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Full text of "Denkschriften"

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63 


DENKSCHRIFTEN 


DER 


KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE  CLASSE. 


FÜNFUNDZWANZIGSTER   BAND. 


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AVIEN,  LS7(). 

IX    CO  EMISSION    BEI    CARL    GEROLD'S    SOHN 

BUCHHÄXDLER  DER  KAIS.  AKADESriE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


AS 
IM-a 

AS" 


Dnu-k  \oii  Adolf  Uolzliaxisen  in  Wieu 
k.  k.  l'nivfi-«itiUs-»TK-lKU-iickfri;i. 


INHALT. 


Seite 

Miklosich:  Ueber    die  Mundarten   und  die  AVanderungen    der  Zigeuner  Europa's.   V.  1 
Werner:  Der  Entwickelungsgang    der   mittelalterlieben    Psychologie  von  Alcuin  bis 

Albertus  Magnus .  6Ü 

Mussaßa:   Die  catalanisclie  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister    .     .      .     .  151 

Pßzmaier:  Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea   im  Jahre  1597 235 

Höficr:   Zur  Kritik  und  Quellenkunde   der   ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.       .  291 


ÜBER  DIE 


MUNDARTEN  UND  DIE  WANDERUNGEN 

DER 

ZIGEUNER  EUROPAS.  Y. 


D^    FRANZ  MIKLOSICH, 

WIHKI..   MITGLIEDS    DHU  KAIS.  AKADKMIE  DEU  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DEll  SITZUNG  AM  21.  .lULI  1875. 


Märchen  und  Lieder  der  Zigeuner  der  Bukowina. 

2jAveiter  Theil. 
Glossar. 


Die  Abhandlung  enthält  alle  Wörter,  welche  in  den  in  IV.  veröffentlichten  und  in 
einigen  nocli  nicht  bekannt  gemachten  Märchen  vorkommen,  so  wie  eine  allerdings  nicht 
beträchtliche  Anzahl  von,  dem  Verfasser  sonst  mitgetheilten  Ausdrücken. 

Aufgenommen  wurden  nicht  blos  die  eigentlichen  zigeunerischen,  sondern  aucli  die 
aus  dem  Kleinrussischen,  vor  allem  aber  aus  dem  Rumunischen  entlehnten  Wörter.  Es 
2-eschah  diess  aus  dem  Grunde,  dass  diese  Lehnwörter  theils  durch  die  an  denselben 
hervortretenden  Lautgesetze,  theils  durch  eine  Modification  der  Bedeutung  von  wissen- 
schaftlichem Interesse  sind. 

Die  Nachweisung  der  eigentlich  zigeunerischen  Wörter  im  indoeuropäischen  Sprach- 
schatze ist  nur  selten  versucht  worden,  da  ich  diesselbc  in  der  längst  vorbereiteten  Probe 
eines  W^örterbuches  der  sämmtlichen  zigeunerischen  Mundarten  zu  geben  gedenke.  Dagegen 
ist  bei  den  entlehnten  Wörtern  der  LTrsprung  derselben  liberall  angemerkt,  wo  er  mit 
einiger  Sicherheit  festgestellt  werden  konnte. 

Besondere  Sorgfalt  wurde  der  Formenlehre  zugewendet,  indem  alle  in  den  angegebenen 
Quellen  vorkommenden  Nominal-  und   Verbalformen  aufgeführt  werden. 

Nicht  uninteressant  erschien  die  Behandlung  der  meist  aus  dem  Rumunischen  ent- 
lehnten Verba.  Diese  haben  nämlich  im  Zigeunerischen  je  zwei  Formen,  von  denen 
sich  die  eine  an  die  Form  der  fremden  Sprache  anschliesst,  wälirend  die  andere  mit 
einem  dem  Zigeunerischen  eigenthümlichen  Suffixe  verseilen  wird:  so  findet  man  das 
rumunische  Upi  agglutinare  im  Zigeunerischen  in  der  Doppelform  lipf  und  lipisdr.  daiier 
lipiü    und    Jipisaräv   agglutino,    wobei    bemerkt    zu    werden    verdient,    dass    das    auf  dem 

Denkscliriftcn  lier  phil.-hist.  Cl.  XXV    Bd.  1 


2  Fkanz   Miklosich. 

partic.  pract.  pass.  beruhende  praeteritum  nur  von  der  letzteren  Form  gebildet  werden 
kann,  daher  nur  UiHsardom  agglutinavi. 

Sehwierig  ist  die  Erklärung  des  praeteritum  passivum,  wie  llplsdjTom  agglutinatus 
suni,  das  ieh  nun  uul"  i'ine  unnachweisbare  Form  lipisdrdiTom  glaube  zurückführen  zu 
sollen,  wornacJi  j  an  die  Stelle  von  rd  getreten  wäre.  Dariuicli  würde  lipisdjTom  aus 
folgenden  Elementen  bestehen:  1.  Thema  Upi;  2.  das  s  des  g]-iecldschen  Aorists,  wie 
diess  in  der  Abhandlung:  ,Albanisc]ie  Forschungen  III.'  für  das  Albanische,  Bulgarische 
und  Serbische  nachgewiesen  worden  ist:  Vergleichende  (irammatik  IL  Seite  47 H — 480; 
3.  das  zigeunerische  Verbalsuffix  ar;  4.  das  Suffix  des  partic.  praet.  jaass.  c/o,  aind.  ta; 
5.  isoni  (sum),  dessen  Aidaut  in  dem  erweichten  d  steckt  und  dessen  s  ausgefallen  ist: 
0  ist  ein  Blndevocal  und  m  das  Personalsuffix  der  I.  Singularis.  Dieses  praeteritum 
passivum  ist  der  Sprache  der  griechisclien  Zigeuner  nicht  fremd:  es  ist  jedocli,  wie  es 
scheint,  von  Paspati  nicht  behandelt  worden,  cholasäjlo  tar  o  dzut  le  juif  s'enragea  319. 
von  einem  bei  Paspati  fehlenden  Verbum  *cholasardva  in  Wuth,  in  Zorn  bringen,  griech, 
^oXtdCco  ärgern,  hirniasdjle  tar  o  kagnid  les  poules  se  sont  perchees  o(J0.  von  '■'hirniasardva, 
griech.  ■x.o'jpvidC»  aufsitzen,  von  Vögeln.  7idna  lipisdjTan  mdjigef  ne  m'as-tu  pas  regrette? 
eig.  Hast  du  dich  nicht  meinetwegen  betrübt?  337.  von  Upisardva  betrüben,  griech.  Ä'jtw, 
i)Jj-K-(prj..  pagltosdjlom  se  geler  399.  641,  richtig:  je  suis  gele.  katdr  k'  o  but  Sil  jjagho- 
sdjle  tar  o  paiid  par  le  grand  froid  les  eaux  sont  gelees  399.  von  '^'pagliosardva^  griech. 
irayo^vco.  zllepsdjll  tar  i  cori  raklorid  eile  envia  la  pauvre  petite  fille  455.  von  '^züepsarava, 
griech.  !!,'f).^öm,  k^iiXz'JO'J.,  i!li^Kz.<^rj,.  Man  vergleiche  molisardra  366.  te  molisares  e  rajes 
que  tu  pries  le  magnat  54.  mollsardom  367. 

Eine  Darstellung  der  Declination  im  Zigeunerischen  kann  nicht  Gegenstand  dieser 
kurzen  Einleitung  sein:  was  hier  mitgetheilt  wird,  ist  jedoch  hinreichend  um  die  Bezeichnung- 
bestimmter  Casus  als  Accusativ,  Genetiv  imd  Dativ  in  der  Sprache  der  Zigeuner  der 
Bukowina  klar  zu  machen.  Das  Zigeunerische  hat  eigentlich  drei  Casus:  Nominativ, 
Vocativ  und  Accusativ:  die  übrigen  Casus  werden  durch  Partikeln  bezeichnet,  welche 
dem  Accusativ  vorangehen  oder  nachfolgen.  Man  vergleiche  aus  der  Sprache  der 
griechischen  Zigeuner  masc.  Sing.  nom.  raklö  Knabe,  acc.  rakles,  voc.  rakleja;  Plur. 
nom.  rakU,  acc.  raklen,  voc.  rakldle;  fem.  Sing.  nom.  rakli  puella,  acc.  rakld,  voc.  raklte; 
Plur.  nom.  rakld,  acc.  raklen,  voc.  rakldle.  Indem  man  an  den  Accusativ  die  Partikeln 
te,  ke,  sa,  tar  anfügt,  erliält  maii  Foi'men,  welche  jene  Beziehungen  bezeichnen,  die  in 
anderen  Sprachen  durch  den  Dativ  (te,  ke),  den  Instrumental  fsaj  und  den  Ablativ  (tarj 
ausgedrückt  werden:  masc.  Sing.  dat.  1.  rakleste,  2.  rakleske.  Instr.  raklesa  aus  raklessa. 
Abi.  raklestar;  Plur.  dat.  1.  raklende,  2.  raklenge  aus  raklente.  raklenke,  instr.  raklendza 
aus  raklensa,  abl.  raklendar  aus  raklentar.  Fem.  Sing.  dat.  1.  rakldte^  2.  rakldke,  instr. 
rakldsa^  abl.  rakJdtar;  Plur.  dat.  1.  rakTende^  2.  raklenge^  instr.  raklendza^  abl.  raklendar. 
Der  Unterschied  zwischen  dat.  1.  und  dat.  2.  scheint  darin  zu  bestehen,  dass  der  erstere 
meist  einem  Casus  mit  einer  Praeposition  gegenübersteht,  während  der  letztere  dem 
einfachen  dat.  entspricht:  me  sen'ste  in  meo  capite  und  pcndds  pe  manusenge  dixit  suis 
hominibus.  Die  dativischen  Postpositionen  te,  ke  können  aucli  Praepositionen  werden, 
die  das  Verhältniss  klarer  und  energischer  ausdrücken:  pe  romiste  suo  marito  wnä.  gel6  tar 
fo  marihe  abiit  in  pugnam.  rakleske  puero  und  alö  k'  o  dakär  venit  ad  regem.  Dagegen 
sind  sa  und  tar  stets  Postpositionen.  Ein  eigenes  Bewandtniss  hat  es  mit  dem  Genetiv, 
dessen  Suffix  koro  ist,  das  wie  te^  ke,  sa,  tar  an  den  Accusativ  antritt:  masc.  Sing,  rakleskoro 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa'S.  v.  3 

pueri.  Plui-.  rakUngoro  puerorum:  fem.  Sing.  rakTdkoro  puellae,  Plur.  rakFengoro  puellarum. 
Diese  Formen  sind  Adjective  und  stimmen  daher  mit  ihrem  Substantiv  im  Genus,  Numerus 
und  Casus  überein:  dakareskoi^o  cavö  regis  (eigentlich  regius)  filius.  hrisindeskoro  vidsek 
pluviae  (eigentlich  pluviosus)  mensis.  halameskeri  romni  graeci  uxor.  Mahnudieskere 
musid  Mahmudi  brachia:  auslautendes  /,  e  bewirkt  die  Verwandlung  des  o  der  ersten 
Silbe  in  e,  dalier  keri,  kere.  So  in  der  Sprache  der  gi'iechischen  Zigeuner,  von  der  bei 
den  Untersuchungen  über  jede  einzelne  zigeunerische  Mundart  ausgegangen  werden 
muss.  Dass  das  Genetiv-Suftix  koro  das  aind.  kara,  kara  bewirkend  sei,  ist  nicht  wahr- 
scheinlich, was  schon  aus  dem  Umstände  hervorgeht,  dass  in  anderen  Mundarten  das 
Suffix  auch  ko  lautet,  ohne  dass  man  einen  Abfall  von  ro  nachzuweisen  vermöchte.  Mir 
scheint,  das  ursprüngliche  Genetiv-Suffix  sei  ko,  an  welches  ein  weiteres  Suffix  ro  antrat. 
Für  diese  Ansicht  jedoch  aind.  muska  testiculus  und  muskara  testiculatus  anfüliren,  ist 
allerdings  imrichtig.  Der  Zigeuner  der  Bukowina  sagt  Usko  dad,  der  gi'iechische  leskoro 
dad  eins  (masc.)  pater.  koj  pesko  dad  ad  suum  patrem.  o  pdto  le  rdsko  lectus  domini, 
wörtlich  Y^  xXiVTj  Torj  xopio'j.  and  nj  zorl  le  desssko  bei  Anbruch  des  Tages.  dikTds  la  o 
raklö  le  dmparatosko  vidit  eam  filius  imperatoris.  ol  strdje  le  rdska  die  Kleider  des  Herrn. 
vi  phakd  la  rakldkö  alae  puellae.  asunna  ul  raklt  le  umparatonmgd  andient  filii  imperatorum. 
0  pral  le  zmöimingo  der  Bruder  der  Drachen.  Doch  findet  man  auch  koro:  na  dikTöm 
ekhd  rakle  smparatösktüre  non  vidi  (unam)  filiam  imperatoris.  sej  hhari  romendiri,  tufa 
katunengeri  virgo  cingarorum  (e  gente  cingarica  ein  ehrendes  Beiwort),  flos  tentoriorum. 
An  die  Stelle  von  ko  tritt  häufig  Aö,  ka,  wie  schon  oben  in  smparatomngs  statt  mipara- 
toninqo,  und  in  rdska  statt  rdsko.  Der  Gen.  nimmt  die  Bedeutung  des  Dat.  an :  pendds 
e  rdskü  dixit  domino.  pendds  peskö  rakleskö  dixit  suo  filio.  kado  j  lasn  rszmcako  das 
(dieser  Stein)  ist  gut  zu  einem  MiUilstein. 

Selten  ersetzt  der  Gen.  den  Acc:  mardds  le  zimuosks  and  o  cikdt  er  schlug  den  Drachen 
auf  die  Stirne,  neben  mudardds  le  zmöos  er  tödtete  den  Drachen. 

Wie  der  Gen.  an  die  Stelle  des  Dat.,  so  kann  auch  der  Dat.  an  die  Stelle  des 
Gen.  treten:  avucfja  le  zmöuoste  der  Reiclithum  des  Drachen,  tdla  j  tdlpa  le  khsreste 
unter  dem  Grundbalken  des  Hauses,  stinka  hartste  Steinfels,  ek  rakli  miparatöste  eine 
Kaisertochter.  Es  kann  ferner  der  Acc.  den  Dat.  bezeichnen,  jedoch,  wie  ich  bemerkt 
zu  haben  glaube,  nur  dann,  wenn  auf  dem  Worte  kein  Nachdruck  ruht:  de  pai  morß 
grastes  da  aquam  meo  equo.  das  la  rakle  lovi  dedit  puellae  pecuniam.  le  nmparatös 
sas  ek  rakli  imperatori  erat  filia.  das  le  rakles  peskz  papua  dedit  filio  suos  calceos. 
Ebenso:  la  sas  la  ek  raklo  erat  ei  (fem.)  filius.  Der  Grund  der  Vermengung  des  Gen. 
und  Dat.  ist  im  ßumunischen  zu  suchen,  wo  man  krajul  aü  dat  ledzi  noroduluj  rex 
dedit  legis  populo  neben  lumina  soareluj  lux  solis  findet.  Diez  2.  48.  Doch  reicht  das 
Rumunische  zur  Erklärung  aller  Vermengungen  nicht  aus,  man  muss  auf  das  Neugrie- 
chische zurückgehen. 

Bemerkenswerth  sind  einige  abweichende  Casus,  so  der  als  Instrumental  angewandte 
auf  e;  te  dade  cum  tuo  patre.  as  deuU  mane  cum  deo.  na  pclurd  ma  le  ddd>U  le  kozne 
ne  duc  me  sudario  (ligatum).  te  pjraU  cum  tuo  fratre.  the  laalds  la  la  rovle  percute 
eam  virga,  vo  maladds  le  vaste  percussit  manu,  doü  le  tovere  percussit  securi.  aviTds 
o  ztnßu  la  wjorfe  venit  draco  cum  pelle:  Vergl.  thodds pie  avre paisa  lavit  se  alia  aqua.  Dieser 
•Casus  auf  ^  scheint  ursprünglich  ein  Sing.  loc.  gewesen  zu  sein:  vgl.  vende  im  Winter. 
dise  während   des  Tages,     andre  innen,      opre  oben,     tele   unten  u.   s.   w.  Paspati   57.   djesf> 


4  FkaNZ     MlKLOSICH. 

interdiu.  Der  Sing.  Instr.  kann  ;uich  auf  d  und  6  auslauten:  malaciäs  la  palmd  percussit 
palina.  i))aladds  le  hiaduganö  poi'cussit  clava.  nialndöiu  les  le  biizd?'f/anu  percussi  cum 
clava  neben  sdden  le  buzduganösa  iauient  clavam,  ein  Beispiel,  in  deni  der  Instr.  dem 
Acc.  gegenübersteht.      Vergl.  Grammatik  IV.  Seite  695 — 700. 

Auch   hier   l'iihlr    ich   niirli    verpflichtet  dankbar    des   inio'niiUUiclien   Förderers   dieser 
Studien,  des  Herrn    Professors  Leon  Kirilowi(;z   in   (Jzernowltz,   zu   gedenken. 


A. 

a  eoni.   und.   —  klruss.   a.   Vgl.   aj. 

abe/i  subst.   m.  Hochzeit,    sei'b.   bijav.    griecli.   bidv.    liind.   bjäh  aus  aind.   vivaha. 

abgin,  ahdin,  subst.  f.  Honig,  sg.  instr.  abgindsa  mit  Honig,  slavon.  abdzin.  griech. 
avgin  m.  kui'd,  iiingiv  Lej'ch.   enyivin  Garz. 

abje:  de  abje  kaum.  —  rum.  abie. 

dburu  subst.  m.   Hauch,   Athem.   —  rum.   aboi-e  Dampf,  Dunst. 

ac5c  vb.   anzünden,    acftcd  e  jag  er  zündet  das  Feuer  an.  —  i-um.   acic. 

adam  subst.  ni.  Adam,  daü  l  Adamöske  er  gab  sie  (eam)  Adam. 

ddekö  adv.   nämlich.   —   rum.   adeki. 

ades  adv.  heute,  jetzt,  griech.  aodives. 

adeveri  vb.  bezeugen,  bestätigen,  praes.  sg.  1.  adeveriü.  —  rum.  adeveri.  Vgl.  adeverisar. 

adeveinsar  vb.  bezeugen,  bestätigen,  praet.  sg.   1.  adeverisardöm.  Vgl.  adeveri. 

adics,  adics,  adica  adi.  öste  adicö  ein  so  grosses  Heer,  adicd,  adica  lovi  so  viel  Geld. 
adecsrß  pl.  —  rum.  at'Bta,  at'Bca. 

adjamdnto  subst.  m.  Diamant,  sg.  gen.   djamantosko.  instr.  djamantösa. 

adßnko,   adßnku  adi.   tief,  de  adßnku  in  der  Tiefe.   —   rum.   adünk. 

afli  vb.   finden,  praes.   sg.   3   afil  pe  für  aßü  pe  es  findet  sich.   —  rum.  afiu. 

afurisimi  adi.  excommunicirt:  kodo  förn  sas  afurisimi  jene  Stadt  war  excommunicirt. 
—   rum.   afui'isi. 

agalü  subst.  Flasche.   —   ngriecli.   üaXt,  sonst  valfn  u.  s.  w. 

agonisi  vb.   verdienen,  praes.   sg.    1.   agonism.   3.   agonisd.  pe.   —   i'um.   agonisi. 

aj  coni.   aber,   sondern,   und.  Vgl.   a. 

aj  interi.   ach. 

aka  adv.  jetzt.   Vgl.  akand. 

akand  adv.  jetzt,  akands  sogleich.  S'akand  bis  jetzt.  Vgl.  aka. 

akhar  vb.  rufen,  praes.  sg.  3.  akhurü,  akhdrla.  impt.  sg.  2.  akhdr,  akdr.  pl.  2.  akharßn, 
akarm.  akarsl  le  für  akartn  le.  partic.  akhardö,  akardo.  praes.  sg.  3.  akhardöü,  akardöü. 
akhardds,  akardds.  pl.  3.  akharde.  Vgl.  griech.  akardva,  akerdva,  acardva  seufzen,  böhm. 
kcharav. 

akurdt  adv.  genau. 

akus  vb.  schauen,  and  o  im/j  akuM  les  ich  werde  ihm  in's  Antlitz  scbauen,  richtiger, 
wie  es  scheint,   ich.  werde  ihn  in's  Gesicht  schimpfen.   Vgl.  kus. 

dkd  adv.  sieh  ecce.  dkr,-td  lo,  aks-ta  lo.  fa  ist,  wie  es  scheint,  eine  den  impt.  ver- 
stärkende Partikel.  —  rum.  ak-B,  jak-B,  jakibte.  Vgl.  ta. 


Über  die  Mundarten  und  diu  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  v.  5 

aldü  subst.  m.  Wort,  peskn  dadesko  aläü  sui  patris  verbum.  aläü  morä  ddko  verbiim 
meae  matris.  slavon.  alau,  alava.   alavalo  bex-edt,  i-jecit.    serb.  altv.  engl.  lav.  griecli.   lav. 

die  adv.   «/e,  die  täkr,  nimm,  da  liast  du,   slav.  na.  dien  tumengn  nehmet.    Vgl.   lav. 

alimdnu  subst.  m.  Personenname. 

alosar  vb.  aussuchen,  impt.  sg.  2.  alosdr.  praet.  sg.  3.  alosardds.  —  rum.  ales  aus- 
erwählt, aleg  auswählen. 

amdl  subst.  m.  Gespiele,  pl.  amdl.  griech.  amdl,  mal.  —   Vgl.  osset.  ämbal  camerad. 

amaro,  amaröü,  amarü  pron.  unser,  amard  stdpmd  unsere  Herrin,  gi-iech.  amarö. 

amdro  adi.  bitter.  —  rum.  amar. 

amhldl  subst.  m.  Feuerbrand,  klruss.  lioiovAa.  griech.  ontbidl. 

ambriU  subst.  Birne,  griech.  ambröl.  türk.  emrud,  volksthUmlich  armud.  kurd.  meröe. 
zaz.  Lerch  211. 

ambruUn  subst.  f.  Birnbaum.  Vgl.   ambrül. 

anie  pron.  wir.  nom.  ante  sam  wird  sind.  'me.  acc.  amen,  'men.  amin,  ami.  dat.  aniinde, 
ammde  ad  nos,  apud  nos.  na  j  arnmde  non  est  apud  nos.  ameng?..  instr.  aminca  mit  uns. 
griech.   amen. 

an  ob.  holen,  bringen,  praes.  sg.  1.  anaü,  anö.  2.  am's,  ane.  3.  anel,  anela  und  drda. 
pl.  1.  andsa.  impt.  sg.  2.  an.  pl.  2.  anen.  impf.  sg.  3.  anlas,  praet.  .sg.  1.  andöm:  me  an- 
döm  mdnga  a  minte  ich  erinnerte  mich.  rum.  mi  am  adus  a  mintea.  2.  anddn.  3.  andoü, 
andds.  pl.  3.  ande.,  andL  griech.  andva.  kurd.  ana  ich  bringe,  zaz.  ani  brachte;  Lerch  82.  191. 

an  s.   andre. 

andü  subst.  m.  Name,  and  o  andü  le  deuUsko  in  Gottes  Namen,  griech.  nav.  asiat.  nam. 

and,  dnda,  andrd,  dndz  s.  a7idrdl. 

andrdl  adv.  innen,  inwendig,  eig.  von  innen,  aus.  Für  ändra  la,  dndra  Idte  aus  ihr.  dndra 
leste  aus  ihm  wird  richtiger  dndral  la,  dndral  Idte,  dndral  leste  zu  schreiben  sein.  Mit 
andrdl  wird  auch  andrd,  dnda,  and  zusammenhangen:  andrd  tuti  aus  dir.  dnda  o  vos  aus 
dem  Walde,  and  o  vast  aus  der  Hand,  dnda  Idks  vast  aus  ihrer  Hand,  griech.  andrdl. 

andre,  andrd,  dndrs  adv.  hinein,  praep.  in.  andd,  dnda,  dndö  praep.  in,  auf,  für,  ent- 
gegen, durch,  dnda  trin  des  in  drei  Tagen,  anda  kode  dafüi-.  andd  leste  ihm  entgegen,  an 
u  pdtu  in  dem  Bette,   'w  o  V5s  in  den  Wald,  griech.  andre',  ande,  ane. 

angdle.,  angdli  subst.  Arme,  e  angdle.  las  and  e  angdll  er  umarmte.  angaFdsa  mit  beiden 
Armen,   griech.  angdli  rj.-^xrjXi]. 

angdr  subst.   m.   Kohle. 

angldl  adv.  vorne,  früher,  praep.  vor,  entgegen,  de  angldl  von  früher,  maj  rf'  angldl 
früher.  Aus  angldl  scheint  angld.,  dngla  entstanden  zu  sein:  angld  leste  ihm  entgegen.  mkUstöü 
angld  leste  er  ging  ihm  entgegen,  angld  turninde  vor  euch,  dngla  rna,  dngla,  angld  mdndi 
vor  mir.   dngla  lende  vor  sie.   griech.   angldl. 

angli  adv.  vorne,  maj  angli  vorwärts,  weiter  vorne,  gölds  angli  er  ging  voraus,  griech.  angle. 

anglnnu  adi.  erster,  griech.  anglnnö. 

angrusti,  sngrusti  subst.  f.  Ring,  griecli.  angrusti,  angustri. 

anru  subst.  m.  Ei.  sg.  instr.  anrßsa:  kadale  awBsa  mit  diesem  Ei.  griech.  vandö.  slavon. 
anro.  andre,   antru  bei  Dorph.    asiat.   ani. 

antue  s.   atunc. 

apöj  adv.  dann.  conj.  so,  im  Naclisatz  der  hypothetischen  Periode.  —  rum.  apoj. 

aprir  subst.  m.   April.   —   rum.   aprilie. 


ß  FkANZ     MlKLOSlCH. 

apsfhi   subst.  m.  Abschied. 

arak  vb.  finden,  praes.  sg.  1.  arakho,  arakö.  arakdü.  2.  arakr.  3.  arakil,  araküa. 
iil.  1.  arakdsa.  3.  arakin.  praet.  sg.  1.  araklom.  2.  arakTdn.  3.  arakTöü,  arakJ'ds,  arakUs. 
pl.   1.  avakTdm.  2.  arakTdn.  3.  arakle.  plqpft.  sg.  1.  arakTomas  invenissem.  griech.  arakdva. 

arakadov  aus  arakavdov  vb.  gefunden  werden,  praes.  pl.  1.  arakddnvas  aus  arakav- 
dovas.  griecii.  ardkTovava  von  arakdva:  das  pass.  von  arakavdva  würde  arakdvdovava  lauten. 

aravav  vb.  niedcrrcissen.  praes.  sg.  3.  ardlla  (aräla)  wolil  aus  aravella  (araveJa):  ardlla 
i  katuni  er  reisst  das  Zelt  nieder.  V^gl.  impf.  sg.  3.  aravSlas  beugte  sich.  Fehlt  griech. 
Das  Wort  ist  mir  dunkel. 

a7'c(c  subst.  m.  Blei,  griech.  arkici,  arcici,  artici  Zinn,   bessarab.  arUc  u.  s.  w. 

aH  vb.  ackern,  praes.  sg.  1.  ariü.  2.  arts.  3.  arüa.  impf.  pl.  3.  arinas.  rum.  ar.  Vgl.  arisar. 

drie  subst.  f.  Tenne.   —  rum.  arie. 

arisar  vb.  ackern,  praet.  sg.  3.  arisardds.  slavon.  orisarel  er  ackert  aus  dem  slov.  orati. 
Vgl.  ari. 

arisardoi^  vb.  geackert  werden,  praet.  sg.  3.  arisdjToü  aus  arisdrdiloü. 

ariste  subst.  Arrest. 

armaje:  das  les  armaje  er  verfluchte  ihn.  griech.  armdn  ddva,  armanid  ddva:  arinaje 
entspricht   dem   griech.  armanid.  Vgl.  slavon.  me  da  ma  romaja  ich  beschwöre. 

armdnu,  harrndnu.  ormdnu  subst.  m.  Armenier,  sg.  acc.  armanös. 

armdsu  subst.  m.  Personenname. 

arö  subst.  m.  Mehl,  slavon.  aro,  aro.  ardlo  mehlig,  griech.  varö.  serb.  varo.  —  kurd. 
ar.  zaz.  Lerch  192. 

ards  vb.  erreichen,  einholen,  ankommen,  gelangen,  genügen,  praes.  sg.  1.  rssdü.  rsso. 
2.  ardse.  3.  r^sü.  pl.  1.  arzsds,  rssdsa,  arssdsa.  2.  arssm.  impf.  sg.  3.  rnsüas.  praet.  sg.  3. 
arssTöü,  rssTöü,  rosTöü,  resJoü,  arssTus,  rssTds.  pl.  1.  rzsTdin.  3.  n^sle,  arssli,  rnsli.  griech.  resdva. 
ptc.  restö. 

ardti'ira  subst.  f.  Ackerfeld.  —  rum.  arBturt  Ackern. 

asa  vb.  lachen,  praes.  sg.  3.  asdl,  asdla.  pl.  3.  asd7i.  impt.  pl.  2.  asdn.  impft,  sg.  3. 
asdlas.  pl.  3.  asänas.  praet.  sg.  3.  asajöü  aus  asanöü.  pl.  3.  asaji.  griech.  asdva.  partic.  asanö. 

asdn  subst.  f.  Schleifstein.  —  arm.  jesan.  aind.  ^äna,  ^äna,  ^äni.  Zig.  ä  für  aind.  ^  be- 
weist die  Entlehnung  aus  dem  arm. 

asdü  subst.  m.  Mühle,  o  bar  le  asavesko  Mühlstein,  pl.  jeft'  asavd.  griech.  vasiav. 
slavon.  asav.  kurd.  as  Lerch  82.  äs  ßhea.  hind.  äsijä. 

asfd  subst.  pl.   Thränen.  instr.   asvßnca.    griech.  dsfa,  dsva,  dspa  pl. 

askucumt  adi.  zugespitzt.  —  rum.  jiskuc. 

askucssarav  vb.  schärfen,   praet.  sg.  3.  askucssardoü.  —  rum.  askuc. 

astarav  vb.   ergreifen,   anfangen,  praet.   sg.   3.   astardoü.,  astardds.   griech.   astardva. 

astupi  vb.  verstopfen,  praes.  pl.  3.  astup6n.  —  rum.  astup. 

öS  vb.  sich  stellen,  stehen  bleiben,  sich  legen  (vom  Sturm),  warten,  bleiben,  werden, 
sein,  praes.  sg.  1.  aSö.  2.  a^ss.  3.  asel,  asrla.  impt.  sg.  2.  as  warte,  halt,  as  deulesa  adieu 
(bleibe  mit  Gott),  pl.  2.  asßn.  partic.  asilo.  praet.  sg.  3.  asiJüü,  asifds,  asiles.  pl.  3.  asile, 
asiU.  griech.  acdva.  partic.  acilö. 

asti  vb.  vermögen,  praes.  sg.  1.  n  astm  bin  schwach,  krank.  2.  u'  astis.  3.  n'  astil  er 
kann  nicht,  astü  te  avel  es  kann  sein.  impf.  sg.  3.  n  astilas.  Man  merke:  me  n  astik  non 
possum.  ■»'   astik  ihe  mudardr  les  non  pt)tuerunt  occidere  cum.    ?i'  astik  sindü  les  ich   kann 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  v.  7 

ihn    nicht    tödten.    n    astik   huTütoni    ich    konnte   nicht   herabsteigen,    engl,  astis   possible. 
Man  vergl.  aind.  asti  Erreichung  von  a^  erreichen,  vermögen.   Vgl.  aStism\ 

astisar  vb.  vermögen,  praes.  sg.  1.  astisaräü,  astisarö.  2.  astisares,  astisarjds,  asfisare. 
pl.  1.  ?i'  astisaras.  impf.  sg.  1.  aUisards  (richtig  astisarös).  praet.  sg.  1.  astisardom.  3. 
astisarclöü,  astisardds.  pl.  3.  astlsardi.  Vgl.  asti. 

asim  vb.  hören,  praes.  sg.  1.  asundü.  2.  asunes.  3.  asunel,  asünla.  pl.  1.  mndsa.  3. 
asiinna  andient,  impt.  sg.  2.  asnn.  impf.  sg.  3.  sdnlas.  praet.  sg.  1.  asundöm.  3.  asundöu, 
asundds.  pl.   3.  asnnde,  asundi..  griech.  sundva. 

asundov  vb.  gehört  werden,  praes.  sg.  3.  ah'mdol,  sundöl.  griech.  sändovava,  Mndovava. 

asvdr  subst.  Halfter,  asvare,  asfare  Zügel,  griech.  usvdr,  suvdr  m.   Vgl.  scdavdr. 

atlxi  adv.  hier,  griech.  atid. 

ati'mc,  ahlnch,  atimce  adv.  damals.  Entstellt  anti'ic.  —  rum.  atunci.  ■ 

aülin  subst.  f.  Schloss,  Palast,  Burg,  Saal.  aüKndko  Schloss — .  pl.  aülind,  avlind  in 
der  Bedeutung  des  sing.  Vgl.  serb.   dvori. 

av  vb.  kommen,  werden,  sein,  praes.  sg.  1.  avdü  (me  'vaüj,  avo  veniam,  ero.  2.  av4s, 
ave  venies,  eris.  3.  avel,  avela  venit,  veniet,  erit.  dla  aus  avela.  al  aus  avel.  pl.  1.  avAsa. 
3.  aven,  avena.  an  aus  aven.  impt.  sg.  2.  aü.  ap  ta  für  av  ta.  pl.  2.  aven.  an  ta  venite. 
impf.  sg.  3.  avelas.  pl.  o.  avenas.  praet.  sg.  1.  aviTöm,  avilim.  2.  avüdn.  3.  aviTöü,  avilds. 
aviTdch  Uste  dej  venit  eius  mater.  pl.  1.  aviTdm.  2.  avüdn.  3.  aviU,  avilt.  plusqpft.  avilömas. 
griech.  avava.  Die  Verba  avdva  venire  und  uvdva  fieri,  die  die  griech.  Zigeuner  streng 
auseinanderhalten,  Paspati  80,  werden  in  den  Mundarten  der  übrigen  Zigeuner  vermengt. 

aver  adi.  ein  anderer,  zweiter,  aver  gaü  alius  vicus.  aver  ddta  ein  anderes  Mal.  pe 
avir  bsrs  im  nächsten  Jahre,  sg.  acc.  avrss.  avrs  grastes  alium  equum.  jek  avres  alius  alium. 
avre  rakle  aliam  puellam.  dat.  avrßste.  instr.  avrßsa.  o  aver  der  andere:  o  aver  gaü  das 
andere  Dorf,  griech.  javSr.  Vgl.  die  mir  dunklen  Redensarten  p'  o  tever  liime,  p  o  tar 
Mme  in  die  andere  Welt  und  slavon,  overthara  übermorgen. 

avere  subst.  f.   Vermögen.  —  rum.  avere. 

avri  adv.  draussen.  griech.  avri. 

avrjdl  adv.  von  aussen,  draussen,  auswendig,  griech.  avridl. 

avuctje,  avucija  subst.   f.  Vermögen.  —  rum.  avucie. 

azakar  vb.  warten,  praes.  sg.  1.  azakardü,  azakarö.  3.  aiakarü.  impt.  sg.  2.  azdkar, 
azdknr.  impf.  pl.  3.  azakdrnach  aus  a^akdrnas.  praet.  sg.  3.  azakardöü,  aSakardds,  azakar  des 
aus  azakardds.  pl.   3.  aiakarde.  griech.  udzakeräva.  slavon.  azucar  impt.  sg.  2. 

azuti  vb.  helfen,  praes.  sg.  2.  azutis.  3.  aiutil:  the  azutü  tdks  dil  helfe  dir  Grott.  — 
rum  azut.  Vgl.  azutisar. 

azutisar  vb.  helfen,  praet.  sg.  3.  azutisardds.  Vgl.  ahdl. 


ha  interi.  nein.  —  Es  ist  russ.  ba,  das  Erstaunen  ausdrückt. 

hädii,  subst.  m.  Anrede    des  jüngeren    an    den    älteren  j\Iann.  —   rum.  bade,  b^bdic'B, 
b'Bduk'B,  Vgl.  hnnukd. 

hdhna  subst.  f.  Sumpf.  —  klruss.  bahno. 

hackt  subst.  f.  Glück,  and  e  leste  hackt  in  seinem  Glücke,  griech.  hackt. 


C  FkaNZ     MlKLOSlClI. 

hakri  subst.  f.  Schaf,  falsch:  Ziege,  sg.  acc.  ekhd  hakre.  pl.  bakre,  bakrs.  des  hakrß 
zehn   Schafe,  pl  acc.   bakri».  hakrn.   instr.   bakrmca.   griccli.  bakrö. 

bakris>'>  subst.  m.   Lamm,  demiii.  von  bakrö.  pl.  bakriSi.  acC.  bakrism.  slavon.  bakhrico. 

baksu  subst.   m.   Ortsname. 

bal  subst.  m.  Haar.  sg.  instr.  balesa.  pl.  ?^a/.  instr.  more  baUnca  mit  meinem  Haar. 
piska  balinca,  balenca  mit  seinem   (suus)  Haar,   gricch.   bal. 

bal  subst.  m.   Ball:  Atw  6«///   i^um  Ball.   —  rum.   bal.   Aus  dem   Deutschen. 

balajt  subst.  f.  Trog.   grieeJi.   bcldni,  beläi.  slavon.   balai. 

balanrit.  baldunt,  balaurö  subst.   m.  Drache,  sg.  acc.   balaurös.  —  rum.  btlaur. 

bali  subst.  f.  Sau,  Schwein,  .sg.  acc.  bale  pl.  bale^  ball  acc.  balen,  bal?n,  bale. 
e  mdtka  Je  balinde  Mutterschwein,  das  grösste  Schwein,  e  kotecu  le  balmgo  der  Schweine- 
stall,  bali  c  sdbdtiko  Wildschwein,   griech.  bali. 

baiist  subst.   f.   Frischling,   demin.  von  bali.  pl.   acc.  balisin,  instr.  balisinca. 

balis'ö  subst.  m.  Ferkel,  demin.  von  balö.  sg.  acc.  balists. 

balisoro  subst.  m.  Ferkel,  sg.  acc.  balisorSs. 

balö  subst.  m.  Schwein,  griech.  balö. 

bdita  subst.  f.   Sumpf.  —  i'um.   balt-B. 

balvka  subst.  f.  Fässchen.  —  klruss.  baryJka. 

balvdl  subst.  f.  Wind.  dat.  balvalete,  balvaUti.  griech.  balvdl,  palvdl. 

bandar   vb.    beugen,    wenden,    lenken,    praes.    sg.    1.    bandardü,    bandarö.    impt.    sg. 

2.  banddr.  Man  beachte  banddrna  ma  sie  werden  mich  begrüssen,  eig.  sie  werden  sich 
vor  mir  beugen,  weswegen  man  banddrna  pe  erwartet,  bandardü-ol-kast  ist  ein  Compositum, 
etwa:  Beugebaum,  bandur  beruht  auf  bangjar,  das  von  bangö,  bei  Paspati  406  auch  j^angö, 
boiteux,  defectueux,  estropie,  tortu,  casse,  stammt,  bangö^  pangö  beruht  auf  aind.  bhang 
brechen:  die  Aspiration  hat  eine  Spur  im  Griech.  b  neben  p  zurückgelassen:  griech. 
pangdva,  bangdva  brechen,  bdndilom  je  me  suis  penche.  pangö,  bangö,  unter  Anderem  de 
travers:  pange-möskoro  qui  a  la  bouche  de  travers.  Vgl.  jjhadov. 

bandirnds  subst.  Ungerechtigkeit,  eigentlich  Krümmung,  sg.  instr.  bandimdsa,  von  bangö. 
bandov   vb.    sich    beugen,  verzerren,    praes.    pl.    3.    bandön  aus  bandoven.  bandov    hat 
zum  Thema  bangö. 

bangö  adi.  krumm. 

bdnica  subst.  f.  Viertel  als  Maass.  —  rum.  banicB. 

bar,  baf  subst.  m.  Stein,  ba^^äsks  von  Stein.  barMe  Stein-,  pl.  bar.  griech.  bar. 

haf,  bar  subst.  Zaun,  pe  bar.,  kaj  bar  am  Zaune,  griech.  bart  f. 

bdrda  subst.  f.  Hacke.  —  rum.  bard-B.  klruss.  barda, 

barjov  s,  bharjov. 

barvalö,  barvalu  adi.  reich,  griech.  baravalö. 

bas  vb.  schallen,  krähen,  bellen,    praes.    sg.    3.    basila.  bashl.    pl.    3.    basin.  impf.  pl. 

3.  basmas.  praet,  sg.  3.  basTöü.  pl.  3.  basU.  griech.  baSdva.   Vgl,,  basav. 

b'asav  vb,  klirren,  impf.  sg.  3.  basavelas:  basavÜas  ol  sdstra  er  kliiTte  mit  dem  Eisen, 
eig.   er  machte   das  Eisen   klirren.   Vgl.  ba^. 

bafalijö,  batalija,  bataMje,  b-otdlija  subst.  f.  Krieg,  kaj  batalfja  in  den  Krieg,  katd  j  ba- 
talijs  aus  dem  Krieg.  —  rum.   bitilijc. 

baznö  subst.   m.  Hahn.   pl.  bazni.  von  bas  vb.,   daher  griech.   basnö,  basnö. 

befelu  subst.  m.  Befehl.  —  Das  deutsche  Befehl    mit    cech,  Betonung  aufgenommen. 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wandkrüngen  der  Zigeuner  Eurota'S.  v.  9 

bell,  hilt  subst.   f.  Säule:  pald  j  hiU  hinter  der  Säule,   griech.  hell. 

beng  subst.  m.  Teufel,  sg.  gen.  bengnskn.  instr.  bengnsa.  ek  raklt  le  bengisti  eine  Toch- 
ter des  Teufels,  pl.  beng.  acc.  bengsn.  o  khdr  le  bengmgo  das  Haus  der  Teufel,  griech.  beng. 

bej'becicsks  adv.  wie  Widder.  —  Vom  rum.  berbjace  durch  das  suff.   kskä. 

berezniku,  berezniko  subst.  m.  Waldheger.   —  klruss.  pobereznyk. 

bes  vb.  sitzen,  wohnen,  sich  setzen,  stehen  bleiben,  bleiben,  warten,  leben,  praes. 
sg.  1.  besdü,  besö.  2.  besss,  bese.  3.  bes6l,  besel.  pl.  1.  besdsa  sedebimus.  3.  besf/n.  bsMn,  besena. 
impt.  sg.  2.  beS.  pl.  2.  bes6n.  impf.  sg.  3.  beUlas.  pl.  3.  bssinas.  praet.  sg.  1.  besTum.  3. 
besToil,  besTds.  pl.   3.   besle.  griech.   besdva.  aind.   vi.4  sich  niederlassen,  hineingehen. 

bezech  subst.  Sünde,  pl.  bczechd.  knrde  bezechd.  S5  bezechd  bliarn  ist  eine  grosse  Sünde. 
Schade:  bezech  le  grastesthar  Schade  um  das  Pferd,  griech.  bezeh. 

beMn  subst.  m.  Personenname,  sg.  voe.  bezdne. 

bharjar  vb.   gross  ziehen,  praet.   sg.    1.   bharjardöm.   von  bharo.  griech.   barjardva. 

bharjov  vb.  gross  werden,  wachsen,  praes.  pl.  1.  baruvas  sie  wachsen,  eig.  wir  wach- 
sen. 3.  barjuna.  praet.  sg.  3.  bariJds.  hharUoü  bharo.  pl.  3.  bharile,  harile,  barili,  barlTi. 
bltarlU  bhavi.  griech.  bdriovava. 

bharo,  jjharu  adi.  gross,  alt,  hoch,  schwer,  schwanger,  raj  bharo  grosser  Herr,  o  des 
0  bharo  le  grand  jour.  plaj  bharo  hoher  Berg,  brro  bharo  schwerer  Tribut,  bhari  Imdri 
schwerer  Schlaf,  e  fiiga  j  bhari  der  grösste  (schnellste)  Lauf,  and  c  kaiU  bhari  lilme  in 
dieser  weiten  Welt,  voj  göTi  bhari  sie  wurde  schwanger,  ek  jag  bhari  ein  grosses  Feuer. 
sej  bhari  Jungfrau:  rum.  fkia  mare.  pha7'0  j  tüko  es  ist  dir  schwer,  bharn,  phari  f.  schwan- 
ger. aUTds^  gsTds  phari  sie  ward  schwanger,  griech.  barö,  paro.  slavon.  pharo  schwer, 
böhm.  pcharo.  russ.  pcharö. 

bharss:  pharss  adv.  schwer. 

bi  j)raep.  ohne,  aus.  bi  mori  jakhtngo  aus  meinen  Augen,  bi  Ü  jakhßngo  aus  deinen 
Augen,  bi  la  kuskdko  ohne  das  Bauer,  bimuro  ohne  micli.  hiSorStigo  bartlos,  bitirö  ohne 
dich.  6*  le  znjdko  ohne  den  Sattel,  griech.  bi:  bisereskoro  kopflos,  bimdngoro^  bi  mdndza 
ohne  mich,  bisereskoro  ist  die  Composition  der  Praep.  bi  mit  einem  Nomen.  Vgl.  über 
die  Composita  von  bezij  und  Nomen  in  meiner  Grammatik  IL  Seite  402. 

bihol  subst.  m.  Büifel.  dat.  biholeste  Büffel-.  —  rum.  bivol. 

bila  vb.  fliessen.  praes.  sg.  3.  bildl  fliesst.  In  der  Mundart  der  slavonischen  Zigeuner: 
vosko  p  0  kliarii.  bilal  das  Wachs  schmilzt  an  der  Sonne,  bilavel  schmelzen  trans.  griech. 
bilanö  geschmolzen. 

biladov,  vielleicht  für  bilavdov.,  vb.  schmelzen  neutr.  praet.  sg.  3.  bjelajToü  aus 
bilavdiToü.  Vgl.  hila. 

biro  subst.  m.  Tribut,  le  biröstar  na  potindds  pe  w^ijrtlich:  vom  Tribut  luxt  er  sich  niclit 
losgezahlt.  Vgl.  iiotin.  —  rum.  biru.  magy.  ber  Sold. 

biridi  subst.  Biene,  griech.  hurli. 

bist  er  vb.  vergessen,  praes.  sg.  3.  bistrü,  bistrüa.  praet.  sg.  L  bisfördöm.  3.  bisterdds, 
bistardds.  griech.  bistrdva.  hind.  bisarnä  aus  vi  smr. 

bis  num.  zwanzig,  bis-thaj-stdr  vierundzwanzig,  bis-thaj-pdnzto  fünfundzwanzigster,  ek 
raklt  bisöbsrsinde  ein  zwanzigjähriges  Mädchen.   bisdbörUtigo  zwanzigjährig,   griech.   bis. 

bitin  vb.  verkaufen,  praes.  sg.  L  bitinäii,  bithindü,  bitindü^  hitino,  falsch:  bitandii. 
2.  bitines,  bitines.  3.  bitinel.  pl.  L  bitijids.  impt.  sg.  2.  hitin,  bitin.  h/ien.  pl.  2.  bithinen. 
impf.  sg.  3.    hitinlas.    praet.  sg.   L    bitindom.    2.  bitindän.    3.   bitindöü,    bitindoü,    bithindoü, 

Denkschriften  der  pliü.-hist.   Cl.  XXV.    Bd.  2 


10  Franz   Miklosich. 

h'dindns.  bilinJäs.  griecli.  bikiiäca.  aliid.  vikn  med.  Ivniuto  kaufen  und  verkaufen,  liandeln. 
sindli.   vikinauu  vei'kaufen.   ]\lan    bivielite  verkiniev    hei   den   dcutsclien  Zigeunern. 

hitinamds  subst.   Verkauf,   oen.  bUinamdsko  zum   \crkaufe.    Vgl.  hifin. 

hlagoslovisar  vb.  segnen,   \n-i\ot.  sg.  8.  hlagoslovisardon.  —  slov.  blagosloviti. 

bhstsmdfo  adi.    luclilos.   —   ruin.  bliistoimat. 

boc  subst.   m.   Klumpen,  pl.   bikurl.   —   rum.   boc,  pl.   bocuri. 

b6Iidax>r6.'<te  vergelte  Grott.  —  slav.  bogi,  da  ])rostit'5,  eigentlich:  verzeihe  Gott  (dii- 
deine  Sünden   für  dein  Almosen). 

bojko  subst.  m.  Personenname,  sg.  acc.  bnjkös.  gen.  bojkoskö.  voc.  bojku-le. 

hokh  subst.   f.  Hunger,   sg.   abl.   bokhdtar.    griecli.   bok. 

bokhalö  adi.   liungrig.   griech.   bokalo. 

bokhaJ'ov  vb.  hungi-ig  werden,  praet.  sg.  o.  bokhdjbni,  bakhdjTas  aus  bak/id/'il'ou.  griecli. 
bvkdliovava.  bokdlilo. 

bokolt  bohdi.  bokide,   bukoüU  subst.   Honigkuchen,   Lebzelten,   griecli.   hokoii. 

bot  vb.  taufen,  praes.  sg.  1.  bold  (für  boldd)  lua.  2.  boles.  impt.  sg.  2.  bol.  praet.  sg. 
o.   boldim,  bohlds  pe.  pl.   o.   bolde.  griech.   boldva  eintauchen,   taufen. 

bold  vb.  umkeliren,  zurückkehren  meist  reflexiv,  praes.  sg.  1.  bölda  (für  boldan)  ma. 
2.  boldes  tu.  o.  boldela  ei-  wird  umkehren,  impt.  sg.  2.  bulle  fit.  praet.  sg.  3.  boldds  j)'', 
buldas  IM.  boldes  jye.  pl.  2.  balddn  turne,  boldan  pdlpaVi.  3.  bolde  pe.  griech.  boldava 
wenden,  drelien. 

boldino  adi.  kraus,  eigentlich  gedreht,  partic.  von  buhl,  griecli.  boldinö  als  subst. 
Steuer,   das  gedrelit  wird;  Mühle,   dei-en  Bilder  sich   drehen. 

boldov  vb.    getauft  Averden.    impf.  sg.   3.   boldnlas  aus  boldovelas.  griech.   boldovava. 

boü  subst.  m.  Ofen,  Backofen,  pl.  buvd,  bod.  gi-iech.  bov.  ' 

bradok  subst.   m.   Tanne.   Vgl.   brad{.   —    rum   bi-ad. 

bradi  subst.    f.   Kanne,    pl.   brade.    bühm.    brädi   f.   slavon.   brddji  Wassereimer. 

bradt  subst.  f.   Tanne,  pl.   braz,   brazi,   brdzr,.  —  i-um.   brad.  Vgl.   bradok. 

bruma  subst.   f.   Tlio]-.   —  kli-uss.   brama. 

br^anisar  vb.  vertheidigen.   praes.   sg.   2.   branisares.  —  slav.  braniti. 

branisardov  vb.  sicli  vei-theidigen.  pi-aet.  pl.  3.  branisdlje  aus  branimjl'e  und  dieses 
aus  branisdrdiTe.    Vgl.   hranisar. 

brasovdskü  adi.   von   Kronstadt.   —  rum.   brasov. 

briclndr  subst.  m.  Unterliosenband.  araklds  jekhss  naiifj/i  le  bricmarS  ^rnnglö  kuM'fk^ 
wörtlich:  er  fand  einen  Nackten,  dessen  Gürtel  mit  einem  Unterhosenband  gebunden 
war.   —  rum.   brLcinarJti.   slavon.  gacniko  aus  dem  scrb.  Vgl.   nckurocsk'ij. 

bricka  sulist.  f.  Ai't  Wagen,  sg.  insti-.  la  brickdsa.  —  russ  bricka.  pol.  bryczka, 
d.Miiin.   von   bryka  leichter  Keisewagen. 

brjdzii  adi.  weissgefleckt.  —  i-um.   brez  vom  slav.  bi'eza  Birke. 

bröaska  subst.  f.  Schloss  (an  dei-  Thür).  —  rum  broasks. 

bröska.  Imisks  subst.  f.  Froscli  sg.  acc.  brofkd.  Identisch  mit  dem  Vorhergehenden. 
—  rum.   broaski). 

brnssnd.!  brss3)i  subst.  m.  Regen,  sg.  gen.  brssmdesko  liegen-,  del  brz.ssn  es  i-egnet.  das 
bresmd  es  hat  geregnet,  pl.  brdsmda.  griech.  briMn,  burstn.  serb.  brsim. 

buburnzo  subst.   m.   KothknoUen. 


Über  die  Mundarten  und  dje  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  v.  11 

huci  SLibst.   AVerg.   Vgl.   griech.   vus  Lein. 

bucmf  vb.  blasen,  praes.   sg.   2.   b>tcimts.   3.   huchaU.   —   rum.   hiicin    blasen,   lieulen. 

bucdni   subst.  Tj-ompete,   luv  huchn.  —   rum.   hucin  Blaseliorn. 

hxtdka  subst.  f.  Wagen.  —  Vgl.  russ.  biula  Bude. 

huhlö  adl.  weit,  ausgedehnt,  grieeh.  hngldö  (wolil  biujh'i). 

buicind  patic.   tobend.  —   Vgl.  rum.   bujak  Avild,  nuithwillig.   slav.   buj. 

bujestru  subst.   m.   Trab.   ö)i  bu-jostru  im  Trab.   —  rum.   bujestru  Trab,   Trott. 

bukd:  doli  les  hukd.  b/Jca  er  verschlang  ihn.   —   rum.   buki.  Backe. 

bukatdr,  hnkutdri.  bukafdf  subst.  m.  Koch.   —  rum.   bukT,tarju. 

bukaterfje  subst.  f.  Ktlclie.  —  rum.  bulcBt^rlje. 

biikovina  subst.  f.  Bukowina. 

bukarisardov  vb.  sich  freuen,  praet.  sg.  3.  bukurisdjToü^  bukurisdjTas.  pl.  o.  bukurisäjli. 
—   rum.    bukur  sich  freuen. 

bukdUrica  subst.  f.  Köchinn.  pl.   bukdtör'ice  le. 

bul  subst.  f.  Aveibliche  Scham,  After,  sg.  loc.  buU:  del  bnli piska  da  futuat  suam  matrem. 
instr.  la  buJ'dsa.   griech.   hd,  vid.  vuU  ddva.  ddva  vuM  pecher  contre  natiu-e.  da  bull  ti  odhi. 

btddva  subst.  f.  Keule,  sg.  instr.  bulaväsa.  —  kli-uss.  buJava. 

bur  subst.   pl.  Unkraut.   —  rum.   buruen. 

burdej  subst.  m.  Erdliöhle.  —  rum.   burdeju. 

burdühu  subst.  m.  Sack.  pl.  burdühurl.  —  rum.  burduhan  Bauchfell. 

buri  subst.  f.  Schwiegertochter,  griech.  bort  die  Verlobte,  die  junge  Frau,  Schwieger- 
tochter, Schwägerinn.  Vgl.  ngriech.  VJjX'fYj  und  serb.  nevjesta. 

burtku  subst.  m.  Nabel.  —  rum.   burik. 

burkdn   subst.   m.  Krug. 

burldhi  subst.   m.   Fi-emdling.  —   klruss.   burJak. 

bust  subst.  Bratspiess.  gi-iech.  bust  f. 

bics  vb.  heissen  nominari.  praes.  sg.  '2.  busss,  busos.  3.  busoL  impf.  sg.  3.  busölas, 
busulas.  Bei  Vaill.   80.  bmel  pf,  busel. 

biet  adi.  adv.  viel,   maj  bat  inehr.   biit   vvkiie  lange  Zeit,   griech.   bat. 

buU,  buti,   bhuti  subst.   Arbeit,  knrla  buti  er  arbeitet.   Ding,   griech.   buH,  puti,  bukf. 

butüci  subst.  pl.  Achsen.  —  rum.  butuk. 

bnta  subst.   f.  Fass.   pl.   buts:  tr'm  buts.  —  rum.   büte,    pl.   buci. 

butar  vb.   arbeiten,   sich  plagen,  praes.   sg.   3.  bntarU  vom  Thema   buti. 

buzdufidnu  subst.  m.  Knüttel,  sg.  acc.  buzdugavös.  instr.  buzduganösa.  buzdjigaiw.  \)\. 
buzdugdi  Klumpen.   —   rum.   buzdugan  Streitkolben. 

buzechd  subst.   pl.   Sporen. 

bdtdgib  subst.   m.  Hackenstiel.  —  Vgl.  magy.   balta  Hacke. 

bünui  vb.  bedauern,  sg.  2.  the  na  bünns  (für  bsmois)  nimm  es  nicht  übel.  —  rum.  b'}>nui, 
bijnuesk.   klruss.   mhi  banno.   magy.   bän. 

bmwkn  subst.  Anrede:  lieber  Mann.  —  rum.  btnüki,,  älterer  Bruder,  allgemein  ältere 
Person.   Vgl.   bddn. 

bork  subst.  m.   Busen,   griech.   In'ek.  engl.   burk. 

bnrs  subst.  m.  Jahr,  ek  pa.s  börs  ein  halbes  Jahr.  pl.  bür-i:  jeftd  bsrs  sieben  .Jahre. 
uk  mtja  bsrs  tausend  Jahre,  gen.  Ijdrsirujn..  enabsr-srngo  neunjährig,  griech.  bers,  bres. 
shivon.  br.i.   engl.   bes. 


J2  FkANZ     MlKLOSICK. 

hsrmro  subst.  in.  Jalir,  demin.  von  fis?'«.  Im'ssrösko  einjährig. 

hnsmäoa  subst.  1".  Tücliel.   —  rum.   basniö. 

bötdtura  subst.  f.  Gewebe  subtemen.  —  rum.   biti)tur'b  iilinschlag. 


c. 

rdp/i  subst.   in.    Bock.   —   rum.  cap. 

cüha  subst.  f.  Kleid,  Unterrock.  —  serb.  coiui. 

colachar  vb.  schwören,  praes.  sg.  1.  colacharö.  2.  colacharss.  '6.  colacharU.  pl.  1.  cola- 
chards.  impt.  sg.  2.  colachar.  pl.  2.  colacharm.  praet.  sg.  1.  colachardom.  2.  colacharddn. 
3.  coJachardoü,  colachardds.  pl.  3.  colachardf.  colachare  für  colacharde.   Vgl.    engl,  sovahall. 

cuJu  subst.  m.  grobes  Gewebe.  —  rum.  colti. 

cygyrij  subst.  Zelt.  Vgl.  cdhra  und  griech.  cer^a. 

cögndri  subst.  m.   Centner.  —  klruss.  sotnar. 

csgnö  adi.  klein,  sg.  acc.  m.  csgnes.  f.  csgne.  o  naj  o  csgnö  der  kleine  Finger,  griech. 
tiknö.  serb.  cikno.  slavon.  ckiio.  engl,  fikno. 

cdhra  subst.  f.  Zelt.  Vgl.  cygyry. 

cznko  subst.  m.  Hündchen,  sg.  acc.  cmikos. 

csnono,  cdnunü,  csnömt,  adi.  klein.   Vgl.  Cögnö.  slavon.  cnoro. 

csnunorö  adi.   ganz  klein,   demin.   csnunoH  f. 

csntosar  vb.  annageln,  praet.  sg.  3.  csntosardöü,  csntosardds.  —  rum.  CEntt  Nagel, 
c&ntui  mit  Nägeln  beschlagen. 

csntumf,  adi.  angenagelt,  sas  cdntumi  er  war  angenagelt.  Vgl.  csritosar. 

csniito,  C57ititu  subst.  m.  Land.   —   rum.   cinut. 

Cdpt  vb.  weinen,  winseln,  praes.  sg.  3.  csjjü.  impf.  sg.  3.  cspüas.  pl.  3.  cdpinas. 
—  rum.   cip,   cipoti  heulen. 

csra,  cdrd,  cßrs  subst.  ein  wenig,  cnrs^  ek  csrö.  po  'k  cira  distributiv:  jedes  Mal  ein 
wenig,  slavon.  cra  —  rum.  CBr^,  o  ci.r:B. 

cm'd  vb.  ziehen,  zerren,  praes.  sg.  1.  csrdap  (aus  csrdav)  tu.  cirdo.  2.  cörde.  3.  cirdel. 
pl.  3.  cirdena.  ctrden.  impt.  sg.  2.  cßrde.  cnrde  tu  reisse  dich  los.  pl.  2.  csrden.  impf, 
sg.  3.  cirdelas.  cz7'dilas.  pl.  3.  ch'denas.  praet.  sg.  3.  csrdöü,  csrdds,  cdrddch  la.  cdrdds 
the  merel  rum.  tradze  de  morte.  pl.  3.  czrde.  cSrden  ol  klopjoci  sie  läuten,  slavon.  crdav, 
crdel  ziehen,  melken,  crdinisajlo  wird  durch  oblak  Wolke  übersetzt,  es  wird  jedoch,  wohl: 
es  hat  sich  umzogen,  bedeuten,  serb.  crdav.   Vgl.  griecb.  cidava.   ungr.  ciden. 


cal  vb.  gefallen.  j)raes.  sg.  3.  calil  caTül.  praet.  sg.  3.  'caJoa  la  gefiel  ihr.  Bei 
Vaillant  125.  saleol  (wohl:  saTol)  ma  il  me  plait.  salimas  plaisir.  Bei  Mezzofanti  caUl 
place.  Richtig  vielleicht  mfoi;,  so  dass  caTiU,  calil  für  caTovel^  caTol^  caTöü  für  caliFoü  stünde. 

calmdva   subst.   f.   Turban.   —  russ.   calma.   cagat.   cälma. 

calu  adi.  satt,   griech.  calö. 

camh  vb.  abnagen,  praes.  sg.  3.  cambela.  praet.  sg.  1.  camhTum.  Vgl.  griech.  camke- 
rdva,  camukerdva  kauen,  cam  f.  Wange,  Brot. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa-s.  v.  13 

cancj    subst.    f.    Knie.    pl.    canfja.   pc    luks    cangci    zu    ihren    Füssen,    instr.    canrjmca. 
griecli.  cang. 

car  vb.  lecken,  impf,  pl.  3.  cärnas.  griech.  cardva. 
aar,  cur  subst.   f.   Gras,   griech,   car.  engl,  chaw. 
caro  subst.  m.  Schüssel,  pl.  cari.  griech.  caro. 

cas  subst.  m.  Stunde.  Mit  dem  rum.  Artikel:  cctsul.  pl.  cdsuri.  sü-de  cäsurif  wie  viel 
Uhr?  k'  ol  des  cdsnri  um  zehn  Uhr.  sdsu  in  ßessarabien,  —  rum.  cjas. 
casörniku  subst.  m.  Uhr.   —  rum.  resornik. 
cdtara  subst.  f.  Geige.  —  rum.  cjater-B. 

ce    pron.  was  für    ein?  dnda    ce  filuf   in  welcher  Art?  ce  jagl  was    für    ein  Feuer? 
din  ce  —  din  ce  je  mehr  —  desto  mehr:  din  ce  marü  je  mehr  er  (der  Wind)  weht.  —  rum.  ce. 
cecepi,  cecipi  subst.  m.  Recht,  Gereclitigkeit.  p'  o   cecepi  nach  Gerechtigkeit,    griecli. 
cacipe  Wahrheit,  cacipano,  cacunö  wahr. 

ceces  adv.  wahr,   na  j  ceces  es  ist  nicht  wahr,  ceces  sj.  rum.  drept  T>j   es  ist  wahr. 
cecimds  subst.  m.  Gerechtigkeit,    sdnas    manga    cecimdsa    ihr  wart    mir    (gegen  micli) 
gerecht  (mit  Gerechtigkeit). 

cecn.^  cecH  adi.  wahr;  recht  (dexter).  o  vast  o  cec6  die  rechte  Hand,  moro  kamt  o  cecu 
mein  rechtes  Ohr.  griech.  caciino.^  cacipe.  ungr.  caco. 
ceTov  vb.  satt  sein,  praet.  sg.   3.  celüds  von  calö. 
cerho  subst.  m.  Hirsch,  sg.  acc.  cerhns.  —  rum.  cerbu.  Vgl.  cerv. 
cerceln.  subst.  m.  Ohrring.  —  rum.  cercel. 

ceres  subst.  m.  Kirsche,  Kirschbaum,  cerisoste.  pl.  ceresi.  griech.  kerds.  —  rum.  cires. 
cerhdje,  cerhaje  subst.  pl.  Sterne,  pl.  instr.  cerhajenca.  griech.  cerchdn  f. 
ceri,    cert    subst.   m.    Himmel,  and  o    ceri,   cerz,   cef    im    Himmel,    ceresko    Himmels-. 
—  rum.  cerjü. 

cerikli   subst.    f.  Vogel,  Sperling,    sg.    acc.    cerikU.  instr.  cerikTdsa.    pl.  cerikle.^  ceriklt. 
acc.  cerikTdn.  abl.  cerikTdndar.  griech.  ciriklo,  cirikU. 
cerko,  cerku  subst.  m.  Reif. 

cerv  subst.  m,  Hirsch,  sg.  gen.  cervöska.  —  rum.  cerbu.  Vgl.  cerbo. 
cik  subst.  Lehm,  griech.  cik  f. 
cikdt  subst.  m.  Stirn,  o,  e  cikdt.  griech.  cikdt. 
cikm  subst.  Butter,  cikanesa  mit  Fett. 
cimechko  v.  fem. 

cingdr^  cingdf,  civgdri  subst.  m.  Schrei,  doü  cingcir,  das  cingdr  er  schrie  auf,  er  stiess 
einen  Schrei  aus. 

cingar  vb.  schreien,  praes.  sg.  2.  cingaris  3.  cingarü.    impf.  pl.   3.   cingarmas.  praet. 
sg.   3.   cingardoü.!  cingardds.  pl.   3.   ci7igard{.,  cingarde. 

cirjdda  subst.  f.  Heerde.  cirjdda  gurü  Heerde  Ochsen,  pl.  ciredz.   —  rum.  ciräd:B. 
citisar  vb.  lesen,  praet.  sg.   3.  citisardoü.  —  rum.  ceti,  citi. 
cizma  subst.  f.  Schuli.  —  niagy.  csizma. 
cohdn  m.  Schafhirt,  pl.  cohaje.  —  serb.  coban. 
cohotdri  subst.  m.   Schuster.  —  rum.  cibott  Stiefel. 

cochai  subst.  f.  Hexe,  griech.  covechano  m.  covecham  f.  ungr.  cohdni.   engl,  chovahano., 
chohawno  Hexenmeister,  chovahani,  chohawni  Hexe. 

cokdn,  cokdnos  subst.  m.  Hammer,  pl.  rokdje.  instr.  cokainca.  —  rum.  cokan. 


J4  FbaN/,     MlKLOSUil. 

cokanum  subst.  in.   Hammor.  Vgl.  cokän. 

coplisar  vb.   beliauen.  praot.   sg.   1.  copUsardöm  —   runi.   ropli. 

cor  vb.  scl)ütteii,  giessen.  praes.  pl.  ;>.  sortn.  impf.  pl.  ;5.  sornas.  pract.  sg.  1.  sordvnt. 
3.   conf6üj  Sordön.,  siirdön.  pl.   ;'>.  surdr.   griech.  cordva. 

cor  vb.  stehlen,  pi'aes.  yg.  o.  corla.  pl.  3.  airf,ii.  impf.  sg.  3.  cörlas.  praet.  sg.  1. 
cordöm.    2.  corddii.  ;>.   rordöü.  cordds.  pl.   1.  corddni.   3.  corde,  cordf.  griech.   cordva. 

cor,  cur  subst.  m.  IJieb.  pl.  cof;  cord.  cormgo  Diebs-,  griech.  cor. 

coranov  vb.  arm  werden,  praet.  sg.  3.  coräjfas  füi-  corduifas  von  einem  adi.  coranöy 
wie  daiyijfas  von  daronn.   Vgl.   griceli.  cöriovava  vom   Thema  coro. 

cordov:  sordov  vb.  rollen,  eig.  geschüttet  werden,  pi-act.  sg.  3.  sördiTas. 

corhnas  subst.   m.  Stehlen,  sg.  abl.  corlmdstar. 

corjdl  adv.   heimlich,  griech.   coriäl. 

coro,  cord  adi.  arm.   sg.  gen.   corßsks.   griech.  coro. 

cörs  subst.  f.   Rabe,   tu  coro  kalt!   du    scliwarzer  Eabe!   pl.   cörc.  —  nun.   coai'ij  Krähe. 

CUC9,  clci  subst.  f.  weibliche  Bi'ust.  pc  te  cuce  auf  deiner  Brust,  the  des  ma  cuci  gil) 
mir  die  Brust,   instr.   ia  cucjdsa  mit  deiner  Milch,   griech.   cuci. 

cudö  f.  Ary-er.  sg.  instr.  cuddtar  vor  Arger.  —  rum.  cud'ß  Arger,  cudat  wunderlich, 
slav.  cudo. 

cumdgö  subst.  f.   Kniittel.  —  rum.   cumjag  m. 

cumid  vb.  küssen,  praet.  sg.  1.  cumidum  aus  cumidinöm.  2.  cumiddn.  3.  cuinidd-<. 
pl.  3.  cumide  pe  sie  küssten  sieh  (einander),  slavon.  praes.  sg.  1.  cumkldu.  griech.  cwmi  ddva. 

cumdgi'icö,  cum5gti.ca  subst.   f.   Knüttel,   sg.   gen.  citmsgucdko.   Demin.  von   cumdgs. 

mrund  vb.  mit  dem  Schnabel  hacken,  praes.  pl.  3.  curunden.  Vgl.  slavon.  cundruda?. 

cutÜla,  cnntüla  subst.  m.  Personenname,  eigentlich  Krüppel,  sg.  acc.  aitlüäs.  —  i-um. 
cunt,   cut  ungehürnt. 

D. 

da  vb.  geben,  tiiun,  gerathen,  fallen,  praes.  sg.  1.  daü.  dap  (aus  dav)  tu,  tunn.  do. 
2.  des^  da.  3.  del,  dela.  pl.  2.  den,  dma.  impt.  sg.  2.  de:  de-iiia  gib  mii-.  de  me,  de  m,  dr, 
i/i.  pl.  2.  den.  impf.  sg.  1.  dos.  3.  de/as,  delach  les  dabat  ei.  pl.  3.  denas.  praet.  sg.  1. 
ilom  aus  dinöm.  2.  dan.  3.  dou.  das,  dach  les  dedit  ei.  pl.  1.  dam.  2.  dan.  3.  dine,  dim. 
Redensarten:  das  cingdf-  er  schrie  auf.  das  sol  that  einen  Bfiif.  dine  pe  sie  stürzten  sich. 
doü  les  puskß  er  erschoss  ihn.  pusH-dinu  erschossen,  na  de  ma  pnski  erschiesse  mich  nicht. 
dine  le  jag  sie  legten  Feuer,  mc  do  jag  e  kdmärr,  icii  werde  die  Stube  anzünden,  das 
(>.  jag  ol  sulihn  das  Stroh  fieng  Feuer,  das  Idko  drum  er  Hess  sie  laufen,  delas  duma  er 
i-edete.  dine  pe  duma  sie  besprachen  sich,  das  de  stire  er  gab  zu  wissen,  das  les  and  o 
söro  er  schlug  ihn  auf  den  Kopf,  das  pe  p  o  ssrö  er  machte  einen  Burzelbaum.  das  ma 
l'uU  futuit  me.  das  hresind  es  regnete,  tmi  dine  hram  sie  schrieben  auf.  das  p'  ol  aulind 
stieÄs  auf  die  Bui-gen.  del  jiu  es  sclmeit.  das  ma  avri  er  verrietJi  mich,  slavisireml.  pald 
kodn  dein-  Ict  dem  Avii-d  er  sie  zur  Frau  geben,  slavisirend.  das  pe  kaj  skoala  er  gab  sich 
in  die  Sclude.  das  pe  er  fing  an.  ro  das  pre  a  Icnde  er  stiess  auf  sie  (eos).  das  pi-  öh 
drdgoste  er  heng  eine  Liebschaft  an.  dine  tele  sie  warfen  herab,  na  dm  les  de  gol  sie  stellte 
ihn  nicht  bloss:  run).  a  da  de  gol.  na  delas  er  wollte  niclit  geben:  klruss.  ne  davai'.  gi-ieeh. 
ilava.   partic.   dino. 


Über  die  Mundarten  unh  t>ik  Wanükhungen  der  Zigeunkk  Euhopa's.  v.  15 

da  subst.  f.  Mutter,  sg.  acc.  da.  nom.  dej  aus  daj,  dtj  aus  dej,  d'ij  aus  dij.  voc.  ddle, 
ddli.  gen.  däliü,  ddko,  ddka.  dat.  ddkij,  dal:  morä  ddtej  cuci  meae  matris  niamma.  iusti-. 
ddsa.  griech.  ddi,  dei.  sg.  voc.  däh,  döle. 

dah  subst.  Schlag,  Hieb,  Streich,  and  ek  dab  auf  einen  Streich,  böhni.  dab. 

dad  subst.  m.  Vater,  sg.  gen.  dadesko:  o  than  peskd  dadesko  das  Land  seines  Vaters. 
peskö  dadcsks  seinem  Vater,  instr.  dadesa.  voc.  däde,  dddi.  te  dade  mit  deinem  Vater,  peskr, 
dadesa  cum  suo  patre.  griech.  dad. 

damasktn  subst.  m.  Personenname,  sg.  voc.  damaskzne. 

dand  subst.  Zahn.  pl.  dand.    griech.  dant  m. 

dap^rdi  adv.  dorthin  sclieint  mit  rum.  parte  zusammenzuhängen. 

dar  subst.   f.  Furcht,   sg.   abL  gnlds  daräfar  er  gieng  aus  Furcht,   gi-iech.   dar  f. 

dura  vb.  fürchten,  praes.  sg.  1.  dardu.  2.  dards.  pl.  1.  dards.  impt.  sg.  2.  f?«?'«,  selten 
ddra.  pl.  2.  dardn.  impf.  pl.  'r>.  dardnas.  Mit  dem  abl.:  me  tütar  dardü  ich  fürchte  mich 
vor  dir.  griech.  dardva.  praes.   sg.   3.  dardla,  darela.  impt.  dar. 

darafiov  vb.  fürchten,  praet.  sg.  3.  dardjJoü,  dardjTa:^  vom  Thema  darano  furclitsam. 
pl.  3.  dardjlL  griech.  dardniovava. 

ddro  subst.  m.  Geschenk.  — •  rum.  daru. 

ddrzi  coni.   aber.   —  rum.  dar,   dart. 

ddskalu  subst.  m.  Kii'chenscänger.  —  rum.  daskal. 

ddts,  data  subst.  Mal.    el:  data  einmal,    aver  ddta  ein  anderes  Mal.    d)i  dato  sogleich. 

—  rum.  dat'B:  o  datt  einmal. 

davfdu  subst.  m.  David,  davidösko. 

de  praep.  von.  de  and  e  phu  von  der  Erde,  de  angidl  von  frülier.  de  biikurija  vor 
Freude,  kade  de  bhari  (f.)  so  gross,  de  sar  seit,  de  sukdr  kaj  sas  so  schön  sie  war:  rum. 
de  frumos.  stjopdko  de  bharö  eine  Spanne  gross,  de  niidt  seit  Langem,  de  a  örtha  gerades 
"Weges,  dela  o  vreme  nacli  einiger  Zeit,  dela  vdndt  von  der  Jagd,  dela  vreme  zu  einer  Zeit. 

—  rum.  de,  dela. 

dekmd  coni.   seit.  —  j-um.   delcBnd. 

dekM  adv.  als;  jedesfalls.  dekst  the  damit.  —  rum.  deki,t. 

del  s.  devel. 

delab  vb.  singen,  krähen,  spielen,  praes.  sg.  1.  deldbo.  3.  deldbel.  pl.  3.  deldben.  impf, 
so-.  3.  deldbclas.  pl.  3.  deldbenas.  praet.  sg.  3.  delabajöu  für  delahaloü.  pl.  3.  delabaji.  partic. 
dilahanddj.  slavon.  dzili  Lied,  dzdaban  ich  singe,  dulabes  du  singst,  dzilahel  er  singt, 
serb.  gU'abel  er  singt,   engl.  (lilU  tune. 

deU  adi.  grün. 

delivanu,  dillvano,  ddiuanö  adi.  dumm,  griech  denilo,  diailo.  Vgl.  dilu. 

derdefa  subst.  m.  Stickrahmen.  —  serb.  djerdjef  aus  dem  Türk. 

des,  des  subst.  m.  Tag.  and  ol  zöri  le  desesks,  desdsko  bei  Tagesanbruch,  desd  bei  Tage. 
jjI.  des:  trin  des.  griech.  dires,  dives.  dise  bei  Tage. 

desparcisardov  vb.  getrennt  werden,  praet.  sg.  3.  despsrcisdß'od.  pl.  L  despsrcosdjTan, 
richtig  despörcosdjTam.   3.  ddspörcosajle.  —  j-um.  dispBrcesk. 

dessuv  vb.  das  Genähte  auftrennen,  praes.  sg.  3.  dessuvel.  —  Der  erste  Theil  ist  i-um. 
des,  lat.  dis:  desking  losgUrten.  Der  zweite  Theil:  sno  ist  zig.  Vgl.  engl,  furdel  to 
forgive. 

dextvl,  destuT  adv.  genug.  —  rum.  destul. 


■i.j  Franz    Miki.osich. 

desl'ubiiisar  vb.   lossrliraubeii.    pmot.  sg.   ,H.   (IcinibiümnltL^.  —   klrusü.   sruba  aus  dem 

Deutschen. 

devei,  del  subst.  m.  Oott.  sg.  voc.  <leala.  gen.  deidesho,  deidesks.  dat.  dculeste:  vi  me  sum  le 
denUste  auch  ich  bin  Gottes,  acc.  (/e«/Ä.  instr.  deuleaa  und  r/c«./r  abl.  dcnUstar.  Der  sg. 
noni.  lautet  stets  o  del,  o  dil.  o  dil  o  sfsiito  der  hellige  Gott,  griech.  devä  (jutt,  Himmel. 

di,  di  subst.  m.  Seele.   Vgl.  odiu. 

dijecica  subst.  f.   des  Kirchensängers  Frau.   —   i-um.   fem.   von   diak. 

di/c  vb.  sehen,  praes.  sg.  1.  dikdit,  diko^  dekdü.  2.  dikzs,  dikich  In.  dike.  3.  dikil,  diküa. 
pl.  1.  dikds,  dikäch  /es.  ?>.  dikßna.  impt.  sg.  2.  dik.  dik-ta.  pl.  2.  dikm.,  dikäna.  impf.  sg.  3. 
dikölas.  praet.  sg.  1.  dikTöm.  2.  d/'klau.  3.  diklufi.  dikTds,  dlkldch  le.  pl.  3.  dikle,  diklf.  dikl'ds 
sonv.  er  träumte,   griech.  dikdva,  diklidva^  didva. 

dikjov  vb.  gesehen,  sichtbar  werden,  praes.  sg.  .">.  dikjöl  (ditol):  the  na  dikjöl  kanc  ne 
videatur  quidquam.  pl.  3.  dekjon:  ol  phakd  dekjun  die  Flügel  werden  sichtbar,  impf,  di- 
kjölas.  griech.  dikiovava. 

diklö  subst.   m.   Hand-,  Kopftuch,   sg.   instr.   dikle. 

dil  V.  devel. 

dintrig:  pe  dinireg  ganz.  Vgl.  nntregu,  mtegomi   —  rum.  i,ntreg. 

dintunö  adi.  früherer,   dintum  f.  —  rum.   d'  'Bnt'BJ. 

dinUj  adi.   erster.   —   rum.   d'  i>nt'bj. 

döha  subst.  f.  Trommel.   —  rum.  dob:B. 

dohe  subst.   Tag  und  Nacht.  —  klruss.   doba. 

dodom  subst.   Kürbiss.  pl.   dodomd.  griech.  duddm  m. 

doftoriceka  adi.  Doctor-:  sträji  doftoriceka  Tracht  eines  Arztes. 

doftortja  subst.  f.  Arzenei.  pl.  doftorij. 

döftoriL  sulbst.  m.  Arzt.  sg.  acc.  doftorös.  pl.  ol  döftori.  —  rum.  doftoru. 

doJögn  subst.  m.:  Die  Bedeutung  konnte  nicht  festgestellt  werden:  tide  le  grastes  and 
ck  dolugu  wird  übersetzt:  fasse  das  Pferd  kurz. 

dövmu  subst.  m.  Herr.  —  rum.  domnu. 

dorohyj  kilpec  subst.  m.  Personenname.  —  klruss.  dorohyj  theuer,    kupec  Kaufmann. 

döru  subst.  m.   Sehnsucht,   sg.   gen.   dorosku.   —   rum.   doru. 

dösta  adv.  genug.  —  serb.  dosta.  Vgl.  klruss.  dosyf. 

dos  subst.  f.  Schuld  culpa.  mor6  dos  meine  Schuld.  Fehlt  griech.;  rum.  dos  Fehler 
Vaill.  57.  pol.  dos  pernicies.  engl,  dus  übel.  span.  doch  (dojj.    aind.  dösa  Fehler,  Schuld. 

dosalö  adi.  schuldig,  sg.  acc.  m.  dosales.  Von  dos. 

doü  num.   zwei  ftlr  duj.   —  rum.   doj. 

drah^  drjah  susbt.  m.  Tabak,  le  drahe  mit  Tabak,  griech.  drah  Kraut,  Wurzel, 
Arzenei. 

drahar  vb.  lesen,  praes.  sg.  3.  drabarü.  impf.  sg.  3.  drahürlas.  praet.  sg.  3.  drahardds. 
Das  "Wort  findet  sich  auch  in  der  Sprache  der  skandinavischen  Zigeuner:  drabbra  lesen. 
drabbranö  gelehrt. 

drag  subst.   m.   Liebe,  ku  drag  mit  Liebe.   —  rum.   drag. 

drdgo,  dragu  adi.  lieb,  maj  drdgo  lieber.    —  rum.  drag. 

drdgoste  subst.  f.  Liebschaft.  —  rum.  dragost'B. 

dremezgf  vb.  zart  thun,  zärteln.  impf.  sg.  3.  dremezdflas  pe.  Das  ^^'ort  hängt  mit 
russ.  drebezgi.  kleine  Stücke  zusammen.  Der  Bedeutungsübergang  wie   bei  zart,  zärteln. 


Übek  die  Mundarten  und  die  Wandebungen  dek  Zigeunek  Eueopa-s.  v.  17 

druk,  dr/iku  subst.  m.  Knüttel,  Stange,  pl.  druci.  instr.  drukunmca  mit  Knütteln. 
—  rum.,  klruss.  druk.   Vgl.  asl.   dragt. 

drum  subst.  m.  Weg.  pl.  drumd.  drum  das  Hess  laufen,  pea  drum  unterwegs,  griecli.  drom.. 

drns  subst.  Bündel,  Büschel. 

dugjdna  subst.  f.  Laden,   griech.   dujeni. 

ducho  subst.   m.  Geist,  o  ducho  (o)  sßnio  der  heilige  (je ist.   —   klruss.  duch. 

duj  num.  zwei,  li-diij,  duj-zeni  beide,  ol  du]  die  zwei.  pl.  acc.  dun,  don.  pusTds  le 
dun  er  fragte  die  zwei,  muri  don  pralen  meos  duos  fratres.  griecli.   duL 

dujto  num.  zweiter,  p  o  dujto  zweitens,  ditjto  des  le  lendemain.  dujtu  gaü  das  zweite 
Dorf:  ohne  Artikel. 

duk  vb.   schmei-zen.  pi-aes.   sg.   3.   dukdl.   griech.   dukdva. 

duldma  subst.  f.   Kleid.   —   serb.   dolamu. 

düma  subst.  f.  Rede,  das  duma  er  redete,  gab  Antwort.  —  bulg.  duirn,. 

dumbrdva  subst.  f.  Wald.   —  rum.  dumbravB  Eichenwald. 

dumük  subst.  f.  Faust,  la  dumukä  mit  der  Faust,  griech.   domuk. 

duncila  subt.  m.   Personenname,   sg.   acc.  doncüas.  dat.   duncilästi.  —  bulg.   dojcin. 

dunere  subst.  f.  Donau,    dunerja    mit  dem    rum.   Artikel,  sg.   gen.  dunerjdko.  —  rum. 

dun'Bre. 

dünga  subst.  pl.  Streifen.   —  rum.   dung-B. 

dior  adv.  weit,  maj  dur  weiter,  griech.  dur.  kurd.  dür  Lerch   131. 

dural  adv.  von  weitem,  griech.  dural. 

durjov  vb.   sich,   entfernen,   praet.   pl.   3.   durd.le.   griech.  duriovava. 

duruU  subst.  f.  Fass.  sg.  instr.  collect.  duruTdsa  mit  Fässern,  serb.  durulo  neben  hari 
duruU  grosses  Fass. 

dus  vb.  melken,  praes.  sg.  1.  duso.  2.  dusns.  3.  dusil.  impt.  sg.  2.  dus.  impf.  sg.  3. 
dusüas.  praet.  sg.  3.  dusloü.  griech.  dosdva.  kurd.  düsim  ich  melke.  Lerch  131. 

düvar  num.  zweimal  aus  diij  und  var. 

ddlgo  adi.   breit.   —  bulg.   dl-Bg  lang. 

dsndal  vb.  beissen.  praes.  sg.  3.  dendalel.  pl.  3.  dsndalen.  praet.  sg.  3.  ddndaldöü, 
dmdaldds.  griech.  danteläva.   Vgl.  dand. 

dsrui    vb.    schenken,    praes.    sg.    1.    d-orujw,    dsräj,    diruj,    dsruu.     Vgl.    dsruisar.    — 

rum.  d'Bruesk. 

döruisar  vb.  schenken,  praes.  sg.  1.  dnrusarö,  dsrusaräu.  impt.  sg.  2.  ddrusur.  praet. 
sg.   1.  dsriisardöm.   3.  dsruisardöü,  dsrusardöü,  dsrusardds.  Vgl.  dsrui. 

dnrumas  subst.  m.  Schenken,  sg.  gen.  dsrumdsko  zum  Schenken.  Man  erwartet  dsruimas. 

des  num.  zehn,  demjek  eilf.  desudüj,  de.sudöü  zwölf,  acc.  demdün,  desupdnz  fünfzehn, 
griech.   des. 

desto:  desto  num.   zehnter. 

ddü,  gih'i   adi.   dumm.   Vgl.  delivanö. 

dil'ovYh.    wahnsinnig    werden,    praet.    sg.    3.    güeles    für    diW'as.    griech.    deniliovava 

von  dendo. 

diu   subst.  m.  Weizen,  griech.  giv,  iv.  Vgl.  kurd.  genim  Weizen,  Getreide  Lerch  106. 


Denkschriften  der  phiL-hist.  Cl.  XXV.  Bd. 


Ig  Franz  Miklosich. 

E. 

e  avt.  f.  s.  ". 

e,  ej  intcri.   ei. 

ek,  jek  lumi.  ein,  ein  gewisser  (quidam),  unbestimmter  Artikel,  sg.  aan.  jekhes^  jekhss  : 
jekhss  ekhri  rakUs^  raklorßs,  guruvis^  mannsts-^  ekhts  saordx.  jekhi  negucstoresko.  ekhd  romne. 
ekhd  svardm  mit  einer  Sclinur.  dnda  jek  auf  einmal,  kajthdn  zusammen  scheint  aus  kaj 
ek  than  entstanden,  griech.  jek;  ekefane^  ketane  zusammen. 

enä  num.  neun,  o  ene  khsrd  die  neun  Zimmer,  o  end  Idncurl  die  neun  Ketten,  wohl 
fiii-  ol  eiie,  end. 

endto  num.   neunter. 

Sta  interi.  ccce.  —   rum.   uit'b. 


fa  vb.  täuschen,  ma  fal  man  es  täuscht  mich,  fal  es  scheint,  praet.  sg.  3.  faToü:  les 
faföü  les  greaca  es  ekelte  ihn:  vgl.  rum.  i>m  pare  gi-eaca.  Bei  Vaillant  104.  _/a.o  je  parais. 
fal  ma  il  me  parait. 

fdca  subst.  f.  Gesicht.  —  rum.  facB. 

fdgu  subst.  m.  Buche.  —  rum.  fagü. 

fdnu  subst.  m.  Fahne.   —  deutsch  Fahne. 

fecfrumos  subst.  m.  Mannsname.  —  rum.  fec-lrumos  (kuperul  de  aur.) 

feeörs,  fecjörs  subst.   f.   Jungfrau.   —    rum.  fecoart. 

/e/«,  felo  subst.  m.  Art.  sekom  felo  jede  Art.  fei  de  fei  allerhand.  —  rum.  feljü.  feljü 
de  feljü. 

fenici  subst.  pl.  Rathgeber.   —  aslov.  s-bvetbnikt. 

feniku  subst.  m.  Pfennig. 

ferestüjka  subst.  f.  Fensterchen,  von  ferjdsta.  —  rum.  ferestujlcB. 

ferisardov  vb.  sich  hüten,  impt.  sg.  2.  ferisnü  nuindar  hüte  dich  vor  mir:  ferisdü  "aus 
ferisardov.  —  rum.  feri  behüten,  sich  hüten.   Vgl.  engl,  ferin  man  help  me.  Bor.  zinc.  9. 

ferjdsta  subst.  f.  Fenster,  pl.  ferestt.  slavon.  feTastro.  —  rum.  ferjastt,  ferjastrt. 

feso  subst.  m.  Fes. 

fiesavo  pron.  jeder,  sg.  gen.  fiesavesko,  fiesavesks.  —  rum.  he  es  mag  sein  und  zig. 
savö:  vgl.  rum.  fie  karele  wer  immer. 

fighiri  subst.  pl.   Spässe.   —  russ.  figli.  pol.   ligle. 

ßnu  subst.  m.  Täufling,  Verwandter,  sg.  gen.  fiösko.  voc.  ßne.  Neben  finu  findet  man 
Mm/.  —   rum.   finu. 

flekuisar  vb.  zerfleischen,  praet.  pl.  3.  ßekuisarde.  —  rum.  fleakui,  subst.  fleak.  pol. 
flak.    klruss.   fl'ak.    deutsch   Fleck. 

ßuerds  subst.  m.  Flötenspieler.  —  rum.  ttueras. 

ßi'ieru  subst.  m.  Flöte.  —  rum.  fluerii. 

folosssar  vb.  nützen,  praes.  sg.  1.  folosssarö.  2.  folosssare.  Man  erwartet  folosisar.  — 
rum.    folosi. 


Über  die  Mundarten  und  diu  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  v.  19 

foro,  foru  subst.  m.  Stadt,  pl.  foruri.  griech.  foros.  —  mgr.  cpöpo?.  biilg.  na  foroseh-b 
auf  den  Märkten,  aruss.  foros-B  torg-B.  op.  2.  3.  23. 

fortdcie  subst.  f.  Befestigung. 

fortüna  subst.  f.  Sturm.  —  rum.  fortun^B.  ngriech.  (pofjpxouva. 

furuUj  subst.  m.  pl.  Städter.  Das  Wort  setzt  ein  slav.  foi-usanint.  pl.  forusani  voraus. 
Vgl.  foro. 

fostj  subst.  pl.  Fisolen.   —  rum.  fasolt  sing. 

frdsu  subst.  m.  Bügeleisen.  —  rum.  frasü  statt  prasu.  pol.  prasowac.  klruss.  prasovaty. 
deutsch  pressen. 

fvndu  subst.  m.  Grund,  Hintergrund,  Tiefe,  Boden:  o  fündu  la  kakaveko  der  Boden 
des  Kessels.  —  rum.  fundu. 

funezija  subst.  f.  Russ.   sg.  instr.  funezijdsa.  —  rum.   funindzine. 

fürka  subst.  f.   Spindel.  —  rum.   furk-B. 

fiurkulicn  subst.  f.  Gabel.  —  rum.  furkulicü. 

ßkdecu  subst.  m.  Nudelwalker,  Walze.  —  rum.  ftk'Blecü. 

fwso  vb.  beenden,  zu  Ende  gehen,  praes.  pl.  3.  na  ßrsöna  pi  es  wird  nicht  aus- 
gehen, impf.  pl.   3.  fersonas.   slavon.  vsrsi.   —  rum.   sftrSi. 

ßrsusardov  vb.  vollendet,  ganz  verbraucht  werden,  praet.  sg.  3.  ßrsosdßas  ging  zu 
Ende.   Vgl.  /srso. 

forim  subst.  Stück.  —  rum.  i'hvhva.'b  f. 


G. 

gddo,  gad  subst.  m.  Hemd.  pl.  gadd.   griech.  gad. 

gajni  s.  kajni. 

galdc  subst.  Ortsname. 

galav  subst  m.  Sack.  pl.  galavi.^  godave.  griech.  gälavos  Kopfkissen. 

gdlbsmi  subst.  m.  Ducaten.  pl.  gdlbeni,  gdlben,  gdlbej.  instr.  galbmiinca.  slavon.  galveno 
gelb,  galbe.n  Gold.  —  rum.  galbin. 

garav  vb.  verbergen,  verwahren,  praes.  sg.  1.  gardu.  2.  garaves.  3.  garavel.  pl.  1. 
garavdsa.  praet.   sg.   3.  garaduü.,  garadäs  imd  garudoü,  garudäs.  griech.  geravdva. 

garudov  vb.  sich  verbergen,  praes.  sg.  1.  ganklivo  aus  garddovav.  3.  garddola. 
pl.  1.  guriiduvds.  3.  garddon.  impt.  sg.  2.  gardduü,  gariiduü.  praet.  sg.  3.  gari'idiTas. 
pl.   3.  garndili.  griech.  gerdvdovava. 

gdta  adi.  fertig,  bereit.  —  rum.  gata. 

gaü  subst.  m.  Dorf.  pl.  gard.  griech.  gav. 

gdzda  subst.  m.  Hausherr.   —  rum.  gazdi>. 

gazi  subst.    f.  Frau,  Wirthinn,  Weib.    sg.  gen.   la  gazdko  des  Weibes,    griech.  gadzi. 

gazö,  gazii  subst.  m.  Mann,  Hausherr,  Wirth,  Rumune.  sg.  acc.  gazes,  gazss.  peskr, 
gazdsks  suo  hero.  pl.  instr.  gazfnca.  griech.  gadiö. 

generdri,  generdf  subst.  m.  General. 

gileles  v.  dÜ'ov. 

gil6u  subst.  m.  Räuberhauptmann. 

glas,  gldsn  subst.  m.  Stimme,  pl.  gldsuri.  —  rum.  glas. 


3* 


20  FkANZ     MlKLOSlCH. 

glödu  subst.   in.   Koth,  Sumpf.   —  rum.   glod. 

gode  pn>n.   das.   slavon.  godau  roni-  dieses  Kind.   Vt^'l.  kod/i. 

godf  subst.   f.   \' erstand,   serb.  godi  Hirn. 

godavSr,  godavSr  adi.  khig.  slavon.  godjaver,  godzaver. 

qonö,  gonii  stibst.  m.  Saek,  Netz,  griech.  go)i6. 

gospoddf  subst.  m.  Hausherr.   —   runi.   ehospodarjü. 

grdfu  subst.  m.   Graf. 

grast  subst.  lu.  Pfertl.  sg.  voc.  grastd.  grdsta.  tu  nwro  grast!  gen.  graatcsko,  grasteskd. 
so  ksrö  le  graste?  was  fange  ich  mit  dem  Pferch»  an?  acc.  grastes.  abl.  hez<^ch  le  grastesthar 
Schade  um  (bis  Pferd,  instr.  grastesa.  pl.  grast:  trin  grast,  acc.  grasten,  grastin.  instr.  gra- 
stenca,  grastmca.  gen.  grastengo,  grastengs.   dat.  grastnide,  grastind'e.  griech.  grast^  gras,  gra. 

grdure,  grduri  subst.  pl.  Specht.  —  rum.  graur. 

graznt  subst.  f.  Stute,  sg.  acc.  grazne.  gen.  graz'hdko.  pl.  nom.  grazne.  acc.  grazndn. 
gen.  grazndngs.  dat.  graznende.  griech.  grastni,  grasni.^  gram. 

grdido,  grasto  subst.  m.  Stall.   —   rum.   gra2du. 

gresisar  vb.  sündigen,   praet.  pl.   1.  gresisarddm.   — -  rum.   gresi. 

greUsardov  vb.  etwa:  sich  versündigen,  praet.  pl.  1.  gresisdjTam  aus  gresisdrdiTam. 
Vgl.  gresisar. 

greu  subst.  m.  Schweres,  Bedrängniss.  —  rum.  greü. 

grijcdr  subst.  m.  Kreuzer,  pl.  grijcdri.  dat.  grijcarinde.  —  rum.   krejcarjü. 

grfnda  subst.   f.   Zimmerdecke,   griech.  ghrenda  Balken.   —   rum.   grindt. 

grizi  vb.  sorgen,  praes.  sg.  3.  grizüla,  richtig  grizila,  und  grizil  pe  er  sorgt.  — 
rum.   grizi. 

grizisardov  vb.  sorgen,  impt.  sg.  2.  grizisaü  ans  grizisardoti .   Vgl.  grizi. 

gr'izs  subst.   f.   Sorge,  pjeravel  f/'ikr,  de  grfzs  er  sorgt  für  dich.    —   rum.   grizTb. 

grmpa  subst.  f.  Grube.  —  rum.   groapi. 

grsmuda,  grömddo  subst.  f.  Plaufen.  pl.  gröintdz,  gromtdz,  grömsz.  gramdda  love  eine 
Menge  Geld,  slavon.  grmada.  —  rum.  gn^mad-b. 

grnpi  vb.   eggen,   praes.   sg.   1.  grdptü.   8.  grnpil.  —  rum.   grap. 

grs?'mc5  subst.   f.   Getreidekorn.   —   rum.   grtuncu  von  grtii,  grtnu. 

guglö  adi.  süss.  g/Ue  ddde!  süsser  Vater!  mord  gnl'a  da!  meine  süsse  Mutter!  griech. 
guglö^  gudlü. 

gimöj  subst.   m.   Mist,   Misthaufen,   griech.  gonöi,  konoi.   —  rum.  gunoj. 

gurü,,  gurüü  subst.  m.  Ochs.  sg.  gen.  guruvesku.  instr.  guruvesa.  pl.  gurn.  ek  zictö 
guru  ein  Joch  Ochsen,  acc.  guriwen.  instr.  gnruvenca,  gurmnca.  griech.  gurüv,  guri. 

gurumnt,  gruium  subst.  f.  Kuli.  pl.  acc.  guriminin.i  gurumne,  gurumiidn.  griech. 
gurumni,  gunivriL 

giita  subst.  f.  Tropfen,  gvta  paj  ein  Tropfen  Wasser.  —  rum.  gutt. 

guzanonen  pl.  acc.  Ratten.  —  rum.  guzanu. 

gsci  vb.  rathen,  errathen.  praes.  sg.  1.  gnciu.  3.  gscila.  the  gzcin  zu  errathen.  impt. 
pl.  2.  gzciu.  —  Vgl.  rum.  giisi  finden. 

gdcisar  vb.  errathen.  pi-aes.  sg.  2.  gdcisare.  impt.  sg.  2.  gscisdr.  praet.  sg.  1.  gacisarddm 
für  gncisardom.   3.  gacisardöu.  pl.   3.  gzcisarde.,  göeisardt.  Vgl.  gsci. 

gscitoare:  kaj  gscituare  zum   errathen.   Vgl.  gsci. 

güTü7n  s.  za. 


Übke  die  Mündarten  und  die  Wandekungen  der  Zigeuner  Europa'S.  v.  21 

gdncli  vb.  denken,  praes.  sg.  1.  gmdiü.  2.  gmidis.  3.  cöndü.  impf.  sg.  3.  cpmUla-f. 
pl.   2.   3.  gmulmas.   slavon.  gandis.   —   rum.   g-Bndi. 

göndisar  vb.  denken,  impt.  sg.  2.  gsndisär.  praet.  sg.  1.  gdndisardöm.  3.  gdndisardöü, 
gsndisardds.  Vgl.  (/37«<i«.  ungr.  gondolinav. 

gmidib  subst.   m.   Gedanke,  Vernunft,   pl.  gmduri.  —   rum.   gindü. 

ginzit  subst.   m.  Flechtruthe.   russ.   uzevka.   —  rum.   gx.nzu. 

götosar  vb.  beenden,  praet.  sg.  1.  gstosardöm.  2.  gstosardän.  3.  gstosardöü.  Man  erwartet 
gdtisar  oder  gstssar.  —  rum.   g"&ti. 

güosardov  vb.  sich  richten,  praet.  sg.  3.  götosäjTas  aus  gstosdrdilas. 

H. 

/^o   interi.   ha. 

haind  adi.   tüchtig.   —  rum.   hai'n. 

haj,  he  coni.  und. 

haj  interi.  auf.  Vgl.  /»',  hüj. 

häjda  interi.  komm!  hajda  far!  auf!  pl.  hdjdam  eamus!  hdjdanl  kommt!  hdjdan  thar! 
kurd.  hä'ide    Lerch  92.     Das  Wort  findet   sich    in   allen  südöstlichen  Sprachen  Europas. 

hajdamdk,  hajdamdcho  subst.  m.  Räuber,  pl.  hajdamdci.   —  russ.  hajdamak^B. 

hajsdno,  hajsdnu,  hajsdn  subst.  m.   Personenname. 

haliU  interi.   auf. 

hardmniko,  hardmnihi  subst.  m.  Peitsche,  sg.  instr.  haramnikos.  —  russ.  arapnik^b. 

hardpu  subst.  m.  Araber,  sg.  acc.  harapös.  —  rum.  arap. 

haravl  subst.  Riemen,  pl.  instr.  haraidenca. 

hargdt,  hargdto,  hargdtu  subst.  m.  Diener,  Knecht.  Der  sg,  nom.  lautet  auch  hargatos. 
acc.  hargatos.  dat.  hargatöskd.  instr.  hargatosa.  pl.  nom.  hargdti,  hargdti,  hargdci,  hargdr, 
minder  genau  hargdcij.  acc.  hargacm.  —  rum.  argat. 

hargdta  subst.  f.  Magd.   Vgl.  hargdt. 

hdrniko,  hdrniku  adi.  fähig,  pl.  hdrnic,  harnic.  —  rum.  charnik. 

he  interi.  he.  Vgl.  haj,  hsj. 

hegedvs  adi.   wahnsinnig.   Vgl.  hsgeddri. 

hercvitdz  subst.  m.  Erzheld.  sg.  acc.  hercvitezös. 

herdeleziu  subst.  m.   Pferdehtiter.   Vgl.  hsrdüfja.  —  Vgl.  rum.  ch'Brg'Lliciü. 

herdilija,  hergelija  subst.  f.  Heerde.  Vgl.  hardiUja.  —  rum.  ch^brgelie. 

hodini  vb.  ausi'uhen.  praes.  sg.  1.  hodinlü.  3.  hodinil.  pl.  3.  hodimn.  —  rum.  chodini 
aus  odichni. 

hodinisar  vb.   ausruhen,   impt.  sg.  hodhiisdr.  Vgl.  hodini. 

hodini sardov  vb.  ausruhen,    praet.  sg.   3.  hodinisdjToü  aus  hodinisdrdiloü. 

hohö  interi.   hoho. 

holub  subst.  m.  Taube,  pl.  hohlhur. 

holubyj  subst.  m.  Personenname. 

höpa  interi.  hopp. 

horba  subst.  f.  Wort.  tri7i  horhe  drei  Worte.   —  rum.  vorbt. 

hormb  subst.  m.  Heerd,  Heerdkappe.  —  Vgl.  rum.  chornecB.  russ.  gornt. 

hosdöpa  subst.  f.  Korbgeflecht.   —  Weder  rum.  noch  slav. 


•»o  Kran/.   Miki.oshu 

hon    intt'ri.   Iialt. 

hram:  t'on   din(  hram   sio  scIirioluMi   aut".   —    \  ü1.    yiircli.   '•y'i^^i.^irx. 

hraiimiuf  luii.   jreat'hriohen.   .ins  liramumi  «'s   war  l''«'s*'1ii  i<'l'<''i-  \  \^\-  lir<iin. 

lii'diin  subst.   r.   Nahrung.  —   nun.   »•Iinim.. 

hrnninti  vb.  wiolu'rn.  prac".  .•<>{;.  2.  hrfiuintis.  inipl'.  sg.  W.  hrrmindlirs.  —  iri-i(!cli.  •/r/c|ict'.,(t). 

Iireuiindsar  vl>.  wioliorn.  pniet.  s«j.  2.  /ireiiiintisnnfon,  fin'miitfisnnfnii.  '.\.  Iiriuinifexardüa, 
h  !'•}»  iittisartföii .  h  rrm  in  fisa  rtfd.t. 

firfika  sub.-^t.   t'.    IKmiIou.   —   klnis.>;.   Incrka. 

/irsiif  vb.  näliron.  filttorn.  jiraes.  sg.  2.  /irr.nfs.  [).  /irnnf/,  hraiiUa.  impl".  sg.  ,'5.  lirnnÜaR 
pr.  t/n'  hrsn((n)   ma  niicli   zu  nJihren.   —   run».  clin.ni. 

hrsnisar  vb.  füttern.  ]iracs.  .sg,  1.  hrriui.<ar.'<.  jmmci.  sg.  2.  /in-.iiisarifäii.  3.  hrr,ni.iai'([()U, 
/irant'snrJos.  ^  gl.  /irniii. 

liH^'i'il  subst.   ni.   lluzulo.    j>l.   nmu.   (Inj  Iinraj.   acc.  hucunin. 

hnlar  vb.   herablassen   deinittere.    praot.   pl.   .'5.  Iiularch'.    Vgl.   Inili. 

hulav  vb.  kämmen,  praos.  ]il.  .'>.  hulavfn,  Imlacdna.  Vgl.  slavon.  fnlihi  Ich  wcnlc 
kämmen,  fitlav^l. 

Jtitll  vb.  herabsteigen,  praes.  sg.  3.  huh'^l:  hah'l  o  khmu.  tch'  die  Sonne  geht  unter, 
imin.  sg.  2.  hol!,  praet.  sg.    1.  Judistom.  3.  huUsfiU.    Vgl.  griech.  ngldidvc   paitic  ng/distö. 

/iiilpe  subst.   t'.    Fuchs,   sg.  aee.  hidpL   —   runi.   vulpo. 

hüUnru  subst.  m.  Geier.  —  rum.  vultur. 

hunav  vb.  jäten,  wühlen,  praes.  sg.  1.  hmdii,  linnavö.  impf.  sg.  3.  ImnavMas.  hnndlas. 
praet.  sg.  1.  hunadtun  ma  ich  grub  mich  heraus.  3.  hunadöü.  pl.  3.  hunade.  Vgl.  slavon. 
hanavel  er  gräbt. 

hüjiak   subst.  m.  Personenname. 

hsgedäri  adi.  blöde.  Vgl.  hegcdi'is. 

höj  interi.   auf.  ei.   Vgl.  haj.  he. 

liüjdamacije  subst.  f.   Räuberhandwerk.   \  gl.  hajdamdk. 

hsrdiUja,  hördüije  subst.  f.  Heerde.  pl.  hrödiMj.   Vgl.  herddija.  —  rum.  chtrgelie. 

hzrUcu  subst.  m.  Grabschaufel.  —  rum.  ch-brlec. 

ksrt{J5  subst.  f.  Papier.  —  rum.  ch^rtie. 


CH. 

cha  vb.  essen,  fressen,  beissen.  praes.  sg.  1.  chaü,  cho.  2.  chas^  selten  che.  3.  chal, 
chdla.  ungenau  chdila.  pl.  1.  chdsa,  chas.  3.  rhan.  impt.  sg.  2.  rha.  che.  pl.  2.  chan.  impf, 
sg.  3.  chdlas;  chdlas  pe  stritt,  pl.  3.  cMjz««,  unrichtig  chdnlas.  praet.  sg.  1.  chaTöm.  2.  chaTdn, 
chaUn.  3.  chaTöü,  chaTds.  pl.  3.  c/m/e,  chali.  Für  den  Inf.  te  chal,  te  chan.,  the  chas:  de  me  the 
chas  gib  mir  zu  essen,  griech.  chdva. 

chahe.  chabi  subst.  m.  Sjjeise.  chahe  p'  o  chahe  Speise  auf  Speise,  pl.  chabendta. 
griech.   chahe. 

chajing.  chaing  subst.  f.  Brunnen,  pasd  j  chaing  bei  dem  Brunnen,  pl.  chainga.  griech. 
chamng,  chaing. 

chaladov  vb.  gewaschen  werden,  praes.  sg.  3.  chalddol  lavabitui-.  na  chalädol  lässt 
sich  nicht  waschen,   praet.  pl.   3.  chalddili. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eukopa's.  v.  23 

chalav  vb.  waschen,  praes.  sg.  1.  cltalavu^  chalavdu:  clialdü  aus  chalavdn.  3,  elialavel. 
pl.  1.  chalavds.  3.  chalaveri.  impf,  p],  3.  chalavenas.  praet.  sg.  3.  chaladäs^  cltaladöü.  pl. 
3.  chalade. 

chaldzi  subst.  Messing.  —  griech.  ya/,'/.rjz. 

chdltodad  Liebling  des  A^aters  wird  erklärt  als  chal  tu  o  dad  edit  te  pater,  etwa 
der   Vater  frisst  dich,  hat  dich  zum  Fressen  gern.  Vgl.  chditnjdij. 

chdltojdij  Liebling  der  Mutter:  dial  tu  e  dij.  Vgl.  chdltodad. 

chanro  subst.  m.  Säbel,  pl.  instr.  chanrdnca:  lüden  le  chanrmca  werfet  die  Säbel, 
griech.  chandö. 

char  subst.  Thal.  pl.  chare. 

chdrkom  subst.  nr.  Kupfer.  —  griech.  "/d/.xcojjia. 

charkimö  adi.  kupfern,  ehern,   kaj  mestli  charkum  zum  ehernen  Tisch.  Vgl.  chdrkom. 

charun  vb.  kratzen,  praet.  sg.  3.  charundds.  kurd.  yorinim  ich  kratze,  yoriänd 
kratzte.  Lerch   114. 

chasar  vb.  verlieren,  praes.  sg.  1.  chasarö,  chasardü.  2.  chasaris,  chasare.  3.  chasdrlo, 
chasarü.  praet.  sg.  1.  chasardom.  2.  chasarddn.  3.  chasardds.  slavon.  hasarau.  khasardem 
msndre  love  ich  habe  mein  Geld  verloren.  —  griech.  /dvoj. 

chasardov  vb.  zu  Grunde  gehen,  verschwinden,  praes.  sg.  1.  chasdjvo  aus  chasdrdovav. 
3.  chasdjvel.  praet.  sg.   1.  chasdjl'om.  3.  chasdjTas,  chasdjioü.  pl.  3.  chasdjle.,  chasdjli. 

chli  vb.  kacken,  impt.  sg.  2.  chli.  praet.  sg.  3.  chsndds.  chle  cacavit  ist  mir  dunkel, 
partic.   chsndi  bekackt,    griech.  chlidva,  chidua^  chindva,  chsnddva.    partic.  chlendo. 

chochamnö  subst.  m.  Lügner,  Betrüger,  sg.  acc.  chochamnes.  gen.  chochamneskd. 

chochav  vb.  locken,  betrügen,  praes.  sg.  1.  chochavö.  2.  ckochctves.  impf.  sg.  3.  clio- 
cliavelas.    praet.  sg.  2.  chochaddn,    unrichtig   chocharddn.    3.  chochadöu.    griech.  chockavdva. 

cholerniku  adi.   zornig.   Vgl.   clioli  Zorn. 

choU  subst,  f.  Zorn.  sg.  abl.  cltolindtar  pendöm  ich  spi-ach  aus  Zorn,  griech.  choUn 
Galle,  Zorn. 

choTar  vb.  erzürnen,  pi-aet.  sg.  3.  choTardds. 

choTardov  vb.  zornig  werden,  praes.  sg.  1.  choTdu  aus  choTdrdovaü.  3.  cholevela  aus 
choTdrdovela.  praet.  sg.  3.  cholejj'oii  aus  choTdrdlloü.  choleßas;  f.  choMjli.  Vgl.  griech.  cholasdilo 
er  ward  zornig,   slavon.   na  choTau  te  mandi  werde  niclit  böse  auf  mich, 

choroisar  vb.   schnauben,   praet.  sg.   3.   choroisürdoa.   —  rum.   chor^i. 

chotdr  (liotdr)  subst,  Strasse,  —  rum.  chotar  Grenze,  Gebiet. 

christos  subst.  m.   Christus.   —   rum.   Christos. 

chumer,  choraer  subst.   m.   Teig.   sg.   instr.  chomerfsa.  griech.   chomcr. 

churdo  adi.  klein,  churdö  bar  kleine  Steine,  griech.  churdö. 

chuiil,  chotil  vb.  ergreifen,  fangen,  packen,  rauben,  praes.  sg.  1.  chutilo.  2.  chutdea, 
chutües.  3.  chutilel,  chutiUa.  pl.  1.  clmtilas,  chatildsa:  the  chiitila[s]  ame  prcd  machen  wir  Bruder- 
schaft, wörtlich:  ergreifen  wii-  uns  als  Brüder.  3.  chutlUn.  impt.  sg.  2.  eMail,  chutil  tu 
halte  dich,  praet.  sg.  1.  chutildöm,  chotildöm.  2.  chutilddn.  chotilddn,  unrichtig  cJiudilddn. 
3.  chutildöü,  chotildöü,  chutildds.  pl.  1.  rhntilddm.  3.  chultilde:  chutilde  pe  pral  sie  machten 
Bruderschaft,  chutilde  pe  sie  umarten  sicli.  chutilö  tükö  ich  werde  dir  dienen.  Vgl.  böhm. 
chudov  ergreifen. 

chut  vb.  sich  rühren,  springen,  aufgehen,  fallen,  praes.  sg.  1.  cJiuidil.  2.  chiites.  3.  chut/l. 
pl.   1.   chufds.   impt.  sg.   2.   chüte:   vgl.  clut  tu.    impf.   sg.   3.   chutüus.    praet.   sg.    1.   chvkTöin. 


24  FkANZ     MlKLdSlCH. 

3.  chukTöu,   chukTds.  clmklus  o  kam   die   Sonne  gieng  auf.   i-huklas  pc  lesfe  er  warf  sicli   auf 
ihn.  pl.  3.  cJmkU.  slavon.  hdel.  böhm.  c/mtav. 

chvardo:  chvardf  f.  locherig.   Vgl.   clim. 

chnics  subst.  f.  Mamaliga.  Bei  Vaillant  8(5.  i  ki'ica  polenta. 

chsndf  s.  chli. 

chöü  subst.   f.  Loeli,   Öffnung,   grieclu   chev. 


iköna  subst.  f.   Bild.  pl.  ikom.  slavon.  ikuna.   —  rum.   ikoan-b. 

ikrd,  ikra  subst.  f.  Kaviar.  —  rum.  ikre. 

ITäna  subst.  f.  Helena. 

inte:  maj  infe  adv.  früher.  —  rum.  'bnainte. 

irimije  subst.  m.   Jeremias. 

is  vb.  sein,  praes.  sg.  1.  som.  2.  san.  3.  ssn,  ss.  kaj  s'  o  balisuf  wo  ist  das  Ferkel? 
die  III.  sg.  ssn^  sa  wird  auch  durch  das  rum.  ?  ersetzt:  so  j  ti'iknf  was  ist  dir?  na  j  so 
daü  non  est  quod  dem.  pl.  1.  sam.  3.  ssn,  ss.  impf.  sg.  1.  sömas.  2.  sdnas.  3.  sas,  sack 
les.  nas  unzweifelhaft  aus  na  sas.  ]j1.  1.  sdmas.  2.  sä7ias.  3.  sas.  griech.  iso7n.  slavon.  praes. 
ssm,  san,  si.  sam,  san,  si.  impf,  samas,  senas.  sas.  samas,  senas,  sas.  Redensarten:  S5)t 
ma  est  mihi,  sdn  tu  est  tibi,  ssn  ame  est  nobis.  ss  les,  ss  lesti  est  ei  m.  .sas  la  erat  ei 
f.  mände  ss  mihi  sunt,  na  j  mänga  non  est  mihi,  kan  sas  tilks  romestar  wenn  es  dir  um 
einen  Mann  zu  thun  war.  53  the  arifi  ich  habe  zu  ackern,  ich  werde  ackern  d.  i.  est 
ut  arem.   ss  the  rnarsi  er  wird   schlagen. 

(skslisardov  vb.  unterschreiben,  eig.  sich  unterschreiben,  impt.  sg.  2.  iskalisdü.  praet. 
sg.   3.  iskslisdjToti.  —  rum.  isktli. 

isprsvisar  vb.  vollbringen,  praet.  sg.  2.  isprsvisarddn.  3.  isprsvisardds.  —  rum.  ispz'avi. 

ispssi  vb.  verzeihen,  praes.  sg.  3.  für  die  pl.  3.  ispssßla  pe  remittentur:  ispsssla  pe 
te  bezechu  remittentur  peccata  tua.  —  rum.  spi>si  erretten,  befreien. 

ivdno,  ivdnu  subst.  m.   Johann,  sg.  voc.  ivdne.  acc.   le  ivanös. 

ivend  subst.  Winter,  griech.  vend^  m.  slavon.   evende  im  AVinter. 

izhsvisar  vb.  erlösen,  impt.  sg.   2.  izbovisdr.  —  rum.  izb:5vi. 

izdra  vb.  zittern,  praes.  sg.  3.  izdrdla  tremet.  praet.  sg.  3.  izdrajoü  aus  izdranöü. 
griech.  lizdrdva.  partic.  lizdranö. 

izvoru,  izvor  subst.  m.  Quelle,  sg.  dat.  izvorsste.  —  rum.  izvor. 


jddo,  jddu  subst.  m.   Hölle.  —  rum.  jad. 

jag  subst.  f.  Feuer,  pe  (d.  i.  p'  e)  jag  auf  das  Feuer,  sg.  gen.  jagdkii  Feuer-,  instr. 
jagdsa.  ek  zari  jagati  ein  Feuerschein,  the  ksrss  jag  mache  Feuer,  griech.  jag. 

jak  subst.  m.  Auge.  pl.  nom.  jakhd.  instr.  jakhsnca.  hi  mors  jakhsngo  aus  meinen 
Augen,  bi  fi  jakhsngo  aus  deinen  Augen,  griech.  jak. 

jdlovica  subst.  f.  junge  Kuh.  gen.  jalovicdko.  pl.  jdlovice.  —  rum.  jalovicB,  aus  dem  Slav. 


Über  die  Mundarten  und  we  Wanderunoen  der  Zigeuner  Europa-s.  v.  25 

jarmarök  subst.  m.   Jahrmarkt.   —   klruss.    jarmarok. 

järö  adv,   abermals.   —  rum.  jari.. 

jdzeru  subst.  m.  Lache.  —  rum.  jazer. 

jdzo,  jdzu  subst.  m.  Teich,  See.  —  rum.  jaz. 

jSdo  subst.  m.  Zicklein.  —  rum.  jedu. 

jeßd  num.   sieben,  jeftävar-de»  siebenzig.  jeftd-ssla  siebenlumdert.   griech.   eftd. 

jek  s.   ek. 

jepa  subst.  f.  Stute,  o  sfu  jepej  der  Sohn  der  Stute.  —  rum.  japi,,   cp-B. 

jere  subst.  pl.  Nägel. 

jerti  vb.  vergeben,  praes.  sg.  1.  jertm.  me  jertip  tu  ich  vergebe  dir.  3.  jertiL  jertüa. 
—  rum.  jert  aus  lat.   *libertare. 

jertwii  adi.  begnadigt.  Vgl.  jerti. 

jertisar  vb.  vergeben,  praes.  sg.  1.  jertisaru.  pl.  1.  jertisaräs.  impt.  sg.  2.  jertisdr. 
praet.   sg.   3.  jertisardoü.   Vgl.  jerti. 

jeva  subst.  f.  Ewa. 

jezunie  subst.  f.  Höhle.   —  rum.  vizuin'b. 

jic  adv.  gestern,  griech.  ic,  jic. 

jikdr  s.   unkür. 

jil6,  jilü  subst.  m.  Herz,  slavon.  jilo. 

jiv  subst.  Schnee,    griech.  viv  m.  slavon.  jiv.  serb.  iv.  ivdskere  schneeig,    aind.  hima. 

jive,  jive  adv.  vergebens.  Vgl.  ungr.  hijäba.  böhm.  hijaba. 

judisar  vb.  verführen,  praes.  sg.  \.  judisarö.  praet.  sg.  3.  judisardds.  —  rum.  judi 
anstiften,  klruss.  judyty. 

juon  subst.   m.   Johann,   sg.   acc.  juonus.  voc.  juone. 


