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Full text of "deibele_kapitel_iggingen_1965"

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HEIMAT IM STAUFERLAND 


Nummer 2 


Schwäbisch Gmünd 


Juli 1965 


Das Kapitel Iggingen und die Pfarrei Lautern 

Von Albert Deibele 


4 


DaÄ mittelalterliche Kapitel Iggingen ist 
seit Jahrzehnten so sicher bezeugt, daß es 
eigentlich nicht lohnt, sich weiter mit die¬ 
ser Frage zu befassen. Bevor ich meine 
eigene Meinung abgebe, möchte ich auf 
Stadtpfarrer Rudolf Weser (gest. 1942) hin- 
weisen, der- sich ein Menschenleben hin¬ 
durch mit peinlichster Gewissenhaftigkeit 
und größter Sachkenntnis mit der Erfor¬ 
schung unserer Heimat und besonders ihrer, 
kirchlichen Verhältnisse abgegeben hat. Er 
hat Hunderte von Originalurkunden gele¬ 
sen und die Ergebnisse seiner allerseits 
anerkannten Forsdiungen in zahlreichen 
Veröffentlichungen bekannt gemacht oder 
in umfassenden Handschriften niederge¬ 
legt. Das Stadtarchiv Gmünd besitzt nicht 
weniger als 65 Bande aus seiner Hand. 
Weser gehört also, um das Wort von H. 
Dangelmaier (siehe Heimat und Staufer¬ 
land, März 1965) zu gebrauchen, gewiß zu 
den Männern, „die schon frühe aufge¬ 
standen sind“. Für Weser ist das alte 
Landkapitel Iggingen eine Selbstverständ¬ 
lichkeit. In Band 35 seiner „Gamundiana“ 
schreibt er Seite 288: „Vor der Reforma¬ 
tion bestand ein Kapitel Lorch und ein Ka¬ 
pitel Iggingen“. In Band 65 Seite 417 glie¬ 
dert er diesen Inhalt: 1. Namen der Geist¬ 
lichen der Kapitel Lorch, Iggingen, Gmünd. 

2. Vereinigung der Kapitel Lorch-Iggingen. 
Dies genügt, um den Standpunkt Wesers 
klarzustellen. Für H. Dangelmaier aber ist 
Weser kein vollwertiger Zeuge, er will Ur¬ 
kunden haben. Diese sollen ihm geboten 
werden. Doch zuvor möchte icli seine eige¬ 
nen Quellen untersuchen. Er gibt deren 
vier an, nämlich: 1. Einen Eintrag in der 
Pfarrchronik von Lautern um 1815. 2. Die 
Oberamtsbeschreibung von Gmünd 1870. 

3. Hoff mann Gustav: Kirchenheilige in 
Württemberg 1932. 4. Zwei Urkunden, die 
H. Konrektor Dietz in Gaildorf gelesen 
haben soll (ohne weitere Angabe von Ort 
und Datum der Ausstellung). 

Dazu ist zu sagen: Die Pfarrchronik 
von I.autern berichtet (nach H. Dangel¬ 
maier): „Von Lautern hatte vor 1808 
das Landkapitel dieser Gegend seinen 
Namen, wie auch mehrere hiesige Pfarrer 
Dekane gewesen sind. Erst 1808 wurde 
vom königlichen-katholischen Kirchenrat in 
Stuttgart das Landkapitel mit dem Stift in 
Gmünd vereinigt und der dortige Stifts¬ 
dekan Kratzer zum Dekan gewählt.“ Diese 
Ausführungen können richtig sein, wenn 


sie auf die Zeit von 1802 bis 1810 bezogen 
werden, wie ich noch ausführeu werde. Die 
Oberamtsbe.schreibung von 1870 und das 
Werk von Hoffmann sind wissenschaftliche 
Veröffentlichungen, allerdings nur Sekun¬ 
därliteratur. Woher sie ihre Nachricht von 
einem mittelalterlichen Kapitel Lautern 
hernehmen, ist aus ihnen.nirgends zu er¬ 
sehen. So bleiben also als wichtigste Zeu¬ 
gen die beiden Pergamenturkunden im 
Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Bestand Lim- 
purg-Gaildorf Nr. 629 und 827 (nicht 627). 
H. Dangelmaier schreibt über sie: „Der 
Gewährsmann, Herr Konrektor Emil Dietz 
in Gaildorf, berichtet, er habe sie selber 
eingesehen. Hier handelt es sich nicht um 
eine unkontrollierbare Notiz in irgend einer 
obskuren Chronik, sondern um ernst zu 
nehmende Archivalien. 

