Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commcrcial parties, including placing technical restrictions on automatcd qucrying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send aulomated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogX'S "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct andhclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http : //books . google . com/|
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .corül durchsuchen.
/
Or. phil.
IC Hermandung.
Das
Zunftwesen der Stadt Aachen
is zum Jahre 1681.
isß^ Mk.
AACHEN 1908.
^= Druck und Verlag der ^=:
La Rueile'schen Accidenzdruckerei
^= (Inh.: Jos. Deterre). =
•Sf±
"••■■'' i
I
i
. Das
t
Zunftwesen der Stadt Aachen
bis zum Jahre 1681.
Von
Dr. phiL Alex Hermandung
Preis 1,50 Mk.
Aaohen 1008.
Drack und Verlag der La Ruelle'schen Accidenzdruckerei
(Inh.: Jos. Deterre).
Inhaltsübersicht.
Seite
Vorwort 6
Einleitung 7
Die Entwickelang Aachens unter besonderer fierßcksichtiflrunflr der
Gewerbe- und Handelsverh<nisse.
I. Teil:
Die tiandwerkerverbände.
1. Kapitel: Die äussere Gesohlchte 11
Zahl, Alter und Statuten der Zünfte. — Bezeiobnungr. — Entstebungr. —
Die Zeit der Zanftbeweffungren. — Zfinfte und stAdtisobe Selbstver-
waltung. — Gliederung der Zünfte.
2. Kapitel: Verfassung und Organisation 45
Zunftmitglieder und Aufnahmebediitflruneren. — Zunftbeamte. — Ge-
richts* und Finanzwesen. -~ Zunfthäuser und Zunftrersammluiigen.
3. Kapitel: Wirtschaftliche Bedeutung 76
Verbot der Einfuhr, des Kaufs und Verkaufs fremder Waren. —
Sorge der Zünfte für die Güte der Handwerkserzeugnisse. — Prüfung
der Waren durch die Zunftbeamten. — Abgrenzung des Arbeits-
gebietes und Gleichstellung der Meister.
4. Kapitel: Die liirchlich-religiilsen Ziele 88
Allgemeine Ausübung religiöser Gebräuche. — Zunftpatrone und
Brüderschaften.
5. Kapitel: Die Anzeichen des Niederganges und Verfalles 93
IL Teil:
Die Zünfte ohne ^gewerblichen Charakter 97
Allgemeines. — Verfassung und Organisation*
433
Vorwort.
In der gesohiohtliohen Forschung ist die Frage nach der
Entstehung und Bntwickelung der Handwerkerverbände immer von
hervorragender Bedeutung gewesen. Eine sichere und festbegrün-
dete Lösung ist aber nur auf Grund eines grossen Kreises von
Einzeluntersuchungen möglich. Vorliegende Abhandlung, die ags
der Geschichte der alten Kaiserstadt Aachen schöpft, soll daher
einen Beitrag zur Erforschung des Zunftwesens liefern. Zeitlich
umfasst sie den Spannraura von der Entstehung der Aachener
Zünfte beziehungsweise ihrem ersten Erkennen bis zum Jahre 1681.
Denn in diesem Jahre findet das Ringen der Zünfte um politische
Gleichberechtigung mit den Patriziern in der Verleihung des letzten
„Gaffelbriefes** seinen Abschluss. In gewerblicher Beziehung ist
der Zünfte Blüte um diese Zeit schon dahin, so dass die folgende
Epoche kein so grosses Interesse mehr erweckt und auch die nach
1681 gegebenen Verordnungen wesentlich Neues nicht mehr ent-
halten. Nur die Rolle der Barbiere, Wund- und Arzneikünstler
vom Jahre 1701 ist infolge Verlustes der alten Rolle vom Jahre 1427
noch raitbenuzt, wie auch hier und da einige Bestimmungen aus
jüngerer Zeit zur Erläuterung herangezogen worden sind. Das
verwandte archivalische Material ruht zum Teil im Staatsarchiv
zu Berlin (Manuscripta Borussica quart. 277: R. d. Zimmerleute,
Steinmetzen und Leineweber), zum Teil im Stadtarchiv zu Aachen :
Aktensaramlung von 1590 — 96, Aachener Zunftsachen^) (ent-
haltend: Rolle der Schmiede und Radermacher, Rolle der licien-
decker, Brüderschaftsordnung der Bäcker und Krämer), Extractus
(Auszüge verschiedener Zunftrollen), Gaffelbrief des Jahres 1681,
Handschriftliche Aufzeichnungen von der Hand des Meyer, Ver-
ordnungen der Zünfte zum Bock und zum Stern, Werkmeister-
gericht Bd. I u. II, Zunftbuch der Schneider, sowie sämtliche
übrigen Rollen der Zünfte.^)
1) Zitiert A. Z.
2) Die Rollen sind zitiert: „R". Die in Klammern beigefügte Zahl gibt das Jahr
an, in dem die Verordnung erlassen worden ist.
Einleitung.
Urbs aqaensis, urbs renalis,
Regoi sedes principa)i8,
Prima regnim curia.
Diese stolzen Worte lenken unseren Bliok zurück in eine
Zeit, in der Aachen, die alte Kaiser- und Krönungsstadt, im
Mittelpunkte des politischen Lebens stand und durch ihren Ruhm
und ihre Bedeutung zu den ersten Städten des heiligen römischen
Reiches deutscher Nation zählte. Freilich ist die Entstehuägs-
und Urzeit des Ortes Aachen der geschichtlichen Forschung durch
einen dichten Nebel verhüllt, wenn auch einige Strahlen jenes
Dunkel durchbrechen, die ein wenigstens annäherndes Bild der
geschichtlichen Entwickelung Aachens entwerfen lassen.
Die ersten Bewohner dieser Gegend waren keltischen Stammes,
die wie alle übrigen linksrheinischen Völkerschaften der Welt-
machtpolitik Roms zum Opfer fielen. Dass auch über Aachen
der römische Adler einst seine Schwingen breitete, bekunden die
vielen archäologischen Funde.*) Die besondere Bedeutung zur
römischen Zeit spiegelt sich darin wieder, dass sich hier vier
römische Strassen kreuzten.^) Sogar eine Militärstation war hier
errichtet, deren Lager sich auf dem heutigen Marktplatze
befand. In Verbindung hiermit und wohl auch durch das Vor-
handensein der warmen Quellen beeinflusst, entstand sehr wahr-
scheinlich, wie vorgefundene römische Ueberreste dartun, eine
bürgerlich römische Ansiedelung. Welches Geschick Aachen weiter-
hin gehabt, entzieht sich vollständig unserer Kenntnis. Erst zu
der Zeit der Merowingor tritt Aachen wiederum aus seinem Dunkel
hervor.^)
Einen Glanzpunkt in der Geschichte Aachens bildet das
Zeitalter der Karolinger. Ist ja auf das innigste der Name Karls
des Grossen mit Aachen verknüpft I Ragt ja heute noch das
herrliche und altehrwürdige Münster aus einer längst entschwun-
denen ^eit als ein Denkmal der Liebe und Fürsorge Karls für
seine Pfalz hervor ! Besonders der seit 792*) ständige Winteraufenthalt
*) Pick and Siedamgrotsky, Die romische Wasserleitnnir von BurUoheid nach
Aachen. Zeitschrift des Aachener Gesohiohtsvereins (kunftiir zitiert Z. d. A. G.) Bd. XI. S. 272.
Adenaw, Archäologische Funde in Aachen bis zum Jahre 1898. Z. d. A. Qt, Bd. XX. S. 179 ff.
') Schneider, Bömerstrassen im Begierungrsbezirk Aachen. Z. d. A. Q. XI. S. 73.
') Gross, Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs. Aachen 1894 S. 22.
*•) Hegel, Die Entstehung des deutschen Städtewesens. Leipzig 1896 S. 20.
— 8 —
des ersten Karolingers belebte und förderte die Entwiokelung
Aachens, zog Kaufleute und Handwerker herbei und übte einen
nicht geringen Binfluss auf Gewerbe und Handel aus. Wie weit
schon das Gewerbeleben unter den Karolingern gediehen w^ar,
zeigt eine sehr wahrscheinlich von Ludwig dem Frommen etwa
um 820 herrührende Verordnung betreffs guter Polizei und Sittenzucht,
die sich erstreckte »per raansiones omnium negotiatorum sive in
mercato, sive aliubi negotientur, tarn christianorum quam et
Judaeorum.**^) Dass auch das jüdische Element besonders genannt
wird, zeugt einerseits von seinem zahlreichen Vorhandensein, andrer-
seits von einer starken Betätigung des Handels, da zu den Kauf-
leuten vor allem die Juden gehörten. Einen ferneren Beweis für den
bedeutenden Handel Aachens in dieser Zeit liefert uns die Tatsache,
dass Aachen zu den gewinnbringendsten Zollstätten des Reiches
gehörte. Um ihre Getreuen in der Pfalz Aachen vor einer
Schmälerung dieser Einkünfte zu schützen, wurde Aachen im Privileg
Ludwigs des Frommen und Lothars I. im Jahre 828 von der
allgemeinen Zollfreiheit ausgenommen.^)
So musste der Ort Aachen unter dem mächtigen Schutze
und der segensreichen Huld der deutschen Herrscher immer mehr
und mehr sich entwickeln und erweitern. Frühzeitig finden wir
daher Aachen schon als eine Dorfschaft ; denn die Urkunden dos
9. Jahrhunderts führen die Bezeichnung „villa" oder ,,vicus", wenig
dagegen „locus", Ortschaft.^)
Von grösster Bedeutung aber hinsichtlich der Entwiokelung
und des Gewerbelebens war der Besitz des Marktrechtes, nicht
nur wegen des wenig entwickelten Verkehrs und der mangelhaften
Verbindung in jener Zeit, sondern weil das wirtsohaftspolitisohe
Prinzip des Mittelalters die Konzentrierung des Verkehrs auf dem
Marktplatze teilweise forderte.^) Ein solches Marktrecht wurde
Aachen durch das Privilegium Friedrichs L vom 9. Januar 1166
zuteil, indem den Aachenern zwei vierzehnlägige Jahrmärkte, ver-
bunden mit Zoll- und Marktfreiheit für die Kaufleute verliehen
wurde.^) Wenn nun auch keine Quelle von einem früheren Besitze
des Marktrechtes spricht, so können wir es doch wohl voraussetzen ;
denn es ist nicht zu bezweifeln, dass schon früh neben königlichen
Märkten auf Pfalzgütern auch andere öffentliche Märkte bestanden.*^)
Am 8. April 1359 verleiht Karl IV. den Aachener Bürgern das
Recht, vom 1. bis 15. Mai jährlich Jahrmarkt zu halten. Der
Erzbischof von Köln, der Bischof von Lüttich, die Herzoge von
Brabant, Geldern, Jülich und der Graf von Loes werden sogar
aufgefordert, den Kaufleuten, die den Jahrmarkt besuchen, Schutz
und Schirm zu gewähren.^)
*) fioretiuB, M. G. Hist. Legum, Sectio II, Capitularia L S. 297.
«) Heerel, a. a. 0. S. 63.
3) Piok, Aus Aachens Vergangenheit. Beiträge zur Geschichte der alten Kaisenftadt
Aachen. 1895. S. 126.
^) V. Below, Ursprung der deutschen Stadtverfassung S. 15 ff.
^) Lacomblet, ürkundenbuch ffir die Geschichte des Niederrheins. DütseMorf
1840 bis 1858. B. I. S. 283 Nr. 412.
0) Hegel, a. a. 0. S. 51.
'') Haagen, Geschichte Achens Ton seinen Anfingen bis zur neuesten Zeit Aachen
1873 und 1874. B. I. S. 294.
— 9 -
Indem so Hondel und Gewerbe gefördert wurden, wuchsen
Wohlstand und Reichtum der Aachener Bürgerschaft, so dass
Friedrich Barbarossa einst sagen konnte: „Aquisgranum omnes
provincias et civitates dignitatis et honoris prerogativa precellit/*)
Die Bevölkerung Aachens setzte sich aus freien Bürgern
zusammen und war wie auch in den übrigen mittelalterlichen
Städten nach Ständen geordnet. Den bevorzugteren und macht-
volleren aber an Zahl geringeren Stand bildete das Patriziat,^)
während die Masse des Volkes aus Handwerkern und Ackerbau-
treibenden sich zusammensetzte. Daneben wird auch die Zahl der
Geistlichkeit infolge der in Aachen zahlreich vorhandenen und
reich dotierten Stifte eine nicht geringe gewesen sein. Der
durch die günstige Verbindung Aachens mit dem damals kultu?*ell
und gewerblich höher stehenden Westen — denn zwei Wege
Köln — Bavai umschlossen mit einem alten Wegenetz die wichtigen
Punkte Aachen, Lüttich und Namur — '*) geförderte Handel und
Verkehr werden wohl den Grund gebildet haben, dass auch das
Freradenelement in Aachen stark vertreten war. Wie wir gesehen,
waren die Juden schon unter den Karolingern zahlreich in Aachen
ansässig. Im Jahre 1241 werden die Judei de Aquis mit einem
Steuerbetrag von 15 M. aufgeführt.*) Dieser Umstand und die
1330^) erwähnte Judengasse liefern den Beweis für eine verhält-
nismässig zahlreiche jüdische Bürgerschaft. Zur Bevölkerung
Aachens gehörten ferner die Lombarden, die nicht nur Geld-
geschäfte betrieben,'') sondern auch dem Gewerbe der Tuch-
manufaktur oblagen.®)
Selbst neue Gewerbe wurden durch jene einwandernden
Fremden in Aachen ins Leben gerufen oder wenigstens in ihrer
Art vervollkommnet. So begründeten Johann Amya und Sohn
aus Amiens im Jahre 1450 ^) das Kupferschlägerhandwerk. In
einer Entscheidung des Rates auf Klage des Mützentnacher-
ambaohts gegen einen Handwerker aus Brüssel, der sich „mit
dem Stricken der seidenen Hosen ernährte", heisst es: „dieweil
solch stricke eine newlich erfondene alhie bissher wenig gebrauchte
kunst ist,*®) und das Borabasinhandwerk wird als das „newe
Bruggische Bombaseien" bezeichnet.**) Die Nadelfabrikanten wur-
den die „spanischen" Nadelmacher*^) genannt, ein Beweis, dass
1) Lacomblet, I Nr. 412.
^) ygrl. h. aasführl. Hoeffler, Entwickelungr der kommunalen Verfassung und Ver-
waltung der Stadt Aachen bis zum Jahre 1450. Z. d. A. G. Bd. 23 S. 175 if.
^) lieber den Ursprung des Standes der Patrizier vgl. Max Foitz, Beiträge zur
Gfesohichte des Patriziats in den deutschen Städten vor dem Ausbruch der Zunftkämpfe.
(Strassburg, Basel, Worms, Freiburg i. Br.) Marburger Dissertation 1899.
*) von Veith, Das alte Wegenetz zwischen Köln, Limburg, Mastricht und Bavai,
mit besonderer Berücksichtigung der Aachener Gegend. Z. d. A. G. Bd. VIII S. 97.
^) Sohwalm, Ein unbekanntes Eingangsverzeichnis von Steuern der königlichen
Städte aus der Zeit Kaiser Friedrichs II. Keues Archiv XXIII S. 522.
") Loersoh, Aachener Chronik. Annalen des historischen Vereins für den Nieder-
rhein, insbesondere die alte Erzdiözese Köln. Heft XVII S. 3.
') Hoeffler, S. 180.
^) Werkmeistergericht I.
*) Noppius, Aaoher Chronick I S. 111 ; künftig zitiert „Noppius*'.
10) R. d. Mützenmacher. (1585) Nr. 18.
") B. d. Bombasiner. (1626).
1^ B. d. spanischen Nadelmacher.
10 —
dieses Handwerk, das heute noch einen hervorragenden Platz in
der Industrie Aachens einnimmt, spanischen Einwanderern seine
Entstehung verdankt.^) Im Jahre 1544 verlieh der Rat 30 fremden
Familien zum grössten Teil aus Flandern und Artois, die mit
Wollenzeug Handel trieben, das Bürgerrecht.*) So sehen wir, dass
gerade aus fremden Landen das Aachener Gewerbe manche för-
dernde Anregung empfing, und dass hierdurch der Kreis der einzelnen
Handwerkszweige erheblich vermehrt wurde. Der tiefere Grund
jedoch für die fruchtbringende und reiche Entwicklung des Hand-
werks in Aachen in der ersten Hälfte des Mittelalters liegt in
einem Institut, das zur damaligen Zeit nicht nur ein mächtiger
Faktor im kommunalen Leben der Stadt, sondern auch ganz be-
sonders die Beherrscherin der gesamten Wirtschaftspolitik war,
nämlich der Zunft. Sie war die Wurzel für den hervorragenden
Aufschwung und einer bis jetzt nie mehr erreichten Blüte des
Handwerks.
Diese Zünfte von ihrem Entstehen bis zur Zeit ihres Ver-
falles zu ergründen, ihre Bedeutung für Aachen in wirtschaft-
licher und politischer Beziehung zu beleuchten und die Anzeichen
und Gründe ihrer späteren wirtschaftlichen Schädigung darzulegen,
soll Zweck und Aufgabe der weiteren Ausführungen sein.
>) vgl. auch Hansen, Die Aachener NadelinduKtrie.
') Petrus ä Beeok, Aquisgranum S. 258.
I. Teil.
Die Handwerkerverbände
I. Kapitel.
Die äussere Geschichte.
Ueber die Zeit, in der die Handwerkerverbände Aachens
entstanden, gibt uns keine Nachricht sicheren und zuverlässigen
Aufsohluss. Der Grund dieser auffallenden Tatsache ist wohl darin
zu suchen, dass der grosse Stadtbrand des Jahres 1656, der sehr
viele Ueberlieferungen der Aachener Vorfahren vernichtete, auch
die ersten Spuren des Aachener Zunftwesens verwischt hat.^) Aus
verhältnismässig später Zeit dringt somit erst eine zuverlässige
Kunde von dem Bestehen mehrerer Zünfte zu uns.
Bis zum Jahre 1428, den 29. Juni hatten sich in Aachen
folgende Gewerbe zu Genossenschaften vereinigt.^) Das Ambacht
der Schröder myt eyren zubehorenden ambacht, ambacht der becker,
bruwer, smede, vuolre, schuhmecher, leder, buntmecher ind zemer-
lude mit eren kleynen zobehoren ambachten.^)
Ausser diesen genannten Gewerben hatten sich aber zu dieser
Zeit, wie dies aus dem Zusatz „Zubehören ambachten" hervorgeht,
noch verschiedene andere zunftmässig organisiert, die freilich keine
selbständige Stellung einnahmen, sondern einem verwandten Gewerbe
zugeteilt waren. Erst spätere Nachrichten machen uns mit diesen
angegliederten Zünften bekannt.^) Da die Schneider nur ein „zu-
behorendes ambacht**, nämlich die Tuchscherer hatten, so ist deren
Bestehen im Jahre 1428 ausser Zweifel gesetzt. Anders verhält es
sich mit den „Zubehören ambachten** der Zimmerleute. Ein sicherer
Schluss ist hier, weil mehrere Zünfte in Frage kommen, nicht möglich,
immerhin aber liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass die uns in
Durch den Stadtbrand des Jahres 1656 wurden nachweislich Ternichtet: die
^lle der Schreiner, Barbiere und Meister der Wund- und Ä.rzneikunst, der Leineweber,
Knpfersohlftger, Steinmetzen und Zimmerleute.
>) Gross, a. a. O. S. 78 l&sst die Orgranisation der Handwerker in zehn Zünften
irrtümlich sich erst im Jahre 1428 vollziehen. Wie die weiteren Ausführungen ergeben, be-
standen die Zünfte schon viel früher.
') Loersch, Achener Rechtsdenkm&ler aus dem 13., 14. und 15. Jahrhundert, Bonn 1871
(künftig zitiert: »Loersch, A. R. D.*) S. 204. Nr. 13.
*) Aktensammlung Ton 1590 h}9 }596.
— 12 —
der Folge bekannten angegliederten Zünfte, nämlich die Steinmetzen,
Schreiner und Leiendeoker, ebenfalls wenigstens zum Teil um diese
Zeit bestanden haben.
Weiterhin bildeten die Fleischer 1428 schon eine Zunft, die
jedoch wegen Nichtbeteiligung an den Zunftunruhen nicht auf-
gezählt wird.^)
Entgegen Hoeffler^) möchte ich der Ansicht Ausdruck geben,
dass es noch mehr Zünfte, als die in dem Vertrage vom 29. Juni
des Jahres 1428 aufgezählten, die Fleischer und die „Zubehören
ambachten" miteinbegriffen, gab. Denn während der Vertrag
vom Jahre 1428 ausser den Fleischern nur neun Ambachten nennt,
errichteten noch keine zwei Monate später am 10. August^) zehn
Handwerkerverbände einen neuen Rat. Diese zehnte Zunft ist
nicht die der Fleischer, da sie sich ja nicht an diesem Gewaltstreiche
beteiligte, noch wird irgend ein zugehöriges Ambacht als gleich-
wertig von den übrigen betrachtet worden sein und Sitz und
Stimme in dem neuen Rate erhalten haben. Der Kreis der 1428
bestehenden Zünfte ist ein grösserer gewesen. Dafür spricht auch die
Nachricht, dass nur „eyn deyll der Ambachtzlude** gemmnsame
Sache mit den Empörern machte.^) Die Zünfte, die damals
selbständig schon bestanden, wie wir unten nachweisen werden,
und allem Anscheine nach eine neutrale Stellung bei den ersten
Unruhen des Jahres 1428 einnahmen, waren die Krämer, Barbiere
und Meister der Wund- und Arzneikunst und die Müller, so dass
sich die Zahl der 1428 bestehenden selbständigen Handwerker-
verbände auf dreizehn beläuft.
Die Tatsache nun, dass im Verhältnis zu dem hohen Alter
und der grossen Vergangenheit der einstigen Kaiserstadt und dem
blühend entwickelten Gewerbeleben die Zünfte recht spät erkennbar
in die Geschichte Aachens eintreten und zu einer Zeit, als dieselben
schon zu einer solchen Macht sich entwickelt, dass sie, wenn
auch nur für kurze Zeit, einen siegreichen Kampf gegen eine seit
Jahrhunderten bestehende Ordnung ausgefochten haben, liefert von
selbst den Beweis für ein viel höheres Alter der obenerwähnten
Zünfte. Unsere Aufgabe soll es demnach zunächst sein, in etwa
die Bntstehungszeit dieser Zünfte zu erforschen und zugleich das
Alter der ihnen vom Rate verliehenen Satzungen und Ordnungen
zu bestimmen.
Die älteste Nachricht von einer gewerblichen Vereinigung
Hefert uns eine handschriftliche Aufzeichnung des Chronisten
Meyer des Aelteren, derzufolge die erste „Verbrüderung" der
Schneider im Jahre 1288 unter dem Namen „Schroederzunft" von
85 Meistern geschlossen wurde. ^) 1512 erhalten die Schneider
^) vgl. den Abschnitt: „Die Zeit der Zunftbewegungen."
*) Hoeffler, S. 197 und 199.
^) Loersch, Aachener Chronik S. 6.
*) V. Fürth, Beiträge und Material zur Geschichte der Aachener Patrizier-Familien I.
(künftig zitiert: „v. Fürth*'.) S. 52 Nr. 18.
^) Stadtarchiv Aachen,
— 13 —
vom Rate die Bestätigung ihrer Statuten, die am 26. Juli 1541
„korrigiert und verändert" werden.^)
Ein hohes Alter kommt ferner dem Wollenambacht zu, dessen
Vorsteher, die Werkmeister, im Jahre 1333 zum ersten Male
genannt werden.^) Spätestens zu dieser Zeit muss also diese Zunft
bestanden haben. Bedenkt man aber, dass schon seit dem
12. Jahrhundert der Wohlstand der Stadt Aachen vor allem auf
der Tuohmanufaktur sich begründete^) und in dem benachbarten
Burtsoheid, das an Macht, Grösse und Tuchfabrikation weit hinter
Aachen zurückstand, schon im Jahre 1306 eine Zunft der Tuch-
macher ins Leben trat*), so kann man sicherlich auch für Aachen
um diese Zeit an eine Vereinigung im Tuchgewerbe denken. Von
einer frühzeitigen Entwickelung und Brstarkung legen die ersten
Zunftunruhen im Jahre 1368 und 1401 Beweis ab, die ihren Ursprung
gerade bei den Walkern und Webern nahmen. Recht eingehende
Nachrichten und Kenntnisse über diese Zunft erhalten wir aus der
Verordnung der Werkmeisterund Geschworenen genannten Ambachts
vom Jahre 1387^) und dem Privilegium vom 3. Februar 1406®),
während die vom Rate verliehene Rolle ') aus dem Jahre 1442 nur
im Auszuge erhalten ist.®) Wahrscheinlich hat aber das WoUen-
arabacht schon früher eine Rolle gehabt; Goedart von Eichhorn
wird nämlich in der Anklageschrift vom Jahre 1429 vorgeworfen,
des WoUenambachts Briefe von „alrehande puncten ind vryheiden
des regimentz yre ambacht antreffende*' unter die Bürgerschaft
gebracht zu haben, um Zwietracht zu säen.^) Diese Zunft setzte
sich aus all denjenigen Handwerkern zusammen, die sich des
„Wullenwebens oder dergleichen ernährten". ^^)
Während diese einzelnen Gewerbezweige das Wollenambacht
bildeten, waren die Färber unter dem Charakter einer besonderen
Zunft als „zubehorendes ambacht" dem Wollenambacht zugeteilt.
Für diese Auffassung spricht sowohl die Unterordnung der Pärber-
zunft unter die Jurisdiktion des Werkmeistergerichtes ^^) als auch
die Abgabe eines Teiles der Strafgelder seitens der Färber an die
Werkmeister.^*) Am meisten drängt zu dieser Annahme, dass die
Vorsteher des WoUenambachts sogar Anteil an der Handwerks-
^) B. d. Schneider, v Von den Schneidern ist auch noch ein Zunftbuoh erhalten. Es
diente zur Ansohreibung der neu aufgenommenen Lehrlinge, derjenigen, die das Meisterstück
ffesohnitten, der Meister, der Batsentscheidungen u. a. m. Es wurde am 2(X Mai 1626 ,,ge-
sehrieben und kopiert**. Auf der ersten Seite steht „Deyst bouch gebeert den Schneider
grafTell zu gott meist unss allen. Amen."
*) Laurent, Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert. Aachen 1866.
8. 411 Nr. 10, (künftig zitiert: „Laurent A. St. B.")
*) Quix, Historische Beschreibung der Münsterkirche und der Heiligtums-Fahrt in
Aachen nebst der Geschichte der Johannisherren. Aachen 1825. S. 113.
*) Quix, Die Frankenburg, insgemein Frankenberg genannt und die Vogtei über
Burtscheid. Aachen 1828. S. 133. Kr. 8.
*) Loersch, A. B. D. S. 75. Kr. 12.
*) Werkmeistergericht I, rergl. auch Noppius.
^ Die Statuten der Handwerker wurden, weil sie auf Pergament geschrieben und
zusammengerollt aufbewahrt wurden, »Bollen* genannt.
*) Extractus der Zunftrollen. — ») v. Fürth, I. S. 38 Nr. 15.
^<^) AktcDsammlung von 1590 bis 1596, Bl. 267 und Tgl. den Abschnitt: „Gliederung
der Zünfte*.
") Loersch, A. B. D. 8. 75. Nr. 12.
^) B. d. Färber. (1576.) Nr. 9.
.- 14 —
gerechtigkeit haben^) und Bestimmungen über die Ausübung des
Gewerbes erlassen»*) Hierdurch erklärt sich denn auch die Nicht-
erwähnung der Färber in dem Vertrage vom Jahre 1428, obwohl
auf ihr Bestehen als Zunft ein Posten der städtischen Ausgabe-
rechnung vom Jahre 1333/34') hindeutet, nämlich „den verweren
up den Sacramentzdag vier Viertel Wein**. Legt die Schenkung
von Wein unter der blossen Bezeichnung den „verweren^ an und
für sich schon den Oedanken an eine geschlossene Vereinigung
nahe,*) so wird diese Vermutung glaubhaft und zur Gewissheit,
wenn man bedenkt, dass es von Seiten der Zünfte Sitte und Brauch
war, up Sacramentzdag die Schar wache zu beziehen, wobei diese
Scharwache vom Rate eine Weinspende erhielt.*) Selbst der Stand
des Gewerbes spricht nicht gegen eine solche frühe Vereinigung
der Färber. Schon 1268 wurde in Aachen allgemein das Färber-
handwerk selbständig betrieben,^) während anderwärts noch lange
jeder Tuchmacher selbst färbte.') Die Färber hatten die Rolle
gemeinsam mit den Reedern. Sie war ihnen vor 1576, da in
diesem Jahre der Rat ihre „bis daher gehabte Rolle und Ordnung
verbesserte und erweiterte", verliehen worden.®)
Die Zunft der Krämer scheint nach einer den Krämern
zugeschriebenen religiösen Brüderschaf isordnung auf das Jahr 1319
zurückzugehen.^) Freilich ist diese Ordnung nur in einer Abschrift
des 18. Jahrhunderts vorhanden, und wird der Name der
Krämer in der Ordnung selbst nicht genannt. Zweifelhaft könnte
es demnach sein, ob die Ordnung zu einer religiösen Brüderschaft
der ganzen Stadt oder nur der Krämerzunft in Beziehung zu
setzen wäre. Allein die Echtheit und Glaubwürdigkeit dieser
Ue herlief erung ist trotzdem wohl gewährleistet! Denn unter den-
selben Begleitumständen wird auch den Bäckern eine solche
Brüderschaftsordnung zugeschrieben, die sich tatsächlich auch
als zu den Bäckern gehörig herausstellt.^^) Weiterhin unter-
stützt diese Anschauung, dass der Rat 1468 auf Grund einer
Einsicht und Verbesserung der ^alten Rolle" einen Beschluss
fasst.^^) Da die Bäcker nun mit ihrer Brüderschaftsordnung zu-
gleich ihre Rolle erhalten, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass
auch die Krämer im Jahre 1319 mit ihren gewerblichen Satzungen
ausgestattet wurden, und dass die 1468 erwähnte „alte Rolle^ mit
dieser identisch ist. Dies ist keineswegs unmöglich. Denn das
Gewandschneiderambacht, eine von den Krämern abhängige Zunft,
1) a. a. O. Nr. 12.
>) Loeraeh, A. B. D. S. 75 Nr. 12.
') Laurent, A. St B. S. 406 Z. 16.
*) vgl. Hoeffler, S. 187.
<^) Yffl. Kapitel 4.
") Loersch, Aachener Urkunden aus dem 13.« 14. und 15. Jahrhundert Z. d. A. Q. L 8. 130.
'") Schmoller, Die Strassburffer Tucher- und Weberzunft Urkunden und Darstellung
nebst Kegesten und Glossar. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Weberei und des
deutschen Gewerberechts Tom 13. bis 17. Jahrhundert S. 444. Kin Irrtum Schmollers aber
ist es, die Färber in Aachen als Mitglieder der Weberzunft, ohne Voraussetzung einer
eigenen Zunft, hinzustellen.
8) B. d. Farber und Böder.
») A. Z. 8. 854 f.
10) B. d. Bäcker und A. Z. S. 368.
") B. der Kr&mer.
— 15 —
erhielt schon im Jahre 1388 seine Satzungen.^) Im Jahre 1486
wurde die Rolle der Krämer abermals visitiert und geändert und
infolge Verlustes des Originals am 21. Mai 1492, indem das Krämer-
ambacht „eine alte gleichlautende Oopey hinter sich hatte",
eine neue Rolle beschrieben.^)
Nach der städtischen Ausgaberechnung des Jahres 1833/34
gab der Rat auf Grosskirmestag (17. Juli) den „vleischheuweren**
9 Pfund Kerzen.*) Auch hier lässt die allgemeine Bezeichnung
der Empfönger wie auch besonders die Art des Geschenkes auf
eine Vereinigung der Fleischer schliessen. Spätestens um diese
Zeit bildeten daher die Fleischer ein Ambacht. Laut Stadtrechnung
von 1344/45 kauft die Stadt den Fleischern ein vexillum, worunter
jedenfalls ein Zunftabzeichen zu verstehen ist.*) Eine Bestätigung
des Bestehens und zugleich ein Zeichen der Wohlhabenheit des
Fleisoherambachts ergibt nach der Stadtrechnung 1391/92 seine
Pachtung der Fleischakzise für 600 M.^) Am 27. Januar 1536
wurde der Fleischerzunft, um das Ambacht zu „unterhalten",
vom Rate eine Rolle gegeben.®)
Die Statuten der Gewandschneider '^) sind vom Jahre 1338,
wozu die Stadtrechnung dieses Jahres meldet: dominis nostris
commedentibus supra domum civium, quando fecerunt statuta
exoisorum.®) Die Gewandschneider bildeten jedoch keine selbstän-
dige Zunft, sondern waren, wie wir sehen werden, den Krämern
angegliedert.^)
Gleichfalls aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts er-
halten wir einen Anhaltspunkt, der auf den Zusammenschluss der
Qerber hinweist. Die Lederakzise ist nach der städtischen Ein-
nahmerechnung des Jahres 1344/45 von den cerdones, den Lodern,
für 202 M. gepachtet.^®) Während diese Pachtung eine gewisse
Wohlhabenheit verrät, scheint das Löderambacht späterhin eine
Zeitlang im Argen gelegen zu haben; denn der Rat verleiht ihm
1449 seine Satzungen mit der Begründung, wie dat sy . . . .
eine zyther an irre narongen sere zo eichterste ind zo kort ge-
gangen syu.")
Wie bei den Lodern stammen auch bei den Schuhmachern
die ersten Nachrichten über ihre Vereinigung aus der städtischen
Einnahmerechnung des Jahres 1344/45 und gehen aus der Pachtung
1) Laurent, A. 8t B. S. 128. Z. 18.
^ B. d. Krftmer.
*) Laurent, A. St B. a 410. Z. 28.
^) Laurent, a. a. O. S. 147. Z. 21. vgl auch Hoeffler. S. 188.
^) Laurent, a. a. O. S. 383. Z. la
^ Extraotns, BI. 15 ff.
^ Hoeffler, S. 118, identifiziert hier excisi Gewandachneider also Tuchhändler mit
äehruder — Schneider — und glaubt daher in obigem Posten die Nachricht für das Be-
stehen des Schneiderambachts gefunden zu haben. Macco, Beiträge zur Genealogie rheini-
scher Adels- und Patrizier-Familien lY. S. 10, bringt den „Johannes Pastoir, Gewandmacher
(sartor) in Verbindung mit einem Johann Pastoir, dem Schröder oder Tuchhändler.'* Sartor
bedeutet aber nicht Gewandmaoher, sondern Schneider, und Schröder nicht Tuohhändler,
aondem Schneider.
") Laurent, A. St B. S. 128. Z. 18.
*) Tgl. d. Abschnitt: „Gliederung der Zünfte."
^^ Laurent, A. St B. 8. 168. Z. 9.
")B.
— 16 —
der Corduanakzise durch die oorduani, Sohuhmacher, hervor.^)
Irrig ist die Angabe Hoefflers über die „corduani, die sonst
nirgends erwähnt, wohl kaum als selbständiges Arabacht bestan-
den haben werden, sondern wohl nur ein zugehöriges Ambaeht
bildeten",*) da doch 1428 in dem zwischen Rat und mAbachten
geschlossenen Vertrage die Schuhmacher (corduani) mit aufgefühit
werden,^) wodurch schon die selbständige Stellung des Schuh-
macherambachts dokumentiert wird. Dass sie 14ö0 in dem GaflFel-
brief nicht genannt werden, hängt eben mit ihrer Beteiligung an
den Zunftunruhen zusammen. Wie wenig an ihrem Portbestehen
gezweifelt werden kann, beweist unter anderem, dass der Rat
den Schuhmachern 1461 auf St. Bernhardstag (20. August) eine
Rolle gibt.^)
Das Ambacht der Bäcker geht nachweislich auf das Jahr
1350^) zurück. In diesem Jahre auf St. Mathäustag (21. Sep-
tember) erhielt die Zunft nach einer handschriftlichen Aufzeichnung
ihre Satzungen. Gleichsam eine Bestätigung dieser Nachricht
liefert die Rolle vom 28. Juni 1517, die den Bäckern zu „anderen
ihres Ambachts Ordinantien und Punkten" verliehen wird®) und die
1387^) erwähnten ^broitmartmeister", die uns später als Beamte
dieser Zunft begegnen.®)
Die Zunftunruhen von 1428 bringen uns die erste Kunde
von dem „ambaeht der zemerlude". Jeder Zweifel ist aber wohl
ausgeschlossen, dass die Zimmerleute schon viel früher als Zunft
bestanden. 1386 nämlich werden in der Stadtrechnung die
„gesworen van den huysdeckeren*' aufgeführt,^) die sicherlich
analog den Geschworenen des MüUerambachts Beamte einer gleich-
namigen Zunft waren. Diese Hausdecker werden 1428 als selb-
ständige Zunft nicht erwähnt, wohl aber die Zimmerleute und
zwar mit „eren kleynen zobehoren ambachten*. Da aber die
Haus- oder Leiendecker ^^) ein Spliss der Zimmerleute waren,^^) so
haben die Zimmerleute als die Hauptzunft sicherlich schon 1386
bestanden. Auf ein erheblich frühes Alter der Zimmerleutezunft
deuten auch die im Jahre 1436 bereits veränderten Satzungen.**)
Wie die erste Ordnung durch unbestimmte Ursachen verloren ge-
gangen ist, so wurde letztere durch den Stadtbrand des Jahres
1656 vernichtet. In demselben Jahre wurde dann eine neue
^) Laurent, a. a. O. 8. 16a Z. 10.
») Hoeffler, S. 188.
') Geradezu befremdend ist es, dass Hoeff 1er später selbst (a. a. O. S. IM') die Schuh-
macher als 1428 bestehend erwähnt.
*■) B. d. Schuhmaoher.
B) R. d. Bäcker.
») R. d. Backer.
') Laurent, A. St. R. 8. 366. Z. 27 u. S. 383. Z. 21.
^) Im Jahre 1486 hat der Rat den Bftckem keine Rolle gegeben, wie Quix (Wochen-
blatt für Aachen und Umgegend, Jahrg. II. 8. 61) berichtet. Es handelt sich hier nur um
eine von den Bäckern aufgestellte Ordnung über das Verhalten auf dem Zunftsaale. Diese
Ordnung hat nicht den Charakter, der durch die Bezeichnung „Rolle** bei den Zünften zum
Ausdruck kommt.
•) Laurent, a. a. O. S. 343. Z. 1.
^°) An den Kamen der Leiendecker knüpft sich eine kleine interessante Episode.
Als in Aachen nämlich andauernd Blei nachts gestohlen wurde, galt allgemein der Spruch:
„We djet dit anders dan die Leyendecker.^ R. d. Leiendecker. A. Z. Bl. 377.
^0 Aktensammlung v. 1590—96. Bl. 209 u. 268.
^*) ExtraotuB, BL 12 f.
17
Aufzeichnung vorgenommen.^) Die Leiendecker erhalten ihre Rolle
auf ^underthenigs supplioieren* und ^hochfleissig bitten* am
15. August 1506. Am 19. April 1533 ward sie bereits einer Um-
gestaltung unterworfen.*)
Auch über die Bntstehungszeit und das Alter des Pelzer-
und Buntmacherambaohts fehlen uns vor 1428 direkte Nachrichten.
Vielleicht aber deutet das 1385^) erwähnte „nuwe pelsserhuys*,
das eine Gemeinsamkeit der Verkaufsplätze verrät, auch auf eine
Körperschaft dieses Gewerbes. Während die älteste „Velpeelre-
rolle* vom 29. Oktober 1461 datiert ist, stammt die gemeinsame
Rolle der Buntwirker und Pelzer vom 27. August 1511.*)
Am 31. Mai 1409*) entscheidet der Sohöffenstuhl zu Aachen
in einer Streitsache mit Hinzuziehung der „Geschworenen des
Mühleiiambachts'*. Folglich waren auch die Müller zur damaligen
Zeit schon organisiert.®) Zweifelhaft bleibt auch bei dieser Zunft
das Ursprungsjahr. Schon früher waren nämlich die Müller im
Besitze von Satungen. Nach einem von Jakob Grimm veröffent-
lichten Weisthum/) sollen die Müller am 30. Dezember 1393 sich
versammelt haben, um nach Brauch ihrer Vorfahren ihr Recht
festzustellen. Die wichtigsten allgemeinen Verordnungen wurden
im 17. Jahrhundert in der „Wasser-Rolle"®) niedergelegt. Diese
enthält nach Loersch in ihren meisten Bestimmungen „unzweifelhaft
nur alte üebung in neuerer Porm.**^)
Die Meister der löblichen und geehrten Arzneikunst (Barbiere)
werden im Jahre 1427 vom Rate mit einer Rolle ausgestattet.^^)
Während für alle obengenannten Zünfte ein Bestehen vor
dem Jahre 1428 sich nachweisen Hess, sind für das Tuchscher er-,")
Brauer- und Schmiedegewerbe derartige Anhaltspunkte nicht auf uns
gekommen. Freilich ist damit keineswegs ein höheres Alter der Zünfte
ausgeschlossen. Einen Beweis zum Beispiel für eine frühere Aus-
dehnung des Schmiedehand Werks liefert die 1320 genannte Strasse
^) R. d. Zimmerlente.
^ B. d. Leiendecker, A. Z. 51. 37a
") Laurent, A. St. R. S. 357. Z. 17.
*) R. d. Pelzer und fiuntwirker.
^) Pick, Aus Aaohens Vergran^enheit. S. 440 f. Nr. 2.
®) Hoeffler, a. a. 0. schliesst aus dem Umstände, dass „die Brotmarktmeister auch
in den Mühlen kontrollieren, während die Müller doch auch eigene Geschworenen haben,
zu deren Obliegenheiten die Regelung der Stauverhältnisse des zum Mühlenbetrieb ver-
wendeten Paubaches gehörten, dass das Müllerambacht kein selbständiges Ambacht war,
sondern zu den Bäckera gehörte.'* Die Begründung dieser Auffassung ist doch wohl zu
wenig stichhaltig, besonders, weil die Quelle, aus der Hoeffler schöpfk, nur von der Aufsicht
der Brotmarktmeister in den Mühlen des Stiftes und nicht in der Stadt spricht. Hätten
die Bäcker überhaupt ein „zubehorendes ambacht** gehabt, so würde dies sicherlich in dem
Vertrage des Jahres 1428, wie dies auch bei den übrigen Zünften geschehen ist, zum Aus-
dmck gekommen sein.
^ J. Grimm, Weisthümer IV. S. 800, vgl. auch Loersch, Beiträge zum A ebener
Wasserrecht im Mittelalter in Picks Monatsschrift für rheinisch- westfälische Geschichts-
forsohnng und Altertumskunde. Jahrgang L S. 231. Anmerk. 1.
^) Abgedruckt bei I^oppius, B. III. S. 144.
') Loersch, a. a. 0. S. 231.
*o) R. d. Barbiere. Da diese Rolle 1666 durch die Feuersbrunst zerstört wurde,
erhielt die Zunft am 26. April 1701 eine neue Rolle, die am 28. Juli 1714 neu geschrieben wurde.
") Uach Meyer (handschriftliche Aufzeichnungen), sollen die Tuchscherer am
^. Janaar 1584 eine Rolle erhalten haben.
— 18 -
„inter fabros".^) Mit den Schmieden bildeten naoh der Rolle vom
8. August 1443^) eine gemeinsame Zunft die Radermacher.
Bin frühzeitiger, verhältnismässig grosser Umfang des Brau-
gewerbes geht aus einer von dem Grafen von Jülich nach vor-
heriger Beratung mit den Richtern, Schöffen, Ratsmitgliedern, Bürger-
meistern und Aachener Bürgern erlassenen Verordnung des Jahres
1272^) über den Bierverkauf und das Bierbrauen in Aachen hervor.
Am 15. Oktober 1506*) wird der Brauerzunft eine Rolle verliehen,
unter Beibehaltung aller anderen Gerechtigkeiten, „die sy nac
innehält irs boichs bys zo diesem daige zo gehadt hauen**. 1511
wurde diese Rolle noch erweitert.
War es nun möglich, für diese Zünfte ein erheblich höheres
Alter festzustellen, als die ihnen vom Rate verliehenen Rollen
vermuten Hessen, so erhalten wir für die Mehrzahl der Aachener
Handwerkerverbände erst aus den Statuten die erste Kunde von
ihrem Bestehen. Keineswegs ist jedoch der Zeitpunkt der Ver-
leihung der Statuten zugleich auch immer die Entstehungszeit der
Zünfte. Denn das Bedürfnis zur schriftlichen Aufzeichnung ihrer
Rechte trat erst mit der Erstarkung und Entwiokelung der Zünfte
ein, vor allem in dem „Augenblicke, wo die Streitigkeiten über
die Rechte und Befugnisse unter den verschiedenen Zünften
der Stadt oder unter den Mitgliedern derselben Zunft sich mehrten,
und es notwendig ward, bestimmte Ordnungen zur Vermeidung
solcher Zwiste festzustellen."^) So wird den Nadel- und Krempen-
machern eine Rolle gegeben, „da zwischen ihnen allerhand Irrungen
entstanden".^) Wie wenig die Verleihung der Statuten ein sicherer
Beweis für das Alter einer Zunft sein kann, geht auch schon
daraus hervor, dass manche der jüngeren Zünfte ältere Rollen
besitzen, als die schon 1428 genannten.
Schon 1428 bestanden sehr wahrscheinlich die Zünfte der
Steinmetzen und Schreinemacher.'') Seit dem 20. Januar 1434
und dem 1. März 1487 waren die Steinmetzen^/ und seit dem
1. September 1528 die Schreinemacher ^) im Besitze einer Ordnung.
Bei dem grossen Stadtbrand von 1656 verbrannten sämtliche
Privilegien und Handwerksstatuten beider Zünfte, so dass das Ambaoht
der Steinmetzen am 8. November 1670 alle Privilegien ,,neu
schreiben und renovieren" Hess, und das Ambacht der Schreine-
macher am 30. Dezember 1660^^) eine neue Rolle «rhielt.^^)
*) Pick, Aus Aachens Vergrangenheit. S. 342. Anm. 6.
^) R. d. Schmiede.
8) Loersch, A. R. D. S. 35. Nr. 2.
*) R. d. Brauer.
^) Bodemann, Die älteren Zunfturkunden der Stadt Lüneburg. Quellen und Dar-
stellungen zur Geschichte Niedersachsens. Bd. I. Hannover 1880. Einl. S. 20.
6) R. d. Krämer. Bl. 10.
7) vgl, S. 11 f.
^) R. d. Steinmetzen.
°) R. d. Schreinemacher (Extractus). Bl. 13.
^^) R. d. Schreinemacher.
^^) Meyer (Handschriftliche Aufzeichnungen, Stadtarchiv Aachen) bringt hierzu noch
eine Notiz von der Bewilligung einer Brüderschaft der Schreiner im Jahre 1511 am 4. März
mit nachfolgenden Gewerbeordnungen. Letztere stimmen nun wesentlich mit denen des
Jahres 1660 überein. Das Eigentümliche aber ist, dass Meyer, obwohl er die Schreine-
macher 1511 als Zunft entstehen lässt, ihnen schon am 19. April 1498 eine Rolle zuschreibt.
19 —
Die wahrscheinlich nach 1428 entstandenen Zünfte sind
uaoh dem
Alter der Rollen
die Hutmacher ^)
1. Nov. 1456 u. 28. April 1673.
Hamacher (Sattler)
3. Mai 1481 u. 26. Nov. 1637.
Vettewärer^)
1486. In diesem Jahre wird die Rolle be-
reits verändert. Aelteste Passung verloren.
Mützenmacher^)
1486. In diesem Jahre wird die Rolle be-
reits verändert. Aelteste Fassung verloren.
Alträuscher
und Schoyenlepper*)
1486.
Spiegelmacher ^)
1493. Rolle und Buch werden nur erwähnt.®)
Beides ist aber nicht erhalten. Am 10. Aug.
1618 erhalten die Spiegelmacher eine ge-
meinsame Rolle mit den Schilderern, Kisten-
malern, Glasmalern und Glasmaohern.
Kannegiesser '^)
13. Februar 1487 bereits Rolle verändert.
Aelteste Fassung nicht mehr vorhanden.
Sackträger ^)
3. Dez. 1500.
Kupferschläger®)
10. Aug. 1505. Rolle wird verändert 1510
und 1548, und da diese 1656 verbrannte,
in demselben Jahre erneuert.
Goldschmiede ^®)
8. Oktober 1510.^^) und als eine Erweite-
rung der ersten 16. Aprü 1573.
^) R. d. Hutmacher. Am 29. August 1698 wurde die Rolle abermals geändert. Die
Kolle vom Jahre 1456 ist nicht mehr vorhanden.
