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Full text of "Demosthenes und seine Zeit"

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Digitized by the Internet Archive 
in 2010 with funding from 
University of Toronto 


http://www.archive.org/details/demosthenesundse02scha 


Der erste Band des vorliegenden Werkes, welcher 
im Herbste dieses Jahres erscheinen wird, enthält aulser 
der Vorrede folgende Abschnitte: 


Buch I. Die Vorgänger des Demosthenes in der Leitung 
des athenischen Staats. 1. Einleitung. 2. Kal- 
listratos. 3. Aristophon. 4. Kubulos. 5. Her- 
kunft und Lebensweg des Aeschines bis zum 


Eintritt in die politische Laufbahn. 


Buch II. Demosthenes Jugend und politische Anfänge. 
1. Demosthenes Jugend und Vormundschaft. 
2. Demosthenes rednerische Ausbildung. 3. De- 
mosthenes als Rechtsanwalt. Die Reden wider 
Androtion und Timokrates. 4. Die Rede gegen 
Leptines. 5. Die Rede wider Aristokrates. Thra- 
kische Angelegenheiten. Rückblick auf Demo- 
sthenes sachwalterische Thätigkeit. 6. Die An- 
fänge der politischen Wirksamkeit des Demo- 
sthenes. Die Reden über die Symmorien und für 
die rhodische Volksgemeinde. 7. Der phokische 
Krieg bis zur Niederlage des Onomarchos. De- 
mosthenes Rede für die Megalopoliten. Po- 

litische Grundsätze des Demosthenes. 
Der dritte Band wird zur Ostermesse 1857 erschei- 
nen und in dem fünften Buche die Zeiten der make- 


donischen Hegemonie bis zur Katastrophe des lamischen 
Krieges enthalten. Den Schlufs bilden Abhandlungen, u. a. 
über das Geburtsjahr des Demosthenes, die Redaction und 
Authentieität der Reden, namentlich auch Untersuchungen 
über sämtliche Privatreden, welche Demosthenes beigelegt 
werden; endlich eine Zeittafel und ein Register über das 


ganze Werk. 


De 
DEMOSTHENES 


UND SEINE ZEIT. 


VON 
Ό νῷ 


ARNOLD, SCHAEFER, D. PH. 


PROFESSOR AN DER KÖN. SÄCHS. LANDESSCHULE ZU GRIMMA, 


ZWEITER BAND. 


LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON Β. G. TEUBNER. 
1556. 


N: 1} ἥ } Ζ 


Der Verfasser behält sich das Recht zu einer Übersetzung iu die 


englische Sprache vor. 

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INHALT. 


DRITTES BUCH. 
König Philipp und die Athener bis zum Frieden des Philokrates. 


ERSTES CAPITEL. 


Seite 
Die Anfänge des makedonischen Reiches . . τ = 20... 1 
ee nn ἐν ee ee et a ὥριγῳ εν ῦ 
Das Haus des Amyntas. König Alexander und Ptolemaeos von 
a, wein nd 
edel rn un vB 
Bahnes uleonbesteieuse au Yyyılitn len εν Man unbe) ist wir 
Vertrag mit den Athenern . . . erh unens υἷἦϑ 
König Philipp schlägt die Paeonier N es ἀπ}... earte 5.19 
Einnahme von Amphipolis. Krieg mit Athen. . . I 54n420 
Einnahme von Pydna. Philipps Bündnifs mit den Oly EANR Po- 
tidaea EI τα τ ΨΗΓΙ θην EEE - 
Gründung von Philippi ΠΟ a er Siehe υὐϑα 
Kriege mit den Paeoniern und Illyriern . 25 
Anfänge einer makedonischen Seemacht 4 end ur 
Philipp in Thrakien. Einnahme von Methone ae ἀν AB 
Philipps Einmischung in Thessalien und Thrakien . . .- - - 90 
BE τς 50 te ἃ, Bl 
a τ a ae a 3 
ZWEITES CAPITEL. 
rkenisonemmmegluhrung. . 5 ὐ΄- „a τω mono “a. 43 
an nn 40 
Char. .% en FE .' 
Verlegenheit der Altieker En ee a de es 108 
Demosthenes Sorge vor Philipp 53 
Die erste Philippika en τι he "N re λιῦδ 
ΕΠ ΠΟ dor ersten Philippika . - . > = “2 u 0 0. ,..c62 
Eee ern Pinhppika : » '. - ν᾿. wm 0 . 8, 66 
ed >... a a en .7] 


DRITTES CAPITEL. 
Euboeischer Krieg für Plutarchos von Eretria . » » 2... 78 
που bei Tamynae . . . wu wa nee 77 


VI Inhalt. 


Ausgang des euboeischen Krieges 

ΠΟ Π 85 on oa er 

Meidias und Demosthenes . . .. 
Freiwillige Choregie des Demosthenes . 
Demosthenes an den Dionysien mishandelt 
Rechtsverfahren wider Meidias 

Vergleich mit Meidias . PATE 
Zeitverhältnisse der Rede wider Meidias 


VIERTES CAPITEL. 
Der olynthische Krieg . 
Olynth im Bunde mit Philipp 
Friede der Olynthier mit Athen . 
Ausbruch des Krieges mit Philipp - 
Hilfsgesuch der Olynthier bei den Athenern 
Demosthenes olynthische Reden . 
Die erste olynthische Rede seo: 
Erste Hilfsendung nach Olynth unter Os - 
Die zweite olynthische Rede . 
Der olynthische Krieg . EHE b 
Zweite Hilfsendung nach Olynth unter Charidemel 
Zweiter Feldzug Philipps . 
Belagerung von Olynth 
\Die dritte olynthische Rede 
Dritte Hilfsendung der Athener 
Einnahme und Zerstörung von Olynth . 
Zeit des olynthischen Krieges 
Reihenfolge der olynthischen Reden 


FÜNFTES CAPITEL 


Friedensaussichten . 


Eubulos und Aeschines. Gesandtschaften an die Hellenen 


Resultat der athenischen Kriegführung 

Bedürfnils des Friedens Fe 

Fernere Kriegsmalsregeln der Athener . : 
Fortgang des phokischen Krieges. Phayllos . 
Phalackos a ee, Ey RE: 
Erschöpfung der ee Zee in Phokis 
Phokische Gesandte zu Athen. Proxenos. Archidamos 
Die Athener und Thebaner. Demosthenes : 
Athenische Friedensgesandtschaft an König Philipp . 


Aeschines und die Friedensverhandlunsen er 
[-] 


Die erste Friedensgesandtschaft 
Berichterstattung der Gesandten 


Seite 
75 
80 
80 
88 
89 
90 

102 
103 


110 
112 
114 
116 
117 
118 
119 
123 
124 
129 
131 
132 
133 
134 
141 
142 
145 
145 


154 
156 
162 
164 
165 
167. 
170 
171 
176 
178 
180 
184 
180 
194 


Inhalt. 


\Modalität der Friedensverhandlungen zu Athen 

Angebliche Ausschliefsung der Hellenen durch Demosthenes 
Beschlufs des Bundesrathes ta ΠΣ 

‚Die Verhandlungen zu Athen. Friede des Philokrates . 


NIERTESCBUCH. 
Der siebenjährige Friede und der zweite Krieg der Athener 
König Philipp. 
ERSTES CAPITEL 
| Isokrates Bee ὙΠ ΟΠ ΡΠ ΠΡ en.  ς τ τον Bene 


‘ Urteile über den Frieden. Anliegen der Athener 


Zweite Gesandtschaft an Philipp und deren Instruction 

Beschwörung des Friedens. Kersobleptes. . - - 

Abreise der Gesandten. Philipps Eroberungen in T Haken 

Die Gesandten in Pella ee ; 

Philipps Rückkehr. Hellenische Gesandtschaften ik 

Verhandlungen zu Pella. Audienz der athenischen Gesandtschaft 

Die kriegsgefangenen Athener ἐς 46 τῶ δεν ύκο 

Resultat der Verhandlungen. Ratification des Friedens . 

Rückkehr der athenischen Gesandtschaft. Schreiben Philipps. Ae- 
NOhIDeR Er er . -. 

Berichterstattung der Gesandten. Rede des Aeschines . 

Beschlüsse der athenischen Bürgerschaft ehe: 

Dritte Gesandtschaft an Philipp. Botschaften über die phokische 
Sache 33 0 Ko μόν N En 

Ausgang des phokischen Krieges. Capitulation des Phalaekos 

Beschlüsse des Amphiktyonenrathes über die Phokier und ihre ver- 
bündeten en. ἃ 

Die dritte athenische Gesandtschaft. hei Philipp. Aeschines 

Schrecken und Unwille der Athener 

Feier der Pythien - 

Amphiktyonische beinahe zu Ace 

\ Demosthenes Rede vom Frieden . 

Fernere Politik der Athener 

'Demosthenes und Perikles 


ZWEITES CAPITEL. 
Philipps Abzug. Innere Angelegenheiten Athens KuN: 
Die makedonische Partei. Philokrates. Aeschines. Pythokles 
Athenische Patrioten. Demosthenes 
Lykurgos Br 
‚Hypereides 


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Seile 
196 
200 
202 
209 


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ἢ 


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ὧν 


VIII Inhalt. 


Seile 
Nausikles. Diotimos ἐς τὰς τῶν ns Üsnatg kun Se N 
f Hiogesippos. κ κενῶς νον ν U wa a τε εν ΕΞ 
|Aeschines Process wider Timarchos . . - - - - -- . 9818 
᾿ DRITTES CAPITEL. 
Neue Unternehmungen Philipps τ 12. CE EEE a 
Philipp in Thessalien . . . 1 00 ee a 
Verhandlungen der Athener mit Philipp ἀν ee ee 2 
Der Peloponnes. Die Korinthier und Timoleon . . .« - - - 927 
Athenische Gesandtschaft in den Peloponnes . . . - .2.....330 
Peloponnesische Gesandtschaft an die Athener . . - τ. - 992 
Die zweite Philippika des Demosthenes τ . .. » 2 2.2... dd 
Peloponnesische Zustände. Ende des Phalaekos. Parteikämpfe in 
Elise. τ τ ως τς, Er 
Verfehlter Handstreich gegen Megara . . . 2» 2. ».2 2... ἁ΄' 
Hypereides Meldeklage wider Philokrates . . . . - .2.....843 
Athenische Staatsprocesse >» =» - ἔτ. on 
Antiphon als Brandstifter verurteilt 2.0000 nn 346 
Rechtstreit über das delische Heiligthum : . . . . 2 -- 947 
Verhältnifs der Athener zu König Philipp a el 
Python als Gesandter Philipps zu Athen. ol 
Hegesippos makedonische Gesandtschaft . . » 2 2 .2..0...806 
VIERTES CAPITEL. 
Die gerichtliche Verhandlung über Aeschines Truggesandtschaft . 358 
Klagrede ’des Demosthenes. - m  ἰἰ 
Vertheidigungsrede des Aeschines’ - ur Ps 5 
Freispreehung des Aeschines! : 2 2 es EEE 


FÜNFTES CAPITEL. 


Vorgänge auf Euboea. Tyrannen zu Eretria und Oreos . . . 391 


Bund der Chalkidier mit Athen. Kallas Er 72 EEE 
Zeitbestimmung der euboeischen Vorgänge . . «τ τ τ. 9890 


Philipps Zug nach Epirus. Arybbas und Alexander der Molotter 397 
Mafsregeln der Athener. Beschlufs zum Schutze des Arybbas . 400 
Philipps Rückmarsch. Tetrarchen in Thessalien . „7.277302 
Schreiben Philipps an.die Athener . οὐ ΠΝ 


Hegesippos Rede über Philipps Schreiben . . 2 τὸ 2.2..2..407 
Demosthenes Erklärung über Halonnes. Urteil über die Rede des 
Hegesippos . . 0. u un ee ET 


SECHSTES CAPITEL. 
Dritter thrakischer Krieg Philipps . . . el. le u nu τὰ 
Diopeithes athenischer Feldherr am Hellespont . . . 2... 42] 
Philipps Beschwerde über Diopeithes . „Sn ν΄ a a2 


Inhalt. 


‚Rede über die Angelegenheiten des Chersones er ler 
Zeitverhältnifs der chersonesitischen und der dritten ῬΡΎΝ 
Rede “Ὁ 
Die dritte Philippika 
SIEBENTES CAPITEL. 
Staatsverwaltung des Demosthenes. Athenische Gesandtschaften 
nach Thrakien und Persien, nach Chios und Rhodos . 
Hellenischer Bund gegen Philipp. Euboeischer Bundesrath 
Befreiung von Oreos. Vorschüsse an die Euboeer 
Reibungen mit Philipp. Halonnesos . . . 2 2 2 2020. 
Briefschaften Philipps aufgefangen. Verfahren wider Anaxinos . 
Vertreibung des Kleitarchos von Eretria 
Bekränzung des Demosthenes 
Byzantinischer Krieg ee ER re 4 TE BAR 
Philipp auf dem Chersones. Durchfahrt der makedonischen Flotte 
durch den Hellespont 
Belagerung von Perinthos Sa Der; 
Angriff auf Byzanz. Athenische Kriegserklärung 
Unterstützung der Byzantiner, Chares und sein Geschwader 
Belagerung von Byzanz De a a Krane A 
Entsatz von Byzanz. Phokion. Rückfahrt der makedonischen 
Flotte .. . 
Philipps Zug gegen die Bann Sky ον 
Rückmarsch Philipps. Schlacht mit den Tr Malern 


ACHTES CAPITEL. 
Demosthenes Vorsteher des attischen Seewesens. Trierarchisches 
Gesetz ee) ie 
Finanzmafsregeln zur ng der Kriegscasse . 
Seekrieg der Athener 
Kriegsplan Philipps 


'Aeschines beim nike zu Delphi 
'Amphiktyonischer Streit mit den Lokrern von Amphissa 


Philipp und die Thebaner - ΔΕ 

Verhalten der Athener in Sachen der nit 

Lokrischer Krieg der Amphiktyonen 

Zeitverhältnisse des lokrischen Krieges 

Philipps Anmarsch. Rüstungen der Lokrer 2; : 
Philipp in Lokris. Einnahme von Amplissa. Besetzung von Elateia 
Eindruck der Besetzung von Rlateia Er: 

Rede des Demosthenes über den Bund mit Theben : 
Verhandlungen zu Theben : 

Bündnifs der Athener und Thebaner 


490 
404 
496 
497 
408 
500 
503 
505 
507 
508 
513 


Parteistellung der Hellenen 


Inhalt. 


ae neh een Be σοι 


Schlimme Vorzeichen. Friedensanträge Philipps. -» » =. ..526 


Fröffnung der Operationen. 


Hellenen. Ehrenkränze des Demosthenes . . : - « ὃ 
J 
Philipp gewinnt die Ebene von Chaeroneia . ». » τ τ τ. ὃ 


Sehlacht bei Chaeroneia 


Glückliche Gefechte der verbündeten 


LIES $. 48 Anm. 3 Z. 3 μέγιστον μὲν. 8. 333 Z. 5 Elateia befestigen. 


DEMOSTHENES 


ED SEINE ZEIT. 


ZWEITER BAND. 


DRITTES BUCH. 


KÖNIG PHILIPP UND DIE ATHENER BIS ZUM FRIEDEN 


DES PHILOKRATES. 


DEMOSTHENES 1. | 


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ERSTES CAPITEL. 


Entwickelung des makedonischen Königthums. König Philipps 
Thronbesteigung und erste Thaten. Krieg mit Athen über 
Amphipolis. Charakter Philipps. 


W inrend die Hellenen in müfsiger Thatenlosigkeit dahın 
lebten oder in Zwietracht und inneren Fehden ihre Kräfte ver- 
zehrten, richtete im Norden Philipp das makedonische Königthum 
aus arger Zerrüttung auf und nahm Bedacht den in der Heimat 
gebundenen Kräften einen Spielraum nach aufsen zu schallen. 
War Makedonien bisher öfters hellenischen Staaten dienstbar ge- 
wesen, so wollte er sich zu deren Schiedsrichter und Meister 
machen: die überlegene hellenische Bildung sollte ihm zu einem 
Werkzeuge seiner Macht dienen. 

Makedonien verdankt alles was es geworden ist dem Königs- 
hause der Argeaden. Unter den Hirtenstämmen, welche aus der 
grolsen Völkerwanderung der Pelasger Phryger Thraker in den 
abgeschiedenen Thälern und Ringbecken der Mittelgebirge, so 
weit deren Gewässer von Norden und von Westen her dem ther- 
maischen Meerbusen zuströmen, sich abgelagert hatten, bewahr- 
ten sie das Bewustsein der Verwandtschaft mit den Hellenen und 
der Abstammung aus Herakles Geschlecht: schon in die Sagen 
von den Anfängen ihres Hauses, wie Herodot sie aufgezeichnet 
hat, mischt sich die Ahnung künftiger Gröfse. Von ihrer Burg 
zu Aegae aus errangen die älteren Argeaden in blutigen Fehden 
die Herrschaft oder doch die Oberhoheit über die benachbarten 
Gebiete und wehrten den Angriffen der Paeonier und der wilden 
Illyrier, welche von Norden und Nordwesten hereindrangen: sie 
stiegen hinab zu dem fruchtbaren Mündungslande des Axios und 
dehnten nach Süden über Pierien bis an den Fufs des Olympos 
ihre Macht aus, Gegenden in denen hellenische Kolonien bestan- 
den. Nach Osten hin eroberten sie Mygdonien und andre Land- 
schaften bis zum Strymon und den Grenzen der barbarischen 

." 


4 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Thraker; Stämme die sich nicht fügen wollten, mulsten ihre alten 
Sitze räumen: doch verblieb die chalkidische Halbinsel den Hellenen, 
deren zahlreiche Städte hier ein selbständiges Leben entwickelten. 

Mitten in diese Entwickelung königlicher Macht fielen die 
Übergänge der Perser nach Europa: in zahllosen Scharen über- 
zogen sie Makedonien und bahnten sich den Weg durch die Pässe 
des Gebirgs, ohne dafs man ihnen hätte wehren können. Aber 
Alexander, der erste König dieses Namens, wufste klug in die 
Umstände sich zu schicken ohne seiner Würde zu vergeben: im 
Herzen stand er zu den Hellenen, und mit ihren Siegen endete 
auch die kurze Unterwürfigkeit unter die Macht des Perserkönigs. 
In jenem grofsen Kampfe war das griechische Volk gereift und 
seiner Kraft inne geworden: um Athen sammelten sich die an den 
Küsten und auf den Inseln zerstreuten hellenischen Gemeinden 
zu einem mächtigen Bunde, und ganz besonders gediehen die 
Städte in den Makedonien vorliegenden Küstenländern. Die- 
sem wunderbaren Aufschwunge, der ihrem eigenen Gebiete 
Eintrag that, vermochten die Makedonen nicht von fern zu fol- 
gen. Sie achteten der Küste und des Seeverkehres weniger: 
das Bergland war ihre Heimat; dort verharrten sie in ihrer Ab- 
geschlossenheit und rohen Kraft, dem Wesen hellenischer Bil- 
dung mehr und mehr entfremdet: Kampf und Jagd, Wallentänze 
und Trinkgelage waren ihre Lust. In dem königlichen Hause 
mischt sich mit wüster Roheit das Streben hellenische Sitte und 
Kunst heranzuziehen um dem Hofe Glanz zu verleihen, die rei- 
chen Ililfsquellen des Landes besser auszubeuten und die äufse- 
ren Vortheile einer fortgeschrittenen ‚Cultur nutzbar zu ma- 
chen: so wurden, wenn auch erst in den späteren Zeiten des 
peloponnesischen Kriegs, Strafsen gebaut, die offenen Orte mit 
Mauern umgeben, fremde Dichter und Meister in das Land geru- 
fen. Der wichtigste Schritt der Art war die Verlegung der Resi- 
denz von dem Stammsitze Aegae nach Pella in Unter-Makedo- 
nien, einer Stadt die nur drei Meilen vom Meere, mit dem sie 
durch den schiflbaren Ludias in Verbindung stand, in sumpliger 
Niederung gelegen war. Ihre schwer zugängliche Burg hatte schon 
vor Alters als königliche Schatzkammer gedient '. Aber an einen 


1) Strab. 7 fr. 20. Meineke vind. Strab. 5. 98 fl. 


Die Anfänge des makedonischen Reiches. > 


stätigen Fortschritt des Reiches und an eine selbständige Entwik- 
kelung war nicht zu denken. Landesherren waren die Argeaden 
nicht: reichbegüterte Geschlechter standen ebenbürtig und trotzi- 
ges Sinnes den Königen zur Seite, und die obermakedonischen 
Stämme, wie die Lynkesten und Elimioten, wenn auch zur Kriegs- 
hilfe verpflichtet und der Oberhoheit der Argeaden unterworfen, 
standen nach wie vor unter eigenen Königen und zerrissen oft- 
mals das lose Band der Botmäfsigkeit: sie trugen kein Bedenken 
gegen jene auch fremde Völker ins Land zu rufen. In höherem 
Grade noch störte das Reich der Mangel einer festen Erbfolge 
und die sittliche Zerrüttung des königlichen Hauses. Bald waren 
es Söhne verschiedener Ehefrauen oder Kebsweiber (denn es war 
die barbarische Sitte eingerissen mehrere Frauen zu nehmen), 
bald Opfer der schändlichsten Lüste, welche Thronstreitigkeiten 
und Königsmord anstifteten: mehr als einmal schien das regie- 
rende Haus in Sünde und Fluch untergehen zu müssen. Da 
konnte keine gerade und offene Politik, die ihrer Mittel und ihrer 
Zwecke gewifs ist, sich ausbilden. Um bei inneren Spaltungen 
den Ausschlag zu geben wurde griechische Einmischung angeru- 
fen, und um der lästigen Abhängigkeit welche sich daraus ergab ' 
wieder los zu werden, wurde beharrliche Wortbrüchigkeit und 
schlaue Falschheit angewandt. Für diese Politik boten die inne- 
ren Kämpfe unter den Hellenen, die Kriege zwischen Spartanern 
und Athenern, das Aufkommen Thebens und dazwischen die trotz 
verschiedener Rückfälle immer wiederholten Bestrebungen der chal- 
kidischen Städte für sich selber zu stehen, ein ganz geeignetes 
Feld, ohne dafs sie, so lange keine feste Macht ihr zur Grund- 
lage diente, es zu erheblichen Resultaten bringen konnte: auch 
in ihrer Zerrissenheit waren die Hellenen der Makedonen mäch- 
tig, auf die sie als auf Barbaren herabsahen ?. 


1) Tributzahlungenan die Athener erwähnen Arrian. 7,9,4. Heges. üb. 
Halonn. 12 5. 79, 20 m. ἃ. Schol. R. üb. Phil. Schr. 16 S. 156, 17. Schol. 
zu Dem. Ol. 1, 9 5. 11, 17. 3, 24 5. 35, 7. Vgl. Appian. prooem. 10. 
Eine förmliche Steuerbarkeit des makedonischen Reiches hat wohl kaum 
bestanden. Weiske de hyperb. 1, 21" denkt an Hafengelder und Han- 
delszölle, aber das sind keine φόροι; eher dürften für makedonische 
Küstenstädte in die athenische Bundeskasse gezahlte Steuern gemeint 
sein. 

2) Zuerst lesen wir dies ausgesprochen von Thrasymachos (fr. 1 


6 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Für die genauere Begründung dieser Umrisse der früheren 
makedonischen Geschichte, namentlich sofern es sich um die Eigen- 
thümlichkeit des Landes und den Ursprung des Volkes der Make- 
donen handelt, verweise ich auf Otto Abels Schrift: Makedonien 
vor König Philipp (Leipzig 1847), in welcher die Ansichten Ot- 
fried Müllers! einer eingehenden und scharfsinnigen Kritik unter- 
zogen sind. Die erwähnten Misstände treten uns in grellen Zü- 
gen aus der Geschichte Amyntas II (Ol. 96, 4 — 102, 3. 393 — 
370) entgegen ®. Amyntas hatte kaum seit Jahresfrist sich der 
Herrschaft bemeistert, so ward er wieder verjagt und Pausanias, 
der Sohn seines Vorgängers und früheren Dienstherrn Aöropos, 
auf den Thron gesetzt. Damit siegte der Anhang der Lynkesten, 
und zwar mit Hilfe der Illyrier, welche damals ihren Namen weit 
und breit gefürchtet machten. Indessen abermals nach einem Jahre 
kehrte Amyntas von den Thessalern unterstützt nach Makedonien 
zurück, entledigte sich seines Gegners ἢ und gieng zur Befesti- 
gung seiner Regierung eine Ehe ein mit Eurydike, einer Tochter 
von Sirrhas dem Könige der Elimioten und Tochterkind des Lyn- 
kestenkönigs Arrhabaeos *. Damit war vor der Hand der Friede 
befestigt, aber nach sechs Jahren brach der Thronstreit von 
neuem aus. Argaeos, wahrscheinlich, wenn uns auch bestimmte 
Nachrichten mangeln, des Pausanias Bruder, ward als Gegenkönig 
aufgestellt, Ilyrier überzogen wie früher das Land, während von 
Süden her die Thessaler gegen ihren vormaligen verbündeten 


bei Sauppe OA. II, 162); später von Demosthenes 01.3, 16 S. 33, 2. 24 
S. 35,.8. Phil. 3, 31:8. 119, 6...14G2327 8.4469 ναὶ 305. 3071. 
S. 438f. Just. 8, 4. Vgl. KFHermann Antiqu. I, 15, 4. 

1) OMüller, üb. d. Wohnsitze, d. Abstammung u. d. ältere Gesch. 
d. maked. Volks. Berl. 1825. Vgl. Niebuhrs Vorträge üb. AG. II, 809 ἢ 

2) S. Abel a. a. O. $. 204ff., jedoch gebe ich auf die von Synkel- 
los (S. 263 P. CMüller Fr. hist. gr. III, 691—693) erhaltenen Angaben 
des Porphyrios (nicht Dexippos, 5. Müller 5, 672) mehr als auf Diodor. 

3) S. Synkell. nebst Eusebios Angaben, welche CMüller a. a. O. 
S. 693 zusammenstellt. Diod. 14, 84. 89 läfst auf Aöropos dessen Sohn 
Pausanias folgen, ohne Amyntas eher als bei der hinterlistigen Ermor- 
dung des jungen Königs zu erwähnen. Über die Macht der Illyrier und 
eine angebliche Gefangenschaft des Amyntas s. Bielowski, Pomp. Trogi 
fragmenta ὃ. 29. 75. 

4) Strab. 7 8.326. Abel a. a. O. 5. 207. Vgl. Sauppe inser. Ma- 
ὁρᾶν 5. 108. ; 


König Amyntas. 7 


ins Feld rückten. Um seinem Feinde nicht alles zu gönnen über- 
liefs Amyntas Nieder - Makedonien und Pella selbst den Olynthiern: 
denn mit den Chalkidiern stand er schon seit längerer Zeit τὴ 
einem Bündniss zu gegenseitiger Wallenhilfe und hatte ihnen aus- 
gedehnte Handelsvorrechte gewährt. Zwei Jahre lang behauptete 
sich Argaeos, während Amyntas kaum eine Zuflucht blieb: er war 
nahe daran selber seine Sache verloren zu geben. Dann aber sam- 
melte der streitbare König frische Kräfte, namentlich wie zu vermu- 
then steht unter Beihilfe seines Schwagers Derdas, des Fürsten von 
Elimia, und gewann mit Unterstützung der Spartaner und Athener 
binnen drei Monaten seinen Thron von neuem ' (01. 99, 4. 952). 
Von der Übermaeht der Olynthier befreite ihn der olynthische Krieg 


1) Die Zeit der Wiederherstellung des Amyntas ergibt sich aus den 
Chronographen, in so fern diese seine fernere Regierung auf zwölf 
Jahre angeben (Amyntas + Ol. 102, 3 nach Diod. 15, 60 und dasselbe 
Jahr ergibt sich aus der Zählung der folgenden Regierungen bei den 
Chronographen). Auch Diodor 15, 19 gedenkt ihrer unter Ol. 99, 3, 
während er an der früheren Stelle (14, 92) die zweite Entthronung des 
Königs von der ersten nicht zu unterscheiden weils und dort schon 
einmal die Landabtretung an die Olynthier erwähnt. Das Bündnifs der 
Chalkidier mit Amyntas 5. Sauppe inser. Maced. S. 151, Als die Ge- 
sandtschaft von Akanthos und Apollonia nach Sparta abgieng (Ol. 99, 
2. 383) war Amyntas in gröfster Bedrängnifs (Xen. H, 5, 2, 13). Was 
die näheren Umstände betrifft, so ist aufser den angeführten Stellen 
(s. auch den 30. sokrat. Brief $. 38 Or.) zu vergleichen Dem. g. Ari- 
stokr. 111 8. 657, 20 χρῆσϑαι φίλοις αἱρετώτερον ἦν αὐτῷ (Φιλίππῳ) 
τοὶς πατρικοῖς ὑμῖν ἢ Θετταλοῖς, οἱ τὸν πατέρ᾽ αὐτοῦ ποτ᾽ ἐξέβαλον. 
Aesch. 2, 26 5. 31 τὰς εὐεργεσίας ἃς ὑμεὲς ὑπήρξατε Auvvre τῷ Φι- 
λίππου πατρί, und dazu das Scholion: ἐκβληϑέντα γὰρ τὸν Auvvrav 
ποτὲ ἐκ τῆς βασιλείας ὑπὸ Θετταλῶν Adnvaioı καὶ Μακεδαιμόνιοι κα- 
τήνεγχαν πάλιν ἐπὶ τὴν βασιλείαν κτλ. Dals Demosthenes von den Thes- 
salern unmögliches und unrichtiges ausgesagt haben soll (Böhnecke For- 
schungen I, 135, 1. Abel a. a. ©. 209, 2), will mir nicht einleuchten. 
Von der Hilfe der Spartaner berichten Xen. H. 5, 2, 38 (wo auch Der- 
das erwähnt wird). Diod. 15, 19. Isokr. Paneg. 126 S. 67. Über die 
Wiedereinsetzung des Amyntas vgl. Is. Archid. 46 5.125 (Aelian. v. (Οὗ, 
4, 8). Von athenischer Hilfe wissen wir weiter nichts: es mülste denn 
Iphikrates, der damals sich in Thrakien aufhielt (vgl. Rehdantz Vit. 
Iphier. cap. 2, 4), bei der Gelegenheit es um Amyntas verdient haben, 
dafs dieser ihn an Sohnes Statt annalım: Aesch. 2, 28 5. 32. Der 
Befreundung des Amyntas mit den hellenischen Staaten gedenkt Isokra- 
tes auch Phil. 106 S. 103. 


8 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


der Lakedaemonier, welcher mit der Unterordnung jener Stadt unter 
die Hegemonie Spartas und der Auflösung des chalkidischen Bundes 
endete (Ol. 100, 2. 379). Makedonien, das im Bunde mit den Spar- 
tanern an dem Kriege Theil genommen hatte, erlangte seinen frü- 
heren Umfang wieder !. 

Kaum schien durch die Demüthigung des mächtigen Olynth 
Spartas Oberherrlichkeit auf lange Zeit hinaus gesichert zu sein, 
als mit Thebens Befreiung ein Umschwung erfolgte und die weiteren 
Ereignisse spartanischer Einmischung in die Angelegenheiten des 
nördlichen Küstenlandes ein für allemal ein Ziel setzten. Olynth 
überwand die Folgen des Krieges rasch und war in kurzem auf der 
chalkidischen Halbinsel mächtiger als zuvor: alle Orte ringsumher 
schlossen mit dieser Stadt ein neues engeres Bundesverhältnifs ?. 
Mit Makedonien scheinen die Chalkidier fürs erste Friede gehalten 
zu haben. Aber Amyntas sah sich statt der Verbindung mit einem 
weit abgelegenen Staate, welche ihm bis dahin nur Vortheil gebracht 
hatte, alsbald zu einem Bündnisse mit einem mächtigen und unter- 
nehmenden Nachbarfürsten genöthigt, Jason von Pherae, der über 
ansehnliche Streitkräfte, namentlich ein treflliches Söldnerheer ge- 
bietend, zuerst den Gedanken verfolgte den Schwerpunkt helleni- 
scher Politik nach dem Norden zu verlegen und die unter seiner 


1) Xen. H. 5, 3, 26. Diod. 15, 23 erwähnen die Auflösung des 
Bundes nicht besonders, aber sie verstand sich bei dem Beitritt zur 
spartanischen Bundesgenossenschaft von selbst; auch werden in Dio- 
dors Worten ἐγγραφέντων δὲ τῶν Ὀλυνϑίων εἰς τὴν τῶν Σπαρτιατῶν 
συμμαχίαν πολλαὶ καὶ τῶν ἄλλων πόλεων ἔσπευσαν εἰς τὴν τῶν Λακε- 
δαιμονίων ἡγεμονίαν καταλεχϑῆναι Städte des chalkidisch-thrakischen 
Landes zu verstehen sein. Die Herstellung der früheren makedonischen 
Grenzen wird ebenfalls nicht bezeugt, ist aber aufser Zweifel. Vgl. 
Abel a. a. Ο. S. 215. Grote H. of Greece X, 92. S. auch Isokr. Paneg. 
a. a. Ο. 

2) Dem. vdG. 264 8. 425, 23 sagt von den Olynthiern in Bezie- 
hung auf den Krieg mit Sparta: οὔτε τὴν πόλιν οὔτε φρούριον οὐδὲν 
ἀπώλεσαν, ἀλλὰ — τὸ τελευταῖον, ὅπως ἠβούλοντο, οὕτω τὸν πόλεμον 
κατέϑεντο. Das ist zu viel gesagt im Vergleich mit dem Friedensver- 
trage: aber in der That war die Hegemonie Olynths über die chalki- 
dischen Städte nur für eine kurze Zeit unterbrochen. Über den Um- 
fang ihrer Macht vor und nach dem Kriege 5. Dem. a. a. Ο. 263 8. 425, 
15. 266 S. 426, 8. Der Vertrag mit Sparta scheint nach Diod. 15, 31 
Ol. 100, %. 377 noch in Kraft gewesen zu sein. 


Amyntas und lason. 9 


Führerschaft vereinte Macht Griechenlands zur Eroberung des Per- 
serreichs zu verwenden !. Unter diesen Umständen war es Amyn- 
tas nicht minder wie dem Molosserkönig Alketas, der sich in ähn- 
licher Lage befand, hoch willkommen dafs die Athener abermals der 
See sich bemeisterten: beide Könige befreundeten sich mit Timo- 
theos ?, der um die Herstellung des Seebundes ein so ausgezeich- 
netes Verdienst sich erwarb, und Amyntas beurkundete den Athe- 
nern seine Freundschaft auf dem Friedenstage zu Sparta durch aus- 
drückliche Anerkennung ihres Anrechts auf Amphipolis ®. Dazu 
mochte ihn besonders die Eifersucht auf Olynth treiben: denn es 
wird um jene Zeit geschehen sein dafs chalkidische Ansiedler die 
oligarchischen Machthaber aus Amphipolis verjagten und in Bundes- 
pflicht zu Olynth traten ἡ. Indessen kamen lasons Entwürfe nicht 
zur vollen Reife: er fiel von Mörderhand, und nach seinem jähen 
Tode war Thessalien alsbald wieder von innerer Parteiung zerris- 
sen: die Aufgabe, welche er sich gestellt, blieb den makedonischen 
Königen vorbehalten. 

In demselben Jahre wie lason (O1. 102,3. Ende 370) starb auch 
Amyntas im Alter® und hinterliefs von seinem ränkesüchtigen Weibe 


1) Xen. H. 6, 1, 4ff. 4, 28ff. Isokr. Phil. 119 S. 106. Vgl. Haase 
in Ersch Eneyklop. III, 21 S. 427°. Über Alketas s. Xen. 6, 1, 7, über 
Makedonien 8 11. Diod. 15, 60 ὁ δὲ Ἰάσων — τῶν τε πλησίον ἐϑνῶν 
τινὰ προσηγάγετο καὶ πρὸς Auvvrav τὸν τῶν Πῆακεδόνων βασιλέα συμ- 
μαχίαν ἐποιήσατο. Vgl. Isokr. Phil. 20 S. 86 Θετταλοὺς --- τοὺς πρότε- 
ρον ἐπάρχοντας Μακεδονίας. 

2) Amyntas schenkte Timotheos Bauholz: Apollod. &. Timoth. 908), 
Ὁ, 1192, 1ff. Auch für den Flottenbau bezogen die Athener Holz aus 
Makedonien: Xen. H. 6, 1, 11; vgl. R. üb. d. Vertrag m. Alex. 28 
S. 219, 16. Alketas legte — mit Iason — persönlich für Timotheos 
Fürbitte ein: Apollod. a. a. O. 22. 24 S. 1190, 23. 1191, 14 u. a. St.; 
er war selbst dem athenischen Bunde beigetreten. Urkunde a. ἃ. J. 
des Nausin. Z. 13 (MHEMeier, comment. epigraph. 8. 53). Diod. 15, 36. 

3) Aesch. 2, 32 S. 32. Vgl. Buch I, 2. 

4) Aristot. Polit. 5, 3 5. 1303®. 6 5. 1306%. Dem. g. Aristokr. 150 
S. 669, 21 Ὀλυνϑίοις — τοῖς ἔχουσιν ᾿ἡμφίπολιν κατ᾽ ἐκεῖνον τὸν χρό- 
νον (Ol. 104, 1, 364). 

5) Isokr. Archid. a. a. O. τὸν δ᾽ ἐπίλοιπον χρόνον βασιλεύων γήρᾳ 
τὸν βίον ἐτελεύτησεν; vgl. die sokrat. Briefe 31 5. 38 Or. Just. 7, 4 
Amyntas — βοηθῷ decessit regno maximo ex filüs, Alexandro, tradito. Diod. 
15, 60 (Ol. 102, 3. 370) ᾿μύντας — ἐτελεύτησεν ἄρξας ἔτη κ΄ καὶ δ΄, 


10 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Eurydike drei Söhne, Alexander Perdikkas und Philippos ', deren 
ältester, Alexander, ihm in der Regierung folgte. Diesem Fürsten 
boten bald die thessalischen Wirren und der Hafs der Adelsge- 
schlechter gegen den Tyrannen Alexander von Pherae eine erwünschte 
Veranlassung nach Süden vorzudringen. Von den landesflüchtigen 
Aleuaden gerufen zog er nach Larisa; besetzte die Stadt und nö- 
thigte die Burg sich ihm zu ergeben ; auch Krannon trat zu ihmüber: 
aber statt wie er versprochen die Städte den Thessalern zurückzu- 
geben, belegte er sie mit starker Besatzung und behielt sie für 
sich *. In Folge dessen suchte der thessalische Adel Hilfe bei The- 
ben, und Pelopidas nahm gern der Gelegenheit wahr als Schieds- 
richter im Norden aufzutreten. Er vertrieb die makedonischen Be- 
satzungen, schlofs ein enges Bündnifs mit den Aleuaden, das bis in 
die Zeiten des phokischen Krieges fortgedauert hat, und rückte 
selbst in Makedonien ein. Dort war in dem königlichen Hause ein 
Zwiespalt ausgebrochen: Ptolemaeos, vermuthlich aus dem Iynke- 
stischen Fürstenhause, Schwiegersohn und Buhle der Eurydike °, 
suchte seinem Schwager Alexander die Herrschaft zu entreifsen: 
beide Theile bemühten sich den Pelopidas zu einer Entscheidung in 
ihrem Sinne zu bestimmen. Pelopidas schlug einen Mittelweg ein, 


υἱοὺς ἀπολιπὼν τρεῖς, ᾿“λέξανδρον καὶ Περδίκκαν καὶ Φίλιππον. Dals 
Amyntas 24 Jahre regiert habe, sagt Diodor auch 14, 89 (Ol. 96, 3) und 
92 (O1. 96, 4): er rechnet die ganze Zeit von seiner ersten Thronbe- 
steigung bis zu seinem Tode. Nach den Chronographen ergeben sich 
nur 22 Jahre seit dem Tode des A&ropos: Amyntas.1 J., Pausanias 
1 J., Amyntas wiederum 6 J., Argaeos 2 J., und schliefslich Amyntas 
12 Jahre. Die letzte Angabe hat sich uns oben bestätigt: was die frü- 
heren Jahre betrifft, so läfst sich die Differenz auf verschiedene Weise 
ausgleichen, da überall nur volle Jahre gezählt werden. Amyntas wird 
im 24. Jahre seiner Regierung gestorben sein. ” 

1) Just. 7, 4 (Amyntas) ex Eurydice tres filios sustulit, Alexandrum 
Perdiecam et Philippum, Alexandri magni Macedonis patrem, et filiam Eu- 
ryonen: ex Gygaea autem Archelaum, Arrhidaeum, Menelaum. Liban. L. ἃ. 
Dem. $. 5, 12 ‘Auvvr« — γ΄ ἐγένοντο παῖδες ἐξ Εὐρυδίκης τῆς ᾿Ιλλυ- 
ρίδος, ᾿λέξανδρος Περδίκκας Φίλιππος. Suid. u. Κάρανος. In erster 
Ehe scheint Amyntas mit der jüngeren Tochter des Königs Archelaos 
vermählt gewesen zu sein: 5. Arist. Pol. 5, 10 8. 1311b 13 und dazu 
Sauppe a. a. O. 8. 17. 

2) Diod. 15, 61. Vgl. Xen. H. 6, 4, 34. 

9.) Just. ἢ γι 


Alexander und Ptolemaeos von Aloros. 11 


der geeignet schien zum Frieden zu führen und den thebanıschen 
Einflufs zu befestigen: Ptolemaeos empfieng in Bottiaea ein Theilfür- 
stenthum mit der Stadt Aloros; vielleicht wurde ihm auch als Unter- 
pfand für seine Sicherheit des Königs jüngster Bruder Philippos in 
die Hände gegeben ': Alexander blieb König und stellte zur Bürg- 
schaft des Vertrags dreifsig Söhne der vornehmsten Geschlechter 
den Thebanern als Geiseln ἢ. Aber die Versöhnung war nur zum 
Scheine hergestellt: nicht lange, so ward König Alexander von den 
Leuten des Ptolemaeos, die einen makedonischen Waflentanz anstell- 
ten, getödtet ? (Ol. 103, 1. 368); ein Apollophanes von Pydna wird 
unter den Mördern genannt *. Des ermordeten Königs Mutter theilte 
fortan mit ihrem Buhlen als dessen Gattin die Regierung, welche 
dieser als Vormund der Jüngeren Söhne des Amyntas, jedoch wie es 
scheint mit dem königlichen Titel, führte °. Aber die Frevelthat, 
welche der Eindringling im Bunde mit einer unnatürlichen Mutter 
vollbracht hatte , empörte die Gemüther: Ptolemaeos blieb nicht un- 
gestört im Besitze der angemafsten Macht. Von vielen Makedonen 


1) So erklärt Abel a. a.O. S. 228f. die Nachricht, dafs Philipp erst 
den Illyriern als Geisel gegeben und von diesen später an die Theba- 
ner überlassen sei. Die Lynkesten werden oft mit den Illyriern ver- 
wechselt; Eurydike selbst heifst bei Libanios und bei Suidas a. a. Ὁ, 
eine Illyrierin; vgl. Abel S. 196. 221f. 

2) Diod. 15, 67. Plutarch. Pelop. 26. Just. 7, 5. vgl. 8, 4. Die 
Verleihung von Aloros, woher Ptolemaeos ὃ “λωρίτης genannt wird 
(Diod. 15, 71. 77. 16, 2. Schol. zu Aesch. 2, 29 S. 32. Synkellos $. 691 
M.), hat Flathe Gesch. Makedoniens I, 38 mit ansprechender Muth- 
mafsung angenommen und auf den von Pelopidas geschlossenen Ver- 
gleich zurückgeführt. Vgl. Abela. a. Ὁ. S. 210 ἢ, 

3) Marsyas fr. 4 bei Athen. 14 S. 6294, Plut. Pelop. 27. Diod. 16, 
2. 15, 71, der irrthümlich hier und ce. 77 den Ptolemaeos einen Bruder 
des Alexander und Perdikkas nennt, während er Schwiegersohn des 
Amyntas, aber kein Argeade war (ἀλλότριος τοῦ γένους Synkellos a. 
a. O.). 8. Wesseling z. ἃ. St. Schol. zu Aesch. a. a. O. (Πτολεμαῖος 
ὁ ᾿ἡλωρίτης) ἀνελὼν ᾿ἀλέξανδρον τὸν ᾿“μύντου, συλλαβομένης αὐτῷ 
πρὸς τοῦτο Εὐρυδίκης τῆς μητρὸς ᾿ἡλεξάνδρου, καὶ γήμας τὴν 
Εὐρυδέκην καὶ ἐπιτροπεύσας Περδίκκου καὶ Φιλίππου παίδων ὄντων 
ἐβασίλευσεν. Justin. 7, 5. Vgl. Thirlwall Hist. of Greece 2° Ause. V, 
216. Auf Alexanders Regierung wird ein Jahr gerechnet; Synkellos a. 
a.O. und Diod. 15, 60. Es werden einige Monate darüber gewesen sein. 

4) Dem. vdG. 195 S. 402, 10. 

5) Diod. u. Synkell, a. d. a. St. 


12 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


gerufen kehrte Pausanias, ein Abkömmling des königlichen Hauses, 
an der Spitze eines hellenischen Söldnerheeres aus der Verbannung 
zurück und eroberte von den Grenzen der chalkidischen Halbinsel 
her, also wohl mit Beihilfe der Olynthier, eine Stadt nach der an- 
dern: ganz Makedonien schien ihm zufallen zu wollen. Da nahm Eu- 
rydike mit ihren beiden Söhnen Perdikkas und Philippos ihre Zu- 
flucht zu Iphikrates, der eben von den Athenern gegen Amphipolis 
ausgesandt war, und dieser Feldherr wirkte dazu mit den Thron- 
prätendenten zu vertreiben und dem Hause des Amyntas den Thron 
zu sichern, eine Einmischung, welche allerdings zunächst dem Pto- 
lemaeos zu gute kam '. Dieser sah sich aber auch von den Theba- 
nern angefochten. Denn die Freunde des ermordeten Alexander 
hatten sich an Pelopidas gewandt, der eben in Thessalien anwesend 
war, und alsbald erschien der thebanische Feldherr mit einem 
rasch geworbenen Söldnerheere in Makedonien. Die Truppen wa- 
ren freilich unzuverlässig und liefsen sich mit Geld bestechen zum 
Ptolemaeos überzugehen: aber dieser legte solchen Werth darauf 
eine mächtige Stütze für seine Herrschaft zu gewinnen, dafs er in ein 
neues Bündnifs mit Theben willigte und das Reich für die Söhne 
des Amyntas zu verwalten versprach: als Geiseln für seine Treue 
stellte er seinen eigenen Sohn Philoxenos und funfzig edle *. Viel- 
leicht ward damals auch Philipp nach Theben mitgenommen, wo 
er drei Jahre blieb, d. ἢ. bis sein Bruder Perdikkas zur Regierung 
gelangte ®. 


.1) Aesch. 2, 26—29 8. 3lf. m. d. Schol. (vgl. Diod. 16, 2). Nep. 
Iph. 3. Suid. u. Κάρανος. Vgl. Thirlwall H. of Greece V, 218. 

2) Plut. Pelop. 27 (τὴν μὲν ἀρχὴν τοῖς τοῦ τεϑνηκότος ἀδελφοῖς 
διαφυλάξειν, Θηβαίοις δὲ τὸν αὐτὸν ἐχϑιοὸν ἕξειν καὶ φίλον). Aesch. 
a. ἃ. Ο. Vgl. Arrian. 7, 9, 4 ᾿ϑηναίους te καὶ Θηβαίους ἐφεδρεύον- 
τας ἀεὶ τῇ Μακεδονίᾳ. --- ἀντὶ τοῦ ὑπακούειν Θηβαίων. 

3) So Thirlwall V, 216f. (vgl. 219%). Abel ἃ. ἃ. Ὁ. 5. 228ff. Der 
Hauptgrund, weshalb die Angabe, Philipp sei schon von Alexander 
(oder gar von seinem Vater) Pelopidas als Geisel übergeben worden, 
nicht Stich hält, liegt darin, dafs er bei seiner Mutter war, als diese 
mit Iphikrates zusammenkam: s. Aesch. u. Nepos a. a. O.; und unter 
Perdikkas war Philipp in Makedonien nach einem von Karystios (fr. 1b. 
Athen. 11 8. 506°) angeführten Briefe des Speusippos; vgl. u. S. 16,1. 
Drei Jahre war Philipp zu Theben nach Justin. 6, 9. 7,5. Vgl. Wes- 
seling zu Diod. 16, 2. Clinton, F. H. U. App. 4 5. 244 Kr. Weiske 
de hyp. II, 12. 


Ptolemaeos von Aloros. König Perdikkas. 13 


Die nächste Wirkung des mit Theben geschlossenen Vertrages 
war dafs Ptolemaeos den Athenern in ihrem Kriege mit Amphipolis 
entgegentrat: legten doch die Thebaner einen solchen Werth auf 
die Selbständigkeit dieser Stadt dafs Pelopidas auf seiner persischen 
Gesandtschaft (01. 103, 1. 367) den Grofskönig vermochte sie mit 
ausdrücklichen Worten in seinen Schutz zu nehmen ἡ. Davon gieng 
König Artaxerxes freilich bald wieder zurück ; aber Iphikrates rich- 
tete darum nichts mehr aus, wenn ihm auch Harpalos eine Anzahl 
Amphipoliten als Geiseln in die Hände spielte *. Inzwischen war 
Perdikkas herangewachsen : er vollzog an dem Ptolemaeos nachdem 
dieser drei Jahre regiert hatte die Blutrache seines Bruders und 
bestieg den Thron seiner Väter (Ol. 103, 4. 365) °. Dieser König 
war von vorn herein darauf bedacht sich der Abhängigkeit von The- 
ben zu entledigen und auf der chalkidischen Halbinsel dem stolzen 
Olynth Abbruch zu thun. Zu diesem Ende war ihm ein Bündnifs 
mit Athen willkommen. Die Athener verabschiedeten damals Iphi- 
krates, der drei Jahre lang den Oberbefehl geführt hatte ohne etwas 
erhebliches gegen Amphipolis auszurichten. Unwillig über die Zu- 
rücksetzung löste derselbe sein Heer auf, während eben auch Kotys 
von Thrakien Anstalt traf den Chersones anzugreifen, und Chari- 
demos, der als Söldnerhauptmann unter ihm gedient hatte, setzte, 
wohl nicht ohne sein Vorwissen, die gefangenen Amphipoliten ın 
Freiheit *. An des Iphikrates Statt erhielt Timotheos das thrakische 
Commando (01. 104, 1. 364) und mit ihm verband sich Perdikkas 
zu einem Angrill auf den chalkidischen Städtebund, dem Olynth 
vorstand. Timotheos sammelte von neuem ein Söldnerheer, auch 
Charidemos fand sich nach einiger Zeit ein um seine Dienste einer 
der streitenden Parteien anzubieten und ward schliefslich von Timo- 
theos gedungen °. Der Krieg ward unter Beihilfe des Perdikkas mit 


1) Aesch. a. a. O. Dem. vdG. 137 S. 383, 23. Vgl. o. Buch I, 2. 

2) Dem. g. Aristokr. 149 S. 669, 9. Harpalos wird kein anderer 
sein als der Bruder des Machatas: aber über den Grund seines Ver- 
fahrens wissen wir nichts. 

3) Diod. 15, 77; vgl. 71 und die Chronographen bei CMüller a. a. 
O. S. 693. Clinton F. H. 2 S. 241f. Kr. Schol. zu Aesch. a. a. O., wo 
ἔτη ε΄ statt γ΄ steht. Vielleicht wurde damals auch des Ptolemaeos Tra- 
bant Apollophanes erschlagen: Dem. να, 195 S. 401, 90. 

4) Dem. g. Arist. a. a. O. 


5) Dem. a. a. O. 1490. Über den Bund des Perdikkas mit Timotheos 


[4 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


ausgezeichnetem Erfolge begonnen: Timotheos nämlich eroberte die 
Stadt Torone so wie das wichtige Potidaea und schlug die Olynthier 
und ihre chalkidischen Bundesgenossen zurück'. Dann wandte er 
sich gegen Amphipolis. Aber hier verliefs ihn das Glück; sein Un- 
terfeldherr Alkimachos mufste vor anrückenden thrakischen Hilfs- 
völkern die Wallfen strecken, und Timotheos fand es gerathen von 
dem fernern Angriffe auf Amphipolis abzustehen ?. 

Das Misgeschick der athenischen Waffen im Kriege mit Am- 
phipolis wird Perdikkas nicht ungern gesehen haben: denn da nach 
Pelopidas Tode eine thebanische Einmischung nicht mehr zu be- 
fürchten stand — es scheinen auch die makedonischen Geiseln 
von Theben entlassen zu sein — und Olynth durch die letzten Ver- 
luste hinlänglich geschwächt war, konnte dem Könige nichts daran 
liegen dafs die Athener wieder mit jener bedeutenden Stadt hart 
an den Grenzen Makedoniens einen festen Stützpunet für ihre Herr- 
schaft über die thrakische Küste gewannen. Daher nahm er die 
Amphipoliten in seinen Schutz und trat dem Nachfolger des Timo- 
theos, Kallisthenes, mit bewaflneter Hand entgegen. Zwar soll er 
ım Felde, wie Aeschines sagt, den kürzeren gezogen haben; aber 
er brachte doch Kallisthenes zum Abschlufs eines Waffenstillstandes 
unter solchen Bedingungen, dafs die Athener ihrem Feldherrn den 


s. Dem. Ol. 2, 14 5. 22, 2—4 m. ἃ, Schol. Polyaen. 3, 10, 14. vgl. 4, 
10, 2. Über Timotheos Geldoperation für den olynthischen Krieg s. 
die aristot. Oekonom. 2 5. 1350. Polyaen. a. a. O. u. 3, 10, 1. Böckh 
Sth. 1, 405. 771. 

1) Isokr. v. Umtausch 108 Ποτίδαιαν δὲ καὶ Τορώνην τῶν ἐπὶ Θρᾷκης 
(Τιμόϑεος κτησάμενος παρέδωκεν ὑμῖν). 118 τὸ δὲ τελευταῖον Ποτίδαιαν 
— εἷλε — καὶ προσέτι Χαλκιδέας ἅπαντας κατεπολέμησεν. Nep. Tim. 1 
Olynthios — bello subegit. Diod. 15, 81. Polyaen. 3, 10, 15. Nach Dei- 
narch. 1, 14 5. 91 z. E. (= 3, 17:8. 110; vgl. Schol. zu Dem. Ol. 3, 
28 S. 36, 10) wären mit Potidaea zusammen auch Methone und Pydna 
von Timotheos eingenommen; mir ist es wahrscheinlicher, dafs diese 
Städte sich schon früher dem athenischen Bunde anschlossen. In Po- 
tidaea siedelten sich Athener an. Dem. Phil. 2, 20 5. 70, 29 m. ἃ 
Schol. Heges. üb. Halonn. 10 S. 79, ὁ. Diod. 16, 8. Vgl. Rehdantz 
Vit. Iph. ὃ. 132—135. 

2) Schol. zu Aesch. 2, 31 5. 32 ὄγδοον ἐκπεμῳϑεὶς ὑπὸ Τιμοϑέου 
"Akniuoyog ἀπέτυχεν (περὶ τὰς Ἔννέα καλουμένας ὁδούς), αὐτοῦ παρα- 
δόντος αὑτὸν Θρᾳξίν, ἐπὶ Τιμοκράτους Aynvnoıw ἄρχοντος (Ol. 104, 1). 
Von der Aufhebung der Belagerung Polyaen. 3, 10, 8. 


König Perdikkas. Philipps Thronbesteigung. 15 


Process machten !'. Den Krieg aber liefsen sie wie es scheint vor 
der Hand ruhen: erst Ol. 106, 1. 360 unternahm Timotheos einen 
neuen Angriff auf Amphipolis, aber nicht mit besserem Erfolge als 
früher ?. 

Von Dauer war auch des Perdikkas Regierung nicht. Ob der 
makedonische Adel, aufgebracht durch dei ausschliefslichen Ein- 
Nufs, welchen ein fremder, Euphraeos von Oreos, der von Athen 
und aus Platons Schule nach Pella gekommen war, an dem Hofe 
ausübte, sich von dem Könige abwandte — wir finden später Eu- 
phraeos in seiner Vaterstadt als den entschiedensten Gegner Phi- 
lipps; als Parmenion Oreos besetzte nahm er sich das Leben ἡ —; 
ob die Eurydike auch wider diesen ihren Sohn, der ihren Buhlen 
erschlagen hatte, Ränke schmiedete *, können wir nicht entschei- 
den. Sicher ist, dafs die Ilyrier, mit denen Perdikkas vorher rühm- 
lich gestritten hatte °, endlich mit Übermacht heranzogen: ihnen er- 
lag der König im sechsten Jahre seiner Regierung (Ol. 105, 1. 359) 
in einer grolsen Schlacht und mit ihm fielen 4000 Makedonen “. 
Da entsank allen der Muth, viele Städte öffneten den Feinden die 
Thore, und während die Illyrier zu einem neuen Einfalle rüsteten, 
plünderten auch die Paeonier in den nördlichen Landschaften. 

In dieser Zeit der Noth, während des Perdikkas Erbe Amyntas 
ein Kind war, trat Philipp, der jüngste Sohn des Königs Amyntas 
und der Eurydike, im drei und zwanzigsten Jahre seines Alters an 
die Spitze der Makedonen 7 und unternahm es den von aufsen wie im 


1) Aesch. 2, 30f. S. 32. Abel a. a. O. S. 224. 

2) S. o. Buch I, 3. . 

3) Karystios fr. 1. 2 (bei Athen. 11 8. 506° 508de) berief sich da- 
bei auf einen Brief des Speusippos; er bezeichnete Parmenion als Ur- 
heber seines Todes. Über die späteren Schieksale des Euphracos (Dem. 
Phil, ὃ, 59—62 S. 126f.) 5. u. Buch IV, 5. Vel. Harpokr. u. d. N. 

4) Just. 7, 5f. 

5) Polyaen. 4, 10, 1. Antipater (n. Suid. u. ἃ. N.) hat die illy- 
rischen Feldzüge des Perdikkas beschrieben: κατέλιπεν — ἵστορίαν, 
τὰς Περδίκκου πράξεις ἸΙλλυρικάς. 

6) Diod. 16, 2 (vgl. 4). Liban. L. des Dem. ὃ. 5, 15. Die Dauer 
von Perdikkas Regierung gibt Diod. 15, 77 auf fünf Jahre an, Euse- 
bios, aus dem die Lücke bei Synkellos zu ergänzen ist, auf sechs Jahre. 
S. Müller Fr. h. Gr. a. a. O. 

7) Philipp regierte von Ol. 105, 1 — 111, I, von Anfang 350 bis 


16 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


innern drohenden Gefahren zu begegnen. Sehr zu statten kam es 
ihm, dafs er in dem Theilfürstenthum welches sein Bruder Perdik- 
kas ihm überwiesen hatte, eine kleine schlagfertige Truppe sich 
gebildet hatte: diese diente als Kern und Schule seines Heeres ἡ. 
Eben jetzt aber glaubten mehrere Prätendenten die Umstände gün- 
stig um ihre Ansprüche auf das Reich mit fremder Hilfe geltend zu 
machen. Pausanias, der früher dem Ptolemaeos von Aloros einen 
schweren Stand bereitet hatte, verfocht sein angeborenes Recht 
mit Hilfe des Thrakerkönigs; Argaeos kehrte von einem athenischen 
Heere unterstützt aus der Verbannung zurück und rechnete darauf 
wie vor Zeiten im Norden Anhang zu finden ?. Endlich erschien von 
anderer Seite gerufen des Amyntas ältester Sohn von der (Gygaea, 
Archelaos, als Thronbewerber ?. Die Spaltung der Gegenparteien er- 
leichterte Philipp das Spiel. Mit angeborener Beredsamkeit ermu- 
thigte er die Makedonen und sammelte sie zu vereinter Abwehr 
der Feinde um sich: theils durch seine Thatkraft, theils durch 
Herablassung, durch Geschenke und Versprechungen zog er das 
Volk auf seine Seite: es ward ein Orakel in Umlauf gesetzt unter 
einem Sohne des Amyntas solle das makedonische Reich zu hoher 
Blüte gelangen. So gelang es Philipp ein neues Heer aufzustellen, 
das er nach dem Vorbilde hellenischer Kriegskunst übte *. Arche- 
laos mag bald in Philipps Hände gefallen sein ; er bezahlte sein Un-. 


zum Sommer 336. Bei seinem Tode stand er im 47. Lebensjahre, sei- 
ner Regierung im 24. 8. Clinton F. H. H app. 4 ὃ. 243f. Kr. Böh- 
necke F. I, 608, 4. 

1) Karyst. fr. 1a. a. O.: seine Quelle, ein Brief des Speusippos, 
ist nicht unverdächtig, doch scheint mir die Thatsache glaubhaft: we- 
niger die durch Euphraeos eingelegte Verwendung Platons. Berührt 
ist die Sache auch in dem 30. sokrat. Briefe (vgl. 31, bei Orelli S. 38ff.), 
den man deshalb Speusippos beigelegt hat. S, über diese Briefe We- 
stermann comm. de epist. ser. gr. VII, 18f, 

2) Diod. 16, 2,3: Val 08.265 

3) Theopomp. I fr. 32 bei Harpokr. u. ’deyalog: τὸν ᾿Αρχέλαον 
καλοῦσι καὶ ’Apyaiov καὶ Παυσανίαν. Über die Stiefbrüder Philipps 
5. Just. 7, 4 (oben $. 10, 1). Vgl. Harp. u. Μενέλαος : ἀδελφὸς Φιλίπ- 
που ὁμοπάτριος (in Beziehung auf seinen Reiterdienst bei den Athenern, 
Dem. Phil. 1, 27 8. 47, 21). Über ihr Ende 5. Just. 8, 3; vgl. Schol. 
zu Dem. Ol. 1,5 5. 43, 7 Df. u. unt, Cap. 4. 

A) Diod, 16,8. Just. 7,6. 


Philipps Thronbesteigung. 17 


ternehmen mit dem Leben: seine beiden Brüder Arrhidaeos und 
Menelaos flüchteten und geriethen erst nach Jahren in die Gewalt 
ihres Stiefbruders, der sie für ihre Ansprüche auf den Thron mit 
dem Tode büfsen liefs. Die auswärtigen Feinde wufste Philipp 
zum Theil durch Unterhandlungen klüglicher Weise zu beschwich- 
tigen. Die Paeonier kaufte er ab und bewog sie zu einem vorläuli- 
gen Frieden; nicht minder brachte er bei einer persönlichen Zu- 
sammenkunft zu Onokarsis den thrakischen König Kotys zu dem 
Entschlusse sich von Pausanias loszusagen'. Welcher Art die Zuge- 
ständnisse waren die Philipp machte wissen wir nicht, denn mit 
blofsen Geschenken war es wohl kaum abgethan. Vielleicht war 
die ausdrückliche Verzichtleistung auf irgend welche Hoheitsrechte 
über Amphipolis eben so sehr auf den thrakischen Fürsten als auf 
die Athener berechnet?. Weiterer Sorge von dieser Seite überhob 
Philipp die Ermordung des Kotys und der in Thrakien ausbrechende 
Thronstreit: Pausanias wird mit keinem Worte wieder erwähnt. 
Argaeos endlich führte, während der athenische Feldherr Mantias 
bei der Flotte zu Methone zurückblieb, die Söldner gen Aegae und 
forderte die Bürger auf ihn als König aufzunehmen und damit 
ihrer Stadt den alten Ehrenplatz wieder zu verschallen. Aber er 
fand kein Gehör: Aegae hielt diesmal zu dem angestammten Königs- 
hause und Argaeos mufste unverrichteter Dinge den Rückmarsch 
antreten. Unterwegs griff Philipp unvermuthet ihn an, schlug die 
Söldner und nahm die meisten gefangen: was aus Argaeos gewor- 
den ist, erfahren wir nicht?. Nach diesem Siege wird Philipp selbst 
unter Zustimmung des Volkes den königlichen Namen angenommen 
haben ohne sich weiter an seinen unmündigen Neffen zu kehren*. 
Dieser wuchs an seinem Hofe auf und erhielt in späteren Jahren 
Kynane, Philipps Tochter von einer illyrischen Gemahlin, zur Frau. 


1) Diod. 16, 3; vgl. Horat. carm. 3, 16, 14. Theop. I fr. 33 bei 
Athen. 12 S. 531e. Rehdantz a. a. O. 9. 148, 86 setzt den Tod des 
Kotys noch vor Philipps Thronbesteigung: dem scheint mir jenes Frag- 
ment Theopomps entschieden entgegen zu stehen. Auf die Anekdote He- 
gesand. fr. 4 bei Athen. 6 S. 248° ist allerdings nicht viel zu geben. 

2) Diod. a. a. OÖ. Polyaen. 4, 2, 17. Vgl. Aristeides 38 5, 480 Jebb. 

3) Diod. a. a. O. Just. 7, 6. 

4) Just. 7, 5.6. Weiske de hyperb. II, 27. Thirlwall V, 233 vermu- 
thet, dies sei erst nach dem illyrischen Siege geschehen. 

DEMOSTHENES IT. 2 


18 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Seinem Oheim scheint Amyntas willig sich untergeordnet zu haben: 
als aber sein junger Vetter zur Regierung gekommen war, liefs 
er sich in eine Verschwörung ein, die sein Erbrecht geltend machen 
sollte, und büfste dafür auf Alexanders Geheifs mit dem Leben. Seine 
Wittwe wurde bald nach Alexanders Tode umgebracht: ihre Toch- 
ter aber, Eurydike, ward zur Gattin Philipps Il. Arrhidaeos auser- 
sehen und theilte mit diesem einige Jahre den Thron, bis sie beide 
dem Hasse der Olympias zum Opfer fielen. Mit ihr endete das Haus 
des Perdikkas!. 

Doch wir kehren zu Philipp zurück. Des jungen Königs näch- 
ste Sorge war mit den Athenern Frieden zu schliefsen, um sich den 
Rücken frei zu machen für den Krieg im Norden, woher Makedo- 
nien ernstliche Gefahr drohte. Nach der Niederlage des Argaeos 
entliefs Philipp alle gefangenen, ausgenommen die Makedonen, 
ohne Lösegeld in die Heimat, ja den Athenern gab er zurück was 
sie durch Plünderung verloren hatten. Alsdann schickte er Gesandte 
nach Athen mit einem eigenhändigen Schreiben, in welchem er den 
Frieden antrug und ausdrücklich auf Amphipolis verzichtete: ja er 
erklärte sich sogar bereit ein Bündniss mit den Athenern abzuschlie- 
[sen und die freundschaftlichen Beziehungen zu erneuern, in denen 


1) Amyntas wurde im Anfange von Alexanders Regierung vor dem 
Übergange nach Asien und noch vor dem illyrischen Feldzuge von Ol. 
111, 1. 335 getödtet. Arrian. $ 22 in Photios Bibl. 92 5. 700, 2 Bk., 
vgl. m. Anab. 1, 5, 4. Curt. 6, 9,:17. 10, 24. Just. 12, 6. Vgl. auch 
Plutarch. üb. Alex. Glück 1, 3 S. 327°, wo er die Lage Makedoniens 
nach Philipps Tode schildert: πᾶσα δ᾽ ὕπουλος N Μακεδονία πρὸς 
"Auvvrav ἀποβλέπουσα καὶ τοὺς ᾿ἀερόπου παῖδας (das fürstliche Haus 
von Lynkestis). Des Amyntas Gattin Kynane (oder Kyna, Kynna) 
war Philipps Tochter von der Ilyrierin Audata, die in Makedonien Eu- 
rydike genannt wurde. Arrian. bei Phot. a. a. O., vgl. Satyros fr. 5 
bei Athen. 13 5. 557°. Kynane wurde bald nach Alexanders Tode von 
Perdikkas oder vielmehr von dessen Bruder Alketas. umgebracht (Ar- 
rian. a. a. ©. Diod. 19, 52. Polyaen. 8, 60); ihre Töchter Adea (jetzt 
mit verändertem Namen Eurydike) vermählte Perdikkas mit Philipp 
Arrhidaeos. Arrian. a. a. ©. vel. Duris fr. 24 bei Athen. 13 8. 560° u. 
Aelian. v.G. 13, 35, der sie irrig zu einer Tochter Philipps macht. Sie 
und ihr Gatte wurden durch Olympias Ol. 115, 4. 317 zu Tode gebracht: 
im nächsten Jahre liefs Kassander den König, die Königin und ihre 
Mutter Kynane feierlich in der königlichen Gruft zu Aegae beisetzen. 
Diyllos fr. 3 bei Athen. 4 S. 1554. Diod. a. a. Ο, 


Vertrag mit den Athenern. Philipp schlägt die Illyrier. 19 


sein Vater Amyntas zu ihnen gestanden'. Gern willigten die Athe- 
ner in den Frieden und ordneten an Philipp Antiphon und Chari- 
demos ab um wegen der Bundesfreundschaft nähere Vereinbarungen 
zu treffen. Man kam überein, wie Theopompos erzählte, dafs Phi- 
lipp den Athenern zum Besitze von Amphipolis verhelfen sollte: 
dagegen ward ihm Pydna zugestanden. Einstweilen wurde die Sache 
geheim gehalten, damit die Bürger von Pydna nicht merkten wie 
schändlich die Athener ihnen mitspielten: die Gesandten erstatteten 
nur dem Rathe, nicht dem Volke Bericht ἢ. 

Für Philipp war der nächste Gewinn von dem Einverständnisse 
mit Athen, dafs er im sicheren Besitze der Herrschaft und von sei- 
nen anfänglichen Feinden unbeirrt gegen die Paeonier und Illyrier 
zu Felde ziehen konnte. Jene, deren König eben gestorben war, 
wurden in einem Treflen besiegt und bequemten sich die Oberho- 
heit des Makedonenreichs anzuerkennen. Schwerer war der Kampf 
mit dem in seinen alten Tagen noch streitbaren Illyrierkönig Bardy- 
lis: aber in blutiger Schlacht errang Philipp mit seinen Makedonen 
auch über diesen gefürchteten Feind den Sieg: Bardylis selbst fiel 
und mehr als siebentäusend todte liefsen die Illyrier auf der Wahl- 
statt. Philipp folgte ihnen über das Gebirge bis an den See von 
Lychnidos, unterwarf die Grenzlande seiner Herrschaft und versi- 
cherte sich damit des Hauptpasses nach dem Westen. Die Illyrier 
mufsten um Frieden bitten und ihre Besatzungen aus den makedo- 
nischen Städten zurückziehen (O1. 105, 2. 358)’. So war die Nie- 
derlage des Königs Perdikkas rühmlich gerächt und das Joch illvri- 
scher Dienstbarkeit von den Makedonen abgeworfen*: Philipp hatte 
das Reich an der gefährdetsten Seite über seinen früheren Umfang 
hinaus hergestellt und sein neugebildetes Heer hatte die ersten Waf- 
fengänge bestanden. 


1) Dem. g. Aristokr. 121 S. 660, 13. Diod. 16, 3. 4. Just. 7, 6. 

2) Theopomp (ἐν A&, nicht vielmehr ἐν &?) fr. 189 bei Phot. 
Lex. S. 588 Porson. Suid. u. τί ἐστι κτλ. u, a. Dem, Ol, 5.6.8..19, 
27 Schol. (5. 85, 21Df.). Dafs ein Bündnifs geschlossen wurde, er- 
hellt aus Demosthenes nächsten Worten 7 ὃ’. 20, 1 τοὺς μὲν πρότερον 
συμμάχους ὑμᾶς. 

3) Diod. 16, 4, 8. Just. a. a. Ο. Theopomp. Phil. II (fr. 48. 44. 
41. 35. 42). Lukian. Makrob. 10. Vgl. Thirlwall V, 232f. 

4) Vgl. Diod. 16, 1 (und exe. 32, 4 Bk.) Φίλιππος ὁ ᾿ἡμύντου 
παραλαβὼν τὴν Μακεδονίαν δουλεύουσαν Ἰλλυριοῖς κτλ. 


BER 


20 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Aber dem jungen Könige war es nicht genug seine Herrschaft 
fest begründet zu haben, er gieng alsbald seinerseits zu Angriffen 
über um die Seeküste zu gewinnen und der hellenischen Nachbar- 
städte Herr zu werden. Die Amphipoliten hatten sich — wir wissen 
nicht ob bei Gelegenheit des Thronstreits oder in anderer Art! — 
feindselig gezeigt und Philipp hatte bereits, wie erwähnt, den Athe- 
nern zugesagt die Stadt in ihre Gewalt zu bringen. Unerwartet 
rückte er mit eimem ansehnlichen Heere heran und begann die Be- 
lagerung. Inder Nähe war keine Hilfe zu finden : wir hören nicht dafs 
die Olynthier und die andern Chalkidier nur den Versuch gemacht 
hätten die bundesverwandte Stadt zu entsetzen: Athen allein mit 
seiner Kriegsflotte vermochte wirksamen Beistand zu gewähren. 
Deshalb suchten die Amphipoliten durch ihre Gesandten Hierax und 
Stratokles bei dem athenischen Volke um Schutz nach und erklär- 
ten sich bereit ihre so beharrlich verfochtene Unabhängigkeit zu 
Gunsten Athens aufzugeben um nicht unter die Gewalt des Königs 
zu fallen®. Auch die Olynthier schickten eine Gesandtschaft um 
sich mit den Athenern zu verständigen: aber diese schenkten ihnen 
kein Gehör. Denn alle ihre Besorgnisse beschwichtigte Philipp 
durch ein Schreiben, in welchem er unter Beziehung auf die gehei- 
men Verabredungen Athens Anrecht auf Amphipolis ausdrücklich 
anerkannte und die Zusicherung gab, er wolle wenn er die Stadt 
einnehme sie den Athenern übergeben’. Wenn wirklich auf die 
erste Botschaft Chares den Befehl erhalten hatte Amphipolis zu 


1) Diod. 16, 8 τῶν τὴν ᾿᾿μφίπολιν οἰκούντων (d. 5. die dort ein- 
gedrungenen Chalkidier) ἀλλοτρίως πρὸς αὐτὸν διατεϑέντων καὶ πολλὰς 
ἀφορμὰς δόντων εἰς πόλεμον. Wenn Polyaen. 4, 2, 17 sagt Φίλιππος, 
Ἀμφίπολιν ἀπαιτούμενος ὑπὸ ᾿4ϑηναίων, ὁμοῦ δὲ καὶ ᾿Ιλλυριοῖς πολε- 
μῶν, οὐκ ἀπέδωκεν, ἀλλ᾿ ἀφῆκεν ἐλευϑέραν (vgl. Aristeid. 388.480 Jebb.), 
so liegt ein Misverständnifs zu Grunde; Philipp hatte nicht zu Gunsten 
der Amphipoliten selbst, sondern zu Gunsten der Athener allen Ansprü- 
chen auf Amphipolis entsagt. Richtig besagt das 2. Argum, zu Dem, 
vdG. 8. 334 (Φίλιππος) ἔλαβε παρ᾽ Ὀλυνϑίων ᾿ἀμφίπολιν, οὖσαν κτῆμα 
τῆς πόλεως (nämlich des athenischen Staates)" καὶ ἦν ὑπ᾽ Ὀλυνϑίοις 
καϑ' ὃν καιρὸν ἀπέστησαν καὶ οἵ σύμμαχοι. Vgl. Phil. Schr. 21 8. 164, 24. 

2) Theopomp. III fr. 47 bei Harpokr. u. έραξ. Nach dem euböi- 
schen Feldzuge von Ol. 105, 3: Dem, Ol. 1,8 5. 11, 10, 

3) Dem. 01.2, 6 S. 19, 24—28 m. d. Schol. g. Aristokr. 116 S. 659, 3. 
Heges. üb. Halonn. 27 S. 83, 18. Liban. IV 5. 973, 9 R. 


Einnahme von Amphipolis. Krieg mit Athen. 21 


besetzen', so ward dieser zurückgenommen und die Flotte nach 
dem Hellesponte geschickt, Amphipolis aber wurde nach muthigem 
Widerstande von den Makedonen mit Sturm erobert (O1. 105, 3. 
357)”. Jetzt warf Philipp die Maske ab: weit entfernt den Athenern 
Wort zu halten behielt er Amphipolis für sich, verjagte seine Geg- 
ner von dort — auch Stratokles ist verbannt worden — und suchte 
die Bürgerschaft durch Gunsterweisungen mit ihrem Loose zu ver- 
söhnen ?: ein gewisses Mafs städtischer Freiheit mag ihr auch fer- 
nerhin gegönnt worden sein. So gewann Philipp einen reichen Ha- 
fenplatz welcher ihm viele Einkünfte abwarf, und was mehr bedeu- 
tete, er sicherte die Grenzen seines Reiches und hatte an der thra- 
kischen Küste einen Angriflspunkt von entscheidender Wichtigkeit 
in Händen; denn Amphipolis beherrschte den Übergang über den 
unteren Strymon und die thrakische Strafse'. 

Um diesen Preis brach Philipp den eben mit Athen geschlosse- 
nen Vertrag und begann den Krieg, welcher sich bis Ol. 108, 2. 
346 fortgesponnen hat’. Aber während die Athener in hochfahren- 


1) Einleit. zu Isokr. R. v. Fr, Über die Absendung der Flotte nach 
dem Chersones s. Dem, g. Aristokr. 173 8. 678, 12. 

2) Diod. u. Phil. Schr. a. a. OÖ. Demosth. Ol. 1, 5 5, 10, 18 (vgl. 
d. Schol.) spricht von Verrath. 

3) Diod. a. a. OÖ. Das Verbannungs- und Achtsurtheil der Volks- 
gemeinde von Amphipolis wider Philon und Stratokles 5. €. I. Gr. I 
nr. 2008 und genauer bei Sauppe inser. Maced. S.20. Nach Demosthenes 
a. a. Ὁ. hat Philipp auch ihm zugethane Parteihäupter übel behandelt; 
vgl. die Scholien u. Liban. IV S. 973, 20. Aristeid. a. a. O. 

4) Isokr. Phil. 5 S. 83. Dem, g. Aristokr. 111 8.657,19. Phil.2,17 
S. 70, 8. Diod. a. a. O. Vgl. Thuk. 4, 108 u. Liv. 45, 30, die Vömel 
Proleg. in Phil. 1 S. 43, 3 anführt. S. HWeifsenborn Hellen S. 153 ff. 

Ὁ) Isokr. Phil. 2 5. 82 ὁρῶν γὰρ τὸν πόλεμον τὸν ἐνστάντα σοὶ 
καὶ τῇ πόλει περὶ ᾿μφιπόλεως πολλῶν κακῶν αἴτιον γενόμενον. Vel. 
78.83. vFr. 22 5. 163. Aesch. 2, 21 8. 81 περὶ τῶν δικαίων τῶν ὑπὲρ 
Ἀμφιπόλεως καὶ τῆς ἀρχῆς τοῦ πολέμου. 70 8. 37 τὴν μὲν γὰρ ἀρχὴν 
ἐποιησάμεθα τοῦ πολέμου ὑπὲρ ᾿ἀμφιπόλεως. Eb. 72 Φίλιππος δὲ 
δρμηϑεὶς ἐκ Μακεδονίας, οὐκέϑ᾽ ὑπὲρ ᾿“μφιπόλεως ὑμῖν ἠγωνίζετο, 
ἀλλ᾽ ἤδη κτλ. 3, 54 8,61 ἕνα μὲν καὶ πρῶτον (καιρὸν “Ιημοσϑένης) 
— καταλογίζεται ἐκεῖνον τὸν χρόνον, ἐν ᾧ πρὸς Φίλιππον ὑπὲρ ᾿άμφι- 
πόλεως ἐπολεμοῦμεν: τοῦτον δ᾽ ἀφορίζεται τῇ γενομένῃ εἰρήνῃ καὶ 
συμμαχίᾳ, ἣν Φιλοκράτης ὁ ᾿ἡγνούσιος ἔγραψεν. Dem, g. Aristokr. 107 
S. 656, 12 ©. πρὸς ὑμᾶς πολεμῶν (nahm Potidaea ein). Vgl. Liban, 


22 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


den Volksbeschlüssen ihren Zorn ausliefsen und damit drohten ihn 
für seinen Wortbruch zu strafen', beeilte er sich Pydna anzugrei- 
fen, eine Stadt die durch ihre Lage an der Strafse nach Thessalien 
ihm besonders wichtig war und schon vor Alters mit dem makedo- 
nischen Reiche in Verbindung gestanden hatte. Hier öffneten ihm 
Verräther die Thore, und nun ward in der Stadt ein Blutbad ange- 
richtet; selbst die in das Heiligthum des Amyntas geflüchteten fan- 
den keine Gnade?. Ein Einschreiten der Athener lag um so ferner, 
da eben der Bundesgenossenkrieg sie in Anspruch nahm. Trotzdem 
hielt Philipp es für gerathen mit den Olynthiern sich auszusöhnen und 
sie in sein Interesse zu ziehen. Denn als Haupt des chalkidischen 
Bundes war Olynth ganz in der Lage seine weiteren Unternehmun- 
gen zu stören, zumal wenn es mit den Athenern sich verband, 
wie es neuerdings im Werke gewesen war. Um einen solchen 
Schritt zu verhindern und vor allem erst die Athener von dem Kü- 
stenlande zu verdrängen scheute Philipp selbst ein Opfer nicht: er 
trat Anthemus, eine makedonische Stadt auf welche die Olynthier 
Anspruch machten, ihnen ab und versprach Potidaea für sie zu er- 
obern. Dadurch liefsen die Olynthier sich ködern mit Philipp ein 
Bündniss einzugehen und den Krieg gegen Athen wieder aufzuneh- 
men?. Zunächst galt es die Eroberung von Potidaea welches mit 


Einl. z. R. vFr. $. 55, 1. z. R. vdG. 8. 333, 10. Es ist dies ὃ πρό- 
τερος πόλεμος R. g. Phil. Schr. 17 5. 156, 22. Es wäre überflüfsig, 
den Ursprung des Krieges der Athener mit Philipp und seine Fortdauer 
bis zum Friedensschlusse so umständlich zu erweisen, wenn nicht Böh- 
necke ἘΝ I, 239#f. sich zu der Behauptung verirrt hätte, “die Athener 
‘und Philipp stehen seit Ol. 105, 3 allerdings feindlich einander gegen- 
‘über, aber ein offener Krieg ist weder erklärt noch zwischen ihnen 
‘geführt worden.” Dafs die Athener den Krieg nur desultorisch führten 
und die Gelegenheit fast immer versahen, hebt den Kriegszustand nicht 
auf: 5. Dem. Phil. 1, 25 S. 47, 5—9. Vgl. Thirlwall V, 504. 

1) Dem. Phil. 1, 43 S. 52, 18 Schol.; vgl. OL. 3, 4 8. 32, 16. 
Isokr. Phil. 3 8. 82. Dahin gehört auch der Beschlufs keine Botschaft 
von Philipp entgegen zu nehmen, Aesch. 2, 13 $. 30. 

2) Diod. 16, 8. Dem, g. Lept. 63 8. 475, 29f. Ol. 1, 5 S. 10, 20 
Schol. 9 8. 11, 17. Liban. IV S. 973, 21. Aristeid. 33 S. 480. etwa 

im Spätherbste oder Winter Ol. 105, 4. 357. 
3) Dem. g. Aristokr. 108 S. 656, 15. Ol. 2, 14 S. 22,5. Phil. 2, 20 
S. 70, 27. Libanios Einl, zu ἃ. ol. R. 8. 7, 6ff. u. 17f,; hübsch nennt 


Pydna. Philipps Bündniss mit den Olynthiern. Potidaea. 23 


athenischen Ansiedlern besetzt war'. Den Olynthiern war diese 
Stadt, die, nur anderthalb Meilen entfernt, vor ihren Augen stand 
und durch ihre Lage auf dem Isthmos den Schlüssel zu der Halb- 
insel Pallene bildete?, seit Timotheos sie ihnen entrissen ein Stein 
des Anstofses: und dem Könige war das Unternehmen so wichtig, 
dafs er gegen die Illyrier, welche sich zu neuen Angriffen erhoben 
hatten, seinen Feldherrn Parmenion abschickte, während er selbst 
mit grofsem Kostenaufwande die Belagerung betrieb. Was verschlug 
es ihm dafs er unlängst der athenischen Gemeinde zu Potidaea 
in einem Separatvertrage Frieden und Bundesgenossenschaft zuge- 
schworen?? So wenig diese Zusicherungen ihr nützten, eben 
so vergeblich wartete sie auf den Beistand ihrer Mitbürger in der 
Mutterstadt. Die Athener beschlossen zwar ein Geschwader zum 
Entsatze auszurüsten: aber es kam zu spät: Philipp hatte die Stadt 
bereits erobert*. Die athenischen Kleruchen durften noch von 
Gnade sagen, dals der König sie ohne Lösegeld mit freundlichen 
Worten heimschickte — denn er hütete sich die Athener zum äu- 
fsersten zu treiben —; ihr Eigenthum unterlag der Gonfiscation und 
die übrigen Einwohner wurden in die Sklaverei verkauft. Die 
verödete und zerstörte Stadt nebst der Feldmark übergab er seiner 
Zusage gemäls den Olynthiern welche sie zu ihrem Gemeindelande 
schlugen®’. Damals war es wo zu dem eben errungenen Erfolge 


derselbe IV 5. 249, 27 R. Anthemus τὸ τῶν ταλαιπώρων Ὀλυνϑίων 
δελέαρ. Vgl. Aristeid. 38 8. 475. S. Wesseling zu Diod. a. a. 0. 
Als makedonisch führen Herod. 5, 94. Thuk. 2, 99. 100 Anthemus auf; 
8. auch Aeschin. 2, 27 S. 81, Vgl. Böhnecke F. I, 115. 

1), & 0.8: 14. 

2) Thuk. 1, 63. 4, 120. Skylax $ 66 Müller. 

3) Heges. üb. Halonn. 10 S. 79, 6. 

4) Dem. Phil. 1, 35 S. 50, 12; vgl. Af. S. 41, 13. 25. 

5) Diod. 16, 8 (vgl. Aesch. 2, 100 S. 41). Hegesipp. a. a. Ὁ. Dem. 
Phil. 2, 20f. S. 70, 291. Schol. Cherson. 65 5. 105, 23; vgl. 62 S. 105, 5. 
g. Aristokr. 107 8. 656, 9. Olynth.2,7 8.19,28. Suid. u. Κάρανος. Dals 
Dem. g. Lept. 61 S. 475, 15 und Phil. 1, 4. ὁ S. 41, 13. 28 Potidaea 
unter Philipps Reichsgebiet mit begreift, ändert an der Sache nichts. 
Über das Schicksal der Stadt heifst es bei Diod. a. a. Ὁ, τὴν δὲ mo 
λιν ἐξανδραποδισάμενος, dagegen in den Excerpten des Gemistos Ple. 
thon 1,15, die Wesseling anführt, τ. δ. m. ἐξανδραποδισάμενος καὶ κα- 
τασχάψας, und in dem mit diesen sonst wörtlich übereinstimmenden 


24 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Philipp noch drei Freudenbotschaften empfieng: Parmenion hatte 
die Dardaner in Illyrien geschlagen, ein Rennpferd des Königs 
hatte zu Olympia den Preis gewonnen und seine Gemahlin Olym- 
pias, die Nichte des Molosserfürsten Arybbas, hatte ihm einen 
Sohn geboren, den grolsen Alexander (d. 21. Juli 356. Ol. 106, 1)'. 

Vor der Hand mochte Philipp um so eher sich daran genügen 
lassen ein Bollwerk der Athener an der chalkidischen Halbinsel ge- 
brochen und die Olynthier sich zu grolsem Danke verpflichtet zu 
haben, da ihm selber Gelegenheit geboten wurde an der thraki- 
schen Küste eine überaus werthvolle Eroberung zu machen. Näm- 
lich die Kreniten, die sich aufser Stande sahen die Angriffe der 
Thraker abzuwehren, riefen Philipp zu Hilfe”. Dieser ergriff mit 
Freuden die Gelegenheit von Amphipolis aus in das Pangaeongebirge 
vorzudringen und der ergiebigen Gold- und Silbergruben sich zu 
versichern, trieb die Thraker zurück und schlug die ganze Land- 
schaft bis zum Flusse Nestos, namentlich auch den Küstenstrich, 
zu seinem Reiche?. Auf der Hochfläche am nördlichen Gebirgs- 
abhange gründete er alsdann eine neue gröfsere stark befestigte 
Stadt, die er nach seinem Namen Philippi nannte und zum Sitze 
seines Bergamtes erhob. Diese besetzte er theils mit neuen An- 
siedlern theils mit den Kreniten und den Einwohnern anderer be- 


Scholion zu Dem. Phil. 2 a. a. Ο. τ. ὃ. π. ἐξανδρ. καὶ ἅψας. Kas- 
sander liefs die Stadt Ol. 116, 1. 316 (unter dem Namen Kassandrea) 
wieder aufbauen: Diod. 19, 52. Strab. 7 fr. 25. Paus. 5, 23, 3. Liv. 
44, 11. Mit Unrecht schlielst Vömel Einl. zur R. üb. Halonn. S. 54” 
aus Dem. Phil. 2, 17 5. 70, 10 ei Augpimolıv καὶ Ποτίδαιαν προεῖτο, 
dafs die Stadt nicht in Trümmer gelegt sei. 

1) Plutarch. Alex. 3. Trostschr. an Apoll. 6 S. 1068, Just. 12, 16. 
Vgl. Clinton u. ἃ. J. und Anhang 4 ὃ. 244f. Kr. Diodor a. a. O. falst die 
‘roberung von Amphipolis Pydna Potidaea und gar noch die Gründung 
von Philippi unter Ol, 105, 3 (περὶ τοὺς αὐτοὺς καιρούς) zusammen, 
ohne die Zeiten zu scheiden. Die Folge der Ereignisse gibt er richtig 
an: 5. Dem, Ol. 1, 12 8. 12, 26 τὸ πρῶτον ᾿μφίπολιν λαβών, μετὰ 
ταῦτα Πύδναν, παλιν Ποτίδαιαν κτλ.; vgl. 9 5. 11, 17. Phil. 1,4 8. 
41, 13. g. Aristokr. 116 5. 659, 5. vKr. 69 S. 248, 3. 

2) Artemidor. b. Steph. v. B. u. Φίλιπποι: καὶ πόλις Φίλιπποι τὸ 
παλαιὸν Κρηνίδες τοῖς δὲ Κρηνίταις πολεμουμένοις ὑπὸ Θρᾳκῶν βοη-͵ 
ϑήσας ὃ Φίλιππος Φιλίππους ὠνόμασεν. 

3) Strab. 7 8. 323 u. fr. 35. 86. 


φ 


τῷ 


Gründung von Philippi. Ὁ 


nachbarter Orte', z. B. von der Küstenstadt Datos, welches vor 
wenig Jahren die Thasier auf Kallıstratos Betrieb neu angebaut 
hatten?. Von Philippi aus liefs er den Bergbau so nachdrücklich 
fördern, dafs derselbe ihm ein Einkommen von mehr als tausend 
Talenten abwarf. Überdies bildete die Stadt einen vorgeschobenen 
Angrilfspunkt gegen Thrakien und den Hellespont®. 

Die Besitznahme jener Landschaften des thrakischen Küsten- 
gebirges und die Gründung von Philippi werden wir noch in das 
Jahr 356. Ol. 106, 1 setzen dürfen, eine Zeit, da die Athener 
durch den Bundesgenossenkrieg vollauf beschäftigt waren. Da- 
mals mag Philipp auch bereits nach Thessalien eingedrungen sein 
um den Aleuaden von Larisa gegen die Tyrannen von Pherae Hilfe 
zu leisten: eine Verbindung welche ihm für die Zukunft wichtige 
Früchte verhiefs*. In der nächstfolgenden Zeit hatte Philipp auf 
anderen Puncten einzuschreiten. Denn beunruhigt durch die fort- 
währenden Übergriffe des jungen Königs trat des Kotys Sohn und 
Erbe Kersobleptes von Thrakien in Einverständniss mit den 
Fürsten der Paeonier und Illyrier um mit vereinten Kräften der 
wachsenden Macht des Makedonenreiches Einhalt zu thun. Aber 
Philipp sprengte ihren Bund: während die Paeonier und Illyrier 


1) Diod. 16, 8. Appian. Bürgerkr. 4, 105. Steph. v. Byz. a. a. 0, 
u. u. Κρηνίδες. Strab. 7 fr. 34. 41.43. Aus fr. 34 (s. Tafels Anmerk.) 
und bestimmter aus Cassius Dio 47, 35 erhellt, dafs Krenides sich als 
Ortsname in dem quellenreichen Bezirke der Goldwäschereien erhal- 
ten hat. 

2) Ephoros u. Philoch. (fr. 127) bei Harpokr. u. Jarog, wo ich 
statt μετωνομάσϑη μετῳκίσϑη lesen möchte. Denn der Name blieb, 
wenn auch der Ort herunterkam. Hierher gehört auch Theop. III fr. 48. 
Eben damals wird Philipp auch die Küstenstädte Galepsos und Apol- 
lonia (nicht zu verwechseln mit dem mygdonischen) zerstört haben. 
Strab. 7 fr. 35. Über die thasische Ansiedlung s. o. Buch I, 2. 

3) Appian. a. a. O. Vgl. Thirlwall V, 2706, 

4) Diod, 16, 14 (unter Ol. 105, 4). Theop. IX fr, 83—87. Damit 
möchte ich Polyaen, 4, 2, 18 (über die Einnahme von Pharkedon; vgl. 
Theop. fr. 87) und 19 in Verbindung setzen. Übrigens erhellen schon 
aus Theopomp I fr. 36. 37 Beziehungen Philipps zu Thessalien. Justin. 
7, 6 erzählt von einem Zuge dahin gleich nach dem ersten illyrischen 
Kriege, vor Philipps Vermählung mit Olympias, welche spätestens in den 
Herbst 357 (Ol. 105, 4) fallen kann. Vgl. Vömel prolegg, in Phil. 1 S. 851. 


26 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


noch rüsteten, griff er sie einzeln an und zwang ihre Könige ihm 
zu huldigen'. Das erzählt Diodor unter Ol. 106, 1 (355), es 
scheint aber, als wäre Philipps Thätigkeit auch noch das folgende 
Jahr in Illyrien, wo er feste Städte anlegte?, in Anspruch genom- 
men worden: wenigstens von neuen Unternehmungen in den Kü- 
stenländern lesen wir nichts. Indessen fällt in diese Zeit der An- 
fang zur Bildung einer Flotte; makedonische Kriegsschiffe fingen 
an den Seeräubern zu wehren, die athenischen Kauffahrer aufzu- 
bringen und einzelne Inseln wegzunehmen oder zu plündern. So 
ward in der Nähe der Küsten von Thessalien und Euboea® Halonne- 
sos besetzt, wo Seeräuber sich eingenistet hatten‘, eine Insel, 


1) Diod. 16, 22. Vgl. Dem. Ol. 1, 23 S.15, 25. Isokr. Phil. 21 5. 
80 (πλὴν τῶν παρὰ τὸν ᾿“δρίαν οἰκούντων). 

2) Dem. Phil. 1, 48 S. 54, 6 (vgl. Just. 8, 3). Ich sehe darin 
mehr als leeres Gerede. 

3) Harpokr. u. ἃ. N. Ἁλόννησος νησύδριον ἐν τῷ Αἰγαίῳ πελάγει" 
Αἰσχίνης ἐν τῷ κατὰ Κτησιφῶντος (83 5. 65), ὡς καὶ ᾿ἀρχέλαος ἐν δ΄ 
τῶν Εὐβοϊκῶν, μνημονεύει δὲ τῆς ἀμφισβητήσεως τῆς περὶ Alovvncov 
καὶ Θεόπομπος ἐν δ΄ (fr. 56) καὶ ᾿ἀναξιμένης ἐν δ΄ Φιλιππικῶν (fr. 10). 
Halonnesos lag nach Strabon 9 S. 436 nahe der Küste von Magnesia 
zwischen Ikos und Skyros, eine Angabe, die dadurch ihre Bestätigung 
erhält, dafs Archelaos sie unter den Euboea benachbarten Inseln auf- 
geführt hatte. Auch das Schreiben Philipps 12—15 S. 162 lehrt, dafs 
sie in der Nähe von Peparethos gelegen war. Mit Unrecht hat LRoss 
griech. Königsreisen II S. 45f., so trefflich er auch von Peparethos han- 
delt, Halonnesos aüs jenen Gewässern verbannen wollen, nach Plinius 
N.H. 4, 23, 74, der es zwischen den thrakischen Chersones und Samo- 
thrake versetzt, wo nie eine Insel gelegen hat. 

4) Heges. üb. Halonn. 2 S. 77, 6—12 m. ἃ. Schol. Schr. Philipps 13 
S. 162, 9. Vgl. über die um sich greifende Caperei Aesch. 2, 72 
S. 37. Die Besetzung von Halonnesos setzte Vömel Proleg. in or. de 
Hal. 5. 42 in diese Zeit (nach der Einnahme von Potidaea und vor 
den olynthischen Krieg), weil Demosthenes vKr. 69 S. 248, 4 sie unter 
den ältesten Beschwerden gegen Philipp erwähnt: πάντα τἄλλ᾽ ἀφείς, 
’Aupimolıv, Πύδναν, Ποτίδαιαν, “Alovvnoov. Böhnecke F. I, 440, 2 
fügt hinzu, dafs Theopomp schon im 4, Buche des Streits über Halon- 
nes gedacht hat (Ὁ. Harp. a. a. ΟἿ); auch das Citat aus Anaximenes 
führt eben dahin, denn eine andere Stelle aus dessen 4. Buche philip- 
pischer Geschichten handelt von dem Siege der Phokier bei Koroneia Ol. 
106, 4. Diesen Zeugnissen gegenüber mülsen wir das Bedenken unter- 
drücken, dafs die Athener ihr Anrecht an die Insel nicht schon bei den 
Friedensverhandlungen Ol. 108, 2 geltend machen, und dafs Philipp 


Illyrien. Makedonische Caperei. 27 


welche die Athener später als ihr Eigenthum zurückforderten ; selbst 
auf Lemnos und Imbros, die eben erst im Bundesgenossenkriege 
Verheerungen erlitten hatten, wurden Landungen ausgeführt und 
dortige Einwohner, Bürger von Athen, in die Gefangenschaft ge- 
schleppt. Endlich wurde sogar auf der Rhede von Geraestos an 
der Südspitze von Euhoea eine Anzahl reichbeladener Kauffahrtei- 
schiffe aufgebracht und nur gegen schweres Lösegeld freigegeben, 
ja die heilige Triere Paralos ward von dem marathonischen Gestade 
weggeführt während eben dort zur Einsegnung der delischen Theo- 
rie geopfert wurde'. Auf diese Weise machten schon im Laufe der 


sich Ol. 109, 2 nicht, wie in Betreff der Stadt Amphipolis, auf die Frie- 
densurkunde beruft: 5. Heges. a. a. 0. vgl. mit 26 S. 83, 10. Winiewski 
comm. in D. or. de Cor. 8. 130. 367 wollte die Besetzung etwa Ol. 109, I 
annehmen. — Im allgemeinen s. über die Seerüstungen Philipps und die 
Verwegenheit seiner Kreuzer Dem. Phil. 1, 34 S. 49, 22 ἀπὸ τῶν ὑμε-. 
τέρων ὑμῖν πολεμεῖ συμμάχων, ἄγων καὶ φέρων τοὺς πλέοντας τὴν 
ϑιάλατταν. --- τὸν παρελϑόντα χρόνον εἰς Anuvov καὶ Ἴμβρον ἐμβαλὼν 
αἰχμαλώτους πολίτας ὑμετέρους wyer ἔχων, πρὸς τῷ ΓΕεραιστῷ τὰ 
πλοῖα συλλαβὼν ἀμύϑητα χρήματ᾽ ἐξέλεξε, τὰ τελευταῖα εἰς Παραϑῶνα 
ἀπέβη καὶ τὴν ἱερὰν ἀπὸ τῆς χώρας ὠχετ᾽ ἔχων τριήρη. Aesch.a.a.O, 
Φίλιππος δὲ δρμηϑεὶς ἐκ Μακεδονίας οὐκέϑ'᾽ ὑπὲρ ᾿“μφιπόλεως πρὸς 
ἡμᾶς ἠγωνίζετο, ἀλλ᾽ ἤδη περὶ Anuvov καὶ Ἴμβρου καὶ Σχύρου τῶν 
ὑμετέρων Ἀτημάτων (vor Philipps erstem Zuge gegen den thrakischen 
Chersones). Apollod. g. Neaer. 3f. S. 1346, 11 (vor dem euboeischen 
und olynthischen Kriege); vgl. Strab. 9 S. 437. Just. 8, 3. Damals 
mag Lykophron als Reiteroberst auf Lemnos gelegen haben. Hyp. f. Lyk, 
ce. 14f. Uber die Verheerung durch die Bundesgenossen 5. Diod. 16, 21 
(Ok 106, 1); von Beziehungen Philipps zu ihnen ist nichts überliefert. 

1) Dem. Phil. 1 a. a. OÖ. (mit Sauppes Anm.) u. daher Prooem. 
Dem, 21 S. 1432, 7. Philoch. VI fr. 130 u. Androt. VI bei Harpokr. 
u. Ἱερὰ τριήρης u. in dem Anh. zu Phot. Lex. 5. 676, 7 (nach CMüil- 
lers von Meier u. Böckh gebilligter Emendation). Über den Zusammen- 
hang mit der delischen Theorie s. Philoch. fr. 158 1, ἃ, Schol. zu Soph. 
Oed. C. 1047, vgl. Plat. Phaed. S. 58b. Die Theorie wurde von dem 
marathonischen Apollonpriester jährlich im Monat Munychion (um Anf. 
Mai) eingesegnet: s. KFHermann A, 2, 60, 16. Die Wegführung der 
Paralos war nicht lange her (τὰ τελευταῖα), als Demosthenes dien. phi- 
lippische Rede hielt (Ol. 107, 1. 351); folglich ist sie nicht später als 
Ol. 106, 4. 352 geschehen; vielleicht schon Ol. 106, 3, da Androtion 
Philomelos Tod (106, 3) im 6, Buche, im siebenten aber Onomarchos 
letzten Zug nach Boeotien erwähnt zu haben scheint (fr. 23. 24): s. o. 
Buch H, 7. Die Triere Paralos oder Paralia (5. Böckh Seewesen 


25 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


106. Olympiade, nachdem Philipp eben erst angefangen hatte der 
See sich zuzuwenden, die makedonischen Kreuzer sich gefürchtet. 
Zwar konnten sie es mit athenischen Kriegsschiffen nicht aufneh- 
men; Ol. 106, 3. 353 mufste Philipp froh sein durch eine List 
seine Flotte vor dem Geschwader des Chares zu retten!; und Ol. 
107, 1. 351 hält Demosthenes zehn attische Trieren für ausrei- 
chend die ganze makedonische Seemacht vom Meere wegzufegen?: 
aber immerhin war ein Grund gelegt, der eine bedeutende Entwik- 
kelung zuliefs. , 

In dem zuerst genannten Jahre (Ol. 106, 3. 353) war es, wo 
selbst der thrakische Chersones von Philipp bedroht wurde. Wir 
haben oben gesehen wie er dem Thebaner Pammenes bei dessen 
Zuge zum Artabazos Vorschub leistete und bei dieser Gelegenheit 
auf der Hauptstrafse nach Osten bis an den Hebros vordrang. Zwar 
brachte dort Chares einer Abtheilung seiner Söldner eine Schlappe 
bei, aber die Flotte entgieng glücklich der athenischen und die 
Städte Abdera und Maroneia blieben in seiner Hand®’. Nach der 
Rückkehr von diesem thrakischen Zuge wandte sich Philipp gegen 
das in Pierien unweit Pydna gelegene Methone®, die einzige Stadt 


S. 78) diente auf dem euboeischen Zuge Ol. 105, 3, wo Meidias ihr 
Schatzmeister war (Dem. g. Meid. 174 5. 570, 22) und um das Ende 
derselben Olympiade finden wir sie in der Urkunde IV® 35 verzeichnet. 
Die neue Paralos, eine Tetrere, von Demomeles erbaut, begegnet uns 
zuerst in der Urkunde XIII? 62 (über Ol. 113, 3); 5. Böckh a. a. Ὁ. 
Doch mufs sie schon vor Ol. 109, 3 vollendet gewesen sein (s. Dem. 
Chers. 29 S. 97, 8), was um so wahrscheinlicher ist, da die Athener 
Ol. 112, 3 bereits 19 Tetreren hatten, zu Anfang von Ol. 106 noch keine 
einzige, Böckh a. a. O. S. 79, vgl. 5. 75. Die verschiedenen Meinun- 
gen über die Zeit jener Caperfahrten (die übrigens sich meist auf die 
106. Ol. vereinigen) stellt Böhnecke F. I, 252, 3 zusammen. 

1). 8. o. Buch U, 5. 

2), Phil. 1,22 8.48, θὲ 

SED. οὐ αν ες 

4) Strab. 7 fr. 22 (vgl. 20). 8 S. 374. 9 S. 436. Das pierische 
Methope ist nach älterer Redeweise eine thrakische Stadt, bei späteren 
wird es zu Makedonien gerechnet und die Bezeichnung schwankt. Mit 
Recht hat Böckh Sth. 2, 707 ausgesprochen, dals es keine andere Stadt 
des Namens in Thrakien gab, wie Böhnecke F. 1, 204ff. 244 nach der 
Fälschung des Pseudo-Plutarch (vgl.u. $S.29,3) und nach Steph. v. Byz. 
annahm. Bei Steph. u. Medwovn waren fünf Städte des Namens (oder 


Methone. 29 


in jenem Grenzstriche, welche er, ob sie gleich mit Athen im Bunde 
blieb und den Feinden des Königs zum Stützpuncte diente, bisher 
nicht ernstlich angefochten hatte. Die Athener verkannten die Wich- 
tigkeit dieses Platzes nicht ; Ol. 106,2. 35°/, lohnten sie auf Aristo- 
phons Antrag einem Apolloniaten ..chares Chares Sohn mit Ehren- 
rechten dafür, dafs er, wir wissen nicht was, nach Methone ge- 
schiekt habe'!: schon damals mochte eine Einschliefsung der Stadt 
zu besorgen sein. Im Sommer 353 (O1. 106, 3) schritt Philipp 
endlich zur Belagerung?, und so hartnäckig auch die Einwohner 
sich wehrten — es war hier wo der König durch einen Schufs das 
rechte Auge verlor? —, da die von Athen erwartete Hilfe nicht zur 
Zeit eintraf*, mufsten die Bürger gegen freien Abzug mit inem 
Gewande ihre Stadt übergeben. Methone wurde ausgeplündert und 
von Grund aus zerstört, das Gebiet unter makedonische Ansiedler 
vertheilt?. 


anklingender Form) aufgezählt: Medorn πόλις [Θρῴάκης] Μαγνησίας 
nv Ὅμηρος διὰ τοῦ n—. ἔστι καὶ Μακεδονίας. -- καὶ τῆς Πακωνικῆς.-. 
δ΄ ἐν Περσίδι. ε΄ Εὐβοίας. Das von mir eingeklammerte Θρῴκης ist 
als Glosse aus einem älteren Schriftsteller, vielleicht aus Hellanikos 
(vgl. Meineke z. St. v.B. S. 554), beigeschrieben und an falscher Stelle 
in den Text gerathen. Ein ähnliches Glossem u. Νίκαια ist von Mei- 
neke 8. 474 bezeichnet. 

1) S. o. Buch I, 3. 

2) Diod. 16, 31. 34. 5. o. Buch II Cap. 5. Winiewski Comment. 
in Dem. or. pro Cor. S. 47f. 

3) Strab. 7 u.8 a. a. O. Diod. 16, 34. Harp. u. Medwrn. Just. 
7, 6. Vgl. Dem. vKr. 67 S. 247, 10 und über die Heilung der Wunde 
Plin. N. H. 7, 37. Die Mähre von dem Schützen Aster lesen wir bei 
Suid. u. Κάρανος, Schol. zu Dem. Ol. 3, 5 8. 30, 2 u. öfter (s. We 
stermann zu Kallisth. bei Müller fr. ser. rer. Alex. S. 30); nach Olynth 
verlegt die Scene Lukian. üb. die Geschichtschreib. 33 (vgl. dazu Her- 
mann). Über die auf Kallisthenes Namen gefälschte Anckdote der 
pseudo-plutarchischen kleinen Parallelen 8 S. 3074 (u. Stob. Anthol. 7, 
65, vgl. Müller a. a. O. 291.) brauche ich nach dem, was RHercher in 
der Vorrede zu Plutarch. lib. de Fluviis, Lips. 1851, über die Methode 
jenes Fälschers dargethan hat, kein Wort zu verlieren. Vgl. auch 
OHaupt, demosth. Studien I, 9f. Anm. 

4) Dem. Phil. 1, 35 S. 50, 11. 

5) Diod. u. Just. a. a. O. Dem. Phil. 3, 26 S. 117, 20. Vgl. Weiske 
de hyperb. II, 451, Polyaen. 4, 2, 15 erzählt von einer Ersteigung der 
Mauern vermittelst angelegter Leitern, ohne zu sagen, ob die dabei von 
Philipp angewandte Mafsregel zu Einnahme der Stadt führte. 


30 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Seit der Einnahme von Methone hatte Philipp freie Hand sich 
in die hellenischen Angelegenheiten zu mischen, und er säumte 
nicht dies zu thun!. Wir haben bereits oben von Philipps Bethei- 
ligung an dem phokischen Kriege und seinem thrakischen Zuge 
ausführlich gehandelt? und wiederholen nur in der Kürze, dafs er 
alsbald von den Aleuaden gerufen gen Thessalien zog um wider die 
Tyrannen von Pherae und deren verbündeten Onomarchos von Pho- 
kis einzuschreiten: dafs er in zwei Schlachten geschlagen und zum 
Rückzuge genöthigt (Ol. 106, 4. Herbst 353), im nächsten Jahre 
(Frühling 352) mit einem neuen Heere in Thessalien vordrang und 
dort an der Küste Magnesiens Onomarchos und sein Heer aufrieb. 
Mit diesem Siege stellte Philipp zuerst den Hellenen seine Macht 
glänzend vor Augen und erwarb sich denDank der Thebaner sowohl 
als namentlich des thessalischen Ädels; zugleich behielt er als Un- 
terpfand der Freundschaft der Thessaler den Hafen Pagasae und 
die Landschaft Magnesien in Händen. Freilich hatten die Athener, 
endlich einmal zu rascher That sich erhebend, den Durchmarsch 
durch die Thermopylen ihm verlegt. Dafür brach der König im 
Spätherbste nach Thrakien auf, während die Athener wegen der 
herrschenden Winde nicht wohl nach Norden schiffen konnten?, 
setzte Könige ein und ab, nöthigte Kersobleptes seinen eigenen 
Sohn als Geisel zu stellen und schlofs ein Bündniss mit den By- 
zantinern und Perinthiern‘. Damals mag Philipp es in seinem In- 


1) Dem. Phil. 3, 25 Κ΄. 117, 15 — ὧν Φίλιππος ἐν τρισὶ καὶ δέκα 
οὐχ ὅλοις ἔτεσιν, οἷς ἐπιπολάζει, ἠδίκηκε τοὺς Ἕλληνας. Die Rede ist 
Ol. 109, 3 zu Ende, Sommer 341, gehalten: wenn Demosthenes das erste 
und das letzte Jahr mitzählte, kommen wir auf Ol. 106, 3 zurück, und 
die Zerstörung von Methone ist die früheste Thatsache welche er in 
den nächsten Worten berührt. Eben damit hat Trogus (Prol. 7. 8) das 
7. Buch geschlossen, und gieng im 8. Buche wieder davon aus. 

2) Buch. IH Cap. 5. 7. 

3) HSauppe zu Dem. Phil. 1, 31 S. 48, 26. 

4) Das nähere s. o. Buch. II Cap. 5. In chronologischer Folge fafst 
alle bisher aufgeführten Unternehmungen Philipps Demosthenes zusam- 
men Ol. 1, 12f. 5. 12f. ἄρά γε λογίξεταί τις ὑμῶν, ὦ ἄ. A., καὶ ϑεωρεῖ 
τὸν τρόπον δι᾽ ὃν μέγας γέγονεν ἀσϑενὴς ὧν τὸ κατ᾽ ἀρχὰς Φίλιππος: 
τὸ πρῶτον ᾿ἀμφίπολιν λαβών, μετὰ ταῦτα Πύδναν, πάλιν Ποτίδαιαν, 
Μεϑώνην αὖϑις, εἶτα Θετταλίας ἐπέβη: μετὰ ταῦτα Φεράς, Παγασάς, 
Μαγνησίαν, πάνϑ᾽ ὃν ἐβούλετο εὐτρεπίσας τρόπον ᾧχετ᾽ εἰς Θράκην" 
εἶτ᾽ — ἠσϑένησε' πάλιν βδαΐσας --- εὐθὺς Ὀλυνϑίοις ἐπεχείρησεν. τὰς 


c 


Philipp in Thessalien und Thrakien. 31 


teresse gefunden haben, auch mit dem Perserkönig sich in Ver- 
hältniss zu setzen. Denn dafs seine Gesandtschaft an den persi- 
schen Hof nicht ein blofses Gerücht war, wofür es Demosthenes 
zu halten scheint!, lehrt ein Schreiben des Königs Darius an Ale- 
xander: Philipp gieng mit Artaxerxes Ochos Freundschaft und Bun- 
desgenossenschaft ein?. Dafür war keine Gelegenheit günstiger 
als dieser Feldzug gegen den thrakischen König, denn Kersobleptes 
so gut wie Kotys hatten wiederholt in Vorderasien aufständische 
Satrapen unterstützt und feste Plätze in Besitz genommen. 

So hatte Philipp von den westlichen Abhängen der illyrischen 
Grenzgebirge bis an den Bosporus, von dem nördlichen Skardos 
bis zu dem Passe der Thermopylen und der euböischen See seine 
Macht erstreckt: er hatte die in sich zwiespältigen und von den 
Nachbarn bedrängten Makedonen unter seiner Herrschaft vereinigt 
und ihren Namen zu Ehren gebracht. So glänzende Erfolge, binnen 
wenig Jahren errungen, schienen des Wunsches Fülle in sich zu 
schliefsen und konnten nicht anders als die Bewunderung der mit- 
lebenden erwecken. Sie mufsten bekennen, dafs kein Fürst Eu- 
ropas weder damals noch zuvor solche Thaten gethan und zu einer 
so bedeutenden Macht sich emporgeschwungen habe’. Je weniger 
bis dahin das makedonische Reich gegolten hatte, um so höher 
stieg der Ruhm des jungen Königs, der mit geringen Mitteln und 
von schwierigen Anfängen aus so grofses vollbracht hatte: Demo- 
sthenes selbst schildert seinen Mitbürgern, damit sie sich daran 
spiegeln, mit staunender Anerkennung die ungemeinen Eigenschal- 
ten welche er dabei entwickelte *®. 


δ᾽ ἐπ᾽ Ἰλλυριοὺς καὶ Παίονας αὐτοῦ καὶ πρὸς ᾿ρύββαν καὶ ὅποι τις 
ἂν εἴποι παραλείπω στρατείας. Vgl. 9 5.11, 17. Isokr. Phil. 20f. S. 80. 

1) Dem. Phil. 1, 48 S. 54, 5 ὡς πρέσβεις πέπομφεν ὡς βασιλέα. 

2) Arrian. 2, 14, 2. 

3) Isokr. a. a. O. 19 εὐχῆς ἄξια διαπέπρακχται. 137 8.110. Theo- 
pomps Charakteristik (im I. und XLIX. Buche der Philippika fr. 27. 
249) kennen wir in ihren Hauptstücken aus Polyb. 8, 11 (vgl. 12f.) und 
Athen. 4 S. 167: auf ihr beruhen auch Diod. 16, 1. 95 (vgl. 19, 51). 
Polyaen. 4, 2, 9 und (abgesehen von den Seitenblieken auf Alexander) 
Just. 9, 8. Auf diese Stellen verweise ich hier ein für alle mal. Vgl. 
auch Theophrast (wenn der Name richtig ist) Plut. apophth. Phil. 1 
Ss. 177 ®. 

4) Dem. Phil. 1, 42 8. 52, 9. 49 8.54, 9. Ol. 1, 9 8. 11, 25. 


32 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


. 


-- Denn die Gröfse Makedoniens war allerdings Philipps eigen- 
sfes Werk. Ausgestattet mit den reichsten Gaben des Körpers 
und des Geistes, von schöner, kräftiger Gestalt, ausdauernd in 
allen Anstrengungen, früh gereift in den Wirren, deren Zeuge er als 
Knabe war, und in dem Verkehre mit den grofsen Staatsmännern 
und Feldherrn Thebens wie mit andern Hellenen, begabt mit einer 
leichten, schnellen Auffassung und der Rede mächtig, dabei von 
einer Liebenswürdigkeit im persönlichen Umgange, deren Zauber 
wenige die mit ihm in Berührung kamen widerstanden haben': 
so tritt er uns als fertiger Krieger wie als Meister in allen Künsten 
der Unterhandlungen vom ersten Beginne seiner Regierung an 
entgegen. - 

In vielen Fällen ist Philipp durch glückliche Umstände und die 
Fehler seiner Feinde unterstützt worden, und doch sind seine Er- 
folge meistens mit saurer Mühe errungen. Rastlos und unermüd- 
lich warf er sich in den Krieg; jeder gewonnene Sieg bahnte nur 
den Weg zu neuen Unternehmungen. Seine Lust war es der Ge- 
fahr ins Angesicht zu schauen, Wunden auf Wunden hat er in den 
Schlachten davon getragen, und man konnte ihn tadeln, dafs er 
sein Leben über Gebühr aussetzte?. Aber durch sein Beispiel rils 
er die Makedonen mit sich fort und bildete sich ein Heer, das an 
Kriegsübung und Tüchtigkeit seines gleichen nicht hatte und sei- 
nem königlichen Feldherrn überallhin willig folgte. Mit diesem 
trotzte er jeglicher Beschwerde. Kaum vom Krankenlager aufge- 
standen war er wieder in voller Thätigkeit. Anstrengende Märsche 
und langwierige Belagerungen wurden mit derselben Ausdauer 
durchgeführt, im Winter so gut wie in besserer Jahreszeit, ganz 
gegen die Weise der bequemeren Kriegführung die bei den Helle- 
nen hergebracht war®. 


12—14A S. 121. 2,3 8. 18, 16—24. 15 8. 22,17: v0. 67 2. 362, 11. 
Phil. 3, 21 8. 116, 7. vKr. 67f. S. 247, 9 (und dazu Gell. 2, 27, 1.5). 
144 S. 275, 28. 235 S. 305, 25. Vgl. Niebuhr AG. II, 318. 

1) S. die Schilderung der athenischen Gesandten Aesch. 2, 41—43 
S. 88. 47f. 61}. S. 34. 125 5. 44. Vgl. 3, 148 S. 74. Gell. 9, 3. Plut. 
Alex. A..Cie.Nds/off.1, 26,'1: 

2) Isokr. Br. 2,3f. 9f. S.407f. Dem. vKr.a. a. Ὁ. Appian prooem. 10. 

3)’ Dem. Phil. 1, 31 8. 48, 24. Ol. ia. 2. Ὁ α΄ ἘΠ 5 2A 723. 
Phil. 3, 47ff. 8. 123f. vKr. 235 S. 305, 28. Vgl. Polyaen. 4, 2, 10. 


Philipps Charakter. 33 


Es würde uns zu weit führen, wollten wir des näheren darle- 
gen, in welchen Stücken Philipp bei der Organisation seines Heeres 
altes umgebildet und neues geschaffen habe: für uns genügt es zu 
bemerken, dafs er im Laufe seiner Feldzüge der Phalanx des schwe- 
ren makedonischen Fufsvolks wie der Reiterei ihre taktische Aus- 
bildung gab ', während er zugleich der leichten Truppen, die meist 
aus fremden Hilfsvölkern und Söldlingen? bestanden, sich häufig und 
geschickt bediente: dafs er ferner die Belagerungskunst zu einem 
bis dahin nicht gekannten Grade vervollkommnete®. In der Be- 
wallnung, Einübung und Aufstellung der Truppen mochte das the- 
banische Heerwesen und die Kriegskunst des Epaminondas, Pelopi- 
das, Pammenes dem Könige als Muster und Vorbild gelten; helle- 
nische Hauptleute und Söldner waren ihm auch später mit ihren 
Diensten willkommen, und manche Züge hat er allein mit seinen 
Miethstruppen ausgeführt‘; aber den Kern des Heeres bildeten die 
Makedonen, und die ganze Gliederung desselben entsprach den 
Stämmen, welche die verschiedenen Gaue des Landes bewohnten. 
Nicht als wären die Unternehmungen Philipps von nationalem Geiste 
getragen worden: im Gegentheile, sobald sie der Dienstbarkeit ent- 
ledigt und vor Einfällen der Nachbarvölker gesichert waren, hätten 
(die Makedonen lieber in Ruhe daheim gesessen, unbekümmert um 
die Händel der Hellenen und die Auflösung des hinsiechenden Per- 
serreiches®. Aber Philipp gönnte ihnen keine Ruhe und wulste 
nicht sowohl mit Gewalt — vielmehr durften die Makedonen immer 
noch ihrer Freiheit auch vor dem Könige sich rühmen °—als durch 


1) S. FHaase, Phalanx, in Ersch Eneyklop. III, 21, namentlich 
S. 427ff. Sintenis Einleitung z. Arrian I, XIXff. Niebuhr RG. III, 545. 

2) Über die Söldner Philipps Haase a. a. Ὁ. S. 427% Anm. 

3) Vgl. Dem. Phil. 3, 49. 5. 123f. vKr. 87 S. 254, 26. Schlos 
ser univ. Üb. ἃ. α. d. AW. I, 3, 247. Insbesondere 8. unten Buch IV 
Cap. 7. 

4) Dem. Phil. a. a. O. 

5) Dem. Ol. 2, 15 ἢ. 5. 22, 15. Vgl. ihre Ansichten nach Philipps 
Tode Plut. Alex. 11 τὰ μὲν Ἑλληνικὰ πάντως ἀφεῖναι καὶ μὴ προσβιά- 
ξεσϑαι τὸν ᾿ἡλέξανδρον οἰομένων δεῖν κτλ. 

6) Vgl. Polyb. 5, 27 εἶχον γὰρ ἀεὶ τὴν τοιαύτην ἰσηγορίαν ακε- 
δόνες πρὸς τοὺς βασιλεῖς. Arvian. 4,11, ὃ, von Schlosser a. ἃ. Ὁ, 5. 202 
angeführt. Vgl. Isokr. Phil. 154 5. 113 βασιλικῶς, μὴ τυραννικῶς. 
vgl. 80 S. 98. 

DEMOSTHENES II. 3 


34 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Klugheit und Consequenz sich zum Herrn des Volks zu machen wie 
keiner seiner Vorfahren und dessen angeborene Kraft in immer wei- 
tere Bahnen zu lenken. Die alte Sitte, dafs die Söhne der make- 
donischen edlen als des Königs Pagen und Knappen am Hofe auf- 
wuchsen, gewann jetzt ihre volle Bedeutung. Wenn einzelne Ge- 
schlechter verhaltenen Groll und Hafs nährten', konnten sie als 
Geisel für die Treue ihrer angehörigen gelten; auch fremde Für 
stensöhne wurden bald ihnen beigesellt: zugleich aber genossen sie 
einer Erziehung die sie befähigte künftig dem Könige als Hauptleute 
und Statthalter zu dienen?. Aus ihnen ergänzte sich die königliche 
Leibgarde, welche von der kriegerischen Mannschaft des Herren- 
standes gebildet wurde. Den ersten Rang in derselben nahmen die 
ritterlichen Geschwader der ebenbürtigen “Freunde und Gefährten 
(ἑταῖροι) des Königs’ ein, vor Philipps letztem Zuge nach Hellas 
800 an der Zahl?, bei Alexanders Übergang nach Asien doppelt so 
stark. Ihnen zunächst standen die *Schildknappen (ὑπασπισταί)". 
eine auserlesene und ebenfalls schon durch ihre Geburt bevorzugte 
Fufstruppe. Die Masse des schweren Fufsvolks endlich bestand aus 
dem Aufgebote der einzelnen Stämme, und auch diese freigebore- 
nen Söhne des Landes wurden mit dem Namen ἡ Gefährten des Kö- 
nigs im Dienst zu Fuls. (πεζέταιροι) geehrt*. So sammelte Phi- 
lipp die Blüte der makedonischen Jugend um sich und wusste sie 
durch Beispiel und Kameradschaft wie durch freigebige Belohnung 
an seine Person zu ketten. Und wie er die Gliederung und Orga- 
nisation eines stehenden Heeres mit sicherer Hand durchflihrte, so 
bewies er auch einen seltenen Scharfblick in der Wahl seiner Haupt- 
leute und bildete sich einen Stab grofser Feldherrn®. Vor allen 
bewährten sich ihm der erfahrene, besonnene Parmenion und der 


1) Dem. Phil. I, 8 S. 42, 17. Vgl. Droysen, Alexander S. 43f. 

2) Arrian. 4, 13, 1. Ael.v.G. 14,49. Val.M. 3,3 E.1. Curt. 8, 6, 2. 

3) Theop. a. a. O. b. Athen. 6 S. 2613. | 

4) Über die πεξζέταιροι 5. Dem. Ol. 2, 17 8. 23, 2. Theopomp. in 
den Scholien z. a. St. (das Fragment fehlt bei Müller). Anaxim. fr. 7 


bei Harpokr. u. d. N. schreibt die erste Organisation Philipps älterem 
Bruder Alexander zu. 


5) Isokr. Phil. 19 5. 86. 80 5. 98. Br. 2, 13 S. 409. Plut. üb. Alex. 
Gl. 2572323398, Just. 18, 122R: 


Philipps Charakter. 35 


wachsame, nüchtern -strenge Antipater' wie im Felde, so bei di- 
plomatischen Verhandlungen?. Ihr offenes Urtheil und ihr stolzes 
Selbstgefühl achtete Philipp, denn er war ihrer Treue gewiss, da- 
gegen duldete er es nicht, wenn ein Feldherr eigenen Ruhm suchte 
und nicht zufrieden war mit der Ehre, die der Dienst unter dem 
Könige verlieh; wer sich vordrängen wollte, den liefs Philipp zu- 
rücktreten um allein Meister des Heeres zu bleiben’. 

Während Philipp so die ungebrochene Kraft des makedoni- 
schen Volkes in seinen Dienst zog und dessen Traditionen und 
Stammesverhältnissen Rechnung trug, lag ihm doch nichts ferner als 
seine Pläne nach den nationalen Interessen zu beschränken. Ma- 
kedonien galt ihm nur als erste Grundlage eines gröfseren Reiches, 
seine Gedanken schweiften weit über dessen Grenzen hinaus. Zu- 
nächst trachtete er danach Schiedsrichter und Feldherr der Helle- 
nen zu werden und die nördlichen Völker zwischen dem Pontus und 
dem adriatischen Meere sich zu unterwerfen. Stand ihm die gesamte 
See- und Landmacht Griechenlands im Verein mit Makedonien und 
dessen Grenzländern zu Gebote, so mulste es als ein leichtes er- 
scheinen, Kleinasien und die Küstenländer des Mittelmeeres dem 
Perserkönig zu entreilsen, dessen Herrschaft in diesen Gegenden 
längst jeder festen Unterlage entbehrte. Weiter nach Osten vor- 
zudringen mag vorläufig aufser seinen Entwürfen gelegen haben: 
ich denke mir, Parmenion hat in Philipps Sinne dem kühnen Drange 
Alexanders in ungemessene Fernen seine Bedenken entgegen ge- 
setzt‘. Indessen finden wir schon in Philipp einen ungestümen 
Trieb stets neues unter Händen zu haben. Denn wie vorzüglich 
er auch für die Verwaltung begabt war — Zeugniss davon geben 
aufser der Organisation des Heerwesens die durch ihn geweckten 
Anfänge einer maritimen Bedeutung seines Landes’, der Aul- 


1) Karystios fr. 3. 7 bei Athen. 10 8. 435%. 12 S. 548°. Plut. 
Apophth. Ph. 2 S. 177°. 27 5. 179%. Vgl. Droysen Alexander S. 44. 

2) Vgl. Dem. vdG. 69 S. 362, 28f. 

3) Dem. Ol. 2, 18 S. 23, 6. 1,4 5. 10, 8. 

4) Arrian. 2, 25, 2. Plut. Alex. 29. u. a. m. S. Wyttenbach zu 
den Apophth. Al. 11 5. 180%. Vgl. namentlich Isokr. Phil. 120ff. 
S. 106f. ἣν — μάλιστα μὲν πειραϑῆς ὅλην τὴν βασιλείαν ἑλεῖν, εἰ δὲ 
un, χώραν ὅτι πλείστην ἀφορίσασϑαι καὶ διαλαβεῖν τὴν ᾿ἀσίαν, ὡς λέ- 
γουσί τινες, ἀπὸ Κιλικίας μέχρι Σινώπης. 

5) S. ο. S. 26fl. Von seinen späteren Anstalten 5. Hegesipp. üb. 


ı)“ 


36 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


schwung den er in den Bergbau wie am Pangaeos, so im innern 
Makedonien zu bringen wufste '—, so war doch die Wohlfahrt seiner 
Unterthanen nicht sein letzter Zweck, sondern nur ein Mittel für 
seine weiter gehenden Absichten. Jene verschmerzten es ungern, 
wenn die Athener oder die Einwohner hellenischer Küstenstädte, die 
ihnen ihr Holz und Getreide abkauften, durch den Krieg und die 
Blokade von ihren Märkten ausgeschlossen wurden: sie hätten 
lieber den friedlichen Verkehr unterhalten?. Philipp liefs sich da- 
durch nicht irren. Er war zu sehr Krieger um in Ruhe der all- 
mählich reifenden Früchte zu genielsen. Es widerstand ihm spar- 
sam zu wirthschaften, Einnahmen und Ausgaben gegen einander 
zu rechnen. Je mehr er aus den königlichen Gütern, aus Zöllen, 
Bergwerken, aus dem Tribut unterworfener Völker oder aus der 
Kriegsbeute gewann (denn die Makedonen drückte er mit direeten 
Steuern nicht), um so mehr verbrauchte und verschenkte er ?: wie 
hoch auch seine Einkünfte gestiegen waren *, bei seinem Tode, am 
Vorabend eines grofsen Krieges, war der Schatz so gut wie leer 
und mit Schulden belastet’. Philipp spielt ein kühnes Spiel an 
das er sein. Leben wagt, froh des glücklichen Wurfes mehr als des 
Gewinnes den er einbringt, aufser in so fern er mit diesem einen 
sröfseren Einsatz thun kann. 

Es war der Rausch des Lebens, den er in vollen Zügen 
schlürfte. Wie in dem heifsen Getümmel des Gefechts, so war 
ihm am wohlsten beim lustigen Gelage, wo aus ungemischten Be- 
chern gezecht wurde: wem dort ein kräftiger Witz zu Gebote stand, 
wer die tollsten Possen rils, die ausgelassensten Sprünge machte, 
wüste Trinklieder absang, der war ihm eben recht: solche Leute 
zogen aus allen Enden Griechenlands an seinen Hof und ernteten 


Halonn. 14—16 S. 80. Vgl. auch das Zeugnifs, welches Demosthenes 
seiner Verwaltung gibt vdG. 89 5. 369, 17. 

1) Alexanders Rede bei Arrian. 7, 9, 2f. Vgl. Asklepiodotos bei 
Senec. nat. qu. 5, 15. 

2) Dem. Ol. 2, 16 5. 22, 21. Über den Geschäftsverkehr mit den 
Chalkidiern s. Sauppe inser. Maced. 8. 16. App. Bürgerkr. 4, 102. 

3) Theop. a. a. O. bei Athen. 4 S. 167%. Vgl. Justin. 9, 8. 

4) Dem. vdG. 89 S. 369, 19. vKr. 235 S. 305, 29. 

5) Arrian. 7, 9, 6. vel. Curt. 10, 2, 24. Andere Angaben bei Plut. 
Alex. 15. v. Al. Glück 1, 3 S. 3274, 


Philipps Charakter. 37 


reichen Lohn. Von Bewahrung königlicher Würde und Anständig- 
keit war dabei keine Rede: Philipp scheute sich nicht vor seiner 
Umgebung in trunkenem Zustande zu erscheinen. Aber es waren 
dies Ausbrüche übersprudelnder Kraft; er hatte den gern, der mit 
ihm vom Gelage in die Schlacht gieng und was der kühn erstrittene 
Sieg an Beute gebracht verjubelte !: dagegen war dem Könige nichts 
mehr zuwider als schlaffe Weichlichkeit; unerbittlich strafte er diese 
an seinen untergebenen ἢ. Wie er selber einen Augenblick in Sin- 
nenlust schwelgte und im nächsten sich jeder Mühsal und Entbeh- 
rung unterzog, so forderte er es auch von denen die ihm dienten. 
Das war makedonische Art.7 Aber nicht blofs in der Nüchtigen Lust 
bei Wein, Spiel und Buhlen huldigte Philipp der Weise seiner Vor- 
fahren. Ungewarnt durch die Schicksale seines Hauses und die 
Königsmorde, welche mehr als einmal Folge der Vielweiberei ge- 
wesen waren — hat er doch auch selber seine drei Stiefbrüder um- 
bringen lassen um seinen Thron zu sichern — nahm er aufser der 
Olympias sechs Frauen, theils zur Ehe theils zu Kebsweibern. Öf- 
ters bestimmten ihn dabei Rücksichten der Staatsklugheit, aber 
auch ihm ist solche Unsitte verhängnissvoll geworden: die Zerrüt- 
tung seines Hauses hat ihm einen frühen Tod von Mörderhand zu- 
gezogen und sein ganzes Werk erschüttert ®. 

Nach dieser Seite hin schlägt Philipp in die Schwelgerei und 
Üppigkeit der Barbaren über, mit denen die Lebensart seines Vol- 
kes sich berührte, und dennoch verstand er die Geistesbildung der 
ITellenen vollkommen zu würdigen. An der Freude über olympi- 
sche Siegespreise, auf die er selbst Münzen schlagen liefs *, mag 
politische Berechnung einen wesentlichen Antheil gehabt haben, die 
Todtenfeier zu Ehren Platons °, die Gastreisen athenischer Schau- 


1) Theop. a. a. O. Ders. XIX fr. 136. XXVI fr. 178 bei Athen. 6 
S. 259f — 261. fr. 298 u. (LIII) 262 bei Athen. 10 5.485", Dem. Ol. 
2, 18f. S. 23, 6. Just. 9, 8. 

2) 5. die Anekdoten bei Polyaen. 4, 2, 1. 3. Front, 4, 1, 6, ΔΕ]. 
14, 49. 

3) Aufser Theop. a. a. O. (Polyb. 8, 11) 5. Satyr. fr. 5 bei Athen. 
18 8. 557°, Plut. Alex. 9. 

4) Plut. Alex. 4. 

Ὁ) Diog. v. L. 3, 40 καὶ ἐτελεύτα μὲν (ὃ Πλάτων) --- Φιλίππου 
βασιλεύοντος ἔτος ιγ΄ --- ὑφ᾽ οὗ καὶ ἐπιτιμηϑῆναί φησιν αὐτὸν Θεό- 


38 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


spieler und anderer Künstler mögen nur veranstaltet sein um den 
makedonischen Hof als einen Sitz der Musen in glänzendes Licht zu 
stellen: aber Philipp erhob Pella zu einer königlichen Stadt', und 
was mehr als das sagen will, er erkor sich einen Aristoteles zum 
Erzieher seines Sohnes und Thronerben und bildete an dessen Seite 
die adlige Jugend zu einer Pflanzschule hellenischer Bildung für 
die Welt®. Das ist ein redender Beweis, wie lebhaft Philipp den 
Werth einer höheren Cultur, bei der er wenigstens nicht von früh- 
ster Jugend an hergekommen war°, anerkannte. Schätzte er doch 
auch an sich selber die Erfolge, die er seinem überlegenen Geiste 
allein verdankte, höher als die Thaten der Kraft und gewonnene 
Schlachten ®. 

Und fürwahr, Philipp war als Diplomat noch gröfser denn als 
Feldherr. Der Krieg blieb stets seinen politischen Zwecken unter- 
geordnet: er schritt nur dann zur Gewalt, wenn Unterhandlungen 


und die Mittel der Klugheit nicht zureichten. Und wie kam es ihm 


gegenüber den unter einander hadernden und von kurzsichtigen 
oder gewissenlosen Führern geleiteten Hellenen zu statten, dafs 
er wie seines Heeres und seiner Hilfsquellen so seiner Pläne allein 
Meister war: während jene auf offenem Markte rathschlagten, ver- 
schlofs er seine Pläne und Absichten in seiner Brust bis die voll- 
endete Thatsache sie ollfenbarte®. Und an Schlauheit hatte er seines 
gleichen nicht. Niemand hat es wie er verstanden seine Gegner 
an der schwachen Seite zu fassen und durch Versprechungen oder 
gute Dienste sie zu gewinnen, feindliche Coalitionen im voraus zu 


πομπος (fr. 281). Von Veranstaltung einer Todtenfeier wird ἐπιτιμᾶν 
τινὰ auch sonst gebraucht; an Vorwürfe Philipps gegen Platon (obiur- 
gatum fuisse) ist hier nicht zu denken. 

1) Strab. 7 fr. 20. 23, mit Beziehung auf Dem. vKr. 68 5. 247, 17. 

2) Polyb. 8, 12. 

3) Plut. üb. Alex. Gl. 2, 1 8. 334° nennt ihn ὀψιμαϑής. Über 
Philipps Liebe zu den Wissenschaften vgl. Just. 9, 8. Gell. 9, 3, nur 
dürfen Sammlungen angeblicher Briefe (libri epistolarum) dafür nicht 
als Zeugnisse gelten; 5. Westermann comm. de epist. gr. ser. VI, 17. 
Vgl. Jacobs, D. Staatsreden 3, 399n, 

4) Diod. 16, 95. Polyaen. 4, 2, 9. 

5) Dem. Phil. 1,.49 8.54, 12. Ol. 1,48. 10, 9. vdG. 184f. 5. 399, 9. 
227 8. 412, 2. Chers. 11 S. 92, 22. vKr. 235ff. S. 305, 25 — 306, 12. 
Vgl. Jacobs a. a. Ο. 5. 74. 


ee 


Philipps Charakter. 3) 


spalten oder vorhandene Zwistigkeiten in seinem Sinne auszubeu- 
ten, in dem Schofse kriegführender Staaten sich Fürsprecher und 
Anhänger zu werben. So bereitete er den Triumph seiner Wallen 
von ferne her vor. War er nicht im Stande seine Absicht sofort 
durchzusetzen, so wartete er gelegenere Zeit ab': ein Fehlschlag 
hat ihn nie vermocht seinen Plan aufzugeben, sondern nur ihn zu 
verlagen. 

Philipps Staatskunst war eingegeben von einer durchdringen- 
den Kenntnifs der hellenischen Staatsverhältnisse und Parteiungen 
— (lenn den Griechen gegenüber können wir sie am genauesten 
verfolgen —; aber Hochherzigkeit und Treue waren nicht in ihr. 
Philipp achtete die Menschen gering und behandelte sie nur als 
seine Werkzeuge. Versprechen banden ihn nicht weiter als sie 
ihm etwas eintrugen. Mit keinem Gegner hat er gekämpft, den er 
nicht zuvor mit schönen Reden, mit Verträgen oder auch mit Wohl- 
(haten gelockt und umgarnt hätte. Er spielte mit seinem königli- 
chen Worte und mit Eidschwüren: Gottesfurcht war seiner Seele 
fremd?, wenn er es gleich zu Zeiten nicht verschmähte durch er- 
heuchelte Religiosität einen frommen Schein um sich zu verbrei- 
(οη΄. So war es in den öffentlichen Beziehungen zu den Staaten 
wie in der Verbindung mit einzelnen Leitern und Wortführern. Phi- 
lipp wulste an jedem Orte den faulen Flecken auszuspüren; hier 
bestach er feile Menschen mit Jahrgeldern und königlichen Geschen- 
ken, dort gewann er durch zutrauliche Freundlichkeit, durch Ein- 
gehen auf fremde Lebensart ', dort durch Förderung von Parteiin- 
teressen oder directe Vortheile die er der Gemeinde gewährte. 
Er brauchte schlechte Menschen für seine Zwecke und fand sie 
schlechter als er gedacht: so gelang es ihm jeden einmüthigen Wi- 


1) Vgl. Dem. Ol. 1, 3 S. 10, 2. 

2) Dem. Ol, 2, 5—10 5. 19—21. Paus. 8, 7,5 — ὃς γε καὶ ὅρκους 
ϑεῶν κατεπάτησεν ἀεὶ καὶ σπονδὰς ἐπὶ παντὶ ἐψεύσατο, πίστιν re ἠτί. 
μασε μάλιστα ἀνθρώπων. Über seine leichtfertige Spötterei vgl. He- 
gesander fr. 5 bei Athen. 7 S. 259 z. E. 

3) So im phokischen Kriege; 5. Buch II, 7 und Buch IV, 1. Als 
Jüngling liefs er sich in die samothrakischen Mysterien einweihen 
(Plut. Alex. 2): eben dahin wallfahrtete er, als der Zug nach Asien im 
Werke war (Curt. 8, 1, 26). 

4) S. Vömels Prolegg. zur 2. Phil. 5, 14. 


40 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


derstand der Hellenen zu hintertreiben '. Gern sah er es, wenn 
seiner Gröfse mit Schmeicheleien gehuldigt wurde ?, er köderte und 
bezahlte die Verräther ; aber im Herzen verachtete er solche Mieth- 
linge, und hatten sie ihren Dienst gethan, so wurden sie gleich- 
giltig bei Seite geschoben: mehr als einer hat das schlimmste von 
Philipp erfahren müssen °. 

So bemafs Philipp alles nach seinem Vortheile und der Ent- 
wiekelung seiner Pläne. Von Natur war er zu Wohlwollen und 
Milde geneigt, frei von Härte und Rachsucht *. Insbesondere 
wünschte er als Freund der Hellenen, als Vermittler und Friede- 
bringer zu gelten’, und mehr als eine Stadt — ich erinnere hier 
nur an Megalopolis ° — hat noch nach langen Zeiten ihn als Wohl- 
thäter gerühmt. Aber Philipp hütete sich solchen verbündeten 
volle Selbständigkeit zu gewähren: er behielt einen Fuls im Lande, 
wie in Thessalien oder er traf Anstalt, dafs seine Schützlinge auch 
ferner seiner helfenden Hand nicht entrathen konnten: keine Volks- 
gemeinde, die einmal mit ihm sich eingelassen, blieb ungekränkt 
an Ehre und Ansehen noch in ungestörtem Besitze ihrer Verfas- 
sung ’. Philipps System war es einzelne Machthaber emporzubrin- 
gen °, die er mit Gunst und Geld und nöthigesfalls mit Söldnern 
unterstützte. Und wenn eine hellenische Volksgemeinde seine Ab- 
sichten kreuzte, so kannte Philipp kein Erbarmen: von den Städten 
liefs er keinen Stein auf dem andern und die Einwohner verkaufte 
er in die Sklaverei. So war es mit Potidaea ergangen, nicht viel 
besser mit Methone; ein gleiches Schicksal ‘sollte Olynthos und die 


1) Dem. phil. Reden a. v. St.; vdG. 68 5. 362, 19. 259ff. 5. 421. 
265 8. 425f. 300 8. 437, 18. vKr. 19f. S. 231, 10. 61f. S. 245, 14. 
295f. S. 324, 2 u. a. St. Vgl. Diod. 16, 53ff. Cie. ad Att. 1, 16,12. Ho- 
rat. carm. 3, 16,13. Plut. Aem. P. 12. Apophth. Ph. 14 5. 178% u. a. m, 

2) Athen. 6 S. 248f. (Satyr. fr. 3. Theop. fr. 235). 

3) Dem. Ol. 1,5 S. 10, 18 m. d. Schol. Chers. 40 5. 99, 22. vKr. 
46—49 5. 241f. Plut. Apophth. 15. 

4) Einen Fall der Art. 5. Dem. vdG. 192—195 5. 401f.; vgl. Schlos- 
ser AG. I, 3, 06 ἢ. 

5) Wie Isokrates ihm anempfahl, namentlich Phil. 122 S. 107. 30 
S. 88. 141 S. 111. 


θ᾽. 5: Buchs: 
7) Dem. vKr. 65 5. 240, 10---20, 
8) Vgl. Phil. 4, 4, S. 132, 15—28. 


; Die Hellenen und Philipp. 41 


chalkidischen Städte treffen, und das ganze Volk der Phokier hat 
Philipp mit kaltem Blute der Rache erbitterter Feinde preisge- 
geben '. 

Die Frage war, ob die Hellenen in diesem Fürsten ihren Füh- 
rer und Schutzherrn erkennen, oder mit allen Kräften sich seiner 
erwehren sollten. In früheren Zeiten, bei gesundem Zustande des 
Volkslebens hätte darüber in den leitenden Staaten wenigstens kein 
Zweifel aufkommen können: wer die Zumuthung erhoben hätte in 
die Botmäfsigkeit eines fremden Fürsten zu treten und der freien 
Selbstbestimmung’ zu entsagen, wäre unfehlbar gesteinigt worden. 
Aber wer konnte sich verbergen, dafs die Zeiten sich geändert hat- 
ten, dafs die Staaten im innern wie in ihren gegenseitigen Bezie- 
hungen an einer Zerrüttung und Zersetzung krankten, welche den 
Ausgang eines Kampfes wider die einheitliche Macht und die Conse- 
quenz Philipps höchst bedenklich erscheinen lassen mufste? Wie 
wenige empfanden es als ein allgemeines Unglück, wenn wieder 
eine hellenische Stadt in Trümmer gelegt und ihre Bürger heimatlos 
hinausgestofsen oder der Sklaverei verfallen waren, wenn wieder 
Philipp an einem Orte als Befreier und Wohlthäter begrüfst wurde, 
wo die Hellenen alle dem vorhandenen Übel hätten steuern sollen. 
Und wer auch das Unglück fühlte und beklagte, war darum noch 
nicht entschlossen mit allen Kräften seinem Fortgange zu wehren: 
entweder hoffte man, so lange es nicht an den Hals gieng, selber 
noch oben zu bleiben, oder — und nicht immer die schlechtesten 
waren der Meinung — man verzweifelte am Vaterlande und hielt 
es für das beste sich dem unvermeidlichen Schicksale zu ergeben ®. 
So standen die Athener in dem Kriege, in welchem sie begrillen 
waren, allein ohne mächtige Bundesgenossen, und sie selbst waren 
zu sehr in Sinnengenufs versunken um die Bedeutung ihres Geg- 
ners und die Gefahr welche von ihm drohte richtig zu würdigen. 
Sollte da ein Staatsmann, der die Lage der Dinge mit prüfendem 


1) Im allgemeinen s. Dem, Phil. 3, 26 S. 117, 19. vKr, 231 5. 304, 
22. Vgl. Himerios bei Photios Bibl. 243 8. 353, 12 ris γὰρ λοιμὸς 
ἢ σεισμὸς τοσαύτας πόλεις ἐκένωσεν ἢ τοσαῦτα γένη ἀνθρώπων ἠφά- 
νισε καὶ κατέδυσεν, ὅσα Φίλιππος καὶ ὁ Φιλίππου χρόνος: 

2) Dem. vKr. 20 5. 231, 20 und über die spätere Zeit 42—46 5. 340 f. 
608. 8. 245, 13f. Phil. 3, 28f. S. 118, 8. 33 S. 119, 23. 


42 Drittes Buch. Erstes Capitel. 


Blick durchschaute, seine ganze Kraft dahin richten um jeden Preis 
sich mit Philipp zu verständigen und seine Landsleute zu vermögen 
noch unversehrt zu der Bildung einer makedonisch-hellenischen 
Grofsmacht unter Philipps Oberhoheit mitzuwirken, statt vielleicht 
nach fruchtlosem Kampfe mit gebrochenen Gliedern ihm zu Fülsen 
zu liegen? Das war die Frage, welche von vorn herein-noch nicht 
in ihrem ganzen Umfange, aber immer klarer und unumwundener 
sich aufdrängte. 

Ich glaube, wer sein Vaterland liebte und Philipps Charakter 
aufmerksam beobachtete, konnte über die Antwort nicht zweifelhaft 
sein. An sich war es nicht ein leichtes Opfer mit allen Traditio- 
nen der Vergangenheit zu brechen und die Freiheit und Selbstän- 
digkeit als “einen altmodisch gewordenen Flitterstaat’' hinzuwer- 
fen: kein Volk verleugnet ungestraft seine Geschichte, und Athens 
Wohlstand war mit seiner Unabhängigkeit unzertrennlich verbun- 
den. Und für was sollten die Hellenen die von den Vorfahren 
mit ihrem Blute errungenen Güter hingeben? Wie sehr wir auch 
anzuerkennen haben, dafs das makedonische Reich nach Gottes 
Rathschlusse zu einem wichtigen Gliede in der Kette des Völker- 
lebens ausersehen war, so dürfen wir darum auf die Hellenen, 
welche an den Kampf um die nationale Existenz alles setzten, nicht 
mit hochmüthigem Seitenblicke herabsehen. Denn Philipp ist nur 
unbewusst ein Werkzeug der Vorsehung zu grofsen Zwecken ge- 
wesen: ihm galt es nicht die Wohlfahrt der Völker zu begründen, 
sondern sein Werk beruhte allein auf seiner Selbstsucht, seine 
persönliche Macht und Ehre war sein letztes Ziel. Darum waren 
seine Waffen nicht die Wahrheit, sondern die Lüge, nicht die Ge- 
rechtigkeit, sondern Willkür und Gewaltthätigkeit?: darum suchte 
er nicht die edelsten Kräfte in den hellenischen Staaten zu wecken 
und mit sich zu verbinden, sondern er reizte die gemeinsten Lei- 
denschaften und zog feile Miethlinge in seinen Dienst :- darum war 
er nicht bemüht Griechenland zu einem festen, lebenskräfligen Or- 
ganismus umzubilden, sondern suchte er es in sich nur immer 
tiefer zu zerklüften. Und welche Gewähr bot Philipps Schöpfung 


1) Worte Droysens, Alex. S. 13. Vgl. dens. Rhein. Mus, NF. 
IV, 438. 
2) Vgl. Dem. Phil. 2, 7 S. 67, 14. 


Die Hellenen und Philipp. 43 


für die Zukunft? Stand etwa in dem makedonischen Reiche die Erb- 
folge so fest, dafs man vorauswulste, wenn zwei Augen sich 
schlössen, würde ein Alexander mit höherem Geistesschwunge das 
halbvollendete Werk durchführen? Durfte man nicht vielmehr er- 
warten, dafs all die Parteiung und der blutige Hader, der nach 
Alexanders Tode eintrat, schon bei Philipps Ableben ausbrechen 
werde? 

Nein, ich denke, es ist klar, wenn die Griechen auch um einer 
grofsen Idee willen sich selbst hätten aufgeben dürfen, vor den 
makedonischen Herrscherplänen sich zu beugen konnte nur kurz- 
sichtige Verblendung oder grämliche Verzweiflung am Vaterlande 
oder endlich schnöder Verrath empfehlen. Aber wenn fernerhin 
Griechenland noch seine Selbständigkeit behaupten sollte, galt es 
die Erschlaflung und Zersplitterung, an der es darniederlag, zu 
überwinden. Es war die Aufgabe des Staatsmanns, der sich die- 
ses Ziel setzte, unter seinen Mitbürgern einträchtige, selbstverleug- 
nende Opferwilligkeit herzustellen und auf Grund einer ehrlichen 
Politik mit eigener Hingebung alle Hellenen zum Kampfe für die 
nationale Unabhängigkeit zu vereinigen. Dahin richtete Demosthe- 
nes sein Streben und suchte zunächst die athenische Bürgerschaft 
auf die Bahn einer durchgreifenden Erneuerung und geistigen Ver- 
jüngung zu führen. Aber wie arg eben auch zu Athen die Ge- 
brechen waren, wie tief die Schäden lagen, das zeigt sich recht 
deutlich an der athenischen Kriegführung gegen Philipp, 


ZWEITES CAPITEL. 


Athenische Kriegführung. Die Feldherrn Phokion und Chares. 
Demosthenes erste philippische Rede. 


Während König Philipp als Herr und Meister seiner Pläne und 
aller Mittel zu ihrer Ausführung den Krieg gegen Athen immer 
überlegener führte, war die Haltung der von kurzsichtigen und 
leichtfertigen Demagogen geleiteten Athener eine klägliche. Zu den 
hochfahrenden Reden und kecken Beschlüssen bildete die Schlall- 
heit und Saumseligkeit der Bürgerschaft einen grellen Gegensatz ; 


44 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


in halben und wirkungslosen Mafsregeln trat ihre Schwäche immer 
mehr zu Tage und gönnte Philipp überall den Vorsprung ἡ. Kaum 
hatte der König mit der Besetzung von Amphipolis den kurz zuvor 
geschlossenen Vertrag gebrochen, kaum hatten die Athener in dro- 
henden Worten den Krieg erklärt ?, so entspann sich der Bundes- 
genossenkrieg der in seinem unglücklichen Verlaufe die Thatkraft 
der Athener vollends lähmte und ihre finanziellen Hilfsquellen schmä- 
lerte und erschöpfte. Überdies erschienen die anfänglichen Erfolge 
Philipps nicht von solcher Tragweite und die Grundlagen seiner 
Herrschaft noch so wenig gesichert, dafs man irgend eines Rück- 
falls der Makedonen in die frühere Zerrüttung und Ohnmacht sich 
°: während man auf Thrakien eher noch ein wachsames 
Auge hatte, ja während man sich mit Gedanken an einen Perser- 
krieg trug, hiefs man es Philipp gegenüber mit einzelnen Hilfsen- 
dungen nach bedrohten Plätzen bewenden. Manchmal konnten 
diese nicht sobald in See gehen, weil die herrschenden Nordwinde 
(um die Hundstage) oder die Winterstürme die Fahrt in die thra- 
kischen Gewässer hinderten, und gerade diese Zeiten passte Philipp 
ab *. Und selbst wenn Wind und Wetter günstig war, mangelten 
Geld und bereite Streitkräfte um rasch und kräftig eingreifen zu 
können: geschweige dafs eine Flotte in den nördlichen Gewässern 


getröstete 


unterhalten, ein stehendes Operationscorps gebildet wäre °. Die 
Schuld einer so unverantwortlichen Kriegführung lag vorzüglich an 
den leitenden Staatsmännern: namentlich Eubulos und seine Ge- 
nossen täuschten ihre Mitbürger systematisch über die Lage der 
Dinge: sie setzten um das Volk zu beschwichtigen, grofsmächtige 
Beschlüsse auf, kraft deren Feldherrn angewiesen wurden, 10,000 


1) S. zu dem folgenden Demosthenes 1. Philippika und Aesch. 2, 
70f. Ὁ. 37. 

2) S-.0..8..22. 

3) Dem. Phil. 1, 10=12 5. 43; f. ἃ, Rhod. 24 $. 157, 25 ὁρῶ 
δ᾽ ὑμῶν ἐνίους Φιλίππον μὲν ὡς ἄρ᾽ οὐδενὸς ἀξίου πολλάκις ὁλι- 
γωροῦντας. 

4) Phil. 1, 31 5. 48, 24. Im Winter führte Philipp den zweiten 
thrakischen Zug aus; s. o. 8. 30. Der Etesien gedenkt Demosthenes 
auch später Cherson. 14 S. 93, 13. 

5) Phil. 1, 32 8. 49, 1. 34. 35 S. 50, 2. 10. 88—41 Ὁ 5lf. Vgl. 
171. S. 44, 25. 


Athenische Kriegführung. 45 


oder 20,000 Söldner aufzubieten und mit diesem Heere Philipp 
nachdrücklich zu bekämpfen, während niemand besser als sie durch- 
schaute dafs nichts dahinter war, dafs die ganze Heeresmacht eben 
nur auf dem Papiere stand ' und die Flotte nicht segelfertig war. 
Denn die gesetzlichen Anordnungen waren unzureichend oder ver- 
kehrt ? und die erforderlichen Gelder waren nicht zur Verfügung: 
statt die Mittel für den Krieg zu Rathe zu halten verschleuderten sie 
was sich erübrigen liefs zu Feiertagsjubel um so die Gunst einer 
begehrlichen und müfsigen Menge zu erkaufen ®. Bevor dieses 
entsittlichende System nicht überwunden war, liefs eine energische 
Kriegführung sich nicht erreichen: und Jahre hat es gekostet bevor 
der Drang der Noth und die späte Erkenntniss der wachsenden 
Gefahr die Athener für eine andere politische Leitung empfänglich 
machte. Aber hätten selbst von vorn herein klare Einsicht und 
guter Wille bei der Bürgerschaft überwogen, in einem Stücke stan- 
den die Athener gegen Philipp allemal im Nachtheil: sie hatten 
keinen Feldherrn der es mit ihm hätte aufnehmen können. Ich 
rede nicht davon dafs ihre ganze Geschäftsführung im Kampfe mit 
einem Monarchen wie Philipp es war Blöfsen über Blöfsen darbie- 
ten mufste, oder dafs damals keiner ihrer Feldherrn mit stra- 
tegischer Genialität die Kunst des Staatsmanns und politischen 
Scharfblick verband. Immerhin hiefs sich doch noch viel erreichen, 
zumal die Athener eine überlegene Seemacht besafsen, wenn ein 
Mann von dem Talente und der Kriegserfahrung eines Timotheos 
oder Iphikrates im Vereine mit Demosthenes und gleichgesinnten 
Staatsmännern sich's zur Aufgabe gesetzt hätte das athenische 
Kriegswesen zu reorganisieren und mit einem frischen Geiste zu 
durchdringen. Aber ein solcher Mann fehlte‘. 

Zwei Feldherren genossen damals unter ihren Mitbürgern ein 
vorzügliches Vertrauen, Chares und Phokion, beide des Kriegs 


1) Dem; &. a.:0.19.-20 S. 45, 12. 22. 30 8..48, 19. O1. 3, 14 
Dr 82, Il. 

2 Deo 5.8.0, 866, 8.:50..7.8. 42,.11..01.:3,:11 8. 31,12. 

3) S. Buch I, 4. 

4) Corn. Nepos schliefst das Leben des Timotheos: Aaec extrema 
fuit aetas imperatorum Atheniensium, Iphieratis Chahriae Timothei; neque 
post Ülorum obitum quisquam dus in illa urbe fwit dignus memoria. 


46 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


erfahren, aber von sehr verschiedener Sinnes- und Lebensart!. 
Phokion hatte unter Chabrias seine ersten Waflengänge gemacht 
und stand in einem Alter von sechs und zwanzig Jahren diesen 
Anführer in der Seeschlacht bei Naxos (Ol. 101, 1. 376) rühmlich 
zur Seite. Nach dem Siege war er beordert die Beiträge der 
Bundesgenossen zu erheben und richtete auf den Inseln durch sein 
gerechtes und uneigennütziges Benehmen alles nach Wunsch aus. 
Auf diese Weise trat Phokion, von Chabrias empfohlen und be- 
fördert, in die öffentliche Wirksamkeit ein’; ein nüchterner 
Mann von strengen Grundsätzen, in denen ihn der Umgang mit 
dem Philosophen Xenokrates befestigte’, gewissenhaft in der Füh- 
rung seines Amts, ehrlich und unbestechlich, aber ohne höheren 
Schwung des Geistes und ohne ein hervorragendes Talent. Als 
Befehlshaber duldete er keinen Druck der Bundesgenossen und 
keine Erpressungen *: während andere Feldherren im Dienste aus- 
wärtiger Satrapen sich Schätze sammelten, hat Phokion in frühe- 
ren Zeiten selten, in späteren gar nicht sich in der Fremde um- 
getrieben: er lebte von seinem kleinen Gute in Athen? und wies 
mehr als einmal königliche Geschenke zurück°. Um Ämter be- 
warb er sich nicht, aber die ihm übertragen wurden verwaltete 
er treu. Diese Eigenschaften ehrten die Athener an ihm um 
so höher je seltener sie damals waren: er hiefs “der rechtschaf- 
fene?’” und wurde so häufig wie kein anderer in das Feldherrn- 
collegium gewählt: er war fünfundvierzig Male Strateg, allerdings 


1) Vgl. Grote’s H. of Gr. XI, 981}, 

2) Plutarch. Phok. 6f. Regeln f. ἃ. Staatsmann 11 5. 805!. 

3) Plut. Ph.4.9. g. Kolot. 32 S. 1126°. Nach Plutarch hörte er als 
Jüngling auch Platon; nach Diog. L. 6, 76 Diogenes den Kyniker. 
Das letztere ist sicherlich falsch. 

4) Plut. Ph. 11. 14, 

5) Corn. Nep. Phok. 1. Über sein Haus Plut. a. a. ©. 18. Über seine 
nüchterne Lebensweise Plut. v. ἃ. Sucht nach Reichthum 5 $S. 525. Phok. 
Δ Ὡς δ ἣν r 

6) Plut. Alex. 39. Phok. 18.30. von Alexander und Antipater; nach 
Nep. Ph. 1 auch von Philippos (nämlich Arrhidaeos, vgl. Cap. 3; 
nicht von Alexanders Vater). S. Nipperdey zu Ὁ. Ν. ἃ. ἃ. O., der auch 
andere Stellen beibringt. 

7) Ὁ χρηστός Diod. 17, 15. Plut. Phok. 10. Dem. 14 u. a. St. 
Aesch. 2 zu Ende: δικαιοσύνῃ διενηνοχότα πάντων. Vgl. Nipperdey 
zu Corn. Nep. Phok. 1. 


Phokion. 47 


in den letzten Jahren nicht mehr durch freie Wahl des Volkes'. 
Auf diese Weise war er in seinem höheren Alter fast Jahr für 
Jahr Mitglied einer Behörde, welche in jenen Zeiten neben den 
Finanzbeamten die wichtigste Stelle in der athenischen Staatsver- 
waltung einnahm. Denn Verwaltungsgeschäfte waren es vorzüg- 
lich, die damals den zehn jährlich erwählten Feldherrn oblagen: 
in den Krieg ‚gieng nur der eine oder der andere ab?, zu glei- 
cher Zeit finden wir höchstens drei bei der Flotte, einer und der 
andere trieb dann und wann die Beisteuern der Bundesgenossen 
ein?; die übrigen waren daheim auf die Organisation des Fufsvolks 
und der Reiterei, die Anschaflung des Kriegszeuges, die Aufsicht 
über die Kriegsschiffe und die Symmorien der Trierarchie, über die 
Hafenbollwerke und die Grenzfestungen angewiesen, oder als Vor- 
stände der Gerichte in Rechtssachen, die in ihre Sphäre fielen, be- 
schäftigt: daneben hatten sie mit Festaufzügen und Opfern nur all- 
zuviel zu schaflen®. So finden wir denn auch Phokion nur ab und 
zu als Anführer im Kriege und zwar meist an der Spitze eines Auf- 
gebots von Bürgern: Söldner hat er wohl auch geführt, wie in athe- 
nischem Auftrage in Kleinasien® und in Diensten des karischen 
Fürsten Idrieus auf Gypern ὅν im ganzen aber war er nicht der Mann 
für diese Landsknechte. Die Hauptstätte seiner Thätigkeit war die 
Feldherrnhalle, der Rath und die Volksversammlung”?. Hier setzte 
er sich in einen schneidenden Gegensatz zu der Beweglichkeit und 


1) Plut. Phok. 8, vgl. 19. 23. 30. Corn. Nep. Ph. 1. 

2) Dem. Phil. 1, 26 S. 47, 9. 

3) S. KFHermann A. I, 152f. Böckh Sth. I, 248. Meier eomment. 
epigr. S. 34. Einen στρατηγὸς ἐπὶ τῆς διοικήσεως (statt des Schatz- 
meisters) kennen nur die falschen Urkunden zu Dem. vKr. 115 5. 265, 
11 u. 38 S. 238, 14, und vielleicht auch diese nicht einmal: 5. Meier 
de vit. Lyeurgi Κ, XI. 

4) Dem. Ph. 1 ἃ. ἃ. Ὁ. S. Hermann a. a. Ὁ. 153, 3. Böckh Sth. 
2, 129. 

5) 8. o. Buch II, 5. 

6) Diod. 16, 42.46. Über die Zeit dieses Zuges s. Buch II, 6. 

7) Vgl. Plut. Ph. 7 z. E. Als Mitglied des Rathes C. 10. Darum 
sagt Nepos nicht so ganz verkehrt C. 1 multo eius notior integritas vitae 
quam rei militaris labor. itaque huius memoria est nulla , illius autem magna 
fama, Plut. a. a. O. 3 stellt Catos und Phokions Leben zusammen ὡς 
ἀγαϑῶν καὶ πολιτικῶν ἀνδρῶν. 


Ὺ 


48 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


Leidenschaft des Volks, zu der Wohlrednerei der Sprecher des Ta- 
ges. Für das athenische Wesen und athenische Verfassung hatte er 
kein Herz: seiner Neigung entsprach die Nüchternheit und strenge 
Zucht, wie die Iykurgischen Gesetze sie geboten; darum hels er 
auch seinen Sohn zu Sparta erziehen, allerdings ohne seiner Lie- 
derlichkeit steuern zu können'. Namentlich Phokions Rede war 
berechnet lakonisch®: aber eben diese knappe und herbe Weise, 
die soldatische Derbheit that ihre Wirkung, weil sie ehrlich war und 
auf Erfahrung und Sachkenntniss beruhte?. Aber freilich hatte sich 
Phokion genug gethan wenn er in beifsender Schärfe den Contrast 
der hohen Reden und der mangelnden Thatkraft aussprach. Er 
achtete seine Mitbürger gering weil ihnen kriegerische Zucht ab- 
sieng: aber statt daran zu arbeiten eingerissene Misbräuche abzu- 
stellen, die Saumseligkeit zu bekämpfen, auf kräftiges und rasches 
Einschreiten zu dringen so lange es Zeit war, brach er von vorn 
herein den Stab über alle solche Bestrebungen. Überzeugt, dafs 
dieAthener unfähig seien einen grofsen Krieg durchzuführen, redete 
er der Ruhe und dem Frieden um jeden Preis das Wort*. So wandte 
er sich von dem edlen Streben eines Demosthenes und Lykurgos ab 
und leistete der elenden Friedenspartei und den bestochenen Red- 
nern durch das Gewicht seines unbescholtenen Charakters wesent- 
lichen Vorschub?. Schon zu Philipps Zeit mag er lähmend einge- 
wirkt haben: indessen that er damals doch auch wieder treue 
Dienste. Aber seit der Schlacht bei Chaeroneia stand die Überzeu- 
gung, dafs schweigende Unterwerfung unter das makedonische Macht- 
gebot Athen allein zuträglich sei, unerschütterlich bei ihm fest und 


1) Plut. Ph. 20; vgl. seine Beziehungen zu dem Lakonisten Arche- 
biades C. 10, in dem er sich freilich verrechnet hatte. 

2) A. a. O. 5. Andere Beispiele Cap. 88. u. öfter. 

3) Polyeuktos von Sphettos urtheilte (nach Ariston von Chios bei 
Plut. Dem. 10. Phok. 5. R. f. ἃ. Staatsm. 5. 803°; vgl. Sauppe OA. II, 
274) μὲν εἶναι ϑήτορα “Ι]ημοσϑένην, δυνατώτατον δὲ εἰπεῖν Φωκίωνα. 
Daher das Demosthenes beigelegte Wort N τῶν ἐμῶν λόγων κοπὶς 
πάρεστιν bei Plut. ἃ. d. ἃ, St.; vgl. Wyttenbach zu Pl. D. 10. 

4) Plut. Ph. 8 ἐπολιτεύετο μὲν ἀεὶ πρὸς εἰρήνην καὶ ἡσυχίαν. 
Dessen berühmte er sich: €, 23 (vgl. v. Eigenlobe 17 S. 5469). 

5) Er war später Fürsprecher des Aeschines; s. Aesch. 2, 184 S. 52, 
vel. 170 8.50. Seiner Verbindung mit Eubulos gedenkt Schol. zu Dem. 
19, 332 8. 447, 21. 


Chares. 40 


seine Stimmung verbitterte sich mehr undmehr. Wie von Philipp und 
Alexander so von Antipater als Freund geehrt', hat er bei aller Un- 
bestechliehkeit in seinen alten Tagen an der Seite der nichtswür- 
digsten und feilsten Verräther des Vaterlandes sich zum Diener ma- 
kedonischer Tyrannei und Rachsucht hergegeben?®. 

Phokions persönliche Rechtlichkeit hat bei den folgenden 
Geschlechtern seinen Fehlern zur Entschuldigung gedient; da- 
gegen ist seines Zeitgenossen Chares Andenken durch sein Zer- 
würfnifs mit Iphikrates und Timotheos, durch die Angriffe des 
Aeschines und die tadelnde Charakterschilderung Theopomps°’ in 
das ungünstigste Licht gestellt worden. Aber wenn wir sehen dafs 
Demosthenes ihn in Schutz nimmt, dafs Xenophon und die späte- 
ren Militärschriftsteller seiner ehrenvoll erwähnen, werden wir uns 
hüten ohne weiteres über ihn abzusprechen, und eine nähere Prü- 
fung zeigt uns dafs Chares besser ist als sein Ruf‘. Chares war 
kein Feldherr von dem Geiste eines Timotheos: so tüchtig er sich 
als Rottenführer und Hauptmann von Söldnern, unter denen er 
recht eigentlich zu Hause war, vorzüglich für den kleinen Krieg 
bewährte, für gröfsere Feldzüge, zumal gegenüber der makedo- 
nischen Taktik und einem Feldherrn von Philipps Genialität 
reichte sein Talent und seine Erfahrung nicht zu. Den Athenern 
empfahl sich Chares durch seinen Muth und seine kräftige, mit Nar- 
ben bedeckte Kriegergestalt°: und er verstand es Redner durch Ge- 


1) Plut. Phok. 17. Aelian. v. G. 1, 25. Von Antipater Plut. a. a. 
Ο. 26. 30. 

2) Vgl. Thirlwalls Urteil VII, 279f. 

3) Aesch. 2, 70f. 5. 37. Theopomp. XLV fr. 238 bei Athen. 12 
S. 532be; vgl. Corn. Nep. Chabr. 3. 

4) Vgl. Rehdantz Vit. Iph. S. 208ff. HCassianus, de Charetis Ath. 
rebus gestis et moribus. Marburg. 1849. 8. Χάρητα τὸν Θεοχάρους le- 
sen wir ihn bei Plutarch von der Staatsverw. eines Greises 8 8. 7884 be- 
zeichnet; Steph. v. Byz. u. ᾿ἡγγελή führt aus einem Volksbeschlusse an 
Δάρης Κλεοχάρους "Ayyeındev. Darunter versteht Rehdantz a. a. O. 
S. 208, 20 den Feldherrn, ich denke mit Recht, der also von dem 
Trierarchen Chares von Aexone (Seeurk. Xf 15) zu unterscheiden ist. 
Der Feldherr Chares wird in den Seeurkunden XIII® 82. XIV 224 ohne 
den Gaunamen aufgeführt: vgl. Böckh Seew. S. 254. 427, 

5) Isokr. v. Vermögenstausch 116 ὑμεῖς γὰρ χειροτονεῖτε στρατη- 
yodg τοὺς εὐρωστοτάτους τοῖς σώμασι καὶ πολλάκις ἐν ξενικοῖς στρα- 
τεύμασι γεγενημένους ---- ὃ δὲ (Τιμόϑεος) τοῖς μὲν τοιούτοις λοχαγοῖς 

DEMOSTHENES II. 4 


50 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


schenke, den grofsen Haufen durch ruhmredige Berichte und gele- 
gentlich durch einen Schmaus für sich zu gewinnen '. Wenn es nichts 
zu thun gab, pllog er träger Ruhe; auch im Feldlager verstattete er 
sich und seinen Lenten Ausschweifungen: aber wenn er dem Feinde 
gegenüber stand und über die nöthigen Streitkräfte verfügen konnte, 
war er thätig und energisch. Seine Operationen Ol. 103, 2. 367 um 
den Phlhasiern Luft zu machen, — das erste Mal, wo wir ihn an der 
Spitze von Söldnern, denen auch eine Abtheilung Bürger beigegeben 
war, finden, — haben Xenophons ganzen Beifall: er weils namentlich 
die Raschheit semer Bewegungen zu rühmen, die von dem besten 
Kirfolge begleitet waren”. Ungeschiekt war nach Diodors Angabe 
seine Einmischung in Korkyra°; er machte das Übel dem er steuern 
sollte nur noch ärger: dagegen war es ein grofses Verdienst, dafs er 
01. 105, 3. 358 Kersobieptes von Thrakien nöthigte den Chersones 
wiederum den Athenern abzutreten*. Die Beschwerden der Bun- 
desgenossen über die Plackereien der Soldtruppen und die Requisi- 
tionen welche Chares erhob fallen zum grofsen Theile Aristophons 
Verwaltung zur Last, welche den Bedürfnissen des Feldherrn und 
seiner Streitmacht keine Rechnung trug. In wie fern in dem Kriege 
selbst Ol. 106, 3. 355 Chares Amtsgenossen Iphikrates und Timo- 
theos Recht hatten wegen des stürmischen Wetters ihre Mitwirkung 
zu einer Seeschlacht zu verweigern ° wissen wir nieht: Kühnheit des 
Entschlusses war auf Chares Seite und die Möglichkeit durch &inen 


ἐχρῆτο καὶ ταξιάρχοις, αὐτὸς δὲ περὶ ταῦτα δεινὸς ἦν, περὶ ἅπερ χρὴ 
φρόνιμον εἶναι τὸν στρατηγὸν τὸν ἀγαθόν κτλ... erläutert durch Timo- 
theos Äufserungen über die Leibesstärke des Chares, seine Verwegen 
heit und seine Narben. Plutarch. a. a. OÖ. u. Pelop. 2; vgl. Wytten- 
bach z. d. Apophth. 5. 187°. Diod. 16, 85 (wohl nach Theopomp; 
vgl. C. Nep. Tim. 4) τῶν ὑπολελειμμένων (στρατηγῶν, nach Iphikra- 
tes Chabrias Timotheos Tode) Χάρης πρωτεύων οὐδὲν διέφερε τῶν 
τυχόντων ἰδιωτῶν κατὰ τὴν ἐν τῷ στρατηγεῖν ἐνέργειαν καὶ βουλήν. 

1) Im allgemeinen 5. Aeschines u. Theopomp a. a. Ὁ. Über Be- 
stechung Aristophons s. o. Buch I, 3; über seine Bulletins und Spei- 
sungen Buch II, 6. Mit Kleon stellt ihn zusammen Polyb. 9, 23. 

2) Xen. H. 7, 2, 18ff.; vgl. Diod. 15, 75. Aesch. 2, 168 5. 50 ver- 
schweigt absichtlich den Namen des Feldherrn. 

3) 15, 9. 8. o. Buch I, 3. 

4) S. Buch II, 5. 


5) 8. Buch I, 3. 


Chares. a 


Schlag den Bundesgenossenkrieg zu entscheiden hat sich nicht wie- 
der geboten. Sein nächster Schritt, als athenischer Oberbefehlshaber 
mit seinen Söldnern in die Dienste des Artabazos zu treten, war po- 
litisch unverantwortlich, wenn auch die Athener sich’s eine Weile 
sefallen liefsen '. Hier handelte er ganz auf eigene Faust, nur von 
der Rücksicht geleitet seine Truppen zusammenzuhalten und be- 
zahlt zu machen, was auf andere Weise nicht möglich war. Geschla- 
gen hat er sich in Asien rühmlich gegen eine Überzahl von Fein- 
den: dabei eroberte er für sich selbst Lampsakos und Sigeion, und 
nahm forthin an dem letzteren Orte seinen Aufenthalt sobald er nicht 
zu einem Commando berufen ward?. Seiner späteren Operationen 
in Thrakien ist oben® des näheren gedacht, wie er Philipp am He- 
bros zum Rückzuge nöthigte und seinen Unterfeldherrn Adaeos aufs 
Haupt schlug, wie er später Sestos, den Schlüssel des Hellesponts, 
einnahm und so die Besitzergreifung der Halbinsel vollendete. Das 
sind Erfolge welche uns an dem Geschick und an dem guten Wil- 
len des Chares nicht zweifeln lassen. Wenn trotzdem der Krieg 
mit Philipp läfsig geführt wurde und die Athener in immer nach- 
theiligere Lage geriethen, so lag die Schuld mehr an ihrer schlech- 
ten Wirthschaft, an der gewissenlosen Leitung der Geschäfte, end- 
lich an den Mängeln des Söldnerwesens, als an der Persönlichkeit 
des Feldherrn den sie mit dem Oberbefehl beauftragten'. Frei von 
Schuld war allerdings Chares nicht. Statt das Commando abzu- 
lehnen, wenn ihm nicht die erforderlichen Streitkräfte und Geldmit- 
tel gewährt wurden, nahm er den Mund voll und versprach was 
man nur verlangen mochte’. War er dann mit einigen Schillen 
ohne Geld und ohne Landungstruppen in See gegangen, so war das 
erste dafs er den unterthänig gebliebenen Bundesgenossen Steuern 
auf Vorschufs abdrang: zugleich wurden Werbungen von Mieth- 


ΤΣ ὃς ἃς. Ὁ, w Buch-II, 6. 

2) Dem. Ol. 2, 28 S. 26, 14. Theopomp. XII fr. 117 bei Athen. 
12 8. 532b; vgl. Ὁ. Nep. Chabr. 3. Arrian. 1, 12, 1. 

3) Buch II, 5. 

4) Dem. vdG. 332 8. 447, 21 ὅτι μὲν πάντα τρόπον κρινόμενος 
Χάρης εὕρηται πιστῶς καὶ εὐνοϊκῶς, ὅσον ἣν ἐπ᾽ ἐκείνῳ πράττων 
ὑπὲρ ὑμῶν, διὰ δὲ τοὺς ἐπὶ χρήμασι λυμαινομένους τοῖς πράγμασι 
πολλῶν ὑστερῶν. Vgl. Ol. 2, 20 8. 26, 18. 

5) Sprichwörtlich «&! Χάρητος ὑποσχέσεις bei den Paroemiographen. 


| * 


52 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


soldaten eingeleitet. Waren endlich die Haufen beisammen, ein 
Schrecken und eine Plage für alle bei denen sie sich ins Quar- 
tier legten, so hatte Philipp meist seinen nächsten Zweck schon 
erreicht: und um sich und seine Leute schadlos zu halten, gieng 
Ghares wenn die Gelegenheit sich fand in auswärtige Dienste, z. D. 
(les Artabazos', oder er brachte hellenische Kauffahrteischiffe auf 
und zwang ihnen Geleitsgeld ab, kurz er suchte Verdienst wo er 
sich eben darbot?. Der Krieg gegen Philipp erschien als Neben- 
sache und konnte daher kein nennenswerthes Resultat geben. So 
war es mit Chares, so mit andern Anführern. Was halfen unter 
solehen Umständen die Klagen über die schlechten Feldherrn ?, was 
nützte es dafs Chares, so oft er Rechenschaft ablegte, einen schwe- 
ren Stand hatte, dafs er einmal über das andere peinlich angeklagt 
wurde, dafs die Redner sich zankten, wer das Mislingen verschul- 
det habe*: gaben doch die Athener selber alle Interessen, welche 
sie an den nördlichen Küsten zu wahren hatten, auf die hederlich- 
ste Weise preis”. So lange sie nieht persönlich Kriegsdienst lei- 
steten und «durch Steuern oder durch Sparsamkeit am rechten Orte 
den Kriegsbedürfnissen genügten, konnte es nimmer anders werden. 
Mittlerweile rückte ihnen Philipp immer näher auf den Leib. Alle 
Gegner, auf deren Widerstandskraft man gerechnet hatte, waren 
niedergeworfen®, die Ilyrier und Paeonier nicht minder wie Ono- 
marchos und die phokische Streitmacht: und waren auch die Ther- 
mopylen durch eine rasche und energische Hilfsendung der Athe- 
ner gedeckt worden, so blieb doch das reiche Thessalien zu Phi- 
lipps Verfügung. Hatte dieser einmal vor Chares am Hebros den 
Rückzug antreten müssen, so war er jetzt, während keine athenische 


1) Dem. Ph. 1, 24 S. 46, 24. 45 S. 53, 10. Vgl. Plut. Phok. 11. 
14. Über Stenefrarsaiäne der Bundesgenossen Dem. vKr. 234 S. 305, 
17; vgl. Aesch. 2, 71. 5. 87. 

2) Dem, Ol. 2, 28 S. 26, 7. Chers. 24ff. S. 95, 28f. Aesch.a. 8. Ὁ. 

3) Dem. vdG. 92 5. 370, 12. 96 S. 372, 6. 147 S. 386, 21. 26. 
vKr. 145 S. 276, 2. 

4) Aesch. a. a. OÖ. Vgl. Kephisodotos über Chares Rechenschafts- 
ablage im olynthischen Kriege Arist. Rh. 3, 10 S. 14112. Im allgemei- 
nen Dem. Ph. 1, 44—47 S. 53. Ol. 2, 25 S. 25, 16. 29 S. 26, 16. 

5) Dem. Ph. 1, 7 8. 42, 7. 14 τὰ κατερρᾳϑυμημένα. 8 8. 42, 22. 
37 S. 50, 25 u. a. St. 
6) Bhil, 1, 50 8. 54, 17: 


"ὦ 


Verlegenheit der Athener. 3 


Flotte zur Stelle war und wegen der Winterstürme nicht einmal 
abgesendet werden konnte, bis zur Propontis vorgedrungen , hatte 
den thrakischen Fürsten Gesetze vorgeschrieben und mit den By- 
zantinern sich verbündet. Kurz alle Aussichten welche die Redner 
den Athenern vorgespiegelt hatten! zerflossen in leeren Schein. 
Freilich schöpften sie noch einmal Hoffnung, die Dinge würden 
sich ändern auch wenn sie die Hände in den Schofs legten: Philipp 
erkrankte und man sagte ihn todt. Aber er genas und kaum hatte 
er sich einigermafsen erholt, so marschierte er gegen Chalkidike und 
bedrohte die Olynthier (O1. 107,1. Frühj.351)?, diesmal allerdings 
wie es scheint mehr um zu schrecken und in ihrer Nachbarschaft 
festen Fufs zu fassen. Schon das Jahr zuvor hatten die Olynthier, 
besorgt über die Entwickelung seiner Macht, sich von ihm abgewen- 
det und mit Athen Frieden geschlossen, ja sie hatten einem Bünd- 
nisse mit diesem Staate sich nicht abgeneigt erklärt. Dazu kam 
es allerdings so bald noch nicht, sei es weil die Athener zu wenig 
sich rührten oder weil die Olynthier selbst sich scheuten Philipp 
allzu sehr zu reizen, aber die Wiederherstellung freundschaftlicher 
Beziehungen zu der Hauptstadt des chalkidischen Bundes war schon 
ein wesentlicher Gewinn für Athen. 

In dieser Zeit war es dafs Demosthenes es sich zur Aufgabe 
machte die Athener vor der drohenden Gefahr ernstlich zu warnen 
und Mafsregeln ins Werk zu setzen um seine Vaterstadt und ganz 
Hellas vor einer makedonischen Herrschaft zu erretten. Während 
der ersten Regierungsjahre Philipps hatte er die öffentliche Redner- 
bühne noch nicht betreten, sobald er aber an den Staatsverhand- 
lungen sich zu betheiligen anfieng, arbeitete er auch darauf hin 
seine Mitbürger zu einem kräftigen Einschreiten gegen Philipp an- 
zutreiben. In der Rede gegen Leptines® hebt er die Wichtigkeit 


1) Phil. 1, 43 S. 52, 24. 45 5. 53, 8. Eine solche Verheifsung, 
Charidemos sei der Mann, Amphipolis wieder zu gewinnen, ist erwähnt 
w. Aristokr. 13 S. 625, 1. 

2) Phil. 1, 17 8. 44, 24. Ol. 1, 13 5. 13, 3. Über die Krankheit 
s. o. Buch UI, 5; über die chalkidische Expedition das nähere unten 
Cap. 4. 

8) 8. ἃ. ἃ. Ὁ. 


4) 61—63 S. 475, 15f. 


94 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


der Plätze hervor welche Philipp durch Verrath und Bestechung an 
sich gebracht hatte. In der Rede über die Verhältnisse zum Per- 
serkönig dringt er auf Bereithaltung von Schiffen, Mannschaft 
und Geldmitteln um der erklärten Feinde, d. h. vor allem Philipps, 
sich zu erwehren'; in gleicher Beziehung spricht er in der Anklage 
wider Timokrates? den frommen Wunsch aus, dafs die Athener im 
Stande sein möchten ihren Feinden obzusiegen, den Wechselfällen 
des Krieges zu folgen und nicht überall zu spät zu kommen. Als dann 
Chares in Thrakien und Onomarchos in Thessalien Philipp glück- 
lich die Spitze boten, trat die Besorgnifs vor der makedonischen 
Macht zurück: in der Rede für die Megalopoliten kommt eine Ein- 
mischung von dieser Seite her nicht von fern in Frage. Aber der 
Sieg Philipps über Onomarchos und sein Vordringen gegen die 
Thermopylen machte Demosthenes ganze Sorge rege: in der Rede 
wider Aristokrates kommt er einmal über das andere auf den König. 
Er schildert seine anfänglichen Bewerbungen um die Freundschaft 
(der Athener, die sich in die ärgste Feindseligkeit verkehrt hat’; 
die trüglichen Zusicherungen die er während der Belagerung von 
Amphipolis gegeben, während er hinterher ihnen noch obendrein Poti- 
daea nahm *: er gedenkt seiner Verbindung mit den Thessalern und sei- 
ner unersättlichen Eroberungssucht, die ihn nimmer rasten läfst und 
stets zu gröfseren Wagnissen treibt?. Andererseits rühmt er in 
derselben Rede die Vorsicht der Olynthier, welche, so sehr sie 
auch Philipp durch die Überlassung von Potidaea verpflichtet hat, 
dennoch in gerechtem Mistrauen ob seiner steigenden Übermacht 
das Bündnifs mit ihm aufgegeben und mit den Athenern sich ver- 
söhnt haben, die bekanntermalsen am liebsten Philipp und seine 
Freunde alle umbrächten®. Endlich weist er hin auf die Gefahr, 
in welche der Chersones durch Philipps Vorrücken nach Thrakien 
gekommen ist”. Freilich erwähnt Demosthenes dies alles nur bei- 


1), 8. Buch II, 6. 

2) 95 5. 730, 16. 

3) W. Aristokr. 121 S. 660, 12. 

4) 116 S. 659, 3. 

5) 111—113 S. 657, 16£.; vgl. Phil. 1, 42f. 5. 52, 6—22. 
6) 107—109 S. 656. 

7) 183 8..681, 26f. 


Demosthenes Sorge vor Philipp. Die erste Philippika. 90 


läufig, aber wir sehen, ein wie scharfes Augenmerk er auf Philipps 
Pläne und Unternehmungen richtete. Seitdem hatte derselbe die 
(hrakischen Fürsten unter seine Hoheit gebeugt und sein Reich 
oder doch seine Bundesgenossenschaft erstreckte sich von Byzanz 
bis an die Thermopylen. 

Da galt es das bisherige System zu brechen. Noch in demsel- 
ben Jahre, als wieder einmal eine Berathschlagung über den ma- 
kedonischen Krieg anberaumt war', entwickelte Demosthenes in 
seiner ersten philippischen Rede den Athenern die dringende Noth- 
wendigkeit aus ihrer heillosen Fahrlässigkeit sich aufzurallen und 
legte Anträge zu einer ernstlichen Kriegführung vor. Dabei hatte 
er den leitenden Staatsmännern, insbesondere Eubulos und seinem 
Anhange, bittre Wahrheiten zu sagen und sprach mit dem vollen 
Bewustsein, dafs er dadurch ihren leidenschaftlichen Hafs auf sich 
zog. Es war nicht eine Meldung von einem bestimmten Unterneh- 
men Philipps, welche der Bürgerschaft vorlag: der König scheint 
gerade in seinen illyrischen Landschaften sich aufgehalten zu ha- 
ben, und von seinen nächsten Absichten hatte man keine Kunde; 
Gerüchte verschiedener Art, zum Theil dazu gemacht jede Sorge 
für den Augenblick zu entfernen, waren in Umlauf gesetzt”.  So- 
mit hatte Demosthenes sich nur auf den Stand des Krieges über- 
haupt, wegen dessen oft umsonst Rath gepflogen war, zu beziehen: 
es galt Mafsregeln vorzuschlagen um den so lange hingeschlepp- 
ten Krieg endlich einmal auch von athenischer Seite kräftig zu be- 
treiben’. 

Gleich der Eingang lehrt, dafs Demosthenes bisher noch kei- 
nen Antrag über den Krieg mit Philipp in der Volksversammlung 
gestellt hatte. Er rechtfertigt sieh darüber dafs er nicht abwartet, 
bis die meisten der gewöhnlichen Sprecher ihre Meinung gesagt 
haben: aber der Gegenstand ist nicht neu, jene haben oftmals dar- 

1) Phil. 1, 1 S. 40, 1 προὐτίϑετο. 5. ἃ. Ausleger und die Scholien 
8. 142, 4 Df. 

2) 48—50 5. 54. 9 S. 42, 27. 88 S. 49, 9. 44 5. 52, 20. Thirlwall 
V, 507. 

3) 1 8.40,6 vgl. 33 S. 49, 19 — ἀεὶ περὶ τῶν αὐτῶν βουλευόμενοι 
καὶ πλέον οὐδὲν ποιοῦντες. Dals Amphipolis noch das Hauptobjeet 
des Krieges war, erhellt aus 12 S. 43, 21; vgl. 7 S. 42, 13. Ebenso 
Ol. 2, 28 ἢ 26, 5—12. Vgl. ο. 5. 21. 


56 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


über geredet: da wird man es nicht übel deuten wenn er vor allen 
andern das Wort ergreift. Denn hätten jene von jeher was Noth 
(hat gerathen, so brauchte die Bürgerschaft nicht jetzt in ihrer Be- 
rathung darauf zurückzukommen !. 

Zunächst, ehe er seinen eigenen Antrag vorlegt, sucht Demo- 
sthenes die Athener aus ihrer Verzagtheit aufzurichten und hält 
ihnen die unabweisliche Nothwendigkeit energischer Kriegführung 
vor. Sie brauchen den Muth nicht zu verlieren, denn ihre Kräfte 
sind nicht aufgerieben, sondern sie haben sie bisher noch gar nicht 
angestrengt: das ist der Grund der gegenwärtigen Lage. Hat Athen 
doch vor nicht so gar langer Zeit gegen die damalige Übermacht der 
Spartaner den Kampf für die Gerechtsame der Hellenen mit Ehren 
bestanden, und hefert doch Philipp selbst den Beweis, dafs wer die 
Gefahr und die Schwierigkeit des Unternehmens nicht scheut den Sie- 
gespreis davonträgt: dem entschlossenen und thätigen fallen nach 
der Natur der Sache Eroberungen und Bundesgenossen zu. Darum, 
wenn nur jeder Athener seine Pflicht thut ohne Ausflüchte zu su- 
chen, der vermögende mit Steuern, der rüstige mit Kriegsdienst, 
kurz ermannen sie sich, dann können sie mit Gottes Hilfe das ihre 
wieder gewinnen und an Philipp Rache nehmen. Denn unwandel- 
bar ist seine Macht nicht gegründet: mancher hafst und fürchtet 
oder beneidet ihn, der jetzt ihm eng verbunden schemt: aber 
jede solche Misstimmung verbirgt sich jetzt, da sie keine Stütze fin- 
det in Folge der Läfsigkeit und Leichtfertigkeit der Athener, die sie 
eben ablegen müssen. Denn es ist zum äufsersten gekommen — 
und hier schildert Demosthenes den Übermuth Philipps und seine 
rastlose Thätigkeit mit der er immer weiter greift und wie ein Jä- 
ger die Athener umstellt, während sie unthätig dasitzen und sich 
schämen müssen wie die Dinge gehen, während sie auf Gerüchte 
lauern und irgend eine Wendung zu ihren Gunsten vom Zufall er- 
warten. Was hülfe es ihnen, wenn Philipp stürbe: sie würden bald 
einen andern Philipp hervorrufen, wenn sie es so forttreiben: denn 
ihre Sorglosigkeit hat ihn grofs gemacht. Ja träte der Fall ein und 
wäre das Glück ihnen hold, so könnten sie, wenn sie nahe sind, die 
allgemeine Verwirrung sich zu Nutze machen; aber wie sie jetzt 
sich verhalten, könnten sie Amphipolis wenn die Gunst der Zeiten 


1). 1 8240, 1-10, 


Die erste Philippika. 91 


es ihnen darböte nicht einmal hinnehmen, da sie mit ihren Rüstun- 
gen und ihren Entschlüssen fernab sind '. 

So entwickelt der erste, vorbereitende Theil der Rede die 
Nothwendigkeit eines thatkräftigen Einschreitens. Demosthenes wen- 
det sich nun dazu seinen Antrag vorzulegen über die Art der Kriegs- 
rüstung, den Umfang derselben, die Mittel und Wege für die Kosten, 
und wodurch sonst die Ausrüstung zweckmäfsig und schnell bewirkt 
werden dürfte. Er macht die Volksgemeinde darauf gefafst, dafs 
seine Vorschläge ganz abweichen von der hergebrachten Art, mit 
der man rasch zum Ziele zu kommen meint. “Denn nicht die welche 
“schnell” und “heute” rufen, rathen das rechte — einmal geschehene 
“Dinge lassen sich ja nicht mehr verhindern —, sondern wer nach- 
‘weist, was für eine Kriegsmacht und in welcher Stärke und aus wel- 
‘chen Mitteln sich aufstellen und ständig unterhalten läfst, bis zu 
“einer gütlichen Vereinbarung oder bis wir über unsre Feinde ob- 
‘gesiegt haben ?: denn damit wäre fernerem Schaden vorgebeugt. 
Darauf eben ist sein Antrag berechnet ἦν, den er im folgenden nach 
allen seinen Theilen aus der Lage der Dinge begründet und recht- 
fertigt. 

Zuvörderst soll demgemäfs die Bürgerschaft fünfzig Trieren 
ausrüsten und sich bereit halten, wenn es Noth thut, sie selber zu 
besteigen: dazu für die Hälfte der Reiterei dreirudrige Transport- 
schiffe und hinreichende Lastfahrzeuge. Diese sollen als Reserve 
dienen um auf plötzliche Ausmärsche Philipps gefalst zu sein, 
bedrohte Puncte schützen, günstige Umstände benutzen zu kön- 
nen. 

Indessen ist es nicht dieser Theil seines Antrags auf den De- 
mosthenes vorzügliches Gewicht legt; nicht als hätte er überhaupt 
eine solche Bereitschaft für unwesentlich gehalten — war es «doch 
nur eine Wiederholung des von ihm früher in der Rede von den 
Symmorien in gröfserem Mafse gethanen Vorschlages’; aber für 


1) 2—12 5. 40, 10—43, 23. 

2) 15 8. 44, 9 τίς πορισϑεῖσα παρασκευὴ καὶ πόση καὶ πόϑεν 
διαμεῖναι δυνήσεται, ἕως ἂν ἢ διαλυσώμεϑα πεισϑέντες τὸν πόλεμον 
ἢ περιγενώμεϑα τῶν ἐχϑρῶν. 

3) 13—15 8. 43, 23—44, 16. 

4) 16—19 8. 44, 16-45, 9. 

5) S. o. Buch I, 6. 


De) Drittes Buch. Zweites Capitel. 


jetzt kam es weniger auf eine Reserve als auf ein Operationscorps an. 
Darum hat er auf jene weder in dem ersten Umrisse seines Antrages ' 
hingewiesen, noch kommt er in seiner ganzen Rede mit einem Worte 
«darauf zurück, während er seinen ferneren Antrag aufs eindring- 
lichste empfiehlt und von allen Seiten beleuchtet?. Nämlich zwei- 
tens trägt Demosthenes darauf an vor allen Dingen eine Streitmacht 
fertig zu machen, welche beständig Krieg führen und Philipp Scha- 
(den zufügen soll, und für deren Unterhalt zu sorgen: nicht etwa eine 
srofsartige, die blofs auf dem Papiere steht, sondern eine die wirklich 
dem Staate dient, zunächst nur gering an Zahl; denn ist sie nur erst 
aufgebracht und ausgestattet, so kann man sie immer nach Bedürf- 
nils verstärken. Also soll das Operationscorps 2000 Mann stark 
sein, darunter fünfhundert Athener, welche nach einer bestimmten, 
nicht eben langen Dienstzeit durch andere abgelöst werden; die 
übrigen sollen Söldner sein. Und mit diesen 200 Reiter, darunter 
mindestens fünfzig Athener, mit der gleichen Ablösung wie beim Fuls- 
volke; und Transportschiffe für die Reiterei. Endlich zehn schnell- 
segelnde Trieren um die Fahrt dieser Streitmacht zu decken’ 

Ehe Demosthenes weiter entwickelt, aus welchen Mitteln diese 
Truppen unterhalten werden sollen, rechtfertigt er seine Vorschläge 
in doppelter Beziehung, sowohl dafs er kein stärkeres Corps ver- 
langt, als dafs er Bürger für dasselbe aufbieten will. Was den er- 
sten Punet betrifft, so sind die Athener jetzt gar nicht im Stande 
ein Heer aufzustellen welches Philipp in offener Feldschlacht die 


1) 8. 57 Anm. 2. 


2) Deshalb führt Demosthenes 19 S. 45,9 fort (nach der Lesart der 
besten Handschriften SFB) πρὸ δὲ τούτων δύναμίν τινα, ὦ &. ’A., φημὶ 
προχειρίσασϑαι δεῖν ὑμᾶς ἢ συνεχῶς πολεμήσει. ὃ. HSauppe, epist. ad 
GHermannum ὃ. 38f., und desselben, Frankes, Westermanns Anmer- 
kungen z. ἃ. St. Neuerdings hat auch WDindorf diese Lesart hergestellt. 
Vel. Schol. zu 15 8. 44, 13 (152, 17 Df) τινὲς δέ φασιν, ὅτι ἐξ ἀλη- 
ϑείας ὃ δήτωρ βούλεται τὰς δύο γενέσϑαι παρασχευάς. ἄμεινον δὲ λέ- 
γειν ὅτι, ἐπειδὴ εἶπε μόνην τὴν ἑτέραν παρασκευήν, ἐλύπει τοὺς 
᾿ϑηναίους (αὶ γὰρ ἡδέως τὰ μεγάλα ἦσαν ψηφιξόμενοι), τούτου χάριν 
προσέϑηκε καὶ ταύτην. ἀμέλει δὲ παρακατιὼν ταύτην μὲν ὑπεσιώπησε, 
περὶ δὲ τῆς ἑτέρας πολὺν τὸν λόγον ἐποιήσατο. Vgl. Rehdantz, Jahns 
nJhb. LXX, 511. 

3) 19—22 5, 45, 9—46, 8. Über die Schnellsegler (ταχεῖαι τριή- 
osıg) 5. Böckh Sth. I, 386. 


Die erste Philippika. 99 


Spitze bieten könnte; denn für ein solches haben sie keinen Sold 
und keine Verpflegung, sondern sie müssen sich zuvörderst auf 
den kleinen Krieg beschränken. Dafs aber Bürger mitgehen 
sollen fordert Demosthenes, weil in diesem Falle schon im ko- 
rinthischen Kriege die Miethstruppen nützliche Dienste geleistet 
haben: seit sie aber sich allein überlassen sind, ohne Sold und ohne 
Zucht, ergeben sich die schlimmsten Misstände. Diese sind nur 
dadurch abzustellen dafs Sold aufgebracht und einheimische Krie- 
ger gleich Aufsehern über die Kriegführung dem Heere beigegeben 
werden; kurz dafs man aufhört die Sache wie zum Schimpfe und 
Spafse zu treiben ΄. 

Das sind die Gründe, welche, in lebendigster Anschaulichkeit 
beleuchtet, den Antrag des Demosthenes zur Bildung eines Ope- 
rationscorps in dem angegebenen Mafse rechtfertigen. Eine Haupt- 
frage aber bleibt noch zu erledigen: die Kriegsgelder und die Mittel 
sie aufzubringen. Demosthenes berechnet für die ganze Streitmacht 
blofs Verpflegungsgelder, und zwar nach dem gewöhnlichen Satze? 
für 10 Trieren monatlich je20 Minen, auf 12 Monate 2400” — 40* 
„ 2000 Mann . „10’Brachm;%\,:",, . [24θ005 —=40! 
„200 Reiter AL DR. "11720 ER ES 720" --- 19! 
im ganzen auf das Jahr 5520” == 02: oder in runder Summe et- 
was über neunzig Talente. Diese Auslösung ist zureichend, denn 
das übrige wird die Streitmacht aus dem Kriege selbst, ohne ir- 
gend den Hellenen oder Bundesgenossen zu nahe zu treten, gewin- 
nen, so dafs sie einen vollständigen Sold erhält: dafür ist er be- 
reit mit seiner Person einzustehen. Die Mittel und Wege aber jene 
neunzig Talente und was darüber ist aufzubringen hat Demosthe- 
nes in einem Finanzplane entwickelt, den er in die veröffentlichte 
Rede nicht aufgenommen hat. Er schliefst diesen speciellen Theil 
mit der Versicherung dafs, wenn «die Athener seine Anträge gut- 
heifsen, sie fortan nicht in Volksbeschlüssen und auf dem Papiere 
Krieg mit Philipp führen werden, sondern mit der That’. 

Hatte Demosthenes in dem ersten Theile seiner Rede die Bürger- 
schaft auf seinen Antrag vorbereitet und für denselben empfänglich 


1) 2327 8. 46, 12-47, 28. 
2) Böckh Sth. I, 378. 381f. 
3) 28--80 8. 47, 24—48, 20. 


60 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


gemacht, in dem zweiten denselben dargelegt und im einzelnen be- 
gründet, so geht er nunmehr in dem dritten und letzten Theile zu 
der allgemeinen Motivierung über und entwickelt die Nothwendig- 
keit und Ausführbarkeit der vorgeschlagenen Mafsregel, so wie den 
Erfolg den man sich davon versprechen darf. 

Eine beständig operierende Streitmacht stellt sich als noth- 
wendig heraus im Hinblick darauf, dafs Philipp die Jahreszeit und 
die herrschenden Winde oder Winterstürme abzuwarten pflegt, um 
seine Absicht zu erreichen während die Athener gar nicht zur Stelle 
gelangen können. Darum dürfen sie nicht mit Hilfsendungen Krieg 
führen, sondern mit einer stehenden Rüstung und Streitmacht. 
Diese kann ihre Winterstation zu Lemnos, Thasos, Skiathos oder 
einer andern Insel jenes Striches nehmen; in der guten Jahreszeit 
wird sie ohne Schwierigkeit sich an der feindlichen Küste und den 
Ausfahrten der Häfen halten '. 

Wie und wann die Streitmacht zu verwenden sei, hat der mit 
Vollmacht zu bestellende Anführer nach den Umständen zu ermes- 
sen: was aber zuvor von den Athenern geleistet werden mufs ist in 
dem Antrage enthalten. Schaffen sie diesem entsprechend die berech- 
neten Gelder ; rüsten sie ferner alles übrige, die Soldaten, die Kriegs- 
schiffe, die Reiter, das vollständige Corps aus, und nehmen es in ge- 
setzliche Pflicht beim Kriege stätig auszuharren: so werden sie ei- 
nen Schritt vorwärts kommen, Philipps Freibeutereien ein Ende ma- 
chen und selbst vor Schaden sicher gestellt sein. Dennalle bisherigen 
Unfälle sind dadurch verschuldet, dafs im athenischen Kriegswesen 
alles ungeordnet, ungeregelt, unbestimmt ist: so gibt es jedesmal 
Weitläufigkeiten und Anstände, über denen die Zeit des Handelns 
verloren geht: deshalb kann Philipp, wie er in dem Schreiben an 
die Euböer gethan hat, das Demosthenes mittheilt, in hochfahrender 
Weise die Athener herabsetzen, leider nicht ohne Grund. Anklagen, 
wie sie jenes Schreiben enthält, sind bitter zu hören, aber die That- 
sachen darf der Redner nicht um zu gefallen mit Stillschweigen 
übergehen: denn solch ungeziemende Wortgleifsnerei geräth zum 
Schaden. Gerade durch die Gunstrednerei und absichtliche Selbst- 
täuschung ist es geschehen dafs die Athener, obgleich sie mehr Streit- 
mittel haben als alle andern?, bis auf den heutigen Tag dieselben 


1) 818, S. 48, 20—49, 9. 2) Vgl. Buch U, 7 z. E. 


Die erste Philippika. 61 


nie zu was rechtem verwendet haben. Und hier geiselt Demosthe- 
nes in gleichem Sinne, aber noch schärfer und noch eindringlicher 
als zuvor, die unbeholfene und unüberlegte Art des Kampfes der 
Athener gegen Philipp, in der es nimmermehr fortgehen darf. Es 
kann aber nur dann anders damit werden, wenn sie wenigstens mil 
einer kleinen Abtheilung einheimischer Krieger in See gehen, wenn 
diese als Mitstreiter und Augenzeugen bei der Kriegführung sich 
betheiligen und heimgekehrt bei der Rechenschaft mit zu Gericht 
sitzen. Kommen sie zu der Überzeugung, dafs alles Ausschauen 
nach fremder Hilfe sich gegen sie gekehrt hat und alles weitere nur 
in ihrer Hand liegt, ja dafs wenn sie jetzt nicht an den makedoni- 
schen Küsten mit Philipp kämpfen wollen, sie wohl gar in Attika 
sich seiner erwehren müssen, dann werden sie was ihre Pflicht ıst 
beschliefsen und aller leeren Reden sich entschlagen'. 

Demosthenes schliefst diesen semen Epilog mit Worten die 
erkennen lassen, auf welche Feindseligkeit seiner Gegner er gefalst 
sein mufste?. ° So wenig ich sonst jemals um eurer Gunst willen 
‘etwas habe beantragen wollen, wo ich nicht überzeugt bin dals es 
‘auch heilsam für euch sein werde, ebenso habe ich jetzt in allen 
‘Stücken einfältiglich ohne Rückhalt frei meine Meinung gesagt. 
‘Aber, wie ich weils dafs es euch frommt den besten Rath zu ver- 
‘nehmen, so wünschte ich auch zu wissen dafs es dem frommen 
‘werde der den besten Rath ertheilt: dann hätte ich weit freudiger 
‘gesprochen. Jetzt aber, ob es gleich ungewifs ist was für mich 
“daraus entstehen kann, entscheide ich mich doch dafür diesen An- 
“trag zu stellen in der Überzeugung dafs es euch frommen werde 
‘wenn ihr ihn ausführt. Es möge aber obsiegen was euch insge- 
“samt Heil bringen wird.’ 

Was Demosthenes zu Ende seiner Rede ausspricht, dafs er 
der Wahrheit die Ehre gibt unbekümmert darum ob sie auch ange- 
nehm zu hören ist, weil sie allein den Staat retten kann, das ist der 
Eindruck den die ganze Rede in uns hinterläfst. Sie bekämpft alles 
eitle Scheinwesen, erspart den Athenern keinen verdienten Vor- 
wurf, aber nicht aus Tadelsucht, sondern um sie aufzurichten 
und zum besseren zu führen. Dabei strebt der Redner nicht einem 


1) 33—50 8. 49, 9—54, 25. 
2) 51 8. 54, 267. 


6: Drittes Buch. Zweites Capitel. 


Ideale nach das nicht zu erreichen steht, sondern den ersten 
Schritt, der sich thun läfst und der vorwärts bringt, den will er nur 
erst gethan wissen: er hält sich aufs strengste an das mit den vor- 
handenen Mitteln ausführbare. Eben so wenig treibt er blindlings 
in den Krieg, sondern er will nur, dafs der obwaltende Krieg, den 
er nicht angestiftet hat, so geführt werde dafs man zu einem ehren- 
haften Frieden oder zum Siege gelange. 

Dafs in die Rede wie sie uns vorliegt die Darlegung der Mittel 
und Wege nicht aufgenommen ist, stört ihren Gang nicht wesent- 
lich ; denn die Hauptsache war dafs man über die Aufstellung eines 
ständigen Geschwaders mit einem activen Corps, gemischt aus Bür- 
gern und Söldnern, einig war und die Kosten dafür deckte; man 
konnte darüber mit Demosthenes einverstanden sein und doch einen 
andern Weg die Gelder zu beschaffen wählen, ohne dafs die Sache 
im mindesten darunter litt!. Aber gerade jene Einschaltung hat 
Dionysios Veranlassung gegeben den Epilog abzusondern und als 
eine besondere Rede zu betrachten. Ihn bestimmte dazu nicht 
der Umstand, der Moriz Seebeck° vermocht hat die gleiche Tren- 
nung vorzunehmen, dafs Demosthenes nämlich auf seinen ersten 
und Hauptantrag, die Bereithaltung eines Geschwaders zu Hilfsen- 
dungen, in dem Epilog gar nicht zurückkomme, ja dafs er Mafsre- 
geln der Art sogar für unzureichend erkläre. Denn Dionysios hat 
richtig gesehen dafs Demosthenes diesen Vorschlag nur als eine 
Zugabe dreingibt ’, dafs er vor allem anderen handelt “ von der Ab- 
“sendung eines Söldnerheeres und zehn schneller Trieren gen Ma- 


1) OHaupt demosthen. Studien I Cap. 4—7 entwickelt die Muth- 
mafsung, in der Darlegung der Mittel und Wege habe Demosthenes den 
vollständigen Plan einer Finanzreform aufgestellt, und stützt sie auf 
die Rede von der Anordnung, von der er einige Abschnitte als echt 
ansieht. Auf diese Rede kommen wir in den Beilagen zurück und be- 
merken nur, dafs die 1. Philippika in ihren Motiven einer solchen Hy- 
pothese nicht den mindesten Anhalt bietet. 


2) Zur Kritik der 1. Philippika 1. ἃ. Zeitschr. f. ἃ. AW. 1838 Nr. 
91—97. Ihm hat Thirlwall V, 500 beigepflichtet. Andere Stimmen für 
und wider diese Ansicht 5. Böhnecke F. I, 222nff. Seebeck a. a. O. 
S. 739ff., der mit vorurteilsfreier Unparteilichkeit die Schwäche der von 
seinen Vorgängern angeführten Argumente für die Trennung der Rede 
darthut. 

3) 8.00. 8. 57£. 


Einheit der ersten Philippika. 63 


‘kedonien’, wie Dionysios den Inhalt der ersten Philippika zusam- 
menfafst!; er hätte nur noch der Beiordnung des allerdings gerin- 
gen Gontingents von Athenern gedenken sollen. Eben so wenig, 
das können wir mit Zuversicht aussprechen, hat Dionysios über- 
sehen dals an jener Stelle, wo er eine andere Rede beginnen läfst, 
die erste Philippika nicht abgeschlossen war ; er mochte den Schlufs 
mit. der finanziellen Vorlage verbunden glauben?. Dafs die andere 
Rede des Eingangs entbehre suchte er, wie die Scholien lehren 
(denn leider ist uns der wichtigste Theil seiner Schrift über Demo- 
sthenes verloren), daraus zu erklären dafs sie eine Deuterologie 
bilde, die meistens keine Einleitung haben'. Was aber brachte 
Dionysios darauf an eine Deuterologie zu denken? das hat meines 
Wissens Seebeck zuerst wahrgenommen. Die Worte, mit denen 
Demosthenes nach der Einschaltung des Finanzplans wieder an- 
hebt: “dies also ist es, ihr Männer von Athen, was wir haben auf- 
“finden können? ὅς, weisen auf eine Vorlage von mehreren hin; denn 


1) Dionys. Schr. a. Amm. 1, 4 8. 725, 10 μετὰ δὲ Θούδημον ἣν 
’Agıoroönuog ἄρχων (Ol. 107, 1. 35°%/,), ἐφ᾽ οὗ τῶν κατὰ Φιλίππου δη- 
μηγοριῶν ἤρξατο καὶ λόγους ἐν τῷ δήμῳ διέϑετο περὶ τῆς ἀποστολῆς 
ξενικοῦ στρατεύματος καὶ τῶν δέκα ταχειῶν τριήρων εἰς Μᾶακεδονίαν. 
ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ καὶ τὸν κατὰ ᾿ἀριστοκράτους κτλ. 

2) So auch Seebeck ἃ. ἃ. Ο. 8. 745. 

3) Περὶ τῆς πραγματικῆς ε]ημοσϑένους δεινότητος, verheilsen von 
Dionys. Dem. 58 S. 1129 und als herausgegeben angeführt Deinarch. 
11 8. 656, 9. 13 8. 666, 6. Vgl. KFRanke in Ziemanns comm., de bello 
Olynth. S. v. Weitere Beziehungen darauf s. Schol. Demosth. S. 71, 
1—3 Df. und an der Anm. 4 angeführten Stelle; Harp. u. ἐνεπίσκημμα. 

4) Schol. zu 30 8. 48, 16 ἃ μὲν ἡμεῖς} ἐντεῦϑέν φησι Διονύσιος 
ὁ "Alınagvasedg ἕτέρου λόγου εἶναι ἀρχήν. προοίμιον δέ, φησίν, οὐκ 
ἔχει, ἐπειδὴ δευτερολογία ἐστίν, ἐν αἷς ὡς ἐπὶ τὸ πλεῖστον οὐκ εἰσὶ 
προοίμια. Οὐ λέγει δὲ ἀληϑῆ: ἐπειδὴ γὰρ ἄνωθεν ὑπέσχετο περὶ 
πόρου χρημότων εἰπεῖν, νῦν τοῦτο δεικνύει" καὶ ἔστιν ὥσπερ ἐπίλογος, 
ὥσπερ ἐποίησε καὶ Ἰσοκράτης ἐν τῷ τοῦ Τραπεξιτικοῦ τέλει κατὰ Ao- 
χίτου αἰκίας ἐπίλογον ϑείς. Die Anführung aus Dionysios geht bis 
προοίμια. Das folgende ist verworren. Die Rede gegen Lochites 
(welehe der cod. Urbinas u. a. auf den Trapezitikos folgen läfst) 
konnte als Beispiel dienen für eine Deuterologie, die keine Einleitung 
hat: aber dafs zwei verschiedene Reden darum als ein ganzes gelten 
sollen, weil die zweite sich allenfalls für ein Schlulswort zu der ersten 
ansehen lasse, ist der thörichte Einfall eines späten Rhetors. 

5) 30 8. 48, 16 ἃ μὲν οὖν ἡμεῖς, ὦ &. A., δεδυνήμεθα εὑρεῖν, ταῦτ᾽ 
ἐστίν. 5. Seebeck a. a. Ο. 5. 768. 


64 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


Demosthenes redet von sich selber nie in der Mehrzahl. Wer konnte 
nun diese Mehrzahl sein? Entweder einzelne die sich zusammenge- 
than hatten, oder Mitglieder einer Behörde in besonderem Auftrage ; 
und wie auch Seebeck geurteilt hat!, am nächsten lag es dabei an 
den Rath zu denken. Nun fand Dionysios bei seinem Gewährs- 
manne, d. h. bei Philochoros, dafs Demosthenes Ol. 108, 2 mit der 
Bürgerschaft verhandelt habe über den Schutz der Inselbewohner und 
der Städte am Hellespont?, und zwar wird das im Auftrage des Raths 
geschehen sein, dessen Mitglied Demosthenes und zwar mit gro- 
fsem Einflusse in jenem Jahre war. Das bestimmte Dionysios, da 
keine der vorhandenen Reden dem entsprach, den Epilog der er- 
sten als fünfte Philippika anzusehen, zumal hier von mehreren In- 
seln gleich anfangs die Rede ist’. Dies scheinen uns die Gründe 
zu sein, welche Dionysios Urteil bestimmten. 

Die Ansicht des Dionysios hat schon bei alten Kritikern Wider- 
spruch gefunden * und ist neuerdings von den meisten Gelehrten 
verworfen worden, gewifs mit vollkommenem Rechte. Was zunächst 
die Mehrheit betrifft in den ersten Worten mit denen Demosthenes 
wieder anhebt, so kann diese in dem Finanzplane eine Beziehung 
gehabt haben, die wir nicht näher anzugeben vermögen: Seebeck 


1) S. 784f. 

2) Penis: Schr. an Amm. 1,108. 736 f. ἔπειτα Θεμιστοκλῆς (ἄρχων 
Ol. 108, 2. 841) ἐφ᾽ οὗ τὴν πέμπτην (über die Zahl 5. Dindorf zu Dem. 
aLra. 0). τῶν κατὰ Φιλίππου θημ EDLER ἀπήγγειλε “ημοσϑένης, et 
τῆς φηιακὴξ τῶν νῃριώτιῶς καὶ τῶν ἐν ng πόλεων, ἧς ἐστιν 
ἀρχή: “ἃ μὲν ἡμεῖς ὦ ἃ. A. δεδ. eve. τ. &’ Über die Sache 5. u. Cap. 
5. Wir bemerken eines von Böhnecke F. I, 227 aufgestellten Bedenkens 
halber, dafs Dion. Cap. 4, wo er zwölf Reden aufzählt, von den neun er- 
sten blofs Titel und Inhalt angibt: die Anfangsworte fügt er nur bei den 
olynthischen Reden hinzu, weil er diese anders als üblich war ordnet. Aus 
demselben Grunde hat er weiterhin bei den späteren philippischen Reden 
den Eingang verzeichnet. 

3) 32 8. 49, 3. 

4) 8.8.63, 4. WDindorf möchte die Einrede auf Caecilius zurück- 
führen (Schol. Dem. 8. 155, 6 Anm. vgl. 5. XVD. Dafs τὸ εν die 
Rede nur als einganzes eitiert (u. ἔππάθχοθ 20 5. 47,11 πηᾶ τι. ἱερὰ τριήρης 
84 8.50, 1 aus dem Epilog, beides ἐν δ΄ Φιλιππικῶν, wie auch nach Bre- 
mis richtiger Bemerkung u. ἀποστολεὶς für ἐν & ®. herzustellen ist), ebenso 
die andern Grammatiker und Rhetoren, beweist blofs, dafs die Anordnung 
des Kallimachos ihre kanonische Geltung (vgl. BöhneckeF. 1, 252 f.) behielt. 


Einheit der ersten Philippika. 65 


selbst hat auf eine Vorberathung des Demosthenes mit Finanzbeam- 
ten hingewiesen'. Im übrigen ist der ganze Epilog auf nichts we- 
niger angelhan als darauf, dafs Demosthenes einen fremden oder 
ihm commissarisch überwiesenen Antrag als zweiter Sprecher em- 
pfehle: vielmehr lehrt der Schlufs der Rede mit klaren Worten, 
dafs er aus eigenster Überzeugung gesprochen hat und ganz allein 
dafür die Verantwortung trägt. Ferner stehen die beiden Stücke, 
wie sie Dionysios von einander schied, jedes für sich abgerissen und 
fragmentarisch da: verbunden aber bilden sie ein schönes ganze 
von der mächtigsten Wirkung. Den Entwurf der Rede und den 
Zusammenhang ihrer Theile habe ich oben dargelegt; dafs auch 
im einzelnen viele Wechselbeziehungen statt finden, welche gerade 
die gegenwärtige Situation und die gestellten Anträge betrellen, 
lehrt eine aufmerksame Prüfung der Rede und ist schon von andern 
nachgewiesen?. Dies sind die Gründe welche gegen die dionysi- 
sche Spaltung der ersten Philippika in zwei Reden entscheiden. 
Überhaupt hat das Bestreben des Dionysios, die von Philocho- 
ros verzeichneten Anträge und Staatsreden des Demosthenes in der 
Sammlung seiner Werke nachzuweisen, zu mehrfachen Irrthümern 
geführt?. Wir kommen darauf später zurück und bemerken hier nur, 
dals Demosthenes gerade aus den bewegtesten Perioden seines Staats- 
lebens, wie aus den Jahren 346 (01. 108, 2) oder 338 (O1. 110, ?4) keine 
Rede zur Herausgabe bearbeitet zu haben scheint. Indem vorliegenden 
Falle zumal hat Dionys sicharg vergriffen, theils weilder Epilog wie die 


1) S. 768f.. 

2) AGBecker Demosthenes ὃ. 270 und Brückner K. Philipp 8. 135 
vergleichen insbesondere 32 S. 49, 2 mit 19 S. 45, 8— 10 (s. auch 15 
S. 44,9); 33 8. 49, 11—19 als Recapitulation mit dem ersten Theil 
der Rede, die letzten Worte namentlich mit dem Eingange und die 
Worte ἐν τῷ πολέμῳ μένειν mit 24 8. 46, 27; 41 8. 51, 29f. mit 17 
S. 44, 23. Vgl. ferner 43—47 S. 52, 23—53, 24 mit 19— 25 S. 45, 
11—47, 5; die Worte πότ᾽ οὖν — ἀνάγκη τις ἢ 10 8. 43, 2 erhalten 
ihre Lösung erst durch 50 S. 54, 19—21. JHBremis Abhandlung: Dem. 
1. phil. R. ist nur ein ganzes (Philol. Beitr. a. ἃ. Schweiz 1819. 1, 21.) 
kenne ich nicht. 

3) Vgl. Böhnecke F. I, 276. Dindorf chronol. Dem. S. LXXXIX. 
Nämlich Philochoros bezieht sich nicht auf die Sammlung demostheni- 
scher Reden, sondern er sagt z. B. ἐψηφίσαντο ε]ημοσϑένους γράψαντος 
oder I. παρακαλέσαντος αὐτοὺς ἐπὶ τὸν πόλεμον fr. 135 b. Dionys. 
Schr. an Amm. I, 11 8. 741, 9 u. 742, 7. 

DEMOSTHENES I. Ὁ 


66 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


übrige Rede gar nicht mit einer Deckung des Hellesponts, sondern 
mit einer Befehdung der makedonischen Küsten und Hafenplätze zu 
schaffen hat!, theils weil Ol. 108, 2 über den Frieden mit Philipp 
verhandelt wurde: hier aber beweisen die Worte des Redners, dafs 
Philipp, weit entfernt die Hand zum Frieden zu bieten, nur auf den 
Krieg bedacht war?. Vielmehr verbietet der thatsächliche Inhalt im 
ganzen wie im einzelnen die Rede in ein anderes Jahr zu versetzen 
als das Jahr Apollodors ?, dasselbe dem Dionysios wie wir gesehen 
haben mit vollem Rechte* auch die Rede wider Aristokrates zuweist- 

Indessen hat Dionysios unter dem angegebenen Jahre die bei- 
den Reden nicht in der richtigen Folge aufgeführt, vielleicht, weil 
ihm bei der Tendenz jenes Schreibens an Ammaeos darauf wenig 
ankam. Die erste Philippika ist nämlich später gehalten als die 
Rede wider Aristokrates°; denn in jener gedenkt Demosthenes der 
lebensgefährlichen Krankheit®, in welche Philipp auf seinem zwei- 
ten thrakischen Zuge im Winter Ol. 107, 1 verfiel, einem Zuge von 
dem die Rede wider Aristokrates noch nicht weils ”; ferner eines 
plötzlichen Angriffs auf Olynth®, der ebenfalls aufser dem Bereiche 
jener Rede legt. Denn als Demosthenes die Rede wider Aristo- 
krates abfalste, hatten die Olynthier, wie oben bemerkt, Philipp 
zum Trotze Frieden mit Athen geschlossen, aber noch keine Feind- 


1) 44 8. 52, 26. 32 S. 49, 8; übereinstimmend mit 19 8. 45, 11. 
23 S. 46, 14. 

2) 42 5. 52, 10—16. 

3) S. Dionysios Worte ob. 5. 63. 

4) Buch II, 5. 

5) 5. Thirlwall V, 374—376; auch Winiewski comm. in Dem. or. 
pro Cor. S. 364 ordnet die Reden richtig; jedoch setzt er (in Wider- 
spruch mit 8. 306) die Rede gegen Aristokrates ohne Noth schon in 
Ol. 106, 4. Mit gleicher Ungenauigkeit, wie die erste Philippika der 
Rede wider Aristokrates, hat Dionysios auch die olynthischen Reden 
der Midiana vorangestellt: s. Cap. 3 zu Ende. 

6) Phil. 1,118. 43, 10 τέϑνηκε Φίλιππος; οὐ μὰ Ai, ἀλλ᾿ ἀσϑενεῖ. 

2) 8. Buch II 5: 

8) Phil. 1, 17 8. 44, 24 τὰς ἐξαίφνης ταύτας ἀπὸ τῆς οἰκείας χώ- 
ρας αὐτοῦ στρατείας εἰς Πύλας καὶ Χερρόνησον καὶ Ὄλυνθον καὶ 
ὅποι βούλεται. Dals damit der chalkidische Krieg, der mit der Zer- 
störung Olynths endete, nicht gemeint sein kann, hat Seebeck a. a. Ὁ. 
S. 741 —743 u. 778 dargethan. 


Zeit der ersten Philippika. 67 


seligkeit von seiner Seite erfahren’; erst nach dem zweiten Zuge 
gegen Thrakien machte Philipp, kaum vom Krankenbette aufge- 
standen, einen unerwarteten Angrill in olynthisches Gebiet?, des- 
sen eben hier Demosthenes gedenkt. Damals waren die Olynthier 
noch nicht mit Athen verbündet und hatten noch keine Hilfe von 
dort erhalten: Philipp stand nach dem ersten wie es scheint frucht- 


1) Dem. wAristokr. 107—109 S. 656, 8—26. Vgl. 0.8.53 u. Cap. 4. 

2) Ol. 1, 13 8. 13, 1 von Thessalien ὠχετ᾽ εἰς Ogaunv' εἶτ᾽ — 
NodEvnoe: πάλιν βαΐσας — εὐθὺς Ὀλυνϑίοις ἐπιχείρησεν. Jene Er- 
wähnung der Krankheit Philipps und der von den Athenern darauf ge- 
bauten Hoffnungen galt schon alten Kritikern als ein Grund die von 
Kallimachos ohne strenge Rücksicht auf die Chronologie eingeführte 
Folge der demosthenischen Reden, nach welcher die 1. Philippika die 
vierte Stelle einnimmt, anzufechten: s. Schol. z. a. St. (Phil. 1, 11 
S. 43, 10) καὶ ἐντεῦϑεν δρμώμενοί φασιν ὅτι πρῶτος οὗτος ὁ λόγος" 
καὶ γὰρ ἡ ἀσϑένεια Φιλίππου πρὸ τῆς πολιορκίας Ὀλύνϑου. Dafs 
die Scholiasten sich dennoch nicht darin stören lassen die 1. Philippika 
frischweg später als die Belagerung und Zerstörung von Olynth anzu- 
setzen (S. 139, 7. 140, 1—9. 142, 1—3. 148, 17 Df. Vgl. S. 115, 28 zu 
01. 3, 2 S. 29, 2) kann uns nicht wundern; dafs Böhnecke aber (F., I, 
232—234) aus der kallimacheischen Zählung und ihrer kanonischen Gel- 
tung unter den Grammatikern ein chronologisches Argument machen 
will, begreift sich nur aus dem blinden Eifer, mit dem er einer Hypo- 
these zu Liebe deutelt und zusammenstoppelt was ihm dienen kann. 
Er nimmt an, die Rede sei nach den olynthischen, aber vor der Bela- 
gerung und Einnahme der Stadt gehalten; und zwar liegt das πρῶτον 
ψεῦδος in einer Confusion der Scholien zu Dem. Ol. 3, 5 8. 30, 2 ὡς 
γὰρ ἠγγέλϑη Φίλιππος ἀσϑενῶν n τεϑνεὼς ἐπικινδύνως ἀσϑενῆσαί 
φασι Φίλιππον ὅτε τὴν Μηεϑώνην ἐπολιόρκει, ἀστέρος κτλ. Damit ist 
die Belagerung von Methone, Ol. 106, 3, gemeint, irrig, denn Demo- 
sthenes spricht eben von der thrakischen Expedition von Ol. 107, 1; 
Böhnecke aber macht vollends hieraus mit Hilfe des Fälschers Plutar- 
chos eine Episode des olynthischen Krieges von Ol. 107, 3 und nimmt 
ein Methone auf Chalkidike an, das nicht existiert hat; vgl. o. S. 28. 
Somit dient ihm die Erwähnung der Krankheit Philipps als Bestim- 
mungsgrund die erste philippische Rede in ΟἹ. 107,4. 348 zu setzen (8. 261. 
204— 206). Die übrigen Punkte seiner Argumentation sind an den be- 
treffenden Orten berücksichtigt (s. auch oben S. 21 Aum, 5); mehrere 
derselben hat bereits Thirlwall V, 504. widerlegt. 

3) Ein Bündnifs mit Olynth schlossen die Athener erst ΟἹ, 107, 4: 
Philoch. VI fr. 132 bei Dionys. a. a. Ο. 9 S. 734, 12. Dermalen 
hatten die Athener keinen mächtigen Bundesgenossen (Phil. 1,6 8.42, 
1), und als in jüngster Zeit beschlossene Hilfsendungen führt Demo- 


5” 


68 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


losen Versuche vorläufig von dem Kriege mit Olynth ab'. Die drei 
Unternehmungen Philipps, den Anmarsch gegen die Thermopylen, 
den thrakischen Zug durch den der Chersones gefährdet wurde, den 
Zug gegen Olynth, welche in den Sommer 352 und den folgenden 
Winter (Ol. 106, 4. 107, 1) fallen, führt Demosthenes an jener 
Stelle® der Zeitfolge nach auf und gedenkt dann der neuerdings 
geschehenen Ausfahrt der Athener nach Pylae®. Denn die für den 
Chersones beschlossene Hilfsendung war nicht ins Werk gesetzt; 
erst ΟἹ. 107, 2. Sept. 351 gieng Charidemos mit nur zehn Schiffen 
dorthin ab. Die Verzögerung hatte neben der Schlaffheit der Athe- 
ner ihren vorzüglichen Grund in dem Mangel an Geldmitteln. Denn 
im Herbste Ol. 107, 1. 352 war durch die kostspielige Expedition 
gen Pylae, auf welche aus Staats- und aus Privatmitteln zusammen 
mehr als 200 Talente verwendet waren*, eme finanzielle Erschö- 
pfung eingetreten, wie sie kaum zu Ende des Bundesgenossenkriegs 
ärger war: im Schatze waren nicht auf einen Tag Verpflegungsgel- 
der für Kriegsmannschaft vorhanden’. Darum wurde eine Ver- 
mögensteuer von sechzig Talenten zwar beschlossen, aber nicht er- 
hoben; am Ende bekam der Feldherr Charidemos nur elende fünf 
Talente mit®. Diesen jämmerlichen Stand der Finanzen hat Demo- 
sthenes im Auge, wenn er sagt, für ein starkes Heer ist kein Sold 
und keine Verpflegung vorhanden’. 

