Aufnahme der Lehrlinge und Gesellen wurde Wert 
auf die guten moralischen Eigenschaften gelegt. Wir können uns 
daher nicht wundern, dass bei dem eigentlichen Eintritt in die 
Zunft die Hamacher,®) Schneider,^) Goldschmiede,®) Löder,®) Brauer,^^) 
Färber ^^) und Leineweber *2) diese Forderung noch einmal wieder- 
holen und betonen. Den Geist der Zeit verrät der Umstand, dass 
die Barbiere ^*) und Leineweber ^'^) nur Meister röm.-kath. Glaubens 
in ihrer Zunft duldeten. Ja, dem Kessler Abraham Kalkberner, 
der sich 1654 zur katholischen Religion „bequemte", wurde aus 
diesem Grunde die Handwerksgerechtigkeit nachgelassen.^^) 

Im Vordergrunde des Interesses der Zunft stand sicherlich 
die gute und treffliche Ausbildung des angehenden Meisters. Hatte 
der Meisterkandidat seine Lehrjahre in Aachen selbst vollbracht, 
so war ja für seine dem Zunftsinno entsprechende berufliche 
Tätigkeit in dieser Zeit von selbst die Gewähr gegeben. Demnach 
bedurfte es hierüber keines weiteren Nachweises. Wir finden 
daher auch nur bei einer Zunft, den Posamentwirkern, ^^) dass sie 
von jedem einen „Schein und Beweis" über Meister, Ort und Zeit 
seiner Lehrjahre begehrten. Anders verhält es sich natürlich mit 
den Fremden. Sie mussten sich über die von der Zunft verlangten 
Lehrjahre ausweisen. ^'^) Lag diese Forderung im Interesse des 
Handwerks begründet, so weicht von dieser Notwendigkeit ab, 
jedem Fremden für die nicht in Aachen zugebrachte Lehrzeit eine 
besondere Geldabgabe festzusetzen. Diese betrug bei den Ha- 
machern^®) drei und den Schuhmachern^®) vier Goldgulden. Die Gold- 
schmiede und Kupferschläger gingen sogar soweit, die in Aachen 

1) a. a. O. Nr. 8. 

*) Im Jahre 1696 beschloss der Bat per maiora, dasR bei den Ratswahlen der Hand- 
werkggeno88e den Beigrekorenen vorzuziehen sei. A. Z. S. 296. 

») GaflFelbrief v. 1681. Nr. 7. 

*) R. Nr. 7. — ö) R. Nr. 7. - «) R. Nr. 1. - ') R. Nr. 1. Bl. 1. - ») R. Nr. 9. 

•) R. Bl. 24 flF. — 10) R. - ") R. Nr. 12. - ^^) R. (1659) Nr. 1. — »») R. Bl. 4, Nr. 1. 

1*) R. Nr. 1. — ") R. d. Kessler. Nr. 32. Bl. 11. — i«) R. (1616). 

") R. d. Hamacher. Nr. 1; R. d. Goldschmiede. Nr. 7; R. d. Kessler. Nr. 7; R. d. 
Spiegrclambachts. Nr. 4; R. d. Schuhmacher (1590) Nr. 30 u. a. m. 

") R. Nr. 1. — 1») R. Nr. 30. 



— 54 — 

vorgeschriebene Lehrzeit noohmals zu verlangen mit der Milderung 
freilich, dass die einzelnen Lehrjahre zum Teil oder ganz gegen 
eine verhältnismässig hohe Geldzahlung abgekauft werden konnten.^) 
Ja, einige Zünfte^) schreiben den Fremden als Ort der Lehrzeit 
eine Reichsstadt, andere^) ^wenigstens eine vornehme" Stadt vor. 
Ausser der Leistung der vorgeschriebenen Lehrjahre war 
zur Erlangung der Meisterschaft bei manchen Zünften auch noch 
eine bestimmte Zeit des Gesellentums massgebend. Die Spiegel- 
macher ^) forderten zwei, die Krämer und Vettewärer drei Jahre ;^) 
drei Jahre ebenfalls die Schneider, wobei derjenige, der unter 
Vorlegung eines Beweises schon in einer anderen Stadt Meister 
war, diese drei Jahre für vier Goldgulden nicht zu leisten brauchte.^) 
Dem Sinne nach gleich war der Wanderzwang der Barbiere und 
Schmiede.'') Das beste Kennzeichen der Tüchtigkeit des neuen 
Meisters ergab sich aus der Anfertigung eines Meisterstückes. 
Im Laufe der Zeit forderten es die Schneider,®) Schuhmacher,^) 
Hamacher,^®) spanischen Nadel macher,^^) Hutmacher,^^) Kessler/^) 
Bombasiner,**) Spiegelmacher und Kistenmaler, ^^) Schreiner,*®) 
Kratzmacher,^'') Leiendecker,^*') Mützenmacher,^^) Fassbender,20) 
Leineweber,^*) Zimmerleute,^^) Steinmetzen,^^) Kannegiesser,^*) Bar- 
biere ^^) und Goldschmiede.^®) Einige Beispiele mögen hier angeführt 
werden. Den Goldschmieden wurde als Arbeit aufgetragen ein 
Kelch oder^ wenn keine Aussicht für den Verkauf vorhanden war, 
ein grosses Trinkgefäss; ferner ein Siegel mit Schild und Helm, 
die Metallteile an einem Frauengürtel oder ein Ring mit Email- 
verzierung. Die Barbiere, die zu gleicher Zeit die Arzneikunst 



1) R. d. Goldschmiede Nr. 10; B. d. Kupferschlägrer Nr. 1. 

2) R. d. Spie^elambachts Nr. 4 und B. d. Krämer. (1634) Bl. 17 f. 
») R. d. Hamacher. Nr. 1. — *) R. (1626). 

*) R. d. Krämer. (1512) Bl. 22 f. 

0) R. d. Schneider. Nr. 12. Bl. 3. — ») Yg\. S. 51. 

») R. Nr. 1 Bl. 1: Vier Stucke. Eines Mannes Tobbart aus 4 Ellen Tuch, ein Männer- 
wams aus 4V2 Ellen Sairtuch (srrobes, starkes Zeug, halb Leinen, halb Wolle. Schiiler- 
Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. IV. S. 26), ein Frauenstück von 5 Ellen und 
ein Frauensarrock von 10 Ellen oder ein Frauen-Zurketz Ton 4 Ellen (Zurketz-Zoerk-Honk, 
ein ylereckiffer Lappen, aus welchem die Nonnen ihre Kopfbedeckung: machten. Muller 
und Weitz, Die Aacnener Mundart. S. 87 und 267.) 

ö) R. (1622) Nr. 51: 3 Stücke: ein Paar Stiefel, ein Paar Klippen und ein Paar 
Riemensehuhe. 

^") R. d. Hamacher, Nr. 1: ein Gezeug für ein Karrenpferd mit Zubehör. 

^^) R. Nr. 5; Allerhand Sorten von Nadeln. 

^^) R. Nr. 14. Drei Hüte, zwei schwarze und einen grauen. 

^') R. Nr. 5. Ein Kohlenkessel, ein Schinkenkessel, eine Holzteute oder Wasserkanne 
mit kupfernen Bändern. 

1«) R. Nr. 1. Ein Stück Bombasinen. 

^^) R. d. Spiegelambachts Nr. 7. Spiegelmacber oder Kistenmaler: eine gemalte 
Kiste nach Vorschrift Schilderer: eine kleine nSchiiderey** ; Glasmaler: ein Fenster, auf 
dem sich eine MHistorie** befindet; Schlechte Glasmaler: ein weisses Fenster, auf dem das 
Wappen des hl. Lukas und in weissem Glas drei blaue Schilde gefasst sind. 

^^) R. Nr. 1. „Ein Tresoir mit steilen, überkantenen, abgeladenen Cantelaren, unten 
ein Piedestal, darüber die Türen mit Compartementen, Panelen, darüber die Türen yon dem 
Tresoir eingesetzt mit einer springenden Pfeife und einer ausziehenden Tafl'el mit Haupt- 
leisten und eingeschnittenen Armen. Der Fuss unten mit einem Posement. Die Friese 
aufgelegrt mit drei Lippen in dorischem Stil." 

") R. Nr. 5. vacat. 

^8) A. Z. Bl. 375. Ein Stück von Holz und eins von Stein. 

^B) R. (1572) Nr. 17. Ein Probstück mit karden und scheren. 

^) R. Nr. 7. Eine Butterstamp, hölzerne Teute oder Wasserkanne, ein schiefe Zingh 
(ausgebuchtenes Gefäss) mit Ohren. 

2^) R. Nr. 2. Sechs Servietten nach von den Vorstehern aufgegebenem Muster. 

**) R. Nr. 1. vacat. 

^') R. (1670.) Nr. 1. Ein Kreuzfenster mit Zubehör, ein spitzer Bogen und ein verdrück- 
ter Bogen. 

^^) R. (1487.) Eine glatte Flasche von einem Quart, eine Quart mit einem hohen 
Fuss undf ein . . . (Weiteres in der Urkunde unleserlich). — ^^) R. Bl. 4. Nr 1. — **») R. Nr. 7. 



55 — 



ausübten^ mussten drei Aderlasse an Hand, Fuss und Arm ausführen, 
ein Diapalm, Oxioroeium emplastrum und einUnguentum Basiliconis 
machen. Im Anschlüsse hieran fand dann noch eine mündliche 
Prüfung vor den Greven und „Medicinae Doctoribus" statt. 

Wie vollzog sich aber die Meisterprüfung, d. h. was erfahren wir 
über die zu beobachenden Vorschriften, den Ort und die zur Prüfung 
berechtigten Paktoren? Ueber die Zeit, die dem Prüfling zur Anferti- 
gung des Meisterstückes zu Gebote stand, liefern uns nur die 
Hutmacher ^) eine Nachricht. Sie gewährten drei Tage.^) Das 
Meisterstück musste selbständig gemacht werden. Um jede Mög- 
lichkeit einer fremden Hülfeleistung auszuschalten, wiesen die Gold- 
schmiede^) das Haus der beiden Greven, die Schuhmacher*) das 
Zunfthaus an. Bei den Schreinern^) bestimmten die zwei Greven 
nach ihrem Gutdünken ein Haus, oder es konnte gegen eine Zahlung 
von acht Talern und der Ablegung eines Eides, das Werk selbst 
zu machen, der Betreffende nach seinem Belieben einen Prüfungs- 
raum aussuchen. Bei den Hutmachern®) lag es der gesamten 
Zunft ob, als Prüfungsort das Haus eines ihrer Meister, bei dem 
der Examinand nicht gelernt, festzusetzen. War der Prüfungsort 
bei den einzelnen Zünften verschieden, so lag auch die Begutachtung 
der angefertigten Arbeiten jeweilig in anderen Händen. Die Zunft- 
versammlung richtete bei den Goldschmieden^) die Zwölfmänner 
bei den Schuhmachern®), die Greven bei den Passbendern,^) Leine- 
webern^^) und im Verein mit den Aerzten der Stadt bei den 
Barbieren ^^) und vier aus den Zwölfmännern Erwählte bei den 
Schneidern. ^*) Traten Meinungsverschiedenheiten der Examinatoren 
der Leineweber ein, so entschieden die Bürgermeister. Die 
objektive Beurteilung des Meisterstückes seitens der Sachver- 
ständigen verbürgte beim Schneiderambacht ein Eid: „Ihr sollt 
geloben und schwören zu Gott und seinem heiligen Evangelium, 
daas ihr über das Werk, das ein neuer Meister beim Schneider- 
handwerk zum Probestück schneiden soll, recht weisen sollet nach 
Eurem besten Verstand und nach Inhalt der Schneiderrolle und 
derselben als herkommenden Gewohnheit, so wahr Euch Gott 
helft und sein heiliges Evangelium". ^^) 

Fiel das Probestück nun zur Unzufriedenheit aus, so war 
vorläufig der Erwerb der Meisterschaft ausgeschlossen. Die Rolle 
der Leiendecker drückt dies in den Worten aus, wenn ein Geselle 
das Meisterstück „nyet viss en machde, as sich gebuert, so sali 
hey vertane leren, bis hey dat kan".^^) Die Schneider ^^) gestatteten 
dann schon nach einem Vierteljahr eine neue Bewerbung, nachdem 
sie freilich für das erste negative Ergebnis eine Strafe von einem 
grossen Pfund Wachs und die Leiendecker^^) seit 1533 zwölf M. 
von dem durchgefallenen Prüfungskandidaten gefordert hatten. 
Ward aber die Leistung „uffrecht" ^'^) befunden, so war damit die 



n R. N. 14. 

*) Nach einer Notiz vom Jahre 1692 grewährten die Schneider nur einen Tagr. Zunft- 
buch der Schneider. Bl. 122 flf. 

') R. Nr. 7. — *) R. (1622) Nr. 51. — ^) R. Nr. 1. - o) R. Nr. 14. — "') a. a. 0. — 

8) a. a. O. ») R. Nr. 7. - i») R. Nr. 2. - ii) R. d. Barbiere. Bl. 4. Nr. 2. — 

") R. d. Schneider. Bl. 2. Nr. 4. 

*») Zunftbuch der Schneider Bl. 134 f. 

^*) A. Z. Bl. 375. — 1*) R. Nr. 2. — *o) A. Z. Bl. 379. — i') R. d. Fassbender. 



— 66 — 

Aufnahme als Meist-er in die Zunft gesiohert, doch noch nicht 
vollzogen, da vorher nooh mancherlei finanzielle Verpflichtungen 
zu erledigen waren. 

Allgemein war die Forderung der Handwerksgerechtif^keit, 
die aus Abgaben in Geld, Wein oder Wachs und einem ledernen 
Eimer bestand. Die Höhe dieser Abgaben schwankt bei den 
einzelnen Zünften und im Laufe der Zeit auch bei ein und der- 
selben Zunft. Als Beispiel dieser Gebühren diene, dass die Schuh- 
macher^) 1461 einen rheinischen Gulden, einen ledernen Eimer, zwei 
grosse Pfund Wachs der Brüderschaft und vier Viertel Wein und die 
Alträuscher^) 1486 einen rheinischen Gulden, einen ledernen Eimer, 
ein Pfund Wachs der Brüderschaft und ein Viertel Wein vom 
Besten zahlen mussten. Diese finanziellen Beträge waren anfangs 
gering. Dies erforderte ja schon allein der Zweck der Zunft, der 
Zunftzwang. Denn in direktem Gegensatz hierzu würde es ja 
gestanden haben, wenn man den Eintritt in das Handwerk durch 
besondere Massnahmen erschwert haben würde.^) Erst im 16. Jahr- 
hundert, zugleich mit dem Verfall der Zünfte,*) macht sich eine 
Erhöhung der Abgaben bemerkbar, die in der Absicht geschah, 
die Zahl der Handwerksmeister zu beschränken. Eine solche 
allmähliche Erhöhung weisen die Rollen der Schuhmacher,^) Alt- 
räuscher,®) Bombasiner,^) Krämer,*) Leiendecker,®) Steinmetzen ^^) 
und Kannegiesser^^) auf. Eine stele Steigerung entwickelte sich 
bei den Posamentierern. Im Jahre 1616 beträgt die Handwerks- 
gerechtigkeit einen Gulden, 1623 zwei Goldgulden, 1840 vier 
Gulden, 1687 fünfundzwanzig Taler.^^) Ein besonderes Ansinnen 
stellten die Brauer nooh an ihren jungen Meister, indem jeder ein 
Kapital von 100 Gulden sein eigen nennen musste.^^) Wie wir an- 
fangs schon gesehen, wurden auch bei diesen Abgaben die Fremden 
stärker belastet als die Einheimischen. Fast alle Zünfte ver- 
langten von den Fremden das Doppelte,^*) und nur die Hamacher 
begnügten sich mit einem Aufschlag eines Drittels.^^) Im Gegensatz 
hierzu boten sich den Meisterssöhnen bei der Bewerbung um die 
Zunftangehörigkeit, wie auch sonst, grosse Erleichterungen und 
Vergünstigungen. Von der Handwerksgerechtigkeit befreiten 
gänzlich die Schuhmacher^®) und Färber,^^) von der Zahlung des 
Geldes die Goldschmiede^®) und Brauer,^^) von einem Teil der 
Gebühr die Schmiede,^®) Fassbender,^^) Mützenmacher,^^) Kupfer- 
schläger,^^) Kessler,^*) Schneider,^^) Hamacher,^® Bombasiner.^^j 
Barbiere,^®) Bäcker,^») Spiegelmacher,^®) Hutmacher,^^) Kanne- 
giesser,^^) Steinmetzen^^) und Leineweber.^*) Diese Vorteile genossen 

I) R. Nr. 1. - 2) R. Nr. 1. 

') Verl. Stieda^ Zar Entstehiingr des deutsohen Zunftwesens. Jahrbücher für National- 
ökonomie und Statistik. Bd. 26 S. 112. 

*) Vgl. den betreflFenden Abschnitt. — ») R. (1461) Nr. 1 und (1619) Nr. 48. — «) R. 
(1486) Nr. 1 und (1640). — ') R. (1572) Nr. 40 und (1577) Nr. 43. — ») R. (1486) Bl. 3f und (1531) 
Bl. 5 und 8 f. — ») A. Z. (1506) Bl. 374 und (1538) A. Z. Bl. 378. 

10) R. 1487: Drei Gulden, zwei Viertel Wein, ein lederner Eimer, ein Pfund Wachs. 
1670: 28 Reiohstaler, einen zinnernen Teller, eine Serviette, ein grosses Pfund Wachs, led. 
£imer und dem Laufknecht sechs Gulden. 

II) R. (1487 und 1529). — i2) r. d. Posamentierer. — i») R. — i*) R. d. Pelzer (1511) 
Nr. 5; R. d. Schmiede A. Z. Kap. 9 S. 7. — ") R. — le) r. (1565) Nr. 20. - ") R. Nr. 12. — 
18) R. Nr. 1. — 1») R. Nr. 5. ~ ^) A. Z. Kap. 9 S. 7. - «0 R. Nr. 8. — »2) r. Nr. 7. — »») 
R. Nr. 1. - 2*) R. Nr. 8. — »») R. Bl. 1. Nr. 2. — ^) R. Nr. 1. - «') R. Nr. 40. — »8) r. 
Bl. 4. Nr. 2. — ^^) R. d. Backer. (Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jhrg. II. 
S. 13.) - 80) R. Nr. 6. - ^^) R. Nr. 14. - ^'^) R. (1487) - »=') R. Nr. 10. - ^) R. Nr. 3. 



~ 57 — 

naoh der Rolle der Steinmetzen nur diejenigen Meisterssöhne, die 
nach der Erwerbung der Meisterschaft des Vaters geboren wurden.^) 
Seit dem Jahre 1654 wurden auch die Stiefkinder der Kessler 
den ^Ehekindern" gleichgestellt.^) Die Hutmacher ^) und Zimmer- 
leute ^) konnten sogar für ihre Söhne während derer Minderjährigkeit 
die Meisterschaft erwerben. Das erforderliche Alter der Zimraer- 
leute war 13 Jahre. Diese frühzeitige Meisterschaftserlangung ist 
wohl nur als eine äussere Förmlichkeit ohne jede praktische 
Bedeutung zu betrachten, da diese „jugendlichen Meister" der 
Hutmacher keine Knechte halten oder selbständige Arbeit leisten 
durften. Ferner bewirkte die Heirat mit der Tochter oder Witwe 
eines Meisters eine grosse Milderung der Aufnahmebedingungen 
und erleichterte in erheblichem Masse das Selbständigwerden des 
Handwerksgesellen.^) Es enthob zum Beispiel die Ehe eines Gold- 
sohmiedegesellen mit einer Meisterstochter der Geldabgabe, und die 
rait einer Meisterswitwe verlieh an und für sich die Meisterwürde.®) 
Was das Alter des Kandidaten anbetrifft, so erfahren wir nur von 
den Bombasinern, dass der junge Meister ^20 Jahre alt sein sollte, 
oder er hielte im Ehestande dermassen Haus^ dass er seinem Weibe 
und Gesinde nach Gebühr vorstehen könnte".'') 

Ueber die Förmlichkeiten, die mit der Aufnahme verbunden 
waren, fliessen die Quellen recht dürftig. Im allgemeinen begnügte 
man sich wohl mit einem Eide auf die Satzungen und einem Treu- 
versprechen. Der junge Schmiedemeister wurde nach Aufnahme 
durch die Greven den Bürgermeistern vorgestellt. Ein dreimaliger 
Akt, in Form und Zeit voneinander verschieden, begleitete die 
Verleihung des Meistertitels bei den Bäckern. Zuerst versprach 
der neue Meister, in Gegenwart des grössten Teiles der Genossen, 
den Greven und Marktmeistern allzeit Gehorsam zu leisten und 
ein treuer Ambachts- und Feuerwehrmann zu sein. Am Sonntag 
danach erfolgte eine Abgabe an die Zunft. Diese wiederholte sich 
auf einer dritten, der nächsten Versammlung; wobei der neue 
Meister in den „Sohynen" (ein abgesperrter Raum) stand.®) Ein 
annähernd getreues Bild gibt die Rolle der Brauer^) wieder. 
Zuerst legte man dem zukünftigen Meister verschiedene Fragen 
vor, nämlich, ob er ehelich von Vater und Mutter geboren, ob er 
gescholten, verleumdet oder sonst an seiner Ehre befleckt worden, 
ohne sie verteidigt zu haben. Nach entsprechend zufriedenstellender 
Antwort trat der Aufzunehmende vor, und die Greven und Zwölfer 
gaben nach einer vorherigen Beratung die Antwort: „Weü er sich 
berührter Punkten expurgiret und allerdings entschuldiget, so soll ihm 
sein Ambacht zugesagt werden mit der Bedingung, dass er dem 
Ambacht die gebührende Gerechtigkeit ehe und bevor er von 
der Brauerlaube abtritt, entrichten und genugtuen soll." Alsdann 



1) a. a. O. — «) R. Nr. 33. Bl. 11. — 3) R. Nr. 17. — *) R. Nr. 14. 

») R. d. Schneider. (1624) Bl. 7 f; R. d. Bombasiner. (1623): R. d. Färber Nr. 12; R. 
a. Bäcker. (1&36). Quix, Wochenblatt für Aachen und Uuigegrend. Jhrg» II. S. 9; R. d. Leine- 
weber. (1659) Nr. 6. 

®) R. d. Goldschmiede. Nr. 8. 

') R. d. Bombasiner. (J577) Nr. 43. 

^) R. d. Bäcker (1547). Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgregend. S. 9. Anni. 1. 

») R. (1577). 



— 58 - 

muBSte der neue Zunftgenosse den Greven an Eidesstatt ein Treu- 
und Qchorsamsgelöbnis abgeben. Ferner verpflichtete er sich, alle- 
zeit den meisten Stimmen zu folgen, über die Verhandlungen auf 
der Laube Stillschweigen zu beobachten und alle Widerwärtig- 
keiten des Ambachts den Greven und dem Ambacht mitzuteilen. 
Um das Handwerk möglichst auf Aachen mit Ausschluss der 
nächsten Umgebung zu beschränken, forderten die Bombasiner 
das Versprechen, das Handwerk nur in Aachen oder an solchen 
Orten und Städten auszuüben, wo von altersher Brauch und gute 
Ordnung gewesen.^) Der neue Lödermeister schwor zu den Heiligen, 
das Handwerk nur „bynnen der Stadt Aiche ayu argelist* zu ver- 
richten.2) Seit dem Jahre 1627^) bestand für alle neue Zunft- 
genossen die Verpflichtung, vor ihrer Aufnahme durch die Zunft 
bei den Bürgermeistern sich anzugeben, den dem Rate gebühren- 
den Anteil der Handwerksgerechtigkeit zu entrichten und ihren 
Namen in das dafür bestimmte Buch einschreiben zu lassen. Eine 
hierüber vom Ratssekretär ausgestellte Bescheinigung diente der 
Zunft als Beleg. Diese Verfügung findet ihren Grund in der Saum- 
seligkeit und Nachlässigkeit der Zünfte in betreff der Auszahlung 
der dem Rate zukommenden Gelder. 

Hatte nun der junge Handwerker die vielerlei Schwierigkeiten, 
die der Gründung eines eigenen Betriebes entgegenstanden, glück- 
lich überwunden, und war es ihm endlich gelungen, in die Schar 
der Zunftmeister aufgenommen zu werden, so erforderten die 
Zunftstatuten, dass dieser bedeutende Abschnitt im Leben des 
jungen Mannes im Kreise der Zunftmitglieder durch den sogenann- 
ten Meister schmaus gefeiert werde. Zu diesem Zwecke bestimmten 
die Hamacher*) drei Viertel Wein vom Besten, einen Hammel- 
schinken und ein Stück gekochtes Fleisch, die Brauer sechs 
Viertel Wein^) und die Schneiderzunft®) zwei Kannen Bier vom 
Besten und für einen Gulden Brot (zusammen für sieben Gulden) 
und für vier Gulden spanischen Wein und die Meisterflasche eben- 
falls für vier Gulden.'') Bei den Hutmachern®) versammelten sich 
alle Meister jeden Abend während der drei Tage, die zur Anfer- 
tigung des Meisterstückes zu Gebote standen, und erhielten auf 
Kosten des Prüflings eine „portion**. Eine Befreiung hiervon war 
nur gegen eine Gebühr von 32 Aachener Gulden möglich.®) Die 
Satzungen der Zimmerleute ^^) verlangten die Bezahlung der auf 
dem Zunftsaale von den Handwerksmeistern gemachten Zeche. 
Die Barbiere ^^) schafften überhaupt die früher übliche „Kollation" 
ab, um an deren Stelle 125 Gulden zu fordern. Wenn auch die 
Nachrichten über diesen Meisterschmaus in der Aachener Zunft- 
geschichte nicht allzu reichlich und umfassend sind, so lassen sie 



1) E. d. Bombasiner. (1577) Nr. 43. — ») R. d. Löder. Bl. 25. 

8) R. d. Krämer. Bl. 17. - *) R. (1637) Nr. 1. — •'•) R. Nr. 5. 

^) Zunftbuch der Schneider. Bl. 4. 

'') Im Jahre 16$)2 wird bestimmt, dass nach dem Meisterstück keine Mahlzeit mehr 
bei dem Handwerk gehalten werden soll wie von altersher, sondern es soll mit einem 
freundlichen Trunk beendigt worden. 

8) R. Nr. 14. 

n Im Jahre 1698 waren es 40 Gulden. 

10) R. (1669) Nr. 22. — ") R. Bl. 4. Nr. 2. 