^) Fettwarenhändler, Tgl. Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. V.
8. 249; R. d. Krämer Bl. 12 f.
') R. d. Mützenmacher.
*) R. d. Alträuscher.
^) R. d. Spiegelmacher.
ö) R. d. Krämer, Bl. 4 f.
^) R d. Kannegiesser.
8) Loersch, A. E. D. S. 156. Nr. 27a.
^) R. d. Kupferschläger.
^^) Loersch, Die Rolle der Aachener Goldschmiede vom 16. April 1573. Z. d. A. Gt,
ßd. XIII. S. 247 flF.
^1) Diese Rolle ist nicht mehr erhalten. — Nicht möchte ich mich der Ansicht Loerschs
(a. a. 0. S. 330 S.) anschliessen, der eine Vereinigung der Goldschmiede schon für das
ülnde des 13. oder den Anfang des 14. Jahrhunderts annimmt, mag auch die Behauptung
Beissels (Beissel, Der Marienschrein des Aachener Münsters. Z. d. A. G. Bd. V. S. 19 fi'.)
zutreffend sein, dass die Lichterkrone, der Karls- und Marienschrein in Aachen verfertigt
worden seien. Denn dem stehen die kläglichen und dürftigen Nachrichten über die Gold-
Bchmiedekunst in Aachen im 14. Jahrhundert schroff gegenüber. In der städtischen Ausgabe-
reehnmig von 1338/39 (Laurent, A. St. R. S. 126. Z. 25.) wird ein Goldschmied Wernerus genannt,
der geringfügige Arbeiten an Gefässe macht, und 1395/96 (a. a. O. S. 397. Z. 26.) ein golsmet
meister Willem, der zwei silberne Kannen, die man dem jungen Grafen von Jülich schenkte,
instand «etzte. Wie wenig diese Kunst gerade in dieser Zeit in Aachen gepflegt wurde, geht klar
daraus hervor, dass grössere Geschenke nicht bei einem Goldschmied, sondern bei Patriziern,
Schöffen, ja bei einem Bürgermeister gekauft wurden. (Laurent, A. St. R. S. 119. Z. 38,
B' 120. Z. 3, S. 121. Z. 14.) Zieht man weiterhin in Betracht, dass eine Goldschmiedezunft
- 20 -
Alter der Rollen
Kohlen werk ^)
Bombasiner*)
Passbender ^)
Kessler^)
Nadel- und Krempen-
maoher ^)
Spanische
Nadelmacher ^)
Büchsenlademacher
Drahtzieher
Nagelschmiede
Weissgerber und
Harnischmacher ^)
Maler ®)
Leineweber
Posamentwirker ^^)
Plasch- und Lampen-
macher ^^)
Kratzmacher ^^)
1541.
12. Februar 1572.
1577.
27. November 1578.
11. August 1584.
3. November 1615.
1579.
1580.
1590.
1596.
1601.
1656 Rolle verbrannt. Die 1657 erneuerte
wurde 1659 durch andere Satzungen auf-
gehoben.®)
10. November 1609.
1634 wird die Rolle, die verloren gegangen
ist, nur genannt.
4. Juni 1637.
bei den wichtigTsten Ereignissen in der Aachener Zunftgeschichte in den Jahren 1428, 1450,
1513 und 1681 gar nicht aufgeführt wird, so legt dies einerseits deutlich Zeugnis Yon der
geringen Kunst in j^ener Periode ab, andererseits von dem späten Eintreten der Goldschmiede-
zunft in das Aachener Zunftwesen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass eine Aufzeichnung
Meyers (Handschriftliche Aufzeichnungen Meyers über die Zünfte, Aachener Stadtarchiv)
anscheinend für die Ansicht Loerschs spricht, indem Meyer uns nämlich berichtet, dass die
ZunftroUe der Goldschmiede Yom 16. April 1252 stamme. Dass es sich hier aber um einen
Irrtum handelt, wird klar durch einen Vergleich der Ton Meyer angeführten Satzungen
mit denen der Bolle yom Jahre 1573. Nicht nur stimmen diese genau überein, sondern,
und dies ist charakteristisch, haben wir auch die gleichen Daten in der Meyer'schen
Ueberlieferung und der späteren Zunftrolle, nämlich den 16. April.
^) Verordnung des Kohlenwerks. — Ob diese Gewerbetreibenden eine Zunft gebildet
haben, oder ob es sich hier nur um eine allgemeine städtische Verordnung handelt, geht
aus den einzelnen Bestimmungen nicht klar hervor.
^) Bombasin gleich Baumwollenstoff. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch
Bd. I. S. 326. — R. d. Bombasiner.
■) R. d. Fassbender.
*) R. d. Kessler.
5) R. d. Krämer. Bl. 10 ff.
ö) R. d. spanischen Nadelmacher. — Irrtümlich setzt Lehmann (Festschrift zur
72. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Aachen 1900, S. 329) das Jahr 1513
für das Bestehen einer Nadlerzunft an.
"0 Letztere werden nur in den angegebenen Jahren genannt ; ygl. den Abschnitt
»,Gliederung der Zünfte.*'
^) Werden nur erwähnt; vgl. Stemzunft.
*) R. d. Leineweber. Zunft schon 1601 erwähnt; vgl. Sternzunft.
10) R, d. Posamentwirker.
11) R. d. Kessler. i») jt^, d, Kratzmacher.
— 21 —
Wirft man einen Blick zurück über die Entstehungszeit der
Aachener Handwerkerverbände, so erhellt, dass das Aachener
Zunftwesen sich in verschiedenen Zeitabschnitten entwickelt hat.
Nach kleinen Anfängen am Ende des 13. Jahrhunderts geht ein
frischer Zug nach genossenschaftlicher Vereinigung durch das
ganze 14. und den Anfang des 15. Jahrhunderts. Diese Zeit kann
man auch wohl als die Blütezeit der Aachener Zunftgeschichte
betrachten, in der die Zünfte nicht nur wirtschaftlich, sondern
vor allem politisch zu einem mächtigen Faktor im kommunalen
Leben der Stadt wurden. Während in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts die Neubildung der Zünfte etwas zum Stillstande
kommt, setzt im 16. Jahrhundert der Zusammenschluss gleicher
Gewerbe wieder ein, um im Anfange des 17. Jahrhunderts seinen
Abschluss zu finden.
Die Bezeichnung der Handwerkerverbände ist eine mannigfache.
Bald ist sie von allgemeiner Natur, bald enthält sie eine besondere
charakteristische Eigenschaft. Für Aachen kommen in Betracht
Brüderschaft, Gesellschaft, Laube, Handwerk, Zunft, Ambacht und
Gaffel. Gilde und Innung waren gar nicht gebräuchlich.^) Die
älteste Quelle einer Handwerkervereinigung spricht von einer
„geselsohaf in de bruderschaf*. Während hier mit Brüderschaft
offenbar die Gesamtvereinigung bezeichnet werden soll, dient der
Ausdruck in späterer Zeit fast ausschliesslich zur Charakterisierung
der religiösen Seite der Zünfte. Der Ausdruck Laube kommt nur
bei den Werkmeistern beziehungsweise dem Wollenambacht vor.
Er ist eine Uebertragung der Bezeichnung des Zunftsaales auf
die Vereinigung selbst. Ohne besondere Bedeutung werden die
Namen Zunft ^) und Handwerk gebraucht, wohingegen Ambacht
und Gaffel für die Aachener Zunftgeschichte die ganz besondere
Beachtung auf sich lenken. Im Jahre 1409*) tritt zum ersten
Male nachweislich der Ausdruck Ambacht in die Aachener Geschichte
ein, ein Name, der während der ganzen Zunftperiode die meiste
Anwendung findet. Der Sinn dieses Wortes zur damaligen Zeit
wird wohl der Bezeichnung Handwerk entsprechen, da geradezu
statt Handwerk Ambacht gebraucht wird. Infolge dieser Bedeutung
wird der Name nur bei den Handwerkerverbänden, aber nie bei
den zunftartig organisierten Verbänden ohne gewerbliche Tendenz
gebraucht.
Diente somit der Name Ambacht zur Bestimmung des gewerb-
lichen Charakters einer Vereinigung, so wurde durch die Bezeichnung
Gaffel nur der politischen Betätigung einer Zunft Ausdruck verliehen.
In diesem Zusammenhange reiht sich ja auch die Tatsache an, dass
erst im Jahre 1450, als einigen Zünften Binfluss und Vertretung
in der städtischen Selbstverwaltung gewährleistet wurde, diese
politisch berechtigten Zünfte eine solche Benennung erhielten, und
^) Ueber die Verbreitung der l^amen Gilde, Ambacht usw. Tgl. y. Below in dem
Wörterbuch der Volkswirtschaft Bd. II S. 977 f. und Hegel, Die Entstehung des deutschen
Stftdtewesens S. IIS.
') Die Bezeichnung Zunft kommt übrigens sehr selten in Aachen vor und zwar in
der Rolle der Eupfersohläger Nr. 24 und Bolle der Steinmetzen.
') Pick, Aus Aachens Vergangenheit S. 440 Nr. 2.
— 22 —
die in diesem Sinne zwischen Rat und Zünften abgeschlossenen
Verträge „Qaffelbriefe*' genannt wurden.
Wirft man nun die Frage auf, welche Bedingungen und
Paktoren haben bei der Bildung der mittelalterlichen Zünfte der
Stadt Aachen mitgewirkt, und wo liegt die Ursache ihrer Ent-
stehung, so betritt man damit ein Gebiet, das lange Zeit den
Schauplatz wissenschaftlicher Kontroversen unserer namhaftesten
Gelehrten gebildet hat.
Keineswegs darf man die Aachener Zünfte, wie Quix^) dies
tut, als ursprüngliche religiöse Brüderschaften bezeichnen, die erst
im Laufe der Zeit dazu übergingen, ihren Vereiniguntren ein vor-
nehmlich gewerbliches Gepräge zu geben. ^) Eine religiöse Brüder-
schaft, aus der später eine Zunft entstanden, lässt sich zunächst
für Aachen gar nicht nachweisen. Insbesondere bietet überdies
die Geschichte der Bäckerzunft noch ein Argument gegen die
Ansicht von einer zunftbildenden Wirkung der religiösen Ver-
einigungen. Diese Zunft, deren Entstehung auf das Jahr 1350
zurückgeht, erhielt zu diesem Zeitpunkte und an demselben Tage
zugleich die Statuten ihres Handwerks und die ihrer religiösen
Brüderschaft.^) Polglich ist das religiöse Moment wenigstens bei
der Bäckerzunft nur eine Begleiterscheinung ohne jegliche direkte
entstchungsgeschichtliche Bedeutung. Preilich tritt die Bäcker-
zunft zu spät in die Erscheinung, um aus ihr einen Rückschluss
auf die übrigen Zünfte ziehen zu können, doch lassen sich ohne
weiteres die von Keutgen^) gegen die religiöse Brüderschaftslehre
ins Peld geführten Gründe auch auf die Aachener Verhältnisse
anwenden. Ebenso verfehlt wie die Herleitung der Aachener
Zünfte aus religiösen Brüderschaften wäre der Versuch, das Hof-
recht als die Quelle und den Ursprung des Zusammenschlusses
der Handwerker anzusehen.^)
^) Quix, HistoriRch-topographische Beschreibung der Stadt Aachen und ihrer Um-
erebung. S. 150. In denselben Fehler verfällt Macco, a. a. 0. Bd. IV. S. 11.
') Diese Lehre ist neuerdings von Eberstadt (in seinen Werken: »Magisterium und
Fraternitas". Kine verwaltungsgeschichtliche Darstellung der Entstehung des Zunftweiiens.
Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen. Band 15, Heft 2. Leipzig 1897. und „Der
Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des Mittelalters*^. Leipzig
1900.) wiederum betont worden. E. lässt zum Teil die späteren Handwerkerverbände ur-
sprünglich nur gottesdienstliche, wohltätige Zwecke verfolgen und bezeichnet diese Brüder-
schaften als die Handwerkerverbände übertragenen Rechts. Gegen ihn wendet sich be-
sonders Keutgen, Aemter und Zünfte. Zur Entstehung des Zunftwesens. Jena 1903. S. 168.
8) R. d. Bäcker u. A. Z. S. 368.
*) Keutgen, a. a. O.
^) Die Hauptvertreter der hof rechtlichen Theorie sind: Eberstadt Rudolf, Magiste-
rium und Fraternitas; der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerker-
verbände des Mittelalters. Nietzsch, Ministerialität und Bürgertum im 11. und 12. Jahr-
hundert. Ein Beitrag zur deutschen Stadtgeschichte. Leipzig 1859. Weiterhin: Arnold
Wilh., Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte L Gotha 1854. S. 66 ff und S. 246 ff
und das Aufkommen des Handwerkerstandes im Mittelalter. Basel 1861. Heusler Andreas,
Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter. Basel 1860. S. 83 und 114. Stieda,
W., Zur Entstehung des deutschen Zunftwesens. Jahrbücher für Nationalökonomie and
Statistik. Band 27. 1876. Während diese mehr oder minder aus der Zunftverfassung die
Anklänge an das Hofrecht wahrnehmen, sucht Bücher, Entstehung der Volkswirtschaft.
Tübingen 1900, aus der angeblich gleichen Betriebsweise — dem Lohnwerk — des städti-
schen und hofhörigen Handwerkers die Theorie von dem hofreohtlichen Ursprung zur
Geltung zu bringen. Diese Ansicht widerlegt namentlich v. Below Georg, Territorium und
Stadt. Aufsätze zur deutschen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte.
München 1900. S. 321. Die hofreohtliohe Theorie zu Fall gebracht haben unter Betonung
— 23 —
Die Gewerbeorganisationen der Handwerkerverbände enthalten
zunächst keinerlei Anhaltspunkte, die, wie es von den Vertretern
der hofrechtliohen Theorie zu geschehen pflegt^), als Reste ehe-
maliger hofrechtlioher Abhängigkeit erklärt werden könnten. Die
Bezeichnung Ambaoht — Amt — ist keineswegs der Ausdruck
hofreohtlicher Verbände gewesen, sondern wurde, wie schon aus
dem Oapitulare de villis*) hervorgeht, für jede berufliche Tätigkeit
gebraucht.^) Was die Abgaben oder Leistungen der Zünfte an den
Stadtherrn anbetrifft, so flössen ein Teü der Innungskauf- und
Strafgelder zum Teil an die Bürgermeister, zum Teil an die Stadt.*)
Ausserdem mussten die Mützenmacher dem Rate jährlich ein Birreit
(Barett^) geben.^) Eine Ausnahme machten allein die Hutmacher.
Ihre Abgaben sowie jährlich auf Sakramentsabend „einen neuen
feinen Hut* erhielten die Werkmeister des WoUenambachts und ein
Werkmeisterdiener fünf Aachener Gulden. Dahingegen übernahmen
diese Werkmeister die Verpflichtung, das Ambaoht der Hutmacher
zu „schützen und zu handhaben".^) Also erklären sich hier die
Abgaben und Leistungen nur als Entgelt für zu gewährenden
Schutz und zwar offenbar des Handwerks in Gewerbesachen. Als auf-
fallende Tatsache kommt noch die Berechtigung der Werkmeister und
Geschworenen des WoUenambachts hinzu, den Hutmachern die Rolle
„zu geben, zu mehren und zu mindern'^®) An Stelle des Rates treten
hier die Vorsteher einer Zunft. Dabei stand das Hutmacherambacht
absolut nicht in einem zugehörigen Verhältnis zum Wollenambacht,
sondern es war ein „zubehorenes arabacht** der vom Wollenambacht
vollständig unabhängigen Pelzerzunft.®) Die Beziehungen zwischen
Werkmeister des WoUenambachts und Hutmacher sind also genau
dieselben wie zwischen dem Rat und den übrigen Zünften der
Stadt.^^) Daher sind auch die Abgaben der übrigen Zünfte nur als
Gegenleistungen aufzufassen für den vom Rate verliehenen öffent-
lich-rechtlichen Charakter der gewerbhchen Statuten und für
Schutz des Handwerks selbst. An Reste ehemaligen Hofrechtes
braucht man daher bei einem solchen Abhängigkeitsverhältnis
keineswegs sogleich zu denken.
und Hinweis des Prinzips der freien Einigungr besonders v. Beiow, Die Entstehung* des Hand-
werks in Deutschland. Zeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Bd. V.; Zur Ent-
stehung der deutschen Stadtverfassung. Historische Zeitschrift. Bd.5d. S. 193 ff.; Territorium
und Stadt. S. 299 ff.; Wörterbuch der Volkswirtschaft. Bd. U. S. 977. Keutgen, Aemter
und Zünfte.
^) Stieda, Zur Entstehung des deutschen Zunftwesens, S. 30 ff. führt vor allem die
drei Argumente, eine angeblich technische Bedeutung des Wortes officium, die Einsetzung
der ZunftYorsteher durch den Stadtherrn und die Abgaben und Leistungen an den Stadtherrn
zum Beweise an. Gegen ihn v. Below, Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung S. 213 ff.
') Boretius, M. Gt. Hist. Legum Sectio II, Capitularia. Bd. I. S. 82 ff.
>) Keutgen, Aemter und Zünfte. S. 138.
*) K. d. Hutmacher.
*) Schiller-Lübben, Bd. I S. 340. — Birreit bezeichnet besonders die Kopfbedeckung
der Geistlichen.
') B. d. Mützenmacher.
^ R. d. Hutmacher. Nr. 20 und 23.
^) K. d. Hutmaoher.
») Aktensammlung v. J. 1590 bis 1696 Bl. 209 ff. (1593.)
*®) Eine Erklärung dieser Rechte der Werkmeister des WoUenambachts gegenüber
«Jen Hatmachem lässt sich weder aus den Rollen noch sonstwie finden. Der einzige
Berührungspunkt zwischen beiden Zünften war nur der, dass die Hutmacher auch Tuche
in ihrem Gewerbe verarbeiteten. Dafür unterlagen aber die Hutmacher noch besonders
dem Werkmeistergericht. Vgl. darüber den Abschnitt „Gerichtswesen"'.
— 24 —
Befand sioh aber in Aachen überhaupt ein hofhöriger Ver-
band, wie ihn das Oapitulare de villis Karls des Grossen nach den
Ansichten der Vertreter der hofreohtlichen Theorie voraussetzen
lässt ? Es läge doch sehr nahe, dass insbesondere die alte Kaiser-
pfalz Aachen ein ergiebiges Feld für die hofrechtliche Theorie
böte, und dass vor allem hier jener Musterentwurf eine ausge-
dehnte Verwirklichung gefunden hätte. Aber gerade das Oapitulare
Aquisgranense,^) das Oapitulare Disciplina Patatii Aquisgranensis^)
und die Schrift des Brzbischofs Hincmarus über die Ordnung der
Pfalz*) beweisen nach Keutgens*) eingehenden Untersuchungen,
dass an dem karolingischen Hofe zu Aachen die Handwerker gar
nicht in jener Zahl vorhanden gewesen sind, um sie nach den
einzelnen Handwerkszweigen verbandsmässig zu organisieren.^)
Setzen wir selbst die Möglichkeit eines hofhörigen Verbandes in
Aachen voraus,^) so würden überdies die städtischen Verfassungs-
verhältnisse einem hofrechtlichen Ursprung der Aachener Hand-
werksverbände direkt entgegenstehen.
Schon frühzeitig gab es nach dem Edictum Pistense'') von
864 in Aachen neben den persönlich Unfreien wirtschaftlich Unab-
hängige®) und eine Urkunde des Marienstiftes vom Jahre 1108^)
beweist, dass die in Aachen bestehende Unfreiheit mit einer ver-
hältnismässig grossen wirtschaftlichen Freiheit verbunden war. In
diesem Zusammenhang reiht sich zwanglos die Tatsache an, dass
durch das Privileg Friedrichs I. vom 9. Januar 1166^^) für Aachen
als die erste deutsche Stadt der Grundsatz ausgesprochen wird,
„Stadtrecht kennt keine Unfreiheit ''.^\)
In einer Urkunde Ottos IV. vom Juli 1198 für das Marienstift
in Aachen heisst es: decernimus, ut ministri eiusdem ecolesie,
videlicet campanarii, pistor, cocus, brassator, claustrarius, fenestra-
rius ab omni exactione publica liberi sint . . . Judicium quoque
civile, si prefati ministri ab aliquo conveniantur, ecolesie reservamus.^^)
Steuerbefreiung war aber nach damaliger Auffassung zugleich mit Aus-
schluss vom Markte verbunden und demnach in Aachen ein Arbeiten der
i) BoretiuB, M. G. Hist. Capitularia. Bd. I. S. 170 ff.
2) , a. a. O. S. 237 ff.
3) „ a. a. 0. Bd. n. S. 517 ff.
^) Eeatsren, Aemter und Zünfte. S. 16 ff.
'^) Die Ueberschätzangr des Handwerksbetriebes auf den Grundherrschaften behan-
delt y. Below, Die Entstehung: des Handwerks in Deutschland. Zeitschrift für Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte. V. S. 127 ff. und Eeutgen, Aemter und Zünfte. S. 18 ff.
^) Loersch, Beiträge zum Achener Wasserrecht im Mittelalter, a. a. O. S. 47, nimmt
eine hofrechtliche Innung der Müller an, ohne jedoch ein direktes Zeugnis für diese Be-
hauptung vorbringen zu können.
7) Boretius, Capitularia. Bd. II. S. 310 ff.
^) Eeutgen, a. a. O. S. 43.
®) hao lege, ut vir de progenie eius solveret eoclesie quatuor denarios in
purifioatione beate Marie feminis vero duos: ita ut, si quis eiusdem gentis mercator esset
nee definitum oensum statuta die solveret propterea, quod a loco suo abesset dans operam
meroature vel ad orationes sanctorum profectus sine omni existimatione incurie expectaretur
et (!) a reverso diebus ooto post exigeretur census. vgl. v. Below, a. a. O. S. 139.
10) Lacomblet, Bd. I. S. 283. Nr. 412.
11) Loersch, Legende Karls des Grossen. Publikationen der Gesellschaft für rheinische
Gesohichtskunde. Bd. VII.
1*) Jahrbücher der deutschen Geschichte, Bd. I S. 545. Urkunde II. vgl. auch
V. Below, Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung. S. 206.
~ 25 —
Hofhandwerker für Markt und Herrn nicht üblich. Eine Bestätigung
findet diese Ansicht in einem späteren Vertrage zwischen Stift
und Rat vom 3. Januar 1424,^) der zugleich zeigt, dass die Stadt
nicht immer in der Lage war, dieses Verhältnis auch aufrecht zu
erhalten. Im Prinzip bestand aber die Forderung entweder Markt-
oder Hofhandwerker; eine Zwischenstellung gab es nicht.^) Es
war also einerseits ein Uebergang der Hofhandwerker von ihrer
grundherrlichen Abhängkeit zur freien Arbeit auf dem Markt aus-
geschlossen,^) andrerseits setzte sich die Aachener Bevölkerung
nur aus freien, wenigstens wirtschaftlich freien Elementen zusammen.
Nirgendwo ein Anhaltspunkt für hofrechtliche Abhängigkeit.
Die Entstehungsweise der Aachener Handwerkerverbände lässt
sich nach Ausschaltung der hofrechtlichen und religiösen Brüder-
sohaftstheorie überhaupt nicht in eine feste, auf urkundlichem
Material sicher fussende Norm kleiden. Nur zur Entwerfung
eines ziemlich getreuen Bildes und zur Erzielung eines nur annähernd
zutreffenden Resultates bietet die geschichtliche Vergangenheit
des Handwerks und Gewerbes einen Fingerzeig.
Die mittelalterliche städtische Obrigkeit erachtete es als ihre
besondere Pflicht, der Bürger Wohlfahrt hinsichtHch der Versorgung
mit guten und einwandfreien Waren zu pflegen und zu fördern.
Die Frucht dieses Prinzips ist die mittelalterUche Marktordnung,
die zu einer Konzentrierung des Verkaufs gleichartiger Waren an
bestimmten Orten und hierdurch zu einer Gruppierung der einzelnen
Handwerksarten führte. Auch die Aachener Geschichte weist
jene Marktvorrichtungen auf, die den gesonderten Gewerben zum
Peilhalten ihrer Erzeugnisse dienten, oder solche Orte, die eine
gemeinsame Arbeitsverrichtung gleicher Gewerbe zur Voraussetzung
machen. Die älteste Kunde, die das Bestehen einer solchen Ein-
richtung in Aachen bezeugt, stammt aus dem Jahre 1243.^) In
diesem Jahre genehmigte Friedrich U. die Verpfändung des Ge-
wandhauses (auf dem Ohorusplatz) domus nostra, in qua panni
integri venduntur Aquis durch König Konrad an den Schultheissen
Arnold von Qymnich. Wahrscheinlich wurde jedoch die alte
Tuchhalle, später das Gewandhaus genannt, schon um 1166 errichtet,
als Friedrich I. in jenem Jahre der Stadt Aachen manche handels-
rechtliche Privilegien verlieh.^) Nach der städtischen Ausgabe-
rechnung wurde 1338/39®) ein neues Gewandhaus gebaut. Zugleich
wird 1243 auch das Haus Blandin (an der Kockerellstrasse) ver-
pfändet. Aus einer Urkunde Kaiser Friedrichs III. vom 16. De-
zember 1473 geht hervor, dass mit dem Hause Blandin das „brothaus"
gemeint ist.'') Dieses Brothaus ist identisch mit der in der Stadt-
rechnung 1344/45®) als domus, in quo panis venditur erwähnten
1) Qaix, Mfinsterkirehe. S. 148 f. Urkunde 14.
^ Eeatgen, Aemter und Zünfte. S. 67 und Anm. 165.
^) Hiermit fällt auch die Ansicht Loerschs, Beiträge zum Achener Wasserrecht im
Mittelalter (a. a. O. S. 49) In sich zusammen, dass das „Müllerambacht" f^us einem Hof-
Terband sich entwickelt habe.
^) Quix, Codex diplomatious Aquensis. S. 161. Nr. 235,
*) Pick, a. a. 0. S. 316.
«) Laurent, A. St. R. S. 128, Z. 2 und 131, Z. 2.
'') Pick, a. a. 0.
«) Laurent, A. St R. S. 165, 10.
— 26 —
Brotplanke,^) an der die Stadt damals auf ihre Kosten eine Aus-
besserung vornehmen Hess.
Die Fleischer hielten ursprünglich auf dem Markte ihre
Waren feil. Hierzu dienten ihnen nach dem Nekrologium des
Marienstiftes macella (Bänke), die spätestens um die Mitte des
13. Jahrhunderts vorhanden waren. Pur die Benutzung dieser
Bänke musste eine Abgabe gegeben werden, wie z. B. XLI den:
de quodara macello in foro.^) In späterer Zeit verlegte man den
Fleischverkauf in eine besondere Halle; genannt wird die alte
Fleischhalle (gegenüber der Propstei auf der Jakobstrasse,^) also
zwischen Kookerellstrasse und Judengasse) und zwar zugleich mit
der neuen (auf deni Büchel) in der Stadtrechnung von 1344/45.*)
1585 ging das ganze Besitztum von der oberen Kookerellstrasse
bis zur Judengasse für 275 Goldgulden in das Eigentum der
Fleischerzunft über.^) In der alten Pleischhalle durften nur die-
jenigen Fleisch verkaufen, welche am Handwerk geboren und aus
dem Gesohlechte der Nutten, Mees, Ketteniss, Startz und Berns-
berg waren, während in der neuen Fleischhalle jeder mit Erlaubnis
des Rates zum Verkaufe ausstellen konnte.®) Nach dem Stadtbrand
des Jahres 1656 wurde die städtische Fruchthalle auf dem Hühner-
markt (1385 Kornmarkt) zur Fleischhalle eingerichtet."^) Eine ge-
meinsame Arbeitsstätte besassen die Walker in der 1334/35®) ge-
nannten domus follonum, dem Walkhaus für die Tuchmanufaktur,
jener Stätte, wo auch der Zunftaufstand des Jahres 1401 seinen
Ursprung nahm. Dieses Haus hatte die Stadt von dem Mark-
grafen von Jülich in Pacht, die es ihrerseits wiederum an
die Walker vermietete. Auf zusammenhängende Verkaupfsplätze
der Krämer deutet dje städtische Rechnung 1334/35.^) It. de ferro
prope institores iuxta cimiterium, womit wohl die heutige Kräraer-
strasse identisch ist. Demselben Zwecke diente wohl auch die
1320^®) erwähnte Strasse „inter fabros*' für das Schmiedehandwerk.
Die Pelzer benutzten wahrscheinlich zum Feilhalten ihrer Waren
das 1385^^) erwähnte „nuwe pelsser huys*^. Die „curia sutorum*,
seit 1412 „üp den Schohmeicherhof* genannt, kann als Verkaufs-
platz der Schuhmacher gelten. ^^) Ob auch die Löder schon früh-
zeitig im Besitz einer besonderen Marktstelle waren, lässt sich
nicht erkennen. Wir erfahren erst 1491,^^) dass sie in diesem
Jahre auf St. Johannestag (24. Juni) vom Rate eine am Büchel
gelegene Behausung, zum Keller genannt, für zehn Gulden jähr-
lichen Zins nebst acht Gulden für die Armen zu Melaten mieten,
^Diese Brotplanke lag dem Hause zur öeiss (Eckhaus von Markt und Kiosfcergasse,
jetzt Markt 2) gegenüber und zwar zwischen Judengasse und Kockerel Istrasse. Vgl. Pick,
a. a. 0. S. 197 Anm. 4.
2) Quix, Necrologium Ecclesiae. B. M. V. Aquensis, S. 3.
8) Laurent, A. St. E. S. 311. Z. 35.
*) Laurent, a. a. 0. S. 168, 4 u. 5.
») Haagen, Geschichte Achens. Bd. IL S. 181.
ö) Noppius, B. I. S. 130.
7) Pick, a. a. O. S. 197. Anm. 4.
8) Laurent, A. St. R. S. 104. Z. 28.
») Laurent, A. St. R. S. 110. Z. 35.
10) Pick. Aus Aachens Vergangenheit. S. 342. Anm. 6.
1») Laurent, a. a. O. S. 3hl. Z. 17.
*2) Pick, Aus Aachens Vergangenheit. S. 281. Anm. 1.
13) Meyer, Handschriftliche Aufzeichnungen.
^ 21 —
um hier ihren ordentlichen Markt am Mittwoch und Samstag einer
jeden Woche zu halten. Weiterhin geben auch der Rader-, Salz-,^)
Korn-2) und Pischmarkt, letzterer auch Parvisoh genannt,^) Zeugnis
von der Lokalisierung des Handelsverkehrs.
Aus dieser wirtschaftlichen Neuerung erwuchsen beiden Inter-
essentengruppen, den Konsumenten beziehungsweise der städtischen
Obrigkeit und den Produzenten gleiche Vorteile. Der städtischen
Obrigkeit war jetzt die Ausübung einer scharfen Kontrolle über
die Befolgung ihrer marktherrlichen Vorschriften, die sich auf
Mass, Gewicht. Preisbestimmung, Güte der Waren und Beaufsich-
tigung der Handwerker erstreckte,*) durch besondere Beamte er-
leichtert und den Handwerkern ein Schutz geboten gegen jeden
unlauteren Wettbewerb. Jene Beamten sind zwar in Aachen vor
dem Bestehen der Zünfte nicht mehr nachzuweisen, trotzdem aber
anzunehmen, da ja allgemein die Entwickelung des städtischen
Gewerbekon troll Wesens zeigt, dass das spätere zünftige Recht der
Ordnung des gewerblich-wirtschaftlichen Lebens nur eine Fort-
setzung der ehedem ausnahmlos behördlichen Befugnis ist.^) Indem
aber der Rat jenes Amt der Zunft übertrug, begab er sich nicht
gänzlich jeglicher Mitwirkung. Sein Einfluss spiegelt sich in der
Einsetzung der zünftigen Gewerbeaufsiohtsbeamten wieder, und
der sich je nach der Bedeutung und dem Werte des Handwerks
für das Bürgerwohl im allgemeinen und der Stadt im besonderen
richtete. Die alleinige Ernennung stand auch weiterhin dem
Rate bei den Kontrollbeamten der Lebensmittelbranche, Bäckerei
und Fleischerei und der für die Stadt hochbedoutsamen Tuch-,
Gewehr- und Lederfabrikation zu,^) eine durch Zunftmitglieder
beschränkte in dem immerhin wichtigen Brau- und Tuchhandel-
gewerbe, während bei dem das gewöhnliche Interesse wohl nicht
überschreitenden Pelzer-, Buntwirker- und Goldschmiedehandwerk
der Rat sich nur das Recht der Vereidigung vorbehielt.''^)
Jene Regelung der städtischen Marktverhältnisse wie auch
besonders die Tatsache, dass der mittelalterliche Handwerker vor
allem ,,mercator" war®), sind für die Entstehungsgeschichte der
gewerblichen Verbände von grosser Bedeutung. Freilich möchte
ich nicht mit Keutgen annehmen, dass die Handwerkerverbände
in den von der städtischen Obrigkeit geschaffenen Aemtern ihre
Vorläufer haben und „die Organisation des städtischen Handwerks
nach Aemtern als ein natürlicher Ausfluss der Marktordnung sich
^) Loersch, Aachener Chronik. S. 3. — *) Laurent, A. St. R. S. 421, 29.
^) Pick, Aus Aachens Vergangenheit. S. 242 und 340 f.
*) Keutgen, Aemter und Zünfte. S. 131. — ^) Keutgen, a. a. O.
®) Von der Aachener Gewehrfabrikation berichtet der Chronist, dass sie blühend
und glänzend war, „also dass ein formal Kirmes (Kirmes-Geschenk, Gross, a. a. O. S. 143.)
nichts anderes sein, als ein paar Pistolen". Selbst Kaiser und Könige nahmen ein solch
Geschenk mit Dank an. Noppius, I. S. 29. — Die Bedeutung der Lederfabrikation geht
daraus hervor, dass der neue Meister schwören musste, nur in Aachen das Handwerk 7m.
verrichten (vgl. Kapitel 2. : Zunftmitglieder), während über das Kannegiesserambacht, dessen
Oewerbeaufsiohtsbeamten ebenfalls vom Rate ernannt wurden, freilich weiterhin nichts
gemeldet wird.
') vgl. Kapitel 2: „Zunftbeamte".
8) Keutgen, a. a. O. S. 133 und Philippi, Die gewerblichen Gilden des Mittelalters,
Preussische Jahrbücher. Bd. 69. 1892. S. 657 ff., und Handwerk und Handel im deutschon
Mittelalter. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Bd. 25. 1904.
S. 112 flf.
— 28 —
erweist."^) Abgesehen davon, dass diese Aemtertheorie schon an
und für sich wenig Glaubwürdigkeit beanspruchen kann,^ kennt
Aachen solche Aemter überhaupt nicht. Daher muss die Triebkraft
zum Zusamraenschluss in den Reihen der Handwerker selbst und
deren Interessensphäre zu suchen sein,*) wobei jedoch ein Einfluss
der Marktordnung nicht ausser acht gelassen und unterschätzt
werden darf. Durch die Marktordnung wurde erst das Solidaritäts-
gefühl der Gewerbetreibenden gleicher Gattung gestärkt und gehoben,
durch die segensreichen Früchte der Marktordnung erst die Erkennt-
nis gezeitigt, dass bei allumfassenden Gewerbebestimmungen, besonders
durch den Geist der Berufsgenossen geleitet, das Handwerk zu
seinem und seiner Inhaber Nutz und Frommen eine höhere Stellung
sich zu erringen vermöchte. So entstanden aus sich selbst heraus
unter Beeinflussung und Vorschubleistung durch die Marktordnung
die gewerblichen Vereinigungen, deren Zweck nach den Nachrichten
über die Entstehung der Schneiderzunft nicht immer der Zunft-
zwang war.*) Vortme weirt ouch sache, dat unser bruder eynich
deme aingezegen werde van eynchen manne of vrouwe, dat he un
niet wail gesohroden in hedde inde duich inthindert hedde, deme
bruder soln wir alle truwelichen bistoin inde helpen zu sinen reicht.
Weirt, dat de bruder in deme unreicht vonden werde, so soln
wirs alle unse hant affdun inde solen eme syn denck loissen duin,
mer dieser geselschaf inde bruderschaf sal he guyt syn, los inde
ledich inde nummerme her in diese bruderschaf me zu komen.
Trotz des Ausschlusses aus der Zunft konnte jeder auch fernerhin
in der Stadt „syn denck duin," während unter der Herrschaft des
Zunftzwanges Mitgliedschaftsverlust mit Arbeitsverbot gleichbe-
deutend war. Einen gewissen Zwang übte freilich immerhin von
vornherein auch diese Zunft aus, aber nur insoweit, als sie zur
Anfertigung guter Handwerkserzeugnisse verpflichtete. Ein Verstoss
gegen dieses Gesetz zog Verlust der Zunftzugehörigkeit und damit
des von der Zunft gebotenen Schutzes und der Hilfe nach sich. Erst
in späterer Zeit finden wir bei den Schneidern den Zunftzwang
im eigentlichen Sinne des Wortes, dessen Einführung und gesetzliche
Regelung vielleicht mit dem Eindringen des fremden Elements in
in die einheimisch städtische Bevölkerung, der Vermehrung der
Handwerker, kurzum mit dem Erstarken und Aufblühen der Zunft
Hand in Hand gingen. Keineswegs ist es aber notwendig, dass
der Zunftzwang bei allen Zünften einer solchen Entwickelung sein Be-
stehen verdankt. Dies möge, da die Anfangszeit des Aachener Zunft-
wesens ein undurchdringliches Dunkel verhüllt, die Tuchmacherzunft
des Aachen benachbarten und von diesem wohl stark beeinflussten
^) Keutgen, a. a. O. S. 133 ff. Ihm folgt in der neueren lokal gesebiohtiicheo
Forschung Hartmann, Geschichte der Handwerkerverbände der Stadt Hildesheim im
Mittelalter. Beiträge für die Geschichte Niedersaohsens und Westfalens. Heft I. S. 29,
während Tuckermann, Das Gewerbe der Stadt Hildesheim bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts,
Tübinger Dissertation 1906 S. 34, der jüngsthin ebenfalls Hildesheim zum Gegenstande
seiner Untersuchungen gemacht hat, jene Theorie abweist.
2) V. Below, Hist. Vierteljahrschrift VH. Jahrgang 1904. S. 552 ff.
^) Dies ist mit Einschluss des Zunftzwanges als Zweck der Vereinigung die Lehre
V. Belows.
*) Vor allem ist es v. Below, der den Zunftzwang als Zweck und massgebendste Be-
deutung der Zunftbildung betont. Zuletzt. Hist. Vierteljahrschr. Jahrg. VU. S. 549 f.
— 2Ö —
Burtsoheid zeigen. In ihr ist der Zunftzwang mit all seinen
Konsequenzen ein entstehungsgesohichtliohes Moment.^) Es kann
daher in Aachen bei der einen Zunft der Zunftzwang eine primäre
Erscheinung, bei der anderen wiederum ein Produkt der Zeit sein.^)
Die Verwaltung und Regierung der Stadt Aachen ruhte bis
zu den Zeiten der Zunftbewegungen gänzlich in den Händen
der bevorzugteren Klasse der Bevölkerung, der Patrizier. In dem
letzten vollständig erhaltenen Mitgliederverzeichnis des Rates vom
Jahre 1351^) ist noch kein einziger Handwerker in dem Rats-
kollegium vertreten. Während in der Entwickelungszeit der
städtischen Verhältnisse dieses System wohl allgemein Anerkennung
fand und auch in sich begründet war, musste mit der Erstarkung
des Bürgertums dieses Gefühl immer mehr und mehr schwinden.^)
Der Wunsch der Anteilnahme an dem Stadtregiment trieb all-
mählich auch in den unteren Schichten der Bürgerschaft seine
Keime, und bald erhob sich der Ruf nach politischer Gleichberech-
tigung. Patrizier und Rat aber trugen in Verkennung der sich
neu entwickelnden Verhältnisse der veränderten Lage keine Rech-
nung. Urteilt doch der patrizische Rat über die Aufnahme zweier
Mitglieder der Zünfte in den Rat nach dem grossen Aufstande des
Jahres 1428, dass „dat sere unbillich ind ungewoenlich was.*^^)
Diese politische Rechtlosigkeit der niederen Bürger ist der
eigentliche Grund und Keim jener Erschütterungen gegen die
herrschende Ordnung, während die schlechte Verwaltung der
Patrizier im städtischen Haushalt und vielleicht auch die Gewalt-
tätigkeiten der Patrizier nur als unmittelbare, den Gärungsprozess
beschleunigende Momente aufzufassen sind.®) Direkte Zeugnisse
über Gewalttätigkeiten der Patrizier gegen ihre Mitbürger liegen
zwar nicht vor, aber die sofortige Aufhebung des abhängigen Ver-
hältnisses der Zünfte vom Rat bei der Aufnahme neuer Mitglieder
und die Absetzung der dem Wollenambacht vom Rate aufge-
zwungenen Vorsteher nach dem siegreichen Aufstande des Jahres
1428 liefern den Beweis, dass die Zünfte diese früher bestehende
Ordnung als eine grosse Last und einen widerrechtlichen und
gewalttätigen EingrijQf des patrizischen Regiments in ihr inneres
Leben betrachteten.
*) Quix, Frankenburg. Urk. 7. S. 133 f.
^) Selbst V. BeloWf Die Entstehung des modernen Kapitalismus, Bist. Zeitschr. Bd. 91
S. 447. Anm. 1, gibt zu, dass der Zunftzwang sich im Laufe der Zeit verstärkt haben könne,
nur dürfe man nicht den Zunftzwang für Hhewerbefreiheit ausgeben. Dass aber Gewerbe-
freiheit besteher kann, zeigt ja evident die Aachener Schneiderzunft. Man muss sich daher
bei dieser sicherlich lokalgeschiohtlich und auch innerhalb der Lokalgeschichte selbst
yerschiedenen Materie vor einer allzustarken Verallgemeinerung hüten, und demzufolge
ist es nicht angängig, einseitig den Zunftzwang nur als eine primäre (v. Below. a. a. O.)
oder nur als eine sekundäre (Phillipi, Handwerk und Handel im deutschen Mittelalter.
MitteilaDgen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Bd. 25. 1904. S. 113) Er-
scheinung gelten zu lassen.
') Quix, Biographie des Ritters Gerard Chorus, Erbauers des Rathauses und des
Chors an der Marien- oder Münsterkirche. Aachen 1842. 8. 46. Nr. 1.
*) SohmoUer, Strassburg zur Zeit der Zunftkämpfe. Quellen und Forschungen zur
Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Volker, Bd. XI. S. 21 f.
») V. Fürth, L S. 34. Nr. 15.
•) V. Below, Wörterbuch der Volkswirtschaft Bd. IL S. 977, nimmt allgemein diese
drei Momente als die Gründe der Zunftunruhen an, die sich ja auch mit den Aachener
Verhältnissen decken.
— 30 —
Die Quellen sprechen aber am meisten von einer finanziellen
Misswirtsohaft der Gesohlechter. Die Stadtrechnung des Jahres
1387/88^) schliesst mit einem Defizit. Zu wiederholten Malen finden
wir selbst Bürgermeister als Pächter städtischer Akzisen,^) und
auch ein vom 25. Juli 1349^) von Karl IV. ausgestelltes Privileg
weist auf die Schuldenlast der Stadt hin. Besonderer Erwähnung
der schlechten Finanzlage der Stadt geschieht bei den Aufständen
des Jahres 1428 und 1477. Gerade die schlechte Pinanzverwal-
tung der Patrizier musste die im Bürgertum entstandene Un-
zufriedenheit zum offenen Ausbruch bringen; denn die Masse der
Bevölkerung setzte sich in Aachen aus den Handwerkern zu-
sammen, so dass auf ihnen in der Hauptsache die bürgerlichen
Lasten in militärischer und finanzieller Beziehung ruhten.
Die durch diese unmittelbaren. Begleiterscheinungen erhöhte
Missstimmung der Bürger über ihre politische Unselbständigkeit
gewann naturgemäss durch die einheitlich organisierten Zünfte
immer mehr an Boden. Mit der gewerblichen und genossenschaft-
lichen Entwickelung der Zünfte, die am Ende des 14. und im
Anfange des 15. Jahrhunderts ihre volle Blüte erreichten, musste
die politische Hand in Hand gehen. Was Wunder, wenn die Zünfte,
die die Masse der Bürger in sich vereinigten, den Fehdehandschuh
dem Patrizierregiment entgegen warfen und den Kampf aufnahmen
für Gleichheit und Recht im politischen Leben der Stadt I
Die erste Kunde von Bürgerunruhen, die aber gleich ge-
dämpft wurden, dringt aus dem Jahre 1348^) zu uns. Inwieweit
Zünfte daran beteiligt gewesen, ist bei der mangelhaften Kenntnis
der Anfangszeit unserer Zünfte nicht zu entscheiden. Genaueres
bringt schon der Aufstand des Jahres 1368,^) wo Walker und
Weber den Anstoss geben und sich gegen den Rat auflehnen.
Durch die Hinrichtung der vier Rädelsführer wird die Ruhe in
der Stadt wieder hergestellt. Die Gärung unter den Mitgliedern
des Wollenambachts wurde aber trotzdem nicht unterdrückt. Im
Jahre 1401^) wird ein aufrührerisches Schreiben an dem Koraphaus
(Walkhaus der Tuchmacher) angeschlagen und ein neuer Aufstand
entfacht. Eine Bestätigung findet dieser Aufstand durch einige
nach Köln gerichtete Briefe, die das Komplott und die Hinrichtung
der Führer schildern.'')
Auch in der Folgezeit schlummerten die aufrührerischen
Ideen keineswegs, sondern immer wieder suchte man durch
Empörungen das ersehnte Ziel zu erreichen, so dass der Chronist
meldet, „desto weniger doch nit in den folgenden Jahren an Tumulten
nicht gemangelt, die alle zu beschreiben (sonderlich was das Komphaus
anbetrifft) ich ein Ueberfluss erachte."^)
1) Laurent, A. St. R. S. 71.
2) a. a. O. S. 365, 10 u. S. 382, 12.
3) Loersch, A. R. D. S. 62. § 12.
*) ßeeck, Aquisgranum. S. 221.
•'■») Loerach, Aachener Chronik. S. 4.
ö) Loersch, Aachener Chronik. S. 4. vgl. auch Noppius, II. S. 119.
■') Keussen, Kleine Mitteilungen in d. Z. d. A. G. Bd. XXII. Nr. I.
«) Noppius, II. S. 169.
— 31 —
Während alle diese Unruhen gleichsam nur als die • ersten
Zuckungen des sich regenden Volksgeistes zu betrachten sind,
zeigen die Ereignisse des Jahres 1428 diesen in seiner ganzen
elementaren Macht und Grösse.
Dem Vertrage vom 29. Juni 1428,^) der zwischen Rat und dem
Schröderarabacht, als dem Vertreter der übrigen Zünfte, geschlossen
wurde, ging wohl ein allgemeiner grosser Aufstand dieser Zünfte
vorauf. Leider werden wir über den Verlauf der Unruhen selbst
nicht unterrichtet.
Die Triebfeder dieser Empörung ist in der schlechten Finanz-
wirtschaft der Patrizier, der Erhebung einer Reichssteuer und der
das gemeine Volk schwer belastenden Akzise, das Mahlgeld, zu
suchen.^) Eine undatierte Urkunde, deren Entstehungszeit nach
Loersch^) vor das Jahr 1428 fällt, enthält Vorschläge zur Umge-
staltung der Finanzverwaltung. Besonders wird Sparsamkeit, Be-
schränkung der Entschädigungen für Reisen und Ehrengeschenke
verlangt. Windeck*) gibt in dem Vorworte seiner Gedichte als
Grund des Aufstandes an, „wann der rait wolde schatzunge han".
Mit dieser Schätzung ist wohl das von Reichswegen zu erhebende
Geld für die Hussitenkriege gemeint, da in dem Berichte der Werk-
meister und Geschworenen des WoUenambachts ^) und der „gesel-
schaff van leewensteyn"®) an König Sigmund die Weigerung,
das „Hussengeld^* zu bezahlen, als Veranlassung bezeichnet wird.
Dass auch das Mahlgeld die Unzufriedenheit mitschürte, beweist,
dass dessen Abschaffung eine Hauptforderung in dem Vertrage
vom 29. Juni 1428 darstellt und vom Rate dem Goedart v. Eich-
horn'^) und Proest Buter ^) besonders vorgeworfen wird, zur Ab-
schaffung dieser Akzise beigetragen zu haben.