Ich habe mich deshalb sofort wegen die¬ 
ser beiden Urkunden an Herrn Dietz ge¬ 
wandt. Das ist die Antwort, die er mir am 
8. März 1965 gegeben hat: „Urkunden, aus 
denen hervorgeht, daß Lautern Dekanat 
(von H. Dietz unterstrichen) war, sind mir 
nicht bekannt. Nur dem Buche von Gustav 
Hoffmann, Kirchenheilige in Württemberg 
1932, ist dies zu entnehmen. Woher H. weiß, 
daß es ein Kapitel Lautern gab, ist nir¬ 
gends angegeben.“ 

Nun ließ ich mir die Fotos beider Urkun¬ 
den kommen, damit ich sie „schwarz auf 
weiß“ besitze. Was ich vermutet hatte, traf 
ein. Beide Urkunden wurden vollkommen 
falsch gelesen.* Es handelt sich bei beiden 
um die Besetzung der Pfarrei Gröningen. 
Sie sind Wort für Wort gleich geschrieben, 
nur daß jeweils andere Namen eingesetzt 
sind. Die eine Urkunde mit dem Namen 
Lautern stammt von 1540, die ältere mit 
dem Namen Eschach von 1552. Es hat mich 
sehr gewundert, daß es H. Dangelmaier 
als katholischen Geistlichen nicht sofort 
aufgefallen ist, daß der Eschacher (Lauter- 
ner) Pfarrer Rener sowohl Dekan als auch 
Kämmerer des Kapitels Lautern und zu¬ 
gleich noch Generalvikar von Augsburg 
sein soll. Abgesehen davon, daß das Amt 
des Kämmerers und Dekans nie in einer 
Hand liegt, muß ihm doch bewußt sein, 
daß ein einfacher Landpfarrer in Eschach 
nie der mächtige Generalvikar von Augs¬ 
burg sein kann, 200 km vom Bischofssitz 
entfernt. Der Generalvikar ist nach 
kirchlichem Recht der Stellvertreter des Bi¬ 
schofs in der Verwaltung. Er soll Dr. theol. 


et jur. can. und nicht gleichzeitig Seelsorge¬ 
geistlicher sein. Er hat den Vortritt vor 
allen Geistlichen der Diözese. Und nun 
höre man weiter; Es hat überhaupt keinen 
Pfarrer Rener in Eschach gegeben. Der 
Übersetzer der lateinischen Urkunde hat 
das Wort „reverendi“ als Rener gelesen 
und den ersten entscheidenden Satz bei¬ 
der Urkunden vollkommen falsch verstan¬ 
den. Der betreffende Satz lautet: „Vica- 
rius reverendi in Christo patris et domini 
domini Christophori episcopi Augustensis 
in spiritualibus generalis decano et camera- 
rio capituli in Eschach (Lautern) salutem 
in domino. „Zu Deutsch: Der Generalvikar 
des hochwürdigen Vaters und Herrn in 
Christo, des Bischofs Christoph von Augs¬ 
burg, sendet dem Dekan und Kämmerer 
des Kapitels in Eschach (Lautern) seinen 
Gruß.“ So wenig es ein Kapitel Eschach ge¬ 
geben hat, so wenig hat es ein Kapitel 
Lautern gegeben. Der Sinn ist folgender: 
Der Generalvikar wendet sidi an Dekan 
und Kämmerer des Kapitels und richtet 
sein Schreiben an den Dekan, der zur Zeit 
in Eschach (Lautern) sitzt. Der in beiden 
Urkunden sowohl für Eschach wie für 
Lautern angeführte angebliche „Pfarrer 
Rener“ ist in beiden Fällen der Vorgänger 
von Herrn Dangelmaier. Dekan - Balthas 
Brenneysen, der von 1519 bis 1557 nachge¬ 
wiesen ist. 

Die Dekanatssitze wechseln damals häu¬ 
fig. So leistet am 11. 4. 1499 Magister Lu¬ 
kas Keller seinen Eid als ewiger Vikar zu 
Lautern. Unter den Zeugen befindet sich 
Peter Betz, Dekan zu Weller (Spit. Arch. 
XVI. 5), und am 24. 5. 1508 wird Jörg 
Wagner als Kaplan im Spital vereidigt, wo 
wiederum Peter Betz, diesmal als Dekan 
in Bettringen, als Zeuge auftritt. (Spit- 
Arch. I b 4). So sieht es mit den Quel¬ 
len von H. Dangelmaier aus. Statt weiterer 
Ausführungen möchte ich nur eine Ur¬ 
kunde im Foto zeigen, die klipp und klar 
beweist, daß es im Mittelalter ein Kapitel 
Iggingen gegeben hat. Es ist ein Teil der 
Urkunde, welcher von der Aufhebung der 
beiden Kapitel Lorcli und Iggingen und 
von der Gründung des Landkapitels 
Gmünd berichtet. Im Münsterarchiv befin¬ 
det sich ein Originalpergamentband aus 
dem Jahre 1588, der 16 Seiten umfaßt. Auf 
dem Umschlag steht ganz verblaßt und ab¬ 
gegriffen: „Statuta Capituli Gamundani 
et Ickingensis“. In schöner deutlicher. 