K. 

kacdm  pron.  einige.  ('  kacüm  manns  einige  Menschen.   Vgl.  rum.  k-Bc'iva  emige. 

kade  adv.  so :  kade  j  mistö  so  ist  es  gut.  Vgl.  kado. 

kadö  m.  kade  f.  pron.  dieser,  kado  p>olub6ku  dieses  Fass.  kad!  ailKn  dieser  Palast. 
kade  rati  diese  Nacht,  kade  h&rba  dieses  Wort.  sg.  acc.  m.  kadales  saves  hunc  puerum. 
kadale  (für  kadales)  grastes  dieses  Pferd,  f.  kadald  rakle  hanc  puellam.  abl.  m.  kadalesthar. 
pl.  kadöl  bras  diese  Tannen,  kaddl  pirösti  diese  Kuchen,  kadv  ist  die  Verbindung  eines 
Adverbs  kada  mit  dem  Pronomen  o,  e,  im  acc.  m.  les  u.  s.  w.  griech.  kadavd  m.  kadajd 
f.  kadald,  kadale  pl.    Vgl.  kakö,  kukö. 

kdhla  subst.  f.  ßauchfang.  —  rum.  und  klruss.  Mündung  des  Rauchloches,  namentlich 
bei  kaminlosen  Häusern. 

kaj  a)  adv.  wo,  wohin,  fragend  und  relativ,  kaj  (kaj  i)  o  halisö?  wo  ist  das 
Ferkel?  oias,  kaj  sovel  non  erat,  ubi  dormiret.  b)  kaj  vertritt,  wie  ngriech.  Tioo,  das 
relative  Pronomen:  grast,  kaj  pcherös  das  Pferd,  das  (auf  dem)  ich  ritt,  kodo  raklo,  kaj 
Toü  les  paldl  der  Knabe,  den  er  fortjagte.  Meine  Syntax  92,  93.  c)  praep.  zu,  in,  an: 
kaj  ek  raj  zu  einem  Herrn,  kaj  sköala  in  die  Schule,  kaj  o  S57^6  zum  Kopfe.  Nach  kaj 
fällt  der  Artikel  f.  e  aus:  kaj  kor,  kort  an  dem  Hals,  von:  chuMds  tele  kaj  brtcka  er 
sprang  herab  vom  Wagen.   Für  kaj  o  wird  meist  k'  o  oder  koa  gesagt:  k'  o  abeü  zur  Hoch- 

Denkschriften  Jer  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  ■* 


26  Franz   Miklosich. 

zeit,  koa  nm  zum  Wulf.  ktHi  raj  /.um  IFcn-n.  /.'  ol  hali  zu  den  Scliweinen.  griech.  kaj 
PaspatI  74. 

kajnU  kaji'u,  gajiii,  gajni  subst.  1".  Henne,  sg.  acc.  kaj»/,  kajni.  iiistr.  kajmsa.  pl.  oZ 
yl-c7/?u'.  acc.  /e  kajndn.  pl.  gen.  gajndngu.  griecli.  kaghm,  kafni,  ka/mi,  ka'mf.  slavon.  kdJ7ii. 
kanako  mas  Hühnerfleiscli.   sci-b.  kanl. 

käjre  subst.   pl.   Spinni-ocken.  ti-'m  kdjre. 

kajthdn  s.  tha)i.  ' 

kak  subst.   m.  Onkel,  sg.  gen.  kakßsko.  griecli.  kak. 

kak.  k/iak  subst.  f.   Üclise.   tald  j  k/ik,  tald  e  kliak  unter  dem  Arm.   griecli.  kak. 

kakavf,  kakdvi  subst.  f.  Kessel,  pl.  kakdve^  kdkave.  and  o  ft'mdu  la  kakaveko  auf  dem 
Boden  des  Kessels,  griech.  kakkavt,  kakkdvi.  pl.  kakkavid. 

kaklt  subst.  f.   Spindel,   sg.  instr.  kakTdsa.  griech.  katU.  Vgl.   kat  spinnen. 

kahö  pron.  dieser,  kako  bar  dieser  Stein,  kako  vast  diese  Hand.  sg.  acc.  kakales 
khuforä  dieses  Fidlen,  kakale  manusSskö.  kakdl  grsdncö  dieses  Getreide,  kakn  ist  die  Ver- 
bindung  eines  Adverbs  kaka  mit  dem  Pronomen  o,  e.    Vgl.  kado. 

kalareca  subst.  pl.  ßeiter.   —  rum.  kiJ-brec. 

kdle  subst.  £.  Weg.  —  rum.  kale. 

kdlfa  subst.   Anführer,   e  kdlfa.  —   rum.   kalfi)  Geselle. 

kaUko,  kaliku  subst.  m.  Krüppel,  sg.  acc.  kalikos.  abl.  kalikosthar.  pl.  kaltce,  kalici. 
—  rum.   kalik. 

kaliköjka  subst.  Krüppel.  —  russ.  kaleka  Krüppel,  rum.  kalik. 

kalo  adi.  schwarz,  kale  jakhä  schwarze  Augen,   ol  plajin(d)  ol  kali.   griech.  kalo. 

kaut.  vb.  wollen,  lieben,  schulden;  reflexiv:  eine  Liebschaft  haben,  praes.  sg.  1. 
kamdü.  kamdp  (aus  kamdv)  the  lap  tu  tut  volo  ut  ducam  te '  d.  i.  volo  ducere  te.  kamö 
mu  kha,  kamd  ma  Idsa  ich  werde  mit  ihr  eine  Liebschaft  haben.  2.  kames.  the  käme  tu 
Idsa  wenn  du  mit  ihr  eine  Liebschaft  hast.  3.  kamel.  kamila  pe.  pl.  2.  kamin.  impf, 
sg.  3.  kamelas.  kamelas  pe  Idsa.  praet.  sg.  1.  kaviTom.  2.  kamTdn  tu  (acc.)  Idsa.  3.  kaniTöti. 
kamloü  pe  Idsa.  kamJds.  kamJds  pe  avrssa  sie  hatte  mit  einem  Anderen  eine  Liebschaft, 
pl.   3.  kamle.  praes.  sg.   3.   kamela   aiitengö  er  schuldet  uns.   griech.  kamdma. 

kanmi   adl.   f.   trächtig,   griech.   kabni. 

kan.^  khan  subst.   Ohr.  pl.  kan.  griech.   kann  m. 

kand,  kdna  adv.  coni.  wann,  als,  Avenn.  man  nas  ma  kdna  milii  non  erat  quando 
d.  Ji.  ich  hatte  keine  Zeit.  serb.  nisam  imao  kada.  griech.  kdnna. 

kana\  kanc  pron.  irgend  etwas,  Avie  lat.  quidquam,  mit  na  nihil,  uoj  na  pendöü  kanc 
sie  sagte  nichts  illa  non  dixit  quidquam.  na  j  kanc  es  ist  nichts.  Bei  Vaillant  kans. 
slavon.  na  j  ma  klidncl  osim  mdnro  non  est  mihi  quidquam  praeter  panem. 

kand  vb.  riechen,  praes.  sg.  3.  kdndel.  griech.  kdndava. 

kand  vb.  gehorchen,  eigentlicli:  hören,  praes.  sg.  1.  kdndo.  2.  kdndes.  3.  kdndel. 
pl.  1.  kdndas  ame  wir  werden  uns  bedienen,  mit  dem  instr.  des  Objectes.  impf.  sg.  3. 
kdndelas.  griech.   karuMzava. 

kandinü  subst.  m.  Aufseher.  Von  kand  in  der  Bedeutung  hören. 

kangsri,  kangari.,  ksngsri  subst.  f.  Kirche,  sg.  dat.  kangsrete.  griech.  kanger^  kangirf. 
kargiri^  kangtri.,  kangli.  slavon.  kliandiri.1  kliandziri. 

kawuw,  subst.  m.  ßecht,  Gerechtigkeit:  the  knrdü  Idkd  kanonu  dass  ich  ihr  den 
Garaus  mache.   —   i-um.   kanon. 


Über  die  Mundarten  und  die  "Wanderungen  der  Zigeuner  Europa'S.  v.  27 

kanrn  subst.  pl.  Disteln,  griecli.  kandu,  kanro  Dorn,  Stachel,  slavon.  o  kandrö,  kam'ö 
Dorn,  Weissdorn. 

kapeläcie  subst.  f.   Capitulation.  pl.  kapeldcii. 

kapitdno,  kajntänu,  kspitdnu  subst.  m.  Hauptmann,  sg.  aco.  kapitanös.  voc.  kapitdne. 
—  rum.   ktpitan. 

kaprd,  kdpra  subst.  f.  Ziege.   —  rum.  kaprt. 

kardbija  s.  kordbija. 

karßn  subst.   Nagel,   griecb.   kdrßa  pl.   böhm.  karjin  f. 

karing,  karin  1)  adv.  wohin.  2)  praep.  gegen:  karin  tu  gegen  dich,  in  deiner  Nähe. 
zi  kareng  o  des  bis  gegen  Tagesanbruch,  griech.  akarhig,  akarhi,  akari.  slavon.  karmg 
wohin. 

karsusa  subst.  pl.   Fuhrleute.   —  rum.   k'&i-'Bus. 

kas  subst.  Heu.  sg.  dat.  kassste.  griech.  kas.  slavon.  khas,  kas. 

kdsko  u.  s.  w.  s.  kon. 

käst  subst.  m.  Holz,  Scheit,  Balken,  pl.  gen.  kastengs:  gdS  kast6ngd  sie  giengen  um 
Holz,  instr.   trine  kastenca  aus  di-ei  Balken,   griech.  kasf,  kas. 

kastunö  adi.  hölzern,   griech.  kastunnnö. 

kat  vb.  spinnen,  impf.  sg.  3.  kdtelas.  praet.  sg.  3.  knkJds  aus  katTds.  klaklöü  für 
kaklöü  aus  katTöu.  griech.  katdva.  slavon.  katdu.  katipe  Gespinnst,  aind.  krt  (krnatti) 
hind.  kat-nä. 

katd,  kat  praep.  von:  katd  j  raji  von  der  Frau,  katd  j  batalip  von  der  Schlacht. 
kat  0  vsnätu  von  der  Jagd,  kat  o  klisr  am  Plause  vorüber,  katekd  von  hier  ist  mir  nicht 
klar.  Vgl.  katdr. 

katdn  subst.  m.  Soldat,  pl.  katdni,  katdne.  k'  ol  katdne  bei  den  Soldaten.  —  rum.  IcBtan-b. 

katdr,  kathdr  1)  adv.  woher;  wohin;  von  hier;  hac,  hier  durch;  hier,  nas  kathdr 
the  del  les  {ek  feniku)  non  erat  unde  daret  eum  (nummum).  2)  praep.  von:  kathdr  Idko 
S3r6  von  ihrem  Haupte,  katdr  pesko  raj  von  seinem  (suus)  Herrn,  katdr  kode  aülin  von 
jener  Burg,  griech.  kdtar  woher,  kaidr  mit  ke,  te  von:  katdr  f  o  bar  ka-nikllol  il  se  levei-a 
de  la  pierre.  Vgl.  katd. 

katM,  katln,  kate,  kat/,  kathe,  kake  adv.  hier,  hierher,  kat  ol  rakl6r(s)  hier  sind  die 
Kinder.  Man  merke  kate  diese:  kate  bokoli  dieser  Kuchen,  kate  mesüe  dieser  Tisch,  kate 
sMznika  diese  Magd,  kati  so. 

katinde,  kathinde  adv.  irgendwo,  voj  katJnnde  na  diküa  tu  nuspiam  te  videt. 

katrinca  subst.  f.  Frauenrock.  —  rum.  katrinca,  klruss.  horbotka  genannt. 

kati'ma  subst.  f.  Zelt,   katunengeri  Zelt-,   griech.   katuna.  —    rum.  kttun. 

kdva  subst.  f.  Kaffee,  griech  kaves. 

kej  subst.  pl.  Schlüssel.  —  rum.  keja  sg.,  kej  pl. 

keltujdlö  subst.  f.  Auslagen.  — ■  rum.  keltueli. 

keltusar  vb.  ausgeben,  praet.  sg.  3.  keltusardds.  —  rum.  ki>ltui. 

keltusardov  vb.  ausgeben,  richtig:  ausgegeben  werden,  praet.  sg.   3.  keltusdJJ'oü. 

keptdre  subst.  f.  Pelz,  Brustpelz.  —  rum.  peptarju. 

keimov  vb.  faulen,  praet.  pl.  3.  kernili  verfaulten,  griech.  keimo. 

kham  subst.  m.  Sonne,  sg.  instr.  khamesa,  kJiame.  griecli.  kam.  Vgl.  slavon.  kham,  kam 
Sonne,  serb.  kamKpen  Schweiss. 

4* 


28 


FhaNZ    MlKLOSlCH. 


khuro,  kiiriK  knrii  subst.  m.  Füllen,  sg.  acc.  k/aov.s,  kxrss.  kitrorn,  kurörü  demin.  gi-iecb. 
kharo,  kfurö,  kurö.  büluii.  kchitrdo.   ficlitig  kvhuro.  riiss.  kchurö. 

khör  subst.  m.  Plans,  Ziiumor.  khari,  khir?,  zu  Hause,  nach  Hause,  khnrdl  vom  Hause, 
so-  dat.  khsrßstc.  insti-.  k/inrim.  i»l.  k/tr,f:  kliörä.  instr.  te  khnrtnca  mit  deinem  Hause,  griech. 
kher,  kyer,  ker,  her.  slavon.  cere  zu  Hause,  reral  vom  Hause. 

khsr  vb.  rufen:  heisson  nominai-i.  praes.  sg.  1.  kardü.  praet.  sg.  o.  khürdvit.  khördds. 
A  ül.    akliar.   bülim.   kcharac. 

khdre,  ksri  subst.  pl.  Schuhe,  pl.  instr.  U  khsrjdnca  mit  den  Schuhen,  slavon.  rerja 
Schuh. 

khsrorö  subst.   m.  Häuschen,  Zimmerchen,  demin.  von  khm\ 

küTöm:  praet.   sg.   1.   ich   schwitze,  vielleicht  für  kirü'öm  aus  k/rdov^  eig.  ich  sott  neutr. 

kiliücü  subst.   f.   Zelle.   —  rum.   kiliuci). 

kipe7%  kiperi  subst.   m.   I'feffer,   Pfefferstrauch,  kiperesko.   Vgl.  f/psrds.  —  rum.  piperjü. 

kipu  subst.  m.  Gestalt,  falsch:  e  k?pu.  —  rum.  kipu. 

kiraji  subst.  m.   König.   —  magy.  kiraly.   Vgl.  krdju,  kräht. 

kirav  vb.  kochen,  praes.  sg.  1.  th^dü  aus  tiravdiü.  impt.  pl.  2.  Üraren.  partic.  kwado. 
praet.  sg.  3.  tiradds.  pl.  3.  kiradi.  bessar.  kirjaäü.  slavon.  ciravel  kocht,  ciraiin  Gekochtes. 
cirado  gekocht. 

kirdov  vb.  sieden  neutr.  praes.  sg.  3.  tirjul,  tlrjul,  tirol  aus  kirdovel.  praet.  sg.  3.  tiriföü 
aus  tirdiJöü.  ungr.  kerdol  es  siedet. 

kirfje  subst.   AVaaren.   —  serb.   kirija  Miethe,  Fracht. 

kledin  subst.  m.  Schüssel.  Bei  Vaillant  113.  klidi.  —  ngriech.  '/.'kzi^L 

klitka  subst.  f.  Vogelbauer.  —  klruss.  klitka.  magy.   kalitka. 

klocisar  vb.  brüten,  praet.  sg.   3.  klocisardoü.  —  rum.  kloci. 

Mopoto,  klopoUi  subst.  m.   Glocke,  pl.  klöpoc.   —  rum.  klopot. 

klöska  subst.   f.   Gluckhenne.   —  klruss.   kvocka. 

khtisar  vb.   schütteln,   praet.   sg.   3.  khtisardds.  Vgl.  kütisar.  —  rum.   kltti. 

khtisardov  vb.  sich  schütteln,  praes.  sg.  1.  khtisdjvo  aus  khtisdrdovav  vrerde  mich 
schütteln,  praet.  sg.  3.  khtisdjToü. 

koama  subst.   f.   Mähne,   sff.   abl.  koamdtar.  komdtar.  russ.  köma.   —  rum.   koamt. 

kodö  m.  kode  f.,  selten  (jode,  pron.  dieser,  jener,  kodö  raklo  dieser  Knabe,  and  o  kodö 
föru  in  dieser  Stadt,  kode  plmri  dieses  alte  Weib,  kaj  kode  avlfn  zu  diesem  Schlosse,  sg. 
acc.  m.  kodoUs.  kodoU  grastes  dieses  Pferd.  kodoJe  gazes  diesen  Wirth.  kodoU  paesa  mit 
diesem  Wasser,  sg:.  gen.  m.  kodolesko.  dat.  kodoleste.  acc.  f.  kodold  rakle  dieses  Mädchen, 
pl.  kodöl:  kodöl  duj  raklori  diese  zwei  Knaben,  acc.  kodolen.  dnda  kode  dafür,  ko  steht 
für  kodö,  koj  für  kode',  kolles^  koles  für  kodoles.  kole  raklorss  diesen  Knaben.  Vgl.  slavon. 
koles.   kolesko.  In  kodo  steckt  ein  Adverb  kodo  und  das  pron.  <>.  e. 

kochaisar  vb.  pflegen,  praet.  pl.  1.  kocliaisarddiii.  —  pol.  kochac,  zuweilen  auch 
klruss.    kochaty. 

kokalo  subst.  m.  Knochen,  pl.  k(5k(da.  griech.  kokkcdo.  —  griech.  xöy.aXov. 

kokos  subst.  m.   Hahn,  kokosoko  Hahn-.  —  rum.  kokos. 

koldci,  kolacej,  kolocej  subst.   pl.   Kuchen.   —   rum.   kolak. 

koliba  subst.   f.   Zelt,   Hütte,   griech.  koh/het   (koliha).  —   rum.   kolibij. 

kolibvcü  subst.   f.   Hüttchen,  demin.    Vgl.  koliba. 

koUn  subst.  m.   Brust,   sy.   abl.   koloie.'^lar.   o;riech.  kolin. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wandehungen  der  Zigkuner  Europa'S.  v.  29 

kon  pron.  wer,  fragend  und  relativ,  sg.  acc.  kas.  rare  kas.  gen.  käsko^  kdskn^  kask: 
kdsko  sdrö  wessen  Kopf,  pe  kdsks  khzre  auf  wessen  Schuhe,  dat.  kdste^  kdsti.  abl.  kdstar^ 
kdsthar:  vdre  kdsthar.  griech.  ko)i.  slavon.  ace.  kas.  gen.  kask.  dat.  kaske.  rodau  nikas  icli 
suche  jemand. 

konik  pron.  quisquam  irgend  wer,  mit  iia,  ntci  nemo  niemand,  tia  j  könik  es  ist  nie- 
mand, na  zal  kunik  pdla  ma  niemand  heirathet  mich.,  nici  aviTöü  konik  es  kam  niemand. 
kanikds  na  mekTäs  er  Hess  niemand,  the  na  des  e  vast  kanikdsa  ne  de  manum  cuiquam : 
der  instr.   ist  in   ungewöhnlicher  Art  angewendet. 

konstantinu,  kostantin  subst.  m.  Personenname,    sg.   voc.  konstantine. 

konträto,  kontrdtu  subst.  m.  Vertrag.   —  i-um.  kontrakt. 

kopdc,  kopdci,  kopaci  subst.  m.  Baum.  sg.  dat.  kopaceste.  pl.  kopdce,  kopdcij  kopdci. 
—  rum.  kopac. 

kor  subst.  f.  Hals.  sg.  abl.  kordtar.  kaj  kori,  am  Halse,  vo  Tas  les  kordtar  er  nahm 
ihn  beim  Halse,  griech.  kori,  korm  f. 

kordbija,  kordbije^  kardhija.  subst.  f.  8chiif.  sg.  insti".  korabidsa.  pl.  kordbii.  —  rum. 
korabije. 

koranov  vb.  blind  werden,  praet.  sg.  3.  kordjToü,  minder  genau  kordjloü,  aus  koranUoü 
von  einem  Thema  korano:  vgl.   coranov  und  koro. 

körbt  subst.  pl.   Raben.   —   rum.   korbu. 

korec,  kortcti  subst.  m.  Korez  (Getreidemaass).  —  rum.  korecu. 

körkoro,  korkorö  pron.  m.  f.  selbst,  allein.  Ohne  Motion,  körkoro  kudö  gerade  jenei'. 
griech.  körkoro,  kölkoro.  Vgl.  körko  gal.  I. 

korö.1  kor6  adi.  blind.  siMs  (asiJds)  korö  er  ward  blind,  sg.  acc.  le  korös.  griech.  ko7'ö. 
arm.   koir,  kuir.  kurd.   kor,  kör,  knri. 

korüna,  kurnna  subst.   f.   Krone.   —  klruss.   koruna.   rum.   koroMi. 

kos  vb.  wischen,  praes.  sg.  3.  kossl  pe  er  wischt  sich.  kss6l.  praet.  sg.  1.  kosTöm  ma 
ich  wischte  mich.  3.  kosl'ds.  griech.  kosava,  kosdva,  f/osdva.  slavon.  khos.  koslo  glatt. 

kosnu,  koznö,  koznu  subst.  m.  Tuch,  Tüchel.  sg.  instr.  le  kozne.  griech.  kosnö,  koztiö. 
slavon.  koslo.    Vgl.  kos. 

kossnzdna  subst.  f.  Personenname. 

kotecu  subst.  m.   Stall :  e  kotecu  le  balmgo  der  Schweinestall.  —  rum.  kotec. 

kothdr  adv.  von  hier,  dort. 

kothe^  kothi,  kofi,  koce.^  koci  adv.  hier,  hieher.  and  e  kate  kdmdra  in.  diese  Kammer. 
kdte  steht  wohl  für  kdke.    Vgl.  kukö. 

kotör  subst.  m.  Stück,  p'  o  kotör  mas  einzelne  Stücke  Fleisch,  pl.  kotord.  griech.  kotör. 

kotoricd  subst.   pl.   Stückchen,  kotör  kotoriceste  (koioricdtej  Stück  für  Stück.   Vgl.  kotör. 

kötu  subst.  m.  Winkel.  —  rum.  kot. 

kovdTuj  kovdT,  kovdll  subst.   m.   Schmied,   sg.  acc.  kovales.  pl.  kovdle.  —  klruss.  koval. 

kovdri  subst.  Knäuel. 

kozdko  subst.  m.  Kosak,  sg.  acc.  kozakos.  voc.  kozdkuna.  —  klruss.  kozak. 

közma  subst.  m.  Personenname. 

krdju  subst.  m.   König.   Vgl.  kiraji,  krnlu.  —  rum.   ki-aju. 

kreco  adi.   kraus.  —  rum.  krec. 

krig:  snkru/  auf  die  Seite,   russ.  krigo,  krig  fort.  Vgl.  rig. 

>igs,  krjdnga   subst.  f.  Ast.  pl.  krhizi.   serb.  krango.   —   rum.   krengt,   kleng^b. 


OA  FkANZ     MlKLOSlCH. 

kroji  vb.  zuschneiden,    praes.  pl.  3.  h-ofn.  —  runi.  kroi. 

krojl-'^ar  vb.   zuschneiden,  praet.   pl.   M.  krojüardi.   Vgl.   kvuji. 

krojitüi-i,  kroitöru  subst.   ni.   Schneider.   —   rum.  kroitorjti. 

kridevic  subst.  m.  Königssohn.  Vgl.  kridu. 

krvlu^  krilTn  subst.   m.   König.   Vgl.  kiraji,  krdju. 

ku  praep.  mit.  ku  sc  mit  allem,  ganz,  k'o  s^rö  mit  dem  Kopfe.  —   rum.  ku. 

kuc  adi.  theuer.  böhm.  kuc. 

kncma,  kvlma  subst.  f.   Mütze,   pl.   küzme.  —  rum.  kucm-b. 

kufundi  vb.   untertauchen,  praes.   sg.  2.  kufimdis  tu  du  sinkst  unter.   —   rum.  kufund. 

kufundisardov  vb.  versinken,    praet.   sg.  3.  kvßmdisäjl'oü,  kufundhdjTas.    Vgl.  hißindi. 

kucharica  subst.   f.   Köchin,  sg.  acc.  kucharicd.   gen.  kucharicdkö.  —  klruss.  kucharica. 

kuchdrka  subst.  f.   Köchin.   —  klruss.   kucharka. 

kiij  subst.  Ellbogen,  kuj  hißte  Arm  an  Arm.  2)1.  kf/Je.  instr.  kujdnca.  griech.  kuni, 
ktmik  f. 

kujdks  adi.  ellenlang. 
"     kujhx   subst.  m.   Nest.  —  rum.   kujbu. 

kuko,  kskö  pron.  dieser,  jener,  kuke  f.  hikö  rakloru  dieser  Knabe,  kuko  'ver  dieser 
andere,  sg.  acc.  m.  knkoles ,  knkides.  pl.  knkold^  kukole^  kuköl.  gen.  kukoUngs.  Hieher 
gehört  kute  aus  kuh':  anda  kvte  dafür,  kuko  ist  die  Verbindung  eines  Adverbs  kuko  und 
des  Pronomen   o,  e. 

kukurAzo,  kukuruzii  subst.  m.  Mais.  —  rum.  kukuruzu. 

kul  subst.  m.  Koth.  sg.  instr.  kulesa.  griech.  /«(/,  kfid^  fid.  ungr.  khid.  böhm.  kul. 
i'uss.  kfui  u.  s.  w. 

kumndta  subst.  f.  Schwägerin,  pl.  kumnäte.  —  rum.  kumnat^b. 

kumndto,  kumnät  subst.  m.   Schwager,    sg.  voc.  kumndte.  —  rum.  kumnat. 

kumjydnia  subst.  f.  Gesellschaft.  —  rum.  kompanie. 

kununi  vb.   trauen,   impf.   sg.   3.  kununüas  pl  er  Hess  sich  trauen.   —  rum.   kunun. 

kunumja,  kunumje  subst.   f.   Trauung,  Hochzeit.   —  rum.  kununie. 

kununisar  vb.   trauen,  praet.   sg.   3.  kununisardoü,  kununisardds.  Vgl.   kununi. 

kununisardov  vb.  getraut  werden,  praes.  sg.  2.  kununisdjve  aus  kununisar dov es.  pl.  1. 
kununisajivas.  praet.  sg.  3.  kununisäjToü .  kununisdjTas .  pl.  3.  kununisdjle,  kununisdjH. 
A^gl.   kununi. 

kitpec  subst.   m.   Personenname.   Vgl.   dorolujj. 

kuprtnz  vb.  fassen,  praes.   pl.   3.   kuprinzin.  —   nun.   kuprind  und  kuprinzetorjti. 

kur  vb.  futuere.  praes.  sg.  1.  kurdü:  kurdp  (aus  kurdv)  fa  da  futuam  tuam  matrem. 
griech.  k?j.rdva  schlagen. 

kurdt  adi.  genau,  rein,  me  silim  (für  asiJöm)  kurat  ich  bin  rein  geworden.  —  rum.  kin-at. 

kurkö,  kurki  subst.  m.  Sonntag,  pl.  kurki.  griech.  kurkö. 

kürva  subst.   f.   Hui-e.   —   rum.   kurvT). 

kus  vb.  schälen,  schinden,  schelten,  schimpfen,  fluchen,  praes.  sg.  1.  kuso.  2.  kuse. 
3.  akusü.  pl.  1.  kusdsa  wir  werden  schälen.  3.  kussn.  praet.  sg.  3.  kuSTöä^  kusTds.  Vgl.  akus. 
griech.  kusdva  schimpfen,  kosav  fluchen,  slavon.  kusla  raufen.  Vgl.  aind.  äkrö^ana  Fluch. 

kuska  subst.  f.  Voo-elbauer.  bi  la  kuskdko  ohne  das  Bauer.  —  rum.  kuca  elende  Hütte, 
Schweinestall,   daraus  das   demln.   kuska  ^  ogelbauer. 

kuMik  subst.   f.   Güi-tel.   gi-iech.   kiustyk.  slavon.  kustik. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wandebungen  der  Zigeuner  EuRorA-s.  v.  31 

kiitdre,  kntdr  pron.   der  und  der.  o  kutdre  than  der  und  der  (3rt.   —   rum.  kutare  jener. 
kutizisar  vb.  sich  unterstellen,  praet.  sg.  3.  kutizisardöu..  —  rum.  kutez. 
kutalo  subst.  m.  Mais. 
kitzma  s.  kucma. 

kz,  coni.    dass,    denn,    weil;    oft    unübersetzt    zu    lassen,    ke:    akand   ke  u.   s.   w.  jetzt, 
da  u.  s.  w.,  als  pron.  relat.  griech.  ka.  Paspati  74. 

kdl  vb.  spielen,  tanzen,   tummeln  (ein  Pferd,  mit  dem  instr.).  praes.  sg.  1.  ksldu,  kdö. 

2.  köles,   küe,  kalc.    3.  khölel,  kzUl,  killa.    pl.   1.  kalds.    impt.  sg.  2.  kd.    impf.  sg.   1.  kdös. 

3.  kßllas  aus  kddas.  pl.  3.  kdlnas  pe  sie  spielten,  praet.  sg.  3.  kdkUs,  kddoft.  pl.  3.  kakle, 
kohle,  kdlas  pisks  er  spielte  ludebat  sibi.  kdös  Usa  (le  (jrastisa)  ich  würde  das  Pferd 
tummeln:  serb.  igrati.  griech.  keldva. 

kdtisar  vb.  rühren,  praes.  sg.   1.  kdtisaro.  Vgl.  khtlsar. 

kdügsru  subst.  m.   Mönch.   —  rum.   ki>lug'br. 

knmdrh,  ksmdra  subst.  f.  Kammer.  —  rum.  kümari^. 

kdmarüca  subst.  f.  Kammer.  Doch  o  trito  kamsritca  die  dritte  Kammer.  Demin.  von 
kömdrs. 

kdncdsrije  subst.   f.  Kanzlei.   —  rum.   k'&ncel'brije. 

kmfdre  subst.  m.  Wage.  —  rum.  k-üntarju. 

kmtsri  vb.  wägen,  impf.  sg.   3.  kmUrüas.  —  rum.  k-buti-ri. 

kdpdcnna    subst.  f.  Kopf,    ek  köpscma  sack,    e  kspöcma  le  sadiMe..    —    rum.  küp-Bcini,. 

k-or  vb.  tragen,  fahren,  praes.  sg.  1.  km^dn  veho.  2.  kzrü.  3.  kr,rd.  ktrla.  impf.  sg.  3. 
ksrdas,  kirlas.  —  rum.  kar,  k'Brat. 

knr,  kar,  minder  genau  khsr,  vb.  machen,  thun,  bauen,  gebären,  legen  (Eier),  praes. 
sg.  1.  kdrdü,  kardp  (aus  kardv)  tnkn,  kardü,  ksrö.  2.  köHs,  ksres,  ksre.  .3.  kdrsl,  kirla.  pl.  1. 
kr,rds,  kards,  kardsa.  2.  karm.  3.  Mrna,  ksriv.  ksrdm  pe  sie  stellen  sich.  impt.  sg.  2.  ksr. 
kör  misto  sei  so  gut.  rum.  H  bine.  pl.  2.  kdrin.  impf.  sg.  3.  kirlas,  ungenau  ksrlds.  pl.  3. 
kirnas.  partic.  knrdv  gemacht,  praet.  sg.  1.  kördöm.  2.  knrddn.  3.  ksrdöiX  knrdds,  ksrddch  la. 
kdrdds  pe  es  entstand,  pl.  1.  ksrddm.  3.  kr.rd<\  körde  pe  sie  stellten  sich.  Redensarten: 
kdrdds  bitti  er  arbeitete,  me  kardü  hidekdta  ich  werde  richten,  me  kardu  le  rakloros  ich 
o-ebäre  das  Kind,  me  ksrdöm  ma  tdrku  ich  habe  micli  zum  Türken  gemacht,  ksrdds  pe 
er  stellte  sich,  verwandelte  sich,  griech.  kerdva. 

kzrdre  subst.  f.  Fusssteig.   —  rum.  k-Brare. 

Hrcma,  kszma  subst.  f.   Schenke,  pl.  kszme.  engl,  kitchema  (kicema). 

ksrdov  vb.  werden  iieri.  praes.  sg.  1.  knrduvo,  ksrduvö:  die  xVecentuation  ksrduvn 
ist  die  ursprüngliche.  2.  Urdave.  3.  ktrdola,  knrdöl,  kßrdel  aus  Hrdovel.  impt.  sg.  2.  kirdiiü 
mache  dich.  impf.  sg.  kßrdidas  nascebatur.  praet.  sg.  3.  ksräiloü,  ksrdil'as^  selten  ksrdüas. 
kzrdirach  ruü  er  ward  ein  Wolf.  pl.   3.  ksrdile,  ksrdde,  k-yrdfle.  griech.  kerdovava. 

kdrko  adi.  bitter,  kdva  ksrtt  (aus  ksrM).  griech.  kerkö.  serb.  kerko.  slavon.  cerko. 

ksrlig,  ksrligii   subst.   m.   Haken,   pl.   ksrlfdze.  —  rum.   IcBrlig. 

ksrnisar  vb.  schieben,  praet.  sg.   3.  kdrnisardoü.  —  rum.  k-Brni  drehen. 

ktrpa  subst.   f.   Kopfputz.   —   rum.   k-Erp-B. 

kdrik-a  subst.   f.   Wagen.   —   rum.  k'Bruc'B. 

körsmids  subst.   f.  Ziegel.  —  rum,   kiirtmidi.. 

korösar  vb.  tragen,  schleppen,  praet.  sg.  2.  ksrssarddn.  3.  ksrssardds.  Vgl.  kdr. 

kösui  vb.  cassiren.  praes.  sg.   1.  kdsutv.  —  rum.  kasui. 


y9  FHANZ     MlKLÜSlCH. 

kösuisar  vb.  cassiren.  praet,  sg.  3.  kü.^f/äsanfds.   Vgl.  kssui. 
köMlgösar  vb.  verdienen,  praet.  pl.  8.  ksstlgssardf.  —  rum.   ki>stig. 
köt  adv.  köf  de  hharo  nt)ch  so  gross,  kst  dj  Inme  so  lang  die   Welt  steht:  der  Artikel 
ist  nach   oj.  d.   i.   est,   ausgefallen.   —   y\\\n.  k'it. 
kizma  s.  kirana. 

L. 

la  vb.  nehmen,  erreichen,  praes.  sg.  1.  lait,  lo.  lap  tu  ich  nehme  dich.  2.  /es,  Ta,  le. 
3.  leL  Ula.  pl.  1.  las.  3.  /en.  impt.  sg.  2.  /e,  /«.  selten  la.  pl.  2.  Zen.  praet.  sg.  1.  Tom, 
selten  Hnim  aus  /zn(5???.  2.  ra?i,  len.  3.  /"om,  /'a?*,  fas.  Tach  la  slüznika  nahm  (heiratete)  die  Magd. 
les  aus  Tas.  pl.  3.  line.  plusqpft.  sg.  1.  Tomas.  3.  Tdsas.  Redensarten:  lau  o  drum  ich  nehme 
den  Weg.  the  na  lo  la  wenn  ich  sie  nicht  nehme  (heirate).  Tas  les  j^aldl  jagte  ihn  fort. 
Tas  les  i^este  nahm  ihn  zu  sich.  Tas  sdma  gab  Acht.  Tas  pe  brach  auf.  line  pe  brachen  auf. 
Tas  rnnsnra  nahm  die  Maass.  Tas  la  e  lindri  der  Schlaf  libermannte  sie.  les  j)''  Idtar  er 
ergriif  sie.:  asl.  j§t^  s§  jej?.  griech.  Idva.  partic.  Uno. 

la  praep.  zu.  la  chaing  zum  Brunnen  für  la  e  chaing.  voj  sas  la  desupdnz  bsrs  sie 
war  fünfundzwanzig  Jahre  alt.   —  rum.  la. 

Idda  subst.  f.  Lade.  —  rum.  ladt. 

ladicö  subst.   f.   Kästchen,  demin. 

Idicn,  Idjca  subst.  f.   Bank,  tdla  j  Idjra  unter  die  Bank.   —  rum.   lavici. 

ld7ico,  Idncu  subst.  m.  Kette,  sg.  instr.  lancosa.  abl.  lancöstar:  Toü  les  lancöstar  er 
nahm  ihn  bei  der  Kette,   pl.   Idncuri.  instr.   lancunenca.  —  rum.  lanc. 

lang  adi.  lahm,  hinkend,  c  beng  o  layig  der  hinkende  Teufel,  lang  Vaillant  114. 
böhm.   lang  u.   s.   w.   aind.   langa  lahm. 

Idnu  subst.   m.  Ackerfeld.   —  klruss.  i'an. 

lasar  vb.  eigentlich:  gut  machen,  mit  po^o  verbunden:  betten,  impt.  sg.  2.  laser 
pdtu.  praet.  sg.   1.  lasardovi  o  pdfo.  3.  lasardöü.   Vgl.  laso. 

lasipi  subst.  m.   Güte. 

laso  adi.  gut,  fromm,  chahe  laso  gutes  Essen.  Ias6  j  tu  des,  laso  tu  des,  lasö  des  guten 
Tag.  laso  j  tumaro  des,  laso  turne  des.  lasi  rati  guten  Abend,  maj  laso  besser,   griech.  lacö. 

lazao,  lazdo  subst.  m.  Schande,  mangd  lazcto  für  mangä  j  lazdo  ich  schäme  mich. 
lazavesko  te  aves  du  sollst  dich  schämen,  griech.  ladS.  slavon.  ladzao,  ladzau  mandz 
pudor  mihi.   engl,  aladge  ashamed.  liind.  lädz  Bescheidenheit,  eig.  etwa  Scham. 

legsni  vb.  schaukeln,  wiegen,  impf.  sg.   3.  legsnflas.    pl.    3.  legnnmas.   —  rum.  leg-bn. 

Im  subst.  m.  Gulden,  pl.  lej,  lij.  —  rum.  leu  Löwe,  Piaster. 

li:  li-duj  beide,  acc.    U-dun.    U-trin,   li-trinen    alle  drei.  acc.  li-star  alle  vier.  Vgl.  lo. 

licar,  litar  vb.  stossen,  behauen,  spalten,  zachdru  licardo  gestossener  Zucker,  praes. 
sg.  ^..litarü  er  behaut,  impt.  sg.  2.  lifdr,  wie  licdr  gesprochen,  impf.  sg.  3.  litdrlas  bar  er 
bearbeitete  Steine,  praet.   sg.   3.  Ucardds. 

lil  subst.   m.   Schrift,  Brief,  Buch,  Karte,  pl.   lila  Karten,   griech.   lil,  lir. 

MmpeeJe  adi.  klar,  paz  Ifmpede  klares  Wasser.   —  rum.  limpede. 

lindraU)  adi.   einschläfernd:  chahe  lindralö. 

lindri,  indri  subst.  f.  Schlaf,  griech.  lindr  f. 


Über  die  Mundarten  und  dik  Wandkkungen  dkr  Zigeunek  Eueopa-s.  v.  !33 

linu  adi.  leicht,   lieblich.   —  rum.   lin. 

Uns  subst.  f.  Personenname. 

lipi  vb.  kleben  trans.  praes.  sg.  3.  lipil  pe,  auch  llpil,  berührt  ni(;lit.  pl.  3.  U}ihii.  pe 
sie   weixlen  sicli   ankleben.  —  nun.   lipi. 

lipime  adi.  angeklebt.   Vgl.   lipi. 

lipismxJov  vb.  ankleben,  praet.  sg.   3.   UpisdjTas.  pl.   3.  Upisäjle.   Vgl.  lipi. 

lipsisar  vb.   fortjagen,  praet.   sg.   3.   Upsisnrdoü.  —   rum.  lipsi. 

lo,  la  pron.  er,  sie.  Nur  in  den  Casus  obliqui  vorkommend;  der  nom.  lautet  vo  m. 
voj  i.  sg.  von  pl.  sg.  acc.  m.  les.:  les  steht  auch  ftir  den  dat.:  sarh  fe  erat  ei.  gen.  m.  Icsko, 
Usku,  das  ebenso  oft  für  den  dat.  auftritt,  dat.  m.  Uste,  Usti,  das  aiudi  für  den  gen.  steht: 
Uste  romni,  zuvlt  seine  Frau,  instr.  lesa.  sg.  acc.  f.  /?«,  das  auch  für  den  dat.  fungiert: 
sö  la  ek  chaincj  est  ei  puteus.  sg.  gen.  f.  läko,  Idkö,  das  auch  die  Bedeutimg  des  dat.  hat.  sg. 
dat.  f.  läte,  Idfe,  Idfi,  das  auch  den  gen.  vertritt:  Idfi  raklt  ihre  Tochter,  sg.  instr.  f. 
Idsa.  abl.  Idtai-.  pl.  acc.  len,  le.  gen.  lengo,  lengö:  lengo  dad  ilir  (eorum)  Vater,  dat.  UiKh.^ 
lendi,  lendi:  Undi  dij  ihre  (eorum)  Mutter.  Instr.  lenca,  Ihu-a.  Das  Pi'onomen  /"^  In,  fungiert 
in  den  Casus  obliqui  als  Artikel,  und  zwar  so,  dass  le  dem  m.,  la  dem  f.,  Ic  endlicli 
dem  pl.  ohne  Unterschied  des  Genus  dient:  sg.  m.  le:  rodas  le  firastes  h  'mparatosko  wir 
suchen  das  Pferd  des  Kaisers,  o  raklö  le  dmparatösko  der  Sohn  des  Kaisers,  le  paesa  mit 
dem  Wasser,  dngnr  ma  khdrf,  le  vurdonha  Jahre  mich  heim  mit  dem  Wagen,  sg.  la:  le  la 
rakle  nimm  die  Tochtei-.  ol  püi  la  j^ctSordkz  die  Jungen  des  Adlers.  Ausnahmsweise  und 
wohl  unrichtig:  le  ömparatdsa  mit  der  Kaiserin,  jekhn  plmre  sack  le  trin  raklt  cuidam 
vetulae  erant  (ei)  tres  filii.  pl.  le:  pusTds  le  dun  sie  fragte  die  zwei,  le  r/rastm  san  le  the 
chan   equis   est   (eis)    ut  edant  die  Pferde  haben  zu  essen,     le  phaktnca.    mit  den  Flügeln. 

logodi  vb.  freien,  mit  dem  acc.  praes.  sg.   1.  logodrii..    pl.   3.  logodm.  —  rum.  logodi. 

logodisar  vb.  fi'eien.  praes.  pl.  1.  logodisaräs.  impt.  sg.  2.  logodisdr.  praet.  sg.  3. 
logodisardöü.,  logodisardds.  inf.  the  logodisaräs  tu.  Vgl.   logodi. 

logodna  subst.  f.   Verlobung.  —  rum.  logodii-B. 

logofece,  logofec  subst.  pl.  Logotheten.  —  rum.  logofet. 

lok  subst.   Ort.   avelas  la  lok  kam  in  Ordnung.   —  rum.  lok. 

loko,  p'  0  loko  adv.  langsam,   griech.  loko.  slavon.  loko  leicht. 

lokoricts  adv.   sachte,  demin. 

loMs,  lokös  adv.  langsam. 

lolö  adi.  roth.  griech.   lolö. 

loTov  vb.  roth  werden,  praet.  sg.   3.  loliJou.   griech.   Jöliovava. 

Ion  subst.  m.  Salz,  lün  mit  einem  zwischen  o  und  u  liegenden  Laut.  sg.  instr.  lo/iesa. 
griech.   lo7i. 

lopdta  subst.  f.   Schaufel.  —  rum.  lopato. 

lopöHZosardov  vb.  sich  verstricken,  praet.  sg.  3.  lopönzosdjTas.  Das  entsprecliende 
rum.   ^  erbum  ist  unnachweisbar. 

lov  subst.  Pfennig,  love,  lovi  pl.  Pfennige,  Greld.  Meist  nur  im  pl.  gebi-äuchH(di. 
instr.   lovenca,  lovinca.   griech.   lov6  Münze,   love  Geld. 

h'dm  subst.  m.  Schlucht.  —  klruss.  i'uh. 

Mje,  hbj  subst.   f.  Montag,   luine  Montags.   —   rum.   luni. 

luhidi,  lulugi  subst.  f.   Blume,  griech.   luludf. 

lurne  subst.   f.   Welt,  mord  Ixme  in  meiner   Welt.   gen.   himjdks.  —  rum.   luine. 

DenlvBchiiften  der  pbil.-hist.  Cl.  XST.  Bil.  5 


OA  Franz    Miklosiuh. 

b'nic/o  subst.  ni.  J^ilnge.  —  rum.  lungu. 

l/nih'e  sulist.   f.  Kahn.   sg.   instr.   lunlrjdsa.  —  rum.   luritre. 
lupds  subst.   m.    Porsoncnname.   /e  lupasixkö,   le  lupasSste,  k  lupasss. 
li'(ska  subst.  f.  Bett.  —  klruss.  Jözko. 
Izice  subst.  f.    Lüffel:  zweisilbig.   —  klruss.  i'o2ka. 
hiMca  subst.  f.  Kästchen.  Minder  genau  ladtcö.    \'gl.  lada. 
lutare  subst.  \A.   Seiten.     —  rum.   lature. 
htüri  subst.   pl.   Spülicht.   —  rum.   Itturi   pl- 

löudi  vb.  loben,  praes.  sg.   3.   hadila  j^i  er   lobt  sich.   —  rum.    huul,   liiidat. 
hudisardov  vb.  sicli  loben,  praet.  sg.   1.  hudüdjlom  ich  habe  micli  gelobt,    geprahlt. 
2.  ImdisdjTan.  3.  hudisujloü,  hudisdjl'as.    Vgl.  hudi. 
Tägsno,  Täfföna  subst.  m.  Wiege.  —  rum.  leg'Bn. 

Tdva  subst.  f.   Pfeife,  bessar.  hiTdoä.  ungr.   TiiJava.   —  Vgl.  rum.  lull),  lule. 
Tokaj,  Tokäj,  lökaji,  Tokdji,  Tökaju,  Tökajos  subst.  m.  Lakai,  sg.  gen.  I'okajesko. 


M. 

magdri  sub«t.  m.  Esel,  bessar.  magari.  —  rum.  migarju. 

maganca   subst.  f.   Eselin.   Vgl.   magdri. 

magazviu,  magazmu  subst.  m.   Magazin.   —   rum.   migazin. 

mdgda  subst.  f.  Personenname. 

magdaltna  subst.  f.  Personenname. 

mahrivn   adi.   unrein.   —  Vgl.   russ.  maratb  beschmutzen. 

maj  subst.  m.  Mai.  majuskd  Mai-(Regen).  —  rum.  maju. 

maj  adv.  noch,  na  maj  nicht  mehr,  o  maj  bharo  der  grössere,  grosste.  maj  de  angldl 
früher.   —  rum.   inaj. 

mdjka  subst.   f.   Mutter.   —   rum.   majlcB. 

majuru  subst.  m.   Major. 

muk  subst.   f.    Fliege,  pl.  mate.  acc.   matdn.  griech.  maki.  böhm.   niafhin. 

mak  vb.  schmieren,  praes.  sg.  2.  makss.  3.  maküa.  impt.  sg.  2.  mak.  praet.  sg.  3. 
makTuü,  makhU.  pl.   3.  mäkle,  griech.  makdva.  böhm.  makchav. 

makdr,  mskdr  eoni.  wenn  auch,  wenigstens.  —  rum.  makar. 

mdko,  mdku  subst.  m.  Mohn.  —  rum.  mak. 

mal,  mdlo,  mdlu  m.  Wiese,  Feld,  Ufer,  and  e  (o)  mal  auf  das  Feld,  auf  dem  Felde. 
pe  kode  mal  auf  diese  Wiese,  mal  Hügel.  Vaill.  116.  ma^l.  Steppe.  Tag.  slavon.  e  nmal 
Feld.   —  rum.   mal. 

maladov  vb.  zu  einander  passen,  einandei-  begegnen,  praes.  sg.  3.  malddol,  malddola 
aus  malddovel  u.  s.  w.  pl.  3.  malddona.  praet.  sg.  3.  malddil'as:  unrichtig  malddoTou  für 
malddiToü.  pl.  3.  malddili. 

malav  vb.  schlagen,  hauen,  werfei),  treffen,  praes.  sg.  2.  malds.  3.  maldl  aus  malavel. 
impf.  sg.  3.  malav^las^  maldlas.  praet.  sg.  1.  maladöin.  3.  maladSü,  maladds.  pl.  3.  maladen 
statt  malade.   Vgl.  griech.  vtardva. 

mdmkd  subst.  f.  Amme,   o-riech.  mamt  Hebamme.  —  rum.  mam-B  Mutter. 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zioeuner  Europa's.  v.  35 

man,  ma  sing.  acc.  der  1.  pers.  sing,  man  sd  mihi  est.  manfjö,  mdn(/a.  iiidnde,  riuuidi 
mir,  zu  mir,  bei  mir.  niände  avildn  du  kamst  mir.  pum  mdndß  bei  mir.  pe  mdnde  auf 
mir.  instr.  mdnca.  abl.  mdndar.  Befremdend:  na  j  mdndar  ist  nicht  für  inieh.  Der  sg. 
acc.   ma  steht  neben   man:  the  les  ma  man  nimm  mich,   griecli.   man   u.   s.   w. 

indndin  subst.  Vermögen,  griech.  mangin. 

mang  vb.  verlangen,  wollen,  bitten,  werben,  freien  (mit  dem  acc.)  praes.  sg.  1. 
mangdu.  2.  mangis.  3.  mdngd^  mancjtla.  pl.  3.  mangßn.  impf.  sg.  3.  rn.angslas.  pl.  3.  mancjonas. 
praet.  sg.  2.  mangldn.   3.   mangl'öu^  manghts.  pl.  3.   mangle,   griech.  mangdva. 

mangav  vb.   freien,   prues.   pl.   3.   mangavenu  für  mangaven.    Vgl.   mang. 

manru,  manrß  subst.  m.  Brot,  ekhd  manHsa  mit  ein(3m  Brote,  griech.  mxtnro,  marno, 
maro,  mando,  marly.  aind.   manda. 

mantdo  subst.   f.  INJantel.  —   rum.  mantao. 

manvs,  selten  manuso,  subst.  m.  Mann,  Mensch.  mannSSsko  menschlich,  sg.  voc.  mannkf. 
pl.  maniis.  acc.  manuUn.  voc.  mamiMle.  ode  manussnga,  manustngn  Menschenseelen,  instr. 
manussnca.  griech.  manns. 

manusni  subst.  f.  Weib.    Vgl.   mam'is. 

mar  vb.  schlagen,  strafen,  betäuben,  laden  (eine  Pistole);  reflexiv:  sich  schlagen, 
kämpfen,  praes.  sg.  1.  mardü.  mardp  (aus  mardv)  tu.  maro.  2.  m,arn.<^.  3.  marü^  mdrla.  pl. 
1.  mardsa.^  mards.  3.  martn;  marmi  pe.  impt.  sg.  1.  mar.  pl.  2.  marm.  impf.  sg.  3.  mdrlas, 
marlds.  pl.  3.  mdrnas.  partic.  mardö.  praet.  sg.  1.  mardum.  2.  marddn.  3.  mardöil.,  mardds, 
marjd  aus  ma,rdd,  mardds.  pl.  3.  marde.,  mardf.  inf.  the  marel^  the  marm.^  the  rn.ardm  (aus 
marm)  ma.   griech.   mardva. 

maramttrds  subst.  m.  Marmarosch. 

marc  subst.  m.  Dienstag.  —  rum.  marcl. 

mdrdzina  subst.   f.   Grenze,   Ufer.   —  rum.   mardzine. 

radrfa  subst.  f.  Waare.   sg.  instr.  marfdsa.  —  rum.  marfi). 

maript  subst.  m.  Kampf,   griech.  marihe. 

martin  subst.  m.  Personenname. 

mas  subst.  m.   Fleisch,  sg.  instr.  masfisa.  pl,  masd.  griech.   mas.  kurd.  mas. 

m.askdr  a)  subst.  m.  Mitte,  and  o  maskdr  in  die  Mitte,  Taille,  sing,  instr.  maskarssa. 
b)  praep.  zwischen:  maskdr  aminde  zwischen  uns.  mdskar  lende  zwischen  sie.  maskdr  n  khör 
mitten  in's  Zimmer,   griech.  maskar4. 

maJkardl  adv.  in  der  Mitte,  mitten  durch,  ursprünglich:  aus  der  Mitte,  griech.  ynaskardl. 

masö  subst.  m.  Fisch,  sg.  acc.  masts.  pl.  masi.  acc.  masSn.  nrnpardtn,  le  masfmgo  Kaiser 
der  Fische,  griech.  macö.  pl.  mace. 

■mdstehz  subst.  f.  Stiefmutter.  —  bidg.  masteh'B. 

materie  subst.  f.  Stoff.  —  rum.  materie. 

mdtka  subst.  f.  Mutter,  Mutterstute,  e  mdtka  le  haUnde  Mutterschwein,  mdtka  i'eine 
d'abeilles.   Vaillant  116.   sg.  acc.  viatkd.  —  rum.  matk^b  Weisel. 

mato  adi.  berauscht,   griech.   matto. 

matar  vb.   berauschen,   praet.   sg.   3.  matardou.  matardds.   griech.   rnnffiardvn. 

matarno  adi.  betrunken.   Vgl.   matö. 

niatov  vb.  berauscht  werden,  praes.  sg.  1.  mativdü  aus  matovdü.  3.  rnaiola  aus  matovela. 
praet.   sg.   3.  maUfns.  griech.  mdttiovava. 

mdzere  subst.   Erbse.   —   i"um.   mazere. 


3(]  Franz    Miklüsicu. 

-nie,  mi  pron.  ich.   griecli.  vie. 

medzijes  subst.  ni.  Nachbar,  eig.  (Jroiiziuichbai-.  —   \  gl.  asl.  mezda. 

mek  vb.  lassen,  loslassen,  zurücklassen,  hinablassen,  fallen  lassen,  praes.  sg.  1.  viekö, 
meka,  mekdp  tu.  2.  raeHs.  3.  vickth  meküa.  pl.  3.  mekin,  laekfma.  impt.  sg.  2.  riK-k.  lueg  ma. 
me  li  lasse  sie.  mek  tu  tele  lass  dich  hinab,  pl.  '2.  uieksn.  impf.  sg.  o.  meküas.  praet.  sg.  1. 
■mekTont.  2.  mekTdn.  3.  mekJ'oü,  meklds,  meklen,  vnkMs.  pl.  3.  virkle,  meklL  plsqpft.  sg.  2. 
■mekTdnas:  mekTänas  the  merel  moro  rakJo  du  hättest  meinen  Sohn  sterben  lassen  sollen. 
viekle  pe  corimdstar  sie  Hessen  ab  vom  Stehlen.  In  meklea  (mekTd)  via  lass  mich  fungiert 
das  praet.  als  impt.  J)ie  2.  sg.  inipt.  wird  /.ur  Umschreibung  des  impt.  verwendet:  mek 
avel  cznonö  er  möge  klein  sein,  mek  theal  er  sei,  lass  sein.  )iiek  meinetwegen.  Das  erste 
ß  in  mekle  soll  an   ii   anklingen.  Vgl.   griech.  mnkdva. 

melalö  adi.   scliwarz.  griech.  mel  Schmutz. 

meUje  subst.   f.   Brot. 

melincasar  vb.  schwingen,  praet.  sg.  3.  melincasardöü.  Das  entsprechende  rum.  ^^erbum 
ist   unnachweisbar. 

mer  vb.  sterben,  praes.  sg.  1.  merdü,  merö,  viardü.  2.  meres,  mere.  3.  merel,  mfrla. 
pl.  2.  meren.  impf.  sg.  3.  mtrlas,  mjerlas.  pl.  3.  mernas.  Vgl.  viulo.  griech.  merdva.  partic. 
merdö,  midö. 

merinde  subst,  Nahrung.   —   klruss.   im  Gebirge:   merendja.   rum.   merinde. 

meripf  subst.  m.  Tod.  griech.  meribe.  Man  beachte  engl,  ineriben,  viiraben  Leben. 

mertiko  subst.  m.  Massel.  —  rum.  mertik. 

mesele,  mesiili  subst.  f.  Tisch,  pl.  rneseie.  griech.  mesdli  f.  Handtuch,  Serviette. 

mestero,  mesteru  subst.  m.  Meister,  pl.  mestere  Zimmerleute,  griech,  master.  —  rum. 
mesteru. 

metropoUje  subst.  f.  Hauptstadt.   —   rum.   mitrupolie. 

mezmeri,   mesmeri    subst.  m.  Mittag,    zt  Ko  mezmerl   bis  Mittag.  —  ngriech.  jXc3Y;(j.£pi. 

mija,  mije  num.  tausend,  e/c  mvje,  viija  lej  tausend  Gulden,  panz  mij  lij  fünf  tausend 
Gulden,   griech.   müia.  —   rum.  mie. 

müa:  ks  j  vidiiya   mfla   mir  ist  leid,   n    al  titks  nnlo  es  sei  dir  niclit  leid.    —   rum.  mil^. 

rnüa}  subst.  m.  Sommer.  pomUoj  (p'  o  milaj)  Fi-iÜijahr.  griech.  nihu.  ungr.  linaj,  nilaj. 
böhm.  linaj.  engl,  nilei. 

miTa  subst.  f.   Meile.   —  rum.  mili.. 

mimstru  subst.  m.  Minister,  pl.   mimstrui,  mimstruri,  ministridi.   acc.   ministrunen. 

mtnte  subst.  Sinn,  das  phke  a  rnmte  er  ei'inncii-te  sich,  me  andöm  mdnga  a  minte  icii 
ei'innerte   mich.   —   rum.   minte. 

mirelo,  mirito  subst.   m.   Bräutigam,   sg.   acc.  mirolos.   —  rum.  mire. 

miri  vb.  sich  wundern,  reflexiv,  praes.  pl.  3.  mirlm  p)e.  impf.  pl.  3.  mirinas  pe: 
mirinas  pe  Idtar  sie  wunderten   sieh  über  sie  (eam).  —  rum.  mir. 

mirisardov  vb.  sicli  wundern,  impt.  sg.  "2.  utirimn  aus  mirisardov.  praet.  sg.  3.  miri- 
sdjTuü,  mirisdjfas  aus  mirisdrdiTas.   Vgl.   miri. 

mirjdsa  subst.   f.   ]3raut.   —  rum.   mires-b. 

miro.n'  subst.  m.  Geruch.  —  rum.-  mii-osu. 

mistesardov  vb.  berühren,  praet.  sg.  3.  m-istesdjTaü.   ^"gl.  misldm  bessar.   Vgl.  misfi. 

mis'ti  vb.   rütteln,   praes.  sg.  3.   mistil.   slavon.   inisko  ma   ich  i'ühre  mich.   —   i'um.  misk. 

mistipi  subst.   m.   gute  That. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's  v.  37 

mistö,  mistöü  adv.   gut.    maj  mistoü  besser,    korclom  tnkü  viistn   ieli   liabc   dir  Gutes  ge- 
than.   griech.  misto. 

mizlocto,  mizlocio,  mizloct  adi.  mittler,  o,  c  mizlocio,  mizluci.  sg.  aco.  m.  mizlociunös.  f. 
mizlociond.   —   rum.  mizlociu,   mizlok. 

mjdzs,  mjäza,    mjddza  subst.  f.  Mittag,   la  mjdzs,  mjdza  zu  Mittag.   —   ruin.   mezT>. 

mo  pron.  mein,  selten:  ustf,  ndne,  vMi,  mu  stehe  auf,  lieber  Mann,  stehe  auf,  mein. 
Vgl.  morö  und  das  folgende  Wort. 

7)10  interi.   Anruf.    —  russ.   moj.    runi.  mtj. 

moasa  subst.  f.  Hebamme.  —  rum.  moas'B. 

muksiceko  adi.  Mokanen-(Pferd).   —  rum.  mokan  Bergbewohner. 

rnölkom  adv.   ruhig.   asUYis  molkom   er  blieb  ruhig.   —   asl.   ml'&komi,. 

mordri,  mordf  subst.  m.  Müller.  —  rum.  morarjü. 

mormikh),  innmiklö  subst.  m.  Perle,  sg.  voc.  morönkU.  movdnklo  nazdrsvnnu  Zauberperh;, 
grieeh.  minriklö  Rosenkranz,  Geschmeide,   bölim.  miliklo  Koralle. 

mormmtu  subst.   m.   Grab.   —   rum.  mormtint. 

mor(5,  mnrö  pron.  mein,  morö  raj  mein  Herr,  mors  vajt  meine  Frau,  mori  sakar 
mein  Liebchen,  sg.  acc.  mors  grastes  mein  Pferd,  morö  praUs  meinen  Bruder,  mord 
romn4  meine  Frau,  mord  cerikU  meinen  Vogel,  pl.  riiort  avlind  mein  Schloss.  morn  pralen 
meine  Brüder,  .de  morö  dnim  lasse  mich  los.  bi  murö  ohne  mich,  griech.  mhirö,  mindö, 
mo.   Vgl.  slavon.  mnndro,  mnro  d.  i.  msnro.  engl.  miro. 

mörte,  moarie  subst.  f.  Tod.  trin  morc  drei  Todesstrafen.  —  rum.  moarte. 

morti,  murte,  riiurfi,  murci  subst.  f.  Haut,  Fell,  morcdka  von  Fell.  sg.  instr.  morte  mit 
einer  Haut.  pl.  morte.   griech.  morti.  slavon.  m-orci,  morci. 

mosys,  moMja,  moMje  subst.  f.  Gut.    —   rum.  mosije. 

mozüa,  muzila  subst.  f.  Hügel,  Berg.   —  rum.  mogilt,  movil-b. 

mncuisardov  vb.  probieren,  eig.  wohl  sich  anstrengen,  praet.  sg.  3.  macidsdjToü  er 
probierte.  —  klruss.  mocovaty  fest  machen,  probieren,  ob  etwas  fest  ist. 

mudar  vb.  tödten,  auslöschen,  praes.  sg.  1.  mudardn,  mudardp  (aus  mudaräv)  tu, 
mudarö.  2.  mvdare.  3.  mtidarhl,  mudärla.  pl.  1.  mvdardsa,  mudards.  3.  mudarin.  impt. 
sg.  2.  mvddr.  pl.  2.  mudarßn.  impf.  pl.  3.  mnddrnas  occidebant.  praet.  sg.  1.  mudardöm. 
2.  mudarddn.   3.  mudardöü.  mudardds.  pl.   3.  mudarde,  mudards.  griech.   murdardva. 

mudardüv  vb.  ausgelöscht  werden,  praes.  sg.   3.  muddrdol. 

muj  subst.    m.    Mund,    Gesicht,    and    o    mvj  aus  vollem    Halse,    and  o  m/ija  mit  dem 
Munde,   instr.  mösa.  oprn  mosa  mit  dem  Gesicht  vorwärts   (fallen),   gi-iech.    mdi.    mos  mosa' 
von  Angesicht  zu  Angesicht. 

mid  subst.   f.  Wein,   Schnaps,  sg.  instr.  muJ'dsa.   mul  pahnrd?  Brantwein.   griech.  nioL 
midcsm/  adi.  zufrieden.  —  rum.  mulci. 

7nHlö  adj.  todt.  partic.  sg.  acc.  mvMs.  pai  malö.  pl.  muh',  praet.  sg,  3.  mraJöü.  vviTds. 
e  rakli  muTöii  das  Mädchen  starb,  voj  midi  sie  starb,  pl.  3.  imdL  Vgl.  mer.  siiidh.  muo. 
aind.   mrta. 

midt:  de  midf  seit  langem.   —   rum.   de  mult. 
midurö  adi.  todt.  Vgl.  mulö. 
mum  subst.  Wachs,   griech.  mom. 

mumcU  subst.  f.  Licht,  sg.  abl.  mumelatar.  instr.  mnmeTdsa.  pl.  mvmele.  griecii.  movi. 
Wachs,   momeli,  mumeli  Wachskerze. 


„,,  ■  FUAJJZ     MlKLOäliJU. 

ob 

munä  vb.  martern,  praes.  pl.  3.  mumm.  —  i-uiii.   luunci. 

„iursökanu  adl.  Manns-,  griech.  mitrSikanö.  slavon.  murS. 

mnsa  mit  l  von  is:  es  ist  nothwendig,  es  muss  sein.  w4so.  j  the  za.^  du  musst  gehen. 
müsa  j  the  anSs  du  musst  bringen.   —   klruss.  musity. 

musar  vb.  schaden,  vergällen,  kränken,  verderben,  auflieben,  praes.  sg.  1.  mnsardü, 
nuisarö.  3.  musaväl.  im^t.  sg.  2.  musd,:  praet.  sg.  3.  mnsardoa  für  mudarcm  er  tödtete. 
musardds:  rausartUs  kode  nnnta  er  hob  diese  Hochzeit  auf.  pl.  3.  »msctrdi.  slavon.  musarau 

ich   beschädige. 

mmar  vb.   müssen,  praes.   sg.    1.   mnmrn.  praet.   sg.    1.   „lüsardom.  Vgl.   mnsa. 

mustrusar  vi),  uuistern.  praet.  sg.   o.  mastnisardöu.  —  rum.  mustru. 

musimoj  subst.  m.  Ameisenhaufen.  —  arm.  mrßjün,  mroimtn  Ameise.  Man  beachte 
die  Ersetzung  des  vocalischen  r  durch  u  nach   )//:  s  steht  tür  c. 

mnca,  mScö  subst.  f.  Katze,  sg.  acc.  mörd.  mmdkö  Katzen-,  mßca  bessar.  —  rum.  m:sc^. 

mscssöra,  mscssuars  subst.'  f.   Kätzchen,   demin.  —  rum.   mi,cisoare. 

m3cini  vb.   nuilen.   impf.   pl.   3.   mzcirdnas.   —  rum.   macin. 

niöcmisa,'  vb.  malen,   impt.    sg.    2.    niöchiisar.   praet.   sg.   3.   möanism-dou.    Vgl.   möcini. 

mulnha  subst.  f.  Mark.  —  rum.  mtduhi,. 

mömdiga  subst.  f.  Mamaliga.  mömöUfjd  von  der  Mamaliga.  —  rum.  m-bm-bligi,. 

mmdrjdca  subst.   f.   Pracht.   Vgl.   mindru. 

mmdru  adi.   schön,  prächtig.   —  rum.   mtndru. 

möudötdri  subst.  m.  Mandatar. 

omnrjöi  vb.   sich  freuen,  reflexiv,  praes.   sg.   3.   niöngöil  pe.  —   rum.   m-bngti. 

mmmtire  subst.  f.  Kloster,  Thurm.  —  ruiii.  m:&nistire. 

mövgzritdf  subst.  m.    Perle,  pl.   niörgdritdr,  mörgsritdri.  —  rum.  mirgtritorju. 

msriti  vb.  verheiraten,  praes.  sg.   1.   tuöritm,  imriti    3.    uiöritU  pe  er  verheiratet  sich. 

—  rum.   m'Brit. 

möriüsardov  vb.  heiraten   nubere.  praet.  sg.   3.   imritisdjloü.    Vgl.   imriti. 

mssa  subst.  f.  Mutter.  —  rum.  mtsa. 

müsi'ira  subst.   f.   Maass.  —  rum.   mi.suri>. 

imsurlsar  vb.    messen.    Für  den  inf.   the    mdsarisards.    impt.   sg.    2.   nmurisar.  —  rum. 

misur. 

ViöZöi-dfe  subst.   Erbsenkind.   eig.   dat.  von  vidzere  Erbse. 


N. 

■  na  adv.    nicht,    na  steht  in   dieser   Mundart  auch    für    v/n:    na   pns    noli    interrogare. 
na  muddr  ma  tüdte  mich  nicht,  rödo,    zi  kaj  »'  arakö  les    ich  werde  suclien,    bis  ich  ihn 

finde,   griech.   na. 

nah    Dank,     nais    tukn    danke    dir.    iio'ik    tumengn    danke    euch,    nah    le    derlesk   Gott 

sei  Dank. 

naj  subst.   Finger,  pl.   naj<t,  naß.   griech.  naj  f. 

najar  vb.  baden  trans.  pi-aes.  sg.  1.  na.jerd.  3.  najarü.  impt.  sg.  2.  /«ye/-.  praer. 
sg.  3.  najardoä.  Vgl.  ung.  nandav  ich  bade,  najar  ist  wohl  nandar.  das  erklärbar  ist, 
wenn    nand  intransitive  Bedeutung  hat. 


Über  die  Mundakten  und  die  Wanderunhen  dee  Zigeuner  Europa-s.  v.  39 

najardov  vb.  sicli  baden,  praes.  sg.  1.  najuvö  aus  najardovu.  2.  najuve  aus  najardove, 
najardoves.  3.  najul  aus  iKijardovel.  pl.  1.  najuvas.  3.  najon.  impt.  sg.  2.  na  ja  aus  najardov. 
impf.  sg.  o.  najölas  aus  najardouelas.  pl.  3.  najönas.  praet.  sg.  o.  vailüa.  slavon.  praes. 
pl.    1.   naivas  aus  najardovas. 

najenpi.  subst.  m.  Bad. 

nak  subst.   Nase,   u,  e   nak.   griech.   nak  f. 

nak  vb.  passieren,  vorübergehen,  sclii-eiten.  praes.  sg.  2.  nakts.  3.  nokf>l:  nakil  ek 
pal  er  passiert  ein  Wasser,  pl.  3.  naktna.  praet.  sg.  1.  nakTum.  2.  nakfäu.  3.  nakJov, 
7iakTa.n.   pl.  3.  vJoAr^',  ?mÄ.-/?.  griech.  nokdva.  slavon.  )iac.el  passieren,  nakavel  passieren  machen. 

nakavav  vb.  übertreffen,  einholen,  praes.  sg.  3.  nakavela.  praet.  sg.  2.  nakaddn. 
3.   nakadoü.  nakaddn.   A  gl.   »r/A\ 

.nandri  subst.  m.  Kamm,  zai  o  pal  p>    o  nandri  es  fliesst  das  ^^  asser  über  den  Kamm. 

nands,  nandsu  subst.  m.  Pathe,  Täufling,  Beistand,  sg.   acc.  nanasns.    —  rum.  ntnas. 

ndne  subst.  m.  lieber  Mann.  sg.  voc.  —  Vgl.  rum.  nani.  ältere  Schwester,  klruss. 
neue  Vater  sg.   voc. 

7iany6,  'nangn   adi.   nackt,  naudi  f.   griecli.    navrio. 

nas  non   erat  aus  na  ,sas.   \  gl.  2s. 

nasfalo  adi.   schwach,   krank,   griech.   nasfalo.  slavon.  nasvalo.   engl,  naflo.  Vgl.   nasul. 

nasfal'ov  vb.  krank  werden,    praet.  sg.   3.    nasfdjTas  aus  nasfdTilas  er  ward  krank. 

nastdsa  subst.  f.  Anastasia. 

nasi'd  adv.  schlecht.  Vgl.  nasfalo. 

nasidimas  subst.  m.  Schlechtigkeit,  via  nasulimdstar  von  meiner  Schlechtigkeit. 

nasuUp}  subst.  m.  Schlechtigkeit. 

nas  vb.  fliehen,  entfliehen,  prajes.  sg.  1.  nasdu.  2.  nas'ss.  3.  nassl^  naUla.  pl.  1.  nasds. 
3.  nasin.  impt.  sg.  2.  «a.s.  impf.  sg.  3.  naUlds.  praet.  sg.  3.  nasTöu,  nasTds.  pl.  3.  näsle, 
nasU.  nas  and  o  d7'im  gehe  aus  dem  Wege,  griech.  'nasdva:  engl,  naser  verlieren,  weg- 
schicken ist  durch  das  Suffix  ar  transitiv   gemacht. 

naü  V.   anan. 

nazdrövdnu,  nszdrsvdnu  subst.  m.  der  Seher,  pl.  nazdrmdnuri.  mornnklo  nazdrsvdmi 
Zauberperle. 

negu  subst.  m.  Warze.  —  ^  gl-  rum.  nedzel. 

neguctoricT,  subst.  f.  Kaufmannsfrau. 

negucförv.  neguctöri,  negitcitor  subst.  m.  Kaufmann,  sg.  dat.  negucatoreste.  —  rum. 
negocttorju. 

negurd  subst.  Nebel.  —  rum.  negurs. 

nemerisar  vb.  treffen,  praet.  sg.   3,   nemerisardds.  —  rum.  nemeri. 

nfci,  nie  adv.  nicht,  auch  nicht,  nicht  einmal,  mci  zo  ich  werde  nicht  gehen,  nie 
t/ite  na  j  ne  tibi  quidem  est.  nie  vo  na  j  katdr  auch  er  ist  nicht  hier.  tJte  na  chan  nie 
ek  siru  esset  auch  nicht  ein  Körnlein,  nie — nie;  nici  na — ntci  na  weder  —  noch,  griech. 
ne  —  ne  weder  —  noch,   slavon.   niei  raziimisarau  fuce  ich  verstehe  dich  nicht. 

niste  pron.  indef.  irgend  ein.  niste  manüs.  —  rum.  niste. 

nivo  adi.  neu.  griech.  nev6. 

no,  nu  interi.   wohlan,   nun. 

norödu  subst.   m.   Volk.   —   rum.   norod. 

niiviaj,  nmndj,  oiv.m  adv.   nur.   —  rum.   numaj. 


1  FkANZ      MlKLOSlCIl. 


m'msr,  nnmero,  numerö  subst.   m.  Rechnung,  Ziilil.  —  riim.   numT,r. 
nünta   subst.   f.   IToohzeit.  —   nun.   imnfb. 

minUis  subst.   m.   HocLzeitsgu^^v.    [•!.   nuntusa.  —   runi.   uuntas. 
nnsru  subst.   m.   Wolke.   —  vuiu.   luini. 
■imleide  subst.   f.   Hoffnung.   —  runi.   nedezde. 
riöfräma  subst.   f.   —   nun.   ntfranit. 

mjmi  vb.   dingen,   pnies.  sg.   o.   nöjm'da.  —   runi.   ni>jmi. 

rujmisar    vb.    dingen,    praes.    sg.    1.   mjmisarö.    impt.    sg.    2.    nöjralsar.    praet.    sg.    3. 
mjmlsardüü,  n-omlsardon,  unjmisardds.  pl.  3.  mjmisarde.  Vgl.   nöjvii. 

nymisardov  vb.  gedungen  werden,    praes.  sg.   1.  mjmisdjvo.  praet.  sg.   3.   nyndsdjToü, 

nsjmisdjTas. 

mköz  vb.  sicJi  plagen,  praes.  sg.   3.  mk-ozü.  —  rum.  neki/i. 

mUi  vb.  geboren  werden,  reflex.   praes.  sg.  3.   mstÜa  pe  er  wird  geboren. 

nöslisardov  vb.  geboren  werden,  praet.  sg.  3.  mstisdjl'as.  —  rum.  nask,  ntskut. 

mzsri  vb.   schimmern,  reflexiv,   praes.   sg.   3.   mzsrÜ  pe.   —  rum.  ntzri:   ntz-breste  un- 
deutlicli  'Avie  durch  Strahlen  wahrnehmen. 

ndmuf  subst.   pl.    Verwandte.   —  rum.   nem,  pl.   nemuri. 


o  Artikel  m.  der.  e  f.  die.  o  grast  das  Pferd,  e,  o  werden  häufig  verwechselt.  Die 
obliquen  Casus  lauten  le,  la.  griech.  o.  Vgl.  lo. 

0  num.   f.   eine,   o  hdnlca.  —  rum.  o  für  una. 

uare  Partikel  entspricht  vor  dem  pron.  kon,  so  dem  Deutschen  irgend :  <tire  so  irgend 
etwas.  Vgl.   vdre,   vor.   —   rum.   oare:   oare  kare  jemand. 

ohsördkii,  osnrdku  subst.   m.  Armer,   voc.   obssrdci.   —  rum.  vgl.   sT,rak. 

ocendsu  subst.  m.  Vaterunser.  —  asl.  othce  nash. 

od/u,  ocli  m.  ^Mutterleib,  Herz,  luorö  odi.  odhesko:  raldö  odMsko  rum.  kopil  de  suflet 
Adoptivsohn,  pl.  ode,  ude.  griech.  ogi  m.  f.  Bauch,  Seele,  Herz,  Muth,  Wille.  Vgl.  di. 
vodalo.  serb.  ogl  Herz.  engl,  see  Herz.  arm.  ogi,  hogi  Seele. 

ögna  subst.  f.  Bergwerk.  —  rum.  okni.. 

ogöru  subst.  m.  Saatfeld.  —  rum.  ogoru  Brachacker,  serb.  ugar. 

ogrdda  subst.  f.  Hof.  —  rum.  ogradt. 

6ka  subst.  Oka  (türkisches  Gewicht). 

okdrn  subst.   f.  Scham.   —  rum.  okan^. 

okjdna  subst.  f.  die  Oceana.  sg.  gen.  okjandks. 

okjdnu  subst.   ni.   aVugenglas.   —  rum.   oken. 

ükolo  subst.   m.   Umzäunung.   —   rum.   okol. 

okofe  adv.   doi-t.   slavon.  jokufe. 

ol  pl.   des   Artikels  o:  ol  duj. 

opräl  a)  adv.  oben,  hinauf,  darüber,  liocli.  b)  pracp.  oberhalb:  uprdl  o  gah  oberhalb 
des    Dorfes,   griech.   oprdl. 

opresko  sul)st.    in.    Räuber.   —   klruss.   oprysok. 


I 


ÜbEE    die    MuNDARl'EN    UND    Dil',    WaNDEHUNGEN    DBU    ZiGEUNEB   EuKOPA'S.    V.  41 

oprs,  tqjrfj  adv.  hinauf,  auf.    opr6  iistlMs  er  stand  auf,    germanisii-end.    oprä  mösa   mit 
dem  Gesieht  naeh  oben,   grieeh.  upr^. 

or,  uf',   vor  coni.   oder,   vur-cor  entweder-oder.   of'-of  na. 

orddl  adv.  dort,  eigentlich:  von  hier.  Vgl.  orcU. 

orde,  urde,  ordi  adv.  hieher.  ah  ordt,  nrdi  komme  hieher. 

67'tha,  örta,  vorta,  vortlia  adv.  gerade  aus.  de  a  ortha,  de  örtha.   —  grieeh.  opö-d. 

Ortho  vb.   richten,  lenken,  impf.   sg.   3.  orthölas  dirigirte.   Vgl.   ortha. 

oslönu  subst.  m.  Bank.  —  klruss.   osJönok. 

ospscie  subst  f.   sn  ospncte  zu  Gaste.   —   rum.   ospiic. 

oste,  aaste  subst.   f.   Heer.   sg.   gen.   osttihkn.   acc.  jjeskd  oste.  — •  rum.   oastij. 

osöbit:  de  ossbit  adv.  abgesondert.   —  rum.  osebit. 

otlidr  adv.  von  dort,  grieeh.  otdr. 

otlie,  otM,  oce,  oct  adv.  doi't,  dorthin,  grieeh.  ote. 


päcks  subst.  f.   Packet.  —  rum.  paßki).  klruss.  pafka:  deutsch  Packet. 

pahdro,  pakdru  subst.   m.  Becher,   pl.  pahära,  pahdrn.   —   rum.  p-bharu. 

pai  subst.  m.  Wasser,  o  p>ai,  e  pai.  sg.  gen.  p>ojesko,  pmjeskd:  aviJds  pajeskö  kam  um 
Wasser,  instr.  p>aesa.  pl.  paje.  gi-iech.  pani,  pl.  panid.  slavon.  pajali  Wassermelone  lubenica. 

pakdto  subst.  m.  Sünde,  pl.  pakac,  pizkici.  —  rum.  ptkat. 

pald,  päla  praep.  hinter:  tliola  Ja  pdia  o  kan  er  steckt  sie  (die  Blume)  hinter  das 
Ohr.  pald  j  ritesele  (er  setzt  sich)  an  den  Tisch,  eigentlich  hinter  den  Tisch:  slav.  za  stoli>. 
ze  pdla  ma  folge  mir,  eigentlich:  gehe  hinter  mir.  tu  the  chvtes  pdla  o  kan  springe  hinter 
dem  Ohr  hervor:  slav.  iz  za,  franz.  de  derriere.  neben:  pald  Idti  neben  ihr,  pal  o  uddr 
neben  der  Thür.  um:  Tou  les  pald  j  kor  nahm  ihn  um  den  Hals,  umarmte  ihn.  gnTds  tar 
pald  j  mdrfa  er  gieng  um  die  Waare.  pald  p>este  phen  (schickte)  um  seine  Schwester, 
nach,  post:  pml  o  ahm  nach  der  Hochzeit.  Slavisirend:  za  pdla  mdnde  heirate  mich,  do  la 
pald  tvte  ich  werde  sie  dir  zur  Frau  geben.  Meine  Syntax  der  slavischen  Sprachen 
Seite  410.   748.  grieeh.  paU. 

paldl  adv.  hinteia,  rückwärts,  nach,  eigentlich:  von  hinten,  len  les  paläl  werfet  ihn 
hinaus,   grieeh.  ijaldl. 

palds  subst.  m.  Säbel.  —  rum.  palo§. 

pdlma,  pdlms  subst.  f.  Handfläche,  Spanne,  sg.  instr.  ekhd  jjahndsa  mit  einer  Hand: 
gleichbedeutend  ist  palmd.  pl.  instr.  p>ahnmca.  —  rum.  palmt. 

p>alpale,  p)alpali  adv.  rückwärts,  zurück,  wieder.  Oft  wii-d  auch  der  Nebenaccent  auf 
der  Anfangssilbe  bezeichnet:  pdlpale.  grieeh.  pdlpale. 

pdltinu   subst.   m.   Ahorn.   —  rum.  paltin. 

paTord  subst.  pl.  Späne. 

panaiti  subst.  m.  Personenname. 

pandav  s.  phandav. 

pani  num.  fünf,   grieeh.  yaiic,  pandz. 

pdnzto  num.  fünfter,    bis-thaj-pdnsio  fünfundzwanzigster. 

DenkschrifteQ  der  pliil.-hi?t.  Cl.  XXV.  Bd.  6 


42  FkaNZ     MlKLOSIUH. 

papin  subst.  f.  Gans.  sg.  acc.  papina.  gen.  papindko  Gans-,  instr.  pdphi(Ua.  pl.  papirid. 
griech.  papin.  slavon.  papinako  mas  Gänsefleisch. 

papuci,  papncj  subst.  pl.   Pantoffeln,  selten  papnk  sg.  —  ruiu.  pipuk,  pl.  pipuei. 

pdra  subst.  f.  Dampf.  —  klruss.  para. 

pardle  subst.   pl.   Geld,  eig.   Para.  —   rum.  pl.  parale,  sing,  parao  f. 

paramici  subst.  Märchen,  ungr.  paramisi.  —  ngr.  7rapa[X'jv)-i. 

parastuji,  paraUni  subst.   Freitag,   griecli.  pnraskeoi.    slavon.  parasim.   ungr.  parasturi. 

—  ngr.  irapaaxi'JTj. 

parneli  subst.  Käse.   Vgl.  parnö. 

parno  adi.  weiss,  subst.  Schimmel,  griech.  purnö. 

parte  subst.  Theil,  »Seite,  trito  pdrte  ternesko  der  dritte  Theil  des  Reiches,  and  ek 
parte  auf  eine  Seite,  pl.  pz7X'.  —  rum.  parte,  pl.  p^rci. 

puruclov  aus  paritvdov  vb.  sich  verändern,  praet.  sg.  3.  parudü'as. 

paruv  vb.  wechseln,  praet.  sg.   3.  parwids.   griech.  paruvdva,  partic.  paruvdö. 

pas,  pdsa  Hälfte,  halb,  ek  pas  die  Hälfte,  ck  pas  hars  ein  halbes  Jahr,  ek  jyas  o  (ein 
das  lialbe  Reich,  jjdsa  fet  Mitternacht,  zi  pe  pdsa  f-et  bis  gegen  Mitternacht,  slndds  pas 
er  schnitt  entzwei,  griech.  pas.  jekpas,  jekpds. 

pasd,  past  praep.  neben,  bei,  zu.  pasd  i  rakli  bei  der  Tochter,  pasd  kodö  föru  bei 
jener  Stadt,  pas  o  pai  am  Wasser,  pasd  ma,  pdsa  mdnde  bei  mir.  pdsa  tu,  pasd  tu  neben 
dir.  pdsa  Idte  neben  ihr.  p>asd  peste,  pdsa  pesfe  an  sich,  griech.  pase. 

pdsoka  subst.  halbe  Oka. 

pasov  vb.  sich  nähern,  praes.  sg.  3.  pasöl.  praet.  sg.  3.  pasiTds.  pl.  3.  pasuli.  gi-iech. 
pds/ovava.,  partic.  pdsilo. 

pasvarü  subst.  m.  Ribbe.  griech.  pasavru.  serb.  pasavro.  aind.  parsva.  hind.  pas.  kurd. 
pärsu.  esset,  fars. 

pdto,  putu  subst.   m.   Bett,   and  o  pjdtu,   and  e  pdfu.   —  rum.  patu. 

patrin  subst.  f.  Blatt,  sg.  instr.  patrindsa^  patrinosa.  pl.  patrin.  patre  von  patri.  griech. 
patrfn,  pat?'?.  patf,  pat7'  f. 

pjata  vb.  glauben,  praes.  sg.  1.  pafdü.  2.  patds.  pl.  2.  pjatän.  praet.  sg.  3.  patajöü 
aus  patanöü.  griech.  pakidva,   partic.  pakiano. 

patu  subst.  Ehre,  slavon.  paciu. 

patuvalo,  patualö,  pacualo  adi.  ehrlich,  ehrenhaft,  slavon.  pacivalo. 

pdvelo,  pdvelu  subst.  m,  Paul.  sg.  acc.  pavlös. 

pazurs  subst.  f.  Adler,  ek  pdjo  pahirdka  ein  Junges  von  einem  Adler,  o  puj  la  pazordko. 

—  rum.  pazuri. 

pe  praep.  auf,  bei,  für,  um.  pe  leste  auf  ihn.  p'  o  pchiko  auf  die  Schulter,  p'  o  pni 
auf  dem  Wasser,  dorn  pe  trin  hörbe  ich  gab  für  drei  Worte,  pe  (d.  i.  p'  e)  niesele  auf  den 
Tisch,  zanen  p  o  morö  grast  ihr  wisset  um  mein  Pferd,  pe  J  Idicd  auf  die  Bank,  paj  (d.  i. 
pe  j)  podeCia.  auf  der  Brücke,  paj  (d.  i.  pe  j)  ferjdsta  bei  dem  Fenster,  p'  o  stdrto  zum 
vierten  Mal.  pe  hat  die  Bedeutung:  von,  die  sich  nur  aus  der  Bedeutung  des  Verbum 
ergibt:  vazdds  p  o  sm-ö  er  hob  vom  Kopfe.  iLsf/'  //  o  pdto  stehe  vom  Bette  auf.  pe  e  geht 
in  paj  über:  pa  j  dunere  über  die  Donau.  Gleichbedeutend  mit  pe  scheint  pe  a:  pe  a 
kodö  drum  auf  diesem  Wege,  pe  a  bd/ma  über  den  Sumpf,  pe  a  läko  naj  von  ihrem 
Finger,  pe  a  mesele  vom  Tische,  jje  a  Idte  von  ihr.  aswnde  pe  a  Uste  hörten  von  ihm.  pe  a 
[ende,  pe  lendi  auf  sie.  griech.  opr^.  Vgl.pre,  woraus  pe  entstanden:  vgl.  auch  i'um.  pe  und  pre. 


Übek  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  ZiftEUNUB  Europa's.  v.  43 

pek  vb.  braten,  praes.  sg.  2.  prkfi.f.  pl.  1.  pekäsa.  'i.  pckin.  praet.  i^ekTöü.  griecli. 
Ijckdva,  i)ekl6^  peku.   Vgl.  pcko. 

pekjoo  vb.    gebraten  werden,  praet.  sg.  o.  pekjUas.   griech.  pekiovava. 

peku  adi.  gebraten,  griech.  pekii.  A^gl.  pek. 

pene  subst.  pl.  Keile.  —  mm.  panT>. 

per  vb.  fallen,  sich  legen,  praes.  sg.  1.  perö.  3.  perJa,  perlä,  jjeUl.  pl.  o.  perna.  inipt. 
sg.  2.  per.  impf.  sg.  3.  pjerlas.  praet.  sg.  3.  i^^^oü,  peT(1.s,  peles.  pl.  3.  peU,  pdi.  gi-iecli. 
perdva,  partic.  pelö.  bind,  par-nä.  aind.  pat. 

jyerina  subst.  f.  Polster.   —  runi.  perin-b. 

peritvra  subst.   f.  Krüppel.   —  ^  gl-  i'um.  peritorjü  m.  peritoare  f. 

petre,  petri  subst.  m.   Petrus,  o  ssn  petre.i  ^jei^r?'.  sg.  voc.  petre.  acc.  petres,  pc.trös. 

petreci  vb.  begleiten,   praes.   sg.   3.  petrecü.  —  rum.  petrek. 

petrlcisar  vb.  begleiten,  praet.  sg.  3.  peAricisardön.  Vgl.  petreci. 

phahdj  subst.  f.  Apfel,  selten  hhahdj.  pl.  phahd..  o  mirosv  le  phabmgo.  griech.  pahdi, 
papdi,  khapdi  (d.  i.  chapdi).  -^\.  ptliahd.  slavon.  hahqj  neben  jj/tabali}!.  un gr.  p//al)ha.  bülim. 
jjchabaj. 

phahar  vb.  brennen,  verbrennen,  anzünden,  praes.  sg.  1.  phahnru,  p>hahardü.  2.  pha- 
harss.  3.  pliabarth  pl.  2.  phabarin.  impt.  sg.  2.  pliabär.  praet.  sg.  1.  pliabarJom.  pl.  3. 
für  die   3.   sg.  phaharde,  pJiabardl.   nnd  pliabardi  Brantwein,  wörtlich:   gebrannter  Wein. 

phabardov  vb.  brennen  neutr.  praes.  sg.   3.  pliabdrdol, 

phahelr)i  subst.   f.   Apfelbaum.  rovU  pabelhmtor .   griech.  pahalin^  papaltn  f. 

phabov  vb.  brennen  neutr.  praes.  sg.  3.  pJtabuI.  impf.  sg.  3.  p>]iab6las.  praet.  sg.  3. 
phabiJöü,  jjliabidds.  pl.  3.  phabuU.  Man  merke:  na  pliabö  les  ich  verbrenne  es  nicht,  slavon. 
pahol  brennen  neutr.   e  jag  pabol.   Vgl.  pliabar. 

phadov  vb.  brechen  neutr.  Thema  phagu  gebrochen,  praes.  sg.  3.  padol.  praet,  sg.  3. 
padiToü  wie  pagiTöü.  pagili:  pagili  e  röata  das  Rad  brach.  Vgl.  bandar^  bango  und  griech. 
pdndovava,  j^angFovava. 

■pliag  vb.  brechen,  verdei'ben  trans.  praes.  sg.  1.  phagdü.  2.  p)hage.  praet.  sg.  2.  pag- 
Tun.  3.  pagTüü,  j^^x^g^'^s^  p)agJäs.  griech.  pang''iva,  bangdva,  pai'tic.  po??r/(?o,  banglö,  bangö. 
slavon.  p)haclzel  brechen. 

pliago  adi.  gebrochen.  p)}iadi  lesti  pltak  gebrochen  sind  seine  Flügel:  phadi  aus  pJiagi- 
Vgl.   griecli.  iJcingö,   banqo. 

phak  subst.  f.  Flügel,  pl.  pliakd,  pJiak.  instr.  phakmca.  griech.  pak.,  pl-  pakd. 

pliand  vb.  binden,  praes.  sg.  1.  pdndaü.  2.  pdndes,  pliandes.  pl.  3.  pdnde.l  le  &\ifi  pdn- 
den  le.  impt.  sg.  2.  pltdnde,  pdnde.  impf.  sg.  1.  pandös.  3.  pdndelas.  partic.  panglö.  praet. 
sg.  2.  pxingTdn.   3.  2^'^^ngT6n,  panglds.  pl.  3.  pangle.  griech.  panddva,  banddva. 

pliandadov :  pandadov  vb.  gebunden,  geschlossen  werden,  praes.  sg.  3.  pandddol.  praet. 
sg.  3.  i^CLndagU'on  er  zog  sich  zusammen  aus  pandadiloü. 

p)handaipi  subst.  m.  Gefängniss.  pandaipi  von  j)anda>\  griech.  ba'dipe.  slavon.  johan- 
dipe  von  phand. 

pliandav:  pandav  vb.  binden,  verschliessen ,  einsperren,  verstopfen,  praes,  sg,  1. 
pandavdn,  panda&ü.  panddü.  partic.  p)andad<5.  praet.  sg.  3.  pmidadoü,  pandadds.  pl.  3. 
jjaiidadiU  pandadh  pandadl  o  pcd  sie  sperrten  das  Wasser  ab.  Für  den  inf.  fhe  pandan. 
griech.  pandäva,  banddva.  slavon.  pandil  bindet,  pondavel  graditi.  Vgl.  pltand. 


^^  FkaN/,     MlKLOSICH. 

pharav  vb.  spalten,  zerschlagen,  zerstossen.  praes.  sg.  3.  paravel  In  parauel-kast.  impt. 
sg.  2.  parciü  in  paräü-ol-hav  etwa  Spaltestein,  pardfi-kast  Spaltebaum.  impf.  sg.  3.  phara- 
vclas  er  erschrak,  praet.  sg.  2.  paraddn.  3.  phamdöü,  paraduü,  paradds,  pharadäs.  pl.  3. 
pharadS,  p/iaradf.  Unrichtig:  pharnl  rumpitur.  griech.  paravdva.  slavon.  paravel  spalten, 
pflügen.  In  paradiü  Ja  korahie  er  zerstörte  «las  Schiff  scheint  paradiü  für  paradoii  zu  stehen. 

pharjov  vb.  platzen,  bersten,  praes.  pl.  l.pjharüvas  aus pharjovas.  pl.  3.  pharom  i\\v pharon 
aus  y?a?7ü?i.  Impt.  sg.  2.  pharo  aus  pltarjov.  praet.  sg.  3.  phariTou,  pchandoü.  griech.  pdriovava. 

pharö  s,.  hharö. 

phen  vb.  sagen,  praes.  sg.  1.  phendü,  phenö.  2.  phenes,  phem,  penes,  pene.  3.  phenel, 
phenla,  penel,  penla.  pl.  1.  phenas.  3.  phenen,  pMnna.  Impt.  sg.  2.  phe.  pl.  2.  phew'a.  Impf, 
sg.  3.  penla><.  pl.  3.  phennas,  pennas.  praet.  sg.  1.  pendörn.  2.  penddu.  o.  pendht,  pendäs. 
penddch  Usko.  pl.   3.  ^j^nr//,  penJf.  ^encff,  pliendi   griech.  pendva,  bendva. 

phen  subst.  f.  Schwester,  sg.  voc.  phme.  acc.  phe.  pl.  jjÄe/e,  ^/«)>'.  2>^"^n.  pl.  p-henid 
Mezz.  griech.  jo^»,  6e»,  pl.  penid. 

phenori  subst.  f.  Schwesterchen,  demln. 

js/ier  vb.  füllen,  praes.  sg.  1.  phjerdü,  phjero,  perdü.  2.  phere,  pjere^  peres.  3.  pherla. 
pherl  aus  pAerel.  pl.  3.  pAervi  aus  pherin.  impt.  pl.  2.  pere«.  impf.  pl.  3.  pchjernas.  praet. 
sg.  2.  pcherddn.  3.  pherdöü,  pherdds,  pcherdd-^,  pjerdds,  perdoü,  perdds.  Le  verbe  bhar  (bhr) 
n  a -plus  d'autre  sens  dans  les  langues  modernes  que  celul  de  „etre  plein  et  rempllr-',  il 
en  etait  dejii  de  meme  en  mähärästri.  Journal  asiati«|ue  VI.  Serie.  XX.  213.  pnlkr.  bhar. 
sindh.  bharanu.  Trumpp  Seite   V.  griech.  perdva,  partic.  perdo. 

pher  vb.  gehen,  herumgehen  ambulare.  praes.  sg.  l.  phjerdu,  pjerdü.  1.  pcMres,  phjerts.^ 
pchjeres,  pjercs,  pjedes.  2>.  phjerel,  pchirü,  psldel.  pl.  1.  phjerds,  pcherdsa.  2.  phjerm.  o.pü'in. 
impt.  sg.  2.  p)chjer,  phjer,  pchir.  pl.  2.  pchiren.  impf.  sg.  1.  pcherös.  3.  pchirlas^  pcUrlas^ 
pchjerlas.  phjerTds  für  phjMas,  pSrlas.  praet.  sg.  1.  pchjerdöm,  phjerdum,  perdöm,  pjerdom. 
2,  phjerddn.  3.  phjerdöü,  pherdöü,  pcherdöü,  pchjerdds,  phjerdd.%  pchjerdds.  perdds.  pirdds. 
pl.  3.  pkjerde,  pcherde.  partic.  praes.  pjerindöj.  griech.  pirdva,  partic.  i>/r(?o.  slavon.  pirau 
herum o-ehen  hodati.  raAij  ma  ce  phireimaski  Ich  freue  mich  über  deinen  Besuch,  slavisirend. 
e  blähe  phirnlmastar  von  vielem  Gehen,  böhm.  pcMrav.  engl,  p'trel  er  geht  hei-um. 

pherav  vb.  führen,  tragen,  sg.  1.  phjeravö,  pchjeravdü.  2.  phjeraves,  pchjeraves.  3. 
pjeravel,  pjerdl:  p>jeravel  tük'o  de  grün  gerit  tui  curam.  phjeravela:  kon  phjeravela  mord  sabiesa 
wer  meinen  Säbel  schwingen  wird.  pl.  3.  phjerdl  U  für  phjerdn  IL  impt.  sg.  2.  pjerdu, 
ptchird.  Impf.  sg.  3.  phjeravelas  e  ihte  er  befehligte  das  Heer,  praet.  sg.  2.  pjeraddii,  pchi- 
raddn.  3.  pjeradds,  pchjeradoü.  griech.  piravdva  gehen  machen,  wegschicken,  pherav  ist 
das  Causale  von  p)her. 

pherdö,  pherdo,  pcMrdo,  perdo  adv.   voll,   grlecli.  perdö.  slavon.  pherdo,  perdo. 

pherdov  vb.  sich  füllen,  praes.  sg.  3.  perdul.  praet.  sg.  3.  phcrddoü,  pcMrdiTou,  phjer- 
dilöü,  phjerdiTas,  pchjerdiTas.   griech.  perdovava. 

phinli  subst.  f.  Witwe,  rryz  phiidi.  sg.  acc.  phkde.  griech.  pivlO.  böhm.  pchivlo.  engl. 
pivlo, '  pivli. 

pha  subst.  f.  Erde,  pbydks.  la  pjhuSti.  Man  merke  phue:  pe  ne  phue  in  das  neunte 
Land,  tr/to  phn.  griech.  puv,  phuv,  pfu'v,  pu.   slavon.  phu,  phujdko. 

phnrd  vb.  blasen,  praes.  sg.  1.  phurdö.  impt.  sg.  2.  phürde.  Impf.  sg.  3.  pnrdilas. 
praet.  sg.  3.  pfirdon,  phiirdds.  griech.  pdrdava,  phiidava,  pfi'tdava,  püdava.  slavon.  phurdes 
und  purdau.  phurdini  Dudelsack. 


Über  dik  Mundarten  und  die  Wanderungen  deh  Zigeuneu  Eurcpa'S,  v.  45 

phurd  subst.  Brücke,  griecli.  purt  f.  engl,  pndge.  kiinl  pir.  Lercli  152.  Justi  28. 
pira  ßhea.  pird  zaz.  Lerch   208.   abktr.   poretu. 

phuri  subst.  f.   Alte.   sg.   acc.  plmre.  gen.  pharjdka.   voe.  phurr,  pimri. 

plmrimäta:  puriindta  subst.    pl.  Alter,    k'  ol  purimdta   im   Alter.     Vgl.    griech.  pu.rUx'. 

phurö,  phur/i  subst.  m.  Greis,  sg.  acc.  pliuris.  gen.  jikurnskö.  griech.  plmvd,  puro.  pßtro. 
slavon.  phnru..  jntripe  Alter.   Vgl.  purane  lovc-   alte   Münzen,   engl,  pnre.no  ancient,   old. 

pch/kö,  psikö,  psikn  subst.  m.  Schulter,  pl.  pchikL  griec-li.  />ik6,  viko.  liind.  pith  Rficken. 
sind,   puthi.   kurd.  pist.  aind.   prstha. 

pl  vb.  trinken,  saugen,  praes.  sg.  1.  peit  aus  pij'to.  2.  pes  aus  pijex.  3.  pel^  p<Ua  aus 
pijel.  pl.  1.  ^jesY^  2.  ^^eji.  3.  pen.  impt.  sg.  2.  pl.  pl.  2.  /te».  impf.  pl.  3.  ptaa-'^.  praet.  sg.  1. 
piTöm.  3.  piTöü,  piMs.  pl.  3.  piU,  piU.  p/Fds  äoci  er  trank  die  Brust,  griech.  pidva.  slavon. 
pijel,  pd. 

pimdta.  subst.  pl.  Getränke.  ^  gl.   gi'iech.  pibc. 

pipl  vb.  tasten,  impf.   sg.  3.  pip'ilas.  —  rum.  pipti. 

pipisar  vb.  tasten,  praet.  sg.   3.  plphardöu,  pipisardds.    V^gl.  pipi. 

piramnt  subst.  f.   Gellebte.   Vgl.  p/'ramnö. 

piramnö  subst.  m.  Liebhaber,  sg.  acc.  piramnes.  Vgl.  griech.  pirlavdva  verführen, 
engl,  pirriinn   Lei.   215.  pireno. 

piri  subst.   f.  Topf.  pl.  jnre.  griech.  p'nd. 

piroska  subst.  f.  Piroge.  pl.  pirostl.   —  russ.  piirog'B. 

pistöla  subst.  m.   Pistole.   —   i-um.  pistol. 

pisom,  pisÖH  subst.  Floh,  griech.  pnmm  m. 

piv  subst.  f.  Stampfe,  o  hro  la  pivdko  Kopf  der  Stampfmaschine. 

pnvnica  subst.  f.   Keller.   —  rum.  pivnicB.    ungr.   pinca. 

plaj  subst.  m.  Berg,  plajesko  Berg-,  pl.  plaje,  pldje.  pe  bhare  pldje  übei-  grosse  Berge. 
Vgl.  pl.  plajind.  —  rum.   plaj. 

plevje  subst.  Spreu.  —  rum.  plevB. 

plezni  vb.  bersten,  praes.  sg.  3.  plezml.  praet.  sg.  3.  pUmds  o  cerku,  es  barst  der 
Reif:   eine  abweichende  Art  der  Bildung  des  praet.  —   rum.   plesni. 

plopu  subst.  m.   Pappel.  —   rum.   plop. 

plügu  subst.   m.  Pflug.   —  rum.  plug. 

pbtmb/i,  pdiimb  subst.   m.   Blei.  sg.  instr.  plumbösa.  —  rum.   plumbu. 

pA'dntro,  pTontro  subst.  m.  Stockwerk,  pl.  pTihituri^  pTvntuf'.  —  kli'uss.  pToiitro  aus  pol. 
piatro,  pitjtro. 

po  pron.  sich.  Im  nom.  nicht  vorkommend,  sg.  gen.  pt'sko,  peskd,  peska:  aviTds  kaj 
pesko  khüv  er  kam  zu  seinem  Hause,  kaj  o  pesko  grast  zu  seinem  Pferde,  pp.skö  dadeskd 
seinem  Vater,  o  sBrö  peska  rakUsko  das  Haupt  seines  Sohnes,  acc.  peska  rakle  seine  Toch- 
tei-.  dat.  peska  ddks  seiner  Mutter,  peska  ddsa  mit  seiner  Mutter,  sg.  dat.  peste,  pesti  zu 
sich,  kaj  peste  aidin  in  seinem  P'alast.  kaj  pesti  phen  zu  seiner  Schwester,  sg.  instr.  pesa 
mit  sich.  pl.  gen.  pengo,  pengn:  line  pengz,  sie  nahmen  sich,  für  sich,  kzrde  pengn  jag  sie 
machten  sich  ein  Feuer  an.  r/sZf  kaj  pengo  dad  sie  giengen  zu  ihrem  (suus)  Vater,  gde 
tar  pengö  sie  giengen  fort,  po  suus  als  sg.  acc.  findet  sich  slavon.:  the  vazdel  po  telo  ut 
reficiat  suum  corpus.  Daselbst  kommt  der  sg.  acc.  pes  se  vor:  brijel  pes  tondet  se  neben 
mesü  pe  miscet  se:  letzteres  ist  die  gewöhnliche  Form. 


46  FbANZ    MlKLOSICH. 

po  praep.  distributiv,  po  2>o»c  je  fünf,  /in  7.'  grast  je  ein  I'ford.  po  'k  cnra  jedesmal 
ein   wenig,  po  ck  su'u  jedesmal   ein   Kiindcin.   —  slav.    po. 

piJatc  adv.   vielleicht.   —   mun.  poate. 

podä)i   subst.   m.    Untertlian.   —    klriiss.    ])dddanyj. 

pöde  snbst.   pl.   Schösse.   —   runi.   jkmIu. 

podeüa  subst.  Fussboden.  pl.  podele.  —  rum.  podu. 

2)odi.'>ar  vb.  Schuhe  anziehen,  praes.  sg.  2.  podisai'e.  praet.  sg.  3.  pndi-mrdov.  — 
ü'i'ieoh.   ÜTto^so). 

podisardov  vb.  sich  beschuhen,  impt.  sg.  ^.podisdv  aus  pudixarduv.  j^raet.  sg.  ?>.  podisdjTas. 

pödu  subst.   m.  Boden.   Brücke,   o  ssro  le  podösko  der  Brückenkopf.   — -   rum.   podu. 

poßi  vb.   bitten,   praes.   sg.    1.  j/offm,  Jiofti.   3.  poftilu.   —   rum.  pofti. 

poftisar  vb.  bitten,  praes.  sg.  1.  poftisai-äp  (aus  poftisardv)  tu.  impt.  sg.  2.  poftisdr. 
praet.   sg.   3.  poftisardus.    \  gl.  poftl. 

pojäna  subst;  f.  Wiese,  Wäldchen,  Gestrüpp.   —  rum.  poen'L. 

pojanvcs  subst.   f.  Wiese,  demin.   ^  gl.  pojdna. 

pokojöva,  pokojovd  subst.  f.  Stubeinnädchen.   —  pol.  pokojoAva.  klruss.  pokojovka. 

pokida  subst.  f.  Busse.  —  klruss.  pokuta. 

pokutujl  vb.   büssen.  praes.  sg.   1.  pokutitjin.  —  klruss.  pokiituju. 

pjoleim'i   adi.  poliert,  blank,  poleim?  somnakdsa.   —  rum.  polei. 

polonikv.   subst.   m.   Scliöpflöffel.  pl.  pKilonici.  —  rum.   poloniku.   klruss.   pol'onyk. 

pohibökf/  subst.  m.  Fass.   e  pohd)<5kii.  pl.  poluboci.   —    rum.  polubok. 

pi>}vmesko  subst  m.  Scliüssel.  —  klruss.  poJumysok. 

poTuvdne  subst.  Jagd.  —  klruss.  pol'ovane. 

pomdnn  subst.  f.  Almosen.  —  rum.  pomanT>. 

pomcni  vb.   gedenken,  praes.  sg.   3.  pnmenila,  pomtnÜ.  —  rum.  pomeni. 

pomenisar  vb.  gedenken,  erwähnen,  praes.  sg.   2.  pomenisare.   Vgl.  pomeni. 

2)ömv   subst.   m.   Obstbaum.   —    rum.   pomu. 

2)om6tu   subst.  m.   Obstgarten.  —  rum.  pomet. 

jwnrö,  pjnmö  subst.  m.  Fuss.  sg.  instr.  psnrßsa,  2)5>if)rssa.  abl.  psnrsstar.  pl.  2}ö]>rs.^  selten 
ponr6.  instr.  pöiirrincn.  abl.  pönr6)idnr.  griech.  pinrö^  pirno,  piro,  pindo.  slavon.  pondro, 
piiro.   serb.  j)ir('  pl.   engl,  piro,  pl.  p/;7%  ^j/ro.v.   aiud.   pada. 

2)62)a  subst.  m.   Pfaffe.  —  rum.  popt. 

jjo2)dsu  subst.  m.  Abfütterung.  —  rum.  popas  Raststation. 

popasdsar  vb.  rasten,   praet.   pl.   3.  2'opos3.tarJi.  Vgl.  2iopdsu. 

popri  vb.   aufhalten,  sperren,  verbieten,   praes.   sg.   1.  popriu.   —   rum.  popri. 

poprimi  adi.   gesperrt  (vom  \^'asser).   Vgl.  jKqyri. 

2)02yrisor  vb.  aufhalten,  sperren,  verbieten,  praet.  sg.  3.  jjoprisardöf'f.  pl.  3.  poprisarde. 
Vgl.  jjipri. 

poravdö  adi.   offen,   gi-iech.  pxiravdo,  partic.   von  p>oravdva.   und  jj/?/ro. 

por^  subst.  Schweif,  sg.  insti-.  puresa.  lap  tu-  2)orjetar  ich  nehme  dich  beim  Schweife. 
griech.   poi-/    f. 

p)orf  subst.  f.  Feder,  o  por.  sg.  abl.  porjdtar:  Indildds  la  porjdtar  er  ergritt'  sie  bei 
der  Fedei'.    kurd.   per. 

porik  subst.   Zwetschke,   griech.  por/k  m.   getrocknete  Weinbeere.  —  ngriech.  "(opixov. 

porizmi  subst.  m.   Reiter,  slav.  reseto.  griech.  ^-'O'mew. 


Über  diu  Mundarten  und  die  Wandekungen  der  Zigeuner  Eukopa'S.  v.  47 

porkdr,  purkär  subst.  m.   Schweinehirt.   —   rum.  purkarjü. 

pornisardoü  vb.  sich  erheben,  sich  auf  den  Weg  begeben,  aufbrechen,  sich  anschicken, 
praet.  sg.  3.  pornisäjToü,  pornisdjTas.  —  rum.  porni    bewegen. 

porönka,  pormika  subst.  f.  BefeliL   ■ —   rum.  porunki,. 

porta,  poarta  subst.   f.   Thor.   —  rum.   pcartia. 

portica  subst.   f.    Pförtchen,   deniin. 

porunci  vb.   befehlen,   praes.   sg.   2.  poriuicis.  —  rum.  porunci. 

poruncisar  vb.  befehlen,  praet.  sg.   3.  poruncisardöü,  porimcisardäs.   Vgl.  porunci. 

posÖDi  subst.  Wolle,  pl.  poSom/r.  griech.  posöin  f.,  pl.  posomd.  slavon.  o  posom.  poso- 
mdlo  wollig. 

post  subst.  f.  Meile.  —  rum.  postt. 

postin  subst.   Pelz,   griech.  postin  m.  Jiind.   postin. 

potikmsa7'dov  vb.  stolpern,  praet.  sg.  2.  potiknisdjFan.  3.  potiknisdjToü.  —  rum.  potikni. 

potin  vb.  zahlen,  praes.  sg.  1.  potino.  praet.  sg.  2.  potinddn.  3.  potindoü,  potindäs. 
Reflexiv:  sich  von  einer  Schuld  befreien,  slavon.  poclnau,  pocin.  —  Vgl.  rum.  plijti. 

potöpu  subst.   m.   Sündfluth.   —  rum.  potopu. 

potrdvka  subst.  f.   Eingemachtes.   — -   klruss.   potravka. 

potrivisar  vb.  besiegen,  praes.  sg.   1.  potrivisaro.  —   rum.  potrivi. 

povecUnka  subst.  f.  Sprichwort.  —  Aus  dem  Slav.  povedati. 

prdgo,  prdgu  subst.  m.  Schwelle.  —  rum.  pragu. 

pracho  vb.  vergraben,  praes.  sg.  2.  prachös.  ■ —  Vgl.  griech.  )(0)vvüvat. 

prachome  adi.  begraben.  Vgl.  pracho. 

prachosar  vb.  begraben,  praes.  sg.  1.  prachosaro.  praet.  sg.  1.  prachosardöm.  3.  pra- 
chosardöü,  prachosardds .  pl.   3.  prachosarde.  Vgl.  pracho. 

prachosardov  vb.   begraben  werden,  versinken,  praet.  sg.  3.  prachosdjToü. 

pral  subst.  m.  Bruder,  sg.  voc.  prdla,  selten  prald,  acc.  praUs.  gen.  praUsko.  instr. 
prale.  pl.  pr^al.  acc.  praUn.  instr.  phralenca.  voc.  praldle.  griech.  pral.  plal.  slavon.  phrala, 
pral.  engl,  pal,  pl.  pah. 

prasta  vb.  laufen,  eilen,  reiten,  praes.  sg.  1.  prasfö,  prdsto.  impt.  sg.  2.  prdste.  impf, 
pl.  o.  prastenlas,  richtig  p>rastenas.  praet.  sg.  \.  prastajöra.  3.  prastaFöu,  prastajöü,  prastajds. 
griech.  prastav.  slavon.  prastal.  böhm.  prastav,  praet.  prastandiTom. 

prdzinkn  subst.  m.  Todtenmahl,  Mahlzeit.  —   rum.  praznik  Fest. 

pre  praep.  auf.  snkli  pre  mändi  steige  auf  mich,  pre  man  auf  micli.  fas  la  pi'e  pesfe 
nahm  sie  auf  sich,  pre  ma  über  mich,  von:  pre  tdte,  tüte  pre  tu,  von  dir.  pre  a:  pre  a 
mdnde  auf  mich,  pre  a  peste  auf  sich,  von  sich,  pj'e  a  Idte  von  ihr.  griech.  opre.  slavon. 
tho  vas  pre  lest  lege  die  Hand  auf  ihn.   Vgl.  pe. 

pre  adv.   sehr,   zu  sehr,   slavon.  preja.    —    slav.  pre,    auch    im   rum.    prelarg    u.   s.   w. 

prekrdsna  adi.  die  sehr  schöne.  —  asl.  pi'ekrasbn-B. 

premintdn  adi.  frisch.  —   Vgl.  nun.  premeni  die  Kleider  wechseln. 

prepeTdko  subst.  m.  kleiderstockähnliche  Vorrichtung.  —  klruss.  prypylaka  Krahn- 
balken. 

preiimbldre  subst.   f.  Spaziergang.   —  rum.   umbiu,  "bmblu. 

priincn  subst.   f.  Treue.  —  rum.  priincB  vom  aslov.  prijati. 

prijmi  vb.  aufnehmen,  praes.  sg.  1.  prijmtp  (prijrniv)  tiimi  excipiam  vos.  3.  pi'ijmüa, 
primüa.  impt.  pl.   2.  prijmma  ma  nehmet  mich.  impf.   sg.   3.  prijmüas.   —   rum.   primi. 


^o  Franz  Miklosich. 

prijmisar  vb.  aufnehmen,  praes.  sg.  prijmisaro.  2.  prijmisare.  impt;  sg.  2.  prijmisdr. 
praet.   sg.   3.  prijmi.-^ardöü,  prijmisar  das.  pl.   3.  prijmisarcJe.    Vgl.  /jrijn/. 

prinzan,  prindzan  vb.  erkennen,  praes.  sg.  1.  prinzandü,  prinznno.  '2.  prinianes, 
prinzane,  prindzenes.  3.  prinzanel.  impt.  .sg.  2.  printan,  prindzan.  impf.  sg.  1.  prinzanös. 
2.  prinzaiids.  o.  prinzanelas.  praet.  sg.  3.  prinzandöü,  prindiandds.  pl.  3.  ];)rindM.nde, 
prinzarde.  griecli.  pindzardva,  pincardva.  slavon.  pindSari  du  kennst. 

prinzandov  vb.  erkannt  werden,  praes.  sg.   3.  prinzendöl.  impf.  sg.   3.  prinzendulas. 

priponisar  vb.  anbinden,  praet.  sg.  3.  priponisardds.  pl.  3.  j^riponimrde.  —  rum.   priponi. 

prispa  subst.   f.   Wall.   —   rus.s.   prispa. 

pristinisar  vb.  einwilligen,  praet.  sg.   3.  pnstinisardoü,  pristinisarddH.  —  Vgl.  pristsni. 

pristmi  vb.  zustehen,  praes.  sg.  3.  imstsniL  —  asl.  pristanij,. 

prohdusar  vb.  versuchen,  praes.  sg.  1.  pi7^öboIusarn,  p)robdusar6.  pl.  1.  p>röh5hisards. 
impt.   sg.   2.  xjrzhdtisdr,  prsbulosdr.   —   rum.   prob-blui. 

pronddri  subst.  m.  Bett  des  Baches.  —  rum.  prund  Sand. 

propsdimi  adi.   zu   Grande  gerichtet.   —  rum.   priptdi. 

propsdisardov  vb.   zu  Grunde  gehen,   praet.   sg.   3.  propödiwjTuü.  —  rum.   pr'bp'&di. 

prösjistti  adi.   frisch.   —  i'um.  proaspet. 

prost  adi.  gemein,  strdjuri  ol  prost  gemeine  Kleider.   —   i-um.  prost. 

prnha  subst.  f.   Probe.  —  rum.  probi.. 

lirösi  vb.  jäten,  häundeln  d.  i.  mit  der  Haue  das  Unkraut  entfernen,  praes.  sg.  3. 
prdsfjl.  —  Vgl.  nsl.  praSiti  das  Feld  brachen. 

p7'dsisar  vb.  jäten,  praet.   sg.   3.  prösisardds.    Vgl.  prssi. 

prazina  subst.  f.   Ruthe.   la  prszünd  mit  der  Ruthe.   —  rum.  pr^dzint. 

pucui  vb.  putzen,  praes.  sg.  3.  pucuüa.  —  Auf  das  deutsche  putzen  zurückzuführen. 

pucuisar  vb.  putzen,  praet.  sg.  3.  pucuisardöu,  pucuisardds.  Vgl.  pucui. 

ptlchu  subst.   m.   Dunst.   —  klruss.   puch. 

piij,  jj/ijo,  pdju  subst.  m.  Junges,  sg.  instr.  le  pujosa.  pl.  pdii.  jjui.  acc.  pujnvfn. 
—  rum.   puj. 

pujsor  subst.   m.  Küchlein,  demin.  —   rum.   puisoru. 

pursukd  subst.  pl.   Brosamen.  —  arm.  phsrankh  pl.   Brosamen,  psrel  zerstossen. 

pusMje  subst.  f.  Leerheit.  —  rum.  pustie. 

pnstfßi  adi.  leer  mit  anlm.  o  k]iT,r  o  pust/o.  —  rum.   pustiu. 

pusöf!,  jJuseff  subst.  f.  Tasche,  Schooss.  böhm.  positi.  slavon.  e  poski. 

pus  vb.  fragen,  verlangen,  praes.  sg.  1.  pusdü,  pus'6.  2.  /msg*-.  3.  j:)?<55/a,  pussl. 
pl.  3.  pnsena,  jmsma,  pusm.  impt.  sg.  2.  pn.s.  impf.  sg.  3.  pmsßlas.  praet.  sg.  1.  pusTöm. 
2.  ptisFun.  3.  pusloü,  pusTds.  ptisTdeh  h's.  pl.  3.  pn.^e^  jvisien.  griech.  pucdva.,  pacdva. 
slavon.  p/iuces  du  fragst,  pticel. 

jmska,  piisks,  pusks  subst.  f.  Flinte,  sg.  acc.  puskd.  das  la  pnsks  la  graznc  er  erschoss 
die  Stute,  na  de  ma  puskS  erschiesse  mich  nicht,  griech.  pnski.  —  rum.  pusk-B. 
'puskdsu.1  p)uskds  subst.  m.  Schütze,  pl.  puskdsa.  —   rum.  puskas. 

2^ntrr  vb.  öffnen,  losbinden,  impt.  sg.  2.  püter.  impf.  sg.  3.  putrüas.  praet.  sg.  3. 
puterdun,  ptiterdds.  pl.  ;).  jtnterde,  puterdi.  griecii.  pnträva.  partic.  putcrdö.  slavon.  pvta- 
rav,  putrait. 

■  pnterdov  vb.  sich  öffnen,  praes.  sg.  3.  puterdol.  pl.  o.  puterdon  aus  putSrdon,  puterdoven. 
praet.  sg.  3.  puterdeToü,  puotordeJoü,  putsrdelu. 


Ubkr  die  Mundarten  und  dik  Wanderungen  der  Zigeuner  Btjropa's.  y.  49 

putere  subst.  f.  Kraft.  —  rum.  putere. 

jjscssar  vb.   leiden,  praet.  sg.  1.  pscdsardöm.  2.  pnoisardds.  pl.  3.  pBcssardf.  —  rum.  pici. 

pnd'urjdca,  padurecd^  psdiirtco  subst,  f.  wilder  Apfel,  pl.  paditrecs,  psdm'ec.  —  rum. 
p'hdurec  m.  ptdurecL  f.   adi. 

p)ögdi  subst.  pl.  Menschenfresser.  —  rum.  p:&g'Bn  Heide. 

pskla  subst.  Hülle.  —  asl.  ptklt:  rum.  ist  ptkli)  Dampf. 

jyskstui  vb.  büssen.  praes.  sg.  2.  pskötuLs.  —  rum.  ptlcbtui  sündigen. 

psnzdjimi  adi.  trübe,  eigentlicli:  mit  Spinnewebe  umzogen,  —  Vgl.  rum.  paindzint 
Spinne  aus  aslov.  pajacina. 

pzpörüga  subst.  f,  Schmetterling.  —  bulg.  piperugi). 

p5r,  por  subst.  Darm,  Baucli.  pl.  pord.  griech.  pei\  por,  pol,  bor  m.  slavon.  por  Bauch, 
bühm.  ^jer. 

pzrete,  parete,  jparite  subst.  Wand,  o,  e  p^rete.  pl.  j}üreci.  —  rum,  pOjrete, 

psrete  subst.  Paar,  —  rum,  ptrek'b,  pl.  ptreki. 

2)dri  vb.   klagen,   praes.   sg.    1.  pzriü.  —  rum.   pi)ri>. 

imrlogu  subst.  m.  Die  Bedeutung  konnte  nicht  genau  festgestellt  werden:  es  scheint 
, Sprung'  zu  bedeuten. 

pjörm,  psrdo  subst,   m.   Bach,   bessar.  pyryu.   slavon.  prrovo.  —  rum.   pijrBu. 

pös  vb.  sich  kümmern,  mdngs  na  posßl  es  kümmert  mich  niclit.  so  pssßl  tükof  was 
kümmert  es  dich?  —  rum.  ^asi,  impers. 

psssladj  m.   Deutscher.   Dunklen  Ursprungs. 

2)ssti  vb.  weiden,  hüten,  praes,  sg,  2,  pdstis.  3,  postil.  impf,  sg,  3.  pnstilas  (le  haltn). 
pdstiTach  (richtig:  pmtüacli)  (le  balenj,  pl.  3.  pdstinas  pascebantur.  inf.  abweichend:  gnfoü 
postin  er  gieng  weiden.  —  rum.  pasku,  pastere. 

psstisar  vb.   weiden,   hüten,  praes.   sg.   2,  pdstisare.   impt.   sg,   2,  psstisdr.  Vgl.  pssti. 

pszi  vb,   hüten,   praes.   sg.   3.  j^özüa,  pmzfd.  —  rum.   piizi. 

p)5Z5sar  vb.  hüten,  praes.  sg,  1,  p^zssarö.  2.  pöZösare.  impt.  sg.  2.  pözssdr.  praet.  sg. 
2.   j)öZ3sardän.  3,  pazssardds,  j^szssardöü.  pl,   3.  pszösavdL  Vgl.  püzi. 


R. 


räca  subst.  f,  Ente.  —   rum,  ract, 
raj  subst,  m,  Paradies.  ^  rum,  raju. 


raj,  rdju  subst.  m,  Herr,  sg,  voe.  rdja^  ''"(i-j^,  f'^j^i  '>'tiji-  ace.  7-as.  gen.  rdsk5.  instr. 
rdsa.  pl.   J'ajY,  raj.  voc.  rdle.   acc.  ran.   griech.  raj,  pl.  rajd. 

raji  subst.  f.  Frau.  sg.  voc.  rajt.  acc.  rdje,  raje:  las  raje  nahm  eine  Frau.  gen. 
rajdkd.  instr.  rajdsa.  griech.  rdnni. 

rajikanö  adi.  herrschaftlich. 

rajimds  subst.  m.  Herrlichkeit,  te  rajimds  deine  Herrlichkeit,  na^s  te  rajimdsks  Dank 
dir,  eig.  Dank  deiner  Herrlichkeit,  wie  im  Rum. 

rajorö  subst.  m.  Herrchen,  demin.  von  r«;'. 

rak  s.  arak. 

raktje,  racije  subst.  f.   Schnaps.   —  rum.   rakie. 

raklt  subst.  f.  Mädchen,  Tochter,  Magd.  sg.  voc,  rakle.  acc.  rakle.  gen.  rakTdkd.  instr. 
rakldsa.  j)l.  rakle.   acc.  rakldn.  gen.  rakl'dngo.   griech.  rak//. 