An dem Aufstande beteiligten sich die Zunft der Schröder
rait ihrem zugehörigen Ambacht (Tuchscherer), der Bäcker, Brauer,
Schmiede, Weber, Schuhmacher, Löder, Buntwirker und Zimmerleute
rait deren zugehörigen Ambachten (Leiendecker, Steinmetzen und
Schreinemacher?®), während Fleischer, Müller und Barbiere wohl eine
neutrale Stellung in diesem Kampfe einnahmen. ^^)
Herrschte demnach im Lager der Zünfte Uneinigkeit, die zu
einer Absonderung einiger Ambachten führte, so macht sich die-
selbe Erscheinung auch auf der gegnerischen Seite bemerkbar.
Selbst Patrizier beteiligten sich an der Erhebung gegen ihre eigenen
*) Loersch, A. R. D. S. 204. Nr. 13.
^) Mahlgeld war die Abgabe, die von den zur Brotbereitung eingeführten Früchten
und sonstigen Produkten erhoben wurde.
') Loersch, A. R. D. S. 193. Nr. 11,
"*) Loersch und Reiffersoheid, Zwei Achener historische Gedichte des 15. u. 16. Jahr-
hunderts. Haagen, Geschichte Achens II. Beilage A. u. H,
») V. Fürth, I. S. 49. Nr. 17.
«) V. Fürth, I. S. 52. Nr. 18.
») V. Fürth, I. S. 34. Nr. 15.
8) T. Fürth, a. a. 0. 8. 30. Nr. 14.
») Loersch, A. R. D. S. 204. Nr. 13.
^°) Diese Auffassung unterstützt für die Fleischer die Notiz einer kleinen handschrift-
liehen Chronik (Loersch und Reiffersoheid, a. a. O. Bd. li. S. 607. Anlage 1), dat der rait
moiste nemen van allen ambaohten zwene man zo rade sitzen mit dem alden rade, usge-
noraen de vleischhouwer, de in wolden is neit zo schaffen hain ind erkanten ir overhouft,
jährend für die anderen Zünfte es ja schon daraus hervorgeht, dass sie trotz ihres Bestehens
in dein Vertrage von 1428 nicht genannt werden,
- 32 —
Standesgenossen. Es waren dies Goedart v. Eichhorn*) und Pro est
Buter,^) die freilich als Werkmeister beziehungsweise Geschworene
des Wollenambachts immerhin zu den Zünften in einer gewissen
Beziehung standen. Gegen diese richtet sich sogar die Klage des
alten patrizischen Rates, die Anstifter des Aufstandes gewesen zu
sein. Doch wohl mit Unrecht 1 Der eigentliche Grund war herauf-
beschworen durch Zeit und Verhältnisse.
Die Bemühungen der Zünfte waren diesmal, wenn auch noch
in bescheidenem Masse, von Erfolg gekrönt.') Diese neu ge-
schaffene Lage hätte bei einer umsichtigen und verständigen
Politik der Zünfte die Gewähr geboten, auf friedlichem Wege das
angestrebte Ziel zu erreichen. Statt dessen empörten sich an
dem Feste des hl. Laurentius*) (10. August) desselben Jahres
zehn Handwerkerverbände. Der alte Rat wurde gestürzt und aus
der Mitte der Empörer ein neuer gewählt, der in dem Umgange
des Augustinerklosters ^) und auch an anderen dazu geeigneten
Orten tagte. Nach den vorhandenen Quellen ist nicht mit Sicher-
heit zu entscheiden, wen die Schuld an diesem Friedensbruohe
trifft. Haben die Patrizier vielleicht versucht, die am 29. Juni 1428
gemachten Zugeständnisse wieder rückgängig zu machen, oder
haben die Zünfte, durch den ersten Erfolg übermütig geworden,
weitergehende und unerfüllbare Forderungen gestellt?
Ein einmütiges Vorgehen der Zünfte kam auch diesmal nicht
zustande. Zwei Zünfte beteiligten sich nicht an diesem „ Staats-
streich **. Eine dieser beiden Zünfte waren die Fleischer; denn
über sie ergiesst sich der ganze Zorn der zur Herrschaft gelangten
Zünfte. Neben der alten Fleischhalle wurden jetzt noch drei
andere errichtet ;^) ja, das Fleischerambacht scheint überhaupt auf-
gelöst und erst nach Beseitigung des „ Zunftregiments ** von dem
alten Erbrat neu konstituiert worden zu sein. In einer durchkreuzten
Notiz der Urkunde vom 19. Oktober 1429 werden nämlich die
Fleischer, die „nuwe vleisohoiwer" genannt."^)
Lange erfreuten sich aber die Zünfte ihrer unumschränkten
und selbstherrlichen Gewalt und Macht nicht. Am 2. Oktober 1429
schon wurde der alte Rat, der durch das Ratsmitglied Konrad
V. Eichhorn die Hülfe des Herrn von Heinsberg, Johannes von Loen,
Graf Ruprecht von Virnenburg und Graf Gumpert von Neuenahr,
Erbvogt von Köln, gewonnen hatte, in seine frühere Stellung
wieder eingesetzt. Im allgemeinen leisteten die vollkommen über-
raschten Bürger keinen grossen Widerstand; Jiur die Bewohner
der Jakobstrasse traten den fremden Hülfstruppen in ernster
Gegenwehr entgegen,®) ohne jedoch das Zunftregiment vor seinem
kläglichen Ende bewahren zu können.
1) V. Fürth, I. S. 33. Nr. 15.
3) a. a. O. S. 29. Nr. 14.
3) vgl. d. Abschnitt: „Zünfte und stadt. Selbstverwaltung".
*) Loersoh, Aachener Chronik. S. 6.
^) Es ist dies das frühere Kaiser-Karls-Gymnasium in der Pontstrasse. Pick, Aus
Aachens Vergrangrenheit. S. 378.
®) Loersch, Aachener Chronik, a. a. O.
7) V. Fürth, I. S. 4. Nr. 3.
8) Loersch, Aachener Chronik. S. 6 f. vgrl. auch Noppius, II. S. 170.
I
— 33 -
Sogleich suchten die Patrizier durch strenge Massregeln ihr
Ansehen und ihre Stellung bei den eingeschüchterten Bürgern zu
befestigen und zu stärken. Fünf Rädelsführer, deren man habhaft
werden konnte, wurden am folgenden Tage hingerichtet. Den
meisten jedoch, darunter Qoedart v. Eichhorn und Proest Buter,
war es gelungen zu entkommen. Diesen Entwichenen wurde für
immer die Rückkehr in die Stadt verboten. Kaiser Sigmund, der
diesen Bannspruch bestätigte, machte dann weiterhin eine etwaige
Wiederaufnahme von seiner kaiserlichen Genehmigung abhängig.^)
Alle anderen Bürger der Stadt mussten im Rathause zu je sechs
auf St. Stefansblut dem Rate den Eid der Treue leisten^) und
geloben, dass alle Eide oder Gelöbnisse, die dem eigenen oder
anderen Ambachten getan und sich gegen die Freiheiten und
Rechte der Stadt richteten, ^genzlich ave gestalt" sein sollten.^)
Nicht möchte ich Hoefflers*) Ansicht folgen, einige Zünfte, die
Schneider, Pelzer, Schuhmacher und Zimmerleute, weil sie im
Gaffelbrief des Jahres 1450 nicht genannt werden, seien vom alten
Erbrat aus Rache aufgelöst worden. Gegen eine Auflösung spricht
nicht nur das Interesse, das der Rat an der gedeihlichen Ent-
Wickelung eines Gewerbes hatte und die mit dem „Rechtsbewusstsein
der Zeit auf das engste verwebte Anschauung von der Notwendig-
keit des Zunftwesens"^), sondern insbesondere der Umstand, dass
•die Ziramerleute 1451®) nachweislich als Zunft bestanden. Die
Nichterwähnung dieser Zünfte im GafTelbrief des Jahres 1450 findet
viehnehr darin seinen Grund, dass die Patrizier die betreffenden
Zünfte zu einer untergeordneten Stellung herunterdrückten, die
ihren Ausfluss in der Aberkennung der politischen Berech-
tigung fand.
Keineswegs zogen aber die Patrizier jetzt eine Lehre aus den
bitteren Erfahrungen der Vergangenheit! Gar bald fielen sie wieder
in ihren alten Fehler der Misswirtschaft im städtischen Haushalt
zurück. Der städtischen Schulden wegen erfolgte 1437^) ein neuer
Aufstand der Zünfte, der durch die Aufnahme von sechs Mann
aus jeder Zunft in den Rat beendigt wurde.
Im Jahre 1439®) versuchten die Kinder des 1429 hingerichteten
Stefan Brog einen Aufruhr anzuzetteln. Während dieser keine
allgemeine Unterstützung fand, geriet 1440 die ganze Gemeinde
mit dem Rate in Uneinigkeit. Sieben Jahre später meldet die
Chronik einen abermaligen „Irrtum und Streit mit den Herren auf
der Gaffeln.''»)
Die schier unheilbare Krankheit einer ungeordneten und alles
schädigenden Pinanzverwaltung, an der das Patrizierregiment litt,
^) Loeraoh und Reiffenicheid, a. a. 0. Bd. n. S. 617. Anlagre 8.
') LoerBoh, Aachener Chronik, a. a. O. S. 8.
') Loersoh und Eeiffersoheid, a. a. O. Bd. II. S. 611. Anlage 3.
«) Hoeffler, S. 188.
^) Sohmoller, Strassburffer Tucher- und Weberznnft S. 472.
^ Loersoh, Aachener Chronik. S. 13.
"") Loersch, Aachener Chronik. S. 9.
8) NoppiuB, II. 170 f.
") Loersch, Aachener Chronik. S. 11.
— 34 -
erzeugte in der Folgezeit neue Unzufriedenheit. Die Bürger konnten
kaum auswärtigen Handel treiben, und immer wieder erhoben sich
die Klagen, dass der Rat über Einnahmen und Ausgaben keine
Rechenschaft mehr gebe.^) Neue Unruhen entstanden unter der
Bürgerschaft. Doch die Nachgiebigkeit des Rates vermochte durch
die volle Erfüllung der bürgerlichen Wünsche das entglommene
Feuer des Aufruhrs noch im Keime zu ersticken. Die politische
Berechtigung und Ratsanteilnahme der Handwerker bildeten den
Kaufpreis des Friedens vom Jahre 1450. Bezeichnend ist es, dass
in diesem Vertrage, dem ersten Gaffelbrief, ^) den Qaffelmeistern
es zur besonderen Pflicht gemacht wird, auf die Kunde von Un-
ruhen bei den Gaffeln jeglichen Widerstand zu verhindern und zu
unterdrücken.
Die Empörungen der nächsten Zeit zeigen im allgemeinen
einen anderen Charakter und eine andere Tendenz. Keine grossen
Forderungen politischer Natur liefern den Zündstoff der Un-
ruhen, sondern einige kleine Misshelligkeiten und Uebelstände auf
gewerblichem oder wirtschaftlichem Gebiete. 1467*) sucht das
Wollenambacht durch Gewalt die Absetzung seiner Geschworenen
zu erreichen. Inwieweit ihr Beginnen und Wunsch mit Erfolg
begleitet, lässt sich nicht erkennen.
Einen grösseren Umfang gewann dagegen der Aufruhr des
Wollenambachts im Jahre 1477. Am 17. Februar legten sämt-
liche Gesellen des Kumphauses die Arbeit nieder. Von hier
pflanzte sich dann der rebellische Geist über alle Grafschaften fort
und hatte bald eine allgemeine Arbeitsniederlegung zur Folge. In
einem Schreiben begehrte man vom Rate die Absetzung eines
Werkmeisters, eines Meisters der Brauerzunft und eines Markt-
meisters, weil er unredlich die Wage anwende, sowie einen Preis-
abschlag des 8-Pfennig-Bieres auf 6 Pfennig. Weiterhin wurde
die Abschaffung sonstiger die „Gemein*' betreffenden Unangenehm-
lichkeiten verlangt, unter anderen alle „Eigenschaften*, die gegen
der Bürger Freiheit wären, und dass jedermann ^sein nahrungh
und hantterungh thuen moegt, dweil das esz ein keyserliche freye
statt wehre" ; Forderungen, die auch alle erfüllt wurden.*) Eigen-
tümlich berührt letzteres Verlangen, denn es steht in direktem
Gegensatz zu der Wirtschaftspolitik der Zünfte. Gross ^) trifft
wohl das Richtige, wenn er meint, dass diese Forderung von einer
Partei ausging, die die Gleichberechtigung mit den Aachenern
erstrebte, den Untersassen. Die Bedeutung dieses Aufstandes
erkennt man aus den Worten, mit denen der Chronist den Bericht
schliesst; ^Esz hait aber in allen irthumben und auffleuffen nieh-
malen die saichen zo ubell gestanden alsz eben dieser vorg. auff-
stantt oder irthumb".^)
^) Beeok, Aquisfirranum. S. 252 f.
») Noppius, III. S. 133.
■) Loersch, Aachener Chronik. S. 14.
*) Loersch Aachener Chronik. S. 15 und 16.
'V Gross, a. a. O. S. 83.
•) Loersch, Aachener Chronik. S. 17.
— 35 —
Beeok ^) berichtet für dasselbe Jahr einen unruhigen Zwiespalt,
der eine Ratsveränderung zur Folge gehabt habe. Diese Rats-
veränderung, die in einer Umgestaltung des durch den Gaffelbrief
festgelegten Modus der Ratswahlen bestand, wird 1513^) bestätigt.
Aller Wahrscheinlichkeit nach war diese Ratsveränderung gleich-
bedeutend mit der Einsetzung des alten Erbrates. Da nun der
Aufstand vom Februar 1477 von keinem Wechsel im bestehenden
städtischen Verfassungssystem spricht, andrerseits aber auch die
Zünfte als die Sieger keine Beschneidung ihrer politischen Rechte
geduldet hätten, so kommen wohl für das Jahr 1477 zwei zeitlich
voneinander getrennte Empörungen in Betracht.
Ein Zeichen, dass der patrizische Erbrat in der städtischen
Verwaltung wiederum das Ruder führte, gibt sich in den im Laufe
der Zeit sich wiederholenden Klagen über die schlechte Finanz-
wirtschaft und die ungewöhnlichen, das Bürgertum belastenden
Steuern kund. Nichts tat aber der Rat, um die Schuldenlast der Stadt
zu tilgen ; nein, es wurden sogar in der unverantworthchsten Weise
von einzelnen Bürgermeistern die Leib- und Erbrenten verkauft.^)
Eine Gesundung und Auffrischung der finanziellen Kräfte der Stadt
konnte unter diesen Umständen unmöglich erfolgen. Man nahm
daher von selten der Zünfte abermals zur Gewalt und Empörung
seine Zuflucht.^)
Am Freitag vor Fastnacht, den 11. Februar 1513^), versam-
melten sich die Gaffeln. Die Bierbrauer brachten den Gaffelbrief
des Jahres 1450 vor, auf den alle einen Eid leisteten. Am 15. des
Monats fand abermals eine Zusammenkunft in dem Hause zum
Stern statt. Man kam zu dem Beschluss, die Stadttore zu besetzen
und dem Rate zu befehlen, sich am folgenden Tage zu versammeln.
In dieser Ratssitzung forderten die Aufständischen von den Rats-
mitgliedern Niederlegung ihres Eides, Beschwörung des alten
Gaffelbriefes, eine Rechnungsablage, das Stadtsiegel und die Schlüssel
zu dem Aufbewahrungsort der Privilegien. Nur unter diesen Be-
dingungen verpflichteten sich die Gaffeln, mit Rat und Tat die
Stadt von den schweren Schulden zu befreien. Obgleich aber die
Ratsmitglieder schliesslich auf diese Forderungen eingingen, wurden
sie doch ihres Amtes entsetzt, einige auch in Haft genommen. Die
Gaffeln erwählten sodann auf Grund des Gaffelbriefes von 1450
aus ihrer Mitte einen neuen Rat. In demselben Jahre versuchte
noch Wilhelm Beissel und ein Genosse die Zünfte wider den Rat
aufzuhetzen. Dieses Vorhaben schlug aber fehl und endete mit
dessen Hinrichtung.«)
*) Beeck, Aquisgranum S. 253.
^) Meyer, Aachensche Geschichten. S. 424. § 62.
*) Beeck, Aquisgranum, a. a. O. und Meyer, Aachensche Geschichten, S. 419—26.
*) vgl. Loersch u. Reifferscheid, a. a. O. R. 635.
"') Meyer, a. a. O. Die Daten Meyers stimmen im einzelnen nicht mit denen des
Spottliedes von 1513 überein. Loersch in Haagens Geschichte Achens, II. S. 638 hält die
Angaben Meyers für zutreffender. — Zu derselben Zeit waren auch in Köln Unruhen, so dass
nach Loersch, a. a. O. S. 636, es nicht unmöglich ist, dass die Aachener Unruhen unter dem
Eindnicke der ersteren zum Durchbruch gekommen sind.
ß) Beeek, a. a. 0. S. 254 f.
- 36 —
Der Beginn der Reformation und die daraus entspringenden
Wirren und Kämpfe, von denen gar bald die deutschen Lande
widerhallten, fanden auch in der Stadt Aachen einen fruchtbaren
Boden. Da jedoch Ursache wie Zweck dieser Unruhen weder in
dem gewerblichen oder politischen Leben der Stadt selbst zu suchen
sind, treten sie aus dem Rahmen dieser Abhandlung heraus. Ob
der Erweiterung des Qaffelbriefes im Jahre 1681 aufrührerische
Kundgebungen voraufgingen, ist ungewiss.
Hiermit nehmen die gewaltigen Kämpfe und das entscheidungs-
volle Ringen zwischen Demokratie und Aristokratie, die dem ganzen
15. und Anfang des 16. Jahrhunderts der Geschichte Aachens ihr
eigenartiges Gepräge aufdrücken, ein Ende. Sieg auf Seiten der
Zünfte 1 Welcher Art aber die Früchte im einzelnen waren, die
jene Opfer im Laufe der Jahre zeitigten, und welche Stellung die
Zünfte im öffentlichen Leben der Stadt einnahmen, möge Gegenstand
der weiteren Darstellung sein.
Die städtische Selbstverwaltung wurde, wie wiii gesehen, vor
den Zunftunruhen allein von den Mitgliedern der angesehenen
Geschlechter der Stadt ausgeübt. Erst im Jahre 1428 gelang es
den Zünften, als den Vertretern der unteren Bürgerschaft, eine
Bresche in die feste Position dieses Systems zu legen. Der Vertrag
vom 29. Juni 1428^) räumte den neun an den Zunftunruhen
beteiligten Zünften das Recht ein, aus jeder Zunft zwei Mitglieder
zum Rate zu wählen, die alle Ratssachen mitverhandehi sollten.
Die das Ambacht betreffenden Angelegenheiten durften die beiden
Zunftmänner ohne Zuwiderhandlung gegen ihre Eide mit sechs der
besten ihrer Zunft beratschlagen. Ihre Amtsdauer betrug zwei
Jahre. Die Aufnahme neuer Mitglieder in die Zunft bedurfte
nicht mehr der Zustimmung des Rates, sondern war dem Gutdünken
der beiden zünftigen Ratsmitglieder überlassen. Das Mahlgeld,
eine das Volk schwer belastende Akzise, wurde abgeschafft. Von
grösster und weittragendster Bedeutung für das Gedeihen des Hand-
werkerstandes war jedenfalls die Erlaubnis, „dat onse burger ge-
meynlioh onder eynander den zensgulden bennen onse stat geven
ind nemen seien". ^) Es waren dies alles Errungenschaften von nicht
zu unterschätzender Bedeutung. Ein friedliches und segensreiches
Zusammenarbeiten von Aristokratie und Demokratie lag darin be-
gründet. Doch der 10. August brachte neue Umwälzungen. Der
Rat wurde gestürzt, und die Zünfte kamen in den Vollbesitz der
städtischen Macht und Gewalt. Mässigung, Klugheit und Ueber-
legung fehlten der neuen Regierung^) und stürzten sie bald aus
ihrer höchsten politischen Allgewalt in ihre frühere rechtlose
Stellung zurück. Im Jahre 1437 aber zwangen die Zünfte schon wieder
1) Loersch, A. R. D. S. 204. Nr. 13.
^) Loersch, A. R. D. S. 207. Die Kirche hat die Verleihung Ton Kapital gegen
Zahlung von Zinsen yerboten. Indem der Rat dieses Verbot für Aachen aufhob, fiel eine
besonders die £ntwickelung des Handwerks hemmende Schranke. Denn der Handwerker,
der früher, weil meistenteils ohne Grundbesitz, das zur Entfaltung seines Gewerbes not-
wendige Geld nicht auftreiben konnte, war nun, da an die Stelle der „dinglichen Belastung"*
die „regelmässige Zinszahlung^' trat, darin unbehindert. Vgl. Loersch und Reiffersoheid,
a. a. 0. S. 590.
') Loersch und Rei£ferscheid. a. a. 0. S. 594.
— 37 —
den „Erbrat", sechs Mann aus jeder Gaffel in den Rat aufzu-
nehmen.^) Diese sollten Rat und Vorschläge geben, um die alten
Schulden zu tilgen, während ohne deren Vorwissen neue nicht
gemacht werden durften. Eine solch aufgezwungene Beaufsichti-
gung empfand der alte Erbrat sicherlich als eine grosse Last. Er
suchte daher im Jahre 1439 mit Hülfe der Leute aus dem Aachener
Reich die der Bürgerschaft eingeräumten Rechte wieder an sich
zu reissen. Doch die Bewohner der Jakobstrasse, von dem An-
schlage benachrichtigt, machten mit Unterstützung der Bewohner
der St. Petergrafschaft den Plan des Erbrates zuschanden.^)
Am 24. November 1450^) wurde sodann den Zünften eine
vollkommene Anteilnahme an der städtischen Verwaltung einge-
räumt. Diese politische Berechtigung erstreckte sich auf die Hand-
werkerverbände der Werkmeisterlaube, Bäcker, Brauer, Fleischer,
Löder und Schmiede.^) Diese Gaffeln wählten je sechs Männer
von gutem Rufe, von denen drei am St. Johannes Baptisttage
jedes Jahres ausscheiden und durch andere ergänzt werden sollten.
Zwei dieser Qaffelgenossen gehörten dem kleinen Rat an, der aus
40 Personen bestand, und die übrigen vier dem grossen oder
geraeinen Rat, der zusammen 84 Mitglieder zählte.^) Befugnisse
und Pflichten dieser sechs waren folgende.
Sie wählten die Bürger-, Wein-. und Baumeister und die übrigen
Beamten des Rates. Jedes Vierteljahr sollte eine Rechnungsablage
vor dem Rate und den Vertretern der Zünfte erfolgen. Keine Eigen-
tums- und Besitzveränderung an liegendem Gut durfte ohne Wissen
und Willen der sechs Gaffelgenossen geschehen. Bei sehr wichtigen
Fragen stand es ihnen ungeachtet des Ratseides frei, vor der Ent-
scheidung sich mit den besten und erfahrensten Zunftgenossen zu
beraten. Ausserdem wählten die Gaffeln noch unter sich zwei
Mann, mit denen sich die sechs über Gaffelangelegenheiten, die
vor den Rat kamen, besprechen konnten. Jede Gaffel erhielt einen
Schlüssel zu dem Behältnis, worin die Privilegien und das grosse
Schuldsiegel aufbewahrt wurden,^) und einen solchen von Wort
zu Wort gleichlautenden Gaffelbrief.*^) Auf Grund dieses Vertrages
^) Noppius, II. S. 170. Die Aachener Chronik von Loersch (a. a. 0. S. 9) lagst
unriohtigerweise die sechs aus jeder ^Grafschaft* (9) hervorgrehen, da sonst der Ausschuss
nicht die «36** sondern die ^54** genannt werden müsste. Für die Riohtigrkeit der Ueber-
liefenuiflr des Koppias sprechen aber sowohl die den beiden Chroniken flromoinsame Be-
zeichnungr die »Se** als auch die Ursache der Aufnahme der sechs in den Rat. Diese ging
aus der Empörungr der Zünfte hervor, und es liegt daher nahe, dass auch die Früchte des
Aufstandes den 1450 politisch berechtigrten sechs Handwerkerverbänden zukommen und
nicht den Grafschaften, in denen adeUge Patrizier und Handwerker zusammen wohnten.
^ Loersch, Aachener Chronik. S. 10. Aachen war früher in Grafschaften eingeteilt
vgl HoeflFler, S- 240.
') Noppius, HL S. 133. Hoeffler, S. 238 bezeichnet unrichtigerweise diesen Tag als
den 25. November.
^) Macco, a. a. 0. lY. Vorwort, zählt für dieses Jahr 14 Gaffeln auf, obwohl es mit
den nicht gewerblichen Zünften nur neun gab.
») V. Fürth, n. S. 209.
®) Hoeffler, S. 239, erwähnt, dass die Gaffeln Schlüssel zu den Stadttoren erhalten
h&tten. Weder die von ihm zitierte Quelle noch eine andere spricht davon.
^) Noppius, I. S. 114, knüpft an diesen Gaffelbrief einige Erläuterungen an, die sich,
da er plötzlich 14 Zünfte nennt, nicht auf diesen Brief beziehen können. Die Zahl
14 deckt sich mit der des Jahres 1513, und so werden auch wohl die Erläuterungen auf
dieses Jahr hinweisen.
- 38 —
beteiligten sich in der Folgezeit die Zünfte neben den Patriziern
an der Verwaltung der Stadtangelegenheiten, bis im Jahre 1477
eine Aenderung eintrat. In diesem Jahre sicherte sich der patrizische
Rat wiederum seine frühere Stellung oder verschob wenigstens die
Verhältnisse zu seinen Gunsten. Der ganze SchöffenstuhP), der
sich nur aus Adeligen zusammensetzte, wurde mit vier Mann aus
jeder Grafschaft dem Erbmagistrat einverleibt, zugleich mit dem
Beschlüsse, dass hinfort sowohl die Ratsverwandten aus den neun Graf-
schaften als auch die Schöffen ihr Leben lang den Rat bilden sollten.^)
Durch letztere Bestimmung suchte man also das Bindringen der
Zünfte in den Rat in Zukunft von vornherein auszuschalten. Als
daher 1513 die Zünfte ihre Rechte wiederum geltend machten,
gab der Rat die Antwort, dass vor 36 Jahren die Gemeinde von
Aachen übereingekommen sei, dass alle einmal in den Rat
Gewählten lebenslänglich diesem angehören, und der Rat das Recht
haben sollte, nach eigenem Gutdünken drei oder vier zu wählen.
Folglich sei den Gaffeln die Gewalt zu einer Wahl abgeschnitten.^)
Trotzdem setzten die Zünfte ihren Willen durch, indem am letzten
Februar 1513 der alte Gaffelbrief wieder in Kraft trat.*) In Ver-
bindung hiermit vermehrte man die Zahl der politisch berechtigten
Handwerkerverbände um sechs, darunter die vier im Jahre 1429
gemassregelten Zünfte. Es war dies gleichsam eine Restitution
der 1429 unterlegenen Partei, Dem Rate gehörten jetzt an: die
Werkmeister (Wollenambacht), Bäcker, Fleischer, Löder, Schmiede.
Kupferschläger, Krämer, Ziramerleute, Schneider, Pelzer, Schuh-
macher und Brauer.^) Die Ratswahl wurde nun so getätigt, dass
die Zünfte jährlich an Stelle der abgehenden drei Ratsdeputierten
acht oder neun Personen dem Rate präsentierten, und der Rat
aus diesen das Ratskollegium wiederum ergänzte.*)
Die religiösen Wirren der folgenden Jahrzehnte brachten
naturgemäss manche Schwankungen im politischen Leben der
Stadt mit sich, ohne indes eine nachhaltige und dauernde Wirkung
auszuüben und die Stellung der Zünfte wesentlich zu ändern.
Auch der letzte Gaffelbrief vom 21. Januar 1681 bedeutet
keinen Systemwechsel oder eine Verfassungsänderung; vielmehr
hat er nur den Wert einer genauen Fixierung und schriftlichen
Niederlegung der dem Rate zustehenden Befugnisse und des Modus
der Ratswahlen, hervorgerufen durch die vorgekommenen „Miss-
bräuche, grossen Irrsale und Verwirrungen." Insofern ist denn
der letzte Gaffelbrief eine Erläuterung und Ergänzung seiner Vor-
gänger.
Nach dem letzten Gaffelbrief war nicht jeder Bürger wahl-
berechtigt oder wählbar, sondern hierfür waren sowohl moralische
als auch soziale Gründe massgebend. Eheliche Geburt, ein unver-
leuradeter Handel und Wandel, keine Heirat mit einer infamen
^) Schon im Jahre 1456 waren die sämtlichen Schöffen in den Rat grekommen.
V. Fürth, II. S. 209.
*) Beeck, Aquisgranum. S. 254 ff. vgl. auch v. Fürth, II. S. 209 f.
') Meyer, Aachensche Geschichten S. 424.
*) V. Fürth, IL S. 210.
*) Gaffelbrief von 1681.
ö) V. Fürth, II. S. 210 ff.
— 39
Person und ein standhafter katholischer Glaube, bildeten yor allem
die Bedingungen, die an einen Ratskandidaten gestellt wurden.
Ferner musste jeder ein Alter von 25 Jahren haben und mindestens
sieben Jahre wirklicher Bürger sein.^) Nicht wählbar waren alle
diejenigen, die eines fremden Herrn Amt bekleideten, Befehlsleute
oder Diener, und diesem ihren Herrn mehr als Lehnspflichten schul-
dig waren; weiterhin diejenigen, die in dem Dienste des Rates
standen, die Akzisen „einbuhrten^ und dabei interessiert waren.
Freilich war ihnen nicht das Recht genommen, auf den Gaffeln
von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.*) Da sicherlich schon
manche Zwietracht darüber entstanden, wurde auch angeordnet,
dass ein jeder nur von einer Gaffel und zwar von der, wo er am
ersten „gekohren", zum Ratssitz präsentiert werden sollte. Den
Greven wurde es zur Pflicht gemacht, ihre Gaffelgenossen und
Beigekorenen zu ermahnen, nur solche in den Rat zu wählen, die
den an sie gestellten Forderungen in jeder Weise entsprächen."^)
Der Rat der Stadt zerfiel in zwei Teile, den kleinen und den
grossen Rat. Der grosse Rat beriet über Blut, Vergebung von
Qemeindegut auf Erbe, erbliche Rentverschreibung und alle die-
jenigen Dinge, wozu der kleine Rat sich für inkompetent erklärte.*)
Die anderen Fälle unterlagen der Entscheidung des kleinen Rates.
Zu dem grossen Rate wählten die Gaffeln sechs Vertreter.^) Der
kleine Rat setzte sich zusammen aus zwei Vertretern der vierzehn
Qaffeln — davon zwölf Handwerkerverbändo — den beiden im
Amte befindlichen Bürgermeistern, den beiden Bürgermeistern des
letzten Jahres, zwei Werkmeistern, zwei Rent-, zwei Wein-, zwei
Baumeistern und sechs Neumännern.^) Die Abstimmung im Rate
geschah nicht nach Köpfen, sondern war in folgender Weise ge-
ordnet. Jede Gaffel hatte ihr besonderes ,,votum" oder „stim".
Die 15. Stimme stand dem nicht aus dem Scliöffenstuhl hervor-
gegangenen abgestandenen Bürgermeister zusammen mit den
Rent-, Wein-, Baumeistern und Neumännern zu. Ob diese Art
der Abstimmung bei beiden Ratskörperschaften gebräuchlich war,
bleibt dahingestellt. Nach einem „Verzaichnus undt Anweisung
wie es mit Besatzung dess Raths zue Aach vom Jahr 1450 biss
uf das Jetzig 1584 eine gelegenheit gehabt undt noch" ^) war in
jener Zeit diese Abstimmungsregel nur für den grossen Rat mass-
gebend. Im kleinen Rat dagegen hatte ein jeder mit Ausnahme
der Bürgermeister, denen nur ein Vorschlagsrecht zustand, „Votum
oder Stimme". Das Votum einer jeden Zunft im grossen Rat
wurde bei Abstimmung unter den Mitgliedern der Zunft durch
^) Gaffelbrief 1681. Nr. 18. Letztere Forderungr wurde schon am 10. Juni 1560 ge-
Btelit. A. Z. S. 296.
») Gaffelbrief v. 1681. Nr. 7.
») a. a. O. Nr. 6.
*) Gaffelbrief v. 1681. Nr. 10.
^) Die zum Rate grew&hlten Zunftmitglieder mussten den Meistern der Zunft ein
C^elage geben, wie aus einer vom 29. Juni 1655 datierten Verordnung der Sehneider her-
vorgeht. Zunftbuch der Schneider. Bl. 139.
•) Gaffelbrief, a. a. 0. Nr. 9.
') V. Fürth, n. S. 209.
— 40 —
Majorität festgesetzt, und im Falle der Stimmengleichheit ent-
schied das Los.^)
Diesen politisohen Rechten der Zünfte standen naturgemäss
manche öffentliche, das Interesse der Allgemeinheit erheischende
Pflichten gegenüber. Vereinigten ja die Zünfte seit dem Jahre 1450*)
in politischer Hinsicht die ganze Bürgerschaft in sich I Die Heran-
ziehung zu den öffentlichen Lasten erstreckte sich nach den vor-
handenen Quellen auf finanzielle und militärische Gebiete und das
Feuerlöschwesen der Stadt.
Als Feuerwehr fungierten von den Zünften die Sackträger ^),
Leiendecker*), Bäcker*), Zimraerleute, Steinmetzen und Koil-
schuddere.®) Bei Ausbruch eines Brandes mussten die beiden Greven
und zwei andere von dem Ambacht der Leiendecker zu der Brand-
stelle hineilen. Im Verhinderungsfalle war es auch gestattet,
zwei Knechte zu senden. Ein Vergehen gegen diese Anordnung
wurde mit einer Strafe von sechs Merk belegt, die unter Bürger-
meister, Stadtbau und Ambacht geteilt wurden. Den Bäckern lag
es ob, das Wasser herbeizutragen. Aus ihrer Mitte wurde 1583
ein Brandmeister gewählt.^) Ob sonst noch andere Zünfte sich
persönlich an dem Löschen beteiligen mussten, ist nicht bestimmt
zu entscheiden, aber wohl wahrscheinlich, da auf den jährlichen
Versammlungen der Zünfte die Greven die „gemeine Brandordnung"
stets vorlesen mussten.®) Eine indirekte Anteilnahme lag für jeden
insofern vor, als er beim Eintritt in die Zunft einen ledernen
Eimer zu geben hatte.®)
Im Militärwesen der Stadt mussten die Zünfte sich sowohl
persönlich als auch finanziell betätigen. 1451 wurde zum ersten
Male die „zoldener" beschrieben, auf Grund der die Zunft des
WoUenambachts vier, Brauer, Fleischer, Löder, Bäcker und Ziramer-
leute je zwei Pferde zu stellen hatten. Freilich scheint von den
Zünften nur der Geldeswert gezahlt worden zu sein.^®) Von der
Zunft zum Stern heisst es nämlich, dass sie ihr „Geld*^ auf der
Rentkammer abgab. Für einen persönlich militärischen Dienst
spricht eine Notiz vom Oktober 1602.^^) Der Rat Hess alle Innungen
bei Verlust ihrer Zunftreohte zusammenkommen und verlangte, die
Zünfte sollten die Wachtordnung im Auf- und Abziehen mit dem
Trommelschlag halten, damit man im Notfalle desto eher auf seiner
Hut sein könnte. Die Zünfte waren aber gegen diese Neuordnung
und forderten, es bei der wohlbestellten Wachtordnung des Jahres 1572,
nämlich bei Läutung der Glocke und im Auf- und Abziehen, es
bewenden zu lassen.
1) V. Fürth, n. S. 211 I.
») Noppiiia, IIL S. 134.
») Hoef ner, S. 276.
^) B. d. Leiendecker. Bl. 375.
») R. d. Bäcker. (1547.)
•) Loereoh, A. R. D. S. 154. Nr. 27.
^) Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgreerend. Jahrgrangr II« S. 13.
8) Gaffelbrief von 1681.
») B. d. Zünfte.
^^) Loersch, Aachener Chronik. S. 13.
^^) Mey^er, Aachensche Geschichten. S. 536. § 96.
- 41 -
EDtsprangen diese Rechte und Pflichten dem politisch-bürger-
lichen Charakter der Ziinfte, so ist der Eitifluss des Rates auf die
Zünfte aus ihrer hohen wirtschaftlichen Bedeutung für die Stadt
abzuleiten.
Dieser Einfluss des Rates auf die Zünfte war im allgemeinen
gering und wenigstens seit der politischen Berechtigung der Zünfte
nicht mehr von weittragender Bedeutung.
Mit dem Jahre 1428^) fiel eine, besonders für die freie Ent-
wickelung der Zünfte hinderliche Schranke. Die Aufnahme der
neuen Zunftmitglieder wurde der Bevormundung des patrizischen
Rates entzogen und der Entscheidung der zum Rate deputierten
Zunftgenossen überlassen.^) Auch diese doch nur formelle Ein-
schränkung schwand mit der Zeit. Die Zunft entschied dann selbst
über die Aufnahme der Bewerber. Eine Ausnahme hiervon machten
allein die spanischen Nadelmacher, die auch noch späterhin — im
Jahre 1615 — in dieser Beziehung dem Rate unterstanden,*)
Fernerhin lag dem Rate die Einsetzung oder Vereidigung
der Oewerbeaufsichtsbeamten ob, während von den Zunftvorstehern
nur die des Wollen- und Qoldschmiedeambachts unter Mitwirkung
des Rates ihr Amt bekleideten.*)
Wichtiger und bedeutender war jedenfalls der Einfluss, den
der Rat durch das Recht der Verleihung der Handwerksstatuten,
der sogenannten Rollen, auf die Zünfte auszuüben vermochte. PreUich
— wenigstens was die Zunft selbst anbetrifft — ist uns direkt
nicht überliefert, welche Paktoren bei der Abfassung dieser Statuten
mitgewirkt haben. Der Rechtsgang wird aber wohl folgender gewesen
sein. Die Zunft selbst entwarf die Statuten. Denn nur solche, die
mit allen technischen und wirtschaftlichen Prägen des betreffenden
Handwerks aufs beste vertraut waren, konnten zur Pörderung eines
Gewerbes Verordnungen von so weittragender Bedeutung auf-
stellen. Darauf lässt auch die Notiz des Schuhmacherambachts
schliessen, dass „die Brüderschaft der Schuhmacher zu folgenden
Punkten kam, die der Rat bestätigte".^) Dem Rate lag alsdann
die Bestätigung und .die Verleihung ob. Noch ein weiteres Recht
ruhte in den Händen der Aachener Stadtobrigkeit. Jede Rolle wurde
nur verliehen unter dem Vorbehalte, sie „allzeit zu kürzen, längen
oder zu verändern". Dieser Vorbehalt findet sich nicht ausdrücklich
erwähnt in den Rollen der Schmiede®) und Buntwirker.'')
Eine merkwürdige Tatsache enthüllt uns die Rolle der Hut-
macher. An Stelle des Rates treten bei dieser Zunft die Zunft-
beamten des WoUenambachts, die Werkmeister und Geschworenen.
Die von den Werkmeistern am 29. August 1898 den Hutmachern
gegebene Rolle meldet, dass die Werkmeister „von etlioh hundert
Jahren her dahin berechtigt gewesen und noch sind, den
^) Loeraoh, A. B. D. S. 204. Nr. la
*i Hoeffler, S. 265 spricht von einer grenauen Beaufslohtigrungr der Zünfte durch
«Ratsdeputierte, die allerdings gresohah, um jede Selbständigkeit der ZQnfte zu verhindern.*
') B. d. spanischen Nadelmaoher.
*) Vgl. d. Abschnitt: «Zunftbeamte".
^) R. d. Schuhmacher.
^ R. d. Schmiede. Extraotus. Bl. 27.
^ R. d. Buntwirker a. a. 0. Bl. 5 f.
— 42
Hutmachern ihres Ambachtssachen. Gesetz und Ordnung zu geben
und mitzuteilen ; dieselben zu vermehren und zu mindern, wie dies
unter anderem aus der uralten in unserem Archiv befindlichen
Hutmacherrolle vom Jahre 1456 hervorgeht.*' Kraft dieser den
Werkmeistern zustehenden Befugnis wird auch die Rolle der Hut-
macher im Jahre 1673 von den Werkmeistern „ratifiziert und
approbiert*.^)
Betrachtet man die Erfolge, die die Zünfte im Laufe der Zeit
Schritt für Schritt in hartnäckigem Verfolgen ihrer Ziele errangen,
so haben sie die ehedem aristokratische Selbstverwaltung der Stadt
in eine demokratische verwandelt. Mit ihrem Siege über die
Patrizier wuchs der Zünfte Bedeutung so sehr, dass ein jeder
Bürger verpflichtet war, ihre Mitgliedschaft zu erlangen. Die Zunft
war von nun an der Angelpunkt des gesaraten öffentlichen Lebens,
und nur in ihr und durch sie fand der Bürger politisches Recht
und politischen Schutz.
Bei der Erörterung des Verhältnisses der Zünfte zu der
Stadtobrigkeit und der Anteilnahme der Zünfte an Verwaltung
und Regierung der Stadt haben wir gesehen, dass nur einem Teile
der Aachener Handwerkerverbände eine politische Berechtigung zu-
teil geworden. Im Anschlüsse hieran macht sich die eigentümliche
Tatsache kund, dass neben den politisch unberechtigten, aber doch
sonst selbständigen Zünften noch eine dritte Klasse bestand, die
^Zubehören ambachten".
Unter „Zubehören ambachten" versteht man solche, die
wegen zu geringer Anzahl der Mitglieder einer meist gewerblich
verwandten Vereinigung zugeteilt waren.^) Entstanden sind sie
wahrscheinlich durch die im Laufe der Zeit eingetretene Arbeits-
teilung innerhalb eines Gewerbes. Die infolgedessen nur noch mit dem
einzelnen Verbrauchsgegenstand beschäftigten Handwerker sonderten
sich allmählich von ihren früheren Zunftgenossen ab. Doch zu schwach
noch an Kräften, um eine eigene, selbständige Zunft bilden zu
können, blieben sie als „zubehorenes ambacht** unter der Vormund-
schaft der Mutterzunft, während ihren späteren Bmanzipationsbestre-
bungen die alten verbrieften Rechte der Hauptzunft hindernd im
Wege standen.^) Ihre Zahl ist eine verhältnismässig grosse. Am
frühesten hören wir von dem Ambacht der Tuchscherer, das 1428
zu den Schneidern gehörte. Zu den Zimmerleuten wurden die
Steinmetzen oder Maurer, Schreiner, Leiendecker und Glasmacher
gezählt.^) Die Glasmacher trennten sich aber später von diesen.
Im Jahre 1618^) bildeten sie mit dem Spiegelambacht eine gemein-
same Zunft. Den Pelzern waren 1511 die Buntwirker,^) 1593 die
Hutmacher ^) und ausserdem 1596 noch die Weissgerber, Mützen-
stricker und „dergleichen gehörig"®) angegliedert. Die Pärberzunft
^) R. d. Hutm acher.
2) Stahl, Das deutsche Handwerk. Bd. I. Einleitung S. 28.
«) Yg\. S. 44.
*) Aktensammlung Ton 1590 bis 1596. anno 1593. Bl. 209 und 268.
6) Vgl. S. 19.
^) B. d. Pelzer und Buntwirker y. 1511 und vgl. Aktensammlung a. a. O. Bl. 268
'") Aktensammlung a. a. 0. Bl. 209.
^) a. a. O. Bl. 268. Quix, Hist-top. Beschreibung der Stadt Aachen, S. 147 rechnet
mit Unrecht auch die Nadler hinzu. YgL oben.
— 43 —
bildete einen Anhang des Wollenambaohts, während die Walker,
Weber, Käraraerer usw. zwar ein eigenes Gewerbe, aber keine
eigene Zunft innerhalb des Wollenambaohts bildeten.^) Bei der
Schmiedegaffel ^) waren die Nadelraaoher^), Harnisch-, Radermaoher
und „andere". Wer mit den ^anderen** gemeint sind, erfahren wir
aus einigen verschiedenen Notizen. Es waren dies die Büohsen-
lademaoher,"*) Drahtzieher,^) Nagelsohmiede ^) und Sattler.'') Auch
den Krämern waren, wie dies bei ihren mancherlei umfassenden
Gewerben verständlich ist, einige Zünfte zugehörig, wie die Vette-
wärer, Gewandschneider und „andere, die ihre Ware stückweise
feilhielten und verkauften."®)
Aufföllig muss es erscheinen, dass in Aachen die Gewand-
schneider nur ein „zubehorenes ambacht", und dabei nicht einmal
des Wollenambaohts, sondern der Krämer bildeten, während in fast
allen anderen Städten die Gewandschneider Mitglieder der ersten
und mächtigsten Zunft waren. ^) Es ist dies um so merkwürdiger,
als gerade die Tuchmanufaktur und folglich auch der Tuchhandel
in Aachen zu den hervorragendsten und bedeutendsten Gewerben
gehörten. Daher werden, da die Gewandschneider der Krämerzunft
nur die stückweise verkaufenden Händler waren, die eigentlichen
Grosskaufleute Zunftgenossen des mächtigen und einflussreichen
Wollenambaohts gewesen sein. Weiterhin reihen sich der Krämer-
zunft die Nadel- und Krempenraacher an, von denen es bei der
Verleihung ihrer Rolle heisst, „nachdem Nadel- und Krempenmacher
sich dem Krämerhandwerk unterworfen" haben. ^^)
Diese „zubehorenen ambachten" hatten zum grössten Teil
ihre eigenen Vorsteher. Nicht nachzuweisen sind diese bei den
Harnischmachern, Büchsenlademachern, Drahtziehern und Weiss-
gerbern.^^) Eigene Rollen ^^) besassen sogar die Hutmacher,
1) Vgri. s. 13.
^) Aktensammlun^ a. a. 0. anno 1596. Bl. 270.
') Es sind dies die spanischen Nadelmaoher, da die andern zu den Krämern ge-
hörten. V^l. oben.
*) B. d. Schmiede 1579. A. Z. ^ 37 f. Die Krämer verlanerten, dass die Büchsen-
lademacher zu ihnen grehören sollten, doch entschied der Rat im Sinne der Schmiede.
'^) a. a. O. S. 38. Batsentscheidung: vom 29. Dezember 1580.
«) a. a. O. S. 152.
^) a. a. 0. S. 44. Zwar werden die Sattler (Hamacher) nicht ausdrücklich als ein zu-
behorenes Ambacht der Schmiede bezeichnet; esgreht aber daraus hervor, dass alle Bats-
entscheidun^en über Streitigkeiten in betreff der Sattler in den Schmiederollen Aufnahme
finden, wie dies auch bei den übrigen zugehörigen Ambachten der Fall ist. — Quix, Hist.-top.
Beschreibung d. Stadt Aachen S. 147) führt weiterhin noch die Schwertfeger und Sohäfte-
maoher auf. Da aber ein aus dem Jahre 1685 stammendes Verzeichnis der zu dem
Schmiedeambacht gehörenden Schmiedegattungen diese beiden noch nicht kennt, muss man
annehmen, dass sie in einer späteren Zeit entstanden sind. A. Z. S. 82 ff.
^ Aktensammlung von 1590 bis 1596. Bl. 268.
•) Schmoller, Strassburger Tucher- und "Weberzunft S. 393.
*<^) R. d. Krämer. Bl. 10 ff. — Quix (Histor.-top. Beschreibung der Stadt Aachen.
S. 147.) zählt noch zu den Krämern die Apotheker, Buchbinder, Bleigiesser, Knopfmacher
and Klempner. Da Quix für seine Behauptung keine Belege angibt und die Quellen keinen
Aufschluss darüber geben, lässt die Wahrheit sich kaum ermitteln. Es scheint aber, dass
die Apotheker überhaupt keine Zunft gebildet haben, da der Bat 1609 nur in bezug auf
,einen" Apotheker, der Gewürz und Spezereien verkaufen will, entscheidet, dass er sich an
das Erämerambacht wenden soll und ebenso 1626 in bezug auf vcinen** Seifensieder, falls er
Seife pfundweise verkaufe. (R. d. Krämer, Manuscripta Borussica, quart. 277.) Von den
übrigen werden nur die Bleigiesser (Kannegiesser) als Zunft genannt.
^^) Die Greven der Gewandschneider werden nicht besonders genannt Da sie aber
eine eigene Rolle besassen, werden sie wohl auch eigene Zunftvorsteher gehabt haben.
") Vgl. Kap. Rollen der Zünfte.
44 —
Mützenstrioker, Schreiner, Nadler und Krempenmaoher, spanische
Nadelraaoher, Leiendeoker, Vettewärer, Gewandsohneider, Stein-
metzen, Hamacher und Tuchsoherer. Eine geraeinsame Rolle hatten
die Buntwirker mit den Pelzern, die Radermaoher mit den Schmieden
und die Glasmacher mit dem Spiegelambaoht.