Die Aufnahme dee Hauptfiiaatsarchivs Stuttgart zeigt die ersten Zeilen der Eschacher Urkunde von 1552 





























Schrift hat sich der übrige Text erhalten. 
Das Foto zeigt einen Teil des Titelblattes. 
Er lautet: „Statuta Capituli Gamun- 
dani ex duobus Capitulis Lorchensi nimi- 
rum et Ickingensi in unum corpus unamq. 
Confraternitatem redacti. Anno 1588 
mense Decembri“. Das heißt: „Satzungen 
des Kapitels Gmünd, das aus zwei Kapiteln, 
nämlich Lorch und Iggingen, zu einer Ein¬ 
heit und einer Bruderschaft vereinigt 
wurde im Dezember 1588.“ Das zweite Bild 
zeigt einen kleinen Teil des Vorworts. Die 
deutsche Übersetzung lautet: „Wir Dekan 
und Kämmerer, die übrigen Brüder des 
Kapitels Gmünd und Iggingen die jetzt 
vereint sind, sowohl Pfarrer als Kapläne, 
welche die brüderliche Liebe unter uns 
pflegen und keinen Zank und Streit un¬ 
ter uns aufkommen lassen wollen, haben 
einmütig und mit Zustimmung aller, die es 
angeht, im Dezember 1588 beschlossen, die 
nachstehenden erneuerten Satzungen, wie 
sie bisher in unseren Kapiteln von alters- 
her ausgeführt und beobachtet wurden, 
auch in Zukunft zu beobachten und ein¬ 
zuhalten als rechte Satzungen und Ge¬ 
wohnheiten unseres Kapitels Gmünd.“ 

Auch andere Ausführungen bedürfen der 
Richtigstellung. Ich kenne den allergrößten 
Teil des Schrifttums über Lautern; nirgends 
aber habe ich gefunden, daß Lautern ein 
Wallfahrtsort, ge.schweige ein berühmter 
Wallfahrtsort gewesen sein soll. Keines¬ 
wegs möchte id\ damit abstreiten, daß auch 
Lautern zu Wallfahrtsorten zu zählen ist; 
denn wie viele Wallfahrtsorte hat es im 
Mittelalter gegeben. Ich könnte in nächster 
Umgebung von Gmünd ein Dutzend auf- 
zählcn. Was H. Dangelmaier über den Sal¬ 
vator sagt, ist völlig irrig. Das Heiligtum 
auf dem Salvator bestand längst, ehe Kas¬ 
par Vogt seit 1617 die Felskapellen umge¬ 
staltete. Der Chronist Fritz, ein Zeitgenosse 
von Kaspar Vogt, will die Wallfahrt bis 
in die Zeiten der Christenverfolgungen 
hinauferlegen, und Ernst Edler von der 
Planitz, hat in den Beilagen Nr. 7 und 8 


der „Germania“ 1922 ernstlich den Versuch 
gemacht, im Salvator die älteste christliche 
Kultstätte auf deutschem Boden zu sehen. 
Die Ansichten von Fritz und von Planitz 
sind natürlich irrig; doch beweisen sie das 
große Alter dieses Heiligtums. Um beim 
Rechberg, der ebenfalls von H. Dangelmaier 
angeführt wird, ist quellenmäßig die Wall¬ 
fahrt doch bis ins frühe 15, Jahrhundert 
belegt. Die „elenden Kerzen“ in Lautern 
sagen gar nichts. Es sind dies alte weitver¬ 
breitete Bruderschaften nach Art der Ar¬ 
menseelenbruderschaften, in denen sie auch 
aufgegangen sind. Bei einer großen Wall¬ 
fahrt pflegen reichliche Opfergaben zu fal¬ 
len. Die einstige Kaplanei Lautern aber 
konnte längere Zeit wegen schlechten Ein¬ 
kommens nicht besetzt werden und wurde 
deshalb in die Spitalkapelle nach Gmünd 
übertragen. Das spricht doch gegen eine 
berühmte Wallfahrt. 

Zur Geschichte des Land¬ 
kapitels Iggingen 

Soweit die kirchliclien Nachrichten in 
unserer Gegend reichen, heben sich zwei 
Pfarreien durch ihre Größe aus allen an¬ 
deren heraus: Lorch und Iggingen. Die 
Pfarrei Lorch dehnte sich von Gmünd bis 
zum Wieslauftal aus, umfaßte also ein Ge¬ 
biet, das sich mit dem späteren Dekanat 
deckte. Ähnlich mag es mit Iggingen 
gewesen sein. Die Westgrenze seiner Pfar¬ 
rei lag am Wetzgauer Bach, so daß Gottes¬ 
zell und Rinderbach schon zur Pfarrei 
Iggingen gehörten. Bald splitterten sich 
aus diesen Urkirchen selbständige Pfar¬ 
reien ab. Bei Einsetzen von schriftlichen 
Nachrichten umfaßte die Pfarrei Iggingen 
noch Iggingen, Herlikofen, Mutlangen, Lin- 
dach, Brainkofen, Schönhardt, Hussenho¬ 
fen, Zimmern und Hirschmühle. Die Be¬ 
deutung Iggingens als kirchlicher Mittel¬ 
punkt ist stets im Bewußtsein des Volkes 
geblieben. So schreibt das „Saal- und Kom¬ 
petenzbuch von Gotteszell 1638“: Iggingen 
ist die Hauptpfarrei, und die Kirche allda 


wird die Haupt- und Mutterkirche genannt. 