— 59 — 

dooh zur Genüge erkennen, dass dieser Brauch, der sich anfangs 
wohl in engen und bescheidenen Bahnen bewegte, allmählich zu 
einem Missbrauch sich entwickelte, der an die finanziellen Kräfte 
des einzelnen hohe und manchmal unerschwingliche Anforderungen 
stellte. Wenn trotz aller dieser grossen Schwierigkeiten sich noch 
genügend Handwerker um Aufnahme in die Zunft bewarben, so 
lag dies vielfach an den Vorteilen, die die Korporation ihren An- 
gehörigen gewährte.*) — Von der Mitgliedszahl der Zünfte ist im 
übrigen in den Quellen wenig die Rede. Die Schneiderzunft ^) 
bestand 1288 aus 85, die der Leineweber^) 1657 aus 37 und die 
der Schreiner*) 1670 — schon ein Zeichen des tiefsten Nieder- 
ganges — aus neun Handwerksmeistern. Als äusseres Kennzeichen 
der Zugehörigkeit einer Zunft schritten die Mitglieder bei feierlichen 
Anlässen und Aufzügen in besonderer Tracht einher. Diese bestand 
bei den Schneidern aus einem roten Mantel.^) 

Die praktische Durchführung der hohen Aufgaben der Zunft, 
sei es auf zünftigem, wirtschaftlichem oder politischem Gebiete, 
machte naturgemäss die Schaffung von Organen notwendig, die, 
mit besonderen Vollmachten ausgestattet, der Zunftverwaltung erst 
ihr festes Gepräge geben konnten. 

An der Spitze einer jeden Zunft standen Vorsteher, die 
in Aachen den Namen „Greven** führten. Nur die Vorsteher 
des Wollenambachts wurden Werkmeister genannt. Sie unter- 
schieden sich noch von den übrigen durch die Art ihrer Wahl. 
Während nämlich bei allen Zünften die Wahl der Greven in den 
Händen der Zunft mitglieder lag und auf der jährlichen Haupt- 
versammlung, dem Stuhltago, erfolgte, wurden die Werkmeister 
vom Rate eingesetzt und vereidigt.®) Ein Einfluss dos Rates auf 
die Wahl ist sonst bei den Zünften nicht der Fall; wohl wurden 
die Greven des Goldschraiedeambachts nach der von den Zunft- 
mitgliedern getätigten Wahl den Bürgermeistern der Stadt vor- 
gestellt und durch diese vereidigt.^) Der Grund hierfür liegt in 
^der Ordnung der Gewerbeverhältnisse, die auszuüben die Obrig- 
keit als ihre Pflicht ansah";®) denn die Vorsteher dieser Zunft 
waren zugleich auch deren Gewerbeaufsichtsbeamten.^) 

Zu der Wahl der Greven mussten die Schmiedemeister um 
9 Uhr Morgens in den „Minnenbrüder" persönlich erscheinen. ^^) 
Der Wahlmodus war bei diesen") derart, dass die alten Greven 
und die übrigen Mitglieder je einen wählten, während sonst sämt- 
liche Greven von der Zunftversammlung gewählt wurden.*^) Da 
die Spiegelmacher noch mit anderen Handwerksgattungen zu einer 
Zunft vereinigt waren, so wurde ein Greve aus den Spiegelmachern 



Erumbholtz, a. a. O. Einleitung. S. 120. 

2) vgl. S. 21. — 8) R. — *) R. d. Zimmerleute. 

^) Zanftbach der Schneider. (1626) 61. 4 f. 

«) Gaffelbrief v. 1681. Nr. 17. — ^) R. Nr. 12. 

8) V. Below, Territorium und Stadt. S. 309 ff. 

') vgl. die weiteren Ausführungen. 

10) A. Z. (1502) 8. 2t. Nr. 6. — i*) a. a. O. (1443). Kap. 2. S. 2. 

") Im Janre 16Ö4 wird laut Schraiederolle bestimmt, da88 ein neuer Greve, wie 
auch in den anderen Zünften üblich sei, aus den Zwölfern, der andere aus der Gemeinde 
gewählt werden sollte. 



— 80 — 

oder Kistenmalern, der andere aber aus den Sohilderern, Glasmalern 
oder Glasmachern erkoren.*) Wurde das Arat eines Vorstehers durch 
dessen Tod frei, so erfolgte bei allen Zünften eine Neuwahl erst 
am nächsten Stuhltage.*) Einzelheiten über die Grevenwahl, über 
die erforderliche Stimmenzahl und das wahlfähige Alter erfahren 
wir nicht. Die SohmiederoUe^) macht allein auf eine gute, alte 
und löbliche Herkunft des neuen Greven aufmerksam, und die 
Kupferschlägerrolle*) legt ausserdem Wert auf Kenntnisse und 
Erfahrung im Handel und Handwerk. Auch die religiösen Wirren 
blieben nicht ohne Einfluss auf die Organisation der Zünfte. Laut 
kaiserlich ergangener Resolution vom Jahre 1614 sollten nur 
Katholische zu Greven, Zwölfer, Baumeistern und anderen Zunft- 
ämtern zugelassen werden.^) Zur Annahme der Wahl war jeder 
verpflichtet. Die Schmiede^) schlössen den, der der Wahl nicht 
Folge leistete, „ohne Arglist" aus der Zunft aus. Die Kannc- 
giesser"') und Kupferschläger®) setzten eine Geldstrafe auf jede 
Weigerung, letztere aber mit dem Vorbehalt, dass ein jeder vier 
Jahre nach seinem Grevenjahr ein Ambachtsamt nicht mehr zu 
übernehmen brauchte. An die Wahl der höchsten Zunftbeamten 
knüpfte sich vielleicht ähnlich wie beim Eintritt in die Zunft eine 
kleine Feier. Wenigstens weisen darauf einige den Neugewählten 
auferlegte Verpflichtungen hin. Die Greven der Hutmaoher ^) 
mussten nach „altem Brauch und Sitte" vier Aachener Gulden, 
der Mützenmacher^^) zwei Viertel Wein, der Steinmetzen^^) eine 
„Kalbharsch** und der Ziramerleute'^) einen Hammelschinken geben. 

Die Zahl der Zunftvorsteher war allgemein zwei. Bei den Kupfer- 
sohlägern waren es anfangs ebenfalls zwei,*^) seit dem Jahre 1510'^) 
aber vier, die aus den Zwölfern genommen wurden. Einige Unter- 
schiede machen sich bei der Amtsdauer bemerkbar. Sie schwankt 
zwischen ein und zwei Jahren. Ein Jahr betrug die Amtszeit bei 
den Alträuschern,*^) Schmieden, ^^) Kupferschlägern, ^'') Mützen- 
machern,^®) Kesslern ^*^) und spanischen Nadel m achern ;2^) zwei 
Jahre bei den Goldschmieden,^^) Hutmachern ^2) und Barbieren.^^j 
Auch der Werkmeister Tätigkeit überschritt nicht zwei Jahre. 
Goedart von Eichhorn wird nämlich vorgeworfen, drei Jahre Werk- 
meister gewesen zu sein, was vorher nie geschehen sei.^*) Bei 
einer auf zwei Jahre berechneten Amtsdauer schied jedes Jahr 
einer der beiden Greven aus.^^) 

Die Befugnisse der Greven waren mannigfacher Art. Die 
Greven waren vor allem die Leiter und Repräsentanten der Zunft. 
Sie beriefen die Versammlungen ein, verwalteten Geld und Gut, 
übten Gerichtsbarkeit und polizeiliche Strafgewalt, kurzum, sie 
verkörperten die höchste Macht in der Zunft. Unbedingter Ge- 
horsam in allen Ambacht sangelegenheiten sowie Ehrerbietung gegen 

^) R. d. Spiegrelambachts. Nr. 2. 

*) A. Z. (1628) S. 59. 

8) a. a. 0. (1443) S. 2. Kap. 2. 

*) R. der Kupferschläger. (1548) Nr. 1 und i. J. 1505. Extraotus. Bl. 17 f. 

5) R d. Kessler. (1614). — «) R. Kap. 2. — '^) R. (1434). — ^) R. (1548) Nr. 1. — »)R. 
Nr. 18. — 10) R. (1506) Nr. 10. — ^^) R. (1670). Nr. 13. — i») R.Nr. 18. — *»/ R. (1505) Nr. 1. 
— ") a. a. O. Nr. 12. — i») R. Nr. 1. - lO) A. Z. S. 2. Kap. 2. — *») R.Nr. 1. — i8)R. (1506) 
Nr. 10. - 10) R. Nr. 1. - ^) R. Nr. 2. — »i) R. Nr. 12. - a») R. Nr. 18. — ") R. Nr. 26. 
Bl. 6 und Nr. 20 Bl. 5 f. — ^^) v. Fürth, I. S. 15. - 2°) R. d. Goldschmiede, a. a. O; R. d. 
Barbiere a. a. O 



— 61 — 

ihre Person war eine Pflicht der Mitglieder. Geld- und andere 
Strafen ahndeten jegliche Unbotraässigkeit.^) 

Das Amt selbst muss, wie überhaupt alle leitenden und aus- 
führenden Stellungen innerhalb der Zunft, als ein Ehrenamt aufge- 
fasst werden. Nur in geringem Masse gewährte den Vorstehern 
ein Anteil an den Strafgeldern, 2) Einschreibegebühren der Lehrlinge,^) 
Abgaben der neuen Mitglieder*) oder ein Teil der Handwerks- 
gerechtigkeit ^) eine Entschädigung für die vielfachen Mühen und 
Arbeiten in der Verwaltung der Zunft und (\en dadurch hervor- 
gerufenen Zeitverlust im eigenen Handwerksbetrieb. Deswegen 
mag mancher lieber auf die Ehre, Greve zu werden, verzichtet 
haben, bis die besonderen Verordnungen über die Annahme der 
Wahl eine Ablehnung zu verhindern suchten. 

Bei der Erörterung des Vorsteherarates der Zünfte ist es 
notwendig, noch besonders die Stellung der Werkmeister des 
Wollenambachts zu würdigen. Nicht nur ragen sie durch ihre 
Herkunft, sondern auch durch Macht und Ansehen über ihre 
Aratsgenossen hervor. Die Werkmeister gehörten dem Patrizier- 
stande an. 1338 unterzeichnet ein Werkmeister als Ratsmitglied 
die Churgerichtsordnung ®), und Goedartv. Eichhorn war als „inge- 
boiren burger ind raitzgeselle^ Werkmeister.^) Diese patrizische 
Bevormundung scheint aber Unzufriedenheit erweckt zu haben. 
Man benutzte daher 1428 die Gelegenheit, die Werkmeister abzu- 
setzen und aus der Zunft „sigler** zu wählen,®) eine Errungenschaft, 
die freilich die Zunftherrsohaft nicht lange überlebte. Dass die 
Beseitigung der patrizischen Werkmeister keine endgültige war. 
geht sowohl aus dem in patrizischem Sinne abgefassten Bericht 
der Werkmeister über den Aufstand von 1428 an Kaiser Sigmund 
hervor^) als auch aus dem Umstände, dass noch 1681 die Werk- 
meister vom Rate erwählt und vereidigt werden.^^) Diese Erscheinung 
erklärt sich aus der besonderen Bedeutung des Tuchgewerbes für 
die Stadt. Die Tuchindustrie war eine reiche Quelle des Segens 
und Wohlstandes. Auf ihr ruhten in erster Linie die wirtschaftliche 
Grösse und der wirtschaftliche Ruhm Aachens in jener Zeit. Was 
Wunder, wenn der Rat im Interesse der Stadt diesem Gewerbe 
seine besondere Aufmerksamkeit widmete und die Leitung der 
Zunft Männern aus seinem Kreise übertrug! Waren es doch auch 
vor allem Patrizier, die in Aachen, wie in anderen Städten, ^^) 
den grossen Tuchversand und -handel innehatten und sich eine 
einflussreiche und überwiegende Stellung gegenüber den Tuchhand- 
werkern erwarben. Die Sonderstellung dieser Zunftvorsteher kommt 



n B. d. Schmiede. A. Z. S. 11. Kap. 18; B. d. Kupferschläger Nr. 7; H. d. Tlut- 
macher Nr. 13. u. a. m. 

*) Die Werkmeister erhielten z. B. die Hälfte der Strafffelder. Loersoh, A. R. D. 
S. 75. Nr. 12. 

»} Vgl. S. 46. 

*) R. d. F(chmiede. A. Z. S. 5. Kap. 4. 

^) R. d. Leineweber. Nr. 8. Sie erhielten drei Aachener Gulden von den Meisters- 
Böhneni von den übrigen einen halben Taler. 

•) Loersch, A. R. D. S. 50. Nr. 6. 

i V. Fürth, I. S. 33. Nr. 16. 

^ Loersch, Aachener Chronik. 



^ Yffk S. 81._ 



GafTelbrief von 1681. Nr. 15. 
ii) Schmoller, Strassborger Tücher- und Weberzunft. S. 393. 



— 82 — 

denn auoh in allen zünftigen Angelegenheiten zum Vorschein. 
Ihre richterliche Tätigkeit stellt zum Beispiel die aller anderen 
weit in den Schatten.^) Den Hutmaohern gegenüber vertraten 
die Werkmeister gleichsam die Stelle des Rates.^) Selbst eine 
gewerbliche Verordnung der Röder findet nicht die Bestätigung 
durch den Rat, sondern wird durch die Werkmeister gutgeheissen.^) 
Eine Gewerbeordnung des Wollenambachts vom Jahre 1387 er- 
liessen sie in ihrem Namen und nur mit ^»Bewilligung'* des Rates.^) 
Darin zeigt sich besonders die mächtige und hervorragende Stellung 
der Werkmeistor. Ihre Verordnungen öffentlich-rechtlichen Charak- 
ters bedurften nicht einmal der ^Bestätigung^ der städtischen 
Obrigkeit ! Alle anderen Zünfte dagegen mussten eine solche 
nachsuchen, sogar erbitten. 

Von dem machtvollen und einflussreiohen Amte des Werk- 
meisters im allgemeinen öffentUchen Leben liefern vor allem das 
14. und 15. Jahrhundert beredte Zeugnisse. Schon bevor die 
Zünfte durch ihren Sturm auf das aristokratische Regiment den 
Sturz der Geschlechter bewirkten, um bald selbst vorwiegend das 
Ruder im Staatsleben der Stadt zu führen, gehörten die Werk- 
meister des Wollenambachts schon längst dem Ratskollegium an.®) 
Nach Ablauf der Tätigkeit als Zunftvorsteher harrte ihrer ein an- 
deres ehrenvolles und bedeutendes Amt. Sie wurden sogleich 
ohne Wahl in ihrer Grafschaft Chris toflfel.®) Deutet schon das 
Privilegium vom 3. Februar 1406^) auf ihre nicht geringen Be- 
fugnisse, so erkennen wir ihr Ansehen und ihre Grösse in beson- 
derem Masse daran, dass selbst Bdelleute, die bei dem Rate die 
Verwirklichung ihrer Wünsche nicht erreichen konnten, die Werk- 
meister um ihre Verwendung angehen.®) Selbst die Fehde wurde 
ihnen und den Geschworenen des Wollenambachts angesagt.^) Dies 
ist eine auffallende Erscheinung. Sonst richtete sich nicht die 
Fehde, falls der Urheber der Zwistigkeiten einer politischen Ge- 
meinde angehörte, gegen diesen selbst, sondern gegen die letztere. 
Streitigkeiten zwischen den Werkmeistern und dem Herzog von 
Jülich — aus dem Grunde entstanden, „dat die Werkmeister ind 
geswoiren des woUenambachtz ons ind onser heirlicheit, der vaich- 
diien ind meieriien zu Aiche, an verkurt hedden* — konnten 
schliesslich am 24. November 1427 erst unter Vermittelung des 
Rates beigelegt werden. ^^) Begehrenswert und viel erheischt war 
sicherlich nach alledem jenes Werkmeisteramt, das für seinen 
Träger Einfluss, Macht und Ansehen in sich barg. 

Mit der Entwickelung der Zünfte ging Hand in Hand die 
der Verwaltung und Organisation. Während im Anfange des 
Zunftwesens der Greve die gesamte Zunftverwaltung beherrschen 
konnte, mussten bei dem machtvollen Emporblühen an Bedeutung 



Vgl* d. Abschnitt •Gerichtswesen*'. 
») vgl. S. 41 f. — 8) R. d. Farber und Röder. (1604). 
*) Loersch. A. R. D. S. 75. — ») vgl. Laurent, A. St. R. S. 411. Nr. 10. 
0) Gaffelbrief von 1681. Nr. 19. — "0 Noppius, III. S. 139. 
°) Pick, Aus dem Aachener Stadtarchiv. Z. d. A. G. Bd. IX. S. &5. Anni. 2. 
») Pick, a. a. 0. S. 109. Nr. 82. 

^^ Redlich, Urkundliche Beiträge zur Geschichte Aachens im 15. Jahrhundert. Z. d. 
A. G. Bd. XIX. S. 46. Nr. 20 u. S. 44. Nr. 16. 



— 63 — 

und Zahl für einzelne Zweige der Verwaltung besondere Organe 
geschaffen werden. Wir finden mit der Zeit neben den Greven 
ein Kollegium von zwölf Mann. Am ersten begegnet es uns bei den 
Schuhmaohern im Jahre 1506.^) Da es aber heisst von „alters 
her", so liegt sein Bestehen zeitlich weit zurück. Ferner war es 
so bei den Kupferschlägern, ^) Schmieden,^) Schneidern,*) Brauern,^) 
Posamentwirkern,^) Krämern,^) Barbieren,®) Bäckern^ und Zimmer- 
leuten. ^®) Im Zusammenhange mit den Zwölfern werden bei eini- 
gen Zünften auch noch sechs Männer ^^) und Baumeister ^2) genannt. 
Der Baumeister gab es zwei, einen Zwölfer- und einen Gemeinde- 
baumeister, ^^) von denen der eine, wie es scheint, und wie auch 
Quix**) annimmt, Vorsitzender dieser Zwölfmeistergruppe war. 

Die Stellung der sechs Meister inneihalb der Zunft kann 
man wegen der dürftigen Nachrichten nicht scharf abgrenzen. ^^) 

Die wichtigste und anfangs wohl auch einzigste Punktion 
dieses Zwölferausschusses erstreckte sich auf die Zunftgerichtsbar- 
keit. Er bildete das eigentliche Zunftgericht. Da der richterlichen 
Tätigkeit dieser Bearatenkategorie späterhin noch besonders Er- 
wähnung getan wird, so sei hier nur des allmählich sich ent- 
wickelnden Einflusses der Zwölfer auch auf die übrige Verwaltung 
gedacht. Die Schuhmacher^^) räumten den Zwölfmännern die 
Verhandlung und Verrichtung aller Ambachtsangelegenheiten im 
Verein mit den Greven ein. Ja, dem Rufe der Zwölfer hatte der 
Greve bei Strafe von zwölf Schillingen zu folgen 1 Während die 
Schmiede 1529^"') die Angelegenheiten des Ambachts den sechs 
und zwölf Männern allein anvertrauten, werden 1627^®) wiederum 
die Greven als gleichberechtigt neben diesen hingestellt. Bei den 
Barbieren^®) unterlag die Verwaltung der gemeinsamen Tätigkeit 
der Greven, Baumeister und sechs Männer. Leider schweigen 
sich die Quellen über diesen Gegenstand allzusehr aus, um vor 
allem die veränderte Stellung der Greven klar zum Ausdruck zu 
bringen.'*^) Doch zeigen die vielen Streitigkeiten zwischen Zwölfern 



n R. Nr. 10. - 2) B- (1510) Nr. 12. — ») A. Z. 0529) S. 27. Nr. 13. - *) R.Nr. 4. Bl. 2. 

») R. (1650). - ö) R. (1624). - ') R. (1679). - ») R. Nr. 26. - ») R. 

10) R. — Beiden letzten vier Zünften werden zwar keine Zwölfer, wohl aber Bau- 
meister genannt. Letztere sind aber nun, wie die weitere Darstellung ergibt, die Vor- 
sitzenden dieser Zwölfer. Folglich ist an dem Bestehen der Zwölfer selbst auch nicht zu 
zweifeln. Die Baumeister der Bäcker werden schon 1488 genannt. (Quiz, Wochenblatt für 
Aachen and Umgegend. S. 9 ff.) 

^0 ^' d. Schmiede, a. a. O; R. d. Posamentwirker, a. a. O; R. d. Bombasiner. 
(1618); R. d. Barbiere. Nr. 26. Bl. 6. — ^^ R. d. Schmiede. (1541). A. Z. S. 33. 

1') Zunftbuch der Schneider. (1625) Bl. 9. 

1*) Quix, Historisch-topogrraphische Beschreibung der Stadt Aachen. S. 148. 

^^) Diese sechs Männer sind auf keinen Fall mit den sechs Ratsdeputierten der 
Zünfte iaentisch, da ja auch politisch unberechtigte Zünfte, wie die Bombasiner und Posa- 
mentwirker diese Institution haben. — ^^) R. (1506) Nr. 10 und 11. 

1') A. Z. (1529) Nr. 14. 8. 29. — ") a. a. O. (1627) S. 56. — i») R. Nr. 26. Bl. 6. 

2") Aus dem Jahre 1685 ist uns eine Ratsentscheidung erhalten, die znr Beilegung 
der vielen Streitigkeiten die Befugnisse der Greven, sechs und zwölf Meister des Schmiede- 
ambachts genau regelt und zum besseren Verständnis der beiden Körperschaften hier 
folgen soll: 

1. Greven und sechs Meister regeln die Einnahmen und Ausgaben aller Handwerksgelder. 

2. Greven und sechs Männer sollen wie von altersher auf St. Peter- und Paulstag Rech- 
nung ablegen und zwar Morgens um 9 Uhr. Die überschüssigen Gelder nebst Auf- 
zeichnung der Mobilien und des Inventars soll den Zwölfern übergeben werden. 

3. Rechnungsablage der Zwölfer. 

4. Greven, sechs und zwölf Meister erhalten aus der Kasse 82 Gulden. 

5. Greven und sechs Männer erhalten bei ihrem gewöhnlichen Umgang für ihre Mühe- 
waltung mehr nicht als sechs Gulden. Sie haben die Gelder in Empfang zu nehmen. 

6. Bei Annahme eines neuen Meistern erhalten die Zwölfer zwölf und bei der Annahme 
eines Lehi^ungen drei Aachener Gulden. 



— 64 — 

und Greven besonders im Sohmiedeambacht auf der einen Seite 
die Sucht, auf Kosten des alten Vorsteheramtes eine Ver- 
grösserung der Macht zu erzielen, auf der anderen Seite das 
Bestreben, die traditionellen Rechte und Befugnisse zu verteidigen. 
Wie sehr die Greven langsam ihrer wichtigsten Rechte entkleidet 
und zu Schein- und Schattenvorstehern wurden, beweist die Ord- 
nung des Brauerambachts. Auf eine Beschwerde der Zwölfer 
durften in Zukunft die Greven ohne Beisein der erstem keinen 
Beschluss fassen, keine Eintragungen in das Handwerksbuch 
machen und ohne deren Vorwissen das Handwerk nicht zusammen- 
rufen.^) Passen wir kurz die Tätigkeit der Zwölfer, soweit es die 
mangelhaften Berichte zulassen, noch einmal zusammen, so sind 
diese Ausschüsse neben ihrer richterlichen Eigenschaft bald Stützen, 
bald gleichberechtigte Faktoren, bald Kontrolleure der Zunftvor- 
steher.2) 

Diese Zwölfmänner wurden aus der Mitte der Ambachts- 
genossen und durch diese selbst gewählt.^) Starb bei den Schmieden 
einer von den sechs oder zwölf, so übertrug der Rat aus drei ihm 
von dem Ambacht präsentierten Kandidaten einem das Amt/) 
Als 1532 zwischen den Meistern und Zwölfern des Schneider- 
handwerks Streitigkeiten entstanden, gab der Rat ein besonderes 
Wahlverfahren an. Am nächsten Stuhltage sollte man Zettel mit 
den Namen der im Amte befindlichen Zwölfer in einen Hut werfen 
und alsdann vier Zettel herausnehmen. Wessen Name gezogen 
würde, sei seines Amtes entsetzt.^) Eheliche Geburt und ein 
gutes Famen waren bei den Schneidern®) die ersten Vorbedingungen 
zur Erlangung dieser Zunftwürde. Die Verleihung jener Zunft- 
ämter war mit einer Abgabe seitens der Erkorenen an die Zunft 
verbunden. Nach einem Beschluss vom 16. Mai 1655^) betrug 
diese Abgabe, wie von „altersher" für jeden Baumeister 16 Gulden 
und einen Zwölfer 12 Gulden und ein „kenge beyr" ; bei einer 
zweiten Uebernahme desselben Amtes für den Zwölferbaumeister 12, 
den anderen Baumeister 8 und einen Zwölfer 6 Gulden. Die Amts- 
dauer belief sich bei den Schuhmachern®) auf ein, den Schneidern®) 
auf drei Jahre, indem bei den letzteren jedes Jahr vier ausschieden. 
Die Baumeister der Barbiere'^) blieben zwei Jahre im Amte. 
Beschwerden über die Tätigkeit der zwölf mussten an den Rat 
gerichtet werden. ^^) 



7. Bei Ergänzung der Zwölfer sollten die Zwölfer aus ihrem Handwerk drei dem Rate 
pr&sentieren. 

8. Kleine Streitigkeiten sollten die Greven und sechs Männer entscheiden. 

9. Bei einer Zusammenkunft der zwölf und sechs soll man sich mit einem Trunk begnu- 

feU) damit das Ambacht keine übermässige Kosten habe, 
^ie Zwölfer haben auf den Lauben bei allen Handwerksversammlungen den Vorsitz, 
bei Prozessionen und Leiohengang die Greven und sechs M&nner den Vorgang. 
11. Falls in der Hauptversammlung Streitigkeiten entstehen, sollen die Zwölfer nach 

Gebühr bestrafen. 
(R. d. Schmiede. A. Z. S. 77 f.) 
1) R. d. Brauer. Nr. 2. 

*) Solche GesohworenenaoBschüsse mit vorzüglich richterlicher Kompetenz, daneben 
auch mit Funktionen in der Zunftverwaltung, bestanden auch in Strassburg. Doch nur bei 
den Kürschnern bestanden sie aus Zwölfern, die sich bis zum Jahre 1240 zurückverfolgen 
lassen. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgeaohichte der Stadt Strassburg. S. 72 ff. 
*) R. d. Schuhmaoher. Nr. 10; R. d. Kupferschläger Nr. 12. 

*) A. Z. (1529) S. 27. Nr. 13. — »j R. d. Schneider. (1532) Nr. 15. Bl. 4. — «) R. Nr. 4. 
Bl. 2. - "0 Zunftbuch der Schneider. Bl. 4 f . — «) R. Nr. 10. — ») R. Nr. 15. Bl. 4. — ^o) R. 
Nr. 26. Bl. 6. — ^0 A. Z. (1529) S. 29. Nr. 15. 