Ueber das Verhältnis dieser zugehörigen Ambachten zu der
Hauptzunft gewährt uns Aufsohluss ein Bericht an den Rat infolge
eines Streites zwischen den Schneidern und Tuchscherern.^) Greven
und Meister des Tuohsohererarabachts verlangten nämlich eine
eigene Laube (Zunfthaus), eine Forderung, die von den Schneidern
mit dem Hinweis bekämpft wurde, dass sie aus einer „uralten
possesion" die Zugehörigkeit der Tuchscherer beweisen könnten.
Nach Erstarkung und Vermehrung, so geht aus dem Bericht weiter
hervor, versuchten die Tuchscherer, vom Rate die politische Berech-
tigung zu erlangen. Diese Bitte wurde aber von dem Rate
abgeschlagen; vielmehr sollten sich die Tuchscherer an die
Schneidergaffel wenden. Zwischen den beiden letzteren kam nun
die Vereinbarung zustande, dass die Tuchscherer den dritten Teil
der Ratssitze der Schneider erhalten sollten, und zwar einen im
kleinen und zwei im grossen Rat. Die Wahl hierzu durfte nur
auf der Gaffel der Schneider geschehen, und die Namen der Ge-
wählten mussten durch den Gaffeldiener der Schneider an deren
kleine Rats verwandten schriftlich mitgeteilt werden. Diese nahmen
sodann auch die Präsentation der Tuchschererratsdeputierten bei
dem Rat vor. Von dem Scharwachtswein erhielten die Tuchscherer
den dritten Teil. Die Hutmacher 2) wählten nach altem Brauch bei
der Pelzergaffel zwei Personen zum Rat, während den zugehörigen
Ambachten der Zimmerleute der vierte Teil des Soharwaohts-
geldes zukam. ^)
Den Rechten der Tuchscherer standen manche Pflichten
gegenüber. Sie mussten, wie sie sich ^verbunden und angelobt
und bis auf diese Zeit ohne Gegenrede getan", den dritten Teil zu
der „Heuer oder Zins" der Gaffel, ^/s zu den Kosten des Gaffel-
dieners und des Leichenkleides zusteuern und den dritten Teil
aller eintretenden Lasten mittragen.*) In derselben Weise wird
wohl auch bei den übrigen zugehörigen Zünften das Abhängig-
keitsverhältnis zum Ausdruck gekommen sein.
^) Zunftbuch der Schneider. Bl. 133 u. 134.
*) R. d. Hutmacher. Nr. 19.
<^) B. d. Zimmerleute.
*) Zunftbuch der Schneider. Bl. 134.
2. Kapitel.
Verfassung und Organisation der Handwerkerverbände.
Die Quellen für das innere Leben der Aachener Handwerker-
verbände entspringen aus ihren schriftlichen Satzungen und
Statuten, den Rollen. Wie steht es aber mit dem Inhalte dieser
Aufzeichnungen? Geben sie uns ein vollständiges Bild des ge-
samten Zunftrechtes und aller damit zusammenhängenden Einrich-
tungen und Bestimmungen? Keineswegs! Man muss beachten,
dass, betrachtet man speziell die Aachener (Jeschiohte, nicht nur
manche Ordnungen und Statuten durch äussere Ereignisse verloren
gegangen, sondern auch allgemein viele Punkte als selbstverständ-
lich angesehen, einer genauen schriftlichen Fixierung nicht be-
durften. ^Die Zunftstatuten sind nur die Niederschrift der Hand-
werkergewohnheiten oder beschäftigen sich mit brennenden Fragen."^)
Darauf ist es in der Hauptsache zurückzuführen, wenn manche Er-
scheinungen in der Verfassung und Organisation der Aachener
Handwerker verbände gar keine oder nur eine dürftige Erklärung
finden.
Zur Erreichung und Verwirklichung all der Zwecke und Ziele
der Zünfte war vor allem eine gute und vollkommene Organisation
notwendig. Schon die Lebensfähigkeit einer Zunft erforderte es,
diesem Gegenstande vorzüglich ihre Sorge und ihr Interesse
zuzuwenden.
Zuerst musste naturgemäss an eine scharfe Abgrenzung der
Mitgliedschaft und der dieser entspringenden Rechte und Pflichten
gedacht werden. Nach Gierke^) können wir auch für das Aachener
Zunftwesen zwei Hauptgruppen der Zunftmitglieder unterscheiden,
die Voll- und Schutzgenossen. Zu den letzteren gehörten die
Lehrlinge, Gesellen, Frauen und Mädchen und die „ausserordent-
lichen Mitglieder", die Beigekorenen.^)
^) Neubur^ £., Zunftfferichtsbarkeit und ZunftverfassuiiAr vom 13.— 16. Jahrhundert
Ein Beitragr zur ökonomiacnen Geschichte des Mittelalters. Jena 1880. S. 144. ygrl. auch
Sehönbergr, Zur wirtschaftlichen Bedeutung: des deutschen Zunftwesens im Mittelalter. Ein
Beitrag zur Geschichte des Zunftwesens. Berlin 1868. S. 11 ff.
^) Gierke, Das deutsche Handwerk. S. i^. vgl. auch Krumbholtz, Die Gewerbe der
Stadt Münster bis zum Jahre 1661. Publikationen aus den Königl. Preussischen Staats-
archiven. Bd. 70. Leipzig 1898. Einleitung. S. 77.
') Unter Beigekorenen versteht man jene Mitglieder der Zünfte, die kein Handwerk
aasübteoi, sondern lediglich Bürger der Stadt waren. Diese nBeigekorenen** werden in
Münster Beigesohworene genannt, vgl. Krumbholtz, a. a. O.
- 46 —
Die unterste Stufe der Mitgliedschaft bildeten die Lehrlinge.
Diese waren im allgemeinen männlichen Gesohlechtes. Freilich
scheinen einige Gewerbe auch Mädchen zur Erlernung eines
Handwerks zugelassen zu haben. Die Brauer befreiten nämlich
die ehelichen Töchter ihrer Handwerksmeister von den Lehrjahren/)
während die Sackträger,*) Kämmerer,^) Mützenmacher*) und Wollen-
weber ^) Frauen beschäftigten und die Schneider®) ein Frauenambacht
unterschieden. Die Ausübung dieser Gewerbe setzt aber selbst-
verständlich auch eine praktische Erlernung voraus. Ueber das
erforderhche Alter der Lehrlnige schweigen die Quellen fast ganz.
Wenn die Lehrlinge der Leiendecker 18 Jahre alt sein mussten/)
so war dies wohl eine vereinzelte und anormale Erscheinung.
Man kann wohl behaupten, dass, wie auch in anderen Städten, so
auch in Aachen ein Alter von 14 Jahren massgebend war.®) Von
grösserer Bedeutung freilich waren die sonstigen Forderungen, die
beim Eintritt des Lehrlings von den Zünften gestellt wurden.
Wenn bei der Aufnahme der Lehrlinge nicht ausdrücklich
das moralische Moment betont wird, so können wir diesbezügliche
Statuten doch ohne weiteres annehmen. Sonst wäre ja nach langer
Lern- und Gesellenzeit manchen die Meisterschaft versagt geblieben.
Nur die Bäcker®) verlangten von jedem Lehrling ein Zeugnis seiner
Obrigkeit über „Namen und Famen". Als ein Ausfluss der da-
maligen Religionswirren ist es sicherlich aufzufassen, dass nur noch
katholische Ausländer als Lehrlinge zugelassen werden sollten. ^^)
Boten sich in dieser Hinsicht keine Schwierigkeiten, so erfolgte die
Annahme. Dieser ging bei den Schmieden,^^) Schreinern, ^^) Posa-
raentwirkern,'^) Barbieren,^*) Hutmachern,^^) spanischen Nadel-
machern,^^) Steinmetzen^'') und Fassbendern^®) eine vierzehntägige
Probezeit voraus. Die eigentliche Aufnahme erfolgte wohl ähnlich
wie bei den Goldschmieden.^^) Der angehende Lehrling musste
den Greven des Ambachts vorgestellt und sein Name in das
Ambachtsbuch eingetragen werden. Diese Vorstellung bezweckte,
wie aus der Rolle der Barbiere^®) hervorgeht, den Greven die
Gelegenheit zu geben, persönlich den Knaben kennen zu lernen,
damit ihr Ambacht „sauber und rein fortgepflanzt" werde. Für
das Einschreiben musste der Lehrling eine bestimmte Gebühr
entrichten.
Während bei den Goldschmieden 2^) diese Gebühr in Gestalt
einer Flasche „Weines des Besten" und bei den Barbieren ^^) im
Betrage von 4^/2 Reichstalern den Greven zukam, gelangte sie in
1) R. Nr. 4. — 2) Loersch, A. R. D. S. 156. Nr. 17. § 2. — ») Loersch, a. a. O. — *) R.
(1486) Nr. 6. — ^) R. (1442.) — «) Zunftbuch der Schneider ßl. 6. — 7) A. Z. S. 374.
8) Erumbholtz, a. a. 0. Einleitungr S. 78. Vgl. auch Hartmann, Geschichte der Hand-
werkerverbände der Stadt Hildesheim. S. 42.
») Quix, "Wochenblatt für Aachen und ümgregrend. II. J. S. 9.
lö) R. d. Kessler. Nr. 21. Bl. 9. - ") A. Z. S. 13. - ^^) R. Nr. 2. - »») R. (1606). —
1*) R. Nr. 16. Bl. 5. - i») R. Nr. 1. - iß) R. Nr. 3. - ") R. (1487).
18) R. Nr. 1. Zwar ist bei diesen eine Probezeit nicht ausdrücklich erwähnt, aber der
Umstand, dass die Meister verpflichtet sind, innerhalb vierzehn Tage den Lehrling anzu-
geben, lässt dieses vermuten.
lö) R. Nr. 1. — 20) R. Nr. 24. Bl. 5 f.
21) R. Nr. 1.
W) R. Nr. 17. Bl. 5.
— 47 —
den übrigen Zünften an .das Handwerk.^) Die Lehrlinge der Mützen-
macher 2) und Kannegiesser^) waren von jeglicher Abgabe befreit.
Von einer Zahlung der Lehrlinge an die Meister ist nirgendwo die
Rede; vielmehr bestrafte das Bäokerambacht^) jeden, der einen
Lehrling gegen ein „Geschenk oder Nutzen* annimmt mit Verlust
des Handwerks auf drei Jahre. Demgegenüber bestand aber die
Verpflichtung der Meister, von jedem Lehrling ein Entgelt der
Zunft zukommen zu lassen. Die Alträusoher^) erhielten von jedem
Meister ein Pfund Wachs oder 2 M, die Goldschmiede^) 2 Gold-
gulden und die Hutmacher'') 20 Aachener Gulden. Je nach der
Verwendung des Lehrlings richtete sich diese Abgabe bei den
Schmieden.®) Diese brauchten der Zunft nichts zu geben, falls sie
den Lehrling zum Blasen der Bälge nahmen, aber Wachs und
Wein, wenn sie ihn das Handwerk lehrten. Wie es in Reichs-
städten vielfach üblich war,^) war mit der Aufnahme als Lehrling
auch die Ablegung eines Eides verbunden. Während die Alt-
räuscherroUe ^^) besonders darauf hinweist, dass in ihrem Ambacht
von einem Eide Abstand genommen werde, musste der Lehrling
der Brauer ^^) schwören, dies Handwerk ausserhalb der Stadt nicht
auszuüben, jemanden zu lehren oder zu dienen. Ein Meister,
der einen Lehrling ohne diese Bedingungen annahm, zahlte
6 Gulden Strafe.
Grosse Vorteile waren den Meisterssöhnen vorbehalten, die
vielfach nur die Hälfte der Gebühren zu entrichten hatten. Die
Goldschmiede,^^) Brauer ^^) und Borabasiner^^) erliessen sogar
vollständig die vorgeschriebene Lehrzeit. Die Bombasiner nahmen
überhaupt nur Meisters- und Bürgerskinder als Lehrlinge auf.^^)
Wie die Natur der einzelnen Handwerksgattungen verschieden
ist, so macht sich auch eine grosse Mannigfaltigkeit in der Dauer
der festgesetzten Lehrzeit kund. 1^/2 Jahr verlangten die Alt-
räuscher ^^) — ihr Wunsch im Jahre 1640,^^) die Lehrzeit auf
zwei Jahre zu erhöhen, wurde vom Rate nicht erfüllt — zwei
Jahre die Mützenmacher,^®) Pelzer und Buntwirker,^^) Fassbender,^®)
Nadler,^^) Bombasinmacher,^^) Drahtzieher^^) und Kannegiesser,^*)
drei Jahre die Schuhmacher,^^) Posamentwirker,^®) Schmiede,^^)
Leiendecker,^®) spanischen Nadelmacher, 2^) Hamacher,^®) Bäcker,^^j
Kessler,^^) Schneider,^^) Glas- oder Penstermacher,^^) Schreiner,^^)
^) Die Forderungen der einzelnen Zünfte waren folgrende: Schmiede, 2 ^r. Pfd.
Wachs der Bruderschaft, 2 Viertel Wein der Gesellschaft. (A. Z. cap. 23. S. 13.) ; Pelzer
und Buntwirker. 3 M. u. 1 kl. Pfd. Wachs. (R.) (1511.); Schreiner, 1 üoldgulden (R. (1660)
Kr. 2.); Kessler, 1 Goldsrulden. (R. (1578) Nr. 3.); Schneider, 1 Pfd. Wachs (R. Nr. 1, Bl. 1.);
Schuhnacheri ein Fremdfer 4, ein Bür^erskind 2 Goldfulden. (R. (1641) Nr. 60.); Fassbender,
1 Goldgulden. (K. Nr. 2.); Posamentwirker, 1 Goldgulden anno 1616, 8 Gulden anno 1640.
(11 d. F.); span. Nadelmaoher, 1 Flasche Wein oder 12 M. (R. Nr. 3.); Bäcker, statt der 2
schlecht. Gulden 2 Goldgulden, 2 Pfd. Wachs oder 2 Goldgulden, dem Marktmeister V* Wein.
Quix Wochenblatt, a. a. O. S. 13.); Leiendecker, 2 Pfd. Wachs und V* Wein des Besten.
(A. Z. S. 374.); Steinmetzen, Wein und Wachs. (R. 1487).
2) K. (i486) Nr. 5. - ») R.
*) Quix. Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jahrg. II. S. 13. Ratsbesohluss 1574.
») R. (1486) Nr. 7. - «) R. (1573) Nr. 1. - ») R. Nr. 1. - S) a. Z. S. la
*) Stahl, Das deutsehe Handwerk, I. S. 183.
1") R. d. Alträusoher. - ^i) R. Nr. 2. — i«) r. Nr. 3. — i»j R. Nr. 4. — ") R. (1618).
~ ") R. Nr. 88. - 10) R. (1609). - ^^) su ik, O. (1640). - i») R. Nr. 6. - ") R. Nr. 5. —
") ß. - 2») R. d. Krämer (1584) Bl. 11. -- «3) R. Nr. 37. — «3) a. Z. 8. 38 f. — «*) R. (1587).
1 R. (1625) Nr. 52. - =»«) R. (1616). - ") R. (1582) 8. 22. - 2») A. Z., Bl 373 f. -
- 85'
**^?lNj:- ^_— "'*) R- ^r- IjL -,") Quix; Wochenblatt "mr' Aachen und Ümgegendl II.J. 8. 9.
K'
«) R. Nr. 3. — 8«) Zunftbuch. Bl. 7 f. - »*) R. d. Spiegelambachts. Nr. 3. —
) K. (leeo) Nr. 9.
— 48 —
Leineweber^) und Zimmerleute,*) vier Jahre dia Kratzmacher, ^) Brauer,*)
Hutmacher,*) Barbiere^) und Steinmetzen^) und sechs Jahre die
Goldschmiede®) und Kunst- und Glassohilderer.^) Diese Lehrjahre
durften bei manchen Gewerben nur bei einem Meister ausgedient
werden, wie z. B. bei den Kesslern,^^) Mützenmachern^^) und Draht-
ziehern,**) bei den Schuhmachern^^) bei einem, höchstens zwei
Meistern dieser Stadt. Verliess ein Lehrling» ohne Verständigung
mit dem Meister sein Lehrverhältnis, so trug dieser Schritt für
den Lehrjungen schwere Polgen. Die Passbender^*) erklärten die
bis dahin vollbrachten Lehrjahre für null und nichtig. Die Gold-
schmiede^*) bestimmten nach einem besonderen BeschJuss aller
Meister die noch zu leistenden Lehrjahre. Kam der Lehrling bei
den Hutmachern ^®) innerhalb vierzehn Tagen zurück, musste er
24 Aachener Gulden für das Einschreiben bezahlen und die Lehrzeit
von neuem beginnen; kam er nach vierzehn Tagen nicht zurück,
so war ihm die Erwerbung des Handwerks vollständig abgeschnitten.
Hiermit steht im Zusammenhange, dass die Hutraacher^') sogar
von den Eltern des Lehrlings Bürgschaft für die volle Absolvierung
der Lehrjahre erheischten. Die Durchführung dieses Prinzips,
einen häufigen Wechsel der Lehrjuiigen zu verhindern, förderte
die Bestimmung, dass kein Meister einen anderen Lehrling ohne
vorherige Rücksprache mit dem ersten Lehrherrn oder ohne ein
Wahrzeichen annehmen durfte.'®)
Entsprangen die Verordnungen über die Dauer der Lehrzeit
in der Blüte des Zunftwesens nur dem Wunsche, das Handwerk
durch eine gute Ausbildung der späteren Meister zu heben, so ist
auch wohl die seitens der Zunft den Meistern auferlegte Beschrän-
kung der Lehrlingenzahl auf denselben Beweggrund zurückzuführen.
In diesem Sinne ist es wohl aufzufassen, wenn das Spiegelambacht ^^)
dem Meister, der des Glasmalens unerfahren " war, verbot, einen
Lehrjungen anzunehmen oder ihn durch einen fremden Knecht
unterrichten zu lassen. Es erlaubten die Kratzmacher,^^) Leien-
decker,^^) Barbiere,^^) Drahtzieher,^^) Laderaacher,^*) Schneider, 2^)
Steinmetzen 2^) und Schmiede^'') nur einen Lehrling anzunehmen;
die Schmiede den zweiten nur dann, wenn der erste Lehrling sein
letztes Jahr antrat. Drei Lehrlinge durften die spanischen Nadel-
macher 2®) halten.
Während seines Dienstverhältnisses trat der Lehrling, wie auch
in anderen Städten, *^^) wohl vollständig in die Familie des Meisters
ein. Die Hutraacher^^) weisen daher besonders darauf hin, dass
die Lehrjungen innerhalb der Lehrjahre ihrem Meister und deren
Prauen gehorsam sein sollten. Ohne Erlaubniss durften sie an
Sonn- und Feiertagen nicht ausgehen. Falls der Meister über
Ungehorsam zu klagen hatte, verlor der Lehrling seine Lehrjahre.
1) R. Nr. 1. - 2) R. Nr. 22. - ») R. Nr. 1. — *) R. Nr. 4. - ») R. Nr. 1. — «) R.
Nr. 1 Bl. 4. — ') R. (1487). — s) R. Nr. 1. — ») R. d. SpiegrelambaohtsNr. S. ~ ^^) R.Nr. 3.
- ») R. Nr. 5. - 12) A. Z. (1580) S. 38. — ") R. d. Schuhmacher a. a. O. — ") R. — »») R.
Nr. 2. — 16) R. Nr. 5. — i^) a. a. O. Nr. 1. i«) R. d. Krämer, Bl. 11. (1584.)— »») R. Nr. & -
2«) R. Nr. 3. - 2») A. Z. S. 381. - 2«) R. Nr. 24. — 2») A. Z. 8. 38. — 24) a. a. O. a 69. -
2ö)R. (1624) Bl. 7. — 26) B. (i670) Nr. 17. - »') A. Z. (1644) 8. 69. — 28) R. Nr. 7.
20) Hartmann, Geschichte der Handwerkerverbände der Stadt Hildesheim S. 43.
80) R. Nr. 4.
— 49 —
Eine Milderung dieser Strafe konnte nur durch das Ambaoht
geschehen.^)
Zieht man nun in Betracht, dass die Zunft der Posament-
wirker^) sogar ihren Meistern die gute Behandlung der Lehrlinge
besonders ans Herz legen und dass den Lehrlingen der Kessler^) und
Hutmacher*) ein Beschwerderecht bei den Greven der Zunft ein-
geräumt werden musste, so war nach alledem, vorzüglich durch
die keineswegs humane Auffassung in damaliger Zeit verstärkt,
die Stellung des Lehrlings wenig beneidenswert. Der Lohn des
Lehrlings bestand im allgemeinen in freiem Unterhalt und freier
Unterkunft. Die Hutmacher ^) aber gewährten nach einem ,, alten
Brauch*^ dem Lehrling im ersten Jahr drei, im zweiten Jahr vier,
ira dritten Jahr fünf und im vierten Jahr sechs Aachener Merk
täglich und die Leiendecker^) neben der Kost im ersten Jahr fünf,
im zweiten Jahr sechs und im dritten Jahr sieben Bauschen täglich.
Mit der Vollendung der Lehrjahre trat der Lehrling aus
seinem früheren Dienstverhältnis in den Stand der Gesellen."^) Ob
hiermit irgendeine Förmlichkeit, wie an anderen Orten,®) verbun-
den war, ist nicht ersichtlich. lieber die „redlich ausgestandenen"
Lehrjahre gaben die Kutmacher^) und Barbiere*^) auf Begehren
bei entsprechender Würdigkeit ein Zeugnis, wofür 24 Aachener
Gulden beziehungsweise 4^/2 Reichstaler zu entrichten waren.
Im Gegensatz zu der Aufnahme des Lehrlings oder Meisters
wurde im allgemeinen beim Eintritt in das Gesellentum eine Ge-
bühr nicht verlangt. Eine Ausnahme machen allein die Stein-
metzen,^^) deren Gesellen, die 14 Tage am Handwerk arbeiteten,
sechs Goldgulden zu entrichten hatten. Die Hamacher ^2) dagegen
forderten von dem Meister bei der Annahme eines Knechtes ein
Pfund Wachs. Die Aufnahme verwehrt wurde von den Kupfer-
schlägern ^*) jedem, der Geld seinem früheren Herrn schuldete
oder beim Diebstahl ertappt worden war, von den Stein-
metzen^*) jedem ausländischen Knecht. Eine besonders grosse
und wichtige Rolle spielte das frühere Verhältnis zum Meister im
Leben des Gesellen. Der Geselle verpflichtete sich nämlich bei
Uebernahme der Arbeit, auf eine bestimmte Zeit bei seinem Brot-
herrn zu bleiben.^*) Ein solcher Vertrag konnte bei dem Spiegel-
ambacht ^®) auf einen Monat oder auf ein Jahr geschlossen werden.
Hieran knüpfte sich die Bedingung, dass bei Lösung des Ueberein-
kommens der Geselle ein halbes Jahr weder in der Stadt noch
im Reiche Aachen arbeiten durfte. Um dem Gesellen jede Mög-
lichkeit, sich über seine Verpflichtungen hinwegzusetzen, zu ver-
^) Eine Entsoheidung des Rates für die Bäokerzunft, die freilich aus dem Jahre 1699
Btammtf sei zur VerTollständigung hier wiedergegreben. Der Bat bestimmte, dass die Lehr-
jnn^en der Bäcker dem Meister und seiner Frau in allem Billigen gehorsam sein sollten,
wie z. B. Kinder halten, Klüte machen, Wasser herbeitragen. Ohne Erlaubnis durfte der
Lehrling das Haus nicnt verlassen oder während der Nacht ausbleiben, widrigenfalls er
seiner bisherigen Lehrzeit yerlustig ging und zwölf Taler Strafe zahlte. (Quix, Wochenblatt
lar Aachen und Umgegend. Jhrg. II. S. 14.)
») R. — ») R. Nr. 4. — *) R. Nr. 4. — ß) a. a. 0. Nr. 2. — o) A. Z. S. 374.
^) Der terminus teohnicus für Geselle war »Knecht*.
^) Hartmann, a. a. 0. S. 44.
•) R. Nr. 3. — 10) R. Nr. 17. Bl. 6. - ") R. (1670) Nr. 18. — ") R. Nr. 6.
") R. Nr. ö. (1550). — ") R. Nr. 21. — ") R. d. Kupferschläger. Nr. 5 u. 6.
— 50 —
sperren, wurde seitens der Zünfte/) ebenso wie bei den Lehrlingen,
den Meistern verboten, den im , Unfrieden*' geschiedenen Gesellen
zu beschäftigen. Eine genaue Kontrolle ermöglichte die Verordnung
der Kupferschläger,*) wonach ein jeder Geselle ein ^Wahrzeichen"
beibringen musste, während bei den übrigen Ambachten im allge-
meinen es den Meistern oblag, sich bei dem früheren Dienstherrn
des neuen Gesellen zu erkundigen. Ein wie grosser Wert diesen
Bestimmungen beigemessen wurde und von wie grosser Bedeutung
sie für das gewerbliche Leben waren, zeigt, dass selbst die
Schmiedezunft der Stadt Köln sich im Jahre 1470 mit der gleich-
namigen Zunft der Stadt Aachen zur Durchführung dieses Prinzips
in Verbindung setzte.^)
Wie bei den Lehrlingen finden wir auch bei den Gesellen
der Brauer und Kessler dieselben Hinweise auf die Ablegung eines
Eides vor der Aufnahme.
Erklärlicherweise waren für die fremden Gesellen besondere
Bestimmungen notwendig, deren Härten jedoch hier weniger als
bei der Erwerbung der Meisterschaft zum Vorschein kommen. Ein
fremder Knecht, der das Handwerk in einer anderen Reichsstadt
gelernt, war nach einem Aufenthalt von einem Monat verpflichtet,
den Passbendern ^) einen Goldgulden und den Steinmetzen,^) wenn
er länger als 14 Tage arbeitete, ein Viertel Wein und ein Pfund
Wachs zu geben. Die fremden Hutmaoher-^) und Goldschmiede-
gesellen ^) hatten ein Zeugnis ihrer vorgeschriebenen Lehrjahre zu
bringen. Die Meister des Hutmacherambachts waren gezwungen,
jedem fremden Knecht einen Zehr- und Reisepfennig verdienen zu
lassen. Diese Arbeitsbeschäftigung durfte aber, falls keine Stelle
frei war, 14 Tage nicht überschreiten.
Erhalten wir über die Dauer der täglichen Arbeitszeit der
Gesellen gar keine Kunde, so sind wir über den Arbeitslohn nur
auf recht dürftige Nachrichten angewiesen. Im Jahre 1625®) be-
stimmt der Rat, dass die Spuler der Bombasiner acht Bauschen
täglich, die Spinner von jedem Pfund im Hause sechs Merk,
ausserhalb des Hauses fünf Merk und vom Pfund doppelt „ahren**
Garn im Hause sechs und ausserhalb des Hauses sieben Merk
erhalten sollten. Die Glas- oder Fenstermaler ^) durften nur im
Monatslohn, nicht aber im Stücklohn arbeiten. Erbärmliche Zu-
stände herrschten bei den Posamentierern. Der Rat sah sich 1623 ^^)
veranlasst, dem genannten Ambacht aufzutragen, ihren Knechten
einen solchen Lohn zu geben, dass diese von „anderer Leute
Türen und dem Betteln" abgehalten würden. Arbeiten auf eigene
Rechnung waren den Gesellen verboten. ^^)
In dem Wesen der Zunftinstitution begründet lag vor allem
das Ziel, einen das Handwerk schädigenden Wettbewerb, wie der
^) B. d. Mützenmacher, Schreiner Nr. 8; Hamacher Nr. 7: Schmiede A. Z. S. 10;
Kupfersohläger Nr. 16: Schneider Nr. 6; Leiendecker A.Z.S.374; d. Spiegelambachts (1637).
2) R. (1550) Nr. 3. - ») A. Z. S. 14. - *) R. Nr. 6. - ») R. (1487). - «) R. Nr. 9.
7) R. Nr. 9.
*^) R. d. Bombasiner. Diese Stücklohnarbeit findet sich auch bei den Wollwebern
Hildesheims. Hartmann, a. a. 0. S. 46.
^) R. d. Spiegelambachts. Nr. 6. - i«) R. d. Posamentierer. (9. XI. 1623).
11) IL d. Schneider Bl. 4 Nr. 7; R. d. Spiegelambachts Nr. 6.
— 51 —
Grossbetrieb ihn im Gefolge hat, fernzuhalten. Zur Erreichung
dieses Zieles bot analog dem Lehrlingswesen die gleichmässige
Beschränkung der Gesellenzahl eine günstige Handhabe. Einen
Knecht gestatteten die spanischen Nadelmacher,^) Alträuscher,*)
Kratzmacher; ^) 'zwei die Lademaoher,*) Leiendecker ;^) drei die
Barbiere*) und Schreiner;') die Schneider®) seit 1646 vier Knechte,
vorher sechs und die Steinmetzen^) fünf. Die Kessler ^^) beschäf-
tigten anfangs nur einen Knecht, bis 1640 vom Rate ein zweiter
bewilligt wurde. Aus einer Klage des Jahres 1641 seitens des
Kesslerambaohts stellt sich aber heraus, dass ohne sein Vorwissen
ein Meister „Franz Olocker und Konsorten" bei dem Rate um
Erhöhung der Knechtzahl gebeten hatten. Deswegen wird die
Ratsentscheidung des Jahres 1641 wieder aufgehoben und der
betreflFende Meister mit einem Müdt Roggen für das arme Waisen-
haus bestraft. Ein Meister des Hutmacherambachts^^) konnte einen
Knecht und einen Lehrjungen oder zwei Knechte und keinen
Lehrjungen halten. Ausserdem stand es ihm frei, seine Söhne
und einen Meister, der als Knecht arbeiten wollte, zu beschäftigen,
weil diese, wie es in der eigentümlichen Begründung heisst, keinen
„Platz beschlagen". Das übliche Wanderwesen, ^^) das jedem neuen
Gesellen den Zwang des Wanderns und Arbeitens in fremden
Städten auferlegte, nahmen auch die Aachener Zünfte in ihre Rollen
auf. Die Wanderzeit der Barbiere ^^) betrug vier und die der
Schmiede ^^) zwei Jahre.
In manchen Städten ^^) hatte sich im Laufe der Zeit auch
eine Vereinigung der Gesellen als selbständige Körperschaft mit
zunftartiger Organisation herausgebildet. Die Aachener Geschichte
weist zwar solche Gesellenverbände nicht auf, lässt aber der Ver-
mutung Raum, dass seitens der Gesellen Versuche gemacht worden
sind, solche Vereinigungen als Schutz und Wehr gegen die immer
grösser werdenden Lasten und einseitigen Beschränkungen zu
bilden.^^) Den Gesellen der Kupferschlägerzunft ^'^) wurde nämlich
vom Rate verboten, „Versammlungen oder Heuffung" in Bier-
häusern oder an anderen Orten abzuhalten, um ihre Meister zu
benachteiligen.^®) Beschwerden sollten sie an den Rat oder die
Ambachtsmeister richten. Da sonst nirgendwo weitere derartige
Bestrebungen der Gesellen sich bemerkbar machen, so scheint in
Aachen mit Hülfe des Rates jede selbständige Regung der Gesellen
niedergehalten worden zu sein.
Zu den Schutzgenossen der Zunft gehörten ferner die Frauen und
Mädchen. Dass selbst einige Zünfte Mädchen als Lehrlinge zuliessen,
1) R. Nr. 7. — 2) R. (1633) Nr. 18. — «) R. Nr. 3. *) A. Z. (1644) S. 67. — ») A. Z Bl. 381 f.
•) R. Nr. 24. Bl. 5 t — ') R. (1660) Nr. 12. — 8) R. (1646) Bl. 9 und (1624) Bl. 7.
«j R. (1670) Nr. 17. — »o) R. Nr. 12, 27 und Nr. 42. — ") R. Nr. 7 und 8.
^V Vffl. hierüber ausf&hrlioh Stahl, Das deutsche Handwerk. Bd. I. S. 384 ff. u. Schanz,
Zar Gesohiobte der deutschen Gesellen verbände im Mittelalter. Leipzig 1876.
*») R. Bl. 4. — 1*) A. Z. (1582) S. 40.
i5j Yg\, Bodemann. Die älteren Zunfturkunden der Stadt Lüneburg. Quellen und
Darstellungen zur Gesohiobte Niedersachsens. Band I. Hannover 1880. Einleitung. S. 58 ff.
and Uartmann, a. a. O. S. 47 ff., Knunbholtz, a. a. 0. Einleitung S. 88.
^^ Eingehend behandelt dieses Emanzipationsbestreben der Gesellen Schonlank»
Soziale Kämpfe vor 300 Jahren. Altnürnbergische Studien. Leipzig 1894.
") R. Nr. lö.
^^) Ein ähnliches Verbot erliess der Strassburger Rat im 15. Jahrhundert an den
dortigen Gesellenstand. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgesohichte der Stadt Strass-
barg. Historische Studien von E. Ehering. Heft 40. Berlin 1903. S. 65.
— 52 —
haben wir sohon erfahren. Es sind dies im allgemeinen solche Gewerbe,
deren Eigenart und Produktion dies rechtfertigen, und die auch heute
zum Teil dem weiblichen Qesohlechte offen stehen, wie das Ambacht
der Wollenweber, Schneider, Mützenmacher und Sackträger. Die Er-
werbung der Hand Werksberechtigung war gerade wie bei den Männern
mit einer Geldzahlung verknüpft, während freilich von den ander-
'^eitigen Forderungen keine Rede ist. Die Abgabe einer Arbeiterin
an das Wollenambacht ^) betrug zwölf rheinische Gulden und die an
die Schneiderzunft anfangs drei Gulden und eine Flasche Wein,
späterhin drei Reichstaler. Zu der Tätigkeit des Frauenschneider-
ambachts gehörte die Anfertigung von Unterröcken, und was man
von ^/4 Neutuch machen konnte, Hosen, Aermel und dergleichen.
Jede üebertretung dieser abgegrenzten Rechte zog eine Strafe
von zwei Merk nach sich.^) Die Sackträgerfrauen waren vor allem
in der Wollküche mit dem Auflesen der Flocken beschäftigt^) und
die Mützenmacherinnen mit dem Stricken der Mützen.*)
Die Schutzgenossenschaft der Zunft erwarben die Frauen
aber meistenteils erst nach dem Tode des Handwerksmeisters,
indem dann den Witwen gestattet wurde, das Handwerk auf
eigenen Namen fortzusetzen.^) Bei den Lodern ging das Gewerbe,
falls kein Sohn vorhanden war, auf die eheliche Tochter des Ver-
storbenen über, die» „solange sie wollte und lebte und unverändert
blieb, gleich einem Bruder nach Bruderschafts- und Ambachts-
brauch sein sollte*^.®)
Während die bisher angeführten Schutzgenossen irgendeine
gewerblich begründete Beziehung zu dem Ambacht hatten, standen
die Beigekorenen dem betreffenden Handwerk vollständig fern.
Die Ursache ihrer Zunftangehörigkeit liegt auf politischem
Gebiete. Mit dem Siege der Zünfte im Jahre 1450 über das alte
Patrizierregiment verordnete der Rat, „dat nu ind vertan wir ind
ein jeder unser burger ind underseessen in und zu einer der
vurgenanten gaffeln, der eine dan beste genügt kiesen ind vereid
sein sal".^) 1580®) wird das Zuwiderhandeln gegen dieses Gebot
mit dem Verlust des Bürgerrechts bestraft.^) Diese Masnahme er-
klärt sich wohl dadurch, dass durch diese Organisation sämtlicher
Aachener Bürger und Untersassen dem Rate besser die Möglich-
keit geboten war, seinen Einfluss auf alle diese geltend zu machen
und einen neuen Aufstand zu verhindern.
Die Aufnahme in eine Zunft hatte innerhalb 14 Tage, nachdem
einer zur ^.Bhe gegriffen" oder sich zu ,,Hause gesetzt*', zu geschehen.
Alsdann wurde der bürgerliche Eid vor den Bürgermeistern geleistet.^®)
Diese Beigekorenen nahmen an allen Stuhltagen wie auch
an allen wichtigen Verhandlungen teil. Sie besassen freüich, wie
1) K. d. WoUenambaohts (1442) Extractus.
3) R. d. Schneider. Bl. 3 f. Nr. 14, Nr. 13 u Zunftbuoh der Schneider. Bl. 6 f.
0) Ordnuner der Sackiräfer, Loersch, A. R. D. S. 166. Nr. 27a. § 2.
*) B. d. Mützenmacher. Nr. 6.
'^) R. d. Schmiede, cap. 5.
0) B. d. Loder, Extractus. Bl. 24.
A Noppius. III. S. 134.
^) Quix, Beiträgre zur Geschichte Aachens. III. S. 104.
^) In Münster war der Eintritt in eine Zunft als nBeisresohworener* nicht oblisra-
torieoh. Krumbholtz, a. a. 0. Einleitungr* S. 100.
^0) Gaffelbrief ron 168L Nr. 2.
— 53 —
es scheint, nur beratende und keine besohliessendo Stimme.*)
Pernerhin konnten sie von den Zünften als Ratsmitglied präsentiert
werden, doch mit der Beschränkung, dass stets ein Ambachts-
meister Mitglied des kleinen Rates war.^) Diesen ausgedehnten
Rechten gegenüber waren die Pflichten sehr gering. Die Be-
freiung von Gaffel-Laufgeld und anderen Kosten trat ein, falls der
Beigekorene sich gewerblich nicht betätigte und auf dem Stuhl-
tage oder sonst kein Zeichen mit empfing.^)
Dieser Reihe der Schutzgenossen standen die Vollgenossen,
die Meister des Handwerks, gegenüber, jene, die den eigentlichen
Kern der Zunft und die Träger des Zunftgedankens waren. Die
Aufnahme in diese Zunftklasse war mit der Eröffnung eines
selbständigen Handwerksbetriebes verbunden. Doch manche For-
derungen, die bei jeder Zunft mehr oder minder gross waren,
harrten vorher der Erfüllung durch den Bewerbenden.
Die erste Vorbedingung wird auch in Aachen, wie in anderen
Städten, der Besitz des Bürgerrechtes gewesen sein, wenn auch
nur die Goldschmiede*) und Kessler^) dies besonders betonen.
Schon bei der Aufnahme der Lehrlinge und Gesellen wurde Wert
auf die guten moralischen Eigenschaften gelegt. Wir können uns
daher nicht wundern, dass bei dem eigentlichen Eintritt in die
Zunft die Hamacher,®) Schneider,^) Goldschmiede,®) Löder,®) Brauer,^^)
Färber ^^) und Leineweber *2) diese Forderung noch einmal wieder-
holen und betonen. Den Geist der Zeit verrät der Umstand, dass
die Barbiere ^*) und Leineweber ^'^) nur Meister röm.-kath. Glaubens
in ihrer Zunft duldeten. Ja, dem Kessler Abraham Kalkberner,
der sich 1654 zur katholischen Religion „bequemte", wurde aus
diesem Grunde die Handwerksgerechtigkeit nachgelassen.^^)
Im Vordergrunde des Interesses der Zunft stand sicherlich
die gute und treffliche Ausbildung des angehenden Meisters. Hatte
der Meisterkandidat seine Lehrjahre in Aachen selbst vollbracht,
so war ja für seine dem Zunftsinno entsprechende berufliche
Tätigkeit in dieser Zeit von selbst die Gewähr gegeben. Demnach
bedurfte es hierüber keines weiteren Nachweises. Wir finden
daher auch nur bei einer Zunft, den Posamentwirkern, ^^) dass sie
von jedem einen „Schein und Beweis" über Meister, Ort und Zeit
seiner Lehrjahre begehrten. Anders verhält es sich natürlich mit
den Fremden. Sie mussten sich über die von der Zunft verlangten
Lehrjahre ausweisen. ^'^) Lag diese Forderung im Interesse des
Handwerks begründet, so weicht von dieser Notwendigkeit ab,
jedem Fremden für die nicht in Aachen zugebrachte Lehrzeit eine
besondere Geldabgabe festzusetzen. Diese betrug bei den Ha-
machern^®) drei und den Schuhmachern^®) vier Goldgulden. Die Gold-
schmiede und Kupferschläger gingen sogar soweit, die in Aachen
1) a. a. O. Nr. 8.
*) Im Jahre 1696 beschloss der Bat per maiora, dasR bei den Ratswahlen der Hand-
werkggeno88e den Beigrekorenen vorzuziehen sei. A. Z. S. 296.
») GaflFelbrief v. 1681. Nr. 7.
*) R. Nr. 7. — ö) R. Nr. 7. - «) R. Nr. 1. - ') R. Nr. 1. Bl. 1. - ») R. Nr. 9.
•) R. Bl. 24 flF. — 10) R. - ") R. Nr. 12. - ^^) R. (1659) Nr. 1. — »») R. Bl. 4, Nr. 1.
1*) R. Nr. 1. — ") R. d. Kessler. Nr. 32. Bl. 11. — i«) R. (1616).
") R. d. Hamacher. Nr. 1; R. d. Goldschmiede. Nr. 7; R. d. Kessler. Nr. 7; R. d.
Spiegrclambachts. Nr. 4; R. d. Schuhmacher (1590) Nr. 30 u. a. m.
") R. Nr. 1. — 1») R. Nr. 30.
— 54 —
vorgeschriebene Lehrzeit noohmals zu verlangen mit der Milderung
freilich, dass die einzelnen Lehrjahre zum Teil oder ganz gegen
eine verhältnismässig hohe Geldzahlung abgekauft werden konnten.^)
Ja, einige Zünfte^) schreiben den Fremden als Ort der Lehrzeit
eine Reichsstadt, andere^) ^wenigstens eine vornehme" Stadt vor.
Ausser der Leistung der vorgeschriebenen Lehrjahre war
zur Erlangung der Meisterschaft bei manchen Zünften auch noch
eine bestimmte Zeit des Gesellentums massgebend. Die Spiegel-
macher ^) forderten zwei, die Krämer und Vettewärer drei Jahre ;^)
drei Jahre ebenfalls die Schneider, wobei derjenige, der unter
Vorlegung eines Beweises schon in einer anderen Stadt Meister
war, diese drei Jahre für vier Goldgulden nicht zu leisten brauchte.^)
Dem Sinne nach gleich war der Wanderzwang der Barbiere und
Schmiede.'') Das beste Kennzeichen der Tüchtigkeit des neuen
Meisters ergab sich aus der Anfertigung eines Meisterstückes.
Im Laufe der Zeit forderten es die Schneider,®) Schuhmacher,^)
Hamacher,^®) spanischen Nadel macher,^^) Hutmacher,^^) Kessler/^)
Bombasiner,**) Spiegelmacher und Kistenmaler, ^^) Schreiner,*®)
Kratzmacher,^'') Leiendecker,^*') Mützenmacher,^^) Fassbender,20)
Leineweber,^*) Zimmerleute,^^) Steinmetzen,^^) Kannegiesser,^*) Bar-
biere ^^) und Goldschmiede.^®) Einige Beispiele mögen hier angeführt
werden. Den Goldschmieden wurde als Arbeit aufgetragen ein
Kelch oder^ wenn keine Aussicht für den Verkauf vorhanden war,
ein grosses Trinkgefäss; ferner ein Siegel mit Schild und Helm,
die Metallteile an einem Frauengürtel oder ein Ring mit Email-
verzierung. Die Barbiere, die zu gleicher Zeit die Arzneikunst
1) R. d. Goldschmiede Nr. 10; B. d. Kupferschlägrer Nr. 1.
2) R. d. Spie^elambachts Nr. 4 und B. d. Krämer. (1634) Bl. 17 f.
») R. d. Hamacher. Nr. 1. — *) R. (1626).
*) R. d. Krämer. (1512) Bl. 22 f.
0) R. d. Schneider. Nr. 12. Bl. 3. — ») Yg\. S. 51.
») R. Nr. 1 Bl. 1: Vier Stucke. Eines Mannes Tobbart aus 4 Ellen Tuch, ein Männer-
wams aus 4V2 Ellen Sairtuch (srrobes, starkes Zeug, halb Leinen, halb Wolle. Schiiler-
Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch Bd. IV. S. 26), ein Frauenstück von 5 Ellen und
ein Frauensarrock von 10 Ellen oder ein Frauen-Zurketz Ton 4 Ellen (Zurketz-Zoerk-Honk,
ein ylereckiffer Lappen, aus welchem die Nonnen ihre Kopfbedeckung: machten. Muller
und Weitz, Die Aacnener Mundart. S. 87 und 267.)
ö) R. (1622) Nr. 51: 3 Stücke: ein Paar Stiefel, ein Paar Klippen und ein Paar
Riemensehuhe.
^") R. d. Hamacher, Nr. 1: ein Gezeug für ein Karrenpferd mit Zubehör.
^^) R. Nr. 5; Allerhand Sorten von Nadeln.
^^) R. Nr. 14. Drei Hüte, zwei schwarze und einen grauen.
^') R. Nr. 5. Ein Kohlenkessel, ein Schinkenkessel, eine Holzteute oder Wasserkanne
mit kupfernen Bändern.
1«) R. Nr. 1. Ein Stück Bombasinen.
^^) R. d. Spiegelambachts Nr. 7. Spiegelmacber oder Kistenmaler: eine gemalte
Kiste nach Vorschrift Schilderer: eine kleine nSchiiderey** ; Glasmaler: ein Fenster, auf
dem sich eine MHistorie** befindet; Schlechte Glasmaler: ein weisses Fenster, auf dem das
Wappen des hl. Lukas und in weissem Glas drei blaue Schilde gefasst sind.
^^) R. Nr. 1. „Ein Tresoir mit steilen, überkantenen, abgeladenen Cantelaren, unten
ein Piedestal, darüber die Türen mit Compartementen, Panelen, darüber die Türen yon dem
Tresoir eingesetzt mit einer springenden Pfeife und einer ausziehenden Tafl'el mit Haupt-
leisten und eingeschnittenen Armen. Der Fuss unten mit einem Posement. Die Friese
aufgelegrt mit drei Lippen in dorischem Stil."
") R. Nr. 5. vacat.
^8) A. Z. Bl. 375. Ein Stück von Holz und eins von Stein.
^B) R. (1572) Nr. 17. Ein Probstück mit karden und scheren.
^) R. Nr. 7. Eine Butterstamp, hölzerne Teute oder Wasserkanne, ein schiefe Zingh
(ausgebuchtenes Gefäss) mit Ohren.
2^) R. Nr. 2. Sechs Servietten nach von den Vorstehern aufgegebenem Muster.
**) R. Nr. 1. vacat.
^') R. (1670.) Nr. 1. Ein Kreuzfenster mit Zubehör, ein spitzer Bogen und ein verdrück-
ter Bogen.
^^) R. (1487.) Eine glatte Flasche von einem Quart, eine Quart mit einem hohen
Fuss undf ein . . . (Weiteres in der Urkunde unleserlich). — ^^) R. Bl. 4. Nr 1. — **») R. Nr. 7.
55 —
ausübten^ mussten drei Aderlasse an Hand, Fuss und Arm ausführen,
ein Diapalm, Oxioroeium emplastrum und einUnguentum Basiliconis
machen. Im Anschlüsse hieran fand dann noch eine mündliche
Prüfung vor den Greven und „Medicinae Doctoribus" statt.
Wie vollzog sich aber die Meisterprüfung, d. h. was erfahren wir
über die zu beobachenden Vorschriften, den Ort und die zur Prüfung
berechtigten Paktoren? Ueber die Zeit, die dem Prüfling zur Anferti-
gung des Meisterstückes zu Gebote stand, liefern uns nur die
Hutmacher ^) eine Nachricht. Sie gewährten drei Tage.^) Das
Meisterstück musste selbständig gemacht werden. Um jede Mög-
lichkeit einer fremden Hülfeleistung auszuschalten, wiesen die Gold-
schmiede^) das Haus der beiden Greven, die Schuhmacher*) das
Zunfthaus an. Bei den Schreinern^) bestimmten die zwei Greven
nach ihrem Gutdünken ein Haus, oder es konnte gegen eine Zahlung
von acht Talern und der Ablegung eines Eides, das Werk selbst
zu machen, der Betreffende nach seinem Belieben einen Prüfungs-
raum aussuchen. Bei den Hutmachern®) lag es der gesamten
Zunft ob, als Prüfungsort das Haus eines ihrer Meister, bei dem
der Examinand nicht gelernt, festzusetzen. War der Prüfungsort
bei den einzelnen Zünften verschieden, so lag auch die Begutachtung
der angefertigten Arbeiten jeweilig in anderen Händen. Die Zunft-
versammlung richtete bei den Goldschmieden^) die Zwölfmänner
bei den Schuhmachern®), die Greven bei den Passbendern,^) Leine-
webern^^) und im Verein mit den Aerzten der Stadt bei den
Barbieren ^^) und vier aus den Zwölfmännern Erwählte bei den
Schneidern. ^*) Traten Meinungsverschiedenheiten der Examinatoren
der Leineweber ein, so entschieden die Bürgermeister. Die
objektive Beurteilung des Meisterstückes seitens der Sachver-
ständigen verbürgte beim Schneiderambacht ein Eid: „Ihr sollt
geloben und schwören zu Gott und seinem heiligen Evangelium,
daas ihr über das Werk, das ein neuer Meister beim Schneider-
handwerk zum Probestück schneiden soll, recht weisen sollet nach
Eurem besten Verstand und nach Inhalt der Schneiderrolle und
derselben als herkommenden Gewohnheit, so wahr Euch Gott
helft und sein heiliges Evangelium". ^^)
Fiel das Probestück nun zur Unzufriedenheit aus, so war
vorläufig der Erwerb der Meisterschaft ausgeschlossen. Die Rolle
der Leiendecker drückt dies in den Worten aus, wenn ein Geselle
das Meisterstück „nyet viss en machde, as sich gebuert, so sali
hey vertane leren, bis hey dat kan".^^) Die Schneider ^^) gestatteten
dann schon nach einem Vierteljahr eine neue Bewerbung, nachdem
sie freilich für das erste negative Ergebnis eine Strafe von einem
grossen Pfund Wachs und die Leiendecker^^) seit 1533 zwölf M.
von dem durchgefallenen Prüfungskandidaten gefordert hatten.