Als das Kirchenwesen in unserer Gegend 
geordnet wurde, bestimmte man Lorch und 
Iggingen zu Dekanatssitzen. Beide Deka¬ 
nate waren die am weitesten vorgesdiobe- 
nen Posten des Bistums Augsburg. Wald¬ 
stetten gehörte schon zu Konstanz, 
Gschwend nach Würzburg. Der Dekan 
braucht durchaus nicht am dem Orte woh¬ 
nen, welches dem Kapitel den Namen gab. 
Ähnlich ist es ja audi bei den Landräten. 
So wohnt in Gmünd der Landrat in Wald¬ 
stetten, ohne daß man deshalb von einem 
Kreis Waldstetten sprechen würde. Iggin¬ 
gen gehörte ursprünglich zweifellos den 
Herren von Rechberg. Durch sie kam Iggin¬ 
gen samt seiner Pfarrei schon sehr frühe 
an das Kloster Gotteszell. Am 21. 1. 1349 
stiftete Johann von Rechberg, genannt 
von Bargau, die Widemhöfe (Pfarrhöfe) 
und die Kirchen zu Iggingen und Herlikofen 
dem Kloster Gotteszell. Nach seinem Tode 
1357 gelang es Gotteszell, die sehr ver¬ 
wickelten Lehens- und Besitzverhältni.sse 
an dieser Schenkung zu entwirren. (Ver¬ 
träge vom 9. 1. 1357 mit Kraft von Hohen¬ 
lohe, 1. 9. 1357 mit Ellw’angen, 19. 9. 

1357 mit den Hauggen oder Hacken.) Nun 
trachtete das Kloster darnach, sich die rei¬ 
che Pfarrei Iggingen einverleiben (incorpo- 
rieren) zu lassen. Gelang dieses, so bekam 
das Kloster das gesamte Einkommen der 
Pfarrei und brauchte nur einen „ewigen 
Vikar“ nach Iggingen zu schicken. Die 
Einkünfte des Pfarrers bestanden damals 
in der Hauptsache im Großzehnten, also 
dem zehnten Teil der Getreideernte der 
gesamten Markung und den Erträgnis.'^en 
eines Bauernhofes von mehr als 30 ha. 
Der Igginger Pfarrer, Pfaff Johann, ge¬ 
nannt Truchmann, kam als Kii'chherr nach 
Heubach. Dort erklärte er am 19. 9. 1357 
vor seinem Dekan, dem Pfarrer von Lau¬ 
tern, daß er auf die Widemhöfe, die Kir¬ 
chen und den Kirchensdiatz zu Iggingen 
und Herlikofen verzichte. Nun konnten 
die Verhandlungen mit dem Bischof ein¬ 
geleitet werden. 

Für den Übergang wurde Konrad der 
Kugler als Pfarrer und Kirchherr nach 
Iggingen gesetzt. Allem Anschein nach war 
es ein sehr betagter Herr, der nicht mehr 
viel vom Leben erwartete. Am 7. 5, 1359 
vermachte er Gotteszell einen großen Teil 
seiner Einkünfte. Die Schenkung war ganz 
im Stile eines Testamentes verfaßt und be¬ 
ginnt mit der damals üblichen Formel, „ich 
habe eingesehen, daß dieser Welt Lauf 
vergänglich und nichts sidierer ist als der 
Tod und nichts unsicherer als die Zeit des 
Todes.“ Und nun sdienkt er dem Kloster 
den Großen Zehnten der Pfarrei und einen 
Teil der Erträgnisse seines Pfarrhofes. Da¬ 
für sollen die Klosterfrauen sich seiner 
Seel erbarmen durch „Beten, Singen und 
Lesen“. Am 5. 1. 1372 hatte Gotteszell 
sein Ziel erreicht. An diesem Tage wurde 
die Kirche zu Iggingen von Bisdiof Jo¬ 
hann von Augsburg dem Kloster einver¬ 
leibt. Am 10. September 1379 wurde die 
Incorporation von Papst Urban VI. bestä¬ 
tigt. 

Die Incorporation hatte für Iggingen 
sdiwere Folgen. Bis dahin wurde jedes 
Jahr am Dienstag nach Fronleichnam zu 
Iggingen der Kapitelstag (Versammlung der 
Geistlichen) mit großer Feierlichkeit be¬ 
gangen. Der dortige Pfarrer hatte als Gast¬ 
geber die Geistlichen mit Speise und Trank 
zu bewirten und auch die sonstigen nicht 
unerheblichen Kosten zu tragen. Das war 
früher dem reichen Pfarrherrn nicht 
schwergefallen, wohl aber jetzt dem spär¬ 
lich besoldeten „ewigen Vikar“, besonders 
nachdem ihm Gotteszell am 20. 9. 1437 und 
am 20. 12. 1437 seine Einkünfte noch mehr 
beschnitten hatte. Daher kam es, daß die 
Kapitelstage nicht mehr regelmäßig in Ig¬ 
gingen abgehalten wurden, sondern wohl 
am Sitz des jeweiligen Dekans, Dadurch 
verlor Iggingen viel von seinem Glanz als 
„Haupt- und Mutterkirche“ der Umge¬ 
bung, Das ganze Kapitel aber hatte sei- 




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Gründungsiirkunde des Kapitels Gmünd, Oberer Teil der Titelseite 