— 65 — 

Als Entgelt für die Arbeit flössen diesen Beamten besonders 
in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Zunftgerichtes ein Teil der 
Strafgelder^) zu, oder sie erhielten bestimmte Gebühren von den 
streitenden Parteien. 2) Innerhalb der Schmiedezunft verwandten 
die Zwölfer manchmal gegen den Brauch Zunftgelder für ihren 
Unterhalt und zu ihrem eigenen Vorteil. Daher macht der Rat 
1566^) darauf aufmerksam, dass die Zwölfer das Handwerksgeld 
nach Sitte der anderen Gaffeln und Handwerker an „seinen Ort 
bringen" und nicht mehr ^verzechen" sollten. Diese Unsitte schlich 
sich trotzdem wieder ein. Im Jahre 1627*) sah sich das Schmiede- 
ambacht auf Grund neuer Vergehen der Zwölfer zu einer noch- 
maligen Bestimmung über die den Zwölfern zustehenden Rechte 
genötigt. Eine „besondere Gerechtigkeit" wurde ihnen ausdrücklich 
aberkannt und ihre persönlichen Einnahmen auf einen Anteil an 
den Buss- und Gaffelgeldern festgelegt. 

Vollständig anderer Art ist die dritte Gruppe der Zunft- 
beamten. Sie war mit der Beaufsichtigung und praktischen Durch- 
führung der gewerblichen Verordnungen und der Prüfung der 
Handwerkererzeugnisse betraut. Ihre Tätigkeit griff nicht in das 
innere Leben, sondern in den wirtschaftlichen Betrieb der Zunft 
ein. Es war ein Amt öffentlich-rechtlichen Charakters. Freilich 
mögen hier nur allgemeine Fragen eine Erörterung finden, während 
die eigentliche Amtsführung Gegenstand eines anderen Kapitels 
sein soll. 

Fast alle Zünfte besassen besondere Gewerbeaufsichts- 
beamten. Nur die Greven der Goldschmiede,^) Barbiere,®) Schreiner^) 
und des WoUenambachts,^) denen beiden letzteren aber noch 
besondere Beamten zur Seite standen, vereinigten dieses Amt in 
ihrer Person. Die Gewerbeaufsiohtsbeamten des WoUenambachts 
waren neben den Werkmeistern die zwei Geschworenen und 
Ambachtsknappen, auch „umbgengere inde besienre^ genannt,^) 
die der Löder und Schuhmacher die Ohurmeister und Lapp- 
ledersiegler,^®) der Bäcker ^^) und Fleischer ^2) die Marktmeister, 
der Mützenmacher ^') und Buntwirker ^*) vier Meister, der Brauer*^) 
die Hoppenmeister und Biermeister, der Müller^®) die vier Ge- 
schworenen, der Bombasiner ^^) die sechs Siegelmeister und ver- 
ordneten Bescher, der Schloss-, Lauf- und Lademacher ^®) die 
Stampmeister, der Kupferschläger ^®) zwei oder vier erfahrene 



1) R. d. Löder. (1669) Extraotus. Bl. 26. — ») Vgl- d. Abschnitt -Gerichtswesen.» — 
*) A. Z. S. 35. — *) a. a. O. S. 66 f. — ») R. Nr. 16, 17, 18 und 21. — ö) K. Nr. 24 Bl. 6 f. — 
') R. Nr. 11 und Nr. 6. 

8) Loersoh, A. R. D. 8. 75. Nr. 2. 

») Loersch, A. R. D. 8, 75. Nr. 2. 

10) R. d. Schuhmacher (1507) Nr. 16. (1577) Nr. 22 und 23. 

11) R. (1547), Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. S. 9 f. — Es gab drei 
Brotmarktmeister. Laurent, a. a. O. ^. 78. 

1«) Gaffelbrief v. 1681. — ") R. Nr. 7. — i*) R. d. Pelzer und ßuntwirker. Nr. 1. — 
") R. Nr. 2 und Nr. 9. 

1*) Quiz, Münsterkirche S. 147. Kr. 14. Diese vier Sachverständigen des Müller- 
ambachts werden ausserdem in älterer Zeit noch als Müller (moilner) oder geschworene 
Haller, iurati molendinarii, Geschworene des Mühlenambachts bezeichnet, auch heissen sie 
ma^stri molitores, Mühlenmeister, magistri molendinorum iurati, geschworene Mühlen- 
meister; später nannte man sie geschworene Wasserwieger oder Wasserwäger. Vgl. 
Loersoh, Beiträge zum Achener Wasserreoht im Mittelalter a. a. 0. S. 233. 

i') R. (1646) u. Nr. 14. 

1«) R. d. Schmiede. (1628) A. Z. S. 69 und 60. 

^•) R. (1660) Nr. 26. 



— 66 — 

Personen, der Krämer^) zwei oder drei Meister^ der Leiendeoker*) 
die drei gekorenen Meister, der Färber die gekorenen Stähler,*) 
der Hutmacher*) zwei Meister, der Alträuscher die Ohurraeister der 
Schuhinaoherzunft*^) und der Kannegiesser die Ohurmeister ihres 
Handwerks.®) Als Kontrolleure auf dem Gewandhaus und wahr- 
scheinlich aller das Tuchgewerbe berührenden Handwerke waren 
die Tuchsaalmeister und Siegler tatig.'') 

Im Gegensatz zu der Wahl der Verwaltungsbeamten der 
Zunft, die mit einer Ausnahme den Zunftmitgliedern zustand, 
macht sich bei der des Prüfungsbeamten ein mehr oder minder 
grosser Einfluss des Rates bemerkbar. Diese Tatsache entspringt 
dem öfifentlichen Charakter dieses Amtes, das sich ja nicht auf 
das Zunftleben beschränkte, sondern tief in das gesamte bürger- 
liche und städtische Leben eingriff. Vom Rate erwählt und ver- 
eidigt wurden die Brot-,®) Fleisch-,®) Löder-^^) und Kannegiesser- 
ohurmeister^^) und die Stampmeister ^^) der Schloss- und Lauf- 
maoher. Die vier Meister des Mützenmacherambachts ^*) und die 
Hoppenmeister der Brauer^*) gingen aus einer von den Zünften 
und den Bürgermeistern getätigten Wahl hervor. Von der Zunft 
gewählt, aber von den Bürgermeistern vereidigt, wurden die vier 
Meister der Pelzer und Buntwirker ^*) und die Greven der Gold- 
schmiede ^®) als Prüfungsbeamte dieser Zunft. Bei den Bombasinern ^^) 
lag es den sechs Siegelmeistern ob, sechs Personen dem Rate zu 
präsentieren, aus denen dann drei durch den Rat eingesetzt wur- 
den. Eine Präsentation der Tuohsaalmeister und Siegler lag in 
den Händen der Krämerzunft. Auf eine Klage der Krämer im 
Jahre 1598^®) über eine ihren Rechten zuwiderlaufende An- 
stellung antwortet der Rat, dass man dadurch die dem Ambacht 
von „altersher* zustehende Präsentation nicht habe nehmen wollen. 
Doch 1669^®) sahen sich die Krämer abermals zu einer Klage ver- 
anlasst. Dieses Recht der Krämer hatte sicherlich ihre Eigenschaft 
als Hauptzunft der Gewandschneider gezeitigt. In diesem Sinne 
ist es auch zu verstehen, wenn die Krämer auch Einfluss auf das 
Siegelmeisteramt der Bombasiner zu gewinnen suchten. Ihren 
Bemühungen gelang es 1680,*^) einen Vertrag herbeizuführen, auf 
Grund dessen zwei aus der Krämerzunft zu den Siegelmeistern 
der Bombasiner genommen werden mussten. Die Vereidigung der 
Gewerbeaufsichtsbeamten kann allgemein als Regel gelten.^^) Nach 



1) R. Bl. a - ^ A. Z. S. 375. 

3) R. Nr. 7. Stahler gleich staler, bezeichnet einen Prüfer der Tücher. Sohiller- 
Lübben, a. a. O. Bd. IV. S. 356. 

*) Werkmeistergericht. Nr. 7, 

<^) R. d. Alträuscher. (1004) Nr. 15. 

ö) R. — ') R. d. Kramer. Bl. 15 ff. 

8) Gaffelbrief von 1Ö81. Nr. 21. — ») a. a. 0. — *0) a. a. 0. — ") R. d. Kannegridsser. 

12) R. d. Schmiede. (1628) A. Z. S. 61. 

18) R. Nr. 1. - 1*) R. Nr. 9. - ") R. Nr. 1. - ") R. Nr. 12. - ") R. (1646). 

18) R. d. Kramer. Bl. 15 ff. — i«) a. a. O. Bl. 24. — «>) R. d. Bombasiner. (1680). 

21) Der Eid der Bombasiner hatte folgenden Wortlaut: 
^Ihr sollt glauben und schwören zu jG^ott und seinen Heiligen, den Herren Bürgermeister, 
Rat und Gemeinde dieser Stadt treu und gehorsam zu sein, das Aergste zu warnen und 
das Beste zu fordern, dass ihr, solange ihr das Siegleramt ausübt, alles Werk, das zu 
Eurem Siegleramt gehört, fleissig besichtigen sollt, ob dasselbe seine zugehörigen Längen 
und sein Mass hat und die gefundenen Längen auf das Blausiegel zeichnen. Dass ihr 
jedes Jahr wenigstens drei- oder viermal alle und jede »rieter** visitiert und besichtiget 
und auf ihre eiserne Mass messet, aller neuen Meister Signeten oder Werk fleissig auf- 
schreibt, und ob jedes Werk nach Ausweisung der Rollen gemacht und verfertigt ist. 



-- 6? — 

der Rolle der Pelzer und Buntwirker i) wurde jeder, der den Eid 
trotz des Bewusstseins ablegte, seine Pflichten nicht genau erfüllen 
zu können, mit drei Gulden bestraft. 

lieber die Amtsdauer dieser Beamten erfahren wir wenig. 
Vielleicht war ihre Tätigkeit nur auf ein Jahr berechnet, so dass 
raan aus diesem Grunde eine schriftliche Aufzeichnung nicht für 
notwendig hielt. Zwei Jahre blieben die vier Meister der Mützen- 
macher,^) der Bunt Wirker*) und die sechs Siegelmeister*) der Bom- 
basiner im Amte. Jährlich schied dann einer aus. Drei Jahre 
waren den Stampmeistern beschieden.*) 

Wie bei den übrigen Zunftbeamten, bildete auch hier ein Teil 
der einkommenden Strafgelder®) oder eine bestimmte Abgabe') von 
dem besichtigten Werke die Belohnung der mühevollen Arbeit. 

Die straffe Organisation der Zünfte sowohl auf genossen- 
schaftlichem als wirtschaftlichem Gebiete brachte manche Vergehen 
und Verstösse gegen die bestehende Ordnung mit sich. Es ergibt 
sich da die Frage, wem in diesen Fällen eine richterliche und 
polizeiliche Gewalt zustand. Der öffentlichen Behörde oder der 
Zunft? Von einschneidender und weittragender Bedeutung für 
die Befestigung und Stärkung des Zunftgedankens und der zünf- 
tigen Wirtschaftspolitik ist die den Zünften gewährleistete eigene 
Gerichtsbarkeit.®) Sie erstreckte sich auf Ungehorsam gegen die 
Greven,®) Versäumnis von Versammlungen,^®) Beerdigungen^*) oder 
Messen,*^) Streitigkeiten zwischen Zunftgenossen**) oder Be- 
schimpfungen derer Anverwandten,**) ungebührliches Betragen auf 
dem Zunftsaale,*^) Zahlungsweigerung der Strafgelder,*®) kurzum 
über alle Uebertretungen der Zunftgebote in betreff der Ge^ 
nossenschaft oder des Gewerbes. Nicht zuständig war das Zunft- 
gerioht in Sachen zweier Ambachten gegeneinander, Klagen gegen 



Dass ihr niemand wissentlich übersehet noch verschonet, sondern was nicht richtig 
befunden strafen und sonst nach Euerem Besten Verstand tuet und handelt, wie ei 
einem solcher Sachen Aufseher eignet und gebührt ohne Arglist*. (B. d. Bombasiner. 
Diese Angabe ist ohne Jahr und Datum. Doch da 1646 das Amt bestand, wird wohl 
der Eid dasselbe Alter haben.) 

n R. Nr. 2. - ») R. Nr. 2. 

^) R. d. Pelzer und Buntwirker. Nr. 2. 
. <») R. — «) R. d. Schmiede. (1632) A. Z. S. 64. 

^) R. d. Pelzer und Buntwirker: den vierten Teil der Strafgelder. B. d. Schuhmaoher. 
Nr. 22: den dritten Teil der Strafgelder. 

^) R. d. Mützenmacher Cl4s6): Von jedem Werk zu besichtigen ein Quart Bier, seit 
1506 ein Aachener Bentgen. Von diesen Bentgen mussten die vier Meister die Messen der 
Brüderschaft bezahlen. — R. d. Schuhmacher, ^r. 22: Seit 1512 mussten die Schuhmacher 
den Lederchurmeistem von 100 oder mehr Fellen ein Viertel Wein, von 50 oder HO eine 
Flasche Wein geben. Kauften die Schuhmacher zu mehreren von einem Kaufinann, so blieb 
die Abgabe dieselbe, als wenn einer nur kaufte. Kauften sie bei verschiedenen Kaufleuten, 
80 war jeder gezwungen^ nach seinem Anteil dem Churmeister für das Besehen die be- 
stimmte Abgabe zu entrichten. — R. d. Schmiede (1628) A. Z. S. 61 und 62: Die Stamp- 
meister erhielten den vierten Teil der für das Besehen festgesetzten Gebühren. Diese 
betragen für einen Lauf von vier Fuss 6 Schillinge, einen Bandelierlauf 3 Schillinge, einen 
Pistolenlauf 2 Schillinge, ein Schloss 6 Schillinge, ein ausbündiges Schloss 12 Schillinpre. — 
Loersch. A, R. D. S. 75. Nr. 12. § 2. Die Beseher des WoUenambachts erhielten von jedem 
Stück Tuch vier Pfennig. — R. d. Leiendecker. A. Z. S. 375. Die drei gekorenen Meister 
von jedem Wagen Schindeln 2 Schillinge. Auch diese mussten ein Beutgen der Brüderschaft 
geben, um in der Quatember eine Messe lesen zu lassen. 

B) VgL ausführlich: Neuburg, Zunftgerichtsbarkeit und Zunftverfassung vom 13. bis 
16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur ökonomischen Geschichte des Mittelalters. Jena 1880. 

^) Backerordnung (1488) Nr. 1 usw. 

«0) R. d. Schneider. Nr. 8. Bl. 2 f. 

11) R. d. Schmiede. A. Z. S. 6. 

") Vgl. 4. Kapitel. 

") R. d. Schmiede. A. Z. Kap. 19. S. 11. 

") Baokerordnung v. 1488. — ") a. a. 0. — ") R. d. Schreiner. Nr. 13. 



- 68 — 

einen Handwerker einer anderen Zunft, bei Amtsvergehen der 
Zwölfer und der Seohsmänner ^) und endlich in allen „Kriminal- 
und Malefizsachen^.') 

Je nach der Grösse und Schwere des Vergehens richtete 
sich natürlich auch das Mass und die Art der Strafe. Da finden 
wir Verurteilungen zu Wachs,') Wein,*) Geld,*^) Verlust der Hand- 
werksberechtigung auf bestimmte Zeit^) oder immer ^), Beschlag- 
nahme®) und Vernichtung^) der fehlerhaft angefertigten Ware, ja 
sogar Konfiszierung der gesamten Habe und des Gutes des Ver- 
urteilten.iö) 

Die Ausübung der Gerichtsbarkeit lag im allgemeinen in den 
Händen bestimmter Personen. Bei den Barbieren**) und Stein- 
metzen**) war sie eine Sache der Zunftversammlung. In der ersten 
Zeit bei allen, späterhin nur bei den kleineren Zünften waren die 
Zunft Vorsteher die erste Qerichtsinstanz.*') Mit der Zeit bildete 
sich in den grösseren Zünften ein besonderer Gerichtshof in der 
Institution der Zwölfmänner heraus. Im Jahre 1505**) lag noch 
den Greven der Kupferschläger in ihrer Zunft das Amt eines 
Richters ob. Nur für den Fall, dass die Beilegung der Streitig- 
keiten scheiterte, wurde die Zunft beschieden. 1510**^) aber wer- 
den die Zwölfer als besonderer und einziger Gerichtshof erwähnt. 
Eine Aenderung trat abermals im Jahre 1548*®) ein. 

Jetzt wurden die richterlichen Befugnisse wiederum den vier 
Greven, die freilich aus den Zwölfern hervorgingen, übertrag'en. 
Die übrigen acht Zwölfer sollten jedoch je nach Bedürfnis und 
Lage der Dinge hinzugezogen werden. Die Erit Wickelung des 
zünftigen Gerichtshofes veranschaulichen unter Berücksichtigung des 
dürftigen Materials noch am besten die Satzungen der Schmiede. 
Nach der ältesten erhaltenen Rolle des Jahres 1443*^) übten die 
Greven unter Teilnahme einiger redlicher und verständiger Ge- 
nossen die Gerichtsbarkeit aus. Dagegen sind 1529*®) diese Befug- 
nisse an die sechs und zwölf Männer übergegangen. Diese beiden 
Körperschaften, der Sechser- und Zwölferausschuss, gerieten aber 
über ihre Rechte in Streitigkeiten. Es entschied der Rat, dass 
die geringfügigen Sachen dem Urteil der sechs, grössere Vergehen 
aber dem der zwölf unterstehen sollten. Jeder streitenden Partei 
blieb es dabei anheimgestellt, auch bei kleineren Vergehen die 
Hinzuziehung der Zwölfer zu verlangen. Indem aber 1627 *•) die 
Greven gegen die Zwölfer Klage erhoben, wurden auch die Greven 

M R. d. Schmiede. (1629) A. Z. S. 29. Nr. 15. 

3) R. d. Kupfersohiaflrer. Nr. 1. 

') R. d. Mützenmaoher. Nr. 9. 

*) R. d. Schmiede. (154l[ A. Z. B. 83. 

'^> R. d. Mützenmaoher. Nr. 2. 

0) Loersch, A. R. D. S. 75. Nr. 12 und 7. 

7) R. d. Bombasiner. Nr. 20 «. R. d. Brauer. Nr. 5. 

^) R. d. BombaslDer. Nr. 26 u. Loench, a. a. O. § & 

») Loersoh, A. R. D. S. 75. 9 4. 

10) a. a. O. — ") R. Nr. 28. Bl. ft. — >») R. (1670) Nr. 11. 

1") R. d. Htttmaoher. Nr. 13, o. a. m. 

1«) R. d. Eupfersohlftger. Nr. 1. 

") a. a. O. Nr. 12. — *«) a. a. 0. Nr 1. 

17) R. d. Schmiede. A. Z. 8. 11. Kap. 19. 

IS) A. Z. Nr. 13. S. 27. Eigentlich erfahren wir dies erst im Jahre 1593 (a.a.O. S.45). 
Da aber 1529 schon die Institution der Zwölfer bestand, so kann man auch diese Funktion 
schon annehmen. 

1») R. d. Schmiede. A. Z. S. 56 f. 



— 69 — 

wiederum in das Riohterkollegium aufgenommen. Vor ihr Forum 
kamen indessen nur geringfügige Zwistigkeiten. 1635^) wurde es 
den Schmieden zur besonderen Pflicht gemacht, bei kleinen An- 
lässen die Greven in Anspruch zu nehmen und nicht die Zwölf- 
raeister so „leiohtlich vorzubescheiden**. 

Den Vorsitz im Gerichtshof führte der Baumeister. Berufungen 
gegen die Entscheidung und das Urteil des Zunftgerichts waren 
möglich. Die Instanz hierfür waren die Bürgermeister der Stadt.^) 
Pur die Kupferschläger') freilich war das Urteil der Zunft bei 
Strafe von 18 M. bindend. Eine Appellation an das kaiserliche 
Kammergericht richtete 1668 die Krämerzunft in einem Rechtsstreit 
zwischen ihr und Werkmeister des Wollenambachts, nachdem die 
Bürgermeister zu Ungunsten der Krämer entschieden hatten.*) 

Ueber die Form der Vorladung heisst es, der Greve möge 
auf die Kunde von Misshelligkeiten die Parteien durch den Am- 
bachtsknappen vor sich bescheiden.^) Gleichsam als Gerichtskosten 
forderten die Schmiede^) von jeder streitenden Partei für die sechs 
Meister */4, für die zwölf Meister ^/i Wein und für beide zusammen 
18 Gulden. 

Die Barbiere '') und Zimmerleute®) schrieben sechs Goldgulden, 
die Steinmetzen®) acht Goldgulden (und einen Gulden dem Zunft- 
diener), die Spiegelmaoher ^^) vier Gulden vor. Der in dem Prozess 
obsiegende Teil erhielt den eingezahlten Betrag zurückerstattet. 
Strafvollstreckung und Einziehung der Bussgelder waren Sache 
des Kichters,^^) der Ort der Geriohtsversammlung war der Zunftsaal.*^) 

Eine besondere Würdigung verdient und erheischt das Zunft- 
gericht des Wollenambachts, das Werkmeistergericht. Seine Kom- 
petenz umfasste bei Verstoss gegen die Gewerbeordnung nicht nur 
das Wollenambacht, sondern auch die Zunft der Färber, Hutmacher, 
Schneider, Gewandmacher ^^) und Krämer, ^^) doch nur insoweit als 
ihr Vergehen sich bezog auf den Handel oder die Verarbeitung 
von Tüchern; und ferner die Lombarden und das Kloster zu 
Burtscheid,^^) als Verfertiger derselben. Das Richterkollegium 
setzte sich zusammen aus den Werkmeistern und einigen Bei- 
sitzern.^^) Eingehende Kenntnis über die Befugnisse dieses Gerichtes 
liefert das Privilegium vopa 3. Februar 1406, das einem Streite 
zwischen dem Herzog von Jülich, der als Vogt der Stadt sich 
durch die Tätigkeit des Werkmeistergerichtes beeinträchtigt sah, 
und dem Wollenambacht entsprang. Auf Grund dieses Privilegiums 
war das Werkmeistergericht zuständig bei Klagen wegen einer 
Schuld oder verdienten Lohnes, Klagen der Knechte, Mägde und 
Lehrlinge gegen ihren Dionstherrn und umgekehrt, bei Misshellig- 
keiten, entstanden im Gewand-, Komphaus und in der Wollküche. 



^) a. a. 0. S. 65 f. 

^) a! a. O*. (1593) S. 45 f.; Ordnung des Werkmeistergrerichts Nr. 9 Bd. I. 

») R. (1506) Nr. 2. — *) R. d. Krämer. Lit. B. C. — *) R. d. Kupferschläger (IftOb) 
Nr. 2. - e) A. Z. (1593) S. 45 und (1627) 8. 56 f. — ') R. Nr. 14. Bl. 5 — ») K. Nr. 15. — 
") U. (1670) Nr. 11. - 10) R. Nr. 8. 

^1) R. d. Schmiede. A. Z. a. a. 0< 

") R. d. Schreiner. Nr. 6. 

1') Werkmeistergericht Bd. I. 

1*) R. d. Krämer. Lit. C. D. E. F. 

1') Werkmeistergericht, a. a. O. 

1") Werkmeistergerioht. IL anno 1618. 



-. 70 — 

Weiterhin richtete es über die Güte und Qualität der Gewänder, 
über Zwistigkeiten zwischen Ambachtsmitgliedern und Bürgern 
um den Kaufpreis, über Diebstahl von Ambachtssacheu, die nicht 
den Wert eines alten Schild überstiegen, über den Konkurs 
eines Schuldners und Fälschungen. In letzterem Falle musste 
jedoch der Meier hinzugezogen werden. Die Jurisdiktion der 
Werkmeister bezog sich dagegen nicht auf Mord, grössere Dieb- 
stähle, Gewalt und in bedingter Weise auf Fälschungen. Aus- 
genommen waren auch noch alle diejenigen Fälle, die zur Vadei 
und Meierei gehörten, wie Kauf und Verkauf von Ambachtsgrut, 
über das Schöflfenbriefe und andere besiegelte Briefe gemacht oder 
Bürgen gestellt worden, grössere Kaufhändel und solche., die ausser- 
halb Aachens geschehen waren. ^) 

Hatte jemand eine Klage, die vor das Werkmeistergericht 
gehörte, so musste der Kläger seinen Widersacher „ordentlich und 
des Gerichtes Brauch" gemäss durch den Diener des Werkmeister- 
gerichts auf die gewöhnliche Zeit bescheiden lassen. Die Klage 
geschah schriftlich oder mündlich. Dem Beklagten stand es frei, 
sofort auf die Klage zu antworten oder, wenn sie schriftlich ab- 
gefasst war, eine Abschrift zu begehren und auf der nächst<en 
„Audiens seine Notdurft, Antwort, Bxemptio oder Defensio schrift- 
lich oder mündlich" vorzubringen. Bei Verneinung der Schuld 
musste der Gegenbeweis des Klägers durch „Zeugen, Dokumente 
oder Scheine** erfolgen. Von Seiten des Beklagten konnte dann 
der Antrag auf Ablehnung der Zeugen wegen Befangenheit gestellt 
werden, über den das Werkmeistergericht zu entscheiden hatte. 
Erfolgte die Ablehnung der Zeugen, so fielen die Zeugenaussagen 
des Betreffenden, wenn sie durch ^triftigen und schriftlichen Beweis" 
erhärtet werden konnten, unter diesen Umständen trotzdem mit 
in die Wagschale. „Wechselschriften oder Konklusiones" waren 
nachher für jede Partei aufs strengste untersagt. Die Kosten des 
Verfahrens mussten voll und ganz entrichtet werden.^) 

Indem dies wohl der allgemeine Gang einer jeden Klage w^ar, 
erfahren wir weiterhin noch manche Einzelheiten über die Geschäfts- 
ordnung und die Strafen des Werkmeistergerichtes in besonderen 
Fällen. Mit einer Schuldklage war ein Offenbaruugs- beziehungs- 
weise ein Reinigungseid des Beklagten verbunden. Nach einer 
dreimaligen vergeblichen Ladung des Angeklagten auf die Laube 
erfolgte eine abermalige dreimalige Aufforderung zum Erscheinen 
auf das Gewandhaus. Ward auch dieses Gebot nicht beachtet, 
und stellte der Beklagte den Kläger auch nicht zufrieden, so wurde 
der Schuldner auf ein Gesuch des Klägers beim Rat und nach 
einer diesbezüglichen Anfrage der Bürgermeister bei den Werk- 
meistern auf der „Stadt Portzen" bis zur Regelung der Angelegen- 
heit gebracht.^) 

Der Name eines Schuldners wie auch eines Diebes wurde 
öffentlich auf dem Gewandhause bekannt gemacht. Keiner durfte 



*) Werkmeistergerioht. PriTilegiiim von 1406. Nr. 1—16. 
*) Werkmeistergerioht. Bd. I. 
*) Werkmeistergericht Bd. I. 



