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Walz, V-ilhelm Emil
David Hume^s Verhältnis zur
Erkenntnislehre Locke's iind
Berkeley' s
David Humes Verhältnis
zur Erkenntnislehre Lo
und Berkeleys.
Inaugural=Dissertation
zur
Isrlangung der Doktorwürde
bei der
philosophischen Fakultät
der
Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr.
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Wilhelm Emil Walz y^- ^
Oberlehrer aus Stetten Ann T.ö'rracli (Baden). ^ V
TffSiTY
Tübingen
Druck von H. Laiijjp jr
1907.
Gedruckt mit Genehmigung
der philosophischen Fakultät der Albertus-Universität
zu Königsberg i. Pr.
Referenten: Geh. Rat Prof. Dr. Walter,
Pri^ Dr. Meumann.
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Meiner lieben Frau
— V —
Inhalt.
Seite
Einleitung :
§ I, Idealismus und Realismus i
§ 2. Charakteristik des Humeschen Philosophierens 2
I. Humes Verhältnis zur Erkenntnislehre Lockes und Berkeleys.
I. Kapitel : Der Ausgangspunkt 6
II. Kapitel:
1. Der Ursprung der Vorstellungen 13
2. Kritische Betrachtung 17
III. Kapitel : Die Verbindung der Vorstellungen 23
IV. Kapitel : Das Problem der Kausalität 26
V. Kapitel: Das Problem der Substantialität 30
VI. Kapitel; Das Resultat 35
II. Humes Beurteilung in der Geschichte der Philosophie.
III. Hume und der Positivismus und Nominalismus.
Mit Genehmigung der hohen philosophischen Fakultät bringt diese Dissertation
nur den ersten Teil der eingereichten Arbeit.
Einleitung.
§ I. Idealismus und Realismus.
Wer die Geschichte der Philosophie an seinem geistigen Auge
vorüberziehen lässt, erkennt bald, dass es fast durchweg nur zwei
grosse Typen oder Standpunkte für die theoretische Weltbetrach-
tung gibt, den Realismus, der die Realität d. h. das Be-
stehen der Aussenwelt auch unabhängig von dem jedesmaligen
Bewusstsein, in welchem sie dasteht, behauptet, und den Idea-
lismus, der daran festhält, dass die ganze räumlich ausge-
breitete Welt nie und nirgends besteht ausser in dem Bewusst-
sein und daher nur ideal d. h. nur Vorstellung, nur die Form ist,
unter welcher das Seiende in meinem Bewusstsein erscheint; denn
aus diesem bin ich noch nie, ist noch nie jemand herausgekom-
men^). Nur die reiche Fülle von Nuanzen und Schattierungen,
von Verschlingungen und Verwicklungen, sowie die vielfachen
Inkonsequenzen der Autoren haben es nach Laas ^) ermöglicht,
dass mit zwei Fäden und zwei Grundfarben ein so schillerndes
Gewebe hergestellt wurde. Nach Deussen führt der erste dieser
beiden Standpunkte notwendig zum Materialismus, und alle die-
jenigen, welche sich Realisten, Positivisten, Empiristen, Empirio-
Kritizisten, Idealrealisten nennen, müssten, wenn sie konsequent
wären , zum Materialismus sans phrase übergehen , welcher für
den empirischen, den Naturwissenschaften eigenen Standpunkt die
allein berechtigte und widerspruchslos in sich zusammenhängende
Weltanschauung sei und bleibe.
1) Paul Deussen, Die Elemente der Metaphysik. Leipzig 1902. S. VIII.
2) Ernst Laas, Idealismus und Positivismus I. Eine kritische Auseinander-
setzung. Erster, allgemeiner und grundlegender Teil. Berlin 1879. II. Idealismus
und Positivismus. Idealistische und positivistische Ethik. 1882. lll. Idealistische und
positivistische Erkenntnistheorie. 1884.
I
Mit Recht bezeichnet es Deussen als die Hauptfrage der
Philosophie: Wie komme ich zu einer Anschauung der Aussen-
welt ? und verlangt, dass die naturwissenschaftliche Erklärung auch
hier wie überall den Ausgang bilde. Doch erklärt er, dass die
empirische Materialität des ganzen Vorganges es nicht ausschHesse,
dass er und alle seine Momente nur die Art seien, wie ich den
ganzen Prozess in meinem Bewusstsein vorstelle, nicht wie er an
sich und ausserhalb meines Bewusstseins sein mag. Aus diesen
Sätzen geht deutlich hervor, wie von der Beantwortung dieser
Hauptfrage d. h. also der Frage nach der Entstehung unserer
Erkenntnis der Standpunkt resp. die Weltanschauung jedes Philo-
sophen abhängt.
Im folgenden haben wir es mit D a v i d Hume(i7ii — 1776)
zu tun, speziell mit seiner Erkenntnistheorie. Wir werden also
in die englische Philosophie des XVIII. Jahrhunderts hineinver-
setzt, in jene Entwicklungsgeschichte des Empirismus, als dessen
Begründer allgemein P'ranzis Bacon gilt, während Hume als dessen
Vollender und zugleich Zerstörer anzusehen ist.
Wir werden hier zunächst an der Hand der Darstellung seiner
Erkenntnislehre jeweils einen Blick darauf werfen, inwiefern er in
den einzelnen Punkten von seinen Vorgängern , speziell von
Berkeley und Locke, abhängig ist, also sein Verhältnis zu seinen
Vorläufern darlegen. Sodann werden wir die verschiedenartige
Beurteilung, die seinem Standpunkte widerfahren ist, vorführen,
endlich Hume als den Begründer des modernen Positivismus und
Nominalismus kennen lernen. Doch wollen wir unserer Arbeit
noch eine Charakteristik des Hume'schen Philosophierens über-
haupt, die für die Beurteilung seines Standpunktes wichtig ist,
vorausschicken.
§ 2. Charakteristik des Humeschen Philosophierens.
Wenn man die verschiedenen Beurteilungen, die die Lehre
Hume's von seiten der neueren Philosophiehistoriker erfahren hat,
vergleichend zusammenstellt , so ergibt sich ein auffallendes Re-
sultat. Alle stimmen zwar darin überein, dass Hume der grösste
und vielseitigste Denker Englands war. Sobald sie aber auf
seinen philosophischen Standpunkt zu sprechen kommen, gehen
sie trotz der Klarheit seiner Gedanken, die uns in allen seinen
Schriften entgegentritt, in ihrem Urteil weit auseinander, indem die
einen ihn für einen ausgebildeten Skeptiker, die andern für einen
Positivisten oder Realisten halten. Wie ist dies möglich ? —
J. H. V. Kirchmann hat eben wohl grossenteils Recht, wenn er
sagt, dass Hume nicht ein Philosoph war, der sich nur in seine
Stube einschloss und »über seinen Büchern brütete oder nur Stu-
denten im Hörsaale vor sich sah« i). Seine vorherrschende
Leidenschaft zur Philosophie wurde vielmehr durch mancherlei
Umstände, wie seinen wiederholten Aufenthalt in fremden Län-
dern, seinen vertrauten Umgang mit den höheren Ständen, seine
diplomatische Tätigkeit, seinen lebhaften Verkehr mit gebildeten
Frauen gemässigt und vor Abwegen bewahrt ^). Durch sein
mannigfaches und reiches Leben hat er sich vieles angeeignet,
was den meisten deutschen Denkern abging ; er hat tief in das
Leben hineingeblickt, grosse Menschenkenntnis und Urteilsschärfe
sich erworben und aus den Erfahrungen, die er dabei gesammelt
hatte, hat er sich auch seine philosophischen Anschauungen ge-
bildet, mitten im reichen Leben aufgelesen. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus müssen sie daher auch beurteilt werden; wohl
umfassen seine philosophischen Aufzeichnungen einen grossen
Teil des philosophischen Gebietes, ausser der Erkenntnistheorie
besonders die Religions- und Moralphilosophie ; aber die Philo-
sophiegeschichte hat gezeigt, dass seine erkenntnistheoretischen
Anschauungen am meisten auf die Folgezeit eingewirkt haben,
und dass deshalb auch hier das Charakteristische und Originelle
seines Philosophierens überhaupt zu suchen sein wird. Dieser
Kernpunkt aber spiegelt uns, um einen treffenden Ausdruck Kuno
Fischers ^) zu gebrauchen , »das gewöhnliche Bewusstscin , wie
es leibt und lebt«. Diese Erklärung des Bewusstseins ist als der
Kern der Humeschen Lehre anzusehen, und diese Erklärung ist
eben aus dem Leben geschöpft. Von hier aus muss also auch
sein ganzes System beurteilt werden, über seine Erklärung des
gewöhnlichen Bewusstseins darf man dabei nicht hinausgehen;
auf ihr fussen alle weiteren Ausführungen, die den Namen Humes
1) J. H. V. K i r c h m a n n in seiner L'eberselzung des Inquiry , Plülos. Bibl.
Bd. 35. i^. ».
2) Ebenda.
3) Kuno Fischer, Francis Bacon und seine Nachfolger, Leipzig 1S75. S. 7S1.
Dem Verfasser dieses Werkes fühle ich mich in Hinsicht auf meine Arbeit zu grossem
Danke verpflichtet.
I *
— 4 —
besonders bekannt gemacht haben, nämlich diejenigen über Kau-
salität und SubstantiaHtät. Wenn wir uns dies stets vergegen-
wärtigen, so kann es demgemäss nur einen Weg zur Beur-
teilung des Humeschen Standpunktes geben : die Grundansicht
Humes, seine Erklärung des menschlichen Bewusstseins, muss vor
allem stets berücksichtigt werden ; sie muss geradezu der Prüf-
stein sein bei der Beurteilung der übrigen Lehren. So verfährt
Hume in seinen Schriften selbst, indem er immer wieder auf seinen
Ausgangspunkt zurückkommt. Die logische Schärfe, mit der die
Folgerungen — denn etwas anderes sind sie nicht — von ihm
gezogen werden, erregen unsere Bewunderung und sind der beste
Beweis für unsere obige Behauptung. Verfolgt man das ganze
System von diesem Gesichtspunkte aus, so darf man hoffen, auch
ein annähernd richtiges Urteil über den Standpunkt Humes fällen
zu können. Viele Kritiker sind jedoch nicht so verfahren und
sind deshalb, weil sie einzelne Stellen seiner Schriften aus ihrem
Zusammenhange herausgegriffen und für sich beurteilt haben, an-
statt sie mit der alles beherrschenden Grundidee in Einklang zu
bringen, zu einseitigen Resultaten gelangt, weil sie mehr in diese
Stellen hineinlegten, als in ihnen steckt. Nur wenn man die ein-
zelnen Lehren am Grundgedanken prüft, wird man ihren philo-
sophischen Wert ermessen können. Dies zu tun ist nötig, ob-
wohl es bei Hume kein Schwanken der Ansichten gibt. Wohl
hat er zu gewissen Zeiten den einen oder den andern Gedanken
bloss nur angedeutet oder gänzlich unausgeführt gelassen, aber
alle seine Schriften sind aus einem Gusse, sind von einem
Geiste durchweht. Ueberall fühlt man in ihnen den Pulsschlag
warmen Lebens, erkennt man denselben durch reiche Lebens-
erfahrung geschulten Geist, der spielend, wie ein gebildeter Welt-
mann im Salon die Tagesfragen, die schwierigsten und subtilsten
Probleme behandelt und ihnen den Stempel seines Geistes auf-
drückt. Und immer wieder muss man sich dabei über seine
logische Schärfe wundern, obwohl er manchmal fast im Plauder-
tone redet, bisweilen mit beissender Ironie die grössten Schwierig-
keiten aus dem Wege räumt. Wer in diesem Tone redet, bei
dem ist es leicht begreiflich, dass er manchmal eine Ansicht in
einer Weise vorträgt, die mit den übrigen zu streiten scheint ;
bei genauer Prüfung aber ist es jeweils leicht möglich, sie mit
— 5 -
ihnen in Einklang zu bringen, weil seine Ansichten alle eben von
einer Grundanschauung getragen sind.
Das Leben war seine grosse Lehrmeisterin, ihm verdankt er
sein ganzes Wissen, ihm hat er die Lehren, die er uns hinter-
lassen , als ein scharfer Beobachter abgelauscht. Nachdem er
einmal seine Grundansicht über das menschliche Erkennen sich
gebildet hat, ist es ihm leicht, mit diesem Massstab alles Mensch-
liche zu messen und als weltkluger Mann über alles zu räsonieren.
Dies ist aber das Charakteristische des Humeschen Philosophierens;
nur muss man beifügen, dass er damit Schärfe und Folgerichtig-
keit des Urteils verbindet. Wenn man dies beherzigt, so wird
einem die Entscheidung nicht allzu schwer fallen , welchem von
seinen Kritikern man beipflichten soll. Durch unsere Ausfüh-
rungen aber denken wir auch die Antwort auf die obige Frage
nach der Möglichkeit einer verschiedenartigen Beurteilung des
Humeschen Standpunktes gegeben zu haben. Wir wissen jetzt,
wie es kam , dass der eine Kritiker bei dem reichen Wissens-
schatze unseres Weltweisen diese Seite anziehender fand, ein
anderer jene; viele aber haben bei ihm, wie es in diesem Falle
auch nicht anders zu erwarten ist , Anklänge an ihr eigenes
Fühlen und Denken gefunden und bei ihrem Urteil über ihn sich
davon beeinflussen lassen; manche haben es sogar versäumt, sein
System an der Wurzel anzufassen. — So ist es zu erklären, dass
Hume eine so verschiedenartige Beurteilung erfahren hat. Die
wenigsten haben eben sich bemüht, den richtigen Massstab, ohne
welchen jede Beurteilung einseitig erscheinen muss, zu ergründen.
I. Teil.
Humes Verhältnis zur Erkenntnislehre Lockes und
Berkeleys.
I. Kapitel.
Der Ausgangspunkt.
Hume ^ ) geht mit Berkeley und Locke vom Erkenntnispro-
blem aus. Dies liegt schon in der ganzen Richtung des Empi-
rismus begründet. Hume ^j schliesst sich deshalb am liebsten
denjenigen Philosophen an, die den Menschen mehr in dem Lichte
eines denkenden als handelnden Wesens betrachten, die darum
mehr seinen Verstand zu bilden, als seine Sitten zu bessern suchen.
Die menschliche Natur gilt darum auch ihm als ein bevorzugter
i) The philosophical works o[ David Hume. In four volumes. Edinbourg 1826.