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Gründungsurkunde des Kapitels Gmünd 1588. Teil des Vorworts auf der Titelseite 










nen Mittelpunkt und die straffe Führung 
verloren. Es sdieint, daß die Pfarrer da¬ 
gegen bei Gotteszell ernstliche Vorhaltun¬ 
gen erhoben haben; denn am 30. 4. 1472 
erklären Melchior Katz, Pfarrherr und 
Dekan zu Essingen, und Hans Enderling, 
Pfarrherr und Kämmerer zu Leinzell, so¬ 
wie Gotteszell, ,,daß wir miteinander lieb¬ 
lich und freundlich übereingekommen, daß 
wir, der Dekan und Kämmerer, das Kapi¬ 
tel fürohin ewiglicli alle Jahre auf After¬ 
montag nach Fronleidinam in Iggingen in 
der Pfarr halten sollen mit Singen und 
Lesen und allen anderen Gottesdiensten, 
wie denn das Kapitel vormals von alters- 
her zu Iggingen gehalten worden ist. Dar¬ 
um gibt uns Gotteszell jährlich zwei Gul¬ 
den rheinisch. Dafür soll bestellt werden 
alle göttliche Zier und Ornat, wie dann 
Gott löblich und uns und der gemein Prie- 
sicrschaft all weg auf solchen Tag ziemlich 
und herbracht ist.“ 

Es war zu erwarten, daß über kurz oder 
lang sich die Inhaber der Pfarrei gegen die 
Besdineidung ihrer Einkünfte auflehnen wür¬ 
den. Im Jahre 1480 klagte Magister Friedrich 
Härer, der „ewige Vikar“ von Iggingen, hef¬ 
tig gegen Gotteszell. Er ließ ausführen, daß 
sich jetzt das gesamte Einkommen der Pfar¬ 
rei nur auf 70 Gulden belaufe. Wegen der 
großen Ausdehnung der Pfarrei und der vie¬ 
len Filialen müsse er sich einen Gehilfen und 
ein Pferd halten. Dem Gehilfen habe er 10 
C ’’den jährlich zu bezahlen, und dessen Ver- 
pllegung komme ihn auf weitere 16 Gulden. 
Für sich selbst und die vielen Besudle an 
Priestern, Laien und Verwandten brauche er 
mindestens 70 Gulden jährlich. Dazu kämen 
noch die Abgaben, die immer wieder an den 
Bischof abzuführen seien. Außerdem müsse in 
Betracht gezogen werden, „Iggingen ist Ka¬ 
pitelsort für das Landkapitel und ist es von 
altersher gewesen“. Daher kämen viele Prie¬ 
ster zum Kapitel, die er bewirten müsse, und 
denen zu Ehren ihm viele Ausgaben erwüch¬ 
sen. Er habe jetzt zwei Jahre die Pfarrei ver¬ 
sehen, habe Mangel und Armut ertragen und 
Schulden gemacht. Gotteszell aber ließ aus¬ 
führen, der Kläger sei weder durch Gewohn¬ 
heit noch durch das Recht zu irgend welchen 
Ausgaben verpflichtet, vielmehr würden diese 
durch den Kämmerer, andere Mitglieder des 
Kapitels und durch Gotteszell getragen. Au¬ 
ßerdem sei das Einkommen der Pfarrei viel 
höher als Magister Härer angebe. Dieser habe 
auch keineswegs einen Gehilfen und ein 
Pferd nötig. Schließlich beschloß man, den 
Fall dem Bischof vorzulcgen. Der Pfarrer 
scheint keinen Erfolg gehabt zu haben; denn 
seine Einkünfte blieben auch weiterhin recht 
bescheiden. 

Johannes Schrott 

In der Reformationszeit ging das Kapitel 
Lorch zum größten Teil zur neuen Lehre 
über. Katholisch blieben nur Gmünd und 
sein Gebiet und Wäschenbeuren. Weniger 
groß waren die Verluste beim Kapitel Ig¬ 
gingen, weil zu ihm große Teile \'on 
Gmünd, Rechberg und Ellwangen zähl-en. 
Jahrzehnte lang gingen die Kämpfe für 
und gegen die neue Lehre hin und her. 
Der Augsburger Religionsfrieden 1555 
brachte wenigstens eine Klärung über den 
Besitzstand beider Konfessionen. Er be¬ 
stimmte für die Reichsstädte: wo bei ihnen 
beide Konfessionen vertreten seien, .sol¬ 
len sie auch in Zukunft ungestört bleiben. 
In Gmünd aber war nie eine evangelische 
Gemeinde geduldet worden. Auf dieser 
Grundlage wurde nun der Endkampf ge¬ 
gen die evangelische Minderheit aufge¬ 
nommen. Diaser nahm besonders heftige 
Formen an, seit 1582 Johannes Schrott 
zum Stadtpfarrer in Gmünd ernannt wur¬ 
de. Dieser Mann kannte keine Nachgiebig¬ 
keit und keine Halbheit. Unter ihm mu߬ 
ten die hiesigen Protestanten entweder 
zum katholisdien Glauben zurückkehren 
oder die Stadt verlassen. Hierin zeigte er 
die gleiche Rücksichtslosigkeit wie auf der 
anderen Seite das evangeli.sche Württem¬ 
berg gegen die Katholiken. 