Denkschriften  Jer   pliil  -lü-t.  Cl.  XXV.  fed.  7 


50 


FkaNZ     MlKI.OSICH. 


raJdo  subst.  in.  Knabe,  Sohn,  Bursche,  Räuber:  serb.  junak.  acc.  raklos,  rakUs.  gen. 
raklhkn.  voc.  rakle.  pl.  rakl6,  raklt.  voc.  rakldle.  griech.  raklö. 

raklorö  subst.  m.  Knabe,  Sohn,  Kind.  sg.  acc.  raklorös^  raklorss.  gen.  raklorisks,  raklorssko. 
dat.  raklor6f!tt'.  pl.  raklorö^  raklorn.  raklön.  voc.  raklordle.  acc.  raklorsn.  griech.  raklorö. 

raklori  subst.  f.  Mädchen,  sg.  acc.  kodolä  raklord  dieses  Mädchen,  griech.  raklori. 

rdko,  rak  subst.    m.  Krebs,  sg.   acc.    rakös.  pl.  rrf«,    rac;'.   acc.  racm.   —   runi.   rak. 

ran  subst.   Pfeifenrohr,   grieoh.   ran  Stab   m.   engl,   ran.,   pl.   ranior. 

rax>örto  subst.  m.  Rapport. 

m,?q;'  subst.  m.  Priester,  sg.  acc.  rasds.  instr.  rasdsa.   griech.  rasdj. 

rat  subst.  m.  Blut.  sg.  abl.  ratestar.  griech.  ratt. 

rafalö  adl.   blutig,   griech.  raftralö.  . 

ratar  vb.  tibernachten,  praes.  sg.  1.  rataräü.  pl.  1.  rafards.  3.  ratarnn.  impt.  sg.  2. 
rafdr.  praet.  sg.   1.  ratardöni.  3.  rntardoü,  ratardds.  pl.  3.  ratardi^  ratardi.  Vgl  ?^e«. 

ratardov  vb.  übernachten,  praet.  sg.  3.  ratiTöü,  ratifds,  ratiles.  Vgl.  ^e/. 

regmani  subst.  m.  pl.  Ein  dunkles  Wort.  In  dem  Märchen  v^^ird  erzählt:  Ein  Vogel 
findet  zwei  Weizenähren,  setzt  sich  auf  einen  Acker  nieder,  eine  Maus  entreisst  ihm  eine 
Ähre,  worauf  der  Vogel  sagt:  Warum  hast  du  mir  eine  Ähre  genommen?  Ich  habe 
sie  von  weiter  Ferne  gebracht  und  soll  sie  mitten  in  die  Wasser  tragen  und  sie  bei 
den  Reo-manen  niederlassen:  the  mekdu  les  k'  ol  regmani,  denn  ich  bin  verpflichtet  all- 
jährlich zwei  Ähren  zu  bringen.  Man  denkt  dabei  an  russ.  rachmannyj  friedlich,  das 
auch  im  klruss.  vorkömmt.  Einige  bringen  rachmannyj  mit  den  Brahmanen  in  Verbin- 
duno-.  Mau   vgl.   das   klruss.   Sprichwort:  na  Jura-Ivana,  na  rachmanSkyj   veJykden. 

repedüs  adv.  schnell.  —  rum.  repede  adv. 

rig:  mkrfg  adv.  abgesondert.  Vgl.  griech.  rik  m.  Seite,  böhm.  rik  f.,  pl.  rikd.  russ. 
odorik  hieher,  dorthin.  Vgl.  krig. 

risö  svibst.  m.  Bär.  sg.  acc.  riMs.  Vgl.  griech.  ricini  f. 

rizni  subst.  f.  Bärin,  sg.  acc.  rizne.  griech.  ricini.  engl,  icicl.  osset.  ars  Bär.  kurd. 
hirc.  herc  Rhea.   1/irc  Lerch   91.   arm.  arg.   liind.  rieh,  sindh,  richu.   aind.  rksa. 

riMta,  rata  subst.  f.  Rad.  slavon.  hrota,  rota.  —  rum.  i-oatt. 

roho,  robu  subst.  m.  Sklave,  Knecht.  —  i'um.  robu. 

rod  vb.  schauen,  suchen,  praes.  sg.  1.  roddü,  rodo.  2.  nkles.,  rodes.  3.  rödel.  pl.  1. 
rndas,  roddsa.  2.  roden.  3.  rödeji,  roden,  impt.  sg.  rode,  rödi.  praet.  sg.  1.  rodom.  2.  roddn. 
3.  rudöu,  rodds.  pl.  3.  rodi,  rode,  griech.  rödava,  partic.  rodino.  serb.  roddv.  slavon.  7^oddu. 
engl,  rodra. 

roj  subst.  Löffel,  pl.  roje.  griech.  roj  f.,  pl.  rrijd.  slavon.  e  7'oji.  serb.  roji. 

rökija,  röklje  subst.  f.  Unterrock,  Kleid.   —  rum.   rokie. 

rom  subst.  m.  Mann,  Gatte,  sg.  acc.  rome's.  voc.  roma,  romd.  griech.  ro?«,  pl.  romd. 
Vel.  kurd.  romi  ein  Kurdenstamm.  Lerch   148. 

romanes  adv.  zigeunerisch,  griech.   romanes. 

römano  subst.  m.  Kamille.  —  rum.  i-oman. 

romano  subst.  m.  Ortsname. 

romendiri  adi.  Zigeuner—.  gi-i<M'h.  etwa  romengoro.  pl.  romengere. 

romni  subst.  f.   Weib.  sg.   acc.   romne.  voc.   7'ovmi,  romne.   gen.   romndkd.   griech.   romni. 

romuro  subst.  m.   Männchen,   demin.   von  rom. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eüropa'S.  v.  51 

rov  vb.  weinen,  praes.  sg.  1.  roväü,  rovu.  2.  roves.  3.  rovel.  pl.  3.  7'oven.  impf.  sg.  3. 
rovelas.  praet.  sg.  3.  rujöü,  rujaü.  partic.  praes.  rovindöj.  inf.  astardoü  the  rovel  er  fing 
an  zu  weinen.  griecJi.  rovdva,  partic.  ruvno,  riimnö. 

rovU,    roüU    subst.    f.  Stock,    Ruthe.    sg.    aec.    rovle.    instr.    rovlesa.    rovle.    pl.    r?(.vlr. 

griech.  ruvU. 

ru,  ruü  subst.   m.  Wolf.   sg.   acc.  ruves.  griech.  ruv,  pl.  ruvä.  serb.  ruf.  siavon.  ruv,  rii. 

rudi  vb.  bitten,  reflexiv,  praes.  sg.  1.  rndi  ma  tvkn  ich  bitte  dich.  asl.  moljfi  ti  s§. 
Dieselbe  Verbindung  im  Rum.  pl.  3.  rudm  pe.   —  rum.  reg,  rugare. 

rudisar  vb.  bitten,  impt.  sg.  2.  rudisar.  praet.  sg.  1.  rudisardöm.  3.  rudisardds.  Vgl.  rudi. 

rudisardov  vb.  bitten,  praet.  sg.  3.  rudisdjhü,  riidisdjTas.  pl.  3.  rudisajle.  Das  pass. 
erklärt  sich  aus  dem  reflexiven  rum.  rog.  Das  Verbum  wird  mit  dem  dat.  construirt: 
riidisdjTas  lengs  ■  er  bat  sie. 

rup  subst.  Silber,  griech.  rnp  ni. 

rupunu.^  rupunü  adi.   silbern,   griech.   rupovanö. 

rusvh.  böse  werden,  impf.  pl.  3.  rusmlas  für  ruUnas:  ol  huti  mi  rusmlas  die  Arbeiter 
(eig.  Arbeiten)  wurden  böse:  'm^  ist  mir  dunkel,  ungr.  rusel  er  zürnt,  rusto  erzürnt,  böhm. 
man  rusav  ich  zürne,  skand.  rosto  zornig,  aind.  rus,  ru^  zürnen,  rusta  zornig. 

rida-mdko  subst.  m.  Mohnblüthe:  ein  Compositum,  in  dem  man  die  umgekehrte 
Ordnung  der  Glieder  erwartet. 

riizinimi  adi.  verrostet.  —  rum.   rudzini. 

rsbdi  vb.   dulden,  praes.  sg.  2.  rshdis.  impf.   sg.   3.  röbdüas.  —  rum.  i-tbd. 

rdbdisar  vb.  dulden,  impt.  sg.   2.  rshdisdr.  siavon.  rdisdro  geduldig.   Vgl.  rnhdi. 

rnhdisardov  vb.  ertragen,  praet.  sg.3.  rshdisdjToü.  Vgl.  rdhdi. 

röbui  vb.  rauben,  praes.  pl.  3.  röbum.  —  rum.  ri.bui.  klruss.  rabovaty  vom 
deutschen  rauben. 

Töcij  subst.  f.  Pech,  smpardtu  la,  le  rscrjdko  der  Kaiser  des  Pechs.  —  Vgl.  rum.  risin'B. 

rsdscina  subst.  f.  Wurzel.  —  rum.  r^dtcin^B. 

röMfa,  roMta^  rstita  subst.  f.  Weide,  sg.  gen.  rnkitdko.   —  rum.  ri.kit'b,  rokita. 

rökuare  subst.  Irische  Luft.   —  rum.  rtkoare  f. 

röl  subst.  Furz,  das  ml  er  furzte,  griech.  7"äl,  rür^  ül.  är  f.  böhm.  ril  f. 

römssdgu  subst.  m.  Wette.   —  rum.  r-Bm-bsag. 

7'snd,  rfmdu  subst.  m.  Reihe,  ^je  rönd,  de  a  rmidu  der  Reihe  nach.  pl.  rßudnrL  —  rum.  ri,nd. 

rnpnzi  vb.  vorwärts  gehen,  impf.  sg.   3.  rqjszüas  o  vurdon.   —    rum.  r'Bped,  ri-pezire. 

rspszssardov  vb.  sich  aufrafi'en.  praet.  sg.   3.  ropunsdjTou.   Vgl.  *röpözösar.  rsj)5zi. 

rds  s.   ar^s. 

rsstinisar  vb.  kreuzigen,  praet.  pl.  3.  röstinisarde.  —  rum.  rtstigni. 

rdS5p»i  vb.  zerstören,  praes.  pl.   3.  rösspina  pi  sie  zerfallen.  —  rum.  rtsipi. 

rdsspisardov  vb.   sich  zerbröckeln,  praet.   sg.  3.  rzsqnsdßas.   Vgl.  rasüpL 

rstöcisardov  vb.  sich  verirren,  praet.  sg.  1.  rstncisdjTom.  3.  rntöcisdjfox.  pl.  o.  röiücisdjli. 
—   rum.   a  s'B  rtttci. 

rtzböjniko,  rnzbojniku  subst.   m.   Räuber,  ^l.  rszböjnici.  —  rum.  r'Bzbujniku. 

riznica  subst.  f.  Mühlstein,  sg.   gen.  rdznicako.  —  klruss.  zorno. 

fet.  ret  subst.  f.  Nacht,  rafdks,  rafdko,  rafdka  Nachts,  Abends.  ratU  e  rati,  a  rati. 
a  fet  Nachts,  Abends,  zi  rati  bis  Abends,  and  ek  rafi  in  einer  Nacht,  last  rati  guten 
Abend,  pl.   rate,   griech.  ratt;  aratt'i   des  Nachts,    siavon.    rjat.   araci   gestern,    hind.   rat.   t. 


RO  Franz    Miklosich. 


s. 


sdbija,  säbie,  sdbdija,  sdbdic,  mbdie    subst.   f.   Säbel,    sg.   instr.   sab/f'sa.   —   riim.   sabie. 

sahärio,  zahdru  subst.  in.  Zucker.  —  rum.   z-bhar. 

sokörskij  subst.  m.  Personenname.  —  Vom  rum.  sak,  daher  etwa  saccularius. 

salavdr  subst.  m.  Zügel,  sg.  abl.  salavarestar.  griech,  sulivdri,  suvdr,  mvär.  slavon, 
pl.  salivarja.  Vgl.   asvc'tr. 

sdma  subst.  f.  Rechenschaft,  Acht,  vie  da  sdnia  icli  werde  es  verantworten.  Mi  sdma 
er  gab  Acht,  bemerkte,  ihe  les  sdma  gib  Acht,  säma  na  ilwven  sie  geben  nicht  Aclit.  Tas 
pe  sdma   sie    versicherte    sich    durch  Umschauen.  —  rum.  sam^B.  magy.  szilm. 

sano7'6  adi.   dünn.   sg.  instr.  sanoHsa,  demin.   griech.  sanno.  slavon.  sano. 

saorö,  sanrö,  sdüro,  sorö  pron.  aller,  ganz.  saür6,  soro  des  den  ganzen  Tag.  sorö  fet  die 
o-anze  Nacht,  pl.  saürn,  sdürs.  sdwn  khsr  alle  Häuser,  acc.  saurtn.  saordng^  unter  alle, 
o-riech.  sdvore,  sdore,  sarö  u.   s.   w.   sindh.  sabhu.   bind.   sab.  aind.   sarva.    vgl.  se. 

sap  subst.   m.   Schlange,   sapesfe.  pl.  mp.    griech.  sap. 

sdpa  subst.  f.   Haue.   —  rum.   sapt. 

sapuj('sa  m.   Seife,   sg.   instr.   —  rum.   soponü. 

sajmnf')  adi.   Schlangen-,  ol  murte  ol  sapuni  Schlangenhäute. 

sar  adv.  wie,  als:  interrogativ  und  relativ,  de  sar  coni.  seit.  Nach  Comparativen:  quam, 
wofür  auch  de  sar  und  dekdt  steht,  griech.  sar. 

sasoi,  sasid  subst.  f.  Schwiegermutter,  sg.  acc.  sasuje.  griech.  sasi'il,  sasüi,  sasüi. 

sdster,  sastri,  sdstri  subst.  m.  Eisen,  Ketten,  Fussfesseln  der  Pferde,  pl.  sdstra.  griech. 
sasM,  sastir,  saster,  sastir  m. 

sastö:  saste  vestö  gesund,    griech.  sastö,  sastö. 

sdsfro  subst.  m.  Schwiegervater,  sg.  acc.  sastrns.  griech.  sastro,  sasrö. 

sastrunö  adi.   eisern,  koa  kliör  o  sastruni  zum  eisernen  Haus. 

sasfar  vb.  heilen,  praet.  sg.   1.  sastardöm.   Thema:  sastö. 

sastov  vb.  gesund,  geheilt  werden,  praet.  sg.  3.  sastUoü.  griech.  sdstovava. 

sdvato  subst.  m.  Samstag.  Vgl.  smibsts. 

savo  pron.  welcher,  savö  cjurd  welcher  Ochs,  pe  savö  drum  welches  Weges,  fiesavö 
jeder,  wer  immer:  rum.  fie  es  mag  sein,  vörsavo  jeder,  griech.  savö. 

se,  selten  sa,  adi.  aller,  ganz,  se  j  öste  das  ganze  Heer,  se  j  Bukovina  ganz  Bukowina. 
se  j  Urne  die  ganze  Welt,  se  o  föro  die  ganze  Stadt,  adv.  immer,  se  de  jek  rum.  tot 
de  una.   Vgl.  saorö. 

.seceri  vb.  schneiden.  Für  den  inf.  the  secerin  zu  schneiden.  —  rum.  secer. 

sedzetesar  vb.  mit  dem  Pfeile  treffen,    praet.  sg.  3.  sedzetesardds.  —  rum.  s-Bdzet  vb. 

sedzjdta  subst.  f.  Pfeil,  pl.  sedzets.  griech.  saifa.  bessar.  syzaty.  —  rum.  si-dzetT.. 

sekav  vb.  zeigen,  lehren,  gewöhnen,  praes.  sg.  1.  sekdü,  sökavdü,  sekavdü.  sekavdp 
(aus-  sekavdv)  tukö  ich  zeige  dir.  2.  sekaves.  pl.  3.  sekarcn.  impt.  sg.  2.  sökd.  partic.  sekadö: 
na  j  sekadi  sie  ist  nicht  gewohnt,  bisekadö  ungezähmt.  praet.  sg.  3.  sekadds.  pl.  3.  sekadi. 
gi-iech.   sikdva,  sikardva.  slavon.  sikavau  lehren.   Vgl.  sdov. 

sekom  adi.  jeder,  and  e  sekom  fet  in  jeder  Nacht,  s^kom  felu  allerlei,  sekon  des  täg- 
lich,  ungr.  böhm.  sako. 

sekrij  subst.  m.   Kasten,  Sarg.   —   rum.   sikriu. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eueopa's.  v.  53 

sekrijes  subst.  Kästchen,  demin.   von  sekrlj. 

semeni  vb.   säen,  praes.   sg.   2.   semenis.  impt.   pl.   2.  sememn.  —  rum.   semi.n. 

semenisar  vb.  säen,  praes.  pl.  1.  semenisards:  the  semerüsardch  les.  impf.  sg.  1.  semeni- 
farös.  praet.  sg.   3.  semenisardoü^  semenisardds.  pl.  3.  semenisar  de.  Vgl.  semeni. 

semenisardov  vb.   gesäet  werden,  praet.  sg.  3.  semenisdjTas.  Vgl.  semeni. 

semnu  subst.   m.  Zeichen,    pl.  semne.   —  riim.   semnii. 

sen  adi.  heilig.  S3n,  sem  pStri  der  heilige  Petrus.   Vgl.  ssn  und  magy.  szent. 

sefov    vb.    lernen,    praes.    sg.   3.  setol.    praet.  sg.   3.  sitiloü.,    sicihm,    sitiras,    setihis    aus 
sikfiTöü  u.  s.  w.  griech.  sikfovava.  slavon.  sicijas  lernen,  wohl:  er  lernte.   Vgl.  sekav. 

sfec  subst.  Heilige,  pl.  —  rum.   s&nt. 

sferdelu  subst.  m.  Bohrer.  —  klruss.  sverdel. 

sfinci  vb.   heiligen,   praes.  sg.   3.  sfincü  pi.  —  rum.   sttnci.   Vgl.   sßnto. 

sßnci    vb.    leucliten.    impf.   sg.   3.  sfincüas.    —  Vgl.   asl.   svetiti,    das   mit  rum.   sf-bnci 
vermengt  ward. 

sfincimi  adi.  geweiht,  pai  sfincimi  Weihwasser. 

sßnto^  sßnhb,  sßntu    adi.  heilig,    o  dil  0  sßnto  der  Jieilige  Gott.    voc.  dMla   sßntona. 
pl.  sßncij.  —  rum.  sftnt. 

sitov  s.  setov. 

skAm,ena  subst.  pl.  Bänke.   —  ngriecli.  axajxvt. 

sklincop  subst.  m.  Galgen.  —  rum.  skr'&ncjub  Schaukel. 

sköpu  subst.   m.  Zweck.   —  rum.   skop. 

skorcdri  subst.  m.  Kotzen.  —  rum.   skoarcB  Teppich. 

skrii  vb.   schreiben,   praes.   sg.   3.  skriU.  impf.   sg.   3.  skriilus.  —  rum.   skri:   skriu  ich 
schreibe. 

skriimi  adi.  geschrieben.  Vgl.  skrii. 

skriisar  vb.  schreiben,  praet.  sg.  1.  skriisardöm.   3.  skriiscmlöü,  skrisardöü,  skriisardas.' 
Vgl.  skrii. 

skriisardov  vb.  sich  verschreiben,  impt.  sg.   2.  skriisdü.  praet.  sg.   3.  skriisdjroü. 

skripkdr,  skrip>kdri  subst.  m.  Geiger,  pl.  skripkdri,  skripkdre.   instr.  skripkarenca,  skrip- 
karinca.  —  rum.   sliiipkar.   klruss.   skrypnyk. 

skrip>kards  subst.  m.   Geiger.   Vgl.  skripkdr. 

skurt  adi.   kurz.   —  rum.   skurt. 

skuturisar  vb.  schütteln,  praes.  sg.  1.  skuturisarö.  impt.  sg.  2.  skuturisar.  praet.  sg.  3. 
skuturisardöü.   —  rum.   skutur. 

skuturisardov  vb.   sich   schütteln,   praet.   sg.  3.  skuturisdjTou. 

skdduska,  skakhlska  subst.   f.  Bad.  —  Vgl.  rum.  sktldus. 

sMndu7'i  subst.  pl.   Bretter.   —  rum.   sk-Bndur^B. 

skmte  subst.  f.  Funke,  pl.  skönteji,  skmtej.  —  rum.  ski-nfb,  sk^Bnteje. 

sk5pi  vb.  los  werden,    praes.  sg.  2.   skspis  mdndar  du  wirst  mich  los.  —  inim.  skap, 
slcbpare. 

sköpisar  vb.   entwischen,    praes.   pl.   1.   skspisardsa.    praet.   sg.   1.  skspisardövi  ich  Hess 
entgleiten.   3.  sköpisardds,  skspisardöü.  sknpisardöü  jag  er  schlug  Feuer.   Vgl.  skspi. 

skapisardov  vb.   entfahren,  durchgehen,    praet.  sg.   3.  skdpisdjlbü.  pl.   3.  skspisdße.  Bei 
Vaillant   74.   skapisdilem  ich   bin  gerettet. 

skf,rb^  subst.   f.   Gram.   sg.   abl.  skörbdtar  vor  Gram.   —  ruiu.   sk^rbi.. 


r  j  Fkanz  Miklosich. 

skSri  subst.    pl.   Steigbügel,    sksri,   ol   skiri  le.  griech.  skdla  Treppe.  —    nim.   skar-j,, 

pl.  ski>ri  Steigbügel. 

sksz  vb.  fallen,  praes.  sg.  3.  sknzol:  sköznl  o  jiai  das  Wasser  fallt.  —  i-um.  skaz,  skad,  sktzut. 

sldho  adi.  schwacli.  —  ruiu.  slab. 

slobozfe  subst.  f.  Ortsname. 

sbiga  subst.  m.   Diener.   —  rum.   slugT>. 

sltihi  subst.  pl.   Didier.   —  klj-uss.   ni'ulia.   ruiii.   slugi). 

slüzba  subst.   f.   Dienst.  —  rum.   sluzb:B. 

sluzi  vb.  dienen,  praes.  sg.  1.  .shizsii..  3.  sluzila.  impf.  sg.  3.  sluzilas.  Für  den  inf. 
ihc  slnzfyn.  slavon.  sluzil.   —   rum.  sluzi. 

sluzina  subst.  Dienst.  Aus  dem  Slav.  gebildet. 

sluzisar  vb.  dienen,  praes.  pl.  1.  für  den  inf.  fhe  slnzisards.  praet.  sg.  3.  shdisardds, 
sluzisardoü.  Vgl.  sluzi. 

sl/iz)äk5,  slüznika  subst.   f.   Dienerin,   sg.   instr.   duSnikdm.   —   rum.   sluznik-b. 

so,  soü  pron.  was:  interrogativ  und  relativ,  sg.  gen.  sösko  wozu.  dat.  sustc  warum, 
abl.  söstar  warum,  wozu,  vdre  so,  uäre  so  irgend  etwas,  griech.  so.  söske-  sostar  ngriech. 
O'.art  und  sostdr  ngriech.   Qiözi. 

soden,  soden,  söde,  södi,  siide  wieviel,  wieviele,  wie  lange:  interrogativ  und  relativ. 
Avie  gross  auch,  süde  cdsnrif  wie  viel  UhrV  sodl  ydt  so  weit  sie  giengen.  Einmal  finde 
ich  seh:  seh  hve   so  viel  Geld.  Vgl.  so:  de  mag  ursprünglich  zum  nachfolgenden  Nomoi 

gehört  haben. 

somnakdj  subst.  m.  Gold.  sg.  instr.  somnakdsa.  griech.  somnakdj,  sovnakdj. 

somnakimo,  soimiakunü  adi.   golden,   pl.  somnakime,  somnakuni.  griech.  sovnakunö. 

sonit,  sonu  subst.  m.   Traum.   dikTäs  sonu  er  träumte,   griech.   snrmö.   slavon.  suno. 

sorhu  subst.   m.   der  aufwidilt.   —  rum.   sorb. 

sorokovec  subst.  Zwanziger,  pl.  sorokovece.  instr.  sorokovdcmca.  —  rum.  sorokovec. 

soste  subst.   pl.  Unterhosen,   gi-iech.   sosten.  pl.   sostenid. 

soiddr  vb.  einschlafern.  praet.  sg.  3.  soulardöü,  soühirdds.  griech.  sovJ'ardva,  sovjardva, 

sovardva. 

sov  vb.  schlafen,  praes.  sg.  1.  sovdh.,  sovo.  2.  soves,  savts.  3.  sovel,  sovela.  pl.  1.  sovdsa. 
sovds.  3.  soven.  impt.  sg.  2.  soü.  impf.  sg.  1.  sovos.  3.  sovekis.  praet.  sg.  1.  sidöm.  2.  siddn. 
3.  sutoü,  sufhoü,  sucoü,  sutds,  siicäs.  pl.  3.  sute,  suti.  plusqpft.  sg.  2.  sntdnas:  satdnas  de  vecl. 
the  na  'viTomas  mi  du  wärest  auf  ewig  eingeschlafen,  wenn  ich  nicht  gekommen  wäre, 
partic.  praes.  sovindöj.  griech.  sovdva,  partic.  sutto.  so>:l6.  slavon.  me  sovava,  tu  sovea.,  von 
.wveln  u.  s.  w.  sovdvas  ich  würde  schlafen,  vou  sufo  er  schlief,  von  sute  sie  schliefen,  serb. 
na  Sovel  pe  mandje  non  dormitur  mihi  ne  spava  mi  se.  engl,  sutto  sleep,  asleep. 

spaciru,  spaciri,  spacir  subst.  m.   Spaziergang,  koa   (d.   i.  koj  o)  spatüri. 

spid  vb.  pressen,  stossen.  impf.  pl.   3.  spidinas.  spidinach  ks.  praet.  sg.  3.  spkiöü. 

spiko,  sinku  subst.  m.  Ähre.  pl.  spikuri:  sjnkuri  diu  Weizenähren.  —  rum.  spiku. 
■  sjjin  subst.  m.  Stahl,  griech.  abcin.  osset.   afsejnag,  äfsejnag  Eisen. 

sjMvedisar  vb.  beichten,  praes.  sg.  1.  spovedisarö.  impt.  sg.  2.  spovedisdr:  spovedisdr 
ma.  —  klruss.   spovidaty  sa. 

spremhldre  subst.  f.  Spaziergang.  —  rum.  pretmblare. 

sprincene  subst.  pl.   Augenbrauen.  —  rum.  spr-Bnceni. 

sprüonisar  vb.   aufhalten,  praet.   sg.   3.  sprizonisardds.  —  rum.   sprizini. 


Übkr  die  Mundarten  und  die  Wandekungen  dek  Zigeuner  Europa's.  v.  55 

spüma  subst.   f.   Schaum.  —   rum.   spumt. 

Stadt  subst.  m.  Mütze.  —  ngriech.  axidoi. 

stäncia^  stände  subst.  f.  Zimmer.  —  pol.  stancya. 

stekla  subst.  f.  Glas,  stekldko  gläsern,  p'  o  khsr  la  stekldko  auf  das  gläserne  Haus, 
griech.  stegla. 

steMri  subst.  m.  Eiche.   —  rum.  stezei-ju. 

stjagii,  subst.  m.  Fahne.   —  rum.   stegu. 

stogti  subst.  m.   Schober.   —  rum.  stog. 

sträje.,  Straß  subst.  jjI.  Kleider,  pl.  strdjuri,  sträje,  strdji.  instr.  strajuninca.  —  rum.  stj-aju. 

straSi:  dp  len  stras  gib  ilim  Schrecken,  schrecke  ihn.   —   klruss.   strach. 

strasnicije  subst.  f.  Grossartigkeit.  Vgl.  stras. 

strdza,  strizs  subst.  f.  Wache,  sg.  acc.  strazd.  —  rum.  straze. 

stroin  vb.  besprengen,   impf.  sg.  3.  stropilas.  —  rum.  stropi. 

stropisar  vb.  besprengen,  praet.  sg.  3.  stropisardoh,  stropisardds.   Vgl.  stropi. 

stmgo  adi.  link,   o  vast  o  stmgo  die  linke  Hand.    —   rum.  sto^ng. 

stmka  subst.  stsnka  bar,  stnnka  barß.ste  Fels  von  Stein,  pl.  stniice.  —  Vgl.  rum.  stanü 
Fels.  serb.  stanac  saxum  immotum. 

stsncinu  subst.  m.  Klafter,  stdnzsnöskr,,  stmzünuste  klafterhxng.  pl.  stinzuie,  .stSrizim.  — 
rum.   sttndzenu. 

stdpm,  stspänu  subst.  m.  Heri-.  voc.  stnpnne.  amari  stspsnösko,  stspsnösks  unseres  Herrn. 
—    rum.   st'bpi>n. 

stöpmr,  subst.   f.   Herrin,  sg.   acc.  stöpdnd. 

siici  vb.  plagen,  praes.  pl.   3.  sucina.  —  rum.  suci. 

sucisar  vb.  plagen,  praet.  pl.  3.  sucisarde.  Vgl.  snci. 

sudisar  vb.  zuerkennen,  praet.  pl.  2.  sudisarddn.  —  klruss.  sudyty. 

sulum  subst.   Stroh,  pl.   suhriii. 

su,p>erimi,  supdromi  adi.  gekränkt.  —  rum.  suptr. 

superisardov  vb.  sich  betrüben,  impt.  sg.  2.  superisaü.  praet.  sg.  3.  suparuaülaj  für 
supörisdjToü.  —  rum.   supi^r. 

siiro  adi.  grau.  —  Vgl.  bulg.  suri  jelen. 

suv  vb.  sticken,  eig.  nähen,  praes.  sg.  1.  suvdü,  suvö.  2.  suves.  3.  suveJ.  praet.  sg.  3. 
sudöü,  sudds.  griech.  sivdva.  partic.  sivdo.  slavon.  suv  Nadel. 

svdtosardov  vb.  sich  berathen.  praet.  pl.  3.  svstosdjli.  —  Vgl.  mm.  sfT>tui. 

sö  interi.  nimm. 

ssgo,  sign,  .sögu^  segn  adv.  schnell,  früh,  griech.  sigo,  .üngo.   slavon.  sigo. 

sdhdtiko  adi.  wild.  baU  sdlbdtiko  Wildschwein.  —  rum.  soblbatik. 

söhvästru^  salavistm   subst.  m.  Silvester,  sg.  voc.  sdhvestre.  abl.  sdhimströstar. 

.ssn  heilig:   o  sr/in  petri  der  heilige  Petrus,   le  smi  petrus.  instr.   le  smn  p>etr6sa.  Vgl.  .se». 

sirma  subst.  f.  Dralit.  —  rum.  s^rmt. 

s. 

sad  vb.  sich  erbrechen  vomere.  praes.  sg.  1.  sjddo  avrl  evoinam.  3.  sedel.  pl.  3.  seden. 
praet.  sg.  3.  sagTöü^  sagMs  aus  sadTöü,  Sadl'ds.  griech.  cattdva,  partic.  catlö,  cadlö.  sadaa 
bei  Vaill.   57.  125.  böhm.   candav. 


56  FkANZ     MlKI.ÜSlrll. 

sach  subst.   Kraut,  Kohl,    griech.  sak/i  (sack)   in. 

mj  können,  saj  the  hesfil  er  kann  sitzcMi.  me.  tu.  mr;  amen,  turnen,  ?'o?/  saj  ich  kann 
11.  s.  w.  unor.  saj.  Vgl.  hind.  saj  Ding.  kurd.  San  to  be  able  Khea.  Sajastan  können. 
West,  Gramm,   in  Mainyö-i-khard.   Stuttgart   1871.   Jolly,  Inf.    144. 

saorö,  sanrö  subst.  m.  Kind.  sg.  acc.  ^a/frf,s,  sno7'f,^.  instr.  sanrnsa.  pl.  iauri.  acc.  saorin. 
instr.  saormca.   griech.   cavurö, 

sar  subst.  m.   Asche,   asiat.   vor. 

sdra  subst.  Wild.  —   rum.   sari>  neben  hart. 

savo,  Sao  subst.  m.   Kind,   Sohn.  sg.  acc.  save-'i.  pl.  save.  griech.   cavö.,  caö. 

scüka  subst.   f.  Hecht.   —   klruss.   scuka.   rum.   Stijuki,. 

%',  Uj  subst.  f.  Mädchen,  Tochtei-.  sej  hitari  Jungfrau:  rum.  fata  mare.  griech.  cai, 
cei  aus  cavi. 

sib  subst.  f.   Zunge,  Sprache,  pl.  sibd.   hisfbaka  ohne  Zu)ige.  griech.  cib. 

sin  vb.  schneiden,  schlachten,  backen,  fällen,  erstechen,  spalten,  pi-aes.  sg.  1.  siiidü, 
sino.  sinäp  H  kor.  H.  Unes,  sine.  3.  Unel,  sinela,  sinla.  pl.  1.  sinäsa.  impt.  sg.  2.  sin.  pl.  2. 
.iinen.  impf.  sg.  1.  sinös.  3.  sinlas.  partic.  Undö.  praet.  sg.  1.  sindom.  2.  sinddn.  3.  siwiöü, 
.iindds.   sinddch  leste  kor.  pl.  3.  srnde.  sindf.    griech.  cindva.  serb.   engl.   ein. 

sindov  vb.  abgerissen  werden,  praet.  sg.  3.  sindeMs  er  hat  sich  abgerissen.   Vgl.  sin. 

singar  vb.  schneiden,  hacken,  impt.  sg.  2.  srngsr.  pl.  2.  singarin.  praet.  sg.  3.  Ungar- 
dds,  singardoü.  griech.   cingeräva. 

stnu  subst.  m.   Täufling.  —  rum.  finu. 

sijm,  sßpu,  sop  subst.  m.  Flasche,  pl.  Upuvi.    Vgl.  söjmsörti. 

siru  subst.   m.   Kern,  Körnlein,  po  ek  siru  je  ein  Körnlein. 

siu  subst.  m.   Sohn,   o  »lu  jepej  der  Sohn  der  Stute.  —   rum.  fiju. 

sköala,  .sköla  subst.  f.   Schule.   —   rum.  .skoalii. 

snii7'U  subst.   m.   Schnui". 

sol  subst.  Pfiff,  doü,  das  so/  er  that  einen  VM.  griech.  son  m.  sondava  pfeifen,  engl,  shell. 

son,  sün,  sun  subst.  m.  Mond,  Monat,  simesa,  sune  mit  dem  Monde:  u  nähert  sich  dem 
o.  griech.   con,  comiit. 

sojisrh'  subst.  pl.    Kidechsen.   —    rum.  sop-Brlt. 

sor  s.   cor  vb. 

sor  subst.  Bart.  pl.  sor.  Jhü  les  sormdar  nahm  ihn  beim  Barte,  instr.  .sorSnca.  bi.sormgo 
bartlos,   griech.   cor,  dzor. 

söreku,  sörik.,  sodreku  subst.  m.  Maus.  sg.  acc.  sorekös.  pl.  sörici,  soric,  söreci,  sörec. 
soarece.  acc.  saorectn,  sorscsn.   —  j-um.  soareee. 

s'osöj  subst.   m.   Hase.  sg.   ace.  so.<-ojes,  sosujes.   griech.  sosöj,  sosöj. 

söüto  num.  sechster. 

sov,  soü  num.  sechs,   griech.  so,  s'oi'. 

srübo,  srnbu  subst.   m.   Schraube.   —   i-um.  sröfu,   sor6fu. 
•    srubui  vb.   schrauben,   praes.  sg.  2.  srubms.  3.  sriibull.  —  Mittelbar  aus  dem  deutschen 
Schrauben. 

srnlwisar  vb.   schrauben,   praet.   sg.   3.  srnbnisardou,  srnbuisardds.   Vgl.  srubui. 

staclieturi  subst.   pl.  Staketten. 

Star  num.  vier,   griech.  star,  star,  istdr. 

ätdrto  num.   vierter.  ]/  o  litdrto  zum   vierten   Mal. 


Über  die  Mundaktkn  und  diu  Wanderungen  der  Zigeu.ner  EuBorA'.s.  v.  57 

sti  vb.  können,  me  na  stiü  ich  kann   nicht.  —   riim.   5ti   scire,   stlu   scio. 

stire:  ifas  de  stire  gab  zu  wissen,   de  de  stire  gib   zu  wissen.   —    rwm.  stire. 

stjopäko  adi.  eine  Spanne  lang,  sfjojidko  de  hharö  eine  Spanne  lang.  —  i-um.  skiopi. 
Spanne. 

svd  vb.  werfen,  verlassen,  fehlgebären;  reflexiv:  sich  legen,  praes.  sg.  1.  siidö. 
2.  süde-^,  süde  neben  siide.  3.  südel^  südela.  pl.  3.  suden^  sAdena.  inipt.  sg.  2.  siide.  pl.  2. 
Süden,  impf.  sg.  3.  sildelach  leskü  warf  ihm.  praet.  sg.  1.  sudom.  3.  s/idöü,  sudds,  s/iddch. 
Sude  er  warf,  wohl  aus  sudes  für  sudds.  pl.  3.  sude  und  sudine.  Das  Verbum  su,d  ist  ein 
zusammengesetztes.  Paspati  93.  Es  hat  sich,  wie  es  scheint,  mit  sitv  vielfach  vermengt, 
slavon.   ru,dav   ich   Averfe.   griech.   cide  wirf.    Paspati   224. 

suffdda  subst.  f.  Schublade. 

sujerisar  vb.  pfeifen,   praet.   sg.   3.  sujer/'sardöü.  suirisardüs.   Vgl.  sol. 

sukdr  adi.  schön,  gut,  selten  sukdrö,  suJidra  f.,  pl.  sakdf.  mors  sukdr  mein  Liebchen. 
nas  pe  hime  sukdr  sar  voj  non  erat  in  mundo  pulchra  ut  illa.   griech.  sukdr,  sukdr. 

sukdr  adv.   scliön,   gut. 

suklö  adi.   sauer,   griech.  sutlö^  sutlo. 

sukö  adi.   trocken,   suff  f.   aus  sukji.  griech.   suko.  serb.   slavon.   suko. 

sun  s.   asun. 

sunfjar  vb.  spucken,   praet.   sg.    3.  sungardoü.  grierli.   cungardca. 

sur  s.   cor. 

siira  subst.  f.   Scheuer.   —  rimi.   suri). 

suri  subst.  f.  Messei".  sg.  acc.  iure,  nas  mr4  es  ist  kein  Messer  da.  pl.  sure.  griech.  curi. 

sufar  vb.  trocknen,   prae.«.   sg.  1.  sufaräü.  2.  .mtarts.   griech.  sukiardva.  slavon.  sucarau. 

s'uJov  vb.  trocken  werden,  praet.  sg.   3.  sntiloü.  griech.  sükiovai-a. 

suv  vb.  stecken,  stellen,  legen,  laden,  schieben,  auch  werfen,  fehlgebären,  giessen; 
reflexiv:  eintreten,  schlüpfen,  schleichen,  praes.  sg.  1.  so.  mvo.  me  so  ma  ich  krieche. 
2.  sos;  tu  the  sos  tu.  3.  sol.  sola  pe  er  wird  sich  stecken,  (sol  Vaillant  81).  pl.  3.  sona. 
impt.  sg.  2.  siiü,  Sit  aus  suv.  m  tu  stecke  dich,  sup  tu  tti  krieche,  aus  .vw  tu  tu.  su  tim 
ist  imgenaue  Schreibung  für  su  tu.  pl.  1.  sos.  2.  s'on.  impf.  sg.  3.  sölas  pe.  pl.  1.  ungenau: 
SOS  aini  immitteremus  nos.  praet.  sg.  1.  suühn.  3.  sutöü^  sutds,  sutdch  la^  sucjds  und  mit 
unorganischer  Aspiration  sutlioü.,  suthdü.^  suthi.  pl.  3.  -«/fe,  suti,  sute.  Man  vgl.  engl,  ehiv 
rJnva,  chuva  to  cast,  fiing,  throw,  place,  put.  griech.  civdva,  cuvdva. 

sül,  ssl  subst.  pl.  Fieber,  rum.  friguri.  griech.  sil  m.  Kälte. 

svdra  subst.   f.   Schnur,   sg.   instr.   svardsa.  Vgl.   asvdr. 

söcui  vb.  schätzen.  —  Mittelbar  aus  dem  deutschen. 

söf/uisar  vb.  scherzen,  impt.  sg.  2.  ssguisdr.  —  bulg.  seguvam  si>  ich  scherze. 

sdl  num.  hundert,  sk-ssl:  ek-sü  katdni  hundert  Soldaten,  duj  ssld.  seid,  sola,  trin  sdä. 
jeftd  sda.  griech.  sei,  sil.  sevel.  slavon.  jek-sel.  diä  sela. 

süav  vb.  kehren,  auskehren,  impf.  sg.  3.  süavelas.  griech.  sulavava. 

Ulö,  solö^  sdllö  subst.  m.  Strick,  ekhi  sole  mit  einem  Strick,  le  süe  mit  den  Stricken, 
i'ichtig:  mit  dem  Strick,  pl.  seit,  griech.  selö,  solo,  slavon.  solo.  engl,  shello. 

hng  subst.  Hörn.  pl.  smigd.  griech.   sing  m.  pl.   sing,  sin.ga.   aind.   i^rnga.   hind.   sfg. 

smigalo  subst.  m.   Ochs,   eig.   cornutus.   pl.  szngale. 

snpusoru  subst.   m.   Fläschchen.   Vgl.    sipu. 

snrdnd  subst.  m.  Polster,  griech.  serdn.  serb.  slavon.  serand.   Vgl.  sdro. 

Denküchrifttn  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  8 


58  FkANZ     MlKLOSlLH 

ssrö,  serö,  ssr/t  subst.  m.  Kopf.  sg.  instr.  le  söHso.  U  sT,re  mit  dem  Kopfe,  ahl. 
.^s7'5Sfar.  pl.  S3r<l  instr.  .sm's  ssrmca  mit  sechs  Köpfen,  «jc  rio  ma  p  <>  s^rö  icli  maithe 
einen  Burzelbaum.  griech.  serö,  fsero.  .ser.  sei-b.  saro.  slavon.  soro. 

sszstoare  subst.   Arbeit.   —   nini.   sezeloare  f.   Spinngesellscluift.   klruss.   Waka. 


T. 

ta  Partikel.  Wird  dem  impt.  angehängt:  dk-ta  sieh,  dn-la  bringe,  dp  (aus  av)  -fa 
komme,  an  (a\is  ave7i):  dn-ta,  av4n-ta  kommet,  bes-ta  tele  setze  diuii  nieder,  dik-ta  sieli. 
inls-ta  frage,  zd-ta  gehe. 

fachtdj  subst.   m.   Glas,   griech.  tachtdj. 

tdla.,  tald,  taJ  praep.  unter,  gegen,  tdla  j  plaj  unter  den  Berg,  iald  j  Idte  lülka  unter 
ihrem  Bette,  tald  j  fet  gegen  Abend,  tald  mdnde  unter  mir.  tald  Uste  unter  ihm.  \gl. 
teU.  griech.  teU,  feie. 

tälpa  subst.  f.  tdlpa  le  khdreste  Grundbalken  des  Hauses.  —  runi.  talp'b. 
ta.ng  adi.   enge,   griech.   taug.  bind.   afgh.   tang. 

tar,  thar  Partikel,  die  den  Verben  des  Gehens  angehängt  wird:  zdp  (aus  zavytar 
ich  gehe,  zdl-tar  er  geht,  zds-ta?-  Avir  gehen,  impt.  sg.  2.  zd-tar^  zd-thar,  ze-tar  gehe, 
pl.  1.  the  MS'thar  lasst  uns  gehen,  impf.  sg.  3.  zdlas-tar  ibat.  praet.  sg.  ?>.  gdö-thar  er 
gieng.  griech.  tar.  Vgl.  afgh.  tar  von,  aus  Trumpp  289.  und  franz.  en:  s'en  aller. 

tasav  vb.  ertränken,  praes.  sg.  3.  iasavel.  praet.  sg.  1.  tasadom.  pl.  3.  tasridi;.  griech. 
tasavdva.   slavon.  tasavau  ersticke  trans. 

tasjov  aus  tusFov  vb.  ertrinken,  praes.  sg.  3.  tasol,  tasöla.' -praet.  sg.  'i.tasuTou^  tasulds 
aus  tasTiJoü,  tasUTds,  welches  auch  vorkömmt,  griech.  scheint  kein  tÄsTovaüa  von  tas 
vorzukommen,  dafür  ist  tasdvdovava  von  tasav  nachweisbar. 

tatö  adi.  warm,  lau.  griech.  tatto,  richtig  tato.  ungr.  tliäd  •  gekocht,  böhm.  tddo. 
engl,  tatto  imnui,  tatti  panni.  slavon.  tativau  ich  wärme  mich.  Dagegen:  slavon.  thavdi 
Brantwein.  serb.  tavto  von  tavdva. 

tdtn  subst.   m.  Vater.   —  rum.  tat'S. 

tatar  vb.   wärmen,  praes.  pl.   3.  tatarfm.  griech.  tattiardva. 

tatov  vb.  erwärmt  werden,  praes.  sg.  3.  tatol.  impt.  sg.  2.  tafnu,  griech.  tdttiovava. 
\'erschieden  ist  tdvdiovava  von  tavdva. 

tehdra    subst.    f.    Morgen,    tehard.,    tehardka ,    tehardkö    adv.    früh,    des    Morgens,    am 
folgenden  Tage,  de  t/hdra  vom  Morgen,  früh,  zorss  de  tehdra  sehr  früh,  griech.  tachidra, 
fachdra.   Vgl.  serb.  tcserin  morgen   cras.  slavon.  de  thara    diesen  Morgen,    theara  morgen 
cras.  e  thara  morgens,   engl,  tasarla,  tosurlo  cras. 
tehe  adv.   morgen.   Vgl.  tehdra. 
techo  adv.   ruhig.   —  klruss.   tycho. 
■  tej  subst.  m.   Linde.  A^gl.   fepi.  kjejn.   —   rum.   teju. 
teldi  adv.   unten,   eig.   von   unten,   griech.   tehil. 

tele,  teil  tiU  adv.  unten,  hinab,  nieder.  heJTds  teU  er  setzte  sicli  nieder,  griech. 
tele,  feie.  Vgl.   tdla. 

telegdre  subst.   pl.   Zugpfei-de.    —   nini.   telegarju. 
temönture  pl.  Handstümmeln. 


ÜbEK   die    MuNUAhTEN    UND    DIE  WANDERUNGEN    DEK   ZlUEUNEK   EuHOPA'S,    V.  59 

tetrdrl,  teti'ddi  subst.  f.  Mittwoch,  sg.  aoc.  tetrdde.  slavon.  tatradj. 

tever  s.   aver. 

tez,  tes,  tez  subst.   in.   Seide,  tezesko,   t'ezeste  seiden,   griecb.   kes  m. 

telalunn  adi.   seiden,   griech.  kesulano. 

t/ta,  thaj  coni.   und.   griech.   fa.  slavon.   thai.  the,  tni  und,   aber. 

tlialik  subst.  Kock,   Kleid,  pl.  thalikä.  serb.  iaTi(j.    ungr.   böhm.  tlialik.  —  arm.   thajikh. 

than  subst.  m.  Ort,  Stelle,  Bauplatz,  Land;  Bett.  sg.  dat.  thaneste.  kaj  ek  than, 
zusammenge/.ogen  kajthdn:  andeptan.  andiktdn,  and  ek  than  zusammen,  dnda  moro  than 
an  meiner  Stelle,   griech.   tan.  engl,  tan  Ort,  Zelt,  Haus.   hind.   than  a  stall  for  cattle. 

thar  s.  tar. 

tliar  subst.  f.  Zahnfleisch,  pe  tliar  auf  dem  Zahnfleische,  griech.  tar. 

tliau,  tau  subst.   Faden,   collectiv:   Fäden,  Zwirn,   sg.   instr.  thai^esa.  griech.  tav  f. 

the  coni.  wenn,  damit,  the  na  damit  nicht,  me  zandü,  karmg  the  znn  icJi  weiss,  wohin 
ich  gehen  soll,  griech.  te. 

thid  s.  khid.. 

thindar  vb.  benetzen,  impt.  sg.  2.  fhinddr.  praet.  sg.  o.  fhindardoü.  Vgl.  arm.  thimal, 
thanal  anfeuchten,  aind.  stim,  tim  feucht  sein. 

tho  vb.  stellen,  setzen,  stecken,  legen,  thun,  machen;  reflexiv:  sich  legen,  setzen,  praes. 
sg.    1.  thovö,  thüü^  tho.   2.  thos.  thoch   leg.    3.   thol,  thoü  für  thol,   thöla.  pl.   3.   thon.  impt.   sg. 

2.  tho^    thoü.  pl.  2.  thon.  impf.  sg.  3.  thölas.  pl.   3.  thönas.  tonadt  les.  praet.  sg.  1.  thodom. 

3.  thodöü,  thodds.  thoddch  le  zitklordn.  tlindds  pe  er  setzte  sich.  pl.  3.  thode.  thode  pe  imnhladi 
für  thode,  pe  pe  urnhladi  sie  setzten  sich  auf  den  Galgen,  tlie  (richtig:  thode)  les  sie  setzten 
ihn.  tho  ma  hargdto  ich  verdinge  mich  als  Kneclit.  thoddch  leskn  andü  er  gab  ihm  einen 
Namen,  thodöü  les  majoru  man  (ei-)  machte  ihn  zum  Major,  thovö  tükn  than  ich  werde  dir 
dein  Bett  bereiten,  thol  and  e  mesele  sie  deckt  den  Tisch  rum.  s'b  pue  pe  masa.  griech. 
tovdva,  partic.  tovdö,  todö.  bohm.  tchovav. 

thov  vb.  waschen,  praes.  sg.  3.  tlmrel,  thovela.  pl.  3.  fhovcna.  impf.  sg.  3.  thovelas  pe. 
thölas  2}e  ei'  wusch  sich,  praet.  sg.  1.  thodöm  ma.  3.  thodds  pe,  thodes  pe.  griech.  tovdva. 
slavon.   tovaa.   engl.   tov.  hind.   dhonä.   aind.  dhäv  reinigen. 

thu  subst.  Rauch,  griech.  titv  m.  böhm.  tclmv. 

thualön  subst.  m.   Tabak,  böhm.  tchuvälo. 

thud  subst.  m.  Milch,  tud  suklö  saure  Milch,  instr.  thndha.  griech.  tud.  tudalo  milchig, 
böhm.  tchud. 

thulö,  tulö  adi.   dick,  schwanger,  griech.  thulö.  slavon.  thulo  dick. 

tilele  subst.  pl.   Teller.   —  rum.   tareli,  taleri. 

timili  subst.  pl.  Fundamente.   —  rum.  temelie,  temeju. 

tmda  subst.  f.   Vorhaus.   —  rum.   tind^B. 

if?ro,  tiro  pron.  dein.  pl.  tird.  hi-tirö  ohne  dich.  Vgl.  to.  griech.  tlnrö,  tindö,  tro,  to. 
slavon.  ctro.  serb.  tloi,  tloijt:  vol'a  tloiji  dein  Wille. 

t/)ka  subst.  f.  Klopfbrett  OYjfxavtpov.   —  rum.   toaki. 

töplica  subst.  f.  Bad.   Vgl.  skdlduska. 

toporeste  subst.  Hackenstiel.   —  klruss.   toporysce. 

tovartUca  subst.  f.   Gefährtin,   sg.   gen.   tovarösicdks,    tovarssicdka.   —    r-um.    tovaros  m. 

tovdrsska  subst.  f.  Gesellschafterin. 


prv  FkANZ     MlKI.IlSICH. 

tover,  tuvsv  subst.  in.  Hacke,  Axt.  sg.  instr.  le  toveresa,  le  tovere  mit  der  Axt.  griecli. 
tov4r,  tovel.   serb.   sluvon.   engl,   fover.  kurd.   taver.   pers.   bind,   tabar.  arm.  tapar. 

trad  vb.  schicken,  tragen,  filhren,  treiben,  jagen,  pracs.  sg.  1.  traddü,  trddo.  2.  trddex. 
3.  trddel.  impt.  sg.  2.  irdde.  impf.  sg.  o.  trddeJ'as,  richtig  trddelas.  trddelach  les.  pL  3. 
trddenas.  praet.  sg.  2.    ^rarTcf^*.  3.  fracfo'/c,    /rrtdfe.    griecli.  frddava,    partic.  fradhw.  slavon. 

i?'(£y"5fa  subst.   f.   Handsack.   —  rum.   ti-aist-b. 
irakteriia,  trakterne  subst.   f.   Gasthaus. 

trehu    vb.   nöthig   sein,    praes.   sg.   2.   tr<ihus,  treb/is.    3.  trebul,  treb/'d,  trebida.    so  frebnl 
tu?  was  brauflist  du?   pl.   3.  frebiln.   slavon.   truhHl.  —  rum.   trebue. 
trimhice  subst.  pl.  Trompeten.  —  rum.  trimbicb. 
trin  num.   drei.    trui<'  fp^ijcarmdc  raktjc  um   drei  Kreu/er  Schnaps,    trine  guruoen  acc. 

drei  Ochsen,  griech.  frin. 

trifo  num.  dritter,    p    o  tnto    zum    dritten  Mal.    trito  siaparadje   der  dritte  Theil  des 

Reiches,  ti-ito  ijlm  das  dritte  Land. 
trivar  adv.   dreimal. 

trizlsarduv  vb.   ei'wachen.  praet.   sg.   3.   irizisdjToü.    Vgl.   trszosardov.  —  rum.   ti-ozi. 
trjdba  subst.  f.   Recht,  Notlnvendigkeit.   na  j  le  trjdba  non   est  ei   ius.   —  rum.  treb-B. 
tröpsmi,  tröpsen  subst.   m.   Personenname,   sg.   acc.  tropsis. 
trudimf  adi.   müde.   —   rum.   trudi. 
tri'qni'  subst.  m.  Körper.  —  rum.  trup. 

tTKS  subst.   Durst,  sas  mdiKjd  irus  erat  mihi  sitis.  griech.   trus,  turs  f. 
trusM,  tros/d  subst.  m.  Kreuz,    sg.  gen.  trasulesk,    trusuleshc  Kreuzes-.  i»-aZ  trusulesku 
russ.  krestovyj   bratB.   griech.   truml,  tnrs/d. 

trmta   subst.   f.   das  Ringen.   —  rum.   trinti  vb. 

trmtisardov  vb.  boxen,    pi-aes.  pl.   1.  trnidüdjvasa,   trmiisdjras  aus  tröntisdrdovasa.   — 
rum.   tribnti   sich  balgen,  ringen. 

fristij  subst.   f.   Schilfdickicht.   —   rum.   trestie. 

trnzosardov  vb.  erwachen,  praet.  sg.   3.  trnzosdjl'oii..   Vgl.  trizisardov. 
tu  pron.   du.  tu  vertritt  enklitisch  den  sg.   acc.   gen.  tiiko,  tükn,  tvka.   h  Us  tükd   nimm 
ilin   dir.  dat.   tufe,  tuti,  tnte  zu  dii-.   acc.   t/U,  tu.  instr.  tusa.  abl.  tiltar.   griech.  tu. 
tudor  subst.  m.   Theodor,   acc.  fudorns:  sas  le  tudorös  eras   Theodoro. 
tudorel  subst.  m.  Theodor,  demin. 

tufa  subst.  f.  lilume,  Sumpfblume,  Tulpe,  sg.  abl.  tafdtar.  —  rum.  tufs. 
tumaru  pron.  euer,    griech.  tumarö. 

turne,  turnt  pron.    ihr.  acc.  tuiiien.  tumin,    turne,   turnt,    gen.    tuminga,    tumings,   tumengö: 
naü  tmnenys  danke  euch.  dat.  turnende,  tuminde  bei  euch,  grieidi.  turnen. 

tuneriko  subst.  m.  Dunkelheit.  —   rum.   'Bntunerek. 

tunu  subst.   m.  Donner.   —   rum.   tun. 
•  turcicdka  adv.   türkisch. 

turcicsko  adi.   türkisch. 

türku  subst.   m.   Türke,  sg.   mstr.-^lurkös.  pl.   türci.   --   rum.   turk. 

turma  subst.  f.  Heerde.  turma  bakr6  Heerde  Schafe.  —  rum.  turm'B. 

tiirta  subst.  f.  Torte.  —  rum.  turtT,. 

tnjstvrn  subst.   f.  Schlachtbank.  —   rum.   ti,eturi.  Sclmitt. 


ÜBER  DIE  Mundarten  und  we  Wanderungen  der  Zigkunkr  Europa's.  v.  61 

Umplu   subst.   m.   Fels.   —   Vgl.   runi.   ttmplu  Vorderseite  des  Altars. 

fötnßjö  subst.   f.   Weihrauch.   —  rum.    t^mT.e. 

turna/iär  subst.   m.   Junggesell.   Vgl.   t<)rnu. 

f37'nimdta^  tenihnäta  subst.   ]-il.   Jugend. 

töriw,  ternö  adi.  jung,  Bräutigam:  russ.  molodyj.  de  tdrne  von  Jungen  Jahren  an. 
griech.  ternö.  slavon.  terno.  engl,   fäno,  tauno,  tawno  jung,    klein. 

tsrnorö^  ternuro  adi.  jung,   demin.   de  ternoru  von   Jugend  an. 

fsrö/   vb.   zerren.  —  rum.   tT^rOji. 

fr.far  subst.   m.  Tatar,   sg.   acc.   töiarü-s.   dat.   tötdroste,  fötaruste  Tataren-.   —    rum.   fbtar. 

tm  subst.   m.   Teieli.   —   rum.   ttu. 

tsvdi  vb.  wälzen,  impf.  sg.  '6.  tdunUlas  pe  er  wälzte  sich.  —  rum.  tijvtll,  ti>v'blesk 
aus  tr-bvili,  trtvtlesk:  vgl.  serb.  strovaliti  über  den  Haufen  werfen. 

Uvslisardov  vb.   sich   wälzen,   impt.   sg.   2.   tövslisdü.   Vgl.  töVöU. 

lar  s.   aver. 

teju,  kjeju  subst.   m.   Linde.   Vgl.   tcj.  —   rum.   teju. 

tem  subst.  m.  Land,  Reich,  gen.  temesko,  clmechko  für  timesko.  pl.  tema,  teiuä.  griech. 
tem  m.  slavon.   them   Welt. 

termö,  tirmu  subst.   m.   Wurm.  pl.  tmni,  ferme^  cerme.  griecli.  kermo,  ghermo. 

fid  vb.  sammeln,  sparen,  fassen,  zurückziehen,  abräumen,  praes.  sg.  1.  tidaü.  2.  üdes^ 
tkle.  3.  lliidel.  pl.  1.  fklas.  2.  tklen.  3.  f luden  wie  khiden.  thideyi.  thklem  pe,  tidem  pe,  tidem 
2)6.  impt.  sg.  2.  tide:  t/.de  le  grastes.  tkle,  tkle,  fhkle,  thide.  pl.  2.  tklen.  praet.  sg.  3.  tid(ni. 
tidöü,  tklas,  tkläs.  pl.  3.  tkle  pe.  tide  pe.  tklL  griech.  gt'dava,  partic.  gedino.  slavon.  cklau, 
cklel  sammeln,  engl,  kkhla  to  pluck. 

tklvica  subst.  f.   Hirnschale.   —   rum.   tidvicb  Ktirbis. 

tijänn  subst.   m.  Hammer.  —  Vgl.  asl.  kyj. 

tilu  subst.  m.  Pflock,  griecii.  kilo. 

tin  vb.  kaufen,  praes.  sg.  1.  tinäu,  finö.  3.  tinel.  pl.  1.  khids^  tinds.  impt.  so-.  2.  tin, 
tin.  praet.   sg.   1.  tindom.   2.   tinddn.   3.   tindou,  tinclds,  tindd^.   griech.  kindva. 

tinzo  vb.  decken,  eig.  wolil  ausbreiten,  praes.  sg.   3.  tivzöl  pe.  Vgl.  mtinzosardov.  

rum.   tntind,  iintins. 

tinzosardov  s.  sntinzosardov. 

tqjsnU  subst.   m.   Pfefferkorn,    sg.   acc.  tipsniMs.    V^gl.  kiper.   —   rum.   piperjti,   kijjer. 

tira    subst.   f.   Fräulein,     sg.   dat.   tirdte:    e  dej  la  tirdte    die  Mutter    des  Fi-äuleins.   

ngriech.  x'jfa. 

tire,  tire  subst.   pl.   Ameisen,   griecli.   kiri,  pl.  kirut. 

tirit   subst.   m.   Herr.  —  ngriech.  %6p. 

tirvl  subst.   f.  Gevatterin,  sg.  acc.  ftVve. 

tirvö  subst.  m.   Gevatter,   sg.  voc.   tirve,  th-ve.  griech.  kirvu,  kirirö,  kicro.   slavon.  cirvo. 

tiso,  kisn  subst.  f.   Tabaksbeutel,   griech.   kis't.^  pl.  kisies. 

titi  vb.  nachdenken,   klug  erklären,  praes.  sg.   2.   titis.  —  rum.   kiti. 

tttidds  praet.  sg.  o.  di-ückte:  tltklds  Usko  vusf  er  drückte  seine  Hand.   \ gl.  bessar.  kkleiu. 

tititöri  adi.  klug.    Vgl.  titi. 

to,  ton,  CO  pron.  dein,  to  raj  dein  Herr,  to  vast  deine  Hand.  sg.  acc.  te  grastes  dein 
Pterd.  ti  pral  deine  Brüder,  ti  romni  deine  Frau,  le  ta  raje  nimm  deine  Frau,  ia  vüa 
dein  Rind.  sg.  acc.  ta  romne.  te  bezechd  deine  Sünden.   Vgl.  tiro.  griech.  to,  tinrö,  tindö,  tro. 


(j2  Fkan/,    MiKi.osic'ii. 


u. 


u  colli,  und,  meist  nur  in  dt'u  zusamniengeseti^ten  Nuineralia:  desuduj  u.  s.  w.  griech. 
desujek  eilf.  jek  ?<■  javer  der  eine  und  der  andere. 

uckurosk/j  sulist.  m.  erdichteter  Personenname.  —  russ.  uckur'B  Unterhosenband.  serb. 
uckur.   Vgl.   briclndr. 

itco  adi.   hoch,   nci  aidin  hoho   Burg,   griech.   vtocö. 

uddr,   vuddr  subst.   m.   Thiir.   pl.   udard,  vudard.  griech.   vudär,  dar  m.   f. 

idica  subst.  f.  Gasse.  —   rum.   ulic^B. 

umbladi  subst.  t".  Galgen,  griech.  umhlavdva  aufhängen,  slavon.  umbla  ma  hänge  niicli. 

i'imh^a  subst.  f.  Schatten.  —  rum.  umbr'B. 

nngi  subst.   pl.   Nägel,   la  nnge  mit  den   Nägeln.   —   rum.   ungie. 

ünguru  subst.   ni.  Unger.   sg.   acc.   ungurös. 

iirde  s.   ordr. 

urijes  subst.   ni.    Riese,   pl.   nrjesa.   —   rum.    urijas. 

urj  vb.  fliegen,  praes.  sg.  1.  rurjo.  2.  urjds,  vurjds,  ures.  3.  urjdl.  pl.  3.  vurjdn.  impf, 
pl.  3.  urjdnas.  praet.  sg.  3.  urejToü,  vurejToü,  urejMs,  vnrejTas.  pl.  3.  vurejTi,  vur^jli,  urejle, 
urejli.  griech.   urjdva.  slavon.   urial. 

nrjav  vb.  kleiden,  pi-aes.  sg.  1.  urjavdü,  urjavö,  vurjavö,  vurauvö.  3.  uravela.  impt. 
sg.  2.  urjdp  tu.  kleide  dich  an.  praet.  sg.  3.  tirjadöü,  uradöü,  urjadds,  uradds.  nrad^s  pe. 
pl.   3.  urade.  griech.  urjdva.  engl.  idddo  gekleidet. 

vrldn,  urldnü  subst.   m.   Personenname,   sg.   voc.   nrldne.  . 

urJ'ömniku  subst.   m.  Urlauber.   —  klruss.   urlopnyk. 

ür7nö,   ilrma  subst.   f.   8pur.   mnj  pe  urms  zuletzt,  pl.   Arme.   —  rum.   urm'B. 

ürsi  subst.   pl.   Bären,   pl.   urti.  —   rum.  urs. 

urzi  vb.   beginnen,   impf.   sg.   3.   urz6Ia.-i.  —  rum.   urzi. 

urzdsar  vb.   beginnen,   praet.   sg.    1.   urzösardöm.   Vgl.   tirzi. 

u,rtto  adi.   langweilig.   —  rum.   uri>t. 

usarav  vb.  decken,  bedecken,  praes.  sg.  2.  usaraves.  3.  usaravel.  pl.  1.  usaravds.^ 
usaravdsa.  impt.  sg.  2.  nsard.  praet.  sg.  1.  usaradöm.  3.  usaradöü.  griech.  ucardva.  slavon. 
■ihcardo,  ucaripi  Dach. 

usöru  adi.   leicht.   —  rum.  usoru. 

ust  subst.  pl.  Lippen,  griech.  ast,  onst,  vm.   uust  m.  serb.  vasta. 

ustaUn,  subst.  m.  Henker.  Eigentlich  labiosus  von  ust.  Nach  dem  rum.   buzatu. 

iisti  vb.  aufstellen,  praes.  sg.  3.  ustela.  impt.  sg.  2.  itsti,  nsti  oprL  pl.  2.  ustdn.  praet. 
sg.  1.  nstiJ'öm.  3.  ustiTöü,  ustilds.  pl.  3.  usfile.  Vgl.  griech.  ustidva,  uchkidva,  ufkidva,  uftidva, 
ufcidva,  partic.   -kino. 

ustar  vb.   treten,   praes.   sg.   2.   ustares.  praet.   sg.   3.   iistardds,  ustardds. 

ustav  vb.  wecken,  eig.  aufstehen  machen,  praes.  sg.  1.  ustavö.  praet.  sg.  2.  nstaddn. 
3.  ustadöü,  ustadds.  Vgl.   usti. 

uzilo  adi.  verflucht,  eig.  schuldig,  nie  som  uSiTi.  Vgl.  böhm.  idlo  schuldig,  skand. 
uschlo  id. 

uzos,  ui  subst.   m.   Schlange.   —  klruss.  vuz. 


Über  die  Mündakten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa'S.  v.  6  3 


vädra  subst.  f.  Eimer,  slavon.  vedro.  —  rum.  vadrB. 

vddti.  subst.  m.  Fuhrt.  —  rum.  vad. 

vaj  interi.  wehe,  vaj  de  amindar  wehe  uns.  vaj  amart  dadindar  wehe  unseren  Vätern. 

vdlure  subst.  pl.  Wellen.  —  rum.  val. 

vandrivmko  subst.   m.   Wanderer.   —  klruss.  mandrovnyk. 

vandrui  vb.   wandern,   praes.   sg.    1.  vandrwiv.   —   klruss.   mandruju. 

vandrtdsar  vb.  wandern,  praet.  sg.  3.  vandruisardas.   Vgl.  vandrui. 

var  mal.  dnvar  zweimal,  trrvar  dreiinal.  jeftdvar-des  siebenzig.  gi-iech.  far,  var.  huf 
far  oft.  irin  far  des  dreissig  u.  s.  w.  serb.  sevar-des  sechzig. 

väre  Partikel,  entspricht  vor  dem  pron.  kon,  so  dem  deutschen  irgend.  v<h^e  so  irgend 
etwas,  acc.  vdreh'is.  abl.  vdre  kdsthar.  ungr.  vare  ko  irgend  wer.  vare  so  irgend  etwas.  — 
In  bulg.  Urkunden  vare:  vare  kto.  vare  kolik-b  u.  s.  w.  Venelin   135.  Vgl.  vor,  (xire. 

vdrta  subst.   f.  Wache.   —  rum.  vard-B. 

vdrö  Partikel:  ist  es  möglich?  —  rum.   oare  in  Fragen. 

vast  subst.  m.  Hand,  bl-vastesko  adi.  ohne  Hand.  sg.  instr.  le  vasie  mit  der  Iland.  abl. 
vastestar:  las  la  vastestar  ergrift'  sie  bei  der  Hand,  dd  vast  mdnca  gib  niw  (durch  den 
instr.  ausgedrückt)  die  Hand.  pl.  vast.   griech.  vast. 

vastdl  adv.   in   der  Pland. 

vas  praep.  wegen,  vas  o  saurö  wegen  des  Knaben,  vas  te  jakhd  wegen  deiner  Augen. 
vas  mdngn  wegen  meiner.  Vgl.  arm.  vasen  wegen,  abaktr.  va^na  Wille.   Patk.   156. 

vdskure  subst.  pl.  Wagenschnur.  —  Vgl.  klruss.  vaski  Wagsclialen. 

vazd  vb.  heben,  praes.  sg.  1.  vdzdo.  2.  vdzde.  3.  vdzdela.  pl.  3.  vdzden.  impt.  sg.  2. 
vdzde.  pl.  2.  vdzden.  praet.  sg.  3.  vazdoü,  vazdds.  pl.  3.  vazd/^  vazde  sie  hoben,  legton  auf 
(Ti-ibut).  griech.  Idzdava.,  partic.  lazdinö.  slavon.  vazdau  erhebe.  va7xla  pe  erhob  sicli.  russ. 
gazdes.  kurd.  varzen'a,  varden'a  ich  erhebe  micli.   zaz.  Lerch  214. 

vaznelt  subst.  f.  Ambos. 

vaznalo  subst.  m.  Hammer. 

veci:  de  vec'i,  mi  vec  auf  ewig.  —  rum.  Tjh  veci. 

ver  subst.   m.   Vetter,   sg.  voc.  vere.   —  rum.   VBr. 

veste  subst.  f.  Kunde,  Gerücht.  —  rum.  vestc. 

vesto:  saste  vestö  gesund,  griech.  vesto:  sastö  vestö  isom  je  suis  sain  et  sauf. 

vi,  i  coni.  auch,  vi-thaj  vi  sowohl-als  auch:  vi  les  thaj  vi  la  sowohl  ilni  als  auch  sie. 
vi  vo  vjol  (aus  vi  ol)  hakrö  sowohl  er  als  auch  die  Schafe.  Für  vi  tritt  /  ein:  de  thaj  i-man 
gib  auch  mir.  Vgl.  präkr.  via,  vea.  Zeitschrift  der  d.  morgenl.  Gesellschaft.  XXVI.  741. 
742.  Journal  asiatique  VI.  Serie.  XX.  219. 

vijacdku  sg.  gen.  von  *vijaca:  o  p6mu  la  vijacdku  dei-  Baum  des  Lebens.  —  i-iim.  viact. 

vimulo  adi.  unsterblich,  vimulö  pai    das    lebenmachende    Wasser.  Vgl.    bi  und   mulö. 

vita  subst.  f.  Vieh.  sg.  acc.  vitd.  pl.  vite,  vite.  acc.  viten.  gen.  le  vitengo.  instr.  vitenca. 
—  rum.  vitb  Rind. 

vifazu  subst.  ni.  Held.   Vgl.  hercvÜdz.  —  rum.  vitez. 

viziteii  subst.  m.  Kutscher,  sg.  acc.  viziteüos.  gen.  viziteuoskr,.  —  rum.  vizitiu.  aslov. 
vozataj. 


64 


FkANZ      MlKLOSICH. 


vo  proii.  ni.  er.  voj  f.  sie.  rn/f  pl.  Die  obliquen  Casus  fe.  h'sl'o  u.  s.  w.  griech.  ov  m. 
q;  f.   o  pl.   (>ngi.   /(W,  _y«i;   (yov,  ynv). 

voda  subst.  m.   Fürst,   griecli.   vojvoda.'^.    \'gl.   vojevöda.   —   i-iiui.   vod'r,,   vojvod. 

vodalö  adi.  luutliig.  Vgl.  ot/Af. 

ro;"a,  vöje  subst.   f.   Wille.  —   nun.   voie. 

vojevöda  subst.   ni.    Füi'st.   Vgl.   coda. 

vojniko,  vojniku  subst.  m.  Held,  Sieger,  Riiuber;  adi.  muthig,  der  im  Stande  ist 
etwas  zu   thun.   vojmko  inam'ts.   sg.   acc.  vojnikös.  abl.   vojnikösthar.  pl.   vojnici. 

vojti  pc  vb.  jammern,  praes.   sg.   3.   vo'fiil  pe.    —  rum.   vaita  weh  rufen. 

V07'-  coni.   oder.   —  rum.   vor. 

vor  Partikel,  entspricht  vor  dem  pi-on.  kon.  so.  savn  dem  deutschen:  irgend:  r6rsavu 
irgend  etwas.  Vgl.  väre,  oare. 

vos.  vom,  V5S,  vnrs  subst.  m.  AVald.  sg.  gen.  vnsnsktt,  vosnskn.  pl.  rum.  griecli.  ces.  res. 
vest,  vesid,  vos  m.  f. 

vreme  subst.   f.   Zeit,   de  la  creme  zu  einer  Zeit.    —   rum.  vreme,  vreme. 

vurdön,  urdon,  vordon.  subst.  m.  Wagen,  sg.  gen.  vurdonesko.  instr,  vurdon^sa.  pl.  car- 
dond.  griech.  vordon,  ordön,  hordön.  slavon.  vordon.  osset.  uordon,  ordon.  kurd.  gerdun  Rhea. 

vurdonudro  subst.  m.  Wäglein,   demin.   von  vardön. 

vondt  subst.   m.   Jagd.  —   rum.  vbnatu. 

vmturl  vb.   schwingen,   praes.  sg.   3.   vnnturU.  —   rum.   vtntur  worfeln. 

vmturisar  vb.  schwingen,  impf.  sg.  1.  vnnturisarös  ich  würde  schwingen,  praet.  sg.  3. 
vmiturisardou  mit  dem  instr.   des   Objectes.   Vgl.  vsnfiiri. 

vnnötit  adi.   blau,   slavon.  vünato  grün,  bleich.  —  rum.   y^n-bt. 

Vürtisardov  vb.   sich  drehen,   praet.   sg.   3.  vsrtisäjToü.  —  rum.   tnvbrti. 

vsrvu,  vtrvnl  subst.   m.   Wipfel.   —  rum.   vbrvu. 


zahavi  vb.   unterhalten,   praes.  pl.   o.  zahavrn.  —  rum.   z-bb-Evi. 

zahdrii  s.  sahäru. 

zalisar  vb.  betäuben,  praet.  sg.  3.  zalisardim.  —  ngriech.   C''^>^^C('>. 

zdimsta  subst.  f.  Wildniss.  —  Aus  dem.  Slav. 

zdre,  zari   subst.   f.   Schein.   —  rum.   zare. 

zelino  adi.   grün,   slavon.  zelen  —  aslov.   zelen'B. 

zgrebla,  zgrjdhla  subst.  f.  Pferdekamm.  —  klruss.  zhrebJo,  skrebio. 

zidi  vb.  mauern,  impf.  sg.  3.  zidÜas  pe.  —  rum.  zidi. 

zmnrdavo  adi.  schmutzig.    —  rum.   zmijrdav. 

zimu,  zmij  subst.  m.  Drache,  sg.  voc.  zmsxMa.  acc.  zmmos.  gen.  zmsuösko,  znisüösks, 
zimüesko.  dat.  zmmöste.  instr.  zmmösa.  pl.  zyniji,  zimi.  acc.  zmmnin.  gen.  zmminingd.  — 
i'iim.   smeü. 

zmsuöjkd  subst.   f.   Dracliin. 

zöre  pl.  Morgenröthe.  zi  and  ol  zöre  bis  zum  (d.  i.  vor)  Tagesanbrucli.  and  ol  zöri  le 
dssesks  bei  Tagesanbruch.  Vgl.  zdre. 

zorss,  Zdrös  adv.  stark,  sehr,  griech.  zor  Gewalt.   Vgl.  :'n\ 


Über  du:  Mundarten  und  die  Wanderungeji  der  Zujeuneu  Eueopa-s.  v.  65 

zugrdmi  adi.  mit  Arabesken  verziert.  —  riim.  /ugi-Bvi. 
zumt  subst.  f.   Suppe.   —  ngriech.   C^'J[j.t. 
zur  subst.  Kraft,  griech.  zur  m. 

zuralö  adi.  kräftig,  gesund,   griech.  zuralö.   slavon.  ziiralo. 

ztiral'ov  vb.  stark  werden,   praes.   sg.   1.  zuräjvo  aus  znrdJ'ovac.  Thema  zuralö. 
zuruisar  vb.  schwimmen,  vielleicht:  sichtbar  werden,  praet.  pl.  .').  znniisardi.  Vgl.  zöre. 
znbdvlsar  vb.  verweilen,  praet.  sg.  ?).  znhdvisardon.   Vgl.  zahavl. 
zidii.  subst.   m.   flauer.  —  rum.  zidii. 

Z571  subst.  f.  Sattel,    l'ferdegeschirr.   hi  le  zöjdko  ohne  den  Sattel,  pl.  zßje  Pferdegeschii-r. 
griech.  znn   f.   kurd.  zin.   zaz.   zieii.  Lcrch   144,   206. 

zmc  subst.  pl.  Zenen,  böse  weibliche  Genien. 

zöplädo  subst.  m.  l'lanke.  —  rum.  zaplazti.  klruss.  zaplaz. 

zwisar  vb.  flimmern,  praet.   sg.   3.   zürii^ardds.   Vgl.   zäre. 


za  vb.  gehen,  praes.  sg.  1.  zaü,  Mp  (aus  zav)  -tar,  zo.  2.  zas,  ze.  na  las  ne  i.  3.  lal, 
zdla.  pl.  1.  zas,  zdsa.  3.  zan.  impt.  sg.  2.  za,  Ic,  zd-tar.  pl.  2.  zan.  impf.  3.  zdlas.  pl.  3. 
dSdnas,  Mnas.  zal  o  pal  das  Wasser  fliegst,  za  pdla  mdnde  heirate  micli:  slavisirend. 
zal  dnköstö  er  reitet,  partlc.  landqj.  praet.  sg.  1.  gölöm,  geUm.  2.  gdldn.  3.  gnTöu.  gnlö, 
ijöJ'ds.  gsTds-tar,  gsles-tar.  pl.  2.  cßTan.  3.  gde,  gdr.  voj  gnU  hhari  sie  wurde  (eig.  gieng) 
schwanger.  Vgl,  serb.  ne  bi  T  Ijuba  triidna  zahodila.  Falsch:  the  gzh'is  du  sollst  gehen, 
griech.  dzdva,  partic.  yelo. 

laimitro  subst.  m.  Schwiegersohn,   sg.  voc.  zamutre.  griech.  dzurnotro  yajxßoö^. 

zan  vb.  wissen,  praes.  sg.  1.  zandü.  2.  zanes.  3.  zanel.  pl.  1.  za/ids.  2.  zanen.  impf. 
sg.  3.  zdnlas.  praet.  sg.  2.  zangTdn.  3.  zangTon,  zangMs.  plusqpft.  sg.  1.  zangiomas. 
griech.  dzandva. 

zdro  subst.   m.   glühende  Kohle.   —   rum.   zaru. 

lele  subst.  Sclimerz,  Herzleid,  mdngr.  zele  pald  Ustl  mir  ist  leid  um  ihn.  —  rum.  zele. 

zem  vb.  ächzen,  partic.  zemmd.  —  rum.  dzem. 

zme  subst.  pl.   Wimpei-n.   —  rum.  dzant,  pl.   dzene. 

zeni:  ddj-zeni  beide.  Mar  zent  alle  vier,  trin  zene  alle  dj-ei.  griech.  dzcnö  Person. 

z^ru  subst.  m.  Frost.  —   i-imi.   dzer. 

I^  adv.  bis.  z  akand  bis  jetzt,  zi  ek  pas  bis  zur  Hälfte,  zi  klm'i  bis  nach  Hause. 
zi  rati  bis  Abends,  li  km  (kaj  o)  raj  bis  zum  Herrn,  zi  and  e  hisffk  bis  ziim  Gürtel. 
:/  and  o  des  vor  Tagesanbruch,  zl  kaj  coni.  bis.  zi  kand  bis  wann,  griech.  dzi,  dzin;  ci,  ein, 

zicel  subst.  m.  Kalb.  —  rum.  vicel. 

iidöüka  subst.  f.  Jildin.  Vgl.  zidovu. 

zidovu,  zidos  subst.  m.  Jude.  sg.  acc.  Indovis.  pl.  zidozi  aus  und  neben  zidovi.  gen. 
zndtweningn.  —  rum.   zidov. 

ioj  subst.  m,  Donnerstag.  —  rum.  zoj. 

z6u  subst.  m.  Gerste,  sg.  dat.  zoudte.   griech.  dzov. 

zuba  subst.  f.  Pelz.  —  klruss.  suba. 

Denkschriften  rler  phil.-hist.  (Jl.  XXV.  liil.  9 


66 


FifANZ     M[KLOSICU. 


zudekdta  subst.  f.  Gericht,  Recht,  Gerechtigkeit,  me  karäü  zudekdta  ich  wei-do  richten. 
—  rum.  zudikatii. 

zudiki  vi),   rathoii.  ]^)racs.   sg.   1.  hidikitt.  pl.   o.  zudikin.   —  rum.   /iidck. 

zudikimv  vb.  rathen.  iiiipt.  sg.  2.  zitdikiMr.  praet.  sg.  2.  zudiklsanfäii.  pl.  o.  zudikdsard't . 

Vgl.  zudiki. 

zudö  adi.  lebendig,  pa./'  zudo  leben  machendes  Wassers,  pl.  acc.  zudSn.  griech.  dzivdö. 

iudov  vb.  lebendig  werden,  praet.  sg.  1.  zudilom.  3.  zudiföü,  zudiTds.  griech.  dzivdovava. 

zukloro,  zukforö  siil)st.  m.  Hündchen,  sg.  acc.  zvMorts.  pl.  acc.  znklnrm,  znkTorin. 
zukJors.  Demin.  von  ziikil. 

zuksl,  zuköl  subst.  m.  Hund.  sg.  acc.  zukles.  instr.  zukUsa.  voc.  zukola,  zukÜa.  pl. 
zukü,  zuköl,  zuköL  acc.  zuklfn.  gen.  znklengo  Hunde-.  zukUshi  liündisch.  ziiklefi  gescheidt. 
griech.  cuMl,  dzukSl.  serb.  dzukel, 

iungales  adv.  schlecht. 

zungalS  adi.  schlecht,  and  e  zungales  (richtig:  -h')  thanestp  an  einem  schlechten  Ort. 
zungalt  vreme  schlechtes  Wetter,   griccli.  cungalo,  dzungalo. 

zunganimos  subst.  m.  Übel. 

zimkdje  subst.   m.  pl.   Öclislein.  —  rum.   dzunkanu,  pl.  dzunkani. 

zunkid  subst.  m.   ()chslein.   zunkule.  —   j'um.   dzunku. 

htpundsa  subst.  f.  Frau  niederen  »Standes.  —   i-um.  zupi.nesi). 

S,uruimi  adi.  geschworen  luxbend.  makdr  kw  hc.ng  thc  acdü  zuruhiii  wenn  ich  aucli 
dem  Teufel  verschrieben  sein  werde. 

zuruisar  vb.  schwören,  praet.  sg.   1.  zurmsardom.   o.  zundsardds.  —  i-um.  zur. 

zutö  subst.  m.   Paar,  Joch  Ochsen.  Vgl.  kurd.  dzöt  Paar,  Joch.  Lerch  119. 

mv  vb.  leben,  praes.  sg.  1.  zuv6,  ziiväü.  2.  Ziive.  o.  zuvel.  pl.  1.  zuvasa.  o.  zicven, 
Mven.  impt.  sg.   2.  z)ut  aus  zuv,  zu.  giiech.  dzivdva. 

£uv/i,  zulf  subst.  f.  Weib,  griech.  dzuvel  adi.,  dzuvli  subst. 

zdtd  subst.  Geld,  Vermögen.  Idti  pode  zdtd  pchjernas  eins  (f.)  sinum  pecunia  implebant. 

zdusardov  vb.   sicli   beklagen,  praet.  sg.   3.  zdvsäjTa.-«.  Vgl.   zrle.  —  rum.   zelui. 


ömhlöti  vb.  dreschen,  praes.  pl.  3.  mit  the  füi-  den  inf.  tlu^  "mbhtin.  impf.  pl.  3. 
mnhhtinas.   —  rum.  T^mbltti. 

amjjaranja,  dmp)aractjc,  Binpöröcye,  mnjjnrsde  subst.   f.  ßeich.  —  rum.   '&mpT.rT)cie. 

smpjaraticeka,  mijjsrsficeka  adv.,  ungenau:  ömpjaraticeka,  kaiserlich. 

dmparatjdsa  subst.  f.  Kaiserin,  sg.  gen.  ümparatasd.kö.  —  rum.  'Bmp'bratesa. 

övipardto.  mip>a,rdtu  subst.  m.  Kaiser,  sg.  voc.  ömpardte.  ömpardfe.  mnpavdti.  acc. 
nmp)arat6s.  gen.  miipnratösko.  nmparatvskd ;  önip>aratnskr,rr,,  nmparaiöskr,re.  dat.  ümparatöste. 
smparafösti.  pl.  mnpardci.  gen,  smparatonmgs.  —  i-um.  i^mpiiratu. 

öiuprezur  adv.  praep.  ringsum,  um.  ömprezirr  <>  plaj  um  iK^n  Berg  lierum.  mnprezür 
le  graznängo  um  die  Stutei:.   —   rum.  -bnipi-ezur. 

dmprazurixar  vb.  umgeben,  praet.  sg.  3.  ünqji'sznrisardöü.  pL  3.  r>)iiprszurisard<\  — 
rum.  Tjmprezur  vb. 


ÜBER  DIE  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa'S.  v.  67 

smpr'urmitl  vb.  lellien.  sieh    ausleihen,    praes.    sg.    3.    mnprumutü.    pl.    3.    zmprumutin. 

—  rum.  Tjiiiprumiit. 

öuiprumiitLtar  vi),  leihen,  impt.  sg.  2.  ümprumutisdi'.  praet.  sg.  3.  smprumutisardäs. 
Vgl.   üinpraiimti. 

ömpusti   vb.    sehiesseii.    jiraes.    sg.    1.    dmpusttü.    3.    mapustü.    impf.    sg.    3.    ^mpuHilas. 

—  rum.  ^mpusk. 

öinpustlsar  vb.   schiessen,  impt.   sg.   2.   smpnsfisdr.   Vgl.   ömpusti. 

smpsrco  vb.  theilen.  praes.  pl.  3.   ~>mpörc6m  pe  sie  theilen  sich.  —  rum.  imp:&rc. 

ömpnrcosardov  vb.  sich  theilen.  pi'aos.  pl.  1.  dmpdrcosdjvas.  praet.  pl.  3.  smpsrcosäjle, 
mHpsrcosdjli. 

ömpnrcnsur  vb.   tlieilen.  praes.  sg.   1.  ümpdrcssarö.  praet.  sg.  3.  smpsrmsarcMs . 

ön  s.   and. 

önddtü.  üuddta  adv.   sogleich.   —   rum.  T>ndati. 

öndragostisardov  vb.  einander  lieb  liaben.  praet.  pl.  3.  sndragostisdjl'oii,  für  -le.  — 
rum.  iindr:Bgosti. 

sndzerii.  nndzei^os  subst.  m.  Engel.  —  rum.  ündzer. 

mifrunzl  vb.   grünen,   praes.  sg.   3.  önfrunzsl.   —  rum.   iinfrunzi. 

öngrop)i  vb.  eingraben,  praes.  sg.  2.  sngropu.  —  i-um.  "Bngrop. 

üngropisardov  vb.  stecken  bleiben,  praet.  sg.   3.  öngropisdjTds.   Vgl.  dngropi. 

üngrozi  vb.  sich  fürchten:  reflexiv,  praes.  sg.   3.   snqrozf,l  pe.   —   rum.  'bngrozi. 

öngyntst/  s.  angrustt. 

öiigör  vb.  tragen,  bringen,  führen,  praes.  sg.  1.  nngürdu,  sngnrö,  mgardü,  migaräü. 
2.  öngörns,  öiigsrsz  ma.  3.  sugsHl.  dngsrla.  pl.  1.  ongardsa.  3.  üngzrm.  impt.  sg.  2.  mgör.  pl.  2. 
ntigm'sn,  angsrm.  praet.  sg.  1.  angardöm.  2.  öugsrddn.  3.  sngsrdön,  ziigardöä,  angardoü, 
angsrdön,  sngdrdäs,  öngardäs,  angardds,  angörddch  les,  angarddcli  les.  pl.  3.  öugsrde,  migarde, 
angarde.  gj-iech.  andardva  (anghiardva).  slavon.  indzaras.  indjarel  tragen.  Vgl.  mikdr. 

anhömusardov    vb.  sich    anspannen    lassen,    impt.    sg.    2.    -,nhmnusdii.  inr  uiihsmnsdrdov. 

—  rum.   mcham  anspannen. 

önknlav  vb.  hinausführen,  herausnehmen,  ausstechen  (die  Augen),  ausbrüten,  be- 
freien, zeigen,  praes.  sg.  1.  dnkaldii,  ankaldü,  ankalavo,  ankaldvo,  ankalavdp  (aus  anka- 
lavdv)  tu,  r,nkalavdpj  tu,  önlalavo,  snkalavdü.  2.  ankalds,  ankalaves.  r/akalave.  3.  ankaldl. 
rrnkaldl  la  andd  e  godt  er  überlistet  sie.  pl.  3.  ^nkalaven,  rvnkaldn,  ankaldna.  nnkaldl  li  aus 
nnkaldn  li.  impt.  sg.  nnkdla  für  siikdlav.  impf.  sg.  3.  ankaldlas  brütete  aus.  praet.  sg.  2. 
nnkaladdu.  ankaladdn.  3.  ankaJadoü,  onkaladds.  ankaladds,  önkaladöu,  ankaladäch  les,  anka- 
lades.  pl.   3.  ankalade,  ankaladi.  Vgl.  önkli.  slavon.  ikal  zielie  Iiei'aus. 

övkinisardov  vb.  sich  verneigen,  huldigen,  sich  fügen,  praet.  sg.  1.  ünkinssdjJ'om. 
.">.   ünkinisdjTon.  pl.   3.  snkinisdjle.  önldnisd.jli .  —  rum.  'bnkin. 

önkli  vb.  herausgehen,  herauskommen,  aufsteigen,  praes.  sg.   1.  nnkldu,   mikTn,    znHöu. 

2.  r.nkles,  ünkU.  3.  ünklel,  snkleid.  na  'nkldl  avri.  pl.  1.  önkl'ds.  3.  nnkh'na.  impt.  sg.  2. 
önkli,  ankli .  impf.  sg.  3.  önklelas.  pl.  3.  önklinas.  praet.  sg.  1.  öuklistöm,  önkliMöiu,  snkTistöm. 

3.  nnklistnü,  önklistöü,  önklisfds,  anklistds,  anklistds,  anklisüm,  anklistnit,,  pl.  3.  önkliste, 
nnklisti,  önklisti,  ankliste.  önklistoü  n  khani  opre  die  Sonne  gieng  auf.  snklistds  ma  er  bestieg 
mich,  partic.  nnköstn  zu  Pferde,  reitend:  zal  önköstö  er  reitet,  göle  önkssti  sie  ritten,  griech. 
inklidv,  niklavdva.  Vgl.   nnkalav. 

ön.krig  adv.  abgesondert.  Vgl.  rig. 


gg  Fkanz    Mikloskh.      Über  die  Mundakten  und  iue  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa-s.  v. 

snkimzuri  vb.  umgehen,  praes.  s^-.  1.  nnkiaiziinii.  2.  nnkimzurfi.  iin])f.  pl.  o.  ö»k>mziirinas. 
—  ruui.  "bnkiindjoui-. 

öiikiomirisar  vl>.    iiiureitcii.   pi-;u't.   sg.    3.   önk/nizitrisa)yfäs.    \gl.   öiikiirtzuri. 

snks,  snks  coni.   noch,  aiu-h.   f,)ikr,   )ia  noch   niclit.   —   nun.   'tnlcn, 

snkspisar  vb.   stellen,   unterbringen,   praet.   pl.    1.   üiiköpisarddm.   —   i-uni.   T,nkap. 

anknr  vb.  halten,  püegen.  praes.  sg.  1.  mikardu,  önköro.  2.  r,nksr'6s.  3.  öiikürsl,  nnkirla. 
pl.  2.  önHrna,  ankirna.  3.  dnknrtn.  impt.  sg.  2.  jiksr,  önksrf,.  impf.  sg.  3.  nnksrlas  dioU. 
praet.  sg,  1.  önk^rdim.  3.  rmkznfoü.  r.nkördds  brachte.  mikardU  bewirtete,  ankardds  führte. 
ankörddch  pflegte,  slavon.  icarau  ich  lialte,  icard  er  hält.  Vgl.  öngnr. 

snndlto  adi     liocli.   (vtd  o  ' iindlto  in   die  Höhe.   —   rinn.   i,nalt. 

önnotdsa:  la  nnnotdsa  mit  dem  Schwimmen.  —  rum.  i^nnotu. 

snnotisar  vb.   schwimmen,   praet.   sg.   3.  annotisardds.   —  rum.  'Jjunot. 

snsori  vb.  sich  verheiraten,  praes.  sg.  1.  me  ■dnsorm  ma.  snsori  ma.  3.  ünsorü  pe,.  impt. 
pl.  2.   ünsorfn  turne,   impf.  sg.   3.   rnisoinlax  })'■   —  riim.   i>nsor. 

dnsorisardov,  snsurisardov  vb.  heiraten,  impt.  sg.  2.  rin.vtrisdn.  praet.  sg.  3.  nnsorisdjToü, 
snsorisdjTas.  pl.   3.   snsurisdjle.   Vgl.   önsori. 

snhrö  fe  wird  erklärt  durch:  komme  hervor.  —  ^  gl.  etwa  i'um.  -Busir  in  Keihe  stellen. 

tntru:  mfru  azutnrjü  behilflich.  —  rum.   i>ntrii   und  azutorju. 

sntregit  adi.   ganz.  —  rum.  T,ntreg.   Vgl.   dintreg. 

snt6j  num.  erster.  —  rum.  -Ent^EJu. 

sntdl  adv.  jenseits,  sntdl  a  pdrßu  jenseits  des  Baches. 

snfegomr,  sntegomf  adi.  zusammengefügt,  zusammenfügend,  pa/  öntegomi  das  heilende 
Wasser.  —  rum.  tntreg. 

snfegosardov  vb.  ganz  werden,  sich  zusammenfügen,  praet.  sg.  3.  önfegosäjlm,  sntego- 
sajToü.  —  rum.  'Bntreg. 

sntinzosardov  vb.  sich  ausstrecken,  praes.  pl.  1.  finzosdjvas.  impt.  sg.  2.  sufinzosdn^ 
tinzosdii  aus  antijizosdrdov.  praet.  sg.  3.  7,nfinzosdjTou.  —  rum.  -Rntind,  tntins  ausstrecken. 
'bntinz'Btorja  Nudelwalker.   Vgl.   i'iiizo. 

snverfi  vb.   drehen,  praes.   sg.   3.   nnverttl  pe.   —  rum.   ^nvi.rti. 

dnvoi  vb.  einwilligen,  vergleichen,  praes.  sg.  1.  rmvo/w.  2.  önvots.  pl.  3.  önvoim  pe 
sie  vergleichen  sich,   snvoina  |>f-.  —  rum.  i.nvoi. 

diwohsardov  vb.  sich  vergleichen,  praes.  pl.  1.  r.nroisdjvas:  nastik  nnvoisdjvas  wir 
können  vnis  nicht  vergleichen.  Vgl.  r,nvoi. 

snvslmimf  adi.  scheu,  eig.  verschleiej-t.   —  rum.  Tsiividi  vb. 

dnvslosar  vb.   einwickeln,   praet.   sg.   3.   önvölosardds.  —  rum.   tnvBlui. 

snzar  vb.  reichen,  praes.  sg.  3.  snzdrla.  impt.  sg.  2.  niizar.  praet.  sg.  3.  snzardöü. 
öHzaTdds  pe  qy  lag  ausgestreckt.   Vgl.  r,)dirizosardov. 

dnzngisar  vb.  einspannen,  praet.  sg.  3.  nnzugisardi'm,   mizugisardas.   — ■  rum.  ^Bnzug. 


DER  ENTWICKELUNGÖGANG 

DEK 

MITTELALTERLICHEN  PSYCHOLOGIE 

VON  ALCUIN  BIS  ALBEKTÜS  MAGNUS. 

VON 

PROF.  D^    K.   WERNER, 


CORBESP.    MnaLlKDE   DKU   KAIS.   AKÄDEMIK   DER    WlSSEN'.SCHAl'TEN. 


VORUKLEÜT  IN  DER  SITZUNG  AM  l'u.  APKIL  187.i. 


Wir  beabsiclitigen  in  dieser  Abbandliuig  den  geistigen  Entwickelungsprocess  auf- 
zuzeigen, mittelst  dessen  die  auf  christlichem  Boden  stehende  psychologische  Forschung- 
in der  aufsteigenden  Linie  des  mittelalterlichen  geistigen  Entwickelungslebens  zu  einem 
erstmaligen  systematisclien  Abschlüsse  gelangte.  Der  erste  bescheidene  Ansatz  zu  den 
Bemühungen  um  die  Ausgestaltung  christlich-psychologischer  Anschauungen  zu  einer  ratio- 
nalen Lehrdisciplin  ist  durch  Alcuins  Schrift  De  ratione  animae  repräsentirt.  Der  weitere 
Verlauf  der  hierauf  gerichteten  Bestrebungen  veranschaulicht  sich  uns  in  den  einschlägigen 
Schriften  des  Hrabanus  Maurus,  Wilhelms  von  St.  Thierry,  Tsaaks  von  Stella,  neben 
welchen  die  auf  eine  breitere  Grundlage  gestellten  Arbeiten  des  Hugo  von  St.  Victor 
und  Wilhelm  von  Conches  eingreifen.  Das  im  Verlaufe  dieser  Schaffensepoche  Geleistete 
und  Errungene,  unter  gleichzeitiger  Herbeiziehung  jener  älteren  Lehrauctoritäten,  auf 
welchen  die  ganze  Entwickelung  der  bezeichneten  Epoche  steht,  findet  sich  eklektiscli 
zusammengestellt  in  der  pseudo-augustinischen  Schrift  De  spiritu  et  anima,  abei-  völlig 
ohne  Methode  und  systematischen  Zusammenhang.  Ein  solcher  wird  einiger  Massen  von 
dem  bereits  mit  der  Pliilosophie  der  arabischen  Aristoteliker  bekannt  gewordenen  Wilhelm 
von  Auvergne  angestrebt,  welchen  wir  in  einer  frrtlieren  Abhandlung  als  unmittel- 
baren Vorboten  der  peripatetischen  Scholastik  vorgeführt  haben.  Als  die  ersten  wirklichen 
Vertreter  dieser  begegnen  luis  in  der  ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhimderts  der 
theologische  Summist  Alexander  von  Haies  und  Albertus  Magnus,  In  deren  umfangreichen 
Werken  die  bis  dahin  gTosstentheiJs  lose  und  lemmatisch  beliandelten  Fragen  und  Themen 
der  Seelenkunde  in  das  Bett  einer  methodisch  geregelten  Untersuchung  geleitet  erscheinen, 
und  der  Gesammtinhalt  der  rationalen  Psycliologie  in  streng  umrissenen  Formen  und 
breiter  Ausführung  zum  vollständigen  Ueberblicke  gebracht  wird.  Diess  gilt  im  Besonderen 
von  Albertus  Magnus,  mit  dessen  psychologischem  Lehrsystem  wir  daher  diese  Abhandlung 
abschliessen,  wobei  wir  zugleicli  In  der  Gegenüberstellung  seiner  Lehranschauungen  und 
jener  Alexanders  die  innerhalb  des  scholastischen  Peripatetismus  gleicli  Anfangs  sich 
auftliuenden  Gegensätze  bemerklich  machen  wollen. 


70 


K.    Werner. 


Die  psychologische  Literatur  des  christliclicn  Mittelalters  beginnt  mit  Alcuins  Sclirift 
he  latione  animac.  Alcuin  verfasste  dieselbe  auf  den  Wunscli  einer  vornehmen  Jungfrau, 
dvi-  ilem  Karolinglsclien  Herrsclierhause  angehörigen  Gundrada,  einer  Tochter  Berrduirds, 
Oheims  Karls  des  Grossen,  und  Schwester  Adalhards,  Abtes  von  Corbie.  In  dem  bildungs- 
frcundllchen  Kreise,  welchen  Karl  an  seinem  Hofe  um  sicli  gesammelt  hatte,  und  dessen 
Genossen,  um  jede  Mahnung  an  die  Ungleichheit  des  Standes  und  der  Lebensstellung 
der  einzelnen  Glieder  dieses  Kreises  fernezuhalten,  unter  fingirten  vertraulichen  Persons- 
benennuno-en  mit  einander  verkehrten,  führte  die  Prinzessin  Gundi-ada  den  Namen  h]idalia; 
daher  die  ihr  gewidmete  Schrift  Liber  ad  Eulallam  virginem  betitelt  Ist  und  sie  selbst 
im  Eingange  der  Schrift  unter  diesem  Namen  angeredet  Avli-d.  Die  Aufgabe,  welche 
Alcuin  von  seiner  hochgestellten  Freundin  und  Verehrerin  gestellt  wurde,  betrifft  gemein- 
hin den  Wesensbegrift'  d^r  menschlichen  Seele;  Gundrada  wünschte  eine  rationale  Aus- 
einandersetzung dessen,  was  der  (•hristllche  Glaube  übei'  Wesen,  Aufgabe  und  Bestimmung 
der  menschlichen  Seele  lehrt.  Alcuin  entlediget  sicli  dieser  Aufgabe  In  einer  Schrift 
von  vierzehn  Capiteln,  welcher  zwei  an  die  Bittstellerin  gerichtete  Gedichte  desselben  Li- 
haltes,  eines  In  heroischem,  das  andere  In  adonischem  Yersmasse  angeschlossen  sind.  Alcuins 
Schrift  macht  nicht  darauf  Anspruch,  für  eine  planmässige  Erörterung  und  Durchführung 
ihres  Gegenstandes  zu  gelten;  sie  trägt  vielmehr  die  Kennzeichen  Ihres  gelegentlichen 
Ursprunges  und  ihrer  besonderen  Bestimmung  deutlich  an  sich;  zugleich  aber  lässt  sich  nicht 
verkennen,  dass  Alcuin  dem  an  ihn  gestellten  Begehren  In  möglichst  bester  Welse  gerecht 
werden,  und  so  viel  an  Ihm  war,  In  bündiger  Kürze  seinen  Gegenstand  erschöpfen  wollte. 
Und  da  tritt  uns  denn  sofort  die  Wahi-nehmung  entgegen,  dass  man  Im  Zeitalter  Alcuins 
zu  einer  methodischen  selbstständigen  Erörterung  psychologischer  Fragen  und  Probleme 
noch  nicht  herangekommen  war,  sondern  einfach  auf  dem  Boden  schriftstellerischer  Ueber- 
lieferuno-  stand,  In  welcher  man  von  den  eben  zur  Zeit  angesehensten  Auctorltäten  ab- 
häno-Io-  war.  Für  Alcuin  waren  diese  Auctorltäten  der  heilige  Augustinus  und  Cassianus; 
aus  ihnen  Ist  demzufolge  auch  seine  kurze  Schrift  dem  Hauptinhalte  nach  geschöpft. 
Augustlnische  Reminiscenzen  widerklingen  bereits  in  den  ersten  einleitenden  Gedanken, 
an  welche  die  weitere  Entwickelung  angeknüpft  wird.  Alcuin  will  die  Ihm  zugemuthete 
Aufgabe,  das  Wesen  der  Seele  zu  erklären,  trotz  des  MIsstrauens,  das  er  in  seine  Befähigung 
liiefüi-  setzt,  darum  nicht  von  sich  ablehnen,  well  es  Ihm  unwürdig  dünkt,  dass  der  Mensch 
sich  selbst  nicht  verstehen  soll.  ^  Der  daran  sich  schllessende  Gedankengang  ist  nun  ganz 
augustinisch:  Der  lebendige  Mensch  ist  Inbegriff  von  Seelischem  und  Leiblichem.^  Was 
man  imter  dem  Leiblichen  zu  verstehen  habe,  wissen  Alle;  das  Wesen  der  Seele  ver- 
stehen kaum  Wenige  wahrhaft  und  tief.  Und  doch  gibt  es  nichts,  was  zu  erkennen  der 
Mensch  im  Leben  dieser  Zeit  so  dringend  nöthig  hätte,  als  Gott  und  die  eigene  Seele.' 
Die  Erkenntniss  Gottes  Ist  durch  die  Liebe  zu  Gott  bedingt,  vom  Grade  der  Liebe  der 
Grad  der  p]rkenntniss  abhängig.  Wenn  es  dem  Menschen  natürlich  Ist,  das  Gute  zu 
lieben,    so   ist    es  Ihm    auch  natürlich,    Gott  zu  Heben,*    weil  Gott  das  absolute  Gut  und 


I 


i    Ex  parte  indigmim  esse  videtur,  meipsum  me  nescii-e.  Rat.  !in.,  v.   I. 

2  Quid   sum   egn    uisi  nnima  et  earoV     L.    c.    —   Vgl.  Aug.    Enarr.    in  Psalm.    Uö,    u.  5:    Nihil    auiiiliiis  iiiveiiiiuus  in  liouiino 
((uam  canieni  et  auiiuain;   totus  liunio  hoc  est,  spiritn.'i  et  caro. 

3  Vgl.  Aug.  Sulilijq.  I.  e.   -' :   A.   Eeee  oravi  Demn.   R.  Quid  ergo  scire  vis?  A,  Haec  omnii  quac  oravi.  R.  lireviter  ea  recolligc. 
A.  Deum  et  auimaui  scire  cupio.  R.  Nihilne  plus?  A.   Nihil  omuino. 

«   R.  E.xpliea.  quoraodo  tihi,    si  demonstretur  Dens,  possis   dicere,    s.it  est?    A.  Nescio,    qiiomodo    mihi    demonstrari  debeat,  ut 
dieani,  sat  est;  non  euim  eredo  me  scire  aliquid  .sie,   qiiomodo  scire  Deum  desidero.    R.  Quid    ergo  agimu.s?    Nonne  censes, 


Dur    EnTVVICKELUNUSUANü    DEH    MITTELALTEULICHEN    PSYCHOLOGIE   VON    AlCUIN     BIsi    AuiEKTUS    MaGNUS.  71 

Urquell  alles  Guten  ist. '  Die  Liebe  zu  diesem  absoluten  Gute  fordert  zu  ihrem  Hegeorto 
eine  Seele,  und  das  Vermögen  einer  solclien  Liebe  beo'ründet  die  eminente  Rano-stelluno- 
der  menschlichen  Seele. 

Die  menschliche  Seele  behauptet  —  tahi-t  Alcuin  weiter  fort^  —  jene  hohe  ßangstelluiiu- 
in  dem  gottverwandten  Theile  ihres  Wesens ,  welcher  mens  heisst.  Die  Unterscheidung 
eines  höheren  und  niederen  Theiles  der  Seele,  welche  der  Platonischen  Unterscheidung 
zwischen  'J^'j/t;  k'jyiazixrj  und  'lo■/'f^  Hyr^zr^  conform  ist,  ist  nun  allei-dings  nicht  melir 
augustinisch,  und  wir  werden  später  sehen,  welche  besondere  Abweichungen  Alcuins  von 
der  Augustinischen  Seelenlehre  an  diese  aus  Cassian  herübergenommene  Platonische  Auf- 
fassungsweise  sich  knüpfen.  Es  scheint  jedoch  nicht,  dass  der  eklektisch  verfahrende 
Alcuin  sich  dieser  inneren  Differenz  seiner  beiden  Gewährsmänner  bewusst  o-ewesen 
wäre;  jedenfalls  glaubt  er  beide  mit  einander  vereinbaren  zu  können,  und  entwickelt 
das,  was  er  über  die  Ploheit  und  gottverwandte  Natur  der  mens  safft,  ganz  in  AuQ-usti- 
nischer  Weise  und  mit  Augustins  Worten.  Mit  Augustinus  ^  bemerkt  er,  dass  man  zwischen 
der  Seele  als  Lebensgeist  und  zwischen  der  Seele  als  denkfähiger  intellectiver  Wesenheit 
unterscheiden  müsse.*  Die  Seele  in  letzterer  Beziehung  heisst  mens;  und  von  der  Seele 
als  mens  oder  geistiger  Innerlichkeit  gilt  die  Aussage  von  der  Gottvei'wandtheit  und 
Gottesbildliciikeit  der  menschlichen  Seele.  Diese  ist  nach  ihrem  gottverwandten  Wesen 
ein  Abbild  der  göttlichen  Dreieinigkeit,  '"  sofern  die  drei  Vei-mögen  oder  Thätigkeiten 
derselben:  memoria,  intellectus,  voluntas  nicht  drei  mentes  sind,  sondern  die  Eine  mens 
als  una  vita  und  una  substantia  jene  Dreiheit  in  sich  hegt,  von  deren  integrirenden 
Momenten  keines  substantiell  (ad  se),    sondern  jedes  nur  relativ  (ad  aliquid)  ist. 

Die  hohe  ßangstellung  der  Seele  hängt  auf's  Engste  mit  ihrer  Unkürperliclikeit 
zusammen.^  Die  menschliche  Seele  ist  über  alles  Körperliche  erhaben.  Sie  vermag  sich 
in  innerer  Sammlung  ihrer  selbst  in  das  Denken  der  geistigsten  und  erhabensten  Dinge 
zu  vertiefen;  indem  sie  das  thut,  zieht  sie  sich  von  den  Sinnen  des  Leibes  in  sich  selbst 
zurück,   um   durcli   dieselben   nicht  gestört  zu  werden.'   und   vermag  so   tief  in  sicli   selbst 

prius  tibi  esse  scieiiduni,  qnomodo  tibi  Deuni  scire  satis  sit,  .juo  cum  perveneris,  nun  amplius  (luaerasV  A. -C'enseti  quklem  : 
sed  quo  pacto  fieii  possit,  non  video.  Quid  enim  Deo  simile  unquam  intellexi,  ut  possim  dic-ere,  quomodo  hoc  intelliffo,  sie 
volo  iiitelligere  Deum?  K.  Qui  nonduni  Deum  nosti,  unde  nosti  nihil  te  nosse  Deo  simile V  A.  Quia,  si  aliquid  Deo  simile 
scireni,  sine  dubio  id    araarem;    nunc  autem  nihil  aliud    amo  quam  Deum  et  animam.   <iuorum  neutrum   scio.  Aug.  L.  i-. 

'  Aug.  Soliloci.  I,  c.  1:  Te  invoco,  Deus  veritas,  in  quu  et  a  quo  et  per  quem  vera  sunt,  quae  vera  sunt  ouinia.  Dens  sapientia. 
in  quo  et  a  quo  et  per  quem  sapiunt,  quae  sapinnt  omnia.  Deus  vera  et  summa  vita,  in  quo  et  a  quo  et  per  quem  vivunt. 
({uae  vere  sunnneque  vivunt  omnia.  Dens  beatitudo,  in  quo  et  a  quo  et  per  quem  Iieata  sunt,  quae  beata  sunt  omnia.  Dens 
bonum  et  pulerum,  in  quo  et  a  quo  et  per  quem  bona  et  pulcra  sunt,  quae  bona  et  jiulcra  sunt  omnia.  Deus  intellioibilis 
lu.x,  in  quo  et  a  quo  et  per  quem  intelligibiliter  lucent,  quae  lucent  omnia!   ete. 

2   Rat.  an.,  c.  ö. 

■'   De  Trinitate  I.ih.  XIV,  c.   IG,   n.   'Ji. 

*  Inter  spiritum  et  animam  ejusmodi  potest  ditfcrentia  esse,  quod  omnis  anima  Spiritus  est,  nun  tanien  omnis  Spiritus  aiiinia. 
Sed  et  lieatus  apostolus  Paulus  niirabiliter  discernit  inter  spiritum  et  mentem  dicens:  Psallam  spiritu,  psallam  et  mente 
(1  Cor.  I-J,  l.')).  Spiritu  psallit,  qui  rerum  significationes  non  intelligens  ore  profert;  psallit  mente,  qui  easdem  significationts 
mentis  effieacia  intelligit.   Rat.  ,an.,  c.    1!.   Vgl.  Aug.  1.  o. 

"^    Rat.  an.,  c.  6.  —  Vgl.  Aug.  Trin.   X,   o.    11.   n.    18. 

•^    Rat.  an.,  c.  lä. 

''  Si  vel  Deum  vel  seipsam  vel  spiritale  aliquid  considerare  gestit,  avertit  so  a  sensibus  carnis,  ne  Haut  ei  inipedimcnto.  spiri- 
tualia  rimanti  (Rat.  an.,  c.  12).  —  Vgl.  Aug.  Gen.  ad  Ut.  VII,  c.  14:  Cum  liis  (seil,  rivulis  iguium,  siehe  folg.  Anm.)  (juasi 
nuntiis  accipiat  anima,  quicquid  eam  corporalium  non  latet,  ipsa  vero  usque  adeo  aliud  quiddam  sit,  ut  cum  vult  intelligere 
vel  divina,  vel  Deum  vel  omuino  etiam  seipsam  suasque  considerare  virtutes,  ut  aliquid  veri  certique  comprehendat,  ab  hac 
ipsorum  quoque  oculorum  luce  se  avertit,  eamque  ad  hoc  negotium  non  tantum  nullo  adjumento,  verum  etiam  nunnullo 
inipedimento  esse  sentiens,  se  in  obtutum  mentis  attoUit quo  nullus  caniis  sensus  aspirat. 


72  K'   Wki:nei!. 

zurückzugelien,  dass  keine  siniiiielie  Einwii-kung  sie  zu  erreichen  uder  sich  ilir  fühlbar 
zu  machen  vermag.  Sie  steht  eben  gleich  Gott  über  allem  Körperlichen,  belierrscht  und 
regiert  den  ihr  eignenden  Leib,  mit  welchem  sie  durch  das  Medium  Aev  feinsten  Körper- 
lichkeiten, des  Lichtes  und  dcv  Luft,  verkehrt.'  Das  Liciit  vermittelt  ihr  die  Wahrnehmung 
aller  sinnlichen  Gestalten,  welche  sie  speciticirt,  und  als  specific! rte  in  sich  aufnimmt.  Die 
Seele  ist  in  die  Mitleidenschaft  mit  den  Störungen  des  körperlichen  Wohlseins  gezogen;  die 
seelische  Empfindung  diesei'  Störungen  lieisst  Schmerz.*  Man  kann  die  Seele  am  besten 
als  Spiritus  vitae  bezeichnen;^  nur  hat  man  hiebei  nicht  an  das  den  vernunftlosen 
Thieren  eignende  Leben  zu  denken.  l)as  Leben  der  Seele  steht  zwai-  in  dieser  irdischen 
Zeitlichkeit  unter  jenem  der  Engel,  wiid  aber  für  die  zeitlicli  bewährte  Seele  in  der 
jenseitigen  Zukunft  ein   englisches  Leben  sein.'' 

Die  hohe  ßangstellung  der  menschlichen  Seele  wird  von  Alcuin  weiter  noch  nach- 
gewiesen aus  der  wunderbaren  Schnelligkeit,  mit  welcher  sich  in  ihr  die  durch  die 
Sinneseitidrücke  hervorgerufenen  Vorstellungen  bilden,  so  wie  aus  dem  noch  wunder- 
barerem Vermögen  derselben,  abwesende  und  sogar  nie  gesehene  Gegenstände  sich  zu 
imaginiren.  Augustinus  formt  aus  diesen  psychologischen  Thatsachen  Beweise  für  die 
Unsterblichkeit  der  Seele;  Alcuin  begnügt  sich  im  Allgemeinen,  die  auszeichnenden 
Vorzüge  der  menschlichen  Seele  daran  ersichtlich  zu  machen,  und  zu  zeigen,  wie  sehr 
die  Seele  schon  durch  ihre  natürliche  Begabung  der  göttlichen  Wesenheit  sich  annähere; 
sie  vermöge  in  Einem  Momente  weite  Länder,  Meere,  den  ganzen  Himmelsraum  im 
Gedanken  zu  durcheilen,  das  Fernste  sich  geistig  zu  vergegenwärtigen,  und  sei  von  solcher 
Beweglichkeit,  dass  sie  auch  nicht  einmal  dann,  wenn  sie  in  Schlaf  versenkt  ist,  unthätig 
ruhe.  Allerdings  zeigen  sich  auch  Schranken  ihres  natürlichen  Könnens;  sie  kann  nicht 
zwei  Objecte  zugleich  in  gesonderten  Vorstellungen  sich  vergegenwärtigen,  sondern  nur 
eines  nach  dem  anderen,  und  unterscheidet  sich  dadurch  von  Gott,  dem  Alles  zugleich 
gegenwärtig  ist.  Aber  die  Allgegenwart  Gottes  in  der  Schöpfung  wird  dem  menschlichen 
Denken  einiger  Massen  leichter  denkbar  gemacht  durch  die  Thatsache,  dass  auch  die 
Seele  nicht  etwa  durch  die  Schranken  des  Leibes  an  einen  bestimmten  Ort  gebannt  ist, 
sondern   im  Fluge  des  Gedankens  alle  Räume  zu  durcheilen  vermag. 


Quae  i'tiam  per  lucem  et  ai-reii),  quae  suut  excellentiora  inuiuli  eoi'pora,  corpus  aduiiiiistrat  suum.  iRat.  an.,  e.  12).  —  Vg-1. 
Aug.  Gen.  ad.  lit.  VII,  1.5:  Anima  erassiorem  corpori.s  sui  materiam  h.  e.  humidam  quamdaui  terr.ani,  quae  in  carnis  versa 
est  qualitatem,  per  subtiliorem  naturam  corporis  adniinistrat  h.  e.  per  lucem  et  acrein.  Dieser  Gedaulce  wird  von  Augustinus 
näher  in  foljjender  Weise  auseinander  gesetzt:  Si  non  est  coutemnendum.  quod  medici  non  tantum  dicuut,  verum  etiaiii 
probare  se  affirmant,  quamvis  omnis  caro  terrenam  soliditatem  in  promptu  gerat,  liabet  tamen  in  se  aeris  aliquid,  quod  et 
pulmonibus  continetur,  et  a  corde  per  venas,  quas  arterias  vocant,  diflfunditur;  et  ignis  non  solum  fervidam  qualitatem,  cujus 
.sedes  in  jecore  est,  verum  etiam  luculentam,  (luain  velut  eliquari  ac  subvolare  ostendunt  in  excelsum  cerebri  locum,  tanquam 
in  coelum  corporis  nostri;  unde  et  radii  emicant  oculorum,  et  de  cujus  medio  velut  centro  quodara  uon  solum  ad  oculos  sed 
etiam  ad  sensus  eeteros  tenues  tistulae  deducuntur,  ad  aures  seil.,  ad  nares,  ad  iialatum,  propter  audiendum,  olfaciendum  et 
gustandum;  ipsunique  tangendi  seusuiu,  qui  per  totum  corpus  est,  ab  eodem  cerebro  dirigi  dicunt  per  meduUam  cervicis,  et 
eam,  quae  continetur  ossibus,  quibus  spiua  dorsi  conseritur,  ut  indo  se  tenuissinii  quidam  rivuli,  qui  tangendi  sensum  taciunt 
per  cuncta  niembra  diffundant.  Gen.  ad  lit.  VII,   13. 

Cum  afflictiones  aliquae  corpori  eveniunt,  ott'enditnr  anima.  dum  teraperamentum  faciendi  quod  vult  deerit;  et  liaec  ort'ensio 
dolor  vocatnr.  Si  autinii  in  tantum  fraudatur  membrorum  admiiiistratione,  ut  non  liabeat,  quid  operetur  in  eis,  recedit,  quasi 
indignata  habitationi  suae  (Hat.  au.,  c.  12).  —  Vgl.  Aug.  Gen.  ad  lit.  VII,  c.  li),  n.  25:  Anima,  cum  afflictiones  corpori.s 
moleste  sentit,  aetionem  suam,  quae  illi  regendo  adest,  turbato  ejus  temperaniento  imjjediri  ofifenditur,  et  haec  offensio  dolor 

vocatur Denique  dum  liaec    ejus    miniateria  (seil,    ai^ris    nervis   infusi)  vitio    quolibet    seu   perturbatione   omni   modo 

deficinnt,  desistentibus  nuntiis  sentiendi  et  niinistris  movcndi,  tanquam   non  babens,   cur  .adsit,  abscedit. 

Mit  Beziehung  auf  1  Mos.   2,  7. 

Die  bezügliche  Stelle  bei  Alcuin   (Rat.  an.,  c.   12)  ist  wortgetreu  aus   Aug.   Gen.  ad  lit.  VII,  c.   21,  n.   30  entlehnt. 


Der    ENTWlOKELUrvGSGANU   DEU  MITTELALTERLICHEN   PSYCHOLOGIE   VON   AlcUIN    BIS    AlbERTUS  MaGNÜS.  7,'{ 

Bis  liielier  sehen  wir  Alcuiri  ganz  in  den  Gleisen  Augiistinisclier  Gedanken  sich 
bewegen,  obschon  er  bekennt,  dass  ihm  mehz-ere  der  auf  die  Seelenlehre  bezüglichen 
Schriften  Augustins :  De  tj[uantitate  animae;  De  immortalitate  animae;  De  duabus  animabus; 
De  anima  ejusque  origine  bisher  nicht  zugänglich  gewesen  seien ;  daher  er  seine  Freundin 
bittet,  dieselben,  wenn  sie  in  der  kaiserlichen  Bibliotliek  sicli  fänden,  niclit  blos  selbst  zu 
lesen,  sondern  aucli  ihm  zur  Leetüre  zu  senden.  Nun  abei'  treffen  wir  auf  einen  schon 
oben  angedeuteten  Puidct,  der  eine  nicht  unerhebliclie  Abweichung  Alcuins  vom  Geiste 
der  Augustinischen  Anschauungsweise  begründet.  Alcuin,  in  seiner  Jugend  im  Kloster 
erzogen  und  in  seinen  späteren  Lebensjahren  nacli  seinem  Scheiden  vom  Hofe  Karls  des 
Grossen  Abt  eines  Klosters  (in  Tours),  war  ein  fleissiger  Leser  der  in  den  abendländischen 
Mönchsklöstern  allenthalben  eifrig  gelesenen  Schriften  (Jassians ;  demzufolge  ist  es  sehr 
erklärlich,  dass  gewisse,  die  Moralpsychologie  derselben  betreffende  Stellen  seinem  Denken 
eben  so  geläufig  geworden  waren,  wie  die  Grundanschauungen  der  Augustinischen 
Seelenlehre.  Indem  er  nun  den  christlichen  Seelenbegriff  nach  der  ethischen  Seite  hin 
weiter  entwickeln  wollte,  lehnte  er  sich  an  die  in  Cassians  Büchern  gegebenen  Aus- 
führungen an,  die  ihm  eine  wünschenswerthe  und  fruchtbare  Weiterbildung  der  aus 
Augustinus  entlehnten  Grundgedanken  seiner  Schrift  darzubieten  schienen.  Einer  der 
Haupt-  und  Grundgedanken  seiner  Schrift  ist,  wie  wir  sahen,  die  Mittelstelluno-  der 
Seele  zwischen  Gott  und  der  sichtbaren  Wirklichkeit;  die  dieser  Mittelstellung  entspre- 
chende Aufgabe  der  Seele  ist,  dass  sie  in  Gott  zum  unsterblichen  Freudenleben  sich 
vollendend  auch  der  ihr  eignenden  Leiblichkeit  zum  Mitantheil  an  ihrem  unsterblichen 
Freudensein  verhelfe.  Diese  über  das  Leben  der  irdischen  Zeit  hinausgreifende  Be- 
stimmung der  Seele,  mit  der  die  christliche  Auferstehungslehre  im  engsten  Connexe 
steht,  reflectirt  sich  für  das  sterbliche  Zeitleben  in  der  ethisclien  Forderung,  dass  die 
Seele  in  ihrem  bewussten  selbstthätigen  Leben  sich  nach  Gott,  den  Leib  aber  nach  sich 
selbst  d.  h.  ihrer  höheren  Würde  gemäss  bestimmen  solle.  Alcuin  spricht  nun  da,  wo 
es  sich  um  Vollendung  des  Seelischen  in  Gott,  des  Leiblichen  im  Seelischen  handelt 
wohl  noch  ganz  in  Augustinischer  Weise ;  ^  den  entgegengesetzten  Process  aber,  die 
Entartung  des  von  Gott  abgewendeten  seelischen  Lebens  und  das  Versinken  der  Seele 
im  Dasein  der  gottentfremdeten  irdisch-sinnlichen  Weltlichkeit  beschreibt  er  in  der  Weise 
der    Cassianischen    Bücher.      Wir    hörten    schon    zuvor,    dass    Alcuin    an    Cassians  Ked 


le- 


weise  sich  anschliessend  zwischen  einem  höheren  und  niederen  Theile  der  Seele  untei'- 
scheidet,  ^  welcher  letztere  abermals  in  das  Irascibile  und  Concupiscibile  (6'j[i.t%6v  und 
STCiO'jjrrjXt.ÄÖv)  geschieden  wird.  Alcuin  bekennt  sich  sonach  mit  Gassian  zu  einer  Tricho- 
tomie,  die  aus  der  Dichotomie  von  '^'j/yj  /.oyta-otTj  und  '|y/Yj  Hyr^zri  hervorgeht,  und  nur 
unter  Voraussetzung  der  Wahrheit  und  Berechtigung  dieser  dichotomischen  Scheidung 
Geltung  und  Berechtigung  ansprechen  kann.  Augustinus  hatte  sie  trotz  seiner  sonstigen 
Hochhaltung  der  Platonischen  Philosophie  abgeworfen;  an  der  substantiellen  und  wesen- 
haften Einheit  des  Seelenwesens  festhaltend  unterschied  er  eine  Reihe  von  Thätierkeits- 
stufen   der   Seele   in   aufsteigender  Ordnung,   das  Begehren   und  Verabscheuen   der  Seele 


'    R;it.  an.,  c.  9:  Sieut  corporis  vita  animus  est,  ita  animae  vita  Dens  est.  DniTi   anima  <ieserit  corpus,  moritur  corpus 

nnimae  vero  mors  est,  dum  eam  Dens  deserit  dono  suae  gratiae  etc. 