Der erste und zweite Band umfasst das Hauptwerk : A treatise of human na-
ture. Dieses zerfällt in drei Bücher: I. Of the understanding. IL Of the passions.
III. Of morals. Für unsern Zweck käme also vom Hauptwerk namentlich das I. Buch :
Vom Verstände in Betracht. — Der zweite Band enthält ferner: Dialogues con-
cerning natural religion. Den dritten Band bilden die Essays moral, political, and
literary, im ganzen 39 kleinere Abhandlungen. Der vierte Band umfasst : i. An
Inquiry concerning the human understanding nebst A dissertation on the passions ;
sodann 2. An Inquiry concerning the principles of morals mit einem Appendix, end-
lich The natural history of religion nebst den Additional Essays. — Die erste und
zweite Abhandlung des vierten Bandes ist also eine nochmalige Zusammenfassung des
Inhaltes seines Hauptwerks. Es ist viel über das Verhältnis dieser zwei Darstellungen
geschrieben worden. Sie unterscheiden sich aber nur dem Umfange nach, indem das
Hauptwerk die Fragen mit grosser Breite , ausserdem aber auch einige Partieen, die
Hume in der späteren kürzeren , reiferen Darstellung seines Systems nur angedeutet
hat, behandelt. Inhaltlich ergänzen sich also die beiden Darstellungen.
2) Inquiry concerning the human understanding. Section I. Of the different
species of philosophy. Uebersetzung von J. H. v. Kirchmann, Philos. Bibl. Bd. 35.
Gegenstand philosophischer Prüfung. Hume bedauert, dass dies
nicht bei allen der Fall gewesen sei, da viele ihren Scharfsinn
für Dinge verwendet hätten, die die Mühe nicht lohnten, weil sie
über die Grenzen des menschlichen Erkennens hinausgingen. Er
erklärt deshalb den Vorwurf für berechtigt, dass ein grosser Teil
der metaphysischen Untersuchungen nicht wahre Wissenschaft,
sondern entweder das Ergebnis nutzloser Anstrengungen mensch-
licher Eitelkeit, welche in Gegenstände eindringen will, die dem
Verstände unzugänglich sind, oder das Werk eines listigen Aber-
glaubens sei. Das einzige Mittel, um die Wissenschaft mit einem
Male von diesen nutzlosen Versuchen zu befreien, bestehe darin,
die Natur des menschlichen Verstandes streng zu untersuchen
und durch eine genaue Erforschung seiner Kräfte und Fähigkeiten
zu zeigen, dass er für solche entlegene und verborgene Gegen-
stände durchaus nicht geeignet sei. Dieser Arbeit müsse man
sich unterziehen, um nachher in Ruhe zu leben; die wahre Meta-
physik müsse man daher mit Sorgfalt betreiben, um die unwahre
und verfälschte zu zerstören. Er betont daher immer wieder das
genaue und richtige Denken als das einzige und allgemein gültige
Heilmittel; er rühmt die positiven Vorteile, die aus einer sorg-
fältigen Prüfung der Kräfte und Fähigkeiten der menschlichen
Natur hervorgehen ; diese Prüfung sei an sich schon eine ganz
beträchtliche Aufgabe der Wissenschaft ; denn es gelte, die ver-
schiedenen Fähigkeiten des Verstandes kennen zu lernen, sie von-
einander zu sondern, sie in die passenden Abteilungen zu bringen
und die anscheinende Verwirrung zu lösen, in der sie sich be-
fänden, wenn man sie zum Gegenstande des Nachdenkens mache.
Der Schwierigkeiten ist unser Philosoph sich also wohl bewusst.
Für ein solches Unternehmen ist ihm daher nichts notwendiger
als die höchste Aufmerksamkeit und Sorgfalt, damit, wenn das
Ziel im Bereich des menschlichen Verstandes liegt, es endlich
erreicht, und wo nicht, mit Zuversicht und Sicherheit aufgegeben
werde. Durch seine Untersuchungen aber hofft er, den Vorrat
an Kenntnissen über diese Gegenstände von so unsäglicher Wich-
tigkeit etwas vermehren zu können. Denn so gut die Astronomie
durch glückliches Nachdenken gefördert werden konnte, könne
das Gleiche auch in andern Gebieten der Natur vollbracht werden.
Man habe daher keinen Grund, an einem gleichen Erfolg bei den
Untersuchungen der Kräfte und Einrichtung der Seele zu ver-
zweifeln, wenn man mit gleicher Fähigkeit und Vorsicht vorgehe.
Denn weshalb sollte man nicht hoffen, dass die Philosophie bei
sorgfältiger Pflege und ermutigt durch die öffentliche Aufmerk-
samkeit, in ihren Untersuchungen immer weiter kommen und
einigermassen die verborgenen Triebfedern und Kräfte ent-
decken werde, welche die menschliche Seele in ihrer Tätigkeit
stütze und leite. Es würde daher ihn glückhch machen, wenn
es ihm gelänge, die Grundlagen jener dunklen Philosophie zu er-
schüttern, welche bisher nur dem Aberglauben als Schutz und
dem Unsinn und Irrtum als Deckmantel gedient haben. —
Hume beschuldigt also vornehmlich die bisherige Meta-
physik, die so grosse Irrtümer hervorgerufen habe. Das ist
ihm aber kein Grund, deshalb die Metaphysik ganz zu verwerfen;
denn sie ist nicht unsicher und chimärisch. Wenn man auch auf
die endgültige Beantwortung vieler Fragen der bisherigen Meta-
physik verzichten muss, da ihr Gebiet allem Anschein nach die
Grenzen unseres Erkennens weit übersteigt, so reichen die Kräfte
unseres Verstandes doch dazu aus, wenigstens einigermassen zu
einem sichern Resultat zu gelangen, den verborgenen Triebfedern
und Kräften der Seele auf den Grund zu kommen. Man sieht
hier schon, Hume ist gesonnen, das Gebiet unseres Erkennens
ganz bedeutend einzuschränken ; ja er lässt uns hier schon ahnen,
was wMr von seinen Untersuchungen zu erwarten haben. Die Art
jedoch, wie er es betont, dass wir vor allem von der Unter-
suchung unseres Verstandes ausgehen müssen, dass er ferner
ohne jegliche Voraussetzung, sozusagen von Grund aus, seine
Untersuchungen beginnen will, war damals in der Philosophie
nicht neu. Aehnliche Erörterungen haben auch Descartes und
Locke ihren Werken vorausgeschickt, jener über den metho-
dischen Zweifel und die Voraussetzungslosigkeit der Philosophie,
dieser mit dem Bekenntnis der Notwendigkeit einer Prüfung der
Verstandesfähigkeiten. Doch vergleichen wir damit zunächst die
Gedanken Berkeleys, wie er sie in der Einleitung seiner Princi-
ples ^) ausspricht.
Während Hume die Philosophie bereits als die Wissenschaft
von der menschhchen Natur bezeichnet, ist sie für Berkeley
ganz allgemein nichts anderes als das Streben nach Weisheit und
Wahrheit. Was aber ist ihr Resultat bis jetzt gewesen.? Je
i) Berkeley, Principles of human knowledge. 1710. Introduction.
mehr die Philosophen sich in ihre Wissenschaft vertiefen, um so
mehr befestigen sich in ihnen störende Zweifel. Wie viel ruhiger
lebt dagegen die ungelehrte Menge der Menschen, die auf der
Landstrasse des schlichten Menschenverstandes wandelt, der nichts
unerklärlich oder schwer zu begreifen scheint. Welche Schwierig-
keiten und Widersprüche erheben sich aber, sobald man beginnt,
dem Lichte eines höheren Prinzips zu folgen ; tausend Zweifel
steigen in uns auf in betreff eben der Dinge, die wir vorher
völlig zu begreifen meinten. Je weiter wir in unserer Betrach-
tung gehen, vermehren und steigern sich unsere Bedenken, bis
wir zuletzt, nachdem wir manche verschlungenen Irrwege durch-
wandert haben, uns gerade an dem Punkte wiederfinden, von
dem wir ausgegangen sind, oder was schlimmer ist, bis wir die
Forschung aufgeben und, in Zweifelsucht verloren, die Hände in
den Schoss legen. —
So scheint der Verzicht auf eine befriedigende Lösung für
viele das Resultat ihres Philosophierens zu sein. Dagegen ist
Berkeley der Ansicht, dass ein solcher nicht nötig sei, wenn wir
nur den rechten Gebrauch von unserer Vernunft machen wollten.
Ja er ist sogar geneigt zu glauben, dass weitaus die meisten,
wo nicht alle Schwierigkeiten, welche bisher die Philosophen
hingehalten und ihnen den Weg zur Erkenntnis verlegt haben,
durchaus von uns selbst verschuldet seien, dass wir also zuerst
eine Staubwolke erregt hätten und uns dann beklagten, nicht
sehen zu können. Es bedarf also einer gründlichen Untersuchung
der Voraussetzungen und Annahmen, welche jene Fülle von Zwei-
feln und jenes unsichere Schwanken der Philosophen verursacht
haben, dass sogar die weisesten Menschen infolge der natürlichen
Schwäche und Beschränktheit unserer Geisteskräfte auf eine
sichere Erkenntnis verzichten zu müssen geglaubt haben.
»Es ist gewiss eine der Mühe lohnende Aufgabe, eine ge-
naue Untersuchung über die ersten Prinzipien der menschlichen
Erkenntnis anzustellen, dieselben allseitig zu sichten und zu prüfen,
zumal da die Vermutung nicht unbegründet sein dürfte, dass
jene Hindernisse und Anstösse, welche den Geist bei dem Suchen
der Wahrheit aufhalten und verwirren, nicht sowohl in irgend
einer Dunkelheit und Verwicklung der Objekte oder in einer na-
türlichen Schwäche des Verstandes ihre Quelle haben, als viel-
mehr in falschen Grundannahmen, an denen man festgehalten hat,
— lO —
und die sich doch hätten vermeiden lassen- ^). Darum hofft er,
dadurch dass er die einzelnen Objekte dem Auge näher bringt,
die Irrtümer und die falschen Grundanschauungen aufzudecken
und zu beseitigen. Und im Hinblick auf den falschen Gebrauch
der Sprache, der einen Hauptanteil an der Verwicklung und
Trübung der Forschung gehabt und unzählige Irrtümer und An-
stösse in fast allen Teilen der Wissenschaft veranlasst hat, ruft
er mit Emphase aus ^) : -Vergeblich erweitern wir unsern Blick
in die himmlischen Räume und erspähen das Innere der Erde;
vergeblich ziehen wir die Schriften gelehrter ]\Iänner zu Rate und
verfolgen die dunklen Spuren des Altertums; wir sollten nur den
Vorhang von Worten wegziehen, um klar und rein den Erkennt-
nisbaum zu erbhcken, dessen Frucht vortrefflich und unserer
Hand erreichbar ist«. —
Auch Berkeley ist also wie Hume der Ansicht, dass man
zuerst allen unnötigen, falschen Ballast über Bord werfen müsse,
dass man erst dann, wenn man mit alten Vorurteilen und falschen
Voraussetzungen gebrochen hat, die Untersuchung von neuem
beginnen müsse; dass diese Untersuchung in der Prüfung der
Prinzipien der menschHchen Erkenntnis bestehe^ dass die Fähig-
keiten unseres Geistes für die Erkenntnis der Wahrheit wohl aus-
reichten, so dass die Hoffnung berechtigt sei, bei genügender
Sorgfalt die Untersuchung von Erfolg gekrönt zu sehen. —
Die Uebereinstimmung der beiden Philosophen über den
Ausgangspunkt ihres Philosophierens liegt auf der Hand. Beide
sprechen ferner so zuversichtlich, dass man von ihnen alle dem
menschlichen Verstände zugänglichen Wahrheiten zu erhalten er-
warten darf. Das klingt zwar sehr wenig skeptisch, man könnte
sogar eher das Gegenteil behaupten und an den erkenntnistheo-
retischen Positivismus denken. Beide Philosophen sind für ihr
grosses Werk, die Untersuchung des menschlichen Verstandes,
so begeistert, messen sich solch ein Mass von geistiger Kraft zu,
fahren gleichsam mit vollen Segeln auf ihr Ziel los, dass man
am wenigsten ein skeptisches Resultat ihrer Untersuchungen er-
wartet! — Doch haben wir noch einen andern Philosophen als
1) Principles, Introduction Cap. IV. Uebersetzung von Friedrich Ueberweg,
Philos. Bibl. Bd. 20. 3. Aufl. 1900.
2) Ebenda, Kap. XXIV.
— II —
Vorläufer Humes genannt; sehen wir daher, welche verwandten
Gedanken wir bei Locke über diesen Punkt finden.
Auch L o c k e ^) will den menschlichen Verstand unter-
suchen, seine Fähigkeiten prüfen, um zu erkennen, mit welchen
Gegenständen unser Verstand geeignet sei, sich zu befassen oder
nicht. Doch hören wir ihn selbst: »Ich werde i. untersuchen,
welches Ursprungs die Vorstellungen (ideas), Begriffe, oder wie
man es nennen will, sind, die der Mensch in seiner Seele be-
merkt, und die ihn die Beobachtung seiner selbst entdecken lässt,
und durch welche Mittel der Verstand zu diesen Vorstellungen
gelangt; 2. werde ich versuchen zu zeigen, welche Erkenntnis
der Verstand mittels dieser Vorstellungen erwirbt, und welche
Gewissheit, Evidenz und Ausdehnung diese Erkenntnis hat; 3.
werde ich die Natur und Gründe dessen, was man Glauben und
Meinung nennt, untersuchen, vermöge deren man Sätzen, die
zwar wahrscheinlich sind, von deren Wahrheit wir aber keine Ge-
wissheit haben, beistimmt«. Einleitung.
Gerade wie Hume und besonders wie Berkeley findet er,
dass man zuerst eine Menge Irrtümer beseitigen müsse, beson-
ders solche, die ihren Ursprung in der Sprache haben; dann
erst wird es mögUch sein, der Aufgabe näher zu treten und
der Wahrheit näher zu kommen. Denn auch ihm ist die Philo-
sophie nur die wahre Erkenntnis der Dinge. Auch ihn beseelt
die Hoffnung, dass sein Werk andern nützlich sein könne. Es
ist eine stete Befriedigung für ihn, aufrichtig die Wahrheit und
Nützlichkeit zum Ziel genommen zu haben ; nicht jeder kann ein
Huygens oder Newton sein, aber selbst als Hilfsarbeiter beim
Aufräumen des Baugrundes beschäftigt zu werden und etwas mit-
zuwirken, um den der Erkenntnis im Wege liegenden Schutt zu
beseitigen, sei schon eine Befriedigung des Ehrgeizes. Der Leser
werde sich schon davon überzeugen, dass die Beseitigung falscher
Grundbegriffe der Wahrheit nicht zum Nachteil, sondern zum
Vorteil gereiche ; denn er forsche nur nach der Wahrheit, und
diese werde ihm stets willkommen sein, wann und woher immer
sie ihm zukommen möge. Jeder Schritt, den der Geist in seinem
Streben nach Erkenntnis vorwärts tue, bringe irgend eine Ent-
I) Locke, Philosophical Works in two volumes by J. A. St. John, London.