Dies sind die Data, aus denen sich ergibt, dafs die erste Phi- 
lippika in der zweiten Hälfte von Ol. 107, 1, Frühjahr 351, gehal- 
ten wurde. Auf diese Jahreszeit führt, wie wohl allerseits aner- 
kannt ist, die Rede an und für sich, abgesehen von der Verkettung 
der Begebenheiten. Die allgemeine Berathung über die zu ergrei- 
fenden Mafsregeln mufste im Beginn der guten Jahreszeit vorgenom- 


sthenes ebend. 41 8. 51, 29. nur die nach den Thermopylen und nach 
dem Chersones auf. Vgl. KFHermann epier. qu. de Dem. a. natali 8.9. 

1) S. ο. 5. 53 u. Cap. 4. 

2). Phil. 1,:17 8.44, 2438. 1078. 6648 

3) A. a. O. 8. 44, 28 τὰ τελευταῖα πρῴην εἰς Πύλας. 

4) Dem. vdG. 84 S. 367, 22. Vgl. Seebeck a. a. O. 5. 765. 

5) Dem. w. Aristokr. 209 S. 690, 8, vgl. m. ἃ. Gegensatze Z. 4. 

6) Dem. Ol. 3,5 8. 29, 27—30, 5. Über Zeit und Umstände s. 
Buch 11, 5. 

7) Phil. 1, 23 8. 46, 16 οὐ γὰρ ἔστι μισϑὸς οὐδὲ τροφή. 


Zeit der ersten Philippika. 69 


men werden, und es versteht sich von selbst dafs Demosthenes das 
Geschwader nicht von vorn herein in eine Winterstation schicken 
will. Vielmehr soll es gerüstet und in den makedonischen Gewäs- 
sern angelangt sein, ehe die regelmäfsigen Strichwinde, welehe 
nach dem Sommersolstitium, also nach dem attischen Jahres- 
wechsel, aus Norden wehen, die Fahrt dahin unmöglich ma- 
chen '. Ein späteres Jahr aber anzunehmen ist rein willkürlich, 
weil alle Umstände zusammentreffen um das von Dionysios für die 
erste Philippika angegebene zu bestätigen, und es erweist sich als 
unzulässig sowohl wegen der bereits erörterten Beziehung auf 
Olynth als wegen der Erwähnung Euboeas. Demosthenes gedenkt 
des raschen Auszugs der Athener nach Euboea (Ol. 105, 3. 359)? 
in solcher Weise dafs offenbar noch kein späterer Zug dorthin un- 
ternommen sein kann. Dieser Zug endete mit der Vertreibung der 
Thebaner von der Insel und führte zu einem Bündnisse der euboe- 
ischen Städte mit Athen®. Das Bündnifs bestand noch als Demo- 
sthenes die Rede wider Aristokrates verfafste! und als er die erste 
Philippika hielt: aber Philipp war eben bemüht es aufzulösen, in- 
dem er in einem Sendschreiben die Athener in den Augen der Eu- 
boeer möglichst herabzusetzen suchte; das hat der Schohast rich- 
tig aus Demosthenes Worten herausgelesen °. Philipps Bestrebungen 
hatten Erfolg; im nächsten Jahre ΟἹ. 107, 2. 350 waren die Athener 
mit Euboea in Krieg; über den Frieden wurde erst Ol. 107, 4. 348 
verhandelt, während eben die Euboeer im engsten Einvernehmen 
mit Philipp standen ®. 

Von anderweiten Vorgängen der letzten Jahre berührt Demo- 
sthenes den Verlust von Pydna, Potidaea, Methone und anderer 
Küstenplätze an Philipp ”, so wie ohne Rücksicht auf die Zeit- 


1) 31 S. 48, 24— 28. Winiewski comm, in or. de cor. S. 5l. 365 
setzt die Rede noch in den Winter. 

2) 17 8. 44, 27. 

3) 8. Buch I, 3. 

4) W. Aristokr. 124 8. 661, 10. 

5) Phil. 1, 37f. S. 51, 1fl. m. d. Schol.: ὃ σκοπὸς τῆς ἐπιστολῆς 
ἐστιν οὗτος" ὃ Φίλιππος ἐπέστειλεν Εὐβοιεῦσι συμβουλεύων μὴ δεῖν ἐλ- 
πίζειν εἰς τὴν ᾿᾿ϑηναίων συμμαχίαν, ol οὐδὲ αὑτοὺς δύνανται σώξειν. 
Vgl. Seebeck a. ἃ. O. 8. 752f. 

6) Aesch. 2, 12 8. 29. 

7) 4 S. 41, 12; vgl. 44 5. 52, 28 ποῖ οὖν προσορμιούμεϑα: 


70 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


folge die verspäteten Hilfsendungen nach Methone, nach Pagasae, 
nach Potidaea'. Von diesen Städten, welche Philipp von Ol. 105, 
4. 106, 4 eroberte, ist früher gehandelt worden, nicht minder 
von den Anfängen einer makedonischen Seemacht und den Verlu- 
sten welche Philipps Kreuzer im Laufe der 106. Olympiade den 
gänzlich unbesorgten Athenern zugefügt hatten?. Endlich ist zu 
erwähnen dafs Philipps Stiefbruder Menelaos eben damals als Rei- 
teroberst in athenischen Besitzungen befehligte®: später gieng er 
nach Olynth und fiel bei Eroberung dieser Stadt in Philipps Hände, 
der ihn hinrichten liefs*. Es steht zu vermuthen dafs er sich bei 
der Reiterei befunden habe, welche Charidemos Ol. 107, 4 als 
athenischer Feldherr vom Hellesponte aus den Olynthiern zu- 
führte®. 

Die Inveetiven gegen die leitenden Staatsmänner sind in der 
philippischen Rede, obgleich Demosthenes hier so wenig wie in an- 
dern Verhandlungen vor dem Volke die Gegner mit Namen nennt 
und keine Person unmittelbar angreift, schärfer als in der Rede für 
die Megalopoliten, durchaus verwandt mit dem Tone in dem Demo- 
sthenes Euthykles in dem Processe des Aristokrates sprechen läfst: 
aber sie sind noch nicht so bitter wie in der das nächste Jahr ge- 
haltenen Rede für die Rhodier®. Denn wenn Demosthenes auch 
hier bereits ausspricht dafs Athener sich zu Zwischenträgern Phi- 
lipps hergeben’, — wir wissen aus der Rede vom Frieden® dafs 
damit namentlich der Schauspieler Neoptolemos gemeint ist — so 
beschuldigt er die herrschende Partei doch noch nicht des bewuls- 
ten Verraths athenischer Interessen, wie er es in der rhodischen 


1) 35 5. 50, 11. 

2) S. oben 8. 26f. FyJacobs hatte früher in diesen Umständen 
eine Bestätigung dafür finden wollen, dafs der Epilog nach Ol. 107, 1 
verfalst sei, hat aber diese Meinung in der 2. Auflage von ‘Demosthe- 
nes Staatsreden’ S. 85 ff. aufgegeben. 

3) 27 S. 47, 20 — τῶν δ᾽ ὑπὲρ τῶν τῆς πόλεως κτημάτων ἀγωνι- 
ξομένων Μενέλαον ἵππαρχεῖν. Unter die ἴδια κτήματα der Athener 
wird der Chersones auch vdG. 78 S. 365, 26 gerechnet. 

4) 8. o. S. 17 u. Cap. 4. 

5) Philoch. fr. 132 bei Dionys. Schr. an Amm. 1, 9 S. 735, 5. 

6) Vgl. Buch LI, 6. 

7) Pl, 185. 45, 3. 

8) 6—8 S. 58, 14f. Vgl. Buch I, 5. 


Zeit und Wirkung der ersten Philippika. τὶ 


Rede thut!. Unmittelbar an die Rede für Megalopolis erinnert die 
Erwähnung der Lakonenfreunde (denn an diese ist zunächst zu den- 
ken) welche umhergehen und die schönen Worte, die sich die Spar- 
(aner am makedonischen Hofe haben aufbinden lassen auskramen: 
Philipp habe die gute Absicht in Verbindung mit den Lakedaemo- 
niern die thebanische Obmacht zu stürzen und die Samtgemeinden 
aufzulösen, d. h. die boeotischen und arkadischen Landstädte wie- 
der selbständig zu machen?. 

Die erste philippische Rede greift also in keiner Beziehung 
über das Jahr in welches Dionysios sie setzt hinaus: vielmehr wei- 
sen entscheidende Momente sie eben dem Frühlinge von Ol. 107, 1 
(351) zu. Ob dem Antrage des Demosthenes Folge gegeben wurde, 
wissen wir nicht: indessen will es uns bedünken, als ob die gewal- 
tige Rede nicht ohne Wirkung geblieben sei. Wir meinen nicht 
blofs die moralische Wirkung, so wenig wir diese gering anschla- 
gen wollen: aber es wurde auch, freilich ohne ein Aufgebot atheni- 
scher Hopliten, der Zweck den Demosthenes im Auge hatte minde- 
stens zum Theilerreicht. Von Freibeutereien makedonischer Kreuzer 
ist in den nächsten Jahren kaum die Rede’: dagegen wurden Phi- 
lipps Küsten verwüstet und seine Häfen in Blokade versetzt, für 
den König ein wesentlicher Schade, da seine Unterthanen die Han- 
delssperre hart empfanden und seine eigenen Einkünfte einen be- 
trächtlichen Ausfall erlitten‘. Zu diesem Ende scheint Chares mit 
einem Geschwader, welches bis auf dreifsig Schiffe gebracht wurde, 


1) 30—33 S. 199, 211. 

2) Phil. 1, 48 8. 54, 3 ἡμῶν δ᾽ οἵ μὲν περιιόντες μετὰ Aunedaı- 
μονίων φασὶ Φίλιππον πράττειν τὴν Θηβαίων κατάλυσιν καὶ τὰς mo- 
λιτείας διασπᾶν. Über die Verhandlungen mit Persien die an derselben 
Stelle erwähnt werden s. o. ὃ. 31, über die Anlegung fester Plätze 
in Illyrien S. 26. 

3) Ein Fall der Art ist allerdings bekannt: während des Gottes- 
friedens der 108. Ol. wurde Phrynon von makedonischen Kapern ge- 
fangen genommen. Aesch. 2, 12 S. 29. Dagegen über den Zustand vor 
dem Friedenschlusse im allgemeinen Dem. να. 149 8. 387, 16 τοῦ - un 
πάσχειν αὐτοὶ (κακῶς) πᾶσαν ἄδειαν ἤγετε. 218 8. 408, 20 ἐν -- μη- 
δενὶ δεινῷ τῆς πόλεως οὔσης, ἀλλὰ καὶ σῖτον εὔωνον ὠνούμενοι καὶ 
τἄλλα οὐδὲν χεῖρον πράττοντες ἢ νῦν (nach dem Friedenschlusse). 

4) O1. 2, 16 8. 22, 26. vdG. 153 8. 389, 4—7. 315 8. 442, 35. 
Philipps Schr. 5 S. 160, 3. 


72 Drittes Buch. Zweites Capitel. 


von Athen abgegangen zu sein!. Eben diesen Feldherrn hat De- 
mosthenes in seiner Rede in solcher Weise in Schutz genommen ?, 
dals nicht zu verkennen ist, er wünsche ihn, freilich mit gemesse- 
nen Verhaltungsbefehlen und unter gehöriger Controle? , mit dem 
Gommando betraut zu sehen*, und ich wüfste nicht, wer unter den 
athenischen Feldherrn jener Zeit für die beabsichtigte Art Kriegfüh- 
rung sich besser geeignet hätte. Dafs aber Demosthenes mit Cha- 
res enger befreundet gewesen sei, ist mit Recht in Abrede gestellt 
worden’. 

Nachdem für den Seekrieg mit Philipp den Anträgen des De- 
mosthenes zufolge endlich eine zweckdienliche Mafsregel getroflen 
war, gelangte in der zweiten Hälfte des Jahres 351 (Ol. 107, 2) 
das Hilfsgesuch der vertriebenen Rhodier an das Volk, und es war 
die Aussicht geboten durch die Wiederherstellung der Demokratie 
jene wichtige Insel von neuem für einen Bund mit Athen zu gewin- 
nen. Darum nahm Demosthenes sich ihrer Sache an ®. Aber wenn auch 
seine Gründe ein williges Gehör fanden, die Gegenpartei liefs es we- 
nigstens zu thätiger Unterstützung der unterdrückten Volksgemeinde 
nicht kommen. Sie betrieb vielmehr eine Einmischung in die enboei- 
schen Angelegenheiten zu Gunsten des Tyrannen von Eretria, ein 
Unternehmen das den Athenern viele Kosten und Gefahren verur- 
sachte und mit der völligen Entfremdung jener wichtigen Insel en- 
dete. Doch diese Verhältnisse und ihre Folgen für Athen im allge- 
meinen wie für Demosthenes insbesondere müssen wir ihrem gan- 
zen Zusammenhange nach verfolgen. 


1) Philoch. fr. 132 b. Dionys. Schr. an Amm. 1,98. 734£, sagt von 
der ersten Hilfsendung nach Olynth: οἵ ᾿4ϑηναῖοι — βοήϑειαν ἔπεμ.- 
ψαν πελταστὰς μὲν β, τριήρεις δὲ λ΄ τὰς μετὰ Χάρητος, ἃς καὶ συνε- 
πλήρωσαν. Der Artikel τάς besaet dals dies Geschwader bereits mit 
Chares in See war. Die Zahl der Schiffe ist höher als man erwartet: 
indessen erinnere ich daran dafs auch das Geschwader des Charide- 
mos, welches Ol. 107, 2 nur zehn Trieren stark war (s. 0. 8. 68), 
Ol. 107, 4. 349 deren achtzehn zählte. Philoch. a. a. ©, 5. 735, 6. 

2) 24 8. 468. 

3) 33 8. 49, 16. 47 8. 53, 20. 

4) Vgl. Plutarch. v. d. Bruderliebe 15 8. 486%, Vergleich. des Dem. 
u. Cie. 3. Schol. zu Dem. vdGes. 332 8. 447, 21. 

5) Rehdantz Vit. Iph. S. 209, 23. 

6) Über die Rede für die Freiheit der Rhodier s. Buch 8, 


DRITTES CAPITEL. 
Euboeischer Krieg. Demosthenes Rechtshändel mit Meidias. 


Das Bündnifs Athens mit Euboea, welches sich aus dem von 
Timotheos angerathenen Feldzuge und der Verdrängung der The- 
baner von der Insel ergab', hatte einen längeren Bestand, obgleich 
wie in Phokis so auch hier Gewalthaber sich aufwarfen und mit 
Söldnermacht gegen den Willen ihrer Gemeinden behaupteten. So 
berührt Demosthenes in der Rede wider Aristokrates?, dafs die 
Athener mit Menestratos dem Herren von Eretria gute Freundschaft 
halten (O1. 107,1.352), und nicht viel später stehen hochangesehene 
Athener mit Plutarchos, den wir — sei es als Erben oder durch 
gewaltsamen Wechsel — an Menestratos Stelle finden, in vertrau- 
ten Beziehungen. Andererseits war Philipp, nachdem er erst in 
Thessalien sich festgesetzt hatte, darauf bedacht durch Sendschrei- 
ben die euboeischen Gemeinden den Athenern abwendig zu ma- 
chen. Unter solchem Anstofse von aulsen steigerte sich die Un- 
zufriedenheit mit Plutarchos zu heftiger Gährung ; es brachen Unru- 
hen aus, bei denen sich namentlich Kleitarchos von Eretria, der 
sich bald dem Könige Philipp ergeben und dienstbar erwies, und 
von Chalkis Kallias und Taurosthenes, Söhne des früher viel ver- 
mögenden Mnesarchos, betheiligten‘. Plutarchos bewarb sich um 
athenische Hilfe und seine Freunde, namentlich Meidias’, verwand- 


1) Buch I, 3. 

2) 124 S. 661, 10. 

3) S. o. S. 69, 5. 

4) Dem. vFr. 5 5. 58, 4 τῶν ἐν Εὐβοίᾳ πραγμάτων ταραττομέ- 
νων. Über den ganzen Feldzug 5. Plutarch Phok. 12—14, der aber 
in den ersten Worten irvrig auf die Lage welche Phokion bei seinem spä- 
teren euboeischen Feldzuge vorfand, anspielt, und Aeschines 3, 86—88 
S. 66. Diesem ist es jedoch nur darum zu thun alle Schuld auf die 
Führer der demokratischen Partei zu Chalkis, Kallias und dessen 
Bruder, zu schieben. Über Kleitarchos s. Schol. zu Dem. vFr. a. a. 
O. Vgl. Böckh Sth. I, 732ff. Böhnecke F. I, 14ff. KFHermann disp. 
de Midia S. 81. 

5) Dem. w. Meid. 110 5. 550, 26 Πλούταρχος ὁ τούτου ξένος καὶ 
φίλος. 200 8. 579, 2 Μειδίας — Πιουτάρχου προξενεῖ, τἀπόρρητα 
oldev, ἡ πόλις αὐτὸν οὐ χωρεῖ. 


14 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


ten sich für ihn: sie stellten die Umstände so dar als wartete der 
Athener ein müheloser Sieg und reicher Gewinn. Einzig und allein 
Demosthenes widersprach: ihm wird daran gelegen haben dafs die 
Athener nicht mit dem Tyrannen gemeine Sache machten, sondern 
mit denen von Chalkis und mit der eretrischen Volksgemeinde, um 
dadurch des Bündnisses mit den Euboeern sich von neuem zu ver- 
sichern. Aber er vermochte nicht mit seinem Rathe durchzudrin- 
gen; Eubulos und sein ganzer Anhang standen ihm entgegen und 
die Sprecher von dieser Seite rissen in ihrem leidenschaftlichen To- 
ben gegen Demosthenes die Bürgerschaft mit sich fort!: es ward 
beschlossen Plutarchos den erbetenen Beistand zu gewähren, τη] 
zwar nicht blofs mit Söldnern, sondern durch ein Aufgebot von 
Bürgern, Fufsvolk sowohl als Reiterei. Für dieses Unternehmen 
scheute man den grolsen Kostenaufwand nicht. Zum Anführer 
wurde Phokion bestellt: die beim Volke besonders beliebten Feld- 
herrn Chares und Charidemos waren abwesend, jener, wenn unsere 
Vermuthung nicht trügt, um an den makedonischen Küsten zu kreu- 
zen; dieser hatte die Station im Hellesponte inne. Um eben die 
Zeit als zum euboeischen Feldzuge gerüstet wurde, erbaten die Olyn- 
thier athenische Unterstützung. Um ihrem Gesuche zu entspre- 
chen wurden freiwillige Trierarchen aufgerufen, das zweite Mal dafs 
man zu diesem Mittel griff”, und ein Theil der Reiterei wurde an- 
gewiesen von Euboea aus, wenn die Umstände ihre Absendung er- 
laubten, nach Olynth überzusetzen. Die Ritter hatten darum zu 
losen wer ins Feld rücken sollte®: für den Hilfszug nach Olynth 
mögen freiwillige aufgeboten sein. 

Der Aufbruch zu dem Feldzuge geschah vor dem Kannenfeste 
(12 Anthesterion, Ende Februar 350)*, und zwar ward die Lan- 


1) Dem. vFr. a. a. O. Vgl. wMeid. a. a. O. (110). 
2) Dem. wMeid. 161 S. 566, 25. Böckh Sth. I, 732. 
3) Dem. a. a. Ὁ. 133 8. 558, 14. 


4) Dem. g. Boeot. v. Nam. 16f. 8. 999, 6 φέρε, εἰ δὲ δίκην ἀστρα- 
τείας φεύγοι, χορεύοι δὲ ὅταν στρατεύεσϑαι δέῃ; καὶ γὰρ νῦν, ὅτε εἰς 
Ταμύνας παρῆλθον οἵ ἄλλοι, ἐνθάδε τοὺς χόας ἄγων ἀπελείφϑη, καὶ 
τοῖς Διονυσίοις καταμείνας ἐχόρευεν —. ἀπελϑόντων δ᾽ ἐξ Εὐβοίας τῶν 
στρατιωτῶν λιποταξίου προσεχλήϑη Über das Fest und seine Zeit s. 
KFHermann A. II, 58,17. Die angeführten Worte beweisen nicht, wie 
Böhnecke F. I, 14 annimmt, dafs an dem Festtage selbst das Heer ab- 


Euboeischer Krieg. 75 


dung an zwei verschiedenen Puncten bewerkstelligt". Ein Reiter- 
corps, bei dem sich die nach Olynth bestimmten befanden, setzte 
in die Gegend von Chalkis über, wo die Athener als Freunde auf- 
genommen wurden, und lagerte bei Argura ?: die Hauptmacht, das 
Fufsvolk und ein zweites Reitercorps, unter Phokions persönlicher 
Führung, landete weiter südlich, vermuthlich zu Porthmos: von 
hier marschierte es über das kotylaeische Gebirge nach Tamynae, 
einer eretrischen Stadt, und schlug hier das Lager auf?. Die Ver- 
einigung mit den von Plutarchos geworbenen Söldnern wurde ausge- 
führt, und wenn auch die Stimmung auf der Insel sehr schwierig war 
und alles sich zum Kampfe gegen den Tyrannen und seine Bundes- 
freunde die Athener anschickte, so trug Phokion doch kein Bedenken 
viele aus seinem Heere nach Athen zu beurlauben: namentlich wurden 
alle entlassen welche die Feier der nahe bevorstehenden Dionysien 
zu besorgen hatten‘. Auch das zu Argura stehende Reitercorps 
wurde aufgelöst; die eine Abtheilung gieng nach Olynth ab, wohl 
nicht eben in der besten Verfassung, die andere mit dem Reiter- 
oberst Kratinos kehrte von Chalkis aus nach Athen zurück’ um 
bei dem dionysischen Festaufzuge zu paradieren. Alsbald aber sah 
(las bei Tamynae gelagerte Heer eine stärkere Streitmacht der 


gieng, sondern dafs Boeotos seiner Dienstpflicht sich entzog, weil er bei 
der bevorstehenden Feier zu figurieren hatte. 

1) Dem. wMeid. 133 5. 558, 19 οὐ γὰρ εἰς ταὐτὸ ἡμεὶς (ol OmAi- 
ται, bei denen Demosthenes stand) τούτοις (den nach Argura abgehen- 
den Reitern) διέβημεν. 

2) Dem. a. O. 132 8. 558, 2. Über den Ort 5. Harpokr. u. Steph. 
v. Byz. u. ἃ. N. Über das Verhalten der Chalkidier Aesch. 3, 86 5. 66 
ἐπειδὴ τάχιστα διέβητε εἰς Εὔβοιαν Πλουτάρχῳ βοηϑήσοντες τοὺς μὲν 
πρώτους χρόνους ἀλλ᾽ οὖν προσεποιοῦνϑ'᾽ ὑμῖν εἶναι φίλοι. 

3) Aesch. 3, 86ff. S. 66. Plut. Phok. 12. Über das kotylaeische 
Gebirge Archemachos fr.3 bei Harpokr. τι. Steph. v. Byz. u. d.N. Über 
Tamynae Strab. 10 S. 448. Harpokr. u. d. N. 

4) Z. B. Demosthenes. Vgl. Plut.a. a. O. Wenn die erfüllte Dienst- 
zeit der so beurlaubten (etwa vier Wochen) gar kurz erscheint, so er- 
innere ich daran, dafs der ganze Feldzug auf Euboea Ol. 105, 3. 358 
um die Thebaner zu vertreiben, nur dreifsig Tage dauerte. S.o. Buch I, 3. 

5) Dem. a. a. O. 197 5. 578, 3. 132 S. 558, 2. Dafs die Reiterei 
bei der Meidias stand eben des Festaufzugs halber heimgekehrt sei, 
ist eine schöne Vermuthung KFHermanns (de Midia 8. 9); nur ist 
nicht an den panathenäischen, sondern an den dionysischen zu denken. 


Vgl. Dem. a. a. O. 163 S. 567, 15. 


76 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


Feinde sich gegenüber. Mit den Eretriern, welche Kleitarchos ge- 
gen Plutarchos aufgerufen hatte, vereinigten sich alle Euboeer, auch 
die Chalkidier, geführt von den bisherigen Freunden der Athener 
Kallias und Taurosthenes: der letztere hatte aufserdem phokische 
Söldner herübergeholt '. Jetzt zeigte sich’s dafs Phokion eine gar 
unvortheilhafte Stellung gewählt hatte. Das Lager stand nämlich 
auf einer Anhöhe die von der tamynischen Feldflur durch eine tiefe 
Schlucht getrennt war, von daher also vor einem Angriff gedeckt: 
aber die Verbindungen nach der andern Seite hin waren nicht ge- 
sichert. Als die Feinde anrückten ward das Heer blokiert und 
war wenn es sich nicht den Abmarsch erkämpfte gänzlich verlo- 


1) Hierüber berichtet nur Aeschines a. a. O., wo er darauf ausgeht 
den Chalkidiern Kallias und Taurosthenes, welche später Euboea von 
neuem in Bund mit Athen brachten, alles schlimme nachzusagen. Darum 
schweigt er ganz von der makedonischen Partei und nennt Kleitarchos 
von Eretria, den Anstifter des Aufstandes gegen Plutarchos, mit keiner 
Sylbe. Wir können deshalb nur errathen was diesem und was jenen 
beizumessen ist. Aeschines sagt von Kallias συναγείρας ἐξ ἁπάσης τῆς 
Εὐβοίας στρατόπεδον καὶ παρὰ Φιλίππου δύναμιν προσμεταπεμψάμενος, 
beides sicherlich mit Unwahrheit: denn während jenes Heer sich sam- 
melte, hielt Chalkis noch gute Freundscha't mit Athen (vgl. 5. 75, 2); 
und diese hatte an Kallias einen Vertreter. Kleitarchos wurde später, 
nachdem die eretrische Volksgemeinde auf seinen Betrieb athenische 
Gesandte abgewiesen hatte, durch makedonische Söldner Herr von 
Eretria; s. Buch IV, 5. Ob aber ein solcher Zuzug schon Ol. 107, 
2 erfolgte, ist sehr die Frage; denn nach Dem. Phil. 3, 57£. 
S. 125, 18 begann die bewaffnete Einmischung Philipps auf Euboea 
erst nachdem Plutarchos und seine Söldner die Insel geräumt und eine 
Zeit lang zu Eretria Demokratie bestanden hatte, und zwar nach De- 
mosthenes vdG. 83 S. 367, 10. 87 S. 368, 24. 204 S. 404, 27 erst nach 
Ende des phokischen Krieges Ol. 108, 2.346. Indessen ist es wahrschein- 
lich dafs auch die Chalkidier aus Unwillen über die Verbindung der 
Athener mit dem Tyrannen zu den Watfen gegriffen haben (vgl. Schol. 
zur R. w. Meid. 110 5. 550, 26 ὑποπτεύσαντες οὖν οἵ Εὐβοιεῖς ἐπὶ 
καταδουλώσει τῆς νήσου βεβοηϑηκέναι καὶ οὐ διὰ τὴν ἐξ ἀρχῆς φιλίαν, 
ἀπέστησαν), und es kann sein, dafs, wie Aeschines angibt, Taurosthe- 
nes phokische Söldner nach Chalkis herüber geholt hat. Vgl. Dem. 
vKr. 95 8. 257, 22 τὰς βλασφημίας ἃς κατὰ τῶν Εὐβοέων — ἐποιήσατο, 
ei τι δυσχερὲς αὐτοῖς ἐπέπρακτο πρὸς ὑμᾶς, ὑπομιμνήσκων. Ol. 108, 2 
war, wie Aeschines versichert (2, 120 S. 44), Kleochares von Chalkis in 
Sorge, seine Stadt und Euboea überhaupt möge von Philipp den Athe- 
nern überlassen werden. 


Phokions Sieg bei Tamynae. 77 


ren!. Auf die Nachricht von dieser Bedrängnifs wurde im Rathe 
beschlossen ein drittes Mal freiwillige Trierarchen aufzurufen — 
und auf der Stelle schenkten mehrere begüterte Athener dem Staate 
Trieren —, ferner mit dem ganzen übrigen Aufgebote, namentlich auch 
mit dem Reste der Reiterei ins Feld zu rücken ?; endlich, auf einen von 
Apollodor, dem Sohne des Wechslers Pasion, gestellten Antrag, so lange 
der Krieg dauere die Theatergelder zur Kriegskasse zu schlagen °. 
In der nächsten Volksversammlung wurden weitere freie Gaben ange- 
meldet und Apollodors Antrag auch von der Bürgerschaft genehmigt. 
Im Laufe der Sitzung aber giengen vom Heere bessere Nachrichten 
ein, auf welche hin man zwar dabei verharrte die Schille auszurü- 
sten (sie mochten namentlich dazu dienen sollen Zuzüge nach Eu- 
boea abzuschneiden), aber von einer Verstärkung der Mannschaft 
und derReiterei ward vorläufig abgesehen *; demnächst wurde auch 
der Beschlufs über die Theatergelder von Stephanos als gesetzwi- 
drig angefochten und somit suspendiert °. Phokion hatte sich näm- 
lich durch ein Treffen bei Tamynae Luft gemacht. Schon waren 
von den anrückenden Feinden Plutarchos und seine Söldner gewor- 
fen, die Reiterei aus einander gesprengt, da brach Phokion mit einer 
erlesenen Abtheilung des athenischen Fufsvolks hervor und erfocht 
nach einem hitzigen Handgemenge unter kräftiger Mitwirkung der 
sich wieder sammelnden Reiter einen vollständigen Sieg ®. Diese 
Botschaft wurde durch abgeordnete des Heeres, unter ihnen Aeschi- 


1) Dem. w. Meid. 162 5. 567, 1 πολιορκεῖσϑαι τοὺς ἐν Ταμύναις 
στρατιώτας ἐξηγγέλλετο. Die Stellung Phokions beschreibt Plut. Ph. 12. 
Man kann sie nicht schärfer tadeln als Aeschines (dem jede Absicht 
einen Tadel gegen Phokion auszusprechen fern lag) 3, 86 S. 66 in den 
Worten gethan hat: — τὸ στρατόπεδον τὸ τῆς πόλεως εἴς τινας Övoyw- 
ρίας κατακεχλειμένον, ὅϑεν μὴ νικήσασι μάχην οὐκ ἣν ἀναχώρησις οὐδὲ 
βοηϑείας ἐλπὶς οὔτ᾽ ἐκ γῆς οὔτ᾽ ἐκ ϑαλάττης. 

2) Dem. w. Meid. 1618, S. 566ff. Böckh Sth. a. a. O. 

3) Apollod. w. Neaer. 3f. S. 1346. Der Antrag ward gestellt wel- 
λόντων στρατεύεσϑαι ὑμῶν πανδημεὶ εἴς τε Εὔβοιαν καὶ Ὄλυνθον; 
aber nicht bei dem ersten Aufgebote, sondern während das Heer im Felde 
war: es stand zu befürchten dafs alles verloren gehe di’ ἀπορίαν yon- 
μάτων καταλυϑέντος τοῦ στρατοπέδου. 

4) Dem. a. a. O. 163 S. 567, 10. 

5) Apollod. a. a. O. 5 S. 1347. 

6) Plut. Phok. 13. Aesch. 3, 88 S. 66. 


75 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


nes, nach Athen überbracht ' und die Volksgemeinde glaubte 
damit jede Gefahr abgewendet. Indessen berief Phokion spä- 
terhin (nach den Dionysien) die Reiterabtheilung, welche bei 
Argura gestanden hatte und nach Athen zurückgekehrt war, 
zur Ablösung von neuem nach Euboea*’: denn der Feldzug 
zog sich in die Länge und es schien nothwendig ein Corps 
in fester Stellung auf der Insel zu belassen. Plutarchos sel- 
ber hatte sich so zweideutig benommen, dafs Phokion es aufgab für 
seine Machthaberschaft weiter einzustehen?; die Söldner aber, 
welche theils in seinen theils in athenischen Dienst genommen wa- 
ren, blieben beisammen und Plutarchos in ihrer Mitte. Als Stütz- 
punet für die kleine Schaar Athener, welche unter Anführung des 
Feldherrn Molottos zurückbleiben sollte, nalım Phokion die eretri- 
sche Feste Zaretra, an der schmalsten Stelle der Insel gelegen: 
(dann kehrte er gegen Ablauf des Jahres (Sommer 350) mit dem 
athenischen Heere und der ganzen Flotte von Styra aus nach Athen 
zurück‘. Aber jene zurückgebliebene Abtheilung war ein verlore- 
ner Posten. Denn Plutarchos fand sich mit seinen Gegnern ab und 


1) Aesch. 2, 169—171 S. 50f. 

2) Dem. a. a. O. 164 8. 567,17 6 στρατηγὸς Φωκίων μετεπέμπετο 
τοὺς ἐξ ’Agyovoug ἵππέας εἰς τὴν διαδοχήν, an die Stelle derer welche 
bei Tamynae mitgefochten hatten. Wie lange nach den Dionysien 
(163 Z. 15) wissen wir nicht. 

3) Plut. a. O. ἐκ τούτου τόν τε Πλούταρχον ἐξέβαλεν ἐκ τῆς Ἔρε- 
τρίας begreife ich nicht; denn Plutarch nebst seinen Söldnern war bei dem 
athenischen Heere: man kann vermuthen, dafs er durch die vereinigten 
Euboeer aus Eretria vertrieben war. Ich halte einen Irrthum des Schrift- 
stellers für wahrscheinlich ohne darum, wie man vorgeschlagen hat, 
Πλούταρχον in Κλείταρχον ändern zu wollen, habe aber im Texte mich 
an seine Worte anzuschliefsen versucht. Zu den folgenden Worten 
καὶ Ζάρητρα — ἕλὼν — ὅσους ἔλαβεν αἰχμαλώτους Ἕλληνας ἀφῆκεν 
vgl. Aeschin. 3, 88 8. 66 μάχῃ κρατήσαντες ἀφεῖσαν ὑποσπόνδους 
τοὺς πολεμίους. Den später erfolgten Friedenschlufs erwähnt Aeschi- 
nes in den nächsten Worten noch besonders. 

4) Plut.a.0.13f. Dem. a. 0.167 8.568,14. gBoeot. v. Nam. 16—18S. 
999, 6; die letztere Stelle lehrt, dafs das Heer nicht zu lange nach den 
Dionysien heimkehrte. Nach Plutarch löste Molottos Phokion ab; nach 
Pausanias (1, 36, 4), der sein Grab an der eleusinischen Strafse sah, 
gieng er als College Phokions mit dem Heere nach Euboea hinüber. 
Wie dem auch sei, seine Capitulation kann erst in das neue Jahr (Ol. 
107, 3) fallen. 


Ausgang des euboeischen Krieges. 79 


verwies die unbezahlten Soldtruppen glarauf sich an die Athener zu 
halten. Das geschah: die athenische Besatzung samt ihrem Feld- 
herrn wurde zu gefangenen gemacht und nicht eher freigelassen 
als bis die Athener sie mit funfzig Talenten loskauften; dann 
räumte Plutarchos mit seinen Söldnern die Insel. So endete der 
euboeische Feldzug mit Schimpf und Schande'. Denn die Athener 
machten keinen Versuch die Scharte auszuwetzen: waren doch ihre 
Finanzen so erschöpft, dafs ein Gerichtsstillstand eintrat weil die 
Auslösung für die Richter nieht zu beschaffen war?. Später gab es 
als Nachwehen des Kriegs Processe auf Processe, zum Theil chika- 
nöse Klagen wegen versäumter Dienstpflicht ?, zum Theil aber nur 
zu wohl begründete gegen Beamte des Staates wegen begangener 
Unterschleife: die Commission welche bestellt war um über die 
Vollzähligkeit der eretrischen Soldtruppen CGontrole zu führen, hatte 
sich bestechen lassen und ihre Mitglieder wurden mit einer Geld- 
strafe von je einem Talente belegt; Timarchos der seine Schuld 
ollfen eingestanden kam mit der Hälfte davon*. Die Bestechung 
und den Unterschleif mochte man Plutarchos beimessen, doch hat- 
ten auch Athener Theil daran: einer der Feldherrn, des Eubulos 
eigener Neffe Hegesilaos, wurde als mitschuldig an der Betrügerei 
vor Gericht gestellt und verurteilt, ohne dafs Eubulos sich seiner 
annehmen mochte: erst bei der Strafbestimmung bat dieser die 
Richter um Nachsicht, nicht dem verurtheilten, sondern ihm selber 
zu Liebe®. Denn das persönliche Ansehen dieses Staatsmanns 
blieb unerschüttert: Apollodor verfiel in hohe Bufse weil er die 


1) Dem. vFr. 5 8.58, 9 m. d. Scholien. wMeid. 110 5, 550, 29 
m. d. Schol. Phil. 3, 57 S. 125, 18. Plut. a. O. 14. 

2) Dem. gBoeot, a. Ὁ. Vgl. vFr. a. O. πόλεμον ἄδοξον καὶ δα- 
πανηρόν. 

3) Über eine solche Klage gegen Demosthenes s. u., gegen Boeo- 
tos s. Dem. Rede a. O. 

4) Aesch. 1, 113 S. 16, vgl. 2, 177 S. 52. Böhnecke F. I, 17, 2 
bemerkt mit Recht, dafs der Vorgang auf diesen und nicht den frühe- 
ren euboeischen Feldzug sich beziehe werde schon dadurch wahrschein- 
lich, dafs als gleich nachfolgender Vorgang (1, 114 εὐϑυύς) die Bürger- 
prüfung von Ol. 108, 3 aufgeführt wird. Über die ἐξετασταί 5. Böckh 
Sth. 1,.403s. 

5) Dem. vdGes. 290 8. 434, 14 m. ἃ. Schol.: οὗτος εἰς Εὔβοιαν 
ἐπεστρατήγησεν" — ἐκρίϑη δὲ ὡς συνεξαπατήσας to Πλουτάρχῳω τὸν 
δῆμον, Vgl. Buch I, 4. Böckh Sth. 1, 734. 


80 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


Theatergelder angegriffen und auf fernere Anträge der Art wurde 
Todesstrafe gesetzt '. Unter solchen Umständen war an einen 
neuen Feldzug nicht zu denken: Euboea blieb auf Jahre hinaus 
für Athen verloren. Die wiederhergestellte Demokratie versuchte 
es für sich selber zu bestehen und durch ein Bündnifs mit Philipp 
einen festen Rückhalt zu gewinnen, ohne zu ahnen, dafs auf diesem 
Wege ihrer Gemeinfreiheit ein rascher Untergang bevorstehe ?. Ein 
’riede mit Athen kam erst nach ein paar Jahren zu Stande: kurz 
vor der 108 Olympiade (348) verhandelten euboeische Gesandte 
darüber mit den Athenern und hatten auch von Philipp Aufträge 
auszurichten ®. Später träumten die Athener davon der König 
werde ihnen die Insel in die Hände liefern, deren sie selber nicht 
hatten mächtig werden können ®. 

Während eben dieses euboeischen Feldzuges war Demosthenes 
an den Dionysien zu Athen von Meidias öffentlich mishandelt worden, 
eine That persönlicher Gereiztheit und des Parteihasses, welche mit 
den ferneren Verwickelungen die sich daran knüpften die traurigste 
und widerwärtigste Episode in dem Leben des Demosthenes bildet. 

Die Brüder Thrasylochos und Meidias von Anagyrus ’, Söhne 
des Kephisodoros °, waren aus einem vornehmen Hause entspros- 
sen ἴ und gehörten schon durch ihr väterliches Erbe zu den reich- 


1) S. Buch I, 4. 

2) S. Buch IV, 5. Dem. Phil. 3, 12 5. 113, 26. 58 8. 125, 25 ὃ ovu- 
μαχος καὶ φίλος αὐτοῖς. 

3) Aesch. 2, 12 5. 29. Den Abschlufs des Friedens erwähnt 
Acschines 3, 88 8. 66 ἀλλ᾽ ὁμῶς ὑμεῖς τοιαῦτα πεπονϑότες πάλιν 
διελύσασϑε πρὸς αὐτούς. Er erfolgte vor den Unterhandlungen 
mit Philipp, denn die athenischen Gesandten nahmen ihren Weg nach 
Makedonien über Euboea. 

4) 8. Buch IV, 1. Über die fortdauernde Entfremdung der Eu- 
boeer von Athen vgl. Dem. vdG. 75 5, 364, 24 τοὺς καταράτους Ev- 
βοέας τουτουσί. vKr. 234 8. 305, 19. 

5) Dem. wMeid. 78 8. 539, 27. 29, vgl. νυ. Aphob. 2, 17 8. 841, ὃ. 
wMeid. 200 8. 579, 2 (vgl. 68 5. 536, 21). Zu dem folgenden über- 
haupt s. KFHermann disput. de Midia Anagyrasio 1851. 

6) Die Stellen aus den Seeurkunden 5. Böckh Seewesen 8. 399 Ὁ, 
243. Ein älterer Meidias (Grofsvater?) b. Aristoph. Vögel 1297. 

7) Dem. wMeid. 149f. S. 562, 29f. läfst Meidias, das Kind eines 
fremden Weibes, von seiner Mutter untergeschoben sein: offenbar nur, 
wie der Scholiast richtig gefühlt hat, weil auf sein Geschlecht sonst 
kein Makel zu bringen war. 


Meidias. 51 


sten Männern in Athen '. Insbesondere wird der Silberbergwerke, 
der Heerden, der Weingärten des Meidias — denn von seinem 
Bruder ist weniger die Rede — Erwähnung gethan?. Sein grolses 
Vermögen verwendete er zu einer Entfaltung von Pracht und Luxus, 
die über das Mafs bürgerlicher Verhältnisse weit hinausgieng. Sein 
Haus zu Athen genügte ihm nicht, er führte zu Eleusis einen palast- 
ähnlichen Bau auf: zu den Mysterien und bei andern Gelegenhei- 
ten fuhr seine Frau mit einem prächtigen weilsen Gespanne, das 
Meidias aus Sikyon hatte kommen lassen ἦ: er selbst ritt wohl nach 
Weiberart auf einem silberbeschlagenen Lehnsattel der in Eu- 
boea gearbeitet war. Und so war es in allen Stücken; eine 
zahlreiche Dienerschaft, glänzende Gewänder, kostbare Pokale 
und Gefälse trug er zur Schau um durch solehes Prunken vor 
den Augen der Menge zu glänzen. Denn den Neid forderte er 
heraus, sein stolzes hochfahrendes Wesen gab bei seinen Genossen 
wie bei fern stehenden Anstofs °; aber seine Befreundung mit Eu- 
bulos verschaflte ihm an der herrschenden Partei einen mächtigen 
Rückhalt”, und er versäumte nicht durch ansehnliche Beisteuern 
für öffentliche Zwecke das Volk zu blenden und zu beschwichti- 
gen®. Demzufolge wurde er auch zu mancherlei Ehrenämtern er- 
wählt ?, welche Veranlassung boten durch gelegentliche eigne Zu- 


1) Meidias hatte keine Vormundschaft zu ertragen gehabt wie De- 
mosthenes, sondern das väterliche Vermögen unverkürzt überkommen: 
157 8. 565, 19 οὐδὲν τῶν πατρῴων ἀποστερηϑεὶς ὑπ᾽ οὐδενός, ἀλλὰ 
παρὰ τοῦ πατρὸς πολλὴν οὐσίαν παραλαβών. Von seinem Reichthum 
ist die Rede voll. 

2) 167 S. 568, 16. KFHermann a. O. 5. 4f. Über Thrasylochos 
vgl. u. 8. 83, 2. 

3) 158f. S. 565, 24f. ἵ 

4) 133 8. 558, 16 ἐπ᾽ ἀστράβης --- ὀχούμενος ἀργυρᾶς τῆς ἐξ Εὐ- 
βοίας mit den Scholien und Helladios bei Photios Bibl. 279 8. 533° 34. 

5) A. a. 0, u. 158f. S. 565, 27f. 195 S. 577, 20. 

6) Τὴν μὲν ἀσέλγειαν — καὶ τὴν ὕβριν, 7 πρὸς ἅπαντας ἀεὶ χρῆ- 
ται Μειδίας οὐδένα --- ἀγνοεῖν οἷμαι beginnt Demosthenes, und in glei- 
cher Weise wird M. durch die ganze Rede geschildert: s. namentlich 
88 S. 548, 3. 2 S. 515, 10. 19 S. 521, 6. 238. 5. 6228. 137 S. 559, 16. 
195ff. S. 577, 15ft. 

7) 205. 5. 580, 11. 

8) 151 — 169 8. 563, 25 — 569, 13. Vgl. 210 8. 582, 4. 225 8. 
586, 12. 

9) 1718. 5. 569, 275. 

DEMOSTHENES I. Ὀ 


52 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


schüsse sich Dank zu verdienen. Seit Perianders Gesetz über die 
Trierarchien in Kraft getreten war (01.105, °/,. 357), gehörte Mei- 
dias zu einer trierarchischen Symmorie '; schon das Jahr zuvor war 
er als Schatzmeister der Triere Paralos zu dem ersten euboeischen 
Feldzuge ausgesendet worden ?. In den Symmorien der Vermö- 
senssteuer hatte er unter den höchstbesteuerten Steuervorschuls 
zu leisten ?. Er gehörte zu den Rittern * und ist auch Reiteroberst 
gewesen ’; er hat an den Dionysien einen tragischen Chor ge- 
stellt °; endlich wurde er zu verschiedenen priesterlichen Ehren- 
ämtern erwählt, zum Aufseher der Mysterien, zum Opferbesteller, 
zum Stiereinkäufer u. a. m.’: Grund genug sich vor den Leuten 
zu brüsten und auf die grofsen Leistungen welche er auf sich ge- 
nommen zu pochen. Zu dem allen hatte er noch in dem letzten 
euboeischen Kriege eine Triere dem Staate geschenkt *®. 

Freilich stellt Demosthenes den Belauf dieses Aufwandes für 
öffentliche Leistungen als gering dar im Verhältnisse zu dem Ver- 
‚mögen seines Gegners, ja er versichert, dieser ein hoher vierziger 
habe nicht mehr Liturgien getragen als er der erst in den dreifsi- 
ger Jahren stand ὃ. Das ist sicherlich kein leeres Rühmen: es ist 
keine Frage dafs Demosthenes bereitwillig für öffentliche Zwecke 
beigesteuert hat, und bei Meidias mag vieles auf den blofsen Schein 
berechnet gewesen sein; überdies drückten ihn die Staatslasten 
nicht. Es ist eine gewifs nicht unbegründete Klage, dafs zu jener 


1) 155 5. 564, 24. 

2) 174 5. 570, 22. Vel. Buch I, 3. 

3) 153 8. 564, 8; vel. 203 5. 579, 27. 

4) 132—134 S. 558. 162 5. 567, 3. 

5) Vielleicht aufserdem noch Stratee 148 S. 562, 25. Als Hipparch 
bei Festaufzügen 171. 172 S. 570, 5. 12. 174 5. 571, 3. Mit Bezug auf 
diese Bestallung, die in ein früheres Jahr fällt, sagt Demosthenes 164 
S. 567, 21 ὧν ἱππαρχεῖν ἠξίωσε παρ᾽ ὑμὶν ἱππέων, τούτοις οὐ συν- 
εξηλϑεν und 166 8. 568, 3 ὃ ἔππαρχος Πῆειδίας. Die Scholien a. a. O., 
zu 132 S. 558, 6 u. a. St. machen ihn darauf hin zu einem der beiden 
Reiterobersten im Jahre des enboeischen Feldzuges: das richtige Verhält- 
nils hat KFHermann a. a. O. 8. Of. meiner Ansicht nach überzeugend 
dargethan. 

6) 15633: 563, 5: 

7) 171 8. 570, 6. Böckh Sth. I, 302f. KFHermann A. T, 150, 1. 

5) 1604, S. 566, I1f. 

9) 153 8. S. 5048 


Meidias. 59 


Zeit die reichen Athener oft mit geringem Aufwande sich losmach- 
ten, wo die mälsig begüterten schwer zu tragen hatten; namentlich 
war dies der Fall bei den trierarchischen Symmorien '. Dennoch 
sind im einzelnen die Angaben des Redners gewils mit grofser Vor- 
sicht aufzunehmen. So wenn Demosthenes behauptet, Meidias habe 
vor Einführung der trierarchischen Symmorien (O1. 105, ὅλ. 357) 
keine einzige Trierarchie geleistet, in einem Alter in welchem er 
selbst längst dazu herangezogen war. Dies ist um so unbegreifli- 
cher, da der andere Bruder Thrasylochos Ol. 104, 1. 364 wenig- 
stens zum Trierarchen bestellt war ? und Ol. 104, 4. 361 unter 
Timomachos auch wirklich eine Trierarchie übernommen hatte ὅς 
und ich weils keine andere Erklärung dafür, als dafs Thrasylochos 
anfangs solche Leistungen aus dem noch ungetheilten Gesamtver- 
mögen bestritten habe *. Es kommt hinzu, dafs wie erwähnt ἢ Mei- 
dias bereits vor jenem Zeitpunet, Ol. 105, 3. 358, zum Schatzmei- 
ster der Triere Paralos erwählt wurde, ein Amt das mit der Trier- 


1) S. Buch II, 6. Vgl. auch das nächste Capitel. 

2) S. Buch II, 1. 

3) 5. die Abhandlung üb. ἃ. Reden in Sachen Apollodors Beilage V. 

4) Vgl. über die κοινωνικά oben Buch I, 6. Ein Beispiel von 
Trierarchien die aus dem Gesamterbe bestritten wurden, scheint mir 
bei den Söhnen Pasions vorzuliegen: s. Beilage V. Ich halte Thrasy- 
lochos für den älteren Bruder, weil er so viel früher Trierarch gewe- 
sen ist. Zwar erscheint uns Meidias als der bedeutendere und reichere, 
wenigstens ist von seinem Bruder fernerhin nicht viel die Rede. Indessen 
möchte ich auf das Verhältnifs ihres Vermögens nicht, wie KFlHer- 
mann a. a. 0. 8.4, 13f. gethan hat, aus den Seeurkunden einen Schluls 
ziehen. In diesen wird aus der Zeit, wo das trierarchische Gesetz des 
Demosthenes galt, XIV4 32 (vgl. XVI 99) einer Syntrierarchie des 
Thrasylochos und XIV“ 49 (129. XVl@ 110. 144. 185) einer Trierarchie 
des Meidias gedacht. Aber da nach dem demosthenischen Gesetze je- 
der nach dem Mafs seines Vermögens belastet wurde, so dals mancher 
zu gleicher Zeit für zwei Schiffe Trierarchie zu leisten hatte (vKr. 104 
5. 261, 1), so konnte Thrasylochos gar wohl für jene Syntrierarchie 
noch neben einer vollen Trierarchie aufkommen müssen. Dafls Meidias 
so spät erst Trierarchie leistete erklärt derselbe Gelehrte a. a. Ὁ, 8. 9 
sehr ansprechend damit dafs bis dahin sein Vater noch gelebt habe. 
Nur ist es unbegreiflich, wie Demosthenes in diesem Falle dem Meidias 
ein Pflichtversäumnifs vorrücken konnte, ganz davon abgesehen dafs 
sein Bruder so viel früher schon als selbständig erscheint. 

5) 8. 82. 

θ᾽ 


54 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


archie mancherlei Obliegenheiten theilte ' und sicherlich nieman- 
den zufiel, der nicht bereits durch öffentliche Leistungen dem Volke 
eine Bürgschaft bot. Demosthenes erhebt hiebei den Vorwurf, 
Meidias habe mit jenem Staatsschiffe eine kyzikenische Prise im 
Werthe von fünf Talenten aufgebracht und sich der Herausgabe 
derselben widerrechtlich hinterzogen, eine Sache über welche Athen 
und Kyzikos in Feindschaft geriethen. Ferner sei Meidias mit den Ὁ 
ihm von Staatswegen zur Verwendung anvertrauten zwölf Talenten 
beim Heere erst eingetrolfen als der Vertrag mit den Thebanern 
abgeschlossen war: und er habe die heilige Triere so schlecht 
in Stand gesetzt, dafs er. von der Ruderkraft »eines mit Privat- 
mitteln ausgerüsteten Schiffes überholt wurde *. Nicht mehr 
Gnade finden seine übrigen Leistungen: als Reiteroberst setzte er 
nicht einmal so viel daran sich ein Pferd zu kaufen, sondern führte 
auf einem geborgten Pferde die Festzüge an, selbst da ein unge- 
schickter Reiter, geschweige im Felde ?. Choreg wurde er erst, 
als ihm Vermögenstausch angesonnen war ‘; in den Symmorien 
der Vermögensteuer ist er niemals Vorstand gewesen, ein Posten 
der Demosthenes als Waise zehn Jahre lang aufgebürdet blieb ἢ. 
Endlich hat Meidias das erste und das zweite Mal sich nicht zu 
einer freiwilligen Trierarchie erboten: erst das dritte Mal hat er 
die Triere geschenkt mit der er sich so viel zu gute thut. Demo- 


I) Dafs die Schatzmeister der Paralos wie anderer heiliger Trieren 
nicht im Auftrage des Staats die Trierarchie selber versahen (wie die 
Scholien zu 171 8.570,3 angeben; vgl.Pollux 8, 116) hat Böckh nachge- 
wiesen (Seew. 8. 168ff. vgl. Sth. I, 706f.). Aber sie hatten die Aus- 
rüstung des Schiffes und die Ergänzung der Mannschaft (der freien Pa- 
raliten) zu besorgen: sonst hätte Demosthenes nicht wohl Meidias für 
die‘langsame Fahrt und mangelhafte Ausrüstung der Paralos verant- 
wortlich machen können. Über die Wahl dieser Schatzmeister vgl. 
Phot. Lex. u. Suid. u. ταμίαι. (nach Aristoteles, 5. Bournot im Philol. 
IV, 277). 

2) 173 S. 570, 14; die Scholien beziehen den Vorfall auf die Zei- 
ten des Bundesgenossenkriegs. Übrigens hören wir von Feindseligkeit 
der Kyzikener schon Ol. 104, 3. 362. Apollod. gPolykl. 5 S. 1207, 27. 
Über Trieren im Besitze von Privatleuten (ἰδιωτικαὶ τριήρεις) vgl. 
Böckh Sth. 1, 712. 

9) 1755. 571. 1. 171 8. 570. 5. 

4) 156 8. 565, 8. 

9) 157 S. 565, 18. Vgl. Buch II, 1. 


Meidias. 50 


sthenes nimmt keine Rücksicht darauf, dafs es sieh hier um ein 
Unternehmen handelte, welches Meidias besonders nahe lag, dessen 
hauptsächlicher Urheber er war; seiner Rede zufolge schenkte 
Meidias die Triere blofs um nicht mit der Reiterei vor den Feind 
zu müssen, Sobald der Ausmarsch unterblieb, liefs Meidias statt 
seiner einen Metöken, den Ägypter Pamphilos, das Schill besteigen. 
Als dann später die Reiterei doch noch ins Feld gerufen wurde, 
eilte Meidias als Trierarch persönlich sein Schiff zu führen; aber 
bei der Rückfahrt des Heeres war er allein wieder nicht zur Stelle: 
statt dessen nahm er eine Warenladung für seine Landgüter und 
Bergwerke ein ἡ. 

Wie viel wahres nun auch in diesen Anklagen des Demosthe- 
nes sein mag (denn dafs es Meidias vor allem auf das grofsthun an- 
gelegt hatte, halten wir aufser Zweifel), die Athener sahen in ihm 
einen vornehmen, vielvermögenden Mann; sie liefsen sich seinen 
Übermuth, sein anmafsendes Wesen gefallen und hörten seine hof- 
färtigen Reden an’. Was Wunder dafs Meidias sich einbildete 
vermöge seines Reichthums und als einer von der herrschenden 
Partei sich jede Ungebühr wider einen politischen Gegner, den er 
persönlich hafste, herausnehmen zu können ®. Das sollte Demo- 
sthenes erfahren. 

Der Ursprung dieser Feindschaft * reicht in die Zeiten zurück 
da Demosthenes mit seinen Vormündern im Processe lag: vorher 
waren sie weder im guten noch im bösen je einander nahe gekom- 


1) 160— 167 5. 566, 11 — 568, 21. Darauf geht auch 110 S. 550, 
24 τρεῖς αὐτὸς τάξεις λελοιπῶς. Die erste ist der Posten in der Rei- 
terei (N ἐκ τῶν νόμων τάξις 166 S. 568,4), dem er sich durch die frei- 
willige Trierarchie entzog; die zweite die Trierarchie, in der er sich an- 
fangs durch einen Schutzbürger vertreten liefs, die dritte wiederum die 
Trierarchie, dals er nämlich mit seinem Schiffe aus Eigennutz dahin- 
ten blieb statt das Heer zu geleiten. S. das Scholion, das freilich eine 
Lücke hat und M. unrichtig als Hipparch bezeichnet. Mit dem Ausdruck 
vgl. Plut. Phok. 25 οὐκ αἰδῇ δύο τάξεις ἀπολελοιπώς, ἣν ἐτάχϑης ὑπὸ 
τοῦ στρατηγοῦ καὶ πάλιν ἐφ᾽ ἣν σεαυτὸν ἔταξας ; Die Ladung bezieht Plu- 
tarch. üb.d. Staatsleben des Greises 4 S. 785° irrthümlich auf die Paralos. 

2) 200#. 8. 578, 29f. u. a. St. 


3) 137—140 S. 559, 16f. Daher nennt Plutarch. Dem, 12 Meidias 
ἄνδρα καὶ πλούτῳ καὶ λόγῳ καὶ φίλοις εὖ πεφραγμένον. 


4) Ἵ78. 5. 580, 14M. 


80 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


men '. Das nähere ist oben erwähnt ?: Thrasylochos stellte im In- 
teresse der gerichtlich belangten Vormünder durch das Anerbieten 
des Vermögenstausches Demosthenes eine Falle, aus der dieser sich 
am Ende nur durch Übernahme der aufgedrungenen Trierarchie 
ziehen konnte (Ol. i04, 1. 364). Bei dieser Gelegenheit hatte 
Thrasylochos und mehr noch sein Bruder Meidias sich in Demo- 
sthenes Hause mit Thaten und Worten vor dessen Mutter und 
Schwester so ungebührlich benommen, dafs der gekränkte Jüng- 
ling späterhin deshalb gegen Meidias eine Klage wegen Lästerung 
erhob®. Die Sache kam zunächst vor einen öffentlichen Schieds- 
richter, Straton von Phaleron, einen armen und unbedeutenden, 
aber wie Demosthenes versichert, durchaus rechtschaffenen Mann. 
Nach beendigter Voruntersuchung erschien Meidias an dem zum 
Spruche anberaumten Tage nicht; deshalb entschied Straton in 
später Stunde in contumaciam gegen ihn, so dafs Meidias in die 
gesetzmälsige Bufse von 1000 Drachmen verfiel®. Erst als es dun- 
kel war, kam Meidias zu dem Sitzungsgebäude und traf die Archon- 
ten und Straton eben im fortgehen. Da drang er in Straton sein 
gefälltes Urteil zu verleugnen und zu erklären, er habe den be- 
klagten freigesprochen; die Archonten sollten das Protokoll umän- 


1) 78 8. 539, 23 μειρακύλλιον ὧν κομιδῇ καὶ τοῦτον οὐδ᾽ εἰ γέγο- 
vev εἰδὼς οὐδὲ γιγνώσκων. 

2) Buch JJ, 1. 

3) 81 8. 540, 21 δίκην δὲ τούτῳ λαχὼν ὕστερον τῆς κακηγορίας 
εἷλον ἐρήμην. οὐ γὰρ ἀπήντα. Das nähere 83H. S. 541, 12ff. Darü- 
ber dafs Straton öffentlicher Diaetet war s. Meier die Privatschieds- 
richter und die öffentl. Diaeteten zu Athen S. 23f. Westermann in d. 
Berichten d. Leipz. Akademie I, 447. 

4) 89 8. 543, 7 χιλίων ἡ δίκη μόνον nv δραχμῶν. 90 5. 543, 17 
ἀτίμητον — δέκα μνῶν δίκην. Auf Verbalinjurien stand die Strafe 
von fünfhundert Drachmen: s. Meier att. Process S. 482. Dafls hier 
ein doppelter Betrag als gesetzlich vorgesehenes Strafmafs erscheint 
erklären Hudtwalker Meier Hermann (symbolae ad doetrin, jur. Att. 
de injuriar. actionibus 5. 6,2) dahin dafs Demosthenes eine zwiefache 
Klage zu Ehrenrettung seiner Mutter und seiner Schwester erhoben 
habe. Aber nur von diner Klage ist die Rede: wir mülsten also an- 
nehmen, dafs die &ine Klage ein doppeltes Strafmafs nach sich ziehen 
konnte weil zwei Personen Schmähungen erduldet hatten. Westermann 
(qu. Dem. III, 19, 49) denkt an Klagen gegen Meidias und gegen sei- 
nen Bruder. War nicht eher auf Verbalinjurien gegen Frauen von 
vorn herein die doppelte Strafe gesetzt? 


Meidias und Demosthenes. 57 


dern. Meidias bot jedem fünfzig Drachmen: mit Unwillen zurück- 
gewiesen gieng er unter Drohungen und Schimpfreden davon '. 
Jetzt stand es ihm frei von dem schiedsrichterlichen Spruche die 
Sache an das Gericht zu bringen und in der That machte er eine 
Eingabe der Art, aber er beschwur sie nicht, so dafs sie wirkungs- 
los blieb?. Dagegen nahm Meidias an Straton Rache. Er wartete 
den letzten Tag der Amtsführung der jährigen Diaeteten ab, wo 
sie Rechenschaft abzulegen hatten: bei dieser Gelegenheit klagte 
er gegen Straton wegen verletzter Amtspflicht und setzte es durch, 
dafs er seiner bürgerlichen Ehren verlustig erklärt wurde °: aus dieser 
Atimie konnte der ärmste nicht wieder loskommen*. Inzwischen 
that Meidias, als sei der Spruch gegen ihn nicht rechtskräftig ge- 
worden oder mit der Verurtheilung des Diaeteten von selbst aufge- 
hoben: er bezahlte die Bulse an Demosthenes nicht, so dafs die- 
ser um zu seinem Gelde zu kommen, statt ein Pfand zu ergreifen, 
was ihm freigestanden hätte, zu einer neuen Klage wegen vorent- 
haltenen Besitzes (ἐξούλης) verschritt. Aber Meidias liefs so viele 
Chikane und Ausflüchte spielen, dafs es gar nicht zur gerichtlichen 
Verhandlung kam’: wie es scheint stand Demosthenes von der 
Verfolgung seines Rechtes ab ohne förmlich die Klage zurückzu- 
nehmen ®. 


1) ΘΑ τς 8. 541, 21£.; vgl. 96 S. 545, 29. 

2) 86 8. 542, 12 τὴν — δίαιταν ἀντιλαχὼν οὐκ ὥμοσεν, ἀλλ᾽ εἴασε 
nad” ἑαυτοῦ κυρίαν γενέσϑαι, καὶ ἀνώμοτος ἀπηνέχϑη. Darum war 
es so gut als hätte er nicht an das Gericht Berufung eingelegt: 90 Κ΄, 
543, 13 τὴν μὴ οὖσαν ἀντιλαχεῖν αὐτῷ ἐξῆν δήπου, καὶ πρὸς ἐμὲ τὸ 
πρᾶγμα καταστήσασϑαι —' ἀλλ᾽ οὐκ ἠβούλετο. Vgl. Hudtwalker über 
die Diäteten S. 114. 

3) 86f. S. 542, 15. Vgl. Meier üb. d. Diaeteten S. 16. Treffend 
bemerkt Westermann a. a. Ὁ. S. 455, dafs formell das Urteil gegen 
Straton unantastbar war und dafs es einer besonderen Vorladung nicht 
bedurfte. 

4) 92 S. 544, 2. 95—99 S. 545, 11 — 547, 1. 

5) 81 9. 540, 22. 89. 91 S. 543, 9. 25. 92 5. 544,4. Vgl. über 
die Klage 44 S. 528, 12 m. ἃ. Schol. Hudtwalker a. O. S. 139. Schö- 
mann att. Process 8. 748. Über die Frage, ob Stratons Entscheidung 
noch giltig blieb, vgl. Schol. zu 86 S. 542, 13. 

6) Westermann de litis instrumentis quae exstant in Dem. or. in 
Mid. comm. 8. 12. In dem eingeschobenen Zeugnisse 82 S. 541, 10 wird 
die Verzögerung auf acht Jahre angegeben, eine Zahl die mit der gan- 


58 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


Mittlerweile spielte die persönliche Feindseligkeit auf das po- 
litische Gebiet hinüber. Wir haben bemerkt! dafs Demosthenes 
von vorn herein den leitenden Staatsmännern behutsam gegenüber 
trat, aber mehr und mehr zu entschiedener Abwehr und zu schar- 
fem Angriffe sich gedrängt sah. Der Schlufs der ersten philippi- 
schen Rede zeigt uns die Spannung auf den höchsten Grad getrie- 
ben?; in der rhodischen Rede geiselt Demosthenes seine Gegner 
als Verräther des Vaterlandes; und als er dann der Unterstützung 
des Plutarchos sich widersetzte, wäre er von dessen Fürsprechern 
fast zerrissen worden’. Denn obgleich Demosthenes allein stand 
und keinen persönlichen Anhang hatte, so war doch seine Rede 
so mächtig und das Gewicht seiner Persönlichkeit so bedeutsam, 
dafs die Gegenpartei schon darum ihn hafste ὁ. Um so wider- 
wärtiger mufste es Meidias und seinen Genossen sein, dafs Demo- 
sthenes auf dem Wege war durch eine freiwillige Choregie sich 
Gunst und Ehre bei dem Volke zu erwerben. 

01. 107, 2 hatte die pandionische Phyle keinen Choregen ge- 
stellt: da trat Demosthenes für seinen Stamm freiwillig ein und 
übernahm die besonders kostspielige Liturgie an den grolsen Dio- 
nysien mit einem Männerchor von F lötenspielern aufzutreten. Das 
Loos wollte ihm wohl: er kam zuerst heraus und konnte sich den 
besten Flötenspieler wählen. Über sein Anerbieten und sein Glück 
hatte das Volk gejubelt; denn von dem Archonten in der Volksver- 
sammlung wurde das Geschäft vorgenommen: nur Meidias ärgerte 
sich und legte es das ganze Jahr über darauf an Demosthenes nicht 
den Preis gewinnen zu lassen. Darum bewarb er sich um das Amt 
eines Aufsehers der Dionysien: als der euboeische Feldzug ange- 
treten wurde wollte er die Choreuten des Demosthenes von ihrer 


zen Urkunde willkürlich ersonnen ist. Westermann a. a.0. u. Abhandl. 
d. Leipz. Akademie I, 78 Ὁ, 


1) Buch II, 7. 

2) S. ὁ. 8. 61; vgl. S. 70. 

3) VFr. 5 8. 58,6 πρῶτος καὶ μόνος παρελϑὼν ἀντεῖπον καὶ μόνον 
οὐ διεσπάσϑην ὑπὸ τῶν ἐπὶ μικροῖς λήμμασι πολλὰ καὶ μεγάλα ὑμᾶς 
ἁμαρτάνειν πεισάντων. 8. 0.8. 74. 

4) WMeid. 189f. 5. 575, 23f., zum Theil wörtlich dem Schlusse 
der 1. Philippika entsprechend. Vgl. 205 5. 580, 11. KFHermann de 
Dem. anno natali 5. 8, de Midia 5. df. 


Freiwillige Choregie des Demosthenes. 59 


Dienstpflicht nicht losgesprochen wissen '. Ja noch mehr: Meidias 
drang bei Nacht in das Haus des Goldarbeiters ein um die gold- 
durchwirkten Festgewänder und die goldenen Kränze, welche De- 
mosthenes als Schmuck seines Chores hatte machen lassen, zu ver- 
derben: aber vollständig erreichte er seine Absicht nicht ὃ. Damit 
noch nicht zufrieden bestach er den Chorlehrer, und Demosthenes 
hatte es seinem ersten Flötenspieler Dank zu wissen, dafs dieser 
jenen Lehrer fortjagte und sich selbst der Einübung der Leute 
unterzog: nur so wurde es ihm möglich einen wohlgeschulten Chor 
zu stellen *. Mittlerweile wurde der euboeische Feldzug angetre- 
ten: Demosthenes gieng als Hoplit mit dem Haupteorps hinüber *, 
Meidias mit der Reiterabtheilung nach Argura, letzterer, wie wir 
lesen, nichts weniger als kriegerisch gerüstet, mit so viel Bagage 
dafs die Zollpächter sie nicht passieren lassen wollten °. 

Wir haben oben gesehen dafs jenes Reitergeschwader, so weit 
es nicht nach Olynth bestimmt war, vor den Dionysien heimkehrte ®: 
so konnte Meidias bei diesem Feste seine Wuth an Demosthenes 
auslassen, denn seine Triere hat er erst später persönlich geführt”. 
Bald nachher kam Demosthenes zurück, seiner Liturgie halber vom 
leere entlassen ®, und führte bei der, Dionysosfeier seinen Chor 
auf. Aber jetzt setzte Meidias alles daran um schliefslich doch 
noch seinem Feinde das Spiel zu verderben: er bestach den Ar- 
chonten der der Festfeier präsidierte, die Richter welche die Preise 


1) 13—15 S. 518, 27f. Uber die αὐληταὶ ἄνδρες 5. 156 5. 565, 5. 
18 5. 520, 27. Vgl. das Ehrendecret L. 4. X Redn. S. 8518, Dafs die 
grolsen Dionysien gemeint sind, hat Böckh nachgewiesen Abh. ἃ. Berl. 
Akad. 1818—19 S. 018] 

2) 20:82 519, 27£..Vgl:;11 .8.,518,..13. 25f. 8. 522. 2371, 69 8. 
537, 1. 62f. 5. 534, 29f. 147 S. 562, 16. 

3) 17 S. 520, 6. 

4) S. 75. 

5) 133 S. 558, 15. 

6) S. 75, 5. 

7) 163 8. 567, 15 αὐτὸς δὲ μένων ἐνθάδε τοῖς «Πιονυσίοις διεπράτ- 
tero ταῦτ᾽ ἐφ᾽ οἷς νυνὶ κρίνεται. Vel. ο. 5. 85. 

8) Seiner Beurlaubung gedenkt Demosthenes nirgends ausdrücklich, 
aber sie ergibt sich aus der Sache selbst; vgl. 193 S. 577,3 
S. 75, 4. Dafs Demosthenes später als Meidias wiederkam lehrt 132 
S. 558, 7 ὡς ἐγὼ πυνϑάνοιαι von den Scenen in der Volksversamm- 
lung gleich nach Meidias Rückkehr. 


u. ὁ, 


9% Drittes Buch. Drittes Capitel. 


zu ertheilen hatten, und war an ihrer Seite als sie den Eid leiste- 
ten '; wie diese so hetzte er auch die andern Choregen gegen De- 
mosthenes auf: ja er versperrte und vernagelte den Eingang zur 
Bühne um so in das Auftreten des Chores eine Störung zu brin- 
gen”, und das alles unterstand er sich als Privatmann ohne bei 
der gegenwärtigen Festfeier irgend eine amtliche Verrichtung zu 
haben ®. Und zuletzt schritt er zum äufsersten: öffentlich vor 
aller Augen vergrifl er sich thätlich an der Person des festlich 
bekränzten Choregen: er schlug Demosthenes ἡ. Seine Absicht 
war erreicht: Demosthenes gewann für seine Phyle den Siegespreis 
nicht ° und hatte für seinen Aufwand statt wohlverdienter Ehre 
nur Ärger und Schimpf ®. 

Demosthenes hatte sich nicht zur Wehre gesetzt und nicht 
wieder geschlagen ?: er suchte für die erfahrene Mishandlung öffent- 
liche Genugthuung bei der Bürgerschaft und bei den Gerichten. Am 


1) 17£. 8. 520, 15. 5 8. 516, 2. 65 8. 535, 22. 

2) A: κὺς ὧν ih 

3) 17 8. 520, 19 ἰδιώτης ὧν (wo die Scholien faseln). 61 S. 534, 
13 Μειδίαν — ἰδιώτην ὄντα, μηδὲν ἀνηλωκότα. Meidias hatte es also 
nicht durchgesetzt mit der Besorgung der Dionysien beauftragt zu wer- 
den (15 8. 519, 16). 

4) 18. 5l4, 7 πληγὰς ὑπ᾽ αὐτοῦ λαβὼν τοῖς «“Ἰιονυσίοις. δῦ 8. 
532, 14 ἐν αὐτῷ τῷ ἀγῶνι καὶ ἐν τῷ τοῦ ϑεοῦ ἱερῷ (vgl. 84 5. 525, 5 
χορηγὸν ὄντα ὑμέτερον ἱερομηνίας οὔσης. 38 8.526, 20 καὶ γὰρ ἐχϑρὸς 
ἣν καὶ μεϑ ἡμέραν εἰδὼς ὕβριξε καλ.). 64 8.535,14 von einem andern οὔτε 
τύπτοντα οὔτε ἀφαρπάζοντα τὸν στέφανον οὔϑ'᾽ ὅλως προσιόνϑ'᾽ ὅποι 
μὴ προσῆκεν αὐτῷ, im Gegensatze zu Meidias. Die Hauptstelle ist 
70—76 8.537. (74 8. 538, 16 ἐγὼ δ᾽ ὑπ᾽ ἐχϑροῦ νήφοντος, ἕωθϑεν, 
ὕβρει καὶ οὐκ οἴνῳ τοῦτο ποιοῦντος, ἐναντίον πολλῶν καὶ ξένων καὶ 
πολιτῶν ὑβριζόμην, καὶ ταῦτ᾽ ἐν ἱερῷ. Vgl. 217 5. 584, 4). Vel. 6f. 
5. 516, 5. 17. 57 S. 532, 25. 61 S. 534, 15. 67 S. 580: 16. 219 S. 584, 
20. Aesch. 3, 52 8. 61 τὰ περὶ Μειδίαν καὶ τοὺς κονδύλους, οὖς ἔλα. 
βὲν ἐν τῇ ὀρχήστρᾳ χορηγὸς ὦν; vgl. 212, 5. 84. 

5) 5 8. 516, 2 τούς TE κριτὰς διαφϑείραντος τούτου καὶ διὰ τοῦτο 
τῆς φυλῆς ἀδίκως ἀφαιρεϑείσης τὸν τρίποδα κτλ. 18 8. 520, 29 τῇ 
φυλῇ δὲ κρατούσῃ τὸν ἀγῶνα αἰτιώτατος τοῦ μὴ νικῆσαι κατέστη 
66. 67 8.536, 4. 18 χωρὶς ὧν ὑβρέσϑην, καὶ τῆς νέκης προσαπεστερή- 
ὅην. Vgl. 81 5. 540, 29. 

6) Über den beträchtlichen Aufwand 5. 61 8. 584,4. 66—69 5. 536. 
156 S. 565, 6. Böckh Sth. 1, 600 ff. 


7) 70 8. 537, 6. 74 8. 538, 19. 76 8. 539, 5. 


Rechtsverfahren gegen Meidias. 91 


Tage nach den Dionysien, den 17 Elaphebolion, wurde regelmäfsig in 
dem Dionysostempel eine Volksversammlung gehalten. In dieser 
ward zuvörderst über die Festveranstaltungen des Archonten die 
Frage gestellt: dann die Verhandlung eröffnet über Vergehen und 
Gesetzwidrigkeiten die sich jemand in Betrelf des Festes hatte zu 
Schulden kommen lassen '. Mancherlei Fälle konnten dabei in Be- 
tracht kommen, denn die Athener waren eifrig darüber aus jede Störung 
von solchen Festen fern zu halten und niemanden die Freude daran zu 
verkümmern: war es doch ausdrücklich verpönt bei dieser Gelegenheit 
Hand an einen insolventen Schuldner zu legen, und jede Selbst- 
hilfe oder Ungebühr erschien hier doppelt straffällig *. Darum 
war es vorgesehen dafs der gekränkte auf frischer That vor der 
Bürgerschaft über einen solchen Fall Beschwerde führen konnte: 
gab diese ihm in der Abstimmung Recht, so war ihm damit eine 
Genugthuung ertheilt, und wenn er die Sache vor die Gerichte 
bringen wollte, so lag ein Vorurteil vor, welches in der Regel für 
den Richterspruch mafsgebend war ®. 

Diesen Rechtsweg also betrat Demosthenes: er erhob die Be- 
schwerde (zg0ßoAn), Meidias habe sich damit, dafs er ihn als 
Ghoregen an den Dionysien geschlagen und andere Ungebühr und 
Gewaltthätigkeit seine ganze Ghoregie über wider ihn verübt, in 
Betreff des Festes vergangen '. Das versammelte Volk war über 
den Frevel empört: als Meidias auf die Vorladung in das Theater 
eintrat, empfieng man ihn mit Gekrächze und Zischen ; Demosthe- 


1) Den Inhalt des Gesetzes καϑ' ὃν «fi προβολαὶ γίγνονται 5. Ὁ 
5. 517, 10 (m. d. Schol.) ποιεῖν τὴν ἐκκλησίαν ἐν Διονύσου μετὰ τὰ 
Πάνδια, ἐν δὲ ταύτῃ ἐπειδὰν χρηματίσωσιν οἵ πρόεδροι περὶ ὧν διώ- 
κηκὲν ὃ ἄρχων, χρηματίζειν καὶ περὶ ὧν ἄν τις ἠδικηκὼς ἢ περὶ τὴν 
ἑορτὴν ἢ παρανενομηκώς. Vgl. 11 5. 518, 7. Über den Tag jener 
Volksversammlung s. Aesch. 2, 61 δ, 36. KFHermann A. 2, 50, 5. 6. 
Daher Dem. wMeid. 16 5. 519, 26 παραχρῆμα. Vel. 26 8. 523, 6. Über 
die Geschäfte des Archonten vgl. 13 S. 518, 29f. 17 8. 520, ἰδ Schol. 
178f. S. 572, 11 Schol. Schol. zu 9 S. 517, 11. 

2) Ein Gesetz der Art 11 S. 518, 6. Beispiele 175—181 S. 571, 8 
— 573, 9. Schol. zu 10 S. 517, 18. 

3) 8. über die mooßoAn Schömann de com. Ath. 
im Philol. II, 593— 607. 

4) 18. 514, 6 προὐβαλόμην ἀδικεῖν τοῦτον περὶ τὴν ἑορτήν. 10 
S. 521, 1. 28 5. 523, 19. Den Ausdruck ‘Beschwerde’ hat Schömann 
gewählt. 


ἐφ 
ἐῷ 
1 


— 240 und 


92 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


nes dagegen mit ermunterndem Zuruf, und seine Beschwerde wurde 
mit Beifallklatschen aufgenommen ἢ. Diese begründete er nun in 
eingehender Darlegung ?: Meidias dagegen, unfähig das vorgefallene 
abzuleugnen, stellte die Sache als einen Privathandel dar und sprach 
überdies der Versammlung das Recht ab darüber zu urtheilen: denn 
sie repräsentiere die Bürgerschaft nicht, da diese im Felde liege; nur 
dienstpflichtige die ihren Posten nicht eingenommen oder die ihn 
verlassen, Choreuten, Fremde seien zusammengekommen. So er- 
eiferte er sich und blickte nach der Stelle wo die Lärmmacher stan- 
den, die nach dem Winke der Tonangeber zu klatschen oder aus- 
zupochen pflegten®. Als dies nicht verfieng legte er sich aufs Bitten ; 
er rief Eubulos zu seinem Fürsprecher auf: aber dieser vermied es 
klüglich der oflenkundigen Willensmeinung des Volkes entgegen- 
zutreten. Wohl aber drangen andere angesehene und reiche 
Trierarchen, wie Neoptolemos Mnesarchides Philippides, in Demo- 
sthenes die Beschwerde fallen zu lassen und in einem Privatpro- 
cesse Genugthuung zu suchen oder ineinen Vergleich zu willigen, und 
die Bürgerschaft baten sie ihnen zu Liebe über einen ihrer Standesge- 
nossen, der so manches Opfer gebracht (eben erst hatte er ja dem 
Staate die Triere geschenkt), um eines Ausbruches persönlicher 
Feindseligkeit willen keinen so harten Spruch zu fällen. Als ihre 
Worte vergeblich waren, trat endlich der Wechsler Blepaeos zu 
Demosthenes, hielt ihn am Gewande fest und bot ihm Geld wenn 
er abstehen wollte. Da erhob das versammelte Volk ein 'solch lär- 
mendes Geschrei, dafs Demosthenes sein Obergewand in der Hand 
des Wechslers liefs und sich von ihm losmachte*. Die darauf 


1) 226 8. 586, 15. 

2) 16 8. 519, 25 über die Gewänder: οὐδ᾽ ὧν ἐπεχείρησα ἔγωγε 
κατηγορεῖν αὐτοῦ νῦν, εἰ μὴ καὶ τότε ἐν τῷ δήμῳ παραχρῆμα ἐξή- 
λεγξα. Vgl. 226f. S. 586, 19—22. 

3) 193f. S. 577,1. 

4) 214—216 S. 583, 6; vgl. 2 5. 514, 12f. Über Eubulos 206 
S. 580, 23f.; vgl. Buch I, 4. Philippides (über den Böckh Seew. 8. 352 Ὁ, 
zu vergleichen ist) und Mnesarchides (der als Beisitzer des Archonten 
in der R. wT'heokr. 32 8. 1332, 14 vorkommt) erwähnt Demosthenes 
ehrenvoll auch 208 8. 581, 14 (περὶ ὧν οὐδὲν dv εἴποιμι πρὸς ὑμᾶς 
φλαῦρον ἐγώ" καὶ γὰρ ἂν μαινοίμην). Ob es derselbe Philippides war, 
den Hypereides anklagte (HSauppe OA, II, 301), ist ungewils. Über 
Neoptolemos, der für seine Zuschüsse bei der Leitung öffentlicher Ar- 


Rechtsverfahren gegen Meidias. 93 


vorgenommene Abstimmung, welche mit Handaufheben erfolgte, 
fiel einmüthig dahin aus, Meidias habe sich durch die an Demosthe- 
nes verübte Ungebühr in Betreff des Festes vergangen '. 

Mit der Entscheidung der Bürgerschaft hatte Demosthenes eine 
Ehrenerklärung erlangt: die ihm widerfahrene Mishandlung war 
nicht als eine Privatsache, sondern als eine Störung des öfllentlichen 
Anstandes und der Festfeier anerkannt. An dieser Rüge konnte er 
sich genügen lassen ohne Meidias förmlich vor Gericht zu belan- 
sen ?; aber wohlbegründete Bedenken hielten ihn von einem solchen 
Verfahren zurück. Es konnte als ein Zeichen von Misachtung der 
Bürgerschaft gelten, wenn der Kläger eine durch das gegebene Vor- 
urteil gebilligte Beschwerde nicht gerichtlich durchführte ὅς in 


beiten Ehren empfieng (Dem. vKr. 114 5. 264, 25), namentlich auf 
Antrag Lykurgs (L. der X Redner ὃ. 843:) 5. Böckh Seewesen 8. 2451. 
Die Motive habe ich aus 25 ff. Κ΄. 522, 25f. 29 S. 523, 26. 31 S. 524, 13. 
208 S. 581, 16 entnommen. Dafs wirklich die Verhandlung stattgefun- 
den (denn Jo.Bake hatte es unbegreiflicher Weise geleugnet) hat KFHer- 
mann quaest. de probole S. 3f. nachgewiesen. 

1) 28. 514, 9f. 6 S. 516, 6. 28 S. 523, 19. 120 S. 553, 27. 199. 
S. 578,22f. 217 5. 584,6. 227 5. 586,22. Die Formel ist ὁ δῆμος zars- 
χειροτόνησε Μειδίον ἀδικεῖν περὶ τὰ Διονύσια; vel. 175 ἢ΄. S. 571,9. 
15. 572,9.25. Über das Verfahren bei dieser Entscheidung durch Hand- 
aufheben, die von der Abstimmung der Richter (κατα- od. ἀποψηφί- 
ξεσϑαι) zu unterscheiden ist, s. Schol. Bav. zu 2 S. 515, 3. KFHer- 
mann a. a. OÖ. 3, 8. Es war damit der Thatbestand wie ihn Demo- 
sthenes vorgetragen hatte anerkannt, und D. kann mit Recht sagen 
216 5, 583, 25 κεχειροτόνηται — ὕβρις τὸ πρᾶγμα εἶναι. Aber der 
Redner greift über den Wortlaut und die Bedeutung der Entscheidung 
hinaus wenn er sagt 199 5. 578, 24 καταχειροτονηϑὲν αὐτοῦ, καὶ ταῦτ᾽ 
ἀσεβεῖν περὶ τὴν Eogrnv. 227 S. 587 τοῦ ϑεοῦ χάριν περὶ οὗ τὴν ἑορτὴν 
ἀσεβῶν οὗτος ἥλωκεν. Auch gab Demosthenes nach der Probole eine 
gerichtliche Klage nicht auf ἀσέβεια ein, sondern auf ὕβρις, aber er 
sucht zu beweisen, dafs Meidias Vergehen eigentlich ἀσέβεια sei: 51---ὸ 
S. 530, 18 — 532, 16, wo zu den ersten Worten die Scholien das rich- 
tige geben. Vgl. auch 147 S. 562, 15. Dagegen hat Libanios Einlei- 
tung 8. 509, 10 (womit ein fingiertes Redethema bei Apsines S. 471 W. 
zu vergleichen ist) irriges. S. KFHermann a. a. OÖ. S. 6—8. Ausan- 
dern Ursachen gibt Demosthenes Meidias Gottlosigkeit Schuld 130 S. 557, 
15. 104 S. 548, 11. 15. 114 S. 551, 26. 120 S. 553, 24. 


2) Vgl. Schömann im Philol. II, 602. 


3) 398. S. 526, 24f. 120 S. 553, 26f. 216 S. 583, 27. Aesch. 3, 
52 S. 61. 


94 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


solchem Falle schien es, er habe mehr einer augenblickliehen Auf- 
wallung seinen Erfolg zu danken als dem Gewichte seiner Rechts- 
gründe, welche vor einer ruhigen Prüfung nicht Stich hielten. 
Überdies hatte Meidias Demosthenes so unausgesetzt angefeindet 
und so schwer gekränkt, dafs dieser volle Genugthuung und Sicher- 
heit für die Zukunft nur in einer gerichtlichen Bestrafung seines 
Gegners finden konnte. In seinem Entschlusse bestärkt durch 
Aufmunterung anderer Bürger ' gab also Demosthenes auf Grund 
der Probole wider Meidias eine Schriftklage wegen Mishandlung bei 
den Thesmotheten ein: dem Gerichte lag es ob über die Statthaf- 
tigkeit der Klage zu erkennen und die Strafe zu bemessen, die ent- 
weder eine Leibesstrafe oder eine Bufse an den Staatsschatz sein 
konnte ἢ. 


VW 
er 
σι 
je 
σι 
w 


2) 25—28 3. 522, 23f. 32 S. 524, 18. Über das Gesetz auf Grund 
dessen Demosthenes klagte (ὁ τῆς ὕβρεως νόμος) 5. 45. 8. 528, 25, 
488. S. 5629, 281. Aesch, 1. 15. 17.5.5. her ee der 
γραφὴ ὕβρεως welche einen privaten Charakter zu tragen scheint s. 
Demosthenes a. Ὁ, 26 5. 522, 29 und dazu Böckh Sth. I, 4924, Es 
erscheinen hier jedoch die Begriffe verwirrt: wir erwarten ὧν δ᾽ εἰς 
τὸ σῶμα ὑβρίσϑαι φημί, αἰκίας, οὐ μὰ Ai οὐχὶ δημοσίᾳ κρίνειν αὐ- 
τὸν ὕβρεως καὶ τίμημα ἐπάγειν ὅ τι χρὴ παϑεῖν ἢ ἀποτῖσαι. Über 
den Unterschied der δέχκη αἰκίας und γραφὴ ὕβρεως 5. Dem. wKonon 
11. 8. 1256. gPantaen. 33 S. 976, 5—12. Ob Demosthenes auf den 
Tod oder auf eine hohe Geldbufse angetragen hatte (denn einen Straf- 
antrag hatte der Ankläger in dem öffentlichen Process zu stellen) ist 
nicht überliefert: in der Rede erklärt er die Todesstrafe für die dem 
Vergehen allein gemäfse 70 S. 937, 8. 12 S. 518, 22. 21 8. 521, 24. 
92 S. 544, 9. 102 S. 547, 23. 118 S. 553, 8. 130. 131 S. 557, 15. 26. 
201 5. 579, 9. 204 5. 580, 8 (vgl. 49 5. 530, 11. 127 8. 556, 13), und 
wenn Demosthenes von Gottlosigkeit spricht, will er auf dieselbe Strafe 
hinaus: vgl. auch die Beispiele aufserordentlicher Strenge 175 — 183 
S. 571, 7ff. Aber neben der äufsersten Verschärfung, die wir fast in 
allen öffentlichen Processen finden, wird auch die Angemessenheit einer 
hohen Geldbufse, am liebsten zum Betrage von Meidias ganzem Ver- 
mögen erörtert 152 8. 563, 28f. (vgl. 151 8. 563, 24). 98 8. 546, 15. 
100 8. 547, 1. 138 S. 559, 26. 211f. S. 582, 11. 18; und dafs De- 
mosthenes auf eine solche Strafe angetragen hatte, wird mir durch die 
Stellen wahrscheinlich wo er hervorhebt, dafs er die Klagform gewählt 
habe, bei der ihm nichts, sondern die ganze Bulse dem Staate zufalle, 
28 S. 523, 22. 45 S. 528, 26f. Übrigens verstehe ich die Ausrede des 
Meidias, dafs Demosthenes, wenn er wirklich geschädigt war, durch 


Umtriebe des Meidias. 95 

Auch jetzt fuhren Freunde des Meidias und auch unbethei- 
ligte Mitbürger fort in Demosthenes zu dringen die ärgerliche 
Sache auf sich beruhen zu lassen und die Vergleichserbietungen 
seines Gegners anzunehmen. Aber Demosthenes wies diese An- 
träge zurück und war nicht gesonnen das Vorurteil der Bürgerschaft 
verloren zu geben: er erklärte dafs keine Abfindung den Frevel 
tilge, den Meidias nicht ungeschehen machen könne: nur der rich- 
terliche Urteilsspruch gewähre ihm volle Genugthuung '.  Indes- 
sen, so lebhaft Meidias die Sache beigelegt zu sehen wünschte, 
vor dem Volke that er als ob nichts vorgefallen wäre ?, und da 
er anders nicht loskommen konnte, nahm er Bedacht darauf den 
Process hinauszuziehen und mittlerweile mit Hilfe seines Anhangs 
sich den Gegner vom Halse zu schallen. 

Als die Dinge auf Euboea für die Athener eine so schlimme 
Wendung nahmen, suchte er den Glauben zu erwecken, Demo- 
sthenes sei schuld, aber bald wurde allen offenbar dafs Plutar- 
chos, eben des Meidias Schützling, der Anstifter war ?. Hatte 
dies nicht verfangen, so wurde nun eine förmliche Anklage ande- 
rer Art versucht. Auf Anstiften des Meidias und von diesem ge- 
dungen stellte Euktemon von Lusia eine Schrifiklage gegen De- 
mosthenes auf, dafs er als Hoplit seinen Posten verlassen habe, 
nämlich durch seine Heimkehr vom euboeischen Feldzuge; aufser 
Privatprocesse hätte Recht suchen sollen (25 S. 522, 23), von der er- 
sten Einleitung eines Verfahrens: sobald durch die Probole die Sache 
öffentlich geworden war, konnte nur noch von einer Schriftklage die 
Rede sein. 

1) 3 8. 515, 15 πολλὰ μὲν — χρήματ᾽ ἐξόν μοι λαβεῖν ὥστε μὴ 
κατηγορεῖν, οὐ λαβών, πολλὰς δὲ δεήσεις καὶ χάριτας καὶ νὴ JS ἀπει- 
λὰς ὑπομείνας. 151 5. 563, 28. 120 8.554, 1. 218 5. 584, 15. 40 5. 527, 5. 
Vgl. die vorhergehenden Worte und 20 S. 521, 14. Nach 117 5. 552, 
24. 119 S. 553, 19. 122 S. 554, 29 bemühte sich auch Aristarchos, der 
Freund des Demosthenes, auf Meidias Anregung einen Vergleich zu 
stiften. 

2) 199N. 8. 578, 201. 

3) 110 S. 550, 25 m. ἃ. Scholien. 8. o. 5. 78f. Das geschah 
früher als die Klage Euktemons und die Beschuldigung wegen der Er- 
mordung des Nikodemos erhoben wurde; Demosthenes erwähnt es nach- 
träglich: τουτὶ γὰρ αὖ μικροῦ παρῆλϑέ μὲ εἰπεῖν. Mit bitterer Gehäs- 
sigkeit stellt er 200 S. 579, 2 des Meidias Einverständnifs mit Plutar- 
chos als noch bestehend dar. Vgl. d. Schol. 


96 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


ihm scheint Nikodemos von Aphidnae seinen Namen dazu herge- 
geben zu haben '. Aber es war dabei eben nur darauf angelegt 
eine verleumderische Beschuldigung öffentlich aufzustellen: die 
Klage hatte so wenig einen rechtlichen Grund, dafs Euktemon sie 
sar nicht bis zur gerichtlichen Entscheidung durchführte ἢ. Auf 
diese Weise also war Demosthenes nicht beizukommen. 

Dagegen gab ein Mord, den ein junger Freund des Demo- 
sthenes von Parteihafs getrieben verübt hatte, Meidias und seinen 
Genossen willkommenen Vorwand Demosthenes selber zu verdäch- 
tigen, wenn sie gleich nicht den geringsten Beweis gegen ihn auf- 
bringen konnten. Eben jener Nikodemos der Demosthenes ge- 
brochener Dienstpflicht bezichtigt hatte, ein Freund des Meidias 
und des Eubulos ®, wurde später von Aristarchos auf greuliche 
Weise umgebracht. Aristarchos hatte von seinem früh verstorbe- 
nen Vater Moschos ein ansehnliches Vermögen ererbt: als er 
herangewachsen war, hielt er sich zu Demosthenes und wurde, 
wie Aeschines sagt, von diesem zur öffentlichen Beredsamkeit 
aufgemuntert*. Aber leidenschaftlich und seiner Sinne nicht 


1) Aesch. 2, 148 S. 48. Dafs beide dieselbe und nicht zwei ver- 
schiedene Klagen erhoben, ist von Thirlwall V, 390 mit grofser Wahr- 
scheinlichkeit angenommen worden. 

2) 103 S. 547, 261. (vgl. 123 S. 555, 11). 110 8. 550, 23. Über 
die γραφὴ λιποταξίου 5. Meier att. Process S. 364f. Aus 105 S. 548, 
26. 120 5. 553, 26f. ergibt sich dafs die Klage nach den Dionysien und 
nachdem Demosthenes seinen Process bei den Thesmotheten anhängig 
gemacht hatte, eingeleitet wurde: richtig bemerkt der Scholiast zu 110 
S. 550, 24 Aumoranreiv δὲ ἔδοξεν ἐν τοῖς περὶ Εὔβοιαν. Über die 
theilweise Atimie (nämlich in Bezug auf Anstellung ähnlicher Klagen) 
welche Euktemon verwirkte, indem er die Klage fallen liefs (103 S. 548, 
7) 5. Böckh Sth. I, 501". Dafs er, wenn überhaupt, wenigstens 
nicht in volle Atimie verfiel, wie der Scholiast irrig annimmt, zeigt 
139 S. 560, 3, wo er als Zeuge und Rechtsbeistand des Meidias auf- 
geführt wird. Aeschines a. a. ©. gibt vor, Demosthenes habe die An- 
kläger mit Geld abgefunden. ᾿ 

3) Des Meidias nach Dem. wMeid. 122 S. 554, 38 ἐῶ γὰρ εἰ φί- 
λον; des Eubulos nach den Schol. zu 102 5, 547, 25. 104 S. 548, 12. 

4) Aesch. 1, 171f. 5. 24 drückt sich so aus, als sei Demosthenes 
der Lehrmeister des Aristarchos gewesen (vgl. 117 5, 16); darauf hin 
machen Zosim. L. d. Dem. 8. 149. Anon. L. d. Dem. $.154. Schol. zu 
Aesch. a. a. ©. Demosthenes irrig zum Lehrer der Rhetorik. Aeschi- 
nes redet zugleich von einem unreinen Verhältnifs, was Idomeneus fr. 
13 bei Athen. 13 S. 592! u. a. ihm nachgeschrieben haben. 


Umtriebe des Meidias. 97 


mächtig erschlug er Nikodemos, der ihn durch bittere Reden vor 
dem Volke gereizt hatte. So gibt Aeschines den Thatbestand an '. 
. 
Als der verstümmelte Leichnam gefunden wurde ohne dafs man 
des Thäters gewils war, zieh Meidias auf offenem Märkte Demosthe- 
nes des Mordes: als dies nichts fruchtete, versuchte er die angehö- 
rigen des ermordeten mit Geld zu bestechen dafs sie Demosthenes 
des Frevels beschuldigten *. Von diesen abgewiesen gieng er an 
den Rath, vor den die Sache gebracht war, nannte auf Hörensagen 
hin Aristarchos als den Mörder und forderte seine Verhaftung, ohne 
Rücksicht darauf dafs er noch Tags zuvor dessen Haus betreten 
hatte um durch seine Vermittelung zu einem Vergleiche mit Demo- 
sthenes zu gelangen ?; Demosthenes behauptet sogar, er sei hinter- 
her nochmals in das Haus gekommen. Jetzt ergrifl Aristarchos die 
Flucht, nachdem er, wie Aeschines sagt, von seinem Vermögen 
drei Talente bei Demosthenes in Sicherheit gebracht hatte*.  Mei- 
(dias kam noch einmal auf die Verdächtigung zurück: als Demosthe- 
nes für das nächste Jahr Ol. 107, 4. 349 sich in den Rath einlooste, 
erhob Meidias bei der Prüfung Klage gegen ihn, als sei er des 

1) A. ©. Νικόδημος — ὁ ᾿ἀφιδναῖος ὑπ᾽ ᾿Δριστάρχου τετελεύτηκε 
βιαίῳ ϑανάτῳ, ἐκκοπεὶς ὃ δείλαιος ἀμφοτέρους τοὺς ὀφϑαλμοὺς καὶ 
τὴν γλῶτταν ἀποτμηϑείς, ἡ ἐπαρρησιάξετο πιστεύων τοὶς νόμοις καὶ 
ὑμῖν. Vorher heifst Aristarchos νεανίσχος ἡμιμανής. Nach Idome- 
neus a. Ὁ. ward der Frevel im Rausche verübt. Aeschines setzt den 
Mord nicht in Verbindung mit der gegen Demosthenes erhobenen An- 
klage wegen gebrochener Dienstpflicht; wo er diese erwähnt (2, 148 S. 
48) führt er fort ὃν ὕστερον μετὰ Agıordoyonv συναπέχτεινας. Dals der 
Mord nach den Dionysien und nach der Klageingabe Euktemons ge- 
schah geht aus der Darstellung des Demosthenes hervor und ist danach 
auch in den Scholien zu D. wM. 102 S. 547, 19 bemerkt. Vgl. KFHer- 
mann a. O. S. 12. 

2) Dem. wM. 104—106 5. 548, 12f. 110 8.550, 21. 114 8. 552, 1. 
120 S. 554, 1. 122 S. 555, 1. 

3) 116—122 S. 552, 12—555, 2. Der Rath, welcher den ΤΊ] ον 
erst zu ermitteln suchte (8.552, 16), ist schwerlich der Rath der Fünf- 
hundert, bei dem das $ 121 S. 554, 8 eingelegte Zeugnils eine Eisan- 
gelie wider Aristarchos angebracht sein läfst, sondern der Areopag, wie 
der Scholiast zu 5. 552, 23 richtig bemerkt. Nach den Schol. zu 205 
S. 580, 17 trat Eubulos als Ankläger des Aristarchos auf; vgl. u. S. 
98,4. Die Schularbeit des Sopatros (VILI, 42ff. W.) ziehe ich absicht- 
lieh nicht in Betracht. 

4) Aesch. 1, 172 S. 24; vgl. Dem. a. O. 117 5. 552, 27. 122 
S. 555, 1. Schol. zu 104 8. 548, 12. 110 8. 550, 23. 

DEMOSTHENES II. 7 


98 Drities Buch. Drittes Capitel. 


Mordes mitschuldig, ohne jedoch sein Vorgeben begründen zu 
können !. 

Dafs selbst die ärgste Feindschaft es nicht dahin bringen konnte 
Demosthenes in die Anklage zu verwickeln, dient uns als vollgilti- 
ser Beweis dafs er von alter Mitschuld frei war ?: der Tadel jedoch 
trifft ihn dafs er sich nicht entschiedener von Aristarchos lossagte, 
der als Verbrecher dasteht, wenn nämlich der von Aeschines be- 
hauptete Thatbestand richtig ist. Indessen eben daran darf gezwei- 
felt werden : es scheint vielmehr sich um einen Todschlag zu han- 
deln, der zwar kraft der alten Satzungen Aristarchos nöthigte Attika 
zu meiden, der aber von dem Gerichte für gerechtfertigt und nicht 
strafbar erachtet wurde. Übrigens warf Eubulos seit jener Zeit 
persönlichen Hafs auf Demosthenes *, und Aeschines griff gern die 
Sache auf um seinen Gegner als Urheber der That des Aristarchos 
und nachmals geradezu als mitschuldigen des Mordes zu bezeich- 
nen’. In seiner letzten Rede hat Aeschines davon geschwie- 
gen: erst in der deinarchischen Rede und bei späteren Schfift- 


1).111-8.590,9297. 2) S. Westermann απ. Dem. 3, 391. 

3) Arist. Rh. 2, 23 8. 1397 spricht bei Behandlung des τόπος ἐκ 
τῶν πρὸς ἄλληλα den Satz aus: εἰ τῷ πεπονϑότι τὸ καλῶς ἢ δικαίως 
ὑπάρχει, καὶ τῷ ποιήσαντι, und-belegt ihn durch Fälle erlaubtes Tod- 
schlags οἷον ἡ περὶ “Ι]Ἴημοσϑένους δίκη καὶ τῶν anoxrrsıvavrav Νικά- 
voga* ἐπεὶ γὰρ δικαίως ἐκρίϑησαν ἀπολτεῖναι, δικαίως ἔδοξεν ἀποϑα- 
νεῖν. Hier liegt die Vermuthung nahe, und ist bereits von Spengel 
spec. comm. in Ar. 1. II ο. 23 de arte rh. S. 12 ausgesprochen, dafs 
Aristoteles nicht Νικάνορα, sondern Νικόδημον geschrieben habe. Zwar 
las schon Dionys. Schr. an Amm. 1, 12 5. 748 Νικάνορα, aber wie 
Spengel Abh.d. k. bayr. Ak. VI, 497ff. dargethan hat, war seine Hand- 
schrift nicht frei von Schäden des Textes und lückenhaft: daher sein 
seltsamer Irrthum, die περὶ 4. δίκη sei Ktesiphons Process. Wegen 
eines Bedenkens, das -Spengel an seiner Vermuthung irre gemacht hat, 
erinnere ich, dafs wir von einer Verurteilung des A., dessen Sache 
noch obschwebte als D. in den Rath eintrat, nichts wissen. Er hatte 
während der Untersuchung die Flucht ergritien um sich persönlicher 
Haft zu entziehen, und wenn auch der Gerichtshof nachmals seine That 
für erlaubten Todschlag erkannte, so mufste er dennoch die Heimat 
meiden. S. Dem. w. Aristokr. 45£. S. 634, 17. OMüller Eumeniden Κα. 128. 

4) Nach der Probole, Dem. wM. 206 5. 581, 2: des Nikodemos 
halber nach d. Schol. zu 205 5. 580, 17. vdG. 1 8. 341, 1 u.d. 2Arg. 
S. 340, 25. Demosthenes a. Ο. 207 8. 581, 7. 205 5. 580, 14 versichert 
den Grund nicht zu wissen. 

5) Aesch. 1, 172f. 8. 24. 2, 148 $. 48. 


Rechtsverfahren gegen Meidias. 99 


stellern erscheinen auch diese Schmähungen wieder. und zwar 
weiter ausgesponnen als selbst Aeschines gewagt hatte '. 

Meidias hatte mit seinen Umtrieben und Ränken etwas wesent- 
liches nicht erreicht ?: Demosthenes trat in den Rath ein und nahm 
unangefochten alle heiligen Gebräuche wahr welche ihm als Mit- 
glied dieser Behörde zukamen: er wurde mit der Festgesandtschaft 
als Architheore zu den nemeischen Spielen abgeordnet und selb- 
dritter zum Opferbesteller der Eumeniden erwählt, ohne dafs Mei- 
ddias gegen solche priesterliche Ehrenämter des Demosthenes einen 
Einspruch erhoben hätte ®. Dennoch war der Ausgang seines Pro- 
cesses, der bereits über ein Jahr hingeschleppt war, nichts weni- 
ger als gewils. Schon durch die lange Verzögerung hatte Meidias 
viel gewonnen: die anfängliche Aufregung hatte sich gelegt, die 
Sache stand nicht in frischem Gedächtnifs, und wie manche moch- 
ten unter den Richtern sein, die zur Zeit jener Dionysien bei dem 
Heere und der Flotte fern von Athen gewesen waren *. Überdies 


1) Deinarch. 1, 30 S. 94. 47 S. 96. Idomen. a. OÖ. (u. daher das 
Schol. zu Aesch. 2, 148) macht Demosthenes allein zum Mörder. Vel. 
Zosimos a. Ὁ. Andere Stellen aus den Rhetoren führt Westermann 
de vit. Dem. comm. ὃ. XV, 73 an. 

2) S. noch aufser den angeführten Stellen 123—125 8. 555, 2—27. 

3) 114f. 5. 552, 1. Über die εἰσιτήρια ὑπὲρ τῆς βουλῆς 5. Böckh 
C. I. gr. 18. 671. Über die Architheorie Sth. 1, 300. Über die Opfer- 
besteller ταῖς σεμναῖς ϑεαὶς ebend. S. 3024, Dals der Areopag sie ge- 
wählt habe sagen die Scholien: vgl. Otfr. Müller a. O. S. 179. 

4) 112 5. 551, 9 οὐ μέτεστι τῶν ἴσων οὐδὲ τῶν ὁμοίων — πρὸς 
τοὺς πλουσίους τοῖς λοιποῖς ἡμῶν, οὐ μέτεστιν, 00° ἀλλὰ καὶ χρόνοι 
τούτοις τοῦ τὴν δίκην ὑποσχεῖν, οὖς ἂν αὐτοὶ βούλωνται, δίδονται, 
καὶ τἀδικήματα τὰ ἕωλα τὰ τούτων ὡς ὑμᾶς καὶ ψυχρὰ ἀφικνεῖται -- καὶ 
μάρτυρές εἶσιν ἕτοιμοι τούτοις καὶ συνήγοροι πάντες καϑ᾽ ἡμῶν εὐ- 
πρεπεῖς. ἐμοὶ δ᾽ οὐδὲ τἀληϑὴ μαρτυρεῖν ἐθέλοντας ὁρᾶτ᾽ ἐνίους (vel. 
198 S. 559, 24). 3 8. 515, 14 κατηγορήσων, ἐπειδή τις εἰσάγει, πάρειμι 
was KFHermann qu. de probole S. 15, 54 mit Recht darauf bezieht 
dafs die Thesmotheten den Process nicht zur Verhandlung brachten. 
Dals die Richter nicht alle bei den Dionysien zugegen gewesen liegt 
in der Natur der Sache und wird von Demosthenes ausdrücklich gesagt 
194 8. 577, 7 ὡς ἴσασιν ὅσοι παρῆσαν ὑμῶν; es ist also nicht buch- 
stäblich zu nehmen, wenn er 18 8. 520, 21 sagt καὶ τούτων ὅσα γ᾽ ἐν 
τῷ δήμῳ γέγονεν ἢ πρὸς ταῖς κριταῖς ἐν τῷ ϑεάτρῳω, ὑμεῖς ἐστέ μοι 
μάρτυρες πάντες ; nur die 13—15 S. 518, 27 — 519, 22 erzählten Vor- 
gänge in der Volksversammlung fallen vor die Zeit des euboeischen 
Feldzugs und konnten von allen bezeugt werden. 


la 


100 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


standen Meidias die Mittel zu Gebote um die Richter zu bestechen 
und hier sparte er nicht ': feile Redner und käufliche Zeugen wa- 
ren auf seiner Seite ?; und aufser diesen bemühten sich auch sonst 
wohlgesinnte Männer und reiche Trierarchen wie Diotimos das öf- 
fentliche Ärgernifs abzuwenden: sie waren gesonnen wie bei der 
Probole so auch vor dem Gerichtshofe für Meidias Fürbitte einzule- 
gen®. Und bedenklicher als alles war dafs die Sache zu einer Par- 
teifrage wurde: von Hals gegen Demosthenes getrieben bot Eubu- 
los seinen ganzen Einfluls und seinen ganzen Anhang von Rednern 
auf um Meidias durchzubringen. Für Demosthenes dagegen wollte 
kein Redner seine Stimme erheben *: ja, Zeugen selbst wurden 
scheu und fürchteten sich die volle Wahrheit auszusagen ’. So 
stand denn zu erwarten dafs Meidias entweder mit einer gering- 
fügigen Geldstrafe davonkomme oder dafs er wohl gar von aller 
Schuld freigesprochen werde. Denn der Gerichtshof hatte nicht 
etwa blofs die Strafe zu bemessen, sondern ihm stand es zu über 
die Frage ob schuldig oder unschuldig zu entscheiden; bildete 
auch in der Regel die Katacheirotonie des Volkes die Richtschnur 


1) 4 S. 515, 135. Darum nimmt Demosthenes 107— 113 S. 549, 29 
— 551, 21 die Veranlassung wahr (zunächst in Beziehung zu 104 S. 
548, 19) das Gesetz, welches Geschenke zu jemandes Schaden zu ge- 
ben und anzunehmen untersagt, verlesen zu lassen und über solchen 
Misbrauch des Reichthums sich zu beschweren. $. die Schol. zu 108 
8.550, 1. (8. ΘΟ. 17 DE). 

2) 8. 0.8.99, 4 u. Dem.a.0. 139 8.560,2 νῦν δ᾽, οἶμαι, τούτου προβέ- 
βληται Πολύευκτος, Τιμοκράτης, Εὐκτήμων ὃ κονιορτός" τοιοῦτοί τινές 
εἶσι μισϑοφόροι περὶ αὐτόν, καὶ πρὸς ἔτι ἕτεροι τούτοις, μαρτύρων συν- 
ἑστῶσα ἑταιρεία κτλ. Bei Polyeuktos wird an den Kydantiden zu den- 
ken sein, bei Timokrates an den Genossen Androtions (5. Buch I, 3), 
Euktemon, der auch die Klage gegen Demosthenes angestellt hatte (S. 
95) ist zu unterscheiden von dem Ankläger Androtions, den wir viel- 
leicht 164 8. 567, 26 in ehrenvoller Erwähnung wieder finden. Über 
die Rotte falscher Zeugen vgl. g. Zenoth. 10 5, 885, 1. g. Pantaen. 39 
S. 978, 6. 48 8. 980, 19. ο΄. Boeot. v. N. 2 S. 995, 8 und im allgemei- 
nen über dergleichen Ränke Arist. Rh. 1, 12. 

3) 208. S. 581, 14ff. Vel. 127 S. 556, 15. Über Diotimos s. u. 
Buch IV, 2; über die andern o. S. 92 Anm. 4. 

4) 190 8. 576, 11. 205—207 8. 580, Ilf. Vgl. 225 S. 586, 13. 

5) 112 8. 551, 17. 137 8. 559, 19. Vgl. 20 8. 521, 9. 14lf. 8. 
560, 16, 


Rechtsverfahren gegen Meidias. 101 


seines Urteils, so war doch seine Competenz durch dieselbe nicht 
beschränkt '. Etwas schlimmeres aber konnte Demosthenes nicht 
widerfahren, als wenn Meidias freigesprochen wurde: dann stand 
dieser gerechtfertigt da und Demosthenes war beschimpft, ärger 
als die frevelnde Hand seines Feindes ihn hatte beschimpfen kön- 
nen: die Ehrenerklärung, welche in der Abstimmung des Volkes 
lag, war damit wieder zu nichte gemacht. Das ist die Sorge welche 
die ganze Rede des Demosthenes beherrscht: er fürchtet sein Recht 


1) Libanios 5. 509, 14 (vgl. Schol. 5. 571, 1 Df.) beschränkt die 
Competenz des Gerichtshofes dahin: er habe nur über die Frage , ob 
Meidias die Strafe der Mishandlung oder der Gottlosigkeit erleiden 
solle, zu entscheiden gehabt; über seine Schuld sei endgiltig durch die 
Katacheirotonie des Volks abgeurteilt. Diese Meinung hat KFHer- 
mann quaest. de probole S. 6—9 widerlegt, so weit sie die Subsump- 
tion des Vergehens betrifft: aber in Übereinstimmung mit Jo. Bake 
erklärt er sich dafür, dafs der Gerichtshof nur über das Mafs der Strafe 
entschieden habe, ohne im allgemeinen die unbeschränkte Machtvoll- 
kommenheit der Gerichte zu leugnen, die auch hier das Urteil der 
Volksversammlung in Ausnahmefällen habe umstofsen können (8. 10). 
Diese Ansicht gründet sich auf 151 8. 563, 23 Nlonev ἤδη καὶ κατε- 
ψήφισται. 227 8. 587 τοῦ ϑεοῦ χάριν, περὶ οὗ τὴν ἕορτὴν ἀσεβῶν 
οὗτος ἥλωκε, τὴν ὁσίαν καὶ δικαίαν ϑέμενοι ψῆφον τιμωρήσασϑε τοῦ- 
τον. An diesen Stellen legt aber, wie mir scheint, Demosthenes dem 
Vorurteile der Volksversammlung seinem Interesse gemäfs eine höhere 
Bedeutung bei, als es rechtlich hatte (vgl. Schol. zu 199 S. 578, 23). 
Denn dafs nicht blofs die Strafbestimmung, sondern vor allem auch 
die Entscheidung, ob schuldig der Anklage oder nicht, dem Gerichte 
vorlag, hat Schömann Philol. II, 599 —602 dargethan, unter Berufung 
auf 28 8. 523, 19 ὡς οὐ πεποίηκεν ἃ κατηγόρηκα, ἢ πεποιηκὼς 
οὐ περὶ τὴν ἑορτὴν ἀδικεῖ, τοῦτο δεικνύτω" τοῦτο γὰρ αὐτὸν ἐγὼ 
προὐβαλόμην, καὶ περὶ τούτου τὴν ψῆφον οἴσετε νῦν ὑμεῖς. 102 8. 
547, 19 ἡγοῦμαι μὲν τοίνυν - δικαίως ὃν ὑμᾶς ἐκ τῶν εἰρημένων καὶ 
καταψηφίσασϑαι καὶ τιμᾶν αὐτῷ τῶν ἐσχάτων. 97 8. 546, 5 τοῦτον 
ὑβρίζοντα λαβόντες - ἀφήσετε καὶ - οὐ καταψηφιεῖσϑε; οὐ παράδειγμα 
ποιήσετε; 199 8. 578, 21 νῦν ἂν ἀποφύγῃ. 201 8. 579, 13 νῦν ἐὰν 
διαπρούσηται. 222 S. 585, 21 νῦν ἀφέντες: vorzüglich 216— 218 S. 
583, 25. ἐπειδὴ δὲ κεχειροτόνηται μὲν ὕβρις τὸ πρᾶγμα εἶναι - τηνι- 
καῦτ᾽ ἀποψηφιεῖσϑε ὑμεῖς " μηδαμῶς κτλ. Wenn 227 5, 586, 25 gesagt 
ist πάντ᾽ ἐστὶν ἐν ὑμῖν μιᾷ ψήφῳ διαπράξασϑαι so heilst das nicht, 
ihr braucht euch nicht mit einer doppelten Abstimmung, über die That- 
frage und die Strafe, zu bemühen, sondern ihr könnt für sämtliche 
Frevel desMeidias die vor der Volksgemeinde noch gar nicht zur Sprache 
kamen (τἄλλα προσεξήτασται τὰ πεπραγμένα τῷ μιαρῷ τούτῳ) mit dinem 
Male Vergeltung üben: vgl. 21 S. 551, 20. 


102 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


bei dem Gericht nicht zu finden '. So hiefs er denn schliefslich 
— seiner mit ganz besonderer Sorgfalt vorbereiteten Rede ? fehlte 
nur noch die letzte Hand — doch sich noch bewegen die Klage 
aufzugeben und gieng einen Vergleich ein, von dessen Bedingungen 
wir weiter nichts wissen als dafs Meidias ihm dreifsig Minen (750 
Thlr.) zahlte ®. Dafs Demosthenes diese Summe, über deren Ge- 
ringfügigkeit Aeschines spottet, als Schmerzensgeld für die erlittene 
Beleidigung angenommen, dafs er einen erbärmlichen Profit ge- 
macht habe, ist schon im Alterthume für unverträglich mit seinem 
Charakter angesehen worden *. K. F. Hermann ἢ hat daran erin- 
nert, dafs jener Geldbetrag gerade den Kosten der Trierarchie, 
welche Thrasylochos Demosthenes aufgedrungen hatte, und der 
Geldbufse entspricht, in welche Meidias wegen der bei jener Gele- 
genheit geführten Schmähreden verfallen war. Entweder zahlte er 
diese alte Schuld ab oder er erstattete Demosthenes Unkosten die 


1) 6 5. 516, 9 εἰ γὰρ οἷόν te τοῦτ᾽ εἰπεῖν, ἐγὼ νῦν φεύγω, εἴπερ 
ὑβρισϑέντα μηδεμιᾶς δίκης τυχεῖν ἐστί τις συμφορά. 222 8. 585, 18. 
Vel. 57 8. 532, 27. 


2) 191f. 8. 576, 15. Über die Redaction der Rede 5. Beilage II. 


3) Über die Vermittler und ihre Vorstellungen s. 1518. 963, 15—28; . 
vgl. 198 5. 578, 14 und oben 5. 95. Über den Vergleich berichtet nur 
Aeschines 3, 52 8. 61 ἀπέδοτο τριάκοντα μνῶν ὅμα τήν τε εἰς αὑτὸν 
ὕβριν καὶ τὴν τοῦ δήμου καταχειροτονίαν. vgl. 212 5, 84 ὃ γὰρ ἄν- 
ὕὍρωπος οὐ κεφαλήν, ἀλλὰ πρόσοδον κέκτηται; denn mit Recht führt 
Böckh Abhandl. d. Berl. Akad. a. d. J. 1818—19 S. 68, 3 auf seine 
Aussage die entsprechenden Stellen zurück (Plutareh. Dem. 12. L. d. 
X Redn. 5. 8444. Anon. L. d. D. S. 156. Suid. Dem. 3). Daher auch 
die gleiche Summe als Schmerzensgeld in der Anekdote, wie Meidias 
am Diogenes sein Müthchen kühlte, aber von ihm folgendes Tages ab- 
gestraft wurde (Diog,. v. L. 6, 42); dafs dies Geschichtchen erfunden 
sei, hat schon Meier im attischen Process S. 550 angedeutet. 


4) Plut. Dem. 12 ὁρῶν δ᾽ οὐ φαῦλον οὐδὲ τῆς αὑτοῦ" δυνόμεως 
ἔργον ἄνδρα καὶ πλούτῳ καὶ λόγῳ καὶ φίλοις εὖ πεφραγμένον καϑε- 
λεῖν τὸν Μειδίαν, ἐνέδωκε τοῖς ὑπὲρ αὐτοῦ δεομένοις. ai δὲ τρισχί- 
λιαι καϑ' ξαυτὰς οὐκ ἄν μοι δοκοῦσι τὴν “]ημοσϑένους ἀμβλῦναι πι- 
Ἀρίαν, ἐλπίζοντος καὶ δυναμένου περιγενέσϑαι. Isidor von Pelusion 
(4, 205 5. 5344 Paris. 1638) erklärt Aeschines Aussage für unwahr: οὐ 
γὰρ δέχεται τὴν αἰτίαν τῆς αἰσχροκερδίας ἡ μεγαλοψυχία τοῦ δήτορος, 
in schöner und gerechter Würdigung des demosthenischen Charakters. 


5) Disp. de Midia $. 7, 52. 


- Vergleich mit Meidias. 105 


mit der Niederschlagung der Klage verbunden waren '. Damit 
endete Ol. 107, 4. 349 dieser unerquickliche Streit, und Demo- 
sthenes konnte, der widerwärtigen persönlichen Händel enthoben, 
wiederum mit ungetheilter Kraft eine seiner würdige Aufgabe ver- 
folgen. 


Doch eben diese Zeitbestimmung und die der Rede gegen 
Meidias zu Grunde liegenden Zeitverhältnisse überhaupt haben wir 
genauer zu prüfen und zu begründen. Wir thun dies unabhän- 
gig von der Frage, wann Demosthenes geboren sei, die wir in einem 
besonderen Abschnitt behandeln werden *: denn durch diese scheint 
uns die Sache nur verwickelt und die Lösung der Schwierigkeiten 
nur erschwert worden zu sein. 

Dionysios sagt, Demosthenes habe die Rede gegen Meidias 
unter dem Archon Kallimachos (Ol. 107, 4. 349) verfafst ®. Das 
dritte Jahr vorher, d. i. also dieser Angabe entsprechend Ol. 107, 
2. 801“, übernahm Demosthenes freiwillig die Choregie, und zwar 


1) Hudtwalker v. ἃ. Diaet. S. 1598, Böckh Sth. 1, 498. Abh. d. 
Berl. Ak. a. O. 

2) Beilage II. 

3) Schr. an Amm. 1, 4 8. 726, 12 κατὰ τοῦτον γέγραπται τὸν ἄρ- 
xovra (Z. 4 ἐπὶ Καλλιμάχου, τοῦ τρίτου μετὰ Θεσσαλὸν ἄρξαντος) καὶ 
ὃ κατὰ Μειδίου λόγος, ὃν συνετάξατο μετὰ τὴν (κατα)χειροτονίαν, ἣν 
ὁ δῆμος αὐτοῦ κατεχειροτόνησεν. 

4) Dem. wM. 13 Κ΄. 518, 27 ἐπειδὴ γὰρ οὐ καϑεστηκότος χορηγοῦ 
τῇ Πανδιονίδι φυλῇ τρίτον ἔτος τουτί, παρούσης δὲ τῆς ἐκκλησίας ἐν 
ἡ τὸν ἄρχοντα ἐπικληροῦν ὁ νόμος τοῖς χοροῖς τοὺς αὐλητὰς κελεύει -- 
παρελϑὼν ὑπεσχόμην ἐγὼ χορηγήσειν ἐϑελοντὴς κτλ. Die Worte τρί. 
τον ἔτος τουτί sind in dem 2 Argumente 8. 510, 24 so verstanden als 
habe die pandionische Phyle seit drei Jahren keinen Choregen gestellt; 
dagegen läfst der Scholiast z. a. St. die Wahl ἢ ὡς τριῶν ἐτῶν ἕξῆης 
οὐ παρασχούσης τῆς φυλῆς τὸν Asırovoyov -m πρὸ τριῶν τούτων 
ἐτῶν, ὡς καὶ ἐν Φιλιππικοὶς (Ol. 3, 4 5. 29, 21) “Φίλιππος ἐν Θράκῃ 
τρίτον ἢ τέταρτον ἔτος" - οὐ γὰρ δυνατὸν ἐφεξῆς λαβεῖν τὸν χρόνον. 
Über die Parallelstelle 5. ο. Buch II, 5; wir bemerken beiläufig dafs 
daraus in ein paar Handschriften der Rede wider Meidias die Glosse 
ἢ τέταρτον gerathen ist. Den Worten nach sind beide Erklärungen 
zulässig: τρίτον ἔτος mit oder ohne τουτί heilst “es geht ins dritte 
Jahr’, sowohl von einer Zeitdauer, als von einem Zeitmomente; aber, 
wie KFHermann bemerkt hat (disput. de Mid. S. 10f.), es wird stets 
von dem laufenden Jahre ab gerechnet, nicht von irgend einem Zeit- 


104 Drittes Buch. Drittes Capitel. - 


zu Anfang des Jahres ': im folgenden Frühjahre zogen die Athener 


punete in der Vergangenheit; und zwar wird das laufende Jahr 'so- 
wohl als das frühere mitgezählt. Wir sagen in dem einen Falle ‘seit 
zwei Jahren’, in dem andern ‘vor zwei Jahren’. So sagt Dem. Chers. 
2 8.90, 12 τῆς στρατείας ἣν ἑνδέκατον μῆνα τουτονὶ Φίλιππος ἐν 
Θράκῃ ποιεῖται, gleichbedeutend mit δέχα μῆνας 35 8. 98, 23. Aesch. 
2, 149 8. 48 συνεχῶς ἔτος ἤδη τουτὶ τρίτον στρατηγῶν. R. wDionysod. 
3 8.1283, 19. 27 δέον ἡμᾶς ἐν τῇ πέρυσιν ὥρᾳ κεκομίσϑαι τὰ χρή- 
ματα -- οὔτε τὰ χρήματα ἀποδίδωσιν οὔτε —, ἀλλὰ δεύτερον ἔτος τουτὶ 
καρπούμενος τὰ ἡμέτερα κτλ. ; dieselben Worte 34 8. 1293, 10 und ohne 
τουτί 16 8. 1288, 9. 45 5. 1296, 15. Das sind Beispiele von der Zeit- 
dauer; der Gebrauch für den Zeitmoment erhellt aufser der vom Scho- 
liasten angeführten (welche Seebeck Z. f. ἃ. AW. 1838 9, 779 erlän- 
tert hat) aus folgenden Stellen: Dem. wKonon 3 8. 1257, 4 ἐξήλθομεν 
ἔτος τουτὶ τρίτον εἰς ΠἊάνακτον. R. g. Apatur. 5 5. 804, 1 κατέπλευ- 
σαν δεῦρο τρίτον ἔτος οὗτός re - καὶ Παρμένων und 23 8. 900. 1 ἡ 
μὲν γὰρ ἐπιτροπὴ τούτῳ πρὸς τὸν Παρμένοντα τρίτον ἔτος γέγονε; wäre 
die Forderung richtig, sagt der Sprecher 248.900, 10, οὐκ ἂν τρίτῳ ἔτει 
ὕστερον, ἀλλ᾽ εὐϑὺς τότε εἰσέπραττεν ἄν με τὴν ἐγγύην; und 25 Ζ. 22, 
wenn nicht gleich (εὐϑυς), so doch vorm Jahre (πέρυσιν); und wieder- 
holt εἰ un προπέρυσιν, ἐν τῷ ἐξελϑόντι ἐνιαυτῷ ; endlich 26 8. 901, 8: 
er kann nicht nachweisen, dafs er 7 πέρυσιν ἢ προπέρυσιν ἐδικάσατό 
wor. Diese Stellen beweisen, dafs δεύτερον ἔτος (mit oder ohne τουτί) 
formelhaft mit πέρυσιν, τρίτον ἔτος mit προπέρυσιν übereinkommt. 
Vgl. Xen. Cyrop. 6,3, 11 καὶ χϑὲς δὲ καὶ τρίτην ἡμέραν τὸ αὐτὸ τοῦτο 
ἔπραττον. Krüger gr. Gr. 46, 3, 1. An unserer Stelle hat Böckh auch 
Sth. I, 608f. die Erklärung des von ihm sonst nach Gebühr gewürdig- 
ten Verfassers der zweiten Argumente (vgl. o. Buch II, 3) zu halten 
gesucht, mit Gründen die KFHermann (a. O. 8. 10) mit Recht unbe- 
greiflich nennt: dagegen hat HWolf die andere Erklärung (Zertio abhine 
anno) gefunden, der alle Herausgeber und Dobree Böhnecke Wester- 
mann Vömel KFHermann gefolgt sind. Diese ist hier allein zulässig: 
denn ob die beiden nächsten Jahre wieder keine Choregen vorhanden 
waren, thut hier nichts zur Sache; und von dem Jahre der demosthe- 
nischen Choregie rückwärts kann vollends, wie erinnert ist, dem Sprach- 
gebrauche nach nicht gerechnet werden. 


1) Böhnecke F. I, 50f. meint, die Anordnungen über die Chöre für 
die folgenden Dionysien seien jedesmal &in Jahr vorher, d. h. bald 
nach den letzten Dionysien getroffen worden, und KFHermann, der 
ihm beistimmt (a. O. $. 11), vergleicht die zehnmonatliche Übung 
welche den Athleten vor dem olympischen Kampfspiele gesetzlich vor- 
geschrieben war: dann hätte Demosthenes sich Ol. 107, 2 zur Choregie 
erboten und Ol. 107, 3 sie geleistet. Aber wie Vömel Z.f.d. AW. 1846 
S. 131 Böckh Sth. I, 608 Anm. Rehdantz Jahns nJhb. LXX, 507 be- 
merkt haben, liegt es in der Natur der Sache, dafs der Archon weleher 


* Zeitverhältnisse der Rede wider Meidias. 105 


nach Euboea ' und während dieses Feldzuges, also im neunten 
Monate von Ol. 107, 2. 350, bald nach der Schlacht bei Tamynae, 
wurden die Dionysien gefeiert, an denen Demosthenes von Meidias 
geschlagen wurde ?. Gleich nach den Dionysien und der Abstim- 
mung der Bürgerschaft gab Demosthenes seine Klage wegen der 
Mishandlung ein. Als er diese nicht zurücknehmen wollte, ward 
er wegen versäumter Kriegspflicht belangt, um den Anfang von 
Ὁ]. 107, 3. Ziemlich um dieselbe Zeit wurden die auf Euboea 
zurückgelassenen Athener zu gefangenen gemacht, und Meidias 
suchte Demosthenes die Schuld daran aufzubürden. Später, etwa 
im Winter oder Frühjahr von Ol. 107, 3 ward Nikodemos ermor- 
det, und Meidias suchte die Blutschuld auf Demosthenes zu brin- 
gen, zuletzt bei der Prüfung des Rathes für Ol. 107, 4. Aber De- 
mosthenes trat in diese Behörde ein und gieng im Sommer 349 
als ihr Festgesandter zu den nemeischen Spielen. Damals arbei- 
tete er die Rede aus, in der Hoffnung den lange hingehaltenen 
Process endlich vor die Richter gebracht zu sehen. Das ist die 
Folge der Thatsachen, wie sie aus der Rede sich ergibt: es gilt 
nun zu fragen, ob die Zeitangabe des Dionysios anderweite Bestä- 
tigung findet. 

Von der Schlacht bei Tamynae und dem euboeischen Kriege 
handelt Plutarch ohne Rücksicht auf die Chronologie ?; eben so 


den Dionysien vorstand (s. Abh. d. Berl. Akad. 1818—19 S. 63) und 
dafür Rechenschaft zu bestehen hatte (s. ob. S. 91) im Anfange seines 
Amtsjahres den von den Phylen gestellten Choregen die Künstler zu 
looste. Für die Einübung des Chors blieben dann immer noch über acht 
Monate, ein Zeitraum grofs genug, dafs Demosthenes im Gegensatze 
zu dem ungeordneten Zustande der trierarchischen Liturgie sagen kann 
(Phil. 1, 36 5. 50, 13) πρόοιδὲν ἕκαστος ὑμῶν ἐκ πολλοῦ τίς χορηγὸς 
ἢ γυμνασίαρχος τῆς φυλῆς, πότε -- τί δεῖ ποιεῖν. 

{δε 06.,8:, 748. 

2) S. 0. 8. 90. 

3) Oben ist erwähnt (S. 73, 4) dafs Plutarch Phok. 12 irriger Weise 
die Veranlassung zu der euboeischen Expedition von Ol. 110, 1, bei 
welcher wieder Phokion befehligte, auf die zu Gunsten des Tyrannen 
Plutarchos unternommene überträgt. Auf jene spätere Expedition 
folgte Phokions Hilfsendung nach Byzanz, und so reiht auch Plutarch 
e. 14 ohne weiteres die byzantinische Expedition an den zehn Jahre 
älteren euboeischen Feldzug. Vgl. Böckh Abh. d. Berl. Akad. 1818—19 
S. 83f. Wie ungenau und unvollständig Plutarch Phokions Kriegszüge 


106 Drittes Buch. Drittes Capitel. . 


wenig deutet Aeschines an, wie lange jenes Treffen her sei. Diodor, 
der über die hellenischen Vorgänge von Olympiade 106 und 107, 1 
ausführlich handelt, springt unter Ol. 107, 2 nach einigen Worten 
über die Fortdauer des phokischen Krieges auf den syrisch -ägypti- 
schen Krieg des Ochos über und vergifst darüber die hellenischen 
Angelegenheiten völlig, bis er am Schlusse von Ol. 107, 4 auf den 
(damals eröffneten chalkidischen Krieg Philipps kommt '. Einigen 
euboeischen Ortsnamen, welche dem 24 Buche von Theopomps 
philippischer Geschichte entnommen sind, läfst sich nicht ansehen, 
welchem Zusammenhange sie angehört haben”. Dagegen ist in 
Demosthenes Rede gegen Boeotos vom Namen der Schlacht bei Ta- 
mynae gedacht: Boeotos war zurückgeblieben und hatte die Dio- 
nysien mitgefeiert: deshalb wurde er (wie Demosthenes) wegen ge- 
brochener Kriegspflicht verklagt, aber die Sache kam nicht ans Ge- 
richt, weil wegen mangelnden Richtersoldes Gerichtsstillstand ein- 
trat. Das ist geschehen nach Schlufs der Acten des Processes über 
den Namen: dieser wird also unmittelbar nach Wiedereröflnung der 
Gerichte verhandelt sein®. Auf die Zeit dieser Rede nun kommt 


aufführe hat schon Palmer zu Diod. 16, 14 mit scharfem Tadel be- 
merkt. Philostratos (L. d. Soph. 1, 18) verwechselt den Zug von Ol. 
107, 2 mit dem Ol. 105, 3 gegen die Thebaner auf Euboea gerichte- 
ten: vgl. Böckh a. O. 

1) Diod. 16, 40—52. 

2) Böhnecke F. I, 31ff. setzt aus abgerissenen Namen seiner Hypo- 
these gemäls den Plan Theopomps zusammen, ein Unternehmen was 
bei den vielen Digressionen dieses Schriftstellers oft höchst bedenklich 
ist. Wichers nahm an, es sei in dem 24 Buche von älteren Zuständen 
Euboeas und der Gründung euboeischer Kolonien in Thrakien gehan- 
delt, und diese Vermuthung ist sehr wahrscheinlich. Böhnecke über- 
geht fr. 158 Barrıov, πόλις ῆακεδονίας u. ᾿Τσσησός, πόλις Πηιλησίας 
γῆς welche Steph. v. Byz. aus diesem Buche anführt: das eretrische 
”OrwAov ist nach Meineke zu Steph. u. ἃ. W. eine thrakische Kolonie, 
und leicht kann es mit Σχάβαλα dieselbe Bewandtnifs haben. So 
bleiben ”Aeng und Ζύστος auf Euboea übrig, letztere Stadt in Worten 
die ich auf Phokion nicht zu beziehen weils: ἀποστήσας δὲ τοὺς ἐν 
αὐτῇ τῇ περιοικίᾳ τῶν ᾿Ερετριέων, ἐστράτευσεν ἐπὶ πόλιν “ύστον. 

3) Dem. gBoeot. v. N. 108. 5. 999. Die Dionysien sind eben die 
an welchen Demosthenes Choreg war: an die Dionysien des vorher- 
gehenden Jahres zu denken (wie KFHermann de Dem. anno nat. 
S. 9, 42. disp. de Mid. S. 9, 72), so dafs die Athener Sommer und 
Winter über ins zweite Jahr im Felde gelegen hätten, erlaubt der 


Zeilverhältnisse der Rede wider Meidias. 107 


Dionysios zweimal: einmal sagt er mit einem argen Gedächtnifsfeh- 
ler, Demosthenes führe in ihr den Zug nach Pylae von Ol. 106, 4. 
352 als jüngst vergangen an; an einer andern Stelle aber weist er 
die Rede den Archontenjahren Ol. 107, 2 oder 107, 3 zu, d.h. er 
will sagen, der Process ist entweder noch in demselben Jahre mit 
der Schlacht bei Tamynae oder das nächste Jahr verhandelt wor- 
den '. Diese Zeitbestimmung wird durch andere Umstände, deren 
nähere Erwägung uns an diesem Orte zu weit abführen würde, be- 
stätigt: wir kommen in den Beilagen darauf zurück. 

Die Schlacht bei Tamynae also müssen wir gemäls den von 
Dionysios beigebrachten Zeitangaben, als deren Gewährsmann wir 
auch hier Philochoros ansehen dürfen, in Ol. 107, 2. 350 setzen, 
und dazu stimmt, was wir sonst über die euboeischen Verhältnisse 
in jenen Jahren wissen. Als Demosthenes die Rede gegen Aristo- 
krates abfalste (O1. 107, 1.352 Herbst) war Menestratos Tyrann 
von Eretria und stand mit Athen in gutem Einvernehmen’; zur 
Zeit der ersten Philippika (O1. 107, 1. Frühj. 351) machte Philipp 
die ersten Versuche durch seine Sendschreiben die Euboeer von 
dem athenischen Bündnisse abzuziehen ®. Dagegen kurz vor der 
108. Olympiade (348) finden wir euboeische Gesandte in Athen, die 
einen Frieden abschliefsen wollen: mittlerweile hat Philipp die In- 
sel ganz in sein Interesse gezogen, und die nach Plutarchos Ver- 
treibung hergestellte Demokratie geht bald in die Gewaltherrschaft 


des Kleitarchos und seiner Genossen über *. Demnach ist der 


Zusammenhang nicht: das Haupteorps hat höchstens vier Monate auf 
Euboea gestanden, und während seiner Abwesenheit von Athen sind 
die grofsen Dionysien @inmal gefeiert worden. Dies geht auch aus den 
Umständen welche Demosthenes Choregie betreffen hervor. 

1) Dionys. Dein. 13 S. 665, 14 μέμνηται γὰρ ὡς νεωστὶ τῆς εἰς 
Πύλας ἐξόδου γεγενημένης" ἡ δ᾽ εἰς Πύλας ᾿Αϑηναίων ἔξοδος ἐπὶ Θου.- 
δήμου ἄρχοντος ἐγένετο (vgl. ο. Buch II, 7), in ungenaner Erinnerung 
an Dem, a. Ο, 16 S. 999, 7 καὶ γὰρ νῦν, ὅτε εἰς Tauvvag παρῆλϑον 
οἵ ἄλλοι κτλ. Dagegen 11 S. 656, 6 ὁ μὲν γὰρ “ημοσϑένους περὶ τοῦ 
ὀνόματος λόγος -- κατὰ Θεσσαλὸν ἢ ᾿πολλόδωρον ἄρχοντα (Ol. 107, 2 
od. 3) τετέλεσται, ὡς ἐν τοῖς περὶ “ημοσϑένους δεδηλώκαμεν mit Clin- 
tons Erklärung F. H. u. ἃ. J. 350. Dionysios konnte nicht so schrei- 
ben, wenn bei Tamynae erst Ol. 107, 3 gefochten wurde. Weitere 
Gründe für seine Zeitangabe s. Beilage VI. 

2) Buch II, 5. 

9) 5." Ὅν 8078 4) S. 80 u. Buch IV, 5. 


105 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


Krieg, in den die Athener sich zu Gunsten des Plutarchos verwik- 
kelt hatten und über den sie alle Euboeer sich zu Feinden mach- 
ten, nicht vor Ende von Ol. 107, 1 und nicht nach Ol. 107, 4 ge- 
führt worden !. 

Nach Aeschines Angabe wurde bei dieser Gelegenheit ein 
filfscorps von Philipp und phokische Soldtruppen herbeigerufen. 
Jenes stand in diesen Gegenden nicht früher zur Verfügung, als bis 
nach der Niederlage der Phokier Ol. 106, 4. 352 Pagasae makedo- 
nische Besatzung hatte?. Ebensowenig werden vor dieser Zeit 
phokische Söldner gegen Athener gefochten haben. Denn Onomar- 
chos war mit Athen eng verbündet und hielt sein Heer mit hohem 
Solde zusammen: nach seinem Falle giengen allmählich die Tem- 
pelschätze aus, die Führer entzweiten sich, und phokische Söldner 
suchten anderweiten Dienst ®. Was endlich die Absendung von 
Reitern nach Olynth betrifft, so erinnern wir daran, dafs jene Stadt, 
schon Ol. 107, 1.352 mit Philipp zerfallen, im folgenden Frühjahre 
zuerst einen plötzlichen Angriff von seiner,Seite erfuhr: damals er- 
hielt sie von Athen aus keine Unterstützung *. War etwa jener 
Streifzug im nächsten Jahre wiederholt worden, so mögen jene 
Reiter die Bestimmung gehabt haben zur Feldwacht mitzuwirken: 
hätte es sich um Unterstützung der bereits belagerten Stadt gehan- 
delt, so konnte ihr mit Reiterei allein wenig gedient sein. Wir 
sind leider über jene Vorgänge nicht weiter unterrichtet: eben- 
sowenig läfst sich aus der Rede wider Neaera das Jahr ermitteln, in 
welchem Apollodoros als Mitglied des Rathes die Verwendung der 
Theatergelder für den Krieg beantragte, so wahrscheinlich es auch 
ist, dafs dies nach seinem Processe mit Phormion (Ol. 107, 1) ge- 
schehen sei®. Dafs Idrieus, in dessen Diensten Phokion auf Cy- 
pern befehligte, nicht bereits Ol. 107, 2 regierte, sondern erst Ol. 
107, 3 zur Herrschaft kam, ist oben nachgewiesen worden ®. Aus 


1) Diese entscheidenden Momente hat zuerst Böhnecke F. I, 22 
geltend gemacht. 

2) Buch II, 7. Übrigens γο]. ὁς 5. 768: 

8) A. O. Grote ἘΠ. of Gr. XI, 476, 1. 

4) 8. ο. 8.53 u. Cap. 4 5. 114. Vgl. KFHermann de Midia 14, 115. 

5) Böhnecke F. I, 43f., der aber irrthümlich Apollodors Process 
mit Phormion in Ol. 107, 2 setzt. S. Beilage V. 

6) Buch II, 6. 


Zeitverhältnisse der Rede wider Meidias. 109 


den Erwähnungen älterer Vorfälle läfst sich wenig gewinnen: dafs 
Iphikrates und Chabrias ' offenbar schon vorlängst verstorben sind, 
oder dafs der noch lebende Charikleides sein Amt als Archon (Ol. 
104, 2. 363) vor Jahren verwaltet hat ?_ verhilft uns zu keiner nä- 
heren Bestimmung: ebensowenig der euboeische Feldzug von Ol. 
105, 3°. Wichtiger ist, dafs Demosthenes gegen die Trierarchien, 
mit denen Meidias sich berühmt, einwendet, er habe spät, erst 
nach Bildung der trierarchischen Symmorien, sich mit dieser Li- 
turgie befalst *. Seitdem war Ol. 107, 4 das neunte Jahr und Mei- 
dias konnte inzwischen öfters Trierarch gewesen sein: wäre «die 
Rede früher geschrieben, wie Böckh wollte Ol. 106, 4. 353, so 
würde Demosthenes von Meidias trierarchischen Leistungen binnen 
vier Jahren noch viel wegwerfender gesprochen haben. Auch die 
freiwillige Choregie des Demosthenes scheint sich für ein früheres 
Jahr kaum zu schicken. In der Rede gegen Leptines ° erklärt er 
es für höchst unwahrscheinlich, dafs je an Choregen Mangel sein 
sollte, und in der erstem, Philippika ° gedenkt er der festen Regel 
nach der die Choregien umgehen, so dafs hier gar keine Unord- 
nung vorkommt. Eine solche aber lag vor, als die pandionische 
Phyle keinen Choregen stellte, wenn nicht alles trügt, ein paar Mo- 
nate nachdem Demosthenes jene Rede gehalten. 

Doch wir wollen nicht länger bei Nebendingen verweilen, wel- 
che für die Entscheidung der Frage nicht schwer ins Gewicht fallen, 
sondern uns daran genügen lassen, dafs die von Dionysios überlie- 
ferten Zeitbestimmungen aus den Mittheilungen des Demosthenes 
und Aeschines über die Verhältnisse Euboeas eine vollkommen 
ausreichende Bestätigung finden: denn diese lehren dafs der eu- 
boeische Krieg, der für Plutarchos unternommen wurde, zu Ende 
von Ol. 107, 1 noch nicht begonnen hatte und zu Ende Ol. 107, 
4 mit einem Frieden beschlossen wurde ”. Dafls aber die Abfas- 
sung der Rede gegen Meidias gerade in das vierte Olympiaden- 


1) 62—64 8. 534, 22f. 

2) 178f. S. 572, 9 ποτέ. 

3) 161 S. 566, 22. 174 S. 570, 23. 5. o. 8. 82. 
4) 155 5. 564, 27. Böckh Sth. I 5. 721 Β΄. 

5) 22f. 8. 463, 19. 

6) 36 8. 50, 12. 

7) 8. 60. 73. 80. 


110 Drittes Buch. Drittes Capitel. 


jahr falle und zwar in die erste Hälfte desselben, hat Böckh aus 
einem entscheidenden Grunde dargethan. Die letzten Umstände, 
deren Demosthenes in der Rede gedacht hat, betreffen seinen Ein- 
tritt in den Rath; daran reiht sich eine Festgesandtschaft nach 
Nemea, welche wie mit Wahrscheinlichkeit angenommen wird aus 
der Mitte des Raths abgeordnet wurde, und ein Opfer für die Eu- 
meniden '. Das Sommerfest zu Nemea aber wurde in den ersten 
Monaten jedes vierten Olympiadenjahres, etwa Anfang Septembers 
gefeiert”, was vollkommen zu den Zeitverhältnissen unserer Rede 
stimmt: die Winternemeen der 107. Olympiade, mögen sie nun in 
das erste oder zweite Olympiadenjahr gehören, passen weder in 
jenen Zusammenhang noch zu den übrigen Thatsachen. Dafs De- 
mosthenes Ol. 108, 1 nicht im Rathe safs, ergibt sich, wie Böh- 
necke bemerkt hat?, schon daraus, dals er während der Frie- 
densverhandlungen mit Philipp Ol. 108, 2 jener Behörde ange- 
hörte: denn niemand durfte sich zwei Jahre hinter einander in den 
Rath einloosen *. Dafs Dionysios die Abfagsung der Rede gegen Mei- 
ddias erst nach den olynthischen Reden erwähnt, von denen min- 
destens die letzte in spätere Monate von Ol. 107, 4 gehört, ist 
ohne Bedeutung: eben so hat er (unter Ol. 107, 1) die erste Phi- 
lippika der früher verfalsten Processrede wider Aristokrates vor- 
angestellt ἢ. 

Somit finden wir denn abermals bestätigt dafs Demosthenes 
die Rede wider Meidias Ol. 107, 4, und zwar bald nach dem Sep- 
tember 349, niedergeschrieben habe. Seit den Dionysien von Ol. 


1) 1118. 550f. τελευτῶν βουλεύειν μου λαχόντος δοκιμαξομένου κα- 
τηγόρει. 114 8.552,2 εἴασε μέν μὲ εἰσιτήρια ὑπὲρ τῆς βουλῆς ἱεροποιῆσαι 
—, εἴασε δ᾽ ἀρχιϑεωροῦντα ἀγαγεῖν τῷ Jıl τῷ Νεμείῳ τὴν κοινὴν ὑπὲρ 
τῆς πόλεως ϑεωρίαν, περιεῖδε δὲ ταῖς σεμναῖς ϑεαῖς legomoıov αἷρε- 
ϑέντα κτὶ. Über die Nemeen 5. Böckh Abh. 4. Berl. Akad. 1818—19 
S. 91. 92ff. Böhnecke Εἰ. I, 458. KFHermann A. II, 49, 17. 18. 

2) Die Sommernemeen wurden den 12 Panemos gefeiert; dieser 
Monat entspricht durchschnittlich dem attischen Bo&dromion (= Sep- 
tember): 5. Hermann a. Ὁ. u. gr. Monatskunde ὃ, 72f. Böckh a. O. 
nahm den vorhergehenden Monat als den entsprechenden an. 

3) S. 48. Dafs die Theoren zu den Festspielen aus dem Rathe 
genommen wurden, hat derselbe ἃ. Ὁ, Anm. 3 durch Parallelstellen belegt. 

4) So Böckh Sth. I, 763, eine Annahme die mir vollkommen sicher 
erscheint. 


5) Vel. o. 8. 66. 


Zeitverhältnisse der Rede wider Meidias. 111 


107, 2 waren anderthalb Jahre vergangen, ein Zeitraum lang ge- 
nug, dafs Demosthenes sich über die Verzögerung bitter bescehwe- 
ren konnte, denn inzwischen war der Unwille über des Meidias 
Ungebühr abgekühlt und die Thatsachen selbst standen nicht mehr 
in frischem Andenken '. Unter solchen Umständen gieng er den 
Vergleich ein und legte den Zwist bei, der vor fünfzehn Jahren 
entsponnen zu Ausbrüchen leidenschaftlichen Hasses geführt hatte?. 
Seitdem hatte Demosthenes Ruhe vor Meidias. Aus dem späteren 
Leben dieses Mannes wissen wir, dafs er Ol. 110, 1 mit Aeschi- 
nes als Pylagore nach Delphi gesandt wurde, und nach seinem Tode 
gedenkt eben dieser Redner des verstorbenen in Worten welche zei- 
sen, dafs er bis zuletzt sich zur Partei des Eubulos gehalten hatte ®. 
Ganz im Sinne des Vaters hat in der folgenden Generation des Mei- 
ddias Sohn und Erbe seines Namens Phokions Andenken mit öf- 
fentlichen Ehren gefeiert ἡ. 


VIERTES CAPITEL. 
Der olynthische Krieg. 


Eben um jene Zeit da Demosthenes von dem Rechtsverfahren 
gegen Meidias abstand, im vierten Jahre der 107. Olympiade, ge- 
schah es dafs die Olynthier eine Gesandtschaft an die Athener ab- 
sandten um Ihlfe sich zu erbitten und ein Bündnifs anzutragen: 


1) Vgl. 0. S. 9. 

2) ΟἹ. 104, 1 — 107, 4. Die Zahl findet sich auch in den Scho- 
lien zu 102 8. 547, 19 συνῆψε τῇ παρεχβάσει τὰ κε΄ ὅλοις ἔτεσιν ἀφε- 
στῶτα!ϊ aber wenn auch das Resultat zutrifft, so ist doch die Prämisse 
eine andere: vgl. die Abhandlung über das Geburtsjahr des Demo- 
sthenes. 

3) Aesch. 3, 115 8. 69 ἐπὶ - Θεοφράστου ἄρχοντος - πυλαγόρους 
ὑμεῖς εἴλεσϑε Μειδίαν τε ἐκεῖνον τὸν ᾿ἀναγυράσιον, ὃν ἐβουλόμην ἂν 
πολλῶν ἕνεκα ξὴῆν καὶ Θρασυκλέα τὸν Aknnıov καὶ τρίτον δὲ μετὰ τού- 
τῶν ἐμέ. 

4) L. d. X Redn. S. 850b; wenn meine Vermuthung das rechte 
trifft (Philol. IX, 1631.) ἐπ᾽ Εὐξενίππου ἄρχοντος Ol. 118, 4. 305. 
Vgl. Böckh Seew. S. 243f. Der kleinen Kinder des Meidias gedenkt 
Demosthenes 99 S. 546, 20. 186 fl. S. 574, 23f. 195 S. 577, 13. 


412 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


denn die chalkidischen Städte, deren Haupt Olynth war, wurden von 
Philipp mit Knechtschaft und allen Schrecken des Kriegs bedroht. 

Ein trügerischer Traum der stolzen Stadt war es gewesen, 
sie werde als gleichberechtigte Genossin im Bunde mit Makedonien 
die Macht des Nachbarreiches ihren Zwecken dienen lassen. Zwar 
hatte jenes Bündnifs von vorn herein den Olynthiern nur Vortheile 
geboten und mit dem chalkidischen Bunde schien es besser bestellt 
zu sein als jemals früher. In früheren Zeiten war der Streit um 
die Hegemonie in Hellas auch auf ihrer Halbinsel durchgefochten 
worden; vor einem Menschenalter noch hatten die Spartaner mit 
Makedonien verbündet auch hier ihre Oberherrlichkeit geltend ge- 
macht und später hatten die Athener unter Timotheos wichtige 
Städte an sich gerissen. Hatte auch kein Feind die Stadt Olynth be- 
treten, blieben auch die Wurzeln ihrer Herrschaft unversehrt, so war 
doch die Einbufse empfindlich und die Wunden welche die Kriege 
geschlagen vernarbten nicht sogleich. Jetzt waren die Olynthier vor 
Athens Seemacht sicher und zugleich der ewigen Händel mit Ma- 
kedonien überhoben: eine Stadt die seine Vorfahren beherrscht 
überliels ihnen Philipp ohne Streit, auf seine Kosten und mit sei- 
nem Kriegsheere bezwang er das athenische Potidaea und legte 
es ihnen zu Fülsen: das neu gewonnene Gemeindeland ward 
eine Quelle des Wohlstandes für die ärmeren Bürger '. Und wie 
auf die ganze Gemeinde, so strömte auch die Gnade des Königs 
auf die Leiter der Bürgerschaft über: man sah mit Staunen, wie 
Lasithenes sein Haus aufführte mit Bauholz das er aus Makedonien 
zum Geschenke bekommen, wie Euthykrates Rinderheerden sich 
zulegte die &r nicht bezahlt, wie der Schafe, jener Pferde mit- 
brachte. Das sah man mit Neid, mit Bewunderung, vorläufig ohne 
Sorge”. Denn wie nie zuvor schien Olynth in Macht und in Wohl- 
stand zu blühen. Alle Chalkidier waren zu einer Bundesgemeinde 
vereinigt, aus den kleineren Städten waren die meisten Bürger nach 
der Hauptstadt gezogen; und hatte Olynth mit vierhundert Reitern 
und fünftausend streitbaren Bürgern der vereinten Kraft der Lake- 
dämonier und Makedonen rühmlichen Widerstand geleistet ?, so be- 


1) S. o. 5. 22f. und die dort angeführten Stellen. 

2) Dem. vdG. 265 5. 425, 26£. 

3) Dem. a. Ὁ. 2631. 8. 425, 10 ἐκεῖνοι γάρ, ἡνίκα μὲν τετρακο- 
σίους ἱππέας ἐκέκτηντο μόνον καὶ σύμπαντες οὐδὲν ἦσαν πλείους πεν- 


Olynth im Bunde mit Philipp. 113 


trug jetzt das kriegerische Aufgebot der Stadt tausend Reiter und 
mehr als zehntausend schwerbewaflnete Bürger '. Und während 
andere hellenische Staaten mit Kriegsleiden und Händeln aller Art 
heimgesucht waren, herrschte auf der chalkidischen Halbinsel tie- 
fer Friede: die Fülle der Gaben welche aus den Erzgruben oder 
von den Feldern und Gärten gewonnen wurden — denn die meer- 
umspülte Halbinsel war gesegnet wie kein anderer Strich der Nortl- 
küste, ihr Wein, ihre Früchte waren gesucht und wurden weithin 
verführt ? —, sie konnten sie in behaglicher Ruhe geniefsen. 

Aber in diesen Zustand des Gedeihens und üppigen Genusses ἢ 
warfen die kommenden Dinge ihre Schatten hinein. Der Nachbar, 
dessen Dienste sie hatten nützen mögen ', wuchs heran zu einem 
weitgebietenden furchtbaren Kriegsherrn: sie hatten es vor Augen 
wie er den hellenischen Städten mitspielte, wie er wem er eben ge- 
lächelt hatte in der nächsten Stunde mit Füfsen trat: im Osten be- 
setzte er die thrakische Küste, im Westen drang er nach Thessalien 
vor. So sahen sich die Olynthier vereinzelt, von einer Übermacht 
auf allen Seiten umstellt: hatten sie erst der Gnade Philipps ge- 
dankt, so erkannten sie jetzt, was ihrem hellenischen Selbstgefühle 
unerträglich war, dafs sie von eben dieser Gnade abhiengen, dafs 
es darauf hinauslief sie an das makedonische Reich zu ketten °. 
Eben die Bedingung welche früher den Olynthiern als eine Bürg- 
schaft für Philipps Ausharren im Bündnisse hatte gelten mögen, 
dafs kein Theil ohne den andern mit Athen sich vergleichen sollte ®, 
mufste ihnen jetzt als eine drückende Fessel erscheinen. 

Unter solehen Umständen gelang es den Gegnern der Söldlinge 


τακισχιλίων τὸν ἀριϑμὸν, οὔπω Χαλκιδέων πάντων εἰς ἕν συνῳκισμέ. 
νων χτὶ. Über den συνοικισμός vgl. Strab. 7 fr. 11. Über die frühe- 
ren Streitkräfte eg s. Xen. H. 5, 2, 14 Dindorf. Abel Makedonien 
8.212, 2% 

1) Dem. a. O. 266 S. 426, 8. Vgl. 01.2, 18. 18,5. 3, 78.30, 
14. Diod. 16, 8 und 32, 4. 

2) Abel Makedonien S. 20f. Böhnecke F. I, 99. Vgl. auch Ap- 
pian. Bürgerkriege 4, 102. 

3) Theop. XXII = 149 bei rg 10 S. 442.. 

4) Vgl. Dem. Ol. 2, 14 5. 22%, 

5) Vgl. Dem. w. deko 108 8 S. "656, 15. 

6) Liban. Einleit. zu den olynth. R. 5. 7, 17 συνετέϑειντο γὰρ καὶ 
κοινῇ πολεμεῖν πρὸς Adnvalovg, κἂν ἄλλο τι δόξη, κοινῇ σπείσασϑαι. 

DEMOSTHENES IT, 5 


114 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


des makedonischen Hofes, der Freunde und Gäste Philipps ', sich 
bei der Volksgemeinde Gehör zu verschaffen: die Olynthier schick- 
ten Gesandte nach Athen, schlossen ohne Rücksicht auf Philipp 
Frieden — offenbar auf den gegenwärtigen Besitzstand ® im Namen 
des chalkidischen Bundes — und erklärten sich einem Bündnisse 
mit Athen nicht abgeneigt. Diese Verhandlung erwähnt _Demosthe- 
nes in der Rede gegen Arıstokrates als einen Vorgang der jüngsten 
Zeit, und Libanios hat die Nachricht dafs Philipp eben von seinem 
Reiche fern gewesen sei ?. Demnach glaube ich nicht zu irren 
wenn ich den Friedenschlufs in den Sommer 352 (01. 106, 4 zu 
Ende) setze, während Philipp in Thessalien stand und die Athener 
eben durch die erfolgreiche Expedition nach Pylae wieder einmal 
thatkräftig eingegriffen hatten. Weiter aber giengen die Olynthier 
vor der Hand nicht: vergebens suchten die Athener sie zu einem 
Bündnifs und zu offenem Kriege mit dem makedonischen Reiche zu 
treiben. Und auch Philipp fand es noch nicht an der Zeit zum äu- 
[sersten zu schreiten *, so widerwärtig ihm auch die veränderte Hal- 
tung Olynths war. Allerdings machte er auf dem Rückwege von 
seinem zweiten thrakischen Zuge (Ol. 107, 1. 351) einen Einfall in 
Bisaltien und drang bis zu dem olynthischen Bundesgebiete vor: 
aber sein Angriff galt nicht so sehr den hellenischen Städten auf 
Chalkidike, als den Fürsten welche über die angrenzenden Völker- 
schaften herrschten. Diese brachte er durch Hinterlist in seine 


1) Dem. Phil. 3, 56 S. 125, 6. 


2) Aufser Potidaea hatten die Athener auch Torone nicht mehr 
(Diod. 16, 53): diese Stadt werden sie schon vor Philipps Zeit einge- 
büfst haben. 


3) Dem. w. Aristokr. 109 5. 656, 22 (Ὀλύνϑιοι) ὑμᾶς — φίλους 
πεποίηνται" φασὶ δὲ καὶ συμμάχους ποιήσεσϑαι. Liban. a. O. 5. 7, 
14 ἀποδημοῦντα δὲ τηρήσαντες αὐτὸν (Φίλιππον Ὀλύνϑιοι) πέμψαντες 
πρέσβεις πρὸς ᾿Αϑηναίους κατελύσαντο τὸν πρὸς αὐτοὺς πόλεμον, 
Schol. Dem. S. 34, 17 1). 


4) Dem. ΟἹ. 3, 7 8. 30, 14 ὑπῆρχον Ὀλύνϑιοι δυναμίν τινὰ κε- 
r ΄ 3 “ x , v 2 2 ᾿ 
χτημένοι, καὶ διέκειϑ'᾽ οὕτω τὰ πραγματα οὔτε Φίλιππος ἔϑαρρει 
΄ τ ΄ « ἊΝ \ ε - 
τούτους Od οὗτοι Φίλιππον. ἐπράξαμεν ἡμεῖς κἀκεῖνοι πρὸς ἡμᾶς 
’ 5 » , m ᾿ ’ 
εἰρήνην" ἣν τοῦτο ὥσπερ ἐμπόδισμά τι τῷ Φιλίππῳ καὶ δυσχερές, πό- 
Y x . » » r x ς - 
λιν μεγάλην ἐφορμεῖν τοῖς ἕαυτοῦ καιροῖς διηλλαγμένην πρὸς ἡμᾶς. 
-“ - Er} \ ’ x ’ a 
ἐκπολεμῆσαι δεῖν ὠόμεθα τοὺς ἀνθρώπους ἐκ παντὸς τρόπον, καὶ ὁ 
πάντες ἐθρύλουν τέως κτλ. Vgl. 1, 7 S. 10, 29. 


Friede der Olynthier mit den Athenern. 115 


Gewalt und tödtete sie '. Die Chalkidier ordneten unter solchen 
Umständen eine Gesandtschaft an den König ab. Dieser schilderte 
Philipp in einer Fabel (wenn Theopomp nicht auch diese Rede rein 
ersonnen hat) den Krieg und seine Gräuel als die Dämonen, wel- 
che sie über Land und Leute bringen würden *. Aber während er 
den Krieg als ein Schreckgespenst vorhielt, versicherte er seine 
friedlichen Absichten: ja er schickte sogar Gesandte nach Olynth 
um sich zu rechtfertigen und ein freundnachbarliches Verhältnils 
herzustellen °. So ward diesmal noch der Krieg vermieden: Phi- 
lipp hatte seinen nächsten Zweck erreicht und schien vor der Hand 
auf ganz andere Dinge sein Absehen gerichtet zu haben : wie früher 
erwähnt, baute er in Illyrien feste Städte und mag in jener Zeit 
auch zuerst nach Epirus gegen Arybbas ausgezogen sein '. Aber 
sicher fühlten sich die Olynthier keineswegs: Ol. 107, 2. 350 er- 
baten sie sich von den Athenern einen Zuzug an Reiterei um 
ihr Gebiet decken zu können; der Ausbruch des entscheidenden 
Krieges schien unmittelbar bevorzustehen °. Noch zögerte Philipp 
um erst unter der Hand seine Anstalten zu trellen: in allen chalkı- 
dischen Orten knüpfte er Verbindungen an um seine Freunde in 


1) Vgl. o. 5. 53. Just. 8, 3 (und fast mit denselben Worten Oros. 
3, 12) reiht mit Übergehung des thrakischen Zuges die chalkidische Expe- 
dition an den Sieg über Onomarchos an: inde—in Chaleidieam traicit: ubi 
hello pari perfidia gesto captisque per dolum et occisis finitimis regibus uni- 
versum provinciam imperio Macedoniae adiungit. Dann erzählt er von den 
illyrischen Bauten (vgl. o. S. 26): post haec Olynthios adgreditur etc. 

2) Theopomp XX fr. 139 (bei Theon prog. 2 5. 159) ὃ (uö#os) τοῦ 
Πολέμου καὶ τῆς Ὕβρεως, ὃν ὃ Φίλιππος διεξέρχεται πρὸς τοὺς αὐτο- 
κράτορας τῶν Χαλκιδέων. Theopomp hat im 19 Buche von Philipps 
Anordnungen in Thessalien gehandelt (fr. 136), im 20 von Bisaltien, 
das an Chalkidike angrenzt (fr. 137) und von den Verhandlungen mit 
den Chalkidiern (fr. 139); auch erwähnte er die jenseit des Strymon 
gelegene Stadt Sirrha, das heutige Seres, (fr. 138 vgl. C. I. gr. II, 62). 
Im 21 Buche handelte er von den Völkern am adriatischen Meere, was 
auf Philipps Züge nach Illyrien und Epirus hinweist (fr. 140#,). Mit 
dem 22 Buche gieng er auf den olynthischen Krieg über (fr. 149). 

3) Dem. Phil. 3, 11 5. 113, 15 πάντα τὸν ἄλλον χρόνον, εἴ τις 
αἰτιάσαιτό τι τοιοῦτον (dals Ph. es auf Olynths Verderben abgesehen 
habe) ἀγανακτῶν καὶ πρέσβεις πέμπων τοὺς ἀπολογησομένους. 

4) Ol. 1, 13 S. 13, 4. Eben diese Zeit (352) nimmt auch Sauppe 
an (inser, Macedon. ὃ. 18). Vgl. Buch IV, 5. 

5) 8. o. 5. 74. 108. Vgl. Apollod. wNeaer. 4 S, 1346, 13. 

δ᾿ 


116 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


Ämter und Befehlshaberposten zu bringen, und seine Umtriebe und 
Bestechungen haben wie eine Drachensaat des Verraths und der 
Untreue unter den Häuptern der bundesverwandten Städte gewu- 
chert '. Die Volksgemeinde liefs sich durch Friedensvorspiegelun- 
gen einschläfern: gewann doch die verrätherische Friedenspartei 
sogar zu Olynth die Gunst der Bürgerschaft in dem Grade, dafs 
Apollonides, der Führer der antimakedonischen Partei, in die Ver- 
bannung geschickt wurde *. Als Philipp dann seiner Beute so si- 
cher war, dafs er durch den blofsen Anmarsch völlige Unterwer- 
fung erzwingen zu können meinte ?, rückte er mit Heeresmacht 
heran, immer noch wie er vorgab, zur Verständigung bereit *. Vor 
allem forderte er die Auslieferung seines Stiefbruders, der zu Olynth 
eine Zufluchtstätte gefunden hatte °. Aber die Olynthier weigerten 
sich ihren Schützling preiszugeben: sie sahen ein dafs diese Be- 
schwerde nur einen Vorwand zum Kriege bilde und dafs es sich um 
Zerstörung und Knechtschaft ihrer Stadt handele °. Deshalb sag- 
ten sie Philipp ab, boten alle Mittel des Widerstandes auf und riefen 


1) Vgl. Grote H. of Greece XI, 451. 

2) Dem. Phil. 3, 56 8. 125, 14. 63£. 5. 127.6 66 8 5 7 Vgl. 
Schol. zur R. üb. Halonn. 39 S. 86, 14. Apollonides erhielt Bürger- 
recht zu Athen, verlor es aber wieder durch richterlichen Spruch, Apol- 
lod. gNeaer. 91 5. 1376, 5. 

3) Dem. Ol. 1, 21 8. 15, 11 ὡς ἐπιὼν ἅπαντα τότε ἤλπιξε τὰ πρα- 
γματα ἀναιρήσεσϑαι. 

4) Dem. Chers. 59 5. 104, 7. 10 ἐκεῖνος μὲν γὰρ οὐ πολεμεῖν (φή- 
σει), ὥσπερ -- οὐδ᾽ Ὀλυνϑίοις ἐξ ἀρχῆς, ἕως ἐν αὐτῇ τῇ χώρᾳ τὸ στρά- 
τευμα παρῆν ἔχων. 

5) Schol. R. zu Dem. Ol. 1,5 8. 10, 16 (8.43, 7 Df.) τ τὴν 
ἀληϑῆὴ πρόφασιν, ὅτι διὰ τὸν ἀδελφὸν τοῦ Φιλίππου, ὃν ἐξαιτοῦντος 
τοῦ Μακεδόνος κατέχουσι, τὴν κεκρυμμένην ἐπιϑυμίαν τοῦ Φιλίππου 
λέγει τὸ (τοῦ) καταστρέψασθαι τοὺς Ὀλυνϑίους μετ᾽ εὐπροσώπου 
προφάσεως. εἰκότως δὲ ἐκείνην ἐσιώπησεν, ἀντιπῖπτον ὑποτεμνόμενος 
«ἀλλ᾽ ἔξεστι τοῖς Ολυνϑίοις ἀποδοῦναι τὸν ἀδελφὸν καὶ ἀπαλλάχϑαι 
τοῦ πολέμου". Just. 8, 3 (und Oros. 3, 12) post haee Olynthios adgre- 
ditur: receperant enim per misericordiam post! caedem unius duos fratres 
eius, quos Philippus ex noverca genitos, veluli participes regni, interficere 
gestiebat. Vgl. über die Stiefbrüder o. S. 10, 1. 16f. Nur Arrhidaeos mag 
damals zu Olynth gelebt haben; Menelaos, der bei den Athenern diente 
(s. ob. S. 70), wird erst mit den athenischen Hilfstruppen nach Olynth 
gekommen sein. Vel. u. S. 131. 


6) U 1,54.5.8,710, 12182 BR 


Ausbruch des olynthischen Krieges. 117 


die Athener zu Hilfe: an diese schickten sie eine Gesandtschaft 
welche ein Bündnifs abschliefsen sollte (01.107, 4. 349) '. 

Mit diesen Anträgen der Ölynthier wurde den Athenern 
geboten, was sie lange gewünscht und erstrebt hatten, früher 
um ihre Seeherrschaft zu befestigen, neuerdings um an der 
Grenze Makedoniens eine ansehnliche Bundesgenossenschaft zu ge- 
winnen. Deshalb werden viele Stimmen sich dafür erhoben haben 
das Bündnifs abzuschliefsen und die begehrte Hilfe zu gewähren, 
wenn auch andere sei es aus eigener Kleinmüthigkeit oder im ma- 
kedonischen Interesse die Gefahren schilderten, welche die Athener 
bei einem Landkriege mit Philipps Heeresmacht liefen ?, oder gegen 
die Zuverlässigkeit der Olynthier Zweifel erregten, die am Ende mit 
Philipp sich abfinden und auf die ihnen gemachten Friedenserbie- 
tungen eingehen könnten: denn immer noch redete Philipp von sei- 
nen friedfertigen Absichten ®. Indessen vermochten solche Beden- 
ken die Athener nicht darin irre zu machen sich mit den Olynthiern 
zu verbünden : weit schwieriger war die Frage, wie es zu erreichen 
stehe, dafs der verheilsene Beistand kräftig und erfolgreich gelei- 
stet werde, denn diese griff in den ganzen innern Zustand Athens 
ein. Wenn Olynth gerettet werden und bei dieser Gelegenheit dem 
langjährigen Kriege Athens mit Philipp eine entscheidende Wen- 
dung gegeben werden sollte, so war es nothwendig, dafs die Athe- 
ner auf die Leitung des Krieges sich einen Einflufs sicherten, dafs 
sie so zahlreich wie möglich im Felde erschienen und keine Kosten 
scheuten: dazu war persönliche Aufopferung und Entsagung er- 
forderlich um alle Mittel des öffentlichen Schatzes und der Steuer- 
kraft für den einen Zweck zu verwenden. Aber nach dem bisheri- 
gen Gange der Dinge war gerade das Gegentheil zu erwarten. Die 
Sprecher in der Volksversammlung, welche zu dem Bündnis rie- 
then, hatten über die Mittel und Wege kaum nachgedacht *; wurde 
auch ein beifälliger Beschlufs gefalst, so war damit die Sache noch 
wenig gefördert: denn nun gieng wieder die alte Noth an. Bei der 

1) Philoch. VI fr. 132 (bei Dionys. Schr. an Amm. 1,98. 734, 12). 
Vgl. L. d. X Redner 5. 8454. Als die Gesandtschaft abgieng, war der 
Krieg schon in vollem Gange; Dem. Ol. 1 ἃ. Ὁ. 

2) Vgl. Dem. Ol. 1,4 S. 10, 7. 21 S. 15, 8. 
3) Ol. 1, 3£. 7 S. 10, 2. 11, 2. Vgl. Westermann, qu. Dem. I, 44. 
4) Vgl. Ol. 1, zu Anfange. 


118 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


Scheu der Bürger vor dem Kriegsdienste stand zu erwarten, dafs 
man zur Werbung von Söldnern greifen werde: um diese mit Zeh- 
rung und mit Löhnung zu versehen brauchte man Geld. Aber was 
von den regelmäfsigen Einkünften übrig blieb ward als Belusti- 
gungsgeld vertheilt und steuern mochte man nicht: wie sollte bei 
solchen Ausflüchten und solcher Schlaffheit der Krieg je nachdrück- 
lich geführt werden? Daher galt es in der feigen und vergnügung- 
süchtigen Bürgerschaft erst einen besseren, opferwilligen Sinn zu 
erwecken, dafs sie sich abwandte von der selbstsüchtigen Partei, 
welche unter Eubulos Leitung den Staat beherrschte: dafs sie auf 
das heillose Privilegium verzichtete den öffentlichen Schatz auszu- 
beuten. Aber dieser Kampf war ein schwerer und gefährlicher : 
Eubulos und seine Genossen wufsten den Gelüsten der Menge so 
zu schmeicheln, dafs die Athener wie in einem Zauberbanne gehal- 
ten wurden: auf den blofsen Antrag mit der Vergeudung inne zu 
halten und die Überschüsse wieder der Kriegskasse zu überweisen 
war Todesstrafe gesetzt, und es hiefs sich nicht zweifeln, dafs die 
Gerichte demgemäfs erkennen würden. Somit war an einen direc- 
ten Antrag der Art vor der Hand nicht zu denken: hätte ein Redner 
sein Leben darangesetzt und den Tod dafür erlitten, so wäre das 
Übel nur unheilbarer geworden ; wer sollte nach einem so abschrek- 
kenden Beispiele ein gleiches wagen 72 

Dennoch unternahm Demosthenes, eben damals Mitglied des 
Rathes ἢ, den Kampf gegen die zerrüttende Staatsverwaltung des 
Eubulos: drei Reden die er zu diesem Zwecke gehalten hat liegen 
uns vor, die olynthischen Reden. Sie sind nicht darauf angelegt 
die Athener erst zum Kriege mit Philipp zu veranlassen, der war 
längst im Gange und nicht von Demosthenes angestiftet: auch 
nicht blofs das Bündnifs mit Olynth zu empfehlen, denn selbst in 
der ersten Rede, so lebhaft sie auch auf Hilfleistung dringt, ist dies 
nicht der alleinige Zweck, sondern die Absicht des Redners geht 
dahin die Athener zur richtigen Erkenntnils der Gefahr die ihnen 
von Philipp droht und der Mittel ihr zu begegnen hinzuleiten, sie 
zu rascher, kräftiger That zu vermögen und eine Reform der Fi- 
nanzverwaltung durchzusetzen ohne welche alle Beschlüsse über 


1) 8. besonders Ol. 1, 19f. S. 14, 18f. 3, 10f. S. 31, 88. Vgl. 
Buch I, 4, 2): 8, 0. 8. 97. Τὺ: 


Demosthenes olynthische Reden. 119 


die Kriegführung umsonst sind. Es ist also nicht der Kampf mit 
dem auswärtigen Feinde allein, zu dem diese Reden aufrufen, son- 
dern eben so sehr der Kampf mit den Feinden im innern, den De- 
mosthenes führt: gelingt es nicht diese zu überwinden, so geht 
Olynth verloren, wie alle andern Plätze im Norden verloren sind, 
und Philipp wird am Ende den Krieg nach Attika spielen. Wird 
dagegen der rechte Weg eingeschlagen und die ganze Kraft des 
athenischen Staates aufgeboten, dann ist jetzt die Gelegenheit vor- 
handen die Offensive erfolgreich zu ergreifen und den Krieg glück- 
lich zu beendigen. So geht Demosthenes in jedem Stücke weit 
über die Schranken hinaus, innerhalb deren er in der ersten Phi- 
lippika seine Anträge gehalten hatte. 

Die olynthischen Reden sind ein so grolsartiges Denkmal 
staatsmännischer Einsicht und edler Freimüthigkeit, welche die 
Gunst der Menge verschmäht und den Machthabern welche ihren 
Neigungen schmeicheln und durch eigene Entwürdigung auf Kosten 
des gemeinen Wesens ihre Huldigungen erkaufen, die Hülle herun- 
terreilst; sie sind dabei so wohl bemessen, bei aller Wärme des 
Gefühls und sittlicher Entrüstung, die aus freier Liebe zum Vater- 
lande entspringt, mit solcher Kunst durchgearbeitet, dafs es un- 
möglich ist in einer Skizze ihre Bedeutung nur von ferne anschau- 
lich zu machen. Diese kann die Harmonie des ganzen nur zer- 
reilsen, und die leitenden Ideen welche der Redner immer von 
neuen Seiten beleuchtet um seine Mitbürger zu fassen und festzu- 
halten, können in ihr nur wie in lästiger Wiederholung erscheinen. 
Indessen die Hauptmomente jeder Rede, aus denen ihr Zweck er- 
hellt und in denen die politischen Mafsregeln des Staatsmannes 
entwickelt sind, dürfen wir nicht unterlassen genauer zu erwägen. 

Die erste Rede ist gehalten bei der Verhandlung über die von 
den Olynthiern erbetene Hilfsleistung. Demosthenes fordert bei 
der anerkannten Wichtigkeit der vorliegenden Berathung williges 
Gehör, allerdings nicht blols für Redner welche wie er über das 
was Nutzen bringen kann gehörig nachgedacht haben; vielmehr 
gibt er zu dafs durch einen glücklichen Zufall wohl dem und jenem 
etwas zweckmäfsiges beifällt, so dafs die Bürger aus diesem allen 
leicht was ihnen heilsam ist erwählen können ἡ. 


1) 1, 18.9, 1—10. Scheinbar tritt Dem. in diesen Worten mit 


120 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


Aber mit dem bisherigen Gange der Debatte ist Demosthenes 
nicht einverstanden: die Dinge liegen so dafs sie wie mit lauter 
Stimme predigen dafs die Athener mit eigener Kraft eingreifen müs- 
sen wenn sie auf ihre Selbsterhaltung bedacht sind: sie aber ha- 
ben keine Ohren zu hören '. Seine Meinung geht nun dahin, die 
Hilfleistung sofort zu beschliefsen und die Rüstungen um die Bür- 
gerschar von Athen abgehen zu lassen schleunigst zu betreiben, 
zugleich aber eine Gesandtschaft abzuschicken, die davon Meldung 
thue und dem Gange der Dinge folge; damit nicht Philipp, ver- 
schlagen und gewandt in der Benutzung der Umstände wie er 
ist, hier durch gelegentliche Nachgiebigkeit, dort durch Drohun- 
gen, dort durch Verdächtigung der Athener und ihres Ausbleibens 
bei der obwaltenden Verwickelung von entscheidender Bedeutung 
eine Wendung zu seinen Gunsten herbeiführe. Indessen will »De- 
mosthenes damit kein Mistrauen gegen die Olynthier erwecken: 
gerade die Vereinigung aller politischen und militärischen Gewalt 
in der Hand des Alleinherrschers, die ihn im Felde so furchtbar 
macht, steht dem Frieden, den er gern mit den Olynthiern ein- 
gienge, im Wege; denn sie wissen, dafs es in dem gegenwärtigen 
Kriege die Zerstörung und Knechtschaft ihrer Vaterstadt gilt; sie 
haben das Schicksal der Amphipoliten und Pydnaeer vor Augen: 
und überhaupt Nöfst Gewaltherrschaft den freien Staaten Mistrauen 
ein, zumal wenn ihre Grenzen zusammenstofsen ?. 

Von dieser Überzeugung geleitet und in Erwägung aller Um- 
stände müssen die Athener willig und von Eifer angespornt sein 
und dem Kriege obliegen mehr als jemals; sie müssen freudig 
Geld steuern, selber ins Feld ziehen und nichts verabsäumen: denn 
es bleibt ihnen keine Ausrede und kein Vorwand mehr ihre Pflicht 
nicht zu thun. Gerade was sie so viel beredet haben, man müsse 
die Olynthier zum Kriege mit Philipp treiben, ist von selber gesche- 


seiner wohlbedachten Rede zurück gegen die Redner aus dem Stegreife, 
Aber nur scheinbar: der leitende Gedanke ist: wohl kann es ein glück- 
licher Zufall so fügen dafs jemanden im Augenblicke ein guter Gedanke 
kommt, darum prüfet alles: aber schenkt auch meinen wohlerwogenen 
Rathschlägen Gehör und befolgt sie, wenn ihr sie als zweckmälsig er- 
kennt. Vgl. Schol. R. S. 35 ΤῈ 

1) 2 5. 9, 10—15. 


2) 2—5 5. 9, 15 — 10, 22, 
᾽ ε 


Die erste olynthische Rede. 121 


hen und unter den günstigsten Verhältnissen für Athen. Eine so 
gebotene Gelegenheit dürfen die Athener nicht fahren lassen, nicht 
in die frühere Versäumnifs wieder verfallen. Demosthenes schil- 
dert, was sie alles verscherzt, wie sie Philipp so grols gezogen ha- 
ben wie noch kein König von Makedonien war. Den jetzigen Zeit- 
punct hat ihnen wieder ohne ihr Zuthun eine besondere Gnade der 
(Götter an die Hand gegeben: lassen sie aber auch diese hilfesu- 
chenden im Stich und unterjocht Philipp dann Olynth, was soll 
ihn fernerhin noch hindern zu marschieren wohin er will? Der Red- 
ner hält den Bürgern vor, auf welche Weise Philipp von schwachen 
Anfängen zu grofser Macht gelangt ist ‚ er zählt die hellenischen 
Städte und Küstenlandschaften welche er nach einander erobert 
hat einzeln auf, gedenkt seiner rastlosen Thätigkeit, damit die 
Athener erkennen wie unvortheilhaft es ist ein Stück nach dem an- 
dern preiszugeben und dafs Philipp in einem Thatendrange lebt 
und webt, der ihn nie sich genügen und Ruhe halten läfs” Geht 
es mit beiden Theilen so fort, so wird das Ende kein anderes sein, 
als dafs der jetzt in,der Ferne geführte Krieg nach Attika gespielt 
wird: dann wird es den Athenern gehen wie leichtsinnigen Schul- 
denmachern die eine Weile in Überflufs leben, bald aber sieh um 
ihr ganzes Erbe gebracht sehen: jetzt schwelgen sie für hohe Zin- 
sen und suchen in allem nur ihren Genufs: später aber dürfte die 
Noth sie zwingen vieles harte was sie nicht wollten zu thun und 
sie um ihre eigene Hab’ und Gut in Gefahr kommen ἡ. 

Aber Demosthenes will nicht blofs tadeln, sondern auch sagen 
was unter den obwaltenden Umständen geschehen müsse: dafür 
scheut er sich nicht die Verantwortlichkeit zu übernehmen, obgleich 
die Athener wenn eine Sache wider Verhoflen abläuft, oft nicht auf 
(die welche daran schuld sind, sondern welche zuletzt darüber ge- 
sprochen haben, zürnen. Er dringt also darauf (und dies bildet 
den zweiten Theil seines Vorschlags) dafs sie auf zwiefache Weise 
die Entscheidung fördern: einerseits damit dafs sie den Olynthiern 
ihre Bundesstädte erhalten und zu dem Ende Krieger abschicken, 
andererseits damit dafs sie Philipps eigenes Land heimsuchen mit 
Kriegsschiflen und einem zweiten Truppenecorps: unterlassen sie 
eins von beiden, so steht zu erwarten’dafs ihr ganzer Feldzug um- 


1) 6—15 S. 10, 22 — 13, 26. 


122 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


sonst ist. Dies erläutert Demosthenes noch näher um seine For- 
derung zu begründen, dafs das Hilfscorps stark sein und in zwei 
Abtheilungen operieren müsse '. 

Das ist seine Meinung über die Hilfleistung ; die nächste Frage 
ist, wie die Kriegskosten aufgebracht werden sollen. Demosthenes 
sieht nur ein Mittel, das aller Verlegenheit abhilft: man mufs die 
Überschüsse ihrer ursprünglichen Bestimmung wieder überweisen, 
nämlich der Kriegskasse, und ihre Vertheilung als Belustigungsgel- 
der aufgeben. Das legt er den Athenern dringend ans Herz, nicht 


in Form eines Antrags — vielmehr verwahrt er sich gegen eine 
solche Unterstellung — aber er kommt wiederholt darauf zurück, 


dafs wer Geld empfängt auch dafür entsprechendes leisten müsse, 
statt dafs die Athener meinen es ohne Gegenleistung für ihre Feste 
hinnehmen zu dürfen. Dann freilich bleibt nichts übrig als dafs 
alle von ihrem Vermögen steuern je nach dem Bedürfnifs des 
Staats: “denn Geld ist erforderlich: ohne dies kann nichts was er- 
*forderlich ist geschehen. Es schlagen andere noch diese und jene 
“ Mittel und Wege vor: wählt darunter was euch zweckmälsig dünkt, 
“und so lange es Zeit ist greift die Sache tüchtig an? ?. 

So hat Demosthenes es der Bürgerschaft nahe genug gelegt 
dem gemeinen Besten ihr Gelüste zu opfern: nun richtet er auch 
zum Schlusse ihren Muth auf: er schildert Philipps Lage als eine 
schwierige, sowohl durch den unerwarteten Widerstand der Olyn- 
thier als durch die unzuverlässige, ja fast feindselige Haltung der 
Thessaler ; sie nehmen Zölle in Anspruch, deren Abgang Philipp mit 
der Unterhaltung seines Söldnerheeres sehr in die Klemme bringen 
müfste: und ähnliche Gesinnungen darf man von dem Paeonier - 
und Ilyrierfürsten voraussetzen. Diese Verlegenheit Philipps müs- 
sen die Athener als eine gute Gelegenheit für sich bereitwillig aus- 
beuten durch Gesandtschaften wo es nöthig ist, durch selbeigenen 
Heeresdienst, durch Aufmunterung aller andern: und mögen dabei 
sich vorhalten wie Philipp eine solche Gunst der Umstände und ei- 
nen Krieg an ihren Grenzen benutzen, wie schleunig er gegen sie 
ausziehen würde. Es wäre eine Schande wollten sie nicht ein glei- 
ches thun. Jetzt haben sie noch die Wahl ob sie dort in der Ferne 


118 8..13, 26, — 1,1 
2) 19. 8.14, 17 — 135, 6. 


Die erste olynthische Rede. Erste Hilfsendung nach Olynth. 125 


oder Philipp in ihrem Lande Krieg führen soll. Hält sich Olynth, 
so werden sie dort Krieg führen und des Feindes Land verwüsten, 
während sie von ihrem Eigenthum und Heimatlande ungestört Nuz 
zen ziehen: nimmt Philipp aber jene Stadt ein, wer wird ihn dann 
hindern nach Attika zu ziehen? Demosthenes erinnert an die Feind- 
seligkeit der Thebaner , die Schwäche der Phokier, die nur mit athe- 
nischer Hilfe ihr Land behaupten können; er wirft emen Blick auf 
den Schaden und die Unkosten welche schon die blofse Aufstellung 
eines Heeres zum Schutze des Landes mit sich führen würde, ab- 
gesehen von dem Kriegsfrevel und der Schmach die damit verbun- 
den wäre !. 

Im Hinblick auf dies alles müssen allesamt zu Hilfe eilen und 
den Krieg fernab treiben, die wohlhabenden mit Steuern, die kriegs- 
tüchtige Mannschaft mit Heeresdienst in Feindeslande, die Redner, 
damit ihnen die Rechenschaft von ihrer Staatsverwaltung nicht 
schwer wird: denn wie die Dinge sich gestalten, so werden ihre 
Mitbürger ihr Verfahren beurteilen. Möchte es aber in alle Wege 
zum besten sein ?! 


Die Rede des Demosthenes wird heftigen Widerspruch gefun- 
den haben. Schon das Bündnifs mit den Olynthiern stand nicht 
allen an: wenn der Nachricht zu trauen ist, hätte Demades schon 
dawider geredet ?, dessen politische Thätigkeit erst später Bedeu- 
tung gewann. Insbesondere aber hatte Demosthenes in der Anfech- 
tung der Theorikenkasse eine empfindliche Seite berührt und der 
Bürgerschaft lästige Opfer zugemuthet: dawider wird Eubulos das 
sanze Gewicht seiner Gunst eingesetzt haben. Es kann uns daher 
nicht befremden, wenn die gefalsten Beschlüsse der Wichtigkeit 
des Momentes nicht entsprachen und, was das schlimmste war, 
nicht einmal gehörig ausgeführt wurden. Zwar so viel vermochte 
Demosthenes und die ihm gleichgesinnten, dafs ein Bündnifs mit 
den Olynthiern abgeschlossen wurde; ferner wurde CGhares mit 
zweitausend Söldnern und den dreilsig Trieren welehe er bei sich 
hatte, ihnen zu Hilfe gesandt: auch erhielten die Schille eine ver- 


1) 21-27 8. 15,6 — 17, 7. 

2) 28 S. 17, 7 bis zu Ende. 

3) Suid. u. ἃ. N. 3 οὗτος “ημοσϑένει λέγοντι ὑπὲρ Ὀλυνϑίων 
ἀντέλεγεν. 


124 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


stärkte Besatzung von athenischer Mannschaft (Ol. 107, 4. 349) '. 
Etwas weiteres aber geschah vor der Hand nicht. Das Aufgebot 
des Bürgerheeres, auf welches Demosthenes gedrungen hatte, ward 
beschlossen, aber die Ausrüstung kam nicht zu Stande: in dem 
Staatshaushalt dauerten die bisherigen Misbräuche fort; man wollte 
sich mit einer Vermögensteuer helfen, aber diese gieng nicht ge- 
hörig ein ?. Mittlerweile wurden gegen Chares Beschwerden und 
Vorwürfe erhoben, alte Klagen wieder aufgefrischt; es scheint sich 
bereits darum gehandelt zu haben einen andern Feldherrn an seine 
Stelle zu setzen ®. Philipp dagegen fand Fürsprecher: es sei eine 
leere Schmähung dafs er meineidig und treulos sei ': seine Macht 
sei so grofs dafs man ihm nichts werde anhaben können °; alles 
glücke ihm ὃ; und was sonst die Athener in ihrem Kleinmuthe und 
ihrer Saumsal bestärken konnte. 

So war die Stimmung in Athen, als Demosthenes abermals, 
nicht lange nach seiner ersten Rede, das Wort nahm um seine Mit- 
bürger mit frischem Muthe zu erfüllen und sie zu selbstthätigem 
Eingreifen anzutreiben. Mit wenigen Worten fast er zusammen, 
was die frühere Rede eingehender entwickelt hatte, und spricht es 
aus: die Gnade der Götter, welche so oft an Athen offenbar worden 
ist, hat die Erhebung der Olynthier gegen Philipp wunderbar ge- 
fügt: aber die Athener müssen die dargebotene Gelegenheit benuz- 
zen, wenn sie nicht die äufserste Schmach auf sich laden wollen ?. 

Damit geht Demosthenes auf sein eigentliches Thema, die 
Machtstellung Philipps über: nicht um die Macht des Feindes an 


1) Philoch. fr. 132 b. Dionys. Schr. an Amm. 1,98. 734, 121. 
Vgl. Dion. 10 5. 736, 11 (ἐπ᾽ ἄρχοντος Καλλιμάχου ἃ. 1. Ol. 107, 4) 
τὰς εἰς Ὄλυνθον βοηϑείας ἀπέστειλαν "Adnvaioı πεισϑέντες ὑπὸ An- 
μοσϑένους. Über Chares vgl. ο. 5. 711. 

2) Ol. 1, 20 5. 14, 29. lehrt dafs eine Vermögensteuer in Erwä- 
gung gezogen wurde; nach 2, 13 S. 21, 25—28 scheint es, dafs sie be- 
schlossen war. Aufser dieser Stelle s. über den verzögerten Ausmarsch 
des Bürgerheeres Ol. 2, 12 5. 21, 15. 233—27 5, 24, 20ff. und danach 
Liban. Einleit. S. 17. 


3) ΟἹ. 2, 27—29 S. 26, 3—24; vgl. 25 5. 25, 16. 
4) ὅ 5. 19, 9. 

5) Ebend. 5. 19, 16. 9 S. 20, 18. 

6) 22 S. 24, 10. 

7) 1£. 8218, 1-16, 


Die zweite olynthische Rede. 125 


sich zu schildern und so die Bürger zum Kampfe anzulreiben, was 
kaum schicklich wäre, sondern um die Mittel, durch welche er ge- 
stiegen ist, und die Grundlagen auf denen seine Herrschaft beruht, 
zu erwägen, eine Betrachtung welche für die Athener alle wich- 
tig ist. 

Philipp ist nicht durch ein gerechtes Verfahren, sondern durch 
Meineid und Treulosigkeit emporgekommen, das ist das erste, 
was Demosthenes mit Thatsachen belegt: aber eben durch diese 
Künste hat er sich bei allen an denen er sie geübt hat, wie jüngst 
noch an den Thessalern, um das Vertrauen gebracht '. 

Mit blofser Gewalt, vermöge der einmal erlangten Übermacht, 
kann Philipp seine Stellung nicht behaupten, fährt Demosthenes 
fort. Da ihn mit seinen untergebenen nicht Wohlwollen und gleiches 
Interesse verbindet, sondern Selbstsucht und Schlechtigkeit ihm 
zur Macht verholfen haben, kann der erste beste Anlafs und ein 
geringer Unfall ihre Auflösung bewirken. “Denn es ist unmöglich 
“mit Ungerechtigkeit, Meineid und Lüge eine dauerhafte Macht zu 
‘erwerben: mag sie auch für &inmal und eine kurze Weile sich 
“halten und in stolzen Hoflnungen erblühen: die Zeit wartet ihrer 
“und sie fällt in sich zusammen. Denn wie bei einem Hause oder 
‘Schiffe oder jedem anderen Bau die Unterlage das festeste sein 
“mufs, so soll auch bei unseren Handlungen Anfang und Grund 
“wahr und gerecht sein. Das aber ist jetzt bei Philipps bisherigen 
‘“Thaten nicht der Fall?’. < 

So hat Demosthenes dargethan, warum er in Philipp keinen 
bewundernswerthen Mann noch unbesieglichen Gegner erblickt, und 
dringt demzufolge in seine Mitbürger den Olynthiern Hilfe zu brin- 
gen: jeder Antrag ist ihm recht, wenn er nur zweckmäfsig und rasch 
dazu führt. Sodann aber räth er zu den Thessalern eine Gesandt- 
schaft abzusenden — was er früher nur angedeutet — um sie da- 
von in Kenntnifs zu setzen und wo nöthig anzuspornen. Aber leere 
Worte dürfen die Gesandten nicht sagen, sondern sie müssen eine 
That aufweisen können, dafs die Athener in gehöriger Stärke aus- 
gerückt und in Action sind. Auf ihre blofsen Worte verläfst sich 
niemand mehr: sie müssen eine völlige Umwandlung kund geben, 


1) 3-8 8. 18, 16 — 20, 18. 
2) 98. 8. 20, 18 — 21, 9. 


126 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


indem sie steuern, ins Feld ziehen, jede Obliegenheit eifrig erfül- 
len, wenn jemand zu ihnen halten soll. Bringen sie dies willig, wie 
es ihre Pflicht ist, nun auch zur Ausführung, dann wird sich zei- 
gen, dafs Philipp so wenig wie auf seine verbündeten auf seine hei- 
mische Macht mit Sicherheit bauen kann. 

Damit geht der Redner dazu über die makedonische Macht, 
wie sie unter Philipp sich gestaltet hat, ihren Mitteln und ihrem We- 
sen nach zu prüfen. Er spricht von Philipps Verhältnifs zu seinen 
Unterthanen, zu seinen Wallengefährten, von seiner wüsten Lebens- 
weise: das sind Schäden, welche jetzt sein Glück verbirgt, stöfst 
ihm aber ein Unfall zu, so werden sie ans Licht kommen, und zwar 
bald, wenn die Götter gnädig sind und die Athener den Willen ha- 
ben: denn grade ein Krieg an der eigenen Grenze bringt bei freien 
Staaten und bei Selbstherrschern alle Gebrechen an den Tag ἢ. 

Endlich, und das ist der letzte Punet, hält man Philipp für 
einen furchtbaren Widersacher, weil das Glück ihm gewogen ist. 
Demosthenes dagegen meint, wenn die Athener nur einigermafsen 
ihre Schuldigkeit thun wollen, werde das Glück ihnen nicht versa- 
gen, denn sie dürfen mit mehr Recht auf die Huld der Götter zäh- 
len als Philipp. Aber sie sitzen ja mülsig daheim, und wer sich 
nicht selber regt darf seinen Freunden, geschweige den Göttern, 
nicht zumuthen etwas für ihn zu thun. ist es doch kein Wunder, 
wenn Philipp die Oberhand über sie gewinnt, der selber in den Krieg 
zieht und den Beschwerden trotzt, der überall persönlich zur Stelle 
ist und keine Gelegenheit noch Jahreszeit versäumt, während sie 
zaudern und beschliefsen und nach Neuigkeiten aushorchen. De- 
mosthenes führt den Athenern ihre Saumsal und Fahrlässigkeit und 
416 schlimmen Folgen davon eindringlich und lebendig vor die Seele, 
damit sie erkennen dafs es ihre eigene, persönliche Aufgabe ist das 
verlorene wieder einzubringen °. 

Darum fordert Demosthenes wiederholt die Bürgerschaft auf 
Steuern zu zahlen, selber freudig in den Krieg zu ziehen; aber 
auf Anschuldigungen sollte sie sich nicht einlassen, bis sie der Lage 
Herr geworden ist. Er warnt ernstlich davor nicht wiederum mit Ge- 


1) 138 IE 
9) 142218. 22) 2 — 4, 10 
3226 ἃ. 54. 10 — 25, 27: 


Die zweite olynthische Rede 127 


richtshändeln die Zeit zu verlieren. Es handelt sich, wie der Zu- 
sammenhang lehrt, um Anklagen gegen Chares. Demosthenes leug- 
net nicht, dafs er wie andere Befehlshaber oftmals den ihm aufge- 
tragenen Krieg verabsäumt und auf eigene Hand sich zu schallen 
macht: aber die letzte Schuld liegt an den Athenern selbst, die sie 
ohne Sold und Belohnung in den Kampf schieken. Deshalb kommt 
bei den Processen nichts heraus als Streit und Parteiung unter der 
Bürgerschaft und Verwahrlosung des Gemeinwesens. Ehedem 
wurde nach Symmorien gesteuert, jetzt wird nach Symmorien re- 
siert. Auf der einen wie auf der andern Seite ist ein Redner der 
Obmann und ein Feldherr ihm untergeordnet und ein Haufe Schreier 
vertritt den Ausschufs der dreihundert: die übrigen Bürger sind 
theils der einen theils der andern Faction zugetheilt '. Jenen wird 
es zugestanden wie Tyrannen zu gebieten, sie führen allein das 
Wort und geben an was geschehen soll; die wohlhabenden werden 
zu Trierarchien, Vermögenssteuern, Kriegsdienst gezwungen, die 
Mehrzahl deeretiert über sie, aber trägt die Last nicht mit. Die 
Folge ist, dafs keine nothwendige Mafsregel zur Zeit ausgeführt 
wird, denn der gekränkte Theil läfst es an sich fehlen: alsdann 
kommt es dahin, dafs man die säumigen Bürger statt der Feinde 
züchtigt. Das sind die Resultate einer Staatsverwaltung, der die 
Athener entsagen müssen um wieder selbständig zu werden und die 
Berathung und Leistung zu einer allen gemeinsamen Sache zu ma- 
chen. Die Summe seiner Anträge geht also dahin: alle sollen 


1) 29 8. 26, 19 περίεστι τοίνυν ὑμῖν ἀλλήλοις ἐρίζειν καὶ διεστά- 
ναι, τοῖς μὲν ταῦτα πεπεισμένοις, τοῖς δὲ ταῦτα, τὰ κοινὰ δ᾽ ἔχειν 
φαύλως. πρότερον μὲν γὰρ -- εἰσερέρετε κατὰ συμμορίας, νυνὶ δὲ πολι- 
τεύεσϑε κατὰ συμμορίας. δήτωρ ἡγεμὼν ἑκατέρων καὶ στρατηγὸς ὑπὸ 
τούτῳ, καὶ οἵ βοησόμενοι τριακόσιοι" οἵ δ᾽ ἄλλοι προσνενέμησϑε οἵ 
μὲν ὡς τούτους, οἵ δὲ ὡς ἐκείνους. Die Stelle ist für uns dunkel und 
der Scholiast tappt vollends in der Irre; 5. Böckh Sth. I, 082 --- 084 
(vgl. S. 679). An eine zweifache Abtheilung innerhalb der Symmorien 
ist nicht zu denken. Wie Sauppe (ep. erit. ad G. Hermannum S. 131) 
gesehen hat, vergleicht Demosthenes zunächst die zwei Parteien, von 
denen die eine Chares zu halten, die andere ihn, wie der Verfolg lehrt, 
durch Charidemos zu ersetzen sucht, ihrer inneren Organisation nach 
mit der Verfassung der Symmorien. In dem folgenden aber kommt er 
auf die in den Symmorien herrschenden Misbräuche unmittelbar. 


2) 27—30 S. 25, 27 — 27, 6. 


128 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


nach gleichem Verhältnisse von ihrem Vermögen steuern, alle sol- 
len abtheilungsweise Kriegsdienst thun, bis die gesamte Mann- 
schaft gedient hat: jeder der das Wort verlangt, soll es erhalten 
und von den gehörten Rathschlägen soll das beste, nicht was der 
oder jener sagt, erwählt werden. Thun die Athener das, so wer- 
den sie nicht allein den Sprecher für den Augenblick beloben, son- 
dern auch sich selber hinterdrein, denn dann wird die gesamte 
Lage sich besser gestalten !. 

Dafs wir die Anträge des Demosthenes nicht weiter, als aus 
wenigen Andeutungen kennen, haben wir um so mehr zu bedauern, 
wenn wir auf die allgemeine Begründung blicken welche in der 
Rede uns vorliegt: denn diese ist von einer sittlichen Würde und 
einem heiligen Ernste durchdrungen wie kaum eine andere. Wohl 
ist es klar, der scharfe Tadel, mit dem Demosthenes das bisherige 
Verhalten der Bürgerschaft straft, und die Mahnung Philipps Macht 
nicht kleinmüthig zu überschätzen soll die Athener ermuntern auf 
dem einmal betretenen Wege zu beharren und entscheidende Schritte 
zu thun: aber wie der Redner die Übelstände zu heben sucht, welche 
er beklagt, können wir nicht genau bestimmen. Demosthenes will 
den Ausmarsch athenischer Mannschaft und für die Kriegskosten 
eine Steuer bewirken. Was jenen betriflt, so soll nicht das ge- 
samte Aufgebot mit einem Male dienen — eine Mafsregel die kaum 
sich hätte durchsetzen lassen —, sondern in Abtheilungen, welche 
nach bestimmter Dienstzeit einander ablösten *. Das ist den Grund- 
zügen nach derselbe Plan, den wir aus der ersten Philippika ken- 
nen ?, nur dafs damals für den kleinen Krieg ein geringes Contin- 
gent, jetzt für den Felddienst eine gröfsere Streitmacht erfordert 
wurde. Um die Kriegskosten aufzubringen, da die wie es scheint 
schon beschlossene Einkommensteuer auf Schwierigkeiten stiels, 
schlägt Demosthenes eine Reform der Symmorien für die Vermö- 
gensteuer vor, ähnlich der später von ihm für die Trierarchie durch- 
gesetzten. Er bezweckte damit eine billigere Vertheilung der Steuern. 


1) 31 S. 27, 6 bis zu Ende. 

2) 31 8. 27, 8 πάντας ἐξιέναι κατὰ μέρος, ἕως ἂν ἅπαντες στρα- 
τεύσησϑε. Vel. 12 8. 21, 17 (σκοπεῖτε -- ὅπως) καὶ ἔργον τι δεικνύειν 
ἕξουσιν ἐξεληλυϑότων ἡμῶν ἀξίως τῆς πόλεως καὶ ὄντων ἐπὶ τοῖς 
πραγμαοσιν. Vgl. 13 Z. 25. 27 S. 25, 27. 

3) 8. 0. 8. 58H. 


Die zweite olynthische Rede. 129 


Jetzt legten die Vorsteher der Symmorien und die dreihundert er- 
sten die Beiträge willkürlich um und zwar so, dafs sie, die reich- 
sten, verhältnifsmälsig wenig steuerten: den wohlhabenden, d.h. 
den übrigen 900 Mitgliedern der Symmorien wurden die meisten 
Lasten aufgebürdet, daher deren Widerstreben und Steuerweige- 
rung. Der Rest der Bürgerschaft endlich steuerte gar nicht ἧς ob- 
gleich bis zu einem geringen Vermögen (etwa von 25 Minen) herab 
jeder steuerpflichtig war. Um diesen Misbrauch aufzuheben stellt 
Demosthenes den Antrag, jeder solle von seinem Vermögen nach 
Verhältnifs steuern ?, ein Reformvorschlag, den er natürlich in be- 
stimmter Fassung und einem vollständigen Entwurfe vorzulegen 
hatte. Wegen der irrigen Voraussetzungen der Scholien ? erinnern 
wir, dafs Demosthenes in dieser Rede von den Belustigungsgeldern 
ganz absieht. 

Welche Beschlüsse die Bürgerschaft auf die Anträge des De- 
mosthenes fafste wissen wir nicht: indessen sehen wir weder die 
Finanzverwaltung sich umgestalten noch die Bürger in den Krieg 
ziehen, bis es zu spät war. Überblicken wir zunächst den Verlauf 
der Ereignisse auf dem Kriegsschauplatze, so weit dies nach den 
dürftigen Nachrichten möglich ist. 

Diodor berichtet unter Ol. 107, 4 nichts weiter als dafs Philipp 
auf dem ersten chalkidischen Feldzuge die Feste Geira * belagert 
und zerstört habe und dafs er einige andere Ortschaften durch 
Drohungen zur Unterwerfung vermochte °. Viel also hatte er noch 


1) 30 5. 26, 29f. εἰ δὲ τοῖς μὲν (nämlich den 300 mit den Vor- 
stehern) ὥσπερ ἐκ τυραννίδος ὑμῶν ἐπιτάττειν ἀποδώσετε, τοῖς δ᾽ 
ἀναγκάζεσϑαι τριηραρχεῖν, εἰσφέρειν, στρατεύεσϑαι (den andern Sym- 
moriten), τοῖς δὲ ψηφίξεσϑαι κατὰ τούτων μόνον, ἄλλο δὲ μηδ᾽ ὑτιοῦν 
συμπονεὶν (der übrigen Bürgerschaft), οὐχὶ γενήσεται τῶν δεόντων 
ὑμῖν οὐδὲν ἐν καιρῷ: τὸ γὰρ ἠδικημένον ἀεὶ μέρος ἐλλείψει. Vgl. 
Böckh a. Ο. 8. 098. 

2) 31 8. 27, 7 πάντας εἰσφέρειν ἀφ᾽ ὧν ἕκαστος ἔχει τὸ ἴσον, 
‘d.h. einer wie der andere im Verhältnifs’ Böckh a.O., der zugleich auf 
Ol. 1, 20 8. 15, 1 verweist, πάντας εἰσφέρειν, ἂν πολλῶν δέῃ, πολλά, 
ἂν ὀλίγων, ὀλίγα. 

8) 8. 72, 17 und 107, 9 Df. 

3 Γείραν φρούριον, Diodor 16, 52. Der Name ist unbekannt; 
Wesseiing bemerkt eine Variante bei Steph. v. Byzanz Ζείραν und 
vergleicht Zeigivia, πόλις Θράκης bei Steph. aus Theop. III. 

5) Dalıin mag Chytropolis gehören, nach Theop. XXII fr, 150 bei 

DEMOSTHENES IT. 9 


130 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


nieht ausgerichtet. Dann wandte er sich nach Thessalien. Wir 
ersehen aus Demosthenes ersten beiden olynthischen Reden, dafs 
die Thessaler über Philipp ungehalten waren: dals er Pagasae be- 
setzt hielt, die Hafen- und Marktzölle bezog, auf Magnesia einen 
festen Platz anlegen wollte, rief Unzufriedenheit und Widerspruch 
hervor '. Ob Demosthenes Rath Gesandte an die Thessaler zu 
schicken um sie in dieser Stimmung zu bestärken und zum Kriege 
aufzumuntern von den Athenern befolgt wurde wissen wir nicht: 
aber aus Diodor ergibt sich dafs der früher vertriebene Tyrann 
Peitholaos ? sich wieder zu Pherae festsetzte. Philipp konnte es 
nicht geschehen lassen, dafs der unter schweren Kämpfen errungene 
Einflufs in Thessalien ihm verloren gieng: daher rückte er, ver- 
muthlich im Winter, nach Pherae vor und vertrieb Peitholaos von 
dort. Die Stadt behielt noch eine gewisse Selbständigkeit, aber 
mit einem Anschlufs an Athen war es vorbei: in der dritten olyn- 
thischen Rede gedenkt Demosthenes eines Bündnisses mit Thessa- 
lien nicht wieder. 

Mit Beginn des Frühjahrs wird Philipp wieder persönlich ge- 
sen die Chalkidier im Felde gelegen haben, denn er eilte hier zum 
Ziele zu kommen ἡ. Chares, von dessen Operationen wir kein 
Wort erfahren ’, befehligte die athenischen Hilfstruppen bereits 


Steph. v. Byz. u. d. N. παρῆλϑεν εἰς Χυτρόπολιν, χωρίον ἀπφῳκισμέ- 
νον ἐξ ᾿ἠφύτεως (auf Pallene) — Εἰσδεξαμένων δὲ τῶν Χυτροπολιτῶν 
αὐτόν. S. Böhnecke F. I, 34 (der die Stelle emendiert hat). WieChy- 
tropolis, so führt aus demselben Buche (fr. 149) Pr auch Thesto- 
ros als πόλις Θρῴκης auf. 

1) 01.1, 22°. 15, 15 wel. 24 3.1077). 2 Morges Er 

2)°S. ob. "Buch 117 

3) Diod. a. Ὁ. Theopomp scheint im 22 Buche sowohl von dem 
Anfange des chalkidischen Krieges (fr. 149. 150) als von dem thessali- 
schen Zuge gehandelt zu haben (fr. 153 [wo Meineke wohl nicht mit 
Recht die Variante κα΄ in den Text gesetzt hat]. 154). Vgl. Böhnecke 
F.IS. 32. 

4) Diod. 16, 53 erzählt den ganzen Feldzug, sehr dürftig, unter 
ΟἹ. 108, 1; wie so oft ohne Rücksicht darauf, dafs dieses neue Jahr 
erst im Verlaufe desselben begann. Seine ersten Worte — Φίλιππος 
μὲν σπεύδων τὰς ἐφ᾽ Ἑλλησπόντῳ πόλεις χειρώσασϑαι sind eine von 
Unwissenheit zeugende Variation von τὰς ἐπὶ Ogduns. 

5) Der Sieg des Chares über Philipps Unterfeldherrn Adaeos ge- 
hört in eine frühere Zeit; 5, Buch II, 5. 


Der olynthische Krieg. 131 


nicht mehr. Als nämlich die Olynthier dureh Philipps ersten Feld- 
zug ins Gedränge kamen, schickten sie bald nach der ersten eine 
neue Gesandtschaft nach Athen: in Folge dessen ward CGharidemos, 
der wie wir wissen mächtige Freunde zu Athen hatte und damals 
noch im Hellespont befehligte, mit achtzehn Kriegsschiflen und 
seinem Söldnerheere, das aus 4000 Mann leichten Fufsvolkes und 
150 Reitern bestand, nach Olynth beordert. Mit jenen Reitern 
mag Menelaos, Philipps Stiefbruder, nach Olynth gekommen sein 
um das Schicksal seines Bruders Arrhidaeos zu theilen. Nachdem 
diese Verstärkung eingetroffen war, giengen die Olynthier zur Of- 
fensive über: Charidemos zog mit nach Pallene (wo also Philipp 
bereits Fuls gefafst hatte) und nach Bottiaea, was zu Makedonien 
gehörte, aus. und verheerte das Land'. Gefangene wurden gemacht, 
unter ihnen Derdas, wahrscheinlich derselbe, dessen Schwester Phi- 
lipp geheiratet hatte?. So schien denn in Charidemos der rechte 
Mann gefunden zu sein: die Athener werden sich den ausschwei- 
fendsten Hoffnungen hingegeben haben. Demosthenes war mit der 
Abberufung des Chares, welche übrigens nach den Anschuldigun- 
gen, die schon bald nach Abgang seines Hilfscorps erhoben wurden, 


1) Dionys. a. O. 8. 735, 1 ἔπειτα διεξελϑὼν ὀλίγα τὰ μεταξὺ ye- 
νόμενα τίϑησι ταυτί (Φιλόχορος): Περὶ δὲ τὸν αὐτὸν χρόνον Χαλκι- 
δέων τῶν ἐπὶ Θράκης ϑλιβομένων τῷ πολέμῳ καὶ πρεσβευσαμένων 
᾿ϑήναξε Χαρίδημον αὐτοῖς ἔπεμψαν οἵ ᾿4ϑηναῖοι τὸν ἐν Ελλησπόντῳ 
στρατηγόν: ὃς ἔχων ὀκτωκαίδεκα τριήρεις καὶ πελταστὰς τετρακπισχι- 
λίους, ἱππεὶς δὲ v καὶ ρ΄ ἦλϑεν εἴς τε Παλλήνην καὶ τὴν Βοττιαίαν 
μετ᾽ Ολυνϑίων καὶ τὴν χώραν ἐπόρϑησεν. Die Worte ὀλίγα τὰ μεταξὺ 
γενόμενα beziehe ich nicht auf den olynthischen Krieg, sondern auf an- 
dere Vorfälle zu Athen, welche zwischen der ersten und zweiten chal- 
kidischen Gesandtschaft liegen. Dann geht Philochoros mit den Wor- 
ten περὶ δὲ τὸν αὐτὸν χρύνον wieder zu den Verhandlungen über die 
Unterstützung der Chalkidier über. Χαλκιδεὺς οἵ ἐπὶ Θράκης bezeich- 
net nicht die chalkidischen Städte aufser Olynth, sondern Olynth mit 
samt den übrigen Bundesstädten. Über Charidemos Commando im Hel- 
lespont 5. oben Buch Il, 5 und $. 68. Über Menelaos und seinen Bru- 
der vgl. oben S. 16f. 70. 116. 

2) Theopomp. XXI fr. 155 b. Athen. 10 8. 436° Jeodov τοῦ Ma- 
κεδόνος. Wie Böhnecke F. I, 35. 674 vermuthet hat, war er der Bru- 
der der Phila, einer Gemahlin Philipps: Satyros fr. 5 b. Athen, 
13 S. 557° ἔγημε δὲ καὶ Dilav, ἀδελφὴν «“Ἰέρδα καὶ Muydra (des Ma- 
chatas Sohn war Harpalos, Arrian. 3, 6, 4). Über Derdas den Fürsten 
von Elimia zu Amyntas Zeit vgl. oben S. 7. 


g* 


132 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


nicht befremden kann, wohl eben so wenig wie mit der Wahl des 
Charidemos einverstanden, und mit Recht. Denn ein besserer 
Feldherr war Charidemos nieht und sein lasterhafter Lebenswandel 
hat zu Olynth grofses Ärgernifs gegeben. Theopomp ὁ schildert 
ihn mit grelleren Farben als Demosthenes selbst in der Klagrede 
wider ihn gethan hatte: so ausschweifend habe er gelebt, dals er 
sich unterstand freie Weiber zu schänden: ja in seiner zügellosen 
Begierde schämte er sich nicht den Rath zu Olynth um einen schö- 
nen Jüngling anzugehen der mit Derdas in Gefangenschaft gera- 
then war. 

Mit dem Kriegsglücke, welches noch einmal den Olynthiern 
gelächelt hatte, war es vorbei, sobald Philipp mit stärkerer Heeres- 
macht als das Jahr zuvor ? seinen zweiten Feldzug eröffnete. Manche 
Befehlshaber waren längst ins makedonische Interesse gezogen, 
dazu werden des Königs Agenten neuerdings in den Städten gewor- 
ben haben. Weder Gold noch Versprechungen wurden gespart, 
und der Verräther fanden sich nur zu viele. Ob Apollonia, welches 
zu dem Bunde nicht gehörte und früher mit Athen in freundschaft- 
lichen Beziehungen gestanden hatte, damals sich Philipp unterwarf 
oder zu einer früheren Zeit. wissen wir nicht. Gegen Chalkidike 
drang der König diesmal unaufhaltsam vor ; keine einzige Stadt lei- 
stete Widerstand: wie Demosthenes sagt, kam Philipp in Verlegen- 
heit, welchen Anträgen er Gehör schenken und welche Plätze er zu- 
erst nehmen sollte ®. Bezeichnend ist wie Sane genommen wurde, 
Die Bürger wiesen die Anträge des Königs zurück und waren zur 
Gegenwehr entschlossen: da liefs der bestochene Commandant ei- 
nen mit Quadersteinen beladenen Wagen an der Einfahrt zum Thore 


1) A. Ο. S. 436be, Vgl. Aelian. verm. G. 2, 41. 

2) Diod. 16, 53 sagt ausdrücklich μετὰ πολλῆς δυνάμεως. 

3) Dem. να. 266 S. 426, 13 πρὶν μὲν ἐξελϑεῖν ἐνιαυτὸν τοῦ πο- 
A&uov τὰς πόλεις ἁπάσας ἀπολωλέκεσαν τὰς ἐν τῇ Χαλπιδικῇ προδι- 
δόντες, καὶ Φίλιππος οὐκέτ᾽ εἶχεν ὑπακούειν τοῖς προδιδοῦσιν, οὐδ᾽ 
εἶχεν 0 τι πρῶτον λάβῃ. Sehr passend bemerkt Böhnecke ἘΝ 1, 158, 2 
dafs die Stelle bei Horaz Carm. 3, 16, 13 diffidit urbium portas vir Ma- 
cedo u. ähnliche (vgl. o. S.40, 1) zunächst durch den Verrath der chal- 
kidischen Städte veranlasst seien. Aus Theopomp XXIII (fr. 156. 157) 
führt Stephanos v. Byz. die Stadt Alolıov und Βρεαῖος als Name der 
Einwohner von Βρέα an; vgl. Sauppe, Berichte ἃ, Leipz. Gesellsch, d, 
Wissenschaften 1853 8. 45f. 47. 


Der olynthische Krieg. 133 


festfahren, und ehe die Bürger die Pforten zu schlielsen vermoch- 
ten erzwangen die Makedonen den Einmarsch '. Durch Verrath 
kamen auch Mekyberna, der Hafenplatz der Olynthier, nur eine 
halbe Meile von der Hauptstadt entfernt ?, und Torone, die wich- 
tigste Stadt auf der sithonischen Halbinsel, ohne Widerstand in 
Philipps Gewalt: zwei Feldschlachten, welche die Olynthier nebst 
ihren Hilfstruppen lieferten, giengen verloren ®. Als das makedo- 
nische Heer siegreich heranrückte und nur eine Meile von der Stadt 
entfernt stand (also bevor Mekyberna gefallen), versuchten die 
Olynthier noch einmal zu unterhandeln: aber Philipp war jetzt sei- 
ner Sache so gewils, dafs er den Bescheid gab: entweder sie dürf- 
ten nicht mehr zu Olynth wohnen oder er nicht in Makedo- 
nien '; ein drittes gäbe es nicht. Damit war das letzte Wort ge- 
sprochen und Philipp schritt zur Belagerung der Stadt. In ih- 
rer höchsten Bedrängnifs sandten die Olynthier wiederum Ge- 
sandte an die Athener mit der inständigen Bitte sie dem Unter- 
gange nicht preiszugeben, sondern das Hillscorps möglichst zu 
verstärken, aber durch ein Aufgebot von Bürgern, nicht durch Söld- 
ner. Jetzt falsten in der That die Athener den Entschlufs dessen 
es lange bedurft hatte; sie rüsteten ein Heer schwerbewallneter 
Bürger, welches wahrscheinlich auf viertausend Mann gebracht 
werden sollte, mit Reiterei und einem neuen Geschwader von Kriegs- 
schilfen aus und erwählten abermals Chares zum Oberbefehlshaber. 
Über diesem schwebte noch von seinem ersten Commando her eine 
Anklage: jetzt war er darüber aus sofort die Sache erledigt zu se- 


1) Frontin. Strat. 3, 3, 5. Sane lag im Norden der Athoshalbinsel 
an der Strafse nach Pallene (Steph. v. Byz. u. d. N.). Eine andere 
Stadt des Namens führt Herodot 7, 123 auf Pallene an (vgl. Strab. 7 
fr. 27); in der Folge wird ihrer nicht mehr besonders gedacht. Vgl, 
Böckh Sth. II, 725. Vielleicht gehörte sie zu den bei Olynths Grün- 
dung verlassenen Ortschaften (Thuk. 1, 58). 

2) Strab. 7 fr. 29. Harpokr. u. d. N.; vgl. Böhnecke F. I, 132. 
Böckh Sth. II, 707. Über Torone vgl. o. 8. 14 u. 114,2. 

3) Diod. 16, 53. Mekyberna hatte Hypereides (fr. 88 bei Harpokr. 
a. Ὁ.) in der Anklage des Demades (πρόξενον Εὐϑυκράτη εἶναι γρά- 
ψαντος) genannt, vielleicht um die Verrätherei Euthykrates beizumessen. 

4) Dem. Phil. 3, 11 8. 113, 12 Ὀλυνϑίοις τετταράκοντ᾽ ἀπέχων 
τῆς πόλεως στάδια εἶπεν (Φίλιππος), ὅτι dei δυοῖν ϑάτερον, ἢ ἐκείνους 
ἐν Ολύνϑῳ μὴ οἰκεῖν ἢ αὑτὸν ἐν Μακεδονίᾳ. Vgl. Cherson. 59 8.104, 11. 

5) Philoch. a. Ο. (fr. 132 b. Dionys. Schr. an Amm, 1, 9 5, 735, 9). 


134 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


hen, was seinen Gegner Kephisodotos zu der Äufserung veranlalste: 
er halte dem Volke die Kehle zu und versuche so Rechenschaft ab- 
zulegen '. 

Der Beschlufs mit eigner Macht den Olynthiern zu Hilfe zu 
eilen war eben das was Demosthenes immer und immer gerathen 
und gefordert hatte, als es noch Zeit dazu war: zuletzt in seiner 
dritten olynthischen Rede nachdrücklicher als je zuvor. Schon war 
Philipp der Thessaler wieder sicher: auf sie kommt Demosthenes 
nicht mit einem Worte zurück: er hegt keine Zuversicht des Sieges, 
keine Hoffnung dafs ein Aufruhr in Makedonien oder ein Abfall der 
verbündeten Philipps Macht erschüttern werde: es gilt ihm nur noch 
die Olynthier zu retten, die mit Krieg überzogen sind?®. Anders 
freilich die Athener. Charidemos hatte einen Bericht gesandt über 
einen Sieg, den seine Söldner erfochten: da ward sein Lob verkün- 
det und seine Gönner ergiengen sich unter Hinblick auf die Thaten 
der Vorfahren in Reden wie man nun an Philipp Rache nehmen 
wolle ®. Zu dem Ende war der Beschlufs gefalst ein Heer von 


1) Aristot. Rhet. 3, 10 5. 1411, 5 Κηφισόδοτος σπουδάζοντος Χά- 
ρητος εὐθύνας δοῦναι περὶ τὸν Ὀλυνθιακὸν πόλεμον ἠγανάκχτει, φα- 
σχὼν εἰς πνῖγμα τὸν δῆμον ἔχοντα τὰς εὐϑύνας πειρᾶσϑαι δοῦναι. 
Vgl. über diese Stelle Dionys. a. Ὁ. 8 S. 734, 4—10. Auch Ziemann 
de bello Olynth. S. 12 bezieht die Verhandlung auf die erste Expedition. 

2) Dem. Ol. 3, 1 8. 28, 6 ὅπως un πεισόμεϑα αὐτοὶ πρότερον κα- 
κῶς σκέψασϑαι δέον. 2 8. 28, 13f. νῦν μέντοι πέπεισμαι τοῦϑ'᾽ ἵκανὸτ' 
προλαβεῖν ἡμῖν εἶναι τὴν πρώτην ὅπως τοὺς συμμάχους σώσομεν. 

3) 01. 8, 18. 28, 3 m. d. Schol. τοὺς μὲν γὰρ λόγους περὶ τοῦ 
τιμωρήσασϑαι Φίλιππον ὁρῶ γιγνομένους. 35 8. 38, 20 (οὐκ ἔστιν 
ὅπου εἶπον —) αὐτοὺς μὲν ἀργεῖν καὶ σχολάζειν καὶ ἀπορεῖν, ὅτι δὲ 
οἵ τοῦ δεῖνος νικῶσι ξένοι, ταῦτα πυνθάνεσθαι" ταῦτα γὰρ νυνὶ γί- 
γνεται. καὶ οὐχὶ μέμφομαι τὸν ποιοῦντά τι τῶν δεόντων ὑπὲρ ὑμῶν --. 
Irrig denkt hier ein Scholiast an Chares, der gar nicht mehr im Felde 
war; vgl. Westermann quaest. Dem. 1, 37. Sauppe z. a. St. Sehr 
richtig aber sagt Libanios in der Einleitung ὃ. 27 ἔπεμψαν βοήϑειαν 
τοῖς Ολυνϑίοις οἵ Adnvaloı καί τι κατορϑοῦν ἔδοξαν δι᾿ αὐτῆς, καὶ 
ταῦτα αὐτοῖς ἀπηγγέλλετο. ὃ δὲ δῆμος περιχαρής, ol TE ῥήτορες πα- 
ρακαλοῦσιν ἐπὶ τιμωρίαν Φιλίππου κτλ. Schol. σὰ 8 18. 38, 1 ἐπηρ- 
μένον τὸν δῆμον -- τῇ νίκῃ συστέλλει. Grote ΧΙ, 4710 erinnert an Thuk. 
2, 65 ὁπότε γοῦν αἴσϑοιτό τι αὐτοὺς παρὰ καιρὸν ὕβρει ϑαρσοῦντας, 
λέγων κπατέπλησσεν ( Περικλῆς) ἐπὶ τὸ φοβεῖσϑαι, καὶ δεδιότας αὖ 
ἀλόγως ἀντικαϑίστη πάλιν ἐπὶ τὸ ϑαρσεῖν, an die auch der Scholiast 
gedacht zu haben scheint. 


Die dritte olynthische Rede. 135 


Bürgern abzusenden '. Aber Demosthenes wulste nur zu gut, wie 
weit es von dem beschliefsen zur Ausführung war: er sah voraus, 
dafs gar viele von der Dienstpflicht sich losmachen, dafs es an den 
(eldmitteln fehlen werde. Deshalb liefs er sich durch das hohle 
Geschwätz, welches die ganze Sachlage verkehrte, nicht irren; er 
stimmt den vorschnellen Jubel seiner Mitbürger zu nüchterner Er- 
wägung herab und entwickelt, dafs sie zunächst sich vorsehen mö- 
gen nicht selber übel zu fahren, dafs vor der Hand genug erreicht 
ist, wenn sie das verbündete Olynth retten. Was darüber hinaus- 
geht, sind leere Worte?. Aber selbst jene nächste dringende Pflicht 
läfst sich nicht erfüllen ohne mit dem gegenwärtigen Regimente, 
welches den Staat im innern wie in seiner auswärtigen Stellung 
zerrüttet und erniedrigt, zu brechen: das ganze System muls geän- 
dert werden, wenn nicht das schlimmste daraus kommen soll. Dazu 
(die Athener zu vermögen ist die Aufgabe der Rede. 

Demosthenes findet keine Schwierigkeit darin, was bei der ob- 
waltenden Zeitlage zu rathen sei, sondern wie er darüber zu den 
Athenern reden soll. Denn an dem Willen was Noth ist zu thun 
gebricht es ihnen, nicht an der Einsicht. Mit Freimuth will er 
sich aussprechen: das mögen die Athener sich gefallen lassen und 
darauf sehen ob er die Wahrheit sagt und zwar in der Absicht dafs 
es fortan besser gehe: denn durch die Liebedienerei einiger Staals- 
redner ist die Lage so überaus schlimm geworden ὃ. 

Das bisherige Verfahren macht Demosthenes an einem Bei- 
spiele klar, dem Verhalten der Athener bei Philipps zweitem thra- 
kischen Zuge *. Das war eben der rechte Moment ; wären sie da- 
mals mit Heer und Flotte hingeeilt, wie der Beschlufs gefafst war, 
so würde ihnen Philipp jetzt nicht zu schallen machen. Nun ist 
wieder ein ähnlicher Kriegsfall den Athenern geboten, ganz wie sie 
ihn lange herbeigewünscht haben. Kann hier noch eine Frage sein, 
dafs sie den Olynthiern nachdrücklich und eifrig Hilfe leisten müs- 
sen? Abgesehen von der Schande, die sie träfe wenn sie deren 
Sache im Stiche liefsen, wäre auch die daraus erwachsende Gefahr 

1) 108. 31,6 ὅτι μὲν δὴ δεῖ βοηϑεῖν, εἴποι τις ἄν, πάντες ἐγνώ- 
καμὲν, καὶ βοηϑήσομεν. 

BI, 1-29, 5. 

3) 3 8. 29, 5—18. 

4) S. o. Buch U, 5. 


136 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


keine geringe, bei der jetzigen Stimmung der Thebaner, der finan- 
ziellen Erschöpfung der Phokier, da niemand Philipp im Wege steht 
sich nach Bezwingung Olynths gegen Attika zu wenden. Dann ha- 
ben sie die Schrecken des Krieges vor Augen, von denen sie jetzt 
aus der Ferne hören, haben selbst Helfer zu suchen, statt dafs sie 
jetzt andern helfen können: denn kommen mufs es dahin, wenn sie 
Olynth fallen lassen !. 