-    Ganz  fremd  ist  diese  Sprechweise  auch  Augustin  nicht:  Anima ex  «juadani  parte,  (juam  vocant  mentem  rationalem, 

inliaerens  Deo,  jani   et  suspirans    in    illum,    animadvertit  <|uasdam  suas    inferiores  i)arte.s  perturbari   motibus  saecularibiis,  et 
cupiditate  quadam  terrenoruni  desiderioruni  ire  in  exteriora,  relinquere  interiorera  Deum  etc.  Enarr.  in  Psalm.   145,  n.  5. 
HenkBchriftcn  der  phM.-hist.  CL  .XXV.  Bd.  10 


74 


K.   Wernkr. 


aber  wies  er  derselben  als  allgemeine  Thätigkeitsformen  zu,  rücksichtlich  welcher  er 
nur  Object  und  Richtung  derselben  unterscliied,  und  das  regelwidrige  Begehren  und  Verab- 
scheuen der  Seele  aus  der  Deteriorirung  ihres  Lebens  durch  die  Macht  der  allen  Adams- 
kindern angeerbten  sündlichen  Concupiscenz  erklärte.  Diese  letztere  anerkannte  nun 
wohl  auch  Cassian;  sie  schien  ilim  aber  eigentlich  doch  nur  eine  Vitiation  der  sinnlichen 
Natur  des  Menschen  zu  sein,  während  sie  bei  Augustinus  eine  Vitiation  des  ganzen 
inneren  Seelenmenschen,  soweit  die  Seele  der  sinnlichen  Leiblichkeit  eingesenkt  ist,  zu 
bedeuten  hat,  obschon  sie  ihren  Hauptherd  auch  nach  Augustinus  in  sinnlich-tleisch- 
lichen  Gelüsten  liat.  Die  Augustinische  Anschauung  geht  unstreitig  tiefer  und  ist  die  in 
sich  durchgebildetere ;  es  fehlt  ihr  aber  in  ihrer  ausschliesslicli  theologischen  Fassung  die 
psychologisch-pragmatische  Vermittelung,  deren  Mangel  durch  tiefsinnige  Erörterungen 
über  den  metaphysischen  Charakter  des  Bösen  sich  keineswegs  decken  lässt.  Eine  prag- 
matisch-anthropologische Reflexion  würde  zur  Erläuterung  der  Augustinischen  Theologie 
des  durch  den  Sündenfall  gewirkten  menschlichen  Schuldverderbens  ungefähr  folgendes 
beibringen :  Die  in  Folge  der  Alteration  des  ursprünglichen,  in  einem  liöheren  Gnaden- 
elemente vermittelten  Verhältnisses  von  Geist  und  Leib  ihrer  ursprünglichen  selbst- 
mäclitigen  Herrschaft  über  den  I^eib  und  die  Sinnenwelt  beraubte  Menschenseele  ist 
zufolü'e  dieses  ihres  Schuldffeschickes  in  ein  durchaus  verändertes  Verhältniss  zu  Zeit 
und  Welt  gesetzt;  jede  Menschenseele,  welche  in  Folge  elterlicher  Zeugung  neu  in's 
irdische  Dasein  tritt,  tritt  hiemit  zufolge  ihrer  Versenktheit  in  den  sinnlichen  Stoff  in 
eine  Welt  des  Scheines  und  der  Täuschung,  über  deren  Eindrücke  und  Berückungen 
sie  sich  in  Kraft  ihres  allmälig  sich  entwickelnden  geistig-ethischen  Selbstlebens  nur 
allmälig  erhebt,  aus  sich  selbst  aber,  d.  i.  ohne  Gott,  nie  erheben  kann.  Die  täuschenden 
und  berückenden  Einflüsse  der  zeitlich-irdischen  Daseinswelt,  die  sich  für  sie  in  Folge 
ihres  verstellten  Verhältnisses  zu  Zeit  und  Welt  in  eine  Welt  des  Scheines  und  der 
Täuschung  verkehrt  hat,  wecken  in  ihr  das  begehrliche  Gelüsten  nach  den  Gütern  des 
Scheines,  welche  zu  solchen  für  sie  dadurch  werden,  dass  sie  von  ihr  als  absolutes  Gut 
angesehen  und  betrachtet  werden,  während  sie  nur  relative  Güter  sind.  In  diesem 
Begehren  nach  den  Gütern  des  Scheines  d.  h.  in  der  Uebei'schätzung  der  blos  relativen 
(jüter  des  zeitlich-irdischen  Weltdaseins  gibt  sich  zunächst  die  Verdunkelung  oder  völlige 
Erblindimg  des  tieferen  Seelenblickes  und  die  passive  Abhängigkeit  der  Seele  von  einer 
Wirklichkeit  kund,  über  welche  sie  sclbstmächtig  sich  zu  erheben,  und  deren  Gütern  sie  die 
richtige  Beziehung  auf  das  absolute  Gut  zu  geben  im  Stande  sein  sollte.  Diese  Täuschung 
und  Verblendung  in  der  Schätzung  der  Güter  des  irdisch-zeitlichen  Weltdaseins  ist  nicht 
blos  Folge  eines  Schuldgeschickes,  sondern  schliesst  selbst  auch  eine  Schuld  in  sich ; 
und  diese  Schuld  ist  jene  der  Egoität  des  gottentfremdeten  Ich,  welches  den  Werth  der 
Güter,  statt  ihn  an  seinem  absoluten  Massstabe  zu  messen,  nach  dem  Masse  und  Grade 
der  Befriedigung  des  eigenen  Selbst  bemisst.  Da  nun  dieses  zufolge  des  durch  die 
menschliche  Ursünde  verstellten  A^erhältnisses  zwischen  Seele  und  Leib  tief  in's  Stofllich- 
Sinnliche  getaucht  ist,  so  wird  sich  das  Begehren  nach  den  Gütern  des  sinnlichen  Ge- 
nusses als  allgemeinstes  und  gemeinmenschliches  in  den  Vordergrund  stellen,  und  die 
angeborne  Concupiscenz  sich  vornehmlicli  und  primär  auf  die  intensivste  sinnliche  Lust- 
befriedigung, auf  jene  des  rohsinnlichen  geschlechtlichen  Begehrens  beziehen.  Aber 
dieser  Egoismus  der  Sinnlichkeit  ist  nicht  der  einzige ;  ausser  dem  Egoismus  des  Ge- 
nusses gibt  es  auch  einen  Egoismus  des  Habens  oder  Habenwollens  und  einen  Egoismus 


Der   Entwickelungsganü  dek  mittelaltermchen  Psychologie  von   Alcuin  bis  Albertus   Magnus.  75 

des  Gelteiiwollens,  deren  jeder  unter  einem  anderen  Gesichtspunkt  die  Befriedigung  des 
eigenen  Icli  und  seines  Gelüstes  zum  Gegenstande  oder  Inhalte  hat.  Man  muss  es  Cassian 
zum  Verdienste  anrechnen,  in  seiner  Ableitung  der  Capitallaster  aus  ihren  primitiven 
Wurzeln  jenen  dreifachen  Egoismus  des  sündigen  Ich  als  richtigen  Eintheilungsgrund 
der  Capitallaster  in  ihrer  Vielheit  und  Mannigfaltigkeit  erahndet  zu  haben;  nur  berulit 
die  Ableitung  selber  auf  einer  falschen  Psychologie,  deren  Fehler  gewisser  Massen  nur 
durch  den  Mangel  jeder  strengeren  Vermittelung  unschädlich  werden,  vmd  das  menscli- 
lich  Wahre  zu  seinem  Kechte  kommen  lassen.  Cassian  leitet  das  Mannigfaltige  der  vitia 
capitalia  aus  der  sittlichen  Verderbung  der  drei  Theile  des  Seelenwesens,  des  Rationale, 
Irascibile  und  Concupiscibile  ab;'  an  ihn  sich  anschliessend  leitet  Alcuin  ^  aus  der  Ver- 
derbung des  Rationale  die  Hoffahrt  und  eitle  Ruhmsucht  (cenodoxia),  aus  der  Verderbung 
und  Abstumpfung  des  Irascibile  die  Verdrossenheit  (tristitia)  und  Trägheit  (acedia),  aus 
der  Entartung  des  Concupiscibile  die  Völlerei,  geschlechtliche  Unzucht  und  Habgier 
ab.^  Man  sieht  auf  den  ersten  Blick,  dass  mit  dem  Concupiscibile  und  Irascibile  kein 
bestimmter,  fester  Begriff  verbunden  wird,  indem  beide  theils  als  etwas  der  auima 
rationalis  Untergeordnetes,  theils  als  Habitus  dieser  selbst  genommen  werden;  offenbar 
aber  ist  der  Grundgedanke  der,  dass  sie  etwas  der  anima  rationalis  Untergeordnetes 
bedeuten  sollen,  wobei  das  Concupiscibile  am  Tiefsten  steht.  Wenn  aber  das  Concupisci- 
bile das  sinnliche  Begehren  bedeutet,  so  ist  daraus  nicht  die  philargyria  abzuleiten,  die 
keine  Leidenschaft  des  sinnlichen  Begehrens,  sondern  gewiss  eine  Leidenschaft  unmittel- 
bar der  Seele  selber  ist,  die  in  ihrer  unerleuchteten  Begehrlichkeit  sich  über  Werth  und 
Zweck  der  Güter  des  zeitlichen  Besitzes  denkende  Rechenschaft  zu  geben  versäumt.  Mit 
den  Leidenschaften  der  Genusssucht  hat  die  Habgier  diess  gemein,  dass  sie  eine  Hin- 
wendung der  vom  Höheren  abgewendeten  Seele  auf  die  untersten  und  niedersten  Güter 
des  zeitlich-irdischen  Daseins  ist.  Daraus  folgt  aber,  dass  das  Concupiscibile  als  Kraft 
des  Begehrens  unmittelbar  eine  Kraft  der  denkfähigen  Seele  selber  ist,  und  demgemäss 
von  dieser  nicht  als  etwas  Besonderes  abgetrennt  werden  kann;  das  Vorhandensein  von 
sinnlichen  Begehrungen  in  der  denkfähigen  Seele  beweist  nur,  dass  sie  sich  Begehrungen 
aufdringen  Hess,  die  keine  ursprünglichen  Begehrungen  der  Seele  als  solcher  sondern 
ursprünglicli  Begehrungen  des  in  relativer  Unabhängigkeit  von  ihr  sich  entwickelnden 
sinnlichen  Trieblebens  sind,  dessen  Begehrungen  für  die  der  sinnlichen  Leiblichkeit 
eingesenkte  Seele,  wofern  sie  sich  derselben  nicht  erwehrt,  unmittelbar  auch  Begehrungen 
der  Seele  selber  werden.  Noch  unmittelbarer  springt  die  Unabscheidbarkeit  des  Irascibile 
oder  der  Entrüstungsfähigkeit  vom  Wesen  der  denkfähigen  Seele  in's  Auge,  obschon 
zufolge  der  Verwachsenheit  und  geheimnissvollen  Wechselwirkung  zwischen  Geistigkeit 
und  Sinnlichkeit  im  Menschen  der  erregte  Zornmuth  der  Seele  auch  in  den  Lebens- 
zuständen  der  sinnlichen  Leiblichkeit  sich  mannigfach  reflectirt,  und  theils  anspannend, 
theils  abspannend  auf  dieselbe  einwirkt,  auch  störend  und  zerstörend  in  sie  eingreift. 
Gewiss  hatte  also  Augustinus  Recht,  die  Platonische  trichotomische  Seelentheilung  abzu- 


Vgl.  Cassian.  Collat.  Patr.  XXIV,  15  und  In.'ätitut.  Coencib.  Libli.  V — XII,  wnsell)St  von  den  aclit  Hauptlastern  im  Besonderen 
geliandelt  wird. 

Rat.  an.,  c.  4. 

Alcuin  substituirt  der  von  Cassian  angenommenen  Aehtzalil  eine  Siebenzahl,  indem  er  die  von  Cassian  als  besonderes  Vitium 
behandelte  ira  nicht  mitzählt.  Uebrigens  dünkt  Cassian  aueli  die  Aclitzahl  nicht  erschöpfend  zu  sein,  da  er  Collat.  Patr. 
XXIV,   1.5  eine  viel  reichlichere  und  in  der  That  vollständigere  Aufzählung-  der  mannigfaltigen   ITauptleidenschaften  gibt. 

1(1' 


76  -t-    Wkknek. 

werfen,'  und  aucli  Ak'uin  anerkennt  die  sittliche  Zweckhezieluing  des  in  der  menschliciien 
Seeleninnerliehkeit  vorhandenen  Irascibile  imd  Concupis(;ibile ; "  er  sieht  aber  dessunge- 
aehtet  in  diesen  beiden  Vei-niöiicn  nur  /.wci  IFilfskratte  der  Seele  keineswegs  aber  zwei 
vitale  Thätigkeitsäusserungen,  (li(>  ilir  gi-iind\vesentlicli  eigen  sind  und  so  gewiss  zu- 
kommen müssen,  als  sIt'  nicht  blos  Denkwesen,  sonchMii  zugleieli  auch  Strebewesen  ist, 
und  demzufolge  sich  mit  liezug  auf  den  für  die  Art  ihres  Lebens  und  Strebens  mass- 
o-ebenden  Gegensatz  des  Guten  und  Schlimmen,  ßegehrenswerthen  und  Verabscheuungs- 
würdigen  zu  bestimmen  hat.  Das  Begehi-en  nach  dem,  was  die  sehnende  Seele  befriedigen 
und'  ausfüllen  soll,  ist  im  Menschen  vom  Anfang  lier  vorhanden,  die  Erkenntniss  dessen 
aber,  wodurch  sie  vollkommene  Befriedigung  erlangen  kann  und  soll,  reift  nur  allmälig, 
und  ist  als  lebendige  Erkenntniss  nur  in  Jenen  vorhanden,  die  von  der  Macht  des  voll- 
endet Guten  selbst  schon  innerlich  beridirt  und  ergriffen  sind,  die  im  Guten  das  Wahre 
und  das  AVahre  im  Guten,  in  beidem  Gott  suchen.  So  dolmetscht  Hugo  von  St.  Victor 
die  der  religiösen  Anthropologie  Augustins  zu  Grunde  liegenden  Grundgedanken;*  seine 
Lehre  von  der  sündlichen  Concupiscenz  aber,  die  allen  Sprossen  des  menschlichen  Ge- 
schlechtes anhaftend  durch  die  elterliche  Zeugung  sich  forterbt,  und  für  jedes  Menschen- 
individuum den  sittlichen  Kampf  zwischen  dem  irdisch-sinnlichen  Weltmenschen  und 
höheren  Geistmenschen  bedingt,  wird  nach  ihrem  allgemein  menschlichen  Sinne,  oder 
soweit  sich  diess  nicht  speciell  auf  den  Kampf  zwischen  Geist  und  Fleisch  bezieht,  so 
viel  besagen,  dass  alles  irdisch-menschliche  Streben  mit  der  Schuld  der  irdisch-sinnlichen 
Eo-oität  behaftet  ist,  so  lange  es  nicht  in  der  Geistigkeit  vollendeter,  religiöser  Sittlichkeit 
o-eläutert  und  o-eklärt  ist.  in  welcher  der  Mensch  nicht  mehr  sich  und  seinen  persönlichen 
Interessen,  sondern  Avahrhaft  Gott  dient  und  angeliört.  Der  biblische  Gegensatz  vom 
spirituellen  und  fleischlichen  Menschen,  dessen  Erläuterung  den  Inhalt  der  Augustinischen 
Hamartiologie  und  Charitologie  ausmacht,  bezieht  sich  auf  den  inneren  Seelenmenschen, 
je  nachdem  dieser  in  sinnlich-irdischen  Strebungen  sich  zusehends  vergröbert  und  mate- 
rialisirt,  oder  in  beliarrlichen  Strebungen  entgegengesetzter  Art  sich  successiv  vergeistiget 
und  klärt,  und  damit  das  ihm  von  Geburt  an  angethane  Schuldgeschick  in  (irottes  Kraft 
überwindet.  Cassian  spricht  *  von  einem  Herabsinken  der  durch  den  Schmutz  der  Laster 
verdichteten  Seele  in  den  fleischlichen  Theil  derselben;  hiemit  ist  die  Vorstellung  von  einer 
mit  der  dichotomischen  oder  trichotomischen  Theilung  der  Seele  zusammengedachten  Ma- 
t<M-ialität  der  Seele  involvirt,  welcher  gegeniiber  von  Augustinus  die  untheilbare  Einheit  und 
Immaterialität  des  Seelenwesens  aufrecht  ei'halten  wird.  Freilich  lässt  Augustinus  die  ganze 


'  Er  erklärt  die  Abtreuiimig  des  Irascibile  und  Conciiiiiscilnle  vuii  der  ;iuinia  ratioiialis  ;uis  der  Walirneliimuig  der  Verderlnuig 
des  Seelenwesens,  deren  Gründe  man  niclit  erkannt,  und  demzufolge  die  factische  Zuständlichkeit  für  die  ursprüngliche  und 
natürliche  genommen  habe:  Uli  philosoi)lii,  qiü  veritati  propius  accesserunt,  iram  atque  libidinem  vitiosas  animi  partes  esse 
confessi  sunt,  eo  «[uod  tiirbide   ac  inordinate  moverentur  ad  ea  etiam,    quae  sapientia   perpetrari  non  vetat,  ac  per  hoc  opus 

habere  moderatrice  mente  atque  ratione Hae   tamen   partes   ante    peceatum  vitiosae    non    erant  ....  (^uod   nuuo 

ita    moveutur,  et  ab  iis,  qui  temperanter  et  juste  et  pie  vivunt cohibendo  et  refrenando  niodifioantur,  non  est  utique 

.sanitas   e.K   natura,   sed    languor  ex   culpa.   Civ.  Dei  XIV,   e.    19. 

•'    Cnncu])lscentia  data  est  homini  ad  concui>iscenda  quae  sunt  utilia,  et  quae  sibi  ad  salutem   proficiunt  sempiternam 

Ira  data  est  ad  vitia  (■(diibenda,  ne  impiis  i.  e.  iieccatis  serviat  homo.  Bat.  an.,  c.  4. 

■'  Auinuis  corporeis  passionibns  consopitus  et  per  sensibiles  formas  extra  senietipsuni  .-ibductus  oblitus  est  (juid  fuit.  Kt  (jula 
nihil  aliud  se  fuisse  nieniinit,  nihil  praeter  quod  videtur,  esae  credit.  Solo  .sensu  circa  corpora  et  imaginatione  circa  corporum 
similitudine.s  et  locorum  versatur.  et  in  eis  sive  vigilando,  sive  dormieudo  distrahitur.  Cum  vero  al)  hac  distraeticuie  per 
puram   intelligentiam   asccndens    in   unnni  se  coUigit,   rationalis  dicitur.   Hugo    Krud.  didasc.   1.   c.   •_'. 

>    Collat.  Patr.  I,   17. 


Der     ENTWirKELDNGSGANG    DER    MITTELALTERLTCHEN    PSYCHOLOGIE    VON     AlCÜIM    BIS     AlUERTI'S     MaGNUS.  77 

Seele  des  Menschen  durch  ihre  P]insenkung  in  den  Sinnenleib  fleischlich  werden,  was  natür- 
lich in  ethischem  Sinne  zu  verstehen  ist,  und  vornehmlich  die  Gebundenheit  des  vom  sinn- 
lichen und  irdischen  Lebensinteresse  beherrschten  sittlichen  Willens,  aber  nicht  blos 
diese,  sondern  insgemein  die  Trübung  und  Verdunkelung  des  von  der  Macht  der  sinnlich- 
irdischen  Daseinswirklichkeit  und  vom  sinnlichen  Lustinteresse  beherrschten  seelischen 
Lebens  bedeutet.  Wir  erkennen  in  diesem  Urtheile  Augustins,  welches  wenigstens 
erfahrungsmässig  an  einem  grossen  Theile  des  über  den  ganzen  Erdball  verbreiteten 
menschlichen  Geschlechtes  sich  bewahrheitet,  das  Correlat  seiner  Idee  von  der  hohen 
Rangstellung  der  menschlichen  Seele,  die  unter  dem  Drucke  der  leiblichen  und  moralischen 
Erdennoth  allerdings  in  einem  Stande  der  Erniedrigung  sich  befindet,  welcher  von  der 
idealen  Höhe  jenes  Ranges  scharf  genug  sich  abhebt.  Es  wii-d  sich,  angesichts  dieses 
moralischen  Nothstandes,  nur  darum  handeln,  die  Idee  der  göttlichen  Hilfe  und  Rettung 
weit  genug  zu  fassen,  um  nicht  die  ohne  ihr  persönliches  Zuthun  und  Verschulden 
demselben  Anheimgefallenen  schon  als  solche  in  ihrer  Mehrheit  als  Verlorne  zu  erachten; 
wie  die  Schuld,  so  ist  auch  die  göttliche  Rettung  ein  Geheimniss,  das  in  den  Segnungen 
des  christlichen  Heilsglaubens  wohl  der  Welt  offenbar  geworden  ist,  aber  erst  am  Ablaufe 
aller  irdischen   Zeit  vollkommen   enthüllt  werden  wird. 

Der  Nächste,  der  nach  Alcuin  den  Begriff  der  Menschenseele  erörterte,  wai-  Hrabanus 
Maurus.  Hatte  Alcuin  sich  vornehmlich  auf  Augustinus  gestützt,  so  benützte  Hraban 
vornehmlich  Cassiodors  Schrift  De  anima,  aus  welcher  der  grössere  Theil  seiner,  dem 
Könige  Lothar  gewidmeten,  gleichnamigen  Abhandlung  entlehnt  ist;  nebstdem  bekennt 
er  auch  aus  Prosper,  unter  welchem  wohl  der  Verfasser  des  Liber  de  dogmatibus  eecle- 
siasticis,  oder  noch  wahrscheinlicher  Claudianus  Mamertus,  der  ßestreiter  des  an  die  Lehren 
der  Stoa  sich  anlehnenden  semipelaglanisclien  Seelenbegriffes  gemeint  ist.  Manches  geschöpft 
zu  haben.  Hraban  beginnt  seine  Schrift  mit  dem  Satze,  dass  man  einzig  dem  Menschen, 
nicht  aber  den  Thieren  eine  Seele  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  beilegen  könne.'  Die 
Thiere  haben  Leben,  dessen  Geist  in  ihrem  Blute  ist.  Verströmt  das  Blut  des  Thieres,  so  ist 
ihr  Leben  verflogen.  Nicht  so  verhält  es  sich  mit  dem  Lebensprincip  des  Menschenleibes, 
welches  nach  Verströmung  des  Blutes  fortdauert,  weil  es  ein  vom  Blute  unabhängiges  Sein 
hat,  wie  auch  schon  das  Wort  anima  (gleichsam  avaqjta  =:  longe  discreta  a  sanguine)  anzu- 
deuten scheint.  Uebrigens  ist  durch  das  Wort  anima  eigentlich  diess  gesagt,  dass  die 
Seele  Belebungspi-inclp  des  Leibes  sei;  ICinige  leiten  das  Wort  anima  vom  griechischen 
aV£[j.oc  her.  Die  Lehrer  der  weltliehen  Wissenschaften  definiren  die  Seele  als  eine  ein- 
fache, von  der  Materie  des  Leibes  unterschiedene  Substanz,  welche  den  Leib  belebt  und 
seine  Organe  in  Thätigkeit  setzt.  ^  Nach  der  von  den  christlichen  Lehrern  gegebenen 
Begriffsbestimmung  ist  die  menschliche  Seele  eine  geschöpfliche,  geistige,  aber  von  den 
Engelgeistern  specifisch  verschiedene  Substanz,  welche  den  Körper  belebt,  mit  \  ernunft 
begabt  und  unsterblich,  zufolge  ihres  wahlfreien  Willens  aber  des  (Juten  und  Bösen 
fähig  ist.  ^     Zufolge  ihrer  Geschöpf llchkeit   kann  die  Seele  kein  Ausfluss  oder  Theil  der 


'    Vgl.  Cassiodor.    de  animn,    e.    1.    —  Geiinad.  i-crl.  dog-ni.,    c.    Ui :    Solum  hoiniiiem    civdiTiins  lialiero  aiiimam  .siibstantivani, 

(jiiae    exuta    corpore    vivit aniiiialiuiTi    vero    aniiiiae    iion   sunt  sulistautivae,    sfd   iiim    canie  ipsa  oarnis  vivacitate 

nascniitur,  et  cum  carnis  iiioite  finüintHr. 

2  Vgl.  Cassi'odor  an.  c,  i;  Magistri  saefulaiium  literariiin  .liuiit  aniinam  ease  sulistantiam  siinpliccm,  speciem  naturalem,  di.itauteru 
a   materia  corporis  siii,  Organum  menibronim  et  virtiitem  vitae   Iraheiitem. 

•'    WiMtlich   nach   Caasiudor  O.  c,  c.  "2. 


r>i^  K.   Wkhner. 

o-öttlldien  Wesenlieit  sein.  Die  (Tcistigkeit  oder  Unkürpcrlichkeit  der  Seele  ergibt  sieli 
daraus,  dass  au  ihr  keiue  raumliclieu  Diiueusiouen  walirzunolimeu  sind,  dass  sie,  obwohl 
durcli  den  Körper  beschwert,  dennoch  im  Denken  weit  (iber  den  engen  llauni  des  Körpers 
lüjiausoreift  dass  sie  in  ihrer  innerlichen  Anschauung  Unsichtbares  erfasst,  Himmlisches 
denkt,  ja  selbst  das  Göttliche  sieh  denkbai-  zu  nuichen  vermag.  Ihr  specifischer  Unter- 
schi ml  von  den  Engelgeistern  ergibt  sicli  daraus,  dass  eben  nui-  die  Menschenseele,  nicht 
aber  ein  Engelgeist  in  die  i\Iitleidenschaft  au  den  Zuständen  und  Affectionen  des  Leibes 
ü-ezogen  werden  kann  d.  li.  sinnlicher  Empfindungen  fähig  ist.  Als  Lebensprincip  des 
Leibes  bekundet  sich  die  Seele  durch  ihre  Liebe  zum  Leibe,  dessen  Zustände  gleichsan» 
ihre  eigenen  Zustände  sind;  sie  sieht  das  Leben  des  Leibes  gewisser  Massen  als  ihi- 
eigenes  Leben  an  und  fürchtet  den  Tod,  obwohl  sie  selbst  nicht  sterben  kann.  Die 
Unsterblichkeit  wird  von  den  Philosophen  auf  mannigfache  Art  bewiesen;  einer  ihrer 
Beweisgründe  ist  die  Einfachheit  und  Unauflösbarkeit  des  Seelenwesens,  ein  anderes 
Argument  wird  daraus  geschöpft,  dass  die  den  Leib  belebende  Seele  nicht  wie  der  Leib 
anderswoher,  sondern  aus  sich  selber  lebt.  Der  christliche  Beweis  für  die  Seelenunsterb- 
lichkeit ist  die  Grottesbildlichkeit  der  Seele;  es  ist  undenkbar,  dass  die  Seele  Ihm,  dessen 
Wesen  unsterbliches,  unvergängliches  Sein  ist,  ähnlich  sein  könnte,  wenn  sie  vergänglich 
wäre.  Man  könnte  wohl  fragen,  wie  es  komme,  dass  die  Gott  ähnliche  Seele  nicht  gleicli 
Gott  schaffen  odej-  anderes  göttliches  Thun  nachahmen  könne.  Hraban  antwortet  hierauf 
mit  Cassiodor  durch  ein  Gleichniss;  das  gemalte  Bild  eines  Menschen  kann  seinem 
lebendigen  Originale  vollkommen  ähnlich  sein,  dessungeachtet  ist  es  nicht  im  Stande,  die 
Handlungen  seines   Originales  nachzuahmen. 

Ueber  die  Entstehungsart  der  einzelnen  Menschenseelen'  will  sich  Hraban  eben  so 
wenig  als  sein  unmittelbarer  Vorgänger  Alcuin^  bestimmt  entscheiden.  Gewiss  sei,  dass 
dem  ersten  Menschen  die  Seele  unmittelbar  von  Gott  eingehaucht  wurde;  dem  ent- 
sprechend glauben  Einige,  dass  jedem  Fötus,  welcher  sich  bis  zum  vierzigsten  Tage  nach 
der  Zeugung  im  Mutterschoosse  gebildet  hat,  die  Seele  unmittelbaj-  von  Gott  eingeschaffen 
werde.  Andere  glauben  aber,  dass  mit  den  Leibern  auch  die  Seelen  von  den  elter- 
lichen Erzeugern  stammen,  und  dass  auf  diese  Weise  die  Erbsünde  am  leichtesten  sich 
erklären  lasse.  Da  indess  über  diesen  I'unkt  selbst  Augustinus  zu  keiner  entschieden 
abschliessenden  Ansicht  gelangte,  so  ist  es  am  Besten,  von  einem  definitiven  Urtheil 
Abstand  zu  nehmen,  und  den  Gegenstand  der  Frage  als  ein  dem  menschlichen  Ver- 
stände unergründliches  Geheimniss  anzusehen. 

Man  fragt  weiter,  ob  die  Seele  eine  Form  habe.'  Unter  Form  versteht  man  die 
Eingrenzung  eines  Gegenstandes.  Durch  Linien  und  Flächen  kann  nur  ein  Körper  ein- 
gegrenzt werden.  Da  nun  die  Seele  unkörperlich  ist,  so  versteht  es  sich  von  selbst, 
dass  sie  keine  Form  habeii  könne.  Wenn  nun  die  Seele  keine  räumliche  extensive 
Grösse  ist.  so  folgt  daraus  noch  nicht,  dass  man  sie  von  der  Kategorie  der  Quantität 
völlig  eximire,  da  es  auch  geistige  intensive  Grössen  gibt,  rücksichtlich  welcher  dann 
iminerhin  die  von  Hraban   in   Bezug  auf  die  Seele  verneinte   Frage  aufgeworfen   werden 


'    Vgl.   (J;issii>dor  O.   c,  c.   7. 

2   Rat.  an  c.   13.    —  Alciiiu    verweist   seiue  Freuudiu   bezüglieh    dieses  Gegenstandes   auf   den    beziiirliclioii  Brief  Auffustins  au 

Hieronynuis,  welclieii  er  selbst  bislier  nieht  zn  erlangen  verniocbt  habe. 
'    Vgl.   Ca.s.siudor  O.  c,  f.   -1. 


Der   Entwickelungsuang  dei:  mittei.alterlhhen  P^^ychologie  von   Alcuin  bis  Albertus   Magnus.  79 

kann,  ob  sie  eines  Wachsthums  und  einei-  Melu-ung  fähig  seien.  Für  Ilraban  scheint 
bei  seiner  Behauptung,  dass  den  Seelen  kein  Wachsthiim  zukomme,  neben  Cassiodor, '  aus 
dem  er  die  Motivirung  seiner  Behauptung  entnimmt,  auch  das  Ansehen  des  Glaudianus 
Mamertus  massgebend  gewesen  zu  sein,  welcher-  die  menschliche  Seele  von  der  Kate- 
gorie der  Quantität  schlechthin  eximirt,  und  mn-  die  Kategorie  der  Qualität  unterstellt 
sein  lässt,  nicht  etwa  in  Bezug  auf  ihr  substantielles  AVesen,  sondern  blos  hinsichtlich 
der  mutablen  Affectionen  desselben.  Dass  Claudianus  neben  den  Affectionen  nicht  auf 
die  Kräfte  der  Seele  advertirte,  hat  seinen  Gi'und  wold  darin,  dass  er  diese  mit  dem 
Wesen  der  Seele  selber  identificirte,  imd  das  substantielle  Wesen  als  etwas  nahm,  das 
weder  Mehrung  noch  Minderung  zulasse.  Ans  diesem  Gesichtspunkte  wird  man  sich 
die  Aeusserungen  Cassiodors  und  Hrabans  über  die  Unthunlichkeit  der  Annahme  eines 
Wachsens  der  Seele  zu  erklären  liaben;  auch  beschränken  sie  die  Frage  hierüber  auf 
das  Vernunftvermögen  der  Seele;  die  Frage  in  Bezug  auf  den  ganzen  inneren  Seelen- 
menschen zu  beregen,  liegt  ihnen  zufolge  ihres  abstract  spiritualistischen  Seelenbegriftes 
ferne.  Die  Vernunft  sei  im  Kinde  und  Manne,  Jünglinge  und  Greise  dieselbe;  abei-  im 
Kinde  ist  die  Vernunftthätigkeit  durch  die  Scliwäche  und  Kleinheit  des  unentwickelten 
Körpers  niedcrgelialten,  in  den  Jünglingen  wird  sie  durch  gewisse  Ungleichmässigkeiten 
des  noch  nicht  völlig  ausgebildeten  Körpers  gehemmt.  Hraban  erläutert  mit  Cassiodor 
dieses  Verhältniss  der  Vernunft  im  Kinde  und  Jüngling  durch  den  Vergleich  mit  dem 
Feuer,  das  im  engen  ßaume  oder  initer  einem  dicken,  schweren  und  feuchten  Körper 
nicht  aufwärts  streben,  nicht  zu  seinem  natürlichen  Orte  empordringen  kann. 

Ueber  den  Sitz  der  Seele  lehrt  Hraban'  mit  ('assiodor,  dass  dieselbe  zwar  im 
Körper  all  verbreitet,  aber  nicht  in  allen  Theilen  auf  dieselbe  Art  gegenwärtig  sei 
und  wirke.  Einige  suchten  den  Centralsitz  der  Seele  im  Herzen,  wofür  sich  allerdings 
plausible  Gründe  anführen  lassen,  die  wenigstens  so  viel  beweisen,  dass  die  Seele  an 
diesem  Orte  auf  eine  eigenartige  Weise  gegenwärtig  und  wirksam  sei.  Man  wird  aber 
gleichwohl  Jenen  zustimmen  müssen,  welche  den  Centralsitz  der  Seele  ins  Haupt  verlegen. 
Der  nach  Gottes  Bilde  geschatfenen  Seele  ziemt  es,  im  Haupte  zu  thi-onen,  wie  Gott  im 
Himmel  thront,  und  von  da  aus  die  bewusste,  selbstthätige  Leitung  des  Körpers  zu 
verwalten.  Auch  laufen  alle  Sinnesnerven  im  Haupte  zusammen;  nebstdem  sind  der 
sprechende  Ausdruck  der  Gesichtszüge,  das  Spiel  der  Mienen,  der  überwältigende  Ein- 
ilruck,  welchen  gewisse  geistige  Erregungen  auf  das  Gehirn  ausüben  u.  s.  w.,  ein  Beweis 
dafür,  dass  die  Seele  vornehmlich  im  Haupte  wohne.  Man  vermisst  in  diesen  Erörterungen 
die  Vermittelung  mit  der  vorausgehend  erwähnten  Eximirung  der  Seele  von  der  Kategorie 
der  Quantität;  diese  Exemtion  scheint  doch  jedenfalls  die  Unräumlichkeit  und  Illocalität 
der  Seele'  zur  Folge  zu  haben,  wodurch  dann  freilich  die  Verbindung  von  Seele  und 
Leib  zu  einem  schlechthin  unlösbaren  Räthsel  gemacht  würde.  Es  mochte  Hraban  dünken, 
dass  die  von  ihm  adoptirten  Erörterungen  Cassiodors  über  den  ,Sitz'  der  Seele  grosse 
Aelmlichkeit  mit  jenen  Augustins  liätten,  die  ihm  zufolge  seiner  vielseitigen  Vertrautheit 
mit  Augustins  Schriften  nicht  unbekannt  sein  konnten;  wenn  sich  ihm  dessungeachtet  nicht 
die  Wahrnehmung  aufdrang,    dass    der  Augustinische  Seelenbegriflf,    obschon    noch  nicht 


Cassiodor  O.  c,  c.  ö. 


Dp  statu  aniraae  I,  cap.   19,  20. 

De  .aiiiijia,  c.  5.  Vgl.  Cassiodor  0.  c,  c.  S. 


QQ  K.    Weunek. 

bis  zum  Beorirte  eines  activen.  ruiiinuiiil'asscMuloii  rrlncipes  entwickelt,  doch  entschieden 
über  die  Voi-stellung  einer  passiven  Lücalisining  der  Secde,  sei  es  im  Gesammtleibe,  sei 
es  in  einer  einzelnen  bevorzugten  Region  desselben,  im  Haupte  oder  Herzen  Linausgreife, 
so  beweist  diess  nur,  dass  man  im  Jalirhundert  Hrabans  mit  methodischen  Studien  über 
Seelenkunde  sich  zu  befassen  uucli  niclit  Zeit  fand,  sondern  sidi  eklektisch  an  einzelne 
Gewährsmänner  hielt,  am  liebsten  an  solche,  welche  eine  beciueme  leicht  überschaubai-e 
Zusammenstellung  des  überlieferten  Vorrathes  brauchbarer  psychologischer  Anschauungen 
und  Begritfe  darboten.  Vergleicht  man  den  Umfang  der  aus  zwölf  Capiteln  bestellenden 
Schrift  Hrabans  De  anima  mit  jenem  der  gleichnamigen  Schiüft  Cassiodors,  so  ersieht 
man,  dass  es  als  Bedürfniss  empfunden  wurde,  selbst  so  kurzgefasste  Uebersichten  tra- 
ditioneller Lehranschauungen,  wie  jene  Cassiodors,  in  einen  noch  engeren  Raum  zu- 
sammenzudrängen. Und  von  da  an  unterblieb  die  Abfassung  von  Darstellungen  der 
Seelenlehre  dui-ch  länger  als  zwei  Jahrhunderte  ganz  und  gar;  erst  mit  dem  Beginn 
des  zwölften  Jahrhunderts  war  man  so  weit  voi-gerückt,  an  eine  umfassendere,  und  zum 
Theile  doch  auch  schon  etwas  selbstständigere  und  eingehendere  Behandlung  der  Seelenlehre 
im  Ganzen  oder  einzelnen  Hauptpartien  derselben  zu  denken.  Vor  Eintritt  dieses 
Zeitraumes  erschöpfte  die  Pflege  der  sieben  Künste  so  ziemlich  den  Gesammtinhalt  dessen, 
was  neben  den  specifisch  geistlichen  und  kirchlich-theologischen  Studien  für  den  welt- 
lichen und  philosophischen  Wissenschaftsbetrieb  geschah;  für  Hrabans  Schüler  Erman- 
ricus  von  Ellwangen  *  fasst  sich  der  Complex  alles  Wissenswiirdigen  aus  der  Seelenkunde 
in  drei  Hauptstellen  aus  Isidorus,"  Alcuin''  und  Gennadius*  zusammen,  die  allerdings 
in  ihrer  Zusammenstellung  einen  succincten  Inbegriff  dessen,  was  nach  damaliger  An- 
schauung in  einer  Seelenlehre  abzuhandeln   war,   darbieten. 

Dahin  gehörte  nach  damaliger  Anschauung  auch  eine  Erörterung  der  vier  Cardinal- 
tugenden  als  der  quatuor  virtutes  animae,  die  wir  demzufolge  bei  Cassiodor,"  Alcuin" 
und  Hraban  '  besprochen  finden.  Die  Psychologie  sollte  nämlich,  so  weit  sie  über  die 
fundamentalen  Erörterungen  über  Begriff  und  Wesen  der  Seele  hinausging,  wesentlich 
Moralpsychologie  sein;  so  forderten  es  die  Bedürfnisse  und  die  Organisation  des  da- 
maligen Unterrichtes.  Die  Verbindung  der  Lehre  von  den  virtutes  mit  den  fundamentalen 
Bestimmungen  über  das  Wesen  der  Seele  wäre  eigentlich  durch  eine  Auseinandersetzung 
über  die  vires  animae  herzustellen  gewesen.  In  der  That  findet  sich  ein  Versuch 
hiezu  bei  Alcuin,  welcher  zu  diesem  Behufe  an  die  Dreitheilung  von  Ratio,  Ira,  Concu- 
piscentia  als  gleichsam  drei  Vermögen  der  einen  Seele  anknüpft,  und  zugleich  auch  eine 


1  SielK?  desselben  enulite  E]ii.stola  .ad  Gniinaldinm  arclücaiiellauum  (ed.  Duraler  Halle  1873,  4»),  S.  2  u.  3. 

2  Differeutt.  II,  30. 

3  Rat.  an.,  c.  11.  —  Die  aus  diesem  t'apitel  von  Hermanrich  entlehnte  Stelle  wird  auch  in  der  dem  12.  Jahrhundert  angeliörigen 
Sanimelschrift  de  Spiritu  et  anima  (c.  13)  reprodueirt,  auf  welche  wir  unten  des  Näheren  zurückkommen  werden.  Die  bündige 
Kürze  der  in  jener  Stelle  gegebenen  Erklärungen  empfahl  sie  allerdings  als  trefi'enden  Ausdruck  einer  gemeingiltigen  An- 
schauung: Anima  secundnm  officium  operis  sui  variis  nuncupatur  nominibus.  Anima  est,  dum  vivificat;  dum  contemplatur, 
Spiritus  est;  dum  sentit,  sensus  est;  dum  sapit,  animus  est;  dum  intelligit,  mens  est;  dum  diseernit,  ratio  est;  dum  consentit, 
voluntas  est;  dum  recordatur,  memoria  est.  Nee  tamen  haec  ita  dividentur  in  substantia,  sicut  in  nominibus,  quia  haec  omnia 
una  est  anima.  ^ 

*   Dogm.  eccl.,  cap|i.   17 — 20. 
^    Cassiodor.  O.  c,  u.  5. 
6   Kat.  an.  capp.  3.  4. 
"   De  anima.  capp.  li — H>. 


Der  Entwickelungsgang  deu  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  81 

Finalbezieliung  dieser  vier  in  der  Charitas '  geeigneten  Tugenden  auf  Ja.s  liüchste  und 
absolute  Grut  zu  gewinnen  sucht.  Es  braucht  indess  kaum  gesagt  zu  werden,  dass  ihm 
bei  dem  völligen  Mangel  einer  pragmatischen  Auseinandersetzung  und  Detaillirung  der 
Seelenfunctionen  oder  vires  animae  eine  innerliche  Verknüpfung  der  Lehre  von  den 
virtutes  morales  mit  der  Lehre  vom  Wesen  und  höchsten  Ziele  der  »Seele  nicht  gelino-en 
kann;  es  hat  bei  einigen  durch  kein  inneres  logisches  Band  mit  einander  verknüpften 
lemmatischen  Sätzen  und  Andeutungen  sein  Bewenden,  die  nur  das  ihm  vorschwebende 
Ziel  einer  christlich-rationalen  Thelematologie  errathen  lassen-.  Hraban,  der  nach  Cassio- 
dors  und  Alcuins  Vorgang  die  Behandlung  der  quatuor  virtutes  in  der  Seelenlehre  als 
selbstverständlich  ansieht,  fügt  ihre  Besprechung  dem  Zusammenhange  seiner  Sclirift 
ganz  unvermittelt  ein,  ergeht  sich  aber  in  ihrer  Darlegung  sehr  umständlich;  diese 
Umständlichkeit  ist  auf  seinen  königlichen  Leser  berechnet,  dem  er  in  der  beredten 
Schilderung  der  vier  ,königlichen'  Tugenden  das  Ideal  eines  vollkommenen  ßegenten 
vorhalten  will. 

Hrabans  Erörterungen  über  die  Cardinaltugenden  trennen  die  letzten  zwei  Abschnitte 
seiner  Schrift^  von  jenem  über  den  Sitz  der  Seele,  an  welchen  sie  dem  richtigen  sach- 
lichen Zusammenhang  zufolge  sich  unmittelbar  anzuschli essen  hätten.  Diess  sind  nämlicli 
die  somatologischen  Erörterungen,  in  welchen  zuerst  von  der  Configuration  des  zur 
Wohnung  der  unsterblichen  gottesbildlichen  Seele  zubereiteten  Leibes,  sodann  von  den 
Functionen  der  Sinnesorgane  gehandelt  wird.  Als  auszeichnender  Vorzug  der  Menschen- 
gestalt ist  vor  Allem  die  aufrechte  Haltung  derselben  hervorzuheben;  das  Haupt  als 
Sitz  der  Seele  nimmt  die  oberste  Stelle  des  Körpers  ein.  Es  ist  aus  sechs  Knochen 
zusammengefügt,  deren  Zahl  die  Zalil  der  Vollendung  ausdrückt;  die  Rundung  des 
Hauptes  ist  eine  Nachbildung  der  Wölbung  des  Himmels.  Die  beiden  Augen,  die  unter 
der  Stirnwölbung  hervorblicken,  sind  den  zwei  grossen  Himmelslichtern  Sonne  und  Mond 
vergleichbar,  oder  um  einen  höher  greifenden  Vergleich  in  Anwendung  zu  bringen,  den 
beiden  Testamenten  Gottes.  Den  Augen  sind  in  abwärts  steigender  Ordnung  die  übrigen 
paarigen  Organe  und  Theile  des  Leibes  unterstellt:  Ohren,  Nasenöffnungen  (nares), 
Lippen,  Arme,  Hände,  Seiten  (rechte  und  linke),  Schenkel,  Füsse,  und  alle  diese  Paare 
durch  mittlere  Einheiten  verknüpft :  Nase,  Mund,  Kehle,  Brust,  Bauch,  Nabel,  Zeugungs- 
organ. Hieran  schliessen  sich  dann  noch  kurze  Bemerkungen  über  die  zweckvolle 
Organisation  der  menschlichen  Sinnesorgane,  Im  sechsten  Buche  seines  Werkes  de 
Universo  gibt  Hraban  eine  Aufzählung  aller  Glieder  des  menschlichen  Leibes^  unter 
Beigabe  einer  mystisch-allegorischen  Deutung  derselben,  sowie  des  tropischen  und  figür- 
lichen Sinnes  ihrer  Benennungen  in  der  Sprache  der  Bibel;  unter  seinem  Namen  gehen 
auch  jene  glossae  latino-barbaricae  de  partibus  corporis  humani  *  d.  i.  Erläuterungen 
und  grossentheils  auch  Verdeutschungen  lateinischer  Benennungen  von  Gliedern  und 
Theilen  des  menschlichen  Leibes.  ^ 


'    Was  Alcuin  Rat.  an.,  c.   5  von  den  vier  Objecten  der  Liebe  und  der  rechten   Ordnung  in   dieser   vierfachen  Liebe    sagt,    ist 
auf  Isidor  Differentt.  II,  37   zurückzuführen. 

-    De  anima  capp.   11.   12.  Vgl.  Cassiodor  O.  c,  c.   9. 

'    Unter  Benützung-  von  Isidor's  Origg.  Lib.  XI. 

*  Abgedr.  in  Mignc's  Patrologia  latina  Tom.  CXII,  p.   1575   S. 

*  Für  derlei  Erläuterungen  und  Namenserklärungen  hatte  Hraban  eine  Vorlage  in  Isidor's  Differentt.  II,   17 — 28. 

Denk^cbriften  der  phil.-hist.   Ol.  XXV.  Bd  11 


82  K-  Webner. 

W"\v  Iiaben  bei  einem  andern  Anlasse,  in  unserer  Darlegung  der  Kosmologie  und 
NaturleJire  des  früheren  Mittelalters/  die  Bezugsquellen  namhaft  gemaeht,  aus  welchen 
die  Scriptoren  dieses  Zeitraumes  die  aus  dem  griechisch-römlsclien  Alterthum  überkom- 
menen physikalischen  und  medicinischen  Kenntnisse  schöpften  •,  es  wurde  daselbst  speciell 
auf  die  Schriften  des  Constantiniis  Africanus  hingewiesen,  welchen  "Wilhelm  von  Conches 
neben  älteren  ihm  zugänglichen  Autoren  für  den  somatologischen  Theil  seiner  anthropo- 
logischen Lehren  ganz  vornehmlich  benutzte.'^  Die  von  Wilhelm  von  Conches  vor- 
getragenen somatologischen  und  physiologischen  Lehren  waren,  wie  aus  seines  Zeit- 
genossen "Wilhelm  von  Thierry  Schrift  de  natura  corpoj-is  et  animae^  zu  ersehen,*  da- 
zumal schon  Gemeingut  der  Schulen ;  und  wir  mögen,  wenn  wir  dasselbe  mit  dem 
dürftigen  Inhalte  der  somatologischen  Angaben  Hrabans  vergleichen,  daraus  entnehmen, 
wie  bedeutend  mittlerweile  durch  Vermittelung  von  Uebersetzungen  aus  dem  Arabischen 
die  Naturkunde  in  den  Schulen  des  chi-istlichen  Abendlandes  gefördert  worden  war. 
Wilhelm  will  eine  Naturlehre  (Physica)  des  Menschen  geben.  Demzufolge  theilt  er  seine 
Schrift  in  eine  Naturlehre  der  leiblichen  und  geistigen  Hälfte  des  Menschen ;  das  erste 
BucIj  enthält  die  Physica  humani  corporis,  das  zweite  die  Physica  animae.  Wie  Wilhelm 
von  Conches  geht  er  von  den  Gi-undlehren  des  Hippokrates  über  die  Zusammensetzung 
des  menschlichen  Leibes  aus.  Dei-  Leib  des  Menschen  ist  aus  den  vier  Elementen  gebildet 
und  schliesst  deren  Qualitäten  in  sich.  Durch  diese  seine  Zusammensetzung  ist  seine 
Empfindungsfähigkeit  bedingt ;  er  wäre  empfindungslos,  wenn  er  nur  aus  Einem  Elemente 
gebildet  wäre.  Die  Passibilität  des  Leibes  ist  durch  seine  Auflöslichkeit,  diese  aber 
durch  seine  Zusammengesetztheit  bedingt.  °  xVus  der  Mischung  der  in  ihm  vereinigten 
vier  Elemente  erzeugen  sich  in  Ihm  die  vier  Humores,  deren  richtiges  "Verhältniss  zu 
einander  für  Leben  und  Unversehrtlieit  des  Leibes  dieselbe  Bedeutung  hat,  wie  das 
richtige  Mass  und  Yerhältniss  der  vier  Elemente  des  Makrokosmos  für  den  Bestand  und 
die  "Wohlordnung  desselben.  Die  Grundbedingung  des  Bestandes  und  Wohlseins  des 
Leibes  ist  die  Eukrasie  d.  i.  die  rechte  wechselseitige  Temperirung  des  Kalten  und 
Warmen,  Feuchten  und  Trockenen  oder  jener  Qualitäten,  deren  Träger  die  Elejnente  sind. 
Die  im  menschlichen  Leibe  vorhandenen  Humores  erneuern  sich  durch  die  Zuflüsse  aus 
den  im  Magen  verkochten  Speisen;  die  essbaren  Dinge  enthalten  jene  vier  Elementar- 
qualitäten, aus  welchen  die  Humores  gewonnen  werden,  in  den  verschiedenartigsten 
Mischungsverhältnissen ,     worüber     der    Liber    Graduimi     (Constantins     des     Africaners) 


'  Kosmologie  und  Naturlehre  (Ie.s  scholastischen  Mittelalters  mit  speciellei'  Beziehun«;-  auf  Wilhelm  von  Conches.  (Sitznugs- 
berichte  Bd.  LXXV,   S.  309  ff. 

••i  Ebendas.  S.  380  fl'.  (Separatabdvuck  S.  T'.'  tt'.i.  Man  nennt  als  denjenigen,  der  schon  im  U.  Jahrhundert  anf  dem  bezeich- 
neten Wege  sein  naturknndiges  Wissen  erweitert  habe,  den  Abt  Willielm  von  Hirsan  (f  1091);  aber  das  unter  seinem 
Namen  gedruckte  Werk:  Philosophicarum  et  astronomicarum  institutionum  libri  tres  (Basel,  1531  ;  gedruckt  von  Henricus 
Petrus)  ist  wortgetreu  identisch  mit  Wilhelms  von  Conches  vier  Büchern  r.ep\  SiSaEsMV,  nur  dass  die  zwei  ersten  Bücher 
desselben  im  Basler  Drucke  in  Ein  Buch  zu.sammengezogen  sind;  auch  fehlt  der  Schluss  des  Werkes  im  Basler  Drucke. 
Nebstdem  finden  sich  im  ersten  Buche  bemerkenswertlie  Varianten,  sofern  nämlich  der  Basier  Druck  an  mehreren  Stellen 
den  Constantinus  Africanus,  einmal  auch  den  Joannitius  i  Honein)  mit  Namen  aufführt,  während  in  dem  Werke  -zpi  oioicstov 
diese  Namen  unterdrückt  werden,  und  statt  dessen  unbestimmt  auf  das,  was  die  [ihilosopln  festgestellt  haben,  hingewiesen 
wird.  Auch  wird  das  eine  oder  andere  Mal  ein  schärferer,  wider  die  Gegner  philosojihisch-ijhysikalischer  Studien  gerichteter 
Ausdruck  gemildert  oder  getilgt,  wahrscheinlich  um  keine  Gegner  wider  den  Verfasser  der  Schrift  aufzustacheln. 

3    De  natura  corporis  et  animae  libri  duo.  Abgedr.  in  Migne's  Patrolog.  lat.  Tom.  CLXXX,  p.  695  ff. 

■•    Vgl.  auch  die  Schrift  de  Spiritu  et  anima  capp.  20  ff. 

'-•  Non  esset,  unde  doleret.  unum  existens.  Sed  terra  lutificata  efficitur  aqua,  a(iua  rarefacta  et  calefacta  et  evaporata  fit  aer 
conden.satus  et  coUectus  aer  efficitur  aqua,  et  .sie  de  reliquis;  et  hoc  modo  efficitur  corruptio.    L.  c,  p.  696. 


Der   Entwickelung3gang  dek  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  83 

genaueren  Aufschluss  gibt.  Die  im  Munde  zerkauten  Speisen  werden  dui-cli  die  Meris 
in  den  Magen  geleitet  und  für  die  Functionen  desselben  zubereitet. '  Der  Magen  übt 
eine  vierfache  Thätigkeit  durch  die  virtus  appetitiva,  contentiva,  digestiva,  expulsiva ; 
diese  vier  Kräfte  sind  auch  in  einigen  anderen  Partien  des  menschlichen  Leibes,  besonders 
in  den  Fundamentaltheilen  desselben:  Gehirn,  Herz,  Leber,  Genitalien  vorhanden.^  Das 
im  Magen  V^erkochte  wird  durch  einen  der  Därme  unter  dem  Magen  zum  zweiten  Male 
verdaut,  und  das  Reinere  und  Feinere  davon  zur  Leber  geführt,  wo  die  dritte  Verdauung 
statthat.  Das  Feurige  von  dem  daselbst  Verarbeiteten  kommt  zur  cholera  rubea,  das 
Luftartige  wird  vom  Blute  assumirt,  das  Wässerige  geht  iu  Phlegma  über,  das  Grobe 
laid  Erdhafte  setzt  sich  in  die  schwarze  Galle  ab.  Die  cholera  rubea  veii'einert  das 
Blut  und  befähigt  dasselbe,  den  feineren  Organen  als  Nahrung  zugeführt  zu  wei"den. 
Das  Blut  hingegen  ermässiget  durch  seine  Humidität  die  Trockenheit  der  cholera  rubea, 
das  Phlegma  durch  seine  Kälte  die  Hitze  des  Blutes,  durch  seine  Humidität  die  Trocken- 
heit der  schwarzen  Galle,  Die  cholera  rubea,  in  mehreren  Eichtimgen  dui-ch  den  Körper 
sich  verbreitend,  dringt  aucli  in  den  Magen  ein  und  bewirkt  daselbst  Appetit  und  Ver- 
dauung ;  nacli  abwärts  gehend  färbt  sie  die  Excremente.  Sie  verbreitet  sich  in  noch 
andere  Theile  des  Körpers ;  ihre  Reste  nimmt  die  Galle  in  sich  auf,  welche  die  Bestim- 
mung hat,  das  Blut  von  der  cholera  rubea  zu  reinigen,  damit  es  nicht  entzündet  werde. 
Das  Blut  tritt  aus  der  Lel)er  durch  zwei  Venen :  Hohlader  und  Pfortatler,  und  vertheilt 
sich  nach  allen  Richtungen  durch  die  Venen  und  Venengabeln  (furculi  venarum).  Eine 
der  Venen  geht  in  den  Magen  und  führt  die  Speisen  von  da  zur  Leber.  Eine  andere 
tritt  in  die  Weite  des  Magens,  und  bringt  dahin  von  der  Leber  Nahrung  fiir  den  Magen. 
Wieder  eine  andere  geht  zur  Milz,  und  führt  von  der  Leber  die  faeces  sanguinis  hinweg. 
Bevor  sie  aber  dahin  kommt  theilt  sie  sich  in  mehrere  Aeste,  um  dem  Fleische  Nahrung 
zuzuführen  (=  Panagras).  Das  Blut  hat  mit  der  Luft  die  Mutabilität  gemein-,  wenn  es 
dick  und  stürmisch  ist,  gibt  es  ein  Uebermass  von  Hitze  und  Feuchtigkeit  kund ;  ist  es 
dünn  und  wässerig,  so  deutet  es  auf  Kälte  der  Leber  hin ;  ist  es  dunkelrotli  und  faulig, 
so  deutet  es  eine  Lifection  der  cholera  rubea  und  seine  eigene  Fäulniss  an :  schaumartig 
weist  es  auf  Ventosität,  gestockt  und  wässerig  auf  allzuviel  Phlegma  und  auf  ein  Gebrechen 
der  virtus  expulsiva  hin.  Das  Phlegma  ist  halb  verdaute  Speise ;  deshalb  ist  es  kalt  und 
feucht.  Das  reine  Phlegma  ohne  Beimischung  ist  geschmacklos  und  heisst  das  natürliche 
Phlegma;  die  Beimischung  von  Blut  macht  es  süss,  die  Beimischung  von  cholera  rubea 
salzig,  die  Beimischung  von  Schwarzgalle  bitter,  durch  die  Kälte  wird  es  gestockt  und 
glasartig.  Je  nach  Verschiedenheit  seines  Zustandes  wirkt  es  verschieden  auf  den  Magen 
und  Appetit.  Nach  den  oberen  Theilen  und  Organen  des  Körpers  dringend  unterliegen 
die  Humores  daselbst,  ihre  Unreinigkeiten  absetzend,  einer  natürlichen  Reinigung,  die 
Cholera  dxirch  die  Ohren,  die  Schwarzgalle  durch  die  Augen,  das  Phlegma  durch  Nase 
und  Mund.    Das  Blut  setzt  seine  Unreinigkeiten  im  Urin  ab.    Blut  und  Gialle  haben,  da 


'  Est  autem  ineris  membrum  longuin  et  rotunduiii  et  concavuni  et  intus  villosum.  Iial>ens  introrsum  ]iilos  long'os,  alios  in 
transversuni,  alios  snrsum  ad  os  directos.  Pili  snrsuni  directi  natnraliter  citnini  attralinnt:  qni  vero  in  transversum  stnniachi, 
stringunt,  et  stringendo  in  succnra  transmutant  et  paullatim  in  os  stomaclü  demittunt. 

-  Diese  Vierheit  findet  sich  bereits  bei  Cassiodor  (De  anima,  c.  6)  erwähnt,  der  nach  Aufzählung  der  fünf  virtutes  naturales 
der  Seele:  sensibilis,  imperativa,  principalis,  vitalis,  delectativa,  unter  letztere  die  vorerwähnte  Vierheit  siibsurairt:  Ecce 
iterum  quadripartita  subdiTisione  ad  susteutationem  corporis  pars  ista  refunditiir.  Prima  est  attructiva  rapiens  de  naturali 
quod  sibi  necessarium  sentit.  Secunda  retentoria  assumta  retinens  donee  ex  bis  utilis  decoctio  procuretur.  Tertia  translativa, 
qwae  accepta  in  aliud  convertit  atque  transponit.  Quarta  expulsiva,  quae  ut  natura  tiat  libera,  sibi  nocitura  e.xpellit. 

11* 


Q  j  K.  Wernek. 

sio  wogen  iliror  Menge  und  Humidität  sich  leichter  bewegen  und  ihr  Ueberschüssiges 
ausstüssen,  keine  besonderen  Reinigungsoi-gane,  wie  dergleiclien  die  cholera  rubea  an  der 
(lalle,  die  Schwarzgalle  an  der  Milz  haben,  sondern  führen  sie  durch  die  Nieren  und 
Harnblase  ab.    So  viel  über  die  Vertheilung  der  Säfte  in  Folge  der  dj-itten  Verdauung. 

Ihn-ili  die  Hitze  der  Digestion  wii-d  der  Spiritus  naturalis  erzeugt,  der  seinen  Sitz 
in  d.M-  Leber  hat  und  drei  Kräfte  in  sich  schliesst:  die  virtus  generativa,  die  dem  Sperma 
einwolmt,  die  virtus  pascitiva,  die  in  der  ^'egetation,  die  virtus  nutritiva,  die  im  Wachs- 
thum  des  Körpers  sich  bekundet.  Hie  vegetative  und  nutritive  Kraft  wohnt  dem  T.lute 
ein,  welchem  hinsichtlich  dieses  seines  Wirkens  Galle,  Milz  und  Nieren  dienstbar  sind. 
Hie  Galle  zieht  die  cholera  rubea  an  sich,  damit  diese  das  Blut  nicht  entzünde;  die 
Milz  zieht  die  Ueberschüssigkeiten  des  Blutes  an  sich,  die  Nieren  vermitteln  den  Abfluss 
der  wässerigen  Ueberscliüssigkeiten  des  Blutes  in  die  Harnblase. 

Wie  der  Spiritus  naturalis  in  der  Leber,  so  ist  der  Spiritus  spiritualis  im  Herzen 
basirt.  Die  Alimente  dieses  Spiritus  sind  die  Lunge,  die  Häute  (panniculi)  und  die  Brust- 
muskeln (lacerti  pectoris)  d.  i.  die  mit  Fleisch  gemischten  Nerven,  durch  deren  Bewegung 
Luft  geschöpft  und  warme  Dämpfe  ausgestossen  werden.  Die  Bewegung  wird  durch  den 
Spiritus  naturalis  mittelst  Ausdehnung  und  Zusammenziehung  des  Herzens  bewirkt.  Die 
Ausdehnung  hat  den  Zweck,  frische  Luft  aufzunehmen  und  die  Hitze  des  Blutes  zu 
massigen,  welches  gleichfalls  in  seiner  feinsten  Durclibildung  durch  die  Ausdehnung  des 
Herzens  angezogen  wird,  und  dem  Herzen  durch  die  in  seine  rechte  Auricula  mündende 
Yene  von  der  Leber  her  zugeführt  wird.  Das  Herz  ruht  im  Schoosse  der  Lunge,  welche 
gleichsam  die  Amme  des  Herzens  ist,  und  ihm  die  Luft  zuführt.  Werden  die  Luftwege 
verlegt,  so  sucht  das  Herz  bei  der  Lunge  Zuflucht,  um  die  in  derselben  befindliche 
Luft  an  sich  zu  ziehen;  der  Luft  gänzlich  entbehrend  muss  das  Herz  ersterben.  Daher 
der  Gemeinspruch  der  Aerzte,  dass  der  Mensch  länger  als  sieben  Tage  ohne  Speise,  und 
länger  als  sieben  Stunden  ohne  Luft  nicht  leben  könne.  Um  den  Spiritus  spiritualis 
durch  den  ganzen  Körper  zu  verbreiten,  gehen  von  der  linken  Auricula  des  Herzens 
Arterien  nach  dem  ganzen  Körper  aus.  Die  Arterien  sind  von  Innen  und  Aussen  mit 
Vliesshaaren  besetzt.  Die  äusseren  Vliesshaare  sind  in  die  Länge  gestreckt,  um  aus  dem 
Grunde  des  Herzens  die  Wärme  oder  den  Spiritus  anzuziehen,  und  da  dehnen  skh  die 
Arterien  aus;  mittelst  der  inneren  transvers  gelegten  Haare  constringiren  sie  den  Spiritus 
imd  stossen  die  dampfigen  Superfluitäten  aus.  Diess  ist  die  erste  der  drei  Digestionen 
des  Spiritus  spiritualis.  Indem  der  Spiritus  spiritualis  durch  die  unterhalb  des  Gehirnes 
netzartig  sich  ausbreitenden  arterias  juveniles '  ins  Gehirn  aufsteigt,  unterliegt  er  einer 
zweiten  Digestion,  aus  welclier  der  Spiritus  animalis  erzeugt  wird,  gleichwie  der  Spiritus 
spiritualis  selber  im  Herzen  sich  erzeugt.  Durch  zwei  über  das  Netz  zurückgebogene 
Arterien  gelangt  er  sodann  zur  Kammer  des  Vordergehirns,  wo  er  abermals  geläutert 
wird,  und  seine  Abflüsse  durch  Gaumen  und  Nase  wegschickt;  diess  ist  seine  dritte 
Digestion.  Er  selbst  geht  zu  den  Höhlungen  des  Hintergehirns,  und  regt  dort  Gedächtniss 


Zun,  mihcro,,  Verständnisse,  dieses  Ausdruckes  ist  Constantin.  Afric.  de  commun.  medico  cognitu  necessar.  II,  13  zu 
vergleiclien  Ks  heisst  daselbst  von  den  aus  dem  Herzen  aufwärts  steigenden  Venen:  Quae  major  est,  ascendeus  sarsuni,  duarum 
postea  fit  venarum;  major  tingit  ad  giugivas  et  ex  transverso  in  dextra  latera.  Quae  ad  moUiorem  aceedens  carnem,  quod 
appelUant  monglandem  in  tres  dividitur.  Duae  sunt  maxime  procedentes  in  latera  occultae  arteriae,  una  dextrorsum,  altera 
«inistrorsun,.  Has  in  colli  sentimus  lateribus,  juvenilesque  vocantur.  Quae  absconse  se  commiscentes  et  in  ascensu  crann 
oncavitatem  subeuntes  muUifonnitor  dividnntur,  et  jnnctae  sicut  rectae  efficiuntur  subter  cerebrum  se  dilatantes,  ut  sp.ritns 


aniinatus  digeratur. 


Deii  Entwickelunüsgang  dei:  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  85 

und  Bewegung  an,  wie  im  Vordergeliirn  Sinn  und  Vorstellungsvermögen.  Das  Mittel- 
gehirn ist  Organ  des  Intellectes  und  Ratiocinationsvermögens. 

Der  Spiritus  spiritualis  wirkt  Voi-stellen  und  Erinnern  unmittelbar  durch  sicli  selbst, 
Sinneswahrnehmung  und  Bewegung  durch  seine  dienstbai-en  Organe.  Vom  Haupte  gehen 
sieben  Paare  Bewegungsnerven  aus.  die  bis  zum  Zwerchfelle  und  in  die  Mitte  der  Ein- 
geweide herab  theils  durch  sich  selbst,  theils  durch  andere  von  ihnen  ausgezweigte 
Nerven  sich  erstrecken.  Damit  aber  die  Wirksamkeit  der  Nerven  durcli  den  ganzen 
Körper  sich  verbreiten  könne,  und  rasch  und  schnell  sich  vollziehe,  müssen  sie  eine 
selbsteigene  Kraft  des  Bewegens  in  sich  haben.  Wäre  für  jede  Bewegung  der  Extremi- 
täten eine  vom  Haupte  ausgehende  physische  Veranlassung  der  Bewegung  nötliig,  so 
würde  diese  sich  sehr  verlangsamen  und  höchst  schwerfällig  ausfallen.  Auch  ist  es  nicht 
zulässig, .  sich  Nerven  zu  denken,  die  in  ilirer  Länge  den  ganzen  Körper  vom  (lehirne 
herab  bis  zu  den  Enden  der  Hände  und  Füsse  durchziehen-,  würden  solche  Nerven  an 
einer  bestimmten  Stelle  geschädiget,  so  wäre  die  Verbindung  zwischen  dem  Haupte  und 
den  entlegenen  Theilen  des  Körpers  aufgehoben  und  Bewegung  und  Empfindung  in 
denselben  unmöglich  gemacht.  Die  Verlängerung  des  Gehirns  im  Rückenmarke,  welches 
selber  gleichsam  ein  zweites  Gehirn  ist,  ermöglichet  das  Vorhandensein  kürzerer  Nerven 
und  bezeugt  auch  zugleich  die  zuvor  postulirte  selbsteigene  Bewegungskraft  und  Emj)fin- 
dungsfähigkeit  der  Bewegungs-  und  Empfindungsnerven.  Die  Nerven  der  speciellen 
Sinnesempfindungen  gehören  dem  Vorderhaupte  an,  in  deren  Functionen  sicli  eine  dritte 
Seelenkraft,  die  virtus  animalis  bethätiget.  Wilhelm  gibt  eine  genaue  Beschreibung  von 
den  Organen  der  vier  im  Haupte  locirten  Sinne:  Gesicht,  Gehör,  Geruch,  Gesclimack. 
Wir  lassen  diese  Beschreibung  bei  Seite,  und  heben  nur  hervor,  dass  er  dem  Augennerv 
einen  speciellen  Spiritus  visivus  zutheilt,  der  vom  Gehirn  ausgehend  durch  den  optischen 
Nerv  bis  zur  tunica  vitrea  des  Auges  geleitet  wird,  und  diese  tunica  erregend  die 
Krystalllinse  erstrahlen  macht.  Durcli  diese  hindurchgehend  und  an  die  Aussengrenze 
des  Auges  gelangend  mischt  sich  der  Spiritus  visionis  mit  der  taghellen  Luft,  recipirt 
die  Farben  der  Gegenstände,  und  theilt  die  durch  diese  Reception  bewirkte  Immutation 
seiner  selbst  auch  der  Krystalllinse  mit;  sobald  diese  Immutation  durch  Vermittelung 
des  Spiritus  visivus  von  der  im  Gehirne  locirten  Mens  appercipirt  worden  ist,  nimmt 
diese  die  Färbungen  der  äusseren  Objecto  und  damit  auch  die  Gestaltung,  Grösse  und 
Bewegung  derselben  wahr.  Die  Sinneswahrnehmung  vermittelt  sich  insgemein  durch 
Immutation  des  wahrnehmenden  Sinnes  in  das  wahrgenommene  Object.  Diese  Immutation 
vollzieht  sich  für  den  Gesichtssinn  in  der  Krystalllinse,  für  den  Geruchsinn  in  den  zwei 
an  die  dura  mater  des  Gehirnes  angesetzten  zitzenförmigen  Knötchen,  welche  den  von 
riechenden  Körpern  ausströmenden  und  von  den  Nasenlöchern  eingesogenen  I  >uft  in  sich 
aufnehmen  und  sich  assimiliren;  für  das  Ohr  in  den  durch  die  innere  Ohrhöhlung  sich 
ausbreitenden  und  sie  bedeckenden  Endigungen  des  Gehörnervs,  welches  Apperceptions- 
organ  von  Wilhelfia  mit  der  Krystalllinse  des  Auges  parallelisirt  wird;  für  den  Geschmack 
in  den  in  der  Zunge  sich  verastenden  Geschmacksnerven;  füi-  den  Tastsinn  in  der  ge- 
sammten  Hautoberfläche   des  Körpers. 

Diese  drei,  in  Leber,  Herz  und  Haupt  locirten  virtutes  —  fährt  Wilhelm  im  zweiten 
Buche  seiner  Schrift  (Physica  animae)  weiter  —  welche  die  gesammte  sinnlich- leibliche 
Lebensthätigkeit  des  Menschen  vermitteln,  sind  virtutes  animae,  und  bekunden  durch  sicIi 
selbst,  dass  der  menschliche  Leib  ein   beseelter  und  in  Kraft  seiner  Beseelung   belebt  sei. 


86 


K.  Werner. 


Der  ia  Kraft  seiner  Beseelung  lebendige  Mensch  hat  die  virtus  naturalis  mit  den  Pflanzen, 
die  virtus  spiritualis  mit  den  Tlüeren  gemeinhin,  die  virtus  animalis  aber  nur  mit  einem 
Theile  derselben  gemein;  in  vollkommener  Ausbildung  ist  Vorstellungsvermögen  und 
Gedächtniss  nur  im  veinunftbegabten  Menschen  vorhanden.  Die  dem  Menschen  ein- 
wohnende Seele  bethätiget  sieh  in  den  Artionen  jener  drei  Yirtutes  als  Belebungsmacht, 
deren  ^Virken  auf  Dreierlei  abzAveekt:  vivcre,  bene  vivere,  Befähigung  zur  Aneignung 
des  für  Leben  und  Wohlsein  Nothwendigen.  Die  zum  Lebensbestande  des  Leibes  absolut 
nothwendigen  Theile  desselben  sind  Haupt,  Brust,  Leber  in  ihrem  dreieinigen  lebendigen 
Zusammensein.  Zum  bene  vivere  gehören  die  Sinnes  Werkzeuge,  Bewegungs-  und  Clreif- 
oro-ane,  kurz  Alles,  dessen  der  menschliche  Leib  verlustig  gehen  kann,  ohne  dadurch 
selber  zerstört  und  dem  Tode  überantwortet  zu  werden.  Zur  dritten  Classe  von  Organen, 
welche  die  Aneignung  des  zur  Erhaltung  vmd  Föi-derung  des  leiblichen  Lebens  Noth- 
wendigen bezwecken,  rechnet  Wilhelm  Magen  und  Lunge,  die  selber  wieder  viele  ihnen 
subordinii-te  Organe  und  Theile  des  Körpers  zur  Unterstützung  ihrer  Functionen  benützen. 
Das  durch  das  wundervolle  Lieinandergreifen  aller  Theile,  Organe  und  Kräfte  vermittelte 
Leben  und  Bestehen  des  Leibes  lässt  denselben  als  ein  Werk  erscheinen,  in  dessen 
successiver  Hervorbildung  sich  bereits  der  Adel  und  die  Hoheit  des  ihm  einwohnenden 
Lebens-  und  Bildungsprincipes  kundgibt,  ehe  dasselbe  sich  unmittelbar  in  seinem  rein 
geistio-en  Wesen  offenbart  und  bethätiget.  Dem  menschlichen  Leibe  wohnt  eine  Seele 
ein,  die  nach  Gottes  Bild  geschaffen  ist;  und  das  gottesbildliche  Wesen  der  Seele  soll 
sich  auch  in  der  äusseren  sichtbaren  Gestaltung  des  Leibes  abdrücken,  tritt  aber,  wie 
wir  Menschen  dermalen  beschaffen  sind,  erst  im  vollkommen  ausgebildeten  Menschen 
sichtlich  hervor.  Wir  Menschen  im  Stande  der  gefallenen  Natur  werden  wie  Thiere 
o-eboren,  und  erst  nach  langer  Arbeit  der  untergeordneten  und  niederen  Kräfte  der  Seele 
wird  der  Körper  jenem  Stande  der  Reife  und  vollkommenen  Ausbildung  entgegengeführt, 
zufolge  welcher  in  seiner  äusseren  Erscheinung  das  gottesbildliche  innere  Wesen  des 
Menschen   sich  sichtbar  auszudrücken  vermag. 

Wir  haben  Wilhelms  Somatologie  bis  zu  dem  Punkte  fortgeführt,  wo  sie  bereits 
in  den  zAveiten  Theil  seines  Werkes,  in  die  Physica  animae  hinübergreift,  müssen  aber 
bei  dem  Letztentwickelten  noch  etwas  näherbetrachtend  verweilen,  weil  es  uns  Gelegenheit 
gibt,  Charakter  und  Beschaffenheit  des  Werkes  Wilhelms  und  seine  Stellung  in  der 
Entwickelung  der  mittelalterlichen  Psychologie  zu  beleuchten.  Wilhelm  tritt,  indem  er 
die  Gottesbildlichkeit  der  Seele  als  einen  Hauptpunkt  in  der  Erörterung  des  Wesens 
der  Seele  hervorliebt  und  behandelt,  ganz  in  die  Fusstapfen  seiner  Vorgänger;  führt 
er  doch  die  oben  erwähnte  Definition  der  menschlichen  Seele,  die  nach  Cassiodors 
Erklärung  jene  der  christlichen  Lehrer  ist,  und  in  welche  die  Gottebenbildlichkeit  als 
constitutives  Moment  aufgenommen  ist,  wörtlich  an,  wie  denn  auch  laut  seiner  eigenen 
Erklärung  das  übrige  von  ihm  Gebotene  nur  eine  Zusammenstellung  dessen  ist,  was  er 
in  den  bereits  vorhandenen  Schriften  Anderer  vorfand.'  Bei  einer  derartigen  schrift- 
stellerischen Methode  triffst  es  sich  nun  leicht,  dass  das  aus  verschiedenen  Autoren 
neben  einander  Gestellte  sich  nicht  so  innig  aneinanderschliesst  uftd  auseinander  hervor- 
geht,  als  man  behufs  der  nöthigen  Klarheit  wünschen  möchte;   und  so  kommt  denn  auch 

'  Scias  autem  —  heisst  es  im  Piologus  des  Werkes  —  quae  legis  nou  mea  esse,  sed  ex  parte  philosophorum  vel  pliysicorimi, 
ex  parte  vero  ecelesiastieornni  doetorum,  iiec  tantum  eorum  sen,sa,  »ed  ipsa  eorum,  sicut  ab  eis  edita  sunt,  dicta  vel  scripta, 
quae  excerpta  ex  eorum  libris  hie   in  unum  rongessi. 


Dek  Entwickeldngsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  87 

Wilhelm  von  der  Beschreibung  des  menschlichen  Ivcibes  ziemlich  überraschend  auf  das 
gottebenbildliche  Wesen  des  Mensclien  hinüber,  dessen  Erörterung  doch  in  ganz  anderer 
Weise  unterbaut,  und  wohl  selbst  auch  anders  begründet  sein  müsste.  Nach  seiner  Dar- 
stellung bleibt  es  unbestimmt,  ob  die  Gottebenbildlichkeit  blos  von  der  8eele,  oder  vom 
ganzen  Menschen  ausgesagt  werden  soll;  wenn  er  ferner  behauptet,  erst  in  dem  voll- 
kommen ausgereiften  Menschenkörper  trete  der  Charakter  dei-  Gottesbildlichkeit  sichtbar 
am  Menschen  hervor,  so  hätte  doch  beigefügt  werden  müssen,  dass  diess  specifisch  nur  vom 
Manne  als  specifischem  Träger  und  Repräsentanten  des  menschlichen  Gattungscharakters 
gelten  könne.  Ist  aber  nur  der  Mann  und  der  Hen'scher  specifisch  Repräsentant  Gottes, 
so  würde  es  sich  weiter  fragen,  ob  diese  Repräsentation  eine  blosse  Idee  sei,  oder  ob 
ihr  auch  die  Wirklichkeit  im  menschlichen  Zeitdasein  entspreche,  und  /war  derart,  dass 
der-  Mann  unmittelbar  durch  sich  selbst  den  gottesbildlichen  Herrscher  und  Gebieter 
der  Erdenwelt  zum  Ausdrucke  bringe.  Schon  die  Vielheit  und  Varietät  der  zeitlich 
entfalteten  Menschengattung  spricht  dagegen ;  und  so  hätten  wir  jenen  Einen  der  nur 
als  Einer  das  sichtbare  Bild  des  Ewigen  im  Kreise  des  Lebendigen  auf  Erden  darstellen 
konnte  imd  diess  nur  in  einem  über  das  natürliche  Sein  und  Können  des  Menschen 
emporgehobenen  Lebenszustande  vermochte,  vor  der  Entfaltung  des  Einen  Menschen  in 
die  Vielheit  der  Gattung  und  vor  dem  Heraussinken  jenes  Einen  aus  dem  Stande  über- 
natürlicher Gehobenheit  zu  suchen.  Wilhelm  meint,  weil  in  Folge  des  Falles  die  Menschen 
als  hilflose  und  schwache  Geschöpfe  geboren  werden,  die  erst  allmälig  zur  Reife  und 
Stärke  des  entwickelten  Leibeslebens  heranreifen,  komme  jener  Charakter  erst  allmälich 
zum  Ausdrucke;  man  wird  richtiger  sagen,  dass  er,  soweit  er  vom  äusseren  Menschen 
überhaupt  ausgesagt  werden  kann,  nicht  speciell  an  eine  bestimmte  Altersstufe  gebunden 
sei,  aber  immer  nur  höchst  relativ  nach  Massgabe  der  durch  Alter,  Geschlecht,  Natur- 
artung bedingten  Mannigfaltigkeit  und  Verschiedenheit  der  menschlichen  Individualitäten 
zum  Ausdruck  gelangen  könne.  Kommt  der  Charakter  der  Gottesbildlichkeit  dem 
Menschen  als  solchem  zu,  so  wird  er  gewiss  auch  im  Kinde  und  im  Greise  nicht  zu 
verkennen  sein  obschon  beide,  Kind  und  Greis,  durch  ihre  Schwäche  und  Hilfsbediirftio-- 
keit  daran  mahnen,  dass  ein  den  Gesetzen  und  Bedingungen  des  irdisch-sterblichen 
Zeitdaseins  unterthan  gewordenes  Geschlecht  für  sein  zeitlich-irdisches  Naturdasein  als 
solches  die  Gottesbildlichkeit  nicht  in  Anspruch  nehmen  könne.  Gleichwohl  wäre  es 
verfehlt,  die  Gottesbildlichkeit  bei  dem  dermaligen  Menschen  auf  sein  seelisches  Wesen 
zu  beschränken;  so  weit  sich  dieses  in  der  äusseren  Menschenerscheinung  abdrückt 
muss  sich  auch  der  gottesbildliche  Charakter  desselben  in  der  äusseren  Erscheinung 
des  Menschen  reflectiren,  so  sehr  immerhin  dieser  Reflex  durch  die  den  Unterschied 
zwischen  edlen  und  minder  edlen  Racen  begründenden  Ursachen  und  durch  anderweitige 
ethische  und  physische  Einflüsse  getrübt  und  verdunkelt,  ja  mitunter  geradezu  verzerrt  ist. 
Wilhelm  setzt  das  gottesbildliche  Wesen  der  Seele  in  die  Rationalität  derselben. 
Diess  ist  nun  an  sich  ganz  richtig  und  selbstverständlich ;  es  handelt  sich  jedoch  auch 
darum,  die  Tiefe  und  den  Vollgehalt  dessen,  was  in  der  rationalen  Begabung  der  Seele 
liegt,  zur  Anschauung  zu  bringen,  und  damit  den  wii-klichen  Erweis  der  behaupteten 
Gottesbildliclikeit  zu  erbringen.  Die  denkfähige,  vernunftbegabte  Menschenseele  wird 
das  göttliche  AVesen  wohl  darin  nachbilden,  dass  sie,  während  sie  ein  lichtes  Geistleben 
in  sich  selber  lebt,  zugleich  auch  die  gesammte  sichtbare  Wirklichkeit  denkend  bewältigt 
und  sich  geistig  dienstbar  macht.     Dazu  kommt  dann  weiter  die  ethische    Selbstverähn- 


yy  K.  Wkrnek. 

licliiing  der  Seele  niii  (Jon.  die  sieh  dadurch  vollzieht,  dass  die  Seele  ihr  gottesbildliclies 
geistiges  Sein  iind  Lrln'ii  aucli  ethisch  bewahrheitet  und  die  dem  Ewigen  nachgedachten 
Gedanken  in  die  \\  irkli(;lik(Mt  lebendiger  Tliaten  umsetzt.  Von  einer  derartigen  Auf- 
fassung dei'  Gottesbildliclikeit  der  menschlicheii  Seele  ist  nun  bei  Wilhelm  nicht  die 
Rede.  Er  sieht  die  Bekundung  des  gottesbildlichen  Wesens  der  Seele  niciit  etwa,  worauf 
es  docli  specifisch  ankommt,  in  der  Fähigkeit  derselben,  die  Gedanken  des  Ewigen  aus 
sicli  zu  reproduciren.  sondeiui  lediglich  im  Denken  als  solchem,  oder  in  demjenigen,  was 
die  menschliche  Seele,  oder  besser  gesagt,  der  Mensch  vor  dem  Thiere  voi-aus  liat,  wobei 
stillschweigend  vorausgesetzt  wird,  dass  dasjenige,  was  über  das  Thierische  erhaben  ist, 
gottesbildlich  sein  müsse.  Ist  nun  aucli  diese  Voraussetzung  nicht  unrichtig,  so  muss  sie 
doch  erwiesen  werden ;  dei"  Erweis  fordert  aber  ein  Eingehen  in  das  tiefste  Wesen  der 
Seele,  imd  ein  Begreifen  dei"  Denkfähigkeit  und  Denkmächtigkeit  der  Seele  aus  dem 
tiefstgefassten  Wesen  der  Seele.  Statt  dieses  Eingehens  begnügt  sich  Wilhelm  mit  einer 
überlieferten  Definition  der  Seele,  in  welche  neben  anderen  constitutiven  Merkmalen 
der  Seele  aucli  die  Gottesbildlichkeit  derselben  aufgenommen  ist.  Er  fiilirt  nun  allerdings 
auch  Gründe  für  dieselbe  an,  aber  eben  nin-  Gi'ünde.  nicht  den  Einen,  diese  Gründe 
selber  wiedc]-  begründenden  eigentlichen  Grund.  Seine  Gründe  sind  hergenommen  von 
der  Rationalität  der  menschlichen  Seele ;  in  Folge  dessen  gebietet  die  Seele  den  Sinnen 
und  urtheilt  in  Bezug  auf  das  durch  die  Sinne  ihr  zugeführte  Materiale  der  Sinnes- 
wahrnehmung. Sie  thront  im  Haupte  gleichsam  auf  holiei'  Warte  in  der  Mitte  der  Stadt, 
nimmt  die  Rapporte  entgegen,  die  ihr  von  den  Tlioren  und  Ausgängen  dieser  Stadt 
d.  ]i.  von  den  Sinnespforten  des  Leibes  her  zugetragen  werden,  sie  lässt  in  Folge  der 
du]-ch  die  Sinne  zugetragenen  Nachricliten  den  Bewegungsorganen  Befehle  zugehen  u.  s.  w., 
kurz  sie  schaltet  —  muss  man  suppliren  —  als  Herrscherin  im  Leibe,  wie  Gott  als 
Herrscher  im  Univei'sum.  Auch  die  äussere  Gestalt  des  Leibes,  die  aufrechte  Haltung 
desselben  kündiget  die  königliche  Herrscherwürde  der  dem  Menschenleibe  einwoh- 
nenden vernünftigen  Seele  an.  Der  Vernunft  kommt  es  zu,  den  H'j\xrjc  und  das 
STUtO'jjXYjTaöv  im  Menschen  niederzuhalten;  unterlässt  der  Mensch, die  Regungen  dieser 
Beiden  durch  das  Gebot  der  Vernunft  zu  zügeln,  so  erniedriget  er  sich  zum  Thiere. 
Aus  allem  Diesen  ist  zu  entnehmen,  dass  Wilhelm  das  Gottesbildliche  an  der  Menschen- 
seele in  die  Gott  nachahmende  Herrscherthätigkeit  setzt,  und  der  Erweis  der  Gottes- 
bildlichkeit ihm  mit  dem  Erweise  der  Stellung  des  Menschen  über  dem  Thiere  zusammen- 
fällt. Der  Mensch  soll  die  Natur  in  ihm  und  ausser  ihm  beherrsclien ;  dazu  ward  ihm 
Vernunft  verliehen,  dadurch  unterscheidet  er  sich  vom  Thiere,  welclies  durch  seine  Natur 
geleitet  wird.  Zorn,  Lust,  List,  Fressgier  sind  beim  Thiere  die  natürlichen  Aeusserungen 
und  Functionen  seiner  Selbsterhaltungsthätigkeit.  Wenn  aber  der  Mensch  durch  die,  ihm 
mit  dem  Thiere  gemeinsamen  Regungen  sicli  beherrschen  lässt.  so  erniedriget  er  sich  zum 
Thiere,  und  indem  die  Vernunft  zum  Mittel  der  Befriedigung  thierischer  Affecte  und 
Begierden  missbraucht  wird,  geht  eine  reiche  Saat  von  Lastern  auf.  Die  Seele  ist  ihrem 
ursprünglichen  Wesen  nach  übei-  tliierlsclie  Rohheit  unermesslich  erhaben;  der  Mensch 
soll  eben  diu'ch  Vernunft  lierrsehen  und  sein  Machtvermögen,  sein  Imperium  naturae 
bethätigen.  Darum  ist  er  auch  niclit  von  Natur  aus  mit  derartigen  Scluitzmitteln  und 
Waffen  versehen,  wie  wir  die  Thiere  ausgestattet  sehen.  Der  Mensch  wird  nackt  geboren, 
und  kann,  sowie  er  aus  dem  Mutterschoosse  an  das  irdische  Tageslicht  geboren  wird, 
nur   weinen.     Einzig    Zoroaster,    der   Erfinder   der  magischen   Künste,   lachte   dei-   Natur 


Der   ENTWICKEHNGSCiANG   DER   MITTELALTERLICHEN  PSYCHOLOGIE    VON    AlCUIN    BIS  ALBERTUS   MaGNUS.  89 

zuwider,  als  er  geboren  war,  und  gab  durch  diese  unnatürliche  Handlung  ein  Vorzeichen 
seines  nachmaligen  Betriebes  unnatürlicher  Zauberkünste.  Der  Mensch  ist  geborner 
Herrscher  über  die  sinnliche  Aussenwelt.  Die  Ausübung  dieses  Herrscherrechtes  ist  für 
ihn  eine  Sache  der  Nothwendigkeit :  er  sieht  sich  darauf  angewiesen,  die  Thiere  in  seinen 
Dienst  zu  zwingen  und  den  Zwecken  seiner  Arbeitsthätigkeit  dienstbar  zu  machen.  T)er 
Schooss  der  Erde  liefert  ilim  in  den  Metallen,  dem  Eisen  namentlich,  das  Materiale  zu 
Werkzeugen  und  Waft'en,  die  weit  vorzüglicher  sind  als  die  nattudichen  Waifen  und  Werk- 
zeuge der  Thiere.  Die  gesammte  irdische  Creatur  dient  dem  Menschen,  trotzdem  dass  sein 
physisches  Kraftvermögen  ein  sehr  beschränktes  ist.  Daran  möge  man  erkennen,  wie 
hocli  der  Mensch  durch  seine  unsterbliche,  vernünftige  Seele  gestellt  ist.  Dejin  vermöge 
dieser  kommt  ihm  jenes  irdische  Königthum  zu;  und  in  demselben  bekundet  sich  das 
gottesbildliche  Wesen  der  Seele  als  Abbildes  des  göttlichen  Allgebieters.  Um  aber  diese 
Gottesbildlichkeit  vollkommen  zu  actualisiren,  muss  die  Seele  den  geistigen  Schmuck  ihrer 
Königswürde  an  sich  nehmen,  statt  des  Purpurs  die  Tugend,  statt  des  Scepters  die 
Seligkeit  des  unsterblichen  Lebens,  statt  des  Königsdiadems  die  Krone  der  Gerechtigkeit. 
Nach  Gottesbilde  geschaffen  sein  heisst  so  viel,  als  zur  Theilnahme  an  allen  Gütern 
berufen  sein.  Die  Fülle  dieser  Güter  ist  Gott,  die  Fähigkeit  zum  Theilhaben  an  dieser 
Güterfülle  ist  mit  Gottesbildlichkeit  identisch.  Jene  holten  Güter  sind  Tugend.  Weisheit, 
vollkommene  geistige  Freiheit  und  Macht.  —  Es  lii-aucht  nicht  ausdrücklich  hervor- 
gehoben zu  werden,  wie  unvermittelt  diese  letzteren  Sätze  christlich-ethischen  und 
christlich-theologischen  Inhaltes  an  die  vorausgegangene  rationale  Erweisung  der  Gottes- 
bildlichkeit herantreten,  und  während  sie  den  Begriff  derselben  tiefer  fassen  zit  wollen 
scheinen,  doch  nicht  dazu  kommen,  einen  klaren  grundhaften  Begriff'  des  Wesens  der 
Gottebenbildliclikeit  aufzustellen.  Um  klar  zu  sprechen,  hätte  Wilhelm  zwischen  Gottes- 
bildlichkeit und  Gottebenbildlichkeit  unterscheiden  und  sagen  sollen,  dass  die  Gottes- 
bildlichkeit vom  Menschen,  die  Gottebenbildlichkeit  aber  von  der  ihm  einwohnenden 
Seele  ausgesagt  werden  wolle.  Dies  war  aucli,  wie  aus  dem  Mitgetlieilten  liervorgeht, 
seine  eigentliche  Meinung,  nur  dass  er  dieselbe  sich  nicht  ZTim  klaren,  bestimmten  Bewusst- 
sein  zu  erheben  vermochte. 

Die  Gottebenbildlichkeit  des  Menschenwesens  steht  bei  Wilhelm  von  St.  Thierry  im 
engsten  Connexe  mit  dem  mikrokosmischen  Charakter  desselben,  der  in  der  That  die 
grundwesentliche  Unterlage  fiir  jene  bildet,  obschon  er  mit  Rücksicht  auf  den  Menschen 
als  Ganzen  durch  sich  direct  nicht  auf  jenen  der  Gottebenbildlichkeit  des  Menschen, 
sondern  vielmehr  des  geschöpflichen  Gegenbildes  Gottes  liinführt.  Dieser  Gedanke 
hängt  indess  zu  innig  mit  der  neuzeitlichen  speculativen  Persönlichkeitsidee  zusammen, 
als  dass  er  in  der  philosophischen  Anthropologie  jenes  Zeitalters  irgendwie  auch  nur 
denkmöglich  gewesen  wäre.  Den  mikrokosmischen  Charakter  des  Menschen  erweist 
Wilhelm  mit  Augustinus  daraus,  dass  der  Mensch  alle  Hauptstufen  des  geschöpflichen 
Seins  in  sich  fasst,  indem  er  mit  den  Steinen  das  Esse,  mit  den  Pflanzen  das  Vivere, 
mit  den  Thieren  die  vita  cum  sensu,  mit  den  Engeln  die  vita  rationalis  gemein  hat, 
deren  Träger  die  menschliche  Seele  ist..  Zur  gehörigen  Durchbildung  der  Idee  des 
mikrokosmischen  Charakters  würde  nun  gehören,  zu  zeigen,  wie  die  im  Menschen  geeinig- 
ten creatürlichen  Lebensstufen  zu  Einem  in  sich  geschlossenen  Ganzen  sich  zusammen- 
fügen. Denn  damit,  dass  alle  vier  Seinsstufen  des  Universums  im  Menschen  sich  abbildlich 
wiederholen,   ist  denn  jene  Idee  doch  gewiss  nicht  schon  erschöpft.     Die  centrale  kosmische 

Denkschriften  der  phü.-hist.  CI.  XXV.  Bd.  12 


90 


K.  Wehnek. 


Bedeutung  und  Stellung  des  Mensehen  involvirt  auch  eine  centrale  Einigung  seines 
AVesens  in  sicli  selber,  die  in  der  central  dureligreifenden  Macht  des  Seelen wosens 
begründet  sein  muss.  Statt  dessen  fällt  für  Wilhelm  das  iMensclienwesen  in  zwei  Hälften, 
eine  höhere  und  niedere  auseinander,  deren  Einigung  ihm  schlechthin  unbegreiflich  ist 
und  unbegreiflicli  bleiben  muss,  da,  wie  er  ausdrücklich  sagt,  weder  der  Leib  die  Seele, 
noch  sie  ihn  umschliesst.  Statt  eines  wechselseitigen  Sichumfassens  Beider  negirt  er 
dieses  Umfassungsverhältniss  beiderseits,  und  hebt  somit  die  gottgefügte  Ehe  zwischen 
Seele  und  Leib  auf;  das  Verhältniss  zwischen  beiden  ist  nur  ein  Hürigkeitsverhältniss, 
die  Seele  bedient  sich  des  Leibes  als  ihi-es  Instrumentes.  Uebrigens  wiederholt  er  den 
traditionellen  Gedanken  aller  seiner  Vorgänger  seit  Augustinus,  dass  die  Seele  tota  in 
toto  sei;  selbst  von  einer  Localisirung  der  intellectiven  Seelenkraft  will  er  im  Wider- 
spruch mit  dem.  was  er  über  das  Haupt  als  Thron  der  intellectiven  Thätigkeit  gesagt 
hat,  nichts  wissen.  Jenen,  Avelche  den  Sitz  derselben  im  Herzen  suchen,  macht  er  bemerk- 
lich, dass  nach  dem  A\'orte  der  Bibel  Grott  nicht  nur  die  Herzen,  sondern  auch  die  Nieren 
durchforsche.  Dieses  Wort  hätte  wohl  geistiger  gefasst  werden  sollen,  und  wäre  damit 
auch  psychologisch  tiefer  gefasst  worden;  in  der  That  gibt  es  im  Menschenwesen  etwas, 
was  nicht  unmittelbar  durch  das  Gebot  des  sittlichen  Willens  bestimmt  werden  kann, 
dessungeachtet  aber  die  Bestimmtheit  desselben  an  sich  tragen  soll,  und  in  Folge  der 
ununterbrochen  liehaupteten  sittlichen  Selbstherrschaft  des  Menschen  auch  wirklich 
annimmt.  Dieses  dunkle,  der  unmittelbaren  Bestimmung  durch  den  sittlichen  Willen 
entzogene  Gebiet  sind  die  ,Nieren',  die  der  Herr  durchforscht,  um  zu  priifen,  ob  der 
Mensch  ganz  und  vollkommen  lauter  und  gerecht  sei. 

Ein  Hauptsatz  der  Anthropologie  AVilhelms  von  St.  Thierry  ist,  dass  nur  der  Mensch 
eine  Seele  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  habe,  während  man  den  Thieren,  und  natürlich 
noch  mehr  den  Pflanzen  eine  solche  absprechen  müsse.  Die  Pflanzen  haben  Leben,  dessen 
Gesundheit  auf  der  richtigen  Temperirung  des  wechselseitigen  Verhältnisses  der  im 
Pflanzenkörper  vereinigten  vier  Elemente :  Erde,  Feuer,  Luft,  Wasser  beruht;  das  Leben 
der  Pflanze  besteht  im  musikalisch-melodischen  Zusammenklingen  der  im  Pflanzenkörper 
vereinigten  vier  Elementarkörper.  Die  Thiere  stehen  zufolge  ihrer  Begabung  mit  dem 
Vermögen  der  Sinnesempfindung  und  willkürlichen  Bewegung  auf  einer  höheren  Stufe 
der  Lebendigkeit,  bringen  es  aber  nicht  zur  Vollkommenheit  eines  denkhaften  Lebens, 
entbehren  also  jenes  denkhaften  Principes,  das  im  Menschen  wirkt  und  Seele  heisst;  sie 
weisen  in  ihren  Lebensäusserungen  nur  jene  Thätigkeiten  vor,  welche  dem  menschlichen 
Körper  als  solchem  bereits  bei  seinem  ersten  Entstehen  im  Keime  eingezeugt  sind,  nur 
(hass  dieselben  beim  Menschen  unter  die  Herrschaft  der  Vernunft  gestellt  und  damit  an 
ein  Mass  gebunden  sind,  welches  das  Thier  nicht  kennt.  Die  Thiere  haben  weder  Ge- 
dächtniss  noch  Vorstellungskraft,  welche  beide  der  denkfähigen  Seele  angehören;  dafür 
sind  sie  mit  einer  desto  grösseren  Kraft  der  Sinne  und  einer  desto  ausgebildeteren 
instinctiven  Begabung  ausgerüstet,  je  weiter  ihre  sogenannten  Seelen  von  der  mensch- 
lichen Seele  abstehen.  In  dem  Masse  nun,  als  beim  Menschen  die  natürliche  Sinnesschärfe 
gedämpft  ist  und  das  instinctive  Vermögen  zurücktritt,  muss  das  seelische  Princip  ein- 
greifen, um  das  dem  Menschen  mit  dem  Tliiere  gemeinsame  Thun  in  menschlicher  \\  eise 
zu  actuiren.  Die  Seele  ist  zufolge  ihrer  Allgegenwart  im  Leibe  an  allen  Lebensactionen, 
die  im  Menschenwesen  vor  sich  gehen,  betheiliget;  sie  ist  als  tota  in  toto  ganz  in  jeder 
der    Hauptoperationen    des    leiblichen    Lebens:     der    operationes    naturales,    spirituales, 


Der  Entwickelungsganu  dek  mittelalteuliohen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertl's  Magnus.  91 

Ullimales.  Da  die  Seele  Vivificationsprineip  ist,  so  legt  Wilhelm  den  Hauptnachdruck 
auf  ihre  Präsenz  in  den  operationibns  spiritualibus  oder  Functionen  des  Athmungs- 
systemes;'  die  directe  und  unmittelbare  Präsenz  derselben  in  den  operationes  naturales 
wird  mehr  als  fraglich,  wenn  man  Wilhelm  anderwärts  sagen  hört,  nicht  die  Seele, 
sondern  die  Natur  passe  der  Seele  den  Körper  an,  bereite  ihr  die  Hand  als  Werkzeug 
des  Handelns,  gestalte  den  Mund  sprechfähig  u.  s.  w.  Endlich  zeigt  es  insgemein  von 
der  Unsicherheit  seiner  Auffassung  des  Verhältnisses  zwiscJien  Seele  und  Leib,  wenn 
er  die  drei  virtutes,  welche  die  Träger  jener  drei  operationes  sind,  bald  Kräfte,  bald 
Werkzeuge  der  Seele  nennt. 

Alle  die  menschliche  Seele  als  solche  betreffenden  Untersuchungen  sind  nach  Wilhelm 
unter  die  drei  Fragen  Quid,  Quare,  Quomodo  zu  subsumiren.  Die  Frage,  warum  und  avozu 
die  Seele  da  sei,  bedarf  keiner  Antwort,  indem  derjenige,  der  diese  nicht  selbst  sclion  wüsste. 
seines  Daseins  nicht  werth  wäre.  Die  Seele  ist  da,  um  vernunftgemäss  zu  leben  und  zu 
wirken.  Auf  den  entsprechenden  Modus  dieses  vernunftgemässen  Lebens  und  Wirkens 
bezieht  sich  die  dritte  Frage  oder  das  Quomodo  est.  Der  Beantwortung  dei-selben  ist 
der  ganze  noch  übrige  Theil  der  Schrift  Wilhelms  gewidmet.  Wie  dei-  Körper  vier 
untergeordnete  Elemente  seines  Bestandes  in  sich  fasst,  so  ist  auch  das  vernunftgemässc 
Leben  und  Wirken  der  Seele  durch  das  Zusammensein  und  die  rechte  wechselseitisre 
Tenipei'irung  der  vier  Grundtugenden  Prudentia,  Temperantia,  Fortitudo,  Justitia  bedingt. 
Wie  die  Seele  in  der  Verwaltung  des  leiblichen  Lebens  des  Dienstes  der  Kräftevierheit: 
virtus  appetitiva,  contentiva,  digestiva,  expulsiva  sich  bedient,  so  vollzieht  sich  die  Lenkung 
des  rationalen  Lebens  der  Seele  durch  die  vier  Affecte :  Hoffnung ,  Furcht ,  Freude, 
Traurigkeit.  Wie  die  leibliche  Natur  in  drei  Kräften  thätig  ist:  virtus  naturalis,  spiritualis, 
animalis,  so  entfaltet  sich  das  seelisch-rationale  Leben  im  Wirken  der  drei  Potenzen : 
nationale,  Irascibile,  Concupiscibile.  Den  drei  Thätigkeiten  jener  drei  leiblichen  Lebens- 
Icräfte :  Nutritio,  Vivificatio,  Sensatio,  entsprechen  im  geistig-seelischen  Leben  die  Fides, 
Spes,  Charitas,  durch  welche  dasselbe  in  Bezug  auf  die  Rationalitas,  Concupiscibilitas, 
Irascibilitas  geordnet  und  vollendet  wird.  Charitas  und  Irascibilitas  scheinen  wohl 
einander  entgegengesetzt  zu  sein;  sie  haben  aber  beide  den  Fervor  gemein,  der  eben 
in  der  Charitas  zur  lautersten,  reinsten,  heiligen  Flamme  sich  läutern  soll.  Crleichwie 
die  drei  in  Hirn,  Herz,  Leber  thätigen  Kräfte  durch  Nachlassung  oder  Uebermass  ihrer 
Thätigkeiten  Krankheiten  erzeugen,  so  erzeugen  sich  auch  aus  der  fehlerhaften  Entartung 
der  ihnen  entsprechenden  seelischen  Potenzen  moralische  Krankheiten;  ki-ankhafte  Aft'ec- 
tionen  der  Rationalitas  sind  Vorurtheil,  Irrglaube  u.  s.  w. ;  die  Corrumpirung  der 
Concupiscibilitas  stellt  sich  in  der  Begierlichkeit  des  Fleisches,  der  Augen  und  dei- 
Hoffart  des  Lebens  dar;  die  Corrumpirung  der  Irascibilitas  in  thierischem  Zorne,  trutziger 
Härte  und  Gewaltsamkeit,  Hass. 

Die  Seele  hat  ein  doppeltes,  ein  animalisches  und  spirituelles  Sinnenvermögen.  In 
beiden  ist  ihr  Wirken  wunderbar,  fast  nicht  begreiflich.  Der  animalische  Sinn  in  seiner 
fünffachen  Bethätigung  ist  ein  Mittleres  zwischen  der  unsichtbaren  Seele  und  dem  sicht- 
baren Leibe;  er  ist  ein  Visibile  incorporeum,  eine  Bezeichnung,  die  auch  vom  Ergebniss 


'  Auima  iu  uaturalibus  operatur  .suhtiliter,  in  aninialibu.s  subtiliu.s,  subtilissiine  in  .iiiiritualibus.  C^uaedam  pnim  facit  natuiab'ter, 
quaedani  actualiter  et  passibiliter  i.  e.  auiinaliter,  quaedam  vero  per  .se  ipsaiii  et  seeundnni  ijisani  i.  e.  sjiintualiter.  Sive 
igitur  viitu3  naturalis,  sive  animalis,  sive  spiritualis:  non  sunt  anima,  sed  anini.Te  instrumenta. 

1-2* 


92  K-   Werner. 

seiner  Tlüitigkeit,  vom  Produote  dei-  Sensation  gilt.  IHe  y])irituelle  Sensation  unterscheidet 
sich  von  der  animalischen  dadurch,  dass  sie  alle  besonderen  Arten  derselben  gesammelt 
in  sich  vereiniget.  Sie  ist  eine  sehende  In  der  ^Yeisheit,  eine  hörende  Im  Vernehmen 
vom  AVahren  oder  Falschen ;  sie  ergötzt  sich  am  ^Vohlgeruche  des  Edlen  und  (liereehten, 
"Während  sie  durcli  den  entgegengesetzten  Eindruck  des  Unedlen  und  Unreinen  abgestossen 
wird;  sie  empfindet  die  Freuden  des  geistigen  Wohlgeschmackes  und  die  Widrigkelten 
des  Gegenthelles;  sie  ist  selig  in  Berührung  und  Umfassung  der  Weisheit,  uiul  hat  die 
entgegengesetzte  Empfindung   in   der  (Jesellschaft  der  Thorheit. 

Wilhelm  schliesst  seine  Schrift  mit  Erörterungen  über  die  Verähnlichung  der  Seele 
mit  (iott,  die  ganz  in  Augustlnischem  Geiste  gehalten  sind;  die  sieben  Stufen  des  Auf- 
steigens  der  Seele  zu  Gott  sind  wortgetreu  nach  Augustinus'  wiedergegeben.  Die  Ver- 
ähnlichung der  Seele  mit  Gott  vollzieht  sich  in  der  vollkommenen  Actualisirung  ihre)- 
anerschaffenen  Gottesbildlichkeit.  Die  Seele  bildet  in  der  Dreieinheit  ihrer  Thätigkeiten 
als  mens,  cogitatio,  voluntas  das  dreieine  göttliche  Wesen  nach,  womit  ihr  auch  schon 
das  Ziel  ihres  Selbstvollendungsstrebens  gewiesen  ist,  das  kein  anderes,  denn  ihre  Selbst- 
verähnlichung  mit  ilirem  Urbilde  sein  kann.  Diesem  ihrem  Urbilde  hat  sie  sonach  in 
Liebe  sich  zuzuwenden;  ihr  selbsteigenes  geistiges  Erkennen  weist  sie  auf  diesen  ewigen, 
absoluten  Gegenstand  Ihrer  Liebe  hin.  Zwischen  Gott  imd  die  Körperwelt  gestellt,  erkennt 
sie  Gott  als  dasjenige,  was  über  ihr  ist,  während  sie  die  Körper  dem  Range  nach  tief 
unter  sich,  und  sich  ihrer  Natur  nach  Gott  näher  als  den  Körpern  gestellt  sieht.  Allerdings 
erkennt  sie  sich  gleich  den  Körpern  als  etwas  Geschaffenes,  d.  i.  als  etwas,  was  nicht 
aus  Gott,  sondern  durch  Gott  ist;  sie  erkennt  aber  zugleich,  dass  sie  ihrem  Wesen  nach 
niclit  den  Körpern,  sondern  Gott  ähnlich  ist.  Sie  erkennt  Ihren  Schöpfer  als  himen 
illuminans,  sich  selbst  aber  als  lumen  illuminabile,  und  damit  zugleich  auch,  dass  sie 
nur  In  Gott  vollkommen  liclit  und  klar  werden  kann,  dass  Er  als  unermesslicher  Licht- 
ocean  das  wahre  Element  ihres  Lebens  ist.  Indem  sie  Gott  als  ihr  ewiges  Urbild  erfasst, 
erkennt  sie  ihn  als  foi-ma  formatrix  ihrei-  selbst,  in  dei-en  Kraft  sie  die  ihr  anerschaftene 
Gottesbildlichkeit  vollkommen  actuiren,  d.  i.  zur  vollendeten  Schönheit  gelangen  soll. 
Diese  vollendete  Schönheit  ist  aber  die  in  Kraft  der  Gnade  sich  vollziehende  vollendete 
Selbstconformation  mit  der  göttlichen  urbildlichen  Dreieinheit.  ^  Was  von  der  Seele  gilt, 
hat  in  seiner  Weise  vom  ganzen  Menschen  zu  gelten,  der  als  Geschaffener  durcli  Gottes 
Hand  gebildet  und  gestaltet  (formatus),  die  gottverliehene  Gestaltung  actuiren,  oder  aus 
einem  Formatus  zu  einem  Formosus  werden  soll  dadui'ch,  dass  er  nicht  den  minus  formatls 
minusque  formosis  unter  ihm,  sondern  der  forma  formatrix  sich  zukehrt. 


Vgl.  Aug.  de  qiumtitate  aniniae  e.  33.  —  Augustinus  selber  fasst  in  einem  folgenden  Capitel  der  citirten  Schrift  (c.  35) 
die  sieben  Stufen  der  seelischen  Entwickelung  und  des  damit  verbundenen  Aufwärtssteigens  der  Seele  in  der  Annäherung 
zu  Gott  in  folgender  Weise  zusammen:  Ascendentibus  snrsum  versus  primus  actus  dicitur  auimatio.  secundus  sensus.  tertius 
ars,  ([uartus  virtus,  qnintus  tramjuillitas,  sextus  ingressio,  septiraus  contemplatio.  Possunt  et  hoc  modo  appellari :  De  corpore, 
per  corpus,  circa  corpus,  ad  se  ipsuni,  in  se  ipsa,  ad  Denm,  in  Deo. 

Hoc  videns  aniina  in  se  esse  (seil,  triunam  mentis,  cogitatiouis  et  voluntatis  vitam),  imo  hoc  videus  se  es.se,  audiensque 
sibi  Deum  quodammodo  loquentem,  veritatem  videt  radiantem,  Christum  intendit  praedicantem  et  dieentem;  Ego  et  Pater 
et  Charitas  non  tres,  sed  unum  sumus  (vgl.  Joh.  10,  .■«)),  unus  Dens  snmus,  tu  vero  mens  rationalis.  cogitatio,  dilcctio  tua 
UHUS  es  homo,  ad  similitudineni  auctoris  tui  factus,  non  ad  aequalitateni  crcatiis,  nempe  non  geuitus.  formatus  es,  non  ipse 
formator.  Recede  ab  bis,  quae  infra  te  sunt,  minus  formata  minusque  formosa,  quam  tu  es;  accede  ad  formam  formatricem. 
ut  possis  esse  formosior,  eidemque  semper  adjuugere,  quia  tanto  ab  illa  specie  amplius  accipies,  quanto  te  illi  major 
charitatis  pondere  impresseris.  Ab  illa  enim  obtinebis  imaginis  hu.jus  innnutabilem  statum,  a  quo  sumsisti  principium. 


Dek  Entwickeli'ngsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus    Magnus.  95 

Die  Grundlage  der  Ausführungen  Wilhelms  über  die  kosmische  Wesensstellung  und 
Verähnlichung  der  Seele  mit  Gott  bilden  gewisse  ontologisch-metaphysische  Wesens- 
bestimmungen der  Seele.  Während  Gott  ilber  alle  Prädicamente  dei*  Körper  schlechthin 
erhaben  ist,  unterliegt  die  Seele  wenigstens  einzelnen  derselben,  so  den  Kategorien  der 
Qualität  und  der  Bewegung;  sie  wird  zwar  nicht  im  Räume  bewegt,  aber  durch  die  mittelst 
des  Leibes  appercipirten  Aöectionen  in  Bewegung  gesetzt.  Sie  nimmt  also  eine  mittlere 
Stellung  zwischen  Gott  und  den  Körpern  ein.  Zufolge  ihrer  Immaterialität  aber  sind 
ihre  \  erinöglichkeiten  von  ihrer  Wesenheit  unabtrennbar:  Anima  ipsa  est  sua  potentia. 
])araus  wird  das  dreieine  Ineinandersein'  von  Memoria,  Intellectus,  Voluntas,  und  die 
darin  begründete  specifische  Gottesbildlichkeit  der  Seele  abgeleitet,  deren  weitere  Con- 
sequenzen  hinsichtlich  des  letzten  Vollendungszieles  der  Seele  wir  so  eben  an  Wilhelms 
Hand  verfolgten.  Eben  dieselben  ontologisch-metaphysischen  Sätze  über  das  Wesen  der 
Seele  bilden  auch  die  Unterlage  der  Schrift  Isaaks  von  Stelle  De  anima, '  die  sich  mit 
Beiseitelassung  alles  Somatologischen  ausschliesslich  auf  den  Seelenbegriff  beschränkt, 
aber  in  der  Ausführung  desselben  das  Geschick  eines  philosophisch  geschulten  Denkens 
erkennen  lässt.  Isaak  ist  Platoniker,  und  gibt  dieses  sofort  in  den  ersten  einleitenden 
Sätzen  seiner  Schrift  zu  erkennen.  Drei  Gegenstände  der  Forschimg  —  bemerkt  er  — 
gibt  es  für  uns:  den  Körper,  die  Seele,  Gott-,  er  müsse  jedoch  bekennen,  dass  unter 
diesen  die  Natur  des  Körpers  für  ihn  das  Dunkelste  sei.  Leichter  sei  für  ihn  zu  verstehen, 
was  Gott,  als  was  die  Seele  ist;  und  leichter  wieder,  das  Wesen  der  Seele,  als  jenes 
des  Körpers  zu  verstehen.  Da  nun  das  Körperliche  als  solches  das  Dunkle  ist,  so  können 
selbstverständlich  auch  die  körperlichen  Sinne  nur  dunkel  wahrnehmen;  heller  sielit  der 
auf  die  sinnliche  Körperwelt  gerichtete  Verstand;  im  reinen  Wahrheitslichte  sonnt  sich 
die  der  Gottheit  zugewendete  Litelligenz.  In  Gott  ist  die  Wahrheit  aller  Essenz;  die 
Seele  ist  ein  begrenztes  Bild  des  göttlichen  Wesens,  in  den  Körpern  findet  sich  kaiun 
eine  Spur  des  Göttlichen.  Gott  ist  eine  absolut  einfache  Wesenheit,  alles  Körperliche  ist 
wesentlich  zusammengesetzter  Art;  die  Seele  hält  die  Mitte  zwischen  Beiden,  und  ist 
den  Körpern  gegenüber  etwas  Einfaches,  der  göttlichen  Wesenheit  gegenüber  etwas 
Zusammengesetztes,  indem  bei  ihr  Sein  imd  Haben,  das  in  Gott  zusammenfällt,  ausein- 
andertreten. Was  Gott  hat,  ist  er  Alles  selbst;  der  Körper  kann  nichts  von  dem  sein, 
was  er  hat,  indem  er  das,  was  er  hat,  nicht  selber  ist.  Gott  hat  weder  Quantität  noch 
(Qualität;  der  Körper  hat  Beides  als  etwas  von  ihm  als  Körper  Verschiedenes;  die  Seele 
als  Mittleres  zwischen  Gott  und  Körper  hat  zwar  keine  Quantität,  wohl  aber  eine  be- 
stimmte Qualität.  Man  behandelt  wohl  auch  die  Seele  in  analogischem  Sinne  als  Quantum, 
wenn  man  von  Ingenium,  Ratio,  Memoria  als  virtuellen  oder  2:)0tentiellen  Theilen  der 
Seele  spricht.  Aber  diess  sind  keine  wirklichen  Theile,  weil  sonst  die  Eine  Seele  in  drei 
Seelen  auseinanderfiele,  gleichwie  die  Dreitheilung  eines  Körpers  aus  demselben  drei 
Körper  macht.  Sind  die  genannten  Vermögen  der  Seele  keine  quantitativen  Theile  der 
Seele,  so  muss  in  jedem  derselben  die  ganze  Seele,  und  diese  somit  selber  jene  Ver- 
mögen sein. 

Die  erste  grundhafte  Dreiheit  der  Seele  ist  ihre  Rationalitas,  Concupiscibilitas,  Ira- 
scibilitas;  diese  drei  Vermögen  sind  constitutive  partes  virtuales  der  Seele,  die  Seele  als 


AhjiCedr.   in  Migne's  Patrolog.  lat.   Tora.    194,  p.   1875  ff.  —  Isaak,    ein  g(!bürner  Engländer.    Ii:iin    a.   11-17    nai-li   Frankreich 
und  wurde  Abt  des  Cisterzieuserklnsters  Stella  (L'Etoile)   im  Kircliensprengel  von  Poitiers. 


94 


K.  Wernek. 


solche  ist  rationalis,  ccmoupiscibilis,  irascibilis,  und  .stellt  sieh  durlii  als  eine  Dreieinlieit 
dar.  Von  den  Kräften  oder  Vermögen  (vires)  der  Seele  sind  abt'r  ihre  Vermöglichkeiten 
(virtutes)  zu  unterscheiden;  diese  gehören  nicht  zum  AVescn  oder  zur  Natur  der  Seele, 
sind  vielmehr  im  Yerhältniss  zu  demselben  etwas  Accidentelles,  obschon  auch  sie  in  der 
Seele  und  die  Seele  selber  sind,  während  der  Körper  weder  seine  Naturalia,  noch  seine 
Accidentia,  sondern  von  Beiden  verschieden  ist,  Gott  aber  weder  Naturalia,  noch  Acci- 
dentia  hat,  sondern  ganz  nur  er  selbst  ist.'  Kraft  ihrer  Rationalität  ist  die  Seele 
erleuchtuno-sfähig,  auf  dass  sie  erkenne,  kraft  ihrer  Concvipiscibilität  und  Ii-ascibilität  aber 
afficirbar  zum  Begehren  oder  Verabscheuen  irgend  eines  Objectes.  Aus  der  Rationabilität 
der  Seele  entspringt  alles  Wahrnehmen  der  Seele,  aus  den  beiden  anderen  Vermögen 
alle  Affectionen  der  Seele,  die  sich  unter  die  Vierzalil  der  Hauptaffecte:  Freude  und 
Schmerz.  Hoffnung  und  Furcht  subsumiren.  Die  hieran  sicli  schliessende  Thelematologie 
Isaaks  ist  etwas  unklar  und  auch  gar  nicht  weiter  ausgebildet.  Er  lässt  sich  hiebei 
offenbar  von  schematisirenden  Tendenzen  leiten,  so  zwar,  dass  ilim  die  aufgestellten 
quaternären  Schemata  die  Hauptsache,  die  psychologische  Vermittelung  ihres  Inhaltes 
aber  Nebensache  ist.  Die  vier  Hauptaffecte  sollen  nämljch  zu  den  vier  Haupttugenden 
ins  Yerhältniss  gesetzt  werden-,  eben  so  sollen  die  Acte  der  Concupiscibilitas  und 
Ii-ascibilitas  in  einer  Vierheit  von  Momenten  sich  entfalten,  indem  aus  der  Concupiscibilitas 
die  Propensia,  Titillatio,  Delectatio,  Dilectio,  aus  der  Irascibilitas  in  entsprechender 
Steigerung  Zelus,  Ira,  Indignatio,  Odium  herauswachsen.  Von  den  vier  Hauptaflecten 
sagt  Isaak,  dass  sie  gleichsam  gewisse  Ansätze  und  Elemente  und  der  gemeinsame 
Stoff  der  Tugenden  und  Laster  seien;  die  rechte  Richtung  und  der  richtige  Modus 
ihrer  Thätigkeit  ertheile  ihnen  die  Form  von  Tugenden,  die  verkehrte  Richtung  und 
der  Mangel  an  Mass  mache  sie  in  Laster  entarten.  Isaak  unterlässt,  die  vier  Hauptaffecte 
zu  den  zwei  Grunddispositionen  Liebe  und  Hass  ins  Yerhältniss  zu  setzen,  und  sagt  von 
letzteren  blos,  dass,  wenn  sie  die  Form  der  vier  Cardinaltugenden  an  sich  haben,  dann 
wirklich  die  Seele  tugendhaft  sei:  daraus  folgt  aber  doch  gewiss,  dass  die  siibjectiv 
psychologische  Wurzel  der  Tugenden  in  den  richtig  geleiteten  AVillensdispositionen,  d.  i. 
in  Liebe  und  Hass  des  GemUthes  zu  suchen  sei,  imd  demnach  nicht  jene  vier  Aöecte, 
die  denn  doch  nur  pathologische  Affectionen  des  Gemüthes  sind,  die  Ansätze  oder  Elemente 
der  Tugenden  sein  können.  Isaak  unterlässt,  die  Affecte  aus  beiden  Grunddispositionen 
Beo-ehren  und  Verabscheuen  zu  deduciren,  und  zeigt  auch  nicht,  in  welcher  Weise  sie  als 
Agentien  zum  Zustandekommen  des  tugendhaften  Willensentschlusses  concurriren  können, 
der  denn  schliesslich  doch  unabhängig  von  ihnen  zu  Stande  kommen  muss,  wenn  er  ein 
wirklicher  Willens-  und  Tugendentschluss  sein  soll.  Wir  haben  somit  hier  nur  den 
völligen  Mangel  aller  moralpsychologischen  Reflexion  und  Pragmatik  zu  constatiren, 
welche  wie  wir  hinzufügen  müssen,  erst  durch  die  scholastisclien  Peripatetiker  in  die 
von  ihren  Vorgängern,  den  Piatonikern  des  früheren  Mittelalters  völlig  vei-nachlässigte 
Thelematologie  eingeführt  worden  ist.  Das  einzige  Gute,  was  wir  hierin  an  Isaak  zu 
rühmen   haben,   ist  diess,   dass   er  die  Dreiheit  der  Kräfte:   Rationalitas,   Concupiscibilitas, 

1  Quod  si  putai-i  debet,  Dei  quölle  esse  aliiiua  naturalia,  quoniam  Pater  naturaleiii  lialiet  Filium,  et  ille  naturalem  Patrem,  et 
uterque  naturalem  Ute  pateruitatem  et  ille  filiatioiiem,  iu  hoc  tarnen  ditiert  comnnuiiter  ab  utroquc,  i.  e.  corpore  et  auim.i, 
quod  accidentalia  nirila  habet;  a  corpore  vero,  quod  naturalia  sua  est.  ab  anima  autem,  quod  onmia  sua  est  excepto  quod 
altera  j)er9ona  ad  alteram  relative  dicitur.  Anima  quidem  omuia  sua  nnllateiuis  est,  nee  .sola  relatioiie  aut  proprietate  ab 
.•iccidentalil)us  suis  diH'ert,  sed  opiiositioue  essentiae. 


Der  Entwickelungsganc;  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  f)5 

Irascibilitas  auf  eine  grundhafte  Zweiheit:  Erkenntnisskraft  und  Strebekraft  der  mensch- 
lichen Seele  zurückzuführen  einen  Anlauf  macht.  Aber  freilich  hätte  dieser  Gegenstand 
auch  weiter  verfolgt  werden  sollen ;  es  wäre  an  dem  gewesen,  zu  fragen,  in  welchem 
Verhältnisse  jene  beiden  Grundthätigkeiten  der  Seele  zu  einander  stehen,  ob  nicht  eine 
aus  ihnen  als  eigentliche  Grundkraft  der  Seele  anzunehmen,  und  welche  dafür  zu  nehmen  sei. 
Uns  wenigstens  besteht  kein  Zweifel  darüber,  dass  man,  um  einen  lebendigen  Seelenbegriff 
zu  gewinnen,  die  Seele  wesentlich  als  reale  Strebekraft  zu  nehmen  habe,  deren  Art  und 
Beschaffenheit  durch  die  (Feistigkeit  des  Seelenwesens  auf  unterscheidende  Weise  bestimmt 
ist.  Durch  ihren  Charakter  als  Strebekraft  ist  ihr  Unterscliied  von  dem  in  sicli  selber 
ruhenden  und  in  sich  vollendeten  absoluten  göttlichen  Wesen,  durch  ihre  Geistigkeit  ihre 
Gottverwandtschaft,  durch  beides  zusammen  ihre  Angewiesenheit  an  Gott  als  absolutes  Ziel 
ihres  Strebens  angedeutet.  Eine  derartige  Fassung  und  Bestimmung  des  Seelenwesens  lag 
unverkennbar  im  Sinne  der  zeitgenössischen  psychologischen  Mystik;  nur  Hess  es  die 
Abhängigkeit  von  gewissen  traditionellen  schematischen  Theilungen  und  (Gliederungen, 
und  der  Mangel  eines  tieferen  Eindringens  in  Natur  und  Wesen  der  Erkenntnissthätigkeit, 
und  Begreifens  derselben  aus  dem  Wesen  der  Seele  zu  keiner  vollkommenen,  durch- 
gebildeten Vermittelung  jener  Fassung  und  Bestimmung  des  Seelenwesens  kommen. 