— 71 — 

dann für den Betreffenden arbeiten, von ihm kaufen oder ihm 
verkaufen unter Vermeidung der Strafe, in der der Schuldner 
stand.^) 

Im engen Zusammenhange mit der Gerichtsbarkeit der Zünfte 
steht das Finanzwesen. Denn die namhaftesten Beträge flössen 
aus den Strafgeldern in die Zunftkasse. Eine weitere Einnahme- 
quelle stand den Zünften in den jährlichen Beiträgen der Mitglieder, 
dem Laufengeld, offen, dann in den Einschreibegebühren der Lehr- 
linge, den Abgaben der Meister bei der Annahme von Lehrlingen, den 
Gebühren für die Bescheinigung der Lehrlingszeit und der Fremden 
für die Lehrjahre und vor allem der Handwerksgerechtigkeit des 
neuen Meisters.*) Freilich, weder die ganze Summe der Handwerks- 
gerechtigkeit ^) noch die der Strafgelder*) erhielt die Zunft, Durch- 
weg kam je ein Drittel dieser Abgaben den Bürgermeistern und 
der Stadt zu. Die Hutmacher ^) und Färber®) mussten einen Teil 
der Handwerksgerechtigkeit an die Werkmeister abtreten, während 
Löder'^) und Kannegiesser®) nur den Bürgermeistern eine bestimmte 
Summe der Strafgelder zu entrichten brauchten. Ein weiterer 
finanzieller Ausfall für die Zunftkasse bedeuteten die den Zunft- 
beamten gewährten Entschädigungen, die sich eben aus Teilen der 
Gerichtsgefälle oder sonstiger Gebühren zusammensetzten. Im Jahre 
1627®) sah sich der Rat genötigt, „alle und jede Greven" der Zünfte 
und Handwerker zu ermahnen, alles rückständige Ambachtsgeld 
innerhalb 14 Tage bei Strafe von fünfzig Goldgulden einzuliefern. 
Diese Saumseligkeit der Zünfte im Bezahlen der Abgaben zeitigte 
dann ja 1627 die strenge Massregelung, dass keiner mehr in die 
Zunft aufgenommen werden durfte, der nicht vorher den dem Rate 
gebührenden Teil direkt an den Rat abgeliefert hatte. Keineswegs 
bedeutet diese Erscheinung eine Zahlungsunfähigkeit oder einen 
finanziellen Niedergang der Zunft. Der in der Blütezeit des Hand- 
werks erworbene Reichtum, der sich in dem Besitz der Zunfthäuser 
und der tatkräftigen Unterstützung des städtischen Militarismus 
kundgibt, waltete selbst im 17. Jahrhundert noch ob. Im Jahre 
1650 mussten auf einen Ratsbeschluss sämtliche Gaffeln „wegen 
hin und wieder ausstehender Schuldenlast" 200 Reichstaler zu 
neun Gulden der städtischen Kasse zusteuern. Der Rat übernahm 
aber die Verpflichtung, die Zünfte in allem dafür schadlos zu halten. 

Das Ambachtsgeld fand aber auch zu guten und segensreichen 
Zwecken seine Verwendung. Die Leineweber^®) gaben beim Tode 
eines Zunftbruders der Witwe oder den Erben einen Taler zum 
Begräbnis. Die Schmiede ^^) und Schneider ^2) trugen bei Armut 
und Unvermögen des Verstorbenen die ganzen Beerdigungskosten. 
Die Bombasinweber,*') Posamentierer,^*) Löder^^) und Kessler ^^) 
schenkten den dritten Teil der Strafgelder den Armen, während 



^) PriTilegium 1406. Nr. 11. 

^) Ygl. darüber die Torhergrehenden dazu in Frage kommenden Kapitel. 

3) R. d. AlträuBoher. Nr. 1. — R. d. Leiendeoker. A. Z. S. 377 f. u. a. m. 

^) R. d. Schreiner. — R. d. Fleischer. Bl. Id. u. a. m. 

6) R. Nr. 14. — «) R. Nr. 6 und Nr. 12. — 7) R. (1559) Bl. 26. — «) R. 



») R. d.lKrämer.lBl. 17. 

10) R. Nr. 7. - «) A. Z. S. 9. Kap. 14. — i*) R. Nr. 9. Bl. 2 f. — 

1*) R. Nr. 2. — ") B. Extraotug. BL 26. — i«) R. (1603) Nr. 19. 



") R. (1625). — 



— 72 — 

die Barbiere^) und Bombasinfarber') jene Summe für die armen 
Waisen der Stadt verwandten. 

Das Einfordern wie auch die Verwaltung der Gelder lag 
den Greven ob.*) In den Zünften mit der Institution der Zwölf- 
männer wurden diese wohl im Laufe der Zeit hiermit betraut.*) 

Zur Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben wurde jährlich eine 
Reohnungsablage eingerichtet. Diese wurde von den Goldschmieden,^) 
Barbieren®) und Alträuschern'') mit dem Stuhltage verbunden. 
Einige Zünfte führten aber auch einen besonderen Tag dafür ein. 
Die »Schmiede**) nahmen am Tage des heiligen Petrus und Paulus 
(29. Juni), die Steinmetzen^) 14 Tage nach St. Adalbertskirmes 
und die Zimmerer ^^) am Tage des Evangeliums vom grossen Abend- 
mahl eine Prüfung der Einnahmen und Ausgaben des Jahres 
vor. Für Geld und Gut haftete der Kassenrendant mit seinem 
eigenen Vermögen.^*) Die hohen Strafen, .die auf jede Versäumnis 
oder Nachlässigkeit im Bezahlen der schuldigen Gelder festgesetzt 
waren,^^) ermöglichten innerhalb der Zünfte gesunde Pinanzver- 
hältnisse und eine gedeihliche Bntwickelung. 

Die Organisation der Zünfte ergab von selbst die Notwendig- 
keit, den Zunft mitglied er n die Möglichkeit gemeinsamer Beratungen 
in geschlossenem Kreise zu gewähren. Als Versammlungsort 
werden in den ersten Zeiten in Aachen, entsprechend der Gepflogen- 
heit in anderen Städten/^) die Häuser der Zunftvorsteher gedient 
haben. Erst Hand in Hand mit dem Wachsen des Wohlstandes 
ging man zur Miete bestimmter Räume über, unä schliesslich eigene 
Zunfthäuser zu erwerben, jene Zunfthäuser, die vielfach heute noch 
ein beredtes Zeugnis der Macht, des Wohlstandes und Reichtumes 
der deutschen Handwerkerschaft im Mittelalter geben. Leider 
erinnert in Aachen kein Zunfthaus eines Handwerkerverbandes 
mehr an jene Zeit wirtschaftlicher Blüte. 

Die eigentliche und allgemeine Bezeichnung für das Zunfthaus 
war „Leube" (Laube). Nebenher wurde aber oft die Bezeichnung 
der Vereinigungen auf den Versammlungsort übertragen, wie zum 
Beispiel „auf der Gaffel" oder „auf der Zunft". 

Im Besitze eigener Häuser waren vornehmlich die grösseren 
Zünfte Aachens. Nur allein von den Brauern fehlt uns jede Spur. 
Das Wollenambacht hatte statt eines besonderen Zunfthauses wohl 
infolge der Stellung ihrer Vorsteher die Laube im Rathaus. Das 
Zunfthaus der Bäcker lag dem Kornhause gegenüber, das der 
Schmiede, Krämer^*) und Schuhmacher auf dem Büchel, der Gerber 
allernächst dem Kornhause, der Kupfermeister auf dem Marktplatze, 



1) R. Nr. 8. Bl. 4 f. — 2) R. (1644) Nr. 4. 

') R. d. Goldschmiede. Nr. 35. — R. d. Alträuscher. Nr. 4. — R. d. Steinmetzen. Nr. 12. 

*) R. d. Schmiede. Kap. 2 und Nr. 15. S. 29. 

6) R. Nr. .%. - 6) R. Nr. 20. Bl. 5 f. - ') R. Nr. 4. - S) A. Z. Nr. 15. S. 23. — 
») R. (1670) Nr. 12. - i») k. jg^. 17. 

") R. d. Goldschmiede. Nr. 35. — R. d. Schmiede. A. Z. S. 3. 

") R. d. Schreiner. Nr. 13. — R. d. Brauer. Nr. 5. — R. d. Schneider. Nr. 11. Bl. 3. — 
R. d. Goldschmiede, a. a. O. u. a. m. — Ein kleiner Uatsbeschluss Tom 26. Mai 1698 nahm 
jedem, der nicht 14 Tage vor St. Johannestag bezahlt hatte, das aktive und passive Stimm- 
recht. — R. der Schneider. Bl. 12 f. 

^>) Hartmann, Geschichte der Handwerkerverbände der Stadt Hildesheim im Mittel- 
alter. S. 64. 

^*) Am 22. Juni 1663 erlaubt der Rat, das8 die Zunft zwölf Fenster mit dem Wappen 
auf ihrer Laube einsetzen darf. R. d. Krämer. Staatsarchiv, Berlin. 



- 73 — 

der Zimrnerleute neben dem Palken, allernächst dem goldenen Anker, 
der Schneider in der Grosskölnstrasse, der Pelzer in der Pontstrasse 
und der Fleischer zwischen Kockerellstrasse und Judengasse. ^) Be- 
sondere Einzelheiten erfahren wir im übrigen recht wenig. 1585^) 
kauften die Fleischer ihr Haus, in dem zugleich auch die alte Verkaufs- 
halle war, für 275 Gulden. Das Kupferschlägerhaus wurde durch den 
grossen Stadtbrand des Jahres 1656 vollständig vernichtet.^) Ob 
sonst noch ein Zunfthaus dem verheerenden Feuer zum Opfer 
gefallen, bleibt fraglich. Auffallend muss es erscheinen, und das legt 
den Gedanken an eine Vernichtung des Zunfthauses der Schmiede 
durch den Stadtbrand vom Jahre 1656 nahe, dass 1659*) von der 
Abbezahlung der zu ihrem Laubenbau aufgenommenen Gelder die 
Rede ist. Sicherlich handelt es sich hier um einen Wiederaufbau 
oder Neubau des früheren Zunfthauses. Denn es ist nicht anzu- 
nehmen, dass die Schmiedezunft, die 1593 ein Zunfthaus besass, 
65 Jahre und vielleicht noch mehr auf die Abtragung der in jener 
Zeit zu Bauzwecken geliehenen Gelder verwandt hätte. Da das 
Zunfthaus der Schmiede nicht allzuweit von dem Entstehungsherde 
des Brandes entfernt lag, spricht auch seine Lage nicht gegen 
eine Zerstörung im Jahre 1656.^) Bemerkenswert ist es, dass nur 
die politisch berechtigten Zünfte ein eigenes Haus besassen, eine 
Erscheinung, die auch anderwärts zutage tritt.^) Von den „zu- 
behorenen ambachten" haben wir ja schon gehört, dass ihnen die 
Erwerbung eines eigenen Hauses untersagt war.') Meistenteils 
werden sie wohl in dem Zunfthause ihrer Haüptzunft einen Ver- 
sammlungsort gehabt haben. Nach Quix freilich sollen die Schreiner 
ein geräumiges Zimmer in der Schmiedelaube, die Hutmacher in 
der Kleinkölnstrasse und die Nadler in der Pontstrasse gehabt 
haben.®) 

Der Zweck, dem die Zunfthäuser dienten, war mannigfacher 
Art. Bald vereinigte er die Zunftgenossen zu ernsten, das Wohl 
und Wehe der Zunft betreffenden Beratungen, bald zu fröhlichen 
und festlichen Gelagen. Der Zeitpunkt der Zusammenkünfte war 
zum Teil fest, zum Teil wurde er durch die Lage der Verhältnisse 
und je nach Bedarf bestimmt. In letzterem Falle sandte der Greve, 
zu dessen Befugnis die Einberufung gehörte,^) den Mitraeistern ein 
Zeichen.*®) Diesem Rufe nachzukommen war Pflicht eines jeden 



1) AktenHammlung von 1590—96. — S. 209 flf. 

2) vgl. S. 71. 

>) U. d. Kupfersohläger. Bl. 29. 

*) A. Z. S. 26. 

'^) Im Jahre 1694 verkauften die Schmiede ihr am Büchel gelegenes Zunfthaus an 
ihren MitmeiRter Adam Sommer für 8350 Taler, jeden zu 26 M. aix und l8 Beichstalern per 
56 m. VerzichtHgeld und sechs Reichstalern Weinkaufsptennigen unter der Bedingung, dass 
das Zimmer, die Schmiedeleuve genannt, dem Handwerk mit sämtlichem Mobiiar der Zunft 
verbleiben soll. Bei Zerstörung durch Brand hatte der Käufer die Pflicht, auf eigene 
Kosten das obengenannte Zimmer auf jetzige Breite und Länge in Mauerwerk wieder auf- 
zubauen. A. Z. S. 100. 

^) Hartmann, a. a. O. S. 65. Anm. 1. 

') vgl. S. 44. 

^) Quix, Historisch-topographische Beschreibung der Stadt Aachen. S. 149. 

®) K. d. Alträuscher. Nr. 2. — R. d. Schmiede. A. Z. S. 4. Kap. 3. — R. d. Krämer. 
(1548) Bl. 5. Bei letzteren waren es die Greven und die Baumeister. 

^^) Dieses Zeichen muss wohl je nach der Art der Zusammenkunft, zu einer Be- 
ratung, Beerdigung, Messe usw., verschieden gewesen sein. Diese Zeichen wurden nach 
flrnillung des Zweckes dem Greven wieder zurückgegeben. R. d. Schmiede. (1443) A. Z. 
8. 7. Kap. 7. 



— 74 — 

Zunftmitgliedes. Strafen, wie bei den Schmieden^) und Gold- 
schmieden*) in Gestalt von einer „kan weins des besten" trafen 
den, der eine gebotene Versammlung versäumte.') Regelmässig 
wiederkehrend war bei allen Zünften die jährliche Hauptversammlung, 
der sogenannte Stuhltag. Diesen hielten nachweislich alljährlich 
die Goldschmiede*) und Schmiede*) am Tage des heiligen „Loy** 
(Bligius, 25. Juni),^) die Barbiere am Tage der heiligen Kosmas 
und Damian (27. September), die Mützenmacher') am Feste des 
heiligen Urbanus (25. Mai), die Spiegelmacher®) an dem des heiligen 
Lukas (18. Oktober), die Alträuscher®) auf St. Sakramentstag, die 
Steinmetzen ^®) am Tage der vier gekrönten Heiligen (8. November) 
und die Hutmacher ^^) auf St. Nikolaus (6. Dezember) oder Minen- 
brüder Kirch weihmontag. Die übrigen Zünfte erwähnen auch ihren 
Stuhltag, ohne ihn aber näher zu bezeichnen. Vielfach föUt der 
Stuhltag zugleich mit dem Pesttag des Patrons der Zunft zusammen. 
VermutHch war es daher in überwiegender Weise Brauch und 
Sitte der Zünfte, mit dem Patronatsfeste die jährliche Hauptver- 
sammlung zu verbinden. Ausser am Stuhltage hatten die Schmiede 
noch am Tage der heiligen Katharina*^) (25. November), an dem die 
Arbeit ruhen musste,^^) und am Feste der heiligen Petrus und 
Paulus^*) (29. Juni) eine ordentliche Versammlung. Die politisch 
berechtigten Zünfte vereinigte ferner jährlich der Tag der Rats- 
wahlen (St. Johannesgeburt,**) 24. Juni.) 

Die Tätigkeit auf dem Stuhltage nmfasste vor allem die 
Wahl der Greven und sonstigen Zunftbeamten; überhaupt werden 
die äusseren und inneren Angelegenheiten der Zünfte Gegenstand 
der, Beratung der Jahresversammlung gewesen sein. Die Besohluss- 
fassung erfolgte in namentlicher Abstimmung, wobei der jüngste 
Meister die letzte Stimme hatte.*®) Strenge Geheimhaltung aller 
Beratungen war Pflicht eines jeden Mitgliedes.*"') 

Neben diesen Zusammenkünften ernster Natur fanden auch 
Geselligkeit und Frohsinn eine Pflegestätte in den zünftigen Ver- 
sammlungen. Im Ansohluss an den Stuhltag vereinigte der Becher 
die Brauer, indem die Hälfte des von den neuen Meistern zu 
gebenden Weines vertrunken wurde.*®) Die Spiegelmaoher*^) 
stifteten zum Stuhltage je einen Hammelschinken. Ferner gehören 
hierher der Meisterschmaus und das Gelage nach der Wahl der 



1) A. Z. (1541) S. 33. — 2) R. Nr. 27. 

8) R. d. Schneider. Nr. 8. Bl. 2, drei Schillinge. — R. d. Barbiere. Nr. 21. Bl. 5 f, vier 
Merk. — R. d. Krämer, ßl. 5 f, eine Merk. 

*) R. Nr. 12. — '^) A. Z. (1443) S. 2. Nr. 2. 

«) Mit Recht hat Loersch (Z. d. A. G. Bd. XIII. S. 239) den heiligen Loy al8 den 
heiligen Eiigiu» identifiziert, nur war der FesHag dieses Heiligen in Aachen nicht am 
1. Dezember, sondern am 25. Juni. Der heilige Ellgius wurde nämlich auch am 25. Juni 
verehrt (vgl. Stadler, Heiligen-Lexikon. Bd. IL S. 36), ein Tag, der nach der näheren Be- 
stimmung der Schmiede als „des neisten daigs nac sent Johans daghe Baptisten** (R. d. 
Schmiede. A. Z. S. 2. Nr. 2) für Aachen nur in Betracht kommt. 

7) R. Nr. 1. — 8) g. Nr. L - ») R. Nr. 3. - i») R. Nr. 2«. — ") R. Nr. 18. 

^^) Dieser Tag war wohl mit Rücksicht auf das zubehorene Ambacht der Rade- 
macher, deren Patronin die heil. Katharina war, eingeführt worden. 

13) A. Z. S. 4. Kap. 3. 

1*) a. a. O. S. 29. Nr. 15. 

1«*) Gaifelbrief v. 1681. Nr. 7. 

^^) R. d. Steinmetzen. (1670) Nr. 2 und R. d. Zimmerleute. (1656) Nr. 1. 

1^1 Verordnung d. Bäcker. (1488). — R. d. Zimmerleute. Nr. 3. — R. d. Stein- 
metzen. Nr. 3. 

18) R. d. Brauer. Nr. 5. 



9) R. 
») R. 



1») R. (1634) Nr. 4. 



— 75 — 

Zunftbeamten und Ratsdeputierten. Die hohe Bedeutung all dieser 
Veranstaltungen innerhalb der Zunft versinnbilden am besten die 
vielen Forderungen und Abgaben an Wein, sowie die bis ins 
Einzelne ausgeführten Bestimmungen über das Verhalten im Zunft- 
saale. Eine besondere Ordnung für den Zunftsaal erliess die 
Bäckerzunft im Jahre 1488.^) Diese verbot das Spielen, Dobbeln 
und Wetten um hohe Geldbeträge, das Mahnen an Schulden, das 
Fluchen und Beleidigen der Zunftgenossen oder derer Eltern, 
tätliche Streitigkeiten, besonders den Gebrauch eines Messers, 
Werfen mit Gegenständen aller Art, das Mitnehmen von Zunft- 
eigentum ohne nachgesuchte Erlaubnis und überhaupt jedes unan- 
ständige Betragen. In demselben Rahmen bewegen sich auch die 
Bestimmungen der übrigen Zünfte.*) Der jüngste Meister nahm 
der Rolle der Barbiere^) gemäss auf dem Zunft saale den letzten 
Platz ein. Die Aufsicht und Leitung jener zwanglosen Unter- 
haltungen lagen bei manchen Zünften in den Händen der Greven,*) 
bei manchen waren sie Sache der Baumeister.^) 

Mit der Erörterung des Versammlungswesens der Zünfte ver- 
bindet sich die Frage nach der Bedienung auf dem Zunftsaale. 
In den ersten Zeiten wurde dieses Amt durch Mitglieder der Zunft 
selbst ausgeübt, indem entweder der Greve^) oder Baumeister') 
zwei Zunftgenossen bestimmte, oder jedesmal der jüngste Meister 
dazu verpflichtet war.®) Diese Ordnung finden wir nach der Ent- 
wickelung des Zunftwesens noch bei den kleineren Zünften 
als Brauch,^) während die grossen, politisch berechtigten Zünfte 
einem besonderen besoldeten Zunftdiener die Verrichtung der 
niederen und untergeordneten Funktionen übertragen haben. ^*^) 



*) R. d. Bäcker. Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jahrgang II. S. 9 f. 

^ R. Nr. 4, 5, 6, 7, 19 u. 5JH. Bl. 4 ff. — R. d. Zimmerleute. Nr. 4—10. — R. d. Stein- 
metzen. Nr. 4 u. 15 u. a. m. 

») R. Nr. 19. — *) a. a. O. 

^) Verordnung d. Bäcker. (1488). lieber das Verhältnis bei den Schmieden, vgl. S. 63, 20. 

^) R. d. Schmiede. (1443) A. Z. S. 9. Kap. 12. 

') Ordnung d. Bäcker v. 1488. 

^) R. d. Hutmacher. Nr 17. Die Hutmacher befreiten die Meisterssöhne von dieser 
Dienstleistung. 

®) R. d. Schreiner (1660) Nr. 17. — R. d. Spiegelmacherambachts Nr. 7. 

^0) Aktensamminng von 1590 bis 1596. Bl. 209 ff. — Da wir über die Pflichten und 
Rechte dieses Zunftdieners aus der Zeit der Epoche dieser Abhandlung nichts erfahren, 
ist es wohl nicht unangebracht, zum besseren Verständnis und zur Vervollständigung des 
Bildes eine aus dem Jahre 1700 stammende Verordnung des Schmiedeambachts heranzu- 
^'iehen. Danach bezog der Laufdiener ein festes Gehalt von 100 Gulden, vierteljährlich 
durch den Greven zahlbar. Ausser dieser Besoldung flössen ihm auch noch manche nicht 
^erhebliche Nebeneinkünfte zu. Von einem Meisterssohn erhielt er zum „Willkommen*" zwei 
gülden, einem Meister, der hier gelernt, vier Gulden, einem angetrauten Meister vier 
Oulden drei n.; ferner den dritten Teil aller vom Greven konfiszierten Sachen. Starb ein 
Brader oder eine Schwester* beschied er das Handwerk und trug das Leichenkleid mit den 
Schilden, wofür ihm vier (dulden gegeben werden mussten. Nahm man ihn auch zum 
Kbeichen betten**, so konnte er sich über die Höhe der Entnchädigung mit den Angehörigen 
verständigen. Beim Umgehen der sechs Meister, um die Bussen und das Gaffelgeld einzu- 
sammeln, waren sieben Merk sein Lohn, war er aber ausserhalb der Stadt, sollte er sich 
Diit einem Trunk begnügen. Verboten war ihm, ohne Erlaubnis etwas einzuholen. Unbe- 
dingten Gehorsam war er den Greven, Baameistern und Zwölfern in allem schuldig. Gegen 
^uie wegen Pflichtverletzung über ibn verhängte Strafe konnte er beim Sechs- und 
Zwölf-Meistergericht Berufung einlegen. Montags und Donnerstags musste er bei den 
WQven anfragen, ob etwas zu tun sei. (A. Z. Bl. 391 ff.) 



3. Kapitel. 



Die wirtsohaftliohe Bedeutung der Zünfte. 



Im Gegensatz zu der heutigen Zeit verfocht das Mittelalter 
das Prinzip der wirtschaftlichen Abgeschlossenheit. Jede Stadt 
bildete ein wirtschaftliches Gebiet für sich. Die mangelhaften 
Verkehrsmittel; die Unsicherheit auf den Transportstrassen, nament- 
lich bei weiten Entfernungen, der stark ausgeprägte territoriale 
Partikularismus und die überaus grosse poHtische Selbständigkeit 
machten die „Entstehung des modernen Zustandes der Gesamt- 
produktion über das Stadtgebiet hinaus zur Unmöglichkeit**.*) Sie 
erklären die Konzentrierung und Beschränkung des mittelalterlichen 
Wirtschaftslebens auf einen kleinen Kreis. Diese Bestrebungen 
ergeben aber im 16. Jahrhundert schon ein ganz anderes Bild. 
Wurde vorher wenigstens der einheimische Wettbewerb unter 
Zugrundelegung gerechter Verordnungen nicht allzu sehr eingeengt, 
so geht die spätere Gewerbepolitik darauf hinaus, die Ausübung 
des Gewerbes auch innerhalb der Stadt zu beschränken.^) 

Die Trägerin und Verfechterin der mittelalterlichen städtischen 
W^irtschaftspolitik war vorzugsweise die Zunft. Diese suchte und 
erreichte es, ihrem Handwerk in der Heimatstadt das Monopol 
zu sichern und jede fremde und lästige Konkurrenz von sich fern 
zu halten. In diesem Sinne sprechen sich die Rollen der Kupfer- 
schläger,^) Kessler,^) Kratzmacher,^) Posamentierer,^) Bombasiner,^) 
Hutmacher ^) und Krämer^) aus. Sie alle verbieten den Kauf oder 
die Einfuhr fremder Waren. Aber nicht nur den Bürgern, sondern 
auch den Zunftmitgliedern war es eine Pflicht, ihren Bedarf vor 
allem an Rohmaterial, dessen Vertrieb in das Bereich eines anderen 
Gewerbes fiel, innerhalb der Stadt zu decken. Im Jahre 1577^®) 
brachte der Rat einen langjährigen Streit der Schuhmacher und 
Löder wenigstens zu einem zeitweiligen Abschluss. Auf Grund 
dieser Entscheidung wurde den Schuhmachern erlaubt, für eigenen 



^) Sohönberg, Zur wirtschafiliohen Bedeutung des deutschen Zunftwesens im 
Mittelalter. S. 15. 

^) Tuckermann, Das Gewerbe der Stadt Hildesheioi bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. 
S. 61 f. — 8; ß. - *) R. Nr. 10. (1629), Kr. 22 Bl. 9 und (1666) Nr. 46. 

5) R. 1637. - «) R. (1626.) - ') R. Nr. 23 und (1656.) — ») R. — ») R. (1605) Bl. 15. 

^^) R. d. Schuhmacher Nr. 21. yergl. auch Nr. 28. 