Ward aber die Leistung „uffrecht" ^'^) befunden, so war damit die
n R. N. 14.
*) Nach einer Notiz vom Jahre 1692 grewährten die Schneider nur einen Tagr. Zunft-
buch der Schneider. Bl. 122 flf.
') R. Nr. 7. — *) R. (1622) Nr. 51. — ^) R. Nr. 1. - o) R. Nr. 14. — "') a. a. 0. —
8) a. a. O. ») R. Nr. 7. - i») R. Nr. 2. - ii) R. d. Barbiere. Bl. 4. Nr. 2. —
") R. d. Schneider. Bl. 2. Nr. 4.
*») Zunftbuch der Schneider Bl. 134 f.
^*) A. Z. Bl. 375. — 1*) R. Nr. 2. — *o) A. Z. Bl. 379. — i') R. d. Fassbender.
— 66 —
Aufnahme als Meist-er in die Zunft gesiohert, doch noch nicht
vollzogen, da vorher nooh mancherlei finanzielle Verpflichtungen
zu erledigen waren.
Allgemein war die Forderung der Handwerksgerechtif^keit,
die aus Abgaben in Geld, Wein oder Wachs und einem ledernen
Eimer bestand. Die Höhe dieser Abgaben schwankt bei den
einzelnen Zünften und im Laufe der Zeit auch bei ein und der-
selben Zunft. Als Beispiel dieser Gebühren diene, dass die Schuh-
macher^) 1461 einen rheinischen Gulden, einen ledernen Eimer, zwei
grosse Pfund Wachs der Brüderschaft und vier Viertel Wein und die
Alträuscher^) 1486 einen rheinischen Gulden, einen ledernen Eimer,
ein Pfund Wachs der Brüderschaft und ein Viertel Wein vom
Besten zahlen mussten. Diese finanziellen Beträge waren anfangs
gering. Dies erforderte ja schon allein der Zweck der Zunft, der
Zunftzwang. Denn in direktem Gegensatz hierzu würde es ja
gestanden haben, wenn man den Eintritt in das Handwerk durch
besondere Massnahmen erschwert haben würde.^) Erst im 16. Jahr-
hundert, zugleich mit dem Verfall der Zünfte,*) macht sich eine
Erhöhung der Abgaben bemerkbar, die in der Absicht geschah,
die Zahl der Handwerksmeister zu beschränken. Eine solche
allmähliche Erhöhung weisen die Rollen der Schuhmacher,^) Alt-
räuscher,®) Bombasiner,^) Krämer,*) Leiendecker,®) Steinmetzen ^^)
und Kannegiesser^^) auf. Eine stele Steigerung entwickelte sich
bei den Posamentierern. Im Jahre 1616 beträgt die Handwerks-
gerechtigkeit einen Gulden, 1623 zwei Goldgulden, 1840 vier
Gulden, 1687 fünfundzwanzig Taler.^^) Ein besonderes Ansinnen
stellten die Brauer nooh an ihren jungen Meister, indem jeder ein
Kapital von 100 Gulden sein eigen nennen musste.^^) Wie wir an-
fangs schon gesehen, wurden auch bei diesen Abgaben die Fremden
stärker belastet als die Einheimischen. Fast alle Zünfte ver-
langten von den Fremden das Doppelte,^*) und nur die Hamacher
begnügten sich mit einem Aufschlag eines Drittels.^^) Im Gegensatz
hierzu boten sich den Meisterssöhnen bei der Bewerbung um die
Zunftangehörigkeit, wie auch sonst, grosse Erleichterungen und
Vergünstigungen. Von der Handwerksgerechtigkeit befreiten
gänzlich die Schuhmacher^®) und Färber,^^) von der Zahlung des
Geldes die Goldschmiede^®) und Brauer,^^) von einem Teil der
Gebühr die Schmiede,^®) Fassbender,^^) Mützenmacher,^^) Kupfer-
schläger,^^) Kessler,^*) Schneider,^^) Hamacher,^® Bombasiner.^^j
Barbiere,^®) Bäcker,^») Spiegelmacher,^®) Hutmacher,^^) Kanne-
giesser,^^) Steinmetzen^^) und Leineweber.^*) Diese Vorteile genossen
I) R. Nr. 1. - 2) R. Nr. 1.
') Verl. Stieda^ Zar Entstehiingr des deutsohen Zunftwesens. Jahrbücher für National-
ökonomie und Statistik. Bd. 26 S. 112.
*) Vgl. den betreflFenden Abschnitt. — ») R. (1461) Nr. 1 und (1619) Nr. 48. — «) R.
(1486) Nr. 1 und (1640). — ') R. (1572) Nr. 40 und (1577) Nr. 43. — ») R. (1486) Bl. 3f und (1531)
Bl. 5 und 8 f. — ») A. Z. (1506) Bl. 374 und (1538) A. Z. Bl. 378.
10) R. 1487: Drei Gulden, zwei Viertel Wein, ein lederner Eimer, ein Pfund Wachs.
1670: 28 Reiohstaler, einen zinnernen Teller, eine Serviette, ein grosses Pfund Wachs, led.
£imer und dem Laufknecht sechs Gulden.
II) R. (1487 und 1529). — i2) r. d. Posamentierer. — i») R. — i*) R. d. Pelzer (1511)
Nr. 5; R. d. Schmiede A. Z. Kap. 9 S. 7. — ") R. — le) r. (1565) Nr. 20. - ") R. Nr. 12. —
18) R. Nr. 1. — 1») R. Nr. 5. ~ ^) A. Z. Kap. 9 S. 7. - «0 R. Nr. 8. — »2) r. Nr. 7. — »»)
R. Nr. 1. - 2*) R. Nr. 8. — »») R. Bl. 1. Nr. 2. — ^) R. Nr. 1. - «') R. Nr. 40. — »8) r.
Bl. 4. Nr. 2. — ^^) R. d. Backer. (Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jhrg. II.
S. 13.) - 80) R. Nr. 6. - ^^) R. Nr. 14. - ^'^) R. (1487) - »=') R. Nr. 10. - ^) R. Nr. 3.
~ 57 —
naoh der Rolle der Steinmetzen nur diejenigen Meisterssöhne, die
nach der Erwerbung der Meisterschaft des Vaters geboren wurden.^)
Seit dem Jahre 1654 wurden auch die Stiefkinder der Kessler
den ^Ehekindern" gleichgestellt.^) Die Hutmacher ^) und Zimmer-
leute ^) konnten sogar für ihre Söhne während derer Minderjährigkeit
die Meisterschaft erwerben. Das erforderliche Alter der Zimraer-
leute war 13 Jahre. Diese frühzeitige Meisterschaftserlangung ist
wohl nur als eine äussere Förmlichkeit ohne jede praktische
Bedeutung zu betrachten, da diese „jugendlichen Meister" der
Hutmacher keine Knechte halten oder selbständige Arbeit leisten
durften. Ferner bewirkte die Heirat mit der Tochter oder Witwe
eines Meisters eine grosse Milderung der Aufnahmebedingungen
und erleichterte in erheblichem Masse das Selbständigwerden des
Handwerksgesellen.^) Es enthob zum Beispiel die Ehe eines Gold-
sohmiedegesellen mit einer Meisterstochter der Geldabgabe, und die
rait einer Meisterswitwe verlieh an und für sich die Meisterwürde.®)
Was das Alter des Kandidaten anbetrifft, so erfahren wir nur von
den Bombasinern, dass der junge Meister ^20 Jahre alt sein sollte,
oder er hielte im Ehestande dermassen Haus^ dass er seinem Weibe
und Gesinde nach Gebühr vorstehen könnte".'')
Ueber die Förmlichkeiten, die mit der Aufnahme verbunden
waren, fliessen die Quellen recht dürftig. Im allgemeinen begnügte
man sich wohl mit einem Eide auf die Satzungen und einem Treu-
versprechen. Der junge Schmiedemeister wurde nach Aufnahme
durch die Greven den Bürgermeistern vorgestellt. Ein dreimaliger
Akt, in Form und Zeit voneinander verschieden, begleitete die
Verleihung des Meistertitels bei den Bäckern. Zuerst versprach
der neue Meister, in Gegenwart des grössten Teiles der Genossen,
den Greven und Marktmeistern allzeit Gehorsam zu leisten und
ein treuer Ambachts- und Feuerwehrmann zu sein. Am Sonntag
danach erfolgte eine Abgabe an die Zunft. Diese wiederholte sich
auf einer dritten, der nächsten Versammlung; wobei der neue
Meister in den „Sohynen" (ein abgesperrter Raum) stand.®) Ein
annähernd getreues Bild gibt die Rolle der Brauer^) wieder.
Zuerst legte man dem zukünftigen Meister verschiedene Fragen
vor, nämlich, ob er ehelich von Vater und Mutter geboren, ob er
gescholten, verleumdet oder sonst an seiner Ehre befleckt worden,
ohne sie verteidigt zu haben. Nach entsprechend zufriedenstellender
Antwort trat der Aufzunehmende vor, und die Greven und Zwölfer
gaben nach einer vorherigen Beratung die Antwort: „Weü er sich
berührter Punkten expurgiret und allerdings entschuldiget, so soll ihm
sein Ambacht zugesagt werden mit der Bedingung, dass er dem
Ambacht die gebührende Gerechtigkeit ehe und bevor er von
der Brauerlaube abtritt, entrichten und genugtuen soll." Alsdann
1) a. a. O. — «) R. Nr. 33. Bl. 11. — 3) R. Nr. 17. — *) R. Nr. 14.
») R. d. Schneider. (1624) Bl. 7 f; R. d. Bombasiner. (1623): R. d. Färber Nr. 12; R.
a. Bäcker. (1&36). Quix, Wochenblatt für Aachen und Uuigegrend. Jhrg» II. S. 9; R. d. Leine-
weber. (1659) Nr. 6.
®) R. d. Goldschmiede. Nr. 8.
') R. d. Bombasiner. (J577) Nr. 43.
^) R. d. Bäcker (1547). Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgregend. S. 9. Anni. 1.
») R. (1577).
— 58 -
muBSte der neue Zunftgenosse den Greven an Eidesstatt ein Treu-
und Qchorsamsgelöbnis abgeben. Ferner verpflichtete er sich, alle-
zeit den meisten Stimmen zu folgen, über die Verhandlungen auf
der Laube Stillschweigen zu beobachten und alle Widerwärtig-
keiten des Ambachts den Greven und dem Ambacht mitzuteilen.
Um das Handwerk möglichst auf Aachen mit Ausschluss der
nächsten Umgebung zu beschränken, forderten die Bombasiner
das Versprechen, das Handwerk nur in Aachen oder an solchen
Orten und Städten auszuüben, wo von altersher Brauch und gute
Ordnung gewesen.^) Der neue Lödermeister schwor zu den Heiligen,
das Handwerk nur „bynnen der Stadt Aiche ayu argelist* zu ver-
richten.2) Seit dem Jahre 1627^) bestand für alle neue Zunft-
genossen die Verpflichtung, vor ihrer Aufnahme durch die Zunft
bei den Bürgermeistern sich anzugeben, den dem Rate gebühren-
den Anteil der Handwerksgerechtigkeit zu entrichten und ihren
Namen in das dafür bestimmte Buch einschreiben zu lassen. Eine
hierüber vom Ratssekretär ausgestellte Bescheinigung diente der
Zunft als Beleg. Diese Verfügung findet ihren Grund in der Saum-
seligkeit und Nachlässigkeit der Zünfte in betreff der Auszahlung
der dem Rate zukommenden Gelder.
Hatte nun der junge Handwerker die vielerlei Schwierigkeiten,
die der Gründung eines eigenen Betriebes entgegenstanden, glück-
lich überwunden, und war es ihm endlich gelungen, in die Schar
der Zunftmeister aufgenommen zu werden, so erforderten die
Zunftstatuten, dass dieser bedeutende Abschnitt im Leben des
jungen Mannes im Kreise der Zunftmitglieder durch den sogenann-
ten Meister schmaus gefeiert werde. Zu diesem Zwecke bestimmten
die Hamacher*) drei Viertel Wein vom Besten, einen Hammel-
schinken und ein Stück gekochtes Fleisch, die Brauer sechs
Viertel Wein^) und die Schneiderzunft®) zwei Kannen Bier vom
Besten und für einen Gulden Brot (zusammen für sieben Gulden)
und für vier Gulden spanischen Wein und die Meisterflasche eben-
falls für vier Gulden.'') Bei den Hutmachern®) versammelten sich
alle Meister jeden Abend während der drei Tage, die zur Anfer-
tigung des Meisterstückes zu Gebote standen, und erhielten auf
Kosten des Prüflings eine „portion**. Eine Befreiung hiervon war
nur gegen eine Gebühr von 32 Aachener Gulden möglich.®) Die
Satzungen der Zimmerleute ^^) verlangten die Bezahlung der auf
dem Zunftsaale von den Handwerksmeistern gemachten Zeche.
Die Barbiere ^^) schafften überhaupt die früher übliche „Kollation"
ab, um an deren Stelle 125 Gulden zu fordern. Wenn auch die
Nachrichten über diesen Meisterschmaus in der Aachener Zunft-
geschichte nicht allzu reichlich und umfassend sind, so lassen sie
1) E. d. Bombasiner. (1577) Nr. 43. — ») R. d. Löder. Bl. 25.
8) R. d. Krämer. Bl. 17. - *) R. (1637) Nr. 1. — •'•) R. Nr. 5.
^) Zunftbuch der Schneider. Bl. 4.
'') Im Jahre 16$)2 wird bestimmt, dass nach dem Meisterstück keine Mahlzeit mehr
bei dem Handwerk gehalten werden soll wie von altersher, sondern es soll mit einem
freundlichen Trunk beendigt worden.
8) R. Nr. 14.
n Im Jahre 1698 waren es 40 Gulden.
10) R. (1669) Nr. 22. — ") R. Bl. 4. Nr. 2.
— 59 —
dooh zur Genüge erkennen, dass dieser Brauch, der sich anfangs
wohl in engen und bescheidenen Bahnen bewegte, allmählich zu
einem Missbrauch sich entwickelte, der an die finanziellen Kräfte
des einzelnen hohe und manchmal unerschwingliche Anforderungen
stellte. Wenn trotz aller dieser grossen Schwierigkeiten sich noch
genügend Handwerker um Aufnahme in die Zunft bewarben, so
lag dies vielfach an den Vorteilen, die die Korporation ihren An-
gehörigen gewährte.*) — Von der Mitgliedszahl der Zünfte ist im
übrigen in den Quellen wenig die Rede. Die Schneiderzunft ^)
bestand 1288 aus 85, die der Leineweber^) 1657 aus 37 und die
der Schreiner*) 1670 — schon ein Zeichen des tiefsten Nieder-
ganges — aus neun Handwerksmeistern. Als äusseres Kennzeichen
der Zugehörigkeit einer Zunft schritten die Mitglieder bei feierlichen
Anlässen und Aufzügen in besonderer Tracht einher. Diese bestand
bei den Schneidern aus einem roten Mantel.^)
Die praktische Durchführung der hohen Aufgaben der Zunft,
sei es auf zünftigem, wirtschaftlichem oder politischem Gebiete,
machte naturgemäss die Schaffung von Organen notwendig, die,
mit besonderen Vollmachten ausgestattet, der Zunftverwaltung erst
ihr festes Gepräge geben konnten.
An der Spitze einer jeden Zunft standen Vorsteher, die
in Aachen den Namen „Greven** führten. Nur die Vorsteher
des Wollenambachts wurden Werkmeister genannt. Sie unter-
schieden sich noch von den übrigen durch die Art ihrer Wahl.
Während nämlich bei allen Zünften die Wahl der Greven in den
Händen der Zunft mitglieder lag und auf der jährlichen Haupt-
versammlung, dem Stuhltago, erfolgte, wurden die Werkmeister
vom Rate eingesetzt und vereidigt.®) Ein Einfluss dos Rates auf
die Wahl ist sonst bei den Zünften nicht der Fall; wohl wurden
die Greven des Goldschraiedeambachts nach der von den Zunft-
mitgliedern getätigten Wahl den Bürgermeistern der Stadt vor-
gestellt und durch diese vereidigt.^) Der Grund hierfür liegt in
^der Ordnung der Gewerbeverhältnisse, die auszuüben die Obrig-
keit als ihre Pflicht ansah";®) denn die Vorsteher dieser Zunft
waren zugleich auch deren Gewerbeaufsichtsbeamten.^)
Zu der Wahl der Greven mussten die Schmiedemeister um
9 Uhr Morgens in den „Minnenbrüder" persönlich erscheinen. ^^)
Der Wahlmodus war bei diesen") derart, dass die alten Greven
und die übrigen Mitglieder je einen wählten, während sonst sämt-
liche Greven von der Zunftversammlung gewählt wurden.*^) Da
die Spiegelmacher noch mit anderen Handwerksgattungen zu einer
Zunft vereinigt waren, so wurde ein Greve aus den Spiegelmachern
Erumbholtz, a. a. O. Einleitung. S. 120.
2) vgl. S. 21. — 8) R. — *) R. d. Zimmerleute.
^) Zanftbach der Schneider. (1626) 61. 4 f.
«) Gaffelbrief v. 1681. Nr. 17. — ^) R. Nr. 12.
8) V. Below, Territorium und Stadt. S. 309 ff.
') vgl. die weiteren Ausführungen.
10) A. Z. (1502) 8. 2t. Nr. 6. — i*) a. a. O. (1443). Kap. 2. S. 2.
") Im Janre 16Ö4 wird laut Schraiederolle bestimmt, da88 ein neuer Greve, wie
auch in den anderen Zünften üblich sei, aus den Zwölfern, der andere aus der Gemeinde
gewählt werden sollte.
— 80 —
oder Kistenmalern, der andere aber aus den Sohilderern, Glasmalern
oder Glasmachern erkoren.*) Wurde das Arat eines Vorstehers durch
dessen Tod frei, so erfolgte bei allen Zünften eine Neuwahl erst
am nächsten Stuhltage.*) Einzelheiten über die Grevenwahl, über
die erforderliche Stimmenzahl und das wahlfähige Alter erfahren
wir nicht. Die SohmiederoUe^) macht allein auf eine gute, alte
und löbliche Herkunft des neuen Greven aufmerksam, und die
Kupferschlägerrolle*) legt ausserdem Wert auf Kenntnisse und
Erfahrung im Handel und Handwerk. Auch die religiösen Wirren
blieben nicht ohne Einfluss auf die Organisation der Zünfte. Laut
kaiserlich ergangener Resolution vom Jahre 1614 sollten nur
Katholische zu Greven, Zwölfer, Baumeistern und anderen Zunft-
ämtern zugelassen werden.^) Zur Annahme der Wahl war jeder
verpflichtet. Die Schmiede^) schlössen den, der der Wahl nicht
Folge leistete, „ohne Arglist" aus der Zunft aus. Die Kannc-
giesser"') und Kupferschläger®) setzten eine Geldstrafe auf jede
Weigerung, letztere aber mit dem Vorbehalt, dass ein jeder vier
Jahre nach seinem Grevenjahr ein Ambachtsamt nicht mehr zu
übernehmen brauchte. An die Wahl der höchsten Zunftbeamten
knüpfte sich vielleicht ähnlich wie beim Eintritt in die Zunft eine
kleine Feier. Wenigstens weisen darauf einige den Neugewählten
auferlegte Verpflichtungen hin. Die Greven der Hutmaoher ^)
mussten nach „altem Brauch und Sitte" vier Aachener Gulden,
der Mützenmacher^^) zwei Viertel Wein, der Steinmetzen^^) eine
„Kalbharsch** und der Ziramerleute'^) einen Hammelschinken geben.
Die Zahl der Zunftvorsteher war allgemein zwei. Bei den Kupfer-
sohlägern waren es anfangs ebenfalls zwei,*^) seit dem Jahre 1510'^)
aber vier, die aus den Zwölfern genommen wurden. Einige Unter-
schiede machen sich bei der Amtsdauer bemerkbar. Sie schwankt
zwischen ein und zwei Jahren. Ein Jahr betrug die Amtszeit bei
den Alträuschern,*^) Schmieden, ^^) Kupferschlägern, ^'') Mützen-
machern,^®) Kesslern ^*^) und spanischen Nadel m achern ;2^) zwei
Jahre bei den Goldschmieden,^^) Hutmachern ^2) und Barbieren.^^j
Auch der Werkmeister Tätigkeit überschritt nicht zwei Jahre.
Goedart von Eichhorn wird nämlich vorgeworfen, drei Jahre Werk-
meister gewesen zu sein, was vorher nie geschehen sei.^*) Bei
einer auf zwei Jahre berechneten Amtsdauer schied jedes Jahr
einer der beiden Greven aus.^^)
Die Befugnisse der Greven waren mannigfacher Art. Die
Greven waren vor allem die Leiter und Repräsentanten der Zunft.
Sie beriefen die Versammlungen ein, verwalteten Geld und Gut,
übten Gerichtsbarkeit und polizeiliche Strafgewalt, kurzum, sie
verkörperten die höchste Macht in der Zunft. Unbedingter Ge-
horsam in allen Ambacht sangelegenheiten sowie Ehrerbietung gegen
^) R. d. Spiegrelambachts. Nr. 2.
*) A. Z. (1628) S. 59.
8) a. a. 0. (1443) S. 2. Kap. 2.
*) R. der Kupferschläger. (1548) Nr. 1 und i. J. 1505. Extraotus. Bl. 17 f.
5) R d. Kessler. (1614). — «) R. Kap. 2. — '^) R. (1434). — ^) R. (1548) Nr. 1. — »)R.
Nr. 18. — 10) R. (1506) Nr. 10. — ^^) R. (1670). Nr. 13. — i») R.Nr. 18. — *»/ R. (1505) Nr. 1.
— ") a. a. O. Nr. 12. — i») R. Nr. 1. - lO) A. Z. S. 2. Kap. 2. — *») R.Nr. 1. — i8)R. (1506)
Nr. 10. - 10) R. Nr. 1. - ^) R. Nr. 2. — »i) R. Nr. 12. - a») R. Nr. 18. — ") R. Nr. 26.
Bl. 6 und Nr. 20 Bl. 5 f. — ^^) v. Fürth, I. S. 15. - 2°) R. d. Goldschmiede, a. a. O; R. d.
Barbiere a. a. O
— 61 —
ihre Person war eine Pflicht der Mitglieder. Geld- und andere
Strafen ahndeten jegliche Unbotraässigkeit.^)
Das Amt selbst muss, wie überhaupt alle leitenden und aus-
führenden Stellungen innerhalb der Zunft, als ein Ehrenamt aufge-
fasst werden. Nur in geringem Masse gewährte den Vorstehern
ein Anteil an den Strafgeldern, 2) Einschreibegebühren der Lehrlinge,^)
Abgaben der neuen Mitglieder*) oder ein Teil der Handwerks-
gerechtigkeit ^) eine Entschädigung für die vielfachen Mühen und
Arbeiten in der Verwaltung der Zunft und (\en dadurch hervor-
gerufenen Zeitverlust im eigenen Handwerksbetrieb. Deswegen
mag mancher lieber auf die Ehre, Greve zu werden, verzichtet
haben, bis die besonderen Verordnungen über die Annahme der
Wahl eine Ablehnung zu verhindern suchten.
Bei der Erörterung des Vorsteherarates der Zünfte ist es
notwendig, noch besonders die Stellung der Werkmeister des
Wollenambachts zu würdigen. Nicht nur ragen sie durch ihre
Herkunft, sondern auch durch Macht und Ansehen über ihre
Aratsgenossen hervor. Die Werkmeister gehörten dem Patrizier-
stande an. 1338 unterzeichnet ein Werkmeister als Ratsmitglied
die Churgerichtsordnung ®), und Goedartv. Eichhorn war als „inge-
boiren burger ind raitzgeselle^ Werkmeister.^) Diese patrizische
Bevormundung scheint aber Unzufriedenheit erweckt zu haben.
Man benutzte daher 1428 die Gelegenheit, die Werkmeister abzu-
setzen und aus der Zunft „sigler** zu wählen,®) eine Errungenschaft,
die freilich die Zunftherrsohaft nicht lange überlebte. Dass die
Beseitigung der patrizischen Werkmeister keine endgültige war.
geht sowohl aus dem in patrizischem Sinne abgefassten Bericht
der Werkmeister über den Aufstand von 1428 an Kaiser Sigmund
hervor^) als auch aus dem Umstände, dass noch 1681 die Werk-
meister vom Rate erwählt und vereidigt werden.^^) Diese Erscheinung
erklärt sich aus der besonderen Bedeutung des Tuchgewerbes für
die Stadt. Die Tuchindustrie war eine reiche Quelle des Segens
und Wohlstandes. Auf ihr ruhten in erster Linie die wirtschaftliche
Grösse und der wirtschaftliche Ruhm Aachens in jener Zeit. Was
Wunder, wenn der Rat im Interesse der Stadt diesem Gewerbe
seine besondere Aufmerksamkeit widmete und die Leitung der
Zunft Männern aus seinem Kreise übertrug! Waren es doch auch
vor allem Patrizier, die in Aachen, wie in anderen Städten, ^^)
den grossen Tuchversand und -handel innehatten und sich eine
einflussreiche und überwiegende Stellung gegenüber den Tuchhand-
werkern erwarben. Die Sonderstellung dieser Zunftvorsteher kommt
n B. d. Schmiede. A. Z. S. 11. Kap. 18; B. d. Kupferschläger Nr. 7; H. d. Tlut-
macher Nr. 13. u. a. m.
*) Die Werkmeister erhielten z. B. die Hälfte der Strafffelder. Loersoh, A. R. D.
S. 75. Nr. 12.
»} Vgl. S. 46.
*) R. d. F(chmiede. A. Z. S. 5. Kap. 4.
^) R. d. Leineweber. Nr. 8. Sie erhielten drei Aachener Gulden von den Meisters-
Böhneni von den übrigen einen halben Taler.
•) Loersch, A. R. D. S. 50. Nr. 6.
i V. Fürth, I. S. 33. Nr. 16.
^ Loersch, Aachener Chronik.
^ Yffk S. 81._
GafTelbrief von 1681. Nr. 15.
ii) Schmoller, Strassborger Tücher- und Weberzunft. S. 393.
— 82 —
denn auoh in allen zünftigen Angelegenheiten zum Vorschein.
Ihre richterliche Tätigkeit stellt zum Beispiel die aller anderen
weit in den Schatten.^) Den Hutmaohern gegenüber vertraten
die Werkmeister gleichsam die Stelle des Rates.^) Selbst eine
gewerbliche Verordnung der Röder findet nicht die Bestätigung
durch den Rat, sondern wird durch die Werkmeister gutgeheissen.^)
Eine Gewerbeordnung des Wollenambachts vom Jahre 1387 er-
liessen sie in ihrem Namen und nur mit ^»Bewilligung'* des Rates.^)
Darin zeigt sich besonders die mächtige und hervorragende Stellung
der Werkmeistor. Ihre Verordnungen öffentlich-rechtlichen Charak-
ters bedurften nicht einmal der ^Bestätigung^ der städtischen
Obrigkeit ! Alle anderen Zünfte dagegen mussten eine solche
nachsuchen, sogar erbitten.
Von dem machtvollen und einflussreiohen Amte des Werk-
meisters im allgemeinen öffentUchen Leben liefern vor allem das
14. und 15. Jahrhundert beredte Zeugnisse. Schon bevor die
Zünfte durch ihren Sturm auf das aristokratische Regiment den
Sturz der Geschlechter bewirkten, um bald selbst vorwiegend das
Ruder im Staatsleben der Stadt zu führen, gehörten die Werk-
meister des Wollenambachts schon längst dem Ratskollegium an.®)
Nach Ablauf der Tätigkeit als Zunftvorsteher harrte ihrer ein an-
deres ehrenvolles und bedeutendes Amt. Sie wurden sogleich
ohne Wahl in ihrer Grafschaft Chris toflfel.®) Deutet schon das
Privilegium vom 3. Februar 1406^) auf ihre nicht geringen Be-
fugnisse, so erkennen wir ihr Ansehen und ihre Grösse in beson-
derem Masse daran, dass selbst Bdelleute, die bei dem Rate die
Verwirklichung ihrer Wünsche nicht erreichen konnten, die Werk-
meister um ihre Verwendung angehen.®) Selbst die Fehde wurde
ihnen und den Geschworenen des Wollenambachts angesagt.^) Dies
ist eine auffallende Erscheinung. Sonst richtete sich nicht die
Fehde, falls der Urheber der Zwistigkeiten einer politischen Ge-
meinde angehörte, gegen diesen selbst, sondern gegen die letztere.
Streitigkeiten zwischen den Werkmeistern und dem Herzog von
Jülich — aus dem Grunde entstanden, „dat die Werkmeister ind
geswoiren des woUenambachtz ons ind onser heirlicheit, der vaich-
diien ind meieriien zu Aiche, an verkurt hedden* — konnten
schliesslich am 24. November 1427 erst unter Vermittelung des
Rates beigelegt werden. ^^) Begehrenswert und viel erheischt war
sicherlich nach alledem jenes Werkmeisteramt, das für seinen
Träger Einfluss, Macht und Ansehen in sich barg.
Mit der Entwickelung der Zünfte ging Hand in Hand die
der Verwaltung und Organisation. Während im Anfange des
Zunftwesens der Greve die gesamte Zunftverwaltung beherrschen
konnte, mussten bei dem machtvollen Emporblühen an Bedeutung
Vgl* d. Abschnitt •Gerichtswesen*'.
») vgl. S. 41 f. — 8) R. d. Farber und Röder. (1604).
*) Loersch. A. R. D. S. 75. — ») vgl. Laurent, A. St. R. S. 411. Nr. 10.
0) Gaffelbrief von 1681. Nr. 19. — "0 Noppius, III. S. 139.
°) Pick, Aus dem Aachener Stadtarchiv. Z. d. A. G. Bd. IX. S. &5. Anni. 2.
») Pick, a. a. 0. S. 109. Nr. 82.
^^ Redlich, Urkundliche Beiträge zur Geschichte Aachens im 15. Jahrhundert. Z. d.
A. G. Bd. XIX. S. 46. Nr. 20 u. S. 44. Nr. 16.
— 63 —
und Zahl für einzelne Zweige der Verwaltung besondere Organe
geschaffen werden. Wir finden mit der Zeit neben den Greven
ein Kollegium von zwölf Mann. Am ersten begegnet es uns bei den
Schuhmaohern im Jahre 1506.^) Da es aber heisst von „alters
her", so liegt sein Bestehen zeitlich weit zurück. Ferner war es
so bei den Kupferschlägern, ^) Schmieden,^) Schneidern,*) Brauern,^)
Posamentwirkern,^) Krämern,^) Barbieren,®) Bäckern^ und Zimmer-
leuten. ^®) Im Zusammenhange mit den Zwölfern werden bei eini-
gen Zünften auch noch sechs Männer ^^) und Baumeister ^2) genannt.
Der Baumeister gab es zwei, einen Zwölfer- und einen Gemeinde-
baumeister, ^^) von denen der eine, wie es scheint, und wie auch
Quix**) annimmt, Vorsitzender dieser Zwölfmeistergruppe war.
Die Stellung der sechs Meister inneihalb der Zunft kann
man wegen der dürftigen Nachrichten nicht scharf abgrenzen. ^^)
Die wichtigste und anfangs wohl auch einzigste Punktion
dieses Zwölferausschusses erstreckte sich auf die Zunftgerichtsbar-
keit. Er bildete das eigentliche Zunftgericht. Da der richterlichen
Tätigkeit dieser Bearatenkategorie späterhin noch besonders Er-
wähnung getan wird, so sei hier nur des allmählich sich ent-
wickelnden Einflusses der Zwölfer auch auf die übrige Verwaltung
gedacht. Die Schuhmacher^^) räumten den Zwölfmännern die
Verhandlung und Verrichtung aller Ambachtsangelegenheiten im
Verein mit den Greven ein. Ja, dem Rufe der Zwölfer hatte der
Greve bei Strafe von zwölf Schillingen zu folgen 1 Während die
Schmiede 1529^"') die Angelegenheiten des Ambachts den sechs
und zwölf Männern allein anvertrauten, werden 1627^®) wiederum
die Greven als gleichberechtigt neben diesen hingestellt. Bei den
Barbieren^®) unterlag die Verwaltung der gemeinsamen Tätigkeit
der Greven, Baumeister und sechs Männer. Leider schweigen
sich die Quellen über diesen Gegenstand allzusehr aus, um vor
allem die veränderte Stellung der Greven klar zum Ausdruck zu
bringen.'*^) Doch zeigen die vielen Streitigkeiten zwischen Zwölfern
n R. Nr. 10. - 2) B- (1510) Nr. 12. — ») A. Z. 0529) S. 27. Nr. 13. - *) R.Nr. 4. Bl. 2.
») R. (1650). - ö) R. (1624). - ') R. (1679). - ») R. Nr. 26. - ») R.
10) R. — Beiden letzten vier Zünften werden zwar keine Zwölfer, wohl aber Bau-
meister genannt. Letztere sind aber nun, wie die weitere Darstellung ergibt, die Vor-
sitzenden dieser Zwölfer. Folglich ist an dem Bestehen der Zwölfer selbst auch nicht zu
zweifeln. Die Baumeister der Bäcker werden schon 1488 genannt. (Quiz, Wochenblatt für
Aachen and Umgegend. S. 9 ff.)
^0 ^' d. Schmiede, a. a. O; R. d. Posamentwirker, a. a. O; R. d. Bombasiner.
(1618); R. d. Barbiere. Nr. 26. Bl. 6. — ^^ R. d. Schmiede. (1541). A. Z. S. 33.
1') Zunftbuch der Schneider. (1625) Bl. 9.
1*) Quix, Historisch-topogrraphische Beschreibung der Stadt Aachen. S. 148.
^^) Diese sechs Männer sind auf keinen Fall mit den sechs Ratsdeputierten der
Zünfte iaentisch, da ja auch politisch unberechtigte Zünfte, wie die Bombasiner und Posa-
mentwirker diese Institution haben. — ^^) R. (1506) Nr. 10 und 11.
1') A. Z. (1529) Nr. 14. 8. 29. — ") a. a. O. (1627) S. 56. — i») R. Nr. 26. Bl. 6.
2") Aus dem Jahre 1685 ist uns eine Ratsentscheidung erhalten, die znr Beilegung
der vielen Streitigkeiten die Befugnisse der Greven, sechs und zwölf Meister des Schmiede-
ambachts genau regelt und zum besseren Verständnis der beiden Körperschaften hier
folgen soll:
1. Greven und sechs Meister regeln die Einnahmen und Ausgaben aller Handwerksgelder.
2. Greven und sechs Männer sollen wie von altersher auf St. Peter- und Paulstag Rech-
nung ablegen und zwar Morgens um 9 Uhr. Die überschüssigen Gelder nebst Auf-
zeichnung der Mobilien und des Inventars soll den Zwölfern übergeben werden.
3. Rechnungsablage der Zwölfer.
4. Greven, sechs und zwölf Meister erhalten aus der Kasse 82 Gulden.
5. Greven und sechs Männer erhalten bei ihrem gewöhnlichen Umgang für ihre Mühe-
waltung mehr nicht als sechs Gulden. Sie haben die Gelder in Empfang zu nehmen.
6. Bei Annahme eines neuen Meistern erhalten die Zwölfer zwölf und bei der Annahme
eines Lehi^ungen drei Aachener Gulden.
— 64 —
und Greven besonders im Sohmiedeambacht auf der einen Seite
die Sucht, auf Kosten des alten Vorsteheramtes eine Ver-
grösserung der Macht zu erzielen, auf der anderen Seite das
Bestreben, die traditionellen Rechte und Befugnisse zu verteidigen.
Wie sehr die Greven langsam ihrer wichtigsten Rechte entkleidet
und zu Schein- und Schattenvorstehern wurden, beweist die Ord-
nung des Brauerambachts. Auf eine Beschwerde der Zwölfer
durften in Zukunft die Greven ohne Beisein der erstem keinen
Beschluss fassen, keine Eintragungen in das Handwerksbuch
machen und ohne deren Vorwissen das Handwerk nicht zusammen-
rufen.^) Passen wir kurz die Tätigkeit der Zwölfer, soweit es die
mangelhaften Berichte zulassen, noch einmal zusammen, so sind
diese Ausschüsse neben ihrer richterlichen Eigenschaft bald Stützen,
bald gleichberechtigte Faktoren, bald Kontrolleure der Zunftvor-
steher.2)
Diese Zwölfmänner wurden aus der Mitte der Ambachts-
genossen und durch diese selbst gewählt.^) Starb bei den Schmieden
einer von den sechs oder zwölf, so übertrug der Rat aus drei ihm
von dem Ambacht präsentierten Kandidaten einem das Amt/)
Als 1532 zwischen den Meistern und Zwölfern des Schneider-
handwerks Streitigkeiten entstanden, gab der Rat ein besonderes
Wahlverfahren an. Am nächsten Stuhltage sollte man Zettel mit
den Namen der im Amte befindlichen Zwölfer in einen Hut werfen
und alsdann vier Zettel herausnehmen. Wessen Name gezogen
würde, sei seines Amtes entsetzt.^) Eheliche Geburt und ein
gutes Famen waren bei den Schneidern®) die ersten Vorbedingungen
zur Erlangung dieser Zunftwürde. Die Verleihung jener Zunft-
ämter war mit einer Abgabe seitens der Erkorenen an die Zunft
verbunden. Nach einem Beschluss vom 16. Mai 1655^) betrug
diese Abgabe, wie von „altersher" für jeden Baumeister 16 Gulden
und einen Zwölfer 12 Gulden und ein „kenge beyr" ; bei einer
zweiten Uebernahme desselben Amtes für den Zwölferbaumeister 12,
den anderen Baumeister 8 und einen Zwölfer 6 Gulden. Die Amts-
dauer belief sich bei den Schuhmachern®) auf ein, den Schneidern®)
auf drei Jahre, indem bei den letzteren jedes Jahr vier ausschieden.
Die Baumeister der Barbiere'^) blieben zwei Jahre im Amte.
Beschwerden über die Tätigkeit der zwölf mussten an den Rat
gerichtet werden. ^^)
7. Bei Ergänzung der Zwölfer sollten die Zwölfer aus ihrem Handwerk drei dem Rate
pr&sentieren.
8. Kleine Streitigkeiten sollten die Greven und sechs Männer entscheiden.
9. Bei einer Zusammenkunft der zwölf und sechs soll man sich mit einem Trunk begnu-
feU) damit das Ambacht keine übermässige Kosten habe,
^ie Zwölfer haben auf den Lauben bei allen Handwerksversammlungen den Vorsitz,
bei Prozessionen und Leiohengang die Greven und sechs M&nner den Vorgang.
11. Falls in der Hauptversammlung Streitigkeiten entstehen, sollen die Zwölfer nach
Gebühr bestrafen.
(R. d. Schmiede. A. Z. S. 77 f.)
1) R. d. Brauer. Nr. 2.
*) Solche GesohworenenaoBschüsse mit vorzüglich richterlicher Kompetenz, daneben
auch mit Funktionen in der Zunftverwaltung, bestanden auch in Strassburg. Doch nur bei
den Kürschnern bestanden sie aus Zwölfern, die sich bis zum Jahre 1240 zurückverfolgen
lassen. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgeaohichte der Stadt Strassburg. S. 72 ff.
*) R. d. Schuhmaoher. Nr. 10; R. d. Kupferschläger Nr. 12.
*) A. Z. (1529) S. 27. Nr. 13. — »j R. d. Schneider. (1532) Nr. 15. Bl. 4. — «) R. Nr. 4.
Bl. 2. - "0 Zunftbuch der Schneider. Bl. 4 f . — «) R. Nr. 10. — ») R. Nr. 15. Bl. 4. — ^o) R.
Nr. 26. Bl. 6. — ^0 A. Z. (1529) S. 29. Nr. 15.
— 65 —
Als Entgelt für die Arbeit flössen diesen Beamten besonders
in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Zunftgerichtes ein Teil der
Strafgelder^) zu, oder sie erhielten bestimmte Gebühren von den
streitenden Parteien. 2) Innerhalb der Schmiedezunft verwandten
die Zwölfer manchmal gegen den Brauch Zunftgelder für ihren
Unterhalt und zu ihrem eigenen Vorteil. Daher macht der Rat
1566^) darauf aufmerksam, dass die Zwölfer das Handwerksgeld
nach Sitte der anderen Gaffeln und Handwerker an „seinen Ort
bringen" und nicht mehr ^verzechen" sollten. Diese Unsitte schlich
sich trotzdem wieder ein. Im Jahre 1627*) sah sich das Schmiede-
ambacht auf Grund neuer Vergehen der Zwölfer zu einer noch-
maligen Bestimmung über die den Zwölfern zustehenden Rechte
genötigt. Eine „besondere Gerechtigkeit" wurde ihnen ausdrücklich
aberkannt und ihre persönlichen Einnahmen auf einen Anteil an
den Buss- und Gaffelgeldern festgelegt.
Vollständig anderer Art ist die dritte Gruppe der Zunft-
beamten. Sie war mit der Beaufsichtigung und praktischen Durch-
führung der gewerblichen Verordnungen und der Prüfung der
Handwerkererzeugnisse betraut. Ihre Tätigkeit griff nicht in das
innere Leben, sondern in den wirtschaftlichen Betrieb der Zunft
ein. Es war ein Amt öffentlich-rechtlichen Charakters. Freilich
mögen hier nur allgemeine Fragen eine Erörterung finden, während
die eigentliche Amtsführung Gegenstand eines anderen Kapitels
sein soll.
Fast alle Zünfte besassen besondere Gewerbeaufsichts-
beamten. Nur die Greven der Goldschmiede,^) Barbiere,®) Schreiner^)
und des WoUenambachts,^) denen beiden letzteren aber noch
besondere Beamten zur Seite standen, vereinigten dieses Amt in
ihrer Person. Die Gewerbeaufsiohtsbeamten des WoUenambachts
waren neben den Werkmeistern die zwei Geschworenen und
Ambachtsknappen, auch „umbgengere inde besienre^ genannt,^)
die der Löder und Schuhmacher die Ohurmeister und Lapp-
ledersiegler,^®) der Bäcker ^^) und Fleischer ^2) die Marktmeister,
der Mützenmacher ^') und Buntwirker ^*) vier Meister, der Brauer*^)
die Hoppenmeister und Biermeister, der Müller^®) die vier Ge-
schworenen, der Bombasiner ^^) die sechs Siegelmeister und ver-
ordneten Bescher, der Schloss-, Lauf- und Lademacher ^®) die
Stampmeister, der Kupferschläger ^®) zwei oder vier erfahrene
1) R. d. Löder. (1669) Extraotus. Bl. 26. — ») Vgl- d. Abschnitt -Gerichtswesen.» —
*) A. Z. S. 35. — *) a. a. O. S. 66 f. — ») R. Nr. 16, 17, 18 und 21. — ö) K. Nr. 24 Bl. 6 f. —
') R. Nr. 11 und Nr. 6.
8) Loersoh, A. R. D. 8. 75. Nr. 2.
») Loersch, A. R. D. 8, 75. Nr. 2.
10) R. d. Schuhmacher (1507) Nr. 16. (1577) Nr. 22 und 23.
11) R. (1547), Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. S. 9 f. — Es gab drei
Brotmarktmeister. Laurent, a. a. O. ^. 78.
1«) Gaffelbrief v. 1681. — ") R. Nr. 7. — i*) R. d. Pelzer und ßuntwirker. Nr. 1. —
") R. Nr. 2 und Nr. 9.
1*) Quiz, Münsterkirche S. 147. Kr. 14. Diese vier Sachverständigen des Müller-
ambachts werden ausserdem in älterer Zeit noch als Müller (moilner) oder geschworene
Haller, iurati molendinarii, Geschworene des Mühlenambachts bezeichnet, auch heissen sie
ma^stri molitores, Mühlenmeister, magistri molendinorum iurati, geschworene Mühlen-
meister; später nannte man sie geschworene Wasserwieger oder Wasserwäger. Vgl.
Loersoh, Beiträge zum Achener Wasserreoht im Mittelalter a. a. 0. S. 233.
i') R. (1646) u. Nr. 14.
1«) R. d. Schmiede. (1628) A. Z. S. 69 und 60.
^•) R. (1660) Nr. 26.
— 66 —
Personen, der Krämer^) zwei oder drei Meister^ der Leiendeoker*)
die drei gekorenen Meister, der Färber die gekorenen Stähler,*)
der Hutmacher*) zwei Meister, der Alträuscher die Ohurraeister der
Schuhinaoherzunft*^) und der Kannegiesser die Ohurmeister ihres
Handwerks.®) Als Kontrolleure auf dem Gewandhaus und wahr-
scheinlich aller das Tuchgewerbe berührenden Handwerke waren
die Tuchsaalmeister und Siegler tatig.'')
Im Gegensatz zu der Wahl der Verwaltungsbeamten der
Zunft, die mit einer Ausnahme den Zunftmitgliedern zustand,
macht sich bei der des Prüfungsbeamten ein mehr oder minder
grosser Einfluss des Rates bemerkbar. Diese Tatsache entspringt
dem öfifentlichen Charakter dieses Amtes, das sich ja nicht auf
das Zunftleben beschränkte, sondern tief in das gesamte bürger-
liche und städtische Leben eingriff. Vom Rate erwählt und ver-
eidigt wurden die Brot-,®) Fleisch-,®) Löder-^^) und Kannegiesser-
ohurmeister^^) und die Stampmeister ^^) der Schloss- und Lauf-
maoher. Die vier Meister des Mützenmacherambachts ^*) und die
Hoppenmeister der Brauer^*) gingen aus einer von den Zünften
und den Bürgermeistern getätigten Wahl hervor. Von der Zunft
gewählt, aber von den Bürgermeistern vereidigt, wurden die vier
Meister der Pelzer und Buntwirker ^*) und die Greven der Gold-
schmiede ^®) als Prüfungsbeamte dieser Zunft. Bei den Bombasinern ^^)
lag es den sechs Siegelmeistern ob, sechs Personen dem Rate zu
präsentieren, aus denen dann drei durch den Rat eingesetzt wur-
den. Eine Präsentation der Tuohsaalmeister und Siegler lag in
den Händen der Krämerzunft. Auf eine Klage der Krämer im
Jahre 1598^®) über eine ihren Rechten zuwiderlaufende An-
stellung antwortet der Rat, dass man dadurch die dem Ambacht
von „altersher* zustehende Präsentation nicht habe nehmen wollen.
Doch 1669^®) sahen sich die Krämer abermals zu einer Klage ver-
anlasst. Dieses Recht der Krämer hatte sicherlich ihre Eigenschaft
als Hauptzunft der Gewandschneider gezeitigt. In diesem Sinne
ist es auch zu verstehen, wenn die Krämer auch Einfluss auf das
Siegelmeisteramt der Bombasiner zu gewinnen suchten. Ihren
Bemühungen gelang es 1680,*^) einen Vertrag herbeizuführen, auf
Grund dessen zwei aus der Krämerzunft zu den Siegelmeistern
der Bombasiner genommen werden mussten. Die Vereidigung der
Gewerbeaufsichtsbeamten kann allgemein als Regel gelten.^^) Nach
1) R. Bl. a - ^ A. Z. S. 375.
3) R. Nr. 7. Stahler gleich staler, bezeichnet einen Prüfer der Tücher. Sohiller-
Lübben, a. a. O. Bd. IV. S. 356.
*) Werkmeistergericht. Nr. 7,
<^) R. d. Alträuscher. (1004) Nr. 15.
ö) R. — ') R. d. Kramer. Bl. 15 ff.
8) Gaffelbrief von 1Ö81. Nr. 21. — ») a. a. 0. — *0) a. a. 0. — ") R. d. Kannegridsser.
12) R. d. Schmiede. (1628) A. Z. S. 61.
18) R. Nr. 1. - 1*) R. Nr. 9. - ") R. Nr. 1. - ") R. Nr. 12. - ") R. (1646).