Isaak  verfolgt  vornehmlich  die  Erkenntnissthätigkeit  der  Seele,  die  er  als  Bethätigung 
eines  seelischen  Sinnvermögens,  als  geistiges  Sehen  fasst.  In  diesem  seelischen  Sinnver- 
mögen reflectirt  sich  ihm  das  dreieinige  Wesen  der  Seele,  das  sich  im  Erkenntnissleben 
der  Seele,  als  Triplicität  von  Ratio,  Memoria,  Ingenium  darstellt.  Das  Ingenium  erforscht 
Ungekanntes,  die  Eatio  beurtheilt  das  Gefundene,  die  Memoria  hinterlegt  das  Beurtheilte. 
Die  Memoria  versenkt  sich  in's  Vergangene,  die  Ratio  hat  es  mit  dem  vor  dem  Geiste  Gegen- 
wärtigen zu  thun,  das  Ingenium  erahndet  das  dem  Geiste  noch  nicht  Gegenwärtige  und 
insofern  für  ihn  Zukünftige.  Das  Ingenium  ist  ein  Vermögen  des  geistigen  Findens,  Fassens 
und  Greifens,  die  Ratio  sucht  das  Gefasste  zu  begreifen  und  geistig  zu  verarbeiten.  Der 
Mensch  ist  nicht  vermögend,  alles  Gewusste  auf  einmal  sich  gegenwärtig  zu  halten,  sondern 
langt  Eines  nach  dem  Andei-en  aus  der  Erinnerung  hervor,  und  formt  das  Hervorgebrachte 
innerlich  zum  Worte.  Gott,  für  den  es  nichts  Vergangenes  oder  Künftiges  nach  Menschen- 
weise gibt,  hat  in  seiner  geistigen  Anschauung  Alles  vor  sich  auf  einmal  gegenwärtig, 
und  diese  absolute  simultane  Vergegenwärtigung  alles  Seienden  vor  Gottes  geistiger  An- 
schauung   heisst  Gottes  Wort,  in  welchem  Gott  mit  sich  selbst  spricht. 

Wie  das  geistige  Wahrnehmungsvermögen  des  Menschen  dadurch,  dass  er  der  Zeit 
unterthan  ist,  mehrfältig  modilicirt  ist,  so  weist  es  in  Bezug  auf  die  successive  zeitlich- 
irdische  Denkentwickelung  des  Menschen  eine  Reihe  besonderer  Vermögen  und  Actionen 
vor,  durch  welche  es  stufenweise  von  der  untersten  Sinneserkenntniss  bis  zur  höchsten 
geistigsten  Weisheit  vordringt.  Die  ftinf  Stufen  der  menschlichen  Erkenntniss  sind :  Sensus, 
Imaginatio.  Ratio,  Intellectus,  Intelligentia.  Isaak  parallelisirt  diese  fünf  Stufen  des 
menschlichen  Erkennens  mit  den  fünf  Rangstufen  des  kosmischen  Seins:  ICrde,  Wasser, 
Luft,  Aether,  Empyreum, '  und  reiht  ihnen  als  weitere  noch  höher  aufwärts  führende 
Stufen  die  vier  Affecte  an,  sofern  nämlich  das  bereits  im  Erkennen  erfasste  Höchste  auch 


'  Sensus  enim  obtusus  et  gravis  sicnt  terra  deorsiim  jacet;  quem  ut  aqua  imaginatiü  cireunifluitat;  ai'ris  vero  subtilitati  ratio 
comparatur,  inferiora  omnia  circuinplectens  et  penetrans  et  in  abstractionis  quodam  pendulo  perspicieiis.  Firniamenti  vero 
Solidität!  intellectus  conferendus  est,  qui  et  ipse  spiritualiiini  natur;irnm  realem  statum  pervidet.  Ernpyreo  autem  soli 
ig-neo  acutissimo  et  subtilissimo  conferenda  videtur  intelligentia. 


96 


K.    WlihNUK. 


artectiv  ergriffen  werden   soll.     I>ie  Aöecte    gehen    zuhöchst    in   (len   Flainmoii    der  Liebe 
auf.  in    welchen  die  Seele  für  Gott  ziun  lebendigen  Opfer  wird. 

In  jenen  fünf  aufwärts  führenden  Stufen  des  Erkennens  ist  unmittcdbar  .stets  die 
Eine  Seele  thätig,  deren  Vermögen  mit  ihrem  Wesen  identisch  sind.  In  der  Slnnes- 
apperception  nimmt  sie  Körper,  in  der  imaginativen  Thätigkeit  die  Bilder  der  Körper, 
in  der  rationalen  Thätigkeit  die  mathematischen  Eigenschaften  und  das  metaphysische 
Wesen  der  Körper,  oder  insgemein  dasjenige  Unkörpei-liehe  walii-,  das  ohne  körperliches 
Substrat  niclit  existiren  kann;  der  Intellect  percipirt  die  körperlosen  Realitäten,  die 
Intelligenz  die  absolute  reine  Geistigkeit.  Die  Möglichkeit,  dass  die  Seele,  obschon  eine 
geistige  Wesenheit,  körperliche  Objecte  wahrnehmen  könne,  erklärt  Isaak  daraus,  dass 
sieh  die  Sinnesapperception  mittelst  des  dem  Menschen  mit  den  Thieren  gemeinsamen 
Spiritus  corporeus  vollzieht.  Das  Phantasticum  oder  der  einförmige  Innere  Sinn,  der  das 
Unterste  und  Niederste  an  der  Seele  Ist,  schliesst  sich  mit  dem  Spiritus  corporeus,  der 
das  Feinste  Im  körperlichen  Organismus  Ist,  zusammen.  Dieser  Zusammenschluss  der  Seele 
mit  dem  nächst  Niederen  unter  ihr,  Ist  auf  ähnliche  Weise  zu  begreifen,  wie  der  Zu- 
sammenschluss der  Intelligentia,  des  Höchsten  in  der  Seele,  mit  Gott,  dessen  Bild  und 
Glelchniss  die  Intelligentia  ist,  gleichwie  der  zur  Sensualltät  vergeistigte  Spiritus  cor- 
poris ein  Bild  und  (ilelchniss  der  Seele  ist.  In  der  Yermittelung  der  Seele  und  des 
Körpers  durch  die  zwei  Mittelglieder  Phantasticum  animae  und  Spiritus  corporeus  reflectirt 
sich  die  Im  Makrokosmos  statthabende  Vermittelung  des  obersten  und  untersten  Elementes 
durch  zwei  mittlere  Elemente.  Die  Verwandtschaft  der  Sensualltas  carnis  und  des  Phan- 
tasticum animae  zeigt  Isaak  auf,  indem  er  das  Verhältniss  Beider  als  jenes  von  Ignis 
zu  Igneus  vigor  bestimmt.  Die  Vereinigung  des  Igneus  vigor  der  Seele  mit  dem  gottes- 
bildlichen Charakter  dersellien  scheint  ihm  durch  den   Vers  des  Dichters   angedeutet: 

I^-neus  est  Ulis  vig-or,  et  coelestis  origo. 

^Aeneid.  VI,   729.) 

Die  Knüpfung  aber  des  Niedersten  an  das  Höchste  durch  vermittelnde  Zwischenglieder 
Ist  Ihm  ein  Gesetz  der  allgemeinen  kosmischen  Ordnung,  das  er  In  der  Stelle  der 
Homerischen  Ilias,  in  welcher  von  der  durch  Zeus  gehaltenen,  aus  dem  Himmel  in  die 
Räume  der  Niederwelt  herabreichenden  Kette  die  Rede  ist, '  bildlich  veranschaulichet 
findet,  gleichwie  er  das  successive  Aufsteigen  der  Erkenntniss  In  den  oben  bezeichneten 
fünf  Stufen  vom  Niedersten  bis  zum  Höchsten  mit  der  Jakobsleiter  vergleicht.  In  ihrer 
Fähigkeit,  Alles  vom  Niedersten  bis  zum  Höchsten  zu  erkennen,  ist  die  Seele  ein  Ab- 
bild der  göttlichen  Allweisheit,  und  zufolge  Ihrer  Verwandtschaft  mit  Allem,  was  sie 
zu  erkennen  fähig  Ist,  Ist  sie  von  Weltweisen  auch  als  simllltudo  omnium  definirt  worden. 
Auch  vereiniget  sie  als  existlrende,  lebende,  empfindende,  ferner  als  Ratio.  Intellectus 
und  Intelligentia  alle  Seinsstufen  des  Seienden  in  sich;  die  Existenz  ist  ihr  mit  Steinen 
und  Metallen,  Lebendigkeit  mit  den  Pflanzen,  sinnliche  Empfindungsfähigkeit  mit  den 
Thieren  gemein,  die  Ratio  ist  das  speclfisch  Menschliche  an  ihr,  den  Intellect  hat  sie 
mit  den  Engeln,  die  Intelligenz  mit  Gott  gemein. 

Da  die  Seele  alle   ihre  Kräfte  ist.    so  sind    Ihr    dieselben    unverlierbar  eigen;    auch 
das  Sensatlons-  und   Imaginationsvermögen    sind  ihr  vom  Körper  unabhängig  eigen  und 


1  Hiad.  vm.  nt. 


Dek  Bntwr'kelungsgang  dkk  mittklalteklichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  97 

■verbleiben  ihr  nach  ihrer  Trennung  vom  Leibe.  Sie  bleibt  im  Leibe,  so  lange  dieser 
als  ein  wohlgeordnetes  harmonisches  Ganzes  beharrt;  so  lange  er  diess  ist,  ist  er  für  die 
Seele  ein  passendes  Toninstrument;  wird  dieses  zerstört  oder  zertrümmert,  so  lässt  sie 
es  als  unnütz  bei  Seite  liegen.  Gleichwie  aber  der  Bestand  der  Harmonie  nicht  vom 
Instrument  abhängt,  so  ist  auch  der  Bestand  der  Seele  nicht  von  jenem  des  Leibes  ab- 
liängio-.  Die  Harmonie  hat  ein  vom  Listrumente  unabhängiges  Sein.  Wenn  man  zu  vier 
Steinchen  drei  andere  legt,  so  veranschaulichet  man  damit  die  mathematische  Wahrheit, 
dass  4  -|-  3  =  7  ist;  diese  Wahrheit  fährt  aber  auch  dann  fort  zu  gelten,  wenn  man  jene 
Steinclien,  die  gleichsam  der  Leib  der  Zahl  sind,  aus  ihrer  Ordnung  rückt  imd  beseitiget. 
Man  könnte  vielleicht  einwenden,  dass  das  Gesagte  besser  auf  Gott  als  auf  die  Seele 
passt;  einzig  Gott  sei  in  Allem  ganz  in  sich  selbst,  und  darum  einzig  Er  ein  absolut 
von  Allem  ausser  ihm  unabhängiges  Sein.  Diess  soll  nicht  bestritten  werden;  aber  die 
nach  Gottes  Bild  und  Gleichniss  geschaffene  Seele  muss  eine  gottähnliche  Natur  sein, 
von  welcher  suo  modo  dasselbe,  wie  von  der  göttlichen  Wesenheit  selber  gilt.  Gott  ist 
überall  In  sich  selber;  die  Seele  aber,  wo  sie  immer  sein  mag,  auf  gewisse  Weise  in 
sich  selber.  Und  darum  ist  sie  dort,  wo  sie  als  wirkende  im  Leibe  war,  auch  dann, 
wenn  der  Leib  nicht  mehr  ist,  so  wie  Gott  dort,  wo  er  vor  der  Weltschöpfung  war, 
auch  jetzt  ist  und  sein  würde,  wenn  die  Welt  zu  sein  aufhören  würde.  Gott  ist  unendlich 
und  unbegrenzt;  darum  ist  er  in  sich  selber  allüberall.  Die  Seele  ist  wohl  auch  in  sich 
selbst,  jedoch  endlich  und  begrenzt,  aber  nicht  durch  den  Raum,  sondern  durch  ihre 
natürliciien  Vermögen  und  Kräfte,  die  indess  mit  ihrem  Wesen  identisch  sind.  Daraus 
ergibt  sich,  dass  sie  nicht  gleich  Gott  allvermögend  sein  kann.  Sie  ist  jedoch  unsichtbar 
und  unräumlich,  und  versichtbart  sich  dem  Leibesauge  durch  den  ihr  eignenden  Körper, 
wie  der  Gedanke  durch  die  Schrift.  G'ott,  der  schlechthin  unsichtbar  ist,  versichtbart 
sich  durch  alle  Creaturen  Jenen,  die  Augen  haben  ihn  zu  sehen,  obschon  er  vollkommen 
erst  in  der  verldärten  Welt  dem  Geistesauge  der  Verklärten  sichtbar  sein  wird.  Denn 
die  gesammte  Creatur  ist  gleichsam  der  Leib  Gottes,  die  einzelnen  Creaturen  aber  sind 
die  Glieder  dieses  Leibes.  Wie  nun  Gott  als  Ganzer  in  jeder  Creatur,  zugleich  aber 
ganz  in  sich  selber  ist,  so  ist  auch  die  Seele  tota  im  ganzen  Leibe  und  in  allen  ein- 
zelnen Gliedern  desselben,  zugleich  aber  allüberall  ganz  in  sich  selbst,  jedoch  nicht  in 
absoluter  Weise  wie  Gott,  sondern  nur  auf  eine  der  absoluten  Existenz  Gottes  ähnliche 
Art,  die  sich  in  Bezug  auf  den  untersten  Theil  ihres  Wesens  imd  Vermögens  zu  einem 
fast  räumlich   begrenzten  Sein  abschwächt. 

Wir  brauclien  diesen  Ausführungen  Isaaks  unsererseits  kaum  etwas  beizufügen;  denn 
das  liegt  offen  da,  dass  sich  hier  ontologisch-abstractes  und  sinnlich  imaginirendes  Denken 
mit  einander  derart  verbinden,  dass  die  sinnliche  Imagination  die  Mängel  des  abstract- 
ontologischen  Denkens  decken  muss,  weil  die  Verschmelzung  und  höhere  Vermittelung 
beider  Arten  cognoscitiver  Thätigkeit  im  eigentlich  speculativen  Denken  noch  nicht 
gefunden  ist.  Als  Beleg  hiefür  können  wir  Isaaks  Aeusserung  anführen,  dass  das  objectum 
proprium  des  Intellectes,  die  geschöpfliche  unkörperliche  Natur,  nicht  Gegenstand  einer 
besonderen  und  selbstständigen  Wissenschaft  sei,  sondern  theils  der  Naturwissenschaft, 
theils  der  Theologie  anheimfalle.  Die  Erkenntniss  der  natüi-lichen  Dinge  weist  er  un- 
mittelbar vorher  dem  sinnlichen  und  imaginirenden  Denken,  der  Theologie  hingegen  die 
Erkenntniss  des  Göttlichen  zu;  demzufolge  wäre  die  Erkenntniss,  die  sich  auf  das  ob- 
jectum proprium  des  Intellectes  bezieht,    eine  Erkenntniss,    die  sich  aus  den  Functionen 

■DenkEcliriflen  Jer  phil.-hiBt.  Cl.  XXV.  Kd.  13 


()g  K.    WUKNEK. 

des  sinnlich  imaginireiiden  uml  tles  ubgezogenstcn  oiituloglsclicii  1  Denkens  zusammen- 
setzt. Damit  stellt  im  Zusammenhange,  dass  isaak  die  uuicürpci'liche  gesehüpl'liehc 
Natur  als  das  Aiittlerc  zwischen  Gott  und  den  Ivürpcrn  bezeichnet.  FrUlici'  aber  hurten 
wii-  bereits,  dass  er  die  menschliche  Seele  als  dieses  Mittlere  bezeichne.  Damit  wäre  nun 
die  Wesensidentität  der  menschlichen  Seele  mit  den  angelischen  Naturen  ausgesprochen, 
die  von  Isaak  aucli  ausdriicklieli  asserirt  wird,  indem  er  den  angelischen  Wesen  die 
Stelluna'  nicht  über,  sondern  neben  den  Menschenseelen  anweist.  '  Diess  stimmt  nun 
nicht  ganz  wohl  damit,  dass  er  die  Eatio  als  die  specitisch  menschliche  Erkenntnisskrat't 
bezeiclmet,  woraus  doch  folgen  würde,  dass  die  Seele,  sofern  die  Ratio  die  ihr  specifiscdi 
eignende  Erkenntnissweise  ist,  ihre  kosmische  Rangstellung  unter  den  Engeln,  als  spe- 
cifisch  ilureh  den  Intellect  erkennenden  Wesen  zu  nehmen  hätte.  Freilich  aber  kann 
Isaak  von  seinem  platonischen  Standpunct  aus  sich  nicht  dazu  verstehen,  dasjenige,  was 
er  als  objectum  proprium  der  Ratio  bezeichnet,  als  specifisches  Erkenntnissobject  der 
menschlichen  Seele  anzuerkennen.  Das  objectum  proprium  der  Ratio  ist  ihm  das  Un- 
körperliche am  Körperlichen,  worunter  er  bald  die  mathematischen  Eigenschaften  der 
Körper,  bald  das  unkörperliche  A^'esen  der  Körper  versteht.  Von  diesem  unkörperlichen 
Wesen  der  Dinge  behauxjtet  er,  dass  es  keine  von  den  Körpern  geschiedene  selbsteigene 
Existenz  habe,  sondern  eben  nur  in  den  Körpern  selber  sich  darstelle,  worin  er  voll- 
kommen Recht  hat;  nur  sah  er  nicht,  dass  die  Seele,  indem  sie  die  unkörperlichen  Wesen- 
heiten der  Körper  erfasse,  etwas  in  seiner  Art  Höchstes,  nämlich  die  in  dei-  Körperwelt 
verwirklichten  göttlichen  Gedanken  erfasse,  deren  Erkenntniss  freilich  nicht  die  höchste 
der  menschlichen  Seele  zugängliche  Erkenntniss  ist,  aber  eine  in  ihrer  Art  höchste,  dem 
gottesbildlichen  Wesen  der  Seele  congruirende  Ei-kenntnissfähigkeit,  die  Fähigkeit  des 
Verstehens  der  Dinge  aus  ihren  gottgedachten  Ideen,  bekundet.  Hat  die  Seele  dieses  Ver- 
mögen als  wesentlich  eigenes,  so  wird  es  sich  nicht  auf  die  Körperwelt  beschränken,  viel- 
mehr wird  das  ideale  Verständniss  der  sichtbaren  Ersclieinungswelt  zutiefst  aus  der  Idee  der 
Gesammtwelt  sich  begründen,  und  im  Verständniss  dieser  sich  dui-chbilden  und  vollenden. 
Damit  wird  aber  überhaupt  das  Höchste,  was  für  den  Zeitmenschen  erreichbar  ist, 
erstrebt  sein.  Die  geistigen  Wesenheiten  der  Dinge  selber  zu  sehen,  greift  über  das  in 
der  irdischen  Zeit  Erreichbare  hinaus;  wir  haben  uns  damit  zu  begnügen,  die  Dinge 
aus  ilu-en  Ideen  zu  erkennen,  die  Ideen  selbei-  aber  zu  schauen,  fällt  mit  dem  Gott- 
schauen zusammen,  welches  dem  künftigen  Beseligungsstande  angehört,  und  das  Erkennen 
der  englischen  Wesen  vom  zeitlichen  Menschenerkennen  für  immei-  abscheidet. 

Diesen  Unterschied  und  überhaupt  die  specifische  Weise  des  menschlichen  Erkennens 
im  Unterschiede  von  jenem  der  reinen  Geistei-  scheint  Isaak  nicht  beachtet  zu  haben, 
wenn  er  in  der  Weise  anderer  mittelalterlicher  Platoniker  von  der  Rückwirkung  des 
Sündenfalles  auf  das  menschliche  Erkennen  spricht.  In  der  Weise  des  Scotus  Erigena 
sieht  er  in  dem  sündigenden  ersten  Menschenpaare  die  Hinwendung  iler  geistigen  und 
sinnlichen  Natur  des  Menschen  zum  Bösen;-  der  Geist  versah  sich  in  der  sichtbaren 
Erscheinungswelt,    die    sinnliche  Natur    Hess    sich    von    einem    ungeordneten  Gefallen  an 


Auima  quae  per  se  debuit  Deum  noscere  supra  se.  peididit  seipsani  iioscere  in  se  et  auselum  juxta  se. 

lUummatis  tantuiumodo  oculis    concupiscentiae  et   apertis  viri  videlicet  i.  e.  Spiritus  ad  curiositatein,    et  earuis  i.  e.  muliens 

ad  voluptatem V»l.  Scut.  Erig.  Divis.  Natur.  V,    23:    Neque    autiquus    liostis  ad  viruiii  animae,    animum   dien  .<id 

imaffiuem  Dei  factum  .-iccessum  liaberet,  nisi  prlus  per  insitara  oorporeo  seusui,  qui  est  veluti  qtiaedam  mulier,    aiüini  delec- 
tiitiouem,  quasi   per  ()uenidani  eolubruni  ipsum  corporeuni  sensum  seduoeret. 


Dek  Entwickelungsganü  dek  mittelalterlichen    Psychologie  vhn  Alcüin  bis  Albeetüs   Magnus.  99 

derselben  auf  Kosten  eines  höheren  geistigen  Gefallens  beschleichen.  Damit  wurde  nun 
die  Sehkraft  des  sinnlichen  AVahrnehmungsvermögens  und  der  Imagination  getrübt,  die 
Sehkraft  der  Ratio  im  höchsten  Grade  verdunkelt,  jene  des  Intellectus  und  der  Intelligentia 
nahezu  ausgelöscht.  Wer  sieht,  wer  erkennt  Gott  oder  das  göttliche  Ebenbild  in  der 
eigenen  Seele?  Die  Seele,  welche  aus  sich  selbst  Gott  über  ihr  erkennen  sollte,  kam 
darum,  sich  in  sich  selbst,  und  die  englisclien  Naturen  neben  sich  zu  erkennen.  Die 
Engel  schauen  sich  gegenseitig  und  sehen  unsere  Seelen;  wir  aber  können  jene  geistigen 
Naturen  nicht  wahrnehmen,  wenn  sie  sich  uns  niclit  in  körperlicher  Umhüllung  oder  in 
einer  unserer  Imagination  angepassten  bildlichen  Erscheinung  zeigen.  Darum  gibt  es 
für  uns  keine  reine  Intellectualerkenntniss.  Isaak  steht,  wie  aus  allem  bisher  Gesagten 
zu  ersehen  ist,  auf  dem  Boden  eines  seelischen  Sensismus,  den  wir  an  einem  früheren 
Orte  auch  an  Wilhelm  von  Auvergne  hervorzuheben  Gelegenlieit  fanden ;  ^  wie  denn 
auch  die  Analogie  in  der  Auffassung  der  Folgen  des  Sündenfalles  für  das  menschliche 
Erkenntnissleben  nicht  zu  verkennen  ist."  Etwas  anders  stellt  sich  bei  gleichen  Voraus- 
setzungen des  christlich-gläubigen  Bewusstseins  rücksichtlich  der  Folgen  des  Sündenfalls 
Isaaks  Verhältniss  zu  dem  Platoniker  Wilhelm  von  Conches,  ^  bei  welchem  die  Betonung 
des  logistisch-rationalen  Elementes  im  menschlichen  I]rkennen  vorwiegt,  und  welcher 
desshalb  zwischen  Intellectus  und  Eatio  nicht  in  jener  Weise  wie  Isaak  scheidet,  sondern 
im  Intellect  eben  nur  die  entwickelte  Ratio,  in  der  Ratio  den  zur  Entwickelung  und 
Ausgeburt  strebenden  Intellect  erkennt.  Bei  Isaak  hingegen  sollen  die  sinnliche  und 
imaginative  Erkenntniss  in  der  rationalen  Erkenntnissthätigkeit  sich  vollenden,  und  hie- 
durch  soll  aus  der  Naturkunde  eine  Naturlehre  werden.' 

Durch  das  eben  Gesagte  gewinnt  die  obenangefülirte  Aeusserung  Isaaks,  dass  in  die 
Kenntniss  dessen,  was  an  sich  eigentlich  specihsches  Erkenntnissobject  des  Intellectes 
wäre,  Naturkunde  und  Theologie  sich  theilen,  eine  etwas  andere  Seite,  als  es  oben 
erscheinen  musste,  ohne  dass  freilich  die  Gestalt  der  Sache  wesentlich  geändert  würde. 
Denn  ob  die  auf  natürlichem  Wege  d.  h.  durch  selbsteigenes  Denken  zu  erlangende 
Erkenntniss  von  der  Seele  eine  natürliche  oder  rationale  Erkenntniss  genannt  werde, 
ist  von  untergeordnetem  Belange;  man  möchte  sich  etwa  nur  wundern,  wesshalb  die 
Erkenntniss,  dass  die  Seele  ihre  Kräfte  sei,  nicht  für  eine  Intellectualkenntniss  zu  gelten 
habe,  da  doch  das  Wesen  einer  unkörperlichen  geschöpflichen  Essenz  ihr  Gegenstand 
und  Inhalt  ist.  Die  Hauptsache  ist,  dass  Isaak  die  vom  Wesen  der  Seele  unabtrennbaren 
Accidenzen  derselben  d.  h.  die  Tugenden  und  Vorzüge  der  Seele,  die  nicht  schon  mit 
dem  Wesen  der  Seele  gegeben  sind,  der  Theologie  als  Erkenntnissobject  zuweist,  da 
dieses  der  natui-wissenschaftlichen  Betrachtung  der  Seele  nicht  eri-eiohbai-  sei.  Die  justitia 
animae  ist  ein  göttliches  Gnadengeschenk,  imd  besteht  in  einem  Theilhaben  der  Seele 
an  Gott,  der  die  Justitia  in  eigenster  Wesenheit  ist;  iUe  einzelnen  Tugenden  der  Seele 
sind  nichts  Anderes  als  singulare  Modificationen  dieser  von  Gott  der  Seele  mitgetheilten 
Justitia.  Der  Unterschied  zwischen  Gott  und  der  Seele  besteht  daiin,  dass  die  Justitia 
in  Gott  mit  dem  Wesen  Gottes  identisch  ist,  während  sie  für  die  Seele  etwas  Accidentelles 


Vgl.  die  Abhandhmg  über  Willielms  v.  Auvergne  Verliältniss  zu  den  Piatonikern  des  XII.  Jalirli.,  .Sitzungsber.  Bd.  LXXIV, 

S.   165  (Separatabdr.   S.  47). 

Vgl.  P.sychologie  Wilhelms  v.  Auvergne,  Sitzungsber.  Bd.  LXXIIl,   S.  .508  f.   (Separatabdr.  S.  52). 

Vgl.  die  Abhandlung  über  Wilhelm  von  Conches,  Sitzungsber.  Bd.  LXXV,  S.  400  ff.  (Separatabdr.  S.  92  ff.). 

Sunt  ergo  rerum,    circa   quas  percipiendas    versantur  et  vigent  sensus,    imagiuatio,    ratio,    statns    diversi,    realis   videlicet    et 

ratioualifl,  seu  naturalis  ut  quidam  m.aluut.   et  doctrinalis. 

13* 


lOO  K.  Werner. 

ist,  was  von  Gott  verlielien  wird.  Uebrigens  ist  diese  Verleihung  eine  Mittheilung  höchster 
Art,  welche  drei  andere  zu  ihren  Vorstufen  und  Voraussetzungcni  luit.  Gott  verleiht 
Allem,  was  ist,  das  Sein;  jedes  Seiende  hat  ferner  eine  bestimmte  Foi'm  oder  Gestalt, 
oder  einen  bestimmten  Charakter,  und  auch  eine  bestimmte  natürliche  Begabung.  Diese 
dreifache  Besclienkung  alles  gescliöpflichen  Seins  weist  andeutend  aul'  das  dreieinige 
Wesen  der  schöpferisclien  Seinsursache  zurück;'  obschon  an  Allem  sicli  findend,  was 
nach  Zahl,  Mass  und  Gewicht  geordnet  ist,  ti'itt  sie  doch  in  den  aufwärts  steigenden 
Seinsstufen  der  belebten,  beseelten  und  denkfähigen  Wesen  hervor,  und  manifestirt  sich 
auf  eminente  Art  an  dem  obersten  Tlieile  der  Seele,  der  das  Bild  und  Gleichniss  Gottes 
ist.  Die  Seele,  die  alle  geschöpflichen  Wesensstufen  in  sich  vereiniget,  fasst  sonach  alle 
Mittheilungen  Gottes  in  sich,  und  tritt  in  ein  Verhältniss  der  Gegenbildlicbkeit  zu  Gott, 
sofern  sie,  gleichwie  Gott  capabilis  omnibus  ist,  als  omnium  capax  erscheint.  Da  die 
Seele  in  eben  jenem  ihrem  höchsten  Theile  an  Gott  grenzt,  so  ist  es  natürlich,  dass  sie 
den  zufolge  desselben  ihr  zukommenden  Vorzug  der  Gottesbildlichkeit  nui'  im  Zusammen- 
sclilusse  und  lebendiger  Verbindung  mit  Gott,  also  nm-  in  Kraft  der  Gnade  actuiren 
kann.  Die  Fähigkeit  zu  erkennen  und  zu  lieben  ist  ihr  von  Natur  aus  eigen;  aber  die 
actuelle  Erkenntniss  dei'  Wahrlieit  und  die  rechte  Ordnung  in  der  Liebe,  zufolge  welcher 
sie  Jegliches  nach  seinem  wirklichen  Werthe  schätzt  und  begehrt,  wird  ihr  nur,  soweit 
sie  in  Gott  lebt,  zu  Theil.  Gleichwie  Auge  und  Ohr  des  Leibes  ohne  Licht  und  Luft 
nicht  zur  Wahrnehmung  des  Sehbaren  und  Hörbaren  gelangen,  so  kann  auch  der  rationale 
Geist  nicht  zur  Weisheit  gelangen,  und  nicht  die  himmlische  Charitas  in  sich  hegen, 
wenn  er  idcht  von  einem  Strahle  des  inneren  Lichtes  durchdrungen  und  erwärmt  ist. 
Ausser  dieser  übernatürlichen  Erleuchtung  kennt  Isaak  aucli  eine  natürliche,  die  nach 
Joh.  1,  9  jedem  Menschen  zu  Theil  wird,  und  in  die  untere  Region  des  Geistlebens,  in 
die  der  Intelligentia  und  dem  Intellectus  subordinirte  Ratio  fällt,  während  die  übei-- 
natürliche  Erleuchtung  der  höheren  Region,  nämlich  jener  des  Intellectus  und  der  Intelli- 
gentia angehört.  Von  dieser  doppelten  geistigen  Erleuchtung  unterscheidet  er  ferner 
noch  eine  dritte,  aus  der  Sinnenwelt  in  das  sinnliche  Vorstellungsvermögen  (Phantasticum) 
der  Seele  fallende  Erleuchtung,  die  er  als  die  von  Aussen  kommende  Erhellung  der 
Seele  bezeichnet,  so  dass  demnach  die  Seele,  soweit  Phantasticum,  Ratio  und  Intelligentia 
zusammt  dem  Intellect  erleuchtet  werden,  aus  einer  dreifachen  Lichtquelle  exterius,  inferius 
et  superius  zu  einem  dreifachen  Sehen  angeregt  wird.  Diese  dreifache  Anregung  bildet 
das  Correlat  zu  der  Unterscheidung  der  di'ei  Realitäten:  Körper,  Seele,  Gott,  welche  die 
Unterlage  jener  gesammten  psychologischen  Betrachtungsweise,  wie  wir  sie  bei  Isaak 
fanden,  und  aller  ihrer  schematischen  Gliederungen  bildet.  Wir  lernen  sie  als  solche 
auch  bei  Hugo  von  St.  Victor  kennen,  ^  und  finden,  dass  überhaupt  das  christliche  Denken 
des  früheren  Mittelalters  an  sie  sich  anzulehnen  liebt.  Der  dem  9.  Jahrhundert  ange- 
hörige  Ermanricus  '  benützt  eine  ähnliclie  Trilogie :  Dens,  Sanctus,  Corpus  als  Unterlage 

'    Quae  videlicet  tria  omni  subsistenti  insuut  quasi  quaedam  vestigia  summae  esseiitiae,  et  iniagiuis  et  muneris  i.  e.  Patris  et 

■     Filii  et  Spiritus  Saneti.  Aeternitas  quippe  est  in  Patre,  species  in  imagine,  usus  in  munere. 

-  Erant  eiiim  tria  quaedam  corpus  et  Spiritus  et  Dens;  corpus  quidem  mundus  erat,  anima  spiritus.  Et  ipsa  anima  quasi  in 
niedio  quodam  erat  liabens  extra  se  nuinduin,  intra  se  Deum  et  acceperat  oculum,  quo  extra  se  nnuidum  videret  et  quae 
in  mundo  erant,  et  hie  erat  oculus  carnis.  Aliuiu  oculum  acceperat,  quo  seipsam  videret  et  ea  quae  in  ipsa  erant;  lue  est 
oculus  rationis.  Alium  rursus  oculum  acceperat,  quo  intra  se  Deum  videret  et  quae  in  Deo  erant.  et  hie  est  oculus  contem- 
plationis.  Hugo  Sacr.  fid.  christ.  Lib.  I,  Pars   10,   c.  2. 

■■'  In  der  am  Schlüsse  seiner  oben  erwähnten  Epistola  ad  Grimoaldum  angefügten  kurzen  Abhandlung:  Ue  vera  essentia  Dei- 
tatis,  cujus  est  soliu.s,  totvim  esse,  quod  est  vere  esse.  S.  37   ft'. 


Der  Entwickelüngsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  ms  Albertus  Magnus.  101 

eines  Kategorienschema  der  christlichen  Weltlehre,  das  wir  als  charakteristischen  Aus- 
druck der  jenem  Zeitalter  geläufigen  Denkunterscheidungen  hier  wiedergeben.  Deus, 
Sanctus,  Corpus  verhalten  sich  nach  Ermanricufe  zu  einander  als  sumnium  bonum,  magnuni 
bonum,  bonum.  Indem  nun  die  Kategorie  der  bonitas  mit  jenen  der  Qualität,  Quantität 
und  Bewegung,  so  wie  mit  dem  Gedanken  des  der  endgiltigen  Vollendung  der  Dinge  vor- 
ausgehenden Gerichtes  combinirt  wird,  ergibt  sich  für  Gott  als  complete  Bestimmung: 
Summum  bonum,  absque  qualitate,  motus  sine  tempore,  judicans  et  non  judicatus ;  für 
die  Heiligen:  Magnum  bonum,  cum  qualitate,  motus  in  tempore  sine  loco,  judicans  et 
judicatus ;  für  den  Körper :  Bonum,  cum  qualitate  et  quantitate,  motus  in  tempore  et 
loco,  nee  judicans  nee  judicatum. 

Derlei  in  Augustinischem  Sinne  gehaltene  und  an  die  Aristotelische  Kategorien- 
lehre angelehnte  Erörterungen  über  die  ontologischen  Unterschiede  zwischen  Gott,  Seele, 
Körper  bildeten  die  nöthigen  rationalen  Unterlagen  für  die  in  das  Gebiet  der  kirchlichen 
Glaubenslehre  fallenden  Erörterungen  und  Untersuchungen,  und  trugen  überhaupt  das 
gesammte  Gebäude  der  über  dem  Grunde  des  biblisch-kirchlichen  Bekenntnisses  und 
Glaubens  ruhenden  christlichen  Weltanschauung.  Wir  finden  sie  demnach  auch  bei  Hugo 
von  St.  Victor,  dessen  psychologische  Lehren  und  Sätze  sich  mit  jenen  Isaaks  von  Stella 
in  mehrfacher  Hinsicht  nahe  berühren,  obschon  es  daneben  auch  an  beachtenswerthen 
Abweichungen  nicht  fehlt. '  Die  Erörterungen  über  die  ontologischen  Unterschiede  der 
genannten  drei  Realitäten  lehnt  Hugo  ^  an  den  Satz  an,  dass  Gott  schlechthin  immutabel 
ist,  alles  Geschaffene  aber  Aenderungen  unterliegt,  am  meisten  natürlich  die  Körper.  Das 
Körperliche  imterliegt  Mutationen  in  Bezug  auf  Zeit,  Ort  und  Gestaltung  (Forma).  Die 
Aenderungen  in  Bezug  auf  die  Gestaltung  oder  Form  sind :  Augmentation,  Diminution 
und  Alteration.  Diese  Aenderungen  gehen  im  Räume  vor  sich,  bewirken  aber  keine 
Ortsveränderung  des  immutirten  Objectes,  indem  nicht  das  Ganze,  sondern  nur  die 
Theile  des  Ganzen  den  Ort  ändern.  Beide  Arten  von  Veränderungen  aber  gehen  in  der 
Zeit  vor  sich,  daher  die  Zeitveränderung  als  dritte  Art  von  Mutation  mit  jenen  beiden 
anderen  Mutationsarten  des  Körperliclien  unzertrennlich  verbunden  ist.  Die  Veränderung 
der  Form  ist  eine  sachliche  Aenderung;  dadurch  unterscheidet  sich  dieselbe  von  der 
Zeit-  und  Ortsveränderung,  die  für  sich  allein  eine  sachliche  Aenderung  des  immutirten 
Objectes  nicht  verursachen;  sie  sind  blos  mutationes  circa  rem,  nicht  mutationes  rei  oder 
in  re.  In  Bezug  auf  die  geschöpflichen  (ireistexistenzen  steht  fest,  dass  sie  zufolge  ihrer 
Einfachheit,  oder  weil  sie  nicht  aus  Theilen  zusammengesetzt  sind,  keiner  A^ergrösserung 
oder  Verkleinerung  unterliegen ;  wohl  aber  hat  in  ihnen  ein  Wandel  und  Wechsel  in 
Bezug  auf  die  Acte  ihres  Erkennens  und  in  Bezug  auf  ihre  Aft'ecte  und  Stimmungen 
f^tatt,  und  dieser  Wandel  geht  in  der  Zeit  vor  sich.  Die  Frage  ist  nur,  ob  sie  auch 
einem  Ortswandel  unterliegen.  Hugo  kann  Jenen  niclit  beistimmen,  welche  die  absolute 
l  nräumlichkeit  der  Seelen  und  Geister  behaupten;  allerdings  nehme  der  geschöpfliche 
<ieist  keinen  Raum  ein  wie  die  Körper,  aber  er  ist  an  einen  bestimmten  Ort  seines 
Seins  und  Wii-kens  gebunden,  und  hat  in  diesem  Sinne  ganz  bestimmt  ein  locales  Sein. 
Hier  wäre  es  nun  wohl  angezeigt  gewesen,  zwischen  unräumlichen  und  überräumlichen 
Sein    zu    unterscheiden,    um    die    richtige    Vermittelung    zwischen    den    beiden    entgegen- 


'    Vgl.   hierüber  Ritter  Ge.sch.  d.  Philos.   Bd.  VII,   S.   580  f. 
2    Sacr.  tid.  elin.st.  I,  Pars  3,  eapp.   14  ff. 


j()2  ^-  Werner. 


& 


gesetzroii  Einseitigkeiten  einer  schlechthinnigen  lläumlielikeit  oder  Unräumliehkeit  der 
Seele  zu  linden.  Hie  Idee  der  Seele  als  eines  activen  raumfassenden  Principes  war  indess 
jenem  Zeitalter  fremd;  dazu  kam  bei  Hugo  und  anderen  platonisii-enden  Psychologen 
seiner  Zeit  die  lahme  Vorstellung  vom  Leibe  als  einem  blossen  Gehäuse  der  Seele,  oder 
überhaupt  die  zu  lose  Fassung  des  Verhältnisses  von  Seele  und  Leib,  die  auf  ein  blos 
passives  Enthaltensein  der  Seele  im  (jrte  des  Leibes  hindrängte.  Richtigeres  fanden  wir 
in  (lieser  Beziehung  oben  bei  Isaak,  der  primär  das  Sein  der  Seele  in  sich  selber  betont, 
unil  ihr  Sein  im  Leibe  als  secundäres  Moment  fasst;  obwohl  er  nicht  zu  dem  Gedanken 
vordringt,  dass  dieses  Sein  der  Seele  in  sich  selber  die  Vorbedingung  und  der  Grund 
ihres  Vermögens  einer  activen  Fassung  und  Umgreifung  des  ihr  eignenden  Leibes  sei, 
indem  sie,  da  sie  ihren  eigenen  Ort  in  sich  selbst  hat,  auch  den  ihr  eignenden  Leib 
wenigstens  relativ  in  denselben  hineinzunehmen  vermag,  und  als  etwas  ihr  Eignendes 
relativ  in  denselben  hineinnehmen  muss. 

Hugo  von  St.  Victor  sieht  in  Geist  und  Leib  zwei  Realitäten  von  durchaus  gegen- 
sätzlicher Beschaffenheit,  und  beschäftiget  sich  demzufolge '  mit  Erörterung  der  Frage, 
wie  sich  trotz  dieser  gegensätzlichen  Beschaffenheit  die  Einigung  Beider  in  der  Person 
des  Menschen  denkbar  machen  lasse.  Hierin  knüpft  er  nun  an  den  Gedanken  an,  dass, 
wie  es  eine  abwärts  steigende  Reihe  von  Geistwesen,  so  auch  eine  aufwärts  steigende 
Reihe  der  körperlichen  Realitäten  gebe,  deren  oberste  und  mindest  materielle  immerhin 
z\i  einem  Zusammenschlüsse  mit  der  untersten  der  geistigen  Realitäten  geeignet  sein 
könne.  Unter  den  Elementen,  in  welche  die  sichtbare  Körperwelt  sich  zerlegen  lässt,  ist 
nur  das  unterste,  das  Erdelement,  eine  starre  Masse  ohne  selbsteigene  Beweglichkeit;  die 
übrigen  drei  Eleinente  sind  ihrer  Natur  nach  beweglich,  und  zwar  so,  dass  die  Bewegung 
des  Wassers  sich  fesseln  lässt,  während  die  beiden  anderen  Elemente  Luft  und  Feuer 
ungebunden  walten.  Die  Luft  lässt  sich  wenigstens  durch  Einscliliessung  festhalten,  so 
dass  ihre  Bewegung  auf  einen  bestimmten  Raum  beschränkt  bleibt;  beim  Feuer  ist  nicht 
einmal  diese  Einschränkung  seiner  Beweglichkeit  möglich.  Wasser  und  Luft  können 
noch,  gleich  der  Erde,  durch  einen  äusseren  Impuls  bewegt  werden;  das  Feuer  bewegt 
sich  einzig  durch  sich  selbst,  und  folgt  keiner  anderen  Bewegungsrichtung,  als  jener, 
welche  ihm  seine  eigene  Natur  gibt.  Unter  den  vier  Elementen  entfernen  sich  die  je 
höheren  mehr  imd  mehr  von  der  Natur  der  crassen  Körperlichkeit,  und  nähern  sich 
jenen  der  geistigen  Wesenheiten  an.  Die  Luft,  welche  wegen  ihrer  Tenuität  nicht  mehr 
mit  dem  Auge  wahrgenommen  werden  kann,  und  nur  durch  ihr  hauchartiges  Wehen 
empfunden  wird,  heisst  ebenfalls  Spiritus,  so  dass  schon  ihre  Benennung  ihr  dem 
unkörperlichen  Geiste  verwandtes  Wesen  bezeichnet.  Aber  noch  mehr  als  die  Luft  verdient 
das  Feuer  Spiritus  genannt  zu  werden,  da  es  nicht  äusserlich  wie  das  Wehen  der  Luft 
die  Körper  bewegt,  sondern  dieselben  innerlich  belebt,  wie  bei  den  Pflanzenkörpern 
der  Fall  ist,  oder  sogar  empfindungsfähig  macht,  wie  die  Thierkörper.  Ja  die  höheren 
Thierclassen  sind  nicht  blos  des  Empfindens,  sondern  auch  des  Vorstellens  fähig.  Ist 
die  Sinnesempfindung  eine  Abschattung  der  rationalen  Thätigkeit,  so  das  Vorstellen  eine 
Abschattung  des  höheren  Geistlebens  (vitalis  sapientia).  Die  sinnliche  Imagination 
bekundet  den  höchsten  Verfeinerungsgrad  der  vis  ignea.  Die  durch  die  Sehstrahlen 
gefasste  Form    des  Sinnendinges    wird    an's  Auge   gezogen    und    hiedurch    zum  Sehbilde 


1    In  der  Abhaudlunif  D''  iininnp  corporis  et   Spiritus. 


Der  Entwickelüngsgang  der  uittelalterlioten  Psychologie  vun  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  103 

gemaulit;  durcli  die  sieben  Hüllen  und  drei  Humores  des  Auges  hindurchgeliend  und 
damit  abermals  verfeinert  gelangt  das  Sehbild  zum  Vordergehirn,  und  setzt  sich  da  in 
eine  Vorstellung  um ;  vom  Vordergehirn  in's  Mittelgeliirn  hinübergeleitet,  berührt  und 
excitirt  die  Voi'stellung  unmittelbar  die  Substanz  der  rationalen  Seele,  durch  welche  die 
sinnliche  Vorstellung  in  einen  rationalen  Gedanken  (discretio)  umgesetzt  vi^ird.  Das 
Vorstellungsbild  verhält  sich  zur  geistigen  Seelensubstanz  wie  der  Schatten  zum  Lichte : 
die  Umsetzung  der  Vorstellung  in  einen  rationalen  Gedanken  ist  Hellung  des  Schattens 
im  Lichte.  Es  kann  allerdings  auch  das  Entgegengesetzte  eintreten,  dass  die  Seele 
statt  das  suggerirte  liild  ausser  sich  zu  halten,  und  es  blos  wie  ein  Kleid  um  den 
Gedanken  zu  legen,  in  die  Imagination  sich  versenkt  und  gleichsam  mit  ihr  verwächst. 
So  geschieht  es,  dass  Seelen  selbst  nach  ihrer  Scheidung  vom  Leibe  von  sinnlichen 
Leidenschaften  gequält  werden,  weil  sie  von  den  Banden  der  Neigungen,  duix-h  welche 
sie  am  Sinnlichen  haften,  noch  nicht  gelöst  d.  h.  von  der  Verunreinigung  durch  sinnliche 
Affectionen  noch  nicht  gereiniget  sind.  Sinneswahrnehmung  und  Sinnesvorstellung  gehört 
noch  dem  Spiritus  corporeus  an;  die  affectio  imaginaria  ist  eine  durch  die  Sinnes vorstelluno- 
bewirkte  Immutation  der  Seele,  gehört  also  bereits  dieser  an.  Das  unmittelbar  Höhere 
über  der  affectio  imaginaria  ist  die  auf  die  Imagination  wirkende  Ratio;  das  Höchste 
die  Ratio  pura  als  oberer  Gegenpol  der  cx-assen  Körperlichkeit. 

Diese  Verhältnissbestimmung  zwischen  Geistigem  und  Leiblichem  im  Menschen 
zeigt  bereits,  dass  sein  Denken  nicht  darauf  gerichtet  war,  zu  ermitteln  und  zu  zeigen 
wie  das  Leibliche  im  Geistigen  gefasst  sei;  er  begnügte  sich  damit,  die  Möglichkeit 
einer  Verbindung  Beider  ersichtlich  zu  machen,  und  allenfalls  auch  Congruenzgründe 
für  die  Vereinigung  von  Geist  und  Leib  im  Menschen  aufzufinden.  Solche  Gründe '  sind : 
Gott  wollte  durch  die  harmonische  Verbindung  zweier  so  ungleicher  Wesenheiten,  wie 
Geist  und  Körper,  zunächst  zeigen,  dass  es  ihm  nicht  unmöglich  sei,  die  rationale 
Creatur,  die  noch  ungleich  weiter  von  Gott  absteht,  als  der  Leib  vom  Geiste,  in  die 
beseligende  Gemeinschaft  mit  sich  selber  aufzunehmen.  Ferner  sollten  dem  Menschen 
die  Freuden  und  Annehmlichkeiten  des  Erdenlebens,  die  durch  die  Bekleidung  der 
Seele  mit  einem  vergänglichen  Leibe  bedingt  sind,  den  Gedanken  nahe  legen,  um  wie 
viel  grösser  die  dereinstige  Freude  und  Herrlichkeit  der  zum  seligen  Sein  in  Gott 
aufgenommenen  Creatur  sein  werde.  Solche  Argumente  lassen  nun  noch  immerhin  das 
Dasein  des  Menschen  in  der  Welt  als  etwas  ziemlich  Zufälliges  erscheinen:  wenn  ei' 
ferner  sagt,^  der  Mensch  sei  bestimmt,  die  durch  den  Geisterfall  in  der  Zahl  der 
seligen  Himmelswesen  verursachte  Lücke  auszufüllen,  so  ist  damit  abermals  nur  ein 
solcher  Grund  für  das  Menschendasein  angegeben,  der  nicht  aus  der  Idee  des  Menschen- 
wesens selber  geschöpft  ist,  sondern  zu  dieser  sich  ganz  äusserlich  verhält.  Allerdings 
scheint  die  Idee  der  kosmischen  Stellung  des  Menschen  bei  Hugo  durchzubrechen  in 
der  Aeusserung,^  die  sichtbare  Welt  sei  um  des  Menschen  willen  geschaffen,  wie  der 
Mensch  um  Gottes  willen;  diese  doppelseitige  teleologische  Auffassung  des  Menschen 
erlangt  aber  einen  ideellen  Werth  erst  dann,  wenn  sie  durch  eine  correlative  ontologische 
Auffassung  gestützt  ist,  durch  welche  gezeigt  werden  soll,  dass  und  warum  der  Mensch 


'    Vgl.  Sacr.  fid.  <-hrist.   I,  Pars,  c.   1. 
2    Saor.  fid.  rlinst..!,  Par.s  5,  c.   SO. 
■'    Saer.  fid.  elirist.  I,  Pars  2,  c.   1. 


Iy4  K.  Werner 

um  .sciiKT  selbst  willcMi  ist.  Dazu  Ist  aber  am  allerwenigsten  Hugo  angethan,  der  fast  nur 
zu  zeigen  beiiii'ilit  ist,  dass  es  für  den  mciiscliliclien  Geist  kein  Missgeschick  war,  mit  der 
irdischen  Materie  In  eine  Berührung  treten  zu  müssen,  die  den  angelischen  Wesen  erspart 
blieb.'  Dass  dei' Menscli  kosmisches  Centi-alwcsen  sei,  und  die  gottesbildliche  Menschen- 
seele, obselion  im  kosmischen  Range  unter  den  reinen  Geistern  stehend,  die  Idee  der 
Gottesblldlielikeit  auf  eine  specifische,  nur  ihr  allein,  nicht  aber  den  reinen  Geistern 
mögliche  Art  verwirkliche,  liegt  Hugo's  Denken  um  so  ferner,  da  er  überhaupt  auf  den 
specifischen  AVesensunterschled  zwischen  Engelgelstern  imd  Menschenseelen  nicht  advertirt. 
Er  sucht  den  Gedanken  der  Gottesbildlichkeit  der  Menschenseele  nur  in  dem,  was  sie 
mit  den  reinen  Geistern  gemein  hat;^  wir  glauben  mit  Grund  behaupten  zu  dürfen,  dass 
Isaak  von  Stella  dem  Verständniss  des  specifischen  Wesens  der  Menschenseele  und 
damit  auch  des  specifischen  Charakters  ihrer  Gottesbildlichkeit  näher  gekommen  sei  als 
Hugo.  Diesem  sind  die  Menschenseelen  eben  mir  die  untersten  in  der  abwärts  steigenden 
Reihe  der  Geistwesen, ''  und  stehen  als  unterste  an  der  Gränze,  wo  die  Begegnung  und 
Berührung  zwischen  der  Geister-  und  Körperwelt,  der  unsichtbaren  und  sichtbaren 
Wirklichkeit  statthat.  Im  Menschen  soll  sich  nämlich,  wie  wir  oben  hörten,  das  Unterste 
der  Geistwelt  mit  dem  Obersten  der  Korperwelt  verbinden  und  zur  Einheit  zusammen- 
schliessen.  So  Avii-d  aus  der  centralen  Stellung,  die  dem  Menschen  als  Schlussglied  der 
Schöpfung  zukommt,  eine  Mittelstellung,  zufolge  welcher  sich  der  Mensch  als  mittleres 
Proportionsglied  zwischen  Geister-  und  Körperwelt  einschiebt.  Diese  Auffassung  macht 
Hugo  speciell  ffir  das  menschliche  Erkenntnissleben  geltend ;  *  während  der  Engel  rein 
innerlich,  das  Thier  aber  rein  äusserlich  erkennt,  vereiniget  der  Mensch  beide  Arten 
von  Erkenntniss,  und  zwar  so,  dass  in  seinem  der  sinnlichen  Aussenwelt  zugewendeten 
Erkennen  die  blos  sinnliche  Erkenntniss  des  Thieres  in's  rationale  Erkenntnissleben 
emporgehoben  wird,  Avährend  umgekehrt  sein  geistig  innerliches  Erkenntnissleben  auf 
dem  Grunde  des  Glaubens  zu  jenem  der  seligen  Geister  emporstrebt. 

Die  Nothwendigkeit  des  Glaubens  für  die  Unterstützimg  und  Vollendung  des 
menschlichen  Erkenntnissstrebens  begründet  Hugo  in  folgender  Weise : "  Gott  verlieh  der 
Seele  des  erstgeschafi^enen  Menschen  ein  dreifaches  Auge :  ein  Auge  zur  Wahrnehmung 
der  Sinnenwelt  (oculus  carnis),  ein  zweites,  damit  die  Seele  sich  selber  sähe  (oculus 
rationis),  ein  drittes,  imi  in  ihrer  in  sich  gesammelten  Innerlichkeit  Gott  und  die  gött- 
lichen Dinge  zu  schauen  (oculus  contemplationis).  Durch  die  Verfinsterung  der  Seele 
in  Folge    der  Sünde  wurde    das  Auge  der  Contemplation    völlig  ausgelöscht,  so  dass  es 


•  Quia  ergo  in  parte  pro  exemplo  nniversitatis  Immiliatus  est  rationalis  Spiritus  iisque  ad  eonsortiuiu  terreni  corporis,  ne  forte 
hoc  ipsum  ad  depressionem  ejus  pertinere  videretur,  adjunxit  Providentia  Dei,  ut  postmodum  cum  eodeni  corpore  glorificato 
ad  consortium  illorum,  qui  in  sua  puritate  perstiterant,  sublimaretur,  ut  quod  minus  ex  dispensatione  creatoris  sui  acceperat 
conditus,  per  gratiam  ejusdem  postmodum  acciperet  gloriBcandus.  Sacr.  6d.  clirist.  I,  Pars  0,  c.   1. 

2  Die  rationale  Creatur  ist  gottesliildlich  aus  folgendem  Grunde:  Hationali  creaturae  non  uuum  aliquid  aut  hoc  ant  illud  in 
ratione  divina  ])ro  exemplari  sufficcre  potuit,  ad  cujus  similitudinem  formaretur,  sed  quasi  totum  assumsit  Deum,  ut  ejus 
ipsius  imago  fieret,  et  expressa  est  ad  totum  aemulans  perfectionem ;  ut  sicut  Dens  Spiritus  erat  et  unus  erat,  et  in.  ipso 
totum  erat  secundura  rationem  et  providentiam  et  praescientiam  et  causam,  sie  ipsa  spiritualis  esset  capax  in  uno  praescientiae 
et  providentiae  et  rationis  et  providentiae  onmium.  Sacr.  fid.   clirist.  I,  Pars  ö,  c.  3. 

'  Ueber  die  graduellen  Unterschiede  im  Geisterreiche  nach  Analogie  der  graduellen  Unterschiede  in  der  Körperwelt:  Sacr. 
fid.  clirist.  I,  Pars  5,  c.  il. 

*  Sacr.  fid.  Christ.  I,  Pars  6,  c.   .'). 

'■    Sacr.  fid.  chriat.  I,  Pars   10,  c.  i.     Vgl.  Oben  S.    UIO,  Anm.   '.!. 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  105 

nichts  sah,  das  Auge  der  Vernunfterkenntniss  (oculus  rationis)  so  gescliädiget,  dass  es 
nur  mehr  eines  sehr  zweifelhaften  Lichtes  sich  erfreut;  nur  das  Sinnenauge  der  Seele 
behielt  seine  ungetrübte  Klarheit  und  seinen  sicheren  Blick.  Dasjenige  nun,  was  das 
erblindete  Auge  der  Contemplation  durch  sich  selbst  nicht  mehr  sehen  kann,  muss  der 
Seele  durch  die  Glaubensoffenbarung  nahegebracht  werden,  durch  welche,  muss  man 
ergänzend  liinzufügen,  auch  dasjenige,  was  das  ungeschwächte  Vernunftauge  nur  mehr 
unsicher  erkennt,  zu  einej  sicheren  und  richtigen  Erkenntniss  gemacht  werden  muss. ' 
Denn  im  Grunde  ist  ja  das  zweifache  geistige  Auge :  oculus  rationis  und  oculus  con- 
templationis,  nur  eine  Zweispaltung  jenes  Einen  auf's  Innerliche  gerichteten  Seelensinnes, 
den  nach  Hugo  ^  die  menschliche  Seele  mit  dem  Engel  gemein  hat.  Die  Seele  sollte 
zufolge  ihrer  ursj)rüngiichen  Begabung  nach  Innen  die  Weisheit,  nach  Aussen  (per  sensum 
carnis  oder  mittelst  des  oculus  carnis)  die  Werke  der  Weisheit  betrachten ;  nach  beiden 
Seiten,  nach  Innen  und  Aussen,  sollte  sie  in  einem  Buche  der  Weisheit  lesen,  und  in 
beiden  Büchern  lesend  sollte  sie  von  beiden  Seiten  mit  Erkenntniss  und  Freude  erfüllt, 
zum  Lobe  und  zur  Liebe  des  Ewigen  excitirt.  erquickt  und  beseliget  werden.  Zufolge  der 
Verdunkelung  des  inneren  Sinnes  und  zufolge  des  Unvermögens  die  Sapienz  selber  zu 
verstehen,  wurde  der  Seele  auch  das  äussere  Buch,  das  im  opus  sapientiae  dargeboten 
war,  räthselhaft  und  unverständlich;  darum  wurde  ihr  in  der  gescliichtlichen  Erscheinung 
Ciiristi  ein  zweites  von  Innen  und  Aussen  beschriebenes  Doppelbuch  gleichsam  als  Compen- 
dium  der  gesammten  Weisheitslehre  dargeboten.  Die  Aussenschrift  dieses  neuen  Buches  war 
die  Menschheit  Christi,  die  Innenschrift  das  göttliche  Wesen  Christi;  erstere  bot  sich  der 
sichtbaren  Anschauung  dar,  letzteres  sollte  geistig  erschaut  und  verstanden  werden.  Die  erstere 
sollte  Gegenstand  der  sittlichen  Nachahmung,  letzteres  Gegenstand  der  Contemplation  sein; 
die  sittliche  Nachahmung  Christi  sollte  zur  moralischen  Gesundung,  die  Contemplation 
des  im  göttlichen  Wesen  Christi  uns  nahegerückten  Himmels  zur  Freude  und  Seligkeit 
hinführen.  Der  Sinn  dieser  Aeusserung  ist,  dass  uns  in  der  Offenbarung  Christi  die 
himmlische  Idealwelt,  Gott  und  die  göttlichen  Dinge  nahegerückt  seien,  imd  der  christliche 
Glaube  ein  Mittel  der  Selbstverinnerlichung  der  Seele  sei,  die  kraft  desselben  das  ihr 
abhanden  gekommene  Göttliche  in  der  für  ihr  irdisches  Zeitdasein  erreichbaren  Weise 
wiedergewinnen  soll.  Es  versteht  sich  hiebei,  dass  Hugo  einen  möglichsten  Grad  der 
Verinnerlichung  des  historischen  christlichen  Glaubensbewusstseins  anstrebt;  diess  war 
überhaupt  die  Tendenz  der  mittelalterlichen  christlichen  Mystik.  Dasjenige  aber,  wodurch 
der  Glaube  die  Selbstverinnerlichung  der  Seele  wirkt,  ist  die  Gnade,  welche,  ehe  sie 
als  Licht  der  Erleuchtung  im  Erkennen  aufgeht,  im  Aöecte  oder  Herzen  sich  wirksam 
erweist.  Und  so  erscheint  der  Glaube  in  dieser  Art  von  Mystik  zunächst  als  ein  Act  des 
Gemüthes,  und  dieser  Act  als  ein  Aufschwung  des  inneren  Menschen,  der  in  der  durch 
die  Kirche  dargestellten  lebendigen  Glaubensgegenwart  das  dem  Blicke  des  sterblichen  Zeit- 
menschen verhüllte  unsichtbare  Göttliche  zu  ergreifen  strebt.  Wenn  Hugo  der  im  Glauben 
erneuerten  und  verinnerlichten  Seele  abermals  ein  Schauen  beilegt,  so  kann  diess  nur 
ein  Erl^nnen  im  Lichte  der  Gnade  bedeuten.  Demzufolge  spricht  Hugo^  auch  von  einem 
Schauen    im   Glauben,    welches    er    dem   zukünftigen   contemplativen   Schauen    als    einem 


'    Quantum  ad  ctimnhim  felicitatis    et  perfectionem  veritatis  plus  est  praeseiitem  viflere    quam  absentem  eredere,    sicut  et  jjhis 
est  fide  Stare  quam  npiuione  nutare. 

2  Sacr.   lid.  christ.  I,  Pars  6,  e.   ö. 

3  Sacr.  fid.  Christ.  I.  Pars   10,  c.  9. 

Deiitschriften  der  phil.-bist.  Cl.  XXV.  Bd.  14 


10\\  K.  Wkuner 

Schauen  von  Angesiclit  /u  Angesicht  gegenüberstellt.  Das  Glauben  ist  ein  Schauen  (hii'cli 
einen  Spiegel  in  einem  dunklen  Wort  (in  aenigmate) ;  wir  sehen  da  nur  das  liild  der 
Sache,  die  wir  dereinst  schauen  sollen.  Das  dunkle  AVort  ist  das  heilige  Scliriftwort, 
dessen  durchgeistete  Auft'assung  jene  Bilder  der  himmlischen  Welt  und  der  göttlichen 
Dinge  erscheinen  lässt ,  die  im  Spiegel  des  gläubigen  Herzens  Widerscheinen  und 
den  Himmel  selber  abspiegeln  sollen.  ^^ Cj-  (Um  (lihiuben  nicht  luit,  sielit  gar  nichts 
von  dem.  was  der  himmlischen  V^ollendungswelt  angeJiört;  im  .Glauben  indess  kann  nicht 
]\lehreres  als  jene  Bilder,  keineswegs  aber  die  ihnen  entsprechende  Wirklichkeit  geschaut 
wei'den,  obwohl  die  zukünftige  Anschauung  derselben  durch  den  Glauben  erwirkt  werden 
soll,  und  das  Object  der  dereinstigen  Anschauung  geistig  im  Glauben  selbst  sclion 
enthalten   und  vorausgenommen  ist. ' 

Wir  haben  bei  Erwähnung  Wilhelms  von  Auvergne  von  einem  seelischen  Sensismus 
gesprochen,  und  glauben  diese  Bezeichnung  in  ihrer  Weise  auch  auf  Hugo's  Anschauungs- 
weise übertragen  zu  dürfen,  wozu  uns  seine  eigenen  Aussagen  über  den  doppelten 
Seelensinn,  auf  den  seine  ganze  Erkenntnisslehre  gebaut  ist,  vollkommen  berechtigen. 
Er  ist  das  allgemeine  Denkelement  der  christlich -theologischen  Denker  des  zwölften 
Jahrhunderts,  die  nach  der  einen  Seite  auf  Plato,  nach  der  anderen  auf  den  heiligen 
Augustinus  sich  stützten.  Seine  Apperceptionen  müssen  den  Ersatz  bieten  für  den  spe- 
culativen  Gedanken,  dessen  Wesen  im  Gegensatze  zu  jenem  seelischen  Sensismus  die 
Bethätigung  activer  Selbstmacht  des  menschlichen  Denkens  in  geistiger  Bewältigung  der 
seinem  A  ermögen  unterstellten  Wirklichkeit  ist.  Unterstellt  ist  aber  der  menschlichen 
Seele  alles  Wirkliche  in  so  weit,  als  sie  mit  ihrer  Denkkraft  es  in  seinem  Wesen  zu 
ergreifen  und  denkend  zu  umspannen  vermag.  Von  einem  solchen  geistigen  Umgreifen 
und  Umspannen  der  Dinge  aus  der  Mitte  ihres  Wesens  heraus  ist  nun  bei  jenem  spe- 
culativen  Sensismus,  wie  wir  Hugo's  psychischen  Sensismus  im  Unterschiede  von  jenem 
des  Auvergnaten  immerhin  nennen  können,  nicht  die  Rede,  und  seine  Erkenntnisslehre 
ist  ein  getreuer  Reflex  seiner  Anthropologie,  die  eben  gleichfalls  nicht  wahrhaft  spe- 
culativ  ist,  d.  h.  nicht  bis  dahin  vordringt,  die  sinnliche  Leiblichkeit  des  Menschen  als 
etwas  von  der  Macht  des  seelischen  Principes  innerlich  Gefasstes  und  Umgriifenes  zu  er- 
fassen. Er  schreibt  der  menschlichen  Seele  eine  dreifache  Grundkraft  zu,*  die  vegetative, 
die  sensitive  Kraft  und  die  geistige  Denkkraft.  Das  selbstmächtige  Wesen  der  Seele  im 
Verhältniss  zum  Leibe  und  zu  der  sonstigen,  ihrem  geistigen  Können  unterstellten  Wirk- 
lichkeit kommt  bei  dieser  Seelenauffassung  nicht  zum  Ausdrucke.  Die  vegetative  Thätig- 
keit  ist  ein  Wirken  der  Seele,  sofern  sie  innerhalb  des  Leibes,  oder  dem  Leibe  ein- . 
gesenkt  ist;  die  Sinneswahrnehmung  vollzieht  sich  durch  Berührtwerden  der  Seele  von 
einem  Sinneseindrucke ;  die  geistige  Selbstthätigkeit  der  Seele  aber  bezieht  sich  nach 
Hugo's  Beschreibung  auf  lautci-  i-ationale  Functionen  rein  incjuisitiver  Natur,'  woraus 
unausweiclilich  folgt,  dass  die  dui-ch  diese  P'unctionen  rational  zu  begreifende  sinnliche 


'    In   diesem  Sinne  nennt  Hugo  den   Glauben  ein  Sac-ranicnt:  Fides  iinag'ii  est  et  sacramentum,  rnntemplatio  auteni  fntnra  res 

et  virtus  Sacranicnti.  L.  c.  ^ 

-   Krnd.  didascal.   I,   4. 
^   Aniniae  vis  intelligentiae  motibns  non  caret,  qnia  in  liis  quatuor  proprie  vim  ratiouis  exercet:  Aiit  enim  aliqnid,  an  sit.  inqnivit. 

aut  si  esse  oonstiterit,  quid  sit,  addubitat;  quod   si  et.iani  ntrinsqne  scientiani  ratione  possidet,  qnale  sit  niinniqiuidqne,  ratione 

investigat,   atqno   in    co   cetera   aceidentiiim    ninnionta   pcnpiirit.     Quibns  cognitis.  cur  ita  sit,  qnaerit,  et  r,atii>ne  niliiluniinus 

invr'stigat.  L.  c. 


i 


Dek  Entwickelüxgsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcdin  bis  Albertus  Magnus.  107 

oder  geistige  Wirklichkeit  sich  ihr  durch  das  Mittel  sinnlicher  oder  geistiger  Erfahrung 
naher ücken  muss,  und  demnach  für  die  Seele  einfach  et-was  Gegebenes  ist,  wie  der  ihr 
eignende  Leib  für  sie  einfach  etwas  Gegebenes  ist.  Von  einem  activen  Erkennen  d.  i. 
von  einer  activen  Production  der  Erkenntniss  aus  der  geistig  erfasstert  Idee  des  Dino-es 
ist  da  keine  Rede;  es  ist  bezeichnend,  dass  Hugo  überhaupt  nicht  so  sehr  von  einem 
Erkennen,  sofern  diess  eine  geistige  Erfassung  und  Ergreifung  der  realen  Vv'irklichkeit 
ist,  als  vielmehr  immer  nur  von  einem  Wissen  spricht,  wie  er  denn  in  der  That  von 
seinem  Standpunkte  aus  die  Functionen  der  Ratio  nur  als  ein  Vordringen  zum  Wissen 
und  zur  Gewissheit  auffassen  kann.  Sein  Denkhabitus  ist  also  durchweo-s  ein  formal 
logistischer;  der  reale  Idealgehalt  muss  diesem  Denken  durch  göttliche  Irradiationen 
und  soweit  er  über  den  Bereich  des  natürlichen  Erkennens  hinausreicht,  durch  die  Apper- 
ceptionen  des  gläubigen  Gemüthes  und  Bewusstseins  zugeführt  werden.'  Auf  welchem 
Wege  diese  Apperceptionen  gewonnen  werden,  haben  wir  im  Vorausgehenden  bereits 
gesehen;  die  meditative  Schriftforschung  des  vom  kirchlichen  Andachtsgeiste  beseelten 
und  durchhauchten  christlichen  Seelenmenschen  ist  das  Mittel  der  Erzeugung  jener  Vor- 
stellungen und  Anschauungen,  in  welchen  das  gläubig  hoffende  Gemüth  bereits  auf  Erden 
einen  Vorgeschmack  des  seligen  Himmelsglückes  gewinnt. 

Die  Denkanschauungen  Hugo's  entbehren  des  speculativen  Charakters  darum  und 
insofern,  als  ihm  der  Begriff  der  lebendigen  Form  abgeht.  Weder  die  Seele  wird  von 
ihm  als  lebendiges  Formprincip  des  Leibes  erfasst,  noch  auch  die  Idee  als  lebendio- 
durchgeistendes  Formprincip  der  menschlichen  Erkenntniss.  Er  kennt  die  göttlichen 
Ideen  als  reale  Urbildungen  aller  wirklichen  Dinge;  er  weiss,  dass  diese  Ideen  in  der 
theilbaren  Materie  bloss  einen  particularisirten  Ausdruck  erhalten,  und  nur  in  den  geisti- 
gen Naturen  sich  total  ausdrücken  konnten.  Wir  verstehen  hieraus,  warum  er  das  Insich- 
gehen  und  die  Selbstkenntniss  der  Seele,  die  eigentlich  der  Mensch  selbst  ist,  als  den 
vorzüglichsten  Weg  der  Gotteserkenntniss  preist,  welche  letztere  ihm  das  Ziel  und  die 
Summe  aller  Erkenntniss  ist.  Gleichwohl  bleibt  er  bei  der  blossen  Versicheruno-  der 
Gottesbildlichkeit  der  Seele  stehen,  ohne  etwa  die  Idee  der  gottesbildlichen  Seele  für 
eine  philosophische  Vertiefung  des  Gottesgedankens  auszubeuten.  Isaak  von  Stella  spricht 
in  dieser  Hinsicht  klarer,  wenn  er  sagt,  dass  uns  das  vom  rationalen  verschiedene  intel- 
lective  Verständniss  der  Seele  abgeht,  und  dass  wir  vielmehr  unsere  Seele  aus  Gott  als 
Gott  aus  vmserer  Seele  zu  verstehen  haben.  Hugo  sagt  diess  nicht;  was  er  aber  als  Inhalt 
der  Selbstkenntniss  des  noch  nicht  gefallenen  Menschen  angibt,  geht  doch  eio-entlieh 
nur  auf  eine  richtige  Erkenntniss  der  Stellung  hinaus,  die  der  Mensch  in  der  Ordnuno- 
der  Dinge    einnimmt,    und    welcher  er  in  seinem  freithätigen  Thun  zu  entsprechen  hat.^ 

'  Für  beide  Arten  von  Erleuchtung-,  für  die  natürliclie  und  übernatürliche,  ist  der  Logos  der  Mittler.  Wie  das  Leibesauge 
im  Lichte  der  sichtbaren  Sonne,  sieht  das  Seelenauge  im  Lichte  des  Logos,  der  allgemeinen  Geistersonne:  Unus  est  enim 
sei,  et  omnis  oculus  per  eum  irradiatur,  sed  non  omnes,  qui  per  eum  vident,  agnosunt  euni.  Similiter  lux  vera,  quae  illu- 
minat  omuem  hominem  venientem  in  hnuc  munduni,  cunctis  superfunditur,  in  omnes  clarescit,  universos  illustrat;  sed  alius 
per  eam  videt,  alius  eani  videt.  Mali  illuminantnr  ut  cetera  videant;  ipsum,  per  quem  vident,  non  vident,  quia  lux 
tenebris  lucet,  et  tenebrie  eam  non  comprehenderunt.  Boni  vero  illuminantur,  ut  eum  videant,  a  quo  et  per  quem  vident, 
ut  ad  eum,  referant,  et  in  eo  ament  omne  quod  vident,  et  eum  ament  super  omne  quod  vident.  Omnes  ergo  per  eum  illuminantnr 
qui  vident,  sed  excellentius  qui  eum  vident.  Per  eum  illuminantur  qui  vident,  et  ex  eo  illuminantur.  quia  ipse  est  lux  a 
quo  illuminantur.  Unde  autem  lux  illuminaret,  si  ex  semetipsa  non  ilhmiinaret?  Unde  illuminaret,  si  id  quod  ipsa  est,  pnr- 
ticipandum  non  prjeberef?     De  sapientia  animae  Christi. 

-  Hoc  siquidem  erat  somet  agnoscerc,  conditionem  et  ordinem  et  debitum  suum  sive  supra  se,  sive  in  se,  sive  sub  se  non 
ignorare;  inteiligere,  qualis  faetns  esset  et  qualiter  incedere  deberet,  quid  agere.  quid  cavcre  similiter.  Hoc  totum  erat  semet 
ipsum  agnoacere.     Sacr.  fid.  Christ.  I,  Pars  6,  c.   15. 

14* 


m 


10S  K.    WlCKNEK. 

Eine  solche  Erkenntiiiss  kann  man  ducli  cigcntlifli  nur  eine  ethisclie  Erkenntniss  nennen; 
der  absolute  und  eigentliche  (Gegenstand  des  Erkcnnens  war  für  den  ursprünglicdien 
Menschen  Gott,  der  ihm  in  der  Contemplation  gegenwärtig,  Gegenstand  gnadenvollen 
Schauens  war.  Die  Erkenntniss  Gottes  und  der  göttlichen  Dinge  ist  auch  jeti^t  und  für 
inuaci-  das  ])riniilre  Object  der  menschlichen  Erkenntniss.  Die  Erkenntniss  der  "Weltdinge 
hat  nur  insoferne  einen  ideellen  Werth,  als  sie  uns  den  Schöpfer  in  seiner  Weisheit, 
JMacht  und  Güte  erkennen  lehrt;'  die  rechte  Selbsterkenntniss  aber,  die  ohne  Gottes- 
keuntniss  gar  nicht  denkbar  ist,  kann  nur  darauf  führen,  in  Gott  das  allgenügende  ein- 
zige Gut  zu  erkennen."  Eine  derartige  Anschauungsweise  ist  nicht  darnach  angethan, 
die  Weltdinge  um  ihrer  selbst  willen  zum  Gegenstande  der  Erkenntniss  zu  machen;  und 
auch  das  Interesse  an  der  Erkenntnis  des  Menschen  wird  sich  in  der  Hauptsache  auf 
das  Yerhältniss  des  JNIenschen  zu  Gott,  nach  welchem,  für  welchen  und  zu  weichem  der 
Mensch  geschaffen  ist,  beschränken.  Die  gesammte  Denkauschauung  Hugo's  ist  dem- 
zufolge nach  Tendenz  und  Charakter  eine  ethisch-religiöse.  Diese  Gesinnungsrichtung 
muss  sich  auch  in  seiner  Anthropologie  und  Seelenlehre  reflectiren ;  beide  werden  auf 
Grund  bestimmter  allgemeiner  metaphysisch-  kosmologischer  Anschauungen  nur  so  weit 
ausgebildet  und  entwickelt  sein,  als  es  Hugo's  ethisch-religiöses  Interesse  mit  sich  brachte. 
Wir  glauben  diess  durch  die  vorausgegangenen  Darlegungen  und  Ausführungen  hinläng- 
lich nachgewiesen  zu  haben,  und  wollen  hier  noch  auf  eine  charakteristische  Eigen- 
thümlichkeit  seines  Denkverfahrens  aufmerksam  machen,  die  mit  seinem  Piatonismus 
und  dem  damit  combinirten  psychischen  Sensismus  im  vollkommenen  p]inklange  steht. 
AVir  haben  schon  erwähnt,  dass  er  es  liebt,  Proportionsverhältnisse  aufzuweisen,  welche 
die  Unterlage  seiner  anthropologischen  Ausfühi'ungen  abzugeben  haben.  In  Ermangelung 
eines  speculativen  Verfahrens  ist  die  Aufweisung  congruenter  Verhältnisse  dasjenige, 
worin  die  schöpferische  W^eisheit,  die  Alles  nach  Zahl,  Mass  und  Gewicht  geordnet  liat, 
an  ihren  Wei'ken  kenntlich  zu  machen  ist.  In  Mass,  Zahl  und  Gewicht  besteht  ja,  wie 
wir  bereits  hörten,  die  Schönheit  der  Dinge,  die  ein  Reflex  der  ewigen  Urschönheit  ist, 
so  wie  die  Ordnungsverhältnisse  des  Schönen  der  ordnenden  Weisheit  des  Schöpfers 
Zeugniss  geben.  Die  Seele  ist  ein  Mittleres  zwischen  Gott  und  der  Körperwelt,  und 
soll  zu  beiden  in's  richtige  Verhältniss  gesetzt  wei-den.  Wie  das  Verhältniss  von  Geist 
und  Körper  vermittelt  wird,  haben  wir  oben  gesehen;  die  Seele  selber  ist  in  ihrer 
doppelseitigen  Beziehung  zu  Gott  und  zur  Körperwelt  eine  mittlere  Proportionale 
zwischen  Beiden,  was  Hugo  ausdrücklich  bestätiget,  wenn  er  sagt,  dass  die  sichtbare 
Welt  wegen  des  Mensclien,  der  Mensch  aber  wegen  Gott  geschaflen  sei.  So  erübriget 
noch  das  durch  Offenbarung  und  Glaube  vermittelte  Proportionsverhältniss  zwischen  Seele 
und  Gott  oder  Mensch  und  Gott,  welches  von  Hugo  ausdrücklich  als  höhere  Analogie 
des  durch  Mittelstufen  und  Mittelpotenzen  hergestellten  Proportionsverhältnisses  zwischen 
Geist  und  crasser  Körperlichkeit  dargestellt  wird.  W'ie  letzteres  einerseits  durch  subli- 
mirende  Verfeinerung  des  Körperlichen ,  andererseits  durch  Annäherung  des  tiefst 
locirten    Geistigen    ans    verfeinerte    Körperliche    erwirkt    wird,   so  wird  das  Verhältniss 


'    Enul.  didascal.  VII,   16. 

-  Oiimium  expetendiirum  prima  est  Sapientia,  in  quo  perfecti  boni  forma  consisfit.  Sapienti.i  illnminat  honiiuem,  ut  se  ipsum 
cognoscat,  qiii  cetoris  siiiiili.s  fiiit,  cum  se  prae  ceteris  factum  esse  non  intelle.xit.  Imniurtalis  quippe  animus  sapientia  illu- 
stratu.s  respicit  principium  suum,  et  quam  sit  iudecorum,  agiioscit,  ut  extra  se  quidquam  qucrat,  lui.  quod  ipsp  est,  satis 
esse  poterat.     Erud.  didascal.  I,   2. 


Der  Entwickelungsgang  dek  mittelalterlichen   Pstcüologie  von  Alcdin  ms  Albertus   Magnus.  109 

zwischen  Gott  und  Seele  einerseits  durch  Herablassung  Gottes,  andererseits  durch  Er- 
hebung der  Seele  zum  Göttlichen  geknüpft:"  Gott  steigt  in  der  Offenbarung  unter  sich 
herab,  die  Seele  steigt  in  der  Contemplation  aufwärts,  um  zum  Göttlichen  sich  zu  erheben. 
Von  einer  nicht  ganz  glücklichen  arithmetischen  Spielerei,  mittelst  welcher  das  Wesen  des 
Seelischen  an  sich  und  in  seinem  Verhältniss  zum  Körperlichen  durch  die  vierfacJie 
Potenzirung  der  die  Signatur  der  Seele  ausdrückenden  Dreizahl  erläutert  und  veranschau- 
lichet werden  soll,''  wollen  wir  hier  absehen,  obschon  auch  sie  zum  Belege  dient,  dass 
das  zur  Speculation  sich  nicht  erschwingende  ideale  Denken  mit  der  Erfassung  rhyth- 
mischer Verhältnisse  sich  begnügt,  wie  denn  auch  bei  Plato  die  Mathematik  zunäclist 
an  die  reine   Vernunfterkenntniss  gränzte. 

Hugo  von  St.  Victor  ist  der  Begründer  der  psychologischen  Mystik,  ilie  auf  den 
von  ihm  angebahnten  Wegen  durch  seinen  Nachfolger  Richard  von  St.  Victor  weiter 
ausgebildet,  und  auch  von  Johannes  Bonaventura  gepflegt  wurde.  Der  Grundo-edanke 
dieser  Art  von  Mystik  ist  die  in  der  Abkehr  vom  Sinnlichen  sich  vollziehende  Erhebung 
der  denkenden  Seele  zu  Gott  und  zum  Göttlichen;  die  Aufgabe  der  Theorie  dieser 
Mystik  ist,  die  Stufen  der  denkenden  Erhebung  der  Seele  zum  Göttlichen  aufzuzeigen 
und  zu  charakterisiren.  Hugo  gibt  deren  drei  an:  Cogitatio,  meditatio  und  contemplatio 
die  sich  mit  der  platonischen  Dreiheit  von  5öl;a,  §tdvota,  voOc  parallelisiren  lassen,  aber 
nicht  bloss  von  Seite  des  denkenden  Verhaltens  der  Seele,  sondern  auch  der  sie  beo-lei- 
tenden  Affecte  und  Willensstimmungen  der  Seele  ins  Auge  gefasst  werden,  so  dass  an 
der  Beschreibung  und  Schilderung  dieses  innerlichen  Seelenweges  im  successiven  Auf- 
steigen zu  Gott  das  ethische  und  religiöse  Interesse  mit  dem  rationalen  auf  das  Innio-ste 
verwoben,  ja  die  eigentliche  Seele  des  letzteren  sind.  Wir  gelangen  hier  vom  Gebiete 
der  rationalen  Seelenlehre  in  jenes  der  auf  religiös-ethische  Seelenerfahrungen  gebauten 
Seelenkunde  hinilber,  dessen  Charakteristik  wir  vom  Plane  dieser  Arbeit  ausschliessen. 
Wir  haben  es  mit  der  geschichtlichen  Entwickelung  der  Psychologie  als  rationaler  Doctrin, 
mit  der  Geschichte  der  rationalen  Entwickelung  des  Seelenbegriffes  und  der  hiedurch 
bedingten  Gestaltung  und  Ausführung  der  Grundfragen  und  Hauptprobleme  der  lehr- 
haften  Psychologie  zu  thun. 

In  dieser  Hinsicht  nimmt,  ehe  wir  auf  die  systemisirenden  Arbeiten  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  übergehen,  noch  eine  dem  zwölften  Jahrhundert  angehörige  Sammelschrift: 
De  spiritu  et  anima  betitelt,  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch.  Ihre  Bedeutung  beruht 
darin,  eine  Zusammenstellung  der  Hau^Dtsätze  und  Lehren  zu  sein,  die  sich,  in  der  Ent- 
wickelung der  Anthropologie  und  Psychologie  von  Augustinus  angefangen  bis  ins  zwölfte 
Jahrhundert  herab  als  Ergebniss  abgesetzt  haben,  und  zugleich  ein  charakteristisches 
Bild  der  Gestaltung  der  Psychologie,  des  Umfanges  und  der  Gränzen  ihrer  Ausbildung 
zu  geben.  Sofern  sie  die  Entwickelung  der  Psychologie  auf  Augustlnischer  Grundlage 
veranschauli(diet,    konnte    sie    zu  Anfang    des    dreizehnten   Jahrhunderts   für   eine  Arbeit 


'  Ascendit  Moses  in  montem,  et  Dens  desceiulit  in  niontem.  Nisi  ergo  Moses  ascemiisset  et  Dens  deseemlisset,  non  con- 
venissent  in  unum.  Magna  sunt  in  his  omuibus  sacrainenta.  Ascendit  corpus  et  descendit  Dens.  Quo  ascendit  corpus, 
snperius  est  corpore,  quo  descendit  Spiritus,  inferius  est  spiritu.  Rursum  quo  ascendit  Spiritus,  superius  spiritu,  et  ([uo 
descendit  Dens,  inferius  Deo.  Corpus  sensu  ascendit,  Spiritus  sensualitate  descendit.  Item  Spiritus  ascendit  contenipla- 
tione,  Dens  descendit  revelatione.  L.   c. 

-  Ernd.  didascal.  II,  cap.  ö.  6.  —  Wie  die  Dreizalil  die  Zahl  der  Seele,  so  soll  die  Vierzalil  die  Signatur  des  dissolulilen 
Körpers  sein.  Ibid. 


22Q  K.  Wkunek. 

Augustins  gehalten  werden,  wie  wir  bei  Alexander  llalesius'  ersehen  und  durch  Albertus 
IMaanus  erfaliren.-  Thomas  Ati^uiiias^  bezeichnet  den  Verfasser  als  einen  Cisterzienser- 
niönuh  ohne  näher  bestimmende  Angaben  •,  Vincenz  von  Beauvais  citirt  das  Buch  wieder- 
holt, sowohl  in  seinem  Speculum  naturale,'  als  aiicli  im  Speeuium  historiale'  und  Spe- 
cubim  doctrinale"  als  Werk  des  Hugo  von  St.  Mctor;  in  den  Gesammtausgaben  der  AVerke 
Hugo's  erselieint  es  als  zweites  Buch  eines  Hugo  zugeschriebenen  Werkes  De  anima  in  vier 
Büoliern.  welches  sicli  aber  nachgerade  als  eine  Zusammenstellung  von  vier  verschiedenen 
Werken  herausgestellt  hat,  von  welchen  nur  etw^a  das  vierte:  üe  erectione  mentis  ad 
Deum,  auf  Hugo's  Namen  gesetzt  werden  kann.  Das  sogenannte  zweite  Buch  d.  i.  die 
Schrift  De  anima  et  spiritu  kann  Hugo  nicht  angehören,  weil  Stellen  aus  verschiedenen 
anderen  seiner  Schriften  darin  ausgehoben,  also  Hugo's  Schriften  darin  eben  so,  wie 
jene  verschiedener  anderer  Autoren  benutzt  und  wortgetreu  copirt  sind.  Wenn  es  daher 
noch  Trithemius  als  Hugo's  Arbeit  gelten  Hess,  so  haben  doch  die  Herausgeber  der 
Bibllotheca  Cisterciensis,  sowie  der  Mauriner  Ausgabe  der  Werke  Augustins  anders 
gem-theilt,  und  es  Jenem  Alcher  von  Clairvaux  zugeschrieben,  an  welchen  Isaak's  von 
Stella  Schrift  De  anima  gerichtet  ist,  wofür  sich  auch  Liebner  in  seiner  Monographie 
über  Hugo  von  St.  Victor'  entscheidet.  Den  Charakter  der  Schrift  als  eines  Cento  aus 
Stellen  und  Aussprüchen  verschiedener  Autoren  hat  bereits  Erasmus  hervorgehoben.*' 
Ein  gewisses  System  in  der  Anordnung  der  Materien  lässt  sich  zwar  im  Allgemeinen 
nicht  verkennen;  da  aber  der  Zusammensteller  von  dem  Inhalte  der  von  ihm  ausgehobenen 
Stellen  seiner  Gewährsmänner  abhängig  ist,  so  kann  es  ihm  schon  aus  diesem  Grunde 
nicht  gelingen,  ein  wohlzusammenhängendes  Ganzes  herzustellen;  er  vermag  nicht  einmal 
diess  zu  vermeiden,  dass  er  wiederholt  von  vorne  d.  i.  beim  Begriffe  der  Seele  anfängt, 
von  welcher  natürlich  nach  Verschiedenheit  der  benützten  Autoren  verschiedene  Defini- 
tionen gebracht  werden,  und  dass  er  die  Mehrzahl  der  Materien  wiederholt  abhandelt. 
Die  am  häufigsten  angeführten  Autoren  sind  Augustinus,  Hugo  und  Isaak  von  Stella, 
aus  deren  Anschauungen  der  Compilator  vornehmlich  das  Gebäude  seiner  eigenen  An- 
schauungen aufführt;  nebstdem  sind  Gennadius,  Isidor  von  Sevilla,  Cassiodor,  Alcuin, 
Hraban  benützt,  auch  Beda  wird  gelegentlich  angezogen,  Lactantius  (de  opificio  Dei) 
nicht  übersehen;  für  das  psychologische  Phänomen  der  Träume  muss  Macrobius  (Somn. 
Scip.  I,  c,  o)  die  nöthigen  Auskünfte  bieten.  Für  die  Partien  mehr  affectiven  oder 
moralisch-ascetischen  Inhaltes  liefern  Anseimus  und  Bernardus,  ferner  die  unter  Augustin's 
Namen    gehenden    Meditationes    die    entsprechenden    Stellen,    auch    das    erste    und    dritte 


1    Summ,  tlieol.  II,  qu.   51»,  mlir.  2. 

-  Siehe:  Psychologie  Williplm's  von  Auvergne  S.  12,  Auni.  2  (Sitzungsber.  LXXII,  S.  268).  —  Albert  envälmt  rieben  der  Schrift. 
De  anima  et  spiritu  aucli  niclit  selten  eine  andere  De  differentia  Spiritus  et  animae.  als  deren  Verfasser  er  den  Constabulus 
bezeichnet.  Dass  man  beide  Schriften  nicht  identifieiren  dürfe,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  letztere,  wie  aus  Albert's 
Anführungen  zu  ersehen  ist,  sich  ganz  im  Denkbereiche  der  arabischen  Aristoteliker  und  Neuplatoniker  bewegt.  Zum 
Ueberflusse  werden  in  Albert's  Summa  de  creatviris  II,  qu.  2,  art.  1  beide  Scliriften  neben  einander  erwähnt,  womit  ihre 
Unterschiedenlieit  von  einander  absolut  constatirt  ist. 

^   Quaest.  un.  de  anima,  art.   12,  ad  2<l>>«i- 

*    Spec.  nat.  XXIII  et  XXV  passim,  ferner  XXiy,  I  und  XXVII,   7S. 

'■>   Spec.  bist.  XVIII,  55. 

0    Spec.  doctr.  XVIII,  fi2;  XXIV,  6.  8.   14. 

'   Hugo  V.  St.  Victor  u.  die  theolog.  Richtungen  s.   Zeit   (Leipzig  1832),  S.   405  fl'. 

ä  Erasmus  sagt  von  dem  Buche:  Opus  est  hominis  vaiiae  uuiltaeque  lectionis,  in  quo  non  aliquid  artis  videas  aut  ingenii.  sed 
quasi  arenam  sine  calce. 


Dm;  Entwickei.ungsgang  dek  mittelalteklichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  Hl 

Bucli  des  oben  erwähnten  angeblichen  Werkes  Hugo's  De  anima  werden  öfter  benützt. 
l)ie  mehrfache  Berücksichtigung  der  Schrift  De  anima  et  spiritu  von  Seite  der  hervor- 
ragendsten Autoren  des  dreizehnten  Jahrhunderts  beweist,  welche  Verbreitung  sie  binnen 
Kurzem  gefunden  und  welche  Geltung  sie  errungen  hatte;  sie  vertrat  die  Stelle  eines 
Handbuches  der  Psychologie,  in  welchem  geistliche  Leser  Alles  zusammengestellt  fanden 
was  für  sie  aus  Gebiete  der  rationalen  Seelenlehre  und  der  religiös-moralischen  Seelen- 
kunde von  Interesse  sein  konnte. 

Fassen  wir  das,  was  wir  über  die  Gestaltung  der  mittelalterlichen  Psycholooie  bis 
zum  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts  beigebracht  haben,  kurz  zusammen,  so  ergibt  sich 
uns  als  Resultat,  dass  die  Seelenlehre  des  früheren  Mittelalters,  in  ihren  Anfäno-en 
unscheinbar  und  dürftig,  und  zunächst  nnr  fragmentarische  Reproduction  des  aus  der 
patristischen  Epoche  überlieferten  Lehrstoffes,  nach  einer  dreifachen  Richtung  eine  suc- 
cessive  Erweiterung  und  Entwickelung  ihres  Lehrinhaltes  anstrebte,  indem  sie  zuerst 
als  Unterlage  der  natürlichen  und  christlichen  Tugendlehre  aufgefasst  und  behandelt, 
sodann  nach  ihrem  Verhältniss  zur  Somatologie  ins  Auge  gefasst  und  entwickelt  wurde, 
und  endlich  drittens  eine  Vertiefung  im  Elemente  religiös-mystischer  und  ascetischer 
Beschaulichkeit  anstrebte.  Im  Verfolge  dieser  letzteren  Richtung  stellte  sie  sich  bei-eits 
auf  den  Boden  der  lebendigen  inneren  Selbsterfahrung,  die  sich  ihr  als  dreifache:  gei- 
stige, sittliche  und  religiöse  Erfahrung  gestaltete;  je  nach  dem  relativen  Vorwalten  des 
einen  oder  des  anderen  Elementes  der  innerlichen  Erfahrung  modificirte  sich  sodann 
weiter  auch  der  specifische  Ton  und  Charakter  dieser  Art  von  Seelenkunde,  deren  näJiere 
Beleuchtung  der  Geschichte  der  christlichen  Mystik  anheimfällt.  Dieser  Richtung  gegen- 
über aber  strebte  die  Scholastik  eine  lehrhafte  Gestaltung  und  Durchbildung  an,  und 
ei-rang  sie,  indem  sie  die  durch  arabische  Vermittelung  dem  christlichen  Abendlande 
bekannt  gewordene  aristotelische  Anthropologie  und  Psychologie  in  sich  aufnahm.  Schon 
bei  Wilhelm  von  Auvergne,  der  noch  ganz  auf  dem  Standpunkte  der  platonisch-augusti- 
nischen  Auffassungs-  und  Behandlungsweise  der  lehrhaften  Psychologie  stand  und  gegen 
alles  Peripatetische  sich  abwehrend  verhielt,  ist  wenigstens  in  formeller  Beziehung,  in 
Hinsicht  auf  die  Sprech-  und  Ausdrucksweise  der  geistige  p]influss  des  Peripatetismus 
merkbar:  Alexander  von  Haies  steht  bereits  auf  dem  Boden  desselben. 

Alexander  behandelt  die  Lehre  über  Begi-iff  und  Wesen,  Vermögen  und  Kräfte  der 
menschlichen  Seele  im  zweiten  Tlieile  seiner  Summa  theologiae, '  und  zwar  so.  dass  zuerst 
von  Begriff  und  ^^'esen  der  Seele  gehandelt  wird,  sodann  von  den  vier  Ursachen  der 
Seele:  causa  materialis,  formalis,  efficiens  und  finalis:  daran  schliesst  sich  die  Erörteruno- 
über  das,  was  die  Seele  an  sich  und  im  Verhältniss  zum  Körper  ist;  sodann  wird  von 
den  Kräften  und  Begabungen  der  Seele  gehandelt,  zuerst  im  Allgemeinen,  sodann  im 
Besonderen:  De  sensibili  exteriori  et  interiorl,  de  sensualitate,  de  vi  cognitiva  rationali, 
de  vi  rationali  motiva,  riicksichtlich  dieser  letzteren  wieder  speciell  de  libero  arbitrio, 
de  synteresi,  de  conscientia.  Diese  Reihenfolge  der  Materien  für  sich  allein  schon  zeigt, 
dass  man  hier  zum  ersten  Male  auf  eine  methodische  und  planmässig  geordnete  Behand- 
lung des  Gegenstandes  stösst;  der  Complex  der  hierauf  bezüglichen  Erörterungen  und 
Untersuchungen    bildet    ein    in    sich    geschlossenes  Ganzes,  welches  von    den    später  fol- 


'    Summ,  tlipol.  Pars  II,  qu.   59 — 74. 


J12  ^-  ^Vi;iiNER 

gendeii  Partien  de  vitii.s  und  de  vlrtutibiis  losgelöst,  die  sogenannte  rationale  Psychologie 
vollkommen  erschöpft.  Aehnlicli  hndon  wir  es  bei  Albertus  Maginis  In  den  hieher 
gehörigen  Tarticn  seiner  beiden  Sianiuon,  der  Summa  theologica  und  iler  Summa  de 
creatm-is. 

Die  erste  Frage  betrifft  bei  Alexander  die  richtige  Definition  dei-  menschlichen 
Seele,  die  im  Unterschiede  von  den  Seelen  der  thierlschen  Körper  eine  rationale  Seele 
ist.  Alexander  luln-t  sieben  Definitionen  an,  deren  einige,  jene  Augustin's,  Casslodor's, 
Alcuin's,  Isaak's  von  Stella,  uns  schon  aus  dem  bisher  Mitgetheilten  bekannt  sind.  Eine 
erste  der  von  Alexander  angeführten  Definitionen  lautet:  Anima  est  deiforme  sjjiraculuin 
vitae.  Alexander  findet  dieselbe  insofern  zutreffend,  als  sie  das  Wesen  der  Menschen- 
seele im  Unterschiede  von  dei'  Thiex'seele  und  vom  körperlosen  Engel  in  schlagender 
Kürze  angibt.  Auch  die  von  Augustiiuis'  gegebene  Definition,  welche  Alexander  aus 
der  Schrift  de  spiritu  et  anima  (c.  1)  kennt,  billiget  er:  Anima  ßst  substantia  quaedam 
incorporea  rationis  particeps,  regendo  corpori  accomodata.  Indem  die  Seele  als  Substanz 
bezeichnet  wird,  wird  sie  von  den  Accidenzen,  als  unkörperliche  Wesenheit  von  den 
Körpern,  als  vernunftbegabte  von  der  Thierseele,  als  befähiget  zur  Leitung  des  Körpers  von 
den  Engeln  unterschieden;  natürlich  habe  man  bei  letzterem  Merkmal  nicht  an  ein  blosses 
Bewegtwerden  des  Leibes,  sondern  an  eine  Belebung  desselben  durch  die  Seele  zu  denken. 
Dieses  Letztere  sei  es,  was  der  menschlichen  Seele  im  Unterschiede  vom  Engel  specifisch 
als  Vermögen  zukomme.  Cassiodor  definirt  die  Seele  als  substantia  spiritualis  a  Deo 
creata,  propria  sui  corporis  vivificatrix.  Diese  Definition  ist  gut,  indem  sie  die  Wesen- 
heit der  Seele  von  der  göttlichen  Substanz  und  von  der  crassen  Stofflichkeit  unter- 
scheidet. Seneca  definirt  die  Seele  mit  Bezug  auf  das  ihr  gewiesene  Strebeziel  als 
Spiritus  intellectualis  ad  beatitudinem  in  se  et  in  corpore  ordinatus."  Diese  Definition 
charakterisirt  die  Menschenseele  im  Unterschiede  vom  leiblosen  Engel,  und  lässt  sich  mit 
Rücksicht  auf  das  doppelseitige,  geistig-sinnliche  Wesen  des  Menschen  vollkommen  recht- 
fertigen;^ sie  ist  sogar  schön,  wenn  man  sie  unmittelbar  auf  die  stola  prima  und  secunda 
des  jenseitigen  Yollendungstandes  bezieht.  Ueber  die  Definition  Alcuin's,  ^  die  Alexander 
aus  der  Schrift  De  spiritu  et  anima  kennt  und  demzufolge  von  Augustinus  herrührend 
glaubt,  bemerkt  er,  dass  von  ihren  fünf  Gliedern  zwei  auf  die  Erkenntnissthätigkeit,  drei 
auf  die  Bewegung  der  Seele  sich  bezögen.  Die  Intellectualität  ist  der  Menschenseele 
mit    dem    Engel    gemein,    die    Rationalität   specifisch    ihr    eigen.      Das   Merkmal:    semper 


'    De  quantitate  aiiiniae,  c.   lö. 

-  Diese  Definition  riilirt  nicht  von  Seueea  lier,  und  ist  weder  der  Denkweise  nocli  ancli  der  Sprechweise  Seneca's  gemäss. 
Seneca  sieht  das  Ziel  des  Menschen  in  der  perfecta  ratio:  Qnod  ergo  in  te  honum  est?  Perfecta  ratio;  hanc  tu  ad  suum 
finem  evoca,  in  quantuni  potest  pluriinum  crescere.  Tunc  beatum  se  esse  judica,  cum  tibi  ex  te  onine  gaudium  nascetur, 
cum  in  istis,  quae  homiues  eripiunt,  Optant,  custodiunt,  niliil  inveneris,  non  dico,  quid  malis,  sed  quod  velis.  (Ep.  1 24).  Indess 
kommen  doch  bei  Seneca  Aeusserungen  vor,  die  das  Substrat  zur  obigen  theologisch-teleologisehen  Definition  des  Seeleu- 
wesens dargeboten  haben  könnten.  Vgl.  Quaest.  Natur  III,  30:  Omne  ex  integro  animal  generabitur,  dabiturque  terris  honio 
inscius  scelerum  et  luelioribus  auspiciis  natus. 

■•  Alexander  bezieht  sicli  hiebei  auf  Anselm,  der  die  beatitudo  als  ein  aus  geistiger  und  leiblicher  VoUkommenlioit  zusammen- 
gesetztes Ganzes  auffasst.  Es  hätte  sich  auch  auf  Hugo  von  St.  Victor  verweisen  lassen,  welcher  (Sacr.  fid.  christ.  I,  Pars  (>, 
c.  G)  den  natürlichen  Anspruch  des  Menschen  auf  leibliches  Wohlsein  sehr  nachdriickllch  betont:  Quia  homo  ex  duplici  sub- 
stantia compactus  erat,  ut  totus  beatificaretur,  duo  ejus  illi  bona  conditor  a  principio  praeparabat,  iinum  visibile,  alterum 
invisibile,  unum  corporale,  alterum  spirituale,  unnm  transitorium,  alterum  aeternum,  utrumque  plenum  et  utrumque  in  suo 
genere  perfectum;  unum  carui.  alterum  spiritui,  ut  in  uno  sensus  earnis  ad  jucuuditatem  foveretur,  in  altero  sensus  mentis 
ad  jucuuditatem  repleretur. 

■•    Anima  est  Spiritus  intellectualis,  rationalis,  semper  vivens,  semper  in  motu,  bonac  malaeque  voluntatis  capax.  Eiit.  an.,  c.  ID. 


i 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcüin  bis  Albertus  Magnus.  113 

vivens,  bedeutet  die  fortwährende  von  Gott  ausgehende  Einströmung,  dureli  Avelche  sie 
lebendig  erhalten  d.  i.  ad  motum  disponirt  wird;  das  Merkmal:  semper  in  motu,  bedeutet 
ihre  natürliche  Lebendigkeit  und  Selbstbewegung,  das  letzte  in  der  Definition  enthaltene 
Moment  bezieht  sich  auf  die  willentliche  Bewegung  der  Seele.  Die  Wesensbestimmung 
der  Seele  als  similitudo  omnium  bewahrheitet  sich  dadurch,  dass  die  Seele  fheils  im 
Sein,  theils  im  Erkennen  mit  Allem,  was  ist,  auf  eine  gewisse  Weise  zusammentrifft. 
Endlich  wird  auch  noch  jene  Wesensbestimmung  der  Seele,  wornach  sie  einerseits  als 
einfache,  unsterbliche  Geistsubstanz,  andererseit  aber  als  passibel  und  mutabel  bezeich- 
net wird,  aus  ihrer  Mittelstellung  zwischen  den  Engelwesen  und  den  sterblichen  Erd- 
wesen erklärt  und  als  zutreffend  erkannt. 

Wie  Alexander  Halesius,  nimmt  auch  Albertus  Magnus  in  seinen  Erörterungen  über 
das  Wesen  der  Seele  seinen  Ausgang  von  den  bereits  vorhandenen  Wesensbestimmungen 
derselben  von  Seite  der  Theologen  sowohl  als  der  Philosophen.  In  seiner  Summa  theo- 
logica'  führt  er  unter  der  Rubrik:  Theologische  Definitionen  (Definitiones  Sanctorum) 
gleich  Alexander  sieben  Definitionen  an,  welche  zum  Theile  dieselben,  wie  die  von 
Alexander  angeführten,  zum  Theile  aber  andere  sind.  Er  luit  mit  Alexander  gemein 
die  aus  Augustin  (Quant,  an.,  c.  13),  Cassiodor,  Alcuin  und  Seneca  entlehnten  Defini- 
tionen-, die  übrigen  di-ei  rühren  von  Remigius,^  Johannes  Damascenus,"  Alexander 
Aphrodisias '  her.  Da  nun  letzterer,  der  mit  Cognomen  Nequam  betheilt  wird,  so  wie 
Seneca  nicht  unter  die  christlichen  Theologen  gerechnet  werden  kann,  so  weist  er  Beiden 
in  der  Summa  de  creaturis"  einen  gesonderten  Platz  neben  den  christlichen  Auctoritäten 
an,  als  welche  daselbst''  Augustinus  (quant.  an.  c.  13),  Johannes  Damascenus,  Remigius 
vmd  Bernardus'  angeführt  werden.  Albert  sucht  ebenso  wie  Alexander  Halesius  die 
Angemessenheit  aller  dieser  Definitionen  zu  zeigen,  verfährt  aber  hiebei  schon  weit 
mehr  dialektisch  als  Jener,  und  gelangt  auch  zu  anderen  Erklärungen  des  Sinnes  der 
angeführten  Definitionen.  So  bezieht  er  in  der  oben  angeführten  Definition  Alcuin's 
welche  Albert  mit  Alexander  für  eine  Definition  Alcuin's  hält,  das  Merkmal  semper 
vivens  auf  den  belebenden  Einfluss  der  Seele  auf  den  Körper,  versteht  es  also  in  activem. 


1  Pars  II,  qii.  69. 

2  Anima  est  substantia  iiicorporea  regens  corpus. 

^  Anima  est  .substantia  vivens,  simplex  et  incoi'porea,  corporalibus  oculis  secundum  propriam  sui  naturam  luvisibilis,  immor- 
talis,  rationalis,  intellectualis,  infigurabilis,  organic-o  utens  corpore,  et  huic  vitae,  auguientatiouis  et  sensus  et  generatiunis 
tributiva,  nou  aliud  liabens  praeter  seipsani  intellectum,  sed  ut  partem  sui  purissimam  (Fid.  orthod.  II,  12).  Albert  ver- 
theidiget  diese  Definition  gegen  den  Vorwurf  pleonastischer  Tautologie.  Wenn  die  als  geistig  bezeichnete  Seelensubstanz 
nebenbei  auch  noch  als  invisibilis  infigurabilis  bezeichnet  werde,  so  habe  diess  seinen  Grund  in  der  Rücksicht  auf  die 
Stoiker  Kleanth  und  Chrysipp,  welche  die  Seele  trotz  ihrer  Geistigkeit  als  Körjjer  angesehen  wissen  wollten.  Cleanthes  et 
Chrysippus  et  Stoici  talem  complicant  syllogismuni  t  Non  soluni  similes  genitoribus  secundum  corpus  sumus,  sed  etiam 
secundum  animam  passionibus,  nioribns  et  dispositioiiibus.  Corjjoris  autem  proprie  est  e.sse  simile  et  non  incoqiorei.  Corpus 
igitur  est  anima.  Unde  ad  exprimendam  et  determiriandam  incorporeitatem  animae  dicitur  infigurabilis  et  corporeis  oculis 
invisibilis,  ut  intelligatur  anima  non  esse  virtus  corporea.     Summ,  theol.  II,  qu.   69,  mbr.   1. 

*  Anima  est  substantia  incorporea,  illuminationum,  quae  sunt  a  primo,  ultima  relatione  perceptiva.  Von  dieser  Definition,  so 
wie  von  jener  Seneca's  bemerkt  Albert:  quod  datae  sint  de  anima  in  comparatione  ad  Optimum;  et  quia  hoc  percipit  sine 
corpore,  propter  hoc  non  faciunt  meutionem  de  corpore  (Summ,  de  creat.  II,  Tract.  1,  qu.  3,  art.  2).  Diese  Bemerkung 
erfährt  freilich  in  Bezug  auf  Seneca's  angebliche  Definition  eine  nachträgliche  Restriction,  die  darauf  hinausläuft,  dass 
Seneca,  wenn  er  von  einer  beatitudo  animae  in  corpore  spreclie,  damit  nicht  die  beatitudo  patriae,  sondern  bloss  die  beatitudo 
viae  meinen  könne,  weldie  nur  uneigentlich  beatitudo,  richtiger  felicitas  genannt  werde,  gemäss  dem  Ausspruche  des 
Aristoteles:  Felicitas  est  actus  animae,  qui  est  sceunduni   virtulera   perfectam. 

^    Summ,   creat.  Pars  II,  qu.  2,  art.  2. 

^   L.  c,  art.   1. 

'    Anima  est  res  incorporea,  rationis  capax,  vivificando  corpori  aceomodata  (Ep.  ad  Carthusiauos). 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  I5 


j  1^4  ^-  Wernek. 

nicht  wie  Alexander  in  passivem  Sinne.  Das  Merkmal  semper  in  motu  bedeutet  ihm 
die  Einflössuno-  lU-r  Itir  die  Vitalvorriclitungen  des  Leibes  nöthigen  vis  motiva.  Da  diese 
Einflössung  —  bemerkt  Albert  weiter  —  dem  Lebensumtrieb  jegliches  Lebendigen 
anoemessen  sein  muss.  so  nennt  Pythagoras  die  Seele  eine  sich  selbst  bewegende  Zahl, 
wobei  er  unter  Zahl  die  Proportionalitat  zu  den  Organen  des  Leibes  versteht.  In  diesem 
Sinne  definire  Plato  die  Seele  als  eine  geistige  Substanz,  die  sich  aus  sich  selbst  gemäss 
der  harmonischen  Zahl  bewege;  allenthalben  seien  Bewegendes  und  Bewegtes  nach  har- 
monischen Zahlenverhältnissen  einander  proportionirt. 

Hier  nun  tritt  sofort  eine  Differenz  zwischen  Alexander  Halesius  und  Albert  hervor, 
die  den  schon  vom  Anfange  her  bestehenden  relativen  Gegensatz  zwischen  den  beiden 
Schulen  der  Franciscaner  und  Dominicaner  beleuchtet.  Alexander  hatte,  wie  wir  oben 
sahen,  das  Merkmal  semper  in  motu  in  platonischer  Weise  auf  die  Selbstbewegung  der 
Seele  gedeutet.  Albert  will  eine  solche  Selbstbewegung  der  Seele,  wie  sie  immer  ver- 
standen werden  möge,  nicht  zugeben,'  und  besteht  auf  dem  Satze  der  aristotelischen 
Schule,  dass  die  Seele,  selber  unbewegt,  ihrem  "Wesen  nach  den  Körper  bewege,  imd 
nur  per  accidens  durch  die  Bewegung  des  Körpers  bewegt  werde,  sofern  nämlich  eine 
körperliche  Bewegung  des  ganzen  Menschen  auch  ein  Bewegtwerden  der  dem  Menschen 
einwohnenden  Seele  involvirt.  Dadurch,  dass  die  dem  Leibe  einwohnende  Seele  per 
accidens  in  Folge  der  Bewegung  des  Leibes  bewegt  werde,  unterscheide  sie  sich  von 
Gott,  welcher  dem  Weltall  einwohnend  durch  die  Bewegungen  desselben  in  keiner  Weise 
affieirt  werde;  wie  die  gottebenbildliche  Seele  in  Allem  von  der  göttlichen  Vollkommen- 
heit abweiche,  so  stehe  auch  ihre  virtus  motiva  der  göttlichen  virtus  motiva  in  der 
bezeichneten  Weise  nach.  Albert  ergeht  sich  in  einer  umständlichen  Widerlegung  der 
platonischen  Ansicht  und  anderer  ihr  verwandter  oder  mit  ihr  combinirter  Ansichten, 
und  bereitet  sich  damit  den  Weg  zu  einer  eben  so  umständlichen  Darlegung  und  Beleuch- 
tung der  von  Aristoteles  o-eg-ebenen  Definitionen  der  Seele, ^  während  Alexander  den 
peripatetischen  Seelenbegriff  im  Allgemeinen  adoptirt,  ohne  schärfere  Abscheidung  des- 
selben vom  platonischen.  Wir  werden  daher  nicht  fehlen,  wenn  wir  im  Nachfolgenden 
uns  vornehmlich  mit  Albert's  Seelenlehre  beschäftigen  und  auf  Alexander  Halesius  nur 
insoweit  Bezug  nehmen,  als  wir  eine  relative  Abweichung  seiner  Auffassungsweise  von 
jener  Albert's  bemerklich  zu  machen  haben. 

Bleiben  wir  vorerst  bei  seiner  vorerwähnten  Kritik  des  Platonischen  Seelenbegriffes 
stehen.  Plato  sagt,  die  Seele  sei  die  Zahl  gewisser  Ideen,  aus  welchen  sich  eine  Har- 
monie zusammensetzt;  daher  ist  ihr  actives  und  passives  Verhalten  durch  die  Harmonie 
der  in  ihr  vereinigten  Zahlen  bestimmt.  Gleichwie  der  Schöpfer  anfangs  den  auf  der 
Weltaxe  senkrecht  stehenden  Aequatorialkreis  zog,  und  von  diesem  sodann  den  schiefen 
Zodiakalkreis  abschied,  welchem  sieben  weitere,  in  der  Richtung  des  Zodiakus  sich 
bewegende  Kreise  unterstellt  wurden,  so  hat  die  aus  dem  Himmel  von  ihrem  Schöpfer 
herabsteigende  Seele  den  ersten  geraden  Aspect  ihrer  Intelligenz  in  einen  Kreis  umge- 
beugt, unter  diesem  ersten  Kreise  durch  Theilung  einen  zweiten  Bewegungskreis,  unter 
diesem  zweiten  sieben  andere  erhalten,  gleichsam  als  ob  die  Bewegungen  der  Seele 
Himmelsbewegungen  wären;    und    nach    diesen   ilir  zugetheilten  Bewegungen  bewegt  sie 


'    Summ,   creat.   Pars   II,  qu    .'i,  art.    1. 
2    Pniuin.  creat.  Pars  II,  (|ii.  4,  artt.   1- 


Der    EiNTWlCKELUNGSGANG   DKR    MITTELALTEKLICHEN    PSYCHOLOGIE   VON    AlCUIN     BIS    AlISERTUS    MaGNUS.  115 

selber  wieder  den  Körper.  Diese  Auseinandersetzung  Plato's  kann  nun  entweder  im 
metaphorischen  oder  im  eigentlichen  Sinne  verstanden  werden.  Soll  sie  metaphorisch 
verstanden  werden,  so  können  die  beiden  ersten  grossen  Kreise  auf  die  ßeweguno-en 
welche  die  Erinnerungs-  und  Begehrungskraft  vollzielien,  bezogen  werden;  die  dem 
zweiten  Kreise  subordinirten  weiteren  Bewegungen  den  Bewegungen,  welche  sich  in  den 
Sinnes thätigkeiten  vollziehen.  Im  Erinnern  geht  nämlich  die  Thätigkeit  auf  den  äusse- 
ren Gegenstand  zurück,  der  vorausgehend  in  der  Erinnerungskraft  das  Gedächtniss  seiner 
selbst  hinterlassen  hatte.  Der  Vorgang  des  Begehrens  aber  macht  eine  Kreisbewegung- 
voll,  indem  durch  das  begehrenswerthe  Object  angeregt  der  praktische  Intellect  oder 
das  Vorstellungs vermögen  die  Begehrungskraft,  diese  die  ihr  dienenden  Kräfte  in  Bewe- 
gung setzt,  durch  die  Kräfte  aber  die  (Jrgane  des  Leibes  zu  dem  begehrten  Objecte 
hinbewegt  werden.  Eben  so  schliessen  sich  in  den  Thätigkeiten  der  fünf  Sinne  Kreis- 
bewegungen ab,  indem  eine  von  der  Seele  ausgehende  Kraft  mit  dem  sinnlichen  Wahr- 
nehmungsobjecte  sich  berührt,  und  das  Bild  desselben  in  die  Seele  zurückbringt.  Sollte 
es  aber  zulässig  sein,  derartige  Gedanken  in  metaphorischen  Redeweisen  vorzutragen? 
Leidet  nicht  die  rationale  Bestimmtheit  des  Gedankens  durch  solche  Einkleidungen,  ja 
ist  überhaupt  ein  metaphorischer  Ausdruck  geeignet,  den  rationalen  Begriff  einer  Sache 
auszudrücken?  Albert  glaubt  also  die  metaphorische  Auslegung  des  von  Plato  über 
die  Seele  Vorgetragenen  zurückweisen-  zu  müssen,^  und  diess  um  so  mehr,  da  sie  sich 
an  der  Sinneswahrnehmung  nicht  bewahrheitet;  bei  der  Sinneswahrnehmung  lässt  die 
Seele  nichts  aus  sich  herausgehen,  sondern  nimmt  nur  in  sich  hinein.  Will  man  aber 
das  von  Plato  über  die  Seele  Gesagte  nach  seinem  Wortsinne  verstehen,  so  ist  dagegen 
Folgendes  zu  erinnern:^  Die  Potenzen  sind  nach  ihren  Acten,  diese  nach  ihren  Objecten 
zu  bestimmen.  Je  nachdem  das  Object  eines  oder  mehrere  ist,  werden  auch  Act  und 
Potenz  ein  Eines  oder  Mehreres  sein.  Ist  das  Object  Eines,  so  muss  es  untheilbar  wie 
die  Einheit  sein;  dasselbe  wird  dann  auch  von  Act  und  Potenz  gelten.  Aber  kein 
Untheilbares  ist  ein  kreisförmiges  Continuum.  Sind  aber  der  Objecte  mehrere,  so  sind  sie 
discrete  Gi'össen;  das  Discrete  ist  jedoch  eine  Verneinung  des  Continuum,  und  so  kann 
abermals  der  Intellect  keine  kreisförmige  Bewegung  haben.  Aber  angenommen,  er  hätte 
eine  solche,  so  wäre  weiter  zu  fragen,  wie  soll  das  Intelligible  in  den  Intellect  über- 
gehen? Durch  Berührung  der  Theile  des  Kreises?  Diese  Theile  müssen  entweder 
unausgedehnte  Punkte  sein,  ohne  eine  gewisse  Grösse  zu  haben.  Der  Punkte  aber  sind 
unendlich  viele  in  der  Kreislinie  und  in  jedem  Theile  derselben;  also  würde  für  den 
ersteren  Fall  das  Intelligible  selbst  in  einer  unendlichen  Zeit  nicht  in  Intellect  über- 
gehen können.  Sollen  die  Theile  des  Kreises  eine  Grösse  haben,  so  müssen  sie  ent- 
weder der  Art  oder  der  Grösse  nach  gleich  sein.  Der  Art  nach  wären  sie  gleich  als 
unendlich  theilbare;^  für  diesen  Fall  würde  es  aus  dem  schon  angegebenen  Grunde  zu 
keiner  Intellection  kommen.  Sind  sie  aber  der  Grösse  nach  gleich,  so  wird  das  Intelligible 
vielmals  die  Theile  des  Intellectes  berühren,  und  der  Act  der  intellectuellen  Erkenntniss, 
der  doch  ein  Einer  und  untheilbarer  ist,  als  eine  Zusammensetzung  aus  so  viel  Theilen, 


•  Albert  erklärt  sieh  im  Zusaramenliaiise  damit  überhaupt  gegen  alle  Ideologie:  Mentientes,  qui,  quod  noii  inest  alicui,  iuesse 
dicunt,  peccant;  et  qui  extraneis  nominibus  res  appellant,  ut  platanum  liomineni;  transgrediuiitur  enim  positam  nominaticj- 
nem,  sicut  Plato  vocat  hominem  arboreni  transversaui. 

^    Vgl.  Aristoteles  de  anima  Lib.  I,  p.  407. 

^    Vgl.  Aristot.  Coel.  et  Mund.  Lib.  I,  p.   208:  "Oaot  ii'sv  ouv  oixipETOt  tcüv   tisysOtöv,  zcc'i  <jjv£/r5  Tajta. 

15* 


,  1 ,-.  K.   Wekner. 

IIb 


als  der   Kreis  Tlieile   hätte,   hing-estellt.'    Sagt  man   aber,   es   genüge  die  Berührung  eines 
einzigen  Theiles,  so  ist  ja  die  kreisförmige  Bewegung  überHüssig.  Ueberdiess:  Der  berülirte 
Theil  des  Kreises  ist  entweder  theilbar  oder  untheilbar.    Ist  er  theilbar,  so  kann  er  von 
o-ewissen  iintheilbaren  Intelliglbilien  nicht  berührt  werden;    und  umgekehrt  kann   er  als 
untheilbarer    von    theilbaren    IntelHgibilien  nicht  berührt,  d.  h.  zum  Erkennen  angeregt 
werden.     Man    könnte    dawider    einwenden,    nicht    die    Berührung,    da  ja  eine  solche  im 
eigentlichen,    materiellen    Sinne    gar    nicht    statthabe,    sondern   der  einer  Kreisbewegung 
ähnliche  Umschwung  verwirkliche  den  Intellectionsact;  hierauf  müsste  abermals  erinnert 
werden,    dass    jener    Umschwung    des    Intellectes    keine  Vergleichung    mit    der    Kreisbe- 
wegung   zulasse,    weil    der    Kreis    weder  Anfang    noch  Ende,  jeder  Intellectionsact  aber 
einen    Ausgangs-    und    Endpunkt    hat,    und    in    letzterem    gewissermassen  ruht,'  was  das 
directe  Gegentheil    des    ruhelosen    Kreisens    ist.     Ueberhaupt  lässt  sich  keine  im  Wesen 
der  Seele  gelegene  Ursache  ihres  Bewegtwerdens    denken,  wie  sich  eine  solche  aus  der 
Beschaifenheit    des   Materiellen    und    Körperlichen    eruiren  lässt.     Die  Bewegung  müsste 
also    der    dem    Leibe    einwohnenden  Seele    gegen  ihre  Natur  aufgenöthiget  sein,  woraus 
folgen  würde,  dass  sie  ihres  eigenen  Leibes  ledig  zu  werden  trachten  müsste,  was  offen- 
bar falsch  ist.     Wenn  man  sagt,  dass  das  Bewegtwerden  der  Seele   nicht  als  Bewegung 
im  Räume  verstanden  werden  wolle,  so  ist  mit  Avicenna  zu  erwidern,  dass  auf  die  Seele 
auch   jede  andere  Art  natürlicher  Bewegung,  seien   es   jene  der  Generation  und  Corrup- 
tion.  öder  der  Vermehrung  und  Minderung,  oder  endlich  der  Alteration,  nicht  anwendbar 
seien,  weil  sie  auf  lauter  Ungereimtheiten  führen  würden,  welche  Avicenna  im  Einzelnen 
aufzeigt.    Wenn   der  Areopagite'  von  kreisförmigen,  umbeugenden  und  geradlinigen  Be- 
wegungen der  himmlischen  Intelligenzen  spricht,  so  ist  klar,  dass  diess  in  figürlichem  Sinne 
ges^jrochen  ist.     Die  geradlinigen  Bewegungen  bedeuten  die  von  den  oberen  himmlischen 
Intelligenzen  ausgehenden  Erleuchtungsthätigkeiten,  welche  abwärts  auf  die  unter  ihnen 
stehenden  Engel-    und    Menschengeister    gerichtet    sind;    die    umbeugenden    Bewegungen 
sind  jene,  welche  an  die  abwärts  beugende  Erleuchtungsthätigkeit  anknüpfend  und  die- 
selbe   continuirend ,     die    erleuchteten    Geister    gleichsam    zu    sich    selbst    und    zur   Höhe 
der    eigenen    Anschauung    emporziehen.     Diese    eigene,     dem    Urschönen    und    Urguten 
zugewendete  Anschauung  wird  als  ki-eisförmige  Bewegung  verbildlichet,  weil  die  Erleuch- 
tungen, durch  welche  diese  Anschauungen  causirt  werden,  vom  Urschönen  und  Urguten 
ausgehen,    und    zu    demselben    hinführen,    somit    eine    in    ihren    Ausgangspunkt    zurück- 
kehrende Bewegung  darstellen.    Dionysius  sagt  diese  dreifache  Art  der  geistigen  Bewe- 
gung auch  von  den  Menschenseelen  aus,  und  versteht  dann  unter  kreisförmiger  Bewegung 
das    tiefst   verinnerlichte,    rein  intellectuelle  Denken,  unter  der  umbeugenden  Bewegung 
jenes    Denken,    das    zwar    auch    dem  Göttlichen  zugewendet  ist,  aber  nicht  im  Bereiche 
der  reinen  Intellectualität,  sondern  im  ratiocinativen  Elemente  sich  bewegt,  und  demnach 
nur    mittelbar    durch  Zurückbeziehung    des  Vielen  auf's  Eine  gleichsam  zum  Göttlichen 
umbeugt.    Die  geradlinige  Bewegung  bedeutet  jenes  Denken,  in  welchem  die  Seele  aus 

>  Ponanuis  -  sagt  Albert  -  quo,l  illae  partes  sint  decem,  tunc  in  tactu  unius  deciraae  intelligetur  decima  pars,  in  tactu 
alterius  altera  decima,  et  sie  de  alüs,  quod  falsum  est,  quia  totum  simul  intelligitur.  Diess  ist  den,  Texte  und  aucl>_  dev 
Meinung  des  Aristoteles  nicht  ganz  conform.  Denn  bei  diesem  heisst  es  De  anima  Lib.  I,  p.  407:   ä  SUa-«  usysOoc,  7:o)./.«v; 

■/.%:  i-Eipäzi;  vorjaöi  to   «Cito.  ••  i-  i 

^    Albert  gibt  diesem  Ruhen  des  Intelleetes  eine  Beziehung   auf  den    Seligkeitszusta.id    der  Seele,  welche  Beziehung  natürlich 

im  Texte  des  Aristoteles  sich  niclit  findet,  wo  es  einfach  heisst:   =-i  SV,  «Vj,..?  .loö|j.r|ae.  rivl  xai  irtaticra  v^tXo-^  l  /..vr.aE:. 
3   Pseudu-Dionys.  de  diviuis  noniinibus,  c.  4. 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  eis  Aluertus  Magnus.  117 

sich  selbst  in  die  gegenständliche  Welt  austritt,  um,  statt  innerlich  durch  Gott,  von  aussen 
durch  die  Creaturen  z-ur  geistigen  Contemplation  im  Aufsteigen  vom  Vielfachen  zum 
Einfachen,  von  der  Zeichensprache  der  sichtbaren  Ersclieinungswelt  zur  reinen  Intellection 
angeregt  zu  werden. 