77 — 



Gebrauch innerhalb drei Meilen Wep^s vor der Stadt auf Ohur- 
meisterspreis Leder zu kaufen und in die Stadt einzuführen. Aus- 
wärts gegerbtes Leder aber in den Handel zu bringen, war ihnen 
verboten. Produkten, die in Aachen nicht verfertigt wurden, 
vor allem das Rohmaterial, stand natürlich die Einfuhr gegen 
Entrichtung der städtischen Akzise offen. Befreit von diesem Zoll 
war wegen der leichten Zerbrechlichkeit das Fensterglas,*) während 
die preussischen Pelle doppelt besteuert wurden.^) Das einge- 
brachte Fensterglas musste zuerst den Glasmachern zum Kauf 
angeboten werden, und dann, soweit die Glasmacher keinen Ein- 
spruch erhoben, durften die Bürger den Rest freilich nur hi grösseren 
Mengen erwerben.^) Jene Pflicht der Bürger, nur innerhalb der 
Stadt bei den mit dem Rechte der Arbeit beHehenen — dies waren 
nur die Mitglieder der Zunft — ihre Bedürfnisse zu decken, be- 
zeichnet man mit dem Worte ^Zunftzwang im allgemeinen".^) 

Als eine besonders lästige Konkurrenz war den Aachener 
Zünften wohl das nahegelegene Burtscheid ein Dorn im Auge. 
Im Jahre 1595^) schliesst der Rat auf Bitten der Bäckerzunft die 
Burtscheider von der den Fremden gewährten Vergünstigung aus, 
Mittwochs und Samstags in Aachen Brot in den Handel zu bringen. 

1619 und 1638 wurde der über Burtscheid verhängte Boykott 
nochmals erneuert.*) Ebenso richtet sich die Rolle der Schuh- 
maoher gegen die Einfuhr von Schuhen aus Burtscheid.'') 1619®) 
vereinigten sich sogar die Zünfte der Bäcker, Fleischer, Krämer, 
Schneider, Tuohsoherer, Schuhmacher und Brauer zu einer Eingabe 
an den Rat. Sie beklagen sich, dass in Burtscheid „allerhand Werk 
verübt und den hiesigen Handwerkern ihre Nahrung geschmälert" 
werde. Besonders bezeichnend ist die Bestimmung der spanischen 
Nadelmaoher. Jeder Geselle, der das Handwerk in Aachen gelernt 
hatte und in Burtscheid Arbeit übernahm, sollte seiner Lehrjahre 
verlustig gehen. ^) 

Wahrscheinlich wurde im Laufe der Zeit auch das Reich 
Aachen für manche Gewerbe der Stadt ein neuer wirtschaft- 
licher Gegner. Einige Handwerke öffneten daher, vielleicht um 
im Interesse des Gewerbes eine friedliche Verständigung herbei- 
zuführen, den Handwerkern des Aachener Reichs die Tore ihrer 
Zunft. Im Jahre 1526 gehören Reichsleute der Schmiede-,*^) 1579 der 
Schuhmacher-^^) und 1660 der Schreinerzunft ^^) an. 

Den Bemühungen und darauf abzielenden Bestimmungen der 
Zünfte, möglichst jede fremde Ware vom Marktverkehr auszu- 
schliessen, standen naturgemäss die Wünsche und das Interesse 
des kaufenden Publikums schroff entgegen. Eine Milderung der 
für die Bürger bedrückenden Wirtschaftspolitik gewährten in etwa 



*) R. d. SpiegrelambachtH. (1643.) 

«) R. d. Schuhmacher, (imt) Nr. 61. 

") R. d. SpiegelambachtH. Nr. 9. 

*) Schönbergr, a. a. O. S. 18. 

*) Quix, Wochenblatt für Aachen und Uuigregend. Jahrg. II. 8. 13, 

') a a* O. 

7) R. d. Schuhmaoher. (1637 u. 1638) Nr. 58 und 59. 

B) R. d. Schneider. Bi. 6. 

") R. (1637.) — 10) A. Z. Nr. 11. S. 26. - ") R. Nr. 26. - ") R. Nr. 14. 



— 78 — 

die an bestimmten Wochentagen oder jährlich abgehaltenen 
Märkte.^) Auf diesen war auch den fremden Kaufleuten der Handel 
gestattet und den Bürgern Oelegenheit gegeben, nach ihrem Er- 
messen und Willen ihren Bedarf unabhängig zu decken. Freilich 
muss man bedenken, dass der einheimische Handwerksmeister dem 
fremden Kaufmann gegenüber, dessen Waren durch den Transport, 
die städtische Akzise, die beschränkte Verkaufszeit und die Ge- 
bühren für die Besichtigung der Waren verteuert wurden,^ sich 
immerhin im Vorteil befand. Ein weiterer Schritt zugunsten der Kon- 
sumenten geschah durch die den Bürgern gewährte Erlaubnis, 
eigenes Rohmaterial zu eigenem Gebrauch selbst zu verarbeiten.^) 

Doch diese Abweichungen von dem wirtschaftlichen Prinzip 
waren zum Teil zu gering, zum Teil zu vereinzelt, um eine aus- 
gleichende Gerechtigkeit zwischen Produzent und Konsument 
herzustellen. Wir werden aber sehen, wie die Zünfte unter Wahrung 
ihrer eigenen Interessen zu gleicher Zeit das Interesse des kaufenden 
Publikums wahrnahmen und beider Wünsche und Anschauungen 
zur beiderseitigen Zufriedenheit miteinander verbanden. Ein Haupt- 
moment jener Bestrebungen bildete die Gewähr der Zünfte für 
gute Arbeit und Ware. 

Diesem Zwecke entsprechend, wurden von den Zünften all- 
umfassende Bestimmungen über die Qualität des zur Verwendung 
kommenden Materials und der Art der Arbeit erlassen.^) Mit 
Willen und Uebereinstimmung des Rates gaben die Werkmeister 
am 9. März 1387 eine Verordnung zum „Besten der Kaufleute 
und Bürger, um sie vor früher gehabtem Schaden zu bewahren.*^ 
Länge und Breite der Tücher wurde genau geregelt. Das weisse 
Tuch sollte in einem Kamm von 60, das anderfarbige Tuch in 
einem solchen von 55 Strängen stehen. Fehlte ein halber Strang, 
trat eine Strafe von 8^/2 Schillingen ein, ein. Strang 5 Schillinge, 
anderthalb Strang 10 Schillinge, zwei Stränge 15 Schillinge. Bei einer 
noch grösseren Differenz wurde das Tuch in drei Stücke zerschnitten, 
und der Fabrikant hatte ausserdem eine Mark Bussgeld von jedem 
Stück zu entrichten. Nicht minder grosse Sorge verwandte die 
Zunft auf die Verarbeitung der Wolle seitens der WoUkäramerinnen.^) 
Ebenso beschäftigen sich die Rolle der Leineweber^) und Bom- 
basiner'^) mit dem ordentlichen Masse ihrer Erzeugnisse. Die Färber,^) 
Bombasiner,®) Mützenmacher^®) und Röder^^) schrieben ihren Zunft- 
mitgliedern Quantität und Qi^alität der Farbstoffe vor. Die Färber 
durften in einen Steinliter Wolle auf einmal nicht mehr als vierzehn 
Stück braune Wolle tun.^*) Die Röder waren sogar gezwungen. 



^) R. d. Bäcker. Quiz, Wochenblatt f&r Aachen und Umgegend. Jahi^. II. S. 13. — 
B. d. Krämer. (1&54) Bl. 6 und Bl. 2. Nr. 1. 

*) B. d. Krämer. (1554) BL 6 u. (1626) Bl. 16 f. Ygl. auch Schonberg, a. a. O. 8. 33 f. 

B) R. d. Löder. Bl. 25 f. ExtractUR. — Verordnung der Bäcker. A. Z. S. 298 f. — B. 
d. Pelzer. (1641) Nr. 7. — Sohönberg, a. a. O. S. 28, bezeichnet dieses Becht als zu den Ur- 
rechten der indiTiduellen Freiheit gehörig. 

«) B. d. Schuhmacher. (1577) Nr. 23. — B. d. Schmiede (1476) A. Z. 8. 17. Nr. 8. - 
B. d. MQtzenmacher. Nr. 4. 

*) Loersch, A. E. D. S. 75. Nr. 12. 

«) B. Nr. 1, 2, 3. - 7) B. Nr. l bis 11. - 8) B. 1576 Nr. 1. - ») B. (1631.) i<0 - R. Nr. 3. 

1^) B. d. Färber und Boder. (1604.) 

^') Loentch a. a. O. ft 7 — Uoeffler, 8. 186 deutet diese Verordnung als eine nMazimal- 
grenze der Arbeitsleistung**, und zwar der Weber! 



— 79 — 

jährlich vor den Werkmeistern die eidliche Versicherung zu geben, 
nicht gegen jene Verordnung über die Anwendung der Farbstoffe 
Verstössen zu haben.^) Die Goldschmiede durften nur l8^/2karätiges 
Gold und 14 lötiges Silber in der Mark anwenden. Messing ohne 
Durchlochung, von allen Seiten zu vergolden oder Glas in Gold 
zu fassen, war ebenfalls untersagt.^) Pflicht der Steinmetzen war 
die Benutzung nur guten Kalkes und guter gebackener Ziegelsteine.') 
Genaue Vorschriften bestanden über die Mischung der Metalle bei 
den Kannegiessern*) und Kupferschlägern.^) Ausserdem war den 
Kupferschlägern und Kesslern verboten, irgend ein Werk mit dem 
Wasser- oder Mühlenhammer machen zu lassen und in den Handel 
zu bringen.®) Der Draht musste dreimal gezogen werden,'') und 
das Brot seine bestimmte Grösse haben.®) Da laut Klage auf der 
Frankfurter Messe von Aachener Bürgern schlechte Nadeln auf 
den Markt gebracht worden, regelten Greven und Meister des 
Ambachts das Gewicht der einzelnen „Sortiments* Nadeln. Jedem 
Meister war ausserdem vorgeschrieben, alle Nadeln aus feinem 
reinen Stahl anzufertigen.®) Die Grösse der von der Zunft gebotenen 
Garantie für gute und fehlerlose Ware lässt die Rolle der Schreiner 
erkennen. Gab ein Schreinerwerk zu berechtigten Klagen des 
Käufers Anlass, so war der Handwerker ohne weiteres zu einer 
besseren Herstellung gezwungen.^®} Die Schneider standen den 
Bürgern innerhalb dreier Monate nach Empfang der Ware ein 
Beschwerderecht zu.^^) 

Diese Massregeln erhielten aber erst ihren praktischen Wert 
durch die genaue Kontrolle, die von allen Zünften durch die 
Prüfungsbeamten ausgeübt und durch eine besondere Stempelung 
oder Bezeichnung erleichtert wurde. Die beiden Geschworenen 
des WoUenambachts mussten alle Werktage „van gezouwen zu ge- 
zouwen** (Webstühle) die angefertigte Arbeit untersuchen. Ihnen 
zur Seite standen die Werkmeister und Ambachtsknappen, die an 
keine bestimmte Besichtigungszeit gebunden waren. Jedes Tuch 
erhielt ein Siegel, wofür eine Gebühr von vier Pfennigen zu ent- 
richten war. Ein den Vorschriften entgegen VJ2 oder 2 Stränge 
zu schmales Tuch bekam ein besonderes Siegel mit dem „sterre*. 
Mangelte an der Länge mehr als eine halbe Elle, so wurde das 
tatsächlich vorgefundene Längenmass auf das Bleisiegel gezeichnet. ^2) 
In demselben Sinne spricht sich die Rolle der Bombasiner über 
die Zuwiderhandlungen der Bestimmung von Länge und Breite der 
»Hondtschoten und dergleichen Seyen" aus.^^) Der ersten Prüfung 
wurden die Bombasintücher auf der Trecklaube (wo das Tuch 
öwertroke, überzogen, d. h. genau besichtigt wurde *^) seitens der 



^) R. d. Färber. (1604) — ») B. Nr. 13, 23, 24. — ») R. (1487.) — *) R. — ») B. (1550) Nr. 25, 

•) K. d. KupferscWafirer (1510) Nr. 14 und (1548) Nr. 12 und 15; ad. Kessler. Nr. 10. 

7) R. d. Kupferschlager (1548) Nn 18. 

«) R. d. Bäcker. (1508) und (1517.) 

^) R. d. span. Nadelmaoher. (1667) Bl. 22 f. 

'0) U. Nr. 6. - ") R. Nr. 3. Bl. 2. 

") Loersoh, A. R, D. S. 76 § 2. 

") R. d. Bombasiner. Nr. 1 bis 11. — Zeug aus Seide, Wolle und Leinen, eine Art 
Kaseh, vielleicht nach dem Fabrikationsorte Uondsohoote in Nordfrankreich genannt. Tgl. 
riek, Aus Aachens Vergangenheit. S. 335, Anm. 3. 

") Gross, a. a. O. S. 7a 



— 80 — 

verordnetoii Beseher unterworfen. An jedem Ende des Stückes 
mussten zum besseren Erkennen des Masses einige blaue Fäden, 
„so man vurschlagd nennt", unter Strafe von sechs Merk angewebt, 
und ausserdem das Zeichen oder Mirk des betreffenden Meisters 
eingewebt sein. Jede betrügerische und falsche Benutzung des 
Zeichens eines anderen Meisters zog den Verlust des Handwerks 
und eine andere schwere Strafe nach sich. Zur schnellen Orien- 
tierung lag deswegen auf der Trecklaube ein Buch auf, in dem 
alle Meister sich mit ihrem Zeichen eintragen mussten. 

Bevor ein Stück Tuch auf der Trecklaube besichtigt und 
wenigstens ein Siegel erhalten, durfte es weder verkauft noch 
gefärbt werden. Aus diesem Grunde waren die Färber verpflichtet, 
alle 14 Tage die Zahl der innerhalb dieser Zeit p^efärbten Seide 
und Bombasintücher mit den Namen der betreffenden Meister 
anzugeben. Vor der Färbung erhielten die Seidenstücke je nach 
ihrer Beschaffenheit ein besonderes Siegel. Nach der Färbung 
wurde das Stück auf Grund einer abermaligen Besichtigung auf 
der Trecklaube als mittelmässige Qualität noch mit einem, als 
beste Qualität noch mit zwei Siegeln gezeichnet. P\ills aber ein 
Loch in der Seide gefunden ward, schätzten die Beseher den Schaden 
und hefteten dementsprechend ein Geldstück an. Diesen Schaden 
musste der Färber, der Meister oder der Arbeiter je nach ihrer 
Schuld ersetzen. Wer ein solches angeheftetes Geldstück abnahm, 
erhielt eine Strafe an „Leib, Gliedern oder sonst an Ehren **. Wie 
die Seidenstücke, erhielten auch die Bombasintücher vor der Färbung 
nach einer eingehenden Prüfung besondere Zeichen. Diese bestanden 
aus einem Bleistück, auf dessen einen Seite ein Stadtadler und 
auf der anderen Seite das Wort „Aquisgranum" und einige senk- 
rechte Striche geprägt waren. Man unterschied drei Arten, die 
je nach der Qualität des Erzeugnisses eine grössere Gestalt hatten 
und Striche von eins bis drei aufwiesen. Nach der Blaufärbung 
kam noch ein zweites und nach der Schwarzfärbung ein drittes 
Siegel hinzu.^) Nach einem Beschluss des Jahres 1631^) wurde 
von den schlecht gefärbten Bombasiiitüchern auch das erste vor 
der Färbung erhaltene Siegel abgenommen. Adler- oder Doppel- 
adlerbombasintücher wurden in späterer Zeit noch mit einem beson- 
deren Bleistück behängt, und ausser dem gewöhnlichen Merkzeichen 
befestigte man auf ein darumgeschlagenes Papier das Mirk und 
den Namen (Familien- und Vorname) des Meisters.^) Die Arbeiten 
der Büchsenschlosser und Gewehrlaufmaoher wurden auf den Lauben 
besichtigt und mit dem Adler oder Wappen der Stadt gezeichnet. 
Das Minderwertige erhielt ein besonderes Merkmal.*) Den Stadt- 
adler benutzten als Zeichen des guten und reinen Werkes die 
Kupferschläger, während bei den übrigen Erzeugnissen des Meisters 
eigener und gewöhnlicher „Stemp" zur Anwendung kam.^) Alles, 
was über zwei Lot wog, musste von dem Meister des Goldschmiede- 
ambachts mit seinem ^yStemp** und „Mirk", der das Wort „Aach" 



*) R. d. Bombasiner. Nr. 12-37. 

«) R. d. Bombasiner. (1631.) — ») a. a. O. (zw. 1638 und 44.) 

«) R. d. Sohmiede. (1582.) A. Z. S. 40. 

<») R. d. Eupfersohläger. (1560.) 



-st- 
und den Stadtadler trug, gestempelt werden. Dienstags und Frei- 
tags um 1 Uhr wurden im Hause des ältesten Greven die Waren 
durch „Strich und Stich'* geprüft und besiegelt. So oft es ihnen 
beliebte, aber wenigstens einmal im Monat, untersuchten die 
Greven beide zugleich in den Werkstätten die kleineren Sachen. 
Zu diesem Zwecke waren Werkstätte und Laden stets offen zu 
halten. Die Arbeiten der Greven wurden gegenseitig mit Hinzu- 
ziehung der früheren Greven untersucht.^) 

Auch jeder spanische Nadelmacher hatte ein eigenes Zeichen 
mit dem Namen der Stadt Aachen.*) Laut Ratsbesohluss vom 
Jahre 1631*) durfte aber kein Fremder oder Nichtbürger sich des 
Namens Aachen dabei bedienen. Der Kannegiesser geschlagenes 
Werk sollte gleich den feinen Erzeugnissen Antwerpens sein. Um 
den Fabrikanten gleich erkennen zu können, waren daher ein jedem 
Meister besonderes und ein der Zunft allgemeines Wappen (Stadt- 
wappen) im Zwangsgebrauch.*) Einer Besichtigung oder auch 
einer besonderen Zeichnung unterlagen ferner alle Arbeiten der 
Löder, Schuhmacher,^) Schreiner,^) Färber,'^) Nadler und Krempen- 
macher,®) Barbiere,^) Kratzraaoher,^^) Buntwirker, ^^) Mützen- 
macher,^^) Bäcker^*) und Schneider.^*) 

Beschäftigte sich bis jetzt die Kontrolle nur mit den fertigen 
Erzeugnissen der Gewerbetreibenden, so lenkte sich ihre Aufmerk- 
samkeit auch auf die zum Gebrauche kommenden Gerätschaften. 
Das Wollenambacht erlaubte nur mit Kämmen von bestimmter 
Länge zu arbeiten.'*) Die Bombasiner, die nicht nach Vorschrift 
passende Riedter hatten, wurden mit Vernichtung derselben und 
Verlust des Handwerks bestraft.'®) 

Eine Ergänzung der Bestrebungen der Zünfte, nur gute und 
preiswürdige Waren auf den Markt zu bringen, ist wohl auch in 
manchen Bestimmungen über die Lehrzeit und Zahl der Lehrlinge 
und Gesellen zu suchen. 

Sich der von der Zunft angeordneten Visitation zu unterziehen, 
war Pflicht eines jeden. Ungesiegelte, in den Handel gebrachte 
Tücher verfielen der Konfiskation.'"') Als einige Bombasiner, be- 
sonders Gordt'von Groningen, sich dessen weigerten, bestimmte 
der Rat, dass jeder, der dem Gebote nicht nachkomme, auf „der 
Stadt Tore zum Gehorsam gebracht" würde. Dieser Gordt wurde 



1) R. d. Goldschmiede. Kr. 15, 16, 17, 18, 21, 25. 

2) B. d. spanischen Nadeloiacher. (16260 

') a. a. O. (1631). Ueber die weitere Entwickehingr der Warenzeiohnung bei den 
Nadelmachem in späterer Zeit vgl. Hansen, Die Aachener Nadelindustrie. S. 3 ff'. 
*) R. d. Kannegiesser. 
<^) R. d. Schuhmacher. Nr. 22 u. 23. 
•) R. Nr. 11. — ') R. Nr. 5, 6, 7. 

8) R. d. Kramer. Bl. 8. 

9) R. Nr. 24. — 10) R. Nr. 6. - ") R. - *») R. Nr. 2. 
i>) Qaix, Münsterkirche. S. 148. Nr. 14. 

**) Verordnungen der Schneiderzunft. Bl. 26. (1663). Infolge von Streitigkeiten 
zwischen Wollenambacht und Schneiderzunft kommt es zu dem Uebereinkommen, dass bei 
Hchiechtein Schnitt oder Nähen die Schneider, bei schlechter Beschaffenheit des Tuches die 
Werkmeister die richterliche oder bestrafende Befugnis haben sollten. 

») Loersoh, A. R. D. S. 75. Nr. 12. , „...». 

") R. d. Bombasiner. Nr. 14. — Riedt (Plural Riedter). Ried oler Rioth ist nach 
Grimm (Deutsches Wörterbuch. Till. Spalte 918 ff.) ein Weberkamm, auch die Gesamtiieit 
4er im Weberkamm befindlichen Stäbchen. 

1^) Loertofa, A. R. D. S. 75. Nr. 12. 



— 82 — 

auoh eingesperrt und erst ungefähr nach einem Monat auf ^unter- 
tänigstes Bitten" wieder entlassen.^) 

Entsprach ein Werk nicht den allgemeinen Anforderungen, 
so traten für den Handwerksmeister mitunter recht empfindliche 
Strafen ein, angefangen von einer Geldstrafe,^) Beschlagnahme^) 
oder Zerstörung*) der Ware bis zum Verlust des Ambaohts.^) Bei 
der Färberzunft bestand anscheinend unter den Zunftmitgliederu 
eine Anzeigepflicht,®) da der vierte Teil der Strafgelder dem An- 
geber zufiel. Die Erklärung hierfür liegt eben in der Auffassung 
der Zunft, dass allen Mitgliedern die Durchführung ihrer Zwecke 
angelegen sein musste, und dass durch eine Uebertretung nicht 
nur die Zunft als Korporation, sondern auch jeder einzelne ge- 
schädigt wurde. ^) 

Alle jene Verordnungen gewerblich - wirtschaftlicher Natur 
konnten aber dann nur ihren Zweck erreichen und waren überhaupt 
durchführbar, wenn die Zunft Macht und Gewalt über jeden Hand- 
werker der Stadt hatte; wenn jeder Handwerker gezwungen war, 
zur Ausübung seines Gewerbes die Mitgliedschaft einer Zunft zu er- 
ringen, und wenn den Bürgern die Pflicht oblag, nur bei dem zünftigen 
Meister Arbeit vornehmen zu lassen. Dieser mit dem Namen 
„Zunftzwang im Besonderen"®) bezeichnete Grundsatz bildet die 
Basis, auf der nur das zünftige, mittelalterliche Wirtschaftsprinzip 
aufgebaut und lebensfähig erhalten werden konnte. Auch in 
Aachen war dieser Zunftzwang das erste und bedeutendste wirt- 
schaftliche Gesetz, dessen wir in betreff der Konsumenten schon 
vorher Erwähnung getan haben. Am schärfsten zum Ausdruck 
kommt das Gebot für die Handwerksmeister in der Ordnung der 
Löder vom Jahre 1449, wonach „nyemandt hie loen en sali noch 
doen loen hie en sy in ire broderschafft*,®) und bei den Pelzern 
hiess es „Item wolt auer iemandt von nun vertan id wehren ver- 
keufer oder wirken sich mit newen wirke dat unsen ambacht 

berurte en sollen auch des nit doen noch zu komen, sie 

haben erst unsers ambachts recht gedan und dat gegolden alss 
vorsch. stehet." ^^) Diese Forderung wiederholt sich dem Sinne 
nach in ähnlicher Weise in fast allen Zunftstatuten. Verliess ein 
zünftiger Handwerksmeister die Stadt und wollte nach seiner 
Rückkehr das Ambacht wieder ausüben, so war er zu einer aber- 
maligen Erwerbung der Zunftmitgliedschaft gezwungen. ^^) Zwei 
Zünften anzugehören war im allgemeinen nicht gestattet. Auf 
Klagen der Kessler, dass Johann von Eschweiler sowohl ihr als 
auch des Kupferschlägerambachts Mitglied sei, entschied der Rat, 
dass nach dessen Tode es nicht mehr gestattet sein soUte.^^) Zum 



1) a. a. O. (1000). 

') R. d. Mützenmacher. Nr. 2. 

^) B. d. BombaBiner. Nr. 26. 

^) R. d. Kanneffiesser ; Loersoh, A. B. D. S. 75. § 4 und 5; B. d. BombaBiner. Nr. 14. 

^) B. d. Bombasiner. a. a. O. 

«) B. d. Färber. Nr. 6. 

7) Neuburg, a. a. O. S. 79. 

») Schönbergr, a. a. O. S. 19 ff. 

») B. d. Löder. BI. 25 f. Extractus. 
*0) R. d. Pelzer und Buntwirker. (1511). 

11) B. d S^chuhmacher. Nr. 4; R. d. Schmiede. (1443) A. Z. S. 9. Kap. 13; R. d. 
Schneider. Nr. 5. Bl. 2; R. d. Färber. Nr. 13; R. d. Bäcker. (1517). — ^') B. d. Kessler. (1648)'. 



83 — 



Handwerk und Handel unberechtigte wurden gewöhnlich mit Geld 
bestraft, ja 1672 ein Schneider Laurentius Vinke mit Verbannung 
aus der Stadt. ^) 

Seitens der Konsumenten ward aber manchmal der Versuch 
gemacht, jenes unvorteilhafte Zunftprinzip zu umgehen. 1655^) 
I)eschweren sich die Glasmacher und Schilderer über den Prior 
der Dominikaner, der auswärtige Arbeiter beschäftigte. Der Prior 
wollte aber nur dann die Fremden entlassen, wenn die zünftigen 
Handwerksmeister zu denselben billigen Preisen die Arbeit aus- 
zuführen sich verpflichteten wie die Fremden. Eine Einigung 
konnte nicht zustande kommen. Daher trifft der Rat den Be- 
schluss, dass die Arbeit von den Fremden zu Ende geführt, aber 
in Zukunft dergleichen nicht mehr geduldet werde. Eine Bestrafung 
dagegen erfolgte, als ein Schuhmacher aus Burtscheid bei den 
„patribus soc. Jes.'' arbeitete.^) Selbst gegen die Handwerker der 
Aachener Stadtsoldaten richteten sich die Klagen der Zünfte, weü 
sie neben ihrem eigentlichen Berufe noch für die Bürger der Stadt 
arbeiteten. Es waren dies ein Kriegskommisbäcker*) und einige 
Militärschneider, ^) deren ausserdienstliche Tätigkeit daraufhin vom 
Rate untersagt wurde. 