“ Aber”, hält man ein, “dafs wir helfen müssen, darüber sind 
“wir alle einig, und wir werden auch helfen: aber wie? das sage an. 
Damit geht Demosthenes an die Cardinalfrage, die Abschaffung des 
eubulischen Gesetzes über die Theorikengelder, an denen die grofse 
Menge hieng, welche anzufechten bei Todesstrafe untersagt war. 
Er kann daher nicht unmittelbar den Antrag einbringen, sondern 
er mufs suchen auf einem weitläufigern Wege zum Zwecke zu ge- 
langen. Er fordert Einberufung einer gesetzgebenden Versamm- 
lung ?, nicht um ein neues Gesetz zu geben (denn sie haben deren 
genug), sondern um Gesetze, die gegenwärtig Schaden bringen, 
aufzuheben. “Ich meine aber die Gesetze über die Belustigungs- 
‘gelder, ganz ausdrücklich, und einige über die Kriegsdienstpflich- 
“tigen: von denen jene die Kriegsgelder unter die daheimbleibenden 
“als Festgabe vertheilen, diese den dienstweigernden Straflosigkeit 
‘sewähren und damit die pflichttreuen entmuthigen. Habt ihr diese 
“beseitigt und damit für Rathschläge zu eurem besten einen sichern 
“Weg eröffnet, dann suchet einen Antragsteller für die Mafsregeln, 
‘von deren Zweckmäfsigkeit ihr alle überzeugt seid. Bevor ihr aber 
‘dies thut, schaut nicht um, wer für Rathschläge zu eurem besten 
‘yon euch den Tod erleiden möchte: denn ihr werdet keinen finden, 
‘zumal nichts dabei herauskommen würde, als dafs den Antragstel- 
“ler ungerechter Weise peinliche Strafe träfe, ohne irgend einen Ge- 
“winn für die Sache: vielmehr müfste ein solcher Vorgang für die 
‘Zukunft nur um so abschreckender wirken. Und zwar mufs man 
‘verlangen, ihr Männer von Athen, dafs eben dieselben welche diese 
‘Gesetze aufgebracht haben, sie auch abschaflen: denn es ist nicht 
“billig dafs die Popularität einer Mafsregel, welche dem ganzen Staate 
‘nachtheilig war, ihren früheren Urhebern verbleibe und die Gehäs- 


1) 4—9 8. 29,18 — 31, 6. 
2) Über das Verfahren bei der Gesetzgebung vgl. o. Buch U, 3. 4. 


Die dritte olynthische Rede. 157 


“sigkeit, durch welche wir alle insgesamt in bessere Lage kommen 
‘werden, dem der jetzt zum besten räth zu Schaden gereiche. So 
*Jange ihr dies nicht bewerkstelligt habt, ihr Männer von Athen, mu- 
“thet niemanden zu, dafs er sich unter euch die Macht beimesse, 
‘liese Gesetze übertreten zu können ohne Strafe zu erleiden, oder 
‘lafs er so unvernünftig sei sich selbst mit offenen Augen ins Ver- 
‘erben zu stürzen? '. 

So hat Demosthenes formell dem Gesetze Genüge gethan, aber 
darum nicht minder freimüthig das Übel aufgedeckt und dessen Ab- 
stellung eben durch Eubulos, der es aufgebracht hat ?, gefordert. 
Er wendet sich dann zu dem Einwande, Hilfe sei ja beschlossen. 
Ein Volksbeschlufs, sagt er, ist nicht nütze, wenn nicht bereitwillige 
Ausführung des beschlossenen hinzukommt. Beschlossen hat die 
Bürgerschaft genug: wäre es damit gelhan, so hätte Philipp längst 
gebüfst. Mögen sie denn endlich dem Beschlusse die That fol- 
gen lassen: denn Redner die das zweckmäfsige anzugeben wissen 
sind vorhanden und sie selber, die Athener, sind voll Scharfsinns 
das gehörte zu beurteilen: handeln aber können sie jetzt, wenn sie 
es auf die rechte Weise anstellen. Denn alle Umstände sind da- 
nach angethan, und Aufschub leidet der Kampf mit Philipp nicht 
mehr. Oder wollen sie das alles gehen lassen und Philipp so gu! 
wie in die Hände spielen und hinterher untersuchen, wer daran 
schuld sei? Denn sich selber werden sie nicht schuldig bekennen, 
das ist gewils: aber sie sind es, wenn sie ihre Pflicht nicht thun, 
wenn sie gutem Rathe nicht folgen um ihr Gelüste zu befriedigen. 
“Wenn aber jemand”, wirft man ein, “es versteht die Belustigungs- 
gelder beizubehalten und andere Mittel und Wege für die Kriegs- 
kosten angibt, ist der nicht ein besserer Rathgeber?” ‘Ich sage 
‘ja, wenn es möglich ist’, erwiedert Demosthenes: “aber es sollte 
‘mich wundern, wenn es je einem Menschen in der Welt gelingen 
‘sollte, sobald er die vorhandenen Mittel zu ungebührlichem Aul- 
“wande verbraucht hat, nicht vorhandene zu nothwendigem Bedarfe 
‘in Vorrath zu haben. Freilich kommen solchen Reden die Wün- 
‘sche eines jeden gar sehr zu statten, darum ist nichts leichter als 
‘sich selber zu täuschen: denn was ein jeder wünscht, glaubt er 

1) 10—13 8. 31,6 — 32, 8. 
2) Schol. zu 12 S. 31, 29. Κ΄. Buch I, 4. 


135 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


“auch: aber die Dinge sind oft nicht danach angethan. Betrachtet 
‘lies, ihr Männer von Athen, nach Mafsgabe der Umstände und da- 
“nach, dafs ihr ausrücken könnt und Sold habt. Denn unverstän- 
“dig und unedel ist es aus Mangel an Geld die Kriegführung schimpf- 
“Iich zu verabsäumen und Philipp hellenische Städte knechten zu 
“Jassen, weil es an Verpflegungsgeld für das Kriegsheer fehlt? '. 

Solche Vorwürfe wili Demosthenes nicht leichthin erheben um 
sich den oder jenen für nichts und wieder nichts zum Feinde zu 
machen, sondern weil er es für die Pflicht eines redlichen Bürgers 
hält die Rettung des Staates höher zu stellen als den Beifall für 
seine Reden. Das thut er nach dem Beispiele der Redner aus der 
Vorelternzeit, des Aristeides, Nikias, seines Namensgenossen, des 
Perikles. Seit aber Redner aufgetaucht sind die erst umfragen: 
“was wünscht ihr? was soll ich beantragen? womit soll ich euch zu 
Willen sein?” seitdem wird für die Gunst eines Augenblicks das 
Interesse des Staates geopfert und es geht danach: mit jenen steht’s 
vortrelllich, mit der Bürgerschaft schmählich. Das verfolgt Demo- 
sthenes weiter: er schildert in kurzen Zügen, zum Theil fast mit 
denselben Worten wie er es früher in der Rede wider Aristokrates 
gethan ?, den Charakter der alten Staatsverwaltung und ihre Erfolge 
und dem gegenüber die Resultate der jetzigen Misregierung, bei 
der das Volk entnervt, in seiner Lüsternheit nach Festspenden ent- 
würdigt, verweichlicht, hoher und kühner Gesinnung bar gewor- 
den ist. 

Demosthenes hat gesagt was er nicht lassen konnte auf die 
Gefahr hin, dafs ihm für sein offenes Wort schlimmer gelohnt werde 
als den Urhebern der gegenwärtigen Zustände ὃ. Zum Schlusse 
aber gibt er in schärferen Umrissen an, wie zu helfen sei. 

“Wenn ihr jetzt wenigstens noch dieser Unsitte euch entschlagt, 
“wenn ihr Kriegsdienst (hun und eures Namens würdig handeln 
“wollet und die Überschüsse der heimischen Verwaltung als Einsatz 
“für auswärtige Güter anwendet, Männer von Athen, vielleicht, ja 
‘vielleicht könnt ihr dann ein vollkommenes und grofses Gut euch 
‘sichern und solchen Brocken entsagen, welche den vom Arzte ge- 


1) 14—20 8. 32, 8 — 34, 11. 
2) Vgl. w. Aristokr. 206—210 8. 689, 9f. 
3) 21-32 S. 34, 11 — 37, 18. 


Die dritte olynthische Rede. 139 


‘reichten Krankenspeisen gleichen. Die geben keine Kraft und 
“man stirbt eben nicht dabei: so sind auch die Gelder, in die ihr 
‘euch jetzt theilt, nicht so beträchtlich dafs sie euch gründlich hel- 
“fen, noch lassen sie euch mit Entsagung einen andern Beruf ergrei- 
“fen: vielmehr dienen sie dazu jeden einzelnen in seinem Leicht- 
‘sinn zu bestärken. ” Trägst du also auf Soldzahlung an?” Aller- 
‘dings, und zugleich, Männer von Athen, auf eine und dieselbe Ord- 
‘nung aller Bürger, damit jeder von dem Gemeinvermögen seinen 
“Theil empfange und dafür leiste was der Staat erfordert. Kann 
“man Ruhe halten, so bleibe daheim frei von der Sorge aus Noth 
“etwas entehrendes (hun zu müssen: tritt ein Fall ein, wie gegen- 
“wärtig, so diene als Krieger für eben diesen Sold, wie es recht 
‘ist um des Vaterlandes willen. Ist jemand über das kriegspllich- 
“tige Alter hinaus: der mag was er jetzt aufser aller Ordnung em- 
“pfängt ohne dafür einen Nutzen zu schallen, in gleichmäfsiger Ord- 
“nung empfangen und dafür alles was vorgenommen werden muls, 
“beaufsichtigen und verwalten. Überhaupt will ich nichts hinweg- 
“thun noch zulegen, nur in etwas die Ordnungslosigkeit aufheben 
“und damit die Bürgerschaft zu fester Regel führen, indem ich die- 
‘selbe Ordnung herstelle für den Empfang öffentlicher Gelder, für 
‘dien Kriegsdienst, das Richteramt und alle Verriehtungen, zu de- 
“nen jeder seinem Alter nach sich schiekt und welche die Umstände 
‘erheischen. Meine Meinung ist nicht, dafs man den nichts thuen- 
‘den zutheilen soll was denen gebührt die thätig sein wollen, nicht, 
“dafs ihr selber träg und mülsig gehn und Mangel leiden sollt, und 
‘nach Siegen der Söldner des oder jenes Feldherrn neugierig euch 
‘erkundigen, wie es jetzt geschieht. Übrigens setze ich den nicht 
“herab, der um euch ein Verdienst sich erwirbt, aber ich verlange 
“dafs ihr auch selber für euch das thun sollt, weshalb ihr andere 
“auszeichnet, und dafs ihr, Männer von Athen, den Posten der Eh- 
‘ren nicht aufgebt, den die Vorfahren unter vielen und rühmlichen 
‘Gefahren errungen und euch zum Erbe gelassen haben. 

‘Das ist es im wesentlichen, was ich für heilsam halte. Möget 
“ihr erwählen was dem Staate wie euch insgesamt zum Heile dient’ ἢ. 

Überblicken wir am Schlusse noch einmal die Vorschläge, 
welche Demosthenes allerdings nicht als förmlichen Antrag — denn 


1) 33—36 S. 37, 18 bis zu Ende. 


140 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


dazu war ein gesetzlicher Weg dermalen nicht geboten; der ge- 
stellte Antrag auf Einberufung einer aufserordentlichen gesetzge- 
benden Versammlung soll ihn erst bahnen —, aber doch in be- 
stimmten Zügen und mit vollständiger Motivierung aufstellt. De- 
mosthenes läfst das Anrecht der Bürgerschaft auf den Bezug öffent- 
licher Gelder unangefochten: aber er will ihn an bestimmte bürger- 
liche Leistungen geknüpft wissen. Die Vergeudung der Überschüsse 
zur Festbelustigung verwirft er schlechthin, wie er schon in der 
ersten Rede gethan hatte !. Vor allem soll aus den vorhandenen 
Mitteln die Mannschaft welche ins Feld zieht ihren Sold empfangen. 
Wer über das kriegspflichtige Alter hinaus ist, soll den Ämtern und 
Diensten welche er daheim verrichten kann vorstehen und dafür 
Auslösung erhalten. So soll es in Kriegszeiten gehalten werden. 
Herrscht Ruhe und Frieden — worauf sobald noch keine Aussicht 
vorhanden war — dann mögen die Überschüsse der öffentlichen 
Gassen auch in Zukunft vertheilt werden, aber nicht zu Schmause- 
reien, sondern um jeden Bürger vor Mangel und unehrlicher Han- 
thierung zu bewahren. So weit also war das Übel mit dem atheni- 
schen Wesen verwachsen, dafs selbst Demosthenes darauf verzich- 
tete es mit der Wurzel auszureifsen: ein grofser Theil der Bürger- 
schaft konnte ohne Zuschüsse aus Staatsmitteln nicht mehr beste- 
hen. Aber den Misbräuchen sucht er zu steuern, welche den gan- 
zen Staat zerrütteten und die Bürgerschaft entnervten. Wurden 
seine Vorschläge ausgeführt, so war es um die Macht des Eubulos 
und seiner Coterie geschehen, die Besoldung eines Pöbelhaufens 
der nur nach Brod und Spielen schrie hörte auf. Dann vertheilten 
sich die Lasten billiger, während jetzt die wohlhabende Classe 
durch Vermögenssteuern und andere Leistungen jeden aufserordent- 
lichen Bedarf decken sollte. Endlich wurde der Kriegsdienst wie- 
der eine Ehrensache aller Bürger: während jetzt sich's jeder lieber 
daheim auf öffentliche Unkosten wohl sein liefs, mufste dann die 
Pflicht und das Bedürfnifs des Soldes auch die ärmeren zum Aus- 
zuge willig machen. 

Was sollen wir lange sagen, dafs diesen Vorschlägen des De- 
mosthenes, so weise und so wohlberechnet sie auch waren, keine 
Folge gegeben ward? Die Theorika blieben nach wie vor noch 


ae LT 1 


Dritte Hilfsendung nach Olynth. 141 


Jahre lang. Ein Schritt zum besseren war es wenigstens, dals 
einige Zeit nachdem die dritte olynthische Rede gehalten war — 
denn in ihr ist weder von einer neuen Gesandtschaft noch von einer 
so verzweifelten Lage der Olynthier die Rede — die Ausrüstung 
eines Corps von Bürgern nebst einer Flotte unter GChares Oberbe- 
fehl auf die dringenden Vorstellungen der Olynthier beschlossen 
wurde: das war im Sinne des Demosthenes, wenn wir auch kein 
Zeugnifs haben dafs der Antrag «darauf von ihm gestellt wurde. 
Noch im Jahre Ol. 107, 4 war der Beschlufs gefalst und Chares 
trat den Oberbefehl an. Sein Geschwader zählte siebzehn Trieren 
nebst den erforderlichen Transportschiflen ; aber statt viertausend 
Mann schweres Fufsvolk führte er nur zweitausend mit sich, dazu 
dreihundert Reiter '. Jedoch dieses Hilfscorps kam gar nicht ans 
Ziel. Wir wissen dafs auf dem aegaeischen Meere nach der Som- 


1) Philoch. a. O. (bei Dion. Schr. an Amm. 1,9) 5. 735, 14 — ἔπεμ- 
x ς - ΄ el) ‚Ss ns Υ - 
ev αὐτοῖς ὃ δῆμος τριήρεις μὲν ἕτέρας ἑπτακαίδεκα, τῶν δὲ πολιτῶν 
ὑπλίτας β καὶ ἵππεῖς τριακοσίους ἐν ναυσὶν ἱππηγοῖς, στρατηγὸν δὲ 
’ m ’ ’ ” ” ” Ψ 
Χαρητα τοῦ στόλον παντός. Demnach ergeben die drei Hilfsendungen 
folgendes Verhältniss: 


1. Chares mit 30 Trieren, 2000 Peltasten 
2. Charidemos „ 18 ὦ, 4000 5% ‚ 150 Reitern 
3. Chares u: u ” 300 .,, ,4φ23000 Hopliten. 


Dagegen sagt Demosthenes vdG. 266 8. 426, 10 μυρίοις δὲ ξένοις καὶ 
τριήρεσι πεντήκοντα ὑμῶν βοηϑησάντων αὐτοῖς, καὶ ἔτι τῶν πολιτῶν 
τετρακισχιλίοις. Die funfzig Schiffe sind in runder Zahl die beiden er- 
sten Geschwader, welche mit den Söldnereorps nach Chalkidike fuh- 
ren: der Ausdruck des Demosthenes scheint zu bezeichnen, dafs er das 
letzte Geschwader nicht mit rechnet. Bei den Truppenzahlen mag, wie 
Westermann annimmt (Qu. Dem. 1, 12, 12), rhetorische Übertreibung 
unterlaufen, vielleicht veranlafst durch den Wortlaut der Volksbeschlüsse 
(vgl. Phil. 1, 19 S. 45, 12) oder die Berichte der Feldherrn. Indessen 
hat schon Vömel (Proleg. in Dem. Phil. S. 105, 10) bemerkt, dafs Phi- 
lochoros die verstärkte Besatzung der ersten Flotte (vgl. o. S. 1231.) 
nicht in Zahlen angibt. Die dreilsig Trieren falsten eine Bemannung 
von 6000 Mann (5. Böckh Sth. I, 384ff.), und da die Verstärkung 
schwerlich auf den Seedienst allein berechnet war, so dürften aufser 
den 2000 Peltasten noch eine beträchtliche Anzahl von Seesoldaten 
am Lande mitgefochten haben. Bei der letzten Hilfsendung endlich 
scheint mir die Differenz daraus sich zu erklären, dafs Demosthenes 
den Sollbestand gemäls dem Volksbeschlusse angibt, Philochoros den 
Effeetivbestand der mit Chares abgegangenen Mannschaft. Ich erinnere 
auch daran, dafs Chares nach Philochoros nur siebzehn Trieren führte, 


142 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


mersonnenwende (also zu Anfang des neuen Jahres) vierzig Tage lang 
der Wind aus Norden zu wehen pflegt '; gegen diesen vermochte 
man nicht anzukommen ?: und Olynths Geschicke erfüllten sich ehe 
die athenische Hilfe zur Stelle war (O1. 108, 1. 348 Sommer) ?. 
Philipp nämlich erlangte durch Verrätherei was ihm mit Waf- 
fengewalt nicht gelingen wollte. Eine Eimschliefsung Olynths hatte 
er nicht bewerkstelligen können: bis zuletzt blieb den Olynthiern 
eine Verbindung mit der See und den athenischen Kriegsschillen. 
Um so lebhafter ward die Belagerung von der Landseite betrieben: 
aber ein Sturm der Makedonen nach dem andern wurde abgeschla- 
gen und Philipp verlor dabei viele Leute *. Da bestach er die Be- 
fehlshaber der olynthischen Reiterei, Lasthenes und Euthykrates: 
diese spielten — bei einem Ausfalle den sie unternahmen — fünf- 
hundert Reiter, gerade das halbe Corps, den Makedonen in die 
Hände und bahnten bei dieser Gelegenheit ihnen den Weg in die 
Stadt°. Das Schicksal der Olynthier war furchtbar, ganz wie De- 


nach Suidas u. Κάρανος vierzig: so viele mochten dem Geschwader 
bestimmt sein, wenn die Zahl nicht verschrieben ist. 

1) 5. ο. Ἔν 68. 

2) Suidas u. Κάρανος: βοηϑοὺς ἔπεμψαν ᾿4ϑηναῖοι ναῦς μ' καὶ 
Χάρητα στρατηγόν: οὗ χειμῶνι ἀποληφϑέντος, προδόντων δὲ τὴν 
Ὄλυνϑον Εὐϑυκπράτους καὶ Πασϑένους, τὴν μὲν ἀνάστατον ἐποίησε 
(Φίλιππος) —. Ich habe nur den herrschenden Wind als Hinderung 
angenommen: möglich dafs auch ein Sturm aus Norden die Flotte 
verschlug. 

3) Dionys. a. Ο. 10 5. 736, 11. L. 4. X Redner 5. 8454, Diod. 16, 53. 

4) Diod. 16, 53. 

5) Hypereid. fr. 80 bei Apsin. Rh. 8. 547 (Εὐϑυκράτης) γενόμενος 
ἵππαρχος τοὺς Ὀλυνϑίων ἵππέας προὔδωκε Φιλίππῳ" — τοῦτο πράξας 
αἴτιος τοῦ Χαλκιδέων ὑπῆρξεν ὀλέϑρον. Dem. Phil. 3, 56 5. 125, 10 
πότεροι δὴ τὴν πατρίδ᾽ ἐξώλεσαν ; ἢ πότεροι τοὺς ἵππέας προὔδοσαν, 
ὧν προδοϑέντων Ὄλυνθος ἀπώλετο; ol τὰ Φιλίππου φρονοῦντες κτλ. 
vdG. 267 8. 420, 10 πεντακοσίους δ᾽ ἱππέας προδοϑέντας ὑπ᾽ αὐτῶν 
τῶν ἡγουμένων ἔλαβεν αὐτοῖς ὅπλοις ὃ Φίλιππος. Vgl. 3948, 5. 435, 
18. 24—28. Reiteroberst war neben Euthykrates Lasthenes: Phil. 3, 66 
S. 128, 8. Im allgemeinen Diodor a. Ὁ. τὸ δὲ τελευταῖον φϑείρας 
χρήμασι τοὺς προεστηκότας τῶν Ὀλυνθίων Εὐϑυκράτην τε καὶ Au- 
σϑένην, διὰ τούτων προδοϑεῖσαν τὴν Ὄλυνθον εἷλεν. Vgl. Dem. να. 
342 S. 451, 1. Chers. 40 5. 99, 22. vKr. 48 5. 241, 25. Plut. Apophth. 
S. 178b. Suid. u. Κάρανος u. d. Rhetoren a. v. St. Aus dem bestimm- 
ten Ausdrucke Diodors und den Stellen der Redner ergibt sich, dafs 


Einnahme und Zerstörung von Olynth. 143 


mosthenes vorausgesagt hatte '; denn Philipp wollte seine Rache 
kühlen. Die Stadt wurde andern zum abschreckenden Beispiel aus- 
geplündert und zerstört, was von der Einwohnerschaft sich nicht 
auf die Schiffe geflüchtet oder dem Schwerte der einstürmenden 
Feinde erlegen war, in die Sklaverei verkauft; dabei diente, wie ver- 
sichert wird, der Verräther Euthykrates als Taxator seiner Mitbür- 
ger”. Gharidemos scheint sich mit der Flotte in Sicherheit ge- 
bracht zu haben, indessen viele Athener wurden in der Stadt kriegs- 
gefangen *. Besonders erwünscht war es für Philipp, dafs seine 
Seefbrüder ἡ Ahm in die Hände fielen: sie wurden nach Makedonien 
ἀδερίμαα und dort die längst ihnen zugedachte Todesstrafe vollzo- 
gen*. Von der reichen olynthischen Beute theilte der König mit 
vollen Händen aus, an seine Krieger wie an hellenische Gastfreunde: 
denn es gab genug Hellenen die sich solcher Gnadengaben nicht 
schämten, die sich gefangene Frauen und Kinder oder olynthische 
Landgüter schenken liefsen °. Chalkidike ward zum makedoni- 
schen Reiche geschlagen und der Bergbau auch ferner eifrig geför- 


der entscheidende Handstreich, durch den Olynth fiel, nicht verwech- 
selt werden darf mit den beiden früher gelieferten Feldschlachten. Diese 
bahnten Philipp den Weg bis vor Olynth und zur Eröffnung der Bela- 
gerung: jener führte unmittelbar die Einnahme der Stadt herbei. 

OB 10, 17.2, 1-8: 18, 8. 

2) Diod. a. O. u. 32, 4 S. 338V. Polyb. 9, 28 (vgl. 33). Hyperei- 
des a. Ὁ. re) en Ὀλύνϑου τιμητὴς ἐγένετο τῶν αἰχμα- 
λώτων. Dem. Phil. 2, 21 5.71, 0 (οἵ Ὀλύνϑιοι) τῆς αὐτῶν ὑπ᾽ ἐκείνου 
στέρονται, αἰσχρῶς διυπυδόνοες, οὐ κρατηϑέντες μόνον, ἀλλὰ καὶ προ- 
δοθέντες ὑπ᾽ ἀλλήλων καὶ πραϑέντες. Gieflichtet hatten sich nicht 
wenige: vgl. Diod. 19, 52. 

3) Aesch. 2, 15 8. 30 ὑπὸ δὲ τοὺς αὐτοὺς καιροὺς (Ol. 108, 1) 
Ὄλυνϑος ἥλω, καὶ πολλοὶ τῶν ἡμετέρων ἐγκατελήφϑησαν πολιτῶν. 

4) Oros. 3, 12 (Phüippus Olynthum) caedibus ac sanguine repletam 
opibus hominibusque vacuavit, abstractos etiam fratres supplicio ac neei dedit. 
Justin. 8, 3 sagt urbem antiquam et nobilem exscindit et fratres olim destinato 
supplicio tradit, praedaque ingenti pariter et parricidii voto fruitur. 

5) Über die Beute und die Belohnungen 5. Diod. a. ©. Atrestidas 
der Arkader liefs sich gefangene schenken, Dem. vdG. 305f. 8. 439, 7, 
später auch der Athener Philokrates, 300 S. 440, 3. Ein Anerbieten 
der Art wird 139 5. 384, 12 erwähnt. Wie Ὁ. 145f. 5. 386, 2. 17 
behauptet, nahmen Philokrates und Aeschines olynthische Landgüter 
an. Von gefangenen Olynthiern, die in Philipps Weinberge arbeiten, 
spricht Aesch. 2, 156 8. 49. 


144 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


dert!; aber die hellenischen Städte sanken in Schutt und Trümmer: 
wie früher Potidaea, neuerdings Apollonia, so wurden mit Olynth 
alle zwei und dreifsig Städte des einst so blühenden chalkidischen 
Bundes von Grund aus zerstört ?: für Philipp war es ein Triumph 
gerade die hellenische Bundesgemeinde, welche an die Ferse des 
makedonischen Reiches sich geheftet und mehr als einmal es er- 
schüttert hatte, mit Fülsen zu treten. Seinen Sieg zu feiern ver- 
anstaltete er die von Archelaos gestifteten Olympien (zu Dion in Pie- 
rien) mit besonderer Pracht: zu höherem Glanze der Opfer und der 
Festversammlung rief er Künstler von allen Enden her zusammen 
und belohnte ihre Verdienste mit königlichen Geschenken und Gna- 
denerweisungen °. 

Chares war inzwischen mit seinem Geschwader heimgekehrt *. 


1) Heges. üb. Hal. 28 8. 83, 26. Just. a. ©. Über die chalkidi- 
schen Bergwerke 5. Fallmerayer Fragm. a. d. Orient II, 159 ἢ, 163—168. 

'2) Dem. Phil. 3, 26 5. 117, 19 Ὄλυνθον μὲν δὴ καὶ Μεθώνην καὶ 
᾿ἀπολλωνίαν καὶ δύο καὶ τριάκοντα πόλεις ἐπὶ Θρῴκης ἐῶ, ἃς ἁπάσας 
οὕτως ὠμῶς ἀνήρηκεν, ὥστε und” εἰ πώποτ᾽ ὡκήϑησαν προσελϑόντ᾽ 
εἶναι ῥάδιον εἰπεῖν, eine Stelle die von den Scholiasten und Rhetoren 
oft wiederholt ist (vgl. Böhnecke F. I, 154, 1). Appian Bürgerkr. 4, 
102 Φίλιππος ὃ ‘Auvvrov τούς τε ἄλλους καὶ Χαλκιδέας ἀνέστησεν, ὡς 
μηδὲν ἔτι πλὴν οἰκόπεδα μόνον ἱερῶν ὁρᾶσϑαι. Strab. 10 5. 447 Ερέτρια 
μὲν γὰρ συνῴκισε τὰς περὶ Παλλήνην καὶ τὸν Ἄϑω πόλεις, ἡ δὲ Χαλ- 
zig τὰς ὑπὸ Ὀλύνϑῳ, ἃς Φίλιππος διελυμήνατο. Böhnecke F. I, 154 Β΄. 
hat bemerkt dafs Akanthos und einige Städte auf der Athoshalbinsel so 
wie auf Pallene nicht zum chalkidischen Bunde gehörten: Akanthos 
wurde nicht zerstört (5. R. gPhorm. 36 5, 917, 29£.). Mendäischer 
Wein wurde auch später verführt: R. gLakrit. 35 S. 935, 9 und in 
dem gefälschten Vertrage werden ebend. 11 5. 926, 7 Mende und Skione 
(beide aufPallene) genannt. Bei Athen. 11,28 S. 784° wird dagegen die- 
ser Wein nicht von Mende, sondern von Kassandreia ausgeführt. Die 
Namen der zerstörten Städte hat Böhnecke a. Ὁ. zu ermitteln gesucht: 
am bekanntesten ist Stageira Plut. Alex. 7. Tzetz. Chil, 7, 441. Diog. 
v. L. 5, 4. Leb. ἃ. Aristot. Ὁ. Westermann Bıoye. S. 400, 59. 

3) Dem. vdG. 192—195 5. 401, 12f. m. ἃ. Schol. Harp. u. ὅτι 
ξένους (S. 140, 20 Bk.). Diod. 16, 55 Wesseling. Bei diesem Feste 
brachte der Rhodier Anaxandridas eine Komödie zur Aufführung: s. 
Suid. u. ἃ. N. und dazu Bernhardy, Clinton F. H, u. ἃ, J. 347. Mei- 
neke hist. er. com. gr. ὃ. 367f. 


4) Schol. zur R. wMeid. 197 8. 578, 3 πλείους βοηϑείας τοῖς 
Ὀλυνϑίοις ἀπέστειλαν ol ᾿4ϑηναῖοι κατὰ μέρος. ol στρατιῶται οὖν ἐπὶ 
τῆς τελευταίας πυϑόμενοι τὴν Ὄλυνθον ἡλωλχέναι, πάλιν ὑπέστρεψαν 


Zeit des olynthischen Krieges. 145 


Die Athener aber beurkundeten ihre Theilnahme an dem Schicksale 
der verbündeten Stadt dadurch, dafs sie den gellüchteten Olynthiern 
als Isotelen Antheil an bürgerlichen Rechten einräumten ', die Ver- 
räther aber, namentlich Euthykrates und Lasthenes, in Verruf er- 
klärten ?: sie haben einen Bürger, der sich unterstand ein olynthi- 
sches Mädchen als Hure zu halten, mit dem Tode bestraft®. Solche 
Beschlüsse und Urteile sind Zeugnisse edler Gesinnung, aber sie 
reinigen die Athener nicht von dem Tadel durch ihre Schlaffheit 
und Saumseligkeit Olynths Untergang mit verschuldet zu haben. 
Die schlimmen Folgen welche er für die athenische Seemacht haben 
mufste liefsen sich kaum berechnen; sie hatten verstärkten Angrif- 
fen (des siegesfrohen Königs entgegen zu sehen. 

Doch ehe wir die Rathlosigkeit der Athener und die Mafsregeln 
zu welchen sie griffen näher betrachten, haben wir zuvörderst die 
Chronologie des chalkidischen Krieges und die Anordnung der olyn- 
thischen Reden des Demosthenes zu rechtfertigen. Über jene kön- 


καὶ κα πάλιν ἀπῆλϑον εἰς τὴν Θράκην. HWolf hat für Θρῴάκην gesetzt 
᾿“ττικήν, und sicherlich kehrte Chares mit dem Bürgeraufgebot nach 
Athen zurück. Aber gieng etwa Charidemos mit dem Reste seiner 
Söldner wieder nach Thrakien? Ich halte das Excerpt für lückenhaft. 


1) Suid. u. Κάρανος: ᾿4ϑηναῖοι δὲ τοὺς περισωϑέντας (Ὀλυν- 
ϑίους) πολίτας ἐποιήσαντο. Darauf bezügliche rhetorische Themata 
(IV, 818. V, 202 Walz) führt Böhnecke $. 655 an. Harpokr. u. ἐσο- 
τελὴς zählt nach Theophrast (Gesetze XI) die Vorrechte der Isotelen 
auf und setzt hinzu: οὗτος δέ φησιν ὡς ἐνιαχοῦ καὶ πόλεσιν ὅλαις 
ἐψηφίξοντο τὴν ἀτέλειαν οἵ Adnvaioı, ὥσπερ Ὀλυνϑίοις te καὶ Θη- 
βαίοις. ἔστι δὲ μαϑεῖν ἐκ τοῦ — Ισαίου λόγου καὶ ὅσα ἐτέλει 6 ἰσοτελής. 
Böckh (Sth. 1, 1314) bemerkt, unter der Atelie möge Freiheit vom Schutz- 
gelde und Liturgien gemeint sein, falls sie als Schutzverwandte nach 
Athen ziehen. Der Zusammenhang aber scheint loorelsıev zu fordern, 
was IBekker vermuthet hat: vgl. MHEMeier de proxenia S. 20. Die 
kümmerliche Lage eines nach Athen geflüchteten Olynthiers schildert 
Aesch. 2, 155 S. 49. 


2) Dem. νὰ. 267f..8. 426, 27f. κατὰ — τῶν τὴν Ὄλυνϑον προ- 
δόντων πολλὰ καὶ δεινὰ ἐψηφίσασϑε —. λέγε τὸ ψήφισμα τὸ περὶ τῶν 
᾿λυνϑίων. ΨΗΦΙΣΜΆ. ταῦϑ'᾽ ὑμεῖς -- ὀρθῶς καὶ καλῶς πᾶσιν Ἕλλησι 
καὶ βαρβάροις δοκεῖτε ἐψηφίσϑαι κατ᾽ ἀνδρῶν προδοτῶν καὶ ϑεοῖς 
ἐχϑρῶν. Suid. u. Anucöns 3. Εὐϑυκράτη — τὸν Ὀλύνϑιον ἀτιμω- 
Hevra παρὰ ᾿ϑηναίοις. 

3) Deinarch. 1, 23 5. 93 Εὐϑύμαχον (ϑανάτῳ ἐζημιώσατε), διότι 
τὴν Ολυνϑίαν παιδίσκην ἔστησεν ἐπ᾽ οἰκήματος. 

DEMOSTHENES II. 10 


146 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


nen wir uns sehr kurz fassen. Durch das Zeugnifs des Philocho- 
ros steht es fest dafs Philipp den olynthischen Krieg unter dem Ar- 
chon Kallimachos Ol. 107, 4 eröffnete, dafs während dieses Jahres 
«dreimal Gesandte nach Athen giengen und eben so oft Hilfscorps 
von athenischer Seite hinbeordert wurden: dafs endlich unter dem 
Archon Theophilos Ol. 108, 1 Olynth fiel'. Diese Angaben bestä- 
tigt Diodor ?, indem er von den beiden Feldzügen Philipps, welche 
durch den Marsch nach Pherae unterbrochen wurden, unter Ol. 
107, 4 und 108, 1 erzählt, und von anderer Seite wissen wir ?, 
dafs Chares mit dem dritten Hilfscorps noch unterwegs war, als 
ihn die Botschaft von der Eroberung Olynths erreichte. Folglich 
ist Philipps erster Feldzug in den Sommer und Herbst von Ol. 107, 
4. 349 zu setzen, der zweite in das Jahr 348, in dessen Mitte die 
108 Olympiade fiel: die Einnahme Olynths erfolgte nicht später als 
im Herbste des Jahres ἡ. Die Dauer des Kriegs endlich bis zur 


1) Dionys. Schr. an Amm. 1, 98.734, 10 (ὃ Olvvdıarog πόλεμος) 
ἐπὶ Καλλιμάχου γέγονεν ἄρχοντος, ὡς δηλοὶ Φιλόχορος ἐν ἕχτῃ βίβλῳ 
τῆς ᾿ἀτϑίδος, κατὰ λέξιν οὕτω γράφων (fr. 132): “ Καλλίμαχος Περγα- 
ἐσῇϑεν. ᾿Επὶ τούτου Ὀλυνϑίοις κτλ.: vgl. 4 5. 120, 4. Ferner 118. 736, 
11 μετὰ γὰρ ἄρχοντα Καλλίμαχον, ἐφ᾽ οὗ τὰς εἰς Ὄλυνθον βοηϑείας 
ἀπέστειλαν ᾿4ϑηναῖοι —, Θεόφιλός ἐστιν ἄρχων, καϑ' ὃν ἐχράτησε τῆς 
᾿Ολυνϑίων πόλεως Φίλιππος. Vgl.Leb.d. X Redner 5. 8454 Καλλίμαχον, 
ἐφ᾽ οὗ παρ᾽ Ὀλυνϑίων ἧκε πρεσβεία περὶ τῆς βοηϑείας, ἐπεὶ ἐπιέ- 
ζοντο ὑπὸ Φιλίππου τῷ πολέμῳ --- τῷ δ᾽ Eins -- Φίλιππος Ὁλυνϑίους 
κατεστρέψατο. Böhnecke F. I, 675 hat bemerkt, dafs in den leider 
sehr geringen Fragmenten der Seeurk. IX®, 26 ein Schiff aufgeführt ist, 
welches, Ol. 107, 4 ausgefahren, noch nicht wieder zu Hause war: s. 
Böckh Seew. 8.29. Die Urkunde scheint in demselben oder dem näch- 
sten Jahre aufgesetzt zu sein. 

2) 16, 52. 53. Dafs Diodor die Begebenheiten der letzten Monate 
von Ol. 107, 4 mit unter dem neuen Jahre Ol. 108, 1 erzählt, ist schon 
oben ὃ. 130, 4 erwähnt. 

3) 5. ob. 5. 141f. 

4) Chares war nach Philochoros noch Ol. 107, 4 von Athen aus- 
gefahren, wohl ganz zu Ende des Jahres, unmittelbar vor dem regel- 
mälsigen Eintritt der Etesien. Denn das Jahr hatte einen Schaltmo- 
nat und endete erst mit dem 16 Juli. Rechnen wir auf die Etesien die 
gewöhnliche Zeit von 40 Tagen, so muls Olynth vor Ende August ein- 
genommen sein: sonst wäre Chares Ausbleiben unerklärlich. Vgl. 
ο. a. ©. Dazu stimmt das Fest der pierischen Olympien; denn dieses 
besieng Alexander im Herbste Ol. Ill, 2, nachdem er um die Mitte 
Septembers Theben zerstört hatte, Arrian. 1, 11, 1. Diod. 17, 16. 


Zeit des olynthischen Krieges. 147 


Belagerung von Olynth bezeugt auch Demosthenes wenn er sagt 
dafs vor Ablauf eines Jahres die Olynthier sämtliche Städte auf 
Chalkidike durch Verrath verloren hätten '. Diesen Zeugnissen zu- 
wider behauptet Böhnecke ?, der chalkidische Krieg habe drittehalb 
Jahre gedauert, indem er erstlich den O1. 107, 1 von Philipp nach 
Chalkidike unternommenen Zug (den er in Ol. 107, 2 setzt) zum 
olynthischen Kriege rechnet, mit dem er nicht zusammenhängt ἧς 
indem er ferner die in der Rede gegen Meidias erwähnte Absendung 
athenischer Reiterei von Euboea aus auf Charidemos Hillszug be- 
zieht, während Philochoros ausdrücklich bezeugt, dafs Charidemos 
mit samt seinen Truppen vom Hellesponte her nach Chalkidike über- 
setzte. Wir erinnern daran, dafs, wie wir oben nachgewiesen ha- 
ben, der euboeische Feldzug nicht Ol. 107, 3, sondern Ol. 107, 2 
angetreten wurde, und dafs die erste philippische Rede nicht aus 
01. 107, 1 willkürlich in die Mitte des olynthischen Krieges versetzt 
werden darf. Ein Methone auf Chalkidike, dessen Belagerung Phi- 
lipp aufgehalten hätte, existierte nicht, und das angebliche Frag- 
ment des Kallisthenes welches davon redet ist nicht minder fingiert, 
als sämtliche andere Fragmente der pseudoplutarchischen Paralle- 
len®. Kurz jene Hypothese Böhnecke’s widerspricht nicht allem 
allen bestimmten Zeugnissen, sondern sie ermangelt auch jedes 
stichhaltigen Grundes. Eine Stelle bleibt noch zu erwägen, welche 
Böhnecke ἢ als entscheidend für seme Annahme betrachtet. Plinius 
berichtet von einem blutfarbenen Meteor das Ol. 107, 3, als Phi- 
lipp Griechenland erschütterte,, zur Erde niedergefallen sei: “ohne 
Zweifel’, sagt Böhnecke, “meint er damit die Zerstörung der chal- 
kidischen Städte’. Ich unterschreibe das, füge aber hinzu “und die 
‘Verwüstung Phokiens und alles Unheil was Philipp über Griechen- 


1) VdG. 266 5. 426, 13 πρὶν μὲν ἐξελϑεῖν ἐνιαυτὸν τοῦ πολέμου 
τὰς πόλεις ἁπάσας ἀπολωλέκεσαν τὰς ἐν τῇ Χαλκιδικῆ προδιδόντες. 

2) F. I 5. 150ff., namentlich S. 201 ft. 

3) 5. o. 5. 53. 55. 114f. 

4) Vgl. ο. S. 28, 4, 29, 3. 

5) A. O. S. 212. 

6) Plin. NH. 2, 27 fit et sanguinea specie (quo nihil terribilius mor- 
talium timori est) incendium ad terras cadens inde, sicut olympiadis centesi- 
mae seplumae anno tertio, cum rew Philippus Graeciam quateret. — quippe 
(haee) ingentium malorum fuere praenuntia; sed ea accidisse non quia haec 
facta sunt arbitror, verum haec ideo facta, quia incasura erant illa. 


10” 


148 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


‘Jand brachte”. Denn Plinius redet nicht von Meteoren deren 
schreckliche Bedeutung im Augenblick sich erfülle, sondern * sie 
waren Vorboten ungeheurer Unglücksfälle welche in der Zukunft 
eintreffen sollten’. So die herabfahrenden Fackeln, welche man 
erblickte als Germanicus Gladiatorenspiele abhielt: man deutete sie 
auf seinen Tod, der aber erst im zweiten Jahre danach eintrat '. 
Demzufolge kann ich in jener Stelle nichts sehen als eine allgemeine 
Beziehung auf die von Philipp über die Hellenen gebrachten Drang- 
sale, am wenigsten aber einen Beweis dafs Philipp schon Ol. 107, 
3 gegen die Chalkidier im Felde gestanden habe. 

Aristoteles hat den Untergang seiner Vaterstadt Stageira noch 
zu Athen erfahren : er verliefs die Stätte seiner geistigen Ausbildung 
erst im Sommer 346 (Ol. 105, 1), nachdem sein grofser Lehrer 
Platon gestorben war, um sich zu seinem Freunde Hermeias dem 
Beherrscher von Atarneus zu begeben?. Damit erledigt sich die 
insbesondere von seinen Feinden erhobene Verläumdung als habe 
er Stageira verrathen und bei dem Verkaufe der gefangenen Olyn- 
thier durch seine Angaben die Preise gesteigert *. Zu Athen war 
Aristoteles während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes Zeuge wie 
der ersten Anfänge so der wachsenden Bedeutung des Demosthenes 
gewesen. 

An die Bestimmung der Dauer des olynthischen Krieges schliefst 
sich die weitere Frage an, in welchen Momenten desselben und in 
welcher Folge Demosthenes die auf uns gekommenen Reden gehal- 
ten habe. Denn die hergebrachte Anordnung, welche nach Kallı- 
machos Vorgang von allen Rhetoren und Grammatikern angenom- 
men ist und in den Handschriften sich findet, hat Dionysios ver- 
worfen: er stellt die zweite Rede voran und die erste ist seiner Mei- 
nung nach zuletzt gehalten *. Diese Differenz ist von neueren Ge- 


MAAFOMSR.2D: 
2) Clinton F. H. u. d.). 


3) S. Wesseling zu Diod. 16, 53. Demochares hatte dieses Ge- 
schwätz vorgebracht; 5. Aristokles b. Euseb. praep. ev. 15, 2 8. 791. 
(Sauppe OA. II, 341f.). Über die Sache vgl. ο. S. 143. 

4) Dionys. Schr. an Amm. 1, 4 5. 726, 4 ἐπὶ δὲ Καλλιμάχου — 
τρεῖς διέϑετο δημηγοριχοὺς παρακαλῶν ᾿ϑηναίους βοήϑειαν Ὀλυν- 
ϑίοις ἀποστεῖλαι τοῖς πολεμουμένοις ὑπὸ Φιλίππου, πρῶτον μὲν, οὗ 
ἐστὶν ἀρχή “πὶ πολλῶν μὲν ἰδεῖν ἄν τις, ὦ ἄ. A., δοκεῖ μοι", δεύτε- 


Reihenfolge der olynthischen Reden. 149 


lehrten, insbesondere von Westermann und Petrenz so genau und 
so scharfsinnig geprüft worden, dafs die Sache aufs reine gebracht 
ist: ich fasse daher, auf meine Vorgänger gestützt, nur kurz zusam- 
men was mein Urteil bestimmt hat '!. 

Leider liegt uns die Argumentation des Dionvsios nicht vor; 
sie ist mit dem Abschnitte seiner Schrift über Demosthenes, wel- 
cher von dem Inhalte der Reden handelte, verloren gegangen?, und 
nur ein dürftiges Resum6 hat neuerdings Dindorf in den Scholien 
zu Demosthenes ans Licht gezogen. Im übrigen müssen wir aus 
der Vergleichung seines Schreibens an Ammaeos mit den Reden 
selbst uns seine Argumente klar zu machen suchen. Die Scholien 
lehren dafs Dionysios einestheils einen historischen Beweis ver- 
suchte, anderestheils aus dem Ton der Reden auf ihre Beziehung 
zu dem Verlaufe des Krieges schlofs: und zwar scheint gerade die 
zweite Rede seine Bedenken hervorgerufen zu haben °. 

Dionysios gieng von der Annahme aus, dafs jede der drei Hilfsen- 
dungen, von denen Philochoros berichtet, durch eine der olynthischen 
Reden des Demosthenes bewirkt sei‘. Nun war nicht zu verkennen 


ρον δέ, “Οὐχὶ ταὐτὰ παρίσταταί μοι γιγνώσκειν, ὦ ἄ. 4.", τρίτον δὲ, 
ο᾿Δντὶ πολλῶν ἄν, ὦ ἄ. ᾽4., χρημάτων". 

1) S. AGBecker Litterat. d. Dem. $.170ff. u. a. Schr. Westermann 
quaest. Dem, I 1830. Ziemann de bello Olynthieo 1832. Jacobs, Staats- 
reden d. Dem. 2 Ausg. S. 157ff. Petrenz de or. Olynth. ordine 18331. 
Thirlwall hat auch in der neuen Ausgabe seiner Geschichte Griechen- 
lands (V, 508 ff.) seine frühere Ansicht von der Richtigkeit der Anord- 
nung des Dionysios festgehalten. 

2) Vgl. 5. 68, 3. 

3) S. 71, 1, zum Eingange der 2 Rede: τοῦτον Jıovvsıog προ- 
τάττει. τῶν Ὀλυνϑιακῶν, ἄρχοντάς τέ τινας καταλέγων καὶ ἐκ τοῦ προ- 
οιμίου πιστούμενος ἔκ περιχαρείας ληφϑέντος. 

4) A. 0.9 8. 734f. haben die Excerpte aus Philochoros über die 
drei Hilfsendungen von Ol. 107, 4 nur dann eine Beziehung auf den 
Beweis den Dionysios führen will, wenn sie durch je eine Rede des 
Demosthenes veranlafst waren: sonst genügte es nachzuweisen, dafs 
der Krieg Ol. 108, 1 zu Ende war. Und dafs jenes seine Meinung war 
lehrt ©. 10 8. 736, 11 'wer& γὰρ ἄρχοντα Καλλίμαχον, ἐφ᾽ οὗ τὰς εἰς 
Ὄλυνϑον βοηϑείας ἀπέστειλαν ᾿4ϑηναῖοι πεισϑέντες ὑπὸ -Ιημοσϑένους, 
Θεόφιλός ἐστιν ἄρχων, καϑ᾽ ὃν ἐκράτησε τῆς Ὀλυνϑίων πόλεως Φί 
Aımmos. Daher die Scholien Κι, 74, 10 Df. ἐστέον δὲ ὅτι φησὶν ὃ Φι. 
λόχορος ὅτι τρεῖς βοήϑειαι ἐπέμῳφϑησαν, καϑ' ἕκαστον λόγον μιᾶς meu- 
πομένης, ὡς τῆς πρώτης μὴ οὔσης ἱκανῆς. Vgl. Dindorf annot. V, 95 f, 


150 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


dafs die zweite Rede zu der zweiten Expedition nicht pafste: denn in 
ihr handelt es sich nicht um Verstärkung, nicht um eine neue Trup- 
pensendung, sondern es ist noch nichts geschehen: die Athener 
sollen erst die Anstände beseitigen und mit den Zurüstungen fertig 
werden '. Ferner hebt die Rede in freudiger Zuversicht an, eine 
Stimmung, die wohl für den Anfang des Krieges, nicht aber für eine 
Verhandlung sich schicken will welche durch die wachsende Be- 
drängnifs der Chalkidier und ein erneutes Hilfsgesuch hervorgeru- 
fen wurde ἢ. Damit vertrug sich eher die dritte Rede: die erste 
dagegen malt das Schicksal Olynths, im Fall die Stadt unterliegt, 
dazu die Gefahr welche daraus für Athen entsteht, so lebhaft aus °, 
dafs diese Stellen Dionysios bewegen konnten sie an das Ende des 
Krieges zu versetzen. 

Der Annahme des Dionysios hat Caecilius widersprochen und 
die hergebrachte Reihenfolge vertheidigt *; eben dieser gemäfls hat 
auch Libanios in seinen Einleitungen den Inhalt der Reden resu- 
miert. In gleicher Überzeugung haben wir mit A. G. Becker u. a. 
die ersten beiden Reden in den Anfang des olynthischen Krieges, 
die letzte in dessen späteren Verlauf gesetzt. Denn gleich der erste 
Satz des Dionysios, dafs die dreililfsendungen gemäfs den demosthe- 
nischen Anträgen angeordnet seien, ist nicht ohne Bedenken. Nicht 
als fänden wir es auffallend, dafs Demosthenes selbst in späteren 
Reden sich dessen nirgends berühmt °, denn er kommt überall nur 
auf Verhandlungen zurück wo er Übel zu verhüten suchte oder auf 
erfolgreiche Unternehmungen, sondern wir vermissen in den Wor- 


1,8: 0. 8.242 

2) S. Philoch. a. O. 

3) 1,5 8. 10, 16. 1278.72, 20: Tor’B2 19. te Pan ππ Ἰν 
Thirlwall V, 511 erinnert an diese Stellen, nicht zum Beweise, aber 
zur nähern Beleuchtung seiner Ansicht von der Richtigkeit der dionysi- 
schen Anordnung. j 

4) Schol. zu Dem. Ol. 2, 1 S. 71, 3 Df. Καικίλιος δὲ ἀντιλέγει, 
πρῶτον ἀξιῶν τὸν πρῶτον νομιξόμενον. τὸ μὲν οὖν κατὰ τοὺς ἄρχον- 
τας ἐν ἵστορίᾳ κεῖται καὶ ἴσως οὐκ ἀχριβῆ τὸν ἔλεγχον ἔχει" τὸ δὲ 
κατὰ τὸ προοίμιον οὐκ αὔταρκες εἰς ἀπόδειξιν. Diese Argumente 
möchte Dindorf auf Caecilius selbst zurückführen; mir scheinen sie 
dem Scholiasten eigen zu sein. 

5) So Böhnecke F. I, 163 mit Berufung auf Dem. vFr. 4ff. S.58. 
vKr. (691. 8. 248). 


Reihenfolge der olynthischen Reden. 151 


ten des Philochoros jede Hinweisung auf Demosthenes als Antrag- 
steller ', während dieser Schriftsteller dessen Verdienste gern aus- 
drücklich hervorhebt. Aber selbst wenn bezeugt wäre dals die 
Athener auf die Reden des Demosthenes und gemäls seinen Anträ- 
gen die zur Ausführung gebrachten Beschlüsse fasten, so müfsten 
wir erklären dafs nicht die erhaltenen Reden, sondern andere wel- 
che nicht herausgegeben wurden diese Wirkung gehabt hätten: 
denn mit Ausnahme der letzten Sendung steht die Art der Rüstung 
durchaus in Widerspruch mit dem Willen des Demosthenes , wie die 
drei olynthischen Reden ihn kundgeben; und die zweite sowohl als 
die dritte Rede gehen von andern Situationen aus, als bei den be- 
trelfenden Beschlüssen der Athener vorhanden waren. 

Die erste Rede ist gehalten, als Philipp eben den Krieg eröll- 
net hatte ?, während die Olynthier noch im Besitze der chalkidı- 
schen Städte waren ?. Sie haben den Athenern ein Bündnils ange- 
boten * und es handelt sich darum die erbetene Hilfe ihnen zuzu- 


1) Ich halte es für nothwendig das Capitel des Dionysios, das 
stückweise schon früher angezogen ist, im Zusammenhange herzusetzen 
(S. 734f.): οὗτος δ᾽ (ὃ Ὀλυνϑιακὸς πόλεμος) ἐπὶ Καλλιμάχου γέγονεν 
ἄρχοντος, ὡς δηλοὶ Φιλόχορος ἐν ς΄ βίβλῳ τῆς ᾿ἀτϑίδος, κατὰ λέξιν οὕτω 
γράφων" “ Καλλίμαχος Περγασῆϑεν. ἐπὶ τούτου Ὀλυνϑίοις πολεμου- 
“μένοις ὑπὸ Φιλίππου καὶ πρέσβεις ᾿“ϑήναζε πέμψασιν οἵ ᾿4“ϑηναῖοι 
συμμαχίαν τε ἐποιήσαντο καὶ βοήϑειαν ἔπεμψαν, πελταστὰς μὲν β, 
τριήρεις δὲ A’ τὰς μετὰ Χάρητος, ἃς καὶ συνεπλήρωσαν". Ἔπειτα δι 
εξελϑιὼν oAlya τὰ μεταξὺ γενόμενα τίϑησι ταυτί: “Περὶ δὲ τὸν αὐτὸν 
«χρόνον Χαλκιδέων τῶν ἐπὶ Θράκης ϑλιβομένων τῷ πολέμῳ καὶ πρε- 
ςσβευσαμένων ᾿ϑήναξε, Χαρίδημον αὐτοῖς ἔπεμψαν οἵ ᾿4“ϑηναῖοι τὸν ἐν 
“Ἑλλησπόντῳ στρατηγόν" ὃς ἔχων κη΄ τριήρεις καὶ πελταστὰς ὃ, ἱππεῖς δὲ 
ἐγ' nal ρ΄ ἦλϑεν εἴς τε Παλλήνην καὶ τὴν Βοττιαίαν μετ Ὀλυνϑίων καὶ 
“τὴν χώραν ἐπόρϑησεν᾽". Ἔπειϑ' ὑπὲρ τῆς τρίτης συμμαχίας λέγει ταυτί: 
‘ Πάλιν δὲ τῶν Ὀλυνϑίων πρέσβεις ἀποστειλάντων εἰς τὰς Adnvas καὶ 
δεομένων μὴ περιιδεῖν αὐτοὺς καταπολεμηϑέντας, ἀλλὰ πρὸς ταῖς 
ὑπαρχούσαις δυνάμεσι πέμψαι βοήϑειαν, μὴ ξενικήν, ἀλλ᾽ αὐτῶν 
εϑηναίων, ἔπεμψεν αὐτοῖς ὃ δῆμος τριήρεις μὲν ἕτέρας ιζ΄, τῶν δὲ 
“πολιτῶν ὁπλίτας β καὶ ἱππεὶς τ΄ ἐν ναυσὶν ἵἱππηγοῖς" στρατηγὸν δὲ 
Χάρητα τοῦ στόλου παντός". 

2) 1, 21 5. 15, 10. 24 5. 16, 8. Vgl. Philoch. a. Ο. Ὀλ. πολεμου 
μένοις ὑπὸ Φιλίππου. 

3) 17 8. 14,5 τὰς πόλεις τοῖς Ὀλυνϑίοις σώξειν. Vel.58. 10.17.9}. 


© ᾿ r δι. 20 ‚ 3 . 
4) 10 5. 12, 6 πεφηνέναι τέ τινα ἡμῖν συμμαχίαν τούτων ἀντίρρο- 
hu ’ - 
πον, av βουλωώμεϑαὰ χρῆσϑαι. 


152 Drittes Buch. Viertes Capitel. 


sagen '. Bevor diese eintreffen kann, soll eine Gesandtschaft von 
dem gefafsten Beschlusse Meldung thun, die Olynthier in ihrer 
Gesinnung bestärken und den Friedensanträgen Philipps entgegen 
wirken. Demosthenes will nicht blofs zum Schutze des olynthi- 
schen Gebietes Truppen beordert wissen, sondern er dringt zu- 
gleich darauf gegen Makedonien von einem andern Punete aus die 
Offensive zu ergreifen ?: er stellt ein Bündnifs mit den Thessalern, 
eine Empörung der Paeonier und Illyrier in Aussicht und hält Phi- 
lipps Umstände für höchst schwierig *. Wir wollen nicht wieder- 
holen dafs Demosthenes Antrag auf Ausrüstung eines doppelten 
Corps, und zwar von Bürgern, ebenso fruchtlos blieb als seine 
Mahnung die Belustigungsgelder für die Kriegskasse einzuziehen. 
Die zweite Rede hat hinsichtlich der auswärtigen Lage diesel- 
ben Voraussetzungen. Noch haben die Olynthier ihr Gebiet * und 
der Krieg spielt an der makedonischen Grenze ὃ: noch ist auf ein 
Bündnifs mit den Thessalern zu rechnen °: noch steht zu hoffen 
dafs Philipp einen Schlag erfährt der seine Bundesgenossen zum 
Abfall und seine Unterthanen zur Empörung bringt ”. Demosthe- 
nes räth nicht erst dazu das Bündnifs mit Olynth abzuschliefsen, 
denn es besteht bereits ®, und Hilfleistung mit attischer Mann- 
schaft wird beabsichtigt °. Aber es gilt mit der Rüstung zu Stande 
zu kommen, denn noch haben die Athener sich nicht gerührt, die 


1) 2f. 8. 9, 15f. ἔστι δὴ τά γ᾽ ἐμοὶ δοκοῦντα ψηφίσασϑαι μὲν 
ἤδη τὴν βοήϑειαν κτλ. -- τὴν ἀπουσίαν τὴν ἡμετέραν --. 

2) 171} ΟΕ, Ὁ. 2 Ma. 

3) 21—24 5. 15, 6. 

22, SIE 

5) 21 S. 24, 9. 

6) 11 8. 21, 11; vel. 8 8 20,1% 

7) 5-10 8. 19, 9 — 21, οἱ 15. ΤῈ a, 07 Ta 

8) 2 8. 18, 15 τῶν ὑπὸ τῆς τύχης παρασκευνασϑέντων συμμάχων 
καὶ καιρῶν. Dals diese Worte nicht von einem abzuschliefsenden, 
sondern bereits abgeschlossenen Bündnifs zu verstehen sind, hat (gegen 
Weiske de hyp. III, 32f. u. a.) Petrenz dargethan (b. Dindorf annot. 
V, 17£. vgl. 11). Auch aus diesem Grunde ist die von Stüve und von 
Grote XI, 457. 499 ff. angenommene Folge der Reden (2. 1. 3) unstatt- 
haft. Vgl. Schol. 8.73, 25 ἐν μὲν τῷ α΄ ξητεῖται εἰ χρὴ βοηϑεῖν τοῖς 
Ὀλυνϑίοις, ἐν δὲ τούτῳ τὸ μὲν βοηϑεῖν ἤδη δέδεικται κτλ.; vol. 
3.71,.8 

9) 11-13 8. 21, 9. 15. 27. 28}. S. 24, 20. 25: 25,6 {7, 


Reihenfolge der olynthischen Reden. 153 


Mannschaft ist nicht in Bereitschaft gesetzt, der Ausmarsch verzö- 
gert sich und es mangelt an Geld. Darum ermuntert Demosthenes 
seine Mitbürger ihrer Pflicht nachzukommen, ungesäumt, und statt 
auf Chares die Schuld zu schieben und Anklagen wider seine Krieg- 
führung ihr Ohr zu öffnen, auf die rechte Weise selbstthätig ein- 
zugreifen. Um das möglich zu machen bringt er Anträge zur Re- 
gelung der Vermögensteuer und der Dienstpflicht ein !. 

Demnach sind die beiden ersten Reden zu Anfange des Krieges 
gehalten, jene bei der Berathung über ein Bündnifs mit Olynth, 
diese nachdem Chares mit seinen Söldnern den Chalkidiern zu 
Hilfe gesendet war, beide aber vor Philipps Zuge nach Thessalien. 
Mit freudiger Zuversicht hebt Demosthenes in der zweiten Rede 
an, weil er das Bündnifs geschlossen weifs und sich die wichtigsten 
Folgen davon verspricht : denn noch ist es zu einer günstigen Ent- 
scheidung nicht zu spät. 

Anders ist die Situation, von welcher die dritte Rede ausgeht. 
Die verbündeten sind in grofser Gefahr *, wenn auch die Sold- 
truppen einmal ein Treffen rühmlich bestanden haben ®. Selber 
sind die Athener immer noch nicht ins Feld gerückt, trotz ihrer 
dahin lautenden Beschlüsse: denn es fehlt an den Geldern zu der 
Mobilmachung.*. Übrigens kann von einer nachdrücklichen Olfen- 
sive nicht von ferne die Rede sein, einer Erhebung der Thessaler 
wird nicht mehr gedacht; die Athener müssen sich genügen lassen 
wenn sie ihr Wort lösen und ihre Bundesgenossen aus der Noth 
erretten. Selbst dies kann ihnen nur gelingen, sobald sie volle Kraft 
daran setzen ® und die ganze Mannschaft sowohl als alle verfügba- 
ren Geldmittel namentlich die Belustigungsgelder für den Krieg 
aufbieten ®. 

Es ergibt sich hieraus, dafs die dritte olynthische Rede nicht 
etwa dem ersten Anfange, sondern vielmehr dem zweiten Jahre des 
Krieges angehört; mochte auch Charidemos einen Siegesbericht 
eingesandt haben, für den die Athener ihm mit öffentlichen Ehren 


1) 3 8. 18, 18. 26#. 8. 25, 24f. Vgl. Liban. Einleit. 8. 17. 
28, 1f. 8. 28£. 

3) 35f. S. 38, 20. Vgl. Liban. Einleit. S. 27. 

4) 10 8. 31, 6. 20 8. 34, 5. 36 S. 38, 23. 

5) 18. 8. 281. 16 8. 32, 20. 6 8. 30, 11. 

6) 10. δ. 31, 108. 


154 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


ddankten, so war doch Olynth durch Philipps Anmarsch ernstlich 
gefährdet. Von wiederholten Gesandtschaften und neuen Gesuchen 
der Chalkidier ist weder in der zweiten noch in der dritten Rede 
eine Andeutung gegeben: auch in der letzten bezieht sich Demo- 
sthenes auf bereits gefafste Beschlüsse, deren Ausführung aber 
noch in weitem Felde steht '. 

Dies sind die Gründe aus denen wir in Übereinstimmung mit 
den meisten gelehrten die von Dionysios geforderte Umstellung der 
olynthischen Reden für unstatthaft und die überlieferte Reihenfolge 
für die allein richtige halten. Übrigens zweifle ich nicht dafs De- 
mosthenes während des chalkidischen Krieges sowohl im Rathe als 
vor der Bürgerschaft noch öfter Anträge gestellt und begründet 
habe: denn nur der kleinste Theil seiner öffentlichen Wirksamkeit 
ist in seinen Schriften enthalten. Die drei olynthischen Reden mag 
Demosthenes herausgegeben haben, weil sie nicht blofs eine ener- 
sische Führung des Krieges bezweckten, sondern die Nothwendig- 
keit einer durchgreifenden Reform der Staatsverwaltung darthaten: 
zu diesem Ende konnten sie auch fernerhin noch wirksam sein. 


FÜNFTES CAPITEL. 


Athenische Staatsverhandlungen bis zum Friedenschlusse des 
Philokrates. Fortgang des phokischen Krieges. 


Die Zerstörung Olynths und der chalkidischen Städte über- 
haupt wirkte erschütternd auf die Athener und stellte ihnen die 
Macht Philipps, welche vor dem chalkidischen Kriege noch vielfach 
unterschätzt wurde, in ihrer ganzen Furchtbarkeit vor Augen. Eines 
solchen Verfahrens hatten sie sich zu dem Könige nicht versehen, 
zumal er ihnen eben erst seine freundlichen Absichten und seinen 
Wunsch Frieden zu schliefsen hatte ausdrücken lassen. Die erste 


1) 10 8. 31, 6 ἀλλ᾽ ὅτι μὲν δὴ δεῖ Pondeiv, εἴποι τις ἄν, πάντες 
ἐγνώκαμεν, καὶ βοηϑήσομεν: τὸ δ᾽ ὅπως, τοῦτο λέγε. 14 5. 32, 8 οὐ 
μὴν οὐδ᾽ ἐκεῖνό γ᾽ ὑμεῖς ἀγνοεῖν δεῖ, ὦ ἄ. A., οτι ψήφισμα οὐδενὸς 
ἄξιόν ἐστιν, ἂν μὴ προσγένηται κτλ. 


Friedensaussichten. 155 


Botschaft der Art überbrachten die euboeischen Gesandten, als sie 
ihrerseits zu Athen über Frieden verhandelten '. Nicht lange nach- 
her fiel Phrynon von Rhamnus während des olympischen Goltes- 
friedens — es war die 108 Olympiade — makedonischen Capern 
in die Hände: er kaufte sich los, aber bat seine Mitbürger ihm einen 
Gesandten an Philipp mitzugeben um wo möglich das gezahlte Lö- 
segeld zurückzuerhalten. Die Volksgemeinde fand seine Beschwerde 
gerecht und ordnete ihm Ktesiphon als Gesandten an Philipp bei. 
Nach seiner Rückkehr konnte dieser des Königs Güte nicht genug 
rühmen: er meldete aufser von dem besonderen Anliegen, wegen 
dessen er abgeschickt war, dafs Philipp erklärt habe, er sei ungern 
zum Kriege mit Athen geschritten und wünsche ihn auch jetzt noch 
beigelegt zu sehen: überhaupt hege der König die freundlichsten 
Gesinnungen gegen Athen?. Die Bürgerschaft nahm die tröstli- 
chen Verheifsungen mit Beifall auf, denn längst hatte sich das Ver- 
langen nach Frieden geregt: viele waren bereit alles einmal verlo- 
rene fahren zu lassen, wenn nur Philipp Ruhe halten wollte®. Daher 
wurde Ktesiphon belobt und auf Antrag des Philokrates einmüthig 
genehmigt, dafs es Philipp gestattet sein solle zum Behuf von Frie- 
densunterhandlungen einen Herold und Gesandte nach Athen zu 
schicken. Damit ward ein thörichter Beschlufs aus den Zeiten der 
ersten Kriegshitze aufgehoben, in welchem die Athener,, auf unver- 
söhnliche Rache bedacht, erklärt hatten nie einen Friedensantrag 
Philipps in Erwägung ziehen zu wollen *. Allerdings ward auch 
jetzt gegen den Beschlufs des Philokrates als gesetzwidrig Einspruch 
erhoben: Lykinos führte die Anklage und stellte einen Strafantrag 
auf nicht minder denn hundert Talente. Aber von dem Gerichte 
wurde der Volksbeschlufs des Philokrates aufrecht erhalten, zu des- 
sen Gunsten auch Demosthenes Fürsprache einlegte, und nicht der 
fünfte Theil der Stimmen fiel auf Seiten des Anklägers ὅς 


1) Vgl. ο. S. 80. Das folgende erzählt Aeschines 2, 12—14 8.291. 

2) Vgl. Dem. vdG. 12 S. 344, 21. 18 5. 346, 21. 94 8. 371, 15. 

3) Phil. 1, 42 8. 52, 10. 

4) Vgl. oben 8. 22, 1. 

5) Aesch. 2, 14. 20 8. 30. 109 8. 42. 3, 62 5. 62 κατηγόρει μὲν 
“Δυκῖνος ὃ γραψάμενος, ἀπελογεῖτο δὲ Φιλοκράτης, συναπελογεῖτο δὲ 
καὶ “σΙημοσϑένης" ἀπέφυγε Φιλοκράτης. μετὰ ταῦτα ἐπήει χρόνος Θε- 
μιστοκὶῆς ἄρχων (Ol. 108, 2). Ist dieser Lykinos derselbe dem Ol. 


156 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Aber die Friedensaussichten, welche Ktesiphons Botschaft er- 
weckt hatte, stellte die Zerstörung Olynths gar bald in den Hinter- 
grund, und vor der Hand hatten die Athener nur darauf zu denken 
den ihnen drohenden Gefahren zu begegnen. Besondere Thätig- 
keit entwickelten Eubulos und seine Freunde, von jeher gewohnt 
der Stimmung des Volkes sich anzuschmiegen und jetzt durch den 
Gang der Ereignisse in ihrer politischen Geltung gefährdet. Denn 
alle die schlimmen Prophezeiungen des Demosthenes, wenn die 
Athener nicht mit dem herrschenden Systeme brächen, waren ein- 
getroffen: hatte auch Verrath den Fall Olynths beschleunigt, so 
durfte doch die Bürgerschaft sich und ihre Leiter nicht von dem 
Vorwurfe freisprechen die rechte Zeit und die rechte Kraftentfaltung 
um Philipp Einhalt zu thun verabsäumt zu haben, und nur durch 
verstärkten Eifer konnten die verantwortlichen Rathgeber den Tadel 
der sie traf niederschlagen. Demgemäfs hielt Eubulos einen An- 
trag in Bereitschaft und Aeschines ward ausersehen ihn einzuleiten. 


104, 4 Timomachos die Anführung eines Geschwaders übertrug (Apol- 
lodor. gPolykl. 53 S. 1223, 2. 6. vgl. Beilage V)? In der Rede vdG. 
stellt Aeschines die Sache so dar, als habe Demosthenes eigentlich die 
Vertheidigung allein geführt. Über den Strafantrag vgl. Böckh Sth. I, 
503. Die gerichtliche Verhandlung fällt nach Aesch. a. Ὁ. noch in 
O1. 108, 1, und zwar nach 2, 15 $. 30 ὑπὸ δὲ τοὺς αὐτοὺς καιροὺς 
Ὄλυνϑος ἥλω um die Zeit der Einnahme von Olynth, also etwa in den 
Herbst oder Winter 348 (vgl. Böhnecke F. I, 371f. 375f.). Franke 
proleg. in D. or. de FL. 5. 21f. hält es für wahrscheinlich, dafs Phi- 
lokrates seinen Antrag erst zu Anfange des J. 347 gestellt habe, also 
nach der Zerstörung von Olynth. Das glaube ich nicht, wohl aber 
mag Lykinos seine Anklage erst in diesem Jahre geführt haben. Fer- 
ner schliefst Franke 5. 25 aus Demosthenes Stillschweigen in der Rede 
vdG. und aus seiner Verwahrung wider jedwede Gemeinschaft mit Phi- 
lokrates in der Rede vom Kranze, er könne diesen nie in Schutz genom- 
men haben. Ich halte die Thatsache für riehtig: das Stillschweigen 
des Demosthenes in der früheren Rede kann nicht befremden, denn er 
geht auf die ersten Schritte zum Frieden nirgends ausführlich ein: in 
der Rede vom Kranze aber beginnt seine Darstellung erst mit der Frie- 
densbotschaft des Aristodemos (Ol. 108, 2) und dem Antrage des Phi- 
lokrates athenischerseits um Frieden nachzusuchen: auf diesen und die 
demnächst zwischen Aeschines und Philokrates obwaltende Genossen- 
schaft geht die Erklärung des Demosthenes. 


1) S. zu dem folgenden Dem. vdG. 10f. 8.344, 3. 302ff. 8.438, 4. 
311 8. 441, 5. Vel. Aesch. 2, 164 8. 50. 


Eubulos und Aeschines. 197» 


Der Schauspieler Ischander, den wir bereits in der Gesellschaft 
des Neoptolemos und Aeschines kennen gelernt haben ', war von 
einem Gastspiele zu Megalopolis zurückgekehrt und hatte von athe- 
nisch gesinnten Arkadern mündliche Aufträge überbracht. Mit ihm 
gieng Aeschines an den Rath und die Volksgemeinde. In feierlicher 
Rede, als sei er der allererste und einzige Athener, der die Ent- 
deckung mache ?, führte er vor dem Volke aus, dafs Philipp den 
Hellenen nachstelle und einige Häupter der arkadischen Bundesge- 
meinde besteche: er ziehe Hellas und den Peloponnes auf seine 
Seite, während die Athener in Schlaf versunken seien. Ihre Sache 
aber sei es dem zu begegnen und die hellenische Freiheit nicht 
preiszugeben, getreu dem Beispiele der Vorfahren: und nun schil- 
dderte Aeschines die grofsen Thaten der Perserkriege, liels die von 
Miltiades und Themistokles verfafsten Volksbeschlüsse verlesen 
und, um den Kriegsmuth der Athener aufs höchste zu entllammen, 
den Eidschwur , mit welchem jeder athenische Jüngling unverbrüch- 
liche Bewahrung der Wallenehre und treuen Dienst dem Vaterlande 
gelobte. Noch andere Urkunden der Vorzeit mag Aeschines ange- 
zogen haben: denn eben in Hinblick auf diese Verhandlungen wird 
es geschehen sein, dafs Theopomp den vor der Schlacht bei Pla- 
taeae geschworenen Eid der Hellenen und den Vertrag der Athener mit 
dem Perserkönig für erdichtet erklärte, dafs er die Lobpreisungen 
der marathonischen Schlacht als übertrieben bezeichnete und über- 
haupt der athenischen Bürgerschaft anmafsliche Prahlerei mit ihren 
Thaten vor den Hellenen Schuld gab ®. Übrigens war es mit jener 


1) 8. Buch I, 5. 


2) Dem. a. 0. 10 ἔστι τοίνυν οὗτος ὁ πρῶτος ᾿ϑηναίων αἰσϑό. 
μενος Φίλιππον, ὡς τότε δημηγορῶν ἔφη, ἐπιβουλεύοντα τοῖς Ἔλλησι 
κτλ. 802 ὃς γὰρ ἑαυτὸν τάξας τῶν ἀπιστούντων εἶναι Φιλίππῳ, καὶ 
μόνος καὶ πρῶτος ἰδὼν ὅτι κοινὸς ἐχϑρὸς ἐκεῖνός ἐστιν ἁπάντων τῶν 
Ἑλλήνων. Es versteht sich dafs Demosthenes nur ironisch Aeschines 
ein Verdienst einräumt, welches vielmehr sein eigenes war. Über die 
Gesinnung des Aeschines in jener Zeit vgl. 27 8.349, 13 τὴν τ᾽ adw- 
ροδόκητος ὑπῆρχε προαίρεσιν αὐτοῦ τῆς πολιτείας ἀναμνησϑέντες, ὡς 
προβεβλημένη (ἃ. h. εὐλαβῶς ἔχουσα καὶ φυλαττομένη Harp. Schol.) 
καὶ ἄπιστος ἦν πρὸς τὸν Φίλιππον. 


3) Theop. XXV fr. 167 (b. Theon progymn. 2 S. 162). 168 (b. 


Harpokr. u. @ruxoig γράμμασιν). In diesem Buche handelte Theopomp 
über Begebenheiten von Ol. 108, 1; vgl. 8. 172, I. Übrigens bezieht 


in, 


158 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


glänzenden Rede nicht abgesehen auf ein allgemeines Aufgebot der 
Wehrkraft, auf neue Kriegssteuern und grofsartige Rüstungen: viel- 
mehr lief es darauf hinaus die übrigen Hellenen zu einer Kriegfüh- 
rung heranzuziehen, deren Last den Athenern unerträglich und de- 
ren Ausgang immer bedenklicher wurde. Gesandte Athens sollten 
in allen Staaten die drohende Gefahr schildern und die Hellenen 
aufrufen im Bunde mit Athen die Freiheit der Hellenen wider Phi- 
lipp zu beschirmen. Zu diesem Ende wurden sie geladen bevoll- 
mächtigte nach Athen zu schicken um dort die Mafsregeln zu ver- 
bündeter Kriegführung zu verabreden ': wie im Kampfe vereint so 
wollten sie auch nicht anders als gemeinschaftlich Frieden schlie- 
[sen *. Grofse Erwartungen wurden an diesen Aufruf geknüpft: 
es könne nicht ausbleiben, dafs dieser hellenische Gongrels zu ei- 
nem Bundesrathe sich gestalte, an dessen Spitze Athen ohne Wider- 
rede die Hegemonie gewinnen müsse ®. 

Es konnte nicht fehlen, dafs eine Rede, welche aus trüber Zeit 
heraus den Blick auf die glorreiche Vergangenheit richtete und eine 
nicht minder glänzende Zukunft verhiefs, mit lautem Beifall gehört 
wurde: eine nüchterne Prüfung konnte dawider nicht aufkommen. 
Eubulos legte den entsprechenden Antrag vor und gemäls demselben 


sich auf den kimonischen Frieden, auf den athenischen Watffeneid und 
den plataeischen Schwur auch Lykurg. wLeokr. 73ff. S. 157. 

1) Dem. vdG. 10 8. 344,9 (ἔστι τοίνυν οὗτος δ) πείσας ὑμᾶς παν- 
ταχοὶ πρέσβεις πέωψαι τοὺς συνάξοντας δεῦρο τοὺς βουλευσομένους 
περὶ τοῦ πρὸς Φίλιππον πολέμου. 304 8. 438, 18 τίς (ἐστιν) 6 πείσας 
ὑμᾶς μόνον οὐκ ἐπὶ τὴν ἐρυϑρὰν ϑάλατταν (Schol. πανταχοῖ τῆς οἰκου- 
μένης) πρεσβείας πέμπειν, ὡς ἐπιβουλευομένης μὲν ὑπὸ Φιλίππου τῆς 
Ἑλλάδος κτλ. 16 5. 346, 2 -- τῶν πρέσβεων -- οὖς ἀπὸ τῶν Ἑλλήνων 
μετεπέμψασϑε ὑπὸ τούτου πεισϑέντες ὅτ᾽ οὔπω πεπρακὼς αὑτὸν ἦν. 
Aesch. 2, 60 5. 35 οἵ -- πρέσβεις -- οὖς ἐξέπεμψεν 0 δῆμος εἰς τὴν 
Ἑλλάδα παρακαλῶν τὰς πόλεις ὑπὲρ τῆς ἐλευϑερίας τῶν Ἑλλήνων. 

2) Aesch. 2, 57 8. 35 — οἵ Ἕλληνες μεταπεμφϑέντες ὑπὸ τοῦ δή- 
μου, ἵνα κοινῇ καὶ πολεμοῖεν, εἰ δέοι, Φιλίππῳ μετὰ ᾿4ϑηναίων, καὶ 
τῆς εἰρήνης, εἰ τοῦτο εἶναι δοκοίη συμφέρον, μετέχοιεν. Franke ἃ. O. 
S. 19. 20f. hält die Hinweisung auf einen zukünftigen Friedensschlufs 
für eine blofse Erfindung des Aeschines. 

3) Aesch. 3, 58 5, 61f. ὑμῖν γὰρ ἐξεγένετ᾽ ἄν, — El τινες ὑμᾶς 
εἴασαν περιμεῖναι τὰς πρεσβείας ἃς ἣτε ἐκπεπομφότες — εἰς τὴν Ἕλ- 
λάδα παρακαλοῦντες ἐπὶ Φίλιππον (vel. 64. 68 5. 621.), μετασχεῖν 'Ελ- 
ληνικοῦ συνεδρίον καὶ προϊόντος τοῦ χρόνου παρ᾽ ἕκόντων τῶν ᾿Ἑλλή- 
νῶν ἀπολαβεῖν τὴν ἡγεμονίαν. 


Gesandtschaften an die Hellenen. 159 


wurden die Gesandten erwählt, vor allen Aeschines '. Demosthe- 
nes wird jene Vorschläge weder unterstützt noch bekämpft haben. 
Dafs die Athener mit andern selbständigen Staaten — denn nur um 
solche handelt es sich, nicht um die fast zu völliger Botmälsigkeit 
herabgedrückten Bundesgenossen Athens — gegen Philipp sich ver- 
bündeten, konnte er nur wünschen, und er hat seiner Zeit mit Er- 
folg diesen Weg betreten ?. Aber die erste Bedingung dazu war, 
dafs die Athener sich nicht in dem Ruhme ihrer Vorfahren eitel 
bespiegelten und von Traumbildern einer Herrschaft die von selber 
ihnen in den Schofs fallen müsse sich umgaukeln liefsen, sondern 
sie mulsten ans Werk gehn und durch selbstthätige Aufopferung, 
durch überlegene Kriegsrüstung sich das Recht erwerben die Füh- 
rer in dem gemeinsamen Kampfe zu sein’. Das war der Grund- 
satz des Demosthenes, auf hohe Reden zum Preise der Vorfahren 
ohne entsprechende Thaten gab er nichts '; bewandten Umständen 
nach wird er von Verhandlungen, welche Eubulos in Antrag brachte, 
wenig sich versprochen haben. 

ürfolg hat die Einladung der Athener in keiner Weise gehabt. 
Aeschines selber gieng als Wortführer der Gesandtschaft nach dem 
Peloponnes und verhandelte zu Megalopolis mit der arkadischen 
Bundesgemeinde. Vielen Mitgliedern derselben, so berichtete Ae- 
schines ?, war die überbrachte Botschaft willkommen : sie freuten 
sich dafs Athen sich des gemeinen besten annehme und sich rühre. 
Zwar fand Philipps Sache ihre Vertreter, namentlich an Hierony- 
mos, dem Führer der makedonischen Partei, einem Manne der 
zu Athen an dem Umgange mit Isokrates, vielleicht auch mit 


1) Dem. vdG. 304 8. 438, 22 οὐχ ὁ μὲν γράφων τὸ ψήφισμα Εὔ- 
BovAog ἦν, ὃ δὲ πρεσβεύων εἰς Πελοπόννησον Αἰσχίνης οὑτοσί; 

2) Diod. 10, 54 spricht unmittelbar nach der Einnahme von Olynth 
(01.108, 1) von den athenischen Gesandtschaffen und knüpft daran die 
rühmende Erwähnung der Thätigkeit des Demosthenes, entweder wegen 
des olynthischen Krieges oder in Beziehung auf spätere Vorgänge. Denn 
bis Ol. 109, 4 (Cap. 74) hat er von Athen nichts zu sagen; den Frie- 
densschlufs mit Philipp und was daran hängt übergeht er mit Still- 
schweigen. 

θ.». πη 1, 68.42, 1. Ol 2 

4) Vgl. o. Buch II, 6. 

Ὁ) Dem. vdG. 11 S. 344, 11. 304—307 S. 438, 24 — 439, 18 
(vgl. das folgende — 311 S. 441, 8). Aesch. 2, 79 S. 38. 157 5. 49 
ἐγὼ — ὃ τοὺς μυρίους ᾿ρκάδων vordsrov. 


160 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Platon, sich gebildet hatte und schon unter den Gründern von 
Megalopolis genannt wird ': aber Aeschines trat ihm in aus- 
führlicher Rede entgegen und zeigte wie schwer ein jeder, der 
sich Philipp hingebe und von ihm Geschenke empfange, an ganz 
Griechenland, nicht blofs an der eigenen Vaterstadt sich versün- 
dige: denn Philipp sei ein Barbar und ein verruchter Frevler, ein 
gemeinsamer Feind aller Hellenen. Mit solchen und ähnlichen Re- 
den beeiferte sich Aeschines nach Kräften die Arkader und andere 
Peloponnesier zum Bunde wider Philipp zu bewegen, aber um- 
sonst”. In der Gefahr vor den Spartanern hatten die zehntausend 
zu Megalopolis vergebens Hilfe bei Athen gesucht, so dringend auch 
Demosthenes dazu gerathen; jetzt fanden es die leitenden Staats- 
männer — aufser Hieronymos wird noch Eukampidas genannt, 
ebenfalls einer der Gründer der Bundesstadt, und Kerkidas — ih- 
rem eignen Vortheile und den arkadischen Interessen gemäfser sich 
zu Philipp zu halten’. Aeschines suchte freilich noch eine Hofl- 
nung rege zu erhalten: er rieth in seinem Berichte nochmals Ge- 
sandte nach Arkadien zu schicken um gegen die Häupter der ma- 
kedonischen Partei förmlich Anklage zu erheben: denn die dortigen 
Freunde hätten ihm versichert, wenn Athen Ernst mache, würden 
jene zur Strafe gezogen werden. Diese unnütze Mühe werden die 
Athener sich nicht gemacht haben. Noch berichtete Aeschines, 


1) Bei Plutarch. gKolot. 32 S. 1126° lesen wir Πλάτων δὲ τῶν 
ἑταίρων ἐξαπέστειλεν ᾿Αρκάσι μὲν ’Agıoravvuov διακοσμήσοντα τὴν πο- 
λιτείαν κτλ. Statt dessen nennt Paus. 8, 27, 2 Hieronymos unter den 
Gründern der Bundesstadt, und das, glaube ich, ist das richtige. Schü- 
ler des Isokrates nennen ihn die Schol. zu Dem. a. O. 118. 344, 8. 14. 
Als eifrigen Parteigänger Philipps führte ihn Theopomp LI fr. 256 (bei 
Harp. u. d. N.) auf. 

2) Aesch. 2,79 8. 38 ἐγὼ — ἐν μὲν τῷ πολέμῳ συνίστην, καϑ' ὅσον ἣν 
δυνατός, ᾿ἀρκάδας καὶ τοὺς ἄλλους Ἕλληνας ἐπὶ Φίλιππον" οὐδενὸς δ᾽ 
ἀνθρώπων κτλ. Vgl.164 8.50 παρεκάλουν ἐπὶ Φίλιππον τοὺς Ἕλληνας. 

3) Dem. vKr. 295 8. 324, 9 -- οὗ ὅτ᾽ ἣν ἀσϑενῆ τὰ Φιλίππου 
πράγματα καὶ κομιδῇ μικρά, πολλάκις προλεγόντων ἡμῶν καὶ παρακα- 
λούντων καὶ διδασκόντων τὰ βέλτιστα, τῆς ἰδίας ἕνεκ᾽ αἰσχροκερδείας 
τὰ κοινῇ συμφέροντα προΐεντο, τοὺς ὑπάρχοντας ἕκαστοι πολίτας ἐξα- 
πατῶντες καὶ διαφϑείροντες ἕως δούλους ἐποίησαν, -- ᾿'ἀρκάδας Κερ- 
κιδᾶς Ἱερώνυμος Εὐκαμπίδας. Kerkidas erwähnte Theopomp schon 
im XV Buche fr. 131 (Harp. u. ἃ. N.); über Eukampidas s. Paus. a. 0. 
Vel. o. Buch U, 7 und Polybios Apologie jener Männer 17, 14. 


Gesandtschaften an die Hellenen. 161 


was ihn mit dem tiefsten Schmerze erfüllt habe: er sei auf sei- 
nem Rückwege mit Atrestidas zusammengetroflfen, der von Philipp 
kommend an dreifsig Weiber und Kindlein mit sich führte, gefan- 
gene Olynthier, die ihm Philipp als Geschenk mitgegeben. Das 
sei ihm entsetzlich erschienen und er habe über den traurizen Zu- 
stand von Hellas gejammert, das solches Elend sich nicht zu Herzen 
nehme ἡ. ι 

Gewils war es Aeschines eine kränkende Erfahrung dafs sein Be- 
mühen die Hellenen zu vereintem Widerstande gegen Philipp zu bewe- 
sen ohne Resultat blieb. Der Adel der Gesinnung und die Stärke des 
Charakters, welche an dem einmal als recht und heilsam erkann- 
ten unwandelbar festhält, gieng ihm ab: eine Politik, welche nicht 
gleich zum Ziele geführt hatte, verliefs er sobald sich ihm locken- 
dere Aussichten boten. Welche peloponnesische Staaten aufser 
Arkadien jene Gesandtschaft noch angesprochen hat hören wir 
nicht, ebensowenig ob wirklich dem Beschlusse gemäfs in fernere 
Gegenden abgeordnete geschickt wurden: wenn Demosthenes mit 
Grund sagt ?, sie seien *allerwärts’, “beinahe bis ans rothe Meer 
“ausgesandt’, so müssen sie sich zu den äufsersten Enden helleni- 
scher Niederlassungen verstiegen haben. Aber wie dem auch sein 
mag, unglaublich ist, was Aeschines behaupten will’, Demosthenes 
aber entschieden in Abrede stellt ', es seien solche Gesandtschaf- 
ten noch im Elaphebolion Ol. 105, 2 (April 346) auswärts gewesen. 
Denn jene Verhandlung mit den Arkadern fand, wie der Vorfall mit 
Atrestidas lehrt, bald nach der Einnahme von Olynth statt, späte- 
stens im Frühjahre von Ol. 108, 1. 347, während der Krieg mit 
Philipp noch im Gange war ἢ. Die Friedensverhandlungen wurden 
erst im folgenden Winter eingeleitet: darum enthielten auch die 
Aufträge der athenischen Gesandten, wie Demosthenes versichert 

1) Dem. vdG. a. O. und dort (zu 8. 430, 3) das Scholion: οὗτος 
ὁ Argsortidag προδότης nv ᾿ἡρκχάς. 

2) 8. 0. 8. 158,1. 

3) Aesch. 2, 58—62 5. 35f. 3, 58. 64. 67f. 71 5. 62f. Wir kom- 
men bei den Friedensverhandlungen auf diesen Punct zurück. 

4) Dem. vKr. 23 5. 233, 1. 

5) Aesch. 2,58 8. 35 ἔτι τοῦ πολέμου πρὸς Φίλιππον ὑμῖν ἐνεστη- 
κότος. 79 8. 38 ἐν -- τῷ πολέμῳ. Bühnecke F. I, 199. 235. 377. 732 
läfst ohne allen Grund die Gesandtschaften noch während der Belage- 
rung von Olynth abgehen. Vgl. Franke a. Ὁ. S. 21. 

DEMOSTHENES IL. 11 


162 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


und wie die älteren Aussagen des Aeschines bestätigen ', keine Ein- 
ladung zu einem Friedenscongresse, worüber Aeschines in seiner 
späteren Rede ein grolses Wesen macht: an einem solchen konn- 
ten natürlich nur solche Staaten theilnehmen, welche zum Kriege 
gegen Philipp mitgewirkt hatten. Übrigens war das Ergebnifs der 
(esandtschaften überall gleich trostlos: keine Menschenseele, das 
bekennt Aeschines selbst und ein gleiches lesen wir bei Demosthe- 
nes ?, war willens den Athenern beizustehen, sondern wer nicht gar 
sie mit bekriegte, überliefs sie doch gleichgiltig ihrem Schicksale. 
Um so stärker wurde bei der Bürgerschaft das Verlangen nach Frie- 
den, und es ist nicht zu verwundern dafs Anerbietungen Philipps 
in diesem Sinne willfährige Aufnahme fanden. 

Denn wenn die Athener jetzt die Rechnung zogen und die Re- 
sultate einer zehnjährigen Kriegführung überschauten — so lange 
war es seit sie mit Philipp über Amphipolis in Krieg geriethen und 
die Bundesgenossen sich empörten —, da mufsten sie wohl erken- 
nen, wie theuer ihnen die halben und verspäteten Mafsregeln, die 
eigene Schlaffheit und die Werbung unzulänglicher Söldnerbanden 
zu stehen kam. Über 1500 Talente waren verbraucht ?, 150 Kriegs- 
schiffe, so versicherten wenigstens die Ankläger, waren allein un- 
ter Chares Commandozdarauf gegangen, und statt an Macht zu wach- 
sen oder nur im Besitze sich zu behaupten erfuhr der athenische 
Staat eine Schmälerung seiner Macht nach der andern. Von den 
fünfundsiebenzig Staaten, welche nach den Siegen des Timotheos 
in dem Bundesrathe zu Athen vertreten waren *, hatten die ansehn- 
lichsten sich losgerissen. Korkyra machte den Anfang, in dem Bun- 
ddesgenossenkriege gewannen die Inseln Chios Kos Rhodos Unab- 


1) Dem. a. O. 24 8. 233, 4. Aesch. an den $. 158, 1. 2. 160, 2 
angeführten Stellen. Vgl. Franke a. O. S. 20f. 

2) Aesch. 2, 79 S. 38. Dem. vKr. 20 S. 231, 21. 

3) Aesch. 2, 70#. 5. 37. Die Scholien zu Dem. Ol. 1, 27 8. 17, 3 
rechnen nur 1200 Talente; aber dieselbe Summe nutzlos ausgegebener 
Kriegsgelder hat Dem. ΟἹ. 3, 28 8. 36, 8 πλείω δ᾽ ἢ ἃ καὶ φ' τάλαντα 
ἀνηλώκαμεν εἰς οὐδὲν δέον. Isokrates Areop. 9 5. 141 rechnet nach 
dem Bundesgenossenkriege schon mehr als 1000 Talente auf die Mieths- 
truppen. 

4) S. o. Buch I, 2. Dafs Timotheos allein 75 Staaten in dem 
Bunde vereinigt habe, ist eben sowohl Übertreibung des Aeschines, als 
dafs diese siimtlich verloren seien. 


Resultat der athenischen Kriegführung. 163 


hängigkeit von Athen und stellten sich lieber unter den Schutz der 
karischen Dynasten; mit ihnen fiel Byzantion nebst Perinthos ab 
und brachte auch die nahen Städte Chalkedon und Selymbria an 
sich '. Neuerdings war auch Euboea verloren gegangen. Endlich 
hatte Philipp die ganze makedonisch - thrakische Küste bis zum He- 
bros erobert: ja er war schon bis an die Propontis vorgedrungen, 
hatte den Chersones bedroht und durch Verträge und Bündnisse sei- 
nen Einflufs bis zum Bosporus ausgedehnt. Aufser Amphipolis, 
das die Athener als ihr rechtmäfsiges Eigenthum ansahen, das in den 
hellenischen Verträgen ihnen zugesprochen war, waren Pydna, Po- 
tidaea und andere Bundesstädte den Angriffen des Makedonenkönigs 
erlegen, der mehr und mehr Anstalten traf von seinen Küsten aus 
auch die See den Athenern streitig zu machen. So waren die aus- 
wärtigen Besitzungen Athens auf Lemnos Imbros Skyros und den 
thrakischen Chersones beschränkt: zu dem Bundesschatze steuer- 
ten aulser Samos nur noch die kleineren Inseln des aegaeischen und 
thrakischen Meeres, wie Tenedos Thasos u. a., im ganzen fünfund- 
vierzig und wenn man es hoch trieb sechzig Talente *. Ja selbst 
diese für die steuernden drückenden Beiträge waren von den athe- 
nischen Feldherrn schon im voraus erhoben: wollten die Athener 
den Krieg fortsetzen, so mulsten sie in den eigenen Seckel greifen 


1) Dem. fdRhod. 26 S. 198, 10. Vgl. Buch I, 3. 


2) Lemnos Imbros Skyros und den Chersones falst als den Rest 
athenischer Besitzungen zusammen Apollod. wNeaer. 3 S. 1346, 11. Vgl. 
Heges. üb. Halonn. 4 S. 77, 21. Dem. vdG. 78 5. 365, 22. 26 u. a. St. 
Von verbündeten Staaten werden aufgeführt Samos (5. o. Buch II, 6), 
Tenedos Aesch. 2, 20 S. 30. Thasos Skiathos und die benachbarten 
Inseln Dem. Phil. 1, 32 S. 49, 3. vgl. Chers. 36 S. 99, 2. Peparethos 
vKr. 70 5. 248, 5. Phil. Schr. 12 S. 162, 1. Prokonnesos und Tenedos 
Dem. vKr. 302 5. 326, 15. Im allgemeinen ebend. 234 5, 305, 13 δυ- 
ναμιν μὲν τοίνυν εἶχεν ἡ πόλις τοὺς νησιώτας, οὐχ ἅπαντας, ἀλλὰ τοὺς 
ἀσϑενεστάτους: οὔτε γὰρ Χίος οὔτε Ῥόδος οὔτε Κέρκυρα μεϑ'᾽ ἡμῶν 
ἦν" χρημάτων δὲ σύνταξιν εἰς € καὶ u’ τάλαντα, καὶ ταῦτ᾽ ἣν προ- 
εξειλεγμένα: ὁπλίτην δ᾽ ἢ ἱππέα πλὴν τῶν οἰχείων οὐδένα. Demo- 
sthenes spricht von der Zeit nach Abschlufs des Friedens mit Philipp ; 
wenn Aesch. 2, 71 sagt, dafs während des Krieges Chares und seine Leute 
τοὺς — ταλαιπώρους νησιώτας καϑ' ἕκαστον ἐνιαυτὸν ξ΄ τάλαντα εἰσέ- 
πραττὸν σύνταξιν, so sehe ich darin eine aufserordentliche Erhöhung 
der Beisteuern um ein Drittel ihres eigentlichen Betrages: denn von 
ungebührlich gesteigerten Abgaben ist offenbar die Rede. 


3” 


164 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


und durch neue Vermögensteuern oder andere lästige Finanzmalsre- 
seln die Kosten decken. 

Bei dieser Lage der Dinge konnte den Athenern nichts gelege- 
ner kommen, als wenn Philipp sich zu einem billigen Frieden her- 
beiliels'. Den meisten war es allerdings nur darum zu thun der 
Unruhe und der Opfer welche der Kriegszustand mit sich führte 
los und ledig zu sein: tiefer blickende Staatsmänner, vor allem 
Demosthenes, hielten einen Frieden für nothwendig nicht allein um 
den Rest dev Besitzungen und der verbündeten Athens sicher zu 
stellen und vertragsmäfsig begründete Ansprüche zur Geltung zu 
bringen, sondern um die Bürgerschaft zu Kräften kommen zu las- 
sen damit, wenn ein neuer Krieg ausbräche, dieser mit frischem 
Muthe und hinlänglichen Mitteln geführt werden könne. Denn so 
stand es noch nicht, dafs Athen unterwürfig dem Gegner zu Fülsen 
liegen mufste. Trotz des Krieges mit Philipp hatten der Handel 
und Verkehr, die Hauptquellen des athenischen Wohlstandes, keine 
wesentliche Störung erfahren, die Schiffahrt war für sie frei und 
ihre Flotten beherrschten die See: namentlich war der Hellespont 
in ihrer Gewalt. Andererseits hatten sie von der Landseite nichts 
zu fürchten, so lange die Thebaner durch den phokischen Krieg 
beschäftigt und die Thermopylen den Thessalern und Makedonen 
versperrt waren”. In dieser Stellung der Athener lagen für Phi- 
lipp grofse Unzuträglichkeiten. Die Blokade der Küsten und die 
Unterbrechung des Handels war, wie wir gesehen haben’, für seine 
Unterthanen eine lästige Beschwerde und schmälerte die königli- 
chen Einkünfte: seine junge Marine konnte sich nicht gehörig ent- 
wickeln, dazu war der Verkehr mit Griechenland auf alle Weise ge- 
hemmt: weder zur See noch zu Lande konnte man anders als auf 
Umwegen nach Makedonien reisen. Diese Übelstände hefsen sich 


1) Aesch. 2, 36 8. 33 legt Demosthenes die Frage in den Mund 
εἰ τῶν ᾿4ϑήνησι πραγμάτων ἐπιλέλησμαι καὶ τὸν δῆμον καταπεπονη- 
μένον καὶ σφόδρα ἐπιϑυμοῦντα τῆς εἰρήνης εἶ μὴ μέμνημαι. Vel. 
Isokr. Phil. 38. 40 S. 89f. Den traurigen Resultaten der Kriegführung 
ihrer Feldherrn schreibt Demosthenes selbst vdG. 96 S. 372, 6 das Ver- 
langen der Athener nach Frieden zu. 

2) Dem. Phil. 2, 36 S. 74, 15. vdG. 83 8. 367, 10. 149 8. 387, 13. 
180 5. 397, 22. 

5). 71. 


Friedensaussichten. 165 


nur durch einen Frieden mit Athen abstellen: dann konnte Philipp 
regelmäfsige Verbindungen mit allen hellenischen Staaten unterhal- 
ten und wo es ihm beliebte mit den Wallen einschreiten. Was er 
den Athenern abzwingen wollte hatte er vorläufig in der Hauptsache 
«durchgesetzt: seine nächste Absicht war nach Hellas vorzudringen 
und den phokischen Krieg zu beendigen ; das aber war fast unmög- 
lich, wenn die Athener wieder wie nach Onomarchos Tode vermit- 
telst der Flotte ihr schweres Fufsvolk in die Pässe warfen '. Darum 
legte Philipp, wie wir gesehen haben, von fern her es darauf an 
die Athener zu Friedensanträgen zu vermögen: denn er selbst 
war nicht gesonnen sich so viel zu vergeben, dafs er um Frieden 
nachgesucht hätte *. Sobald dann einmal die Verhandlungen in 
Gang kamen, wufste er mit fein berechnender Schlauheit sich sei- 
nen Vortheil zu ersehen. Es war ein diplomatisches Meisterstück 
welches Philipp durehführte: um einen ehrlichen Frieden war es 
ihm keinen Augenblick zu thun. 

Ehe weitere Schritte zum Frieden gethan wurden, setzten die 
Athener sich in Bereitschaft um neuen Angriffen Philipps zu hegeg- 
nen. Die athenischen Befestigungen wurden ausgebessert, Mauern 
und Thürme hergestellt: denn seit Olynth gefallen war lag ein An- 
grill auf Attika selber nicht aufser dem Bereiche der Möglichkeit. 
Timarchos hatte als Mitglied des Rathes (Ol. 1085, 2. 347) jene 
Mafsregeln angeordnet ?: auf seinen Antrag erliels ferner zu wirksa- 
mer Blokade der makedonischen Küste der Rath ein strenges Ver- 
hot der Kriegscontrebande: wer darüber betroffen werde, dafs er 
Philipp Wallen oder Schiflgeräth zuführe, solle mit dem Tode be- 
straft werden *. Nicht minder thätig war Demosthenes, der eben 


1) Vgl. Liban. Einleitung zur Rede vFr. S. 59. 

2) Vgl. das 2 Argument zu Dem. R. να, S. 334, 15. 

3) Aesch. 1, 80 5. 11 ὅταν οὑτοσὶ ἀναβῇ ἐπὶ τὸ βῆμα --, καὶ ὅτε 
ἐβούλευε πέρυσιν, ὅταν μνησϑῇ τειχῶν ἐπισκευῆς ἢ πύργον ἢ ὡς dan 
γετό ποῦ τις. Die ἀπαγωγή kann sich nur auf einen Fall beziehen der 
der Gerichtsbarkeit des Rathes unterlag, etwa in Sachen des Seewe- 
sens (Böckh Seew. 5. 63£.); vielleicht eben in Anwendung der Ver- 
ordnung über Kriegseontrebande. Über die Zeit der Rede (Ol. 108, 3) 
8. u. Buch IV, 2. 

4) Dem. vdG. 286f. 5. 433, 4 (Τίμαρχος) βουλεύων ἔγραψεν, av 
τις ὡς Φίλιππον ὅπλα ἄγων ἁλῷ ἢ σκεύη τριηριχά, ϑάνατον εἶναι τὴν ζη- 
μίαν. -- λέγε δή μοι τὸ ψήφισμα λαβὼν αὐτὸ τὸ τοῦ Τιμάρχου. PH- 


166 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


damals wieder im Rathe safs'; sein Ansehen stand bereits so hoch, 
dafs er das ganze Jahr hindurch einen leitenden Einflufs in dieser 
Behörde übte. Die nächsten Absichten Philipps waren auf Thra- 
kien gerichtet, und damit war der athenische Chersones und die 
Durchfahrt nach dem Pontus gefährdet. Wir haben keine Kunde 
davon, was den Odrysenkönig Kersobleptes zu neuer Feindseligkeit 
gegen Philipp reizte, an dessen Hofe sein eigner Sohn noch als 
Geisel gehalten wurde ?: doch erinnern wir daran dafs sein früherer 
Feldherr Charidemos im olynthischen Kriege eine Zeitlang mit Glück 
kämpfte. Es ist zu vermuthen dafs Philipp schon im Herbste 347 
01. 108, 2 seinen Feldherrn Antipater an die thrakische Grenze 
schickte ®, während er selbst erst im März 346 dahin aufgebro- 
chen ist. Wenigstens standen die Dinge so, dafs Demosthenes 
schon damals die Bürgerschaft durch seine Anträge vermochte Mafs-. 
regeln zum Schutze der Inseln und der Städte am Hellespont zu 
treffen ἡ. Es war dies um so nothwendiger, da Charidemos von 


DIEMA. ὃ μὲν τοίνυν ὑπὲρ ὑμῶν γράψας un ἄγειν ἔν τῷ πολέμῳ πρὸς 
Φίλιππον ὅπλα, εἰ δὲ μή, ϑανάτῳ ξημιοῦσϑαι κτλ. Argum. zu Aesch. 1 
S. 17 R. ἐτύγχανε δὲ νεωστὶ γεγραφὼς ψήφισμα βουλεύων τὸν ἐκφέ- 
ροντα ὅπλα πρὸς Bd. ϑανάτῳ ξημιοῦσϑαι. Böhnecke F. I, 377f. Über 
das Ausfuhrverbot vgl. Böckh Sth. I, 76f. 

1) Aesch. 3, 62 8. 62 μετὰ ταῦτα ἐπῇήει χρόνος Θεμιστοχλῆς ἄρ- 
χων: ἐνταῦϑ'᾽ εἰσέρχεται βουλευτὴς εἰς τὸ βουλευτήριον “Ι]ημοσϑένης. 
Wenn Aeschines hinzusetzt οὔτε λαχὼν οὔτ᾽ ἐπιλαχών, ἀλλ᾽ ἐκ παρα- 
σχευῆς πριάμενος (ähnlich wie gegen Timarchos 1, 106 S. 15), so ist 
das eine Lüge, an die Aeschines in der Rede vdG. 17 8. 30 u. a. St. 
noch nicht gedacht hat. Über die ἐπιλαχόντες 5. Harpokr. u. d. W. 
KFHermann A. I, 148, 6. 

2) Aesch. 2, 81 8. 38 z. E. Vgl. ὁ. Buch II, 5. 

3) Von diesem thrakischen Kriege handelte Theopomp im 26 Buche: 
fr. 180 (Ὁ. Steph. v. Byz.) προς... πόλις Θράκης Θεόπομπος ns’ 
τοῦ δ᾽ ᾿ἀντιπάτρον διατρίβοντος περὶ τὴν ”Angov. Vel. fr. 175 (Ὁ. 
Harp. τι. σίρῦς) aus demselben Buche; Ζηράνιοι ἔϑνος Θρᾷκης (fr. 173) 
wird bei Stephanos aus dem 25 Buche angeführt. Dafs Antipater um 
Anfang April 347 als Gesandter Philipps nach Athen reiste, schliefst 
ein früheres Commando dieses Feldherrn im thrakischen Kriege nicht 
aus: aber es kann Antipater auch nach seiner Rückkehr zu Philipp an 
den Operationen in Thrakien theilgenommen haben. 

4) Dion. Schr. an Amm. 1, 10 $. 736, 158, Θεμιστοκλῆς, ἐφ᾽ οὗ 
τὴν € τῶν κατὰ Φιλίππου δημηγοριῶν ἀπήγγειλε “Ιημοσϑένης, περὶ 
τῆς φυλακῆς τῶν νησιωτῶν καὶ τῶν ἐν Ἑλλησπόντῳ πόλεων. Vgl. ο. 
S. 64. Dafs die Zeitverhältnisse des Epilogs der 1 Philippika dazu 


Fernere Kriegsmafsregeln der Älhener. 167 


seinem dortigen Posten nach Olynth entsendet und auch später 
wahrscheinlich nicht nach dem Chersones zurückgekehrt war. Die 
zu diesem Zwecke gehaltene Rede hat Demosthenes nicht heraus- 
gegeben, so wenig wie eine andere aus dem vielbewegten Jahre: 
irrthümlich hat Dionysios den Epilog der ersten Philippika auf diese 
Verhandlung beziehen wollen. Der Feldherr, welcher mit einem 
Geschwader und Soldtruppen in die nördlichen Gewässer abgieng, 
war Chares ': und seinem Auftrage gemäfs hielt er nicht blofs mit 
der Flotte Wacht, sondern er legte auch in die thrakischen Küsten- 
plätze Besatzungen *. Das geschah im Einverständnisse mit Ker- 
sobleptes, der damals im besten Vernehmen, jedoch, wie es scheint, 
nicht in förmlicher Bundesgenossenschaft mit Athen stand ®. 

Nicht minder lebhaft ward im Laufe des Winters die atheni- 
sche Bürgerschaft durch den Stand der Dinge in Phokis in Anspruch 
genommen. Denn es liefs sich erwarten, dafs Philipp nicht lange 
säumen werde, den dringenden Gesuchen der Thessaler und The- 
baner um eine abermalige Wallenhilfe zu entsprechen: und die 


nicht stimmen, hat Seebeck Ζ, f. ἃ. AW. 1838 S. 741 ff. nachgewiesen. 
Der Beschlufs der Athener ward noch im Herbste ausgeführt, denn im 
Winter stellten sie alle ferneren Rüstungen ein, Dem. vKr. 26 8. 234, 1. 
Eine Depesche des Chares aus Thrakien vom April 346 (Elaph.) führt 
Aeschines 2, 90—92 S. 40 an. 

1) Aesch. a. O. 

2) Dem. Phil. 3, 15 S. 114, 18. 

3) Allerdings sagt Demosthenes vKr. 27 8. 234, 11 τῶν Θρᾳκῶν, 
τῶν ὑμετέρων συμμάχων und Aesch. 3, 61 8. 62 Κερσοβλέπτην τὸν 
Θρᾷχης βασιλέα, ἄνδρα φίλον καὶ σύμμαχον τῇ πόλει (vgl. Phil. 4, ὃ 
S. 133, 19). Ebenso nennt Aesch. 2,9 8.94 K. ἄνδρα φίλον καὶ σύμ 
μαχον τῆς πόλεως aus dem Munde des Demosthenes, aber 81 S. 35 
läfst er dieses Verhältnifs sehr zweifelhaft erscheinen. Dafls Kerso- 
bleptes im Synedrion der athenischen Bundesgenossen keinen Abgeord- 
neten hatte (Aesch. 3, 74 5. 64. 2, 83 S. 39) schliefst ein Biündnils 
mit diesem Fürsten nicht aus, denn eben so wenig waren die Phokier 
darin vertreten (vgl. Franke a.0.8.23). Aber ich sollte meinen, wenn 
ein förmlicher*Bundesvertrag vorhanden war, so hätte Demosthenes 
diesen in seiner Anklage des Aeschines eben so gut benutzt, wie den 
Bundesvertrag der Athener mit den Phokiern 61f. S. 360, 14: eine Er- 
klärung der Art enthält jedoch die ganze Rede nicht. Der Freund- 
schaft des Kersobleptes für Athen, in dessen Bürgerrecht er aufgenom- 
men war (Schr. Phil. 8 S. 160, 23), thut auch Diodor 16, 34 Erwäh- 
nung. Vgl. o. Buch II, 5. 


165 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Phokier waren nicht in der Verfassung einem überlegenen Angriffe 
gegenüber sich behaupten zu können. 

Der phokische Krieg war nämlich nach der Niederlage des 
Onomarchos und seines Heeres in Thessalien und Philipps frucht- 
losem Anmarsche gegen die Thermopylen ' von beiden Theilen mit 
unverminderter Erbitterung fortgesetzt worden ohne dafs es zu einer 
Entscheidung kam. Man kann sich kaum der Annahme entschla- 
gen, dafs während Philipp von Norden anzog und Onomarchos in 
Thessalien bekämpfte, auch die Thebaner ihre Kräfte aufgeboten 
haben um die Phokier zurückzuwerfen. Darum bin ich geneigt 
den Zug des Phayllos nach Boeotien , auf welchem er bei Orchome- 
eine dritte Schlappe 


nos und am Kephissos geschlagen wurde 
erlitten wenige Tage nachher die Phokier bei Koroneia ἢ — noch „in 
01. 106, 4. 352 zu setzen?. Aber wie hoch wir auch diese Er- 


1),8. Buch. IH, 7. 

2) D10de210, 234% 

3) Auf diese Vermuthung leitet mich die Betrachtung dafs unmög- 
lich alles das, was Diodor 16, 37—40 unter dem einen Jahre zu- 
sammenfafst, in Ol. 107, 1 gehören kann. Abgesehen von dem Hilfs- 
zuge der Athener nach Pylae und Philipps Anmarsch gegen den Pass, 
den D. nachholend erzählt (vgl. o. Buch H, 7), berichtet derselbe in 
drei Absätzen 1. von Phayllos Rüstungen und seinem boeotischen Feld- 
zuge. 2. von seinem Zuge nach dem epiknemidischen und opuntischen 
Lokris, dem Einfalle der Boeoter in Phokis und der nachfolgenden Ein- 
nahme von Naryx; von Phayllos langwieriger Krankheit und der Ein- 
setzung des Phalaekos als seines Nachfolgers; von dem Tode des die- 
sem bestellten Vormundes und einem unter Phalaekos Anführung ge- 
lieferten Reitertreffen bei Chaeroneia. 3. von den Kämpfen im Pelo- 
ponnes, den Hilfszügen der Thebaner nach Arkadien so wie der Verei- 
nigung von phokischen Söldnern und thessalischen Reitern mit den 
Spartanern. Nach der Erzählung von Gefechten, die in kürzeren und 
längeren Zwischenräumen vorfielen und mit einem Waffenstillstande und 
dem Abzuge der Thebaner enden, holt Diodor nach, wie mittlerweile 
Phalaekos Chaeroneia eingenommen und wieder verloren; endlich er- 
wähnt er einen mit starker Heeresmacht (also nach der Heimkehr des 
peloponnesischen Hilfscorps) unternommenen Einfall in Phokis. Dals 
diese Vorfälle sich auf mehr als &in Jahr erstrecken liegt auf der Hand; 
ich trage aber, mit Rücksicht auf die in Demosthenes Rede für Mega- 
lopolis entwickelte Sachlage, Bedenken den Zug der Thebaner nach dem 
Peloponnes später als 351 Ol. 107, 1% anzusetzen und ordne deshalb 
die Begebenheiten so: 1. Phayllos Zug nach Boeotien, gleichzeitig mit 
Onomarchos Abmarsch nach Thessalien ΟἹ, 106, 4. 352 Sommer. 2. sei- 


Phokischer Krieg. Phayllos. 169 


folge der Thebaner anschlagen mögen — und es ist zu bemerken, 
dafs die Berichte welche Diodor las die Verluste der Phokier im 
einzelnen angaben, während sie über ihnen günstige Gefechte kurz 
hinweggehen —, die Wirkung hatten sie nicht dafs die boeotischen 
Städte welche zu den Phokiern hielten wieder in ihre Gewalt kamen, 
geschweige dafs sie die Phokier selbst zu paaren treiben konnten, 

Nach dem Tode seines Bruders und der Auflösung der von 
jenem geführten Söldnerscharen hatte Phayllos, wie bereits früher 
bemerkt ist, sofort Anstalt getroflen ein neues Heer zu bilden und 
Phokis vor den Angriflen seiner Feinde sicher zu stellen. Noch gab 
es goldene und silberne Weihgeschenke aus dem pythischen Hei- 
ligthume auszumünzen, eherne um Wallen und Rüstungen daraus 
zu schmieden: und an Menschen die ihre Seele verkauften fehlte 
es nicht, denn Phayllos erhöhte den Sold auf das doppelte des üblh- 
chen Betrages und wusste in gleicher Weise wie früher Onomar- 
chos durch ansehnliche Geschenke leitende Staatsmänner und ganze 
Volksgemeinden in sein Interesse zu ziehen. Dafs die Athener mit 
raschem Entschlusse Philipp die Thermopylen verlegten und ihn 
dadurch hinderten den in Thessalien erfochtenen Sieg bis nach Hel- 
las hinein zu verfolgen, dafs sie Phayllos besondere Freundschafts- 
bezeigungen zuerkannten , ist bereits oben erwähnt '; aufser ihnen 
sendeten die Spartaner und Achaeer Hilfe, jene 1000 Söldner, diese 
2000; auch kleinere Staaten leisteten den Phokiern Vorschub, und 
nach ihrem Abzuge aus Thessalien führten Lykophron und Peitho- 
laos den Rest ihrer Truppen, 2000 Mann, Phayllos zu?. So ver- 
stärkt konnte dieser von neuem die Offensive ergreifen. Zunächst 
zog er nach dem epiknemidischen Lokris, dessen Hauptplätze schon 
von Önomarchos mit Besatzungen versehen waren. Nachdem Phayl- 
los sich dieser Landschaft versichert hatte und somit gegen Nor- 
den gedeckt war, wandte er sich nach dem opuntischen Lokris und 
«drang, durch Verrath eingelassen, nächtlicher Weile in die Stadt 
nen Zug nach dem östlichen Lokris Herbst 352 Ol. 107, 1; nach sei- 
nem etwa im Spätherbste erfolgten Tode die nächsten Gefechte im Win- 
ter oder ersten Frühjahre. Im Frühling 351 die Züge nach dem Pe- 
loponnes, und gegen den Herbst (also nach Beginn von Ol. 107, 2) 
Einfall der Boeoter in Phokis. 


1) A.0. 
2) Diod. 16, 36. 37. 


170 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Naryx ein, ward aber alsbald mit Verlust wieder hinausgeworfen. 
Entschlossen den erlittenen Schimpf zu rächen, versehanzte er sich 
bei Abae. Diese Stadt. in dem östlichen Vorsprunge des phokischen 
Landes gelegen, wo es mit Lokris und Boeotien zusammengrenzt, 
hatte weder an der Occupation des delphischen Heiligthums noch 
an dem nachfolgenden Kriege theilgenommen ἡ. Nicht lange hatte 
Phayllos jene Stellung inne, so überfielen ihn nachts die Theba- 
ner ?, und des gelungenen Handstreiches froh.brachen sie verhee- 
rend in die Kephissosehbene ein. Aber Phayllos liefs sich weder 
durch die erlittene Niederlage noch durch die Verwüstungen seines 
Landes davon abbringen Naryx zu belagern ; als die Thebaner end- 
lich mit Beute beladen umkehrten um den belagerten Platz zu ent- 
setzen, schlug er sie zurück, nahm Naryx mit Sturm und zerstörte 
die Stadt ?, welche sich rühmte der Geburtsort des lokrischen Ajax 
zu sein ἧ. 

Hiermit endet die Feldherrnlaufbahn des Phayllos: eine abzeh- 
rende Krankheit, wohl die Folge seines wüsten Lebens ἢ, warf ihn 
auf ein langwieriges Schmerzenslager. Sterbend hinterliefs er die 
Herrschaft seinem Neffen Phalaekos, Onomarchos Sohn, obwohl 
dieser eben erst dem Knabenalter entwachsen war: so fest war 
dureh die Söldner die Tyrannengewalt dem Hause des Euthykrates 


1) Paus. 10, 3, 2. 

2) Bei dieser Gelegenheit wird der Tempel des Apollon zu Abae, 
in den sich fünfhundert Phokier geflüchtet hatten, niedergebrannt sein. 
Diodor erzählt davon erst 16, 58 (vermuthlich nach Theopomp), aber 
dafs der Tempelbrand in diese Zeit gehören müsse, ergibt sich aus 
Philon (bei Euseb. praep. ev. 8, 14 — de provid. 2, 28): Φάδλλον δὲ 
φϑινώδει νόσῳ, διττὸς γὰρ περὶ αὐτοῦ ὃ λόγος, συντακῆναι, ἢ ἐν τῷ 
ἐν Ἄβαις ἱερῷ συνεμπρησϑέντα ἀπολέσϑαι. Den Brand mifst Diodor 
einem Wunder bei; Paus. 10, 35, 3 sagt, die Boeoter hätten das Feuer 
angelegt. m 

3) Diod. 16, 38. Vielleicht eroberte er auf demselben Zuge Kor- 
sia, eine an dem nördlichen Abhange des opuntischen Grenzgebirges 
gelegene, von Boeotern bewohnte Stadt (Theop. XXX fr. 135 b. Harp. 
u.d. N. Paus. 9, 24, 5), welche bis zum Ende des Krieges in den Hän- 
den der Phokier blieb; Dem. vdG. 141 S. 385,5. Diod. 16, 58 (der sie 
mit Theopomp Kogot«i nennt). 

4) Diod. 14, 82. Strab. 9 5. 425, der sie Ndevxog nennt. Über 
den Namen vgl. Steph. v. Byz. 

5) Theopomp. fr. 182 bei Athen. 13 5. 605ab, 


Phokischer Kriee. Phalaekos. 171 


gesichert '. Als Vormund und Feldherrn hatte Phayllos seinem 
Neffen einen seiner Freunde, Mnaseas, beigegeben: nachdem dieser 
bald darauf in einem unglücklichen Treffen — wieder einmal hatten 
die Boeoter bei Nacht die Phokier überfallen — seinen Tod gefun- 
den hatte, führte Phalaekos persönlich den Oberbefehl (Ol. 107, 1. 
351) *®. 

Um diese Zeit, etwa im Sommer 351 (01. 107, '/,) zogen die 
Thebaner nach dem Peloponnes um ihren dortigen verbündeten das 
Übergewicht wieder zu verschaffen. Wir haben dieser Diversion 
bereits oben gedacht ?: entscheidend war sie nicht, da auch ihre 
Gegner die Spartaner sich durch phokische Landsknechte und thes- 
salische Reiter (die ihnen Lykophron und Peitholaos überliefsen) 
verstärkten. Endlich schlofs die arkadische Samtgemeinde einen 
Wallenstillstand und die thebanischen Truppen kehrten heim um 
ihr eigenes Land gegen Angriffe der Phokier zu schützen. Phalae- 
kos nämlich war mittlerweile in Boeotien eingefallen und hatte 
Chaeroneia (in dessen Nähe er früher schon ein Reitergefecht un- 
glücklich bestanden hatte) eingenommen und wieder an die Theba- 
ner verloren. Jetzt drangen die Boeoter mit gesamter Macht weit 
nach Phokis hinein, verwüsteten die Landgüter, bemächtigten sich 
einiger kleiner Städte und kehrten mit vieler Beute nach Boeotien 
zurück * (etwa Herbst 351 Ol. 107, 2). 

Das aber war auch alles was die Thebaner ausrichten konn- 
ten: verheerende Einfälle in Phokis sind ihnen später noch gelun- 
gen, aber häufig mufsten sie sie theuer bezahlen. Wenn sie auch 
in glücklichen Gefechten eine Anzahl phokischer Söldner erlegten, 
der Verlust war zu verschmerzen: sie selbst wurden gewöhnlich auf 
dem Rückzuge angegrillen, namentlich in dem Passe von Parapo- 

1) Diod. 16, 38. Vgl. Schol. zu ÄAesch. 2, 130 S. 45 Φαλαίκου] 
οὗτος Ὀνομάρχου υἷός, Φωκέων τύραννος, διαδεξάμενος τὴν ἀρχὴν 
παρὰ Φαύλλου. Über die Krankheit des Phayllos 5. Paus. 10, 2,6.7 (der 
irrig Phalaekos seinen Sohn nennt, wie Wesseling zu Diod. a. Ὁ, ver- 
muthet, weil Phayllos seinen Neffen adoptiert hatte); vgl. Diod. 16, 61 
und Philon a. OÖ. Uber das Geschlecht 5. o. Buch II, 7. 

2) Diod. a. O. 

3) Buch II, 7. 

4) Diod. 16, 39. Damals werden sie zu Neon die Besatzung ge- 
lassen haben, welche später von den Phokiern gefangen wurde. Dem. 
να. 148 S. 387, 9 Reiske. Uber diesen Ort vgl. o. a. O. 


172 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


tamioi, wo die Ausläufer des Parnassos und des Berges Hadyleion 


das Kephissosthal einengen ' 


‚ und büfsten an eigner Mannschaft 
oft die bravsten Leute ein *: denn mit Söldnern konnten sie den 
Krieg nicht führen: ihre Mittel waren gänzlich erschöpft. Philipp 
hielt an sich und schickte auch später nur ein kleines Corps, mehr 
um seinen guten Willen zu zeigen als um ernstlich ihnen aufzuhel- 
fen ®. In ihrer Noth griffen sie zu der kläglichen Auskunft durch 
eine Gesandtschaft sich von dem persischen Hofe einen Geldzuschufs 
zu erbetteln. Ochos scheint es ihnen nicht gedacht zu haben dafs 
vor wenig Jahren ihr Feldherr Pammenes auf Seiten des Artabazos 
gegen königliche Statthalter gefochten hatte ὁ: er erwies sich gnä- 
dig und schenkte ihnen 300 Talente Silber °, wofür sie wiederum 
für den ägyptischen Krieg ein Hilfscorps von 1000 Mann unter La- 
krates ausrüsteten °. 

Jene persische Geldsendung hat den Thebanern nicht gründlich 
geholfen: die Phokier und die ihnen zugethanen boeotischen Städte 
behaupteten sich wie bisher, allerdings durch die eigene Erschö- 
pfung gehindert sich die Schwäche Thebens recht zu nutze zu ma- 


chen. Denn auch der delphische Tempelschatz versiegte ’: dazu 


1) Strab. 9 8. 424 beschreibt den Pafs und fügt hinzu — περιμά- 
χητα ὑπῆρξεν ἐν τῷ Φωκικῷ πολέμῳ, μίαν ἐχόντων ταύτην ἐμβολὴν 
εἰς τὴν Φωκίδα. Eines solchen Gefechtes aus den letzten Zeiten des 
Kriegs, bei welchem die phokischen Truppen 270 Thebaner tödteten 
und ein Tropaeon errichteten, gedenkt Demosthenes vdG. 148 S. 387, 10. 
Theopomp hatte das Gebirge Hedyleion, über welches die Scholien zu 
Dem. a. O. nähere Auskunft geben, im XXV Buche erwähnt: fr. 176 
bei Harp. u. d. N. Paus.'10, 4, 2 nennt die Strafse von Panopeus den 
bequemsten Pass aus Boeotien nach Phokis. Vgl. Ulrichs Reisen I, 147. 


2) Isokr. Phil. 54f. 8.93 ἀντὶ μὲν τοῦ λαβεῖν τὰς Φωκέων πόλεις τὰς 
αὑτῶν ἀπολωλέκασιν, εἰσβόλλοντες δ᾽ εἰς τὴν τῶν πολεμίων ἐλάττω 

x » ΄ Ἢ ’ 5 G » x 
κακὰ ποιοῦσιν ἐχείνους ἢ) πάσχουσιν ἀπιόντες εἰς τὴν αὑτῶν ἐν μὲν γὰρ 
τῇ Φωκίδι τῶν μισϑοφόρων τινὰς ἀποκχτείνουσιν, οἷς λυσιτεϊεὶῖ τεϑνά- 
ναι μᾶλλον ἢ ξῆν, ἀναχωροῦντες δὲ τοὺς ἐνδοξοτάτους αὑτῶν καὶ μά- 
λιστα τολμῶντας ὑπὲρ τῆς πατρίδος ἀποϑνήσκειν ἀπολλύουσιν. 

3) Diod. 16, 58. 

4) S. o. Buch ΠΡ 5. 

5) Diod. 16, 40. 

6) Diod. 16, 47.49. Vgl. o. Buch II, 6. 


7) Dem. Ol. 3, 8 S. 30, 27 ἀπειρηκύτων-- χρήμασι Φωκέων. 


Erschöpfung der Thebaner. 175 


lag in Folge der Kriegsschäden viel Getreideland unbebaut RE ϑὸ 
schleppte denn der phokische Krieg sich ein Jahr über das andere 
hin, eine offene Wunde die an dem hellenischen Lebensmarke 
zehrte?. Noch einmal gelang es Peitholaos, wie oben erwähnt 
ist ὅν sich seiner Stadt Pherae wieder zu bemächtigen: jedoch balıl 
(01. 107, 4. 349) verjagte ihn Philipp wieder, und die Phokier 
schätzten sich glücklich dafs der König diesmal keimen Versuch 
machte den Weg durch die Thermopylen sich zu eröffnen *. 

Von den Kämpfen der Phokier und Thebaner hören wir meh- 
rere Jahre nichts; wo unsere Nachrichten wieder anheben ist der 
Stand der Dinge unverändert. Im Jahre 347 (noch vor Anfang von 
O1. 108, 2) hatten die Thebaner wiederum einen Theil von Phokis 
verwüstet und in einem Gefechte bei Hyampolis obgesiegt: sie selbst 
aber wurden bei Koroneia mit beträchtlichem Verluste geschlagen: 
nicht besser ergieng es ihnen bei einem neuen Einfall in die Feld- 
flur der den Phokiern verbündeten Städte Boeotiens um deren Ernte 
zu verheeren: gegen die Reiterei der Phokier konnten sie nicht 
aufkommen ’, und nach wie vor blieben Orchomenos Koroneia 


1) Dem. vdG. 123 8.379, 3 sagt von Phokis: ovre — sirog ἦν ἐν τὴ 
χώρᾳ (Ol. 108, 2), ἀσπόρῳ διὰ τὸν πόλεμον γεγοννίᾳ --. 

2) Diod. 16, 40 (u. O1. 107, 2. 350) τοῖς δὲ Βοιωτοῖς καὶ τοῖς Φω- 
κεῦσιν ἀκροβολισμοὶ μὲν καὶ χώρας καταδρομαὶ συνέστησαν, πράξεις 
δὲ κατὰ τοῦτον τὸν ἐνιαυτὸν ἄξιαι μνήμης οὐ συνετελέσϑησαν. Auf 
den phokischen Krieg kommt Diodor erst Cap. 56 unter Ol. 108, 2. 317 
wieder zurück. 

3) 8. 130, 

4) Just. 8, 4 sagt von den späteren Verhandlungen der Phokier 
mit Philipp: bellum deprecabantur cuius ab eo dilationem ter iam emerant. 
Zweimal war Philipp zurückgegangen, erst von Onomarchos geschla- 
gen, dann durch die Athener am Vorrücken gehindert; dals er diesmal, 
als er von Pherae wieder zum olynthischen Kriege abgieng, eine Geld- 
zahlung von Phalaekos angenommen haben sollte, ist kaum zu glauben. 

5) Diod. 16, 56 unter Ol. 108, 2; da aber der ganze Feldzug vor 
der Ernte stattfand, mufs er schon in den letzten Monaten von Ol. 
108, 1 angetreten sein. Über den Stand der Dinge vgl. 58 κατὰ δὲ 
τὴν Βοιωτίαν ol μὲν Φωκεῖς τρεῖς πόλεις ἔχοντες ὠχυρωμένας, Ὀρχομενὸν 
καὶ Κορώνειαν καὶ Κορσιάς, ἐκ τούτων ἐποιοῦντο τὴν ἐπὶ τοὺς Βοιωτοὺς 
στρατείαν, εὐπορούμενοι δὲ μισϑοφόρων τήν te χώραν ἐδήουν καὶ κατὰ 
τὰς ἐπιϑέσεις καὶ συμπλοκὰς περιεγίνοντο τῶν πολεμίων. διόπερ οἷ 
Βοιωτοὶ ϑλιβόμενοι μὲν τῷ πολέμῳ καὶ πολλοὺς τῶν στρατιωτῶν ἄπο- 
λωλεκότες, χρημάτων δὲ ἀπορούμενοι κτλ. Dem. vdG. 1488, S. 387, 


174 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Korsia, dazu auch die Feste Tilphossaeon in der Gewalt ihrer Feinde. 
Aber wenn das phokische Heer, das nach so manchen Verlusten 
immer doch nicht weniger als 10,000 Mann zu Fufs und 1000 Rei- 
ter zählte ', auch alle wichtigen Plätze von den Thermopylen bis in 
das boeotische Land hinein behauptete und im Felde überlegen war, 
so hatte sich doch der Nerv ohne den es nicht bestehen konnte 
verzehrt: der Tempelschatz war aufgebraucht. Mehr als 10,000 
Talente an Silberwerth (15 Mill. Thaler) hatten die Tyrannen aus 
den goldenen und silbernen Weihgeschenken, welche Kroesos und 
viele andere als fromme Gaben dem Heiligthume verehrt, zu Münzen 
prägen lassen: nie zuvor war binnen wenig Jahren so viel Gold und 
Silber unter den Hellenen in Umlauf gekommen : aber jetzt war al- 
les vergeudet oder für den Krieg verwandt ?. In der äufsersten 
Rathlosigkeit warf man sich gar auf Schatzgräberei: der Schatz- 


7. 18. — Φωκεῖς Θηβαίων (ἐκράτουν). εἶχόν γε Ὀρχομενὸν καὶ Kogw- 
verav καὶ τὸ Τιλφωσσαῖον, καὶ τοὺς ἐν Νέωσιν ἀπειλήφεσαν αὐτῶν, 
καὶ ο΄ καὶ σ΄ ἀπεχτόνεσαν ἐν τῷ Ἡδυλείῳ, καὶ τρόπαιον εἵστήκει καὶ 
ἱπποκράτουν καὶ κακῶν ᾿Ιλιὰς περιειστήκει Θηβαίους. -- Θηβαίοις τοῖς 
τοσοῦτο Ἀρατουμένοις τῷ πολέμῳ. Vgl. 141 S. 384, 298. Θηβαίοις -- 
πονοῦσι καὶ ταλαιπωρουμένοις ἤδη τῶ πολέμῳ καὶ ἡττωμένοις κτλ. 
(wo auch Korsia genannt ist). 320 Κ. 444, 5. vFr. 21 5. 62, 16. vKr. 
19 S. 231, 14. Strab. 9 5. 402f. Aeschines 3, 140 5. 73 sagt von 
Philipp τὸν πόλεμον - ἐξήλασεν ἐκ τῆς χώρας τῆς Βοιωτῶν. Tilphos- 
saeon war als ein Höhenpunet nahe dem See Kopais von Theopomp 
(fr. 240 b. Harpokr.) erwähnt, südöstlich von Koroneia, nach Paus. 9, 
33, 1 50 Stadien von Haliartos entfernt. Strab. 9 S. 410 führt es als 
Stadt auf, 5. 413 nennt er es ὄρος ἐρυμνόν, Als strategisch wichtiger 
Punet erscheint es auch Plut. Sulla C. 20. 

1) Dem. vdG. 230 Κα, 412, 29f. sagt von Aeschines in Bezug auf 
das Ende des Kriegs 6 δὲ τοσούτου δεῖ τῶν ὑπαρχόντων τινὰ alyud- 
λωτὸν σῶσαι ὥσϑ'᾽ ὅλον τόπον καὶ πλεῖν ἢ μυρίους μὲν ὁπλίτας, ὁμοῦ 
δὲ χιλίους ἱππέας τῶν ὑπαρχόντων συμμάχων ὅπως αἰχμάλωτοι γέ- 
vovraı Φιλίππῳ συμπαρεσχεύασεν. Streng genommen Schliefst der Aus- 
druck des Redners nur die phokische Landwehr in sich, denn die Söld- 
ner des Phalaekos erhielten freien Abzug: aber ich glaube, dals αὐχμά- 
λωτοι in der Antithese nicht so wörtlich zu nehmen ist. Da Phalae- 
kos mit 8000 Mann abzog (Diod. 16, 59), so erscheint die Zahl der 
phokischen Wehrmänner gering, zumal die rhetorische Angabe in der 
runden Zahl eher zu hoch greifen wird: indessen mögen mit den Söld- 
nern auch viele Landeskinder in die Fremde hinausgezogen sein: vgl. 
Dem. a. Ὁ. 65 8. 361, 22 χώραν ἔρημον τῶν ἐν ἡλικίᾳ. 

2) Diod. 16, 56. Athen. 6 5. 231ed, $S. Böckh Sth. I, I1f. 


- 


Zerrüttung in Phokis. 17: 


meister Philon schlofs aus homerischen Versen ', unter dem Altare 
des Phoebos und um den Dreifufs müfsten Schätze verborgen lıe- 
gen. Soldaten rissen an dieser heiligsten Stätte den Boden aul, 
bis sie durch heftige Erdstöfse erschreckt von ihrem verwegenen Be- 
sinnen abliefsen ?. Da es an Geld fehlte um die Söldner zu be- 
zahlen konnte Parteiung und Meuterei nicht ausbleiben °. Phalae- 
kos selbst wurde beschuldigt von den Tempelgeldern vieles unter- 
schlagen zu haben und des Commandos entsetzt: statt seiner wählte 
man drei Feldherrn, Deinokrates Kallias und Sophanes '. Auf de- 
ren Betrieb wurde eine Untersuchung hinsichtlich der Tempel- 
schätze angestellt und von denen die sie verwaltet Rechenschaft ge- 
fordert. Das meiste war durch die Hände des Schatzmeisters Phi- 
lon gegangen: da dieser keine Rechnung ablegen konnte wurde er 
zum Tode verurteilt und unter furchtbaren Martern hingerichtet. 
Auf der Folter gab er andere als mitschuldig an dem Unterschleife 
an: diesen nahm man ab was sie noch hatten und liels sie den Tod 
der Tempelräuber erleiden. So fristete man sich einen Augenblick 
hin und hielt Gericht, als handelte es sich darum heiliges Reeht zu 
vertreten, während doch alle mitschuldige des Raubes und mit dem- 
selben Fluche beladen waren. Gewils war längst vielen Phokiern 
der ganze Krieg mit seinen Verheerungen, dazu das wüste Treiben 
der Tyrannen und ihrer Söldlinge ein Greuel, sie hätten um jeden 
Preis Frieden geschlossen: aber gegenüber der Militärdespotie konn- 


1) 0. 9, 4047. 

2) Diod. a. O. Strab. 9 8. 421, der ungenau sagt τοὺς περὶ Ovo- 
w&gxov; doch wird Philon auch schon Onomarchs Schatzmeister gewe- 
sen sein. Aelian. v. G. 6, 9. 8. Ulrichs Reisen I, 79f. 

3) Aesch. 2, 131 8. 45 τὰ δ᾽ ἐν Φωκεῦσι διεφϑάρη πράγματα 
πρῶτον μὲν διὰ τὴν τύχην —, ἔπειτα διὰ τὸ μῆκος τοῦ χρόνου καὶ τὸν 
δεκαετῇ πόλεμον. τὸ γὰρ αὐτὸ ηὔξησέ τε τῶν ἐν Φωκεῦσι τυράννων τὰ 
πράγματα καὶ waere‘ κατέστησαν μὲν γὰρ εἰς τὴν ἀρχὴν τολμήσαν- 
τὲς τῶν ἱερῶν χρημάτων ἄψασϑαι καὶ διὰ ξένων τὰς πολιτείας wer: 
στησαν, κατελύϑησαν δ᾽ ἀπορίᾳ χρημάτων, ἐπειδὴ κατεμισϑοφόρησαν 
τὰ ὑπάρχοντα. τρίτον δ᾽ αὐτοὺς καϑεῖλεν ἡ τοὶς ἀπορουμένοις στρατο- 
πέδοις συνήϑως παρακολουδϑοῦσα στάσις. 

4) Diod. a. Ο. Vgl. Paus. 10, 3, 7. Wahrscheinlich wurde die 
Absetzung ausgesprochen während Phalaekos schon nach Lokris sich 
gewandt hatte: der grofse Haufe der Söldner wird bis zuletzt zu ihm 
gehalten haben. Dahin geht auch Th. Flathes Vermuthung, Gesch. des 
phok. Kriegs S. 17. 


176 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


ten sie ihre Stimme nicht erheben und hatten selber von der Erbit- 
terung der feindlichen Nachbarvölker das schlimmste zu fürchten. 

Einem neuen Angriffe der Thessaler und ihres Schirmherrn 
Philipp konnte bei der mehr und mehr um sich greifenden Anarchie 
nur mit Furcht und Sorge entgegengesehen werden. Deshalb ord- 
nete eine Partei der Phokier Gesandte an die Athener ab, welche 
um Hilfe nachsuchten und die Plätze an den Thermopylen, Alponos 
Thronion Nikaea, athenischen Besatzungen einzuräumen verspra- 
chen '. Gern giengen die Athener auf dies Anerbieten ein; ihr 
Feldherr Proxenos sollte jene Plätze übernehmen ; funfzig Kriegs- 
schiffe sollten bemannt werden und alle walfenfähigen Bürger bis 
zum Alter von dreifsig Jahren ins Feld ziehen. Aber jene Gesand- 
ten hatten mehr versprochen als sie halten konnten: so wie sie heim- 
kehrten, wurden sie von den Gewalthabern in Ketten gelegt ?, und 
als Proxenos durch abgesandte die Übergabe jener Städte begehrte, 
erhielt er von Phalaekos abschlägigen Bescheid: denn dieser stand 
selber mit der Hauptmasse der Söldner, die nach wie vor seiner 
Fahne folgte, in Lokris und hatte sein Hauptquartier in Nikaea auf- 
geschlagen ὅ. Ja so gereizt war die Stimmung wider Athen, dafs 
die Friedensboten für die Festzeit der Mysterien in Phokis abgewie- 
sen wurden. Über diese Vorgänge ward eine Meldung des Proxe- 
nos gerade an dem Tage in der athenischen Volksversammlung ver- 
lesen, an welchem über die Absendung einer Gesandtschaft nach 
Makedonien berathen wurde ὅν und die Athener mögen in ihrer Ver- 


1) Dies und das folgende erzählt Aeschines 2, 132—135 S. 451. 

2) Sind diese (of τύραννοι) jene drei Feldherrn oder (wie Th. Fla- 
the phokischer Krieg S. 17 annimmt) Phalaekos und dessen Anhänger ? 
Gleich nachher (135) sagt Aeschines Φάλαικος ὃ τῶν Φωκέων τύραννος. 

3) Ausdrücklich sagt dies Diod. 16, 59. Vgl. Aesch. 2, 138 8. 46 
εἶχον δὲ (Φωκεῖς) Alnwvov καὶ Νίκαιαν οὔπω παραδόντος Φαλαίκου 
Μακεδόσιν. . 

4) Aesch. 2, 134, κἀνταῦϑα οὔπω διαλέλυσθϑε Φιλίππῳ, ἀλλ᾽ ἐν τῇ 
αὐτῇ ἡμέρᾳ περί τε τῆς εἰρήνης ἐβουλεύεσϑε καὶ τῆς ἐπιστολῆς ἠκούετε 
τῆς Προξένου, ὅτι Φωκεῖς οὐ παραδεδώκασιν αὐτῷ τὰ χωρία (vgl. Dem. 
vdG. 73f. S. 364,5. 11), καὶ οἵ τὰ μυστήρια ἐπαγγέλλοντες μόνους τῶν 
ἄλλων Ἑλλήνων ἀπέφηναν Φωκέας οὐ δεδεγμένους τὰς σπονδάς -- 
πρὶν ἐμὲ χειροτονηϑῆναι πρεσβευτὴν. Der Beschlufs über die Friedens- 
verhandlungen mit Philipp und die Gesandtenwahl kann nicht früher 
fallen, als gegen Ende Gamelion Ol. 108, 2 (Febr. 346): demnach sind, 
wie Böhnecke F. I, 380, 3 gesehen hat, hier nicht die grofsen Myste- 


Phokische Gesandte zu Athen. Proxenos. Archidamos. 177 


stimmung über die Phokier nur noch williger geworden sein Philipp 
den Frieden anzutragen. Von diesem Tage an wurden alle ferne- 
ren Rüstungen ausgesetzt, namentlich von dem Aufgebot der Hopli- 
ten ganz abgesehen: die Flotte von fünfzig Schilfen wurde in den 
Hafen gelegt, aber nicht bemannt '; indessen blieb für alle Fälle 
Proxenos mit seinem Geschwader bis zum Sommer an der Nord- 
küste von Euboea zu Oreos ?. 

Während Phalaekos starrsinnig an der usurpierten Gewalt fest- 
hielt um dann sein Volk der Rache des Feindes preiszugeben und 
nur seine Person und seine Spielsgesellen in Sicherheit zu bringen, 
bot sich noch eine Hilfe an, ebenfalls durch eine Gesandtschaft 
herbeigerufen: Archidamos von Sparta kam mit 1000 Mann schwe- 
ren Fufsvolks um die Hut des Tempels und die Besetzung der Ther- 
mopylen zu übernehmen. Die ganze Haltung die Archidamos an- 
nahm ist eine zweideutige: er suchte im trüben zu fischen und ge- 
dachte die Schirmvogtei über Delphi an Sparta zu bringen. Pha- 
laekos gewährte ihm eben so wenig Einlafs wie den Athenern; ja 
er gab ihm im Namen der Phokier den Bescheid, er möge um Spar- 
tas Noth sich Sorge machen und nicht um die ihrige’. Noch ver- 


rien, sondern die kleinen zu verstehen, welche im Anthesterion (März) 
gefeiert, aber natürlich schon den Monat vorher angesagt wurden, um 
den fremden Pilgern sicheres Geleit zu verschaffen. Vgl. über dieses 
Fest KFHermann A. II, 58, 25—30. Preller Mythologie I, 489. 

1) Dem. vKr. 26 5. 234, 1 ὑμεῖς — ap’ ἧς (ἡμέρας) ἠλπίσατε τὴν 
εἰρήνην ἔσεσϑαι, πάσας ἐξελύσασϑε τὰς παρασκευὰς τὰς τοῦ πολέμου. 
Aesch. 2, 37 5. 33 legt Demosthenes die Worte in den Mund ἢ μέγα 
φρονεὶς ἐπὶ ταῖς ἐψηφισμέναις μὲν ν΄ ναυσίν, οὐδέποτε δὲ πληρωϑη- 
σομέναις; Dals sie jedoch trotz der Friedensverhandlungen in den Ha- 
fen gelegt wurden, sagt Dem. vdG. 322 S. 444, 24 τὴν δὲ βοήϑειαν — 
τὴν εἰς τὰς Πύλας, ἐφ᾽ ἣν al ν΄ τριήρεις ὅμως ἐφώριουν, ἵν᾽, εἰ mo- 
ρεύοιτο Φίλιππος, κωλύοιϑ'᾽ ὑμεῖς. Dals das Bürgerheer zu Hause blieb 
lehrt Dem. 43 8. 354, 27. δ0 ἢ, 5. 356, 19f. μενόντων ὑμῶν οἴκοι καὶ 
οὐκ ἐξεληλυϑότων. Aesch. 2, 138 5. 46. 

2) Dort war er im Munychion (Mai) nach Aesch. 2, 911. S. 40, 
vgl. mit Dem. a.O. 154f. S. 389, 17. 25; ja noch im Skirophorion (Juli): 
ebend. 52 S. 357, 17 Πρύξενον ὃν περὶ τοὺς τόπους ἤδεσαν ὄντα; 
vgl. 50 8. 356, 28. 123 8. 379, 5 τριήρων οὐσῶν ὑμετέρων ἐκεῖ καὶ 
τῆς ϑαλάττης κρατουσῶν. 

3) Aesch. 2, 133 5. 45 καὶ πάλιν ᾿ἀρχιδάμου τοῦ Πάχωνος παρα- 
λαμβάνειν ὄντος ἑτοίμου τὰ χωρία καὶ φυλάττειν οὐκ ἐπείσϑησαν, ἀλλ᾽ 
ἀπεκρίναντο αὐτῷ τὰ τῆς Σπάρτης δεινὰ δεδιέναι καὶ μὴ τὰ παρ᾽ αὖ- 

DEMOSTHENES II. 12 


178 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


meinten die Spartaner Philipp für ihre Pläne zu gewinnen und lie- 
[sen sich durch dessen Zusicherungen hinhalten: als aber Philipp 
mit Heeresmacht herankam, zogen sie ab und überliefsen die Pho- 
kier ihrem Schicksale '. 

Wir sehen, dafs die Zeit gekommen war, wo die Einmischung 
eines dritten die Entscheidung herbeiführen mufste, welche die 
gleichermafsen erschöpften Phokier und Thebaner nicht zu erzwin- 
gen vermochten. Unwillkürlich suchen bei diesen Verwickelungen 
unsere Augen Demosthenes: sollte er für diese offene Wunde, an 
der Hellas sich zu verbluten drohte, keinen Rath gewufst haben? 
Allerdings haben wir darüber nur Andeutungen, die aber seine Mei- 
nung klar genug erkennen lassen. Athen hatte ein Bündnifs mit 
den Phokiern abgeschlossen, und wenn dies auch in den letzten 
Jahren des Krieges kaum eine praktische Bedeutung gehabt zu ha- 
ben scheint, so lag es doch im athenischen Interesse die Phokier 
nicht dem Untergange preiszugeben; ja so feindselig war die Stim- 
mung der Athener und Thebaner, dafs sie gegenseitig sich das 
schlimmste gönnten ὃ. Demosthenes war einverstanden damit dafs 
man das phokische Volk vor der Rache seiner Feinde sichere, wenn 
er auch das Treiben ihrer Tyrannen und die Plünderung des Hei- 
ligthums als frevelhaft bezeichnet ?: vor allem aber lag ihm an einer 
Verständigung mit Theben um den phokischen Krieg beizulegen. 
Wir haben oben gesehen dafs Demosthenes nicht wollte dafs Theben 
allzu tief herabgedrückt werde, dafs er ein künftiges Bündnifs 
Athens mit Theben in Aussicht nahm, dafs er thebanisches Beistan- 
des in einem Kampfe um hellenische Interessen zuversichtlich sich 


τοῖς, richtig erklärt von Taylor und von Orelli zu Aesch. opp. rec. 
Bremi 11, xxvır. 

1) Dem. vdG. 76f. 5. 365, 6; vgl. Schol. zu 72 S. 364, 1. Diod. 
16, 59. Über die spartanische Gesandtschaft an Philipp (Juni 346) s. 
u. Buch IV, 1. Die Spartaner sind nach Dem. a. O. erst kurz vor 
Philipps Anmarsch abgezogen, nicht schon im Winter, wie es nach 
Aesch. 2, 135 S. 46 scheinen kann. Diodor erzählt a. O. das Ende 
des phokischen Krieges unter Ol. 108, 3 und holt dabei die Vorgänge 
aus der zweiten Hälfte von Ol. 108, 2 nach. 


2) Dem. vKr. 18 8. 230, 27, vel. ΟἹ. 1,26 8. 16, 20. 3, 88. 30, 26. 


3) Vgl. oben Buch 11, 7. Dem. vKr. a. OÖ. vdGes. 73 S. 364, 5 
ὡς ἀσεβεῖς εἰσὶ (Φωκεῖς) m, d. Erläuterung 75 $. 364, 22. 


Phokischer Krieg. Demosthenes. 179 


getröstete '. Dieser Überzeugung ist Demosthenes auch fernerhin 
treu geblieben. Dafs er darauf gerechnet, Theben werde jetzt 
athenische Vermittelung nachsuchen, erhellt aus der Rede vom 
Kranze?: aber wir haben auch näher liegende Zeugnisse dafs Demo- 
sthenes den zwischen Athenern und Thebanern herrschenden Groll 
zu beschwichtigen und eine Aussöhnung beider Staaten herbeizu- 
führen suchte. Aeschines berichtet, als er selbst bei einer Vorbe- 
rathung der athenischen Gesandtschaft in Makedonien erklärt habe 
auf Herstellung der autonomen boeotischen Städte und den Sturz 
der Vorortschaft Thebens antragen zu wollen und dabei der Dro- 
hungen des Epaminondas gegen Athen gedachte, sei Demosthenes 
heftig ihm in die Rede gefallen und habe dawider protestiert die 
Städte gegen einander aufzuhetzen °. Demosthenes selbst macht 
es in seiner Anklage Aeschines zum Vorwurfe, dafs er durch seinen 
lügenhaften Bericht an die athenische Bürgerschaft den Rifs zwi- 
schen Athen und Theben gröfser gemacht habe *. Ausdrücklich 
wirft Aeschines seinem Gegner freundschaftliche Beziehungen zu 
Theben vor und nicht der kleinste Flecken an Demosthenes ist ihm, 
dafs er es mit den Boeotern hält’. Aber schneller als zu erwarten 
δ. I1,06.7: 
2) 19 S. 231, 14 ὡς δὲ ταλαιπωρούμενοι τῷ μήκει τοῦ πολέμου ol 
- Θηβαῖοι φανεροὶ πᾶσιν ἦσαν ἀναγκασϑησόμενοι καταφεύγειν ἐφ᾽ 
ὑμᾶς. 

3) Aesch, 2, 104—106 S. 41 ἢ. Demosthenes legt er die Worte bei 
ἀπαγορεύω μέντοι μὴ συνταράττειν ἡμᾶς πρὸς ἀλλήλας τὰς πόλεις. 


4) Dem. vdG. 85 8. 368, 2 οὗτος -- ὑμῖν μὲν τὴν ἔχϑραν τὴν πρὸς 
Θηβαίους μείζω, Φιλίππῳ δὲ τὴν χάριν πεποίηκεν. Vgl. Dem. vKr. 
234 8. 305, 19 6 δὲ πάντων καὶ φοβερώτατον καὶ μάλισϑ᾽ ὑπὲρ τῶν 
ἐχϑρῶν, οὗτοι (Aeschines und seine Partei) παρεσκευάκεισαν τοὺς πε- 
ριχώρους πάντας ἔχϑρας ἢ φιλίας ἐγγυτέρω, Μῆεγαρέας Θηβαίους Εὐ- 
βοέας. 

5) Aesch.a.O. καὶ γὰρ πρὸς roig ἄλλοις κακοῖς βοιωτιάξει. ebend. 
141 8. 40 ἀπώλοντο αἵ πράξεις οὐ δι᾽ ἐμέ, ἀλλὰ διὰ τὴν σὴν προδὸο- 
σίαν καὶ τὴν πρὸς Θηβαίους προξενίαν; vel. 143 5. 47 “ημοσϑένους 
τοῦ Θηβαίων προξένου. Dem. vKr. 161 S. 281,9 ὁρῶν γὰρ ἐγὼ Θη- 
βαίους, σχεδὸν δὲ καὶ ὑμᾶς, - ὃ μὲν ἦν ἀμφοτέροις φοβερὸν καὶ φυλα- 
κῆς πολλῆς δεόμενον, τὸ τὸν Φίλιππον ἐὰν αὐξάνεσθαι, παρορῶν τας -- 
εἰς ἐχϑρὰν δὲ καὶ τὸ προσκρούειν ἀλλήλοις ἑτοίμως ἔχοντας, ὅπως τοῦτο 
μὴ γένοιτο παρατηρῶν διετέλουν. Der ihm befreundeten antimakedo- 
nischen Partei zu Theben erwähnt Demosthenes vKr. 175ff. S. 286, 16. 


12* 


150 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


stand erfüllte sich das Verhängnifs: statt dafs ein Friedensschlufs 
mit Philipp den Athenern die Hände frei machte und makedonische 
Einmischung von Hellas fern hielt, gewann König Philipp mit Hilfe 
ihrer eigenen Gesandten zugleich den Frieden mit den Athenern 
und die Oberhand in Hellas als Vollstrecker amphiktyonischer Ge- 
richte. 


Wir haben bereits erwähnt, dafs die Athener, des Krieges satt 
und über das Verhalten der Hellenen verstimmt, neuen Eröflnungen 
Philipps zugänglich wurden und die Scheu selber den ersten Schritt 
zum Frieden zu thun überwanden '. Es waren nämlich zu Olynth 
viele Athener in Gefangenschaft gerathen, unter diesen latrokles 
und Eukratos ἢ. Für diese traten die angehörigen als schutzfle-, 
hende auf und baten die athenische Bürgerschaft um Verwendung’. 
Philokrates und Demosthenes — wie Aeschines sagt — befürwor- 
teten ihr Gesuch, und als Gesandter wurde der Schauspieler Ari- 
stodemos an den makedonischen Hof abgeordnet , weil er als Künst- 
ler dort bekannt und wohlgelitten war: er sowohl wie der Schau- 
spieler Neoptolemos hatten mitten im Kriege freien Zugang gehabt 
und schon früher Philipp die Brücke getreten *. Philipp gewährte 
die Bitte und hefs jene gefangenen ohne Lösegeld frei. Nach der 
Rückkehr stattete Aristodemos durch anderweite Geschäfte verhin- 
dert nicht gleich Bericht ab; Tatrokles aber meldete dem Rathe von 
seiner Freilassung und den freundlichen Worten des Königs an die 
athenische Bürgerschaft. Indessen wollte man aus dem Munde des 
Aristodemos selber näheres hören und auf Veranlassung des Demo- 


krates von Aphidna — eines Redners der durch derben und nicht 


immer edlen Witz oftmals anstiels, gelegentlich aber so recht die 
Wahrheit traf” — wurde Aristodemos vor den Rath gerufen und 


1) S. 162#. 176f. S. zu dem folgenden Aesch. 2, 15—19 S. 30. 

2) Aesch. a. ©. ὃ Zroouß/yov vios. Der Name kommt auch in 
den Seeurkunden XVIe, 17 vor. 

3) Vgl. Schömann de eomit. p. 332. 

4) Vgl. o. Buch 1, 5. 

5) Aufser von Aeschines 8 17 wird Demokrates 6 ᾿ἀφιδναῖος oder 
vielmehr seine Schwester bei Isaeos v. Philokt. E. 22 S. 58 erwähnt 
in einem Verhältnifs das über den Anfang der 101 Ol. zurückgeht 
(8 27 S. 59); gehalten ist die Rede Ol. 104, 1. 364. Um die Zeit der 
Sehlacht bei Chaeroneia war er ein alter Mann. Stob. Anth. 22, 43. 


Athenische Friedensgesandtschaft an Philipp. 151 


berichtete von dem grofsen Wohlwollen, das Philipp für die athe- 
nische Bürgerschaft hege, und fügte hinzu, er wünsche sogar ihr 
Bundesgenosse zu werden. Dasselbe wiederholte er vor der Volks- 
gemeinde, und empfieng auf Demosthenes Antrag die Ehre der Be- 
kränzung '. In Folge dieser Berichterstattung stellte Philokrates 
den Antrag eine Gesandtschaft von zehn Männern zu erwählen und 
diese an Philipp mit dem Auftrage zu senden über den Frieden und 
die gemeinsamen Interessen der Athener und Philipps zu verhan- 
deln und ihn aufzufordern bevollmächtigte Gesandte zum Abschlusse 
des Friedens nach Athen zu schicken ?. Der Antrag, von Eubulos 
und Kephisophon unterstützt ®, ward vom Volke angenommen (Fe- 


Aussprüche von ihm s. Sauppe OA. II, 320. Ob er es ist, wider den 
Menesaechmos einen Staatsprocess geführt hat (Dionys. Deinarch. 11 
S. 660, vgl. Sauppe a. Ὁ, 8. 343), oder ein anderer wissen wir nicht. 


1) Bekränzt wurde jeder der empfangene Aufträge gehörig ausge- 
führt hatte; hier wird es, wie Böhnecke F. I, 382, 2 erinnert, ein Oli- 
venkranz gewesen sein. Als die ersten Überbringer der trüglichen Ver- 
heifsungen Philipps nennt Ktesiphon (s. o. S. 155) und Aristodemos auch 
Dem. vdG. 18 κα, 346, 21. 94 S. 371, 15, mit ihnen Neoptolemos 315 
S. 442, 27 und 12 S. 344, 20 τοὺς περὶ τῆς εἰρήνης πρέσβεις πέμπειν 
ὡς Φίλιππον ἐπείσϑητε ὑπ᾽ Agıorodnuov καὶ Νεοπτολέμον καὶ Κτησι- 
φῶντος καὶ τῶν ἄλλων τῶν ἐκεῖϑεν ἀπαγγελλόντων οὐδ᾽ ὁτιοῦν ὑγιές. 
Vgl. Phil. 2, 12 S. 69, 3. 28f. S. 72, 21. In der Rede vom Kranze 
21 S. 232, 7, wo Demosthenes nur die eben erwähnte Volksversamm- 
lung berührt, nennt er Aristodemos allein. 


2) Aesch. 2, 18 8. 30 ἐλέσϑαι πρέσβεις — πρὸς Φίλιππον, ἄνδρας 
δέκα, οἵτινες διαλέξονται Φιλίππῳ περὶ εἰρήνης καὶ τῶν κοινῇ συμφε- 
ρόντων ᾿Αϑηναίοις καὶ Φιλίππῳ. 3, 63 8. 62 οἵτινες ἀφικόμενοι πρὸς 
Φίλιππον ἀξιώσουσιν αὐτὸν δεῦρο πρέσβεις αὐτοκράτορας πέμπειν ὑπὲρ 
τῆς εἰρήνης. Vgl. Aesch. 2, 50 S. 34. Dem. ἃ. Ὁ. Legati petentes pacem 
sagt Just. 8, 4; vgl. Liban. Einleit. zu Dem. vdG. S. 333, 12. Argum. 
28. 336, 3. Franke a. O. 5. 958, hält diesen zweiten Antrag (ἕτερον 
ψήφισμα Aesch. 3 a. O.) für identisch mit dem früheren, der das Ver- 
bot makedonische Gesandte in Athen zu empfangen aufhob: denn es 
hätte selbstverständlich ein solcher Beschlufs amtlich Philipp gemeldet 
werden müssen. Ich glaube dies nicht. Die Friedenspartei mafs ihre 
Schritte vorsichtig ab: theils durch die von Lykinos erhobene Anklage 
theils durch die inzwischen erfolgte Zerstörung von Olynth wurde eine 
frühere Botschaft vereitelt. 

3) Dem. vdG. 93 5. 370, 23 μετὰ ταῦτα εἰρήνην τινὲς ἡμᾶς ἔπει- 
ϑον ποιήσασϑαι" ἐπείσϑημεν" πρέσβεις ἐπέμψαμεν κτλ. Bestimmter 
vKr. 21 S. 232, 12. Dafs Demosthenes hier von der Volksversamm- 


182 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


bruar 346) ', um so bereitwilliger, da eben Proxenos einen Bericht 
voller Beschwerden über Phalaekos eingesandt hatte. Zu Gesand- 
ten wurden erwählt * der Antragsteller Philokrates selbst, ferner 


lung spricht in der beschlossen wurde Gesandte an Philipp zu schik- 
ken, nicht von dem früheren Antrage des Philokrates, ist schon Anm. 1 
bemerkt. Kephisophon ist vermuthlich der Paeanier, welcher von Aesch. 
2, 73 8. 37 als Freund des Chares bezeichnet wird (vgl. o. Buch II, 5); 
Auch Demosthenes a. Ὁ, 75 8. 250, 6 erwähnt einen von ihm im Kriege 
mit Philipp gestellten Antrag: dafs er den Gaunamen nicht beifügt, 
lehrt dafs es nur &inen Redner des Namens von Bedeutung gab. Darum 
beziehe ich die Stellen bei Dem. vdG. 293 8.435, 8 (vgl. ο. Buch I, 4). 
Apoll. wNeaer. 10 S. 1348, 19 auf denselben. Ob der in den harpali- 
schen Process verwickelte Kephisophon (Deinarch. 1, 45 S. 96) der- 
selbe oder ein jüngerer ist (etwa der von Cholargos, welcher Seeurk. 
xIVa 175 [aus Ol. 113, 4] u. a. St. vorkommt), weifs ich nicht. Einen 
Rhamnusier d. N. kennen nur die falschen Urkunden; über andere vgl. 
Böhnecke F. I 8.605, 1. 

1) Die Gesandten beschleunigten diesmal ihre Reise nach Möglich- 
keit (Dem. vdG. 163 8. 392, 14) und konnten sehr bequem in zehn 
Tagen nach Makedonien kommen (vgl. über die Reise nach dem Hel- 
lespont Dem. vKr. 30 S. 235, 24): sie werden kaum einen Monat aus- 
geblieben sein. Da sie nun zu Anfang des Elaphebolion (April) wie- 
der in Athen waren, mögen sie gegen Ende (Gamelion (Febr.) gewählt 
und abgereist sein, und das wird durch andere Umstände bestätigt. 
S. oben 8. 176f. Zu der zweiten Reise nach Makedonien gebrauchten 
sie 23 Tage, aber damals hielten sie sich unterwegs in Oreos auf und 
reisten so langsam als möglich: von dem Tage an, wo Philipp in Pella 
wieder eintraf, bis zu ihrer Rückkehr nach Athen vergiengen nur noch 
etwa 20 Tage, obgleich sie auch da noch länger als nöthig säumten. 
S. Buch IV, 1. 

2) Die Namen sind zusammengestellt in dem 2 Argument zu Dem. 
vdG. 5. 336, 1. Aufser Aeschines Philokrates Demosthenes werden 
folgende abgeordnete zu dieser ersten Gesandtschaft (N προτέρα moe- 
σβεία ἡ περὶ τῆς εἰρήνης Dem. vdG. 163 Κ΄. 392, 14. Aesch. 2, 81f. S.38f. 
108 8. 42. ἡ πρώτη πρεσβεία Dem. a. O. 234 8. 414,4. ἡ προτέρα und 
n πρώτη Aesch. 2, 123 Κ΄. 44) in den Reden genamnt: Aristodemos 
Aesch. 2, 19 5. 30. 52 S. 34; Ktesiphon, der älteste von allen ebend. 
42f. 5. 33. 47.52 S.34 (vgl. Harpokr. u. ἃ. N. Τὶ. ἃ. X Redner S. 8413) ; 
Derkylos 47 S. 34; Iatrokles 20 S. 30; Kimon 21 8.31. Phrynon wird 
im allgemeinen als mitgesandter erwähnt von Dem. να. 189 S. 400, 15. 
229 S. 412, 19 und Aesch. 2, 8 S. 29, kommt aber bei der ersten Ge- 
sandtschaft nicht besonders vor. Nausikles wird nur bei der Wahl von 
Aesch. 2, 18 S. 30 genannt: ich glaube aber doch (mit Böhnecke u. a.) dafs 
er mit Recht den Gesandten beigezählt wird, was Spengel Rhein. Mus. 
II, 379% bezweifelte. Seine Beziehungen zu Aeschines, namentlich die 


Athenische Friedensgesand!schaft an Philipp. 183 


die welche neuerdings am makedonischen Hofe wohl empfangen wa- 
ren und Meldungen von Philipp überbracht hatten, der schon be- 
jahrte Ktesiphon, Phrynon, latrokles, Aristodemos; Nausikles, Kı- 
mon, Derkylos, endlich Aeschines und Demosthenes, jener wie 
Aeschines sagt auf Vorschlag seines Freundes und Altersgenossen 
Nausikles, dieser auf Vorschlag des Philokrates. Wie zum Demo- 
sthenes so versah man sich auch zum Aeschines, dafs er vor Philipp 
die Interessen Athens und der Hellenen überhaupt nachdrücklich 
vertreten werde '. Zu ihren eigenen Gesandten wählte die Bürger- 
schaft vermuthlich auf Antrag des Bundesrathes noch einen eilften 
Abgeordneten aus der Mitte der Bundesgenossen hinzu, Aglaokreon 
von Tenedos ?. 

Demosthenes hatte dem Antrage des Philokrates nicht wider- 
sprochen, sondern war, da einmal Verhandlungen beschlossen wa- 
ren, eifrig bemüht sie so schnell als möglich zu einem gedeihlichen 
Abschlusse zu führen: denn die Zeit war kostbar, da die Athener 
von jetzt an auf die blofse Hoffnung zum Frieden zu gelangen hin 
alle Rüstungen aussetzten, während Philipp keinen Augenblick auf- 


Worte mit denen er und Phokion von diesem als seine Fürsprecher ein- 
geführt werden (2, 184 S. 52), machen es wahrscheinlich, dafs er von 
dem Feldherrn Nausikles (Buch II, 7. IV,2) verschieden ist. Die Ver- 
muthung, es möchten die Gesandten wohl nach den Phylen gewählt 
sein (F. I, 383, 3. 6) hat Böhnecke später (ὃ. 655) selber zurückge- 
nommen, und mit Recht. So gut die zehn Feldherrn regelmälsig aus 
allen Athenern gewählt wurden (Poll. 8, 87) und die aufserordentliche 
Behörde zur Abfertigung eines Geschwaders (Seeurk. XIV®, 20 ἐλέσϑαι 
δὲ καὶ ἀποστολέας — δέκα ἄνδρας ἐξ ᾿᾿ϑηναίων ἁπάντων vgl. Böckh 
S. 171), eben so wurden auch zu Gesandten die geeignetsten unter al- 
len Athenern genommen. Derkylos war wohl sogar aus demselben De- 
mos wie Philokrates: denn ich zweifle nicht dals der Zeuge des Ae- 
schines (2, 155 8. 49) “Ζερκύλος Avroxl£ovg ᾿Αγνούσιος eben der Ge- 
sandte ist, der Demosthenes ein Zeugnils verweigerte vdG. 175f. S. 306, 
9—26. Bei der Wahl Kimons nahm man wohl auf den Namen und die 
Abkunft von dem berühmten Vorfahren, dem der kimonische Friede zu- 
geschrieben wurde, Rücksicht, wie 22 Jahre später ein Miltiades aus 
jener herunter gekommenen Familie (Arist. Rh. 2, 15 z. E.) zur Grün- 
dung einer Ansiedelung im adriatischen Meere ausgesandt wurde (s. 
Böckh Seew. S. 245). 

1) Dem. vdG. 12 S. 344, 23. Vgl. Aesch. 2, 46 S. 34. 23 S. 31. 

2) Aesch. 2, 20 S. 30. Derselbe wurde auch der zweiten Gesandt- 
schaft beigegeben; 97 S. 41. 126 S. 44. 


184 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


hörte zu den Kriegszügen welche er vorhatte umfassende Anstalten 
zu treffen '. Schon stand Parmenion mit einer Heeresabtheilung 
im Süden Thessaliens und belagerte die Stadt Halos am Fufs des 
Othrysgebirges, welche mit Pharsalos in Streit lag*. Da galt es 
nicht zu säumen. Zunächst setzte Demosthenes einen Beschlufs 
des Rathes auf, an die Städte wo Aristodemos Gastrollen übernom- 
men hatte abgeordnete zu schicken um ihn vor Verlust der gestell- 
ten Caution zu sichern: ja er versprach auch, wie Aeschines sagt, 
sich bei der Bürgerschaft für Entschädigung des Aristodemos zu 
verwenden, dem über der Gesandtschaft die Ehrengeschenke für 
seine Gastspiele entgiengen °. 

Über den Verlauf der zwischen den Athenern und Philipp ge- 
führten Verhandlungen ist es schwer, ja in manchen Puneten un- 
möglich ins klare zu kommen, denn die einzigen (Quellen aus denen 
wir schöpfen können sind die von Demosthenes und Aeschines ge- 
gen einander gehaltenen Processreden, in denen jeder nur das her- 
vorhebt was seiner Sache günstig ist. Wo beide dieselbe Thatsache 
erwähnen, läfst sich in den meisten Fällen die Wahrheit erkennen ; 
dabei gewinnen wir die Überzeugung dafs Demosthenes auch als 
Ankläger mit ehrlichen Waffen ficht; und wie er nach frischer That 
geurteilt, eben so spricht er auch noch nach Jahren in der Rede 
vom Kranze. Aber der Grimm über Aeschines und das Streben 
dessen Verrätherei befangenen oder bestochenen Richtern recht 
deutlich vor die Seele zu führen hat ihn hie und da verleitet Aeschi- 
nes Dinge zur Last zu legen in denen ein bewufster Verrath nicht 
zu erkennen ist: so mag er im einzelnen fehlgreifen, während im 
ganzen und wesentlichen sein Urteil als vollkommen gerecht und 
durch die folgenden Ereignisse nur allzusehr bestätigt erscheint. 
Anders dagegen ist es mit Aeschines: seine Darstellung ist darauf 
berechnet die eigene Schuld zu verdecken, und das böse Gewissen 
treibt ihn in jeder Rede eine andere Maske vorzumehmen: so ver- 
wickelt er sich in immer neue Widersprüche. In dem Processe 
gegen Timarchos warnt er die Richter nicht auf Demosthenes zu 


1) Dem. vKr. 26 S. 233, 27£. 

2) Über die Lage der phthiotischen Stadt λος öder ”AAog 5. Strab. 
98. 432f. Über die Belagerung Dem. vdG. 163 5. 392, 18 und über 
den Streit mit Pharsalos (vgl. Strab. a. Ὁ.) 36 S. 352, 17 Schol. 

3) Aesch. 2, 19 S. 30 Schol, 


Die Friedensverhandlungen. Aeschines. 155 


hören wenn er den Frieden tadele, den er — Aeschines — und Phi- 
lokrates zu Stande gebracht haben '; er lobt Philipp wegen seiner 
freundlichen Worte: “bewährt er sich so in der That, wie er jetzt 
‘in seinen Verheifsungen sich kund gibt, so kann man ihn ohne Ge- 
“fahr und gerne loben’. Inzwischen wird Philokrates wegen seiner 
auch in den Friedensverhandlungen bewiesenen Nichtswürdigkeit 
zum Tode verurteilt und die Athener sehen sich von Philipp betro- 
gen: da hat Aeschines mit Philokrates nichts mehr zu schaflen, 
sondern Demosthenes ist dessen Gumpan ?: den Frieden hat Aeschi- 
nes wohl gestiftet ?, aber von den schlimmen Folgen trägt er keine 
Schuld, sondern es ist ein Unglück geschehen oder Demosthenes 
hat Philipp geschmeichelt oder sonst den Verräther gemacht. Aber 
wider Philipp hat er darum doch kein bitteres Wort: unter dem 
Scheine der Friedensliebe bleibt er der makedonischen Partei zuge- 
than. Endlich in dem Processe wider Ktesiphon weils Aeschines 
von dem Einverständnisse des Philokrates und Demosthenes und 
von ihrer Truggesandtschaft noch ganz andere Dinge zu erzählen ': 
von sich aber schweigt er ganz, dafs er auch dabei gewesen und die 
Bürgerschaft zur Annahme des Friedens unter den von Philokrates 
beantragten Bedingungen vermocht habe: ja er hat die Stirn sein 
eigenes Werk ohne weiteres seinem Gegner aufzubürden °.  Frei- 
lich wenn Demosthenes schon nach drei Jahren besorgte, die Athe- 
ner möchten den Thatbestand vergessen haben ὅς so konnte Aeschi- 
nes gewils sein, dafs nach sechzehn Jahren niemand mehr sich 


1) Aesch. 1, 174 5. 24 παρεμβάλλων τὰς ἐιιὶὰς δημηγορίας καὶ ψέ- 
yov τὴν εἰρήνην τὴν δι᾽ ἐμοῦ καὶ Φιλοκράτους γεγενημένην. 169 5. 24 
Φίλιππον δὲ νῦν μὲν διὰ τὴν τῶν λόγων εὐφημίαν ἐπαινῶ κτλ. 

2) 2,56 8. 35 τὴν μὲν τοίνυν κοινωνίαν τῶν περὶ τῆς εἰρήνης 
πράξεων οὐκ ἐμὴν καὶ Φιλοκράτους, ἀλλὰ “Ιημοσϑένους καὶ Φιλοκρά- 
τους εὑρίσκετε. 

3) 2, 79 8. 38 ὁμολογῶ συμβουλεῦσαι τῷ δήμῳ διαλύσασϑαι πρὸς 
Φίλιππον καὶ τὴν εἰρήνην συνϑέσϑαι, ἣν σὺ νομίζεις νῦν αἰσχράν —, 
ἐγὼ δὲ ταύτην εἶναί φημι πολλῷ καλλίω τοῦ πολέμου. 101 8.49 nennt 
er sich τὸν προστάντα τῆς εἰρήνης. 

4) 3, 57 5. 61 καὶ δὴ ἐπανάγω ἐμαυτὸν ἐπὶ τὴν εἰρήνην, ἣν σὺ 
καὶ Φιλοκράτης ἐγράψατε κτλ. bis 81 5. 65. 

5) Dem. vKr. 17 5. 230, 21 ὅσα ὑπὲρ τῆς εἰρήνης καὶ τῆς πρε- 
σβείας κατεψεύσατό μον, τὰ πεπραγμένα ἑαυτῷ μετὰ Φιλοκράτους ἄἀνα- 
τιϑεὶς ἐμοί. 

6) VdG. 8 5. 312, 8. 


156 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


genau darauf besinne: denn die Athener hatten für dergleichen ein 
kurzes Gedächtnifs '. Aber er selber kann nicht leugnen dafs die 
herrschende Meinung ihm zuwider sei ?, und Demosthenes durfte 
solch unerhörter Frechheit gegenüber in die Worte ausbrechen: 
‘Philokrates war dein Genosse, Aeschines, nicht der meine, und 
‘wenn du auch vor Lügen berstest’®. Einem Redner, der so die 
Farbe wechselt und so voller Widersprüche ist, können wir nicht 
trauen, wo es ihm darauf ankommt die Sachen zu verdrehen: aber 
auch bei scheinbar gleichgiltigen Umständen müssen wir auf unse- 
rer Hut sein, da er gewils nie die reine und volle Wahrheit sagt. 
Schon bei den vorläufigen Verhandlungen zieht er Demosthenes 
vielleicht mehr als billig herein: indessen ist es möglich dafs sich 
die Sache so verhalten habe, wenn Aeschines gleich wesentliche 
Umstände, wie die Rede des Eubulos zu Gunsten des philokratei- 
schen Antrages verschweigt und von Nebendingen viel Aufhebens 
macht. Aber hier stehen Aeschines Actenstücke zur Seite und er 
mufste sich überhaupt hüten was zu Athen vorgegangen war vor 
Gericht allzu gröblich zu entstellen. Aber von der ersten Gesandt- 
schaft und den in Makedonien geführten Verhandlungen konnte Ae- 
schines sagen was er wollte: die’ andern Gesandten spielten mit 
ihm unter einer Decke, die Richter und Zuhörer waren nicht dabei 
gewesen, und Demosthenes Anklage hob erst bei einem späteren 
Zeitpuncte an: hier also stand kein Widerspruch zu besorgen. Und 
so können wir denn hier, so weit nicht gelegentliche Rückblicke des 
Demosthenes uns zurecht weisen, nicht anders als mit Vorsicht 
seiner unsicheren Führung folgen. 

So wie die Gesandtschaft an Philipp beschlossen war, wurde 
ein Herold abgesandt um freies Geleit für sie auszuwirken. Ohne 
jedoch dessen Rückkehr zu erwarten —so dringend schien der Auf- 
trag — traten die Gesandten über Euboea die Reise an und setzten 
von Oreos nach Halos über , das eben noch von Parmenion belagert 
wurde. Bei ihrer Abreise von dort wurden sie von diesem Feld- 


1) Heges. üb. Halonn. 18 8. 81, 6 πεπεισμένος — ὡς ὑμεῖς οὐ 
μνημονεύετε τὰ ἐν τῷ δήμῳ εἰρημένα. Vgl. Dem. vKr. 138 5, 273, 18 
u. a. St. Franke a. O. S. 24. 26. 30. 

2) Aesch. 3, 59f. S. 62. 

3) Dem. vKr. 21 ὃ. 232, 10 Φιλοκράτης ὃ Ἁγνούσιος, ὃ σός, Al- 


r 


” I 
σχίνη, κοινωνός, οὐχ ὃ ἐμὸς, οὐδ᾽ ἂν σὺ διαρραγῇς ψευδόμενος. 


Die erste Friedensgesandtischaft. 187 


herrn empfangen, passierten das makedonische Heer und fuhren 
wieder zu Schiff nach Pagasae: mit dem zurückkehrenden Herolde 
trafen sie erst in Larisa zusammen '. Unterwegs hielten Demo- 
sthenes Aeschines latrokles und Aglaokreon von Tenedos als Tisch- 
und Quartiergenossen zu einander ?: ja wir hören dafs Aeschines 
mit Demosthenes verabredete, sie wollten beide auf den gemeinen 
und schamlosen Philokrates ein Auge haben ἧ. 

Über die mit Philipp zu führenden Verhandlungen fanden schon 
unterwegs Besprechungen unter den Gesandten statt. Wenn auch 
bei einem oder dem andern Kleinmuth sich regte wie sie Philipp 
die Stange halten wollten, Demosthenes hatte guten Muth, und na- 
mentlich vermeinte er, was Amphipolis und den Anfang des Kriegs 
betreffe, Philipp den Mund stopfen zu können. Am makedonischen 
Hofe angelangt kamen sie überein dafs die ältesten zuerst vor dem 
Könige reden sollten und so die übrigen ihrem Alter nach: damit 
war Demosthenes, als der jüngste, an die letzte Stelle geschoben ἧ. 
Bei dem öflentlichen Empfange vor Philipp nahm also Ktesiphon 
zuerst das Wort, nach ihm Philokrates und Derkylos, darauf Ae- 
schines ’, der des breiteren über die Rede, welche er gehalten ha- 
ben will, berichtet °. Sein Thema war, wie er versichert, kein an- 
deres als das Anrecht der Athener auf Amphipolis. In erschöpfen- 
der Darlegung, ohne irgend einen Punet zu übergehen, sprach er 
über die alte Freundschaft und die Wohlthaten welche die atheni- 
sche Bürgerschaft Amyntas dem Vater Philipps erwiesen, über die 
spätere Einmischung der Athener unter Iphikrates zu Gunsten des 


1) Dem. vdG. 163 S. 392, 14—24 (vgl. das folgende bis S. 393, 9, 
8 164f.). 

2) Das kann Aeschines nicht ableugnen, aber es soll wenigstens 
nicht 'mit seinem Willen geschehen sein: 2, 20 8. 30 ἐν δὲ τῇ πρε- 
σβείᾳ συσσιτεῖν ἡμῖν ἐσπούδασεν, οὐκ ἐμὲ πείσας, ἀλλὰ τοὺς μετ᾽ ἐμοῦ, 
᾿Δγλαοκρέοντα τὸν Τενέδιον — καὶ Ἰατροκλέα. Vgl. auch Dem. vdG. 
221 Κ΄. 409, 26 ἀλλ᾽ ὑπῆρχέ μοι πρὸς τοῦτον ἀπέχϑειά τις; οὐδεμία. 
Mit den beiden andern hielt Aeschines auch auf der zweiten Reise Quar- 
tiergenossenschaft: 126 S. 44. 

3) Dem. vdG. 13 S. 344, 2Sf.; von Aeschines 2, 20 S. 30 mit einer 
nichtigen Phrase abgeleugnet. Vgl. Westermann qu. Dem. III, 36. 

4) Aesch. 2, 21f. S. 31. Vgl. 108 S. 42. 

5) Die Reihenfolge ergibt sich aus Aesch, 2, 47—49 S. 34. 

6) 25—33 8. 81 ἢ. 


158 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Königshauses, als Perdikkas und Philipp selbst noch Kinder waren. 
Er handelte weiter von den späteren Feindseligkeiten des Ptole- 
maeos, als dieser im Besitze der Regentschaft war, und von dem 
Kriege den Perdikkas um Amphipolis mit den Athenern geführt: 
den Waffenstillstand des Kallisthenes legte er aus als einen Beweis 
(des Vertrauens der Athener zu der Billigkeit der makedonischen 
Könige und die Hinrichtung jenes Feldherrn — die eben um jenes 
Vertrags willen erfolgt war ' — suchte er aus andern Ursachen zu 
erklären. Ferner legte er es geradezu Philipp zur Last dafs er den 
Krieg gegen Athen wieder aufgenommen. Alles dies bekräftigte er 
mit Urkunden, den Schreiben der Könige, den Beschlüssen der 
athenischen Bürgerschaft, dem mit Kallisthenes geschlossenen Ver- 
trage. Das Anrecht der Athener auf Amphipolis aber wies er von 
den mythischen Zeiten her nach: er gieng auf Theseus und seinen 
Sohn Akamas zurück und rühmt sich überhaupt dies Capitel aufs 
genaueste abgehandelt zu haben. Aus der jüngsten Vergangenheit 
aber hob er den Tag zu Sparta hervor, wo Amyntas als stimmbe- 
rechtigtes Mitglied des hellenischen Congresses durch seinen abge- 
ordneten ausdrücklich das Anrecht der Athener auf Amphipolis und 
die Verpflichtung aller zu dessen Durchführung mitzuwirken aner- 
kannt hatte. Worauf der Vater so ausdrücklich verzichtet, darauf 
könne er, der Sohn, gerechten Anspruch nicht erheben. “Wenn 
“lu aber’, so schliefst Aeschines, “geltend machst, du habest die 
‘Stadt im Kriege erobert und darum rechtskräftig im Besitz, so 
‘wäre dies ein giltiger Rechtstitel, wenn du während des Krieges 
‘init uns sie mit stürmender Hand genommen: wenn du aber die 
‘Amphipoliten dem athenischen Staate entrissest, hast du nicht de- 
‘ren Eigenthum im Besitz, sondern den Athenern gehöriges Land ’?. 

Zu allerletzt redete Demosthenes: wie Aeschines höhnend aus- 
malt ὅν als sei es ihm ein Triumph gewesen dafs einer seiner Mitge- 

1) Vgl. o. S. 15. Buch I, 3. 

2) Die Worte lauten (Aesch. 2, 33 8. 32): εἰ μὲν πρὸς ἡμᾶς πολε- 
μήσας δοριάλωτον τὴν πόλιν εἷλες, κυρίως ἔχεις τῷ τοῦ πολέμου νόμῳ 


κτησάμενος᾽ εἶ δ᾽ ᾿ἀμφιπολίτας ἀφείλου τὴν ᾿ϑηναίων πόλιν, οὐ τὰ 
ἐκείνων ἔχεις, ἀλλὰ τὴν ᾿4ϑηναίων χώραν. 


3) 34f. 5. 32f. und daher Aelian. v. G. 8, 12. Gell. 8, 9. L. d. 
X Redner S. 841%. Philostr. Leb. ἃ: Soph. 1, 18, 1. 2, 1,14. Lon- 
gin. Rhet. S, 572 W. 


Die erste Friedensgesandtschaft. 159 


sandten Athen minder würdig vertreten, fieng er eine dunkle Ein- 
leitung sterbensangst an und gieng ein wenig in die Entwickelung 
der jüngsten Ereignisse ' ein: dann wurde er plötzlich befangen 
und mufste abbrechen: jaAeschines fügt noch weiter hinzu, Philipp 
habe ihm freundlich zugeredet, er möge sich das nicht zu Herzen 
nehmen, sondern sich nur ein weilchen besinnen und wie er es 
sich ausgedacht sprechen: Demosthenes aber habe sich nicht fas- 
sen können, sondern sei noch einmal stecken geblieben. Wie er 
verstummte forderte der Herold die Gesandten auf abzutreten. So 
wie sie allein waren, fährt Aeschines in seiner Erzählung fort ὅς 
machte Demosthenes ihm Vorwürfe, dafs er uneingedenk der Stim- 
mung der Bürgerschaft und ihrer lebhaften Sehnsueht nach Frie- 
(den Philipp durch seine Rede gereizt und so gesprochen habe, dafs 
daraus kein Friede, sondern ein unversöhnlicher Krieg werden 
könne. Kaum hatte Aeschines begonnen sich zu verantworten, so 
wurden die Gesandten wieder vorgerufen und Philipp beantwortete 
jeden Punet der von athenischer Seite vorgebracht war: besonders 
ausführlich gieng er auf die Rede des Aeschines ein und nannte 
oftmals seinen Namen; Demosthenes aber, der so lächerlicher 
Weise abgetreten war, antwortete er wohl kaum auf einen einzigen 
Punet. Philipp schlofs seine Rede mit den freundlichsten Zusiche- 
rungen, was Demosthenes vollends aufser Fassung brachte, so dafs 
er, als dem Herkommen gemäfs die Gesandten als Ehrengäste zur 
Tafel geladen wurden, sich höchst unanständig geberdete. 

Die Schilderung, welche Aeschines von seinem eigenen uni 
seines Gegners Auftreten vor Philipp entwirft, ist vielen glaubhaft 
erschienen: man meint, es sei wohl zu erklären, wenn Demosthe- 
nes in dem Augenblicke, wo der König den er so bitter befehdet in 
dem ganzen Glanze seiner Macht ihm gegenüber stand, sich befan- 
gen gefühlt und keine Worte habe finden können ®. Aber mit (die- 
ser Motivierung will es sich wenig vertragen, dafs Aeschines be- 
hauptet *, bei der zweiten Gesandtschaft habe Demosthenes sich 
unverschämter Weise vorgedrängt und habe darauf bestanden zuerst 
zu Philipp zu reden: wir finden keine Spur, dafs er sich gescheut 


” 


1) Aesch, a. Ὁ, μικρὸν προαγαγὼν ἄνω τῶν πραγμάτων. 

2) 86--39 8. 33. 

3) S. Valekenaer or. de Phil. ind. $. 275f. Grote ΧΙ, 530 τι. a. 
4) 2, 108 8. 42. 


190 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


habe ihm unter die Augen zu treten. Und was die erste Verhand- 
lung betrifft, so hiefs es darüber in Aeschines Bericht an das athe- 
nische Volk, wie Demosthenes gelegentlich anführt (denn wie oben 
bemerkt, die erste Gesandtschaft ist gar nicht Gegenstand seiner 
Anklage): “über Amphipolis wufste auch ich wohl zu reden: damit 
“es aber Demosthenes unbenommen bliebe darüber zu sprechen, 
“übergieng ich es’ '. Wir wollen zugeben dafs hiemit Aeschines 
Worte kaum ganz getreu wiedergegeben sind, dafs auch er über 
Amphipolis geredet haben wird ?; wenigstens erregte sein Verhal- 
ten damals bei Demosthenes keinen Anstofs irgend einer Art: aber 
dafs Demosthenes im Namen des athenischen Volkes die Rückgabe 
von Amphipolis als eine Friedensbedingung aufstellte scheint mir 
nach Aeschines eigenen Reden aufser Zweifel zu sein. Er spricht 
davon dafs Demosthenes sich erbot diesen Punct zur Sprache zu 
bringen ° und kann nicht ableugnen (dafs er selber in seinem Be- 
richte gesagt, Demosthenes habe getroflener Abrede gemäfls die 
athenischen Ansprüche auf Amphipolis geltend gemacht. Wir wer- 
den es Aeschines nicht glauben, wenn er hinzusetzt “im Falle wir 
‘etwas übergangen haben sollten’, denn dazu bedurfte es keiner 
Abrede, und eine handgreifliche Lüge ist es, wenn er behauptet, er 
habe diese Stelle in seinen Bericht nur auf dringende Bitten des 
Demosthenes einfliefsen lassen *. Was endlich Philipps Erwiede- 
rung auf die Anreden der Gesandten betrifft, so zweifle ich nicht 
dafs der König dabei Aeschines, wie dieser sich berühmt, oftmals 


1) Dem. vdG. 253 8. 421, 3 — ἐκεῖσε ἐλϑὼν (εἰς Μακεδονίαν) 
οὐδὲ τοὔνομα ἐφϑέγξατο τῆς χώρας ὑπὲρ ἧς ἐπρέσβευεν. καὶ ταῦτα 
αὐτὸς ἀπήγγειλε πρὸς ὑμᾶς" μέμνησϑε γὰρ δήπου λέγοντ᾽ αὐτὸν ὅτι 
«περὶ ᾿ἀμφιπόλεως εἶχον μὲν κἀγὼ λέγειν" ἵνα δ᾽ ἐγγένηται “]]ημοσϑέ- 
νει περὶ αὐτῆς εἰπεῖν παρέλιπον". 

2) Thirlwall V, 440. 

3) Aesch. 2, 21 8. 81 πηγὰς δὴ λόγων ἀφϑόνους ἔχειν ἐπηγγέλ- 
λετο, καὶ περὶ τῶν δικαίων τῶν ὑπὲρ Augpınolemg καὶ τῆς ἀρχῆς τοῦ 
πολέμου τοιαῦτα ἐρεῖν ἔφη, ὥστε ἀπορράψειν τὸ Φιλίππου στόμα ὃλο- 
σχοίνῳ ἀβρόχῳ κτλ. 

4) A. Ο. 48 8. 84 καὶ τὴν δέησιν οὐκ ἐπελαϑόμην τὴν Ζημοσϑέ- 
νους, ὅτι ταχϑείη λέγειν, ἐάν τι παραλίπωμεν ἡμεῖς, ὑπὲρ ᾿μφιπόλεως. 
43 8. 33 ἐμοῦ δὲ καὶ δέησιν ἰσχυρὰν ἐδεήϑη μὴ παραλιπεῖν, ἀλλ᾽ εἰ- 
πεῖν, ὡς ὑπὲρ ᾿μφιπόλεώς τι καὶ “Ιημοσϑένης εἴποι. Vgl. Wester- 
mann qu. Dem. III, 37. Thirlwall V, 440, 


Die erste Friedensgesandtschaft. 191 


bei Namen genannt hat: er durchschaute leicht, wie dieser Geist 
zu bannen sei: aber dafs er auf Demosthenes Rede gar nicht ein- 
gegangen, getraut sich Aeschines nieht einmal mit Zuversicht zu 
behaupten ', und Plutarch hat gerade das Gegentheil gelesen: Phi- 
lipp habe alle Gesandten angehört, aber mit besonderer Sorgfalt 
die Rede des Demosthenes erwiedert *. Demnach können wir ge- 
trost aussprechen, dafs Demosthenes in Makedonien nicht die Rolle 
spielte, welche Aeschines ihm zutheilt um seine eigene Partie in 
helles Licht zu setzen. Am makedonischen Hofe mögen viele von 
dem gewaltigen Redner eine rhetorische Schaustellung erwartet 
haben. Diese sahen sich getäuscht, wenn er zum Schlusse nur 
kurz zusammenfafste was seine Mitgesandten des breiteren vorge- 
tragen hatten, wenn er mit wenigen Worten die Rückgabe von 
Amphipolis als Grundbedingung eines festen Friedens bezeichnete. 
Hätte wirklich Demosthenes sich und seine Vollmachtgeber vor 
Philipp lächerlich gemacht, so würde dies gleich bei der Rückkehr 
der Gesandten stadtkundig geworden sein und eine wiederholte Ab- 
ordnung des Demosthenes wäre unmöglich gewesen. 

Es hat Aeschines nicht beliebt, abgesehen von den Persön- 
lichkeiten welche seinem Zwecke dienen, uns über Wesen und Re- 
sultat der gepflogenen Verhandlungen zu belehren. Dals von athe- 
nischer Seite aufser Ampbhipolis auch Potidaea zurückgefordert 
wurde können wir nur vermuthen: die Folge lehrt dals für den 
Rest athenischer Besitzungen in Thrakien, namentlich für den 
Chersones eine förmliche Garantie verlangt wurde: zu dem Frieden 
sollte den Bundesgenossen beider Theile der Beitritt offen gehalten 
werden. Philipp antwortete sehr eingehend und geschickt: die 
athenischen Gesandten staunten darüber, wie genau er ihre Reden 


1) 38 8. 33 πολλάκις μου τοὔνομα ἐν τοῖς λόγοις ὠνομάζετο: πρὸς 
δὲ “ημοσϑένην -- οὐδ᾽ ὑπὲρ ἕνός, οἶμαι, διελέχϑη. Vgl. Weiske 
de hyp. III, 5. 


2) Plutarch. Dem. 16 ὅτε πρεσβεύων δέκατος ἧκεν εἰς Μακεδονίαν 
ἤκουσε μὲν πάντων Φίλιππος, ἀντεῖπε δὲ μετὰ πλείστης ἐπιμελείας 
πρὸς τὸν ἐκείνου λόγον. Aesch. 2, 125 5. 44 sagt αὐτὸς 6 Φίλιππος, 
πρὸς ὃν ἀντειπεῖν “]ημοσϑένης ὑπὲρ ὑμῶν οὐκ ἠδυνήϑη. Das kann 
kaum auf die erste Ansprache an Philipp gehen (denn da hatte Philipp 
noch nicht zuvor gesprochen), sondern mufs sich auf die weiteren Ver- 
handlungen, vielleicht der zweiten Gesandtschaft, beziehen. 


192 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


im Gedächtnifs hatte und wie beredt er sie erwiederte '. Nament- 
lich wird er die Streitfrage über Amphipolis in seinem Sinne erör- 
tert haben: er sagte wohl, Plätze wie Amphipols und Potidaea 
könne er um der Sicherheit seiner Staaten willen fremden Händen 
nicht überlassen ?, und war überall zu keinem andern Frieden er- 
bötig als auf Grund des damaligen Besitzstandes. Eben im Be- 
griff den Feldzug gegen Thrakien zu eröffnen, versprach er, wäh- 
rend die Friedensverhandlungen noch obschwebten, den Chersones 
nicht mit Krieg zu überziehen ὃ. Überhaupt gab er die freund- 
lichsten Zusicherungen ὁ: er wünsche nicht blofs in Frieden mit 
dden Athenern zu leben, sondern ihr Bundesgenosse zu werden und 
als solcher wolle er seine wohlwollende Gesinnung durch die That 
beweisen. 

In diesem Sinne war auch das Schreiben an Rath und Bür- 
gerschaft gehalten welches Philipp den Gesandten mitgab°. Er 
wird darin erklärt haben dals er unverzüglich Gesandte schicken 
werde, mit Vollmachten versehen, um im beiderseitigen Interesse 
Frieden und Bündnifs abzuschliefsen. Dann fügte er hinzu, er 
wolle sich so erweisen dafs er den wider ihn redenden den Mund 
stopfen werde: ja “ich hätte schon ausdrücklich geschrieben’, so 
lauteten seine Worte weiter, “wie viel ich euch zu gute thun will, 
“wäre ich dessen gewils, dals ıhr auch die Bundesgenossenschaft 
“mir gewährt? ®. 


1) Aesch. 2, 41—43 S. 33. 

2) Dem. Phil. 2, 17 5. 70, 9 εἰ γὰρ ᾿φμφίπολιν καὶ Ποτίδαιαν 
προεῖτο, οὐδ᾽ ἂν οἴκοι μένειν βεβαίως ἡγεῖτο. Vel. Philostr. L. d. 
Soph. 2, 1, 14 κἀκεῖνος μὲν ((Πημοσϑένης) ἥκων ᾿4ϑήναξζε τιμὰς προσ- 
ἥτει καὶ στεφάνους ἀπολωλυίας ᾿4ϑηναίοις ᾿ἀμφιπόλεως. 

3) Aesch. 2, 82 8. 39 συνέβαινε δ᾽, ὅτε τὴν προτέραν ἐπρεσβεύο- 
μὲν πρεσβείαν, ἐμοὶ μὲν μετὰ τῶν συμπρέσβεων ἀπιέναι δεῦρο, Φιλίππῳ 
δ᾽ ἐπὶ Θράκην ἐξιέναι, πρὸς δ᾽ ἡμᾶς ὡμολογηκέναι, ἕως ἂν ὑμεῖς περὶ 
τῆς εἰρήνης βουλεύσησθε, μὴ ἐπιβήσεσϑαι μεϑ' ὅπλων Χερρονήσου. 
Vgl. Dem. vdG. 78 S. 365, 22. 29. 

4) Aesch. 2, 39 8. 33 κατέστρεψεν εἰς φιλανθρωπίαν τοὺς λόγους 
Φίλιππος. Dem. Phil. 2,12 8. 69,3 — οὐδ᾽ ἀμνημονεῖ (Φίλιππος) τοὺς 
λόγους οὐδὲ τὰς ὑποσχέσεις, ἐφ᾽ αἷς τῆς εἰρήνης ἔτυχεν. 

5) Dem. vdG. 316 8. 443, 4 συνέγραψε δὲ (Φίλιππος) ἐπιστολὴν 
ὡς ὑμᾶς, 7 μαλιστ᾽ ἂν ᾧετο τῆς εἰρήνης τυχεῖν. Aesch. 2, 45 (m. ἃ. 
Schol.). 50 8. 34. 

6) Dem. vdG. 401, 5. 353, 22f. ὃ γὰρ εἰς τὴν προτέραν γράψας 


Die erste Friedensgesandtschaft. 193 


So schöne Worte gab Philipp um die Athener zu umgarnen, 
aber wohl zu merken, mit einer förmlichen Zusage band er sich 
nicht: ja er vermied es nur irgend anzudeuten worin seine Freund- 
schaftsdienste bestehen sollten. Ganz besonders suchte er die Ge- 
sandten persönlich zu gewinnen: er überhäufte sie mit Artigkeiten, 
machte den liebenswürdigsten Wirth und brachte bei allen einen 
günstigen Eindruck hervor'. Selbst Demosthenes war, wie aus 
seinem Verfahren nach der Rückkehr erhellt, der Überzeugung dafs 
es Philipp um einen ehrlichen Frieden zu thun sei.  Philokrates 
stand, wenn nicht schon früher, wenigstens von nun an vollständig 
in makedonischem Solde, und Aeschines war so völlig von seinem 
Eifer wider Philipp bekehrt ?, dafs er fortan nur die makedonischen 
Interessen vertrat: anfangs vielleicht olne Ahnung dafs er zum 
Werkzeuge des Betruges dienen sollte: aber er blieb auf der Bahn 
des Verrathes auch als die Falschheit Philipps ollenbar worden war. 

Sehr befriedigt von dem Empfange, der ihnen am makedoni- 
schen Hofe geworden war, traten die Gesandten ihre Rückreise an. 
Aeschines erzählt, Demosthenes, den er bei der Hinreise ® als einen 
unerträglichen anmafsenden Gesellen geschildert hat, sei jetzt mit 
einem Male freundlich und zutraulich geworden; habe dem einen 
dies, dem andern jenes versprochen, insbesondere habe er ihn sel- 
ber mit Lobsprüchen überhäuft. Er berichtet auch von einem ge- 
meinsamen Mahle aller Gesandten zu Larisa, wo Demosthenes 
Philipp als kunstfertigen Redner gerühmt, was er — Aeschines — 


ἐπιστολήν, ἣν ἠνέγκαμεν ἡμεῖς, ὅτι “ἔγραφον δ᾽ ἂν καὶ διαρρήδην 
«ἡλίκα ὑμᾶς εὖ ποιήσω, εἰ εὖ ἤδειν καὶ τὴν συμμαχίαν Bar γενησομέ- 
ἐγῃν" κτλ. Heges. üb. Halonn. 33 8. 85, 3 (Φίεππος) ὁ ἐν ἐπιστολῇ 
γεγραφώς, n ἐστι νῦν ἐν τῷ βουλευτηρίῳ, ὅτ᾽ ἐπιστομιεῖν ἡμᾶς ἔφη 
τοὺς αὐτῷ ἀντιλέγοντας, ἐὰν ἡ εἰρήνη γένηται τοσαῦτα ὑμᾶς ἀγαθὰ 
ποιήσειν, ἃ γράφειν ἂν ἤδη, εἰ ἤδει τὴν εἰρήνην ἐσομένην κτλ. Vel. 
Böhnecke F. I, 385f. Damit Demosthenes als Schmeichler Philipps 
erscheine, läfst ihn Aeschines bei der zweiten Gesandtschaft auf jene 
Worte anspielen (2, 110 8. 42): καὶ προσέϑηκέ τι τοιοῦτον ἐνθύμημα 
τῷ λόγῳ, ὅτι πρῶτος ἐπιστομίσαι τοὺς τὴν εἰρήνην ἐκκχλείοντας, οὐ 
τοὶς λόγοις, ἀλλὰ τοῖς χρόνοις. 

1) Vgl. u. den Bericht der Gesandten. 

2) Vgl. Plutarch. a. O, 


3) Aesch. 2 21 S. 30£. ὅλην τὴν πορείαν ἠναγχκαξζόμεϑα ὑπομένειν 
“Ἰημοσϑένην ἀφόρητον ὄντα καὶ βαρὺν ἄνϑρωπον. 
DEMOSTHENES II. 13 


194 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


zugegeben, Ktesiphon aber Philipps Liebenswürdigkeit über- 
schwänglich gepriesen habe. Alles dies könnte wahr sein, aber 
Aeschines verräth seine Absicht nur zu bald: die ganze Episode ist 
blofs darauf angelegt glauben zu machen, dafs der von ihm und 
seinen Mitgesandten zu Athen erstattete Bericht auf nichts weniger 
als einer mit Demosthenes geschlossenen Wette und besonderen 
Übereinkunft beruhe '. So greift er, um nicht bei seiner Rede 
gehalten zu werden, zu einer Ausflucht welche geradezu den Pflich- 
ten eines Gesandten gegen seine Vollmachtgeber Hohn spricht. 

Zu Athen angekommen erstatteten die Gesandten zunächst dem 
Rathe einen kurzen Bericht und händigten das Schreiben Philipps 
aus: darauf stellte Demosthenes als Mitglied des Rathes mit loben- 
der Erwähnung des Aeschines den herkömmlichen Antrag, die &e- 
sandten als um das athenische Volk wohlverdiente Männer mit Oli- 
venzweigen zu bekränzen und auf den folgenden Tag zu dem Ehren- 
mahle im Prytaneion zu laden”. Daran knüpfte Demosthenes 
weitere Anträge über das den makedonischen Gesandten zu erthei- 
lende freie Geleit und über die Modalität der Friedensverhandlun- 
gen, welche er, nach erfolgter Zustimmung des Rathes, der näch- 
sten Volksversammlung vorlegte *. Vor der Bürgerschaft statteten 
die Gesandten des breiteren Bericht ab, jeder einzeln, wieder dem 
Alter nach *. Und da konnten sie denn nicht genug von Philipp 
erzählen, von seinen angenehmen Manieren, seiner schönen Gestalt, 
seinem Witz und seiner Laune bei Trinkgelagen. So Ktesiphon ; 
und Philokrates und Derkylos werden in ähnlicher Weise Philipp 
belobt und die Athener seines Wohlwollens versichert haben. Ae- 
schines berichtete ausführlich, was er selber geredet und was Phi- 
lipp darauf geantwortet: er wulste besonders-zu rühmen, wie tref- 


1) A. O. 40-43 8. 33; vgl. 47f. 8. 34. 

2) Böhnecke F. I, 387. S. Aesch. 2, 45f. S. 34, Dem. vd&. 234 
S. 414, ὃ — τὸ κοινὸν ἔϑος ποιῶν. Vel. über diesen Brauch 31 S. 350, 
23—27. Westermann de publ. Ath. hon. ὃ. 47. Meier de vit. Lye. S. CIII. 

3) Nur von dem freien Geleite sagt es Aesch. 3, 65 8.62 ausdrück- 
lich: μόνος τῶν ἄλλων βουλευτῶν ἔγραψε σπείσασϑαι τῷ κήρυκι τῷ 
ἀπὸ τοῦ Φιλίππου καὶ τοῖς πρέσβεσιν κτᾶ.; es versteht sich aber von 
selbst dafs Demosthenes auch über die weiteren Vorschläge, die er an 
das Volk brachte (S. 196) einen Vorbeschlufs des Rathes veranlafste. 

4) S. über die ganze Verhandlung Aesch. a. O. 47—54 S. 34f.; 
vgl. auch 42f, S. 33. 25 8. 31. 


Berichterstattung der Friedensgesandtschaft. 195 


fend und wie beredt Philipp gesprochen: verkehrt und unschicklich 
sei es ihn zu schmähen und ihn einen Barbaren zu nennen, er sei 
vielmehr so gut ein Hellene wie nur einer, ein warmer Freund der 
Athener '. In diesem Sinne berichtete er unter grofsem Beifalle 
des Volks über die mit Philipp gepflogenen Verhandlungen: was 
Ampbhipolis betraf mit der Bemerkung, er habe es Demosthenes 
überlassen wollen darüber das Wort zu führen ?. Zu allerletzt kam 
die Reihe an Demosthenes. Wie Aeschines erzählt — und er hat 
vorausgeschickt dafs er hier nicht lügen könne, da ja die Richter 
selbst die Reden in der Volksversammlung gehört haben ὅ — so ta- 
delte er die Zuhörer und die Gesandten, dafs sie mit fremdartigem 
Gerede die Zeit hinbrächten statt über die Staatsgeschäfte Rath zu 
pflegen. Er selbst gieng aus von dem Volksbeschlusse, auf Grund 
dessen die Gesandtschaft unterhandelt hatte und liefs schliefslich 
als Ergebnifs das Antwortschreiben Philipps an die Athener verle- 
sen*. Dies habe die Grundlage ihrer ferneren Berathung zu bil- 
den. Hingegen wies er die Lobeserhebungen Philipps in denen 
sich die Gesandten ergangen hatten spöttelnd zurück, als Possen, 
die mit der Sache nichts zu schaffen hätten °: namentlich verwahrte 
er sich dawider, dafs über Amphipolis Aeschines ihm das Wort ab- 
getreten habe: Aeschines habe nichts zurückgehalten was er zu Phi- 
lipp sagen wollte, und werde eher von seinem Blute als von einer 
Rede einem andern ablassen °. Schliefslich brachte er die vom 


1) Vgl. Dem. a. O. 308 8. 439, 25 εἶναί te τὸν Φίλιππον αὐτόν, 
“Hocnisıg , ElAmvınwrarov ἀνθρώπων, δεινότατον λέγειν, φιλαϑηναιό- 
τατον Ari. 

2) Vgl. oben 5. 190. 

3) 44 8. 33 τῶν δ᾽ ἐπὶ τοῦ βήματος παρ᾽ ὑμῖν λόγων ὑμεῖς ἀκη- 
κόατε, ὥστε οὐκ ἐνέσται μοι ψεύδεσθαι. 

4) Vgl. dieselbe Form actenmäfsiger Berichterstattung Dem. vKr. 
214 S. 299, 23. In der Rede wider Ktesiphon 63 S. 62 sagt Aeschines 
χἀκεῖϑεν (ἐκ Μακεδονίας) ἐπανήκων ἐπαινέτης ἣν τῆς εἰρήνης, καὶ 
ταὐτὰ τοῖς ἄλλοις πρέσβεσιν ἀπήγγελλεν. 

5) Aeschines bringt diese Abfertigung (51 ἢ, S. 34) später in an- 
derer Form (112 S. 42. Vgl. Plut. Dem. 16), als habe sich Demosthenes 
deshalb vor Philipp entschuldigt. Weder in der einen noch in der an- 
dern Gestalt wird sie genau den Worten des Demosthenes entsprechen. 

6) Dem. vdG. 254 S. 421, 8 ἐγὼ δὲ παρελϑὼν οὐδὲν ἔφην τοῦτον 
ὧν ἐβούλετ᾽ εἰπεῖν πρὸς Φίλιππον ἐμοὶ παραλιπεῖν: ϑῶᾶττον γὰρ ἂν 
τοῦ αἵματος ἢ λόγου μεταδοῦναί τινι. Aesch. 2, 52f. S. 34 “λόγον τίς 


13* 


196 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Rathe bereits gutgeheifsenen Anträge an die Bürgerschaft: dem 
von Philipp abgeschickten Herolde und den angemeldeten Ge- 
sandten freies Geleit zu gewähren: ferner, die Prytanen sollten 
gleich nach dem Eintreffen der Gesandten zwei Tage hinter einan- 
der die Volksgemeinde berufen um über Philipps Friedensvor- 
schläge zu berathen und Beschlufs zu fassen. Diese Anträge wur- 
den von der Bürgerschaft genehmigt, endlich auch den athenischen 
Gesandten die üblichen Ehren zuerkannt '. Inzwischen rückte das 


2 \ . εν 3 Φ 9 3 Ως Θὲ. ἀν ς: »», 
φησιν ἐμοὶ καταλιπεῖν ὑπὲρ ἀμφιπόλεως: ἀλλ οὐτ ἂν υμῖν ὁ ῥήτωρ 
«οὗτος οὔτ᾽ ἂν ἐμοὶ λόγου μεταδοίη. ταῦτα μὲν οὖν λῆρός ἐστιν᾽, 
ἔφη" “ἐγὼ δὲ κτλ. 


1) Aesch. 2, 1008, 5. 42 zählt drei von Demosthenes verfafste 
Volksbeschlüsse über die Modalität der Verhandlungen auf, 1. σπείσα- 
σϑαι τῷ κήρυκι καὶ τῇ παρὰ Dılılnmov πρεσβείᾳ, 2. τὸ περὶ τοῦ βου- 
λεύσασϑαι τὸν δῆμον ὑπὲρ εἰρήνης ἐν ταχταῖς ἡμέραις, 3. τὸ καὶ περὶ 
συμμαχίας βουλεύσασϑαι τὸν δῆμον. Von diesen gibt Aeschines 53 
S. 34 die beiden ersten von Demosthenes am Schlusse seines Gesandt- 
schaftsberichts gestellten Anträge mit Worten des Demosthenes ‘&yo 
δὲ ψήφισμα γράψω καὶ τῷ κήρυκι σπείσασϑαι τῷ παρὰ Φιλίππου 
ἥκοντι καὶ τοῖς μέλλουσι παρ᾽ αὐτοῦ δεῦρο ἰέναι πρέσβεσι" καὶ τοὺς 
«πρυτάνεις, ἐπειδὸν ἤκωσιν οἵ πρέσβεις, ἐκκλησίαν ἐπὶ δύο ἡμέρας 
«ποιεῖν, μὴ μόνον ὑπὲρ εἰρήνης, ἀλλὰ καὶ περὶ συμμαχίας" καὶ τοὺς 
«πρέσβεις ἡμᾶς, εἰ δοκοῦμεν ἄξιοι εἶναι, ἐπαινέσαι καὶ καλέσαι ἐπὶ 
«δεῖπνον εἰς τὸ πρυτανεῖον εἰς αὔριον". Darauf läfst Aeschines die 
ψηφίσματα verlesen, deren also drei sind, das erste und zweite ent- 
sprechend den oben aufgeführten, das dritte ist hier das Belobungs- 
decret für die Gesandten. Auf den zweiten Volksbeschlufs kommt Ae- 
schines in der Rede von der Gesandtschaft mit keinem tadelnden 
Worte zurück; er sagt nirgends dafs unter den ταχταὶ ἡμέραι ein 
Feiertag gewesen (vgl. KFHermann A. II, 59, 4): das bringt er erst 
in der Rede wKtes. 66f. S. 63, und führt als Inhalt des Volksbeschlus- 
ses an: Ζημοσϑένης — γράφει ψήφισμα — ἐκκλησίαν ποιεῖν τοὺς πρυ- 
τάνεις τῇ η΄ ἱσταμένου τοῦ ἐλαφηβολιῶνος μηνός —, ἵνα, φησίν, ἐὰν 
ἤδη παρῶσιν ol τοῦ Φιλίππου πρέσβεις, βουλεύσηται 6 δῆμος ὡς τά- 
χιστα περὶ τῶν πρὸς Φίλιππον. Dals Aeschines hier nur ἀϊποη Tag 
anführt, erklärt sich daher, dafs er nur gegen diesen als Festtag etwas 
einwenden konnte. Den dritten (später gefafsten) Volksbeschlufs gibt 
Aesch. 3,68 8.63: μετὰ δὲ ταῦτα — ἧκον ol τοῦ Φιλίππου πρέσβεις -. 
ἐνταῦϑ'᾽ ἕτερον ψήφισμα νικᾷ “ημοσϑένης, ἐν ᾧ γράφει μὴ μόνον 
ὑπὲρ τῆς εἰρήνης, ἀλλὰ καὶ συμμαχίας ὑμᾶς βουλεύσασϑαι, -- εὐθὺς μετὰ 
τὰ Διονύσια τὰ ἐν ἄστει, τῇ η΄ καὶ 9 ἐπὶ ι΄. Eben diesen läfst er 2, 
ΟἹ 5. 80 verlesen: παρανάγνωϑι δή μοι καὶ τὸ “]]ημοσϑένους ψήφισμα, 
ἐν ᾧ κελεύει τοὺς πρυτάνεις μετὰ τὰ “ιονύσια τὰ ἐν ἄστει καὶ τὴν ἐν 


Modalität der Friedensverhandlungen zu Athen. 197 


Fest der städtischen Dionysien heran, während dessen an Staats- 
verhandlungen nicht zu denken war. Deshalb bewirkte Demosthe- 
nes schon im voraus den Beschlufs, die Prytanen sollten auf den 
8. Elaphebolion (5 April), den letzten Tag vor den Dionysien, an 
dem eines Asklepiosopfers und eines Vorspiels halber in der Regel 
die Geschäfte ruhten, eine Volksversammlung halten, damit nach 
Ankunft der makedonischen Gesandten die Bürgerschaft so schnell 
als möglich ihre Botschaft anhören und über den Vertrag mit Phi- 
lipp rathschlagen könne. Aber die Gesandten trafen erst zum Feste 
ein, und so wurde noch ein dritter Beschlufs gefafst, den wieder De- 
mosthenes aufsetzte, zu den Verhandlungen über Frieden und Bünd- 
nifs gleich nach den Dionysien und der Volksversammlung im Dio- 
nysostempel zwei Volksversammlungen zu halten, die eine am 18, 
die andere am 19 Elaphebolion (15. 16 April): und zwar sollten an 
dem ersten Tage beliebige Anträge gestellt werden können, am 
zweiten aber nur über die bereits vorliegenden Anträge Beschlufs 
gefafst werden !. 

Alle die erwähnten Mafsregeln, welche Demosthenes als leiten- 
des Mitglied des Rathes zu Raths- und Volksbeschlufs brachte, wa- 
ren rein formeller Art, darauf berechnet die Verhandlungen ohne 
Aufschub zu Ende zu führen. Zugleich nahm Demosthenes auch 
Bedacht darauf die Gesandten mit allen Ehren die ihrer Stellung 
gebührten zu empfangen und die ausgezeichnet gastliche Aufnahme, 
welche er und seine Mitgesandten am makedonischen Hofe erfah- 
ren, angemessen zu erwiedern. Seinem Vorschlage gemäls liefs 
ihnen der Rath bei den dionysischen Spielen im Theater einen Eh- 
renplatz anweisen und Demosthenes selbst geleitete sie dahin: auch 
veranstaltete er für seine Person ihnen ein glänzendes Gastmahl. Er 
hatte gesehen, wie viel die Makedonen auf dergleichen gaben und 


“Ιονύσου ἐκκλησίαν (vel. ο. S. 91) προγράψαι δύο ἐκκλησίας, τὴν μὲν 
τῇ η΄ ἐπὶ ι΄, τὴν δὲ τῇ 8' ἐπὶ ι΄ κτλ. 

1) Aesch. 2, 65 $. 36 τὸ ψήφισμα -- τὸ “Πημοσϑένους, ἐν ᾧ φαί- 
νεται γεγραφὼς τῇ μὲν προτέρᾳ τῶν ἐκκλησιῶν συμβουλεύειν τὸν βου- 
λόμενον, τῇ δ᾽ ὑστέρᾳ τοὺς προέδρους ἐπιψηφίζειν τὰς γνώμας, λόγον 
δὲ μὴ προτιϑέναι; vgl. 66. Dem. vdG. 15 8. 345, 18 εἰς τὴν ὕστε- 
ραίαν, ἐν 7 τὴν εἰρήνην ἔδει κυροῦσϑαι. Diese Bestimmung, deren 
Schlufs übrigens, wie sich später zeigen wird, von Aeschines nicht 
correct wiedergegeben ist, mag schon der zweite Volksbeschlufs ent- 
halten haben. Über das ἐπιψηφίζειν 5. Schömann de comit. S. 120f. 


198 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


hielt es dem Anstande gemäfs darin nicht zurückzustehen '. Hatte 
doch auch König Philipp die ersten Männer seines Reiches, seine ver- 
trauten Antipater und Parmenion (als dritter wird noch Eurylochos 
genannt) ? als seine bevollmächtigten an das athenische Volk ge- 
sendet, ein Beweis wie hohe Bedeutung er den bevorstehenden 
Verhandlungen beimafs. 

Wir sehen bei dieser Gelegenheit wiederum, dafs Demosthe- 
nes von nichts weiter entfernt war als davon mit blindem Eifer die 
Athener zum Kriege zu treiben und als ein geschworener Feind des 
makedonischen Namens sich zu geberden. Aeschines freilich wird 
nicht müde Demosthenes einen Vorwurf daraus zu machen dafs er 
den Makedonen Auszeichnungen angedeihen liefs, welche auch sonst 
bei fremden Gesandten üblich waren: gerade in seiner späteren 
Rede ergeht er sich am breitesten darüber. Doch wie könnte uns 


1) Aesch. 2, 55 8. 35. 110f. S. 42. 3, 76 S. 64. Dem. vdG. 235 
8.414, 9 καὶ vn A’ ἔγωγε καὶ τοὺς παρὰ τοῦ Φιλίππου πρέσβεις ἐξέ- 
vıoa, καὶ πάνυ γε, ὦ ἄ. A., λαμπρῶς: ἐπειδὴ γὰρ ἑώρων αὐτοὺς καὶ 
ἐπὶ τοῖς τοιούτοις ἐκεῖ σεμνυνομένους ὡς εὐδαίμονας καὶ λαμπρούς, 
εὐθὺς ἡγούμην ἐν τούτοις πρῶτον αὐτὸς περιεῖναι δεῖν αὐτῶν καὶ 
μεγαλοψυχότερος φαίνεσϑαι. ταῦτα δὴ παρέξεται νῦν οὗτος λέγων ὡς 
αὐτὸς ἐπήνεσεν ἡμᾶς καὶ αὐτὸς εἵστία τοὺς πρέσβεις", τὸ πότε οὐ 
διορίζων. Über den Ehrenplatz im Theater 5. Dem. vKr. 38 $. 234, 23. 
Dals die Gesandten von Staatswegen zu dem Mahle im Prytaneion ge- 
laden wurden (ἐπὶ ξένια) versteht sich von selbst. Vgl. über eine 
spätere makedonische Gesandtschaft Heges. üb. Halonn! 20 S. 81, 19 
Vömel. und über den Ausdruck Cobet V. L. S. 248. 

2) Dem. vdG. 69 S. 362, 28 nennt Antipater und Parmenion so, 
dafs wir sehen, sie haben wenigstens allein das Wort geführt; daher 
sprechen die Scholien zu 40 S. 353, 24 und zur R. vKr. 28 S. 234, 24 
von ihnen als den einzigen Gesandten, an letzterer Stelle mit verwor- 
renem Gerede über den dort erwähnten Zweiobolenplatz (5. Böckh Sth. 1, 
308°). Das zweite Argument zur R. vdG. S. 336, 10 nennt als dritten 
Gesandten Eurylochos, der Phil. 3, 58 S. 126, 1 (nach der gemeinen 
Lesart) als Feldherr Philipps erwähnt wird. Jenes Argument ist ( wie 
alle derselben Hand) wenig verläfslich und bindet uns noch an einer 
andern Stelle einen Namen auf (s. o. Buch I, 5); hier aber kann es 
wohl berichtet sein: wenigstens scheint auch Aesch. 3, 76 8. 64 (Inu.) 
ἐμισϑώσατο αὐτοῖς τρία ξεύγη ὀρικά, wie Böhnecke F. I, 389, 5 be- 
merkt hat, auf drei Gesandte zu führen. Bei Deinarch 1, 28 5. 93 
heilst es τοῖς πρέσβεσιν --τοῖς μετ᾽ "Avrınaroov δεῦρ᾽ ἐλϑοῦσιν. Anti- 
pater nennt auch Aesch. 3, 72 5. 64. Isokr. Br. ὃ. 1 8. 411: vgl. 
Lukians] Lobschr. auf D. 32. 


Modalität der Friedensverhandlungen zu Athen. 199 


das befremden. Da er nicht im Stande ist zu beweisen dafs Demo- 
sthenes in der Sache den athenischen Interessen je etwas vergeben 
hat, mufs er sich auf Nebendinge werfen die einen bösen Schein 
geben können. Seinen Reden nach zu urteilen hätte Demosthenes 
consequenter Weise sich aus allen Kräften gegen den Frieden , wie 
er auch lautete, stemmen müssen, nimmermehr hätte er die Bera- 
thung über das von Philipp ausdrücklich angebotene Bündnifs auf 
die Tagesordnung bringen oder den Gesandten Zutritt zu der Volks- 
versammlung verschaffen dürfen ', am wenigsten den Makedonen die 
geringste Artigkeit erweisen. Macht es nicht Aeschines am Ende 
gar Demosthenes zum Verbrechen dafs er im Auftrage der atheni- 
schen Bürgerschaft als Gesandter nach Makedonien gegangen ist? 
das durfte er nicht einmal, geschweige denn zweimal thun. Ohne 
Zweifel wäre dies consequent gewesen im Sinne einer unabänderli- 
chen Parteibestrebung, aber Beruf und Pflicht des Staatsmannes 
war es nicht. Demosthenes hatte während des ohne sein Zuthun 
entsponnenen Krieges Philipp mit der ganzen Kraft seines Geistes 
bekämpft, aber umsonst. Jetzt bot der König der erschöpften und 
von den übrigen Hellenen verlassenen Stadt die Hand zum Frieden, 
zu Bundesgenossenschaft. War es nicht eine Thorheit und blinde 
Vermessenheit sie zurückzuweisen, sobald nämlich das Anerbieten 
ehrlich gemeint war? Demosthenes glaubte einen Augenblick dar- 
an, wie er denn niemals grundsätzlich wider einen Frieden mit 
Philipp gewesen war ὁ: nach besten Kräften arbeitete er darauf hin, 
dafs ein billiger und gerechter Friede welcher Dauer verspräche zu 
Stande käme und benutzte seine Stellung im Rathe dazu um Leuten 
wie Eubulos und Philokrates nicht das Feld allein zu lassen. Lei- 
der erfuhr er bald genug, dafs er sich in seinem guten Glauben ge- 


1) Demosthenes antwortet darauf vKr. 28 $. 234, 19 εἰ δὲ Bov- 
λεύων ἐγὼ προσάγειν τοὺς πρέσβεις ὥμην δεῖν, τοῦτό μου διαβάλλει. 
ἀλλὰ τί ἐχρῆν μὲ ποιεῖν; μὴ προσάγειν γράψαι τοὺς ἐπὶ τοῦϑ᾽ ἥκοντας, 
ἵν᾽ ὑμῖν διαλεχϑῶσιν; Vgl. vdG. 236 5. 414, 20. Fremden Gesandten 
gewährte der Rath Zutritt zu der Volksversammlung, 
darin das Wort zu nehmen; vgl. über das προσάγειν Aesch. 2,58 8. 35 
ταῖς δὲ Eevinaög πρεσβείαις ἡ βουλὴ τὰς εἰς τὸν δῆμον προσύδους 
προβουλεύει. C. I. gr. I, 85», 8 5. 8071. δεδ[όχϑαι τ]ὴ βουλὴ -- προσ- 
ayaysiv δὲ τοὺς πρέσβεις [πρὸς τὸν] δῆμο[»] εἰς τὴν πρ[ὠ͵τὴην ἐκ[κλη]- 
σί[αν]. Pollux 8, 96. 

2)». Phil. 1, 15 8. 44. 10. 


mit dem Rechte 


200 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


täuscht habe: ist das ein politischer Fehler, so ist es einer der sei- 
nem Charakter Ehre macht. Von diesem Momente — und die ver- 
hängnifsvolle Wendung fällt eben in die Schlufsverhandlungen über 
den Frieden — hat er sich nicht wieder dem Gedanken hingegeben 
dais ein Makedonenkönig es mit Athen wohl meinen könne, und 
seine Gastfreundschaft mit Antipater hat sich in tödtlichen Hafs 
aufgelöst. 

Indessen stellt Aeschines “ine Behauptung auf, welche die 
Sache betrifft: er versichert nämlich durch die Beschleunigung der 
Friedensverhandlungen und die Vorherbestimmung der Tage an de- 
nen die Volksgemeinde berathen und beschliefsen sollte sei Demo- 
sthenes daran schuld gewesen, dafs man nicht die Ankunft der hel- 
lenischen Gesandtschaften abwartete welche von den Athenern zu 
einem allgemeinen Congresse geladen waren. Es gilt die Entgeg- 
nung auf ein Wort des Demosthenes ': Aeschines habe durch seine 
Rede verhindert (in welcher Weise werden wir später zu erwägen 
haben) dafs anderen Hellenen der Beitritt zum Frieden offen gehal- 
ten wurde, in Gegenwart und vor den Ohren der Gesandten, welche 
die Athener von den Hellenen einberiefen, von ihm überredet als er 
sich noch nicht verkauft hatte. Es handelt sich also dabei, wie auch 
Aeschines in seiner Replik wiederholt *, um die nach der Zerstö- 
rung Olynths von Athen aus ergangene Einladung, um die Gesandt- 
schaften welche während noch der Krieg mit Philipp im Gange war 
von den Athenern abgeordnet wurden. Diese aber waren, wie Ae- 
schines und Demosthenes übereinstimmend bezeugen, ohne allen 
Erfolg geblieben, kein hellenischer Staat hatte der Aufforderung 


1) VaG. 16 8. 346, 1 — καὶ ταῦϑ' ὁ σχέτλιος καὶ ἀναιδὴς οὗτος 
ἐτόλμα λέγειν ἐφεστηκότων τῶν πρέσβεων καὶ ἀκουόντων, οὖς ἀπὸ τῶν 
Ἑλλήνων μετεπέμψασϑε ὑπὸ τούτου πεισϑέντες, ὅτ᾽ οὔπω πεπρακὼς 
αὑτὸν ἦν. . 

2) 2, 57f. 5. 35 τοὺς γὰρ λόγους τούτους ἐναντίον φησὶ τῶν πρέ- 
σβεων λέγεσϑαι, οὖς ἔπεμψαν πρὸς ἡμᾶς οἵ Ἕλληνες μεταπεμφϑέντες 
ὑπὸ τοῦ δήμου, ἵνα κοινῇ καὶ πολεμοῖεν, εἰ δέοι, Φιλίππῳ μετὰ ᾿4ϑη- 
ναίων καὶ τῆς εἰρήνης, εἰ τοῦτο εἶναι δοκοίη συμφέρον, μετέχοιεν --. 
τῶν γὰρ πρέσβεων, οὖς ἐξεπέμψατε εἰς τὴν Ελλάδα ἔτι τοῦ πολέμου 
πρὸς Φίλιππον ὑμῖν ἐνεστηκότος κτλ. Irrig nimmt Böhnecke F.1, 199. 
378f. 733 eine abermalige Beschickung hellenischer Staaten an und 
Winiewski Comm. in D. or. pro cor. ὃ. 76% die Absicht dazu. Vgl. 
Franke a. Θὲ S. 21. 


N 


Angebliche Ausschlielsung der Hellenen. 201 


der Athener entsprochen '. Darum kann Aeschines mit vollem 
Rechte erwiedern, dafs damals — d. h. zu den Friedensverhandlun- 
gen — von keinem einzigen hellenischen Staate eine Gesandtschaft 
eingetroffen sei ?, eine Versicherung die in Demosthenes Rede vom 
Kranze ® ihre Bestätigung findet. Wenn jenen Worten des Demo- 
sthenes etwas thatsächliches zu Grunde liegt und sie nicht blofs um 
der schneidenden Antithese willen gesprochen sind *, so mögen sie 
von Theoren gelten die zu den Dionysien gesendet nach dem Feste 
noch ohne öffentlichen Auftrag den Friedensverhandlungen beiwohn- 
ten: aber da sie die Theilnahme am Kriege abgelehnt, hatten die 
Staaten zu denen Aeschines und Genossen früher gesandt waren 
keine Veranlassung sich an dem Friedensschlusse der Athener zu 
betheiligen, denn sie standen in Frieden mit Philipp. 