(Schluß folgt) 












Schiffbruch und mußte daher aus dem Amt 
aussdieiden. So streng waren damals die 
Sitten: wer geschäftlich gescheitert war, 
war bürgerlich tot. Eilas Wassermann zog 
später nach Tübingen. An seiner Stelle 
wurde David Heimann in das Vorsteheramt 
gewählt, der freilich wenige Wochen da¬ 
nach stirbt. Darauf tritt sein Bruder Louis 
Heimann in das Vorsteheramt ein, der Va¬ 
ter des bekannten Gmünder Rechtsanwalts 
David Heimann. Hermann Gutmann, Da¬ 
vid Mayer und Louis Heimann werden 
nach Ablauf ihrer Amtszeiten noch mehr¬ 
mals in das Vorsteheramt gewählt. Da die 
Gemeinde für einen Rabbiner zu klein 
war — ein Umstand, der für die ganze 
Zeit ihres rund fünfzigjährigen Bestehens 
gelten sollte — kam dem jeweiligen Reli¬ 
gionslehrer große Bedeutung zu. Das Ge¬ 
meindeleben erhielt von ihm wesentliche 
Impulse. 

Vorsänger (Rerigi.onslehrer) 

Dei jüdischen Religionslehrer, auch Vor¬ 
sänger genannt, waren geprüfte Volks- 


Mit klarem Auge sah Schrott, daß vor 
allem die kirchlichen Verhältnisse im Gmün¬ 
der Gebiet zu ordnen seien. Ein katholi¬ 
sches Dekanat Lorch gab es schon seit 
Jahrzehnten nicht mehr, und das Kapitel 
Iggingen war so sehr erschüttert, daß auch 
dort keine Dekanats wählen mehr durch¬ 
geführt wurden. Am 13. Oktober 1588 
wandte sich Bürgei'meister und Rat an 
den Bischof von Augsburg und legten ihm 
die kirchlichen Mißstände im Gmünder Ge¬ 
biet dar. Man darf annehmen, daß dieses 
Schreiben durch Stadtpfarrer Schrott ver¬ 
anlaßt wurde. Der Rat führte aus, es sei 
ein großer Fehler, daß die Geistlichen in 
Gmünd und Umgebung keinen Dekan hät¬ 
ten, sondern nur noch zwei Kämmerer, 
nämlich die Pfarrer von Gmünd und Ig¬ 
gingen, welche sie jedoch nicht so respek¬ 
tieren, wie sie sollten. Zudem führe der 
Pfarrer von Iggingen einen gar ärgerli¬ 
chen Lebenswandel. Darauf ordnete der 
Bischof am 3. 11. 1588 eine Visitation des 
Gmünder Gebietes an. Schrott benützte die 
Anwesenheit des bischöflichen Kommissärs, 
um alles für die Neuordnung der kirch¬ 
lichen Verhältnisse vorzubereiten. Noch im 
Dezember 1588 versammelten sich die ka¬ 
tholischen Geistlichen der früheren Kapi¬ 
tel Lorch und Iggingen und beschlossen, 
ein neues Kapitel Gmünd aufzustellen und 
genehmigten dessen Satzungen. Diese wa¬ 
ren von Stadtpfarrer Schrott entworfen 
worden und fußten auf denen von 1513. 
Am 5. 5. 1589 wurden sie vom Bischof 
Marquard genehmigt. Nun wurde Stadt¬ 
pfarrer Schrott zum 1. Dekan des Land¬ 
kapitels Gmünd gewählt. Im Handbuch 
des Dekanatsamtes Lorch, begonnen 1520, 
taucht zum letztenmal der Name Land¬ 
kapitel Iggingen auf. Stadtpfarrer Schrott 
schreibt auf Seite 28 B: „Anno a Christo 
nato 1596 1. octobris erat frequens capi- 
tulum Idchingen-Gmündt“, also: Am 1. 
Oktober 1596 trat das Kapitel Iggingen- 
Gmünd zusammen. Zu ihm gehörten da¬ 
mals Gmünd, Mögglingen, Weiler, Heuch¬ 
lingen, Iggingen, Zimmerbach, Bettringen, 
Spraitbach, Wetzgau, Leinzell, Lautern, 
Wäschenbeuren, Alfdorf (war damals noch 
katholisch), Straßdorf. 

Bei dem großen Übergewicht der Stadt 
Gmünd gegenüber den anderen Gemein¬ 
den ist es nicht auffallend, daß in der Re¬ 
gel die StadtpfaiTer von Gmünd zu De¬ 
kanen gewählt wurden. Doch schon 1621 
nach dem Tode von Stadtpfarrer Schrott 
wählten die Geistlichen den Magister Se¬ 
bastian Haug, Pfarrer zu Weiler, zu ihrem 
Dekan. Wohl nicht ohne scharfen Druck 
seitens der Reichsstadt legte dieser schon 
1625 das Dekanat wieder nieder. Nun folg- 


schullehrer. Dazu hatten sie weitere Prü¬ 
fungen als Vorsänger abzulegen. Die jüdi¬ 
schen Lehramtskandidaten besuchten in 
Württemberg das Seminar Eßlingen. 