Eine der nächsten B^olgeii des Zunftzwanges für die Gewerbe 
selbst war eine genaue Abgrenzung des Arbeitsgebietes unter den 
einzelnen Handwerksgattungen. Diese scharfe Trennung macht 
sich vor allem bei verwandten Gewerben bemerkbar und in Ver- 
bindung hiermit mancher Streit über widerrechtliche Eingriffe 
einer Zunft in die Befugnisse der anderen, Um diese ewig sich 
wiederholenden Klagen aus der Welt zu schaffen, legte der Rat 
manchmal auf Grund der beiderseitigen Rollen die Rechte eines 
jeden Handwerks fest. Ein endgültiger B'riede wurde aber keines- 
wegs immer hierdurch erzielt. Im Jahre 1591 wurde zwischen 
den Schuhmachern und Alträuschern eine Entscheidung getroffen. 
Der Alträuscher Tätigkeit sollte sich auf das Flicken, Lappen und 
Bessern der Schuhe beschränken, während die Anfertigung von 
ganzen Schuhen aus altem oder neuem Leder ihnen verboten ward.^) 
Für die Schuhmacher ergab sich demgegenüber, wie schon 1486 
verordnet worden, die Pflicht, sich der den Alträuschern zustehen- 
den Rechte zu enthalten und auch keinen Knecht jene verbotene 
Arbeit ausführen zulassen.'') 1602®) wurde dieses Prinzip insofern 
zu^^unsten der Schuhmacher durchbrochen, als einem in Armut 
geratenen Schuhmacher die Ausübung des Alträuscherhandwerks 
gestattet war. Weiterhin kam es zu einer Regelung der Schuh- 
macher mit den Lodern^) und Sattlern *°) und andrerseits zwischen 
Löder und dem Ambacht der Sattler ^^) und Pelzer. ^^) Die enge 



^) Verordnungen der Schneider. Bl. 27. 
*) R. d. Spieorelambaohts. (1655.) 
3) R. d. Sohiüimaober. (1577.) 
«) R. d. Bäcker. (1626.) 
'^) R. d. Schneider. (1643.) Bl. 9. 

<>) R. d. Schuhmacher. (1591.) Nr. 33. Vgl. auch Nr. 34, 35, 38, 41. 
"") R. d. Alträascher. Nr. 2. 
^) R. d. Schuhmacher. Kr. 47. 
») R. d. Schubmacher. Nr. 21 und 61. 

*0) B. Z. S. 44 und 45 und R. d. Schuhmacher Nr. 66, 67, 73, 74, 75. 
".) R. (1653.) - 1») R. (1461.) Nr. 11. 



-- 84 — 

Verwandtschaft zwischen dem Kupfersohlägerhandwerk und dem 
der Kessler führte nach vielen Misshelligkeiten zu dem Ratsbeschluss 
vom Jahre 1600. Jedes Werk, daran Eisen gelegt und mit Nägeln 
zusammengefügt wurde, gehörte zur Tätigkeit der Kessler und 
war dem Kupferschlägerambacht untersagt.^) Auch zwischen den 
Kesslern und Flasch- und Lampenmachern kam es 1634 zu 
Differenzen. Die Klage der Kessler gegen die Schmiede wurde 
zugunsten letzterer entschieden, die alles aus Eisen oder Kupfer 
machen konnten, was seiner „Art, Natur und Eigenschaft nach 
zum Schraiedehandwerk'* gehörte.*) Bei Strafe von drei Qold- 
gulden durften Schreiner und Zimmerleute sich nicht gegenseitig 
ihre Rechte schmälern.') Den meisten Klagen waren, wie die 
Art des Gewerbes erklärlich macht, die Krämer ausgesetzt. Mit 
ihnen gerieten in Streitigkeit die Löder,*) Hutmacher,^) Schneider,^) 
Spiegelmacher, ^) Schmiede®) und Kannegiesser,^) trotzdem der 
Rat genau die Verkaufsberechtigung der Krämerwaren geregelt 
hatte. ^®) 

Manche Gewerbe hatten aber auch noch innerhalb ihres 
Handwerks eine scharf abgegrenzte Arbeitsteilung und Speziali- 
sierung erfahren. Besonders gross und weitverzweigt war diese 
bei den Schmieden, Deswegen fügten sie zur Verhütung gegen- 
seitiger Benachteiligung ihrer Rolle die Bestimmung bei, dass der- 
jenige, der sich bei einer bestimmten „Sort* oder „Species** hatte 
anschreiben lassen, dabei bleiben und keinen Knecht in einem 
anderen Gebiete arbeiten lassen sollte.^*) Nichtsdestoweniger ge- 
rieten 1656^^) die Schmiede mit den Peuerschlossmachern in 
Zwistigkeiten. Die Mützenmacher unterschieden ein seidenes und 
rauhes Werk. Die Ausübungsberechtigung dieser beiden war ge- 
trennt, und jede mussto besonders erworben werden.*^) Das 
F'ärberambacht kannte neben den gewöhnlichen Färbern noch 
Blau-^*) und Bombasinfärber.^^) Letztere zerfielen in Leinen- und 
Seidenfärber. ^^) Die Leineweber hoben den ursprünglichen unter- 
schied zwischen Tuch- und Gebildweber wieder auf.^^) 

Die strenge Scheidung der gewerblichen Machtsphäre der 
einzelnen Handwerksarten erwarb mit der Zeit einigen Zünften 
das Recht der Kontrolle und Visitation innerhalb des Betriebes 
einer anderen Zunft. Dieses stand den Fleischern bei den Vette- 
wärern,^^) den Schuhmachern bei den Alträuschern zu. Falls aber 
ein Alträuscher gegen einen Schuhmacher den Verdacht der Ar- 



1) R. d. Kessler. Nr. 14 ii. 15; vgrl. weiterhin Nr, 24, 47, 48. 

^) K. d. Schmiede. (1601) A. Z. 8. 49 f. 

»j R. d. Schreiner. (1661). 

^) R. d. Schuhmacher Nr. 61 und B. d. Löder. Bl. 21. 

^) R. d. Krämer. Bl. 5 f. 

0) R. (1623) Bl. 7, (1638) Bl. 8, (1650) Bl. 9, (1662) Bl. 10. 

') R. d. Krämer. Bl. 4 f. 

8) A. Z. (1510) Nr. 5. S. 20, (1586) S. 41. 

») R. (1600). — »0) A. Z. S. (361). 

^^) A. Z. S. 71 f. — 1685 gab es in Aachen zum Schmiedeambacht ffehorigre Gattunoren, 
ITuT-, Gross-. Wappen-, Nagel-, Lauf-, Löffelschmiede, Radermacher, Sohlositer, Lademacher, 
Pfannenschläger und Feuersohlosser. (A. Z. S. 82 f.). 

") A. Z. S. 279. — ") R. (1585) Nr. 19. 

»») R. d. Färber. Nr. 4. 

^») R. d. Bombasiner. (I&IS u. 44) Nr. 4. 

»n> a. a. O. (1634). — ") R. Nr. 5. 

^B) R. der Fleischer. Ul. 18 und 19. Exlraotua. 



— 85 — 

beitsbenachteiligunpr hegte, niusste er sieh zum Zwecke einer 
Visitation an den Bürgermeister wenden.*) 

Wie nun die Zunft zu den Lasten und Pflichten einen jeden 
Meister in gleicher Weise heranzog, so war sie auch bemüht, den 
Vorteil und die Früchte ihrer Wirtschaftspolitik jedem Zunft- 
raitgliede in gleicher Weise zugänglich zu machen. Durch manche 
Verordnungen versuchten und verwirklichten die Zünfte diese ihre 
hohe Aufgabe, eine möglichst grosse Gleichstellung der Hand- 
werker herbeizuführen und das Aufkommen der sozialen Gegen- 
sätze in ihren Kreisen zu verhindern. 

Sollte das Einkon-.incn der Produzenten auf ein und derselben 
Stufe sich bewegen, so war vor allem eine Gleichheit der Arbeits- 
kräfte anzustreben. Wir haben schon gesehen, wie in diesem 
Sinne die Zunft eine praktische Tätigkeit entfaltete, (jleiche Zahl 
der Lehrlinge, gleiche Zahl der Gesellen für jeden Meister. Soziale 
Gründe bildeten aber in Wirklichkeit auch nur die Triebfeder jener 
Beschlüsse. Die Rolle der Schuhmacher begleitet eine ihrer Ver- 
ordnungen über die gleiche Beschränkung der Arbeitskräfte mit 
den Worten „um des Ambachts Gedeihen und Beförderung und 
gleicher Nahrung untereinander." 2) Bedeutsam gefördert und ver- 
vollständigt wurde der Zünfte humanes Streben auf jenem Gebiete 
noch dadurch, dass niemand unter Strafe dem anderen Zunft- 
genossen eine Arbeitskraft abspenstig machen durfte.^) Der Ge- 
danke an eine allseitige Gleichstellung schwebte ebenfalls vor, 
wenn dem Meister verboten war, für einen Bürger zu arbeiten, 
der einem anderen noch etwas schuldete*) oder ein Handwerks- 
meister nicht ungerufen oder ungeholt das Haus verlassen durfte, 
um ein Werk zu verdingen oder zu machen.^) Den Bäckern,^) 
Färbern^) und Tuchverkäufern®) war der Preis der W^aren vor- 
geschrieben. Ausserdem war für die Bäcker die Zeit des Backens 
und Verkaufens besonderer Sachen geregelt, wie zum Beispiel 
Bretzelen vom ersten Sonntag in der Pasten bis zum Osterabend 
und Osterwecken von Montags in der Karwoche bis Osterabend.'-^) 
Ebenso mussten die Brauer mit dem Brauen und Verkaufen der 
j,Vierzenet" sich an die Bestimmungen ihrer Rolle halten.^®) Die 
spanischen Nadelmacher sollten die Nadeln nicht auswärts „ins 
Rauhe" machen lassen, sondern ihren Handwerksbrüdern die Nahrung 
gönnen.*^) Arbeit auf Vorverkauf verboten die Schneider.^^j Nötigte 
der schlechte Geschäftsgang einen Schuhmacher, den gesamten 
Vorrat zu veräussern, hätte sich mancher Meister bei dieser Gelegen- 
heit unter der Hand billig seinen Bestand vermehren können. Um 

1) B. d. Alträuscher. Nr. 10, 11 und 12. 

«) R. d. Schuhmacher. (1584) Nr. 27. 

*) R. d. Mützenmacher. Nr. 6; R. d. spanischen Nadelmacher. Nr. 8; R. d. Kratz- 
macher. 9r. 2; R. d. Fassbender. Nr. 3 u. a. m. 

*) R. d. Schmiede. A. Z. S. 11. Kap. 17; R. d. Brauer. Nr. 3: R.d. Glasmacher. Nr. 2; 
R. d. Fftrber. Nr. 10 u. a. m. 

^) R. d. Schmiede. A. Z. S. 10. Kap. 16. 

«) R. d. Bftoker. (1508 und 1517). 

'') R. d. Bombasiner. Nr. 4. 

*) Werkmeisterordnung. Nr. 9. Werkmeistergericht. Bd. I. 

») R. d. Bäcker. Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jhrg. II. S. 10. 

*<*) R. d. Brauer. Nr. 7. — Vierzenet = Vierzehnnächte. Die Rechnung nach 14 Nächten 
(statt Tagen) war in Aachen sogar als Gerichtsfrist gebräuchlich. 

^*) R. d. spanischen Nadelmacher. (1661). 

") Zunftbuoh der Schneider. Bl. 5. 



^ 86 — 

dem Yorzubeugon und sicherlioh jede Benachteiligung eines Zunft- 
raitgliedes zu verhüten, bestand die Pflicht, zuerst den Greven und 
dem. Hand werk den Kauf anzubieten und dann erst den Meistern 
der Zunft.^) Damit kein Meister den anderen in seinem Erwerbe 
schädigte, traf eine schwere Strafe jeden von der Zunft der Barbiere, 
der aus Missgunst einen Patienten abspenstig machte, über die 
Medikamente seines Genossen redete oder schmähte,^) sich um 
einen geringeren Preis zur Arbeit anbot^) oder auf eine Anfrage 
gegen besseres Wissen die Wohnung des Zunftgenossen verschwieg/) 
Am weitesten in ihren sozialen Bestrebungen gingen offenbar die 
Sackträger. Sie brachten den Erlös der Arbeit zur Teilung 1 Be- 
hielt jemand etwas von dem Erwerb zurück, ging er allein auf 
Arbeit oder verweigerte er sie, so trat eine Strafe von drei Merk 
ein.^) Auch den Sackträgerfrauen war vorgeschrieben, einander zur 
Arbeit zu rufen, gleich zu arbeiten und gleich zu teüen. 

Wollte das Zunftwesen die immer sich erneuernde Produktion 
in gleichen Schranken für die einzelnen Produzenten erhalten, so 
musste sie ihr Augenmerk auch auf die technischen Einrichtungen 
und den Ankauf der Rohstoffe richten.®) Bombasinern "') und 
Posamentwirkern®) standen daher nur drei Webstühle zur Ver- 
fügung und einem Posamentwirkerssohn, der bei seinen Eltern 
wohnte, einer. Da das Posamen tierhand werk durch die Mühl- 
stühle oder sogenannten Schnurmühlen gar sehr in Mitleidenschaft 
gezogen wurde, so wurde deren Kauf, Einfuhr und Gebrauch 
untersagt.^) Die Kupferschläger mussten sich anfangs mit zwei 
Oefen begnügen.^®) Erst nach grossen Bemühungen trat ein Um- 
schwung ein, indem ein Meister, der für seinen minderjährigen 
Sohn das Handwerk erworben, mit vier Oefen arbeiten konnte; 
eine Vergünstigung, die freilich mit dem Tode oder der Heirat 
des Sohnes erlosch.^^) 

Was den Ankauf der Rohstoffe anbetrifft, so durfte er nur 
auf dem Markte erfolgen. Darum war es den Pelzern bei Verlust 
des Ambachts auf drei Jahre verboten, den Pellen auf dem Wege 
zur Stadt entgegenzugehen.^^) Der Ankauf der Pelle geschah viel- 
mehr gemeinsam. Jeder teilte vorher seine Anteilnahme an dem 
Kaufe mit, und die Pelle wurden dann durch das Los verteilt. 
Selbständig aber einen Einkauf zu machen oder durch seine 
Hausfrau oder sein Gesinde machen zu lassen, unterlag der Strafe 
der Zunft. ^'^) Auch den Lodern war untersagt, „den schendelen 
intghen zo ghayn".^*) Für die Löder waren zum Einkauf ihres 
Materials Markttag und Einkaufszeit festgesetzt. Wer ausserhalb 



1) B. der Schuhmacher. (1628) Nr. 54. 

^) Auch die Zimmerleute bestraften den, der des anderen Werk veraohtete und 
tadelte. R. d. Zimmerleute. Nr.^ 12. 

^) Die Steinmetzen bestraften den mit zwei Goldgulden, der sich um eine Arbeit be- 
warb, die ein anderer schon ausführte. R. der Steinmetzen. Nr. 19. 

4) R. d. Barbiere. Nr. 8, 9, 10 und 11. 

•">) Loersch, A. R. D. S. 156. Nr. 27. § 1. 

<*) Vgl. Sohönberg, a. a. O. 

f) R. (1625). - 8) R. (1626). - ») R., a. a. 0. (1685). — lO) r. (1550). Nr. 27. 

11) R. d. Kupfersohläger. (1562). 

12) 1520 u. 1641 wurde dieses Verbot erneuert. R. d. Pelzer. 

13) R. d. Pelzer. (1461) Nr. 1-6. 

1*) R. d. Leiendecker. A. Z. S. 375. 



— 87 — 

des Termines seinen Bedarf deckte, vorher Geld auf Pelle gab 
oder „Behendigkeit und Arglist'' beim Einkauf zeigte, zahlte eine 
Strafe von zwölf rheinischen Gulden.*) Wie sehr der Geist der 
^Brüderlichkeit** das Zunftwesen durchdrang, bekunden die Be- 
stimmungen der Schmiede. Kaufte ein Arabachtsmeister das zu 
seinem Handwerk notwendige Holz ein, und ein Zunftgenosse be- 
gehrte mit ihm zu teilen, so musste der Besitzer das Holz zu 
demselben Preise, zu dem er es erworben, bei Strafe von einem 
Pfund Wachs überlassen^) und ebenfalls auf W^unsch eines Meisters 
ein halbes Müdt Kohlen.^) 

Dies sind die wesentlichsten Wege, auf denen die Zunft ihr 
hohes Ziel, gleiche Produktion, gleichen Absatz und gleichen Ge- 
winn ihren Mitgliedern zu verschaffen, verfolgte und bestrebt war, 
das Prinzip der Gleichheit und Brüderlichkeit zu verwirklichen.*) 



^) B. d. Löder. Bl. 26. Extractus. 
») A. Z. (1487) Nr. 4. S. 18. 
») a. a. O. (1527) Nr. 12. S. 26 f. 
*•) Sohönberg, a. a. 0. S. 112 f. 



4. Kapitel. 

Die kirchlich-religiösen Ziele der gewerblichen 

Verbände. 

Das Wesen der Zunft war nicht nur wirtschaftlicher, politi- 
scher und sozialer, sondern auch relif^iöser Natur. Der christliche 
Geist, der dem Mittelalter sein eigenartiges Gepräge gab, durchdrang 
nicht zuletzt auch die Zünfte, um so eine würdige Verquickuiig 
von Religion und Arbeit zu bewirken. Schon die häufig erwähnten 
Abgaben in Wachs ^) weisen auf das religiöse Moment der Zünfte 
hin. Dieses Wachs wurde meistenteils zu dem Gelichte, das jeder 
Zunft bei der Sakramentsprozession vorangetragen wurde, verwandt^) 
oder dem Patrone der Zunft ^) und zum Gottesdienste*) gestiftet. 
Zu diesem Zwecke gaben die Pelzer und Buntwirker und die 
Kupferschläger sogar einen Teil der Strafgelder oder der Hand- 
werksgerechtigkeit.^) An der Sakramentsprozession mussten alle 
Zünfte der Stadt teilnehmen.*^) Die Hutmacher verordneten als 
Versammlungsort ihrer Zunft das Haus zum Hörn auf der Pau. 
Hatte die Prozession schon die alte Pleischplanke passiert, zahlte 
der Säumige ein Viertel Wein zur Strafe.'') Jeder Zunft voran 
ward ein besonderes Gelicht getragen. Als Träger fungierten bei 
den Steinmetzen®) der jüngste, den Schreinern^) die beiden jüngsten, 
den Goldschmieden^^) und Mützenmachern^^) die vier jüngsten 
Meister. Die beiden jüngsten Meister des Hutmacherambachts 
brauchten nur für einen Träger zu sorgen, mussten dabei aber 
auf ihre Kosten dieses Gelicht zieren und ausschmücken. '^j Einige 
Zünfte, wie die Alträuscher,^^) Steinmetzen,^*) Mützenmacher^^) und 
Schuhmacher/^) führten auch die Bilder ihrer Patrone in der Pro- 
zession mit sich. Im Jahre 1577 war es noch gebräuchlich, dass 
etliche Genossen einer jeden Gaffel am Vorabende des Sakraments- 
tages in voller Rüstung die Schar wache bezogen.^') Der Rat gab 



^) R. d. Goldschmiede. (1573) Kr. 7; R. d. Hutmacher Nr. 12; R. d. Mätzenmacher 
Nr. 6 u. a. m. 

^) R. d. Steinmetzen (1437); R. d. Schuhmacher (1461) Nr. 2; R. d. KupferHchläger 
(1548) Nr. 2 u. a. m. 

8) R. d. Hamacher. (1481) Nr. 6. — *) a. a. O. 

5) R. d. Pelzer und Buntwirker Nr. 1; R. d. Kupferschläger (1656) Nr. 2. 

°) Meyer, Aachensche Geschichte S. 517, vgl. auch R. d. Goldschmiede. Nr. 3. 

') R. d. Hutmacher. Nr. 11. 

8) R. d. Steinmetzen (1670) Nr. 2. 

0) R. (1660) Nr 10. - »») R. Nr. 28. - ") R. (1506.) - ") r. d. Hutmacher. Nr. 17. - 
1») R. (1603.) Nr. 13. - »*) R. (1434.) - ''^) R. - i«) R. 
^'') Verordnung der Zunft zum Bock. 



— So- 
den Gaffeln bei dieser Gelegenheit eine Weinspende, die später 
jedoch in eine Geldgabe umgewandelt wurde.^) 

Dieser öffentlichen Betätigung des Glaubens reiht sich* an 
die Pflege des religiösen Gedankens innerhalb der Zunft. War 
auch die Befolgung des Gebotes von der Sonn- und Festtags- 
heiligung eigentlich etwas SelbstverständHches, so scheint doch in 
jener Zeit diese Pflicht gerne umgangen worden zu sein.^) Gegen 
eine Sonntagsschändung wenden sich insbesondere Barbiere,*) 
Krämer,*) Löder^) und Bäcker. Die Produktion des Bäcker- 
fäfewerbes erforderte aber mitunter eine Durchbrechung dieses 
Gebotes. Darum erhielten die Bäcker die Erlaubnis, Montags und 
Dienstags in der Pfingstwoche den ganzen Tag, und am Sakraments- 
tag, auf Grosskirmes, und wenn der Pesttag der heiligen drei 
Könige auf einen Sonntag fiel, bis zum Beginn der Hochmesse in 
ihrem gewerblichen Betriebe tätig zu sein.^) 

Religiösen Beweggründen entspringend, waren sicherlich auch 
die wohltätige Gesinnung der Zünfte gegen die Armen"') und das 
Begräbniswesen. Die Teilnahme an der Beerdigung eines Zunft- 
genossen oder eines seiner PamiHenangehörigen war bei den Schmie- 
den,®) Posamentwirkern,®) Schneidern,^®) Bäckern,^^) Krämern,^^) 
Steinmetzen ^^) und Hutmachern '*) obligatorisch. Die Schmiede Hessen 
ausserdem, solange der Leichnam noch nicht ins Grab gebettet 
worden, für den Meister oder seine Frau eine und für einen Greven 
elf Seelenmessen lesen. Die Leiche selbst wurde von den Zunft- 
brüdern zur Kirche und von der Kirche zu Grabe getragen. Wer 
sich der Anteilnahme weigerte, zahlte eine Busse.^^) Von Brüder- 
schaftswegen stellte man ein Leichentuch, geschmückt mit dem 
Wappen des Ambachts auf den vier Ecken, zur Verfügung.^®) Die 
Bäcker Hessen sogar hundert Seelenmessen beim Tode eines der 
Ihrigen lesen und jährlich in der St. Antoniuskapelle für sämtliche 
Abgestorbenen der Zunft ein Messopfer darbringen.^'') Demselben 
frommen Brauche folgend, Hessen unter der Verpflichtung der 
Anteilnahme seitens jedes Zunftmitgliedes eine Messe als Jahr- 
gedächtnis der Abgestorbenen oder zum Heile der Lebenden lesen 
die Schuhmacher^®) zu Quatember in der Kirche der Minenbrüder, 
die Leiendecker ^^) Sonntags nach Quatember, die Alträuscher ^®) 
am Tage ihres Patrons, des heiligen Krispinus (25. Oktober), die 
Barbiere ^^) am Feste der heiligen Kosmas und Damianus (27. Sep- 
tember), die Schmiede 2^) am Tage des heiHgen Eligius zu Ehren 



^) R. d. Steinmetzen Kr. 28. — Eine Ratsentscheid ang vom Jahre 1601 wendet sich 
sograr gegen das Schenken und Trinken wtthrend der Prozession, da dadurch zu viele 
Störungen geschahen. A. Z. 8. 291. — lieber die Herleitung des Wortes ^schar* vgl. Grimm 
Deutsches Wörterbuch. Bd. VIII. Spalte 2170. Schar ist ein altes Heereswort zur Bezeich- 
nung einer Heeresabteilung, einer bestimmten Anzahl von Kriegern. 

') Hartmann, a. a. O. S. 86. 

») R. Nr. 22. Bl. 5 f. — *) R. Bl. 4 - ») R. Bl. 26 und 27. Extractus. 

^) R. d. Bäcker 1547. Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jahrg. II. 8. 9. 

') Vgl. S. 71 und A. Z. S. 368 und S. 358. 

») A. Z. (1604) S. 53. — ö) R. (1625.) — i") R. Nr. 9. Bl. 2 und a 

") Ordnung der Bftckerbrüderschaft. A. Z. S. 367. 

**) Ordnung der Krämerbrüderschaft. A. Z. S. 357. 

") R. ("1670) Nr. 23. — ") R. Nr. 10. — i») A. Z. S. 6. Kap. 6. 

10) R. d. Kessler. (1667) Nr. 49. Bl. 14 f. und Bl. 15 Nr. 50. Ausserdem hatten sie auf 
dem Leichentuch noch die Wappen der Greven. 

1^) Ordnung der Bäckerbrüderschaft, a. a. O. S. 366 und 67. 

»8) R. (1461) Nr. 6. — »») A. Z. Bl. 377. — ^) R. (1486) Nr. 6. - «i) R. Nr. 20. Bl. 5. 
- ") A. Z. S. 4. Kap. 3. 



— 90 - 

Gottes, Maria seiner lieben Mutter, der heiligen Bligius, Quirinus 
und der heiligen Katharina, ferner am Feste der heiligen Katharina 
(25. November) und an allen Quatembertagen ; die Steinmetzen^) 
am Tage der vier gekrönten Heiligen (8. November), die Krämer ^j 
am nächsten Montag vor Kirmestag in der Kirche zum heiligen 
Poillan mit zwölf Priestern und die Hutmacher') an einem nicht 
näher bezeichneten Tage. Für die Verstorbenen stifteten überdies 
die Schneider*^) eine Kerze der heiligen Anna, die Krämer*) dem 
heiligen Nikolaus und die Bäcker®) zu dem Gelichte der Sakraments- 
prozession. 