Aber Aeschines läfst es nicht dabei bewenden nachzuweisen dafs 
keine hellenische Gesandtschaft eingetroffen war um mit den Athe- 
nern einen Congress abzuhalten, sondern er geht weiter und sagt: 
sie sollten erst noch kommen, und Demosthenes ist schuld dafs sie 
nicht abgewartet wurden. Damit sagt er entschieden eine Unwahr- 
heit: bekennt er ja selber, wie wir eben gesehen haben, dafs die 
Athener völlig isoliert waren, dafs keine Seele daran dachte ihnen 
beizustehen, dafs wer nicht gegen Athen mit unter Wallen stand, 
gleichgiltig die Dinge gehen liefs: hatten doch sogar die Phokier 


1) S. ο. 5. 162. Aesch. 2, 79 8. 38 ἐγὼ δ᾽ ἐν μὲν τῷ πολέμῳ 
συνίστην, καϑ' ὅσον ἦν δυνατός, ᾿ἀρκάδας καὶ τοὺς ἄλλους “Ἑλληνας 
ἐπὶ Φίλιππον: οὐδενὸς δ᾽ ἀνθρώπων ἐπικουροῦντος τῇ πόλει, ἀλλὰ 
τῶν μὲν περιορώντων ὅ τι συμβήσεται, τῶν δὲ συνεπιστρατευόντων 
ὁμολογῶ συμβουλεῦσαι τῷ δήμῳ διαλύσασθαι πρὸς Φίλιππον καὶ τὴν 
εἰρήνην συνθέσϑαι. Dem. vKr. 20 8. 231, 21 -- ἡ τῶν ἄλλων ᾿Ἑλλή- 
νων, εἴτε χρὴ κακίαν εἴτ᾽ ἄγνοιαν εἴτε καὶ ἀμφότερα ταῦτ᾽ εἰπεῖν, ol 
πόλεμον συνεχῆ καὶ μακρὸν πολεμούντων ὑμῶν -- οὔτε χρήμασιν οὔτε 
σώμασιν οὔτ᾽ ἄλλῳ οὐδενὶ τῶν ἁπάντων συνελάμβανον ὑμῖν οἷς καὶ 
δικαίως καὶ προσηκόντως ὀργιξόμενοι ἑτοίμως ὑπηκούσατε τῷ Φιλίππῳ. 

2) Aesch. 2, 88. 5. 35 — οὗτος δέ φησιν ἐφεστάναι τὰς ἀπὸ τῶν 
Ἑλλήνων πρεσβείας. παρελϑὼν τοίνυν, “]ημόσϑενες, -- ἐν τῷ ἐμῷ λόγῳ 
εἰπὲ πόλεως ἧστινος βούλει Ἑλληνίδος τοὔνομα, ἐξ ἧς ἀφῖχϑαι τότε 
φὴς τοὺς πρέσβεις κτλ. 

3) 23 S. 233, 1 οὔτε γὰρ ἦν πρεσβεία πρὸς οὐδένας ἀπεσταλμένη 
τότε τῶν Ἑλλήνων, ἀλλὰ πάλαι πάντες ἦσαν ἐξεληλεγμένοι. 

4) Dies ist die Ansicht von Winiewski Comm. in D. or. de cor. 
S. 74", Böhnecke F. I, 74, 4. Franke prol. in Ὁ. or. de FL. S. 20. 


202 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


trotz dem früher geschlossenen Bündnisse neuerdings sich den Athe- 
nern entfremdet '. Freilich bringt Aeschines eine Urkunde, welche 
beweisen soll, dafs die einberufenen hellenischen Gesandtschaften 
noch erwartet wurden: einen gemeinsamen Beschlufs des Bundes- 
rathes über die Modalität der Friedensverhandlungen. Wir wissen 
dafs seit der Stiftung des neuen Seebundes alle Mitglieder desselben 
in diesem Synedrion vertreten waren, aber von seiner Wirksamkeit 
ist wenig zu spüren. Bei Eröffnung der Verhandlungen mit Philipp 
wurde, wie bereits erwähnt, vermuthlich auf besonderen Antrag des 
Bundesrathes ein abgeordneter aus dessen Mitte der Gesandtschaft 
beigegeben, und zwar nach Wahl der athenischen Volksgemeinde?, 
ein Beweis wie gering die Macht des Bundesrathes war. Jetzt lag 
ein neuer Beschlufs des Synedrions vor, der nach den Dionysien 
am 18 Elaphebolion in der Volksversammlung verlesen wurde ®. 
Er lautete dahin: da das athenische Volk über einen Frieden mit 
Philipp beräth, die Gesandten aber, welche das Volk in Hellas aus- 
gesendet hat um zum Schirme der Freiheit der Hellenen aufzurufen, 
noch nicht eingetroffen sind, so erachten die Bundesgenossen da- 
für, dafs nach Ankunft der Gesandten und nach ihrer Berichterstat- 
tung an die Athener und die Bundesgenossen die Prytanen zwei 
Volksversammlungen dem Gesetze gemäfs abhalten und dafs in die- 
sen die Athener über den Frieden berathen: das Ergebnils ihrer 
Berathung soll zugleich als gemeinsamer Beschlufs der Bundesge- 
nossen gelten *. Es wird dabei die Voraussetzung ausgesprochen 


1) 8. 176. 

2) S. 183. 

3) Aesch. 3, 69 5. 63 ἐπειδὴ τοίνυν — παρεληλύϑει τὰ Jıovvoı, 
ἐγίγνοντο δὲ αἵ ἐκκλησίαι, ἐν δὲ τῇ προτέρᾳ τῶν ἐκκλησιῶν ἀνεγνώσϑη 
δόγμα κοινὸν τῶν συμμάχων Ara. 

4) Aesch. 2, 60f. 8. 851, ἀνάγνωθι δὴ καὶ τὸ τῶν συμμάχων δό- 
γμα, τί λέγει, ἐν ᾧ διαρρήδην γέγραπται, ἐπειδὴ βουλεύεται ὁ δῆμος 
ὁ ᾿Αϑηναίων ὑπὲρ εἰρήνης πρὸς Φίλιππον, οἵ δὲ πρέσβεις οὔπω πάρ- 
εισιν, οὖς ἐξέπεωψεν ὃ δῆμος εἰς τὴν Ελλάδα παρακαλῶν τὰς πόλεις 
ὑπὲρ τῆς ἐλευϑερίας τῶν Ελλήνων, δεδόχϑαι τοῖς συμμάχοις, ἐπειδὰν 
ἐπιδημήσωσιν οἵ πρέσβεις καὶ τὰς πρεσβείας ἀπαγγείλωσιν ᾿4ϑηναίοις 
καὶ τοῖς συμμάχοις, προγράψαι τοὺς πρυτάνεις ἐκκλησίας δύο κατὰ 
τὸν νόμον" ἐν δὲ ταύταις βουλεύσασϑαι περὶ τῆς εἰρήνης ᾿4ϑηναίους" 
ὅ τι δ᾽ ἂν βουλεύσηται ὁ δῆμος, τοῦτ᾽ εἶναι κοινὸν δόγμα τῶν συμ- 
μάχων. ἀνάγνωθι δή μοι τὸ τῶν συνέδρων δόγμα. JOTMA ZTNE- 
ΡΩΝ. -- καὶ τὸ μὲν τῶν συμμάχων δόγμα κελεύει — ὑπὲρ τῆς εἰρήνης 


Beschlufs des Bundesrathes. 203 


sein, dafs der Friede unter billigen und gerechten Bedingungen ge- 
schlossen werde. Am Schlusse war hinzugefügt: es solle jedem 
hellenischen Staate freistehen binnen drei Monaten sich in dieselbe 
Friedensurkunde mit den Athenern eintragen zu lassen und an der 
Eidesleistung und dem Vertrage Theil zu haben !. 

Der vorliegende Beschlufs der Bundesgenossen hat in mehr als 
einem Betracht sowohl der Form als des Inhalts Anstofs gegeben. 
Zunächst hat es befremdet dafs Aeschines in der früheren Rede mit 
keinem Worte die Forderung erwähnt, dafs allen Hellenen eine Frist 
von drei Monaten zur Erklärung ihres Beitrittes zum Frieden aus- 
bedungen werden solle, dafs dagegen in der Rede wider Ktesi- 
phon von der zu erwartenden Rückkehr der athenischen Gesandten 
kein Wort zu lesen ist; ferner ist der Ton in dem das Synedrion 
den Athenern Verhaltungsregeln gibt, zum Theil gleichlautend mit 
dem demosthenischen Antrage, auffällig erschienen; vollends uner- 
klärlich die Berufung auf die noch nicht erfolgte Rückkehr und Be- 
richterstattung der an andere hellenische Staaten geschickten Ge- 
sandten. Was das erste betrifft so behauptet Böhnecke ?, was Wi- 
niewski als möglich erwogen aber minder wahrscheinlich gefunden 


μόνον ὑμᾶς βουλεύσασϑαι, Ζ]ημοσϑένης δὲ καὶ περὶ συμμαχίας κελεύει 
(vgl. ο. S. 196f.). 

1) Aesch. 3, 69f. 8.63 ἐπειδὴ τοίνυν — παρεληλύϑει τὰ “ιονύσια, 
ἐγίγνοντο al ἐκαλησίαι, ἐν δὲ τῇ προτέρᾳ τῶν ἐκκλησιῶν ἀνεγνώσϑη 
δόγμα κοινὸν τῶν συμμάχων, οὗ τὰ κεφάλαια διὰ βραχέων ἐγὼ προ- 
ἐρῶ. πρῶτον μὲν γὰρ ἔγραψαν ὑπὲρ εἰρήνης ὑμᾶς μόνον βουλεύσα- 
σϑαι, τὸ δὲ τῆς συμμαχίας ὄνομα ὑπερέβησαν --" ἔπειτα-- προσέγραψαν 
ἐν τῷ δόγματι ἐξεῖναι τῷ βουλομένῳ τῶν Ἑλλήνων ἐν τρισὶ μησὶν εἰς 
τὴν αὐτὴν στήλην ἀναγεγράφϑαι μετ᾽ ᾿ϑηναίων καὶ μετέχειν τῶν ὅρ- 
κων καὶ τῶν συνθηκῶν --. ὅτι δ᾽ ἀληϑὴ λέγω, ἐξ αὐτοῦ τοῦ δόγματος 
ἀκούσαντες μαϑήσεσϑε. JOTMA ΣΥΜΜΆΧΩΝ. Dafs in diesem De- 
crete von einem Bündnisse nicht die Rede war, erhellt aus dem Gegen- 
satze in den es Demosthenes zu dem Antrage des Philokrates stellt, 
vdG. 143f. S. 385, 15—29; dafs es forderte allen Hellenen solle der 
Beitritt zu dem Frieden verstattet werden, aus dem Gegensatze zu 
der Rede des Aeschines vom 19 Elaphebolion 15f. S. 345, 17—29 — ἐμοῦ 
τῷ τῶν συμμάχων συνηγοροῦντος δόγματι καὶ τὴν εἰρήνην, ὅπως ἴση 
καὶ δικαία γένηται, πράττοντος, καὶ ὑμῶν βουλομένων ταῦτα κτὶ. Ich 
schliefse daraus, freilich mit unsicherer Muthmafsung, dafs in dem Be- 
schlusse des Synedrions ausdrücklich von einem ‘billigen und gerech- 
ten Frieden’ die Rede war. 

2) F. I, 391. 


204 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


hatte ', es sei der Beschlufs der Bundesgenossen, den Aeschines in 
seiner Vertheidigung anführt, verschieden von dem in der Rede wider 
Ktesiphon, jener vor dem 8 Elaphebolion erlassen (d. h. früher als 
der dritte Volksbeschlufs des Demosthenes den er auf diesen Tag 
setzt), dieser am 18 Elaphebolion in der Volksversammlung verle- 
sen. Aber durchweg ist nur von einem Decrete des Synedrions 
über den Abschlufs des Friedens die Rede, das bei den Berathungen 
der Athener zur Verlesung kam, und dem beigestimmt zu haben 
Aeschines sowohl in der einen wie in der andern Rede versichert ?; 
und die Anführungen lauten in einem Hauptpunecte wörtlich gleich ®. 
Allerdings finden wir das allerwichtigste des ganzen Beschlusses in 
der Vertheidigungsrede nicht erwähnt, über den Beitritt anderer 
Staaten, und wieder ist in der Rede wider Ktesiphon etwas anderes 
übergangen worauf Aeschines früher besonderen Nachdruck gelegt 
hat. An und für sich ist es nichts aufserordentliches, dafs vor Ge- 
richt ein Actenstück von dem Redner nicht seinem ganzen Inhalte 
nach recapituliert oder nicht vollständig verlesen wird, und Ae- 
schines, von seiner Schreiberpraxis her in dergleichen Kunstgrif- 
fen bewandert, hat auch bei Anführung von Gesetzen diese Freiheit 
misbraucht *. Und wie viel Ursache er hatte in seiner Vertheidi- 
gung von jenem Paragraphen völlig zu schweigen liegt auf der 
Hand: denn eben dessen klagt ihn Demosthenes an, dafs er bei 
der Schlufsverhandlung, gemäfs dem Antrage des Philokrates, ge- 
gen die Zulassung hellenischer Staaten, die nicht in dem Syne- 
drion der Bundesgenossen Athens vertreten waren, protestierte °: 


1) Comment. in D. or. de cor. S. 75f. Anm. 

2) Aesch. 2, 61 8. 36 τὸ - τῶν συμμάχων δόγμα — αὖ συνειπεῖν καὶ 
ἐγὼ ὁμολογῶ (vel. über diese am 18 Elaphebolion gehaltene Rede Dem, 
vdG. 1510. S. 345, 6 [im Gegensatze zu der vom folgenden Tage 15f. 
S. 345, 17£.]). 3, 71 8. 63 τούτῳ τῷ δόγματι συνειπεὶν ὁμολογῶ καὶ 
πάντες οἵ ἐν τῇ προτέρᾳ τῶν ἐκκλησιῶν δημηγοροῦντες (d. h. minde- 
stens aufser Philokrates). 

3) Aesch. 2, 61 8. 36 — κελεύει — ὑπὲρ τῆς εἰρήνης μόνον ὑμᾶς 
βουλεύσασϑαι. 3,69 8. 63 ἔγραψαν ὑπὲρ εἰρήνης ὑμᾶς μόνον Pov- 
λεύσασϑαι. Vgl. S. 202 Anm. 4 u. 5. 203 Anm. 1. Dafs es sich nur 
um &inen Beschlufs handelt, erkennt Franke prolegg. S. 23 an. 

4) Dem, vKr. 121 8. 268, 3 ἀλλ᾽ οὐδ᾽ αἰσχύνει — νόμους τοὺς 
μὲν μεταποιῶν, τῶν δ᾽ ἀφαιρῶν μέρη, οὖς ὅλους δίκαιον ἦν avayı- 
γνώσκεσϑαι τοὶς γε ὁμωμοκόσι κατὰ τοὺς νόμους ψηφιεῖσθαι. 

5) Dem. vdd. 15f. 5. 345, 175. 


Beschlufs des Bundesrathes. 205 


und Aeschines selber mufs bekennen dafs er zu Annahme des phi- 
lokrateischen Entwurfes gerathen hat '. In der Rede wider Ktesi- 
phon, sechzehn Jahre nach jenen Verhandlungen hatte Aeschines 
keine Ursache mehr den Schlufssatz des Deeretes zu verschweigen : 
denn hier gibt er, wie schon bemerkt ?, sich nicht mehr als bethei- 
ligten zu erkennen, sondern die Rolle, welche Aeschines neben Phi- 
lokrates gespielt, fällt nun Demosthenes zur Last: gegen diesen also 
wendet er jetzt den Paragraphen, der früher wider ihn selber zeu- 
sen mufste. Jedoch so leicht sich uns diese Auslassung erklärt, um 
so schwerer ist die Stelle im Eingange des Decretes zu begreifen 
‘da die Gesandten noch nicht eingetroffen sind, welche das Volk in 
“Hellas ausgesendet hat um die Staaten zum Schirme der Freiheit 
‘der Hellenen aufzurufen’. Dafs die kurze Recapitulation in der 
Rede gegen Ktesiphon sie nicht wiedergibt, schlage ich nieht eben 
hoch an; denn Aeschines hatte über diesen Gegenstand schon ein 
langes und breites gesprochen ὁ und zur Unterlage für seine weite- 
ren Behauptungen konnte er eben die Schlufssätze gebrauchen. 
Aber wie kann der Bundesrath sagen, die in Hellas ausgesand- 
ten Botschafter seien noch nicht heimgekehrt und ihr Bericht solle 
abgewartet werden? Gemeint sind, wie Aeschines unmittelbar vor- 
her sagt, die noch während des Krieges mit Philipp abgeschickten 
Gesandten: seit Friedensverhandlungen eingeleitet waren wurde 
keine neue Gesandtschaft an hellenische Staaten gesendet. Nun 
waren aus dem Peloponnes die abgeordneten Athens, ihren Wort- 
führer Aeschines an der Spitze, zurückgekehrt ehe die Athener zu 
Verhandlungen mit Philipp schritten *, eine Thatsache die dem Syn- 
edrion nicht unbekannt sein konnte: eben so wenig ist es wahr- 


1) 2, 79 8. 38. 
2) S. 185. 

3) 3,,58—68 5. 61—63; noch zuletzt heist es μετὰ δὲ ταῦτα — 
ἧκον οἵ τοῦ Φιλίππου πρέσβεις, οἵ δὲ ὑμέτεροι ἀπεδήμουν παρακὰ 
λοῦντες τοὺς “Ἕλληνας ἐπὶ Φίλιππον. Demosthenes Entgegnung 5. vKr. 
22—24 9. 232, 151. 

4) Aesch. 2, 58f. 5, 35 versichert das Gegentheil und schiebt De- 
mosthenes den Beweis dawider zu. Warum führt er ihn nicht selber 
und ruft die von Athen abgeordneten zu Zengen auf, während er ja 
sonst mit Zeugnissen für Dinge, die aufserhalb des Processes liegen, 
freigebig ist? Dafs Demosthenes sich darauf nicht einlassen werde 
einen Nebenumstand weitläuig zu erörtern konnte er sicher sein. Vel, 
auch Franke a. O. S, 20, 


206 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


schemlich dafs irgend eine andere Gesandtschaft und wäre sie auch 
nach dem Pontus oder nach Sieilien gegangen Jahr und Tag ausge- 
blieben sein sollte. Viel eher können wir mit Winiewski und We- 
stermann ' annehmen, dafs Aeschines den Beschlufs der Bundesge- 
nossen nicht getreu referiert hat. Denn was er weiterhin anführt 
scheint nichts anderes zu ergeben, als dafs der Bundesrath bean- 
tragte, es solle auf das Eintreffen der in Folge der athenischen Auf- 
forderung abgesendeten hellenischen Gesandtschaften und ihren 
Eintritt in das Synedrion gewartet werden ?. 

Dafs die Bundesgenossen Athens auf den Beitritt anderer hel- 
lenischen Staaten besonderen Werth legten, kann uns nur sehr be- 
greillich erscheinen: gerade von ihrer Seite werden an die von 
Athen aus erlassenen Einladungen freudige Hoffnungen geknüpft 


1) Winiewski a. OÖ. 8. 76. Westermann Qu. Dem. III, 41f. We- 
stermann vermuthet, Aeschines habe an der Stelle 2, 60 5, 35 οἵ δὲ 
πρέσβεις οὕπω πάρεισιν οὖς ἐξέπεμψεν ὁ δῆμος (εἰς τὴν Ἑλλάδα πα- 
ρακαλῶν τὰς πόλεις) ὑπὲρ τῆς ἐλευϑερίας τῶν Ελλήνων die eingeklam- 
merten Worte eingeschwärzt um damit den Sinn des Decretes zu ver- 
drehen: es habe sich auf die athenische Gesandtschaft an Philipp be- 
zogen. Aberich glaube nicht dafs es vor deren Heimkehr erlassen sei. 
Eher würde ich an die makedonischen Gesandten denken, vor deren 
Ankunft die Modalität der Verhandlungen festgestellt wurde: vgl. Aesch. 
3, 67 8. 63 “ζνα᾽, φησὶν (Δἀημοσϑένης), “ἐὰν ἤδη παρῶσιν οἵ τοῦ Φι- 
“λίππου πρέσβεις, βουλεύσηται ὁ δῆμος ὡς τάχιστα περὶ τῶν πρὸς Φέ. 
“λιππον᾽, τοῖς οὔπω παροῦσι πρέσβεσι προκαταλαμβάνων τὴν ἔκκλη- 
σίαν. Dann hätte Aeschines an jener Stelle den ganzen Relativsatz 
eingeschoben. Indessen scheinen mir manche Gründe eher für die im 
Texte gegebene Auffassung zu sprechen. 


2) Aesch. 2, 61f. 5. 36 stellt dem Decrete des Synedrions die Be- 
stimmung der Verhandlung auf den 18 und 19 Elaph. gegenüber, welche 
Demosthenes getroffen ὁρίζων τὸν χρόνον καὶ προὐφαιρῶν τὰς ἐκκλη- 
σίας πρὶν ἐπιδημῆσαι τοὺς ἀπὸ τῶν Ἑλλήνων πρέσβεις. Nach Verle- 
sung des demosthenischen Volksbeschlusses fährt er fort: τῶν μὲν ψη- 
φισμάτων ἀμφοτέρων ἠκούσατε, ὦ A., ὑφ᾽ ὧν ἐξελέγχεται σΙημοσϑένης 
τὰς ἀποδημούσας πρεσβείας ἐπιδημεῖν φάσκων (8 58 5. 35 οὗτος δέ 
φησιν ἐφεστάναι τὰς ἀπὸ τῶν Ἑλλήνων πρεσβείας) καὶ -- τὸ τῶν συμ- 
μάχων ἄκυρον πεποιηκὼς δόγμα. οἵ μὲν γὰρ ἀπεφήναντο ἀναμεῖναι 
τὴν πόλιν τὰς Ἑλληνικὰς πρεσβείας, “Ἰημοσϑένης δὲ οὐ λόγῳ μόνον 
κεκώλυκε περιμεῖναι -- ἀλλ᾽ ἔργῳ καὶ ψηφίσματι, προστάξας ἤδη βεβου- 
λεῦσϑαι. Vgl. auch Dem. vdG. 807 9. 439, 22 τῶν -- κελευόντων μετὰ 
τῶν Ἑλλήνων περὶ τῆς πρὸς Φίλιππον εἰρήνης βουλεύεσϑαι (εἶπεν Al- 
σχίνης) ϑαυμάζξειν κτλ. 


Beschlufs des Bundesrathes. 207 


sein. Jetzt galt ihre Stimme wenig oder nichts, die Seestädte deren 
Vertreter in dem Synedrion safsen seufzten unter den Steuern und 
den Erpressungen athenischer Feldherrn. Wie ganz anders mufste 
sich das gestalten, wenn wieder , wie ein Menschenalter zuvor, be- 
deutende Staaten dem Bunde beitraten und ihr Ansehen ins Gewicht 
legten. Darum hiengen sie an jener Hoffnung, die ihren sehnlich- 
sten Wünschen entsprach, bis zum letzten Augenblicke: sie woll- 
ten noch auf hellenische Gesandtschaften warten, als die Althener 
längst nicht mehr darauf rechneten,, jedesfalls aber die Friedensur- 
kunde für später beitretende offen erhalten wissen, das letztere 
ganz entsprechend dem im Jahre des Nausinikos geschlossenen 
Bundesvertrage, nur dafs diesmal ein bestimmter Schlufstermin von 
drei Monaten gesetzt wurde ἡ. 

Betrachten wir nun schliefslich die ganze Fassung dieses De- 
eretes und sein Verhältnifs zu dem von Demosthenes beantragten 
Volksbeschlusse, so kann ich den anmafslichen, gebieterischen Ton, 
an dem man Anstofs genommen hat, nicht von ferne darin finden. 
Denn wenn das Synedrion nach Empfang der Mittheilungen des 
athenischen Rathes (denn so war der Geschäftsgang?) sein Gutach- 
ten abgibt mit der Erklärung, was die Athener in gesetzmäfsiger 
Form beschliefsen, solle ohne weiteres als gemeinsamer Beschlufs 
der Bundesgenossen gelten, so weils ich nicht was bescheidener 
sein kann. Allerdings tragen sie an auf Abhaltung zweier Volks- 
versammlungen dem Gesetze gemäfs, gerade wie auch Demosthenes 
gethan hat; aber damit beziehen sie sich eben nur auf ein festes 
Herkommen ὅ oder auf den bereits gefalsten Beschlufs der atheni- 
schen Bürgerschaft: sie geben ihre Zustimmung in Form eines Be- 


1) Vgl. mit den Worten ἐξεῖναι τῷ βουλομένῳ τῶν Ἑλλήνων ἐν 
γ΄ μησὶν εἰς τὴν αὐτὴν στήλην ἀναγεγράφϑαι μετ᾽ ᾿ϑηναίων den 
Volksbeschlufs von Ol. 100, 3 über den Seebund Z. 69 εἰς δὲ τὴν στή- 
[ληὴ]ν ταύτην ἀναγράφειν τῶν τε οὐσ[ῶν] πόλεων συμμαχίδων τὰ ὀνό- 
ματα καὶ [ἤ]τις ἂν ἄλλη σύμμαχος γίγνηται ταῦτα [μ]ὲν ἀναγράψαι 
(συναναγράψαι 9). 

2) Vgl. den Rathsbeschlufs C. I. Gr. I, 85» 5, 807 f. περὶ μὲν [τ]ῶν 
γραμμάτ[ων ὧν ἔπεμψ]εν Jıovvcıog [πρὸς τὸν δῆμον τῶν ᾿ϑηναίων) 
καὶ τῆς εἰρήνης τοὺς συμμάχίους δόγμ]α ἐξενεγκεῖν εἰς τὸν δῆμον, 
ὅπως ἂν αὐτο)ῖς βουλευομένοις δοκῇ ἄζριστον εἵνα]ι. 

3) Vgl. die Verhandlung der Athener über das Bündnils mit Kor- 


kyra Thuk. 1, 44. 


208 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


schlusses (δόγμα), ohne dafs die Athener darauf zu warten oder 
sich daran zu binden brauchten '. Und gewifs können wir über- 
zeugt sein, wenn Aeschines ein gefälschtes Deeret der Bundesge- 
nossen vorlegen wollte, so würde er sich wohl gehütet haben es in 
Formeln zu kleiden, welche den Athenern anmafsend und verlez- 
zend erscheinen konnten. 

So erscheint mir denn das Gutachten des Bundesraihes in der 
Hauptsache von Aeschines richtig wiedergegeben zu sein: es fragt 
sich aber, ob er ein Recht hat daraus Anklagen wider Demosthenes 
herzuleiten. Und dies glaube ich entschieden verneinen zu kön- 
nen. Er legt ein grolses Gewicht darauf, dafs das Synedrion nur 
von der Berathung über den Frieden spricht, während Deniosthenes 
die Verhandlungen über Frieden und Bundesgenossenschaft auf die 
Tagesordnung setzte. Wir haben gesehen, dafs dies gemäfs den 
Anträgen Philipps geschah, welche doch mindestens in Erwägung 
gezogen werden mulsten: wollten die Bundesgenossen, was gar 
nicht in ihrem Interesse liegen konnte, sich wider ein solches Bünd- 
nils verwahren, so würden sie das förmlich ausgesprochen haben, 
was nicht geschehen ist: Aeschines mufs erst ihrem Stillschweigen 
eine bewulfste Absicht unterlegen ?, und ähnlich wird es schon bei 
den Friedensverhandlungen von anderer Seite geschehen sein. Was 
endlich das Abwarten hellenischer Gesandtschaften betrifft, so be- 
weist Aeschines wohl dafs keine einzige bis dahin eingetrollen war, 
aber er kann nicht sagen, dafs eine solche später angekommen sei 
oder überhaupt habe kommen sollen: vielmehr mufs er bekennen, 
dafs Athen ganz verlassen war. Also hat Demosthenes durch sein 
Drängen zum Abschlufs keinen hellenischen Staat Athen abspenstig 
gemacht: es wäre eine Thorheit gewesen ins ungewisse hinaus zu 
warten. Dagegen konnte der Antrag der Bundesgenossen, dafs der 
Beitritt zum Frieden jedem hellenischen Staate drei Monate lang 
frei stehen solle, eine Bedeutung gewinnen, deren Tragweite das 
Synedrion schwerlich ganz ermessen hatte: wurde diese Bestim- 
mung in den Frieden aufgenommen, so mulste Philipp für jetzt von 
einer bewaflneten Einmischung in Hellas absehen. Darüber also 


1) Franke a. O. S. 23 videnturque socü illo suo decrelo nihil aliud 
quam probari a se quoque Demosthenis rogalionem significare voluisse. 


2) Vgl. Franke a. Ο. 8. 291, 


Die Friedensverhandlungen zu Athen. 209 


wurde in der athenischen Volksgemeinde scharf gestritten, und die 
anfangs allgemein gebilligte Forderung schliefslich den makedoni- 
schen Interessen zu Liebe gemäfs den Anträgen des Philokrates und 
in Folge der Reden des Aeschines und Eubulos aufgegeben. Das 
bildet den Ausgangspunet der Klage des Demosthenes wider Ae- 
schines. 

Doch wir greifen bereits den Verhandlungen vor, welche am 
18 und 19 Elaphebolion (15. 16 April) in der athenischen Volksver- 
sammlung gepflogen wurden. Wir haben gesehen, dafs die eigent- 
liche Berathung auf den ersten, die Abstimmung über die vorlie- 
genden Anträge auf den zweiten Tag anberaumt war: müssen aber 
ausdrücklich bemerken dafs der Abstimmung eine abermalige De- 
batte über die Tags zuvor gestellten Anträge vorausgieng. Aeschi- 
nes freilich leugnet es und behauptet, er habe nur am 18 gespro- 
chen und habe am folgenden Tage gar nicht mehr reden dürfen: 
aber der Bericht des Demosthenes lehrt das Gegentheil und damit 
stimmt die spätere Erzählung des Aeschmnes selber überein ; eher 
steht zu vermuthen dafs keine neuen Anträge zur Berathung 
kommen sollten '. Nach Eröffnung der Volksgemeinde des ersten 
Tags wird der Beschlufs des Synedrions verlesen worden sein ?: 
hierauf wird Antipater oder Parmenion ihres Königs Gruls an die 


1) Aesch. 2, 65—67 8. 36 ἀνάγνωθι (τὸ ψήφισμα) τὸ ε]ημοσϑέ- 
νους, ἐν ᾧ φαίνεται γεγραφὼς τῇ μὲν προτέρᾳ τῶν ἐκκλησιῶν συμ- 
βουλεύειν τὸν βουλόμενον, τῇ δ᾽ ὑστέρᾳ τοὺς προέδρους ἐπιψηφίζειν 
τὰς γνώμας, λόγον δὲ μὴ προτιϑέναι. --- λόγων γὰρ μὴ προτεϑέντων 
εἰς τὴν ὑστέραν ἐκχλησίαν, τῶν δὲ προέδρων κωλυόντων οὐκ ἐνὴν 
εἰπεῖν. -- ὅτε ἐβουλεύετο ὃ δῆμος περὶ τῆς συμμαχίας τῆς πρὸς Φίλιπ- 
πον καὶ τὸ “Ι]ημοσϑένους ψήφισμα ἐν τῇ ὑστέρᾳ τῶν δυεῖν ἐκκλησιῶν, 
ὅτε οὐκ ἐξῆν δημηγορεῖν, ἀλλὰ τὰ περὶ τῆς εἰρήνης καὶ συμμαχίας 
ψηφίσματα ἐπεψηφίζετο. Aeschines gibt uns schon keinen Aufschlufs 
darüber , wie berathen werden konnte (ὅτε ἐβουλεύετο ὁ Önuog) ohne 
Debatte: es erzählen aber von den Verhandlungen am 19 Elaphebolion 
Dem. vdG. 15 S. 345, 17. Aesch. 3, 711, S. 63f. Demnach schen wir 
dafs Aeschines den demosthenischen Volksbeschlufs nicht eorreet an- 
führt (vgl. o. S. 197); dafs er ihn vollständig erlogen habe (Franke 
a. O. S. 24f.) möchte ich bezweifeln. Dafs am 2. Tage keine neuen 
Anträge zur Berathung gestellt werden durften nehme ich an ohne zu 
übersehen dafs die Geschichte mit Amyntor Aesch. 2, 67f. 8. 36f, sich 
damit nicht verträgt. S. darüber S. 224, 3. 

2) Vgl. oben 3. 202. 

DEMOSTIIENES I. 14 


210 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


athenische Bürgerschaft ausgerichtet und die Bedingungen vorge- 
(tragen haben, unter denen er bereit sei mit den Athenern Frieden 
zu schliefsen '. 

Welcher Art die Botschaft der Gesandten und die Forderun- 
gen waren die sie in Philipps Namen stellten, läfst sich der Haupt- 
sache nach aus der Fassung des Friedens entnehmen, welcher, auf 
Grund derselben von Philokrates entworfen und beantragt, schliefs- 
lich ohne wesentliche Änderungen genehmigt wurde. Diese Ur- 
kunde nahm, vermuthlich im Eingange, Bezug auf den von Philipp 
ausgesprochenen Wunsch sich mit den Athenern auf friedlichen Fuls 
zu stellen und auf seine freundschaftlichen Zusicherungen: darum 
beschliefse die athenische Bürgerschaft, es solle Friede und Bun- 
desgenossenschaft bestehen zwischen den Athenern und ihren Bun- 
desgenossen | die Phokier und Halier ausgenommen | einerseits und 
Philipp und seinen Bundesgenossen andererseits *. Beide Theile 
garantierten einander ihre Besitzungen auf Grund des dermaligen 
Besitzstandes°, schlossen unter einander Bundesgenossenschaft und 


1) Just. 8, 4 (legatis Atheniensium) auditis et ipse (Philippus ) legatos 
Athenas cum pacis condilionibus misit, ibique ex commodo utrorumque pax 
facta. 


2) Hegesipp. üb. Halonn. 31 $. 84, 11 ἡμᾶς καὶ τοὺς συμμάχους 
τοὺς ἡμετέρους καὶ Φίλιππον καὶ τοὺς συμμάχους τοὺς ἐκείνου ἄγειν 
τὴν εἰρήνην. In dem Vertrage stand wörtlich ᾿4ϑηναίοις καὶ τοῖς 
᾿ϑηναίων συμμάχοις: Dem. vdG. 278 5. 430, 18. 159 S. 391, 7; den 
von ihm beantragten Zusatz πλὴν “λέων καὶ Φωκέων mulste Philokrates 
dem Willen des Volkes gemäfs streichen (8. 217). Dies war nach Demo- 
sthenes 159f. S. 391, 1— 19 der eine Grund, weshalb Philipp nicht 
wollte dafs die Friedensurkunde seinen Bundesgenossen zur Beschwö- 
rung vorgelegt werde; der andere, dals sie nieht aus ihrer Fassung 
μάρτυρας γενέσϑαι τῶν ὑποσχέσεων, ἐφ᾽ αἷς εὑρίσκετο τὴν εἰρήνην, 
οὐδὲ τοῦτο δειχϑῆναι πᾶσιν, ὅτι -- Φίλιππός ἐστιν 6 τῆς εἰρήνης ἐπι- 
ϑυμῶν καὶ ὁ πολλὰ ὑπισχνούμενος τοῖς ἀϑηναίοις, ἂν τύχῃ τῆς 
εἰρήνης. P 

3) 5. Heges. üb. Halonn. 24—27 $.82, 22. 26. 83, 10.17 τὸ — ψη- 
φισμα τὸ Φιλοκράτους, καϑ' ὃ ὑμεῖς ἀπώλλυτε ᾿Δμφίπολιν. — φησὶ δὲ 
(Φίλιππος) ᾿Δμφίπολιν ἕαυτοῦ εἶναι: ὑμᾶς γὰρ ψηφίσασϑαι ἐκείνου 
εἶναι, ὅτ᾽ ἐψηφίσασϑε ἔχειν αὐτὸν ἃ εἶχεν. Eben aus dieser Stelle 
hat der Scholiast zu Heges. 18 S. 81,4. 23 S. 82,22 und zu Dem. να, 
161 S. 391, 27 richtig gefolgert dals in dem Frieden des Philokrates 
gestanden habe ἕχατέρους ἔχειν ἃ ἔχουσιν; denn dies ist die stehende 
Formel für den Status quo (wii possidetis), auf den der Friede geschlos- 


Friede des Philokrates. 211 


Freundschaft und gelobten sich gegenseitige Wallenhilfe wider jeden 
Angriff auf ihr und ihrer Bundesgenossen Gebiet '. Zur See und 
zu Lande sollte Handel und Verkehr frei und ungestört sein: die 
Athener sollten die See unter ihrer Obhut haben, aller Kaperei weh- 
ren und zu dem Ende eine gehörige Flottenwacht unterhalten. 
Städte, in deren Häfen Seeräuber zugelassen würden, sollten als 
feindlich gelten *. Auch über die Rechtskraft der Geschäftsver- 
träge und andere Handelsverhältnisse werden Bestimmungen getrof- 
fen sein ®. Das ist was die Anführungen der Redner — denn den 
Wortlaut der Urkunde kennen wir nicht — als Inhalt des Friedens- 
vertrages ergehen. 


sen wurde: s. Krüger zu Thuk. 1, 140,3. Vgl. über die Tragweite 
dieses Zugeständnisses Dem. vFr. 25 8.63, 15 Φιλίππῳ νυνὶ κατὰ τὰς 
συνϑήκας ᾿μφιπόλεως παραχεχωρήκαμεν; vdG. 22 8. 348, 2. 253 
S. 420, 28. 

1) Dionys. Schr. an Amm. 1, 11 5. 740, 8 μετὰ τὴν Ολυνϑίων ἄλω- 
σιν, ἄρχοντος Θεμιστοκλέους, συνϑῆκαι Φιλίππῳ πρὸς ᾿᾿ϑηναίους ἐγέ- 
vovro περὶ φιλίας καὶ συμμαχίας. Dem. vdG. 1431, S. 385, 15. 27 
τῇ πόλει μὲν τοίνυν (γέγονεν ἐκ τῆς εἰρήνης) ἀφεστηκέναι μὲν ἁπάν- 
των καὶ τῶν κτημάτων καὶ τῶν συμμάχων, ὀμωμοκέναι δὲ Φιλίππῳ 
κἂν ἄλλος τις ἴῃ ποτ᾽ ἐπ᾽ αὐτὰ βουλόμενος σώζειν ὑμᾶς κωλύσειν, καὶ 
τὸν μὲν ὑμῖν βουλόμενον παραδοῦναι ἐχϑρὸν ἡγήσεσθαι καὶ πολέμιον, 
τὸν δὲ ἀπεστερηκότα σύμμαχον καὶ φίλον. ταῦτα γάρ ἐστιν ἃ συνεῖπε 
μὲν Αἰσχίνης οὑτοσί, ἔγραψε δ᾽ ὃ τούτου συνεργὸς Φιλοκράτης. — (Al- 
σχίνης) τὴν Φιλοκράτους γνώμην ἔπεισεν ἕλέσϑαι, ἐν ἡ καὶ ταῦτα καὶ 
πολλὰ ἄλλ᾽ ἔτι τούτων δεινότερά ἐστι γεγραμμένα. Böhnecke F. I, 3031. 
hat bei dem Versuche einer wörtlichen Herstellung des Volksbeschlusses 
sich mehr als billig an die rhetorisch gefärbte Recapitulation des De- 
mosthenes gehalten. Gar nicht hierher gehören die Worte aus Dem. 
vFr. 25 8. 63, 17 καὶ τὸν Κᾶρα κτλ. 

2) Philipps Schr. 2 S. 159, 8 τῶν συνϑηκῶν διαρρήδην λεγουσῶν 
πολεμίους εἶναι τοὺς ταῦτα ποιοῦντας (τοὺς ὑποδεχομένους τοὺς λη- 
στάς). Dafs die Sicherung des Meeres (ἡ κατὰ ϑάλατταν φυλακή) den 
Athenern allein vorbehalten war, lehrt Hegesipp: üb. Halonn. 14f. S.80, 3. 
Über den freien Verkehr ebend. 12f. 8. 79, 18. vFr. 8 8. 59, 4. vKr. 
44 5. 240, 21. Eine entsprechende Bestimmung späterer Verträge 5. 
R. üb. ἃ. Vertr, m. Alex. 19 5. 217, 8 τὴν ϑάλατταν πλεῖν τοὺς μετέ- 
χοντας τῆς εἰρήνης, καὶ μηδένα κωλύειν μηδὲ κατάγειν πλοῖον unds- 
νὸς τούτων: ἐὰν δέ τις παρὰ ταῦτα ποιῇ, πολέμιον εἶναι πᾶσι τοῖς 
τῆς εἰρήνης μετέχουσιν, 

3) Über weitere Verhandlungen in Betreff dieses Punctes 5. Heges. 
a. 0. 9—13 8. 78, Bt. 

14* 


212 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Das waren in der That Bedingungen welche das volle Einge- 
ständnifs in sich schlossen, dafs Philipp Sieger im Kampfe geblie- 
ben und dafs die Athener sich vor seiner Macht beugen mulsten. 
Denn die Garantie des dermaligen Besitzstandes schlofs alle weite- 
ren Ansprüche auf Amphipolis und was Philipp sonst erobert hatte 
aus und das Schutzbündnifs (denn zur Theilnahme an Angriflskrie- 
gen ward keine Verpflichtung eingegangen) verstärkte noch diese 
Verzichtleistung '. Nehmen wir dazu, dafs nach dem Antrage des 
Philokrates die Phokier und Halier ausdrücklich vom Frieden ausge- 
schlossen bleiben sollten *, so müssen wir gestehen, dafs den Athe- 
nern harte und schimpfliche Bedingungen gestellt wurden ®. Phi- 
lokrates wird seinen Antrag gerechtfertigt haben mit der Lage der 
Athener, welche es nothwendig mache auf Philipps Vorschläge ein- 
zugehen, mit Hinblick auf die Gewährleistung des thrakischen Cher- 
soneses* so wie des Bestes der alten Bundesgenossen Athens: end- 
lich mit den gewinnverheifsenden Aussichten welche Philipps Freund- 
schaft eröffne. 

Wir hören nicht dals dem Entwurfe des Philokrates ein Ge- 
genentwurf gegenüber gestellt wurde, sondern jener wurde der Be- 
rathung zu Grunde gelegt und es handelte sich darum die einzel- 
nen Bestimmungen in athenischem Interesse abzuändern. Misbil- 
ligt wurden die Anträge des Philokrates von allen Seiten als schimpf- 
lich und unverträglich mit der Ehre Athens. Wenn die Scholien 
nicht diese Verhandlung mit einer späteren verwechseln, so war 
Hegesippos der erste Sprecher, der lieber keinen Frieden, als sol- 


5 


che Bedingungen annehmen wollte °; auch Aeschines erklärte sich 


entschieden dagegen, betonte aber zugleich die Nothwendigkeit mit 


I) S. die S. 210 Anm. 3 und S. 211 Anm. 1 angeführten Stellen. 
Mit Recht bemerkt Böhnecke a. ©. Anm. 3, dafs Amphipolis in dem Ver- 


trage nicht ausdrücklich erwähnt war. 

2) S. 210 Anm. 2. i 

3) Dem. vdG. 150 8. 388, 2 αἰσχρὰ μὲν ἡ εἰρήνη καὶ ἀναξία τῆς 
πόλεως. 336 5. 449, 8 αἰσχρὰ καὶ ἐπονείδιστος. Vel. 55 S. 358, 18. 
97 8. 372, 18. 145 S. 386, 1. vFr. 13 8. 60, 13 und ein älteres Urteil 
des Demosthenes über einen solchen Frieden Phil. 1, 42 S. 52, 10. 

4) Dem. να. 78 8. 365, 22 Χερρόνησος — περίεστι τῇ πόλει. 
Vgl. oben S. 193. 

5) Schol. zu Dem. vd@. 72 S. 364, 1. Vgl. Buch IV, 1 über den 
von Philipp begehrten Zuzug athenischer Mannschaft. 


Friede des Philokrates. 213 


Philipp Frieden zu schliefsen '. Wahrscheinlich richtete sich die 
Debatte gleich gegen die Anerkennung des dermaligen Besitzstan- 
des: die Änderung welche noch späterhin gefordert wurde ‘jeder solle 
behalten was ihm rechtmäfsig gehöre (ἑκατέρους ἔχειν τὰ ἕαυ-- 
τῶν)", mag als Grundbedingung eines gerechten und billigen Frie- 
dens schon damals aufgestellt worden sein®. Aber dafs Philipp 
seine Eroberungen unter keinen Umständen herauszugeben ge- 
denke, hatte er von vorn herein so bestimmt erklärt dafs die Athe- 
ner noch am ersten darauf mögen verzichtet haben im Frieden zu 
erhalten, was sie mit den Waffen nicht hatten erringen können. 
Um so entschiedener wurden unter Berufung auf den Beschlufs der 
Bundesgenossen andere Puncte bestritten. Theils wies man das 
von Philipp begehrte Bündnifs wegen seiner lästigen Verpflichtun- 
gen zurück, besonders aber drang man darauf dafs den übrigen 
Hellenen der Beitritt zum Frieden binnen einer bestimmten Frist 
freigestellt? und dafs die Phokier und Halier als Bundesgenossen 
Athens namentlich in den Vertrag aufgenommen werden sollten. 
Dieser Gang der Verhandlungen ergibt sich sowohl aus dem Inhalte 


1) Dem. vdG. 13f. S. 345, 6 (Aloylvns) ἀναστὰς τῇ προτέρᾳ τῶν 
ἐκαλησιῶν, ἔν αἷς περὶ τῆς εἰρήνης ἐβουλεύεσϑε, ἤρξατο ἀρχήν, ἣν 
ἐγὼ καὶ τοῖς δήμασιν οἶμαι τοῖς αὐτοὶς οἷσπερ οὗτος εἶπεν ἐν ὑμῖν 
ἀπομνημονεύσειν. “εἰ πάνυ πολύν᾽ ἔφη “χρόνον ἐσκόπει Φιλοκράτης, 
«ὦ ἄ. ᾽4., πῶς ἂν ἄριστα ἐναντιωϑείη τῇ εἰρήνῃ, οὐκ ἂν αὐτὸν ἄμει- 
‘vov εὑρεῖν οἶμαι ἢ τοιαῦτα γράφοντα. ἐγὼ δὲ ταύτην μὲν τὴν εἰρή- 
ἔνῃν, ἕως ἂν εἷς ᾿4ϑηναίων λείπηται, οὐδέποτ᾽ ἂν συμβουλεύσαιμι 
ἐποιήσασϑαι τῇ πόλει" εἰρήνην μέντοι φημὶ δεῖν ποιεῖσϑαι". καὶ τοιού- 
τους τινὰς εἶπε βραχεῖς καὶ μετρίους λόγους. Aesch. 3, 63—66 S. 36 
leugnet diese Rede ab und will nur einmal gesprochen haben, und 
zwar wie er weiterhin ausführt für den Friedensantrag. Aber die vier 
Beweise, welche er aufzählt um darzuthun dafs Demosthenes erlogene 
und unmögliche Dinge behaupte, halten nicht Stich; und unmittelbar 
vorher (61 8.36) gibt er selber zu auf Grund des Beschlusses der Bun- 
desgenossen gegen ein Bündnifs mit Philipp sich erklärt zu haben, So 
auch 3, 71 8. 63 τούτω τῷ δόγματι συνειπεῖν ὁμολογῶ καὶ πάντες οἵ 
ἐν τῇ προτέρᾳ τῶν ἐκκλησιῶν δημηγοροῦντες. Vgl. Westermann qu. 
Dem, III, 42. Franke a. Ο. 5. 24f. 

2) Heges. üb. Hal. 18 S. 81, 4. 

3) Vgl. den späterhin zu gleichem Zwecke von Hegesippos em- 
pfohlenen Zusatzartikel zum Friedensvertrage (üb. Halonn. 30 8. 84, 
6): τοὺς ἄλλους Ἕλληνας, ὅσοι μὴ κοινωνοῦσι τῆς εἰρήνης, ἐλευϑέ- 
ρους εἶναι καὶ αὐτονόμους κτλ. 


214 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


des Gutachtens der Bundesgenossen, das wie wir hören allgemeine 
Zustimmung fand, als aus den Nachrichten über die gehaltenen 
Reden. Philipps abgeordnete werden, wie am folgenden Tage, so 
von vorn herein erklärt haben, dafs sie auf den von Philokrates in 
Antrag gebrachten Friedensbedingungen bestehen mülsten und kraft 
ihrer Vollmacht in keine Abänderung derselben willigen könnten. 
Damit war die ganze Vereinbarung in Frage gestellt, es handelte 
sich um Krieg oder Frieden, und mehrere Sprecher forderten die 
Athener auf lieber in den schwersten Kampf zu gehen als einen 
schimpflichen Frieden zu schliefsen: sie wiesen hin auf die Propy- 
laeen der Burg, sie erinnerten an Salamis, an die Gräber und Sie- 
geszeichen der Vorfahren ἡ. Die bedeutendste Rede gegen die An- 
träge des Philokrates hielt Demosthenes. Er hatte den Frieden 
gewollt, hatte nach Kräften daran gearbeitet die Verhandlungen zu 
beschleunigen und allen persönlichen Groll schwinden zu lassen ὃ: 
aber der vorliegende Entwurf zum Vertrage war unwürdig der Athe- 
ner: er besiegelte nicht allein ihre eigene Niederlage, sondern in- 
dem er die übrigen Hellenen und besonders die Phokier Philipps 
Angriffen preisgab, führte er Gefahren mit sich, die schlimmer als 
der Kriegszustand selber waren. Solche Erwägungen werden es 
gewesen sein die ihn vermochten den Beschlufs der Bundesgenos- 
sen als Grundlage des Friedens festzuhalten. Die athenische 
Bürgerschaft, mit seiner Ansicht einverstanden, wollte sofort 
Beschlufs fassen und die makedonischen Gesandten demgemäfs 
bescheiden: indessen ward, der einmal festgestellten Tages- 
ordnung entsprechend, die Abstimmung auf den andern Tag ver- 
schoben °. 

Als die Volksgemeinde auseinander gegangen war, mögen die 
makedonischen Gesandten mit den Rednern auf welche sie zählen 
konnten weitere Besprechung gepflogen haben: wenigstens läfst die 
Wendung welche die Verhandlungen am 19 Elaphebolion nahmen 


1) Aesch. 2, 74 5. 37. 

2) Vgl. Dem. vdG. 93 S. 370, 23. 

3) Dem. vdG. 144 8. 385, 23 χρατοῦντος ἐμοῦ τὴν προτέραν ἡμέ- 
ραν καὶ πεπεικότος ὑμᾶς τὸ τῶν συμμάχων δόγμα κυρῶσαι καὶ καλέ- 
σαι τοὺς πρέσβεις τοὺς τοῦ Φιλίππου, ἐκκρούσας οὗτος ( Αἰσχίνης ) εἰς 
τὴν ὑστεραίαν κτλ. Auf diese und die folgende Rede gehen auch die 
Worte ἃ παρ᾽ dulv ἀντεῖπον 205 8. 405, 6. 


- 


Friede des Philokrates. 215 


auf einen Einflufs der Art schliefsen '. Nachdem an diesem Tage 
zuvörderst Demosthenes nochmals den Vorschlag des Synedrions 
empfohlen und das Volk dahin gestimmt hatte, dafs es nur auf bil- 
lige Bedingungen Frieden schliefsen wollte, trat Philokrates als 
Sprecher auf: aber man liels ihn nicht zu Worte kommen. Da be- 
stieg Aeschines die Rednerbühne ?. Er gieng aus von den Lob- 
preisungen der Vorfahren: wohl solle man ihres Ruhmes gern ge- 
denken; aber jetzt, wo Athen im Kriege unterlegen sei und keine 
Mittel habe ihn fortzusetzen, sei es durch die Lage der Dinge ge- 
boten vielmehr ihre Fehler und unzeitige Streitsucht sich zur War- 
nung dienen zu lassen. Er erinnerte an den Zug nach Sicilien und 
den dekeleischen Krieg, er verglich die eifernden Sprecher mit dem 
Kleophon, der als zu Ende des Krieges die Spartaner gute Bedin- 
gungen stellten drohte jedem den Hals abzuschneiden der nur von 
Frieden redete. Solche Demagogen brachten es am Ende dahin, dafs 
die Athener willig Frieden schlossen mit Verlust aller ihrer Besiz- 
zungen, dals sie die Mauern niederreifsen, eine Besatzung und ei- 
nen lakedaemonischen Vogt aufnehmen und die Volksgewalt den 
dreifsig abtreten mufsten, welche ohne Urteil und Recht 1500 Bür- 
ser tödteten. Mit solchen Schilderungen schreckte Aeschines die 
Athener: er liefs sie ähnliche Schicksale befürchten , wenn sie jetzt 
auf die Friedensanträge Philipps nicht eingiengen und den Entwurf 
des Philokrates nicht genehmigten. Er könne sich nicht genug 
wundern, sagte er, über die welche mit den übrigen Hellenen wegen 
des Friedens mit Philipp Rath pllegen wollten. Was sie allein an- 
gehe, dazu bedürfe es nicht der Beistimmung eines dritten, und wer 
ihnen nicht im Kriege beigestanden, dem seien sie keine Hilfe und 
keine Rücksicht schuldig: darum hätten «die Athener für sich allein 


- 1) Böhnecke F. I, 396", 

2).A. O. 15 8.345, 18 - εἰς τὴν ὑστεραίαν, ἐν ἡ τὴν εἰρήνην ἔδει 
κυροῦσϑαι, ἐμοῦ τῷ τῶν συμμάχων συνηγοροῦντος δόγματι καὶ τὴν 
εἰρήνην ὅπως ἴση καὶ δικαία γένηται πράττοντος, καὶ ὑμῶν βουλομέ- 
νῶν ταῦτα καὶ οὐδὲ φωνὴν ἐθελόντων ἀκούειν τοῦ καταπτύστου Φιλο- 
κράτους, ἀναστὰς (Δἰσχίνης) ἐδημηγόρει καὶ συνηγόρει ἐκείνῳ -- ὡς 
οὔτε τῶν προγόνων ὑμᾶς μεμνῆσϑαι δέοι οὔτε τῶν τὰ τρόπαια καὶ 
τὰς ναυμαχίας λεγόντων ἀνέχεσϑαι κτλ. ὙρῚ. 307 8. 439, 21. 311. 
S. 441, 9f. Aeschines gibt diesen Theil seiner Rede wieder 2, 7 -- 77 
S. 37f.; vgl. 63 8. 36. 69 S. 37. 171 8.51, und über die Lage Athens 
so wie die Vorredner 70—74 8. 37. 


216 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


den Frieden zu schliefsen. Von dem Frieden aber, das sprach 
Aeschines oder wer nach ihm das Wort nahm aus, lasse sich das 
Schutzbündnifs nicht trennen '. Diese Reden machten tiefen Ein- 
druck auf die Athener, zumal Antipater auf die Rednerbühne geru- 
fen ausdrücklich bestätigte, dafs Philipp auf einen Frieden ohne das 
Bündnifs nicht eingehen werde ?. Und auch über die Phokier hiefs 
die Bürgerschaft sich beruhigen. Zwar blieben die makedonischen 
Gesandten Antipater und Parmenion dabei stehen dafs Philipp sie 
nicht als Bundesgenossen Athens anerkenne, sie machten keine 
Concession und gaben keine Hoffnung dafs der König seinen Ent- 
schlufs ändern werde: aber was sie nicht sagten, sprachen atheni- 
sche Redner aus. Sie erklärten, dafs Philipp um der Thebaner und 
Thessaler willen zwar die Phokier nicht so öffentlich als Bundes- 
genossen anerkennen könne: aber wenn ihm der Friede gewährt 
sei, so werde er das thun, was die Athener ihm jetzt als Vertrags- 


1) Aeschines gibt den allgemeinen Theil der Rede ‘wohl ziemlich 
getreu wieder (vgl. z. B. mit seiner Schilderung vom Ausgange des 
peloponnesischen Krieges Dem. a. Ὁ. 311 8. 441, 11 -- μόνον οὐ καϑε- 
λεῖν τὰ τείχη): aber über den speciellen Theil geht er "ganz hinweg 
ohne den Aussagen des Demosthenes zu widersprechen. Demosthenes 
berichtet Aeschines habe gesagt 16 8. 345, 27 νόμον - ϑήσειν καὶ γράψειν 
μηδενὶ τῶν Ελλήνων ὑμᾶς βοηϑεῖν, ὃς ἂν un πρότερος βεβοηϑηκὼς 
ὑμὶν ἢ. 307 5. 439, 22 - μήτε βοηϑεῖν μηδενί, τῶν τε κελευόντων 
μετὰ τὠν Ἑλλήνων περὶ τῆς πρὸς Φίλιππον εἰρήνης βουλεύεσθαι ϑαυμά- 
ξειν, εἰ περὶ τῶν ὑμετέρων ἰδίων ἄλλον τινὰ δεὶ πεισϑῆναι. 511 5. 441, 
10 μὴ βοηϑεῖν μηδενί, μὴ κοινῇ μετὰ τῶν Ἑλλήνων βουλεύεσϑαι. 178 
5. 397, 5 (ἐπέδειξα Αἰσχίνην) πάντα τἀναντία συμβουλεύσαντα ἡ ἔδει 
καὶ τῇ μὲν τῶν συμμάχων ἀντειπόντα εἰρήνῃ, τῇ δὲ Φιλοκράτους συν- 
ayogevoavıe. Vel. 94 S. 371, 6. 17. 97 S. 372, 19. 150 Ὁ 387, 28. 
171 8. 394, 27. 333 8. 448, 3. 18 8. 346, 28. 

2) Aeschines mifst in der Rede wKtes. 71f. S. 63f. diese Wendung 
Demosthenes bei, während er in der Vertheidigung seiner Gesandtschaft 
nicht zu sagen wagt, dafs Demosthenes nur ein Wort zu Gunsten der 
philokrateischen Anträge gesprochen habe. Ich denke, er überträgt was 
Philokrates gesagt hat auf Demosthenes. Seine Worte sind — οὐδὲν 
ὄφελος ἔφη τῶν χϑὲς εἰρημένων εἶναι λόγων, εἰ ταῦϑ' οἵ Φιλίππου μὴ 
συμπεισϑ'ήσονται πρέσβεις, οὐδὲ γιγνώσκειν ἔφη τὴν εἰρήνην ἀπούσης 
συμμαχίας. οὐ γὰρ ἔφη δεῖν -- ἀπορρῆξαι τῆς εἰρήνης τὴν συμμαχίαν, 
οὐδὲ τὰ τῶν Ἑλλήνων ἀναμένειν μελλήματα, ἀλλ᾽ ἢ πολεμεῖν αὐτοὺς 
ἢ τὴν εἰρήνην ἰδίᾳ ποιεῖσϑαι. καὶ τελευτῶν ἐπὶ τὸ βῆμα παρακαλέ- 
σας ᾿ἀντίπατρον ἐρώτημά τι ἠρώτα, προειπὼν μὲν ἃ ἐρήσεται, προδι- 
δάξας δὲ ἃ χρὴ κατὰ τῆς πόλεως ἀποκρίνασθαι. 


Friede des Philokrates. 247 


bedingung auferlegen wollten. Durch solche und ähnliche Verhei- 
[sungen von Philipps guten Absichten beschwichtigten sie die Bür- 
gerschaft, dafs sie auf den Frieden ohne die Phokier eingieng: aber 
Philokrates mufste wenigstens den Paragraphen tilgen der sie und 
die Halier ausdrücklich ausschlofs und einfach schreiben: “die Athe- 
ner und die Bundesgenossen der Athener’'. Den letzten Ausschlag 
gab Eubulos. Wie schon Aeschines gethan, so schüchterte auch er 
die Bürgerschaft ein: er erklärte entweder mülsten sie sofort in den 
Peiraeeus hinabziehn und die Schiffe besteigen und mülsten Kriegs- 
steuern zahlen und die Belustigungsgelder zur Kriegskasse schlagen, 
oder für den Antrag des Philokrates stimmen ?. Damit war den 
Athenern jeder Zweifel benommen: sie sahen auf der einen Seite 
nur Gefahr und Noth, auf der andern Sicherheit und unverkümmer- 
ten Genufs, und genehmigten daher den Friedensvertrag, wie Philo- 
krates ihn entworfen und Aeschines vor allen empfohlen und befür- 
wortet hatte: denn dessen berühmt er sich selber °. 


1) Dem. vdG. 321f. 5. 444, 13 οἵ μὲν παρ᾽ ἐκείνου πρέσβεις προῦ- 
λεγον ὑμῖν ὅτι Φωκέας οὐ προσδέχεται Φίλιππος συμμάχους, οὗτοι δ᾽ 
ἐκδεχόμενοι τοιαῦτ᾽ ἐδημηγόρουν, ὡς φανερῶς μὲν οὐχὶ καλῶς ἔχει 
τῷ Φιλίππῳ προσδέξασϑαι τοὺς Φωκέας συμμάχους διὰ τοὺς Θηβαίους 
καὶ τοὺς Θετταλούς, ἂν δὲ γένηται τῶν πραγμάτων κύριος καὶ τῆς 
εἰρήνης τύχοι, ἅπερ ἂν συνϑέσϑαι νῦν ἀξιώσαιμεν αὐτόν, ταῦτα ποι- 
ἥσει τότε. τὴν μὲν τοίνυν εἰρήνην ταύταις ταῖς ἐλπίσι καὶ ταὶς ἐπα- 
γωγαὶς εὔροντο παρ᾽ ὑμῶν ἄνευ Φωκέων. 159 8. 391, 3 τήν te γὰρ 
εἰρήψην οὐχὶ δυνηϑέντων ὡς ἐπεχείρησαν οὗτοι “πλὴν λέων καὶ Φω- 
ἐκέων᾽ γράψαι, ἀλλ᾽ ἀναγκασϑέντος ὑφ᾽ ὑμῶν τοῦ Φιλοκράτους ταῦτα 
μὲν ἀπαλεῖψαι, γράψαι δ᾽ ἄντικρυς "Adnvalovg καὶ τοὺς ᾿᾿ϑηναίων 
συμμάχους" --- Zum Beweise läfst Demosthenes dann verlesen τὸ Φι- 
λοκράτους ψήφισμα καὶ τὸ τοῦ δήμου. Vel. 278 8. 430, 17. 174 8. 395, 
26. Über die Verheifsungen überhaupt vgl. 17 5. 346, 13. 26 8. 349,3. 
22 S. 347, 29f.; aber die makedonischen Gesandten sprachen sie nicht 
aus: 69 8. 362, 28 καὶ ὃ μὲν Avrinargog καὶ 6 Παρμενίων — τοῦϑ᾽ 
εὕροντο, un δι᾽ αὐτῶν ὑμᾶς ἐξαπατηϑῆναι. Vel. 44 5. 355, 8. Liban. 
Einleit. zur 2 Phil. S. 65, 5. 

2) Dem. a. O. 291 5. 434, 23 ἐπειδὴ δὲ σὺ μὲν (Εὔβουλε) του- 
τουσὶ δεδιξάμενος καὶ φήσας καταβαίνειν εἰς Πειραιᾶ δεῖν ᾿ἤδη καὶ 
χρήματ᾽ εἰσφέρειν καὶ τὰ ϑεωρικὰ στρατιωτικὰ ποιεὲν ἢ χειροτονεὶν 
ἃ συνεῖπε μὲν οὗτος (Αἰσχίνης). ἔγραψε δ᾽ ὁ βδελυρὸς Φιλοκράτης, ἐξ 
ὧν αἰσχρὰν ἀντ᾽ ἴσης συνέβη γενέσϑαι τὴν εἰρήνην. 

3) Aesch. 1, 174 8. 24 τὴν εἰρήνην τὴν δι᾽ ἐμοῦ καὶ Φιλοκράτους 
γεγενημένην und andere Stellen: s. o. S. 185. Vgl. Dem. vdG. 150 


218 Drittes Buch. Fünftes Capitel. 


Mit diesem Friedenschlusse, den 19 Elaphebolion (O1. 108, 2. 
16 April 316), endete der von den Athenern um Amphipolis eilf 
Jahre lang gegen Philipp geführte Krieg ἡ. 


S. 387, 27 ἐπειδὴ γὰρ ἡ μὲν εἰρήνη τέλος εἶχεν avın ἡ τοῦ Φιλοκρά. 
τους, N συνεῖπεν οὗτος. 

1) Dem. vdG. 57 8. 359, 6 ἡ μὲν τοίνυν εἰρήνη ἐλαφηβολιῶνος 
9 ἐπὶ ι ἐγένετο. Aesch. 3, 54 8. 61 ἐκεῖνον τὸν χρόνον, ἐν ᾧ πρὸς 
Φίλιππον ὑπὲρ ᾿“μφιπόλεως ἐπολεμοῦμεν, -- ἀφορίζεται τῇ γενομένῃ 
εἰρήνῃ καὶ συμμαχίᾳ, ἣν Φιλοκράτης ὃ ᾿ἡγνούσιος ἔγραψε καὶ αὐτὸς 
οὗτος wer’ ἐκείνου. Vgl. Deinarch,. 1, 28 5. 93 (mit der gleichen Ver- 
läumdung des Demosthenes) οὗτος ἦν ὁ. τοῦ λυϑῆναι τὸν πρῶτον 
πόλεμον αἴτιος γενόμενος" οὗτος Φιλοκράτει συνωμολογεῖτο τῷ γρά- 
ψαντι πρὸς Φίλιππον εἰρήνην. Vgl. ο. S. 21,5. 


VIERTES BUCH. 


DER SIEBENJÄHRIGE FRIEDE UND DER ZWEITE KRIEG 


DER ATHENER MIT KÖNIG PHILIPP. 


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ERSTES CAPITEL. 


Die Vollziehung des philokrateischen Friedens. Ausgang des 
phokischen Krieges. 


Uber den Frieden den die Athener mit Philipp geschlossen 
hatten hegte wohl niemand eine reinere Freude als Isokrates. Ein 
langes Leben hindurch war er Zeuge gewesen, wie die Hellenen 
in immer neuen Kriegen ihre Kraft vergeudeten, und mit ganzer 
Seele hieng er an dem einen Lieblingsgedanken, dafs sie den hei- 
mischen Zwiespalt austragen und vereint ihre Wallen gegen die 
Barbaren kehren möchten. So hatte ihn auch der Krieg um Am- 
phipolis und alle die Leiden die er mit sich führte mit tiefem Kum- 
mer erfüllt; denn in Philipp begrüfste er, wie früher in Jason, den 
Fürsten der berufen sei die Hellenen einmüthig zusammen zu scha- 
ren und gegen die Perser zu führen. In solchen Gedanken verlegte 
er sich darauf eine Rede über den Streit um Amphipolis auszuar- 
beiten, mittelst deren er durch die Kraft der Wahrheit mehr als 
durch Sauberkeit der Dietion Philipp und die Athener hollte ver- 
söhnen zu können. Ehe er damit fertig wurde, ward der Friede 
gestiftet und hocherfreut über diesen Beschlufs seiner Mitbürger 
arbeitete er seine Rede zu dem Zwecke um, der hergestellten Ein- 
tracht dauernden Bestand zu gebem, ihren Segen auf alle Hellenen 
zu erstrecken und sie durch den Kampf mit dem gemeinsamen 
Feinde zu besiegeln '. In wenigen Tagen war die Arbeit vollendet 
und ermuntert durch den Beifall seiner Freunde übersandte Isokra- 
tes sie an Philipp ἢ. 


1) Isokr. Philippos 1—9 S. 82—81. 

2) 23 8. 87. Die Rede ist geschrieben nach Abschlufs des philo- 
krateischen Friedens zu Athen: 7f. 5. 83f. ἔφϑητε ποιησάμενοι τὴν 
εἰρήνην —. συνησϑεὶς δὲ τοῖς περὶ τῆς εἰρήνης ψηφισϑεῖσιν: vgl. 56 
S. 93: aber vor Ende des phokischen Krieges, 5. 4 {4 8. 93. 14. 8. 97, 
also zwischen ἃ. 16 April u. Mitte Juli 346. Vgl. Clinton F.H. u. ἃ. J. 


222 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Es ist eine schöne Aufgabe welche in dieser Schrift Philipp 
gestellt wird. Hatte er bisher dem einen oder dem andern Staate 
wehe gethan, so sollte er von nun an durch Wohlthaten alles Übel 
in Vergessenheit bringen. Dies wird um so dankbarer erkannt 
werden, je schwerer alle durch den Krieg heimgesucht sind ὁ: die 
Noth der Zeiten hat die Unterschiede aufgehoben und die Völker 
für die heilsame Eintracht empfänglich gemacht. Wohl könnte die- 
ses Versöhnungswerk keinem andern gelingen, aber Philipp ist 
durch seine Herrschergaben und seine Macht dazu berufen ?; und 
niemals war die Gelegenheit günstiger die feindselig sich bekäm- 
pfenden Staaten zum Frieden zu vermögen. Mag man auf die Spar- 
taner blicken die mit allen Peloponnesiern zerfallen und daheim 
nicht einmal sicher sind, oder auf die Argiver deren Gebiet fast 
Jahr für Jahr verheert wird und die in blutigen Parteikämpfen sich 
gegenseitig aufreiben, oder die Thebaner die durch den phokischen 
Krieg so herabgekommen sind, dafs sie ihre letzte Hoffnung auf 
Philipp setzen: nirgends wird dem Gebote des Friedens widerstrebt 
werden. Die Athener haben schon den Frieden geschlossen und 
werden an Philipps Seite kämpfen, zumal wenn sie sich überzeugen, 
dafs er vor dem Zuge gegen die Barbaren die Versöhnung der Hel- 
lenen sich angelegen sein läfst ®. 

Das ist ein Unternehmen, das wenn es gelingt den herrlich- 
sten Ruhm verleiht und selbst wenn es fehlschlagen sollte Philipp 
das Wohlwollen der Hellenen sichert. Was könnte ihm wohl ein 
freudigeres Bewustsein verleihen, als wenn aus den gröfsten Städ- 
ten Ehrenmänner als Gesandte in sein Reich kommen und er mit 
diesen über das gemeine beste sich beräth, während ganz Grie- 
chenland auf seine Rathschläge gespannt ist, die einen begierig 
davon zu hören, die andern mit guten Wünschen sein Unterneh- 
men begleitend oder voll Furcht, es möge ihm etwas zustolsen 
ehe er sein Werk vollbracht habe. Daraus müfsten als Segens- 
früchte überschwängliche Freuden und unvergängliche Ehren ent- 
springen ®. 


1) 35—38 8. 89. 

2) 39—41 8. 90. 

3) 45—56 8. 91—93. 
4) 68--71 8. 9t. 


Isokrates Rede an Philipp. 223 


Auf solche Weise wird Philipp die Verleumdungen seiner Nei- 
der und Feinde zu nichte machen, unruhiger Köpfe, die gewohnt 
sind immerfort ihre Mitbürger in Aufregung zu versetzen und die 
behaupten, die makedonische Macht wachse nicht zum Heile Grie- 
chenlands, sondern zu seinem Verderben: wenn Philipp die phoki- 
schen Händel beigelegt habe, werde er unter dem Vorwande den 
Messeniern zu helfen den Peloponnes sich unterwerfen und mit den 
Thessalern Thebanern und den andern Amphiktyonen nebst den 
Argivern Messeniern Megalopoliten sich zur Zerstörung Spartas 
verbinden: dann werde er mit leichter Mühe auch die übrigen Hel- 
lenen bezwingen. 

Diese unsinnigen und thörichten Reden finden leider bei der 
Menge Gehör: deshalb darf Philipp der Rücksicht darauf sich nicht 
entschlagen. Denn eines hohen Ruhmes kann er sich erst dann 
versichert halten, wenn alle Hellenen mit derselben Ehrfurcht auf 
ihn blicken wie jetzt seine Walfenbrüder und wie die Spartaner auf 
ihre Könige. Das aber steht unschwer zu erreichen, sobald er al- 
len gleiche Wohlthat erweist, nicht mehr einem Staate freundlich 
sich zuwendet und den anderen befehdet; endlich wenn er zu Tha- 
ten sich entschliefst, durch welche er bei den Hellenen Vertrauen 
und bei den Barbaren Furcht erweckt ἧς 

Damit geht Isokrates auf das Thema seines Panegyrikos über, 
den Krieg gegen die Perser, zu dem er Philipp, den mächtigsten 
Fürsten den Europa je gesehen’, durch seinen Mund von der Gott- 
heit berufen glaubt, und dringt in ihm dafs er sich dieser heiligen 
Pflicht nicht entziehen möge’. 

Wir verweilen nicht länger bei den Herzensergiefsungen des 
neunzigjährigen Greises, dessen reine und gute Absichten unsere 
ehrende Anerkennung fordern, ob wir gleich ausspreehen miüs- 
sen dafs er in seinem Ziele sich vollständig vergrill und über Phi- 


1) 72—80 S. 96—98. 

2) 137 S. 110. 142 8. 111. 

3) S. besonders am Schlusse 149 — 152.8. 1191, Dasselbe Thema 
behandelt der 3. isokrateische Brief. Der Verfasser des 30. sokrat. Briefs 
(Ὁ. Orelli I, 35ff.), den man Speusippos hat beilegen wollen, tadelt 
Isokrates unter anderm, dafs er keine Rechtfertigung des von Philipp 
in Betreff von Olynthos Amphipolis und der phokischen Sache eingehal- 
tenen Verfahrens gegeben habe. 


224 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


lipps Sinnesart und Staatskunst ganz im unklaren war. Wie schwer 
mulste es sein, wenn von der einen Seite Selbstsucht und schnöder 
Verrath Philipp in die Hände arbeitete, und andererseits gutmüthige 
Befangenheit in ihm einen Segenshort und Friedensbürgen begrüfste 
unter dessen Schutz Griechenland sich zu beugen habe, nur die 
athenische Bürgerschaft aus der Täuschung zu reilsen, geschweige 
denn alle gebundenen und zwiespältigen Kräfte der Hellenen zur 
Abwehr ihres gemeinsamen Feindes zu vermögen '! Doch wir keh- 
ren zu den Thatsachen zurück, welche die freudigen Hoflnungs- 
träume bitter genug Lügen strafen sollten. 

Die Bedingungen, unter denen die Athener nach dem Antrage 
des Philokrates mit Philipps bevollmächtigten Gesandten Frieden 
schlossen, waren, insofern sie den dermaligen Besitzstand für jetzt 
und für die Zukunft garantierten, unvortheilhaft und unehrenvoll 
für Athen. Aber man mochte sich damit trösten, dals ein fortge- 
setzter Krieg statt das verlorene wieder einzubringen nur neue Ver- 
Iuste hätte mit sich führen können: unter den obwaltenden Verhält- 
nissen war es schon ein Gewinn, dafs der Chersones und die Inseln 
sicher gestellt waren und dafs die Bürgerschaft neue Kräfte sam- 
meln konnte ?. Deshalb liefse es sich wohl denken, was Aeschines 
freilich nicht eben in glaubhafter Weise vorbringt, dafs Demosthe- 
nes selbst am zweiten Tage der Verhandlungen einen Vertragsent- 
wurf bereit gehalten habe, in welchem er Frieden und Bundesge- 
nossenschaft unter gleichen Bedingungen wie Philokrates zugeste- 
hen wollte ®. Eine wirkliche Gefahr aber lag darin dafs Philipp für 


1) Vgl. Grote XI, 603. 

2) Dem. vdG. 97 8. 372, 15 εἰ γὰρ ἡ μὲν εἰρήνη ἐγεγόνει, μηδὲν 
δ᾽ ὕστερον ἐξηπάτησϑε ὑμεῖς μηδ᾽ ἀπολώλει τῶν συμμόχων μηδείς. 
τίν᾽ ἀνθρώπων ἐλύπησεν ἂν ἡ εἰρήνη, ἔξω τοῦ ἄδοξος γεγενῆσϑαι: 
— ἀλλ᾽ ἀνήκεστόν. 7. οὐδὲν ἂν nv γεγονός. 150 8.388, 1 καὶ μέχρι 
τούτου γε οὐδὲν ἀνήκεστον ἢν τῶν πεπραγμένων, ἀλλ᾽ αἰσχρὰ μὲν ἢ 
εἰρήνη καὶ ἀναξία τῆς πόλεως, ἀντὶ δὲ τούτων δὴ τὰ ϑαυμάσια ἀγαϑὰ 
ἡμῖν ἔμελλεν ἔσεσϑαι. Die Worte Justins (8, 4) ex commodo utrorum- 
que pax facta mögen auf Theopomps Urteile beruhen. 


3) Aesch. 2, 67f. 8. 36f. μαρτυρεῖ Auvvrog Aloglvn - ἐν τῇ ὑστέρᾳ 
τῶν δυεῖν ἐκκλησιῶν. -Ξ “Ἰημοσϑένην ἐπιδείξασϑαι παφαχκαϑήμενον ψή- 
φιόσμα γεγραμμένον ἑαυτῷ, ἐφ᾽ ᾧ ἐπεγέγθθεπθκο τὸ “ημοσϑένους ὄνομα, 
καὶ ἀνακοινοῦσϑαι αὐτὸν αὑτῷ, εἰ δῷ ἐπιψηφίσαι τοῖς προέδροις, καὶ 
εἶναι, ἐφ᾽ οἷς τὴν εἰρήνην καὶ τὴν συμμαχίαν ἔγραψε ποιεῖσϑαι, ἐπὶ 


͵ 


Urteile über den Frieden. Anliegen der Athener. 225 


seine Einmischung in Griechenland sich freie Hand gesichert hatte. 
Es mufste sich zeigen, ob die Voraussetzung, unter der allein der 
Friede durchgegangen war, dafs Philipp in Betreff der Phokier von 
selbst den Wünschen der Athener nachkommen werde, sich erfülle. 
Traf sie nicht zu, so stand wieder alles in Frage: denn den Marsch 
durch die Thermopylen um im Bunde mit den Thessalern und The- 
banern die Phokier zu unterdrücken wollten die Athener Philipp 
nicht gestatten. Eine andere Sorge der Bürgerschaft bildeten die 
thrakischen Verhältnisse. Wir haben gesehen, dafs Philipp mit Be- 
sinn des Frühlings gleich nach der Abreise der athenischen Gesand- 
ten, ins Feld gieng, und wenn auch seinen Zusicherungen nach der 
Chersones für neutral gelten sollte, so hatte Chares doch auch auf 
dem Festlande mehrere Plätze mit Besatzungen versehen um sie 
gegen Philipp zu behaupten. Diese waren gefährdet, bis Philipp 
den Frieden beschworen hatte, der unterdefs nicht säumte die 
Zwischenzeit möglichst auszubeuten. Überhaupt lag den Athenern 
viel daran Thrakien nicht ganz unter makedonische Botmäfsigkeit 
gerathen zu lassen: darum wünschten sie Philipp zu vermögen von 
dem Kriege gegen Kersobleptes abzustehen und für jenen Fürsten 
den Beitritt zum Frieden auszuwirken. Demnach waren die Aufträge, 
mit welchen die athenische Gesandtschaft abermals an Philipp abge- 
ordnet wurde um ihm und seinen Bundesgenossen den Eid auf den 
Friedensvertrag abzunehmen, von der dringendsten Art und von fol- 
genschwerer Bedeutung. 

Nachdem über den Frieden Beschlufs gefalst war, war das 
nächste Geschäft die Eidesleistung auf die Urkunde im Namen der 
athenischen Bürgerschaft und die Wahl der Gesandten, welche von 
Philipp und seinen Bundesgenossen den Eid auf den Frieden em- 
pfangen sollten. Wiederum wurden zehn athenische Gesandte er- 
wählt und ein eilfter aus der Mitte der Bundesgenossen, und zwar 


τοῖς αὐτοῖς, ἐφ᾽ οἷσπερ καὶ Φιλοκράτης ἐγεγράφει. Vgl. 64 8. 80. 
Vielleicht ist an dem ganzen Zeugnisse, das abgeschmackt genug heraus- 
kommt, kein wahres Wort (vgl. Franke a. O. S. 24); ich zweitle über- 
haupt, ob an dem zweiten Tage noch ein neuer Vertragsentwurf konnte 
eingebracht werden; vgl. o. S. 197. 209. Wenn etwas thatsächliches zu 
Grunde liegt, so müssen in dem Gegenentwurfe des Demosthenes die 
weiteren Paragraphen (über den Beitritt der Hellenen und insbesondere 
über die Phokier) anders gelautet haben: denn sonst war er völlig 
überflüssig. 

DEMOSTHENES II. 15 


226 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


ganz dieselben welche das vorige Mal an Philipp abgeordnet waren!. 
Der Volksbeschlufs, welcher über die Wahl und die Vollmacht er- 
lassen wurde, schrieb den Gesandten zuvörderst vor, sie sollten 
auf Grund des Vertrages König Philipp und den Obrigkeiten der 
ihm verbündeten Städte die Eidesleistung an die Athener und ihre 
Bundesgenossen abnehmen; daran aber schlofs sich eine ganze 
Reihe verschiedener Aufträge, die nicht speciell angeführt wer- 
den. Weiter wurde vorgeschrieben, sie sollten nur insgesamt, nir- 
gends allein mit Philipp verhandeln ; endlich hiefs es nach der übli- 
chen Formel, die Gesandten sollten im übrigen nach Kräften das 
Interesse Athens wahrnehmen”. Einen besonderen Auftrag em- 


1) Dafs zu der zweiten Gesandtschaft (ἡ ὑστέρα πρεσβεία ἡ ἐπὶ 
τοὺς ὅρκους, s. Dem. Phil. 2, 29 5. 72, 29. vdG. 17 5. 346, 11. 58 
S. 359,10. 171 5. 394, 28. Aesch. 2, 81 S. 39. 96f. 5. 404. 1298 5. 44. 
3, 73 9. 64. ἡ δευτέρα Argum. II zu Dem. vdG. 336, 19. 337, 13) 
eine neue Wahl stattfand lehren Aesch. 2, 82 S. 39. Dem. vdG. 17 
S. 346, 5; dafs es wiederum zehn Athener waren und einer von den 
Bundesgenossen Aesch. 2, 97 S. 41, vgl. 178 5. 52; und aus Dem. vdG. 
163—165 8. 392, 12f. ergibt sich, dafs dieselben Personen beide Gesandt- 
schaften bekleideten. Vgl. Liban. Einleit. zu Dem. vdG. S. 333, 16. 
Mit Namen aufgeführt werden Philokrates Aeschines Phrynon Demo- 
sthenes a. O. 229 S. 412, 19. 189 5. 400, 11—15 (vgl. Aesch. 2, 8 
S. 29) u. öfter; Derkylos 175 S. 396, 9. Iatrokles 197f. 5. 402, 22. 
403, 6 und mit Aglaokreon von Tenedos Aesch. 2, 126 S. 44. 

2) Aesch. 2, 98. 101—104 $. 41 führt an — οὔτε γὰρ τὸ ψήφισμα 
TodP” ἡμῖν προσέταττεν (nach Thrakien zu reisen), ἀλλ᾽ ἀπολαβεῖν 
μόνον τοὺς ὄρκους καὶ ἄλλ᾽ ἄττα —. ἀνεγνώσϑη μὲν τὸ ψήφισμα, 
nad” ὃ ἐπρεσβεύσαμεν, καὶ τὰ προστεταγμένα ἡμῖν πρὸς τῷ τοὺς δρ- 
πους ἀπολαβεῖν συνηριϑμούμεϑα. -- εἶπον - ὅτι μοι δοκοίησαν τὸ μέ- 
γιστον πρόσταγμα τοῦ δήμου δεινῶς ἀγνοεῖν. “τὸ μὲν γὰρ τοὺς ὅρκους 
«ἀπολαβεῖν καὶ περὶ τῶν ἄλλων διαλεχϑῆναι καὶ περὶ τῶν αἰχμαλώτων 
ἐχτλ. -- ἀφίγμεϑα δ᾽ ἡμεῖς ἔχοντες τοῦ δήμου ψήφισμα ἐν ᾧ γέγραπται 
«πράττειν δὲ τοὺς πρέσβεις καὶ ἄλλ᾽ ὅ τι ἂν δύνωνται ἀγαϑόν"»". Vel. 
114 5. 43. 120 5. 44 τὸ προστεταγμένον ἡμῖν ““πράττειν ἀγαθὸν ὃ τι 
“iv δυνώμεϑα᾽" ἐν τῷ ψηφίσματι. Dem. vdG. 37 5. 352, 23 οὐ πε- 
ποιηκότων οὐδὲ διῳκηκότων οὐδὲν ὧν ὑμεῖς προσετάξατε ἐν τῷ ψη- 
φίσματι. Val. 4. 6. 5. 342, 16. 27. 8 8. 343, 16. 17 8. 346, 16. 94 
S. 371, 8. 174 8. 395, 27. 179 8. 397, 17. — 151 5. 388, 16 κατὰ 
τὸ ψήφισμ᾽ αὐτὸν (Φίλιππον) ἐξορκωσάντων (ἡμῶν). 278 8. 430, 17 
οὗτοι δ᾽ οὐ παρὰ τὰ γράμματα (ἐπρέσβευσαν); οὐ τὸ μὲν ψήφισμα 
«ἡϑηναίοις καὶ τοῖς Adnvalov συμμάχοις" -- “τοὺς ἄρχοντας δρκοῦν 
“τοὺς ἐν ταῖς πόλεσιν" - “οὐδαμοῦ μόνους ἐντυγχάνειν Φιλίππῳ". 
Vgl. 161 S. 391, 21 u. 26 λέγε πρῶτον μὲν τὸ ψήφισμα, ὡς δρκοῦν 


Zweite Gesandtschaft an Philipp und deren Instruction. 227 


pfieng Demosthenes wegen der kriegsgefangenen; aus eigenen Mit- 
teln nahm er zum Lösegelde ein Talent mit '. 

Wir müssen bedauern dafs wir die Instruction der Gesandten, 
wie sie in diesem Volksbeschlusse enthalten war, nicht vollständig 
kennen: denn eben darauf beruht zu einem wesentlichen Theile die 
Anklage des Demosthenes, Aeschines habe wider Pfllicht und Auf- 
trag gehandelt. Um so auffallender ist es dafs, während Demo- 
sthenes die Urkunde verlesen läfst, Aeschines sehr Nüchtig darüber 
hingeht: sollte seine Rechtfertigung genügend sein, so mulste er 
Punet für Punet seiner Instruction durchgehen und zeigen dafs er 
die erhaltenen Aufträge erfüllt oder zu erfüllen gesucht habe. Es 
ist aber nicht zu verkennen dafs in dem Volksbeschlusse sich ein 
Mistrauen gegen die Gesandten und die Besorgnils, einer oder der 
andere möge sich zu tief mit Philipp einlassen, kundgibt. Wir hö- 
ren nicht wer den Antrag gestellt hat, sicherlich nicht Demosthenes, 
denn das würde irgendwie erwähnt sein, aber ich vermuthe dafs er 
der Fassung desselben nicht fremd gewesen ist. Denn bei ihm 
stand seit dem 19 Elaphebolion die Überzeugung fest dafs nicht 
blofs Philokrates, der ganz ollenbar als Geschäftsträger und Agent 
Philipps aufgetreten war, sondern dafs auch Aeschines in makedo- 
nischem Solde stehe ; fortan hat er nie wieder etwas mit ihm gemein 
gehabt ?. 

Die Gesandten zur Eidesabnahme waren bereits erwählt che 
noch die athenischen Bundesgenossen den Frieden beschworen hat- 
ten. Dieser Act ward an einem der nächsten Tage vorgenommen, 


προσῆκεν ἡμῖν (nämlich τοὺς ὅρκους λαμβάνειν παρὰ τῶν Φιλίππου 
συμμάχων 108 1. S. 390, 20f.). 

1) Dem. ἃ. Ο. 171—173 S. 394, 25 — 395, 13. Vgl. das 2 Argu- 
ment S. 336, 19. Demosthenes bezeichnet diesen Auftrag, zu welchem 
er allein bevollmächtigt war (ὧν αὐτοκράτωρ ἦν), als das entschei- 
dende Motiv seiner Betheiligung an der zweiten Gesandtschaft. Aeschi- 
nes a. Ὁ, sagt, darüber habe in dem Volksbeschlusse gestanden. Über 
das Talent 5. Dem. 40 S. 353, 18. Aesch. 2, 99f. S. 41. 


2) Dem. γα. 13 8. 345, 3 μέχρι τοῦ δεῦρ᾽ ἐπανελϑεὶν ἀπὸ τῆς 
πρώτης πρεσβείας ἐμὲ γοῦν -- διερϑαρμένος καὶ πεπρακὼς ἑαυτὸν ἐλάν.- 
ϑανεν. 94 9, 371, 3 πόϑεν ἄρχει κατηγορεῖν ; ὅϑεν -- βουλευομένων 
ὑμῶν -- ὑπὲρ τοῦ ποίαν τινὰ (εἰρήνην ποιητέον) τοῖς τὰ δίκαια λέγου- 
σιν ἀντειπὼν τῷ μισϑοῦ γράφοντι συνεῖπε δῶρα λαβών. 316 8.443, 1 
τι. v. 8. St. 

15* 


223 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


und zwar kraft eines Volksbeschlusses, der unter dem Vorsitze des 
Demosthenes gefafst wurde '. Eben daran knüpft Aeschines die 
Behauptung durch die Schuld des Demosthenes sei Kersobleptes 
von der Theilnahme an den Verträgen ausgeschlossen: aber die 
Thatsachen woraus er diese Anklage ableiten will hat er zu verschie- 
denen Zeiten verschieden dargestellt *. In der Rede von der Ge- 
sandtschaft ? deutet er zuvörderst an, er habe Kersobleptes für ei- 
nen Vasallen Philipps halten müssen, denn sein Sohn habe sich als 
Geisel am makedonischen Hofe aufgehalten. Demgemäfs sei bei der 
Beschlufsfassung über den Frieden des Kersobleptes keine Erwäh- 
nung geschehen. Aber nach der abermaligen Gesandtenwahl, so 
erzählt Aeschines weiter, (am 24 Elaphebolion) wurde eine Volks- 
versammlung gehalten, in welcher Demosthenes durch das Loos 
zum Vorsitze berufen wurde. In dieser trat Kritobulos von Lam- 
psakos auf als von Kersobleptes bevollmächtigt und verlangte den 
Eid auf den Frieden an die Gesandten Philipps abzuleisten : Kerso- 
bleptes sollte unter den Bundesgenossen Athens mit aufgeführt 
werden. Dieser Forderung entsprechend gab Aleximachos (aus 
dem Gau der Peleken) bei den vorsitzenden den Antrag ein, der von 
Kersobleptes gesendete solle mit den übrigen Bundesgenossen Phi- 
lipp den Frieden zuschwören. Der Antrag ward verlesen; Demo- 
sthenes aber erklärte, er werde ihn nicht zur Abstimmung bringen, 
denn damit werde der mit Philipp geschlossene Friede gebrochen: 
es könne nicht jedweder nach Belieben sich an dem Schwure bethei- 
ligen, sondern das sei in der früheren Volksversammlung abge- 
macht. Dennoch nahmen trotz seines Widerspruches die übrigen 
vorsitzenden die Abstimmung vor, und in dieser wurde, so viel wir 
aus Aeschines Worten entnehmen müssen *, der Antrag zum Be- 


1) Acsch. 2, 82 8. 39 ἤδη δὲ ἡμῶν κεχειροτονημένων ἐπὶ τοὺς 
ὅρκους, οὔπω δὲ ἀπηρκότων ἐπὶ τὴν ὑστέραν πρεσβείαν, ἐκκλησία γί- 
γνεται, ἐν ἡ Δημοσϑένης --- λαγχάνει προεδρεύειν. 90 8.40; 5. τι. 8. 380. 

2) 5. über die Widersprüche Westermann qu. 1), III, 44f. Franke 
2,0828 

3) 81—86 8. 38f. 

4) Brückner K. Philipp S. 167 u. Böhnecke Ἐς I, 399, 3 vermu- 
then, der Antrag müsse abgeworfen sein, l1®2terer deshalb, weil Aeschi- 
nes ihn nicht verlesen lasse. Allerdings ist das auffällig: aber wie 
Franke Proleg. S. 29 bemerkt hat besagen die Worte $ 86 ἐψηφισα E- 
νου δὲ τοῦ δήιου das Gegentheil. 


Beschwörung des Friedens. Kersobleptes. 229 


schlufs erhoben. Gleich nach beendigter Sitzung nahmen dann die 
Gesandten Philipps vor den athenischen Strategen in der Feldherrn- 
halle den Beisitzern des Bundesrathes den Eid auf den Frieden ab: 
Aeschines aber verwahrt sich dagegen und ruft die Feldherrn und 
die Beisitzer zu Zeugen auf, dafs er es nicht gewesen der, wie De- 
mosthenes behauptet habe, den Gesandten des Kersobleptes von 
der heiligen Handlung fortgewiesen. 

Zunächst müssen wir bemerken dafs eine solche Beschuldigung 
von Demosthenes, wie seine Rede uns vorliegt, gar nicht aufge- 
stellt ist: er behauptet nur, was Aeschines auch weiterhin berührt ', 
durch Verabsäumung der Reise nach Thrakien sei Kersobleptes sei- 
nem Schicksale überlassen worden. Aber mag nun Demosthenes 
vor Gericht etwas der Art behauptet oder Aeschines eine solche An- 
klage erwartet haben, die Darstellung welche er gibt hat viel be- 
fremdliches. Zunächst ist die Insinuation über das Verhältnifs, in 
welchem Kersobleptes zu Philipp gestanden habe, gar sehr im ma- 
kedonischen Sinne: dafs die Athener in freundschaftlichen Bezie- 
hungen zu jenem Fürsten standen, dafs Chares Befehl hatte thra- 
kische Plätze zu decken konnte Aeschines nicht unbewulst sein ?. 
Deshalb ist es unglaublich dafs bei den Friedensverhandlungen sei- 
ner nicht gedacht sein sollte: vielmehr müssen wir aus Demosthe- 
nes abnehmen dafs damals dem Volke vorgespiegelt wurde, Philipp 
werde sich willig finden lassen, wie die Phokier und Halier, so auch 
Kersobleptes nachträglich in den Frieden einzuschliefsen. Aber die 
makedonischen Gesandten hatten sicherlich dazu keine Vollmacht, 
und in dem Vertrage des Philokrates war er nicht ausdrücklich in- 
begriffen ὃ. Demzufolge konnte ein einseitiger Beschlufs der athe- 
nischen Volksversammlung die Sache nicht entscheiden: es bedurfte 


1) 89 8. 40. 98 8. 41. 

2) S. 90 8. 40. Vgl. o. S. 166. 

3) Dem. vdG. 174 8. 395, 25 Φωκεῖς ἐκσπόνδους καὶ Aksig ἀπέ- 
pnvav (Aeschines und Philokrates auf der 2. Gesandtschaft) καὶ Keg- 
σοβλέπτην παρὰ τὸ ψήφισμα καὶ τὰ πρὸς ὑμᾶς εἰρημένα. To ψήφισμα 
ist hier nicht die Instruction der Gesandten, denn diese (τὸ ψήφισμα 
- ἐφ᾽ ᾧ πρεσβεύοντες ἥκομεν) wird in den nächsten Worten davon 
unterschieden, sondern der von der Bürgerschaft genehmigte Friede 
(τὸ τοῦ δήμου ψήφισμα 161 8. 391, 29) in der Auffassung, wie sie 
159 5. 391, 3—11 seinem Wortlaute untergelegt ist. Uber die begüti- 
genden Erläuterungen (τὰ πρὸς ὑμᾶς εἰρημένα) 5. ο. S. 216f. 


230 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


erst einer Verständigung mit Philipp, welche zu vermitteln Aufgabe 
der athenischen Gesandten war. Unter diesen Umständen liefse 
sich der Protest des Demosthenes gegen den von Aleximachos ge- 
stellten Antrag gar wohl erklären. Jedoch vermissen wir einen 
Ausspruch darüber wer den Kritobulos von der Eidesleistung zu- 
rückgewiesen hat. Demosthenes hat seine Absicht nicht durchge- 
setzt ', Aeschines will noch weniger damit zu schaffen haben: wir 
können kaum anders annehmen als dafs auf den Widerspruch der 
makedonischen Gesandten die athenischen Strategen ihn abwiesen, 
und das ist in einem späteren Schreiben Philipps an die Athener 
seradezu ausgesprochen ?. Aber wiederum ist es unglaublich dafs 
diese Behörde gewagt haben sollte einem eben gefalsten Volksbe- 
schlusse ohne weiteres zuwider zu handeln. 

Und diese Bedenken werden verstärkt wenn wir Aeschines Rede 
gegen Ktesiphon zur Hand nehmen. Dort kehrt die Anschuldigung 
wieder, Demosthenes habe durch sein Verfahren als vorsitzender 
der Volksversammlung Kersobleptes von dem Frieden ausgeschlos- 
sen. Philokrates nämlich habe einen Antrag eingebracht, der aufser 
andern Gegenständen beiläufig auch die Bestimmung enthielt, die 
Beisitzer des Bundesrathes sollten am selbigen Tage den Eid an die 
makedonischen Gesandten leisten. Durch diese Fassung, fügt Ae- 
schines hinzu, war unvermerkt Kersobleptes ausgeschlossen: denn 
von ihm safs kein Beisitzer im Synedrion ®. Hier also erfahren wir 


1) Wohl sagt Aesch. 2, 85 8. 39 Ζημοσϑένης — φαίνεται τῆς συμ- 
μαχίας ἐκκλείων αὐτόν (Κερσοβλέπτην). 93 5. 40 τὸν Κερσοβλέπτην 
᾿ϑήνησι μὲν ἔκσπονδον ἐποίεις πρόεδρος ὦν; aber damit wird nur die 
schlimme Absicht des Demosthenes bezeichnet, die ihres Zweckes ver- 
fehlte, denn ἄκοντος αὐτοῦ τὸ ψήφισμα ἐπεψηφίσϑη (8 84). Sonst 
mülste es auch statt ἐκκλείων ἐκπλείσας heifsen. 

2) 88. 160, 21 ἐγὼ δὲ τούτους (Τήρην καὶ Κερσοβλέπτην) οὔτε τῶν 
περὶ τῆς εἰρήνης συνθηκῶν οἶδα μετασχόντας ὑμῖν δῦτ᾽ ἐν ταῖς στήλαις. 
ἀναγεγραμμένους οὔτ᾽ ᾿Αϑηναίους ὄντας, ἀλλὰ Τήρην μὲν μετ᾽ ἐμοῦ 
στρατενόμενον ἐφ᾽ ὑμᾶς, Κερσοβλέπτην δὲ τοῖς παρ᾽ ἐμοῦ πρεσβευταῖς 
ἰδίᾳ μὲν τοὺς ὅρκους ὀμόσαι προϑυμούμενον, κωλυϑέντα δ᾽ ὑπὸ τῶν 
ὑμετέρων στρατηγῶν ἀποφαινόντων αὐτὸν ᾿᾿Αϑηναίων ἐχϑρόν. Vel. 
Böhnecke F. I, 399. 

3) Aesch. 3, 73f. 5. 64. Das Datum lautet hier zweimal ἕκτῃ 
φϑίνοντος τοῦ ἐλαφηβολιῶνος (24 ἘΠ.), während in der früheren Rede 
90 8. 40 die Volksversammlung ἑβδόμῃ φϑίένοντος und gleich vorher 
ein Schreiben von Chares ἕκτῃ φϑένοντος datiert wird. In der späte- 


Kersobleples. Abreise der Gesandten. 25 


was Aeschines früher verschwiegen hatte, dafs der Hauptantrag von 
Philokrates ausgieng, und der ganze Vorwurf gegen Demosthenes 
beschränkt sich darauf, dafs er einen derartigen Beschlufs (den Ae- 
schines verlesen läfst, was mit dem Antrage des Aleximachos nicht 
geschieht) zur Abstimmung gebracht habe: einen Beschlufs,-der an 
der beregten Stelle nur die formelle Vollziehung des Friedens an- 
ordnete. 

Wir müssen darauf verzichten aus den Widersprüchen in wel- 
che Aeschines sich verwickelt das Körnchen Wahrheit das darin 
etwa enthalten sein mag herauszulesen. So viel liegt auf der Hand, 
dafs wie auch Aeschines die Sache dreht und wendet, keine triftige 
Anklage wider Demosthenes herauskommen will. Wir können uns 
nicht überzeugen dafs Aeschines durch solche Winkelzüge die Be- 
schuldigung entkräftet habe, Kersobleptes sei durch die Saumselig- 
keit und Pflichtvergessenheit der athenischen Gesandten auf ihrer 
zweiten Reise im Stiche gelassen ὦ, 

Mit dem von den athenischen Behörden und den Beisitzern des 
Bundesrathes beschworenen Frieden reisten die Gesandten Phi- 
lipps über Theben und Euboea zurück , auch jetzt von Demosthenes 
mit gastlicher Aufmerksamkeit behandelt: er hatte ihnen Maulthier- 
gespanne gemiethet und gab ihnen selber zu Pferde das Geleit ?. 
Dann aber sprach Demosthenes vor der Bürgerschaft aus und be- 
redete es mit den übrigen Gesandten,, sie müfsten schleunigst nach 
dem Hellespont fahren um keinen von den dortigen Plätzen mittler- 
weile in Philipps Gewalt gerathen zu lassen. Denn es lag auf der 
Hand, was Philipp in der Zwischenzeit ehe er sich auf den Frieden 
verpflichtete eroberte, war für Athen verloren: um einiger kleiner 


ren Rede bezieht sich Aeschines ebenso wie in der früheren auf eine 
vorliegende Urkunde, so dafs an einen Irrthum des Redners nicht zu 
denken ist. Ich halte für das wahrscheinlichste, was L. Spengel Rhein. 
Mus. II, 380, 2 vermuthet hat, dafs bei Aesch. 2, 90 S. 40 umzustel- 
len sei ὅτι — ἱερὸν ὄρος κατείληφε Φ. ἐλαφηβολιῶνος μηνὸς ξ΄ φϑί. 
νοντος" “]ημοσϑένης δ᾽ ἐν τῷ δήμῳ προήδρενε τούτου τοῦ μηνός, εἷς 
ὧν τῶν πρέσβεων, ς΄ φϑίένοντος. 

1) Vgl. Westermann u. Franke a. O. 

2) Aesch. 2, 111 5. 42. 3,76 5. 64. Deinarch. 1, 28 5. 93. Προῦ- 
meunpev εἰς Θήβας sagt übertreibend Aeschines in der späteren Rede: 
μέχρις Εὐρίπου καὶ τῆς Χαλκίδος Schol. zu Dem. vdG. 234 S. 414, 1. 
Umgekehrt in der deinarchischen Rede ἐκ Θηβῶν καλέσας. 


232 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


abgelegener Orte willen mochte niemand einen neuen Krieg anfan- 
gen. Suchten nun die athenischen Gesandten Philipp im Feldlager 
auf und nahmen ihm den Eid ab, so mufsten die Absichten des Kö- 
nigs alsbald klar werden: entweder gab er die Plätze welche er be- 
reits den Athenern abgenommen hatte wieder heraus und liefs die 
übrigen unangetastet; oder er weigerte sich diesem Ansinnen zu 
entsprechen, so konnten die Athener daraus auf Meldung ihrer Ge- 
sandten seine Unzuverlässigkeit und Habsucht erkennen und auf 
ihrer Hut sein um näheres und wichtigeres, nämlich Phokis und 
die Thermopylen, sicher zu stellen '. Und in der That war Gefahr 
im Verzuge: denn eben als zu Athen der Frieden geschlossen war, 
eroberte Philipp in dem thrakischen Küstenlande einen Platz nach 
dem andern und verjagte die athenischen Besatzungen, die Feste 
Serrheion an dem Vorgebirge jenseit Maroneia, Doriskos am Hebros, 
Hieron Oros. In letzterem Orte hielt Kersobleptes, durch atheni- 
sche Söldner verstärkt, eine Belagerung aus, mufste aber, wie eine 
Depesche des Feldherrn Chares nach Athen berichtete, am 23 Ela- 
phebolion capitulieren, und Philipp drang im nächsten Monate bis 
nach Ganos vor ἢ. So war Philipp Meister der ganzen thrakischen 


1) Dem. vdG. 150—153 8.387, 27f. vKr. 25—830 5. 233, 21— 236,1. 
Böhnecke F. I, 401, 2 leugnet dafs die Reise der Gesandten nach Thra- 
kien etwas fruchten konnte, denn Philipp würde seinen Feldzug nicht 
aufgegeben und die bereits genommenen Plätze nicht wieder geräumt 
haben. Allerdings; aber dann trat die andere Alternative ein, welche 
Demosthenes aufstellt. 

2) Aesch. 2, 89f. S. 40 εἴρηκε δὲ οὑτοσὶ πρὸς ὑμᾶς παρὰ τοῦτο 
διαφϑαρῆναι τὰ Κερσοβλέπτου πράγματα, ὅτι -- αὐτοῦ κελεύοντος εἰς 
Θρᾷάκην ἡμᾶς ἰέναι Κερσοβλέπτου πολιορχουμένου καὶ διαμαρτύρασϑαι 
Φιλίππῳ ταῦτα μὴ ποιεῖν, οὐκ ἠϑέλησα —. ἀκούσατε δὴ τῆς Χάρη- 
τος ἐπιστολῆς, ἣν ἐπέστειλε τότε τῷ δήμῳ, ὅτι Κερσοβλέπτης ἀπολώ- 
Aene τὴν ἀρχὴν καὶ Ἱερὸν ὄρος κατείληφε Φίλιππος ἐλαφηβολιῶνος 
μηνὸς ἕχτῃ φϑίνοντος; vgl. 92. 98 8. 41. Böhnecke Εἰ. I, 400. ο. 5. 2305, 
Hegesipp. üb. Halonn. 36f. 5. 85, 21 περὶ δ᾽ ὧν ἐν τῇ εἰρήνῃ εἴληφε 
χωρίων, υμῶν ἐχόντων, παρασπονδῶν καὶ λύων τὴν εἰρήνην -- ἀριϑ- 
μὸς ἡμερῶν ἐστιν 6 κρίνων. ἅπαντες γὰρ ἴσμεν τίνι μηνὶ καὶ τίνι 
ἡμέρᾳ ἡ εἰρήνη ἐγένετο. ὥσπερ δὲ ταῦτα ἴσμεν, κἀκεῖνα ἴσμεν, τίνι 
μηνὶ καὶ τίνι ἡμέρᾳ Σέρρειον τεῖχος καὶ Ἔργίσκη καὶ Ἱερὸν ὄρος 
ἑάλω. — “πᾶσι γνώριμα πότερος πρότερος μήν ἐστιν, ἐν ᾧ ἡ εἰρήνη 
ἐγένετο ἢ ἕν ᾧ τὰ χωρία ἕάλω. Dem. Phil. 8, 158. 5. 114, 14 6 τοί- 
νυν Φίλιππος ἐξ ἀρχῆς, ἄρτι τῆς εἰρήνης γεγονυίας -- Φέρρειον καὶ Jo- 
glonov κατελάμβανε καὶ τοὺς ἐκ Σερρείου τείχους καὶ Ἱεροῦ ὄρους 


Abreise der Gesandten. Philipp in Thrakien. 233 


Seeküste bis an die Propontis (denn dort liegt Ganos); von dem 
Chersones kam der Strich jenseit der Stadt Agora in seinen Besitz 
und er belieh damit jenen Apollonides von Kardia, der schon auf 
seinem ersten thrakischen Zuge mit ihm in Charidemos Auftrage 
verhandelt hatte '. Kardia stand fortan im engsten Bunde mit Phi- 
lipp. Kersobleptes mulste sich den Bedingungen fügen, welche der 
Sieger ihm vorschrieb. Sein Sohn blieb als Geisel seiner Ergeben- 
heit in Makedonien: Philipp behielt das eroberte Land und zog dar- 
aus ansehnliche Einkünfte und viele Soldaten *. Mochten die Athe- 
ner hinterdrein die Plätze, in denen ihre Söldner gestanden, na- 
mentlich Serrheion, Ergiske, Hieron Oros, auf Grund des Friedens 
zurückfordern, Philipp hat seine Beute nicht wieder fahren lassen. 
στρατιώτας ἐξέβαλλεν, οὖς ὃ ὑμέτερος στρατηγὸς κατέστησεν κτλ. üb. 
d. Angel. d. Cherson. 04 5. 105, 15 τἀπὶ Θράκης, «“ορίσκον, «Σέρ- 
ρειον, τὸν Κερσοβλέπτην αὐτόν. VdG. 156 5. 390, 2 ἐν δὲ τούτῳ 
(Munych. τι. Thargelion) Ζορίσκον, Θράκην, τὰ ἐπὶ τειχῶν, “Ιερὸν 
0005, πάντα τὰ πράγματα ἐν εἰρήνῃ καὶ σπονδαῖς ἥρει καὶ διῳκεῖτο 
ὁ Φίλιππος. 1701. S. 397, 21 ---28. 219 S. 409, 4. 334 5. 448, 19. 
Aesch. 3, 82 5. 65 und Dem. vKr. 27 S. 234, 12 (vgl. 70 S. 248, 4) 
nennen noch Myrtenon (oder Myrtiske; Myrtanon Harp. nach Marsyas 
und Anaximenes), Ganos und Ganis. Alle diese Castelle haben wir an 
der thrakischen Küste zu suchen (vgl. Aesch. 2, 9 8. 29 ἀπηλλοτριω.- 
κέναι δ᾽ ἀφ᾽ ὑμῶν τὸν ἐπὶ Θράκης τόπον). Bekannt sind Doriskos und 
Serrheion (vgl. Herod. 7, 59. 108), letzteres am Hebros, dies bei Ma- 
roneia gelegen (s. Kiepert Atlas v. Hellas. N. A. Erläuterungen zu 
Bl. XVI); Hieron Oros (vgl. Dem. w. Aristokr. 104 8.655, 6) lag nach 
den Schol. zu Aesch. 2, 90 5. 40 in Apsynthis, also jenseit des Hebros 
dem Chersones gegenüber (vgl. Strab. 7 fr. 58). Ganos an der Pro- 
pontis hat seinen Namen behalten. Dafs Philipp im Munychion an 
jenen Küsten stand (denn der Name Hellespont umfafst bekanntlich im 
weiteren Sinne die nördlichen Durchfahrten nach dem Pontus in gan- 
zer Ausdehnung) lehrt auch Dem. vdG. 162 S. 392, 2. vKr. 30 S. 235, 25. 

1) Heges. üb. Halonn. 39f. 5. 86, 12—29. Über Apollonides vgl. 
Dem. w. Aristokr. 183 S. 681, 25; o. Buch 11, 5. 

2) Über Kardia 5. Philipps Schr. 118. 161, 20 Καρδιανοῖς δέ φημι 
Bon®eiv, γεγονὼς αὐτοῖς πρὸ τῆς εἰρήνης σύμμαχος. Über das frühere 
Verhältnifs dieser Stadt s. o. a. O.; über die Bedeutung der von Phi- 
lipp gemachten Eroberungen Dem. vKr. 27 S. 234, 14. Kersobleptes 
wird sich zu Tribut und zu Stellung von Hilfstruppen verstanden ha- 
ben; vgl. Diod. 16, 71 (von Ol. 109,2). S. Weiske de hyperb. I, 36, 86. 
Winiewski comment. 8. 127f. Über seinen Sohn als Geisel s. Aesch. 
2, 81 8. 39. 


234 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


So hatte denn Demosthenes guten Grund die Gesandtschalt zur Eile 
anzutreiben: und da seine Vorstellungen umsonst waren, erwirkte 
er vom Rathe einen Befehl zur Abreise. Denn eine Volksversamm- 
lung wurde in diesen Tagen nicht gehalten, da im voraus darüber 
verfügt war; inzwischen hatte der Rath die Vollmacht empfangen 
in Betreff der Gesandtschaft an Philipp das nöthige zu verordnen '. 
Kraft dessen verordnete diese Behörde den 3 Munychion (29 April) 
auf Antrag des Demosthenes, die Gesandten sollten schleunigst ab- 
reisen: und zwar sollte der Feldherr Proxenos sie zu den Orten 
übersetzen, an denen seiner Kundschaft nach Philipp sich eben 
aufhalte ? 

Nunmehr machten sich endlich die Gesandten auf und kamen 
zu Oreos im Norden von Euboea mit Proxenos zusammen. Den 


1) Dem. vdG. 154 5. 389, 12 ἐπειδὴ γὰρ ἐκκλησία μὲν οὐκέτ᾽ ἦν 
ὑπόλοιπος οὐδεμία διὰ τὸ προκατακεχρῆσϑαι, οὗτοι δ᾽ οὐκ ἀπήεσαν, 
ἀλλ᾽ αὐτοῦ διέτριβον, γράφω ψήφισμα βουλεύων, τὴν βουλὴν ποιήσαν- 
τος τοῦ δήμου κυρίαν. Es fiel also eine (oder auch zwei) regelmäfsige 
Volksversammlung aus, weil sie im voraus gehalten war; vgl. damit 
das προκαταλαμβάνειν oder προὐφαιρεῖν τὰς ἐκκλησίας Aesch. 3, 67 
S. 63. 2, ΟἹ S. 36, sie im voraus für eine bestimmte Tlagesordnung in 
Beschlag nehmen. Über die Bevollmächtigung des Rathes vgl. den 
Volksbeschlufs Seeurk. XIV®, 32 ἐὰν δέ zav προσδέηται τόδε τὸ ψή- 
φισμα τῶν περὶ τὸν ἀπόστολον, τὴν βουλὴν κυρίαν εἶναι ψηφίξεσϑαι, 
un λύουσαν μηδὲν τῶν ἐψηφισμένων τῷ δήμῳ und mehr über die βουλὴ 
αὐτοκράτωρ bei Böckh Sth. I, 53. 

2) Aesch. 2, 91f. 5. 40 — μουνυχιῶνος ἐξωρμήσαμεν. καὶ τούτου 
τὴν βουλὴν μάρτυρα ὑμῖν παρέξομαι" ἔστι γὰρ αὐτῆς ψήφισμα, Ö κε- 
λεύει ἀπιέναι τοὺς πρέσβεις ἐπὶ τοὺς ὅρκους. καί not λέγε τὸ τῆς βου- 
Ans ψήφισμα. ΨΗΦΙΣΜΑ. προσανάγνωϑι δὴ καὶ τὸν χρόνον ὅστις ἣν. 
ΧΡΟΝΟΣ. ἀκούετε ὅτι μουνυχιῶνος ἐψηφίσϑη τρίτῃ ἱσταμένου. Man 
beachte, dafs Aeschines die Verlesung so einrichtet, dafs aus der Ein- 
sangsformel nur das Datum angegeben wird, nicht der Antragsteller. 
Eben so wenig wird er den Inhalt des Beschlusses vollständig haben 
verlesen lassen, denn er steckt sich dahinter, dafs über eine Reise nach 
Thrakien in dem Volksbeschlusse nichts gestanden habe (98 8. 41). 
Der Rathsbeschlufs aber lautete nach Dem. a. Ὁ, wörtlich: ἀπιέναι 
τοὺς πρέσβεις τὴν ταχίστην, τὸν δὲ στρατηγὸν Πρόξενον κομίζειν wv- 
τοὺς ἐπὶ τοὺς τόπους ἐν οἷς ἂν ὄντα Φίλιππον πυνϑάνηται. Damit 
übereinstimmend vKr. 25—30 5. 233, 21. 234, 8. 18, 27. 235, 19. 
Vgl. vdG. 157 8. 390, 9. 162 8. 392, 4 τὰ ψηφίσματα, nämlich den 
Volks- und den Rathsbeschlufs. MSchmidt quaest. de or. deFL. 5, 26. 

3) S. zu dem folgenden Dem. vdG. 155 —157 8. 389, 288, 164f. 


Die Gesandten in Pella. 235 


dortigen Aufenthalt benutzte Aeschines um sich von jener Stadt, 
woselbst Philistides bald sich zum Machthaber aufwarf, die Vertre- 
tung zu Athen übertragen zu lassen '. Aber von einer Seereise 
nach dem Hellesponte, um Philipp in Thrakien aufzusuchen, was 
sich in zehn, ja bei guter Fahrt in drei bis vier Tagen hätte aus- 
führen lassen, wollte niemand hören: statt dessen nahm die Ge- 
sandtschaft in weitem Bogen gemächlich ihren Weg durch Thessa- 
lien und traf so erst nach dreiundzwanzig Tagen in Pella ein (Ende 
Munychion —= Mai 346). Demosthenes hatte viel Widerwärtigkeit 
auszustehen, denn seit den Verhandlungen zu Athen waren er und 
die andern Gesandten — diese hielten alle mit Aeschines und Phi- 
lokrates zusammen — geschiedene Leute. “Keiner von uns’, sagt 
Aeschines?, “wollte mit ihm zusammen speisen, ja unterwegs kehrten 
“wir wo es nur möglich war nicht in demselben Gasthaus mit ihm 
‘ein’. Jetzt salsen sie in Pella und zehrten von der makedonischen 
Gastfreundschaft (für den Hin- und Rückweg war ihnen ein Reise- 
geld von tausend Drachmen angewiesen worden °), entschlossen die 
Rückkehr des Königs von dem thrakischen Feldzuge abzuwarten. 
Demosthenes gab seine Meinung dahin ab, sie müfsten noch jetzt 
nach Thrakien reisen, und suchte die Nothwendigkeit dieses Schrit- 
tes darzuthun; alles umsonst: zuletzt warf er den andern Gesand- 
ten geradezu vor, sie seien bestochen und treubrüchig. 


S. 392, 24f. 181 S. 398, 12, und über die Gemeinschaft der übrigen 
Gesandten und ihre Feindseligkeit gegen Demosthenes während der 
Reise 176f. 8. 396, 17—26. 17 8. 346, 8. 188 5. 400, 7. 205 5. 405, 7. 


1) Aesch. 2, 89 S. 40 εἴρηκε δὲ οὑτοσὶ πρὸς ὑμᾶς — ὅτι -, αὐτοῦ 
κελεύοντος εἰς Θράκην ἡμᾶς ἰέναι Κερσοβλέπτου πολιορκουμένου καὶ 
διαμαρτύρασϑαι Φιλίππῳ ταῦτα μὴ ποιεῖν, οὐκ ἠϑέλησα, ἀλλ᾽ ἐκαϑήμην 
ἐν ᾿Θρεῷ καὶ οἵ συμπρέσβεις, προξενίας κατασκευαξόμενοι; vel. 93. 
Von einem verlängerten Aufenthalte in Oreos und von der Bewerbung 
um die Proxenie steht bei Demosthenes a. Ὁ. nichts; aber die That- 
sache bestätigt Dem. νυ. 82 8. 252, 23 οἵ γὰρ παρὰ τοὺ Κλειτάρ- 
xov (von Eretria) καὶ τοῦ Φιλιστίδου τότε (Ol. 109) πρέσβεις δεῦρ᾽ 
ἀφικνούμενοι παρὰ σοὶ κατέλυον, Αἰσχίνη, καὶ σὺ προὐξένεις αὐτῶν. 

2) 2, 97 8. 41. 

3) Dem. vdG. 158 5. 800, 23 ἃ λαβόντες δραχμὰς ἐφόδιον παρ᾽ 
ὑμῶν. Vel. über die Reisegelder der Gesandten 311 S. 441,2. Böckh 
Sth. I, 336f. (der übrigens, der gemeinen Lesart folgend, einige Worte 
hereinzieht, die nicht hieher gehören) Böhnecke F. I, 397, 3. 


236 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Endlich, sieben volle Wochen seit ihrer Abreise von Athen 
(22 Thargelion —= 17 Juni 346), traf Philipp nach Beendigung des 
thrakischen Krieges in Pella ein ', sicherlich erfreut, die athenische 
Gesandtschaft erst in Makedonien zu empfangen. Denn hätte er 
sich auch durch ihre Vorstellungen und Beschwerden in der Durch- 
führung seiner Absichten nicht stören lassen, so mufste es ihm 
doch unwillkommen sein von vorn herein darüber mit Athen in 
Streit zu gerathen: jetzt handelte es sich um vollendete Thatsachen. 
Mit frohem Muthe konnte Philipp den Einzug in seine Hauptstadt 
halten. Ein kurzer Feldzug hatte seine Obergewalt über Thrakien 
befestigt: der Friede mit Athen, abgeschlossen unter Bedingungen 
die er vorgezeichnet hatte, eröffnete seinen Staaten den Seeverkehr 
und verhiefs seiner Marine eine freie Entwickelung: keine helleni- 
sche Macht bot seinem Einflusse mehr die Spitze. Schon warteten 
seiner Gesandte fast von allen griechischen Staaten, aufser der 
athenischen Gesandtschaft von Theben, von Sparta, von Thessa- 
lien; auch phokische sollen erschienen sein um Philipp zu begüti- 
gen und einen feindlichen Kriegszug abzuwenden?®. So gab die 
Zwietracht und Parteiung der hellenischen Staaten Philipp die 


1) Dem. vdG. 156 8.389,27 πρὶν εἰς Μακεδονίαν ἐλϑεῖν γ΄ καὶ a’ ἡμέ- 
ρας ἀνηλώσαμεν" τὰς δὲ ἄλλας πάσας καϑήμεϑ' ἐν Πέλλῃ πρὶν Φίλιππον 
ἐλϑεῖν, σὺν αἷς ἐπορεύϑημεν ὁμοῦ ν΄ ὅλας. vKr. 80 8. 285, 21 οἵ χρη. 
στοὶ πρέσβεις οὗτοι καϑῆντο ἐν Μᾶακεδονίᾳ τρεῖς ὅλους μῆνας, ἕως 
ἢλϑε Φίλιππος ἐκ Θράκης πάντα καταστρεψάμενος τἀκεῖ. Drei Monate 
ist eine Übertreibung; so lange waren die Gesandten überhaupt abwe- 
send (vdG. 57 8. 359, 7. 158 S. 390, 22), oder vielmehr zwei Monate 
und zehn Tage, vom 3 oder 4 Munychion bis zum 13 Skirophorion 
(ebend. 58 5. 359, 10). Vgl. Böckh Sth. I, 3374. Über das strafbare 
Zeitversäumnifs vgl. Dem. vdG. 4. 6. 8 8. 342, 17. 29. 343, 17. 17 
S. 346, 5. Aesch. 2, 101 5. 41 geht darüber hinweg: ὡς δ᾽ ἦμεν ἐν 
Μακεδονίᾳ -- καὶ Φίλιππον ἐκ Θράκης παρόντα κατειλήφειμεν. 108 8. 42 
ἐπειδὴ τοίνυν -- συνελέγησαν μὲν εἰς Πέλλαν αἵ πρεσβεῖαι, παρὴν δ᾽ ὃ 
Φίλιππος. 

2) Just. 8, 4. Diod. 16, 59. Dem. vdG. 139 5. 384, 6. Aesch. 2, 
108. 112 8. 42 παρόντων τῶν πρέσβεων ὡς ἔπος εἰπεῖν ἐξ ἁπάσης τῆς 
Ἑλλάδος. 104 5. Al. 186 5. 46: Thebaner und Spartaner. Über die 
phokischen Gesandten s. aufser Justin Dem. Phil. 3, 11 8. 113, 18. 
Argum. 2 zu Dem. vdG. 337, 5. Nach Isokr. Phil. 74 5. 96f. darf 
man Gesandte von Argos Messene Megalopolis als anwesend vermu- 
then; auf einen Bericht arkadischer Gesandten bezieht sich Dem. vdG. 
198 5. 403, 10. 


Philipps Rückkehr nach Pella. Hellenische Gesandischaften. 237 


schiedsrichterliche Gewalt in die Hände; an seinem Hofe zankten 
ihre abgeordneten und drohten einander '. Wohl war das ein 
schmerzliches Schauspiel für jeden Hellenen, dem die Freiheit und 
Selbständigkeit seines Vaterlandes heilig und theuer war und der 
bedachte wohin solch ein Treiben führen mufste. Die Phokier for- 
derte Philipp auf die Wallen niederzulegen und seiner Entscheidung 
zu vertrauen ?: den Spartanern, welche mit den athenischen Gesand- 
ten zusammenhielten und ihren Hafs gegen die Thebaner ausliefsen, 
machte Philipp Hoffnung ihr altes Recht auf die Schirmyogtei des 
delphischen Tempels zu Geltung zu bringen und die boeotischen 
Städte als selbständige Gemeinden herzustellen *. - Die Thebaner 
waren über diese Bestrebungen in Unruhe, und absichtlich hielt 
Philipp sie eine Weile hin um die übrigen desto sicherer zu läu- 
schen: dann aber gieng er mit ihnen auf Grund des früher geschlos- 
senen Vertrages, an dem auch die Thessaler Theil hatten, ein ge- 
heimes Bündnifs ein, kraft dessen er sich verpflichtete zu der Be- 
endigung des phokischen Krieges und der Unterwerfung der boeoti- 
schen Städte miteinzuschreiten *. Demosthenes erkennt in Worten, 
welche gewifs in Theben nicht ohne Nachhall geblieben sind, rüh- 
mend an, wie würdig und wie unbestechlich die thebanischen (re- 
sandten, namentlich Philon, die Interessen ihrer Vaterstadt vertra- 
ten®. Während dieser Verhandlungen rüstete Philipp mit aller 
Macht um sofort vereint mit den Thessalern nach Hellas ins Feld zu 
ziehen und die Thermopylen zu passieren, ehe ihm dort ein ernstli- 


1) Aesch. 2, 136 5. 46. 

2) Just. u. Dem. Phil. 3 a. O. 

3) Dem. vdG. 76 5. 365, 6—11. Schol. zu 72 8. 364, 1 ἀφίκοντο 
“ακεδαιμόνιοι πλείστας ἐλπίδας ἔχοντες ἀποδοϑήσεσθϑαι τῇ ζαυτῶν 
μητροπόλει, “ωριεῦσι λέγω, τὸ ἵερόν: τούτων γὰρ ἣν τὸ ἀρχαῖον. 
Dafs die Spartaner schon Ol. 107, 1 mit Philipp über die boeotischen 
Städte verhandelten geht aus Dem. Phil. 1, 48 S. 54, 3 hervor. Dafs 
Jetzt dieselbe Sache zur Sprache kam lehrt Aesch. 2, 136 f. S. 46. 
Vgl. o. 8. 71 u. Buch II, 7. 

4) Aesch. Just. Diod. a. Ὁ. Dem. να. 318 $. 443, 15 τοὺς πρὸς 
Θετταλοὺς καὶ Θηβαίους ὅρκους — 
εξαιρήσειν ὁμωμόκει, τοῖς δὲ τὴν πύλαιαν συγκαταστήσειν. 80 5. 
367, 28. 

5) A. Ο, 138—142 S. 384, 3 — 385, 11. Vgl. Plut. Apophth. Ph. 
18 S. 7.78, 


τ is \ x , 
„ av τοις μὲν τὴν Βοιωτίαν συν- 


235 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


cher Widerstand bereitet wurde '. Dieser konnte, wie einmal die 
Dinge lagen, nur von den Athenern ausgehen: darum versäumte 
Philipp nicht die athenische Gesandischaft mit besonderer Auszeich- 
nung zu behandeln und die Wortführer mit immer festeren Banden 
an sich zu ketten. Denn nur so konnte er darauf rechnen die athe- 
nische Bürgerschaft über seine letzten Zwecke so lange zu täuschen, 
bis es zu spät war seine einmal gewonnene Stellung anzufechten. 
Das Hauptmittel, welches auch hier anschlug, war das Gold, 
und Philipp säumte nicht jedem der Gesandten einzeln reiche Ge- 
schenke zu übermachen. Demosthenes lehnte die Annahme ab, 
und als der König abermals eine Summe Goldes allen insgesamt (um 
so auch Demosthenes mit hereinzuziehen) reichen liefs und die Thei- 
lung vorgenommen wurde, schlofs er wiederum sich aus: da legten 
denn die andern sich auch seinen Antheil zu ?. 
Über die mit Philipp gepflogenen Verhandlungen haben wir 
wiederum nur die Erzählung des Aeschines, in der offenbar die we- 
sentlichsten Puncte verschwiegen und entstellt sind, namentlich in 
so weit Demosthenes dabei im Spiele ist. Als Philipp aus Thrakien 
eingetroffen war, so berichtet er’, hielten die Gesandten eine ge- 
meinsame Berathung, in der die Instruction verlesen und die einzel- 
nen Aufträge erörtert wurden: die Hauptsache aber blieb unberührt. 
Da nahm Aeschines das Wort und brachte Philipps Feldzug nach 
den Thermopylen zur Sprache: hätten sie auch keinen ausdrückli- 
chen Auftrag dafür empfangen, so müfsten sie doch es auf sich neh- 
men Philipp zu bestimmen den Übermuth der Thebaner zu brechen 
und die boeotischen Städte wieder aufzubauen: zugleich ergieng er 
sich in gehässigen Reden gegen Theben und brachte ein stolzes 
Wort das Epaminondas wider Athen gesprochen in Erinnerung. Da 
fiel Demosthenes ihm ins Wort, wollte nichts von so verwegenen 


1) Aesch. 2, 103 8. 41 περὶ τῆς εἰς IlvAdg στρατείας, ἣν ιδρᾶτε 
οὖσαν ἐν παρασκευῇ. 132 8. 45 ἡ — Θετταλῶν καὶ Φιλέππου στρατεία 
πρόδηλος nv. Vel. 107 5. 42. 114 S. 48 -- τὸ γὰρ στρατόπεδον παρῆν 
καὶ συνήϑροιστο. Dem. νά. 76 8. 365, ὁ ὃν μὲν γὰρ χρόνον οὐχ 
οἷος τ᾽ ἣν ἐλϑεῖν 6 Φίλιππος διὰ τὴν εἰρήνην (4. h. um nicht die 
Athener stutzig und dem Friedensschlusse abgeneigt zu machen ), 
ἀλλ᾽ ἣν ἐν παρασκευῇ, τοὺς Λακεδαιμονίους μετεπέμπετο. VKr. 32 
S. 236, 10. 

2) Dem. vd&. 166—168 8. 393, 9f. Vgl. 222f. 5. 410, 7. 16. 
3) 2, 101—107 8. 415. 


Verhandlungen zu Pella. Audienz der athenischen Gesandtschaft. 239 


Umtrieben hören und protestierte wider jeden Versuch die Staaten 
gegen einander aufzuhetzen '. Endlich beschlossen die Gesandten, 
jeder solle was ihm angemessen zu sein dünke vor Philipp reden: ein 
gemeinsamer Beschlufs also war nicht zu Stande gekommen. Übri- 
gens liefs Demosthenes es sich nicht nehmen diesmal zuerst vor 
Philipp das Wort zu führen: von der früheren Reihenfolge, dem 
Alter nach, wurde ganz abgesehen. 

Philipp empfieng die athenischen Gesandten , diesmal umgeben 
nicht allein von den Grofsen seines Reichs, seinen Feldherrn und 
Waffenbrüdern, sondern auch von all den Gesandtschaften die aus 
Griechenland sich an seinem Hofe versammelt hatten *. Als der 
Herold sie eingeführt, eröflnete Demosthenes — so sagl Aeschi- 
nes ὃ — seine Rede mit einer Verläumdung seiner mitbevollmäch- 
tigten: sie verfolgten nicht dieselben Zwecke und seien nicht eines 
Sinnes. Er entwickelte dann, was er alles für den Frieden gethan, 
las die von ihm aufgesetzten Beschlüsse des Rathes und der Bür- 
gerschaft vor, erwähnte seine Fürsorge für die makedonischen Ge- 
sandten, kurz er that vor aller Augen grofs mit seiner Hingebung 
und Liebedienerei: ja auch seinen über Philipp geführten Reden 
suchte er eine bessere Deutung unterzulegen. So brachte er alle 
anwesende in helles Gelächter. Als er endlich einmal aufhörte mit 
seiner unschicklichen und mafslosen Schmeichelei, redete Aeschi- 
nes zum Könige: wies nothgedrungen mit einigen Worten die Insi- 
nuationen «des Demosthenes zurück und gieng dann in der Kürze 
auf die Sache ein, die Eidesleistung auf den Frieden und die andern 
Aufträge des athenischen Volkes: denn Demosthenes hatte von dem 
nöthigsten nichts gesagt. Dann aber gieng er über auf den Feldzug 
gen Pylae und das delphische Heiligthum und die Amphiktyonen. 
Er erklärte, Philipp möge doch lieber nicht mit Wallengewalt, son- 
dern mit richterlichem Spruche den Streit abmachen: wenn das 
aber nicht möglich wäre — und das war offenbar, denn das Heer 
war zur Stelle und zusammengezogen —, so sei es seine Pflicht 
bei der Entscheidung über ein hellenisches Heiligthum allen Bedacht 
zu nehmen sich gottesfürchtig zu bezeigen und auf die zu merken 


1) Vgl. o. S. 179. 

2) Aesch. 2, 112 S. 42. 

3) 2, 109-118 S. 42f. Weiske de hyp. II, 23, 19: deficta mutila- 
taque Demosthenis oralio, 


240 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


welche ihn über althergebrachte Einrichtungen belehren wollten. 
Hierauf gieng er die Geschichte des delphischen Heiligthums durch 
von dessen Stiftung und der ersten Versammlung der Amphiktyonen 
an und las den Eidschwur vor, der die Zerstörung amphiktyonischer 
Städte, den Tempelraub und die blofse Absicht zu einem solchen 
Frevel mit der schwersten Heimsuchung und Verwünschung be- 
legte. Auf Grund dieses Eidschwures erklärte er die Zerstörung 
der boeotischen Städte für eine Versündigung der Thebaner, die 
nicht ungestraft hingehen dürfe, indem er aus dem Verzeichnisse 
der Amphiktyonen und ihren Satzungen nachwies, dafs sie amphi- 
ktyonische Orte und gleichberechtigt mit den gröfseren Städten seien. 
Das Unternehmen dieses Feldzuges sei ein heiliges Werk: aber 
wenn dann die Amphiktyonen, aus der Bedrängnifs errettet und 
wieder im Besitze ihres Stimmrechtes, sich in dem Tempel versam- 
melten, dann sollten sie die schuldigen Häupter welche die Besez- 
zung desselben angegeben und ausgeführt hätten strafen, nicht die 
Städte, sondern diesen, wenn sie die Frevler dem Gerichte überlie- 
ferten, Straflosigkeit gewähren. “Wenn du aber auf deinem Hee- 
‘reszuge’, so schliefst Aeschines seine Rede, “das von den Theba- 
‘nern verübte Unrecht bestätigst, so wirst du für solchen Beistand 
‘keinen Dank von ihnen ernten: denn so grolse Wohlthaten, wie 
‘vormals die Athener, kannst du, ihnen nicht erweisen, und sie wis- 
‘sen’s uns keinen Dank: andererseits wirst du von denen welche du 
‘verlässest durch solches Unrecht dir statt Freundschaft nur är- 
‘gere Feindschaft zuziehen?. 

Die Rede des Aeschines ist von der Art dafs ich überzeugt bin, 
er wird im wesentlichen so vor Philipp gesprochen haben: ersehen 
wir doch aus Demosthenes wenigstens so viel, dafs Aeschines gleich 
nach seiner Rückkehr sich ihrer berühmte und sie vor den Athe- 
nern wiederholte '. Und gewifs hat der König sie beifällig ange- 
hört: denn was konnte ihm erwünschter sein, als dafs ein Gesand- 
ter der Athener, welche ihm früher die Thermopylen verlegt hatten, 


μ 
1) Dem. vdG. 20f. 8. 347, 10 ἔφη γὰρ ἥκειν πεπεικὼς Φίλιππον 

ἅπανϑ᾽ ὅσα συμφέρει τῇ πόλει, καὶ περὶ τῶν ἐν ᾿ἀμφικτύοσι καὶ περὶ 
» ” e ’ £ x » ‚ x € - τι N 

τῶν ἄλλων ἁπάντων, καὶ διεξῆλθε λόγον μακρὸν ὑμῖν, ὃν κατὰ On- 

” ” x 

βαίων εἰπεῖν πρὸς Φίλιππον ἔφη, καὶ τὰ κεφάλαια ἀπήγγελλε πρὸς 
» ’ N r x 3 

ὑμᾶς. -- διδάσκειν γὰρ αὐτὸς ἔφη τὸν Φίλιππον, ὡς οὐδὲν ἧττον ἢσε- 

βήκασιν οἵ βεβουλευκότες τῶν ταῖς χερσὶ πραξάντων. 


Audienz der athenischen Gesandtschaft. 241 


deren Zustimmung zu seinem Eintritt in den Amphiktyonenbund 
sehr fraglich war, jetzt vertrauensvoll die ganze Entscheidung in 
dem Tempelstreite in seine Hände legte? Da mochte Aeschines 
sich mit gelehrtem Prumke ergehen über die Satzungen der Vor- 
fahren und seine fromme Verehrung für das delphische Heiligthum 
beurkunden ; Philipp war es recht dieselbe Rolle zu spielen und die 
Thaten seiner Herrschsucht mit dem Scheine der Gottesfurcht zu 
umkleiden: da mochte Aeschines auch mit heftigen Worten gegen 
die Thebaner zu Felde ziehen; empfahl er doch die Phokier eben ἡ 
auch nur der Gnade Philipps. Beide Theile mufsten erkennen wes- 
sen sie von Athen sich zu versehen hatten und ihre einzige Holl- 
nung auf Philipp gründen. Und was die Athener betraf, so bildete 
diese Rede den Einschlag für das Truggewebe, in welches Philipp 
Aeschines verstrickte und durch diesen die athenische Bürgerschaft. 
Um so unfruchtbarer aber ist für uns, was Aeschines über De- 
mosthenes Rede zu sagen für gut gefunden hat. Zunächst fragen 
wir, worauf gründete sich der Anspruch des Demosthenes zuerst 
das Wort zu führen. Aeschines sagt ', auf seine Unverschämtheit: 
aber sicherlich standen die andern Gesandten nicht freiwillig hin- 
ter ihm zurück; und dafs er sich nicht erst bei der Audienz vor- 
drängte, sondern vorher erklärt hatte zuerst sprechen zu wollen, 
gibt Aeschines selber zu erkennen. Entweder hatte die Bürger- 
schaft Demosthenes an erster Stelle gewählt, oder der Rath hatte 
in seine Hände die Urkunde des Vertrages gelegt, auf welche Phi- 
lipp schwören sollte, oder Sonst eine besondere Bestimmung erlas- 
sen. Denn dafs Aeschines durch die Wahl der Bürgerschaft an die 
Spitze der Gesandtschaft gestellt worden sei, scheint mir aus den 
Worten die er Demosthenes unterlegt nicht nothwendiger Weise 
hervorzugehen; sie wiederholen nur die Anklage des Demosthenes, 


regen seine 


δ᾽ 


dafs Aeschines gerade den Widerstand aller übrigen 

1) Aesch. 2, 108 8. 42 ἐπειδὴ — τοὺς 'Adnvalov πρέσβεις ὃ κῆρυξ 
ἐκάλει, πρῶτον μὲν παρήειμεν οὐ nad” ἡλικίαν, ὥσπερ ἐν τῇ προτέρᾳ 
πρεσβείᾳ --, ἀλλὰ κατὰ τὴν “]ημοσϑένους ἀναισχυντίαν. φάσκων γὰρ 
νεώτατος εἶναι πάντων τὴν τάξιν τοῦ πρῶτος λέγειν οὐκ ὧν ἔφη πα- 
ραλιπεῖν, οὐδ᾽ ἐπιτρέψειν τινί, αἰνιττόμενος εἰς ἐμέ, προκαταλαβόντα 
τὰ Φιλίππου ὦτα τοῖς ἄλλοις λόγον μὴ καταλιπεῖν (vgl. oben 8. 195). 
Diese Erklärung war unter den Gesandten gegeben: denn Aeschines 
führt fort: ἀρξάμενος δὲ τοῦ λέγειν κτλ. Er selbst sprach unmittelbar 
nach Demosthenes; s. $ 113. 

DEMOSTHENES IT. 16 


242 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


guten Rathschläge entschieden und geleitet habe ': so bildeten sie 
eine geschlossene Mehrheit gegen welche Demosthenes vergebens 
ankämpfte. 

Eins dürfen wir aus Aeschines Erzählung über die Rede des 
Demosthenes entnehmen, dafs dieser, ähnlich wie er über seine erste 
Gesandtschaft zu Athen Bericht erstattete *, so auch vor Philipp 
actenmälsig darlegte, was die Athener gethan hatten um den Ab- 
schlufs des Friedens rasch und nach freundlicher Übereinkunft mit 
den makedonischen Gesandten zu bewerkstelligen. Aber weder wer- 
den wir Aeschines glauben, dafs Demosthenes dabei in niedrige 
Schmeichelei verfallen sei, noch dafs er über die Aufträge der athe- 
nischen Bürgerschaft geschwiegen habe: eben so wenig wird er 
den Zwist mit den andern Gesandten vor den König gebracht ha- 
ben. Vielmehr können wir mit Zuversicht annehmen, dafs Demo- 
sthenes die Aufnahme der Phokier und Halier in den Vertrag und, 
was Thrakien betraf, des Kersobleptes, desgleichen die Herausgabe 
der nach dem Friedensschlusse eroberten Plätze zur Sprache brachte 
und diese Zugeständnisse als Unterpfand der Bundesgenossenschaft 
forderte. 

Was Philipp auf die Reden der athenischen Gesandten geant- 
wortet, können wir nur aus dem Resultate der Verhandlungen ab- 
nehmen. Dieses lehrt *, dafs er die Aufnahme der Phokier in den 
Frieden ablehnte und auf ihrer förmlichen Ausschliefsung bestand. 
Immerhin mochte er versichern die heiligen Satzungen zu ehren 
und nach Recht und Billigkeit verfahren zu wollen; er mochte dazu 
die Mitwirkung der Athener ansprechen: aber er gab keine bin- 
dende Zusage im Sinne des Aeschines *. Auch die Halier wollte er 
ausgeschlossen wissen, nahm aber zugleich die guten Dienste der 
Edsandten zur Stiftung. eines Vergleiches zwischen ihnen und den 


1) Aesch. 2, 89 8. 40 εἴρηκε δ᾽ οὑτοσὶ πρὸς ὑμᾶς παρὰ τοῦτο 
διαφϑαρῆναι τὰ Κερσοβλέπτου πράγματα, ὅτι τῆς πρεσβείας ὧν ἣγε- 
μὼν ἐγὼ καὶ κατευημερηκὼς παρ᾽ ὑμῖν, αὐτοῦ κελεύοντος εἰς Θράκην 
ἡμᾶς ἰέναι -- οὐκ ἠϑέλησα. Vgl. damit Dem. vdG. 17 5. 346, 5—10. 

2) 8. ο. 8. 19. 

8) 5. u. 8. 246. 

4) Dem. vdG. 68 8. 362, 23. 38 5. 352, 298. 328 5. 446, 14 ὃ μὲν 
(Φίλιππος) οὐδὲν ἔψευσται καὶ mar ὅσ᾽ ἠβουλήϑη διαπέπρακται. 
Über Philipps Motive 5. 3178, S. 443, 6. 


y 


Verhandlungen der athenischen Gesandtschaft mit Philipp. 243 


Pharsaliern in Anspruch und ersuchte sie zu diesem Ende ihn selbst 
auf seinem Marsche nach Thessalien zu begleiten'. In Betreil Thra- 
kiens hielt sich Philipp daran, dafs der Friede für ihn erst durch 
die Beschwörung bindend werde: was er vorher erobert müsse ihm 
verbleiben. Ja er durfte wohl auch das Anrecht der Athener über- 
haupt in Frage ziehen: denn waren die Küstenorte auch von athe- 
nischen Truppen besetzt, so hatten sie doch nicht den Athenern, 
sondern den Thrakern gehört?. Ich glaube kaum dafs Philipp 
schon damals, wie später in einem amtlichen Schreiben, sich bereit 
erklärte hierüber einem schiedsrichterlichen Spruche sich unterwer- 
fen zu wollen ®. Kersobleptes liefs Philipp eben so wenig als athe- 
nischen Bundesgenossen gelten: er wird darauf verwiesen haben, 
dafs er mit diesem Fürsten bereits einen besonderen Vertrag ge- 
schlossen. Endlich forderte er, dafs die Kardianer auf dem Cher- 
sones, wie bisher von Athen unabhängig, unter seinen Bundesge- 
nossen aufgeführt würden. Solches Inhaltes müssen die Erklärun- 
gen Philipps über die Bedingungen, unter denen er bereit sei den 
Frieden zu ratificieren, gewesen sein. Übrigens wird der König 
Versicherungen der guten Gesinnungen. welche er gegen die athe- 
nische Bürgerschaft hege, nicht gespart haben, wie er denn die (10- 
sandten wiederum mit dem freundlichsten Wohlwollen behandelte ἧ. 

Eines Punctes, über den Demosthenes mit Philipp zu verhan- 
deln hatte, haben wir noch nicht gedacht, der Freilassung der Athe- 
ner welche als kriegsgefangene in makedonischer Knechtschaft sich 
befanden. Demosthenes hatte schon bei der ersten Gesandtschaflt 
sich um sie bekümmert und hatte ihnen versprochen Lösegeld mit- 
zubringen und nach Kräften sie aus der Knechtschaft zu erretten®; 
und wir haben gesehen, dafs er zu diesem Ende eine besondere 
Vollmacht sich erwirkt und ein Talent Silbers mitgenommen hatte. 


1) Vgl. u. S. 249 das Schreiben Philipps an Rath und Bürgerschaft 
von Athen. 

2) Über die Motive 5. ob. 5. 225. Vgl. Schol. zu Dem. vdG. 162 
S. 392, 8. Über den Besitztitel Dem. vKr. 27 5. 234, 11 iv’ ἐχόντων 
τῶν Θρᾳκῶν, τῶν ὑμετέρων συμμάχων, ταῦτα τὰ χωρία - γίγνοινϑ᾽ οἵ 
ὅρκοι. 2 

3) Hegesipp. üb. Halonn. 36 5. 85, 21. 

4) Dem. vdG. 102 S. 373, 29f. τῇ περὶ τἄλϊα φιλανϑρωπέαᾳ. 

5) Dem. vdG. 171 5, 395, 1. Über die ganze Sache 166 — 173 
S. 393, 9 — 395, 18. 

16* 


244 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Während nun die Gesandten zu Pella auf Philipp warteten, erklär- 
ten mehrere die gegen Bürgschaft auf freiem Fufse waren, sie woll- 
ten sich selbst loskaufen und ihre Freiheit nicht Philipps Gnade 
zu verdanken haben: war es doch ungewils, ob Demosthenes bei 
dem Könige etwas erreiche. So borgten sie bei Demosthenes, der 
eine drei Minen, der andere fünf, kurz jeder so viel er zum Löse- 
gelde bedurfte. Als Demosthenes dann vor dem Könige erschien, 
ersuchte er ihn die Gastgeschenke, welche er den Gesandten zuge- 
dacht habe, zum Loskaufe der athenischen kriegsgefangenen zu ver- 
wenden und diesen die Freiheit zu gewähren. Philipp sagte die 
Erfüllung dieses Wunsches zu: er übernahm es selbst das erforder- 
liche Lösegeld zu erlegen ' und versprach sämtliche gefangene frei 
und ledig in die Heimat zu entlassen. Allerdings nicht sofort, son- 
dern in zwei Monaten, wo die grofsen Panathenaeen gefeiert wur- 
den (Ende Hekatombaeon Ol. 108, 3 — August 346°): bei diesem 
herrlichsten aller athenischen Feste sollten sie erscheinen um die 
Grofsmuth des Königs recht glänzend ans Licht zu stellen. So 
hatte Demosthenes seinen Auftrag erfüllt: damit nun aber die armen 
Leute, denen er das Geld vorgeschossen hatte, nicht zu kurz kä- 
men und ihr eigenes zusetzen mülsten, schenkte er ihnen das Löse- 
geld und erliefs ihnen das ganze Darlehen *. Aeschines kann sei- 
nen Ärger über die erfolgreiche Verwendung des Demosthenes und 
über seine Wohlthat nicht bergen. Er meint, um über die gefan- 
genen zu reden hätte es keines Gesandten bedurft: Dienstknechte 
würden unter gehöriger Ermächtigung dasselbe ausgewirkt haben*. 
War es nicht eine bekannte Thatsache, bemerkt er an anderer Stelle, 
dafs Philipp während des Krieges von keinem Athener je ein Löse- 


1) Demosthenes erwähnt 168 8. 394, 1 die Unkosten (τὸ ἀνάλωμα) 
welche Philipp damit übernahm: er hatte nämlich die Eigenthümer der 
verkauften gefangenen zu entschädigen. ὶ 

2) S. Böckh Sth. II, 762 die Inschrift gerade von der diesjährigen 
Feier. Vgl. über das Jahr und die Tage des Festes S. 6—8 und KFHer- 
mann A. II, 54. 

3) Dafs es nicht etwa verlorene Posten waren, die Demosthenes 
aufgab, lehrt Apollod. gNikostr. 11 8. 1250, 1 οἵ νόμοι κελεύουσι τοῦ 
λυσαμένου ἐκ τῶν πολεμίων εἶναι τὸν λυϑέντα, ἐὰν μὴ ἀποδιδῶ τὰ 
λύτρα. 

4) Aesch. 2, 103 8. 41 τὸ -- περὶ τοὺς αἰχμαλώτους εἰπεῖν, κἂν 
εἰ τοὺς ὑπηρέτας ἔπεμψεν ἡ πόλις, -- ἂν πραχϑῆναι νομίξω. 


Die kriegsgefangenen Alhener. 245 


geld forderte: hatten nicht des Königs Freunde erklärt, er werde 
auch die übrigen freilassen, sobald Friede geschlossen sei? Und 
was sollte bei der grofsen Zahl der ins Elend gerathenen &in Talent 
helfen, ein Lösegeld für einen noch nicht besonders wohlhabenden 
Mann '. Diese hämischen Reden vermögen der Wahrheit nicht 
Eintrag zu thun. Wohl hatte Philipp nach seiner Thronbesteigung 
die unter den Truppen des Argaeos gefangenen Athener ungekränkt 
entlassen: ein gleiches hatte er zu Potidaea gethan ?, und aufser- 
dem hatte er einzelnen Athenern auf besondere Verwendung das 
erlegte Lösegeld zurückerstattet ὃ: aber dafs viele, namentlich von 
dem olynthischen Kriege her, noch in der Knechtschaft waren, 
meist wohl in Privatbesitz verkauft, kann Aeschines selber nicht 
leugnen *. Reiche Leute brauchte Demosthenes nicht loszukaufen, 
die konnten sich selber helfen, sondern die armen bedurften seiner 
Unterstützung °, und für diese betrug das übliche Lösegeld drei 
Minen und manchmal noch weniger ®°. Viele konnte freilich Demo- 
sthenes nicht losmachen, aber wenn er nach Vermögen half, so 
gebührte ihm Dank dafür: und den haben nicht allein die befreiten 
Mitbürger ihrem Wohlthäter öffentlich bezeugt ”, sondern als ein 
späteres Geschlecht dem Andenken des Demosthenes die eherne 
Bildsäule zuerkannte, ward neben seinen andern Verdiensten auch 
dessen gedacht, dafs er viele, die zu Pydna Methone und Olynth in 


1) 100 8. 41 ἐπορεύετο δὲ λυσόμενος τοὺς αἰχμαλώτους, ὡς ἔφη 
καὶ πρὸς ὑμᾶς ἀρτίως εἴρηκεν, εἰδὼς μὲν Φίλιππον ἐν τῷ πολέμῳ οὐ- 
δένα πώποτε ᾿᾿ϑηναίων λύτρα πραξάμενον, ἀκούων δὲ τῶν ἐκείνον 
φίλων ἁπάντων, ὅτι καὶ τοὺς λοιπούς, ἐὰν εἰρήνη γένηται, ἀφήσει, 
πολλῶν δ᾽ ἠτυχηκότων τάλαντον φέρων, ἑνὸς ἀνδρός, οὐδὲ τούτον 
λίαν εὐπόρου, ἱκανὰ λύτρα. 

2) 8.0.8. 18. 38. 

3) 8. 155. 

4). Asch. a. Ὁ. u. 15 8. 80. 

5) Dem. a. Ὁ. 170 8. 394, 18 πένητες ἄνϑρωποι. 229f.8. 412, 20. 26 
ὁ μὲν (nämlich er selbst) πρὸς τῷ μηδὲν ἐκ τῆς πρεσβείας λαβεῖν τοὺς 
αἰχμαλώτους ἐκ τῶν ἰδίων ἐλύσατο. -- χορηγῶν καὶ τριηραρχῶν ἔτι καὶ 
ταῦτ᾽ ᾧετο ἐθελοντὴς ἀναλίσκειν, λύεσϑαι τοὺς αἰχμαλώτους, μηδένα 
ἐν συμφορᾷ τῶν πολιτῶν δι᾽ ἔνδειαν περιορᾶν. Vgl.231 8.413, 11. 222 
5. 410,18. 338 S. 400, 1. 848 S. 451, 6. Chers. 70 5. 107, 14. vKr. 268 
5, 816, 3. 

6) Böckh Sth. I, 100, 

7) Die Zeugnisse a. O. 170f. S. 394, 21—25. 


246 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


makedonische Kriegsgefangenschaft gerathen waren, losgekauft 
habe !. 

Aber so guten Erfolg die Verwendung des Demosthenes für 
die athenischen kriegsgefangenen hatte, um so fruchtloser waren 
die Verhandlungen welche die höheren Staatsinteressen angiengen. 
Allerdings blieb die Urkunde des Friedens, so weit sie die Bedin- 
gungen enthielt über die man übereingekommen war, unverändert?: 
den athenischen Bundesgenossen, so viele ihrer zu dem Synedrion 
gehörten, ward ihre Theilnahme daran gewahrt: aber die Phokier, 
die Halier und Kersobleptes wurden förmlich und ausdrücklich aus- 
geschlossen, und die Kardianer auch für die Zukunft von den übri- 
gen Chersonesiten geschieden und als Philipps Bundesgenossen an- 
erkannt ὃ : kurz alle Forderungen, auf denen Philipp im Widerspru- 
che mit den Athenern bestand, wurden von der Mehrheit der Ge- 
sandten bewilligt * und dermafsen der Friede von Philipp be- 
schworen. 

Über dieses Ergebnifs der Unterhandlungen, das alle die Hofl- 
nungen, mit denen die Athener sich zu der Annahme des philokra- 


1) Volksbeschlufs im L. ἃ. X Redner 8. 851? "καὶ λυτρωσαμένῳ 
πολλοὺς τῶν ἁλόντων ἐν Πύδνῃ καὶ Medwvn καὶ Ὀλύνϑω ὑπὸ Φι- 
λίππου. 

2) Aesch. 2, 160 8. 49 σκοπεῖτε γὰρ δὴ. καϑ' ἕκαστον, -- τί τῶν δε- 
δογμένων περὶ τῆς εἰρήνης ἀπαλείψας, ἢ τί τῶν μὴ δοξάντων ὑμὶν 
προσγρόψας (κρίνομαι). 

3) Dem. vdG. 174 8. 395, 25 πρῶτον μὲν τοίνυν Φωκεῖς ἐκσπόν.- 
δους καὶ “λεῖς ἀπέφηναν καὶ Κερσοβλέπτην παρὰ τὸ ψήφισμα καὶ τὰ 
πρὸς ὑμᾶς εἰρημένα (vgl. ο. 5. 3164.) εἶτα τὸ ψήφισμα ἐπεχείρησαν 
κινεῖν καὶ μεταίρειν, ἐφ᾽ m πρεσβεύοντες ἥκομεν (8. 290.}" εἶτα Καρ- 
διανοὺς Φιλίππου συμμάχους ἐνέγραψαν. Die Phokier wenigstens wur- 
den nicht stillschweigend, sondern ausdrücklich ausgeschlossen: 44 
5. 355, 4 ἐκ τοῦ, ὅτε τοὺς ὅρκους ἤμελλε Φίλιππος ὀμνύναι τοὺς περὶ 
τῆς εἰρήνης, ἐκσπόνδους ἀποφανϑῆναι τοὺς Φωχέας ὑπὸ τούτων, ὃ 
σιωπᾶν καὶ ἐᾶν εἰκὸς ἦν, εἴπερ ἤμελλον σώξεσϑαι. S. auch 278 5. 480, 
17. Vgl. Argum. 2 8. 337, 9. Über Kardia vgl. vFr. 25 8. 63, 16 
τοὺς Καρδιανοὺς ἐῶμεν ἔξω Χερρονησιτῶν τῶν ἄλλων τετάχϑαι. 
Chers. 66 8. 106,1 Augpimolıv καὶ τὴν Καρδιανῶν χώραν ἀπεστερηκότος 
Φιλίππου. 

4) Dem. vdG. 173 8. 395, 12 ὧν μὲν τοίνυν αὐτοκράτωρ ἦν ἐγὼ 
κατὰ τὴν πρεσβείαν, τοῦτον ἔσχε τὸν τρὖύπον ὑμῖν, ἃ δ᾽ οὗτοι πλείους 
ὄντες ἐνίκων, ἅπαντ᾽ ἀπολώλεκεν rl, -- περιῆσαν οὗτοί μου. Vgl. 
17 8. 346, 12. 


Resultat der Verhandlungen. Ratification des Friedens. 247 


teischen Friedens hatten bereden lassen, zu nichte machte, wollte 
Demosthenes einen Bericht nach Athen senden: aber die andern 
Gesandten verwarfen das von ihm aufgesetzte Schreiben und lie- 
[sen ein anderes in ihrem Sinne verfalstes abgehen '. Denn die 
Rückreise ward noch verschoben: theils gab der von Philipp ausge- 
sprochene Wunsch, dafs sie in Verbindung mit ihm zwischen Phar- 
salos und Halos einen Vergleich stiften möchten dazu den Vor- 
wand, theils war der Friede von den Bundesgenossen Philipps, na- 
mentlich den Thessalern, noch nicht beschworen. Gern nahmen 
die Gesandten die Einladung an so lange in Makedonien zu verwei- 
len, bis Philipp selber in ihrer Begleitung nach Thessalien abge- 
hen könne ὅ. Demosthenes durchschaute ganz die Absicht Philipps 
nicht eher gewisse Nachricht über seine Heerfahrt gegen Phokis an 
die Athener gelangen zu lassen, als bis es zu spät sei etwas dawider 
zu thun: er wollte allein zur See nach Athen abreisen und hatte 
schon ein Schill gemiethet, aber Philipp hintertrieb die Abfahrt °®. 
So mufste denn nothgedrungen Demosthenes im Gefolge des Königs 
mit den andern Gesandten durch Thessalien den späten Rückweg 
antreten. In Pherae sammelten sich die Thessaler um Philipp und 
hier leisteten die anwesenden abgeordneten der Städte den Eid auf 
den Frieden, nicht an heiliger Stätte, sondern in der Herberge vor 
dem Heiligthume der Diokuren. Das lief gegen die Instruction der 
Gesandten: sie hatten die Obrigkeiten in den einzelnen Städten ver- 
eidigen sollen, und in keiner hatten sie das gethan ; Philipp wünschte 
nicht dafs sie sich so weit bemühten und hatte seine Gründe dazu. 
Was verschlug es, dafs nicht alle ihm verbündete Gemeinden vertre- 
ten waren: die fehlenden wollte er nach Athen schicken *. Wie 


1) A. 0. 174 8. 396, 1. 

2) Dem. vKr. 32 5, 236, 10 ἐπειδὴ γὰρ ὡμολόγησε τὴν εἰρήνην ὃ 
Φίλιππος προλαβὼν τὴν Θρῴάχην διὰ τούτους —, πάλιν ὠνεῖται παρ᾽ 
αὐτῶν ὅπως μὴ ἀπίωμεν ἐκ Μακεδονίας, ἕως τὰ τῆς στρατείας τῆς ἐπὶ 
τοὺς Φωκέας εὐτρεπῆ ποιήσαιτο, ἵνα μή, δεῦρ᾽ ἀπαγγειλάντων ἡμῶν 
ὅτι μέλλει καὶ παρασκευάξεται πορεύεσθαι, ἐξέλϑοιτε ὑμεῖς καὶ περι- 
πλεύσαντες ταῖς τριήρεσιν εἰς Πύλας ὥσπερ πρότερον κλείσαιτε τὸν 
πορϑμόν κτλ. VdG. 8392, S. 444, 241. 

3) Dem. vdG. 323 S. 445, 3 ἐγὼ δὲ (φαίνομαι) — οὐχὶ δυνηϑεὶς 
προαπελϑεῖν, ἀλλὰ καὶ μισϑωσάμενος πλοῖον κατακωλυϑεὶς ἐκπλεῦ- 
σαι. 51 8. 357, 4 ἐμέ, ἡνίκα δεῦρο ἀποπλεὶν ἐβουλόμην, κατεκώλυεν 
(Φώιππος). 

4) 188 --- 101 S. 390, 19 — 391, 27. An der ganzen Stelle handelt 


248 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


weit die Vermittelung für Halos betrieben wurde, wissen wir nicht: 
Demosthenes sagt, sie habe darin bestanden, dafs jetzt die Halier 
vertrieben und ihre Stadt umgewandt sei, und aus Strabon erfahren 
wir, dafs Philipp die Stadt von Phthiotis trennte und den Pharsa- 
liern, also ihren Feinden, zutheilte '. 

Mit der zu Pherae im Namen der Thessaler vollzogenen Be- 
schwörung des Friedens waren die Aufträge der athenischen Ge- 
sandten erledigt ?: denn diese sind, abgesehen von Kardia und etwa 
sonst der einen oder der andern Stadt, die Bundesgenossen Phi- 
lipps, welche an dem von ihrem Schutzherrn geschlossenen Frieden 
Theil hatten °. Die euboeischen Städte hatten sich schon früher 
mit Athen verglichen und der Friede des Philokrates gieng sie nicht 
an *: nicht minder standen die Thebaner, wenn auch in einem 


es sich nur um die Vereidigung der Bundesgenossen Philipps, nicht 
wie der Verfasser des 2 Arguments 8. 337, 3 es aufgefafst hat, um 
Philipps persönliche Eidesleistung: diese war in Pella vollzogen; s. 
Dem. vKr. a. Ὁ. Wenn übrigens Demosthenes in der Rede von der 
Gesandtschaft tadelt, dafs seine Genossen παρ᾽ οὐδεμιᾶς πόλεως, οὔϑ᾽ 
ὅτε ἐκεῖσε ἐπορεύοντο οὔϑ'᾽ ὅτ᾽ ἐκεῖϑεν δεῦρο, τοὺς ὅρκους ἔλαβον, so 
ist dieser Tadel nur von der Rückreise durch Thessalien begründet: 
denn erst mufste doch Philipp den Frieden ratificiert haben, ehe die 
athenischen Gesandten seine verbündeten verpflichten durften. Dafs 
diese nicht alle vertreten waren lehrt das Schreiben Philipps; vgl. Dem. 
a. Ο. 278 8. 430, 21. Daher 204 8. 404, 28 ἀνώμοτον εἶναι τὴν εἶ. 
onvnv, was Weiske de hyperb. II, 42" und Böhnecke F. I, 297, 5 urig 
auf die Ol. 109, 1 beantragte Abänderung der Friedensurkunde be- 
ziehen. 

1) 39 8. 353, 12 οἵ μὲν γὰρ Aleig, οὖς ἵνα συνδιαλλάττωσι κατα- 
σχεῖν φησι τούτους (Φίλιππος), τοιαύτης τετυχήκασι διαλλαγῆς ὥστ᾽ 
ἐξελήλανται καὶ ἀνάστατος ἡ πόλις αὐτῶν γέγονεν. R. üb. ἃ. Schr. 
Philipps 1 8. 152 3 (Φίλιππος) Φαρσαλίοις “Ἅλον παρέδωκεν m. d. 
Schol. Strab. 9 8. 433 Φίλιππος μέντοι. Φαρσαλίοις προσένειμεν (τὴν 
"Akov) ἀφελόμενος τῶν Φϑιωτῶν. - 

2) Vgl. Dem. vFr. 9 S. 59, 11. 

3) Demosthenes να. 158ff. S. 390f. spricht offenbar nur von den 
Thessalern,, und so ist es richtig aufgefalst in dem 2. Argum. ὃ. 339, 
14 οὐκ ἔλαβεν ὅρκους παρὰ Θετταλῶν συμμαχούντων Φιλίππῳ. Schol. 
(zu 4 8. 342, 16) 5. 347, 17 Df. τῶν συμμάχων, λέγει δὲ Θετταλῶν. 
Vgl. Philipps Schr. 5 8. 159, 25 τὰς -- πόλεις τὰς ἐν τῷ Παγασίτῃ κόλπῳ 
κατοικουμένας, ὑμῖν μὲν ἐνόρκους, ἐμοὶ δὲ συμμαχίδας οὔσας. 

4) S. ὃ. 5. 80. Vgl. Aesch. ὃ.,. 190 85. 44. θῶ 
S. 347, 201. 


Rückkehr der athenischen Gesandtschaft. Schreiben Philipps. 249 


Bündnifs mit Philipp, vollkommen autonom. Auch die Byzantiner 
werden diesem Frieden nicht beigetreten sein '. 

Am 13 Skirophorion (7 Juli 346) trafen die Gesandten über 
Euboea ? wieder zu Athen ein, nachdem sie fast zehn Wochen aus- 
geblieben waren ®. Auch diesmal sandte Philipp ein sehr freund- 
liches Schreiben an Rath und Bürgerschaft *. Darin meldete er, 
dafs er den Eid auf den Frieden an die Gesandten Athens abge- 
leistet, er führte die abgeordneten seiner Bundesgenossen, welche 
den gleichen Act vollzogen, auf, jeden mit Namen und mit Angabe 
seiner Stadt, und versprach die noch nicht eingetrolfenen nach 
Athen zu schicken ’. Dann fügte er hinzu, die Gesandten hätten 
die einzelnen Städte bereisen wollen um die Verpflichtung entgegen 
zu nehmen, er aber habe sie daran verhindert: auch habe er sie 
so lange bei sich behalten, damit sie mit ihm vereint zwischen den 
Pharsaliern und Haliern vermittelten ὃ. Über die gefangenen be- 
merkte er, er habe nicht daran gedacht ihren Loskauf zur Zeit zu 
bewirken, gewifs mit dem Zusatze, dafs er sie auf die Panathenaeen 
sämtlich heimsenden werde ”. Am Schlusse sagte er: er wisse 


1) Anders Böhnecke F. I S. 405, 1; aber, wenn auch mit Philipp 
gegen die Thraker verbündet, hatten die Byzantiner doch am Kriege 
gegen Athen nicht theilgenommen. Vgl. Dem. vFr. 25 8. 63, 18. 

2) Schol. zu Dem. vdG. 22 S. 347, 29. 

3) Dem. vdG. 58 S. 359, 9. Von dem 3 Munychion bis zum 13 
Skirophorion sind 69 Tage. Vgl. ο. S. 236, 1. 

4) Dem. a. O. 39 8. 353, 8 ἀκούετε--τῆς ἐπιστολῆς, ὡς καλὴ καὶ 
φιλάνϑρωπος. Philipp schickte es durch einen Herold: 5. 38 8. 353, 
4. Aesch. 2, 128 S. 45 τὴν ἐπιστολήν — ἣν ὁ Φίλιππος ἔπεμψεν. 124 
S. 44 τὴν δεῦρο ἐλϑοῦσαν: Demosthenes setzt ihm ausdrücklich das 
frühere ἣν ἠνέγκαμεν ἡμεῖς entgegen 40 5. 353, 23. Aber es muls 
zugleich mit der Ankunft der Gesandten abgeliefert sein, da es am 
16 Skirophorion vor dem Volke verlesen wurde: 36 S. 352, 10 vgl. mit 
58 8. 359, 14. 

5) Aesch. 2, 129 8. 45 “τοὺς ὅρκους ἀπέδωκα’ φησί “τοῖς ὑμετέ- 
“goıs πρέσβεσι᾽, καὶ τῶν συμμάχων τῶν ἕαυτοῦ τοὺς παραγενομένους 
κατ᾽ ὄνομα γέγραφε, καὶ αὐτοὺς καὶ τὰς πόλεις αὐτῶν, τοὺς δ᾽ ὕστε- 
ρησαντὰας τῶν συμμάχων ἀποστελεῖν φησι πρὸς ὑμᾶς. 

6) Dem. ἃ. Ο. 36 8. 352, 11 -- καὶ γὰρ ὡς αὐτὸς κατεκώλυσεν αὐτοὺς 
βουλομένους ἐπὶ τὰς πόλεις ἐέναι καὶ τοὺς ὅρκους ἀπολαμβάνειν, ἔνε- 
στι, καὶ ὡς, ἵνα συνδιαλλάττωσιν αὐτῷ τοὺς ᾿Ἁλεῖς πρὸς τοὺς Φαρσα- 
λίους, κατέσχεν αὐτούς. Μοὶ. 39 5. 353, 13. 

7) Dem. a. O. 39 5. 353, 10 τοὺς δ᾽ αἰχμαλώτους, 6 σκοπῶν τί 


250 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


nicht, was er den Athenern zu Willen thun könne, wenn sie aber 
ihre Wünsche äufserten, so sei er zu allem erbötig, was ihm keine 
Schande noch üblen Ruf bringe '. 

Demosthenes hat vollkommen Recht, dafs dieser Schlufs, der 
Philipp die Entscheidung vorbehielt und im Grunde nichts zusagte, 
zu den in dem ersten Briefe des Königs gemachten Verheifsungen 
wenig stimmte. Im übrigen ist ebenfalls nicht zu verkennen, dafs 
Philipp darauf Bedacht nahm die von ihm gewonnenen Gesandten 
ob ihres langen Ausbleibens und ihres sonstigen Verfahrens vor den 
Athenern zu entschuldigen. Demosthenes geht noch einen Schritt 
weiter: er behauptet, Aeschines sei bei Philipp zurückgeblieben und 
habe ihm dieses Schreiben aufgesetzt ?; er versichert auf das nach- 
drücklichste, nebst einem seiner Sklaven habe Derkylos zu Pherae 
Aeschines betroffen, als er eben aus Philipps Zelte kam, und schliefs- 


ἂν ποιῶν ὑμῖν χαρίσαιτο, οὐδ᾽ ἐνθυμηϑῆναί φησι λύσασϑαι. μεμαρτύ- 
ρηται δὲ δήπουϑεν ὑμῖν ἐν τῷ δήμῳ πολλάκις ὡς ἐγὼ τάλαντον ἔχων 
ἐπ᾿ αὐτοὺς ὠχόμην καὶ νῦν μαρτυρήσεται" διὸ καὶ τὴν ἐμὴν φιλοτι- 
μίαν οὗτος ( Αἰσχίνης) ἀφαιρούμενος τοῦτ᾽ ἔπεισεν ἐκεῖνον ἐγγράψαι. 
Diese Worte sind mir nicht ganz klar. Demosthenes greift erst das 
οὐδ᾽ ἐνεϑυμήϑην auf: wenn Philipp sich wirklich so bemühte euch 
einen Gefallen zu thun, hätte er wohl daran denken sollen; dann das 
λύσασϑαι. Zu diesem Worte ist es unmöglich mit Böhnecke F. I, 405 
zu ergänzen ὑμᾶς αὐτοὺς A.; und wollten wir es mit der Pariser Aus- 
gabe von 1570 erklären διὰ λύτρων ἀποδοῦναι, so hätte der erste Ta- 
del des Demosthenes gar keinen Grund. Es heifst vielmehr, wie GHSchae- 
fer es hier und 166 $S. 393, 13 richtig gefalst hat, sie loszukaufen: näm- 
lich von ihren jetzigen Besitzern. Übernahm Philipp diese Unkosten 
(τὸ ἀνάλωμα 168 5. 394, 1; vgl. o. 5. 244), so erschien das Opfer das 
Demosthenes aus seinem Vermögen gebracht ganz überflüssig: und dafs 
die freigelassenen zum Panathenaeenfeste heimkehren sollten, wird 
Philipp, wie er es Demosthenes zugesagt, in dem Schreiben nicht ver- 
fehlt haben auszusprechen. Dafs Philipp die Zusage gehalten hat, er- 
gibt sich aus Heges. üb. Halonn. 38 8. 86, 3. 

1) Dem. a. O. 40f. S. 353, 22f. — οὐκ εἰδέναι φησὶ τί ἂν ποιῶν 
ὑμῖν χαρίσαιτο, ἂν δ᾽ ὑμεῖς λέγητε, ποιήσειν ὃ μήτ᾽ αἰσχύνην μήτ᾽ 
ἀδοξίαν αὐτῷ φέρει. Vgl. 48 5. 356, 10 u. Heges. üb. Halonn. 35 
S. 85, 15 (über ein späteres Schreiben). 

2) 36f. 8. 352, 11 ἡ ἐπιστολὴ ἡ παρὰ τοῦ Φιλίππου, ἣν οὗτος 
ἔγραψεν ἀπολειφϑεὶς ἡμῶν, ἄντικρυς οὕτως καὶ διαρρήδην ἀπολο- 
γία γεγραμμένη τῶν τούτοις ἡμαρτημένων. -- καὶ πάντα ἀναδεχόμενος 
καὶ εἰς αὑτὸν ποιούμενος τὰ τούτων ἁμαρτήματά ἐστιν (Φίλιππος). 
Vgl. 38. 40 S. 353, 4. 21. 


Philipps Schreiben. Aeschines. 251 


lich, als sie abreisten, habe Aeschines Nacht und Tag über sich 
bei Philipp verhalten: überhaupt habe dieser die ganze Zeit über 
geheime Unterredungen mit Philipp gehabt '. In anderer Gestalt 
gibt Aeschines dieselbe Anklage wieder: Demosthenes habe behaup- 
tet, er sei bei Nacht in einem Kahne auf dem Ludias (also bei 
Pella ?) zu Philipp gefahren und habe da jenes Schreiben verfafst. 
Er bringt dagegen das Zeugnifs seiner Tischgenossen bei und er- 
bietet seine Sklaven zur Folter, dafs er keine Nacht, ja keine Stunde 
der Nacht von ihnen sich entfernt, er beruft sich endlich auf den 
Inhalt des Briefes, den Philipp doch wohl selber ohne seine Beihilfe 
habe schreiben oder von kunsterfahrener Hand, etwa von Leosthe- 
nes oder Python, habe schreiben lassen können ®. Diese Differenz 
ist auffällig, nicht sowohl an und für sich (denn es sind auch andere 
Stellen, die Demosthenes bei der Überarbeitung der Rede wegge- 
lassen oder verändert hat'), als deshalb, weil der Brief um den es 
sich handelt seinem Inhalte nach, wie Aeschines und Demosthenes 
ihn angeben, erst zu Pherae verfalst sein kann, nach der Eideslei- 
stung der Thessaler, eben als die athenischen Gesandten abreisten®. 
Im Grunde kommt wenig darauf an, ob Aeschines dabei den Ge- 
heimschreiber des Königs gemacht hat, und seine Verwahrung da- 
wider mag völlig zu Recht bestehen: genug dafs der Brief die 
Rechtfertigung der Gesandten in ihrem und in Philipps eigenem 
Interesse bezweckte, und dafs Aeschines selbst nicht in Abrede 
stellt dafs er oftmals mit Philipp unter vier Augen sich unterredet®. 
Diese Vertraulichkeit sollten die Athener theuer genug entgelten. 

"Als die Gesandten heimgekehrt waren, stellten sie sich zunächst 
dem Rathe vor um diesem vorläufigen Bericht zu erstatten ?. Nicht 
die Rathmänner allein waren versammelt, sondern beunruhigt durch 


1) 175 8. 396, 7. Vgl. 278 S. 430, 24. 

2) Harp. u. Aoıdlag. Strab. 7 fr. 20. 22. 23. 

3) Aesch. 2, 124—129 S. 44f. 

4) S. u. Cap. 4. 

5) Vgl. Böhnecke F. I, 408, 3. 

6) 125 8. 44 καὶ λέγεις μέν, ὅτι Φιλίππῳ μεϑ'᾽ ἡμέραν πολλάκις 
μόνος μόνῳ διελεγόμην, αἰτιᾷ δὲ εἰσπλεῖν μὲ νύκτωρ κατὰ τὸν ποτα- 
μόν" οὕτω νυχτερινῆς ἐπιστολῆς τὸ πρᾶγμα ἐδεῖτο. 

7) Böhnecke F. I, 408,5: wohl am 15 Skirophorion, denn am 14 
‚war das Fest der Buphonia. Vgl. KFHermann A.II, 61, 15.17. 


252 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Nachrichten über Philipps Heerfahrt nach den Thermopylen'! hatten 
sich eine Menge Bürger herzugedrängt um die Botschaft zu ver- 
nehmen. Da trat Demosthenes auf und berichtete die volle Wahr- 
heit und führte Klage über seine Mitgesandten: er gieng alle die 
eitlen Hoffnungen durch, welche die Athener zuerst auf Ktesiphons 
und Aristodemos Meldungen gebaut, dann die Rede die Aeschines 
beim Abschlufs des Friedens gehalten, und zeigte in welche Lage 
diese Leute den Staat versetzt hätten. Daran knüpfte er die Mah- 
nung was noch nicht verloren sei (nämlich die Phokier und Pylae) 
zu behaupten und nicht von einer Hoffnung und Verheifsung nach 
der andern sich hinhalten und die Dinge zum äufsersten kommen 
zu lassen. Der Rath stimmte seiner Rede zu ? und fafste einen Vor- 
beschlufs im Sinne des Demosthenes, der übrigens den Antrag 
dazu nicht persönlich stellte. Den Gesandten ward darin, was 
noch gar nicht dagewesen war, weder eine Belobigung noch die 
Einladung zu dem Ehrenmahle im Prytaneion zuerkannt ὃ. 

Die Volksversammlung um den Bericht der Gesandten zu ver- 
nehmen ward am 16 Skirophorion (10 Juli) gehalten *. Gleich zu 
Anfang vor allen übrigen nahm Aeschines das Wort. Er berichtete 
nicht, wie die Gesandten ihre Aufträge vollführt, noch erwähnt er 
mit einem Worte die jüngsten Verhandlungen vor dem Rathe und 
(die von Demosthenes erhobene Anklage, sondern er erklärte, er 
habe Philipp zu allem überredet was für Athen heilsam sei, sowohl 
in Betreff des amphiktyonischen Streites als in jeder anderen Be- 
ziehung. Darauf trug er seine Rede über die Amphiktyonen und die 
Boeoter in ihrer ganzen Länge Wort für Wort vor, und als das Volk 
laut seinen Beifall äufserte, rief er die andern Gesandten einzeln 
auf zu erklären, ob das nicht der Wahrheit gemäfs sei und ob er 
nicht gerade so vor Philipp gesprochen. Alle bezeugten es und 
lobten ihn: Demosthenes, zuletzt aufgerufen ‚nicht minder wie alle 
anderen ’. Nun fuhr Aeschines fort und entwickelte was er mit 


1) Dem. vdG. 84. 8. 351, 21. 352, 5. 

2) Dem. vdG. 171. 5. 346, 10. Vel. 33 5. 351, 12—20 εὐμὲ τοίνυν 
ὁ κατηγορῶν ἐξ ἀρχῆς ἐγὼ τούτων, τούτων δ᾽ οὐδεὶς ἐμοῦ. 

8) 811, 8. 860, 17f. Vgl. 223 S. 410, 28. Böhnecke F. I, 408 ἢ. 

4) 58 8. 359, 14. 

5) 19£. 5. 346, 29 — 347, 15. Aesch. 2, 121f. 5. 44 Ζημοσϑένης 
τοίνυν ἥκων ἀπὸ τῆς ὑστέρας πρεσβείας — οὐκ ἐν τῷ ψηφίσματι μόνον 


Berichterstattung der Gesandten. Aeschines Gesandtschaftsbericht. 253 


seinen Vorstellungen erreicht habe. Über Philipps Anmarsch gegen 
die Thermopylen brauchten die Athener sich keine Sorge zu ma- 
chen: binnen zwei oder drei Tagen würden sie, ohne sich von Hause 
wegzubemühen und ins Feld zu ziehen, Kunde erhalten, dafs The- 
ben ganz allein, ohne die andern boeotischen Städte, belagert werde, 
dafs Thespiae und Plataeae wieder aufgebaut werden, und dafs der 
Tempelschatz eingefordert werde nicht von den Phokiern, sondern 
von den Thebanern welche die Besetzung des Heiligthums beab- 
sichtigt hätten, denn er habe Philipp darüber belehrt, dafs die böse 
Absicht nicht minder strafbar und gottlos sei als die vollführte That. 
Für solche Reden hätten die Thebaner einen Preis auf seinen Kopf 


gesetzt '. Überhaupt rühmte er Philipps Freundschaft für die Athe- 


ἡμᾶς ἐπήνει, ἀλλ᾽ ἀπαγγείλαντος πρὸς τὸν δῆμον ἐμοῦ τοὺς περὶ τῶν 
"Aupınrvovov λόγους καὶ Βοιωτῶν, οὐχ ὥσπερ νῦν συντέμνοντος καὶ 
ἐπειγομένου, ἀλλ᾽ ὡς ἐδυνάμην κατὰ ῥῆμα ἀκριβέστατα, καὶ τοῦ δή- 
μου σφόδρα ἀποδεχομένου, παρακληϑεὶς ὑπ᾽ ἐμοῦ μετὰ τῶν ἄλλων 
συμπρέσβεων καὶ διερωτώμενος, εἰ τἀληϑῆ καὶ ταὐτὰ ἀπαγγέλλω πρὸς 
᾿ϑηναίους, ἅπερ πρὸς Φίλιππον εἶπον, πάντων μαρτυρούντων καὶ 
ἐπαινούντων μὲ τῶν συμπρέσβεων ἐπαναστὰς ἐπὶ πᾶσιν οὐκ ἔφη με, 
ὥσπερ ἐκεὶ εἶπον, οὕτως ἐν τῷ παρόντι λέγειν, ἀλλ᾽ ἐκεῖ διπλασίως 
ἄμεινον. καὶ τούτων ὑμεῖς οἵ τὴν ψῆφον μέλλοντες φέρειν ἐστέ μοι 
μάρτυρες. Man hat in diesen Worten baare Lüge gesehen (so auch 
Böhnecke F. I, 408, 4); ich glaube, mit Unrecht, abgerechnet eine ge- 
flissentliche Zweideutigkeit im Eingange und eine Übertreibung am 
Schlusse. Demosthenes hat die erste Gesandtschaft durch ein Psephisma 
belobt (s. ο. S. 194); in Beziehung darauf sagt Aeschines: diesmal be- 
lobte er mich vor dem Volke nicht blofs (wie früher) in dem Pse- 
phisma, sondern mit ausdrücklichem Zeugnisse: aber die ganze Stelle 
ist so gehalten, dafs man denken mufs, Demosthenes habe auch dies- 
mal ein Ehrendeeret erlassen (vgl. Aesch. 2, 178 S. 52). Dafs dem 
nicht so ist, wissen wir aus Demosthenes, und Aeschines kann ja auch 
keines beibringen: das Probuleuma, welches von jeder "Belobigung ab- 
sah, war gar nicht von Demosthenes beantragt (να, 31 8. 350, 19. 
Vgl. ο. S. 252). Was Aeschines von seiner Rede und von dem Zeug- 
nisse der andern Gesandten sagt, halte ich für thatsächlich. Aber 
Demosthenes wird seine Bestätigung mit keiner Lobeserhebung beglei- 
tet haben: denn er hatte gegen eine solche Rede protestiert, ehe Ae- 
schines sie noch vor Philipp gehalten: s. Aesch. 2, 106 5, 42. Vgl. ο. 
S. 238f. 

1) Dem. vFr. 9f. S. 59, 11. Phil. 2, 30 S. 73,5. να. 204. 5.847, 
15—26. 35 S. 352, 1. 74 5. 364, 14. 112 S. 375, 6. 127 5. 380, 8. 
220 S, 409, 11. 324—328 $. 445, 9 ἘΞ 446, 20 u. a. St. Phil. 3, 11 
S. 113, 20. vKr. 33. 35 5, 236, 33. 237, 4. Zur Bestätigung dient 


254 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


ner und erzählte, Kleochares von Chalkis habe ihm gesagt, es nehme 
ihn Wunder, dafs die Athener und Philipp plötzlich so @ines Sinnes 
geworden, ja dafs die Gesandten angewiesen seien, “in jeder Weise 
‘sonst das Interesse Athens wahrzunehmen’: als Bürger kleiner 
Volksgemeinden hätten sie die Geheimnisse der mächtigeren zu 
fürchten. “Ihr habt wohl Amphipolis an Philipp überlassen, dafür 
“hat er euch aber Euboea zugesagt’. Zu dieser Erzählung — denn 
Aeschines sagte nicht mit klaren Worten, Philipp hat mir dies zu- 
gesichert, sondern er erzählte was er gehört habe !; die Athener 
aber nahmen, was ihr Gesandter von sich gab, der die Wahrheit 
wissen konnte, als baare Münze an: wie hätten sie denken sollen, 
dals er sie mit leerem Geschwätze, das er unterwegs aufgegriffen, 
in seiner Berichterstattung unterhalten wollte — hiezu also fügte 
Aeschines noch eine geheimnifsvolle Andeutung. Er habe noch et- 
was ausgewirkt, wolle es aber noch nicht aussprechen (man ver- 
stand aber dafs er Oropos meinte): denn schon jetzt wären einige 
seiner Mitgesandten neidisch auf ihn ?. 

So redete Aeschines zum Volke, mit der wunderbaren Macht 
seiner Stimme, mit dem feierlichen Anstande mit dem er sich zu 


Aesch. 2, 136f. 5. 46 οὐ πάντες προσεδοκᾶτε Φίλιππον ταπεινώσειν 
Θηβαίους —; τῶν δ᾽ ἑταίρων τινὲς τῶν Φιλίππου οὐ διαρρήδην πρός 
τινας ἡμῶν ἔλεγον, ὅτι τὰς ἐν Βοιωτοῖς πόλεις κατοικιεῖ Φίλιππος: 
Vgl. 119 5. 43f. Das thebanische Decret wird, wie Weiske de hyperb. 
II, 23f. bemerkt hat, allgemein wider die Helfer der Boeoter und Pho- 
kier erlassen sein, nicht namentlich gegen Aeschines. 


1) Dem. vFr. u. Phil. 2 a. 0. vdG. 22 5. 347, 26 ἀκούειν δὲ καὶ 
τῶν Εὐβοέων ἐνίων ἔφη πεφοβημένων καὶ τεταραγμένων τὴν πρὸς τὴν 
πόλιν οἰκειότητα Φιλίππῳ γεγενημένην, ὅτι “οὐ λελήϑατε ἡμᾶς, © ἄν- 
‘does πρέσβεις, ἐφ᾽ οἷς πεποίησϑε τὴν εἰρήνην πρὸς Φίλιππον, οὐδ᾽ 
«ἀγνοοῦμεν τὶ ὑμεῖς μὲν ᾿ἀμφίπολιν δεδώκατ᾽ ἐκείνῳ, Φίλιππος δ᾽ 
ὑμῖν Εὔβοιαν ὡμολόγηκε παραδώσειν". Vgl. 102 5. 373, 25. 220 
S. 409, 14. 326 8.445, 27. Aesch. 2, 120 8. 44 ἔλεγον δὲ πρὸς ὑμᾶς, 
ὅτι Κλεοχάρης ὁ Χαλκιδεὺς ϑαυμάξειν ἡμῶν καὶ Φιλίππου φαίη τὴν 
ἐξαίφνης ὁμόνοιαν, ὡς καὶ τὸ προστεταγμένον ἡμῖν “πράττειν ἀγαθὸν 
“ὅ τι ἂν δυνώμεϑα᾽ ἐν τῷ ψηφίσματι" τοὺς γὰρ μικροπολίτας, ὥσπερ 
αὑτούς, φοβεῖν τὰ τῶν μειξόνων ἀπόρρητα. ταῦτα οὐ διηγήσασϑαί μέ 
φησιν, ἀλλ᾽ ἐπηγγέλϑαι τὴν Εὔβοιαν παραδώσειν. ἐγὼ δὲ ὑπειλήφειν 
δεῖν τὴν πόλιν τὴν ὑπὲρ τῶν ὅλων μέλλουσαν βουλεύεσϑαι μηδενὸς 
λόγου Ἑλληνικοῦ ἀνήκοον εἶναι. Vgl. 81 5. 38. 94 8. 40. 

2) Dem. a. O. 5. 348, 4. 220 S. 409, 14. 326 Κ. 446, 1. Vgl. vFr. 
u. Phil. 2a. 0. 


Aeschines Gesandtschaftsbericht. 255 


umkleiden wufste: und nie hat ihn wohl ein freudigerer Beifall des 
Volkes begrüfst als bei dieser Gelegenheit '. Denn die Hoffnungen, 
deren Verwirklichung er in unmittelbare Aussicht stellte, schlossen 
für die Athener die Fülle des Wunsches in sich *. Was hatten es 
sich die Athener noch in den letzten Jahren kosten lassen Euboea 
zu gewinnen, wie bitter empfanden sie fortwährend den Verlust 
von Oropos; und dafs die befreundeten Städte Thespiae und Pla- 
taeae in Trümmern lagen gab dem nachbarlichen Hasse gegen The- 
ben stets frische Nahrung. Wir wissen welch ein Interesse die 
Athener an ihrer Herstellung nahmen , und mit Gerüchten dafs Phi- 
lipp dem thebanischen Regimente über Boeotien ein Ende machen 
wolle hatten sie sich längst getragen ἦ: jetzt erschien es ihnen um 
so glaublicher, dafs Philipp den Übermuth der Thebaner beugen und 
auf ihre Kosten, ohne den Phokiern wehe zu thun, dem delphischen 
Heiligthume zu seinem Rechte verhelfen werde, je mehr, wie sie 
wähnten, ihr neuer Bundesgenosse durch gleiche Interessen auf 
ein solches Verfahren angewiesen war. So verlor der Marsch Phi- 
lipps gen Hellas in ihren Augen alles bedrohliche für die Phokier 
wie für Athen, zu dessen Vortheile er ausschlagen sollte ®. 

Als die Bürgerschaft einmal durch solche Vorspiegelungen ver- 
blendet und wie in Traum eingesungen war, war es ein vergebliches 
Bemühen sie zu nüchterner Erwägung der Thatsachen zurückzu- 
führen. Zwar nahm Demosthenes das Wort und erklärte, er wisse 
von dem was Aeschines gemeldet nichts; er versuchte in gleichem 
Sinne wie vor dem Rathe Bericht zu erstatten: aber Aeschines und 
Philokrates fielen ihm in die Rede und das versammelte Volk wollte 
ihn nicht anhören. Da stand Demosthenes von seiner Gegenrede 
ab, aber gegen die thörichten Verheifsungen verwahrte er sich mit 


1) Dem. vdG. 23 S. 348, 8. Vgl. 19 5. 347, 8 ἅπαντας ὑμᾶς λα- 
βὼν ᾧχετο. 

2) Dem. Phil. 2, 80 S. 73, 5 λέγοντας ὡς -- Φίλιππος - ἅπερ 
εὔξαισϑ᾽ ἂν ὑμεῖς -- πράξει. vdG. 328 S. 440, 15 ὑμεῖς δ᾽ ἅπερ εὔξαισϑ᾽ 
ἂν ἐλπίσαντες. Vgl. 121 8. 378, 15. 124 5. 379, 13. Aesch. 2, 136 
8. 46. 178 S. 52. 

3) 8. o. Buch I, 7 und S. 71. 

4) Vgl. Dem. vdG, 248 S. 419, 13 “τὴν δὲ ἄτην ὁρῶν στείχουσαν 
ὁμοῦ", “τὴν ἐπὶ Φωκέας στρατείαν, οὐ προεῖπε οὐδὲ προεξήγγειλεν, 
ἀλλὰ τοὐναντίον συνέκρυψε καὶ συνέπραξε καὶ τοὺς βουλομένους εἰπεῖν 
διεκώλυσεν. 


256 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


der feierlichen Betheuerung: “ich weils davon nichts und habe kei- 
‘nen Theil daran, ja ich erwarte auch nichts davon, sondern halte 
‘es für leeres Geschwätz’. Das empörte die Bürgerschaft nur noch 
mehr, dafs er mit so grellem Miston den Einklang ihrer Wünsche 
und Hoffnungen zerreilsen wollte: Demosihenes aber fügte noch 
hinzu: “und ich bitte, Männer von Athen, wenn etwas davon ein- 
“trifft, so lobt jene Redner und ehret und bekränzet sie, mich aber 
“nicht: wenn aber das Gegentheil geschieht, so zürnet ihnen: ich 
“aber sage mich los davon’. “Sage dich nur nicht jetzt los davon”, 
fiel Aeschines ein, “sondern mafse dir’s hernach nicht an”. Und 
als Demosthenes wiederholt betheuerte, er wolle dann das Urteil 
über sich ergehen lassen, da erhob sich freveles Muthes Philokrates 
und rief: “es ist kein Wunder, athenische Männer, dafs ich und 
“Demosthenes nicht einer Meinung sind: denn er trinkt Wasser und 
“ich Wein”. Da lachten die Athener und gönnten keiner weiteren 
Gegenrede Gehör ἢ. 

Hierauf wurde das Schreiben Philipps verlesen. Bethört wie 
die Athener einmal waren hatten sie kein Arg dafs darin kein Wort 
von den Phokiern und Thebanern und von den sonstigen Meldungen 
(des Aeschines stand. Niemand nahm Anstofs daran dafs Philipp 
erklärte, er wisse nicht was er den Athenern zu Willen thun könne, 
dafs er gegen lästige Zumuthungen im voraus sich verwahrte:: sie 
fanden in der freundlich gehaltenen Zuschrift eine hinlängliche Be- 
stätigung dessen was sie wünschten *. Demzufolge ward der vom 
Rathe gefalste Vorbeschlufs gar nicht einmal verlesen ὃ. sondern 
ohne dafs man einen Redner dawider zu Worte kommen liels ', 


1) Dem. vFr. 9f. S. 59, 9—23 (also wenige Monate nachher, was 
Brückner K. Philipp S. 189 mit Recht hervorhebt). Phil. 2, 29f. S. 72, 
2711. vdG. 42—46 8. 354, 12 — 355, 26. 23f. 5. 348, 10. Vgl. 8 
S. 313, 14. 35 S. 352, 9. 248 S. 419, 16. Franke a. Ὁ: S. 35. Aesch, 
2, 121 S. 44 behauptet, nur dinmal gesprochen zu haben ( διέβαλλε δὲ 
κἀκεῖνον διαιρούμενος τὸν λόγον: zu dem Ausdruck vgl. 66 S. 36) und 
beruft sich zur Widerlegung auf das von Demosthenes beantragte Eh- 
rendecret: dies galt aber der früheren Gesandtschaft und nicht der 
späteren. $. o. S. 252f. Anm. 

2) Dem. vdG. 36—42 8. 352, 10 — 354, 12. Vgl. ο. 8. 249. 

3) 35 S. 351, 28. 

4) Ebend. 8. 352, 9 μηδὲ φωνὴν ἐθέλειν ἀκούειν ἐμοῦ μήτ᾽ ἄλλου 
μηδενός. 


Volksbeschlufs des Philokrates. 257 


gieng ein Antrag des Philokrates von ganz anderer Farbe durch, 
voller Lobeserhebungen und schöner Worte für Philipp, des Inhalts, 
den Frieden und das Bündnils seinem ganzen Umfange nach auch 
auf Philipps Nachkommen auszudehnen, und Philipp zu beloben 
weil er verheifse thun zu wollen was recht sei. Weiterhin besagte 
derselbe Volksbeschlufs: wenn die Phokier nicht ihrer Pilicht nach- 
kämen und den Amphiktyonen das Heiligthum übergäben, so werde 
das athenische Volk wider die so solches hinderten Waflenhilfe 
leisten '. 

Demosthenes tadelt diesen Beschlufs in zwiefacher Hinsicht ; 
einmal weil er den geschlossenen Frieden nicht allein wiederholt 
bestätigte, sondern seine Bestimmungen, hart und schimpflich wie 
sie waren, auf alle Zukunft für bindend erklärte: sodann — und 
das ist die Hauptsache — weil mit dem Ansinnen den Amphiktyo- 
nen das Heiligthum zu übergeben nichts anders besagt war, als 
dafs die Phokier es den Thessalern und Thebanern übergeben soll- 
ten: denn andere Amphiktyonen waren nicht zur Stelle, da die 
Athener das beabsichtigte Aufgebot unterlassen hatten und die 
Spartaner abgezogen waren. So enthielt der unverfängliche Aus- 
druck gerade die härteste Zumuthung. Mit keinem Worte war ge- 
fordert die Amphiktyonen einzuberufen, die Entscheidung auszu- 
setzen bis sie versammelt wären, noch weniger ward angeordnet 
dafs Proxenos seine Truppen nach Phokis werfen oder dafs die 
Athener ausrücken sollten. Kurz die Phokier wurden mit diesem 
einen Beschlusse, so viel an den Athenern war, mit gebundenen 
Händen ihren Feinden preisgegeben ?. Die Kunde davon ward un- 
verzüglich den Phokiern überbracht: denn Phalaekos hatte um von 
dem Gesandtschaftsberichte und den Entschlielsungen der Athener 


1) 47—50 8. 355, 26f. — ὁρᾶτε — τὸ ψήφισμα ὅσων ἐπαίνων καὶ 
ὅσης εὐφημίας μεστόν ἐστι, καὶ τὴν εἰρήνην εἶναι τὴν αὐτὴν ἤνπερ 
Φιλίππῳ καὶ τοῖς ἐκγόνοις καὶ τὴν συμμαχίαν, καὶ ἐπαινέσαι δὲ Φί- 
λιππον ὅτι ἐπαγγέλλεται τὰ δίκαια ποιήσειν. -- ἐὰν μὴ ποιῶσι Φωκεῖς 
ἃ δεῖ καὶ παραδιδῶσι τοὶς ᾿ἀμφικχτύοσι τὸ ἱερόν, ὅτι βοηϑήσει ὃ δῆ- 
μος ὁ ᾿᾿ϑηναίων ἐπὶ τοὺς διακωλύοντας ταῦτα γίγνεσϑαι. Vgl. 53—56 
5. 357, 238. (ἐν ψήφισμα). 87 8. 368, 21. 310 5. 440, 24. Phil. 2, 31 
8.73, 12. 

2) Dem. a.0.47 οὐδὲν ἄλλο φανήσονται (Philokrates u. Aeschines) 
πλὴν παραδόντες Φιλίππω καὶ Θηβαίοις Φωκέας, μόνον οὐκ ὀπίσω τὼ 
χεῖρε δήσαντες. 

DEMOSTHENES II. 17 


258 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


schleunige und sichere Nachrichten einzuziehen, Botschafter nach 
Athen abgeschickt '. Von diesen empfieng er die Meldung, welche 
alle Bedenken niederschlug, dafs die Athener ihre Hand von der 
Sache der Phokier abgezogen hätten und dafs nur von Philipps 
Gnade eine ihnen günstige Entscheidung zu hoflen stehe ?. 

Mit welchen Motiven Philokrates seinen Antrag, der Philipps 
Absichten nach Möglichkeit Vorschub leistete, vor der Bürgerschaft 
rechtfertigte, hören wir nicht: indessen hatte schon Aeschines vor 
Philipp nach seinem eigenen Berichte die freiwillige Unterwerfung 
‚der Phokier unter den Spruch der Amphiktyonen als Vorbedingung 
eines milden Verfahrens gegen sie aufgestellt *. In solcher Weise 
mag sich Philipp geäufsert haben, als dessen Agent Philokrates auch 
bei-dieser Gelegenheit dasteht. Die Bürgerschaft, überrascht und 
voll der besten Erwartungen, genehmigte was die vertrauten Freunde 
des Königs vorlegten ohne auf eine ernstliche Prüfung einzugehen. 

Weiter wurde beschlossen eine dritte Gesandtschaft an Philipp 
und an den Rath der Amphiktyonen abzuschicken um die Beschlüsse 
der athenischen Bürgerschaft zu vermelden und überhaupt bei der 
bevorstehenden Entscheidung die athenischen Interessen zu wahren. 
Zu Gesandten wurden erwählt Aeschines, Demosthenes und über- 
haupt meist dieselben, welche die beiden früheren Male nach Ma- 
kedonien abgeordnet waren *. Aeschines liefs seine Erwählung 


1) Aesch. 2, 130 8. 45 οἵ — Φαλαίκου — δρομοκήρυκες. Dem, 
vdG. 59 8. 359, 19 sagt παρῆσαν -oi τῶν Φωκέων πρέσβεις ἐνϑάδε, καὶ 
ἣν αὐτοῖς καὶ τί ἀπαγγελοῦσιν οὗτοι καὶ τί ψηφιεῖσϑ'᾽ ὑμεῖς ἐπιμελὲς 
εἰδέναι. Also auch seinen Worten nach waren die Botschafter nicht 
mit Aufträgen an Rath und Bürgerschaft abgesandt, sondern um Nach- 
richten einzuziehen. 


2) Dem. να. 53f. 8. 357, 22. Vgl. vFr. 10 5. 59, 17 τοιαύτας 
ἐλπίδας καὶ φενακισμούς, οἷς ἐπαχϑέντες ὑμεῖς οὔτε συμφόρως οὔτ᾽ 
ἴσως οὔτε καλῶς προεῖσϑε Φωκέας. x 

3) Aesch. 2, 117 5. 43. 

4) Dem. vdG. 121 8. 378, 13 ἐπειδὴ γὰρ ἀπεστέλλετ᾽ αὖϑις αὖ τὸ 
τρίτον τοὺς πρέσβεις ὡς τὸν Φίλιππον, ἐπὶ ταῖς καλαῖς καὶ μεγάλαις 
ἐλπίσι ταύταις αἷς οὗτος ὑπέσχητο (vel. 124 5. 370, 13), ἐχειροτονήσατε 
καὶ τοῦτον κἀμὲ καὶ τῶν ἄλλων τοὺς πλείστους τοὺς αὐτούς. Genannt 
werden nur noch Derkylos und Stephanos von Aesch. 2, 140 5. 46, 
jener (den auch Dem. 125 S. 379, 20 erwähnt ) aus der Zahl der frü- 
heren Gesandten; Stephanos mag der Parteigänger des Eubulos sein, 
mit dem Apollodor in der Rede wNeaera zu schaffen hat. Diese dritte 


\ 


Dritte Gesandtschaft der Athener an König Philipp. 259 


ruhig geschehen: Demosthenes dagegen lehnte sofort in aller Form 
ab, und als mit lärmendem Zuruf in ihn gedrungen wurde die Ge- 
sandtschaft zu übernehmen, wiederholte er seine Weigerung in be- 
stimmtester Weise !: so wurde statt seiner ein anderer gewählt. 

In den nächsten Tagen, ehe noch die Gesandten abreisten, 
giengen Schreiben von König Philipp ein, die Athener möchten 
alsbald mit gesamter Heeresmacht ausrücken um für die gerechte 
Sache mitzustreiten ?. Diese Botschaft war, wie Demosthenes 
ausspricht, nicht in der Absicht erlassen um die Athener wirklich 
zum Zuzuge zu vermögen ; denn sie erfolgte erst im letzten Augen- 
blicke, als Philipp alle seine Mafsregeln getroffen hatte und an den 
Thermopylen stand: sondern um ihnen doch das Wort zu gönnen 
und sie in dem Vertrauen auf seine bundesfreundlichen Gesinnun- 
gen zu bestärken. Auf eine schleunige Rüstung haben selbst Ae- 


Sendung (Dem. 172 S. 395, 9) bezeichnet Aeschines immer nur als eine 
Gesandtschaft an die Amphiktyonen: 2, 94 8. 40 ἐγὼ — αἱρεϑεὶς πρε- 
σβευτὴς ἐπὶ τοὺς ᾿Δἀμφιχτύονας. 139. 140 8. 46 τὴν τρίτην — πρεσβείαν 
ἐπὶ τὸ κοινὸν τῶν ᾿Δμφικχτυόνων. -- πρὶν ἐμὲ Helv καὶ Στέφανον καὶ 
“Ιερκύλον καὶ τοὺς (ὡς oder mit Reiske ἐπὶ τοὺς) ᾿“μφικτύονας πρέσβεις. 
142 5. 47 τὴν τρίτην πρεσβείαν ἐπὶ τοὺς Aupınrvovag πρεσβεύων. 
Dafs aber die Gesandten vor allem bei Philipp bevollmächtigt waren, 
lehrt Aeschines selbst 2,162 5. 40, Vgl. Schol. zu 2, 94 S. 40. Franke 
a. Ο. 5. 33f. Der Inhalt des philokrateischen Beschlusses erforderte 
eine Gesandtschaft, und die Beziehung, welche Demosthenes auf den 
vorausgegangenen Bericht des Aeschines nimmt (ähnlich Aeschines selbst 
2,94 8. 40), führt darauf dafs der Antrag auf ihre Erwählung und 
Absendung sofort im Verfolg jenes Beschlusses gestellt wurde. So hat 
es auch Böhnecke F. I, 409f. angesehen. 

1) Dem. vdG. 122 5. 378, 18 ἐγὼ μὲν δὴ παρελϑὼν ἐξωμοσάμην 
εὐθέως, καὶ ϑορυβούντων τινῶν καὶ κελευόντων βαδίζειν οὐκ ἂν ἔφην 
ἀπελϑεῖν" οὗτος δ᾽ ἐκεχειροτόνητο. Vgl. 120 S. 381, 6. 


2) 5if. 5. 356, 298. καίτοι καὶ ἐπιστολὰς ἔπεμψεν ὁ Φίλιππος δύο 

΄ « m 3 » 9 r + » 3 ἊΣ δι Ν x 
καλουσὰας ὑμᾶς, οὐχ ἵν ἐξέλϑοιτε κτλ.--. λέγε δ᾽ αὐτοῖς αὑτὰς τὰς 
ἐπιστολὰς τὰς τοῦ Φιλίππου. EIIETOAAI. αἱ μὲν τοίνυν ἐπιστολαὶ κα- 

x τ x ’ N F EL | ς nr " 

λοῦσιν αὗται, καὶ, νὴ “ία, ἤδη γε. Aesch. 2, 137 S. 40 ὑμῖν δὲ -- οὐκ 
, x € ΄ ’ » ’ ’ 
ἔπεμψεν ἐπιστολὴν ὁ Φίλιππος ἐξιέναι πάσῃ τῇ δυνάμει βοηϑήσοντας 
τοὶς δικαίοις: Die folgenden Worte bei Aeschines und bei Demosthenes 
lehren dafs Philipp das &ine Schreiben wenigstens erlie[s ehe Phalae- 
kos capitulierte, aber dafs sie nach der Berichterstattung der Gesand- 
ten, also nach dem 16 Skirophorion, zu Athen eingiengen. Vgl. Böh- 
necke ἘΝῚ, 412. Franke a. Ο, S. 32. 


17 * 


260 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


schines und Genossen nicht gedrungen ': aber der Beschlufs der 
Athener dem Rufe Philipps nicht Folge zu leisten entsprang nicht 
etwa der Überzeugung, dafs auch ohne ihr Zuthun alles nach Wunsch 
gehen werde, sondern aus Mistrauen. Denn von dem freudigen 
Rausche, den die Rede des Aeschines erregt hatte, entnüchterten 
die Athener sich bald genug. Sie fühlten was auf dem Spiele stand 
und sahen mit Sorge in die Zukunft: es sammelten sich Gruppen 
auf dem Markte und bedenkliche Reden wurden geführt *. Da 
vermochte die makedonische Partei nicht mehr die Debatte zu be- 
herrschen, sondern es ward gerade heraus gesagt, ich denke von 
Hegesippos, die Athener dürften keine Mannschaft schicken, denn 
es stehe zu befürchten dafs Philipp sie als Geisel behalte ?; und in 
diesem Sinne wurde der Beschlufs gefafst. 


1) Dem. a. O. 52 8. 357, 15. 

2) 122 8. 378, 23 ἔτι γὰρ τῶν πραγμάτων ὄντων μετεώρων καὶ 
τοῦ μέλλοντος ἀδήλον, σύλλογοι. καὶ λόγοι παντοδαποὶ κατὰ τὴν ἀγο- 
ρὰν ἐγίγνοντο Tore. 

3) Aesch. 2, 137 5. 40 οἵ δὲ νῦν πολεμικοὶ καὶ τὴν εἰρήνην ἄναν- 
δρίαν καλοῦντες οὐ διεκώλυσαν ὑμᾶς ἐξελθεῖν, εἰρήνης καὶ συμμαχίας 
ὑμῖν γεγενημένης, δεδιέναι φάσκοντεβ μὴ τοὺς στρατιώτας ὑμῶν ὁμή- 
ρους λάβῃ Φίλιππος; πότερον οὖν ἐγὼ τοὺς προγόνους ἐκώλνυσα τὸν 
δῆμον μιμεῖσθαι, ἢ σὺ καὶ οἵ μετὰ σοῦ συνεστηκότες ἐπὶ τὰ κοινά: 
Aeschines Ausdruck läfst hinreichend erkennen dafs nicht Demosthenes, 
sondern einer seiner Parteigenossen jenes Wort geredet hat, und zwar 
weist Demosslenes an der entsprechenden Stelle selber auf Hegesippos 
hin, γα, 72—74 8. 364, 1 (ἀκούω αὐτὸν) πρῶτον μὲν Δανεδαιμομίων, 
εἴπει Φιυλιξαμι εἶτα Ἡηεδς κατηγορήσειν κτλ. -- οὐ γὰρ ὡς εἰ μὴ 
διὰ Μακεδαιμονίους, οὐδ᾽ ὡς εἰ μὴ Πρόξενον οὐχ ὑπεδέξαντο, οὐδ᾽ 
ὡς εἰ μὴ δι᾽ Ἡγήσιππον, οὐδ᾽ ὡς εἰ μὴ διὰ τὸ καὶ τὸ ἐσώϑησαν ἂν 
οἵ Φωκεῖς, οὐχ οὕτω τότ᾽ ἀπήγγειλεν. Das kann sich nicht auf das 
vor Jahren durch Hegesippos gestiftete Bündnifs der Athener und Pho- 
kier (o. Buch II, 7) beziehen, sondern wie der ganze Zusammenhang 
lehrt nur auf einen Vorgang aus dem Ende des phokischen Kriegs, 
vgl. Schol. a. O. 8. 376, 10 Df. ὁ δὲ ῥήτωρ Ἡγήσιππος ἐδόκει τὰ 
Φωκέων φρονεῖν" ὃς παροξύνας τὸν Φίλιππον αἴτιος ἐγένετο τοῦ ἀπο- 
λέσϑαι αὐτούς. 8. 377, 7 Df. ἩἩγησίππου δὲ μέμνηται, διότι Φιλίππῳ 
πρεσβευομένῳ περὶ τῆς εἰρήνης ὃ πρῶτος εἰπὼν (ἀντειπὼν ὃ) καὶ δια- 
κωλύσας Ἡγήσιππος nv. Das kann nicht auf die eigentliche Friedens- 
gesandtschaft gehen, denn διακωλύσας bezeichnet eine erfolgreiche Op- 
position, wohl aber pafst es auf die Botschaft Philipps über atheni- 
schen Zuzug: Aeschines sagt wörtlich οἵ — νῦν πολεμικοὶ — διεκώλυσαν 
ὑμᾶς ἐξελϑεῖν εἰρήνης καὶ συμιιαχίας ὑμῖν γεγενημένης. 


Dritte Gesandtschaft der Athener an König Philipp. 261 


Bei der schwankenden Stimmung der Bürgerschaft pflogen Ae- 
schines und seine Genossen Rath wen sie als Leiter derselben und 
als Vertreter ihrer Sache daheim lassen wollten. Denn unter den 
obwaltenden Umständen hatten sie zu besorgen, es möchte plötz- 
lich eine aufserordentliche Volksversammlung berufen werden, wel- 
che doch noch von Demosthenes über die wahre Sachlage unter- 
richtet durch Beschlüsse zu Gunsten der Phokier Philipp Ungele- 
genheiten bereite. Deshalb fanden sie es zweckmäfsig dafs Aeschi- 
nes in Athen bleibe um die Bürgerschaft bei gutem Muthe zu erhal- 
ten. Das sind die Motive aus denen Demosthenes das fernere Be- 
nehmen des Aeschines herleitet ': wir dürfen hinzufügen dafs es 
diesem unbequem fiel an Versprechungen mahnen zu sollen, die Phi- 
lipp niemals officiell gegeben hatte und deren Erfüllung zum min- 
desten höchst zweifelhaft war. Kurz als die Gesandten abreisen 
wollten und vom Rathe ihre Vollmacht und ihren Urlaub empfien- 
gen, meldete Aeschines sich krank und schickte seinen Bruder 
nebst seinem Neflen und dem Arzte um sein Unwohlsein eidlich zu 
bezeugen®?. Auf Grund dieser Meldung wählte der Rath in Stell- 


1) VdG. 122—124 5. 378, 21f. 

2) 124 8. 379, 15 ἀρρωστεῖν προφασίζεται" καὶ λαβὼν ξήκεστον 
τὸν ἰατρὸν ἁδελφὸς αὐτοῦ καὶ προσελθὼν τῇ βουλῇ ἐξώμοσεν ἀρρω- 
oreiv τουτονὶ καὶ αὐτὸς ἐχειροτονήϑη. Vgl. 126 S. 380, 4. 1901, 
S. 380, 28f. καὶ ταῦτ᾽ οὐκ ἔνεστιν ἐμοὶ μὲν οὕτω, τούτῳ δ᾽ ἄλλως 
πως εἰπεὶν" ἀλλ᾽ ὑπὲρ μὲν τῆς ἐξωμοσίας ἐν τοῖς κοινοῖς τοῖς ὑμετέ- 
ροις γράμμασιν ἐν τῷ μητρῴῳ ταῦτ᾽ ἐστίν, ἐφ᾽ οἷς ὁ δημόσιος τέ 
τακλχται, καὶ ψήφισμα ἄντικρυς περὶ τούτον τοῦ ὀνόματος γέγραπται. -- 
Καί μοι λέγε τὸ ψήφισμα καὶ τὰ γράμματα --. Über das Protokoll und 
den Rathsbeschlufs vgl. Böhnecke F. I, 411, 3. Diesen erkennt Ae- 
schines 2, 94f. 5, 40 an (ψήφισμα τὸ μὲν ἀνέγνως --, will aber die 
Wahl in der Volksversammlung nur mit Vorbehalt angenommen haben 
(ἀρρώστως δ᾽ ἔχων, καὶ μετὰ πολλῆς προϑυμίας ἀπαγγέλλων ἀφ᾽ ἧς 
ἧκον πρεσβείας πρὸς ὑμᾶς, τὴν μὲν πρεσβείαν οὐκ ἐξωμοσάώμην, ἀλλ᾽ 
ὑπεσχόμην πρεσβεύσειν, ἐὰν ὦ δυνατός). Über seine nachmalige Ent- 
schuldigung sagt er: πρὸς δὲ τὴν βουλὴν ἀπιόντων τῶν συμπρέσβεων 
τὸν ἀδελφὸν τὸν ἐμαυτοῦ καὶ τὸν ἀδελφιδοῦν καὶ τὸν laroov ἔπεμψα, 
οὐκ ἐξομουμένους" οὐδὲ γὰρ ὃ νόμος ἐᾷ τὰς ἐκ τοῦ δήμου χειροτο- 
νίας ἐν τῇ βουλῇ ἐξόμνυσθαι, ἀλλὰ τὴν ἀρρωστίαν μον δηλώσοντας. 
Aeschines unterscheidet zwischen der förmlichen Ablehnung einer Wahl 
in der Volksversammlung und der eidlich von Zeugen erhärteten Ent- 
schuldigung beim Rathe, dafs der erwählte dermalen aufser Stande sei 
dem empfangenen Auftrage oder der Amtspflicht nachzukommen. For- 


262 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


vertretung des Aeschines Aphobetos selbst zum Gesandten: denn 
an diesen jüngeren Bruder werden wir hiebei zu denken haben ἢ. 

Die athenische Gesandtschaft machte sich nunmehr etwa den 
22 Skirophorion (16 Juli) auf den Weg ?, gelangte jedoch diesmal 
nicht an ihre Bestimmung. Unterwegs in Chalkis traf sie die Nach- 
richt dafs in Phokis alles verloren sei: Phalaekos habe am 23 Ski- 
rophorion capituliert, Philipp sei durch die Thermopylen gezogen 
als Vollstrecker des Amphiktyonenspruches und habe den Theba- 
nern alles in die Hände gespielt. Auf solch eine Wendung der 
Dinge waren die Aufträge der Bürgerschaft nicht berechnet: daher 
kehrten die Gesandten unverzüglich um, und Derkvlos begab sich 
sofort in die Volksversammlung welche eben (27 Skirophorion — 
21 Juli) im Peiraeeus über die Bestände der Werften berieth ὅ. 
Sein Bericht zerstörte mit cinem Male die Hoffnungen welche die 
Athener auf Philipp gebaut und versetzte die ganze Bürgerschaft 
in Unruhe und Bestürzung. Denn in die Sorge um das Schicksal 
der Phokier und der boeotischen Städte mischten sich Befürch- 
tungen über die weiteren Absichten Philipps. Hatte man eben in 
ihm einen Segenshort erblickt, sich auf alle Zukunft mit seinem 
Hause eng verbinden wollen, so versah man sich jetzt des schlimm- 


mell mit Recht, in der Sache kam es meist auf dasselbe hinaus; auch 
eine solche Entschuldigung heifst ἐξωμοσία (vgl. Poll. 8, 55. Harpokr. 
u. d. W.). Dafs sein Bruder als Stellvertreter gegolten gibt Aeschi- 
nes bei Gelegenheit des Volksbeschlusses vom 27 Skirophorion zu erken- 
nen: πρεσβεύειν ἡμᾶς τοὺς ἐξ ἀρχῆς αἱρεθέντας ἅπαντας. Vel. u. 
S. 263 u. Franke a. O. 5: 3. 

1) 8.;.0;: ΒΟΟΣ ὃν 

2) So Böhnecke Εἰ, I, 412, wie es die Sache an die Hand gibt. 
Demosthenes vdG. 125 S. 379, 18 rechnet von jener Entschuldigung des 
Aeschines bis die Capitulation des Phalaekos zu Athen bekannt wurde 
(27 Skiroph.) fünf oder sechs Tage: also mögen die Gesandten sich am 
22 Skiroph. beim Rathe beurlaubt haben. Vgl. über diesen Urlaub Schol. 


- 77 


zu Aesch. 2, 94 8.40 χρεία γὰρ ἦν μετὰ τὴν χειροτονίαν τοῦ δήμου εἰσιέ- 
ναι τοὺς πρέσβεις εἰς τὴν βουλήν, ἵνα ἐπικυρωϑῇ αὐτοῖς ἡ ἔξοδος. 

3) Aesch. 2, 95 8. 40 ἐπειδὴ δὲ οἵ συμπρέσβεις πυϑόμενοι τὰ περὶ 
τοὺς Φωκέας συμβάντα ἀνέστρεψαν. Dem. vdG. 125 5. 370, 21 ὁ “ίερ- 
κύλος ἐκ τῆς Χαλκίδος ἧκεν ἀναστρέψας καὶ ἀπήγγειλεν ὑμῖν ἐκκλη- 
σιάζουσιν ἐν Πειραιεῖ ὅτι Φωκεῖς ἀπολώλασιν und genauer 59f. $. 869, 
25f. ὅτι πάντα τὰ πράγματ᾽ ἐγκεχείρικε Θηβαίοις 6 Φέλιππος, καὶ 
πέμπτην εἶναι ταύτην ἡμέραν ἐλογίζετ᾽ ἀφ᾽ οὗ γεγόνασιν al σπονδαί. 


ν 


Bolschaften über den Ausgang des phokischen Krieges. 263 


sten zu ihm: und wer konnte ihn aufhalten wenn er sein Heer durch 
Boeotien nach Attika führte '? 

Die erste Mafsregel, welche die Athener ergriffen, war der 
Beschlufs dafs eben die jüngst erwählten Gesandten auch unter den 
veränderten Umständen zu Philipp und zu dem Rathe der Amphi- 
ktyonen sich verfügen sollten um im Namen Athens sich der Phokier 
anzunehmen. Durch diesen Beschlufs wurde die frühere Wahl so- 
wohl des Demosthenes als des Aeschines bestätigt: Demosthenes 
lehnte jedoch abermals ab, Aeschines hingegen, der wieder wohl 
und munter in der Volksversammlung sals — es waren fünf oder 
sechs Tage seit er sich hatte krank melden lassen — erklärte sich 
bereit jetzt seine Gesandtenpflichten zu erfüllen ἡ. Er will damit 
nur dem dringenden Rufe der Bürgerschaft entsprochen haben, 
und ich zweifele nicht dafs manche wünschten, er möge seinen 
Einflufs bei Philipp geltend machen: aber ihm selber war es ohne 
Zweifel eben recht seinen Mitbürgern aus den Augen zu komnien, 
die er hinters Lieht geführt hatte. Wurden doch ihm und seinen 
Genossen bereits die schwersten Vorwürfe gemacht, dafs sie schuld 
an allem Unheile seien ®: eben damals werden Demosthenes und 

1) Dem. vdG. 1251. 8. 379, 23; vgl. 328 5. 446, 13 γέγονε τὰ 
πράγματα πάνϑ'᾽ ὥσπερ αἴνιγμα τῇ πόλει. Aesch. 2, 118 8. 43; vgl. 
136 #. 5. 46. 3, 80 8. 65. 

2) Aesch. 2, 95 8. 40 — γενομένης ἐκκλησίας ἤδη παρὼν καὶ Öv- 
νάμενος τῷ σώματι, προσαναγκάζοντος τοῦ δήμου μηδὲν ἧττον πρε- 
σβεύειν ἡμᾶς τοὺς ἐξ ἀρχῆς αἱρεϑέντας ἅπαντας, ἀψευδεῖν πρὸς ᾽4ϑη- 
ναΐίους μην δεῖν. Dem. vdG. 130 ἢ, 5’. 379, 18f. ἐπειδὴ δὲ ἀπωλώ- 
λεσαν οἵ Φωκεῖς ὕστερον ἡμέραις πέντε ἡ ἕξ --, τηνικαῦτα -- οὔτε βουλῆς 
οὔτε δήμου χειροτονήσαντος αὐτὸν ὠχετο πρεσβεύων ὡς τὸν ταῦτα 
πεποιηκότα, οὔτε τὴν ἀρρωστίαν, ἐφ᾽ ἡ τότ᾽ ἐξωμόσαϑ'᾽, ὑπολογισά- 
μενος, οὐϑ' ὅτι πρεσβευτὴς ἄλλος ἤρητο av αὑτοῦ, οὔὐὔϑ' ὅτι τῶν 
τοιούτων ὃ νόμος ϑάνατον τὴν ξημίαν εἶναι κελεύει; vgl. 131 5.381,10.Ψ 
Aeschines weist die Anklage unberufenes Gesandtendienstes wiederholt 
2, 139 S. 46 zurück, mit vollem Rechte: die Erneuerung der ursprüng- 
lichen Wahl durch ein Psephisma, welches Demosthenes überspringt 
(Aesch. 2, 94 8.40 ψήφισμα τὸ μὲν ἀνέγνως [Dem. vdG. 130 8. 381, 7, 
s. 0. 8. 261, 2], τὸ δὲ ὑπερέβης), ergibt sich auch aus Dem. vdG. 
172 8.395, 9 ἐπὶ -- τὴν τρίτην πρεσβείαν δίς μὲ χειροτονησάντων ὑμῶν 
δίς ἐξωμοσάμην. 

3) Aesch. 3, 80 8. 65 ἐν ταῖς μεγίσταις ἦσαν αἰτίαις οἵ πρέσβεις 
ol περὶ τῆς εἰρήνης πρεσβεύσαντες. 


264 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Timarchos bei der Rechenschaftsbehörde die Klage eingegeben ha- 
ben ' dafs Aeschines als Gesandter seine Pflicht gebrochen, indem 
er nicht die Wahrheit gemeldet und die Bürgerschaft gehindert 
habe sie von Demosthenes zu hören, indem er das gerade Gegen- 
theil von dem Interesse des Staates angerathen habe, seiner Voll- 
macht nicht nachgekommen sei, die Zeit, in der sich die wichtig- 
sten Dinge entschieden, versäumt habe, und dies alles mit Geld und 
Geschenken bestochen ?. 

Betrachten wir nun, auf welche Weise es Philipp gelang sich 
des Thermopylenpasses zu bemeistern und über alles Erwarten 
schnell die Phokier zu entwaflnen. 

Während die Athener und die Spartaner durch Philipps schlaue 
Künste getäuscht und von Phalaekos selbst scheel angesehen die 
Phokier ihrem Schicksale überliefsen, hatte Philipp in Thessalien 
durch seine Gegenwart die wider ihn sich auflehnende Partei ent- 
waflnet, die anfangs widerstrebenden Pheraeer zur Heeresfolge ge- 
nöthigt und die thessalischen Reitergeschwader mit seiner makedo- 
nischen Streitmacht verbunden. Zugleich hatten die Thebaner ihre 
gesamte Streitmacht aufgeboten, deren Kern das schwere Fufsvolk 
bildete, um durch das Kephissosthal vorzudringen und sich den An- 
theil an der letzten Entscheidung zu sichern ὃ. Nachdem die athe- 
nische Gesandtschaft sich zu Pherae verabschiedet hatte, setzte Phi- 
lipp sein Heer in Marsch; als die Athener von Aeschines sich be- 


1) Die Logisten, bei denen die Klage eingegeben wurde, hatten 
binnen dreifsig Tagen nach Ablauf der Amtsführung die Rechenschaft 
abzunehmen. S. Harp. u. λογισταί. Franke Vorr. zu Aesch. Timar- 
chea 1839 S. XXXVIIILf. Wurde in dieser Frist eine Anklage ange- 
bracht, so konnte die gerichtliche Schlufsverhandlung durch mancherlei 
Rechtsmittel lange hinausgeschoben werden, wie es hier der Fall ge- 
wesen ist. \ 


2) Dem. vdG. 8 8. 343, 12. Auf die Klagschrift kommen wir u. 
Cap. 4 zurück. 


3) Dem. vdG. 320 5, 444, 3 ἐστασίαζξε μὲν αὐτῷ (Φιλίππῳ) τὰ 
Θετταλῶν, καὶ Φεραῖοι πρῶτον οὐ συνηχολούϑουν. Diod. 16, 59 ὃ 
Φίλιππος παραλαβὼν τοὺς Θετταλοὺς ἧκεν εἰς τὴν Λοκρίδα μετὰ πολ- 
λῆς δυνάμεως. Dem, Phil. 2, 14 5, 69, 14 (Φίιππος) τῶν Θετταλῶν 
ἱππέων καὶ τῶν Θηβαίων ὁπλιτῶν ἐν μέσῳ ληφϑείς. VdG. 197 5. 380, 
12 τὸ τῶν Θηβαίων στρατόπεδον. Aesch. 2, 137 8. 46 Θηβαῖοι -- ἐξε- 
ληλύϑεσαν πανδημεί, ἀπιστοῦντες τοῖς πράγμασιν. 


Ausgang des phokischen Kriegs. Capitulation des Phalaekos. 265 


richten liefsen, stand er in der Nähe der Thermopylen'!. Phokische 
Gesandte begleiteten Philipp ?, und dieser bot alle Überredungs- 
kunst auf um Phalaekos zu einer Gapitulation zu vermögen. Aber 
nicht eher kam es zu einem Abschlusse, als bis die phokischen 
jotschafter etwaam 20 Skirophorion ausAthen die Meldung brachten, 
dafs von dort keine Hilfe zu erwarten sei, sondern dafs man von 
Philipp sich das beste verspreche. Das gab den letzten Ausschlag: 
am 23 Skirophorion (17 Juli) ® schlofs Phalaekos mit Philipp einen 
Vertrag ab, demzufolge er Nikaea und Alponos, die Plätze welche ἢ 
die Thermopylen beherrschten, an Philipp übergab: dagegen wurde 
unter der Bedingung Phokis ganz zu räumen ihm und seinen Söld- 
nern, S000 an der Zahl, freier Abzug gewährt. Dieser Vertrag, 
der übrigens nur mit Philipp abgeschlossen wurde, ohne dafs sei- 
ner Bundesgenossen Erwähnung geschah, gab das phokische Volk 
auf Gnade und Ungnade in Philipps Gewalt *. Rasch rückte dieser 


1) Dem. vdG. 34 S. 351, 21. 58 S. 359, 11. 
2) Dem. Phil. 3, 11 S. 113, 17. Frontin. Str. 1, 4, 6 erzählt von 
einer ähnlichen Überlistung der Aetoler in den Thermopylen durch Phi- 


lipp II. 
3) VdG. 53f. 56 S. 357, 22f. Die Zeitrechnung 5. 57 ff, Κ΄, 359, 31. 
(- εὐκάς, 7 τίϑεμεν πυϑέσϑαι τοὺς Φωκέας τὰ παρ᾽ ὑμῶν" — ὀγδόη 


[φϑίένοντος σκιροφοριῶνος7" ταύτῃ ἐγίγνονθ᾽ al σπονδαί, καὶ πάντα 
τἀκεῖ πράγματ᾽ ἀπολώλει καὶ τέλος εἶχεν κτλ) Auf die Data, welche 
Demosthenes angibt, bezieht sich Aesch. 2, 130 S. 45; vgl. Winiewski 
comm. in D. or. de cor. S. 108. Eine Übertreibung enthält Dem. a. O. 
57 8. 350,6 ἡ μὲν τοίνυν εἰρήνη ἐλαφηβολιῶνος 9 ἐπὶ ι΄ ἐγένετο, 
ἀπεδημήσαμεν δ᾽ ἡμεῖς ἐπὶ τοὺς ὅρκους γ΄ μῆνας ὅλους’ καὶ τοῦτον 
ἅπαντα τὸν χρόνον ἦσαν οἵ Φωκεῖς σῷοι und 78 5. 365, 98:, ἤδη 
τῆς εἰρήνης γεγονυίας - δ΄ μῆνας ὅλους ἐσώξοντο οἵ Φωκεῖς τοὺς ὕστε. 
ρον. Demosthenes zählt die vier Monate Elaphebolion Munychion Thar- 
gelion Skirophorion: aber vom 19 EI. bis zum 23 Sk. sind nur 3 Mo- 
nate und 4 Tage. Vgl. Contareni var. lectt. ©. 17. Böhnecke F. I, 671. 
Über die Dauer der Gesandtschaftsreise s. o. 8. 236, 1. 


4) Diod. a. O. ὁ δὲ Φάλαικος ἐν τῇ Νικαίᾳ διατρίβων καὶ ϑεω- 
ρῶν αὑτὸν οὐκ ἀξιόμαχον ὄντα διεπρεσβεύσατο πρὸς τὸν βασιλέα περὶ 
διαλύσεων. γενομένης δ᾽ ὁμολογίας Bote τὸν Φάλαικον μετὰ τῶν 
στρατιωτῶν ἀπελϑεῖν ὅποι βούλοιτο οὗτος μὲν ὑπόσπονδος εἰς τὴν 
Πελοπόννησον ἀνεχώρησε μετὰ τῶν μισϑοφόρων, ὄντων n, οἵ δὲ Φω- 
neig συντριβέντες ταὶς ἐλπίσι παρέδωκαν αὑτοὺς τῷ Φιλίππῳ. Just. 
8,5 Phocenses, victi — necessilate, pacta salute se dediderunt. Aesch. 2, 
140 8. 46 Φαλαίκον — ἀπεληλυϑότος ὑποσπόνδουν. 138 Ἄλπωνον καὶ 
Νίκαιαν — παραδόντος Φαλαίκου Μᾶακεδόσιν. Dem. να, 62f. S. 361, 


266 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


durch die Thermopylen vor, besetzte ohne Schwertstreich sämtliche 
Städte des Landes ' und trat mit dem thebanischen Heere und den 
Lokrern in Verbindung. Jetzt blieb auch den empörten boeotischen 
Städten kein anderer Ausweg als die Wallen zu strecken und Phi- 
lipp anzuflehen ihr Schicksal zu mildern ?. 