Die Aufgaben der Religionslehrer gin¬ 
gen, namentlich in Gemeinden ohne Rab¬ 
biner', wie Gmünd eine war, weit über die 
kantoralen Funktionen hinaus. Sie hatten 
den öffentlichen Gottesdienst zu gestalten, 
Predigen zu haltei^ den Religionsunter¬ 
richt zu erteilen, wie überhaupt seelsorge¬ 
rische Aufgaben aller Art zu erfüllen; 
außerdem hatten sie die Sitzungen des Vor¬ 
steheramts zu leiten. Schließlich hatte der 
Religionslehrer in Gmünd als Schochet 
(Schächter) zu fungieren, d. h. nach rituel¬ 
len Vorschriften zu schlachten. Der erste 
Lehrer, den noch die Privatgemeinde an¬ 
stellte und besoldete, war Bernhard Adler. 
Er war zugleich Lehrer in Aufhausen, wo 
es eine jüdische Volksschule gab. In 
.Gmünd besucliten die jüdischen Schüler die 
evangelische Volksschule, bzw. eine der 
höheren Schulen (Reallyceum, Töchter¬ 
schule). 


ten sich 128 Jahre hindurch die Stadtpfar¬ 
rer von Gmünd als Dekane, bis nach dem 
Tode von Stadtpfarrer Johann Sebastian 
Kolb 1753 Anton Schedel, der Pfarrer von 
Schechingen, zum Dekan gewählt wurde. 
Das wurde in Gmünd sehr übel aufge¬ 
nommen. Mit aller Macht betrieb man die 
Loslösung der Stadt von dem Landkapitel. 
Nach langen Verhandlungen wurde dieses 
Ziel erreicht, indem die hiesige Pfarrkir¬ 
che 1761 zur Stifts- oder Kollegiatkirche 
erhoben wurde. Zehn der hiesigen Geist¬ 
lichen erhielten den Titel ‘Kanoniker. Sie 
wählten sich den hiesigen Stadtpfarrer Jo¬ 
hann Josef Doll zu ihrem Stiftsdekan und 
trennten sich mit Genehmigung des Bi¬ 
schofs vollständig vom Landkapitel Gmünd, 
Nun gab es also zwei Dekane, nämlich in 
Schechingen den Dekan des Landkapitels 
Gmünd und in Gmünd den Stiftsdekan. 
Anton Schedel starb 1771. Sein Nachfolger 
wurde der Pfarrer von Lautern, Michael 
Ziegler. In Gmünd folgten auf Johann 
Josef Doll als Stiftsdekan Franz Xaver 
Debler von 1776 bis 1798 und auf ihn 
Thomas Kratzer. Als Gmünd 1802 wdirt- 
tembergisch wurde, hob der Staat sofort 
das Kanonikat auf. Thomas Kratzer aber 
scheint weiter als Dekan für die Stadt 
gewirkt zu haben. Damals mag amtlich 
oder nidit amtlich der Name „Dekanat 
Lautem“ auf gekommen zu sein. In Würt¬ 
temberg war es nämlich Sitte, die Ämter 
nach dem Sitze ihres Inhabers zu benen¬ 
nen. Doch möchte ich mich darüber nicht 
auslassen. Das recht zweifelhafte „Deka¬ 
nat Lautern“ hätte sowieso nur eine recht 
kurze Lebensdauer gehabt. 1809 starb 
nämlidi Dekan Ziegler in Lautern, und 
noch im selben Jahr wurde Thomas Krat¬ 
zer zum Dekan des Landkapitels Gmünd 
gewählt. So könnte sich der Eintrag im 
Pfarrbuch von Lautern ohne weiteres er¬ 
klären. Im folgenden Jahre wurden staat- 
licherseits die Dekanate abgegrenzt (Bei¬ 
lage Nr. 53 zum Kgl. Württ. Staats- und 
Regieruhgsbl. 1810). Da ist wiederum eine 
Rede von einem Dekanat Lautern, wie 
auch in dem ganzen reichen Urkundenbe¬ 
stand durch die Jahrhunderte hindurch 
sich audi nicht die geringste Spur eines 
solchen entdecken läßt. Während dieser 
ganzen Zeit tritt Lautern als Pfarrei nicht 
mehr hervor eis irgend eine andere kleine 
Landgemeinde. Damit schließe ich meine 
Ausführungen über das Landkapitel Ig¬ 
gingen. 

Die in diesem Aufsatze angeführten Ur¬ 
kunden können im Original oder in Foto¬ 
kopien im Stadtarchiv eingesehen werden. 
Sie wurden von H. Dr. Nitsch ab geschrieben. 


wenn nötig übersetzt und zeitlidi geordnet in 
unserer Urkundensammlung niedergelegt. 
Außerdem wurden benützt die Arbeiten von 
Stadtpfarrer Weser und Bruno Klaus: „Zur 
Gesdh. d. kirclil. Verhältn. in der Reichsst. 
Gmünd. WVL 1904.“ 