Sinnigen Ausdruck verliehen die Zünfte ihrem religiösen 
Denken und Fühlen, indem sie sich und ihr Handwerk unter den 
Schutz eines mächtigen himmlischen Fürsprechers stellten, dessen 
Verehrung sie in besonderer Weise förderten und pflegten. Vielfach 
war dieser Heilige zugleich der Patron einer gleichnamigen religiösen 
Brüderschaft, die innerhalb oder neben dem Handwerkerverband 
eine würdige Pflegestätte eines wahren christlichen und frommen 
Glaubens ward. Während die Schmiede^) und Goldschmiede®) den 
heiligen Eligius, die Radermacher®) die heilige Katharina, die 
Schneider ^^) die heilige Anna, die Tuchscherer^^) den heiligen 
Christophorus, die Leiendecker^^) den heiligen Bernhard, die Mützen- 
macher ^3) die heilige Muttergottes, die Barbiere^*) die heiligen 
Kosmas und Damianus, die Spiegelmacher '^) den heiligen Lukas, 
die Zimmerleute ^®) den Apostel Thomas und die Schuhmacher^^) 
den heiligen Krispinus als ihren Patron verehrten, ohne dass jedoch 
direkt von einer gleichnamigen religiösen Brüderschaft die Rede 
ist, bildeten die Pelzer und Buntwirker ^®) die Brüderschaft vom 
heiligen Johannes, die Bäcker^®) eine Brüderschaft in „ere des 
heyigen gebenediden Marschalx des guden Sent Anthoins", die 
Krämer^^) die des heiligen Nikolaus, die Alträuscher^^) bis 1603 eine 
zu Ehren der heiligen Krispinus und Krispinianus und die Stein- 
metzen ^^j eine Brüderschaft der vier gekrönten Heiligen. Ob 
das Wollenambaoht auch Anteil an einer religiösen Brüderschaft 
hatte, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, da wir nur von 
einer an die Werkmeister gerichteten Bitte um Errichtung 
einer Brüderschaft hören. ^^) Indem ferner in den Rollen der 
Goldschmiede, Leiendecker, Schuhmacher und Schneider in Ver- 
bindung mit einer Spendung von Wachs oder Geld für Messen 
der Ausdruck Brüderschaft gebraucht wird,^*) so darf man wohl 



1) B. Nr. 26. — 2) A. Z. S. 358. — S) R. Nr. 12. 

*) Verordnungen der Schneider. Kr. 9 Bl. 5. 

6) A. Z. S. 357. - 6) A. Z. S. 367. — ') A. Z. S. 4. Kap. 3. - «) r. ^r. 12. 

^) K. d. Kadermacher und Schmiede. A. Z. S. 4. Kap. 3. 

10) R. Nr. 1. Bl. 1. 

1^ K. der Schneider (1661) Bl. 10 f. — Die Tuchscherer verlangten auch die Ein- 
setzung ihres Patrons auf dem Zunftsaal. Dieser Wunsch wurde aber abgeschlagen, a. a. 

12) A. Z. (1533) Bl. 377 f. — i») R. (1678.) - i*) R. Nr. 20. Bl 5. — ") R. Nr. 1. - 
16) R. Nr. 17. 

1') R. d. Alträuscher. (1603) Nr. 13 — Früher verehrten die Alträusoher den heüigen 
Krispinus. Laut Ratsentscheidung des Jahres 1603 aber sollte der heilige Krispinus Patron 
der Schuhmacher und der heilige Krispinianus Patron der Alträusoher sein. 

18) R. Nr. 5. - 19) A. Z. S. 362 l — «o) A. Z. S. 355 f. — ^t) R. Nr. 6 und Nr. 13. - 
22) R. (1487). 

*®) Werkmeiatergerioht. Bd. I. — Der Name des Heiligen ist unleserlich. 

2*j R. d. Goldschmiede. Nr. 7; R. d. Leiendecker. A. Z. Bl 378; R. d. Schuh- 
macher. Nr. 1; R. d. Schneider. Nr. 1^ 



— 91 ~ 

auch für diese an eine nach ihren Patronen benannte kirohliohe 
Vereinigung denken. Ebenso waltet ein besonderes Verhältnis 
zwischen „Ainbacht** und „Brüderschaft'' bei den Brauern*) und 
Kannegiessern ^) ob. Auch hier liegt der Gedanke nahe, dass 
diese ihren Mitgliedern in einer Brüderschaft die Gelegenheit zur 
religiösen Betätigung boten. 

Als besonderes Zeichen der Verehrung ihres Patrons gelobten 
die Schmiede und Raderniacher, das Bild der heiligen Jungfrau 
und Martyrin Katharina am Gashause auf dem Radermarkt zu 
beleuchten.*) Die Bäcker*) verordneten am Abend des Antonius- 
tages (13. Juni) ein Fasten, wofür die Brüderschaftsmitglieder 
aller Wohltaten teilhaftig wurden, die in 364 zu Ehren des heiligen 
Antonius gestifteten Klöstern geschahen. Ihre religiösen Uebungen 
und Andachten verrichteten die Bäcker^) in der Kapelle des 
heiligen Antonius, die Krämer®) in der heiligen Poillanskirche und 
die Schuhmacher') in der Kirche der Minenbrüder. 

Es erhebt sich nun aber die Frage, ob diese religiösen 
Brüderschaften in ihrer gesamten Organisation mit der der Hand- 
werkerverbände zusammenfielen, oder ob sie neben der Zunft mit 
besonderer Verwaltung und Verfassung, aber doch in innerem 
Zusammenhange miteinander bestanden. Letztere Form ergibt die 
Brüderschaftsordnung der Krämer vom Jahre 1319^) und der Bäcker 
vom Jahre 1350,®) während für die übrigen Vereinigungen ein ab- 
schliessendes Urteil sich nicht bilden lässt. 

Im Gegensatz zu der weltlichen Zunft war die Mitgliedschaft 
der Frauen in den religiösen Brüderschaften eine übliche. Jeden- 
falls waren diese Frauen die Ehefrauen der Zunftgenossen. Für 
die Aufnahme betrugen die Gebühren, sei es Bruder oder Schwester, 
bei den Bäckern*^) einen schweren Gulden, ein kleines Pfund 
Wachs, eine Flasche Wein und für die Schreiber zwölf Denier. 
Dasselbe verlangten mit Ausnahme des Wachses auch die Krämer.^^) 
Der Umstand nun, dass bei der Aufnahme der jungen Handwerks- 
meister in den gewerblichen Verband von einigen Zünften mit 
religiöser Brüderschaft zugleich mit der Handwerksgerechtigkeit 
auch eine Abgabe für die Brüderschaft gefordert wurde,*^) lässt 
der Vermutung Raum, dass diese Abgabe mit dem Eintrittsgeld 
der Brüderschaft identisch ist, und dass der Eintritt in die religiöse 
Brüderschaft für jeden Zunftgenossen obligatorisch war.^^) 

Wenn im folgenden eine Uebersicht über die Organisation 
der Brüderschaften gegeben wird, so beruht diese nur auf den 
Nachrichten, die uns über die Bäcker und Krämer erhalten sind. 
Inwieweit diese auch auf die übrigen Brüderschaften zutrifft, muss 



») R. Nr. 10. — ») R. — 3) A. Z. Nr. 1. 

*) BrüderBchaftsordnuDgr d. Bäcker. A. Z. S. 368. 

^) Brüdersohaftsordnung der Bäcker. A. Z. a. a. O. 

") Brüderschaftsordnungr der Krämer. A. Z. S. 359. 

') R. Nr. 6. — 8) a. a. 0. — ») a. a. O. 
*») Brüdersohaftsordnung der Bäcker. A. Z. S. 368. 
^^ BrüdersofaaftAordnaDgr der Krämer. A. Z. 8. 359. 

*^ R. d. Steinmetzen. (1487); R. d. Schuhmacher. Nr. 1; R. d. Alträu8cher Nr. 1; 
R. d. Goldschmiede Nr. 7; R. d. Krämer. BI. 3 f. 

^') In Hildesheim war der Eintritt fakultativ (Hurtmann, a. a. O. S. 89), während an 
anderen Orten wiederum ein Eintrittszwang herrschte. Vgl. Neuburg, a. a. O. S. 82. 



— 92 — 

bei dem Mangel der Quellen unentschieden bleiben. An der Spitze 
der Brüderschaft standen, wie bei den weltlichen Vereinigungen, 
zwei Greven. Der eine wurde durch die beiden früheren Greven, 
der andere von den Mitgliedern gewählt. Die Wahl zum Greven 
musste jeder, wenn er nicht im vorhergehenden Jahre ebenfalls 
das Amt bekleidet hatte, oder zugleich in zwei anderen Brüder- 
schaften Qreve war,^) annehmen. Im Weigerungsfalle bestraften 
die Krämer beim ersten und zweiten Male mit Geld, beim dritten 
Maie mit Ausschluss. Jährlich war eine Hauptversammlung, der 
Stuhltag. Diesen hielten die Bäcker am nächsten Tage des heiligen 
Antoniusfestes (13. Juni) und die Krämer am Tage des heiligen 
Nikolaus, ihres Patrons (6. Dezember). Bei Vermeidung von Strafe 
war der Besuch des Stuhltages eine Pflicht. War der Mann aus 
einem triftigen Grunde verhindert, musste seine Frau ihn vertreten. 
Auf dieser Versammlung fand die Rechnungsablage der Greven 
statt. Den Greven zur Seite in der Finanzverwaltung standen 
bei den Bäckern fünf oder sechs, bei den Krämern vier Mitglieder, 
ohne deren Zustimmung keine Ausgabe gemacht werden konnte. 
Mit ihrem eigenen Vermögen hafteten sie für das verwaltete Gut. 
Falls aber die verantwortlichen Kassenrendanten die Schadenersatz- 
leistung ablehnten, erfolgte eine Anzeige bei Bürgermeister und 
Gericht. Eine eigentümliche Bestimmung erliessen die Bäcker. 
Kein Geld sollte in die Hände der „Pfaffen** kommen. Die Bussen und 
Strafen mussten alle pünktlich beglichen werden, widrigenfalls der 
Schuldner sämtlicher Rechte verlustig ging. Auch eine eigene 
Gerichtsbarkeit wurde von der Brüderschaft durch die Greven 
oder die Mitglieder ausgeübt. Sie erstreckte sich auf alle Streitig- 
keiten zwischen Brüdern mit Ausnahme von Körperverletzung und 
Ungehorsam gegen die Greven. Auflehnung gegen den Richter- 
spruch war mit Ausschluss aus der Brüderschaft verbunden. 

Nach dem Tode des Mannes behielt die Frau bis zu ihrer 
Wiederverheiratung die Mitgliedschaft, während der älteste Sohn 
nur mit dem halben Geld, einem Viertel Wein beziehungsweise 
einem halben Pfund Wachs und einer Flasche Wein seinen Ver- 
pflichtungen nachzukommen brauchte. Charakteristisch für das 
Wesen und den Geist der Brüderschaft ist im Gegensatz zu der 
weltlichen Zunft, dass nach dein Verlassen der Stadt ein armes 
Brüderschaftsmitglied bei seiner Wiederkehr ohne Entgelt in seine 
früheren Rechte eintrat. 



^) Mit diesen Brüderschaften sind wohl die allgemeinen religiösen Vereinigungen 
der Stadt gemeint. 



5. Kapitel. 



Die Anzeichen des Niederganges und Verfalles. 



Nachdem wir uns die Geschichte der Aachener Handwerker- 
verbände von ihren Anfängen an, ihre Entwickelung und Blüte, 
ihre Tätigkeit auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und reli- 
giösem Gebiete vor Augen geführt haben, bleibt noch übrig, auch 
den Beginn des Niederganges und Verfalles jener Institution, die 
ihrer Zeit ein nie verlöschendes Gepräge gegeben, in etwa zu 
kennzeichnen. 

Nach der Blütezeit der Aachener gewerblichen Verbände im 
14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts machen sich an- 
fangs des 16. Jahrhunderts die ersten Zeichen eines nahenden 
wirtschaftlichen Rückganges bemerkbar. 

Die Ursache des allmählichen Verfalles der Zunft lag in ihr 
selbst begründet; denn in dem Augenblicke, da die Zunft es 
versäumte, das auf eine bestimmte Zeit zugeschnittene wirtschaft- 
liche System der neuen in andere Bahnen einlenkenden Ent- 
wickelung anzupassen, musste das drohende Ereignis eintreten. 
Weniger freilich die wirtschaftlichen Verhältnisse als die Zunft- 
organisation trägt in erhöhtem Masse die Schuld an dem Nieder- 
gange. Durch diese wurde, sobald der Gedanke des öffentHchen 
Amtes schwand, die Zunft zu einer PamiHen Wirtschaft, der nur 
noch das Interesse für das eigene „Ich" am Herzen lag.^) Das 
Bestreben ging mit der Zeit dahin, den Stand immer mehr durch 
das Erbrecht auf das Amt abzuschliessen und den Zutritt neuer 
zum Handwerk zu erschweren. Zur Erreichung dieses Zieles 
scheute man vor keinem Mittel zurück, mochte es auch noch so 
ungerecht sein. 

Als ein Zeichen des langsam erwachenden Exklusivitäts- 
prinzips kann man schon manche Verordnungen über das Lehrlings- 
wesen deuten.^) So bitten 1535 die Bäcker um eine Erhöhung der 
Lehrzeit, nicht etwa im Interesse des Handwerks selbst, sondern 



1) stahl, Das deutsche Handwerk. Bd. I. Einfeitun?. S. 1 ff und Gierke, a. a. 0. 
8. 915 ff. 

') Vffl. Über die Ani'&nflre der Entartung des Zunftwesens Schanz, Zur Geschichte 
der deutschen GesellenTerbände im Mittelalter. Leipzig: 1876. S. 7 ff, der diese Erscheinungen 
hauptsächlich in bezug auf Lehrlings- und GeselUntum behandelt* 



— 94 — 

damit das „ambaoht nit vermaniohtfeldig" würde.^) Ebenso klar 
über ihre wahre Absicht drücken sich die Schneider aus.^) Auch 
die Bombasiner wünschten 1606 und 1623 eine Verlängerung der 
Lehrzeit von zwei auf drei Jahre, um dem Andränge zu ihrem 
Handwerk ein Hemmnis entge^^cnzusetzen. Freilich scheint es, 
dass unlautere Beweggründe hier weniger den Anlass gebildet 
haben und eine Verminderung der Meister wohl eine Notwendig- 
keit war, da ^ihr Handwerk dermassen mit Meistern erfüllet, dass 
anders die Nahrung geschwächt und in Abgang käme**.') Denselben 
Zweck, eine Beschränkung der Meister herbeizuführen, verfolgten 
wohl auch die Bestimmungen, dass die Lehrjahre nur in Aachen 
oder in einer Reichsstadt*) ausgedient werden durften, oder wenn 
Goldschmiede^) und Kupferschläger®) von den Fremden die aber- 
malige Ableistung der sechs- beziehungsweise dreijährigen Lehrzeit 
verlangen. Freüich konnten die drei .Jahre der Kupferschläger- 
zunft mit zehn Goldgulden und die beiden letzten der Gold- 
schmiedezunft mit je sechs Goldgulden abgekauft werden.'') Be- 
weist aber nicht gerade jener Abkauf zur Genüge, dass keines- 
wegs der Wunsch nach einer guten Ausbildung der Handwerker 
die Triebfeder dieses Beschlusses war! Schädliche Waffen wurden 
mit der Zeit in der Hand der selbstsüchtigen Zunft ferner der 
„Wanderzwang*^ und die „Wartezeit^. 

Wie nun die Zunft die Erwerbung der Meisterschaft den 
Fremden erschwerte, so erleichterte sie diese andrerseits den 
Familienmitgliedern ihrer Zunft genossen, so dass man bald von 
den „Beerbten am Handwerk** sprach. So verrät eine Verordnung 
der Schneider vom Jahre 1624 mehr Interesse für die eigene Sippe 
als für das Handwerk. Durch die Heirat mit einer Meisterstoohter 
oder -witwe erlangte nämlich jeder das Recht der Arbeitsausübung, 
ohne Rücksicht darauf, ob das Handwerk gelernt und die Lehr- 
jahre ausgestanden worden waren.®) Ja 1671 ordnet sie eine Ver- 
minderung des Eintrittsgeldes für die Meisterssöhne wegen der ^be- 
schwerlichen Zeiten" an.^) Im allgemeinen kann man der Erhöhung 
der Handwerksgerechtigkeit ebenfalls unlautere Absichten der 
Zünfte unterschieben und sie als eine Frucht der Familienwirt- 
schaft auffassen. Vielfach richtet sich die Abgabensteigerung nur 
gegen die, welche nicht am Handwerk geboren oder keine Bürgers- 
kinder waren.^®) Die Bombasiner bitten 1599^^) um eine Erhöhung 
des Ambach tsgeldes, weil ihr „Handwerk jetzige Zeit wegen der 
ziemlich grossen Anzahl Personen infolge des geringen Ambachts- 
geldes verfallet". Wenn sie dann aber weiterhin die Erhöhung 
damit begründen, dass dadurch auch des Ambaohts unerfahrene 
Meister vom Handwerk ferngehalten und gutes Kaufmannsgut in 
den Handel der Stadt gebracht werden soll, so war dies offenbar 



1) R. d. B&oker. (1535). vgl. auch Quix, Wochenblatt für Aaohen and Umffeirond. 
II. Jhrg. S. 9. 

3) R. Bl. 6. — >) R. d. Bombasiner. (1606) und a. a. 0. (1623). 

*) Ygl. S. 54. — 6) R. Nr. 10. — «) R. (1510) Nr. 1. 

^) Diese Verfninstierungr des Abkanfs wurde 1607 Boprar wieder aufgehoben. 
Loersch, Die Rolle der Aachener Goldschmiedezunft vom 16. April 1573. Z. d. A. G. Bd. 13. 
S. 267. Nr. 2. 

8) a. a. 0. (1624) Bl. 7. — ») Zanftbuch der Schneider. Bl. 129 f. 

^0) R. d. Krftmer. Bl. 8 f. — ") R. d. Bombasiner. (12. Oktober 1599). 



— 05 — 

nur vorgeschoben, um den Rat zur Erfüllung ihrer Bitte gefügiger 
zu machen. Andrerseits erhellt daraus, dass manche Verordnungen 
der Zünfte nur unter dem Scheine des Interesses für das Hand- 
werk und das kaufende Publikum erlassen worden sind. Betrachtet 
man die Klagen der Bombasiner und die daraus entspringen- 
den Verordnungen der Jahre 1599, 1606, 1623 und 1625, so er- 
halten diese durch einen anderen Umstand ein eigentümliches 
Schlaglicht. Am 19. Dezember 1623 *) bitten nämHch die Bomba- 
siner trotz ^der Ueberfüllung" den Rat um die Bestätigung, dass 
der Gfeselle, der eine Meisterswitwe heiratet und sich dazu 
^qualifizieren" würde, des Handwerks fähig sein, und nur die 
Lehrjahre mit sechs Goldgulden bezahlen sollte. Am 3. Dezember 
1626^) dürfen sogar alle ^Eingeborenen und am Wollenambacht 
Beerbte*', sowie deren Söhne und Töchter, das neue brüggische 
Borabasinhandwerk gegen eine Abgabe von nur '^/i Wein verrichten, 
während die Fremden nicht nur die ordentliche Gebühr, sondern 
auch die Lehrjahre laut Rolle zu leisten gezwungen waren. Das 
Brauerambacht, von dem es 1511 heisst, dass es „verfult und ver- 
mannichfeldicht von Bruwern** wird, sucht durch die Forderung 
eines Kapitals von hundert Gulden den Kreis seiner Handwerks- 
meister zu verengen.^) Auf der anderen Seite aber gewährte es 
den Meisterssöhnen und auch den Töchtern zur Erwerbung des 
Handwerks die weitgehendsten Vergünstigungen,*) Klarer kann 
kaum die Famüienwirtsohaft und der kleinliche Monopolgeist der 
damaligen Aachener Zünfte zum Ausdruck kommen. 

Nicht immer aber war in diesem egoistischen Streben 
der Zünfte der Erfolg auf ihrer Seite, da der Rat der Stadt 
manchmal ihren Absichten hindernd in den Weg trat. Die 
Bombasiner, die einfach keinen Fremden zu ihrem Handwerk 
mehr zulassen wollten und demgemäss zwei Handwerkern aus 
Maastricht den Eintritt in die Zunft verweigerten, mussten auf 
Befehl des Rates die beiden annehmen.^) Ebenso handelte der 
Rat, als das Schneiderambacht einem Johann Winandts die 
Aufnahme versagte. Der Rat begründete seinen entgegen- 
gesetzten Standpunkt damit, dass der Genannte ehrlich das Hand- 
werk gelernt und auswärts in anderen berühmten Städten aus- 
geübt habe.®) Hier handelte es sich offenbar um einen tüchtigen 
Meister, den die Zunft aus eigennützigen Gründen fernhalten 
wollte. Freilich wird diese hier und da zum Ausdruck kommende 
Gegnerschaft des Rates von keiner grossen und prinzipiellen Be- 
deutung gewesen sein und mit nichten einen Stillstand in der 
Entwiokelung der Zunft zu einer exklusiven Kaste bewirkt haben, 
sondern sie wird nur dann hervorgerufen worden sein, wenn eine 
Zunft ihre B^amilienwirtschaft allzu stark betrieb. Der Rat der 
Stadt bestand ja in seiner Mehrheit aus zünftigen Handwerkern, 
die sicherlich niemals von den allgemeinen Anschauungen der 
Zünfte abwichen. 



<) R. d. Bombasiner. (1623). 

•) a. a. O. (1626). Nr. 1 und 2. — ») R. Nr. 1. 

♦) a. a. 0. Nr. 4 und ft; vgl. auch S. 46 u. S. 47. 

<^) B. d. Bomlmsmer. (1626). — <>> E. d. Schneider. (1616) Bl. 6. 



- 96 — 

Mag nun hier und da eine Beschränkung der Meister durch 
die Verhältnisse gerechtfertigt gewesen sein, so lässt sich doch 
nicht verkennen, wie die Parnilienpolitik aUinählich den ehedem 
gesunden Organismus der Zünfte durch ihr schädliches Gift zer- 
setzte. Mit diesem innerlich sich vollziehenden Auflösungsprozess 
arbeitete Hand in Hand zum Untergange des Zunftwesens von 
aussen her ein ihm neu entstandener gefährlicher Gegner, die 
veränderte, auf anderer Grundlage sich aufbauende Betriebsweise. 
Diese neue Betriebsweise, das Verlagssystem, brach sich in Aachen 
zuerst; wie ja die Natur des Gewerbes es verständlich macht, Bahn 
in der Tuchmanufaktur und dem Bombasinfärberhandwerk. Zum 
Schutze des Handwerks und zur Verhütung jeder Benachteiligung 
wurde daher unter Zustimmung der Werkmeister eine besondere 
Verfügung erlassen. Kein Färber sollte unter dem Scheine, als 
ob er für eigenen Bedarf arbeite, von anderen Kaufleuten das 
dazu gehörige Material annehmen und gleichsam in deren Namen 
als „Meistersknecht oder Diener des Handwerks* arbeiten. Zur 
Vermeidung jeglichen Verdachtes, aber auch zur Tilgung jener 
Ungebühr war es den Färbern untersagt, in oder neben der Be- 
hausung von Kaufieuten zu wohnen und ihr Handwerk auszuüben. 
Bei dringendem Verdacht gegen diese Vorschrift gehandelt zu 
haben, verlangte man eine Erklärung an Eidesstatt.') 

Weitere Momente, die für den Niedergang der Aachener Hand- 
werkerverbände in Betracht kommen, sind in den grossen Unglüoks- 
fällen zu zuchen, die im Laufe der Zeit Aachen heimsuchten und 
seine Bevölkerung verminderten. Die Zahl der Handwerker war 
so gering geworden, dass im Jahre 1677 jeder Fremde die Zunft- 
mitgliedschaft unentgeltlich erhielt, 2) 

Die äusseren Erscheinungen waren freilich höchstens dazu 
angetan, den Verfall der Zünfte zu beschleunigen, aber nicht ihn 
zu veranlassen. Die wahren Gründe und Keime des Niederganfj^es 
liegen, wie wir gesehen, nur in inneren Verhältnissen, und zwar 
vor allem in der engherzigen und kleinlichen Privilegien- und 
Selbstsucht der Zünfte. Denn durch diese einseitige Begünstigung 
der Meisterfamilien wurden dem Handwerk auf der einen Seite 
die besten Kräfte entzogen, auf der anderen Seite ihm vielfach 
eine wenig brauchbare und gute Nachkommenschaft zugeführt. 
So fehlte dem Handwerk das neue belebende und lebensfrische 
Element, das unter Würdigung der veränderten wirtschaftlichen 
Lage der Zünfte alte Bedeutung bewahren und sie einer neuen 
Zukunft hätte entgegen führen können. Doch trotz all dieser 
späteren Schwächen und Mängel darf man nicht die hohe 
Bedeutung und die segensreiche Tätigkeit der Zünfte verkennen, 
die sie während der Zeit ihrer Blüte und Macht ausgeübt. Sie 
allein haben das Handwerk aus seiner verachteten Stellung eu 
jener Höhe emporgehoben, die ihren Ausdruck findet in den 
Worten: j,Das Handwerk hat einen goldenen Boden 1" 



^) R. d. Bombasiner (zw. 1638 und 44). 

>) Quix, Historisoh-topoffraphisohe Besohrelbung der Stadt Aachen. S. 16& 



II. Teil. 

Die Zünfte ohne gewerblichen Charakter. 



Ausser den Handwerkerverbänden weist die Geschichte Aachens 
auch noch eine Reihe von zünftigen Vereinigungen auf, die sich 
wesentlich von den ersteren durch ihre Entstehung und ihren 
Charakter unterscheiden. Ihr Alter, ihre Zahl, ihre Zwecke und 
Ziele sind ebenso in Dunkel gehüllt wie die Anfangszeit der ge- 
werblichen Zünfte. Nur wenige Angaben stehen zu Gebote, um 
jenes Dunkel zu durchdringen und auch diese Seite genossenschaft- 
licher Vereinigung zu beleuchten. 

Zuerst tritt nachweislich die Zunft zum Stern ^) im Jahre 1376 
in die Aachener Geschichte ein. Sie bildete, da berichtet wird, 
„den gesellen van den Sterren, dat sii by eyn bleven als lange 
der Keyser ind Kflynnyng zu Aighen wären 16,^) eine Art Nobel- 
garde, wofür sie von der Stadt besoldet wurde.^) Vielleicht bestand 
diese Zunft aber schon früher. Ihr späteres Zunftgebäude, die 
jdomus Stella", wird schon 1349 genannt.*) In dem Qaöelbrief 
des Jahres 1450 wird die Zunft an letzter Stelle als „alter Stern" 
aufgeführt; während die erste Stelle der in diesem Jahre gegründete 
^neue Stern** einnimmt. Der den beiden Zünften gemeinsame 
Name legt die Vermutung eines zwischen beiden obwaltenden 
Zusammenhanges nahe. In der späteren Zeit — so von 1513 ab^) 
— kommt nur noch eine Sternzunft vor. Ob also eine Ver- 
schmelzung beider oder eine Auflösung der einen oder anderen sich 
vollzogen hat, bleibt unbestimmt.^) 

Neben dem alten Stern wird nn Jahre 1385 bei den Wein- 
spenden der Stadt auch noch eine Gesellschaft „zu heren Adayms 
huys" genannt,') an deren Stelle nach der städtischen Ausgabe- 
reohnung 1391/92 eine Gesellschaft „zen Paradiesse** tritt.®) Auch 



1) Oppenhoff, Die Aachener Sternzunft. Z. d. A. G. Bd. XV. S. 236 ff. 