So endete um den Schlufs des zweiten Jahres der 108 Olym- 
piade (Sommer 346) ® der phokische Krieg, in welchem zehn Jahre 
lang die Hellenen mit heilloser Erbitterung ihre Kräfte erschöpft 
“hatten. Philipp berief sofort in Gemeinschaft mit den Thebanern 
und Thessalern die Versammlung der Amphiktyonen um über die 
Phokier und ihre verbündeten Gericht zu halten und die Angelegen- 
heiten des delphischen Heilgthums von neuem zu ordnen *. In der 
Versammlung, welche vermuthlich zu Delphi selbst zusammentrat, 
waren nicht alle amphiktvonischen Orte vertreten, sondern nur die 
an dem heiligen Kriege Theil genommen hatten: also Athen so we- 
nig wie Sparta’. Die Berathungen haben längere Zeit gewährt: 


Mi 2 


24f. OMOAOTIA ΦΙΛΙΠΠΟῪ ΚΑΙ ΦΩΚΕΩΝ. ἀκούετε, ὦ ἄ. A., 
«ὁμολογία Φιλίππου καὶ Φωκέων", φησίν, οὐχὶ Θηβαίων καὶ Φωκέων, 
οὐδὲ Λοκρῶν, οὐδ᾽ ἄλλον τῶν παρόντων οὐδενός - καὶ ee Be 
«δοῦναι δὲ τὰς πόλεις Φωκέας" φησὶ “Φιλίππῳ᾽ κτλ. 56 8. 358, 
παραδόντες αὑτοὺς Φιλίππῳ καὶ ἕκόντες ἐγχειρίσαντες ἐκείνῳ τὰς πό- 
λεις. Vgl. 324 8. 445, 5. Aesch. 2, 180 S. 45. 

1) Dem. a. O. 61 5. 360, 9 τὸ μηδεμίαν τῶν πόλεων τῶν ἐν Φω- 
κεῦσιν ἁλῶναι πολιορκίᾳ μηδ᾽ ἐκ προσβολῆς κατὰ κράτος, ἀλλ᾽ ἐκ τοῦ 
σπείσασϑαι πάντας ἄρδην ἀπολέσϑαι. 77 8. 365, 17 ἀκονιτί. 

2) Aesch. 2, 141 5. «40. 

3) Diod. 16, 59 ἐπ᾽ ἄρχοντος --ἀρχίου (Ol. 108, 3) -- 6 Φωκικὸς 
πόλεμος — κατελύθη. Die Angabe ist nicht genau, da die Capitula- 
tion, nach der auch Diodor das Ende des Krieges rechnet (s. den 
Schlufs des Capitels), noch Ol. 108, 2 abgeschlossen wurde. Aber 
Diodor hält sich in der Regel nicht an den attischen Jahresanfang, 
sondern zieht die Sommermonate alle zum nächsten Olympiadenjahre. 
Über die Dauer des Krieges s. o. Buch II, 7. 

4) Diod. a. Ο. ὁ δὲ βασιλεὺς ἄνευ μάχης ἀνελπίστως καταλύσας 
τὸν ἱερὸν πόλεμον συνήδρευσε μετὰ τῶν Βοιωτῶν καὶ Θετταλῶν, ἔκρι- 
vev οὖν συγκατάγειν τὸ τῶν ᾿“μφικτυόνων συνέδριον καὶ τούτῳ τὴν 
περὶ τῶν ὅλων διάγνωσιν ἐπιτρέψαι. Vgl. Dem, vdG. 50 5. 356, 21 
οὐδενὸς δ᾽ ἄλλου παρόντος τῶν ᾿“μφικτυόνων πλὴν Θετταλῶν καὶ Θη- 
βαίων. 

5) Dem. vFr. 14 8. 60, 20. τοὺς συνεληλυϑότας τούτους καὶ φά- 
onovrag ᾿ἀμφικτύονας νῦν εἶναι. Genannt werden aufser den Thessa- 


Beschlüsse des Amphiktyonenrathes. 267 


ihr Ergebnifs können wir, aufser gelegentlichen Beziehungen dar- 
auf bei Demosthenes, nur aus dem Resume Diodors entnehmen, 
der mehrere Beschlüsse ziemlich verworren zusammenfafst ἦς 

Kraft der Beschlüsse des Amphiktyonenrathes wurden die bei- 
den Stimmen welche die Phokier bisher geführt auf Philipp und 
seine Nachkommen übertragen, und damit die Zwölfzahl amphi- 
ktyonischer Stämme wieder erfüllt. Den Phokiern wurde jede Ge- 
meinschaft mit dem delphischen Heiligthume und die Mitgliedschaft 
des Amphiktyonenrathes entzogen ?. Sämtliche Städte der Phokier, 
zwei und zwanzig an der Zahl, (mitAusnahme von Abae) sollten zer- 


lern und Boeotern die Lokrer Dem. vdG. 52 S. 360, 27. Schol. zu Aesch. 
2, 94 S. 40, Oetaeer Aesch. 2, 142 S. 47, vielleicht auch die Doloper 
Dem. vKr. 63 S. 246, 2 (vgl. Böhnecke F. I, 4109). Natürlich fehlten 
die Dorier (nicht blofs von Doris: auch Argos war vertreten Dem. vFr, 
14 S. 60, 25) Perrhaeber Magnesier Phthioten Malier nieht; die ioni- 
schen Stimmen werden von Eretriern oder andern Euboeern geführt sein: 
vgl. Aesch. 2, 116 5, 43. Theopomp handelte über diese Amphiktyo- 
nenversammlung im XXX Buche fr. 186. 157 (bei Harpokr. u. Πύλαι 
u. Ἱεροινήμονες). 

1) Diod. 16, 60. Dafs es mehrere Beschlüsse sind (aber nur diner 
Versammlung: vgl. OWeils Z. ἢ, d.AW. 1848 S. 387) findet auch Böh- 
necke F. I, 421, 1 wahrscheinlich: 5. Dem. vFr. 19 5. 62, 3 τὰ τῶν 
"Augpıntvovov δόγματα. vdG. 61 5. 360, 14 u. 64 8. 361, 16 φέρε δή 
μοι — τὰ δόγματα ὑφ᾽ ὧν καϑεῖλον αὐτῶν τὰ τείχη. — ὃν μὲν τοίνυν 
τρόπον ol ταλαίπωροι Φωκεὶς ἀπολώλασιν, οὐ μόνον ἐκ τῶν δογμάτων 
τούτων ἔστιν ἰδεῖν arA. Irriger Weise steht also 63 5. 301,9 JOTMA 
AM®IKTTONSN. Dafs Diodor in dem phokischen Kriege mehrmals 
dasselbe an zwei Stellen erzählt, ist o. Buch II, 7 bemerkt: auch hier 
scheint er aus zwei Schriftstellern zu compilieren. 

2) Diod. a. O. ἔδοξεν οὖν τοῖς συνέδροις μεταδοῦναι τῷ Φιλίππῳ 
καὶ τοῖς ἀπογόνοις αὐτοῦ τῆς ᾿ἀμφικτνονίας, καὶ δύο ψήφους ἔχειν, 
ἃς πρύτερον οἵ καταπολεμηϑέντες Φωκεῖς εἶχον. -- καὶ μηδεμίαν κοι- 
νωνίαν εἶναι τοῖς Φωκεῦσι τοῦ ἵεροῦ μηδὲ τοῦ ᾿“μφιχτυονικοῦ συνε- 
δρίου. Vgl. Cap. 1. Paus. 10, 3,3 ἀφῃρέϑησαν δὲ οἵ Φωκεῖς καὶ 
μετεῖναί σφισιν ἱεροῦ τοῦ ἐν “Ιελφοὶς καὶ συνόδου τῆς εἰς τὸ 'Ελληνι- 
κὸν καὶ τὰς ψήφους αὐτῶν Munsdocıw ἔδοσαν ol "Aupınvovss; vel, 
Ι0, 8, 3. Dem. vdG. 327 S. 440, 6 οἵ μὲν ὄντες ᾿ἡμφικτύονες φεύ- 
γουσι καὶ ἐξελήλανται καὶ ἀνάστατος αὐτῶν ἡ χώρα γέγονεν, οἵ δ᾽ οὐ. 
πώποτ᾽ ἐν τῷ πρόσϑεν χρόνῳ γενόμενοι, ἡῆακεδόνες καὶ βάρβαροι νῦν 
Augınrvovsg εἶναι βιάζονται. Vel. vdG. 257 8.42% ‚15. vFr. 19 S. 61, 
29f. Liban. Einleit. zu ders. R. S. 55, 17 u. III,414 R. Sokrat. Briefe 
30 8. 37 Or. Schol. Dem, $.158, 1 Df. ὁ Φίλιππος - πάρεδρος "Augı- 
κτυόνων ἠβουλήϑη γενέσϑαι ὡς λείποντος τοῦ ἕνὸς ἔϑνους μφικτυό- 


268 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


stört werden und die Einwohner sich in Dörfern niederlassen von 
nicht mehr als fünfzig Häusern, jedes mindestens ein Stadion von 
dem nächsten entfernt '. Der Besitz des Landes wurde ihnen zu- 
gestanden: davon sollten sie aber jährlich fünfzig Talente dem Apollo 
Steuer zahlen, bis sie den geraubten Tempelschatz wieder erstattet 
hätten. Bis dahin wurde ihnen der Besitz von Waffen und von 
Pferden untersagt. Die Waffen der Phokier und ihrer Söldner 
sollten Philipp und die Amphiktyonen am Felsen zerschmettern und 
die Überreste verbrennen, die Rosse (zum Vortheile des Tempel- 
schatzes) verkaufen ἢ. Die von den Phokiern und den übrigen 
Theilnehmern am Tempelraube geflüchtet waren, sollten verflucht 


νων πρὸς ἀναπλήρωσιν τῶν ιβ΄. Tittmann üb. d. Bund der Amphi- 
ktyonen 8. 38 ff. 67. 

1) Diod. a. ©. τὰς δὲ πόλεις ἁπάσας τῶν Φωκέων κατασκάψαι καὶ 
μετοικίσαι εἰς κώμας, ὧν ἑκάστην μὴ πλεῖον ἔχειν οἰκιῶν ν΄, μηδὲ διε- 
στάναι ἔλαττον σταδίου (ς΄ Ξςαδίων Weiske de hyperb. I, 305) τὰς κώ- 
μας ἀπ᾿ ἀλλήλων. Paus. 10, 3, 2 καὶ ἐς ἔδαφος ἁλοῦσαι κατεβλήϑη- 
σαν τῶν Φωκέων al πόλεις" ἀριϑμὸς δ᾽ ἣν αὐτῶν Λίλαια κτλ. (Pausa- 
nias zählt 20 zerstörte Städte auf; nach Dem. vdG. 123 S. 379, 9 wa- 
ren 22 Städte im Lande, wobei Delphi und Abae mitzählen werden). 
τότε δὲ κατεσκάφησαν τε al κατειλεγμέναι, καὶ ἐς κώμας πλὴν Ἄβας oni- 
σϑησαν ai ἄλλαι. Über Abae 5. o. 8. 170. 10, 33, 9 ᾿μφικτύονες δὲ 
δόγμα ἐπὶ τῇ τῶν πόλεων ἀπωλείᾳ τῶν ἐν Φωκεῦσιν ἐξενεγκόντες. 
Dem. vdG. 81 8. 366, 27 διῳκισμένοι κατὰ κώμας καὶ παρῃρημένοι 
τὰ ὅπλα. 141 8. 380, 2 τῶν -- Φωκέων ἄρδην ὄλεϑρος καὶ ὅλων τῶν 
τειχῶν καὶ τῶν πόλεων ἀναιρέσεις. 325 8.445, 24 τὰ -- Φωκέων τείχη 
κατεσκάπτετο: Θηβαῖοι δ᾽ ἤσαν οἵ κατασκάπτοντες. 65 8. 361, 21 
οἰκίας κατεσκαμμένας, τείχη περιῃρημένα. 275 5. 429, 15. vKr. 36 
S. 237, 18. 42 5. 240, 8. Aesch. 3, 80 8. 65 Φίλιππος — τὰς ἐν Φω- 
κεῦσι πόλεις παραδόξως ἀναστάτους ἐποίησεν. 2, 9 8. 29 ἀνῃρηκέναι 
— τὰς ἐν Φωκεῦσι πόλεις. 162 8. 49. Deshalb heifst es auch geradezu 
Dem. Phil. 3, 19 5. 115, 19 Φ. ἀνεῖλε Φωκέας, 26 5. 117, 23 τὸ Φω- 
κέων ἔϑνος ἀνηρημένον u. a. St. { 

2) Diod. a. O. un ἐξεῖναι δὲ αὐτοῖς μήτε ἵππους μήτε ὅπλα κτή- 
σασϑαι, μέχρις ἂν οὗ τὰ χρήματα ἐχτίσωσι τῷ ϑεῷ τὰ σεσυλημένα. 
— ἔχειν δὲ Φωκέας τὴν χώραν, καὶ φέρειν κατ᾽ ἐνιαυτὸν τῷ ϑεῷ φό- 
ρον τάλαντα ο΄, μέχρις ἂν ἐχτίσωσι τὰ ἀπογραφέντα χρήματα κατὰ τὴν 
ἱεροσυλίαν. -- τοὺς δὲ ᾿μφιχτύονας καὶ τὸν Φίλιππον τὰ ὅπλα τῶν 
Φωκέων καὶ τῶν μισϑοφόρων καταπετροκοπῆσαι καὶ τὰ λείψανα αὐ- 
τῶν κατακαῦσαι καὶ τοὺς ἵππους ἀποδόσϑαι. Vgl. Dem. a. O. (81). 
128 S. 380, 24 ἐπὶ τοῖς τῶν συμμάχων τῶν ὑμετέρων τείχεσι καὶ χώρᾳ 
καὶ ὅπλοις ἀπολωλόσιν. 287 8. 433, 16 6 δὲ ( Αἰσχίνης) καὶ τὰ τῶν 
ὑμετέρων συμμάχων ὅπλα ἐκείνῳ (Φιλίππῳ) παραδούς. 


Beschlüsse des Amphiktyonenrathes. 269 


sein und vogelfrei wo man sie treffe '. Die pythischen Spiele sollte 
Philipp abhalten mit den Boeotern und Thessalern, weil mehrere 
Völker dorisches Stammes, namentlich die Spartaner und Korin- 
(hier, an dem Frevel wider das Heiligthum theilgenommen ?. Im 
gleichen Sinne (das sind die Worte mit denen Diodor sein Resume 
abbricht) ordneten die Amphiktyonen die Schirmvogtei des Orakels 
und alles andere was Frömmigkeit, gemeinen Frieden und Eintracht 
unter den Hellenen betraf ®. Wir erwähnen, dafs die Vorfrage bei 


1) Diod. a. O. τοὺς δὲ πεφευγότας τῶν Φωκέων καὶ τῶν ἄλλων 
τῶν μετεσχηκότων τῆς ἱεροσυλίας ἐναγεῖς εἶναι καὶ ἀγωγίμους πάν- 
τοϑεν. 

2) Diod. a. Ο. τιϑέναι δὲ καὶ τὸν ἀγῶνα τῶν Πυϑίων Φίλιππον 
μετὰ Βοιωτῶν καὶ Θετταλῶν διὰ τὸ Κορινϑίους μετεσχηκέναι τοῖς Φω- 
κεῦσι τῆς εἰς τὸ ἱερὸν παρανομίας. Dals die Korinthier mit den Pho- 
kiern in Verbindung gestanden (vgl. o. Buch II, 7) erhält dadurch Be- 
stätigung, dafs Phalaekos mit seinen Söldnern in Korinth Aufnahme 
fand: schon dies allein konnte den Groll der Amphiktyonen erregen. 
Aber in dem Amphiktyonenbunde waren die Korinthier nur als Zweig 
des dorischen Stammes (s. Böhnecke F. I, 424), und mit Recht haben 
Wesseling z. d. St. und Weiske de hyperb. I, 30" u. a. Anstofs daran 
genommen sie an dieser Stelle genannt zu finden und an eine Lücke 
gedacht, Ich vermuthe: διὰ τὸ JIwgıdwv “ακεδαιμονίους καὶ Kogıv- 
ἁγίους. Allerdings waren die Pythien ein von allen Amphiktyonen ver- 
anstaltetes Fest, aber der Vorsitz stand von Alters her (wie auch spä- 
ter wieder) den Thessalern zu (Xen. H. 6, 4, 30 u. das. Sclmeider ; 
vgl. Schol. Pindar. S. 298 Böckh. Strab. 9 S. 418. 421. Buttmann My- 
thol. II, 278), mit ihnen, wie wir aus Diodor entnehmen, den Boeotern 
und Doriern, also den drei ersten Stämmen, wie sie Aesch. 2, 116 S. 43 
aufführt Θετταλοὺς Βοιωτοὺς — “Ιωριέας. Da zwei Hauptzweige des 
dorischen Stammes mit den Phokiern gemeinschaftliche Sache gemacht 
hatten, mochten die Amphiktyonen darauf hin die Dorier überhaupt von 
dem Vorsitze bei den Spielen ausschliefsen um Philipps Forderung ent- 
sprechen zu können: Dem. vFr. 22 8. 62, 24 (Φώιππος) ἠβούλετο — 
τὰ Πύϑια ϑεῖναι δι΄ αὑτοῦ (vel. Phil. 3, 32 8. 119, 11). Dafs die 
Athener nicht den Vorsitz hatten, sondern die Spiele nur durch eine 
Festgesandtschaft zu beschicken pflegten, lehrt Dem, vdG. 128 S. 380, 
19—22. Dafs Diodor die pythischen Spiele mit den isthmischen ver- 
wechselt habe und dadurch auf die Korinthier gerathen sei, wie Thirl- 
wall V, 477, 2, Grote XI, 592, 1 vermuthen, will mir nicht einleuchten. 

3) Diod. a. Ὁ. ἀκολούϑως δὲ τούτοις διέταξαν ol ᾿ἡμφικτύονες τὰ 
περὶ τὴν ἐπιμέλειαν τοῦ μαντείου καὶ τἄλλα πάντα τὰ πρὸς εὐσέβειαν 
καὶ κοινὴν εἰρήνην καὶ ὁμόνοιαν τοῖς Ἕλλησιν ἀνήκοντα. Als Wich- 
ter des gemeinen Friedens erwähnt die Amphiktyonen Aesch. 3, 254 


270 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


dem Orakel, bisher ein Ehrenrecht der Athener, Philipp zugespro- 
chen ward ', und dafs von dem dorischen Stamme die Spartaner 
als mitschuldige der Phokier der Theilnahme an der Amphiktyonie 
verlustig giengen ?. Ferner ward beschlossen — und von diesem 
Beschlusse ist auch bei Diodor eine Spur vorhanden — die Mauern 
der drei Städte Boeotiens die zu den Phokiern gehalten hatten, Or- 
chomenos Koroneia und Korsiae, zu brechen. Die Bürger wurden 
in die Sklaverei verkauft, denn es scheint kaum dafs Philipps Ver- 
wendung das Gesuch der Orchomenier um freien Abzug gegen den 
Grimm der Thebaner durchgesetzt hat. Damit kam ganz Boeotien 
wiederum unter thebanische Botmäfsigkeit, überdies ein Stück von 
Phokis *. Das Gebiet von Daphnus am euboeischen Meere, das von 


8. Sf. Über die ἐπιμέλεια τοῦ ἱεροῦ (ἅτε καὶ χρημάτων ἀποκειμένων 
πολλῶν καὶ ἀναϑημάτων φυλακῆς καὶ ἁγιστείας δεομένων μεγάλης) 
Strab. 9 5. 420. Vgl. Dem. vdG. 327 5. 446, 10 ἐὰν δέ τις περὶ τῶν 
ἱερῶν χρημάτων μνησϑῆῇ, καταχρημνίζεται. 

1) Dem. vdG. 327 8. 446, 12 ἡ πόλις δὲ τὴν προμαντείαν ἀφήρη- 
ται. Phil. 3, 32 8. 119,16 nach der gemeinen Lesart: ἔχει δὲ καὶ τὴν 
προμαντείαν τοὺ ϑεοῦ, παρώσας ἡμᾶς καὶ Θετταλοὺς καὶ “Ιωριέας καὶ 
τοὺς ἄλλους "Aupırrvovas, ἧς οὐδὲ τοῖς Ἕλλησιν ἅπασι μέτεστιν. Den 
Athenern war sie in den Zeiten des Perikles (Ol. 83, 1. 448) von den 
Phokiern ertheilt worden: Plut. Perikl. 21. 

2) Paus. 10, 8,2 Φωκέων -- ro ἔϑνος καὶ ἐκ τοῦ “Ιωρικοῦ Λακεδαι- 
μόνιοι μετασχόντες ἐπαύσαντο Augpınrvoviag. οἵ μὲν τοῦ τολμήματος 
ἕνεκα (οἵ Φωκεῖς), οἵ δὲ συμμαχίας εὕραντο (οἵ Λακεδαιμόνιοι) τῆς 
Φωκέων ζημίαν. 

3) Diod. a. Ο. zu Anf. τῶν δ᾽ ἐν Φωκεῦσι τριῶν πόλεων mEQL- 
ελεῖν τὰ τείχη. Schon Wesseling hat diese Worte unerklärlich gefun- 
den, da Diodor gleich darauf von der Zerstörung aller Städte in Pho- 
kis spricht. Von ‘drei Vororten, etwa Elateia Hyampolis und Pano- 
peus’, woran Wachsmuth H. A. 1, 2, 450 dachte, ‘so dafs die vorläu- 
fige Niederreifsung der Mauern von diesen etwas bedeutsames haben 
sollte’, wissen wir nichts. Noch weniger ist, wie Wachsmuth richtig 
bemerkt hatte, daran zu denken dafs nur drei Städte befestigt gewe- 
sen seien (Böhnecke F. I, 421f.); denn das waren alle: s. Dem. vdG. 
123 5. 379, 6—9. Vgl. Vischer in d. Verhandlungen der Philologen- 
vers. in Altenburg S. 79. Was die Sache fordert, hat Weiske de hyp, 
I, 30% (vgl. II, 30) gesehen; unter Vergleichung von Diod. ce. 58 (Here 
δὲ τὴν Βοιωτίαν οἵ μὲν Φωκεῖς τρεῖς πόλεις ἔχοντες ὠχυρωμένας) ver- 
muthet er an unserer Stelle: τῶν δ᾽. ὑπὸ Φωκεῦσι τριῶν πόλεων. 
Wenn nicht Diodor selber des Irrthums schuldig zu halten ist, würde 
ich lesen τῶν δ᾽ ἐν Βοιωτοῖς τριῶν πόλεων. Korsiae hat Theopomp 


Schicksal der Phokier. 271 


jeher zu Phokis gehört hatte, ward den opuntischen Lokrern zuge- 
(heilt '. Die Thessaler nahmen im Amphiktyonenrathe und in der 
Verwaltung des Tempelschatzes wieder die leitende Stelle ein, welche 
die Phokier ihnen entzogen hatten ?. Dazu überliefs ihnen Philipp 
auch Magnesia, das sie längst angesprochen, und die Feste Nikaea 
in den Thermopylen ®. So wufste sich Philipp alle seine Bundes- 
genossen im heiligen Kriege zu Danke zu verpflichten. 

Die Beschlüsse der Amphiktyonen legen Zeugnils ab von dem 
mafslosen Eifer , mit welchem die Sieger an den unglücklichen Pho- 
kiern ihre Rache kühlten: ein so furchtbares Gericht war nimmer 


XXX fr. 185 (b. Harp. u. d. N.) beim Ende des Krieges erwähnt. Über 
Orchomenos und Koroneia s. Dem. vFr. 21f. 8. 62, 12. 16. 19. Phil. 2, 
13 8. 69, 10 m. ἃ. Schol. vdG. 112 8. 375, 9 (Φίλ.) τοὺς μὲν Θηβαίους 
μείζους ἢ προσῆκε πεποίηκε, τοὺς δὲ Φωκέας ἄρδην ἀπολώλεκε, καὶ 
τὰς μὲν Θεσπιὰς καὶ Πλαταιὰς οὐ τετείχικε, τὸν δ᾽ Ὀρχομενὸν καὶ 
τὴν Κορωνείαν προσεξηνδραπόδισται. 325 S. 445, 19 παραχρῆμα -- 
Ὀρχομενὸν καὶ Κορωνείαν ἠκούσατε ἠνδραποδισμένας. 141 5. 385, 5 
Ὀρχομενὸς, Κορώνεια, Kopoıc, τὸ Τιλφωσσαῖον, τῆς τῶν Φωκέων χώ- 
ρας ὁπόσην βούλονται (τοῖς Θηβαίοις ἐκ τῆς εἰρήνης γέγονεν, ὧν οὐδ᾽ 
ἂν εὔξαιντο δήπου μείζονα). 127 5. 380,9. 140 5. 387,18. 334 8.448, 
22. Chers. 63.65 8. 105, 7.29. Aesch. 3, 80 8.65. Dem. fr. 23 (Sauppe 
O0. A. II, 254°). Das von den Thebanern zerstörte Orchomenos liel's 
späterhin nach Paus. 4, 27, 10. 9, 37, 8 Philipp selber, nach Arrian 1, 
9, 10 Alexander wieder aufbauen. Vgl. Ulrichs Reisen u. Forschungen 
I, 182, Das ἐξανδραποδίζεσϑαι bei Demosthenes falst OMüller Or- 
chomenos S. 417 wörtlich; und allerdings kann man aus Aesch. 2, 141 
S. 46 Ὀρχομενίων δὲ περιφόβων ὄντων καὶ σπονδὰς τοῖς σώμασιν al- 
τησάντων ὥστε ἀπελϑεῖν ἐκ τῆς Βοιωτίας dem ganzen Zusammenhange 
nach (Aeschines will darlegen dals die Thessaler und Thebaner Herren 
der Lage waren) nicht entnehmen dals dem Gesuche entsprochen sei; 
vgl. Dem. vFr. a. O. 


1) Strab. 9 S. 416. 4247, gibt den Zeitpunet dieser Veränderung 
nicht an; indessen ist wohl kein Zweifel dafs sie damals erfolgte. 

2) Dem. vFr. 23 8. 62, 28 Θετταλοὶ — τῆς πυλαίας ἐπεϑύμουν 
καὶ τῶν ἐν Aehpois, πλεονεκτημάτων δυοῖν, κύριοι γενέσϑαι. vdG. 
318 S. 443, 18. Chers. 65 S. 105, 27. Dafs diese Vorrechte einträg- 
lich waren lehrt auch der Gegensatz Phil. 2, 22 S. 71, 13 (ἀρ᾽ οἴεσϑε 
τοὺς Θετταλοὺς προσδοκᾶν) τὸν τὴν πυλαίαν ἀποδόντα τοῦτον τὰς 
ἰδίας αὐτῶν προσόδους παραιρήσεσϑαι:; Vel. Schol. zu Dem. vdG. 260 
S, 424, 19. Argum. 2 S. 334, 7—13 u. o. Buch II, 7. 

3) Dem. Phil. 2, 22 S. 71, 11 m. ἃ. Schol.; vgl. über Magnesia 
o. 8. 130, über Nikaea u, Cap. 5. 


272 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


in Griechenland über ein ganzes Volk ergangen '. Und erhöht 
wurden die Leiden durch die Ausschweifungen der Soldtruppen, 
welche in dem schon durch den langen Krieg ausgesogenen Lande 
Mord Plünderung und Nothzucht verübten ; den makedonischen 
Truppen fiel die Beute aus den zerstörten Städten zu?. Unter 
solchen Greueln verliefsen viele Phokier flüchtig ihre Heimat und 
suchten ein Asyl in der Fremde ὅ: andere waren mit Phalaekos und 
seinen Söldnern fortgezogen *. Ein paar Jahre später reiste Demo- 
sthenes nach Delphi: da sah er ein Bild des Jammers, eingerissene 
Häuser, abgetragene Mauern, das Land verödet von Männern kräfti- 
ges Alters, wenige Weiber und Kinder und alte Leute in Trauer, 
ein Elend das sich mit Worten nicht beschreiben liefs®. Als vor der 
Schlacht bei Chaeroneia unter dem Schutze der verbündeten Athe- 
ner und Thebaner die phokischen Gemeinden sich wieder zusam- 
menthaten, waren manche so heruntergekommen und so verarmt 
dafs sie nicht an den Aufbau ihrer Städte denken konnten °. Sollte 
man aber glauben, dafs der Urteilspruch über Phokis als zu milde 
in der Amphiktyonenversammlung angefochten worden ist? Und 
doch wurde in der That über ein noch schrecklicheres Blutgericht 
ernstlich verhandelt. Die Oetaeer waren es, welche beantragten 
gemäls der alten Satzung alle erwachsenen Phokier (Greise, Wei- 
ber und Kinder ausgenommen) als Tempelräuber vom Felsen her- 
abzustürzen ”. Man darf voraussetzen dals Philipp dazu mitwirkte 
dieses ärgste zu verhüten: auch in andern Fragen mag seine gebie- 

1) Dem. vdG, 64 8. 361, 10, 

2) Just. 8, ὃ sed pactio eius fidei fut, cuwius antea fuerat deprecati 
belli remissio. igitur caeduntur passim rapiunturque: non liberi parentibus, 
non coniuges marilis, non deorum simulacra lemplis suis relinguamltur. unum 
tantum miseris solatium fuit, quod, quum Philippus porlione praedae socios 
fraudasset, nihil rerum suarum apud inimicos viderunt, 

3) Dem. vd&. 327 S. 446, 6. 310 8. 440, 19. Über ihre Aufnahme 
zu Athen s. u. ὃ. 276. 

4) Paus, 10, 2, 7. 

5) Dem. vdG. 65 5. 361, 18; vgl. 100 8. 373, 11. 

6) Paus. 10, 3, 3. 

7) Aesch. 2, 142 8. 47 Οἰταίων ἐγχειρούντων λέγειν ὡς δεῖ τοὺς 
ἡβῶντας ὠϑεῖν κατὰ τοῦ κρημνοῦ, m. ἃ. Schol. οἵ πρὸς τὸ ἱερὸν τὸ 
ἐν “Δελφοῖς ἁμαρτάνοντες κατὰ τῶν Φαιδριάδων πετρῶν ὠϑοῦντο. Vgl. 
Paus. 10, 2, 4. Ulrichs Reisen I, 471. 


Schicksal der Phokier. 273 


tende Stellung den versammelten Amphiktyonen, namentlich den 
Thebanern, lästig geworden sein; fast wäre es zu offenen Mishellig- 
keiten gekommen ἡ. Aber so standen die Dinge nicht, wie Philipp 
später durch seine besoldeten Agenten die Athener glauben ma- 
chen wollte, dafs er durch die Übermacht der Thebaner und 
Thessaler gezwungen wurde seiner Neigung Gewalt anzuthun und 
Beschlüsse zu vollziehen die er nicht gebilligt *. Mit seinen Fein- 
den hat Philipp nie Erbarmen gehabt, seine Siegesbahn ist mit. zer- 
störten Städten und in Knechtschaft verkauften Volksgemeinden 
bezeichnet; und wie er nach der ersten gewonnenen Schlacht die 
phokischen Soldaten als Tempelräuber hatte niedermetzeln lassen, 
so hat er auch seinen Arm dargeboten das letzte Amphiktyonenurteil 
zu vollstrecken: er hat das phokische Volk ins Elend gebracht ®. 
Wohl wufste er, dafs ihm die Ahndung des Tempelraubes von vie- 
len als eine fromme That angerechnet werde: man pries ihn als den 
Schirmherrn des Heiligthums und den Wiederhersteller des ehrwür- 
digen Apollondienstes, und durch die Vorrechte mit denen die Am- 
phiktyonen ihn auszeichneten, durch die Aufnahme in ihren Bund 
wurde die Stellung welche Philipp sich unter den .hellenischen 
Staaten errungen hatte förmlich anerkannt und ihm eine Handhabe 
zu neuen Machinationen geboten *. Nehmen wir dazu dafs Philipp 
die Feinde der Phokier sich eng verpflichtet, dafs er die Thermopy- 
len, das Thor von Hellas, die Strafse nach Attika und dem Pelo- 
ponnes sich eröffnet hatte ® und alles dies ohne Kampf, durch 


1) Aesch. 2,141 8. 46 ὑπολειπομένης δ᾽ ἔχϑρας φανερᾶς Φιλέππῳ 
πρὸς Θηβαίους καὶ Θετταλούς, m. 4. Schol. εἰ μὴ πολεμήσαι Φωκέας, 
ὑπελείπετο ἔχϑρα Φ. πρ. Θ. κ. Θ. 

2) Dem. vFr. 22 S. 62, 19. Phil. 2, 14—16 S. 69, 12f. 

3) Aesch. 2, 118 5. 43 ἡ μὲν τύχη καὶ Φίλιππος ἦσαν τῶν ἔργων 
κύριοι —. ἀπέβη δὲ οὐχ ὡς ἡμεῖς ηὐχόμεϑα, ἀλλ᾽ ὡς Φίλιππος ἔπρα- 
ξεν. Über die frühere Schlacht s. o. Buch II, 7. 

4) Dem. vFr. 21f. $.62, 12.22 (®.) τὰς παρόδους λαβεῖν ἠβούλετο 
καὶ τὴν δόξαν τοῦ πολέμου τοῦ δοκεῖν δι΄ αὑτὸν κρίσιν εἰληφέναι. Diod. 
10, 60 οὐ μόνον δόξαν εὐσεβείας καὶ ἀρετῆς στρατηγικῆς περιπεποιη- 
μένος, ἀλλὰ καὶ πρὸς τὴν μέλλουσαν αὐτῷ αὔξησιν γενέσϑαι μεγάλα 
προκατασκευασάμενος. Vgl. C. 64 ext. Just. 8, 2. 

5) Arrian. 7, 9,4 τὸ Φωκέων ἔϑνος ταπεινώσας τὴν εἰς τὴν Ἑλλόδα 
πάροδον πλατεῖαν καὶ εὔπορον ἀντὶ στενῆς τε καὶ ἀπόρου ὑμῖν ἐποί- 
σεν. Dem. vFr. 20. 22 S. 62, 10. 22. Phil. 2, 7 S. 67, 10. 85 8. 74, 
10—22. vdG. 152f. S. 388, 21f. 180 S. 397, 22. 88. 5. 367, 10. 96 

DEMOSTHENES II. 18 


274 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


schlau geführte Unterhandlungen, denen seine Streitmacht nur den 
Rückhalt bot, so müssen wir bekennen, dafs Philipp einen Meister- 
streich gethan. 

Während die Amphiktyonenversammlung ihre Berathungen er- 
öffnete, trafen auch die athenischen Gesandten ein, welche über 
Theben gereist waren und auf ihrem Wege auch das thebanische 
Heerlager berührt hatten '. Sie waren abgeordnet nicht als Bei- 
sitzer des Amphiktyonenrathes — wenn Athen überhaupt geladen 
war, was zu bezweifeln steht, so hat es diesmal wenigstens seine 
Stimme nicht geführt ? — sondern nur um zu Gunsten der Pho- 
kier zu vermitteln und sonst die Interessen Athens, namentlich bei 
Philipp, wahrzunehmen. Aeschines schreibt sich das Verdienst zu 
durch seine Fürsprache vor den Amphiktyonen den am Tempel- 
raube nicht betheiligten Phokiern das Leben gerettet und das Blut- 
gericht nach dem Sinne der Oetaeer abgewendet zu haben °; im 
übrigen bekennt er nichts haben ausrichten zu können '. Indes- 
sen mag die Gegenwart athenischer Gesandten doch nicht ohne 
Bedeutung gewesen sein. Es wäre zu verwundern wenn nicht in 
dem Schofse der Amphiktyonenversammlung, welche die Spartaner 
ausstiels, auch gegen die Athener eine ähnliche Mafsregel in Frage 
gekommen wäre: an dem Willen fehlte es sicherlich nicht, und das 
Bündnils in dem die Athener mit den phokischen Gewalthabern ge- 
standen hatten bot hinreichenden Grund dazu’. Dafs nichts der 


5. 372, 3. 204 S. 404, 26. 334 S. 448, 20. Phil. 3, 32 S. 119, 14 (n. 
ἃ. gem, Lesart). 

1) Dem. vdG. 127 8. 380, 11 εἰς μέσας τὰς Θήβας καὶ τὸ τῶν 
Θηβαίων στρατόπεδον βαδίζειν. Irriger Weise schliefst OWeils Z. f. 
ἃ. AW. 1848 8.395 ff. hieraus, das Amphiktyonengericht sei zu Theben 
gehalten. 

2) Dem. vdG. 132 8. 381, 27 ὑμᾶς - unte-tov ἐν ᾿ἀμφικτύοσι κοι- 
voveiv ἐϑέλειν. 181 8. 398, 10 ψηφίζεσϑε — un μετέχειν τῶν ἐν Au- 
φικτύοσι. Vgl. Böhnecke F. I, 419 u. o. 5. 258, 4. Libanios geht in 
der 64 Rede (III, 396 ff. R.), die er für eine Meldeklage wider Aeschi- 
nes, weil dieser als Pylagore zu Philipps Aufnahme in den Amphiktyo- 
nenbund geschwiegen, verfalst hat, von einer willkürlichen und irrigen 
Voraussetzung aus. 

3) Aesch. 2, 142 8. 47. 

4) 141 5. 46 ἀπώλοντο αἷ πράξεις, οὐ δι᾽ ἐμέ. 

5) Vgl. Aesch. 8, 117f. S. 70 die Rede des Amphisseers, 


Die dritte athenische Gesandtschaft bei Philipp. Aeschines. 275 


Art beschlossen wurde, mag allerdings weniger den Bemühungen 
der athenischen Gesandten als dem entschiedenen Willen Philipps 
in diesem Augenblicke die Athener nicht zum Bruche zu treiben 
zuzuschreiben sein. Dafs er mit Athen Frieden halten wollte, dafs 
die Dinge ihm nicht nach Wunsche giengen, dafs wenn nur die 
Athener mit Heeresmacht zur Stelle gewesen wären, vieles sich 
hätte anders wenden lassen, das sind Erklärungen welche er nicht 
ermangelt haben wird den Gesandten mit nach Hause zu geben '. 

Als seine Ehrengäste zog Philipp die athenischen Gesandten 
zu der Siegesfeier welche er dem Apollon widmete: denn im Na- 
men des Gottes hatten die Amphiktyonen Gericht gehalten und in 
seinem Tempel wurden zu ewigem Andenken ihres Sieges über die 
Phokier Bildsäulen geweiht ?*. Philipp versammelte mehr als zwei- 
hundert Festgenossen um sich, unter ihnen die Beisitzer des Am- 
phiktyonenrathes, namentlich die Thebaner, und andere hellenische 
Gesandtschaften. Apollon zum Preise wurden Opfer und Spenden 
und Gebete dargebracht: daran schlofs sich das Festmahl und bei 
diesem wurden die Paeane gesungen. Die athenischen Gesandten 
hielten es nicht unter ihrer Würde daran Theil zu nehmen: ja Ae- 
schines hat die Stirn auf die strafenden Worte des Demosthenes ὅ 
zu erwiedern, seine Stimme habe wohl niemand unter so vielen 
herausgehört: aber wenn er auch mit seinen Mitgesandten in den 
Gesang eingestimmt, was sei das anders als ein frommes Werk ? 
Athen stand ja unversehrt, die Bürgerschaft hatte kein Unfall ge- 
troffen und alles geschah dem Gotte zu Ehren *. 

Die athenische Bürgerschaft war nicht dazu aufgelegt über die 
Zerstörung der Städte ihrer Bundesgenossen und den zu Ehren 

1) Vgl. Aesch. 2, 1401, 8. 46. 

2) Plutarch. üb. ἃ. pyth. Orakel 15 8. 4014 ᾿ἀμφικτύονες — ἀπὸ 
Φωκέων, und zwar eine Bildsäule des Apollon, Paus. 10, 15, 1. Die 
Thebaner weihten ein Heraklesbild, ebend. 13, 6; die Lokrer von Opus 
einen Wasserkrug, aus phokischem Tempelgelde gefertigt, Plut. a. O, 
16 8. 4011. 

3) Dem. vdG. 128. 5. 380f. Vgl. 338 8. 450, 2. 

4) Aesch. 2, 162f. S. 49f. Aeschines sagt, Demosthenes behaupte 
CS OUT αὐτὸς παρὼν οὔτε τῶν ἐκεὶ παρόντων οὐδένα παρασχόμενος 
μάρτυρα. Aber Demosthenes sagt geradezu ὑπὲρ -- ὧν ἐκεῖ διεπράξατο, 
οὗ συμπρεσβεύοντες καὶ παρόντες καταμαρτυρήσουσιν. οἵπερ ἐμοὶ ταῦτα 
διηγοῦντο" οὐ γὰρ ἔγωγ᾽ αὐτοῖς συνεπρέσβευσα, ἀλλ᾽ ἐξωμοσάμην. 


18* 


276 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Apolls vollstreckten Bannfluch Jubelgesänge zu erheben. Hatte 
schon die erste Kunde alles in Aufruhr versetzt, so steigerte sich 
der Schrecken als nach Abreise der Gesandten weitere Nachrichten 
eingiengen: man machte sich darauf gefalst dafs Philipp und seine 
verbündeten nach Attika vordringen könnten. Auf Antrag des Kal- 
listhenes ward beschlossen, vom Lande Weiber und Kinder nach 
der Stadt zu bringen und die bewegliche Habe zu bergen, die Grenz- 
kastelle in Vertheidigungsstand zu setzen, die Befestigungen des 
Peiraeeus auszubessern und die Herakleen innerhalb der Mauer 
.zu feiern '. Die Flüchtlinge welche von Phokis und aus den boeo- 
tischen Städten in grofser Anzahl nach Attika kamen wurden auf- 
genommen, und trotz der Acht der Amphiktyonen ward ihnen der 
Schutz Athens nicht entzogen *. Nun empfiengen zwar die Athe- 
ner durch die Berichte ihrer Gesandten die beruhigende Zusiche- 


1) Dem. vdG. 860, 5. 368, 5 λέγε δὴ τὸ ψήφισμα λαβὼν — τὸ τοῦ 
Καλλισϑένους, ἵν᾽ εἰδῆτε ὅτι - ἐπειδὴ -- ὑπὸ τούτων παρεκρούσϑητε, παῖ- 
δας καὶ γυναῖχας ἐκ τῶν ἀγρῶν κατεκομίξζεσϑε καὶ τὰ Ἡράκλεια ἐντὸς 
τείχους ϑύειν ἐψηφίξεσϑε εἰρήνης οὔσης κτλ. m. ἃ. Schol. 125 Κ. 379, 
25 παῖδας καὶ γυναῖχας ἐκ τῶν ἀγρῶν κατακομίζειν ἐψηφίξεσϑε καὶ τὰ 
φρούρια ἐπισκευάζειν καὶ τὸν Πειραιᾶ τειχίζειν καὶ τὰ ᾿Ηράκλεια ἐν ἄστει 
ϑύειν. VKr. 36—38 8. 237f. Aesch. 3, 80 8. 65 ὑμεῖς - ἐκ τῶν ἀγρῶν 
φοβηϑέντες ἐσχευαγωγήσατε. 2, 139 5. 46 ἐσκευαγώγησαν ἐκ τῶν ἀγρῶν 
᾿Αϑηναῖοι, πρεσβεύοντος ἐμοῦ τὴν τρίτην ἤδη πρεσβείαν ἐπὶ τὸ κοινὸν 
τῶν ἀμφιχτυόνων. Der Beschluls wurde demnach nicht auf die erste Nach- 
richt gefafst, aber bald (μικρὸν ὕστερον) nachdem Aeschines seinen 
vielversprechenden Bericht erstattet (Dem. vKr. a. O.). Welches 
unter den vielen Heraklesfesten der attischen Landschaft eben bevor- 
stand läfst Demosthenes nicht erkennen. Bei Harpokration u. Ἧρά- 
»Asıa ist die Vermuthung ausgesprochen, es möchten wohl entweder 
die zu Marathon oder die im Kynosarges abgehaltenen Herakleen ge- 
meint sein, denn diese hätten die Athener am meisten in Ehren gehal- 
ten (vgl. KFHermann A. II, 62, 13—16). Ob dieser Schlufs das rechte 
trifft, könnte sich nur aus der Zeitlage dieser Feste ergeben, die uns 
unbekannt ist; dagegen pafst vortrefflich herein das bei dem τετράκω- 
μον Ἡράκλειον nicht gar weit vom Peiraeeus gefeierte Fest, welches 
mit den Panathenaeen zusammenhieng, also nach der Mitte des Heka- 
tombaeon (August 346) abzuhalten war. Dies hat FVater bei Böhnecke 
F. I, 655 aus Steph. v. Byz. u. "Eyskıdaı ermittelt. Mich stört dabei 
nur das eine, dafs Demosthenes blofs von einem Opfer spricht, wäh- 
rend Steph. a. ©. gymnastische Spiele erwähnt. 

2) Dem. vFr. 18. S. 61, 26. 28. Vgl. vdG. 80f. S. 366, 13, Aesch. 
2, 142f. 8. 46f. 


Schrecken und Unmuth der Athener. Feier der Pythien. 277 


rung, dafs es nicht in Philipps Absicht liege den geschlossenen 
Frieden zu brechen: Philipp selbst sandte ein Schreiben in wel- 
chem er die Rechtmäfsigkeit seines Verfahrens in der phokischen 
Sache behauptete und die Beschwerden der Athener und ihren Un- 
muth darüber für unbegründet erklärte ': aber dahin war die Bür- 
gerschaft nicht zu bringen das geschehene gutzuheifsen und ihren 
Groll zu verhehlen. Von Alters her hatten die Athener zu dem 
Feste der Pythien eine glänzende Gesandtschaft abgeordnet, die 
Thesmotheten und Theoren aus dem Rathe; sie zog die Strafse 
über Panopeus, welche einst Apollon von Athen nach Delphi ge- 
wandelt war: «diesmal unterliefsen sie es den heiligen Brauch zu 
erfüllen ?, nicht gesonnen Philipps Aufnahme in die Amphiktyonie 
an die Stelle der Phokier und die übrigen Gewaltschritte der ver- 
sammelten Amphiktyonen anzuerkennen ὅ 

Philipp verweilte in Phokis bis nach den Pythien (Anfang Sep- 
tember 346) und führte das erste Mal bei diesem hellenischen Feste 
persönlich den Vorsitz, wie dies einst lason willens gewesen war ' 


1) Dem. vKr. 37—40 8. 237, 25. 238, 21. 239, 10 führt als Be- 
weise davon, welche Folgen der falsche Bericht des Aeschines gehabt 
habe, theils den Volksbeschlufs des Kallisthenes, theils das Schreiben 
Philipps über sein Verfahren gegen Phokis an (τὴν ἐπιστολὴν ἣν δεῦρ᾽ 
ἔπεμψε Φίλιππος μετὰ ταῦτα. EIIIETOAH. ἀκούετε ὡς σαφῶς δηλοὶ 
καὶ διορίζεται ἐν τῇ πρὸς ὑμᾶς ἐπιστολῇ πρὸς τοὺς ἑαυτοῦ συμμάχους 
ὅτι “ἐγὼ ταῦτα πεποίηκα ἀκόντων ᾿ϑηναίων καὶ λυπουμένων, ὥστ᾽ 
«εἴπερ εὖ PRIMER: ; ὦ Θηβαῖοι καὶ Θετταλοί, τούτους μὲν ἐχϑροὺὴς 
εὑπολήψεσϑε, ἐμοὶ δὲ πιστεύσετε", οὐ τούτοις τοῖς δήμασι γράψας, 
ταῦτα δὲ βουλόμενος δεικνύναι. 

2) Dem. vdG. 128 8. 380, 17 ὑμῶν -- οὕτω δεινὰ καὶ σχέτλια ἡγου- 
μένων τοὺς ταλαιπώρους πάσχειν Φωκέας, ὥστε μήτε τοὺς ἐκ τῆς βου- 
Ans ϑεωροὺς μήτε τοὺς ϑεσμοϑέτας εἰς τὰ Πύϑια πέμψαι, ἀλλ᾽ ἀπο- 
στῆναι τῆς πατρίου ϑεωρίας. Vgl. Ulrichs Reisen u. Forschungen 
1, 447: 

3) Dem. vdG. 132 S. 381, 24f. Vgl. Thirlwall VI, 7. 

4) Dem, Phil. 3, 32 5. 119, 10. vFr. 22 5. 62, 24. Über Iason 
s. Xen. H. 6, 4, 30. Die Epoche der Pythien ist der 7 Bukatios, der 
in der Regel dem attischen Bo@dromion entspricht: s. KFHermann de 
anno Delphico 16ff. A. II, 49, 12. Diesmal aber war der attische Ka- 
lender verschoben. Da Ol. 108, 2 ein Schaltjahr von 384 Tagen war, 
begann das nächste Jahr statt um das Sommersolstitium erst den 25 
Juli. Also kann Ol. 108, 3 der delphische Bukatios nicht dem Bo&- 
dromion, sondern nur dem zweiten Monat Metageitnion entsprochen 
haben. 


278 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Den Glanz der Feier zu erhöhen wurde zu den althergebrachten 
Spielen nach dem Vorgange von Olympia ein Ring- und Faustkampf 
(Pankration) von Knaben neu gestiftet, in dem lolaidas von Theben 
den ersten Preis gewann '. Ehe nun aber der König nach Make- 
donien zurückgieng und ehe die Amphiktyonenversammlung sich 
trennte ?, mufste das Verhältnifs zu Athen sich entscheiden. Die 
feindselige Isolierung dieses Staates wollte Philipp nicht zugeben, 
und diese zu brechen konnten sich die Umstände für ihn nicht gün- 
stiger fügen. Jetzt stand er noch mit seinem Heere schlagfertig in 
Hellas ἢ und durfte auf willigen Beistand aller ihm verbündeten 
Staaten zählen. Denn jeder einzelne hatte eine Sache wider Athen 
und der Protest wider die amphiktyonischen Beschlüsse gieng alle 
insgesamt an: wurde er festgehalten, so war damit zu einem am- 
phiktyonischen Kriege Grund und Vorwand geboten. Deshalb wur- 
den im Namen der Amphiktyonenversammlung von den Thessalern 
und von Philipp Gesandte nach Athen abgeordnet (Herbst 346. 
01. 108, 3 *), welche die Anerkennung der Aufnahme Philipps in 
den Amphiktyonenbund forderten ° und zugleich wegen des phoki- 
schen Flüchtlingen gewährten Schutzes sich beschwerten °. 

Vor der athenischen Bürgerschaft nahm Aeschines das Wort 
zu Gunsten der von der amphiktyonischen Gesandtschaft gestellten 
Forderung, aber das Volk lärmte und wollte ihn nicht hören: da 
soll er noch im Abtreten den abgeordneten Philipps zugerufen ha- 
ben, der Schreier seien viele, aber wenn’s darauf ankomme, der 


1) Paus. 10, 7, 8: die 61 Pythiade. 5. Böhnecke F. I, 427, 3. 


2) Dafs die Amphiktyonen noch beisammen waren, lehrt Dem. vFr. 
14 5. 60, 20 τοὺς συνεληλυϑότας τούτους καὶ φάσκοντας "Aupınmdovas 
νῦν εἶναι." 


3) Liban. Einleit. zu Dem. vFr. ὃ. 56, 12. 
4) Dionys. Schr. an Amm. 1, 10 S. 737, 3. 


5) Dem. vdG. 111 8. 374, 29f. ἧκον ὡς ὑμᾶς ἔναγχος Θετταλοὶ 
καὶ Φιλίππου πρέσβεις μετ΄ αὐτῶν, ἀξιοῦντες ὑμῶς Φίλιππον "Augpı- 
κτύονα εἶναι ψηφίσασϑαι. Dals Python unter den Gesandten gewe- 
sen, scheint der Scholiast zu 131 8. 381, 16 ohne Gewähr auszu- 
sprechen. 


6) vEr. 19 8. 61, 28 Θετταλοὶ δ᾽ (ἔχουσιν ἀπεχϑῶς), ὅτι τοὺς 
Φωκέων φυγάδας σώξομεν, Φίλιππος δ᾽ ὅτι κωλύομεν αὐτὸν κοινωνεῖν 
τῆς ἀμφικτυονίας. 


Amphiktyonische Gesandtschaft zu Athen. 279 


Streiter wenige ἡ. Der herrschenden Stimmung liehen andere Red- 
ner Ausdruck : ohne die Bedeutung des Krieges der sich vorberei- 
tete richtig zu schätzen oder nur zu erwägen drangen sie kecklich 
darauf es zum äufsersten kommen zu lassen. So waren die Athener 
in vollem Zuge, wie sie früher in blindem Vertrauen eine wichtige 
Position nach der andern hingegeben hatten, so jetzt unbedachter 
Weise über eine Formfrage — denn das war gegenwärtig nach der 
Lage der Thatsachen der Protest gegen Philipps Eintritt in die Am- 
phyktionie — mit den verbündeten Amphiktyonen Krieg anzufangen. 
Um das abzuwenden und den unzeitigen Eifer zu beschwichtigen 
erhob sich Demosthenes und hielt die Rede, welche man ihrer 
Haupttendenz nach die Rede “vom Frieden? genannt hat ?. 

Die gegenwärtige Lage ist gar schwierig und beunruhigend, so 
leitet Demosthenes seine Rede ein, nicht allein weil vieles preisge- 
geben ist worüber es nicht hilft schöne Worte zu machen, sondern 
auch weil in Betrefl dessen was übrig bleibt die Meinungen in je- 
dem Stücke aus einander gehen. Und so schwer an sich das rath- 
schlagen schon ist, haben es die Athener noch mehr erschwert: 
denn statt wie alle andern Menschen vor der Entscheidung zu be- 
rathen, thun sie es hinterdrein. Daher kommt es dafs so lange 
Demosthenes denken kann ein Redner der die begangenen Fehler 
tadelt Beifall findet, als sage er die Wahrheit: aber die entschei- 
dende Gelegenheit und die Sache über die berathen wird geht ver- 
loren. Dennoch ist Demosthenes aufgestanden in der Überzeu- 
gung, dafs wenn die Athener aufhören zu lärmen und zu hadern 
und ihn anhören wollen, wie sich’s bei einer Berathung über das 


1) vdG. 112f. 5. 375, 14 — πολλοὺς ἔφη τοὺς ϑορυβοῦντας εἶναι, 
ὀλίγους δὲ τοὺς στρατενοιένους ὅταν δέῃ (μέμνησϑε γὰρ δήπου). 

2) Dionys. Schr. an Amm. 1, 10 8. 737,3 μετὰ δὲ Θεμιστοκλέα .4ρ- 
χίας (Archon Ol. 108, 3), ἐφ᾽ οὗ παραινεὶ τοὺς ᾿ϑηναίοις μὴ κωλύειν 
Φίλιππον τῆς ᾿ἀμφικτυονίας μετέχειν μηδ᾽ ἀφορμὴν διδόναι πολέμου, 
νεωστὶ πεποιημένους τὴν πρὸς αὐτὸν εἰρήνην. Die Rede, nach Dio- 
nysios Zählung die sechste (vgl. Dindorf zu Dem. Phil. 1 S.48, 16 
[VI S.108f.]), ist nach Kallimachos Anordnung die fünfte philippische. 
Der Titel περὶ τῆς εἰρήνης wird von Dionysios, Harpokration und den 
älteren Grammatikern nicht gebraucht, und in dem Argumente Schol. 
S. 159, 2—6 mit Recht zurückgewiesen; vgl. Schol. zu 1 S. 57, 2 πρό- 
κειται δὲ αὐτῷ μὴ ἐναντιωϑῆναι τῷ δόγματι τῶν ᾿ἡμφικτυύνων, ἐψη- 
φισιένων ᾿μφικτύονα εἶναι τὸν Φίλιππον. 


280 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Wohl des Staates und eine hochwichtige Angelegenheit gebührt, er 
Mittel und Wege vorschlagen kann die gegenwärtige Lage zu bes- 
sern und das verlorene zu retten ἡ. 

Der Rath den Demosthenes zu ertheilen hat läuft dem Strome 
der herrschenden Stimmung zuwider: darum ruft er seinen Mitbür- 
gern frühere Fälle ins Gedächtnifs, wo er richtiger als alle andern - 
gesehen und die Wahrheit vorausgesagt hat, ohne dafs man ihm 
glauben wollte: wie er den Zug nach Euboea zu Gunsten des Plu- 
tarchos widerrathen, der so übel ausgeschlagen ist; wie er vor der 
Zwischenträgerei des Schauspielers Neoptolemos mitten im Kriege 
gewarnt, der jetzt so wie der Friede ihm Sicherheit gewährte seine 
Habe versilbert und sich zu Philipp fortgemacht hat; endlich wie 
er bei der Berichterstattung über die zweite makedonische Gesandt- 
schaft Einspruch erhoben hat wider die trügerischen Verheilsungen 
über Philipps Absichten, durch welche die Athener sich verführen 
liefsen gegen ihr Interesse wie wider Billigkeit und Ehre die Pho- 
kier preiszugeben ?. ‘Diese seine bessere Voraussicht will Demo- 
sthenes nicht einer besondern Meisterschaft zuschreiben oder 
überhaupt sich ihrer berühmen : sondern sie entspringt einmal aus 
einer glücklichen Fügung, zweitens daher, dafs er die Dinge mit 
unbestochenem Urteile erwägt: an seinem Reden und Thun hängt 
kein Gewinn irgend einer Art, sondern wie die Sache ins Gewicht 
fällt, so stellt sich ihm in unverrücktem Stichentscheide das Staats- 
wohl dar. Legt man aber in die eine Wagschale Geld hinzu, dann 
zieht dies ohne weiteres das Urteil zu sich herab, und wer das ein- 
mal gethan hat, der erwägt keine Sache mehr richtig und mit ge- 
sundem Sinne °. 

Dieser ganze einleitende Theil der Rede dient dazu die Bür- 
gerschaft für besonnenen Rath empfänglich zu machen und sie vor 
neuen Übereilungen zu warnen: aber unverkennbar hat er noch 
einen andern Zweck. Demosthenes stand im Begriff einen Vor- 
schlag zu thun, der mit den Absichten des Aeschines wie der Parteı 
des Eubulos überhaupt sich begegnete und den Neigungen seiner 


1) Dem. vFr. 1-3 8. 57, 1—22. 
2) 4-10 8. 57, 22 — 59, 33. 


3) 11f. S. 59, 23 — 60, 10. Die Beziehung dieser Stelle hat Li- 
banios Einleitung ὃ. 56, 22 nur halb erkannt. 


Demosthenes Rede vom Frieden. 25] 


᾿ 
politischen Freunde zuwider war: aber darüber will er keinen Zwei- 
fel lassen, dafs er und jene geschiedene Leute sind und dafs nicht 
gleiche Motive sein Urteil bestimmen. Darum greift er als Bei- 
spiele seiner Voraussicht drei Fälle heraus in denen seine Stimme 
gegen die herrschende Partei nicht hat «durchdringen können: 
darum stellt er sein unbestochenes Urteil in scharfen Gegensatz 
zu der Unverläfslichkeit bestochener Rathgeber; und gegen den 
Schlufs seiner Rede ' weist er noch einmal ihre Beschönigung des 
von Philipp eingehaltenen Verfahrens entschieden zurück. 

Nachdem Demosthenes so seine persönliche Stellung ins klare 
gesetzt hat, geht er auf den Gegenstand der Berathung über, welche 
Aniwort den Gesandten der Amphiktyonen zu geben sei. Den Kriegs- 
fall fafst er scharf ins Auge. Er ist darüber nieht mehr im Zwei- 
fel, dafs der Friede mit Philipp nur einen Zwischenzustand bildet 
der über kurz oder lang enden mufs: die Aufgabe der athenischen 
Politik ist es zu einem neuen Kampfe Bundesgenossen, Geldbei- 
steuern und andere Mittel sich zu verschaffen. Aber dabei ist zweier- 
lei festzuhalten. Erstens mufs man die Mafsregeln um Athen in 
Kriegsbereitschaft zu setzen so treffen dafs man damit den bestehen- 
den Frieden nicht aufhebt: nicht als wäre er vortrefllich und der 
Würde Athens entsprechend, sondern wie er einmal ist wäre es den 
Zeitumständen angemessener gewesen ihn nicht zu schliefsen als 
in diesem Augenblicke von athenischer Seite ihn aufzuheben: denn 
vieles ist aus den Händen gegeben, was damals den Krieg gefahr- 
loser und leichter machte als er es jetzt ist *.. Demosthenes ver- 
folgt diesen Punet nicht weiter: übersah doch jeder Athener was es 
verschlug, gestützt auf Thrakien und die Phokier, der Thermopv- 
len und des Hellespontes sicher in den Krieg zu gehen, oder ohne 
Bundesgenossen, während Philipp mit dem Heere in Hellas stand 
und ungehindert vordringen konnte. Um so genauer geht Demo- 
sthenes auf den zweiten Punet ein: “wir müssen uns hüten die jetzt 
‘versammelten Amphiktyonen, wie sie sich nennen, nicht in die Noth- 
‘wendigkeit einer gemeinsamen Kriegserklärung an uns zu versez- 


1) 22 8. 62, 18 Φίάιππον τοίνυν τινὲς μὲν δήπου τολμῶσι λέγειν 
ὡς οὐδ᾽ ἠβούλετο Θηβαίοις Ὀρχομενὸν καὶ Κορώνειαν παραδοῦναι, ἀλλ᾽ 
ἠναγκάσϑη (vgl. ο. 5. 273} ἐγὼ δὲ τούτοις μὲν ἐρρῶσϑαι λέγω ar). 


2) 18 S. 60, 10—18. 


282 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


‘zen’. Entspinnt sich nämlich wiederum zwischen Athen und Phi- 
lipp ein Krieg um Amphipolis oder eine ähnliche Sonderbeschwerde 
welche die Thessaler Argiver oder Thebaner nicht mit angeht, so 
wird, wie Demosthenes überzeugt ist, keiner dieser Staaten Athen 
hefehden, am allerwenigsten die Thebaner (“und es lärme keiner 
“ehe er mich angehört hat’), nicht als wären sie gegen Athen freund- 
lich gesinnt oder als möchten sie nicht Philipp zu Willen sein, 
sondern weil sie genau wissen, für wie beschränktes Verstandes man 
sie auch ausgeben mag, dafs, wenn sie mit Athen in Krieg gerathen, 
alle Kriegsleiden ihnen zufallen, aber auf den Gewinn hinterhaltig 
ein anderer lauert. Darum werden sie sich nicht dazu herbeilas- 
sen, sobald der Krieg nicht seinem Ursprunge und seinem Grunde 
nach eine Bundessache ist. Ehen so wenig würden die Athener Ge- 
fahr laufen, wenn sie wieder mit den Thebanern über Oropos oder 
irgend eine Sonderangelegenheit Krieg führten: denn beiden Thei- 
len würden Helfer beistehen wider einen Einfall in das eigene Land, 
nicht zu einem Angriffe gegen den andern. So ist es in den Bun- 
desverträgen bestimmt und es liegt in der Natur der Sache, dafs 
jeder um sein selbst willen wünscht dafs Athen oder Theben be- 
stehen bleiben, aber kein einziger dafs der eine Staat die Übermacht 
gewinne um den Herren über alle andern spielen zu können '. 

- Wohl aber ist eine ernste Gefahr im Anzuge, vor der die Bür- 
gerschaft sich zu hüten hat, nämlich dafs der bevorstehende Krieg 
nicht für alle einen gemeinsamen Vorwand und Beschwerdegrund 
gewinne. Denn Stoff genug ist vorhanden. Argos Messene Mega- 
lopolis und ihre Bundesverwandten im Peloponnes hegen Feind- 
schaft wider die Athener wegen ihrer Befreundung mit den Spar- 
tanern, und weil sie für deren Verfahren sich mit verantwortlich zu 
machen scheinen: die Thebaner sind ihnen feind, so sagt man, und 
werden es immer mehr werden, weil sie die boeotischen Flücht- 
linge schützen, und auf alle Weise ihren Groll äufsern, die Thessa- 
ler, weil sie die geflüchteten Phokier beschützen: Philipp, weil sie 
gegen seine Theilnahme an der Amphiktyonie protestieren. So hat 
jeder eine Sonderbeschwerde, und es steht zu befürchten, dafs alle 
auf Grund der Amphiktyonenbeschlüsse einen Bundeskrieg gegen 
Athen erheben, dann aber sich hinreifsen lassen über ihre Sonder- 


1) 14—17 8. 60, 18 — 61, 17. 


Demosthenes Rede vom Frieden. 289 


interessen hinaus den Krieg fortzusetzen, wie es auch mit den Pho- 
kiern geschah. Demosthenes legt dar, wie verschiedene Zwecke 
die Thebaner und Philipp und die Thessaler bei diesem Kriege ver- 
folgten: um diese zu erreichen wurde jeder Theil zu Schritten ge- 
trieben die gar nicht in seinen Absichten lagen. Das ist der natür- 
liche Verlauf, und deshalb haben die Athener sich davor zu hüten. 

“Also sollen wir um dieser Befürchtung willen (hun was uns 
“geboten wird? und du forderst das?” läfst sich Demosthenes ein- 
werfen. ° “Weit entfernt’, ist seine Antwort, “sondern so, meine ich. 
‘müssen wir verfahren, dafs wir weder einen unser unwürdigen 
Schritt thun noch einen Krieg veranlassen, sondern dafs wir nach 
“aller Urteil verständig handeln und dem Rechte gemäfs uns erklä- 
‘ren’?. Und zum Schlusse wendet sich Demosthenes noch unmit- 
telbar an die Eiferer welche ohne den Krieg vorherzusehen es aufs 
äufserste ankommen lassen wollen. Er zählt eine Reihe von Streit- 
puncten auf, welche die Athener nicht ausfechten, aus keinem an- 
dern Grunde, als weil Ruhe und Friede gröfsere Vortheile abwirft 
als der Zank und Hader über diese Gegenstände. Während sie nun 
jedem einzelnen gegenüber in wesentlichen Fragen die unmittelbar 
Athen angehen so sich verhalten, wäre es doch thöricht und barer 
Unsinn mit allen insgesamt “über den Schatten in Delphi? gerade 
jetzt Krieg anzufangen’. 


Zu dem vollen Verständnifs der Rede fehlt uns eben das Haupt- 
stück, nämlich die von Demosthenes beantragte Antwort an die Ge- 


ἢ rt eg, δ: 


2) 24 8. 63, 5 “τὰ κελευόμενα ἡμᾶς ἄρα δεῖ ποιεῖν ταῦτα φοβου- 
ἐμένους; καὶ σὺ ταῦτα κελεύεις :᾿ πολλοῦ γε καὶ δέω. ἀλλ᾽ ὡς οὔτε 
πράξομεν οὐδὲν ἀνάξιον ἡμῶν αὐτῶν οὔτ᾽ ἔσται πόλεμος, νοῦν δὲ 
δόξομεν πᾶσιν ἔχειν καὶ τὰ δίκαια λέγειν, τοῦτ᾽ οἷμαι δεῖν ποιεῖν. 
Τὰ κελευόμενα -- ποιεῖν erklären die Scholien HR. richtig ὀφείλομεν 
πᾶσι τοῖς προσταττομένοις ὑπακούειν ὥσπερ καὶ νῦν. 


8) 24f. S. 63, 10 bis zu Ende. Περὶ τῆς ἐν “Ιελφοῖς σκιᾶς ist 
nach Didymos bei Harp. u. d. W. eine Anspielung auf den Streit über 
des Esels Schatten. Das war (wie u. a. aus Suidas u. Ovov σκιά zu 
ersehen ist) ein alter Schwank: spätere haben. daraus eine Anekdote 
auf Demosthenes gemacht. S. Leb. ἃ. X Redn. 8. 848%, Aristeid. b. 
Schol. zu Plat. Phaedr. S. 260°. Suid. a, O. u. ὑπὲρ ὄνου σκιᾶς u. ἃ. 
St. bei Sauppe OA. II S. 253». 


254 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


sandten, zu welcher die ganze Rede nur die leitenden Motive ent- 
wickelt: nur daraus könnten wir beurteilen in welcher Weise der 
Protest wider Philipps Eintritt in den Amphiktyonenbund aufgege- 
ben wurde ohne dem Rechte zu vergeben und die bisherige Politik 
Athens zu verleugnen. So viel ist mit Bestimmtheit anzunehmen, 
dafs man ohne die jüngst gefalsten Beschlüsse der versammelten 
Amphiktyonen ausdrücklich gutzuheifsen und zu bestätigen den 
Streit über die vollendete Thatsache fallen liefs, und dafs man er- 
klärte gemäfs der Weise der Vorfahren dem Apollon zu Delphi die- 
nen und das Heiligthum mit den andern Amphiktyonen schirmen zu 
wollen '. Das war allerdings kein Beschlufs wie die Gesandten ihn 
gefordert und Aeschines ihn anempfohlen hatte: Demosthenes durfte 
später seinem Gegner vorhalten dafs er allein es gewesen der zu 
einer solchen Demüthigung gerathen habe, und dieser hat kein Wort 
dawider zu sagen”. Aber andererseits konnten Philipp und die 
Amphiktyonen sich an einer solchen Erklärung genügen lassen: zu 
einem heiligen Kriege wider Athen war danach kein Grund mehr 
vorhanden. 

Mit einer richtigen Würdigung des Sachverhältnisses erledigt 


1) Die Amphiktyonenversammlungen wurden wieder beschickt: s. 
Aesch. ὃ, 113ff. S. 69. Dem. vdG. 65 5. 361, 20. vKr. 149 S. 277, 1; 
aber die Makedonen gelten noch als Eindringlinge (Dem. vdG. 327 
S. 446, 6 οἵ μὲν ὄντες ᾿μφικτύονες φεύγουσι καὶ ἐξελήλανται,-- οἵ δ᾽ 
οὐπώποτ᾽ ἐν τῷ πρόσϑεν χρόνῳ γενόμενοι, ῆακεδόνες καὶ βάρβαροι 
νῦν ᾿“μφικτύονες εἶναι βιάζονται), und die ΟἹ. 108, 3. 346 gefalsten 
Beschlüsse hatten die Athener nicht genehmigt, nach Dem. vdG. 132 
8. 381, 23f. πῶς γὰρ οὐκ αἰσχρόν — δημοσίᾳ μὲν ἅπαντας ὑμᾶς καὶ 
ὅλον τὸν δῆμον πᾶσι τοὶς πεπραγμένοις ἐκ τῆς εἰρήνης ἐπιτιμᾶν, καὶ 
μήτε τῶν ἐν ᾿ἀμφιχτύοσι κοινωνεῖν ἐθέλειν δυσκόλως τ᾽ ἔχειν καὶ ὑπό- 
rag πρὸς τὸν Φίλιππον, ὡς ἀσεβῶν καὶ δεινῶν ὄντων τῶν πεπραγμέ- 
νων καὶ οὔτε δικαίων οὔτ᾽ ὑμῖν συμφερόντων, εἰς δὲ τὸ δικαστήριον 
εἰσελϑόντας κτλ. 181 5. 398, 8 εἶτα τὴν ἄλλως ἐνταῦϑα ψηφίξεσϑε, 
ἀποδοῦναι δὲ καὶ Κερσοβλέπτῃ Φίλιππον τοὺς ὅρκους, μὴ μετέχειν δὲ 
τῶν ἐν ᾿ἀμφικτύοσιν, ἐπανορϑωώσασϑαι δὲ τὴν εἰρήνην. καίτοι τούτων 
οὐδενὸς ἂν τῶν ψηφισμάτων ἔδει κτλ. So konnte Demosthenes nicht 
sprechen wenn diese. Volksbeschlüsse nicht noch in Kraft waren, am 
wenigsten wenn er selber einen derselben beseitigt hatte. 

2) Aeschines 2, 167 S. 50 antwortet nur auf. den Spott, mit dem 
Demosthenes a. ©. 113 8. 376, 24 jene Inveetive schliefst (αὐτὸς ὦν, 
οἶμαι, ϑαυμάσιος στρατιώτης, ὦ Ζεῦ): ZuvncHn δὲ mov περὶ τῆς στρα- 
τείας καὶ τὸν καλὸν στρατιώτην ἐμὲ ὠνόμασεν. 


Programm der alhenischen Politik. 285 


sich von selbst des Libanios Bedenken, Demosthenes möge, weil 
er ja dieselben Rathschläge Aeschines übel auslege, die Rede nur 
entworfen aber nicht gehalten haben ', oder gar die übereilte Mei- 
nung anderer, sie sei unecht da sie der politischen Überzeugung 
des Demosthenes widerstreite: habe er doch sonst niemals für Phi- 
lipp das Wort geführt. Mit Recht hat dawider schon ein alter 
Grammatiker erinnert, dafs Demosthenes nicht im Interesse Phi- 
lipps, sondern für das gemeine beste gesprochen hat, ohne seine 
politischen Grundsätze irgendwie zu verleugnen *. Persönliche 
Neigungen und Antipathien entschieden seine Rathschläge nicht, 
sondern einzig und allein das wohlerwogene Interesse des Staates. 
Seine Hoffnung auf einen ehrlichen Frieden mit Philipp war betro- 
sen; einen neuen Krieg sah er als unvermeidlich voraus: aber die- 
sen im gegenwärtigen Augenblicke heraufzubeschwören und zwar 
als amphiktyonischen Krieg, das war eine Thorheit und Tollkühn- 
heit, die sich schwer rächen mufste: in solch einem Kriege sah De- 
mosthenes noch in späteren Jahren, als die Dinge für Athen viel 
sünstiger lagen, die drohendste Gefahr ®. Darum trat Demosthe- 
nes dem blinden Eifer seiner Parteigenossen entgegen und redete 
zum Frieden, der durch die Umstände geboten war *. Erst mufste 
die Coalition welche sich um Philipp gebildet hatte sich lösen, das 
isolierte Athen mufste durch neue Bündnisse sich verstärken, Bei- 
steuern an Geld und andern Kriegsmitteln mufsten bereit sein: dann 
konnten die Athener den von Philipp misbrauchten Frieden aufkün- 
digen und einen neuen Wallengang wagen. Das war das Programm 
der athenischen Politik, welches Demosthenes beharrlich und so 
weit seine Macht reichte mit glänzendem Erfolge durehführte. 

Es ist bei der Rede vom Frieden gelegentlich von einem Gram- 
matiker an Perikles erinnert worden’, und ich wülste nicht wo eine 


1) Liban. Einleit. 5, 56, 14. Phot. Bibl. 265 S. 492°, 14. 

2) Argum. ἃ. Rede in den Schol. S. 158, 14f. Df. Vgl. Schol. zu 
12 8. 60, 1. 

3) Dem, vKr. 143 8. 275, 17 καὶ τότ᾽ εὐθὺς (Ol, 110, 2. 339) 
ἐμοῦ διαμαρτυρομένου καὶ βοῶντος ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ ᾿πόλεμον εἰς τὴν 
«᾿Αττικὴν εἰσάγεις, Αἰσχίνη, πόλεμον "Aupınrvovinov’. 

4) Vgl. über die Lage nach Ende des phokischen Krieges vKr. 43 
S. 240, 13 ὑμεῖς δὲ ὑφορώμενοι τὰ πεπραγμένα καὶ δυσχεραίνοντες 
ἤγετε τὴν εἰρήνην ὅμως" οὐ γὰρ ἣν ὅ τι ἂν ἐποιεῖτε. 

5) Schol. zu 12 S. 60, 1 vergleicht Perikles bei Thuk. 2, 60. 


286 Viertes Buch. Erstes Capitel. 


Vergleichung des Demosthenes mit seinem grofsen Vorgänger, wie 
Thukydides ihn dargestellt hat ’, unmittelbarer sich uns aufdrängte. 
Perikles und Demosthenes waren zur Leitung des athenischen Staa- 
tes berufen in Zeiten, wo tiefgreifende Gegensätze hellenischer Po- 
litik wider einander stritten, wo die Athener bald in unbesonnenem 
Eifer erglühten bald von Sorge und Verzagtheit beherrscht wurden. 
Beide Männer gelangten zur Macht durch ihre sittliche Würde und 
ihre Einsicht. Unbestochen durch Gunst und Geld leiteten sie die 
Menge und wurden nicht von ihr geleitet: ihr Ansehen, aus keinem 
umsittlichen Zugeständnisse gewonnen, verlieh ihnen die Macht den 
Leuten nicht nach dem Munde zu reden, sondern öfters mit schar- 
fer Rüge zu widersprechen *. Sobald sie wahrnahmen dafs die 
Athener zur Unzeit von trotzigem Übermuthe aufwallten, stimmten 
sie durch ihre Reden sie zur Besorgnifs herab: und wenn sie wie- 
derum thörichte Furcht hegten, richteten sie sie auf zu getrostem 
Muthe. Unbeirrt durch vorübergehende Stimmungen berechneten 
sie weise die Mittel des Staates und die verfügbaren Kräfte und 
sparten sie auf um sie zu rechter Zeit zu gebrauchen. Aber Peri- 
kles stand an der Spitze eines streitbaren und einer kräftigen Füh- 
rung gewohnten Volkes: nach ihm kamen die Demagogen auf, wel- 
che um die Gunst der Menge buhlten und ihr die Staatsleitung in 
die Hände gaben. Dafür hatte Athen schwer gebüfst: aber das 
Übel, einmal eingewurzelt, frafs immer von neuem um sich. So 
fand Demosthenes die Bürgerschaft vor, eitel und keck mit Wor- 
ten, aber wallenscheu, ohne Kraft der Entsagung, genufssüchtig, 
verwöhnt durch die Huldigungen ihrer Schmeichler, bedient von 
Staatsmännern, die der eigenen Sinnlichkeit fröhnten und von dem 
geborenen Gegner Athens mit Geschenken und Gnaden sich kaufen 
liefsen. Jeden Schritt hatte er zu erkämpfen, er mulste erst das 
verwahrloste Volk zu tüchtiger Gesinnung erziehen. Noch schlum- 
merte ein edler Sinn in den Athenern, noch waren sie grofser Ge- 
danken fähig und ihr politisches Urteil, wenn richtig geleitet, war 
klar und scharf. Das lehrt jede Staatsrede des Demosthenes und 


1) 2, 65, 5. 6. 


2) Plut. Dem. 14 φαίνεται δὲ καὶ μετὰ παρρησίας μάλιστα τῷ δήμῳ 
διαλεγόμενος καὶ πρὸς τὰς ἐπιϑυμίας τῶν πολλῶν ἀντιτείνων καὶ τοῖς 


2 » 


ς ’ » ε ’ x 2 
ἁμαρτήμασιν αὐτῶν ἐπιφυόμενος, ὡς ἐκ τῶν λόγων λαβεῖν ἔστιν. 


Demosthenes und Perikles. 287 


nicht zum mindesten die Rede vom Frieden. Eine Bürgerschaft, 
zu der man in solcher Weise reden durfte, des vollen Verständnis- 
ses gewils, mufste auf einer Stufe geistiger Bildung und politischer 
Reife stehen, wie sie so nimmer wiedergekehrt ist. Und nicht dies 
allein: sie mufste von einem tiefen Gefühle für öffentlichen Anstand 
und Sitte durchdrungen sein und das edle und schöne zu würdigen 
verstehen. Wir wissen, wie unumwunden Gegner vor Gericht ein- 
ander angriffen und schmähten ; Demosthenes selbst, so sehr es sei- 
ner Natur zuwider war, hat dort wenn es galt schonungslos die 
Waffen persönlicher Lästerung geführt: aber die in der Volksge- 
meinde gehaltenen Reden sind rein von solchem persönlichen Ha- 
der. Wohl platzen die Geister auf einander, wohl werden von der 
Rednerbühne bittere Anklagen erhoben: aber Demosthenes nennt 
nie einen Gegner mit Namen, sondern lälst nur die Sache ins Gie- 
wicht fallen. Freilich wird dies Männern wie Phokion und Demo- 
sthenes zur Ehre gerechnet ': andere Redner haben ihrer gemeinen 
Natur in rohen Ausbrüchen Luft gemacht: aber der öffentlichen 
Sitte war dergleichen zuwider. So bot denn die Rednerbühne ei- 
nen rühmlichen Kampfplatz: von hier aus konnte Demosthenes wohl 
erwogene Rathschläge, herben Tadel und erhebende Mahnungen 
an sein Volk richten um es aus dem Schlummer zu erwecken und 
zu männlicher That zu begeistern. 


ZWEITES CAPITEL. 


Innere Angelegenheiten Athens. Die makedonische Partei 
und ihre Gegner. Aeschines Process wider Timarchos. 


Der Bescheid den die nach Athen abgeordneten Gesandten zu- 
rückbrachten war so friedliches Inhalts, dafs die versammelten Am- 
phiktyonen aus einander gehen und Philipp in seine Staaten zurück- 
kehren konnte (Ol. 108, 3. Herbst 346). Denn auf weitere Unter- 
nehmungen in Griechenland liefs er sich für jetzt nicht ein, so 


1) Vel. Plut. Regeln f. ἃ. Staatsmann 14 8. 8104. Es ist dies ἡ 
τῶν λόγων εὐγένεια Plut. Dem, 13. 


288 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


sehnlich die Peloponnesier zu Messene Argos Megalopolis seinem 
Anzuge entgegen sahen um ihre Rache an Sparta zu büfsen '. Phi- 
lipp mochte sich scheuen durch zu rasches Vorgehen die Eifersucht 
seiner verbündeten zu nähren und zog es vor seinem Heere Ruhe 
zu gönnen und die gewonnenen Erfolge zur Befestigung seiner 
Herrschaft auszubeuten. Indessen blieben in Phokis Thebaner und 
makedonische Soldtruppen als Exeeutionsmannschaft zurück ?, und 
die Strafse der Thermopylen stand von nun an Philipp offen °. 

Mit Philipps Abzuge waren die Athener ihrer Sorgen überho- 
ben und verschmerzten nur zu leicht die Verluste welche der Frie- 
densvertrag und die nachfolgenden Täuschungen ihnen bereitet 
hatten. Waren ihnen doch endlich einmal die Kriegslasten ab- 
genommen und der Verkehr mit Makedonien wieder eröffnet: der 
Handel Athens blühte in den nächsten Jahren wie kaum je zuvor ἧ. 
So wendete die Bürgerschaft ihre Aufmerksamkeit eifriger den in- 
neren Angelegenheiten zu. Wir haben gesehen, dafs gleich beim 
eginn der Friedensverhandlungen die Athener alle Kriegsrüstun- 
gen einstellten °. Statt dessen nahmen sie Bauten in Angrill' wel- 
che, gewils schon längst als Bedürfnifs erkannt, während des Krie- 
ges hatten verschoben werden müssen, namentlich die Herstellung 
weiterer Schifflhäuser und den Bau des neuen Seezeughauses °. 
Zu diesem Zwecke wurde von Ol. 108, 2— 114, 2 (34°, — 323) 
Jährlich von Bürgern und Schutzverwandten eine Vermögensteuer 
von zehn Talenten erhoben ” und bei dem Vertrauen welches Eu- 
bulos genofs der von ihm geleiteten Theorikenbehörde die Bauver- 
waltung übertragen °. Der Baumeister Philon stellte ein vielbe- 
wundertes Werk her, auf das die Athener mit Recht stolz waren; 


1) Isokr. Phil. 74 5. 96f. 

2) Dem. vdG. 81 8. 366, 22 ὁ — δῆμος ὃ τῶν Φωκέων οὕτω καχῶώς 
καὶ ἐλεεινῶς διάκειται ὥστε -- δουλεύειν καὶ τεϑνάναι τῷ φόβῳ Θη- 
βαίους καὶ τοὺς Φιλίππου ξένους, οὖς ἀναγκάζονται τρέφειν. 

3) 8. 0. 8. 278, 3. 

4) Dem. Chers. 67 5. 106, 14 ὑμεῖς — τῇ μὲν τῶν ὠνίων ἀφϑονίᾳ 
λαμπροί. 

5) 5. ο. 8. 189. 

6) 85. zu dem folgenden Böckh Seew. 8. 67#f. 

7) Böckh Sth. I, 620. 8. die Inschrift bei ECurtius de portubus 
Athen. 5. 46f. (Ephem. arch. nr. 350). 

8) Vgl. o. Buch I, 4. 


Innere Angelegenheiten Athens. 289 


von dem feingebildeten Künstler wufste Demetrios von Phaleron 
auch zu rühmen, mit wie beredten Worten er vor dem Volke über 
seinen Bau Rechenschaft abgelegt habe '. Das fällt jedoch in spä- 
tere Zeit: denn die Vollendung dieser Werke blieb der Finanzver- 
waltung des Lykurgos vorbehalten. Neben jenen Bauten wurde 
auch für neue Schille gesorgt: Demosthenes erwähnt es als eine 
Frucht des Friedens dafs die Athener dreihundert Trieren mit voll- 
ständigem Geräthe in Bereitschaft haben. Und dennoch ergaben 
sich beträchtliche Überschüsse ?, welche Eubulos in den Stand setz- 
ten durch reiche und häufige Spenden sich die fernere Gunst der 
Bürgerschaft zu erkaufen. - 

Der Wohlstand zu dem Athen sich erhob und die besonde- 
ren Vortheile welche aus dem Staatsschatze auf die ärmere Bür- 
gerschaft überströmten werden grofsen Zulauf von fremden her- 
beigeführt haben, und mancher mochte sich unberechtigter Weise 
für einen Athener ausgeben °. Dem zu steuern wurde auf Antrag 
des Demophilos Ol. 108, 3. 346 * beschlossen in allen Demen eine 


1) Demetr. Ὁ, Philodem. g. ἃ. Rhet. 4 ο. 12 S. 218 Sp. Vgl. Cie. 
de on 1, 14,62. Val M. 8,.12 ext. 2. 

2) Dem. vdG. 89 5. 369, 13 τί δ᾽; οὐ τριήρεις τ΄ καὶ σκεύη ταύ- 
ταις καὶ χρήμαϑ' ὑμῖν περίεστι καὶ περιέσται διὰ τὴν εἰρήνην; κτλ. 
Vgl. Deinarch 1, 96 S. 102 τι. ο. Buch I, 4. So viel Trieren konnten die 
Athener nach Dem. vdSymm. 13, S. 181, 18. 18 5. 182, 26. 20 8. 
183, 15. 29 S. 186, 8 nöthigesfalls schon um Ol. 106, 3. 354 aufbrin- 
gen, aber von den Schiffen der dritten Classe mochten mittlerweile 
viele in Abgang gekommen sein: dazu war kein hinreichendes Geräth 
für die ganze Zahl vorhanden. Vgl. Böckh Sth. I, 375. Seew. 79f. 

3) Mir scheint dieses Motiv hinreichend zur Erklärung der διεαψ ή- 
gıcıg; möglich aber dafs es sich eben um eine ganz aufsergewöhnliche 
Geldvertheilung handelte. Dies hat Westermann i. d. Einleitung zur 
demosth. Rede g. Eubul. S. 126f. vermuthet und die von Lykurgos vor- 
genommene Vertheilung des Vermögens von Diphilos hiehergezogen. 
Seitdem hat Hypereides R. f. Euxen. c. 43 fl. erkennen lafsen, dafs 
dergleichen Fälle häufiger vorgekommen sein mögen. 


4) Aesch. 1, 77 5. 11 m. d. Schol. 86 8. 12. Über die Zeit (ἐπ᾿ 
"Aoylov ἄρχοντος) Androt. (fr. 133) und Philochor. VI b. Harpokr. u. 
διαψήφισις ; über das ganze Verfahren Westermann a. O. Harp. a. O.u. u. 
ἀποψηφ. Suid. u. dems. u. ἀπεψηφισμένος. Demophilos, der Ol. 114, 
3. 322 die Klage gegen Aristoteles führte und Ol. 115, 3. 317 unter 
Phokions Anklägern war, scheint mir ein jüngerer Redner des Namens 
zu sein, vermuthlich D. v. Acharnae, von dem Seeurk. XVIe, 176 aus 

DEMOSTHENES IT. 19 


290 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


Prüfung der Bürgerrollen vorzunehmen und die Eindringlinge aus- 
zuschliefsen. Derselbe Staatsmann hatte vorlängst in redlichem Ei- 
fer eine Anklage gegen die Buben erhoben welche sich darauf leg- 
ten die Gerichte zu bestechen, und mehrfache Processe mit Leibes- 
strafen waren darauf erfolgt'!. Bei der jetzigen Mafsregel aber scheint 
vielerlei Willkür untergelaufen zu sein: die Zahl der ausgestolse- 
nen war ungemein grofs (hatte sie doch bei einer ähnlichen Ausmu- 
sterung in der perikleischen Zeit gegen 5000 betragen), und wenn 
auch viele verdienter Mafsen um ihr vorgebliches Bürgerrecht ka- 
men, so wurde doch auch mancher unbilliger Weise durch Ränke 
und Sykophantenkünste aus dem Bürgerstande in das Verhältnils 
des Schutzverwandten verwiesen; daher will es Aeschines sich in 
gutem gedacht wissen dafs er in keinem Gaue wider jemanden als 
Ankläger aufgetreten sei”. Die Folge eines solchen Verfahrens wa- 
ren eine Menge von Reclamationen über welche die Gerichte zu ent- 
scheiden hatten ὁ: und wenn vor dem Richter auch den appellie- 
renden das erste Wort gegönnt wurde, so war doch die Aufregung 
wider die Eindringlinge so grols, dafs die Richter leicht ohne ge- 
naue Prüfung den Spruch der Gaugenossen bestätigten, trotzdem 
dafs die abermalige AbweisungVerkauf in die Sklaverei nach sich zog. 

In eben diese Zeit gehört eine neue Einrichtung in Bezug auf 
die Leitung der Verhandlungen in der Volksgemeinde. Schon frü- 
her, wenigstens wie zu vermuthen steht, seit Eukleides, waren die 
Prytanen darauf beschränkt den Rath und die Volksversammlung zu 
berufen: den Vorsitz bei den Berathungen führte ein Präsidium von 
neun Rathmännern (πρόεδροι) welche der jedesmalige Vorsteher 
der Prytanen (ὁ ἐκ τῶν πρυτάνεων κληρούμενος ἐπιστάτης) bei 
Beginn jeder Sitzung durch Ausloosung je eines aus den neun Phy- 


114, 2 ein Volksbeschlufs erwähnt wird. In der Urkunde X@, 144 
ἘΣ Ol. 109) kommt ein Demophilos von Alopeke, Leostratos Erbe, vor. 

1) Aesch. 1, 86—88 5. 12. 

2) Aesch. 2, 182 $S. 52 οὐδεὶς ὑμῶν διὰ τὰς ἐμὰς ἡδονὰς κάκιον 
οἰκεὶ οὐδὲ ἐστέρηται τῆς πατρίδος κατηγόρου τυχὼν ἐν τοῖς δήμοις 
ὅτ᾽ ἦσαν ai διαψηφίσεις. 

3) Vgl. die Rede g. Eubulides, Isaeos ὑπὲρ Εὐφιλήτου πρὸς τὸν 
“Ἑρχιέων δῆμον ἔφεσις und meös Βοιωτὸν ἐκ δημοτῶν (Κειριαδῶν) ἔφε- 
σις. Nach Dionys. Deinarch. S. 655 waren zwei damals- gehaltene Re- 
den (κατὰ Κηρύκων und κατὰ oe fälschlich witer Deinarchs 
Reden gestellt. 


Innere Angelegenheiten Athens. 291 


len mit Ausschlufs der seinigen welche eben die Prytanie führte zu 
bilden hatte: aus diesen neun Proedren wird wieder durch das Loos 
der Präsident der Sitzung bestellt (ὁ ἐκ τῶν προέδρων κληρού- 
μενος Erriot@rng)'. Aber diese Einrichtung wurde nicht als zu- 
reichend befunden. In der Rede wider Timarchos (Ol. 108, 3. 
345) erwähnt Aeschines ein neues Gesetz, demgemäls fortan in 
jeder Volksversammlung eine Phyle des Rathes als vorsitzende aus- 
geloost werden sollte um noch neben den Prytanen und Proedren 
auf Ordnung zu halten: sie hatte zu dem Ende auf der Rednerbühne 
ihren Platz einzunehmen. Zwar wurde diese Neuerung als un- 
zweckmälsig angefochten und der Process schwebte noch ?, aber sie 
ist bestätigt worden und in Kraft getreten ?. 

Während im innern des athenischen Staatswesens eine so leb- 
hafte Bewegung sich offenbart, über deren Motive wir leider fast 
gänzlich im dunkeln sind, riefen auch die auswärtigen Angelegen- 
heiten, namentlich die Beziehungen zu Philipp und die Folgen des 
mit ihm geschlossenen Friedens in den nächsten Jahren immer von 
neuem heftige Debatten hervor und boten Grund zu Anklagen vor 
Gericht. Durch die Verhandlungen mit Philipp hatte sich zu Athen 
eine makedonische Partei gebildet, bestehend aus Rednern welche 


1) Diese Einrichtung erläutert Aristot. fr. 22. 23 Ὁ. Harp. u. πρόε- 
δροι u. ἐπιστάτης. Poll. 8, 96. $. hierüber und über die verschiedenen 
Einleitungsformeln der Beschlüsse KFHermann A. I, 127, 9. Böckh 
Mondeyelen S. 46f. u. bei Vischer archaeol. u. epigr. Beiträge a. Gr. 
Ss. 63. 

2) Aesch,. 1, 33f. 5. ὅ ὑμεῖς δ᾽ τι προσέϑεσϑε καινὸν νόμον μετὰ 
τὸ καλὸν παγκράτιον, ὃ οὗτος ἐπαγκρατίασεν ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ (26 8. 4 
Τίμαρχος -- οὐ πάλαι, ἀλλὰ πρῴην ποτὲ κτλ.)-- nad” ἑκάστην ἐκκλησίαν 
ἀποχληροῦν φυλὴν ἐπὶ τὸ βῆμα, ἥτις προεδρεύσει. καὶ τί προσέταξεν 
ὁ τιϑεὶς τὸν νόμον; καϑῆσϑαι κελεύει τοὺς φυλέτας βοηϑοῦντας τοῖς 
νόμοις καὶ τῇ δημοκρατίᾳ --. ἀναγνώσεται οὖν ὑμῖν — καὶ τὸν περὶ 
τῆς προεδρίας τῶν φυλὼν νόμον, ὃν Τίμαρχος οὑτοσὶ καὶ ἕτεροι τοι- 
οὗτοι δήτορες συνελϑόντες γεγραμμένοι εἰσὶ μὴ ἐπιτήδειον εἶναι, ἵν᾽ 
ἐξῇ πράττειν αὐτοῖς καὶ λέγειν καὶ ξῆν ὡς αὐτοὶ βούλονται. Was der 
Scholiast bemerkt, das Gesetz sei älter, ist leere Faselei. 

3) Aesch. 3,4 8.54 τῆς δὲ τῶν ῥητόρων ἀκοσμίας οὐκέτι κρατεῖν δύναν 
ται οὔϑ᾽ οἵ νόμοι OVP” οἵ πρυτάνεις οὔ ϑ᾽ οἵ πρόεδροι οὔϑ᾽ ἡ προεδρεύ᾽ - 
ουσὰ φυλή, τὸ δέκατον μέρος τῆς πόλεως, Dafs unter πόλις hier nicht 
die gesamte Bürgerschaft, sondern ihr Ausschufs, der Rath, gemeint 
ist, wird in dem Schol. M. richtig bemerkt: es leuchtet aber ein, dafs 
die προυεδρεύουσα φυλή von der πρυτανεύουσα verschieden sein muls. 


19* 


292 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


theils ohne weiteres sich in fremden Dienst verkauften, wie Philo- 
krates; theils, wie Aeschines, anfangs verblendet und getäuscht, 
auch dann als Philipps trugvolles Spiel aufgedeckt war fortfuhren 
ihm anzuhangen und ihm die Brücke zu treten; endlich aus solchen 
denen Ruhe und Friede um jeden Preis recht war, weil es so in ihr 
politisches System pafste, wie Eubulos und Phokion. Die Ehrlich- 
keit des letzteren diente der Partei als Deekmantel ihrer Selbst- 
sucht, und die Finanzverwaltung des Eubulos fuhr fort aus dem 
Staatsseckel die Bürgerschaft zu bestechen, dafs sie über dem öfte- 
ren Feiertagsrausche und den Genüssen eines trägen Friedens sich 
jeder Sorge um die Zukunft entschlage. Stolz auf die Gunst des 
Königs, dessen Gastfreundschaft sie bei öfteren Besuchen erprobten, 
und für seine Geschenke ihm zu Dienst verpflichtet, bewegten sich 
die Wortführer der makedonischen Interessen mit voller Zuversicht. 
Am schamlosesten trieb es Philokrates ', der seine Zwischenträgerei 
sich theuer hatte bezahlen lassen. Mehr als einmal sprach er es un- 
verholen vor dem versammelten Volke aus dafs Philipp ihn königlich 
belohnt habe: aus dürftigem Stande war er zu Reichthum gekom- 
men, verhandelte Weizenladungen, baute Häuser, führte Holz ein, 
setzte vor aller Augen das makedonische Gold bei den Wechslern 
um: ja er hatte, wie Demosthenes sagt, Güter und Feldwirthschaf- 
ten im olynthischen Lande bekommen, die ihm ein Talent eintru- 
gen?. Aus solchen Mitteln schwelgte er in Fressen und Saufen 
und Unzucht: er scheute sich nicht freigeborne olynthische Weiber 
als Dienerinnen seiner Lüste mit nach Athen zu bringen °. Inan- 
derer Weise machte sich die Umwandlung bei Aeschines bemerkbar. 
Als roher Wüstling öffentliches Ärgernifs zu geben lag ihm fern: 
es war eine feinere Sinnlichkeit, bei welcher der äufsere Anstand 
nicht verletzt wird, zu der er sich bekennt * und die auch in sei- 


1) Dem. νᾶ. 206 5. 405, 11 τένα τῶν ἐν τῇ πόλει φήσαιτ᾽ ἂν 
βδελυρώτατον εἶναι καὶ πλείστης ἀναιδείας καὶ ὀλιγωρίας μεστόν ; οὐδεὶς 
οὐδ᾽ ὧν ἁμαρτὼν ὑμῶν ἄλλον εὖ old’ ὅτι φήσειεν ἢ Φιλοκράτην. Vel. 
113 8. 375, 17. Hyp. f. Eux. e. 39 Φιλοκράτη τὸν Ayvovcıov ὃς ϑρα- 
σύτατα καὶ ἀσελγέστατα τῇ πολιτείᾳ κέχρηται. 

2) 114 8. 375, 28f. 1451. 85, 380, 2—17. 1198. 377, 18. 245 5: 
417, 27. 

3) 309 5. 440, 5. 229 S. 412, 21; vgl. Athen. 8 5, 343e. Plutarch. 
üb. ἃ. Glück 1 S. 974, Sympos. 4, 4, 2 8. 668. 
4) 1, 135 f 8. 19, 


Die makedonische Partei. Philokrates. Aeschines. 293 


nen Zügen ausgeprägt ist '. Aber war er sonst bescheiden aufgetreten 
und hatte es seinen Mitbürgern Dank gewufst dafs sie ihn zum Staats- 
schreiber erwählt und mit ihrem Vertrauen beehrt hatten, so zog er 
jetzt die Brauen zusammen, blies die Backen auf und stolzierte mit 
lang herabwallendem Gewande einher, gleiches Schrittes mit Py- 
thokles in geheimer Berathung den Markt umwandelnd : war er doch 
nun ein gemachter Mann, ein Gastfreund Philipps und sah als sol- 
cher in der Staatsverfassung Athens nichts als ein unsinniges Ge- 
treibe, das man abthun müsse *. Auch er hatte Landbesitz empfan- 
gen, und zwar wie wir hören in der pydnaeischen Feldmark, jedoch 
nicht von gleichem Belange wie Philokrates ®. Wie hatte er die 
Farbe gewechselt gegen jene Zeit, da er in Philipp den Erbfeind 
Athens erblickte und die Hellenen zum Kampfe wider ihn aufrief! 
Eben Pythokles liefert den Beweis, zu welchen Rücksichten die 
Verbindung mit dem Könige verpflichtete. Demosthenes hatte mit 
ihm auf freundlichem Fulse gestanden und es war zwischen ihnen 
keinerlei Mishelligkeit vorgekommen. Aber seit jener einen Be- 
such am makedonischen Hofe gemacht hatte, wich er Demosthenes 
aus wenn er ihm begegnete, und trafen sie ja einmal zusammen, 
so machte er sich ugs davon, damit niemand sähe dafs er mit ihm 
rede: aber Aeschines kam nicht von seiner Seite, sie waren ein 
Herz und eine Seele *. Nicht lange, so grif! Pythokles rückhaltlos 


1) Statue des Aeschines im Museo Borbonico. Vgl. FGWelcker, 
das akad. Kunstmuseum zu Bonn. 2°. A. S. 48. 

2) Dem. vdG. 314 S. 442, 7. Vgl. 225 S. 411, 15. 135f. S. 383, 
2. Über das ἴσα βαίνων Πυϑοκλεῖ 5. Harp. u. ἃ. W. Bekker Anecd. 
I, S. 267 u. a. St. bei Buttmann in Friedemanns Mise. οὐ, II, 49 δ΄, 


3) Dem. a. O. 5. 442, 6. 145f. S. 386,4. Schol. zu Aesch. 1 
1 καὶ γὰρ εἶχεν ἀγρὸν ὁ Αἰσχίνης ἐν Πυδνῃ τῆς Μακεδονίας. 

4) Dem. a. O. 9951, 5. 411, 9. Diesen Πυϑοκλέα τὸν Πυϑοδώρου 
hält Böhnecke F. I 5. 652, 2. 699 zusammen mit dem Πυϑοχλῆς ἐκ 
Κηδῶν Seeurk. Χο, 56, der allerdings ein Sohn des Πυϑόδωρος ἐκ Kn- 
δῶν (in derselben Urkunde X, 40, und als Diaetet in der 106. Ol. R. 
w. Euerg. u. Mnes. 5 S. 1140, 17) sein kann. Eine Grabsäule für Per- 
sonen aus derselben Familie 5. LRofs Demen v. Athen nr. 100. Aber 
die Namen waren auch in andern Familien jener Zeit üblich. Ich führe 
nur beispielsweise den Πυϑόδωρος ᾿“χαρνεύς an (Apollod. gPolykl. 27 
S. 1215, 13), der ΟἹ. 113, 4 Diaetet war (Rols a. O. nr. 5) und dessen 
Sohn Menon von diesem Jahre an als Trierarch vorkommt; von 113, 3 
an finden wir auch Πυϑοκλῆς ᾿“χαρνεύς als Trierarchen. S. Böckh 


38. 


’ 


294 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


in schnöder Weise Demosthenes an !. Wie viele Redner und an- 
dere vermögende Athener giengen desselben Weges, hingezogen 
durch den Ruhm des Königs und den Zauber seiner Persönlichkeit 
oder den Glanz seines Hofes! Wie mancher rechnete es sich zur 
hohen Ehre Philipps Gesandte bei sich gastlich bewirthen zu kön- 
nen und sich der Gastfreundschaft ihres Herrn zu empfehlen ?! 
So knüpften sich während der Friedenszeit immer mehr Beziehun- 
gen, welche den von Philipp bestochenen Rednern zum Rückhalte 
dienten. Aufser den bereits genannten finden wir in der Folge na- 
mentlich Demades und Hegemon als eifrige Fürsprecher der make- 
donischen Politik, und ein Schweif nichtswürdiger Gesellen, z. B. 
Stratokles, Aristogeiton, hieng sich der Seite an wo für sie am 
meisten abfiel. Es wäre unrecht, wollten wir die gemeine Nieder- 
.trächtigkeit von Menschen aus der Hefe des Volkes, wie Aristogei- 
ton, dessen Vater, vom athenischen Gerichte zum Tode verurteilt 
zu Eretria im Schuldthurme starb und dessen Mutter vom Sklaven- 
stande war ?, der Partei überhaupt zur Last legen. Aber wir erin- 
nern daran dafs ihre bedeutendsten Sprecher Emporkömmlinge wa- 
ren, Männer von Talent, aber ohne tiefere Geistes- und Charakter- 
bildung, die ihre Dienste für Gunst und Geld feilhielten um ihrer 
Sinnlichkeit fröhnen zu können. Von Aeschines und Philokrates 
haben wir schon gesprochen: wie sie aus den dürftigsten Umstän- 
den durch ihr Talent sich zu Rednern und Staatsmännern erhoben 
und durch Philipps Freigebigkeit Reichthum erlangten *, so hatten 
auch Hegemon, Demades, eines Schiffers Sohn, und andere kei- 
nerlei Vorbildung zur öffentlichen Beredsamkeit genossen °. 
Indessen sollte der athenischen Bürgerschaft die Schmach er- 


Seew. ὃ. 245. 250. Einen Vorschlag des Pythokles über Einführung des 
Bleimonopols 5. Aristot. Oekon. 2 S. 1353. 

1) Dem. vKr. 285 S. 320, 29f. Vgl. über Pythokles Buttmann a. 
O0. 8. Slf. 

2) Hyp. f. Eux. c. 32—34. 

3) R. w. Aristog. 1, 54f. S. 786, 28f. 65 S. 790, 1. 77 S. 793, 
7. Deinarch. 2, 8 S. 106. 18 S. 107. Suid. u. d. N. 

4) Dem. vdG. 146 S. 386, 13. Im allgemeinen Chers. 66 5. 106, 
5 τούτων μὲν (τῶν ὑπὲρ Φιλίππου λεγόντων) ἐκ πτωχῶν ἔνιοι ταχὺ 
πλούσιοι γεγόνασι καὶ ἐξ ἀνωνύμων καὶ ἀδόξων ἔνδοξοι καὶ γνώριμοι. 

5) Syrian. zu Hermog. IV, 39£.W. Ruhnken hist. er. O0G. 76. 
Über Demades s. u. Buch V, 1. 


Athenische Staatsmänner. Demosthenes. 295 


spart werden unter solcher Leitung willenlos und ohne Kampf sich 
in das Joch makedonischer Knechtschaft gefügt zu haben. Noch 
lebten Männer die durch keine Gunst und keinen Gewinn in ihrer 
Treue zum Vaterlande zu erschüttern waren, welche, eingedenk des 
alten Berufes der Athener für die Freiheit unterdrückter Hellenen 
einzustehen und einen Herrscherplatz zu behaupten, mit der gan- 
zen Kraft ihres Geistes der verrätherischen Friedenspartei wider- 
standen und je deutlicher Philipps Absichten auf Griechenland sich 
enthüllten, um so mehr die Leitung der Geschäfte ihr entzogen. 
Auf dieser Seite stand Demosthenes als der besonnenste Führer. 
Er hatte von jeher alle Schritte Philipps mit unverwandtem Blicke 
beobachtet und längst in ihm den geborenen Feind hellenischer 
Selbständigkeit erkannt: aber die Erfahrungen der letzten Zeit 
hatten ihn in seiner Überzeugung noch bestärkt und der ungemeine 
Zuwachs, den die Makedonenmacht so leichtes Spieles gewonnen, 
steigerte seinen Eifer Kräfte des Widerstandes zu wecken und zu 
organisieren. Nicht zu Athen allein, sondern die Thätigkeit des 
Demosthenes erstreckte sich über Griechenland hinaus zu den nörd- 
lichen Barbaren. Wo irgend makedonische Parteigänger ihr We- 
sen trieben, wo Philipps Gesandte Bundesgenossen warben oder 
wo ein Gegensatz wider seine Obmacht sich bildete, da war er zur 
Stelle den verblendeten die Augen zu öffnen, die lässigen zu er- 
muntern, zwiespältige zu vereinen, bedrängten Hilfe zu bieten. Den 
Schwierigkeiten mit denen er zu ringen hatte setzte er unermüd- 
liche Gonsequenz entgegen. Und doch hätten sie jeden andern ab- 
schrecken mögen. Er kämpfte gegen einen Fürsten an, der im 
Felde wie bei Staatsverhandlungen die unter dem befruchtenden Ein- 
flufs griechischer Bildung entwickelten Kräfte anwendete, der mit 
all jener Macht gerüstet war, welche Einheit des Willens und Han- 
delns, undurchdringliches Geheimnifs und unumschränkte Gewalt 
verleihen. Demosthenes dagegen konnte keine Malsregel ins Werk 
setzen ohne dieselbe vorher in der Volksversammlung darzulegen 
und durchzufechten ; so kam jeder Plan im Entstehen und in der er- 
sten Vorbereitung zu den Ohren des Feindes, und ein abfälliger 
Beschlufs der Bürgerschaft konnte die wohlüberlegten und durch 
die Umstände gebotenen Anschläge ohne weiteres vereileln. Und 
wie oft verhallten noch die patriotischen und einsichtsvollen Worte 
des Demosthenes ohne Wirkung, wie oft drangen bestochene Redner 


> 


296 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


in der Debatte durch und machten Philipp freie Bahn, wie viel fehlte 
noch, dafs Eubulos und seine Genossen von den Staatsgeschäften 
hätten zurücktreten müssen '. Was Demosthenes einem aus der Ge- 
senpartei als böswillige Nachrede in den Mund legt, war nicht so 
unbegründet: “die Volksgemeinde sei ein gar unstichhaltiges und 
‘unzuverlässiges Wesen, wie ein unstäter Wind. auf der See vom 
. *blofsen Zufall bewegt: der kommt, jener geht, keinem liegt das 
‘gemeine beste am Herzen noch hat er ein Gedächtnifs dafür? ἢ. 
Hat doch Demosthenes selbst einmal in strafender Rede das Volk 
seekranken Meerfahrern verglichen *. Die vorwaltende Stimmung 
der Bürgerschaft war für den Frieden: sorglos im Genusse üppiger 
Ruhe achtete sie wenig der verrätherischen Liebedienerei und der, 
von ferne drohenden Gefahren *. Aber je mehr der Verlauf der 
Dinge die Voraussicht des Demosthenes rechtfertigte, um so willi- 
ger schlossen sich die Athener seiner Leitung an. Schon aus der 
Rede vom Frieden spricht ein Ton bewährter Auctorität wie wir ihn 
in früheren Reden des Demosthenes nicht finden ὃ, und jede spätere 
Rede läfst uns entschiedener den seiner Geltung sich bewufsten 
Staatsmann erkennen. Von ihm geleitet, ohne herrschsüchtige Ne- 
benabsichten, wurde Athen der Mittelpunkt für alle hellenische 
Volksgemeinden, welche ihre Freiheit nicht um den gleifsenden 
Schimmer makedonischer Gunst hingeben mochten ®. In der That 
haben wir, wie Niebuhr in herrlichen Worten ausgesprochen hat ἢ, 
in der Geschichte kein Beispiel von gleich gesegneter Wirksamkeit 
eines Staatsmannes, der seinen Mitbürgern‘einen neuen Geist ein- 
flöfst, die Gemüther einer frischen Jugend erweckt® und in immer 


1) Dem. vKr. 236 S. 306, 5. vdG. 1851. S. 399, 12. 226ff. S. 411, 
23f. 

2) Dem. vdG. 135f. S. 383, 2. 

3) Arist. Rh. 3, 4 5. 1407 — καὶ ἡ Ζημοσϑένους (εἰκὼν) εἰς τὸν 
δῆμον, ὅτι ὅμοιός ἐστι τοῖς ἐν τοῖς πλοίοις ναυτιῶσιν. 

4) Wie sehr die Athener sich scheuten Philipp zu beleidigen lehrt 
Dem. vdG. 134f. 5. 882, 15. Im übrigen 5. 224. 226ff. S. 411, 3. 29 1. 

5) Thirlwall VI, 8. 

6) Die Periode der demosthenischen Staatsleitung bezeichnet Arist. 
Rh. 2, 24 8. 1401, 32 - ὡς 6 Δημάδης τὴν “Ιημοσϑένους πολιτείαν 
πάντων τῶν κακῶν αἰτίαν" μετ᾽ ἐκείνην γὰρ συνέβη ὁ πόλεμος. Vgl. 
Plut. Dem. 16. 

7) Kl. hist. u. phil. Schriften I, 480. Vgl. AG. II, 339£. 

8) Vgl. Aesch. 1, 170—175 8. 24f. 117 8. 16. 2, 156 5. 49. 


ΕΣ 
ΕΣ 


Athenische Staatsmänner. Demosthenes. 297 


weitere Kreise die gleiche Gesinnung trägt. In diesem Wettstreite 
wurden Philipps Botschafter und Söldlinge überwunden !. Und 
wenn dann der König mit Heeresmacht den Aufschwung der Athe- 
ner und ihrer verbündeten niederschlug, so blieb doch Demosthe- 
nes das Bewufstsein unverkümmert ein edles Ziel erstrebt, nach 
Pflicht und Gewissen seinem Vaterlande gedient und es vor der 
Schmach bewahrt zu haben, dafs die mit dem Blute der Vorfahren 
besiegelte Freiheit ohne Kampf einem schlauen Feinde zum Raube 
fiel. Wie auch Gott den Ausgang verhängte, Demosthenes konnte 
ruhig das Urteil der Mit- und Nachwelt über sich ergehen lassen: 
die Prüfung war mit Ehren bestanden 

j Die grofsartige Thätigkeit des neh während der näch- 
sten acht Jahre in ihrem vollen Umfange zu überblicken ist uns lei- 
der nicht vergönnt: wir können nur vereinzelten Spuren nachgehen 
und uns an den wenigen Reden erquicken, welche unvergängliche 
Denkmäler seines Geistes und seiner Gesinnung sind. Aber wenn 
wir, neben der Leitung der Bürgerschaft gegenüber einer starken Ge- 
genpartei, von seinen Gesandtschaftsreisen nach Delphi °, nach dem 
Peloponnes (und zwar zu wiederholten Malen), nach Thessalien, 
Ambrakia , zu den thrakischen Königen, nach Byzantion, schliefslich 
nach Theben hören, wo er überall Philipps abgeordneten die Stange 
hielt; wenn wir lesen, dafs er die Euhoeer Achaeer Korinthier Leu- 
kadier Korkyraeer Megareer zur Bundeshilfe vermochte, und zwar 
durch Gesandtschaften die er veranlafste und an denen er Theil 
nahm; dafs er die Hilfsendungen nach Euboea, dem Chersones, 
Byzantion und andern Orten veranstaltete ὅς dafs er aulserdem wich- 
tige Zweige der Staatsverwaltung reformierte und mit Gerichtshän- 
deln zu schaffen hatte; so können wir nicht anders als uns beklagen, 
dals wir aufser Stande sind das Bild einer so umfassenden Thätig- 
keit in seinen einzelnen Zügen zu verfolgen und vollständig zu über- 
schauen. 


1) Dem. vKr. 244 5. 505) 

2) Dem. a. Ο. 42—49 5. Si. 5—242, 10. 60—72 S. 245, 13 — 
249, 4. 192— 208 8. 292,11 — 297 , 21. 270f. 5. 316, 15, Vgl. Diod. 
16, 54. 

3) Dem. vdG. 65 S. 361, 20. Aesch, 3, 113f. S. 69. 

4) Dem. vKr. 45 5. 240, 25. 79f. 5. 252, 1. 237 5. 306, 12. 244 
S. 308, 9. 298—306 8. 325, 15—22. 


298 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


Mit Demosthenes standen in gleichem politischen Streben viele 
Staatlsmänner Athens zusammen: unter ihnen vor allen ausgezeich- 
net der etwas ältere Lykurgos ' und Hypereides. 

Lykurgos, Lykophrons Sohn vom Gau der Butaden ?, war dem 
priesterlichen Hause der Eteobutaden entsprossen, das seinen 
Ursprung von den Göttern und Stammheroen Athens ableitete ®. 
In diesem Geschlechte war das heilige Amt der Priesterin der 
Athena Polias und des Priesters im Dienste des Poseidon Erech- 
theus erblich, ein Vorrecht welches unangetastet blieb, als alle an- 
deren Vorzüge des attischen Adels längst geschwunden waren, und 
bis in die spätesten Zeiten fortgedauert hat *. Aber nicht blofs prie- 
sterlicher Würden seines Geschlechtes hatte sich Lykurgos zu rüh- 
men: wie der zu seinem Gedächtnifs erlassene Ehrenbeschlufs be- 
sagt, war von Alters her Wohlwollen gegen die Bürgerschaft ein 
Erbtheil seiner Vorfahren gewesen °. Ob unter diese Lykurgos des 


1) Im L. d. X Redner ist die Reihe, soweit wir beurtheilen können, 
chronologisch: hier folgen Aeschines Lykurgos Demosthenes Hyperei- 
des. Auch Liban. Einleit. zur R. g. Aristog. S. 769, 24 nennt Lykur- 
gos älter als Demosthenes. A 

2) L. ἅ. Χ R. 5. 8411» Δυκοῦργος πατρὸς μὲν ἦν Λυκόφρονος, — 
τῶν δήμων δὲ Βουτάδης, γένους τοῦ τῶν ᾿Ετεοβουταδῶν. 

3) A. Ο. 8. 8489 κατῆγον δὲ τὸ γένος ἀπὸ Βούτου (so Sauppe f. 
τούτων) καὶ Ἐρεχϑέως τοῦ Γῆς καὶ Ἡφαίστον — καὶ ἔστιν αὕτη ἡ κα- 
ταγωγὴ τῶν ἵἱερασαμένων τοῦ Ποσειδῶνος ἐν mivanı τελείῳ, ὃς ἀνάκει- 
ται ἐν ᾿Ἐρεχϑείῳ γεγραμμένος ὑπ᾽ Ἰσμηνίου τοῦ Χαλκιδέως κτλ. Vel. 
Paus. 1, 26, 5. Über die Geburt des Erechtheus oder Erichthonios 
von Hephaestos und der Erde und über den Dienst des Poseidon Erech- 
theus 5. Preller Mythol. I, 134 ff. Butes war vom Erechtheus entspros- 
sen: Schol. zu Aesch. 2, 147 5. 47 Βούτης ἀπ᾿ ᾿Ερεχϑέως γένος ἔχει, 
καὶ ἀπ᾽ αὐτοῦ καλεῖταί τι ᾿4ϑήνησι γένος ’Ersoßovradaı, ol τῷ ὄντι ἀπὸ 
Βούτου (vgl. Harp. u. Βούτης u. Ετεοβουτάδης). Als man Erechtheus 
von Erichthonios unterschied und zu dessen Enkel machte, galt Butes 
für seinen Bruder: s. Preller II, 93. 

4) Über das Priesterthum der Athena Polias Aesch. a. Ὁ. Schol. 
Harp. u. a. St. Hermann A. II, 61, 11; des Poseidon Erechtheus L. 
d. X R.a. O. u. 843be, Über die spätern Generationen 5. Bossler de 
gent. et fam. Att. sacris S. 7ffl. Böckh C. I. gr. I, 442.. 

5) 8. 8522 ἐπειδὴ Avnodeyos Avaopeovog Βουτάδης παραλαβὼν παρὰ 
τῶν ἑαυτοῦ προγόνων οἰκείαν ἔκ παλαιοῦ τὴν πρὸς τὸν δῆμον εὔνοιαν 
καὶ οἵ πρόγονοι οἵ Πυκούργου Πνκομήδης τε καὶ Avzodgyos καὶ ξῶν- 
τες ἐτιμῶντο ὑπὸ τοῦ δήμου καὶ τετελευτηκόσιν αὐτοῖς δι᾿ ἀνδραγα- 
ϑίαν ἔδωκεν ὃ δῆμος δημοσίας ταφὰς ἐν Κεραμεικῷ. Vgl. 5. 8485. 


un 


Athenische Staalsmänner. Lykurgos. 299 


Aristolaidas Sohn zu zählen sei, der als Führer des Adels die Tyran- 
nei des Peisistratos bekämpfte , ist völlig ungewifs. In gutem An- 
denken waren Lykomedes und Lykurgos geblieben als Männer, die 
schon bei Lebzeiten von der Bürgerschaft mit Ehren ausgezeichnet 
nach ihrem rühmlichen Tode von Staatswegen bestattet wurden. In 
welcher Schlacht Lykomedes geblieben ist, wissen wir nicht: Ly- 
kurgos wird unter den Feldherrn der Athener aufgeführt, welche, 
nachdem unter Kimons Oberbefehl Eion genommen war, sich am 
Strymon festsetzten, aber bereits Ol. 76, 1. 476 von den Thrakern 
aufgerieben wurden '. Dieses Feldherrn Enkel wird des Redners 
Grofsvater Lykurgos gewesen sein, der das Amt eines Hellenota- 
mias bekleidet hat, eine Zeitlang von der Volksgemeinde verbannt 
war und später auf Anstiften des Aristodemos von Bate von den 
dreifsig getödtet wurde ?*. So war Lykurgos durch die Thaten und 
Schicksale seiner Vorfahren eng verbunden mit der Geschichte sei- 
ner Vaterstadt: das ehrenvolle Andenken das sie hinterlassen, das 
angestammte Priesteramt, dazu der Wohlstand seines Hauses ’ 
reichte allein schon hin ihm einen angesehenen Namen in Athen zu 
verschaffen. Aber diesen ererbten Vorzügen gab Lykurgos durch 
eigene Tugenden und Verdienste erst wahre Bedeutung. Er war 
ein Athener von altem Schrot und Korn, von äufserster Strenge ge- 
gen sich und andere, wahrhaftig und freimüthig: es lebte etwas 
von dem Geiste der alten Aristokratie in ihm *. In unverdrossener 


1) Schol. Aesch. 2, 31 8. 32 Avororgarov καὶ Avzovpyov καὶ Kow- 
tivov στρατευόντων ἐπ᾽ 'Hiova τὴν ἐπὶ Στρυμόνι διεφϑάρησαν (49η- 
vaioı) ὑπὸ Θρᾳκῶν, εἰληφότες Ηϊόνα, ἐπὶ ἄρχοντος ᾿“ϑήνησι Φαίδω- 
vos. ΟἹ. 75, 4. 476 hatte Kimon Eion erobert. 

2) L.d. XR. 5. 84lab A. πατρὸς μὲν ἣν Πυκόφρονος τοῦ Λυκούρ- 
yov, ὃν οἵ A τύραννοι ἀπέχτειναν, αἰτίου αὐτῷ τῆς ἀναιρέσεως γενο- 
μένου ᾿Δριστοδήμου Βατῆϑεν, ὃς καὶ Ἑλληνοταμίας γενόμενος ἔφυγεν 
ἐν τῇ δημοκρατίᾳ. Dafs der erste Relativsatz sich auf den Grofsvater 
Lykurgos bezieht, hat Clinton gesehen, F. H. u. d. J. 337, eben so 
der letzte, Meier de vit. Lye. S. IV ff. 

8) L. d.X R. S. 842%: εὔπορος ὦν. Dafs sein Grofsvater als Hel- 
lenotamias in die erste Vermögensklasse gehört haben müsse hat Meier 
a. OÖ. S. V bemerkt. Das Priesterthum Lykurgs erhellt schon aus den 
im L. d.X R. S. 843° erwähnten Denkmälern im Erechtheion, und mit 
Recht haben Pinzger Einl. zu Lyk. S. 23 sowie Baiter u. Sauppe die 
Worte 8. 843° διετάξατο δὲ καὶ τὴν ἱερωσύνην τοῦ Ποσειδῶνος "Eos- 
χϑέως auf Lykurg bezogen. 

4) A. O. 5. 842° ἦν δὲ καὶ παρρησιαστὴς διὰ τὴν εὐγένειαν. 


300 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


Hingabe an den öffentlichen Dienst hat ihn niemand übertroffen. 
Erfüllt von gläubiger Ehrfurcht für die heimischen Götter, deren 
Feste er, wo ihnen Abbruch geschehen war, mit neuem Glanze aus- 
zustatten Bedacht nahm ', hatte Lykurg in dem Umgange mit Phi- 
losophen — er wird unter Platons Zuhörern genannt und hielt Xe- 
nokrates besonders werth ? — seinen sittlichen Ernst nur gestählt: 
er bewunderte die Gesetze der Spartaner und sah in ihnen ein Vor- 
bild von dem Athen lernen könne ὁ. Sinnlicher Genufs lockte ihn 
nicht: wie Sokrates trug er dasselbe Obergewand Winters und Som- 
mers und legte nur an Festtagen Fufsbekleidung an *. Und wie er 
selbst jeden Luxus verschmähte, so suchte er auch unter seinen 
Mitbürgern eitlem Prunke durch Verbote zu steuern, denen, wie 
eine Anekdote erzählt, seine eigene Frau widerstrebte °. Indessen 
war Lykurgos bei seinem schlichten Sinne der Kunst nicht abhold. 
Seine Rede beweist wie lebhaft er die Dichter bewunderte. Aber 
wenn er auch durch seine Festveranstaltungen die Preise für neue 
Leistungen vermehrte, so erkannte er doch gerade in den Werken 
der alten Dichter eine heilsame Zucht zu vaterländischer Tugend °: 
auf seinen Antrag sind, nicht ohne dafs ein Widerspruch versucht 


1) Den Wettstreit im Komos an dem Topffeste erneuerte Lykur- 
gos und gab dem Sieger höhere Auszeichnung: a. 0.5. 841°. Vgl. Phi- 
loch. VI fr. 137 (Schol. Ar. Frösche 217). Die dithyrambischen Chöre 
zu Ehren des Poseidon im Peiraeeus scheint er neu gestiftet zu haben; 
a. O. S. 8422. Meier a. O. S. XLII. 

2) Olympiod. schol. zu Plat. Gorg. $. 515% (Jahns nJhb. Suppl. 
XIV, 395) ὁ Φιλίσκος τὸν βίον γράφων τοῦ Avaoveyov φησὶν ὅτι μέ- 
γας γέγονε Λυκοῦργος καὶ πολλὰ κατώρϑωσεν, ἃ οὐκ ἔστι δυνατὸν 
κατορϑῶσαι τὸν μὴ ἀκροασάμενον τῶν λόγων Πλάτωνος. Polemon b. 
Diog. v. L. 3, 46 (s. Röper Philol. III, 59). L. 4. X R. 5. 841», Über 
Xenokrates ebend. 5. 842», Plut. Flam. 12. Meier a. Ὁ. S. XLVf. 

3) Lyk. wLeokr. 128 S. 166; vgl. 105 —110 8. 102. 

4) Hypereid. fr. 139 (b. ‚Aps. Rh. 5. 545) tive φήσουσιν ol πα- 
ριόντες αὐτοῦ τὸν τάφον; οὗτος ἐβίω μὲν σωφρόνως κτλ. f. Eux. ὁ, 
26; vgl. L. d. X R. 5. 842fu. S. 842e, von Photios Bibl. 268 S. 497}, 
3 richtig umschrieben; vgl. Böckh Sth. I, 160. 

5) Sein Verbot L. d. X R. 842% ἐπὶ ξεύγους um ἀπιέναι γυναῖκα 
Ἐλευσῖνάδε, ὅπως μὴ ἐλάττωνται (αἴ δημοτικαί Phot.) ὑπὸ τῶν πλου- 
σίων κτλ. Aelian. V. G. 13, 23. Meier ἃ. O. S. XLIV zieht die ganze 
Anekdote in Zweifel. 

6) WLeokr. 100. 101. 102. 104. 107. 108. 110 5. 160—164. 92 
S. 159. 


Athenische Staatsmänner. Lykurgos. 901 


wurde, Aeschylos Sophokles Euripides eherne Bildsäulen errichtet 
worden '. Die Werke dieser Meister galten ihm als ein theures 
Erbe, das nicht verwahrlost werden dürfe: um den willkürlichen 
Änderungen der Schauspieler zu wehren gab er ein Gesetz, es 
sollten Handschriften ihrer Tragödien im Staatsarchive aufbewahrt 
werden, und der Staatsschreiber sollte bei der Aufführung nach- 
lesen: jede Abweichung von der Urschrift ward untersagt en ηῇ 
wenn er später, als er die höchsten Finanzämter einsichtsvoll und 
mit echter Kunst verwaltete ?, die Burg mit Wallenrüstungen und 
Kriegszeug füllte und die Flotte an Zahl und Seetüchtigkeit der 
Kriegsschiffe wesentlich emporbrachte, so hatte er doch auch Mit- 
(01 bereit Athen mit Kunstbauten zu schmücken, wie sie keine Ver- 
waltung seit der perikleischen aufzuweisen hatte, 

Der ehrenhafte strenge Charakter des Lykurgos prägte sich 
auch in seiner Beredsamkeit aus. Sie war die Frucht nicht sowohl 
eines angebornen Talentes als eines beharrliehen Studiums, das er 
nicht blofs als Jüngling geübt hatte — ob in der Schule des Isokra- 
tes, wie überliefert wird *, oder anderer Lehrer lassen wir dahinge- 
stellt — sondern zu dem er auch in späteren Jahren noch sieh un- 
terweisen liefs. Aus dem Stegreife zu sprechen fiel ihm schwer: 
Tag und Nacht bereitete er sich vor wenn er sprechen wollte °, und 
das Lob des heilsamen Fleifses das sich aus seinen Schriften erhal- 
ten hat ®, ist ihm gewils aus tiefster Seele gekommen. Dennoch 
lehrt die eine Rede, welche uns übrig geblieben ist von fünfzehn die 
das Alterthum von ihm kannte, und die Urteile der Rhetoren be- 
stätigen es, dafs Lykurgos bei allem Streben nach kunstmäfsiger 
Form’ des Gegenstandes nicht vollkommen Herr zu werden ver- 


1) L.d. XR. S. 841. Dagegen sprach Philinos: 5. Harp. u. ϑεω- 
ρικά. Sauppe OA. II, 319. Die Statuen der drei Dichter im Theater 
erwähnt Paus. 1, 21, 1. 2; vgl. Athen. 1 S. 1909. 

ΟΣ KR. a. 0. Vgl 0. Buch I, 5. 

3) Böckh Sth. I, 509 ἢ, 

4) L.d. X R. S. 841b. Anon.L. ἃ. Is. $. 256 West. Cie. de or. 2, 
23, 94. Vgl. o. Buch II, 2. Mätzner führt in seinem Commentare 
viele einzelne Wendungen auf Nachahmung des Isokrates zurück, wel- 
che dieser Schule. nicht allein eigen waren; vgl. Meier a. Ὁ. S. IX. 

5)L.d. X R. 8. 842«, 

ΠΡ 105 ὃ. Rutıl, Τὶ, 1, 13, 

7) Als kunstmälsigen Redner bezeichnet sich L. selbst wLeokr. 31 
S. 152. Über die Zahl seiner Reden 5. Sauppe OA. II, 258. 


302 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


mochte. Wir schlagen es nicht so hoch an, was von alten Kritikern 
bemerkt wird, dafs sein Ausdruck oft etwas hartes und rauhes hat, 
namentlich in den häufigen Metaphern, dafs die Sätze hie und da 
nur lose gefügt sind: denn im allgemeinen ist die stilistische Durch- 
arbeitung nicht zu verkennen. Aber es wiederholen sich dieselben 
(Gedanken in ermüdender Weise: die Rede entwickelt sich nicht 
harmonisch nach innerer Nothwendigkeit, sondern verbreitet sich in 
vielfältigen Abschweifungen auf Mythen und Geschichten, auf alte 
Urkunden und Aussprüche der Dichter, über denen man die Sache 
um die es sich handelt beinahe aus den Augen verliert. Allein wenn 
der Redeweise des Lykurgos die Anmuth abgeht und sie nicht durch 
raschen Flufs uns fortreifst, so fesselt sie dagegen durch Adel der 
Gesinnung und durch sittliche Würde !, und deshalb war sie auch 
von grolser Wirkung bei den Athenern ἢ. Lykurgos hat viel ge- 
sprochen, namentlich vor Gericht; theils als Fürsprecher für be- 
klagte, wo seine Stimme von grofsem Gewicht war ?, denn die Rich- 
ter bauten auf seinen unverbrüchlichen Rechtsinn *; vorzüglich aber 
als Ankläger. Das Urteil der höheren römischen Gesellschaft, welche 
in dem Geschäfte des Anklägers etwas gehässiges sah °, war in sol- 


1) Dionys. üb. d. alten Schriftst. 5, 3 S. 433. Hermog. üb. d. 
Redeweisen 2 ὃ. 389. Vgl. Pinzger 1. s. Ausg. S. 28ff. Westermann 
G. d. gr. Beredsamk. S. 101. Sauppe 1. d. Verhandl. d. Philologen- 
vers. in Dresden S. 128. Dionysios hat in dem Werke über die alten 
Redner L. nicht in die Reihe der ersten Meister aufgenommen (4 S. 451, 
Is. 20 S. 628f. Dein. 1 5. 629£.); im Schr. an Amm. 1, 2 8. 722f. 
nennt er ihn als einen bedeutenden ἀγωνιστὴς λόγων ῥητορικῶν. Vgl. 
Cie. Brut. 9, 36. 

2) Hypereid. f. Lyk. c. 15 οὐκ ἀπείρως ἔχων τοῦ λέγειν, εἰωϑὼς 
δὲ πολλάκις ἀγωνίξεσϑαι. f. Eux. c. 26 A.— οὔτε τῷ λέγειν οὐδενὸς 
τῶν ἐν τῇ πόλει καταδεέστερον ὄντα, παρὰ τούτοις TE μέτριον καὶ 
ἐπιεικῆ δοκοῦντα εἶναι. L. d. X R. 5. 8421, Vgl. Dion Chrys. 18, 
11 5. 256 Mor. Δυκούργῳ, ἐλαφροτέρῳ (Gegensatz etwa ἐπαχϑὴς καὶ 
φορτικὸς) τούτων (als Hypereides und Aeschines) ὄντι καὶ ἐμφαένοντί 
τινα ἐν τοῖς λόγοις ἁπλότητα καὶ γενναιότητα τοῦ τρόπου. 

3) L.d. X R. 8. 8416. ἃ. 3 dem. Briefe 83. 1475, 28. Vgl. Dem. 
fr. 66 (b. Rut. L. 2, 4). 

4) Vgl. Lykurg. fr. 98 (Ὁ. Stob. Anth. 27, 10) δεὲ φίλοις καὶ τοῖς 
οἰκείοις βοηϑεῖν ἄχρι τοῦ μὴ ἐπιορκεῖν. 

5) Cie. Brut, 34, 190 M. Brutus, in quo magnum fwt, Brute, de- 
decus generi vestro; qui — accusationem factitaverit, ut Athenis Lycurgus. 


Athenische Staalsmänner. Lykurgos. 303 


cher Ausdehnung den Athenern fremd: die Sykophanten hafsten und 
verachteten sie, aber wer wie Lykurgos Frevel und Pilichtverges- 
senheit verabscheute und mit edlem Zorne zu gerichtlicher Strafe 
zog ', dem versagten sie ihre Ehrfurcht nicht. Der früheste Pro- 
cess bei dem wir ihn thätig sehen — er war aber damals schon oft 
vor Gericht aufgetreten — war die Meldeklage wider Lykophron, 
einen reichen Athener von ritterlichem Stande, wegen an einer 
Erbtochter verübter Schändung und Ehebruchs ἢ. Heiliges Recht zu 
wahren hielt Lykurgos überhaupt für seinen besonderen Beruf: 
Kränkung priesterlicher Würde scheint er in seiner Rede über die 
Priesterin der Athena geahndet zu haben®. Vorzüglich schritt er 
später ein gegen Männer welche in der Stunde der Gefahr dem Va- 
terlande nicht treu gedient oder ihm den Rücken gewandt hatten: 
hier kannte er keine Rücksicht und kein Erbarmen, es lag elwas 
drakontisches in seiner herben Strenge *. In der Volksversamm- 
lung hat Lykurgos, so viel wir beurteilen können, vorzüglich über 
innere Angelegenheiten gesprochen die mit seinem ‚Priesteramte, 
mit der Sittenzucht und mit der Finanzverwaltung zusammenhien- 
gen: viele Gesetze und Volksbeschlüsse, bei deren Abfassung er 
sich der geschiekten Hand des Eukleides von Olynth bediente, wur- 
den seinen Anträgen gemäfs erlassen °. Die auswärtige Politik blieb 
ihm nicht fremd; er war einer der entschiedensten Gegner der ma- 
kedonischen Bestrebungen, und hat sie nicht nur daheim sondern 


1)L.d.X RR. 3. 8414, Vgl. Lyk. wLeokr. 4 $. 148. 

2) Sauppe OA. II, 2078, Dagegen verfalste Hypereides die Ver- 
theidigungsrede für Lykophron. Vgl. Schneidewin schol. in Hyp. >. 
57ff. und m. Rec. in Jahns nJhb. 68, 28#t. 

3) Sauppe a. Ὁ. 264#. L. ἃ. X R. 8. 843° εἶπε δὲ καὶ περὶ ἱερῶν 
πολλάκις. Vgl. 5. R. wLeokr. 1f. S. 148. 91ff. S. 159#f. 

4) Diod. 16, 88 A.— τῶν τότε βδητόρων μέγιστον ἔχων ἀξίωμα — 
βίον δ᾽ ἐξηκὼς ἐπ᾽ ἀρετῇ περιβόητον, πικρότατος ἦν κατήγορος κτλ. 
1,. ἃ. X R. 5. 8414 ὡς καὶ τῶν σοφιστῶν ἐνίους λέγειν Λυκοῦργον οὐ 
μέλανι, ἀλλὰ θανάτῳ χρίοντα τὸν κάλαμον κατὰ τῶν πονηρῶν οὕτω συγ- 
γράφειν. Das ist eben das Wort welches Demades von Drakon gebraucht 
hatte (fr. 17 b. Plut. Sol. 17. Tzetz. Ch. 5, 348) ὅτι δι᾿ αἵματος, 
οὐ διὰ μέλανος τοὺς νόμους ὁ εΙράκων ἔγραψεν. Vgl. Lyk. wLeokr. 
048, S. 156. Taylor vergleicht Cie. ad Att. 1, 18. Amm. M. 22, 9. 
30, 8. 

5) L.d. X R. 5. 84le, 842be, 841» ἐπολιτεύσατο ἐπιφανῶς καὶ λέ- 
yov καὶ πράττων. 


304 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


auch als Gesandter aufserhalb Athens bekämpft: aber mit der Lei- 
tung der Volksgemeinde in dieser Beziehung scheint er sich we- 
niger befalst zu haben. ; 

In vielen Stücken von Lykurgos verschieden .war Hypereides, 
des Glaukippos Sohn von Kollytos ', nach Demosthenes der bedeu- 
tendste Redner der antimakedonischen Partei. Auch er war einer 
namhaften athenischen Familie entsprossen ?. Philosophisch und 
rhetorisch gebildet — es heifst, er habe mit Lykurgos zusammen Pla- 
ton und Isokrates gehört *? — begann er wie sein wohl etwas älterer 
Zeitgenosse Demosthenes, jedoch ohne dafs er in eigener Sache 
Rechtshändel anhängig zu machen hatte, seine Laufbahn als An- 
walt, indem er für andere theils Reden schrieb theils als Fürspre- 
cher vor Gericht das Wort führte*. Zugleich wandte er sich 
den Staatsangelegenheiten zu. Schon um den Anfang der 105. 
Olympiade (360) verfalste er eine Rede wider Autokles, als dieser 
nach seinem thrakischen Commando des Verrathes angeklagt war °, 
und bald darauf scheint er als athenischer abgeordneter den Streit 
der Thasier und Maroniten über Stryme vermittelt zu haben. Inzwi- 
schen war er auch späterhin vielfach als Anwalt thätig und mag als 


1) Seeurk. XIIIe, 102. XIV4, 246 Ὑπερείδης Γλαυκίππου Κολλυ- 
τεύς. Über die Schreibart des Namens vgl. FGKiefsling in Lyeurgi 
fragm. 5. 153ff. Sauppe OA. II, 275. Im L. ἃ, X R. 8484 wird noch 
Dionysios als Grofsvater genannt. Bei Suidas u. d. N. steht: ‘T., υἱὸς 
Πλαυκίππου tod ῥήτορος (οὗ δὲ Πυϑοκλέους), die letzten Worte ganz 
ungehörig, der Zusatz τοῦ ῥήτορος wahrscheinlich von dem Enkel auf 
den Grofsvater übertragen: s. L. ἃ, XR. a. Ὁ. ἔσχε δὲ υἱὸν ὁμώνυμον 
τῷ πατρὶ Γλαύχκιππον, ῥήτορα καὶ λόγους συγγράψαντα. Plut. Phok. 4. 


2) Erbbegräbnifs seiner Familie vor dem Reiterthore. L. ἃ. Χ Ἐ. 
S.:849°. Suid. u. ἃ. N. 


3) A. Ο. 5. 8484, Suid. Als Platons Zuhörer hatte ihn Chamaeleon 
genannt, Diog. v. L. 3, 46 (Röper), unter Isokrates Schülern führte 
Hermippos III fr. 64 b. Athen. 8 5. 342° ihn auf; vgl. L.d. XR. 5. 
8374 ὡς δέ τινές φασι, καὶ Ὑπερείδης καὶ Ἰσαῖος. Philostr. L. ἃ, Soph. 
1, 17, 4. Anon. L. ἃ. Is. S. 256 West. Cie. de or. 2, 23, 9. 

4) L. ἃ. X .R. 8. 848e τὸ δὲ πρῶτον μισϑοῦ δίκας ἔλεγεν. Hyp. 
f. Eux. e. 38 ἐδιώτην οὐδένα πώποτε ἐν τῷ βίῳ ἔκρινα, ἤδη δὲ τισι 
καϑ' ὅσον ἐδυνάμην ἐβοήϑησα. 


5) Kiefsling a. O. 8. 233. Sauppe OA. II, 284. Vgl. ο. Buch I, 
3 ıumd Beilage V. 


Athenische Staalsmänner. Hypereides. 305 


solcher sein ererbtes Vermögen bedeutend gemehrt haben '. Denn 
er war begütert und hat als Trierarch wie als Ghorege ansehnliche 
Leistungen bestritten ?, nicht minder auch für seine Person grolsen 
Aufwand gemacht. Denn die Nüchternheit des Demosthenes, die 
strenge Entsagung des Lykurgos war nicht nach seinem Sinne: ihn 
reizte ein Leben im Genusse der Freuden der Welt ®. Die Komö- 
die hat ihn als Feinschmecker verspottet; frühmorgens hielt er sei- 
nen Umgang um den Fischmarkt. Auch dem Spiele huldigte er‘; 
vor allem aber war er den Weibern ergeben. Nach der Mutter 
Tode mufste sein Sohn Glaukippos das väterliche Haus verlassen und 
eine verschwenderische Buhlerin, die Myrrhine, zog ein ; im Peiraeeus 
unterhielt Hypereides die Aristagora, der er nachmals einen Process 
anhängte, in Eleusis auf seinem Gute die Thebanerin Phila, die er 
mit schwerem Gelde aus der makedonischen Kriegsbeute losge- 
kauft hatte®. Berufen ist seine Liebschaft mit der Phryne: als 
Euthias, der verschmähte Liebhaber, diese in seiner Eifersucht der 
Gottlosigkeit auf den Tod anklagte, ward auch Hypereides in den 
Process verwickelt, und so geschickt er auch die Vertheidigung 
führte, war doch der Ausgang zweifelhaft. Da rifs Hypereides das 
Obergewand der Phryne herunter, und indem er das schöne Weib 
mit entblöfstem Busen den Richtern vorstellte, beschwur er sie sich 
an ihr, die Aphrodite zu ihrem heiligen Dienst erkoren, nicht zu 
vergreifen: und die Richter, von ihren Reizen geblendet, sprachen 
sie frei®. Auch in Sachen einer Demetria und Mikka hat Hypereides 
Reden verfafst ”, und jenem Lykophron, den Lykurgos schnödes 


1) Die Rede für den reichen Euxenippos, die H. als dessen Für- 
sprecher hielt, fällt in Alexanders Zeit, etwa Ol, 111, 4, 333. 

2) L.d. X R. S. 848°. Vgl. u. Cap. 7. 

3) Vgl. fr. 239 (in Stob. app. flor. 5. 41) un δύνασϑαι καλῶς ξὴν, 
un μαϑὼν τὰ καλὰ τὰ ἐν τῷ βίῳ. 

4) Timokles, Philetaeros (Meineke fr. com. III, 593f. 602f. 293) 
und Hermippos fr. 64 (vgl. L. ἃ. X R. 5. 8499) bei Athen. 8, 27 5. 
34le — 342°. 

Ὁ) Idomeneus fr. 12 b. Athen. 13 S. 590° u. L. ἃ. X R. 5. 8494, 
Suid. u. ἃ. N. Vgl. Sauppe OA. II, 278 z. ἃ, Fragmenten der Reden 
κατ᾽ ᾿ἀρισταγόρας ἀπροστασίου. 

6) Sauppe OA. II, 801 δ. 319f. 

7) Eb. 5. 290. 296. Kiefsling a. O. 214. Die Reden πρὸς Τιμάν- 
δραν und κατὰ Πατροκλέους προαγωγείας (Sauppe a. O. S. 300. 297) 
werden als unecht bezeichnet. 

DEMOSTHENES II. 20 


306 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


Ehebruchs halber mit einer Meldeklage belangte, setzte Hypereides 
die Vertheidigung auf!. 

Bei einem solchen Lebenswandel gieng Hypereides die Würde 
und Hoheit des Charakters ab, welche Demosthenes und Lykurgos 
über alle ihre Zeitgenossen erhoben: er war so recht ein Kind des 
Athens jener Zeit. Aber bei aller Sinnlichkeit stand Hypereides in 
seiner politischen Überzeugung fest und unabhängig und hat sich 
dem Dienste seines Vaterlandes mit feuriger Hingebung gewidmet. 
Aristophon den Azenier zog er vor Gericht, als dieser im höchsten 
Ansehen stand und nach Belieben in Athen schaltete: so wirksam 
schilderte er die an Bundesgenossen verübten Erpressungen und 
Bedrückungen, so freimüthig brachte er die Misbräuche der Fi- 
nanzverwaltung zur Sprache, dafs der mächtige Staatsmann nur 
mit einem mehr von zwei Stimmen freigesprochen wurde”. In 
welcher Sache Hypereides den einflufsreichen Diopeithes von Sphet- 
tos ebenfalls mit einer Meldeklage belangte, wissen wir nicht ?. Seit 
dem Friedensschlufse mit Philipp finden wir Hypereides an der 
Seite des Demosthenes im Kampfe gegen die makedonischen Um- 
triebe und deren Heger und Pfleger, in der athenischen Volksver- 
sammlung wie vor Gericht oder auf auswärtigen Gesandtschaften, 
und er stand nicht zurück wenn es galt für das gemeine beste per- 
sönliche Opfer zu bringen. Im Laufe der Jahre hat sich sein Eifer 
nur gesteigert: als Demosthenes besonnener Weise nicht um des 
Harpalos willen den Frieden stören lassen wollte, brach er mit ihm 
und trieb ihn in die Verbannung. Der lamische Krieg ist vorzüglich 
sein Werk gewesen, und er hat für seinen freimüthigen Widerstand 
gegen die 'makedonische Obmacht mit seinem Blute bezahlt. ᾿ 

Von den zahlreichen Reden des Hypereides — man zählte zwei 
und fünfzig die für echt galten * — ist vollständig nur eine, zwei 


1) Vgl. über diese Rede, von der ACHarris und Jos. Arden 
einen Theil aufgefunden haben, meine Recension in Jahns nJhb. 68, 
27 — 80. 

2) S.:o. Buch I, 3. 

3) Hyp. f. Eux. c. 39. 

4) L. d.XR. 5. 8494 φέρονται δ᾽ αὐτοῦ λόγοι οζ΄, ὧν γνήσιοί εἶσι 
νβ΄. Über andere Zahlen. bei Suidas u. Schol. Aesch. 2, 18 5. 80 5. 
Sauppe OA. II, 275£. Sauppe führt 65 Reden auf, oder da 1. 5. 59 
je zwei Reden begreifen, 68; hiezu kommt noch die Rede für Euxe- 
nippos und wider Diopeithes, im ganzen 70 Reden, von denen sieben 


Athenische Staatsmänner. Hypereides. 307 


andere in Bruchstücken neuerdings aus den ägyptischen Katakom- 
ben ans Licht gezogen, aber diese Reste in Verbindung mit den Ur- 
teilen alter Schriftsteller lassen uns ein hinlängliches Bild von der 
hypereideischen Beredsamkeit gewinnen '. IHypereides war mit einem 
reichen schönen Talente begabt und vermochte jeden Gegenstand 
mit Geist und Geschmack zu behandeln. Ihm ist nicht die Tiefe 
und Grofsartigkeit der Gedanken, durch welche uns Demosthenes 
begeistert, nicht der herbe Ernst des Lykurgos eigen: er hat sich 
weder in den Thukydides versenkt noch den Lehren der alten Dich- 
ter mit gläubiger Vorliebe hingegeben, sondern er steht mitten im 
attischen Leben seiner Tage und die Komödie scheint auf seine Re- 
deweise besonders eingewirkt zu haben. Sein Ausdruck ist nicht 
immer gewählt, aber treffend und naturwüchsig; er besinnt sich 
nicht neue Wörter zu bilden und flicht gern Sprichwörter und 
Wendungen des gemeinen Lebens ein?. Der Satzbau, nicht eben 
abgerundet und reichgeghedert, spricht eben durch seine Einfach- 
heit an; rasche Übergänge geben der Rede Leben und Bewegung. 
Überall ist die feine Bildung des Redners nicht zu verkennen, aber 
eine strenge Schule und sorgsame Feile spüren wir nicht. Mit 
vorzüglichem Geschick behandelte Hypereides minder verwickelte 
Rechtsfälle. Ohne viel Umstände kommt er zur Sache, erzählt den 


(2b. 8. 14. 16. 19. 42. 51) als unsicher bezeichnet werden. Indessen wird 
die 33. Rede wider Meidias nicht Hypereides, sondern seinem Sohne 
Glaukippos zuzuweisen sein (5. Philol. IX, 163#f.); ob die Reden wider 
Diopeithes, wider Philokrates (56), über die Feldherrn und über die 
Kriegsschiffe (49, 52) herausgegeben sind, steht dahin. So bleiben 
immer noch 58, von denen einige unter verschiedenen Titeln doppelt 
gezählt sein (35 u. 36, 40 u. 41, 44 und 46?), andere zu den zweifelhaf- 
ten gehören mögen. 

1) Vgl. Westermann G. d. gr. Beredsamkeit I, 122. Sauppe i. d. 
Verh. ἃ, PhV. in Dresden $. 128. Schneidewin Vorrede zu Hyp. orat. 
S. XIVfl. Die Hauptstellen, auf die ich ein für allemal verweise, 
sind Dionys. Deinarch. 5—8 S. 639—645. üb. die alten Schriftsteller 
9, ὁ 8. 434f. Hermog. üb. die Redegatt. 2, 11 S. 382. Longin. üb. ἃ. 
erhabene 34, 

2) Sprichwörter fr. 3. 34. 61. 211. Aus der Komödie 157. 181. 276, 
aus dem gemeinen Leben 60. 278. (= f. Lyk. e. 14) u. and.; selbstge- 
bildet 183 ἀλιμενία. 254 ἀναισχύντημα. wDem. 9 προαναισχυντεῖ. Man- 
ches der Art wird von Pollux, Phrynichos, Hermogenes a. O. (vgl. Li- 
ban. Einl. zu Dem, $S. 211, 10) getadelt. Vgl. auch Quint. 12, 10, 22. 

20" 


308 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


Thatbestand klar und geistvoll, ohne Weitschweifigkeit, gemäfs den 
Personen für die er schreibt, in verschiedenen Reden auf manigfal- 
tige Art, hierin wie in vielen andern Stücken Lysias zu vergleichen '. 
Aber auch den Beweis führt Hypereides rechtskundig und vielseitig, 
und namentlich versteht er es am Schlusse überzeugend und ein- 
dringlich zu resumieren *. Am besten kleidet seine Rede Witz und 
Laune: aber die schalkhafte Ironie geht oft auch in Schmähung über 
und steigert sich zu bitterem Hohne *. Weniger ist Hypereides 
dazu geschaffen auf unser Gefühl zu wirken: nicht als hätte er nicht 
auch zu Zeiten mit innerer Bewegung reden und lebhafte Theil- 
nahme erwecken können, aber in tiefster Seele zu ergreifen und zu 
erschüttern vermag seine Rede nie *. Hat daher Hypereides anch 
nicht das höchste in der Kunst erreicht — es war eine Verirrung 
weniger Rhetoren, vorzüglich der rhodischen Schule, ihn über De- 
mosthenes zu stellen °— so fesselt er uns doch durch die Frische und 
natürliche Anmuth seiner Beredsamkeit und vereinigt überhaupt so 
viele Vorzüge, dafs er einer der beliebtesten Redner seiner Zeit 
geworden ist ®, und die Nachwelt hat ihm unbedingt den nächsten 
Platz nach Demosthenes zuerkannt’. 


1) Vgl. Quint. 10, 1, 77. Hermog. a. Ὁ. 2, 6 S. 331. Dion Chrys. 
18, 11 S. 256 M. Im L. d. X R. 5. 850% steht λέγεται δὲ &vev ὑποκρί- 
σεως δημηγορῆσαι, καὶ μόνον διηγεῖσϑαι τὰ πραχϑέντα καὶ τούτοις 
οὐκ ἐνοχλεῖν τοὺς δικαστάς. Die Worte sind confus und mengen Staats- 
und Gerichtsreden durch einander. Dafs H. ohne alle Action gespro- 
chen habe ist kaum glaublich. 

2) Vgl. fr. 80. 139 b. Apsin. Rh. 12 S. 545. 547. 

3) Vgl. fr. 102 u. 204 (b. Alex. de schem. S. 457). Plut. Rathschl. 
f. 4. Staatsm. 14 5. 8104. Phok. 10 καίτοι φασὶν 'T. ποτὲ εἰπεῖν πρὸς 
τὸν δῆμον: “μὴ σκοπεῖτε μόνον, εἶ πικρός, ἀλλ᾽ εἰ προῖκα εἶμι πικρός"; 
vgl. v. d. Schmeichl. 20 S. 67}, : 

4) Vgl. Theon prog. S. 167. Hermog. a. Ὁ. 1,6 S. 219 und ἅ. 
Schol. b. Sauppe OA. II, 286%, 35. ᾿ 

5) 1.. ἃ. X R. $. 8494, Phot. bibl. 260 5. 495, 6. Dionys. Dein. 
8 S. 645, 10. Messalla nahm ihn zum Vorbilde und übersetzte unter 
andern die Rede für die Phryne, Quint. 10, 5, 2. Vgl. 1,5, 61. 

6) Cic. Brut. 84, 290. 

7) Vgl. Cicero de or. 3, 7,23 suwavitatem Isocrates, subtilitatem Lysias, 
acumen Hyperides, sonitum Aeschines, vim Demosthenes habuit. or. 31, 
110 Demosthenes — nihil Lysiae subtlitate cedit, nihil argulüs et acu- 
mine Hyperidi, nihil levitate Aeschini et splendore verborum. Mit Lysias 
erscheint Hypereides als Vorbild attischer subtlitas Brut. 82, 285. 


Athenische Staatsmänner. Nausikles. Diotimos. 309 


Neben Demosthenes Ilypereides Lykurgos haben auch andere 
angesehene Männer die makedonische Partei bekämpft: so Kallisthe- 
nes ', Polyeuktos von Sphettos, der mit besonderer Auszeichnung 
genannt wird (Phokion spottete über seine Wohlbeleibtheit) δ, He- 
gesippos von Sunion, Diotimos von Euonymia, Nausikles. Nausi- 
kles und Diotimos zeichneten sich durch ihre Bereitwilligkeit zum 
gemeinen besten beizusteuern unter den Trierarchen aus: sie sind 
beide zum Feldherrnamte berufen worden und haben für freie Ga- 
ben Ehrenkränze empfangen ®. Als Feldherr hatte Nausikles schon 
01. 106, 4.352 einen wichtigen Auftrag glücklich vollzogen: er war 
es, der Philipp den Marsch durch die Thermopylen verlegte. Auch 
nach der Niederlage bei Chaeroneia stand er Demosthenes treu 
zur Seite: während die Bürgerschaft sich scheute den Namen des 
Redners an die Spitze ihrer Beschlüsse zu setzen, gab er den sei- 
nigen dazu her*. Diotimos hatte mit andern reichen und ehren- 
werthen Trierarchen die Verurteilung des Meidias abzuwenden ge- 
sucht: um das Ende der 109. Olympiade leistete er mit Demosthenes 
Hegesippos und andern Bürgschaft für die den Chalkidiern geborgten 
attischen Trieren ®. Ol. 110, 3. 338 befehligte er zur See und damals 


Quint. 10, 5, 2. Über die vielgerühmte χάρις des Hypereides auch 
Demetr. v. Magn. b. Dionys. Dein. 1 5. 631, 14. 

1) Vgl. o. S. 276. 

2) Plut. Phok. 9. P. war mit Demosthenes, Lykurgos und Hege- 
sippos Ol. 109, 2. 342 als Gesandter im Peloponnes: Phil. 3, 72 S. 129, 
18 Πολύευκτος ὃ βέλτιστος ἐχεινοσί. Sein Urteil über Phokions und 
Demosthenes Reden (μέγιστον μὲν κτλ.) s. 0. S. 48, 3. 

3) Dem. vKr. 114. 117 S. 264, 22. 266, 2. 

4) Aesch. 3, 159 $. 76. Ein reicher Bergwerksinhaber d. N., der 
bei der Bürgerschaft in Achtung gestanden haben mufs, kommt bei 
Hyp. f. Eux. e. 43f. vor. Ein Nausikles von Oie wird Ol. 113, 3. 326 
in der Trierarchenrechnung aufgeführt: im nächsten Jahre lieferte sein 
Erbe den Posten ab (Seeurk. XIII“, 119. XIV, 237). Vielleicht war dies 
der Feldherr; vgl. u. 5. 310, 3. Böckh Seew. S. 245. Der Freund des 
Aeschines wird von ihm zu unterscheiden sein (vgl. ο. 5. 182,2); aber mit 
Reeht scheint der Feldherr Nausikles, welcher Ol. 106, 4. 352 in den 
Thermopylen befehligte (Buch II, 7), für dieselbe Person gehalten zu 
werden. Seinen Sohn Klearchos finden wir bei Diod. 18, 64 als an- 
gesehenen Mann erwähnt. 

5) 8. o. 5. 100. Im allgemeinen vgl. Böckh Seew. S. 2306f. 


6) Seeurk. XIV®, 65. Sein Erbe war Olympiodoros ebend, 149. 


310 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


mag er die Schilde geschenkt haben '. Alexander forderte seine 
Auslieferung , wie des Demosthenes Polyeuktos Lykurgos Kallisthe- 
nes?. Ein Jahr darauf, Ol. 111, 3. 334, wurden ihm auf Lykur- 
gos Antrag öllentliche Ehren zuerkannt, vielleicht nach seinem 
Tode ὃ; an der chalkidischen Bürgschaft hatte Ol. 113, 4. 325 sein 
Erbe zu zahlen. 

Etwas mehr wissen wir über Hegesippos, so dürftig allerdings 
und so unzuverlässig (denn sie bestehen fast nur aus Schmähungen | 
von gegnerischer Seite) auch über ihn die Nachrichten sind. He- 
gesippos und sein Bruder Hegesander von Sunion * schlossen sich 
in ihrer Jugend an Leodamas den Redner an: Hegesander ward so- 
gar unsittlicher Hingebung an ihn bezichtigt°. Dürfen wir auf 
Aeschines Lästerreden trauen, so hat er überhaupt ein ausschwei- 
fendes Leben geführt °: Hegesippos, über dessen Lebenswandel uns 
etwas arges nicht gesagt wird (er soll häfslich gewesen sein), erhielt 
von seiner wohlgepflegten Haartour den Spitznamen Krobylos ?. Un- 
ter den Rednern trellen wir Hegesippos zuerst Ol. 103, 4. 364, als 
Leodamas in der oropischen Sache Kallistratos und Chabrias an- 
klagte: er soll mit drohenden Worten Platon gewarnt haben sich 


1) Seeurk. XIIIe, 59. ΧΙ, 198. Dem. vKr. a. O. 

2) Arrian. 1, 10, 4f. Plut. Dem. 23. 

3) L.d. X RR. 5. 8442 ἐψηφίσατο δὲ καὶ (Δυκοῦργος) Jıorlum Jıomei- 
ϑους Εὐωνυμεῖ τιμὰς ἐπὶ Κτησικλέους ἄρχοντος (Ol. 111, 3). In dem 
(gefälschten) 3. demosthenischen Briefe 91 S. 1482, 5 wird er nebst Nau- 
sikles als verstorben erwähnt. Vgl. Böckh Seew. S. 236. S. auch L. ἃ. 
X R. 5. 8489 φίλος δὲ ὧν τοῖς περὶ “Πημοσϑένην καὶ Avoınlda καὶ 
Avnodoyov (Ὑπερείδης) οὐκ ἐνέμεινε μέχρι τέλους, ἀλλ᾽ ἐπεὶ Λυσικλῆς 
μὲν καὶ Λυκοῦργος ἐτεϑνήκεσαν, Ζημοσϑένης δ᾽ ὡς παρ᾽ Ἁρπάλου 
κτλ. Hier ist Ναυσικλέα und Ναυσικλῆς zu lesen. Vgl. 5. 844! (An- 
μοσϑένης) συμπολιτευόμενος Ὑπερείδῃ Navoınkei Πολυεύχτῳ Lıorium. 

4) Aesch. 1, 63 5. 9. Seeurk. XIV*, 69. 

5) Aesch. 1, 111 S. 15. 69. S. 10 Schol. 

6) A. O. HM. S. Sk. 958. 13. IBAN 22. 

7) Aeschines (1, 64 S. 9. 71 S. 10. 110 S. 15. 3, 118 S. 70) nennt 
ihn nur mit dem Spottnamen, den die Komödie aufgebracht hatte; so 
auch Plut. Dem. 17. apophth. 5. 187° u. a. Über den Sinn desselben 
s. Schol. zu Aesch. a. O., Harp. u. Κρωβύλος u. Ἡγήσιππος. Phot. und 
Suid. u. κρωβύλος. Poll. 2, 30. Übrigens ward der Name auch in un- 
keuschem Sinne angewandt: s. Thirlwall VI, 23, 3. Verschieden von 
dem Redner ist der Komödiendichter des Namens: 5. Meineke hist. cr. 
com. gr. 8. 475. 


Athenische Staatsmänner. Hegesippos. 911 


seines Freundes Chabrias nicht anzunehmen '. Einige Jahre später 
gieng Hegesander als Schatzmeister des Timomachos mit nach Thra- 
kien, und nach seiner Rückkehr wurde er zum Schatzmeister der 
Athena erwählt, Ämter welche er, wie Aeschines behauptet, be- 
trüglich und mit Unterschleif verwaltete: damals hatte er sich auch 
mit dem etwas jüngeren Timarchos eingelassen ?. In der Volksver- 
sammlung machte er damals dem mächtigen Aristophon Opposition, 
bis dieser ihn durch Anmeldung einer ehrenrührigen Anklage wegen 
seines Lebenswandels zum Schweigen brachte. Die Rednerbühne 
verliefs Hegesander darum nicht ?, wenn er auch uns als Staatsred- 
ner nicht mehr begegnet: zuletzt wird er von Aeschines als Freund 
und Fürsprecher des Timarchos mit den Schmähungen überhäult, 
unter denen allein sein Name uns überliefert ist. Sicherlich war 
sein Bruder Hegesippos weit bedeutender *. Dieser erhob um Ol. 
105, 3. 357 eine Anklage gegen Kallippos von Paeania, der den 
Volksbeschlufs verfalst hatte, kraft dessen die Athener die Stadt 
Kardia nebst ihrem Gebiete als selbständig anerkannten, wurde 
aber mit seiner Klage abgewiesen’. Etwas später, um den An- 
fang der 106. Olympiade, wurde auf seinen Antrag von den Athe- 
nern das Bündnis mit den Phokiern geschlossen °, und wir finden 


1) Diog. v. L. 3, 23f. 

2) Aesch. 1, 56f. 5, 8. 95 Κ΄. 13 bezieht sich auf Timomachos 
Commando im Hellespont und dessen nachfolgende Verurteilung: also 
auf den bekannten Seedienst dieses Feldherrn von Ol. 104, 4 (Aug. 
bis Febr. 901,0), s. 0. Buch I, 3. Aber zu dieser Zeit stimmen andere 
Umstände nicht. Aeschines sagt nämlich, Hegesander habe, nachdem 
er mit dem Geschwader des Timomachos heimgekehrt, Timarchos zum 
ersten Male gesehen, der damals in blühender Jugend stand. ΟἹ. 104, 
4 aber sals Timarchos bereits im Rathe und Hegesander war Schatz- 
meister der Göttin, konnte also nicht von Athen abwesend sein. Wahr- 
scheinlich begleitete Hegesander den Timomachos bei einem früheren 
Feldzuge, und Aeschines erwähnt die spätere Verurteilung des Feld- 
herren nur um H. zu verdächtigen, 

3) Aesch. 1, 64 8.9. 

“ 4) Hegesander, der eine reiche Erbtochter heimführte (Aesch. 1, 
95 8. 13 m. d. Schol.), wird der ältere Bruder gewesen sein. 

5) Über den Volksbeschlufs des Kallippos und die Schriftklage des 
Hegesippos (ἐμοῦ γ᾽ αὐτὸν γραψαμένου παρανόμων γραφὴν ὑμεῖς ἀπε- 
ψηφίσασϑε) 5. R. üb. Halonn. 42f. 5. 87,5. Vgl. ο. Buch I, 3. 

Ὁ), 5: σ᾽. ‚Buch ıIL,.7. 


34 


312 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


ihn seit jener Zeit unter den entschiedensten Gegnern Philipps ἡ. 
Als solcher hat er 01.109, 1. 343 die Antwort auf die von Python 
im Namen des Königs überbrachte Botschaft verfafst und die darin 
geforderten Abänderungen der Friedensurkunde als Gesandter am 
makedonischen Hofe geltend gemacht: von Philipp in Ungnaden ab- 
gefertigt, hielt er auf dessen späteres Antwortschreiben die Rede, 
welche von einem Puncte den sie behandelt die Rede über Halon- 
nes betitelt wird. Auch zu den peloponnesischen Staaten ist er 
als Gesandter Athens gereist, wie er denn überhaupt auf Krieg mit 
Philipp gedrungen hat”. Bei dieser seiner Gesinnung befremdet 
es uns, dafs wir aus den Zeiten Alexanders keine Spur seiner Thä- 
tigkeit finden’. Unter den Rednern, deren Auslieferung der Ma- 
kedonenkönig begehrte, war er so wenig als Hypereides. Indessen 
mufs er ein hohes Alter erreicht haben“ in Folge der für Chalkis 
übernommenen Bürgschaft hat er noch Ol. 113, 4. 325 eine Zah- 
lung geleistet ἡ. 

Blicken wir noch einmal zurück auf die Männer, welche mit 
Demosthenes in dem Streben vereint waren ihr Vaterland von der 
makedonischen Übermacht frei zu erhalten, so nehmen wir wahr, 
(dafs sie in Charakter und Lebensart vielfach aus einander giengen. 
Während Demosthenes durch seine Nüchternheit und sein unver- 
drossenes Studium, durch den tiefen Ernst mit welchem er seinem 
Berufe als Staatsmann oblag, Lykurg durch schlichte Einfachheit 
und äulserste, Sittenstrenge ehrwürdig dastanden, erscheint der Ruf 
des Hegesippos nicht ohne Makel und die Sinnlichkeit des Hyperei- 
des war offenkundig: einen Timarchos werden wir gleich noch nä- 
her kennen lernen. Aber bei allen Gegensätzen im Privatleben, 
welche sie auch vor Gericht streitenden Parteien sich zugesellen 
liefs, war das Ziel des politischen Strebens dieser Männer eins: an 
die Wohlfahrt und Unabhängigkeit Athens und der Hellenen setzten 


1) Schol. zu Aesch. 1, 64 8. 9 Ἡγήσιππον τὸν μισοφίλιππον. Li- 
ban. Einl. zur R. üb. Hal. 5. 76, 10 u. IV 8. 313 R. Vgl. o. S. 260. 
Vömel prolegg. in or. de Hal. 8. 38f. 

2) S. über diese Vorgänge u. Cap. 3 u. 5. 

3) Die Rede über die Verträge mit Alexander, welche die Scho- 
lien S. 254, 8 Df. auf Hegesippos zurückführen wollen, ist bestimmt 
von anderer Hand als die Rede über Halonnesos. 

4) Seeurk. XIV®, 69 u. dazu Nachträge 5. XVII. 


Athenische Staatsmänner. Timarchos. 315 


sie Gut und Blut. Die Führer waren erbgesessene Bürger von 
Athen, und ihr System lief nicht darauf hinaus die Menge auf Un- 
kosten des gemeinen Wesens schwelgen zu lassen, sondern die Mis- 
bräuche der Verwaltung abzustellen und die vorhandenen Mittel zu 
benutzen um Athens politische Stellung zu behaupten. Darum kämpf- 
ten sie wider Eubulos und die makedonische Partei an und suchten 
überall in Hellas Philipps Übergriffen Einhalt zu thun. 

Der Kampf der Parteien ward in der Volksversammlung und 
in den Gerichten geführt. Wir haben erwähnt dafs Demosthenes 
bei der Rechenschaftsbehörde gegen Aeschines die Klage der Trug- 
gesandtschaft eingegeben habe, und zwar geschah dies nach der 
zweiten Gesandtschaft: die Verantwortung des Aeschines über seine 
dritte Gesandtschaft focht Demosthenes nicht an'. Jene Klag- 
schrift nun war mit unterzeichnet worden von Timarchos. Darauf 
gründete Aeschines eine Ausflucht um nicht sofort Rede stehen zu 
müssen, während seine trugvolle Botschaft noch in frischem Anden- 
ken war und den daran betheiligten Gesandten die bittersten Vor- 
wirfe gemacht wurden: er leitete nämlich gegen Timarchos eine 
Untersuchung wegen schandbaren Lebenswandels ein, der ihn un- 
fähig mache öffentlich das Wort zu führen. Über diese Vorfrage 
mulfste zuvörderst entschieden werden ?: so war Zeit gewonnen un( 
wenn Timarchos schuldig befunden wurde, so war damit der Klage 
wegen der Gesandtschaft die Spitze abgebrochen. 

Dieser Timarchos, Arizelos Sohn von Sphettos (der Vater war 
früh gestorben, seine Mutter lebte hochbejahrt noch zur Zeit des 
P’rocesses) ἦν hatte seit geraumer Zeit sich mit Staatsgeschäften ab- 
gegeben und grofse Thätigkeit entwickelt *. Schon Ol. 104, 4. 361 


1) Aesch. 2, 96 S. 40. Vgl. o. S. 264. 

2) Dem. vdG. 257 5. 423, 17. 28. 341, 16 πρὶν γὰρ εἰσελϑεῖν εἰς 
ὑμᾶς καὶ λόγον δοῦναι τῶν πεπραγμένων τὸν μὲν ἀνήρηκε τῶν ἐπὶ τὰς 
εὐθύνας ἐλθόντων, τοῖς δ᾽ ἀπειλεὶ περιιών κτλ. m. d. Schol. Aesch. 
1, 168 8. 34 ὡς γὰρ τὰς ἐμὰς εὐθύνας βλάπτων, ἃς ὑπὲρ τῆς πρεσβείας 
μέλλω διδόναι. 174 S. 24. Argum. zu Aesch. 1 5, 17 Β. 28. 185 R. u. 
zu Dem. vdG. S. 338, 18. Schol. zu Aesch. 1, 38. 1. 20 S. 3. 168 S. 
24, Vgl. zu dem folgenden FFranke prolegg. in Aesch. or. in Tim, 
5. XXXf. 

3) Aesch. 1, 102—104 5. 14. Über die Mutter 99. Dem. vdG. 283 
S. 432, 12 (wo auch seiner Kinder gedacht ist). 

4) Vgl. Arg. 1 zu Aesch. 18.17 R. διάσημος ὧν ἐν τῇ πολιτείᾳ καὶ Ön- 
μηγορῶν καὶ πλέον ἢ ρ΄ ψηφίσματα γεγραφώς. 


9814 « Viertes Buch. Zweites Capitel. 


sals er im Rathe: damals war er und mit ihm Hegesander , Hegesip- 
pos Bruder, der letztere als Schatzmeister der Göttin, eines Unter- 
schleifs beschuldigt worden; indessen wurde ein wider ihn einge- 
leitetes Verfahren noch im Rathe niedergeschlagen ἡ. Jener Vorfall 
hinderte nicht dafs Timarchos zu vielen Ämtern gelangte, sowohl 
solchen die durchs Loos als die durch Wahl besetzt wurden: es gab 
keines, sagt Aeschines, das er nicht bekleidet hätte. Er war Ge- 
sandter Athens bei hellenischen Staaten ®, Mitglied der Rechen- 
schaftsbehörde, Amtmann auf Andros *, zuletzt in der Commission 
zur Controle der Soldtruppen zu Eretria. Aeschines versichert, er 
habe alle diese Ämter erschlichen und untreu verwaltet: von dem 
letzten führt er an, die andern Mitglieder der Commission, welche 
sich nicht schuldig bekannten, seien mit einem Talent Bufse belegt 
worden, Timarchos der so schamlos war sich gleich schuldig zu 
bekennen und nur um eine milde Strafe bat, sei mit der Hälfte da- 
von gekommen ’. Wie sich die Sache verhielt, können wir nicht 
ermitteln: Zeugnisse sind für diese Beschuldigungen nicht beige- 
bracht. Aeschines erzählt noch, Timarchos habe gleich wieder bei 
der allgemeinen Musterung der Bürgerrollen die Ausstolsung eines 
Bürgers aus seinem Gau durch fälschliches Vorgeben bewirkt, sei 
aber gegen eine Ablindungssumme von der gerichtlichen Verfolgung 
der eingeleiteten Klage zurückgetreten °. Etwas genaueres hören 
wir über Timarchos Thätigkeit im Rathe während des vorigen Jahres 
(01. 108, 2. 347/6). Als noch der Krieg mit Philipp im Gange war, 
also in den ersten Monaten des Jahres, schrieb Timarchos den oben 
erwähnten Rathsbeschlufs, wer darüber betroffen werde, dafs er 
Waffen oder Schiflsgeräth zu Philipp ausführe, solle mit dem Tode 
bestraft werden. Vielleicht gehört dahin ein Fall der Ergreifung 
auf frischer That, über den Timarchos als Rathmann an die Volks- 
gemeinde berichtete ”. Bei einer Verhandlung der Art trat Timar- 


1) 109—112 S. 15£. 

2)0100.8. 0193 

3) 120 8. 17, vgl. 20 8. 3. 

4) 1078. 5. 15. Böckh Sth. I, 533f. 

5) 1188.16. Velnors7g: 

6) 114. 8. 16. Zeuge des Aeschines in dieser Sache ist der Schau- 
spieler Philemon, der in Stücken des Anaxandridas, wohl auch an Phi- 
lipps Hofe, auftrat; s. Aristot. Rhet. 3, 12 8. 1413», 25. Vgl. o. 8. 144,3. 

7) Dem. vdG. 286f. 5. 438, 4. 14. Aesch. 1,808. 11. 8. o. 5. 165. 


Process wider Timarchos. Ψ 315 


chos in der Volksversammlung aller Sitte zuwider, ähnlich wie einst 
Kleon, einem Ringer gleich gegürtet auf'. Aeschines führt fer- 
ner Ausbesserung der Mauern und Thürme als Geschäfte an, über 
welche Timarchos Vortrag erstattete, so wie einen Beschluls über 
Baulichkeiten auf der Pnyx, den der Areopag als Polizeibehörde zu 
begutachten hatte ?. 

Im Rathe safs während desselben Jahres wie wir gesehen ha- 
ben, auch Demosthenes, und die Thätigkeit, welche Timarchos 
in dieser Behörde entwickelte, namentlich der löbliche Eifer mit 
dem er den heimlichen Verkehr mit Makedonien zu unterdrücken 
suchte, mag die Veranlassung geworden sein ihn zur Theilnahme 
an der Klage gegen Aeschines zu veranlassen’. Wir haben oben 
bemerkt, dafs diese Klage binnen dreifsig Tagen nach Ablauf der 
Gesandtschaft erhoben werden mufste, und glauben sie noch in die 
letzten Tage des Skirophorion Ol. 108, 2. 346 setzen zu dürfen ἡ. 
Bald nachher, in eben derselben Volksversammlung, in welcher Au- 
tolykos im Namen des Areopags über jenen Beschlufs, der die Bau- 
lichkeiten auf der Pnyx betraf, ein abfälliges Gutachten vortrug °, 
meldete Aeschines seine Gegenklage an: er forderte Untersuchung 
wider Timarchos auf Grund der Gesetze über Hurerei und über 
Vergeudung des väterlichen Erbtheils und bestritt ihm das Recht in 
der Volksgemeinde oder vor Gericht das Wort zu führen ®. Diese 


1) Aesch. 1,26 $.4 πρῴην ποτὲ ῥίψας ϑοίμάτιον γυμνὸς ἐπαγκρα- 
τίαξεν ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ (vgl. 33 8.5) m. d. Schol, λέγεται δὲ Κλέων -- πα- 
ραβὰς τὸ ἐξ ἔϑους σχῆμα περιζωσάμενος δημηγορῆσαι. Vgl. Plut. ΝΊΚ. 8. 

2) Aesch. ἃ. O. 80ff. S. 111. Vgl. über Timarchos als Rathmann 
(τὸ τελευταῖον) 104 5. 14. 

3) Dem. vdG. 257 8. 423, 17 ὑπακούσαντά τιν᾽ αὑτοῦ κατήγορον 
u. dazu GHSchaefer. 

4) Vgl. o. 8. 308: 

5) Aesch. 1, 81 8, S. 11f. Der Areopagit Äutolykos, den Aeschines 
als einen sehr gesetzten und würdigen Mann schildert, wurde auf Ly- 
kurgos Anklage nach der Schlacht bei Chaeroneia bewiesener Feigheit 
halber zum Tode verurtheilt. S. Sauppe OA. II, 261. 

6) Über die ἐπαγγελία δοκιμασίας sowie über die δοκιμασία selbst 
vgl. Meier att. Proc. S. 209 ff. S. namentlich Aesch. 1,2 8. 1. 14. 19 
8.3. 28. 32 8. 41. 64 8. 9.81 S.11. 119 S. 17.154 5. 22 ἐγὼ δὲ τί λέ- 
yo κατὰ Τιμάρχου καὶ τίνα ποτ᾽ ἐστὶν ἃ ἀντιγέγραμμαι; μὴ δημηγο- 
ρεῖν Τίμαρχον πεπορνευμένον καὶ τὴν πατρῴαν οὐσίαν κατεδηδοκότα. 
160. 165 5. 23. 195 S. 27. Vgl. Dem, w. Androt. 23 8. 600, 22. 


316 ° Viertes Buch. Zweites Capitel. 


Gegenklage also war zunächst zu erledigen, und zwar ist darüber 
ΟἹ. 108, 3, nicht vor Mitte des Jahres, ein richterliches Erkennt- 
nils erfolgt '. > 

Was zunächst die Berechtigung zu einer solchen Klage betrifft, 
so unterliegt es keinem Zweifel, dafs Timarchos als ein Jüngling von 
ausnehmender Schönheit viele Liebhaber angezogen und durch ein 
leichtfertiges Leben seinen Ruf befleckt hatte. Das stellt auch Demo- 
sthenes nicht in Abrede ?, und es erhellt aus der Sache selbst. Einen 
unbescholtenen Mann konnte wohl ein giftiger Feind gelegentlich 
verleumden und mit Schmutz bewerfen: aber eine Untersuchung 
der Art gegen ihn einzuleiten hätte niemand die Stirn gehabt; es 
wäre die Gehässigkeit einer solchen Anklage auf den Urheber zu- 


Schol. zu Aesch. 195 5. 27. Harp. u. δοκιμασϑείς. In dem 2. Arg. 
zu Dem. vdG. $. 338, 20 wird das Verfahren ungenau eine ἀνάκρισις 
genannt. 

1) S. Franke a. ©. S. XXXVII ff. (der jedoch Timarchos irrthümlich 
dem Rathe von Ol. 108, 1 zutheilt). Böhnecke F, I, 294, 1. Timar- 
chos war das Jahr zuvor im Rathe; Aesch. 1, 80 8. 11 ἐβούλευε πέ- 
ovoıv, und zwar noch während des Krieges mit Philipp: denn als Motiv 
der von Aeschines erhobenen Anklage gibt Dem. vdG. 286 S. 433 an, dafs 
Timarch βουλεύων ἔγραψεν, ἄν τις πρὸς Φίλιππον ὕπλα πτλ., und er 
wiederholt, dafs dieser Beschluls, wie sich von selbst versteht, wäh- 
rend des Kriegs gefalst war: ὃ -- γράψας un ἄγειν ἐν τῷ πολέμῳ πρὸς 
Φίλιππον ὅπλα κτῖ. Also ist dieser Beschlufs Ol. 108, 2. 347 vor Ein- 
leitung der Friedensverhandlungen erlassen, unter dem Archon Themi- 
stokles (vgl. Schol. Aesch. 1, 109 5. 15 Nix6pnuos] οὗτος ἦρξε πρὸ 
Θεμιστοκλέους, ἐφ᾽ οὗ βουλεῦσαι τὸν Τίμαρχον. Böhnecke F. 1, 378), 
und die Anklage gegen Timarchos Ol. 108, 3 geführt. Nicht vor Ae- 
schines dritter Gesandtschaft, wie in den Scholien zu 169 $. 24 irrig 
geschlossen ist: die phokische Sache war abgemacht (175 8.25. Franke 
a. ©. 8. XXXX). Überhaupt nicht in den ersten Monaten von Ol. 108, 
3: die in jenem Jahre vorgenommene Musterung der Bürgerrolle (o.S. 
280 8.) war, wenn auch noch in ganz frischem Andenken, doch eine 
Weile vorüber: die Gerichte. hatten eben noch über die Berufungen zu 
erkennen (77—79 8. 11. 86 S. 12. 114f. 5. 16). So werden wir die 
gerichtliche Verhandlung nicht vor die Mitte des Jahres setzen dürfen, 
also Ol. 108, 3. 345. Aeschines erwähnt 157 S. 22 als unlängst ver- 
gangen (πρῴην) die ländlichen Dionysien an denen ein Schauspieler 
ein Impromptu auf Timarch einlegte, offenbar mit Beziehung auf den 
eben obschwebenden Process; diese aber gehören dem 6. Monat, Posei- 
deon, an. KFHermann A. II, 57,9. 

2) Dem. vdG. 233 Κ. 413, 27. 251 S. 420, 10. 284 S. 432, 19. Vgl. 
Aesch. 1, 41 Κα. 6. 126 S. 17. 188. 136 S. 18f. 


Process wider Timarchos. 817 


rückgefallen. Timarchos dagegen war so übel berüchtigt, dafs 
Aeschines mit voller Zuversicht die öffentliche Stimme zum Zeug- 
nifs für die Wahrheit seiner Beschuldigungen anrufen kann '. 
Nichts desto weniger macht Aeschines Rede wider Timarchos 
einen widerwärtigen Eindruck. Das liegt nicht in dem Gegenstände 
an sich: wenn ein sittlich reiner Mann von gerechtem Zorne ergril- 
fen zur Zucht, zur Warnung und zur Besserung seiner Mitbürger un- 
natürliche Laster an den Pranger stellt, so verdient ein solcher Frei- 
muth den Beifall aller edlen. Aber so ist es mit Aeschines nicht. 
Ängstlich vermeidet er den Schein als wolle er das Laster an sich 
rügen, er beschönigt es vielmehr und bekennt sich selber dazu: die 
Frage ist nur, ob Timarchos ein Gewerbe daraus gemacht, und die 
Anklage läuft darauf hinaus, dafs jener das schönste Verhältnifs 
zu einem schandbaren Dienste erniedrigt habe ?. So hält sich denn 
das ganze Verfahren des Anklägers auf einer scharfen Linie: kann 
er nicht darthun dafs Timarchos um Lohn sich preisgegeben habe, 
so ist die Anklage unerwiesen. Das ist es eben, was die Fürspre- 
cher des Timarchos geltend machen und was Demosthenes noch in 
der Rede von der Gesandtschaft hervorhebt, dafs Aeschines für 
seine Klage keinen einzigen Zeugen habe beibringen können ®. 
Wir sehen aus der Rede selbst, dafs Aeschines sich mehr als ein- 
mal des langen und breiten wegen der Mangelhaftigkeit seines 
Zeugenbeweises entschuldigt: er beruft sich immer wieder auf 
den üblen Leumund seines Gegners und die untrügliche Volks- 
stimme *. Zugleich leuchtet ein, dafs bei einer solchen Behand- 
lung der Sache von einer sittlichen Rüge nicht die Rede sein kann: 


1) 44 S. 7. 121. S. 17. 125—130 5. 17£. 152. S. 21. 186. 189 
S. 26. 192 8. 27 ὁ πρωτεύων βδελυρίᾳ καὶ yvogıumrarog. Dagegen 
Dem. vdG. 244 5. 417, 9 τὸν μὲν Τίμαρχον οὐδ᾽ οἵ πρόσχωροι πάν- 
τες ἐγίγνωσκον. Es gab auch eine Rede von Aristogeiton wider Ti- 
marchos, ebenfalls eine δοκιμασία, als Timarchos zum Aufseher er- 
wählt war; s. Franke a. Ο. S. XXXVI. Sauppe OA. 11, 309f.; vgl. 
3395. In welche Zeit diese gehört und worauf die ἐπιτροπή sich bezog, 
ist unbekannt. 

2) 135—165 8. 19—23. S. namentlich 137 5. 19 τὸ μὲν ἀδιαφϑόρως 
ἐρᾶσϑαί φημι καλὸν εἶναι, τὸ δ᾽ ἐπαρϑέντα μισϑῷ πεπορνεῦσϑαι 
αἰσχρόν. 

3) Dem. vdG. 243 S. 416, 201. vgl. 120 5. 378, 5 Schol. 

4) 44—48 S.7. 71—93 S. 10—13. 160. 5. 23. Vgl. Thirlwall 
VI, 34. 


318 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


es spricht aus Aeschines Worten nicht die innere Empörung über 
das gegebene Ärgernifs, sondern mit gleifsnerischem Bemühen den 
Anstand nicht zu verletzen gefällt er sich darin den Lebenswandel 
des Timarchos in strafbarem Lichte erscheinen zu lassen, während 
er dem Laster selbst eine Lobrede hält. Dafs er sich rühmt die 
Jünglinge damit zur Tugend zu ermahnen und sich dies noch spä- 
ter zu besonderem Verdienste anrechnet !, ist nichts als eine eitle 
Scheinheiligkeit ?. 

Denn weiter haben wir noch zu erwägen, dafs Aeschines den 
Timarchos vor Gericht zieht wegen Sünden seiner Jugend, über 
welche seitdem viele Jahre vergangen sind. Nach Aeschines eige- 
ner Angabe safs Timarchos Ol. 104, 4. 361 im Rathe, war also da- 
mals wenigstens dreifsig °, zur Zeit des Processes wenigstens fünf 
und vierzig Jahre alt, gerade so alt wie Aeschines einen Genossen 
seiner Ausschweifungen, den Misgolas macht, den er gerne für et- 
was älter als Timarchos ausgeben möchte *. Noch ehe Timarchos 
zu Staatsgeschäften übergieng, mufs sich das letzte Verhältnils von 
(lem Aeschines zu erzählen weils, mit Hegesander, entsponnen ha- 
ben: damit endet die Jugend des Angeklagten ®. Also es sind nicht 
neuerliche Vorgänge, sondern längst verjährte, welche Aeschines 
aus der Vergessenheit zieht, aus keinem andern Grunde als weil 
sie ihm dienen können seine Rache zu kühlen und seiner eigenen 
Rechtfertigung aus dem Wege zu gehen®. Das ist es, was der 


1) 117 8. 16. 177ff. S. 25, namentlich 185ff. S. 26f. 2, 180 S. 52 
ἀναμνησϑέντες, ὅτι τὴν τῆς σωφροσύνης παράκλησιν διὰ τῆς περὶ Ti- 
μαρχον χρίσεως ἀειμνήστως αὐτοὺς παρακέχληκα. 

2) Vgl. Dem. vdG. 285—287 8. 432, 241. 200 S. 403, 26. Dage- 
gen Gell. 18, 3 Aeschines — in oratione illa saeva eriminosaque et viru- 
lenta, qua Timarchum de impudieitia graviter insigniterque accusabat. Vgl. 
Thirlwall VI, 35. ı 

3) KXenoph. Denkwürd. 1, 2, 35. 

4) 498. 7; vgl. 42 8. 6. Über Timarchs vorgerückteres Alter vgl. 
61 S. 9. 160 S. 23. Schol. zu 6 S. 1. Die Scholien zu 180 S. 25, zu 
Dem. vdG. 120 S. 378, 5. 233 S. 413, 25. Suid. u. Τμαρχος. machen 
Timarchos gar zu einem Greise. 

5) Aesch. 1, 95 8. 13; vgl. 39 S. 6. 

6) 1—3 8. 1 αὐτὸς ἐδέᾳ συκοφαντούμενος. Vgl. 20 8. 3 μηδὲ πρε- 
σβευσάτω, μηδὲ τοὺς πρεσβεύσαντας κρινέτω, μηδὲ μισϑωϑεὶς συκο- 
φαντείτω κτλ. 82 S. 5. 105 S. 15. 


Process wider Timarchos. 319 


Klage des Aeschines einen so gehässigen Charakter gibt ἡ. Wohl hat 
Aeschines noch einen weiteren Klagpunkt, dafs Timarchos nach 
jener Zeit sein väterliches Erbe vergeudet und einen blinden Oheim 
nicht unterstützt habe ?: aber dieser tritt in seiner Rede so sehr 
zurück, er verweilt so ausschliefslich bei dem ersten, dafs es klar 
ist, er rechnete nicht darauf durch diese Vorwürfe die Verurtei- 
lung des Timarchos bewirken zu können ®. - 

Der ganzen Tendenz des Processes als eines Parteimanövers 
entspricht es dafs Aeschines auch andere politische Gegner zu ver- 
lästern sucht, die Brüder Hegesander und Hegesippos von Sunion 
und Demosthenes. Den erstgenannten stellt Aeschines ganz beson- 
ders als Gefährten Timarchs und als Genossen seiner Ausschwei- 
fungen dar, so dafs an ihm der gleiche Makel hafte wie an jenem; 
Hegesippos selbst wird mehr beiläufig mitgenommen *, ebenso ihr 
Freund und Gaugenosse Diopeithes, der bekannte Feldherr°.  De- 
mosthenes spielt bei Aeschines die Rolle eines eingebildeten Sophi- 
sten, der bei aller Schlauheit und rhetorischer Kunstübung die 
Sache doch gar täppisch und einfältig angreift, aber wegen seines 
schlimmen Einflusses auf jüngere Leute das Mistrauen verdient, für 
welches einst Sokrates mit dem Leben hat büfsen müssen ®. In die 
Schilderung von Timarchos schlechtem Lebenswandel ist Demosthe- 
nes nicht verwickelt, überhaupt, abgesehen davon dafs Aeschines 
ein langes und breites über Batalos redet, sind ehrenrührige Schmä- 
hungen nur indireet und beiläufig gegen ihn gerichtet und durch 
keine Thatsachen belegt ”. Mit besonderem Nachdrucke aber ver- 


1) Dem. vdG. 2 8. 341, 15. 200 8. 403, 36. 2401. 8. 416, 8. 286 
S. 433, 6 πόσον γὰρ ἐδημηγόρει χρόνον Τίμαρχος; πολύν. οὐκοῦν τοῦ- 
τον ἣν Αἰσχίνης ἅπαντα ἐν τῇ πόλει, καὶ οὐδεπώποτε ἠγανάκτησεν 
οὐδὲ δεινὸν ἡγήσατο εἶναι τὸ πρᾶγμα εἰ ὃ τοιοῦτος λέγει, ἕως εἰς Μα- 
κεδονίαν ἐλϑὼν ἑαυτὸν ἐμίσϑωσεν. Vgl. Thirlwall VI, 32. 

2) 96—106 8. 13#. 42 5. 6. 116 5. 16. 154 5. 22. Vgl. 308. 8.5. 


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3) Vgl. Arg. 2 8.20 R. περὶ ἑταιρήσεως ἐπιγράφεται ὁ λόγος, ὅτι 
τὸ πλέον τῆς κατηγορίας διὰ ταύτην ἐστίν. 

4) Vgl. ο. 8. 310. 

5)638.9; vielleicht derselbe 132 S. 18 ἀναβήσεται -- καὶ τῶν στρατη- 
γῶν τις. Aechnlich eingeführt wird Demosthenes 94 8.13 λογογράφος γέ τις. 

6) 94 5. 13 (vel. 2, 49 5. 34. 98 5. 41. 153 8. 48). 117. 119 5. 16 
τ 2, 1148. 3). 123.125 5.17. 170— 176 5. 24f. (vgl. 2, 156 S. 49) 
1948. 8. 27.'Vgl. ο. 8, 96, 4 u. 296. 

7) 126—131 5, 17f.; vgl. Buch II, 2. 161—164 8.23. 181 S. 26, 


320 Viertes Buch. Zweites Capitel. 


wahrt sich Aeschines dagegen, dafs Demosthenes nieht in den Pro- 
cess des Timarchos die Person Philipps und des jungen Alexanders 
noch die Friedensverhandlungen hereinziehen solle !. 

Bei dieser Gelegenheit legt übrigens Aeschines ein Bekenntnils 
ab das er, wie wir bereits oben erwähnt haben ?, in späteren Re- 
den nicht mehr Wort haben will: unverholen räumt er seine make- 
donische Gesinnung und sein Einverständnifs mit Philokrates ein: 
“Philipp lobe ich jetzt wegen seiner heilverheifsenden Zusagen, und 
“wenn er sich in seinen Thaten so erweist, wie jetzt in seinen Zu- 
“sicherungen, so wird er es unbedenklich und leicht machen ihn zu 
“loben? ?®. Und weiterhin kommt er darauf, dafs Demosthenes seine 
(des Aeschines) Volksreden einflechten und den von ihm und Philo- 
krates gestifteten Frieden tadeln werde: er berühme sich, damit 
wolle er die Richter so in Aufregung bringen dafs Aeschines, wenn er 
über seine Gesandtschaft zur Rechenschaft gefordert werde, vor Ge- 
richt nicht einmal versuchen werde sich zu vertheidigen. Überhaupt, 
meint Aeschines, werde Demosthenes darauf ausgehen die Richter 
von dem Gegenstande der Klage abzulenken auf ihn den Ankläger 
und auf Philipp und die Phokier ἡ. 

Das ist es wovor Aeschines die Richter vorzüglich warnt: und 
wir können aus seinen Worten entnehmen, dafs die neuerlichen 
sröffnungen Philipps der makedonischen Partei ein leiehteres Spiel 
gemacht hatten. Wir wissen nicht, welcher Art sie waren: aber 
wenn sie Aeschines den Muth gaben sich offen als Philipps Für- 
sprecher zu bekennen, wenn sie für die Bewältigung der Phokier 
Ersatz bieten sollten, so müssen sie in der That goldene Berge ver- 
heifsen haben °. Aeschines schliefst seine Rede mit einer nach- 


Im allgemeinen vgl. Dem. vdG. 257 8. 423, 19 ἀλλὰ καὶ κατηγορῶν 
ἐκείνου (Τιμάρχου) κακῶς λέγειν προείλετο -ἐμέ. 246 5. 417, 28. 

1) 166—170. 173—176 5.28 ἢ, 

2) 5. 184f. 

3) 169 5. 24. 

4) 174f. S. 24f. Demosthenes bezieht sich darauf vdG. 242 S. 416, 
16—26, 

5) Aeschines kann an dieser Stelle nicht die Verheifsungen meinen, 
welche er nach seiner zweiten Gesandtschaft den Athenern vorgespie- 
gelt: denn diese waren zu Schanden geworden, während Aeschines zum 
dritten Male bei Philipp war (Aesch. 2, 139#. S. 46), und der Untergang 
der Phokier war entschieden (1, 175 5, 25). Hinterher wird Philipp 


Process wider Timarchos. 321 


drücklichen Ermahnung der Richter an Timarchos eine strenge Züch- 
tigung zu vollziehen und damit gute Sitte und Anstand wieder her- 
zustellen ἡ. 

Ob Timarchos den Versuch machte vor dem Gerichte sich we- 
gen seines Lebenswandels zu rechtfertigen, und ob einer seiner 
Fürsprecher (Aeschines nennt als solche Demosthenes, Hegesander 
und Hegesippos, und einen der Feldherrn ?) für ihn das Wort genom- 
men hat, erfahren wir nicht: fast möchte ich annehmen, dafs es 
zu keiner Gegenrede gekommen sei ?. Sein Loos war der Verlust 
der bürgerlichen Ehrenrechte *: dafs er solcher Schande den Tod 
vorgezogen habe, scheint aus einem misverstandenen Worte des 
Demosthenes geschlossen zu sein’. Demosthenes aber hatte da- 


gute Worte genug gegeben haben, z. B. durch die Gesandten welche seine 
Anerkennung als Mitglied des Amphiktyonenrathes zu Athen betrieben. 


1) Aesch. 1, 177ff. 5. 25ff. 
2) 173 8. 24 u. öfter. 71 S. 10. 132 S. 18. Vgl. 1934. 5. 27; o. 
S. 319. 


3) Vgl. Franke a. Ο. 5. XXXIII, 11, prolegg. in or. de FL. S. 11. 
Was Demosthenes betrifft, so scheinen mir die Entgegnungen auf ein- 
zelne Stellen der Rede gegen Timarchos in der Rede von der Gesandt- 
schaft zu beweisen, dafs D. nicht früher darauf geantwortet hatte. Die 
Stellen sind 241—246 S. 416, 16—418, 3. 2501, S. 420, 2—19 vgl. m. 
Aesch. 1, 166— 175 8. 23— 25. 94 5, 13. 129 S. 18. 152f. S. 21f. 
(vel.. 58 —65 8. ΒΕ 119. S. 16. 125 8..17. 25£. 8. 4; 283 S. 432, 
8 vgl. m. Aesch. 1, 177ffl. S. 25. Vgl. Schol. zu Dem. ‘wMeid. 95 
8.545, 11 4. — καὶ ὑπὲρ Τιμάρχον πολλοὺς ἐποιήσατο λόγους ἐν τῷ 
κατ᾽ Αἰσχίνου καὶ νῦν ὑπὲρ Στράτωνος, ἐπειδὴ καὶ δοκοῦσιν ἀμφότε- 
ροι δι᾽ αὐτὸν ταύταις περιπεπτωκέναι ταῖς συμφοραῖς. Die Beziehun- 
gen treffen nicht überall ganz genau zu; ist daraus geschlossen, was 
im 2. Argument zu Aesch. wTim. steht: δοκοῦσι δέ wor οἵ λόγοι us- 
τὰ τὰς δίκας γράφεσϑαι (1. yeyodpdaı)? Es soll dieser Ausspruch 
sich wohl auf alle drei Reden des Aeschines beziehen. 

4) Aesch. 1,134 S. 19; vgl. die S. 315, ὁ angeführten Stellen. Dem. 
vdG. 257 8.423, 17 ἠτίμωσεν. 284f. 5. 432, 16. 28. 287 S. 433, 16. 240 
S. 416, 18. Arg. zu Aesch. 1 S. 20R. 2 S. 185 R. Liban. Einl. zu Dem. 
vdG. 334, 4. Arg. 2 S. 338, 21. Suid. u. Τίμαρχος. 

5) 1,. ἃ. Χ ΚΝ. 5. 8411 ὁ δὲ (T.) ἐκλιπὼν τὸν ἀγῶνα αὑτὸν ἀνήρτησεν 
ὥς πού φησι “ημοσϑένης, vermuthlich nach Dem. vdG. 2 8. 341, 18 
τὸν μὲν ἀνήρηκε τῶν ἐπὶ τὰς εὐθύνας ἐλϑόντων u. dazu die Schol. 
Bekkers Anecd. I, 23, 16. Arg. 1 zu Aesch. wTim. 5. 18 R. Tzetz. 
Chil. 6, 58f. Franke pr. in Tim. 5. XXXII. 

DEMOSTHENES IT. 21 


322 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


für zu büfsen dafs er zu der Anklage des Aeschines einen Genos- 
sen angenommen hatte, dessen Privatleben nicht rein war: so ge- 
lang es Aeschines unter einem grofsen Zusammenlaufe von Athe- 
nern und andern Hellenen ' den ersten Angriff abzuschlagen und seine 
eigene Unbescholtenheit in ein günstiges Licht zu stellen. Erst im 
dritten Jahre nachher kam die Klage wegen Truggesandtschaft zur 
gerichtlichen Entscheidung. Mittlerweile hatte Philipp bedeutend 
um sich gegriffen und drohte die Athener mehr und mehr zu iso- 
lieren. 


DRITTES CAPITEL. 


Philipps neue Unternehmungen. Die zweite Philippika und die 
Staatsverhandlungen bis zu Hegesippos makedonischer Ge- 
sandtschaft, 


Als Philipp den heiligen Krieg beendet und seine Feinde theils 
durch kluge Unterhandlungen theils mit Gewalt und als Vollstrecker 
des göttlichen Fluches entwallnet hatte, werden die Makedonen den 
sieggekrönten König und das heimkehrende Heer freudiger als je 
begrüfst haben. Jetzt hatte die Staatskunst, wider die sie sonst 
wohl gemurrt, den Preis errungen: Makedonien erfreute sich seit 
langen Jahren zum ersten Mal äufseres wie inneres Friedens und es 
schien eine Zeit ungestörtes und sicheres Genusses anzubrechen. 
Jetzt konnte man wieder den Überflufs des Landes in dem lange 
unterbrochenen Handelsverkehre verwerthen, und der allgemeine 
Wohlstand entwickelte sich zu einer früher nicht gekannten Blüte. 
Aber Philipp war nicht gesonnen in träger Ruhe sich zu verliegen: 
wenn in Folge des Friedens die königlichen Einkünfte, insbeson- 
dere von Zöllen und Bergwerken, zu hohem Betrage anwuchsen, 
so verwendete er diese reichen Mittel nicht blofs zu glänzender Hof- 
haltung, zu verschwenderischen Geschenken an seine Parteigänger, 
sondern vor allem um sich zu neuen Kriegen und gröfseren Unter- 
nehmungen in Bereitschaft zu setzen. Mit besonderer Vorliebe 
pflegte er die in letzterer Zeit verkümmerten Anfänge seiner See- 
macht, rüstete Trieren aus und baute Schilfhäuser *. Zugleich 
1) Aesch. 1, 117f. S. 16. 

2) Heges. üb. Hal. 16 S. 80, 17; vgl. Dem. Phil. 2, 128. 69, 1 
u. Ὁ. 8: 264. 35. 71. 


Philipps neue Unternehmungen. 323 


füllte er seine Arsenale mit Waflenrüstungen und legte an den Mar- 
ken seines Reiches feste Plätze an '. Um die Grenzlande zu bevöl- 
kern führte er in die neugegründeten Städte Einwohnerschaften aus 
anderen Orten und Gegenden zusammen. Wie ungern auch und 
widerstrebend diese sich von der Heimat und den altgewohnten 
Sitzen trennten, sie beugten sich unter den mächtigen Willen des 
Königs: da und dort wurden auch kriegsgefangene zu den Ansie- 
ddelungen hinzugezogen. Die ganze Mafsregel war darauf berech- 
net die eroberten Landschaften dem Reiche dauernd einzuverleiben 
und in ihnen Gemeinden zu gründen, welche feindseligen Nachbarn 
gegenüber nur durch eigene Wehrhaftigkeit und den Schutz des 
Königs zu bestehen vermochten. Zugleich wurden durch zweck- 
mälsige Gesetze und Einrichtungen die verschiedenen Stämme, über 
welche die makedonische Herrschaft sich erstreckte, in festerem 
Verbande zu einem Volke und einem Reiche veremigt ?. 

Philipp traf seine Anstalten unstreitig für einen Krieg mit Per- 
sien, wie er denn fortwährend mit allen misvergnügten und meute- 
rischen Unterthanen des Grofskönigs Beziehungen unterhielt ®. Be- 
vor er aber in so weite Ferne hinausziehen durfte, galt es noch 
manchen Schritt seinen nördlichen Nachbarn wie den Hellenen ge- 
gemüber zu thun. Die verbündeten enger an sich zu ketten, die 
widerstrebenden zu bewältigen, namentlich Athen entweder seinen 


1) Dem. vdG. 89 5. 369, 17 τὰ Φιλίππου πράγματα ἐκ τῆς εἰρή- 
νῆς γέγονεν εὐπορώτερα πολλῷ, καὶ κατασκευαῖς ὅπλων καὶ χώρας καὶ 
προσόδων, al γεγόνασιν ἐκείνῳ μεγάλαι. Vel. 90. 

2) Just. 8, 5f. Einen Fall gewaltsamer Übersiedelung erzählt Po- 
lyaen. 4, 2, 12 von den Einwohnern der illyrischen Stadt Sarnus (über 
den Ort s. Steph. v. B.), 10000 an der Zahl, wohl aus dem nächsten 
illyrischen Feldzuge, auf den Vömel prolegg. in Phil. 2 S. 8 auch Po- 
lyaen. 4, 2, 5 beziehen möchte. Ähnlich verfuhr Alexander, während 
Philipp in Thrakien stand, gegen eine Stadt der Maeder, Plut. Al. 9. 
Grote XI, 614, 2 erinnert an die Schilderung einer entsprechenden 
Mafsregel K. Philipps III b. Liv. 40,3. Im allgemeinen s. Alexanders 
Rede b. Arrian. 7, 9, 2f. Φίλιππος γὰρ — ὑμᾶς κατήγαγεν — ἐκ τῶν 
ὀρῶν ἐς τὰ πεδία — πόλεών TE οἰκήτορας ἀπέφηνε καὶ νόμοις καὶ 
ἔϑεσι χρηστοῖς ἐκόσμησεν. -- τῆς Θρᾷκης τὰ πολλὰ τῇ Μακεδονίᾳ προσ- 
ἔϑηκε, καὶ τῶν ἐπὶ ϑαλάττῃ χωρίων τὰ ἐπικαιρότατα καταλαβόμενος 
τὴν ἐμπορίαν τῇ χώρᾳ ἀνεπέτασε καὶ τῶν μετάλλων τὴν ἐργασίαν ἀδεὴ 
παρέσχεν. 

3) Böckh Abh. d. B. A. v. J. 1853 S. 134. Vgl. Diod. 16, 60. 64. 

21* 


324 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


Interessen dienstbar oder durch neue Schläge unschädlich zu ma- 
chen, das war für Philipps Politik das nächste Ziel!'. Schon im 
zweiten Jahre trellen wir den König wieder im Felde ?: er greift die 
alten Feinde der Makedonen, die Illyrier und Dardaner, an, schlägt 
sie aufs Haupt und bringt durch List und Gewalt mehrere Plätze in 
seine Gewalt, eine Menge Beute wurde bei dieser Gelegenheit ge- 
macht °. Auf demselben Zuge wird Philipp auch die Triballer ge- 
schlagen und zur Huldigung gezwungen haben, mit denen er später 
noch einen harten Kampf bestehen sollte *. 

Dann wandte sich Philipp nach Thessalien um sich dieses Lan- 
des bündiger als bisher zu versichern °. Denn wie sehr er auch 
die Aleuaden von Larisa durch den Sturz der Tyrannen und die 
Beendigung des phokischen Krieges verpflichtet hatte, nicht min- 
der neuerdings die Pharsalier, immer blieben noch widerstrebende 
Elemente, und diese sammelten sich zu Pherae: hier war die vor- 
waltende Stellung welche die Stadt lange behauptet hatte noch in 
zu frischem Andenken, als dafs man sich dem fremden Schutzherrn 
willig gefügt hätte. Aber ehe die Opposition Kraft gewann rückte 
Philipp mit seinem Heere vor die Stadt und legte eine Besatzung 
in die Burg. Seit jener Zeit werden auch die Hafenzölle zu Paga- 
sae wieder für Philipps Rechnung erhoben sein. Noch andere 
Städte Thessaliens blieben von makedonischer Mannschaft besetzt, 
und um sich ihres Gehorsams zu versichern richtete Philipp eine 
Dekadarchie, also ein oligarchisches Regiment, ein®. Zugleich 


1) Vgl. Thirlwall VI, 2£. 

2) Diod. 16, 69 erzählt davon erst unter Ol. 109, 1. 344, nach- 
dem er seit dem Ende des phokischen Krieges ausschliefslich von Siei- 
lien gehandelt hat (C. 65—69). Mit Recht aber hat Böhnecke F. 17 
428f. 435. 735 diese Unternehmungen schon in Ol. 108, 4 gesetzt: denn 
als Demosthenes etwa im Herbste Ol. 109, 1. 344 mit den Messeniern 
verhandelte war die Umgestaltung Thessaliens bereits eine vollendete 
Thatsache: Phil. 2, 22 8. 71, 12. 

3) Böhnecke F. I, 428, Trog. prol. 1. 8. Just. 8, 6. Diod. 16, 69. 
Dahin gehört Theop. XXXVII fr. 203. 

4) Dem. vKr. 44 $. 240, 18. Synkellos 5. 265 (691f. M.). Vgl. u. 
Cap. 7. 

5) Diod. Trog. a. ©. Polyb. 9, 28. 33. Vgl. Polyaen. 4, 2, 19. 

6) Dem. Phil. 2, 22 5,11, 9—14. vdG. 260 S. 424, 16 m. ἃ. Schol. 
(vel. vKr. 65 5. 246, 23). Heges. üb. Hal. 32 S. 84, 19. Chers. 59 
5. 104, 9. Phil. 3, 12 8. 113, 21. Über Pherae vgl. o. 5: 130 u. 


Philipp in Thessalien. Unterhandlungen mit den Alhenern. 325 


wurde das Schutz- und Trutzbündnifs mit den Makedonen erneuert, 
und nach dem Vorgange der Thessaler traten auch die benachbar- 
ten -Völkerschaften in einen ähnlichen Bund mit Philipp: wir wer- 
den dabei zunächst an die Völker des Gebirgs, die Doloper und Ae- 
nianen zu denken haben !. 

Indessen hatten zwischen Philipp und den Athenern fortwäh- 
rend Unterhandlungen stattgefunden. Nachdem die phokische Sache 
abgethan war, bildeten die thrakischen Vorgänge noch den wesent- 
lichsten Beschwerdepunet: hier glaubten die Athener sich am hand- 
greiflichsten übervortheilt. Darum verlangten sie nachträgliche Auf- 
nahme des Kersobleptes in den Frieden ἢ und Rückgabe der thraki- 
schen Plätze in denen athenische Truppen gestanden: endlich woll- 
ten sie den Chersones schlechthin als ihr Eigenthum anerkannt wis- 
sen. Philipp suchte die Athener zu begütigen: er sparte freund- 
liche Worte und vielsagende Verheifsungen nicht, auf welche hin 
seine Parteigänger zuversichtlich sein Lob priesen °: unter anderm 
hat er sich erboten durch den Chersones auf seine Kosten einen 
Durchstich machen zu lassen um damit das athenische Gebiet völ- 


264. Böhnecke F. I, 435. Ob die Anekdote .bei Polyaen. 4, 2,11 von 
Philipps Anschlage die Aleuaden nach Larisa zu locken und sich 
ihrer Personen zu bemächtigen in die Zeit gehört oder was überhaupt 
an ihr ist, wage ich nicht zu entscheiden. Vgl. Buttmann Mythol. II, 
2388. Thirlwall VI, 17. Über das Verhältnifs des Rathes der zehn zu 
den Ol. 109, 2. 342 eingesetzten Tetrarchen s. Cap. 5. 

1) Diod. 16, 69 εὐϑὺς γὰρ οἵ πλησιόχωροι τῶν Ἑλλήνων συν 
ἐνεχϑέντες τῇ τῶν Θετταλῶν κρίσει συμμαχίαν προϑύμως πρὸς αὐτὸν 
ἐποιήσαντο. Vgl. Dem. vKr. 63f. 5. 246, 2. 12 ἐν τῇ Θετταλῶν καὶ 
Jolonwv τάξει συγκαταχκτᾶσϑαι Φιλίππῳ τὴν τῶν Ἑλλήνων ἀρχήν. — 
Θετταλοὺς καὶ τοὺς μετὰ τούτων. Böhnecke F, I, 429 nennt auch die 
Aectoler, welche wohl nicht vor Ol. 109, 2. 343 ihr Bündnifs mit Phi- 
lipp abschlossen, nach Philochoros fr. 135 (Ὁ. Dionys. Schr, a. Amm. 
1, 11 8. 742, 8) u. Ol. 110, 2. Φιλίππου -- πρέσβεις πέμψαντος εἰς 
Θήβας Θετταλῶν, Αἰνιάνων, Αἰτωλῶν, Jolonwv, Φϑιωτῶν. Zu den 
Aenianen gehören die Oetacer; s. o. 8. 266,5. Tittmann Amphikt. S. 41. 

2) Dem. vdG. 181 8. 308, 7 τὴν ἄλλως ἐνταῦϑα ψηφίζεσϑε “ἀπὸ 
δοῦναι δὲ καὶ Κερσοβλέπτῃ Φίλιππον τοὺς ὅρκους", — — καίτοι τούτων 
οὐδενὸς ἂν τῶν ψηφισμάτων ἔδει, εἰ πλεῖν οὗτος ἤϑελε καὶ τὰ προσή- 
κοντὰ ποιεῖν. Demosthenes spricht also von Beschlüssen die nach der 
Rückkehr der zweiten Gesandtschaft gefalst sind. 

3) Phil. 2, 6 S. 67, 8. Im allgemeinen schildert Demosthenes die 


Lage vKr. 43 ff. S. 2401. ͵ 


326 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


lig sicher zu stellen '. Aber auf seine thrakischen Eroberungen 
und die Oberhoheit über Kersobleptes zu verzichten war er weit 
entfernt: eine Sendung der Athener an den makedonischen Hof; der 
sich Eukleides unterzog, änderte diesen seinen Entschlufs nicht ?. 
So wurde denn über diese und andere Fragen noch in den näch- 
sten Jahren hin und her verhandelt ohne dafs ein aufrichtiges Ein- 
verständnifs zu erreichen war. Dafs Philipp daran von vorn herein 
nicht gelegen habe, dafs alle seine freundschaftlichen Eröffnungen 
eitel Täuscherei gewesen seien, werden wir nicht sagen dürfen, ob- 
gleich sein rücksichtloses und trugvolles Verfahren nach Abschlufs 
des Friedens das Mistrauen nur zu sehr rechtfertigt. Aber seine 
guten Dienste hatten zur Voraussetzung dafs die Athener sich sei- 
nen politischen Zwecken unterordneten: in diesem Falle durften sie 
vor allen andern Hellenen auf seine königliche Gnade zählen. So 
wie es sich Jedoch herausstellte dafs die Bürgerschaft nicht gewillt 
war sich in Abhängigkeit hinzugeben, dafs sie vielmehr auf Rath des 
Demosthenes und seiner Freunde sich selbst und die Hellenen über- 
haupt von fremder Oberherrlichkeit frei und selbständig zu bewah- 
ren suchte, nahm Philipp eine feindselige Haltung wider Athen an, 
zunächst noch unter der Maske wohlwollender Gesinnung. Er war 
bemüht seine Macht rings um Attika zu befestigen und geeignete 
Stützpuncte künftiger Kriegsoperationen zu besetzen. 

Dafs die Athener um den illyrischen Krieg und die jüngsten 


1) Phil. 2, 30 8. 73, 7 ist dies Versprechen unter den Zusagen 
erwähnt welche Aeschines von der Gesandtschaft heimbrachte. Da es 
aber an keiner andern Stelle (vgl. o. 8. 253f.) darunter begriffen wird, 
mag es erst später als ein neuer Köder den Athenern hingehalten sein 
(vgl. Aesch. 1,169 5. 24 u. o. 8. 320). S. auch Heges. üb. Halonn. 890 ἢ, 
S. 86, 17 Vömel. 

2) Dem. vdG. 162 S. 392, 8 schliefst die Darstellung von Philipps 
Eroberungen in Thrakien nachdem der Friede schon zu Athen ratifieiert 
war: λέγε δὴ καὶ τὴν ἑτέραν μαρτυρίαν, ἃ πρὸς Εὐκλείδην ὕστερον ἐλϑόντα 
τοὐτονὶ ἀπεχρίνατο Φίλιππος. Dazu, der Sache gemäls, wenn auch 
nur aus dem Zusammenhange schliefsend, das Scholion: ἀκούσασα ἡ πό- 
λις ἀπολωλέναι τὸν Κερσοβλέπτην ἀπέστειλεν ὕστερον Εὐκλείδην αἰτια- 
σόμενον Φίλιππον διὰ τὰ ἐν Θρᾷάκῃ γενόμενα. ὃ δὲ ἀπεκρίνατο μηδὲν 
ἡμαρτηκέναι" ὀψὲ γάρ ποτε συντυχεῖν τοῖς πρέσβεσι καὶ πρὸ τῶν δρ- 
κων λαβεῖν αὐτά. Vgl. Schol. 5. 408, 20 Df. Böhnecke ἘΝ I, 404, der 
aber die Sendung in Ol. 108, 2 setzt, während eben die athenische 
Friedensgesandtschaft bei Philipp war. 


Die peloponnesischen Staaten. Die Korinthier und Timoleon. 327 


Vorgänge in Thessalien sich viel gekümmert haben ist kaum anzu- 
nehmen: die Gesandtschaften des Demosthenes nach Thessalien und 
Ilyrien dürften schwerlich in diese Zeit gehören '. Etwas mehr wis- 
sen wir über die Beziehungen Philipps und der Athener zu den pelo- 
ponnesischen Gemeinden, so dunkel auch manches für uns bleiht. 
Nach wie vor wurden Argos Megalopolis Messene durch gleiche 
Feindseligkeit gegen Sparta zusammengehalten, während dagegen 
zwischen den Athenern und Spartanern ein freundschaftliches Ver- 
hältnifs hergestellt war ?. Auch Korinth stand mit diesen Staaten 
auf gutem Fulse: aber von dem Bestreben geleitet mit allen Nach- 
barn Frieden zu halten ?, zählen die Korinthier bei den innern Ver- 
wickelungen Griechenlands vorerst gar nicht mit". Ihre ganze 
Theilnahme wendeten sie den Tochterstädten auf Sieilien zu: sie 
verhalfen der unter streitenden Tyrannen verödeten und den Kar- 
thagern preisgegebenen Insel wieder zu gesetzmäfsiger Freiheit und 
Sicherheit, unter der das hellenische Leben zu frischen Kräften kam’. 
Es war eben im Jahre 344 (O1. 105, 4) als die Syrakusaner 
in tiefster Noth vor inneren und äufseren Feinden die Mutterstadt 
um einen Feldherrn und um Hilfe baten ὃ. Rath und Bürgerschaft 
von Korinth sendeten ihnen Timoleon, einen Mann von angesehe- 
nem und begütertem Geschlechte, der in jüngeren Jahren durch 
Kriegsthaten ausgezeichnet, um die Freiheit seiner Vaterstadt zu 

1) Vömel prolegg. z. 2 Phil. 8. 8 zieht sie hieher. Mir scheinen 
diese Reisen mit den andern, welche Dem. vKr. 244 S. 308, 11—14 
der Zeitfolge nach aufführt, erst in die Zeiten offener Feindschaft kurz 
vor der Kriegserklärung zu gehören. 2 

2) Dem. vFr. 18 $. 61, 22. Vgl. ο. 5. 282. 

3) Plut. Timol. 3 οὐδενὸς — αὐτοὺς τότε τῶν ᾿Ελληνικῶν κατὰ τύχην 
παρενοχλοῦντος, ἀλλ᾽ ἐν εἰρήνῃ καὶ σχολῇ διάγοντες. Die Auszüge 
der Athener gegen Korinth und gegen Megara, welche Demosthenes 
Ol. 3, 20 S. 34, 7 erwähnt, fallen in die Zeiten des Perikles (5. d. 
Herausg, z. ἃ, St.): irrig haben Winiewski Comment. S. 64. Böhnecke 
F. I, 286f. sie auf die Gegenwart bezogen. 

4) Isokr. Phil. 30f. $S. 88 nennt Argos Sparta Theben Athen und 
setzt hinzu: ἣν — ταύτας συστῆσαι Övrndjg, οὐ χαλεπῶς καὶ τὰς ἄλ- 
λας ὁμονοεῖν ποιήσεις" ἅπασαι γάρ εἰσιν ὑπὸ ταῖς εἰρημέναις. Vgl. 
Niebuhr AG. III, 237. 

5) 8. Grote H. of Gr. XI Cap. 85. 

6) C. Nep. Tim. 2. Diod. 16, 65f. Plutarch. Tim. 2f. 7. Bezieht 
sich Anaxim. Rh. 29 S. 214, 18. 328. 221, 28 auf diese Verhandlung ὃ 


328 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


retten das Leben des eigenen Bruders zum Opfer gebracht hatte. 
Seitdem hatte er, von der Mutter Fluch getroffen, lange Jahre in 
düsterem Schwermuthe von allen Geschäften fern gelebt. Aber in 
dieser Zurückgezogenheit war ihm fester Muth und Thatkraft nicht 
geschwunden: als das Vertrauen seiner Mitbürger ihn zum Feld- 
herrn für Sieilien berief, hat er bei seinem schwierigen Werke Mä- 
[sigung und Besonnenheit mit Kühnheit und Entschlossenheit ver- 
einigt. Denn sein Werk war die Befreiung Siciliens, wenn auch 
die rege Theilnahme seiner Mitbürger es wesentlich förderte und 
der neuen Schöpfung einen heilsamen Rückhalt bot. Zuvörderst 
stellten die Korinthier sieben Kriegsschiffe, zu denen zwei von Kor- 
kyra und eins von Leukas, «den korinthischen Kolonien, stielsen, 
später wiederum zehn: sie gaben zu der ersten Ausrüstung und der 
Anwerbung von Söldnern Geld her' und die Hauptleute scheinen mei- 
stens Korinthier gewesen zu sein”. Aber die kleine Schar welche 
Timoleon mit sich führte (700 M.) und die nachfolgende Verstär- 
kung (2000M. zu Fufse und 200 Reiter) waren geworbene Miethsolda- 
ten, namentlich aus den Trümmern des phokischen Heeres, die 
sich nach dem Peloponnes gewandt hatten; Timoleon hat nicht 
ohne Schwierigkeit die Bedürfnisse dieser Truppen an Sold und 
Verpflegung decken und ihre Meuterei unschädlich machen kön- 
nen®. Indessen bheb er fortwährend mit Korinth eng verbunden 


1) Plut. Tim. 7. 8. 16. Diod. 16, 66. 69. Ungenau Anax. Rh. 8 
5. 196, 13 Κορένϑιοι Συρακουσίοις 8'΄ τριήρεσι βοηϑήσαντες. 

2) Plutarch nennt €. 13 Eukleides und Telemach, C. 18 Neon, 
C. 21 Isias ausdrücklich als Korinthier: eben daher waren die Anfüh- 
rer des zweiten Corps Deinarchos und Demaratos C. 2f. 24. 27, ver- 
muthlich die von Demosthenes vKr. 295 S. 324, 13 genannten Führer 
der später zu Korinth gebildeten makedonischen Partei. C. 30 wird 
ein leukadischer Söldnerhauptmann erwähnt. 

3) Diod. 16, 66 ψ' μὲν οὖν ξένους ἐμισϑώσατο. Plut. Tim. 11 gibt 
die Mannschaft, als Timoleon sich mit Andromachos von Tauromenion 
vereinigt hatte, auf 1000 M. und etwas später ce. 12 auf 1200 M. an. 
Die Stärke des zweiten Corps wird nur von Plut. ce. 16 angegeben (vgl. 
Diod. c. 69). Die Truppen werden Korinthier genannt, wie die von 
Dion zu Zakynth geworbenen Zakynthier hiefsen. Dafs sie Söldner 
waren lehrt die ganze Darstellung Diodors und Plutarchs (Tim. 24. 30. 
Vgl. des T. u.Aem. P.1); der Soldaten aus dem phokischen Heere (vgl. 
Diod. 16, 61) gedenkt Plut. T. 30. üb. sp. Strafe ἃ. G. 78. 552f. Über 
die Meuterei von 1000 M. unter dem (früher phokischen) Hauptmanne 


Die Korinthier und Timoleon. 329 


und gönnte seinen Mitbürgern ihren Theil an dem rühmlichen Er- 
folge. Nach Korinth sandte er die in seine Gewalt gegebenen Ty- 
rannen Dionysios und Leptines ': dorthin wendete er sich, als es 
galt in die verfallenen Städte die ausgewanderten Bürger heimzu- 
führen und neue Ansiedler heranzuziehen. So erscholl denn aus 
dem Munde der Herolde bei den öffentlichen Spielen und Festver- 
sammlungen die Verkündigung, dafs die Korinthier, nachdem sie 
die Gewaltherrschaft zu Syrakus gestürzt und die Tyrannen vertrieben, 
die Syrakusaner und die übrigen Sikelioten einlüden frei und selb- 
ständig in ihrer Heimat sich niederzulassen. Zu gleichem Zwecke 
schickten sie Botschafter nach Kleinasien und den Inseln aus, auch 
aus Korinth selbst und dem übrigen Griechenland gesellten sich 
neue Kolonisten hinzu, und alle diese, 10,000 an der Zahl, sandten 
sie unter ihrer Obhut, auf korinthischen Schiffen und von korinthi- 
schen Befehlshabern geführt, nach Syrakus hinüber. Zahlreicher 
noch strömten auf Timoleons Einladung aus dem benachbarten Ita- 
lien Ansiedler herbei: 60,000 kamen im ganzen zusammen, und es 
gab genug brach liegendes Gemeindeland alle neuen Ankömmlinge 
zu versorgen ?*. Unter ihren Händen erwuchs der Insel neuer 
Wohlstand: Handel und Schilfahrt belebte sich wiederum; denn auf 
die Zeiten innerer Zerrüttung und Tyrannei folgte eine Periode ge- 
setzlicher Ordnung und Freiheit. Und wie die Befreiung Sıicihens 
von Korinth ausgegangen war und ihre abermalige Besiedelung mit 
Hellenen dort rege Unterstützung fand, so wirkte auch zur Geselz- 
gebung die Mutterstadt mit. Von dorther wurden Kephalos und 
Dionysios berufen um mit Timoleon gemeinsam die alten Gesetze‘ 


Thrasios und ihren Untergang in Bruttien 5, Diod. 16, 78. 82. Plut. 
Tim. 25. 30. Auch die übrigen wurden in verschiedenen Gefechten 
aufgerieben: Plut. T. 30. Das war Timoleon nicht unerwünscht, wie 
er sie denn stets möglichst von Syrakus entfernt hatte (vgl. Plut. T. 
24. Diod. 16, 73). 

1) Timaeos fr. 133 Ὁ. Polyb. 12, 48. Diod. 16, 70 Wess. Plut. 
Tim. 13. Vgl. Theop. fr. 217 u. a. St. Über Leptines Plut. Tim. 34. 
Diod. 16, 72. 

2) Plut. Tim. 22—24 und von der späteren Herstellung der Städte 
Gela und Agrigent 35. Vgl. Nipperdey zu C. Nep. T. 3. Diod. 16, 82 
gibt die aus Korinth herübergeführten nur auf 5000, die Gesamtzahl 
der nach Syrakus zugewanderten auf 40,000 an; ferner liefsen sich 
10,000 im Gebiet von Agyrion nieder. 


330 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


des Diokles zu erläutern und die Verfassung zu ordnen!. So war es 
denn eine wohlverdiente Gabe der Pietät, dafs Timoleon, nachdem 
er am Krimesos das karthagische Heer aufs Haupt geschlagen und 
damit einen ehrenvollen Frieden gesichert hatte, erbeutete Rüstun- 
gen in dem Poseidontempel zu Korinth aufstellen liefs, mit der In- 
schrift: dafs die Korinthier und der Feldherr Timoleon, nachdem 
sie die hellenischen Einwohner Siciliens befreit, diese karthagische 
Beute als Dankopfer den Göttern weihen ?: und noch beim Tode 
Timoleons fafste die dankbare Volksgemeinde von Syrakus den Be- 
schlufs bei einem Kriege gegen auswärtige Feinde stets einen Ko- 
rinthier zum Feldherrn zu berufen ®. 

Durch die Entwickelung der Dinge auf Sieilien während der 
achtjährigen Feldherrnschaft Timoleons ἡ wurden die Korinthier von 
den hellenischen Angelegenheiten abgezogen: aber bald sahen auch 
sie durch Philipps Vorschreiten sich in ihren Interessen bedroht, 
und die einmal erweckte Theilnahme für das Schicksal bedrängter 
Hellenen machte sie empfänglich auch für die Selbständigkeit des 
Heimatlandes im Kampfe mit Philipp Opfer zu bringen. Wie Korinth 
Korkyra und Leukas gemeinsam ihre Schiffe gen Sicilien entsendet 
hatten, so gaben sie auch in den Tagen der Entscheidung Demosthe- 
nes Gehör und traten in Bund mit Athen °. 

Dagegen gaben die früher mit Theben verbündeten Stadtge- 
meinden dem makedonischen Einflusse Raum. Argos und Messene 
waren wiederum mit Sparta in Fehde, und wenn jene Stadt auch 
weniger dabei zu leiden hatte, so waren die Messenier doch kaum 
am Stande sich gegen die Feindseligkeit der Lakedaemonier ohne 
fremde Hilfe zu behaupten. Diese mit allem Nachdrucke zu ge- 
währen war Philipp gern bereit. Ehe die phokischen Händel ab- 
gethan waren, hatte er den Spartanern gute Worte gegeben: jetzt 


1) Diod. 16, 65. 70. 82f. 90. Vgl. 13,33. 34f. Plut. Tim.'24. 35. 39. 

2) Plut. Tim. 29. Diod. 16, 80. 

3) Plut. Tim. 38. 

4) Ol. 108, 4. 344 — Ol. 110, 4. 337. Diod. 16, 90 T. — ἐτελεύ- 
τησε, στρατηγήσας ἔτη ὀκτώ. Plut. Tim. 37 ἐν οὐδ᾽ ὅλοις ἔτεσιν Önro. 
Nach Plut. e. 38, Nep. Tim. 4 sollte man meinen, er habe nach seiner 
Erblindung noch länger als Privatmann gelebt. 

5) Dem. vKr. 237 S. 306, 14. Phil. ὃ, 34 S. 119, 29, werden 
Ambrakia und Leukas als unter Korinth stehend genannt. 