Albert's  Polemik  gegen  den  Platonischen  Seelenbegriff  zielt  dem  Gesagten  zufolge 
darauf  ab,  den  Gedanken  der  Unkörperlichkeit  der  Seele  klai-  und  rein  zu  fassen,  und 
von  jeder  Beimengung  solcher  Vorstellungen,  die  auf  die  körperliche  Passivität  hinweisen, 
frei  zu  halten.  Und  in  der  That  fehlt  es  dem  Platonischen  Seeleiibegriife  an  der  rechten 
metaphysischen  Bestimmtheit;  aus  diesem  Mangel  an  metaphysischer  Bestimmtheit  muss 
man  es  sich  erklären,  dass  Plato  sich  die  menschliche  Seele  aus  einem  unsterblichen 
und  sterblichen  Theile  zusammengefiigt  denken  kann,  wobei  dann  überdiess  noch 
der  ontologische  Charakter  des  abermals  zweitheiligen  sterblichen  Theiles  oder  Elementes 
der  Seele  völlig  im  Dunkien  gelassen  wird.  Der  idealistische  Charakter  des  Platonischen 
Seelenbegriffes  brachte  es  ferner  mit  sich,  dass  das  Verhältniss  der  Seele  zum  Leibe 
nur  in  so  weit,  als  die  thatsächliche  Einigung  Beider  im  Menschen  zur  Adverti'rung  "auf 
dasselbe  nöthigte,  also  jedenfalls  nur  ungenügend  bestimmt  und  zu  lose  gefasst  wurde. 
Da  Plato  kein  anderes  Verhältniss  der  sichtbaren  Wirklichkeit,  als  das  mathematisch- 
idealistische kannte,  so  konnte  er  auch  das  Verhältniss  von  Seele  und  Leib  nur  im  Geiste 
dieses  Verständnisses  fassen;  der  Gedanke  vom  Wesen  der  Seele  als  einer  das  Leibliche 
greifenden  und  umgreifenden  Macht,  vom  Leibe  als  der  in  den  Ort  der  Seele  hinein- 
gerückten irdischen  Stofflichkeit  war  ihm  fremd.  Diese  Idee  vom  Vei-hältniss  des  Leib- 
liclien  und  Seelischen  zu  einander  kommt  wohl  auch  in  der  Aristotelischen  Anthropologie 
nicht  zu  ihrem  wahren  und  vollen  Ausdrucke;  jedenfalls  wird  aber  in  derselben  das 
Füreinander  Beider  entschiedenst  ins  Auge  gefasst,  und  das  Leibliche  nach  seinem 
teleologischen  Verhältniss  zum  Geistig-Seelischen  begriffen.  Wie  das  gesammte  sichtbare 
Universum  auf  Gott  als  seine  Finalursache  bezogen  ist,  so  hat  der  Leib  in  der  Seele 
sein  Vollendungsprincip,  die  Seele  ist  die  Entelechie  des  Leibes,  die  perfectio  propria 
oder  perfectio  prima  corporis  physici,  wie  Albert  sie  mit  Avicenna  nacli  lateinisch- 
peripatetischen  Sprachgebrauche  bezeichnet.  Damit  wird  nun  allerdings  die  Seele  in 
ein  engstes  Verhältniss  zum  Leibe  gesetzt,  und  überhaupt  die  ganze  Betrachtungsweise 
des  Menschen  umgestellt,  indem  sie  der  idealistischen  Platonischen  gegenüber  zu  einer 
realistischen  sich  gestaltet,  welche  das  Verständniss  der  sinnlichen  Leiblichkeit  des 
Menschen  zu  ihi-er  Unterlage  hat,  und  darnach  das  Gesammtwesen  des  Menschen  bestimmt. 
Man  kann  freilich  nicht  sagen,  dass  Aristoteles  sich  zur  Idee  des  Menschen  erhebt, 
indem  er  eben  nur  den  diesseitigen  vergänglichen  Zeitmenschen  ins  Auge  fasst,  und 
auf  keine  anderen,  als  die  diesseitigen  Zwecke  der  vernünftigen  Lebensthätigkeit  des- 
selben reflectirt.  Auch  macht  es  der  Zusammenhang  seines  Gesammtsystems  mehr  als 
zweifelhaft,  ob  er  eine  jenseitige  Bestimmung  des  irdischen  Zeitmenschen  gekannt  und 
zugegeben  habe;  jedenfalls  steht  sein  gesammtes  Denken  so  sehr  und  so  entschieden 
innerhalb  dieser  irdischen  Zeitlichkeit,  dass  er  vom  Uebei-zeitlichen,  Ueberweltlichen  und 
Ewigen  nur  als  erklärenden  letzten  Ursachen  der  diesseitigen  Zeitlichkeit  weiss.  Ferner 
ergeben  sich  aus  dem  Zusammenhange  des  Aristotelischen  Weltsystemes  heraus  nicht 
unbeträchtliche  Schwierigkeiten  für  eine  durchgreifend  einheitliche  Fassung  des  Menschen- 
wesens; das  aristotelische  Weltsystem  steht  auf  dem  Boden  des  vorchristlichen  antiken 
Dualismus,    der    sich    auch    in    der  Auffassung    des    Menschen    reflectiren    muss,  und   das 


-.HO  K.  Weuner. 

Verhältniss  des  höheren  Geistmenscheu  zum  äusseren,  der  Krde  angehörigcn  Sinnen- 
menschen zum  mindesten  im  Unklaren  lilsst,  wie  die  Geschichte  der  Auslegung  des 
Aristoteles  sattsam  darthut.  Nicht  um  den  Menschen  als  concrete  rersöidichkeit  handelt 
es  sich  im  Aristotelischen  Weltsysteme,  sondern  um  das  Menschenwesen  als  Complex 
der  Formen,  die  von  der  niedersten  angefangen  bis  zur  höclisten  hinan  im  Menschen- 
gebilde dem  irdischen  Stoffe  aufgetragen  sind,  so  zwar,  dass  jede  niedere  die  nächst- 
folgende je  höhere,  und  alle  zusammen  in  die  höchste,  in  die  Intellectualform  des 
Menschenwesens,  aufgenommen  sind.  Wie  nun  aber  das  Verlüiltniss  der  höchsten  Form 
zu  den  ihr  untergeordneten  Formen  aufzufassen  sei,  darüber  bestand  MeinungsverscMeden- 
lieit  und  Streit  unter  den  Auslegern  von  Alters  her;  auch  die  von  Albert  studii-ten 
arabischen  Ausleger:  Avicenna  und  Averroes  gingen  Jiierin  auseinander,  und  er  ver- 
mochte als  gläubiger  Christ  keinem  von  Beiden  zu  folgen,  sondern  adoptirte  die  christ- 
liche Deutung  und  Auslegung  der  Aristotelischen  Lehre  von  drei  einander  eingefügten 
Lebens-  und  Thätigkeitsstufen  des  seelischen  Wesens,  das  sich  unter  Einem  als  Princip 
der"  vegetativen,  sensitiven  und  intellectuellen  Functionen  im  Menschen  darstellt. 

Albert  hat,  wie  wir  sahen,  die  Entwicklung  seiner  psychologischen  Lehren  und 
Unterweisungen  mit  Prüfung  und  Beurtheilung  verschiedener  Definitionen  des  Seelen- 
wesens begonnen,  imd  zwar  so,  dass  er  die  christlich-theologischen  vorausstellt,  die 
philosophischen  nachfolgen  lässt.  Bei  Cassiodor  und  Hraban  sahen  wir  das  Gegentheil; 
diese  stellten  herkömmliche  und  vom  christlichen  Standpunkte  annehmbare  philosophische 
Definitionen  voi-aus,  und  Hessen  zur  Ergänzung  und  Vervollständigung  derselben  die 
christlich-theologische  nachfolgen,  welche  sie  ihren  weiteren  Ausführungen  zu  Grunde 
leo-ten.  Die  Umkehrung  dieses  Verfahrens  bei  Albert,  der  die  überlieferten  christlich- 
theologischen Definitionen  von  Seite  ihrer  formellen  Correctheit  und  Zulässigkeit  prüft 
und  für  seine  eigenen  methodischen  Ausführungen  eine  philosophisch  erweisbare  und 
philosophisch  correcte  Definition  zum  Ausgangspunkte  nehmen  will,  ist  immerhin  von 
Bedeutung,  und  besagt  so  viel,  dass  man  jetzt  zum  erstenmale  daran  war,  an  eine 
methodische  Ausführung  der  rationalen  Psychologie  zu  gehen.  Die  zu  wählende  Definition 
ist  für  Albert  natürlich  die  Aristotelische.  Nur  muss  er  freilich  gegenüber  den  von 
Gregorius  Nyssenus'  vorgebrachten  Beanstandungen  derselben  wenigstens  so  viel  zugeben, 
dass  sie  nicht  das  Gesammtwesen  der  Seele  erschöpft,  sondern  das  Wesen  der  Seele  mit 
Rücksicht  auf  deren  Verhältniss  zum  Leibe  bestimmt.  Daher  denn  auch  Albertus  aus- 
drücklich erklärt,  bezüglich  dessen,  was  die  Seele  an  sich  sei,  gleich  Gregor  (Nemesius) 
vollkommen  die  Riclitigkeit  der  Platonischen  Definition:  Substantia  incorporea  semper  vivens, 
anzuerkennen.'  Keineswegs  könne  er  jedoch  zugeben,  dass  die  gegen  die  Aristotelische  Auf- 
fassung der  Seele  als  Leibesentelechie  erhobenen  Einwendungen  zutreflend  seien.  Keine 
Entelechie,  oder  was  damit  identisch  ist,  keine  Wesensform  kann  —  sagt  Gregor  —  ent- 
gegengesetzte Bestimmtheiten  in  sich  aufnehmen,  von  welchen  die  einen  die  anderen 
ausschliessen;  die  Seele  aber  vermag  es,  weil  sie    tugendhaft  und  lasterhaft  sein  kann."' 


'  Eigentlich  Nemesius,  dessen  W^erk  De  natura  hominis  Albert  in  lateinischer  Uebersetzung-  vor  sich  hatte  und  unter  dem 
Titel  Liber  de  honiine  citirt.  Das  aweite  und  dritte  Capitel  der  Sclirift  des  Nemesius  sind  unter  dem  besonderen  Titel 
-£p\  'l/u'/j);  den  Werken  des  Gregor  v.  Nyssa  eingereiht. 

2  Summ,   theol.  II,  qu.  ß'.l,  mbr.   '.',  art.  "2. 

3  'II  psv  yäp  a(o|xaTix^j  ouala  —  lieisst  es  in  der  ol>euerwähnten  Schrift,  die  Gregor  zugeschrieben  wird  ~  -api  as'po?  -töv 
EvavTi'wv  Ictti  SEXTixTi-  r)  8k  xoiT«  To  eTSo?  oüSajAÜ;-  zäv  yip  z»ri  To  sTSo?  f,  Siocyopi  xociaXXay^,  [ieta),Xaaa:Tai  xa\  -'o  rüov-  (Ijats 
ouy'i  xctra  to  eISo;  r)  oüa(a  Twv  lvavi:(wv  eoti  Sextixr),  äXXa  xata  tö  Oj;oxei[i.£vov,  xouT^aTiv  f;  atüij-aiixi^. 


Der  Entwickelungsgakg  dek  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  119 

Gregor  übersieht,  dass  es  zweierlei  Arten  von  Entelechien  gibt:  solche,  welche  blosse 
oüatai  sind,  und  andere,  welche  waiai  und  o'jauoascc  sind;  was  von  ersteren  gilt,  lässt 
sich  nicht  zugleich  auch  auf  letztere  ausdehnen.  Gregor  (Nemesius)  tadelt  ferner,  dass 
Aristoteles,  indem  er  sie  als  die  Actualität  des  dem  Leibe  potentiell  zukommenden 
Lebens  bezeichne,  die  Seele  zu  einem  blossen  Vegetationsprincip  erniedrige,'  und  dem 
Leibe  ein  wenigstens  potentielles  Leben  vor  der  Vereinigung  mit  der  Seele  zuschreibe.^ 
Auch  diese  Einwände  sind  verfehlt.  Aristoteles  hebt,  indem  er  die  Seele  als  Lebens- 
princip  bezeichnet,  eben  nur  den  generischen  Charakter  der  Menschenseele,  d.  ■  h.  das- 
jenige, was  sie  mit  den  Thier-  und  Pflanzenseelen  gemein  hat,  hervor.  Eben  diess  ist 
aber  dasjenige,  wodurch  sie  Wesensform  des  Leibes  ist.  Dass  der  Leib  nach  Aristoteles 
dem  Vermögen  nach  das  Leben  in  sich  selber  habe,  ist  eine  falsche  Unterstellung; 
der  Ausdruck:  Potentia  vitam  habens,  soll  eben  nur  den  lebensfähigen  Leib  von  solchen 
Körpern  unterscheiden,  welche,  wie  die  Steine  und  Mineralien,  der  Belebung  nicht  fähig 
sind.  Noch  ein  paar  anderen  Einwendungen  Gregor's  glaubt  Albert  begegnen  zu  müssen. 
Wenn  behauptet  wird,  der  Aristotelische  Seelenbegrift"  komme  der  Ansicht  jener  bedenk- 
lich nahe,  welche  die  Seele  ftir  eine  blosse  Qualität  des  Leibes  halten,  so  wird  über- 
sehen, dass  die  menschliche  Seele  o'jaia  und  vjauoaic  ist;  eine  svspyeta,  die  dieses  Beides 
zugleich  ist,  kann  niemals  als  blosse  Qualität  genommen  werden.  Der  Einwand,  dass 
nach  Aristoteles  die  Seele  niemals  ohne  den  Leib  gedacht  werden  könne,  widerlegt  sich 
durch  das  schon  früher  Gesagte.  Wir  entnehmen  aus  dieser  Auseinandersetzung  Albert's 
mit  dem  altchristlichen  Bestreiter  des  Aristotelischen  Seelenbegrifi'es ,  dass  die  Idee  der 
Naturlebendigkeit  den  Piatonikern  und  Aristotelikern  gleich  sehr  fremd  war,  und  dem- 
zufolge auch  der  von  beiderlei  Seiten  festgehaltene  Begriff  der  menschlichen  Seele  als 
Lebensprincip  des  ihr  eignenden  Leibes  weder  von  der  einen  noch  von  der  anderen 
der  streitenden  Parteien  in  das  Licht  seines  wahren  und  vollen  Verständnisses  empor- 
gehoben zu  werden  vermochte.  Man  dachte  beiderseits  das  Leben  als  etwas  zum  Sein 
Hinzukommendes;  da  blieb  denn  freilich  kaum  etwas  anderes  übrig,  als  die  Seele  sich 
als  Lebenseinströmerin  zu  denken,  oder  wofern  man  diesen  Begriff  unphilosophisch  und 
unfassbar  fand,  eine  wahrhafte  Lebendigkeit  des  Leibes  überhaupt  zu  läugnen,  und  die 
Lebensfunctionen  desselben  ausschliesslich  aus  den  Gesetzen  der  exacten  mechanischen 
Physik  zu  erklären.  In  der  von  Albert  vorgeführten  Concertation  zwisclien  dem  Plato- 
niker  und  Aristoteliker  kommt  das  Sonderbare  vor,  dass  der  erstere  dem  Aristoteles  die 
Anerkennung  eines  relativen  Selbstlebens  des  Leibes  zur  Last  legt,  der  Aristoteliker 
aber  diesen  Vorwurf  als  unbegründet  zurückweist.  Das  Wahre  ist,  dass  die  Idee  eines 
relativen  Selbstlebens  des  Leibes  beiden  streitenden  Theilen  abging,  die  Aristoteliker 
aber  durch  -die  allgemeinen  kosmologischen  Voraussetzungen  ihrer  Anthropologie  sich 
wenigstens  theilweise  und  beziehungsweise  zur  Anerkennung  eines  solclien  Selbstlebens 
hingedrängt  fühlen  mussten.  Der  Einfluss,  welchen  sie  den  Bewegungen  des  Himmels 
auf  das  irdische  Generationsleben    beilegten.^  und  welchen    sie    auch    in  der  Generation 


1    'AXXa    xo    [JLSV    ^wci/.öv    atoiia    k'pyov    xf]?  >h\tyffi,    '}u/r]V    xocXeT,  -/(upi^fov    aüx^5   xb  Xoyt/.ov.   "l',S;i  Ss  TzäruM  öaoj  XaßsTv  xrjv  i'i<ipwr.au 

•i-j/7]V,  xa\  [XT]   öiTzo   [XE'poüg,   /.a\  xauxa  xoü   aaO=V£<Jxaxou,  7C£ci  xoü  Tiavxd^  «TCOcpaivc^Oat. 
-   Aristoteles  definirt  die  Seele  (de  anima  11,  p.  412):  ij/a-x^r)   eoxiv  hz^Xiyjia  ij  xponri  a(ü[j,«xö?  (p-jaixoü  ouväiist  (^(orjv  j'/ovxo;.  Dazu 

wird  nun  von  dem  Kritiker  des  aristotelischen  Seelenbegriffes  bemerkt:   Asyei  xb  aw[ia  Suväfjiei  ^tüTjv  r/£iv  h  la-jxtii.  Aei  Se  xb 

awu.«  xb  3'jvä(j.£i  i^wrjv  r/ov  repbxEpov   hzpyelcf  aw|jia  £fva'.'  oO   Suvctxai  OE  IvEpyEia  aM|J.a  £ivai  r.po  xoü  S-'5«aOai  xo   eiSq;. 
3   Astra  habent  vim  et  rationem  signi  super  ea,  quae  sunt  in  materia  transmutabili,  et  etiam  super  illa,  quae  sunt  obligata  ei. 

Et    dico,    ea   esse    in    materia,    quae   sunt   generabilia   et   corruptibilia   et    niutabilia.     Et  dico  illa  obligata  raatcriae,  quae  de 


120  ^-  Weknek. 

des  Menschen,  soweit  es  sirli  um  die  liei'vui'bringung  des  der  aiilinu  lutrllectualis  tux-Ii 
entbehrenden  Sinnenmenschen  handelt,  zugestanden,  legte  den  Gedanken  eines  relativen 
Selbstlebens  des  Leibes  unabweislleh  nahe;  und  dieser  Gedanke  konnte  nur  insofern 
nicht  aufkommen,  als  überhaupt  der  Gedanke  der  Naturlebendigkeit  fehlte.  Daher  floss 
denn  auch  der  Gedanke  des  Lebensprincipes  immer  witider  mit  Jenem  der  Wesensform 
zusammen;  die  arglose  Identification  beider  beweist,  dass  ein  Bedürfniss  beide  auseinander- 
zuhalten noch  nicht  vorhanden  war,  indem  die  Naturkunde  eben  noch  ganz  und  gar 
rationale  Physik  und  Kosmologie,  diese  aber  in  Metaphysik  und  Ontologie  versenkt  war. 
Somit  musste  das  ideelle  Verständniss  der  Seele  als  Lebensprincipes  des  von  ihr  beseelten 
Leibes  einer  späteren  Epoche  der  pJiilosophischen  Denkentwickelung  überlassen  bleiben; 
die  peripatetische  Scholastik  blieb  bei  dem  Gedanken  stehen,  dass  die  vernunftbegabte 
Seele  die  Wesensform  jenes  lebendigen  Gebildes  sei,  welches  Mensch  heisst,  mid  dass 
in  dieser  Wesensform  alle  sinnlichen  Wirlamgskräfte,  die  der  Seele  im  A'  erhältniss  zum 
Leibe  und  zufolge  ihrer  Verbindung  mit  demselben  zukommen,  aufgehoben  seien.  Dieses 
Aufgehobenwerden  der  je  niederen  Lebensform  in  der  nächst  höheren,  der  vegetativen 
Seele  in  der  sensitiven,  beider  in  der  intellectiven  Seele  entspricht  wohl  vollkommen 
dem  Zusammenhange  der  Aristotelischen  Kosmologie;  die  christlichen  Scholastiker  aber 
hätten  immerhin  Ursache  gehabt,  zu  fragen,  ob  die  Menschenseele,  welche  die  \  er- 
möglichkeit  zu  vegetativen  und  sensuellen  Functionen  in  sich  trägt,  nicht  etwas  von  den 
solcher  Functionen  nicht  fähigen  Engelgeistern  specifisch  verschiedenes  Anderes  sei, 
das  nicht  bloss  dem  Grade,  sondern  dem  Wesen  nach  von  den  einer  Einleibung  nicht 
fähigen  Geistwesen  unterschieden  werden  müsse"?  Diese  Frage  hätte  sich  insbesondere 
Albert  nahelegen  sollen,  der  nicht  ansteht  zu  behaupten,  dass  die  intellective  Menschen- 
seele zusammt  ihren  sensuellen  und  vegetativen  Vermöglichkeiten  unmittelbar  von  Gott 
geschaffen  und  dem  durch  die  elterliche  Zeugung  hervorgebrachten  Leibesgebilde  ein- 
gesenkt werde.'  Denn  damit  ist  ausgesprochen,  dass  die  Menschenseele  als  solche  etwas 
anderes  sei,  als  der  Engelgeist,  der  mit  jenen  Vermögen  nicht  ausgestattet,  und  darum 
nicht  geeignet  ist,  Seele  eines  Sinnenleibes  zu  werden.  Freilich  ist  jene  Vorstellungs- 
weise Albert's  durch  und  durch  unphilosophisch,  und  abermals  ein  Beleg  für  die  Ab- 
wesenheit der  Idee  der  Naturlebendigkeit  im  philosophischen  Denken  seines  Zeitalters. 
Die  Kraft  der  Vegetation  muss  das  Naturgebilde  des  menschlichen  Leibes  in  sich  selber 
haben;  sonst  ist  derselbe  eben  kein  lebendiges  Gebilde,  sondern  ein  Scheinlebendiges, 
dessen  Leben  durch  die  Seele  gemacht  ist.  Das  Gemachte  ist  aber  das  pure  Widerspiel 
aller  wahren  und  ächten  Lebendigkeit,  die  wohl  einen  Erreger,  und  als  continuiidiche 
Lebendigkeit  einen  continuirlichen  Erreger  postulirt,  aber  aus  selbsteigenem  Grunde  sich 
entfalten  muss.  Jener  vom  menschlichen  Leibesleben  postulirte  continuirliche  Erreger 
ist  die  Seele,  und  die  ihr  zugeschriebene  potentia  vegetativa  wird  wohl  einzig  nur  in 
dem  Vermögen  einer  verborgenen,  ihr  selber  nicht  ins  Bewusstsein  tretenden  Erregung 
des  Selbstlebens  der  sinnlichen  Lebendigkeit  des  Menschen  bestehen  können,  die  von 
der  Macht  der  Seele  innerlich  gefasst  und  geistig  umgriffen  ist.  Von  einem  solchen 
innerlichen  Fassen  und  geistigen  Umgreifen  weiss  nun  eben  der  scholastische  Peripatetismus 


necessitate  sequuutur  transmufatioiifm   inateriae,  sicut  est  aniina  vegetabilis  et  sensibilis.  Quaedam   sunt,  quae  depeudentiain 
habent   ad    raateriam   et   Obligationen!   secnnduni    quid    et   nun    simpliciter,    sicut   animus   liorainis.     Summa  de  creat.    Pars  I, 
qu.    18. 
'    Öiiinni.  de  creat.  l'ars  II,  qu.    Mi,  art.   o.   —  Vgl.  dagegen  Thomas  Aq.   1   qu.   11«,  art.   1. 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen    Psychologie  von  Alcuin  ms  Albertus  Magnus.  121 

nichts;  dazu  ist  sein  Formbegriff  noch  zu  starr  und  zu  wenig  lebendig.  Er  fasst  den 
Forincharakter  der  Seele  viel  zu  sehr  als  ein  Haften  der  superinducirten  Form  am  Subjecte 
der  Formation,  statt  als  ein  Getragensein  des  Gefassten  und  Umgriffenen  durch  die  fassende 
und  umgreifende  lebendige  Form.'  Darin  liegt  das  Unbefriedigende  seiner  Auffassungs- 
weise, dessen  Gründe  wir  hier  nicht  weiter  verfolgen  wollen. 

Der  durch  die  peripatetische  Fundirung  der  Anthropologie  erzielte  Fortschritt  war 
zunächst  dieser,  dass  das  doppelseitige  geistig-sinnliche  Wesen  des  Menschen  als  leben- 
dige Einheit  gedacht  und  begriffen  wurde.  Die  Einigung  zwischen  Leib  und  Seele, 
bemerkt  Alexander  Halesius,"  wird  von  dem  christlichen  Lehrer  Bernardus'  als  eine 
unio  nativa  bezeichnet;  diese  lässt  sich  aber  nach  Art  des  Verhältnisses  der  Materie  zur 
Form  denkbar  machen.  Nur  muss  man  dieses  Yerhältniss  in  der  richtigen  Weise  zur 
Anwendung  bringen.  Die  Seele  ist  nicht  zu  identificiren  mit  der  Forma  prima  der 
Materie;  formae  primae  sind  die  Elementarformen,  welche  ihren  Stoff  derartig  durch- 
bilden, dass  jeder  Theil  des  Ganzen  dasselbe  ist  wie  das  Ganze  (z,  B.  jeder  Theil  des 
Feuers  ist  wieder  Feuer).  Dieselbe  gleichförmige  Durchbildung  des  Ganzen  wird  durch 
diejenigen  formae  naturales  gewirkt,  welche  die  formae  primae  der  zusammengesetzten 
Körper  sind  (z.  B.  jeder  Theil  eines  Goldklumpens  ist  wieder  Gold).  Es  gibt  aber  ferner 
formae  naturales,  welche  sowohl  das  Ganze  als  auch  die  Theile  desselben  durchbilden, 
jedoch  so,  dass  kein  Theil  des  Ganzen  den  Namen  des  Ganzen  haben  kann,  indem  nämlich 
kein  Theil  einer  Pflanze  oder  eines  Thieres  selbst  wieder  Pflanze  oder  Thier  ist.  Jedoch 
ist  jeder  Theil  der  Pflanze  etwas  Vegetabilisches,  jeder  Theil  des  Thieres  etwas  Anima- 
lisches, so  dass  die  Form  des  Ganzen  auch  actus  oder  perfectio  des  Theiles  ist.  Es  gibt 
aber  noch  eine  dritte  höchste  Art  der  formae  naturales,  die  das  Ganze,  dessen  Form 
eine  derartige  Form  ist,  so  durchbilden,  dass  nicht  nur  kein  Theil  des  Ganzen  den 
Namen  des  Ganzen  haben  kann,  sondern  auch  nur  das  Ganze,  kein  Theil  desselben, 
nach  der  Form  des  Ganzen  benannt  werden  kann.  Der  Mensch  als  ganzer  kann  nach 
seiner  Wesensform,  der  vernünftigen  Seele,  ein  Yernunftwesen  genannt  werden;  kein 
Theil  des  durch  die  Seele  informirten  Gebildes  aber  kann  mit  dem  Prädicate  vernünftig 
belegt  werden.  Die  menschliche  Seele  ist  nämlich  nicht  mehr  im  eigentlichen  Sinne 
actus  materiae,  sondern  actus  des  in  seiner  forma  naturalis  schon  vollständig  gegebenen 
Körpers,  und  daher  von  der  forma  naturalis,  die  auch  forma  corporalis  genannt  wird, 
als  zweite  höhere  Form  zu  unterscheiden.  Wir  sehen  hier  von  Alexander  denselben 
Satz  ausgesprochen,  den  später  Duus  Scotus  im  Gegensatze  zur  Thomistischen  Anthro- 
pologie betonte;  das  Gegensatzverhältniss  zwischen  der  Franciscaner-  und  Dominicaner- 
schule war  also  bereits  im  Beginne  des  Auftretens  beider  Schulen,  in  dem  relativen 
geistigen  Gegensatze  zwischen  Alexander  und  Albertus  Magnus  vorhanden.  Alexander 
greift  in  philosophischen  Dingen  nicht  selten  auf  die  Anschauungen  der  christlichen 
Lehrer  des  zwölften  Jahrhunderts  zurück,  und  webt  ihre  Gedanken  seinen  in  peripate- 
tischem  Geiste    gedachten  Ausführungen    ein;    auch    die    eben    erwähnte  Auffassung    des 


'  ^gl-  Albert  Summ,  de  creat.  II,  qu.  86:  Anima  est  in  corpore  et  non  corpus  in  anima,  sicut  forma  in  niateria,  et  sicut 
motor  in  mobili.  Licet  enün  in  corporalibus  contentimi  sit  in  continente,  tamen  in  spiritualibus  est  e  converso,  seil,  con- 
tinens  in  contento.  Et  hujus  ratio  est,  quia  in  istis  continens  est  intrinseeum,  in  illis  extrinsecum,  et  iterum  in  istis  con- 
tinens  est  ut  forma,  in  illis  autem  ut  locus. 

2    Summ,  theol.  II,  qu.  63,  mbr.  4. 

^    De  cousideratione  il,  9. 
Denkschiiften  der  phil.-bibt.   Cl.  XXV.  Bd.  t6 


J92  ^-   Weknek. 

Beo-riffos  der  Seele  als  Wesenst'oi-in  dürfte  als  eine  Nachwirkung  der  dem  voraus- 
o-egangenen  Jahrhundert  geläutigen  liehandlung  des  mensehlichen  Weyensdualisnius 
anzusehen  sein.  Durch  jene  Auffassung  ist  aut-h  die  Behandlung  der  Frage  nach  dem 
Modus  der  Gegenwart  der  Seele  im  Leibe  bedingt.'  Als  Perfectio  totius  gehört  die 
Seele  keinem  Theile  des  Körpers  an.  Fasst  man  sie  aber  von  Seite  ihres  Wirkens  ins 
Auge,  so  hat  man  zu  unterscheiden  zwischen  jenen  Actionen,  welche  bloss  Actionen  der 
intellectiven  Seele,  und  zwischen  anderen,  welche  Actionen  des  ganzen  Menschen  sind. 
Es  gibt  eine  intellective  Thätigkeit,  welche  vom  Körper  völlig  unabhängig  ist;  hin- 
sichtlich dieser  Thätigkeit  ist  die  Seele  ganz  ausserhalb  des  Körpers,  so  dass  sie  weder 
im  Gesammtkörper,  noch  in  irgend  einem  Theile  desselben  jene  Thätigkeit  übend  gedacht 
werden  kann.  Das  mit  sinnlichem  Vorstellen  verbundene  Denken  aber  hat  seine  Stätte 
in  der  Mittelkammer  des  Gehirnes,  so  dass  die  Seele  in  Uebung  dieser  Thätigkeit  an 
einen  bestimmten  Theil  des  Körpers  gebunden  ist.  Jene  Actionen  der  Seele,  welche 
Actionen  des  Gesammtmenschen  sind,  fallen  in  das  Gebiet  der  Bewegungen,  deren  es 
dreierlei  gibt:  Affectionsbewegungen,  Vitalbewegungen,  Localbewegungen.  In  den 
Affectionsbewegungen  braucht  die  Seele  nicht  in  einen  bestimmten  Theil  des  Körpers  ein- 
zugehen; in  Ansehung  der  Vitalbewegungen  ist  sie  primär  im  Herzen  gegenwärtig;  als 
Macht  localer  Bewegung  ist  sie  im  ganzen  Leibe  gegenwärtig.  Ihre  Gegenwart  im  Leibe 
muss  als  eine  wesenhafte  genommen,  jedoch  so,  dass  dieselbe  nicht  etwa  unter  das  Mass 
räumlicher  Circumscription  fällt,  und  sie  selbst  als  räumliche  Grösse  je  nach  dem  grösseren 
oder  geringeren  Eaumumfang  des  Körpers,  in  dem  sie  gegenwärtig  ist,  grösser  oder 
kleiner  wäre.  Vergleichen  wir  diese  Erklärung  und  Darlegung  mit  jener  Albert's,^  so 
springt  sofort  der  Unterschied  ins  Auge,  dass,  während  Alexander  die  Seele  als  Wesens- 
form schlechthin  über  den  Körper  Mnausrückt, '  nach  Albert  die  Seele  als  Wesensform 
tota  in  toto  corpore  gegenwärtig  ist.^  Li  Bezug  auf  die  Seele  als  Wirkungsprincip  stimmt 
er  mit  Alexander  zusammen,  sofern  er  seelische  Potenzen,  die  au  kein  körperliches  Organ 
geknüpft  sind,  von  anderen  unterscheidet,  die  an  ein  solches  geknüpft  sind;  und  zwar 
sind  Kräfte  und  Organe  in  jedem  Theile  des  Körpers  andere.  Eben  so  behauptet  er 
selbstverständlich  mit  Alexander  die  essentielle  Gegenwart  der  Seele  im  Leibe,  nur  dass 
sie  bei  Albert  ganz  und  gar  in  den  Ort  des  Leibes  hineingerückt  ist,'"*  während  nach 
Alexander  die  Seele  als  Intellectualwesen  über  den  Ort  des  Leibes  schlechthin  hinaus- 
ragt." Die  von  Albert's  strict  peripatetischer  Auffassung  abweichende  Art,  in  welcher 
Alexander  das  Verhältniss  der  Seele  als  Wesensform  zum  Leibe  auffasst,  bringt  mit  sich, 
dass  er  dieses  Verhältniss  sich  vermittelter  denkt  als  Albert.    Freilich  denkt  Albert  nur 


1    Summ,  theol.  II,  qu.  lii. 

J    Summ,  de  creat.  11,  qu.  b6. 

■'    Si  dicatur  anima  rationalis  esse  in  loco,  hoc  non  est  per  cii-cumscriptionem  secundum  se,  cum  non  liabeat  pates  dimensivas. 

Potest   autem   dici   esse   in    loco  diffinitive  per  accidens  ratione  corporis,  cui  unitur.     Pi-aesentialiter   autem,  quia  adest  loco, 

etiam  cum  est  separata.     Summ,  theol.  II,  qu.   62,  mbr.  4,  art.   2. 
*    Si  consideratur  ut  forma,  tuno  est  iu  toto  tota;  perfectio  enim  in  qualibet  parte  adest  perfectibili.  Summ,  de  creat  II.  qu.  .S6.  — 

Vgl.  dagegen  Ale.\ander:    Si   fiat   sermo   de   anima   rationali,  prout  est  perfectio,  dicendum  est,  quod  ita  est  totius  perfectio, 

quod  nullius  patris.  L.  c. 
5    .\lbert  macht  sich  selbst  den  Einwurf,  dass  der  Intellect  nullius  corporis  actus  sei.     .\ber,  antwortet  er  darauf:    Intellectus, 

qui   nullius   corporis   est   actus,    est   potentia   animae,    et   non    quamlihet  poteutiam    animae    contiugit    esse  in  toto  totam,    eo 

quod  anima  rationalis  talis  est  substantia,  a  qua  tluunt  potentiae  organicae  et  uon  organicae.  L.  c. 
»   Intelligere  primo  modo  dictum  (absque  phantasmate)   —  sagt  Alexander   1.  c.  —  et  velle  quod  respondet  ei,  etsi  sint  animae 

rationalis  existeutis  per  essentiam  in  corpore,  non  tamen  hoc  declarant,  cum  ipsius  animae  separatae  sint  hi  actus,  et  forfasse 

verius  et  perfectius. 


Der  Entwickklukgsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  ms  Albertus  Magnus.  123 

an  ein  Medium  zwischen  Leib  und  Seele,  während  Alexander  nacli  den  zwischen  Geist 
und  Materie  vermittelnden  Medien  fragt,  deren  nothwendig  mehi-ere  sein  müssen.  Aber 
schon  der  Umstand,  dass  Alexander  das  Gegensatzverhältniss  zwischen  Seele  und  Leib 
auf  den  erweiterten  Gegensatz  zwischen  Geist  und  Materie  zurückführt,  bekundet  eine 
wesentlich  andere  Stellung  zu  dem  fraglichen  Probleme.  Alexander  braucht  vier  Medien, 
um  den  Gegensatz  zwischen  Geist  und  Materie  zu  fiberbrücken; '  von  Seite  der  Körper- 
lichkeit des  Menschen  müssen  die  Elemente  in  den  Humores,  diese  wieder  im  Spiritus 
corporeus  sublimirt  werden,  um  die  Vereinigung  mit  einer  unkörperlichen  Wesenheit 
zu  ermöglichen;  die  intellectuelle  Seele  muss  dadui-ch,  dass  sie  zugleich  Sensations-  und 
Vegetationsprincip  ist,  dem  ilu-  zugewiesenen  Körper  insoAveit  verähnlichet  werden,  dass 
sie  eine  Vereinigung  mit  ihm  eingehen  kann.  Albert  braucht  zur  Vermittelung  zwischen 
Seele  und  Leib  ein  einziges  Medium,^  den  sinnlichen  Lebensgeist,  der,  nach  der  Lehre 
der  Aerzte  ein  Mittleres  zwischen  Luft  und  Feuer,  in  dreifacher  Gestalt  als  Spiritus 
naturalis,  vitalis  und  animalis  existirt.  Albert  versteht  sich  also  aus  Rücksicht  auf  die 
Autorität  des  Galenus  dazu,  dieses  Medium  anzuerkennen,  welches  dem  Aristoteles  un- 
bekannt war,  und  auch  gar  nicht  vom  ontologisch- metaphysischen,  sondern  nur  vom 
physiologisch-pragmatischen  Standpunkte  aus  gefordert  ist.  Denn  vom  ersteren  Stand- 
punkte aus  steht  es  fest,  dass  die  Seele  unmittelbar  und  durch  sich  selber  Form  des 
Leibes  sei;  zur  Erklärung  der  Wirksamkeiten  der  Seele  ist  allei'dings  die  Annahme 
eines  solchen  Mediums  gefordert.  Die  Bewegung  des  dreigestaltigen  sinnlichen.  Lebens- 
geistes ist  mit  der  Bewegung  der  Himmelslichter  zu  vergleichen,  daher  Einige  annahmen, 
dass  er  von  der  Natur  des  fünften  Körpers  d.  h.  der  superlunarischen  Köperlichkeit  sei,  was 
jedoch  unrichtig  ist;^  er  ist  vielmehr  als  Educt  aus  den  dem  menschlichen  Körper  imma- 
nenten Elementen  Luft  und  Feuer  zu  erklären.  Alexander  wäre  nicht  abgeneigt,  eine 
siderische  Körperlichkeit  als  Medium  zwischen  Stoif  und  Form  der  irdischen  Körper 
anzuerkennen,*  und  erwähnt  der  Ansicht  Solcher,  welche  dieses  siderische  Medium  in 
dreifacher  Abstufung  für  die  drei  Arten  irdischer  Lebewesen:  Mensch,  Thier,  Pflanze 
postuliren;  er  meint  jedoch,  dass  diess  eine,  wenn  auch  schöne,  doch  nicht  strict  erweis- 
bare Idee  sei. 

Albert  lehrt  die  substanzielle  Einheit  der  anima  vegetabilis,  animalis  und  rationalis 
im  Menschen,^  und  betrachtet  die  intellectuellen,  sensuellen  und  vegetativen  Vermöglich- 
keiten  der  Seele  als  Ausflüsse  der  Einen  Seelensubstanz,  welche  zwar  von  der  Seelen- 
substanz als  solcher  verschieden  sind,  aber  zur  Natur  der  Seele  gehören,  und  ihr  dess- 
halb  unverlierbar  eignen.  Allerdings  ist  die  Bethätigung  der  animalischen  und  vegetativen 
Vermöglichkeiten  der  Seele  von  der  Verbindung  der  Seele  mit  dem  Leibe  abhängig 
und  an  die  für  die  Bethätigungen  jener  Vermögen  dienlichen  Organe  gebunden,  aber 
das  Vermögen  als  solches  unabhängig  vom  Organe  vorhanden,  so  dass  mit  der  Zerstörung 
des  Organs    nicht    auch    das    durch    dasselbe  wirkende   Vermögen    erlöscht,  vielmehr  die 


'    Summ,  theol.  II,  qii.  6.S,  mbr.   3. 

-  El-  lä.9st  übrigens  in  Summ,  theol.  II,  qu.  77,  mbr.  2  auch  die  Annahme  von  vier  Medien  gelten,  voi-ausgesetzt,  dass  die- 
selbe von  seinem  Standpunkte  aus  zurechtgelegt  werde. 

3  Motus  enim  istorum  spirituum  (naturalis,  vitalis  et  animalis)  sunt  ut  luminarium  propter  hoc,  quod  sunt  instrumenta  animae. 
Ab  ipsa  enim  dirigitur  Spiritus,  ita  quod  fit  subtilior  aere;  et  cum  sint  calidi  per  naturam,  sunt  etiam  calidiores,  eo  quod 
lucidi  sunt.    Summ,  de  creat.  II,  qu.  8fi. 

■"    Summ,  theol.  II,  qu.  63,  mbr.  4. 

'■•    Summ,  de  creat.  II,  qu.   7,  art.   1. 

16' 


•J24  J^-  Wernek. 

vom  Leibe  getrennte  Seele  alle  jene  Vermögen  besitzt,  welche  sie  iii  ihrer  Vereinigung 
mit  dem  Leibe  bethätiget.  Diess  Letztere  ist  nun  allerdings  riclitig;  die  Frage  ist  nur, 
ob  die  Seele  im  Leibe  wii-klich  alle  jene  Functionen  übt,  welche  ihr  Albert  zutheilt. 
Wir  haben  in  dieser  Hinsicht  zu  prüfen,  was  Albert  zunächst  über  die  Functionen  der 
Seele  als  Principes  der  vegetativen  Functionen  sagt.  Wie  das  Rationale,  Animale  und 
Veo-etabile  der  menschlichen  Seele  nach  Albert  eine  Entfaltung  der  Seele  als  Totum 
potestativuni  in  ihre  partes  potestativas  ist,'  so  fasst  er  weiter  wieder  die  anima  vegetabilis 
als  ein  Totum  potestativuni,  welches  sich  in  die  Nutritiva,  Augmentativa  und  Generativa 
als  ihre  Theile  entfaltet.^  Als  Haupthilfskraft  dieser  drei  Theilpotenzen  bezeichnet  er 
die  natürliche  Wärme,'  die  er  als  werkzeugliches  Medium  der  anima  vegetabilis  in  drei 
Bestandtheile  zerlegt,  in  die  elementarische,  solare  und  animalische  Wärme;  die  elemen- 
tarische Wärme  wirkt  in  Kraft  des  Feuers,  die  solare  in  Kraft  der  Sonne,  die  animalische 
in  Kraft  der  Seele,  von  der  sie  den  Namen  hat.  Dem  Subjecte  nach  sind  diese  drei 
Arten  der  W^ärme  Eins;  aber  in  den  verschiedenen  Thätigkeiten  dieser  Einen  Wärme 
schlägt  bald  das  eine,  bald  das  andere  Kraftprincip  durch.  So  hat  in  den  nutritiven 
Verrichtungen  der  anima  vegetabilis  die  elementarische  Wärme  die  Scheidung  der  assi- 
milationsfähigen Theile  der  genossenen  Nahrung  von  den  nicht  assimilationsfähigen, 
und  die  Expulsion  der  letzteren  zu  wirken,  die  solare  Wärme  den  dem  Leibe  einzu- 
verleibenden Theil  der  Nahrung  belebend  zu  durchgeisten ,  die  animalische  Wärme  das 
Durchgeistete  in  Fleisch  und  Knochen  zu  verwandeln  d.  h.  dem  Leibe  thatsächlich  zu 
assimiliren.*  Demnach  würde  der  Hei-gang  des  Ernährungsprocesses  durch  die  Seele  zum 
Abschlüsse  gebracht,  und  zwar  so,  dass  sie  gemäss  ihrer  Bedeutung  als  Formprincip 
des  Leibes  sich  als  eigentliches  Princip  der  Assimilationsthätigkeit  ei'wiese.  So  gewiss 
aber  der  Leib  ein  lebendiger  ist,  muss  er  im  Ernährungsprocesse  sich  aus  sich  selbst 
continuirlich  erneuern  können;  und  noch  weniger  wird  man  das  Wachsthum  desselben 
auf  die  Causalität  der  Seele  als  grundhafte  Ursache  zurückführen  können.  In  beiden 
Processen  kann  die  Seele  nur  als  verborgen  wirkende  continuirliche  Anregerin  des  aus 
dem  leiblichen  Leben  heraus  sich  entwickelnden  Vorganges  gedacht  werden.  °  Statt  der 
directen  Verursachung  beider  Processe  wird  in  einer  von  Albert  aus  Aristoteles'*  citirten 
Stelle  der  Seele  eine  Wirksamkeit  anderer  Art  zugeschrieben,  durch  welche  eigentlich 
nur  das  wirkliche  Zustandekommen  des  in  demselben  angestrebten  Erfolges  sichergestellt 


'    Summ,  theol.  II,  qu.   70,  mbr.  3. 

'   Snmm.  de  creat.  II,  qu.  8,  art.   2. 

3   Summ,  flecreat.  II,  quaestt.   l.'i.   15.   16  (art.  4). 

*  Das  Calidum  ist,  wenu  schon  die  Hauptlült'slvraft,  doeli  uiclit  das  einzige  Hilfsmedium,  sondern  wirkt  im  Vereine  mit  den 
übrigen  ilim  cooperirenden  Qualitäten:  Frigidum,  Humidum,  Siccum.  Frigiditas,  quae  est  in  corpore  liumano,  ut  dicit  Avi- 
cenna,  obsequitur  secundario,  quaedam  merabra  coagulando;  tVigiditatis  enim  proprium  est  coagulare  liumidum,  coutinendo 
humidum  intra.  Et  his  duabus  virtutibus  obsequuntur  duae  virtutes  passivae  seil,  humidum  et  siccum,  et  lioe  duobus  modis, 
seil,  ad  substantiam  membrorum  et  ad  figuram  et  speciem  eorundem.  Ad  substantiam:  Humidum  enim  per  actionem  dige- 
rentis  caloris  et  frigidi  continentis  contiuuat  siccum,  siccum  autem  per  actiouem  eorundem  terminat  humidum.  Ad  figuram 
vero  et  speciem  membrorum,  quia  humidum  eo,  quod  cedit  imprimenti  circumstando  ipsum,  receptivum  est  speciei  et  figurae, 
sed  uon  retentivura;  siccum  autem  receptivum  male  et  bene  retentivum  est;  et  ideo  commixtum  ex  humido  et  sicco  bene 
est  receptivum  propter  humidum,  et  bene  retentivura  proptor  siccum.     Summ,  de  creat.  II,  qu.   1'2. 

'•  So  vfird  die  Sache  auch  von  Alexander  Halesius  gefasst:  Sicut  per  appetitum  anima  in  se  vigoratur,  sie  per  apiietitum  in 
corpore,  quod  vivificat,  vitam  operatur.    Per   appetitum   enim   corpori   unitur,  et  per  appetitum  corpus  variis  motibus  movct, 

ut    et  ipsum   percifiat,   et   ut  vita   etiam   perficiatur Per  appetitum- corpori  unitur,  et  iuseparabiliter  se  tenet,  nisi  sit 

defectus  ex  parte  corporis.     Summ,  theol.  II,  qu.   87,  mbr.   2,  art.   2,  §.  2. 

•i   De  anima  II,   p.   416. 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen   Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  125 

wird.  Aristoteles  beweist  nämlich  gegen  Empedokles,  dass  die  Seele  als  Continens  das 
Auseinanderstreben  entgegengesetzter  Elemente  verhüten  müsse.  Damit  ist  denn  doch 
nicht  mehr  und  nichts  Anderes  besagt  als  diess ,  dass  die  genannten  Processe  unter 
Obmacht  der  mit  dem  Leibe  vereinigten  Seele  vor  sich  gehen,  und  die  zusammenhaltende 
Macht  der  Seele  das  Umschlagen  der  Processe  des  leiblichen  Bildungslebens  in  ihr 
Widerspiel,  in  Auflösung  und  Zersetzung  verhindern  müsse.  Es  wäre  jedoch  wider- 
sinnig, die  Fassung  des  Leibes  in  der  Seele  als  eine  physisch  zwingende  Zusammen- 
haltung des  Leibes  durch  die  Seele  verstehen  zu  wollen;  sondern,  sofern  er  seine  dem 
Wesen  der  Seele  congi-uirende  Fassung  in  sich  selbst  hat,  ist  er  auch  dazu  geeignet, 
seine  Fassung  in  der  Seele,  welcher  er  eignen  soll,  zu  haben.  Die  Seele  eignet  sich 
nicht  den  rohen  unlebendigen  Stoff,  sondern  das  für  ihre  Zwecke  zubereitete  und  in 
ihre  geistige  Form  hineingebildete  lebensfähige  organische  Gebilde  an,  welches  eben 
in  dieser  seiner  Fassung  und  Zubereitung  zu  einem  für  sie  fassbaren  und  greif  baren  Objecte 
wird,  in  welches  sie  eingeht,  um  es  in  sich  selbst  hineinzunehmen,  ohne  dass  sie  in  ihm 
aufginge  oder  es  in  sich  aufgehen  machte.  Sie  hält  es  vielmehr  so  weit  ausser  sich 
und  unter  sich,  als  diess  zur  Walirung  der  Freiheit  und  Unabhängigkeit  ihres  immanenten 
Selbstlebens  nöthig  ist;  und  eben  so  wenig  verträgt  es  der  Leib,  ganz  und  schlechthin 
in  die  Seele  hineingenommen  zu  wex'den,  da  er  als  physische  Realität  seinen  Oi't  wenigstens 
relativ  ausserhalb  der  Seele  haben  muss.  Er  hat  demzufolge  seine  eigenen  Lebensvorgänge, 
welche  nicht  durch  die  Seele  gewirkt  werden,  und  auch  durch  sie  nicht  gewirkt  Averden 
können,  da  sie  kein  animalisches  oder  vegetatives,  sondern  ein  intellectives  Willensprincip 
ist,  welches  von  der  Leiblichkeit  als  etwas  für  die  Seele  Gegebenem,  und  nicht  von  der 
Seele  Gemachtem  Besitz  nimmt.  Ist  der  Leib  in  die  Form  der  Seele  hineingebildet,  so 
wird  er  als  lebendiger  auch  nur  in  der  ihm  als  Menschenleib  eignenden  Form  und 
Gestalt  sich  entwickeln  und  continuirlich  erneuern  können;  von  einer  Conciu-renz  der 
Seele  zu  den  Functionen  der  leiblichen  Nutrition  und  Augmentation  wird  demnach  nur 
in  sehr  entferntem  imd  mittelbarem  Sinne  die  Rede  sein  können.  Nicht  anders  verhält 
es  sich  mit  der  Generationsfunction,  die  am  meisten  für  die  Kraft  und  Energie  des 
leiblichen  Selbstlebens  zeugt,  wenn  gleich  die  Qualität  des  Productes  der  elterlichen 
Zeugung  gar  sehr  von  den  seelischen  Dispositionen  der  Zeugenden  abhängig  ist.  In 
diesem  Sinne  reicht  dann  allerdings  auch  der  Einfluss  der  Seele  in  das  Gebiet  der 
generativen  Thätigkeit  hinab,  ohne  dass  jedoch  hieraus  die  Berechtigung  zur  Annahme 
einer  virtus  generativa  als  besonderer  Seelenkraft  und  Ausflusses  der  Seelensubstanz 
folgen  möchte,  wie  Albert  behauptet.^  Uebrigens  beschränkt  Albert  die  menschliclie 
Zeugungsthätigkeit  ausschliesslich  auf  die  Hervorbringung  eines  rein  stofflichen  Gebildes, 
dem  das  Leben  erst  durch  die  nachfolgende  Infusion  der  gottgeschaffenen  Seele  zu 
Theil  wird.^  Er  will  sich  nicht  zu  einer  derartigen  Theilung  verstehen,  vermöge  welcher 
die  Seele  als  intellective  Substanz  von  Gott  herrühren,  in  Bezug  auf  ihre  sensuellen 
imd  vegetabilischen  Vermöglichkeiten  aber  aus  der  Substanz  des  Zeugungssamens  educirt 
wäre,  weil  hiedurch  eine  Mehrheit  von  Seelensubstanzen  in  Einem  Menschen  involvirt 
wüx'de.     Bei  Thieren    und    Pflanzen    fällt    diese    Consequenz    hinweg;    darum  könneii  die 


'    Summ,  de  creat.  II,  qu.   16.  art.  "2. 

2    Nacli  Alexander  (Summ.  theoL  II,  qu.  87,  mbr.  3,  art.  3)  kommt  dem  Producte  der  eiterliehen  Zeugung-  vor  der  Animation 
eine  Lebendigkeit  sensii  latiori  in  Folge  seines  Lebenszusammenhanges  mit  der  Mutter  zu. 


-inn  K.    WeiINEK. 

Seelen  dersell)iMi  duivh  Zeugung  entstehen,  und  es  werdou  in  ihnen  die  der  Materie 
eingescliaffenen  rationes  sominales  educirt.  Die  ratio  scmiiuilis  des  Menschenleibes  aber 
ist  der  Materie  nicht  eingeschaffen  wurden;  der  erste  Menschenleib  wurde  unmittelbar 
durch  Gott  gebiklet, '  daher  der  Mensch  in  gewisser  Weise  auch  dem  Leibe  nach  Gottes  Bild 
darstellt.  Als  näher  liegender  innerlicherer  Grund  wili-e  wohl  diess  anzugeben  gewesen, 
dass  der  äussere  Mensch  wenigstens  der  Idee  nacli  eine  Verbildlichung  des  inneren 
seelischen  gottesbildlichen   Menschen  ist. 

Von  der  vegetativen  Seele  auf  die  anima  sensibilis  übergehend,  unterscheidet  Albert 
zunächst    zwischen    den    ai^prehensiven  Vermöglichkeiten    und    motorischen  Kräften  der- 
selben.   Die  apprehensiven  Vermöglichkeiten  theilen  sich  in  äusserliche  und  innerliche: 
die    äusserlichen    sind    die    fünf   besonderen  Sinne    zusammt    dem    sensus    communis,    als 
Vermögen  innerlicher  Apprehension   werden   der  Reihe  nach  behandelt:   die  Imaginativa, 
Phantasia.    Aestimativa,    Memoria,    Reminiscentia.     Daran    schliessen    sich    umständliche 
Auseinandersetzungen    über  Wachen,    Schlaf   und    Traum    als    Eigenzustände    der    anima 
sensibilis.    Die  motorische  Thätigkeit  ist  keine  exclusive  Eigenheit  der  anima  sensibilis, 
sondern  derselben  mit  der  anima  rationalis  gemein-,  nur  hat  jede  von  beiden  ihre  eigen- 
artigen Bewegungsantriebe,  welche    durch    die  beiderseitigen  cognoscitiven  Thätigkeiten 
bedingt  sind.     Auch  muss  der  innere  Bewegvmgsdrang   oder  appetitus   der  sensiblen  und 
rationalen   Seele    unterscliieden    werden    von    der    instrumentalen   leiblichen   Bewegungs- 
thätigkeit,    die    im    Dienste    der    seelischen  Begehrungs-    imd  Willensacte    statt    hat,   und 
Menschen  und  Thieren  verliehen  ist.  Als  natürliche  Begehrungskräfte  der  anima  sensibilis 
bezeichnet  Albert  die  vis   concupiscibilis   und  vis   irascibilis,   deren  Acte  durch  die  Ein- 
drücke   und   Wahrnehmungen    der    cognoscitiven    Potenzen    der    anima    sensibilis    hervor- 
gerufen werden.     So  viel  zur  allgemeinen  Uebersicht  über  diese  Partie  der  Psychologie 
Albert's,  die  besonders  in  Bezug  auf  die  cognoscitiven  Thätigkeiten  der  anima  sensibilis 
sehr    ausführlich    gearbeitet    ist.     Er  verwerthet    hiebei   seine  eingehenden  Studien  über 
die  Bücher  des  Aristotel-es  de  anima  und  über  die  Parva  Naturalia  desselben,  die  er  in 
einer  Reihe  von  Schriften  conimentirt  hatte."    Uebrigens  ist  die  gesammte  Lehre  Albert  s 
von  der  anima  sensibilis  auf's  Engste  mit  der  Lehre  von  der  anima  rationalis  verschlungen, 
und  mit  der  Erörterung  derselben  durchsetzt.  So  schiebt  sich  zwischen  die  Auseinander- 
setzung der  apprehensiven  vmd  motorischen  Thätigkeiten  der  anima  sensibilis  die  Lehre 
von    den    theoretischen  Functionen    des  Intellectes    und    deren  Zusammenhange    mit   den 
cognoscitiven  Thätigkeiten  der  anima  sensibilis  ein.   Darauf  folgt  für  den  ersten  Anschein 
ziemlich    unvermittelt    eine  Abhandlung    de   motu  progressivo  animalium  als  Uebergang 
auf  die  Lehre  von  den  bewegenden  Kräften  der  Seele.     Albert    rechtfertiget  diese  Art, 
die  Lehre  von  den  bewegenden  Kräften  der  Seele  einzuleiten,  damit,  dass  die  den  motus 
progressivus  der  Lebewesen  verursaclienden  Bewegungskräfte  die  principia   motivae  d.  i. 
diejenigen  Kräfte  sind,  durch  welche  die  Bewegung  eigentlich  hervorgebracht  wird.   Diess 
sind  die,  die  Bewegung  gebietenden  Kräfte,  deren  in  der  menschlichen  Seele  zwei  sind: 
der  Intellectus  practicus  und  die  Phantasia.   Diese  beiden  Kräfte  werden  zu  Bewegungs- 


'    Summ,  tlieol.   II,  <|U.   TTi. 

■^  Die  hieher  gehörigen  Ausleguugsschriften  Albeit's  sind:  De  anima  {drei  Büclier),  de  sensu  et  sensato,  de  memoria  et  remiuis- 
centia,  de  somno,  vigilia,  divinatioue  et  prophetia,  de  mutu  animalium,  de  principio  motus  progressivi,  de  juventute  et  sene.- 
tute,  de  .spiritu  et  respiratione,  de  morte  et  vita.  de  nutrimento  et  nutribili,  de  natura  et  origine  animae,  de  nnitat.-  intel- 
lectus adveraus  Averroistag. 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Alhektus  Magnus.  127 

Ursachen  zufolge  Ihrer  Apprehensionen.  Die  von  ihnen  anbetblilenen  Bewegungen  müssen 
aber  ein  Motiv  haben;  das  Motiv  liegt  im  Zuge  des  durch  die  Apprehensionen  hervor- 
gerufenen Begehrens,  dessen  Kraft  wieder  eine  dreitheilige  ist:  nämlich  von  Seite  der 
anima  rationalis  der  vernünftige  Wille,  von  Seite  der  anima  irrationalis  die  vis  concupis- 
cibilis  und  vis  irascibilis.  Alle  drei  Potenzen  lassen  sich  auch  unter  dem  Namen  des 
Willens  zusammenfassen-,  der  Wille  im  engeren  Sinne  oder  die  voluntas  rationalis  scheidet 
sich  ab  von  dem  sinnlichen  Begehren  und  Verabscheuen,  dessen  habituelle  Inclinationen 
den  Zustand  der  Sensualitas  begründen.  Durch  das  Vermögen  des  liberum  arbitrium  ist 
es  der  Wahl  des  Menschen  anheimgegeben,  zu  entscheiden,  welchen  Impulsen  sein  selbst- 
thätiges  Handeln  folgen  soll.  Um  in  den  Acten  seiner  Selbstentscheidung  vom  letzten 
Zwecke  des  Menschen  nicht  abzuirren,  bedarf  das  liberum  arbitrium  einer  Orientirung 
durch  die  Synderesis,  weiche  als  besonderes  Seelenvermögen  den  habitus  principiorum 
communium  quoad  actiones  honestas  bedeutet,  d.  h.  das  Wissen  um  die  allgemeinen 
Normen  des  sittlichen  Handelns  in  sich  fasst,  und  in  seiner  Application  auf  die  speciellen 
Fälle  sittlicher  Selbstentscheidung  Gewissen  (conscientia)  genannt  wird. 

Wir  entnehmen  aus  dieser  Uebersicht,  die  wir  nach  dem  in  Albert's  Summa  de 
creaturis  am  vollständigsten  dargelegten  Abrisse  seiner  psychologischen  Lehren^  gegeben 
haben,  zunächst  diess,  dass  sich  das  ursprüngliche  Schema,  nach  welchem  diese  Psychologie 
construirt  ist,  in  der  Ausführung  ihres  Lehrinhaltes  niclit  festhalten  lässt.  Albert  wollte 
nach  einander  die  Functionen  der  anima  vegetativa,  sensibilis,  rationalis  abhandeln.  Es 
ist  ihm  gelungen,  die  Lehre  von  der  anima  vegetativa  als  einen  in  sich  geschlossenen 
selbstständigen  Theil  darzustellen;  in  der  Durcharbeitung  des  zweiten  Theiles  aber,  der 
laut  seiner  Ankündigung  die  Functionen  der  anima  sensibilis  darlegen  soll,  ändert  sich 
ihm  unter  der  Hand  der  Arbeitsplan,  und  schiebt  sich  ihm  zufolge  des  Ineinanderspielens 
der  Actionen  der  anima  sensibilis  und  rationalis  ein  anderes  Schema  unter,  welchem 
zufolge  zuerst  von  den  cognoscitiven  Thätigkeiten  der  empfindungsfähigen ,  vernunft- 
begabten Menschenseele,  sodann  von  der  durch  die  cognoscitiven  Functionen  hervor- 
gerufenen Begehrungsthätigkeit  der  sensuell  afficirbaren  Vernunftseele,  und  endlich  von 
dem  ihr  immanenten  Richtmasse  ihres  freithätigen  Thuns  die  Rede  sein  soll.  Der  Grund 
dieser  Modification  des  aus  der  aristotelischen  Psychologie  adoptirten  Schema's  ist  nicht 
schwer  zu  erkennen.  Die  aristotelische  Psychologie  ist  wesentlich  eine  Naturlehre  der 
menschlichen  Seelenthätigkeiten,  und  schliesst  die  Strebethätigkeiten  der  menschlichen 
Seele  nur  soweit  in  sich,  als  sie  eben  natürliche  Thätigkeiten  sind.  Albert  hingegen 
ist  durch  seinen  christlichen  Standpunkt  im  Voraus  darauf  angewiesen,  den  ethischen 
Charakter  dieser  Strebethätigkeiten  in's  Auge  zu  fassen;  und  wenn  er  auch  die  Gebiete 
der  Psychologie  und  der  Ethik  genau  auseinanderhält,  und  die  specifisch  letzterer  an- 
gehörigen  Materien  aus  dem  Bereiche  der  Psychologie  streng  ausscheidet,  so  kann  er 
doch  nicht  umhin,  in  der  Lehre  von  den  Seelenvermögen  selber  den  christlich-ethischen 
Standpunkt  zur  Geltung  zu  bringen,  indem  er,  wo  er  vom  natürlichen  Begehren  und 
Wollen  der  Seele  spricht,  von  der  unter  die  ethische  ßeurtheilung  fallenden  Richtung 
desselben  nicht  abstrahiren  kann,  und  überhaupt  die  Anlage  des  Menschen  zur  Sittlich- 
keit, soweit  sie  in  die  Gränzen  einer  psychologischen  Erörterung  fällt,  zur  Sprache  bringen 
muss.  Aber  auch  die  Behandlung  der  cognoscitiven  Functionen  der  Seele  ist  bei  Albert 


Siimni.  de  creat.  II,  qu.    19—72. 


128  ^-  VVkrnek. 

letztlieli  duivh  ein  ihristru-li-tlieologisches  Interesse  bedingt,  wie  genau  er  sich  aucli  in 
Erörterung  derselben  im  die  durch  die  aristotelische  Philosopliic  ihm  gebotenen  Auf- 
schlüsse halten  mag;  denn  die  Wahl  des  Aristoteles  als  Gewährsmannes  in  diesem  Punkte 
war  ja  selber  durch  ein  theologisches  Interesse  beeinflusst.  Für  Albert  ist  das  letzte 
Hauptinteresse  nicht,  zu  ermitteln,  wie  viel  die  sensible  Seele  durch  sich  erkenne,  und 
was  sie  dem  Intellecte  zu  erkennen  überlassen  müsse,  sondern  wie  weit  überhaupt  die 
natürlii'he  Erkenntnissfahigkeit  des  Menschen  reiche,  und  welche  Schranken  ihr  dadurch 
i>-ezo2'en  seien,  dass  die  Menschenseele  nicht  blosses  Intellectualwesen,  sondern  zuo;leich 
auch  sensibles  Wesen,  eine  in  den  Bereich  des  Sensationslebens  getauchte  Intelligenz 
sei.  Denn  die  Menschenseele  als  anima  rationalis  ist,  wie  Albert  mit  ßabbi  Isaak  sagt, 
eine  Substanz,  die  im  Dämmeraufgang  der  reinen  Intelligenz  locirt  ist.'  Uebrigens  ist 
die  schematisirende  Auseinanderhaltung  der  anima  intellectualis  imd  sensibilis  wenigstens 
ideell  durchwegs  sowohl  in  der  iM'örterung  des  Erkeimtnisslebens  auch  des  Begehrungs- 
vermögens festgehalten,  und  zwar  keineswegs  zum  Vortheile  der  Sache,  da  sie  das  per- 
petuirliche  Hinderniss  einer  centralen  Fassung  der  menschlichen  Seele  in  der  inneren 
Mitte  ihres  persönlichen  Wesens  ist.  Handelt  es  sich  doch  für  Albert  als  Peripatetiker 
auch  gar  nicht  um  den  Persönlichkeitscharakter  der  menschlichen  Seele,  sondern  nur 
um  ihr  substanzielles  geistiges  Wesen,  und  um  eine  thimlichst  erschöpfende  Classificirung 
und  Auseinandersetzung  der  Verrichtungen  dieses  substanziellen  geistigen  Wesens.  Bei 
der  Dürftigkeit  und  Mangelhaftigkeit  der  seinen  Arbeiten  vorangegangenen  Darstellungen 
der  rationalen  Psychologie  war  es  immerhin  schon  ein  bedeutsamer  Fortschritt,  dass  der 
Gesannntinhalt  der  aristotelischen  Seelenlehre  in  die  christliche  Seelenkunde  aufgenommen, 
und  der  Inhalt  der  letzteren  nach  dem  in  der  aristotelischen  Psychologie  dargebotenen 
Lehrschema  geordnet  und  ausgeführt  wurde.  Allerdings  brachte  das  schematisch  ordnende 
Denkverfahren  des  Aristoteles,  soweit  es  einfach  copirt  wurde,  bei  Albert  manche  Un- 
ebenheiten in  die  Gruppirung  seines  Lehrstoffes.  So  weiss  er  augenscheinlich  die  Lehre 
von  den  Bewegungsthätigkeiten  der  Seele  dem  Zusammenhange  seiner  Lehrentwickelungen 
nicht  harmonisch  einzufügen;  es  konnte  auch  kaum  anders  kommen,  da  unter  dem  Begrifl'e 
der  motorischen  Thätigkeit  ganz  heterogene  Begriffe:  Bewegung  des  Leibes  durch  den 
Willen  der  Seele,  Bewegtwerden  der  Seele  durch  den  Zug  eines  seelischen  Begehrens, 
selbstige  Bewegung  des  Willens  zusammengefasst  waren.  Ob  der  Zug  der  von  den  Gütern 
des  Scheines  gefesselten  Seele  zum  Irdisch-Sinnlichen  und  die  Schwäche  des  seelischen 
Willens  gegenüber  den  Sollicitationen  der  Sinnlichkeit  sich  mit  der  aristotelischen  Lehre 
von  der  Seele  als  unbewegtem  Beweger  des  Leibes  sich  so  ganz  vereinbaren  lasse,  unter-. 
Hess  Albert  sich  zu  fragen,  weil  er  eben  den  Dynamismus  der  Wechselwirkung  zwischen 
Seele  und  Leib  nicht  kannte,  sondern  in  letzterem  bloss  ein  passives  Instrument  der 
Seele  sah.  Freilich  handelt  es  sich  in  jenem  seelischen  Gezogenwerden  durch  die  Macht 
des  sinnlichen  Begehrens  nicht  um  einen  motus  localis,  wohl  aber  fällt  jener  Zug  unter 
die  Species  des  motus  altei-ationis,  über  welchen  Aristoteles  den  ,von  Aussenher  her'  in 
das  Menschengebilde  eintretenden  Intellect  gleichfalls  erhaben  dachte.  Gegen  den  Ein- 
wand, dass  die  Ablenkung  der  Seele  von  dem  natürlichen  Ziele  ihres  Geistwillens  und 
ihres  innerlichsten  Begehrens  keine  physische  Alteration  sei  noch  sein  könne,  Hesse  sich 


'    Dieit  Isaac  in  libro  de  definitioiiibus,  qiuid  auüua  ratioualis  substantia  est  in   umbra   iutelligentiae  creata.    Et  hoc  est,  quod 
dicit  Diouysius,  qiiod  supremum  rationis  attingit  infimuiu  iutelligeutiae.    Summ,  theol.  II,  qu.  69,  mbr.  2,  art.  2. 


Der  Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcüin  bis  ÄLEERTrä  Magnus.  129 

erwidern,  dass  die  Thatsaclie  jener  Ablenkung  die  Zugestehung  einer  von  Aristoteles 
nicht  wahrgenommenen  ethischen  Alteration  involvire.  Lässt  sich  diese  mit  der  aristo- 
telischen Auffassung  des  menschlichen  Seelenwesens  nicht  vereinbaren,  so  wäre  dieselbe 
eben  keine  zureichende  Unterlage  für  die  Erklärung  der  ethischen  Geheimnisse  des 
zeitlichen  Menschendaseins.  Albert  hielt  sie  für  zureichend,  weil  er  die  vis  concupis- 
cibilis,  in  deren  verkehi'te  Richtung  er  das  AVesen  der  sündlichen  Concupiscenz  setzte, 
der  anima  sensibilis  zutheilte.  Aber  in  den  Berückungen  der  Seele  durch  die  Täusch- 
gebilde des  sündigen  Wahnes  ist  der  ganze  innere  Mensch  dem  Objeete  seiner  Leiden- 
schaft zugeAvendet,  und  der  von  seinem  wahren  Ziele  abgelenkte  Urwille  der  Seele  auf 
dieses  Object  gerichtet.  Es  wird  also  unzulässig  sein,  die  vis  concupiscibilis  und  iras- 
cibilis  gleichsam  als  blosse  Hilfskräfte  des  Geistwillens  oder  der  voluntas  rationalis  der 
anima  sensibilis  zuzutheilen;  sie  werden  Lebenskräfte,  oder  vielmehr  Lebensthätigkeiten 
der  Seele  als  solcher  sein,  die  als  eine  vom  leiblosen  Geistwesen  specifisch  verschiedene 
Wesenheit  überhaupt  nicht  als  eine  blosse  Zusammensetzung  aus  einer  rationalen  und 
irrationalen  anima  behandelt,  sondern  als  ein  von  Beiden  specifisch  verschiedenes  Drittes 
angesehen  werden  muss,  dessen  lebendige  Einheit  eine  solche  Abfachung  nach  Stock- 
Averken,  wie  sie  in  der  Unterscheidung  von  anima  rationalis,  sensibilis,  vegetativa  vor- 
liegt, nicht  zulässt,  und  eine  nach  dem  Schema  dieser  Abfachung  vorgenommene  Zer- 
gliederung der  Seelenthätigkeiten  als  äusserlich,  d.  h.  aus  der  Innerlichkeit  der  centralen 
Fassung  herausgerückt  erscheinen  lässt. 

Albert  scheidet  die  apprehensiven  Kräfte  der  anima  sensibilis  in  äussere  und  innere 
Kräfte;  erstere  sind  die  Sinne,  welche  abermals  in  die  fünf  besonderen  Sinne  und  in 
den  dieselben  in  höherer  Allgemeinheit  zusammenfassenden  sensus  communis  getheilt 
werden.'  Die  besonderen  Sinne  lassen  sich  in  doppelter  Ordnung  reihen,  so  dass  man 
entweder  den  untersten,  den  Tastsinn,  oder  den  obersten,  den  Gesichtssinn,  als  ersten 
ansetzen  kann,  je  nachdem  man  die  Rücksicht  auf  das  Sensitivum  oder  auf  das  Sensibile 
in  den  Vordergrund  stellt.  Der  Tastsinn  ist  das  Grundhafte,  sofern  daa  Tastvermögen  zum 
AVesen  der  Animalität  gehört,  so  dass  ein  empfindungsfähiges  Wesen  (animal)  ohne  den 
Tastsinn  gar  nicht  gedacht  werden,  und  derselbe  nicht  zerstört  werden  kann,  ohne  dass 
das  animal  selber  destruirt  wird,  während  man  die  übrigen  vier  Sinne  ohne  Zerstörung 
des  Lebewesens,  dem  sie  eignen,  destruiren  kann.  Der  Geschmacksinn  fällt  unter  die- 
selbe Kategorie  wie  der  Tastsinn,  soweit  er  seine  Operation  durch  das  Mittel  der  Tastung 
zu  vollziehen  liat.  Darum  bezeiclinet  Aristoteles  diese  beiden  Sinne  als  jene,  welche 
zum  Esse  des  animalischen  Lebewesens  geliören,  während  die  drei  anderen  zum  Bene 
esse  desselben  gehören.  Fasst  man  die  Vollkommenheit  des  Objectes  der  Wahrnehmung 
primär  in's  Auge,  so  steht  der  Gesichtssinn  obenan;  denn  der  Gesichtssinn  ei'fasst  das- 
jenige, was  allen  Körpern,  die  incorruptiblen  mit  inbegriffen,  gemein  ist,  Avährend  die 
Wahrnehmungen  der  übrigen  Sinne  sich  auf  die  specifischen  Eigenheiten  der  irdischen 
Körperwelt  beziehen  und  über  den  Bereich  dieser  nicht  hinauszugreifen  vermögen.  Unter 
den  mit  ihrer  Wahrnehmungsfähigkeit  auf  den  Bereich  der  irdischen  Körperlichkeit  ver- 
wiesenen Sinnen  reicht  am  weitesten  jener  des  Gehöres,  diesem  folgt  der  Geruchsinn, 
der  nocli  olme  unmittelbare  Berührung  des  Objectes  dasselbe  wahrzunehmen  vermag, 
während    der  Geschmacksinn    bereits    gleich    dem  Tastsinn    eine  unmittelbare  Berührung 


'    Von   fipii  besonderen  Sinnen  wird  gehandelt  Summ,  de  creat.  II,  qu.   19 — 34;  vom   sensus  communis  ebendas.  qq.  ;)5.  36. 
Denkschriften  der  phil.-hiBt.  Gl.  XXV.  Bd.  ;  17 


seines  Objeetes  fonlci-r.  Das  Objcct  des  Gesichtssinnes  sind  Liciil  iiiid  Farl)c,  Object 
des  Gehöi'ssinnes  ist  der  Sciiall,'  Object  des  Geruchsinnes  das  vaporativuni  sicci  ex 
humido  vaporoso,*  Object  des  Gesclimackes  der  Sapnr,  der  im  Unterschiede  vom  Odor 
specilisch  das  Humidum  als  Vapurativ  heischt/  obschon  beide,  Odor  und  Sapor  so  mit 
einander  zusammenhängen,  dass  geschmacklose  Körper  immei-  aucdi  geruchlos  sind,' 
weshalli  dei-  0(h>r  als  eine  Passio  saporis  bezeichnet  \ver(hni  kann.''  Als  eigentliches 
Object  des  Tastsinnes  werden  von  Einigen  die  primae  qualitates  des  Körperlichen: 
Calidum,  Humidum,  Frigidum,  8iccum  bezeichnet.  Da  aber  diese  Qualitäten  nm-  in  so 
weit  fühlbar  werden,  als  sie  in  den  Köi'pern,  an  welchen  sie  durcli  das  (ietast  Avahr- 
genommen  werden,  nicht  auf  das  vollkommenste  gemischt  und  (hulurcli  wechselseitig 
neutralisirt  sind,  so  können  sie  nicht  schlechthin,  sondern  nur  bczielumgsweise  als  Object 
der  Tastung  bezeichnet  werden,  so  weit  sie  nämlich  zufolge  der  vollkommenen  Aus- 
gleichung'ihrer  Contrarietäton  in  den  aus  den  vier  Elementen  zusammengesetzten  Körpern 
fühlbar  hervorti-eten.  Die  Unvollkommen heit  der  Ausgleichung  hat  aber  auch  noch  andere, 
gleichfalls  durch  das  Getast  wahrnehmbare  Eigenschaften  der  Körper  zur  Folge:  Härte 
und  Weichheit,  Rauhheit  und  Glätte,  iSchwere  und  Leichtigkeit.  Der  Menscli  besitzt  den 
Vorzug  des  vollkommensten  Getastes  zufolge  des  Umstandes,  dass  in  seiner  leiblichen 
Complexion  die  Gegensätze  der  Elementarkörper  und  der  elementaren  Qualitäten  am 
vollkommensten  ausgeglichen  sind,  und  ihm  mithin  die  mindesten  Abweichungen  der 
berührbaren  Körper  von  der  vollkommenen  Ausgleichung  der  Elemente  ihrer  Composition 
fiüilbar  werden  müssen.  Dem  Tastsinn  gehört  auch  die  Wahrnehmung  von  Lust  und 
Schmerz  an-,  ja  er  ist  der  einzige  Sinn,  der  unmittelbar  durch  sich  selbst  Beides  empfindet. 
Der  Geschmacksinn  wirkt  ein  Lustgefühl  nur  in  sofern  unmittelbar  durch  sich  selbst, 
als  er  zugleich  Tastsinn  ist.  Bei  den  Wahrnehmungen  der  drei  übrigen  Sinne  aber  ist 
die  mit  der  Sinneswahrnehmung  verbundene  Ergötzung  eine  seelische;  darum  machen 
den  Thieren  Farben,  Töne,  Gerüche  wenig  Vergnügen.  Obschon  aber  nur  der  Mensch 
eines  seelischen  Vergnügens  an  den  Gerüchen  fähig  zu  sein  scheint,  so  hat  er  doch 
andererseits  wieder  ein  schwächeres  Geruchsorgan  als  die  Thiere.  Beweis  dessen  ist, 
dass  er  fast  nie  von  Gerüchen  träumt,  und  wenn  er  von  übel  riechenden  Dingen  träumt, 
nicht  sonderlich  unangenehm  sich  afficirt  fühlt.  Auch  versteht  sich  der  Mensch  nicht 
auf  die  feineren  Unterschiede  der  Gerüche;  er  weiss  im  Gnnide  nur  zwischen  Wohl- 
o-eruch  und  Uebely-erueh   zu  unterscheiden.      Der  Grund   dessen  liegt  in  der  kaltfeucliten 


'    Albert  di'finirt  denselben  als  qualifas  senslbilis,  proveniens  ex  fVactiuue  motus  aeris  et  ens  cum  illo.    O.  c.  II,  qn.  23,  avt.  1. 

-  Dicebant  quidani,  qviod  odor  fumalis  est  evaporatio  et  fumiis  et  vapor  terrae,  et  quod  odor  non  resolvitiir  nisi  a  terra,  et 
illis  contrarium  est,  quod  Aristoteles  contra  Heraclitmn  dieit.    O.   c.  II,  qn.  28. 

3  Generatio  saporum  est  ut  in  subjecto  in  humido  et  aqueo,  ut  in  efficiente  autem  in  ealido,  digerente,  quod  est  calidum 
ignis  et  aolis;  in  sicco  autem  terreo  est  sicut  in  passivo   tcrminante  humidum  a(|ueum.    O.  c.  II,  qu.  30,  art.  3,  particula  1. 

'  Ex  ilsdem  prinüs  qualitatibus  constituuntur  sapores  et  odores,  licet  non  eodem  modo  complexis  activis  et  passivis.  Sapor 
enim  principaliter  constituitur  ex  liumido  et  secundario  ex  sicco  ealido  commiseente  sicu'uni  cum  humido.  Odor  autem  prin- 
cipaliter  natura  est  ex  sicco,  et  secnndario  ex  ealido  humido  faeiente  evaporationeni.  O.  c.  II,  qu.  27,  art.  3.  —  Der  anffog'ebene 
Unterschied  zwischen  Odor  und  Sapor  erklärt  sich  aus  dem  Zwecke  Beider:  Sapor  cousistit  principaliter  in  humido,  quia 
habet  intluere  in  partes  nutriti;   odor  autem  in  sicco  ealido,  ut  temperet  frigiditateni   et  hnmiditatem   cerebri. 

5    Dicimus  (|Uod  odor  quideni   passio   est  saporis,   et  non  accidentaliter,  sed  virtute  |iriq)ria.   Sed  passio  dicitur  niultis  modis 

(Eelate  ad  praesentem  qualitatem)  passio  dicitur  id,  quod  non  accidit  nisi  subjecto  eidcm  in  quo  est,  cnjus  est  passio,  et 
geueratur  a  prineipiis  ejus  agentibus  et  patientibus,  non  tamen  eodem  modo  se  habentibus;  et  sie  odor  dicitur  passio  saporis, 
quia  uon  accidit  nisi  cui  accidit  sapor  et  causatiir  ,a  prineipiis  sajioris,  non  eodem  modo  se  habentilius  in  odore  et  saporo. 
O.  c.  II,  qu.  27,  art. 


Dek     EnTVVJCKELUNGSöANG   der   MITrELALTERLIClIEN   PSYCHOLOGIE   VON     AlcUIN   EIS    AlBERTUS     MaGNUS.  131 

Bescliaflfenheit    seines    Gehirnes,    welclies    dem    seiner    Natur    nach    warnitrockenen    Odor 
nur  in  sehr   o-erino'em  Masse  eine  Einwirkuno-  uuf  sicli   gestattet. 

Bei  den  Sinnen,  welche  ilir  Object  nicht  durcli  unmittelbare  Berülirung  waiirnehmen 
jnuss  nach  dem  Medium  zwischen  Sinnesorgan  und  Sinnesobject  gefragt  werden.  Als 
solches  Medium  dienen  für  alle  drei  Sinne  ((leruch,  Gehör,  Gesicht)  Luft  und  AVasser, 
jedoch  nicht  in  gleicher  Weise.  Während  für  den  Odor  Luft  und  Wasser,  iedes  für  sich. 
Medium  sein  kann,  ist  das  Wasser  für  den  Schall  nur  insoferne  Durchgangsmedium,  als 
es  die  durch  den  Schall  in  Bewegung  gesetzte  Luft  durchlässt,  daher  eher  ein  llinderniss 
als  ein  Mittler  der  Schallbewegung.  Für  das  Licht  aber  können  sowohl  Luft  als  Wasser 
nur  insofern  Medien  sein,  als  sie  durchsichtig  d.  h.  vom  Lichte  durchdrungen  sind.  In 
Beziehung  auf  die  Erklärung  des  Sehactes  ergeht  sicli  Albert  in  einer  umständlichen 
Wideidegung  der  Platonischen  Theorie  des  Sehens,'  Avelcher  gegenüber  er  die  aristote- 
lische als  die  richtige  vertritt.  Der  Gegensatz  zwischen  beiden  Anschauungen  betrifft 
die  Natur  des  Auges,  das  Object  der  Gesichtswahrnehmung  und  das  Verhalten  des 
Sinnesorgannes  in  der  xVpperception  der  Gesichtswahrnehmung.  Das  Auge  ist  nicht 
feui'iger  Natur,  sondern  ein  wässeriger  Körper;  es  sendet  nicht  Lichtstrahlen  aus  zur 
activen  Ergreifung  der  Objecto  seiner  Wahrnehmung,  sondern  lässt  passiv  auf  sich  wirken, 
wie  die  Luft,  Avelche  ihm  die  Licht-  und  Farbeindrücke  übermittelt;  nicht  die  Umrisse 
und  Formen  der  Körper,  sondern  Licht  und  Farbe"  sind  das  Object  des  Seliens.  Hin- 
sichtlich des  Geschmacksinnes  leln-t  Albci-t  auf  Grundlage  der  ai-istotelischen  Lehre, 
dass  dei'selbe  als  Organ  der  Geschmacksempfindung  allerdings  im  Haupte  locirt  sei,  als 
Nahrungssinn  aber  sein  Organ  in  der  Herzgegend  habe,^  indem  die  Nahrung  von  der 
Wärme  des  Herzens  digerirt  werde.  Dem  widerspricht  nicht,  dass  Galenus  die  Ver- 
danung  von  der  Wärme  der  Leber  ableitet;  denn  die  von  Galenus  gemeinte  Wärme 
wird  einerseits  von  Aristoteles  nicht  geläugnet,  reicht  aber  andererseits  ohne  Hinzutritt 
der  Herzenswärine  niclit  aus,  das  Aliment  in  Speise  zu  verwandeln.  Auch  beim  Tastsinne 
Juit  man  mit  Rücksicht  auf  seine  doppelte  Bedeutung  als  judex  tangibilium  und  specielle 
A  ollkommenheit  des  animalisclien  Körpers  ein  doppeltes  Organ  zu  unterscheiden.  Das 
Organ  des  Tastsinnes  als  perfectio  corporis  ist  der  ganze  Körper  in  seinen  empfindungs- 
fähigen Theilen:  Nerven,  Fleisch  und  Haut.  Als  judex  tangibilium  aber  hat  er  seinen 
Sitz  im  Gehirne,  obschon  dieses  selber  nicht  tastet.  Wohl  aber  verbreitet  sicli  vom 
Gehirne  aus  der  Spiritus  animalis  durch  den  ganzen  Leib  mittelst  der  Nerven,  die  all- 
wärts  im  Körper  verbreitet  sind;  und  der  Nerv,  der  seine  Kraft  von  Gehirn  und  Herz 
empfängt,  theilt  dieselbe  auch  dem  Fleische  und  der  Haut  mit,  und  macht  sie  damit 
empfindungsfähig  und  fü]-  Tastwalirnehmungen  empfänglich.  Die  Infrigidation  der  vom 
Herzen  zum  Haupte  aufsteigenden  Wärme  durch  das  kalte  Gehij-n  schwächt  die  Belebung 
der  Sinnesnerven,  zunächst  des  Tastnerven,  in  welchen  die  anderen  Sinnesnerven  im 
Haupte  einmünden,  ab,  und  erzeugt  so  den  periodisch  wiederkehrenden  Zustand  des 
Schlafes,  der  im  Zurücktreten  der  virtutes  animales  unter  gleichzeitige!'  Intension  der 
virtutes  luiturales  bestellt. 


r 


'    Nälieres  darüber  in  der  Aljhaiidliuig'  über  Wilhelm  v.   Conclies  S.  82  tf.  (Sitzuiigsber.  LXXV,  S.  390  ffi. 

-    Color  seciiudum  actum  cum  lumiiie  quo  agit  uuuni  visibile,  sicut  niateria  et  forma  non  faeiunt  duo  sed  uuum.  Et  ideo  cum 

lunien  illud  sit  ut  forma,  color  autem  ut  niateria,   erit  ex  illis  duobus  uuum   visibile  secunduni  actum.   O.  c.  II,  q«.  20,  art.  4. 
•'    Gustus sccuudum  quod  est  sensus  alimenti,  ....  est  sensus  comixti  a  calido  et  tVigido,  buuiido   et  sicco ;    et  quoad 

hoc  iustrumentum   suuin  habet  circa  cor.  O.  c.  II,  qu.  30,  art    3,  particula  ö. 

17* 


Ueber  den  fünf  bcsoiuk'ren  Sinnen  stclil  dcv  Scnsus  comnuinis,  in  dcssoti  Appor- 
ceptioncMi  ;in  den  Objecten  der  sinnliclien  Walinu-Iuuuni;-  dasjenige  aufgegriffen  wii-d, 
was  durch  keinen  einzelnen  besonderen  Sinn  aufgegi-iffen  werden  kann.  Dahin  gehört 
die  GesammtautTassung  des  Gegenstandes  nach  seiner  Grösse  und  P'igur,  die  Unter- 
scheidung einer  Mehrlicit  von  Objecten  derscdben  Walirnelunung,  .lie  Wahrnehmung  der 
Zustände  der  Ruhe  und  Bewegung.'  Das  Organ  des  sensus  communis  ist  im  Vordergehirn, 
in  welchem  die  Nerven  aller  besonderen  Sinne  zusammenlaufen.  Es  Ist  begreiflich,  dass 
die  als  naturwissenschaftliche  Thatsache  geltende  Realität  eines  Sensorlum  commune  die 
Annahme  eines  eigenen  Sensus  communis  nach  sich  zog;  die  subordinirende  Eingliederung 
der  besonderen  äusseren  Sinne  unter  einen  allgemeinen  äusseren  Sinn  entsprach  der 
peripatetischen  Ontologie,  die  ja  darauf  ausgeht,  die  Besonderheiten  jegliches  Niederen 
einem  nächst  Höheren  derselben  Art  einzugliedern,  um  auf  diesem  Wege  zu  einem 
letzten  und  höchsten  Einem  universalster  Art  zu  gelangen.  Wir  begreifen  jetzt  ferner 
auch,  weshalb  Aristoteles  die  Walirnehmungsfählgkelt  des  Auges  ganz  und  gar  auf  das 
Farbenphänomen  beschränkte,  und  von  einem  activen  Fassen  der  Gegenständlichkelten 
de]-  äusseren  sinnlichen  Welt  durch  die  menschliche  Sehkraft  nichts  wissen  wollte.  In 
der  That  Ist  es  auch  nicht  das  Auge  als  solches,  sondern  die  wahrnehmende  Seele,  welche 
in  der  durch  Erfahrung  und  Uebung  gelernten  Comblnation  der  xVpprehensionen  des 
Sehsinnes  und  Tastsinnes  die  raumerfüUenden  Gegenständlichkeiten  der  Sinnenwelt  fasst 
und  greift;  und  dieser  Act  der  Seele  Ist  eine  höhere  gedankenhafte  Wiederholung  jenes 
perpetuirlichen  Actes,  mittelst  dessen  die  Seele  den  ihr  eignenden  Sinnenleib  fasst,  greift 
und  umgreift.  In  den  Acten  jenes  geistigen  Fassens  und  Greifens  der  äusseren  Dinge 
wird  der  von  ihr  zuerst  gefasste  Leib  zu  einem  Werkzeuge  ihrer  apprehensiven  Functionen 
herabgesetzt,  und  in  diesem  Sinne  mögen  dann  allerdings  die  Sinne,  wie  Albert  es  thut,^ 
passive  Vermöglichkeiten  der  Seele  genannt  werden,  obschon  dieser  Ausdruck  nur  Insoweit 
gereclitfertiget  Ist,  als  die  Sinne  als  Potenzen  der  von  der  intellectiven  Seele  im  Gedanken 
abgetrennten  anima  sensibllls  gedacht  werden,  was  indess  bei  der  höchsten  der  mensch- 
lichen Sinnesfunctionen,  der  Sehfunction,  am  wenigsten  zulässig  ist.  Das  menschliche 
Sehen  ist  eben  ein  speclfisch  anderes,  als  das  bloss  thierische  Sehen;  es  vermittelt  die 
geistige  Hineinnahme  der  sinnlichen  Aussenwelt  in  eine  seelische  Innerlichkeit,  die  im 
Thiere  nicht  vorhanden  ist;  es  ist  ein  actives  geistiges  Greifen  in  die  Aussenvpelt,  dessen 
das  Thier  nicht  fähig  ist.  Es  ist  aber  überhaupt  nicht  richtig,  die  Sinne  Potenzen  der 
Seele  zu  nennen;  sie  sind  nicht  Potenzen,  sondern  die  unentbehrlichen  leiblichen  Vehikel 
der  sinnlichen  Wahrnehmungen  der  Seele,  und  als  solche  allei-dings  ,passlve'  Instrumente 
der  Seele.  In  dieser  Beziehung  träte  demnacli  die  von  der  peripatetischen  Scholastik 
mit  Recht  bemängelte  Platonische  Definition  des  Menschen  als  einer  von  leiblichen  Organen 
bedienten  Intelligenz  In   ilir   relatives  Wahrheitsrecht  ein.    Eine  tiefer  eingehende  ideelle 


Dicendum  secundum  Alpharabium  et  Avicennam,  quod  sensus  commnniter  ponitur  propter  comiiositionem  et  divisionem  sen- 
sibilium  proprioruin ;  et  idcirue  niultii)licaiitur  objecta  sensus  communis  secundum  quud  identitatem  per  ea  potest  ponere  vel 
diversitatem  inter  sensata  propria.  Haec  autem  identitas  vel  diversitas  ponitur  in  sensibus  consideratis  secundum  esse  vel 
secundum  fieri.  Et  si  consideretui-  secundum  «sse,  aut  ergo  erit  principium  per  quod  ponitur  diversitas,  et  sie  erit  numerus ; 
aut  per  quod  ponitur  identitas,  et  hoc  duobus  modis,  seil,  communiter  ad  sensata   intrinseca  et  extrinseca,  et  sie  magnitudo 

erit  ....  aut   erit    proprium    quoad    extrinseca,   et   sie   est  fig-ura Si  vero  Sensibile  cogno.scitur,  prout  coguoscitur 

in  fieri  item  vel  diversmn  cum  aliquo  sensibili  per  sensatum  commune,  hoc  erit  duobus  modis,  seil,  potentia  vel  actu;  et  si 
potentia,  sie  est  quies,  si  actu,  tunc  est  motus.  O.  c.  II,  qu.   33,  art.  4. 
O.  c.  qu.  32,  art.   1. 


Dee  Entwickelüngsgang  der  mittelalterlichen  Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  133 

Würdigung  der  hülieren  Sinne:  Auge  und  Ohr,  wäre  geeignet  gewesen,  in  dem  Verhält- 
niss  der  erkennenden  Seele  zur  äusseren  Sinnenwelt  eine  erweiternde  Naclibilduno-  und 
höhere  Wiederholung  des  Verhältnisses  des  Seelischen  zu  der  in  ihm  befassten  Leiblich- 
keit zu  erkennen  und  dem  liegriffe  der  Seele  als  lebendiger  Wesensform  des  leibllchcT» 
]\[enschengebildes  eine  erweiternde  Anwendung  zu  geben.  AVie  nämlicli  das  durcli  den 
Sehsinn  vermittelte  Fassen  und  Grrcifen.  der  sichtbaren  Wirklichkeit  eine  Nachbildung 
der  umgreifenden  Fassung  der  sinnlichen  Leiblichkeit  durch  die  Seele  ist,  so  ist  die 
durch  den  Ohrnerv  vermittelte  Innerung  der  Töne  eine  tiefste  innigste  Innerung  der 
dem  sichtbaren  Kosmos  eingeschaffenen  Harmonien,  deren  mikrokosmischer  Complex  der 
in  den  Ort  der  Seele  hineingerückte  menschliche  Leib  ist.  Daraus  erklärt  sich  die  Lmig- 
keit  der  Beziehungen  der  Seele  zum  Leibe,  der  ilir  nicht  bloss  das  Mittel  und  (Jrgan 
der  sinnlichen  Apperception  jener  Harmonien,  sondern  diese  Harmonie  selber  ist,  in 
deren  Apperception  sie  die  rechte  Stimmung  ihrer  selbst  finden  oder  innewerden  will, 
um  das,  was  der  Mensch  nach  der  Idee  seines  Wesens  ist,  in  psychisch-ethischer  Wirklich- 
keit zu  sein:  animal  temperatissimum,  das  bestharmonisirte  Lebewesen.  Das  Mittel,  jene 
Stimmung  zu  gewinnen,  ist  freilich  einzig  die  Conformation  mit  der  ethischen  Norm 
des  zeitlichen  Menschendaseins,  die  Norm  aber  ihrerseits  wieder  das  Mittel  der  Hervor- 
bringung des  ricihtigen  Concentes  zwischen  Seele  und  Leib  und  der  dadurch  bedingten 
Innewerdung  jener  Lebensstimmungen,  in  welchen  der  Mensch  als  geistig -leibliclies 
AVesen  seine  innere  Befriedigung  finden  soll.  Der  zukünftige  Vollendungsstand  des 
Menschen  wird  als  eine  Ineinanderverschlingung  der  Harmonien  des  geistigen  und  sicht- 
baren Universums  im  Wesen  des  beseligten  Menschen  zu  denken  sein. 

Als  innere  Apprehensionskräfte  der  anima  sensibilis  werden  von  Albert  aufgezählt: 
Tmaginativa,  Phantasia,  Aestimativa,  Memoria,  Reminiscentia.*  Die  virtus  imaginativa 
wird  vom  sensus  communis  unterschieden  als  virtus  retentiva,  d.  h.  insofern  sie  die  Kraft 
hat,  die  sinnliche  Vorstellung  des  wahrgenommenen  Sinnenobjectes  auch  in  Abwesenlieit 
desselben  festzuhalten.  Die  Pliantasia  ist  das  Vermögen  der  willkürlichen  Gestaltung 
von  Imaginationen  durch  die  Operationen  des  Trennens  und  Verbindens,  wodurch  sie 
sich  bereits  der  Denkkraft  verwandt  zeigt.  Von  der  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit 
dieser  Ojperationen  hängt  es  ab,  ob  die  von  der  Phantasia  gebildeten  Vorstellungen 
wahr  oder  falsch  sind;  die  Möglichkeit  des  Irrens  beginnt  also  für  die  menschliche  Seele 

;  überhaupt  da,  wo  die  Functionen  des  Unterscheidens  und  Beziehens  an  den  durch  die 
sinnliche  Walirnehmung  gelieferten  Erkenntnissstoff  applicirt  werden.  Als  cogitatives 
Vermögen  fällt  die  Phantasia  unter  Eine  Kategorie  mit  der  Aestimativa,  die  aber  von 
ersterer  dadurch  sich  unterscheidet,  dass  ihre  Functionen  nicht  theoretische,  sondern 
praktische  sind,  indem  in  ilmen  das  Object  der  Vorstellung  unter  den  Gesichtspunkt 
des  Nützlichen  oder  Schädlichen  gestellt  wird.  In  diesem  Sinne  reiht  sicli  die  Aestimativa 
gleich  dem  Intellecte  unter  die  vires  motivas  der  Seele  ein;  sie  ist  die  der  anima  sen- 
sibilis angeliorige  vis  motiva,  welche  z.  B.  das  Schaf  bestimmt,  vor  dem  nahenden  Wolfe 
zu  fliehen.  Als  cogitative  Vermögen  haben  die  Phantasia  und  Aestimativa  ein  besonderes, 
von  jenem  der  Imaginativa  so  wie  auch  des  sensus  communis  verschiedenes  Organ.  Zwar 
sind   alle  diese   Vermögen   im  Vordergehirne  locirt,  jedoch  so,   dass   der  sensus   communis 

,,     daiiin  liegt,  wo  die  Sinnesnerven  convergiren,  die  Phantasia  und  Aestimativa  aber  das  Hinter- 

1    O.  c.  II,  qu.  3ö  — 41. 


134  ^-  Wekneu. 


theil  des  \  oi-dergeliinics  occupirt,  während  die  Imaginativa  in  dei-  Mitto  zwischen  diesen 
beiden  Gegenden  liegt.'  Die  McMiiuria  und  Reminiscentia  aber  sind  im  niekseitigen  Gehirne 
locirt.  Die  speeifiselic  l<\uiction  der  Menioi'ia  ist  die  (Jontiiiuirung  der  von  der  Aestiniativa 
a]tpi-eliendirten  vinsiiniliflu'n  Jiiteiitit)ncs  (^(Tie(laid<.envui-.st(dlungen)  der  besondei'en  Sinnes- 
wahinehnningeii.''  Das  liitelligible  ist  nicht  an  sieh,  sondern  nur  ainndentellej-  Weise 
Gegenstand  des  Gedächtnisses,  sofern  es  nämlich  auf  unsinnliche  Gedankenvorstellungen 
der  Sinnendinge  bezogen  ist. ^  Diese  in  der  8ecle  aufbewahrten  unsinnliclien  Voi'stcllungen 
müssen  aber  ihrerseits  selbst  wieder  der  Seele  dazu  dienen,  sieh  mit  Hilfe  der  Aestiniativa 
und  Phantasia  die  sinnliclien  llilder  zu  vergegenwärtigen,  auf  deren  Gegenstände  das 
Gedäehtniss  sieh  bezieht.  J)ie  Reminiscentia  oder  Kraft  der  Wiedererinnerung  ist  auf 
einen  actus  i-ationis  gestüzt,  kraft  dessen  die  Seele  von  gewissen  genei-ellen  Ui'sachen, 
Gründen  oder  Voraussetzungen  des  ihrem  Denken  entscliAvun denen  Objectes  zur  Wieder- 
aufspürung desselben  durch  einen  oder  mehrere  Mittelgedanken  oder  Zwischenglieder, 
welche  das  zu  erspüj-ende  Object  mit  seinen  allgemeinen  \  oraussetzungen  oder  Gründen 
verknüpfen,  vorzudringen  strebt.  Deshalb  wird  der  Vorgang  des  Wiedererinnenis  von 
Aristoteles  mit  einem  Syllogismus  verglichen.''  W^eil  auf  einen  actus  rationis  sich  stützend, 
ist  die  Reminiscentia  bloss  den  Menschen  eigen  und  kommt  den  Thieren  nicht  zu;  gleich- 
wohl ist  sie  in  der  anima  sensibilis  basirt,  und  quoad  subjectum  mit  der  Memoria  identisch, 
also   eine  virtus   corporea. 

Albert's  Lehre  von  der  Memoria,  die  übrigens  diux-h  seinen  Schüler  Thomas  Aquinas 
wesentlich  modificirt  win-de,''  rückt  wieder  einmal  das  Missliche  jenes  schematisirenden 
Formalismus ,  der  in  der  beharrlichen  Auseinanderhaltung  der  anima  sensibilis  und 
intellectualis  sich  gefällt,  in  eine  augenfällige  Beleuchtung.  Albert  stellt  alle  fünf  inneren 
Apprehensivkräfte  der  anima  sensibilis  in  die  Kategorie  der  vii-tutes  corporeae,  woraus 
denn  fast  nothwendig  folgt,  dass  die  des  Leibes  ledig  gcAvordene  Seele  ihres  gesammten, 
im  irdischen  Zeitleben  erworbenen  sinnlichen  Vorstellungsinhaltes  verlustig  geht.  Die 
Functionen   der  inneren  Apprehensivkräfte  der  anima  sensibilis  sind  sämmtlich  auf  jene 


'  Diuenduiu  cum  auetoribus  (Gi'eg.  Nyss.,  Damasc,  Algazel,  Aviceuiia  etc.)  quod  in  priraa  parte  cerebii  est  orgauum  imagi- 
nationis.  Sed  j)rima  pars  dividitur  in  tres  partes,  seil,  in  illani,  quae  propinquissinie  conjungitnr  organis  seusuum,  et  ad 
quam  immediate  recurrunt  nervi  sensibiles,  et  in  illa  est  Organum  sensus  connnunis;  et  in  illam  partem,  quae  est  post  illam 
in  medio,  quae  non  abundat  sie  bumido,  sed  est  aliquautulum  terminata  per  siecum;  et  in  illa  parte  est  Organum  imagina- 
tionis,  cujus  est  retinere  fornias  re  non  praesente,  et  hoc  virtute  sicei,  ternüiiantis  bumiduni.  In  jiostrema  vero  j'arte  pi-imae 
partis  Sita  est  phantasia  et  aestimativa.  O.  c.  II,  qu.  35,  art.  3. 

-  Dicit  Avicenna,  (piod  vis  meniorialis  est  vis  in  coucavitate  eerebri  posteriori  eontinuans  quod  appreliendit  vis  aestimationis 
de  inteutionibus  non  sensatis  siugulariuni  sensibilium  (O.  c.  II,  qu.  38,  art.  1).  Albert,  der  diese  Definition  zutreft'end  findet," 
führt  noch  eine  andere  Begrift'serklärung  von  Algazel  an:  Dicit  Algazel,  quod  memoria  est  conservatrix  liarum  intentionum, 
quas  appreheudit  aestimativa,  et  ideo  est  arca  intentionum,  sicut  imaginativa,  conservatrix  formarum,  est  arca  t'orniarum.  L.  c. 

^  Oportet  aeire,  quoniani  intelligibilium  suseeptio  noi\  fit  nisi  ex  discipliua  vel  naturali  ingenio;  non  enim  ex  seusu.  Nani  sen- 
siljilia  quidem  sccundum  se  quando  menioriae  connuendantur.  Intelligibilium  vero  si  quiequid  didicimus,  memoramur,  sub- 
stantiae  vero  eorum  memoriam  non  habemus.  Quod  sie  intelligitur:  Onme,  quod  seit  aliquis  ))er  intellectuni,  seit  ad'discens 
ab  aliquo  per  auditum,  aut  inveniens  ex  eousideratione  rerum  sensibilium.  Kationes  lamen  sensibilium  non  sunt  objecta  sen- 
suum,  et  idcireo  per  se  non  sunt  niemoriae.  Et  cum  illae  rationes  sint  substantiae  et  quidditates  rerum,  substautiae  rerum 
Eon  erunt  in  iiieuioria,  nisi  secundum  quod  ex  sensu  acceptae  siut  per  discipllnam.  L.   e. 

'  Dicit  Aristoteles,  quod  remini.scentia  est  ejus,  quod  quodammodo  est  in  anima,  et  quodamniodo  non.  Quoad  principia  enim 
est  in  anima,  et  quoad  ultimo  quaesita  non  est  in  anima,  sed  recessit  in  oblivionem  (0.  c.  II,  ipi.  ."',>,  art.  I).  —  Dicit 
Aristoteles  quod  reminisci  est  ut  Syllogismus  qiüdam ;  (|uod  eniiii  prius  honio  vidit  aut  audivit,  aut  aiiquid  liujusmodi  passus 
fuit,  syllogizatur  reminiscens.  Hujus  autem  Signum  est,  quod  illi,  qui  frequenter  volunt  esse  in  reminiscentia  suorum  ami- 
corum,  daiit  eis  nienioriale,  a  quo  tauquam  a  jirini-i]jio  determinato  incipiat  reminiscentia  diseurrendo  deli!)erativc  et  syllo- 
gistice  usque  ad  amieitiam  et  fidelitatem   in  praeterito   tempore  exhibitam   (Il)idem). 

^    Thomas  Aq.    1    ([U.   l'.\,  art.   ß;   3   dist.    26,  qu.    1,   ö,   4. 


Der  Entwickelukgsgang  der  mittelat.terliohen  Psy(.:hologie  von  Alcüin  bis  Albertus  Magnus.  135 

der  Tmaginativa,  durch  welche  die  Sinnenbilder  festgehalten  werden,  gestfltzt;  mit  der 
Zerstörung  des  Sinnenleibes  durch  den  Tod  geht  die  Seele  des  Vermögens  der  Imao-i- 
nation  der  Sinnendinge  und  folgerichtig  aucJi  aller  auf  die  Imagination  basirten  sen- 
siblen Thätigkeiten  verlustig.  Man  könnte  dc7-  Seele  vielleicht  durch  Unterscheiduno- 
zwischen  Sinnenbild  und  Intentio  (unsinnliche  Vorstellung  der  Sinnenobjecte)  ein  Bewusst- 
sein  um  die  von  ihr  verlassene  Sinnen  weit  retten  wollen;  aber  die  Intentiones  können 
nur  in  der  Memoria  hinterlegt  sein,  die,  wie  Albert  lehrt,  selbst  schon  während  der 
Dauer  des  Leibeslebens  der  Elanguescenz  und  Verfliiclitigung  unterliegt,  und  bei  einer 
schlechten  Complexion  des  Leibes  selbst  der  auf  die  Thätigkeit  der  Ratio  sich  stützen- 
den Reminiscentia  es  schwer  macht,  das  verblasste  und  entschwundene  (xedächtniss  des 
einst  Erfahrenen  wieder  aufleben  zu  machen.  Ist  die  Memoria  eine  ihrem  Wesen  nach 
an  die  werkzeuglichc  Mitwirkimg  des  Sinnenleibes  gebundene  Potenz,'  so  muss  die  des 
Leibes  ledige  Seele  ohne  Gedächtniss  um  die  Erfahrungen  ihrer  zeitlich-irdisclien  Ver- 
gangenheit sein.  Nun  gibt  freilich  Albert  hinterher  zu,  dass  es  -per  accidens  auch  ein 
Gedächtniss  des  Intellectes  gebe,  sofern  im  Intellecte  jede  Reception  eine  bleibende, 
also  mit  dem  Recipiren  auch  das  Gonserviren  des  Recipirten  verbunden  sei,^  so  dass 
sich  also  die  Gedächtnisslosigkeit  der  vom  Leibe  geschiedenen  Seele  eigentlicli  nur  auf 
ihr  Unvermögen  einer  Wiedererweckung  sinnlicher  Anschauungen  und  Vorstellungen 
beziehen  würde.''  Damit  wäre  also  ein  dauerndes  Aufgehobensein  des  W^eltbildes  in  der 
Seele,  soweit  es  geistig  in  dieselbe  aufgenommen  ist,  als  möglich  dargethan.  Uebrigens 
scheint  es  sieh  für  Albert  um  die  Rettung  einer  solchen  Möglichkeit  gar  nicht  zu  handeln; 
er  sagt  ausdrücklich, '^  dass  bei  der  aus  der  irdischen  Zeitlichkeit  geschiedenen  Seele  an 
die  Stelle  des  aus  der  sinnlichen  Erfahrung  abstrahirten  Erkennens  ein  unmittelbares 
Eidcennen  in  der  Kraft  der  dem  menschlichen  Seelenwesen  concreirten  Ideen  trete.  Er 
muss  wohl  so  sagen,  weil  sonst  das  aus  der  irdischen  Zeitlichkeit  gerettete  Erkennen 
der  abgeschiedenen  Seele  nach  den  in  Albert's  Psychologie  dargebotenen  Voraussetzungen 
ein  gar  zu  dürftiges  wäre.  Von  jenem  Wissen  und  Bewusstsein,  welches  der  Mensch  als 
nächsten  und  unmittelbaren  Inhalt  seines  Denkens  und  Erkennens  aus  der  irdischen 
Zeitlichkeit  mit  sich  nimmt,  und  in  welchem,  im  Grunde  genommen,  das  gesammte  kos- 
mische Wissen  des  Menschen  wenigstens  potentiell  enthalten  ist,  vom  geistig- sittlichen 
Selbstbewusstsein  des  aus  der  irdischen  Zeitlichkeit  abscheidenden  Menschen  ist  bei 
Albert  gar  nicht  die  Rede.  Er  beschäftiget  sich  nur  mit  dem,  was  die  Seele  aus  der 
äusseren  zeitlich -irdischen  Erfahrung  in  sich  aufnehme  und  bleibend  in  sich  zurück- 
behalten könne;  und  da  ergibt  sich  als  Denkinhalt  der  Seele  kaum  etwas  anderes,  als 
eine  Collection  der  aus  den  sinnlichen  Repräsentationen  der  Dinge  abgezogenen  Gemein- 


'  Memoria  orgamim  habet  in  posteriori  parte  capitis.  Coniplexio  autem  optima  illins  partis  est,  quia  fit  temperate  sicca  sic- 
citate  terminante  Immitlum,  iie  sit  lümis  fluidnm,  et  temperate  frigida.  frig-iditate  temiierate  coag-ulaute  forraarnm  impressarum 
figuras,  ne  rlissolvantur;  et  secunduin  corruptionem  illins  complexionis  effieinntur  malae  memoriae  secnndum  natiiram.  In 
frigidis  enim  humidis  deest  siccum  terminans,  et  in  calidis  cnm  calidum  liquefaciat  hnmidum  et  moveat,  propter  ve,locitateia 
motus  dissolvnntnr  figurae  formarum  impressarnm.  In  senibns  autem  propter  siccitatem  nimis  exsiccantem  dissolvitur  con- 
tinuatio,  sieut  in  rninosis  aedificiis,  et  propter  hoc  decidnnt  figurae  formarum  impressarum.     O.  c.  II,  qu.  .'iS,  art.  ii. 

~    O.   c.  II,  qu.   55,  art.   5. 

2  Int.elleetus  i)Ossibilis  non  corrnmpitnr  ex  corruptione  mediae  cellnlae  nisi  qnoad  actum  illnin,  qui  est  ex  pbantasm.ate.  0.  c.  II, 
qu.   54,  art.  4. 

*  Sine  praejndio  melioris  sentcntiae  dicimns,  quod  anima  post  mortem  intelligit  jjer  formani  ordinis  iiniversi,  sicut  et  intelli- 
gcntia  separata.  O.  c.  II,  cpi.  54,  art.  5.  —  Die  nähere  Erläuterung  dieser  Art  des  Erkennens  wird  im  ersten  Tlieile  der 
Summa  de  creaturis  qu.   24,  art.  ä  gegeben. 


23(;  K.  Weuneu. 

begriffe,  ein  ubstractes  Gedankenschema  dei'  zeitlichen  Eii'ulirungswelt,  das  zinleju  bei 
der  Beschränktheit  der  individnellcn  zeitlich-sinnlichen  Wcltcrfalirung  des  Kinzeluiensclien 
iiüchst  lückenhaft  und  dürftig  ausfallen  niüsste,  so  dass  der  Seele  kaum  viel  Mehreres 
verbliebe  als  das  Hewusstsein,  einmal  einer  Ordnung  der  Dinge  angehört  zu  haben, 
welche  sie  sich  iiuniiiehr  nii'ht  weiter  mehr  vergegenwärtigen  kann.  Ist  nun  auch  zu- 
zugeben, dass  die  vom  l^eibe  geschiedene  Seele  keine  sinnliche  Anschauung  und  Yor- 
stelluno-  von  der  zeitlich-irdischen  Wirklichkeit  mehr  haben  könne,  so  ist  docli  anderer- 
seits  gewiss,  dass  ihr  Wissen  um  dieselbe  oder  ihre  Erinnerung  an  dieselbe  auch  keine 
bloss  schematisch  abstracto  sein  könne ,  aus  welcher  alle  individuellen  Bezüge  aus- 
o-eschlossen  wären.    Wie  die  Seele  während  ihrer  zeitlichen  Gebundenheit  an  die  irdische 

o 

Daseinssphäre  in  eine  reiche  lebendige  Erfahrungswelt  hineingetaucht  ist,  so  drückt  sich 
diese  auch  in  ihr  ab  in  dem  Grade,  als  sie  lebendig  von  der  Seele  verinnerlichet  wird; 
sie  träfft  einen  mit  der  Geschichte  ihres  Zeitdaseins  unlöslich  verwobenen  Abdruck  aller 
in  dieses  ihr  Zeitdasein  hineinspielenden  Bezüge  zur  irdischen  Erfahrungswelt  in  sich, 
und  diese  muss  daher  auch,  soweit  sie  zur  eigenen  Geschichte  der  Seele  in  wesentlicher 
Beziehung  steht,  gedankenhaft  in  ihrer  Erinnerung  vergegenwärtiget  sein.  Nur  ist  in 
dieser  Erinnerung  Alles  abgestreift,  was  zum  sinnlichen  Scheine  im  zeitlich- irdischen 
Erfahrunffslebcn  o-ehört;  aber  Alles,  was  in  ihr  vorhanden  ist,  ist  nach  seiner  individuellen 

TD  o  I  '  ' 

Concretheit  in  ihr  vorhanden,  indem  es  eben  nur  in  dieser  Gestalt  als  lebendig  Erlebtes 
sich  der  Seele  eingedrückt  hat  und  ihi-  eingezeichnet  ist.  Die  abstracto  Scheidung  zwischen 
der  anima  intellectualis  und  sensibilis  hebt  sich  auf  in  dem  Begriffe  der  Seele  als  einer 
eognoscitiven  Potenz,  deren  AVesen  lebendige  Inneriuig  und  Erinnerung  ist.  Im  Mittel 
der  fortgesetzten  Innerung  vollzieht  sich  die  geistige  Selbstformation  der  Seele;  das 
Erinnern  aber  nach  seiner  ideellen  Bedeutung  ist  Hervorholung  des  Geinnerten  aus  den 
Tiefen  des  Seeleninneren,  in  welche  es  sich  eingesenkt  hat.  Die  an  den  Abschluss  ihrer 
zeitlichen  Selbstformation  gelangte  Seele  bedarf  keiner  Erinnerung  mehr,  weil  das,  was 
sie  geworden  und  was  sie  aus  sich  selbst  gemacht  hat,  in  lebendiger  Gegenwart  ihr  vor 
Augen  steht.  Die  durch  Zerstörung  des  Leibes  der  Sinnenwelt  entrückte  Seele  ist  die 
vollkommen  in  sich  gesammelte  Seele,  die  durch  nichts  Aeusseres  abgezogen  ganz  bei 
sich  ist  und  so  zu  sagen  nui'  sich  selber  sieht;  aber  eben  deshalb  steht  mittelbar  auch 
alles  dasjenige  vor  ihi-em  Blicke,  was  zu  der  Gestaltung,  die  sie  im  Laufe  ihrer  zeitlichen 
Lebensentwickelung  erlangt  hat,  in  wesentlicher  Beziehung  steht.  AYas  ihr  in  dieser 
Beziehung  äusserlich  geblieben  ist  und  keinen  Einfluss  auf  die  Gestaltung  ihres  inneren 
\Yesens  erlangt  hat,  ist  ihr  als  etwas  dem  blossen  zeitlichen  Sinnengedächtniss  Angehöriges  . 
allerdi]igs  für  immer  entrückt,  und  in  den  (lirund  der  Vergessenheit  versenkt.  Das  Sinnen- 
gedächtniss der  Seele  ist  eben  nicht  das  wahre  Gedächtniss  der  Seele,  sondern  ein  blosses 
Hilfsgedächtniss  derselben  für  ihren  zeitlich-irdischen  Entwicklungsstand;  auch  besteht 
es  nicht  im  Festhalten  der  Sinnesbilder,  sondern  vielmehr  im  Vermögen  der  Wieder- 
erweckung dei'selben,  fällt  also  mit  der  Reminiscentia  zusammen,  von  welcher  Albert 
sagt,  dass  sie  nach  ihrei-  aetiven  Seite  der  ßatio,  oder  wie  wir  von  unserem  Standpunkte 
aus  lieber  sagen,  der  Seele  angehört,  während  wir  den  stofflichen  Inhalt  des  blossen 
Sinnengedächtnisses  für  eine  blosse  Disposition  des  Gehirnes  zur  Reproduction  bestimmter 
sinnlicher  Formen   oder  Lautgebilde  halten. 

Aber  auch  die  Imaginatio,   l'hantasia   und  Aestimativa    können  nicht  so  ausschliess- 
lich, wie  es  von  Albert's  Seite  geschieht,  der  anima  sensibilis    zugetheilt  wei-den.     A  on 


Der  Entwickelungsgang  der  hittelalteklichen  Psychologie  von   Alcuin  ms  Aluertds  Magnus.  137 

Leiden  letzteren  sagt  er  wohl  selber,  dass  in  ihnen,  beim  vernunftbegabten  Menschen 
wenigstens,  etwas  von  der  Ratio  durclischeint.  Was  ihm  aber  zu  beachten  für  seine 
Zeit  noch  sehr  ferne  lag,  ist  der  Zusammenhang  jener  drei  Vermögen  mit  dem  intuitiven 
Vernunft-  und  Idealsinne  der  menschliclien  Seele,  wodurch  sie  zu  Vehikeln  der  eigen- 
artigen, dem  sreistiffen  Wesen  der  Seele  anofemessenen  Innerung  der  sinnlichen  Welt- 
Wirklichkeit  werden.  Die  menschlichen  Imaginationen  sind  im  Unterschiede  von  jenen 
der  sinnlichen  Lebewesen  sinnige  Imaginationen,  in  welchen  etwas  vom  intuitiven  Ver- 
lumftsinne  durchleuchtet;  je  entwickelter  und  gebildeter  der  intuitive  Vernunftsinn  des 
sinnigen  Menschen  ist,  desto  mehr  sind  alle  seine  sinnlichen  Apprehensionen  von  den 
Lichtblicken  jenes  intuitiven  Vernunftsinnes  durchgeistet.  Der  Mensch  sieht  eben 
die  Welt  mit  einem  anderen  Auge  an,  als  das  blosse  Sinnenwesen-,  statt  der  sinnlichen 
Schärfe  des  Falkenauges  ist  ihm  der  Lichtblick  des  Geistes  verliehen,  der  in  die  Seele 
des  Sinnendinges  schaut,  d.  h.  die  Idee  desselben  apprehendirt.  Die  Phantasia  und  Aesti- 
mativa  sind  V^ermögen,  deren  höliere  Zweckbezielmng  in  der  Psychologie  der  peripate- 
tischen  Scholastik  ganz  aus  den  Augen  verloren  wird,  weil  diese  nur  auf  die  Erklärung 
der  menschlichen  Denk-  und  Willensfunctionen  ausgeht,  und  in  ihrer  abstract  i-atio- 
ualisirenden  Tendenz  die  lebendige  Innerungs-  und  Gestaltungsthätigkeit  der  mensch- 
lichen Seele  ausser  Acht  lässt.  Die  Phantasia  als  sinnliches  Vermögen  im  Sinne  der 
Scholastiker  ist  die  Unterlage  des  dichterischen  Gestaltungsvermögens  der  menschlichen 
Seele,  die  Aestimativa  veredelt  sich  zu  einem  liöheren  Seelenvermögen  im  Seelenblicke 
der  ästhetischen  Anschauimg  und  Wahrnehmung.  Die  peripatetisclie  Scholastik  hat  sich 
aus  Aristoteles  den  gedankentiefen  Satz  angeeignet:  Anima  est  quodammodo  omnia,  und 
erklärt  daraus  die  Alles  umfassende  Wahrnehmungsfähigkeit  der  Seele;  die  ideelle  Um- 
bildung und  Vergeistigung  jener  drei  sinnlichen  Vermögen  macht  ersichtlich,  in  welcher 
Weise  die  menschliche  Seele  sich  anschickt,  alles  ilir  Wahrnehmbare  in  die  lebendige 
Form  ihres  eigenen  Seins  und  Wesens  hineinnehinend,  umzusetzen  und  umzubilden. 