Nachwort 

Herr Pfarrer Dangelmaier sdirieb mir zur 
Frage des Kapitels Lautern nachträglich noch 
folgendes: „Idi habe.. .vom Augsburger Or¬ 
dinariat folgenden Bescheid erhalten: „Über 
die frühere Einteilung der Diözese Augs¬ 
burg .. .informiert unter Quellenangabe das 
Werk: Friedr. Thudichum, „die Diöz . . .Augs¬ 
burg .. .Tübingen 1908.“ Dort findet sich 
bei... den Ardiidiakonaten ... 8. Lautra, 9. 
Lorch ... Ob Iggingen zeitweise Dekanats¬ 
sitz gewesen ist, müßte aus Urkundenstudien 
erschlossen werden.“ Sofort ließ ich mir das 
Werk von Thudichum kommen, das ja „unter 
Quellenangabe informiert. „In einem kurzen 
Vorwort zur Diözese Augsburg schreibt Thu¬ 
dichum S. 67: „Die alte Einteilung der Diöz. 
Augsburg bietet das Werk von Plazidus 
Braun, Bd. I, AUGSB. 1823. Braun macht 
keine Angaben über alte handschriftliche 
Verzeichnisse (vom Einsender gesperrt), son¬ 
dern folgt vielmehr .. .den Vorarbeiten von 
Karl Stengel, Friedl und anderen.“ So also 
ist die Quelleniage. Ich ließ mir natürlich 
auch das Werk von Plazidus Braun kommen 
und fand das Urteil von Thudichum voll¬ 
ständig bestätigt. Es ist allerdings riditig, 
daß Braun in seinem Werke sehr oft von 
einem Dekanat Lautern, nie von einem De¬ 
kanat Iggingen spricht; er führt aber nicht 
eine einzige urkundlic^ie Quelle an. Seine 
Gewährsmänner sind (bei Lorch und Lau¬ 
tern) die Dekane Rink-Donzdorf (gest, 1825) 
und Kratzer — Gmünd (gest. 1824). Rink hat 
sich durch die Erforschung der rechbergi- 
schen Geschichte verdient gemacht, von Krat¬ 
zer ist nichts Ähnliches bekannt. Wenn er die 
ihm unterstellten Archive der Münsterpfar¬ 
rei und des Dekanatamtes studiert hätte, so 
hätte er feststellen müssen, daß nirgends auch 
nur eine Spur von einem Dekanat Lautern 
zu finden ist. Das Stadtarchiv hat das ge¬ 
samte Münsterarchiv fotokopieren lassen, und 
bis heute sind sämtliche Urkunden bis 1500 
(auch diejenigen vom Dekanatsarchiv) abge- 
sdirieben, so daß ich also für meine Behaup¬ 
tung einstehen kann. Das Werk von Braun 
ist aber so mangelhaft, daß es als Quelle 
abgelehnt werden muß. Wenn er Straßdorf 
und Oberbettringen an „die Remse“, Iggin¬ 
gen, Spraitbach und Schechingen an die 
„Leine“ legt, so will ich nicht viel dagegen 
sagen. Schlimm wird es aber, wenn er beim 
Kapitel Lorch von einem „ehemaligen Pfarr- 
dorf Arnbach“ spricht, das nie bestanden hat, 
wenn er ,,Hausholtz“ nicht eindeutig als 
Hundsholz (heute Adelberg) feststellen kann, 
wenn er „Rinderbach“ als evangelisdien 
Pfarrort anführt, „von dem nicht einmal das 
Andenken mehr übrig ist“, wenn er „Wechs- 
heim (Weschesheim)“ und „Wezgau“ (!) als 
zweierlei Dörfer anführt, wo dodi beidesmal 
dasselbe Wetzgau gemeint ist. Zudem stem¬ 
pelt er „Wechsheim“ zu einem evangelischen 
Pfarrdorf. Daneben hat er auch noch „Welz¬ 
heim“. Ferner ist nach ihm ,,Tannheim“ 
(Tanau) ein evangelisches Pfarrdorf. Rin¬ 
derbach, der Georgishof und die Gotteszeller 
Mühle gehören nach ihm zum Dekanat Lorch, 
während sie doch stets nach Iggingen zähl¬ 
ten. Dazu sind sehr viele Orts- und Familien¬ 
namen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. 
Ein solches AVerk ist als Quelle abzulehnen. 
Damit sind für mich die Auseinanderset¬ 
zungen über das „Kapitel Lautern“ zu Ende, 

A.D. 

Das leere Grab 

Heinrich Negelin war zuvor Pfarrherr in 
Sdhwäbisch Gmünd 

In der langen Reihe der Augsburger 
Weihbischöfe nimmt der aus dem Bistum 
Konstanz stammende Theologe Heinricli 
Negeäin eine Sonderstellung ein. Nach 
dem Tode des Weihbischofs Johann III. 
Kerer (1431—1506) bewarb sich um das 
Amt der Pfarrherr von Esslingen, Dr. 
Georg Maiershofer, der auch eine Probe¬ 
predigt im Hohen Dom zu Augsburg hal¬ 
ten mußte. Daraus darf man schließen, daß 
er sich zur Übernahme der kurz vorher 
gestifteten Dompredigerstelle bereit er¬ 
klärt hatte. Das Domkapitel trat für ihn 
beim Augsburger Bischof, Heinrich IV. von 


Das Kapitel Iggingen und die Pfarrei Lautern 

Von Albert Deibele (Schluß von Nr. 3, Juli 1965)