George Bell and sons. 1875. Uebersetzung von Th. Schnitze. Leipzig, Reclam. 1897.
— 12 —
deckung, die nicht bloss neu sei, sondern auch für den Augen-
blick wenigstens die beste. —
Diese wenigen Sätze beweisen zur Genüge, dass auch in der
Philosophie Lockes derselbe Geist weht; seine Aufgabe ist die-
selbe, sein Ziel die Erkenntnis der Wahrheit, seine Schaffens-
freudigkeit nicht minder gross wie seine Sicherheit des Erfolges.
Ja wir sehen sogar, dass Locke hier mit diesen Worten nicht
allein für seine kritische Aufgabe, sondern auch für die seiner
Nachfolger , selbst Kant nicht ausgenommen , die Grundidee
aufgestellt hat, von der alle ausgegangen sind. Und diese Auf-
gabe war neu!
Diese Ausführungen mögen genügen, um den ersten unserer
Sätze zu beweisen, den wir dahin zusammenfassen: Hume knüpft
an seine direkten Vorläufer, Berkeley und Locke, an ; er greift ihr
Thema, die Untersuchung des menschhchen Verstandes, wieder
auf, um es, wie die beiden andern, nochmals von Anfang an zu
behandeln; er ist mit ihnen darin einig, dass die bisherige Philo-
sophie deshalb so viele Irrtümer aufzuweisen gehabt habe , weil
sie in den Fehler verfallen sei , mit den Kräften des Geistes zu
operieren , ohne dieselben zuvor auf ihre Leistungsfähigkeit ge-
prüft zu haben. Daraus ergibt sich also die Aufgabe, zuerst die
alten Vorurteile abzustreifen und dann die Fähigkeiten des Ver-
standes zu prüfen. Zweck der Untersuchung ist die Festsetzung
der Grenzen unserer Erkenntnis. Man merkt bereits, dass die-
selbe, wie erwähnt, voraussichtlich stark eingeschränkt werden
wird im Vergleich zu den bisherigen Ergebnissen der Philosophie.
Aber wenn auch manche alte Ansicht über Bord geworfen wer-
den muss, so hofft Hume doch, seinem Ziele wenn auch nicht
ganz, so doch einigermassen näher zu kommen. —
In diesen Punkten stimmen die drei Philosophen so viel wie
gänzlich überein. Berkeley und Hume betonen nur etwas schärfer
den Bruch mit den bisherigen Anschauungen und werden also
voraussichtlich noch etwas gründhcher bei der Aufräumung des
Schuttes zu Werke gehen als Locke, und Hume wieder mehr
als Berkeley.
Sehen wir nun weiter, wie sie das Thema, das alle drei sich
gestellt haben, zu lösen versuchen; betrachten wir demgemäss
zunächst ihre Lehre vom Ursprung der Vorstellungen.
n —
II. Kapitel.
I. Der Ursprung der Vorstellungen.
Hume ist der Vollender des englischen Sensualismus. Nach
dieser Lehre gehen alle unsere Eindrücke und Vorstellungen uns
nur durch unsere Sinne zu. Hume unterscheidet zunächst Ein-
drücke (impressions) und Vorstellungen oder Ideen (ideas). Er
geht dabei von der Tatsache aus, dass ein erheblicher Uiiterschied
zwischen den Vorstellungen der Seele besteht, je nachdem man
z. B. einen Schmerz oder eine Freude wirklich empfindet, oder
je nachdem man diese Empfindung nur nachher in das Gedächt-
nis zurückruft oder im voraus sich vorstellt. Ein gleicher Unter-
schied zieht sich durch alle andern Vorstellungen der Seele. Es
bedarf also keines Scharfsinnes und keines metaphysischen Geistes,
um den Unterschied zwischen beiden anzugeben; denn der leb-
hafteste Gedanke erreicht die dunkelste Empfindung nicht. — So
ergeben sich für Hume die zwei Arten der Vorstellungen der
Seele, die sich also durch den verschiedenen Grad von Stärke
und Lebhaftigkeit unterscheiden. Mit dem Worte Eindruck
meint er also alle unsere lebhaften Zustände, wenn wir hören
oder sehen oder fühlen, hassen oder wünschen oder wollen. Die
Eindrücke bilden den Gegensatz zu den Vorstellungen oder
Ideen oder Gedanken, welche jene weniger lebhaften Zustände
bezeichnen, deren man sich bewusst ist, wenn man an eines jener
obigen Gefühle oder Erregungen zurückdenkt. An dieses Vor-
stellungsmaterial tritt nun die schöpferische Kraft der Seele heran,
um es zu verarbeiten; ihre Aufgabe ist es, den durch die Sinne
und die Erfahrung gewonnenen Stoff zu verbinden , umzustellen,
zu vermehren oder zu vermindern. Unsere Einbildungskraft scheint
hierbei eine unbegrenzte Freiheit zu besitzen ; Ungeheuer zu bil-
den und widerstreitende Gestalten und Erscheinungen zu verbin-
den, kostet ihr nicht mehr IVIühe als die Vorstellung des natür-
lichsten und bekanntesten Gegenstandes. Wenn wir uns ein
goldenes Gebirge vorstellen , so verbinden wir nur zwei neben-
einander bestehende Vorstellungen, Gold und Gebirge , die uns
von früher bekannt sind. »Kurz, aller Stoff des Denkens ist von
äusseren oder inneren Wahrnehmungen abgeleitet ; nur die
Mischung und Verbindung gehört dem Geiste und dem Willen;
oder um mich philosophisch auszudrücken, alle unsere »ideas«
— 14 —
oder schwächeren »perceptions« sind Nachbilder unserer Eindrücke
oder lebhafteren Vorstellungen« M-
Zum Beweise führt Hume zwei Gründe an. Erstlich
finden wir bei der Zerlegung unserer Gedanken und Vorstellungen,
selbst der verwickeltsten und erhabensten, dass sie sich in solche
einfache Vorstellungen auflösen, welche das Abbild eines schon
vorhandenen Gefühls oder Empfindens sind. So ist die Vorstel-
lung von Gott eine Steigerung unserer geistigen Tätigkeiten und
guten Eigenschaften ins Unendliche. Immer also wird man finden,
dass jede Vorstellung bei ihrer Prüfung sich als Abbild jenes ent-
sprechenden Eindrucks darstellt. Zweitens: wenn ein ]Mensch
wegen eines organischen Fehlers für eine Art von Empfindung
nicht empfänglich ist, so ergibt sich, dass er dann auch ebenso
wenig die Vorstellung davon fassen kann. Ebenso verhält es
sich, wenn ein Gegenstand, der eine Empfindung bewirkt, noch
niemals auf das Organ gewirkt hat.
Der Prüfstein der Richtigkeit unserer Vorstellungen ist also
nach Hume die Möghchkeit der Zurückführung einer Vorstellung
auf einen ursprünglichen Eindruck. »Denn die Vorstellungen sind
von Natur matt und dunkel ; sie werden leicht mit andern, ver-
wandten Vorstellungen verwechselt ; hat man oft ein Wort ge-
braucht, ohne einen bestimmten Sinn damit zu verbinden, so bildet
man sich zuletzt ein, dass eine bestimmte Vorstellung daran ge-
knüpft sei. Umgekehrt sind alle Eindrücke d. h. alle Empfindungen,
sowohl äussere wie innere, stark und lebhaft ; ihre Unterschiede
treten bestimmter hervor, und man kann bei ihnen nicht leicht
irren oder sie verwechseln. Hat man daher Verdacht, dass ein
philosophischer Ausdruck ohne einen bestimmten Sinn oder Be-
grifi" gebraucht werde, was nur zu häufig geschieht, so möge man
nur fragen: Von welchem Eindruck ist diese angebHche Vor-
stellung abgeleitet.? Kann ein solcher nicht nachgewiesen werden,
so wird dies den Verdacht bestätigen« ^). Dieser einfache und
leicht verständliche Satz ist für das ganze Denken Humes mass-
gebend ; ja er ist ihm der Prüfstein für alle in der Philosophie
vorkommenden Ausdrücke und Begriffe. Mit seiner Hilfe hoftt
er daher, ein für allemal den Streit über die metaphysischen
Untersuchungen beseitigen zu können.
1) Inquiry Sect. II.
2) Ebenda Sect. II.
- 15 —
Aus diesen Ausführungen geht aber noch ein Zweites her-
vor. Man könnte nämHch auch an dieser Stelle ausrufen: So
redet kein Skeptiker! Wenn auch Hume nämlich den Ur-
sprung der ganzen Gedankenwelt auf die äussere und innere Er-
fahrung zurückführt und dadurch eine Menge metaphysischer Be-
griffe aus der Welt des Erfahrbaren ausscheidet, so glaubt er da-
mit, gerade dem Erkennen und damit unserem positiven Wissen
einen festen, unerschütterlichen Grund und Boden gegeben zu
haben, auf dem sich unsere Erkenntnis aufbauen lasse. Schon
im vorigen Kapitel haben wir erfahren, dass unser Philosoph die
bestimmte Hoffnung ausspricht, dass die Philosophie bei sorgfäl-
tiger Pflege in ihren Untersuchungen immer weiter kommen und
einiger massen die verborgenen Triebfedern und Kräfte ent-
decken werde, welche die menschliche Seele in ihrer Tätigkeit
stützen und leiten. Diese und ähnliche Stellen klingen recht po-
sitivistisch ! Doch kehren wir zu Humes Lehre vom Ursprung der
Vorstellungen zurück !
Wir haben den Gegensatz der Eindrücke und Ideen kennen
gelernt. Die letzteren erhalten wir also dadurch, dass wir über
unsere Eindrücke reflektieren ; sie sind daher nur Erinnerungs-
oder Phantasiebilder, setzen also die Eindrücke voraus. Die Ein-
drücke aber erhalten wir durch die Erfahrung. Diese selbst kann
eine äussere oder eine innere sein, je nachdem wir eine Sinnes-
wahrnehmung machen oder uns eines Seelenzustandes z. B. des
Hasses oder der Liebe bewusst werden. Dementsprechend kann
man wieder von einer äusseren und einer inneren W a h r n e h -
m u n g reden, je nachdem wir eine äussere oder innere Erfah-
rung machen. Während also die Wahrnehmungen und die Ein-
drücke sich decken, sofern sie beide Bezeichnungen für äussere
und innere Erfahrungen sind, beide Ausdrücke also kongruent
sind, ist von beiden die Vorstellung oder Idee deutlich zu unter-
scheiden. Die Idee setzt den Eindruck oder die Wahrnehmung
voraus, ist ohne eine solche überhaupt nicht möglich; wir müssen
zuerst einen Eindruck gehabt haben, bevor wir über ihn reflek-
tieren können ; die Idee ist stets von der äusseren oder inneren
Erfahrung abhängig. Diese allein liefert uns das Material, sie ist
die alleinige Quelle aller unserer Erkenntnis. Die Ideen fussen
daher lediglich auf ihr und lassen sich ohne Rest auf sie zurück-
führen. Mit dem Ausdruck Vorstellung bezeichnet Hume
— i6 —
dasselbe wie mit Idee. Dasselbe gilt daher auch von der Vor-
stellung: sie setzt die äussere oder innere Wahrnehmung voraus;
dieser geziemt daher die Priorität. Die Wahrnehmung deckt sich
also völlig mit dem starken, unmittelbaren Eindruck, den wir
z. B. bei der Betrachtung einer wirklichen Landschaft empfinden ;
die Vorstellung dagegen, die wir uns von einer früher gesehenen
Landschaft machen, entspricht der Idee. Wahrnehmung und Vor-
stellung unterscheiden sich also nicht bloss genetisch, sondern
auch quantitativ d. h. durch ihre Stärke, mit der wir sie emp-
finden.
Da alles Denkmaterial uns durch unsere Sinnlichkeit auf dem
Wege der Erfahrung geboten wird, bleibt also dem Verstände
und der Phantasie nur übrig, diesen von der Sinnlichkeit ge-
lieferten und durch das Gedächtnis festgehaltenen Stoff zu ver-
arbeiten. Da jede Idee die Kopie einer Wahrnehmung ist, so
gilt es vor allem, die erstere richtig auf die letztere zu beziehen;
geschieht dies nicht, so sind wir dem Irrtum unterworfen, und
tatsächlich existieren landläufige, jedoch falsche Begriffe, die durch
solche falsche Beziehungen hervorgerufen worden sind, wie die
Begriffe Substanz und Kausalität.
Die Ideen kombinieren wir aber nicht willkürhch, sondern
nach bestimmten Regeln, den sogenannten Assoziations-
gesetzen. Es wird im folgenden unsere Aufgabe sein , auf
diese Gesetze noch näher einzugehen; denn Humes philosophische
Bedeutung gipfelt namentlich in der Kritik dieser schon von Aristo-
teles aufgestellten Gesetze, deren Herrschaft bis auf Hume fast
unangetastet blieb, wenn sie zum Teil auch schon hin und wieder
angefochten worden war. Am energischsten war schon der Kau-
salitätsbegriff vor Hume angegriffen worden und zwar von dem
Skeptiker J. Glanville (1636— 1680), dem Hof kaplan Karls II. von
England. Nach ihm ist die Kausalität selbst nicht wahrzunehmen,
sondern aus dem beständigen Nacheinander zweier Erscheinungen
zu erschliessen, doch nicht mit Sicherheit. In betreff des Kau-
salitätsprinzips kann man ihn daher als einen Vorläufer Humes
betrachten, wenn er mit dieser Kritik auch ganz andere Ziele
verfolgte als sein Nachfolger. Immerhin blieb es noch Hume vor-
behalten) diese Assoziationsgesetze einer einschneidenden Kritik
zu unterziehen, wodurch er für das philosophische Denken der
Folgezeit von der grössten Bedeutung geworden ist.