In  Folge  des  Gesagten  nimmt  nun  die  anima  sensibilis,  oder  richtiger  gesagt,  die 
Sensualität  der  menschlichen  Seele  eine  ganz  andere  Bedeutung  an,  als  sie  in  der  peri- 
patetischen  Scholastik  hat.  Sie  ist  einfach  nur  die  der  Sinnenwelt  zugekehrte  Seite  der 
menschlichen  Seele,  und  bedeutet  die  dem  leiblosen  Geistwesen  fehlende  eigenartige 
Eindrucksfähigkeit  derselben.  Diese  Eindrucksfähigkeit  begrtindet  den  specifischen  Unter- 
schied der  vernunftbegabten  denkfähigen  Menschenseele  vom  leiblosen  Geistwesen  und 
die  Eigenartigkeit  ihres  intellectiven  Lebens  im  Unterschiede  von  jenem  des  leiblosen 
Geistes.  Zufolge  ihrer  Sensualität  stellt  sich  die  intellective  Menschenseele  als  ein  von 
den  leiblosen  Intellectualwesen  verschiedenes  Drittes  dar,  dessen  geistige  Selbstinnerung 
und  Selbstgestaltung  durch  den  Contact  und  Wechselverkehr  mit  der  irdischen  Sinnen- 
welt bedingt  und  beeinflusst  ist,  jedoch  so,  dass  der  Seele  die  Sinnenwelt  als  solche 
stets  ein  Aeusseres  bleibt,  und  selbst  die  eigene  leibliche  Sinnlichkeit  mit  ihren  imma- 
nenten Trieben  und  Impulsen  als  ein  Fremdes  und  Aeusseres  gegenübersteht,  welches 
sie  unter  sich  zu  halten  sich  berufen  fühlt,  und  schon  im  Progresse  der  natürlichen  Ent- 
wickelung  ihres  imanenten  Selbstlebejis  melir  und  mehr  zu  einem  werkzeuglichen  Unter- 
grunde desselben  herabsetzt.  Im  Kinde  anfangs  völlig  in  Sclilaf  versenkt  und  vom  Walten 
der  Leibesvegetation  überwältiget,  setzt  sie,  zum  irdischen  TagesbcAvusstsein  aufgewacht, 
den  Sinnenleib  bereits  zum  Instrumente  willkürlicher  Bewegungen  herab,  und  lernt  sich 
in  den  Gebrauch  desselben  zu  Zwecken  willkürlicher  Handlungen  ein;  der  bis  zu  einem 

DeukschriftcD  der  phil.-lust.  Cl.  XXV.  l'.d.  18 


■j^gg  K.  Webner. 

bestimmten  Grade  erstarkte  Siiiiienleib  dient  der  Seele  als  Ständer  und  Halter  des  in 
ihr  sich  aufschliessenden  immanenten  Selbstlebens,  das  sinnliche  Wuiirnclimungsleben 
wird  zum  Untergrunde,  Medium  und  Vehikel  der  intellectiven  Seclenfunctiunen,  die  auf 
die  geistige  Aneignung  und  ßeproduction  der  in's  denkhafte  Selbstleben  der  Seele  hincin- 
genommenen  sichtbaren  Weltwirldichkeit  abzwecken.  llikdcsichtlirh  dieses  werkzeuglichen 
Vi'rhaltens  der  sinnlichen  Leiblichkeit  zu  den  intellectiven  Functionen  des  Seelenlebens 
kann  allerdings,  wie  schon  erwähnt,  der  Mensch  in  platonischer  Weise  als  eine  von 
den  Organen  der  sinnlichen  Leiblichkeit  bediente  Intelligenz  detinirt  werden;  nur  darf 
hiebei  die  durch  den  Sinnengrund  des  menschlichen  Intellectivlebens  bedingte  und  beein- 
flusste  Art  und  Form  desselben,  die  es  specifisch  von  jenem  der  i-einen  Intelligenzen 
imterscheidet,  nicht  übersehen  werden. 

Je  reicher  und  voller  das  immanente  Selbstleben  der  Seele  sich  gestaltet,  desto 
bestimmter  scheidet  es  sich  vom  sinnlichen  Selbstleben  des  Leibes  ab,  das  als  solches 
seinen  eigenen  Trieben  und  Begehrungen  folgt  und  in  einer  relativen  Unabhängigkeit 
vom  intellectiven  Selbstleben  der  Seele  sich  entwickelt.  Damit  ist  nun  innerhalb  der 
Persons-  und  Wesenseinheit  des  Menschen  eine  Lebensdualität  involvirt,  die  allerdings 
dadurch,  dass  das  sinnliche  Selbstleben  nur  Unterlage  des  höheren  immanenten  Selbst- 
lebens der  Seele  ist,  und  iiberdiess  nur  in  Kraft  der  dem  Leibe  immanenten  Seele  sich 
actuiren  kann,  keine  Dualität  zweier  von  einander  unabhängiger  Lebensprincipien  be- 
deutet, aber  auch  den  Gredanken.  als  ob  die  Seele  durch  sich  selber  schon  unmittelbar 
das  Leben  des  Leibes  wäre,  oder  der  Leib  sein  Leben  in  der  Seele  hätte,  aussckliesst. 
Die  Scholastiker  anerkennen  natürlich  die  Thatsache  der  Lebendigkeit  des  Leibes,  dringen 
aber  nicht  zum  Gedanken  eines  relativen  Selbstlebens  des  Leibes  vor,  weil  ihre  Betrach- 
tungsweise überhaupt  nicht  bis  in  die  Reigion  des  sinnlichen  Trieblebens  herabstieg, 
sondern  bei  der  Reflexion  auf  das  bewusste  Begehren  und  Verabscheuen,  welches  als 
solches,  gleichviel  ob  es  ein  rationales  oder  sinnliches  ist,  immer  ein  Act  der  Seele  ist, 
stehen  blieb.  Dass  im  bewussten  sinnlichen  Begehren  oder  Verabscheuen  die  dem  leib- 
lichen Leben  immanenten  Triebe  sich  im  seelischen  Denken  und  Empfinden  zur  Geltung 
bringen,  wurde  von  ihnen  nicht  beachtet,  sondei-n  nur  der  Umstand  wahrgenommen, 
dass  sie  sich  auf  eine  ungeordnete,  für  die  gesollte  unabhängige  Selbstigkeit  und 
ungetrübte  Reinheit  des  seelischen  Lebens  störende  Ai-t  zur  Geltung  bringen,  und  das 
Begehren  der  Seele  zu  demjenigen  hinziehen,  was  der  Mensch  nicht  erlaubter  Weise 
begehren  kann.  Diesen  ungeordneten  Zug  des  Begehrens  nannten  sie  sensualitas;  Alexander 
Halesius,  der  sie  unter  den  Bewegungskräften  der  anima  sensibilis  zur  Sprache  bringt,' 
bemerkt,  die  vorchristlichen  und  weltlichen  Philosophen  hätten  in  ihrer  Analyse  der  vires 
motivae  der  Seele  diese  Bewegungskraft  übersehen,  und  überhaupt  gar  nicht  als  beson- 
dere Potenz  erkannt,  weil  sie  um  das  peccatum  originale  nicht  wussten,  dessen  Straffolge 
die  Sensualitas  sei."  Wie  aber  die  Straffolge,  d.  h.  die  relative  Emancipation  der  sinn- 
lichen Leiblichkeit  von  der  Herrschaft  der  vernunftbegabten  Seele  möglich  war,  erklärt 
auch  die  peripatetische  Scholastik  nicht,  weil  sie  eben  um  das  relative  Selbstleben  der 
sinnlichen  Leiblichkeit  niclit  weiss,  in  welchem  die  Möglichkeit  jener  relativen  Eman- 
cipation   begründet    war.     Uebi'igens   würde    die  Ilerausi'ückung  der  sinnlichen   Leiblieh- 


1  Summ,  theol.  O.  c.  II,  qu.   68. 

2  Äelmlich  Albert  Summ,  de  creat.  II,  ü7 


DliK  EnTWICKELUNGSGANÖ  der  MITTELALTERLICHEN'    PSYCHOLOGIE    VON     AlCUIN  BIS    ALBERTUS     MaGNUS.  139 

keit  aus  dem  Orte  der  Seele  für  sich  allein  noch  nicht  das  ordnungswidrige  sinnliche 
Begehren  erklären,  wenn  jene  Herausrückung  nicht  zufolge  des  zeitlich  unzerreiss- 
lichen  Haftens  des  Leibes  an  der  Seele  zugleich  aucli  eine  Hineinrückung  der  Seele  in 
den  Ort  des  Leibes  nach  sich  ziehen  würde .  wodurch  es  eben  möglich  und  zugleich 
auch  veranlasst  wird,  dass  sich  ihr  die  Begehrungen  des  Leibes  ungeordneter  Weise 
gewisser  Massen  als  ihre  eigenen  aufdringen,  weil  sie  nunmelir  die  Zustände  ihres  Leibes 
gewisser  Massen  als  ihre  eigenen  empfindet  und  ansielit.  So  geschieht  es,  dass  das  Con- 
cupiscibile  und  Irascibile,  welche  von  Alexander  und  Albert  als  Constituenten  der  Sen- 
sualitas  als  vis  motiva  bezeichnet  werden,  als  , Kräfte'  in  der  Seele  vorhanden  sein  können, 
übschon  sie,  sofern  sie  der  Seele  eignend  gedacht  werden,  primär  als  l'assiones  (Leiden- 
heitszustände  und  Leidenheitsmotionen)  der  Seele  zu  bezeichnen  wären.  Um  dieser  die 
Seele  beschwerenden  und  drückenden  Leidenheitszustände  willen  konnte  von  den  Plato- 
nikern  der  zeitliche  Sinnenleib  als  ein  Kerker  der  Seele  aufgefasst  wei'den,  was  unter 
einem  bestimmten  Gesichtspunkte  auch  wahr  ist,  sofern  man  nämlich  das  leibfi-eie  Sein 
der  Seele  nicht  mit  dem  leiblosen  Sein  derselben  identificirt,  wodurch  eben  der  Begriff 
der  Seele  als  Wesensform  und  Formprincip  einfach  aufgehoben'  würde.  Der  schola- 
stischen Ei'klärung  der  Sensualitas  muss  übrigens  zugestanden  werden,  dass  sie,  obschon 
nicht  vom  Standpunkte  einer  durchgebildeten  anthropologischen  Betrachtung  gegeben, 
um  eine  möglichst  objective  Beiirtheilung  des  gegebenen  Sachverhaltes  sich  bemüht, 
und  unterlässt,  dasjenige  Sünde  zu  nennen,  was  nicht  Sünde  ist.  Sie  einiget  in  ihi'er 
Erklärungsweise  einen  dreifachen  Standpunkt:  den  sogenannten  natürlichen,  d.  i.  rein 
empiristischen,  den  ethischen  und  den  theologischen.  Dieser  dreifache  Standpunkt  gibt 
sich  kund  in  der  Bemerkung  Alexander's,  dass  die  Sensualitas  zunächt  als  etwas,  was 
der  Mensch  mit  dem  Thiere  gemein  hat,  weiter  aber  nach  ihrem  A'erliältniss  zur  mensch- 
lichen ßatio  in  Betracht  komme,  und  dass  endlich  drittens  zu  fragen  sei,  ob  und  wie 
ferne  in  den  Regungen  der  Sinnliclikeit  etwas  Sündhaftes  sei.  Er  stellt  nicht  in  Abrede, 
dass  das  Vorhandensein  derselben  ein  sittliches  Gebrechen  sei,  und  ihr  Auftauchen  als 
etwas  Unreines  unter  den  Begriff  der  Sünde  falle;  aber  von  einer  Todsünde  oder  schweren 
Verschuldung  von  Gott  könne  keine  Rede  sein,  wenn  die  moralische  Zustimmung  zu 
ihnen  nicht  vorlianden  ist. 

Die  Erörterungen  über  das  intellective  Leben  der  Seele  werden  in  der  peripatetischen 
Scholastik  unter  den  doppelten  Gegensatz  des  Intellectus  possibilis  und  agens,  Intellectus 
speculativus  und  practicus  subsumirt.^  Unter  dem  Intellectus  possibilis  versteht  Albert  die 
Vermöglichkeit  der  menschlichen  Seele  zum  intellectiven  Erkennen;  der  Intellectus  agens 
ist  die  Kraft,  mittelst  welcher  die  Seele  das  ihr  mögliche  intellective  Erkennen  auswirkt. 
Der  Intellectus  agens  ist  unmittelbar  eine  Kraft  der  Seele  selber,  und  verhält  sich  zum 
Intellectus  possibilis,  wie  das  Quo  est  der  Seele  zum  Quod  est  derselben,  oder  Avie  der 
Actus  zur  Potenz.  Hat  die  menschliche  Seele  nach  ihrem  Quod  est  die  Vermöglichkeit 
des  intellectiven  Erkennens,  so  setzt  der  Intellectus  agens  diese  Möglichkeit  und  Vermög- 
liclikeit  des  intellectiven  Erkennens  in  die  Wirklichkeit  desselben  über,  er  ist  der  der 
menschlichen  Seele  eignende  Auswirker  der  rationalen  Erkenntniss.  Er  vollzieht  die  Aus- 
wirkung durch  Hervorziehung  der  Species  intelligibilis  aus  der  dem  Intellectus  possi- 
bilis eingedrückten  Species  sensibilis  des  wahrgenommenen  sinnlichen  Objectes,  und  macht 


'    Siehe   Albert  Suiiiin.  de  creiit.  II,  qu.   54  ff. 

18* 


1  in  K.   Weuner. 

hiedurcli  das  potentiell  in  der  Seele  vorhandene  Intelligibile  zu  einem  actu  intelligibilo 
oder  Intellectuni.     Setzen   wir  diese   Terminologie  in   unsere  heutige  Sprechweise  um,  so 
sagt  Albert,  dass  sich  das  intollective,  d.  li.  auf  die  Allgemeinbegriffe  der  Dinge  bezügliche 
Denken  im  intellectiven  \\'csen  der  Seele   vc^rmittelt,  welche  die  Fähigkeit  hat,    die  Ein- 
drücke der  Sinnendinge  in  der  Form   sinnlicher  Vorstellungen  in   sicli  aufzunehmen,   und 
krafr   ihres   intellectiven  Wesens  in  intellective  Gedanken  umzusetzen.     Die  Thätigkeit  des 
Intellcctus    beschränkt   sich    aber   nicht  auf  die  Hervorziehung  der  reinen  Intelligibilien 
aus   den   sinnlichen  Vorstellungen,    sondern    schreitet    dann   weiter   auch   im   Aneinander- 
halten  der  actuirten  Gedanken  zu  den  logischen  Functionen  des  Urtheilens  und  Schliessens 
vor,  um  aus  der  intellectiven  Erkenntniss  des  Einzelneu  ein  zusammenhängendes  Wissen 
zu  erzeugen.    Dieses  Wissen  muss,  nach  der  Beschaffenheit  der  Grundlagen  und  Voraus- 
setzungen   der  Erkenntnisslehre  Albert's    und    der    peripatetischen   Scliolastik   insgemein, 
durchaus  einen  demonstrativen  Charakter  haben;    das  Wissensziel  derselben   ist  eine  auf 
der  Grundlage    der    zeitlichen   Erfahrungserkenntniss    des   Menschen    aufgebaute    demon- 
strative  Vernunfterkenn tniss,   deren   geistige  Hinterlage   die   durch   den  Intellectus  agens 
actuirten  Gedanken    der    sinnlichen    Einzeldinge    sind.     Sofern    die    zeitliche    Sinnenwelt 
durch    sich    selbst    auf    eine    überzeitliclie    und    überweltliche   Causalität    ihres    Daseins 
hinweist,    reicht    allerdings    diese    demonstrative    Erfahrungswissenschaft    weit    über    die 
empirische    Wirklichkeit    hinaus,     und    ist    geeignet,    das    menschliche    Denken    in    den 
Zusammenhang  einer  geistig  aufgegriffenen  allgemeinen,  und  alles  Seiende  umfassenden 
Ordnung  hineinzuführen.     Sofern  in  dieser  Art  des  Denkvorgehens   die  höhere  übersinn- 
liche   und    unsichtbare  Wirkliclikeit    aus    der    sinnlichen,  sichtbaren  Wirklichkeit  abstra- 
hirt  wird,    muss    sie    nach  Analogie    der    sichtbaren  Weltordnung    gedacht    werden,    und 
erscheint  als  die  höhere  verallgemeinernde  Fortsetzung  der  ihr  eingegliederten  sichtbaren 
Ordnung,    deren  Umschluss    und    Abschluss    sie    bildet.     Im  mikrokosmischen  Menschen- 
gebilde ist  diese  ganze  Ordnung  in  verjüngtem  Massstabe  nachgebildet;    während    seine 
sichtbare    leibliche    Erscheinung   den    Gegensatz    der    sichtbaren    Ober-    und    Niederwelt 
darstellt    und    zur  Einheit    vermittelt,    reproducirt    seine    seelische  Innerlichkeit    in   ihrer 
dreifachen  Begabung  als  leibliches  Vegetationsprincip,  als  Sensations-  und  Intellections- 
princip   die  Reihe  der  Lebewesen  vom  niedersten  irdischen  Lebenskreise   an  bis  zu  den 
leiblosen    Intelligenzen    hinan,    mit    deren    Ordnung    die    menschliche    Seele    in    der  auf- 
steigenden Reihe    der  Lebewesen    zunächst    sich    berührt,    und    erfasst,    über   sie   hmaus- 
greifend,    im  Denken    unmittelbar    das  Höchste,  Göttliche    selbe*-,    dessen  Ideen  von   den 
Weltdingen   ihr,    wie    Albert    ausdrücklich    sagt,    concreirt    sind,    obwohl    sie    dieselben, 
in    der    irdischen  Zeitlichkeit    nur    durch    das  Mittel   der  sinnlichen  Anschauung,  und  so 
weit  der  Bereich  dieser  reicht,  in  sich  zu  actuiren  vermag.    Man  sieht,  dass  Albert  von 
seinem  Denkstandpunkt    aus    zu  einer  Universalanschauung  der  Dinge  vorzudringen  ver- 
mag. Aber  das  Denken,  durch  welclies  er  sie  erringt,  ist  ein  relatives  Aufgehen  in  der 
Welt  der  Gegenständliclikeiten,  in  welche  es  versenkt  ist;  die  Kraft  der  centralen  Zusammen- 
fassung des  in  seiner  unermesslichen  Ausbreitung  erfassten  Ganzen   muss  da  fehlen,  wo 
die  menschliche  Seele  noch  nicht  selber    als   die  allgemeine  geistige  Fassung  der  Welt- 
dinge erkannt  worden  ist,  und  die  Functionen  des  Intelleetes  sich  auf  die  ideellen  Appre- 
hensionen  der  Einzeldinge  beschränken.  Alles  Weitere,  was  sich  an  diese  Apprehensionen 
knüpft,   ist    bloss   logische  Denkfunction,    die   auf  Grund  eines  dem  Intellecte  eignenden 
Habitus  prineipiorum  vor  sich  geht;  diese  Principia  selber  sind  rein  formale  Regulativ- 


Der   Entwickelungsgang  der  mittelalterlichen   Psychologie  von   Alcuin  bis  Alueutüs   Magnus.  141 

principien  des  logischen  und  sittlichen  Denkens,  durch  welche  eine  richtige  Verbindung 
und  Verknüpfung  der  ideellen  Apprehensionen  des  Intellectes,  und  die  richtige  Abfolge 
der  Conclusionen  aus  den  intellectiven  Apprehensionen  sichergestellt  ist,  während  sie 
selber  einfach  als  gegebene  Thatsachen  hingenommen  werden.  Sobald  das  scholastische 
Denken  vom  Artbegrift"  zum  Genus  aufsteigt,  tritt  es  aus  dem  Bereiche  der  Idealappre- 
hension  heraus  und  auf  den  Boden  des  bloss  formalen  Denkens  hinüber;  dass  die  Älehr- 
heit  diflferenter  Arten  selbst  wieder  nur  eine  lebendige  Explication  der  Idee  eines  bestimm- 
ten gencrischen  Seins  sei,  wird  auf  diesem  Standpunkte  eben  so  wenig  erfasst,  als  die 
lebendige  Verschlingung  der  Genera  unter  einander  und  die  in  diese  Verschlingung 
aufgenommene  Wechselbeziehung  alles  unter  die  Genera  fallenden  besonderen  Seienden; 
und  so  kann  dann  die  Seele,  welche  als  abschliessende  höchste  Form  alles  Sichtbaren  den 
intellectiven  Begriff  alles  ihr  subordinirten  Seins  in  sich  aufgehoben  tragen  muss,  freilich 
nicht  dazu  kommen,  Idealapprehensionen  aus  sich  zu  erzeugen,  die  über  die  Species  der 
Einzeldinge  hinausgingen.  Dass  jede  Idee  eines  besonderen  Dinges  in  einer  höheren 
Idee,  diese  in  einer  in  ihrer  Art  höchsten  aufgehoben  sein  müsse,  und  alles  unter  die- 
selbe Befasste  aus  ihi-  heraus  erkannt  werden  müsse,  dass  ferner  die  Seele  die  Ideen 
aus  den  Dingen  nicht  abziehe,  vielmehr  in  sie  hineinschaue,  dass  die  gesammte  der  Seele 
subjicirte  Wirklichkeit  in  ihr  gleichsam  sich  selbst  licht  und  durchsichtig  werde,  wenn 
schon  dieses  Licht  im  Vergleiche  mit  jenem  der  höchsten  reinen  Intelligenz  ein  schwaches 
dämmei-ndes  Licht  ist,  wii-d  auf  dem  Standpunkte  der  peripatetisch  -  scholastischen  Spe- 
culation  nicht  erkannt.  Gleichwohl  vollzieht  sie  speculative  Idealfunctionen,  die  über  die 
von  ihr  selbst  den  Idealapprehensionen  gezogenen  Gränzen  hinausgehen;  wenn  sie  jegliches 
Sein  einer  niederen  Art  in  dem  allgemeineren  einer  nächst  höheren  Art,  die  Elemente 
im  leblosen  corpus  mixtum,  dieses  in  der  Pflanze,  die  Pflanze  im  Thiere  u.  s.  w.  auf- 
gehoben sein  lässt,  so  vollzieht  sie  Acte  einer  Idealapprehension,  welche  sie  fälschlich 
für  blosse  Aufweisungen  erfahrungsmässiger  Thatsächlichkeiten  hält.  Sie  trägt  also  einen 
speculativen  Denkgehalt  in  sich,  dessen  sie  sich  selbst  nicht  als  solchen  bewusst  ist,  und 
übt  Haushaltung  mit  einem  Gute,  über  dessen  Werth  und  Bedeutung  sie  sich  bei  sich 
selbst  nicht  vollkommen  verständiget.  So  verhält  es  sich  auch  mit  ihrer  Anschauung  von 
der  Seele  als  einer  Quodammodo  similitudo  omnium;  beschränkt  sich  der  Begriff  dieser 
Omnia  nicht  auf  die  Einzeldinge  als  solche,  rechnet  man  zur  wahrhaft  geistigen  Erkennt- 
niss  ihre  vielfältige  Verschlingung  und  Wechselbeziehung,  die  Eines  aus  dem  Anderen, 
und  Alles  aus  einem  in  ihnen  sich  explicirenden  Höchsten  bestimmter  Art  erklärt,  fasst 
man  endlich  die  Omnia  selbst  als  lebendige  Einheit  und  Totalität,  so  muss  die  Seele 
nicht  bloss  das  A  ermögen  ideeller  Einzelapprehensionen  haben,  sondern  ihrem  Wesen 
nach  die  Kraft  ideeller  Durchdringung  des  sichtbaren  Weltganzen  in  der  Macht  leben- 
diger Erkenn tniss  sein;  sie  muss  die  Welt  als  lebendiges  Totum  aus  sich  zu  reproduciren 
vermögen.  Dann  aber  ist  es  unpassend  zu  sagen,  dass  die  Ideen  der  Dinge  der  Seele 
concreirt,  also  gewisser  Massen  ihrem  eigenen  Sein  aufgesetzt  seien;  es  gehört  zu  ihrem 
intellectiven  Wesen,  diese  Ideen  aus  sich  selbst  hervorzustellen,  und  die  Berührungen  mit 
der  äusseren  AMrklichkeit  sind  für  sie  nur  Anstösse  und  Sollicitationen,  diese  Ideen  aus 
sich  selbst  hervorzubringen,  wobei  unerörtert  bleiben  mag,  wie  viel  und  wie  weit  die 
Erfahrung  und  erfahrungsmässige  Wirklichkeit  auf  den  inneren  iMenschen  einwirken  muss, 
um  die  Seele  zu  solchen  intellectiven  Bethätigungen-  ihrer  selbst  zu  vermögen. 


J42  K.   WmiNKR, 

Die  Seele  ist  ilirom  AVescii  nach  cognoscitiv  und  intellectiv,  und  es  ist  demzufolge 
unthunlicli  und  uiuuigeinesson,  ihre  Erkeniitnissfähigkeit  von  ihrem  Wesen  abzutrennen. 
Sie  ist  nur  nicht  das  Erkennen  selber,  so  wenig  das  Auge  das  Sehen  selber  ist;  sie  ist 
auch  die  Kraft  des  Erkcmnens  nicht  schlechthin,  weil  ihre  Erkenntniss  keine  absolute, 
sondern  eine  bedingte  und  begränzte  ist,  obschon  sie  eine  Kraft  des  Erkennens  per 
eminentiam  ist,  weil  eben  das  intellective  Erkennen  das  wahre,  eigentliche  Erkennen 
ist.  Aber  sie  ist  ihrer  Natur  nach  intellectiv,  und  in  diesem  Sinne  mag  man  von  ihrer 
Intellectivität  wohl  sagen,  was  Albert  vom  Intellectus  possibilis  sagt:  Fluit  ab  ea,  quod 
(anima)  est.  Nur  darf  dieses  Fluere  nicht  in  jenem  metaphysisch  -  realistischen  Sinne 
genommen  werden,  in  welchem  Albert  es  versteht,  sondern  bloss  als  die  bildlich  aus- 
gedrückte  Aussage  einer  denknothwendigen  Folgerung  aus  dem  Wesen  der  Seele,  deren 
unverlierbares  Attribut  eben  aus  ihrem  Wesen  fliesst.  Freilich  kann  man  nicht  sagen, 
dass  ihre  denknothwendige  und  von  iJirem  Sein  unabtrennbare  Intellectivität  ihr  ganzes 
Sein  und  Wesen  erschöpft.  Sie  ist  ja  nicht  bloss  ein  denkhaftes,  sondei'n  auch  ein 
begehrendes  Wesen;  und  der  Grund  ihres  denkhaften  und  begehrenden  Wesens  ist  nicht 
selbst  wieder  Denken  und  Begehren,  sondern  der  denknothwendige  reale  Träger  beider 
Functionen,  die,  wie  sie  von  einander  unterschieden  sind,  auch  ein  von  Beiden  unterschie- 
denes Gi'undseiendes  voraussetzen,  das  weder  im  Denken  noch  im  Begehren  aufgeht,  ob- 
schon letzteres  dem  Grunde  der  Seele  noch  näher  ist,  und  das  Wesen  derselben  von  einer 
allgemeinei'en  Seite  charakterisirt,  als  der  von  der  Seelennatur  unabtrennliche  intellective 
Charakter  derselben.  Das  Begehren  der  unerfüllten  Seele  steigt  aus  dem,  dem  Selbst- 
sehen der  Seele  entzogenen  Grunde  ihres  AVesens  auf,  und  weist  instinctiv  auf  denjenigen 
hin,  in  welchem  sie  die  absolute  Ausfüllung  und  Befriedigung  ihrer  selbst  sucht;  das 
Begehren  ist  der  Seele  als  Creatur  eigen,  die  Intellectivität  ist  ihr  eigen,  sofern  sie  Geist 
ist.  Da  sie  aber  nicht  der  absolute  Geist,  und  demzufolge  auch  nicht  absolut  Geist  ist, 
so  muss  in  ihr  dasjenige,  dessen  Wesensqualität  die  Geistigkeit  ist,  als  Substrat  und 
Träger  derselben  von  der  Wesensqualität  selber  unterschieden  werden.  Hieraus,  dass  in 
der  Seele  dasjenige,  quod  substat,  niciit  in  der  Intellectivität  als  solcher  aufgeht,  erklärt 
sich  die  Möglichkeit  ihrer  lleceptivität  für  Sinneseindrücke  und  ihrer  Coalescenz  mit 
dem  Sinnenleibe,  dessen  Empfindungszustände  in  gewissem  Sinne  ihre  eigenen  Zustände 
sind.  Die  Cartesische  Philosophie  that  demnach  nicht  wohl,  die  scholastische  Unter- 
scheidung zwischen  Substanz  und  Kräften,  Wesen  und  Vermöglichkeiten  der  Seele  zu 
verwerfen;  nur  dürfen  freilich  die  , Vermögen'  nicht,  wie  es  in  der  etwas  äusserlichen 
Sprech-  und  Denkweise  der  peripatetischen  Scholastik  mitunter  den  Anschein  hatte,  als 
etwas  der  Substanz  Affigirtes,  zu  derselben  Hinzugekommenes  angeseben  und  behandelt 
werden.  Es  wäre  diess  eben  so  ungehörig,  als  die  oben  erwähnte  Vorstellung  von  einem 
Ausfliessen  oder  Ilervorfliessen  der  intellectiveYi  Potenzen  aus  der  intellectiven  Seelen- 
substanz; die  bildliche  Ausdrucksweise  ist  da,  wie  Leibniz  gelegentlich  bemerkte,  eigent- 
lich nur  eine  Verlegenheitsphrase,  welche  die  Stelle  des  rationalen  Gedankens  vertreten 
soll.  Indem  wir  in  den  geschaffenen  Intelligenzen  das  Substans  (id  quod  substat)  von 
der  Qualität  und  Begabung  des  Intelligenzwesens  abtrennen,  dürfen  wir  weiter  auch  den 
specifischen  Unterschied  zwischen  den  Substanzen  des  seelischen  und  englischen  Wesens 
nicht  verkennen,  deren  erstere  eine  Wesensverbindung  mit  der  sinnlichen  Leiblichkeit 
verträgt  und  fordert,  während  die-  letztere  sie  ausschliesst.  Ist  die  menschliche  Seele 
ihrer   Natur  nach  sensibel,   so  bedarf  es  nicht  der  Annahme  einer  besonderen,  gleichsam 


Der  Estwickklungsgang  der  mittelalterlichen   Psychologie  von  Alcuin  bis  Albertus   Magnus.  143 

in  der  anima  intellectiva  aufgehobenen  anima  sensibilis,  so  wie  weiter  die  natürliche 
Lebendigkeit  des  Seelenwesens,  die  zufolge  des  höheren,  die  organische  Leiblichkeit 
weit  tiberragenden  Essentialitiitsgrades,  der  Belebungswirkung  auf  den  Leib  nicht  bar 
gedacht  werden  kann,  die  Annahme  einer  im  intellectiven  Seelenwesen  gleichsam  auf- 
gehobenen anima  vegetativa  als  überflüssig  erscheinen  lässt.  Der  Satz  aber,  dass  die 
menschliche  Seele  wesentlicli  und  ihrer  Natur  nach  sensibel,  also  niclit  rein  Geist  sei, 
macht  es  möglich,  die  bereits  von  den  mittelalterlichen  Mystikern  angestrebte  Verleben- 
digung des  scholastischen  Seelenbegriflfes  anzubahnen,  und  den  specifischen  Ort  für  die 
Memoria  aufzufinden,  rücksichtlich  dessen  Albertus,  wie  wir  oben  sahen,  augenscheinlich 
in  einer  gewissen  Verlegenheit  war.  Der  menschlichen  Seele  ist  das  Innern  und  Erinnern 
wesentlich;  die  Stätte  der  Innerung  und  Erinnerung  ist  das  Herz,  dessen  leibliche 
Basirung  und  Locirung  bereits  anzeigt,  welche  Stellung  ihm  gegenüber  dem  im  Haupte 
tlironenden  Willen  und  Verstände  angewiesen  ist.  Zugleich  aber  ist  das  Herz  als  Gemüth 
der  Grundansatz  der  menschlichen  Selbstigkeit,  die  als  eine  entwickelte  imd  ausgebildete 
im  intellectiven  Elemente  sich  mit  sich  vermittelt  und  zur  o-eistig-- sittlichen  Geltung 
bringt.  Ist  die  Seele  wesentlich  sensibel,  so  begreift  sich  auch,  weshalb  die  mensch- 
liche Seele  im  Unterschiede  von  den  intellectiven  Engelnaturen  wesentlich  das  Prädicat 
Rationalis  hat-,  Rationalität  und  ]Moralität  sind  die  specifischen  Perfectionen  des  irdischen 
Zcitlichkeitsstandes  der  Seele,  welchem  mit  Rücksicht  auf  das  geschichtliche  Zeitdasein 
des  Menschen  auch  die  Seelenvermögen  der  Memoria  und  Reminiscentia,  von  welchen 
wir  Albert  oben   sprechen  liörten,   als  Zeitgedächtniss  specifisch  appro]3riirt  sind. 

Der  Intellectus  agens  bedeutet  als  Auswirker  des  intellectiven  Erkennens  in  der  Sprech- 
weise Albert's  dasjenige,  was  wir  Geist  nennen  würden;  wenn  er  ihn  von  dem  Quo  est 
oder  Forniprincip  der  intellectiven  Menschenseele  ableitet,  so  will  damit  wohl  nichts 
anderes  gesagt  sein,  als  dass  er  das  Activprincip  der  intellectiven  menschlichen  Erkennt- 
niss  ist,  und  die  Intellectivität  zur  unabtrennlichen  Wesensform  der  menschlichen  Seele 
gehöre,  wie  Albert  gegen  die  emanationistisch-illuministische  Anschauungsweise  Avicenna's 
zu  betonen  sich  gedrungen  fühlte.  Der  Intellectus  agens  ist  die  der  menschlichen  Seele 
immanente  und  wesentlich  eignende  geistige  Lichtkraft,  in  deren  Macht  das  'gesammte 
immanente  Selbstleben  der  Seele  sich  geistig  hellen  soll.  Bei  dieser  Erweiterung  und 
Vertiefung  seiner  Bedeutung  aber  hört  er  auf,  ein  besonderes  Vermögen  zu  sein,  was 
auch  nothwendig  ist,  weil  er  als  besonderes  Vermögen  im  Organismus  der  Seelenkräfte 
auf  Kosten  des  sittlichen  Willens  die  oberste  Stelle  einzunehmen  hätte.  Albert  ist  zwar 
weit  davon  entfernt,  die  Vokmtarietät  der  menschlichen  Handlungen  oder  die  Wahlfreiheit 
des  menschlichen  Willens  in  Abrede  zu  stellen,  behandelt  aber  das  Willensvermögen 
doch  ganz  nur  in  Gefolge  des  Intellectionsvermögens,  und  kommt  nicht  dazu,  es  als 
Vermögen  der  persönlichen  Selbstbestimmung  zu  fassen.  Er  subsumirt  den  Willen  unter 
den  allgemeinen  Begriff  des  Begehrens,  und  definirt  ihn  als  das  Begehren  der  anima 
rationalis.  Das  Begehren  als  solches  ist  auf  das  Gute  gerichtet;  das  Begehren  der  anima 
sensibilis  geht  auf  das  in  die  sinnlich -räumliche  Gegenwart  gerückte  besondere  Gut 
(bonum  sub  hie  et  nunc),  das  Begehren  der  anima  rationalis  auf  dasjenige,  was  unab- 
hängig von  solchen  particularisirenden  Beschränkungen  gut,  ein  schlechthin  Gutes  ist. 
Die  Wahlfreiheit  besteht  im  Vermögen,  zwischen  dem  bonum  in  se  und  bonum  sub  hie 
et  nunc,  so  wie  zwisclien  dem  bonum  simpliciter  und  malum  simpliciter  eine  Wahl  treffen 
und  für  eines  von  Beiden  sich  entscheiden  zu  können.   Wer  sieht  nicht,  dass  dieses  Vei'- 


144  ^'  Wehner. 

inügcii  der  iVciiMi  AN'alil  imniitcn  verschiedener  und  entgegengesetzter  Begehrungsantriebe 
(IrrANille  im  rio-entlichen  Sinne  des  Wortes  und  demzufolge  etwas  seinem  Begriffe  nacli 
vom  Beo-eliren  als  solchem  Verschiedenes  ist?  Man  kann  also  mit  ffutem  Grunde  sajj'en, 
dass  die  Thelematologie  Albert's  nicht  bloss  ganz  unl'ei'tig,  sondern  in  einem  sehr  wesent- 
lichen Punkte  sogar  mangelhaft,  um  nicht  zu  sagen,  fehlerhaft  ist.  Der  Grund  dessen 
liegt  unzwcifelluvft  durin,  dass  Albert  nach  dem  Vorgange  und  Muster  seines  Lehrers 
Aristoteles  nur  die  Natur  der  Seele,  d.  i.  die  Seele  nur  als  unpersönliches  Substantial- 
wcsen  in's  Auge  fasste  und  zergliederte.  Der  Wille  als  Vermögen  der  Zwecksetzung 
lieisst  bei  ilim  Intellectus  practicus;  diess  ist  in  soferne  richtig  gesagt,  als  der  AVillc 
dem  Geiste  angehört  und  der  Geist,  wie  er  Uenkkraft  ist,  so  auch  Kraft  und  Vermögen 
der  Selbstbestimmung  ist.  Aber  der  Intellectus  als  solcher  ist  doch  immer  nur  ein 
Habitus  des  Erkennens,  der  Intellectus  practicus  ein  Habitus  des  Erkennens  quoad  agi- 
bilia;  somit  ist  nicht  er  der  Handelnde  oder  zum  Handeln  Bestimmende,  sondern  er  ist 
nur  der  geistige  Veranlasser  des  Handelns,  und  es  ist  schon  zu  viel  gesagt,  wenn  ihn 
Albert  als  Motor  des  Handelns  oder  des  Willens  bezeichnet.  Der  Intellect  kann  nie 
Beweger,  er  kann  nur  Erreger  des  Willens  sein;  denn  der  menschliche  Wille  bewegt 
sich  aus  sich  selbst,  er  ist  seinem  Wesen  und  Begriffe  nach  das  Vermögen  persönlicher 
Selbstbestimmung.  Dieser  Begriff  des  Willens,  der  mit  der  Idee  der  persönlichen  Selbstig- 
keit  des  Menschen  aufs  engste  verwachsen  ist,  ist  nun  bei  Albert  offenbar  nicht  heraus- 
gebildet, und  jeder  Anlauf  dazu  ist  schon  im  Voraus  durch  die  Bestimmungen 
über  den  Intellectus  pi-acticus  niedergehalten,  die  er  aus  Avicenna  in  seinen  eigenen 
Denkzusammenhang  herübernimmt.  Denn  in  diesen  Bestimmungen  tritt  der  Intellectus 
practicus  wenigstens  formell  geradezu  an  die  Stelle  der  persönlichen  Selbstbestimmung.' 
So  weit  er  speciell  auf  das  sittliche  Handeln  und  Wirken  bezogen  ist,  ist  er  mit  der 
sittlichen  Vernunft  identisch;  denn  als  Habitus  der  obersten  Grundsätze  und  Gebote 
des  sittlichen  Handelns  ist  er  ja  mit  der  Synderesis  identisch,^  und  soweit  er  darauf 
ausgeht,  die  rechte  sittliche  Ordnung  im  geistig  -  sinnlichen  Wesen  des  Einzelmenschen 
und  in  der  menschlichen  Societät  zu  schaffen  und  anzubahnen,  fungirt  er  als  werkthätige 
sittliche  Vernunft.''  Die  sittliche  Vernunft  erscheint  da  als  eine  besondere  Abtheiluno- 
der  allgemeinen  praktischen  Vernunft,  oder  wie  Albert  sicli  ausdrückt,  des  Intellectus 
practicus,  dessen  Aufgabe  im  Allgemeinen  ist,  die  dem  menschlichen  Verstände  unter- 
thane  Wirklichkeit  schaffend  und  ordnend  zu  bilden  und  zu  gestalten.  Diess  ist  nun  an 
sich    gewiss    ein    schöner    und  grosser  Gedanke;  nur  wird   er  von   Albert  nicht  nach   der 


'  Dicit  Avicenna,  quod  intellectus  practicus  est  vis  activa  quae  est  principium  movens  corpus  hominis  ad  aetioiies  singulas, 
quae  sunt  projiriae  cojjitationis,  secundum  quod  intentionibus  convenit,  quae  ad  j)lacitnm  praeparantur  ei  ...  .  Diceiidum 
quod  diffinitio  Avieennae  bona  est,  et  datur  in  conijiaratione  ad  ea,  quae  sunt  ex  intellecfu  practico.  Praxis  enim  idem  est, 
quod  opus;  omne  auteni  opiis  Imniamim  est  per  corpus,  sive  sit  in  luoribus  liunianis  per  consuetudinem,  sive  sit  per  naturam 
exterius  in  artibus  meclianicis;  et  propter  boc  dieitur  intellectus  practicus  movens  corpus.  Quia  vero  intellectus,  ut  dicit 
Avicenna,  niovet  per  suam  scientiani,  secundum  quod  est  scientia  dispositio  opcrabilium,  ideo  dicit  Avicenna,  quod  illud 
principium  est  ad  sinffulas  actiones,  quae  sunt  propriae  cogitationis,  secimdiim  quod  intentionibus  convenit,  quae  pi'aeparantur 
ei  ad  placitum.   O.  c.   II,  qu.  Ol,  art.   1. 

-  Intellectus  practici  —  sagt  Albert  1.  c.  —  est  ordinäre  principia  respicientia  opus.  Haec  autem  sunt  in  ojjere  (siehe  darüber 
folg.  Anni.),  aut  in  ratione  operis  ....  Si  est  in  ratione  operis,  tunc  est  in  pi-incipiis,  quibus  regitur  intellectus  in  opere, 
quae  sunt  acccjita  nt  jier  so  nota  in  operationibus,  sicut  quod  nientiri  est  turpc,  et  quod  uuicuique  tradendum  est,  quod 
suum  est. 

'■>  Mit  Beziehung  auf  die  princii>ia  in  ratione  operis  (siehe  vor.  Anni.)  bemerkt  Albert:  Sunt  aut  in  ratione  operis  pertineutis 
ad  consnetmlinem  (i.   e.  mores)   ....  ant  vero  pertinet  opus  ad  naturam  extra,  sicut  in  artibus  mechanieis.  L.  c. 


Der  Entwickelunüsgang  der  mittelalteklichen   Psychologie  von    Alcuin  bis  Albertus  Magnus.  145 

ganzen    Fülle    seines    Inhaltes    gedacht,    auch    treten    ihm    die    specifischen   Unterschiede 
dessen,  was  unter  den  Aufgaben  des  Intellectus    practicus    inbegriffen    ist,  nicht  distinct 
genug    hervor.     Wenn    er   neben    den    sittlichen  Operationen    des  praktischen  Intellectes 
nur    die    mechanischen,  d.  i.    die  Künste  und  Handwerke  oder  alle  auf  den  Nutzen  und 
die  Annehmlichkeit  des  Lebens  abzweckenden  Thätigkeiten  zu  erwähnen  weiss,  so  muss 
man  wohl  annehmen,  dass  er  alle  anderen  höheren  Functionen  des  praktischen  Intellectes 
unmittelbar    unter    die    sittlichen  Operationen    rechnen  will,  was    gewiss    an    sich  richtig 
ist,  dass  Alles,  was  auf  Staat,  Recht,  bürgerliche  Gresellschaft  sich  bezieht,  in  die  Kategorie 
des  sittlichen  Culturdaseins  der  Menschheit  einzubeziehen  ist,  also  wesentlich  der  Wissen- 
schaft der  Ethik  zur  Würdigung  anheimfällt.   Albert  denkt  aber  bei  der  Ethik  zunächst 
bestimmt    nur    an    die  Regeln    für    das  Verhalten    des   sittlichen  Einzelindividuiuns,  oder 
hat  jedenfalls   sein  Nachdenken    über    die  Gegenstände  der  Ethik  nicht  über  das  Gebiet 
der  persönlichen  Moral  des  Einzelindividuums  hinaus  verfolgt.  Indess  eben  diese  Beschrän- 
kuno-   seiner    moralischen  Reflexion    auf   die  Sittlichkeit    des  Einzelindividuums    hätte  es 
ihm  erleichtern  sollen,    den  specifischen  Unterschied  zwischen   den  Operabilibus   morali- 
Inis    und  Operabilibus    mere    factlbilibus    schärfer    in's   Auge    zu  fassen  und  in  letzteren 
ein  ganz  anderes  Genus  laborum  zu  erkennen,  welches  mit  dem  ersteren  nur  die  Selbst- 
anstrengung des  Menschen  oder  des  sittlichen  Willens  gemein  hat,  während  Object,  Inhalt 
und  Ziel  der  beiderseitigen  Arbeit  völlig  verschieden  sind.     Die  Aufgabe  der  sittlichen 
Arbeit  ist  die  sittliche  Selbstvervollkommnung  und  Selbstvollendung  des  Menschen;  diese 
Aufgabe  weist  auf  ein  über  den  praktischen  Weltverstand  hinausliegendes  Ziel  hin,  indem 
sie    die  Vollendung    des  Menschen    für    die  Ewigkeit    vmd    zum   ewigen  Sein  in  Gott  im 
Auge  hat.  Der  praktische  Intellect  der  aristotelischen  Philosophie  beschränkt  aber  seinen 
Gesichtskreis  lediglich  auf  die  diesseitigen  zeitlichen  Angelegenheiten  des  Menschen,  und 
heisst  eben  darum  der  praktische  Weltverstand.     Albert  hätte  demnach  erkennen  sollen, 
dass    sich    die    sittlichen  Operationen    des  Menschen  nur  sehr  relativ  unter  die  Gesichts- 
punkte des  Intellectus  practicus  als  solchen  luiterordnen  lassen,  und  dass  das  Gebiet  der 
Operabilia  moralia  ein  in  sich  geschlossenes  Gebiet  von  Thätigkeiten  ist,  deren  specifisches 
Wesen  die  Selbstbestimmung  des  sittlichen  Willens  nach  den  Forderungen  des  Gewissens 
ist.  Allerdings  muss  in  allem  freithätigen  Thun    und  Handeln    des  Menschen  Sittlichkeit 
sein;    aber  es  fällt  unter  die  Kategorie    der    sittlichen  Beurtheilung    nur  insofern,  als   es 
sich  um  ein  unmittelbares  Verhältniss  des  freithätigen  Thuns  und  der  persönlichen  Selbst- 
bestimmung zu   den   Forderungen   des  Gewissens  handelt.    Die  Sittlichkeit  ist  eine  speci- 
fische    Form    des    freithätigen    menschlichen  Handelns ,    und    zwar    die    specifische    Form 
dieses  Handelns  als  solchen,  welches  demzufolge  auch  ein  specifisches  Formprincip  invol- 
virt  und  einem  selbsteigenen,  specifisch  nur  ihm  appropriirten  Beurtheilungsprincipe  unter- 
liegt.    Die    specifische  Form    des    sittlichen  Willens    ist    die  Gewissenhaftigkeit  oder  die 
Bestimmtheit    desselben    nach    den  Forderungen    des  Gewissens,  das  Gewissen  aber  eine 
im    inneren    Seelenmenschen    vorhandene  Macht    des   Gebietens    und  Verbietens,    die    als 
solche  vom  Intellecte,  dem  theoretischen  sowohl  als  dem  praktischen,  sicJi  auf's  Bestimm- 
teste unterscheidet.  Denn  der  praktische  Intellect  als  solcher  ist  doch  nur  auf  das  Zweck- 
mässige und  Zweckdienliche  als  solches  gerichtet,  setzt  also  die  Kenntniss  des  Zweckes 
als    solchen    voraus,    die    ihm    durch    den    theoretischen  Intellect  geboten  sein  muss;  der 
praktische  Verstand  ist,  soweit  er  speciell  auf  das  Sittliche  gerichtet    ist,  ein  Vermögen 
der    sittlichen  Zwecksetzung,    der  Wille    und    Entschluss    aber    zu    einer    solchen  Zweck- 

Deiikschiiften  der  pLil.-liist.  Cl.  XXV.  Jid.  19 


14(j  K.  Werner. 

Setzung  ist  nicht  eine  That  des  Intellectes  als  solchen,  sondern  des  sittlich  gestimmten 
^Yillens,  der  sittlicJi  gestimmte  Wille  jedoch  ist  eben  mir  durch  die  Macht  des  Gewissens 
determinirter  Wille.  Das  Gewissen  als  eine  dem  menschlichen  Sceleninnern  immanente 
Macht  des  Gcbietens  und  ^  erbietens  ist  inchr  als  ein  blossei-  intellectiver  Habitus  prin- 
cipioruni  operabilium;  es  ist  die  im  menschlichen  Seeleninnci-n  verlautende  Ankündigung 
und  Vernehmbarmachung  eines  höchsten  absoluten,  über  das  Zeitdasein  hinausgreifenden 
Zweckes,  um  dessen  willen  der  Mensch  ist,  lebt  und  wii-kt,  die  Selbstverlautbarung 
der  im  freithätigen  Leben,  Thun  und  Wirken  zu  verwirklichenden  sittlichen  Idee,  und 
darin  der  Idee  des  eigenen  gottgedachten  Selbst  des  Menschen.  Wenn  Albert  alle  Ope- 
rabilien  des  praktischen  Intellectes,  somit  auch  jene  der  sittlichen  Vernunft  unter  die 
Pafticularia  verweist,  weil  alles  menschliche  Wirken  als  solches  auf  etwas  bestimmtes 
Besonderes  geht,'  so  lässt  sich  diess  allerdings  insofern  als  wahr  rechtfertigen,  als  alle 
besonderen  sittlichen  Leistungen  und  Erfolge  im  Yerhältniss  zur  sittlichen  Gesammt- 
aufgabe nur  Theilleistungen  und  Theilerfolge  sind;  es  wird  jedoch  übersehen,  dass  jede 
sittliche  Handlung  und  Leistung  als  solche  etwas  ist,  das  um  seiner  selbst  willen  Werth. 
und  Geltung  hat,  somit  ein  ideales  Gut  ist,  welches  nur  in  seiner  Erscheinung,  nicht 
aber  seinem  inneren  Wesen  und  Gehalte  nach  der  in  den  Bereich  der  j)articularisirenden 
Yerendlichungen  hineingezogenen  sinnlich -irdischen  Welt  angehört.  Dasselbe  Hesse  sieb 
wohl  auch  von  allen  anderen  irdischen  Schatfensthiltigkeiten  sagen ,  welche  über  die 
blossen  Nützlichkeitszwecke  hinausreichend  zur  Veredlung  und  Verschönerung  des  zeit- 
lichen Menschheitsdaseins  dienen.  Wir  werden  nunmehr  auch  begreifen,  weshalb  Albert, 
der  in  der  Einbildungskraft  bloss  ein  Vermögen  der  anima  sensibilis  sah ,  von  der 
Phantasie  als  einer  Vertiefung  der  sinnlichen  Imagination  im  Elemente  idealer  Apper- 
ceptionen  nichts  wusste. 

Wir  haben  nunmehr  noch  einen  vergleichenden  Blick  auf  die  nicht  ganz  unerheb- 
lichen Differenzen  zu  werfen,  welche  sich  bezüglich  der  Theorie  der  Seelenkräfte  zwischen 
Albert  und  Alexander  Halesius  hervorstellen.  Alexander  unterscheidet  gleich  Albert 
zwischen  Erkenntnisskräften  und  Bewegungskräften  der  anima  sensibilis  und  anima  ratio- 
nalis,  setzt  sieb  aber  ungleich  weniger  als  Albert  mit  Ai'istoteles  und  seinen  arabischen 
Commentatoren  auseinander,  daher  schon  aus  diesem  Grunde  seine  Darlegung  sich  über- 
sichtlicher als  jene  Albert's  gestaltet.  Obschon  bereits  vollkommen  auf  dem  Boden  der 
Peripatetik  stehend,  ist  er  doch  noch  entschieden  vom  Geiste  der  Mystik  des  zwölften 
Jahi'hunderts  angehaucht,  was  in  seiner  Lehre  von  den  Erkenntnisskräften  der  mensch- 
lichen Seele  sichtlich  hervortritt.  Er  subsumirt  dieselben  unter  einen  doppelten  Seelen-, 
sinn,  den  sinnlichen  und  geistigen  Sensus  animae.^  Den  ersteren,  welchen  er  der  anima 
sensibilis  zutheilt,  scheidet  er  in  einen  äusseren  und  inneren,  jeden  derselben  als  fünf- 
fältiffes  Vermögen  nehmend.  Die  fünf  Vermögdichkeiten  des  äusseren  Sensus  animalis 
sind  die  fünf  Sinne,  die  in  dem  bereits  zum  inneren  Sensus  sensibilis  gehörigen  Sensus 
communis  wurzelhaft  geeiniget  sind.  Dass  Alexander  den  Sensus  communis  bereits  zum 
inneren  Sensus  animalis  zählt,  dürfte  wohl  keine  zufällige  Abweichung  von  Albert  sein, 
sondern  darin  seinen  Grund  liaben,  dass  er,  wie  wir  oben  sahen,  das  Seelenwesen  leib- 
freier   fasst    als    der    in    diesem  Punkte    streng    peripatetische  Albert.     Die  übrigen  vier 


'    O.    c.   II,  qu.   Ol,   art.   4. 

-    Sumni.  theol.   II.  quaustt.  615.   07.   70. 


Dee  Entwickelungsgang  dek  mittelalteelicuen  Psychologie  von  Aluüin  bis  Albertus  Magnus.  147 

Kräfte  des  fünffältigen  innei-en  Sensus  sensibilis  sind  die  Imaginativa,  Excogitativa 
Aestimativa,  Memürativa.  Unter  dem  Sensus  spiritualis  versteht  er  die  Actualität  der 
Intellectivkraft  der  menschlichen  Seele/  und  will  ihn  nach  Analogie  der  leiblichen 
Sinne  als  eine  niehrfältige  Art  der  Ergreifung  des  Geistigen  verstanden  wissen/  Dass 
diess  auf  das  geistige  Erkennen  der  Mystiker  in  der  Weise  Bernhard's  Bezug  habe,  liegt 
auf  der  Hand,  wenn  es  Alexander  auch  nicht  ausdrücklich  selber  sagen  würde.  Das 
geistige  Erkennen  erscheint  hier  in's  Geistliche  transformirt,  dem  natürlichen  philoso- 
phischen Erkennen  substituirt  sich  das  erleuchtete  christliche  Erkennen.  Von  den  Auf- 
gaben des  praktischen  Weltvei'standes,  welche  für  Albert  zufolge  seines  Eingehens  in 
den  Geist  des  Stagyriten  so  bedeutend  in  den  Vordergrund  treten,  dass  sie,  wie  wir 
sahen,  auch  seine  Schematisirung  der  Seelenvermögen  beeinflussen,  wendet  sich  Alexander 
einfach  ab.  In  Bezug  auf  den  theoretischen  Intellect  betont  er  die  Nothwendigkeit  einer 
dreifachen  Unterscheidung  desselben  als  intellectus  matertalis ,  possibilis  und  agens; 
ersterer  kommt  der  Seele  zu,  sofern"* sie  Formprincip  des  Leibes  ist,  der  zweite,  sofern  sie 
vom  Leibe  trennbar  ist,  der  dritte,  sofern  sie  eine  vom  Leibe  verschiedene  Wesenheit 
ist.'  Der  Grund  der  Unterscheidung  des  Intellectus  materialis  vom  possibilis  scheint 
wohl  vornehmlich  dieser  gewesen  zu  sein,  die  Sensationsfahigkeit  der  intellectiven 
Menschenseele  zu  betonen.  Zufolge  dieser  Sensationsfähigkeit  soll  aber  auch  die  in  den 
Intellectus  materialis  recipirte  sinnliche  Vorstellung  fähig  gemacht  Averden ,  in  einen 
Intellectualgedanken  umgesetzt  zu  werden;  der  Intellectus  possibilis  ist  dazu  da,  den 
aus  dem  Intellectus  materialis  durch  den  Intellectus  agens  educirten  Lichtgedanken  zu 
appercipiren  und  retiniren.  Als  Bewegungskräfte  der  anima  sensibilis  werden  von 
Alexander  die  Phantasia,  Aestimativa,  Concupiscibilis,  Irascibilis,  und  mit  Augustinus 
sodann  noch  speciell  die  Sensualitas  aufgezählt,''  welche  die  Eigenschaften  der  vier 
vorausgehenden  vires  motivae  in  sich  vereiniget,  indem  sie  theils  zur  Bewegung  disponirt, 
theils  selber  bewegend  fortreisst.  Die  vires  motivae  der  anima  rationalis  lassen  sich 
scheiden  in  gebietende,  rathende  und  ziehende  (affectivae).  Gebietende  Bewegungskräfte 
sind  die  freie  Selbstentschliessung  (liberum  arbitrium,  sagt  Alexander)  und  die  Synteresis, 
rathende  Bewegungskräfte  die  höhere  und  niedere  Ratio,  affective  Bewegungskräfte  der 
natürliche  Wille  (ÖsÄTjat?)  und  der  überlegte  Wille  (ßo6XY;aic),  welche  beide  sich  zu 
einander  verhalten  wie  die  Synteresis  zum  liberum  arbitrium.  Es  gibt  aber  Bewegungs- 
kräfte, die  zugleich  berathend  und  affectiv  sind,  und  diese  lassen  sich  wieder  in  solche 
unterscheiden,  die  der  Seele  mit  dem  Engel  gemein  sind,  und  in  andere,  die  der  ratio- 
nalen Seele  als  solcher  eigen  sind.  Erstere  sind  der  Intellectus  practicus  und  die  vis 
uppetitiva,  letztere  sind  das  Rationale,  Irascibile,  Concupiscibile.     Man  sieht,  dass  diese 


'  Sensus  spiritualis  fuiKlatnr  in  natura  spirituali,  quia  Spiritus  est  super  mentem,  seu  secundum  quod  anima  secundum  intel- 
lectura  dicitur  spiritns.  Et  non  loquor  de  sensu  spirituali,  secundum  quod  in  futuro  saeculo  sensus  corporales  fient  sjiiri- 
tuales,  sed  sicut  dicitur  Kom.   li':  Renovamini  in  novitate  sen.sus  vestri.  O.  c.  II,  qu.   70,  mbr.   I. 

^  Flures  dicuntur  .sensus,  non  quod  potentiae  plures  sint,  sed  projjter  niodum  coniprehendendi.  Alius  est  enim  modus  com- 
preheiidendi,  cum  dicitur:  Iste  videt,  quam  cum  dicitur:  Iste  audit.  Augustinus  Lib.  Confess. :  Cum  amo  Deum  meum,  lucem 
meam,  odoreni,  vocem,  cibum,  amplexum  interioris  liominis  mei,  ubi  fulget  animae  meae,  quod  non  capit  locus,  ubi  sonat, 
quod  capit  corpus,  ubi  ölet,  quod  non  spargit  flatus,  ubi  sapit,  quod  non  minuit  edaeitas,  ubi  haeret,  quod  non  divellit 
societas.  L.  c,  mljr.  2. 

'  Intellectus  possibilis  animae  se  habet  ut  separabilis  et  conjung-ibilis ;  et  ideo  suum  intelligere  proportionale  medium  est  inter 
intelligere  speciem  abstractam  in  pliantasmate  et  speciem  omnino  separatam.  Et  boc  est  intelligere  speciem  abstractam  a. 
phautasmate.  O.  c.  II,  qu.  69,  mbr.  3,  art.  2. 

*    O.  c.  II,  qu.   68. 

19* 


148  K.  Werner. 

Unterscheidungen  darauf  angelegt  sind,  der  Selbstbestiramungsmacht  des  sittliclien  Willons 
die  ihm  zukommende  Bedeutung  zu  wahren,   und  dieselbe  auch    In   klarer  Erkennbarkeit 
hervortreten  zu  lassen.     Dem  Probleme   der   Willensfreiheit   wird   eine  sehr  umständliclie 
Erörterung    gewidmet,'    und    die    RealitiU    <lers(dbc^n    iuu;li    allen    Seiten    beleuchtet    und 
erhärtet;  es  entspricht  diess  jener  Richtung,  die  sich  in  der  Theologie  des  Ordens,  dem 
Alexander    angehörte,    im  Gegensatze    zu   der  vorwiegenden  Betonung  des  Intellectes  in 
der    Dominikanerschule    geltend    machte.     Die    Synteresis    wird    als    potentia    habitualis 
gefasst;    die  Frage,    ob    sie    eine  von  Vernunft  und  Wille  verschiedene  Potenz  sei,  wird 
dahin    beantwortet,    dass    beide,   Vernunft    und   Wille,    in    ihr  thätig  seien,   und  zwar  so, 
dass  man  sie  als  sittlichen  Vernunfttrieb  bezeichnen  könne.  ^     Der  ihr  immanente  Wille 
Avird  nämlich  von  Alexander  als  voluntas  naturalis  im  Gregensatze  zur  voluntas  deliberata 
genommen,  und    hat    somit   einen  unmittelbaren  gleichsam  naturnothwendigen  Trieb  der 
anima  rationalis  zu  bedeuten,  dessen  Richtimg  wie  Alexander  weiterhin  erklärt,  auf  das 
die    Ratio   judicativa    beschäftigende  Sittliche    geht.     Man  wird  zugestehen  müssen,  dass 
diese    Erklärung    der    Synteresis    auf   den    Namen    einer   psychologischen  Erklärung    der 
Gewissensanlag-e    Anspruch    hat;    eine    psychologisch -pragmatische  Erklärung  wird    man 
sie    freilich    nicht   nennen    können,  weil    die    abstract   rationale    Verfahrungsweise    einen 
psychologischen  Pragmatismus    im    eigentlichen  Sinne    des  Wortes    überhaupt   nicht   auf- 
kommen liess.    Auch  lässt  Alexander  ein  die  zusammengesetzte  Gewissensanlage  wesent- 
lich mitconstituirendes  Element  unbeachtet;  die  feine  Wahrnehmungsfähigkeit  und  Empfind- 
lichkeit   des    Gewissens    und    die    damit    verbundenen    Leidenszustände    und    Peinen    des 
verwundeten,  schuldbewussten  Gewissens  bleiben  unerklärt,  wenn  man  es  bloss  als  Trieb, 
und    nicht    zugleich    auch  als  Sinn  fasst.     Das  Gewissen  ist,  psychologisch  gedeutet,  die 
sittliche  Sensibilität  der  Seele,  eine  Sensibilität,  die  ihr  um    ihrer  Geistigkeit  und  gott- 
verwandten Natur  willen  zukommen  muss,  und  diesen  beiden  Wesensqualitäten  der  Seele 
Zeugniss  gibt.     Das  W^ahrnehmungsobject  dieser  Sensibilität  ist  zunächst  die  Hoheit  und 
Gottverwandtschaft   des    gottgeschaffenen    Seelen wesens ,    das    rohe    Versehrungen    seiner 
Würde  und  Hoheit  nicht  verträgt,  und  in  welchem  sich  deshalb  jede  freigewollte  Selbst- 
entehrung   mit    den    bittersten  Peinen  rächt,  die  aus  dem  Widerspruche  dessen,  was  der 
innere  Seelenmensch    aus    sich  selbst  macht  oder  machen  will,  mit  demjenigen,  was  die 
Seele  ihrer  Idee    nach    ist,    naturnothwendig    entspringen.      In    diesen  Empfindungen  der 
Seele  macht  sich  aber  weiter  auch  die  hehre  Hoheit  jener  über    den  Bereich    der    sinn- 
lichen Erscheinungswelt  erhabenen  Ordnung  vernehmbar,  welcher  die  Seele,  und  mit  ihr 
der  ganze  Mensch  seiner  Natur  und  Bestimmung  nach  angehört.     Und   so  ist  als  Wahr- 
nehmungsobject  jener  Sensibilität  weiter  die  Heiligkeit  der  sittlichen  Ordnung  und  ihrer 
unverletzlichen  Satzungen  zu  bezeichnen,  oder  das  Numen,  das  auf  dieser  Ordnung  ruht 
und  über  sie  ausgebreitet  ist.    Demzufolge  involviren  die  G  ewissensapperceptionen  einen 
unmittelbaren  Contact    der  Seele    mit  Gott;    er    ist    in    den    Regungen,    Mahnungen    und 
Urtheilen  des  Gewissens    in    ihre    unmittelbare  Nähe  gerückt.     Dieser  in  den  Appercep- 
tionen  des  Gewissens  sich  vollziehenden  Bertdarung  der  Seele  mit  den  heiligen  Gesetzen 
der    sittlichen  Ordnung    gibt    denn    auch  Albertus  Magnus  Ausdruck,^    wenn    er    ,unvor- 


1  O.  e.   II,  qu.   72. 

2  O.  c.   II,   qu.   7:i,   iiibr.    1. 

'■>    Summ,  de  creat.  11,  qu.  tjy,  art.   1. 


Dek    EnTWIC'KELUNGSGANG   der   MITTELALTEBLiniEN    PSYCHOLOGIE    VON    AlCUIN  EIS   AlBERTUS  MaGNUS.  149 

greiflicli',  wie  er  sagt,  sich  daftir  entscheidet,  die  Synteresis    zu   definiren    als    eine  spe- 
cialis vis  animae,  in   qua  secundum  Augustinum  universalia  juris   descripta  sunt. 

Albert  fiigt  seinen  psychologischen  Auseinandersetzungen  am  Ende  noch  J']rörterun- 
gen  über  den  gottebenbildlichen  Charakter  des  menschlichen  Seelenwesens  an.'   Er  unter- 
scheidet drei  Stufen  der  seelischen  Gottebenbildlichkeit,  die  er  als  imas:o  creata.  imaa-o 
recreata,    imago    similitudinis    aufeinanderfolgen    lässt.     Rücksichtlich    der    imago    creata 
lehrt  er,  dass  sie  dem  Menschen  in  einem  specifischen  Sinne  zukomme,  in  welchem  sie 
vom   Engel    als    leiblosen  Geiste    nicht    ausgesagt    werden    könne.     Gott    konnte    Mensch 
werden,  während    eine  Engelwerdung    nicht    möglich    ist;    das  Walten   der  Seele  in  dem 
ihr    eignenden  Leibe    ist    eine  Nachbildung    des  Waltens  Gottes   im  Universum;  wie  der 
göttliche  A''ater  einen  Sohn  hat,  ist  der  Erstgeschaffene    der  Menschen  Vater    eines    ihm 
entstammenden  Hauptes    geworden.     Obschon    alle    diese  Ideen    einer   genaueren  Durch- 
bildung bedürftig  wären,  und  die  letztere  derselben,  das  Vaterschaftsverhältniss  betreffend, 
mit  der  Gottebenbildlichkeit  der  Seele  als  solcher  gar  nichts  zu  thun   hat,  so  ist  durch 
dieselben  doch  ein  specifischer  Unterschied  der  menschlichen  Seele  vom  Engel  und  auch 
eine    relative  Bevorzugung    des  Menschen    in  Bezug    auf  Begabung    und   Begnadung   vor 
dem    leiblosen  Geistwesen    constatirt,   welche    nur,   wie  Albert    lehrt,  durch  den  höheren 
Intelligenzgrad    der    leiblosen  Geistwesen    compensirt    wird.      Als  Träger    der    gotteben- 
bildlichen Anlage  bezeichnet  er  mit  Augustinus  die  mens,  unter  welclier  er  jedoch  nicht 
wie  Augustinus    die    menschliche  Seeleninnerlichkeit    als    solche,  sondern  den  Geist  oder 
die  höhere    Vei'nimftanlage  des  Menschen  versteht.    Die  Beschränkung  der  Gottebenbild- 
lichkeit auf  eine  pars  superior  animae  wird  wohl  mit  der  Unthunlichkeit  der  Auseinander- 
scheidung   einer    pars    superior    und  pars  inferior  animae  von  selber  hinfällig,  und  lässt 
sich  auch  mit  der  vorerwähnten  specifischen  Nachbildung   des   göttlichen  Waltens  durch 
die  im  Mikrokosmos  des  menschlichen  Leibesgebildes  waltende  Seele  nicht   füglich  ver- 
einbaren.   Richtig  ist  indess,  dass  die  Gelstanlage  der  menschlichen  Seele  die  Hinterlage 
und  den  Grundhalter  ihrer  gottebenbildlichen  Qualität    constituirt;    nur    ist   es    abermals 
nicht  zulässig,   die  Geistanlage,   oder  wie  Albert  den  Augustinus   commentirend  sagt,  die 
ratio  als  superior  pars  animae  so  schlechthin  als  den  Gott  zugewendeten  Theil  der  Seele 
zu    bezeichnen,    da    die  Seele    ihren    gottebenbildlichen  Charakter    doch    gewiss  eben  so 
sehr  in  der  geistigen  Beherrschung  der  ihrem  intellectuellen  Machtvermögen  imterstellten 
Weltdinge,  als  in  ihrer  Wahrnehmungsfähigkeit  und  Empfänglichkeit  für  das  Himmlische 
und  Göttliche  bekundet.  Beide  Seiten  ihres  Wesens  bedinaren  sicli  vielmelir  Avechselseitig- 
SO  dass  keine  ohne  die  andere  gedacht  werden  kann,  somit  die  gottebenbildliche  Qualität 
in   beiden  zugleich  gesucht  werden  muss.     Die  Betonung   der  letzteren  Seite,  das  Licht- 
werden   der    Seele  in   der    Hinwendung    zum   Himmlischen    und    Göttlichen    bezieht    sich 
nicht  mehr  auf  die  Gottebenbildlichkeit  als  Anlage,   sondern  auf  die   imago  recreationis, 
bei  welcher  es  sich  um  eine  Erneuerung  und  Reactivirung,  nicht  etwa  der  an  sich  unver- 
lierbaren Anlage,  sondern  der  vci-dunkelten  oder  völlig  oblitcrirten  lebendigen  Actualität 
dieser  Anlage,  um  eine  Reintegration,  Reinigung  und  Klärung  des  verdunkelten,  beschä- 
digten   und    entstellten  Gottesbildes    im   inneren  Seelenmenschen  handelt.     Insgemein  ist 
zu  ej-innern,  dass    in  der  oben    angeführten   dreifachen  Auffassung  der  imago  als  imago 
creationis,  recreations  und  similitudinis   eigentlich    zwei  verschiedene  Eintlieilungsgründe 

1    O.   c.   II,  qu.   72. 


150     K.  Wernek.   Dek  Entwickelvngsganu  heu  hittelaltekl.  Psychologie  von  AecuiiN  bis  Aluektus  Magnus. 

ineinanderfliessen,  indem  sicli  jene  di-eil'ache  Unterscheidung  auf  den  doppelten  Gegen- 
satz der  ur.sprünglielien  und  der  wiedererneuerten,  der  potentialen  und  der  actualisirten 
Gottebenbiklliclikeit  bezieht.  Die  imago  similitudinis  bedeutet  die  vollkommen  actuirte 
Gottesbildlichkeit,  die  nach  ihrem  ächtpsychologischcn  und  rationalen  Verständniss  eben 
nur  die  distincte  Hervorbildung  dei-selben  iui  inneren  Seelenmenschen  bedeuten  kann. 
Albert  bezeichnet  mit  Augustinus  Memoria,'  Intellectus  und  Voluntas  des  in  Gott  geklärten 
Menschen  als  die  distincten  einander  integrirenden  Actualitäten  des  seinem  dreieinen  gött- 
lichen Urbilde  actuell  verähnlichten  u-ottebenbildlicheu  Menschenwesens.  Wir  ülauben, 
dass  auch  hier  wieder  zwischen  dem  im  natürlichen  Entwickeluno-sleben  des  Menschen 
von  selbst  sich  vollziehenden  Auseinandertreten  der  Triplicität  von  Herz,  Geist  und  Wille 
als  einander  integrirender  Glieder  und  Spliären  des  immanenten  Selbstlebens  des  inneren 
Seelenmenschen,  und  zwischen  der  Klärung  und  Vollendung  dieser  drei  Lebenssphären 
im  Elemente  des  Himmlischen  und  Göttlichen  unterschieden,  und  demzufolge  von  einer 
doppelten,  einer  natürlichen  und  einer  ethischen  Nachbildung  der  ui'bildlichen  Dreiein- 
heit gespj'ochen  werden  müsse.  Audi  liier  geht  abermals  der  gesammte  innere  Seelen- 
mensch in  der  Dreiheit  jener  Sphären  auf,  in  deren  jeder  er  auf  seine  Weise  als  Ganzer 
lebt,  handelt  und  wirkt,  so  dass  von  einer  Beschränkung  der  Nachbildung  des  göttlichen 
Urbildes  auf  den  höheren  Seelentheil  keine  Rede  sein  kann,  weil  sich  überhaupt  nicht 
zwischen  einem  höheren  und  niederen  Theil  der  Seele  unterscheiden  lässt,  vielmehr  eine 
solche  Unterscheidung  in  der  lebendig  concreten  Auffassung  des  inneren  Seelenmenschen 
sieh  von  selbst  aufhebt.  In  dieser  Auffassung  vollzieht  sich  zugleich  die  concrete  Ver- 
lebendigung des  scholastisch-peripatetischen  Begriffes  von  der  Seele  als  lebendiger  Form 
des  Menschenwesens,  die  als  solche  keine  andere,  denn  eine  actuose  sein  kann,  und  auf 
die  lebendige  Gestaltung  und  distincte  Gliederung  ihrer  selbst  angelegt  sein  muss,  in 
dieser  Gestaltung  und  Gliederung  ihrer  selbst  aber  den  inneren  Seelenmenschen  als 
geistigen  Prototyp  und  sublimirten  Ausdruck  der  äusseren  leiblichen  Gestalt  und  Bildung 
des  Menschen  zum  Ausdruck  bringen  muss. 


Memoria,  aecundum  quod  est  pars  imaginis  —  heisst  es  Summ,  de  creat.  II,  q«.  72,  art.  2,  part.  2  —  nihil  aliud  est  nisi 
thesaurus  habitus  natui-alis,  qu!  est  cognitio  veri  et  boni  quod  Deus  est,  et  veri  et  boni  quod  anima  sive  mens  est.  Dieser 
Schatz,  von  welchem  Albert  spricht,  ist  im  menschlichen  Herzen  hinterlegt,  und  darum  halten  wir  es  für  gcrechtfertiget, 
der  Memoria  das  Herz  als  das  von  Augustinus  Gemeinte  zu  substituiren. 


DIE 

CATALANISCHE  METRISCHE  YERSION 

DER 

SIEBEN  AYEISEN  MEISTER. 

VON 

ADOLF     MUSSAPIA, 

WIRK!..   MITGLIEnK  DER  KAISERL.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DEK  SITZUNG  AM  17.  FEBEUAR  1875. 


I.  Die  Handschrift. 

Am  Ende  der  Einleitung  zu  seinem  Parnasse  occitanien,  Toulouse  1819,  S.  XLIX, 
sagt  Rochegude:  ,En  visitant  les  bibliotheques  de  plusieurs  departements  m6ridionaux, 
nous  avons  trouve  h,  Celle  de  Carpenti-as  deux  volumes  in-folio,  manuscrits,  sur  papier, 
d'une  mauvaise  ecriture,  imparfaits  et  mouilles.    Le  premiei-  volume  contient  le  Breviari 

d'amor,    par    Matfre    Ermengaud    Le  second  contient    des    fables    et    contes    assez 

longs  et  finit  par  des  cliansons  ;\  la  Vierge  Marie  de  quelques  poetes  du  royaume  de 
Valence.  Nous  n'avons  pas  voulu  les  recueillir'.  Im  Journal  des  Savants  vom  Jahre  1842, 
S.  52,  sagt  Libri:  ,La  bibliotheque  de  Carpentras  est  riebe  en  manuscrits  en  langue 
romane.  Dans  un  recueil  en  deux  volumes,  dont  nous  avons  fait  un  releve  exact,  nous 
avons  rencontre  une  version  en  proven9al  du  Dolop-athos  ou  Roman  des  sept  sages'  et 
une  copie  acepbale  du  Breviari  d'Amor'.  In  seinem  Essai  sur  l'bistorie  de  la  litterature 
catalane,  Paris  1858,  S.  35  und  41 — 45,  kommt  Cambouliu  ebenfalls  auf  die  Sammlung 
zu  sprechen;  er  hebt  besonders  die  Sieben  weisen  Meister  hervor  und  theilt  die  ersten 
48  Verse  mit.  Eine  ausführliche  Beschreibung  der  Handschrift  —  welche  die  Zahl  377 
trägt  —  findet  sich  im  Catalogue  descriptif  et  raisonne  des  manuscrits  de  la  bibliothfeque 
de  Carpentras  par  C.  G.  A.  Lambert,  Carpentras  1862,  I  197 — 211.  Das  uns  angehende 
Gedicht  findet  sich  auf  fol.  175 — 207.  Lambert,  welcher  Cambouliu's  Arbeit  nicht  gekannt 
zu  haben  scheint,  theilt  16  Verse  aus  dem  Anfange  mit.  Auch  Mihi  y  Fontauals  ver- 
zeichnet in  seiner  Studie  über  ,catalanische  Dichter'  in  Ebert's  Jahi'buche  V  162  (der 
Aufsatz  ist  von  December  1862  datirt)  unser  Gedicht. 

Durch  die  Güte  des  Herrn  Prof.  Dr.  Wendelin  Förster  in  den  Besitz  einer  voll- 
ständigen Abschrift  des  Gedichtes  gelangt,^  entschloss  ich  mich  zur  Herausgabe  desselben; 

'  Also  provenzalisch  statt  catalanisch,  und  der  Dolopathos  mit  den  Sieben  weisen  Meistern  identificirt;  zwei  Versehen,  die  dem 
Verfasser,  welcher  kein  Fachmann  war  und  im  J.   1842   schrieb,  nicht  hoch  anzurechnen  sind. 

-  Und  zwar  einer  ül)eraus  sorgfältigen,  den  Codex  in  allen  Einzelheiten  genau  wiedergebenden  Abschrift.  Eine  Reihe  von 
mir  zweifelhaften  Stellen  wurde  auf  meine  Bitte  von  Gaston  Paris  mit  dem  Codex  coUationirt.  Beiden  verehrten  Freunden 
und  C'ollegen  spreche  ich  meinen  innigsten  Dank  aus. 


1  r  p  A.    MUSSAHA. 

eliunal  ^^■ogvn  dos  Interesses,  welches  jede  Version  des  so  weit  verbreiteten  Erzählungs- 
buches  mit  Hecht  in  Anspruch  nimmt;  dann  um  unsere  noch  so  spärliclic  Kunde  des 
altcatalanischen  Scinnftthumes  zu  erweitern.  Konnte  noch  neulich  Konrad  Hofmann,  iih 
er  in  den  Denkscln-iften  der  Münchner  Akademie,  I.  Cl.  XII.  Bd.  111.  Abth.,  1872, 
einen  Abschnitt  aus  Ramon  LuU's  Librc  de  maravoUes  herausgab,  mit  einigem  Bewusst- 
sein  hervorheben,  dass  diess  der  erste  grössere  catalanische  Text  sei,  welcher  in  Deutsch- 
land nach  Handschriften  erscheint,  so  wii'd  die  IMittheilung  unserer  gereimten  Schrift 
wo!    kaum  einer  Rechtfertigung  bedürfen. 

Die  Beschaffenheit  der  Ueberlieferung  lässt  Vieles  zu  wünschen  übrig.  Schon  der 
Umstand,  dass  sich  unser  Text  in  einem  Sammelcodex  findet,  zeigt,  dass  wir  es  nicht 
mit  der  Urschrift  zu  tluin  haben;  mehrere  Lücken  und  manche  Verderbnisse  lassen  dann 
erkennen,  dass  der  Text  nicht  schadlos  durch  die  Hände  der  Copisten  ging.  Das  Metrum 
erscheint  besonders  verwahrlost,  und  es  ist  schwer  zu  entscheiden,  wer  da  am  meisten 
verbrochen  hat,  der  Dichter  oder  die  Abschreiber. 

In  den  folgenden  Abschnitten  sowie  in  den  Anmerkungen  und  im  lexikalischen  Theile 
beinühte  ich  mich,  meinen  Text  mit  allen  jenen  sprachlichen  und  metrischen  Er- 
läuteruno-en  zu  versehen,  welche  mir  nöthig  schienen;'  denselben  vom  literar-historischen 
Standpunkte  zu  erörtern,  bleibt  einer  zweiten  Abhandlung  vorbehalten,  welche  hoffentlich 
nicht  lange  auf  sich  warten  lassen  wird. 

II.  Zur  Lautlehre. 

Die  wichtigsten  Züge  der  catalanischen  Lautlehre  sind  im  ersten  Bande  der  Gram- 
matik von  Diez,  vornehmlich  S.  113—115,  dann  an  anderen  passenden  Stellen  mit 
gewohnter  JMeisterschaft  dargelegt  worden.  Auch  IMilä  y  Fontanals  hat  sowol  in  den 
Trovadores  en  Espana,  S.  453  ff.,  als  in  gelegentlichen  Anmerkungen  zu  seiner  oben^ 
erwähnten  Studie  manche  nützliche  Bemerkungen  mitgetheilt.  Folgende  Seiten  werden 
zahlreiche  Belege  zu  den  schon  besprochenen  Erscheinungen  und  einiges  Neue  bringen.' 
Vor  Allem  ist  zu  bemerken,  dass  wie  überhaupt  in  der  ganzen  altcatalanischen  Literatur, 
so  auch  in  unserem  Denkmale  mannigfache  Lautgestaltung  der  Wörter  uns  entgegentritt; 
unter  den  concurrirenden  Lauten  sind  einzelne,  welche  provenzalischem  Einflüsse  zuge- 
schrieben werden  können. 

Ich  ziehe    zur  Vergleichung    einige    ältere  Texte    und    die   jetzige  Sprache    herbei; 
wenn  keine  Quelle  angegeben  ist,  so  ist  die  betreffende  Form  noch  lebend;  die  benützten 
Quellen  bezeichne   ich  mit  folgenden  Abkürzungen: 
Doc.  Do'cumentos   literarios  en    antigua  lengua  catalana   (siglos  XIV.   y  XV.)   publicados 

por  Prospero    de  Bofarull  y  Mascaro.    Barcelona  1857.    (Bildet  den  XIII.  Band  der 

Coleccion  de  documentos  ineditos  del  archivo   general  de  la  Corona  de  Aragon.) 
Est.    Diccionario     catalan  -  castellano  -  latino    por    Joaquin    Esteve    y    Joseph    Belvitges    y 

Antonio    Jugla    y    Font.    Barcelona    1803.     (Sehr    schätzenswerth,    da    es    viele    alte 

1  Zwisrlipii  der  Zeit,  da  ich  meine  Arbeit  der  Akademie  vorlegte  und  der  Vollenduns  des  Druckes,  liegt  mehr  als  ein  Jahr, 
für  micli  ein  Jahr  schwerer  Krankheit  und  langsam  vorschreitender  Recouvaicscenz;  von  den  inzwischen  erschienenen 
Arbeiten  konnte  ich  in  den  seltensten  Fällen  Kunde  erhalten.  (S.  Remo,  Januar  1876.) 

=  Dass  ich  keine  vollständige  Darstellung  des  Altcatalanischen  beabsichtige,  braucht  kaum  gesagt  zu  werdoi;  ich  beschränkte 
mich  auf  die  liesprechung  jener  Punkte,  zu  denen  mein  Text  Anlass  bot. 


Die  catalänische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meistee.  153 

Formen  und  Ausdrücke   enthält;  andere  catalan,   Wörterbücher  standen  mir  nicht   zu 

Verfügung.    Ich    bezeichne    mit  Est.  die    in    diesem  Wb.    als    veraltet    angegebenen 

Wörter). 
Gen.  Compendi  historial  de  la  biblia  t[ue  ab  lo  titol  de  Genesi  de  scriptura  trelladä  dal 

proven^al  a  la  llengua  catalana  Mossen  Gullem  Serra  en  l'any  1451  ed.  Amer.  Barce- 
lona 1873.'  (Erste  Publication  der  Biblioteca  catalana). 
rif.  Ein  katalanisclies  Thlerepos  von  Ramon  Lull  von  Konrad  Hofmann.   München   1872. 

(Aus  den  Abhandlungen  der  k.  bayr.  Akad.  der  Wiss.  I.  Cl.  XII.  13d.  III.  Abtheilung. 

Die  Ziffer  bezeichnet  den  Abschnitt). 
J.  Libre  dels  feyts  esdevenguts  en  la  vida  del  .  .  .   rey  en  Jacme  lo  cou(|ueridor  tret  del 

Ms.  .  .  .  acabat  a  17  del  nies  de  setembi'e  1343.    (Zweite  Publication  der  Biblioteca 

catalana;   icli  benützte  die  ersten   15  Bogen). 
Lull.    Obras    rimadas    de  Ramon    Lull   escritas    en    idioma    catalan-provenzal    publicadas 

.  .  .  por  Geronimo  Rossellö.  Palma   1859. 
Mihi.  De  los  trovadores  en  Espana.     Estudio  de  lengua   y   poesia   provenzal   por  Manuel 

Milä  y  Fontanals.  Barcelona  1S61. 
P.  Crönica  del  rey  de  Aragon  D.  Pedro  IV  el  ceremonioso  escrita  por  el  mismo  monarca 

ed.  Antonio    de  Bofarull.    Barcelona   1850.    (Sie    ist    den    Croniques    de   Espanya 

des  Pedro  Miguel    Carbonell,    Barcelona   1546-7,    entnommen;    die  alte  Form  ist  im 

Ganzen  und  Grossen  gut  bewahrt  worden). 
Rev.  Revue  des  langues  romanes  publiee  par  la  societe  pour  l'etude  des  langues  romanes. 

Montpellier   1870  ff.   (Die   6   ersten  Bände). 

V  o  c  a  1  e. 

1.  A  für  tonloses  e  in  anlautender  Silbe,  ein  bekannter  gemeinromanischer  Zug,  ist 
nirgends  so  häuhg  wie  im  (katalanischen;  die  folgende  Reihe  von  Beispielen  enthält  auch 
solche  "Wörter,  welche  wol  ursprüngliches  /,  in  den  verwandten  roman.  Idiomen  aber, 
zum  Theile  im  Catal.  selbst,  e  aufweisen.  Wenn  die  folgende  Silbe  a  enthält,  so  könnte 
man  auch  an  Angleichung  denken;  indessen  ist  der  Vorgang  so  allgemein,  dass  eine 
Scheidung  der  Fälle  im  Hinblicke  auf  die  Beschaffenheit  des  Vocals  der  folgenden  Silbe 
von  keinem  Belange  ist.  Fast  überall  begegnen  (entweder  schon  in  unserem  Denkmale, 
oder  doch  wenigstens  in  anderen)  Nebenformen  mit  e. 

an-  327.  960  u.  s.  av.,  artrir  755  (errat  575),  axament  337  (exam.  149),  aximplis  3240 
{exemiyles  2),  axit  193,  hasant  2454  (5e.s-.  2468),  brassol  623  [hres.  642),  cramats  2225 
(cremada  2876),  farls  809,  en-faylonit  2865,  gasardo  2411,  aretats  170  (Jicreter  209),  ja- 
quiren  620,  labrer  646  (häufiger  lehr.)^  lansol  1100,  lavats  3208  (fey.  3186),  manar  375 
{incnats  2492),  a-manassats  2771,  mantir  572,  marim  2834  [ineria  2918),  Marli  2506 
(Merli  2504),  mateix  (in  der  Hs.  stets  maix  geschrieben),  materen  1261  (inetats  1283), 
maytat  2548,  nabot  911,  nagar  (-^  necare)  532  (iiegada  1432),  nagar  {^^  negare)  947, 
naguna  319,  imlissa  1839,  parit  1525,  passegada  {pecej.)  2759,  patit  51,  a-plagar  2447 
(-e-  2474),  plavis  55    (plevir    2916),    ra-    z.    B.    rador    2210    {derredor    1021)    raques    2347 


'    Ob'Sena  wirklich  der  Uebersetzer  uncl  nicht  vielmehr  der  Abschreiber?  In  der  Laurentiana  zu  Florenz  findet  sich  wenigstens 
eine  Hs.  dieses  Werkes,  welclies  nach  Einigen  dem  Anfange  des  XV.,  nach  anderen  selbst  dem  XIV.  Jahrh.  angehört. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  20 


]^54  ^-  MUSSAFIA, 

rate  (j2  (rete  152),  7'a2)fat  728  (reptaven  733),  en-raqiiehits  2480  {enriqu.  2599),  5anto  1844 
[assenta  2725),  ^mso?-  1041  (^rezoj-  1183J,  vagada  14()7,  yar«  G35  [enverinat  633),  «aser  186 
(rc'.>fc?'  619),  vasscs  (  -  versässet)  1048.  Dazu  ma,  /«,  .<a,  »za  als  Proclitica,  z.  11  ma  joorja 
24GG,  ta  darem  2255,  sa  mio?'i  2855,   Jia  podets  2530.' 

Weit  seltener  in  der  zweiten  Silbe  eines  Wortes,  und  zwar  zunächst,  wenn  schon 
die  erste  Silbe  a  enthält:  alagransa  2392  alagria  3212  [alegrers  614),  wo  das  erste  a 
primär,-  gasardo  (s.  o.)  wo  es  secundär  ist;  in  anderen  Fällen  des-eratat  1660  (vgl.  ob. 
aret.),  pinalet  484  (-e-  491),  soffarir  2393  (-e-  1323). 

Dass  unter  dem  Accente  das  e  (oder  i)  seine  Hechte  behauptet  ist  selbstverständlich, 
z.  B.  mene  2581,  ajMguen  2473. 

2.  Auch  für  auslautendes  -e  pflegt  -a  einzutreten:  a)  bei  Nomina:  1.  Masc.  alegra 
604.  2386,  altra  791,  arhra  790  (-e  806),  astra  2879,  ^om^j^a  955,  covra  2072,  y/«.?i!m  2878 
(-e  2696),  /o?/ra  1199  (-e  443),  nostra  959,  jaa?/?'a  187  (-e  274),  vostra  66;  2.  Femin.:  riiayra 
188  (-e  1717),  torra  2070;  in  letzterem  Worte  kann  man  auch  Veränderung  der  Decli- 
nation  erblicken  b)  bei  den  Pronom.  ma,  ta,  sa.  na  als  Enclitica,  z.  B.  diats  ma,  936, 
son  sa  2503  c)  bei  Verbalfonnen;  Infin.  ensendra  1837,  traura  1125;  1.  Praes.  Ind. 
ejitra  1442;  1.  3.  Praes.  Conj.  der  I.  Conjg.  compra  2843,  parla  269.'  d)  Indeclinabilia: 
alra  1925.  2844,"  sempra  1854  (-e  2047). 

3.  Andererseits  begegnet  nicht  selten  e  statt  a  in  protonischer  Silbe,  u.  zw.  vor 
combinirtem  n:  lensats  2802,  menjas  1557;  vor  einfachem,  ursprünglich  aber  combinirtem  n: 
comenafs  34  [-an-  23)  demenar  919.  Ilieher  aucli  ^e?2  (=  tantum)  zunächst  vor  Conson. 
1192,  dann  auch  vor  Vocal  964  (nebst  dem  weit  häufigeren  tan)^  das  als  Procliticon 
anzusehen  ist.  Vor  w:  tremeten  2115  (trameta  2879).  Vor  t:  metats  (,tödtet')  690  (inatar 
2433).  Vor  g:  pegats  1931  [pag.  2231).  Vor  g:  assejats  1752,  segeta  2074.  Vor  s  (--r-^  c) 
oder  nach  Abfall  desselben  vor  Vocal:  geser  1455  [Jas.  567)  jese^s  2579,  geyets  1425,  /e?/0! 
2315  [fahia  2709  /asm  1538),  ^j/e?/a  606.^  Im  Anlaute  nur  bei  vorangehendem  Procliticon," 
wo  also  der  Vocal  eigentlich  inlautend  ist:  d'eyla  312,  d'emagats  1207,  d'equel  2516, 
d'ermer  2894,  d'ergent  1576,  2454;  Zer^reri^  1193;    qu'eytal  3029.'  Und  da  im  V.  2842  der 


'  Der  Vorgang  ist  so  allgemein,  dass  es  überflüssig  wäre,  aus  anderen  Denkmälern  Beispiele  anzuführen.  Docli  mögen  noch 
einige  hier  Platz  finden:  Aus  Doc.:  halea  , Schönheit'  63,  crasüandat.  21,  fadtat  54,  malor  fmelioremj  52,  palade  (pil-ata 
pelata)  10,  j}aiil  455,  rabut  (i-ebnt  aus  reehtit)  68,  sacrei  10,  «oyto' 66,  a-sa.jornatx  17,  saladament  {cel.)  13,  ?ra»7  11,  t:rtn«'64; 
aus  Gen.:  faels  272,  Fulip  282,  vadell  202;  atich  ramor  183  (rumorevi,  mit  dem  Zwischenstufen  rtni.  )-cni.) 

-  So  a-paraylats  J.  198;  «poM  Doc.  29,  hatayat  13,  papalo  29,  Ilamantag ant  39  =  -nientej-,  also  zweimal  e  zu  a;  die 
meisten  Verba  auf  -tcore  =  p/a»'  erseheinen  in  älteren  Schriften  in  der  Form  -oja>'  [agar,  ayar).  Neigung  zu  Angleichung 
ist  in  allen  in  dieser  Anmerkung  angeführten  Beispielen  nicht  zu  verkennen. 

'  Doc.  regna  5.3,  segla  9,  templa  34;  Gen.  clergua  1G2,  diacha  286;  Doc.  vench  na  38;  Doc.  ausiura  24,  j^endra  58.  Hofmanu's 
Emendation  des  handschr.  ta  jjortas  42   zu  te  p.  war  daher  überflüssig. 

^    al  re  ist  demnach  als  ein  Wort  anzusehen;  dalier  mit  vermittelndem  (/,  aldi-e  im  Drucke  von  J.  und  in  proveuzalischen  Texten. 

^  Gen.  spevenlals  277,  de-vellä  227,  Vespesiä  281,  vessal  264.  Doc,  besonders  häufig  in  der  Hs.  Eipoll  155:  amegade  10, 
aperaUat  12,  heatit  23,  caveles  {-er.i)   12,  exelaade  15,  /e(/Jis  23,  pelafrens  12,  senade  15,  trebalade  21,  Iteydor  26. 

•^   In  enduy  1020,  encara  394  ist  Einfluss  des  Präfixes  e?!-  zu  erblicken. 

■^  Doc.  /,'eu!"e  15,  rieurets  55,  it'ecorde  bb,  s'epelave  10.  Auch  ohne  Procliticon:  en«  15,  eytentosl  19.  Zahlreiche  Belege  für  e 
statt  a  aus  der  Hs.  RipoU  183  führt  Mili  S.  Gl,  Anni.  12  an.  Er  sieht  a  .statt  e  als  eine  der  Sprache  wirklich  eigenthüm- 
liche  Lautmndification  an,  während  e  statt  a  ihm  nur  als  eine  umgekehrte  Lautentwicklung,  znm  Tlieile  auch  nur  Schreibung, 
zu  gelten  scheint.  So  spricht  er  i,a.  a.  O.)  von  einer  ,reaccion  contra  la  sustitiicion  de  la  a  ä  la  e,  es  decir  la  de  la  e  A 
la  a';  ähnlich  im  Jahrb.  V  147,  Anm.  3:  ,n  tritt  an  die  Stelle  des  e.  ..  Diess  brachte  Unsicherheit  im  Gebrauche  des 
a  und  des  e  hervor,  und  man  sclirieb,  in  das  entgegengesetzte  Extrem  verfallend,  mitunter  e  wo  man  a  setzen  musste :  perlit, 
ehrich,  eytal'.  Auch  provenz.  Hss.  zeigen  diese  Eigeuthümlichkeit ;  so  der  Marcianiscbe  Cod.  des  Guillem  de  Cerveira,  des 
Catalanen:  liestada;  Vesaut;  ennr.  Auch  in  der  Kindheit  Jesu:  d'etbei-gar  Chr.  384,  11;  s'enet  387,  9  (Bartsch  emendirt  die 
zweite  StelleJ. 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  155 

Cod.  qb  bietet,  so  nahm  ich  (trotz  des  in  der  Anmkg.  zu  V.  IG  Bemerkten)  keinen  An- 
stand, auch  qu'eb  statt  qu'ab  zu  lesen.' 

Unter  dem  Accente  fast  immer  das  ursprüngliche  a,  z.  B.  assäge  1823;  bei  menjar 
haftet  jedoch  das  e  auch  in  betonter  Silbe. 

4.  Auslautendes  a  zu  e  ist  in  unserem  Denkmale  selten,^  und  zunächst  im  Falle 
der  Inclination.     1.  bei    Nomina:    done-s    189,    atrobade-us    1431;   pere    1099,    truge  1026. 

2.  bei     Pronomina:     elle-m    IGIO     elle-s    ;5060,     le-m    3059    le-us    1G12.   11)91     le-y     1203. 

3.  bei  Verba:  3.  Praes.  Ind.  I.  Conjg.  saiude-l  545;  mene  2581;  2.  Imper.  I.  Conjg.  leve-t 
3211;  assage  1823;  1.  3.  Praes.  Conj.  II.  III.  Conjg.  corre  1480,  nodresque  42,  vage  531, 
vege  G93;  1.  3.  Impf,  ciiydave-us  1793,  gardave-l  2071;  cuydave  1104,  ere  1433,  sagnave 
1716;  noch  häufiger  in  der  II.  III.  Conjg.,  wol  (wie  im  Prov.)  durch  Einfluss  des  vor- 
angehenden i:  volles  605;  dormie  621.  Daher  im  Condit.  porie-n  1032;  endlich  im  Cond. 
aus  dem  Plsqmpf.  Ind.  agre  1272,  valgre  508.  Diess  sind  übrigens  nur  sporadische  Fälle, 
neben  welchen  die  Formen  mit  -a  bei  weitem  zahlreicher  sind ;  die  Neigung  aber  post- 
tonisches a  vor  Consonanten  abzuschwächen  zeigt  sich  in  manchen  normalen  Flexionen, 
so:   1.  im  Plur.   -es  der  Nomina  auf  -a    (prov.    -asY      2.  in  der  Endung  -es  statt    -as    der 

2.  Praes.  Ind.  I.  Conjg.:  fornes  Gen.  273,  der  2.  Praes.  Conj.  II.  III.  Conjg.:  ocies 
Gen.  261,  seguesques  Doc.  456;  der  2.  Impf.  Ind.  -ves  o.  in  der  Endung  -em  st.  -am 
(prov.  dm  =  ämus)  der  1.  Plur.  Impf.  Ind.:  esperavem  J.  194,  erem  Gen.  284,  haviem 
J.  106  4.  in  der  Endung  -ets  st.  -äts  (prov.  dts  =  dtis)  der  2.  Plur.  Impf.  Indic. 
estavets  2388,  haviets  J.  197  (doch  aviats    169)      5.  in  der  Endung  -en  st.  an  {=  ant)  der 

3,  Plur.  Praes.  Ind.  I.  Conjg.  und  Praes.  Conj.  II.  III.  Conjg.,  dann  Impf.  Indic:  comensen 
539;  estaven  2444,  eren  2811,  dejjen  2831;  doch  serian  170.* 

5.  Betontes  e  zu  i  in  ^^o^«'?  957,  vari  635. 

6.  Betontes  e  wird  nie  zu  ie  diphthongirt;  wol  aber  wird  es  gerne  zu  /,  wenn  die 
folgende  Silbe  Hiatus-?'  enthält  oder  auch  nur  enthielt  (also  dort  wo  im  Provenz.  ie  od. 
auch  i  vorkommt);  so  mig  503,  fira  2083  neben  /er«  (dabrera)  1832.  Auch  wenn  ein- 
faches i  folgt:  ir  1965.*'^ 

7.  E  vor  combinirtem  Nasalis  zu  i  in  aximplis  §.  1,  und  in  gint  421  (aber  auch 
gent,  reimend  mit  vestiment  367).  Man  kann  hieher  auch  soviii  600  rechnen,  da  der 
romanische  Yocal  doch  e  ist;  prov.  soven.  Ausser  dem  Accente:  mintrem  2850,  tingues 
1185.  lieber  e  vor  rt,  §.   16. 


'    In  einem  bei  Torres  Amat    abgedruckten  Liede   aus    dem   Pariser   Liederbuelie    (ich   vergass  die  Stelle   anzumerken)  kommt 
die  gleiche  Form  vor. 

2  Häufiger  in  jenen,    welche  auch    protonisclics  e  st.  a  vorziehen;    siehe    die   in    der    Anmerkung    5    der   vorangehenden    .Seite 
angeführten  Beispiele  aus  Doc.  und  die  in  der  Anmerkung  7  citirte  Stelle  bei  Milä. 

3  Für  das  Nomen  gibt  Diez  III  45    einen  flc.xivischen  Grund    an:    ,Die  Sprache    scheint    das   schwere  a  mit    einem  leichteren 
Vocal  vei-tauscht'zu  haben,  da  der  Numerus  schon  durcli  den  Consonanten  gesichert  war'. 

*   Die  moderne  Grammatik  hat  überall  a:  donas;  amas;  temas  cumplas,  amavas,  lemlam  temiau  (=  -ats);  aman  teman  amavan. 
Ist  es  etymologische,  gelehrte  Restitution,  oder  machte  .sich  .spanischer  Einfluss  geltend? 

5  ennll  (=  specuJum)  Est.,  mil  mils  (=  melius)  Est.,  tibi  nb.  tehi  {tepidus).  Auch  Posit.-e  und  selbst  langes  e  zeigen  die 
gleiche  Neigung:  hütia  Est.  nb.  beslia,  nirvi  (=  mrv-i-us);  ciri  {cereus),  sipia  (sepia),  End.  -erium  .-  hatesliri  Est.  jetzt 
baptisteri,  caltiri  Est.  jetzt  cauteri,  cenieniiri,  cristiri  jetzt  crisleii,  saltiri.  Vgl.  auch  im  Glossar  vapith:  Eben  so  dürften 
fira  (feria),  monasi;»' zu  beurtheilen  sein;  denn  wenn  auch  liier  Metathese  des  i  erblickt  werden  könnte,  so  dass  i  sich  erst 
aus  ie  oder  aus  ei  (vgl.  §.  16)  entwickelt  hätte,  so  sind  beide  Vorgänge  unwahrscheinlich,  da  ie,  wie  gesagt,  überhaupt  im 
Catal.  nicht  vorkommt  und  ei  zu  i  in  Bezug  auf  das  Catal.  (auch  Ital.  l  ein  specifischer  auf  die  blosse  Formel  ec  beschränkter 
Vorgang  zu  sein  scheint. 

20* 


"156  -f^-   MuSSAFIA. 

8.  Tonloses  /,  selbst  langes,  wird  gerne  7a\  e^  wenn  die  folgende  Silbe  betontes  ^ 
enthält.  Aus  virinns^  vehi;^  am  liiuitigstoii  in  der  t 'onjugatioji:  deijm  2423  entspricht  einem 
lat.  dlc-imus,  deyts  418  einem  lat.  dic-Üis^  wälircnd  dicts  U42  die  Endung  der  zweiten 
Conjug.  bewahrt  =  dic-etis.  Ebenso  desia  Gen.  171  [disia  2318  ist  mir  aus  diesem 
Grunde   vei-dächtig)  deiia  J.   205.  Ferner  ncei/ts  {occid-ttis)   758   aber  ocies  517." 

9.  /nach  Vc)calen  Avird  y  geschrieben,  und  zwar  sowol  in  Diphthongen,  als  im  Hiatus. 
In  letzterem  Falle  conciu-rirt  y  mit  Jd:  fafjem  1!)3  faliia  2709.  In  der  seltenen  Schreibung 
vya7jre  2704  erscheint  y  vor  Vocal.  Y  in  consonantischer  Geltung  concurrii't  mit  j^  §.  f)9. 
F  dient  endlich  zur  Bezeichnung  der  Mouillirung  von  l  (§.  20)  und  n  (§.  30);  mit  letzterer 
Graphic  hängt  der  Gebrauch  von  y  statt  /  aucli  nacli  einem  Consonanten  zusammen 
in  fy II  11,  mylor   1943.  Myrall  2117  ist  eine  anomale  Schreibung,  sonst  immer  mir. 

10.  Betontes  n  wird  eben  so  wenig  wie  e  diphthongirt,  und  wie  e  zu  ^,  so  wird 
jedes  0  gerne  zu  v  vor  z-hältigen  Lauten  (also  dort,  wo  das  Pi-ov.  ue  oder  auch  «t  gerne 
ansetzt).  Am  häufigsten  ö:  vmyr  329,  uylls  2477,  nymes  752,  vidi  32;  aber  auch  trüge 
(tröja)  1026;  vgl.  prov.  triieia:^  luny  2853.''  Nur  aiis  tonloser  Silbe  bietet  unser  Denkmal 
Beispiele  In  cuylides  796  (docli  coylida  812),  cuytar  8G7,  muylada  1845,  pioyar  495,  despuyla 
1341,  aber  auch  die  betonten  Formen  dieser  Verba  weisen  n  auf.  Doch  solada  1S46 
(das   J  ist  jedenfalls   mouillirt),  frz.  souillee,  prov.  sidhada  nb.   Sbst.  solh. 

11.  Langes  o  zu  u  in  fe?-,  das  aber  als  Encliticon  tonlos  ist.  Sonst  ist  tonloses  o 
zu  u  in  unserem  Denkmale  selten:  j«^a^.9  2356;  turmentar  '3'3A  •  pinrats  1438. 

12.  0  zu  e  in  cnnexer  873;  das  e  bleibt  auch  unter  dem  Accente:  conech  1151. 
Volenter  997  ist  ein  viel  verbreitetes  Beispiel,  in  welchem  Elniiuss  des  Partie.  Praes. 
nicht  zu  verkennen  ist.'' 

13.  Tonloses  ü  zu  o  in  destrohida  3142,  fogir  801  ;  fi  in  urhia  923,  ponir  1651.  Ist 
es  ein  Zufall,  dass  es  sich  immer  um  die  Formel  u-i  handelt'?^ 

14.  Anlautendes  ?m-  zu  e/i-,  etwa  durch  Einmischung  des   Präfixes  in:  enguents  1122. 

15.  tt  vor  Vocal  zu  v  consonantirt  in  minvave  2065  minvat  2610." 

16.  Diphthonge  sind  im  Catal.  selten;  steigende'  —  ie,  uo  ue  —  gibt  es  nicht;  mit 
den  fallenden  verhält  es  sich  folgendermassen: 

AI  AUS  a-\-'i  bleibt  manchmal;  so  aydat  2360;  nyga  1558  (*  aus  der  verbliebenen 
Gutturalis  entwickelt);  ayssi  ,hier'  899  (neben  assi  29),  eyla  (=  ayla)  312,  ayco  988  (nb.  ago 
952),  aytal  1G07,  aytant  14  [i  vertritt  die  verschwundene  Gutturalis);  meist  aber  wird 
es  zu  e,  wahrscheinlich  nach  Durchgang  durch  ei;  es  findet  sich  in  der  That  neben 
fayt  222.S  und /e^  197  auch /e?/i  2826.'*  Beispiele  wären:  Suff,  arm-s,  friiyter  787,  lehrer  . 
G07,  manera   1077;   (auch  -ar  :  fogar  2529;   nb.    senglar   776,   sengler    787;   die    erste  Form 


'    Vgl.  frz.  veiain,  wo   iz  =  g,  dann  voUin. 

2  Damit  steht  im  Zusammenhange,  dass  die  Veränderung  eines  tonlosen  e  zu  i  durch  das  Nachfolgen  eines  betonten  i  behin- 
dert wird.  So  ist  e  der  normale  Stammvocal  von  pomitere poenetere,  7..  B.  penet  :=  ^joeju/e^;  ausser  dem  Aecente  wird  e,  wenn 
möglich,  gerne  zu  i:  penidats  1168  2'enidrets  159i  aber  tmr  penedir  Uö-l.  Dalier  ist  mir  penidria  767  einigermassen  verdächtig. 
■'  cuyr,  fidl  fulla,  miig  (mödius)  Rev.  V  312,  putx  (pödium),  escull  Est.  (scöpulus);  Bolunya,  Gascunya;  ctixa,  htdl  (tormlnm 
troclnm). 

*    Eben  so  volenUU  ,J.   17.  Mau  bemerke  aucli  fpnevol  Est.  neb.  fon.  fiin.   { fundihulum);  Arigleichung. 

^    Hf.  .5  homiU.   38  jjodia   {putehat). 

^    Auch  mirvat.  Eben  so  nach  dem  Äcconte. 

'.  Ich  bediene  mich  der  von  Tobler  vorgeschlagenen  Bezeichnungen;  , steigende'  Diphtb.  :=  ,raccolti'  der  Italiener  =  .starke' 
nach  G.  Paris;  , fallende'  =  ,distesi'  =  , schwache'. 

'^    Vgl.  contreyf.  Est.,  leyt  Doc.  407,  phyl  J.  49. 


Die  cATALANiscnE  iiETRiscnE  Version  dee  sieben  weisen  Meistee.  157 

kann  aber  aus  singularis:^  die  zweite  aus  singularius  sein);  hesa  356,  destret  G82,  fretura 
2136,  ht  [lade)  598,  lexa  1454;'  conuurrirend  mit  a//:  ausser  dem  schon  angeführten 
Parte,  von  facere  auch  fer  127  afer  18  nohcn  fayre  359  (auch  afar  1445,  im  Fut.  und  Cond. 
nur  y«?"-,  z.  B.  15)  Jte  19  neben  -ay  in  manchen  Fut.  z.  B.  898;  mes  975  und  mays  976, 
james  692  und  jumay  691  (in  der  Bedeutung  ,aber'  nur  mas  1144);  se  779  und  say  2288. 
Nur  yayre  898.  Ferner  findet  sich  ay  in  aymador  213.  385.  aiimia  1440^  (gegen  äma  674 
amor  1691),  in  dem  auf  romanischem  Gebiete  weit  verbreiteten  mayti  S62  [mati  1721) 
und  in  paytits  218  {patit  51),  das  mir  sonst  unbekannt  ist.  —  Auch  e -\- i  bleibt  selten; 
im  Auslaute  rey  1616;  im  Inlaute  "entweder  e:  drei  495,  oder  /:  delit  1601,  lit  300,  pit-s 
1850.  —  Nach  o,  u  pflegt  /  zu  bleiben:  cuytats  1616,  fniyf  795,  7mi,yr  329;  neben  nuyt 
1329  die  specifiseh  catalanische  Form  nit  1325.^  Ptq/s  als  Adverbium  437  (nur  einmal 
.  2)us  2386),  p?t5  que  als  Conjunction   1385. 

17.  Lat.  all  wird  in  der  Regel  zu  o;  dos  144,  goig  323,  lo7-  298,  oreylles  151,  re/jos 
145,  tresor  168;  auccyll  2382  luid  oc.  611,  a?tÄM-  288  und  o«/?*  735,  pauc  475  und  jjoc  487, 
lauzor  860  und  /or/?'  1173;  in  unserem  Denkmale  nur  nur  1647,  sonst  or.  Ueberall  nur 
paranla  84.*  Au  (=  lat.   au   od.   lat.   « -}~  Cons.)   kann   zu  al  werden:  malalt  914.'* 

18.  Au  aus  0  in  dem  bekannten  Beispiele  aucis  2948  nb.  ocir  2328." 

Zeigt  sich  nun  die  Sprache  zum  lat.  Diphthonge  au  wenig  geneigt,  so  hat  sie 
andererseits  eine  entschiedene  Vorliebe  für  die  diphthongische  Formel  Vocü'  in  welcher 
das  n.  lat.   v  (§.  40),  d  (§.  45),  tj  (§.  50),  ts  (§.  51),  c  (§.  58)  entspricht. 

19.  Einfluss  von  Labialen  auf  den  vorangehenden  tonlosen  Vocal  in  Octovia  1179, 
omplir  1120  umplides  797  (auch  prov.),  roiiian  2773  (prov.  nordit.).''  Auf  den  nachfolgen- 
den Vocal  etwa  in  polvores  1123  (es  ist  wohl  so  zu  betonen?  die  gleiche  Form  im  »Span.);* 
es  kann  hier  aber  auch  Angleicliung  stattgefunden  haben. ^  Die  Formel  GüVoc  ergibt 
go.    In  dem  Nexus    GÜA:    gor/t    982  =  guarit\^"    in    dem    Nexus   GUI  (GUE):    ensango- 


'    era  {area),  quera  (caries),  quex  {=  prov.  cais)  quexal  nb.  caxal  808. 

2    Oft  in  den  Volksliedern.  Nach  Mili  nur  noch  anf  dem -Lande  lebend.  Ich  finde  e.s  aber  häufig'  bei  modernen  Schriftstellern. 

'    Nnyt  auch  in  J.   12.  Alart    (Rev.    V  287)  belegt   e.s   aus  Texten  von    den   Jahren    1296 — 1323;     daneben   mit,    also    mit   der 

beliebten  Veroinfachnu"-  des  Diphthongs,  Al.irt  meint,    er   habe    nit    vor  1330  nicht    finden  können;    daraus  folgt  wol   nielit, 

dass  die  Form  niclit  älter  sein  könne. 

*  au  ausser  dem  Aeeente  wird  auch  zu  a;  so  iu  jetzigem  Uahor,  im  alten  jair  nb.  jansir  (jetzt  gaudir),  agur  Est. 

■'   ditrejar  Est.   =  pror.  uutrejar,  calliri  (Anni.  zu  §.   fi),  galta  =  gavHa  gauta;   alciure  Hf.    12   zu  vgl.  mit  aucis,  §.   18.    Auch 

gual,  dem  altes  gnav  =  vaclum  zur  Seite  steht,  gehört  wol  hieher.  Vgl.  noch  dehne,  einst  deuma,  letzte  Anm.  zu  g.  58. 
^  aurifany  Hf.  b.  —  Nb.  anc.  und  oc.  bietet  Hf.  4  aucli   die  Form   ouciure. 
'    hastomar  Est.  nb.  tilasphemar,  dexupUna. 

*  moyü  Est.   =   mitji'i   {med.ianus). 

'  So  fonoll  Est,  nb.  fenoU,  wo  /  eingewirkt  haben  mag,  zugleich  aber  auch  Angleichung  sich  tliätig  zeigte,  wie  in  jonoU 
nb.  yenoll,  ronyo,  aogoiis  Doe.  71,  toxo  , Dachs',  ostol  Est.  neben  estol,  rostoll  nb.  resl.,  wolil  re-stijjzda  (stupla);  vgl.  bei  u: 
contumiar  Doc.   181,  nugü  Doe.   178. 

'^  So  gonyal  J.  198  neben  goanyat  .T.  lö,  guoanyar  Doc.  193,  Brev.  17  goayaran  (y  =  ny,  §.  30)  und  in  einer  anderen  Hs. 
goiiyeran;  gordonar  und  gonrdonar  beide  Formen  in  J. ;  gordasses  Doc.  25  esgordar  Est.;  gornimens  J.  89  desgornir  Est., 
agoytar  Est.  nb.  agnaytar.  Alle  bisherigen  Fälle  gehen  auf  deutsches  w  zurück;  dazu  gostase  Doc.  36  degoslar  Brev.  22 
(vastare)  und  bei  gua  ans  qua  agolejar  golagar  als  Nebenformen  des  ebenfalls  veralteten  ugualayar  =  lequal-icare.  Provenza- 
lische  Mundarten  werden  gewiss  ähnliche  Formen  bieten;  ich  begnüge  micli  aus  Arcli.  glott.  III  76  gordä  in  der  Mundart 
von  Sarlat  anzuführen.  Auch  in  einem  von  Bartsch  in  der  Riv.  di  filol.  rom.  herausgegebenen  altital.  Gedichte  gurdar.  Nicht 
anders  bei  qua  (cua)  u.  zw.  bei  Ableitungen  von  den  Stämmen  quadr-  quart-:  coranta,  coresma,  escodto;  codei-n  coern; 
Carter  cortel,  escorterar,  theils  veraltete  theils  noch  lebende  Formen,  denen  meist  Nebenformen  mit  qua  cua-  zur  Seite  stellen. 
Vgl.  Sehuch.  I  173,  II  510  Anmkg.  und  III  310,  welcher  codrantem  für  quadrantem  bei  Isidor,  altfr.  coresme,  ital.  mund. 
cutrino,  churw.  cutier  (==  curt.)  curtauna  quronta,  ancugliar  {in-coagiüare  cuag.),  dann  für  gu:  gudoign,  urdar  (=  gurdar) 
vurdar  anfülirt.  Schnell,  sagt  II  510:  , Merkwürdig,  djiss  dieser  schwache  Laut  (das  u  nach  g,  q),  halb  Vocal  halb  Conso- 
nant,  den  klangreichsten  Vocal  (a),  sogar  wenn  derselbe  lang  ist,  zu  verschlingen    vermochte.'  Auch    in    seiner   Abhandlung 


J58  -^     Ml'SSAFIA. 

nats  650,'  wo  ucbst  ilein  Einflüsse  des  gu  auch  die  liio  und  da  wahrnehmbare  Nei- 
gung gewirkt  luiben  mag,  denl^exus  Liqu.  Muta  IN (-EN)  unmittelbar  vor  der  betonten 
.Silbe  zu  -TW  werden  zu  lassen;  so  z.  B.  alteat.  altfz.  cardonal,  altcat.  frz.  ordonar,  -nnerJ 
Vielleiclit  wii-kt  die  gleielie  Neigung  auch  bei  der  eintaclien  Formel  Cons  IN.  V.  651 
kommt  environats  vor;  der  Sinn  J'oi'dert  enverinats-^  darin  ohne  wcuteres  einen  Schreib- 
fehlei'  zu  erblieken  ruul  zu  emendireu.  hielt  ich  micli  nicht  Tür  bereclitigt;  ich  bewahrte 
die  Form   und   vergleiche   damit  altcat.  sajonar  neben  dem  üblichen  saginar  ,mästen'.^ 

C  o  n  s  o  n  a  n  t  e  n. 

20.  Mouillirtes  l  erscheint  in  vielerlei  Grestalten:  ylL  ///,  //,  und  selbst  l:  fiyll  8, 
fiyla  172,  fill  579  (,/}///,  g.  i»);  htyll  147,  heyl  786,  hell  130,  hda  59.".;  eylla  2331,  dla  1503, 
da  205. 

21.  Mouillirtes  l  entwickelt  sich  nicht  bloss  aus  Ij,  sondern  gibt  in  der  ßegel 
geminirtes  /  w^ieder:  apeylat  473,  coli  2075,  conseylat  85,  crestayü  2101,  foyl  1505,  affoyll 
1866,  yayll  1081,  nidl  141,  assadoyla  S40,  devayla  504;  Suff,  -ellus  :  donseyla  175,  pindl 
463,  puncela  394.  Aus  einfachem  /;  cayles  344,  Suff,  -alis  :  corall  1874.  Die  catalanische 
Mouillirimg  des  anlautenden  l  findet  sich  in  Handschriften  überaus  selten  angedeutet; 
da  aber  einfaches  l  zur  Bezeichnung  von  l  genügte,  so  ist  es  möglich,  dass  der  mouillirte 
Laut  schon  damals  gehört  wurde. 

22.  Mouill.  l  mit  y  concurrirend  in  paj)agay  2289;  bei  dem  idcht  sicheren  Ursprünge 
des  Wortes  ist  es  hiei'  schwer,  h]rweicliung  des  l  zu  y  entschieden  anzunehmen;  eine 
solche  kommt  aber  in  der  Sprache  vielfach  vor',  und  nach  i  kann  dann  y  wegfallen: 
fiastra  2878  nb.  filastre  2696. 


,Ueber  einige  Fälle  bedingten  Lautwandels  etc.'  S.  27 — 28  kommt  er  auf  diese  Erscheinung  zu  sprechen.  Er  geht  hier  von 
den  clmrw.  Fällen  aus,  in  denen  deutsches  ?r  als  v  erscheint,  welches  auf  den  folgenden  Vocal  Einfluss  übt  und  ihn  zu  u 
werden  lässt;  dieselbe  Form  finde  sich  dann  auch,  wenn  deutsches  t«  durch  churw.  gu  ersetzt  wird,  und  nicht  anders  ver- 
binde sich  lat.  qu  mit  dem  folgenden  Vocal  (als  weitere  Beispiele  werden  angeführt  guli/  =  aiqualivus,  cuscheu  Partie,  von 
quescher  =■  quiescere,  grödn.  cudria  =  quadriga).  Ich  ziehe  die  erste  Darstellungsweise  vor,  weil  sie  allgemeiner  und  auch 
auf  jene  Idiome  anwendbar  ist,  die  deutsches  w  nicht  bewahren:  die  Formeln  CUA,  GÜA,  möge  w.as  immer  ihr  Ursprung 
sein,  haben  vielfach  die  Neigung  zu  CO,  GO  {CU,  QU)  zu  werden.  Dass  die  labiale  Aussprache  von  cu,  gu  (cu,  g«)  den 
Anstoss  zum  ganzen  Vorgange  gibt  ist  klar;  dem  vorangehenden  ?<  ist  a  assimilirt  (Seh.  I  173),  wobei  noch  hinzukommt,  dass 
u  in  dieser  .Stellung  leicht  zu  o  wird  (Seh.  II  162);  die  catalanischen  Schreibungen  guoa,  goa,  guo  (mir  schwebt  vor,  auch 
goo  begegnet  zu  sein),  go  zeigen  in  anziehender  Weise  das  allmällge  .Siegen  des  labialen  Vocales  (so  hatte  der  Schreiber 
des  Cod.  Est.,  wahrscheinlich  seiner  Vorlage  folgend,  in  dem  Gedichte  des  Guillem  de  Cabrera,  des  Catalanen,  Goanelon 
geschrieben;  ein  Purist  bat  dann  das  o  ausradirt).  Die  bisher  besprochene  Lautmodification  geht  zunächst  in  tonloser  Silbe 
vor  sich;  dann  durch  Analogie,  besonders  in  Verbalformen,  auch  unter  dem  Accente:  guorda  Gen.  12,  in  einem  Volks-' 
liede  bei  Briz  gordi  (i.  Praes.  Conj.).  Ist  gotlla,  veraltete  Nebenform  für  guallla,  nicht  =  it.  quaglia  (tU  =  mouill.  /,  wie  in 
hatlle,  veülar)'!  Schliesslich  ben\erke  ich,  dass  auch  Asc.  St.  lad.  S.  40  und  40  den  Gegenstand  berührt  hat  und  weitere 
Erörterungen  in  Aussicht  stellt. 

'  Eben  so  angonal  , inguinale';  in  ital.  Mundarten  sangoiiar,  angonaja  (auch  -gun-)  für  - guin-.  So  verhält  es  sich  mit  afz. 
ß-egunder  =  fi-equentare ;  que  gut  zu  gu;  vielleicht  hat  das  Folgen  von  NCons.  einigen  Antheil  an  dem  Vorgang  gehabt. 
Schuidi.  III  257  rechnet  angunaja  ohne  Weiteres  zu  den  Fällen  von  gii  (go)  aus  giii  (gne);  so  prov.  giii-pir  =  guerpir 
(auch   unt.  d.  Acc.  gurp),  c.oreJhar  =  quer.;  ital.  Mund,  custion  u.  s.  w. 

^   Diez  vermuthet  in   ordonnev  Einfluss  der  Plirase  donner  Vordre. 

^  Neben  orenela  findet  sieb  auch  oronela.  Diez  erklart  crsteres  aus  hurind-,  Umstellung  von  hirund-;  verhält  es  sich  auf 
diese  Art,  so  l)aben  wir  wieder  rin  ren  zu  ron.  Man  kann  aber  auch  hirund-  behalten;  iron-  wird  einerseits  zu  oron  durch 
Angleichung,  andrerseits  zu  aron-  in  nrondela  Est.  durch  Vorliebe  für  o.  Oron-  wäre  dann  zu  oren-  durch  Abschwächinig 
des  0  geworden,  wie  etwa  in  fenevol,  Aura,  zu  §.  12.  Liesse  sicli  das  Primitivum  nacliweisen.  so  würde  dessen  Form  die 
Sache  aufhellen. 