Philipps Einmischung im Peloponnes. Athenische Gesandtschaft. 331 


stellte er an sie die Forderung Messenien als unabhängig anzuer- 
kennen ', und da dies abgelehnt wurde und seine Drohungen nicht 
verfiengen, schickte er nach Argos und Messene Soldtruppen und 
Geld und versprach selber mit Heeresmacht zu kommen um Sparta 
niederzuwerfen *. Unter diesen Umständen beschlossen die Athe- 
ner auf Demosthenes’ Antrag eine Gesandtschaft an die mit Sparta 
verfeindeten Staaten zu schicken um einen Frieden zu vermitteln 
und Philipps Einmischung vom Peloponnes fern zu halten: denn ih- 
nen mufste es im höchsten Grade bedenklich sein, wenn der make- 
donische Einflufs, der von Norden her sich bis an die Grenzen At- 
tikas erstreckte, nun auch auf der südlichen Halbinsel sich einni- 
stete®. Der vorzüglichste Wortführer der Gesandtschaft war De- 
mosthenes selbst. Er stellte den Messeniern wie den Argivern das 
Schicksal der Olynthier als warnendes Beispiel vor Augen, wie we- 
nig auf Philipps Freundschaftsdienste zu bauen sei und wie gefährlich 
freien Staaten die enge Gemeinschaft mit den Tyrannen werde. Er 
erinnerte ferner an die Thessaler, denen Philipp anfangs alles zu 
Willen that um jetzt die Dekadarchie zu errichten und ihre eigenen 
Zölle für seinen Schatz einzuziehen. Im Hinblick darauf ermahnte 
er sie durch Philipps Geschenke und Versprechungen sich nicht 
verblenden zu lassen: er werde auch sie betrügen und ihre Frei- 
heit und Selbständigkeit untergraben. * Hiütet euch”, so schlofs er, 
“dafs ihr nicht,” während ihr einen Krieg abwenden wollt, einen 
Herrn bekommt’. 

Die Rede des Demosthenes wurde mit lautem Beifall aufgenom- 
men, und die andern Gesandten sprachen sich in seiner Gegenwart 
und später abermals in gleichem Sinne aus. Aber nachhaltig war 


- 


1) Dem. Phil. 2, 13 S. 69,9 ὁ — Μεσσήνην Πακεδαιμονίους ἀφιέναι 
κελεύων. Theopomp. XXXII. 

2) A. 0.9 S. 68, 1.15 S. 69, 19. 23 S. 71, 16. Die von Plut. 
üb. ἃ. Schwatzhaftigkeit 17 S. 511? angeführten lakonischen Schreiben 
(“Aansdauuovıoı Φιλίππῳ" Jıovvoog ἐν Κορίνϑῳ. καὶ πάλιν γράψαν- 
τος αὐτοὶς τοῦ Φιλίππου" ““ἂν ἐμβάλλω εἰς τὴν “ακωνικὴν ἀναστάτους 
ὑμᾶς ποιήσω"", ἀντέγραψαν" “αἴκα᾽} passen, wie Thirlwall VI, 10 be- 
merkt hat, in diese Zeit, ἃ, h. Ol. 109, 1. 344. 

3) VKr. 79 8. 252, 1 πρῶτον μὲν τὴν εἰς Πελοπόννησον πρεσβείαν 
ἔγραψα, ὅτε πρῶτον ἐκεῖνος εἰς Πελοπόννησον παρεδύετο (vgl. Vömel 
prolegg. z. 2 Philipp. S. 18, 2). Phil. 2, 27 S. 72, 13 ὡς ἐπιβουλεύ- 
εσϑὲ, ὡς περιστοιχίζεσϑε. 


Ὁ 


332 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


der Eindruck nicht. Philipp gab von neuem so erwünschte Zusa- 
sen, dafs wie die Arkader, so nun auch die Argiver und die Messe- 
nier ganz für ihn eingenommen wurden ', und die makedonische 
Partei, zu Argos von Myrtis Teledamos Mnaseas geleitet, zu Mes- 
sene von Neon und Thrasylochos, den Söhnen des Philiades, ge- 
wann über ihre Gegner völlig die Oberhand ?. Damit verschärfte sich 
der Gegensatz zu den Spartanern und den mit Sparta befreundeten 
Athenern, und es kam auf Anstiften Philipps dahin, dafs Ol. 109, 
1. 344 von jenen Städten Gesandte abgeschickt wurden um von den 
Athenern Erklärungen zu fordern und ihnen Vorwürfe zu machen, 
dlafs sie der Herrschsucht der Spartaner Vorschub leisteten und ih- 
nen in dem Kampfe für ihre Freiheit hinderlich seien. Makedoni- 
sche Gesandte unterstützten ihre Beschwerde und führten zugleich 
Klage darüber, dafs die Athener ihren König vor den Hellenen ver- 
leumdeten, als habe er ihnen geleistete Zusagen nicht erfüllt. Dem 
sei nicht so. Habe er in den phokischen Händeln in Thebens Sinne 
gehandelt, so sei das nicht aus Eigennutz geschehn, sondern weil 
die thebanischen Forderungen gerechter waren als die athenischen. 
Übrigens sei der König den Athenern freundlich gesinnt und ver- 
dliene ihr volles Vertrauen ®. Die makedonische Partei that das ih- 


1) Phil. 2 2; 19—26 5. 70, 21—72, 9. Die Worte am Schlusse ταῦτ᾽ 
ἀκούσαντες ἐκεῖνοι — καὶ πολλοὺς ἕτέρους λόγους παρὰ τῶν πρέσβεων 
καὶ παρόντος ἐμοῦ καὶ πάλιν ὕστερον lehren dafs die Gesandten sich 
auf ihrer Rundreise getheilt hatten: aufser Argos und Messene werden 
sie noch andere Städte angesprochen haben. Dafs Hegesippos auch bei 
dieser Gesandtschaft gewesen sei, ist wahrscheinlich: aber die Stelle 
der R. ib. Halonn. 33 8.85, 1, aus der Vömel Einl. zur 2. Phil. S. 20, 
2, Böhnecke ἘΝῚ, 436, 3 dies entnehmen, geht vielmehr auf die zweite 
Gesandtschaft von Ol. 109, 2. 343, auf welcher auch Dem. Phil. 3, 72 
S, 129, 18 ihn als mitgesandten nennt. 

2) Die Parteiführer 5. Dem. vKr. 295 5. 324, 9; bei Theop. LI 
(fr. 257) stand nach Harpokr. u. Mvorıs Paseas und Amyrtaeos, viel- 
leicht nur durch Schreibfehler. Ein vornehmer Argiver Myrtis wird aus 
Theophrast b. Athen. 6 S. 2544 erwähnt. 

3) Liban. Einleit. 5. 64, 10 πόϑεν δὲ οὗτοι (οἵ πρέσβεις) καὶ περὶ 
τίνων ἥκουσιν, ἐν τῷ λόγῳ μὲν οὐ δηλοῦται, ἐκ δὲ τῶν Φιλιππικών 
ἱστοριῶν μαϑεῖν δυνατόν. κατὰ γὰρ τοῦτον τὸν καιρὸν ἔπεμψε πρέ- 
σβεις ὃ Φίλιππος πρὸς τοὺς ᾿Αϑηναίους, αἰτιώμενος ὅτι διαβάλλουσιν 
αὐτὸν μάτην πρὸς τοὺς Ἕλληνας ὡς ἐπαγγειλάμενον αὐτοῖς πολλὰ καὶ 
μεγάλα, ψευσάμενον δέ: οὐδὲν γὰρ ὑπεσχῆσϑαί φησιν οὐδὲ ἐψεῦσϑαι, 
καὶ περὶ τούτων ἐλέγχους ἀπαιτεῖ, ἔπεμψαν δὲ μετὰ Φιλίππου καὶ 


Peloponnesische Gesandischaft an die Athener. 999 


rige die Bürgerschaft zu beschwichtigen ': sie kam immer darauf 
zurück, jene den Athenern so widerwärtigen Zugeständnisse (πὰ- 
mentlich die Überlieferung der boeotischen Städte) seien Philipp 
wider Willen abgedrungen worden: er werde mit den Thebanern 
sich überwerfen, nächstens Elateia besetzen und sich der Phokier 
annehmen: Athen dürfe das beste von ihm erwarten, sobald es nur 
den Aufhetzungen der Kriegspartei kein Gehör gebe ?. So hätte 
man denn in aller Ruhe und Behaglichkeit zusehen mögen, wie die 
Dinge im Peloponnes verliefen: und wie viele waren es, denen das 
eben recht war! ® Anders Demosthenes: gemäfs den Grundsätzen, 
welche bei der Abordnung der athenischen Gesandtschaft malsge- 
bend gewesen waren, legte er den Entwurf zu einer Antwort vor 
und begründete diese vor der Bürgerschaft in der Rede, welche 
wir als die zweite philippische zu zählen pflegen. 

In den Eingangsworten bezeichnet Demosthenes seine und sei- 
ner Genossen Stellung zur Bürgerschaft. So oft die vertragswi- 
drigen Übergriffe und Gewaltmafsregeln Philipps zur Sprache kom- 
men, werden die Reden derer, welche das athenische Interesse ver- 


’Aeysioı καὶ Μεσσήνιοι πρέσβεις εἰς ᾿ϑήνας, αἰτιώμενοι καὶ οὗτοι 
τὸν δῆμον ὅτι Λακεδαιμονίοις καταδουλουμένοις τὴν Πελοπόννησον 
εὔνους τέ ἐστι καὶ συγχροτεῖ, αὐτοῖς δὲ περὶ ἐλευϑερίας πολεμοῦσιν 
ἐναντιοῦται. Dionys. Schr. an Amm. 1, 10 5. 737, 9 Μυκίσπος, ἐφ᾽ 
οὗ τὴν ξζ΄ τῶν Φιλιππικῶν δημηγοριῶν διέϑετο πρὸς τὰς ἐκ Πελοπον- 
νήσον πρεσβείας. Im Sinne der Verwahrungen jener Gesandtschaft ist 
Dem. Phil. 2, 13 S. 69, 4. Grote XI, 615, 4 hält die Anwesenheit von 
Gesandten Philipps bei dieser Verhandlung für unwahrscheinlich: die 
Haltung der demosthenischen Rede scheine jener Annahme zu wider- 
sprechen. Das letztere denke ich nicht; zumal am Schlusse (283—37 
S. 72, 21f.) ist von Versprechungen in Philipps Namen in solcher Art 
die Rede, dafs man meinen sollte, es sei eine Erklärung wie Libanios sie 
mittheilt vorausgegangen. Aber davon bin ich auch überzeugt, dafs 
die makedonischen abgeordneten keinen weiteren Auftrag hatten als 
das Begehren der Argiver und Messenier zu unterstützen. 

1) Phil. 2, 6 $. 66, 28f. — ἐὰν μὲν ἐγὼ δοκῶ βέλτιον προορᾶν, 
ἐμοὶ πεισϑῆτε, ὧν δὲ οἵ ϑαρροῦντες καὶ πεπιστευκότες αὐτῷ (Φιλίπ- 
ro), τούτοις προσϑῆσϑε. 

2) Phil. 2, 14f. S. 69, 12—18. 25. vd@. 187 'S. 399, 24 ἔστι 
τοίνυν τις πρόχειρος λόγος πᾶσι τοῖς ἐξαπατᾶν ὑμᾶς βουλομένοις ‘ol 
ταράττοντες τὴν πόλιν, οἵ διακωλύοντες Φίλιππον εὖ ποιῆσαι τὴν 
πόλιν." 

3) Phils-2, 27 S. 72, 14—17. 5f. 8. 66, 27 . 


334 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


treten und über Philipp Klage führen, als gerecht und billig aner- 
kannt: aber es geschieht nichts was geschehen sollte um thatkräf- 
tig dawider einzuschreiten. So setzt Philipp durch was er will, 
während die Athener sich in trefllichen Reden über das gute Recht 
ergehen. Das ist freilich leicht und bringt keine Beschwerde: will 
man aber die Lage bessern und nicht eine Macht sich aufthürmen 
lassen so gewaltig dafs Athen gar nicht dagegen aufkommen kann, 
so mufs man anders zu Werke gehen und die Redner wie die Bür- 
gerschaft müssen statt des bequemen und angenehmen Nichtsthuns 
zu rettenden Thaten sich entschliefsen '. 

Dafs es so stehe thut Demosthenes aus Philipps Verfahren seit 
dem Friedensschlusse dar, im Gegensatze zu denen, welche in sei- 
ner Machtstellung nichts gefährliches und bedrohliches für Athen 
sehen wollen. Nach dem Frieden hat Philipp zuerst sich zum Mei- 
ster der Thermopylen und von Phokis gemacht: das benutzte er 
dazu um die thebanischen Interessen zu befördern, nicht die athe- 
nischen. Den Grund zu diesem Entschlusse entwickelt Demosthe- 
nes aus Philipps Seele: als dessen Gedanke wird die Politik hn- 
gestellt, welche den Athenern durch das Wesen ihres Staates, 
durch ihren Charakter und ihre Geschichte vorgeschrieben ist. Phi- 
Iipp stellt seine Berechnung auf Eroberung und Unterwerfung der 
Hellenen, nicht auf Frieden und Ruhe und Gerechtigkeit: die Athe- 
ner aber, das sah er ganz richtig ein, könne er durch keine Gunst 
noch verheifsenen Gewinn vermögen, das gemeine Recht der Hel- 
lenen preiszugeben und das Wohlwollen für sie zu verleugnen: son- 
dern sie würden aus Rechtsgefühl und um die Schande einer sol- 
chen Politik nicht auf sich zu laden und in gebührender Voraus- 
sicht einem solchen Beginnen von seiner Seite gerade so entgegen 
treten, als wenn sie im Krieg begriffen wären. Die Thebaner da- 
gegen, meinte er, wie es auch zutraf, würden für die ihnen ge- 
währten Vortheile im übrigen ihn nach Belieben schalten lassen, 
ja weit entfernt ihm zu widerstehen und hinderlich zu sein, auf sein 
Gebot mit ins Feld ziehen. In gleicher Voraussetzung macht er 
sich jetzt um die Messenier und Argiver verdient. Dieser Gegen- 
satz in den politischen Grundsätzen Athens und jener Staaten, der 
schon in den Perserkriegen sich beurkundet hat und auch jetzt noch 


I) 1-5 8. 65, 1-66, 28. 


Die zweite Philippika. 339 


besteht, ist eben die Ursache dafs Philipp die letzteren zu seinen 
Freunden erwählt. Denn mehr Kriegsschiffe als Alhen haben sie 
nicht; und Philipp hat nicht, weil er im Binnenlande eine Herr- 
schaft erworben, der Seeküste und der Hafenplätze sich begeben: 
noch ist er uneingedenk der Erklärungen und Zusagen auf welche 
ihm der Friede gewährt wurde !. 

In den letzten Worten hat Demosthenes schon dem Einwande 
begegnet, Philipp könne an der Freundschaft der Athener weniger 
gelegen sein, als an der Verbindung mit Theben und den pelopon- 
nesischen Staaten. Er zeigt ferner aus dem innern Widerspruche 
seines Verfahrens Theben und Sparta gegenüber, dafs die vermeint- 
liche Rechtmäfsigkeit der thebanischen Ansprüche seine Handlun- 
gen nicht geleitet hat, und weist auf Grund der oflenkundigen That- 
sachen das Gerede zurück, als habe Philipp damals nur gezwungen 
nachgegeben und gehe damit um eine feindselige Haltung gegen 
Theben anzunehmen. ' Die Hilfe, welche Philipp den Messeniern 
und Argivern wider Thebens Feinde, die Spartaner, schon jetzt ge- 
währt und in eigener Person mit Heeresmacht bringen will, gibt 
den Beweis dafs er von vorn herein planmälsig zu Werke gegangen 
ist”. Alle seine Anschläge concentriert Philipp wider den atheni- 
schen Staat, und wie die Sachen stehen gewissermalsen mit Noth- 
wendigkeit: denn in den Athenern erkennt er die einzigen Gegner 
seiner Herrschsucht und ist sich bewulst sie seit lange gekränkt zu 
haben. Ohne Amphipolis und Potidaea zu besitzen hielte er sich 
in Makedonien nicht für sicher: er weils, dafs sie seine Intriguen 
merken und kennt ihre Gesinnungen genug um ihres Hasses gewils 
zu sein, und die Erwartung zu gelegener Zeit von ihnen einen 
Schlag zu erleiden, wenn er damit nicht zuvorkommt, reizt ihn auf. 
Darum ist er auf dem Platze, darum hält er Athen zuwider die The- 
baner und ihre Freunde im Peloponnes so warm, in der Meinung, 
sie werden aus Habsucht jetzt mit ihm einverstanden sein und in 
ihrer Beschränktheit nicht voraussehen was kommen wird ἧς — so 
schlagende Beispiele ihnen auch vor Augen stehen. Das hat De- 
mosthenes den Messeniern und Argivern zu Gemüthe geführt — und 
was er vor diesen gesprochen hält er nun auch den Athenern 


1) 6—12 8. 66, 28—69, 4. 
2) 13—16 8. 69, 4-70, 1. 
3) 16—19 8. 70, 1—20. 


396 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


vor ' —; sie haben mit lautem Beifall ihm zugestimmt, aber darum 
lassen sie doch nieht ab von Philipps Freundschaft und seinen Ver- 
heiflsungen. Nun ist es nicht so unbegreiflich, wenn die Messenier 
und andere Peloponnesier wider die anerkannt bessere Einsicht 
handeln: wohl aber, wenn die Athener trotz ihres Verstandes, 
trotz der Warnungen des Demosthenes und seiner Freunde, wie 
sie belistet und umstellt worden, in Folge ihres gegenwärtigen 
Nichtsthuns dahin gelangen alles über sich ergehen zu lassen: so 
viel mächtiger ist der augenblickliche Genufs und die Bequemlich- 
keit als die Rücksicht auf die zukünftige Wohlfahrt ?. 

Die erforderlichen Mafsregeln werden später, wenn die Ge- 
sandten abgefertigt sind, in Berathung zu nehmen sein: zunächst 
verliest Demosthenes den Bescheid den er ihnen ertheilt wissen 
will ὅ. 

Wir haben es zu beklagen dafs wir diese Antwort nicht ken- 
nen, denn damit mangelt uns ebenso wie in der Rede vom Frieden 
gerade das Hauptstück. Allein die Grundsätze des Demosthenes 
und seine Ansicht von den Zuständen des Peloponnes sind uns hin- 
länglich bekannt um zu wissen in welchem Sinne sie gehalten war, 
und die vorliegende Rede läfst uns darüber keinen Zweifel *. Demo- 
sthenes wollte die Herrschaft Spartas über die andern Staaten nicht 
erneuern, sondern war bereit im Namen Athens ihre Freiheit zu 
garantieren: aber eben so wenig sollte Sparta überwältigt werden. 


1) 19—25 S. 70, 21—72, 5. 

2) 261. 8. 72, 5—17. 

3) 28 8. 72, 18 περὶ μὲν δὴ τῶν ὑμῖν πρακτέων καϑ' ὑμᾶς 
αὐτοὺς ὕστερον βουλεύσεσϑε, ἂν σωφρονῆτε: ἃ δὲ νῦν ἀποκρινάμενοι 
τὰ δέοντ᾽ ἂν εἴητ᾽ ἐψηφισμένοι, ταῦτ᾽ ἤδη λέξω. Franke hat die 
Worte καϑ᾽ ὑμᾶς αὐτοὺς richtig erklärt: μεταστάντων τῶν πρέσβεων, 
d. h. nieht in derselben Volksversammlung, welche berufen war um die 
Schreiben welche die Gesandten überbrachten und ihre mündlichen Auf- 
träge zu vernehmen und ihnen darauf Antwort zu ertheilen, sondern in 
einer später abzuhaltenden, nachdem jene die Stadt verlassen hatten. 
Übrigens liegt es in der Sache dafs D., wenn seinem Antrage gemäls 
die Gesandten beschieden wurden, nun auch Vorschläge zu thun hatte, 
was dem zufolge geschehen solle. 

4) Thirlwall VI, 14 the tone of the speech leads us 10 suppose that 
the reply made no material concession; — yet it so far satisfied Philipp and 
his allies as to avoid an open rupture. 


Die zweite Philippika. 337 


So wird ähnlich wie in der Rede für die Megalopoliten seine Er- 
klärung dahin gegangen sein: die athenische Bürgerschaft, ent- 
schlossen die Verträge aufrecht zu erhalten und die Freiheit und 
Selbständigkeit aller Hellenen zu schirmen, werde dem angegrille- 
nen Theile beistehen und fremde Einmischung mit gewallneter Hand 
zurückweisen. 

Schliefslich kommt Demosthenes auf die Versprechungen Phi- 
lipps, welche, wie Libanios überliefert fand, die makedonischen Ge- 
sandten abgeleugnet hatten. Er macht den König nicht direet da- 
für verantwortlich, sondern darüber, sagt er, sollten billiger Weise 
die Zwischenträger Rede stehen. Einmal die Überbringer jener 
Zusicherungen, auf welche hin die Athener sich bewogen fanden den 
Frieden abzuschliefsen — Ktesiphon latrokles Aristodemos —, fer- 
ner die andern — er meint Aeschines und Philokrates — welche 
nach Abschlufs des Friedens bei der Rückkehr von der zweiten Ge- 
sandtschaft, als Demosthenes «die angesponnene Täuschung oflen- 
barte und darauf drang «die Thermopylen und die Phokier nicht 
preiszugeben, durch ihre glückverheifsenden Vorspiegelungen die 
Bürgerschaft zu den schimpflichsten Zugeständnissen verführten. 
Mit scharfen Worten verwahrt er sich gegen jede Gemeinschaft mit 
diesen seinen Widersachern, die im Solde Philipps stehen, und 
mifst ihnen die Schuld an der gegenwärtigen Lage bei: durch ihre 
Verrätherei ist es dahin gekommen, dafs Philipp die Strafse nach 
Attika und dem Peloponnes beherrscht, dals es sich nicht mehr um 
Rechtsgrundsätze und auswärtige Angelegenheiten handelt, son- 
dern um Beschirmung des eigenen Landes und um Krieg an den 
Grenzen Attikas. Das alles will Demosthenes für jetzt nur in Erin- 
nerung gebracht haben; dafs seine Befürchtungen vollständig ein- 
treffen, mögen die Götter verhüten : denn er kann nicht wünschen, 
dafs jemand, wenn er auch den Tod verdient hat, unter Gefahr 
und Schaden aller Strafe erleide '. 


1) 28—37 S. 72, 21 bis zu Ende. Darauf bezieht sich Dem. vdG. 
207 8. 405, 20 ἐν πάσαις ταῖς ἐκκλησίαις ὁσάκις λόγος γέγονε περὶ 
τούτων καὶ κατηγοροῦντος ἀκούετέ μου καὶ ἐλέγχοντος ἀεὶ τούτους 
(Philokrates und Aeschines) καὶ λέγοντος ἄντικρυς ὅτι yonuar' ein 
φασι καὶ πάντα πεπράχασι τὰ πράγματα τῆς πόλεως. καὶ τούτων οὐδεὶς 
πώποτ᾽ ἀκούων ταῦτ᾽ ἀντεῖπεν οὐδὲ διῆρε τὸ στόμα οὐδ᾽ ἔδειξεν ἕαν- 
τὸν τὶ. Eine andere Invective der Art berichtet Demosthenes 135 
S. 383, 3; vgl. o. S. 290. 

DEMOSTHENES II. 22 


338 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


Die Rede des Demosthenes läfst uns wiederum in höherem 
Grade als die früheren den seiner Geltung sich bewufsten Staats- 
mann erkennen. Er steht nicht mehr allein, sondern ist Leiter 
einer Partei ', deren wachsendes Ansehen jede spätere Rede mehr 
beurkundet. Hier entwirft er ein Bild der politischen Lage nicht 
in oberflächlichen Umrissen, sondern aus dem innersten Wesen der 
Staaten und aus Philipps Charakter heraus. Demnach stellt er den 
Beruf, welchen Athen zu erfüllen hat, als einen nicht willkürlich er- 
wählten, sondern als einen unabweislichen hin, und in der Wie- 
derholung der an die Peloponnesier gerichteten Warnungen hält er 
nicht allein seinen Mitbürgern einen Spiegel vor *, sondern er be- 
festigt damit die Überzeugung dafs allen Hellenen die gleiche Ge- 
fahr droht ihre Selbständigkeit zu verlieren und dafs Athen dawider 
einzuschreiten berufen ist. Die Schlufsworte, aus denen die Trüg- 
lichkeit der Verheifsungen Philipps und die Verrätherei der makedo- 
nischen Parteigänger erhellt, bilden damit zugleich die nachdrück- 
lichste Mahnung sich durch solches Blendwerk und durch straf- 
bare Rathgeber nicht abermals irre leiten zu lassen. Mit Recht 
haben schon alte Erklärer diese Stelle in Verbindung gebracht mit 
der gerichtlichen Anklage, welche Demosthenes gegen Aeschines 
zu verfolgen gedachte *, wie Hypereides sie gegen Philokrates an- 
hängig machte. 

Welchen Beschlufs die Athener gefalst haben ist nicht über- 
liefert, doch halte ich es für wahrscheinlich dafs der Antrag des De- 
mosthenes angenommen und die Gesandten demgemäfs beschieden 
wurden. So viel steht fest, dals zwischen den Spartanern und ih- 
ren Gegnern vorläufig die Waflen ruhten, und Philipps Heerfahrt 
nach dem Peloponnes wurde immer wieder hinausgeschoben. 


1) 27 5. 72, 13 τῶν λεγόντων -- ἡμῶν; vgl. den Eingang der Rede. 

2) Aquil. Rom. 9 S. 150 Apostrophe —. acutissimum exemplum in Philip- 
pieis Demosthenis, ubi quibus verbis populum Atheniensem monitum vult, ea 
se dieit apud Graecos et Arcadas et Messenios concionatum,. Invidiose et M. 
Tullius οἷς. (so ist zu interpungieren). Vgl. Jacobs, D. Staatsreden S. 
264 f. 

3) Liban. Einl. 8. 65, 14 ταῦτα δὲ εἰς τὸν Αἰσχίνην αἰνίττεται, 
προκατασκχευαζόμενος, ὥς φασι, τὴν κατ᾽ αὐτοῦ κατηγορίαν τῆς παρα. 
πρεσβείας, ἣν ὕστερον ἐνεστήσατο, καὶ προδιαβάλλων αὐτὸν πρὸς τοὺς 
᾿Αϑηναίους. 


Peloponnesische Zustände. Phalaekos und seine Söldner. 339 


Wie verwirrt aber die Zustände der Halbinsel waren läfst sich 
aus Diodors Erzählung über die letzten Schicksale des Phalaekos 
und seiner Truppen erkennen. Phalaekos zog nach seinem Abmar- 
sche aus Phokis zunächst im Peloponnes umher und bestritt den 
Sold aus dem ihm verbliebenen Rest der Tempelschätze. Dann 
schiffte er sich mit seiner Mannschaft zu Korinth ein, vorgeblich 
gerufen von den Hellenen in Italien und Sieilien, in der That ganz 
aufs ungewisse, mit dem Gedanken sich irgendwo festzusetzen oder 
Dienst zu nehmen. Die Truppen aber waren mit dieser abenteuer- 
lichen Fahrtnicht einverstanden: sobald sie durehschauten dafs gar 
kein Engagement bestand, brach, von den Hauptleuten angestiftet, 
Meuterei aus und Phalaekos ward zur Umkehr genöthigt. Cap Ma- 
lea bildete den Sammelplatz. Dort trafen sie Kreter von Knos- 
sos, welche auf Werbung ausgesandt waren, und nahmen sie in 
Dienst. Auf Kreta eroberte Phalaekos durch einen Handstreich die 
Stadt Lyttos und verjagte die Einwohner: diese aber wandten sich 
nach Sparta als ihrer Mutterstadt um Hilfe'. Dort war gerade un- 
ter Archidamos Befehl ein Heer zur Einschiflung nach Italien be- 
reit, in Folge eines Hilfgesuchs der Tarentiner, welche mit den Lu- 
canern in Krieg begriffen waren. Eben dieses Heer setzte nun zu- 
vörderst nach Kreta über, schlug die phokischen Söldner und führte 
die Lyttier wieder in ihre Stadt zurück. Hierauf segelte Archida- 
mos um den Tarentinern versprochener Mafsen Beistand zu leisten 
nach Italien: Phalaekos blieb noch auf Kreta und fand dort bei der 
Belagerung von Kydonia (die Bürgerschaft hatte ihm eine geforderte 
Geldschatzung abgeschlagen ?) seinen Tod. Den Rest der Söldner nah- 
men verbannte Eleer in Dienst und suchten mit dieser Streitmacht 
die Heimkehr zu erzwingen. Aber die zu Elis herrschende Partei 
behauptete sich mit arkadischer Hilfe: in blutiger Schlacht unterlag 
die Sache der verbannten und von den Söldnern geriethen viertau- 


1) Vgl. Wesseling zu Diod. 16, 62, wo die homerische Form 
Lyktos geschrieben ist. Über den Hafs, den die Knosier wider die 
Lyttier hegten, vgl.’aufser Polyb. 4, 53f. die von KFHermann im Phi- 
lol. IX, 694 ff. erläuterte Inschrift (auch in den Berichten der Berliner 
Akademie 1855 S. 260f.). In einem von Demades verfalsten Volksbe- 
schlusse (C. I. gr. Inr. 96) wird Eurylochos von Kydonia gedankt, dafs 
er gefangene Athener aus Feindeshand losgekauft. Das mag bei sol- 
chen Fehden auf Kreta geschehen sein. 

2) BBUSı 10, 2,7. 


340 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


send in die Hände der Feinde. Die Arkader und Eleer theilten die 
gefangenen unter sich: jene verkauften die ihnen zugefallenen in 
die Sklaverei, die Eleer hieben sie als Tempelräuber nieder. Das 
war das Ende des phokischen Heeres !. 

Diese Erzählung Diodors, welche nicht auf einzelne Jahre ver- 
theilt, sondern an das Ende des phokischen Krieges geknüpft ist, 
empfängt durch anderweite Überlieferungen einiges Licht. Zunächst 
mag bemerkt werden, dafs nicht alle Söldnerhaufen bei Phalaekos 
aushielten: ein Theil nahm, wie wir gesehen haben, Dienst bei Ti- 
moleon, andere mögen von Archidamos angeworben sein?. Über 
die Zeit der Katastrophe gibt Demosthenes Auskunft. Er erwähnt 
nämlich in der Rede von der Gesandtschaft ? (Ol. 109, 2. 343) als 
ein Ereignifs der jüngsten Vergangenheit, dafs die Philipp zuge- 
wandte Partei, als deren Führer er in der Rede vom Kranze ἡ Euxi- 
theos Kleotimos Aristaechmos nennt, zu Elis die Demokratie ge- 
stürzt und sich der Gewalt bemeistert habe: er gedenkt auch des 
Blutbades und beklagt den Wahnsinn, der die herrschsüchtige 
Partei Philipp zu Gefallen zum Morde ihrer blutsverwandten und 
Mitbürger getrieben hat’. Seitdem war Elis dem Interesse Phi- 
lipps verpfändet: vielleicht nahmen gar die Machthaber makedoni- 
sche Miethstruppen zu Hilfe ἢ. Jene Vorgänge nun können nicht 
später als in den Sommer Ol. 109, 1/2. 343 fallen ὁ: die Kämpfe 
auf Kreta und Phalaekos Tod dürfen wir etwa in das Frühjahr setzen. 


1) Diod. 16, 61—63. 


2) Vgl. o. 5. 328. Dafs Archidamos phokische Söldner in Dienst 
hatte schliefse ich aus Diod. 16, 63 ol μὲν ᾿ἀρχιδάμου μισϑοφόροι us- 
τεσχηχότες τῆς τοῦ μαντείου συλήσεως ὑπὸ τῶν Λευκανῶν κατηκον- 
τίσϑησαν. Doch lassen diese Worte auch eine andere Beziehung zu. 

3) 2942. 8. 435, 16. 24. 

4) 295 5. 324, 10. Thirlwall VI, 20f. deutet an dafs es sich zu 
Elis kaum um einen reinen Gegensatz der demokratischen und der oli- 
garchischen Partei gehandelt haben möge: durch den makedonischen 
Einflufs entstanden allerwärts neue Spaltungen. 

5) 260 8. 424, 21. 

6) Phil. 3, 27 S. 118, 5 Ἦλιν ἔχει (Φίλιππος) τηλικαύτην πόλιν ἐν 
Πελοποννήσῳ. Paus. 5, 4, 9 Φιλίππου δὲ τοῦ Auvvrov οὐκ ἐϑέλον- 
τος ἀποσχέσϑαι τῆς Ἑλλάδος προσεχώρησαν μὲν ἐς τὴν συμμαχίαν τῶν 
Μακεδόνων οἵ Ἠλεῖοι, στάσει κακωϑέντες ὑπὸ ἀλλήλων. Vel. 4, 38, 4. 

7) Vgl. Böhnecke F. I, 444. 735. 


Parteikämpfe in Elis. 34] 


Um diese Zeit wird auch Archidamos seine erste Fahrt nach Tarent 
ausgeführt haben, mit welcher Diedor den späteren Zug zusam- 
menwirft, auf dem er seinen Tod fand '. Das aber leuchtet ein, 
dafs die Spartaner nimmermehr zu einem auswärtigen Kriege sich 
anschicken konnten, während ihre eigene Stadt noch in Gefahr 
schwebte, also nicht zur Zeit da Demosthenes die zweite Philippika 
hielt (Herbst oder Winter Ol. 109, 1. 344) ?: wohl aber mulste es 
bei eintretender Waflenruhe ihnen erwünscht sein die einmal ange- 
worbenen Truppen in fremdem Solde verwenden zu können. 

Das waren die Zustände des Peloponnes : innere Zerwürfnisse, 
unversöhnlicher Hafs der Parteien, und in Argos Messene Elis Ar- 
kadien Philipp die Stütze der bestehenden Gewalten; durch ihn 
hoffte man Frieden und Ruhe gesichert und Sparta vernichtet zu 
sehen. Daher huldigte man seinem Namen; die Arkader widmeten 
ihm Bildsäulen und Kränze und beschlossen, wenn er nach dem 
Peloponnes komme, ihm ihre Städte zu öflnen; nicht anders die 
Argiver ®: lauter bedenkliche Anzeichen, über welche die Athe- 
ner Grund genug hatten unruhig zu sein '. Aber die Gefahr von 
allen Seiten gleichsam eingehegt zu werden sollte ihnen noch 
näher rücken: in unmittelbarer Nachbarschaft von Attika, auf Eu- 
boea, falste Philipp festen Fufs (wir kommen auf die dortigen Vor- 
gänge später zurück) und gegen Megara versuchte er einen Hand- 
streich. Die Megareer hatten in ihrem kleinen und ärmlichen 
Ländehen seit langer Zeit in Frieden gesessen. Bei Ausbruch 
des boeotischen Krieges den Spartanern zugethan °, hatten sie 
seit dem Frieden zu Sparta strenge Neutralität beobachtet. Wenn 
dann auch die Thebaner ihnen drohten *, und das Land häufige 

1) Diod. 16, 62f.; vgl.61. Diodor schreibt Archidamos hier (C. 63) 
wie C. 88 23 Regierungsjahre zu, seinem Sohne Agis an der späteren 
Stelle und 17, 63 richtig neun Jahre, an unserer fünfzehn. Diese Zahl 
mag von der ersten tarentinischen Expedition des Archidamos gerech- 


net sein, wie Böhnecke F. I, 735, 1 vermuthet. In Ol. 109, 1 setzt 
auch Niebuhr RG. III, 186f. Archidamos Heerfahrt. 

2) Damals war es darauf abgeschen Sparta zu zerstören. Phil. 2, 
15 S. 69, 24. Vgl. Isokr. Phil. 74 5. 97. 

3) VdG. 261.8. 424, 26. Vgl. vKr. 64 S. 246, 13. 

4) VdG. 288 S. 434,1. 

5) Apollod. wNeaer. 36 S. 1357, 9. 

6) Isokr. Phil. 53 S. 93. 


342 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


Durchmärsche zu erleiden hatte, so liefsen doch im übrigen Pelo- 
ponnesier wie Thebaner und Athener die Gemeinde der Megareer 
unangefochten. Daher blühte die Stadt, und es gab reichere Fami- 
lien dort als irgendwo in, Griechenland ἡ. Aber auch hier wucherte 
die Saat der Zwietracht und der makedonischen Umtriebe. Peri- 
laos gieng an Philipps Hof, wurde deshalb zu gerichtlicher Verant- 
wortung gezogen , aber von Ptoeodoros freigebeten *. Diesem Ptoeo- 
doros begegnen wir als einem vornehmen Herrn schon in der Zeit 
Dions, der ihm seine Aufwartung machte ὅς. Demosthenes sagt, er 
sei an Reichthum, Adel der Geburt und Ansehen der erste Mann zu 
Megara. Als ein dritter Parteigänger Philipps wird Helixos genannt *. 
Sobald Perilaos freigesprochen war, schickte ihn Ptoeodoros mit 
neuen Aufträgen nach Makedonien, und nicht lange, so kam er mit 
Soldtruppen Philipps zurück, während jener daheim seine Anstal- 
ten getroffen hatte. Aber der Streich gieng fehl: Megara behauptete 
die Freiheit, vielleicht mit athenischer Hilfe ° (Ol. 109, 1. 343). 


1) Isokr. vFr. 117f. 5. 188 Meyageig δέ, μικρῶν αὐτοῖς καὶ 
φαύλων τῶν ἐξ ἀρχῆς ὑπαρξάντων καὶ γῆν μὲν οὐκ ἔχοντες οὐδὲ λι- 
μένας οὐδ᾽ ἀργυρεῖα, πέτρας δὲ γΕΩΘΥΘΌΨΕΒΘῚΙ μεγίστους οἴκους τῶν 
Ἑλλήνων κέκτηνται" -- μικρὰν δύναμιν ἔχοντες τὴν αὑτῶν ὅπως βού- 
λονται διοικοῦσιν" καὶ πρὸς τούτοις -- μεταξὺ Πελοποννησίων καὶ Θη- 
βαίων καὶ τῆς ἡμετέρας πόλεως οἰκοῦντες εἰρήνην ἄγοντες διατελοῦσιν. 
Über die von Dem. ΟἹ. 3, 20 5. 34, 7 berührte (ältere) Fehde der Athe- 
ner mit Megara s. o. 8. 327, 3. 

2) Dem. vdG. 294f. 5. 435, 20£. 

3) Plut. Dion 17. Philod. üb. d. Laster X, 11 Sauppe. Val. M. 
4,1, ext. >. 

4) Dem. vKr. 295 5, 324, 14. Harp. u. d. N. Über Perilaos vgl. 
auch vKr. 48 5. 242, 2. 

5) VdG. a. O. u. 87 S. 368, 25. 204 S. 404, 28. 326 S. 446, 1. 
334 S. 448, 23 (daher Phil. 4, 9 5. 133, 23). Phil. 3, 17f. S. 115, 2. 
14 (vgl. 74 S. 130, 4); 27 S. 118, 6. vKr. 71 5, 248, 13. Winiewski 
comm. in or. de cor. ὃ. 147 setzt damit den Ausmarsch der Athener 
zum Schutze ihrer nordwestlichen Grenze, nach Drymos und der Mark 
von Panaktos in Verbindung (Dem. vdG. 326 S. 446, 2); s. Thirlwall 
VI, 18, 4. Übrigens ist aus den unmittelbar vorhergehenden Worten 
des Demosthenes hier und $ 87 zu schliefsen, dafs der Angriff auf Me. 
gara (wie auf Geraestos) von der Seeseite aus versucht wurde. We- 
niger hat es für sich, was Grote XI, 621 andeutet, dafs Perilaos mit 
den Söldnern von Phokis her über den Meerbusen an den Isthmos ge- 
kommen sei. 


Handstreich gegen Megara. Hypereides Klage wider Philokrates. 343 


Wir lesen bei Plutarch, leider ohne bestimmte Zeitangabe ', dafs 
auf ein von Megara ergangenes Gesuch Phokion die rasch entschlos- 
senen Athener, damit die Boeoter ihnen nicht zuvorkämen, unmit- 
telbar nach der Volksversammlung abmarschieren liefs und den er- 
betenen Beistand leistete. Auf seinen Betrieb ward der Hafen Ni- 
saea befestigt und die langen Mauern nach der Stadt hergestellt. 
Seitdem wurden die Beziehungen zu Athen, die bisher nicht eben 
freundlich gewesen waren, immer enger. Demosthenes stiltete ein 
förmliches Bündnifs ?, und die makedonische Partei konnte vor der 
Hand in Megara nicht aufkommen. 

Doch kehren wir zu dem Verlaufe der Dinge in Athen zurück. 
Als Demosthenes die zweite Philippika hielt, waren Aeschines und 
Philokrates noch nicht zu gerichtlicher Verantwortung gezogen: 
aber mit unverholener Rüge frischt er das Gedächtnifs an die von 
ihnen geübte Täuschung und Bestechlichkeit auf und erklärt sie für 
des Todes würdig?. So bereitete Demosthenes seine Anklage wi- 
der Aeschines vor. Früher aber kam eine Meldeklage zur Ver- 
handlung, welche Hypereides wider Philokrates wegen der Philipp 
zum Schaden des athenischen Staates geleisteten Dienste erhob. 
‚Auf Grund des Gesetzes war- die Anklage dahin gerichtet, Philo- 
krates spreche als öffentlicher Redner nicht zum besten der athe- 
nischen Bürgerschaft, mit Geld und Geschenken bestochen von den 
Widersachern der Bürgerschaft: und im Verfolge der Klagschrift 
waren fünf oder sechs Volksbeschlüsse des Philokrates wörtlich 


1) Plut. Phok. 15 erzählt dies nach der byzantinischen Expedition; 
deshalb hat Winiewski a. O. S. 383 dafür Ol. 110}. 339 angenommen. 
Aber Plutarch nimmt es mit der Zeitfolge nicht genau: geht er doch 
von dem euboeischen Feldzuge zu Gunsten des Plutarchos, ohne der 
späteren Expedition Phokions nach Euboea (Ol. 110, 1. 340) irgend zu 
gedenken, auf den Entsatz von Byzanz über. Mir scheint für den 
Hilfszug nach Megara keine Veranlassung geeigneter als die oben er- 
wähnte; vgl. über die Besorgnisse vor den Boeotern o. 8. 342, 5 und über 
das Bündnifs der Megareer mit Athen die nächstfolg. Anm. Böhnecke ἘΠ, 
I, 656 setzt Phokions Zug ebenfalls vor die Belagerung von Byzanz, 
circa tempus Philippicae tertiae. 

2) Dem. vKr. 234 S. 305, 20 (vgl. νυ. Aristokr. 212 S. 691, 4). 237 
S. 306, 14. Vgl. Aesch. 3, 95 S. 67. Als verbündet mit Athen er- 
scheint Megara Chers. 18 S. 94, 12. Phil. 3, 74 5, 130, 4. 


3) 8. ο. 337. 


944 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


aufgeführt auf welche die Klage sich richte '. Und zwar handelte 
es sich dabei vorzugsweise um die Volksbesehlüsse über den Frie- 
den mit Philipp, welche auf Grund des Gesandtschaftsberichtes er- 
lassen waren. Die Anklage des Hypereides unterstützte Demosthe- 
nes: eines nur, sagte er, misfalle ihm an der Meldeklage, dafs Phi- 
lokrates allein sich so vieler schweren Vergehen schuldig gemacht 
haben solle und die neun übrigen Gesandten keines. Dem sei nicht 
so: für sich allein hätte jener nicht aufkommen können, wenn er 
nicht unter den andern Helfer gehabt hätte. “Um nun selbst we- 
“der jemanden aufser Anklage zu setzen noch zu beschuldigen, 
“sondern die Sache reden zu lassen’, fügte er hinzu, “so fordere ich 
“einen jeden dem es beliebt auf vorzutreten und zu erklären, er 
“habe keinen Theil und keinen Gefallen an den Schritten des Phi- 
“lokrates: wer das thut, den setze ich aulser Anklage’. Keiner der 
anwesenden Gesandten entsprach der Aufforderung, namentlich 
Aeschines nicht, der als Beistand des Philokrates vor Gericht er- 
schienen war: und gerade auf ihn zielte Demosthenes, denn die 
andern ‚waren nicht rechenschaftspflichtig, oder nicht anwesend, 
einer auch war Philokrates Schwager: über Aeschines aber schwebte 
eben noch die Anklage”. Was Philokrates betriflt, so hatte er mit 


1) Hypereid. f. Eux. e. 39f. Φιλοκράτη τὸν ᾿“γνούσιον — εἰσαγγεί- 
λας ἐγὼ ὑπὲρ ὧν Φιλίππῳ ὑπηρετήκει κατὰ τῆς πόλεως εἷλον ἐν τῷ 
δικαστηρίῳ, καὶ τὴν εἰσαγγελίαν ἔγραψα δικαίαν καὶ ὥσπερ ὃ νόμος 
κελεύει (5. 60]. 23) ῥήτορα ὄντα λέγειν μὴ τὰ ἄριστα τῷ δήμῳ. τῷ 
“᾿Αϑηναίων, χρήματα λαμβάνοντα καὶ δωρεὰς παρὰ τῶν τἀναντία πρατ- 
ἐπόντων τῷ δήμῳ" καὶ οὐδ᾽ οὕτως ἀπέχρησέ μοι τὴν εἰσαγγελίαν δοῦ- 
var, ἀλλ᾽ ὑποκάτω παρέγραψα “τάδ᾽ εἶπεν οὐ τὰ ἄριστα τῷ δήμῳ χρή- 
ματα λαβών", εἶτα τὸ ψήφισμα αὐτοῦ ὑπέγραψα καὶ πάλιν “τάδε 
«εἶπεν οὐ τὰ ἄριστα τῷ δήμῳ χρήματᾶ λαβών’, καὶ τὸ ψήφισμα παρέ- 
γραφον" καὶ ἔστι μοι πεντάκις ἢ ἑξάκις τοῦτο γεγραμμένον. Diese 
Stelle lehrt dafs das rhetorische Thema bei Marc. z. Hermog. IV S. 
164 W. (welches aus Dem. vdG. 309 S. 440, 6 entnommen ist) Hy- 
pereides /Anklage in der Hauptsache nicht berührt. 

2) Dem. vdG. 1108, 8. 376, 14f. ὃ tolvvv ὕστατον μὲν γέγονεν — 
ϑεάσασϑε. στὲ δήπου πρῴην, 61 εἰσήγγελλεν Ὑπερείδης Φιλοκράτην 
κτλ. 115 S. 376, S—10. Demnach kann die Verhandlung nicht früher 
als in die zweite Hälfte von Ol. 109, 1. 343 fallen; vgl. Böhnecke F. 
1, 429, 1. Dafs Philokrates (dessen Anwesenheit Ol. 108, 3. 346 
113 8. 375, 17 erwähnt wird) bis in die jüngste Zeit unangefochten zu 
Athen gelebt hatte, lehrt auch 200 δ. S. 405, 11. Was die Scholien zu 
118 5. 377, 5 sagen, latrokles sei nicht zugegen gewesen, und als 


Athenische Staatsprocesse. 345 


Philipps Geschenken öffentlich geprahlt ': seine Vertheidigung 
konnte sich also nur dahin richten, er habe nicht zum Schaden 
Athens geredet und nicht von Widersachern der Bürgerschaft die 
Geschenke empfangen. Aber so gut er sonst verstanden hatte den 
Zorn des Volkes abzuleiten und austoben zu lassen ?, jetzt gab er 
selbst seine Sache verloren und trat die Verbannung an, ehe das 
Urteil gesprochen wurde: abwesend verdammten ihn die Richter 
zum Tode ?. Seitdem leugnete Aeschines es ab je mit Philokrates 
Gemeinschaft gepflogen zu haben ἡ. 

Zwei andere Staatsprocesse, die in dieselbe Zeit fallen und an- 
gesehene Familien trafen, vermögen wir nicht näher zu erläutern. 
Thrasybulos, der Sohn des berühmten Volksfreundes, Oheim des 
Nikeratos aus dem Hause des Nikias, ward schuldig befunden, und 
erst vor der zweiten Abstimmung legte Eubulos seinen persönli- 
chen Einflufs ins Mittel: ihn traf eine Geldstrafe von zehn Talenten. 
Nicht minder wurde Proxenos der Feldherr zu der gesetzmäfsigen 
Strafe verurteilt trotz der Erinnerung an die Verdienste seines Ah- 
nen Harmodios und der Thränen seines Sohnes der dessen Namen 
trug ἢ. Bei Deinarch lesen wir, Proxenos (denn bei dem Abkömm- 
ling des Harmodios wird er doch wohl gemeint sein) sei gemäfs der 
Anweisung des Demosthenes, und zwar von dem Areopag, in Hafı 
genommen °: um was es sich dabei handelte — ich möchte zunächst 
an eine Finanzsache denken ” — wissen wir nicht. 


verschwägert mit Philipp wolle Demosthenes (vgl. 230 S. 412, 23. 233 
S. 413, 22) Phrynon bezeichnen, halte ich für leeres Geschwätz. 

1) Vgl. 0. S. 292. 

2) Wgl. Arist. Rh. 2, ὃ S. 1980», 6 Bk. Sauppe OA. II, 310f. 

9) Hyp.a.O. Aesch. 2, 6 S. 29.3, 79. 81 5. 65. Deinarch. 1, 28 S. 93. 

4) Vgl. ο. S. 185. 

5) Dem. vdG. 280f. 5. 431, 12 m, ἃ. Schol. 290 S. 434, 15. Der 
Process fällt also vor Ol. 109, 2. 343. 

6) Dein. 1, 63 S. 98. Vielleicht geht es auf einen späteren Fall, 
wenn überhaupt nicht Demosthenes Name fälschlich eingemischt ist. 
Denn nach Demosthenes eigenen Worten kann man es nicht für mög- 
lich halten dafs er des Proxenos Ankläger war: überdies blieb er ein 
Gesinnungsgenosse des Demosthenes; s. d. folg. Anm, 

7) Wäre Proxenos wegen seines Verhalteus zu Ende des phokischen 
Kriegs zur Strafe gezogen, so würden wir in Demosthenes und Aeschi- 
nes Reden eine Spur davon finden, was nicht der Fall ist: s. nament- 
lich Dem, vdG. 72f. S. 363, 27f. Zwischen Ol. 108, 4 und 109, 3 lei- 


346 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


Bedeutsamer sind für uns Vorfälle, welche Demosthenes in 
der Rede vom Kranze erzählt. Bei der Prüfung der Bürgerrollen 
(01. 108, 3) war ein gewisser Antiphon ausgewiesen, und um sich 
zu rächen hatte er sich gegen Philipp anheischig gemacht die 
Flotte der Athener und die Schiflhäuser im Peiraeeus in Brand zu 
stecken. Über diesem Anschlage ward er von Demosthenes im 
Peiraeeus, wo er sich versteckt hielt, ergriffen und vor die Volks- 
versammlung geführt. Dawider protestierte Aeschines: es sei das 
ein aristokratisches Verfahren und verstofse gegen alle Grundsätze 
der Demokratie, dafs Demosthenes verunglückte Bürger mishandele 
und ohne Volksbeschlufs in die Häuser eindringe '. Auf solche 
Vorstellungen wurde Antiphon in Freiheit gesetzt. Aber nun schritt 
der Areopag ein, liefs jenen Menschen von neuem aufgreifen und 
überlieferte ihn dem heliastischen Gerichte : auf seine Anzeige wurde 
er gefoltert und hingerichtet? (etwa Ol. 108, 4. 344). Die Ver- 
haftung Antiphons wird Demosthenes ohne alle Frage nicht als Pri- 
vatmann, sondern in amtlicher Eigenschaft vorgenommen haben, 
entweder als einer der jährlichen Aufseher der Werfte, oder, was 
mir wahrscheinlicher ist, vom Rathe commissarisch beauftragt ὃ. 

Aeschines hat es für gut befunden über jenen Vorfall, der ihn 
des strafbaren Einverständnisses mit einem Brandstifter verdächtig 
machte, völlig zu schweigen. Bei der Bürgerschaft kam die Sache 
schnell in Vergessenheit: aber der Areopag gedachte es ihm und 
‘fand Gelegenheit seinem Argwohne einen bestimmten Ausdruck zu 


stete Proxenos eine trierarchische Zahlung Seeurk. XP, 60; um das 
Ende der 109. Olympiade übernahm er mit Demosthenes und andern 
Bürgschaft für die den Chalkidiern geborgten attischen Schiffe und 
sein Erbe zahlte daran Ol. 113, 4. 325: damals also war er nieht mehr 
am Leben. Vgl. Cap. 7. 

1) Über die Gehässigkeit der Haussuchungen 5. Dem. w. Androt. 
51 Εἴ, S. 608, 26f. Vgl. Schömann att. Process ὃ. 588f. 


2) Dem. vKr. 132f. 5. 271, 6 u. dazu d. Schol., Suid. (= Anecd. 
Bekkeri $. 439) u. ἀποψηφισϑέντα. Dein. 1,63 S. 98. Plut. Dem, 14. 
Böckh Abh. ἃ. Berl. Akad. v. 1832 S. 21. 1834 5. 12f. B. erinnert, 
Antiphon möge den Anschlag in seiner Erbitterung bald nach geschehe- 
ner Ausweisung gemacht haben. Übrigens ist dieser A. zu unterschei- 
den von dem Gesandten (o. 8. 19). Über die Betheiligung des Areo- 
pags vgl. Meier att. Proc. ὃ. 344. 

3) Vgl. Böckh Seew. ὃ. 59. 62. 


Antiphon. Rechtstreit über das delische Heiligthum. 347 


geben '. Die Delier glaubten die Zeitumstände günstig das von 
den Athenern behauptete Eigenthumsrecht an dem Apollontempel 
ihrer Insel anzufechten und machten bei dem delphischen Amphi- 
ktyonenrathe ihre Ansprüche geltend ?. Athenischerseits ward, wie 
es scheint, die Competenz dieser Versammlung nicht bestritten ® 
Die Bürgerschaft erwählte zu ihrem Sachwalter Aeschines, wohl in 
Hinblick auf seine früheren Verhandlungen mit den Amphiktyonen 
und seine Gunst bei Philipp: als sich aber herausstellte, dafs Phi- ° 
lipp gerade den Deliern Vorschub leiste oder wohl gar sie angestif- 
tet habe, ward, vermuthlich auf Betrieb des Demosthenes und sei- 
ner Freunde, die schliefsliche Entscheidung über die Wahl dem 
Areopag anheimgestellt *. Dieser setzte einhellig, mittelst der feier- 
lichen, nur in grofsen Angelegenheiten gebräuchlichen Abstimmung’ 
vom Altar, Aeschines ab und übertrug Hypereides die Vertheidi- 
gung der Gerechtsame Athens. Und der Erfolg rechtfertigte diese 
Ernennung. Vor den Amphiktyonen führte Euthykrates, der Ver- 
räther von Olynth, die Sache der Delier °: aber Hypereides wufste 
in der oft rühmlich erwähnten delischen Rede ἢ den Ursprung und 
die Geschichte des Heiligthums so geschickt auf Athen zurückzu- 
führen, überhaupt so beredt das Anrecht Athens zu vertreten, dafs 


1) Man kann zweifeln, ob des Aeschines Verwendung für Antiphon 
und seine Absetzung durch den Areopag in so unmittelbarem Zusam- 
menhange stehen, wie Demosthenes angibt. Dafs einige Zeit dazwi- 
schen verstrich ist aus seinen Worten zu ersehen 134 ἢ, 271, 20 τοι- 
γαροῦν εἰδυῖα ταῦτα ἡ βουλὴ ἡ ἐξ ᾿ἀρείου πάγου τότε τούτῳ πεπρα- 
γμένα, χειροτονησάντων αὐτὸν ὑμῶν σύνδικον ὑπὲρ τοῦ ἱεροῦ τοῦ ἐν 
“ήλῳ ἀπὸ τῆς αὐτῆς ἀγνοίας ἧσπερ πολλὰ προΐεσϑε τῶν κοινῶν κτλ. 

2) Über diese διαδικασία und was damit zusammenhängt s. Böckh 
i. ἃ. Abh. ἃ. B. Akad. v. 1834, namentlich 5. I1f. 

3) Vgl. Dem. vdG. 288 8. 434, 1 νῦν δ᾽ ἤδη περιερχόμεϑ᾽ ἡμεῖς 
τί δέδοκται τοῖς ἄλλοις σκοποῦντες καὶ ὠτακουστοῦντες -- τί τὰ τῶν 
᾿᾿μφικτυόνων —. 

4) Dem. vKr. 134. S. 271f. u. dazu Westermann. Über das da- 
selbst eingelegte Zeugnils dens, Abh. ἃ. k. sächs. Ges. ἃ. W. IS. 66#f. 
Andere Stellen 5. Ὁ. Böckh a. O. 5. 13ff. Sauppe OA. II, 285f. und 
über die dem Aeschines untergeschobene delische Rede 5. 309. 

5) Hyp. fr. 80 b. Apsin. Rh. i2 8. 547 ὅτι ἀντέπραξε τῇ πόλει περὶ 
τοῦ ἵερσῦ τοῦ “ηλίων. Vgl. Kielsling Lye. fr. 5. 183. Böhnecke 
F. 1, 681. 

6) S. Böckh a. O. 8. 16ff. Sauppe 5, 285 ff, 


348 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


die Delier mit ihrer Klage abgewiesen wurden: nach wie vor finden 
wir die Athener im Besitze der Tempelverwaltung '. Hypereides 
durfte sich auf ältere Entscheidungen wider die Delier berufen ?: 
zugleich wird er nicht verfehlt haben bei dieser Gelegenheit vor 
den Amphiktyonen Apollon als Stammvater der Athener zu preisen 
und die uralten Beziehungen ihrer Stadt zu dem pythischen Heilig- 
thume hervorzuheben. 

Auf die Zurücknahme des an Aeschines ertheilten Auftrages 
geht eine Stelle in Demosthenes Rede von der Gesandtschaft: “ihr 
wilst ja, wie letzthin im Peiraeeus Aeschines, als ihr ihn nicht als 
Gesandten abgehen hefset, sich ereiferte, er werde Meldeklagen 
und Staatsprocesse gegen mich anstellen, und Zeter schrie? ®. Die 
Beziehung auf die delische Sache scheint unzweifelhaft: wenn hier 
nicht der Areopag, sondern die Volksgemeinde einschreitet, so ist 
zu bedenken dafs eben diese den Areopag ermächtigte die getrof- 
fene Wahl zu bestätigen oder aufzuheben *. Das geschah nach dem 
Processe wider Timarchos (Ol. 108, 3. 345) °: in diesem hatte Ae- 
schines noch den Areopag als Muster aufgestellt und ihn als den gründ- 
lichsten und untrüglichsten Gerichtshof gepriesen, der nicht blofs 
aufReden und Zeugnisse hin, sondern nach eigenemWissen und eige- 


1) Inschr. a. Ol. 111, 2 C. I. Gr. I nr. 159 (auch Sth. II, 318#f. 
und ein Bruchstück einer spätern Urkunde ebend. S. 333 #f.). S. Böckh 
a. Ὁ. S. 20. Sth. I, 541. 

2) Böckh i. d. Abh. a. Θὲ S. 78. 198. 

3) 209 8.406, 6 τὸ τοίνυν τελευταῖον ἴστε δήπου πρῴην ἐν Πειραιεῖ, 
ὅτε αὐτὸν οὐκ εἰᾶτε πρεσβεύειν, βοῶντα ὡς εἰσαγγελεὴ μὲ καὶ γράψε- 
ται καὶ ἰοὺ ἰού. 210 5. 406, 15. Vgl. Böhnecke F. I, 293 (der aber 
den an jener Stelle folgenden Worten, die GHSchaefer richtig erklärt 
hat, eine falsche Beziehung unterlegt). Thirlwall VI, 37f. Was in 
den Scholien TCV zur a. St. über die 3. Gesandtschaft steht ist 
Faselei. 

4) Böhnecke a. O. Anm. Die Worte vKr., 134 8.271, 25 ὡς προεί- 
Asche (προσείλεσϑε HWolf) κἀκείνην (τὴν βουλὴν τὴν ἐξ Ageion πά- 
yov) καὶ τοῦ πράγματος κυρίαν ἐποιήσατε schlielsen die Annahme aus, 
dafs der Areopag ohne ausdrückliche Ermächtigung der Bürgerschaft 
in diesem Falle habe einschreiten und entscheiden können, 

5) Dem. vdG. 257 8. 423, 19 καὶ κατηγορῶν ἐκείνου (Τιμάρχου 
Αἰσχίνης) κακῶς λέγειν προείλετο ἐμέ, καὶ πάλιν ἐν τῷ δήμῳ γρα- 
φὰς ἀποίσειν καὶ τοιαῦτ᾽ ἠπείλει. S. Thirlwall VI, 38, 1. Über die 
Zeit der Rede gegen Timarchos 5. o. 8. 316, 1. 


Zeit des Rechtstreites über das delische Heiligthum. 349 


ner Prüfung sein Urteil fälle'. Dafs wir in der Zeitbestimmung 
nicht weiter zurückgehen dürfen erhellt auch aus Antiphons Aus- 
stofsung, und überhaupt ist es klar dafs beide Vorfälle in spätere 
Zeit gehören als der Friedensschlufs mit Philipp. Denn bis zu dıie- 
sem, d. h. bis zum 19 Elaph. 108, 2 (April 316) fand selbst Demo- 
sthenes keinen Tadel an Aeschines Verhalten ?: die folgenden Mo- 
nate vergiengen dann über der zweiten und dritten Gesandtschaft 
des Aeschines an Philipp. Von der Friedenszeit handelt eben auch 
Demosthenes an jener Stelle der Rede vom Kranze. Die Trugge- 
sandtschaften hat er früher geschildert: hier zählt er auf, worin 
Aeschines seitdem er sich den Feinden verdungen bis zum ollenen 
Ausbruche des zweiten Krieges Philipp wider Athen gedient °, d.h. 
zwischen Ol. 108, 3 und 110, 1. 346— 340. Andererseits gibt 
die Rede von der Gesandtschaft uns Ol. 109, 2. 343 als Grenze der 
Zeitbestimmung, und zwar berührt sie den Vorfall als einen jüngst 
vergangenen *: demnach wird über die delische Sache entweder 
auf der Herbst- oder Frühjahrsversammlung der Amphiktyonen 


ν 1) Aesch. 1, 92 5. 13 χρήσασϑε δὴ παραδείγματι τῇ βουλῇ τῇ ἐξ 
Agsiov πάγου, τῷ ἀκριβεστάτῳ συνεδρίῳ τῶν ἐν τῇ πόλει. -- οὐ γὰρ 
ἐκ τοῦ λόγου μόνον οὐδ᾽ ἐκ τῶν μαρτυριῶν, ἀλλ᾽ ἐξ ὧν αὐτοὶ ἴσασι 
καὶ ἐξητάκασι, τὴν ψῆφον φέρουσι. τοίγαρτοι διατελεῖ τοῦτο τὸ συν- 
ἐδριον εὐδοκιμοῦν ἐν τῇ πόλει. Bühnecke F. I, 292. 

2) Dem. vdG. 13 8. 345, 3 μέχρι τοῦ δεῦρ᾽ ἐπανελϑεῖν ἀπὸ τῆς πρώ- 
τῆς πρεσβείας ἐμὲ γοῦν -- διεφϑαρμένος καὶ πεπρακὼς ἑαυτὸν ἐλάνϑα.- 
vev u, ἃ. St. Vgl. ο. 5. 227. Böckh Abh. ἃ. Β. Ak. 1832 S. 21, 4 hat 
erinnert, dafs νεανίας vKr. 136 S. 272, 14 einen hochfahrenden an- 
malsenden Burschen bezeichnet und nicht auf das Lebensalter des Ae- 
schines bezogen werden darf. 

3) VKr. 131 5. 270, 28 οὕτως ἀχάριστος εἶ καὶ πονηρὸς φύσει 
ὥστε -- μισϑώσας σαυτὸν κατὰ τουτωνὶ πολιτεύει. καὶ περὶ ὧν μὲν 
ἐστί τις ἀμφισβήτησις ὡς ἄρα ὑπὲρ τῆς πόλεως εἴρηκεν ἐάσω: ἃ δ᾽ ὑπὲρ 
τῶν ἐχϑρῶν φανερῶς ἀπεδείχϑη πράττων, ταῦτα ἀναμνήσω. Es folgt die 
Verwendung für Antiphon und das Urteil des Areopags über die Sach- 
walterschaft in dem delischen Rechtshandel, Pythons Gesandtschaft, die 
heimliche Zusammenkunft mit dem Kundschafter Anaxinos. Demosthe- 
nes fährt fort 1588, S. 273, 15. 26 — πολλὰ ἂν ἐγὼ ἔτι τούτων ἔχοιμι 
δεῖξαι, ὧν οὗτος κατ᾽ ἐκείνους τοὺς χρόνους τοῖς μὲν ἐχϑροῖς ὑπηρετῶν, 
ἐμοὶ δ᾽ ἐπηρεάζων εὑρέϑη. ἀλλ᾽ οὐ κτλ. — καὶ τὸ μὲν δὴ πρὸ τοῦ 
πολεμεῖν φανερῶς συναγωνίζεσϑαι Φιλίππῳ δεινὸν μὲν χτλ. Damit 
geht Demosthenes zu dem Ausbruche des zweiten Krieges über. 


2 Ἢ: δ᾽ ἢ. 848, 8. 


350 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


Ol. 109, 1 verhandelt worden sein. Ansprechend ist Böhnecke’s 
Bemerkung, dafs Hypereides sich eben durch die wider Philokrates 
geführte Anklage dem Areopag empfohlen haben möge '. Im Früh- 
ling jenes Jahres ward Demosthenes als einer der Pylagoren nach 
Delphi gesandt und soll damals, wie Aeschines angibt, sich mit den 
Lokrern von Amphissa in ein Einverständnifs eingelassen haben ?. 
Ich denke, diese Abordnung wird mit der delischen Sache zusam- 
menhangen. Die Athener konnten kaum umhin bei der Wahl der 
diesmaligen Pvlagoren darauf Bedacht zu nehmen ihrem Sachwal- 
ter tüchtige Beistände zu geben, und Demosthenes würde eine Wahl 
zur Amphiktyonenversammlung kaum angenommen haben , wenn es 
nicht eine für Athen besonders wichtige Angelegenheit gegolten hätte. 
Damit werden wir für den delischen Rechtshandel auf das Frühjahr 
01. 109, 1. 343 zurückgeführt; und eben dahin leitet die Sendung 
Pythons nach Athen, welche, wie der Zusammenhang in der Rede 
vom Kranze lehrt, nach demselben erfolgte, und zwar um das Ende 
von Ol. 109, 1. Sommer 343°. Doch um diese Angabe zu erhär- 
ten, müssen wir auf die zwischen Philipp und den Athenern damals 
obwaltenden Verhältnisse genauer eingehen. 

“Der Stand der Dinge zu Athen und die öffentliche Stimmung 
hatte in der letzten Zeit sich immer entschiedener gegen Philipp 
gewandt. Seine Fürsprecher wurden wegen der ihm geliehenen 
Dienste in Strafe gezogen oder in kränkender Weise zurückgesetzt, 
seine erklärten Gegner stiegen immer höher in der Achtung des 
Volkes und ihr Eintlufs reichte bereits weit über Athen hinaus: in 
öffentlichen Versammlungen, vor seinen Bundesgenossen und Schütz- 
lingen schilderten sie Philipp als wortbrüchig und herrschsüchtig, 
enthüllten sie seine Pläne alle hellenischen Staaten seiner Macht 


1) A. O, 8. 2905. 

2) Dem. vdG. 65 8. 361, 20 ὅτε γὰρ νῦν ἐπορευόμεϑα εἰς “Ιελφούς, 
ἐξ ἀνάγκης ἣν ὁρᾶν ἡμῖν κτλ. Aesch. 3, 113f. 8. 69 ol ᾿ἀμφισσεῖς — 
τῶν ἀφιχνουμένων εἰς “Ιελφοὺς πυλαγόρων ἐνίους χρήμασι διέφϑει- 
ραν, ὧν εἷς ἦν «“]ημοσϑένης" χειροτονηϑεὶς γὰρ ὑφ᾽ ὑμῶν πυλαγό- 
ρας »tA. Über die Frühjahrsversammlung zu Delphi 5. Cap. 8. 

3) Über die Zeit des delischen Rechtshandels s. Böhnecke F.I, 288 
— 299. Böckh Abh. d. B. Ak. v. 1834 S. 12f. Sth. I, 541 hat ebenfalls 
Ol. 108, 3—109, 1 als die Zeitgrenzen ermittelt, setzt aber sowohl 
Antiphons Hinrichtung als den Process über das delische Heiligthum 
noch in Ol, 108, 3 oder gleich hernach. 


Verhältnifs der Athener zu König Philipp. 9501 


unterwürfig zu machen: und dafs diese Reden, wenn auch in vielen 
Fällen ohne unmittelbaren Erfolg, doch nicht ganz unwirksam blie- 
ben, das können wir selbst aus dem Spruche der Amphiktyonen in 
der delischen Sache ersehen. Philipp hatte zwei Wege diesem 
wachsenden Einflusse Athens und seiner patriotischen Staatsmän- 
ner zu begegnen: er mufste entweder oflenen Krieg anfangen und 
dazu seine Bundesgenossen entbieten, oder er mufste der makedo- 
nischen Partei zu Athen durch neue Anerbietungen von seiner Seite 
die Gunst der Bürgerschaft wieder zuwenden. Noch scheute Phi- 
lipp den Krieg, noch glaubte er aus dem Frieden gröfsere Vor- 
theile ziehen und sich in Griechenland fester setzen zu können: 
und ein Umschwung zu Athen stand um so eher zu erreichen, als 
die Friedenspartei sehr zahlreich war und an Eubulos einen von 
der grofsen Menge fast angebeteten Führer hatte. Ein lebhafter 
Verkehr hatte sich seit Abschlufs des Friedens entsponnen und 
dauerte fort, auch während Philipp und Athen in Griechenland sich 
das Terrain streitig machten '. Freunde und Gäste des Königs rei- 
sten nach Pella an den Hof?: mit amtlichen Aufträgen giengen 
Gesandte hin und her; um einen Karystier, einen Geschäftsträ- 
ger Athens, der in Philipps Gefangenschaft war, loszubitten wur- 
den allein drei Gesandtschaften abgeschickt, aber umsonst, Philipp 
liefs ihn hinrichten ®. Eine andere Sendung in Betrefl Thrakiens, 
der sich Eukleides unterzog, haben wir oben erwähnt '. Philipp 
bediente sich als Botschafters namentlich des Python von Byzanz. 
Wir haben früher gesehen dafs die Brüder Python und Herakleides 
von Aenos den Thrakerfürsten Kotys ermordet und dann nach Athen 


1) Dem. vdG. 328 5. 446, 17 δοκεῖτε μὲν εἰρήνην ἄγειν. vKr. 43 
S. 240, 14. 

2) Dem. vKr. 44 5, 240, 21 τινὲς τῶν ἐκ τῶν πόλεων ἐπὶ τῇ τῆς 
εἰρήνης ἐξουσίᾳ βαδίζοντες ἐκεῖσε διεφϑείροντο, ὧν εἷς οὗτος ἣν; vol. 
νὰν 114 8. 376, 1. 225 5. 411, 13. ο. S. 292. 

3) Heges. üb. Hal. 38 5, 86, 5 ὃς τὸν μὲν Καρύστιον κτλ. Der 
Name bezeichnet einen Bürger von Karystos auf Euboea, wird aber auch 
als Eigenname gebraucht (z. B. Karystios von Pergamos der Geschicht- 
schreiber Fr. h.gr. IV, 456). Was hier das rechte sei (HWolf hat das 
letztere, Vömel das erstere vorgezogen) weils ich nicht. Übrigens er- 
innere ich, dafs dem Zusammenhange nach jener Mann noch vor dem 
Frieden mit Athen in Gefangenschaft gerathen sein muls. 


4) 8. 326. 


352 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


sich begeben hatten, wo man sie mit Ehren überhäufte. Sie waren 
Schüler Platons gewesen, und dafs Python der Rede mächtig war zeigt 
schon die Art, wie er vor dem athenischen Volke das Verdienst sei- 
ner That von sich ablehnte und auf die Götter zurückführte '. Von 
Athen gieng Python bald in Philipps Dienste, weil er dort eine glän- 
zendere Laufbahn sich zu eröffnen glaubte *. Und in der That fin- 
den wir später am makedonischen Hofe ® und auf Gesandtschaften 
einen Python, der, ein Schüler des Isokrates, in hohem Grade der 
Rede und Schrift Meister ist und selbst zu Athen Beifall gewinnt ἡ: 
aber er wird nicht von Aenos, sondern von Byzanz benannt. Kaum 
ist an verschiedene Personen zu denken, so sehr treffen die Um- 
stände zusammen, die zu Athen genossene Bildung, der Eifer in 
Philipps Dienst: eher lassen sich für die veränderte Bezeichnung 
Erklärungen auflinden: zu Aenos geboren kann Python in byzan- 
tinisches Bürgerrecht aufgenommen sein und nach dieser gröfseren 
Stadt sich fortan benannt haben °. 

Von einer Sendung dieses Python nach Athen berichtet Demo- 
sthenes in der Rede vom Kranze ®. Philipp hatte ihn nach Athen 
abgeordnet und mit ihm Gesandte von allen seinen Bundesgenossen 
um den athenischen Staat zu beschämen und der Ungerechtigkeit zu 
zeihen, und Python ergieng sich kecklich und mit vollem Rede- 
schwalle in Anklagen gegen die Athener. Aeschines unterstützte 
ihn und zeugte wider sein Vaterland: Demosthenes aber wich dem 
Python nicht, sondern trat auf um das Recht Athens zu wahren 
und erwies das Unrecht Philipps so klar dafs dessen eigene Bun- 
desgenossen aufstanden und beistimmten. In welcher Zeit und zu 


1) S. die Buch I, 3 angeführten Stellen. 

2) Dem. w. Aristokr. 127 S. 662, 10—15; vgl. die vorhergehenden 
und folgenden Worte. 

3) Aesch. 2, 125 5, 44 οὐδ᾽ ὃ Βυζάντιος Πύϑων, ἄνϑρωπος περὶ 
τὸ γράφειν λόγους μέγα φρονῶν τι. d. Schol. ῥήτωρ οὗτος, Ἰσοκράτους 
μαϑητής. Vgl. d. anon. L. 4. Isokr. S.257, 97 West. Olympiod. schol. 
zu Plat. Gorg. 1 S. 447» (Jahns nJhb. Suppl. XIV, 117). 

4) Heges. üb. Halonn. 20 S. 81, 23 m. ἃ. Schol. 23 S. 82, 15. 

5) Die Identität der Personen ist angenommen von Reiske Index 
Dem. Menage zu Diog. L. 3, 45. Rumpf de Charid. Or. S. 19. KFHer- 
mann, Gesch. d. plat. Philos. I, 74 u. and. Westermann’ zu Dem. w. 
Arist. a. Ὁ. bezweifelt sie. 

6) 136 8. 272, 15. 


Python Gesandter Philipps zu Athen. 353 


welchem besonderen Zwecke diese Gesandtschaft Pythons nach 
Athen stattgefunden hat gibt Demosthenes nicht an, und eine an- 
derweite Überlieferung über diese Verhandlung hat sich nicht er- 
halten: Plutarch und Philostratos wiederholen nur was sie bei De- 
mosthenes gelesen, eben so Diodor, der übrigens die Scene in die 
vor der Schlacht bei Chaeroneia zu Theben gepflogenen Verhand- 
lungen versetzt '. Das ist in jeder Hinsicht verkehrt: aber nicht 
minder werden die Scholien ? irren, wenn sie jene Erzählung auf 
die amphiktyonische Gesandtschaft von Ol. 108, 3. 346, oder 
neuere Gelehrte, wenn sie dieselbe auf die Verhandlung mit den pe- 
loponnesischen Gesandten beziehen und Demosthenes Gegenrede 
eben in der zweiten Philippika wiederfinden wollten ἡ. Allerdings 
waren beide Male Gesandte Philipps und seiner Bundesgenossen er- 
schienen und in dem ersten Falle wissen wir dafs Aeschines ihre 
Sa unterstützte, in dem zweiten ist es nicht unwahr- 
scheinlich *. Aber die Reden mit denen Demosthenes in die Ver- 
handlungen eingrifl passen gar nicht hierher: in der Rede vom 
Frieden räth Demosthenes seinen Mitbürgern den Streit fallen zu 
lassen: in der zweiten Philippika hat er es mit makedonischen Be- 
schwerden gar nicht zu thun ἢ. Dagegen leiten uns alle Umstände 
auf 01. 109,1. 343 °, die einzige Gesandtschaft Pythons nach Athen 


S 


1) Plut. Dem. 9. Philostr. L. d. Apoll. 7, 37; vgl. L. d. Soph. 1 
S. 482 u. d. lukianische Lobschr. auf 1). 32. Mit Diod. 16, 85 stimmt 
der Rhetor Aristeides 38 5. 483. 485. 39 S. 503f. Dafs die Verhand- 
lung zu Athen stattfand, hat Philostratos richtig aus Demosthenes a. 
OÖ. entnommen; dafs Python Ol. 110, 2 nicht unter Philipps Gesandten 
zu Theben war, lehrt Marsyas fr. 7 bei Plut. Dem. 18. S. Winiewski 
Comment. S. 134. 143. 

2) S. 400, 29£. Df. (zu Dem. vdG. 131 S. 381, 16). 

3) Winiewski S. 140. Vömel Proleg. in Dem. Phil. 2 5. 20 ἔν u.a. 

4) S. o. S. 278f. u. 332f. 

5) Vgl. Brückner König Philipp S. 218. Böhnecke F. I, 295, dem 
Thirlwall VI, 13, 1. Grote XI, 614 u. a. beigestimmt en Übrigens 
ist Böhneckes Arkinnente Demosthenes Rede gegen Python sei nicht 
auf uns gekommen, weil sie aus dem Stegreif gehalten sei, nicht stich.- 
haltie: D. konnte sie nachher niederschreiben. 

6) Vgl. Böhnecke F. 1, 439. Die Zeitbestimmung beruht darauf 
dafs, als Demosthenes Ol. 109, 2. 343 die Anklage gegen Aeschines 
führte, Hegesippos schon von der makedonischen Gesandtschaft, die 
dureh Pythons Sendung veranlafst wurde, zurückgekehrt war. Die in 

DEMOSTHENES 1. 23 


354 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


von der wir bestimmte Nachricht haben. Philipp ordnete sie ab in 
Hinblick auf die Fortschritte der hellenischen Politik Athens und das 
steigende Ansehen der ihm feindlichen Staatsmänner, welches die 
oben entwickelten Vorfälle beurkundeten. Welcher Art die Auf- 
träge waren, die er und seine Mitgesandten vermeldeten, lehrt die 
Rede über Halonnesos '. 

Python nämlich redete vor dem Volke mit glänzender Beredt- 
samkeit und seine Rede verfehlte ihres Eindruckes nicht. Er führte 
bittere Klage über die antimakedonische Partei, welche Philipp 
verleumde, und tadelte die Athener dafs sie diesen feilen Sykophan- 
ten und Verleumdern ihr Ohr liehen. Philipp sei darauf aus ihnen 
wohlzuthun und wünsche vor allen Hellenen ihre Freundschaft zu 
besitzen: aber wenn solche Reden ihm hinterbracht werden dafs 
man unter Gutheifsen der athenischen Bürgerschaft seine Ehre 
kränke, so müsse er anderes Sinnes werden, wenn er bei denen in 
Mistrauen stehe, deren Wohlthäter er habe sein wollen ?. Dem 
nach verlangte er, die öffentlichen Redner sollten auf den Frieden 
nicht schelten, denn es sei nicht angemessen den Frieden aufzuhe- 
ben. Sei etwas in dem Vertrage nicht zweckmälsig, so möge man 
das verbessern, denn Philipp werde in allen Stücken den Beschlüs- 
sen der Athener beipflichten. Insbesondere sei er bereit den Helle- 
nen gerecht zu werden und zur Sicherstellung derer die sich von ihm 
bedroht glaubten eine Übereinkunft zu treffen ®. Wenn nun noch 
die Feinde des Königs fortführen ihn zu verleumden, statt selber 
auf Verbesserung des Friedens Anträge zu stellen und Philipp Ge- 


demselben Jahre etwas später gehaltene Rede über Halonnes nimmt die 
Verhandlungen wieder auf: in der 2. Philippika aber ist von Vorschlä- 
gen wie Python sie überbrachte noch nicht von fern die Rede. 

1) 18—23 S. 80, 29—82, 18. 

2) Vgl. Dem. Phil. 3, 27 S. 118, 1’o® διαρρήδην εἰς τὰς ἐπιστολὰς 
γράφει “ἐμοὶ δ᾽ ἐστὶν εἰρήνη πρὸς τοὺς ἀκούειν ἐμοῦ βουλομένους; 

3) Philipps Schr. 18 5. 163, 24 πέμψαντος ἐμοῦ πρέσβεις ἀπὸ τῆς 
συμμαχίας πάσης, ἵν᾽ ὦσι μάρτυρες, καὶ βουλομένου ποιήσασϑαι πρὸς 
ὑμᾶς δικαίας ὁμολογίας ὑπὲρ τῶν Ἑλλήνων κτλ. Dafs damit Pythons 
Gesandtschaft gemeint ist, geht aus der Bezugnahme auf die Bundesge- 
nossenschaft hervor (vgl. Dem. vKr. a. O. παρὰ τῶν αὑτοῦ συμμάχων 
πάντων συνέπεμψε πρέσβεις). Dals Python diesen Punet zur Sprache 
brachte, was Hegesippos übergeht, lehrt der darauf von den Athenern 
gefalste Beschluls. R. üb. Hal. 30 S. 84, 5. Vgl. Winiewski Comm, 
Ss. 143. 


Python Gesandter Philipps zu Athen. 355 


legenheit zu geben alles Mistrauen zu beseitigen, so solle man auf 
solche Menschen nicht weiter hören. 

Das ist es was Hegesippos über Pythons Rede mittheilt, die 
allerdings ganz darauf berechnet war alle Schuld an der obwalten- 
den Verstimmung von Philipp auf die Athener oder vielmehr auf die 
Gegner der makedonischen Partei zu schieben. Die athenische Bür- 
gerschaft rief Beifall und gab Python Recht. Da war es an der Zeit 
dafs Demosthenes das Wort nahm und, wie er in der Rede vom 
Kranze berichtet, rückhaltlos die Politik Philipps enthüllte: er 
hätte die Sache der er diente verleugnet, wenn er hier vor den versam- 
melten Athenern und hellenischen Gesandten, geschwiegen hätte ! 
statt die Wahrheit der Anklagen welche er so oft zu Athen und aus- 
wärts erhoben hatte zu erhärten. Aber Vorschläge zur Abänderung 
des Vertrags stellte er nicht, wie er denn davon nichts erwartete ὅ: 
dieser Provocation zu entsprechen überliefs er einem andern Red- 
ner seiner Partei, Hegesippos ®. Auf dessen Antrag wurde beschlos- 
sen, unter Bezugnahme auf die von den Gesandten abgegebenen 
Erklärungen, die Clausel welche den dermaligen Besitzstand zu 
Grunde legte dahin zu ändern: jeder Theil solle besitzen was ihm 


1) Auf jene Botschaft Pythons hat zuerst Böckh Abh. ἃ. B. Ak. v. 1827 
S. 139 die Gegenrede des Demosthenes zurückgeführt: vgl. Westermann 
de vit. Dem. S. XXIV. Brückner K. Philipp S. 218, dem Dissen zur 
R. vKr. beistimmt, wendet dawider ein, bei Demosthenes spreche Py- 


thon viele und dreiste Worte gegen die Athener, welche Erbitterung 
erregen mulsten, nach dem Berichte in der Rede über Halonnes dage- 
gen ward er beifällig angehört; auch der Gesandten der makedonischen 
Bundesgenossen geschehe hier keine Erwähnung. Das letztere ist für 
Hegesippos Zweck unwesentlich: er will nur die Widersprüche der ma- 
kedonischen Erklärungen aufdecken. Um diese recht grell erscheinen 
zu lassen hebt er besonders die damaligen Verheilsungen hervor : aber 
dennoch ist hinlänglich zu erkennen, wie kecklich Python die Leiter der 
athenischen Bürgerschaft und diese selber wegen ihres Verhaltens an- 
klagte. Darauf bezieht sich Demosthenes; der Beifall, den Python 
fand, konnte nimmermehr diesen Vorwürfen, sondern den Anerbietun- 
gen gelten, welche er im Namen Philipps stellte: vgl. Böhnecke F. I, 138. 
Dafs Demosthenes allein Python entgegnet habe, sagen Plutarch, Phi- 
lostratos und der 3, dem. Brief 10 S. 1469, 21, Demosthenes selber 
nicht. 

2) Dem. νᾶ. 181 5. 398, 8. 11 εἶτα τὴν ἄλλως ἐνταῦϑα ψηφί- 
ξεσϑὲ -- ἐπανορϑώσασϑαι τὴν εἰρήνην. 

3) Heges. üb. Hal. 211. S. 82, 23f. 

23* 


356 Viertes Buch. Drittes Capitel. 


rechtmäfsig gehöre '; ferner wurde im Interesse der Staaten welche 
weder mit Philipp noch mit Athen im Bunde standen hinzugefügt: 
die übrigen Hellenen, welche an dem Frieden nicht Theil haben, 
sollen frei und selbständig sein, und wenn sie angegriffen werden, 
so sollen die Theilnehmer des Friedens ihnen Beistand leisten ?. 
Die makedonischen Gesandten vermieden es, als dieser Bescheid 
der athenischen Bürgerschaft ihnen vorgelesen wurde, sich über 
dessen Inhalt mit einem Worte zu äufsern. Sie genossen der übli- 
chen Ehre des öffentlichen Mahles und liefsen es dabei bewenden 
den Athenern neue Hoffnungen auf Philipps Grofsmuth vorgespie- 
gelt zu haben ?. 

Auf Grund jenes Beschlusses ward Hegesippos an der Spitze 
einer Gesandtschaft zu Philipp geschickt, theils um den abgeänder- 
‚ten Vertrag dem Könige vorzulegen theils um specielle Forderun- 
gen geltend zu machen, namentlich in Betreff der Rückgabe von 
Halonnesos, ferner der thrakischen Plätze, der Grenzen des Cher- 
sones und der von den Kardianern erhobenen Ansprüche ἡ. Diese 
(sesandtschaft, deren Wortführer ihm besonders widerwärtig war, 
nahm Philipp ungnädig auf. Er empfieng sie nicht als seine Gäste, 
ja den Dichter Xenokleides aus Athen, der den Landsleuten gast+ 
lich sein Haus geöffnet hatte, wies er aus seinen Staaten aus°. 
Wir lesen bei Seneca ὃ eine Anekdote, welche, wenn sie wahr ist, 
nur auf diese Gelegenheit gehen kann: einst sei Demochares, den 
man wegen seiner mafslosen und frechen Zunge “den Grobian’ 
nannte, unter andern athenischen Gesandten zu Philipp gekommen. 
Philipp habe die Gesandtschaft gütig angehört und dann gesagt: 
° sebt mir an was ich den Athenern zu Gefallen thun kann’. “Dich 


1) 18 8. 81, 4 ἑκατέρους ἔχειν τὰ ἑαυτῶν statt En. ἔχ. ἃ ἔχουσιν. 
5, 0. 8. 210, 3. 213. Vol. 23—29 8. 82, 21-84, 5. 

2) 30#. 8. 84,5. Vel. Böhnecke F. I, 486 δ: 

3) 19£. 8. 81, 17. 

4) 2 8. 77, 7.36 8. 85, 21. 398. 8. 86, 108. 

5) Dem. vdG. 331 8. 447, 9 τὸν γὰρ Ἡγήσιππον ὁρᾶτε καὶ τοὺς 
μετ᾽ αὐτοῦ πρέσβεις πῶς ἐδέξατο (Φίλιππος). τὰ μὲν ἄλλα σιωπῶ, 
ἀλλὰ Ξενοκλείδην τουτονὶ τὸν ποιητὴν ἐξεκήρυξεν, ὅτι αὐτοὺς ὑπε- 
δέξατο πολίτας ὄντας. τοῖς μὲν γὰρ ὑπὲρ ὑμῶν λέγουσι δικαίως 06° 
ἂν φρονῶσι τοῦτον τὸν τρύπον προσφέρεται κτλ. Über Xenokleides 
vgl. die Schol. und Apollod. wNeaer. 26 S. 1353, 14. 

6) De ira 3, 23, 1; vgl. 24, 1. 


Hegesippos makedonische Gesandtschaft. 397 


hängen”, habe Demochares erwiedert. Auf diese Antwort brachen 
alle umstehenden in lauten Unwillen aus, jedoch Philipp gebot 
Schweigen und entliefs jenen Thersites ungekränkt. “Aber ihr 
andern Gesandten?, sagte er, “meldet den Athenern dafs die welche 
solche Reden führen, viel hoffärtiger sind, als die sie ungestraft 
hören’. Solche Frechheit eines Gesandten geht allerdings über alle 
Vorstellung und wir erinnern, dafs kein anderer Schriftsteller et- 
was ähnliches meldet". Auch ohnedies begreift man dafs Philipp die 
Botschaft der Athener sehr ungelegen war. 516 enthielt ein Pro- 
gramm seiner Gegner, die Bedingungen unter denen sie in ferneren 
Frieden willigen wollten: es war ein klares und bündiges Ultima- 
tum ?, auf welches er nicht mehr wie bisher mit allgemeinen Re- 
densarten antworten konnte. Dafs Philipp sich demselben fügen 
werde stand von vorn herein nicht zu erwarten: er hätte damit 
alle Resultate seiner Politik in Frage gestellt. Nahm er statt des 
damaligen Besitzstandes das rechtmäfsige Eigenthum nachträglich 
als Basıs des Friedens an, so hatte er die Schlüssel zu seinem 
Reiche, Amphipolis Pydna Potidaea an Athen herauszugeben °. Den 
andern Hellenen den Beitritt zum Frieden offen zu lassen hatte er 
früher sich geweigert *, denn damit ward seiner Einmischung in 
die hellenischen Angelegenheiten eine Schranke gesetzt und seine 
eigenen Bundesgenossen wurden verpflichtet seinen Übergriffen mit 
den Waffen zu wehren. Aber nicht blofs die Änderungen des Frie- 
densvertrags verwarf er, sondern er willfahrte auch in jedem an- 
dern Punete den Athenern nicht. Was Halonnesos betraf, so er- 
klärte er, die Insel habe er Seeräubern abgenommen, und damit den 


1) Vgl. mit diesem plumpen Ausfalle die artige Anekdote von dem 
Achaeer Arkadion b. Athen. 6 8. 249°. Bei Curtius 6, 5, 9 lesen wir, als 
nach Darius Tode die griechischen Miethstruppen sich Alexander ergaben: 
at Democrates Atheniensis, qui maxime Macedonum opibus semper obstiterat, 
gladio se transfigit. Ist dieser der Demochares ὁ παρρησιαστής des Seneca ? 
An den Neffen des Demosthenes ist dabei in keinem Falle zu denken. 

2) Vgl. Grote IX, 616 ff. Mit Recht bemerkt Grote S. 618, 1, dals 
hier nicht eine sophistische Verdrehung der Urkunde, sondern eine un- 
zweideutige Abänderung derselben vorlag. 

ον 41782770, 78:5 οἷ. ὁ. 82192. 

4) 5. o. 5. 318. Thirlwall VI, 25 scheint mir zu weit zu gehen 
wenn er bemerkt: i is probable that the application of the principle to the 
Boeotian tonns was not overlooked. 


358 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


Schiffern sichere Fahrt verschafft. Jetzt sei sie sein rechtmäfsiges 
Eigenthum; schenken wolle er sie den Athenern, aber ihre Forde- 
rung erkenne er nicht an ὁ: durch die Vertreibung der Piraten habe 
er sich den Dank aller Kauffahrer verdient. So kehrte die Gesandt- 
schaft völlig unverrichteter Dinge heim. Aber zu offenem Kriege 
gegen Athen gieng Philipp immer noch nicht über: der bestehende 
Friede leistete seinen Plänen zu viel Vorschub, als dafs er es vor- 
zeitig zum völligen Bruche hätte treiben sollen. Die empfangene 
Botschaft liefs er vor der Hand unbeantwortet: erst nach Monaten, 
nachdem inzwischen die gerichtliche Freisprechung des Aeschines 
die Stärke der Friedenspartei dargethan, knüpfte er durch eine 
neue Gesandtschaft und ein Schreiben an Rath und Bürgerschaft 
die Unterhandlungen wieder an?. 


| VIERTES CAPITEL. 
Die gerichtliche Verhandlung über Aeschines Truggesandtschaft. 


Mehr als drei Jahre waren vergangen, seit die athenischen Ge- 
sandten von ihrer zweiten Reise nach Makedonien heimkehrten: da 
endlich sollte über die längst von Demosthenes wider Aeschines er- 
hobene Klage zu Recht erkannt werden (Ol. 109, 2. Sommer 343) °. 
Aeschines hatte alle Mittel aufgeboten den Process niederzuschlagen 


1) Heg. üb. Hal. 2 S. 77, 5—12. Philipps Sehr. 198. S. 162. Böh- 
necke F. I, 439, 5. 

2),Zwischen der Gesandtschaft des Hegesippos und dem Schreiben 
Philipps an die Athener, von welchem die Rede über Halonnesos han- 
delt (s. Cap. 5), liegt Philipps Zug nach Epirus und gegen Ambrakia 
(üb. Hal. 32 S. 84, 21). Von diesem ist in der Rede des Demosthenes 
wider Aeschines, so oft Philipps Fortschritte aufgezählt werden, noch 
nirgends eine Spur. Vgl. Droysen Z. f. d. AW. 1839 5. 574. 

3) Dionys. Schr. an Amm. 1, 10 8. 737, 13. 16 ἐπ᾽ ἄρχοντος Πυ- 
ϑοδότου — καὶ τὸν κατ᾽ Αἰσχίνου συνετάξατο λόγον, ὅτε τὰς εὐϑύνας 
ἐδίδου τῆς δευτέρας πρεσβείας. Arg. 2 zu Dem. vdG. 5. 338, 26 μετὰ γ΄ ἔτη 
τῆς γραφῆς. Vor Philipps Aufbruch nach Epirus (vgl. die vorherg. Anm.), 
aber kaum lange vorher: 5. Dem. vdG. 288 $. 434, 3 ὠτακουστοῦντες 
— ποῖ πάρεισι Φίλιππος. Über den langen Aufschub des Processes 
vgl. FFranke prolegg. in Dem. or. de FL. 8. δ. 


Verzögerung des Processes wider Aeschines. 359 


oder doch möglichst hinauszuschieben. Zuvörderst hatte er, als 
Demosthenes vor der Rechenschaftsbehörde sich stellte um wie das 
erstemal so auch nach der zweiten Gesandtschaft Rede zu stehen 
unter Zuziehung vieler Zeugen Einsprache erhoben: Demosthenes 
habe bereits Rechenschaft abgelegt und sei nicht verantwortlich '. 
Aeschines scheint geltend gemacht zu haben, die Reise zur Ratilica- 
tion des Friedens sei nur eine Fortsetzung der ersten Gesandtschaft ; 
es habe sich diesmal nur um vollendete Thatsachen gehandelt ?: da 
nun die Gesandten nach ihrer ersten Reise sich der Behörde ge- 
stellt hatten und losgesprochen waren, so könne von einer aberma- 
ligen Verantwortlichkeit nicht. die Rede sein. Es genügt solchen 
Einreden gegenüber zu erinnern, dafs die Wahl der Gesandten wie- 
derholt und neue Aufträge ihnen ertheilt waren; sie hatten Reise- 
geld empfangen, und Demosthenes war noch besonders angewie- 
sen die Freilassung der kriegsgefangenen auszuwirken. Wohl aber 
leuchtet ein, wie wichtig es für Aeschines war die Vorladung des 
Demosthenes zu hintertreiben: denn drang er mit seiner Einsprache 
durch, so fiel die gegen ihn selber erhobene Klage zu Boden. Aber 
seine Ausflucht verfieng nicht: die Behörde beraumte einen Ge- 
richtstag an und an diesem wurde, da kein Kläger auftrat, Demo- 
sthenes, vielleicht auch die anderen Gesandten, fernerer Verantwort- 
lichkeit entbunden: nur über Aeschines schwebte die von Demosthe- 
nes und Timarchos erhobene Klage ®. 

Seitdem nimmt Aeschines den Schein an, als verlange ihn da- 
nach recht bald Rechenschaft abzulegen *: aber er gewinnt eine 
weitere Frist durch die wider Timarchos geführte Gegenklage. Nach- 
dem er mit dieser durchgedrungen war, hielt Demosthenes allein 


1) Dem. vdG. 211f. 215 S. 406, 23f. 408, 2. 

2) Aesch. 2,123 8. 44 ἡ ὑστέρα πρεσβεία ἐπὶ πεπραγμένοις ἐγίγνετο. 
Vel. Dionys. Rhet. 8, 5 S. 287. 

3) Dem, a. O. u. 33 S. 351,19. 335 5. 449,4. 118 S. 377, 4. Aesch. 
vdG. 178 8.52 δέκατος δ᾽ αὐτὸς πρεσβεύσας μόνος τὰς εὐθύνας δίδω- 
με, vgl. 181. Nach dem 2, Arg. zu Dem. vdG. S. 338, 17 hätte De- 
mosthenes allein Rechenschaft abgelegt, und so nimmt Mich. Schmidt 
qu. de Dem, et Aesch. or. de FL. 5. 8 an. Ich kann Dem. 8 118 ὁ 
μὲν οὐχ ὑπεύϑυνος ἦν nicht anders verstehen als dafs wenigstens der 
eine oder der andere Gesandte der Verantwortung erledigt war. 

4) Aesch. 1, 168 8. 24 ὡς γὰρ τὰς ἐμὰς εὐϑύνας βλάπτων, ἃς 
ὑπὲρ τῆς πρεσβείας μέλλω διδόναι. Vel. 174. 


360 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


die Anklage aufrecht ', aber Aeschines wufste durch anderweite 
Ausflüchte die Entscheidung seines Processes so lange zu verzü- 
gern, bis die Sache selbst veraltet und dem frischen Gedächtnisse 
entschwunden war *. Wohl mochte auch Demosthenes eine Weile 
das Rechtsverfahren nicht allzusehr beschleunigt haben. Das rich- 
terliche Erkenntnils wider Timarchos mulste seiner Klage Eintrag 
(hun und einen Aufschub räthlich erscheinen lassen: überhaupt 
schwärmten die Alhener so leicht in neuen Hoffnungen auf Philipps 
Wohlwollen und waren der gewonnenen Ruhe so froh, dafs zu einem 
Strafurteile wider einen Urheber des Friedens wenig Aussicht war. 
Darum führte Demosthenes zunächst den Kampf in der Volksge- 
meinde. Wir wissen dafs er gleich bei der Berichterstattung Ae- 
schines widersprochen und sich wider dessen Verheifsungen ver- 
wahrt hatte ?. Er erinnert an diese Verwahrung in der Rede vom 
Frieden ünd bekennt sich als abgesagten Gegner der von Eubulos 
und Aeschimes geführten Partei, die er unverholen als bestochen 
bezeichnet *. Seitdem hatte Demosthenes (und mit ihm seine 
Freunde) in den Volksversammlungen und vor dem Rathe immer 
von neuem ausgesprochen, dafs Aeschines Gelder von Philipp em- 
pfangen habe ἢ: wir lesen selbst in der zweiten Philippika die un- 
verholene Anklage der falschen Botschafter, die in Philipps Solde 
(16 Athener betrogen haben ὃ. Und der Gang der Ereignisse stellte 
es immer klarer heraus, dafs der Friede faul und unsicher sei, dafs 
in Folge dessen Athens Stellung von Jahr zu Jahr gefährdeter werde. 
Das öffnete vielen die Augen: Philokrates, des Aeschines Genosse, 


1) Franke proleg. in Aesch. or. in Tim. ὃ, XXXI und in Dem. or. 
de FL. S. 4f. hat die Meinung ausgesprochen, anfangs habe Timarchos 
die Klage allein angestellt, nach dessen Verurteilung erst sei Demo- 
sthenes in dieselbe eingetreten. Dieser Meinung stehen nicht blofs die 
Scholien entgegen, sondern die eignen Worte des Demosthenes. Denn 
257 8. 423, 17 ἡτίμωσεν ὑπακούσαντα τιν᾽ αὑτοῦ κατήγορον bezeich- 
net Timarchos nicht als Hauptankläger, sondern als sudseriptor der 
auf den Wunsch eines andern an der Anklage theilnimmt. Vgl. GHSchae- 
fer z. d. St. 

2) Dem. vdG. 3 S. 342, 9. 103 (107) 5. 374, 10. 258 8. 423, 25. 

3) 8. 0. 8. 255. 

4) 8. 0, δι 280. 

5) Dem. vdG. 207 S. 405, 20. Aesch. 2, 145 8. 47. 

6) 8. 969..337F. 


Rechtsverfahren wider Aeschines. 361 


ward verurteilt und Aeschines selber unterlag, wie der Wahr- 
spruch des Areopags kundthat, dem Verdachte der Verrätherei ἧς 
Aber Demosthenes war es nicht genug dafs ein solcher Verdacht 
sich mehr und mehr befestigte: er wollte die Sache ins klare setzen 
und durch öffentliche Verhandlung und richterlichen Spruch ent- 
schieden wissen dafs er an der Verrätherei seiner Mitgesandten kei- 
nen Theil habe?. Er gab seine Klagschrift nur wider Aeschines 
ein, weil dieser vorzüglich das Wort geführt und weil er allein den 
trügerischen Bericht erstattet hatte, der den Hauptgegenstand der 
Anklage bildete ?®. Die andern alle welche mitgegangen waren in 
die Untersuchung hineinzuziehen wäre gehässig gewesen und hätte 
dem öffentlichen Interesse keinen Gewinn gebracht: ohnedies ent- 
gieng ja auch Philokrates der verdienten Strafe nicht. Wie dieser 
einer Meldeklage unterlag, so wäre zu einem gleichen Verfahren 
gegen Aeschines gegründete Veranlassung gewesen; aber die Stim- 
mung der Bürgerschaft war dem nicht günstig: so blieb es dabeı 
dafs Aeschines vor Gericht gefordert wurde um wegen seiner Ge- 
sandtschaft sich zu verantworten *. Dies Verfahren erscheint als 
ein milderes: nichts desto weniger lag es in der Hand der Richter 
auf die schwerste Strafe zu erkennen, und Demosthenes trug auf 


1) Es kann befremden dafs Demosthenes das Verfahren mit Anti- 
phon und die Absetzung des Aeschines als Sachwalters in dem delischen 
Recehtshandel nur eben berührt 209 S. 406, 6. Vgl. ο. S. 348. Den 
Grund hat Böhnecke FÜ I, 293 angegeben: jenes Verfahren war als 
aristokratisch misdeutet worden (Plut. Dem. 14), und Demosthenes 
hatte die Eifersucht auf sein persönliches Ansehn zu fürchten, s. 228 
S. 412, 10 Schol. 

2) 223 8. 410, 26 κατηγορῶ δὲ νυνὶ καὶ ἐπὶ τὰς εὐθύνας ἥκω τὸ 
μέλλον προορώμενος καὶ βουλόμενος ἀγῶνι καὶ δικαστηρίῳ μοι διωρί- 
σϑαι παρ᾽ ὑμῖν ὅτι τἀναντία ἐμοὶ καὶ τούτοις πέπρακται. Vgl. 33 8. 
351, 12. 188 S. 400, 9. Phil. 2, 541, 8. 73, 29f. 

3) Dem. vKr. 33 5. 236, 23. 

4) Dem. νᾶ. 103 8. 374, 7 sl γέ τι τῶν προσηκόντων ἐγίγνετο, 
ἐν εἰσαγγελίᾳ πάλαι ἂν ἦν" νῦν δὲ διὰ τὴν ὑμετέραν εὐήϑειαν καὶ πρού- 
ya εὐθύνας δίδωσι, καὶ ταύτας ὁπηνίκα βούλεται. Über die εὐσαγ- 
γελία παραπρεσβείας. vgl. Aesch. 2, 139 S. 46. Die Verhandlung wird 
bezeichnet als πρεσβείας εὐὔϑυναι auch Dem. vdG. 17 8. 340, 12. 69 
ΒΕ. 363, 5. 81f. 8.366, 24. 367, 2. 132 5. 382, 3. 182 3. 398, 17. 
223 8. 410, 26. 256 S. 423, 12. 334 8. 448, 17. Aesch. 2, 80 8. 38. 
96 S. 40. 175 S. 52. Den Vorsitz hatten die Logisten: 5. Dem. 211f. 
S. 406, 26f.; vgl. Böckh Sth. I, 265. 270. KFHermann A. 1, 154, 14. 


362 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


den Tod oder wenigstens Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte an ' 
Denn es war ihm nicht blofs darum zu thun die Truggesandtschaft 
des Aeschines zu ahnden, sondern damit ein warnendes Beispiel 
aufzustellen und der wie eine Pest um sich greifenden Bestechlich- 
keit zu steuern ? 

Der öffentlichen Behandlung dieses Processes mufste man zu 
Athen wie auswärts mit gespannter Theilnahme entgegen sehen. 
Sollten doch zwei der gröfsten Redner einander vor Gericht gegen- 
über treten, Demosthenes längst gefeiert als Meister seiner Kunst 
und als Leiter der Opposition gegen Philipp; Aeschines bewundert 
wegen seiner unvergleichlichen Stimme und seiner reichen Gaben, 
durch Philipps Gunst besonders ausgezeichnet und von dem Pro- 
cesse des Timarchos her in vieler Munde als Wächter sittlicher 
Zucht. Dazu standen dem beklagten als Fürsprecher hochan- 
sehnliche Männer zur Seite, Eubulos, die Seele der athenischen 
Finanzverwaltung und immer noch Liebling des Volkes, Phokion der 
Feldherr, endlich Nausikles, ein Freund und Altersgenosse des Ae- 
schines *. Aber es war nicht blofs der persönliche Ruf der betheilig- 


1) Dem. vd@. 101 8. 373, 19 μάλιστα μέν, εἰ οἷον τε, ἀποκτείνατε, εἰ 
δὲ un, ξῶντα τοῖς λοιποῖς παράδειγμα ποιήσατε. 262 8. 425, 8 ἀτιμώ- 
care. 313 5. 442, 1 αὐτὸς ἂν τῆς ἐπιτιμίας δικαίως νῦν στερηϑείη. 
Aesch. 2, 87. 88 8.39- el γὰρ μηδεὶς ἂν ὑμῶν Euvrov ἀναπλῆσαι φό- 
νου δικαίου βούλοιτο, ἢ που ἀδίκου γε φυλάξαιτ᾽ ἂν τὴν ψυχὴν ἢ τὴν 
οὐσίαν ἢ τὴν mr) τινὸς ἀφελόμενος, ἐξ ὧν αὑτοὺς ἀνῃρήκασί 
τινες, οἵ δὲ καὶ δημοσίᾳ ἐτελεύτησαν. Dem. 3 = 342, ὃ. 88. 343, 
21. 66 S. 362, 3. 103. 110 8. 374, 6. 27. 131. 133 S 5. 381, 21. 382, 13. 
179 8. 397, 20. 240 8. 416, 11. 282. 284 5. 432, 6. 22. 270 5. 427, 
28. 341f. S.450, 23. Aesch. 2, 5 8. 29.59 S. 35. 70 8. 37. 127 8. 45, 
18. 28. 8 8. 29. 158 S. 49. 167 S. 50. 179 bis zu Ende, 8. 52. Cic. de 
opt. gen. or. 7, 21. Vgl. Plat. Gesetze 12 zu Anf.: ἐὰν ὡς πρεσβευτής 
τις ἢ κήρυξ καταψευδόμενος τῆς πόλεως παρφαπρεσβεύηται πρός τινὰ 
πόλιν, ἢ πεμπόμενος μὴ τὰς οὔσας πρεσβείωρ ἐφ᾽ αἷς πέμπεται ἀπαγ- 
γέλλῃ ἢ πάλιν αὖ παρὰ τῶν πολεμίων ἢ καὶ φίλων μὴ τὰ παρ᾽ ἐκείνων 
ὀρϑῶς ἀποπρεσβεύσας γένηται φανερὸς ἢ κηρυκεύσας, γραφαὶ κατὰ 
τούτων ἔστων —, τίμημα δὲ ὅ, τι χρὴ πάσχειν ἢ ἀποτένειν, ἐὰν ὄφλῃ. 
Über die Strafe der Atimie wegen Bestechlichkeit KFHermann A. I, 
124, 9 

2) S. namentlich den Schlufs der Rede des Demosthenes. 

3) Dem. 285 8. 432, 24. Aesch, 180 8. 52. Über ihre Redekunst 
Dem. 216f. 5. 408, 14. 337 — 340 S. 449, 14f. Aesch. 4 S. 28. 

4) Aesch. zu Ende seiner Rede. Über Nausikles s. o. ὃ. 182, 2. 309, 5. 


Bedeutung des Processes wider Aeschines. 363 


ten Personen, welcher fast die ganze Bürgerschaft Athens an diesem 
Tage zusammenführte ', die Sache war von entscheidender Bedeu- 
tung für Athen wie für alle Hellenen. Es handelte sich um den wich- 
tigsten Act der internationalen Beziehungen, auf dem das öffent- 
liche Recht der hellenischen Staaten damals beruhte: wurde Aeschi- 
nes freigesprochen, so war damit zugegeben dafs die Abhängigkeit 
von dem makedonischen Hofe nicht als Verrath zu betrachten sei: 
ward er verurtheilt, wie es schon mit Philokrates geschehen war. so 
war damit über den philokrateischen Frieden selbst abgesprochen ?, 
so war zumal nach dem Ausfalle von Hegesippos Gesandtschaft nur 
noch ein Schritt zu offenem Kriege. Gerade diese Sorge wirkte 
am meisten auf die Athener, die sich in dem Frieden behagten und 
neue Kriegslasten scheuten. Darum bearbeiteten die zahlreichen 
Genossen der makedonischen Partei die öffentliche Stimmung mit 
allen Mitteln: sie umdrängten die geschwornen als sie für die Ge- 
richtsitzung erloost wurden und redeten ihnen vor was sie gewin- 
nen oder einschüchtern konnte °. 

Als das Gericht gebildet und vereidigt und die Klagschrift ver- 
lesen war *, erhob sich Demosthenes zur Anklage. In Hinblick auf 
die noch bis zuletzt angewandten Bemühungen, namentlich auf die 
Verwendung des Eubulos, ermahnt er die Richter keine Gunst und 
keinen Mann höher zu achten als die Gerechtigkeit und den Eid den 
sie alle geschworen: denn das dient ihnen und dem ganzen Staate 
zum Heile, während die Bitten und Bewerbungen jener Helfer auf 
eigensüchtige Zwecke berechnet sind, zu deren Verhinderung die 
Gesetze sie zu Richtern berufen haben. Er erinnert daran, dafs 
alle andern, auch wenn sie Rechenschaft abgelegt, sich stets verant- 
wortlich bekennen: Aeschines dagegen hat einen Kläger auf die 
Seite geschaflt, den andern droht er und sucht so einen Brauch in 
das Staatsleben einzuführen, der zu allgemeinem Schaden die Ge- 
richte ihrer Machtvollkommenheit berauben würde °. 

Nun spricht Demosthenes die feste Zuversicht aus, dafs er 
Aeschines vielfacher schwerer Schuld zu überführen vermag. Eins 


1) Aesch. 5 S. 28. 

2) Vgl. Dem. 134 S. 382, 16. 

3) Dem. zu Anfang u. 238fl. S. 415, 101. 2008. S. 436, 5f. 
4) Vgl. Schömann att. Proc. $. 706,0. 

5) 1f. 8. 341—312, 2. 


364 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


nur fürchtet er, dafs bei der Länge der seit der Gesandtschaft ver- 
flossenen Zeit die Richter der Vergehungen vergessen oder sich 
daran gewöhnt haben. Darum hält er ihnen als Mafsstab eines ge- 
rechten Urteils die Puncte vor, über welche ein Gesandter Rechen- 
schaft zu geben hat: was er berichtet hat, zu welchen Entschliefsun- 
gen er beredet hat, was ihm aufgetragen war, wie er die Zeit zu 
Rathe gehalten habe, endlich ob er unbestechlich oder nicht ver- 
fahren ist. Das erläutert er und darauf gründet er seine Anklage !. 

Es würde uns zu weit führen, wollten wir die Klagrede nach 
ihrer reichen Gliederung darlegen und der Kunst nachgehen, mit 
welcher Demosthenes die entscheidenden Thatsachen in immer 
neuen Beziehungen beleuchtet um sie den Richtern fest einzuprä- 
gen und sich ihres Urteils zu versichern? . Wir müfsten zu dem Ende 
noch einmal die Friedensverhandlungen und die daraus entsprun- 
genen Folgen Schritt für Schritt verfolgen, und alle einschlagenden 
Momente, die wir auf Grund der Rede des Demosthenes und der 
seines Gegners oben geprüft haben, noch einmal entwickeln und 
durchprüfen ohne damit etwas neues zu gewinnen. So beschrän- 
ken wir uns darauf nach den Hauptzügen den Gang der Rede anzu- 
deuten. 

Ehe Demosthenes zu seiner Anklage übergeht ruft er den Rich- 
tern ins Gedächtnifs zurück, welche Haltung Aeschines von vorn 
herein annahm und welche Reden er zur Zeit seiner arkadischen 
Gesandtschaft gegen Philipp führte. Sein Verhalten blieb unver- 
dächtig bis zu der Schlufsverhandlung über den Frieden, wo er 
auf Philokrates Seite trat und unwürdige Bedingungen durchsetzte: 
(las ärgste aber war sein trugvoller Bericht über die zweite Gesandt- 
schaft und Philipps glänzende Verheifsungen, durch welche er die 
Bürgerschaft wahrhaftiger Meldung und heilsamen Rathschlägen un- 
zugänglich machte. So stellt Demosthenes die politische Gesinnung 
des Aeschines, während er noch unbestochen war, und sein damali- 
ges Mistrauen gegen Philipp in Vergleich mit seiner plötzlichen 
Umwandlung zu vertrauensvoller Freundschaft. Ist nun was er ge- 
meldet hat nach Wunsche eingetroffen, so mag man glauben, es 


1) 3—8 8. 342, 2—343, 23. 

2) S. die Urteile der Rhetoren bei Franke Prolegg. in or. de FL. 
S. 9#. 13f.; die Disposition der Rede und die Behändlung der Theile 
Ss. 148. 


Klagrede des Demosthenes wider Aeschines. 365 


habe die Wahrheit und das Wohl des Staates ihn geleitet: ist aber 
das gerade Gegentheil von dem was er sagte geschehen und Schande 
und Gefahr dem Staate daraus erwachsen, so erkennt man dals er 
aus Gewinnsucht und zur Lüge gedungen sich umgewandelt hat‘. 
Damit hat Demosthenes seine Anklage in ihren Hauptzügen 
entwickelt und die Richter angeleitet sich ihr Urteil zu bilden. Denn 
in der That, wem bei dem Rückblicke auf diese selbsterlebten Vor- 
sänge in der athenischen Volksversammlung, auf den prahlenden 
Eifer des Aeschines wider Philipp, seine spätere Friedensrede, enıd- 
lich seinen überschwänglichen Gesandtschaftsbericht nicht die Au- 
gen aufgiengen, der war durch eine weitere Darlegung schwerlich 
zu überzeugen. Diese knüpft Demosthenes unmittelbar an die Be- 
richterstattung an, denn er ist damit auf den wichtigsten Punet sei- 
ner Anklage gekommen: Aeschines und seine Genossen haben 
durch ihre trügerische Botschaft und die darauf gegründeten Volks- 
beschlüsse wesentlich zu dem Untergange der Phokier beigetragen. 
Diese Beschuldigung erweist Demosthenes aus dem Gange der Be- 
gebenheiten nach den einzelnen Zeitmomenten und beleuchtet die 
Schwere des Vergehens: er stellt zum Schlusse das Bündnils der 
Phokier mit Athen ihrer Capitulation mit Philipp und den Am- 
phiktyonenbeschlüssen gegenüber und schildert das Elend, wie er es 
selbst auf seiner Reise nach Delphi jüngst vor Augen gehabt hat. 
Das ist das Schicksal eines Volkes das einstmals seine rettende Stimme 
für Athen erhoben und Sklaverei von der Bürgerschaft abgewendet 
hat. Und Aeschines hat die Täuschung verübt und sich des Unter- 
gangs der Phokier mitschuldig gemacht: nicht Philipp hat durch 
seine Briefe die Athener betrogen, nicht seine abgeordneten haben 
dergleichen ausgesprochen: die Gesandten Athens, der freisinnig- 
sten Stadt, haben sich unterstanden ihre Mitbürger zu betrügen und 
damit auf ihre eigenen Häupter den Fluch herabgezogen °. 
Demosthenes beleuchtet dann die Einwürfe welche Aeschines er- 
heben möchte: dafs andere Umstände zum Untergange der Phokier 
gewirkt haben °, oder dafs, wenn auch Phokis und die Thermopylen 
verloren seien, doch der Chersones Athen sicher verbleibe ', endlich 


1) 9—28 5. 343, 23—349, 25. 
2) 29—71 8. 349, 25—363, 26. 
3) 72—77 8. 363, 27-365, 20. Vel. Aesch. 2, 131M. 5. 45 £. 


72 
4) 78f. 5. 365, 20—366, 10. Vgl. Aesch. 2,82 S. 39. 


© 


366 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


dals ja kein Phokier Klage wider ihn erhebe'. Das gibt Demosthe- 
nes Veranlassung den Nachtheil zu schildern, welchen Athen durch 
den Verlust der Thermopylen und die Niederlage der Phokier Philipp 
und den Thebanern gegenüber erfahren hat: die späteren Vorgänge 
lehren, eine wie mächtige Schutzwehr damit niedergeworfen ist ?. 
Ferner wird Aeschines, um recht weit von der Prüfung der 
Thatsachen abzulenken, den Segen des Friedens und die Leiden des 
Krieges schildern und das Lob des Friedens zu seiner Vertheidi- 
gung benutzen *. Diese Vortheile leugnet Demosthenes nicht ; aber 
Philipp geniefst sie in noch höherem Mafse, und was ihren Besitz 
verbürgt, Machtstellung und Bundesgenossenschaft, ist durch die 
Schuld der Gesandten den Athenern verloren gegangen und ge- 
schwächt, auf Philipps Seite dagegen furchtbar angewachsen. Übri- 
gens so wenig Aeschines Anklagen zur Last fallen können die ihn 
nichts angehen, so wenig darf er sich auch fremdes Verdienst bei- 
messen. Niemand klagt ihn wegen der Kriegführung an, niemand 
wegen der Einleitung von Friedensverhandlungen, sondern die An- 
klage beginnt damit, dafs Aesch’nes bei der Berathung über die 
Bedingungen des Friedens durch Geschenke gewonnen dem bestoche- 
nen Antragsteller beipflichtete, und erstreckt sich über seine zweite 
(Gesandtschaft und seinen lügenhaften Bericht. Veranlafst ist der 
Friede nicht durch Aeschines, sondern durch die trübselige Krieg- 
führung der Feldherrn: aber durch seinen später gesponnenen Trug 
ist er gefahrvoll, bedenklich und unzuverlässig geworden. Darum 
darf Aeschines nicht als Vertreter des Friedens gelten wollen *. 
Est ist nachgewiesen, «dafs Aeschines und seine Genossen an 
der Schmach und dem Unheil Schuld sind. Hat jener nun aus 
Ungeschick oder Einfalt oder irgendwie unwissentlich so gefehlt, 
so will Demosthenes von jeder Verfolgung abstehen, obgleich an 
sich eine solche Ausrede den Staatsmann der Verantwortlichkeit 
nicht überhebt. Ergeben aber die Thatsachen selbst, dafs Aeschi- 
nes in böser Absicht für empfangenes Geld und Geschenke das Übel 
angestiftet, dann mufs ihn der Tod oder doch exemplarische Strafe 
treffen. Die wirklichen Motive des Aeschines erhellen aus folgender 


1) 80-82 5, 366, 10—367, 7. Vgl. Aesch. 2, 142f. 8. 46f. 
2) 83—87 8. 367, 7—369, 2. 

3) Vgl. Aesch. 2, 161 3. 49. 1718. 5. 518. 183 5. 52. 

4) 88—97 (101) 8. 369, 2—372, 22. 


Klagrede des Demosthenes wider Aeschines. 367 


durchaus gerechter Probe. Er konnte nämlich die Erklärungen 
über die Phokier, die Thespier und Euboea, wenn er nicht besto- 
chen mit bewufster Absicht auf Betrug ausgieng, nur abgeben ent- 
weder auf Grund ausdrücklicher und förmlicher Zusagen Philipps 
oder weil er, verblendet durch sonstige Freundlichkeit, dessen von 
ihm gewärtig war. In beiden Fällen (und einen dritten gibt es nicht) 
müfste er vor allen andern Philipp hassen: denn um seinetwillen 
hat er die Bürgerschaft betrogen, steht in schlimmem Rufe, wird 
des Todes würdig erklärt. Hat man nun wohl Aeschines über Phi- 
lipp Klage führen hören? Eher jeden andern dem persönlich keine 
Unbill widerfahren ist. Und doch erwartete man von ihm, wenn 
er sich nicht verkauft hätte, Erklärungen wie diese: “Männer von 
“Athen, macht mit mir, was ihr wollt: ich habe Vertrauen gehegt, 
“bin betrogen worden, habe gefehlt, das bekenne ich. Vor dem 
“Menschen aber hütet euch; er ist ein unzuverlässiger böser Rän- 
“keschmied. Seht ihr nicht, was er mit mir angestellt, wie er mich 
“betrogen hat?’ Solche Reden aber kommen nicht aus seinem 
Munde: denn er ist nicht hintergangen und betrogen, sondern für 
Lohn und baare Bezahlung gab er jene Erklärungen ab und ist ein 
ehrenwerther und rechtschaflfner — Lohndiener Philipps geworden, 
den Athenern aber ein verrätherischer Gesandter und Bürger, der 
dreifach den Tod verdient hat!. Die geschehene Bestechung er- 
hellt jedoch nicht daraus allein, sondern nicht minder aus der Für- 
sprache, welche er den von den Thessalern und Philipp abgeordne- 
ten Gesandten, welche die förmliche Anerkennung Philipps als Mit- 
gliedes der Amphiktyonie forderten, angedeihen liefs, eben als 
Philipp das gerade Gegentheil von dem was er den Athenern gemel- 
det ins Werk gesetzt hatte ?. 

Eines weitern Beweises dafs die Gesandten Geschenke empfan- 
gen haben bedarf es nicht. Philokrates hat es offen bekannt und 
zur Schau getragen, und mit ihm hat Aeschines gemeine Sache ge- 
macht, wie sich dies namentlich auch bei der Meldeklage wider 
Philokrates herausgestellt hat: denn alles läfst Aeschines lieber über 
sich ergehn als dafs er Philipp nicht zu Willen wäre. Das bildet 
einen redenden Beweis dafs er Geld empfangen hat und beständig 


1) 98 (102) —110 8. 372, 22—374 
2) 111—113 8. 374, 28—375, 25. 


RL 
„27. 


368 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


um Lohn böswillig ist, nicht aus Ungeschick oder unwissentlich 
oder durch einen Fehlgriff. Die Thatsachen selber, die er nicht ab- 
leugnen kann, bezeugen seine Käuflichkeit '. Als Bestätigung end- 
lich für die geschehene Bestechung und die bewufste Verrätherei 
erzählt Demosthenes das Benehmen des Aeschines bei dessen drit- 
ter Sendung an Philipp, seine anfänglichen Ausflüchte und spätere 
willkürliche Abreise und seine Theilnahme an Philipps Siegesfeste, 
an sich schon ein todeswürdiges Verbrechen ?. 

Indessen werden die Gegner geltend machen, dafs sich Feind- 
schaft mit Philipp entspinnen werde, wenn man die Friedensunter- 
händler verurteilt. Wäre dem so, dafs die Richter, statt an ihren 
Eid und an das Recht sich zu halten, erwägen müssen was Philipp 
genehm ist, so bildet das die schwerste Anklage wider Aeschines. 
Aber Demosthenes behauptet im Gegentheil, dafs sich daraus eine 
heilsame Freundschaft bilden könne. Er zeigt an dem Beispiele 
des Timagoras und der Folgen der an ihm vollzogenen Strafe, 
welche Wirkung gerechte Züchtigung treuloser Gesandten im poli- 
tischen Verkehre hervorbringt, ferner an dem ehrenhaften Beneh- 
men der thebanischen Gesandten an dem makedonischen Hofe, das 
einen schneidenden Contrast zu dem Verhalten der athenischen Ge- 
sandten bildet, was gewissenhafte Pflichterfüllung und Selbstver- 
leugnung seiner abgeordneten einem Staate einbringt: dem stellt er 
die Ergebnisse des Friedens für den athenischen Staat und für die 
athenischen Gesandten gegenüber ®. 

Weiter wird Aeschines sagen, es sei nicht möglich gewesen 
einen ehrenvollen Frieden, wie Demosthenes ihn verlangte, zu 
schliefsen, in Folge der schlechten Kriegführung von Seiten der 
athenischen Feldherrn *. Dagegen hält Demosthenes ein &inmal, es 
hätten dann bei solchen Zugeständnissen die Gesandten nicht noch 
Geschenke hinzubekommen dürfen: ferner, wie es denn zugegangen 
sei, dafs in Folge des Friedens die so hart bedrängten Thebaner 
nicht blofs das verlorene wiedererhielten sondern noch fremdes 
dazu, die Athener dagegen selbst was sie im Kriege behauptet hat- 

1) 114—120 8. 375, 25—378, 8. Über die ἄγνοια vgl. Aesch. 2, 
136 5. 46. 1 

2). 11--183.3: 38: Be 15: 

3) 134—146 S. 382, 15—386, 18. 

4) Vgl. Aesch. 2, 708. S. 37. 80 8. 38. 


Klagrede des Demosthenes wider Aeschines. 369 


ten im Frieden einbüfsten? Aus keinem andern Grunde, als weil 
die thebanischen Gesandten das Interesse ihres Staates nicht feil 
hielten, während die athenischen es Preis gaben. Dafs es so zu- 
gieng, wird aus dem folgenden noch deutlicher sich ergeben !. 

Damit geht Demosthenes auf einen neuen Haupttheil seiner 
Anklage über, nämlich auf die böswillige Zeitvergeudung der Ge- 
sandten als sie das zweite Mal an Philipp abgeordnet waren, die 
Verabsäumung der von Rath und Bürgerschaft empfangenen Auf- 
träge, wodurch Thrakien verloren gieng und die Verpflichtung von 
Philipps Bundesgenossen auf den Frieden ungenügend und formlos 
erfolgte. Er schildert dazu sein und seiner Mitgesandten Verhal- 
ten in Pella, die Habgier jener und seine eigene Fürsorge für die 
athenischen kriegsgefangenen, endlich die bei der Ratifieation des 
Friedens Philipp gemachten Zugeständnisse ?. 

So hat Demosthenes geleistet was er im Beginn seiner Rede 
versprochen. Er hat bewiesen dafs Aeschines statt die Wahrheit 
zu berichten die Bürgerschaft getäuscht hat, dafs er durch seine 
Versprechungen und Zusagen sie so verblendete, dafs sie den wahr- 
haften Bericht des Demosthenes nicht hören wollte: dafs er schlech- 
ten Rath ertheilt und den Friedensentwurf der Bundesgenossen be- 
kämpft und den des Philokrates befürwortet hat, dafs er die Zeit 
verzettelt hat, damit die Athener, auch wenn sie wollten, aufser 
Stande wären nach Phokis auszurücken, dafs er auf seiner Reise 
viel anderes schlimmes begangen, alles verrathen, verkauft, Ge- 
schenke angenommen, jede Schlechtigkeit verübt hat. Daraus er- 
gibt sich nach einfachem Schlusse was den Richtern obliegt: sie 
haben geschworen gemäls den Gesetzen und den Beschlüssen des 
Raths und der Bürgerschaft zu urteilen *. Aeschines hat als Gesand- 
ter den Gesetzen, den Beschlüssen, dem Rechte stracks zuwider 
gehandelt, folglich muls er von verständigen Richtern für schuldig 
erklärt werden. Denn hätte er sich auch nicht weiter vergangen, 
zwei seiner Handlungen rechtfertigen schon allein das Todesurteil: 
dafs er nicht allein Phokis, sondern auch Thrakien an Philipp ver- 


1) 147—149 5, 386, 19—387 , 27. 
2) 150—177 S. 387, 27—3% , 26. 
3) 179 S. 397, 14 ὀμωμόκατε ψηφιεῖσϑαι κατὰ τοὺς νόμους καὶ 
τὰ ψηφίσματα τοῦ δήμου καὶ τῆς βουλῆς τῶν πεντακοσίων. Vel.1 8. 
341, 8. 
DEMOSTHENES II. 24 


370 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


rathen hat und «damit die Thermopylen und den Hellespont, für 
Athen die wichtigsten Plätze auf der Welt, ganz besonders auch 
Thrakien !. | 

Demosthenes hat seine Anklage vorgetragen und begründet: 
nunmehr gilt es der Vertheidigung des Gegners im voraus zu be- 
gegnen und sie zu entkräften. 

Die Einwendung des Aeschines, er werde für blofse Reden 
verantwortlich gemacht, hält nicht Stich: denn die Vollmacht der 
Gesandten erstreckt sich ja eben nur auf die Reden die sie führen, 
auf den Bericht den sie erstatten und auf die Verwendung der 
Zeit?. 

Wenn nun alle die das Volk betrügen wollen das Wort im 
Munde führen, die unruhigen Köpfe hinderten Philipp Athen Wohl- 
(haten zu erweisen, so genügt es die Schreiben Philipps durchzu- 
gehen: daraus ergibt sich dafs er mehr als bis zum Ekel die Athe- 
ner getäuscht hat. 

Aber nicht blofs seine politischen Grundsätze, sondern seinen 
persönlichen Charakter hat Demosthenes gegen die Angrifle des 
Aeschines zu wahren und zugleich die sittliche Verworfenheit des 
angeklagten ans Licht zu stellen. Er rechtfertigt sich darüber dafs 
er gegen Mitgesandte als Ankläger auftritt. Es ist das ein Gebot 
der Pflicht, und er erfüllt sie nach dem Vorgange von Männern wie 
Leon, Eubulos, Konon *. Und um zu zeigen dafs Aeschines keine 
Rücksicht verdiene schildert er in scharfem Gegensatze das hoch- 
herzige Benehmen des Schauspielers Satyros bei Philipp und dem 
gegenüber das Gelage der Gesandten in Makedonien und die von 
Aeschines und Phrynon in trunkenem Muthe verübte Mishandlung 
einer freigebornen olynthischen Frau. Und mit solchem Gewissen 
wird Aeschines die Stirn haben den Richtern in die Augen zu sehen 
und alsbald mit lauter Stimme seines Lebenswandels sich rühmen, 
als wüfste man nicht in was für Diensten und in welcher Gesell- 
schaft er seine Jugend verbracht hat °. 


1) 177—181 8. 396, 26—398, 15. Vgl. Franke a. Ὁ. 8. 127. 

2) 182— 186 8. 398, 15—399, 24. Vgl. Aesch. 2, 178 $. 52. 

3) 187 8. 399, 24—400, 3. Vgl. Aesch. 2, 177 8. 515. 

4) 188—191 $. 400, 4—401, 7. Vgl. Aesch. 2, 22 8. 31. 55 8. 
35. 163 8. 50. 183 8. 52. 

5) 192—200 8. 401, 8—404, 1. 


» 


Klagrede des Demosthenes wider Aeschines. 911 


Ferner will Aeschines behaupten, Demosthenes habe Theil ge- 
nommen an den Handlungen die er ihm zum Verbrechen mache 
und dazu mitgewirkt, und dann sich plötzlich in einen Ankläger ver- 
wandelt. Da kann sich Demosthenes einfach auf die Vorgänge in 
der athenischen Volksversammlung berufen , seine oft wiederholten 
Angriffe auf Aeschines und Philokrates und deren Stillschweigen : 
denn das böse Gewissen lähmt ihre Frechheit und stopft ihnen den 
Mund; endlich auf den Protest des Aeschines als er seinerseits sich 
zur Rechenschaft stellte. Denn Aeschines scheut die Verantwor- 
tung, während Demosthenes, keiner Schuld sich bewulst, es für 
seine Pflicht hielt Rede zu stehen und in allen Stücken dem Gesetze 
zu genügen. Demosthenes fragt endlich, was ihn wohl hätte be- 
wegen können Aeschines unschuldiger Weise zu verklagen. “Ist 
‘es eine Freude viele Feinde zu haben? Nein, es ist sogar gefähr- 
“lich. Oder bestand etwa zwischen mir und Aeschines eine alte 
“ Feindschaft? Durchaus nicht. Wie nun? ” Du fürchtetest für dich 
“ selber und aus Feigheit meintest du darin einen rettenden Ausweg 
“ zu finden”: denn auch dahin hat jener sich vernehmen lassen: ob- 
“gleich, wie du sagst, Aeschines, gar nichts arges und gar kein 
“ Vergehen vorliegt. Sollte er wieder dies Motiv anführen?” — Ae- 
schines hat es in seiner Vertheidigung nicht unumwunden gethan, 
wohl aber in der Rede gegen Ktesiphon ?, — 50 erwägt, ihr Rich- 
“ter, was die schuldigen Urheber des Vergehens für Strafe verdient 
“haben, wenn ich ohne alle persönliche Schuld fürchten mu[s um 
“ihretwillen unglücklich zu werden. Oder wenn auch das nicht zu- 
“trifft, weshalb klage ich dich denn an? Ich lege mich wohl auf 
“Sykophantenkünste um Geld von dir zu bekommen 2 Demosthe- 
nes erinnert, um «das abgeschmackte dieser Aufstellung zu zeigen, 
dafs er Philipps Geschenke abgelehnt, dafs er die kriegsgefange- 
nen aus seinen eigenen Mitteln frei gemacht und fügt hinzu: “nein, 
“so ist es nicht, sondern ich habe wahr berichtet und die Ge- 
“schenke verschmäht um der Pllicht und der Wahrheit und um mei- 
“ner Zukunft willen, in der Meinung, ich werde gleich andern als 


1) Vgl. Aesch. 2, 14—20 S. 30. 56 S. 35. 122f. 5. 44. 

2) 201-220 S. 404, 2.100, 22. 

3) 2,183 S. 52 sagt Aeschines allerdings τοὺς εἰς τὸν μέλλοντα αὑτῷ 
χρόνον ἀντεροῦντας ἐκφοβῶν ἤχει ψευδῆ συντάξας na®' ἡμῶν κατηγο- 
ρίαν. Viel bestimmter 3, 79 fi. S. 65. Vgl. Westermann qu. Dem. III, 40. 

24* 


372 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


“rechtschaflener Mann bei euch in Ehren stehen und dürfe meinen 
“Eifer um euch für keinen Gewinn dahin geben. Dagegen hasse ich 
“ diese weil ich ihre Schlechtigkeit und Gottvergessenheit während 
“der Gesandtschaft sah und durch ihre Bestechlichkeit, die euren 
“ Unwillen wider die ganze Gesandtschaft erregte, um die Anerken- 
“nung meiner persönlichen Dienste gekommen bin: ich führe aber 
“jetzt Klage und fordere Rechenschaft in Voraussicht der kommen- 
“den Dinge, um hier vor euch durch Rechtsverfahren und Gericht 
“mein Verhalten von dem ihrigen als einander entgegengesetzt ge- 
“schieden zu wissen. Und ich fürchte, ich fürchte, dafs ihr einstmals 
“mich unschuldiger Weise hereinziehen möchtet, aber jetzt die Sache 
“leicht nehmt’. Demosthenes geiselt die Schlaflheit, vermöge de- 
ren die Athener die Gefahr herankommen lassen ohne sich ob der 
immer ärger werdenden Bestechlichkeit Sorge zu machen. Er zeigt 
wie die makedonische Partei zusammenhält und der von Philipp ge- 
gebenen Losung folgt: während die, welche ihr Leben den Mitbür- 
gern widmen und nur bei ihnen Ehre suchen, solcher Taubheit und 
Blindheit begegnen, dafs Demosthenes jetzt mit diesen Frevlern 
in gleichem Kampfe streiten mufs. Das kommt daher, dafs Phi- 
lipp, ein einiger Mann an Leib und Seele, von ganzem Herzen seine 
Wohlthäter liebt und seine Widersacher hafst: von den Athenern 
dagegen bedenkt nicht ein jeder, dafs der Wohlthäter des Staates 
sein Wohlthäter ist und umgekehrt, sondern sie lassen sich durch 
Mitleid, Neid, Zorn, erbetene Gunst und ähnliches bestimmen: 
oder wo das nicht, da bleibt wenigstens die Eifersucht auf per- 
sönliche Bedeutung nicht aus. Solche einzelne Fehlgriffe laufen 
auf zu einem Gesamtschaden für den Staat '. Daran knüpft De- 
mosthenes die erneute Mahnung an die Richter nicht in einem frei- 
sprechenden Urteile über verrätherische Gesandte, wie Philokrates 
Aeschines Phrynon, einen verderblichen Präcedenzfall für alle Zu- 
kunft aufzustellen ἢ. Endlich gedenkt er noch der von ihm bean- 
tragten Belobigung der Gesandten und des Gastmahls, das er den 
abgeordneten Philipps gegeben: er weist nach, dafs eins wie das 
andere vor die Zeit fällt wo der Verrath des Philokrates und Aeschi- 


nes offenbar wurde ὃ. 
1) 221—228 8. 409, 22—412, 14. 
2) 229—233 8. 412, 14-414, 1. 
3) 234—236 S. 414, 1—27, Vgl. über diese Abfertigung Franke 


Klagrede des Demosthenes wider Aeschines. 319 


Zum Schlusse wendet Demosthenes seine Rede wider die Für- 
sprecher des angeklagten um den Einflüssen zu begegnen welche 
Mitleid und Gunst auf die Richter üben könnten. Der Fürbitte wel- 
che seine Brüder erheben stellt er das Zeugnifs gegenüber welches 
Aeschines wider sich selber abgelegt hat als er Timarchos ins Un- 
glück stürzte, aus keinem andern Beweggrunde als weil dieser 
seine Truggesandtschaft ans Licht ziehen wollte‘. Eben die wi- 
der Timarchos geführten Reden kehrt Demosthenes jetzt in mei- 
sterhafter Behandlung gegen Aeschines selber: auf ihn bezieht er 
die Stellen der Dichter und verflicht andere damit welche auf den 
vorliegenden Fall ihre Anwendung finden *. Er sieht eine beson- 
dere Veranstaltung der Götter darin dafs Aeschines durch sein Ver- 
fahren wider Timarchos ein strenges Urteil über sein eigenes Verhal- 
ten herausgefordert, dann dafs er seine Rechenschaft bis zu einer 
Zeit hinausgeschoben hat, wo die drohende Lage von Hellas eine 
strenge Züchtigung ‘der Verräther und Miethlinge gebietet. Daran 
knüpft sich die Darstellung der hellenischen Zustände wie sie durch 
die Verrätherei der leitenden Staatsmänner und die Verblendung 
der Gemeinden geworden sind, in Thessalien, im Peloponnes, und 
diese Pest steckt auch Athen an. Wohin das führt, lehrt die Geschichte 
von Olynth. Über die Verräther dieser Stadt haben die Athener 
ein gerechtes Urteil verhängt: jetzt gilt es daheim einen ähnlichen 
Frevel im Beginnen zu strafen®. Zu solcher Strenge mahnt das 
Beispiel der Vorfahren, welche jede Bestechung als Verrath ahnde- 
ten: und wie jene um solches Vergehens willen sonst verdienter 
Männer nicht schonten, so haben auch neuerdings die Athener die 
gesetzliche Strafe über Spröfslinge der erlauchtesten Geschlechter 
verhängt: wie sollte denn Aeschines Anspruch auf Mitleid haben. 
Über ihn mufs jetzt mit der Strenge gerichtet werden, die er er- 
barmungslos an Timarchos zu üben gebot. Wiegt doch seine Schuld 
schwerer für das gemeine Wohl, und war doch seine ganze An- 


a.0.8.16: sie geschieht wie beiläufig, aber bildet den Abschlufs der An- 
griffe auf seine eigene Person. Es handelt sich dabei nach den Reden 
der Gegner (s. Aesch. 2, 40 1. S. 34. 53tf. 8. 35. 111 S. 42. 121 5. 44) 
um einen thatsächlichen Beweis unverzeihlicher Inconsequenz. Indirect 
motiviert hat Demosthenes sein Verfahren schon 13 S. 345, 2—. 

1) 237—240 S. 414, 28—416, 13. 

2) 241—256 S. 416, 13—423, 9. 

3) 256—268 S. 423, 9—427, 11. 


374 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


klage wider jenen nicht zum Frommen der Jugend angestellt, wie 
er sich rühmt !, sondern weil Timarchos die Waflenausfuhr zu Phi- 
lipp untersagte: darum hat ihn Aeschines angeklagt nachdem er sel- 
ber sich an Philipp verkauft hatte; denn eher ist er nicht über Ti- 
marchos Lebenswandel entrüstet gewesen ὅ. 

Durch die Schlechtigkeit und das Truggewebe des Aeschines 
hat Athen an Ehre und Ansehen unter den Hellenen und an eige- 
nem Selbstgefühle eingebüfst. Und eine ernstliche Gefahr liegt 
darin, wenn Männer die das Vertrauen der Bürgerschaft geniefsen 
und bisher die Gemeinschaft mit Philipp ableugneten jetzt als Für- 
sprecher für Aeschines auftreten. Damit wendet sich Demosthenes 
an Eubulos und warnt auf das nachdrücklichste die Richter der 
Fürbitte dieses mächtigen Mannes ihr Urteil nicht gefangen zu ge- 
ben. Er beruft sich auf einen Ausspruch der dodonäischen Göt- 
ter, und dann erwägt er den vorliegenden Fall nochmals nach 
menschlicher Ansicht, indem er zurückkehrt zu dem Punete von 
dem er ausgegangen war, zu der arkadischen Gesandtschaft des 
Aeschines und seiner nachmaligen Friedensrede . An diese Re- 
capitulation, welche die ganze Sache in gedrängten Zügen den Rich- 
tern klar vor Augen stellt und zugleich durch die Schärfe der Ge- 
gensätze und die gesteigerte Bewegung mächtig wirkt’, schliefst 
Demosthenes einen Überblick über die von Philipp seit Beginn der 
Friedensverhandlungen vermittelst der athenischen Gesandten plan- 
mäfsig durchgeführte Überlistung und die Folgen derselben. Er 
zeigt endlich an dem Beispiele des Hegesippos und seiner Mitge- 
sandten, wie schnöde Philipp treue Vertreter der athenischen Bür- 
gerschaft behandelt, während er die feilen Miethlinge mit Gnaden 
überhäuft ὃ. Noch einmal begrenzt Demosthenes, indem er Ankla- 
gen wider Chares und seine Kriegführung als der Sache fremd zu- 
rückweist ”, seine Anklage ausdrücklich auf das Verhalten des Ae- 
schines von dem Tage des Friedensschlusses an und zählt die Klag- 


1) Vgl. Aesch. 2, 180 8. 51. 

2) 269—287 8. 427, 11433, 25. 

3) 288—297 S. 433, 25—436, 18. 

4) 297—814 8. 436, 18—442, 20. 

5) Vgl. die Scholien zu 302 S. 438, 4. Franke a. O. 8. 18. 
6) 315—331 S. 442, 20—447, 17. 

7) Vgl. Aesch. 2, 11 ΠῚ S. 37. 


Klagrede des Demosthenes wider Aeschines. 375 


puncte auf, über welche er ihn zur Verantwortung zieht '. Damit 
ist über die Fülle der Thatsachen, auf Grund deren der Gerichts- 
hof sein Urteil zu fällen hat, ein vollständiger Rückblick gegeben. 
Noch warnt Demosthenes die Richter sich nicht durch die Kraft 
der Stimme und die Redekunst des Aeschines bestechen zu lassen, 
denn bei einem schlechten Charakter dienen solche Gaben nur wi- 
der das gemeine beste?. Er schliefst mit einem Hinblick auf die 
schlimme Wirkung welche ein freisprechendes Erkenntnifs, die heil- 
same welche die Verurteilung des Aeschines auf das Verhältnils zu 
Philipp und die ganze Lage Athens hervorbringen muls ἧ. — 
Demosthenes hat in seiner Rede die Punecte auf welche die An- 
klage sich erstreckt in das hellste Licht gestellt und die Bestech- 
lichkeit des Aeschines im Zusammenhange mit ihren Folgen für 
Athen und die hellenischen Verhältnisse überhaupt dargelegt. Wir 
überblicken damit die geheimen Künste Philipps und die Umtriebe 
welche die Stellung Athens und die hellenische Unabhängigkeit ge- 
fährden. Aber eben diese Tendenz des Processes, die ihm seine 
srofse Bedeutung gibt, erleichtert der Gegenpartei ihr Spiel: De-. 
mosthenes hat der Sorge nicht hehl, dafs die Richter um Philipp 
nicht zu beleidigen und den Frieden zu erhalten, auf Aeschines und 
seine Fürsprecher mehr hören werden als auf die gerechtesten An- 
klagen, dafs sie ihr Urteil gefangen geben unter die Regungen des 
Mitleids oder der Eifersucht '. Denn die Bewerbungen der make- 
(onischen Partei waren so eifrig betrieben, die Bürgerschaft war 
dermalsen bearbeitet, dafs Aeschines bei einem grofsen Theile der 
Richter und der Zuhörer auf geneigtes Gehör rechnen konnte: ja 
mitten in seiner Rede war Demosthenes einmal ausgepocht wor- 
den®. Unter solchen Umständen trat Aeschines zur Vertheidigung 
auf, weniger um die Klagschrift des Gegners im einzelnen zu wi- 
derlegen — denn die Thatsachen auf denen sie fufste, waren nicht 
zu bestreiten — als den Kampf auf ein anderes Gebiet zu versetzen, 
die Anklage mit Anklagen zu erwiedern und sich als Vertreter des 
Friedens und als wohlgesinnten Bürger den Richtern zu empfehlen. 


1) 332—336 S. 447, 17—449, 14. 

2) 337—340 8. 449, 14—450 , 17. 

3) 841 Ε΄. S. 450, 17 bis zu Ende. 

4) 224 S. 410, 29f. 228f. S. 412, 4—16. 

5) Aesch. 2, 4 S. 28. 153 8. 48. δὲ u. 8. 385, 2. 


376 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


Die Einleitung mit der Aeschines seine Gegenrede eröflnet ist 
sehr geschickt darauf angelegt in aller Bescheidenheit ihn selbst, 
den beklagten, dem Wohlwollen der Richter zu empfehlen und die 
Kunst des Demosthenes als eine Wafle der Lüge, die ganze An- 
klage als übertrieben, mafslos und unförmlich erscheinen zu las- 
sen. Daraus leitet er die Berechtigung ab auf die Klagrede nicht 
Punet für Punet zu erwiedern, sondern ihr eine klare, verständ- 
liche und gerechte Erzählung, ausgehend von den ersten Frie- 
densvorschlägen und der Wahl der Gesandtschaft, entgegen zu 
stellen ἡ. 

So berichtet denn Aeschines in grolser Ausführlichkeit über die 
vorbereitenden Schritte, über die Abordnung der ersten Gesandt- 
schaft an Philipp, die Vorgänge während derselben, den zu Athen 
erstatteten Bericht und die von Demosthenes beantragte Belobigung, 
endlich die demosthenischen Volksbeschlüsse über die Modalität der 
Friedensverhandlungen und den ehrenvollen Empfang der makedo- 
nischen Gesandten?. Alles das liegt aufserhalb des Processes: 
darum sucht Aeschines zu zweien Malen die Richter bei Geduld zu 
erhalten, indem er ihnen Lobsprüche macht und sich den Schein 
gibt, als dränge es ihn auf die streitigen Puncte zu kommen ?. Aber 
diese weitläulige Darstellung von Vorgängen, welche Demosthenes 
selbst zu einem Tadel oder Argwohn keine Ursache geboten hat- 
ten *, bringt Aeschines in eine vortheilhafte Stellung : er muthet 
den Richtern zu danach über die Streitfrage selber sich ihr Urteil 
zu bilden und legt zugleich die Mafsregeln zur Beschleunigung des 
Friedenschlusses Demosthenes als eine strafbare Gemeinschaft mit 


1) 1—11 S. 28f. Vgl. Matthaei de Aeschine orat. 2 8. 2 8. 21. 


“ 2) 12—56 8. 29—35. Ich erinnere, dafs Aeschines es absichtlich 
“vermeidet von seiner arkadischen Gesandtschaft auszugehen, Über seine 
Umwandlung erklärt er sich nur nebenbei: eben so über seine Berech- 
tigung zur 3. Gesandtschaft. Aeschines beobachtet die Zeitfolge eben 
nur soweit sie seinem Zwecke dient. 

3) 24 8. 31 ἐπαινῶ δ᾽ εἰς ὑπερβολὴν πάντας ὑμᾶς, ὦ ἄνδρες, ὅτι 
σιγῇ καὶ δικαίως ἡμῶν ἀκούετε. 44 8. 84 δέομαι δὲ ὑμῶν προσεπι- 
πονῆσαι ἀκούοντας καὶ τὴν λοιπὴν διήγησιν. ὅτι μὲν γὰρ ἕκαστος ὑμῶν 
ποϑεὶ τὰ περὶ Κερσοβλέπτην ἀκούειν καὶ τὰς περὶ Φωκέων αἰτίας σα- 
φῶς οἶδα, καὶ πρὸς ταῦτα σπεύδομαι κτλ. Vgl. 102 κὶ, 41. 


4) Vgl. Dem. vdG. 18 5. 345, 2. 93 5. 370, 288. 333 Κ. 448, 1. 


Vertheidigungsrede des Aeschines. 377 


Philokrates zur Last. Denn Aeschines will nicht mehr als dessen 
Genosse gelten '. 

Endlich tritt Aeschines in die wider ihn erhobene Anklage ein, 
deren Ausgangspunet seine Rede über den Friedensvertrag bildet. 
Daran knüpft er sofort eine Gegenklage: er leugnet die von Demo- 
sthenes berührte Anwesenheit hellenischer Gesandten und beschul- 
digt seinen Gegner unter Berufung auf das Gutachten der Bun- 
desgenossen und den demosthenischen Volksbeschlufs, er sei es 
gewesen der die Hellenen von der Theilnahme an den Friedensver- 
handlungen ausgeschlossen habe?. Wir kommen nicht darauf zu- 
rück, dafs dieses Vorgeben ungegründet ist, und dafs Aeschines von 
dem Gutachten der Bundesgenossen gerade die wesentlichste Be- 
stimmung, den übrigen Helleneft solle der Beitritt zum Frieden bin- 
nen einer bestimmten Zeit freistehen, mit Stillschweigen übergeht °. 
Das nächste ist, dafs er mit einer ganzen Reihe von Argumenten, 
unter gleichmäfsiger Verdächtigung des Demosthenes, in Abrede 
stellt, an einem Tage den Friedensentwurf des Philokrates getadelt, 
an dem andern ihn unterstützt und durchgesetzt zu haben: er habe 
nur eine Rede gehalten *. Diese seine Friedensrede rechtfertigt 
Aeschines aus der Lage des Staates und der Kriegführung des Cha- 
res, unter Hinblick auf die schlimmen Erfahrungen welche die Athe- 
ner, von der Kriegspartei übel berathen, zu Ende des peloponne- 
sischen Krieges gemacht haben °. Demosthenes rückt ihm auch 
seine arkadische Gesandtschaft vor und redet von der Umwandlung 
die mit ihm vorgegangen, er, der selber knechtisches Sinnes und 
so gut wie ein gebrandmarkter Überläufer ist. Allerdings hat Ae- 
schines während des Krieges die Arkader und die übrigen Hellenen 
gegen Philipp aufgerufen: aber da Athen von den £inen verlassen, 
von den andern mitbefehdet wurde und die Redner daheim den Krieg 
für ihren eignen Aufwand ausbeuteten, da hat er zum Frieden ge- 
rathen, den Demosthenes jetzt für schimpflich erklärt der nie die 
Waflen angerührt, Aeschines aber für viel rühmlicher als den Krieg. 
Für dessen Ausgang darf man aber nicht die Gesandten verantwort- 


1) Vgl. ο. 8. 185. 345. 
2) 56—62 8. 35f. 
3) 8. ὁ, 8. 203 fi. 
4) 63—69 8. 861. 
5) 69-78 8. 371. 


378 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


lich machen, sondern die Feldherrn: wer möchte sonst Gesandter 
sein '. So umgeht Aeschines wiederum den Kern der Anklage. Denn 
nicht der Friedenschlufs an sich war ihm zum Vorwurfe gemacht 
worden, sondern dafs er in Gemeinschaft mit Philokrates schnöde 
Bedingungen verfochten, welche den Beitritt anderer Hellenen aus- 
schlossen. 

Aeschines geht über auf Kersobleptes. Er deutet an, dieser 
sei schon vor seiner ersten Gesandtschaft Philipps Vasall gewesen. 
Philipp, eben im Begriff nach Thrakien auszurücken, habe verspro- 
chen während der Friedensverhandlungen den Chersones nicht an- 
zugreifen (also sich weiter nicht verpflichtet), und bei dem Ab- 
schlusse des Friedens zu Athen sei jenes Fürsten keine Erwähnung 
geschehen. Erst nach der zweiten Gesandtenwahl, vor ihrer Ab- 
reise, sei der Antrag gestellt Kersobleptes bevollmächtigten zu der 
Ratification des Friedens hinzuziehen und jenen unter den Bundes- 
genossen Athens aufzuführen; und da habe niemand anders als 
Demosthenes sich widersetzt. Dafs er selber bei der Eideshand- 
lung vor den Feldherrn den bevollmächtigten des thrakischen Für- 
sten fortgewiesen, stellt Aeschines entschieden in Abrede und führt 
weiterhin den Beweis, dafs Philipp Kersobleptes überwunden und 
Hieron Oros besetzt habe ehe noch die Gesandten ihre zweite Reise 
antraten. Also ist es unwahr, dafs ihr längerer Aufenthalt in Oreos 
Kersobleptes ıns Unglück gebracht habe 

Der Beweis scheint bündig: aber zureichend ist er nicht. Wir 
überzeugen uns dafs Philipp seinen thrakischen Feldzug bereits mit 
Erfolg eröffnet hatte: aber er setzte ihn noch zwei Monate fort und 
nahm aufser Hieron Oros noch mehrere Plätze, in denen athenische 
Söldner lagen. Warum liefsen die Gesandten diese Zeit ungenützt 
‘verstreichen? warum suchten sie nicht, wie der Rath von Athen 
ihnen anbefohlen hatte, Philipp in Thrakien auf? 

Aeschines unterbricht den Faden seiner Erzählung um die Be- 
schuldigung, er habe die Gesandtschaft zu den Amphiktyonen erst 
abgelehnt und dann unberechtigter Weise angetreten, als unbegrün- 
det abzuweisen. Dann kehrt er zu der Reise nach Makedonien zu- 
rück ®. Ohne die Zeitversäumnifs zu erklären (er sagt nur, von 


1) 798. 8. 38. 
2) 81-93 8. 38—40. 
3) 94—96 8. 40f. 


Vertheidigungsrede des Aeschines. 379 


der Reise nach Thrakien sei nicht die Rede gewesen, denn in dem 
Volksbeschlusse habe davon nichts gestanden) schildert er die Ab- 
sonderung der Gesaändten von Demosthenes, mit einem hämischen 
Seitenblick auf den von ihm beabsichtigten Loskauf athenischer 
Kriegsgefangenen, ferner ihre Vorberathung zu Pella und die vor 
Philipp gehaltenen Reden. Seine Darstellung geht dahin, Demo- 
sthenes habe sich unschicklich, feig und schmeichlerisch benom- 
men, er selber dagegen mit heiligem Eifer zur Wahrung der athe- 
nischen Interessen wider Theben vor Philipp geredet. So kommt 
er denn zu dem Schlusse: “höhere Fügung und Philipp geboten 
“über die Thaten, ich über den guten Willen für euch und die 
“Worte. Ich sprach wie es recht und euch heilsam war, aber der 
“Ausgang war nicht wie wir wünschten, sondern wie Philipp han- 
“delte. Ist nun der, der sich nicht einmal bemühte etwas gutes 
“auszuwirken Lobes werth, oder der nichts was in seinen Kräften 
“stand versäumte '?? 

Wie es denn zugeht dafs er nach solchen Erfahrungen den 
Glauben an Philipp nicht verloren hat, dafs er nach wie vor seinen 
Lobredner und Fürsprecher macht, darüber schweigt Aeschines. Auf 
ein unumwundenes Bekenntnis seiner politischen Grundsätze, auf 
eine freie Erklärung: wenn Philipp auch uns viel übles zugefügt und 
unsere Hoffnungen nicht gerechtfertigt hat, so müssen wir doch 
um höherer Interessen willen mit ihm im Bunde bleiben, läfst er 
sich nirgend ein: im Gegentheil sucht er Demosthenes als Schmeich- 
ler des Königs und als verrätherischen Anwalt der Thebaner zu ver- 
dächtigen ?. 

Aeschines kommt auf den von der Gesandtschaft erstatteten 
Bericht. Den Inhalt desselben, die Erklärungen über Thebens Auf- 
gehen in Boeotien, über die Übergabe Euboeas an Athen vermag er 
nicht zu leugnen: aber er will nur davon erzählt, nichts verspro- 
chen haben. Dafs er und Philokrates Demosthenes verhindert haben 
die Wahrheit zu berichten, stellt er in Abrede: ja er behauptet viel- 
mehr, Demosthenes habe ihn belobt und sucht überhaupt den Schein 
zu erwecken, als habe Philipp, wenn er wirklich Athen betrog, das 
nur gethan um einen günstigen Frieden zu erlangen. Dies gehe 


1) 97—118 S. 41—43. 
2) $S. namentlich 106f. 109—113 8. 42; vgl. 143 S. 46. 


350 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


also die erste Gesandtschaft an; die zweite fand vollendete That- 
sachen vor ἡ. n 

So entwindet sich Aeschines der Verantwortlichkeit für seine 
Berichterstattung, die am schwersten auf ihm lastet, und verweilt 
zunächst bei der Beschuldigung, Philipps Schreiben an die Athener 
sei von ihm entworfen worden. Nachdem er diese widerlegt ?, ent- 
wickelt er die Lage der Phokier, ihre Erschöpfung und Meuterei, 
und zeigt dafs noch vor seiner Gesandtenwahl Phalaekos in die 
Athener und Spartaner Mistrauen und in Philipp Vertrauen gesetzt 
habe. 

Über die Katastrophe der Phokier handelt Aeschines in absicht- 
lich dunkel gehaltenen Worten, deren Sinn kein anderer ist als der, 
die allgemeine Ansicht sei dahin gegangen, Philipp werde die The- 
baner demüthigen, und der Stand der Sache habe zu dieser Erwar- 
tung berechtigt: aber durch die Verrätherei der jetzt so kriegslusti- 
gen Partei sei der Ausmarsch der Athener unterblieben und in Folge 
dessen durch die vereinten Thebaner und Thessaler Philipp eine 
Entscheidung wider seine Wünsche abgedrungen worden. Aeschi- 
nes, weit entfernt an dem Unglück der Boeoter und Phokier Schuld 
zu sein, hat als Gesandter bei den Amphiktyonen das ärgste von ihnen 
abgewendet. Daher ist eine Gesandtschaft von den phokischen 
Städten erschienen und die verbannten Boeoter haben eine Deputa- 
tion erwählt um für ihn als ihren Wohlthäter Fürbitte einzulegen '. 

Damit schliefst die Vertheidigung wider die Klagschrift des De- 
mosthenes wirksam ab. Denn abgesehen von der Verdrehung der 
Thatsachen, werden die Richter sich wenig daran gekehrt haben, 
dafs die Städte der Phokier in Trümmern lagen, dafs die Volksge- 
meinde aufgelöst und das Land von fremden Söldnern besetzt war; 
dafs von Phokis und von Boeotien aus eine Fürbitte für Aeschines 
geschah wird nicht ohne tiefen Eindruck geblieben sein. 

In dem Epilog verwahrt sich Aeschines dagegen, dafs die Volks- 
stimme ihn verklage, er habe Geld von Philipp empfangen: eine 
böswillig von einem einzelnen verbreitete Verläumdung dürfe mit 


1) 119—123 8. 437. 
2) 124—129 8. 445. 
3) 130—135 8. 45. 

4) 136—143 5. 46. 


Vertheidigungsrede des Aeschines. 951 


einem so erhabenen Namen nicht belegt werden '. Mehr hat er über 
die Bestechung, die "Hauptanklage welche Demosthenes ihm hun- 
dertmal vorgehalten, nicht zu sagen. Aber um so empörter zeigt 
er sich über die Anklage der Verrätherei: er beruft sich auf seinen 
Lebenswandel, auf die Unterpfänder seiner Vaterlandsliebe, seine 
alten Eltern, seine Brüder, seine Schwäger, seine kleinen Kinder, 
und fragt, ob man ihm zutraue dals er, was ihm auf Erden das 
liebste sei, an Philipp verrathen werde: “denn nicht Makedonien 
“macht einen Menschen schlecht oder tugendhaft, sondern die Natur, 
“und wir sind nicht anders heimgekehrt von der Gesandtschaft, als 
“ihr uns ausschicktet ἢ. 

Damit kommt er auf die Mishandlung der olynthischen Frau, 
ein Frevel der unvereinbar ist mit seinem Charakter, weshalb auch 
die Richter Demosthenes darüber ausgepocht haben. Aeschines 
leugnet die Sache einfach ab und läfst den zu Athen lebenden Apol- 
lophanes von Olynth aussagen, Demosthenes habe ihn zum falschen 
Zeugnils in dieser Sache dingen wollen ®. 

So erscheint Demosthenes als ein Meister in jeder Bosheit. 
Aeschines dagegen, obgleich man ihn keines Vergehens zeihen kann, 
wird als der Hort des Friedens, der dem Gemeinwohle so förderlich 
ist, von der Kriegspartei verfolgt, die während des Kriegs durch 
Unterschleif sich bereicherte, aber im Frieden nicht gedeiht. Dar- 
an knüpft er die Erklärung über seine Theilnahme an Philipps Sie- 
gesfeste. Dals er den Pacan mitgesungen leugnet er nicht gerade- 
zu: wenn er es gethan, so sei der Gott geehrt worden und mit die- 
ser frommen Handlung keine Pflicht verletzt ἡ. 

Demosthenes hat ihm ferner Wankelmuth in seinem politischen 
Verhalten vorgeworfen, insofern er früher die Hellenen gegen Phi- 
lipp aufrief, zu dem er dann als Gesandter gegangen ist: so gibt 
nämlich Aeschines die Anklage wieder. Dieser Vorwurf mülste die 
Athener insgesamt treffen, denn mehr als einmal haben sie mit 
alten Feinden später sich verbündet und mit den veränderten Zeitum- 
ständen umgeschwenkt. Der rechtschaflene Rathgeber räth wie der 
Augenblick es fordert, aber ein boshafter Ankläger verhehlt die Zeit- 


1) 144£. 8. 47. 

2) 146—152 8. 47, 
3) 153—158 Κ΄. 485, 
4) 159—163 8. 49f. 


352 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


verhältnisse, und ein Verräther von Natur, wie Demosthenes, gibt 
sich schon an der Treulosigkeit, die er im Privatleben übt, zu er- 
kennen '. 

Darauf kommt Aeschines auf seine Kriegsdienste, namentlich 
auf sein rühmliches Verhalten in der Schlacht bei Tamynae, welches 
Phokion ihm bezeugt, und bittet als Dank dafür um sein Leben ?. 
Ist er doch kein Widersacher des Volks, sondern ermuntert es 
edlen Entschliefsungen «der Vorfahren nachzueifern. Diese aber 
waren auf den Frieden gerichtet, wie Aeschines aus der Geschichte 
Athens nicht mit eigenen Worten, sondern mit einer Entlehnung 
aus Andokides Rede vom Frieden nachweist ’. Im Frieden blüht 
der allgemeine Wohlstand und ist die Demokratie gesichert: der 
Krieg, zu dem verworfene und ehrlose Eindringlinge reizen, bringt 
den Staat in die äufserste Gefahr und zerrüttet die Demokratie. “Alle 
° diese Unruhstifter haben sich jetzt wider mich geschart und behaup- 
“ten, Philipp habe den Frieden erkauft und in den Verträgen uns 
“alles abgenommen: und eben den vortheilhaften Frieden, den er 
“so erlangte, habe er übertreten. Mich ziehen sie nicht als Ge- 
“sandten, sondern als Bürgen des Friedens vor Gericht, und wäh- 
“rend mir nur Worte zu Gebote standen fordern sie von mir die 
“ Thaten die man erwartete. Derselbe der in Volksbeschlüssen mich 
“ belobte, ist mein Ankläger vor Gericht: und von zehn Gesandten 
“habe ich allein die Rechenschaft zu bestehen’. So stellt sich Aeschi- 
nes als das unschuldige Opfer des Parteihasses hin *. Er führt 
seinen alten Vater, seine Brüder, seine kleinen Kinder vor und fleht 
die Götter und die Richter an ihn zu retten und ihn nicht seinem 
Feinde, dem Skythen und Redeschreiber, preiszugeben, die Väter 
und wer jüngere Brüder hat, eingedenk seiner unvergefslichen Mah- 
nung zur Züchtigkeit, die er durch den Process wider Timarchos 
der Jugend vorgehalten hat, die andern seines anspruchlosen Stan- 
des, in dem er nie jemanden ein Leid gethan®. 

An die Fürbitte um gnädiges Urteil knüpft Aeschines die Worte: 
“In meiner Hand lag es mich gegen euch schuldlos zu verhalten, aber 


1) 164—166 8. 50. 

2) 167—171 8. 508. 

3) 172—176 S. 51 vgl. m. Andok. 3, 3—12 8. 23f. 
4) 171—178 S. ölf. 

5) 179—182 S. 52. 


Vertheidigungsrede des Aeschines. 353 


“nicht in Anklage zu gerathen stand bei dem Schicksal, das mein 
“Lebensloos mit einem Sykophanten und Barbaren verkettet hat, 
“der ohne der gemeinsamen Heiligthümer, der Spenden und des 
“Tisches zu achten, um für alle Zukunft seine Gegner abzuschrecken, 
‘falsche Anklage wider mich geschmiedet hat. Wollt ihr nun die 
° Mitstreiter für den Frieden und für eure Sicherheit retten, so wird die 
“Wohlfahrt des Staates viele Helfer finden, die bereit sind für euch 
“in Gefahr zu gehen’. Zum Schlufse ruft er Eubulos, Phokion, 
Nausikles und alle seine Freunde und Genossen zu Fürsprechern 
auf, und unterwirft sich dem Urteile der Richter '. — 

Die Rede des Aeschines ist mit grofsem Geschick entworfen 
und durchgeführt, so dafs wir sie unbedenklich als sein gelungen- 
stes Werk bezeichnen können. Freilich wenn wir seine Vertheidi- 
gung genau prüfen, gewinnen wir die Überzeugung dafs die Klag- 
schrift des Demosthenes in keinem Punete widerlegt ist. Aeschines 
kann nicht leugnen dafs er falsch berichtet und damit die Athener 
irre geleitet, dafs er zu dem Frieden, wie Philokrates ihn beantragte, 
gerathen habe: er geht hinweg über die Aufträge welche Rath und 
Bürgerschaft den Gesandten ertheilt, er rechtfertigt sich über die 
Zeitversäumnifs nicht: er kann nicht unverholen behaupten keine 
Geschenke von Philipp empfangen zu haben, noch weniger dafs er 
nach den schlimmen Erfahrungen an jenem Fürsten irre geworden 
sei: nein, er ist nach wie vor der Vertreter des Friedens sowohl als 
der Freundschaft mit dem Makedonenfürsten. Aber wenn Aeschines 
auch aufser Stande ist die Thatsachen in Abrede zu stellen, so er- 
weist sich seine Rednergabe um so glücklicher seine persönliche 
Verantwortlichkeit dafür zu mindern. Einfältig und schlicht tritt er 
der in gewaltigem Strome sich ergiefsenden Rede seines Gegners 
entgegen; aber hinter dieser anspruchslosen bescheidenen Haltung 
verbirgt sich die klügste Berechnung. Die Zuhörer sollen zu sei- 
nem Charakter ein gutes Vertrauen gewinnen, als wäre er unfähig 
so schnöder Verbrechen und überhaupt gar nicht mit der Macht ge- 
rüstet so grofses Unheil anzustiften : sie sollen in ihm einen unschul- 
diger Weise verfolgten Freund des wohlthätigen Friedens sehen und 
ihm ihr Mitleid schenken. Dafs dies von wesentlicher Wirkung auf 


1) 183f. S. 52, Über die ganze peroratio vgl. Matthaci a. O. 
2 8. ἐν 


984 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


die Richter war hat Demosthenes später selbst ausgesprochen !. 
Aufserdem weils Aeschines eine vortheilhafte Position dadurch zu 
gewinnen, dafs er seinerseits als Ankläger gegen Demosthenes auf- 
tritt und vorzüglich bei Begebenheiten verweilt welche aufserhalb 
des obschwebenden Rechtshandels liegen. Hier hatte er vollkom- 
men freies Feld, um so mehr als Demosthenes ihm nicht ant- 
worten konnte, denn in Staatsprocessen stand dem Ankläger eine 
Gegenrede nicht zu?. Ganz besonders aber kommt Aeschines 
der Umstand zu statten, dals Demosthenes, dessen Darstellung, 
soweit sie Athen zum Schauplatze hat, auf ollenkundige Thatsa- 
chen und Staatsschriften sich stützt, zwingend und überzeugend 
ist, für die Vorgänge in Makedonien keinen ausreichenden Zeu- 
genbeweis beibringen kann, denn die übrigen Gesandten ma- 
chen gemeinschaftliche Sache mit Aeschines. Das geschieht bei 
der Anklage, Aeschines sei allein eine Nacht und einen Tag bei 
Philipp zurückgeblieben, eine Behauptung für deren Wahrheit 
Demosthenes sich auf das förmlichste verbürgt ®: die andern Ge- 
sandten aber verweigern ihm ihr Zeugnifs* und zwei derselben, 
Aglaokreon von Tenedos und latrokles, sagen später zu Gunsten des 
Aeschines das Gegentheil aus®. Ähnlich ist der Fall mit der Mis- 
handlung der olynthischen Frau bei dem von Xenophron ® in Make- 
donien veranstalteten Gelage, eine Sache die den Process nicht un- 
mittelbar berührte, aber ungeheures Aufsehn gemacht hatte und 
Aeschines die schlimmste Nachrede zuzog. Demosthenes, der nicht 
zugegen war, beruft sich auf das was latrokles ihm am folgenden 
Tage erzählt habe ὅ : aber seine Zeugen können nur wiederholen was 


1) VKr. 142 S. 275, 9. 

2) Dem. vdG. 213 5. 407, 16 οὐ γὰρ ἐγὼ κρένομαι τήμερον, οὐδ᾽ 
ἐγχεῖ μετὰ ταῦϑ'᾽ ὕδωρ οὐδεὶς ἐμοί. Vgl. Hermann A. I, 142, 4. 

3) Vgl. Schömann, att. Proc. 8. 668. 

4) A. Ο. 176f. S. 396, 15—26. Vgl. Schol. zu Z. 22, Franke a. 
ΟΥ Se dad. 

5) Aesch. 2, 126f. S. 45f. 

6) Dem. 196 5. 402, 15 (auch bei Pollux 6, 8) nennt ihn Zevo- 
φρονα τὸν υἱὸν τοῦ Φαιδίμου τοῦ τῶν λ΄; bei Aesch. 2, 157 S. 49 heifst 
er Bevodonog τῶν ἑταίρων τις τῶν Φιλίππου, und der Vater wird bei 
Xenophon H. 2, 3, 2 nicht Bardıuog, sondern Φαιδρίας genannt; vgl. 
LDindorf z. d. St. 

7) 197 8. 402, 22. 


Vertheidigungsrede des Aeschines. 950 


sie in Arkadien, Thessalien und anderswo über die Sache ge- 
hört haben '. Ich zweifle nicht dafs Demosthenes wahr berich- 
tet, wenn auch einzelne Umstände übertrieben sein mögen ? 
aber Aeschines wufste von seinen Helfern unterstützt die schwere 
Beschuldigung von sich abzuwälzen. Demosthenes wurde in sei- 
ner Rede durch Äufserungen des Misfallens unterbrochen, und 
zwar gab, wie es heifst, Eubulos dazu die Losung ἧς; in seiner 
Vertheidigung führt dann Aeschines Apollophanes von Olynth be- 
hufs der Aussage vor, Demosthenes habe ihm Geld geboten 
wenn er als falscher Zeuge bekennen wolle, Aeschines habe sich 


1) 198. 200 S. 403, 10. 27. Die anderweiten Zeugnisse welche De- 
mosthenes beibringt betreffen der Zeitfolge nach folgende Puncte: 236 
S. 414, 26, wann D. die Gesandten belobt habe. 162. 165 S. 392f. drei 
Zeugnisse, über Philipps Anwesenheit am Hellespont, über den an Eu- 
kleides ertheilten Bescheid, über die Beschleunigung der ersten Reise 
(letzteres vielleicht von dem Herolde). 168. 170 S. 394 über die Frei- 
lassung der athenischen Kriegsgefangenen. 31f. S. 350, 17f. über den 
tathsbeschlufs nach der Rückkehr der 2. Gesandtschaft. 129f. S. 381, 
4—9 von mitgesandten des Aeschines über das Siegesmahl während der 
3. Gesandtschaft (Aesch. 2, 162 S. 50 leugnet dafs sie dabei gewesen). 
213 (wo die Einschaltung Me&orvoss zu tilgen ist). 214 S. 407, 11. 28 
über den Protest des Aeschines als Demosthenes sich zur Rechenschaft 
erbot. 146 5. 386, 17 bezeugen Olynthier, dafs Aeschines in ihrem 
Gebiete Landbesitz empfangen hat. 233 S. 413, 22 wird ausgesagt, dafs 
Phrynon seinen Sohn vor dessen Mündigkeit zu Philipp geschickt habe. 
Vgl. Franke a. 0. 8. 8f. 

2) Anders urteilt Franke a. O.S. 13, wo auch Stellen der Rheto- 
ren angezogen sind. 

3) Aesch. 2, 4 8. 28 ἤσϑην δὲ ὅτ᾽ αὐτὸν ἐπὶ τῆς αἰτίας ὄντα ταύτης 
ἐξεβάλετε. 153 8. 48 ἐφ᾽ ᾧ μεταξὺ μὲν λέγων ὑφ᾽ ὑμῶν ἐξερρίφη. Vgl. 
158 8. 49. Schol. zu Dem. a. Ο. 197 5. 402, 22 ἐστέον ὅτι ἐν τού- 
To τῷ χωρίῳ ἀνέστησαν ol δικασταὶ καὶ ἔπαυσαν τὸν ῥήτορα λέγοντα, 
τοῦ Εὐβούλου - εἰπόντος a “τοιούτων αἰσχρῶν ἀνέχεσϑε λέγοντος 
ῥήτορος ;᾽ Dies. zu Aesch. 2, 1 (S. 5, 14 Df.). Ranke in Ersch Eneykl. 
XXIV, 106 erklärt diese Geschichte für ein Mährchen, aus Aeschines 
Worten entlehnt. Es kommt wenig darauf an, für die Sache selbst 
genügt das Zeugnils des Aeschines. Vgl. Schmidt qu. S. 13f. Übri- 
gens versteht es sich von selbst, dafs nur die für Aeschines eingenom- 
menen Richter und Zuhörer ihr Misfallen bezeigten: und dafs Demo- 
sthenes seine Rede zu Ende führte , beweist Aeschines 2, 102 S. 41 
ὥσπερ καὶ τῆς κατηγορίας ἠκούσατε ὡς αὐτὸς ὃ κατήγορος ἐβούλετο 
εἰπεῖν, οὕτω καὶ τῆς ἀπολογίας εὐτάχτως ἀκούσατε und seine Ent- 
gegnung 156—158 S. 49, 

DEMOSTHENES II. 25 


Ἀ 


980 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


gegen seine kriegsgefangene Frau im Rausche vergangen; Derky- 
los, einer der Gesandten, und Aristeides, Euphiletos Sohn, ver- 
sichern das aus Apollophanes Munde gehört zu haben'. Die wie- 
derholten Aussagen der andern Gesandten im Sinne des Aeschines?, 
die Fürbitte von Phokiern und Boeotern, von Waflenbrüdern, Freun- 
den und Verwandten, namentlich die Verwendung des Eubulos und 
Phokion konnte ihres Eindruckes auf die Richter nicht verfehlen. 
Wenn solche Männer die Sache des Aeschines zu der ihrigen mach- 
ten, wenn sie seinen Gesinnungen das Wort redeten und Athen in 
Gefahr erklärten durch Demosthenes und seine Freunde im Genusse 
des Friedens und der Ruhe gestört zu werden, wenn sie von neuen 
Steuern und Kriegsnöthen sprachen, wie kann es uns da Wunder 
nehmen, wenn die Richter ihr Urteil weniger nach der Schuld des 
angeklagten, als nach der Scheu vor schlimmeren Folgen einer 
Verurteilung bemafsen? So geschah es, und zwar zumeist auf 
Eubulos Fürsprache, dafs Aeschines freigesprochen wurde, aber 
mit einer Majorität von nicht mehr als dreifsig Stimmen. Damit 
war allerdings die Anklage niedergeschlagen, aber Aeschines hatte 
keine Ursache sich eines Sieges, durch den er eben nur der Strafe 
entgieng, vor der Welt zu berühmen. Eine grofse Anzahl seiner 
Mitbürger war durch die gerichtliche Verhandlung in dem Glauben 
bestärkt worden, dafs er seine Gesandtenpflicht gebrochen und 
Verrath gesponnen habe ?, und sein späteres Benehmen rechtfertigte 


1) Aesch. 2, 155f. 5. 49. Über Derkylos 5. o. 5. 183%. Ein jün- 
gerer des Namens war Ol. 115, 3. 317 mit Phokion Feldherr, Euphiletos 
(Aristeides Sohn?) einer seinerFreunde. Plut. Phok. 32. C. Nep. Ph. 2.4. 

2) Aesch. 2, 44. 46 5. 33f. 54f. 5. 35. 107 8. 42: sie bestätigen 
Aeschines Erzählung von der 1. Gesandtschaft, von der durch Demo- 
sthenes im Rathe ertheilten Belobung, von der Berichterstattung vor dem 
Volke u. s. w.; ferner über die Vorberathung in Makedonien. Aufser- 
dem zeugt für ihn Amyntor von Herchia über einen angeblich von De- 
mosthenes bereit gehaltenen Antrag 67f. S. 36f. (vgl. 0.8. 224, 3); 85. 
86 S. 39 Aleximachos und die mitvorsitzenden, ferner die Strategen und 
die Beisitzer des Bundesrathes über die Ausschliefsung des Kersoblep- 
tes. Die Zeugnisse 19 S. 30 über Aristodemos Urlaub und Entschädi- 
gung, 134 S. 46 über phokische Verhandlungen (ein Zeuge, Metagenes, 
hatte auch gegen Timarchos ausgesagt: Aesch. 1, 100 8. 14), 170 S. 51 
über die Schlacht bei Tamynae (darunter auch von Phokion) liegen 
ganz aulserhalb des Processes. 


3) Vgl. Aesch. 3, 59 8. 62. 


Freisprechung des Aeschines. 357 


nur zu sehr den Ernst mit welchem Demosthenes vor seiner Un- 
treue und Bestechlichkeit gewarnt hatte. 

Indessen eben die Thatsache, dafs Aeschines mit genauer Noth 
freigesprochen wurde, so bestimmt sie überliefert war, ist von spä- 
teren in Zweifel gezogen worden, und zwar, wie Plutarch bemerkt, 
weil weder Aeschines noch Demosthenes in den Reden vom Kranze 
deutlich und bestimmt aussprechen, dafs der Process zu gericht- 
licher Entscheidung gekommen sei '. Ein solcher Schlufs aus dem 
Stillschweigen der Redner würde, selbst wenn wir es uns nicht zu 
erklären vermöchten, der ausdrücklichen Überlieferung gegenüber 
srofsen Bedenken unterliegen. Aber weder sind die Beziehungen 
auf den Process so gar unbestimmt noch sind wir um die Gründe 
verlegen, welche die betheiligten Parteien zur Zurückhaltung ver- 
anlafsten. Aeschines nämlich hat, wie wir bereits oben ausgeführt 
haben ?, in seiner Rede gegen Ktesiphon wiederum die Rollen ver- 


1) S. Franke a. Ο. S. 1f. Die Stellen sind folgende: Plut. Dem. 
15 ὁ δὲ κατ᾽ Αἰσχίνου τῆς παραπρεσβείας ἄδηλον εἰ λέλεκται " καίτοι 
φησὶν ᾿Ιδομενεὺς παρὰ λ΄ μόνας (vgl. Franke 8.3, 2) τὸν Αἰσχίνην ἀπο- 
φυγεῖν. ἀλλ᾽ οὐκ ἔοικεν οὕτως ἔχειν τἀληϑές, εἰ δεῖ τοῖς περὶ στεφά- 
νου γεγραμμένοις ἑκατέρων λόγοις τεχμαίρεσϑαι" μέμνηται γὰρ οὐδέτε- 
ρος αὐτῶν ἐναργῶς οὐδὲ τρανῶς ἐχείνου τοῦ ἀγῶνος ὡς ἄχρι δίκης 
προελϑόντος. ταυτὶ μὲν οὖν ἕτεροι διαχρινοῦσι μᾶλλον. Leb. d. X 
R. 5. 840be ἐφ᾽ ἡ (se. πρεσβείᾳ ) κατηγορηϑεὶς ὑπὸ “ημοσϑένους — 
συνειπόντος αὐτῷ Εὐβούλου -- A ψήφοις ἀπέφυγεν. εἰσὶ δ᾽ of φασι 
συγγράψαι μὲν τοὺς ῥήτορας τοὺς λόγους, ἐμποδὼν δὲ γενομένων τῶν 
περὶ Χαιρώνειαν μηκέτι τὴν δίκην εἰσελθεῖν. S. 8411 τὸ δεύτερον δὲ 
δέκατος ὧν κυρώσας ὅρκοις τὴν εἰρήνην κριϑεὶς ἀπέφυγεν, ὡς προείρηται. 
Argum. zu Aesch. 2 5. 186 R. ἔνιοι μὲν οὖν φασὶ γεγραφέναι μὲν τοὺς 
λόγους ἀμφοτέρους, οὐ μέντοι γε εἰρῆσϑαι" οἵ δὲ καὶ εἰρῆσϑαί φασι, 
καὶ κεκινδυνευκέναι τὸν Αἰσχίνην λ΄ ψήφοις ἁλῶναι, ὅμως μέντοι ἀπο- 
φυγεῖν Εὐβούλου αὐτῷ τοῦ δημαγωγοῦ συναγωνισαμένου" οὐ μέντοι 
παρὰ πᾶσιν ἀπογνωσθῆναι αὐτοῦ τὸ φιλιππίζειν, ὡς αὐτὸς ἐν τῷ 
προοιμίῳ παραδηλοῖ καὶ “]ημοσϑένης ἐν τῷ περὶ τοῦ στεφάνου. Schol. 
zu Dem. vdG. 289 S. 434, 10 (5. 443, 14 Df.) λέγουσι γάρ τινες δι᾽ Ev- 
βούλον αὐτὸν σωϑῆναι; zu Aesch. 2,1 (8.5 Df.). Tzetz. Chil. 6, 62f. Die 
Verhandlung und Entscheidung wird noch erwähnt in dem 12. aeschin. 
Briefe 4 S. 695 R., von Philostr. L. ἃ. Soph. 1, 18, Liban. Einleit. zu 
Dem. Phil. 2 $. 65, 15 und an den 5. 358, 2 angeführten Stellen. Über 
den Schlufs, welchen der Scholiast zu Aesch. 2, 156 S. 49 (8. 71, 12 
Df.) aus der Vergleichung dieser Stelle mit Dem. vdG. 194 8. 401, 25 
zieht, s. Beilage III. 

2) 8. 185. 


988 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


tauscht: er zieht bei seinem Berichte über die Friedensverhandlun- 
gen seine Person völlig aus dem Spiele und bürdet diese ganz allein 
Demosthenes und Philokrates auf. Da hütet er sich wohl zu sagen 
dafs er selber deshalb vor Gericht gestanden: aber dennoch kann 
er es nicht lassen in allgemeinen Ausdrücken bitteres Grolles 
der von Demosthenes gegen Mitgesandte erhobenen Anklagen zu 
gedenken '. Allerdings reifst Demosthenes seinem Gegner die 
gleifsnerische Maske ‚herunter: er entwickelt in gewaltiger Rede 
die Verrätherei und Tücke des Aeschines und seines Genossen Phi- 
lokrates: aber dafs er eben diese Thatsachen früher schon einmal 
athenischen Richtern vorgehalten, dafs diese darüber abfällig er- 
kannt und Aeschines freigesprochen haben, das erwähnt Demosthe- 
nes an dieser Stelle nicht; weniger weil es an sich seinen Worten 
Eintrag thun konnte, denn die folgenden Ereignisse zeugten für 
ihn, als weil abgethane und abgeurteilte Sachen von neuem vorzu- 
bringen unstatthaft war. Gerade darum entschuldigt sich Demo- 
sthenes: er würde auf diese Vorgänge nicht abschweifen, wenn 
nicht Aeschines durch seine Beschuldigung und Verleumdung ihn 
zur Abwehr der Anklage nöthigte ?; übrigens bekennt er dafs er seit 
der zweiten Reise nach Makedonien stets Aeschines und seine Ge- 
nossen bekämpft habe ®. Aber wenn Demosthenes auch hier des 


1) Aesch. 3, 708. 5. 65 πόϑεν οὖν ἐπὶ τὴν μεταβολὴν ἦλϑε τῶν 
πραγμάτων — καὶ τί ποτ᾽ ἐστὶ τὸ αἴτιον, ὅτι Φιλοκράτης μὲν ἀπὸ τῶν 
αὐτῶν πολιτευμάτων “Ιημοσϑένει φυγὰς ἀπ᾽ εἰσαγγελίας γεγένηται, In- 
μοσϑένης δὲ ἐπέστη τῶν ἄλλων κατήγορος —, ταῦτ᾽ ἤδη διαφερόντως 
ἄξιόν ἐστιν ἀκοῦσαι. ὡς γὰρ -- ἐν ταῖς μεγίσταις -- ησαν αἰτίαις οἵ πρέσβεις 
οἵ περὶ τῆς εἰρήνης πρεσβεύσαντες -- ἡγήσατο, εἶ τῶν συμπρεσβευόντων 
καὶ τοῦ Φιλίππου κατήγορος ἀναφανείη, τὸν μὲν Φιλοκράτην προδή- 
λως ἀπολεῖσϑαι, τοὺς δὲ ἄλλους συμπρέσβεις κινδυνεύσειν, αὐτὸς δ᾽ 
εὐδοκιμήσειν καὶ -- πιστὸς τῷ δήμῳ φανήσεσϑαι. Vgl. 64 8.62 ἐπράτ- 
τέτο γὰρ οὐ πρὸς τοὺς ἄλλους πρέσβεις τοὺς πολλὰ συκοφαντηϑέντας 
ὕστερον ἐκ μεταβολῆς ὑπὸ “Ἰημοσϑένους, ἀλλὰ πρὸς Φιλοκράτην καὶ 
Φημοσϑένην κτλ. S. Franke a. O. 5. 3. MSchmidt qu. 5. 3f. 

2) VKr. 34 8. 236, 26 ἀξιῶ δὲ ὑμᾶς — καὶ δέομαι τοῦτο μεμνῆσϑαι 
παρ᾽ ὅλον τὸν ἀγῶνα, ὅτι μὴ κατηγορήσαντος Αἰσχίνου μηδὲν ἔξω τῆς 
γραφῆς οὐδ᾽ ἂν ἐγὼ λόγον οὐδένα ἐποιούμην ἕτερον, πάσαις δ᾽ αἰτίαις 
καὶ βλασφημίαις ἅμα τούτου κεχρημένου ἀνάγκη κἀμοὶ πρὸς ἕκαστα 
τῶν κατηγορημένων μικρὰ ἀποκρίνασθαι. 

3) 31 8. 280,.4.-- ὑπὲρ οὗ καὶ τότε καὶ νῦν καὶ ἀεὶ ὁμολογῶ πο- 
λεμεῖν καὶ διαφέρεσϑαι τούτοις. Diese Worte gehen nicht direet und 
ausschliefslich auf den Process, aber sie begreifen ihn mit. 


Zweifel an der gerichtlichen Verhandlung über die Gesandtschaft. 389 


freisprechenden Urteils nicht gedenkt, so thut er es um so bestimm- 
ter mit Angabe der Motive an einer späteren Stelle, wo er von der 
Anstiftung des amphiktyonischen Krieges reden will: “obgleich ich 
“πὸ Schuld des Aeschmes auf Grund der im Staatsarchive nieder- 
“gelegten Urkunden darthun werde und weifs dafs ihr euch des Her- 
“sangs erinnert, fürchte ich doch, er möge für zu unbedeutend an- 
“gesehen werden als dafs er so grofses Unheil hätte anstiften kön- 
“nen: wie es früher der Fall war, als er den unglücklichen Phokiern 
“durch seine falschen Berichte den Uhtergang bereitet hatte?’ '. 
Diese Worte bestätigen uns dafs Aeschines vor Gericht freigespro- 
chen wurde, weil Demosthenes seine Schuld allzu hoch anzuschla- 
gen schien. 


Und liefse die Überlieferung irgend einen Zweifel in uns zu- 
rück, so mul[s dieser schwinden wenn wir die von beiden Parteien 
herausgegebenen Reden mit ollenen Augen lesen ?. Ich meine nicht 
sowohl die Rede des Demosthenes — denn obgleich diese durchweg 
eine Verhandlung vor Gericht voraussetzt, so könnte sie dennoch, 
wie die Rede gegen Meidias, nicht gehalten sein — sondern die Ge- 
genrede des Aeschines. Wenn Demosthenes von dem gerichtlichen 
Verfahren abstand und dennoch in Form einer Klagrede Aeschines 
todeswürdiger Vergehen beschuldigte, so hatte dieser damit eine 
Walle in der Hand: er konnte mit Recht sagen, Demosthenes wagt 
nicht den Richtern unter die Augen zu treten, sondern er verbreitet 
hinterrücks eine Schmähschrift um mich zu verleumden. Dagegen 


1) 142 8. 275, 9 — ἐκεῖνο φοβοῦμαι, μὴ τῶν εἰργασμένων αὐτῷ 
κακῶν ὑποληφϑῇ οὗτος ἐλάττων. ὅπερ πρότερον συνέβη, ὅτε τοὺς τα- 
λαιπώρους Φωκέας ἐποίησεν ἀπολέσϑαι τὰ ψευδῆ δεῦρ᾽ ἀπαγγείλας. 
Dissen vergleicht damit passend vdG. 29 5. 349, 28 δεῖ δὲ μηδένα 
ὑμῶν — εἰς τὸ τῶν πραγμάτων μέγεϑος βλέψαντα μείζους τὰς κατηγο- 
ρίας καὶ τὰς αἰτίας τῆς τούτου δόξης νομίσαι. 8. auch Aesch. 2, Sf 
S. 29. Vgl. Franke a. Ο. S. 4. MSchmidt S. 4 und im allgemeinen 
Siegenbeeck Ann. acad. Lugd. Bat, S. 26, 4, Greve ebend. S. 13, Auf 
die erfolgte Freisprechung des Aeschines scheint auch Chers. 64 S. 105, 
18. Phil. 3, 39 S. 121, 7 Bezug genommen; s. Spengel Abh. d. k. bayr. 
Ak. III, 1, 180. Stechow de Aesch. vit. S.69. 

2) Thirlwall VI, 35, 2 Becker conceives that the two speeches were 
mritten without any view to delivery— mere pamphlets. Yet if any one after 
reading them can believe this to be possible, 1 do not know how he is to 
be convinced of the contrary. 


390 Viertes Buch. Viertes Capitel. 


konnte es ihm nicht in den Sinn kommen das Spiel wie nach Verab- 
redung weiter in Scene zu setzen, die Haltung des Demosthenes 
und die Modulation seiner Stimme und das Benehmen der Richter 
zu schildern, wenn es sich nur um eine Parteischrift handeln sollte. 
Jedes Blatt seiner Vertheidigung lehrt dafs Aeschines vor Gericht 
auf den Tod angeklagt und, wenn verurteilt, der schwersten Strafe 
gewärtig auf die eben gehörte Rede des Anklägers antwortet, und 
zwar auf eine Rede, die ihrer Anlage und Ausführung nach im we- 
sentlichen der uns vorliegenden entspricht, aber doch in einzelnen 
Puncten abweicht, und zwar solchen die er sich nicht aussinnen 
konnte !, z. B. dafs Demosthenes ihn mit dem Tyrannen Dionysios 
verglichen und den Traum der sieilischen Priesterin erzählt habe ?. 
So ist denn von neueren gelehrten seit Taylor® anerkannt und in über- 
zeugendster Weise von Friedrich Franke dargethan *, dafs der Pro- 
cess wegen der Truggesandtschaft in öffentlicher Verhandlung ge- 
führt und durch richterliches Urteil entschieden ist. Neuerdings hat 
auch Westermann, der die von A. (ἃ. Becker ἢ aufgenommene Ansicht, 
die Reden seien nur als Parteischriften verfalst und ausgegeben, 
am eifrigsten vertheidigt hatte °, sich von dem Gegentheile über- 
zeugt und seine frühere Meinung aufgegeben’. 


1) Aesch. 2, 11 8. 29 ἀπροσδοκήτους διαβολάς. 

2) 2, 10 5. 29. Das nähere s. Beilage III. 

3) Proleg. in Dem. or. de FL. Winiewski comment. in Dem. or. de 
cor. 5. 1452. Ranke in d. Eneyklop. XXIV, 106. Böhnecke F. I, 676 
usa: 

4) Proleg. in Dem. or: de FL. Misenae 1846 S. 1—19. Denselben 
Beweis führt, ohne diese Schrift zu kennen, MSchmidt quaest. de Dem. 
et Aesch. or. deFL. Bonn. 1851. S. 1—18. 

5) Demosthenes 8. 320f. und in den Analekten zu d. att. Rednern 
I. 1835. 

6) Namentlich qu. Dem. III, 52#f. 

7) Comment. de vit. Dem. ὃ. XXIII, 127. 


391 


FÜNFTES CAPITEL. 


Vorgänge auf Euboea. Philipps Feldzug nach Epirus. Zweite 
peloponnesische Gesandtschaft des Demosthenes. Hegesippos 
Rede über Halonnesos. 


Als Demosthenes seine Klage wider Aeschines führte, waren 
die Athener in tiefer Ruhe, mit keiner auswärtigen Unternehmung 
beschäftigt '. Aber die Lage des Peloponnes und die Vorgänge 
auf Euboea waren besorglich genug, und mit Spannung wurde 
erwartet was Philipp demnächst unternehmen werde ?*. Hier war 
das Feld auf dem Demosthenes alsbald mit solcher Rüstigkeit 
und solchem Erfolge arbeitete, dafs wir erkennen, die Freispre- 
chung des Aeschines hatte sein Ansehen bei der Bürgerschaft nicht 
geschmälert. 

Betrachten wir zunächst die Vorgänge auf Euboea. Wir haben 
oben gesehen dafs die Athener über den für Plutarchos unternom- 
menen Feldzug ganz Euboea verloren, dafs die euboeischen Gemein- 
den mit Philipp ein Bündnifs schlossen, und dafs im Frieden mit 
Athen ihre Unabhängigkeit anerkannt wurde ἡ. Später als die Athe- 
ner auf die neue Freundschaft Philipps und Aeschines Vorspiege- 
lungen vertrauten, jubelten sie über die Aussicht, Philipp werde ih- 
nen Euboea zu Fülsen legen ὁ: denn die benachbarte Insel war für 
Attika zu wichtig als dafs ihre Entfremdung ihnen gleichgiltig sein 
konnte. Aber wie in allen andern Stücken, so sahen sie sich in 
dieser Hoffnung betrogen. Philipp liefs Euboea nicht aus der Hand, 
sondern trachtete vielmehr danach die Volksgemeinden, welche 
über kurz oder lang ihre natürliche Stütze in Athen suchen muls- 
ten, unter die Gewalt seiner Parteigänger zu bringen; und nach- 
dem er erst Thessaliens Herr geworden, setzte er in den Jah- 
ren 343 und 342 (denn in den Reden vom Frieden und der zwei- 
ten Philippika lesen wir davon noch nichts) in zwei Hauptstädten 
der Insel, zu Eretria und zu Oreos, seinen Willen durch. In bei- 

1) Dem. vdG. 269 5. 427, 18 ἄγεϑ᾽ ἡσυχίαν ὑμεῖς ἐν τῷ παρόντι. 

2) 288 8. 434, 1 νῦν δ᾽ ἤδη περιερχόμεϑ' ἡμεὶς — ὠτακουστοῦν- 
τες -- ποὶ πάρεισι Φίλιππος. ξῇ ἢ τέϑνηκεν. 

3) Buch III, 3. 

4) Buch IV, 1. 


392 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


den Städten bekämpften sich zwei Parteien, deren eine zu Athen 
hinneigte. Zu Eretria führte Kleitarchos, der früher den Sturz des 
Tyrannen Plutarchos betrieben hatte ', die makedonische Partei; 
und er genols die Gunst der Bürgerschaft in solchem Grade, dafs 
eine auf Demosthenes Antrag abgeordnete athenische Gesandtschaft 
zurückgewiesen ἢ und am Ende die Gegner des makedonischen Bünd- 
nisses mit Verbannung belegt wurden. Darüber kam es zu Unru- 
hen; die vertriebenen Demokraten scheinen in Porthmos sich fest- 
gesetzt zu haben: da schickte Philipp 1000 Söldner unter Hipponi- 
kos Befehl, liefs die Mauern von Porthmos schleifen und setzte zu 
Eretria den hochbejahrten Hipparchos, Automedon und Kleitarchos 
als Machthaber ein. Zweimal versuchten die vertriebenen Bürger 
sie zu stürzen und die Heimkehr zu erzwingen: aber die Tyrannen 
behaupteten sich in ihrem grausamen Regimente mit Hilfe von Söld- 
nern, welche Philipp ihnen das eine Mal durch Eurylochos, dann 
durch Parmenion zuführen hiefs ®. 

| Nicht viel anders gieng es zu Oreos her. In dieser Stadt, de- 
ren Gebiet den vierten Theil der Insel umfalste *, kämpfte Eu- 
phraeos für die Freiheit, eben jener Schüler Platons der einst an 
Perdikkas Hofe einen den Makedonen so widerwärtigen Einflufs 
ausgeübt hatte ὃ. Dagegen empfahlen Philistides, Menippos, Thoas, 
Agapaeos vertrauensvolle Hingebung an Philipps Freundschaft und 
nahmen so gänzlich das Ohr ihrer Mitbürger ein, dafs Euphraeos mit 


1) 8.0.8. 78. 

2) Dem. Phil. 3, 66 8.128, 4 καλήν γ᾽ ὃ δῆμος ὁ Ἐρετριέων (ἀπεί- 
Ange χάριν), ὅτι τοὺς μὲν ὑμετέρους πρέσβεις ἀπήλασε, Κλειτάρχῳ δ᾽ 
ἐνέδωκεν αὑτόν" δουλεύουσί γε μαστιγούμενοι καὶ στρεβλούμενοι. Die 
athenische Gesandtschaft εἰς Εὔβοιαν, ἡνίκ᾽ Εὐβοίας ἥπτετο (Φίλιπ- 
πος), und zwar vor Einsetzung der Tyrannen, erwähnt Demosthenes 
als sein Werk vKr. 79 8. 252, 3. Vgl. Böhnecke F. I, 447, 3. 

3) Phil. 3, 57f. 5. 125,18 (die Schlufsworte τότε μέν πέμψας τοὺς 
wer’ Εὐρυλόχου ξένους, πάλιν δὲ τοὺς μετὰ Παρμενίωνος stehen in 
5. nicht von erster Hand). 63f. 8. 127, 6. Über Porthmos 5. auch 33 
S. 119, 20 πέμπει δὲ ξένους τοὺς μὲν εἰς Πορϑμόν, τὸν δῆμον ἐκβα- 
λοῦντας τὸν Ἐρετριέων, τοὺς δ᾽ ἐπ᾽ Θρεόν, τύραννον Φιλιστίδην κα- 
ταστήσοντας. Über Hipparchos, der bald darauf starb, 5. Plut. apophth, 
Ph. 21 8. 1784, Als Verräther von Euboea nennt Dem. vKr. 295 S. 
324, 16 aufser ihm und Kleitarchos noch Sosistratos. 

4) Dem. w. Aristokr. 213 8. 691, 11. 

5) Karyst. fr. 1. 2 (Ὁ. Athen. 11 5. 5069, 508°). S. o. S. 15. 16, 1. 


Vorgänge auf Euboea. Erelria. Oreos. Chalkis. 395 


Hohn und Wegwerfung behandelt wurde. Endlich klagte er Phili- 
stides und Genossen förmlich der Verrätherei an, aber deren Anhän- 
ger rolteten sich zusammen und warfen ihn als Ruhestörer ins Ge- 
fängnils. Die Bürgerschaft liefs das geschehen und hatte Freude 
daran. Nun spann Philistides seine Umtriebe ungestört, denn nie- 
mand wagte seine Stimme wieder zu erheben, bis im nächsten 
Jahre Parmenion mit seinen Söldnern vor den Mauern stand, von 
Philipp, wie dessen Erklärung besagte, in bundesfreundlicher Ab- 
sicht hergeschickt um den Parteiungen zu steuern. Da rührte sich 
die Bürgerschaft und setzte sich zur Wehre, aber die Verräther öfl- 
neten dem Feinde die Thore. Seitdem regierten Philipps Partei- 
sänger zu Oreos als die Herren, ihre Gegner flüchteten oder büfs- 
ten mit dem Leben. Euphraeos legte im Gefängnisse Hand an sich 
selbst und bezeugte durch sein Ende, dafs er rechtschaflen und lau- 
ter zum Besten seiner Mitbürger sich Philipp widersetzt hatte ἡ. 
So kamen zwei bedeutende Städte auf Euboea um ihre Frei- 
heit: aber die ganze Insel vermochte Philipp doch nicht zu sich 
herüberzuziehen. Geraestos, die Rhede an der Südspitze, wo die 
altischen Kauffahrer anzulegen pflegten, durch einen Handstreich 
wegzunehmen gelang ihm nicht ?, und Chalkis, die wichtigste Stadt 
der Insel, erwehrte sich des makedonischen Einflusses. Hier ge- 
nossen die Brüder Kallias und Taurosthenes ἢ das Vertrauen der 
Bürgerschaft, und giengen mit dem Plane um die euboeischen Ge- 
meinden alle zu einem Bunde zu vereinigen, dessen Leitung einem 
Bundesrathe übertragen werden sollte. Kallias hatte, wie Aeschi- 
nes erzählt *, darüber am makedonischen Hofe verhandelt und war 
von Philipp mit Auszeichnung aufgenommen worden. Aber die Bil- 
dung einer euboeischen Samtgemeinde entsprach Philipps Zwecken 
nicht: so schied am Ende Kallias in Ungnaden. Hierauf knüpfte er 


1) Dem. Phil. 3, 59—62 S. 126, 3f.; vgl. 63ff. 5. 1271. 33 5. 119, 
20. Karystios a. O. hatte gesagt Παρμενίων αὐτὸν (Evpeaior) ἐν Noso 
λαβὼν ἀπέχτεινεν. Daraus erfahren wir dafs es Parmenion war der 
Oreos besetzte; der Hinrichtung mag Euphraeos durch seinen Selbstmord 
zuvorgekommen sein. Auf Philipps Schreiben bezieht sich Dem. a. O. 
12 S.. 113, 23; vgl. Chers. 59 S. 104, 8. 

2) VdG. 326 S. 445, 29. Vgl. (aus dem ersten Kriege) o, S. 27. 

3) Vgl. o. 8. 73£. 76. 

4) 3, 891, S. 66f. 


% 


394 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


mit den Thebanern an, fand aber bei ihnen eben so wenig Gehör: ja 
es stand ein Angriff auf Chalkis von Seiten Philipps und der Thebaner 
zu erwarten. Da wandten sich auf Kallias Betrieb die Chalkidier 
nach Athen und schickten dorthin als Gesandte Glauketas , Empedon 
und Diodoros ' um über ein Bündnifs zu verhandeln. Demosthenes und 
seine Freunde nahmen sich ihrer Sache an; andererseits mögen die 
Machthaber von Eretria und von Oreos Gegenvorstellungen gemacht 
haben, und diese fanden bei der makedonischen Partei lebhafte Für- 
sprache: war doch Aeschines bestellter Vertreter jener Städte zu 
Athen®?. Er und seine Genossen machten geltend, dafs ein Bund 
mit den Chalkidiern Athen in die Gefahr eines Krieges mit Philipp 
und den Thebanern bringe: ferner bestanden sie darauf, dafs die 
Athener mit den euboeischen Städten nicht als einer frei verbunde- 
nen Gesamtheit ein Bündnifs mit gleichen Rechten abschlielsen 
dürften, sondern Chalkis müsse wieder in die alte Stellung zurück- 
treten, in den Bundesrath zu Athen seinen Beisitzer senden und die 
frühern Steuern wiederum zahlen. Das waren Forderungen, welche 
vielen Athenern billig erscheinen mochten, denn die Ansprüche auf 
die ehemals besessene Oberhoheit betrachteten sie gern als unver- 
jährbar: aber wenn sie nicht aus dem Hintergedanken entsprangen 
den Bund mit Chalkis zu vereiteln, wurden sie wenigstens sehr zur 
Unzeit erhoben. Denn der attische Seebund war durch den Bun- 
desgenossenkrieg gesprengt, der Bundesrath war kaum ein Schat- 
ten dessen was er ursprünglich hatte sein sollen, und neue Bünd- 
nisse konnten nur auf Grund gleicher Berechtigung abgeschlossen 
werden. Das war die Ansicht welche Demosthenes verfocht und 
die Bürgerschaft eignete sie sich an: mit den Chalkidiern ward auf 
seinen Antrag ein Bündnifs zu gegenseitigem Schutze abgeschlos- 
sen: nähere Vereinbarungen blieben ferneren Verhandlungen vorbe- 
halten ὅ. Kallias selbst und seinem Bruder Taurosthenes ward spä- 


1) “ιόδωρον τὸν δολιχοδρομήσαντα sagt Aeschines; er hatte also 
wohl im Dauerlaufe Preise gewonnen. 

2) Eine Gesandtschaft des Kleitarchos und Philistides, welche Ae- 
schines als Proxenos beherbergte, erwähnt Dem. vKr. 82 8. 252, 23. 
Über diese Proxenie vgl. o. ὃ. 235, 1. 

3) Aesch. a. O. (92 8. 66f.) Φημοσϑένης — ἔγραψε — ἐν τῇ ovu- 
μαχίᾳ βοηϑεῖν ἡμᾶς Χαλκιδεῦσι — προσγράψας Χαλκιδέας βοηϑεῖν ἐάν 
τις ἴῃ ἐπ᾽ ᾿Αϑηναίους —' τῷ λόγῳ προσβιβάζων ὑμᾶς, τὰς μὲν βοη- 


Zeitbestimmung der euboeischen Vorgänge. 3095 


terhin ebenfalls auf Antrag des Demosthenes das attische Bürger- 
recht ertheilt: sie haben die ganze Folgezeit seinen Bestrebungen 
für die Unabhängigkeit der Hellenen sich angeschlossen und sind 
stets in Freundschaft ihm verbunden geblieben ἡ. 

In welche Zeit diese Vorfälle auf Euboea von der Einsetzung 
der Tyrannen vermittelst makedonischer Söldner bis zu dem Bünd- 
nisse der Chalkidier mit Athen zu setzen sind, läfst sich nicht genau 
bestimmen. In der Rede vom Frieden und der zweiten philippischen 
ist kein Wort über Euboea gesagt. Dagegen lesen wir in der Rede 
von der Gesandtschaft (Ol. 109, 2. 343), dafs durch den Untergang 
der Phokier Euboea Angriffen Philipps blofsgestellt sei ?: mehr als 
einmal waren die Athener durch die Nachricht erschreckt worden, 
dafs bei Porthmos oder bei Megara Truppen Philipps gelandet 
seien ®. Eben jetzt stehen makedonische Soldaten auf der Insel *: 
Philipp schafft sich dort Angriflsplätze gegen Attika und lauert 
darauf Geraestos durch einen Handstreich wegzunehmen ἢ. Kurz, 
Euboea ist in Feindes Gewalt, und mit Megara wäre jüngst beinahe 
das gleiche geschehen °. Tyrannen erwähnt Demosthenes noch nicht: 
aber Philipps bewaflnete Einmischung hat auf der Insel festen Fufs 
gefalst, und diese bezweckte nichts anderes als der makedonischen 
Partei das alleinige Regiment zu verschaffen. Allmählich werden 
ihre Führer, Kleitarchos und Philistides, die Zügel straffer ange- 


ϑείας ὡς δεὶ τὴν πόλιν πρότερον ποιεῖσϑαι τοῖς ἀεὶ δεομένοις τῶν 
Ἑλλήνων, τὰς δὲ συμμαχίας ὑστέρας μετὰ τὰς εὐεργεσίας. Dem. vKr. 
238 ff. S. 306, 18—307, 14. Vgl. f. ἃ. Megalop. 14. 5. 205, 25. 
1) Aesch. 3, 85f. S.65£. Hyp. wDem. 16 (XV®). Deinarch. 1, 44 8. 95. 
2) 83f. 8. 367, 10. 


3) 87 5. 368, 24 καὶ μετὰ ταῦτα ὁσάκις πρὸς Πορϑμῷ ἢ πρὸς Me- 
γάροις ἀκούοντες δύναμιν Φιλίππον καὶ ξένους ἐθορυβεῖσϑε, πάντες 
ἐπίστασϑε. Über Megara 5. ο. ὃ. 342. 

4) 204 S. 404, 35 Φωκέας ἀπολωλέναι καὶ Πύλας Φίλιππον ἔχειν 
καὶ Θηβαίους ἰσχύειν καὶ ἐν Εὐβοίᾳ στρατιώτας εἶναι καὶ Meyagoıs 
ἐπιβουλεύειν. 

5) 326 5. 445, 28 ὁρμητήρια ἐφ᾽ ὑμᾶς ἐν Εὐβοίᾳ Φίλιππος προσ- 
κατασκευάζεται καὶ Γεραιστῷ καὶ Μεγάροις ἐπιβουλεύων διατελεῖ. Vel. 
219 8. 409, 5. 

6) 334 8.448, 22 τίς δὲ Κορώνειαν, τίς δ᾽ Ὀρχομενόν, τίς Εὔβοιαν 
ἀλλοτρίαν (πεποίηκε) ; τίς Μέγαρα πρῴην ὀλίγου; Vel. 75 5. 364, 24 
τοὺ: καταράτους Εὐβοέας τουτουσί (ποτ᾽ ἐσώσατε). vKr. 234 9. 305, 22. 


396 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


zogen haben und zu tyrannıschen Mafsregeln verschritten sein !, 
während die dagegen ankämpfende Opposition wiederholt durch ma- 
kedonische Truppen niedergeschlagen wurde. Demnach dürfen wir 
im Hinblick auf die Volksreden des nächsten Jahres ? den Verlauf der 
Dinge so ordnen, dafs im Jahre 343 (vor dem Process des Aeschi- 
nes) Philipps Truppen vor Porthmos erschienen ohne den Platz zu 
nehmen, während in Eretria Kleitarchos und seine Freunde die 
Oberhand gewannen, und dafs nach jener Verhandlung, noch vor 
dem Frühjahr 342 Porthmos zerstört und Oreos besetzt wurde. Das 
Bündnifs der Athener mit den Chalkidiern wird eben um jene Zeit, 
im Winter 34°% (01. 109, 2) abgeschlossen sein: als Demosthenes 
die Rede über den Chersones und die dritte Philippika hielt, machte 
Chalkis nicht minder als Megara gemeine Sache mit Athen und hatte 
Philipps Zorn zu fürchten ὅ. 

Die Entwickelung der makedonischen Macht zu Eretria und zu 
Oreos bedrohte im Süden Attika, im Norden die Eilande welche 


noch zum athenischen Seebunde steuerten *; um diese zu decken 


1) Dahin gehört die Versetzung der Ellopier nach Oreos (d. i. Hi- 
stiaea),, Φιλιστίδουν τοῦ τυράννου βιασαμένου Strab. 10 8. 445. 


2) Aufser den angeführten Stellen d. R. üb. d. Chers. u. der 3. Phil. 
s. vKr. 71 8. 248, 11 ἀλλ᾽ ὃ τὴν Εὔβοιαν ἐκεῖνος σφετεριξόμενος καὶ 
κατασκευάζων ἐπιτείχισμα ἐπὶ τὴν ᾿Δἀττικήν, καὶ Μεγάροις ἐπιχειρῶν, 
καὶ καταλαμβάνων Ngsov, καὶ κατασχάπτων Πορϑμόν, καὶ καϑιστὰς 
ἐν μὲν ᾿ϑρεῷ Φιλιστίδην τύραννον, ἐν δ᾽ ᾿ρετρίᾳ Κλείταρχον. Chers. 
18 8. 94, 13 ἐπ᾿ Ὡρεὸν πρῴην (ἧκε Φίλιππος). 36 5. 98, 278. ἀλλ᾽ 
ἐκεῖνος μὲν — δύο ἐν Εὐβοίᾳ κατέστησε τυράννους, τὸν μὲν ἀπαντι- 
κρὺ τῆς Artınng ἐπιτειχίσας, τὸν δ᾽ ἐπὶ Σκίαϑον (4. h. zu Oreos). 
66 5. 106, 3 Φιλέππου -- κατασκευάξοντος ὑμῖν ἐπιτείχισμα τὴν Εὖ- 
βοιαν. Phil. 3, 27 8. 117, 28 al δ᾽ ἐν Ἑὐβοίᾳ πόλεις οὐκ ἤδη τυραν- 
νοῦνται, καὶ ταῦτα ἐν νήσῳ πλησίον Θηβῶν καὶ Adıvav; vgl. 17 5. 
115, 3. Vgl. Phil. 4, 8f. 8. 133, 20. Phil. 3, 128. 1137723 τὰ τελευ- 
ταῖα τοῖς -- ᾿ϑρείταις κτλ. steht in der Aufzählung (erst Olynth, jüngst 
Pherae, letzthin Oreos) ohne Rücksicht auf Eretria; so auch Chers. 
59 8. 104, 8 Ἰθρείταις —, Φεραίοις πρότερον, — Ὀλυνϑίοις ἐξ ἀρχῆς. 
Vgl. Winiewski a. O. 8. 169. und über Oreos insbesondere u. S. 402. 

3) Chers. 18 5. 94, 12. Phil. 3, 74 8. 130, 4, vgl. 18 8. 115, 14. 

4) Dem. Chers. 36 $. 98, 29f. (Φίλιππος) δύο ἐν Εὐβοίᾳ κατέστησε 
τυράννους, τὸν μὲν amavurgd τῆς ᾿ἀττικῆς ἐπιτειχίσας, τὸν δ᾽ ἐπὶ 
Σκπκίαϑον. 8. die neueren Herausgeber z. d. St. Über Skiathos 5. o. 
S. 163, 2. Ein Geschwader, das nach Skiathos gefahren war, befehligte 
Kephisophon von Aphidnae: Seeurk. XIVe, 108, Vgl. u. Cap. 7. 


Philipps Zug nach Epirus. Arybbas und Alexander. 397 


werden die Athener seit dem Frühjahr 342 ein Geschwader bei Skia- 
thos stationiert haben. Um dieselbe Zeit that Philipp durch einen Zug 
nach Epirus Schritte um an das ionische Meer vorzudringen und 
sich im Westen einen Weg nach dem Peloponnes zu bahnen. Der 
Molotterfürst Alketas war, wie seiner Zeit erwähnt ist, um einen 
Beistand wider die Spartaner zu gewinnen nebst seinem Sohne 
Neoptolemos dem athenischen Seebunde beigetreten, hatte aber 
dennoch so wenig wie Amyntas von Makedonien umhin gekonnt 
die Oberhoheit lasons von Thessalien anzuerkennen '. Dies Ver- 
hältnifs löste sich schnell mit lasons Tode: nicht lange nachher 
wird auch Alketas gestorben sein. Neoptolemos versuchte den 
Thron allein zu behaupten; indessen brachen darüber Streitigkei- 
ten aus, welche schliefslich dahin verglichen wurden, dafs Aryb- 
bas, der andere Sohn des Alketas, Antheil an der Herrschaft er- 
hielt *, und durch seine Vermählung mit Troas, der älteren Tochter 
des Neoptolemos, ward die Aussöhnung befestigt °. Nach dem frü- 
hen Tode seines Bruders führte Arybbas die Regierung allein; die 
von jenem hinterlassenen Kinder, Olympias und Alexander, wurden 
in seinem Hause erzogen. Bald warb Philipp von Makedonien um 
die Hand der Tochter, und Arybbas gewährte sie gern, in der Holl- 
nung durch diese Verschwägerung selber an Macht zu steigen und 
Hilfe gegen die Illyrier zu erlangen *. Aber er hat damit nur Un- 
glück über sich und sein Haus gebracht. Wenige Jahre vergingen, 
so stand Philipp wider ihn im Felde (um Ol. 107, 1.352) °: wir 
können nur vermuthen, dafs es sich um die Rechte Alexanders han- 


1) Buch I, 2 u..o. 8.9. 


2) Paus. 1, 11, 1. 3. Da Neoptolemos in dem Volksbeschlusse 
über den Seebund B. 14 neben seinem Vater als regierender Fürst auf- 
geführt ist (vgl. Meier comm. epigr. S. 13f.), wird er als der ältere 
Sohn des Alketas anzuschen sein. 

3) Just. 7, 6. Plut. Pyrrh. 1, 

4) Just. a. O. Plut. Alex. 2. Diese Stellen lehren, dafs Neoptole- 
mos vor der Verheiratung der Olympias, welche nicht später als Ol. 
105, 4. 357 geschlossen wurde, verstorben war. Über Arybbas Kämpfe 
mit dem Illyrierkönig Bardyllis (also vor Ol. 105, 2) vgl. Front. Str. 2, 
5,19. 

5) Dem. Ol. 1, 13 8. 13, 5 m. d. Schol. u. Harp. u. Aovßes. Vel. 
o. 8. 115, 4. Über die Schreibart des Namens, welche urkundlich ge- 
sichert ist, s. Dindorf z. a. St. 


998 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


delte und dafs Arybbas dem Makedonenkönige als Vormunde seines 
Neffen Zugeständnisse machte. Seitdem blieb Alexander am make- 
donischen Hofe und ward von seinem königlichen Schwager mit 
auffallender Vorliebe behandelt. Als er zwanzig Jahre alt war, zog 
Philipp persönlich aus um seinen Pflegling in das Fürstenthum ein- 
zusetzen '. Denn wenn Epirus, dessen Völkerschaften ohnehin 
den Makedonen in Sprache und Sitte glichen ?, einem so nahen Ver- 
wandten übergeben ward, konnte es als ein Bestandtheil der ma- 
kedonischen Monarchie betrachtet werden ®, und Philipp hatte nicht 
im Sinne seinem Mündel Raum zu freier Thätigkeit zu vergönnen. 
Er selbst warf seine Blicke über das epirotische Bergland hinaus 
nach Ambrakia und Akarnanien und gedachte am ionischen Meere 
eine Stellung zu gewinnen. Zu dem Ende zog Philipp noch im 
Winter Ol. 109, 2. 34° übers Gebirge, mit einem Heere, das aus 
leichten Truppen, Reitern, Bogenschützen und Söldnern gebildet 
war (die Phalanx seines makedonischen Fufsvolks hatte er diesmal 
nicht aufgeboten) ὁ, und machte Alexander zum Könige. Arybbas 
ward mit seinen Söhnen Alketas und Aeakidas (dem später Pyrrhos 
entsprossen ist) aus dem Lande vertrieben und ihrer Ansprüche 
nicht weiter geachtet °. Alsdann drang Philipp verheerend in die 


1) Just. 8, 6, wohl nach Theopomp. Vgl. Müller fr. h. gr. I, 317b. 
Bei Justin gehen voraus Philipps Kriege mit den Dardanern u. a. Grenz- 
völkern; es folgt im 9. B. der thrakische Krieg. 

2) Strab. 7.8.3208 329 Dr 2: wel 13. 

3) Vgl. Satyros fr. 5 b. Athen. 13 5. 557° προσεχτήσατο δὲ (Φίλ.) 
καὶ τὴν MoAortov βασιλείαν, γήμας Ὀλυμπιάδα. 


4) Dem. Phil. 3, 49 5. 123, 23—28. Auf den thrakischen Krieg 
kann die Stelle kaum gehen; in diesem konnte Philipp der Kerntrup- 
pen nicht entbehren. 


5) Die Zeit dieses Zuges steht fest durch die noch Ol. 109, 2. 342 
gehaltene Rede über Halonnesos, in welcher dessen 32 S. 84, 21 ge- 
dacht ist. Theopomp hat davon im 43 Buche gehandelt. Dafs Aryb- 
bas entthront ward sagt Just. 7, 6 proprio regno ab eodem ( Philippo) 
privatus in exilio consenui, 8, 6 ereptum Arubbae regnum (vgl. 9, 6); und 
dals Justin diese Nachricht aus Trogus schöpfte lehrt dessen Epi- 
tome VIII: rex Epiro datus Alexander eiecto Arybba. Diodor dagegen 
(16, 72) beginnt das Jahr des Sosigenes (Ol. 109, 3. 342) mit den Wor- 
ten ἐπὶ δὲ τούτων ᾿ἀρύμβας ὁ τῶν Μολοττῶν βασιλεὺς ἐτελεύτησεν, ἄρξας 
ἔτη ι΄, ἀπολιπὼν υἱὸν τὸν Πύρρου πατέρα Αἰακίδην: τὴν δ᾽ ἀρχὴν διε- 
ἐδέξατο ᾿ἀλέξανδρος ὁ ἀδελφὸς Ὀλυμπιάδος, συνεργήσαντος Φιλίππου 


Philipps Zug nach Epirus. Arybbas und Alexander. 399 


südwestliche Küstenlandschaft Kassopien ein, nöthigte die dort von 
‚Eleern angelegten Städte Pandosia, Bucheta, Bitia, Elatreia ihre Thore 
zu öflnen und unterwarf sie der Herrschaft des jungen Molotterkö- 
nigs '. Ja er rückte auch wider Ambrakia heran, bedrohte Akar- 
nanien und Leukas und schlofs mit den Aetolern einen Vertrag un- 
ter der Zusicherung ihnen die von den Achaeern besetzte Stadt 
Naupaktos verschaffen zu wollen ?, nach der sie lange getrachtet 


τοῦ Μακεδόνος. Im dieser dürftigen Angabe ist die Regierungszeit 
des Arybbas falsch berechnet (vgl. S. 397, 4); vielleicht sind die Jahre 
seit Philipps erstem Zuge (um 352) gezählt. Ferner hat Diodor die 
Vertreibung des Arybbas völlig übersehen und läfst ihn statt dessen 
mit Tode abgehen, erst Ol. 109, 3, nach seiner Weise Begebenheiten 
aus den ersten Monaten auf das im Sommer beginnende Archontenjahr 
zu übertragen. Unter diesen Umständen halte ich die von Niebuhr RG, 
III, 1885 (und Vömel prolegg. zur R. üb. Hal. S. 42f.) versuchte Lö- 
sung, dafs Alexander Ol. 109, 2 nur Kassopien als Fürstenthum und 
Ol. 109, 3, als Arybbas gestorben sei, das molottische Königreich 
empfangen habe, für unstatthaft. Vgl. u. $. 401. Über die Ausschlie- 
(sung der Erben des Arybbas s. auch Diod. 19, 88. Paus. 1, 11, 4. 5. 
Plut. Pyrrh. 1. 

1) Heges. a. ©. (Φώ.) ἐπὶ - Außowriav στρατεύεται, τὰς δ᾽ ἐν 
Κασσωπίᾳ τρεῖς πόλεις, Πανδοσίαν καὶ Βούχετα καὶ Ἔλατρειαν, ᾿Ηλείων 
ἀποικίας, κατακαύσας τὴν χώραν καὶ εἰς τὴν χώραν βιασάμενος παρέ- 
δωκεν ᾿ἀλεξάνδρῳ τῷ κηδεστῇ τῷ ἑαυτοῦ δουλεύειν. Über die Städte 
5. Harp. u. ᾿Ελατεια " -- Θεύπομπος γοῦν ἐν μγ΄ (fr. 228) τέτταρας πό- 
λεις φησὶν εἶναι τῶν Κασσωπέων —, ᾿Ελάτρειάν τε καὶ Πανδοσίαν καὶ 
Βιτίαν (Βατίαι Strab. 7 5. 324) καὶ Βουκέταν (über Bucheta vgl. Harp. 
u. d. N. Marsyas fr. 10 i. d. Schol. zur Odyss. 18, 85). Ebendahin 
gehört Harp. u. Πανδοσία" — περὶ τῆς ἁλώσεως τῶν ἐν Κασσωπίᾳ mo- 
λεων, ὧν ἐστὶ καὶ Πανδοσία, Θεόπομπος ἐν y (]. μγ΄) ἱστόρηκεν. 

2) Heges. a. O. Dem. Phil. 3, 27 S. 118,4 ἐφ᾽ Ἑλλήσποντον οἶχε- 
ται (seit Sommer 342), πρότερον ἧκεν ἐπ᾽ ᾿ἀμβρακίαν (vgl. Phil. 4, 10 
S. 133, 28 τὴν ἐπ᾽ ᾿ἀμβρακίαν ὁδόν). 34 5. 119, 27 οὐδεὶς ἀμύνεται — 
οὐδ᾽ ὑπὲρ ὧν αὐτὸς ἕκαστος ἀδικεῖται — οὐ Κορινϑίων "ἐπ᾽ "Außganiar 
ἐλήλυϑε καὶ Λευκάδα; οὐκ ᾿“χαιῶν Ναύπακτον ὀμώμοκεν Αἰτωλοῖς πα- 
ραδώσειν: Die Aetoler schicken Ol. 110, 2 als Philipps Bundesgenossen 
Gesandte nach Theben. Philoch. fr. 135 Ὁ. Dionys. Schr. an Amm. 
1,11 8. 742, 10. Ol. 97, 2. 391 hatten die Aetoler gehofft mit Hilfe 
des Agesilaos in den Besitz von Naupaktos zu gelangen (Xen. H. 4, 6, 
14), wo seit Ende des peloponnesischen Kriegs wieder Lokrer salsen 
(Paus. 10, 38, 10). Ol. 103, 2. 367 stand dort achaeische Besatzung, 
welche Epaminondas vertrieb; aber die von ihm der Stadt verliehene 
Selbständigkeit (Diod. 15, 75) wird nicht von Dauer gewesen sein. Vel. 
Böckh C, I. gr. 1 5. 857. 


400 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


hatten. Man erwartete sogar, Philipp werde nach dem Peloponnes 
übersetzen wollen. 

Aber diesmal rührten sich die Athener. Sie schickten eine 
(sesandtschaft nach dem Peloponnes, bei der sich Demosthenes, Po- 
Iyeuktos, Hegesippos befanden; von zweiter Hand werden auch Klei- 
tomachos und Lykurgos genannt. Bei der Nähe der Gefahr ward 
den Anklagen welche die athenischen Botschafter wider Philipp er- 
hoben, williges Gehör geschenkt, namentlich wohl bei den Korin- 
thiern und Achaeern: von dort aus scheinen sie auch zu den Akar- 
nanen, Leukadiern und Ambrakioten gegangen zu sein. Und die 
Athener liefsen es nicht blofs bei Worten und Vorstellungen bewen- 
den, welche übrigens ihren Eindruck nicht verfehlten ', sondern sie 


1) Dem. Phil. 3, 72 8. 129, 16 οὐδὲ τοῦτ᾽ ἄχρηστον (τὸ χρόνους 
ἐμποιεῖν τοῖς πράγμασιν), οὐδ᾽ αἵ πέρυσι πρεσβεῖαι ai περὶ τὴν Πελο- 
πόννησον ἐκεῖναι καὶ κατηγορίαι, ὃς ἐγὼ καὶ Πολύευκτος ὁ βέλτιστος ἐκει- 
νοσὶ καὶ Ἡγήσιππος (καὶ Κλειτόμαχος καὶ Avrnodeyog fehlt in S. u. andern 
Handschr.) καὶ οἵ ἄλλοι πρέσβεις περιήλϑομεν, καὶ ἐποιήσαμεν ἐπισχεῖν 
ἐκεῖνον καὶ μήτ᾽ ἐπ᾽ ᾿Δμβρακίαν ἐλϑεῖν μήτ᾽ εἰς Πελοπόννησον ὁρμῆσαι. 
Über den scheinbaren Widerspruch der letzten Worte mit früheren Stellen 
derselben Rede (5. 8. 399 Anm. 2) 5. Krüger zu Clinton’s F.H. τι. ἃ. J. 343. 
Philipp rückte auf Ambrakia zu ohne die Stadt anzugreifen. Ματηγορίαι 
ist nicht unbedenklich, doch vgl. Chers. 37 8.99, 6 τί οὖν πρεσβεύεσϑε 
καὶ κατηγορεῖτε καὶ πραγμαϑ' ἡμῖν παρέχετε; und Philipps Beschwer- 
den über die verleumderischen Anklagen Hegesipps R. üb. Hal. 33 S. 84, 
27f. Der Ausdruck περὶ Πελοπόννησον schlielst nicht aus, was Wi- 
niewski statt κατηγορίαι hat schreiben wollen, κατ᾿ ᾿Δκαρνανίαν (Droy- 
sen wollte κατ᾽ ἀμβρακίαν, Sauppe κατ᾽ Ἤπειρον lesen). Im L. d. X 
R. 8. 8419 steht: na” ὃν δὲ χρόνον ἐπολέμει Φίλιππος πρὸς ᾿49η- 
ναίους τὸν δεύτερον πόλεμον, ἐπρέσβευε (Λυκοῦργος) μετὰ IIoAvevarov 
καὶ ΖΦΙημοσϑένους εἴς τε Πελοπόννησον καί τινας ἑτέρας πόλεις. Das 
kann streng genommen von dieser Zeit nicht gelten, wird aber doch 
wohl mit Recht hierher bezogen. Seiner Gesandtschaft nach Ambra- 
kia gedenkt Dem. vKr. 244 8. 308, 11, indessen dürfte diese mit der 
illyrischen zusammen vielleicht erst etwas späterer Zeit angehören, wie 
andererseits 79 8. 252, 1 die erste peloponnesische Gesandtschaft ge- 
meint ist: s. o. 8. 333, 3. Das Bündnifs mit den Achaeern, Korinthiern, 
Leukadiern, Korkyraeern nebst den Verabredungen über Bundesheer und 
Bundescasse (s. u. Cap. 7) fällt erst in die Zeit da der Krieg mit 
Philipp offen ausbrach. Denn Phil. 3 a. O. sagt Demosthenes wohl, 
die Vorstellungen der Gesandten im vorigen Jahre seien nicht ohne 
Nutzen gewesen, aber er beklagt es, dafs weder die Korinthier noch 
die Achaeer sich zur Wehre setzen (5. ὃ. 399, 2), dafs bis auf den 
heutigen Tag noch kein Bündnifs zu Stande gekommen ist: 28 S. 