17
2. Kritische Betrachtung.
An diese Darstellung der Lehre Humes von dem Ursprung
der Vorstellungen möge sich wieder eine kritische Betrachtung
über die Originalität seiner Gedanken anschliessen.
Die Ausführungen Humes über den Ursprung der Vorstel-
lungen waren nicht neu ; wenigstens hat unser Philosoph nicht
viel an denjenigen seiner Vorgänger geändert. Schon Locke
hatte die Sensation und reflection, die äussere und innere Wahr-
nehmung, als die beiden Quellen der einfachen Ideen angegeben.
Die Gegenstände der Sinneswahrnehmung sind die eine Quelle
der Ideen; die Sinne bringen uns die sinnlich wahrnehmbaren
Eigenschaften ins Bewusstsein, d. h. sie bringen von äusseren
Gegenständen das ins Bewusstsein, was hier solche Wahrneh-
mungen hervorruft. Weil diese grosse Quelle der meisten unserer
Ideen ganz von unsern Sinnen abhängt und durch sie dem Ver-
stände zufliesst, heisst sie Sinneswahrnehmung. Locke versteht
also unter Sensation die durch die leiblichen Sinne vermittelten
Vorstellungen von der Körperwelt. Die Tätigkeiten unseres Geistes
sind die andere Quelle derselben. Hören wir Locke selbst :
»Zweitens ist die andere Quelle, aus welcher die Erfahrung den
Verstand mit Ideen versieht, die "W^ahrnehmung der Tätigkeiten
unseres eigenen Geistes in uns bei seiner Beschäftigung mit den
Ideen, die er erhalten hat; aus denen der Verstand, wenn die
Seele dazu kommt, sie zu betrachten und zu erwägen, mit einer
anderen Reihe von Ideen versehen wird, die sich aus äusseren
Dingen nicht hätten gewinnen lassen; als da sind: wahrnehmen,
denken, zweifeln^ glauben, folgern, wissen, wollen und alle die
verschiedenen Tätigkeiten unseres Geistes, von welchen wir, in-
dem wir uns ihrer bewusst sind und sie in uns beobachten, ebenso
deutliche Ideen für unsern Verstand gewinnen, wie von den Kör-
pern, die auf unsere Sinne einwirken. Diese Quelle von Ideen
liegt für jedermann ganz in seinem eigenen Innern, und obgleich
sie nicht sinnlich ist, insofern sie mit äussern Gegenständen nichts
zu tun hat, ist sie doch etwas sehr Aehnliches und könnte ganz
passend der innere Sinn genannt werden. Während ich die andere
Sinneswahrnehmung nenne, bezeichne ich jedoch diese als Selbst-
beobachtung, weil die von ihr gelieferten Ideen nur aus solchen
2
— I8 —
bestehen, die der Geist dadurch gewinnt, dass er seine eigenen
Tätigkeiten in seinem Innern in Betracht zieht <' ^). Locke ver-
steht also unter Selbstbeobachtung die Kenntnisnahme des Geistes
von seinen eigenen Tätigkeiten und deren Art und Weise, worin
der Grund dafür liegt, dass der Verstand Ideen dieser Tätigkeiten
erhält^), oder: Reflexion ist das Wissen von den dadurch her-
vorgerufenen Tätigkeiten der Seele selbst. * Diese beiden, sage
ich, nämlich äussere materielle Dinge, als Objekte der Sinnes-
wahrnehmung, und unsre eigenen inneren Geistestätigkeiten, als
Objekte der Selbstbeobachtung, sind für mich die einzigen Ur-
sprungsstellen, woher alle unsere Ideen ihren Anfang nehmen« ^).
»Psychogenetisch also verhalten sich diese beiden Arten der
Wahrnehmung so, dass die Sensation Anlass und Voraussetzung
für die Reflexion ist, — sachlich so, dass aller Inhalt der Vor-
stellungen aus der Sensation stammt, die Reflexion dagegen das
Bewusstsein der an diesem Inhalt vollzogenen Funktionen ent-
hält.« Diese Annahme Lockes ist jedoch nur teilweise richtig;
denn, wie oben erwähnt, stammt nicht aller Inhalt der Vor-
stellungen lediglich aus der Sensation her, sondern diese ist nur
die eine Quelle, aus der unsere Vorstellungen herrühren ^).
Ueberhaupt drückt sich Locke über die Tätigkeit des Geistes
bezüglich seines Verhaltens den einfachen Wahrnehmungen gegen-
über recht unklar aus, indem er sagt: -Den Ausdruck , Tätig-
keiten' brauche ich hier in einem weiten Sinne, so dass er nicht
bloss die Einwirkungen bezeichnet, die der Geist auf seine Ideen
ausübt, sondern auch eine gewisse Art von Einwirkungen, die er
zuweilen von ihnen erleidet, wie z. B. die aus einem Gedanken
entspringende Zufriedenheit oder Unruhe« ^). Denn aus den
einfachen Vorstellungen gehen durch die Tätigkeit des Geistes
die zusammengesetzten hervor. Bei diesen intellektuellen Funk-
tionen ist die Seele bald aktiv, indem ihre Tätigkeiten als
richtige Seelen vermögen (faculties) erscheinen, deren sich
die Seele reflektierend bewusst wird ; oder aber sie verhält sich
auch in diesen beziehenden Tätigkeiten, wie in der Erinnerung,
der Unterscheidung, der Vergleichung, der Verbindung usw. durch-
weg passiv, indem sie an den Inhalt der Sensation gebunden
i) Locke, Ueber den menschlichen Verstand. IL Buch, i. Kap. § 4.
2) Ebenda.
3) W. Windel band, Geschichte der Philosophie. 1892. S. 355.
— 19 —
ist; passiv allerdings nur insofern, als ihre Tätigkeit erst durch
die äussern Eindrücke erweckt wird, gerade wie bei Kant. Aus
diesem Verhältnis geht nun deutlich hervor, dass sich leicht ver-
schiedene Ansichten entwickeln konnten, je nachdem man der
Seele bei der Verbindung der Vorstellungen mehr oder weniger
Selbsttätigkeit zuschrieb. Dies zeigte sich in der Folgezeit.
>Lockes tabula rasa ist also sozusagen nur die Ober-
fläche der Seele, die ursprünglich ganz leere Tafel des Be-
wusstseins, nicht aber die ganze Seele ; denn diese Oberfläche
umschliesst einen Kern, der zwar nicht Vorstellungen, wohl aber
Vermögen, und zwar nicht bloss Vermögen vorzustellen, sondern
auch zu fühlen und zu wollen enthält, die aber erst zufolge äus-
serer Anregungen sich entfalten. Demnach ist nun auch Locke
durchaus nicht S e n s u a 1 i s t. Denn die Operationen, welche
nach ihm die Seele mit den durch Sensation erworbenen Vor-
stellungen vornimmt, stammen weder von aussen her, noch sind
sie blosse Wechselwirkungen zwischen den durch äussere Ein-
drücke erzeugten Vorstellungen, zu denen die Seele nur den
Schau- und Tummelplatz abgäbe, sondern sie sind, dem Ver-
mögen nach, der Seele immanent, angeboren, sie sind von aussen
her angeregte Selbsttätigkeiten der Seele, die Verstandestätig-
keiten derselben M. — Doch müssen wir hier zunächst den
Gegensatz zwischen Locke und Hume hervorheben.
Wir haben erwähnt, dass Hume analog mit Locke gleich-
falls zwei Arten von Vorstellungen aufgestellt hat: die impres-
sions und die ideas oder thougths ; erstere sind die starken Ein-
drücke, die ursprünglichen Empfindungen der äusseren oder der
inneren Wahrnehmungen, letztere die Erinnerungsbüderderersteren.
Hierin schliesst er sich enge an Locke an. Beiden ist die äus-
sere Erfahrung das Ursprüngliche ; doch stellt Hume zur äussern
Erfahrung als gleichberechtigt die Innern Wahrnehmungen, die
bei uns durch dieselben starken Eindrücke hervorgerufen werden
wie die durch die äussern Erfahrungen. So umfasst also Hume
unter dem Begriff der impressions das ganze Gebiet der Er-
fahrung, sowohl das der Sinnes- oder der äussern, wie das der
innern Erfahrung zusammen. Die letztere aber deckt sich zum
l) M. W. Drobisch, Ueber Locke, den Vorläufer Kants. In Zeitschrift für
exakte Philosophie im Sinne des neueren philosophischen Realismus. II. Bd. 1862.
S. 10. II.
— 20 —
Teil wenigstens mit dem, was Locke mit reflection bezeichnet,
insofern nämlich, als Hume darunter auch Zustände wie lieben,
hassen, begehren, wollen, also das ganze innere Gefühlsleben ver-
steht. Hume drückt sich hierbei scharf und deutlich aus, nicht
so Locke, wie wir bereits gezeigt haben. Sein Begriff der Sen-
sation geht völlig in dem Humeschen der Impression auf, wäh-
rend seine reflection von ihm viel zu populär definiert wird, in-
dem die Seele sich bei ihr bald aktiv, bald passiv verhält, Locke
unter reflection also einmal die Vermögen (faculties) der Seele
wie wahrnehmen, denken, zweifeln, glauben, folgern, wissen, wollen
versteht, sodann aber wiederum die reflection von der Sensation
genetisch und sachhch abhängig sein lässt. In dieser Zwitter-
stellung der reflection liegt die Schwäche dieser zweiten Quelle
der Ideen ; einmal ist sie zu weit gefasst, sofern sie nämlich die
Vermögen, deren sich die Seele bei ihren intellektuellen Funk-
tionen reflektierend bewusst wird, in sich schliesst, sodann aber
erscheint sie wieder völlig bedeutungslos, insofern Locke sie von
der Sensation abhängig sein lässt. Sehr deutlich drückt sich
Hume aus ; sein Begriff schliesst logisch scharf alles Erfahrungs-
material in sich; er kann auf empiristischem Boden mit Recht
als die einzige Erfahrungsquelle bezeichnet werden. Sein Begriff
der ideas oder thoughts trägt das ^Merkmal der Abhängigkeit
von den impressions deutlich an sich, während dies bei der re-
flection nicht der Fall ist. Daraus folgt, das Hume den Stand-
punkt des Empirismus viel konsequenter durchgeführt hat als
Locke, dass also der Sensualismus sich unter seiner Hand zum
echten Empirismus entwickelte, dass er demgemäss auch zu ganz
andern Resultaten gelangen musste als Locke. Alle metaphy-
sischen Begriffe, die Locke noch gelten Hess, wenn er deren Un-
haltbarkeit in seinem System auch fühlte und in seinen Ansichten
oft schwankend erscheint, mussten fallen. So sehen wir denn
auch, dass schon der Nachfolger Lockes, Berkeley, mit einem
grossen Teile dieser Begriffe^ aufräumte, wenn ihn auch seine
Frömmigkeit und seine Stellung als Theologe vor den letzten
Konsequenzen abgehalten hat. Anders war dies bei Hume. Er
war der tiefsinnige Philosoph selbst, von dem er sagt, dass er
vor keinem Ergebnis zurückschrecke, selbst wenn es sonderbar
erscheine oder der Volksmeinung widerstreite. Darum kannte er
keine äussern Rücksichten und schreckte auch vor den äussersten
21 —
Konsequenzen nicht zurück, unbarmherzig fiel unter seiner Kri-
tik alles, was mit seiner Grundvoraussetzung des reinen Empiris-
mus nicht vereinbar war. So schuf er aus den Bausteinen der
reinen Erfahrung ein System, das an Schärfe der Konsequenz
seinesgleichen sucht.
Doch dürfen wir nicht vergessen, dass der Weg von Locke
erst durch Berkeley zu Hume führt. Dieser unmittelbare
Vorläufer unseres Philosophen führte zunächst einen erbitterten
Kampf gegen die abstrakten Ideen ; denn nach ihm gibt es nur
Einzelvorstellungen ; sodann verwarf er die primären Qualitäten,
die nach Locke den Dingen selbst zukommen, negierte die Exi-
stenz der Ausdehnung extra mentem, womit, wie er selbst mit
Recht sagt, der Begriff der materiellen Substanz mitaufgehoben
wird ; aber es ist keineswegs umgekehrt an die Negation jenes
dunklen Etwas notwendig auch die Negation der objektiven Rea-
lität der Ausdehnung geknüpft. Damit hatte er dem Substanz-
begriff bereits einen Stoss versetzt; die Kausalität war ihm eine
Tatsache göttlicher Wirksamkeit und blieb dadurch unerklärt.
In diesen Sätzen haben wir bereits die Grundzüge seines ganzen
Systems, dessen Vorzüge sowohl, wie dessen Schwächen. Aus
diesen wenigen Sätzen erhellt, dass der Kreis des Erfahrbaren
immer mehr begrenzt wird. Ein Vorzug ist es zunächst, wenn
er die Existenz abstrakter Ideen im Geiste leugnet und sie auf
die sinnliche Vorstellung oder die Gruppe der sinnlichen Vor-
stellungen zurückführt, welche anfänglich zu jener Beziehung An-
lass gab. Die Sinnesvorstellung allein ist als der alleinige In-
halt der geistigen Tätigkeit anzusehen. Diese Vorstellungen ferner
sind Einzelvorstellungen ; diese können wir durch die Einbildungs-
kraft wieder in uns hervorrufen, doch unterscheiden sich die
letzteren von den ersteren hinsichtlich der Stärke; denn »die
sinnlichen Ideen sind stärker, lebhafter und bestimmter als die
Ideen der Einbildungskraft« ^). Diese Stelle erinnert uns direkt
an Hume. »Die durch den Urheber der Natur den Sinnen ein-
geprägten Ideen heissen wirkliche Dinge ; diejenigen aber, welche
durch die Einbildungskraft hervorgerufen werden und weniger
regelmässig, lebhaft und beständig sind, werden als Ideen im
engeren Sinne oder als Bilder der Dinge, welche sie nachbilden
l) Berkeley, Principles. Kap. 30.
22 —
und darstellen, bezeichnet«^). »Es ist zuzugeben, dass die
sinnlichen Ideen mehr Realität in sich tragen, d. h. sie sind kräf-
tiger, geordneter, zusammenhängender als die Geschöpfe des
Geistes« ^).
Wir haben hier also bereits einen bedeutenden Schritt über
Locke hinausgetan; wir haben bei Berkeley nur noch eine ein-
zige Quelle der Vorstellungen, die S i n n e n w e 1 1. Die Wahr-
nehmungen werden uns ausschliesslich durch die Sinne zugeführt,
wir vermögen sie aber wieder herv^orzurufen und zu verarbeiten.