18) R. d. Kramer. Bl. 15 ff. — i«) a. a. O. Bl. 24. — «>) R. d. Bombasiner. (1680).
21) Der Eid der Bombasiner hatte folgenden Wortlaut:
^Ihr sollt glauben und schwören zu jG^ott und seinen Heiligen, den Herren Bürgermeister,
Rat und Gemeinde dieser Stadt treu und gehorsam zu sein, das Aergste zu warnen und
das Beste zu fordern, dass ihr, solange ihr das Siegleramt ausübt, alles Werk, das zu
Eurem Siegleramt gehört, fleissig besichtigen sollt, ob dasselbe seine zugehörigen Längen
und sein Mass hat und die gefundenen Längen auf das Blausiegel zeichnen. Dass ihr
jedes Jahr wenigstens drei- oder viermal alle und jede »rieter** visitiert und besichtiget
und auf ihre eiserne Mass messet, aller neuen Meister Signeten oder Werk fleissig auf-
schreibt, und ob jedes Werk nach Ausweisung der Rollen gemacht und verfertigt ist.
-- 6? —
der Rolle der Pelzer und Buntwirker i) wurde jeder, der den Eid
trotz des Bewusstseins ablegte, seine Pflichten nicht genau erfüllen
zu können, mit drei Gulden bestraft.
lieber die Amtsdauer dieser Beamten erfahren wir wenig.
Vielleicht war ihre Tätigkeit nur auf ein Jahr berechnet, so dass
raan aus diesem Grunde eine schriftliche Aufzeichnung nicht für
notwendig hielt. Zwei Jahre blieben die vier Meister der Mützen-
macher,^) der Bunt Wirker*) und die sechs Siegelmeister*) der Bom-
basiner im Amte. Jährlich schied dann einer aus. Drei Jahre
waren den Stampmeistern beschieden.*)
Wie bei den übrigen Zunftbeamten, bildete auch hier ein Teil
der einkommenden Strafgelder®) oder eine bestimmte Abgabe') von
dem besichtigten Werke die Belohnung der mühevollen Arbeit.
Die straffe Organisation der Zünfte sowohl auf genossen-
schaftlichem als wirtschaftlichem Gebiete brachte manche Vergehen
und Verstösse gegen die bestehende Ordnung mit sich. Es ergibt
sich da die Frage, wem in diesen Fällen eine richterliche und
polizeiliche Gewalt zustand. Der öffentlichen Behörde oder der
Zunft? Von einschneidender und weittragender Bedeutung für
die Befestigung und Stärkung des Zunftgedankens und der zünf-
tigen Wirtschaftspolitik ist die den Zünften gewährleistete eigene
Gerichtsbarkeit.®) Sie erstreckte sich auf Ungehorsam gegen die
Greven,®) Versäumnis von Versammlungen,^®) Beerdigungen^*) oder
Messen,*^) Streitigkeiten zwischen Zunftgenossen**) oder Be-
schimpfungen derer Anverwandten,**) ungebührliches Betragen auf
dem Zunftsaale,*^) Zahlungsweigerung der Strafgelder,*®) kurzum
über alle Uebertretungen der Zunftgebote in betreff der Ge^
nossenschaft oder des Gewerbes. Nicht zuständig war das Zunft-
gerioht in Sachen zweier Ambachten gegeneinander, Klagen gegen
Dass ihr niemand wissentlich übersehet noch verschonet, sondern was nicht richtig
befunden strafen und sonst nach Euerem Besten Verstand tuet und handelt, wie ei
einem solcher Sachen Aufseher eignet und gebührt ohne Arglist*. (B. d. Bombasiner.
Diese Angabe ist ohne Jahr und Datum. Doch da 1646 das Amt bestand, wird wohl
der Eid dasselbe Alter haben.)
n R. Nr. 2. - ») R. Nr. 2.
^) R. d. Pelzer und Buntwirker. Nr. 2.
. <») R. — «) R. d. Schmiede. (1632) A. Z. S. 64.
^) R. d. Pelzer und Buntwirker: den vierten Teil der Strafgelder. B. d. Schuhmaoher.
Nr. 22: den dritten Teil der Strafgelder.
^) R. d. Mützenmacher Cl4s6): Von jedem Werk zu besichtigen ein Quart Bier, seit
1506 ein Aachener Bentgen. Von diesen Bentgen mussten die vier Meister die Messen der
Brüderschaft bezahlen. — R. d. Schuhmacher, ^r. 22: Seit 1512 mussten die Schuhmacher
den Lederchurmeistem von 100 oder mehr Fellen ein Viertel Wein, von 50 oder HO eine
Flasche Wein geben. Kauften die Schuhmacher zu mehreren von einem Kaufinann, so blieb
die Abgabe dieselbe, als wenn einer nur kaufte. Kauften sie bei verschiedenen Kaufleuten,
80 war jeder gezwungen^ nach seinem Anteil dem Churmeister für das Besehen die be-
stimmte Abgabe zu entrichten. — R. d. Schmiede (1628) A. Z. S. 61 und 62: Die Stamp-
meister erhielten den vierten Teil der für das Besehen festgesetzten Gebühren. Diese
betragen für einen Lauf von vier Fuss 6 Schillinge, einen Bandelierlauf 3 Schillinge, einen
Pistolenlauf 2 Schillinge, ein Schloss 6 Schillinge, ein ausbündiges Schloss 12 Schillinpre. —
Loersch. A, R. D. S. 75. Nr. 12. § 2. Die Beseher des WoUenambachts erhielten von jedem
Stück Tuch vier Pfennig. — R. d. Leiendecker. A. Z. S. 375. Die drei gekorenen Meister
von jedem Wagen Schindeln 2 Schillinge. Auch diese mussten ein Beutgen der Brüderschaft
geben, um in der Quatember eine Messe lesen zu lassen.
B) VgL ausführlich: Neuburg, Zunftgerichtsbarkeit und Zunftverfassung vom 13. bis
16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur ökonomischen Geschichte des Mittelalters. Jena 1880.
^) Backerordnung (1488) Nr. 1 usw.
«0) R. d. Schneider. Nr. 8. Bl. 2 f.
11) R. d. Schmiede. A. Z. S. 6.
") Vgl. 4. Kapitel.
") R. d. Schmiede. A. Z. Kap. 19. S. 11.
") Baokerordnung v. 1488. — ") a. a. 0. — ") R. d. Schreiner. Nr. 13.
- 68 —
einen Handwerker einer anderen Zunft, bei Amtsvergehen der
Zwölfer und der Seohsmänner ^) und endlich in allen „Kriminal-
und Malefizsachen^.')
Je nach der Grösse und Schwere des Vergehens richtete
sich natürlich auch das Mass und die Art der Strafe. Da finden
wir Verurteilungen zu Wachs,') Wein,*) Geld,*^) Verlust der Hand-
werksberechtigung auf bestimmte Zeit^) oder immer ^), Beschlag-
nahme®) und Vernichtung^) der fehlerhaft angefertigten Ware, ja
sogar Konfiszierung der gesamten Habe und des Gutes des Ver-
urteilten.iö)
Die Ausübung der Gerichtsbarkeit lag im allgemeinen in den
Händen bestimmter Personen. Bei den Barbieren**) und Stein-
metzen**) war sie eine Sache der Zunftversammlung. In der ersten
Zeit bei allen, späterhin nur bei den kleineren Zünften waren die
Zunft Vorsteher die erste Qerichtsinstanz.*') Mit der Zeit bildete
sich in den grösseren Zünften ein besonderer Gerichtshof in der
Institution der Zwölfmänner heraus. Im Jahre 1505**) lag noch
den Greven der Kupferschläger in ihrer Zunft das Amt eines
Richters ob. Nur für den Fall, dass die Beilegung der Streitig-
keiten scheiterte, wurde die Zunft beschieden. 1510**^) aber wer-
den die Zwölfer als besonderer und einziger Gerichtshof erwähnt.
Eine Aenderung trat abermals im Jahre 1548*®) ein.
Jetzt wurden die richterlichen Befugnisse wiederum den vier
Greven, die freilich aus den Zwölfern hervorgingen, übertrag'en.
Die übrigen acht Zwölfer sollten jedoch je nach Bedürfnis und
Lage der Dinge hinzugezogen werden. Die Erit Wickelung des
zünftigen Gerichtshofes veranschaulichen unter Berücksichtigung des
dürftigen Materials noch am besten die Satzungen der Schmiede.
Nach der ältesten erhaltenen Rolle des Jahres 1443*^) übten die
Greven unter Teilnahme einiger redlicher und verständiger Ge-
nossen die Gerichtsbarkeit aus. Dagegen sind 1529*®) diese Befug-
nisse an die sechs und zwölf Männer übergegangen. Diese beiden
Körperschaften, der Sechser- und Zwölferausschuss, gerieten aber
über ihre Rechte in Streitigkeiten. Es entschied der Rat, dass
die geringfügigen Sachen dem Urteil der sechs, grössere Vergehen
aber dem der zwölf unterstehen sollten. Jeder streitenden Partei
blieb es dabei anheimgestellt, auch bei kleineren Vergehen die
Hinzuziehung der Zwölfer zu verlangen. Indem aber 1627 *•) die
Greven gegen die Zwölfer Klage erhoben, wurden auch die Greven
M R. d. Schmiede. (1629) A. Z. S. 29. Nr. 15.
3) R. d. Kupfersohiaflrer. Nr. 1.
') R. d. Mützenmaoher. Nr. 9.
*) R. d. Schmiede. (154l[ A. Z. B. 83.
'^> R. d. Mützenmaoher. Nr. 2.
0) Loersch, A. R. D. S. 75. Nr. 12 und 7.
7) R. d. Bombasiner. Nr. 20 «. R. d. Brauer. Nr. 5.
^) R. d. BombaslDer. Nr. 26 u. Loench, a. a. O. § &
») Loersoh, A. R. D. S. 75. 9 4.
10) a. a. O. — ") R. Nr. 28. Bl. ft. — >») R. (1670) Nr. 11.
1") R. d. Htttmaoher. Nr. 13, o. a. m.
1«) R. d. Eupfersohlftger. Nr. 1.
") a. a. O. Nr. 12. — *«) a. a. 0. Nr 1.
17) R. d. Schmiede. A. Z. 8. 11. Kap. 19.
IS) A. Z. Nr. 13. S. 27. Eigentlich erfahren wir dies erst im Jahre 1593 (a.a.O. S.45).
Da aber 1529 schon die Institution der Zwölfer bestand, so kann man auch diese Funktion
schon annehmen.
1») R. d. Schmiede. A. Z. S. 56 f.
— 69 —
wiederum in das Riohterkollegium aufgenommen. Vor ihr Forum
kamen indessen nur geringfügige Zwistigkeiten. 1635^) wurde es
den Schmieden zur besonderen Pflicht gemacht, bei kleinen An-
lässen die Greven in Anspruch zu nehmen und nicht die Zwölf-
raeister so „leiohtlich vorzubescheiden**.
Den Vorsitz im Gerichtshof führte der Baumeister. Berufungen
gegen die Entscheidung und das Urteil des Zunftgerichts waren
möglich. Die Instanz hierfür waren die Bürgermeister der Stadt.^)
Pur die Kupferschläger') freilich war das Urteil der Zunft bei
Strafe von 18 M. bindend. Eine Appellation an das kaiserliche
Kammergericht richtete 1668 die Krämerzunft in einem Rechtsstreit
zwischen ihr und Werkmeister des Wollenambachts, nachdem die
Bürgermeister zu Ungunsten der Krämer entschieden hatten.*)
Ueber die Form der Vorladung heisst es, der Greve möge
auf die Kunde von Misshelligkeiten die Parteien durch den Am-
bachtsknappen vor sich bescheiden.^) Gleichsam als Gerichtskosten
forderten die Schmiede^) von jeder streitenden Partei für die sechs
Meister */4, für die zwölf Meister ^/i Wein und für beide zusammen
18 Gulden.
Die Barbiere '') und Zimmerleute®) schrieben sechs Goldgulden,
die Steinmetzen®) acht Goldgulden (und einen Gulden dem Zunft-
diener), die Spiegelmaoher ^^) vier Gulden vor. Der in dem Prozess
obsiegende Teil erhielt den eingezahlten Betrag zurückerstattet.
Strafvollstreckung und Einziehung der Bussgelder waren Sache
des Kichters,^^) der Ort der Geriohtsversammlung war der Zunftsaal.*^)
Eine besondere Würdigung verdient und erheischt das Zunft-
gericht des Wollenambachts, das Werkmeistergericht. Seine Kom-
petenz umfasste bei Verstoss gegen die Gewerbeordnung nicht nur
das Wollenambacht, sondern auch die Zunft der Färber, Hutmacher,
Schneider, Gewandmacher ^^) und Krämer, ^^) doch nur insoweit als
ihr Vergehen sich bezog auf den Handel oder die Verarbeitung
von Tüchern; und ferner die Lombarden und das Kloster zu
Burtscheid,^^) als Verfertiger derselben. Das Richterkollegium
setzte sich zusammen aus den Werkmeistern und einigen Bei-
sitzern.^^) Eingehende Kenntnis über die Befugnisse dieses Gerichtes
liefert das Privilegium vopa 3. Februar 1406, das einem Streite
zwischen dem Herzog von Jülich, der als Vogt der Stadt sich
durch die Tätigkeit des Werkmeistergerichtes beeinträchtigt sah,
und dem Wollenambacht entsprang. Auf Grund dieses Privilegiums
war das Werkmeistergericht zuständig bei Klagen wegen einer
Schuld oder verdienten Lohnes, Klagen der Knechte, Mägde und
Lehrlinge gegen ihren Dionstherrn und umgekehrt, bei Misshellig-
keiten, entstanden im Gewand-, Komphaus und in der Wollküche.
^) a. a. 0. S. 65 f.
^) a! a. O*. (1593) S. 45 f.; Ordnung des Werkmeistergrerichts Nr. 9 Bd. I.
») R. (1506) Nr. 2. — *) R. d. Krämer. Lit. B. C. — *) R. d. Kupferschläger (IftOb)
Nr. 2. - e) A. Z. (1593) S. 45 und (1627) 8. 56 f. — ') R. Nr. 14. Bl. 5 — ») K. Nr. 15. —
") U. (1670) Nr. 11. - 10) R. Nr. 8.
^1) R. d. Schmiede. A. Z. a. a. 0<
") R. d. Schreiner. Nr. 6.
1') Werkmeistergericht Bd. I.
1*) R. d. Krämer. Lit. C. D. E. F.
1') Werkmeistergericht, a. a. O.
1") Werkmeistergerioht. IL anno 1618.
-. 70 —
Weiterhin richtete es über die Güte und Qualität der Gewänder,
über Zwistigkeiten zwischen Ambachtsmitgliedern und Bürgern
um den Kaufpreis, über Diebstahl von Ambachtssacheu, die nicht
den Wert eines alten Schild überstiegen, über den Konkurs
eines Schuldners und Fälschungen. In letzterem Falle musste
jedoch der Meier hinzugezogen werden. Die Jurisdiktion der
Werkmeister bezog sich dagegen nicht auf Mord, grössere Dieb-
stähle, Gewalt und in bedingter Weise auf Fälschungen. Aus-
genommen waren auch noch alle diejenigen Fälle, die zur Vadei
und Meierei gehörten, wie Kauf und Verkauf von Ambachtsgrut,
über das Schöflfenbriefe und andere besiegelte Briefe gemacht oder
Bürgen gestellt worden, grössere Kaufhändel und solche., die ausser-
halb Aachens geschehen waren. ^)
Hatte jemand eine Klage, die vor das Werkmeistergericht
gehörte, so musste der Kläger seinen Widersacher „ordentlich und
des Gerichtes Brauch" gemäss durch den Diener des Werkmeister-
gerichts auf die gewöhnliche Zeit bescheiden lassen. Die Klage
geschah schriftlich oder mündlich. Dem Beklagten stand es frei,
sofort auf die Klage zu antworten oder, wenn sie schriftlich ab-
gefasst war, eine Abschrift zu begehren und auf der nächst<en
„Audiens seine Notdurft, Antwort, Bxemptio oder Defensio schrift-
lich oder mündlich" vorzubringen. Bei Verneinung der Schuld
musste der Gegenbeweis des Klägers durch „Zeugen, Dokumente
oder Scheine** erfolgen. Von Seiten des Beklagten konnte dann
der Antrag auf Ablehnung der Zeugen wegen Befangenheit gestellt
werden, über den das Werkmeistergericht zu entscheiden hatte.
Erfolgte die Ablehnung der Zeugen, so fielen die Zeugenaussagen
des Betreffenden, wenn sie durch ^triftigen und schriftlichen Beweis"
erhärtet werden konnten, unter diesen Umständen trotzdem mit
in die Wagschale. „Wechselschriften oder Konklusiones" waren
nachher für jede Partei aufs strengste untersagt. Die Kosten des
Verfahrens mussten voll und ganz entrichtet werden.^)
Indem dies wohl der allgemeine Gang einer jeden Klage w^ar,
erfahren wir weiterhin noch manche Einzelheiten über die Geschäfts-
ordnung und die Strafen des Werkmeistergerichtes in besonderen
Fällen. Mit einer Schuldklage war ein Offenbaruugs- beziehungs-
weise ein Reinigungseid des Beklagten verbunden. Nach einer
dreimaligen vergeblichen Ladung des Angeklagten auf die Laube
erfolgte eine abermalige dreimalige Aufforderung zum Erscheinen
auf das Gewandhaus. Ward auch dieses Gebot nicht beachtet,
und stellte der Beklagte den Kläger auch nicht zufrieden, so wurde
der Schuldner auf ein Gesuch des Klägers beim Rat und nach
einer diesbezüglichen Anfrage der Bürgermeister bei den Werk-
meistern auf der „Stadt Portzen" bis zur Regelung der Angelegen-
heit gebracht.^)
Der Name eines Schuldners wie auch eines Diebes wurde
öffentlich auf dem Gewandhause bekannt gemacht. Keiner durfte
*) Werkmeistergerioht. PriTilegiiim von 1406. Nr. 1—16.
*) Werkmeistergerioht. Bd. I.
*) Werkmeistergericht Bd. I.
— 71 —
dann für den Betreffenden arbeiten, von ihm kaufen oder ihm
verkaufen unter Vermeidung der Strafe, in der der Schuldner
stand.^)
Im engen Zusammenhange mit der Gerichtsbarkeit der Zünfte
steht das Finanzwesen. Denn die namhaftesten Beträge flössen
aus den Strafgeldern in die Zunftkasse. Eine weitere Einnahme-
quelle stand den Zünften in den jährlichen Beiträgen der Mitglieder,
dem Laufengeld, offen, dann in den Einschreibegebühren der Lehr-
linge, den Abgaben der Meister bei der Annahme von Lehrlingen, den
Gebühren für die Bescheinigung der Lehrlingszeit und der Fremden
für die Lehrjahre und vor allem der Handwerksgerechtigkeit des
neuen Meisters.*) Freilich, weder die ganze Summe der Handwerks-
gerechtigkeit ^) noch die der Strafgelder*) erhielt die Zunft, Durch-
weg kam je ein Drittel dieser Abgaben den Bürgermeistern und
der Stadt zu. Die Hutmacher ^) und Färber®) mussten einen Teil
der Handwerksgerechtigkeit an die Werkmeister abtreten, während
Löder'^) und Kannegiesser®) nur den Bürgermeistern eine bestimmte
Summe der Strafgelder zu entrichten brauchten. Ein weiterer
finanzieller Ausfall für die Zunftkasse bedeuteten die den Zunft-
beamten gewährten Entschädigungen, die sich eben aus Teilen der
Gerichtsgefälle oder sonstiger Gebühren zusammensetzten. Im Jahre
1627®) sah sich der Rat genötigt, „alle und jede Greven" der Zünfte
und Handwerker zu ermahnen, alles rückständige Ambachtsgeld
innerhalb 14 Tage bei Strafe von fünfzig Goldgulden einzuliefern.
Diese Saumseligkeit der Zünfte im Bezahlen der Abgaben zeitigte
dann ja 1627 die strenge Massregelung, dass keiner mehr in die
Zunft aufgenommen werden durfte, der nicht vorher den dem Rate
gebührenden Teil direkt an den Rat abgeliefert hatte. Keineswegs
bedeutet diese Erscheinung eine Zahlungsunfähigkeit oder einen
finanziellen Niedergang der Zunft. Der in der Blütezeit des Hand-
werks erworbene Reichtum, der sich in dem Besitz der Zunfthäuser
und der tatkräftigen Unterstützung des städtischen Militarismus
kundgibt, waltete selbst im 17. Jahrhundert noch ob. Im Jahre
1650 mussten auf einen Ratsbeschluss sämtliche Gaffeln „wegen
hin und wieder ausstehender Schuldenlast" 200 Reichstaler zu
neun Gulden der städtischen Kasse zusteuern. Der Rat übernahm
aber die Verpflichtung, die Zünfte in allem dafür schadlos zu halten.
Das Ambachtsgeld fand aber auch zu guten und segensreichen
Zwecken seine Verwendung. Die Leineweber^®) gaben beim Tode
eines Zunftbruders der Witwe oder den Erben einen Taler zum
Begräbnis. Die Schmiede ^^) und Schneider ^2) trugen bei Armut
und Unvermögen des Verstorbenen die ganzen Beerdigungskosten.
Die Bombasinweber,*') Posamentierer,^*) Löder^^) und Kessler ^^)
schenkten den dritten Teil der Strafgelder den Armen, während
^) PriTilegium 1406. Nr. 11.
^) Ygl. darüber die Torhergrehenden dazu in Frage kommenden Kapitel.
3) R. d. AlträuBoher. Nr. 1. — R. d. Leiendeoker. A. Z. S. 377 f. u. a. m.
^) R. d. Schreiner. — R. d. Fleischer. Bl. Id. u. a. m.
6) R. Nr. 14. — «) R. Nr. 6 und Nr. 12. — 7) R. (1559) Bl. 26. — «) R.
») R. d.lKrämer.lBl. 17.
10) R. Nr. 7. - «) A. Z. S. 9. Kap. 14. — i*) R. Nr. 9. Bl. 2 f. —
1*) R. Nr. 2. — ") B. Extraotug. BL 26. — i«) R. (1603) Nr. 19.
") R. (1625). —
— 72 —
die Barbiere^) und Bombasinfarber') jene Summe für die armen
Waisen der Stadt verwandten.
Das Einfordern wie auch die Verwaltung der Gelder lag
den Greven ob.*) In den Zünften mit der Institution der Zwölf-
männer wurden diese wohl im Laufe der Zeit hiermit betraut.*)
Zur Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben wurde jährlich eine
Reohnungsablage eingerichtet. Diese wurde von den Goldschmieden,^)
Barbieren®) und Alträuschern'') mit dem Stuhltage verbunden.
Einige Zünfte führten aber auch einen besonderen Tag dafür ein.
Die »Schmiede**) nahmen am Tage des heiligen Petrus und Paulus
(29. Juni), die Steinmetzen^) 14 Tage nach St. Adalbertskirmes
und die Zimmerer ^^) am Tage des Evangeliums vom grossen Abend-
mahl eine Prüfung der Einnahmen und Ausgaben des Jahres
vor. Für Geld und Gut haftete der Kassenrendant mit seinem
eigenen Vermögen.^*) Die hohen Strafen, .die auf jede Versäumnis
oder Nachlässigkeit im Bezahlen der schuldigen Gelder festgesetzt
waren,^^) ermöglichten innerhalb der Zünfte gesunde Pinanzver-
hältnisse und eine gedeihliche Bntwickelung.
Die Organisation der Zünfte ergab von selbst die Notwendig-
keit, den Zunft mitglied er n die Möglichkeit gemeinsamer Beratungen
in geschlossenem Kreise zu gewähren. Als Versammlungsort
werden in den ersten Zeiten in Aachen, entsprechend der Gepflogen-
heit in anderen Städten/^) die Häuser der Zunftvorsteher gedient
haben. Erst Hand in Hand mit dem Wachsen des Wohlstandes
ging man zur Miete bestimmter Räume über, unä schliesslich eigene
Zunfthäuser zu erwerben, jene Zunfthäuser, die vielfach heute noch
ein beredtes Zeugnis der Macht, des Wohlstandes und Reichtumes
der deutschen Handwerkerschaft im Mittelalter geben. Leider
erinnert in Aachen kein Zunfthaus eines Handwerkerverbandes
mehr an jene Zeit wirtschaftlicher Blüte.
Die eigentliche und allgemeine Bezeichnung für das Zunfthaus
war „Leube" (Laube). Nebenher wurde aber oft die Bezeichnung
der Vereinigungen auf den Versammlungsort übertragen, wie zum
Beispiel „auf der Gaffel" oder „auf der Zunft".
Im Besitze eigener Häuser waren vornehmlich die grösseren
Zünfte Aachens. Nur allein von den Brauern fehlt uns jede Spur.
Das Wollenambacht hatte statt eines besonderen Zunfthauses wohl
infolge der Stellung ihrer Vorsteher die Laube im Rathaus. Das
Zunfthaus der Bäcker lag dem Kornhause gegenüber, das der
Schmiede, Krämer^*) und Schuhmacher auf dem Büchel, der Gerber
allernächst dem Kornhause, der Kupfermeister auf dem Marktplatze,
1) R. Nr. 8. Bl. 4 f. — 2) R. (1644) Nr. 4.
') R. d. Goldschmiede. Nr. 35. — R. d. Alträuscher. Nr. 4. — R. d. Steinmetzen. Nr. 12.
*) R. d. Schmiede. Kap. 2 und Nr. 15. S. 29.
6) R. Nr. .%. - 6) R. Nr. 20. Bl. 5 f. - ') R. Nr. 4. - S) A. Z. Nr. 15. S. 23. —
») R. (1670) Nr. 12. - i») k. jg^. 17.
") R. d. Goldschmiede. Nr. 35. — R. d. Schmiede. A. Z. S. 3.
") R. d. Schreiner. Nr. 13. — R. d. Brauer. Nr. 5. — R. d. Schneider. Nr. 11. Bl. 3. —
R. d. Goldschmiede, a. a. O. u. a. m. — Ein kleiner Uatsbeschluss Tom 26. Mai 1698 nahm
jedem, der nicht 14 Tage vor St. Johannestag bezahlt hatte, das aktive und passive Stimm-
recht. — R. der Schneider. Bl. 12 f.
^>) Hartmann, Geschichte der Handwerkerverbände der Stadt Hildesheim im Mittel-
alter. S. 64.
^*) Am 22. Juni 1663 erlaubt der Rat, das8 die Zunft zwölf Fenster mit dem Wappen
auf ihrer Laube einsetzen darf. R. d. Krämer. Staatsarchiv, Berlin.
- 73 —
der Zimrnerleute neben dem Palken, allernächst dem goldenen Anker,
der Schneider in der Grosskölnstrasse, der Pelzer in der Pontstrasse
und der Fleischer zwischen Kockerellstrasse und Judengasse. ^) Be-
sondere Einzelheiten erfahren wir im übrigen recht wenig. 1585^)
kauften die Fleischer ihr Haus, in dem zugleich auch die alte Verkaufs-
halle war, für 275 Gulden. Das Kupferschlägerhaus wurde durch den
grossen Stadtbrand des Jahres 1656 vollständig vernichtet.^) Ob
sonst noch ein Zunfthaus dem verheerenden Feuer zum Opfer
gefallen, bleibt fraglich. Auffallend muss es erscheinen, und das legt
den Gedanken an eine Vernichtung des Zunfthauses der Schmiede
durch den Stadtbrand vom Jahre 1656 nahe, dass 1659*) von der
Abbezahlung der zu ihrem Laubenbau aufgenommenen Gelder die
Rede ist. Sicherlich handelt es sich hier um einen Wiederaufbau
oder Neubau des früheren Zunfthauses. Denn es ist nicht anzu-
nehmen, dass die Schmiedezunft, die 1593 ein Zunfthaus besass,
65 Jahre und vielleicht noch mehr auf die Abtragung der in jener
Zeit zu Bauzwecken geliehenen Gelder verwandt hätte. Da das
Zunfthaus der Schmiede nicht allzuweit von dem Entstehungsherde
des Brandes entfernt lag, spricht auch seine Lage nicht gegen
eine Zerstörung im Jahre 1656.^) Bemerkenswert ist es, dass nur
die politisch berechtigten Zünfte ein eigenes Haus besassen, eine
Erscheinung, die auch anderwärts zutage tritt.^) Von den „zu-
behorenen ambachten" haben wir ja schon gehört, dass ihnen die
Erwerbung eines eigenen Hauses untersagt war.') Meistenteils
werden sie wohl in dem Zunfthause ihrer Haüptzunft einen Ver-
sammlungsort gehabt haben. Nach Quix freilich sollen die Schreiner
ein geräumiges Zimmer in der Schmiedelaube, die Hutmacher in
der Kleinkölnstrasse und die Nadler in der Pontstrasse gehabt
haben.®)
Der Zweck, dem die Zunfthäuser dienten, war mannigfacher
Art. Bald vereinigte er die Zunftgenossen zu ernsten, das Wohl
und Wehe der Zunft betreffenden Beratungen, bald zu fröhlichen
und festlichen Gelagen. Der Zeitpunkt der Zusammenkünfte war
zum Teil fest, zum Teil wurde er durch die Lage der Verhältnisse
und je nach Bedarf bestimmt. In letzterem Falle sandte der Greve,
zu dessen Befugnis die Einberufung gehörte,^) den Mitraeistern ein
Zeichen.*®) Diesem Rufe nachzukommen war Pflicht eines jeden
1) AktenHammlung von 1590—96. — S. 209 flf.
2) vgl. S. 71.
>) U. d. Kupfersohläger. Bl. 29.
*) A. Z. S. 26.
'^) Im Jahre 1694 verkauften die Schmiede ihr am Büchel gelegenes Zunfthaus an
ihren MitmeiRter Adam Sommer für 8350 Taler, jeden zu 26 M. aix und l8 Beichstalern per
56 m. VerzichtHgeld und sechs Reichstalern Weinkaufsptennigen unter der Bedingung, dass
das Zimmer, die Schmiedeleuve genannt, dem Handwerk mit sämtlichem Mobiiar der Zunft
verbleiben soll. Bei Zerstörung durch Brand hatte der Käufer die Pflicht, auf eigene
Kosten das obengenannte Zimmer auf jetzige Breite und Länge in Mauerwerk wieder auf-
zubauen. A. Z. S. 100.
^) Hartmann, a. a. O. S. 65. Anm. 1.
') vgl. S. 44.
^) Quix, Historisch-topographische Beschreibung der Stadt Aachen. S. 149.
®) K. d. Alträuscher. Nr. 2. — R. d. Schmiede. A. Z. S. 4. Kap. 3. — R. d. Krämer.
(1548) Bl. 5. Bei letzteren waren es die Greven und die Baumeister.
^^) Dieses Zeichen muss wohl je nach der Art der Zusammenkunft, zu einer Be-
ratung, Beerdigung, Messe usw., verschieden gewesen sein. Diese Zeichen wurden nach
flrnillung des Zweckes dem Greven wieder zurückgegeben. R. d. Schmiede. (1443) A. Z.
8. 7. Kap. 7.
— 74 —
Zunftmitgliedes. Strafen, wie bei den Schmieden^) und Gold-
schmieden*) in Gestalt von einer „kan weins des besten" trafen
den, der eine gebotene Versammlung versäumte.') Regelmässig
wiederkehrend war bei allen Zünften die jährliche Hauptversammlung,
der sogenannte Stuhltag. Diesen hielten nachweislich alljährlich
die Goldschmiede*) und Schmiede*) am Tage des heiligen „Loy**
(Bligius, 25. Juni),^) die Barbiere am Tage der heiligen Kosmas
und Damian (27. September), die Mützenmacher') am Feste des
heiligen Urbanus (25. Mai), die Spiegelmacher®) an dem des heiligen
Lukas (18. Oktober), die Alträuscher®) auf St. Sakramentstag, die
Steinmetzen ^®) am Tage der vier gekrönten Heiligen (8. November)
und die Hutmacher ^^) auf St. Nikolaus (6. Dezember) oder Minen-
brüder Kirch weihmontag. Die übrigen Zünfte erwähnen auch ihren
Stuhltag, ohne ihn aber näher zu bezeichnen. Vielfach föUt der
Stuhltag zugleich mit dem Pesttag des Patrons der Zunft zusammen.
VermutHch war es daher in überwiegender Weise Brauch und
Sitte der Zünfte, mit dem Patronatsfeste die jährliche Hauptver-
sammlung zu verbinden. Ausser am Stuhltage hatten die Schmiede
noch am Tage der heiligen Katharina*^) (25. November), an dem die
Arbeit ruhen musste,^^) und am Feste der heiligen Petrus und
Paulus^*) (29. Juni) eine ordentliche Versammlung. Die politisch
berechtigten Zünfte vereinigte ferner jährlich der Tag der Rats-
wahlen (St. Johannesgeburt,**) 24. Juni.)
Die Tätigkeit auf dem Stuhltage nmfasste vor allem die
Wahl der Greven und sonstigen Zunftbeamten; überhaupt werden
die äusseren und inneren Angelegenheiten der Zünfte Gegenstand
der, Beratung der Jahresversammlung gewesen sein. Die Besohluss-
fassung erfolgte in namentlicher Abstimmung, wobei der jüngste
Meister die letzte Stimme hatte.*®) Strenge Geheimhaltung aller
Beratungen war Pflicht eines jeden Mitgliedes.*"')
Neben diesen Zusammenkünften ernster Natur fanden auch
Geselligkeit und Frohsinn eine Pflegestätte in den zünftigen Ver-
sammlungen. Im Ansohluss an den Stuhltag vereinigte der Becher
die Brauer, indem die Hälfte des von den neuen Meistern zu
gebenden Weines vertrunken wurde.*®) Die Spiegelmaoher*^)
stifteten zum Stuhltage je einen Hammelschinken. Ferner gehören
hierher der Meisterschmaus und das Gelage nach der Wahl der
1) A. Z. (1541) S. 33. — 2) R. Nr. 27.
8) R. d. Schneider. Nr. 8. Bl. 2, drei Schillinge. — R. d. Barbiere. Nr. 21. Bl. 5 f, vier
Merk. — R. d. Krämer, ßl. 5 f, eine Merk.
*) R. Nr. 12. — '^) A. Z. (1443) S. 2. Nr. 2.
«) Mit Recht hat Loersch (Z. d. A. G. Bd. XIII. S. 239) den heiligen Loy al8 den
heiligen Eiigiu» identifiziert, nur war der FesHag dieses Heiligen in Aachen nicht am
1. Dezember, sondern am 25. Juni. Der heilige Ellgius wurde nämlich auch am 25. Juni
verehrt (vgl. Stadler, Heiligen-Lexikon. Bd. IL S. 36), ein Tag, der nach der näheren Be-
stimmung der Schmiede als „des neisten daigs nac sent Johans daghe Baptisten** (R. d.
Schmiede. A. Z. S. 2. Nr. 2) für Aachen nur in Betracht kommt.
7) R. Nr. 1. — 8) g. Nr. L - ») R. Nr. 3. - i») R. Nr. 2«. — ") R. Nr. 18.
^^) Dieser Tag war wohl mit Rücksicht auf das zubehorene Ambacht der Rade-
macher, deren Patronin die heil. Katharina war, eingeführt worden.
13) A. Z. S. 4. Kap. 3.
1*) a. a. O. S. 29. Nr. 15.
1«*) Gaifelbrief v. 1681. Nr. 7.
^^) R. d. Steinmetzen. (1670) Nr. 2 und R. d. Zimmerleute. (1656) Nr. 1.
1^1 Verordnung d. Bäcker. (1488). — R. d. Zimmerleute. Nr. 3. — R. d. Stein-
metzen. Nr. 3.
18) R. d. Brauer. Nr. 5.
9) R.
») R.
1») R. (1634) Nr. 4.
— 75 —
Zunftbeamten und Ratsdeputierten. Die hohe Bedeutung all dieser
Veranstaltungen innerhalb der Zunft versinnbilden am besten die
vielen Forderungen und Abgaben an Wein, sowie die bis ins
Einzelne ausgeführten Bestimmungen über das Verhalten im Zunft-
saale. Eine besondere Ordnung für den Zunftsaal erliess die
Bäckerzunft im Jahre 1488.^) Diese verbot das Spielen, Dobbeln
und Wetten um hohe Geldbeträge, das Mahnen an Schulden, das
Fluchen und Beleidigen der Zunftgenossen oder derer Eltern,
tätliche Streitigkeiten, besonders den Gebrauch eines Messers,
Werfen mit Gegenständen aller Art, das Mitnehmen von Zunft-
eigentum ohne nachgesuchte Erlaubnis und überhaupt jedes unan-
ständige Betragen. In demselben Rahmen bewegen sich auch die
Bestimmungen der übrigen Zünfte.*) Der jüngste Meister nahm
der Rolle der Barbiere^) gemäss auf dem Zunft saale den letzten
Platz ein. Die Aufsicht und Leitung jener zwanglosen Unter-
haltungen lagen bei manchen Zünften in den Händen der Greven,*)
bei manchen waren sie Sache der Baumeister.^)
Mit der Erörterung des Versammlungswesens der Zünfte ver-
bindet sich die Frage nach der Bedienung auf dem Zunftsaale.
In den ersten Zeiten wurde dieses Amt durch Mitglieder der Zunft
selbst ausgeübt, indem entweder der Greve^) oder Baumeister')
zwei Zunftgenossen bestimmte, oder jedesmal der jüngste Meister
dazu verpflichtet war.®) Diese Ordnung finden wir nach der Ent-
wickelung des Zunftwesens noch bei den kleineren Zünften
als Brauch,^) während die grossen, politisch berechtigten Zünfte
einem besonderen besoldeten Zunftdiener die Verrichtung der
niederen und untergeordneten Funktionen übertragen haben. ^*^)
*) R. d. Bäcker. Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jahrgang II. S. 9 f.
^ R. Nr. 4, 5, 6, 7, 19 u. 5JH. Bl. 4 ff. — R. d. Zimmerleute. Nr. 4—10. — R. d. Stein-
metzen. Nr. 4 u. 15 u. a. m.
») R. Nr. 19. — *) a. a. O.
^) Verordnung d. Bäcker. (1488). lieber das Verhältnis bei den Schmieden, vgl. S. 63, 20.
^) R. d. Schmiede. (1443) A. Z. S. 9. Kap. 12.
') Ordnung d. Bäcker v. 1488.
^) R. d. Hutmacher. Nr 17. Die Hutmacher befreiten die Meisterssöhne von dieser
Dienstleistung.
®) R. d. Schreiner (1660) Nr. 17. — R. d. Spiegelmacherambachts Nr. 7.
^0) Aktensamminng von 1590 bis 1596. Bl. 209 ff. — Da wir über die Pflichten und
Rechte dieses Zunftdieners aus der Zeit der Epoche dieser Abhandlung nichts erfahren,
ist es wohl nicht unangebracht, zum besseren Verständnis und zur Vervollständigung des
Bildes eine aus dem Jahre 1700 stammende Verordnung des Schmiedeambachts heranzu-
^'iehen. Danach bezog der Laufdiener ein festes Gehalt von 100 Gulden, vierteljährlich
durch den Greven zahlbar. Ausser dieser Besoldung flössen ihm auch noch manche nicht
^erhebliche Nebeneinkünfte zu. Von einem Meisterssohn erhielt er zum „Willkommen*" zwei
gülden, einem Meister, der hier gelernt, vier Gulden, einem angetrauten Meister vier
Oulden drei n.; ferner den dritten Teil aller vom Greven konfiszierten Sachen. Starb ein
Brader oder eine Schwester* beschied er das Handwerk und trug das Leichenkleid mit den
Schilden, wofür ihm vier (dulden gegeben werden mussten. Nahm man ihn auch zum
Kbeichen betten**, so konnte er sich über die Höhe der Entnchädigung mit den Angehörigen
verständigen. Beim Umgehen der sechs Meister, um die Bussen und das Gaffelgeld einzu-
sammeln, waren sieben Merk sein Lohn, war er aber ausserhalb der Stadt, sollte er sich
Diit einem Trunk begnügen. Verboten war ihm, ohne Erlaubnis etwas einzuholen. Unbe-
dingten Gehorsam war er den Greven, Baameistern und Zwölfern in allem schuldig. Gegen
^uie wegen Pflichtverletzung über ibn verhängte Strafe konnte er beim Sechs- und
Zwölf-Meistergericht Berufung einlegen. Montags und Donnerstags musste er bei den
WQven anfragen, ob etwas zu tun sei. (A. Z. Bl. 391 ff.)
3. Kapitel.
Die wirtsohaftliohe Bedeutung der Zünfte.
Im Gegensatz zu der heutigen Zeit verfocht das Mittelalter
das Prinzip der wirtschaftlichen Abgeschlossenheit. Jede Stadt
bildete ein wirtschaftliches Gebiet für sich. Die mangelhaften
Verkehrsmittel; die Unsicherheit auf den Transportstrassen, nament-
lich bei weiten Entfernungen, der stark ausgeprägte territoriale
Partikularismus und die überaus grosse poHtische Selbständigkeit
machten die „Entstehung des modernen Zustandes der Gesamt-
produktion über das Stadtgebiet hinaus zur Unmöglichkeit**.*) Sie
erklären die Konzentrierung und Beschränkung des mittelalterlichen
Wirtschaftslebens auf einen kleinen Kreis. Diese Bestrebungen
ergeben aber im 16. Jahrhundert schon ein ganz anderes Bild.
Wurde vorher wenigstens der einheimische Wettbewerb unter
Zugrundelegung gerechter Verordnungen nicht allzu sehr eingeengt,
so geht die spätere Gewerbepolitik darauf hinaus, die Ausübung
des Gewerbes auch innerhalb der Stadt zu beschränken.^)
Die Trägerin und Verfechterin der mittelalterlichen städtischen
W^irtschaftspolitik war vorzugsweise die Zunft. Diese suchte und
erreichte es, ihrem Handwerk in der Heimatstadt das Monopol
zu sichern und jede fremde und lästige Konkurrenz von sich fern
zu halten. In diesem Sinne sprechen sich die Rollen der Kupfer-
schläger,^) Kessler,^) Kratzmacher,^) Posamentierer,^) Bombasiner,^)
Hutmacher ^) und Krämer^) aus. Sie alle verbieten den Kauf oder
die Einfuhr fremder Waren. Aber nicht nur den Bürgern, sondern
auch den Zunftmitgliedern war es eine Pflicht, ihren Bedarf vor
allem an Rohmaterial, dessen Vertrieb in das Bereich eines anderen
Gewerbes fiel, innerhalb der Stadt zu decken. Im Jahre 1577^®)
brachte der Rat einen langjährigen Streit der Schuhmacher und
Löder wenigstens zu einem zeitweiligen Abschluss. Auf Grund
dieser Entscheidung wurde den Schuhmachern erlaubt, für eigenen
^) Sohönberg, Zur wirtschafiliohen Bedeutung des deutschen Zunftwesens im
Mittelalter. S. 15.
^) Tuckermann, Das Gewerbe der Stadt Hildesheioi bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts.
S. 61 f. — 8; ß. - *) R. Nr. 10. (1629), Kr. 22 Bl. 9 und (1666) Nr. 46.
5) R. 1637. - «) R. (1626.) - ') R. Nr. 23 und (1656.) — ») R. — ») R. (1605) Bl. 15.
^^) R. d. Schuhmacher Nr. 21. yergl. auch Nr. 28.
77 —
Gebrauch innerhalb drei Meilen Wep^s vor der Stadt auf Ohur-
meisterspreis Leder zu kaufen und in die Stadt einzuführen. Aus-
wärts gegerbtes Leder aber in den Handel zu bringen, war ihnen
verboten. Produkten, die in Aachen nicht verfertigt wurden,
vor allem das Rohmaterial, stand natürlich die Einfuhr gegen
Entrichtung der städtischen Akzise offen. Befreit von diesem Zoll
war wegen der leichten Zerbrechlichkeit das Fensterglas,*) während
die preussischen Pelle doppelt besteuert wurden.^) Das einge-
brachte Fensterglas musste zuerst den Glasmachern zum Kauf
angeboten werden, und dann, soweit die Glasmacher keinen Ein-
spruch erhoben, durften die Bürger den Rest freilich nur hi grösseren
Mengen erwerben.^) Jene Pflicht der Bürger, nur innerhalb der
Stadt bei den mit dem Rechte der Arbeit beHehenen — dies waren
nur die Mitglieder der Zunft — ihre Bedürfnisse zu decken, be-
zeichnet man mit dem Worte ^Zunftzwang im allgemeinen".^)
Als eine besonders lästige Konkurrenz war den Aachener
Zünften wohl das nahegelegene Burtscheid ein Dorn im Auge.
Im Jahre 1595^) schliesst der Rat auf Bitten der Bäckerzunft die
Burtscheider von der den Fremden gewährten Vergünstigung aus,
Mittwochs und Samstags in Aachen Brot in den Handel zu bringen.
1619 und 1638 wurde der über Burtscheid verhängte Boykott
nochmals erneuert.*) Ebenso richtet sich die Rolle der Schuh-
maoher gegen die Einfuhr von Schuhen aus Burtscheid.'') 1619®)
vereinigten sich sogar die Zünfte der Bäcker, Fleischer, Krämer,
Schneider, Tuohsoherer, Schuhmacher und Brauer zu einer Eingabe
an den Rat. Sie beklagen sich, dass in Burtscheid „allerhand Werk
verübt und den hiesigen Handwerkern ihre Nahrung geschmälert"
werde. Besonders bezeichnend ist die Bestimmung der spanischen
Nadelmaoher. Jeder Geselle, der das Handwerk in Aachen gelernt
hatte und in Burtscheid Arbeit übernahm, sollte seiner Lehrjahre
verlustig gehen. ^)
Wahrscheinlich wurde im Laufe der Zeit auch das Reich
Aachen für manche Gewerbe der Stadt ein neuer wirtschaft-
licher Gegner. Einige Handwerke öffneten daher, vielleicht um
im Interesse des Gewerbes eine friedliche Verständigung herbei-
zuführen, den Handwerkern des Aachener Reichs die Tore ihrer
Zunft. Im Jahre 1526 gehören Reichsleute der Schmiede-,*^) 1579 der
Schuhmacher-^^) und 1660 der Schreinerzunft ^^) an.
Den Bemühungen und darauf abzielenden Bestimmungen der
Zünfte, möglichst jede fremde Ware vom Marktverkehr auszu-
schliessen, standen naturgemäss die Wünsche und das Interesse
des kaufenden Publikums schroff entgegen. Eine Milderung der
für die Bürger bedrückenden Wirtschaftspolitik gewährten in etwa
*) R. d. SpiegrelambachtH. (1643.)
«) R. d. Schuhmacher, (imt) Nr. 61.
") R. d. SpiegelambachtH. Nr. 9.
*) Schönbergr, a. a. O. S. 18.
*) Quix, Wochenblatt für Aachen und Uuigregend. Jahrg. II. 8. 13,
') a a* O.
7) R. d. Schuhmaoher. (1637 u. 1638) Nr. 58 und 59.
B) R. d. Schneider. Bi. 6.
") R. (1637.) — 10) A. Z. Nr. 11. S. 26. - ") R. Nr. 26. - ") R. Nr. 14.
— 78 —
die an bestimmten Wochentagen oder jährlich abgehaltenen
Märkte.^) Auf diesen war auch den fremden Kaufleuten der Handel
gestattet und den Bürgern Oelegenheit gegeben, nach ihrem Er-
messen und Willen ihren Bedarf unabhängig zu decken. Freilich
muss man bedenken, dass der einheimische Handwerksmeister dem
fremden Kaufmann gegenüber, dessen Waren durch den Transport,
die städtische Akzise, die beschränkte Verkaufszeit und die Ge-
bühren für die Besichtigung der Waren verteuert wurden,^ sich
immerhin im Vorteil befand. Ein weiterer Schritt zugunsten der Kon-
sumenten geschah durch die den Bürgern gewährte Erlaubnis,
eigenes Rohmaterial zu eigenem Gebrauch selbst zu verarbeiten.^)
Doch diese Abweichungen von dem wirtschaftlichen Prinzip
waren zum Teil zu gering, zum Teil zu vereinzelt, um eine aus-
gleichende Gerechtigkeit zwischen Produzent und Konsument
herzustellen. Wir werden aber sehen, wie die Zünfte unter Wahrung
ihrer eigenen Interessen zu gleicher Zeit das Interesse des kaufenden
Publikums wahrnahmen und beider Wünsche und Anschauungen
zur beiderseitigen Zufriedenheit miteinander verbanden. Ein Haupt-
moment jener Bestrebungen bildete die Gewähr der Zünfte für
gute Arbeit und Ware.