Althenischer Beschlufs zum Schutze des Arybbas. 401 


schickten auch Mannschaft nach Akarnanien ' und machten die 
Sache des Arybbas zu ihrer eigenen. Arybbas hatte sich mit sei- 
nen Söhnen und anderem Gefolge nach Athen gewandt und suchte 
hier um Schutz und Hilfe nach. Seinem Gesuche willfahrend 
sprach der Rath die fortdauernde Giltigkeit des Bürgerrechtes und 
der anderen Ehrengaben aus, welche einst seinem Grolsvater Tha- 
rypas verliehen waren ?, befahl ihn der Obhut des jedesmaligen Ra- 
thes und der Strategen und der Athener überhaupt und sicherte 
ihm, so oft er etwas anzubringen habe, Zutritt zum Rathe und zur 
Bürgerschaft: zu Urkunde dessen ward der Beschlufs in Stein ge- 
hauen und auf der Burg aufgestellt. Endlich ward Arybbas nebst 
seinem Gefolge für den morgenden Tag zum Ehrenmale ins Pry- 
taneion geladen und über sein Anliegen der Bürgerschaft Vortrag 
erstattet. Diese bestätigte den Beschlufs des Rathes, fügte aber 
noch weitere Garantien der persönlichen Sicherheit des Arybbas und 
seiner Söhne hinzu und trug den Strategen auf Anstalt zu treffen 
um ihn und seine Söhne in das väterliche Reich wieder einzu- 
setzen ἧ. Es ist bei dem guten Willen geblieben: des Arybbas Sohn 
Acakidas trat später in das Erbe seiner Väter nicht mit athenischer 
Hilfe, sondern durch die Gnade seiner makedonischen verwandten. 
Aber der Eifer, den die Athener entwickelten, mag dazu beigetra- 
gen haben Philipp zur Umkehr zu bestimmen. Öhnehin war er zu 
einer Unternehmung über die See hin nicht gerüstet, und es war- 
teten seiner andere Aufgaben. 


118, 10 οὕτω δὲ κακῶς διακείμεϑα (οἱ "EAAnveg) καὶ διορωρύγμεϑα κατὰ 
πόλεις ὥστ᾽ ἄχρι τῆς τήμερον ἡμέρας οὐδὲν οὔτε τῶν συμφερόντων 
οὔτε τῶν δεόντων πρᾶξαι δυνάμεϑα, οὐδὲ συστῆναι, οὐδὲ κοινωνίαν 
βοηϑείας καὶ φιλίας οὐδεμίαν ποιήσασϑαι. Chalkis und Megara allein 
sind mit Athen im Bunde: 5, o. 5. 396. 

1) R. νυ. Olympiod. 24—26 5, 1173, 28f. ὑμεῖς ἐπείσϑητε ὑπὸ τῶν 
ῥητόρων εἰς ᾿ἀκαρνανίαν στρατιώτας ἐκπέμπειν (und zwar, wie das 
folgende lehrt, Bürger). -- ὁ ἄρχων Πυϑόδοτος (Ol. 100, 2). 

2) S. über Tharypas Thuk. 2, 80. Just. 17, 3. Plut. Pyrrb. 1. 
Paus. 1, 11, 1. 3. Vgl. Arist. Pol. 5, 11 5. 1315: Niebuhr RG. III, 
531. 

3) S. die Inschrift bei Sauppe inser. Maced. S. 17f. Sauppe möchte 
sie mit‘ Philipps früherem Zuge in Verbindung setzen: aber damals 
wurde Arybbas nicht vertrieben. Sie kann nur mit seiner Entthronung 
zusammenhängen und bestätigt die von Trogus, der wieder Theopomp 
zum Gewährsmann hatte, aufbewahrte Überlieferung. Vel. S. 398, 5. 


DEMOSTHENES II. 26 


402 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


Auf seinem Rückmarsche schlug Philipp die Strafse nach Thes- 
salien ein und traf in diesem Lande mehrere wichtige Mafsregeln. 
Er besetzte am malischen Meerbusen Nikaea, die lokrische Ther- 
mopylenfeste, und Echinos, beides Orte boeotischer Gründung, 
welche die Thebaner als ihnen zuständig betrachteten ', ferner An- 
(ron, von wo man nach Euboea überfuhr. Von dieser Stadt, deren 
3esitz Philipp sich durch Bestechung verschaffte, giengen bald 
nachher seine Söldner nach Oreos hinüber *: denn ein Truppen- 
corps unter Parmenions Befehl blieb in diesem Striche stehen ὅ. 
Alsdann ordnete Philipp für das eigentliche Thessalien eine neue 
Verfassung an, die darauf berechnet war alle Einheitsbestrebungen 
zu brechen und die getheilten Kräfte des Landes völlig seinen 
Zwecken dienstbar zu machen. Er setzte nämlich Tetrarchen über 
Thessalien, je einen über jede der vier Landschaften, unter ihnen 
die Aleuaden Simos, Eudikos, Thrasydaeos. Die Verfassung, welche 
Philipp herstellte weil sie seinem Interesse entsprach, wurde auf 
einen Stammvater des herrschenden Geschlechtes zurückgeführt, 
und dieses mochte dabei seine Rechnung finden *. Aber die Selb- 


1) Nach den ὃ. 399, 2 angeführten Worten fährt Dem. Phil.3, 34 
S. 120, 3 fort: οὐχὶ Θηβαίων ’Eyivov ἀφήρηται; καὶ νῦν ἐπὶ Βυξάν.- 
τιον πορεύεται κτλ. Dazu d. Schol. Ἔχενος δὲ πόλις Θηβαίων μὲν 
ἄποικος, πλησίον δὲ Θετταλίας, ἀπὸ Eyivov (1. ᾿Εχίονος) ἑνὸς τῶν 
Σπαρτῶν. Vgl. Skymnos 608. Über Nikaea 5. R. üb. Phil. Schr. 4 
S. 153, 13 ὑποπτεύεται δὲ (Φίλ.) ὑπὸ Θηβαίων, Νίκαιαν μὲν φρουρᾷ 
κατέχων m. d. Schol. -- καλεῖ δὲ αὐτὴν Θηβαίων ἐπειδὴ ἄποικος ἣν αὖ- 
τῶν. Dagegen gibt Aesch. 3, 140 S. 73 als Grund des Zerwürfnisses der 
Thebaner mit Philipp und ihres Bundes mit Athen an ἐπειδὴ ©. αὐτῶν 
ἀφελόμενος Νίκαιαν Θετταλοῖς παρέδωκεν; ich glaube mit absichtlicher 
Verdrehung der Thatsachen. Den Thessalern hatte Philipp nach Been- 
digung des heiligen Kriegs Nikaea zugewiesen (s. ὁ. 8. 271, 5); diese 
spätere Beschwerde mulste eine andere Ursache haben, ich denke die 
Besetzung jener Städte mit makedonischen Truppen. Vgl. Vömel ἢ. 
Rhein. Mus. I, 549. 

2) Phil. 4, 9 8. 133, 26 ᾿Ὡἀντρῶνας ἐπρίατο, καὶ wer’ οὐ πολὺν 
χρόνον τὰ ἐν ᾿ΘΔρεῷ πράγματ᾽ εἰλήφει. Über die Lage 5. Strab. 9 5. 
135; über die Form des Namens ebend. 8.432. Vgl. Harp. τι. Steph. u. 
d. N., Müller zu Skylax 63. 

3): 84.0: 8,139 

4) Dem. Phil. 3, 26 5. 117, 24 ἀλλὰ Θετταλία πῶς ἔχει; οὐχὶ τὰς 
πολιτείας καὶ τὰς πόλεις αὐτῶν παρήρηται, καὶ τετραρχίας κατέστησεν, 
ἵνα μὴ μόνον κατὰ πόλεις, ἀλλὰ καὶ κατ᾽ ἔϑνη δουλεύωσιν; Die Antithese 


Philipps Rückmarsch. Tetrarchen in Thessalien. 405 


ständigkeit des Landes gieng unrettbar verloren. Die herzogliche 
Würde des Tagos aller Thessaler ward nicht erneuert, sondern Phi- 
lipp nahm das getheilte Land in seine Obhut, aus der Ferne gab er 
schriftliche Weisungen und verfügte unbedingt über die bereit zu 
setzenden Streitkräfte ': und mehrere der Machthaber , welch@ er da- 


geht, wie GHSchaefer gesehen hat, auf die Dekadarchien (o. 8. 324): diese 
waren in den einzelnen Städten eingeführt (eine Collegialbehörde für 
ganz Thessalien zu errichten, wie Vömel in dem Osterprogramm Fkf. 
15830 S. 16f. annahm, war Philipps Politik durchaus nicht gemäfs); 
Jetzt wurde ein Tetrarch über jede Landschaft gesetzt und damit alle 
Selbständigkeit der Gemeinden aufgehoben. Harpokr. u. δεκαδαρχία 
sagt: Φίλιππος μέντοι παρὰ Θετταλοῖς δεκαδαρχίαν οὐ κατέστησεν, ὡς 
γέγραπται ἔν τῷ ς΄ Φιλιππικῷ “ημοσϑένους (Phil. 2, 22 S. 71, 12), 
ἀλλὰ τετραρχίαν. Aber von der letzteren kann Demosthenes in der ΟἹ. 
109, 1 gehaltenen Rede gar nicht sprechen, da sie erst nach Philipps 
epirotischem Zuge eingeführt ist: von diesem handelte Theopomp im 
43. Buche (s. 5. 399, 1), von den Tetrarchien in Thessalien im 44., in 
den folgenden Biichern von dem thrakischen und byzantischen Feldzuge. 
Über die Tetrarchien s. Harpokr. u. d. W.— δ΄ μερῶν ὄντων τῆς Θετ- 
ταλίας ἕκαστον μέρος τετρὰς ἐκαλεῖτο, καϑά φησιν Ἑλλάνικος ἐν τοῖς 
Θετταλικοῖς (fr. 38)" ὄνομα δέ φησιν εἶναι ταῖς τετράσι Θετταλιῶτιν 
Φϑιῶτιν Πελασγιῶτιν Ἑστιαιῶτιν. καὶ ᾿Δριστοτέλης δὲ ἐν τῇ κοινῇ Θετ- 
ταλῶν πολιτείᾳ ἐπὶ ᾿ἡλεύα τοῦ πυρροῦ (Buttmann Mythol. IL, 251) δὲῃ- 
ρῆσϑαί φησιν εἰς δ΄ μοίρας τὴν Θετταλίαν. εἴη ἂν οὖν λέγων ὃ An- 
μοσϑένης τὴν τετραρχίαν. ὅτι δὲ Φίλιππος καϑ'᾽ ἑκάστην τούτων τῶν 
μοιρῶν ἄρχοντα m ‚ δεδηλώκασιν ἄλλοι τε καὶ Θεόπομπος ἐν τῇ 
δ΄ (fr. 234). Theop. fr . 235 (b. Athen. ὁ S. 249°) Φίλιππον δέ φησι 
Osonounog ἐν τῇ δ΄ τῇ uw τῶν ἱστοριῶν Θιασοϑαϊον τὸν Θετταλὸν 
καταστῆσαι τῶν ὁμοεϑνῶν τύραννον, μικρὸν μὲν ὄντα τὴν γνώμην, 
κόλακα δὲ μέγιστον. Harp.u. Εὔδικος" εἷς δ᾽ ἐστὶν οὗτος τῶν καταστα- 
ϑέντων ὑπὸ Φιλίππου κυρίων Θετταλίας ἁπάσης. Ihn nennt Demosthe- 
nes vKr. 48 5. 241, 27 μέχρι τούτου Εὔδικος καὶ Σῖμος 6 Λαρισαῖος 
(φίλοι ὠνομάζοντο Φιλίππου), ἕως Θετταλίαν ὑπὸ Φιλίππῳ ἐποίησαν" 
εἶτ᾽ ἐλαυνομένων καὶ ὑβριξομένων κτλ. Dagegen 205 8.324, 7 Θεττα- 
λοὺς (δούλους ἐποίησαν) Adoyosg Κινέας Θρασυδαῖος. Von Kineas hat 
Theopomp en wo er die makedonischen Parteigänger zusam- 
menstellte (Harp. u. Κεινέας 5. 110, 8 Θεόπομπος ἐν « 1. ἐν va; vol. 
fr. 256. 257 b. hr: u. Ἱερώνυμος τι. Μύρτις). Über Simos den Aleua- 
den vgl. o. Buch II, 7. Zu demselben Hause gehört Thrasydaeos (Butt- 
mann Mythol. II, 247. 290) und vielleicht auch Eudikos. Daochos und 
Thrasydaeos waren Ol. 110, 2. 338 als Gesandte Philipps zu Theben. 
Marsyas fr. 7 bei Plut. Dem. 18. 

1) Dem. Phil. 3, 33 S. 119, 19 γράφει δὲ Θετταλοὶς, ὃν χρὴ τρό- 
πον πολιτεύεσϑαι. Vgl. Alexanders Rede bei Arrian. 7,9, 4 Θεσσαλῶν 

26* 


404 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


mals bestellte, haben später vor der Ungnade ihres Schutzherrn 
flüchten müssen. 

Um jene Zeit! knüpfte Philipp den diplomatischen Verkehr mit 
Athen wieder an, der nach der makedonischen Gesandtschaft des 
Hegesippos unterbrochen war, ein Benehmen in welchem Demo- 
sthenes mit Recht eine Rücksichtlosigkeit erblickte *. Am ionischen 
Meere hatten die Athener seine Pläne durchkreuzt: deshalb that 
Philipp Schritte zu einer Verständigung, ehe er einen neuen Zug 
nach ‘dem Osten antrat... Denn er stand eben im Begriff wiederum 
nach Thrakien vorzudringen um sich der nördlichen Durchfahrten 
nach dem Pontus und damit der Übergänge nach Asien zu versi- 
chern, ein Unternehmen dem die Athener leicht ernstliche Hinder- 
nisse in den Weg legen konnten. Um über ihre Absichten ins klare 
zu kommen und eine bewaffnete Einmischung von ihrer Seite wo 
möglich zu verhüten schickte er eine Gesandtschaft (bei der sich 
aber diesmal Python nicht befand ?) mit einem Schreiben an Rath 


δὲ ἄρχοντας — (ὑμᾶς) ἀπέφηνεν. Verstärkungen aus Thessalien ver- 
schrieb sich Philipp während des thrakischen Feldzuges Dem. Chers. 
14 S. 98,.M. Ξ 

1) Nach der Eroberung Kassopiens und dem Zuge gegen Ambrakia, 
Heges. üb. Hal. 32 S. 84, 21; denn ἐπὶ δ᾽ "Außoaxiav στρατεύεται be- 
sagt nicht dafs Philipp noch auf jenem Zuge begriffen sei. Aus dem 
Stillsehweigen über die letzten Vorgänge in Thessalien (nur der bereits 
früher ausgeführten Besetzung von Pherae ist gedacht) möchte man 
schliefsen dafs Philipp von Thessalien aus die Gesandtschaft abfertigte: 
doch kann es auch erst von Makedonien aus geschehen sein. Die Be- 
schwerde über die Gesandtschaftsreden des Hegesippos wird nicht so- 
wohl die erste, als die jüngste peloponnesische Gesandtschaft betreffen: 
vgl. S. 332, 1. Das Jahr gibt auch Dionysios an, Schr. an Amm. 1, 108. 
737, 13 μετὰ Λυκίσκον ἐστὶν ἄρχων Πυϑόδοτος (Ol. 109, 2), ἐφ᾽ οὗ 
τὴν n (nach seiner Zählung) τῶν Φιλιππικῶν δημηγοριῶν διέϑετο πρὸς 
τοὺς Φιλίππου πρέσβεις, ἧς ἐστὶν ἀρχή κτλ.; er läfst dann die Rede 
von der Gesandtschaft folgen, welche mehrere Monate früher gehalten 
ist (s. 0. S. 358”), wie er auch sonst die Folge der Reden innerhalb 
desselben Jahres nicht genau beachtet; vgl. o. S. 66. 110. 

2) Aesch. 3, 82f. 8.65 εὐ μὲν un πέμποι Φίλιππος πρέσβεις, κατα- 
φρονεῖν αὐτὸν ἔφη τῆς πόλεως, εἰ δὲ πέμποι, κατασκόπους πέμπειν, 
ἀλλ᾽ οὐ πρέσβεις. εἰ δ᾽ ἐπιτρέπειν ar. Der Zusammenhang lehrt dafs 
Aeschines von dieser Zeit spricht. Über die Unterbreehung der Ver- 
handlungen vel. 0. S. 358. 

3) Heges. üb. Hal. 20 8. 81, 24 ὁ Πύϑων — ὃ τότε πρεσβεύων. 


Schreiben König Philipps an die Älthener. 105 


und Bürgerschaft. Dieses Schreiben wiederholte die alte Beschwerde 
über die Feindseligkeit mancher Redner und forderte, man solle 
ihnen das Gehör versagen '. Im besonderen erklärte sich Philipp 
über folgende Punecte: Erstens erbot er sich Halonnes, das sein 
Eigenthum sei, ihnen zu schenken, bestritt aber, dafs sie ein 
Recht hätten das Eiland zurückzufordern ; denn es sei nicht aus ih- 
rem Besitze in seine Hand gekommen. Übrigens sei er bereit sich 
dem schiedsrichterlichen Spruche einer unbetheiligten Stadt zu un- 
terwerfen ?. Zweitens erklärte er seine Gesandten ermächtigt einen 
Handelsvertrag mit Athen abzuschliefsen, behielt sich aber die Ra- 
tification desselben vor?. Drittens nahm er das Recht in Anspruch 
zur Abstellung der Seeräuberei mit den Athenern gemeinsam ein 
(eschwader Wacht halten zu lassen '. Viertens, in Betrefl der Ab- 
änderung des Friedensvertrages, leugnete er erstlich zugegeben 
zu haben “dafs jeder Theil besitzen solle was ihm rechtmäfsig ge- 
höre”: das hätten auch seine Gesandten nicht gesagt. Eine solche 
Änderung streite mit der rechtlichen Basis des Friedens. Dieser 
501 von den Athenern auf den dermaligen Besitzstand abgeschlos- 
sen; demgemäfs sei Amphipolis sein Eigenthum und als solches von 
ihnen anerkannt °. Dagegen genehmigte er die zweite Änderung, 
welche die Athener vorgenommen hatten, den Zusatz der die Frei- 
heit und Selbständigkeit der in-dem Vertrage nicht begrillenen Hel- 


1) Heges. zu Anf. ἃ. Rede S. 76f. S.21f. S. 81, 26. 

2) Heges. 2 8. 77, 6 Φίλιππος γὰρ ἄρχεται μὲν περὶ ““λοννήσον, 
λέγων ὡς ὑμῖν δίδωσιν ἑαυτοῦ οὖσαν, ὑμᾶς δὲ οὔ φησι δικαίως αὐτὸν 
ἀπαιτεῖν" οὔτε γὰρ ὑμετέραν οὖσαν οὔτε λαβεῖν οὔτε νῦν ἔχειν. 78. 
78, 11 ὅταν δὲ λέγῃ περὶ τούτων ὡς ἐϑέλει διαδικάσασϑαι κτλ. Vel. 
Aesch. ἃ. O. 

3) Heges. 9 8. 78, 25 ἔτι περὶ συμβόλων φησὶ πεπομφέναι πρὸς 
ὑμᾶς τοὺς ποιησομένους, ταῦτα δὲ κύρια ἔσεσϑαι — ἐπειδὰν ὡς ἕαυ- 
τὸν ἐπανενεχϑῆῇ. 

4) 14 8. 80, 8 περὶ δὲ τῶν ληστῶν δίκαιόν φησιν εἶναι κοινῇ φυ- 
λάττειν τοὺς ἐν τῇ ϑαλάττῃ κακουργοῦντας ὑμᾶς τὲ καὶ αὑτόν. 

5) 18 5. 80, 29f. περὶ δὲ τῆς εἰρήνης ἣν ἔδοσαν ἡμῖν ol πρέσβεις 
οἵ παρ᾽ ἐκείνου πεμῳφϑέντες ἐπανορϑώσασϑαι, ὅτι ἐπηνωρϑωσάμεϑα -- 
ἐ ἑκατέρους ἔχειν τὰ ἑαυτῶν, ἀμφισβητεῖ μὴ δεδωκέναι μηδὲ τοὺς πρέ- 
σβεις ταῦτ᾽ εἰρηκέναι πρὸς ὑμῶς, vgl. 10. S. 81, 14. 17. 20. 24f. 5. 
82, 24f. 26 5. 83, 10 φησὶ δ᾽ ᾿μφίπολιν ἑαυτοῦ εἶναι ὑμᾶς γὰρ ψη- 
φίσασϑαι ἐκείνου εἶναι, ὅτ᾽ ἐψηφίσασϑε ἔχειν αὐτὸν ἃ εἶχεν. 29 8.83 
28f. Vgl. o. S. 210,3. 212. Philipps Schr. 20ff.-S. 104. 


406 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


lenen garantierte '. Fünftens, was die den Athenern geleisteten 
Versprechungen anbelangte, stellte Philipp in Abrede dafs er ihnen 
je solche Versprechungen gemacht habe: was Hegesippos darüber 
vor den IHellenen geredet, seien baare Lügen und Verleumdungen ὅ " 
Sechstens, in Betreff der nach Abschlufs des Friedens von ihm be- 
setzten Plätze, in denen athenische Truppen gestanden, erklärte 
Philipp sich bereit die Entscheidung einem unparteiischen Schieds- 
gerichte anheimzustellen *. Achtens behauptete Philipp alle in dem 
Kriege gemachten athenischen gefangenen herausgegeben zu ha- 
ben *. Endlich in Ansehung des Chersones mülsten die Athener 
ihren Streit mit den Kardianern vor ein Schiedsgericht bringen: 
wollten die Kardianer darauf nicht eingehen, so werde er selber sie 
dazu nöthigen °. Den Schlufs des Schreibens wird die Versicherung 
Philipps gebildet haben, dafs wenn die Athener seinen Freunden und 
Fürsprechern Vertrauen schenken und seine Feinde und Verleum- 
der bestrafen, er ihnen grofse Wohlthaten erweisen werde ®. 


1) 30. 32 8. 84, 5. 17 περὶ δὲ τοῦ ἑτέρου ἐπανορϑώματος, ὃ ὑμεῖς 
ἐν τῇ εἰρήνῃ ἐπανορϑοῦσϑε, τοὺς ἄλλους Ἕλληνας, ὅσοι μὴ κοινω- 
νοῦσι τῆς εἰρήνης, ἐλευϑέρους καὶ αὐτονόμους εἶναι, καὶ ἐάν τις ἐπ᾽ 
αὐτοὺς στρατεύῃ, βοηϑεὶν τοὺς κοινωνοῦντας τῆς εἰρήνης —. τοῦτο 
δὲ τὸ ἐπανόρϑωμα ὁμολογῶν ἐν τῇ ἐπιστολῇ, ὡς ἀκούετε, δίκαιόν τ᾽ 
εἶναι καὶ δέχεσϑαι--. Über diese Abänderungen vgl. o. 8. 355f. 

2) 33 8. 84, 271, περὶ δὲ τῶν ὑποσχέσεων (ὧν ὑμῖν διατελεῖ ὑπι- 
σχνούμενος ὡς μεγάλα ὑμᾶς εὐεργετήσων) καταψεύδεσϑαί μέ φησιν 
αὐτοὺ διαβάλλοντα πρὸς τοὺς "EAAnvag‘ οὐδὲν γὰρ ὑμῖν πώποτέ φησιν 
ὑπεσχῆσϑιαι. 

3) 36 8. 85, 21 περὶ δ᾽ ὧν ἐν τῇ εἰρήνῃ εἴληφε χωρίων, ὑμῶν 
ἐχόντων, -- ἐπιτρέπειν φησὶ περὶ τούτων ἕτοιμος εἶναι ἴσῳ καὶ κοινῷ 
δικαστηρίῳ. 

4) 38 8. 80, 3 φησὶ δὲ καὶ τοὺς αἰχμαλώτους ἡμῶν, ὅσοι ἐν τῷ 
πολέμῳ ἑάλωσαν, ἀποδεδωκέναι. 

5) 39. 41. 44 8. 86, 10. 87, 1.17 περὶ δὲ Χερρονήσου ἅ τ᾿ ἐπιστέλ- 
λει πρὸς ὑμᾶς .. -- πρὸς Καρδιανοὺς -- ἐπιστέλλει ἐν τῇ νῦν ἐπιστολῇ 
ὡς dei ὑμᾶς διαδικάξεσϑαι, — εἴ τι πρὸς αὐτοὺς διαφέρεσϑε. -- φησίν, 
ἂν μὴ ϑέλωσι διαδικάξεσϑαι οἵ Καρδιανοί, αὐτὸς ἀναγκάσειν. 

6) 84 8. 85, 12 ὑμὶν δ᾽ ἐν τῇ νῦν ἐπιστολῇ ὑπισχνεῖται, ἐὰν 
τοῖς μὲν ἕαυτοῦ φίλοις καὶ ὑπὲρ αὐτοῦ λέγουσι πιστεύητε, ἡμᾶς δὲ 
τοὺς διαβάλλοντας αὐτὸν πρὸς ὑμᾶς τιμωρήσησϑε, ὡς μεγάλα ὑμᾶς 
εὐεργετήσει. Vgl. 1 5. 76f. Diese Stelle kann in Philipps Briefe nicht 
in dem Zusammenhange gestanden haben, in welchem Hegesippos sie 
anführt, 


Hegesippos Rede über Philipps Schreiben. 407 


Die Vergleichsvorschläge, welche das Schreiben Philipps ent- 
hielt, wurden von seinen Gesandten vor dem alhenischen Volke 
noch näher motiviert ', und von den Rednern der makedonischen 
Partei als billig und zweekmäfsig zur Annahme empfohlen *. Von 
der andern Seite hatte niemand dringendere Veranlassung darüber 
seine Meinung abzugeben als Hegesippos: denn sie enthielten den 
Bescheid auf die athenischen Anträge, welche er formuliert und als 
Gesandter in Makedonien geltend gemacht hatte, und an mehr als 
einer Stelle führte Philipp über ihn persönlich Beschwerde *. So 
hielt denn IHlegesippos die Rede, welche uns unter den Werken des 
Demosthenes erhalten ist. Sie hat den Zweck Philipps Aufstellun- 
gen zu widerlegen und ein ablehnendes Antwortschreiben, welches 
am Schlusse der Bürgerschaft vorgelegt wird, zu motivieren. 

Hegesippos beginnt mit dem Ausdrucke der Entrüstung, dafs 
Philipp dureh die Vorwürfe welche er in seinem Schreiben erhebt 
den Vertretern der athenischen Gerechtsame die Redefreiheit ver- 
kürzen will*. Dies geht er alsdann Punet für Punet durch. Über 
Halonnes hat Philipp sich schon mündlich gegen ihn als Gesandten 
dahin geäufsert, er habe die Insel Seeräubern abgenommen und sei 
in rechtmäfsigem Besitz. Aber eine Occupation von Seeräubern hebt 
das bestehende Recht nicht auf: wer sie bewältigt erhält damit kei- 
nen Besitztitel auf den Platz, wo sie sich eben eingenistet hatten. 
Ob die Athener die Insel als Geschenk von Philipp erhalten oder 
als ihr Eigenthum zurückerhalten, ist für den ferneren Besitz das- 
selbe: Philipp verweigert die Anerkennung ihres Rechtes nur um 
allen Hellenen zu beweisen dafs sie sich’s gefallen lassen die See- 
städte aus der, Hand des Makedonenfürsten zu empfangen. Das An- 
erbieten eines Schiedsgerichts über diesen Streit ist ein blofser 
Hohn. Über die Inseln haben die Athener nicht mit einem Ab- 


1) 18. 77, 5. 46 S. 88, 3. 

2),45:8. 87, 23. 5:8. 77,26. Vgl. 16f. S. 80, 17. 25. 18 5. 81, 6 
und Aesch. a. Ὁ. 

3) S. namentlich 33 5, 84, 208. καταψεύδεσθαί μέ φησιν αὐτοῦ. 
19 5. 81, 14 τοῦτο μὲν οὐ κατ᾽ ἐμοῦ, ἀλλὰ nad ὑμῶν ἐπέσταλκεν. 
241. S. 82, 23f. Auch in späteren Schreiben hat Philipp über bestimmte 
Redner mit Nennung der Namen Beschwerde geführt Dem. vKr. 76.79 
S. 250, 23. 251, 25. Über den Volksbeschlufs des Hegesippos und seine 
Gesandtschaft s. ὁ. S. 355 f. 

4) 18. 76—77, 5 mit den Schol. RS. 


405 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


kömmling von Pella zu rechten, sondern mit ihrer Macht ihre Herr- 
schaft zu behaupten: sonst ist es vor aller Welt um ihren Ruf ge- 
schehen !. 

Die Forderung Philipps, dafs der Handelsvertrag in Kraft tre- 
ten solle, sobald er ihn ratifieiert habe, ist unstatthaft, denn das 
Gesetz stellt die endgiltige Entscheidung darüber dem athenischen 
Gerichtshofe anheim. Aber Philipp besteht darauf um sich in die- 
sem Vertrage die Anerkennung auszumitteln, dafs die Wegnahme 
von Potidaea und die Confiscation athenisches Eigenthums, welche 
im Frieden vorgenommen ist, zu Recht bestehe. Denn ein Han- 
delsvertrag zwischen Athen und Makedonien ist überflüssig: hat es 
doch früher bei lebhafterem Verkehre als jetzt keine Unzuträglich- 
keiten gehabt dafs die Athener nach dortigen Gesetzen und jene 
nach hiesigen Recht suchten ?. 

In dem weiterhin erhobenen Anspruche, zur Seewacht gegen 
die Piraten gemeinsam mit den Athenern ein Geschwader kreuzen 
zu lassen, erblickt Hegesippos theils das Ansinnen eines Bekennt- 
nisses als seien die Athener ohne Philipps Mitwirkung nicht einmal 
im Stande zur See Wache zu halten, theils einen Vorwand seine 
Schiffe überall anlegen zu lassen und die Inseln den Athenern ab- 
spenstig zu machen. Denn es ist nicht wahr, was einige sagen, 
dafs ihm an der See nichts gelegen sei: er rüstet eine Flotte mit 
allem Eifer und spart keime Kosten daran. Ein solches Zugeständ- 
nils würde Philipp gar nicht beanspruchen, wenn er nicht auf seine 


e 2-8 8 7760-78, 95: - 


2) 9—13 5. 78, 25—80, 3. Über diese σύμβολα 5. Schömann att. 
Proc. ὃ. 773ff., namentlich S. 776, 9. Vömel Anmerk. z. a. O. Solche 
Verträge garantierten die persönliche Freiheit und das Eigenthum der 
Kaufleute und stellten das Rechtsverfahren in streitigen Fällen fest: im 
vorliegenden Falle sollte, wie 13 S. 79, 26 lehrt, die Bestimmung ge- 
troffen werden, dafs Klagen gegen Makedonen an die makedonischen, 
gegen Athener an die athenischen Gerichte gebracht würden. Die 
übliche Bestimmung, dafs in Friedenszeit confiseiertes Gut den Eigen- 
thimern zurückerstattet werden sollte, konnten die zu Potidaea ansäs- 
sigen Athener für sich geltend machen, da sie in einem Separatfrie- 
den mit Philipp gestanden hatten: darum war Philipp darauf bedacht 
dem Vertrage eine solche Fassung zu geben, dafs er auf jene Confisca- 
tion keine rückwirkende Kraft gewann. Vgl. üb. Potidaea o. 5. 23 u. 
Vömel Einl. z. R. ἃ, H. S. 53f. 


Hegesippos Rede über Philipps Schreiben. 409 


hiesigen Freunde baute, die sich nicht schämen ihm ihr Leben zu 
widmen und nicht ihrem eigenen Vaterlande '. 

Hegesippos kommt dann auf die Abänderungen des Friedens- 
vertrages. Er beruft sich auf die Verhandlungen mit Philipps be- 
vollmächtigten und Pythons Rede um darzuthun, dafs der von ılım 
abgefafste Volksbeschlufs den im Namen Philipps abgegebenen Er- 
klärungen gemäfs sei und, wenn auch im Widerspruche mit dem 
Volksbeschlusse des Philokrates, vollkommen zu Recht bestehe. 
Damit sei Philipp überführt, dafs er die Abänderung des Friedens 
nur zum Scheine angeboten um die Redner welche das gemeine 
beste vertreten in Miseredit zu bringen. Amphipolis erklärt Philipp 
für sein Eigenthum, als solches sei es durch die Grundbestimmung 
des Friedens anerkannt. Aber damit ist die Frage nach dem recht- 
lichen Erwerbe nicht ausgeschlossen, und indem Philipp den Frie- 
denschlufs des Philokrates anführt, schweigt er von dem Schrei- 
ben, das er während der Belagerung von Amphipolis an die Athener 
erliefs, in welchem er anerkannte dafs die Stadt ihnen gehöre ?. 
Die zweite Änderung, kraft deren den übrigen Hellenen, welche an 
dem Frieden nicht Theil haben, ihre Freiheit und Selbständigkeit 
verbürgt wird, genehmigt Philipp in seinem Schreiben ; aber seine 
Thaten — die Besetzung von Pherae, der Zug gegen Ambrakia, die 
Verheerung und Unterjochung der Städte im Kassopien — stehen 
damit in Widerspruch ®. 

Wenn Philipp ferner die Versprechungen, welche er den Athe- 
nern geleistet haben solle, als erlogen und was Hegesippos darüber 
vor den Hellenen gesagt als Verleumdung bezeichnet, so ist das ge- 
radezu unverschämt. Das Schreiben, in welchem er jene Ver- 
heilsungen that für den Fall, dafs der Friede zu Stande käme, liegt 
im Archive: aber nach dem wirklichen Abschlusse sind die vorge- 
spiegelten Wohlthaten dahin und über die Hellenen ist Verderben 
gekommen. Eben so hohl und nichtig sind auch die Versprechun- 
gen welche Philipp jetzt wieder in seinem Schreiben zum besten 
sibt *. 

Hinsichtlich der Plätze, welche Philipp im Frieden aus athe- 

1) 14—17 8. 80, 3—29. 

2) Vel. ὁ. S. 20. 
3) 18—32 8. 80, 29-84, 27. 
4) 33—35 5. 84, 27-85, 20. 


᾽ 


110 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


nischem Besitze entrissen hat, erbietet er sich zu schiedsrichter- 
licher Entscheidung, da er seinen Friedensbruch nicht entschuldi- 
gen kann, sondern offenbar im Unrechte ist. Aber hierüber gerade 
bedarf es gar keines Schiedsgerichtes, sondern das Datum entschei- 
det: jedermann weils, in welchem Monate und an welchem Tage 
der Friede geschlossen und in welchem die thrakischen Festen ein- 
genommen wurden !. 

Die athenischen kriegsgefangenen behauptet Philipp alle zu- 
rückgestellt zu haben: aber er hat doch den Karystier, den Gonsul 
des athenischen Staates, um dessen Freilassung die Athener drei 
Gesandtschaften abgeordnet haben, tödten und nicht einmal den 
Leichnam zum Begräbnils verabfolgen lassen’. , 

Von besonderer Wichtigkeit ist endlich was Philipp über den 
Chersones schreibt und wie er dort verfährt. Der Redner berührt 
die Belehnung des Apollonides von Kardia mit dem ganzen Strich 
des Chersones jenseit von Agora, der von Rechtswegen noch zum 
athenischen Gebiet gehört, dann was Philipp in dem vorliegenden 
Schreiben fordert, dafs die Athener ihren Streit mit Kardıa zu 
schiedsrichterlicher Entscheidung bringen sollen. Es handelt sich 
um das Hoheitsrecht über das Gebiet von Kardia, und die Kardianer 
berufen sich auf einen athenischen Volksbeschlufs, den auch Hege- 
sippos gelten lassen mufls. Aber wenn die Athener mit Kardia in 
ein Rechtsverfahren sich einlassen, so können die andern’ Cherso- 
nesiten ein gleiches fordern: und wenn Philipp sich erbietet jene zu 
nöthigen darauf einzugehen, so ist das eine Beleidigung, als könn- 
ten die Athener die Kardianer nicht zwingen sich ihrem Willen zu 
fügen ὃ. 

“Sind es nicht grofse Wohlthaten, welche Philipp euch entbie- 
“tet? Und diesen Brief finden manche vortrefllich geschrieben, 
“ Leute, die mit gröfserem Rechte als Philipp euer Hafs träfe. Denn 
“jener thut im Streben nach Ruhm und hohem Gewinn euch alles 
‘ zuwider: aber geborene Athener, die nicht ihrem Vaterlande, son- 
“dern Philipp Gunst erweisen, verdienen von eurer Hand mit 
° Schimpf und Schande umzukommen, wenn ihr euer Gehirn in den 
° Schläfen tragt und nicht in den Fersen niedertretet?. 


1) 368 8. 85, 21-86, 3.7 Vgl. οἱ 8.2328. 
2) 88:5. 86, 39. . Vgl. 0.8. 351, & 
3) 39 —A4 8. 86, 10-87, 22. 


Demosthenes Erklärung. Urteil über die Rede des Hegesippos. 411 


“Es bleibt mir noch übrig auf diesen so vortrelllichen Brief 
“und die Reden der Gesandten die Antwort zu entwerfen, wie sie 
“meiner Meinung nach das Recht und euer Interesse erfordert” ἦς 

In demselben Sinne wie Hegesippos erklärte sich auch Demo- 
sthenes. Er verwarfdas Anerbieten eines Schiedsgerichtes, weil ein bil- 
liger Riehter über ihre Streitigkeiten mit Philipp nicht vorhanden sei: 
Halonnes dürften die Athener nicht als Geschenk , sondern nur als 
zurückgestelltes Eigenthum annehmen. Aeschines ? ficht diese Un- 
terscheidung, welche übrigens schon in früheren Debatten aufge- 
stellt war ®, als blofse Sylbenstecherei an und die Komödie hat 
darüber ihren Spott an Demosthenes nicht gespart *: aber es han- 
delte sich um die Ehre des Staates, welche nicht durch Annahme 
eines (snadengeschenks von Philipp befleckt werden durfte. In der 
Entgegnung des Hegesippos erscheint uns manches spitzfindig und 
kleinlich; sie trägt mehr den Charakter der Streitschrift eines Ad- 
vocaten, als der Rede eines Staatsmannes, und wir vermissen in 
ihr die Hoheit und den Adel der Gesinnung welche die demostheni- 
schen Reden durchdringt: aber wir dürfen auch nicht vergessen, 
dafs Philipp so viel Trug wider die Athener gesponnen hatte, dafs 
eine argwöhnische Prüfung seiner Vorschläge vollkommen berech- 
tigt war. Auffallend ist es, dafs Hegesippos eine Hauptfrage gar 
nicht berührt hat, welche erst Demosthenes aufstellte: wer sollte 


1) 44—46 5. 87, 22 de’ οὐ μεγάλα φαίνεται ὑμᾶς εὐεργετῶν; bis 
zu Ende, wo AIIOKPIZIZ als Hinweisung auf das nicht mitgetheilte 
Antwortschreiben hinzuzufügen ist. 

2) Aesch. 3, 83 8. 65 εἰ δὲ ἐπιτρέπειν ἐθέλοι (B.) πόλει τινὶ ἴση 
καὶ ὁμοίᾳ περὶ τῶν ἐγκλημάτων, οὐκ εἶναι κριτὴν ἴσον ἡμῖν ἔφη (J.) 
καὶ Φιλίππῳ. ᾿ἡλόννησον ἐδίδου. ὁ δ᾽ ἀπηγόρευε μὴ λαμβάνειν, εἰ δί. 
δωσιν, ἀλλὰ μὴ ἀποδίδωσι, περὶ συλλαβῶν διαφερόμενος. Aus Dem. 
vKr. 69f. S. 248, 4—10 ergibt sich dafs Demosthenes\über Halonnes kei- 
nen Volksbeschluls verfafst hat: aber Winiewski Comm. 8.131 geht zu 
weit, wenn er leugnet, dafs D. über diese Streitfragen auch nur das 
Wort genommen habe. 


3) Böhnecke F. I, 439f., 5. Vgl. ο. 5. 8568, 

4) Athen. 6, 3 S. 229. Plut. Dem. 9. 5. Meineke fr. com. gr. III, 
92. 342f. 385. 4781. 598f. Schon der alte Hier. Wolf zu Plut. a. O. 
bemerkt: aliud tamen est alicui sua restitui, aliud accipere aliena dono: 
nec enim est leve onus devinctum esse alicuius beneficio, quod accipere, ut 
mimus ait, est libertatem vendere. 


412 Viertes Buch. Fünftes Capitel. 


Schiedsrichter sein? Denn es gab keinen Staat, der parteilos dage- 
standen hätte um einen Mittlerspruch fällen zu können. So waren 
die Athener vollkommen in ihrem Rechte, als sie Philipps Vor- 
schläge dem Antrage des Hegesippos gemäfs ablehnten !. 

Dals wir die Rede unter Hegesippos Namen anzuführen hat- 
ten, kann nach den bestimmten Zeugnissen nicht mehr bezweifelt 
werden. Libanios bemerkt, dafs alte Kritiker sie Demosthenes ab- 
sprachen, welchem Kallimachos (von dem auch der unpassende Ti- 
tel “über Halonnesos? herrührt ?) sie zugeschrieben hatte. “Dafs 
“die Rede nicht von Demosthenes ist, erkennt man an dem Aus- 
“druck und der Satzfügung, welche ganz gegen den Charakter die- 
‘ses Redners schlaf und zerfahren ist: auch zeugt dafür nicht we- 
“nig die Äufserung am Schlufse der Rede “wenn ihr das Hirn 
“u. s. w. : denn Demosthenes pflegt freimüthig zu sprechen, dies 
“ist aber eine Frechheit und mafslose Schmähung: überdies ist der 
“Ausdrack in hohem Grade gemein’. Libanios fügt weiter hinzu, 
dafs einige jener Kritiker Hegesippos als Verfasser ermittelt haben, 
sowohl aus der Redeweise (denn so sei sein Stil) als aus dem Inhalte: 
denn der Verfasser erkläre wider Kallippos von Paeania eine Klage 
wegen gesetzwidriger Anträge erhoben zu haben, und diese habe 
nicht Demosthenes sondern Hegesippos angestellt. Freilich ent- 
halte die Rede über Halonnesos denselben Rathschlag, den Aeschi- 
nes dem Demosthenes beimifst : aber Demosthenes und Hegesippos 
konnten hier dasselbe anrathen, da sie auch im’ übrigen der- 
selben politischen Partei angehörten. Libanios schliefst mit den 
Worten: “es ist also klar dafs die Rede des Demosthenes über Ha- 
“Ionnes nicht erhalten ist, sondern dafs man die vorgefundene 
“von anderer Hand ihm beigelegt hat, davon ausgehend dafs er über 
‘“Halonnes gesprochen, ohne weiter zu prüfen ob diese Rede eben 


1) Vgl. Phil. Schr. 11 5. 161, 21. 141’ S. 162, 23. S. auch 20 8. 
164, 14. 

2) Dionys. Dem. 13 $. 993 f. ὁ - πρὸς τὴν ἐπιστολὴν καὶ τοὺς πρέ- 
σβεις τοὺς παρὰ Φιλίππου ῥηϑεὶς λόγος, ὃν ἐπιγράφειν Καλλίμαχος 
εὑπὲρ Alovvnjcov’. Schr. an Amm. 1,10 5. 797, 13 betitelt er sie kurz 
als die Rede πρὸς τοὺς Φιλίππου πρέσβεις. Liban. ἘΠ]. zu Anf. οὗ- 
tog ὃ λύγος ἐπιγράφεται μὲν περὶ “λοννήσου, τάχα δ᾽ ὀρϑότερον ἐπι- 
γράφειν “πρὸς τὴν ἐπιστολὴν τὴν Φιλίππου᾽ κτλ. Vgl. Phot. Bibl. 
265 S. 4918, 2, wo κατὰ Φιλίππου — δεύτερος wohl auf einem Misver- 
ständnisse beruht; doch 5. Vömel Comm. S. 103. 


Urteil über die Rede des Hegesippos. 415 


‘sein Werk sein dürfte”'. Auch Dionysios hat wenigstens so viel 
anerkannt, dafs die Rede von den andern Staatsreden des Demo- 
sthenes sich wesentlich unterscheide: sie sei eine vollendete Nachbil- 
dung der Redeweise des Lysias, sauber und knapp, aber von dem 
Schwunge, der Würde, der eindringlichen Kraft und den andern 
Eigenschaften der demosthenischen Beredsamkeit lasse sie wenig 
spüren?. Das hat im einzelnen Vömel ἢ weiter verfolgt und die 
stilischen Eigenthümlichkeiten, welche sehr scharf hervortreten, 
sorgfältig zusammengestellt: auf den wichtigen Umstand, dafs He- 
gesippos Wort führer der athenischen Gesandtschaft war, auf welche 
der Redner sich bezieht, und nicht Demosthenes, der nach O1. 108,2 
keine makedonische Gesandtschaft wieder übernommen hat, war 


1) Liban. Einl. z. ἃ. Rede (den Photios a. O. excerpiert). Übrigens 
glaube ich nicht, dafs die Rede des Demosthenes über Halonnes verlo- 
ren gegangen ist (wie Vömel a. O. 8. 36 annimmt; οὐ σώξεται sagt Li- 
‘banios), sondern dafs er sie gar nicht herausgegeben hat. Auf die ältern 
Kritiker (Vömel prolegg. S. 23 denkt vor allen an Caecilius) beruft sich 
Libanios 8. 75, 22 ὑπώπτευσαν δὲ καὶ οἵ πρεσβύτεροι τὸν λόγον ὡς 
οὐ τοῦ δήτορος. καὶ πεφωράκασί γέ τινες ὄντα Ἡγησίππου καὶ ἀπὸ 
τῆς ἰδέας τοῦ λόγου (τοιαύτῃ γὰρ κέχρηται) καὶ ἀπὸ τῶν πραγμάτων 
κτλ. Harp. u. Ἡγήσιππος"-- ὃ Κρωβύλος ἐπικαλούμενος, οὗ δοκχεὶ τισιν 
εἶναι 6 ξ΄ Φιλιππιχὸς ἐπιγραφόμενος -]ημοσϑένους. Ders. u. ᾿λέξαν- 
δρος “Μολοττός' (S. 11, 13) “ημοσϑένης -- ἐν ξ΄ Φιλιππικῶν, εἰ γνή- 
sıog 0 λύγος; so auch u. ᾿Ελάτεια ; dagegen wird u. Βούχετα u. σύμβολα 
die Rede als demosthenisch eitiert. Uber andere Citate 5. Vömel a. O. 
5. 23ff. Schol. ΤΟΥ͂. zur R. üb. ἃ. Vertrag m. Alex. 8. 254, 6 Df. 
νενόμισται (ὃ λόγος) εἶναι τοῦ εΙημοσϑένους ἀλλότριος, ὥσπερ καὶ ὁ 
ξ΄ τῶν Φιλιππικῶν, ὃν ὑπὲρ ᾿ἡλοννήσου τινὲς ἐπιγράφουσιν. ἀμφοτέ- 
ρους γὰρ τούτους ἀναφέρουσιν εἰς Ἡγήσιππον τὸν Κρωβύλον ἐπικλη- 
ϑέντα. Über die spätere Rede 5. Buch V. 

2) Dionys. Dem. a. O. Vgl. 9 5. 981, 5 μυρία τοιαῦτα (ἐξηλλαγμέ- 
va) ἔστι παρὰ “Ι]Ίημοσϑένει, καὶ μάλιστα ἐν τοὶς κατὰ Φιλίππου λόγοις" 
μᾶλλον δὲ σπάνια τὰ μὴ οὕτως ἔχοντα, πλὴν ἕνὸς λόγου τοῦ περὶ 
“Alovvnoov. In dem Schreiben an Amm. a. O. führt er die Rede ohne 
weitere Bemerkung als ein Werk des Demosthenes auf; anch andere 
Rhetoren rechnen einzelnes daraus Demosthenes zum Tadel an: s. Vö- 
mel a. Ο, S. 12. 14. Ob Hermogenes v. ἃ. Erfind. 3, 5. 110 absicht- 
lich bei dem Citat aus $ 2f. S. 77 Demosthenes Namen unterdrückt 
(ἀπὸ τῶν ἀρχαίων), zweifle ich. * 

3) Frankf. Herbstprogramm 1830: ostenditur Hegesippi esse or. de 
Hal.; wiederholt in den Prolegg. zu s. Ausg. 1833. Vgl. Sauppe OA. II, 
257f. Benseler de hiatu S. 68f. 


414 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


schon von Winiewski hingewiesen '. Wir können uns dessen nur 
[reuen, dafs wir aus dieser Rede einen Zeitgenossen des Demosthe- 
nes kennen lernen, der allerdings gegen die ersten Meister der 


Kunst weit zurücksteht, aber doch nicht ohne Geist und Laune 
seine Worte gar gewandt zu setzen weils ?. 


SECHSTES CAPITEL. 


Dritter thrakischer Krieg Philipps. Diopeithes athenischer Feld- 
herr im Chersones. Demosthenes chersonesitische und dritte 
philippische Rede. 


Die ablehnende Antwort, welche die makedonischen Gesandten 
zu Athen auf die von ihnen überbrachten Vergleichsvorschläge em- 
pfiengen, liefs einer friedlichen Abkunft kaum noch Raum. Aber 
Philipp wufste dafs bei den Athenern von den Worten zu Thaten 
noch ein weiter Schritt sei, und die Berichte seiner Botschafter 
mochten ihn in der Ansicht bestärken dafs er für die nächste Zeit 
von dort her keine entscheidenden Mafsregeln zu besorgen habe. 
So brach er denn bald nach seiner Rückkehr von dem epirotischen 
Zuge gen Thrakien auf und unternahm einen Krieg, der ihn weiter 
geführt und anhaltender beschäftigt hat als irgend einer seiner frü- 
heren Kriege: denn erst im vierten Jahre ist er mit dem Heere nach 
Makedonien zurückgekehrt. 

In Epirus und Thessalien hatte Philipp durch seine letzten An- 
ordnungen seinen Einflufs hinlänglich befestigt, und die Abhängig- 
keit Euboeas, die Bündnisse mit den Thebanern, Aetolern und meh- 
reren peloponnesischen Staaten bildeten ein System makedonischer 
Hegemonie, welches wie es schien nicht so leicht aufgelöst werden 
konnte. Den Vorsitz bei den pythischen Spielen Ol. 109, 3. 342 
durfte der König einem seiner Unterthanen übertragen °. Indessen 


1) Comm. in D. or. de δου. 8. 132f.; vgl. Böhnecke F. I, 439. Über 
die zwei Gesandtschaften des Demosthenes (ἐξὸν μηδὲ ἅπαξ) 5. Aesch. 
3, 13 8. 64. ᾿ 

2) Aufser Dionysios lobendem Urteile vgl. Aesch. 1, 71 8. 10 ud- 
Aa ἐπιστρεφῶς καὶ δητορικῶς. Über Hegesippos s. auch ο. 8. 311f. 

3) Dem. Phil. 3, 32 $. 119, 10 τύϑησι μὲν τὰ Πύϑια (Φ.) —, κὰν 


Philipps thrakischer Krieg. 415 


blieb eine doppelte Aufgabe zu erfüllen ehe Philipp nach Asien 
übersetzen und mit dem Sturze des Perserreiches sein Werk krö- 
nen konnte: er mufste das seemächtige Athen und das immer noch 
kriegslustige Sparta und was diesen Staaten anhieng demüthigen 
und durch die Eroberung Thrakiens sowohl sein makedonisches 
Reich sichern ! als die Übergänge nach Asien in seine Hand brin- 
gen. Philipp gieng zunächst an den thrakischen Krieg. Noch 
scheute er sich in die hellenischen Angelegenheiten allzutief sich zu 
verwickeln: wie er vor vier Jahren aus Phokis abzog ohne den in Aus- 
sicht gestellten Marsch nach dem Peloponnes anzutreten, so hatte 
er jetzt auf die ersten Anstalten zum Widerstande seine Pläne auf 
Ambrakia und Akarnanien nicht weiter verfolgt; Beweis genug dafs 
die Basis seiner Macht noch nicht so fest stand um einen möglichen 
Rückschlag zu ertragen. Am wenigsten konnte ihm ein ollener 
Krieg mit Athen für jetzt gelegen sein. Die Athener hatten als 
Herren der See — denn wie viel Philipp auch für seine Marine wäh- 
rend der letzten Jahre gethan hatte, der athenischen konnte sie doch 
die Spitze nicht bieten — Mittel und Wege genug ihm wehe zu thun?, 
und dafs sie diese jetzt kräftiger benutzen würden als früherhin, 
liefs sich mit Bestimmtheit vorausschen. Vereinigten sich gar mit 
ihnen die streitbaren Völker Thrakiens und Ukriens zu gemeinsa- 
mem Angrilfe, so ward das makedonische Reich in seinen Grund- 
vesten erschüttert. 

Das mögen die Erwägungen gewesen sein, welche Philipp be- 
stimmten Griechenland noch in Frieden zu lassen unter der er- 
schlalfenden und zerrüttenden Einwirkung seiner Parteigänger und 
Söldlinge. Und wenn er zuvörderst Thrakien eroberte, so hatte er 
damit einen bedeutenden Schritt nicht blofs zur Sicherung Make- 
doniens und zu den Operationen gegen Persien gethan, sondern er 
konnte dann die Lebensadern des athenischen Seeverkehrs unter- 
αὐτὸς μὴ παρῇ, τοὺς δούλους ἀγωνοθετήσοντας πέμπει. Ol. 108, 3 
hielt Philipp persönlich die Spiele ab (o. S. 277); also können bei der 
Stellvertretung nur die nächsten Pythien gemeint sein. Das haben Vö- 
mel (D. Phil. III hab. esse ante Chers. 1837 S. 5), Droysen Z. f. d. 
AW. 1839 S. 715, Böhnecke F. I, 316, 5 richtig gesehen. Man möchte 
an Parmenion denken (vgl. o. S. 392f. u. 402); aber Liban. IV S. 311, 
23 sagt τὰ ᾿“ντιπάτρου Πύϑια. 

Drvel. Arnıan, 1, 1; 4: 

2) Dem. Phil. 3, 52 S. 124, 11. 


416 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


binden. Denn war das thrakische Binnenland einmal bezwungen, 
so schienen die hellenischen Städte an der Küste und der Cherso- 
nes ihm nicht entgehen zu können. Damit beherrschte er die Dureh- 
fahrten zum Pontus, dem wichtigsten Handelsgebiete der Athener, 
ohne das sie gar nicht bestehen konnten, denn von dorther bezo- 
gen sie ihren Getreidebedarf!. 

In Makedonien liefs Philipp seinen damals fünfzehnjährigen 
Sohn Alexander zurück, zu dessen Ausbildung er in dem verwiche- 
nen Jahre Aristoteles nach Makedonien berufen hatte’. Zu dieser 
glücklichen Wahl bestimmte den König gewifs vor allem der aner- 
kannte Werth des Mannes, aber auch die freundschaftlichen Bezie- 
hungen in denen der Philosoph zu Hermeias von Atarneus und zu 
andern Feinden des Perserkönigs stand, konnten ihm zur Empfeh- 
‚lung gereichen. Philipp erwies sich Aristoteles ungemein gnädig: 
er baute ihm zu Gefallen seine Vaterstadt Stageira wieder auf und 
setzte die geflüchteten oder in Knechtschaft lebenden Bürger in ihr 
Eigenthum und städtische Rechte ein®. Und Alexander zeigte sich 
eines solchen Lehrers würdig. Er reifte so schnell, dafs sein Va- 
ter ihn, wenn nicht schon gleich bei seinem Abzuge, so doch im 
Verlaufe des Krieges zu seinem Statthalter in Makedonien bestellen 
und ihm das königliche Siegel anvertrauen konnte * 


1) Justin. beginnt das 9. Buch (das 8. schliefst mit dem Zuge nach 
Epirus: die weiteren Begebenheiten bis zum Entsatze von Perinthos, 
die Trogus in demselben Buche noch erzählt hatte, überspringt er ganz): 
In Graeciam Philippus cum venisset sollicitatus paucarum eivitatium direptione 
el ex praeda modicarum urbium, quantae. opes universarum essent, animo 
prospiciens, bellum toti Graeciae inferre statuwt. Ad cuius emolumentum 
egregie perlinere ratus, si Byzantium, nobilem et maritimam urbem, recepta- 
culum terra marique copüs suis fulurum in potestatem redegisset etc. Dem. 
Chers. 44f. S. 100, 108. vKr. 87 8. 254, 20 ὁρῶν δ᾽ ὅτι σίτῳ πάντων 
ἀνθρώπων πλείστῳ yowusd” ἐπεισάκτῳ, βουλόμενος τῆς σιτοπομπίας 
κύριος γενέσϑαι, παρελϑὼν ἐπὶ Θρᾷάκης Βυζαντίους κτλ. 101 5. 359, 
20. Vgl. gLept. 31 8. 466, 22. vdG. 180 8. 397, 22 δυο χφησιμωτέ- 
ρους τύπους τῆς οἰκουμένης οὐδ᾽ ἂν εἷς ἐπιδείξαι ἢ: πόλει, κατὰ μὲν 
γὴν Πυλῶν, ἐκ ϑαλάττης δὲ τοῦ͵ Ἑλλησπόντου, 

2) Apollod. fr. 92 b. Diog. v. L. 5, 10 ἐπὶ Πυϑοδότου δ᾽ ἐλϑεῖν 
(Agıstoriinv) πρὸς Φίλιππον, τῷ β΄ ἔτει τῆς 9 καὶ ρ΄ ὀλυμπιάδος, ᾽4λε- 
ξάνδρου ιε΄ ἔτη ἤδη γεγονότος. Dionys. Schr. an Amm. 1,5 $.728, 7. 
Vgl. Plut. Alex. 7. Alexander vollendete sein 15. Jahr Ol. 109, 3 z. A. 

3) S. die S. 144, 2 angeführten Stellen. 

4) Plut. Alex. 9 Φιλίππου δὲ στρατεύοντος ἐπὶ Βυξαντίους ἣν μὲν 


Philipps thrakischer Krieg. 417 


Den thrakischen Krieg hat Theopomp, so viel wir aus den 
Fragmenten ersehen, in fünf Büchern der philippischen Geschich- 
ten behandelt ', allerdings nach seiner Art mit Abschweifungen; von 
Anaximenes werden aus zwei Büchern (dem siebenten und achten) 
dahin gehörige Fragmente angeführt *. Aus diesen Darstellungen 
von Zeitgenossen sind nur kümmerliche und abgerissene Nachrich- 
ten auf uns gekommen °. Diodor erzählt *, der König Kersobleptes 
habe die Thrakien benachbarten Städte am Hellespont (d. h. im wei- 
teren Sinne bis zum Pontus hin) bedrückt und ihr Land verheert. 
Um diesen Übergriffen der Barbaren eine Schranke zu setzen, sei 
Philipp Ol. 109, 2 mit einem starken Heere ausgezogen, habe die 
Thraker in mehreren Schlachten geschlagen und den besiegten Stäm- 
men den Zehnten auferlegt. Ferner habe er an geeigneten Plätzen 
ansehnliche Städte gegründet und so den Trotz der Thraker gebro- 
chen. Deshalb seien die Städte der Hellenen, von ihrer Furcht er- 
löst, bereitwilligst zum Bündnisse mit Philipp zusammengetreten. 
Wie damit der Angriff auf Perinth und Byzantion zusammenhängt, 
hat er mit keinem Worte angedeutet. 

Wir entnehmen daraus dafs Philipp durch neue Feindseligkei- 
ten des Odrysenfürsten Kersobleptes sei es gegen die früher von 
ihm eroberten Orte oder gegen verbündete Städte, etwa gegen Kar- 
dia, zum Kriege gereizt war. Mit Kersobleptes hielt auch der hoch- 
bejahrte Teres zusammen, der früher, obwohl mit dem attischen 
Bürgerrechte beschenkt, als Philipps verbündeter gegen die Athe- 
ner, also auch gegen Kersobleptes zu Felde gezogen war’. Auf 
ἑχκαιδεκέτης ᾿ἀλέξανδρος, ἀπολειφϑεὶς δὲ κύριος ἐν Μακεδονίᾳ τῶν 
πραγμάτων καὶ τῆς σφραγῖδος κτλ. 

1) Theop. XLVI—XLVII ἔν, 344---248, L fr. 253. 

2) Fr, 11—13. 

3) 8. üb. d. thrakischen Krieg Böhnecke F. I, 300ff. 4530, 451 δ΄. 

4) 16, 71. 

5) Über die Ausdehnung des Odrysenreiches 5. Strab. 7 fr. 48 'Odev- 
cas δὲ καλοῦσιν ἔνιοι πάντας τοὺς ἀπὸ Ἕβρου καὶ Κυψέλων μέχρι 
Ὀδησσοῦ τῆς παραλίας ὑπεροικοῦντας, ὧν ἐβασίλευσεν ᾿Δμάδοκος καὶ 
Κερσοβλέπτης καὶ Βηρισάδης καὶ Σεύϑης καὶ Κότυς. Über Teres 5. 
Philipps Schr. 8, 10 S. 160, 19. 24. 161, 15. Der Feldzug dürfte der 
von Ol. 108, 2. 346 sein. Denselben Namen führte ein Vorfahr des 
Seuthes Xen. Anab. 7, 2, 22. Da Teres ein Alter von 92 Jahren er- 
reichte (Theop. fr. 300 b. Luk. Makrob. 10), kann er derselbe sein, der 

DEMOSTHENES II. 27 


418 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


welchem Wege Philipp vorgieng, ob er, wie später Alexander, von 
dem Nestosthale aus nach dem bergigen Binnenlande eindrang, oder 
ob er sein Heer im Hebrosthale aufwärts ziehen hefs, erfahren wir 
nicht: wahrscheinlicher ist das letztere, zumal da der König vor 
Eröffnung des Feldzuges nach Kardia auf dem Chersones sich be- 
geben zu haben scheint '. In offener Schlacht konnten die Thra- 
ker dem Angriffe der Makedonen nicht widerstehen. Ihre Wallen 
waren zu leicht, ihre keilförmige Schlachtordnung bot der Phalanx 
gegenüber nur ein rohes Massengefecht: mehr als einmal wurden 
sie geschlagen ?. Der Ruf dieser Siege erscholl über den Haemos. 
Kothelas der Getenkönig kam zu Philipp und brachte ihm seine 
Tochter zum Weibe mit vielen Geschenken als Unterpfand der 
Freundschaft ®. Aber mit den Schlachten war der Krieg nicht zu 
Ende: die Thraker scheinen dem Feinde jeden Schritt streitig ge- 


57 Jahre früher in dem Delta nördlich von Byzanz herrschte. Xen. A. 
TE 

1) Liban. Einl. zu Dem. Chers. S. 89, 3 sagt nur τοῦ Φιλίππου 
περὶ τὴν μεσόγειαν τὴν ἄνω Θράκην πολεμοῦντος πρὸς τὸν Ὀδρυσῶν 
βασιλέα. Zu Kardia lernte Philipp den kaum zwanzigjährigen Eume- 
nes kennen und nahm ihn als Geheimschreiber in seine Dienste, in 
denen er bis zu Philipps Tode sieben Jahre gestanden hat, Ol. 109, 2 
zu Ende — 110, 1. 342—336: die angebrochenen Jahre werden für voll 
gerechnet. S. Nep. Eum. 1. 13 Nipperdey. Plut. Eum, 1. Böhnecke 
Pr T, 8702780. 

2) Diod. a. O. Vgl. Alexanders Kampf mit den thrakischen Berg- 
völkern Arr. 1, 1. Über die thrakische Schlachtordnung Arr, Takt. 
16,0. 

3) Theopomp. XLVI fr. 244 (Ὁ. Athen. 14 8. 627°) Γέται nıdaoas 
ἔχοντες καὶ κιϑαρίζοντες τὰς ἐπικηρυκείας ποιοῦνται. Satyr. fr. 5 (Ὁ. 
Ath. 13 8. 5574) καὶ τὴν Θράκην δὲ ὅτε εἷλεν (Φίλ.), ἧκε πρὸς αὐτὸν 
Κοϑήλας 6 τῶν Θρᾳκῶν βασιλεὺς ἄγων Mndav τὴν ϑυγατέρα καὶ δῶρα 
πολλά" γήμας δὲ καὶ ταύτην ἐπεισήγαγε τῇ Ὀλυμπιάδι. - Jornandes 10 
(aus Dion Chrys. Γετικα) Philippus quoque, pater Alexandri M., cum 
Gothis amieitiam copulans Medopam Gothilue filiam regis accepit uxorem, ut 
tali roboratus affinitate Macedonum regna firmaret. Steph. v. Byz. Γετία" 
— Γέτης γὰρ τὸ ἐϑνικόν --- ἔστι δὲ Θρᾳκικὸν ἔϑνος. ἔστι καὶ ϑηλυ- 
κῶς Γέτις" οὕτως γὰρ ἐκαλεῖτο ἡ γυνὴ τοῦ Φιλίππου τοῦ Auvvrov. 
Diese Stellen hat Böhnecke F. I, 500ff. nachgewiesen; vgl. Jak. Grimm 
Gesch. d. deutschen Sprache I, 184. Damals wohnten die Geten noch 
wie zu den Zeiten des Herodot (4, 93) und Thukydides (2, 96) zwischen 
dem Haemos, der Donau und dem Pontos: s. Jornandes a. Ὁ, Böhnecke 
S. 306. 


Philipps thrakischer Krieg. 419 


macht zu haben '. Jedoch Philipp nahm in dem fruchtbaren Ge- 
biete des mittleren Hebros einen Ort nach dem andern ein: dort 
überwinterten seine Truppen in Erdlöchern, “in der Schmutz- 
grube?, wie Demosthenes sagt. Damals dauerte der Feldzug 
schon zehn Monate, und Philipp arbeitete daran die eroberten Orte 
zu befestigen *. Denn es galt die dauernde Besitznahme des gan- 
zen Landes und dessen Einverleibung in Makedonien. Wie in an- 
dern Gegenden ὅ so sollten auch hier Kolonien, welche theils militä- 
rische Posten bildeten theils auf die Bergwerke und den Ackerbau 
angewiesen waren, die gewonnene Herrschaft sichern und befesti- 
gen. Die wichtigsten Plätze waren die nach dem Gründer benannte 
Stadt Philippopolis am Hebros selbst und Kabyle an dem Neben- 
(lusse der jetzt Tundscha heilst. An beiden Orten wurden Sträf- 
linge angesiedelt, 2000 allein zu Kabyle (oder zu Kalybe ?), weshalb 
es auch “die Schurkenstadt” genannt ward. Eine dritte Straf- 
kolonie war Bine. Bero@ an einem Zuflusse der Tundscha ward 
ebenfalls seiner strategischen Wichtigkeit halber wohl schon von 


1) Von einem Rückzuge Philipps vor den Thrakern erzählt Polyaen. 
4, 2, 13 Φ. διωκόμενος ὑπὸ Θρᾳκῶν κτλ. Von der Überlistung einer 
thrakischen Stadt 4, 2, 4. 

2) Dem. Chers. 44f. 8. 100, 20f. - τὸν Φίλιππον τῶν μὲν ἐν Θρά- 
κῃ κακῶν (τί γὰρ ἂν ἄλλο τις εἴποι Jooyyilov καὶ Καβύλην καὶ Μά- 
στειραν καὶ ἃ νῦν ἐξαιρεῖ καὶ κατασκευάξεται:) τούτων μὲν ἐπιϑυμεῖν 
καὶ ὑπὲρ τοῦ ταῦτα λαβεῖν καὶ πόνους καὶ χειμῶνας καὶ τοὺς ἐσχάτους 
κινδύνους ὑπομένειν" -- und weiter ὑπὲρ -- τῶν μελινῶν καὶ τῶν ὀλυ- 
ρῶν τῶν ἐν τοῖς Θρᾳκίοις σειροῖς (die Thraker speicherten ihre Hirse 
und Gerste in Korngruben .auf) ἐν τῷ βαράϑρῳ χειμάζειν. 36 5. 98, 23 
δέκα μῆνας ἀπογενομένου τἀνϑρώπου καὶ νόσῳ καὶ χειμῶνι καὶ πολέ- 
μοις ἀποληφϑέντος ὥστε μηδ᾽ ἂν δύνασϑαι ἐπανελϑεὶν οἴκαδε. 28. 
90, IL τῆς στρατείας ἣν ἑνδέκατον μῆνα τουτονὶ Φίλιππος ἐν Θράκῃ 
ποιεῖται. Aus 14 S. 93, 13. 18 S. 94, 6 ist zu entnehmen dals es auf 
den Sommer zugieng. Wenn Demosthenes die Rede etwa im März 341 
(O1. 109, 3) hielt, so hatte Philipp seine Heerfahrt im Mai 342 Ol, 
109, 2 angetreten, was zu Diodors Angabe stimmt. Harpokration be- 
merkt, Masteira komme nirgends vor: Anaximenes im 7. Bnche nenne 
die Städte Basteira, Pisteira, Epimastos. Das thrakische Drongilon (vgl, 
Harp. u. d. W.) ist nicht zu verwechseln mit dem thessalischen Orte d. 
N., den Theop. IX (fr. 86 b. Steph. v. B.) nebst andern Orten Thessa- 
liens genannt hatte. 

3) 8. 0. 8. 24. 26. 323. Zu dem folgenden 5. Tafel ep. ecrit, zu 
Constant. Porph. de prov, R, Byz. 5. XXV—XXXI. 

27” 


420 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


Philipp mit Makedonen besetzt‘. Wir sehen, wie rücksichtslos 
Philipp in Thrakien verfuhr: grofse Strecken Landes mögen seine 
Kriegsobersten zum Geschenke empfangen haben ἢ. Indessen wa- 
ren die Verluste welche das makedonische Heer in den Gefechten 
mit den streitbaren Thrakern und durch Krankheiten erlitt so grofs 
dafs Philipp, der selbst eine Zeitlang gefährlich danieder lag, aus 
Makedonien und Thessalien beträchtliche Verstärkungen an sich zie- 
hen mufste ®. Im Verlaufe des zweiten Feldzugs (Ol. 109, 3/4. 
341) gelang es ihm die thrakischen Fürsten zu entthronen *, doch 
die Stämme des höheren Gebirges blieben unabhängig, wie sie von 
jeher gewesen waren ®. Philipp mufste besonders darum zu thun 
sein sich an der Küste des Pontus festzusetzen, und wie wir dies 
von Apollonia wissen °, so mögen noch manche der hellenischen 


1) Mit Dem. a. Ὁ. vgl. Harpokr. u. Καβύλη aus Theopomp. XLVII 
(fr. 246) u. Anaxim. VIII: οὗτος δέ φησιν αὐτὸ ἵδρύσϑαι πρὸς Τάξῳ 
(I. Τούνξῳ mit Tafel ἃ. Ο. 5. XXV. XXVII) ποταμῷ κατὰ μέσον τῆς 
Θράκης. Steph. v. B. Καβύλη πόλις Θράκης, οὐ πόρρω τῆς τῶν ’Aorav 
χώρας: Πολύβιος ιγ΄ (e. 10) u. (u. ζἄστακος) ᾿ἀστικὴ χώρα Βυξαντίων 
(denn so ist mit Meineke zu lesen) aus Theop. ΧΙΥ͂ΙΙ (fr. 247). Dort 
lag Kalybe (Steph. u. d. N.): Strab. 7 Κ΄. 320 ὑπέρκειται δὲ τοῦ Βυ- 
ζαντίου τὸ τῶν Actav ἔϑνος, ἐν ᾧ πόλις Καλύβη, Φιλίππου τοῦ Auvv- 
του τοὺς πονηροτάτους ἐνταῦϑα δρύσαντος. Über diese Πονῃρόπολις 5. 
Theop. XIII fr. 122 (aus Mich. Apost. 6, 35. Suid. u. JovAwv πόλις : 
Th. hat ihrer gedacht bei einer ähnlichen Stadt in Aegypten). Plut. 
üb. d. Vielgeschäft.' 10 S. 520b. Steph. u. d. N. Plin. NH, 4, 18 verlegt 
sie nach Philippopolis: inter quos (populos) Hebrus amnis, oppidum sub Rho- 
dope Poneropolis antea, mox a conditore Philipyopolis, nune a situ Trimontium 
vocalur. Bine (oder Binaria) wird als MoıyoroAıg bezeichnet Etym. M. 
u. Bivn. Tzetzes in Kiefslings Ausgabe der Chiliaden 5. 510. S. dar- 
über sowie über Bero& Tafel a. O. 5. XXVIf. Über die Lage von 
Philippopolis und Kabyle vgl. Ptolem. geogr. 3, 2, 12; über die Grün- 
dung von Philippopolis Steph. u. d. N. Φιλίππου τοῦ Auvvrov κτίσμα 
ἐν τῷ Eßew. Dexippos fr. 20 Ὁ. Müller fr. h. gr. HI, 678%, Tafel a. 
0. 5. XIV. Aus Theop. XLVII wird von Stephanos noch die thraki- 
sche Stadt Agessos angeführt (fr. 245). 

2) Theop. XLIX fr. 249 (Ὁ. Athen. VI S. 2612). Thirlwall VI, 42. 

3) Dem. Chers. 14 8. 93, 11. Über Philipps Krankheit 36f. 5. 98, 
24. 99, 5. 

4) Philipps Schr. a. O. 

5) Arrian. a.0. οὗ Θρᾷκες οὗ αὐτόνομοι. Thuk. 2,96. Vgl. Paus. 1, 
9,5f. Böhnecke F. IS. 304. Daher heifst es bei Arr. 7, 9,3 Φ, τῆς Θράᾷ- 
uns τὰ πολλὰ τῇ Μακεδονίᾳ προσέϑηκεν. 

6) Just. 9, 2. Apollonia ist das heutige Sisebolu unfern Burgas. 


Diopeithes athenischer Feldherr am Hellespont. 421 


Pflanzstädte gern und willig in einen Bund mit Makedonien getreten 
sein. Daraus erklärt sich die allgemeine Angabe Diodors. Viel- 
leicht ist Philipp damals schon über den Haemos gegangen um Odes- 
sos (das heutige Varna) an sich zu bringen, eine Stadt die Strabon 
noch zum Odrysenreiche zieht, während sie nach andern Nachrichten 
von den Geten besetzt war '. Hier kam es zu keinem Kampfe: 
nach gütlicher Übereinkunft ward ein Bündnifs abgeschlossen und 
«darauf zog Philipp wieder nach Süden’. Denn beharrlich wider- 
strebten seinen Anträgen die früher ihm verbündeten ® Städte Pe- 
rinthos und Byzantion: darum traf er im dritten Jahre des thraki- 
schen Krieges Anstalt sie durch eine Belagerung zu bezwingen. 
Hierüber kamen die Feindseligkeiten mit Athen zu ollenem Aus- 
bruche. 

Die Athener hatten in den letzten Jahren die thrakischen See- 
küsten keineswegs auflser Acht gelassen. Namentlich schickten sie 
nicht zu lange nach Abschlufs des philokrateischen Friedens, viel- 
leicht gerade Ol. 109, 2. 343, wenigstens nicht später, wie- 
derum Kleruchen nach dem Chersones, theils um dort ärmere Bür- 
ger zu versorgen, theils um sich in dem Besitze dieser wichtigen 
Halbinsel zu befestigen. Als Feldherr wurde ihnen Diopeithes vorge- 
setzt *, wahrscheinlich eben der Sunier, über dessen vertraute Be- 


1) S. o. 5. 417, 5 und über die Geten $. 418, 3. Vgl. Müller 
zu Arrian. Peripl. 24, 4 ($ 36). 

2) Jornandes a. O. fährt fort: qua tempestate, Dione historico dicente, 
Philippus inopiam pecuniae passus Odissitanam Moesiae eivitatem instructis 
copüs vaslare deliberat, quae tum propter vieiniam Tomes Gothis erat sub- 
iecta. — Macedones — quos foris fuerant iure belli adepti reddiderunt foede- 
reque inito ad sua reversi sunt. Das ist, wie aus dem Zusammenhange 
zu schlielsen ist, später als die Fahrt des Königs Kothelas in Philipps 
Heerlager, von der auch Theopomp gleich zu Anfange des thrakischen 
Krieges gehandelt hatte. Böhnecke F. I, 431 vermuthet, Philipp möge 
Odessos auf dem Marsche an die Donau von Byzanz her angegriffen 
haben. Dazu pafst mir das ad sua reversi sunt nicht: und ich weils 
überdies nicht, was Philipp vom Frühjahre 341 wo er den zweiten 
Feldzug begann bis zum Sommer 340 (denn nicht eher griff er Perin- 
thos an) in Thrakien festhalten konnte, wenn er nicht schon damals 
auch in nördlicher Richtung vordrang. Aus Theopomp XLVIII (fr. 248) 
führt Stephanos an: Javdaintaı, ἔϑνος Θρᾳκικόν; s. u. Cap. 7. 

3) S. ὃν Buch I, 5. 

4) Dem. Phil. 3, 15 5, 114, 14 ἄρτι τῆς εἰρήνης γεγονυίας, οὕπω 
Jıoneidovg στρατηγοῦντος οὐδὲ τῶν ὄντων ἐν Χερρονήσῳ νῦν ἀπεσταλ- 


422 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


ziehungen zu seinem Gaugenossen Hegesander Aeschines eine hos- 
hafte Bemerkung macht ', ein Mann der nicht gesonnen war den 
athenischen Ansprüchen irgend etwas zu vergeben. Die neuen An- 
kömmlinge wurden von den meisten Gemeinden willig aufgenom- 
men, aber die Kardianer wiesen sie zurück, mit der Erklärung, sie 
seien Herren in ihrem Lande, nicht die Athener: was diese besälsen, 
hätten sie nur als Insassen auf fremdem Grund und Boden. Wir 
haben gesehen dafs Philipp Ol. 109, 2. 342 von den Athenern for- 
derte, sie sollten den Streit vor ein Schiedsgericht bringen ?, ein 
Vorschlag welchen er noch oftmals erneuerte und dessen seine 
Schützlinge die Kardianer sich nicht weigerten ; aber die Athener 
lehnten beharrlich jede Einmischung dritter ab®. So kam es zu 


μένων, vgl. Chers. 6 5. 91, 15. Philoch. fr. 134 bei Dionys. Dein. 13 S. 
666, 10 ΦΖιοπείϑους ἔτι περὶ EAlnomovrov, τοῦ τῶν Adnvalov στρατη- 
γοῦ, διατρίβοντος -. ἔστι δὲ ὃ χρόνος κατὰ Πυϑόδοτον ἄρχοντα (Ol. 
109, 2. 3848) ὡς δηλοῖ Φιλόχορος κτλ. Vgl. Lobschr. auf D. 35. Über 
eine frühere Absendung von Kleruchen nach dem Chersones 5, Buch 
ΠΣ; 

1) 1, 63 8. 9; vgl. ο. S. 319. Aristogeiton b. Tzetz. Ch. 6,97 Aıozei- 
9n = τὸν Σιουνιέα λέγει Ἔκ τῆς πρὸς τὸν Ελλήσποντον συστάσης ναυ- 
μαχίας ᾿Θνήσασϑαι αἰχμαλωτοὺς Λυκοῦργον, “ημοσϑένην (vgl. Lhardy 
de Demade 5. 41. Sauppe OA. II, 310). Sein Sohn Diphilos (Ζ]ιοπεί- 
Hovs Zovvısvg) kommt in den Seeurkunden XIV4, 54. XVI2, 112 (von- 
Ol. 113, 4. 114, 2) vor. Den Namen Diopeithes trug auch 1. der Va- 
ter des Ol. 113, 3. 326 bereits verstorbenen (s. Böckh Seewesen ὃ, 
236f.) Feldherrn Diotimos von Euonymia. 2. Diopeithes von Kephisia, 
Diaetet Ol. 113,4. 325 (5. die Inschrift in Rofs Demen v. Attika S. 20£., 
wiederholt in den Berichten 4. Lpz. Ak. hist. ph. Cl. I, 438), Vater des 
Dichters Menander (geb. Ol. 109, 3. 342) C. I. Gr. III nr. 6084. Apol- 
lod. fr. 96 b. Gell. 17, 4 u. a.; mit dem Feldherrn verwechselt in den 
demosthenischen Scholien ὃ. 178, 3 Df. 3. Diopeithes von Sphettos, 
als einflufsreicher Staatsmann von Hypereides genannt, der ihn mit 
einer Meldeklage belangt hatte, f. Euxen. c. 39; vielleicht derselbe, den 
Demosthenes vKr. 70 S. 248, 9 mit Eubulos und Aristophon zusammen- 
stellt. 4. Diopeithes von Melite, Zeuge wNeaera 48 S. 1361, 18. 5. 
D. v. Myrrinus, Trierarch Seeurk. I®, 4. 6. Ὁ. Diokleides S. v. Phrear- 
ria, Trierarch Seeurk. XIV?, 67. 134. — Der Diätet Diopeithes bei 
Isaeos 5, 33f. S. 54 (geschrieben Ol. 97, 3. 389) gehört in eine ältere 
Generation. 

2) Liban. Einleit. z. R. üb. d. Chers. Heges. üb. Hal. 42 5, 87, 4. 
S. o. 8. 406. 410. 

3) Philipps Schr. 11 S. 161, 12. 


Diopeithes athenischer Feldherr am Hellespont. 423 


offener Fehde, denn die Kleruchen falsten auf Antrag des Polykra- 
tes den Beschlufs gegen die Kardianer Gewalt zu gebrauchen. Dazu 
bot Diopeithes gern die Hand. Er warb ein Söldnereorps ἡ und war 
darauf bedacht es aus eigenen Mitteln zu unterhalten: denn von 
Athen bekam er nicht das mindeste ὃ. Zur See hielt er mit dem 
Geschwader das ihm mitgegeben war Handelsschillfe an, von Chios, 
Erythrae und andern Städten Kleinasiens, und nöthigte die Gemein- 
den um ihre Kaufleute vor Belästigung und Kaperei zu schützen 
und ihnen sicheres Geleit zu verschaffen Geschenke zu entrichten. 
Das war so hergebracht bei den athenischen Flottenführern: man 
nannte diesen Tribut “einen guten Willen’®. Auch zu Lande 
rührte er sich mit seinen Truppen. Philipp schickte nämlich den 
Kardianern ein Hilfscorps, welches als Besatzung der Stadt diente. 
Dadurch gereizt führte Diopeithes, während jener in Oberthrakien 
stand, um den Thrakern Luft zu machen einen Einfall in den schon 
vor fünf Jahren von den Makedonen besetzten Küstenstrich an der 
Propontis aus, nahm die Orte Krobyle und Tiristasis ein, machte 
die Einwohner zu Sklaven und verwüstete das ganze Grenzgebiet. 
Ehe Philipp herankommen konnte war Diopeithes mit seiner Beute 
auf dem Chersones in Sicherheit *. 


1) In Philipps Schr. 16 5. 163, 5 ist das Dogma der Kleruchen 
von den Psephismen der Athener genau unterschieden: τῶν μὲν κληρού- 
χων κατὰ τὸ Πολυκράτους δόγμα πολεμούντων ἡμῖν, ὑμῶν δὲ τοιαῦτα 
ψηφιξομένων, τοῦ δὲ στρατηγοῦ κτλ. Dem. Chers. 6 S. 91, 15 sagt 
πρὶν “]΄οπείϑην ἐκπλεῦσαι καὶ τοὺς κληρούχους, οὖς νῦν αἰτιῶνται 
πεποιημέναι πόλεμον. Von Soldtruppen ist die Rede 9 5. 92, 9. γε]. 
17 8. 98, 29. 46 8. 101, 7. 19£. 8. 94, 18f. 26 8. 96, 12., Dionys. 
Schr. an Amm. 1,10 8. 738, 2. 

2) Dem. Chers. 22f. ὃ. 95, 8. 19. 26 S. 96, 14. 

3) 24—27 5. 95, 238f. — εὐνοίας". Vgl. 9f. S. 92, 10. 14, dazu 
Harp. unter κατάγων τὰ πλοῖα. 28 5. 96, 27. 23 8. 95, 20. 

4) Liban. Einl. z. chers. R.S. 89, 3.Dem. Chers. 8f. 8. 92, 6 τῷ 
“ιοπείϑει δ᾽ οὐδὲ βοηϑεῖν τοὶς Θρᾳξὶν ἐξέσται; — δεινὰ ποιοῦσι δ᾽ ol 
ξένοι περικόπτοντες τὰ ἐν Ἑλλησπόντῳ. Philipps Schr. 3 5. 159, 9. 
Tiristasis lag nach Plin. 4, 18 (48) am Eingange des Chersones von 
der Propontis her ; vgl. Skylax 67 S. 28. Es ist wie der Scholiast bemerkt 
hat (Τιρέστασιν οἷμαι τὴν Περίστασιν λέγει) das heutige Peristasi: s. 
Kieperts Karte des osm. R. u. Atlas v. Hellas XIX. Eben dort ist 
Krobyle zu suchen, was ja nicht auf Kabyle zurückgeführt werden 
darf. Thirlwall VI, 43, 2 will diesen Zug erst in Ol. 109, 4 setzen, 
also von dem bei Demosthenes erwähnten unterscheiden: vielleicht mit 


424 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


In hohem Grade ungehalten über diesen Handstreich sandte 
Philipp an die Athener ein Schreiben, das voller Anklagen und in 
drohendem Tone abgefafst war. Darin erklärte er unter anderm, 
er habe nach Kardia Truppen geschickt und werde Gewalt von Sei- 
ten der athenischen Streitmacht auf dem Chersones mit Gewalt ver- 
treiben: wenn sie seine Beschwerden nicht abstellten, so könne der 
Friede nicht länger bestehen '. In Folge dessen wurde eine Bera- 
thung über die Angelegenheiten des Chersones anberaumt. Bei die- 
ser führte die makedonische Partei von vorn herein das grofse 
Wort?. Schon bei den Verhandlungen im Rathe hatte einer aus 
ihrer Mitte Demosthenes gegenüber erklärt, wer einen Vorschlag 
thun wolle, müsse ewtweder schlechtweg Krieg oder Beobachtung 
des Friedens anrathen °. Darauf kam man auch vor der Volksge- 
meinde wieder zurück: die Redner schmeichelten der Menge in ge- 
wohnter Weise und beuteten die herrschende Neigung zu Ruh und 
Frieden und den Widerwillen gegen Kriegführung aus. Gegen Dio- 
peithes erhoben sie die bittersten Klagen; nicht allein sein bisheri- 
ges Verfahren Philipp und den Hellenen gegenüber ward getadelt, 


“ Recht. Über die kürzlich nach Kardia gelegte Besatzung 5. Dem, Chers. 
98 S. 104, 3, 64 8. 105, 15. Phil. 3, 35 S. 120, 5. Philipps Schr. 11 
S. 161, 19, 

1) Chers. 16 8. 93, 27 εἴγ᾽ ἐκ τῆς ἐπιστολῆς δεῖ σκοπεῖν ἧς ἔπεμ- 
ψε πρὸς ὑμᾶς, ἀμυνεῖσϑαί φησι τοὺς ἐν Χερρονήσῳ. 64 85. 105, 16 οὐ 
νῦν τὴν πόλιν τὴν Καρδιανῶν ἔχειν καὶ ὁμολογεῖ; Phil. 3, 16 8. 114, 
25 φέρε δὴ νῦν, ἡνίκ᾽ εἰς Χερρόνησον -- ξένους εἰσπέμπει καὶ βοη- 
ϑεῖν ὁμολογεῖ καὶ ἐπιστέλλει ταῦτα, τί ποιεῖ: 27 8. 118, 1 οὐ διαρ- 
ρήδην ἐν ταῖς ἐπιστολαῖς γράφει “ἐμοὶ δ᾽ ἐστὶν εἰρήνη πρὸς τοὺς ἀκού- 
sıv ἐμοῦ βουλομένους"; καὶ οὐ γράφει μὲν ταῦτα κτλ. Liban. a. Ο. 5. 
89, 8 διόπερ ὁ Φίλιππος -- πέπομφεν ἐπιστολὴν πρὸς τοὺς ᾿4ϑηναίους, 
κατηγορῶν τοῦ στρατηγοῦ καὶ λέγων αὐτὸν παραβεβηκέναι τὴν εἰρή- 
vnv ἄντικρυς. καὶ οἵ φιλιππίξζοντες τῶν ῥητόρων κατατρέχουσι τοῦ 
“ιοϊπείϑους καὶ κολάζειν ἀξιοῦσιν αὐτόν. Aus Philipps Schr. 11 8. 161, 
22 ist zu entnehmen, worauf Demosthenes nicht eingeht, dafs wiederum 
von einem Schiedsgerichte über den Streit mit den Kardianern die 
Rede war. 

2) Chers. 2 8. 90, 10 ἡ μὲν οὖν σπουδὴ περὶ τῶν ἐν Χερρονήσῳ 
πραγμάτων ἐστί --, τῶν δὲ λόγων οἵ πλεῖστοι περὶ ὧν Juomeidng πράτ- 
teı καὶ μέλλει ποιεῖν εἴρηνται. ἐγὼ δ᾽ ὅσα μέν τις αἰτιᾶται κτλ. 

8)4 8. 91, 5 -- πρῴην τινὸς ἤκουσα εἰπόντος ἐν τῇ βουλῇ, ὡς 
ἄρα δεῖ τὸν συμβουλεύοντα ἢ πολεμεῖν ἁπλῶς ἢ τὴν εἰρήνην ἄγειν 
συμβουλεύειν; vgl. 6 8. 91, 21, 


Philipps Beschwerden über Diopeithes. 425 


sondern auch was er ferner vorhabe '. Man müsse einen andern 
Feldherrn mit Schiffen hinschicken um ihm zu wehren ?. Freilich 
manche Redner giengen darauf aus Krieg anzustiften; aber welch 
eine Wohlthat sei es doch in Frieden zu leben und welche Last 
eine grofse Streitmacht zu unterhalten: “gewisse Leute wollen die 
“Gassen ausplündern? und was dergleichen Reden mehr waren °. 
Es ist keine Frage, dafs Philipps Beschwerden über Diopei- 
thes und die Anklagen seiner Feinde nicht ohne Grund waren. Die 
unabhängige Stellung der Kardianer bildete einen streitigen Punct 
und das gewaltsame Vorgehen gegen ihr Gebiet stimmte mit den 
öffentlichen Erklärungen der Athener überein: aber mit dem Ein- 
fall in die benachbarten Striche Thrakiens wurde der Friede oflen- 
bar verletzt, und wenn die Athener auch die von Philipp vollzogene 
Besitznahme der dortigen Plätze nie als rechtsgiltig anerkennen 
wollten, so hatte Diopeithes doch mit seinem oflensiven Vorgehen 
ohne Auftrag gehandelt *. Die Berechtigung dazu konnte nur aus 
den manigfachen Übergriffen, welche Philipp bisher den Verträgen 
zuwider sich hatte zu Schulden kommen lassen und aus der Noth- 
wendigkeit die Interessen Athens endlich mit den Waffen zu ver- 
fechten abgeleitet werden. In diesem Sinne nahm Demosthenes das 
Wort. Er hat es nicht hehl, dafs er das Treiben der Söldner des 
Diopeithes nicht in allen Stücken billigt: er will die Misbräuche ab- 
gestellt wissen, namentlich’die Belästigung der Schiffahrt ἢ, aber es 
freut ihn dafs endlich ein Operationseorps unter einem entschlossenen 
Führer sich bildet. Wie dringend die Athener ein solches Philipp 
gegenüber bedurften, hatte er ja längst erkannt und während des 
früheren Krieges in seiner ersten Philippika ihnen ans Herz gelegt ®: 
er will es um keinen Preis durch Abberufung des Feldherrn auf- 
lösen lassen. Überhaupt führt er die Verhandlung von dem Hader 


1) 28. 90,14 (o. S. 424, 2). 22f. S. 95, 10. 22. 27 S.96, 20. 22, wo 
μέλλει πολιορκεῖν wohl auf eine Belagerung von Kardia hinzielt. 

2) 28 S. 96, 25. 

3) 52—57 5. 102, 21. 

4) Thirlwall VI, 45f. 

5) 9 8. 92, 9. 20 8. 94, 24. 28 S. 96, 27. 76 S. 108, 29f, 

6) Vgl. Chers. 11 δ: 15. 17. 47 S. 92, 251. 93, 20. 94, 4. 101, 11 
mit Phil. 1, 31—33 5. 48, 24f. 35 S.50, 11. 41 S. δ], 28. Chers. 37. 
50f. 8. 99, 5. 102, 12 m. Phil.1, 10f. S. 43, 2,11, 


426 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


über Diopeithes auf die Frage über Krieg und Frieden mit Philipp 
zurück und legt den Athenern in freimüthigsterWeise die Lage der 
Dinge vor um damit seine ferneren Anträge zu begründen. 

Im Eingange seiner Rede fordert Demosthenes die Bürger auf 
bei einer Berathung über wichtige Staatsangelegenheiten, wie sie 
jetzt vorliegt, sich allein durch die Rücksicht auf das allgemeine 
Wohl in ihren Beschlüssen leiten zu lassen, nicht durch Reden die 
von Feindschaft oder Gunst eingegeben sind. Im Ernste handelt 
es sich um die Vorgänge im Chersones und den Feldzug in Thra- 
kien auf welchem Philipp seit zehn Monaten begriffen ist: die mei- 
sten Reden aber haben davon gehandelt was Diopeithes thut und 
willens ist zu thun. Über solche Anschuldigungen gegen einen 
Mann, der unter dem Gesetze steht, kann man entweder sofort 
oder später wann es beliebt Untersuchung anstellen: “aber was Phi- 
“Jipp der ein Feind des Staates ist und mit grofser Heeresmacht 
“am Hellesponte steht, uns abzugewinnen sucht, und was wir wenn 
“wir einmal zu spät kommen nicht mehr retten können, darüber, 
“glaube ich, gilt es schleunigst Rath zu pflegen und dafür Rüstun- 
“gen zu treffen, und nicht durch Lärm und Anklagen über andere 
“Dinge sich davon abziehen zu lassen ’!. 

Wundersam ist die Forderung, jeder Rathgeber müsse entwe- 
der schlechtweg zum Kriege oder zur Beobachtung des Friedens ra- 
then. Ja wenn Philipp Ruhe hält und weder athenisches Eigen- 
thum dem Frieden zuwider besitzt noch alle Welt gegen Athen 
aufbietet, dann mufs man schlechtweg Frieden halten, und die 
Athener sind dazu bereit: aber wenn Philipp dem beschworenen 
Vertrage zuwider vieles athenische Eigenthum unrechtmäfsigerWeise 
an sich gerissen hat und unablässig die Lande der andern Hellenen 
und Barbaren an sich reifst und gegen Athen aufbietet, da ist keine 
Wahl, sondern Recht und Pflicht gebietet gegen den der Krieg an- 
fängt sich zu wehren. Es müfsten denn die Gegner sagen, so lange 
Philipp von Attika und dem Peiraeeus sich fern halte, greife er den 
athenischen Staaf nicht an und beginne keinen Krieg. Solch eine 
Rechtsatzung und solch eine Definition des Friedens wäre unbillig, 
unerträglich und für den Staat gefahrbringend: sie streitet aber auch 
mit den Anklagen die von eben dieser Seite gegen Diopeithes erho- 


1) 1-8 8. 90491, 3. 


Rede über die Angelegenheiten des Chersones. 427 


ben werden. Denn wie verträgt sich’s, dafs Philipp alles und jedes 
gestattet sein soll, wenn er nur von Attika sich fern hält, während 
Diopeithes nicht einmal den Thrakern helfen darf ohne dafs man 
sagt, er fange Krieg an?! 

Allerdings liegen auch begründete Beschwerden über Diopei- 
thes Verfahren im Hellespont vor, und diese müssen Abhilfe finden: 
aber die Gegner benutzen sie nur um die von ihm gebildete und un- 
terhaltene Truppe aufzulösen, was gegenüber der Heeresmacht 
Philipps nicht geschehen darf. * Hat doch Philipp vor allen dadurch 
“ein solches Übergewicht erlangt dafs er stets früher am Platze 
“war: denn er hat ein stehendes Heer immer zur Hand und weils 
“voraus was er thun will: so steht er plötzlich denen welche er an- 
° zugreifen beschliefst gegenüber. Wir Athener dagegen gerathen 
“in Bewegung und rüsten uns, nachdem wir erfahren haben dafs 
“etwas vorgeht. Daher, mein’ ich, kommt es, dafs jener was er 
“angreift in aller Ruhe einnimmt; wir aber kommen zu spät, haben 
“die ganzen Unkosten umsonst aufgewendet, und während wir un- 
° sere Feindschaft und die Absicht ihm zu wehren kund gethan ha- 
“ben, laden wir durch unser Zuspätkommen nur Schimpf auf uns ?. 

Eben darauf ist es auch jetzt abgesehen dafs die Athener zu 
Hause bleiben und auswärts keine Streitmacht halten sollen, damit 
Philipp in gröfster Ruhe alle seine Absichten ins Werk setzen kann. 
Denn so steht es jetzt: Philipp verweilt mit einem grofsen Heere in 
Thrakien und zieht beträchtliche Verstärkungen aus Makedonien 
und Thrakien an sich. Wenn er nun die Periode der nördlichen 
Strichwinde abwartet und die Belagerung von Byzantion unter- 
nimmt, so werden ohne Zweifel die Byzantiner den Beistand der 
Athener anrufen. Sie aber können dann nicht nordwärts fahren, 
und wenn kein Hilfscorps bereit steht, so ist der Verlust der Stadt 
nicht zu hindern. “Aber die Menschen sind ja vom bösen Geiste 
“besessen und rein verrückt” wird eingeworfen (denn noch dauerte 
die alte Entzweiung fort und die Athener hatten gar manche Klage 
gegen die Seestadt*). “Ja wohl, aber dennoch müssen sie gerettet 
“ werden: das fordert das Interesse des Staates’. — Ferner ist es gar 
nicht ausgemacht, dafs Philipp nicht gegen den Chersones zieht: 

1 4. 55: οἷ᾽, 392, 8. 
2) 9-12 8,92, 8-93, 3. 
3) Vgl. o. Buch 11, 6. Dem. vFr. 25 S. 63, 19, 


428 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


sagt er doch in seinem Schreiben, er werde dort Gewalt mit Gewalt 
vertreiben. Ist nun das jetzt aufgebrachte Heer vorhanden, so kann 
es das Land decken und Philipps Gebiet verheeren: ist es aber ein- 
mal aufgelöst, was soll geschehen, wenn jener gegen den Cherso- 
nes anrückt? “ Wir sitzen über Diopeithes zu Gericht, beim Zeus. 
— *"Bessert das die Lage?” — ” Wir werden von hier aus zu Hilfe 
kommen.” — “Wenn wir aber vor den Winden nieht können?” — 
“ Aber wahrhaftig, er wird nicht hinziehen”. — ‘ Wer ist uns Bürge 
“dafür? Erwägt doch nur, Männer von Athen, die bevorstehende 
“Jahreszeit, auf welche, wie manche rathen, ihr den Hellespont von 
“euren Truppen entblöfsen und Philipp überlassen sollt. Wie, wenn 
“er aus Thrakien abzöge und statt gegen Byzantion oder den Cher- 
“sones zu rücken (denn auch diesen Fall erwäget) sich nach Chal- 
° kis oder Megara wendete, wie kürzlich nach Oreos, was wäre bes- 
‘ser, in der Heimat sich gegen ihn zu wehren und den Krieg an 
“ Attika herankommen zu lassen oder in der Ferne ihm eine Diver- 
“sion zu machen? Ich denke, das letztere? '. 

Darum dürfen die Athener, das ist der Schluls den Demosthe- 
nes zieht, nicht die Streitmacht welche Diopeithes für den Staat zu 
rüsten sucht, lästern und auflösen wollen, sondern sie müssen eine 
weitere selbst noch dazu rüsten, jenen mit Geld unterstützen und im 
übrigen freundschaftlich ihm beistehn. Denn lassen sie jene Söld- 
ner (sie mögen beschaffen sein wie sie wollen) versprengen und ver- 
derben, so thun sie damit nur Philipp einen Gefallen. Darauf le- 
gen freilich einige Athener es an, aber der Staat kommt so um 
alles ?. 

Damit geht der Redner zu einer freimüthigen Beleuchtung 
des Verhaltens der Athener unter den obwaltenden drohenden Um- 
ständen über. “Wir wollen weder Steuern zahlen noch selber 
“ Kriegsdienst thun noch können wir uns der Staatsgelder enthal- 
“ten? (er meint die Verschleuderung zu Belustigungsgeldern), “noch 
“geben wir Diopeithes die fälligen Beisteuern noch billigen wir es 
“wenn er selbst sich Mittel schafft, sondern mäkeln und forschen 
“woher? und was ist er willens zu thun? und dergleichen, noch wol- 
“len wir endlich bei solcher Stimmung selbst unsere Sache betrei- 
“ben, sondern in unseren Worten loben wir die welche der Würde 


1) 13@18'S, 0358-94, 16, 
2) 19% 9: 94, 17-9, 9: 


κι 


Rede über die Angelegenheiten des Chersones. 429 


‘des Staats gemäfs reden, in unsern Thaten aber gesellen wir uns 
“ihren Gegnern bei. Ihr pflegt nun jedesmal den der das Wort 
“nimmt zu fragen: “ was soll man thun?” ich aber will euch fra- 
“gen: was soll man sagen? Denn wenn ihr weder steuert, noch 
“Kriegsdienst thut, noch euch der Staatsgelder enthaltet, noch 
“Diopeithes die Beisteuern gebt, noch die Mittel welche er sich 
“schafft gut sein lafst, noch selbst eure Sache betreibt, da weils ich 
“nicht was ich sagen soll. Denn wenn ihr bereits denen die aufs 
“anklagen und verunglimpfen ausgehen so viel einräumt, dafs ihr 
“selbst über das, was er zu thun willens ist, wie sie sagen, ihre 
“ vorgreifenden Anklagen anhört, was kann man da sagen ??! 

Was kann das nun für Folgen haben? das bedarf zunächst der 
Erläuterung. Demosthenes schildert offen den Misbrauch den alle 
athenischen Befehlshaber seit lange üben, dafs sie die Kauffahrer 
der kleinasiatischen Seestädte sich zinsbar machen. Solche Gelder 
bezieht Diopeithes jetzt auch: “denn woher soll, wer von euch nicht 
“das geringste empfängt und selber nicht hat wovon er Sold zahlen 
“kann, seine Soldaten unterhalten? aus der Luft? das geht nicht, 
“sondern mit dem was er einsammelt und erbittet und borgt fristet 
Ser sich hin’. Seine Ankläger thun nun nichts anderes als dafs sie 
jeden warnen ihm nichts zu geben, da ein Gericht über ihn ergehen 
werde, selbst über das was er willens gewesen, geschweige über 
das was er gethan oder wozu er andern geholfen. Darauf wollen 
sie mit ihrer Rede hinaus: denn um die Hellenen in Asien kümmert 
sich keiner von ihnen. 

Demosthenes entwickelt weiter, dafs der Vorschlag noch einen 
Feldherrn mit Schiffen nach dem Hellespont zu schicken um dort 
Wache zu halten auf nichts als auf Kränkung und Verwirrung ab- 
zweckt. Wenn Diopeithes Frevel begeht und die Schiffe auf- 
bringt, so lade man ihn vermittelst einer Meldeklage nach Athen und 
halte Gericht; das reicht hin: Soldaten aber und Kriegsschiffe und 
Geldsteuern brauche man gegen die Feinde ἢ. Das schlimmste 
aber ist dafs nicht blofs von jener Partei so wahnsinnige Anträge 
ausgehen, sondern dafs die versammelte Volksgemeinde, wenn 
jemand auftritt und sagt, Diopeithes sei an allem Übel schuld oder 


1) 21—23 8. 95, 3—26. 
2) 24—29 8. 95, 26—97, 10. 


490 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


CGhares oder Aristophon oder wen aus der Bürgerschaft er nennen 
mag, gleich zustimmt und ihm Recht gibt: tritt aber ein anderer auf 
und sagt die Wahrheit: “ihr faselt, Männer von Athen, an all dem 
“ Übel und den Händeln ist Philipp schuld: denn hielte er Ruhe, so 
“ hätte der Staat keine Noth”, so können sie zwar nicht in Abrede 
stellen dafs das wahr ist, aber es ist als ärgerten sie sich und als 
entgienge ihnen damit etwas. Das kommt daher (und Demosthenes 
rechtfertigt seinen Freimuth mit seiner besten Absicht), dafs seit 
lange einige Staatsmänner die Bürgerschaft in ihren Versammlun- 
gen furchtbar und hart, dagegen in ihren Kriegsrüstungen leichtfer- 
tig und verächtlich gemacht haben. Nennt nun jemand als den 
schuldigen einen den sie in ihrer Mitte fassen können, so stimmen 
sie bei und wollen zugreifen: wird aber einer genannt, den sie 
mit Walfengewalt und nieht anders züchtigen können, dann sind 
sie rathlos und ärgerlich dafs das ans Licht kommt. Diese Verkehrt- 
heit, die Frucht der Schmeichelei und Gunstbuhlerei ihrer Dema- 
gogen, welche den Staat in die äufserste Gefahr hat gerathen lassen, 
geiselt Demosthenes auf das schneidendste, indem er die Hellenen 
redend einführt um Rechenschaft zu fordern wegen der eben jetzt 
leichtsinniger Weise versäumten Zeitumstände: “ Männer von Athen, 
“ihr schickt an uns beständig Gesandte und sagt, dafs Philipp uns 
“und allen Hellenen nachstelle, und dafs man vor ihm auf der Hut sein 
“müsse und all dergleichen”: “so können wir nicht anders als das 
“bejahen und zugeben, denn das thun wir’. “ Und doch, ihr er- 
“ pärmlichsten unter allen Menschen, habt ihr während Philipp zehn 
“Monate lang fern blieb und durch Krankheit und Winterzeit und 
“Krieg festgehalten wurde, so dafs er beim besten Willen nicht 
“ heimkehren konnte, weder Euboea befreit noch von eurem Eigen- 
“thume das geringste wiedergewonnen, sondern jener hat, wäh- 
“rend ihr zu Hause bliebt, Mufse hattet, gesund waret” ( wenn sie 
“anders Leute die so handeln, gesund nennen wollen’), “zwei Ty- 
“ rannen in Euboea eingesetzt, den einen in einer Feste Attika ge- 
“ genüber, den andern gegen Skiathos: ihr aber habt euch nicht 
“ einmal davon befreit, was doch das wenigste gewesen wäre, son- 
“dern habt es zugelassen und ihm eingeräumt zu oflenbarem Zeug- 
“nifs, dafs wenn er auch zehnmal gestorben wäre, ihr euch doch 
“ nicht rühren werdet. Wozu schickt ihr nun Gesandte und führt 
“Klage und macht uns Ungelegenheiten?” “Wenn sie das sagen, 


u Rede über die Angelegenheiten des Chersones. 431 


“was wollen wir antworten, ihr Männer von Athen? Ich sehe es 
nicht ab? !. 

“Manche Leute glauben nun den auftretenden Sprecher damit 
“abzuführen dafs sie fragen ” was soll man denn thun”. Diesen ant- 
“ worte ich mit vollem Rechte und voller Wahrheit “das Gegentheil 
“von dem was ihr jetzt hut,” aber ich werde es auch im einzelnen 
“genau entwickeln’. Damit geht Demosthenes von der Prüfung der 
Verhältnisse über welche die Debatte geführt wird, von der rück- 
haltlosen Strafrede mit welcher er der durch Schmeichler verwöhn- 
ten Bürgerschaft ans Gewissen greift, zu dem positiven Theile seiner 
Itede über, zu der Begründung der Anträge welche er zu stellen hat. 

Vor allem mufs bei den Athenern die Überzeugung feststehen 
dafs Philipp mit ihrer Stadt Krieg führt und den Frieden gebrochen 
hat; und zwar richtet sich sein Hafs vor allem gegen die Verfassung 
des athenischen Staates. Denn er weils bestimmt, dafs wenn er 
auch überall sonst Herr geworden ist, seine Macht keine Dauer ver- 
spricht, so lange die Athener eine freie Volksgemeinde bilden; son- 
dern wenn ein Unfall ihm begegnete, wie so manche einen Menschen 
trelfen können, wird alles jetzt zusammeneroberte zu ihnen Zuflucht 
nehmen, ihres Beistandes zur Herstellung der Freiheit gewifs. 
Darum mufs Philipp ein unversöhnlicher Feind der athenischen 
Staatsverfassung sein. Zweitens müssen sie erkennen, dafs Philipp 
alles was er vornimmt und ins Werk setzt wider Athen anstellt und 
dafs wo jemand sich gegen ihn wehrt, solche Abwehr zum Besten 
Athens geschieht. So ist auch der thrakische Feldzug, in welchem 
er Strapazen und Winterstürme und die schwersten Gefahren be- 
steht, in seinem letzten Zwecke auf die Bezwingung Athens berech- 
net. Darum gilt es den überschwenglichen und heillosen Leicht- 
sinn abzulegen, Vermögensteuern zu zahlen und solche den Bun- 
desgenossen anzusinnen und darauf Bedacht zu nehmen, dafs das 
jetzt gebildete Truppencorps zusammenbleibt, damit, wie Philipp eine 
Streitmacht in Bereitschaft hat um die Hellenen zu bedrängen und 
zu knechten, sie eine solche zu rettender Hilfsleistung für alle bereit 
halten. Denn will man erst Mannschaft aufbieten , wenn Hilfe noth 
ist, so kommt man nie zurecht : sondern die Streitmacht muls ge- 
rüstet sein, mit Verpflegungsgeid versehen und Schatzmeistern und 


1) 30—37 8. 97, 10-99, 9. 


49: Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


Schreibern und möglichst genauer Geldverwaltung: dann mufs man 
diesen die Rechenschaft über die Gelder abfordern und dem Feld- 
herrn über die Operationen. Führen die Athener das aus, so werden 
sie Philipp nöthigen rechtschaffenen Frieden zu halten und in seinen 
Grenzen zu bleiben — und das wäre das gröfste Glück — oder mit 
gleichen Kräften Krieg führen'. 

Allerdings erfordert das grofsen Aufwand und viele Beschwer- 
den und Anstrengung: aber erwägt man was daraus kommen muls 
wenn man es unterläfst, so liegt der Nutzen freiwilliger Pflichter- 
füllung auf der Hand. Ja hätten die Athener einen Gott zum Bür- 
gen, dafs Philipp nicht am Ende sich gegen sie”selber wenden werde, 
so wäre der Fall denkbar dafs sie ihm sich nicht widersetzten, son- 
dern alles preisgäben, so schimpflich es auch wäre und so unwür- 
dig ihres Rufes, ihrer Stellung, der Thaten ihrer Vorfahren, alle 
andern Hellenen in Knechtschaft sinken zu lassen : *ich möchte lie- 
“ber todt sein als so etwas angerathen haben,” ruft Demosthenes 
aus. Aber niemand denkt das, sie alle wissen voraus, dafs je mehr 
sie Philipp die Oberhand gewinnen lassen, sie in ihm nur einen um 
so gefährlichern und mächtigeren Feind zu bekämpfen haben wer- 
den. Wozu da das zurückweichen, das zaudern? wann wollen sie 
ihre Pflicht thun? Die Nothwendigkeit zwingt, und nicht heute 
erst, soweit ein Zwang freier Männer in Rede steht, nämlich die 
Scham über den Lauf der Dinge; was darüber hinausgeht wäre kör- 
perlicher Zwang von Knechten, den die Götter verhüten wollen ὃ. 

Demosthenes hat die Anträge, welche er vorlegen will, motiviert : 
aber er hat sie auch wider die Einreden der Gegner zu vertre- 
ten. Er will für jetzt nicht deren ganze Misverwaltung aufdecken: 
aber wenn das Verhältnifs Athens zu Philipp in Frage kommt, da 
steht gleich einer auf und sagt: ” welch eine Wohlthat ist es im Frie- 
“den zu leben und welch eine Last eine grofse Streitmacht zu 
“unterhalten” und “gewisse Leute wollen die Cassen ausplün- 
“ dern”. Mit solchen Reden halten sie die Athener hin, dafs sie 
die Hände in den Schofs legen, und Philipp schaffen sie volle Ruhe 
seinen Zweck zu erreichen; dafür werden sie mit Gunst und Geld 
bezahlt. Braucht man doch die Athener nicht erst zu überreden 


1) 38—47 8. 99, 9—-101, 21, 
2) 48—51 3. 101, 21—102, 21. 


“ Rede über die Angelegenheiten des Chersones. 435 


den Frieden zu halten, denn sie sind es entschlossen, sondern den 
kriegführenden Theil: und eine wahre Last ist nicht was man zur 
Erhaltung aufwendet, sondern was man erleiden mufs wenn man 
dies verabsäumt: und dafs die Gassen ausgeplündert werden, muls 
man durch Aufstellung einer genauen Controle verhüten, nicht durch 
Verzichtleistung auf heilsame Mafsregeln. Und was sind jene so 
ängstlich bekümmert um die Cassen, bei denen die Gontrole und, 
ist ein Unterschleif geschehen, die Bestrafung in der Gewalt der 
Athener liegt, während sie der Raub von ganz Hellas so gar nicht 
kümmert, den Philipp zum Verderben Athens begeht ἡ. 

Demosthenes fragt nach der Ursache, welche die Gegner bestimmt, 
dafs sie in Philipps offenkundigen Feldzügen, Rechtsverletzungen, 
Eroberungen niemals einen Kriegsfall schen und denen, welche 
darauf antragen das nicht ohne weiteres zuzugeben, vorwerfen, sie 
wollten Krieg anstiften. Er findet sie darin dafs jene den Zorn der 
Bürger, wenn im Kriege ihnen etwas widriges zustölst, gegen die 
wohlgesinnten Berather kehren wollen, damit sie über diese Gericht 
halten statt gegen Philipp sich zur Wehre zu setzen, und damit sie 
selbst die Ankläger machen können statt für ihr jetziges Verhalten 
Strafe zu leiden — wie das alles nach der Schlacht bei Chaeroneia 
eingetroffen ist. Darum stellt Demosthenes zunächst die Thatsache 
fest, dafs während noch kein Athener auf Krieg angetragen hat 
Philipp athenisches Eigenthum an sich hält und jetzt nach Kardia 
eine Besatzung geschickt hat. Wollen die Athener thun als führe 
er mit ihnen keinen Krieg, so wäre er der gröfste Thor von der 
Welt, wenn er ihnen den Beweis aufdränge: ja wenn er auf Athen 
losrückt, wird er noch erklären, er führe nicht mit ihnen Krieg. So 
hat er es mit Oreos, mit Pherae, mit Olynth gemacht. Will man 
bis zuletzt die Aufforderung zur Gegenwehr als Krieg anstiften be- 
zeichnen, so bleibt nur die Knechtschaft übrig, und ihr sich zu 
beugen sind die Athener nicht willens und haben es nicht gelernt. 
Das weils Philipp wohl: drum wird er nicht anders als mit der Zer- 
störung ihrer Stadt sich zufrieden geben ?. 

Gemäls dieser Überzeugung, dafs es einen Kampf um sein und 
nichtsein gilt, dringt Demosthenes auf strenge Mafsregeln gegen die 
Söldlinge Philipps: “denn es ist unmöglich den auswärtigen Feinden 


1) 52—55 8. 102, 21--103, 16. 
2) 56—60 S. 103, 17—104, 22. 
DEMOSTHENES II, 28 


434 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


“obzusiegen, bevor man nicht die Feinde im innern der Stadt ge- 
“züchtigt hat’. Er erklärt Philipps Benehmen gegen Athen und 
seine drohende Sprache daraus, dafs seine bestochenen Fürspre- 
cher straflos die Sache der Feinde führen dürfen: er zeigt dafs nir- 
gends so ungescheut und in so offenbarem Widerspruche mit den 
Interessen des Staates zu Gunsten Philipps geredet wird. Darüber 
sind von jenen Parteigängern manche aus Bettlern reiche Leute ge- 
worden und zu Ruf und Ansehen gelangt, Philipp ist glücklich und 
srols und allen Hellenen und Barbaren furchtbar, aber Athen ist 
arm geworden an dem was den wahren Reichthum eines Staates 
bildet, an Bundesgenossen, an Vertrauen, an Wohlwollen unter den 
Hellenen !. f 

° Da tritt nun wohl einer auf und sagt: “ du \willst ja keinen An- 
"rag stellen und dich der Gefahr aussetzen, sondern du bist ein 
“feiger Weichling”. Allerdings frech und gemein und unverschämt 
“bin ich nicht und möchte ich nimmer sein, aber dennoch dünkt 
“mich habe ich viel mehr Mannesmuth als jene fürwitzigen Staats- 
“männer. Denn wer, Männer von Athen, unbekümmert*’um das 
“Wohl des Staates Processe anstellt, confisciert, austheilt, den An- 
“kläger macht, thut das nicht aus mannhaftem Muthe, sondern er 
“hat als Unterpfand seiner Sicherheit bei solchem Verfahren eure 
“Gunst, und darauf hin ist er frech ohne Gefahr. Wer aber um des 
“gemeinen besten willen oft euren Gelüsten widerstreitet und nichts 
“euch zu Gefallen sagt, sondern stets das beste, und eine solche 
“Politik sich erwählt, in der mehr vom Glücke abhängt als von der 
“planmäfsigen Berechnung, aber für das eine wie das andere Jie 
“ Verantwortlichkeit auf sich nimmt, der hat Muth und der ist ein 
“nützlicher Bürger, nicht die welche um der Gunst des Tages willen 
“die höchsten Interessen des Staates verscherzen. Ja ich bin so 
“fern davon sie zu beneiden oder sie für würdige Bürger unseres 
“Staates zu halten, dafs wenn man mich fragte: 7 sage mir, was 
“hast du dem Staate gutes erwiesen,” ob ich gleich, Männer von 
“Athen, Trierarchien nennen könnte und Choregien und Vermögen- 
“steuern und Loskauf kriegsgefangener und ähnliche Mildthätigkeit 
“mehr, ich nichts von dem allen sagen würde, sondern dafs ich mit 
“den obgenannten Mafsregeln mich nicht befasse, vielmehr, ob ich 


1) 61—67 S. 104, 22—106, 20. 


Rede über die Angelegenheiten des Chersones. 435 
“wohl so gut wie ändere anklagen, um Gunst werben, confiscieren 
“und ähnliches könnte, niemals durch Gewinnsucht oder Ehrgeiz 
“mich habe hinreifsen lassen irgend etwas der Art meines Berufes 
‘zu erachten, sondern ohne Unterlafs solche Reden an euch richte, 
“aus denen mir bei euch Zurücksetzung hinter gar manche er- 
“wächst, während ihr, wenn ihr mir Folge leistetet, höher steigen 
“ würdet: so darf ich wohl ohne Anmafsung mich ausdrücken. Steht 
“es doch auch, meine ich, einem rechtschaffenen Bürger übel an 
° derartige Verwaltungsmafsregeln auszudenken, durch welche meine 
“eigene Person sogleich die erste Stelle unter euch einnimmt und 
“ihr die letzte unter den andern Staaten: sondern mit den polti- 
“schen Mafsregeln guter Bürger mufs der Staat an Gedeihen wach- 
“sen, und eines jeden Pflicht ist es zum besten, nicht zum bequem- 
“sten zu rathen: denn hierzu werden wir schon von Natur hingezo- 
“gen; zu jenem mufs ein braver Bürger durch Wort und Belehrung 
“antreiben? ἡ. 

An dieses Zeugnils von seiner Gesinnung und seinem Streben, 
welches den Gegensatz, in dem er zu der Staatsverwaltung des 
Eubulos und seinen Genossen steht, klar macht, reiht Demosthe- 
nes noch einen Einwurf anderer Art: die Reden, welche er halte, 
seien vortrefllich, aber es seien eben nur Worte; der Staat brauche 
Thaten. Er spricht es aus, dals die Aufgabe eines Volksberathers 
nur darin bestehe einsichtsvoll das beste vorzuschlagen: die Aus- 
führung ist die Sache der Bürgerschaft. Er erläutert dies an 
dem Beispiel der Befreiung Euboeas, welche von Timotheos bean- 
tragt, von der Bürgerschaft rasch vollbracht wurde. Das mögen 
sie auch jetzt sich zur Mahnung dienen lassen ?. 

Schliefslich fafst er seine Vorschläge noch einmal zusammen, 
die dahin gehen eine Vermögensteuer zu entrichten, die vorhan- 
dene Streitmacht zusammenzuhalten — unter Abstellung der Übel- 
stände die sich ergeben haben, ohne wegen einzelner Beschwerden 
das ganze aufzulösen —, Gesandte nach allen Enden abzuordnen 
zur Belehrung, zur Warnung, zur Wahrnehmung der Interessen 
des Staates: und neben dem allen die bestochenen Leiter öflent- 
licher Angelegenheiten zu strafen und sie zu hassen aller Orten. 


. 106, 20—108, 2. 


1) 68—72 8 
268. 108,377. 


2) 73 
28* 


436 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


‘Wenn ihr so verfahret und aufhöret gegen alles gleichgiltig zu 
“sein, vielleicht, ja vielleicht möchte es da auch jetzt noch sich 
“zum bessern wenden. Wenn ihr aber dasitzt und euren Eifer nur 
“ bis zum Beifallklatschen und loben erstreckt, jedoch wenn ihr etwas 
“thun sollt euch zurückzieht, dann weifs ich keine Rede die ohne 
° dafs ihr eure Pflicht thut den Staat zu retten vermöchte? !, 


Die Rede des Demosthenes, ein Werk so ganz aus einem 
Gusse, lauter und gediegen, war eine That von gröfster Bedeutung. 
Seine Gegner, die Günstlinge Philipps, meinten aus den Beschwer- 
den über Diopeithes Stoll zu Anklagen seiner politischen Freunde 
zu ziehen; je weiter Philipp entfernt war, um so leichter glaubten 
sie das Volk durch den Genufs des Friedens in Ruhe schmeicheln 
und seiner Sinnlichkeit huldigen zu können. Demosthenes schlägt 
die Anklagen nieder und kehrt sie gegen die feilen Parteigänger ma- 
kedonischer Interessen: er enthüllt die Lage des athenischen Staa- 
tes und die Gefahr in der er schwebt; und nicht das allein, sondern 
er, der eine Mann, mit nichts ausgerüstet als mit seiner Einsicht 
und der Gottesgabe seiner Beredsamkeit im Dienst des Vaterlandes, 
hält Gericht über die versammelte Bürgerschaft und führt sie auf 
den beschwerlichen Weg gewissenhafter Pflichterfüllung: und sie 
beugt sich seinem Freimuthe, aufser Stande, seiner strengen Rüge 
die gerechte Anerkennung zu versagen. Wie seine Anträge in ihrer 
genauen Fassung und speciellen Ausführung lauteten wissen wir 
nicht, eben so wenig in wie weit die Athener sie zum Beschlusse 
erhoben. Indessen scheint es nicht, als wäre sofort eine Vermö- 
gensteuer ausgeschrieben, und als habe man schon damals Ge- 
sandte erwählt und abgeordnet. Aber Diopeithes behielt das Com- 
mando im Hellespont, seine Truppen blieben beisammen, und man 
nahm darauf Bedacht ihn mit Geld und andern Kriegsbedürfnissen 
zu versehen: so ward wenigstens der Chersones in ausreichendem 
Vertheidigungsstande erhalten ?. 

Die Rede über die Angelegenheiten des Chersones ist mit Ab- 
lauf des Winters, den Philipp mit seinem Heere in Thrakien zuge- 
bracht hatte, zehn Monate nach Beginn seines dortigen Feldzuges 


1) 76£. S. 108, 27 bis zu Ende. 
2) Phil..3, 15 S. 114, 15, 105, 8.115, '25,73787 1297 27. Ve Phi- 
lipps Schr. 3 S. 159, 9. 


Die dritte Philippika. 437 


gehalten, kaum vor dem März 341. Ὁ]. 109, 3: Demosthenes warnt 
vor der bevorstehenden Periode der Etesien, welche im Juli zu we- 
hen anfiengen '. ‚Wenige Wochen nachher, noch vor Ablauf des 
attischen Jahres (also vor Ende Juni) hielt er die dritte philippi- 
sche Rede ?. Die Lage ist im wesentlichen dieselbe. Auf Euboea be- 
steht die Tyrannis; Philipp ist mit Heeresmacht in Thrakien und 
bedroht den Chersones und Byzantion, man mufs es fortwährend 
in Acht nehmen jene Plätze decken zu können und Diopeithes und 
seine Truppen mit Geld und anderm Bedarf zu versorgen. Die Cher- 
sonesiten haben ihr Begehr schriftlich angebracht und in der De- 
batte haben die Redner gerade davon gehandelt. Aber die Forderun- 
gen des Augenblickes, denen allerdings Rechnung getragen werden 
mufs, sind nieht die Hauptsache. Vielmehr gilt es vorzugsweise den 
Kern der Frage zu erwägen, ob Krieg oder Friede mit Philipp be- 
steht, und die allgemeinen Mafsregeln hellenischer Politik, welche 
durch die Umstände geboten sind, in Erwägung zu ziehen ®. Das 
geschieht ganz im Sinne der früheren Rede, da und dort fast mit 
denselben Worten: aber die Anträge welche Demosthenes jetzt vor- 
legt führen weiter; sie bezwecken mit andern Staaten einen Bund 
gegen Philipp zu stiften ὁ, 


1) Die demosthenischen Stellen s. o. S. 419,3. Vgl. Clinton’s Fasti 
u. d. 7. 341. Winiewski Comm. S. 174ff. wollte die Rede schon in den 
Pyanepsion setzen, d. h. in den Herbst; S. 383 hat er sie um zwei 
Monate weiter herabgerückt, nämlich in den Poseideon (December): im- 
mer noch zu früh, und zwar weil er irriger Weise spätere Verhandlungen 
hereinzieht. 8. u. Cap. 7. 

2) Dionys. Schr, an Amm. 1, 10 8. 737f. μετὰ Πυϑόδοτόν ἐστι 
Σωσιγένης (Arch. Ol. 109, 3), ἐφ᾽ οὗ τὴν 9 διελήλυϑε κατὰ Φιλίππον 
δημηγορίαν, περὶ τῶν ἐν Χερρονήσῳ στρατιωτῶν, ἵνα un διαλυϑὴ τὸ 
μετὰ “Ιοπείϑους ξενικόν, ἀρχὴν ἔχουσα ταύτην “Ἔδει μὲν -- πρὸς χά- 
ριν᾽, καὶ κατὰ τὸν αὐτὸν ἄρχοντα τὴν ι΄, ἐν ἡ πειρᾶται διδάσκειν ὅτι 
λύει τὴν εἰρήνην Φίλιππος καὶ πρότερος ἐκφέρει τὸν πόλεμον, ἧς ἐστιν 
ἀρχή" “ Πολλῶν — ἐκκλησίαν". 

3) Dem. Phil. 3, 191. 5. 115, 23 καὶ τοσοῦτόν γε ἀφέστηκα τῶν ἄλλω --- 
τῶν συμβουλευόντων, ὦστε οὐδὲ δοκεῖ μοι περὶ Χερρονήσου νῦν σκοπεῖν 
οὐδὲ Βυξαντίου, ἀλλ᾽ ἐπαμῦναι μὲν τούτοις καὶ διατηρῆσαι μή τι πά- 
ϑώωσι --, βουλεύεσϑαι μέντοι περὶ πόντων τῶν Ἑλλήνων ὡς ἐν κινδύνῳ 
μεγάλῳ καϑεστώτων. Über das aus dem Chersones eingegangene Schrei- 
ben 73 8. 129, 27 τοῖς μὲν ἐν Χερρονήσῳ χρήματ᾽ ἀποστέλλειν φημὶ 
δεῖν καὶ τἄλλα ὅσα ἀξιοῦσι ποιεῖν. Winiewski Comm. ὃ. 176f. 

4) Vömel im Frankfurter Herbstprogramm 1837 und Droysen Ζ. f, 


438 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


Demosthenes hebt mit einer herben Klage an. “So viele Male, 
τ Männer won Athen, beinahe in jeder Volksversammlung, ist über 
“die Rechtsverletzungen verhandelt worden, welche Philipp, seit er 
‘den Frieden abgeschlossen hat, wider Athen und alle Welt begeht, 
“und jedermann ist gedrungen anzuerkennen, man müfse mit Rath 
“und That seinem Frevelmuthe Einhalt thun und ihn strafen: aber 


d. AW. 1839 S. 714f. haben die schon früher von Ph. A. Zimmermann 
aufgestellte Ansicht vertheidigt, die 3. Philippika sei einige Monate vor 
der Rede über den Chersones gehalten. Denn in jener werde Philipps 
Feldzug nach Thrakien erst als bevorstehend bezeichnet 17 S. 115, 3 
νῦν ἐπὶ Θρᾷάκην παριόντα, und Demosthenes meine, er sei noch nicht 
aus seinem Lande ausgerückt 5l 8. 124, 9 ὅπως οἴκοϑεν un κινήσεται 
croroövrag. Aber an der letzteren Stelle spricht Demosthenes nichts 
anderes aus als in der Chers. 18 S. 94, 9, nämlich man müsse Philipp 
im Norden eine Diversion machen, damit er nicht nach Süden gen At- 
tika ausziehen könne; er ist fort nach dem Hellespont: Phil. 3, 27 S. 
118, 4 ἐφ᾽ Ἑλλήσποντον οἴχεται, und rückt gegen seine bisherigen Bun- 
desgenossen, die Byzantiner, heran: 34 8. 120, 4 νῦν ἐπὶ Βυζαντίους 
πορεύεται συμμάχους ὄντας. Also ist es klar, dafs an jener ersten 
Stelle D. nicht sagen will, Philipp stehe erst im Begriff den Marsch 
anzutreten, so wenig wie die Worte ἐν Εὐβοίᾳ τυραννίδα κατασκευά- 
govra bedeuten, die Einsetzung der Tyrannen sei erst im Werke: denn 
sie war bereits ausgeführt: 27 8. 117, 28 αἵ δ᾽ ἐν Εὐβοίᾳ πόλεις οὐκ ἤδη 
τυραννοῦνται; vgl. 33 5. 119, 20. 57ft. 5. 125, 18#. mit Chers. 18 S. , 
94, 13. 59 8. 104, 8. 36 8. 98, 29f., eine Übereinstimmung, welche 
auch Vömel a. Ὁ. S. 5 anerkennt. Dafs die dritte Philippika gehal- 
ten ist, während Philipp in Thrakien stand, lehrt auch die Bezie- 
hung auf die pythischen Spiele von Ol. 109, 3. 342 (s. o. 8. 414,3); 
sie fielen ein als der thrakische Krieg seit ein paar Monaten im Gange 
war. Also sind beide Reden, die 3. philippische sowohl als die cher- 
sonesitische während jenes Krieges gehalten, und dafs jene Rede die 
spätere ist, lehrt, wie Spengel Abh. ἃ. k. bayr. Ak. III, 1, 167% ausge- 
sprochen hat, die Vergleichung deutlich genug. Ich erinnere an die Bezie- 
hungen auf eben jenes Schreiben von Philipp (s. o. S. 424, 1), nach dessen 
Eingange unmittelbar die chers. R. gehalten ist. Dafs Diopeithes mit 
allem nöthigen versehen werden müsse, versteht sich jetzt von selbst 
(s. 5. 436f.), während früher gar nichts für ihn geschah und seine 
Absetzung in Frage kam (5. 423ff.). Folglich ist die 3. Philippika 
bald nach der chersonesitischen Rede, Ol. 109, 3 und zwar, wenn diese 
ungefähr in den März gehört, etwa in den Mai 341 zu setzen. Nur 
eine ungefähre Zeitbestimmung ergibt der Ausdruck «ai πέρυσι πρεσβεῖαι 
(72 8. 129, 16) von der Gesandtschaft Ol. 109, 2 (Anf. 342). Über die 
25 5. 117, 15 berechnete Epoche der Einmischung Philipps in die hel- 
lenischen Angelegenheiten s. o. S. 30, 1, 


Die dritte Philippika. 439 


“dahin sind die Dinge gekommen, dafs — so lästerlich es klingt, ist 
“es leider wahr — wenn die Redner insgesamt und die stimmenden 
“Bürger es darauf abgesehen hätten einen jämmerlichen Zustand 
° hervorzurufen, es kaum schlimmer stehen könnte als jetzt der 
“Fall ist.” Daran ist nicht ein oder der andere Umstand schuld, 
sondern die Ursachen sind manigfaltig: aber die meiste Schuld tra- 
gen die welche um Volksgunst buhlen statt zum gemeinen besten 
zu rathen, sowohl die welche eifersüchtig auf ihren Ruf und ihren 
Einflufs um die kommenden Dinge sich keine Sorge machen — er 
mag Eubulos vor Augen haben ' — als die welche die Leiter der 
Staatsangelegenheiten anklagen und verleumden, die Bürgerschaft 
in Processe zu verwickeln suchen und Philipp in Wort und That 
freies Spiel schaffen. Solch ein Treiben ist den Athenern geläufig und 
«daraus entspringt die Zerrüttung. Demosthenes fordert nun, sie sol- 
len ihm nicht zürnen wenn er ihnen die Wahrheit mit Freimuth sagt: 
denn über der Schmeichelei, welche in den Debatten herrscht, sind 
die Dinge zum äufsersten gekommen. Aber man braucht nicht zu ver- 
zweifeln: wenn die Athener nur jetzt ihre Schuldigkeit (hun, können 
sie alles verlorene wieder einbringen: Philipp hat nicht dem athe- 
nischen Staate, sondern ihrem Leichtsinne und ihrer Unbekümmert- 
heit obgesiegt : sie sind nicht überwunden, sondern haben sieh nicht 
einmal gerührt ?. 1 
Die erste Frage welche Demosthenes erörtert ist: steht Athen 
in Frieden mit Philipp oder in Krieg? Liegt es in der Hand der 
Bürgerschaft Friede zu halten, so ist Demosthenes damit einver- 
standen: die Vertreter dieser Ansicht mögen dann die Leitung über- 
nehmen. Wenn aber ein anderer in voller Wallenrüstung ihnen den 
Namen des Friedens vorhält und selbst Thaten des Krieges verübt, was 
anders bleibt da übrig als sich zu wehren? Wahnsinn wäre es den 
jetzigen Zustand eines einseitigen Friedens, den Philipp gerade durch 
seine fortgesetzten Bestecehungen zu erkaufen sucht, dauern zu las- 
sen bis er endlich vor Athen zieht. Und eine Kriegserklärung Phi- 
lipps abwarten zu wollen wäre die gröfste Thorheit: die wird er 
nicht erlassen, selbst wenn er auf Attika und den Peiraeeus an- 
rückte. Demosthenes beweist dies an Philipps trüglichem Verfah- 
1) Vgl. o. S. 4385 u. Buch I, 4. 
2) Phil. 3, 1—5 Κ. 110—112, 5. Mit den letzten Worten vgl. Phil. 
1,28. 40, 10. 


440 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


ren gegen die Olynthier, Phokier, Pheraeer, Oreiten, also selbst 
gegen unbedeutende Gemeinden: “und Philipp wäre doch der ver- 
“kehrteste Mensch von der Welt, wenn er, ohne dafs ihr über die 
“ Beeinträchtigungen welche ihr von ihm erleidet euch beschwert, 
“sondern vielmehr unter einander hadert, euren Zwiespalt und eure 
‘“ Parteiung heben und wider sich selber kehren wollte; nähme er 
“doch durch eine solche Erklärung seinen Miethlingen die Ausre- 
“den mit denen sie euch hinhalten, er führe mit Athen keinen 
‘Krieg? !. 

Aber nicht aus dem Namen sondern aus den Thaten hat man 
zu beurteilen, wer in Frieden oder in Krieg mit uns begriffen ist: 
und Philipp hat von vorn herein, seit nur eben der Frieden geschlos- 
sen war, eine Feindseligkeit nach der andern begangen. lemo- 
sthenes erinnert an die damals geschehene Wegnahme der thraki- 
schen Festen, an die jetzige Truppensendung in den Chersones: er 
gedenkt auch der Anschläge auf Megara, der Einsetzung von Ty- 
rannen in Euboea, des Zuges nach Thrakien und der Umtriebe im 
Peloponnes: denn alles dies zielt auf Athen ab und bereitet den 
Angriff auf die Stadt vor. Das heifst nimmermehr Friede halten; 
ja “von dem Tage.an, da Philipp die Phokier vernichtete, rechne 
‘ich den Beginn des Kriegs von seiner Seite’. Schreiten die Athe- 
ner jetzt zur Gegenwehr, so handeln sie verständig: lassen sie es 
hingehen, so werden sie am Ende selbst dazu aufser Stande sein. 
Wohl gilt es den Chersones und Byzantion zu schützen und fort- 
während Acht zu haben, dafs diese Plätze nicht verloren gehen: 
aber die Berathung darf nicht dabei stehen bleiben, sondern mufs 
sich erstrecken auf die grofse Gefahr in der alle Hellenen schweben ?. 

Demosthenes entwickelt, worauf diese seine Befürchtung sich 
gründet. Er geht nicht näher ein auf Philipps ungemeines Empor- 
kommen, auf die Mishelligkeit und Zwietracht unter den Hellenen 
und andere Betrachtungen der Art, sondern nur eins hebt er her- 
vor. Alle Hellenen, die Athener voran, lassen Philipp zu, was die 
ganze frühere Zeit über Ursache der hellenischen Kriege gewesen 
ist, nämlich zu thun was ihm beliebt, die Völkerschaften einzeln zu 
plündern und zu berauben und über die Städte herzufallen und sie 
zu unterjochen. Er vergleicht damit den Widerstand, welchen die 


1) (6£.) 8—14 8. 112 (5) 20— 114, 10. 
2) 152208, 108, 11 τι ἡ 


Die dritte Philippika. 441 


Hellenen ehedem gegen die Athener, die Spartaner, die Thebaner 
erhoben haben, sobald diese ihre Macht misbrauchten, und nicht 
blofs die bedrückten, sondern auch die unbetheiligten: namentlich 
haben die Athener und Spartaner aus solchem Anlafs mit einander 
Krieg geführt. Und doch ist alles das, was die Spartaner und die al- 
ten Athener während der langen Dauer ihrer Hegemonie sich zu 
Schulden kommen hefsen, geringer als die Unbilden welche Philipp 
binnen kaum dreizehn Jahren den Hellenen zugefügt hat ', ja nicht 
der kleinste Theil davon. Demosthenes verweilt nicht bei der Zer- 
störung von Olynth, Methone, Apollonia, der zweiunddreifsig chal- 
kidischen Städte, der Vernichtung des phokischen Volks: er erin- 
nert nur an den Zustand Thessaliens, die Unterjochung Euboeas, 
an Philipps drohende Sendschreiben und seine Gewaltthaten, * jetzt 
‘ist er an den Hellespont marschiert, vorher zog er gen Ambrakia, , 
“Elis, eine so bedeutende Stadt im Peloponnes, ist in seiner Hand, 
‘Megara versuchte er jüngst zu überfallen, weder Hellas noch das Bar- 
“harenland fafst seine Herrschsucht. Und wir Hellenen sehen und 
“hören das und schicken keine Gesandte zu einander um unsern 
‘ Unwillen auszusprechen, sondern sind in so trauriger Verfassung, 
© Stadt von Stadt so gesondert, dafs wir bis auf den heutigen Tag 
“ nichts was Wohlfahrt und Pflicht erheischt thun, nicht zusammen- 
‘treten, nicht eine Gemeinschaft bundesfreundlicher Hilfleistung 
schliefsen können. Vielmehr sehen wir dem Wachsthume seiner 
“Macht unthätig zu, ein jeder wie es scheint gesonnen die Zeit 
“während ein anderer zu Grunde geht, für Gewinn zu rechnen, 
° statt auf die Rettung des hellenischen Wesens zu sinnen und da- 
“für thätig zu sein, zumal niemand verkennen kann dafs das Übel 
“auch den fernabstehenden erreichen wird’?. Und was die Helle- 
nen von den Spartanern oder den Athenern zu erdulden hatten, das 
widerfuhr ihnen doch von echten Söhnen Griechenlands: hätte ein 
Sklav oder ein Wechselbalg sich solches unterstanden, wie viel 
gröfser würde da ihre Entrüstung gewesen sein! Aber über Phi- 
lipp und sein jetziges Treiben empört sich niemand, trotzdem dafs 
er kein Hellene ist noch ihnen verwandt, sondern ein Barbar des 
verworfensten Gelichters, ein nichtswürdiger Makedone ®. 
1) Vgl. 0.8. 13, 1. 
116, 7—118, 22, 


442 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


Nach diesem Ausbruch heftigster Entrüstung schildert Demo- 
sthenes, wie Philipp alles Mafs des Frevels erfüllt hat, wie er, der 
Zerstörer hellenischer Städte, die pythischen Spiele hält oder durch 
seine Knechte halten läfst; er gedenkt seiner schriftlichen Weisungen 
an die Thessaler, der Truppensendungen nach Euboea. Das sehen die 
Hellenen mit an und dulden es, wie man einem Hagelschauer zu- 
schaut, betend es möge sie nicht treffen ohne dawider einen Schritt 
zu thun. Und nicht blofs die Frevelthaten, die Philipp an Grie- 
chenland überhaupt begeht, bringen niemand zur Gegenwehr, son- 
dern selbst das Unrecht nicht, was jedem einzelnen widerfährt ; 
und das ist doch das äufserste. Demosthenes zählt auf was die Ko- 
rinthier, die Achaeer, die Thebaner, die Byzantiner, die Athener 
(er erinnert nur an Kardia auf dem Chersones) sich bieten lassen. 
Und bei solcher Ungebühr zaudern sie alle wie erstarrt, blicken auf 
die Nachbarn voll Mistrauens gegen einander und nicht gegen den 
Widersacher aller, dem sie einzeln unterliegen müssen '. 

Was ist nun die Ursache dafs die Hellenen, einst so voll Eifer 
für die Freiheit, jetzt so willig zur Knechtschaft sind? Demosthe- 
nes findet sie in dem Wandel der Gesinnung des Volkes. Ehedem ver- 
liel, wer sich von herrschsüchtigen und böswilligen Feinden des Va- 
terlandes bestechen liefs, dem allgemeinen Hasse und ward als ein 
schwerer Verbrecher mit den härtesten Strafen gezüchtigt. Darum 
konnte niemand den günstigen Augenblick zu einer That, den das 
Glück auch den unbekümmerten wider die eifrig beflissenen oftmals 
bietet, den Rednern oder den Feldherrn abkaufen, noch die Ein- 
tracht unter einander, noch das Mistrauen gegen die Gewalthaber 
und die Barbaren noch überhaupt etwas der Art. Jetzt ist dies al- 
les wie vom Markte ausverkauft, und statt dessen eingeführt, woran 
Griechenland krank zum Tode legt, Eifersucht wenn einer etwas 
bekommen hat, (Gelächter wenn er es eingesteht, Hals wenn es je- 
mand rügt, kurz alles was an der Bestechlichkeit hängt. Denn 
Kriegsschiffe, Mannschaften, Geld, anderweiter Kriegsbedarf, über- 
haupt alles, wonach man die Kräfte der Staaten schätzen mag, ha- 
ben alle jetzt in weit gröfserer Menge und Stärke: aber durch die 
käuflichen Verräther wird es zwecklos, unwirksam, unnütz ?. Dafs 
dem so ist, liegt, so weit es die Gegenwart betrifft, vor Augen und 


1) 32—35 S. 119, 10—120, 11. 
2) 36—40 5. 120, 11—121, 16. 


Die dritte Philippika. 445 


bedarf keines weiteren Zeugnisses: aber wie ganz anders die Vor- 
fahren darüber dachten bezeugt die in Erz gegrabene Urkunde der 
Acht, welche die Athener über Arthmios von Zeleia verhängten, 
weil er medisches Gold nach dem Peloponnes gebracht hatte. Zu 
dieser Strenge bildet denn freilich die jetzige Gleichgiltigkeit einen 
argen Gontrast ἢ. 

Indessen hat Demosthenes die Parallele der alten Zeit mit der 
Gegenwart vor einem Einwurfe sicher zu stellen, mit dem, so thö- 
richt er ist, die Gegner die Bürgerschaft zu beschwichtigen suchen: 
Philipp sei noch lange nicht so mächtig wie einst die Spartaner, die, 
im Bunde mit dem Perserkönige, Meer und Land unbestritten be- 
herrschten; und doch nahm Athen mit ihnen den Kampf auf und 
gieng darüber nicht zu Grunde. Dawider erinnert Demosthenes an 
die gänzliche Umgestaltung und den Aufschwung, welchen das 
Kriegswesen neuerdings erfahren hat. Er schildert die ehrliche und 
einfältige Kriegführung der Vorzeit und andererseits das schlaue 
Verfahren Philipps, wie er Verrätherei und innere Parteiung zu be- 
nutzen weils, und ohne Schlacht, ohne sein schweres Fufsvolk 
aufser Landes zu führen, aus leichtbewaflneten, Reitern, Bogen- 
schützen, Söldnern sein Heergefolge gebildet hat. Damit fällt er 
die im innern zerrüttelen Staaten an; vor gegenseitigem Mistrauen 
rückt niemand aus das Land zu vertheidigen: so richtet denn Phi- 
lipp sein Kriegszeug auf und schreitet zur Belagerung. Sommer 
und Winter gilt ihm gleich, es ist keine Jahreszeit ausgenommen, 
die er aussetzt ”. Im Hinblick darauf müssen die Athener von wei- 
tem her in ihrer Politik und in ihren Rüstungen Anstalt treffen um 
ihn zu hindern aus seinem Lande sich zu bewegen, nicht um in of- 
fener Feldschlacht mit ihm zu kämpfen. Denn zum Kriege bieten 
sich den Athenern viele natürliche Vortheile dar, die Beschaffenheit 
der Lande Philipps , die in grofser Ausdehnung verheerenden Einfäl- 
len oflen liegen und anderes mehr: aber für Schlachten ist Philipp 
besser gerüstet als die Athener *. 

Aber mit dem thätigen Widerstande gegen Philipp mufs die 
Gesinnung, der innere Abscheu gegen die, welche unter ihnen seine 
Fürsprecher machen, Hand in Hand gehn. Damit kommt Demosthe- 


1) 41—46 5. 121, 16—123, 4. 
2) 47—50 8. 123, 5—124, 4. 
3) 51f. S. 124, 4—16. 


444 Viertes Buch, Sechstes Capitel. 


nes auf dasselbe Thema, das er schon in der vorigen Rede behan- 
delt hat: war es doch eine Lebensfrage für Athen sich der Verrä- 
therei zu erwehren: aber Demosthenes berührt es mit herbem Un- 
willen und ohne sich eines Erfolges zu getrösten, denn der Leicht- 
sinn der Bürger war ohne Grenzen. °So weit geht eure Thorheit 
“oder euer Wahnsinn oder was es sein mag (denn oftmals wandelt 
“mich auch die Furcht an, dafs eine feindliche Gottheit uns ins Ver- 
“erben treibe), dafs ihr um einer Lästerung, einer Gehässigkeit, 
“eines Witzes, einer Laune halber feile Miethlinge, von denen einige 
“selber nicht leugnen dafs sie das sind, zum Reden aufruft und 
“Jacht, wenn sie andere lästern. Und so schlimm dies ist, es ist 
“noch nicht das schlimmste : sondern ihr habt diesen Menschen ver- 
° stattet in grölserer Sicherheit ihr Wesen zu treiben als denen die zu 
“eurem besten reden. Aber schauet, was für Unheil es bringt solchen 
“Leuten williges Gehör zu schenken? !. Das weist Demosthenes an 
der Bürgerschaft von Olynth, Eretria, Oreos nach ὃ. Er zeigt dafs 
die Ursache, welche in diesen Fällen den Parteigängern Philipps ein 
solches Übergewicht über die wahren Volksfreunde gab, eben keine 
andere war als die, welche auch zu Athen obwaltet. Wer zum ge- 
meinen besten redet, kann manchmal auch wenn er wollte nichts 
angenehmes sagen; denn es gilt das öffentliche Interesse zu wah- 
ren: jene aber befördern eben durch ihre Schmeichelreden Philipps 
Zwecke. Sie forderten Kriegssteuern, jene sagten deren brauche 
es nicht, sie riethen zum Kriege und nicht blind zu vertrauen, jene 
zu friedlichem Verhalten, bis sie im Netze gefangen waren. Und 
so gieng es in allen Stücken: jene sagten, was für den Augenblick 
gefiel und nicht wehe that, diese was auf Rettung des Staates ab- 
zweckte, aber sie machten sich Feinde damit. Und zuletzt lhiefs die 
Volksgemeinde vieles nicht sowohl aus Gunst oder unwissend ge- 
schehen, als in Verzagtheit, da sie einmal alles verloren glaubte ®. 
Das steht auch von den Athenern zu fürchten, wenn sie einmal er- 
kennen dafs nichts mehr für sie zu thun ist. Möchte es doch nie 
dahin kommen: tausendmal besser wäre es zu sterben als aus 
Schmeichelei gegen Philipp etwas zu thun. Demosthenes legt an 
den angeführten Fällen dar, was es der Bürgerschaft jener Städte 


1) 53555 S. 194, 16 155, 5 
2) 56—62 5: 125, 5—127, 6 
er 


Die dritte Philippika. 445 


gefrommt hat, dafs sie sich Philipps Freunden hingaben und die 
Vertreter des Gemeinwohls verstiefsen. Thöricht und erbärmlich 
ist es solche Hoffnungen zu hegen und übel berathen, ohne seine 
Schuldigkeit zu thun, den Wortführern der Feinde hingegeben sichı 
(dessen zu getrösten, Athen sei eine Stadt von solcher Grölse, dals 
ihr unter keinen Umständen ein Übel widerfahren könnte '. Und 
fürwahr eine Schande ist es hinterdrein zu sagen ” wer hätte sich 
“ das gedacht; beim Zeus, man hätte das und das thun und das 
“nieht thun sollen”. Solche Reden könnten die Olynthier und ihre 
Leidensgenossen genug führen: aber was nützte es ihnen! So 
“lange das Fahrzeug wohlbehalten ist, so lange muls, sei es grols 
“oder klein, Matrose und Steuermann und jeder an Bord eifrig zum 
“ Dienste sein und Acht haben, dafs es durch niemandes Fahrlässig- 
“keit oder bösen Willen umschlage, wenn aber die See über Bord 
τ geht, ist die Mühe umsonst. Wir Athener sind noch wohlbehal- 
“ten im Besitze der gröfsten Stadt, reicher Hilfsquellen, eines herr- 
“Jichen Rufes: was also sollen wir thun?? das ist die Frage die 
jedem sich aufdrängen mufs: und Demosthenes ist bereit Vorschläge 
zu thun und Anträge zu stellen: bei der Bürgerschaft steht es sie 
zu genehmigen !. 

Erstlich müssen die Athener selber zur Gegenwehr schreiten 
und sich rüsten, und zwar mit Kriegsschiffen, Geld und Streitern. 
Ist das bewerkstelligt, so gilt es die andern Staaten zum Bunde zu 
laden und Gesandte auf Botschaft auszuschicken, damit man sie 
entweder zu Theilnehmern an der Gefahr und den Unkosten im Falle 
der Noth gewinnt oder doch in Philipps Unternehmungen einen Auf- 
schub bringt. Denn da der Krieg wider einen einzelnen Mann und 
nicht gegen ein mächtiges Staatssystem gerichtet ist, ist ein Zeitge- 
winn nicht unnütz, so wenig wie vorm Jahre die peloponnesische Ge- 
sandtschaft, die Philipp veranlafste Halt zu machen ohne vor Ambra- 
kia zu rücken oder nach dem Peloponnes sich aufzumachen. Dagegen 
will Demosthenes nichts wissen von einem Aufrufe an andere, ohne 
dafs die Athener willig sind selber für sich was nöthig ist zu thun: 
sondern sein Antrag geht dahin, dafs die Athener nach dem Cherso- 
nes Geld und was sonst begehrt wird schicken, selber sich rüsten 
und dann die andern Hellenen aufrufen, zusammentreiben, beleh- 


1) 65—70 8. 127, 22—129, 1. 


446 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


ren, warnen: das ist die Aufgabe einer Stadt von solchem Rufe wie 
Athen: es ist ihr Ehrenamt von den Vorfahren erworben und als Erb- 
(heil hinterlassen unter vielen und grofsen Gefahren. Folgt aber ein 
jeder nur seinem eigenen Gelüste ohne sich zu rühren, nur darauf 
bedacht sich persönlichem Dienste zu entziehen, so wird er nimmer 
andere dazu bereit finden, und dann dürfte ihnen die Noth alles wi- 
dderwärtige mit einem Male auferlegen. “Das sind meine Vorschläge 
“und Anträge und ich glaube, dafs wenn sie ausgeführt werden auch 
* jetzt noch die Dinge sich zum guten wenden können. Weifs jemand 
“besseres, so sage er es und rathe es an: euer Beschlufs aber, bei 
“allen Göttern, möge zum Heile gereichen’ '. 

Die dritte Philippika ist die letzte Volksrede des Demosthenes, 
welche von dem Geiste seiner Leitung des athenischen Volkes eine 
Urkunde bildet: denn aus den folgenden Jahren kannte schon das 
Alterthum kein echtes ungefälschtes Werk des Demosthenes aufser 
der gerichtlichen Rede vom Kranze. Um so bedeutsamer ist es für 
uns, dafs gerade hier bestimmter als je früher das Programm der 
hellenischen Politik vorgezeichnet ist, welches die Athener in der 
nächsten Zeit ins Werk setzten, mit dem schönsten Erfolge, bis 
Philipp durch Verrath herbeigerufen in offener Feldschlacht den 
Sieg erkämpfte: denn hier war er überlegen an Kriegskunst wie an 
Waffenübung seines Heeres. Das hatte Demosthenes nie verkannt: 
(darum war sein Absehen auf nichts mehr gerichtet als Philipp in 
der Ferne zu bekriegen und vermittelst der athenischen Flotte und 
wohlberechneter Diversionen ihn im Norden festzuhalten ὅ. 


In der Rede von den Angelegenheiten des Chersones hatte De- 
mosthenes rückhaltlos das Schwanken und die Schlaflheit seiner 
Mitbürger angegriffen: er hatte es mit kühnem Freimuthe und gan- 
zer Entschiedenheit gethan, um zunächst Diopeithes und seine 
Truppenmacht zur Verfügung des athenischen Staates zu behalten. 
Fernere Schritte hatte er bereits angeregt, aber nur mit schwacher 
Hoffnung durchgreifender Wirksamkeit ®. Jetzt geht Demosthenes 


1) 70—76 5. 129, 2 bis zu Ende. 

2) Phil. 3, 511. 5. 124, 4—16 — εἰς δὲ ἀγῶνα ἄμεινον ἡμῶν ἐκεῖ- 
νος ἤσκηται. Gerade das Gegentheil wie im früher vorgesehenen Falle 
eines Perserkriegs: vdSymm. 9 S. 180, 12. 


3) Schlufs der Rede ὃ, 109, 8 ἂν οὕτω τοῖς πράγμασι χρῆσϑε καὶ 


Bedeutung der dritten Philippika. 447 


darüber hinaus. Was in jener Rede nur vorbereitet war, wird nun- 
mehr in weiterem Umfange der Beschlufsfassung der Volksgemeinde 
unterbreitet, nämlich die Rüstung zum Kriege (denn eine Möglich- 
keit Philipp zur Beobachtung der Verträge anzuhalten ist nicht mehr 
vorhanden) und die Bildung eines hellenischen Bundes zu gemein- 
samer Gegenwehr gegen Philipp: denn dahin fällt das Hauptge- 
wicht seiner Rathschläge '. Die besonderen Interessen Athens tre- 
ten davor zurück. Zwar bildet die Sendung von Geld und sonsti- 
gem Kriegsbedarf nach dem Chersones einen Theil seines Antrags 
und einen unerläfslichen: aber doch ist dies untergeordnet den 
Mafsregeln welche darauf abzwecken die Selbständigkeit aller hel- 
lenischen Staaten vor der drohenden Knechtschaft zu erretten ?. 
Allerdings steht Demosthenes auch hier mitten in den athenischen 
Verhältnissen und legt ihre Schäden zu Tage, aber sein Blick be- 
schränkt sich nicht auf Athen, sondern umfalst ohne Sondergedan- 
ken Wohl und Wehe der Hellenen insgesamt. Man hat die Rede 
ein Nachtstück genannt, das in seiner düsteren Färbung eine trübe 
Stimmung und keineswegs frohe Ahnungen durchblicken lasse, 
während die Rede über den Chersones, die unter dem Eindrucke 
froher Hoffnungen geschrieben sei ὅς ein frischer Hauch durchwehe. 
Ich vermag diesem Urteile nicht vollkommen beizustimmen. Wohl 
demüthigt Demosthenes die Athener mit ernst strafender Rede, er 
läfst sie in den Abgrund blicken, an dessen Rand sie durch gleils- 
nerische Schmeichler und eigene Schlallheit gerathen sind. Aber 
das ahnende Vorgefühl, dafs ein göttliches Strafgericht über sein 
Volk ergehe*, bringt ihn nicht zur Verzagtheit oder gar zur Ver- 
zweillung, sondern er richtet seine Mitbürger wieder auf durch 
die Rathschläge zu Thaten, welche auszuführen noch bei ihnen 
steht und von denen sich noch Heil erwarten lälst °. So ist der 


παύσησϑε ὀλιγωροῦντες ἁπάντων, ἴσως ἄν, ἴσως καὶ νῦν ἔτι βελτίω 
γένοιτο κτλ. 

1) Phil. 8, 2905. 118, 8. 70: S. 129, 2f. Vgl. Chers. 76 5. 109, 
2 und über die mögliche Erhaltung des Friedens 47 S. 101, 19, 

2) 8. 0. 8. 437. 

3) Westermann ausgew. Reden des Dem. I, 141. 

4) 54 8. 124, 25 πολλάκις γὰρ ἔμοιγ᾽ ἐπελήλυϑε καὶ Tovro poßei- 
σϑαι, μή τι δαιμόνιον τὰ πράγματ᾽ ἐλαύνῃ. 

5) Schlufs der Rede $. 180, 15 ἐγὼ μὲν δὴ ταῦτα λέγω, ταῦτα 
γράφω" καὶ οἴομαι καὶ νῦν ἔτι ἐπανορϑωϑῆναι ἂν τὰ πράγματα τού- 


448 Viertes Buch. Sechstes Capitel. 


schliefsliche Eindruck nicht der des Unmuthes und der Niederge- 
schlagenheit, sondern der Erhebung zu dem Entschlusse zu thun 
was die Wohlfahrt und Ehre des Vaterlandes fordert. 

Die Rede ist mit vorzüglicher Sorgfalt entworfen und durch- 
gearbeitet und gilt nach dem übereinstimmenden Urteile alter und 
neuer Kritiker als die gröfste Staatsrede des Demosthenes '. Mögen 
wir auf den männlichen Freimuth, die in scharfen Zügen gegebene 
Schilderung der hellenischen Zustände, die Würdigung alter und 
neuer Verhältnisse blicken, überäll tritt uns das Bild des denken- 
den Staatsmannes entgegen, dem sein Vaterland über alles theuer 
ist, und der mit weiser Erkenntnils dessen was noth thnt und um- 
sichtiger Berechnung der vorhandenen Mittel seine heilsamen Rath- 
schläge in vollendeter Meisterschaft verkündet. Da ist kein Wort 
müfsig oder einschmeichelnd, keines das nicht dem Zwecke ent- 
spräche 416. Hörer zu erschüttern, sie zu klarer Erkenntnifs zu lei- 
ten und sie fest zu machen in dem Willen das rechte und pflichtge- 
mälse zu thun. In gesunder Kraft, markig und gedrungen, er- 
greift die Rede das Gemüth und lenkt zu thatkräftigen Entschlie- 
(sungen. Es wird erzählt, Philipp habe, als man ihm die wider 
ihn gehaltenen Reden des Demosthenes überbrachte, ausgerufen: 
“hätte ich ihn reden hören, ich hätte selbst ihm die Leitung des 
‘ Krieges gegen mich übertragen’®. Wir geben wenig auf solche 
Anekdoten, deren Gewähr gering ist: aber die zwingende Gewalt der 
ılemosthenischen Beredsamkeit spiegelt sich treffend darin wieder. 


τῶν γιγνομένων κτλ. Vgl. damit den. S. 446, 3 angeführten Schlufs der 
früheren Rede. 

1) Dionys. Char. ἃ. Thuk. 54 $. 947, 14 τῇ μεγίστῃ τῶν κατὰ Φι- 
λίππου δημηγοριῶν. 

2) L.d. X R. 5. 845° καὶ αὐτὸς ἂν ἀκούων λέγοντος “1ημοσϑέ- 
vovg ἐχειροτόνησα τὸν ἄνδρα πρὸς τὸν κατ᾽ ἐμοῦ πόλεμον. 8. auch 
Plut. Dem. 16. Lobschr. auf Dem. 33. Vgl. AGBecker D. phil. R. S. 399. 


449 


SIEBENTES CAPITEL. 


Staatsverwaltung des Demosthenes. Mafsregeln der Athener für 
den Krieg mit Philipp. Belagerung von Perinthos. Philipps 
Ultimatum und Kriegserklärung der Athener. Belagerung 
von Byzanz. Philipps Zug gegen die Donauskythen und 
Rückmarsch nach Makedonien. 


Welche Wirkung die dritte philippische Rede des Demosthe- 
nes hatte, was die athenische Bürgerschaft auf die vorgelegten An- 
träge beschlofs und that, ist eine Frage auf welche wir in den 
Trümmern historischer Überlieferung vergebens nach einer befrie- 
(digenden Antwort suchen. Indefs vermögen wir so viel zu erken- 
nen, dafs Demosthenes diesmal nicht umsonst geredet hatte, son- 
dern dafs seine Vorschläge ins Werk gesetzt wurden: die Leitung 
der Geschäfte gieng jetzt entschieden an ihn und seine Freunde 
über '. Zwar wissen wir nicht, was für Kriegsrüstungen alsbald 
vorgenommen wurden, aber von den Gesandtschaften haben wir 
theils deutliche Spuren theils genauere Nachrichten. Demosthenes 
gedenkt seiner Gesandtschaft nach Byzanz und zu den thrakischen 
Königen: dort wie anderwärts hätten Philipps Gesandte vor ihm das 
Feld räumen müssen ?. Aber nicht darin allein lag die Schwierig- 
keit der Aufgabe, den Anerbietungen und Forderungen des Make- 
donenkönigs, des bisherigen verbündeten der Byzantiner, zu begeg- 
nen. Schon die Athener zu vermögen alle Empfindlichkeit gegen die 
Stadt, der sie vom Bundesgenossenkriege her grollten und von der 
aus ihre Schiffahrt noch neuerdings belästigt worden war, fahren 
zu lassen, die alten Hoheitsansprüche nicht zu erneuern, sondern 
zu freiem Bunde ihr die Hand zu bieten, war keine leichte Sache 


1) Dem. νυ. 320 5. 331, 8 ὅτε μὲν τῇ πόλει τὰ βέλτιστα ἔλέσϑαι 
παρὴν —, τοῖς ἐμοῖς καὶ ψηφίσμασι καὶ νόμοις καὶ πρεσβείαις ἅπαντα 
διῳκεῖτο. 298 Κ΄), 325, 16 μεγίστων -- πραγμάτων τῶν κατ᾽ ἐμαυτὸν 
ἀνϑρώπων προστάς. 218 8. 301, 14 ἡ ἐμὴ συνέχεια καὶ πλάνοι καὶ τα- 
λαιπωρίαι καὶ τὰ πολλὰ ψηφίσματα. Aesch. 3, 130 8. 72 ἀπολαύων 
καὶ ἐμπιπλάμενος τῆς διδομένης ὑφ᾽ ὑμῶν αὐτῷ ἐξουσίας. Vgl. Grote 
XI, 625f. und u. Cap. 8. 

2) Dem. vKr. 244 5. 308, 12. ΨΩ]. 888. 5. 255, 5. 257, 7. 21. 
Aesch. 3, 256 5. 90, 

DEMOSTHENES II. 29 


450 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


gewesen '. Eben dieses langgenährte Mistrauen hatte jetzt Demo- 
sthenes bei den Byzantinern zu bekämpfen, und es gelang ihm voll- 
ständig beide Städte zu versöhnen und ein Bündnifs mit Byzanz ab- 
zuschlielsen *: für die nahe drohende Gefahr ward athenische Hilfe 
zugesagt. Damit war der Bosporus, der Schlüssel des Pontus, für 
Athen gesichert. Nicht minder gewann Demosthenes für die unge- 
störte Schiffahrt durch den Hellespont eine neue Garantie: er stellte 
nämlich auch mit Abydos, das lange den Athenern feind gewesen 
war ?, ein bundesfreundliches Einvernehmen her. Dals er sich über- 
(dies persönlich vom Stand der Dinge auf dem Chersones unterrich- 
tete, dafs er mit Diopeithes Rücksprache nahm, versteht sich von 
selbst. Diese Reise kann nicht früher fallen als in den Sommer 
341, denn in der chersonesitischen Rede * spricht Demosthenes 
noch von der wahnsinnigen Verblendung der Byzantiner , welche sie 
in Mistrauen gegen die Athener erhält; aber auch kaum später, 
denn im Laufe des Jahres vollendete Philipp die Besiegung der 
Thrakerkönige und entthronte sie®. Ferner lesen wir in der er- 
weiterten Recension der dritten philippischen Rede, in welcher 
wenn nicht die Hand des Verfassers selbst, doch wenigstens die 
eines mit der Sache vertrauten Zeitgenossen nicht zu verkennen 
ist °, dafs Demosthenes Gesandtschaften in den Peloponnes, nach 
Rhodos, Chios, an den persischen Hof in Vorschlag brachte: denn 
auch im Interesse des Grolskönigs liege es Philipp nicht alles über- 
wältigen zu lassen’. Alle diese Gesandtschaften sind in der That 
in dieser und der nächsten Zeit abgeordnet worden. An den König 


1) Dem. a. Ὁ. 94f. 5. 257, 12. 28. 238 5: 306, 10. Vel: Plut. 
Dem. 17. 

2) Über das Bündnifs mit Byzanz und Abydos s. Dem. vKr. 302 
5, 326, 17. Ehrenbeschlufs f. Dem. 5. 851». 

3) Dem. w. Aristokr. 158 8. 672, 24; vgl. 202 S. 687, 29. 

4) 14£. 8. 93, 14. 17. 8.0.8. 427. 

5) 8. o. 8.420. Ich denke, D. wird vor Eintritt der Etesien, um 
das Ende von Ol. 109, 3. 341 abgereist sein. 

6) 5. über diese doppelte Recension LSpengel Abh. d.k. bayr. Ak. 
III, 1, 155. WDindorf annot. V, 1771. 

7) Phil. 3, 71 8. 129, 8 ἐχπέμπωμεν πρέσβεις (πανταχοῖ, εἰς Πε- 
λοπόννησον, εἰς Ῥόδον, εἰς Χίον, ὡς βασιλέα λέγω" οὐδὲ γὰρ τῶν 
ἐκείνῳ συμφερόντων ἀφέστηκε τὸ μὴ τοῦτον ἐᾶσαι πάντα καταστρέψα- 
σϑαι). Die eingeklammerten Worte hat S. am Rande von dritter 
Hand, u 


Athenische Gesandtschaften nach Thrakien und Persien. 491 


Ochos wurden Gesandte geschickt um ein Bündnifs gegen Philipp 
zu verabreden und Subsidien auszumitteln. Diese Unterhandlun- 
sen schwebten noch als Philipp sein Absageschreiben an die Athe- 
ner erliefs (Ol. 110,1. 340) ': der Entsatz von Perinthos, den die 
Satrapen von Vorderasien bewirkten, geschah ohne Abrede mit der 
athenischen Volksgemeinde. Die Gesandtschaft hatte übrigens nicht 
den erwünschten Erfolg. Das Antwortschreiben, welches an die 
Athener ergieng, war in stolzem Tone gehalten und voller Vorwürfe; 
König Ochos mochte älterer Mishelligkeiten und der athenischerseits 
verweigerten Waflenhilfe gegen Aegypten gedenken ; Subsidien wur- 
den ein für allemal abgeschlagen ?. Dagegen ist behauptet worden, 
Ephialtes, der Wortführer der Gesandtschaft, habe für einzelne 
Redner Geldgeschenke mitgebracht. Demosthenes und Hypereides 
sollen deren bekommen haben, jener eine Summe von 3000 Darei- 
ken®. Wir lassen diese unverbürgte Nachricht vorläufig dahinge- 
stellt und werden später, ‘wo eine ähnliche Beschuldigung in be- 
stimmterer Gestalt von Aeschines erhoben wird, die Beziehungen 
des Demosthenes zu König Darius und dem persischen Hof näher 
erwägen. Sicher beglaubigt ist, dafs Diopeithes ein Geldgeschenk 
vom Grofskönig zugesandt wurde, das aber erst nach seinem Able- 
ben, also erst nach Ende der Kämpfe im Hellespont, eingieng ἧς ob 
durch die athenischen Gesandten vermittelt, oder auf Grund der 
von den Satrapen erstatteten Berichte, wissen wir nicht. 

Besseren Erfolg hatten die nach Chios und Rhodos geschick- 
ten Gesandtschaften. Wenn jene Inselstaaten auch kein förmliches 


1) Phil. Schr. 6 8. 160, 8. 

2) Aesch. 3, 238 5. 87 ὁ γὰρ τῶν Περσῶν βασιλεὺς οὐ πολλῷ 
πρύτερον χρύνῳ πρὸ τῆς ᾿Δλεξάνδρον διαβάσεως εἰς τὴν ᾿Δσίαν κατέ- 
πεμψε τῷ δήμῳ καὶ μάλα ὑβριστικὴν καὶ βάρβαρον ἐπιστολήν, ἐν ἣ τά 
τε δὴ ἄλλα καὶ μαλ᾽ ἀπαιδεύτως διελέχϑη καὶ ἐπὶ τελευτὴ ἐνέγραψεν 
ἐν τῇ ἐπιστολῇ, “ἐγώ᾽ φησὶν “ὑμῖν χρυσίον οὐ δώσω" μή μὲ αἰτεῖτε" 
«οὐ γὰρ λήψεσϑε᾽. Über die früheren Verhältnisse vgl. o. Buch 
17,'0. 

3) Τὰ ἃ. X R. S. 8478, 848e. Von derselben Gesandtschaft mag 
Menelaos gewesen sein, ὃ πρεσβεύσας πρὸς βασιλέα, Zeuge bei Lykurg. 
wLeokr. 24 S. 151. Eine für Menelaos Menelochos S. v. Myrrhinus ge- 
mäfs seiner Ol. 110, 3. 338 angemeldeten Schenkung zur Getreidecasse 


nachträglich erfolgte Zahlung ist in den Rechnungen von Ol. 113, 3. 
(Seeurk. XIIIC, 74. 214) aufgeführt. 
4) Arist. Rh. 2, 8 S. 1386, 18. 
20" 


452 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Bündnifs mit Athen schlossen, so ward doch ihre Theilnahme für 
Byzantion, das im Bundesgenossenkriege zu ihnen gestanden, rege 
gemacht: bald sehen wir ihre Kriegsschiffe an den Operationen des 
byzantinischen Krieges sich betheiligen. Wahrscheinlich hat Hy- 
pereides diese Gesandtschaft bekleidet. Dafs er nach Rhodos als 
Gesandter gieng, wird ausdrücklich erwähnt, dafs es gerade in die- 
ser Zeit geschah und dafs Hypereides damals seine chiische und rho- 
dische Rede hielt, ist eine scharfsinnige Combination Böhneckes ', 
welche uns in hohem Grade wahrscheinlich dünkt. Von besonderer 
Wichtigkeit aber waren die Verhandlungen mit den peloponnesi- 
schen Staaten : denn sie führten zu der Begründung eines Bundes 
hellenischer Staaten gegen Philipp. Zu diesem Ende vereinigte 
Kallias von Chalkis seine Bemühungen mit denen des Demosthenes. 
Aeschines erzählt?, nachdem er des gemäfs den demosthenischen An- 
trägen von chalkidischen abgeordneten mit den Athenern abgeschlos- 
senen Bündnisses gedacht hat ?, einige Zeit darauf sei Kallias sel- 
ber nach Athen gekommen in der Absicht die Bildung eines selb- 
ständigen euboeischen Bundesrathes durchzusetzen und habe in der 
Volksgemeinde gesprochen, wie er mit Demosthenes beredet. Kal- 
lias berichtete in dieser Rede von seiner Reise in den Peloponnes: 
dort habe er zum Kriege gegen Philipp eine gemeinsame Casse mit 
Zuschüssen, die sich gegen 100 Talente beliefen, vereinbart, und 
er rechnete die Beiträge, zu denen jeder Theil sich verbindlich ge- 
macht habe, her: die Achaeer insgesamt und die Megareer 60 Ta- 
lente, und alle euboeischen Städte 40 Talente. Von .diesen Geld- 
mitteln solle eine See- und Landmacht aufgestellt und unterhalten 
werden: auch viele andere hellenische Orte seien bereit zu dieser 
Bundescasse beizusteuern, so dals man an Geld und Mannschaft 
keinen Mangel leiden werde. Das seien olfenkundige Thatsachen ; 
er habe aber aufserdem geheime Verhandlungen gepflogen, von 


I) L.d. Χ R. 58. 850% ἐπρέσβευσε δὲ καὶ πρὸς Ῥοδίους. Fragmente 
von Hypereides Ῥοδιακός und Χιακός 5. Sauppe OA. II, 300. 304. 
Böhnecke F. I, 461, 3. 657f. An letzterer Stelle hat B. seine frühere 
Vermuthung über die Zeit der rhodischen Rede aufgegeben, weil in den 
folgenden Worten der Schrift v. d. X R. von Antipater die Rede ist: 
wie Sauppe a. O. erinnert hat, ohne Notlh. Die Gesandtschaft nach 
Chios und Rhodos erwähnt auch die Lobschr. auf Dem. 18. 

2) 3, 94—105 8. 67%. 

3) S. ο. 8. 39. 


Hellenischer Bund gegen Philipp. 153 


denen einige Bürger von Athen Zeugen seien: schliefslich rief er 
Demosthenes mit Namen auf und ersuchte ihn seine Aussagen zu 
bestätigen. Demosthenes, so erzählt Aeschines weiter, belobte m 
feierlicher Rede Kallias, that als wisse er von den geheimen Ver- 
abredungen, und knüpfte daran seinen eigenen Bericht von der ihm 
übertragenen Gesandtschaft in den Peloponnes und nach Akarna- 
nien. Der Hauptinhalt seiner Rede gieng dahin, alle Peloponne- 
sier und alle Akarnanen seien durch seine Vermittelung zum Bunde 
gegen Philipp aufgeboten, und die Bundescasse sei berechnet auf 
die Bemannung von 100 schnellfahrenden Kriegsschilfen und ein 
Landheer von 10,000 Mann zu Fufs und 1000 Reitern. Darüber 
würden noch die Aufgebote der Bürgerschaften zur Verfügung ste- 
hen, aus dem Peloponnes mehr als 2000 schwerbewaffnete und 
ebensoviel aus Akarnanien. Die Öberleitung über die gesamte 
Macht sei Athen zugestanden. Und zwar sei die Vollziehung dieser 
Übereinkunft nicht in weite Ferne gerückt, sondern solle den 
16 Anthesterion erfolgen: er habe nämlich in den Städten ange- 
sagt, dals zur CGonstituierung des Bundesrathes alle auf den Voll- 
mond nach Athen kommen möchten. Zum Sehlusse habe dann 
nach all diesen Windbeuteleien Demosthenes einen Volksbeschlufs 
vorgelegt, länger als die Iliade, aber alles wahren Gehaltes bar, voll 
nie verwirklichter Hoffnungen und nie gesammelter Heere, der end- 
lich darauf hinauslief Gesandte nach Eretria abzuordnen um die Ere- 
(trier zu “ersuchen? den Beitrag von fünf Talenten fortan nicht 
nach Athen, sondern an Kallias zu entrichten, und nach Oreos um 
die Oreiten zu Sersuchen ἢ mit Athen in ein Schutz - und Trutzbünd- 
nils zu treten, und die fünf Talente ebenfalls nicht nach Athen, 
sondern auch an Kallias zu zahlen. So habe Demosthenes Athen 
um zehn Talente Beiträge von Bundesgenossen gebracht : dafür habe 
er aus CGhalkis vom Kallias ein Talent, ein zweites aus Eretria von 
dem Tyrannen Kleitarchos empfangen, ein drittes aus Oreos: den 
letzten Posten belegt Aeschines durch einen Beschluls der Ge- 
meinde dieser Stadt. 

Dafs die Verhandlungen des Demosthenes mit peloponnesi- 
schen Staaten, welche Aeschines hier im Sinne hat, verschieden 
sind von der Ol. 109, 2. 342 unternommenen Gesandtschaft, er- 
gibt sich aus dem Stande der Dinge wie ihn die dritte Philippika 
schildert und aus den Verhältnissen der Insel Euboea. Jene frü- 


454 Viertes Buch. Siebentes Capilel. 


here Gesandtschaft, obgleich keineswegs ganz fruchtlos, hatte zu 
einem Bunde gegen Philipp nicht geführt ', und konnte es nicht, so 
lange die Athener nicht ernstlich zum Kriege entschlossen waren. 
Dagegen kam diesmal ein förmliches Bündnifs zu Stande, nicht 
blofs, wie Aeschines behaupten will, zum Scheine, sondern in der 
That. Wenn die neue Gesandtschaft, auf welche Demosthenes ge- 
drungen hatte, im nächsten Jahre abgeordnet wurde, so ist der 
zum förmlichen Abschlufs eines Bundesvertrags anberaumte Tag 
der 16 Anthesterion Ol. 109, 4 (9 März 940) 5: der Bericht des 


1) Dem. Phil. 3, 72 Κ. 129, 16. 28 8. 118, 8—15. Darum trägt 
Demosthenes 71 8. 129, 9 auf eine neue Gesandtschaft an. 8. o. 
5. 400, 1. 

2) Aesch. 3, 98 8. 67 πραχϑήσεσϑαι δὲ αὐτὰ οὐκ εἰς μακράν, 
ἀλλ᾽ εἰς τὴν ἕχτην ἐπὶ δέκα τοῦ ἀνϑεστηριῶνος μηνός " εἰρῆσϑαι γὰρ 
ἐν ταῖς πόλεσιν ὑφ᾽ ἕαντοῦ καὶ παρηγγέλϑαι πάντας ἥκειν συνεδρεύ- 
σοντας ᾿ϑήναξε εἰς τὴν πανσέληνον. Dazu bemerkt Vömel im NRhein. 
Mus, I, 547: ‘Den 16 Anth. (3 März 342), am Tage des Vollmonds, 
‘sollten die Gesandten dieses Bundes sich in Athen einfinden. Diese 
‘Stelle ist eine bis jetzt noch unbenutzte Bestätigung der Idelerschen 
‘Tabellen. Denn nach denselben fällt der 16 Anthesterion auf den 3 
‘März, und nach den Mondtafeln fällt auf diesen Tag auch der Voll- 
‘mond. Hinwiederum wird unsere chronologische Zusammenstellung 
‘dadurch bestätigt’. Über die mehrfachen Irrthümer, welche Vömel 
hiebei begegnet sind, hat Böckh mir freundlichst Auskunft und Beleh- 
rung gegeben. „Zuvörderst nämlich beweisen Aeschines Worte nicht, 
dafs der 16 Anthest. der Vollmondstag gewesen sci. Die Gesandten 
sollten auf den Vollmond kommen: trat dieser den 14 Anthest. ein, so 
konnte die Sitzung und Beschlulsfassung (πραχϑήσεσϑαι) den 16 statt- 
tinden. Ein Tag zwischen der Ankunft und der Sitzung war für die 
erforderlichen Meldungen, Legitimationen u. s. w. nöthig. Auf keinen 
Fall kann die Sitzung am Vollmondstage selbst stattgefunden haben: 
höchstens liefse sich denken, dieser sei durch eine leicht mögliche Ver- 
schiebung erst der 15 Anthest. gewesen, und die Verhandlung sei schon 
auf den nächsten Tag angesetzt worden. Da nun die Athener ihre Mo- 
nate mit dem Neumonde begannen, trat stets der Vollmond um jene 
Zeit ein, nicht aber auf den 16. Insbesondere mufs nach metonischenr 
Cyelus, wenn der Kalender ganz richtig ist, der Vollmond auf den 14 
Monatstag fallen (vgl. Ideler Handbuch I, 339f.), nicht aber auf den 
16. Ferner steht fest, dafs die Mondphasen um Ol. 112 zwei Tage frü- 
her eintraten, als sie nach dem metonischen Kalender eintreten sollten: 
ΟἹ. 112, 3 ist schon den 28 Juni astronomischer Neumond, also schon 
den 29 Juni hätte nach Meton, wenn sein Cyelus richtig gewesen 
wäre, der bürgerliche Neumond und Jahresanfang sein müssen: er ist 


Hellenischer Bund gegen Philipp. 455 


Kallias und Demosthenes ward längstens einen Monat vorher er- 
stattet '. Es ist der Sache entsprechend, dafs die zu der Schlufs- 
verhandlung bevollmächtigten Gesandten einen Bundesrath bildeten, 
von dem wir allerdings nicht weiter hören: nur dürfen wir nicht 
daran denken, dafs den neuen verbündeten von athenischer Seite 
angesonnen worden sei in das Synedrion der kleinen Seestädte mit 
einzulreten; das neue Bündnifs, wenn auch unter die Oberleitung 
Athens gestellt, hatte doch die Selbständigkeit der übrigen Staaten 
ohne Steuerzwang zur Grundlage und war nur für den bevorstehen- 
den Krieg mit Philipp berechnet. Als Bundesglieder nennt Aeschi- 
nes die Euboeer, Megareer, Achaeer, weiterhin die Peloponnesier 
überhaupt und die Akarnanen ?. Demosthenes® führt neben den 


aber ihm zufolge erst den 1 Juli. Ol. 109, 2 mufs also der Vollmond 
um den 18 Anthest. des Meton eingetreten sein, nicht aber um oder 
auf den 16. Eine genauere Rechnung ist für unseren Fall unnöthig, 
da (wie Böckh in seiner Abhandlung über die Mondeyelen nachgewiesen 
hat) der metonische Cyclus damals noch nicht für den bürgerlichen Ka- 
lender angenommen war. Halten wir uns dagegen an den von Böckh 
aufgestellten oktaöterischen Cyclus, so begann Ol. 109, 2 der 16 An- 
thesterion den 1 März Abends: die Sitzung würde also am Liehttage des 
16 Anth., d. h. den 2 März, zu halten gewesen sein. Der vorherge- 
hende Vollmond trat für Athen (nach Largeteau) den 28 Febr. 342 
5 Uhr 25° Abends ein, also am Ende des 14 Anthest.: wahrscheinlich wurde 
also der 15 als der Vollmondstag angesehen. Diese Rechnung nach 
Largeteau stimmt auch mit Pingre’s Chronologie der Sonnen- und 
Mondfinsternisse; danach war den 28. April 342 v. Ch. eine Mondifin- 
sternifs, woraus leicht zu entnehmen ist, dafs am 3 März nicht, wie 
Vömel gefunden hat, Vollmond gewesen sein kann. Lassen sich also 
die von Aeschines angegebenen Data auf das J. 342 (Ol. 109, 2) über- 
tragen, so stimmen sie nicht minder zu dem Jahre 340 (Ol. 109, 4). 
Damals begann der 16 Anthest. den 9 März Abends: der Vollmond aber 
trat ein den 7 März 7 Uhr 46‘ Abends, also ganz im Anfange des 14 
Anthesterion. Dasselbe wird in jedem Jahre herauskommen, sobald 
der Kalender richtig ist: die Zeit jener Bundesverhandlung lälst sich 
daraus nicht entnehmen.” Sie ergibt sich meiner Meinung nach (und 
so hat ibereits Grote XI, 627 geurteilt) mit Nothwendigkeit aus dem 
Gange der Dinge. 

1) Aesch. a. O.: nach dem vorhergehenden Vollmonde, also nach 
dem 6 Febr. 

2) 3; 95. 978 8:67. 256 S. 90. 

3) VKr. 237 S. 306, 13; vgl. 301 5. 326, 10. 305 S. 527, 13. Da- 
her Plutarch. Dem. 17. L. ἃ. X R. S. 845. 


456 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Achaeern noch die Korinthier auf: anderer Peloponnesier gedenkt 
er nicht, denn sie hielten sich vom Kampfe gegen Philipp fern, die 
Spartaner um in Grofsgriechenland Erwerb zu suchen, die Argiver, 
Arkader, Messenier, Eleer aus Hals gegen Sparta und aus Hin- 
neigung zu Philipps Gunst: aber mindestens haben sie doch die 
Waffen gegen’ ihre Landsleute nicht erhoben '. Statt der Akar- 
nanen nennt Demosthenes die Leukadier, endlich noch die Korky- 
raeer als durch ihn zu dem Bündnisse herangezogen: vielleicht hat 
er eben damals die Reise nach Ambrakia und Illyrien unternom- 
men ?. Was die Akarnanen und Leukadier betrifft, so kann man 
vermuthen dafs sie damals wie auch später eine Bundesgemeinde 
bildeten *, wenigstens weils ich nicht zu erklären, warum Demo- 
sthenes die Akarnanen, auf welche Aeschines am Schlusse seiner 
Rede noch einmal zurückkommt ?, übergehen sollte, 

Die Streitmacht des Bundes gibt Demosthenes, nachdem noch 
die Thebaner beigetreten waren, auf 15,000 Söldner zu Fuls, 2000 
zu Pferde an, was zu der Zahl bei Aeschines in entsprechendem 
Verhältnisse steht: in dem Ehrenbeschlusse ist die letztere (10,000 


1) Volksbeschlufs im L. 4. X R. 8. 8514 ,ςς͵ καὶ ὅτι εἰς συμμαχίαν 
τῷ δήμῳ προσηγάγετο πείσας — Θηβαίους Evßosig Κορινθίους Meye- 
ρεῖς ᾿ἀχαιοὺς Ποκροὺς Βυζαντίους Meosnviovg. Die Thebaner und die 
Lokrer von Amphissa traten erst Ol. 110, 2 zum Bunde, s. Cap. 8; die By- 
zantiner hatten ein Separatbündnifs mit Athen. Die Messenier und Eleer 
haben am lamischen Kriege sich betheiligt: über ihre Neutralität im 
chaeroneischen Kriege 5. u. Cap. 8. Wenn nicht eine Verwechselung 
stattgefunden hat, kann nur die damalige Neutralitätserklärung der Mes- 
senier (Paus. 4, 28, 2 οὐ μὴν οὐδὲ τοῖς Ἕλλησιν ἐναντία ϑέσϑαι τὰ 
ὅπλα ἠϑέλησαν) Demosthenes zum Verdienste gerechnet werden, Vgl. 
vKr. 64 S. 246, 15. 

2) VKr. 244 8. 308, 11. 

3) MHEMeier Comm. epigr. II, 105 spricht für jene Zeit das Ge. 
gentheil aus, weil von Aristoteles sowohl eine moAırs/a ᾿“καρνάνων als 
“ευκαδίων angeführt wird (Strab. 7 8. 321f.).. Dies beweist nicht: denn 
eben so hat A. trotz der Vorortschaft Thebens die boeotischen Städte 
einzeln behandelt und die Verfassung der arkadischen Samtgemeinde 
wie der einzelnen Städte dargestellt. Da die Leukadier und Akarnn- 
nen nicht immer zusammenhielten, mufste er sie auch besonders auf- 
führen. Beiläufig erinnere ich, dafs die einzelnen πολιτεῖαι alphabe- 
tisch geordnet waren: 5. Brandis scholia in Aristot. I 5. 24 αἵ πολι- 
τεῖαι — ἃς ἐκδέδωκε κατὰ στοιχεῖον σν΄ οὔσας τὸν ἀριϑμόν. 

4) 3, 256 8. 90. 


Euboeischer Bundesrath. 157 


zu Fufs, 1000 zu Pferde) beibehalten '. Die Beiträge der Bundes- 
genossen bestimmt Aeschines auf 100 Talente, nach dem Ehrenbe- 
schlusse hätten sie über 500 Talente betragen; Demosthenes sagl 
nur, er habe die Beiträge so hoch gebracht als er vermochte. Bei 
der schliefslichen Verhandlung zu Athen, welche an dem bestimm- 
ten Tage stattgefunden haben wird, ward aus der Mitte der Bun- 
ddesgenossen darauf gedrungen im voraus die Höhe der Beisteuer 
festzustellen. Das wies lHegesippos zurück: was der Krieg ver- 
zehre lasse sich nicht bemessen ?, und es ward davon abgesehen ; 
doch sollte man meinen, über das Verhältnifs, in welchem jeder 
Staat beizutragen habe, müsse eine Abkunft getroffen sein. Die 
Hauptsache war, es herrschte Eifer und guter Wille: so ward denn 
für Sold und andere Kriegskosten gesorgt. 

Die glänzenden Resultate der dritten Gesandtschaft des Demo- 
sthenes in den Peloponnes und zu den Staaten des ionischen Mee- 
res will Aeschines dadurch in den Schatten stellen, dafs er theils 
die früheren Händel Athens mit Euboea wieder hervorsucht theils 
in der Bildung eines euboeischen Städtebundes, zu der Demosthe- 
nes mitwirkte, ein Preisgeben athenischer Ansprüche finden will: 
seiner Schilderung nach hat Demosthenes die Athener um zehn Ta- 
lente jährlicher Beiträge aus Euboea gebracht. Um seine Insinua- 
tion richtig würdigen zu können, müssen wir uns erinnern, dafs 
seit dem Kriege zu Gunsten des Plutarchos ganz Euboea für die 
Athener verloren gegangen war: seitdem steuerten nur noch die 
kleineren Inseln in den Bundesschatz ®. Als daher zuerst von Chal- 
kis aus den Athenern ein Bündnils angetragen wurde, handelte es 
sich darum, ob die Athener an ein solches die Forderung der alten 
Steuer knüpfen oder die Euboeer als vollkommen- selbständig an- 
erkennen wollten. Sie thaten, wie wir oben gesehen haben ἧς. das 


1) S. 0.8.455, 3. 456,1. Vgl. Böckh Sth. I, 376°. Ein Söldnerheer 
von 10,000M,. ward nach Aeschines 3, 146 S. 74 den Amphisseern über- 
lassen. Im allgemeinen vgl. auch Dem. vKr. 209—306 8. 325, 244. 

2) Theophrast. b. Plut. Dem. 17 ὡς οὐ τεταγμένα σιτεῖται πόλεμος. 
Diesen Ausspruch hatte schon Archidamos zu Anfang des peloponnesi- 
schen Kriegs gegen die Bundesgenossen gethan. Plut. Kleom. 27. Crass. 
2. Apophth. S. 190%, 219. 

3) 8. 0. 8. 163. 

4) S. 394. 


458 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


letztere: Chalkis beschiekte das Synedrion der Bundesgenossen 
nicht wieder und die frühere Steuer wurde nicht in Anspruch ge- 
nommen. Mit den Chalkidiern waren andere Stadtgemeinden bereits 
vereinigt: Kallias aber trachtete danach auch Eretria und Oreos von 
den Tyrannen zu befreien und Chalkis zum Sitze eines Bundesra- 
(hes sämtlicher Gemeinden Euboeas zu machen, und seine Pläne 
fanden bei Demosthenes bereitwillige Unterstützung. Denn was 
konnte erwünschter sein, als wenn es gelang die makedonischen 
Parteigänger zu stürzen und die bisher zwiespältige Insel, welche 
Philipp als Basis eines Angriffs auf Attika dienen konnte, in sich 
zu einigen und zu einer Vormauer für Athen zu machen !. 

Die athenische Bürgerschaft gieng auf die Anträge des Demo- 
sthenes ein, und zuvörderst wurde eine Heerfahrt nach Oreos be- 
schlossen. Auch die Megareer betheiligten sich daran, und die mit 
den Chalkidiern vereinte Schar vollbrachte die Befreiung von Oreos; 
der Tyrann Philistides wurde getödtet?. Dieses glückliche Unter- 
nehmen fällt noch in das Jahr 341; als über die pelopomnesische 
Gesandtschaft berichtet und die Bildung des euboeischen Städtebun- 
(des von den Athenern nach Demosthenes Vorschlage gutgeheilsen 
und befürwortet wurde, war Oreos bereits eine freie Stadt: aber in 
Eretria herrschte noch Kleitarchos als Tyrann ?. 

Was aber hat es mit dem Talent auf sich, das die Bürger- 
schaft von Oreos Demosthenes schuldete? Denn dafs dieser von 
seinem Freunde Kallias oder gar von dem Tyrannen KRleitarchos sich 
habe bestechen lassen, von jedem mit einem Talente, ist ein Ge- 


1) S. Dem. vKr. a. O. 

2) Dem. vKr. 79 5. 252, 5 εἶτα τὴν ἐπ᾽ Noeov ἔξοδον (ἔγραψα), 
οὐκέτι πρεσβείαν, καὶ τὴν εἰς Egergiav. 87 S. 254, 16. Charax chron. 
fr. 31 (Ὁ. Steph. v. B. u. Nogeog) ᾿ϑηναῖοι ἅμα Χαλκιδεῦσι τοῖς ἐν Εὐ- 
βοίᾳ καὶ Μεγαρεῦσι στρατεύσαντες εἰς ᾿ρεὸν Φιλιστίδην τὸν τύραν- 
νον ἀπέχτειναν καὶ Dositag ἠλευϑέρωσαν. 

3) Aesch. 3, 103ff. S. 68. Winiewski Comm. $. 181 und Böhnecke 
F. I, 450, der ihm folgt, wird durch die Annahme, der hellenische Bund 
sei schon Ol. 109, 2 von Demosthenes gestiftet, genöthigt das Abkom- 
men mit Oreos vor die Einsetzung des Philistides zu setzen, was schon 
durch den Gang der Dinge in jener Stadt noch vor der förmlichen T'y- 
rannis sich als unmöglich erweist. Vgl. o. S.-392ff, Ich erinnere auch 
daran, dafs Aeschines mit dieser Erzählung die Friedensperiode ab- 
schliefst und $ 106 zur Kriegszeit übergeht; vgl. 55 5. 61. 


Befreiung von Oreos. Alhenische Vorschüsse an die Euboeer. 459 


rede über das ich kein Wort verliere. Aber von Oreos legt Aeschi- 
nes einen G“emeindebeschlufs vor das Talent bis zur Abzahlung zu 
12 Procent, einem mäfsigen Zinsfufse nach damaliger Übung, zu 
verzinsen, da Demosthenes sich selbst durch das Anerbieten ihm 
eine eherne Bildsäule zu Oreos zu errichten nicht habe bewegen 
lassen von seiner Forderung abzustehen '. Ich glaube, wir können 
auch dieser Sache auf die Spur kommen, denn dafs Demosthenes 
ein Geschenk in Form einer Schuldverschreibung empfangen habe, 
können wir Aeschines nicht glauben. Gemäls dem Bundesvertrage 
mit Athen waren die euboeischen Gemeinden genöthigt zum Kriege 
zu rüsten und Geld aufzubringen, ohne dafs sie die nöthigen Mittel 
bereit hatten. Da gril! man ihnen von Athen aus unter die Arme. 
Den Chalkidiern wurden attische Schiffe überlassen, für welche 
Athener Bürgschaft leisteten. Die geborgten Schiffe sind nicht voll- 
ständig erstattet worden: Ol. 113, 4. 32°/, haben theils jene Bür- 
gen selbst, theils die Erben der inzwischen verstorbenen auf Dema- 
des Betrieb Zahlungen darauf geleistet ?, einige 285 Drachmen, die 
meisten 250 (— 74'/, und 64 Thlr.); die ganze Summe beträgt etwas 
über 4000 Drachmen (1000 Thlr.) ’, wofür sicherlich nicht einmal 
der Rumpf eines Kriegsschills abgeschätzt sein konnte. Unter den 
Bürgen finden wir einen Arrheneides von Pacania, der Ol. 110, 
3. 338 zu der Getreidecasse einen Zuschufs gab *, ferner, um un- 
bekannte Namen zu übergehen, Demosthenes, Hegesippos, Philo- 
nides von Melite, Onetors Bruder und einst in die Erbschafts- 
streitigkeiten des Demosthenes verwickelt °, Proxenos den Aphid- 


1) Aesch. a. O.; vgl. 221 8. 85. 237 5. 87. Über den Zinsfuls 
s. Böckh Sth. I, 173. 175. 

2) Seeurk. XIV®, 424f. (und dazu Nachträge 5. XVII) παρὰ τῶν 
ἐγγυητῶν τῶν τριήρων, ὧν ol Χαλκιδῆς ἔλαβον, ἀπελάβομεν κατὰ ψφή- 
φισμα δήμου ὃ Amudöng Παιανιεὺς εἶπε κτλ. ΧΙγ ἃ, Τὸ σὺν αἷς οἵ Χαλ- 
κιδῆς ὥφειλον. Vol. Böckhs Anmerkungen z. d. St. Böhnecke F, I, 657. 

3) Genau 4014%, Über den Preis von Schiffen und Schitfsgeräth s. 
Böckh Sth. I, 154f. Eine Beziehung auf diese Bürgschaft hat Böh- 
necke a. O. bei Aesch. 3, 86 5, 66 in der Variante Kalklas ὃ Χαλκι- 
δεύς, ὃν “]ημοσϑένης μισϑὸν λαβὼν ἐνεχυρίαξεν (für ἐνεκωμίαξεν) σο- 
funden. Er liest ἐνηχύραξεν, und erklärt pignoris eum loco esse dirit, 
praedem fidei Chaleidensium. Das ist freilich unmöglich: eher dürften wir 
mit den Zürcher Herausgebern eine Corruptel vermuthen. 

4) Seeurk. XIIIe, 70. 

5) 8. ὃς Buch II, 1. 


460 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


naeer', Konon Timotheos Sohn ?, endlich den stets zu Opfern für 
das Gemeinwohl bereiten Diotimos von Euonymia, für den sein 
Erbe die Zahlung leistete °. Eine ähnliche Bewandtnifs, denke ich, 
hatte es mit dem Talent, welches die Stadt Oreos an Demosthenes 
schuldete: er streckte es ihnen zum Zwecke ihrer Kriegsrüstungen 
vor und der Gemeindebeschlufs gieng dahin es einstweilen zu ver- 
zinsen. Ob sie das Capital je zurückgezahlt haben, wie Aeschines 
versichert, lassen wir dahingestellt. 

Welchen Gebrauch die Chalkidier von den geliehenen Trieren 
machten, lehrt Philipps Schreiben an die Athener. Kallias nämlich 
(denn wahrscheinlich ist der dort genannte eben der von Chalkis ὁ) 
griff die Städte am pagasäischen Meerbusen an und besetzte sie 
sämtlich: ja nicht allein an den mit Philipp in anerkannter Bundes- 
genossenschaft stehenden Orten vergriff er sich, sondern er brachte 
(die nach Makedonien schilfenden Kauffahrer auf und verkaufte sie 
nach Kriegsrecht. Dafür wurde er in athenischen Volksbeschlüs- 
sen belobt °. Mit dem Unternehmen des Kallias scheint der Einfall 
einer athenischen Freischar unter Aristodemos in Thessalien und 
Magnesia zusammenzuhängen, dessen Aeschines gedenkt: auf Antrag 
(des Demosthenes wurde ihr ein Ehrenkranz zuerkannt ®. 

Wohl noch etwas früher war es auf den Inseln nahe der eu- 
boeischen Nordküste zu Händeln gekommen. Wir kennen den Streit 
über Halonnesos: am Ende hatten die Peparethier die Insel erobert 
und die makedonische Besatzung zu gefangenen gemacht und gaben 
trotz mehrmaliger Aufforderung Philipps weder die Insel noch die 
sefangenen heraus. Darauf liefs Philipp durch ein Geschwader, 
welches Alkimos befehligte, Peparethos verwüsten: aber die Athe- 


1) S. o. S. 345, 7. 

2) S. ὃ. Buch I, 3. Böckh Seew. Ὁ. 24lf. 

9). 5. Ὁ. 5. 309, 7. 

4) Philipps Schr. 5 $. 159, 25 Καλλίας -- ὃ παρ᾽ ὑμῶν στρατηγός 
hat WDindorf (nach Jacobs, Dem. Staatsreden S. 418f.) erklärt copüs 
vestris adiutus; auch Böhnecke F. I, 459 hatte bemerkt ex hac dicendi 
ralione colligas eum non Atheniensem fuisse und gleichfalls auf den Chalki- 
dier bezogen. Thirlwall VI, 52, 3 zweifelt daran. 

5) ASO: 5. 1599: 

6) Aesch. 3, 83 8. 65. Sollte Demosthenes Gesandtschaft nach 
Thessalien (vKr. 244 S. 308, 11) in diese Zeiten fallen ? 


Briefschaften Philipps aufgefangen. Verfahren wider Anaxinos. 461 


ner, erzürnt darüber, wiesen ihren Befehlshaber in jenen Gewäs- 
sern (vielleicht war es Kephisophon von Aphidna, der bei Skiathos 
lag) an dafür den Peparethiern Ersatz zu schallen ἡ. 

Wir sehen, dafs die Athener an eine friedliche Verständigung 
mit Philipp nicht von ferne mehr dachten. Das lehrt noch ein an- 
derer Umstand, über den Philipp sich beschwert. Ein von diesem 
abgesendeter Herold, Namens Nikias, war, vermuthlich in Thra- 
kien, auf dem Gebiete des Königs aufgegrilfen und nach Athen 
eingeliefert. Dort setzte man ihn fest und hiefs ihn erst nach zehn 
Monaten wieder los; die Briefschaften aber wurden von der Reil- 
nerbühne aus vor der Volksgemeinde verlesen”. Als eine zarte 
Rücksicht wird gerühmt, dafs die Athener einen Brief Philipps an 
seine Gemahlin Olympias nicht öffneten, sondern versiegelt wie er 
war zurückstellten ®. 

Eben in diese Zeit unverholener Feindseligkeit, ehe noch der 
Krieg förmlich erklärt war *, wird ein Vorfall gehören, über den 
Demosthenes und Aeschines sich aussprechen. Aeschines hatte 
eine Meldeklage wider Demosthenes vorbereitet, vermuthlich um in 
der entscheidenden Krisis ihm die Staatsleitung aus den Händen zu 
entwinden, da ward eineVerrätherei enthüllt, welche jeden Gedanken 
der Art niederschlug. Aeschines erzählt, Anaxinos von Oreos, ein 

1) Philipps Schr. 12f. S. 161, 29£. Dem. vKr. 70 5. 248, 5 m.d. 
Schol. Ael. v.G. 12, 53 Perizon. leitet kurzweg den Ausbruch des Kriegs 
aus dem Streite über Halonnes her. Die Absendung des Kephisophon 
nach Skiathos (Seeurk. XIV®, 10ff.) hat Böhnecke F. I, 737 mit gro- 
(ser Wahrscheinlichkeit in diese Zeit gesetzt; vgl. ο. 5. 306, 4. Als die 
Zahlung für jenen Flottendienst geleistet wurde (Ol. 113, 4. 325), wa- 
ren von den vier zahlungspflichtigen Trierarchen zwei nicht mehr am 
Leben, darunter Menestheus des Iphikrates Sohn; vgl. Böckh S. 244f. 

2) Phil. Schr. 2 S. 159, 1. Philipps Ultimatum gehört in Ol. 110, 
l, also kann die Verhaftung des Couriers nicht später als Ol. 100, 4 
fallen. ᾿ ᾿ 

8) Übereinstimmend mit Ph. Schr. a. O. ἃς δ᾽ ἔφερε παρ᾽ ἡμῶν 
ἐπιστολάς sagt Plutarch. Reg. f. d. Staatsmann [9 5. 799° “ϑηναῖοι 
Φιλίππου γραμματοφόρους λαβόντες ἐπιστολὴν ἐπιγεγραμμένην Olvu 
πιάδι κομίζοντας κτλ. Im L. ἃ. Demetr. 22 hat er die Adresse umge- 
dreht, so auch Hellad. bei Phot. Bibl. 2809 5, 534», 24. 

4) S. Dem. vKr. 138. 139 S. 273, 16. 27. Von derselben Ansicht 
ausgehend setzt Böckh Abh. d. Berl. Akad. v. J. 1827 S. 138. diesen 
Rechtshandel in Ol. 109, 4; so auch Böhnecke F. I, 334. 736. Ich möchte 
erst Ol. 110, 1. 340 dafür annehmen; vgl. S. 463, 1. 


462 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Mann dessen Gastfreundschaft Demosthenes früher genossen hatte — 
wenn es wahr ist, so müfste er früher athenischer Consul gewesen 
sein und als solcher die Gesandtschaft bei sich aufgenommen ha- 
ben ἦ —, sei in der harmlosesten Absicht nach Athen gekommen, 
um für die Olympias Markteinkäufe zu besorgen: da habe Demo- 
sthenes ihn auf die Folter gespannt und sein Todesurteil geschrie- 
ben; ja von Aeschines des Frevels überführt, habe er erklärt, die 
Weihespenden der Vaterstadt gälten ihm höher als der gastliche 
Tisch”.  Aeschines schweigt-davon, wie dieser Vorgang seine Mel- 
deklage niederschlagen konnte; das erfahren wir von Demosthe- 
nes®. Nämlich Anaxinos war auf Kundschaft abgeschickt und Ae- 
schines war über einer geheimen Zwiesprache mit ihm im Hause 
eines dritten (des Thrason) betroffen worden: das vollstreckte Ur- 
teil läfst voraussetzen, dafs schwer belastende Zeugnisse gegen 
Anaxinos vorlagen *. 

Das Verfahren der Athener gegen Anaxinos mag zusammen- 
hängen mit ihrer Besorgnifs vor Philipps Seerüstungen und den 
Anstalten welche sie trafen um auch den Kleitarchos von Eretria zu 
vertreiben, der bisher sich den Umständen angeschmiegt hatte und 
sogar zu der euboeischen Bundescasse steuerte’. Es war gemel- 
det, dafs die makedonische Flotte zu einer Kriegsfahrt ausgerüstet 
werde, und man glaubte sie nach Euboea bestimmt, ein Gerücht, 
welches vielleicht Philipp selbst hatte aussprengen lassen um die 
Athener über das wahre Ziel, die hellespontischen Gewässer, zu 
täuschen. Auf jene Botschaft sammelten die Athener durch frei- 


1) Über die Reise der athenischen Gesandten über Oreos Ol. 108, 
2. 0. 8. 186 u. 234f. 

2) Aesch. 3, 223#. S. 85f. Daraus L. d. X R. 8. 848, 

3) VKr. 137 S. 272, 26f. 

4) Deinarch. I, 63 S. 98 fährt nach Erwähnung Antiphons (5. o. S. 
940) fort: ἐξέβαλες σὺ Aoyivov ἐκ τῆς πόλεως ἐπὶ προδοσίᾳ κατὰ τὰς τῆς 
βουλῆς ἀποφάσεις καὶ τιμωρίας. Das hat Droysen a. Ὁ. $. 820 und 
Stechow vit. Aesch. 8. 75 auf Anaxinos bezogen, aber der Fall ist offen- 
bar ein anderer; Archinos scheint ein Athener gewesen zu sein. Über 
die Verurteilung des Anaxinos vgl. Thirlwall VI, 54f. und über das 
bei Demosthenes eingeschobene Zeugnifs Droysen a. Ὁ, S. 819ff. Wester- 
mann Abh,. der Leipz. Akad. 5. 66. 


9) 8. 0.8. 458 


Vertreibung des Kleitarchos von Eretria. 463 


willige Beiträge vierzig Schiffe. IHypereides war dafür besonders 
thätig: er zuerst schenkte für sich und seinen Sohn zwei Trieren '. 
Auf Antrag des Demosthenes ward beschlossen dieses Geschwader 
gen Eretria zu senden um den Tyrannen Kleitarchos zu vertreiben °, 
und unter Phokions Oberbefehl ward dieser Auftrag glücklich aus- 
geführt *. Damit war die Befreiung der Insel Euboea vollendet. 


1) L.d. X R. 5. 850f. Φιλίππου δὲ πλεῖν ἐπ᾽ Εὐβοίας παρεσπευ- 
ἀσμένου καὶ τῶν Adnvalov εὐλαβῶς ἐχόντων μ' τριήρεις ἤϑροισεν 
(Ὑπερείδης) ἐξ ἐπιδόσεως, καὶ πρῶτος ὑπὲρ αὑτοῦ καὶ τοῦ παιδὸς ἐπέ- 
δωκε δύο τριήρεις. Diese Schenkung hat Westermann z. d. St. und 
Gesch. ἃ. gr. Beredsamkeit S. 121,2. Böckh Seew. S. 191 auf die kurz 
vor der Schlacht bei Tamynae gemachten Schenkungen (o. 8. 77. 81f.) 
bezogen. Aber die damalige Rüstung war nieht durch die Besorgnil's 
vor einem Angriffe Philipps veranlafst, und überhaupt gieng die Lei- 
tung jenes Zuges von Eubulos und seiner Partei aus (s. ὁ. 8. 73f.; 
vgl. 76, 1). Dagegen finden wir Ol. 110, 1 in Phokions Flotte Hype- 
reides als Trierarchen auf einer geschenkten Triere Andreia. Seeurk. 
XIlle, 98. XIV@, 240. Wohl ist es möglich, was Böckh annimmt, dafs 
Hypereides, wenn er jene Triere früher geschenkt hatte, bei seiner späte- 
ren Trierarchie sie sich wählte: wahrscheinlicher aber ist mir der andere 
Fall (Böckh S. 190), dafs Hypereides Ol. 110, 1 auf einer eben damals 
von ihm geschenkten Triere in See gieng. Als Trierarchen dieses Jah- 
res kennen wir Hypereides auch aus d. L. ἃ. Χ R. S. 848! — τριήραρ- 
105 re αἵρεϑεὶς ὅτε Βυξάντιον ἐπολιόρκει Φίλιππος, βοηϑὸς Βυξαντίοις 
ἐκπεμφϑεὶς κατὰ τὸν ἐνιαυτὸν τοῦτον “ὑπέστη χορηγῆσαι, τῶν ἄλλων 
λειτουργίας πάσης ἀφειμένων (vel. Böckh Sth. I, 509. Seew. 5. 189). 
Böckh bemerkt: ‘da diese Triere mit Phokion schiffte, so könnte man 
‘glauben, sie sei mit diesem selber zunächst nach Euboea, und erst 
‘später nach Byzanz gegangen; und dann mülste .. der euboeische Feld- 
‘zug des Phokion nach unsern Inschriften erst in Ol. 110, 1 fallen, 
‘nicht wie bisher nach Diodor angenommen worden, in Ol. 109, 4°. Das 
unterschreibe ich vollständig: es wird sich unten ergeben, dafs alles 
was Diodor 16, 74f. unter Ol. 109, 4 erzählt, erst in Ol. 110, 1 ge- 
hört. Ich erinnere, dafs Hypereides auch zum Getreideankauf aus 
freien Stücken beigetragen hat: Seeurk. a. O. 

2) Dem. vKr. 79 8. 252, 4 (εἶτα τὴν ἐπ᾿ Nosov ἔξοδον (ἔγραψα) — 
καὶ τὴν εἰς Ἐρέτριαν und zwar wie ὃ. 251, 27 zeigt, ehe Philipp sein 
Ultimatum an die Athener ergehen liefs. Aber vor dem Angritl auf By- 
zanz: 87 8. 254, 16 ἐπειδὴ τοίνυν ἐκ τῆς Εὐβοίας ὁ Φίλιππος ἐξηλά- 
ὅδη, τοὶς μὲν ὅπλοις ὑφ᾽ ὑμῶν, τῇ δὲ πολιτείᾳ καὶ τοῖς ψηφίσμασι — 
ὑπ᾽ ἐμοῦ, ἕτερον κατὰ τῆς πόλεως ἐπιτειχισμὸν ἐξήτει. — παρελϑὼν 
ἐπὶ Θρῴκης Βυζαντίους -- ἐπολιόρκει. Vgl. Plut. Dem, 17. 

3) Diod. 16, 74 Φωκίων — κατεπολέμησε Κλείταρχον τὸν 'Eosrolas 
τύραννον καϑεσταμένον ὑπὸ Φιλίππου. Vgl. Böckh Sth, I, 735°. 


464 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Niemanden aber hatte man diesen Erfolg mehr zu verdanken als 
Demosthenes. Von Anfang an hatte er erkannt, dafs Philipp auf 
die Insel ein Auge geworfen habe, er hatte nicht abgelassen zu 
ermahnen sich hier den makedonischen Einflufs nicht zu Häupten 
wachsen zu lassen. Denn von Euboea aus war Attika unmittelbar 
bedroht, und im Kriege fanden dort Kaper eine bequeme Zuflucht: 
der Seeverkehr Athens konnte von daher mit Leichtigkeit unterbro- 
chen werden. Jetzt war man durch Demosthenes unablässige Be- 
strebungen dieser Gefahr erledigt und Euboea bildete in der engen 
Vereinigung seiner Städte eine Vorhut für Athen ', dem es für 
die geleistete Hilfe dankbar verpflichtet war?. Zur Anerkennung 
dieser Verdienste ward auf Antrag des Aristonikos Demosthenes ein 
goldener Kranz zuerkannt und bei den Dionysien (Ol. 110, 1. 340) 
im Theater ihm aufs Haupt gesetzt. Der Herold verkündete vor 
der Festgenossenschaft, dafs die athenische Bürgerschaft ihn be- 
kränze ob seiner Tugend und Mannhaftigkeit, weil er unablässig 
zum besten der Bürgerschaft rathe und wirke ®. 

So waren also die Athener nes Sinnes mit Demosthenes und 
freuten sich seiner erfolgreichen Leitung, und wie bei ihnen, so wandte 
sich überhaupt die Stimmung der Hellenen von Philipp ab: als bei 
den olympischen Spielen sein Name ausgerufen wurde, ward ge- 
zischt und auf ihn geschmäht *. Aber während ein Bund zu ge- 


1) Dem. vKr. 230 S. 304, 13. 240f. 5. 307, 9—20. 301f. S. 326, 
8. 17; vgl. 299£f. S. 325, 24f. 

2) Über die Dankbezeugungen der Euboeer und die Dankopfer der 
Athener s. a. Ὁ. 86 S. 254, 13. 

3) A. 0.83 8. 253. 223 8. 302, 22. L. d. X R. 8. 848° πρῶτος 
δ᾽ ἔγραψε στεφανωθῆναι αὐτὸν χρυσῷ στεφανῷ “Agıorovınog Νικοφά- 
vovg ᾿ἀναγυράσιος. Bühnecke F. I, 458 zählt als eine frühere Bekrän- 
zung die nach der ersten makedonischen Gesandtschaft eriheilte (o. 8. 
191. 196); aber dergleichen corporative Ehren, welche heimkehrenden 
Gesandten wie dem abgehenden Rathe oder den Diaeteten u. a, regel- 
mäfsig zuerkannt wurden, werden nicht gezählt. 


4) Plut. üb. d. Mäfsig. ἃ. Zorns 9 5. 457 ἐν Ὀλυμπίοις δὲ βλασφη- 
μίας περὶ αὐτοῦ γενομένης καί τινῶν λεγόντων ὡς οἰμῶξαι προσήκει 
τοὺς Ἕλληνας, ὅτι εὖ πάσχοντες ὑπὸ Φιλίππου κακῶς αὐτὸν λέγουσι, 
Τί οὖν, ἔφη," ποιήσουσιν ὧν κακῶς πάσχωσιν; vgl. apophth. Ph. 26 S. 
1701. ὅτι συρίττουσιν αὐτὸν ἐν Ὀλυμπίοις εὖ πεπονϑότες οἵ Πελοπον- 
νήσιοι —. Wenn die Anekdote wahr ist, so kann sie nur auf die 110, 
Olympiade gehen. Übrigens wird in den lak. Apophth, $. 2309 ähnliches 


- 


Byzantinischer Krieg. 465 


meinsamer Kriegführung sich bildete, während auf Euboea die von 
ihm eingesetzten Machthaber verjagt oder erschlagen wurden und 
an den thessalischen Küsten das Vorspiel des Krieges begann, stand 
Philipp immer noch, nun schon das dritte Jahr, in Thrakien. Der 
Krieg in den inneren Landschaften war beendet, das einst so mäch- 
tige Odrysenreich zerstört, die Thraker wurden durch die Besatzun- 
gen der neubefestigten Plätze und Kolonien ' im Zaum gehalten ; über 
den Haemos bis in das Land der Geten hatte Philipp seine Scha- 
ren geführt und mit Güte oder mit Gewalt hellenische Pflanzstädte 
an dem westlichen Pontusgestade sich eröflnet: jetzt handelte es 
sich darum die Südküste zu gewinnen um den Übergang nach Asien 
und den Seeweg in den Pontus zu beherrschen. Hier traten Phi- 
lipp die Byzantiner und die Athener entgegen, und die persischen 
Statthalter nährten den Widerstand. Die Byzantiner hatten der Auf- 
forderung Philipps ihrem Bündnisse gemäfs Waflenhilfe zu leisten 
nicht entsprochen, vielmehr ausdrücklich sich dessen geweigert. 
Darüber mag es schon in den ersten Jahren des thrakischen Krieges 
zu Feindseligkeiten gekommen sein”. Anfangs noch mistrauisch 
und spröde gegen Athen, wurden die Byzantiner durch Demosthe- 
nes zu einem Bündnisse bewogen und in ihrem Entschlusse Philipp 
Stand zu halten bestärkt (Ol. 109, 4 zu Anfang, Sommer 341). 
Zugleich rührten sich die Athener um ihr Eigenthum und die ver- 
bündeten Inseln zu decken: nach Prokonnesos in der Propontis, 
nach dem Chersones, nach Tenedos wurden Truppen geschickt, 
alles nach Anträgen des Demosthenes ἦ. 


von dem Spartanerkönige Pausanias erzählt: Wyttenb. zu Plut. Regeln 
für den Ehestand 40 S. 143. 

1) S. ο. S. 4198. Vgl. Frontin. 1, 3, 13. 

2) Dem. vKr. 87 8. 254, 22 ὁ Φίλιππος — παρελϑὼν ἐπὶ Θρῴκης 
Βυζαντίους συμμάχους ὄντας αὑτῷ τὸ μὲν πρῶτον ἠξίου συμπολεμεῖν 
τὸν πρὸς ὑμᾶς πόλεμον, ὡς δ᾽ οὐκ ἤϑελον οὐδ᾽ ἐπὶ τούτοις ἔφασαν 
τὴν συμμαχίαν πεποιῆσϑαι, λέγοντες ἀληϑῆ, -- ἐπολιόρκει. Dals Phi. 
lipp die Byzantiner wider Athen aufgeboten habe, ist wenig wahrschein- 
lich, denn er war formell wenigstens noch im Frieden mit Athen als er 
Byzanz befehdete: es wird sich zunächst um die Theilnalıme am 
thrakischen Kriege gehandelt haben. Aus Theopomp XLVII (fr. 247), 
ἃ, h. aus dem Anfange des Krieges, wird bei Stephanos v. Byz. (s. o. 
S. 420, 1) ᾿“στικὴ χώρα Βυξαντίων angeführt. Das läfst auf eine Ver- 
letzung des byzantinischen Gebietes schlielsen. 

3) S. o. 5. 450. 4) VKr. 302 5. 326, 13. 

DEMOSTHENES II. 30 


466 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


So traf man auf allen ausgesetzten Plätzen die nöthigen Vor- 
kehrungen um sich gegen Philipp zur Wehre zu setzen und gieng 
immer entschiedener zum Angriffe über. Die Byzantiner rüsteten 
CGaperschiffe aus und andere Freibeuter gesellten sich ihnen zu: 
bereitwillig nahmen die Thasier, bei denen früher wenigstens eine 
athenische Besatzung gelegen hatte, sie in ihren Hafen auf und die 
Athener liefsen sie gewähren, obgleich dies dem Vertrage mit Phi- 
lipp zuwiderlief '. Während so auf mehr als einer Seite der See- 
verkehr mit Makedonien gestört wurde, liefs auch Diopeithes auf 
der thrakischen Halbinsel in seiner Thätigkeit nicht nach. Der Zu- 
stimmung der athenischen Bürgerschaft versichert ὅν — er erklärte 
öffentlich, er habe Befehl, wenn er Gelegenheit finde, den Krieg 
zu eröffnen —, spornte er die Byzantiner an und fügte Philipp so 
viel Schaden zu als er nur konnte. Wir haben seines Einfalls in 
Thrakien schon oben gedacht ὃ: Philipp beschwert sich darüber, 
dafs er sogar gegen alles Völkerrecht Amphilochos, der als Gesand- 
ter wegen der kriegsgefangenen zu ihm geschickt war, festnahm 
und durch die härtesten Zwangsmittel ihm ein Lösegeld von neun 
Talenten abprefste *. 


Aber wie war es möglich, müssen wir fragen, dafs Philipp, 
dessen rastlose Thätigkeit stets allgemeine Bewunderung erzwang, 
der seine Gegner zu überraschen und die Lage zu beherrschen 
pflegte, sich jetzt seine Feinde zu Häupten wachsen liefs? Denn 
empfindlich war die Einbufse die er erlitt: lange vorbereitete und 
sorgfältig gewahrte Erfolge seiner hellenischen Politik giengen 
verloren oder standen auf dem Spiele, während er immer noch in 
Thrakien verweilte. Ich glaube, wir irren nicht, wenn wir aus- 
sprechen, dafs der thrakische Krieg mehr Kräfte aufzehrte, als 
Philipp berechnet hatte, dafs aber der sichere Besitz jenes Landes 
und seine Einverleibung in Makedonien für die ferneren Entwürfe 
des Königs von so wesentlicher Bedeutung war, dals er von dem 
einmal begonnenen Unternehmen nicht eher ablassen durfte, als bis 


1) Philipps Schr. 2 8. 159, ὁ. Über Thasos s. u. $. 475. Über die 
einschlagende Vertragsbestimmung s. o. S. 211. 

2) Phil. Schr. 3 S. 159, 16. 16 S. 163, 5—9. 

3) 5. 423. 

4) Phil. Schr. 3£. S. 159, 12. 


Philipps Aufenthalt in Thrakien. Byzantinischer Krieg. 467 


er es vollständig durchgeführt hatte, es mochte kosten was es wollte. 
Darum beobachtete er, so viel er auch gereizt war, den Athenern 
gegenüber fortwährend gewisse Rücksichten. Bis zum letzten Au- 
genblicke mag er gehoflt haben, dafs die ihm zugethane Partei, 
welche ihren Einflufs in den Berichten an den König gewils eher 
überschätzte, die Oberhand behaupten werde; überdies wulste er, 
dafs die Athener, sobald sie mit ganzer Kraft in den Krieg einträ- 
ten, seinen Unternehmungen zur See sofort eine Schranke selzen 
könnten. So suchte er denn so lange als nur irgend möglich den 
entscheidenden Bruch mit ihnen zu vermeiden. Der Streit um Kar- 
dia dauerte fort. Philipp hatte in dieser Stadt schon im Beginne 
des thrakischen Krieges sich aufgehalten und ihr später eine Trup- 
penschar zu Hilfe gesendet '. Aber es genügte ihm sie verwahrt 
zu wissen und Diopeithes von dort aus zu beschäftigen: mit gan- 
zer Macht sich auf ihn zu werfen vermied er. 

Seinen dritten Feldzug in Thrakien richtete Philipp gegen By- 
zanz und die mit den Byzantinern verbündeten Städte, und dieser 
Angriff, den Demosthenes längst vorausgesehen hatte?, führte zu 
dem erklärten Bruche mit Athen. Die makedonische Flotte, auf de- 
ren Verstärkung während des Friedens alle Sorgfalt verwendet war, 
sollte mit dem Heere zusammenwirken und in den Hellespont ein- 
laufen. Leicht konnten ihr die Athener vom Chersones aus die 
Durchfahrt verlegen oder erschweren, aber Philipp wulste durch 
einen ungemein klug berechneten Heeresmarsch ihre Bewegungen zu 
unterstützen. Er rückte nämlich mit einem Truppencorps in den 
Ghersones ein und zog die Küste entlang um so seinen Schiffen 
das Geleit zu geben. Die athenischen Ansiedler waren dadurch ge- 
nöthigt auf ihre Vertheidigung bedacht zu sein statt in See zu gehen, 
und die makedonische Flotte gelangte unbelästigt in die Propontis. 
Wir ersehen übrigens hieraus, dafs Philipp sich an den Frieden in 
keiner Weise mehr kehrte: denn dieser Heereszug durch das athe- 
nische Gebiet war ein offener Friedensbruch, wenn auch Philipp 
mit möglichster Schonung verfuhr und weder athenische Kriegs- 
schiffe noch Plätze der Halbinsel wegnahm ὃ. Es galt ihm jetzt un- 

1) S. o. S. 418 u. 423. 


2) Chers. 148. S. 93, 13. 66 S. 106, 4. Phil. 3, 20 S. 115,25. Vel. 
Grote XI, 628, 


30 * 


468 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


sesäumt die thrakischen Städte zu erobern, ehe aus der Ferne ih- 
nen Hilfe gesandt wurde. 

Zunächst wandte sich Philipp, ich denke, um einen Stütz- 
punct für seine ferneren Operationen zu gewinnen, gegen Perin- 
thos, eine Stadt welche schon länger mit Byzanz verbündet war 
und vielfach zur Überfahrt nach Asien diente '. Aber wenn der Kö- 
nig etwa die Einnahme dieser Stadt für nicht allzu schwierig ange- 
sehen hatte, so sollte er darin sich täuschen: denn die von Natur 
feste Stadt wurde heldenmüthig vertheidigt. Perinthos lag auf einer 
Landzunge, welche durch einen schmalen, nur 600 Fufs breiten 
Sattel mit dem Festlande verbunden, nach der Propontis hinein all- 
mählich sich hob, sg dafs die dicht zusammengebauten Häuser- 
reihen, wie die Sitze im Amphitheater, terrassenweise über einan- 
der aufstiegen, eine Bauart, welche die Vertheidigung wesentlich 
unterstützt hat?. Philipp eröffnete die Belagerung von der Land- 
seite. Die Stadt ward cerniert und alle Mittel der Kunst gegen sie 
aufgeboten. Thürme von 120 Fuls Höhe, welche die Thürme der 
Stadtmauer weit überragten, wurden aufgerichtet und von oben her 
die Vertheidiger an der Brustwehr niedergestreckt. Durch die Stöfse 
der Sturmböcke erschüttert und durch Minengänge untergraben 
stürzte ein grofser Theil der Mauer zusammen: aber hinter dersel- 
ben war eine zweite erbaut, und dem heftigen Angriffe entsprach 
die Ausdauer der Gegenwehr. Bei einem Ausfalle der Perinthier 
war es, wo ein junger Makedone, Tarrhias Deinomenes Sohn, eine 
That vollbrachte, die ihm Alexander noch hoch anrechnete. Er war 
ins Auge geschossen, liefs jedoch nicht eher sich den Pfeil heraus- 
nehmen und zog sich nicht eher aus dem Gefechte, bis er die 
Feinde in ihre Wälle zurückgeschlagen hatte °. Der grofse Verlust 
an Mannschaft, den die Perinthier Tag für Tag erlitten, ward durch 
die Byzantiner ersetzt; von dort traf Mannschaft ein, Geschosse und 


δὴ φανερῶς ἤδη — Χερρόνησος ἐπορϑεῖτο. 11 S. 248, 16 (Φίλιππος) 
τὸν ᾿Ελλήσποντον ὑφ᾽ ἑαυτῷ ποιούμενος καὶ Βυξόάντιον πολιορκῶν. 

1) Vgl. Xen. An. 7, 2, 86, Über die Verbindung mit Byzanz 5. 0. 
Buch I, 3. 

2) Diod. 16, 76. Die Breite des Isthmos gibt Diodor auf ein Sta- 
dion, Plin. NH. 4, 18 nur auf 200 Fuls an. Die Belagerung beschreibt 
Diod. 10, 74—76. Vgl. Böhnecke F. I, 469. 

3) Plut. üb. Alex. Gl. 2, 7 5. 339be. Der dort ebenfalls erwähnte 
Antigenes ist im L. Alex. 70 mit Tarrhias verwechselt. 