Wir haben bereits die Unterscheidung der ursprünghchen star-
ken und der durch die Einbildungskraft oder durch das Erinne-
rungsvermögen hervorgerufenen schwachen Vorstellungen.
Die letzteren haben also keinen andern Inhalt als die ursprüng-
lichen Sinneseindrücke, weil sie eben nur Abbilder der ersteren
sind. Die Reflexion ist also bereits auf die Reproduktion der
einfachen Vorstellungen beschränkt. Mit dieser Lehre aber sind
wir bereits mitten in der Humeschen Lehre über den Ursprung
der Vorstellungen angelangt; denn er hat sie in vollem Umfange
sich zu eigen gemacht. Hume übernimmt also von Berkeley ein
Dreifaches: erstens die Aufstellung einer einzigen
Quelle aller Wahrnehmungen ; zweitens den Gegensatz der
starken und schwachen Vorstellungen; drittens
die Bezeichnung des Urbildes und Abbildes. Dagegen geht
er über Berkeley hinaus oder übertrifft ihn wenigstens an Schärfe
dadurch, dass er zu der Sinneswahrnehmung desselben d. h. also
zur äusseren Erfahrung die innere noch hinzufügt, indem er
beide unter dem Begriff der Impression, des starken Eindrucks,
zusammenfasst, oder um mit Locke zu reden, die simple ideas
aus Sensation und reflection. Hume hat also von beiden Vor-
gängern gelernt. Von Locke übernimmt er die Sensation und
von der reflection soviel, als an ihr innere Wahrnehmung ist.
Von Berkeley entlehnt er die eine Quelle, die in dessen Be-
zeichnung des Urbildes und Abbildes enthalten war, sowie den
Unterschied der starken und schwachen Vorstellungen. Neu ist
also bei Hume nur die Zusammenfassung der beiden Arten der
Wahrnehmungen unter dem einen Begriff der impressions oder
Eindrücke, wodurch er ein Lockesches und ein Berkeleysches
Element vereinigt, ausserdem der Umstand, dass er den Begrift"
i) Ebenda, Kap. 33.
— 23 —
der Erfahrung dadurch viel schärfer fasst als Berkeley, dass er
deutlich die äussere und die innere Erfahrung als solche hervor-
hebt, ohne beide allerdings auseinanderfallen zu lassen. Durch
diese Schärfe gewinnt er eine viel breitere Grundlage für seine
weiteren Ausführungen. Mit der Hereinbeziehung der inneren
Erfahrung, auf die er durch Locke kam, hat er das ganze Ge-
biet des Erfahrbaren deuthch gekennzeichnet. Der heutige er-
kenntnistheoretische Positivismus bezeichnet daher mit Recht Hume
als seinen Begründer.
III. Kapitel.
Die Verbindung der Vorstellungen.
Nachdem wir die Frage nach dem Ursprung der Vorstel-
lungen betrachtet haben, erheben sich die weiteren Fragen : Was
geschieht nun mit diesen Vorstellungen } Bleiben sie im Geiste
haften.? Gehen sie Verbindungen mit einander ein? Nach welchen
Gesetzen gehen diese Verbindungen vor sich.?
Wir wissen, dass alle Vorstellungen von Eindrücken herrühren.
Die Eindrücke sind Tatsachen, die die Physik und Anatomie
näher zu untersuchen hat; es sind rein natürliche Vorgänge,
die man deshalb auch als angeborene bezeichnen kann, ein
Begriff, über den Locke sich noch sehr unklar ausgedrückt hat. Die
Abbilder der Eindrücke d. h. dasjenige, welches von den Ein-
drücken in uns zurückbleibt , heissen bei Hume bekanntlich
Ideen; man kann also höchstens von angeborenen Eindrücken,
nicht aber von angeborenen Ideen reden ^). Hume beschäftigt
sich also ausschliesslich mit den Abbildern oder Ideen. Es ver-
steht sich nun von selbst, dass diese Ideen um so lebhafter sind,
je enger ihre Beziehung zu den Eindrücken ist. Da zwischen
den beiden das Verhältnis des Abbildes zum Original obwaltet,
haben wir das Verhältnis der Aehnlichkeit. Da es sich
bei der Erkenntnis darum handelt, die Ideen auf die ihnen ent-
sprechenden Eindrücke zurückzuführen, so ist es klar, dass die
Aehnlichkeit der Ideen oder Vorstellungen bei der Erklärung
unserer Erkenntnis eine grosse Rolle spielt. Denn je grösser die
Aehnlichkeit ist, um so stärker wird jeweils auch ihre Wirkung
[) Hume, Treat. I. P. i. Sect. i; Inqu. Sect. II.
— 24 —
sein, d. h. der Gemütseindruck oder das Gefühl, das durch
den Eindruck hervorgerufen wird, ist ein um so lebhafteres, kräf-
tigeres, nachhaltigeres ; je stärker aber das Gefühl ist, um so
glaubhafter wird die Vorstellung selbst. Da das Gefühl
den Glauben erweckt, so ist dieses Gefühl in letzter Instanz das
Kriterium unseres Glaubens, jedoch nicht der Inhalt oder der
Gegenstand der Vorstellung, sondern die Vorstellungsart d. h.
der Grad ihrer Stärke. Alles menschliche Erkennen läuft also
nach Hume auf Glauben hinaus ; seine Erkenntnistheorie besteht
also darin, den Glauben d. h. die Stärke der Eindrücke zu unter-
suchen, mit denen wir operieren. Unsere Erkenntnis ist also im
letzten Grunde auf dem Glauben aufgebaut, oder was dasselbe
heisst, auf der Stärke der Eindrücke. Der Glaube ist aber nichts
anderes als das Gefühl, das durch die Eindrücke in uns hervor-
gerufen wird. Der Glaube trägt also die Erkenntnis. Da ferner
für den Glauben der Grad der Stärke und Lebhaftigkeit der Ideen
das Massgebende ist, so fusst der Glaube auf der Einbil-
dungskraft, die allein einer Idee diese Stärke zu verleihen
vermag. Die Einbildung erzeugt also im letzten Grunde den
Glauben ; hierbei stützt sie sich vor allem auf die Aehnlichkeit
der Vorstellungen.
Damit jedoch die Vorstellungen nicht verloren gehen, müssen
sie irgendwo aufbewahrt werden. Dieser Ort ist das Gedächt-
nis. Seine Aufgabe besteht vor allem darin, jene sinnliche
Verbindung, in welcher die Eindrücke zu einander stehen, fest-
zuhalten. Demgemäss unterscheidet sich die Einbildungskraft
vom Gedächtnis wesentlich dadurch, dass sie diese Ordnung der
Ideen auflösen und verändern kann. Wir müssen also ein Dop-
peltes unterscheiden : der Entstehung nach erscheint als das Erste
und dem Eindruck Aehnlichste das Gedächtnisbild, als das Zweite,
Entferntere und darum weniger AehnHche, das durch die Einbil-
dungskraft hervorgerufene Bild, das wir kurzweg als Imagination
bezeichnen können ; letztere ist also ein Abbild des Abbildes.
Die Einbildungskraft vermag zwar die Ordnung der Vorstellungen
umzustossen, ihre Verbindung aufzulösen und eine neue herzu-
stellen, aber sie kann nichts hervorbringen oder ersinnen, wobei
sie nicht an das ihr gelieferte Vorstellungsmaterial gebunden
wäre. Dazu kommt noch ein anderes. Denn »offenbar besteht
eine Regel für die Verknüpfung verschiedener Gedanken oder
- 25 —
Vorstellungen der Seele; bei ihrem Eintritt in die Erinnerung
oder Phantasie führt die eine die andere nach einer gewissen
Methode und Regelmässigkeit mit sich« ^). Dies zeigt sich beim
ernsten Nachdenken oder Sprechen sowohl, wo jeder ungehörige
Gedanke sofort bemerkt und zurückgewiesen wird, als auch in den
wildesten und schwärmerischsten Träumereien, indem zwischen
den verschiedenen Vorstellungen, die sich folgen, immer noch
eine Verknüpfung besteht. Diese Art der gesetzmässigen Ver-
knüpfung heisst die Assoziation der Ideen. Unser Glaube
und damit unsere Erkenntnis ist also das Werk der Einbildungs-
kraft, die sich bei ihrer assoziierenden Tätigkeit gewisser Gesetze
bedient. Diese Gesetze nun aufzuzeigen, ist näherhin die Aufgabe
der Erkenntnislehre; sie hat also der natürlichen Verwandtschaft
oder Zusammengehörigkeit unserer Vorstellungen nachzugehen
und diese »psychischen Attraktionsgesetze« aufzudecken. Diese
Aufgabe führt uns aber zum Kernpunkt des Humeschen Problems.
Während Hume in seinem Hauptwerk 2) sieben Vorstel-
lungsverhältnisse aufstellt und zwar : die Identität (verschiedene
Formen von A, etwa Ai, A2, A3 usw.), den Gegensatz (A und
Nicht-A), das mathematische Verhältnis der Grössen und Zahlen,
die Verschiedenheit bei gleicher Qualität d. h. das Verhältnis der
Grade, sodann die drei bekannten : Aehnlichkeit, Kontiguität und
Kausalität — begnügt er sich im Inquiry^) mit den drei
letzteren; aber schon im Hauptwerk*) legt er auf die Kausa-
lität das meiste Gewicht, indem sowohl die Aehnlichkeit als
die Kontiguität in ihr inbegriffen sind. Denn nur die Kausalität
erscheint als Gesetz, das den Charakter der Notwendigkeit
beansprucht.
Alle unsere Erkenntnis, so geht die Untersuchung weiter,
beruht auf der Verbindung der Vorstellungen, die als eine not-
wendige gelten will d. h. als eine auf dem Gesetze der Kausa-
lität beruhende. Wie entsteht dieses Verhältnis.? Mit welchem
Rechte wird dieses Verhältnis von der Einbildungskraft bei ihrer
Tätigkeit benutzt.? Während die Kontiguität und die Sukzession
d. h. die Berührung und Aufeinanderfolge der Glieder in der
1) Inquiry, Sect. III.
2) Hume, Treat. I. P. i. Sect. 5.
3) Inquiry, Sect. III.
4) Hume, Treat. I. P. 3. Sect. 2.
— 26 —
Kette der Vorstellungen wohl wahrnehmbar sind, erhebt sich die
Frage : Ist auch ihre Notwendigkeit wahrnehmbar ? Ist
dies nicht der Fall, wie kann sie dann erkennbar sein? Wie ist
dann überhaupt eine Erkenntnis möglich ? — Um diesen
Begriff dreht sich also das ganze Erkenntnisproblem Humes. Von
der Beantwortung dieser Frage wird der Charakter seiner Lehre
abhängen; auf diesen Punkt werden wir später noch einmal zu-
rückgreifen müssen. —
Sollte aus unsern gegebenen Vorstellungen das berührte Ver-
hältnis der notwendigen Verbindung unmittelbar einleuchten, dann
ist unsere Erkenntnis selbstverständlich, und es bedarf keiner
weiteren Frage; ist dies nicht der Fall, so müssen wir auf eine
adäquate Erkenntnis überhaupt verzichten I
Die Frage heisst also : Ist die Verbindung von Ur-
sache und Wirkung oder die Berührung und Aufeinander-
folge der einzelnen Glieder der Vorstellungskette eine not-
wendige? Oder: Wie kommt unsere Einbildungskraft dazu,
diese Verknüpfung der Vorstellungen als eine notwendige hinzu-
stellen ? Wie kommt diese Art der Verknüpfung zustande ? —
Zu dieser Frage spitzt sich also das Problem zu, das im folgen-
den gelöst werden soll.
IV. Kapitel.
Das Problem der Kausalität.
Wir haben bereits erwähnt, welche Bedeutung der A e h n-
1 i c h k e i t resp. der Identität der Vorstellungen von der
Einbildungskraft beigelegt wird. Wir wissen, dass die Mathematik
auf Grund dieses Prinzips zu selbstverständlichen und darum adä-
quaten Erkenntnissen gelangt ; denn die blosse Vergleichung der
Vorstellungen genügt, damit die Erkenntnis unmittelbar einleuchte.
Wie steht es aber mit der Verbindung verschiedenartiger Vor-
stellungen bezüglich deren notwendiger Verbindung? Hier scheint
die Einbildungskraft ein Gesetz anzuwenden, das auf seine Be-
rechtigung hin erst untersucht werden muss; denn dieses Gesetz
ist am wenigsten selbstverständlich, und unsere ganze Erfahrungs-
erkenntnis wird dadurch in Frage gestellt. Ich sehe verschieden-
artige Vorstellungen in mir nacheinander folgen, und meine Ein-
bildungskraft veranlasst mich zu dem Glauben, diese beiden Vor-
— 27 —
Stellungen verhielten sich zueinander wie Ursache und Wirkung.
Dies der allerdings sehr einfache , aber trotzdem schwer zu er-
klärende Vorgang. Wie kommt denn die Einbildungskraft dazu,
mir diesen Glauben einer notwendigen Verknüpfung der beiden
Vorstellungen einzuflössen.? Dies ist zu erklären.
Das Gesetz lässt sich unter die Formel bringen : A ist die
Ursache von B. Weil A ist , so muss auch B sein. Dem A
schreibe ich also die Kraft zu, B zu setzen. Das ganze Verhält-
nis ist also ein ursächliches, darum kurzweg Kausalität ge-
nannt. Wo Kausalität vorliegt, muss also auch Kraft sein. Ich
verbinde also mit der Vorstellung A noch den Kraftbegriff, ich
schreibe ihr damit aber etwas zu, wozu ich nicht berechtigt bin ;
denn für diesen Begriff finde ich unter den Vorstellungen keinen
Anhaltspunkt. Ich mache eigentlich bei der Anwendung der
Kausalität einen Schluss ; was aber vom Schlüsse allgemein gilt,
muss auch hier gelten, d. h. ich muss einen Mittelbegriff haben,
wenn ich von der Ursache A auf die Wirkung B schliessen will.