Diesem Zwecke entsprechend, wurden von den Zünften all-
umfassende Bestimmungen über die Qualität des zur Verwendung
kommenden Materials und der Art der Arbeit erlassen.^) Mit
Willen und Uebereinstimmung des Rates gaben die Werkmeister
am 9. März 1387 eine Verordnung zum „Besten der Kaufleute
und Bürger, um sie vor früher gehabtem Schaden zu bewahren.*^
Länge und Breite der Tücher wurde genau geregelt. Das weisse
Tuch sollte in einem Kamm von 60, das anderfarbige Tuch in
einem solchen von 55 Strängen stehen. Fehlte ein halber Strang,
trat eine Strafe von 8^/2 Schillingen ein, ein. Strang 5 Schillinge,
anderthalb Strang 10 Schillinge, zwei Stränge 15 Schillinge. Bei einer
noch grösseren Differenz wurde das Tuch in drei Stücke zerschnitten,
und der Fabrikant hatte ausserdem eine Mark Bussgeld von jedem
Stück zu entrichten. Nicht minder grosse Sorge verwandte die
Zunft auf die Verarbeitung der Wolle seitens der WoUkäramerinnen.^)
Ebenso beschäftigen sich die Rolle der Leineweber^) und Bom-
basiner'^) mit dem ordentlichen Masse ihrer Erzeugnisse. Die Färber,^)
Bombasiner,®) Mützenmacher^®) und Röder^^) schrieben ihren Zunft-
mitgliedern Quantität und Qi^alität der Farbstoffe vor. Die Färber
durften in einen Steinliter Wolle auf einmal nicht mehr als vierzehn
Stück braune Wolle tun.^*) Die Röder waren sogar gezwungen.
^) R. d. Bäcker. Quiz, Wochenblatt f&r Aachen und Umgegend. Jahi^. II. S. 13. —
B. d. Krämer. (1&54) Bl. 6 und Bl. 2. Nr. 1.
*) B. d. Krämer. (1554) BL 6 u. (1626) Bl. 16 f. Ygl. auch Schonberg, a. a. O. 8. 33 f.
B) R. d. Löder. Bl. 25 f. ExtractUR. — Verordnung der Bäcker. A. Z. S. 298 f. — B.
d. Pelzer. (1641) Nr. 7. — Sohönberg, a. a. O. S. 28, bezeichnet dieses Becht als zu den Ur-
rechten der indiTiduellen Freiheit gehörig.
«) B. d. Schuhmacher. (1577) Nr. 23. — B. d. Schmiede (1476) A. Z. 8. 17. Nr. 8. -
B. d. MQtzenmacher. Nr. 4.
*) Loersch, A. E. D. S. 75. Nr. 12.
«) B. Nr. 1, 2, 3. - 7) B. Nr. l bis 11. - 8) B. 1576 Nr. 1. - ») B. (1631.) i<0 - R. Nr. 3.
1^) B. d. Färber und Boder. (1604.)
^') Loentch a. a. O. ft 7 — Uoeffler, 8. 186 deutet diese Verordnung als eine nMazimal-
grenze der Arbeitsleistung**, und zwar der Weber!
— 79 —
jährlich vor den Werkmeistern die eidliche Versicherung zu geben,
nicht gegen jene Verordnung über die Anwendung der Farbstoffe
Verstössen zu haben.^) Die Goldschmiede durften nur l8^/2karätiges
Gold und 14 lötiges Silber in der Mark anwenden. Messing ohne
Durchlochung, von allen Seiten zu vergolden oder Glas in Gold
zu fassen, war ebenfalls untersagt.^) Pflicht der Steinmetzen war
die Benutzung nur guten Kalkes und guter gebackener Ziegelsteine.')
Genaue Vorschriften bestanden über die Mischung der Metalle bei
den Kannegiessern*) und Kupferschlägern.^) Ausserdem war den
Kupferschlägern und Kesslern verboten, irgend ein Werk mit dem
Wasser- oder Mühlenhammer machen zu lassen und in den Handel
zu bringen.®) Der Draht musste dreimal gezogen werden,'') und
das Brot seine bestimmte Grösse haben.®) Da laut Klage auf der
Frankfurter Messe von Aachener Bürgern schlechte Nadeln auf
den Markt gebracht worden, regelten Greven und Meister des
Ambachts das Gewicht der einzelnen „Sortiments* Nadeln. Jedem
Meister war ausserdem vorgeschrieben, alle Nadeln aus feinem
reinen Stahl anzufertigen.®) Die Grösse der von der Zunft gebotenen
Garantie für gute und fehlerlose Ware lässt die Rolle der Schreiner
erkennen. Gab ein Schreinerwerk zu berechtigten Klagen des
Käufers Anlass, so war der Handwerker ohne weiteres zu einer
besseren Herstellung gezwungen.^®} Die Schneider standen den
Bürgern innerhalb dreier Monate nach Empfang der Ware ein
Beschwerderecht zu.^^)
Diese Massregeln erhielten aber erst ihren praktischen Wert
durch die genaue Kontrolle, die von allen Zünften durch die
Prüfungsbeamten ausgeübt und durch eine besondere Stempelung
oder Bezeichnung erleichtert wurde. Die beiden Geschworenen
des WoUenambachts mussten alle Werktage „van gezouwen zu ge-
zouwen** (Webstühle) die angefertigte Arbeit untersuchen. Ihnen
zur Seite standen die Werkmeister und Ambachtsknappen, die an
keine bestimmte Besichtigungszeit gebunden waren. Jedes Tuch
erhielt ein Siegel, wofür eine Gebühr von vier Pfennigen zu ent-
richten war. Ein den Vorschriften entgegen VJ2 oder 2 Stränge
zu schmales Tuch bekam ein besonderes Siegel mit dem „sterre*.
Mangelte an der Länge mehr als eine halbe Elle, so wurde das
tatsächlich vorgefundene Längenmass auf das Bleisiegel gezeichnet. ^2)
In demselben Sinne spricht sich die Rolle der Bombasiner über
die Zuwiderhandlungen der Bestimmung von Länge und Breite der
»Hondtschoten und dergleichen Seyen" aus.^^) Der ersten Prüfung
wurden die Bombasintücher auf der Trecklaube (wo das Tuch
öwertroke, überzogen, d. h. genau besichtigt wurde *^) seitens der
^) R. d. Färber. (1604) — ») B. Nr. 13, 23, 24. — ») R. (1487.) — *) R. — ») B. (1550) Nr. 25,
•) K. d. KupferscWafirer (1510) Nr. 14 und (1548) Nr. 12 und 15; ad. Kessler. Nr. 10.
7) R. d. Kupferschlager (1548) Nn 18.
«) R. d. Bäcker. (1508) und (1517.)
^) R. d. span. Nadelmaoher. (1667) Bl. 22 f.
'0) U. Nr. 6. - ") R. Nr. 3. Bl. 2.
") Loersoh, A. R, D. S. 76 § 2.
") R. d. Bombasiner. Nr. 1 bis 11. — Zeug aus Seide, Wolle und Leinen, eine Art
Kaseh, vielleicht nach dem Fabrikationsorte Uondsohoote in Nordfrankreich genannt. Tgl.
riek, Aus Aachens Vergangenheit. S. 335, Anm. 3.
") Gross, a. a. O. S. 7a
— 80 —
verordnetoii Beseher unterworfen. An jedem Ende des Stückes
mussten zum besseren Erkennen des Masses einige blaue Fäden,
„so man vurschlagd nennt", unter Strafe von sechs Merk angewebt,
und ausserdem das Zeichen oder Mirk des betreffenden Meisters
eingewebt sein. Jede betrügerische und falsche Benutzung des
Zeichens eines anderen Meisters zog den Verlust des Handwerks
und eine andere schwere Strafe nach sich. Zur schnellen Orien-
tierung lag deswegen auf der Trecklaube ein Buch auf, in dem
alle Meister sich mit ihrem Zeichen eintragen mussten.
Bevor ein Stück Tuch auf der Trecklaube besichtigt und
wenigstens ein Siegel erhalten, durfte es weder verkauft noch
gefärbt werden. Aus diesem Grunde waren die Färber verpflichtet,
alle 14 Tage die Zahl der innerhalb dieser Zeit p^efärbten Seide
und Bombasintücher mit den Namen der betreffenden Meister
anzugeben. Vor der Färbung erhielten die Seidenstücke je nach
ihrer Beschaffenheit ein besonderes Siegel. Nach der Färbung
wurde das Stück auf Grund einer abermaligen Besichtigung auf
der Trecklaube als mittelmässige Qualität noch mit einem, als
beste Qualität noch mit zwei Siegeln gezeichnet. P\ills aber ein
Loch in der Seide gefunden ward, schätzten die Beseher den Schaden
und hefteten dementsprechend ein Geldstück an. Diesen Schaden
musste der Färber, der Meister oder der Arbeiter je nach ihrer
Schuld ersetzen. Wer ein solches angeheftetes Geldstück abnahm,
erhielt eine Strafe an „Leib, Gliedern oder sonst an Ehren **. Wie
die Seidenstücke, erhielten auch die Bombasintücher vor der Färbung
nach einer eingehenden Prüfung besondere Zeichen. Diese bestanden
aus einem Bleistück, auf dessen einen Seite ein Stadtadler und
auf der anderen Seite das Wort „Aquisgranum" und einige senk-
rechte Striche geprägt waren. Man unterschied drei Arten, die
je nach der Qualität des Erzeugnisses eine grössere Gestalt hatten
und Striche von eins bis drei aufwiesen. Nach der Blaufärbung
kam noch ein zweites und nach der Schwarzfärbung ein drittes
Siegel hinzu.^) Nach einem Beschluss des Jahres 1631^) wurde
von den schlecht gefärbten Bombasiiitüchern auch das erste vor
der Färbung erhaltene Siegel abgenommen. Adler- oder Doppel-
adlerbombasintücher wurden in späterer Zeit noch mit einem beson-
deren Bleistück behängt, und ausser dem gewöhnlichen Merkzeichen
befestigte man auf ein darumgeschlagenes Papier das Mirk und
den Namen (Familien- und Vorname) des Meisters.^) Die Arbeiten
der Büchsenschlosser und Gewehrlaufmaoher wurden auf den Lauben
besichtigt und mit dem Adler oder Wappen der Stadt gezeichnet.
Das Minderwertige erhielt ein besonderes Merkmal.*) Den Stadt-
adler benutzten als Zeichen des guten und reinen Werkes die
Kupferschläger, während bei den übrigen Erzeugnissen des Meisters
eigener und gewöhnlicher „Stemp" zur Anwendung kam.^) Alles,
was über zwei Lot wog, musste von dem Meister des Goldschmiede-
ambachts mit seinem ^yStemp** und „Mirk", der das Wort „Aach"
*) R. d. Bombasiner. Nr. 12-37.
«) R. d. Bombasiner. (1631.) — ») a. a. O. (zw. 1638 und 44.)
«) R. d. Sohmiede. (1582.) A. Z. S. 40.
<») R. d. Eupfersohläger. (1560.)
-st-
und den Stadtadler trug, gestempelt werden. Dienstags und Frei-
tags um 1 Uhr wurden im Hause des ältesten Greven die Waren
durch „Strich und Stich'* geprüft und besiegelt. So oft es ihnen
beliebte, aber wenigstens einmal im Monat, untersuchten die
Greven beide zugleich in den Werkstätten die kleineren Sachen.
Zu diesem Zwecke waren Werkstätte und Laden stets offen zu
halten. Die Arbeiten der Greven wurden gegenseitig mit Hinzu-
ziehung der früheren Greven untersucht.^)
Auch jeder spanische Nadelmacher hatte ein eigenes Zeichen
mit dem Namen der Stadt Aachen.*) Laut Ratsbesohluss vom
Jahre 1631*) durfte aber kein Fremder oder Nichtbürger sich des
Namens Aachen dabei bedienen. Der Kannegiesser geschlagenes
Werk sollte gleich den feinen Erzeugnissen Antwerpens sein. Um
den Fabrikanten gleich erkennen zu können, waren daher ein jedem
Meister besonderes und ein der Zunft allgemeines Wappen (Stadt-
wappen) im Zwangsgebrauch.*) Einer Besichtigung oder auch
einer besonderen Zeichnung unterlagen ferner alle Arbeiten der
Löder, Schuhmacher,^) Schreiner,^) Färber,'^) Nadler und Krempen-
macher,®) Barbiere,^) Kratzraaoher,^^) Buntwirker, ^^) Mützen-
macher,^^) Bäcker^*) und Schneider.^*)
Beschäftigte sich bis jetzt die Kontrolle nur mit den fertigen
Erzeugnissen der Gewerbetreibenden, so lenkte sich ihre Aufmerk-
samkeit auch auf die zum Gebrauche kommenden Gerätschaften.
Das Wollenambacht erlaubte nur mit Kämmen von bestimmter
Länge zu arbeiten.'*) Die Bombasiner, die nicht nach Vorschrift
passende Riedter hatten, wurden mit Vernichtung derselben und
Verlust des Handwerks bestraft.'®)
Eine Ergänzung der Bestrebungen der Zünfte, nur gute und
preiswürdige Waren auf den Markt zu bringen, ist wohl auch in
manchen Bestimmungen über die Lehrzeit und Zahl der Lehrlinge
und Gesellen zu suchen.
Sich der von der Zunft angeordneten Visitation zu unterziehen,
war Pflicht eines jeden. Ungesiegelte, in den Handel gebrachte
Tücher verfielen der Konfiskation.'"') Als einige Bombasiner, be-
sonders Gordt'von Groningen, sich dessen weigerten, bestimmte
der Rat, dass jeder, der dem Gebote nicht nachkomme, auf „der
Stadt Tore zum Gehorsam gebracht" würde. Dieser Gordt wurde
1) R. d. Goldschmiede. Kr. 15, 16, 17, 18, 21, 25.
2) B. d. spanischen Nadeloiacher. (16260
') a. a. O. (1631). Ueber die weitere Entwickehingr der Warenzeiohnung bei den
Nadelmachem in späterer Zeit vgl. Hansen, Die Aachener Nadelindustrie. S. 3 ff'.
*) R. d. Kannegiesser.
<^) R. d. Schuhmacher. Nr. 22 u. 23.
•) R. Nr. 11. — ') R. Nr. 5, 6, 7.
8) R. d. Kramer. Bl. 8.
9) R. Nr. 24. — 10) R. Nr. 6. - ") R. - *») R. Nr. 2.
i>) Qaix, Münsterkirche. S. 148. Nr. 14.
**) Verordnungen der Schneiderzunft. Bl. 26. (1663). Infolge von Streitigkeiten
zwischen Wollenambacht und Schneiderzunft kommt es zu dem Uebereinkommen, dass bei
Hchiechtein Schnitt oder Nähen die Schneider, bei schlechter Beschaffenheit des Tuches die
Werkmeister die richterliche oder bestrafende Befugnis haben sollten.
») Loersoh, A. R. D. S. 75. Nr. 12. , „...».
") R. d. Bombasiner. Nr. 14. — Riedt (Plural Riedter). Ried oler Rioth ist nach
Grimm (Deutsches Wörterbuch. Till. Spalte 918 ff.) ein Weberkamm, auch die Gesamtiieit
4er im Weberkamm befindlichen Stäbchen.
1^) Loertofa, A. R. D. S. 75. Nr. 12.
— 82 —
auoh eingesperrt und erst ungefähr nach einem Monat auf ^unter-
tänigstes Bitten" wieder entlassen.^)
Entsprach ein Werk nicht den allgemeinen Anforderungen,
so traten für den Handwerksmeister mitunter recht empfindliche
Strafen ein, angefangen von einer Geldstrafe,^) Beschlagnahme^)
oder Zerstörung*) der Ware bis zum Verlust des Ambaohts.^) Bei
der Färberzunft bestand anscheinend unter den Zunftmitgliederu
eine Anzeigepflicht,®) da der vierte Teil der Strafgelder dem An-
geber zufiel. Die Erklärung hierfür liegt eben in der Auffassung
der Zunft, dass allen Mitgliedern die Durchführung ihrer Zwecke
angelegen sein musste, und dass durch eine Uebertretung nicht
nur die Zunft als Korporation, sondern auch jeder einzelne ge-
schädigt wurde. ^)
Alle jene Verordnungen gewerblich - wirtschaftlicher Natur
konnten aber dann nur ihren Zweck erreichen und waren überhaupt
durchführbar, wenn die Zunft Macht und Gewalt über jeden Hand-
werker der Stadt hatte; wenn jeder Handwerker gezwungen war,
zur Ausübung seines Gewerbes die Mitgliedschaft einer Zunft zu er-
ringen, und wenn den Bürgern die Pflicht oblag, nur bei dem zünftigen
Meister Arbeit vornehmen zu lassen. Dieser mit dem Namen
„Zunftzwang im Besonderen"®) bezeichnete Grundsatz bildet die
Basis, auf der nur das zünftige, mittelalterliche Wirtschaftsprinzip
aufgebaut und lebensfähig erhalten werden konnte. Auch in
Aachen war dieser Zunftzwang das erste und bedeutendste wirt-
schaftliche Gesetz, dessen wir in betreff der Konsumenten schon
vorher Erwähnung getan haben. Am schärfsten zum Ausdruck
kommt das Gebot für die Handwerksmeister in der Ordnung der
Löder vom Jahre 1449, wonach „nyemandt hie loen en sali noch
doen loen hie en sy in ire broderschafft*,®) und bei den Pelzern
hiess es „Item wolt auer iemandt von nun vertan id wehren ver-
keufer oder wirken sich mit newen wirke dat unsen ambacht
berurte en sollen auch des nit doen noch zu komen, sie
haben erst unsers ambachts recht gedan und dat gegolden alss
vorsch. stehet." ^^) Diese Forderung wiederholt sich dem Sinne
nach in ähnlicher Weise in fast allen Zunftstatuten. Verliess ein
zünftiger Handwerksmeister die Stadt und wollte nach seiner
Rückkehr das Ambacht wieder ausüben, so war er zu einer aber-
maligen Erwerbung der Zunftmitgliedschaft gezwungen. ^^) Zwei
Zünften anzugehören war im allgemeinen nicht gestattet. Auf
Klagen der Kessler, dass Johann von Eschweiler sowohl ihr als
auch des Kupferschlägerambachts Mitglied sei, entschied der Rat,
dass nach dessen Tode es nicht mehr gestattet sein soUte.^^) Zum
1) a. a. O. (1000).
') R. d. Mützenmacher. Nr. 2.
^) B. d. BombaBiner. Nr. 26.
^) R. d. Kanneffiesser ; Loersoh, A. B. D. S. 75. § 4 und 5; B. d. BombaBiner. Nr. 14.
^) B. d. Bombasiner. a. a. O.
«) B. d. Färber. Nr. 6.
7) Neuburg, a. a. O. S. 79.
») Schönbergr, a. a. O. S. 19 ff.
») B. d. Löder. BI. 25 f. Extractus.
*0) R. d. Pelzer und Buntwirker. (1511).
11) B. d S^chuhmacher. Nr. 4; R. d. Schmiede. (1443) A. Z. S. 9. Kap. 13; R. d.
Schneider. Nr. 5. Bl. 2; R. d. Färber. Nr. 13; R. d. Bäcker. (1517). — ^') B. d. Kessler. (1648)'.
83 —
Handwerk und Handel unberechtigte wurden gewöhnlich mit Geld
bestraft, ja 1672 ein Schneider Laurentius Vinke mit Verbannung
aus der Stadt. ^)
Seitens der Konsumenten ward aber manchmal der Versuch
gemacht, jenes unvorteilhafte Zunftprinzip zu umgehen. 1655^)
I)eschweren sich die Glasmacher und Schilderer über den Prior
der Dominikaner, der auswärtige Arbeiter beschäftigte. Der Prior
wollte aber nur dann die Fremden entlassen, wenn die zünftigen
Handwerksmeister zu denselben billigen Preisen die Arbeit aus-
zuführen sich verpflichteten wie die Fremden. Eine Einigung
konnte nicht zustande kommen. Daher trifft der Rat den Be-
schluss, dass die Arbeit von den Fremden zu Ende geführt, aber
in Zukunft dergleichen nicht mehr geduldet werde. Eine Bestrafung
dagegen erfolgte, als ein Schuhmacher aus Burtscheid bei den
„patribus soc. Jes.'' arbeitete.^) Selbst gegen die Handwerker der
Aachener Stadtsoldaten richteten sich die Klagen der Zünfte, weü
sie neben ihrem eigentlichen Berufe noch für die Bürger der Stadt
arbeiteten. Es waren dies ein Kriegskommisbäcker*) und einige
Militärschneider, ^) deren ausserdienstliche Tätigkeit daraufhin vom
Rate untersagt wurde.
Eine der nächsten B^olgeii des Zunftzwanges für die Gewerbe
selbst war eine genaue Abgrenzung des Arbeitsgebietes unter den
einzelnen Handwerksgattungen. Diese scharfe Trennung macht
sich vor allem bei verwandten Gewerben bemerkbar und in Ver-
bindung hiermit mancher Streit über widerrechtliche Eingriffe
einer Zunft in die Befugnisse der anderen, Um diese ewig sich
wiederholenden Klagen aus der Welt zu schaffen, legte der Rat
manchmal auf Grund der beiderseitigen Rollen die Rechte eines
jeden Handwerks fest. Ein endgültiger B'riede wurde aber keines-
wegs immer hierdurch erzielt. Im Jahre 1591 wurde zwischen
den Schuhmachern und Alträuschern eine Entscheidung getroffen.
Der Alträuscher Tätigkeit sollte sich auf das Flicken, Lappen und
Bessern der Schuhe beschränken, während die Anfertigung von
ganzen Schuhen aus altem oder neuem Leder ihnen verboten ward.^)
Für die Schuhmacher ergab sich demgegenüber, wie schon 1486
verordnet worden, die Pflicht, sich der den Alträuschern zustehen-
den Rechte zu enthalten und auch keinen Knecht jene verbotene
Arbeit ausführen zulassen.'') 1602®) wurde dieses Prinzip insofern
zu^^unsten der Schuhmacher durchbrochen, als einem in Armut
geratenen Schuhmacher die Ausübung des Alträuscherhandwerks
gestattet war. Weiterhin kam es zu einer Regelung der Schuh-
macher mit den Lodern^) und Sattlern *°) und andrerseits zwischen
Löder und dem Ambacht der Sattler ^^) und Pelzer. ^^) Die enge
^) Verordnungen der Schneider. Bl. 27.
*) R. d. Spieorelambaohts. (1655.)
3) R. d. Sohiüimaober. (1577.)
«) R. d. Bäcker. (1626.)
'^) R. d. Schneider. (1643.) Bl. 9.
<>) R. d. Schuhmacher. (1591.) Nr. 33. Vgl. auch Nr. 34, 35, 38, 41.
"") R. d. Alträascher. Nr. 2.
^) R. d. Schuhmacher. Kr. 47.
») R. d. Schubmacher. Nr. 21 und 61.
*0) B. Z. S. 44 und 45 und R. d. Schuhmacher Nr. 66, 67, 73, 74, 75.
".) R. (1653.) - 1») R. (1461.) Nr. 11.
-- 84 —
Verwandtschaft zwischen dem Kupfersohlägerhandwerk und dem
der Kessler führte nach vielen Misshelligkeiten zu dem Ratsbeschluss
vom Jahre 1600. Jedes Werk, daran Eisen gelegt und mit Nägeln
zusammengefügt wurde, gehörte zur Tätigkeit der Kessler und
war dem Kupferschlägerambacht untersagt.^) Auch zwischen den
Kesslern und Flasch- und Lampenmachern kam es 1634 zu
Differenzen. Die Klage der Kessler gegen die Schmiede wurde
zugunsten letzterer entschieden, die alles aus Eisen oder Kupfer
machen konnten, was seiner „Art, Natur und Eigenschaft nach
zum Schraiedehandwerk'* gehörte.*) Bei Strafe von drei Qold-
gulden durften Schreiner und Zimmerleute sich nicht gegenseitig
ihre Rechte schmälern.') Den meisten Klagen waren, wie die
Art des Gewerbes erklärlich macht, die Krämer ausgesetzt. Mit
ihnen gerieten in Streitigkeit die Löder,*) Hutmacher,^) Schneider,^)
Spiegelmacher, ^) Schmiede®) und Kannegiesser,^) trotzdem der
Rat genau die Verkaufsberechtigung der Krämerwaren geregelt
hatte. ^®)
Manche Gewerbe hatten aber auch noch innerhalb ihres
Handwerks eine scharf abgegrenzte Arbeitsteilung und Speziali-
sierung erfahren. Besonders gross und weitverzweigt war diese
bei den Schmieden, Deswegen fügten sie zur Verhütung gegen-
seitiger Benachteiligung ihrer Rolle die Bestimmung bei, dass der-
jenige, der sich bei einer bestimmten „Sort* oder „Species** hatte
anschreiben lassen, dabei bleiben und keinen Knecht in einem
anderen Gebiete arbeiten lassen sollte.^*) Nichtsdestoweniger ge-
rieten 1656^^) die Schmiede mit den Peuerschlossmachern in
Zwistigkeiten. Die Mützenmacher unterschieden ein seidenes und
rauhes Werk. Die Ausübungsberechtigung dieser beiden war ge-
trennt, und jede mussto besonders erworben werden.*^) Das
F'ärberambacht kannte neben den gewöhnlichen Färbern noch
Blau-^*) und Bombasinfärber.^^) Letztere zerfielen in Leinen- und
Seidenfärber. ^^) Die Leineweber hoben den ursprünglichen unter-
schied zwischen Tuch- und Gebildweber wieder auf.^^)
Die strenge Scheidung der gewerblichen Machtsphäre der
einzelnen Handwerksarten erwarb mit der Zeit einigen Zünften
das Recht der Kontrolle und Visitation innerhalb des Betriebes
einer anderen Zunft. Dieses stand den Fleischern bei den Vette-
wärern,^^) den Schuhmachern bei den Alträuschern zu. Falls aber
ein Alträuscher gegen einen Schuhmacher den Verdacht der Ar-
1) R. d. Kessler. Nr. 14 ii. 15; vgrl. weiterhin Nr, 24, 47, 48.
^) K. d. Schmiede. (1601) A. Z. 8. 49 f.
»j R. d. Schreiner. (1661).
^) R. d. Schuhmacher Nr. 61 und B. d. Löder. Bl. 21.
^) R. d. Krämer. Bl. 5 f.
0) R. (1623) Bl. 7, (1638) Bl. 8, (1650) Bl. 9, (1662) Bl. 10.
') R. d. Krämer. Bl. 4 f.
8) A. Z. (1510) Nr. 5. S. 20, (1586) S. 41.
») R. (1600). — »0) A. Z. S. (361).
^^) A. Z. S. 71 f. — 1685 gab es in Aachen zum Schmiedeambacht ffehorigre Gattunoren,
ITuT-, Gross-. Wappen-, Nagel-, Lauf-, Löffelschmiede, Radermacher, Sohlositer, Lademacher,
Pfannenschläger und Feuersohlosser. (A. Z. S. 82 f.).
") A. Z. S. 279. — ") R. (1585) Nr. 19.
»») R. d. Färber. Nr. 4.
^») R. d. Bombasiner. (I&IS u. 44) Nr. 4.
»n> a. a. O. (1634). — ") R. Nr. 5.
^B) R. der Fleischer. Ul. 18 und 19. Exlraotua.
— 85 —
beitsbenachteiligunpr hegte, niusste er sieh zum Zwecke einer
Visitation an den Bürgermeister wenden.*)
Wie nun die Zunft zu den Lasten und Pflichten einen jeden
Meister in gleicher Weise heranzog, so war sie auch bemüht, den
Vorteil und die Früchte ihrer Wirtschaftspolitik jedem Zunft-
raitgliede in gleicher Weise zugänglich zu machen. Durch manche
Verordnungen versuchten und verwirklichten die Zünfte diese ihre
hohe Aufgabe, eine möglichst grosse Gleichstellung der Hand-
werker herbeizuführen und das Aufkommen der sozialen Gegen-
sätze in ihren Kreisen zu verhindern.
Sollte das Einkon-.incn der Produzenten auf ein und derselben
Stufe sich bewegen, so war vor allem eine Gleichheit der Arbeits-
kräfte anzustreben. Wir haben schon gesehen, wie in diesem
Sinne die Zunft eine praktische Tätigkeit entfaltete, (jleiche Zahl
der Lehrlinge, gleiche Zahl der Gesellen für jeden Meister. Soziale
Gründe bildeten aber in Wirklichkeit auch nur die Triebfeder jener
Beschlüsse. Die Rolle der Schuhmacher begleitet eine ihrer Ver-
ordnungen über die gleiche Beschränkung der Arbeitskräfte mit
den Worten „um des Ambachts Gedeihen und Beförderung und
gleicher Nahrung untereinander." 2) Bedeutsam gefördert und ver-
vollständigt wurde der Zünfte humanes Streben auf jenem Gebiete
noch dadurch, dass niemand unter Strafe dem anderen Zunft-
genossen eine Arbeitskraft abspenstig machen durfte.^) Der Ge-
danke an eine allseitige Gleichstellung schwebte ebenfalls vor,
wenn dem Meister verboten war, für einen Bürger zu arbeiten,
der einem anderen noch etwas schuldete*) oder ein Handwerks-
meister nicht ungerufen oder ungeholt das Haus verlassen durfte,
um ein Werk zu verdingen oder zu machen.^) Den Bäckern,^)
Färbern^) und Tuchverkäufern®) war der Preis der W^aren vor-
geschrieben. Ausserdem war für die Bäcker die Zeit des Backens
und Verkaufens besonderer Sachen geregelt, wie zum Beispiel
Bretzelen vom ersten Sonntag in der Pasten bis zum Osterabend
und Osterwecken von Montags in der Karwoche bis Osterabend.'-^)
Ebenso mussten die Brauer mit dem Brauen und Verkaufen der
j,Vierzenet" sich an die Bestimmungen ihrer Rolle halten.^®) Die
spanischen Nadelmacher sollten die Nadeln nicht auswärts „ins
Rauhe" machen lassen, sondern ihren Handwerksbrüdern die Nahrung
gönnen.*^) Arbeit auf Vorverkauf verboten die Schneider.^^j Nötigte
der schlechte Geschäftsgang einen Schuhmacher, den gesamten
Vorrat zu veräussern, hätte sich mancher Meister bei dieser Gelegen-
heit unter der Hand billig seinen Bestand vermehren können. Um
1) B. d. Alträuscher. Nr. 10, 11 und 12.
«) R. d. Schuhmacher. (1584) Nr. 27.
*) R. d. Mützenmacher. Nr. 6; R. d. spanischen Nadelmacher. Nr. 8; R. d. Kratz-
macher. 9r. 2; R. d. Fassbender. Nr. 3 u. a. m.
*) R. d. Schmiede. A. Z. S. 11. Kap. 17; R. d. Brauer. Nr. 3: R.d. Glasmacher. Nr. 2;
R. d. Fftrber. Nr. 10 u. a. m.
^) R. d. Schmiede. A. Z. S. 10. Kap. 16.
«) R. d. Bftoker. (1508 und 1517).
'') R. d. Bombasiner. Nr. 4.
*) Werkmeisterordnung. Nr. 9. Werkmeistergericht. Bd. I.
») R. d. Bäcker. Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jhrg. II. S. 10.
*<*) R. d. Brauer. Nr. 7. — Vierzenet = Vierzehnnächte. Die Rechnung nach 14 Nächten
(statt Tagen) war in Aachen sogar als Gerichtsfrist gebräuchlich.
^*) R. d. spanischen Nadelmacher. (1661).
") Zunftbuoh der Schneider. Bl. 5.
^ 86 —
dem Yorzubeugon und sicherlioh jede Benachteiligung eines Zunft-
raitgliedes zu verhüten, bestand die Pflicht, zuerst den Greven und
dem. Hand werk den Kauf anzubieten und dann erst den Meistern
der Zunft.^) Damit kein Meister den anderen in seinem Erwerbe
schädigte, traf eine schwere Strafe jeden von der Zunft der Barbiere,
der aus Missgunst einen Patienten abspenstig machte, über die
Medikamente seines Genossen redete oder schmähte,^) sich um
einen geringeren Preis zur Arbeit anbot^) oder auf eine Anfrage
gegen besseres Wissen die Wohnung des Zunftgenossen verschwieg/)
Am weitesten in ihren sozialen Bestrebungen gingen offenbar die
Sackträger. Sie brachten den Erlös der Arbeit zur Teilung 1 Be-
hielt jemand etwas von dem Erwerb zurück, ging er allein auf
Arbeit oder verweigerte er sie, so trat eine Strafe von drei Merk
ein.^) Auch den Sackträgerfrauen war vorgeschrieben, einander zur
Arbeit zu rufen, gleich zu arbeiten und gleich zu teüen.
Wollte das Zunftwesen die immer sich erneuernde Produktion
in gleichen Schranken für die einzelnen Produzenten erhalten, so
musste sie ihr Augenmerk auch auf die technischen Einrichtungen
und den Ankauf der Rohstoffe richten.®) Bombasinern "') und
Posamentwirkern®) standen daher nur drei Webstühle zur Ver-
fügung und einem Posamentwirkerssohn, der bei seinen Eltern
wohnte, einer. Da das Posamen tierhand werk durch die Mühl-
stühle oder sogenannten Schnurmühlen gar sehr in Mitleidenschaft
gezogen wurde, so wurde deren Kauf, Einfuhr und Gebrauch
untersagt.^) Die Kupferschläger mussten sich anfangs mit zwei
Oefen begnügen.^®) Erst nach grossen Bemühungen trat ein Um-
schwung ein, indem ein Meister, der für seinen minderjährigen
Sohn das Handwerk erworben, mit vier Oefen arbeiten konnte;
eine Vergünstigung, die freilich mit dem Tode oder der Heirat
des Sohnes erlosch.^^)
Was den Ankauf der Rohstoffe anbetrifft, so durfte er nur
auf dem Markte erfolgen. Darum war es den Pelzern bei Verlust
des Ambachts auf drei Jahre verboten, den Pellen auf dem Wege
zur Stadt entgegenzugehen.^^) Der Ankauf der Pelle geschah viel-
mehr gemeinsam. Jeder teilte vorher seine Anteilnahme an dem
Kaufe mit, und die Pelle wurden dann durch das Los verteilt.
Selbständig aber einen Einkauf zu machen oder durch seine
Hausfrau oder sein Gesinde machen zu lassen, unterlag der Strafe
der Zunft. ^'^) Auch den Lodern war untersagt, „den schendelen
intghen zo ghayn".^*) Für die Löder waren zum Einkauf ihres
Materials Markttag und Einkaufszeit festgesetzt. Wer ausserhalb
1) B. der Schuhmacher. (1628) Nr. 54.
^) Auch die Zimmerleute bestraften den, der des anderen Werk veraohtete und
tadelte. R. d. Zimmerleute. Nr.^ 12.
^) Die Steinmetzen bestraften den mit zwei Goldgulden, der sich um eine Arbeit be-
warb, die ein anderer schon ausführte. R. der Steinmetzen. Nr. 19.
4) R. d. Barbiere. Nr. 8, 9, 10 und 11.
•">) Loersch, A. R. D. S. 156. Nr. 27. § 1.
<*) Vgl. Sohönberg, a. a. O.
f) R. (1625). - 8) R. (1626). - ») R., a. a. 0. (1685). — lO) r. (1550). Nr. 27.
11) R. d. Kupfersohläger. (1562).
12) 1520 u. 1641 wurde dieses Verbot erneuert. R. d. Pelzer.
13) R. d. Pelzer. (1461) Nr. 1-6.
1*) R. d. Leiendecker. A. Z. S. 375.
— 87 —
des Termines seinen Bedarf deckte, vorher Geld auf Pelle gab
oder „Behendigkeit und Arglist'' beim Einkauf zeigte, zahlte eine
Strafe von zwölf rheinischen Gulden.*) Wie sehr der Geist der
^Brüderlichkeit** das Zunftwesen durchdrang, bekunden die Be-
stimmungen der Schmiede. Kaufte ein Arabachtsmeister das zu
seinem Handwerk notwendige Holz ein, und ein Zunftgenosse be-
gehrte mit ihm zu teilen, so musste der Besitzer das Holz zu
demselben Preise, zu dem er es erworben, bei Strafe von einem
Pfund Wachs überlassen^) und ebenfalls auf W^unsch eines Meisters
ein halbes Müdt Kohlen.^)
Dies sind die wesentlichsten Wege, auf denen die Zunft ihr
hohes Ziel, gleiche Produktion, gleichen Absatz und gleichen Ge-
winn ihren Mitgliedern zu verschaffen, verfolgte und bestrebt war,
das Prinzip der Gleichheit und Brüderlichkeit zu verwirklichen.*)
^) B. d. Löder. Bl. 26. Extractus.
») A. Z. (1487) Nr. 4. S. 18.
») a. a. O. (1527) Nr. 12. S. 26 f.
*•) Sohönberg, a. a. 0. S. 112 f.
4. Kapitel.
Die kirchlich-religiösen Ziele der gewerblichen
Verbände.
Das Wesen der Zunft war nicht nur wirtschaftlicher, politi-
scher und sozialer, sondern auch relif^iöser Natur. Der christliche
Geist, der dem Mittelalter sein eigenartiges Gepräge gab, durchdrang
nicht zuletzt auch die Zünfte, um so eine würdige Verquickuiig
von Religion und Arbeit zu bewirken. Schon die häufig erwähnten
Abgaben in Wachs ^) weisen auf das religiöse Moment der Zünfte
hin. Dieses Wachs wurde meistenteils zu dem Gelichte, das jeder
Zunft bei der Sakramentsprozession vorangetragen wurde, verwandt^)
oder dem Patrone der Zunft ^) und zum Gottesdienste*) gestiftet.
Zu diesem Zwecke gaben die Pelzer und Buntwirker und die
Kupferschläger sogar einen Teil der Strafgelder oder der Hand-
werksgerechtigkeit.^) An der Sakramentsprozession mussten alle
Zünfte der Stadt teilnehmen.*^) Die Hutmacher verordneten als
Versammlungsort ihrer Zunft das Haus zum Hörn auf der Pau.
Hatte die Prozession schon die alte Pleischplanke passiert, zahlte
der Säumige ein Viertel Wein zur Strafe.'') Jeder Zunft voran
ward ein besonderes Gelicht getragen. Als Träger fungierten bei
den Steinmetzen®) der jüngste, den Schreinern^) die beiden jüngsten,
den Goldschmieden^^) und Mützenmachern^^) die vier jüngsten
Meister. Die beiden jüngsten Meister des Hutmacherambachts
brauchten nur für einen Träger zu sorgen, mussten dabei aber
auf ihre Kosten dieses Gelicht zieren und ausschmücken. '^j Einige
Zünfte, wie die Alträuscher,^^) Steinmetzen,^*) Mützenmacher^^) und
Schuhmacher/^) führten auch die Bilder ihrer Patrone in der Pro-
zession mit sich. Im Jahre 1577 war es noch gebräuchlich, dass
etliche Genossen einer jeden Gaffel am Vorabende des Sakraments-
tages in voller Rüstung die Schar wache bezogen.^') Der Rat gab
^) R. d. Goldschmiede. (1573) Kr. 7; R. d. Hutmacher Nr. 12; R. d. Mätzenmacher
Nr. 6 u. a. m.
^) R. d. Steinmetzen (1437); R. d. Schuhmacher (1461) Nr. 2; R. d. KupferHchläger
(1548) Nr. 2 u. a. m.
8) R. d. Hamacher. (1481) Nr. 6. — *) a. a. O.
5) R. d. Pelzer und Buntwirker Nr. 1; R. d. Kupferschläger (1656) Nr. 2.
°) Meyer, Aachensche Geschichte S. 517, vgl. auch R. d. Goldschmiede. Nr. 3.
') R. d. Hutmacher. Nr. 11.
8) R. d. Steinmetzen (1670) Nr. 2.
0) R. (1660) Nr 10. - »») R. Nr. 28. - ") R. (1506.) - ") r. d. Hutmacher. Nr. 17. -
1») R. (1603.) Nr. 13. - »*) R. (1434.) - ''^) R. - i«) R.
^'') Verordnung der Zunft zum Bock.
— So-
den Gaffeln bei dieser Gelegenheit eine Weinspende, die später
jedoch in eine Geldgabe umgewandelt wurde.^)
Dieser öffentlichen Betätigung des Glaubens reiht sich* an
die Pflege des religiösen Gedankens innerhalb der Zunft. War
auch die Befolgung des Gebotes von der Sonn- und Festtags-
heiligung eigentlich etwas SelbstverständHches, so scheint doch in
jener Zeit diese Pflicht gerne umgangen worden zu sein.^) Gegen
eine Sonntagsschändung wenden sich insbesondere Barbiere,*)
Krämer,*) Löder^) und Bäcker. Die Produktion des Bäcker-
fäfewerbes erforderte aber mitunter eine Durchbrechung dieses
Gebotes. Darum erhielten die Bäcker die Erlaubnis, Montags und
Dienstags in der Pfingstwoche den ganzen Tag, und am Sakraments-
tag, auf Grosskirmes, und wenn der Pesttag der heiligen drei
Könige auf einen Sonntag fiel, bis zum Beginn der Hochmesse in
ihrem gewerblichen Betriebe tätig zu sein.^)
Religiösen Beweggründen entspringend, waren sicherlich auch
die wohltätige Gesinnung der Zünfte gegen die Armen"') und das
Begräbniswesen. Die Teilnahme an der Beerdigung eines Zunft-
genossen oder eines seiner PamiHenangehörigen war bei den Schmie-
den,®) Posamentwirkern,®) Schneidern,^®) Bäckern,^^) Krämern,^^)
Steinmetzen ^^) und Hutmachern '*) obligatorisch. Die Schmiede Hessen
ausserdem, solange der Leichnam noch nicht ins Grab gebettet
worden, für den Meister oder seine Frau eine und für einen Greven
elf Seelenmessen lesen. Die Leiche selbst wurde von den Zunft-
brüdern zur Kirche und von der Kirche zu Grabe getragen. Wer
sich der Anteilnahme weigerte, zahlte eine Busse.^^) Von Brüder-
schaftswegen stellte man ein Leichentuch, geschmückt mit dem
Wappen des Ambachts auf den vier Ecken, zur Verfügung.^®) Die
Bäcker Hessen sogar hundert Seelenmessen beim Tode eines der
Ihrigen lesen und jährlich in der St. Antoniuskapelle für sämtliche
Abgestorbenen der Zunft ein Messopfer darbringen.^'') Demselben
frommen Brauche folgend, Hessen unter der Verpflichtung der
Anteilnahme seitens jedes Zunftmitgliedes eine Messe als Jahr-
gedächtnis der Abgestorbenen oder zum Heile der Lebenden lesen
die Schuhmacher^®) zu Quatember in der Kirche der Minenbrüder,
die Leiendecker ^^) Sonntags nach Quatember, die Alträuscher ^®)
am Tage ihres Patrons, des heiligen Krispinus (25. Oktober), die
Barbiere ^^) am Feste der heiligen Kosmas und Damianus (27. Sep-
tember), die Schmiede 2^) am Tage des heiHgen Eligius zu Ehren
^) R. d. Steinmetzen Kr. 28. — Eine Ratsentscheid ang vom Jahre 1601 wendet sich
sograr gegen das Schenken und Trinken wtthrend der Prozession, da dadurch zu viele
Störungen geschahen. A. Z. 8. 291. — lieber die Herleitung des Wortes ^schar* vgl. Grimm
Deutsches Wörterbuch. Bd. VIII. Spalte 2170. Schar ist ein altes Heereswort zur Bezeich-
nung einer Heeresabteilung, einer bestimmten Anzahl von Kriegern.
') Hartmann, a. a. O. S. 86.
») R. Nr. 22. Bl. 5 f. — *) R. Bl. 4 - ») R. Bl. 26 und 27. Extractus.
^) R. d. Bäcker 1547. Quix, Wochenblatt für Aachen und Umgegend. Jahrg. II. 8. 9.
') Vgl. S. 71 und A. Z. S. 368 und S. 358.
») A. Z. (1604) S. 53. — ö) R. (1625.) — i") R. Nr. 9. Bl. 2 und a
") Ordnung der Bftckerbrüderschaft. A. Z. S. 367.
**) Ordnung der Krämerbrüderschaft. A. Z. S. 357.
") R. ("1670) Nr. 23. — ") R. Nr. 10. — i») A. Z. S. 6. Kap. 6.
10) R. d. Kessler. (1667) Nr. 49. Bl. 14 f. und Bl. 15 Nr. 50. Ausserdem hatten sie auf
dem Leichentuch noch die Wappen der Greven.
1^) Ordnung der Bäckerbrüderschaft, a. a. O. S. 366 und 67.
»8) R. (1461) Nr. 6. — »») A. Z. Bl. 377. — ^) R. (1486) Nr. 6. - «i) R. Nr. 20. Bl. 5.
- ") A. Z. S. 4. Kap. 3.
— 90 -
Gottes, Maria seiner lieben Mutter, der heiligen Bligius, Quirinus
und der heiligen Katharina, ferner am Feste der heiligen Katharina
(25. November) und an allen Quatembertagen ; die Steinmetzen^)
am Tage der vier gekrönten Heiligen (8. November), die Krämer ^j
am nächsten Montag vor Kirmestag in der Kirche zum heiligen
Poillan mit zwölf Priestern und die Hutmacher') an einem nicht
näher bezeichneten Tage. Für die Verstorbenen stifteten überdies
die Schneider*^) eine Kerze der heiligen Anna, die Krämer*) dem
heiligen Nikolaus und die Bäcker®) zu dem Gelichte der Sakraments-
prozession.
Sinnigen Ausdruck verliehen die Zünfte ihrem religiösen
Denken und Fühlen, indem sie sich und ihr Handwerk unter den
Schutz eines mächtigen himmlischen Fürsprechers stellten, dessen
Verehrung sie in besonderer Weise förderten und pflegten. Vielfach
war dieser Heilige zugleich der Patron einer gleichnamigen religiösen
Brüderschaft, die innerhalb oder neben dem Handwerkerverband
eine würdige Pflegestätte eines wahren christlichen und frommen
Glaubens ward. Während die Schmiede^) und Goldschmiede®) den
heiligen Eligius, die Radermacher®) die heilige Katharina, die
Schneider ^^) die heilige Anna, die Tuchscherer^^) den heiligen
Christophorus, die Leiendecker^^) den heiligen Bernhard, die Mützen-
macher ^3) die heilige Muttergottes, die Barbiere^*) die heiligen
Kosmas und Damianus, die Spiegelmacher '^) den heiligen Lukas,
die Zimmerleute ^®) den Apostel Thomas und die Schuhmacher^^)
den heiligen Krispinus als ihren Patron verehrten, ohne dass jedoch
direkt von einer gleichnamigen religiösen Brüderschaft die Rede
ist, bildeten die Pelzer und Buntwirker ^®) die Brüderschaft vom
heiligen Johannes, die Bäcker^®) eine Brüderschaft in „ere des
heyigen gebenediden Marschalx des guden Sent Anthoins", die
Krämer^^) die des heiligen Nikolaus, die Alträuscher^^) bis 1603 eine
zu Ehren der heiligen Krispinus und Krispinianus und die Stein-
metzen ^^j eine Brüderschaft der vier gekrönten Heiligen. Ob
das Wollenambaoht auch Anteil an einer religiösen Brüderschaft
hatte, ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, da wir nur von
einer an die Werkmeister gerichteten Bitte um Errichtung
einer Brüderschaft hören. ^^) Indem ferner in den Rollen der
Goldschmiede, Leiendecker, Schuhmacher und Schneider in Ver-
bindung mit einer Spendung von Wachs oder Geld für Messen
der Ausdruck Brüderschaft gebraucht wird,^*) so darf man wohl
1) B. Nr. 26. — 2) A. Z. S. 358. — S) R. Nr. 12.
*) Verordnungen der Schneider. Kr. 9 Bl. 5.
6) A. Z. S. 357. - 6) A. Z. S. 367. — ') A. Z. S. 4. Kap. 3. - «) r. ^r. 12.
^) K. d. Kadermacher und Schmiede. A. Z. S. 4. Kap. 3.
10) R. Nr. 1. Bl. 1.
1^ K. der Schneider (1661) Bl. 10 f. — Die Tuchscherer verlangten auch die Ein-
setzung ihres Patrons auf dem Zunftsaal. Dieser Wunsch wurde aber abgeschlagen, a. a.
12) A. Z. (1533) Bl. 377 f. — i») R. (1678.) - i*) R. Nr. 20. Bl 5. — ") R. Nr. 1. -
16) R. Nr. 17.
1') R. d. Alträuscher. (1603) Nr. 13 — Früher verehrten die Alträusoher den heüigen
Krispinus. Laut Ratsentscheidung des Jahres 1603 aber sollte der heilige Krispinus Patron
der Schuhmacher und der heilige Krispinianus Patron der Alträusoher sein.
18) R. Nr. 5. - 19) A. Z. S. 362 l — «o) A. Z. S. 355 f. — ^t) R. Nr. 6 und Nr. 13. -
22) R. (1487).
*®) Werkmeiatergerioht. Bd. I. — Der Name des Heiligen ist unleserlich.