Belagerung von Perinthos. 469 


Wurfmaschinen, so dafs der Muth und die Stärke der belagerten 
dem Kampfe wieder gewachsen war. Aber auch Philipp verstärkte 
den Angriff. Seine Flotte kam heran und blockierte die Stadt auch 
von’ der Seeseite (Ol. 110, 1. Sommer 340)". Massen von Ge- 
schossen und Sturmböcken und anderen Maschinen waren beschafft 
und das Belagerungsheer ward auf 30,000 Mann gebracht. Diese 
Streitmacht theilte der König in mehrere Abtheilungen, welche ein- 
ander ablösend bei Tag und Nacht den Kampf unterhielten. Da 
schien Perinthos unterliegen zu müssen: denn bei der langen Dauer 
der Belagerung ward der Abgang an todten und verwundeten immer 
empfindlicher und der Mundvorrath gieng aus. Da kam Hilfe in 
der Noth. Vergebens hatte die Stadt sich an das Mutterland, selbst 


1) Philochoros fr. 135 b. Dionys. Schr. an Amm. 1, 11 S. 741 sagt: 
Θεόφραστος ᾿“λαιεύς (Arch. Ol. 110, 1). ἐπὲ τούτον Φίλιππος τὸ μὲν 
πρῶτον ἀναπλεύσας (5. 8. 407, 3) Περίνϑω προσέβαλεν, ἀποτυχὼν δ᾽ 
ἐντεῦϑεν Βυζάντιον ἐπολιόρκει, rechnet also die Belagerung erst von dem 
Eintreffen der Flotte an. Aus Diod. ce. 74 sehen wir, dafs P. im ersten 
Stadium der Belagerung noch die See frei hat (S.83, 2—5 Bk.), dann 
aber ganz eingeschlossen ist (c. 75 8. 83, 12—15 τῆς δὲ πολιορκίας 
πολυχρονίου γενομένης, καὶ — τῶν — ἐπιτηδείων ἐκλειπόντων, προσδό- 
xıuog ἦν ἡ τῆς πόλεως ἅλωσις). Aus Philochoros wissen wir sicher, dafs 
Philipp erst Ol. 110, 1 zur Belagerung von Perinthos schritt, und Dio- 
dors Angabe von Ol. 109, 4 (6. 74), welche Böhnecke F. I, 270. 272f, 
474. 658. 737 vorzieht, kann dabei nicht bestehen: ist es doch aner- 
kannt wie schwankend seine Jahresabschnitte bemessen sind. Viel vor- 
sichtiger hat Böckh Sth. I, 743f. über die Frage geurteilt, wenn er auch 
dahin neigt die ersten Anfänge der Belagerung von Perinthos noch ans 
Ende des attischen Jahres Ol. 109, 4 zu setzen. Ich gebe zu, dafs 
Philochoros die Eröffnung der Belagerung von der Landseite übergan- 
gen haben mag und erst von der Auffahrt der Flotte anhebt; jene 
könnte also noch in das vorige Jahr fallen. Aber mit den Operationen 
der Flotte wird Philipp bis in den Juli oder August gewartet haben, 
theils damit die Athener nicht Zeit behielten ein Geschwader nach Nor- 
den zu senden (vgl. o. ἃ, 427.437) theils um die aus dem Pontus (An- 
fang November) zurückkehrenden Kornschiffe ohne Bedeckung zu finden, 
Diese liefs er kapern, als er sich gegen Byzanz gewandt hatte. Was 
Diodor betrifft, so bemerke ich noch, dafs alle seine Angaben über Ol. 
109, 4 vorgreifen, so gut über Euboea, Perinthos, Byzanz wie über 
Karien. Idrieus 7 Ol. 109, 1 (Diod. 16, 69); dann regierte Ada vier 
Jahre (ebend.) bis Pixodaros sie verdrängt, der fünf Jahre regiert, bis 
zu Alexanders Übergang nach Asien Ol. 111, 2 (16, 74): demnach hat 
Ada bis Ol. 110, 1 regiert: Diodor aber setzt den Thronwechsel a. Ὁ, 
schon in Ol. 109, 4. 


470 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


nach Sparta ', gewendet, auch die Athener hielten noch an sich: 
den rettenden Beistand leisteten die persischen Satrapen Klein- 
asiens. Arsites von Kleinphrygien schickte im Verein mit andern 
Statthaltern eine starke Schar Soldtruppen, Geld, Mundvorrath, 
Geschosse und sonstigen Kriegsbedarf; den Befehl über das Hilfs- 
corps führte der Athener Apollodoros *. Zugleich sandten auch die 
Byzantiner ihre besten Hauptleute und Soldaten. Das verbündete 
Geschwader durchbrach die Blokade, und wiederum ward der Kampf 
mit frischen Kräften und gesteigerter Erbitterung aufgenommen. 
Denn noch stand Philipp nicht ab: er setzte die letzte Entscheidung 
auf einen allgemeinen Sturm. Seine Maschinen hatten die neue 
Mauer niedergeworfen; wo die Brustwehr noch vorhanden war, 
liefsen seine Geschütze den Vertheidigern keinen Stand: da dran- 
gen die Sturmscharen gleichzeitig theils durch die Bresche theils 
auf Leitern über die unbeschirmten Mauern in die Stadt vor. Dort 
entspann sich ein blutiges Handgemenge: die Makedonen stritten 
in der Hoffnung auf die reiche Beute und die hohen Belohnungen, 
welche Philipp ihnen verheifsen hatte: die belagerten hatten alle 
Schrecknisse des Untergangs vor Augen und kämpften muthig für 
ihre Rettung. Die Stadtmauer war nicht zu halten gewesen, aber 
in den Gassen waren neue Schutzwehren errichtet: man hatte zwi- 
schen den aufsteigenden Häuserreihen Bollwerke erbaut, und an 
diesen brach sich die Kraft der stürmenden. Sie traten den Rück- 
zug an und Perinthos war gerettet. 


Jetzt gab Philipp den Angriff auf. Da von Byzanz her immer 
neue Zuzüge in die Stadt gelangten, war von einem neuen Sturme 
kein besserer Erfolg zu erwarten. Indessen liefs er einen Theil 
seines Heeres unter tüchtigen Feldherrn (wahrscheinlich unter An- 


1) Plut. lak. Apophth. Agis 15 Κ, 216%, 


2) Die Namen nennt Paus. 1,29,10. Arsites trieb zur Schlacht am 
Granikos und nahm sich nach der Niederlage das Leben: Arrian. 1,12, 
8. 10. 16, 3. Dafs Ochos schriftlichen Befehl gesandt habe Perinthos 
zu entsetzen sagt Diod. 16, 75. Nach d. R. üb. d. Schr. Phil. 5 5. 
153, 20 handelten die Satrapen auf eigene Hand, und in Alexanders 
Schreiben b. Arrian. 2, 14, 5 ist unterschieden, was den Persern über- 
haupt und Ochos persönlich zu Last fällt: καὶ γὰρ Περινϑίοις ἐβοη- 
ϑήσατε, οἱ τὸν ἐμὸν πατέρα ἠδίκουν, καὶ εἰς Θρῴκην, ἧς ἡμεῖς ἤρχο- 
μὲν, δύναμιν ἔπεμψεν Ὦχος. 


Philipps Abzug von Perinthos und Angrilf auf Byzanz. 471 


tipaters Befehl ') in den Werken zurück mit der Weisung die Be- 
lagerung noch fortzusetzen, aber er selbst führte die Hauptmacht 
gegen Byzanz’. Er durfte hoffen diesen Platz zu überraschen: 
denn was sich nur an Mannschaft, Waffen und Geschütz hatte auf- 
bringen lassen, war nach Perinthos entsendet, die Bevölkerung der 
üppigen Handelstadt war unkriegerisch und unbotmälsig®. Das 
Gebiet zu decken und Philipp eine Schlacht zu liefern war unmög- 
lich; kluger Weise ward dazu nicht einmal der Versuch gemacht, 
sondern das Feld geräumt. Konnte man doch, so trefflich auch 
die Stadt durch ihre Lage und durch feste Mauern geschirmt war, 
der mit allem Nachdrucke eröffneten Belagerung von vorn herein sich 
kaum erwehren *. Aber bald traf von Athen und andern Bundesge- 
nossen wirksame Hilfe ein. 

Philipp hatte die Athener durch den Einmarsch in ihr Besitz- 
thum gereizt und überdies athenische Kauffahrteischifle weggenom- 
men’. Wir erfahren nicht wo dies geschalı oder unter welchem 


1) So schliefse ich aus der Anekdote bei Front. 1, 4, 13. Im all- 
gemeinen 5, Diod. 16, 76. 

2) Vgl. Philoch. a. ©. Trog. prol. VIII schliefst: ei frustra Perin- 
thos oppugnata, IX beginnt: wi Philippus a Perintho summotus. Byzantü 
origines: a cuius obsidione ete. Justin übergeht Perinthos mit Still- 


schweigen. 

3) Theop. VII fr. 65 (Ὁ. Athen. 12 S. 526°). Phylarch. (fr. 10) u. Da- 
mon b. Athen. 10 5. 442°, Ael.v.G. 3, 14 (Müller fr. h. gr. IV, 377). 

4) Front. Str. 1, 3, 4. Diod. 16, 76. Nach Messene waren Rho- 
dos und Byzanz die am stärksten befestigten Städte, welche Pausanias (4, 
31,5) gesehen hatte Andere Stellen 5. bei DuCange a. Ο.1, 8 8. I1f. 

5) Dem. vKr. 139 S. 274, 2 ἀλλ᾽ ἐπειδὴ φανερῶς ἤδη τὰ πλοῖα 
ἐσεσύλητο —. 73 5. 249, 4 καὶ μὴν τὴν εἰρήνην γ᾽ ἐκεῖνος (Φίλιππος) 
ἔλυσε τὰ πλοῖα λαβών, οὐχ ἡ πόλις. Der Verfasser der falschen Acten- 
stücke hat daraus Kriegsschiffe gemacht, welche unter dem Vorwande 
einem Getreidetransport vom Hellespont nach Lemnos bewaffnetes Ge- 
leit zu geben der belagerten Stadt Selymbria hätten Hilfe leisten wol- 
len und der Scholiast S. 209 1), hat dies ausgeschrieben. Aber abge- 
sehen davon, dafs von einer Belagerung Selymbrias nicht das geringste 
überliefert ist, heilst πλοῖον ein Lastschiff und dazu stimmt auch der 
Ausdruck ἐσεσύλητο: ein Kriegsschiff wird nicht anders als ναὺς oder 
τριήρης (denn Tetreren bauten die Athener erst unter Alexander) ge- 
nannt. Bei der Flotte hatte man noch πλοῖχ ὑπηρετικά, die auf Bot- 
schaft ausgesandt wurden: von solchen kann vollends hier keine Rede 
sein. Auf den übrigen Inhalt des Schriftstücks, die Rückgabe der 
Schiffe u. a., gehe ich absichtlich nicht ein, 


> 


72 Viertes Buch. Siebentes Capilel. 


Vorwande : wohl aber lesen wir, dafs die makedonische Flotte auch 
auf andere griechische Kauffahrer Jagd machte: nicht weniger als 
170 Schiffe mit reicher Ladung wurden aufgebracht ', natürlich nur 
von solchen Städten, von deren Einverständnifs mit seinen Feinden 
Philipp sich überzeugt hielt, so von Rhodos und Chios ?. In Folge 
dieser Mafsregeln Philipps fafsten die Athener Beschlüsse drohen- 
des Inhalts: es ist glaubhaft dafs sie die Forderung erhoben, Phi- 
lipp solle nicht allein ihr Eigenthum erstatten, sondern auch die 
Thrakerfürsten Teres und Kersobleptes wieder einsetzen ®. Dage- 
gen erliefs Philipp ein Schreiben an die Athener, welches statt das 
geforderte zu gewähren den Vorwurf des Friedensbruchs ihnen 
zurückgab: er nannte darin die Anstifter des Krieges mit Namen — 
Demosthenes aber hatte er nicht erwähnt —, und zählte seine Be- 
schwerden einzeln auf. Dieses Schreiben des Königs, welches 
Demosthenes in der Rede vom Kranze verlesen liefs* und dessen In- 
halt Philochoros genau angegeben hatte’, liegt uns schwerlich in 
echter Fassung vor: das Schriftstück unter den Werken des Demo- 
sthenes, das Philipps Namen trägt und die Kriegserklärung enthält, 
wird, ob es gleich auf guten Materialien beruht, als die Arbeit eines 
Rhetors anzusehen sein ®. So viel wir erkennen können, war Phi- 
lipps Schreiben nicht geradezu ein Absagebrief, sondern ein Ulti- 
matum: die Fortdauer des Friedens ward an Bedingungen geknüpft, 
welche mit der Ehre des athenischen Staates unverträglich waren ; 
anderesfalls aber der Krieg angekündigt. Unter diesen Umständen 
entschied die athenische Volksgemeinde sich für den Krieg, auf An- 
trag des Demosthenes. Sie stellte die Erklärung voran, dafs Phi- 
lipp den Frieden gebrochen habe: demzufolge beschlossen sie die 
Sule der Frie densurkunde zu zerstören, Schiffe zu bemannen und 
sich in Kriegsbereitschaft zu setzen”. Damit endete Ol. 110, 1. 
340 die siebenjährige Friedenszeit. 


1) Just. 9, 1. 

2) Front. Str. 1, 4, 13. 

3) Phil. Schr. 8 S. 160, 18. 

4) Dem. vKr. 73 8. 249, 7. 76 S. 250, 22. 798. 251, 29. 

5) Dionys. a. Ο. διεξελθὼν (Φιλόχορος) ὅσα τοῖς ᾿Αϑηναίοις ὃ 
Φίλιππος ἐνεκάλει διὰ τῆς ἐπιστολῆς. 

6) 5. darüber, so wie über die Gegenrede (XI) und die 4. Philip- 
pika Beilage IV. 

7) Dionys. a. O. führt fort [λέγει ὡς] Φημοσϑένους παρακαλέσαν- 


Athenische Kriegserklärung. 175 


Überblicken wir noch einmal den Gang der Ereignisse. Die 
Athener hatten ehrlich den Frieden gewollt und Philipps Freund- 
schaftsversicherungen mit ollenem Ohre aufgenommen: von seinen 
guten Diensten hoflten sie Ersatz für die Leiden des überstan- 
denen Krieges und für die Verluste welche der Vertrag bestä- 
tigte. Alsbald sahen sie sich überlistet und betrogen. Philipp 
nahm nicht allein das thrakische Küstenland bis zum Hellesponte 
in Besitz, sondern er vernichtete die Phokier, ein Verfahren ihres 
angeblichen verbündeten, das nicht blofs als rücksichtslos , sondern 
seradezu als feindselig gelten mufste '. Schon damals waren die 
Athener nahe daran wieder zu den Waffen zu greifen. Aber ver- 
einzelt und ohne Bundesgenossen wie sie waren, dazu ganz auf 
Friedensfufs gestellt, konnten sie damals vernünftiger Weise den 
Krieg nicht unternehmen ; darum hiefsen sie geschehen was sie nicht 
zu ändern Macht hatten, und Philipp wufste sie durch neue Zusi- 
cherungen zu beschwichtigen. Mehr und mehr machten auch die 
Wohlthaten des Friedens, der Wegfall der Kriegslasten, die Aus- 
breitung des Handels sich geltend: die bestochenen Fürsprecher 
Philipps genossen Gunst beim Volke, und man scheute sich das 
Wohlbehagen und den frohen Lebensgenufs durch Kriegshändel ge- 
fährden zu lassen. Indessen dachte Philipp nicht daran Ruhe zu 
halten. Nicht zufrieden mit seinem Sitze im Amphiktyonenrathe zog 


τος αὐτοὺς πρὸς τὸν πόλεμον καὶ ψηφίσματα γράψαντος Lysıgorovn- 
σαν τὴν μὲν στήλην καϑελεῖν τὴν περὶ τῆς πρὸς Φίλιππον εἰρήνης 
καὶ συμμαχίας σταϑεῖσαν, ναῦς δὲ πληροῦν καὶ τὰ ἄλλα ἐνεργεῖν 
τὰ τοῦ πολέμου. Vel. Dion. ebend. 5. 740, 10 αὗται (αἵ συνϑῆκαι) 
διέμειναν ἑπταετῆ χρόνον ἄχρι Νικομάχου: ἐπὶ δὲ Θεοφράστου τοῦ 
μετὰ Νικόμαχον ἄρξαντος (Ol. 110, 1) ἐλύϑησαν, ᾿4ϑηναίων μὲν Φί. 
λιππον αἰτιωμένων ἄρχειν τοῦ πολέμου, Φιλίππου δ᾽ ᾿4ϑηναίοις ἐγκα 
λοῦντος κτλ. Aesch. 3, 55 8. bl μέχρι τῆς ἡμέρας ἐκείνης, ἐν ἡ κα- 
ταλύσας τὴν ὑπάρχουσαν εἰρήνην τῇ πόλει ὁ αὐτὸς οὗτος δήτωρ («1ημο- 
σϑένης) ἔγραψε τὸν πόλεμον. Diod. 10,77 ᾿4ϑηναῖοι -- ἔκριναν τὸν Φίλιπ- 
πον λελυκέναι τὴν πρὸς αὐτοὺς συντεθεῖσαν εἰρήνην. Über die Stein. 
urkunde des Friedens vgl. Dem. Chers. 5 S. 91, 12. Phil. Schr. 8 5. 
160, 22. Wir erinnern, dafs Demosthenes in der R. vKr. 78 δ΄, S. 249 ff. 
eben auch Philipp die Schuld am Kriege beimifst: von sich lehnt er 
die Urheberschaft ab, aber zu den Anträgen den Gewaltschritten des 
Königs zu wehren bekennt er sich 79 S. 251, 27. 

1) Dem. Phil. 3, 19 5. 115, 19 ἀφ᾽ ἧς ἡμέρας ἀνεῖλε (Φ.) Φωκέας, 
ἀπὸ ταύτης ἔγωγ᾽ αὐτὸν πολεμεῖν ὁρίζομαι. 


474 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


er die Peloponnesier enger an sich, hielt sich der Zugänge zu Hellas 
versichert, ward durch seine Werkzeuge und Verwandten Gebieter 
über Thessalien und Epirus, setzte sich auf Euboea fest und unter- 
nahm endlich die Eroberung von Thrakien. Nicht blofs sein Land- 
heer ward übermächtig, auch seine Flotte stach in See und be- 
herrschte die Durchfahrt nach dem Pontus: es konnte als eine 
(nade gelten dafs der Chersones noch Athen belassen war. Die- 
ser Entwickelung einer feindseligen Macht konnten die Athener nicht 
länger zusehen, so sehr sie auch einem neuen Kriege widerstreb- 
ten. Die Versicherungen Philipps hatten sich als leere Worte er- 
wiesen, ihre Beschwerden blieben unerledigt, der Friede diente nur 
dazu sie in Unthätigkeit zu halten, während Philipp sich immer 
neue Übergriffe erlaubte. Da trafen endlich die Athener Anstalten 
zur Gegenwehr : auf dem Chersones begannen die Feindseligkei- 
ten, nach Akarnanien ward Hilfe gesandt und ein Bündnifs helleni- 
scher Städte zum Kriege gegen Philipp gebildet, auch persische 
Hilfe nachgesucht: immer unverholener entschlug man sich jeder 
Rücksicht auf den Friedensvertrag. Zu diesem Verfahren waren die 
Athener durch Philipps Vorgang berechtigt, während dieser sein 
Interesse dabei fand die Kriegserklärung hinauszuschieben, bis er 
der thrakischen Seestädte Herr geworden wäre. Aber der byzan- 
tinische Krieg griff so tief in die Interessen Athens und aller Hel- 
lenen ein, dafs in seinem Fortgange der Bruch unabwendbar wurde: 
und überdies traf Philipp die Athener durch die Verletzung ihres 
Gebiets auf der thrakischen Halbinsel und die Wegnahme ihrer pon- 
tischen Handelsschiffe empfindlicher als je. Da erklärten sie förm- 
lich dafs er den Frieden gebrochen habe und schritten zum Kriege. 
Sie thaten dies mit voller Erkenntnifs der Bedeutung dieses Schrittes. 
Als Hegesippos das Wort genommen hatte um die Ablehnung der letz- 
ten Anträge Philipps anzurathen, ward ihm zugerufen : “ du bringst 
Krieg auf, und er erwiederte: “nicht Krieg allein, sondern frühen 
‘Tod und schwarze Kleider und öffentliche Begräbnisse und Grab- 
“reden, wenn ihr Ernst machen wollt die Hellenen zu befreien und 
τ ie von den Vätern behauptete Hegemonie wiederum zu gewinnen ἢ ἡ. 


1) Heges. fr. bei Sauppe OA. II, 258 (a. Cramer. anecd. Par. I, 
166; vel. Plut. Apophth. 8. 187°) (Κρωβύλος) τοῖς — πολίταις ποτὲ 
τοῖς ἑαυτοῦ συνεβούλευε μὴ προσέχειν τῷ Μακεδόνι Φιλίππῳ, προϊσχο- 
μένῳ τὰ εἰρηνικά, ὡς δὲ ἐθορυβήϑησαν αὐτῷ nal τις ἀναστὰς δεδιτ- 


- 


Unterstützung der Byzantiner. Chares. 475 


Nachdem der Krieg erklärt war, gebot das eigene Interesse 
Athens vor allen Dingen den Byzantinern schleunigst Hilfe zu sen- 
den'!. Zu dem Ende ward zuvörderst Chares mit 40 Schiffen und 
Soldtruppen nach dem Bosporus beordert, ich denke, weil seine 
Streitmacht am nächsten zur Hand war?. Denn Chares war schon 
seit längerer Zeit in See. Wir finden Ol. 109, 4 die Ablösung 
eines Trierarchen seiner Flotte verzeichnet, dessen Dienstzeit also 
mindestens in den ersten Monaten des Jahres begonnen hatte’, und 
in der 01. 109, 2. 342 gehaltenen Rede über Halonnesos * lesen wir 
von der Rückkehr verbannter Thasier in ihre Heimat, welche Phi- 
lipp durch die athenischen Befehlshaber vermittelt hat, d. h. wie 
der Scholiast bemerkt, durch Chares und seine Genossen ἢ. Hege- 
sippos berührt noch die Seewacht, deren die Athener durch ihre 
Feldherrn wahrnehmen, und dafs sie zu Thasos ein Söldnercorps 
hielten, ist auch im Leben der zehn Redner bemerkt; Demosthenes, 
der dazu gerathen , leistete selbst dafür eine Trierarchie ἢ. Dieses 


τόμενος eime: “πόλεμον εἰσάγεις, Komßvre’' καὶ ὃς ““οὐ μόνον γε" 
ἔφη “πόλεμον, ἀλλὰ καὶ ϑανάτους ἀώρους καὶ μέλανα ἱμάτια καὶ 
«δημοσίας ταφὰς καὶ λόγους ἐπιταφίους, εἴ γε βούλεσϑε μὴ ληρεῖν, 
«ἀλλὰ τοὺς Ἕλληνας ἐλευϑεῤῶσαι καὶ κτήσασϑαι πάλιν αὖ τὴν πα- 
“τρῴαν ἡγεμονίαν." Ich wülste nicht, wohin diese Worte besser pass- 
ten als zu dieser Verhandlung. Ol. 109, 3. 341 war noch kein Antrag 
auf Krieg gestellt worden, obgleich die makedonische Partei dazu drängte, 
offenbar weil noch die Neigung zum Frieden bei der Bürgerschaft über- 
wog. Dem. Chers. 58 S. 104, 1. 48. 91, 6. 

1) Über die byzantinischen Alterthümer sind die Forschungen von 
DuCange in s. Constantinopolis christiana. Paris. 1680. noch heute un- 
übertroffen. Von neueren Gelehrten hat Böhnecke F.I, 468 am genaue- 
sten über die Belagerung gehandelt. 

2) Plut. Phok. 14. Hesych. v. Milet orig. Constantinop. 28 (Müller 
fr. ἢ, gr. IV, 151). Diod. 16, 77 erzählt die athenische Kriegserklä- 
rung und ‘fährt fort εὐϑὺς δὲ καὶ δύναμιν ναυτικὴν ἀξιόλογον ἐξέπεμ- 
ψαν βοηϑήσουσαν τοῖς Βυζαντίοις. 

3) Seeurk. XIIIe, 81 = ΧΙγά, 223 ἐπὶ Νικομάχου ἄρχοντος τῶν 
μετὰ Χάρητος διάδοχος “υσικλεῖ ᾿Αϑμονεῖ Φαίαξ Πεωδάμαντος Ayao- 
νεύς κτλ. Vgl. Böhnecke F. I, 658. Übrigens möchte ich διάδοχος 
lieber von einem ablösenden Trierarchen nehmen; eine Syntrierarchie 
vorauszusetzen (wie Böckh Seew. S. 188 thut) sehe ich keinen Grund. 

4) 15 8. 80, 12. 

5) Z. a. St. (8. 173, 22) τούτους ὃ Φίλιππος πείσας τοὺς περὶ τὸν 
Χάρητα κατήγαγεν. 

6) S. 845° καὶ συνεβούλευσε δὲ τῷ δήμω ξενικὸν ἐν Θάσῳ τρέφειν 


476 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Geschwader also, vielleicht verstärkt durch Schille anderer Statio- 
nen, führte Chares gen Byzanz. Auch die Chier, Koer und Rho- 
dier entsprachen dem Rufe der verbündeten Stadt, welche in dem 
Kriege mit Athen zu ihnen gehalten hatte, und auch andere helle- 
nische Gemeinden, namentlich wohl von den thrakischen Küsten und 
Inseln, leisteten nach Kräften Beistand !. 

Die Hilfe, welche Chares den Byzantinern brachte, schlägt Plu- 
tarch sehr gering an: er sei umhergefahren, den Feinden zum 
Gespötte, und habe die Bundesgenossen geschatzt: so wenig habe 
man ihm vertraut, dafs seine Streitmacht nicht einmal in die Städte 
eingelassen ward?. Diese Schilderung trifft im allgemeinen die 
Kriegführung des Chares, und es mag sein, dafs die Byzantiner 
noch von früher her ihm mistranten : aber dennoch scheint es, dafs 
Plutarch um Phokions Verdienst um so heller glänzen zu lassen 
Chares über Gebühr herabgesetzt hat?. Denn so viel wir seine 
Operationen beurteilen können, waren sie zweckmäfsig und wirk- 
sam, und die dankbare Erinnerung daran hat sich bis in die späte- 
sten Zeiten zu Byzanz erhalten *. Chares trieb nämlich die make- 
ddonische Flotte in den inneren Bosporus: dort, nicht weit ab von 
der sicheren lasthenischen Bucht, bei den bakchischen Klippen (der 
Ort wurde seitdem Thermemeria genannt) schlugen mit ihm vereint 
die Byzantiner Philipps Admiral Demetrios °, und die makedonische 


καὶ ἐπὶ τούτῳ τριηράρχης ἐξέπλευσεν u. dazu Westermann. Diese Trie- 
rarchie, welche, wie Böhnecke I, 262, 1 erinnert, nicht vor die Zeit 
der Midiana fallen kann, dürfte in Ol. 108, 2 345 zu setzen sein. Theo- 
pomp hat im 45. Buche, d. h. vor der Schilderung des thrakischen 
Kriegs, über Chares Leben im Dienste gesprochen. 

1) Diod. a. O. Front. Str. 1, 4, 13. Polyaen. 4,2, 21. 

2) Plut. Phok. 14. 

3) Böhnecke F. I, 475, 4. 

4) S. Hesych.v. Milet a.0. Syncellos S. 263 (bei Müller III ‚692) συμ- 
μαχούντων δὲ Βυξαντίοις Admvelov διὰ Χάρητος στρατηγοῦ ἀποτυχὼν 
ὃ Φίλιππος κτῖ. Böhnecke a. O. erinnert, dafs die byzantinischen Be- 
richte Phokions nicht gedenken. 

5) P. Gyllii exe. ex Dionys. Byz. anaplo Bospori Thr. bei Hudson 
geogr. gr. min. III, 14 hie (apud cautes Bacchias) Demetrium Philippi du- 
cem exercitus (ἃ. h. στρατηγον) quum vicissent Byzanti, Θερμημερίαν no- 
minarunt locum a re ipsa quae contigerat: pugnam enim navalem ülius diei 
magna solertia ei summo ardore pugnaverant. Hesych. a. Ὁ. 27 αὖϑις δὲ 
πρὸς ναυμαχίας τραπέντες περιφανῶς τοὺς Πῆακεδόνας ἐνίκησαν. Die 


Belagerung von Byzanz. 477 


Flotte mufste sich in den Pontus zurückziehen'. Chares selbst 
liefs sein Geschwader nahe bei Chrysopohs (Skutari) an der zur 
Propontis vorspringenden Spitze ankern ?, gerade da, wo die aus 
dem Pontus kommende Strömung sich zum goldenen Horne hin- 
überwendet. Dort beherrschte er den Zugang zu Byzanz, denn 
jedes aus dem Pontus auslaufende Schill (wie umgekehrt) muflste 
bei dieser Station vorüberfahren: deshalb hatte schon Alkibiades 
daselbst eine Zollstätte errichtet®. Während Chares hier stand, 
starb ihm seine Gattin Damalis aus Athen, die ihn begleitet hatte. 
Das Grabmal welches er ihr errichtete, eine Kuh auf einem Altare, 
war noch im Mittelalter vorhanden und die Grabschrift wird oftmals 
angeführt ἡ. 

Von der Seeseite also war Byzanz jetzt gesichert, und wenn 
auch die Verbindung mit den pontischen Schwesterstädten unter- 
brochen blieb, von Westen her konnte es Lebensmittel, Kriegsbe- 
darf und frische Mannschaft empfangen. Den Widerstand der Bür- 
ger hatte Leon organisiert, ein Mann der zu Athen mit Platon Ver- 
kehr gepflogen hatte und als Gesandter sowohl bei Philipp als zu 


Überlegenheit der Byzantiner zur See (Dionys. a. ©. 8. 7 Philippus — 
classe Byzantis par non fuit multo mari ünperantibus) kann erst nach dem 
Eintreffen der Hilfsgeschwader hergestellt sein: denn als Philipp Pe- 
rinthos einschlofs, waren sie offenbar seiner Flotte nicht gewachsen. In 
dem Namen Θερμημερία sehe ich keinen Grund das Treffen auf einen 
heifsen Sommertag zu setzen (Böhnecke F. I, 430. 473. 737). Über die 
Bucht Lasthenes s. Dionys. a. O. S. 13f. Bei Plin. NH. 4, 18 haben 
die Handschriften sinus Casthenes; bei Steph. v.B. u. Γυναικόπολις er- 
scheint die Nebenform τὸ “εωσϑένειον. 


1) Front. Str. 1, 4, 13 Philippus cum angustias maris quae Cyaneae 
adpellantur (am Eingange des Bosporus vom Pontus her. Dionys. a. O. 
S. 17f.) transnavigare propter Alheniensium classem, quae opportunitatem 
loci custodiebat, non posset etc. 

2) Hesych. a. O. 28. 

3) Polyb. 4, 43f. Dionys. a. Ὁ. 8. 22. Über die Zollstätte (vel. 
Xen. H. 1, 1, 22. Diod. 13, 64) s. das nähere bei Böckh Sth. I, 4411. 

4) S. Hesych. 29f. u. dazu Müller. Heyne antiqu. Byz. exe. III 
in den Comm. acad. Gott. rec. I, 67ff. Der Eingang bezieht sich auf 
die Io, dann heifst es: ἥδε δ᾽ ἐγὼ Kengomis εἰμι νέκυς. Εὐνέτις ἣν δὲ 
Χάρητος, ἔπλων δ᾽, ὅτ᾽ ἔπλωεν ἐχεῖνος Tide, Φιλιππείων ἀντίπαλος 
σκαφέωψ. Βοίδιον οὔνομα δ᾽ ἦεν ἐμοὶ τότε: νῦν δὲ Χάρητος Εὐνέτις 
ἠπείροις τέρπομαι ἀμφοτέραις. 


478 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Athen durch Gegenwart des Geistes und Freimuth sich hervorthat. 
Wir haben zu bedauern, dafs wir fast nur in unzuverlässigen und 
abgerissenen Anekdoten von ihm hören: damals war er die Seele 
des Widerstandes und genofs das volle Vertrauen seiner Mitbürger, 
das sich später zu schnödestem Undanke verkehrt hat!. Wohl 
that in jenen Tagen ein unerschütterlicher Charakter an der Spitze 
des Gemeinwesens noth; denn Philipp betrieb, da es ihm nicht ge- 
lungen war im ersten Anlauf die Stadt zu nehmen, mit aller Macht 
die Belagerung. Zur Deckung seiner Arbeiten errichtete er ein Pal- 
lisadenwerk ?, und versuchte nun, wie vor Perinthos, theils durch 
Sturmböcke und Geschütze, theils durch Minengänge die Schutz- 
wehren der belagerten und ihre Vertheidigung zu nichte zu machen. 
Die Belagerung von Byzanz macht Epoche in der Geschichte der 
Kriegskunst: Philipps Maschinenmeister, der Thessaler Polyeidos, 
war so geschickt und so erfindungsreich, dafs der Fehlschlag seiner 
Anstalten seinem Rufe nicht geschadet hat: es wird bemerkt, die 
Ingenieure, welche Alexander mit sich nahm, seien seine Schüler 
gewesen ?. Um die Bewegungen seiner Truppen und die Zufuhr 
zu erleichtern schlug Philipp über das goldene Horn eine Brücke 
und sicherte diese durch versenkte Steinmassen vor einem Angriff 


1) Plut. Phok. 14 Λέων, ἀνὴρ Βυξαντίων πρῶτος ἀρετῇ καὶ τῷ 
Φωκίωνι γεγονὼς ἐν Anaönui« συνήϑης. Suid. u. Adov Atovrog Βυ- 
ξάντιος -- μαϑητὴς Πλάτωνος (vgl. Philostr. L. d. Soph. 1, 2) ἢ ὥς 
τινὲς ᾿Αριστοτέλους -- ἀποχρουνόμενος τὸν Φίλιππον ἀπὸ τοῦ Βυζαντίου 
—. Hesych. ν. Milet 26 A&wv τὴν τῶν Βυξαντίων ἀριστοκρατίαν ἐδέξατο, 
ἐφ᾽ οὗπερ Φίλιππος -- πολλὴν ἐπαγόμενος δύναμιν ἐπολιόρκει τὴν πόλιν. 
Zu Byzanz bestand seit längerer. Zeit Demokratie, 5. Theop. fr. 69. 
Überhaupt ist die Folge byzantinischer Strategen bei Hesychios, unter 
die auch Chares gerathen ist, ganz willkürlich. Vgl. 35 ἀλλὰ ταῦτα 
μὲν καὶ deLcTorgaTovusvav καὶ δημοχρατουμένων τῶν Βυζαντίων, ἔτι 
δὲ καὶ τυραννουμένων κατὰ διαφόρους ἐπράχϑη χρόνους. Anekdoten 
über Leon 8. Philostr. a. O. (vgl. Stob. Anth. 2, 20. Plut. Reg. f. d. 
Staatsm. 8 Κα, 8048, Symp. 2, 1, 9 8. 633°. Nutzen d. Feindsch. 5 5. 
88, Athen. 12 S. 550f. 5. Müller Fr. h. gr. II, 328 ff. 

2) Dem. vKr. 87 8. 254, 26 χάρακα βαλύμενος πρὸς τῇ πόλει καὶ 
μηχανήματ᾽ ἐπιστήσας ἐπολιόρκει. Hesych. a. O. ©. — ἐπολ. τ. m., 
διώρυξι καὶ παντοίοις μηχανήμασι τοῖς τείχεσι προσπελάξων. Der un- 
χανήματα hat auch Philochoros a. Ο. gedacht. Vgl. auch die Lobschr. 
auf Dem. 33. 


3) Atlıen. üb, ἃ. Kriegsmaschinen b. Thevenot, vet. math.. Paris. 
1693 8. ὃ, 


Belagerung von Byzanz. 479 


der feindlichen Schiffe '. Um Baumaterial zu gewinnen liels er 
einen Tempel des Pluton, der am goldenen Horne aufserhalb der 
Stadt gelegen war, abtragen?. So ward Byzanz mit allen Mitteln 
der Kunst von einem starken Heere bestürmt: Philipp und seine 
Truppen brannten von Begierde die bei Perinthos erlittene Scharte 
auszuwetzen. Und einmal waren sie dem Ziele ihrer Anstrengun- 
gen nahe genug. In einer mondlosen Nacht, bei einem heftigen 
Regengusse, gelang es den Makedonen aus einem Minengange un- 
bemerkt hervorzubrechen — der Wachtdienst mochte vernachläs- 
sigt sein, wie es denn überhaupt kaum gelingen wollte die Byzan- 
tiner zu strenger Dienstordnung zu vermögen ® — da schlugen die 
Hunde an und weckten die Schläfer: und als die Bürger zum Kam- 
pfe eilten um die eingedrungenen zurückzutreiben und den allge- 
meinen Sturm den Philipp angeordnet hatte abzuschlagen, da sahen 
sie feurige Wolken am nördlichen Himmel aufsteigen, aus denen 
Strahlen wie Fackeln hervorleuchteten. In dem Scheine des Nord- 
lichts erblickten sie die helfende Nähe der Gottheit und schlugen in 
heifsem Kampfe die Feinde. Dann bauten sie statt der eingesun- 
kenen Thürme und der gebrochenen Brustwehr eine neue Mauer, 
und nahmen dazu die Steine von der nahen Gräberstätte (daher der 
Name Tymbosyne): oben auf aber stellten sie ein Bild der licht- 
bringenden Hekate ἡ, 


1} Dionys. v. Dyz. 8. Ὁ. 8. 7. 

2) A. Ο. 5. 3, Die Lage aın goldenen Horne ergibt sich aus den 
ferneren Excerpten. 

3) Was Athen. 10 5. 442° und daraus Ael. v. G. 3, 14 von Leoni- 
des erzählen, hat Bernhardy zu Suid. u. A&ov auf Leon und die phi- 
lippische Belagerung bezogen, mit grolser Wahrscheinlichkeit: vgl. 
Müller fr. h. gr. II, 8291. IV, 3773. 

4) Hesych. a. O. 27 καὶ δὴ ἂν ταύτην ἐξεῖλε νυκτὸς ἐπιλαβόμενος 
ἀσελήνου καὶ ὄμβρου καταρραγέντος ἐξαισίου, εἰ μή τις αὐτοῖς τοῦ 
ϑείου γέγονε συμμαχία τοὺς κατὰ τὴν πόλιν κύνας πρὸς ὑλαχὴν ἀνα- 
στήσαντος καὶ νεφέλας πυρὺς τοῖς ἀρχτῴοις ἐπαγαγόντος μέρεσιν. Ἐξ 
οὗπερ οἵ δῆμοι διεγερϑέντες καὶ ϑερμῶς τοῖς πολεμίοις συνενεχϑέντες 
ἤδη τὴν πόλιν ὑπὸ τῷ Φιλίππῳ γενομένην ἐρρύσαντο κτλ. Hier ist 
der Anfang der Lichterscheinung geschildert: Stephanos v. B. berührt 
den weiteren Verlauf (vgl. Humboldt Kosmos I, 199f.) u. Βόσπορος : 
Φιλίππου — διορύξαντος κατὰ τὴν πολιορκίαν εἴσοδον κρυπτήν — Erden 
φωσφύρος οὖσα δᾷδας ἐποίησε νύκτωρ τοῖς πολίταις φανῆναι κτλ. Ste- 
phanos (vgl. Constant. Porph. de prov. R. Byz. 2,12. Eustath. zu Dio- 


480 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Ob an diesem Entscheidungskampfe bereits die Mannschaft 

“ theilnahm, welche ein zweites athenisches Geschwader, von Pho- 
kion und Kephisophon befehligt, nach Byzanz führte, wissen wir 
nicht: aber wenn wir lesen, dafs die athenischen Streiter vorzüg- 
lich zur Rettung der Stadt beigetragen, dafs sie in den Gefechten 
sich durch ihren Eifer hervorgethan ', so fühlen wir uns versucht 
schon an der Abwehr jenes grolsen Sturmes ihnen einen Antheil zu- 
zuschreiben. Indessen endete damit die Belagerung noch nicht, 
und Philipp wird mehr als einmal die Erstürmung versucht haben. 
Die athenische Flotte war, wie es scheint, gebildet aus dem Ge- 
schwader welches Phokion zu Anfang des Jahres (Sommer 340) gen 
Eretria geführt hatte und dem unter Kephisophon bei Skiathos lie- 
genden. Hypereides gieng persönlich als Trierareh mit in See. De- 
mosthenes schenkte eine Triere ? und traf zu Athen die Anordnun- 
gen, welche den Flottendienst regelten und eine nachdrückliche 
Kriegführung möglich machten. Dafs eine zweite Hilfsendung er- 
folgte, ward wohl nicht blofs durch die Unzufriedenheit der Bürger- 
schaft mit Chares veranlafst ?: ich denke, man hatte gleich die Ab- 
sicht auf die erste schleunige Hilfe eine weitere Verstärkung folgen 
zu lassen. Dafs der Oberbefehl über dieses Geschwader Phokion 
übertragen wurde, geschah auf den ausdrücklichen Rath des De- 
mosthenes *, und man hätte in diesem Falle keine bessereWahl treffen 


nys. Perieg. 140) führt darauf die Nebenform Φωσφόριον statt Βοσπό 
ριον (Hafen von Byzanz) zurück. Vgl. DuCange Const. chr. I, 4S.7f. 
Jos. v. Hammer Const. u. ἃ. Bosporos I, 82. 601ff. (den Böhnecke F. 
I, 472, 1 anführt). 

1) Plut. Phok. 14. 

2) Seeurk. XIII, 98=XIVÄ, 240 ἐπὶ Θεοφράστου ἄρχοντος τῶν us- 
τὰ Φωκίωνος καὶ Κηφισοφῶντος πλευσασῶν ἐπιδόσιμος τριήρης “Av- 
δρεία -- τριήραρχος Ὑπερείδης Γλαυκίππου Κολλυτεύς. L.d. X R. 5. 
8481. Vel. o. 5. 463, 1. Über Demosthenes 5. d. Ehrenbeschlufs 8. 
8514. καὶ ἑτέραν (τριήρη ἐπιδόντι) ὅτε Χάρης καὶ Φωκίων στρατηγοὶ 
ἐξεπέμῳϑησαν εἰς Βυζάντιον ὑπὸ τοῦ δήμου. Über Kephisophon vgl. 
ὁ. 8. 396, 4. 461, 1; als Befehlshaber im byzantinischen Kriege ken- 
nen wir ihn nur aus den Urkunden. 

3) Plut. a. O. (u. Apophth. Phok. 8). 

4) Mit Böhnecke F. I, 475 beziehe ich hierauf Corn. Nep. Phoe. 2 
auetus adiutusque a Demosihene eum quem tenebat ascenderat gradum, cum 
adversus Charetem eum subornaret. Dafs alle Hilfsendungen nach Byzanz 
auf Antrag des Demosthenes erfolgten, ist vKr. 8068, S. 252, 7fl. wie- 
derholt ausgesprochen; vgl. 711, S. 248, 16f. 


Entsatz von Byzanz. Phokion. 481 


können. Als Phokion vor Byzanz anlangte und wie Chares eine 
Stellung aufserhalb der Stadt nehmen wollte, verbürgte sich Leon, 
der von der Akademie her mit ihm bekannt war, bei den Byzanti- 
nern für seine Ehrenhaftigkeit und bewirkte, dafs die Bürger die 
Athener bei sich in Quartier nahmen. Durch gute Mannszucht und 
durch Kampfeseifer rechtfertigten diese das Vertrauen ihrer Bun- 
desgenossen und trugen wesentlich zur Rettung der Stadt bei. Phi- 
lipp sah seine Anstrengungen vereitelt und hob die Belagerung auf. 

Aber viel lag dem Könige daran seine Flotte, die noch im Pon- 
tus war, in Sicherheit zu bringen, und das sollte ihm in der That 
auf eine uns unbegreifliche Weise gelingen. Wir haben darüber 
zweierlei Nachrichten, die aber doch in einem Punecte zusammen- 
treffen. Nach Polyaen ? liefs Philipp einzelne Abtheilungen seines 


1) Plut. «. Ὁ. Aus Dionys. 4. Ὁ, S. 2 wird folgendes mitgetheilt: /tem 
in abscessu maris duae aedes, quarum solum nomen esxstat. Illud enim Per- 
sae exusserunt in expeditione Cyri contra Scythas —. FPlutonis templum 
Philippus Macedo inopia materiae demolitus est: locorum vero nomina reman- 
serunt. Hic enim Plutonia acra, ille Tunonia acra dieitur: ubi quotannis 
viclimam primo anni die maclal gens Megarica. Böhnecke F. I, 471, 1 
entnimmt daraus, es sei dem Pluton zur Erinnerung an den Sieg über 
die makedonische Flotte (vgl. ο. 5. 476, 5) geopfert worden, und zwar 
(S. 737) am 1. Hekatombaeon, d.h. am attischen Neujahrstage. Aber 
ob dem Pluton jenes Opfer galt, und ob es zum Gedächtnifs an die 
philippische Belagerung gefeiert wurde, ist nach den angeführten. Wor- 
ten mindestens schr zweifelhaft. Angenommen jedoch, dafs jene Vor- 
aussetzungen richtig sind, so dürfen wir uns nicht an den attischen 
Jahresanfang halten. Die Byzantiner begannen das Jahr, wie KFHer- 
mann im. Philol. II, 267. 271 unter Vergleichung der entsprechenden 
Kalender von Korkyra und Tauromenion (vgl. Monatskunde S. 113 f. 
97) mit höchster Wahrscheinlichkeit angenommen hat, mit den Früh- 
lingsäquinoetien. So lange mag Philipp vor Byzanz gelegen haben. 
Rechnen wir nämlich auf die Belagerung von Perinthos (wie Grote XI» 
635) etwa drei Monate, was gewifls nicht zu viel ist, so geschah der 
Angriff auf Byzanz im Spätherbste; vgl. ο. S. 469, 1. Nicht lange 
nachher traf Chares mit seinem Geschwader ein; Phokion und Kephi- 
sophon werden erst nach den Brumalstürmen, frühestens im Februar, zu 
den Byzantinern gestofsen sein. Die Choregie welche Hypereides nach 
seiner Trierarchie leistete, obgleich er gesetzlich nicht blofs das laufende 
Jahr, sondern auch das nächste von jeder Liturgie frei war (s. o. 8. 
463, 1), braucht sich nicht auf die grofsen Dionysien zu beziehen: hatte 
er z. B. zu den Thargelien einen Chor zu stellen, so konnte er ıhn 
persönlich aufführen. Vgl. Hermann A. I, 161, 9. 

2) 4, 2,21. Vgl. Böhnecke F. I, 480, 3. 

DEMOSTHENES IT. 91 


482 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Heeres in verschiedenen Richtungen abmarschieren, während er 
selbst vor Byzanz stehen blieb, und verbreitete durch Überläufer 
die Kunde, es würden andere Städte, deren Mannschaften den By- 
zantinern zu Hilfe gekommen waren, belagert und ihr Fall stünde 
bevor. Daraufhin hätten jene die Byzantiner verlassen und wären 
nach Hause geeilt. Frontin ' dagegen erzählt, Philipp habe, um 
seiner Flotte die Fahrt durch den Bosporus zu eröllnen, ein Schrei- 
ben an Antipater in die Hände des Feindes gerathen lassen in wel- 
chem stand, die Thraker hätten sich empört und die dortigen Be- 
satzungen niedergemacht, er möge alles aufgeben und ihm folgen. 
Durch diese List in die Irre geführt verliefs die athenische Flotte 
ihren Posten und das makedonische Geschwader fuhr unbelästigt 
durch die Meerenge. Danach möchte ich annehmen, dafs Chares 
durch falsche Kundschaft über die von Philipp ertheilten Befehle ἢ 
bewogen wurde die makedonische Flotte im Pontus zu suchen, und 
dafs diese inzwischen in die Propontis entschlüpfte, so unbegreil- 
lich auch dies Entkommen bleibt. 

Vor Byzanz liefs Philipp die Hauptmasse seines Heeres stehen und 
wandte sich zunächst mit auserlesenen Truppen nach dem Chersones, 
theils um diesen zu verwüsten und damit die Athener zu schädigen, 
theils um seiner Flotte auch durch den Hellespont zu helfen. Dorthin 
beschied er auch seinen Sohn Alexander, der während der byzantini- 
schen Belagerung daheim regiert und einen Aufstand der Maeder kräf- 
tig unterdrückt hatte ἢ. Dafs Philipp auf dem Chersones Städte ero- 
bert habe, wie Justin erzählt *, möchte ich bezweifeln : Demosthenes 


1) 1, 4, 13 u. dazu Gyllius b. Böhnecke I, 481, 2, 

2) Man mufs vermuthen, dafs in dem Schreiben an Antipater ge- 
standen habe, wohin die Flotte gesegelt sei, und wo er selbst mit Phi- 
lipp zusammentreffen solle. Antipater suche ich vor Perinthos: vgl. 
ο. 8. 470. 

3) Plut. Alex. 9. Die Maeder waren ein thrakisches Bergvolk am 
oberen Strymon, Nachbarn der Danthaleten, welche Theopomp im 48. 
Buche fr. 248 erwähnt hatte. Die Makedonen, welche oft von ihren 
Einfällen zu leiden hatten, haben sie niemals völlig unterjochen können. 
Vgl. Polyb. 10, 41. Liv. 28, 7. 26, 25. 40, 22. 41. Strab. 7 S. 318. Ihr 
damaliger Aufstand (ob im Verein mit den Danthaleten?) wird mit dem 
Kampfe der östlichen Thraker gegen Philipp zusammengehangen haben. 
Über Alexanders Verfahren vgl. ο. $. 323, 2. 

4) Just. 9, 1 deinde ne unius urbis oppugnalione tantus ewercilus tere- 
retur profectus cum fortissimis multas Chersonensium urbes expugnat filium- 


Rückfahrt der makedonischen Flotte. 483 


erwähnt, dafs durch seine Fürsorge der Chersones mit Truppen ver- 
sehen und vor den Feinden gerettet sei'. Schwerlich hat Philipp 
sich auf der Halbinsel auf Belagerungen eingelassen, überdies em- 
pfiengen die Athener dort durch byzantinische, rhodische und chii- 
sche Schiffe Unterstützung. Aber seine Flotte kam auch durch 
diese Meerenge. Philipp verhandelte nämlich mit den Rhodiern und 
den andern verbündeten Hellenen und suchte ihre Vermittelung für 
einen Frieden mit Byzanz nach: ja als Unterpfand seiner friedferti- 
gen Gesinnungen gab er ihre gekaperten Handelsschifle zurück. 
Aber wenn Philipp auch mit ihnen sich verglich, mit den Byzan- 
tinern kam es nicht zum Abschlufs: absichtlich zog er die Verhand- 
lungen hin und liefs plötzlich, als die verbündeten nichts der Art 
ahnten, seine Flotte durch den Hellespont abfahren ἢ. Vielleicht 
hat damals Diopeithes im Hellespont das Seegefecht bestanden, von 
(dem eine dunkle Kunde Erwähnung thut ὃ. | 

Nachdem Philipp wenigstens den Rest seiner Flotte in Sicher- 
heit wulste,, liefs er alle seine Truppen von den belagerten Städten, 
von Perinthos wie von Byzanz, abziehen und brach mit dem wieder 


que Alexandrum, decem et octo annos natum, ad se arcessit (das 18. Jahr 
trat A. im Juli 339 an). Erst im folgenden Capitel erzählt J. die Auf- 
hebung der Belagerung. Synkellos a. ©. (III, 692 Müller) ἀποτυχὼν 
(Βυζαντίου) ὃ Φίλιππος ἐπὶ Χερρόνησον χωρεὶ καὶ ταύτην λαβὼν ἐπαν- 
ἤλϑεν. 

1) VKr. 80 8. 252, 7. 93 S. 257, 4. 302 8. 326, 15. Front. a. O. 

2) Frontin. a. Ὁ. Wenn Diod. 16, 77 sagt Dilımmog — τὴν πολιορ- 
κίαν τῶν πόλεων (Byzanz und Perinthos) ἔλυσε, καὶ πρὸς ᾿᾿“ϑηναίους 
καὶ τοὺς ἄλλους Ἕλληνας τοὺς ἐναντιουμένους συνέϑετο τὴν εἰρήνην 
(vgl. ce. 84), so ist das eben so verkehrt als wenn er ὁ. 71, ohne an 
die Byzantiner und ihre Bundesverwandten zu denken, alle hellenischen 
Städte sich zu Philipp gesellen liefs (s. o. S.417. 421). Denn nicht allein 
Athen setzte den Krieg fort (s. Philoch. b. Dionys. ἃ. Ὁ. S. 742. Dem. 
vKr. 145f. 8. 275, 29f. Wesseling zu Diodor. a. Ὁ. Weiske de hyp. II, 
41,35. Droysen Z. f.d. AW.1839 S. 575ff.), sondern auch die Byzantiner, 
Dem. vKr. 230 S. 304, 16. Dagegen scheinen Chios und Rhodos sich 
am Kriege nicht weiter betheiligt zu haben. Vgl. Grote XI, 638f., 

3) Tzetz. Ch. 6,97 (Sauppe OA. II, 3106). Ich bekenne, dafs ich 
den Sinn dieser Stelle, welche Böhnecke I, 488, 2 auf die Durchfahrt 
der makedonischen Flotte in die Propontis beziehen möchte, nicht ver- 
stehe. Um jene Zeit mag Diopeithes seinen Tod gefunden haben (s. 0. 
S. 451), ob in einer Schlacht gegen Philipp, wie Auger angenommen 
hat (s. Jacobs Staatsreden S. 330. Böhnecke S. 691), wissen wir nicht. 


91" 


484 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


vereinigten Heere nach Norden auf. Inzwischen hatte auch Phokion 
seine Truppen eingeschifft und mit seinem Geschwader noch einige 
makedonische Schiffe überholt. Dann wandte er sich gegen die 
von Makedonen besetzten Küstenstädte, nahm mehrere derselben 
ein, landete da und dort und verheerte die feindlichen Gebiete, bis 
Wunden, welche er bei einer solchen Gelegenheit empfieng, ihn 
zur Heimkehr nöthigten '. Vielleicht steht mit dieser Kriegführung 
des athenischen Feldherrn eine Landung persischer Truppen in dem 
zu Makedonien geschlagenen Thrakien in Verbindung, welche auf 
den Befehl des Königs Ochos ausgeführt wurde ?. 

Die Bürgerschaften der Städte Byzanz und Perinthos_ statte- 
ten für die geleistete Hilfe, durch welche sie aus der drohendsten 
Gefahr errettet waren, mit ehrenden Beschlüssen und goldenen 
Kränzen dem Staate der Athener ihren Dank ab: eben so be- 
zeigten ihn die Einwohner des Chersones ihrer Mutterstadt. Wohl 
gebührte solcher Dank den Anführern und denen, die zur See und 
zu Lande unter ihnen gestritten, und die verhütet hatten, dafs 
(die Makedonen an den Söhnen der Bundesgenossen trunkenen Fre- 
velmuth ausliefsen ?: aber ganz besonders dem Staatsmanne, der die 
Versöhnung der Städte gestiftet und die Mafsregeln ins Werk ge- 
setzt hatte welche Philipps überlegene Kriegskunst zu Schanden 
machten. 

Doch kehren wir zu Philipp zurück. So lange er schon im 
Felde lag und so dringend der Krieg mit Athen ihn nach Makedonien 
zurückrief, er liefs sich noch auf eine neue Unternehmung ein, 
welche ihn bis in das Tiefland der untern Donau abführte und ihn 
in grolse Gefahren verwickelte. "Wir vermögen die Gründe, welche 
(den König leiteten, nicht gehörig zu würdigen *. Es mochte dabei 
die Rücksicht obwalten, sein Heer durch einen Beutezug für die 
fruchtlosen Mühen zu entschädigen, durch eine glänzende That sei- 
nen Kriegsruhm neu zu beleben °, insbesondere die makedonische 


1) Plut. Phok. 14. 

2) Alexanders Schr. b. Arrian. 2, 14, 5 εἰς Θράκην ἧς ἡμεῖς ἦρ- 
yousv δύναμιν ἔπεμψεν Ὥχος. Byzanz hat von den Persern keine Un- 
terstützung erhalten. 

3) Plut. üb. d. Ruhm ἃ. Ath. 8 $. 3508. 

4) Vgl. Thirlwall VI, 77. 

5) Niebuhr AG. II, 349. 


Philipps Zug gegen die Skythen. 485 
Herrschaft über Thrakien zu befestigen, die nördlichen Völker von 
jedem Einfälle in die Länder jenseit des Gebirges abzuschrecken: 
vielleicht aber dürfte Philipp auch die hellenischen Niederlassungen 
an der Nordküste des Pontus ins Auge gefafst haben um die blühen- 
den Emporien an sich zu bringen und damit einen Hauptmarkt des 
athenischen Handels zu beherrschen. Indessen lassen wir diese Fra- 
gen, auf welche uns doch eine bestimmte Antwort abgeht, und prü- 
fen wir die Thatsachen, welche uns von Justin ' berichtet werden. 
Der Skythenkönig Ateas, so heifst es, bedrängt von den Istria- 
nern, suchte durch Vermittelung der Apolloniaten Philipps Beistand 
nach und versprach ihn zu seinem Nachfolger einzusetzen. Philipp 
sendete darauf ein Truppencorps: aber Ateas schickte es zurück, 
denn mittlerweile war der König der Istrianer abgezogen: ja er 
leugnete um den Beistand der Makedonen nachgesucht zu haben, 
welche weit unter den Skythen stünden, und einen Erben habe er 
an seinem Sohne. Darauf ordnete Philipp eine Gesandtschaft an 
Ateas ab und begehrte von ihm eine Beisteuer zu den Kosten der 
byzantinischen Belagerung und das um so mehr, da er den zu sei- 
ner Unterstützung geschickten Truppen weder Zehrgeld noch Sold 
für ihren Dienst gegeben habe. Ateas entschuldigte sich mit dem 
rauhen Klima und der Unfruchtbarkeit des Landes, das den Skv- 
then kein reiches Erbtheil liefere, sondern sie kaum nähre: er habe 
keine Reichthümer um Philipps Gelüste zu befriedigen: nach Man- 
nesmuth und Körperabhärtung, nicht nach dem Besitze, würden 
die Skythen geschätzt. Durch diese Verhöhnung erzürnt brach 
Philipp von Byzanz zum Skythenkriege auf, schickte aber Gesandte 
voraus und liefs ankündigen : während der Belagerung von Byzanz 
habe er dem Herakles ein Standbild gelobt und komme um dies am 
Ufer der Donau aufzurichten: er komme als Freund zu den Skythen 
und begehre zu dem frommen Dienste friedlichen Zutritt. Ateas erwie- 
derte, wenn er sein Gelübde erfüllen wolle, möge er das Standbild 
ihm überschicken, er verspreche es aufzustellen und unverletzt zu 
erhalten: aber einem Heere werde er den Eintritt in sein Land nicht 
gestatten. Errichte Philipp aber wider den Willen der Skythen das 


1) 9, 2. Vgl. Trog. prol. 9: a Byzanti obsidione summotus. Philippus 
Scythiae bellum intulit. — Philippi bellum quod cum Athea Scythiae rege ges- 
sit. Erwähnt wird Philipps Skythenzug auch von Aesch. 3, 128f. S. ΤΊ Το: 
vgl. Cap. 8. 


456 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


Götterbild, so werde er es nach seinem Abzuge umstürzen und aus 
dem Erze Pfeile schmieden. In Folge dessen kam es zur Schlacht, in 
der Philipps Kriegskunst über den kühnen Muth der Skythen den Sieg 
errang. 20,000 Weiber und Kinder wurden in die Sklaverei geschleppt, 
eine Menge Vieh erbeutet, aber Gold und Silber fand sich nicht. 
20,000 edle Stuten wurden zur Züchtung nach Makedonien abgeführt!. 

Zu der Erzählung Justins gewinnen wir von anderen Seiten 
nur geringen Aufschluls. Wir dürfen sie gewils aus Theopomp als 
ihrer ursprünglichen Quelle herleiten: aber in den Fragmenten die- ° 
ses Schriftstellers ist von dem Skythenkriege kaum eine Spur erhal- 
ten. Nur ein Ortsname? kann auf Philipps nördlichen Marsch 
bezogen werden. Der Ruf des Ateas als eines kriegerischen Sky- 
thenfürsten hat sich allerdings lange erhalten. Plutarch erzählt, er 
habe gesagt, wenn er müfsig sei komme er sich nicht besser vor als 
ein Stallknecht °: und als einst der Flötenspieler Ismenias kriegs- 
gefangen zu ihm geführt war und beim Trinkgelage spielte, be- 
(heuerte er, lieber höre er das Gewieher seines Rosses®. Aus die- 
ser Anekdote entnehmen wir, dafs Ateas mit den Hellenen in Fehde 
lag. Den Byzantinern soll er einmal gedroht haben: thut meinen 
Einkünften nicht Eintrag, damit ich nicht in euren Brunnen meine 
Rosse tränke®. Auch von einem Kriege des Ateas mit den mächti- 


1) Vgl. KNeumann die Hellenen im Skythenlande I, 277. 317. 

2) Steph. v. Byz. Καρὸς κῆποι" χωρίον Θράκης. Θεόπομπος ν΄. τὸ 
ἐθνικὸν Καροκηπίτης, ὡς 6 αὐτός. Arrian. Peripl. 24, 3 (8 35) ἐνθένδε 
(von Kallatis nach Süden) ἐς Καρῶν λιμένα π΄ καὶ ρ΄ (στάδιοι) καὶ 
ἡ γῆ ἐν κύκλῳ τοῦ λιμένος Καρία κληΐξεται. Vgl. CMüller, der eben 
hier Καρὸς κῆποι suchen möchte, wie auch Droysen Ζ. f. d. AW. 1839 
S. 717 gethan hat. Ob aber Polyaens Erzählung 4, 2, 20 Φίλιππος πο- 
λιορκῶν χρόνῳ μακρῷ Κάρας ὀχυρὸν χωρίον, ἑλεῖν οὐχ οἷός τε ὧν 
ἀποχωρῆσαι βουλόμενος ἀσφαλῶς καὶ τὰ ὄργανα τῆς πολιορκίας περι- 
σώσασϑαι κτλ. von demselben Orte handelt, wie Droysen annimmt, 
hat Böhnecke F. I, 559, 7 mit Recht bezweifelt. Wäre Kaocı (ἐν ταὶς 
Κάραις Pol. a. O.) in Thrakien und zwar in dem karischen Striche 
zu suchen, so könnte die Belagerung nur mit dem früheren Zuge über 
den Haemos (s. o. S. 421) zusammenhängen: auf dem Skythenzuge hat 
Philipp, wie Droysen mit Recht ausspricht, sich mit Belagerungen nicht 
aufgehalten. Dann aber kann das Citat aus Theopomps 50. Buche sich 
darauf nicht beziehen. 

3) Plut. üb. das Lebensglück n. Epikur 13 S. 1095°. 

4) Üb. 4. polit. Thätigk. ἃ. Greis. 16 $. 792°. 

5) Aristokritos b. Clem. v. Alex. Strom. 5 5. 239, 51 (Müller fr. 


Philipps Zug gegen die Skythen. 487 


gen Triballern wird uns berichtet ': und was den Kampf mit den 
Makedonen anlangt, so lesen wir, dafs Ateas in der Schlacht gegen 
Philipp an der Donau fast neunzig Jahre alt gefallen sei?. Fron- 
tin ® erzählt dafs Philipp besorgt habe, seine Scharen möchten dem 
ungestümen Anpralle der Skythen nicht Stand halten: deshalb habe 
er einen Theil seiner Reiterei in der Nachhut aufgestellt, mit dem 
Befehle die weichenden in die Linie zurückzuweisen, Flüchtlinge 
aber niederzuhauen. Diese Drohung habe auch die furchtsamen 
zu verzweifeltem Kampfe getrieben und so sei der Sieg errungen 
worden. 

Aus den angeführten Stellen dürfen wir wohl so viel schliefsen, 
dafs Philipp anfangs in dem Ateas einen Bundesgenossen gegen die 
Byzantiner und gegen die Triballer zu finden meinte, und als er 
das erste Mal im Norden des Haemos stand, mochte er wie mit den 
Geten so auch mit den Donauskythen Verbindungen angeknüpft ha- 
ben. Wir werden diese mit ihren Herden am rechten Donauufer, 
in der heutigen Dobrudscha und den benachbarten Striehen zu su- 
chen haben: wenigstens haben wir von einem Übergange Philipps 
über die Donau und einem Vordringen in die Steppen Bessarabiens 
keine sichere Spur *, und Arrian schildert den Donanübergang der 
Makedonen unter Alexander als eine aufserordentliche und völlig 


h. gr. IV, 336%) Βασιλεὺς Σκυϑῶν Arkag Βυξαντίων δήμῳ. Mn βλάπτετε 
προσύδους ἐμάς, ἵνα μὴ ἐμοὶ ἵπποι ὑμέτερον ὕδωρ πίωσιν. 

1) Frontin. Strat. 2, 4, 20. 

2) Lukian. Makrob. 10 führt nach einander die greisen Fürsten 
Ateas, Bardylis, Teres auf. Bei dem letzten beruft er sich auf Theo- 
pomp; sollten nicht auch die Nachrichten über die erstgenannten daher 
stammen ? 

3) 2, 8, 14. 

4) Niebuhr kl. Schr. I, 374f. 378. AG. II, 349 setzt die Horden 
des Ateas nach Bessarabien nördlich von der Donau, und Weiske de 
hyp. II, 10f., ob er gleich die Skythen in Moesien sucht, vermuthet 
doch bei Aristeid. 38 8. 486 μίαν ταυτηνὶ κεφαλὴν (es ist Philipp ge- 
meint) — ἧς οὔτε ᾿Ισϑμὸς ἀπείρατος οὔτε ἔϑνος οὐδέν, ἀλλὰ yn καὶ 
ϑάλαττα ἐπιλείπει λῃστευομένη für ᾿Ισϑμὸς Ἴστρος. Ich glaube, irriger 
Weise: der Rhetor hat schon $. 481 von Philipps Umtrieben und Auf- 
hetzungen im Peloponnes gesprochen. Über Klein-Skythien diesseit der 
Donau 5. Strab. 7 $S. 311. 318. Tafel, Constant. Porph. de prov. r. Byz. 
S. XXVIR. Dann sind ulteriores Scythae bei Front. a. Ο. (2, 4, 20) 
die Skythen jenseit der Donan. 


455 Viertes Buch. Siebentes Capitel. 


überraschende That ἢ. Wer aber sind die Istrianer, von denen Ju- 
stin spricht? Wir kennen unter diesem Namen die Bürger einer 
milesischen Kolonie Istros (oder Istria, Istropolis) südlich von den 
Donaumündungen, welche eine Zeit lang in grofser Blüte stand ?: 
aber weder dürfen wir bei ihnen einen König erwarten noch begrei- 
fen wir, wie sie mit Heeresmacht angriffsweise gegen die Skythen 
verfahren können. Da scheint mir die Vermuthung Thirlwall’s® sehr 
berechtigt, dafs unter den Istrianern hier nicht - skythische Donau- 
völker zu verstehen seien und zwar gerade die Triballer, die wir als 
Feinde der Skythen und Philipps kennen. Aus Arrian * ersehen wir, 
dafs diese sich damals im heutigen Bulgarien bis an die Donau er- 
streekten. Philipps Zug gegen den Ateas erklärt sich aus dem Wan- 
kelmuthe und dem Hohne des Skythenfürsten hinlänglich: er wollte 
die Skythen züchtigen um sie von vorn herein von Einfällen in 
das eroberte Thrakien abzuschrecken. Und was das Weihebild für 
den Herakles betrillt, so erinnern wir daran, dafs auch Alexander 
an der Donau dem Herakles opferte °, auf den die Argeaden ihr Ge- 
schlecht zurückführten. 

Von Skythien her schlug Philipp eine andere Strafse ein als er 
gekommen war, durch das Land der Triballer, um dieses streitbare 
Volk, das er früher von Makedonien aus bekämpft hatte °, von der 
entgegengesetzten Seite her zu überziehen. Er durfte sich von 
diesem Marsche eine grofse Wirkung versprechen; denn was blieb 
(den Stämmen am nördlichen Gebirge noch für eine Zuflucht, wenn 
die Makedonen selbst von den Donauebenen her in ihre Wohnsitze 
eindrangen? Zuvörderst scheint Philipp nur den Durchmarsch be- 
gehrt zu haben: aber die Triballer wollten diesen nur gegen einen 
Antheil an der skythischen Beute bewilligen. Darüber entspann sich 
Streit und es kam zur Schlacht. Im Handgemenge empfieng Phi- 
lipp eine schwere Wunde am Schenkel und durch denselben Stofs 
ward ihm das Pferd unter dem Leibe getödtet. Als der König 


1) Arrian. 1, 3 und 4. 

2) Steph. v. Byz. u. d.N. Strab. 7 5. 319 Ἴστρος πολίχνιον. Amm, 
Marc. 22, 8 Histrus quondam potentissima eivitas. Diod. 19, 73. Arrian. 
Peripl. 24, 2 (8 35) u. dazu Müller über Namen und Lage der Stadt. 

sy vr, ΤΣ 

4) Anab. 1,2, 1-3. Vgl. Strab. 7 S. 318, 

5) Arrian. 1,4, 5. 

6) Vgl. ο. S. 824, 


Rückmarsch Philipps durch das Land der Triballer. 459 


stürzte und die seinen im ersten Augenblicke ihn für todt hielten, 
sieng die Beute verloren : aber das Heer schlug sich durch und 
bahnte sich den Weg nach Makedonien '. Entweder zog Philipp 
über Serdika (Sofia) und schlug von dort die westliche Strafse nach 
dem Axiosthale hinüber ein; oder er setzte seinen Marsch bis an 
den Margos (die Morawa) fort, kämpfte mit den Triballern auf dem 
Amselfelde und gelangte auf dem bequemsten Passe durch das Land 
der Dardaner in das Thal des Axios (Vardar) *. Damit endeten um 
den Ablauf des Sommers 339 Ol. 110, 2° Philipps Kriegszüge in 
den Haemos- und Donauländern, welche über drei Jahre alle seine 
Kräfte in Anspruch nahmen. Unter manchen Wechselfällen des 
Krieges und schweren Verlusten war er Thrakiens Herr geworden: 
aber die wichtigsten Seestädte der Hellenen hatten mit Erfolg ihm 
die Spitze geboten. Jetzt galt es den Versuch in Hellas durch das 
Übergewicht seiner Waffen eine Entscheidung herbeizuführen. 


1) Just. 9, 3. Über Philipps Verwundung s. auch Plut. üb. Alex. 
Gl. 1, 9 8. 331. Dem. vKr. 67 5, 247, 12 τὸ σκέλος πεπηρωμένον 
(Schol. ἐν Σκύϑαις). Vgl. Plut. Symp. 9, 4, 18. 739», 

2) Über den Pass s. AbelMakedonien 5. 16. Die Triballer safsen 
früher auf der serbischen Ebene (ebend. S. 73); aber nach Arrian. a. 
Ο. (S. 488, 4) scheinen sie sich damals schon weiter ostwärts gezogen 
zu haben. Vgl. Niebuhr kl. Schriften S. 374. 

3) Böhnecke hat die Belagerung von Perinthos und Byzanz in den 
Sommer 340 verlegt und setzt dem zufolge S. 431. 495. 737 den Feld- 
zug an die untere Donau und den Rückmarsch über das Gebirge in den 
Winter. Das eine wie das andere ist nach der Natur jener Gegenden 
schlechterdings unmöglich, so wenig Philipp auch auf anderem Terrain 
einen Winterfeldzug scheute. Clinton F. H. II App. 16 hat mit rich- 
tigem Takte den Abzug Philipps von Byzanz in den Frühling und den 
Skythenkrieg in den Sommer gesetzt; ebenso Grote XI, 639. 


490 


ACHTES CAPITEL. 


Staatsverwaltung des Demosthenes. Reform des Flottendienstes 
und Finanzmalsregeln. Resultate des Seekriegs. Amphiktyo- 
nischer Streit mit den Lokrern von Amphissa. Hellenischer 
Krieg mit König Philipp bis zur Schlacht bei Chaeroneia. 


Durch den Entsatz von Byzantion war den Athenern die freie 
Schiffahrt in den Pontus gesichert und die Zufuhren aus den dort 
gelegenen Kornländern konnten regelmäfsig eingehen. In Folge 
dessen trat die ganze Kriegszeit über keine Theurung in Griechen- 
land ein: der attische Getreidemarkt war so reichlich befahren dafs 
die Preise auf einem niedrigeren Stande blieben, als manchmal in 
Friedenszeiten '. Das war schon allein ein sehr wichtiger Erfolg 
der von Demosthenes eingeleiteten und durchgeführten Mafsregeln. 
Wir haben bisher die Frage nicht aufgeworfen,, ob alle jene Rüstun- 
gen athenischer Geschwader nur auf seinen Antrag geschahen, oder 
ob er auch in amtlicher Eigenschaft damit zu schaffen hatte, kön- 
nen aber das letztere mit Bestimmtheit aussprechen. Demosthenes 
ward nämlich von der Bürgerschaft zum Vorsteher des Seewesens 
ernannt und hiemit ihm eine aufserordentliche Vollmacht übertra- 
gen: wenigstens können wir dieses Amt unter den regelmäfsigen 
Marinebehörden nicht nachweisen *. Es war demnach auch die ra- 
sche Ausführung der von ihm beantragten Mafsregeln in seine Hand 
gelegt. Demosthenes beschränkte sich aber nicht darauf für den 
Augenblick Rath zu schaffen, sondern er schritt jetzt zu einer Re- 
form der trierarchischen Symmorien, die er schon vor vierzehn 
Jahren vergeblich angeregt und auf deren Nothwendigkeit er wie- 
derum während des olynthischen Krieges hingewiesen hatte ®. Denn 


1) Dem. vKr. 89 8. 255, 9 ὁ γὰρ τότε ἐνστὰς πόλεμος — ἐν πᾶσι 
τοῖς κατὰ τὸν βίον ἀφϑονωτέροις καὶ εὐωνοτέροις διῆγεν ὑμᾶς τῆς νῦν 
εἰρήνης. 301 5. 326, 11. 

2) Acsch. 3, 222 8. 85 σαυτὸν πείσας ᾿4ϑηναίους ἐπιστάτην τάξαι 
Tod ναυτικοῦ. Böckh Seew. 8. 62. 

3) Über die bisherige Einrichtung s. Buch II, 6 zu der Rede von 
den Symmorien, vgl. o. S.127ff. Über das neue Gesetz des Demosthe- 
nes s. vKr. 102—108 5. 260, 6—262, 26. Böckh Seew. Cap. XII. Sth. 
I, 736ff. Jedoch erinnere ich, dafs ich die eingeschobenen Actenstücke 
als gefälscht verwerfe, während Böckh Seew. 5. 181 sie als echt gelten 


Trierarchisches Gesetz des Demoslhenes. 491 


es war eine alte Klage, dafs die bestehende Einrichtung dem Zwecke 
ohne zu grofsen Druck der leistungspflichtigen die Seerüstungen 
'asch und tüchtig zu bewerkstelligen nicht entsprach. Zu den 
zwanzig trierarchischen Symmorien gehörten, wie wir oben gese- 
hen haben, im ganzen 1200 Bürger, von denen wiederum 300, je 
15 in jeder Symmorie, als die reichsten obenan gesetzt waren. An 
der Spitze einer Symmorie stand ein Obmann, welcher mit den an- 
dern Symmoriten aus der Zahl der 300, namentlich mit dem zwei- 
ten und dem dritten in der Reihe, die Vertheilung der Beisteuer 
und der Dienstpflicht vornahm. Diese Einrichtung hatte zu argen 
Misbräuchen geführt. Die reichsten Mitglieder nämlich entzogen 
sich dem persönlichen Dienste und verdangen wenn sie die Reihe 
traf die Trierarehie für ein Talent an einen Unternehmer. Diese 
ihre Auslage vertheilten sie dann auf alle mit ihnen zusammen- 
stenernde in der Mafse, dafs sie selbst wenig oder nichts zahlten und 
noch dazu durch die Trierarchie von den andern Liturgien frei 
blieben '; ja der Name Trierarchen ward mehr und mehr mit der 
Benennung “zusammensteuernde (ovvreieig)? vertauscht. Es war 
etwas gewöhnliches, dafs fünf oder sechs auf eine Triere zusammen- 
schossen, auch sieben finden wir in den Urkunden öfter”, ja De- 
mosthenes versichert ?, es sei vorgekommen dafs für ein Schill ihrer 
sechzehn zu stehen hatten. Die reicheren fühlten die Last kaum, 
während die minder begüterten, zumal wenn eine gröfsere Anzahl 
von Schiffen für den öffentlichen Dienst erfordert wurde, sie nicht 
erschwingen konnten. So geschah es denn häufig, dafs Trierarchen 
aus Unvermögen bei der Bürgerschaft Nehentlich einkamen, oder 
an dem Altare der Artemis zu Munychia Zuflucht suchten oder von 
der zur Abfertigung der Flotte bestellten Commission (ἀποστολεῖς) 
in Bande gelegt wurden: manchmal verspätete sich auf der Fahrt ein 
Schill wegen unzureichender Bemannung hinter den andern und gieng 


läfst und Sth. I, 737% wenn auch als unsicher doch als glaubwürdig 
bezeichnet. 

1) Dem. wMeid. 155 S. 564, 26 f. 

2) Hyp. wPasikl. (fr. 160) bei Harp. u. oruuoele‘ ἕως μὲν οἵ 
πλουσιώτατοι. παραχρουόμενοι τὴν πόλιν σύμπεντε καὶ σύνεξ τριηραρ- 
χοῦντες μέτρια ἀνήλισκον, ἡσυχίαν εἶχον οὗτοι" ἐπειδὴ κτλ. Beispiele 
aus den Urkunden 5. Böckh Seew. S. 187. 

3) VKr. a. ©. 


192 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


verloren oder blieb auf den Werften liegen ohne auszulaufen, weil 
es nicht fertig gerüstet war '. Darum gab Demosthenes jetzt ein 
neues Lrierarchisches Gesetz, demgemäfs fortan die Schatzung eines 
jeden den Mafsstab für die trierarchische Leistung bilden sollte; und 
zwar ward das Verhältnifs, in welchem jeder pflichtig war, wie bei 
der Vermögensteuer, von besonderen Beamten (διαγραφεῖς ) in 
dem trierarchischen Diagramm festgestellt *. Durch diese Anord- 
nung wurden die minder begüterten wesentlich erleichtert: während 
der Dauer des Krieges kam nicht eine Klage von Überbürdung vor 
und die Rüstungen giengen rasch und ohne Anstand von statten: 
aber die 300 reichsten Mitglieder der Symmorien wurden in gestei- 
serter Mafse herangezogen. Es kam vor, dafs wer bisher nur 
'/,, für 6in Schiff zugeschossen hatte, nunmehr, wenn ihn die Reihe 
traf, zwei Schiffe ausrüsten mufste. Fälle wo ein Trierarch &in 
Schiff allein und aufserdem einen Antheil an einem andern nach 
bestimmten Procenten zu übernehmen hatte, haben wir in den Ur- 
kunden mehrere ὃ. Es begreift sich, dafs, wenn auch viele reiche 
Bürger ihr unbilliges Vorrecht mit Freuden dem Gemeinwohle opfer- 
ten — wir haben einige Männer solcher Gesinnung schon kennen ge- 
lernt und auch Demosthenes zählt zu ihnen — doch ein grofser 
Theil der privilegierten theils aus Parteigeist und Widerwillen gegen 
den Krieg mit Philipp theils aus Selbstsucht und Eigennutz mit al- 
len Kräften die unbequeme Neuerung hintertrieb. Es wurde De- 
mosthenes viel Geld geboten, wenn er den angekündigten Gesetzes- 
antrag zurückhalte: als er dennoch seinen Entwurf vorlegte und 
der Ordnung gemäfs die vorgeschriebene Frist über öffentlich an- 
schlagen liefs, drang man in ihn wenigstens gewisse Bestimmungen 
zu ändern, und auf einzelne Modilicationen gieng auch Demosthe- 


1) Zu Dem. a. O. 107 8. 262, 15—24 (vgl. 102 8. 260, 9—14) 8. 
die Schol. u. Lys. w. Agor. 24. 29 S. 132. Über die ἀποστολεὶς und 
ihre Befugnisse vgl. Seeurk. XIV°, 20. Bekkers Anecd. I, 203. Harp. u. 
and. u. d. W. Schol. zu Dem. a. Ο. (u. zu Aesch. 2, 177 S. 52). Meier 
att. Proc. S. 112. Böckh Sth. I, 701. Seew. 5. 171. 

2) Böckh Sth. I, 690. 701. Seew. 8. 209. Hyp. wPolyeukt. fr. 179 
b. Harp. u. διάγραμμα. Dafs diese Rede nach Einführung des demosthe- 
nischen Gesetzes geschrieben sei, ist wahrscheinlicher als die andere 
Annahme, welche Böckh Seew. S. 177—180 wenigstens auch für mög- 
lich erklärt. Vgl. Sauppe OA. II, 298. 

3) S. Böckh Seew. S. 191ff. 209f. 


Trierarchisches Gesetz des Demosthenes. 493 


nes in den nächsten Volksversammlungen ein '. Solchergestalt ward 
dann sein Antrag zum Gesetze erhoben, aber alsbald durch eine 
Klage auf Gesetzwidrigkeit wiederum suspendiert. Abermals wie- 
derholten sich die Bewerbungen bei Demosthenes und die Angebote 
um ihn zu bestimmen sein Gesetz fallen zu lassen: aber er blieb 
fest, und bei der gerichtlichen Verhandlung fiel der Ankläger durch 
mit einer Minorität von weniger als '/, der Stimmen. Versuche von 
Seiten reichbegüterter Athener sich der pflichtmäflsigen Leistung zu 
entziehen blieben auch ferner nicht aus: wir haben noch Fragmente 
von Reden welche Hypereides auf solchen Anlafs gegen Pasikles, den 
Sohn des Wechslers Pasion, geschrieben hat, und sein früherer Vor- 
mund und Geschäftsgenosse Phormion, eben derselbe dessen Sache 
wider Apollodoros Demosthenes verfochten hatte, war auch darein 
verwickelt ?. Späterhin ward das Gesetz des Demosthenes nicht voll- 
ständig aufrecht erhalten. Aeschines berühmt sich dargethan zu ha- 
ben, dafs durch dasselbe die verfügbare Seemacht um 65 Trieren ver- 
mindert worden sei; er bewirkte eine Veränderung oder wie Demo- 
sthenes es nennt eine Verschlechterung des Gesetzes: doch ge- 
schah dies erst nach dem Kriege mit Philipp *. 


1) Deinarch. 1, 42 8. 95 εἰσί τινες ἐν τῷ δικαστηρίῳ τῶν ἐν τοῖς 
τ΄ γεγενημένων, 09 οὗτος (ὃ Inu.) ἐτίϑει τὸν περὶ τῶν τριηράρχων 
νόμον; οὐ φράσετε τοῖς πλησίον ὅτι τρία τάλαντα λαβὼν μετέγραφε 
nal μετεσκεύαξε τὸν νόμον καϑ' ἑκάστην ἐκκλησίαν, καὶ τὰ μὲν ἐπώ- 
λει ὧν εἴληφε τὴν τιμήν, τὰ δ᾽ ἀποδόμενος οὐκ ἐβεβαίου; Über die 
hier wie auch von Aeschines ausgesprochene Verleumdung, als habe 
Demosthenes sich bestechen lassen, brauche ich kein Wort zu verlie- 
ren: im übrigen hält auch Grote XI, 644 die Thatsache für richtig. 

2) Dem. a. 0. 

3) Hyp. a. O. (ὃ. 491, 2) fährt fort ἐπειδὴ δὲ ταῦτα κατεῖδε Inuo- 
σϑένης καὶ νόμον ἔϑηκε τοὺς τ' τριηραρχεῖν καὶ βαρεῖαι γεγόνασιν ai 
τριηραρχίαι, νῦν 6 Φορμίων αὑτὸν ἐκκλέπτει. Über Phormion und 
Pasikles 5. Beilage V. 

4) Aesch. 3, 222 $. 85 τὰ δὲ περὶ τὰς τριήρεις καὶ τοὺς τριηράρ- 
χους ἁρπάγματα τίς ἂν ἀποκρύψαι χρόνος δύναιτ᾽ ἄν, ὅτε νομοϑετή- 
σας περὶ τῶν T καὶ σαυτὸν πείσας ᾿Αϑηναίους ἐπιστάτην τάξαι τοῦ 
ναυτικοῦ, ἐξηλέγχϑης ὑπ᾽ ἐμοῦ ξ΄ καὶ ε΄ νεῶν ταχυναυτουσῶν τριηράρ- 
χους ὑφηρημένος. Weil das Gesetz des Demosthenes gerade die Lei- 
stungen der 300 anders bestimmte, wird es nach seinem Hauptinhalte 
bezeichnet. Dafs Aeschines nicht in demselben Jahre, in welchem D. 
das Gesetz vorschlug und vor Gericht glücklich verfocht, seinen Angriff 
ausführte, hat Böckh Sth. I, 745" dargethan. Das Gesetz bestand 


494 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Der Zeitpunct wann das demosthenische Gesetz eingeführt 
wurde läfst sich nicht genau bestimmen. Aus Demosthenes erse- 
hen wir, dafs er es beantragte, nachdem die Athener beschlossen 
hatten sich der Byzantiner anzunehmen ', und da immer noch einige 
Wochen bis zu der Annahme des Gesetzes und dann wiederum bis 
zur Erledigung der dagegen erhobenen Klage vergehen mufsten, ist 
es zweifelhaft, ob es schon während des byzantinischen Krieges in 
Giltigkeit getreten ist. Indessen bin ich geneigt mit Böckh anzu- 
nehmen dafs diesmal alle Anstände so schnell als möglich erledigt 
wurden und dafs das Gesetz, sobald es rechtskräftig geworden war, 
unverzüglich zur Anwendung kam ?. 

Die Reform des Seedienstes erhöhte die Schlagfertigkeit der 
Athener wesentlich: aber zu einer nachdrücklichen Offensive, auf 


während des Krieges mit Philipp in unverkümmerter Geltung: Dem. 
vKr. a. Ο. 8. 262, 14 πάντα — τὸν πόλεμον τῶν ἀποστόλων γιγνομένων 
κατὰ τὸν νόμον τὸν ἐμόν. Nachher erst hat es Aeschines angefochten, 
und zwar nach seinen eigenen Worten und nach Dem. a, Ὁ. 312 8. 
32), 16 (διτάλαντον δ᾽ εἶχες ἔρανον δωρεὰν παρὰ τῶν ἡγεμόνων τῶν 
συμμοριῶν ἐφ᾽ οἷς ἐλυμήνω τὸν τριηραρχικὸν νόμον) nicht ohne Erfolg. 
Vel. Böckh Seew. 5. 181; andere Gesetze späterer Jahre sind ebend. 
S. 63 angeführt. Worauf die Aufstellung des Aeschines sich gründet 
ist nicht klar und auch von Böckh nicht erläutert. Grote XI, 643 ver- 
muthet, Demosthenes habe statt der bisherigen niedrigsten Schatzung, 
auf der noch die trierarchische Liturgie ruhte, einen höheren Satz ein- 
geführt, so dafs die Zahl der pflichtigen vermindert worden sei. Diese 
Annahme erscheint mir nicht glaubhaft. Eher, denke ich, läfst sich 
die Klage des Aeschines auf den Umstand zurückführen, dafs niemand 
zu einer persönlichen Liturgie öfter als ein Jahr ums andere verpflich- 
tet war, ja bei der Trierarchie sogar wenigstens früher nur nach einer 
Frist von zwei Jahren (Böckh Sth. I, 702): dagegen war in den Syn- 
telien die Verpflichtung zur Beisteuer eine beständige. Je mehr nun 
die reicheren volle Trierarchien zu leisten hatten, um so mehr Vacan- 
zen konnten unter Umständen eintreten. 

1) Dem. a. Ὁ. 102 8. 260, 6 βούλομαι τοίνυν ἐπανελϑεῖν ἐφ᾽ ἃ 
τούτων ἕξῆς ἐπολιτευόμην, nachdem er 79—101 S. 252ff. von Euboca 
und von der Unterstützung der Byzantiner geredet hat. 

2) Böckh Sth. I, 744. Seew. 189f. Aesch. 3, 223 5. 85 fährt, 
nachdem er das trierarchische Gesetz des Demosthenes verdächtigt hat, 
fort: οὐ τὸ τελευταῖον εἰσαγγέλλεσϑαι μέλλων ὑπ᾽ ἐμοῦ τὴν ᾿ἀναξίνου 
σύλληψιν τοῦ Θρείτου κατασκευάσας κτλ. Wenn hier Aeschines die 
Zeitfolge beobachtet, so unterliegt es keinem Zweifel dafs Demosthe- 
nes sein Gesetz noch vor der Kriegserklärung gab, Ol. 110, 1. 340. 
Vel. o. S. 461 ff. 


Finanzmalfsregeln zur Ausstattung der Kriegskasse. 495 
welche Demosthenes wie schon im früheren Kriege ' so jetzt wie- 
derum ohne Zweifel gedrungen hat, bedurfte es aufserdem berei- 
ter Geldmittel. Diese liefsen sich, ohne dafs man sofort zu neuen 
Steuern schritt, theils durch Ersparungen gewinnen theils durch 
Verwendung vorhandener Überschüsse für den Krieg. Beide Wege 
wurden auf Antrag des Demosthenes eingeschlagen (Ol. 110, 2. 
339)?. Der Bau der Schiflhäuser und des Seezeughauses ward einst- 
weilen unterbrochen und damit mindestens zehn Talente erspart °. 
Ferner wurden alle verfügbaren Staatsgelder der Kriegskasse über- 
wiesen, und so vor der Hand der Verschleuderung auf Kosten 
des gemeinen besten Einhalt gethan. Damit hatte denn Demo- 
sthenes erreicht, wonach er so lange vergebens gerungen: das Un- 
wesen den öffentlichen Schatz für Festspenden und Lustbarkeiten 
zu vergenden hörte wenigstens für die Dauer des Krieges auf’, und 
die Bürgerschaft entsagte einer Lockspeise an der sie zu ihrem eige- 
nen Schaden bisher mit Zähigkeit gehangen hatte. Ihr Entschlufs 
verdient unsere volle Anerkennung: denn jene Spenden hatte sie 
lange Jahre als ein gebührendes Theil empfangen und die ärmeren, 
welche gerade die Mehrzahl in der Volksversammlung bildeten, konn- 
ten nur davon sich einen lustigen Tag machen’. Um so mehr 


2)18.:0:.183558:\121: ᾿ 

2) Philoch. fr. 135 b. Dionys. Schr. an Amm. 1, 11 5. 742, 4 Av- 
σιμαχίδης Ayugvevg. ἐπὶ τούτου τὰ μὲν ἔργα τὰ περὶ τοὺς νεωσοίκους 
καὶ τὴν σχευοϑήκην ἀνεβάλοντο διὰ τὸν πόλεμον τὸν πρὸς Φίλιππον᾽ 
τὰ δὲ χρήματ᾽ ἐψηφίσαντο πάντ᾽ εἶναι στρατιωτιχά, “]ημοσϑένους γρά- 
ψαντος. Φιλίππου δὲ καταλαβόντος ᾿Ἐλάτειαν κτλ. Philochoros lehrt 
dals diese Beschlüsse vor die Zeit der drohendsten Gefahr und die Ver- 
handlungen in Theben fallen: ich glaube sie schon in den Anfang des 
Jahres setzen zu dürfen. Nur mit ungefähr richtiger Zeitangabe falst 
Sopatros V, 181 W. das rhetorische Thema τοῦ περὶ Χαιρώνειαν πολέ- 
ἰοὺ γενομένου γράφει “]ημοσϑένης τὰ ϑεωρικὰ εἶναι στρατιωτιχά. 

3) Ich sage “ mindestens’, weil aufser dem Betrage der dafür er- 
hobenen Vermögensteuer (s. ὁ. 8. 288) vielleicht noch andere Gelder 
aus der Theorikenkasse zu dem Bau verwandt wurden. Vgl. Buch 1,4. 

4) Dafs diese Mafsregel nur für die Dauer des Krieges gelten sollte, 
sagt Philochoros nicht. Ich vermuthe es aber, da gleich nachher das 
alte Unwesen wieder besteht und da Demosthenes selbst Ol. 3, 34 8. 
335, 5 für ruhige Zeiten die Spende nicht abschaffen will. Vgl. o. 
S. 140. 

5) Niebuhr kl. Schriften I, 479 “-- das Volk, dessen dürftige, 
“überwiegend in der Versammlung, der Spende entsagten die allein ihnen 


496 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


müssen wir bedauern, dafs die Rede des Demosthenes, durch welche 
er seine von Natur sinnlichen und durch willfährige Schmeichler 
verwöhnten Mitbürger mit solcher Hingebung und Selbstverleugnung 
erfüllte, durch welche er den tiefgewurzelten Einflufs des Eubules 
brach und die verderblichen Grundsätze seiner Staatsverwaltung be- 
seitigte, nicht auf die Nachwelt gekommen ist, wie überhaupt keine 
Rede aus dieser Zeit der grofsartigsten Thätigkeit des Demosthenes. 
Der aus solchen Mitteln gebildeten Kriegskasse stand im folgenden 
Jahre (Ol. 110, 3. 335) als Kriegszahlmeister (ταμίας στρατιωτι-- 
κῶν) Kallias Habrons Sohn von Bate vor, mit dessen Schwester Ly- 
kurgos verheiratet war ': und dieser selbst trat in jenem Jahre als 
Schatzmeister an die Spitze der Finanzverwaltung die er fortan zwölf 
Jahre lang auf das umsichtigste und trefllichste leitete *. Damit war 
in der Stunde der Gefahr eine Reform ins Werk gesetzt, für welche 
die Athener trotz aller Mahnungen die rechte Zeit um ihre Wirkun- 
sen entscheidend zu machen verabsäumt hatten. 

Alle die obgedachten Beschlüsse boten die Mittel umfassende 
Rüstungen zum Kriege zu treffen, und man mochte sich grofsen 
srfolg davon versprechen. Diese Erwartung aber traf nicht zu. 
Zwar ward die Blokade der feindlichen Küsten wirksam ausgeführt :: 
von der See war Makedonien vollständig abgesperrt und die daraus 
entspringenden Nachtheile wurden schwer empfunden. Aber es 
gelang den athenischen Feldherrn nicht an dem festen Lande eine 
Operationsbasis zu gewinnen: wohl wurden da und dort Landungen 
ausgeführt, aber sobald man versuchte sich weiter auszubreiten, 
entwickelten die Makedonen überlegene Streitkräfte und nöthigten 
die Athener sich mit Verlust auf ihre Schiffe zurückzuziehen. So 
sieng es Phokion an der thrakischen Küste *: auch im folgenden 


‘an einigen Festtagen den Luxus von Fleischspeisen schenkte, da sie 
‘sonst das Jahr rund nur Oliven, Kräuter und Zwiebeln mit trockenem 
‘Brot und gesalznem Fisch afsen: die dies Opfer brachten damit für 
‘die Ehre des Vaterlandes gerüstet werde: das Volk hat mein ganzes 
‘Herz und meine tiefe Ehrfurcht’. 

1) L. d. X Redner 8. 842'. Vgl. Böckh Seew. 8. 240. Über das 
Amt 5. Sth. I, 246. Meier comm. epigr. 5. ΟἹ u. Index 5. VIP. Keil sche- 
dae epigr. 8. 91. 

2) Über den Amtsantritt Lykurgs s. o. Buch I, 4. 

3) Dem, vKr. 145f, 5. 275, 288. Vgl. auch o. 8. 71. 

4) S.o. 8. 484. 


Seekrieg der Athener. Philipps Feldzug nach Hellas. 497 


Jahre hat er ein Geschwader geführt ', wie es scheint, ohne etwas 
der Rede werthes auszurichten. Im übrigen können wir nicht nä- 
her nachweisen worauf sich der Ausspruch des Demosthenes grün- 
det, dafs die athenischen Feldherrn den Seekrieg jämmerlich und 
schlecht geführt und einer wie der andere von Philipp abgeschlagen 
worden seien ?. 

Aber wenn auch die Angriffe der Athener auf die Seeküsten 
ohne Schwierigkeit abgewehrt wurden, so durfte doch Philipp nicht 
im Stande der Blokade und der Defensive verharren. Makedonien 
empfand den Druck der Handelsperre um so schwerer, je mehr 
gerade in den letzten Jahren der Verkehr mit den Hellenen und der 
Wohlstand des Landes sich gehoben hatte. Zudem mulste dem Kö- 
nige daran liegen, was er während der thrakischen Kriege an Ein- 
flufs in Griechenland verloren, ungesäumt wieder einzubringen. Es 
war überall nicht seine Art Angrille abzuwarten, sondern ihnen 
zuvorzukommen: wie hätte er jetzt nicht von Begierde brennen sol- 
len die vor Perinthos und Byzanz erlittene Scharte auszuwetzen un«d 
in Hellas einen Hauptschlag zu (hun? Es war nur die Frage, wie 
er zu führen sei. In Attika einzufallen und Athen zu belagern war 
ein Unternehmen von sehr zweifelhaftem Erfolge. Philipp hatte vor 
Perinthos und Byzanz erfahren, dafs er ohne eine überlegene Flotte 
mit all seiner Kunst und Heeresmacht nicht im Stande sei eine ge- 
hörig befestigte Stadt, deren Vertheidigung von der See her durch 
Zufuhren und Verstärkungen aufrecht erhalten werde, zu bezwin- 
gen. In eine neue Belagerung unter ähnlichen Umständen sich ein- 
zulassen wäre Wahnsinn gewesen. Denn die Athener geboten über 
weit reichere Hilfsquellen als jene Städte und durften auf kräftigen 
Beistand anderer Hellenen rechnen: sie waren vermittelst ihrer 
Flotte im Stande Diversionen in Philipps Rücken auszuführen, wohl 
gar seine Verbindungen mit Makedonien zu unterbrechen. Und 
schon ohnedies war die Verpflegung eines Heeres in dem steinich- 

1) Plut. Phok. 16. Er kam heim im Frühjahre Ol. 110, 2. 338, 
während Philipp bei Elateia lagerte; vgl. u. S. 526. 

2) Dem. a. 0. 8.276, 2 ἀϑλέως καὶ κακῶς τῶν στρατηγῶν τῶν ὑμετέ- 
ρων πολεμούντων αὐτῷ (Φιλίππῳ) —. συνέβαινε δὲ αὐτῷ τῷ πολέμῳ 
κρατοῦντι τοὺς ὁποιουσδήποϑ᾽ ὑμεῖς ἐξεπέμπετε στρατηγούς (ἐῶ γὰρ 
τοῦτό γε) κτλ, Dafs Demosthenes hier Chares im Sinne gehabt habe, 
ist, wie Westermann z. d. St. bemerkt hat, kaum wahrscheinlich, 

DEMOSTHENES II. _ 32 


498 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


ten, getreide- und futterarmen Attika im höchsten Grade schwierig. 
Daher konnte diesmal Philipps Plan nur dahin gerichtet sein durch 
eine Feldschlacht mit seinem erprobten Heere den Krieg zu ent- 
scheiden, und für diese bot wiederum nicht Attika, sondern allein 
Boeotien das passende Terrain dar: nur dort konnte er die volle 
Überlegenheit seines schweren Fufsvolks und seiner Reiterei ent- 
wickeln. Freilich stand bei diesem Kampfe grofses auf dem Spiele, 
aber es galt auch einen hohen Siegespreis. Ward Philipp geschla- 
gen, dann waren die Gewinnste, welche seine Politik den Helle- 
nen abgewonnen, verloren: Makedonien war wieder von der See 
zurückgeworfen und der Eroberungszug ins persische Reich mulste 
aufgegeben werden. Siegten dagegen die kampfgeübten Makedonen, 
dann war Philipp Herr der Hellenen und hatte nach allen Seiten 
freie Hand. Indessen kam für den König viel darauf an, ehe er per- 
sönlich den Krieg nach Hellas versetzte, neuen Zwiespalt unter den 
Hellenen anzufachen und seine eigenen Zwecke hinter allgemein 
hellenischen Interessen verbergen zu können. Dazu hatten ihm 
seine Parteigänger bereits den Weg gebahnt. Abermals war, von 
Aeschines angestiftet, ein heiliger Krieg im Amphiktyonenrathe be- 
schlossen und an Philipp ergieng der Ruf das Recht des delphischen 
Gottes mit den Waffen zu schirmen ἡ. 
01.110, 1, als Diognetos von Anaphlystos durch das Loos zum 
athenischen Hieromnemon bei den Amphiktyonen bestellt war, wur- 
den Meidias, der bekannte Freund des Eubulos, Thrasykles von 
Lekkon und Aeschines zu Pylagoren für die Versammlung zu Delphi 
erwählt. Demosthenes behauptet, die Wahl sei nicht angesagt ge- 
wesen: Aeschines sei vorgeschlagen worden und, .so wie nur einige 
anwesende beigestimmt, als gewählt ausgerufen ὅ. "Allerdings sollte 
man glauben, dafs ohne eine Überraschung die damals vorwaltende 
politische Partei eine solche Wahl verhütet haben werde ?: aber sie 
war giltig vollzogen und liefs sich nicht anfechten. So empfiengen 
denn die erwählten ihre Vollmacht und reisten nach Delphi. Kaum 


1) S. das folgende bei Aesch. 3, 106—129 5. 68—72. Dem. vKr. 
1140—158 8. 274, 14—281, 2 und dazu FFranke de deeretis Amphietyo- 
num quae apud Dem. reperiuntur commentatio, 1844. 

3) Aesch. 3, 115 5. 69, vgl. o. 8. 111. Dem. vKr. 149 S. 276, 28. 

3) S. jedoch Dem. vKr. 308 S. 325, ὁ φυλόττει (Αἰσχίνης) πηνίκ᾽ 
ἔσεσϑε μεστοὶ τοῦ συνεχῶς λέγοντος. 


Amphiktyonischer Streit mit den Lokrern von Amphissa. 499 


dort eingetroffen ward Diognetos und auch Meidias vom Fieber be- 
fallen: die übrigen Amphiktyonen fanden sich vollzählig zur Sitzung 
ein, bei welcher gemäfs dem Vorrechte der Thessaler ' Kottyphos von 
Pharsalos den Vorsitz führte. Nun ward den athenischen abgeordneten 
in wohlwollender Absicht eröffnet , dafs die Lokrer von Amphissa aus 
schmeichlerischer Dienstfertigkeit für die Thebaner auf einen Be- 
schlufs wider Athen antrügen, die athenische Bürgerschaft mit fünf- 
zig Talenten Bulse zu belegen, weil sie in den neuen Tempel vor 
dessen feierlicher Entsühnung goldene Schilde gehängt mit der Auf- 
schrift: ” Weihgeschenk der Athener aus der Beute der Meder und 
“ Thebaner, als sie gegen die Hellenen kämpften”. Auf diese Kunde 
beschied der kranke Hieromnemon Aeschines zu sich und trug ihm 
auf in die Versammlung zu gehen und für Athen zu sprechen. Der 
war gern dazu bereit und nahm, während die andern Pvlagoren ab- 
getreten waren, vor dem engeren Rathe der Hieromnemonen ἢ mit 
grolsem Eifer das Wort. Aber ein Amphisseer fiel ihm in die Rede: 
“von Rechtswegen sollte an diesen heiligen Tagen der Name der 
Athener nicht genannt werden, denn sie verdienten als uchbela- 
dene aus dem Heiligthume verwiesen zu werden’; und er führte das 
athenische Bündnifs mit den Phokiern und viele andere Beschwer- 
den wider sie an. Darüber ward Aeschines mehr als jemals in sei- 
nem Leben empört und es fiel ihm bei des von den Amphisseern an 
lem Tempelgebiete begangenen Frevels zu gedenken. Nämlich nach 
dem ersten heiligen Kriege zu Solons Zeit war die Flur der zerstörten 
Stadt Kirrha den delphischen Gottheiten geweiht und der Hafen ver- 
schüttet; das Feld sollte ewig brach liegen und der Hafen öde: jeder 
Bruch dieses Gebotes sollte von den Amphiktyonen aus allen Kräf- 
ten geahndet werden, und es war Fluch und Verwünschung darauf 
gesetzt. Neuerdings aber hatten die Lokrer von Ampbhissa das Feld 
wieder bestellt und Ziegelhütten und Gehöfte darauf angelegt, auch 
den Hafen ummauert und erhoben dort Zoll von den nach Delphi 


1) 8: ὁ. 8. 271. 

2) Vgl. Dem. vKr. 149f. 5. 277, 1 (Αἰσχίνης) ἀνθρώπους ἀπείρους 
λόγων καὶ τὸ μέλλον οὐ προορωμένους, τοὺς ἱερομνήμονας, πείϑει ψὴη- 
φίσασϑϑαι περιελθεῖν τὴν χώραν ἣν οἵ μὲν ᾿Αμφισσεῖς σφῶν αὐτῶν 
οὖσαν γεωργεῖν ἔφασαν, οὗτος δὲ τῆς ἱερᾶς χώρας ἠτιᾶτο εἶναι. Aesch. 
3, 117 8. 70 τῶν ἄλλων πυλαγόρων μεϑεστηκότων; vgl. 122 μετέστην 
ἐκ τοῦ συνεδρίου. Böhnecke F. I, 499, 1. Franke a. O. 8. 3, 2. 18 


32” 


500 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


fahrenden '. Das war bisher nicht gerügt worden: die athenischen 
Pylagoren, zum Theil von den Amphisseern bestochen, namentlich 
Demosthenes (denn nach Aeschines hat Demosthenes niemals etwas 
gethan oder gelassen ohne bestochen zu sein), hatten dazu geschwie- 
sen. Jetzt aber erhob Aeschines im Namen des athenischen Staates 
Klage über diesen Frevel: er zeigte hin auf die bebaute Ebene und den 
Hafen, welche man von der Höhe auf der die Amphiktyonen tagten, 
übersieht *, und liefs die alten Satzungen und Eidschwüre verle- 
sen. Seine lange und feierliche Rede verfehlte bei den Hieromne- 
monen, meist beschränkten Leuten und mit Redekünsten nicht ver- 
traut, ihre Wirkung nicht. Als er geendet hatte und die Sitzung 
verliefs, herrschte grolse Aufregung: an die athenische Sache dachte 
niemand weiter, sondern es handelte sich allein um die Bestrafung 
der Amphisseer. Nach dem Beschlusse des Amphiktyonenrathes ent- 
bot noch denselben Abend der Herold die junge Mannschaft von 
Delphi, freie und Knechte, sich mit Anbruch des nächsten Morgens 
am Thyteion mit Schaufeln und Hacken versehen einzufinden. Eben- 
dahin beschied er auch die Hieromnemonen und Pylagoren, um dem 
Gotte zu dienen und das geheiligte Land zu schirmen:: jede Stadt, die 
dabei nicht erscheine, solle vom Tempel ausgewiesen werden und dem 
Fluche verfallen. So zog denn am nächsten Morgen Aeschines mit 
der ganzen Schar von Delphi hinab in die kirrhaeische Ebene. 
Dort verschütteten sie den Hafen und steckten die Häuser in Brand. 
Auf dem Rückwege aber wurden sie von den Amphisseern, deren 
Stadt nur anderthalb Meilen entfernt war ?, mit bewaflneter Hand 


1) Vgl. Strab. 9 5. 419. 

2) S. Ulrichs Reisen I, 25. 110. Vischer Verh. der Philologen-Vers. 
in Altenburg S. 74 und über die kirrhaeische Ebene $S. 74f. 

3) Aesch. 3, 123 8. 71 οἵ Λοκροὶ οἵ "Augısosig, ξ΄ στάδια ἄπω- 
ὅεν οἰκοῦντες “Ιελρῶν. Allerdings beträgt der gerade Abstand kaum 
mehr, aber die Landstralse gieng über die krisaeische Ebene und auf 
ihr betrug die Entfernung nach Paus. 10, 38, 4 120 Stadien, was wohl 
etwas zu hoch gerechnet ist. Übrigens hatten die Amphisseer auf die 
kirrhaeische Ebene nicht so weit. Von Delphi nach Kirrha waren 60 
Stadien (Paus. 10, 37, 4), nicht ungefähr 80, wie Strabon 9 S. 418 
angibt. Von Magüla (Kirrha) bis Chrysö ist es 14 Stunden, von da 
nach den Tennen von Kastri (über Delphi) & Stunden Wegs. Wlrichs 
Reisen I, 18. 25. Vgl. Strab. 9 8. 427 ἡ δ᾽ Ἄμφισσα ἐπὶ τοῖς ἄκροις 
ἵδρυται τοῦ Κρισαίου πεδίου. 


Motive zu dem Streite mit Amphissa. 501 


überfallen: einige Amphiktyonen wurden ergriffen, die andern ret- 
teten sich in eiligster Flucht nach Delphi. Des folgenden Tags be- 
rief Kottyphos die Gemeinversammlung, zu der nicht allein die Py- 
lagoren und Hieromnemonen, sondern auch die zu den Opfern und 
zur Befragung des Orakels anwesenden Hellenen geladen wurden. 
Hier wurden heftige Anklagen wider die Amphisseer geführt und am 
Ende beschlossen, die Hieromnemonen sollten aufserordentlicher 
Weise noch vor der nächsten regelmäfsigen Versammlung an einem 
bestimmten Tage nach Pylae kommen, mit Vollmachten zu einem 
Beschlusse um die Amphisseer ob ihres Frevels an der Gottheit und 
der heiligen Flur und den Amphiktyonen büfsen zu lassen. 

So berichtet Aeschines über seine delphische Gesandtschaft, 
und was Demosthenes dazu sagt läfst im wesentlichen die von jenem 
mitgetheilten Thatsachen als richtig erkennen. Indessen stellt er 
in Abrede dafs die Amphisseer eine Klage wider Athen anhängig 
gemacht hätten: sei doch gar keine Vorladung an die Athener ergan- 
gen und ohne diese habe ein Rechtsverfahren gegen sie nicht zum 
Spruche geführt werden können. Das ist richtig; ehe ein Urteil 
über die Athener ergieng, hatte es noch gute Wege und Aeschines 
hätte seinen Eifer mäfsigen können: aber eine Vorladung erfolgte 
nicht, weil die Sache gleich anfangs niedergeschlagen wurde. An 
der Anklage von Seiten der Lokrer brauchen wir deshalb nicht zu 
zweifeln '. Auffallend ist es nur, wie weit sie dabei ausholen, denn 
es handelt sich um eine langverjährte Schuld: der neue Tempel 
Apollons ist kein anderer als der von den Alkmaeoniden erbaute? und 
die Widmung nicht etwa eine jüngst wiederholte, sondern die alte 
vor vielen Menschenaltern vollzogene®. Dagegen war der Eingrill 
in das Tempelgebiet, der den Amphisseern zur Last fiel, jüngeres 
Ursprungs. Im phokischen Kriege waren sie von vorn herein be- 
sonders thätig gewesen: sie zuerst hatten Philomelos von Delphi zu 


1) S. FFranke de decretis Amphietyonum 8. T. 

2) Schol. zu Aesch. 3, 116 S. 70. Vgl. Plut. Anton. 23. Ulrichs 
Reisen I, 72. Da ein Theil des Tempels unausgebaut blieb, war die 
volle Weihung (das ἐξαράσασϑαι: so die neueren Hsg. nach den besse- 
ren Handschriften u. Harpokr., statt ἐξειργάσϑαι) verschoben worden, 

3) Droysen Z. f. ἃ. AW. 1839 S. 572 nimmt eine erneute Weihung 
goldner Schilde an: s. dagegen Harp. a. OÖ. Eher kann man mit Grote 
XI, 650 an eine Auffrischung der Inschrift denken. Einen ähnlichen 
Streitfall führt Droysen aus Cic. de inv. 2, 23 an. 


502 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


verdrängen gesucht, und nachmals ward ihnen von den phokischen 
Feldherrn hart zugesetzt '. Während dieser Zeit werden die Pho- 
kier die kürzeste Verbindung von Delphi mit der See und den kir- 
rhaeischen Hafen nicht aus der Hand gelassen haben. Als aber 
nach der Niederlage der Phokier die Thebaner und andere Nachbarn 
zugriffen, mögen auch die Amphisseer sich jene Ebene, die ihnen 
höchst bequem lag, zugeeignet haben ?, und die neu belebten Märkte 
zu den delphischen Festzeiten boten Veranlassung in Kirrha einen 
Hafenzoll zu erheben: auch in den römischen Zeiten war Kirrha der 
Ilafen für Delphi’. Was trieb nun Aeschines dazu darüber in so 
(eierlicher Weise Klage zu erheben und die Rache der Amphiktyo- 
nen aufzurufen? Denn wenn er sich den Schein geben will als sei 
es Ihm nur im gerechten Unwillen über die Schmähreden der Am- 
phisseer wider Athen beigekommen den Frevel an dem Tempelge- 
biete zu rügen, so hat er selbst in der Skizze seiner damals gehal- 
tenen Rede das Gegentheil bezeugt: er hatte die alten Urkunden, 
aus denen er die Schuld der Amphisseer nachwies, zur Hand und 
seine Rede war, wie Demosthenes es ausspricht, wohlbedacht und vor- 
ausberechnet *.. Vermeinte er wirklich damit seiner Vaterstadt einen 
Dienst zu thun oder legte er es mit Vorbedacht darauf an neue Un- 
selegenheiten über sie hereinzuziehen? Schade dafs er uns nicht 
verrathen hat, wer die guten Freunde waren, welche ihn gegen die 
Amphisseer aufhetzten °, und dafs wir nicht wissen, welche Rolle 
die makedonischen bevollmächtigten, denn Philipp hatte seine Ver- 
treter geschickt ®, bei dem ganzen Handel spielten. So viel ist klar, 
das Verfahren gegen die Amphisseer war über die Mafsen rasch und 
übereilt. Ohne eine Vorladung, in bestimmter Frist ihr Recht nach- 


* 
1982 70.0. Buch, ἢ: 


2) Dasselbe vermuthet Grote XI, 649f. Über die andern Nach- 
barn der Phokier s. ὁ. 5. 270£. 

3) S. die Stellen b. Ulrichs Reisen I, 13, 24. Über die Märkte s. 
Tittmann Amphiktyonenbund S. 89f. Ulrichs a. O. S. 110. 

4) Aesch. 3, 118 8. 70 ἐπῆλϑε δέ μοι ἐπὶ τὴν γνώμην μνησϑῆ-ς 
ναι τῆς τῶν ᾿ἀμφισσέων περὶ τὴν γῆν τὴν ἱερὰν ἀσεβείας. Dem, a. 0. 
S. 277, 5 λόγους εὐπροσώπους καὶ μύϑους, ὅϑεν ἡ Κιρραία χώρα χα- 
ϑιερώϑη, συνϑεὶς καὶ διεξελϑιών. 

5) Aesch. 3, 116 8. 69£. ἐξηγγέλλετο δ᾽ ἡμὶν παρὰ τῶν βουλομέ- 
νων εὔνοιαν ἐνδείκνυσθαι τῇ πόλει. 

6) Dem. vKr. 148 5. 276, 22. 


Motive zu dem Streite mit Amphissa. 505 


zuweisen und wenn sie sich vergangen Bufse zu leisten, wird ihr 
Eigenthum verwüstet, ihre Häuser niedergebrannt, und wenn sie 
sich dessen erwehren ein Tag, nicht um sie zu vernehmen, sondern 
nur zum Straferkenntnifs über ihren Frevel ausgeschrieben. Und 
zwar leitet das ganze Verfahren Kottyphos von Pharsalos, der Stadt 
Thessaliens welche Philipp durch ganz besondere Wohlthaten sich 
verpflichtet hatte '. Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir in die- 
sem vorsitzenden der Versammlung ein lenksames Werkzeug make- 
donischer Politik erblicken. Aber, irre ich nicht, so waren die Ab- 
sichten, welche Philipp beim Ampbiktyonenrathe verfolgte, unmit- 
telbarer wider Theben als wider Athen gerichtet. Die Thebaner 
und Athener waren, wie es schien, unversöhnlich entzweit. Als 
noch der phokische Krieg im Gange war, wären sie bereitwilligst 
mit Philipp in Attika eingefallen ?; in den letzten Jahren hatte es 
wiederum mancherlei Reibungen und Feindseligkeiten gesetzt ’, und 
die Anklage, welche die mit jenen engverbundenen Ampbhisseer er- 
hoben, entsprang eben aus dem Groll der beiden Nachbarstädte ἧς 

Wenig fehlte so wäre diese Feindschaft noch zu offenem Kriege aus- 


1) S. ὁ. 8. 248, 1. Schol. zu Dem. vKr. 151 $. 277, 23 Κόττυ- 
pog ἱερομνήμων ἣν OerraAog, πάντα πράττων ὑπὲρ Φιλίππον. Über 
das von Aeschines bewirkte Verfahren der Amphiktyonen vgl. Grote's 
Urteil XI, 658—660. 

2) Dem. Ol. 1, 26 Κ. 16, 20 Θηβαῖοι --, εἰ μὴ λίαν πικρὸν εἰπεῖν, 
καὶ συνεισβαλοῦσιν ἑτοίμως. 

3) Plut. Dem. 17 .-- μάλιστα ταῖς διὰ τὴν γειτνίασιν ἁψιμαχίαις 
ἀναξαινομένων ἑχάστοτε τῶν πολεμικῶν πρὸς ἀλλήλας διαφορῶν ταῖς 
πόλεσιν. Vgl. ο. 8.343. Böhnecke F. I, 656 bezieht darauf auch das 
Denkmal, welches drei attische Phylen (die pandionische, kekropische 
und antiochische), einem Pythion von Megara setzten: οὗτος ἀνὴρ 
ἐσάωσεν ᾿Αϑηναίων τρεῖς φυλάς Ἔκ Παγᾶν ἀγαγὼν διὰ Βοιωτῶν ἐς 
Adnvas C. I. gr. Inr. 175. Theopomp hat im 45. Buche von boeoti- 
schen Angelegenheiten gehandelt (vgl. S. 504, 2). Eben daher (fr. 237) 
führt Steph. v. Byz. Χαλία,. eine boeotische Stadt an der euboeischen 
Meerenge, dem Gebiete von Chalkis gegenüber an: Th. war auf alte 
Fehden der Chalkidier mit ihren Nachbarn auf dem Festlande einge- 
gangen; vielleicht hatten sich dort neue Händel entsponnen. Der Feind- 
schaft zwischen Theben und Chalkis und der Absicht der 'Thebaner 
diese Stadt zu bekriegen gedenkt Aesch. 3, 90 8. 66; s. ὁ. S. 304. 

4) Aesch. 3, 116 8. 70 οἵ Ἀμφισσεῖς ὑποπεπτωκχότες τότε καὶ δει- 
vos τς rlonreg τοὺς Θηβαίους ᾿ἰαδρερον δόγμα κατὰ τῆς ὑμετέρας 
πόλεως κτλ. 


504 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


gebrochen, als Philipp bereits mit seinem Heere in Hellas stand !. 
Aber wie sehr auch die Thebaner gegen die Athener aufgebracht 
waren, sie waren eben so wenig mit Philipp in gutem Einverneh- 
men. Zwar liefsen die Führer der makedonischen Partei nicht ab 
für ihren Herrn zu werben, namentlich Timolas, ein Mensch von 
dem Theopomp sagte, wie viel Wüstlinge und Schlemmer es auch 
schon gegeben habe, so habe doch seiner Meinung nach kein Staats- 
mann je unmäfsiger und leckerhafter geschwelgt oder sei ein grö- 
[serer Sklav seiner Lüste gewesen als er. Aufser diesem vornehm- 
sten Parteigänger Philipps nennt Demosthenes noch Anemoetas und 
Theogeiton als Verräther ihrer Vaterstadt?. Aber es fehlte auch 
nicht an Männern die solch ein Treiben verabscheuten. Wir haben 
schon oben gesehen, dafs nicht alle Thebaner, die einmal Philipps 
Hilfe nachsuchten, sich darum dem makedonischen Dienste ver- 
kauften, dafs weiterhin Philipps Verfahren in Phokis keineswegs in 
allen Stücken den Wünschen Thebens entsprach ὃ. Diese Verstim- 
mung hatte sich später noch gesteigert: die’Bündnisse, welche Phi- 
lipp mit ihren alten Bundesgenossen im Peloponnes abschlofs, er- 
regten die Eifersucht der Thebaner, und namentlich fühlten sie sich 
durch die neuerlichen Verfügungen über Nikaea und Echinos ge- 
kränkt*. Unter diesen Umständen war es zweifelhaft, ob die The- 


1) Dem. vKr. 163—168 S. 281, 26— 284, 18 τὸν ἐν ᾿μφίσσῃ πόλε- 
μον τούτου μὲν ποιήσαντος, συμπεραναμένων δὲ τῶν ἄλλων τῶν συν- 
εργῶν αὐτῷ τὴν πρὸς Θηβαίους ἔχϑραν, συνέβη τὸν Φίλιππον ἐλϑεῖν 
ἐφ᾽ ἡμᾶς —. ἐν οἷς δ᾽ ἦτε ἤδη τὰ πρὸς ἀλλήλους, τουτωνὶ τῶν ψη- 
φισμάτων ἀκούσαντες. καὶ τῶν ἀποχρίσεων εἴσεσϑε. Darauf lälst Ὁ. 
die damals zwischen Athen und Theben ausgewechselten feindseligen 
Beschlüsse und die Bescheide darauf verlesen; οὕτω διαϑεὶς 6 Φέλιπ- 
πος τὰς πόλεις πρὸς ἀλλήλας διὰ τούτων καὶ τούτοις ἐπαρϑεὶς τοῖς ψη- 
φίσμασι καὶ ταῖς ἀποκρίσεσιν, ἧκεν ἔχων τὴν δύναμιν καὶ τὴν Ἐλάτειαν 
κατέλαβεν, ὡς οὐδ᾽ ἂν εἴ τι γένοιτο ἔτι συμπνξυσάντων dv ἡμῶν καὶ τῶν 
Θηβαίων. Vgl. 188 S. 291, 10. Just. 9, 3. 

2) Dem. a. Ὁ. 48 8. 241, %. 295 8. 324, 15. Vgl. 161 9. 281, 9. 
Theop. XLV fr. 236 b. Athen. 10 5. 436b, Vgl. Ael. v. @. 2, 41. Dei- 
narch. 1, 74 S. 99 macht ihn verleumderischer Weise zu einem Freunde 
des Demosthenes. 

3) 8. 0. 8. 237. 273. 

4) Aesch. 3, 140 5, 73. R. gPhil. Schr. 3 5. 153, 12 ὑποπτεύεται 
δὲ ὑπὸ Θηβαίων — τὰς — πρεσβείας τὰς ἐκ Πελοποννήσου πρὸς αὑτὸν 
ἄγων καὶ τὴν ἐκείνων συμμαχίαν παραιρούμενος. Über Nikaea und 


Philipp und die Thebaner. 505 


baner einem makedonischen Heere auch nur den Durchmarsch durch 
Boeotien gewähren würden. Andererseits aber fragte es sich, ob, 
wenn Philipp wie mit Athen so auch mit Theben sich oflen ent- 
zweite, die Thessaler zu diesem Kriege ihm Heeresfolge leisten 
würden'. Denn seit durch Pelopidas der Bund zwischen Theben 
und dem thessalischen Adel gestiftet war, hatte er in guten und bö- 
sen Tagen so manche Probe bestanden, dafs ein Aufgebot zum Kriege 
wider Theben in Thessalien auf ernstliches Widerstreben stofsen 
mufste. Ganz anders’stand die Sache, wenn über das delphische 
Heiligthum ein Zwist ausbrach. Der Ruf zum amphiktyonischen 
Kriege wider die Lokrer brachte_die Thessaler, eifersüchtig wie sie 
auf ihre Leitung des Amphiktyonenbundes waren, sicherlich unter 
die Waffen: und war erst der Krieg entbrannt, dann konnte Phi- 
lipp die versammelten Streitkräfte nach seinem Willen lenken. 

Für diese Zwecke makedonischer Politik also, wenn wir ihr 
Wesen richtig erfafst haben, wurden die Dienste des Aeschines be- 
gehrt. Die Eröffnungen, welche ihm gemacht wurden, werden da- 
hin gegangen sein, wie er weiterhin selbst sich äufsert, dafs Philipp 
zwar dem Namen nach mit Athen in Krieg begrillen sei, aber in der 
That die Thebaner viel mehr hasse ?, und gern wird Aeschines sich 
erboten haben den Thebanern, denen er von je her feind gewesen 
war ?, einen Streich zu spielen. Was für Gefahren daraus für 
Athen entstehen konnten, darüber machte er sich keine Sorgen: 
war er doch des Wohlwollens seines königlichen Gastfreundes ver- 
‚sichert, und gegen seine persönlichen Feinde die makedonische 

Macht aufzubieten trug er kein Bedenken. 

Nachdem Aeschines bei dem Amphiktyonenrathe seine Absich- 
ten durchgesetzt und den Krieg mit Amphissa eingeleitet hatte, han- 
delte es sich darum, dafs auch die athenische Volksgemeinde sein 


Echinos 5. ὁ. S. 402. Indessen erscheinen Dem. Chers. 63 8. 105, 7 
die Thebaner noch Philipp eng verpflichtet. 

1) Vgl. Dem. vKr. 146f. 8. 276, 6 ἦν δὲ (Φίλιππος) οὔτ᾽ ἐν τῇ 
ϑαλάττῃ τότε κρείττων ὑμῶν οὔτ᾽ εἰς τὴν ᾿ἀττικὴν ἐλϑεῖν δυνατὸς μήτε 
Θετταλῶν ἀκολουϑούντων μήτε Θηβαίων διιέντων κτλ. Demosthenes 
bezieht alles ınur auf Athen und verschweigt im folgenden, dafs die 
Thebaner von dem Kriege gegen die Lokrer nichts wissen wollten. 

2) Aesch. 3, 141 8. 73 Φιλίππου τῷ μὲν ὀνόματι πολέμοῦνεου ὑμῖν, 
τῷ δ᾽ ἔργῳ wor) μᾶλλον μισοῦντος Θηβαίους. 

3) Vgl. δὲ S. 179. 238. 240. 253. 382 


506 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Benehmen gutheifse. Bei der feindseligen Stimmung gegen The- 
ben schien es damit keine Noth zu haben. Der Bericht, mit wel- 
chem Aeschines und seine mitabgeordneten den Amphiktyonenbe- 
schlufs übergaben, ward sowohl vom Rathe als von der Bürger- 
schaft beifällig aufgenommen: man war bereit der ergangenen La-' 
dung Folge zu leisten. Zwar erhob Demosthenes dawider seine 
Stimme; er rief Aeschines zu: “du ziehst Krieg nach Attika herein, 
“amphiktyonischen Krieg’; er beschwur die Athener sich in diese 
Händel nicht einzulassen: aber die makedonische Partei war in gan- 
zer Stärke auf dem Platze und entzog ihm das Wort, und ein gro- 
[ser Theil der anwesenden Bürger war verwundert und meinte, De- 
mosthenes erhebe aus persönlicher Feindschaft eine grundlose Be- 
schuldigung'. Indessen gab es noch einen Weg weitere Schritte 
im Sinne des Aeschines zu verhüten. Demosthenes gieng an den 
Rath, und nachdem die müfsige Menge welche sich zu der Sitzung 
eindrängte hatte abtreten müssen, stellte er dieser Behörde die Ge- 
fahr der Athen entgegengehe so eindringlich und so überzeugend 
vor, dafs sofort ein seinen Vorschlägen gemäfs gestellter Antrag zum 
seschlufs erhoben wurde. Diesen Rathsbeschlufs vertrat Demo- 
sthenes dann auch vor der Volksversammlung und brachte ihn zur 
Annahme, des Inhalts, dafs der Hieromnemon der Athener und die 
jedesmaligen Pylagoren nach Pylae und nach Delphi zu den von den 
Vorfahren festgesetzten Zeiten reisen sollten, ferner, dafs diese Ver- 
(reter Athens an der aufserordentlichen Versammlung zu Pylae kei- 
nen Antheil nehmen sollten, weder an Verhandlungen noch Beschlüs- 
sen derselben noch irgend einem Geschäfte. Damit hatte die athe- 
nische Bürgerschaft sich von dem Verfahren gegen Amphissa losge- 
sagt und mittelbar die Handlungen des Aeschines gemisbilligt ?. 


1) Aesch. 3, 125.8. 71. ‘Dem. νυ. 143 8.225,17 

2) Aesch. 3, 125—127 8. 71 (“ημοσϑένης) εἰσελϑὼν εἰς τὸ βουλευ- 
τήριον καὶ μεταστησάμενος τοὺς ἰδιώτας (von HWolf und FFranke a. 
Ο. 5. 65 richtig erklärt; vgl. KFHermann A. I, 127,3 u. o. 8. 252) 
ἐχφέρεται προβούλευμα εἰς τὴν ἐκκλησίαν, προσλαβὼν τὴν τοῦ γράψαν- 
τος ἀπειρίαν" τὸ δ᾽ αὐτὸ τοῦτο καὶ ἐν τῇ ἐκκλησίᾳ διεπράξατο ἐπι- 
ψηφισϑῆναι καὶ γενέσϑαι δήμου ψήφισμα -- - οὗ τὸ κεφαλαιόν ἐστι 
«τὸν ἱερομνήμονα᾽ φησὶ “τῶν ᾿Αϑηναίων καὶ τοὺς πυλαγόρους τοὺς 
«ἀεὶ πυλαγοροῦντας πορεύεσϑαι εἰς Πύλας καὶ εἰς AeApovg ἐν τοῖς 
«τεταγμένοις χρόνοις ὑπὸ τῶν προγόνων" --- καὶ πάλιν ἐν τῷ αὐτῷ 
ψηφίσματι — γράφει “τὸν ἱερομνήμονα τῶν ᾿ϑηναίων καὶ τοὺς πυλα- 


Lokrischer Krieg. Philipp Feldherr der Amphiktyonen. 507 


Eben so wie die Athener blieben auch die Thebaner von der 
aufserordentlichen Versammlung zu Pylae fern. Nichts desto we- 
niger erachteten die wiederum unter Kottyphos Vorsitze zusammen- 
tretenden Amphiktyonen sich beschlufsfähig und beschlossen Am- 
phissa mit Krieg zu überziehen: Kottyphos selbst ward zum Feld- 
herrn bestellt. Das geschah während Philipp auf seinem Skythen- 
zuge begriffen war, gegen Anfang Sommers 339 '.  Grofser Eifer 
zeigte sich nicht für den Krieg; mehrere Stämme stellten ihr Aufge- 
bot nicht und die wirklich versammelte Schar richtete, wie Demo- 
sthenes sagt, nichts aus. Aeschines dagegen erzählt, Kottyphos 
sei mit seinem Heere in das Land der westlichen Lokrer eingedrun- 
sen und habe ihnen eine Geldbulse, die sie binnen gesetzter Frist 
an den Tempelschatz zahlen sollten, auferlegt: ferner habe er die 
fluchbeladenen Urheber des Vergehens ausgewiesen und deren got- 
tesfürchtige Gegner aus der Verbannung heimgeführt. Aber die 
Amphisseer hätten diese Mäfsigung übel belohnt: sie hätten die Bufse 
nicht gezahlt und auch im übrigen alles wieder in den vorigen 
Stand gesetzt ?. Es fragt sich, ob Aeschines nicht die Bedingungen, 
welche Kottyphos den Amphisseern machte, fälschlicher Weise als 
wirklich durchgesetzt hinstellt *. So viel ist gewils, als im Herbste 
die Amphiktyonen zu der regelmäfsigen Versammlung an den Ther- 
mopylen zusammentraten, war mit Amphissa alles beim alten: die 
Bufse war nicht bezahlt, die Leitung der Bürgerschaft stand bei 
denselben Männern wie früher und ihre Gegner, denen die Amphiktvo- 
nen Heimkehr sichern wollten, waren vertrieben. In Folge dessen 
ward ein zweiter Feldzug wider die Lokrer beschlossen und auf Be- 
trieb der Thessaler und ihrer Sinnesverwandten in andern Staaten 
ward als Feldherr in dem heiligen Kriege Philipp erwählt, der mitt- 
lerweile von dem Skythenzuge heimgekehrt war. Man erwartete von 
ihm, er werde den übrigen Amphiktyonen die Mühen und die Un- 
kosten weiterer Rüstungen ersparen. Damit hatte Philipp erreicht 
«γόρους τοὺς ἀεὶ πυλαγοροῦντας μὴ μετέχειν τοῖς ἐκεὶ (ἐν Πύλαις) συλ- 
ἡ πα κηρός (vgl. vFr. 14 5. 60, 20 τοὺς συνεληλυϑότας τούτους καὶ 
“φάσκοντας Ἀμφικτύονας νῦν εἶναι) μήτε λόγων μήτε ἔργων μήτε do- 
ἐγμάτων μήτε πράξεως UMARaT, 

1) Aesch. 3, 128 S. 71. 


2) Dem. vKr. 151 S. 277, 21. Aesch. 3, 129 5. 7Lf. 
3) Vgl. Grote XI, 604. 


508 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


was er wollte: einen Rechtsgrund zum Einmarsche in Hellas und 
einen ehrenvollen Vorwand nicht um sein selbst willen, sondern im 
Dienste des pythischen Apollon seme Widersacher zu züchtigen !. 
Die Zeitverhältnisse dieser Vorgänge ergeben sich mit Sicher- 
heit aus dem Verlaufe der Dinge, wie ihn Aeschines und Demosthe- 
nes darstellen. Aeschines ward unter dem Archon Theophrastos 
01. 110, 1 nach Delphi gesandt ὅν, und zwar, wie Demosthenes nach- 
drücklich hervorhebt ?, als der Krieg mit Philipp bereits in vollem 
Gange war. Schon dies führt uns über den Herbst 340 hinaus, denn’ 
die Kriegserklärung erfolgte erst gegen den Winter hin, nach der 
Belagerung von Perinthos ὁ: die herbstliche Versammlung der Am- 
phiktyonen fand nach den Aequinoetien um den Anfang des Octobers 
statt °. Es kann also Aeschines nur auf der Frühjahrsversammlung 
339 den Streit mit Amphissa angesponnen haben, während Phi- 
lipp noch an den thrakischen Südküsten stand°. Die auf Kottyphos 
Vorschlag in der ersten Aufregung anberaumte aufserordentliche Zu- 
sammenkunft wird nicht weiter verschoben sein als nöthig war um 
neue Vollmachten einzuholen : man erwartete dieselben abgeordneten 
wieder versammelt zu sehen. Demnach dürfte sie nach wenigen Wo- 
chen, ebenfalls noch im Frühjahre gegen den Sommer hin stattgefun- 
den haben’: galt es doch die gute Jahreszeit für den bevorstehenden 


1) Aesch. 3,.129 8. 72, Dem. vKr..1518,8..277, 2bf27 Vel. 143 
5. 275, 12. 147 S. 276, 19. 156. 158 8. 279, 21.280, 16. 

2) Aesch. 3, 115 S. 69. 

3) VKr. 139 S. 273, 26f. 

4) ὃ. 0. 8. 469 ff. 

Ὁ) Schol. zu Aesch. 3, 124 8. 71 δὶς συνήεσαν (οἵ Augınvovss) 
ἀπαἕ ἐν τῷ ἔαρι καὶ ἅπαξ ἐν τῷ φϑινοπώρῳ. Strab. 9 S. 420 δὲς 
κατ᾽ ἔτος οὔσης τῆς συνόδου ἔξαρός TE καὶ μετοπώρου. — τὴν δὲ σύνο- 
δον Πυλαίαν ἐκάλουν τὴν μὲν ἐαρινὴν τὴν δὲ μετοπωρινήν, ἐπειδὴ ἐν 
Πύλαις συνήγοντο, ἃς καὶ Θερμοπύλας καλοῦσιν: ἔϑυον δὲ τῇ “ἡμη- 
ter οἵ πυλαγόροι. Der Herbst (μετόπωρον oder φϑιενόπωρον) ward 
vom Aequinoetium bis zum Frühuntergange der Plejaden gerechnet (21 
Sept. —6 Nov.): 5. Ideler Handb. ἃ. Chron. I, 242f. 250f. 

6) 820.18: A8L, Ik 

7) Winiewski Comm. ὃ. 210 rechnet nicht viel über einen Monat, 
Böhnecke F. I, 502f. nicht über zwei Monate. Passend hat ein ge- 
lehrter Freund Vömels NRhein. Mus. I, 562 diese Zusammenkunft als 
einen ‘Nachtrag zu der vorhergehenden Versammlung’ bezeichnet. Dafs 
es sich um dieselben abgeordneten handelte, geht aus Aesch. 3, 127f. 
S. 71 hervor. 


Zeitverhältnisse des lokrischen Krieges. 909 


Feldzug zu benutzen. Philipp hatte bereits seinen Marsch über den 
Haemos angetreten '. Dann vergieng eine längere Zwischenzeit: 
Kottyphos führte seinen vergeblichen Zug gegen Amphissa aus und 
Philipp kehrte aus den Donauländern zurück. Da erwählten ihn die 
Amphiktyonen, was schon früher im Werke gewesen sein mochte, 
auf der nächsten regelmälsigen Versammlung zu Pylae zu ihrem 
Feldherrn, im Herbste 339 Ol. 110, 2?. Über die Ordnung der 
Zusammenkünfte zu Delphi und zu Pylae geben die Inschriften kei- 
nen sicheren Aufschlufs. Zwar ist die Frühjahrsversammlung zu 
Delphi urkundlich bezeugt’, aber es kommen auch Herbstversamm- 
lungen daselbst vor *. Bei den Wirren der späteren Zeit, welcher 
diese Inschriften angehören, war es nicht möglich die alte Regel 
genau zu beobachten. Damals geboten meistens die Aetoler über 
das delphische Heiligthum ohne zugleich die Thermopylen in ihrer 
Hand zu haben. Die in Demosthenes Rede vom Kranze eingelegten 
Urkunden bezeichnen die Versammlung zu Delphi ausdrücklich als 
die des Frühjahrs und führen ihr Datum auf den 16 Anthesterion 
zurück, also auf die zweite Hälfte des Blütenmondes, der unserem 
Februar entspricht ’. Bei allem sonstigen Ungeschick des Fälschers 
dürfen wir darin wohl Kenntnils der althergebrachten Ordnung er- 
blicken. Denn eben jener Zeit des beginnenden Lenzes, da alles 
wächst und spriefst, gehört der delphische Monat Bysios an, in wel- 
chem die Wiederkehr des strahlenden Gottes von den Hyperboreern 
gefeiert wurde ®. In der älteren Zeit ward nur in diesem Monate und 


1) Aesch. 3, 128 5. 71 οὐκ ἐπιδημοῦντος ἐν ΜΙακεδονίᾳ Φιλίππου 
[ἀλλ οὐδ᾽ ἐν τῇ Ἑλλάδι παρόντος, ἀλλ᾽ ἐν Σκύϑαις οὕτω μακρὰν 
ἀπόντος. Vel. ο. 5. 4841], 

2) Ders. 129 8. 72 πολλῷ χρόνῳ ὕστερον, ἐπανεληλυϑότος Φιλίπ- 
που ἔκ τῆς ἐπὶ τοὺς Σκύϑας στρατείας. Dem. vKr. 151 5. 277, 25 εἰς 
τὴν ἐπιοῦσαν πυλαίαν. Vgl. Franke a. 0.8. 7f. Über Philipps Heim- 
kehr s.o. S. 489,3. Vgl. über diese Zeitverhältnisse Droysen Z. ἢν ἃ. 
"ΑΥ̓͂. 1839 5. 574. Franke a. O. S, 11f. 

3) C.I. gr. I nr. 1694 ἐπὶ "Agıorayoga ἄρχοντος ἐν JeApois, πυλαίας 
ἠρινῆς. 

4) 5. KFHermann A. 1, 14, 15. 

5) Dem. vKr. 154f. S. 278, 18. 27. 279, 17. S. über diese Urkun- 
den Franke a. O0. 8. Of, Über den Anthesterion als Frühlinesmonat 
s. Böhnecke F. I, 314. KFHermann Monatskunde 8. 44f. 

6) Plut. quaest. gr. 9 S. 29226 -- Βύσιος μὴν — ἔαρος -- ἄρχει καὶ 
τὰ πολλὰ φύεται τηνικαῦτα καὶ διαβλαστάνει. Inden drei Wintermona- 


510 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


zwar an dem heiligen siebenten Tage auf die Fragen an das Orakel 
von der Pythia Bescheid gegeben '. Dafs in diesem Monate die py- 
Ihischen Gesandtschaften nach Delphi entsendet und dort empfan- 
gen wurden erhellt aus der delphischen Inschrift von Ol. 100, 1?. 
liben diese Gesandtschaften zu dem Opferfeste und zu der Befra- 
gung des Orakels waren in Delphi anwesend, als Aeschines den 
Streit der Amphiktyonen mit den Lokrern von Amphissa anstiftete, 
und wurden von Kottyphos zu der Gemeinversammlung hinzugezo- 
gen®. Damit haben wir einen sicheren Beweis, dafs die Amphi- 
ktyonen im Monat Bysios ihre Frühlingsversammlung zu Delphi ab- 
hielten. Es fragt sich aber, ob wir den Bysios ohne weiteres dem 
Anthesterion gleichsetzen dürfen. Phokis ist ein rauhes Gebirgsland 
und der Frühling tritt dort später ein als in Attika®*. Nun hat 
KFHermann in seiner Schrift über das delphische Jahr meiner 
Meinung nach das sichere Ergebnifs gewonnen, dafs der delphische 
Kalender nicht nach den Epochen der Sonnenwende oder der Nacht- 
gleiche sich bestimmt, sondern dafs die beiden wichtigsten Monate, 
der Bukatios der Herbstnachtgleiche, der Bysios, welcher dem zwei- 
ten Semester angehört, der Frühlingsnachtgleiche vorausgehen °. 
Demgemäfs dürften die Delphier den Frühlingsanfang ähnlich ge- 


ten schwieg der apollinische Paean und die Delphier riefen statt Apol- 
lons den Dionysos an, Plut. üb. d. EI zu Delphi 9 5. 389°. Vgl. Prel- 
ler Mythol. I, 157 ff. 

1) Plut. qu. gr. a. O. ἔστιν οὖν Πύσιος ὁ Βύσιος, ἐν ᾧ πυστιῶν- 
τᾶι καὶ πυνθάνονται τοῦ ϑεοῦ" -- ἐν τῷ μηνὶ γὰρ τούτῳ χρηστήριον 
ἐγίγνετο καὶ ἑβδόμην τούτου νομίζουσι τοῦ ϑεοῦ γενέϑλιον --. ὀψὲ γὰρ 
ἀνείϑησαν αἵ κατὰ μῆνα μαντεῖαι τοῖς δεομένοις " πρότερον δ᾽ ἅπαξ 
ἐθεμίστευσεν ἡ Πυϑία τοῦ ἐνιαυτοῦ κατὰ ταύτην τὴν ἡμέραν ὡς Καλ- 
λισϑένης (fr. 4) καὶ ᾿ἀναξανδρίδης ἱστορήκασιν. Vgl. Eurip. Ion 82 ft. 

2) C. I. gr. I nr. 1688, 45 τοὺς δὲ Π,[υϑαϊστὰς --- — --- 4] ελφοὶ 
τοῦ Βυσίου μηνύς. ai δέ κα μὴ πέ[μ]πωσιν, ἀποτεισάντω[ν] κτλ. ὃ. 
Böckh 5. 811P. Über die Πυϑαϊσταί und deren Entsendung zu dem 
Opferfeste 5. Strab. 9 8. 404. Über die Benennung vgl. Keil sched. 
epigr. 8. 24. 

3) Aesch. 3, 124 8. 71 τῇ δὲ ἐπιούσῃ ἡμέρᾳ Κόττυφος — ἐκκλησίαν 
ἐποίει τῶν ᾿ἀμφικτυόνων EunAmsiav γὰρ ὀνομόξουσιν, ὅταν μὴ μόνον 
τοὺς πυλαγόρους καὶ τοὺς ἱερομνήμονας συγκαλέσωσιν, ἀλλὰ καὶ τοὺς 
συνϑύοντας καὶ χρωμένους τῷ ϑεῴ. ' 

4) Vel. die 5. 528, 1 angeführte Stelle aus Theophrast. 

5) KFHermann de anno delphico, namentlich 8. 26ff. Über den 
Bysios als Monat δευτέρας Eaunvov 8. 2f. 


Sitzungsperioden des Amphiktyonenrathes. 911 


rechnet haben, wie ihn Hesiod ansetzt ', nämlich von dem Spät- 
aufgange des Arktur, gegen Ende Februars; der 7 Bysios wird um 
den 1 März fallen, das Ende des Monats um die Zeit der Nacht- 
gleiche. Er entspricht dem Ende des attischen Anthesterion und 
dem gröfseren Theile des Elaphebolion *. Die Herbstversammlung 
der Amphiktyonen hat man in Rücksicht auf die Epoche der pythi- 
schen Spiele in den Monat Bukatios nach Delphi verlegen wollen ®. 
Aber wenn dieser Monat auch meistens zum grölseren Theile dem 
attischen Boödromion (September) entsprechen mag, so steht es 
doch aufser Zweifel, dafs die Pythien (am 7 Bukatios) nicht dem 
griechischen Spätherbste, nach den Aequinoctien, wo die Amphi- 
ktyonen wieder zu tagen pflegten, sondern noch der heifsen Sommer- 
zeit angehören *. Die athenische Festgesandtschaft war sicherlich 
jederzeit vor der Mitte des Boödromion heimgekehrt um die attischen 
Eleusinien mitfeiern zu können. Und zu dieser Festgesandtschalt, 
welche aller vier Jahre die pythischen Spiele mitfeierte, wurden 
nicht die Pylagoren abgeordnet, sondern die Thesmotheten und aus 
der Mitte des Rathes erwählte Theoren ἢ. Dafs die Hheromnemonen 
als die ständigen Beamten des Amphiktyonenbundes nicht fehlen 
durften versteht sich von selbst : sie trafen auf das Fest Vorberei- 
tungen und leiteten die Spiele ὅς auch mögen bei dieser Gelegenheit 
Gemeinversammlungen vorgekommen sein. Aber die regelmäfsi- 
gen Sitzungen des Amphiktyonenrathes können nicht in diese Fest- 
zeit fallen. Überhaupt diente die Versammlung der Amphiktyonen 
zu Pylae nicht dem Apollon, sondern der Demeter. In dem am- 
phiktyonischen Heiligthume dieser Göttin zu Anthele, auf der fetten 
Niederung am Ausllusse des Asopos, hatte der Amphiktyonenbund 


1) W. u. T. 564. S. Ideler Handb. I, 246. 

2) Böckh C. I. gr. I S. SI4 Zysius erit alticus vel Anthesterion vel 
Elaphebolion. Böhnecke F. I, 314 hat ihn dem Anthesterion, KFHer- 
mann de anno delphico S. 26. 29. gr. Monatskunde S. 50f. dem Ela- 
phebolion gleichgesetzt. 

3) Nach Aesch. 3, 254 $. 89 ἡμερῶν μὲν ὀλίγων μέλλει τὰ Πυύϑια 
«γίγνεσθαι. καὶ τὸ κοινὸν συνέδριον τὸ τῶν Ἑλλήνων συλλέγεσθαι. 

4) S. die Beweisstellen Böhnecke F, I, 9151, KFHermann de anno 
delphico S. 17f. 

5) Dem. να. 128 S. 380, 19. Vel. ο. 8. 

6) Böckh a. O. S. 812. KFHermann A. I, 


512 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


seinen ältesten Mittelpunet: dort war auch dem Amphiktyon als 
Stifter desselben ein Heiligthum geweiht '. Dieses Demeterfest wer- 
den wir am natürlichsten in den Herbst setzen, wo aller Orten die 
Hellenen dieser Göttin theils für den eingeernteten Segen dankten 
theils für die neue Aussaat, welche alsdann vorgenommen wurde ἢ 
Gedeihen erflehten; weist doch auch der Name der Zusammenkunft 
(πυλαία ὀπωρινή) unmittelbar auf die Ernte hin®. Und wir ha- 
ben ein ausdrückliches Zeugnils von Theophrast, dafs die Leute 
vom Oeta den weilsen Helleboros, der an dem Abhange der Pyra 
wuchs, zur Zeit der Reife im Herbste einsammelten und bei der 
Pylaea verkauften: denn wie zu Delphi so ward auch zu Pylae bei 
Gelegenheit der Festversammlungen Markt gehalten *. Eine Herbst- 
zusammenkunft an den Thermopylen war es auf der Alexander Ol. 
111,1. 336 sich das Feldherrnamt von den Amphiktyonen über- 
tragen liefs, und wenn Diodor von einer ausdrücklichen Ladung des 


1) Herod, 7, 200 ἐν δὲ τῷ μεταξὺ Φοίνικος ποταμοῦ καὶ Θερμο- 
πυλέων κώμη τέ ἐστι τῇ οὔνομα ᾿ἀνϑήλη κεῖται, παρ᾽ ἣν δὴ παραρ- 
ρέων ὁ ᾿“σωπὸς ἐς ϑόλασσαν ἐκδιδοῖ, καὶ χῶρος περὶ αὐτὴν εὐρύς, ἐν 
τῷ Anunreds τε ἱρὸν Aupinzvovidog ἵδρυται καὶ ἕδραι εἰσὶ Augpı- 
χτύοσι καὶ αὐτοῦ τοῦ "Augıntvovog ἵρόν. Par. Marmorchron. 8:1. "Au- 
yılnvov ὃ “ευκαλίωνος ἐβασίλευσε ν ἐν Θερμοπύλαις καὶ συνῆγε [τ]Ἰοὺς 
περὶ τὸν ὅρον οἰκοῦντας καὶ ὠ[νο]μασεν Augıntvovag καὶ Πυλαία]ν 
οὗ[περ] καὶ νῦν ἔτι ϑύουσιν ’Aupıntvovsg. Über das Demeterfest 8. 
Strab. a. O. (o. 8. 508, 5); vgl. Tittmann Amphiktyonenbund 5. 101. 
Über die V erbindung dieser ältesten Amphiktyonie mit der delphischen 
Schol. zu Eurip. Orest. 1087. KFHermann A. I, 14. Tittmann Am- 
phiktyonenbund 5, 76ff. Preller Demeter u. Persephone ὃ. 3571. 

2) Ideler Handbuch I, 242. 251. Preller a. ©. 8. 356 ff. Mythol. I, 
480. 

3) Als Jahreszeit wird ὀπώρα von dem heifsesten Sommer gesagt; 
s. Ideler Handb. I, 245. In diesem Sinne kann es in πυλαία ὀπωρινή 
nicht gebraucht sein, da die Zeugnisse ihn bestimmt dem μετόπωρον 
oder φϑινόπωρον zuweisen; 5. ὁ. 8. 508, 5. 

4) Tittmann a. ©. S. 89, 3; ihm verdanke ich auch die Nachwei- 
sung der Stelle Theophr. Pflanzenk. 9, 10, 2 ὡραῖος (ὃ λευκὸς ἐλλέβο- 
005) μετοπώρου, τοῦ δ᾽ ἦρος ἄωρος" ἀλλὰ πρὸς τὴν πυλαίαν οἵ ἐκ 
τῆς Οἴτης συλλέγουσι > πλεῖστος γὰρ ἐνταῦϑα φύεται καὶ ἄριστος, μο- 
ναχοῦ δὲ φύεται τῆς Οἴτης περὶ τὴν Πυρᾶν. Vel. Liv. 33, 35 Ther- 
mopylas, ubi frequens Graeciae statis diebus esse solet conventus (Pylaicum ap- 
pellant). Über Anthele und den Oetagipfel Pyra vgl. Göttling ges. Abh. 
I, 15. Preller Mythol. II, 177. 


Philipps Anmarsch. Rüstungen der Lokrer. 513 


Ampbiktyonenrathes zu sprechen scheint ', so dürfte doch wohl 
auch hier die regelmäfsige Zeit der Pylaea beobachtet sein. 

Wir kehren von dieser chronologischen Abschweifung zu den 
Ereignissen zurück, welche in rascher Folge zur Entscheidung 
drängten. Philipp wird nicht lange gesäumt haben dem an ihn er- 
gangenen Rufe zu entsprechen. Weder durfte er seinen Feinden Zeit 
gönnen umfassende Rüstungen zu trellfen noch die Frühlingsver- 
sammlung der Amphiktyonen erwarten ehe er ihrem Auftrage ent- 
sprach, damit nicht etwa ein Vergleich mit den Lokrern seine Da- 
zwischenkunft überflüssig mache. Deshalb brach er, sobald seine 
Wunde geheilt und die nöthigsten Vorbereitungen getrollen waren ?, 
im Winter 339/8, vermuthlich noch vor Eintritt der rauhesten Jah- 
reszeit, zunächst mit einem Theile seines Heeres nach Hellas auf. 
Indessen hatten auch die Lokrer sich gerüstet um dem Angrille be- 
gegnen zu können. Ein Söldnercorps unter dem Thebaner Proxe- 
nos sammelte sich bei Amphissa: zu diesem stiefsen 10,000 Mann 
unter Chares Oberbefehl, welche die Athener, für deren Dienst die 
Truppen geworben waren, in den Sold der Lokrer auf Ansuchen 
derselben übertreten liefsen. Diese Übereinkunft, welche Demo- 
sthenes vermittelte, gieng nicht ohne heftige Opposition von Seiten 
des Aeschines bei der athenischen Volksgemeinde durch, wie denn 
überhaupt fortwährend alles aufgeboten wurde um Demosthenes zu 
verdächtigen ?® und eine Wendung zum Frieden mit Philipp herbei- 

1) Diod. 17,4 (Δλέξανδρος) παρῆλϑεν εἰς Πύλας, καὶ τὸ τῶν Au- 
φιχτυόνων συνέδριον συναγαγὼν ἔπεισεν ἑαυτῷ κοινῷ δόγματι δοδὴ- 
vo τὴν τῶν Ελλήνων ἡγεμονίαν. Vgl. Droysen a. O. Κὶ, 5741. 

2) Trog. prol. 9 unde (ex Seythia) reversus (Philippus) Graeciae bel- 
um intulit. Just. 9, 3 ubi vero ex vulnere primum convaluit, diu dissimu- 
latum bellum Atheniensibus infert. Dem. vKr. 152 8. 278, 3 ἡρέϑη — 
ἡγεμών. καὶ μετὰ ταῦτ᾽ εὐθέως δύναμιν συλλέξας καὶ παρελϑὼν ὡς 
ἐπὶ τὴν Κιρραίαν κτλ. 

3) Aesch. 3, 146 8. 74 (Πημοσϑένης) μισϑοφορῶν -- ἐν τῷ ξενικῷ 
κεναῖς χώραις (Böckh Sth. I, 403), καὶ τὰ στρατιωτικὰ χρήματα κλέ- 
πτων, καὶ τοὺς μυρίους ξένους ἐχμισϑώσας ᾿ἀμφισσεῦσι, πολλὰ δια- 
μαρτυρομένου καὶ σχετλιάζοντος ἐν ταῖς ἐκκλησίαις ἐμοῦ κτλ. Auch das 
Ehrendecret für Demosthenes L.d.X R. S. 851» nennt die Lokrer unter 
den von D. gewonnenen Bundesgenossen. Deinarch. 1, 74 8. 99 ἐπὶ — 
τοῖς ξένοις τοὶς ἐς Ἄμφισσαν συλλεγεῖσι Πρόξενος ὁ προδότης ἐγένετο 
Der Zusammenhang ($ 72—75) lehrt, dafs dieser Proxenos ein Theba- 
ner war und von dem athenischen Feldherrn ἃ. N. (vgl. ο. S. 1761. 

DEMOSTHENES IT. 39 


514 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


zuführen. An den Mysterien war bei der Reinigungsfeier einer oder 
mehrere der einzuweihenden in der See verunglückt. In Bezug auf 
dieses Unheil verkündende Vorzeichen warnte Ameiniades die Bür- 
gerschaft und schlug vor bei dem delphischen Orakel sich zu befra- 
gen was zu thun sei. Demosthenes verhinderte diesen Schritt durch 
die Erklärung, die Pythia philippisiere ': war es doch unschwer 
vorauszusehen was für Bescheid jetzt von Delphi her erfolgen werde. 

Als Philipp mit seinem Heere gerades Weges von den Ther- 
mopylen herankam, fand er die schwierigen Pässe, welche von dem 
Parnass und dem Koraxgebirge gebildet werden ?, durch die Söld- 
ner des Chares und Proxenos besetzt und bemühte sich umsonst 
den Durchmarsch zu erzwingen. Da verhalf ihm wieder einmal eine 
Kriegslist zum Ziele. Er lies nämlich eine Depesche an Antipater, der 
noch in Makedonien stand, abgehen, des Inhalts, auf die erhaltene 
Meldung von der Empörung der Thraker wolle er den Feldzug gegen 
Amphissa verschieben und marschiere in Eilmärschen nach Thrakien. 
Diese falsche Botschaft spielte er den Feinden in die Hände, und 
die Feldherrn Chares und Proxenos waren unbesonnen und leicht- 
fertig genug darauf zu trauen: sie zogen ihre Mannschaften aus den 
Pässen zurück. Alsbald wandte sich Philipp von seinem verstell- 


345) zu unterscheiden ist. Polyaen. 4, 2,8 Φίλιππος ἐπὶ τὴν Aupıoocov 
ἐστράτευεν. ᾿ϑηναῖοι καὶ Θηβαῖοι τὰ στενὰ προκατελάβοντο, καὶ ἣν 
ἡ δίοδος ἀμήχανος. -- Οἵ ae Χάρης καὶ Πρόξενος, πτλ. 

1) Aesch. 3, 130 5. 72 οὐχ ἱκανὸν ἣν τὸ τοῖς MUGENBEO!G φανὲν 
σημεῖον [φυλάξασϑαι], ἡ τῶν μυστῶν τελευτή; οὐ περὶ τούτων "Ausı- 
νιάδης μὲν προὔλεγεν εὐλαβεῖσϑαι καὶ πέμπειν εἰς Ζελφοὺς ἐπερησο- 
μένους τὸν ϑεόν, ὅ τι χρὴ πράττειν, “ημοσϑένης δὲ ἀντέλεγε φιλιππί- 
ἕξειν τὴν Πυϑίαν φάσκων, ἀπαίδευτος ὧν καὶ ἀπολαύων καὶ ἐμπιμπλά- 
μενος τῆς διδομένης ὑφ᾽ ὑμῶν αὐτῷ ἐξουσίας ; Dazu bemerkt der 
Scholiast: μυστήρια δεῖ νοεῖν τὰ Κόρης καὶ “Ιήμητρος. -- λέγει δὲ ἐχεῖ- 
vo τὸ τέρας, ὅτε κατελϑόντων τῶν μυστῶν ἐπὶ τὴν ϑάλασσαν ἐπὶ τὸ 
καϑαρϑῆναι, ἥρπασεν ἕνα αὐτῶν τὸ κῆτος. πληϑυντικῶς δὲ εἶπε, δέον 
ἑνικῶς. οἵ δὲ λέγουσιν ὅτι δύο κατέφαγεν. Einen ähnlichen Fall, dafs 
ein bei den heiligen Waschungen beschäftigter durch einen Hai verun- 
glückte, erzählt Plut. Phok. 28. Über dieses heilige Bad am 16 Bo&- 
dromion (339 d. 20 Sept.) vgl. KFHermann A. 11, 55, 14. Über das 
φιλιππίξειν τὴν Πυϑίαν vgl. Plut. Dem. 20. Cie. de div. 2, 57, 118 
— hoc aulem.eo spectabat, ut eam a Philippo corruptam diceret u. a. 

2) S. Vischer Verh. d. Phil.-Vers. in Altenburg 8. 76f. Die Strafse 
beschreibt Thuk. 3, 95; vgl. 101 Mvov&ag — ταύτῃ γὰρ δυσεσβολώτατος 
ἡ Aoneis. 


Philipps Sieg in Lokris. Besetzung von Elateia. 515 


ten Abmarsche zurück und drang durch die Pässe vor. Jetzt warf 
sich ihm das hellenische Heer entgegen, aber umsonst: es wurde 
vollständig geschlagen und aufgelöst und Amphissa selbst einge- 
nommen '. Jetzt war von Bedingungen, wie sie Aeschines von Kotty- 
phos meldet, nicht weiter die Rede: die Stadt ward geschleift und die 
Bürgerschaft verjagt; das Weiheland ward dem delphischen Heilig- 
thume zurückgegeben’. Von Amphissa rückte Philipp bis nach 
Naupaktos vor und nahm auch diese Stadt ein: die dort liegende 
achaeische Besatzung ward niedergehauen und auch ihr Befehlsha- 
ber getödtet’. Alsdann überwies Philipp seiner früher ertheilten 
Zusage gemäfs Naupaktos den Aetolern, denen es seitdem bis auf 
die Zeiten des Augustus verblieben ist ἡ. j 
Sobald Philipp in Lokris seinen Zweck erreicht hatte gieng er 
unverzüglich über das Gebirge zurück und besetzte das dorische 
Kytinion und Elateia, den wichtigsten Platz in Phokis. Hier stand 
er in der fruchtbaren Thalebene des Kephissos, welche sich von 


1) Polyaen. a. Ὁ. Dieselbe List hatte im byzantinischen Kriege 
verfangen, s. 0. $8. 482. Über die Niederlage des Söldnerheeres bei 
Amphissa vgl. Aeschines, bei dem es a. Ὁ, (o.S. 513, 3) weiter heifst 
προσέμιξε φέρων ἀναρπασϑέντων τῶν ξένων τὸν κίνδυνον ἀπαρασκεύῳ 
τῇ πόλει. τί γὰρ ἂν οἴεσϑε Φίλιππον ἐν τοῖς τότε καιροῖς εὔξασϑαι ; 
οὐ χωρὶς μὲν πρὸς τὴν πολιτικὴν δύναμιν, χωρὶς δ᾽ ἐν ᾿ἀμφίσσῃ πρὸς 
τοὺς ξένους διαγωνίσασϑαι, ἀϑύμους δὲ τοὺς Ἕλληνας λαβεῖν τηλι- 
καύτης πληγῆς προγεγενημένης; Plut. Dem. 18 Φίλιππος ὑπὸ τῆς περὶ 
τὴν Ἄμφισσαν εὐτυχίας ἐπαιρόμενος εἰς τὴν Ἐλάτειαν ἐξαίφνης ἐνέ- 
πὲσε καὶ τὴν Φωκίδα κατέσχεν. 

2) Über die Vollstreckung des Urteils 5. Strab. 9 5. 419. 427. 
Über die verbannten s. Diod. 18, 56; ich verdanke diese Nachweisung 
Böhnecke F. 1, 538, 2. Vgl. o. S. 507. 

3) Theopomp. (fr.. 46) Φίλιππος ἕλὼν Ναύπακτον ᾿ἡχαιῶν τοὺς 
φρουροὺς ἀπέσφαξε καὶ Παυσανίαν τὸν ἄρχοντα τῆς φρουρᾶς ἀπέκτει- 
vev. So ist das Fragment aus Suid. u. φρουρήσεις ἐν Ναυπάχτῳ und 
Zenob. 6, 33 herzustellen. Vgl. o. 5, 399, 2. Suidas citiert (bei Ζ. 
fehlt die Angabe des Buches) Θεόπομπος ἐν β΄; es ist aber zu lesen 
ἐν νβ΄. Das 50. Buch schliefst Philipps thrakischen Krieg ab (vgl. o. 
5, 417, 1. 486, 2); im 5l. stellte Th. die makedonischen Parteigänger 
zusammen (o. S. 403"); im 53. erzählte er die Schlacht bei Chaero- 
neia (fr. 262; vgl. CMüller zu fr. 238). Das 52. Buch enthielt noch 
den Feldzug des Archidamos in Grofsgriechenland (fr. 259—261). 

4) Strab. 9 8. 427 ἔστι δὲ νῦν Αἰτωλῶν (Ναύπακτος) Φιλίππου 
προσχρίναντος. Böckh C. I. gr. I 5. 857°. CMüller zu Skylax 35 
8. 14, Vgl. o. S. 399, 

33 * 


916 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Elateia herab am meisten ausbreitet, wie in einer natürlichen Fe- 
stung: auch in späteren Kriegen ist diese Gegend öfters zu Winter- 
quartieren gewählt worden. Gestützt auf jene beiden Plätze be- 
herrschte Philipp die Hauptstrafsen von den Thermopylen her so 
wie die schwierigen Pässe welche am westlichen und am östlichen 
Abhange des Parnasses nach dem ozolischen Lokris und nach Boeo- 
tien führen. Zunächst hefs er sein Heer ein Lager beziehen um die 
Streitmacht, welche Antipater in Makedonien und Thessalien sam- 
melte, zu erwarten und in Unterhandlungen zu versuchen, ob nicht 
seine blofse Anwesenheit in Hellas und sein erster Sieg den Kriegs- 
muth seiner Feinde lähmen werde. Elateia war der Schlüssel seiner 
Stellung: seit dem Ausgange des phokischen Krieges ein oflener 
Ort, ward es jetzt mit einem Pfahlwerke umgeben und eine starke 
Besatzung hineingelegt '. 

Als Philipp sich gegen Amphissa wandte, hatten gar manche 
sich dem Wahne hingegeben, er werde den Auftrag der Amphiktyo- 
nen vollstrecken und es dann nicht weiter treiben. Erst die Be- 
setzung von Elateia enthüllte seinen ganzen Kriegsplan und bedrohte 
unmittelbar Boeotien und Attika: darum erfüllte diese Botschaft, 
welche sofort von Theben aus nach Athen gemeldet wurde ?, beide 


1) Philoch. fr. 135 b. Dionys. Schr. an Amm. 1, 11 S. 742, 8 (unter 
Ol. 110, 2) Φιλίππου δὲ καταλαβόντος ’Eiarsıav καὶ Kvrivıov καὶ πρέ- 
σβεις κτλ. Aesch. 3, 140 5. 78 Φίλιππος -- τὸν πόλεμον -- ἐπήγαγε 
διὰ τῆς Φωκίδος ἐπ᾽ αὐτὰς τὰς Θήβας καὶ τὸ τελευταῖον Ἐλάτειαν κα- 
ταλαβὼν ἐχαράκωσε καὶ φρουρὰν εἰσήγαγεν. Dem. ἃ. O. ἐρρῶσϑαι 
φράσας πολλὰ Κιρραίοις καὶ Λοκροῖς τὴν Ἔλατειαν καταλαμβάνει. 
108 5. 284, 15 ἧκεν ἔχων τὴν δύναμιν καὶ τὴν ᾿Ελάτειαν κατέλαβεν. 
Über die strategische Wichtigkeit von Elateia (διὰ τὸ ἐπικεῖσδϑαι τοῖς 
στενοῖς καὶ τὸν ἔχοντα ταύτην ἔχειν τὰς εἰσβολὰς τὰς εἰς τὴν Φωκίδα 
καὶ τὴν Βοιωτίαν) Strab. 9 8.418. 424. Über die Zerstörung der Stadt 
s. 0. 8. 268, 1; vgl. 5. 333. Diod. 16, 84 sagt ἄφνω καταλαβόμενος 
"Eiarsıav πόλιν, καὶ τὰς δυνάμεις εἰς ταύτην ἀϑροίσας u. cap. 85 
προσαναμείνας τοὺς ἀφυστεροῦντας τῶν συμμάχων. Aus Polyaen. a. 
Ο. ergibt sich dafs Antipater noch in Makedonien war, als Philipp an 
den lokrischen Pässen stand. Gleich nach der Schlacht bei Chaeroneia 
sandte Ph. ihn nach Athen. Just. 9, 4. Vgl. Böhnecke F. I, 536, 3. 
Bei den Verstärkungen welche er Philipp zuführte wird sich namentlich 
auch Reiterei befunden haben. 

2) Aesch. 3, 140 8. 73 sagt ἐνταῦθ᾽ ἤδη ei der Besetzung von 
Blateia), ἐπεὶ τὸ δεινὸν αὐτῶν ἥπτετο, μετεπέμψαντο ᾿4“ϑηναίους. Das 
ist falsch, insofern darin ein förmliches Hilfsgesuch liegen soll: die 


Eindruck der Beselzung von Elateia. 917 


Städte mit Furcht und Schrecken. Was zu Athen vorgieng läfst sich 
nicht besser schildern als mit den Worten des Demosthenes !, 
welche als ein Meisterstück seiner Kunst von alten und neueren mit 
Recht gepriesen sind. 

“Abend war's, da kam ein Bote zu den Prytanen mit der Mel- 
“dung dafs Elateia eingenommen sei. Sofort standen diese von der 
* Mahlzeit auf, einige trieben die Verkäufer aus den Marktbuden her- 
“aus und zündeten das Flechtwerk an? — um durch die Feuer- 
signale die Leute vom Lande zu alarmieren und nach der Stadt zu 
entbieten *? — “andere beschickten die Feldherrn und riefen den 
“ Trompeter herbei, und die Stadt war voller Lärmen. Am näch- 
“sten Morgen mit Tagesanbruch beriefen die Prytanen den Rath auf 
“das Rathhaus; die Bürgerschaft gieng in die Volksversammlung, 
“und bevor noch jene Behörde Rathes gepflogen und Beschlufs ge- 
“fafst hatte, safs die ganze Volksgemeinde oben auf der Pnyx ver- 
“sammelt. Und als hierauf der Rath eingetreten war und die Pry- 
“tanen die eingegangene Meldung vorgetragen, den Boten eingeführt 
“und dieser Bericht erstattet hatte, da fragte der Herold: ” wer will 
“reden?” aber niemand trat vor: und so oft auch der Herold die Frage 
‘ wiederholte, es erhob sich niemand, obgleich alle Strategen zuge- 
‘gen waren und alle Redner und das Vaterland mit einhelliger 
° Stimme aufrief zu seiner Rettung zu reden: denn den Ruf, den 
“er Herold gemäfs den Gesetzen ergehen läfst, hat man nach 
“Recht und Pflicht als einhelligen Ruf des Vaterlandes zu betrach- 
“ten. Und doch, wenn die welche die Rettung des Vaterlandes 
δ wünschten auftreten sollten, hätten wohl alle Athener sich erhoben 
“und wären zur Rednerbühne geeilt, denn diesen Wunsch hegten 
“alle; oder wenn die reichsten, die dreihundert °, oder wenn die 
“welche beides zugleich sind, wohlgesinnt und reich, die welche 


Parteinahme der Thebaner entschied sich erst bei den Verhandlungen 
zu Theben. Vgl. u. S. 521f. 

1) VKr. 169—179 S. 284, 20—288, 13. Diodor 16, 84f. gibt die 
Schilderung des Demosthenes hie und da ungenau wieder, und zwar, 
nach seiner Weise nachholend, unter Ol. 110, 3, dem Jahre der Schlacht 
bei Chaeroneia. 


2) S. Westermann i. d. Berichten d. k. sächs. Ges. d. Wiss. II, 
166. 
3) Über die dreihundert reichsten Bürger s. o. 8. 401 ἢ, 


518 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


“nachmals die grofsen Beisteuern darbrachten, denn das (haten sie 
“aus Wohlgesinntheit und vermöge ihres Reichthums. Aber es ist 
“wohl klar, jene Zeitlage und jener Tag berief nicht allein einen 
“ wohlgesinnten und reichen Mann, sondern einen der von Anfang 
“an der Entwickelung der Dinge gefolgt war und der richtig berech- 
“net hatte, weshalb Philipp so handelte und in welcher Absicht: 
“denn wer das nicht wufste und von fern her sorgsam erforscht 
“hatte, der konnte, wenn er auch noch so wohlgesinnt und noch 
“so reich war, darum nicht besser wissen was zu thun sei und was 
“er seinen Mitbürgern anrathen sollte. Als dieser Mann ward an 
“jenem Tage ich erfunden. Ich trat auf und sagte...: ὁ Wer sich 
“ übertriebene Unruhe macht als sei Philipp der Thebaner gewifs, 
“ verkennt meiner Meinung nach die Lage der Dinge: denn ich bin 
“überzeugt, wenn es so stünde, würden wir nicht hören dafs er in 
“ Elateia sei, sondern an unseren Grenzen. Aber das weils ich al- 
“erdings bestimmt, dafs sein Anmarsch den Zweck hat die Theba- 
“ner an sich zu ziehen. Wie es damit steht,” sagte ich, “ will ich 
“darlegen. Philipp hat alle Thebaner welche er mit Geld gewinnen 
“ oder berücken konnte in seiner Hand, aber die welche von Anfang 
“sich gegen ihn setzten und auch jetzt ihm widerstehen kann er auf 
“ keine Weise gewinnen. Was beabsichtigt er nun und weshalb hat 
“er Elateia besetzt? Damit dafs er eine Kriegsmacht aus der Nähe 
“zeigt und die Waffen vor Augen stellt will er seinen Freunden Zu- 
“ versicht und Keckheit einflöfsen und seine Widersacher entmuthi- 
“gen, auf dafs sie entweder im Schrecken zugestehen was sie jetzt 
“ weigern oder dazu gezwungen werden. Wenn wir Athener nun,’ 
“sagte ich, “ unter den gegenwärtigen Umständen uns beigehen las- 
“sen der Verdriefslichkeiten, welche wir etwa von den Thebanern 
“ erfahren haben, zu gedenken und ihnen zu mistrauen als gehörten 
“sie zur Partei unserer Feinde, so werden wir erstlich Philipps leb- 
“ haftesten Wunsch erfüllen, und ferner steht zu befürchten dafs 
“ auch seine jetzigen Widersacher ihm die Hand bieten und alle ein- 
“ müthig Philipp zugewandt mit ihm in Attika einfallen. Wenn ihr 
“aber meinem Rathe folgt und statt über meine Worte zu hadern 
“sie gehörig erwägt, so, glaube ich, werden meine Vorschläge euch 
“ als zweckmäfsig einleuchten und die unserer Stadt drohende Ge- 
“fahr heben. Was ist nun mein Vorschlag? Erstlich den gegen- 
“ wärtigen Schrecken zu verscheuchen und verändertes Sinnes alle- 


Rede des Demoslhenes über den Bund mit Theben. 519 


“ sammt für die Thebaner zu fürchten, denn sie sind den Schreck- 
“nissen viel näher und ihnen droht die Gefahr zuvörderst; zweitens 
“dafs ihr mit dem ganzen Aufgebot der Kriegswehr und mit der 
“ Reiterei nach Eleusis ausrückt um allen zu zeigen dafs ihr in Waf- 
“ fen steht, damit unsere Freunde zu Theben im Stande seien frei- 
“ müthig für das Recht zu sprechen, in der Überzeugung dafs wie 
“denen die ihr Vaterland an Philipp verkaufen die Streitmacht zu 
“ Elateia einen Rückhalt bietet, so ihr euch bereit haltet im Falle 
“eines Angriffs denen zu helfen welche für die Freiheit kämpfen 
“wollen. Alsdann trage ich darauf an zehn Gesandte zu erwählen 
“und diesen in Gemeinschaft mit den Strategen Vollmacht zu er- 
“theilen sowohl in Betrelf des Zeitpunctes ihrer Abreise als des 
“ Ausmarsches. Wenn aber die Gesandten in Theben eintreffen, 
“wie sollen sie dann meinem Rathe zufolge die Sache behandeln? 
“ Hierauf richtet mir eure ganze Aufmerksamkeit. Sie sollen die 
“ Thebaner um nichts bitten (denn das schickte sich schlecht für 
“ diesen Moment), sondern ihnen Hilfe zusagen wenn sie sie begeh- 
“ren, da sie ja in der äufsersten Bedrängnifs schweben und wir bes- 
“ser als sie den Stand der Dinge überschauen; damit wenn die 
“ Thebaner dies Erbieten annehmen und unserem Rathe folgen, wir 
“ unsere Absicht erreichen und zwar unter einem unseres Staates 
“ würdigen Namen, wenn es aber umsonst ist, jene es sich selber 
“ vorzuwerfen haben wenn sie jetzt fehlgreifen ohne dafs von unse- 
“rer Seite ein unehrenhafter oder erniedrigender Schritt geschehen 
“sei.” Nachdem ich dies und ähnliches geredet trat ich ab. Und 
“(la alle es belobten und niemand ein Wort dawider sagte, be- 
“gnügte ich mich nicht damit so zu sprechen ohne den Volksbe- 
“schlufs zu verfassen, noch den Beschlufs zu verfassen ohne die 
‘ Gesandtschaft zu übernehmen, noch übernahm ich die Gesandt- 
“schaft ohne die Thebaner zu überzeugen, sondern von Anfang bis 
“zu Ende führte ich alles durch und gab mich für euch ohne Rück- 
“halt hin in die unserem Staate drohenden Gefahren !. 

Die von der Bürgerschaft genehmigten Vorschläge des Demo- 
sthenes umfalsten eine Reihe wichtiger Entschliefsungen. Durch 
die Vollmacht welche die Gesandten und Strategen empfiengen ward 
eine aufserordentliche Amtsgewalt für die Kriegszeit geschallen: we- 


1) Mit den letzten Worten vgl. 219#f. S. 301, 16—302, 7. 


520 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


nigstens hat die Ermächtigung der Gesandten wohl keinen anderen 
Sinn als dafs die im Bunde mit Theben zu ergreifenden Mafsregeln 
auch fernerhin ihrem Ermessen anheimgestellt bleiben sollen. Der 
Ausmarsch nach Eleusis hatte den Zweck das Heer schlagfertig 
bereit zu stellen und während es dort leicht zu verproviantieren 
war stand es zugleich unfern der Grenze von Attika an der be- 
quemsten Heerstrafse nach Theben und Delphi. Indem endlich 
(die Athener keine Gegenforderung an die Thebaner stellten ?, weder 
über Oropos noch über die boeotischen Städte, sah Demosthenes 
sich am Ziele seines langgehegten Wunsches, dafs die Hellenen, 
namentlich Theben und Athen, die alten Zwistigkeiten ruhen lassen 
und nicht stets rückwärts blicken möchten, sondern mit einander 
verbündet thun was die Gegenwart forderte ὅς Jetzt galt es auch die 
Thebaner zu gleicher Gesinnung zu erwecken. 

Als Demosthenes mit der athenischen Gesandtschaft in Theben 
eintraf, waren bereits abgeordnete Philipps und seiner Bundesge- 
nossen , der Thessaler und Phthioten, der Aenianen, Doloper und 
Aetoler daselbst angelangt. Philipp selbst war durch die Makedo- 
nen Amyntas und Klearchos vertreten, von den Thessalern hatte er 
den Vierfürsten Thrasydaeos und Daochos gesendet. Zwar wa- 


1) Aesch. 3, 140 8. 73 ὑμεῖς ἐξήλϑετε (καὶ εἰσήειτε εἰς Θήβας) 
ἐν τοῖς ὅπλοις διεσκευασμένοι καὶ οἵ ἱππεῖς καὶ οἵ πεζοὶ πρὶν περὶ 
συμμαχίας μίαν μόνην συλλαβὴν γράψαι “Ιημοσϑένην. Mit den einge- 
klammerten Worten sagt Aeschines eine Unwahrheit. 

2) Dem. a. O. 176 5. 286, 24. Aesch. 3, 142 8.,73 (2.) συνέπεισε 
τὸν δῆμον μηκέτι βουλεύεσϑαι, ἐπὶ τίσι δεῖ ποιεῖσϑαι τὴν συμμαχίαν, 
ἀλλ᾽ ἀγαπᾶν μόνον, εἶ γίγνεται. Wenn Diod. 16, 84 sagt, die Umstände 
seien so dringend gewesen, dafs man nicht erst an andere (entferntere) 
Bundesgenossen um Hilfe habe schicken können, so trifft das für die 
erste Gefahr zu; vgl. Böhnecke I, 539, 2. Übrigens hatte Philipp nach 
Attika nicht, wie Diodor angibt, zwei, sondern vier starke Tage- 
märsche. 

3) Vgl. Buch II, 6. 7 u, o. 5. 178f. 237. 282, 

4) Dem. vKr. 2118. 298, 13 ὡς γὰρ ἀφικόμεϑ'᾽ εἰς τὰς Θήβας, κατε- 
λαμβάνομεν Φιλίππου καὶ Θετταλῶν καὶ τῶν ἄλλων συμμάχων παρόν- 
τας πρέσβεις. Philoch. fr. 135 b. Dion. Schr. an Amm. 1, 11 8. 742, 
9 (Arch. Lysimachides Ol. 110, 2; vgl. S. 744,5) ®. — πρέσβεις 
πέμψαντος εἰς Θήβας Θετταλὼν Αἰνιάνων Αἰτωλῶν “Ιολόπων Φϑιωτῶν, 
᾿Αϑηναίων δὲ κατὰ τὸν αὐτὸν χρόνον πρέσβεις ἀποστειλάντων τοὺς 
περὶ ΖΦημοσϑένη, τούτοις συμμαχεῖν ἐψηφίσαντο. Vgl. das folgende. 
Plut. Dem, 18 4. -- ἀπεστάλη πρεσβευτὴς μεϑ᾽ ἑτέρων εἰς Θήβας. 


Verhandlungen zu Theben. 521 
, 

ren die Thebaner als verbündete der Amphisseer bereits in «den 
Krieg verwickelt, aber eine Kriegserklärung war nicht erfolgt, und 
Philipp legte solchen Werth darauf das Bündnifs der Thebaner mit 
den Athenern zu hintertreiben, dafs er die lockendsten Anerbietun- 
gen machte, wenn die Thebaner sich mit ihm gegen Athen verbän- 
den; ja er sicherte ihnen sogar Neutralität zu, wenn sie ihm nur 
den Durchmarsch nach Attika gewähren wollten. Die Feindschaft 
welche zwischen Theben und Athen bisher bestanden hatte schien 
ihm sein Spiel zu erleichtern. Seine Anträge machten in Theben 
srofsen Eindruck: die makedonische Partei war ihrer Sache gewils 
und ihre Gegner verzagt; der erste Bericht der athenischen Ge- 
sandtschaft liefs das schlimmste fürchten !. 

Die entscheidende Verhandlung fand vor der thebanischen Volks- 
gemeinde statt ?. Das erste Wort ward den bisherigen Bundesge- 
nossen vergönnt, und deren Reden waren voller Lobpreisungen Phi- 
lipps und voller Anklagen wider Athen: was nur je von den Athe- 
nern den Thebanern zuwider gethan war, ward ins Gedächtnils ge- 
rufen. Insbesondere werden die Thessaler und Genossen im Na- 
men der Amphiktyonen den Beitritt der Thebaner zum Bunde wider 
das gottlose Athen begehrt haben: sie werden ihres gemeinschaft- 
lichen Kampfes mit den Phokiern, denen Athen beistand, und ihrer 
langbewährten Freundschaft gedacht haben. Was Philipp betraf, 
so erinnerten seine abgeordneten an die Wohlthaten die er Theben 
erzeigt; sie erklärten, hätte er den Durchmarsch zur Bedingung der 
gegen die Phokier zu leistenden Hilfe gemacht, so würden sie ilın 
versprochen haben: nun sei es doch widersinnig, wenn sie jetzt, 
weil er dies versäumte und ihnen Vertrauen schenkte, ihn nicht ge- 
währen wollten ®. Sie sollten sich entscheiden entweder blofs den 


ἔπεμψε δὲ καὶ Φίλιππος, ὡς Μαρσύας (fr. 7) φησίν, 'Auvvrav μὲν καὶ 
Κλέαρχον Μακεδόνας, Adoyov δὲ Θεσσαλὸν καὶ Θρασυδαῖον ἀντεροῦν- 
τας. Über Daochos und Thrasydaeos 5. o. 5. 403°. Dafs Diodor 16, 
85 irrthümlich bei dieser Verhandlung Python Demosthenes gegenüber 
stellt, ist ὁ. S. 353 bemerkt. 

1) Dem, a. Ο. 211f. S. 298, 15—19. 29. 

2) S. zu dem folgenden Dem. a. O. 213f. S. 299. Plut. Dem. 18. 

3) Arist. Rh. 2, 23 5. 1397f. ἄλλος (τόπος) ἐκ τοῦ τὸν χρόνον 
σκοπεὶν οἷον --᾿ καὶ πάλιν πρὸς τὸ Θηβαίους διεῖναι Φίλιππον εἰς τὴν 
᾿ἀττικήν, ὅτι “εἰ πρὶν βοηϑῆσαι εἰς Φωκέας ἠξίου, ὑπέσχοντο ἄν" 


522 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Durchmarsch zu bewilligen oder Waflengemeinschaft mit ihnen zu 
machen: im letzteren Falle sollten sie an der Siegesbeute vollen 
Theil haben. Machten sie aber mit den Athenern gemeine Sache, 
so würde Boeotien von allen Schrecken des Krieges verheert werden. 

So wurden die Thebaner theils von Gunst gelockt theils von 
Furcht gebeugt: denn frisch standen noch vor aller Augen die 
Schrecknisse des Krieges; noch waren die Wunden welche der pho- 
kische Krieg geschlagen hatte nicht verheilt '. Was konnten die 
Athener dagegen bieten? Sie konnten weder auf langbewährte 
Bundesfreundschaft sich berufen noch gleichen Lohn verheifsen wie 
die Gegner. Die Stammverwandtschaft der Hellenen, die Pflicht 
ihre Freiheit wider fremde Gewalt gemeinsam zu beschirmen und 
sie nicht jetzt unwiederbringlich und zu ewiger Schande preiszuge- 
ben, das war es was sie den Thebanern vor die Seele führten: es 
war ein Gebot der Ehre und, wie der ganze Gang der makedoni- 
schen Politik andern Staaten gegenüber beweisen konnte, eine Pflicht 
der Selbsterhaltung nicht mit Philipp sich zur Unterdrückung Athens 
zu verbinden. Und die angebotene Neutralität, was war sie anderes 
als eine Falle um der von einander geschiedenen Städte einzeln 
Herr zu werden: lag Athen erst danieder, dann war auch The- 
bens Selbständigkeit dahin. Darum galt es zusammenzustehen 
um vereint den schönsten Sieg zu erringen oder mit Ehren zu fallen. 
Solches Inhalts werden die Reden des Demosthenes gewesen sein: 
und mit so gewaltigen Worten — das bezeugte Theopomp — fachte 
Demosthenes den Muth der Thebaner an und entflammte ihre Ehr- 
begier, dafs dagegen alles andere in Schatten trat: in der Begeiste- 
rung, mit der seine Rede sie erfüllte, vergafsen sie Furcht und Be- 
rechnung und Gunst und beschlossen Philipp abzusagen und mit 
den Athenern sich zu verbünden ὅ. 

In dem zwischen Athen und Theben errichteten Bündnisse, 
welches hernach von der athenischen Volksgemeinde den Anträgen 


ἄτοπον οὖν εἰ διότι προεῖτο καὶ ἐπίστευσε μὴ διήσουσιν." Vel. Dio- 
nys. a. O. S. 739f. 

1) Plut. Dem. 18; vgl. Aesch. 3, 148 S..74. 

2) Theop. fr. 239 b. Plut. Dem. 18. Vgl. Aesch. 3, 84 S. 65. 237 S. 
87. 239 S. 88. 256 5. 90. Philoch. a. O. Just. 9,3. Dem. a. O. gibt die 
von ihm gehaltene Rede nicht wieder; er schliefst mit den Worten: 6 τὶ 
δ᾽ οὖν ἐπείσαμεν ἡμεῖς καὶ ὃ ἡμὲν ἀπεκρίναντο ἀκούσατε. ATIOKPI- 
ΣΙΣ OHBAIRN. 


Bündnifs der Athener und Thebaner. 523 


des Demosthenes gemäfs bestätigt wurde, sicherten beide Staaten 
einander den Schutz ihres gegenwärtigen Besitzstandes zu: "sollte 
© eine Stadt von den Thebanern abfallen?, hiefs es unter anderem in 
dem Vertrage, ‘so werden die Athener den Boeotern zu Theben 
*heistehen’. Somit war Theben als das Haupt Boeotiens aner- 
kannt. Dagegen ward den Phokiern Sühne geboten: Athener und 
Thebaner sicherten ihnen Herstellung ihrer Städte zu, und viele 
der vertriebenen haben bei Chaeroneia wider ihren Verderber Phi- 
lipp mitgestritten. Von den Kriegskosten übernahm Athen zwei 
Drittel, Theben ein Drittel, und was den Oberbefehl betraf, so 
sollte er zur See gemeinsam sein, zu Lande die Thebaner eine ent- 
scheidende Stimme haben '. Das ist alles was Aeschines in hämi- 
scher Weise aus dem Zusammenhang der Urkunde herausreifst ohne 
dafs wir erfahren worin die Gegenleistungen der Thebaner bestan- 
den und wie denn in der That die Oberleitung geordnet war. Wohl 
hat es seine Richtigkeit damit und Demosthenes bestätigt es, dafs 
die Athener doppelt so viel zu den Kriegskosten beitrugen als die 
Thebaner;; hatten sie doch auch weit reichere Geldmittel zur Ver- 
fügung als die boeotische Landstadt. Damit jetzt zu kargen und 
durch hohe Anforderungen die Thebaner zu dem Feinde zu treiben 
wäre frevelhafte Thorheit gewesen. Übrigens wenn die Athener 
mehr zahlten, so hatte dagegen Boeotien ohne Frage mehr für die 


1) Aesch. 3, 142 8. 73 ἔκδοτον μὲν τὴν Βοιωτίαν πᾶσαν ἐποίησε 
Θηβαίοις, γράψας ἐν τῷ ψηφίσματι “ἐών τις ἀφιστῆται πόλις ἀπὸ Θη- 
“βαίων, βοηϑεῖν ᾿4ϑηναίους Βοιωτοὶς τοὶς ἐν Θήβαις᾽ (dagegen sagte 
Aeschines vor Philipp 2, 119 8. 43 ὅτι τὰς Θήβας Βοιωτίαν δίκαιον 
nyolumv εἶναι καὶ un τὴν Βοιωτίαν Θήβας) —' δεύτερον δὲ τῶν εἰς τὸν 
πόλεμον ἀναλωμάτων τὰ μὲν δύο μέρη ὑμῖν ἀνέϑηκεν, οἷς ἦσαν ἀπω- 
τέρω οἵ κίνδυνοι, τὸ δὲ τρίτον μέρος Θηβαίοις —, καὶ τὴν ἡγεμονίαν 
τὴν μὲν κατὰ ϑάλατταν ἐποίησε κοινήν, τὸ δ᾽ ἀνάλωμα ἴδιον ὑμέτερον, 
τὴν δὲ κατὰ γῆν, εἰ μὴ δεῖ ληρεῖν, ἄρδην φέρων ἀνέϑηκε Θηβαίοις. 
Ebend. 106 5, 68 ἄδικον δὲ καὶ οὐδαμῶς ἴσην τὴν πρὸς Θηβαίους 
συμμαχίαν γράψας. 5. dagegen Dem. vKr. 238—241 S. 306, 18. εἰ 
δὲ λέγεις ἢ τὰ πρὸς Θηβαίους δίκαια, Αἰσχίνη κτλ. Über die Phokier 
8. Paus. 10, 3, 3f. 33, 8; vgl. ο. 5. 272. Nach Paus. 10, 36, 3f. ward 
die Befestigung von Ambrosos (am Südabhange des Kirphisgebirges, vgl. 
Grote XI, 682f.) sofort bewerkstelligt: Θηβαῖοι — ἐς τὸν Maxrsdovror 
καὶ Φιλίππου καϑιστάμενοι πόλεμον περιέβαλον τῇ Außewoo διπλοῦν 
τεῖχος. Der Ausbau dieser Werke (vgl. 4, 31, 5) sowie die Befesti- 
gung anderer phokischer Städte (vgl. Vischer a. 0.8.79) kann erst spä- 
ter geschehen sein. 


524 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Verpflegung des Heeres zu liefern, und was das Commando betrifft, 
so mag über die Zeit des Ausmarsches, über Lagerung u. dgl. den 
Thebanern das entscheidende Wort zugestanden haben, im übrigen 
werden die Athener ihrerseits zu Lande das gleiche für sich ausbe- 
dungen haben, was sie den Thebanern zur See gewährten. Von 
einer Unterordnung Athens unter Thebens Leitung nehmen wir 
nicht das geringste wahr. 

In Folge des geschlossenen Bündnisses trat Demosthenes mit 
den Boeotarchen in enge Beziehung, und wie die athenischen Be- 
hörden so unterwarfen sich auch die thebanischen willig seiner Lei- 
tung. Seine Stimme entschied in der Volksgemeinde zu Theben 
nicht minder als zu Athen, hier wie dort sah er sich geliebt und im 
vollen Besitze der Macht, “ungerechter Weise und wider Verdienst? 
wie Theopomp gehässig hinzusetzt. Ganz Griechenland kam in Be- 
wegung. Die neuverbündeten schickten vereint Gesandtschaften 
aus an die anderen Staaten um sie zu dem Kriege wider den ge- 
meinsamen Feind aufzurufen: Philipp werde nicht ablassen, wenn 
es jetzt ihm glücke, bis er ganz Griechenland geknechtet habe ἡ. 
Auch Philipp versäumte nicht die Peloponnesier zu bearbeiten. Er 
hatte zu fürchten dafs Thebens Aufruf und Beispiel die ihm verbün- 
ddeten Volksgemeinden wankend mache, denn seit Epaminondas sie 
von den Spartanern befreite, hatten sie in enger Freundschaft mit 
Theben gestanden. Darum erklärte sich Philipp in den Schreiben, 
welche er erliefs um ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen, über den 
Krieg in solcher Weise, dafs er seinen Hauptzweck, Theben und 
Athen unter sein Machtgebot zu beugen, verhehlte und den Schein 
annahm, als sei er nur im gemeinen Interesse ins Feld gezogen um 
die Beschlüsse der Amphiktyonen zu vollstrecken *. Den Ausschlag 


1) Aesch. 3, 145f. 5. 74. Theop. b. Plut. a. O. Just. 9, 3. 

2) Dem. vKr. 156. 158 5. 279, 18. 280, 16 δὸς δή μοι τὴν ἐπιστο- 
Av ἣν ὡς οὐχ ὑπήκουον οἵ Θηβαῖοι πέμπει πρὸς τοὺς ἐν Πελοπον- 
νήσῳ συμμάχους ὃ Φίλιππος κτλ. Dissen war der Meinung, dafs die- 
ses Schreiben vor der Einnahme Elateias erlassen sein müsse, denn auf 
diese und ihre Folgen komme D. erst weiterhin. Das ist nicht ganz 
richtig, denn erwähnt ist beides schon 152f. S. 278, 6—12. Und selbst 
davon abgesehen, hat Böhnecke F. I, 530 richtig bemerkt dafs D. ein 
späteres Schreiben Philipps recht wohl an dieser Stelle benutzen konnte 
um zu beweisen, einen wie erwünschten Vorwand Aeschines dem Kö- 


25 


σι 


Parteistellung der Hellenen. 


für den Peloponnes gab die Haltung der Arkader: sie beschlossen 
an dem Kriege gegen König Philipp, ihren verbündeten, sich nicht 
zu betheiligen, aber eben so wenig ihm wider ihre Landsleute bei- 
zustehen. Nach ihrem Vorgange warteten auch die Messenier und 
Eleer unthätig das Ende ab'. Nicht minder blieben die Spartaner, 
obwohl mit Philipp verfeindet, von dem hellenischen Kriege fern, 
während sie auswärtige Händel ausfochten. Ihr König Archidamos 
war in Diensten der Tarentiner nach Italien ausgefahren um gegen 
die Lucaner sein Leben einzusetzen ὅ. 

Die nordgriechischen Völkerschaften, voran die Thessaler, 
schickten sich an auf Seiten Philipps in den Krieg zu gehen °. So 
waren denn allein die Euboeer Achaeer Korinthier Megareer Leu- 
kadier und Korkyraeer gesonnen im Bunde mit Athen und Theben 
den Entscheidungskampf für die hellenische Freiheit wider die Ma- 
kedonenmacht zu wagen ®. 

Der zwischen Athen und Theben aufgerichtete Bund hatte Phi- 
lipp Halt geboten. Während man auf die Botschaft von der Ein- 
nahme Elateias fürchtete das feindliche Kriegsheer werde sich wie 
ein angeschwollener Bergstrom auf Attika stürzen, so gieng jetzt 
die erste Gefahr vorüber wie ein Gewölk°. Aber auf den ersten 


nige geboten hatte. Das Einverständnifs der Thebaner mit den Lo- 
krern erwähnt D, absichtlich mit keinem Worte. 

1) Dem. νυ. 304 5. 327, 4 εἰ ἕνα ἄνδρα μόνον Θετταλία καὶ ἕνα 
ἄνδρα ᾿ἀρκαδία ταὐτὰ φρονοῦντα ἔσχεν ἐμοί, οὐδεὶς οὔτε τῶν ἔξω Πυ- 
λῶν Ἑλλήνων οὔτε τῶν εἴσω τοῖς παροῦσι κακοῖς ἐκέχρητ᾽ ἄν. 01 
S. 246, 13 τῆς περιεορακυίας ταῦτα γιγνόμενα ἐπὶ τῇ τῆς ἰδίας πλεο- 
νεξίας ἐλπίδι (μερίδος), ἧς ἂν ἀρκάδας καὶ Μεσσηνίους καὶ ᾿ἀργείους 
ϑείημεν. Über die Arkader vgl. Paus. 8, 6, 2. 27, 10. 7, 15, 6; über 
die Messenier und Eleer, welche später an dem lamischen Kriege theil- 
nahmen, 4, 28,2. 5, 4,9. Vgl. o. 5. 456. Grote XI, 680f. bemerkt, die 
Peloponnesier hätten ja doch nicht zu Philipp stofsen können: aber sie 
konnten sich z. B. gegen Korinth wenden. 

DB Buch VW, 1.°V8gl. 10:8. 515,8. 

3) Dem. vKr. 63f. 8. 246, 2. 11 ἐν τῇ Θετταλῶν καὶ -Ἰολύπων 
τάξει συγκαταχτᾶσϑαι Φιλίππῳ τὴν τῶν Ἑλλήνων ἀρχὴν κτλ. — τῆς 
συναιτίας τῶν συμβεβηκότων τοῖς “Ελλησι κακῶν καὶ αἰσχρῶν (μερίδος), 
ἧς ἂν Θετταλοὺς καὶ τοὺς μετὰ τούτων εἴποι τις. Andere Bundesge- 
nossen Philipps nennt Philochoros a. Ὁ. (o. S. 520,4). 

4) 5. 0. 8.454fl. Vgl. auch Ael. v. G. 6, 1. 

5) Dem. a. ©. 153 S. 278, 6. 188 S. 291, 12 (ὥσπερ νέφος). Vel. 
106 S. 293, 8. 230 S. 904, 7. 


920 Viertes Buch. Achtes Capilel. 


Rausch der Begeisterung folgte noch einmal wieder Besorgnils und 
Kleinmuth. Schlimme Vorzeichen wurden in grofser Zahl wahrge- 
nommen, die Pythia verkündete schweres Unheil und alte sibyllini- 
sche Sprüche hefen um, welche unselige Schlachten und blutige 
Leichenfelder, den Raben und Geiern zur Beute, anzeigten: 
‘Thränen vergiefst der besiegte, den Sieger schläget Verderben.’ ! 

Diese bange Stimmung benutzte Philipp um noch einmal den Weg 
der Unterhandlungen zu betreten: er sandte einen Herold nach 
Theben und wohl auch nach Athen für eine Friedensgesandtschaft 
freies Geleit zu begehren. Die Boeotarchen waren nicht abgeneigt auf 
Philipps Anträge einzugehen, und den Athenern rieth Phokion, der 
inzwischen nach Ablauf seiner Amtszeit heimgekehrt war, dringend 
zum Frieden. Ein Redner rief ihm zu: “du wagst es, Phokion, 
“die Athener die schon unter den Waffen stehen abwendig zu ma- 
“chen?’ Er aber sprach: “ja das thue ich, obwohl ich weifs dafs 
“im Kriege ich über dich befehle, im Frieden du über mich”. Aber 
seine Abmahnung schlug nicht durch. Wer Philipp kannte und seine 
Staatskunst seit zwanzig Jahren mit Einsicht erwog, der konnte 
wissen dafs es ihm jetzt weniger als je um Frieden zu thun sei. 
Nicht darum war er bis Elateia vorgegangen um jetzt unverrichte- 
ter Dinge abzuziehen und seine Gegner triumphieren zu lassen. Sein 
Zweck war kein anderer als Zeit zu gewinnen und in den wider ihn 
errichteten Bund eine Spaltung zu bringen. In dieser Erkenntnils 
beschlofs die athenische Bürgerschaft auf Anrathen des Demosthe- 
nes die jetzt gebotene günstige Gelegenheit nicht aus der Hand zu 
geben, sondern die Waffen entscheiden zu lassen. Aeschines gibt 
an, Demosthenes habe gedroht und bei der Athena geschworen, er 
werde den ersten der auf Frieden mit Philipp antrage bei den Haa- 
ren in den Kerker schleppen. Als hierauf von Theben eine Bot- 


1) Plut. Dem. 19 (vgl. 21) — κλαίει 6 νικηϑείς, ὃ δὲ νικήσας ἀπό- 
λωλεν. Auch Aesch. 3, 1801, 8. 72 spricht von den deutlichen Warnun- 
gen der Götter und fügt hinzu (vgl. 152 8. 75) οὐ τὸ τελευταῖον ἀϑύτων 
καὶ ἀκαλλιερήτων τῶν ἵερῶν ὄντων ἐξέπεμψε (A.) τοὺς στρατιώτας ἐπὶ 
τὸν πρόδηλον κίνδυνον. Ein zu Theben wahrgenommenes Wunderzei- 
chen ist angemerkt Schol. zu Apoll. Arg. 4, 1284 ὅτ᾽ ἂν αὐτόματα 
ξόανα δέῃ ἴδρώοντα αἵματι] -- ὥσπερ καὶ ἐν Θήβαις ὅτε συνίστατο ὃ περὶ 
Χαιρώνειαν πόλεμος Φιλίππῳ πρὸς Θηβαίους (von Bühnecke F. I, 494" 
nachgewiesen). 


Schlimme Vorzeichen. Friedensanträge Philipps. 927 


schaft eingieng das athenische Heer möge auf dem Marsche Halt 
machen, bis Philipps Friedensanträge erwogen seien, nannte er die 
Boeotarchen, wenn sie auf diesem Sinne beharrten, Verräther an 
den Hellenen und sprach sich dahin aus, er werde darauf antragen 
Gesandte nach Theben zu schicken um für das athenische Heer 
freien Durchmarsch durch Boeotien zu begehren. Demosthenes 
selbst gieng nach Theben und befestigte die Boeotarchen und die 
Volksgemeinde in ihrem ersten Entschlusse die Sache des Vater- 
landes nicht zu verlassen, sondern zur Schlacht zu rüsten'!. Er 
bekämpfte die Bangigkeit, welche durch Priester und Wahrsager er- 
weckt war: die Thebaner erinnerte er an Epaminondas, die Athe- 
ner an Perikles, welche in solchem Aberglauben nichts als Ausflüchte 
der Feigheit gesehen und sich dadurch in ihren Entschliefsungen 
nicht hatten irren lassen ?. 

Nachdem durch diese Verhandlungen der Kriegseifer der ver- 
bündeten Hellenen nen belebt und gekräftigt war, zog das atheni- 
sche Bürgerheer gemäfs einem von Demosthenes verfafsten Volks- 
beschlusse ὁ nach Theben aus und lagerte vor der Stadt: aber die 
Thebaner riefen sie herein und gaben ihnen in ihren eigenen Häu- 
sern Quartier. Durch tadellose Mannszucht rechtfertigten die Athe- 
ner das ihnen bewiesene Vertrauen. Dann zogen die vereinten 


1) Plut. Dem. 18 (nach Theopomp) οὕτω δὲ μέγα καὶ λαμπρὸν 
ἐφάνη τὸ τοῦ δήτορος ἔργον ὥστε τὸν μὲν Φίλιππον εὐϑὺς ἐπικηρυ- 
κεύεσϑαι δεόμενον εἰρήνης, ὀρϑὴν δὲ τὴν Ἑλλάδα γενέσϑαι καὶ συν- 
ἑξαναστῆναι πρὸς τὸ μέλλον, ὑπηρετεῖν δὲ μὴ μόνον τοὺς στρατηγοὺς 
τῷ “Ἰημοσϑένει ποιοῦντας τὸ προσταττόμενον ἀλλὰ καὶ τοὺς Βοιωτάρ- 
χας, διοικεῖσθαι δὲ τὰς ἐκκλησίας ἁπάσας οὐδὲν ἧττον ὑπ᾽ ἐκείνου 
τότε τὰς Θηβαίων ἢ τὰς Adnveiov. Über Phokions Opposition 5. Plut. 
Phok. 16; vgl. Aesch. 3, 146 5. 74 εἰ δέ τις αὐτῷ τῶν στρατηγῶν dv- 
τείποι — διαδικασίαν ἔφη γράψειν τῷ βήματι πρὸς τὸ στρατήγιον. Pho- 
kion war nach Plut. ἃ. O. (vgl. ο. 5. 497, 1) mit einem Geschwader 
in See, als die Feldherrn für das nach Boeotien ausrückende Heer er- 
wählt wurden, und traf erst wieder in Athen ein, als eben Philipp 
Friedensunterhandlungen anzuknüpfen suchte. Über die Verhandlungen 
mit Theben 5. Aesch. 3, 148—151 S. 74f. Von Gesandtschaftsreisen des 
Demosthenes ohne förmlichen Auftrag spricht Aesch. 3, 145 8. 74. 

2) Plut. Dem. 20. Über Perikles s. Plut. Per. 6. 35, über Epami- 
nondas (vor der Schlacht bei Leuktra) Diod. 15, 52 ὁ δ᾽ ᾿Επαμεινώνδας 
πρὸς τοὺς λέγοντας ““προσέχειν δεῖ τοῖς οἰωνοῖς" εἶπεν “εἷς οἰωνὸς 
ἄριστος ἀμύνεσϑαι περὶ πάτρης" “τι. a. St. 

3) Aesch. 3, 245 5. 88. 


r 


528 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Scharen an die Grenze und eröffneten den Kampf. Der Anfang 
war glückverheifsend: in zwei Treffen, an dem Flusse (Kephissos) 
und “dem winterlichen?, blieben die Hellenen im Vortheil, und ins- 
besondere zeichneten sich die Athener durch ihre Ordnung, ihre 
Rüstung, ihren Kampfesmuth aus '. In Folge dieser Gefechte ent- 
bot Philipp in wiederholten Sendschreiben die Peleponnesier drin- 
gend ihm bundesfreundliche Hilfe zu leisten, in Ausdrücken, welche 
seine Sorge und Verlegenheit unverkennbar bezeugten?. Sein 
Heer hielt er mit strengster Zucht zusammen. Zwei vornehme 
Kriegsobersten, Aöropos und Damasippos, welche aus einem öf- 
fentlichen Hause eine Citherspielerin gedungen und mit ins Lager 
gebracht hatten, entsetzte er sofort des Commandos und verbannte 
sie aus seinem Reiche ὃ. Zu Theben aber und zu Athen herrschte 
Freude: esgiengen Beglückwünschungen von andern Städten ein, und 
sie selbst dankten den Göttern mit Opfern und feierlichen Umzügen *. 
Da ward auch Demosthenes die verdiente Anerkennung nicht ver- 
sagt; zu zweien Malen, vermuthlich an den Dionysien (Elaph. Ol. 
110, 2. April 338) und an den grofsen Panathenaeen (Hekatomb. 
01. 110, 3. Aug. 338 °), ward ihm der goldene Ehrenkranz zuer- 


1) Dem. vKr. 215£. S. 299, 26f. Über die Treffen heifst es δίς re 
συμπαραταξάμενοι τὰς πρῶτας μάχας, τήν τ᾽ ἐπὶ τοῦ ποταμοῦ καὶ τὴν 
χειμερινήν. Schon GHSchaefer hat erinnert, dafs μάχη χειμερινή nicht 
von einem stürmischen Tage verstanden werden darf, wie zuerst Reiske 
wollte, sondern nur von einem winterlichen ; vgl. Lobeck z. Phrynich. 
S. 52. Das Treffen mag in den Februar fallen wo in der Ebene be- 
reits Frühling herrschte, während an den phokischen Bergen noch Win- 
tersturm und Schneefall vorkam. Über das rauhe Klima von Phokis 
(ψυχρότης τῆς χώρας) und den frühen Eintritt des Winters 5. Theophr. 
Pfilanzenk. 8, 1, 7. Vel. Westermann Berichte ἃ. k. sächs. Ges. d. 
Wiss. II, 167f. Anm. 

2) Dem. a. O. 218. 221f. 5. 301, 10. 302, 7 ἀλλὰ μὴν οἵας τότ᾽ 
ἠφίει φωνὰς ὁ Φίλιππος καὶ ἐν οἵαις ἣν ταραχαῖς ἐπὶ τούτοις, ἐκ τῶν 
ἐπιστολῶν τῶν ἐκείνου μαϑήσεσϑε ὧν εἰς Πελοπόννησον ἔπεμπεν. -- λέγε 
τὰς ἐπιστολὰς τὰς τοῦ Φιλίππου. EIIIETOAAI. εἰς ταῦτα κατέστησε 
Φίλιππον ἡ ἐμὴ πολιτεία, Αἰσχίνη" ταύτην τὴν φωνὴν ἐκεῖνος ἀφῆκε, 
πολλοὺς καὶ ϑρασεῖς τὰ πρὸ τούτων τῇ πόλει ἐπαιρόμενος λόγους. 

3) Polyaen. 4, 2, 3. 

4) Dem. a. Ὁ. 216f. S. 300, 101. 

5) Die Reduetion auf den julianischen Kalender gründet sich auf 
Böckh’s Tafel des oktaöterischen Cyelus (Mondeyelen 8. 27f.). Nach 
einer brieflichen Mittheilung Böckh’s wäre es jedoch möglich dafs die 


Glückliche Gefechte. Bekränzung des Demosthenes, 529 


theilt, einmal auf Antrag seines Vetters Demomeles, der damit eine 
alte Schuld sühnte, das andere Mal auf Antrag des Hypereides. 
Gegen den einen wie den andern Beschlufs wurde Einsprache vor 
Gericht erhoben, gegen Hypereides von Diondas, aber umsonst; 
nicht der fünfte Theil der Stimmen fiel auf die Seite des Anklägers. 
Aeschines hatte bei keinem dieser Processe sich betheiligt '; vor 
der Volksgemeinde versicherte er hoch und theuer, er habe mit 
Philipp nicht das mindeste zu schaffen ? 

Bisher hatte der Kampf an den Einen die aus Phokis nach 
Boeotien führen gespielt, und die Stellung welche die Thebaner ge- 
wählt hatten war so fest, dafs Philipp sie nicht daraus vertreiben 
konnte. Am Ende aber, nachdem er seine Verstärkungen an sich 
gezogen hatte? , erreichte er durch einen Scheinangrifl seinen Zweck. 
Er sandte nämlich einen Heerestheil auf andern Wegen, vermuth- 
lich nach Tegyra zu (oder hätte er ihn durch das östliche Lokris 
über Opus vorgehen lassen?) nach Boeotien hinein und hiefs dort 
sengen und brennen. Das bestimmte die boeotischen Feldherrn ihre 
Stellung aufzugeben und wenigstens mit der Hauptmacht sich nach 
der bedrohten Seite zu wenden. Dies war es worauf Philipp ge- 
wartet hatte: er rief jene Abtheilung zurück, warf sich sofort mit 
‘dem Kern seiner Truppen auf den Pass und brach durch auf die 
Ebene von Chaeroneia'. Damit gewann Philipp ein Schlachtfeld 
wie er es brauchte. 


Auslassung eines Schaltmonats, um die beträchtliche Überschreitung 
der Sonnenwende zu vermeiden, schon früher als Ol. 112, 2 vorgenom- 
men wäre. Dies scheint mir in Rücksicht auf die Begebenheiten von 
ΟἹ. 110, 2 und 110, 3 gerade für das erstgenannte Jahr wahrscheinlich. 
War Ol. 110, 2 Schaltjahr, so endete es erst mit dem 26 Juli und die 
Schlacht bei Chaeroneia (7 Metageitnion Ol. 110, 3) ward erst den 1 Sept. 
geliefert. War dagegen der Schaltmonat ausgelassen, so begann Ol. 
110, 3 den 27 Juni und die Schlacht bei Chaeroneia geschah den 2 Au- 
gust (d.h. an dem Tage der vom Abend des 2 Aug. an gerechnet wurde). 
Dann fielen die Dionysien Ol, 110, 2 in den März und die Panathenacen 
in den Juli 338. 

1) Dem. vKr. 2221. 8. 302, 13f. 1. ἃ. X R. 8. 8405, 8180. Über 
die Rede des Hypereides πρὸς Jınvdav 5. Sauppe OA. II, 291. Nach 
d.L. 4. Χ R. S. 818° hatte Diondas auch das Ehrendecret des Aristo- 
nikos (o. S. 464) Bun Fehlen, nn Demomeles vgl. o. Buch II, 1 zu Ennde. 

2) Dem. a. O. 283 S. 320, 

3) Diod. 16, 85 προσαναμείνας τοὺς ἀφυστεροῦντας τῶν συμμάχων. 

4) Polyaen. 4, 2, 11 ®. τὰς παρύδους τῆς Βοιωτίας Βοιωτῶν φυ- 

DEMOSTHENES II. 34 


930 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


Die Schlacht bei Chaeroneia ward im Sommer 338, den 7 Me- 
tageitnion O1. 110, 3 geliefert '. Philipp hatte ein Heer von 30,000 
Mann zu Fufs und eine tüchtige Reiterei beisammen ?. Den Kern 
seines Heeres bildeten die kampfgeübten und abgehärteten Scha- 
ren, welche jüngst den thrakischen Krieg durchgefochten und ih- 
rem Könige über den unwegsamen Haemos und in die Steppen der 
unteren Donau gefolgt waren. Schlachten und Strapazen hatten 
das Gefüge des Heeres fest gemacht und Soldaten und Führer zu 
unerschütterlichem Vertrauen mit einander verbunden. Überdies 
waren sie in Bewaflnung und Ausrüstung den Hellenen überlegen. 
Zu den Makedonen gesellten sich Thessaler, namentlich als Reiter 
berühmt, und andere Hilfsvölker von den nordgriechischen Gebir- 
gen®. Ein Wille lenkte diese Scharen mit vollgeübter Meister- 


λαττόντων — ἣν δὲ στενὸς ὄρους αὐχήν — οὐκ ἐπὶ τοῦτον ὥρμησεν, 
ἀλλὰ τήν τε χώραν πυρπολῶν καὶ τὰς πόλεις πορϑῶν φανερὸς ἦν. 
Βοιωτοὶ δέ, οὐχ ὑπομένοντες ὁρᾶν τὰς πόλεις πορϑουμένας, κατέβη- 
σαν ἀπὸ τοῦ ὄρους" Φίλιππος ὑποστρέψας διὰ τοῦ ὄρους διεξεπαίσατο. 
Es handelt sich um den Pass von Paropotamii den Strabon 9 5, 424 
nach Theopomp (fr. 264) beschreibt (vgl. o. S. 172, 1); von da bis 
Chaeroneia war etwa eine Meile. Dafs das verbündete Heer den Pass 
nicht völlig unbesetzt gelassen ergibt sich aus Polyaens Worten (διεξε- 
zcaloccro); dafs Philipp den Scheinangriff nicht persönlich leitete und 
nicht mit den dazu ausgesandten Truppen den Pass foreierte versteht 
sich von selbst. Ich bemerke, dafs beim Vorgehen über Abae nach 
Tegyra und weiter sich ein schwieriges Terrain bot. Ein Einfall über 
Opus nach Korsia Larymna Akraiphion bedrohte Theben und mufste 
eine wirksamere Diversion machen: aber dann brauchte es Zeit, bis 
Philipp diesen Heertheil wieder an sich ziehen konnte, Akraiphnia wird 
von Stephanos aus Theopomp eitiert, ohne Angabe des Buches; dafs 
Wichers es auf diesen Krieg bezieht (fr. 241, vel. zu fr. 238), ist eine 
durchaus unsichere Vermuthung. 

1) Das Datum gibt Plut. Cam. 19; es entspricht dem 1 Sept. oder 
2 Aug. jul. Kal.; vgl. ο. 5. 528,5. Das Jahr Ol. 110, 3 geben an 
Diod. 16, 84. Dionys. Isokr. 1 5. 537, 3. L. ἃ X R. S. 837e. Vgl. 
Clint. F. H. II Exec. 16. Über die Verzögerung der Operationen vgl. 
Thirlwall VI, 103», 

2) Diod. 16, 85, der in diesem und dem nächsten Capitel den aus- 
führlichsten, aber gleichwohl höchst ungenügenden Bericht von der 
Schlacht gibt. Just. 9, 3. Vgl. Dem. Phil. 3, 52 S. 124, 15 εἰς -- ἀγώνα 
ἄμεινον ἡμῶν ἐκεῖνος ἤσκηται. Die Stärke der Reiterei Philipps gibt 
Diodor nur auf οὐκ ἐλάττους τῶν δισχιλίων an, eine Zahl die ich mit 
Thirlwall VI, 104, 3 kaum für richtig halte. 

3) 5. ἃ. S. 524, 4. 525, 3. 


Schlacht bei Chaeroneia. 591 


schaft. Und Philipp hatte unter sich erfahrene Feldhauptleute — 
wir nennen nur den einen Antipater ' —, die den jüngeren als Mu- 
ster vorleuchteten: vor allen war der junge Alexander von Begierde 
entflammt mit dieser Schlacht seine Kriegerlaufbahn rühmlich zu 
beginnen. Auf der andern Seite standen die Thebaner Athener 
Korinthier Achacer ? und die ihnen verbündeten Hellenen, wohl in 
überlegener Zahl ? und voll Eifers für den Kampf, entschlossen den 
ererbten Ruhm zu behaupten und das Vaterland zu retten. Denn 
hier stritten überwiegend die Aufgebote der Bürgerschaften *, zu 
denen allerdings noch Söldner hinzutraten: es war die letzte Er- 
probung hellenischer Volkskraft. Das schwere Fufsvolk der The- 
baner genols seit den Kriegen des Epaminondas wohlverdienten 
Ruf?: unter ihm nahm die heilige Schar der dreihundert den Eh- 
renplatz ein, durch ihr “elübde verbunden entweder zu siegen 
oder mit einander zu sterben. Trefllich war auch die boeotische 
Reiterei. Die Athener wetteiferten mit ihren Bundesgenossen. De- 
mosthenes stand persönlich als Hoplit beim Fufsvolk: sein Schild 
trug die Inschrift: Glück auf®. Hypereides und Lykurgos wa- 
ren nicht beim Heere, dieser durch die Finanzverwaltung zurück- 
gehalten, jener in dem Jahre Rathmann und als solcher vom Heer- 
dienste ausgeschlossen ?. Auch Diogenes von Sinope hatte sich den 
Streitern beigesellt. Noch vor der Schlacht, wie es scheint, ward 
er von einer Streifpartei aufgefangen und als Kundschafter vor Phi- 
lipp geführt. Von dem Könige befragt, weshalb er in den Krieg 
gezogen sei, sagte er: “um deine Unersättlichkeit zu sehen ”®. Aber 

1) Just. 9, 4; s. ὁ. S. 516, 4. 

2) Strab. 9 S. 414 nennt diese allein: Φίλιππος — μάχῃ μεγάλῃ 
νικήσας ᾿Αϑηναίους te καὶ Βοιωτοὺς καὶ Κορινϑίους κατέστη τῆς ᾿Ελλά 
δὸς κύριος. Über die Achacer 5. Paus. 7, 6,5; über die Phokier ο. S. 523; 
über andere Bundestruppen Dem. vKr. 237 S. 306, 13. Lobschr. auf D. 38. 

3) Just. 9, 3. Diod. 16, 85 spricht das Gegentheil aus, sicherlich 
mit Unrecht. 

4) Aesch. 3, 147 S. 74. 

5) Plut. Dem. 17 Θηβαίους — δύναμιν ἐναγώνιον ἔχοντας καὶ ud 
λιστα τότε τῶν Ἑλλήνων εὐδοκιμοῦντας ἐν τοὶς ὅπλοις. Psendode- 
mosth. Leichenr. 22 S. 1396, 1 δύναμιν -- ἔχουσαν ϑυμὸν ἀήττητον 
καὶ ἀπροφάσιστον καὶ φιλοτιμίαν ἐφάμιλλον. 

6) ζ2γαϑῇ τύχῃ Plut. Dem. 20. L. ἃ. X R. 5. 8495, 

7) Lukian. Paras. 42. Vgl. Lykurg. wLeokr. 37 S. 152. 

8) Dionys. d. Stoiker b. Diog. v. L. 6, 43. Epiktet. Diatr. 3, 22, 

34* 


532 Viertes Buch. Achtes Capitel. 


wie edle Kräfte auch sich in dem hellenischen Heere vereinigten und 
wie begeistert es auch in den Kampf gieng, es mangelte den Bür- 
gerscharen die beständige Kriegsübung und Abhärtung, welche 
einem Heere festen Halt gibt, und, was das schlimmste war, die ein- 
heitliche Leitung eines Feldherrn der sich mit Philipp messen durfte. 
Die thebanische Phalanx führte Theagenes ', bei den Athenern befeh- 
listen Stratokles Lysikles Chares. Der letztere wird unsin der Schlacht 
kaum genannt: Lysikles that seine Schuldigkeit in keiner Weise: 
Stratokles und Theagenes waren aller Ehren werth, aber Philipp 
und seinen Feldhauptleuten war keiner nur von fern vergleichbar ? 
Von dem Gange der gewaltigen Schlacht ist es uns nicht möglich 
ein vollständiges Bild zu gewinnen. In wessen Händen Chaeroneia 
war wissen wir nicht: wahrscheinlich hatte Philipp die Stadt beim ° 
ersten Vorgehen aus Phokis genommen und konnte sie als Stütz- 
punet seines Heeres benutzen. Denn die Hellenen hatten südlich 
von der Stadt, wo der Bach Haemon die Strafse nach Lebadeia 


24; vgl. 1, 24, 6. Plut. üb. d. Verbann. 16 S. 606°. üb. ἃ. Schmeichler 
30 5. 70°. Philostr. L. d. Apoll. 7,2 5. 280. Vgl. Göttling ges. Abh, 
I, 265f. Böhnecke F. I, 540, 5 schliefst aus dem Fragmente bei Ru- 
til. L. II, 16 (Sauppe OA. II, 3354, 35) dals der Redner Deinarchos 
unter den Korinthiern mitgefochten habe. 

1) Deinarch. 1, 74 8. 99 ἡγεμὼν — τῆς φάλαγγος κατέστη Θεαγέ- 
νης, ἄνθρωπος ἀτυχὴς καὶ δωροδόκος ὥσπερ οὗτος, nämlich wie De- 
mosthenes, also dessen Gesinnungsgenosse; von Harpokration mit Theo- 
geiton (u. d. N.; vgl. o. S. 504) verwechselt. Vgl. Plut. Weibertugend 
24 8. 2591 Θεαγένης ὃ Θηβαῖος ᾿Επαμεινώνδᾳ καὶ Πελοπίδᾳ καὶ τοῖς 
ἀρίστοις ἀνδράσι τὴν αὐτὴν ὑπὲρ =“ πόλεως λαβὼν διάνοιαν κτλ. 

2) Stratokles nennt Polyaen. 4, 2, 2 als Feldherrn der Athener in 
der Schlacht und Aeschines 3, 143 S. 74 beklagt, dafs ihm die Hände 
gebunden gewesen: ὥστε παρὰ τὸν γενόμενον πόλεμον μὴ κύριον γε- 
νέσϑαι Στρατοχλέα τὸν ἡμέτερον στρατηγὸν βουλεύσασϑαι περὶ τῆς τῶν 
στρατιωτῶν σωτηρίας. Diodor 16, 85 sagt nur (ὃ δῆμος) στρατηγοὺς 
κατέστησε τοὺς περὶ Χάρητα καὶ Δυσικλέα. Über Chares vgl. Stoh. 
Anthol. 54, 47. [Plut.] üb. d. Adel 2 S. 921 Wytt. Lysikles ward auf 
Lykurgos Anklage des Verrathes schuldig befunden. L. d. X R. S. 843°. 
Diod. 16, 88. 5. Kiefsling fr. Lye. S.46ff. Meier de vit. Το. S. CXXX. 
Sauppe OA. II, 269. Über die στρατηγῶν φαυλότης klagt auch Dem. 
vKr. 303 8.326,28; vgl. 300 8.326, 1 οὐδέ γ᾽ ἡττήϑην ἐγὼ τοῖς λογισμοῖς 
Φιλίππου — οὐδὲ ταῖς παρασκευαῖς, ἀλλ᾽ οἵ τῶν συμμάχων στρατηγοὶ 
καὶ αἵ δυνάμεις τῇ τύχη. Der κακίᾳ στρατηγῶν καὶ στρατιωτῶν ἀτα- 
ξίᾳ wird auch i. ἃ. Lobschr. auf Dem. 38 die Niederlage Schuld gege- 
ben. Vgl. die pseudodemosth. Leichenrede 21f. S. 1395, 13. 


Schlacht bei Chaeroneia. 533 


schneidet, bei dem Herakleion ihr Lager '. Das makedonische zog 
sich nach dem Kephissos hinüber: Plutarch sah am Ufer des Flus- 
ses noch die alte Eiche an der Alexanders Zelt gestanden; nicht 
weit von da war der makedonische Grabhügel ἢ. Philipp war dureh- 
drungen von der entscheidenden Bedeutung der Schlacht ® und traf 
seine Anordnungen mit besonderer Umsicht den Umständen und 
dem Terrain gemäfs. Seine besten Truppen stellte er auf den -Flü- 
seln auf; auf dem rechten befehligte er selbst, den linken Flügel 
vertraute er Alexander an und gab ihm seine erfahrensten Kriegs- 
obersten zur Seite. Die Hellenen waren nach den Stämmen geord- 
net; den rechten Flügel bildeten die Thebaner, die Mitte und den 
linken Flügel hatten die Athener und ihre Bundesgenossen inne !. 
Mit Tagesanbruch begann die Schlacht. Muthig stürmten die Helle- 
nen heran, namentlich «die Athener, von beiden Seiten blieben viele 
Streiter. Philipp beharrte in ruhiger Abwehr; “die Athener verste- 
hen nicht zu siegen’, sagte er. Mit gutem Bedacht zog er das Ge- 
fecht in die Länge, denn er wufste dafs die Hellenen, in dem Feuer 
des Angriffs überlegen, auf die Dauer ermüden würden. Schritt 
vor Schritt wich er zurück, die Glieder der Phalanx fest geschlos- 
sen und wohl gedeckt. Die Athener drängten nach, Stratokles an 
ihrer Spitze; siegesfroh rief er aus: “dringt vor bis wir die Feinde 
nach Makedonien jagen? ®. Hier waren die Hellenen entschieden im 
Vortheil, da gab Alexander auf dem andern Flügel der Schlacht eine 
Wendung. Dort hatten die Thebaner ebenfalls das Treffen nach- 
(rücklich eröffnet, aber nach blutigem Kampfe durehbrach Alexan- 
(der ihre Reihen: Theagenes der Feliherr fiel, Haufen von erschla- 
genen wurden hingestreckt, dieht bei einander bis in den Tod treu 
verbunden lagen die Leichen der nie zuvor besiegten heiligen Schar. 
Jetzt ward die Schlachtordnung der Hellenen aufgerollt: auf allen 


1) Plut. Dem. 19. vgl. Paus. 9, 40, 10. S. über das Schlachtfeld 
Ulrichs Reisen I, 159f. Göttling ges. Abh. I, 147 ff. 

2) Plut. Alex. 9. 

3) Aesch. 3, 148 S. 74. Plut. Dem. 20. Lobschr. auf Dem. 38. 

4) Diod. 16, 86. Dafs Alexander den linken Flügel führte ergibt 
sich theils aus seinem Lagerplatze theils daher dafs Philipp beim Zu 
rückweichen auf höheres Terrain kam (Polyaen. 4, 2, 2 ὑπερδεξίων ro- 
πὼν λαβόμενος); dies bot sich nur auf dem rechten Flügel. 

5) Polyaen. 4, 2, 2. 7. Front. 2, 1, 9. Diod. a. O. 


534 Viertes Buch. Achtes Capitel. Schlacht bei Chaeroneia. 


Puncten drang das makedonische Heer vor '. Philipp wollte seinem 
Sohne den Siegespreis nicht allein vergönnen: auch er gieng mit 
ganzem Nachdrucke wieder zum Angriff über und drängte in heifsem 
Gefechte die Athener die Anhöhe hinab ?. Die Schlacht war auf al- 
len Seiten für die Hellenen verloren: in ungeordneter Flucht verliefs 
ihr Heer die Wahlstatt. - 1000 Bürger von Athen waren gefallen, 
2000 gefangen, nicht geringer war der Verlust der Thebaner und 
der andern Hellenen?. Auf dem Leichenhügel der gebliebenen The- 
baner und ihrer Bundesgenossen (die Athener wurden nach altem 
Brauch daheim bestattet) ward später ein Löwe aufgerichtet ohne 
Inschrift, ein stummes Denkmal ihres Muthes, das in Trümmern bis 
auf den heutigen Tag sich erhalten hat. Philipp stand als Sieger 
über die Hellenen da: es war kein Heer vorhanden das ihm eine 
zweite Feldschlacht hätte anbieten können. 


ἢ) Diod. a. O. Elan Alex. 9; vgl. über Alexanders Antheil aın 
Siege Dion Chrysost. 2, 2 8. 18, Arrian. 7,9, 4 und die Übertreibun- 
gen bei Curt. 8, 1, 23f. Über die heilig® Schar s. Plut. a. O. u. Pe- 
lop. 18; vgl. Athen. 13 S. 561f. Polyaen. 2, 5, 1. Über den Tod des 
Theagenes s. Plut. Alex. 12. Weibertugend 24 8. 2594, 2008. Polyaen. 
5, A hier wird ihm der kühne Ausruf zugeschrieben, den Polyaen. 1, 
2,2 2 von Stratokles berichtet hat. In der pseudodemosth. Leichenrede 
22 S. 1395, 25f. werden die Anführer der Thebaner hart getadelt. 


2) Diod. Polyaen. Front. a. O. (0. 5. 599, 9). Lykurg. wLeokr. 46—5 Ὁ 
S, 153 f. --- ἀποϑανόντες ἔνϑαπερ ἐτάχϑησαν ὑπὲρ τῆς ἐλευϑερίας ἀμυ- 
ψοντες. Just. 9, 3 Athenienses adsiduis bellis indurata virtute Macedonum 
vincuntur. Non tamen inmemores pristinae gloriae cecidere: quippe adversis 
vulneribus omnes loca quae luenda a dueibus acceperant morientes corporibus 
texerunt. Dasselbe Lob gebührte den Thebanern. 


3) Lykurg. fr. 75 (Ὁ. Diod. 16, 88). wLeokr. 142 S. 168. Dem. vKr. 
264 8. 314, 27. Demad. vx. τ. δωδ. 9.5. 179. Diod. 16, 86; vel. 32 
exc. 4 (S. 338 V.). Aelian. vG. 5, 10. Paus. 7,10, 5; über den emptind- 
lichen Verlust der Achaeer ders. 7, 6, ΕἾ 


4). Paus.,9, 20,10, "Wal: Strab, 9 S. 414 und das Epigramm des 
Geminos Anthol. ἫΝ 288. Ulrichs a. 0. S. 160 sagt über das colossale 
Kunstwerk, aus grauem boeotischem Marmor: ‘so viel man aus den 
‘Theilen ersieht hatte der Löwe sich auf die Hinterfüfse niedergelassen, 
‘während er sich auf die Vorderfülse stemmte und stolz und unver- 
‘wandt sein Haupt emporhielt. — Der Löwe mag vom Fuls bis zum 
‘Scheitel zwölf Fuls gemessen haben’. Näheres gibt Göttling a. O. 
S. 147—149. 


Ende des zweiten Bandes. 


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