Dieser Mittelbegriff wäre hier aber die Kraft. Von dieser gilt
aber dasselbe wie von der Existenz : sie ist so wenig das Merk-
mal eines Begriffes als diese. Ich kann von der Ursache A auf
die Wirkung B ebenso wenig schliessen, als von der Vorstellung A
auf die Kraft A ; ich kann logisch die Kraft nicht erkennen. Und
doch stützt sich auf diesen Begriff unsere ganze Erfahrungserkennt-
nis. Welches ist denn also die Quelle dieses Begriffes } — Darauf
gibt es nur eine Antwort : Die Kausalität ist einfach
unbegreiflich! Weder durch unsern Verstand, noch durch
unsere Wahrnehmung ist die Kraft erkennbar. Schon der O k-
kasionalismus hatte dies eingesehen hinsichtlich des Zu-
sammenhanges zwischen Seele und Leib und hatte deshalb ein
direktes göttliches Eingreifen für nötig erachtet, um die Harmonie
oder das gegenseitige Einwirken von Seele und Leib erklären zu
können. Diese Einsicht gilt aber nicht allein für den vorliegen-
den Fall, sie ist vielmehr zu verallgemeinern ; denn es findet sich
keine Vorstellung, deren Merkmal die Kraft wäre; weder auf einen
innern noch auf einen äussern Eindruck kann dieser Begriff zu-
rückgeführt werden. Und doch ist die Herrschaft dieses Begriffes
über unser Denken unbeschränkt. Da er also von einem Eindruck
nicht herrühren kann , so bleibt nichts andres übrig als die
Annahme, dass er sich erst allmählich in uns auf irgend eine Art
gebildet hat, dass er einfach erst geworden ist, d. h. aus
andern Eindrücken durch unsere Einbildungskraft geschaffen wor-
den ist. Auf welche Weise denn? — Bevor wir die Antwort
geben, sei erwähnt, dass in dieser berühmten Erklärung der Ent-
stehung des Kausalverhältnisses oder näherhin des Kraftbegriffes
viel Originalität Humes steckt, und dass er darum dieser Erklärung
einen grossen Teil seiner Berühmtheit verdankt; denn in dieser
Erklärung ist zugleich der Kernpunkt seiner ganzen Philo-
sophie enthalten. Bekannthch führt er den Begriff auf eine Ge-
wohnheit zurück und gelangt so zu einem negativen Ergebnis.
Zum Vergleiche sei hier die wörthche Erklärung des Ursachbe-
griffes angeführt , wie sie J. Glanville ^j gibt ; wir machen hier-
bei auf die Aehnhchkeit beider aufmerksam: »All knowledge
of causes is deductive, for we know none by simple intuition, but
through the mediation of their effects. So that we cannot con-
clude any thing to be the cause of another but from its con-
ti n u a 1 a c c o m p a n y i n g i t , for the causality itself is in-
sensible. But now to argue from a concomitancy to a
causality is not infallibly conclusive, yea in this
way lies notorious delusion«.
Humes Erklärung ist folgende : Folgt ein Eindruck B auf
einen andern A, so sind die beiden zwar verbunden, aber nicht
verknüpft; letzteres wären sie nur, wenn B mit A untrennbar zu-
sammenhinge. Hat diese Aufeinanderfolge der beiden Eindrücke
nur einmal stattgefunden, so wird niemand daraus den Schluss
ziehen , dass dies nun immer geschehen werde , weil es einmal
eingetroffen ist. Ganz anders aber verhält es sich, wenn die
beiden Eindrücke in fortgesetzter Aufeinanderfolge sich wieder-
holen ; dann wird der Uebergang allmählich ein gewohnter;
dies fühlen wir ganz deutlich. Dieses Gefühl wirkt nun aber auf
uns gleichfalls ein und zwar zuletzt so lebhaft, dass wir glauben,
einen Eindruck gehabt zu haben ; dies ist in der Tat zuletzt auch
der Fall, nur ist dieser Eindruck kein ursprüngHch gegebener^
sondern ein allmählich gewordener. Dieser neue Eindruck, zu
dem das durch die Gewohnheit entstandene Gefühl sich zuletzt
verdichtet hat, ist also das Original, dessen Abbild die Idee der
Kraft ist. Dieses Gefühl nötigt mich , an die wirkliche Ver-
knüpfung der zwei Tatsachen zu glauben; weil ich so oft die
I) J. Glanville, Sceps. scient. 23, p. 142.
— 29 —
beiden Eindrücke aufeinander folgen sah, glaube ich zuletzt, dass
sie immer aufeinander folgen werden; ich mache also einen
Schluss, und verknüpfe so die beiden Eindrücke, indem ich dem
ersteren die Kraft zuschreibe, den letzteren hervorzubringen. Ich
glaube also bloss an die Aufeinanderfolge der Eindrücke ; mit
diesem Glauben kann ich aber die Verknüpfung nicht beweisen,
trotz meines Schlusses, der eben kein gültiger ist, weil der Mittel-
begriff fehlt. Dieser Glaube ist daher nicht demonstrativ, also
kein Vernunftschluss; trotzdem aber ist er der letzte Grund aller
empirischen Sicherheit i). Der psychologische Vorgang ist also der;
Von Aehnlichem erwartet man Aehnliches. Dadurch bildet sich
eine feste innere Gewöhnung, ein Gefühl der Erwartung, welches
eintritt, wenn von zwei durch Assoziation verbundenen Vorstellun-
gen eine im Bewusstsein anwesend ist. Dieser innere Vorgang ist
dann schliesslich ein subjektiver Glauben (belief), der uns veran-
lasst, dieses innere Gefühl der Nötigung auf das Geschehen selbst
zu übertragen und so aus dem post hoc ein propter hoc zu
machen. Ursachen aber sind nicht Dinge, sondern stets Vorgänge.
Damit ist der Begriff der Ursache oder der Kraft überhaupt als
unerkennbar bezeichnet ; diese innere Nötigung ist etwas bloss
Erschlichenes, völlig Subjektives, beruht nur auf einer. Gewohn-
heit; deshalb darf sie nicht die Bedeutung von etwas Subjektivem
beanspruchen; deshalb darf man von einer objektiven Erkenntnis
der Tatsachen nicht reden. Es gibt nur eine subjektive Erkennt-
nis, da die Gegenstände unserer Erkenntnis lediglich unsere Vor-
stellungen sind. Man darf also nur von Wahrscheinlichkeit reden,
nicht von Gewissheit; denn die Gewohnheit oder der Glaube, der
letzte Grund unserer Erkenntnis, beweist nichts. Es gibt also
keine andere demonstrative Wissenschaft als die Mathematik. Die
rationale Theologie z. B. ist ein Unding.
»Hume ist bis auf einen gewissen Punkt gegen Kant im
Rechte, wenn er aus der Assoziation der Vorstellungen und der
daraus sich bildenden Gewohnheit den Kausalbegriff ableitet.
Denn so wenig auch diese Ableitung genügt, um den im wissen-
schaftlichen Denken vorausgesetzten notwendigen Zu-
sammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu erklären und ins-
besondere den Grundsatz »jede Veränderung muss ihre Ursache
haben«, zu rechtfertigen, so ist es doch gewiss, dass der »g e-
I) Inquiry. Sect. VII. P. 2. Vgl. Sect. V. P. i, 2.
~ 30 —
meine Verstand« von einer solchen strengen, objektiv gül-
tigen Notwendigkeit nichts weiss, sondern dass sein Erwarten
von Folgen wie sein Suchen nach vorangegangenen Ursachen in
der Tat nur auf Erfahrungsregeln beruht , die er durch unvoll-
ständige Induktionen , daher durch Assoziation gewonnen hat.
Und überdies erhebt sich , näher besehen , Kants Kausalitätsbe-
griff nicht einmal wesentlich über den Humes. Es wird ihm nur
durch Versetzung aus dem Kreise der empirisch gewonnenen Vor-
stellungen in das Reich der reinen Formen a priori das Siegel
der Notwendigkeit aufgedrückt, er bleibt aber immer nur eine
Regel der Zeitfolge« ^),
V. Kapitel.
Das Problem der Substantialität.
Bisher haben wir von den Vorstellungen und ihrer Verbin-
dung gehandelt; wir haben uns dabei immer innerhalb des Be-
wusstseins bewxgt, haben untersucht, was wir darin vorfanden,
haben es mit einander verglichen, gesichtet und teilweise neuge-
ordnet, ohne uns um das Verhältnis unserer Vorstellungen zu Ob-
jekten oder Dingen ausserhalb unserer Wahrnehmungen umzusehen.
Wir können jedoch diesen Punkt ziemlich kurz abmachen, da
Hume hier fast völlig auf dem Standpunkte seines Vorläufers
Berkeley steht. Schon dieser hatte die Ansicht ausgesprochen,
dass man nur Vorstellung mit Vorstellung vergleichen könne,
aber nicht die Vorstellung mit einem Dinge ausserhalb und un-
abhängig von der Vorstellung. Das hiesse das Wahrnehmbare mit
dem Unwahrnehmbaren, die Vorstellung mit dem Dinge-an-sich
vergleichen. Locke hatte bekanntlich die Eigenschaften der Körper
in primäre, sekundäre und tertiäre unterschieden ; die ersteren exi-
stierten nach ihm an den Körpern selbst, die beiden letzteren
bloss in unserer Vorstellungswelt. Diese Unterscheidung ist ein
sehr schwacher Punkt in der Metaphysik Lockes. Unter den pri-
mären Qualitäten verstand Locke die Solidität, Ausdehnung, Fi-
gur, Zahl, Bewegung und Ruhe, unter den sekundären die Farben
und Töne , Geruch und Geschmack , Wärme und Kälte usw.
Da kam Berkeley nach ihm, der diesen Unterschied der Quali-
i) Dro bisch, Ueber Locke, S. 29 u.
täten aufhob und nur Einzelvorstellungen d. h. An-
schauungen oder Wahrnehmungen gelten Hess. Das Dasein der
Wahrnehmungsobjekte besteht nach ihm einzig im Wahrgenom-
menwerden, für diese gilt der Satz : esse ^ percipi. Um mit Locke
zu reden, gibt es also nach Berkeley nur sekundäre Qualitäten.
Ueber die Entstehung der Vorstellungen von Zeit und
Raum ist Hume mit Locke einverstanden ; aus der Gesichts-
und Gefühlswahrnehmung folgt der Raumbegriff, aus den Wahr-
nehmungen der äusseren und inneren Veränderungen der Zeit-
begriff. Mit Berkeley verwirft Hume sodann den Begriff der
unendlichen Teilbarkeit als einer unvorstellbaren und abstrakten
Grösse ^).
Nach diesen Bemerkungen gehen wir zur Untersuchung des
Begriffes der Substantialität über, auf den wir bisher schon
öfters gestossen sind. In seinem Hauptwerk hat Hume die Frage
nach der Substantialität der Dinge für den »tiefsten Punkt der
Metaphysik« erklärt. Von ihm aus lasse sich am geeignetsten
ein Abriss seines Systems geben -). Es steht allerdings fest,
dass diese Frage ein Angelpunkt der Philosophie überhaupt ist,
die zu den verschiedensten Zeiten auch eine sehr verschieden-
artige Lösung erfahren hat. Hängt doch von ihrer Beantwortung
nichts Geringeres ab als unsere Ansicht über das selbständige
Dasein einer Körper- und Geisterwelt, sowie die Auffassung der
Persönlichkeit und die Unsterblichkeitsfrage. Schon diese An-
deutungen genügen, um die Wichtigkeit dieser Frage zu verdeut-
lichen. Deshalb ist es erklärlich, dass Hume ihr in seinem Haupt-
werk einen grossen Raum angewiesen hat, während er diese Frage
im Inquiry unerörtert lässt.
Zu ihrer Untersuchung schlägt Hume denselben Weg ein
wie zur P>örterung des Kausalitätsbegriffes, d. h. er untersucht,
ob die Idee der Substantialität sich auf einen Eindruck zurück-
führen lasse, dessen Abbild sie dann wäre. Da er aber keinen
findet, bezeichnet er auch diesen Begriff als geworden,
d. h. erschlichen und kommt so gleichfalls zu einem negativen
Resultat. Da es keinen Eindruck in uns gibt, der ein Wesen be-
zeichnete, das, unabhängig von unsern Vorstellungen, den ver-
änderlichen Erscheinungen zugrunde liegt, so muss diese Idee auf
i) Treat. I. P. 2. Sect. i u. 2. Vgl. ebenda I. P. 3. Sect. i. — Inq. Sect. IV.
2) Treat. I. P. 4. Sect. 2.
— 32 —
einer Täuschung beruhen, die erklärt werden muss. Wie entsteht
diese Illusion? Wie kommen wir zur Vorstellung der Identität
eines Objektes, obwohl unsere Eindrücke uns dazu nicht berech-
tigen? — Hören wir hierüber Hume selbst! »So bleibt uns keine
Vorstellung der Substanz, die etwas anderes wäre als die Vor-
stellung eines Zusammen bestimmt gearteter Eigenschaften» ^).
— »Die Vorstellung einer Substanz und ebenso die eines Modus
ist nichts als ein Zusammen einfacher Vorstellungen (collection
of simple ideas), die durch die Einbildungskraft (Imagination) ver-
einigt worden sind (united) und einen besondern Namen erhalten
haben, durch welchen wir dieses Zusammen uns oder andern ins
Gedächtnis zurückrufen können. Der Unterschied zwischen beiden
Vorstellungen besteht darin, dass die bestimmten Eigenschaften,
die das Wesen einer Substanz ausmachen, gewöhnlich auf ein
unbekanntes Etwas bezogen werden, an dem sie, wie man meint,
haften. Oder, falls man diese Fiktion nicht macht, so werden
sie wenigstens durch die Beziehungen der Kontiguität und der
Ursächlichkeit eng und untrennbar verbunden gedacht <- -). Die
Substanz ist also eine Erdichtung der Einbildungskraft, die in
ihr das die Einheit oder den Zusammenhang der Eigenschaften
herstellende Prinzip (principle of union or cohesion) ^) erblickt.
Unsere Perzeptionen bedürfen keiner Substanz, sie existieren für
sich und sind insofern Substanzen. Der Vorgang ist also kurz
folgender : W^enn unsere Einbildungskraft sich immer wieder mit
einer Reihe sehr ähnlicher Vorstellungen wie etwa Ai, A2, A3 u.s.w,
beschäftigt, so merkt sie schUesslich die Verschiedenheit dieser
Vorstellungen nicht mehr und glaubt daher, stets ein und das-
selbe Objekt vor sich zu haben und sieht am Ende nur noch ein
Objekt A vor sich, das ihr als kontinuierlich erscheint. So kommt
es also zu einer Verwechslung, indem die Einbildungskraft sich
mit dem Gegenstande verwechselt, und darin eben besteht die
Illusion*). ]Mit diesem Glauben an die Identität der Objekte
ist zugleich der Glaube an ihre Substantialität gefordert. Denn
ich kann nicht annehmen, dass ein Objekt erst entsteht oder nur
solange besteht, als es in meiner Einbildungskraft gegenwärtig
ist. So zieht die eine Illusion notwendig die andere nach sich °).
i) Treat. I. P. i. Sect. 6. 4) Treat. I. P. 4. Sect. 2 u. 6.