2) Laurent, A. St. R. S. 255. Z. 25. 

3) Oppenhoff, a. a. 0. 8. 238. 
*) Laurent, a. a. O. S. 202. 

6) Gaffelbnef von 1681. 

«) Oppenhoff, a. a. 0. S. 239. 

7) Laurent, a. a. 0. S. 297. Z. 27. 

8) a. a. 0. S. 376. Z. 19. 



— 98 -- 

hier bleibt die Frage ungelöst» ob mit diesem Jahre die Gesellschaft 
^zu heren Adayms huys** sieh auflöste oder vielleicht unter diesem 
veränderten Namen weiter bestand.*) Während die Bedeutung 
der beiden letzten Zünfte wohl nicht eine allzu grosse gewesen 
sein mag, scheint die Zunft vom Löwenberg, seit 1553 nach ihrer 
Uebersiedelung in das Haus „zum goldenen Bock'' Zunft zum Bock 
genannt,') in grösserem Ansehen gestanden zu haben. In einem Streite 
zwischen dem Kapitel des Marienstiftes und dem Rate der Stadt 
im Jahre 1424 wendet sich sogar das Kapitel um Vermittelung 
an die Gesellschaft Löwenberg. ^) Ihr Zunftbuch vom Jahre 1412^) 
gibt uns die erste authentische Nachricht von ihrer Existenz. 

Im Ansohluss an die Streitigkeiten zwischen Kapitel und Rat 
wird berichtet, dass in jenen Zeiten in Aachen Unruhen gewesen, 
Parteien und Gesellschaften hätten sich gebildet, von denen als 
die bedeutendsten neben der Gesellschaft Löwenberg die Gesell- 
schaften ^Schwarze Ähre** und „Pontort** die Geschichte aufweise.^) 

Weiterhin bestand in Aachen die „geselschaff van leewensteyn'', 
die am 12. März 1430 an den König Sigmund über den Aufstand 
des Jahres 1418 zugunsten des Rates berichtet. In der Folgezeit 
wird ihrer niemals mehr gedacht. Immerhin muss diese Gesellschaft, 
da sie zugleich mit den hochangesehenen Werkmeistern und als 
einzige der nicht gewerblichen Verbände an den König jenen 
Bericht liefert, von einer gewissen Bedeutung gewesen sein. Um 
so auffallender ist es, dass diese Gesellschaft mit ihrer Erwähnung 
im Jahre 1430 zugleich ans Licht tritt und verschwindet, ein 
Umstand, der in Verbindung mit anderen eigentümlichen Erschei- 
nungen den Gedanken an eine in andere Bahnen einlenkende 
Entwickelung dieser Zunft nahelegt. Das Haus Löwenstein, 
wahrscheinlich das Zunfthaus (Ecke Markt und Pontstrasse®), erhält 
im 15. und 16. Jahrhundert den Zusatz „up Pontort".'^) Nach 
Quix®) und Fürth ^) soll aber das diesem gegenüberliegende Haus 
(Ecke Markt und Pontstrasse,) das ebenfalls „up Pontort** bezeich- 
net wurde, das Zunfthaus einer besonderen Zunft „Pontort" gewesen 
sein. Nun sind aber die Quellen, auf die Quix und Fürth sich 
stützen, recht zweifelhafter Art, und ausserdem ist es unwahr- 
scheinlich, dass jenes Haus, in dem die Schöffen ihre Sitzung^en 
abhielten,^®) zugleich auch ein Zunfthaus war. Daher bleibt der 
Vermutung Raum, dass die Zunft Löwenstein und Pontort identisch 



1) Hoeffler, B. 193. 

^) MaocOj Das Haus zum Löwenberg. Mitteilungen des Vereins für Kunde der 
Aachener Vorzeit. Jahrg. 13. S. 96. 

^) Quix, Münsterkirohe. S. 87 f. 

*) Verordnungen der Zunft zum Bock. Weiterhin besass diese Zunft ein Zunftbuch, 
Nr. 2 von 1441 bis 1500; Nr. 3 von 1500 bis 1550; Nr. 4 von 1553 bis 1618; Nr. 5 von 1619 
bi8 1767; Nr. 6 von 1767 bis . . . .; ausserdem ein Verzeichnis der Abgestorbenen, 1414 
beginnend. — Macco, Beiträge zur Genealogie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien. 
^d. IL S. 150, ändert die auch von Quix, Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen und 
ihrer Umgebungen III, S. 100 bis 107, für das erste Zunftbuch der Gesellschaft Löwenberg* 
berichtete Jahreszahl 1412 in 1414 um. Diese nan^rebliche Verbesserung" seitens Macco ist 
wohl durch die Verwechslung des Verzeichnisses der Abgestorbenen vom Jahre 1414, das 
er a. a. O. S. 151 veröffentlicht, mit dem Zunftbuch von 1412 herbeigeführt worden. 

^) Quix. Munsterkirche S. 87. Anmerkung 79. 
. <>) Das heutige Geschäftshaus der Firma Vonhoff-Wildt, Markt 41. 

^ Pick, Aus Aachens Vergangenheit S. 563. 

^) Quix, Münsterkirche. S. 87. 

») V. Fürth, Bd. III. S. 393. 

10) Pick, a. a. 0. 



99 — 



sind. Freilich ist keineswegs zu entscheiden, ob die spätere Zunft 
Pontort aus einer Verschmelzung der Gesellschaft Löwenstein und 
einer ehemaligen Vereinigung Pontort entstanden, oder ob die 
Gesellschaft Löwenstein infolge der näheren Bezeichnung ihres 
Zunfthauses durch den Zusatz „up Pontort** ihren Namen dem- 
entsprechend änderte. Bin Analogen zu letzterer Erscheinung 
haben wir ja in der Zunft Löwenberg. Mit dem Wechsel des 
Zunfthauses Hess diese auch einen solchen des Namens eintreten. 
Hiermit wäre denn auch das Fehlen einer Zunft Löwenstein im 
GafFelbrief des Jahres 1450 erklärt. 

Der besondere Name jener Verbände stammt allem Anscheine 
nach von ihren Versammlungshäusern; der Name Stern von der 
domus Stella,^) Schwarze Ähre von dem Hause zum schwarzen 
Adler in der Jakobstrasse,^) Pontort von der Bezeichnung „up 
Pontort," Löwenberg von einem Hause auf dem ßüchel,^) das einen 
gegen einen Felsen gestemmten Löwen als Wahrzeichen trug, und 
Bock von dem Gebäude zum „goldenen Bock".*) Die allgemeine 
Bezeichnung war Gesellschaft, Zunft schlechthin oder GalBfcl insbe- 
sondere zum Zeichen ihrer politischen Berechtigung. 

Indem die Form „Ambacht" auf jene Vereinigungen keine 
Anwendung findet, wird schon äusserlich auf den zwischen ihnen 
und den Handwerkerverbänden herrschenden Unterschied hinge- 
wiesen. Sind diese ein Ergebnis der damaligen wirtschaftlichen 
Lage, so sind jene infolge der durch die Zunftunruhen veränderten poli- 
tischen Verhältnisse gezeitigt worden, mögen auch die kleinen Gesell- 
schaften „zu heren Adayms huys" und „zen Paradiesse" nur geselligen 
Zwecken ihre Entstehung verdanken.^) Denn dadurch, dass die 
Handwerkerverbände versuchten, das alte Patrizierregiment zu 
sprengen und gleichsam eine demokratische Regierung zu schaffen, 
blieb den Geschlechtern und den anderen Bürgern, wenn sie sich 
nicht gänzlich jedes Einflusses auf die Verwaltung der Stadt 
berauben lassen wollten, wohl anders nichts übrig, als sich ebenfalls 
zunftmässig zu organisieren.®) Von diesem Gesichtspunkte aus 
wird über die Gründung der neuen Sternzunft berichtet, dass durch 
den im Jahre 1450 zum äusserten getriebenen Aufruhr die Schöffen 
sich gezwungen sahen, für sich eine Zunft, so die neue Sternzunft 
war, zu errichten."') Fällt doch auch die Entstehung der Zünfte 
Löwenberg (Bock,) Schwarze Ähre und Pontort (Löwenstein) in 
politisch bewegte Zeiten! 

Diese vier Zünfte und der alte Stern wurden denn auch 
1450 durch den Gaffelbrief in die Reihe der politisch berechtigten 
Verbände aufgenommen. Mit der weiteren Machtentfaltung der 
Handwerkervereinigungen scheint ein Niedergang dieser Gesellschaf- 
ten Hand in Hand gegangen zu sein. Denn 1513 werden im Rate 



^) Auf dem Marktplätze, an der Stelle, wo jetzt das Warenhaus Tietz steht. 
') Jetziges Haus Jakobstrasse Nr 45. 

') Dieses Haus (heute Büchel Nr. 15) pachtete die Zunft 1442. Verordnungen der 
Zunft zum Book. 

*) Maeoo, Das Haus zum Löwenberg, a a. 0. S. 95. 

») Hoeffler, S. 193. 

') Oppenhof^ a. a. O. S. 237. 

^ V. Fürth, I. S. 120 ff. 



— 100 — 

statt der Qesellsohaften Schwarze Ähre und Pontort zwei Hand- 
werkerzünfte und der alte und neue Stern nur als eine Sternzunft 
aufgeführt.*) 

Die Berührung der Frage nach der politischen Berechtigung 
dieser Zünfte gibt weiterhin Anlass, ihre Stellung zum Rate zu 
erörtern. In dem Wesen dieser Zünfte liegt es schon begründet, 
dass von einer Verleihung von Statuten oder sogenannten Rollen 
nicht die Rede sein kann, ebensowenig wie von einem Einfluss 
des Rates auf ihre Organisation und Verfassung. Ihr Vorkehr mit 
dem Rate der Stadt war politischer Art. In diesem Sinne sind 
auch die „Ratsüberkömbste" zu deuten, die ein Verzeichnis der 
Sternzunft aufführt, deren Inhalt aber nicht mitgeteilt wird Unter 
anderem führt dieses Besitzverzeichnis auch den „Schlüssel eines 
Ehrbaren Rats Kassa, darinnen das grosse Siegel liegt", auf. 2) 

Die Mitglieder dieser Zünfte gehörten teils den vornehmen 
und besseren Bürgerkreisen, teils den Patriziergesohlechtern an. Die 
hervorragendste Stellung sowohl durch den Adel ihrer Mitglieder, als 
auch durch ihren Einfluss nahm ohne Zweifel die „löblich adelige 
Gesellschaft und Zunft zum Stern" ein. Neben den Patriziern w^ar 
auch die hohe Geistlichkeit durch einige canonici^) und im Jahre 
1560 der Episkopat durch den Bischof von Lüttich, Gerhard von 
Grusbeck, vertreten.*) Nur aus ihrer Zunft wurden die SchöflFen 
genommen, und ihr stand das Recht zu, aus ihrer Mitte einen 
auf ein Jahr „regierenden" und „abgestandenen" Bürgermeister 
im Rate zu haben. ^) War die Sternzunft somit die Zunft des 
Adels, der Aristokratie und der früher regierenden Geschlechter, 
so umfasste die Gesellschaft zum Bock (Löwenberg) „die für- 
nembsten und haabseligsten Bürgeren, die sich mehrerer Theill 
Ihrer Renthen und sonsten des Kaufmannshandels erhalten**.®) 
Im Jahre 1417 werden ein Bäcker und ein Sattler sogar zu 
Greven dieser Zunft gewählt.^) Es sind dies offenbar zwei Hand- 
werksmeister, die, ihre Gewerbe nicht mehr ausübend, sich zur 
Ruhe gesetzt hatten. Eine spätere Nachricht aus dem Jahre 1614 
führt die Zunft zum Bock als solche auf „ubi itidem nobiles, 
doctores, literati, mercatores et alii eiusmodi spectabiles viri" 
waren.®) Aus sehr angesehenen Bürgern setzte sich nach den 
der Urkunde vom 12. März 1430 anhängenden Siegeln ebenfalls 
die Zunft „van leewensteyn* zusammen. 

Die Verfassung und Organisation dieser Zünfte war genau 
nach dem Vorbilde der Handwerkerzünfte zugeschnitten und wohl 
unmittelbar, wie aus den erhaltenen Ueberlieferungen der Zunft 
zum Bock (Löwenberg) und Stern hervorgeht, diesen entnommen. 



1) Gaffelbrief yon 1681. 

') Verordnungen der Stemzunft 

") a. a. 0. 

*) y. Fürth, II. S. 204. Die Benennung des Bischofs ist in den Aufzeiohnungen ver- 
schieden, bald Gnisbeck, bald Grosbeok. 

6) V. Fürth, I. S. 120 ff. und Gaffelbrief von 1681. Nr. 6. 

0) Aktensammlung von 1590—96. BL 206 f. und 273. 

^ Verordnungen der Zunft zum Book. 

B) y. Fürth. 11. S. 211. — Nicht zutreffend ist es, wenn Quix, Historisch-topogra- 
phische Beschreibung der Stadt Aachen S. 147 und Macco, Beiträge zur Genealogie rheini- 
scher Adels- und Patrizierfamilien, II. S. 160 die Mitglieder der Zunft zum Book fast 
ausschliesslich als Angehörige des Geiehrtenstande^ bezeichnen. 



— 101 — 

An der Spitze der Zunft standen zwei Greven^ deren Amts- 
dauer ein Jahr betrug. Bei der Oesellsohaft Löwenberg wählten 
die alten Greven den einen, während den zweiten die übrigen Mit^ 
glieder erkoren. Stimmenmehrheit gab den Ausschlag, bei Stimmen- 
gleichheit entschied das Los. Ungehorsam gegen die Greven wurde 
mit Verlust der Mitgliedschaft bestraft. Auch eine eigene Gerichts- 
barkeit stand diesen Zünften zu. Streitigkeiten und alle Ereignisse 
auf dem Zunftsaal kamen vor das Forum der Greven und zwölf 
hierzu gewählter Mitglieder.^) Diese zwölf Männer wurden gleich 
den Greven auf der Hauptversammlung der Zunft, dem Stuhltage, 
gewählt. Dieser war bei der Zunft zum Stern auf St. Bartholo* 
mäustag*) (24. August), während die Zunft zum Bock (Löwenberg) 
ihn zu verschiedenen Zeiten abhielt. Im Jahre 1413 war es der 
St. Barbaratag (4. Dezember), 1414 am Tage des heiligen Gallus 
(16. Oktober), 1415 am 5. August und 1417 am Tage des heiligen 
Jakobus (25. Juli). Jeder hatte dem Rufe auf die Laube Folge 
zu leisten, strengstes Stillschweigen über die Verhandlungen bei 
Verlust der Zunftangehörigkeit zu beobachten und auf dem Stuhl- 
tage bis zu dessen Ende zu bleiben.^) 

Die jährlichen Hauptversammlungen waren aber nicht die 
einzigen Gelegenheiten, die die Zunftmitgliedor auf den Lauben 
vereinigte. Die Pflege des Frohsinns und der Geselligkeit wird 
im Laufe der Zeit, als der politische Hader und Kampf glücklich 
überwunden, immer mehr der Zweck dieser Vereinigungen ge- 
worden sein. Darauf weisen auch die Teller, Löffel und Schüsseln 
hin, die in den verschiedensten Grössen in den Inventarverzeich- 
nissen der beiden Gesellschaften Stern und zum Bock (Löwenberg) 
aufgeführt werden.*) 

Als Ort der Versammlungen dienten die eigenen Zunfthäuser. 
Da sie schon oben erwähnt, sei hier nur von jenen berichtet, 
über die die Quellen etwas reichlicher fliessen. Das Zunfthaus 
zum Bock (Löwenberg) auf dem Büchel war zwischen vier steiner- 
nen Mauern als ein gewaltiger Turm gebaut. Achtzehn bis 
zwanzig Fenster zierten das Haus.*^) Die Sternzunft wird 1573 
zusammenbeschieden, um über den ^ansehnlichen kunlichen now 
bouw" und das „aide Haussgen" zu beratschlagen. Den Greven 
wird von der Gesellschaft die Gewalt gegeben, Zinsbriefe und 
einen Ort, den die Gesellschaft auf dem Gute des Herrn Bonifatius 
Kolen(?) gekauft hatte, oder sonstiges Eigentum zu verpfänden. Vor 
einer allzugrossen Belastung der Gesellschaft sollten sie sich aber 
hüten. Weiterhin sollte einer, der mit der Aebtissin von Burtscheid 
bekannt war, um vier oder fünf „Steigerholzer** anfragen und auch 
die au der Zunft gehörigen Reichsleute ersucht werden, vier oder 
sechs Blöcke zur Hülfe zu geben. Im Jahre 1644 vermietet die 



^) Verordnungen der Znnft zum Book. Fol. 14. — In den letzteren erkennen wir die 
zwölf Gerichtsgeschworenen der Handwerkenrerbände wieder. 

') Veroi*dnungen der Stemzunft. Späterhin am 22. Jnni. Oppenfaoft a. a. O. S. 243. 

") Vgl. Verordnungen der Zunft zum. Bock. Fol. 4, 8, 14, 17 und Verordnung des 
Jahres 1417. 

*) Verordnungen der Zunft zum Book. a. a. 0. 

^) Macoo, Das Haus zum Löwenberg. a. a. O. S. 95. . 



— 102 — 

Zunft die grosse Behausung zum grossen und kleinen Stern auf 
eine Zeit von acht Jahren an Laurenz Hermes für jährlich 43 Taler, 
jeden Taler zu 26 M. gerechnet. Fernerhin besass die Zunft 
Ländereien, den sogenannten Bend, der sich an der Wurm ausserhalb 
St. Adalbertstor befand. Dieser Besitz wurde 1591 auf zwölf 
Jahre für 200 Taler, den Taler zu 25 M., und Uebernahme sonstiger 
Verpflichtungen verpachtet. Die Verwaltung des Zunftbesitzes 
und des gesamten Finanzwesens war wahrscheinlich analog der 
Zunft Löwenberg Sache der Greven. Eine Rechnungsablage erfolgte 
auf dem Stuhltage. Die Haupteinnahmequellen waren jedoch für 
die einzelnen Gesellschaften die Beiträge der Mitglieder. Der 
jährliche Beitrag der Gesellschaft zum Bock (Löwenberg) belief 
sich auf drei Merk und war auf dem Stuhltage zu entrichten. 
Zahlte jemand nach diesem Termin, so verdoppelte sich der Betrag. 
Eine weitere Kräftigung der Finanzenlage bi'achten die Straf-^) und 
Eintrittsgelder. Die Aufnahmegebühr betrug bei der Sternzunft 
einen Goldgulden und T^) ad 16 Merk Wein,^) bei der Gesellschaft 
Löwenberg acht Gulden, seit 1417 drei rheinische Gulden, zwei 
Viertel Wein, ein Dweelde (Leinwand), ein Küssen (Sitzkissen), seit 
1593 elf Gulden und dem Diener 1 M. Auch ein ^ Meisterschmaus* 
war seit 1585 in der Zunft zum Bock (Löwenberg) übHch. Den 
Söhnen der Zunftmitglieder wurden bei der Bewerbung Erleichte- 
rungen gewährt. Sie zahlten dei* Zunft Löwenberg nur zwei Gulden, 
ein Viertel Wein |.un(i übernahmen die übrigen Verpflichtungen.*) 

Neben der finanziellen Leistung verlangten diese Zünfte von 
ihren neuen Mitgliedern sicherlich den Nachweis eines guten 
moralischen Lebenswandels und eine ihrer Zunft entsprechende 
soziale Stellung. 1656 macht Löwenberg die Aufnahme von der 
ehelichen Geburt abhängig. Eine x\ufnahrae erfolgte nur auf dem 
Stuhltage mit Wissen und Wülen der ganzen Zunft.^) Wurde aber 
das neue Mitglied sofort als vollberechtigt aufgenommen, oder ging 
vorerst der vollen Mitgliedschaft eine Art Probe- oder Wartezeit 
voraus? Letzteres dürfte sehr wahrscheinlich sein; denn nicht nur 
diente die Organisation der Handwerkerverbände diesen Gesell- 
schaften zum Vorbüde, sondern ganz besonders scheint dies annehm- 
bar aus dem Grunde, weil in der Bezeichnung der Aufzunehmen- 
den bei der Sternzunft einmal ein bemerkenswerter Unterschied 
gemacht wird. Das eine Mal heisst es als „Geselle*, das andere 
Mal als „Mitbruder'^. Mit der Aufnahme als Mitbruder ist keine, 
mit der als Geselle aber eine Abgabe verbunden,®) 

Der Exklusivität dieser Zünfte entsprechend, wird die Zahl 
der Mitglieder nie eine erhebliche gewesen sein. Bis zum Jahre 
1527 gehörten der Sternzunft 105 MitgHeder an.') 1572 waren 
es mit den Zünftgenossen aus dem Aachener Reich dreissig. Die 



^) Verordnung der Zunft zum Bock. Fol. 18. 

^) Bedeutet wohl ein Mass. 

*) Verordnungen der Sternzunft. 

*) Verordnungen der Zunft zum Bock. Fol. 17. 

S) a. a. O. 

^) Verordnungen der Sternzunft. 

^) Handsohr. Aufzeichnungen Ton der Hand des Quiz. 



— 103 — 

grösste Mitgliederzahl wies die Gesellschaft zum Book (Löwenberg) 
im Jahre 1636 mit fünfundvierzig auf. 

Gemäss dem Zuge der Zeit finden wir auch bei diesen 
Zünften eine Betätigung des religiösen Lebens, wenn freilich 
auch nicht in der ausgesprochenen und vollendeten Weise, wie 
bei den Hand werker verbänden. An der Beerdigung eines ver- 
storbenen Zunftgenossen, dessen Frau oder Kinder, musste jeder 
bei Strafe von drei Schillingen sich beteiligen. Die Darbringung 
einer Seelenmesse verlieh dann weiterhin der pietätvollen Erinnerung 
an den Verstorbenen einen würdigen Ausdruck. Gleich den ge- 
werblichen Gaffeln bezogen auch sie noch 1577 in voller Rüstung 
am Abend des hl. Sakramentstages die Scharwache ^) und beteüigten 
sich an der Sakramentsprozession. Zu diesem Zwecke musste 
jedes Mitglied der Zunft zum Bock (Löwenberg) seine Kogel, das 
Zunftabzeichen, unter Verlust der Mitgliedschaft bereithalten.^) 

Ist in dem Vorliegenden der Versuch gemacht, ein annähernd 
getreues Bild von der Organisation und Verfassung dieser Ge- 
sellschaften zu entwerfen, so gibt es uns trotz der Dürftigkeit der 
üeberlieferungen doch Gelegenheit zu erkennen, wie tief und 
weitverzweigt zünftiges Wesen und zünftige Art ihre Wurzeln 
geschlagen haben. Organisation und Verfassung jener Gesellschaften 
sind gleichsam nur ein Spiegelbild der gewerblichen Zünfte. 



^) Verordnungen der Zunft zum Book. 

V Verordnungen der Zunft zum Bock. Fol. 15. — Ueber die Gesellsohaft Löwenberg 
Tgl. Quix» Beiträge zur Geschiohte Aachens. Bd. IIL S. 100 t, dem^ wo nichts anderes be- 
merkt» die tatsftchliohen Nachrichten über diese Zunft entnonunen sind. 



Die Zünfte der Stadt Aachen 
bis zum Jahre 1681. 



►♦■ ••—«-— 



I. Die Handwerkerzünfte. 



L Die selbständigen Handwerkerzünfte. 

a) Die politisch berechtigten: 



1. Bäcker. 

2. Brauer. 

3. Fleischer. 

4. Krämer. 

5. Kupferschläger. 

6. Löder. 

7. Pelzer. 



8. Schneider. 

9. Schmiede. 

10. Schuhmacher. 

11. Wollenambacht oder 
Werkmeisterlaube. 

12. Zimmerleute. 



b) Die politisch nicht berechtigten: 



1. Alträuscher und Schoyn- 

lepper. 

2. Barbiere, Wund- und 

Arzneiktinstler. 

3. Bombasiner. 

4. Passbender. 

5. Plasch-u. Lampenmacher. 

6. Goldschmiede. 

7. Kannegiesser. 

8. Kessler. 



9. Kohlenwerk. (?) 

10. Kratzmacher. 

11. Leineweber. 

12. Maler. 

13. Müller. 

14. Posamentwirker. 

15. Sackträger. 

16. Spiegelmacher: 

Schilderer, Kistenmaler, 
Glasmaler lu Glasmacher. 



— 106 — 



2. Die zubehorenen 



1. Buntwirker. 

2. Büobsenlade-, -lauf- und 

-schlossmacher. 

3. Drahtzieher. 

4. Färber und Röder. 

5. Gewandsohneider. 

6. Hamacher (Sattler). 

7. Harnisohmaoher. 

8. Hutmacher. 

9. Loiendecker. 

10. Mützenmacher oder 
Mützenstricker. 



11. Nadel- und Krempen- 

raacher. 

12. Nagelsohmiede. 

13. Radermacher. 

14. Schreiner. 

15. Steinmetzen. 

16. Spanische Nadelmacher. 

17. Tuchscherer. 

18. Vettewärer (Fettwaren- 

händler). 

19. Weissgerber. 



II. Die Zünfte ohne gewerblichen Charakter: 



3. 
4. 



» 



1. Gesellschaft ^zu heren Adayms huys**. 

2. ^ j,zen Paradiesse". 

.Schwarze Ähre**. 

,van leewensteyn^, die wahrscheinlich 
mit der Gesellschaft ^Pontort*' identisch ist. 

5. Zunft zum alten Stern. 

6. yf zum neuen Stern.') 

7. „ vom Löwenberg. (Seit 1513 Zunft zum Bock 
genannt.). 



^) Seit 1513 bestand nur noch eine Zunft zum Stern. 



Allen meinen akademischen Lehrern spreche ich meinen 
aufrichtigen Dank aus. Besonders aber bin ich zu Dank ver- 
pflichtet dem Herrn Prof. Dr. Meister in Münster i. W. für die 
Anregung zu vorliegender Abhandlung und die wohlwollende 
Förderung derselben. 

Dank aber auch dem Herrn Stadtarohivar Pick zu Aachen, 
der vor allem auf archivalischem Gebiete in liebenswürdigster 
Weise mich wirksam unterstützt hat, sowie den Herren Stadtbiblio- 
thekar Dr. Müller und Hülfsarchivar Dr. Brüning zu Aachen 1 



Druckfehlerverzeichnis- 



Ausser einigen Interpunktionsfehlern wolle man verbessern 

S. 19 Sohoynlepper statt Schoyenlepper. 

S. 27, Zeile 18, ausnahmslos statt ausnamslos. 

S. ö5, „ 6, beobachtenden statt beobachenden. 



(ß^^ 



^ 



I l 



J 



YC 87434 



^