2*j R. d. Goldschmiede. Nr. 7; R. d. Leiendecker. A. Z. Bl 378; R. d. Schuh-
macher. Nr. 1; R. d. Schneider. Nr. 1^
— 91 ~
auch für diese an eine nach ihren Patronen benannte kirohliohe
Vereinigung denken. Ebenso waltet ein besonderes Verhältnis
zwischen „Ainbacht** und „Brüderschaft'' bei den Brauern*) und
Kannegiessern ^) ob. Auch hier liegt der Gedanke nahe, dass
diese ihren Mitgliedern in einer Brüderschaft die Gelegenheit zur
religiösen Betätigung boten.
Als besonderes Zeichen der Verehrung ihres Patrons gelobten
die Schmiede und Raderniacher, das Bild der heiligen Jungfrau
und Martyrin Katharina am Gashause auf dem Radermarkt zu
beleuchten.*) Die Bäcker*) verordneten am Abend des Antonius-
tages (13. Juni) ein Fasten, wofür die Brüderschaftsmitglieder
aller Wohltaten teilhaftig wurden, die in 364 zu Ehren des heiligen
Antonius gestifteten Klöstern geschahen. Ihre religiösen Uebungen
und Andachten verrichteten die Bäcker^) in der Kapelle des
heiligen Antonius, die Krämer®) in der heiligen Poillanskirche und
die Schuhmacher') in der Kirche der Minenbrüder.
Es erhebt sich nun aber die Frage, ob diese religiösen
Brüderschaften in ihrer gesamten Organisation mit der der Hand-
werkerverbände zusammenfielen, oder ob sie neben der Zunft mit
besonderer Verwaltung und Verfassung, aber doch in innerem
Zusammenhange miteinander bestanden. Letztere Form ergibt die
Brüderschaftsordnung der Krämer vom Jahre 1319^) und der Bäcker
vom Jahre 1350,®) während für die übrigen Vereinigungen ein ab-
schliessendes Urteil sich nicht bilden lässt.
Im Gegensatz zu der weltlichen Zunft war die Mitgliedschaft
der Frauen in den religiösen Brüderschaften eine übliche. Jeden-
falls waren diese Frauen die Ehefrauen der Zunftgenossen. Für
die Aufnahme betrugen die Gebühren, sei es Bruder oder Schwester,
bei den Bäckern*^) einen schweren Gulden, ein kleines Pfund
Wachs, eine Flasche Wein und für die Schreiber zwölf Denier.
Dasselbe verlangten mit Ausnahme des Wachses auch die Krämer.^^)
Der Umstand nun, dass bei der Aufnahme der jungen Handwerks-
meister in den gewerblichen Verband von einigen Zünften mit
religiöser Brüderschaft zugleich mit der Handwerksgerechtigkeit
auch eine Abgabe für die Brüderschaft gefordert wurde,*^) lässt
der Vermutung Raum, dass diese Abgabe mit dem Eintrittsgeld
der Brüderschaft identisch ist, und dass der Eintritt in die religiöse
Brüderschaft für jeden Zunftgenossen obligatorisch war.^^)
Wenn im folgenden eine Uebersicht über die Organisation
der Brüderschaften gegeben wird, so beruht diese nur auf den
Nachrichten, die uns über die Bäcker und Krämer erhalten sind.
Inwieweit diese auch auf die übrigen Brüderschaften zutrifft, muss
») R. Nr. 10. — ») R. — 3) A. Z. Nr. 1.
*) BrüderBchaftsordnuDgr d. Bäcker. A. Z. S. 368.
^) Brüdersohaftsordnung der Bäcker. A. Z. a. a. O.
") Brüderschaftsordnungr der Krämer. A. Z. S. 359.
') R. Nr. 6. — 8) a. a. 0. — ») a. a. O.
*») Brüdersohaftsordnung der Bäcker. A. Z. S. 368.
^^ BrüdersofaaftAordnaDgr der Krämer. A. Z. 8. 359.
*^ R. d. Steinmetzen. (1487); R. d. Schuhmacher. Nr. 1; R. d. Alträu8cher Nr. 1;
R. d. Goldschmiede Nr. 7; R. d. Krämer. BI. 3 f.
^') In Hildesheim war der Eintritt fakultativ (Hurtmann, a. a. O. S. 89), während an
anderen Orten wiederum ein Eintrittszwang herrschte. Vgl. Neuburg, a. a. O. S. 82.
— 92 —
bei dem Mangel der Quellen unentschieden bleiben. An der Spitze
der Brüderschaft standen, wie bei den weltlichen Vereinigungen,
zwei Greven. Der eine wurde durch die beiden früheren Greven,
der andere von den Mitgliedern gewählt. Die Wahl zum Greven
musste jeder, wenn er nicht im vorhergehenden Jahre ebenfalls
das Amt bekleidet hatte, oder zugleich in zwei anderen Brüder-
schaften Qreve war,^) annehmen. Im Weigerungsfalle bestraften
die Krämer beim ersten und zweiten Male mit Geld, beim dritten
Maie mit Ausschluss. Jährlich war eine Hauptversammlung, der
Stuhltag. Diesen hielten die Bäcker am nächsten Tage des heiligen
Antoniusfestes (13. Juni) und die Krämer am Tage des heiligen
Nikolaus, ihres Patrons (6. Dezember). Bei Vermeidung von Strafe
war der Besuch des Stuhltages eine Pflicht. War der Mann aus
einem triftigen Grunde verhindert, musste seine Frau ihn vertreten.
Auf dieser Versammlung fand die Rechnungsablage der Greven
statt. Den Greven zur Seite in der Finanzverwaltung standen
bei den Bäckern fünf oder sechs, bei den Krämern vier Mitglieder,
ohne deren Zustimmung keine Ausgabe gemacht werden konnte.
Mit ihrem eigenen Vermögen hafteten sie für das verwaltete Gut.
Falls aber die verantwortlichen Kassenrendanten die Schadenersatz-
leistung ablehnten, erfolgte eine Anzeige bei Bürgermeister und
Gericht. Eine eigentümliche Bestimmung erliessen die Bäcker.
Kein Geld sollte in die Hände der „Pfaffen** kommen. Die Bussen und
Strafen mussten alle pünktlich beglichen werden, widrigenfalls der
Schuldner sämtlicher Rechte verlustig ging. Auch eine eigene
Gerichtsbarkeit wurde von der Brüderschaft durch die Greven
oder die Mitglieder ausgeübt. Sie erstreckte sich auf alle Streitig-
keiten zwischen Brüdern mit Ausnahme von Körperverletzung und
Ungehorsam gegen die Greven. Auflehnung gegen den Richter-
spruch war mit Ausschluss aus der Brüderschaft verbunden.
Nach dem Tode des Mannes behielt die Frau bis zu ihrer
Wiederverheiratung die Mitgliedschaft, während der älteste Sohn
nur mit dem halben Geld, einem Viertel Wein beziehungsweise
einem halben Pfund Wachs und einer Flasche Wein seinen Ver-
pflichtungen nachzukommen brauchte. Charakteristisch für das
Wesen und den Geist der Brüderschaft ist im Gegensatz zu der
weltlichen Zunft, dass nach dein Verlassen der Stadt ein armes
Brüderschaftsmitglied bei seiner Wiederkehr ohne Entgelt in seine
früheren Rechte eintrat.
^) Mit diesen Brüderschaften sind wohl die allgemeinen religiösen Vereinigungen
der Stadt gemeint.
5. Kapitel.
Die Anzeichen des Niederganges und Verfalles.
Nachdem wir uns die Geschichte der Aachener Handwerker-
verbände von ihren Anfängen an, ihre Entwickelung und Blüte,
ihre Tätigkeit auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und reli-
giösem Gebiete vor Augen geführt haben, bleibt noch übrig, auch
den Beginn des Niederganges und Verfalles jener Institution, die
ihrer Zeit ein nie verlöschendes Gepräge gegeben, in etwa zu
kennzeichnen.
Nach der Blütezeit der Aachener gewerblichen Verbände im
14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts machen sich an-
fangs des 16. Jahrhunderts die ersten Zeichen eines nahenden
wirtschaftlichen Rückganges bemerkbar.
Die Ursache des allmählichen Verfalles der Zunft lag in ihr
selbst begründet; denn in dem Augenblicke, da die Zunft es
versäumte, das auf eine bestimmte Zeit zugeschnittene wirtschaft-
liche System der neuen in andere Bahnen einlenkenden Ent-
wickelung anzupassen, musste das drohende Ereignis eintreten.
Weniger freilich die wirtschaftlichen Verhältnisse als die Zunft-
organisation trägt in erhöhtem Masse die Schuld an dem Nieder-
gange. Durch diese wurde, sobald der Gedanke des öffentHchen
Amtes schwand, die Zunft zu einer PamiHen Wirtschaft, der nur
noch das Interesse für das eigene „Ich" am Herzen lag.^) Das
Bestreben ging mit der Zeit dahin, den Stand immer mehr durch
das Erbrecht auf das Amt abzuschliessen und den Zutritt neuer
zum Handwerk zu erschweren. Zur Erreichung dieses Zieles
scheute man vor keinem Mittel zurück, mochte es auch noch so
ungerecht sein.
Als ein Zeichen des langsam erwachenden Exklusivitäts-
prinzips kann man schon manche Verordnungen über das Lehrlings-
wesen deuten.^) So bitten 1535 die Bäcker um eine Erhöhung der
Lehrzeit, nicht etwa im Interesse des Handwerks selbst, sondern
1) stahl, Das deutsche Handwerk. Bd. I. Einfeitun?. S. 1 ff und Gierke, a. a. 0.
8. 915 ff.
') Vffl. Über die Ani'&nflre der Entartung des Zunftwesens Schanz, Zur Geschichte
der deutschen GesellenTerbände im Mittelalter. Leipzig: 1876. S. 7 ff, der diese Erscheinungen
hauptsächlich in bezug auf Lehrlings- und GeselUntum behandelt*
— 94 —
damit das „ambaoht nit vermaniohtfeldig" würde.^) Ebenso klar
über ihre wahre Absicht drücken sich die Schneider aus.^) Auch
die Bombasiner wünschten 1606 und 1623 eine Verlängerung der
Lehrzeit von zwei auf drei Jahre, um dem Andränge zu ihrem
Handwerk ein Hemmnis entge^^cnzusetzen. Freilich scheint es,
dass unlautere Beweggründe hier weniger den Anlass gebildet
haben und eine Verminderung der Meister wohl eine Notwendig-
keit war, da ^ihr Handwerk dermassen mit Meistern erfüllet, dass
anders die Nahrung geschwächt und in Abgang käme**.') Denselben
Zweck, eine Beschränkung der Meister herbeizuführen, verfolgten
wohl auch die Bestimmungen, dass die Lehrjahre nur in Aachen
oder in einer Reichsstadt*) ausgedient werden durften, oder wenn
Goldschmiede^) und Kupferschläger®) von den Fremden die aber-
malige Ableistung der sechs- beziehungsweise dreijährigen Lehrzeit
verlangen. Freüich konnten die drei .Jahre der Kupferschläger-
zunft mit zehn Goldgulden und die beiden letzten der Gold-
schmiedezunft mit je sechs Goldgulden abgekauft werden.'') Be-
weist aber nicht gerade jener Abkauf zur Genüge, dass keines-
wegs der Wunsch nach einer guten Ausbildung der Handwerker
die Triebfeder dieses Beschlusses war! Schädliche Waffen wurden
mit der Zeit in der Hand der selbstsüchtigen Zunft ferner der
„Wanderzwang*^ und die „Wartezeit^.
Wie nun die Zunft die Erwerbung der Meisterschaft den
Fremden erschwerte, so erleichterte sie diese andrerseits den
Familienmitgliedern ihrer Zunft genossen, so dass man bald von
den „Beerbten am Handwerk** sprach. So verrät eine Verordnung
der Schneider vom Jahre 1624 mehr Interesse für die eigene Sippe
als für das Handwerk. Durch die Heirat mit einer Meisterstoohter
oder -witwe erlangte nämlich jeder das Recht der Arbeitsausübung,
ohne Rücksicht darauf, ob das Handwerk gelernt und die Lehr-
jahre ausgestanden worden waren.®) Ja 1671 ordnet sie eine Ver-
minderung des Eintrittsgeldes für die Meisterssöhne wegen der ^be-
schwerlichen Zeiten" an.^) Im allgemeinen kann man der Erhöhung
der Handwerksgerechtigkeit ebenfalls unlautere Absichten der
Zünfte unterschieben und sie als eine Frucht der Familienwirt-
schaft auffassen. Vielfach richtet sich die Abgabensteigerung nur
gegen die, welche nicht am Handwerk geboren oder keine Bürgers-
kinder waren.^®) Die Bombasiner bitten 1599^^) um eine Erhöhung
des Ambach tsgeldes, weil ihr „Handwerk jetzige Zeit wegen der
ziemlich grossen Anzahl Personen infolge des geringen Ambachts-
geldes verfallet". Wenn sie dann aber weiterhin die Erhöhung
damit begründen, dass dadurch auch des Ambaohts unerfahrene
Meister vom Handwerk ferngehalten und gutes Kaufmannsgut in
den Handel der Stadt gebracht werden soll, so war dies offenbar
1) R. d. B&oker. (1535). vgl. auch Quix, Wochenblatt für Aaohen and Umffeirond.
II. Jhrg. S. 9.
3) R. Bl. 6. — >) R. d. Bombasiner. (1606) und a. a. 0. (1623).
*) Ygl. S. 54. — 6) R. Nr. 10. — «) R. (1510) Nr. 1.
^) Diese Verfninstierungr des Abkanfs wurde 1607 Boprar wieder aufgehoben.
Loersch, Die Rolle der Aachener Goldschmiedezunft vom 16. April 1573. Z. d. A. G. Bd. 13.
S. 267. Nr. 2.
8) a. a. 0. (1624) Bl. 7. — ») Zanftbuch der Schneider. Bl. 129 f.
^0) R. d. Krftmer. Bl. 8 f. — ") R. d. Bombasiner. (12. Oktober 1599).
— 05 —
nur vorgeschoben, um den Rat zur Erfüllung ihrer Bitte gefügiger
zu machen. Andrerseits erhellt daraus, dass manche Verordnungen
der Zünfte nur unter dem Scheine des Interesses für das Hand-
werk und das kaufende Publikum erlassen worden sind. Betrachtet
man die Klagen der Bombasiner und die daraus entspringen-
den Verordnungen der Jahre 1599, 1606, 1623 und 1625, so er-
halten diese durch einen anderen Umstand ein eigentümliches
Schlaglicht. Am 19. Dezember 1623 *) bitten nämHch die Bomba-
siner trotz ^der Ueberfüllung" den Rat um die Bestätigung, dass
der Gfeselle, der eine Meisterswitwe heiratet und sich dazu
^qualifizieren" würde, des Handwerks fähig sein, und nur die
Lehrjahre mit sechs Goldgulden bezahlen sollte. Am 3. Dezember
1626^) dürfen sogar alle ^Eingeborenen und am Wollenambacht
Beerbte*', sowie deren Söhne und Töchter, das neue brüggische
Borabasinhandwerk gegen eine Abgabe von nur '^/i Wein verrichten,
während die Fremden nicht nur die ordentliche Gebühr, sondern
auch die Lehrjahre laut Rolle zu leisten gezwungen waren. Das
Brauerambacht, von dem es 1511 heisst, dass es „verfult und ver-
mannichfeldicht von Bruwern** wird, sucht durch die Forderung
eines Kapitals von hundert Gulden den Kreis seiner Handwerks-
meister zu verengen.^) Auf der anderen Seite aber gewährte es
den Meisterssöhnen und auch den Töchtern zur Erwerbung des
Handwerks die weitgehendsten Vergünstigungen,*) Klarer kann
kaum die Famüienwirtsohaft und der kleinliche Monopolgeist der
damaligen Aachener Zünfte zum Ausdruck kommen.
Nicht immer aber war in diesem egoistischen Streben
der Zünfte der Erfolg auf ihrer Seite, da der Rat der Stadt
manchmal ihren Absichten hindernd in den Weg trat. Die
Bombasiner, die einfach keinen Fremden zu ihrem Handwerk
mehr zulassen wollten und demgemäss zwei Handwerkern aus
Maastricht den Eintritt in die Zunft verweigerten, mussten auf
Befehl des Rates die beiden annehmen.^) Ebenso handelte der
Rat, als das Schneiderambacht einem Johann Winandts die
Aufnahme versagte. Der Rat begründete seinen entgegen-
gesetzten Standpunkt damit, dass der Genannte ehrlich das Hand-
werk gelernt und auswärts in anderen berühmten Städten aus-
geübt habe.®) Hier handelte es sich offenbar um einen tüchtigen
Meister, den die Zunft aus eigennützigen Gründen fernhalten
wollte. Freilich wird diese hier und da zum Ausdruck kommende
Gegnerschaft des Rates von keiner grossen und prinzipiellen Be-
deutung gewesen sein und mit nichten einen Stillstand in der
Entwiokelung der Zunft zu einer exklusiven Kaste bewirkt haben,
sondern sie wird nur dann hervorgerufen worden sein, wenn eine
Zunft ihre B^amilienwirtschaft allzu stark betrieb. Der Rat der
Stadt bestand ja in seiner Mehrheit aus zünftigen Handwerkern,
die sicherlich niemals von den allgemeinen Anschauungen der
Zünfte abwichen.
<) R. d. Bombasiner. (1623).
•) a. a. O. (1626). Nr. 1 und 2. — ») R. Nr. 1.
♦) a. a. 0. Nr. 4 und ft; vgl. auch S. 46 u. S. 47.
<^) B. d. Bomlmsmer. (1626). — <>> E. d. Schneider. (1616) Bl. 6.
- 96 —
Mag nun hier und da eine Beschränkung der Meister durch
die Verhältnisse gerechtfertigt gewesen sein, so lässt sich doch
nicht verkennen, wie die Parnilienpolitik aUinählich den ehedem
gesunden Organismus der Zünfte durch ihr schädliches Gift zer-
setzte. Mit diesem innerlich sich vollziehenden Auflösungsprozess
arbeitete Hand in Hand zum Untergange des Zunftwesens von
aussen her ein ihm neu entstandener gefährlicher Gegner, die
veränderte, auf anderer Grundlage sich aufbauende Betriebsweise.
Diese neue Betriebsweise, das Verlagssystem, brach sich in Aachen
zuerst; wie ja die Natur des Gewerbes es verständlich macht, Bahn
in der Tuchmanufaktur und dem Bombasinfärberhandwerk. Zum
Schutze des Handwerks und zur Verhütung jeder Benachteiligung
wurde daher unter Zustimmung der Werkmeister eine besondere
Verfügung erlassen. Kein Färber sollte unter dem Scheine, als
ob er für eigenen Bedarf arbeite, von anderen Kaufleuten das
dazu gehörige Material annehmen und gleichsam in deren Namen
als „Meistersknecht oder Diener des Handwerks* arbeiten. Zur
Vermeidung jeglichen Verdachtes, aber auch zur Tilgung jener
Ungebühr war es den Färbern untersagt, in oder neben der Be-
hausung von Kaufieuten zu wohnen und ihr Handwerk auszuüben.
Bei dringendem Verdacht gegen diese Vorschrift gehandelt zu
haben, verlangte man eine Erklärung an Eidesstatt.')
Weitere Momente, die für den Niedergang der Aachener Hand-
werkerverbände in Betracht kommen, sind in den grossen Unglüoks-
fällen zu zuchen, die im Laufe der Zeit Aachen heimsuchten und
seine Bevölkerung verminderten. Die Zahl der Handwerker war
so gering geworden, dass im Jahre 1677 jeder Fremde die Zunft-
mitgliedschaft unentgeltlich erhielt, 2)
Die äusseren Erscheinungen waren freilich höchstens dazu
angetan, den Verfall der Zünfte zu beschleunigen, aber nicht ihn
zu veranlassen. Die wahren Gründe und Keime des Niederganfj^es
liegen, wie wir gesehen, nur in inneren Verhältnissen, und zwar
vor allem in der engherzigen und kleinlichen Privilegien- und
Selbstsucht der Zünfte. Denn durch diese einseitige Begünstigung
der Meisterfamilien wurden dem Handwerk auf der einen Seite
die besten Kräfte entzogen, auf der anderen Seite ihm vielfach
eine wenig brauchbare und gute Nachkommenschaft zugeführt.
So fehlte dem Handwerk das neue belebende und lebensfrische
Element, das unter Würdigung der veränderten wirtschaftlichen
Lage der Zünfte alte Bedeutung bewahren und sie einer neuen
Zukunft hätte entgegen führen können. Doch trotz all dieser
späteren Schwächen und Mängel darf man nicht die hohe
Bedeutung und die segensreiche Tätigkeit der Zünfte verkennen,
die sie während der Zeit ihrer Blüte und Macht ausgeübt. Sie
allein haben das Handwerk aus seiner verachteten Stellung eu
jener Höhe emporgehoben, die ihren Ausdruck findet in den
Worten: j,Das Handwerk hat einen goldenen Boden 1"
^) R. d. Bombasiner (zw. 1638 und 44).
>) Quix, Historisoh-topoffraphisohe Besohrelbung der Stadt Aachen. S. 16&
II. Teil.
Die Zünfte ohne gewerblichen Charakter.
Ausser den Handwerkerverbänden weist die Geschichte Aachens
auch noch eine Reihe von zünftigen Vereinigungen auf, die sich
wesentlich von den ersteren durch ihre Entstehung und ihren
Charakter unterscheiden. Ihr Alter, ihre Zahl, ihre Zwecke und
Ziele sind ebenso in Dunkel gehüllt wie die Anfangszeit der ge-
werblichen Zünfte. Nur wenige Angaben stehen zu Gebote, um
jenes Dunkel zu durchdringen und auch diese Seite genossenschaft-
licher Vereinigung zu beleuchten.
Zuerst tritt nachweislich die Zunft zum Stern ^) im Jahre 1376
in die Aachener Geschichte ein. Sie bildete, da berichtet wird,
„den gesellen van den Sterren, dat sii by eyn bleven als lange
der Keyser ind Kflynnyng zu Aighen wären 16,^) eine Art Nobel-
garde, wofür sie von der Stadt besoldet wurde.^) Vielleicht bestand
diese Zunft aber schon früher. Ihr späteres Zunftgebäude, die
jdomus Stella", wird schon 1349 genannt.*) In dem Qaöelbrief
des Jahres 1450 wird die Zunft an letzter Stelle als „alter Stern"
aufgeführt; während die erste Stelle der in diesem Jahre gegründete
^neue Stern** einnimmt. Der den beiden Zünften gemeinsame
Name legt die Vermutung eines zwischen beiden obwaltenden
Zusammenhanges nahe. In der späteren Zeit — so von 1513 ab^)
— kommt nur noch eine Sternzunft vor. Ob also eine Ver-
schmelzung beider oder eine Auflösung der einen oder anderen sich
vollzogen hat, bleibt unbestimmt.^)
Neben dem alten Stern wird nn Jahre 1385 bei den Wein-
spenden der Stadt auch noch eine Gesellschaft „zu heren Adayms
huys" genannt,') an deren Stelle nach der städtischen Ausgabe-
reohnung 1391/92 eine Gesellschaft „zen Paradiesse** tritt.®) Auch
1) Oppenhoff, Die Aachener Sternzunft. Z. d. A. G. Bd. XV. S. 236 ff.
2) Laurent, A. St. R. S. 255. Z. 25.
3) Oppenhoff, a. a. 0. 8. 238.
*) Laurent, a. a. O. S. 202.
6) Gaffelbnef von 1681.
«) Oppenhoff, a. a. 0. S. 239.
7) Laurent, a. a. 0. S. 297. Z. 27.
8) a. a. 0. S. 376. Z. 19.
— 98 --
hier bleibt die Frage ungelöst» ob mit diesem Jahre die Gesellschaft
^zu heren Adayms huys** sieh auflöste oder vielleicht unter diesem
veränderten Namen weiter bestand.*) Während die Bedeutung
der beiden letzten Zünfte wohl nicht eine allzu grosse gewesen
sein mag, scheint die Zunft vom Löwenberg, seit 1553 nach ihrer
Uebersiedelung in das Haus „zum goldenen Bock'' Zunft zum Bock
genannt,') in grösserem Ansehen gestanden zu haben. In einem Streite
zwischen dem Kapitel des Marienstiftes und dem Rate der Stadt
im Jahre 1424 wendet sich sogar das Kapitel um Vermittelung
an die Gesellschaft Löwenberg. ^) Ihr Zunftbuch vom Jahre 1412^)
gibt uns die erste authentische Nachricht von ihrer Existenz.
Im Ansohluss an die Streitigkeiten zwischen Kapitel und Rat
wird berichtet, dass in jenen Zeiten in Aachen Unruhen gewesen,
Parteien und Gesellschaften hätten sich gebildet, von denen als
die bedeutendsten neben der Gesellschaft Löwenberg die Gesell-
schaften ^Schwarze Ähre** und „Pontort** die Geschichte aufweise.^)
Weiterhin bestand in Aachen die „geselschaff van leewensteyn'',
die am 12. März 1430 an den König Sigmund über den Aufstand
des Jahres 1418 zugunsten des Rates berichtet. In der Folgezeit
wird ihrer niemals mehr gedacht. Immerhin muss diese Gesellschaft,
da sie zugleich mit den hochangesehenen Werkmeistern und als
einzige der nicht gewerblichen Verbände an den König jenen
Bericht liefert, von einer gewissen Bedeutung gewesen sein. Um
so auffallender ist es, dass diese Gesellschaft mit ihrer Erwähnung
im Jahre 1430 zugleich ans Licht tritt und verschwindet, ein
Umstand, der in Verbindung mit anderen eigentümlichen Erschei-
nungen den Gedanken an eine in andere Bahnen einlenkende
Entwickelung dieser Zunft nahelegt. Das Haus Löwenstein,
wahrscheinlich das Zunfthaus (Ecke Markt und Pontstrasse®), erhält
im 15. und 16. Jahrhundert den Zusatz „up Pontort".'^) Nach
Quix®) und Fürth ^) soll aber das diesem gegenüberliegende Haus
(Ecke Markt und Pontstrasse,) das ebenfalls „up Pontort** bezeich-
net wurde, das Zunfthaus einer besonderen Zunft „Pontort" gewesen
sein. Nun sind aber die Quellen, auf die Quix und Fürth sich
stützen, recht zweifelhafter Art, und ausserdem ist es unwahr-
scheinlich, dass jenes Haus, in dem die Schöffen ihre Sitzung^en
abhielten,^®) zugleich auch ein Zunfthaus war. Daher bleibt der
Vermutung Raum, dass die Zunft Löwenstein und Pontort identisch
1) Hoeffler, B. 193.
^) MaocOj Das Haus zum Löwenberg. Mitteilungen des Vereins für Kunde der
Aachener Vorzeit. Jahrg. 13. S. 96.
^) Quix, Münsterkirohe. S. 87 f.
*) Verordnungen der Zunft zum Bock. Weiterhin besass diese Zunft ein Zunftbuch,
Nr. 2 von 1441 bis 1500; Nr. 3 von 1500 bis 1550; Nr. 4 von 1553 bis 1618; Nr. 5 von 1619
bi8 1767; Nr. 6 von 1767 bis . . . .; ausserdem ein Verzeichnis der Abgestorbenen, 1414
beginnend. — Macco, Beiträge zur Genealogie rheinischer Adels- und Patrizierfamilien.
^d. IL S. 150, ändert die auch von Quix, Beiträge zur Geschichte der Stadt Aachen und
ihrer Umgebungen III, S. 100 bis 107, für das erste Zunftbuch der Gesellschaft Löwenberg*
berichtete Jahreszahl 1412 in 1414 um. Diese nan^rebliche Verbesserung" seitens Macco ist
wohl durch die Verwechslung des Verzeichnisses der Abgestorbenen vom Jahre 1414, das
er a. a. O. S. 151 veröffentlicht, mit dem Zunftbuch von 1412 herbeigeführt worden.
^) Quix. Munsterkirche S. 87. Anmerkung 79.
. <>) Das heutige Geschäftshaus der Firma Vonhoff-Wildt, Markt 41.
^ Pick, Aus Aachens Vergangenheit S. 563.
^) Quix, Münsterkirche. S. 87.
») V. Fürth, Bd. III. S. 393.
10) Pick, a. a. 0.
99 —
sind. Freilich ist keineswegs zu entscheiden, ob die spätere Zunft
Pontort aus einer Verschmelzung der Gesellschaft Löwenstein und
einer ehemaligen Vereinigung Pontort entstanden, oder ob die
Gesellschaft Löwenstein infolge der näheren Bezeichnung ihres
Zunfthauses durch den Zusatz „up Pontort** ihren Namen dem-
entsprechend änderte. Bin Analogen zu letzterer Erscheinung
haben wir ja in der Zunft Löwenberg. Mit dem Wechsel des
Zunfthauses Hess diese auch einen solchen des Namens eintreten.
Hiermit wäre denn auch das Fehlen einer Zunft Löwenstein im
GafFelbrief des Jahres 1450 erklärt.
Der besondere Name jener Verbände stammt allem Anscheine
nach von ihren Versammlungshäusern; der Name Stern von der
domus Stella,^) Schwarze Ähre von dem Hause zum schwarzen
Adler in der Jakobstrasse,^) Pontort von der Bezeichnung „up
Pontort," Löwenberg von einem Hause auf dem ßüchel,^) das einen
gegen einen Felsen gestemmten Löwen als Wahrzeichen trug, und
Bock von dem Gebäude zum „goldenen Bock".*) Die allgemeine
Bezeichnung war Gesellschaft, Zunft schlechthin oder GalBfcl insbe-
sondere zum Zeichen ihrer politischen Berechtigung.
Indem die Form „Ambacht" auf jene Vereinigungen keine
Anwendung findet, wird schon äusserlich auf den zwischen ihnen
und den Handwerkerverbänden herrschenden Unterschied hinge-
wiesen. Sind diese ein Ergebnis der damaligen wirtschaftlichen
Lage, so sind jene infolge der durch die Zunftunruhen veränderten poli-
tischen Verhältnisse gezeitigt worden, mögen auch die kleinen Gesell-
schaften „zu heren Adayms huys" und „zen Paradiesse" nur geselligen
Zwecken ihre Entstehung verdanken.^) Denn dadurch, dass die
Handwerkerverbände versuchten, das alte Patrizierregiment zu
sprengen und gleichsam eine demokratische Regierung zu schaffen,
blieb den Geschlechtern und den anderen Bürgern, wenn sie sich
nicht gänzlich jedes Einflusses auf die Verwaltung der Stadt
berauben lassen wollten, wohl anders nichts übrig, als sich ebenfalls
zunftmässig zu organisieren.®) Von diesem Gesichtspunkte aus
wird über die Gründung der neuen Sternzunft berichtet, dass durch
den im Jahre 1450 zum äusserten getriebenen Aufruhr die Schöffen
sich gezwungen sahen, für sich eine Zunft, so die neue Sternzunft
war, zu errichten."') Fällt doch auch die Entstehung der Zünfte
Löwenberg (Bock,) Schwarze Ähre und Pontort (Löwenstein) in
politisch bewegte Zeiten!
Diese vier Zünfte und der alte Stern wurden denn auch
1450 durch den Gaffelbrief in die Reihe der politisch berechtigten
Verbände aufgenommen. Mit der weiteren Machtentfaltung der
Handwerkervereinigungen scheint ein Niedergang dieser Gesellschaf-
ten Hand in Hand gegangen zu sein. Denn 1513 werden im Rate
^) Auf dem Marktplätze, an der Stelle, wo jetzt das Warenhaus Tietz steht.
') Jetziges Haus Jakobstrasse Nr 45.
') Dieses Haus (heute Büchel Nr. 15) pachtete die Zunft 1442. Verordnungen der
Zunft zum Book.
*) Maeoo, Das Haus zum Löwenberg, a a. 0. S. 95.
») Hoeffler, S. 193.
') Oppenhof^ a. a. O. S. 237.
^ V. Fürth, I. S. 120 ff.
— 100 —
statt der Qesellsohaften Schwarze Ähre und Pontort zwei Hand-
werkerzünfte und der alte und neue Stern nur als eine Sternzunft
aufgeführt.*)
Die Berührung der Frage nach der politischen Berechtigung
dieser Zünfte gibt weiterhin Anlass, ihre Stellung zum Rate zu
erörtern. In dem Wesen dieser Zünfte liegt es schon begründet,
dass von einer Verleihung von Statuten oder sogenannten Rollen
nicht die Rede sein kann, ebensowenig wie von einem Einfluss
des Rates auf ihre Organisation und Verfassung. Ihr Vorkehr mit
dem Rate der Stadt war politischer Art. In diesem Sinne sind
auch die „Ratsüberkömbste" zu deuten, die ein Verzeichnis der
Sternzunft aufführt, deren Inhalt aber nicht mitgeteilt wird Unter
anderem führt dieses Besitzverzeichnis auch den „Schlüssel eines
Ehrbaren Rats Kassa, darinnen das grosse Siegel liegt", auf. 2)
Die Mitglieder dieser Zünfte gehörten teils den vornehmen
und besseren Bürgerkreisen, teils den Patriziergesohlechtern an. Die
hervorragendste Stellung sowohl durch den Adel ihrer Mitglieder, als
auch durch ihren Einfluss nahm ohne Zweifel die „löblich adelige
Gesellschaft und Zunft zum Stern" ein. Neben den Patriziern w^ar
auch die hohe Geistlichkeit durch einige canonici^) und im Jahre
1560 der Episkopat durch den Bischof von Lüttich, Gerhard von
Grusbeck, vertreten.*) Nur aus ihrer Zunft wurden die SchöflFen
genommen, und ihr stand das Recht zu, aus ihrer Mitte einen
auf ein Jahr „regierenden" und „abgestandenen" Bürgermeister
im Rate zu haben. ^) War die Sternzunft somit die Zunft des
Adels, der Aristokratie und der früher regierenden Geschlechter,
so umfasste die Gesellschaft zum Bock (Löwenberg) „die für-
nembsten und haabseligsten Bürgeren, die sich mehrerer Theill
Ihrer Renthen und sonsten des Kaufmannshandels erhalten**.®)
Im Jahre 1417 werden ein Bäcker und ein Sattler sogar zu
Greven dieser Zunft gewählt.^) Es sind dies offenbar zwei Hand-
werksmeister, die, ihre Gewerbe nicht mehr ausübend, sich zur
Ruhe gesetzt hatten. Eine spätere Nachricht aus dem Jahre 1614
führt die Zunft zum Bock als solche auf „ubi itidem nobiles,
doctores, literati, mercatores et alii eiusmodi spectabiles viri"
waren.®) Aus sehr angesehenen Bürgern setzte sich nach den
der Urkunde vom 12. März 1430 anhängenden Siegeln ebenfalls
die Zunft „van leewensteyn* zusammen.
Die Verfassung und Organisation dieser Zünfte war genau
nach dem Vorbilde der Handwerkerzünfte zugeschnitten und wohl
unmittelbar, wie aus den erhaltenen Ueberlieferungen der Zunft
zum Bock (Löwenberg) und Stern hervorgeht, diesen entnommen.
1) Gaffelbrief yon 1681.
') Verordnungen der Stemzunft
") a. a. 0.
*) y. Fürth, II. S. 204. Die Benennung des Bischofs ist in den Aufzeiohnungen ver-
schieden, bald Gnisbeck, bald Grosbeok.
6) V. Fürth, I. S. 120 ff. und Gaffelbrief von 1681. Nr. 6.
0) Aktensammlung von 1590—96. BL 206 f. und 273.
^ Verordnungen der Zunft zum Book.
B) y. Fürth. 11. S. 211. — Nicht zutreffend ist es, wenn Quix, Historisch-topogra-
phische Beschreibung der Stadt Aachen S. 147 und Macco, Beiträge zur Genealogie rheini-
scher Adels- und Patrizierfamilien, II. S. 160 die Mitglieder der Zunft zum Book fast
ausschliesslich als Angehörige des Geiehrtenstande^ bezeichnen.
— 101 —
An der Spitze der Zunft standen zwei Greven^ deren Amts-
dauer ein Jahr betrug. Bei der Oesellsohaft Löwenberg wählten
die alten Greven den einen, während den zweiten die übrigen Mit^
glieder erkoren. Stimmenmehrheit gab den Ausschlag, bei Stimmen-
gleichheit entschied das Los. Ungehorsam gegen die Greven wurde
mit Verlust der Mitgliedschaft bestraft. Auch eine eigene Gerichts-
barkeit stand diesen Zünften zu. Streitigkeiten und alle Ereignisse
auf dem Zunftsaal kamen vor das Forum der Greven und zwölf
hierzu gewählter Mitglieder.^) Diese zwölf Männer wurden gleich
den Greven auf der Hauptversammlung der Zunft, dem Stuhltage,
gewählt. Dieser war bei der Zunft zum Stern auf St. Bartholo*
mäustag*) (24. August), während die Zunft zum Bock (Löwenberg)
ihn zu verschiedenen Zeiten abhielt. Im Jahre 1413 war es der
St. Barbaratag (4. Dezember), 1414 am Tage des heiligen Gallus
(16. Oktober), 1415 am 5. August und 1417 am Tage des heiligen
Jakobus (25. Juli). Jeder hatte dem Rufe auf die Laube Folge
zu leisten, strengstes Stillschweigen über die Verhandlungen bei
Verlust der Zunftangehörigkeit zu beobachten und auf dem Stuhl-
tage bis zu dessen Ende zu bleiben.^)
Die jährlichen Hauptversammlungen waren aber nicht die
einzigen Gelegenheiten, die die Zunftmitgliedor auf den Lauben
vereinigte. Die Pflege des Frohsinns und der Geselligkeit wird
im Laufe der Zeit, als der politische Hader und Kampf glücklich
überwunden, immer mehr der Zweck dieser Vereinigungen ge-
worden sein. Darauf weisen auch die Teller, Löffel und Schüsseln
hin, die in den verschiedensten Grössen in den Inventarverzeich-
nissen der beiden Gesellschaften Stern und zum Bock (Löwenberg)
aufgeführt werden.*)
Als Ort der Versammlungen dienten die eigenen Zunfthäuser.
Da sie schon oben erwähnt, sei hier nur von jenen berichtet,
über die die Quellen etwas reichlicher fliessen. Das Zunfthaus
zum Bock (Löwenberg) auf dem Büchel war zwischen vier steiner-
nen Mauern als ein gewaltiger Turm gebaut. Achtzehn bis
zwanzig Fenster zierten das Haus.*^) Die Sternzunft wird 1573
zusammenbeschieden, um über den ^ansehnlichen kunlichen now
bouw" und das „aide Haussgen" zu beratschlagen. Den Greven
wird von der Gesellschaft die Gewalt gegeben, Zinsbriefe und
einen Ort, den die Gesellschaft auf dem Gute des Herrn Bonifatius
Kolen(?) gekauft hatte, oder sonstiges Eigentum zu verpfänden. Vor
einer allzugrossen Belastung der Gesellschaft sollten sie sich aber
hüten. Weiterhin sollte einer, der mit der Aebtissin von Burtscheid
bekannt war, um vier oder fünf „Steigerholzer** anfragen und auch
die au der Zunft gehörigen Reichsleute ersucht werden, vier oder
sechs Blöcke zur Hülfe zu geben. Im Jahre 1644 vermietet die
^) Verordnungen der Znnft zum Book. Fol. 14. — In den letzteren erkennen wir die
zwölf Gerichtsgeschworenen der Handwerkenrerbände wieder.
') Veroi*dnungen der Stemzunft. Späterhin am 22. Jnni. Oppenfaoft a. a. O. S. 243.
") Vgl. Verordnungen der Zunft zum. Bock. Fol. 4, 8, 14, 17 und Verordnung des
Jahres 1417.
*) Verordnungen der Zunft zum Book. a. a. 0.
^) Macoo, Das Haus zum Löwenberg. a. a. O. S. 95. .
— 102 —
Zunft die grosse Behausung zum grossen und kleinen Stern auf
eine Zeit von acht Jahren an Laurenz Hermes für jährlich 43 Taler,
jeden Taler zu 26 M. gerechnet. Fernerhin besass die Zunft
Ländereien, den sogenannten Bend, der sich an der Wurm ausserhalb
St. Adalbertstor befand. Dieser Besitz wurde 1591 auf zwölf
Jahre für 200 Taler, den Taler zu 25 M., und Uebernahme sonstiger
Verpflichtungen verpachtet. Die Verwaltung des Zunftbesitzes
und des gesamten Finanzwesens war wahrscheinlich analog der
Zunft Löwenberg Sache der Greven. Eine Rechnungsablage erfolgte
auf dem Stuhltage. Die Haupteinnahmequellen waren jedoch für
die einzelnen Gesellschaften die Beiträge der Mitglieder. Der
jährliche Beitrag der Gesellschaft zum Bock (Löwenberg) belief
sich auf drei Merk und war auf dem Stuhltage zu entrichten.
Zahlte jemand nach diesem Termin, so verdoppelte sich der Betrag.
Eine weitere Kräftigung der Finanzenlage bi'achten die Straf-^) und
Eintrittsgelder. Die Aufnahmegebühr betrug bei der Sternzunft
einen Goldgulden und T^) ad 16 Merk Wein,^) bei der Gesellschaft
Löwenberg acht Gulden, seit 1417 drei rheinische Gulden, zwei
Viertel Wein, ein Dweelde (Leinwand), ein Küssen (Sitzkissen), seit
1593 elf Gulden und dem Diener 1 M. Auch ein ^ Meisterschmaus*
war seit 1585 in der Zunft zum Bock (Löwenberg) übHch. Den
Söhnen der Zunftmitglieder wurden bei der Bewerbung Erleichte-
rungen gewährt. Sie zahlten dei* Zunft Löwenberg nur zwei Gulden,
ein Viertel Wein |.un(i übernahmen die übrigen Verpflichtungen.*)
Neben der finanziellen Leistung verlangten diese Zünfte von
ihren neuen Mitgliedern sicherlich den Nachweis eines guten
moralischen Lebenswandels und eine ihrer Zunft entsprechende
soziale Stellung. 1656 macht Löwenberg die Aufnahme von der
ehelichen Geburt abhängig. Eine x\ufnahrae erfolgte nur auf dem
Stuhltage mit Wissen und Wülen der ganzen Zunft.^) Wurde aber
das neue Mitglied sofort als vollberechtigt aufgenommen, oder ging
vorerst der vollen Mitgliedschaft eine Art Probe- oder Wartezeit
voraus? Letzteres dürfte sehr wahrscheinlich sein; denn nicht nur
diente die Organisation der Handwerkerverbände diesen Gesell-
schaften zum Vorbüde, sondern ganz besonders scheint dies annehm-
bar aus dem Grunde, weil in der Bezeichnung der Aufzunehmen-
den bei der Sternzunft einmal ein bemerkenswerter Unterschied
gemacht wird. Das eine Mal heisst es als „Geselle*, das andere
Mal als „Mitbruder'^. Mit der Aufnahme als Mitbruder ist keine,
mit der als Geselle aber eine Abgabe verbunden,®)
Der Exklusivität dieser Zünfte entsprechend, wird die Zahl
der Mitglieder nie eine erhebliche gewesen sein. Bis zum Jahre
1527 gehörten der Sternzunft 105 MitgHeder an.') 1572 waren
es mit den Zünftgenossen aus dem Aachener Reich dreissig. Die
^) Verordnung der Zunft zum Bock. Fol. 18.
^) Bedeutet wohl ein Mass.
*) Verordnungen der Sternzunft.
*) Verordnungen der Zunft zum Bock. Fol. 17.
S) a. a. O.
^) Verordnungen der Sternzunft.
^) Handsohr. Aufzeichnungen Ton der Hand des Quiz.
— 103 —
grösste Mitgliederzahl wies die Gesellschaft zum Book (Löwenberg)
im Jahre 1636 mit fünfundvierzig auf.
Gemäss dem Zuge der Zeit finden wir auch bei diesen
Zünften eine Betätigung des religiösen Lebens, wenn freilich
auch nicht in der ausgesprochenen und vollendeten Weise, wie
bei den Hand werker verbänden. An der Beerdigung eines ver-
storbenen Zunftgenossen, dessen Frau oder Kinder, musste jeder
bei Strafe von drei Schillingen sich beteiligen. Die Darbringung
einer Seelenmesse verlieh dann weiterhin der pietätvollen Erinnerung
an den Verstorbenen einen würdigen Ausdruck. Gleich den ge-
werblichen Gaffeln bezogen auch sie noch 1577 in voller Rüstung
am Abend des hl. Sakramentstages die Scharwache ^) und beteüigten
sich an der Sakramentsprozession. Zu diesem Zwecke musste
jedes Mitglied der Zunft zum Bock (Löwenberg) seine Kogel, das
Zunftabzeichen, unter Verlust der Mitgliedschaft bereithalten.^)
Ist in dem Vorliegenden der Versuch gemacht, ein annähernd
getreues Bild von der Organisation und Verfassung dieser Ge-
sellschaften zu entwerfen, so gibt es uns trotz der Dürftigkeit der
üeberlieferungen doch Gelegenheit zu erkennen, wie tief und
weitverzweigt zünftiges Wesen und zünftige Art ihre Wurzeln
geschlagen haben. Organisation und Verfassung jener Gesellschaften
sind gleichsam nur ein Spiegelbild der gewerblichen Zünfte.
^) Verordnungen der Zunft zum Book.
V Verordnungen der Zunft zum Bock. Fol. 15. — Ueber die Gesellsohaft Löwenberg
Tgl. Quix» Beiträge zur Geschiohte Aachens. Bd. IIL S. 100 t, dem^ wo nichts anderes be-
merkt» die tatsftchliohen Nachrichten über diese Zunft entnonunen sind.
Die Zünfte der Stadt Aachen
bis zum Jahre 1681.
►♦■ ••—«-—
I. Die Handwerkerzünfte.
L Die selbständigen Handwerkerzünfte.
a) Die politisch berechtigten:
1. Bäcker.
2. Brauer.
3. Fleischer.
4. Krämer.
5. Kupferschläger.
6. Löder.
7. Pelzer.
8. Schneider.
9. Schmiede.
10. Schuhmacher.
11. Wollenambacht oder
Werkmeisterlaube.
12. Zimmerleute.
b) Die politisch nicht berechtigten:
1. Alträuscher und Schoyn-
lepper.
2. Barbiere, Wund- und
Arzneiktinstler.
3. Bombasiner.
4. Passbender.
5. Plasch-u. Lampenmacher.
6. Goldschmiede.
7. Kannegiesser.
8. Kessler.
9. Kohlenwerk. (?)
10. Kratzmacher.
11. Leineweber.
12. Maler.
13. Müller.
14. Posamentwirker.
15. Sackträger.
16. Spiegelmacher:
Schilderer, Kistenmaler,
Glasmaler lu Glasmacher.
— 106 —
2. Die zubehorenen
1. Buntwirker.
2. Büobsenlade-, -lauf- und
-schlossmacher.
3. Drahtzieher.
4. Färber und Röder.
5. Gewandsohneider.
6. Hamacher (Sattler).
7. Harnisohmaoher.
8. Hutmacher.
9. Loiendecker.
10. Mützenmacher oder
Mützenstricker.
11. Nadel- und Krempen-
raacher.
12. Nagelsohmiede.
13. Radermacher.
14. Schreiner.
15. Steinmetzen.
16. Spanische Nadelmacher.
17. Tuchscherer.
18. Vettewärer (Fettwaren-
händler).
19. Weissgerber.
II. Die Zünfte ohne gewerblichen Charakter:
3.
4.
»
1. Gesellschaft ^zu heren Adayms huys**.
2. ^ j,zen Paradiesse".
.Schwarze Ähre**.
,van leewensteyn^, die wahrscheinlich
mit der Gesellschaft ^Pontort*' identisch ist.
5. Zunft zum alten Stern.
6. yf zum neuen Stern.')
7. „ vom Löwenberg. (Seit 1513 Zunft zum Bock
genannt.).
^) Seit 1513 bestand nur noch eine Zunft zum Stern.
Allen meinen akademischen Lehrern spreche ich meinen
aufrichtigen Dank aus. Besonders aber bin ich zu Dank ver-
pflichtet dem Herrn Prof. Dr. Meister in Münster i. W. für die
Anregung zu vorliegender Abhandlung und die wohlwollende
Förderung derselben.
Dank aber auch dem Herrn Stadtarohivar Pick zu Aachen,
der vor allem auf archivalischem Gebiete in liebenswürdigster
Weise mich wirksam unterstützt hat, sowie den Herren Stadtbiblio-
thekar Dr. Müller und Hülfsarchivar Dr. Brüning zu Aachen 1
Druckfehlerverzeichnis-
Ausser einigen Interpunktionsfehlern wolle man verbessern
S. 19 Sohoynlepper statt Schoyenlepper.
S. 27, Zeile 18, ausnahmslos statt ausnamslos.
S. ö5, „ 6, beobachtenden statt beobachenden.
(ß^^
^
I l
J
YC 87434
^