2) Treat. I. P. i. Sect. 6. 5) Treat. I. P. 4. Sect. 2.
3^ Treat. I. P. 4. Sect. 3.
Auf diese Weise sind also unsere Begriffe eines Dinges
oder einer Substanz zu erklären und der Glaube an die Exi-
stenz einer Körperwelt unabhängig von unsern Vorstellungen.
Wiederum also ist es die Gewohnheit, die diesen Glauben
erzeugt. Obwohl die physischen Körper in ihren Massen sich
beständig verändern und die technischen Körper durch Umar-
beitung oder Ausbesserung beständigem Wechsel unterworfen
sind, so erscheinen sie uns trotzdem immer als dieselben Objekte.
Geradeso verhält es sich mit der persönlichen Identität^). Auch
für sie lässt sich kein Eindruck finden, dessen Abbild sie sein
könnte. Es gilt daher von der Vorstellung der Seele dasselbe,
was von der Idee der Substanz und Kausalität gilt : sie ist er-
dichtet, sie ist ein Produkt unserer Einbildungskraft. In Wahrheit
sind wir eine Kollektion von Vorstellungen. Diese Kollektion ist
aber eine festgegliederte Kette, die ebenfalls von der Einbildungs-
kraft gemäss ihren Gesetzen geschaffen wurde. Ja die Einbil-
dungskraft ist selbst dieses Band der Ideen. Dieses Band,
als Objekt vorgestellt, heisst Seele oder Ich. Das Gedächtnis ist
daher die »Hauptquelle der persönlichen Identität«, Diese ist
also eine geglaubte Vorstellung, die gerade soweit reicht als unser
Gedächtnis"-).
Wir haben nun gesehen, wie die Einbildungskraft mit den
Vorstellungen schaltet und waltet; wir sind ihren Täuschungen
nachgegangen und haben sie aufgedeckt. Es erübrigt daher nur
noch zu erwähnen, dass die Vernunft dieses Tun der Einbil-
dungskraft durchschaut ; sie spricht es offen aus, dass es nur Vor-
stellungen und deren Assoziation als erkennbare Objekte gibt.
Wie ist dieser Widerspruch zu lösen .?
Es gibt Dinge und Vorstellungen, behaupten die Dogmatiker;
die Vorstellungen sind die Abbilder der Dinge, beide verhalten
sich wie Wirkung und Ursache. Damit aber ist die Erkenntnis
nicht erklärt ; deshalb suchen die Anhänger dieser Lehre nach
dem Unerkennbaren und machen vor den verborgenen Eigen-
schaften der Dinge« Halt. Dies ist aber keine Lösung des Er-
kenntnisproblems, sondern die Schwierigkeit ist nur weiter hinauf-
gerückt. Wie viel besser ist daher die Vernunfteinsicht, die
eine reale und notwendige Erkenntnis der Dinge für unmöglich
i) Treat. I. P. 4. Sect. 6 u. 2.
2) Treat. I. P. 4. Sect. 6.
— 34 —
erklärt und an das Dasein und den notwendigen Zusammenhang
der Dinge nur glaubt vermöge der Einbildung. Klingt dieser Satz
auch skeptisch, so hat er doch den grossen Vorzug, dass er
im grossen ganzen das gewöhnliche Bewusstsein erklärt, wie es
leibt und lebt, ohne im mindesten für das praktische Leben et-
was ändern zu wollen ^). Locke hat bezüglich des Begriffs der
Substantialität zwischen Skeptizismus, Materialismus und Deismus
geschwankt. Er unterscheidet zwischen Substanz als phaeno-
menon und als noumenon. »In der ersteren Bedeutung ist ihm
Substanz ganz dasselbe, was Herbart, der hierbei Lockes rühmend
gedenkt, ,das Ding mit mehreren Merkmalen' nennt, daher die
Vorstellung einer Substanz eine zusammengesetzte.
Wenn unser Geist, sagt er (Essay II, 23, § i), bemerkt, dass eine
gewisse Anzahl einfacher Vorstellungen immer zusammengehen,
so betrachten wir sie als einem einzigen Dinge zugehörig, be-
zeichnen sie daher mit einem einzigen Namen und pflegen, aus
Unachtsamkeit, von ihnen so zu reden, als ob sie eine einzige
Vorstellung wären. Weil wir aber, fährt er fort, uns nicht zu
denken vermögen, wie diese einfachen Vorstellungen, aus denen
die Vorstellung der Substanz zusammengesetzt ist, sollten für sich
bestehen können, so sind wir gewohnt, ein Substrat vorauszusetzen,
das sie trägt, in dem sie sind, und aus dem sie hervorgehen, das
wir nun Substanz nennen. Von dieser nur im Denken voraus-
gesetzten Substanz, die man daher wohl als ein noumenon be-
zeichnen kann, und die Locke auch die reine Substanz im all-
gemeinen (notion of pure substance in general) nennt, haben wir
nun nach ihm durchaus keine klare und deutliche Vorstellung. Sie ist
nichts weiter als die Voraussetzung eines unbekannten Trä-
gers solcher Qualitäten, welche fähig sind, in uns einfache Vor-
stellungen hervorzubringen (II, 23, § 2). Die realen Essenzen
der Substanzen, von denen ihre Eigenschaften und Tätigkeiten
abhängen, sind uns unbekannt, und wir müssen alle Hoff-
nung aufgeben, jemals zu klaren und deutlichen Vorstellungen von
ihnen zu gelangen (IV, 6, § 12). Wer denkt hier nicht unwillkürlich
an Kants Ding-an-sich« .?^ — Doch wie wendet Locke diese Lehre
von der Substanz auf die Seele an .-
Locke hat zuerst den Begriff des Ich von dem der Seele
Treat. L P. 4. Sect. 2 u.
— 35 —
scharf geschieden. Zu wissen, was eine Seele sei, liegt nach ihm
ganz jenseits unserer Erkenntnis. >Wer die beiden entgegen-
gesetzten Hypothesen des Materialismus und Spiritualismus vor-
urteilsfrei betrachte, der sei unfähig, sowohl sich ganz für als
ganz gegen den Materialismus zu entscheiden ; denn möge er
nun die Seele als eine unausgedehnte Substanz oder als ausge-
dehnte und denkende Materie betrachten, so werde ihn die Schwie-
rigkeit, das eine oder das andere zu begreifen, welche von beiden
Ansichten er auch aufmerksam betrachte, immer nach der ent-
gegengesetzten hindrängen« ').
»Locke unterscheidet sodann (II, 27) genau zwischen dem Ich
und der Seele als Substanz. Es entgeht ihm nicht, dass das Ich
eine unmittelbare Tatsache, die Seele als Substanz dagegen
der Versuch einer Erklärung dieser Tatsache, ein Hinzuge-
dachtes ist, und er zeigt ausführlich, dass die Identität des Be-
wusstseins, als blosse Tatsache aufgefasst, gar nicht darüber ent-
scheidet, ob dieses selbige Ich in einer einzigen Substanz, oder
in einer Verbindung mehrerer seinen Realgrund habe, oder end-
lich in einer Mehrheit sukzessiv wechselnder Substanzen sich fort-
setze. Locke hält es nun zwar am Ende (§ 25) selbst für die
w a h r s c h e i n 1 i c h s t e M e i n u n g , dass das Bewusstsein von
unserer Existenz und unsern Handlungen an eine einzige, indivi-
duelle und immaterielle Substanz geknüpft sei, verwahrt sich aber
hier noch einmal dagegen, dass die bewusste persönliche Identität
für gleichbedeutend mit der Identität der Seelensubstanz genommen
werde« ^). Die nahe Verwandtschaft der Ausführungen Lockes
über die Substanz mit denen Humes springt offen in die Augen !
Berkeley hat durch seine Negation der Existenz der Aus-
dehnung extra mentem den Begriff der materiellen Substanz mit-
aufgehoben, dagegen die Substantialität der Geister ebenso ent-
schieden behauptet. Hume hat es, wie gesagt, für gut befunden,
die Leugnung des Substanzbegriffcs und deren Folgen im Inquiry
zu übergehen, als es ihm darum zu tun war, seine Philosophie,
ohne Anstoss zu erregen, bei seinem Volke bekannt zu machen.
i) Drobisch, Ueber Locke, S. i:
- 36 -
VI. Kapitel.
Das Resultat.
Es erübrigt nunmehr noch, einen Rückblick auf unsere Unter-
suchungen zu werfen, um das Endergebnis aus denselben zu ziehen.
Wir haben das Erkenntnisproblem in seinem ganzen Verlaufe
verfolgt und dargestellt; wir haben uns auch bemüht, jeweils auf
die Vorläufer Humes zurückzugehen, um jedesmal festzustellen,
welche Weiterentwicklung die Lehre bei unserem Philosophen ge-
nommen hat. Auf diese Weise haben wir versucht, ein übersicht-
liches Bild der Geschichte des Erkenntnisproblems darzustellen,
wie sie in der Entwicklung des Empirismus in seinen Hauptver-
tretern in England vor sich gegangen ist.
Wir haben im Laufe unserer Darlegung Gelegenheit genug
gehabt, die logische Schärfe und die Konsequenz im Denken
Humes kennen zu lernen, mit der das ganze System durchgeführt,
gleichsam wie aus einem Gusse geschaffen ist. Wir haben auch
gehört, wie Hume selbst sagt, wie leicht sich von seiner Lehre
über den Substanzbegriff aus sein ganzes System aufbauen lasse.
Ja unser Philosoph hätte behaupten dürfen, dass sich dies schon
aus seiner Erklärung der Kausalität folgerichtig ergebe; wir heben
noch hervor, dass es nur wenige grundlegende Sätze sind, die
Hume aufstellt, aber von solcher Tragweite, dass wer sie annimmt,
alle folgenden unterschreiben muss. Aus alledem glauben wir
behaupten zu dürfen, dass sein System, konsequent wie es ist,
auch nur eine einzige Beurteilung erfahren darf, nämlich eine
solche, welche ihm seiner ganzen Natur gemäss allein zukommen
kann.
B a c o n hatte den Satz, dass alle menschliche Erkenntnis nur
durch Erfahrung möglich sei, zur Grundlage seiner Lehre gemacht.
Dieser Satz war gleichsam sein Weg, seine Richtschnur, um seine
Erfindungen machen zu können. Wie kommen wir aber zur Er-
fahrung? — Durch die sinnliche Wahrnehmung mittels des natür-
lichen Verstandes ! Dieser muss geradezu von neuem beginnen,
nachdem er sich aller Begriffe entledigt hat ; dieser gereinigte
Verstand heisst bei ihm intellectus abrasus und wird mit einer
gereinigten und gefegten Tenne verglichen. Von diesem Punkte
ging Locke aus. Ist der Verstand eine tabula rasa, so kann
er keine angeborenen Ideen haben. Diesen Satz hat Locke zu
— 37 —
seinem Grundsatz gemacht, und darin besteht seine Abhängigkeit
von Bacon. »Dadurch war aber auch der ganze Charakter der
Lockeschen Untersuchung angelegt und bestimmt. Alle Erkennt-
nis ist Erfahrung, diese selbst ist nur durch Wahrnehmung mög-
lich« ^). Lockes Aufgabe ist also in letzter Linie, eine »Natur-
geschichte des menschlichen Verstandes« zu schreiben d. h. die
Entstehungsweise der menschlichen Erkenntnis aufzuzeigen, die in
Wirklichkeit eine generatio aequivoca genannt werden darf. »Das
Resultat seiner Untersuchungen war, dass unsere Erkenntnis eine
dreifach abgestufte , nämlich teils intuitive, teils demonstrative,
teils sensitive ist, die erste den stärksten, die letzte den schwächsten
Grad von Gewissheit hat. Demonstrative, auf intuitive gegründete
Gewissheit -hat nach Locke nicht nur die Mathematik und die
Moral, sondern auch unsere Erkenntnis vom Dasein Gottes« -).
Wie Locke von der Leugnung der angeborenen Ideen aus-
ging, so Berkeley von der der abstrakten Ideen. Locke hatte
nämlich die Lehre von den primären Qualitäten aufgestellt, die
den Körpern an sich zukämen, obwohl er die Geltung der Gat-
tungsbegriffe verneint hatte. Dies war ein Widerspruch, den
Berkeley aufgriff und damit löste, dass er behauptete, es gebe
im Grunde nur Einzelvorstellungen, deren Elemente die
einzelnen Sinnesempfindungen seien. Das Dasein der Wahrneh-
mungsobjekte bestehe überhaupt nur im Wahrgenommenw^erden;
in dieser Hinsicht gelte der Satz: esse = percipi. Damit aber hatte
Berkeley auch die primären Qualitäten als Eigenschaften der
Dinge verworfen; dies war der zweite Differenzpunkt zwischen ihm
und Locke. Es gibt keinerlei Eigenschaften, die unabhängig von
der Wahrnehmung oder ausserhalb derselben als etwas Reales zu
setzen sind^). Wir sehen, Berkeley wird auch die Dinge selbst
d. h. die Materie als ein Ding-an-sich nicht bestehen lassen wollen;
ja der Satz: esse = percipi gilt jetzt in vollem Umfange: Das Da-
sein der Dinge und deren Inbegriff als Aussen- oder Körperwelt,
das gesamte Weltgebäude geht auf in der Vorstellung-*). Es gibt
also nur perzipierende Geister und Ideen. Da das Dasein
der Wahrnehmungsobjekte lediglich im Vorgestelltwerden besteht,
i) Kuno Fischer, a. a. O. S. 54;
2) Dro bisch, a. a. O. S. 24.
3) Berkeley, Three dialogues. I. l'hil.
4) Berkeley, Principles III.
- 38 -
sind diese Objekte weder selbständige noch tätige Wesen, weder
Substanzen noch Ursachen. Es gibt daher in der Natur selbst
keine Kausalität und keinen Kausalzusammenhang. Daher
kommt Berkeley denn auch zu dem Schlüsse, dass wir nicht im-
stande sind, irgend ein Naturgesetz zu >^ demonstrieren« oder als
notwendig zu erweisen. Es bleibt also nur übrig, uns ent-
weder mit Berkeley damit zu beruhigen, den unergründlichen
Willen Gottes als die alleinige Ursache alles Erkennbaren zu be-
trachten, oder aber erklären zu müssen, dass eine wahre und not-
wendige Erkenntnis der Dinge aus sensualistischen Mitteln nicht
erreicht werden könne. Das ist der Schritt vom Sensualismus
zum Skeptizismus^).
Auf diesem vorgezeichneten Weg ging dann auch H u m e
.veiter. Ihm war es besonders um die Erforschung der menschlichen
Natur zu tun. Er schloss sich dabei, wie wir schon gezeigt haben,
besonders Berkeley an, dessen Idealismus nur Skeptizismus be-
wirken könne; Berkeleys Lehre sei »die beste Anweisung zum
Skeptizismus«-;, und seinen Fundamentalsatz, dass alle abstrakten
Ideen ungereimt und nichtig seien, nennt er eine der grössten und
Yv'ichtigsten Entdeckungen, welche die Philosophie der jüngsten
Zeit gemacht habe. Humes Verhältnis zu Berkeley ist überhaupt
ein sehr inniges ; ja man kann sagen, dass Berkeley erst von
Hume aus richtig zu verstehen ist^). Wir dürfen daher auch be-
haupten, dass er ganz im Geiste Berkeleys gedacht und geschrieben
hat, nur entschiedener und konsequenter, viel rücksichtsloser als
dieser. Deshalb kommt Hume aber auch zu demselben Resultat
wie Berkeley, nur spricht er dies offener und rückhaltloser aus.
Fast alle Ergebnisse, zu denen er gelangt, sind in Berkeleys Lehre
schon angedeutet oder auch ganz offen ausgesprochen, nur prägt
Hume alle diese Lehren um und behandelt sie nach der ihm
eigenen Art.
Wir haben es als Aufgabe Humes kennen gelernt, das mensch-
liche Bewusstsein zu erklären. Er kam dabei zu dem Resultat,
dass unsere Erkenntnis auf dem natürlichen oder unwillkürlichen
Glauben beruht, der sich aus dem Charakter unserer Vorstel-
1) Kuno Fischer, a. a. O. -S. 729.
2) Inquiry, Sect. XII. P. i.
3) Das spricht Windel band, a. a. O. S. 375, Anm, direkt aus, wobei er
den Idealismus Berkeleys wie die Lehre Humes für den Posiiivismus beansprucht.
— 39 —
lungen ergibt. Von einer adäquaten oder notwendigen Erkenntnis
kann daher keine Rede sein ; denn der Glaube beweist nichts.
Hume glaubt mit diesen Sätzen das Ziel erreicht zu haben, auf
das der Empirismus hinauswollte: nämlich die Uebereinstimmung
der Erfahrungsphilosophie mit der wirklichen Lebenserfahrung,
die sich zu einander verhalten wie das Abbild zum Original. Er
kennt die Schwäche des menschlichen Verstandes zur Genüge
und die Beschränktheit der Grenzen des Erfahrbaren. Aber selbst
innerhalb dieser engen Grenzen gibt es nur innerhalb der Mathe-
matik ein demonstratives Wissen. In allen übrigen Gebieten muss
der menschliche Verstand die Waffen strecken und sich mit dem
Glauben begnügen; ein Weissen gibt es für ihn hierin nicht. Dies
war die einzige konsequente Lösung aus seinen Prinzipien ; auf
diesen Satz zielte ja die ganze Entwicklungsreihe, deren Abschluss
seine Lehre ist, hin. Dieser selbst ist daher als reiner Skepti-
zismus aufzufassen, der von der Schwäche des menschlichen
Verstandes überzeugt, auf ein adäquates Wissen verzichtet und
sich vielmehr mit der rein natürlichen Erklärung unseres Bewusst-
seins begnügt. Nicht ein Wissen, sondern nur ein Glauben ist
die Grundlage unseres Bewusstseins. Es kann daher von einem
Wissen oder einer adäquaten Erkenntnis aus Gründen nicht die
Rede sein; denn die Kausalität ist uns unerkennbar, d. h. un-
sere Erkenntnis ist in ihrem letzten Grunde un-
begreiflich. Diese Ansicht geht auch aus folgenden Stellen
hervor , die den verschiedensten Teilen des Inquiry entnommen
sind.
»Die vollkommenste Naturwissenschaft schiebt nur unsere Un-
wissenheit ein wenig weiter zurück, und ebenso dient vielleicht
die vollkommenste Philosophie nur dazu , grössere Stücke von
unserer Unwissenheit blosszulegen. So ist die P2rkenntnis mensch-
licher Schwäche und Blindheit das Ergebnis aller Philosophie«
(Sect. IV, p. 2). »Hier zeigt sich nun unser natürlicher Zustand
der Unwissenheit rücksichtlich der Kräfte und Wirkungen aller
Dinge« (IV, p. 2). >Wir werden auf diese Weise wenigstens un-
serer Unwissenheit inne, wenn wir auch unser Wissen nicht ver-
mehren« (IV, p. 2). ... wenn man erwägt, wie bald die Natur
allen unsern Untersuchungen über Ursachen einen Riegel vor-
schiebt und uns zur Anerkenntnis unserer Unwissenheit nötigte
(VII, p. i). »Solche Folgerungen sind dem Skeptizismus die will-
— 40 —
kommensten ; sie decken die Schwäche und engen Grenzen des
menschhchen Verstandes und Vermögens auf .... Und welcher
stärkere Beweis als dieser könnte für die erstaunhche Schwäche
und Unwissenheit des Verstandes beigebracht werden.? (VII, p. 2).
AVenn man allerdings Fragen verhandelt, die ganz ausserhalb
des Bereiches menschhcher Fähigkeit liegen, z. B. über den Ur-
sprung der Welt oder über die Einrichtung der Verstandeswelt
und der des Geisterreiches usw.« (VIII, p. i). »Unser beschränkter
Verstand kann diese Grenze nicht durchbrechen, die für unsere
verwöhnte Phantasie zu enge ist« (XI). »Alle Philosophie der
Welt und alle Religion, die ja nur eine Art der Philosophie ist,
kann uns nicht über den gewöhnlichen Lauf der Erfahrung hinaus-
heben oder uns einen Massstab für unser Benehmen und Betragen
geben, der von dem aus der Betrachtung des gewöhnlichen Lebens
entnommenen abweicht« (XI). »Dann verlasst ihr euern Natur-
trieb und die unmittelbare Empfindung und könnt doch eure Ver-
nunft nicht befriedigen, welche niemals einen überzeugenden Grund
aus der Erfahrung dafür entnehmen kann, dass die Empfindungen
mit äusseren Gegenständen verknüpft seien« (XII, p. i). »Hält
sich der Skeptiker innerhalb dieser Betrachtungen, so zeigt er
seine Stärke, oder vielmehr seine eigene und unsere Schwäche,
und zerstört, wenigstens zur Zeit, alle Gewissheit und Ueber-
zeugung« fXII). »Könnten solche Leute bei ihrem hartnäckigen
Streiten die merkwürdigen Schwächen des menschlichen Ver-
standes bemerken, so würden sie natürUch mit mehr Bescheiden-
heit und Vorsicht auftreten« (XII, p. 3). »Eine andere Art des
milderen Skeptizismus .... beschränkt unsere Untersuchungen
nur auf Dinge, die für die schwachen Fähigkeiten des mensch-
lichen Verstandes sich am besten eignen« (XII, p. 3). ». . . . aber
er wird nie in die Versuchung kommen, darüber hinauszugehen,
sobald er die Unvollkommenheit der dazu dienenden Vermögen,
ihren engen Bereich und ihre ungenauen Wirkungen erwägt«
(XII, p. 3). »Der Mensch muss handeln, folgern und
glauben, obgleich er trotz der sorgfältigsten
Untersuchung sich über die Grundlagen dieser
Tätigkeiten nicht vergewissern, noch die gegen
sie erhobenen Einwürfe zu widerlegen vermag«
(XII, p. 2).
Aus diesen Stellen, deren Zahl sich leicht vermehren Hesse,
— 41 —
geht unbestritten hervor, dass Hume von der Schwäche und
Beschränktheit des menschlichen Verstandes
vollkommen überzeugt war. Es war ihm zur Gewissheit geworden,
dass unser ganzes Wissen auf die Erfahrung beschränkt sei, und
dass wir selbst innerhalb des Erfahrbaren uns gewisser Regeln
oder Gesetze bedienen, für deren Gültigkeit wir nicht den geringsten
Beweis erbringen können. Im Gegenteil glaubt Hume nachgewiesen
zu haben, dass diese Gesetze ausschliesslich das Produkt der Einbil-
dungskraft seien, indem sie auf dem Wege der Gewohnheit von ihr
geschaffen worden seien. Sie seien daher weiter nichts als Täu-
schungen, die keine objektive Gültigkeit hätten. Wenn die Menschen
aber auch dieser Täuschungen bewusst würden, so werden sie
trotzdem fortfahren, diese Gesetze auch fernerhin noch anzuwenden;
denn sie sind so in das menschliche Bewusstsein übergegangen,
dass die menschliche Natur ihrer nicht mehr entraten zu können
scheint. An der Denkweise der Menschen will Hume daher auch
nichts ändern; er will sie nur erklären und dadurch nachweisen,,
dass die Menschen, so wie sie nun einmal denken, auf ein adä-
quates Wissen verzichten müssen. Und diese seine Erklärung ist
sein grosses Verdienst ; denn er hat durch sie die Erfahrungs-
philosophie und die menschliche Erfahrung in Einklang gebracht.
Dabei hat er eine ganze Reihe neuer Momente betont, so dass
dadurch die Lösung des Erkenntnisproblems bedeutend gefördert
wurde. Dazu kommt, dass ein Grösserer als er durch seine
Schriften aus dem dogmatischen Schlummer aufgeweckt wurde
und die Arbeit auf diesem Gebiet von neuem aufnahm. Denn
1768/69 trat in Kants Entwicklung die entscheidende Wendung
ein, und zwar unter dem Einfluss von Humes Inquiry. Als erster
der deutschen Philosophen versteht er den Sinn dieser Unter-
suchungen, die so einfach und selbstverständlich zu sein scheinen
und doch so tief und von so weittragender Bedeutung sind. »Hume
behauptet, Urteilen über tatsächliche Verhältnisse komme nie
strenge Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit zu; ihre Grund-
lage bilde stets Erfahrung : die aber führe nur zur Induktions-
allgemeinheit und demgemäss bloss zur Wahrscheinlichkeit, die
freilich eine solche Grösse erreichen könne, dass sie für das prak-
tische Leben der Gewissheit völlig gleichkomme. Damit konnte
Kant sich auf keinen Fall begnügen ; es wäre ihm gleichbedeutend
gewesen mit völligem Verzicht auf Wissenschaft überhaupt. Er
— 42 —
befand sich also von vornherein in schärfster Opposition gegen
Hume : auf dessen Grundlagen weiterzubauen schien ihm ganz
unmöglich. Es galt vielmehr, seine Prämissen durch bessere zu
ersetzen und vor allem das Kausalgesetz von der Erfahrung un-
abhängig zu machen-^). Dies ist daher eine der Hauptaufgaben
Kants.
Die deutsche Philosophie ist daher auch der englischen des
XVII. und XVIII. Jahrhunderts gegenüber für mancherlei An-
regungen zum Danke verpflichtet. Dies gilt jedoch nicht allein
im Hinblick auf Kant, sondern ebensosehr von den P o s i t i -
V i s t e n der neuesten Zeit. Dies wird sich namentHch im III. Teile
der Arbeit deutlich zeigen, wo wir es mit dem Verhältnis des
deutschen Positivismus zu Humes Lehre zu tun haben werden,
der also insofern eine chronologische Ergänzung des I. Teiles dar-
stellt, soweit er das Wiederaufleben der Gedankenwelt Humes uns
vorführt. Im zweiten Teile jedoch werden wir die verschieden-
artige Beurteilung, die dem Standpunkte Humes seitens der Ge-
schichte der Philosophie zu teil geworden ist, folgen lassen.
i) Vgl. E. Ad ick es, Kant als Denker. Deutsche Monatsschrift für das ge-
samte Leben der Gegenwart. HI. Jahrgang, Februar 1904. Benutzt wurden ferner :
Friedrich U eher weg, Grundriss der Geschichte der Phil. Berlin 1888.
Richard Falckenberg, Geschichte der neueren Philos. Leipzig 1892.
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Vita.
Ich, Wilhelm Emil Walz, bin am 30. März 1872 zu Stetten,
Amt Lörrach (Baden) als Sohn des Bartholomäus Walz und seiner
Ehefrau Maria Magdalena, geb. Ackermann geboren und katho-
lischen Bekenntnisses. Den Tod der Mutter betrauere ich seit
dem 26. Februar 1897. Nach vierjährigem Besuche der Volks-
schule in Stetten absolvierte ich das Gymnasium in Lörrach und
wurde am 30. Juli 1892 mit dem Reifezeugnis entlassen. Zunächst
widmete ich mich in Freiburg i. Br. zwei Jahre lang dem Studium
der Theologie und Philosophie, sodann wandte ich mich der klas-
sischen Philologie und Germanistik zu. Am 10. März 1897 bestand
ich in Karlsruhe die Prüfung für das höhere Lehramt. Hierdurch,
sowie durch drei Erweiterungsprüfungen, die ich am 9. Dezember
1904, am 20. Juli 1905 und am i. März 1906 in Breslau ablegte,
erwarb ich mir die Lehrbefähigung in Philosophie, Deutsch, Grie-
chisch und Lateinisch je für Oberklassen, in P^ranzösisch und Ge-
schichte für die Unterstufe. — Das Probejahr legte ich vom i. April
1897 bis I. April 1898 am Gymnasium in Lörrach ab und war
dann mit zwei grösseren Unterbrechungen, darunter einer halb-
jährigen Studienreise nach Amerika, eine Reihe von Jahren als
wissenschaftlicher Hilfslehrer in Baden, später in Preussen tätig.
Ostern 1905 wurde ich Oberlehrer am Gymnasium in Myslowitz
O.S., folgte Ostern 1906 einem Rufe an das Realgymnasium in
Neunkirchen (Bez. Trier), Ostern 1907 einem solchen an das Gym-
nasium in Viersen, Rheinland. Die mündliche Doktorprüfung be-
stand ich am 8. März 1907.
Meinen lieben Eltern wie allen meinen I lerren Lehrern sage
ich an dieser Stelle herzlichsten Dank ; auch der beiden Refe-
renten, der Herren Geh.-Rat Prof. Dr. Walter und Prof. Dr. Meu-
mann, sei hier dankbar gedacht.
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