••  cojiwy  Doc.  15,  trehays  Doc.  410.  Zahlreiche  Beispiele  bei  E.steve:  so  hadeyar  hed.  nb.  hadallar,  harayar  nb.  harallar  , streiten', 
bayerola  nb.  ahellerol  ,apiaster',  muyar  nb.  mullar,  po>i  nb.  i^oll  (sowohl  j^educulus  als  j>opulus),  rovey  roeg  rohoyar  nb.  rovell 


Die  catalanische  jieteische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  159 

23.  L  vor  c  zu  n  in  puncela  394;  so  aucli  im  Altspan,  und  in  norditalienisclien, 
besondei'S  älteren,  Mundarten. 

24.  Silbeschliesscndes  l  bleibt  in  der  Regel  unvei'selrrt ; '  Senescaut  1529  nb.  sene- 
scal  1532  ist  eine  altfrz.  Form.  Bemerkenswerth  ist  aul  in  sart^  1530,  eine  Form,  welche 
sowol  für  salve-m^  f  wie  für  salines  in  alteren  catal.  Schriften  häufig  ist.  Haben  wir  da  a"^, 
oder  lässt  sich  dem  v  einiger  Antheil  an  der  Entwicklung  des  u  zuweisen?^ 

25.  Elison  von  /  in  der  PVirmel  pl  in  ])us;  It  zu  t  In  atressi  1090,  atretal  849,  atre- 
iant  759,  aber  nur  ältre. 

2G.  Wortschllessendes  in  wird  leicht  zu  n-  con  —  qitomodo  ist  mehrfacli  ausgeschrie- 
ben; wenn   nur  das  7i-Zeichen  sich  findet,   erlaubte  ich  mir,  m   anzusetzen. 

27.  MBU  statt  MR  (lat.  ni'r  u.  mii)  ausser  in  camhra  376,  fembra  1563°'  noch  in 
temhra  (fim-r-habet)  2333. 

28.  MA^,  MT  zu  i/PiV,  MPT:  dompna  230  (aber  dona  183),  sompni  2453;  compta 
(comitem)   955.*  Ist  das  p  bloss  ein  grapliisches  Zeichen  oder  wurde  es  ausgesprochen? 

29.  N-n  zu  r-\_n\  in  vari  (venenmn)  635;  n'm  zu  rm  in  «nwa  3029. 

30.  Mouillirtes  n  wird  in  der  ßegel  ny  geschrieben;  gewöhnlich  durch  blosses  y 
imd  den  ?i-Strich.  Die  Stellung  des  Striches  würde  manchmal  elier  zu  Gunsten  der 
Schreibimg  yn  sprechen;^  auch  steht  V.  91  afayn  ausgeschrieben;  im  Falle  der  Abkür- 
zung druckte  ich  immer  ny.  An  ein  paar  Stellen  —  compiayo  1142  compayons  2082, 
leya  1764  —  bloss  ?/,  eine  Gepflogenheit  mehrerer  altcatal.  Handschriften."  Man  wäre 
geneigt,  darin,  bloss  eine  graphische  Nachlässigkeit  zu  erblicken;  auch  Alart,  ßev.  V 
311,  ist  derselben  Ansicht;  ebenso  Hofmann,  Absclmitt  27:  ^compaya  (lies  com2Janyay. 
Milä,  S.  457,  gibt  die  Möglichkeit  zu,  dass  diese  Schreibung  eine  phonetische  Modlfica- 
tlon  bezeichne;'  P.  Meyer  sagt  entschieden,  ßomania  III  419:  ,11  s'agit  d'un  falt  de 
prononciatlon  qui  consiste  en  ceci  que  dans  la  region  des  Pyrenees  le  son  h  se  reduit 
a  la  semi-voyelle  i  oii  ?/'.  Also  analog  mit  I  zu  y.  Ich  möchte  vom  Standpunkte  unserer 
Hs.  nur  bemerken,  dass  dieselbe  das  Verb  um  pmyar  stets  mit  mi  schreibt,  während  doch 
eine  Form  punyar  unmöglich  ist,  und  dass  sie  andererseits  an  mehr  als  einer  Stelle  das 
11  unbezeichnet  lässt  (siehe  die  Anmkg.  zu  V.  24),  Beides  aber  auf  eine  etwas  will- 
kürliche Anwendung  des  n-Zeichens  zu  deuten  scheint.  Ich  habe  bei  puyar  stets  still- 
schweigend gebessert,  während  y  für  7iy,  um  der  Entscheidung  nicht  vorzugreifen,  im 
Texte  beibehalten  wui'de.  Auch  gn  kommt  vor;  zunächst  in  lateinischen  Fällen :  empregna 
966,  magnats  366,  rcgnat  1536,  dann  auch  sagna  1702  (lat.  ng). 


rovellar,  veya  nb.  vdla  u.  s.  w.  Die  Formen  mit  ;j  werden  inei.st  als  alt  oder  bäueri-sch  bezeichnet;  auch  Milä,  S.  465 
Anm.  14,  bemerkt  das.s  das  Volk  häufig  //  statt  l  gebraucht.  Aus  lolium  dagegen  wird  jui/  als  die  üblielie,  jull  als  die  ver- 
altete Form  bezeichnet. 

>  Esteve  verzeichnet  ßdeti,  =  fidel,  haleu  =  halell  (also  u  =  gemin.  l  oder  l)  an.  Doe.  .58  caugats  (collocatos,  franz.  couchis) 
st.  coug.  Milä  bezeichnet  u  für  l  als  volksthümlich   (vulgär). 

2    Alte  Denkmäler  haben  aucli  sal  und  sau;  Letzteres  durch  l  zu  u  oder  aus  s<i[ljv  zu  deuten;  vergl.  die  zweite  Anm.  zu  g.  4ö. 

^    comhregar,  nemhrar. 

'  dampnage,  fempla  =  iv/..  fiente.  Ebenso  MS  zu  MPS:  prempsa  ,Druck';  Briz  III  159  bietet  die  Form  pvimpceta ;  hat  er  das 
Wort  so  dem  Munde  des  Volkes  entnommen?  Provenzalische  Hss.  kennen  ebenfalls  vielfach  solche  Einschiebuug  des  p-, 
siehe  z.  B.  Sardou's  Ausgabe  des  Honorat. 

'■•   So  liynuge  J.   18,  playn  Doc.   194,  bayn  Est. 

<>   Rev.  V  ayels  85,  leya  87,  estrayes  91,  ay  92,    seyar  94;    Doc.  Älamaij  (52,    compayes  10,    enseia/s  13,   guayen  231,    meys  250, 

vergoyosament  196;  Est.  empayorur  , verpfänden',     i}estaya,  scaluya  u.  s.  w. 
■"  ,A  veces  lialUimos  suprimida  la  n  por  olvido  del  tilde  correspondiente  6  acaso  poi-  la  naturaleza  de  la  palabra  6  pronuncia- 
cion  local;  vcrgoya'-.  Wenn  Milä  dieses  Beispiel  zwischen  cove,  eff'an   und  cossi   anführt,    so    ist   diess   nicht  zu  billigen,  denn 
in  letzteren  Beispielen  wird  Niemand  Vernachlässigung  des  n-Zeichens  erblicken. 


^60  A.    MUSSAFIA. 

31.  Mouillirtcs  )i  auch  aus  im:  awj  92;  afanji  Dl  zu  vergleichen  mit  it.  affanno^ 
span.  qfano  (921  afanat;  n  -  h  wie  l-=l^  oder  Nebent'onu  mit  reinem  »?)  seny  60, 
vgl.  it.  senno.    Mcwj.^  506  Avic  im  Prov. ;  n   aiigebildet  an   l  von    niilhs\  Diez  11   7ö  Anm. 

32.  Eingeschobenes  n  vor  .v'  in  lensenger  430.  2270;  die  erste  Silbe  klingt  an  die 
zweite  an.^ 

33.  Auslautendes  ?i,  das  ursprünglich  sich  zwischen  zwei  Vocalen  l'and,  wird  meist 
abgeworfen:  Cato  63,  deina  857,  do  (donem)  2470  (donet)  872,  ß  2167,  jarcZ«  519,  7nai/ti 
1098,  ^i  468,  ?'c  778.  Doch  son  (sonet)  269.  Un  und  cascun  bewahren  stets  ihr  n  (nur  3175 
cascu)'^  eben  so  die  Praepos.  en.  Be  und  6o,  wenn  in  selbstständiger  Stellung,  z.  B.  26 
und  873  (doch  hon  3193);  in  mehr  pi'oclitischer  Stellung  meist  hen  und  öon;  vor  Con- 
sonanten,  wo  n  nicht  zwischen  zwei  Vocalen  steht:  hen  tost  774,  hon  mayü  1098  (vgl. 
1132.  1142.  2505);  vor  Vocalen,  etwa  zur  Vermeidung  des  Hiatus:  hen  apres  93  {be 
apresa  174),  hon  ardit  902  (vgl.  1063.  2167).  Bei  folgendem  s  erscheint  das  n  wieder: 
buro  64  und  barons  109,  ca  643  und  cans  1842,  ve  (venit)  793  und  ve7}s;  eben  so  in  ton- 
loser Silbe  Äo?ue?«s  2823, '  nur  einmal  honies  346,  das  emendirt  werden  könnte. 

34.  NR  zu  NDR  in  romdndre  1900  und  im  Fut.  von  venire  u.  teuere,  §.  106;  doch 
ist  auch  nr  zulässig;  z.   B.   encjenraf  930,  honrat  1463.^ 

35.  RJ  zu  ir  in  9?z?«3/r  329.'' 

36.  RS  zu  S5  in  vasses  (§.  1),  lensenges  2270,  volentes  1011.  Ä  vor  s,  besonders 
in  Endungen,  muss  kaum  hörbar  gewesen  sein,  wie  mannigfache  Schreibungen"  und  Reime 
beweisen;  vgl.  Diez  I  400  Anm.,  Bartsch  LB.  238,  Dkm.  zu  298,  10,  Meyer  zu  Flam. 
5014,  Tobler  GGA.  1868,  S.  994. 

37.  Abfall  von  r  in  den  Formen  \on  prehendere,  die  ein  anderes  r  enthalten:  jjertc/re 
391  aber  pren  325.  Metathese  in  pernen  338,  das  in  der  Hs.  ausgeschrieben  ist;  ist  die 
Form   richtig? 

38.  Inlautendem  b  entspricht  auslaut.  p:  sap  560  von  saber  (freilich  auch  sab  vor  d 
1798,  vor  /  2376);  trop   1766   von  trubar. 

39.  BJ  ergibt  §,  §.  92. 

40.  Silbeschliessendes  v  {^^^  lat.  b,  v)  wird  it:  aure  37,  beure  1191,  liurets  81,  taula 
1912;  ciutat  126,  deu  340,  greu   641,  leu  2560,  mou  2321,  suau  832,  viu  526  wiMre. 

41.  V  prosthetisch  vor  anlaut.  ug:  de  vuy  1968,  e  vugmes  1895,  vgl.  3035.  Verwächst 
ein  elidii'tes  Proclitikon  mit  uy  zu  einem  Worte,  so  entfällt  natürlich  die  Möglichkeit 
einer   solchen  Prosthesis:   d'uymes  752. 

42.  Die  Schreibung  ff,  im  Anlaute,  welche  den  meisten  catalan.  Hss.  eigen,  findet 
sich  auch  in  der  unseren.  Ich  Hess  einfaches  _/  drucken. 

43.  F  ist  abgefallen   und  der  Hiatus  wurde  durch  y  aufgehoben  in  preyon  1387.' 


'    Manaeylla,  ponsovya;  vor  t:  penthiar. 

2   Vgl.  in  der  altnordit.  Katliarinenlefjeudo  (Sitzgsber.  LXXV  ii'J)  alonsenija,    das   aber    dort   anders   gedeutet   werden  konnte. 

Besser  stimmt  laindengier  im  Aiibery  ed.  Tobler. 
**   ase  asens^  cove  covens  icophinus)^  orfe  orfens. 

*    liondrar  in  einem  iilteren  Denkmale,  das  iili   nicht  näher  angemerkt  habe;  eben  so  im  Prov. 

5   alniir  Est.  =  aur/urium;  daher  henahuit-at  malauirat,  das  einzelne  Heransgeber,  wol  mit  Unreclit,  -avirat  drucken;  cuijr. 
^    Aus  den  vielen  Beisjjielen  nur  ein  Paar  aus  Doc.  lavos  5i,  jiUglas  67,  ples  {=:  plers,  piaers)  63.  melos  (meylors)  57;  no  plos 

{plors  =  lat.  plores)   10.  So  bei  Hf.  pexcados  21,  partes  29,  wo  der  Uerausg.  unnöthigerwcise    -ora,  -ers   emendirt,  während 

justicies  29  unberülirt  gelassen  wurde.  —  Es  gibt  auch  umgekehrte  Schreibungen :  mors  für  mos  , meine',  dors  für  dos;  selbst 

in  tonloser  Silbe ;  cossors  Gen.  für  cossos  , Körper'. 
^  Sonst  pretjon. 


Die  catalanische  metbische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  161 

44.  Primäres  d  zwischen  Vocalen  bleibt  als  d  oder  Sibilans  (meist  5  geschrieben,  doch 
auch  z)  oder  es  fällt  weg;  in  letzterem  Falle  kann  Contraction  der  auf  einander  s tossen- 
den Vocale  stattfinden.'  Concurriren  von  zwei  Formen  ist  häufig.  Gasanyar  A.'62  und  g an i/ar 
(aus  gaanyar)  1190,  gasardo  108  (-z-  24)  und  gardo  J.  184,  ausir  und  oyr^  lauzor  und  loar 
(§.  17).  Neben  veser  1924  (^vas.  186)  veer  2497;  und  so  wechselt  in  allen  Formen,  die  nicht 
auslautendes  d  haben  (§.  45)  der  Stamm  ves-  (wenn  tonlos,  auch  vas-)  mit  dem  Stamme 
i-e-  (va-)  ab:  vezen  1444  und  veem  3073;  durch  veets  (videtis)  vets  2597;  vesia  1407  (-z-  2589) 
und  vegets  2528;  vases  (yidisset)  614  und  vaes  225,  contrahirt  ves  2306.  Nicht  anders  bei 
den  anderen  Verben  mit  dem  Cliarakteristikon  d  nach  Vocal:  caser  (cad-ere)  1410  u. 
caen  3207;^  casut  2236  und  ^«»7  2229;  sezla  1111  und  selda  2707.  Von  credere  bietet  unser 
Denkmal  zufällig  nur  Formen  mit  abgefallenem  (/,  z.  B.  creets  2418,  contrahirt  crets  852. 

45.  Auslautendem  d  nach  ursprünglichem^  Vocal  entspricht  u:  hrou  (ahd.  hrod)  1033, 
eonreii  (Stamm  red-)  2709,  peii  299,*  auch  bei  Suff,  -idus^  also  (wenn  keine  Versetzung 
des  Accentes  stattfand)  auch  in  tonloser  Silbe:  regen  (rigidus)'  657;''  Verbalformen: 
creib  (credo)  1986,  (credit)  456,  ou  {audit)  455,  veu  {videt)  2478,  vm  (vidit)  622.  964.  1853 
(nb.  vi  :  pi  469,  estremi  1847).^  Das  ii,  verbleibt  auch  bei  folgendem  s:  im  Plur.  peus 
49  und  in  der  2.  Person  Praes.  Ind.  od.  Conj.  von  Verben  auf  VocD-^  von  solchen 
Verbalformen  bietet  unser  Denkmal  zufällig  kein  Beispiel;  solche  wären:  creus  (credis)^ 
ous  (audis)^  vens  (vides);  lous  (laude.i).'' 

46.  Der  schon  lateinische  Nexus  dr  (=  tr,  dr)  bleibt  meist  rfr;  hie  und  da  vereinfacht 
es  sich  zu  r  (Abfall  von  d,  oder  ist  Assimilation  zu  rr  vorangegangen?);  daneben  kommt 
auch  die  provenzalische  Darstellung  durch  ir  vor:*  emperadriu  2641  und  emperayre  65, 
welches  letzteres  indessen  nur  eine  pi'ovenzalische  Reminiscenz  ist;  nodrir  192  und  noyrits 
2788;  iiiayra  188  und  mara  13;  payra  187  und  para  3012;  nur  layre  4:A2>\  pere  1099.' 

47.  Der  Nexus  dr  dagegen,  welches  lat.  d'r  entspricht  wird  zu  ?«?-.  So  weit  ich  es 
übersehe,  findet  sich  diese  Formel  nur  bei  einem  Worte,  das  kein  Verbum  wäre,  nämlich 
bei  hed^ra,  welches  cat.  in  der  Tliat  eara  lautet.  Alle  andern  Beispiele  betreffen  Infinitive, 


'   So  'i.  B.  neben  ßdel,  fasel  bei  Lnll,  feel,  fael,   endlich  fei  Doc.   227. 

2  Nach  dem  Aceente  scheint  überhaupt  Abfall  des  Consonanten  beliebt  zu  sein;  ich  Iconnte  nämlicli  kein  cdsen  finden.  (Dass 
nur  öen  2897  vorkommt  ist  selbstverständlich,  da  bei  diesem  Verbum  die  zwei  Verhaltungsweisen  von  au  und  von  d  immer 
Hand  in  Hand  gehen;  kein  rni^a  z.  B.  und  kein  osia).  Vgl.  auch  §.  57  in  Bezug  auf  5  in  *diqent. 

3  Nach  ursprünglichem,  denn  z.  B.  frig'dus  ergibt  nicht  etwa  /?'«t  .sondern /red,  d.  h.  fret  1790. 

■■  cruu  Est.  (jetzt  o-u),  Daviii,  grau,  hereu,  mou  Lull  491,  nm,  miu  (nud-um)  Doc.  207  (jetzt  nu;  nu  bedeutet  auch  nodus, 
und  man  darf  auch  hier  ein  früheres  nuu  voraussetzen),  seti  (sed-em  ,Bisthum');  /rna  steht  wol  {är  frauu.  Auch  secundärem 
d  entspricht  manchmal  u:  dau  {datum  , Würfel'),  freu  de  mar  J.  78.  Die  Verbindung  Id  ergibt  ;/  in  sou  {sol'dus),  dann  in 
arau  , Herold'  Est.  Ärnau,  Guerau  (-aldiis);  ist  hier  u  aus  l  (was,  wie  wir  §.  24  sahen,  nicljt  allgemein  catalanisch  ist)  und 
ausl.  d  (t)  abgefallen,  oder  trat  l  aus  (wie  vor  ?h;  om  nb.  olm  =  ulmus,  pani  nb.  palm;  vor  p:  cop  nb.  colp,  pop  nb. 
polp  =  polypus)  imd  geht  das  u  auf  d  zurück? 

5  coheu  Doc.  194  (neben  cohes  Est.;  s  =  d),  nedeu  Est.  (jetzt  net),  sulzeu  bei  Aus.  March.  (aucli  siUse  Est.),  teheu  Doc.  446 
(Fem.  lehea  u.  febesa). 

^   cau  (cadit),  clou  (claudit),  lou  (laud-o,  em,  et),  rou  (rodit)  Doc.  467,  neu  (sedel). 

''  Die  moderne  Sprache  bildet  aucli  die  3.  Plural  nach  dem  Mustor  der  S.  Singular;  daher  cauen,  creuen,  veuen;  ein  auf  Analogie 
sich  gründender  Vorgang,  welcher  jedoch  den  Organismus  der  Sprache  stört,  denn  d  zwischen  Vocalen  kann  nicht  zu  u  werden. 

8  Man  könnte  auch  sagen,  dr  wird  ir  wie  im  Piov.  das  durch  die  eatalanische  Abneigung  vor  Diphthongen  das  i  abstösst 
und  blosses  )•  ergibt.  Einigermassen  würde  diese  Ansicht  durch  die  Formen  peyra,  meyra,  welche  Briz  (III  111)  aus  Volks- 
liedern anführt;  ay  zu  ey.  Nur  bliebe  es  iinverständlich,  warum  ein  solches  ai  nicht  wie  sonst  (§.  16|  zu  e  geworden  sei; 
Formen  wie  pere,  mere  bin  ich  bisher  nicht  begegnet. 

'   Vgl.  podrit  und  poyrit   in   verschiedenen    Hss.    desselben   Liedes   Jahrb.  V     1.54.    Zu  den  Formen   unseres   Textes   vgl.  dann 
ladre  Doc.   24:9,  pedra  Doc.   191;  dann  ladrava  Hf.   13.    In   der  jetzigen  Sprache    ist  dr    fast  ausschliesslich;  nur  ^«ice,  mare 
und  cayro  , viereckiger  Ziegel'  machen  eine  Ausnahme    Cadira  ist  ein  eigen  geartetes  Beispiel. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl,  XXV.  Bil  .  21 


162  A.   MUSSAFIA. 

Fut.  und  Cond.  und  zwar  zuerst  von  Verben  der  lat.  III.  Conj.:  creure  1273,  ociure  816,  dann 
auch  der  II.:  caure  (roman.  cadere)  2212,  canras  1239,  seurets  1U83,  veure  21G9,  veurets  98. 
Für  letztere  kann  man  im  Infin.  entweder  eine  mit  der  ursprünglichen  Endung  -ere  (Formen 
auf  -er  sahen  wir  schon  im  §.  44)  concurrirende  E^ndung  -ere  annehmen,'  oder  den  Infinitiv 
durch  Einfluss  des  Futurum  und  Cond.  (vielleicht  auch  des  Sing,  des  Praes.  Ind.)  erklären; 
aus  veitre  =  vid'r-liaheo  wäre  vhire  erschlossen."  —  Unser  Text  bietet  übrigens  ein  Paar 
Nebenformen  mit  provenzalischer  Behandlung  von  dW\  creyra  1551,  Fut.  creyre  2931,  ocir 
1675  (id'rej  ?ire,  ire^  das  als  Endung  der  lat.  IV.   aufgefasst  wurde   und  sein  End-e  verlor).' 

48.  Inlautendem  d  entspricht  im  Auslaute  t:  gart  90  von  gardar,  pot  2482  von  poder. 
Wenn  reddere  zu  retre  wird,  so  mag  diese  ungewöhnliche  Verhärtung  der  Muta  durch 
Einfluss  der  3.  Person  ret  1300  herbeigeführt  worden  sein. 

49.  ND  vor  Vocal  wird  zu  n:*  comanats  23,  demenar  919,  foneren  2250  (doch  con- 
fonduda  1381),  prenen  1209  und  so  bei  allen  Formen  der  Verba,  deren  Infinitiv  auf 
-ndre  ausgeht.^  Im  Auslaute  fällt  ebenfalls  d  (das,  wenn  erhalten,  selbstverständlich  t 
lauten  würde)  weg:  gran^^  en  (inde)  1168,  on  [unde)  130,  sovin  (§.  7);  3.  Praes.  Ind. 
der  Verba  auf  -ndre:  pren  325,  resi^on  1469.  Ursprüngliches  t  in  gleicher  Stellung  fällt 
ebenfalls  manchmal  weg,  z.  ß.  in  ten  (§.  3)  tan  1A:\  nb.  tant;  in  der  Regel  jedoch 
bleibt  es,  z.  B.  infant  13,  Adverbia  auf  ment.  Partie.  Praes.  erscheinen  am  häufigsten 
mit  -t:  pensant  253,  bevent  2255,  dient  2254;  doch  fehlt  es  nicht  an  Fällen  mit  blossem  -n: 
acordan  2131;  jähen  2357;  vielleicht  deserven^  siehe  Anmkg.  zu  V.   333  ff. 

50.  TJ  nach  Consonanten  ergibt  ss:  cassar  1785,  lansol  1100.  Zwischen  Vocalen, 
vermuthlich  durch  sj  (§.  65)  gehend,  wird  es  zu  is  od.  y\  die  vorwiegende  catalanische 
Darstellung  ist  jedoch  gänzlicher  Abfall:'  rayso  1141  rayo  3183  rao  1710;  in  unserem 
Texte  bloss  sayso  1595,  doch  sao  J.  18  und  so  noch  jetzt;  falio  {*falUtionem)  1361.  So  wird 
das  Suffix  -itia  zu  ea:  peguea  1866,  doch  daneben  riquesa  1865  (-za  2263).  Auch  in 
avesar  1978,  solassar  1927  finden  wir  tj  zwischen  Vocalen  zu  ss.^  Im  Auslaute  wird  tj 
zu  u:  palan  365,  pou  i^püteus)   1386.^    Doch  solas  1928. 

51.  Auch  ts  =  lat.  t's  in  der  Endung  der  2.  Pluralis  ergibt  catal.  u-^  doch  zeigt 
sich  dieser  Vorgang  in  ältex'en  Denkmälern  nur  sporadisch,*"  in  unserem  Texte :  descobrau 
952,  estiguesseu  1367,  tornareu  1708. 


'    So  cloure,  roure  Est.;  raure,  riure,  welche,  da  kein  raei;  riir  vorkommt,  als  Verba  der  III.  anzusehen  sind. 

2    Das  Neucat.  kennt  nur  die  Formen  mit  -eure,  d.  h.  -eurer,  mit  dem  dieser  Sprache  eigentliümlichen  Zusatz  von  r;  Diez    II, 

223.  Ueberhaujjt  hat    das  Neucat.  eine  entschiedene  Neigung  für  Infin.  auf  -ere :    so    diurer,    döldrer,   vdldrer;   habere   wird 

von  manchen  Grammatiken  durch  haber,  von  anderen  durch  h^urer  statt  hdurer  wiedergegeben. 
■*   Da  occidere  manche  Formen  auch  nach  der  lat.  IV.  aufwei-st,  könnte  man  auch   der  Form  ocir  ein  *occidire  zu  Grunde  legen. 

Dieses  ergäbe  jedoch  zunächst  ocezir  oceir,  die  erst  belegt  werden  sollten;  auch  ist  die  Contraction  von  e-i  zu  i  nicht  gerade 

leicht  anzunehmen. 
*   Von  dem  Seitenstücke  dazu  —  7nb  zu  m  —  kommt  in  un.serem  Texte  kein  Beispiel   vor :    solche    wären   colom,    llom  (lumhvs), 

melic  {unihilicua),  paloma,  plom. 
5    barena,brena  (merenda;  das  anlaut.   b  zu  bemerken;  m'r,  mbr,  br  dann  bar  mit  epenth,  e,  a),  fona  {funda),  ona  {unda);  estona 

(dtsch.  Stunde).  Au.s  vindemia,  *venema  (dann  71-711  zu  ?'-ot,  vereTiia,  auch  bre7na).  Aus  *lendine7n  zuerst  *lle7tena  (dann  lleme7\a). 
•*   711071  [nutndus),  pregon  Fem.  prego7ia,  segon  Fem.  sego7}a.    In  einzelnen  Fällen  wird    ein   solches   -71  aus  -7id  wie  -n  zwischen 

Vocalen  behandelt  und  fällt  demnach  weg.  Einfluss  der  Femininform  ist  unverkennbar;  bla  Fem.   bla7ia     {bland-us,   a),    rodo 

Fem.  7-odona  wie  sa  sana,  bo  hntia. 
''  prear  (preti-a7-e),  Ho  {titio7ieni)  atiar. 
"  plassa  (platea);  avestrus. 
'    Dalmau  (Dalmalms),  preu  {j>reHu7n).    So  in  der  Conjugation  von  prear:  yo  preu  (Ind.  u.    Conjunctiv),    qne  el  preu.    Ebenso 

bei  folgendem  -s  (vgl.  g.  45) ;  also  preus  ,die  Preise,  du  preisest'. 
"'   Alart,   Rev.  V  282  u.  VI  .363,  meint,    er   habe   dieses  71  in  catal.  Urkunden  des  XIII.   und  beinahe    des  ganzen  XIV.  Jahrh. 

nie  gefunden;  die  ältesten  Beispiele  kenne  er  aus  Briefen  von   1390.     Indessen    bietet   die  von   1343  datirte  Handschrift  der 


Die  catal ANISCHE  metkische  Version  der  sieben  weisen  Meistee.  163 

52.  DJ  wird  g:  verger  146;  goig  323,  mig  2088;  nach  Vocalen  auct  y:  puyar  495. 
Ueber  Verbalformen  siehe  §.   92.  In  ordi  1556  verblieb  di.^ 

53.  Gutturales  c  wird  sehr  oft  im  Auslaute  ch  geschrieben:  amich  391,  jach.  393  u.  s.  w.; 
ach  10  hac  136,  anch  665  anc  387,  poch  488  poc  495.  —  Von  Erweichung  von  c  zwi- 
schen Vocalen  bedarf  es  keiner  Belege;  es  genüge  zu  bemerken  regonech  1629  gegen 
conexer. 

54.  Gutturales  g^  welches  zwischen  i  und  Vocal  wegfällt  bedarf  ebenfalls  keiner 
Belege;  manchmal  ein  Schwanken:  castiats  2710  und  castigats  2770. 

55.  Inlautendem  g  entspricht  auslaut.  c:  trich  (3.  Praes.  Conj.  von  trigar)   1706. 

56.  Prosthetisches  gutturales  g  in  gossava  785. 

57.  Sibilantes  c  (=^  lat.  c  vor  e,  i)  zwischen  Vocalen  fällt  in  der  Regel  weg: 
cuynar  2069  [qu  =  c),  vehi.^  Es  kann  aber  auch  als  s  (selten  mit  z  bezeichnet)  ver- 
bleiben: rezebe  637;'  concurrirende  Formen:  plaser  589  und  (durch  piaer)  despler  1452; 
daher  in  der  Conjugation  der  Verba  mit  lat.  Charakterist.  VocC  der  Stamm  bald  durch 
VocS-    bald    durch    blossen     Voc.   dargestellt:    dien    1867;*    desia    2318    und  deyets    1422, 

fasia  1538  (-2-1326)  und  fahia  2709  feya  1362,  gesia  376  und  geya  1424,  jaser  567  und 
jähen  2357. 

58.  C  im  Auslaute  entspricht  u:  imperadriu  2641,  veu  (yic-em)  1619,  veu  statt  vou 
1419.^  Verbalformen:  dm  (dicit)  419,  fiu  (feci)  1771,  feii  775,  jati  (jacet)  648,  plau 
(placet)  33"  auch  pleii  2624.'  Auch  hier  wie  beim  d  (§.  47)  findet  sich  u  ^=r:  c  auch  im 
Inlaute,  und  zwar  zunächst  in  Verbalformen:  noura  1198,  plauria  2269.*  Doch  ist  unse- 
rem Denkmale  auch  die  zu  ts  =  prov.  tz  geschärfte  Sibilans  nicht  fremd;  dits  2641, 
emperadrits  367.  383.  3178.  3221,  meist  durch  den  Reim  gesichert,  plats  1429,  vets  1824, 
1884.  Eine  dritte  (beziehimgsweise  vierte)  Form  ^ot\.  placet  ist  p>lay  586,  ebenfalls  prov.  — 
Schliesslich  zu  erwähnen  sind  lat.  facere,  dicere  und  ducere^  welche  far^  dir  und  dur 
ergeben. 

59.  Hier  sei  noch  erwähnt  traure  2186,  Fut.  iraurem  1202,  mit  den  Formen  trau  ^= 
trahit  und  traus  =  trahis. 


Chronik  d'  En  Jacme  einige  Beispiele;  so  zwei  auf  S.  139  peneclir  vos  neu  ii.  torneti;  das  Glossar  zu  Lull  führt /est  (=  sp.  haced,) 
und  forau  au;  leider  aber  wird  nicht  gesagt,  ob  diese  Wörter  im  Reime  sich  finden,  und  auch  über  das  Älter  der  benützten 
Hss.  liegt  keine  bestimmte  Angabe  vor.  —  Milä  Anm.  3  zu  S.  456  ist  der  Ansicht,  dass  wenn  auch  bis  zum  XV.  Jahrh. 
die  Literatur  vorwiegend  -ts  gebrauchte,  es  doch  gestattet  sei,  die  Form  -u  als  schon  längst  gesprochen  anzusehen.  Er 
beruft  sich  auf  P.  Vidal's  tornau,  das  aber  nach  de^j  neuesten  Untersuchungen  P.  Meyer's  nicht  mehr  in  Betracht  kommt, 
und  auf  das  Alter  der  Formen  plau,  pau,  ein  ebenfalls  nicht  durcljaus  beweisendes  Argument,  da  es  sich  hier  um  -u  =:  ^ 
handelt.  —  Ich  bin  allerdings  auch  der  Ansicht,  dass  eine  solche  Modification  des  Lautes  nicht  allzu  jung  sein  kann;  in- 
dessen bleibt  es  bemerkenswerth,  dass  es  derselben,  im  Gegensatze  zu  )i  =  f,  so  spät  gelungen  sei,  sich  in  der  Schrift- 
sprache Eingang  zu  verschallen. 
'  joy  Est.,  01/  hoy  Est.   (odium,  jetzt  odi),  remey. 

2  deevibre  Est.  (jetzt  des.)  dei  (jetzt  deai),  llnir,  lluerno,  mahel  Rev.  V  9ö  nb.  maael  V  99  (macellum),  renlar  {recentare), 
Sarray.  Homey  Doc.   199  ist  *home[cJedium,  wo  dj  =  y;  jetzt  homicidi. 

3  reseb  Doc.  454  reebre  J.  .36,  coutrahii't  zu  rebre,  jetzt  rebrer. 

■>    disen,  jäsen  u.  a.  w.  scheinen  nicht  vorzukommen,  vgl.  Aimi.  2  zu  §.  44. 

5  creu  st.  crou,  den  {decernj,  feu  Est.  (faecem),  Feliu,  luu  (lucem)  Gen.  1,  nou  (nucem),  pau  (pacem),  perdiu.  Ueber  den  Diphthong 
eu  statt  ou  (durch  welchen  Umstand  wurde  die  Veränderung  herbeigeführt?  und  warum  nie  neu  =  nucem?)  ist  zu  bemer- 
ken, dass  ältere  Denkmäler  auch  ou  aufweisen:  so  vou  J.   130  nb.  veu  126,  crou  J.   129. 

*   In  der  modernen  Sprache  wieder  (vgl.  die  letzte  Anm.  zu  §.  45)  diuen  (diuhen),  plauen  u.   s.  w. 

'  pleure  auch  in  der  Flamenca.   Treurer  ist  catal.  Nbform  für  fraurer. 

8  courer,  jaurer,  Ueurer  {Heere),  nourer,  plaurer;  bis  auf  das  erste  lauter  Verba  der  II.,  welche  ihren  Infinitiv  nach  der  lat. 
III.  betonen.  —  An  Sulistantiven  wären  anzuführen  deume  (dann  delme),  ciuru  , Kichererbse'.  Eher  aus  dec^ma,  cig'ronem 
als  aus  dekma,  cikronem;  gutturales  c  zu  M  wie  in  Jaume  (nb.  Jacme). 

21* 


164  A.   MUSSAFIA. 

60.  CJ  ergibt  ss:  ahrassar  3(j9,  lassades  1922,  menassar  2006;  auch  im  Aus- 
laute: fas  (facio)  100.'  Behält  aber  i  seine  vocalische  Geltung,  so  wird  c  wie  im  In- 
laute behandelt  und  fällt  weg.  Lat.  j?t [d /icium  ergibt  zuerst  juici;  dann  j?tü  (geschrie- 
ben ßihii  Doc.  3G1  juhiy  J.  76);  durch  Verschmelzung  der  zwei  /  schliesslich  juy  6 
juhy  Gen.   193.^ 

61.  CT.  Abgesehen  von  gelehrten  Bildungen,  in  denen  et  bleibt  —  adoctrinar  135, 
dicta  987,  tractava  205  —  löst  sich  c  zu  i  auf;  über  die  Schicksale  dieses  i  nach  den 
verschiedenen  Yocalen,  §.   16.' 

62.  Die  Schreibung  sowol  von  weichem  als  von  hartem  *■  schwankt  zwischen  s 
und  z:  tresor  1249  trezor  1183,  donseyla  175  donz.  395;  vgl.  §§.  44.  50.  57.  65.  Häufig 
ist  das  Schwanken  in  der  Bezeichnung  von  hartem  s  zwischen  s  und  c,  und  zwar  so, 
dass  an  die  Stelle  des  etymologischen  c  vielfach  s  geschrieben  wird  (viele  concurrirende 
Schreibungen:  ayci  1082  aysi  899,  encegat  2596  ens.  2477,  cer^  209  sertes  524,  co  52  so 
552),  während  der  umgekehrte  Fall  äusserst  selten  stattfindet;  einmal  cempre  3199; 
faicia    875    (^-sia  1112)  auch  in  anderen  Hss. 

63.  Gossava  785  und  gosam  2868,  cossas  1172  und  cosa  1499;  in  beiden  Fällen  handelt 
es  sich  um  die  Formel  ausVoc. 

64.  Bei  der  Anlehnung  eines  Proclitikons  an  anlautendes  s  wird  dieses  oft  geminirt. 
So  bei  de:  de  ssa  (de  sua)  11,  de  ssa  (cd)  312,  de  ssi  27,  de  sso  683;  bei  a:  a  ssa  1993, 
a  ssegna7'  1942;  bei  e:  e  ssapiats  392,  e  ssi  1987;  bei  tro:  tro  ssi  1109.  Per  sso  754.* 
Eben  so  wird  das  anlautende  5  eines  Enclitikons  nach  betontem  Yocale  verdoppelt : 
ana  ssen  350,  va  ssen  700.^ 

65.  SJ  zu  is:  besä  356  bezar  396;  zu  y:  esgleya  1721.^ 

66.  SN  wird  zu  yn:  maynada  2413.' 

67.  Anlautendes  s  impurum  wird,  wie  in  den  meisten  catal.  Hss.,  ohne  prosthe- 
tisches e  geschrieben;  meistens  aber  zeigt  das  Metrum,  dass  ein  solches  ausgesprochen 
wurde.  In  einzelnen  Fällen  freilich  (z.  B.  1280.  1980)  gebietet  das  Metrum,  falls  man 
nicht  tiefeingreifende  Emendationen  vornehmen  will,  den  harten  Nexus  beizubehalten. 
Ich  habe  überall,  wo  das  Metrum  es  forderte  und  kein  vocalisch  auslautendes  Wort 
voranging,  das  e  in  Cursiv-Schrift  hinzugefügt. 

68.  X  (in  der  betonten  Sylbe  von  Oxytonis  gerne  ix  geschrieben)  ist  häufig  ange- 
wandt: 1)  für  lat.  x:  uxor  1650;  im  Perf.  von  dicere,  §.  104;  dann  in  Icxa  1454,  wo 
eigentlich  dem  lat.  x  cat.  ix  entspricht;  axits  38>2;  2)  für  lat.  ss:  abaxat  318,  engruxada 
1950,  pux  816  u.  and.  Formen  dieses  Verbums;  3)  für  lat.  stj:  angoxava  170^  cong.  634. 
4)  für  lat.  p.s;  caxes  2137,  exomenf  149  aquexa  1421  mateix  53;  5)  für  lat.  sc.  vor  e,  i: 
conexem  256  coneix  266,  dann  in  den  Inchoativformen  der  IV.  Conjug. :  traex  259  -eix  244. 


'  fas  (fadem),  llas  (laqueus). 

2   Hieher  gehört  auch  aerviimm,  spatnmi,  wo  man  servm  oder,  da  i  in  Position  steht,  .lervev,  espau  erwarten  würde ;  classiscliem 

tj  entspricht  jedoch  vulgäres  cj,  daher  servey  (alt  auch  serviy),  espay  neben  den  gelehrten  Formen  servici,  espaci. 
s   Wenn  direclum  drei  ergibt,  so  kann  da  ey  zu  e,  aber  auch  et  (durch  tt?)  zu  t  erblickt  werden.  So  entspricht  cotar  ,mit  den 

Hörnern  stoasen'  einem  lat.  coict-are  (wodurch  Diez'  Deutung  von  cozzare   u.  s.  w.  aus  coict-i-are  unzweifelhaft  wird).   Cotar 

auch  im  Prov.,  Flamenca  V.  7882,  wie  Tobler  (GGA.  ISBli.  S.   1789)  richtig  bemerkte. 
'    Zu  vergleiclien  mit  den  häufigen  Schreibungen  von  .is  nacli  Ji,  »•.■  consseyl,  forssa. 

''   Zusammenschreiben  in  Einern  Worte  ist  wol  das  Richtigste  in  solchen  Fällen;  ich  trennte  bloss  der  Deutlichkeit  halber. 
6   Blay  =:  Blasius. 
">    almoyna.  Auch  »m  =  ym  .■  rayma  =  it.   risma,  span.  resma.  Vgl.  prov.  emhaymar  {basm-  aus  bals^n-),  asseyiiialz  bei  R.  Vidal. 


Die  catala NISCHE  metbische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  165 

Die  Aussprache  ist  wol  überall  (etwa  mit  Ausnahme  von  tixor^  das  ein  Latinismus  sein 
kann)  s.  Zu  bemerken  ist  auch  die  hie  und  da  vorkommende  Schreibung  ?/.•  coneyetes 
239,  engruyat  667  neben  dem  so  eben  angeführten  Formen  mit  x.  Diese  eigenthümliche 
Graphie  (an  eine  Lautmodification  ist  schwer  zu  denken)  begegnet  auch  anderswo.' — • 
Ueberdiess  concurrirt  x  mit  c  in  dexelat  2819  nb.  celats  380  (die  Stellung  zwischen 
zwei  Yocalen  kann  den  Laut  modificirt  haben;  oder  handelt  es  sich  um  dis-cel.,  wo 
dann  sce  regelrecht  xe  ergab?),  axo  1767  nb.  aco  226;  (mit  s:  dexinßat  1561;  vgl. 
desonor  734);  mit  y:  xitats  1124  nb.  gitats  2573. 

69.  ./  verbleibt  mit  der  Aussprache  j  (geschr.  y)  odei-  wird  zu  y  (geschr.  j  vor 
a,  0,  n  und  y  vor  e,  ^).  Manchmal  kann  man  schwanken  über  die  Geltung  der  Schrift- 
zeichen. Die  Handschr.  schreibt  z.  B.  viaior  160  und  mayors  218.  Ich  schreibe  im  ersten 
Falle  hiajor  (sprich  mayor  aus)  und  erblicke  in  den  zwei  Formen  ein  Concurriren  der 
Laute  y  und  /.  Man  könnte  aber  der  Meinung  sein,  dass  nur  die  Aussprache  major 
richtig  sei  und  das  daher  (mit  einer  kleinen  Abweichung  von  der  Gepflogenheit,  i  nach 
Vocal  durch  y  zu  bezeichnen)  maior  geschrieben  werden  müsse.  Oder  man  könnte 
andererseits  glauben,  dass  da  //  manchmal  ^  bezeichnet,  beide  Schreibungen  des  Wortes 
nur  die  eine  Aussprache  mayor  darstellen.  Gewissheit  ist  hier  schwer  zu  erreichen;  das 
Beste,  wiederhole  ich,  scheint  mir  doppelte  Lautgestaltung  anzunehmen.  ^ 

Bei  dieser  Gelegenheit  nützt  es,  die  verschiedenen  Schreibungen  von  y  zusammen- 
zufassen: 1)  y,  y  wie  oben:  ja  jutge^  yitar]  2)  iy  in  der  betonten  Sylbe  von  Oxytonis: 
deig^  ve/'y  (§.  92);  3)  wenn  das  lat.  Etymon  lat.  t  oder  d  enthielt  und  Vocal  voran- 
geht, tj  beziehungsweise  ty :  jutye  (bezüglich  der  2,  Silbe),  linatge  2793  (1733 — 34  -aige, 
durch  französischen  Einfluss?),  metge  909;  zugleich  aber  auch  vor  allen  Vocalen  tyr 
jatyat  1500,  missntyer  232.  Endlich  ist  zu  bemerken,  dass  die  Unterscheidung  zwischen 
j  und  g  nicht  genau  beobachtet  wird:  mehrfach  findet  sich  y  vor  a,  o,  u,  mit  der  Geltung 
von  y:  aga  1318,  fuyam  668,  passeyada  (==  pecejada  ,in  Stücke  zerhaut')  2759.  Bei  tg 
ging  das  noch  leichter  an,  weil  das  t  schon  die  palatale  Aussprache  andeutet:  jutgat 
565,  metgas  917. 

70.  Ein  Fall  von  _;',  das  _;'  lautete  und  in  das  vorangehende  /  aufging,  ist  piurats 
1483   st.  piyurats ;  vgl.   §.   ^2,2  finstre  ^=  fiy.  ^  fill. 

71.  Der  Laut  c  begegnet  in  unserem  Texte  nur  in  empatxat  114  (meine  Abschrift 
lässt  mich  in  Zweifel,  ob  der  Cod.  nicht  -tyat  biete). 

72.  Der  Gebrauch  von  h  ist  wenig  beständig;  für  fast  jeden  Fall  kommen  Schrei- 
bungen mit  und  ohne  h.  Im  Anlaute,  zunächst  in  lateinischen  Fällen:  in  den  einsilbigen 
Formen  von  habere;  ho  =  Aoc,  häutiger  o;  fast  immer  hom  homens\  hie  nb.  ych-^^    einmal 


1  Rev.  V  311  vayel  st.  vaxel,  wozu  Alart:  ,L'«/  tut  souvent  employe  avec  la  valeur  de  la  lettre  x  par  les  auciens  scribes 
catalans'.  Ayud'e  Est.  nb.  axada  (=  spaii.  azada),  halay  hastay  für  -ax,  cuyera  nb.   cuxera  (sp.  quixofe). 

2  Die  Hs.  schreibt  gewohnlich  aja  ajats  u.  .s.  w.  9(16.  1314;  doch  aiats  966.  Ich  nahm  aucli  in  letzterem  Falle  die  Aus.sprache 
y  an  und  schrieb  ajats;  aya-  würde  ich  3ell)stTerständlich  respectirt  haben;  die  zwei  Formen  würden  sicli  dann  mit  ital.  aggia 
und  haja  bei  Dante  genau  decken.  —  Neben  yo  kommt  in  unserer  Hs.  ein  Paar  Mal  aucli  jo  vor  (in  einzelnen  Texten 
ist  diese  die  einzige  Schreibung);  ist  damit  go  gemeint,  oder  hat  hier  j  lateinische  Geltung?  |Wol  eher  das  Letztere.  Nach 
D.  Antonio  de  Bofarull,  Estudios  etc.,  spricht  man  auch  jetzt  y  aus  und  schreibt  j.  Er  sagt  S.  83 :  ,/o,  en  todos  los  escritos 
(nicht  in  Allen)  anteriores  al  siglo  XVI,  era  yo,  y  actualraente  se  marca  la  y  en  la  pronunciacion  comun,  pero  el  uso  lia 
hecho  que  sea  indispensable  escribirlo  con  _/.' 

5  In  que  ych  1445,  2390,  no  ych  1768  sah  ich  ych  als  Encliticon  an  und  druckte  in  Äineni  Worte.  Es  könnte  auch  Apocope 
angenommen  werden;  also  qu'  ich,  n    ich'{i,  nicht  y,  vgl.  m'icli  1444). 


JßO  A.    MusSAFIA 

he  (^^  e^),  Anm.  zu  V.  84.  Wenn  jedoch  ein  elidirtes  Proclitikon  vorangeht,  so  dass  die 
zwei  Wörter  gleichsam  zu  einem  einzigen  werden,  da  ist  für  h  kein  Platz  mehr.  In 
unlateinischen  Fällen,  z.  B.  hoyra  123,  hoijr  735,  hanc  469,  Jii  nb.  ij.^  Neben  avol  2314 
auch  hmd  2792.  Im  Inlaute  zwischen  Vocalen  als  Zeichen  des  Hiatus:  ahontats  401 
(aont.  411),  grahir  101,  pahis  957,  trahir  413,  vgl.  §.    9. 

III.  Zur  Formenlehre. 

73.  Die  zwei-Casus-Decllnation  ist  dem  eigentlichen  Altcatalanischen  fremd ;  Spuren 
provenzalischer  Nominativformen  kommen  vor,  ohne  jedoch  ihre  grammatische  Geltung 
überall  zu  behaupten.  Selten  im  Plural.  Die  Formel  twjt  li  major  kommt  zwei  Mal  vor, 
IGO  und  2105  (an  zweiter  Stelle  mit  der  Variante  tot).  Tuyt  begegnet  überdiess  mehr- 
fach, meist  als  Subjeet  (247.  249),  aber  auch  als  Object  (1121.  20ß6).'  Enduy 
1020,  abduy  2357  als  Subj.  (nb.  dos,  abdos  als  Subj.  79.  2677).  Im  Singular.  Neben 
emperador  auch  emperayre^  als  Vocativ  65  und  als  Object  868.  870.  2404.  2961.  Neben 
senyor  auch  senyer.^  und  zwar  wechseln  die  zwei  Formen  in  dem  so  oft  vorkommenden 
Vocativ  beständig  mit  einander  ab.  Hom  ist  sehr  häufig,  auch  als  Object  z.  B.  84.  387. 
1218.  2516.  2948.  3023-,  seltener  home^  auch  als  Subjeet  253.  2537.  Die  Beispiele  für 
Flexions-.<f  sind  innerhalb  des  Verses  selten.  Deihs  oft  als  Subjeet  (90.  229  u.  s.  w.,  meist 
in  stehenden  Foi-meln)  od.  Vocativ  (1036),  doch  auch  als  Obj.  1881.  2912.  Einmal  der 
Vocativ  nahots  1010  (gegen  nahet  1008).  Pits  als  Object  1850  ist  kein  ganz  sicheres 
Beispiel,  da  im  Provenz.  das  s  als  stammhaft  gilt;  im  Catal.  lautet  allerdings  das  Wort 
pit.  Stets  prous  als  Subj.  und  Obj.,  aber  auch  hier  ist  das  ursprünglich  flexivisehe  -s  zum 
Stamme  gezogen  worden.  Durch  prous  herbeigeführt  kommt  leyals  als  Subjeet  inner- 
halb des  Verses  1369  vor.  Ebenso  prous  vmylers  1655,  das  einzige  Beispiel  eines 
Femininums  mit  flexivischem  -s.^ 

74.  Die  Reimwörter  dagegen  bieten  eine  grosse  Menge  von  Nomina  Singularia  mit 
flexivischem  -s,  u.  zw.  nicht  bloss  als  Subjeet,  sondeim  auch  im  obliquen  Verhältnisse. 
Zuerst  sind  die  Fälle  aufzuzählen,    in  denen    das   betreffende  ßeimwort  mit  -s  auslautet. 

a)  Auf  ein  Nomen  im  Plural  reimt  ein  Singular  auf  -s.  Subjeet,  z.  B.  232  Lo  missa- 
tyer  hi  es  anats^  Eis  savis  se  so7i  acordats;  345.  644.  870.  1090.  1231.  1242.  1267. 
1907.  2229.  2435.  2537.  2639.  2788.  2791.  Nur  ein  Fall,  wo  das  Subjeet  ohne  s  erschiene, 
2715;  749  ist  traydor  nach  coma  als  Objectform  aufzufassen;  ebenso  kann  1264  in 
^'es  nafrat  das  Partie,  als  Accus,  angesehen  werden.  —  Object,  z.  B.  1124  dins  cn  la  hota 
ho  a  xitats,  Sempre  feu  ne  traura  los  taps;  59.  220.  615.  847.  999.  1305.  1936.  2144. 
2225.  2228.  2232.  2473.  2502.  2574.  3185.  An  mehr  als  einer  Stelle  aber  bleibt 
das  Object  ohne  -s;  so  in  den  oben  angeführten  VV.  749.  1264,  dann  219.'  1921.  2465.^ 
297  7.  3023.  3094. 


'    Als  Enclitikon  natürlich  nur  >j;  nach  apocopirtem  Proclitikon  nur  i. 

'    So  Hf.  38  hastara  a  tuyt\  die  Eraendation  zu  tols  war  demnach  unnöthig. 

^   Von  pronominalem   res    abgesehen    (z.  B.  en  res  noy  falirets  82,  no  sabra  res  94,   per  res  que  s'esdevenya  281,    no  parla  re 

419  u.  s.  w.)  neben  re  (conexels  per  re  260,  nom  creets  de  re  778  u.  s.  w.,  meistens  im  Reime). 
■*   los  majors    (Nomin.    Plur.):  emperador,    in   welchem   Falle,    wenn   er   vereinzelt   wäre,   man  sich  versucht  fühlen  würde,  die 

zweimal  g^ebrauehte  Formel  major  (s.  oben)  anzusetzen. 
5    2b37 — 8  seiies  eng  ans :  dan  rechne  ich  nicht  hiezu,  da  hier  besser  der  Singular  engan  passt. 


Die  catalanische  metbische  Version  dee  sieben  weisen  Meister.  167 

b)  Auf  ein  Verbuni  in  der  2.  Plur.  reimt  ein  Singular  auf  -s.  Subject  oder  Vocativ, 
z.  B.  69  si  aquest  infant  me  comenats  Yo  sere  tostemps  honrats;  49.  401.  763.  968.  1585. 
1616.  1622.  2354.  2596.  2711.  2765.  2929.  3072.  —  Object,  z.  B.  23  sl  vostre  fill  ma 
comanats  tot  nio  aureis  gazardonats;  119.  1302.  1867.  2485;  vielleicht  auch  2800.  Object 
ohne  -5.-  3093   conseylats:  cap. 

c)  Auf  es  (lat.  est)  reimen  p)er  ma  fes  945,  per  hes  1802. 

d)  Kni  plats  reimt  ein  Singular  auf  -s.    Subject:   1428.   2287.  3082;  Object:  835. 

e)  Auf  pres  (Perf.  von  prendre)  reimt  vers  als  Obj.  Sing.  2439. 

f)  Auf  assats  reimt  Subj.  Sing,  mit  -s:  974.  2188.  2625.  3129. 

g)  Auf  abans  reimen  die  Subj.  Sing,  engans  1067  und  sans  1146. 

In  den  bisher  aufgezählten  Fällen  könnte  man  das  -s  auf  Rechnung  des  Reimes 
setzen;  da  aber  unser  Text  nichts  weniger  als  Reimreinheit  anstrebt  und  sich  sonst  oft 
mit  noch  weit  freieren  Reimen  begnügt,  so  muss  ein  anderes  Moment  zugleich,  eigent- 
lich noch  stärker,  mitgewirkt  haben,  und  dieses  ist  eben  die  Reminiscenz  an  die  proven- 
zalische  Declination.  Der  Anstoss  wird  selbstverständlich  vom  Subjecte  ausgegangen 
sein.    Zahlreich  sind  in  der  That  die  Fälle 

h)  in  denen  zwei  Subjecte  mit  einander  reimen  und  beide  gegen  den  catalanischen 
Sprachgebrauch  ohne  jeden  Reimzwang  -s  ansetzen;  862.  977.  1670.  1693.  2219.  2774. 
3126.  3152.  3208.  Vereinzelt  steht  353  venguts:  mut;  ein  Subject  mit  -s,  das  andere  ohne 
dasselbe. 

Hatte  sich  einmal  -s  des  Subj.  bemächtigt,  so  ergriff  es  leicht  auch  das  Object, 
sehr  oft  begegnen  wir'  den  Fall 

i)  wo  auf  Subj.-s  Obj.-s  reimt:  217.  557.  584.  613.  765.  964.  1314.  1504.  2231. 
2356.  2686.  2695.  3012.  3187.   3203.     Auf  Subj.-*-  Obj.  ohne  -s:  585.   1487. 

Ohne  Anstoss  von  Seite  des  anderen  Verses  erscheint  Object  -s  im  Reime  äusserst 
selten:  so  2605,  wo  zwei  mit  einander  reimende  Objecte  -s  aufweisen,  dann  380.  1207, 
wo  eines  der  zwei  Objecte  in  einem  adverbiellen  Ausdrucke  —  de  celats,  demagats  — 
enthalten  ist.  Soll  man  da  das  adverbielle  -s  erblicken?  Zu  bemerken  sind  noch  226. 
1725,  wo  von  zwei  Objecten  das  eine  mit  -s,  das  andere  ohne  dasselbe  erscheint. 

Zu  erwähnen  wäre  schliesslich  1619,  wo  auf  Subj.  venguts  selbst  der  Conjunctiv  ajuts 
reimt;  höchst  wahrscheinlich  ein  Versehen  des  Abschreibers;  da  es  aber  auch  das  Ver- 
fahren des  Dichters  bezeugen  kaim,  welcher,  sonst  nachlässig  in  seinen  Reimen,  gerade  beim 
flexivischen   -.f  nach   Reimreinheit  ringt,  hielt  ich  mich  zu   keiner  Emendation  berechtigt. 

75.  Artikel.  Masc.  lo  /,'  los  Is  (über  Nom.  Plur.  U,  §.  73);  Femin.  la  /',  les  Is  (eis 
nodrisses  618).  Der  catalanische  Gebrauch  von  la  vor  dem  Masculinum  im  findet  sich 
1188.  2161  und  noch  öfters.  Verbindung  von  Präpositionen  und  Artikel  Msc. :  del  dels, 
al  als^  pel  pels.  Auch  mit  Femin.  Plur.:  oh  presons  1459  nb.  a  les  'pr.  1477.  Mit 
en  hie  und  da  in  alten  Schriften  als  Provenzalismus   (Diez  II  44 ;   Milä  457) ;   in  unserem 


'  Soll  man  auch  el  annehmen?  lu  eatal.  Texten  kommt  es  hie  und  da  vor;  selten  ganz  sicher,  da  in  zahlreichen  Fällen  e-l 
gedeutet  werden  kann.  So  auch  el  cavaller  2757,  el  rieh  2959.  V.  318  liest  der  Cod.  o  al  traginat  es  ahaxal;  ich  emendirte  ol, 
nicht  so  sehr  dem  Metrum  zu  liebe,  denn  o  al  könnte  in  unserem  Gedichte  als  einsilbig  gelten,  sondern  weil  ich  mich 
nicht  entschliessen  konnte  einen  Artikel  al  anzunehmen.  Indessen  lässt  sich  aus  Doc.  62  al  conle,  65  als  cavalers  anführen. 
Diese  Beispiele  besagen  nicht  viel,  denn  es  könnte  e-l,  e-ls  gemeint  sein;  tonloses  e  zu  a.  Aber  Doc.  184  liest  man:  Vom 
franch  no  pot  aver  mala  vida  ni  al  vartader  no  pot  esset-  denostat  ni  al  masural,  malat.  Auf  derselben  Seite:  los  millors 
dels  homens  son  aquells  (/ui  son  Verladers  e  al  miliar  adoctrinador  es  lo  savi.  An  einer  anderen  Stelle  endlich:  e  al  milor 
trasor  es  la  obra. 


,  p  Q  A.  MUSSAFIA. 

Texte  fast  immer  getrennt,  z.  H.  1535.  1755.  2110;  nur  einmal  el  paläu  959.  El  vespre  460 
kann  aucli  e  lo  v.  (Accus,  teniporis,  wie  2998)  entsprechen;  wenn  niclit  wie  772.  1176. 
1523  al  V.   zu  lesen   ist.     Doch  vgl.  en  lo  mati  1443,  en  la  nmjt  2221. 

76.  Nomina.  Der  Plural  aller  Nomina  wird  dui-ch  Zusatz  von  -.s-  gebildet,  nur 
auslautendes  -a  wird  zu  -es.  Nur  einmal  cossas  1172,  gegen  coses  1758.  Geht  der  Singular 
auf  -.^  oder  -x,  so  müsste  der  Plural  dieselbe  Form  behalten,  doch  wird  in  diesem  Falle 
wie  im  späteren  Provenz.  -es  hinzugefügt:  hrasses  1979,  preses  1272,  mateixes  3064; 
unsere  Handschrift  bietet  auch  ein  Beispiel  von  -os:  falsos  845,  wie  denn  frühzeitig  in 
catalanischen  Denkmälern  sich  manches  -o,  os  zeigt. 

Gran  bleibt  Im  Femln.  unverändert;  daher  auch  im  Plural  grans  für  beide  Genera. 

77.  Pronomina,  Personalia.  Gewöhnlich  yo,  hie  und  da  provenz.  eii,  z.  B.  67,  tu, 
eil  ella,  ms,  vos,  ells  elles.  In  den  Casus  obl.  als  absolute  Formen  mi,  ti,  si  z.  B.  30.  53. 
77,  doch  devant  me  693,  a  me  1773,  de  me  2972,  immer  im  Reime. 

Tonlose  Formen :  I.  II.  Person,  Dat.  Acc.  me  te  sc  und  m  t  s,  doch  mehrfach  auch 
mi  u.  s.  w.;  7ios  vos  und  ns  ns ;  III.  Person:  Dat.  li  II  (~l),  los'  Is;  Acc.  lo  l,  los  Is;  la  l\ 
les  Is.  Geht  lo  oder  la  voran,  so  erscheint  der  Dat.  li  In  der  Form  ?/,•*  nur  nimmt  in 
diesem  Falle  auch  lo  die  Form  le  gerne  an;  so  993.  2455.  3070.  Im  V.  456  scheint  noy 
ebenfalls  für  no  li  ,Ihr,  der  Frau'  zu  stehen;  Indessen  kann  zur  Noth  auch  y  als  Adver- 
bium angesehen  werden.  Als  Neutrum  wird  o  gebraucht,  das  an  Vocal  Inclinirend  als  ti 
erscheint'^'  z.  B.  areu  1780,  axiu  3018,  beu  2317,  nou  943,  queii  445,  qum  3025,  twu  1314. 
Zu  den  Pronomina  ist  noch  zu  erwähnen  ne;  die  Nebenform  en  ist  in  unserem  Texte 
ausnahmslos  auf  den  Fall  beschränkt,  dass  tonloses  obliques  nos  oder  vos  (in  voller  oder 
enclitischer  Form)  vorangeht:  nos  en  donets  2150,  loar  vos  en  puscats  1173,  vos  podets 
vos  en  qardar  1512,  con  penedir  vos  en  volrets  1514,  vos  vos  en  penidrets  1594.  1678.  1810. 
1959.  3096,  porets  vos  en  lexar  1999,  vos  en  dare  2152.  2806,  cartatts  en  fare  1086,  yous 
en  dire  lo  ver  2291,  qu'eus  en  creiire  2300,  leits  en  manerets  1618,  anat  vos  en  serets  3015, 
axms  eniiendra  1178.  1308.  2946,  noiis  en  penidats  1168.  2668.  si  nous  en  volets  aydar  1703, 
nous  en  prenga  mal  2656,  nous  en  curets  2713,  nous  en  mintrem  2850.  Doch  selbst  in 
diesem  Falle  ne,  wenn  auf  die  Partikel  kein  Verbum  folgt:  pendraus  ne  axi  511.  2036' 
oder  vor  Vocal:  loar  vos  nets  1677;  nom  nestare  1228,  nos  nestaria  2015. 

78.  Eine  Bemerkung  über  die  Art,  wie  ich  Enclltica  in  jenen  Fällen  behandelt 
habe,  in  welchen  das  folgende  Wort  vocallsch  anlautet,  wo  sie  also  auch  als  Proclltlca 
angesehen  werden  können.  Man  kann  nämlich  in  solchen  Fällen  schwanken,  und  die 
Herausgeber  stimmen  in  der  That  in  ihrem  Verfahren  nicht  mit  einander  überein.  Soll, 
man  z.  B.  quem  avets  oder  que  m'avets  drucken?  Ich  habe  mir  die  Mühe  genommen, 
die  Handschrift  nach  dieser  Richtung  hin  zu  untersuchen,  und  habe  mich  (leider  zu 
spät)  überzeugt,  dass  sie  die  Enclisls  bei  weitem  vorzieht,  während  ich  systematisch 
Proclisls  anwendete.  Nur  ist  die  Inclination  auf  die  Fälle  beschränkt,  in  denen  dem 
Encllticon  ein  grammatisches  fast  immer  einsilbiges  tonloses  AVort  vorangeht,  während 
nacb  Begriffswörtern  Proclisls  angewandt  wird.  Man  könnte  z.  B.  hal  fiyll  finden,  aber 
es    wird    nicht    hal   aver   sondern    ha    Vaver  1783  geschrieben.     Vgl.  Dona,  -l  meu  1791, 

1  So  auch  vielfach  bei  R.  Vidal;  vgl.  Bartsch  Tnw.  Denkm.  Ämukg.  zu   173,  4,    wo  al.or  niclit  von  einer  dem  Dichter  eigeu- 
thümlichen  Construction  (Accus,  statt  Dativ),  sondern  von  einer  im  Provenz.  unüblichen  Knrm  die  Rede  sein  musste. 

2  Doch  auch  li:  la  li  feu  espoaar  3030. 

3  Vgl.  veus  nc  altra  1003. 


Die  CATALANiscuE  METKiscHE  Version  DER  SIEBEN  WEISEN  Meister.  169 

wo     vor    Consonant    Inclination     trotz     der     starken     Interpiinction     möglich     ist ,     aber 
Dona,   Varbre   1877/ 

Inclination  findet  vor  Vocal  also  statt : 

a)  Beim  Artikel:  nacli  de  und  a  olme  Ausnahme;  nach  e  fast  immer,  z.  B.  el 
emjjeradw  14;  aber  doch  e  Vernix  1159.  1300;  nach  qioe,  z.  B.  quel  Infant  an  zahlreichen 
Stellen,  z.  B.  455,  aber  doch  zwei  Mal  que  Vinfant  112.  2431;  nach  si  Proclisis  122. 
560.  766.  2541. 

b)  Me;  nur  Enclisis  nach  que:  quem  avets  1372  (noch  zwei  Mal),  nach  si:  sim  acor- 
das  1145;  nach  axi:  axini  aconseylas  16Sd.  Nach  qui  schwankt  es:  neben  quim  ha  2652, 
qui  ma  417  qui  mes  1084. 

c)  Von  te  zufällig  keine  Beispiele. 

d)  Se;  nach  lo:  los  ha  666,  los  agra  717;  nach  no:  nos  atihra  1037;  nach  que  nb. 
ques  acordes  1156,  que  sesdevenga  363;  zwei  Beispiele  von  si  (sie)  und  diese  zeigen  Pro- 
clisis 1522.  2695. 

e)  Lo  als  Pronomen:  Immer  Enclisis,  und  zwar:  nach  no,  z.  B.  716,  nach  qui  2675, 
nach  qiie,  z.  B.  1014,  nach  si  2933,  nach  axi  1305.  2346.  Nur  einmal  Proclisis;  nb. 
>lol  ociure  2395,  yo  lamava  2786. 

f)  Li;  nur  ein  Fall:  quell  an  2232. 

Ich  hätte  demnach  entweder  die  Schreibung  der  Hs.  überall  beibehalten  sollen 
oder,  um  Inconsequenz  zu  vermeiden,  die  wenigen  Fälle  der  Proclisis  nach  den  vielen 
der  Enclisis  verändern.  Mein  Verfahren  zog  mit  sich  den  Uebelstand ,  dass  nun  in 
meinem  Texte  Schreibungen  wie  a  Vhome  2520,  qui  vilia  2652,  lo  s'ha  666,  que  Vha  1014, 
axi  Vhe  1305  erscheinen,  welche  gegen  den  Gebrauch  der  mittelalterlichen  Schreiber 
Verstössen. 

Bei  der  pronominalen  Partikel,  welche  von  lat.  inde  stammt,  gab  es  drei  mögliche 
Behandlungsweisen;  eine,  welche  die  Form  en,  zwei,  welche  die  Form  ne  betreffen:  li  'n 
ohlida;  lin  ohlida  und  li  nohlida.  Ich  habe  die  erste,  von  fast  allen  Herausgebern  pro- 
venzalischer  Texte  gewählte  Form  nicht  angenommen,  weil  ich,  wie  oben  gesagt,  die 
Bemerkung  gemacht  habe,  dass,  wo  unser  Text  volle  Formen  anwendet,  er  bis  auf  einen 
genau  bestimmten  Fall  immer  ne  bietet;  diese  Form  musste  mii-  also  als  die  normale 
gelten.  Das  seines  e  beraubte  ne  nun  behandelte  ich  vor  Vocalen,  dem  angenommenen 
Systeme  nach,  stets  als  Procliticon,  während  der  Cod.  es  ausnahmlos  an  die  oben  ange- 
führten Wörtchen  anlehnt.^  So  nach  me:  men  ets  1593,  nach  li:  lin  ohlida  153,  nach 
no:  non  axia  1127,  nach  que:  quen  ha  645,  nach  se:  sen  es  803,  nach  si:  sin  atrobes  2152. 
Auch  hier  habe  ich  zu  beklagen,  dass  nunmehr  mein  Text  die  unzulässigen  Schreibungen 
//o  nha  2475,  se  nha  797,  si  nhe  214  bietet. 

79.  Possessiva.  Kürzere  tonlosere  Formen,  welche  nur  unmittelbar  vor  dem  Nomen 
stehen  dürfen  und  kein  näher  bestimmendes  Wort  vor  sich  zulassen,  sind:  mo7i  ton  son, 
ma  tu  sa;  mos  tos  sos,  mes  tes  ses.    In   allen   anderen  Fällen,    also   nach  Artikel,   Demon- 


'  Hier  eine  Reihe  von  Beispielen:  femhra  ta  inort  1062,  tota  maviets  1806;  cUa  ses  1939  ella  la  (illam  habet)  1043,  en  que 
(Relat.)  Imfant  660;  veui-e  laver  2540,  fo  lemperador  9,  va  Linfant  369,  fiu  larbre  1800,  levd  lemperador  1293;  ab  que 
linfant  582,  per  que  linfant  627,  ara  ses  307,  he  lantendrets  1712. 
2  Und  zwar,  wiederholen  wir  es,  nur  an  diese;  daher  ^e»'  que  natira  1644,  prou  naura  62,  regne  nauia  1535.  Eine  Ausnahme 
macht  selbstverständlich  dei-  Fall,  wo  ne  seinem  Verbum  nacligeset/.t  wird;  a  ne  aul  wird  zu  an  aut  1015  und  so  druckte  ich 
auch;  a  n^aut  hätte  keinen  Sinn.  Eben  so  e  soffreren  aytant  91;  porien  estorgre  1032. 
Denkschrifton  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  22 


170  A.  MussAPiA. 

strativum  u.  s.  w,,  nacli  dem  Nomen,  selbstständig  stelieml  in  2)ronorainaler  Geltung  oder 
als  Prädicat,  kommen  vollere  Formen  in  Anwendung:  meu  teu  seu,  mia  tua  sua  u.  s.  w. 
Nostre  vostre  und   das   indoelinabile  luv  kennen  diesen   Formunterschied  nicht. 

80.  Aus  den  Demonstrativa  wäre  zu  bemerken:  Die  mit  eccum  gebildeten  haben  die 
Form  aqu-  und  ayc-  c-:  aquell  790,  aycel  2153,  cell  208;  neben  esta  1787,  aquest  34,  cest  957. 
Kein  aquo;  nur  ayco  891,  aco  901  {axo  1767)',  co  765  {so  779).^  fyse  ergibt  ex,  das  ohne 
Präfix  nur  im  Adv.  exament  (§.  1)  vorkommt;  mit  ecce  in  aquex  2526,  aqiiexa^  mateix  (§.  68). 

81.  Das  Subject  des  Relativums  schwankt  zwischen  qioi  und  que. 

82.  Für  qualis^  quäl  16   und  quin  2804. 

83.  Für  aliud  sowol  als  2482  als  alre  (-a,  §.  2). 

Verbalflexion. 

84.  Infinitiv.  Der  Infinitiv  der  ersten  Conjugation  geht  vielfach,  aber  nur  in  Reim- 
wörtern, auf  -er  statt  -ar  aus.  Die  Beispiele  sind  folgende:  deporter  137  cliner  491  mescler 
1597  {:vergei'),  dupter  214  {:hereter),  ahonter  416  {:putaner),  deporter  605  comp)ter  2684  (.-ca- 
valler)^  menjer  1150  ^e^er  1507  magteer  2889  {:mulJer)^  cortejer  1742  {:mercader)^  casser  1763 
derroquer  2128  ?ria^er  2980  (.-/e?-),  to;;//er  1800  (.-awe?-),  parZer  1996  (.-vese?-),  sa^jier  2020 
{: Malquider),  caver  2214  (.-wer),  naguer  2913  Qplaser)^  clamer  3167  [:poder).  Ein  französisches 
Original  zu  vermuthen,  dessen  Keime  beibehalten  wurden,  geht  nicht  an,  denn,  abgesehen 
von  anderen  Reimen,  welche  eine  unmittelbare  französische  Vorlage  ausschliessen,  so  würde 
beinahe  keines  der  angeführten  "Wortpaare  einen  guten  französischen  Reim  ergeben. 
Und  selbst  mit  der  gezwungenen  Annahme,  dass  die  Vorlage  eines  jener  in  England 
entstandenen  altfranzösischen  Gedichte  gewesen  sei,  welche  zwischen  e  imd  ie  nicht  unter- 
scheiden und  e  ■=  lat.  e  mit  e  =  a  reimen  lassen,  wären  nicht  alle  Fälle  erledigt. 
Man  muss  demnach  eine  mundartliche  Nebenform  auf  -er  für  Verba  der  I.  Conjug.  im 
Catal.  annehmen,  wenn  auch  von  einer  solchen,  so  weit  wenigstens  ich  es  übersehe,  sich 
nur  äusserst  seltene  Spuren  auffinden  lassen.  Bei  Ramon  Vidal,  dem  Catalanen,  finden 
wir  troher  (.-/er)  LB.  33,  1;  alonger  ijsender)  bei  Lull  533;^  in  Volksliedern  z.  B.  Briz 
III  221  begegnen  wir  Infinitiven  wie  ane,  passe^  sope. 

Das  Futurum  bietet  auch  einige  Beispiele  von  e  statt  a;  so  mostreray  78,  manerets 
1618,  errerets  2297,  und  auch  anderen  Denkmälern  sind  solche  Formen  nicht  ganz  fremd;^ 
die  Veränderung  eines  tonlosen  a  zu  e  hat  jedoch  nichts  Auffallendes,  und  es  wäre  ebenso 
unberechtigt,  diese  Formen  als  Beweis  für  das  Vorhandensein  von  Infinitiven  auf  -er 
gelten  lassen  zu  wollen,  als  wenn  man  diess  für  das  Italienische  wegen  mostrerb,  menerb 
thun  wollte.  Auch  ein  Partie.  Perfc.  donet  1166  kommt  vor,  und  das  Versmass  scheint  es 
zu  schützen;  indessen  lässt  sich  bei  der  geringen  Sicherheit  metrischer  Anhaltspunkte 
in  unserem  Denkmale  dieser  vereinzelte  Fall  leicht  beseitigen.  Ich  nenne  den  Fall  vei"- 
einzelt,  weil  sangonets  677  doch  nur  für  sangonents  (Suff,  -entus;  das  Wort  findet  sich  als 
alt  bezeichnet  bei  Esteve,  jetzt  sangrent)  steht. 


'    Sollte  in  axo  ein  ips-hoc  erblickt  werden?  Schwerlich,  da  nirgends  exo  zu  treffen  ist. 

^   Vgl.  das  Adverbium  ecce  hie  :  aqui  139,  qui  194;  ayci  201,  assi  29,  st  27. 

^   Der    böse    Engel    überzieht    das    Uebel  mit    einigem  Scheine  des    Guten    ,21er  qo  qu'ab  el  te  meta  avant  \  A  lo  vial  far  sens 

alonger'.     Ich  führe  die  Stelle  an,  weil  es  am  Ende  doch  möglich  wäre,   dass    alonger  eine  der  bekannten  Bildungen  mittels 

-arius  wäre. 
''  pescheran  Kev.  V.  97,  velleria  J.   27,  vengeri  Doc.   12,  menjeras  Gen.   7,  preguerets  194. 


( 


Die  catalanischb  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meistee.  171 

85.  Ueber  das  Schwanken  einzelner  Infinitive  zwischen  der  lat.  II.  und  III.  ist  §.  47 
und  58  berichtet  worden.  Dieses  Schwanken  hat  selbstverständlicli  auf  die  Flexion  der 
Tempora  finita  keinen  Einfluss.  Anders  das  Concurriren  von  Formen  der  lat.  II.  III. 
(E-Conjug.)  mit  der  lat.  IV.   (I-Conjug.). 

^-Verba,  welche  auch  /-Flexionen  aufweisen,  wären:  romandre  und  romanir  1749, 
tener  2767  und  tenir  780  tenits  2484.  Von  dicere  und  occidere^  welche  (wol  durch  Ein- 
fluss der  Infin.  dir,  ocir)  auch  nach  der  lat.  IV.  flectiren,  war  schon  §.  8  die  ßede. 
Wir  bemerken  nocli  Imper.  treyts  2870,  und  vivits  1288,'  von  dem  es  nicht  ganz  deutlich 
ist ,  ob  es  Indic.  oder  Imper.  ist.  Imper.  vullits  3084  ist  sehr  seltsam  und  daher  ver- 
dächtig, denn  einmal  hat  velle  keine  eigene  Imperativform,  und  zweitens  weist  das 
mouillirte  /  auf  den  Conjunctiv  hin;  der  Imper.,  wenn  vorhanden,  würde  volets^  höchstens 
volits,  lauten.  Will  man  nicht  gerade  bei  diesem  Verbum  eine  Verquickung  der  zwei 
Formen  annehmen,  so  wird  man  vullats  lesen.  Weit  seltener  sind  die  Fälle  von  Verben 
der  I-Conjug.  mit  Formen  der  E-Conjugation  ; ^  nb.  morir  1853,  «torrer  1597;  vene  2181, 
das  ich  nach  einigem   Zögern  doch  zu  behalten  mich  entschloss.^ 

Praesens. 

86.  Indic.         I +        es       a       am       ats       an 

II +        s        +       em       ets        en 

Hl' -|-         s        -\-       im        its        en 

IIP esch     e.rs      ex       im        its      exen 

87.  Conj.  I +        ^       -\-       em       ets        en 

II.  III\  III\  f-esc-,  -isc-J      a        es        a       am       ats       en 

88.  Der  Imperativ  hat  in  der  2.  Sing,  der  I.  -«,  der  anderen  Conjug.  keine  Flexions- 
endung; 1.  2.  Flur,  nach  dem  Ind.,  3.  Sing.  Plur.  nach  dem  Conj.  Der  Gebrauch  des 
Imperativischen  Conjunctivs  ist,  auch  in  affirmativen  Heischesätzen,  häufig:  flixem 
1227,  pensem  2894;  diats  2845. 

89.  Die  Formen  ohne  Flexionsendung  fügen,  wenn  der  Stamm  mit  unhaltbarem 
Consonantennexus  ausgeht,  vmterstützendes  e  hinzu,  welches  (§.  2)  auch  durch  -a  dar- 
gestellt sein  kann;  einmal  -i:  Imper.  ohri  2753.* 

90.  Ein  Paar  Beispiele  von  -is  in  der  2.  Plur.  statt  -ts  in  den  ersten  200  Versen: 
(jasardoneis  21,  aureis  24.  188. /eis  41;  spanischer  Einfluss  ist  kaum  anzunehmen,  da  zur  Zeit 
der  Abfassung  unseres  Gedichtes  die  Formen  auf  -des  im  Spanischen  herrschten  ;  ein  wieder- 
holter Schreibfehler  wird  es  auch  nicht  sein ;  vielleicht  lässt  sich  in  diesen  Formen  eine 
Uebergangsstufe  zwischen  ts  und  u,  wovon  §.  51  die  Hede  war;  -ts^  -is,  -us,  -u.^ 

91.  Eine  andere  Variante  von  -ts  ist  -t  (auch  im  Provenz.  nicht  unbekannt),  zunächst 
im  Imper. :  obrit  1384,  aber  auch  Fut.  faret  1085." 


vivUs  auch  Doc.   479. 

seyuets   2164   ist   iiielit   hieher   zu   rechnen,    denn   von   Hans   aus   gehört   das   Verbum    zur   E-Conjug.;   im    Tiran   finden   wir 
segues,  segne.  Uebrigens  kommt  in  uu.ierer  Stelle  die  Form  seguits  (:  anitsj  dem  Reime  zu  statten. 
Ich  kann  es  zwar  im  Augenblicke  nicht  aus  anderen  Texten  belegen;  doch  vgl.  feni  J.   117  f=ßnii}it). 
2292  lorn  ayci;  ich  hielt  den  Apostroph  als  überflüssig,  da  auslautendes  rn  im  Catal.  ganz  zulässig  ist. 

Es  möge  hier  bemerkt  werden,  da.ss  für  das  Adv.  ecce  nicht  bloss  vec  vos  799  und   veus  100.3,    sondern    auch    veis  836  vor- 
kommt.    Hier  also  i  statt  ii. 
ajudat  J.  193,  parlat  124;  alegrat  Doc.   37,  fet  61;     immer  im  Imperativ. 

22* 


^•^2  A.   MUSSAFIA. 

92.  Der  Ableitungsvocal  maclit  sicili  violfacli  geltend,  wobei  zunächst  die  allgemeinen 
Lautgesetze  ihre  Anwendung  finden: 

LJ  wird  zunächst  L:  vidi  32;  vulla  345,  iW/a»u  2451,  vidlats  453.  Zugleich  l(j  (im 
Ausl.  /(■)  in  dem  unlateinischen  Falle  tolgues  1240,  tolga  346. 

NJ  wird  nie  zu  ?i,  sondern  zu  ^t^r  (-nc) :  tenck  1726,  vencli  2286;  venga  906.  —  Durch 
Analoo'ie:  prcnch  (prehen[dJ-i-o)  908;  2:>renga  2656,  prengam  2825  (neben  den  organischen 
Formen  prena  3159,  prenats  3171). 

EJ  zu  M":  «2W?/r  (§.   35),  muyra   1292;   über  ^?'a  vgl.  §.  6. 

CJ  wird  zu  .«.-/as  (§.  <60);  fassa  "22,2%,  fasses  ISdl ,  fassa   lOA^i,  fassats  440. 

5 J  ergibt  ^.-  f%  1426  deig  779;  de^e  \deheat)  2425  —  aja  906.  1314,  a^e  3002, 
ajam  2542,  ajaf«  584.  —  Zugleich  kann  hj  blosses  i  ergeben  wie  in  ai  he  (§.  16). 
Ueber  die  Möglichkeit  von  aia  (auszuspr.  wie  it.  liaja)  siehe  Anmk.  zu  §.  69. 

PJ  bleibt  unversehrt:  sap^a  574,  sajyiats  2680  {sabiats  2501),  sapien  2907.  —  Ueber 
p)j  hj  zu  i  in  sai  se,  §.   16. 

De/ wird  zu  §:  veig  2279  ;  veja  2804  veje  693,  vejam  591,  vejats  1002.  Im  Auslaute  auch  3/; 
vey  22.  —  Durch  Analogie  crey  (=cred-io)  2645,  das  übrigens  auch  durch  den  Infinitiv 
creyre  erklärt  werden  könnte;  daneben  cretc  (cred-o),  §.  45.  —  vages  1898,  va,ia  559  (vad-i-). 

93.  Das  -ch  und  -g-^  welches  in  der  1.  Indic,  und  im  Conjunctiv  aus  j  nach  Liquiden 
(überdiess  aus  lat.  c  und  g,  z.  B.  dich  945  digats  1155,*  planch  2653)  sich  entwickelte, 
gewann  dann  im  Catalanischen  eine  grosse  Verbreitung.  Es  findet  sich  bei  Verba  auf 
hj:  dech  1700;  auf  dj:  cregats  1172  (nb.  creats  530.  1169  =  crefdjatis)^  vagues  732; 
auf  cj:  jaga  1587,  jagats  1580  und  überhaupt  in  einer  grossen  Anzahl  anderer  Verba, 
worunter  wir  aus  unserem  Gedichte  nur  noch  conech  239.  277.  2973,  conegats  875  und 
■mogats  2828  zu  erwähnen  haben.  Zu  dieser  Erscheinung  wird  gewiss  auch  das  eben- 
falls weit  verbreitete  Perfect  mit  -c  {-g-)  beigetragen  haben. 

94.  An  einzelnen  Praesens-Formen  sind  noch  zu  erwähnen:  Habere:  2.  as  731,  3.  o, 
6_  (in,  —  Esse:  son  763  so  411  nb.  suy  1129.  2354,  est  724,  e«,  som  673,  sots  195,  son 
44-  sia  u.  s.  w.  —  Stare:  stia  2688,  estlen  139.  —  Anar:  va  981,  van  866.  —  Facere: 
fem  2849,  fets  Ind.  851,  Imper.  852.  —  Posse:  Ind.  1.  pux  816;  Conj.  3.  puxa  920, 
puxam  131,  puxats  134,  puxen  2447;  daneben  puscats  1173  und  mit  o;  posquem  2844.*  — 
Exire:   Ind.  3.  ix  1413,  6.  ixen  2898,  Conj.   1.  isque   1134. 

I  m  p  e  r  f  e  c  t. 

'    (X,  es,  a,  am  (era),  äts  iets).  en. 
IL  IIL    i-       '      '     '  ^     ^'         ^     ^' 

Ausser  den  in  den  Lautgesetzen  besprochenen  Modificationen  der  Stämme'  ist  keine 

besondere  Erscheinung  zu  verzeichnen.     Esse  hat  era  3101  u.  s.  w. 

Schwaches    Perfect. 
■      96.       '  ■ 


I. 

-e,  -?', 

-isf^i 

-ü. 

-am. 

-as. 

-aren 

IL 

-h 

-ist, 

-e-, 

-e??i. 

-es. 

-eren 

III. 

-h 

-ist, 

-i, 

-im. 

-is. 

-iren 

'    Auch  diata,  wie  casligats  und  casliats,  §.  54. 
2   Mit  indicativer  Bedeutung. 


3   Zu  denselben,  und  zwar  zu  §.  41,   füge   mau  liinzu  plovia  23()G  mit  hiatustilgendem  v  neben  plohia  2358. 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  173 

97,  Die  1.  Sing,  der  I.  Conjug.  schwankt  zwischen  -e  und  -t;  letztere  Form  ist 
häufiger:  cuijde  1960.  1963.  1992  {ciuydl  2365),  gose  3034  —  comani  880,  conseyli  1641, 
mati  1137,  pensi  3181,  portl  1788,  ^ro6<  988  atrohilldQ,  tayli  {:aqui)  1795.  Die  2.  Sing, 
kommt  nur  einmal  vor  und  zwar  mit  der  Endung  -ist-^  donist  984.'  Die  3.  weist  nb. 
dem  catal.  -d  mehrfach  auch  prov.  et:  donet  1150,  ligziet  (:asseck)  1913,  parlet  63.  64. 
83.  1215,  |je7is<  3203.  Die  2.  Plur.  neben  dem  regelrechten  -as  (554.  2527)  einmal 
-ats  (2771),  die  Stelle  ist  aber  nicht  sicher  und  möglicherweise  ist  das  Verbum  als 
Imperfect  aufzufassen.  Acordaran  (st.  -aren)  2203  ist  eine  orthographische  Variante,  die 
emendirt  werden  durfte.  Wie  in  der  3.  Singul.  so  kommt  auch  in  der  3.  Plur.  die  prov. 
Form  vor;  crideren  {:hagueren)  2893;  dieselbe  könnte  man  für  assejaren  [:preseren)  297 
in  Anspruch  nehmen.     Eben    so  Hesse  sich  2250  doneren  [.-foneren)  statt  donen  lesen. 


Plu  squamp  erf  ec  t    Ind.   als  Condi  tionale. 

98.   Es    sind    zufällig  nur  Formen    der   1.   und   3.  Sing,   zu  belegen.  I.   Conjug.    -ara^ 
IL  -era,  III.  -ira:  ahontara  423  (vgl.  217.  425.   563.   1139),  estorcera   1339,    trahira  1634. 


Imperfect. 

99.  Conj.         I.     a   j 

II.  f  )  -s,  -.9565,  -5,  -ssem,  -ssets,  -ssen. 
III.  /  I 
In  der  I.  Conjug.  geht  die  3.  Sing,  oft  auf  -es,  wie  im  Prov.  Neben  anas  (:Ypocras) 
916,  enganas  {:2Jas)  2346,  acordas  2407,  lexas  305  findet  man  acordes  (rmes)  1156, 
anes  {:faes)  2185  broques  {.-pogues)  2628,  Castles  (:mes)  3050,  demanes  {:posques)  1554 
(:res)  2443,  gardes  (jdegues)  2955,  penses  {:mes)  2259,  tornes  {:agues)  1713,  vasses  {:ges)  1048. 
Also  immer  im  Reime.  Zu  bemerken  ist  noch  anantessets  2777,  das  auch  in  der  Betonung 
provenzalisch  ist. 

Starke   Perfecttempora. 

Aus  der  ersten  Classe  sind  nur  die  zwei  bekannten  Perfecta  —  feci  und  vidi  — 
geblieben. 

100.  Feci  lautet,  wie  schon  §.  58  gesagt,  ßM  7 18,  fecit  lautet/e?i  463.  Die  Diiferenzirung 
des  Stamm vocals  ist  zu  bemerken;  auch  bei  anderen  starken  Verben  findet  sich  gerne  in 
der  1.  Sing,  i  ein."  An  flexionsbetonten  Formen  bietet  unser  Gedicht  2.  Plur.  Perf. 
faes  =^  fag-istis  1655;  dann  3.  Impf.  Conj. /aes  =  fag-isset  1654;  entschieden  schwache 
Formen.  Zugleich  für  das  zweite /aes  auch /es  1734,  dann  fessets  2778.  Man  kann  da 
fragen,  ob  e  aus  ae  oder  aus  ee  (von  fe[c]isset)  contrahirt  sei.  Ich  dächte  eher  das  Erste.* 
Die  3.  Plur.  Perf.  lautet /eren  2920;  ob    stark?  aber  fecrunt  hätte    eher  fettren    ergeben; 


'    In  anderen  Denkmälern  sowol  -ist  als  -esl. 

2  Vgl.  unten  §.   104  pris  und  pres;  mis  und  mes. 

3  Vgl.  faem  J.  201   und  fem  J.   203,  faesaen  J.   204  und  /essen  Doc.   31. 


174 


A.  MuSSAFU. 


vielleicht  aus  fafcjerimt,  mit  tonlosem  a  zu  e/  So  wird  aucli  desfe  2059,  eher  als  aus 
fe[eit],  aus  fae  (fac-evit)  oder  fee  (fec-evit)  gedeutet  werden.  Niclit  anders  Cond.  1.  fera 
1651,  3.  fera  2442;  denn  faeres  Hf.  42  gestattet, /aera /eera /er«  anzunehmen. 

101.  Vidi  und  vidit  ergeben  vm  (§.  45),  im-en  1022.  2511.  2512.  Auch  schwache 
Formen:  vaS  2633  statt  vee''  und  veren  235.  659.  2621,  das  nur  Contraction  von  veeren 
sein  kann.  Impf.  Conj.  mit  schwacher  Form  3.  vases  614  vaes  225  und  contrahirt  ves 
2306.  Part,  visf  1350. 

102.  Die  auf  lat.  -n,i  sich  grundenden  Perfectbildungen  mit  -g-  sind  im  Catal.  be- 
sonders zahlreich.  Das  g  bleibt  in  allen  Formen.  Die  1.,  3.  Sing,  und  3.  Plur.  können 
stammbetont,  also  vollkommen  stark  sein;  am  liäufigsten  ist  es  die  3.  Sing,  {-ch,  d.  h. 
auslautendes  g)]  die  1.  Sing,  zieht  gui,  die  3.  Plur.  gueren  vor,  eine  Verquickung  starker 
und  schwacher  Form,  die  man  halbstark  nennen  kann.  Cond.  kann  in  der  1.  3.  Sing., 
3.  Plur.^  stammbetont,  stark  sein:  -grä  u.  s.  w. ;  aber  daneben  kommt  die  halbstarke 
Form  -guera  u.  s.  w.  vielfach  vor.  Impf.  Conj.  betont  selbstverständlich  immer  die 
Endung.     Das  Part,   auf  gut,  selten  iit. 

103.  Die  von  unserem  Denkmale  gebotenen  Formen  sind  folgende: 

Volui:  Pfct.  3.  volc  626,  6.  volgren  293;  2.  volguist  2254.  —  Cond.  3.  volgra  2398.— 
Impf.  Conj.  3.  volgues  567,  5.  volgtiessets  2965.  —  Part,  volgiit  413. 

Valui:  Pfct.  3.  valc  2020;  Q.  valguiren  21%d.  —  Cond.  3.  valgra  521  (-e  508)  und 
sonst  oft,  6.  valgueren  2789. 

Tenui:  Pfct.  3.  tench  806.  —  Impf.  Conj.  3.  tingues  1185,  6.  tinguessen  1931.  — 
Part,  tengict  887. 

Debui:  Cond.  3.  degra  1486.  —  Impf.  Conj.  degues  1105. 

Hahui.  Siehe  die  Anmerkung  zum  vorangehenden  §. 

Jacui:  Pfct.  3.  jac    886.  —  Impf.  Conj.  3.  jagtces  1563.  —  Part,  jagut  1564. 

Potui:  Pfct.  3.  poch  488.  —  Cond.  3.  pogra  1969.  —  Das  Impf.  Conj.  erscheint 
in  unserem  Denkmale  nicht  bloss  als  pogues  1154,  sondern  auch  als  posques  1543  und 
poxes  1634.  Einfluss  des  Praesens  ist  nicht  zu  verkennen.  —  Part,  poscut  1925  (in  an- 
deren Texten  auch  iwgut.) 

Aus  anderen  lateinischen  Classen  : 

*Toll-:  Pfct.  3.  tolc  1275."  —  Impf.  Conj.  3.  tolgues  1235.  —  Part,  tolta  547. 

veni:  Pfct.  3.  vench  864,  6.  vengren  161  neben  vengueren  252.  —  Impf.  Conj.  3. 
vengues  1328.  —  Part,  vengut  870. 

hihi:  Impf.  Conj.  3.  hegues  1558. 

pln.i:  Imp.   Conj.  3.  2^^ogues  2344.  —  Part,  plogut  2363. 


'  fei  imdet  sieh  in  der  Tliat  J.   VM;  in  mciuen  Colloetaneen  liabe  ich  aucli  fac  (fahe  gesehr.),   ich  habe  aber  vergessen,  die 

Belegstelle  anzumerken. 
2   vei  Gen.  283,  veai  Doc.  56. 
'  ^    Das  Schema  aller  möglichen  Formen  dieser  Verba  wäre  demnacli  folgendes : 

Perfect:  hac  —  hac  11  —  —  agren  323 

„  agui  G.   270        agnist  agui  F.    102       aguim  2391         aguis   1787  agtiiven  2892 

Cond.  agra  1521  agres  agra   1521  u.   s.   w. 

„  aguera  agueres  aguera  6.  2fi5   u.  s.  w. 

Impf.  Conj.        agues  3032         agtiesses        agues  1270         aguessen  agiiesse/s  1800        agueaaen. 

Partie.  agul  und  mit  1015 

*    Oder  toU  schwach;   vgl.  Anmkg.  zu  diesem  Ver.se. 


Die  CATALANISCHE   METRISCHE  VeESION  DER  SIEBEN  WEISEN  MeISTER.  175 

cognovi:  Pfct.  3.  conech  929  u.  conoc  801;  6.  nur  conegueren  2513.  —  Impf.  Conj. 
3.  conegues  1934,  5.  coneguessets   1370.  —  Part,  conegut  1201. 

movi:  Part,  mogut  2237. 

credidi:  Pfct.  1.  nur  cregid  1149,  3.  crecli  1310.  —  Impf.  Conj.  3.  cregues  1153. 
—  Part,  cregut  1270. 

sedi:  Pfct.   3.  assech  826.  —  Part,  segut  1107. 

steti:  Pfct.  3.  estech  649.  —  Impf.  Conj.  5.  estiguesseu  1367  (das  i  zu  bemerken). 

planxi:  Pfct.  3.  plangues  1256. 

Eine  eigenthümliche  Erweiterung  erfahren  wir  im  Provenzalischen : 

parui:  Pfct.  3.  aparech  809  (kein  aparch). 

cucurri:  Pfct.  3.  correch  681.  —  Impf.  Conj.  3.  corregues  1337.  —  F&rt.  corregut  1491. 

104.  Die  sigmatische  Flexion  findet  ebenfalls  ihre  Anwendung  in  allen  Perfect- 
tempora.  Im  Perfect  hat  die  1.  Person  den  Ton  bald  auf  dem  Stamme,  bald  auf  der 
Endung;  die  3.  Sing,  zunächst  auf  dem  Stamme;  alle  andern  Personen  (auch  die  3.  Plur.) 
auf  der  Endung.  Das  Conditionale  ist  in  allen  Personen  flexionsbetont.  Die  meisten 
Verba,  welche  sigmatisch  flectiren,  haben  Nebenformen  mit  -g-^  und  diese  sind  dann  in 
der  Hegel  alle  flexionsbetont.*  Unser  Gedicht  bietet  folgende  Formen: 

dixi:  Pfct.  1.  dixi  1820,  3.  dix  14,  5.  dixes  1653,  6.  dixeren  5.  —  Cond.  1.  diguera 
3031.  —  Impf.  Conj.   1.  dixes  965,  3.  dixes  224.  —  Part,  dit  52. 

mansi:  Pfct.   3.  romas  3237.  —  Impf.  Conj.   3.  romangues  518.  —  Part,  romas  676. 
misi:   Pfct.   1.  mis  1964,  3.  mes  1217.  —    Part,  promes   106.    —    Zugleich    schwach 

5.  prometes  881,  materen  1261. 

quaesivi^  gleichs.  quaesi:  Pfct.  3.  raqites  2347. 

traxi:  Pfct.  3.  trasch  (st.  tracs)   1348.  —  Impf.  Conj.   3.  retragues  993. 

vixi:  Impf.  Conj.  5.  visques  (st.  vicses)  563. 

Aus  anderen  latein.  Classen : 
incendi:  Pfct.  3.  enses  2062. 

occidi:  Pfct.  1.  oc/s  1142,  3.  om  578  aiocis  2dA8.  Flexionsbetonte  Formen  schwach: 
Pfct.   6.  öderen  2921,  Impf.  Conj.   3.  ocies  1157. 

intendi:  Pfct.  3.  entes  990.  —  Part,  entes  99. 

prehendi:  Pfct.   1.  pris  985    (nb.    pres    390.    719)    3.   pi'''^^    181,     5.  aprengues    196, 

6.  preseren  298.  —    Impf.  Conj.  3.  preses  1257  u.  prengues  1336.  —  Part,  pres  1126. 

respondi:  Pfct.  3.  respos  17. 

105.  Wie  trasch^  so  auch  nasch;  daneben  nasque  471,  nasques  2057;  Part,  nat  387. 
Zu  bemerken  ist  auch  exii^e;  neben  der  regelrechten  Form  exi  axi  (1363)  bildet  dieses 
Verbum  sein  Perf.  auch  nach  der  ^-Conj.,  wobei  es  sein  .r  zu  .sä.-  umkehrt:  isqiie  352.  Da- 
durch gewinnt  es  einigermassen  das  Aussehen  eines  halbstarken  sigmatischen  Perfects. 

'    Es  ergibt  sich  demnach  folgendes  Scliema : 


Perf. 

sigm.  stammb. 

dix 

— 

dix 

— 

— 

— 

V 

„       flexionsb. 

dixi 

dixlat 

— 

dixem 

dixis 

dixiren 

-g-     flexionsb. 

digui 

diguist 

digui 

diguim 

digues 

digidren 

Cond. 

sigm.    .     . 

dixira 

u.   s.  w. 

„ 

-ffU- 

diguera 

u.   s.   w. 

Impf. 

C'onj.    sigm.    . 

dixh 

u.  s.   w. 

- 

r      -gu-      . 

digues 

11.   s.   w. 

176  -^-   MUSSAFIA. 

Perfectformen  von  esse:  1.  fuy  G.  270,  fuist  1294,  fo  2304,  fom  J.  200,  fots,  foren 
1294.  —  Cond.  1.  fora  1146,  3.  /om  911,  5.  forets  1671.  —  Imi^f.  Conj.  1.  /o.s  424, 
'6.  fos  2324,  5. /oÄse^-  1369,  6. /ow«?  2G38.  —  Part,  stat  3180. 

An  starken  l'articipien  wären  noch  zu  erwalinen :  dos  144,  desjMs  1194;  mort  528; 
rescost  (in  der  adverbiellen  Locution  en  r.)  1449,  post  1176;  ttberta  2750. 

Lateinische  starke  Verba,  die  schwacli  flcctiren,  wären :  foneren  2250  confondut 
553,  leg')  2080  %?:if  2081,  percU  792,  saiiT  965  sahut  1200,  <W5e  492  estorceren  6,  Part, 
aber  stark  esfort  768. 

Futurum    und    11.    C  ond  i  ti  o  n  al  e. 

106,  Die  Endungen  ergeben  sich  aus  habere.  Im  Futurum  erscheint  m.elir£ach  der 
Infinitiv  von  dem  Auxiliare  getrennt;  die  flexionsbetonten  Formen  des  Letzteren  erscheinen 
in  diesem  Falle  zu  em,  ets  abgekiii-zt:  dir  vos  he  1061,  dir  o  ay  898,  donar  li  a  918, 
trobar  Fem  2149,  forsar  me  7iets  1593,  maridar  man  1667.  In  Bezug  auf  den  Stamm 
wäre  zu  bemerken :  1)  Stämme  auf  d  und  c  erscheinen  nur  in  der  contrahirten  Form : 
nicht  vesere  lüasera  sondern  nur  veure  plaura.  2)  Auch  Infin.  die  bloss  auf  -^r  ausgehen 
büssen  ihr  e  ein:  aureis  24,  deurien  484,  sabra  28;  valra  1316,  volriets  1165;  tindrem 
1205  retendria  125;  tembra  2333;  aparria  2842.  Non poder:  poran  3.  3)  das  i  des  Infinitivs 
fällt  ebenfalls  manchmal  weg:  vendra  2998,  somonria  3040  (könnte  auch  zu  2  gehören), 
farria  2077,  garra  1559  [garira  1550),  morrets  1286  '[morirem  2677),  sofferran  249  (da- 
neben soffrere  91,  nach  der  ^-Conjug.),  mintrem  2850;  penidria  767.  4)  Uass  -ar-  ab 
und  zu  zu  -er-  wird,  ist  schon  §.  84  bemerkt  worden;  anar  bildet  anire  1230,  etwa 
durch.  Einmischung  von  zVe,  das  ebenfalls  gebräuchlich,  z.  B.  3201.    5)  Esse  hat  sere  817. 

IV.  Reime. 

D^'e  Reime  sind  häufig  unrein,   bloss  assonirend. 

A.  Männliche    Heime: 

Der  Consonant  oder  die  Consonanten,  welche  auf  den  betonten  Vocal  folgen,  sind 
verschieden.     Auch  kann    VocCons.  mit    VöcVoc.  (fallender  Diphthong)  assoniren. 

l-u;  pilau:  mal  87.  1683.  2655.  2833,  «irete/ 388  ayfal  3134,  destral  520,  leyal  3156; 
suau:  mal  826,  pedral  832,  senescal  1532.   1566,  desleyal  2886;  —  Deu-.cel  43.   1024. 

l-u;  platt:  gayll  1080.  consell:  veu  2551. 

l-y;  trabayll:  papagay  2321.  2384.  2390.  2408   —  conseyll:  rey  933. 

l-r;  fiyll:  dir  2030.  Vgl.  Anm.  zu  883.   1596. 

m-n;  hom:  Nayron  83,  res2)on  171.   1159. 

n-n-^  preiidrien:  seny  1378.  Mit  folgendem  s;  tans:  anys  27. 

n~u;  preyon:  pou  1386. 

n-  l;  pertany:  leyal  189. 
•  p-t;  capj:  estat  357,    grat  814,    nafrat  834,    ajyeylat  1234:,  justiciat   1240.   1275,  trobat 
1250,  ahontat  3100  —  ajjercejj:  drei  883.  Mit  folgendem  s;taps:  xitats  1124,  macips:  adormits 
2221.  Mit  vorangehender  Nasalis;  camp>:  avant  300.  3212,  infant  700.  Mit  Nasalis  und -s; 
lamps:  cremants  2339  —  temps:  gents  156.  Dazu  Ip:  rt;  colp:  mort  806. 

p-c;  prop:  foc  1765.   1837.  2070.  poc  1851;  trop:  loc  2803. 

?' '  ß  >'  prop :  goig   1 084. 


Die  catalänische  meteische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  17  7 

c-t;  hac:gardaf  215G  —  assec:  liguet  1912;  nee:  f et  2841  —  amich:  marit  390.  2977, 
adormit  1342,  ardit  1821,  nit  2331,  servit  3228;  die:  escrit  2075;  rieh  :fornit2\dh,  marit  3047. 
Mit  -s;  amichs,  noyrits  2788.  Mit  Nasalis;  anc:  Infant  2691,  planch:  taut  2653,  saneh: 
infanf  658,  anant  1967   —  avench:  verament  768.  —  sc-s!^/  bosch:  tost  IIA.  816. 

c-s;  conech:  raques  2347. 

c-g;  goig:  poe  2634,  foe  3188. 

?-r;  ahontat :  negar  2778,  ajiistat:  arrenar  2597,  termenat :  mandar  842  —  axji:  nodrir 
192,  HianV;  mom-  1044.  Vgl.  Anm.  zu  V.  2800.  —  Ueber  t-s  vgl.  Anm.  zu  V.   1214. 

s-r;  volentes:  fer  1775,  aver  2168. 

«■-s;  mateix:  poxes  1633. 

Vocal  mit  Diphthong  in  emperi :  diit  2496('?);  Vocal  Consonant  mit  Diphthong  Conson. 
in  mal:  sdid  (§.   24)   1530  und  vos:  prous  1731   (vgl.  vos:  pros  1368). 

Einfacher  Vocal  assonirt  mit  Vocal,  dem  ein  Consonant  folgt: 
d-an;  p)artira:  portaran  (wahrscheinlich  jedoch  -a)   2456. 
d-ar;  comprara:  segnar  2007. 

d-at;  crema:  apagat  2089.  Vgl.  auch  Glossar  s.  v.  esdecantar  und  Anm.  zu  V.  1206. 
e-ec;  fare :  conech  3013. 
e-ep;  be:  Josep  2671. 
e-er;  mostrare:  ver  2577. 
i-it;  vgl.  Anm.  zu  V.  2855. 

o-on;  so  (ecce  hoc):  son  (sum)  710.  Vgl.  jedoch  411.  Eher  ist  dazu  3192  son  (sunt): 
bon  (bonus)^  also  eigentlich  bo  (§.   33)  zu  rechnen. 

Ein  Consonant  assonirt  mit  zwei ;  und  zwar  sind  die  auslaut.  Conson.  gleich  oder 
so  nahe  verwandt,  dass  sie  mit  einander  assonieren;  der  vorletzte  ist  n,  r,  l,  (vor  Mutae 
und  Sibilans),  s  (vor  c,  t),  c,  j),  t  (vor  s). 

ns-s;  espessas:  mans  1963  —  vos:  barons  109.  756;  protis:  barons  198.  Ein  wenig- 
wichtiger  Fall,    da  es  sich  um  indifferentes  n  handelt. 

7it-t;  aytant : 2)assat  2630,  infant:  escapat  2936  tanf:  grat  2967.  —  deliurament:  ret  1299. 
Mit  -s:  infants:  aretats  169.  Und  da  t  mit  c  assonirt,  so  kann  man  hier  auch  nt-c  ver- 
zeichnen :  verament :  pech  2025. 

rs-s;  ebenfalls  von  geringem  Belange,  da  r  vor  .s  kaum  hörbar  war  (§.  36).  Beispiele: 
escars:  largas  1188,  menjars:  solas  1928  —  deners:  agues  1271,  afers:  burges  1319, 
vers:  pres  2438  —  respos:  honors  40,  vos:  -dors  844.  2488. 

rt-t;  2)art:  Partie,  auf  -at  632.  1372.  1523.  2541;  art:  encegat  2645.  Mit  -s: 
parts:  irats  644;  arts:  perpensats  22()\   siehe  Anm.  zu  V.  234.  Vgl.  auch  tots:  mort  2714. 

rn-n;  jorn:  son  1134. 

Ip-p  kommt  nicht  vor;   da  aber  j:)  mit  c  assonirt  so  gehört  hieher  Ip-c;  colp:foc  2087. 

sc-c:  estremesc:  conec  239  und  da  c  mit  t  assonirt,    so    auch  st-c:    vist:   amich    1350. 

st-t:  es  kommen  nur  Fälle  mit  folgendem  -s:  contrasts :  nats  1090  —  aquests : conexets  2643.' 


1   Auch  ist  zu  bemerken,  dass  der  Nexus  als  mehrfach  zu  ts  vereinfacht  erscheint;  so  trits  Gen.  170,  aquets  mehrfach  in  Doc, 
gets  Hf.  24  (das  nicht  zu  gests  emendirt  zu  werden  brauchte). 
Denkschriften  rler  pliil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  23 


178  A.  MussAFu. 

cs-s;  amics:  jaquis  3057, 

ps-s;  draps:  rrfresca.i  599. 

ts-s;  gardafs:    }'pi>rras  895,   «'«•<  2036;   nssnts:  was   1781  —   2.   i'Iiir  ;uil"  ets:  entea   194 
ades  690,    62(7-,5fe.s'    2034,    es  2428,    me.s  2776,    ates  3015  —  ^em'fc;    t;?s  2571.  2593.     Hiolier 
kann  auch  gerechnet  werden  ts-ns  (=^ indift'.  ?i  + .';) :  heretets:  bcns  1070. 

In  zwei  Consonantenpaaren  sind  die  auslautenden  Consonanten  gleich  oder  nahe  ver- 
wandt, die  vorletzten  aber  verschieden.     Ein  nicht  häufiger  Fall. 

Ip-rp  kommt  nicht  vor;   wol  Ip-rt;  colp:  mort  806. 

rc-sc;  porc:  bosc  782. 

rt-st  kommt  nicht  vor;   wol  rf-sc;  mort:  bosch  836. 

rc-nc  ebenfalls  niclit  vorhanden;  wol  rc-nt;  alberch:  exament  148. 

Consonant  (auch  Consonantennexus),  welcher  auf  dem  betonten  Vocal  folgt,  ist  in 
beiden  Wörtern  gleich;  in  einem  ßeimworte  aber  kömmt  noch  ein  Consonant  liinzu. 
Nur    ein   paar  Fälle  u.  zw.    von    geringem    Belange. 

Ueber  Cons:  Cons  +  s  siehe  §.  74. 

nt-n;  Infant:  eng  an  594. 

Drei  Consonanten  mit  einem  assoniren  bei  nts-s;  gents:ades  732,  encantaments : 
nasques  2056,  und  wol  auch  sangonefnjts :  ges  676.  Eine  Combination  der  zwei  Formeln 
ts-s  und  ns-s.  Plorants:  ??^rm.s  3154,  gents :  bens  126  sind  wol  eher  hieher  als  zur  Formel 
nt  -  n  zu  rechnen. 

B.    Weibliche  Reime. 

Verschiedener  Consonant  zwischen  zwei  Vocalen: 

l-l;  vila:  fiyla  2949.  r-v;  puyaren:  bornaven  618. 

l-r;  vila:  ira  2494.  d-v;  maynada:  gardava  2412. 

l-n;  vila:  azina   128.  d-g;  venguda:  desastruga  2370. 

l-d;  vila:  partida  2553.  d-ss-^  amada:  bagassa  1434. 

l-s:  fiyla:  guisa  3065.  t-s-^  caxeta:  mesa  2718. 

r-n:  hora:  dona   1607.  g-s;  vages:  fasses   1897. 

r-d;   clara:  estancada   1130.  s-l;  puxa:  vulla  2129. 

In  einem  Verse  ein  Consonant  zwischen  Vocalen;  in  dem  anderen  kein  Consonant: 

^--f;  vila:    dia  20(i2.    2349  und  Impf.  ^--f-,"  desliga:  Maria   408,    diga:  falcia 

auf  -ia  2062.  2304.   2440.  1088. 

l - -\- ;  fiyla :  faylia   1891,  dia  2953.  .!/-+»  desija  (geschr.  -ige):   dia  3073. 

n-~\-  :  orina:  gesia  923,  nina:  avia  1321.  «--J-;  gidsa:  gesia  1540. 

d--\-;  oblida:   via  152.  «(äs)--)-;  riguesa :  peguea  1865. 

Von  zwei  Consonanten  ist  der  zweite  ungleich,  aber  doch  nahe  verwandt: 

rg  -  rd :  falorga  (geschr.  -e):  corda  530. 
•    rf-rd:    morta:    recorda    702. 

Freiere    Assonanzen     sind: 

ayga:  fa.yla    1558.  arbra:  altra   790. 

mayra:  altra  2693.  metge:  segle  909.    994. 

Manchmal  sind  die  tonlosen  Vocale  verschieden;  es  handelt  sich  aber  immer  um  e-a, 
von  denen  der  eine  oder  der  andere  Vocal  secundär  ist,  so  dass  Angleichung  sehr  leicht  ist. 


Die  CATALANISCHE  METKISCHE  VeKSION  DER  SIEBEN  WEISEN  MeISTEK.  179 

a  statt  urspr.  e;  payra:  viayre  258.  2703,  gayre:  layra  11 1)8,  mayra:  afayre  1813. 

e  statt  urspr.  a;  e>idevengue:  letiga  281  (362  -a:  -«);  assaje:  aja  2042, /«r?'e;  jyrenia 
158,  stava:  sagnave  1715.  So  auch  aviats:  deyets  1422,  wo  a  wol  ursprünglich,  die  nor- 
male Form  für  beide  Wörter  aber  -iets  wäre. 

Eine  sehr  freie  Assonanz  ist  vestida:  erminis  1839. 

In  allen  bisher  besprochenen  Fällen  waren  die  zwei  betonten  Vocale  identisch ;  es 
kommen  auch  Verspaare  vor,  in  welchen  dieselben  verschieden  sind. 

e-i;  auszuschliessen  sind  Fälle  wie  serets:  deyts  2847,  da  diets  vorkommt  (§.8);  comeni: 
e  1303,  da  die  1.  Pers.  Perf.  der  I.  Conj.  zwischen  -{  und  -e  schwankt  (§.  97);  seguets: 
anits  21G4,  wo  seguits  die  gewöhnliche  Form  ist  (§.  85).  Umgekehrt  kommt  morrets:  jaqaits 
1094  vor,  wo  morits  leicht  zu  emendiren  ist.  Dins:  gens  1126-,  ob  giiis  möglich?  Co7ie- 
gueren:  viren  2512;  die  schwache  Form  vercn  (contrahirt  von  veeren)  kann  ohne  Bedenken 
angesetzt  werden.  Garis:  pref^  984;  venir:  cavaller  590.  Vielleicht  sind  auch  hier  Formen 
der  E-Conjug.  statt  der  normalen  nach  der  I-Conjug.  anzunehmen;  vgl.  §.  85. 

o:u;  mot:  mut  268;  mots:  venguts  870;  escura:  fora  (för'is)   1329. 

ou-eto  in  brou:  creu  1054;  pou:  veu  1418  (über  p)ou:  creu  1407  kann  man  zweifeln). 
Veu  =  vocem  könnte  etwa  zu  vou  (§.  58)  geändert  werden.  Ist  b7^eu  (d.  h.  oit  aus  od 
behandelt  wie  o?(,  aus  oc)  zu  belegen?  Oder  crozo  für  creu  (d.  h.  wie  ou  zu  eu,  so  eu  zu 
02«.^;  boure  ist  aus  Doc.  68,  vonreis  =  veurets  aus  Doc.  75  zu  belegen). 

a-e;  car:  muyler  1639  gegen  quer:  muyler  2675  (siehe  auch  Anmkg.  zu  886).  Clara: 
hbrera   1961;  etwa  clera. 

Offenbare  Fehler,  welche  durch  Emendation  oder  durcli  Annahme  eines  Ausfalles 
von  mittleren  Versen  zu  beseitigen  wären,  kommen  vor  297  (vgl.  §.  97).  602.  1560. 
2107.  2430.     2602.  2794.  2827.  2835;    siehe  auch  Anm.  zu  2496. 

Nicht  selten  assonirt  ein  Oxytonon  mit  Paroxytonon,  und  zwar  durcli  Accentver- 
setzung  bei  letzterem  Worte;  also  wie  bei  Peire  Cardinal,  Matfre  Ermengau  und  wol  ande- 
ren besonders  späteren  provenzalischen  Dichtern.'  Die  vorkommenden  Fälle  sind  folgende: 

aura:  altrd  347.  poder:  destrenyer  3162. 

gitara:  entrd  1388.  res:  gitardies  1460. 

fara:  pjerä  (=  petra)  2085.  pres:  Herodes  2437, 

esta:  deyä  3067.  sabrem:  fugen  {=^  fugmnt)  2825. 

ha:  querd  Praes.  Conj.  3078.  seny:  p^rendrien  1378. 

pora:  vajd  (geschr.  -gc)  3164.  jardi:  emperi  518;  diu:  emp)eri  2496  (?) 

cavaller:  senyer  (Cod.  senyor)  742.  basti:    Virgili  2098. 

aver:  esser  2535.  Merli:  savi  2636. 

Dazu  wol  auch  romana:  gardd  1184;  comana  könnte  aber  imNothfalle  auch  als  Praesens 
angesehen  werden,  wo  man  dann  die  Assonanz  ?7  (^ —  nd):  rd  erhielten.  Eben  so  rechne  ich 


1  An  catalainsclieii  Dicliteni  vermag  ich  in  Be/ng  auf  Reim  und  Versmass  nur  Ramon  Lull  zu  vergleichen;  denn  die  Dichter 
der  Liederbücher  zu  Paris  und  Sarragofa  ricliten  sich  zu  genau  nach  den  Lehren  der  Schule,  als  dass  sie  sich  Freiheiten 
gestatteten.  Lull  bietet  nun,  wenn  auch  selten,  Beispiele  der  oben  besprochenen  Erscheinung.  So  S.  538 — 9  V  enteniment 
car  pres  esta  Solz  lo  voler  qui  afemia ;  zu  betonen  afeiind.  S.  490  Ah  leyaltal !  lan  mal  mi  va  Car  tan  patich  vos  he  amn(fd. 
S.  643  Ävaricia  es  ami  Per  qiii  hom  va  a  viala  ß,  Si  ella  es  al  consili  etc.  S.  515  Que  Christ  duas  naturas  ha  (Jo  es, 
divina  e  huvianä  ;  S.  516    Si  dins  que  Deus  jutg'  animä  Del  mal  o  hex  que  Jet  aura. 

Doc.  220  wird  das  Distichon  citirt:  Säenc'ia  jovent  e  riqueses  |  tollen  al  hom  conexer  eil  qui  es. 

2.3» 


180  A.  Mi'ssAPiA. 

liielier  1756,  wo  ich  ama  assonirend  mit  ha  als  Praes.  ansehe;  da  indessen  es  auch 
möglich  ist,  darin  ein  Perfect  zu  erblicken,  so  sonderte  ich  diesen  Fall.  Vgl.  aucli  die 
Anmerk.    zu    191.    1223.    1460.   1469.  1470.   1491.   1545.  2065.  2338.   3142. 

Nur  ein  Fall  kommt  vor,  in  welchem  beide  Reimwürter  weiblich  sind,  der  Reim 
aber  nur  ilurch  Versetzung  des  Accentes  in  beiden  erhalten  wird:  sid:  degastd  3045.' 

Identische  Reime  kommen  vor:  185.  1226.  1305.  1430.  1486.  1588.  1625.  2135. 
2190.  2817.  2862.  2947. 

Zwei  oder  drei,  selbst  vier  (4.S0 — 487),  auf  einander  folgende  Verspaare  mit  dem- 
selben Reimworte  kommen  nicht  selten  vor.  Es  fehlt  aber  auch  nicht  an  Stellen  (gegen 
20),  in  denen  drei,  auch  (5  bis  6  Mal)  fünf  Verse  gleichen  Reim  oder  gleiche  Asso- 
nanz haben,  ohne  dass  der  Sinn  irgend  eine  Lücke  fühlen  lasse.  Es  ist  nicht  leicht 
zu  entscheiden,  ob  ein  Vers  fehlt  oder  sich  der  Dichter,  welcher  jedenfalls  kein  sehr 
geschickter  Verskünstler  war,  diese  Freiheit  erlaubt  habe.  Es  begegnen  auch  ziemlich 
viele  (gegen  40)  reimlose  Verse;  wenn  man  auch  in  der  Regel  nichts  vermisst,  so  kann 
man  doch  eine  so  weit  gehende  Nachlässigkeit  dem  Dichter  nicht  zuschreiben;  es  muss 
Ausfall  eines  Verses  angenommen  werden ;  wenn  man  zugibt,  dass  eine  ungei'ade  Anzahl 
von  Versen  den  gleichen  Ausgang  haben  könne,  so  lassen  sich  diese  reimlosen  Verse 
diu-ch  Veränderung-  des  letzten  Wortes  mit  dem  vorangehenden  oder  nachfolgenden 
Verspaare  vereinigen.  Noch  mehr  empfiehlt  sich  dieses  Verfahren,  für  die  wenigen 
Stellen,  in  denen  der  reimlose  Vers  einer  Gruppe  von  drei  oder  fünf  Versen  vorangeht 
oder  nachfolgt.  Die  Anmerkungen  erwähnen  alle  einzelnen  Fälle ,  in  denen  von  dem 
Grundsatze    der    Reimpaare  abgewichen  wird. 

V.  Versmass. 

Das  angestrebte  Versmass  ist  das  achtsilbige ;  bei  Anwendung  aber  der  allgemein 
giltigen  metrischen  Regeln  ergibt  sich,  dass  mehr  als  ein  Dritttheil  der  Verse  unrichtig 
gemessen  ist,  und  zwar  überwiegt  die  Anzahl  der  zu  kurzen  Verse  jene  der  zu  langen 
um  ein  Beträchtliches.  Indessen  kann  das  Zugeständniss  mehrer  Freiheiten,  von  denen 
manche  bei  späteren  provenzalischen  Dichtern  nachzuweisen  sind ,  die  Anzahl  der 
unrichtigen  Verse  bedeutend  verringern.  In  erster  Linie  ist  hier  die  Behandlung  der 
Vocalnexus  zu  erwähnen,  bei  welcher  unserem  Gedichte  die  grösste  Freiheit  eingeräumt 
werden  muss. 

1.  Innerhalb  eines  Wortes.  Der  Nexus  ta  (ie)  zählt  sehr  oft  für  zwei  Silben;  viel- 
fach jedoch  wird  es  als  einsilbig  gebraucht.  Es  genügt,  von  letzterem  Vorgange  Bei- 
spiele zu  bringen:  sia  873.  2009,  e-stien  139;  Impf,  der  IL  III.  Conjug.  a-via  721.  1632, 
ple-ya  606;  a-viets  1806,  fe-yets  1434.  1951,  ge-yets  1425;  de-yen  2831,  fe-yen  180,  Condit. 
aller  Conjug.:  estorc-riets  2271,  se-rla  1624  u.  s.  w. ^ 

Nexus  iVöc  ist  meist  zweisilbig;  manchmal  scheint  es  für  eine  Silbe  zu  gelten. 
Diahle:  412  ist    zweifelhaft,  da  que  elidirt  werden    kann;    auch    433    e  an  vos  tm    diahle 


'   Bei  Lull  reimen  ziemlich  oft  Abstracta  auf  -ia.  mit  -ia;  z.  B.  484  La  virtut  qu'  es  prndencia  Es  50  qui  fa  que  hom  sia,  zu 

betonen  prudenciä  und  sid. 
-   Wir  führen  nur  solclio  Beispiele  au,    welche  keinen  Zweifel  zulassen;    würden    bloss  Verse    wie   1362  mas  lo  venire  mi  feya 

mal  od.   14'24  en  lo  lit  geya  yo,  na  lassa  vorkommen,    so  könnte  man  fragen,  ob  nicht  dort  ventrem,  liier  e^  lit  zu  lesen  sei. 

So  auch  359   e  V Infant  humilia  lo  cap;  statt  -lia  liesse   sich  li-al  lesen.      2159   Senyor,    com   vendra  lo  diu  dar;    mau  könnte 

vendral  di-a  vorschlagen. 


Die  catalanische  metkische  Version  der  sieben  weisen  Meister.  181 

donat  ist  nicht  ganz  sicliei-,  da  einsilb.  e  an  denkbar  ist.  Justiciat  ist  fast  immer  vier- 
silbig (1241.  2302.  2848);  1276.  2094  he  (od.  qid)  degra  esser  j.  wird  man  eher  (/r'ßs.  als 
-cid-  annehmen;  763  que  Vinfant  da  j.  kann  man  zweifeln,  ob  die  Verschleifung  in  sia 
od.  -cid-  annehmen  solle.  Entschieden  dreis.  ist  das  Wort  2425.  So  auch  wenn  i  in 
einer  der  Consonantirung  günstigen  Stellung  sich  findet;  fast  immer  sapi-ats  (z.  B.  392. 
1724.  2010.  2053  u.  s.  w.),  selten  pia  (pja)  2501.  2680;  2764  ist  zweifelhaft,  da  no  o 
oft  eins.  ist.  Neben  so?)«'-«?  2165.  2171.  2182,  so-miat  2524  so-niias  2527;  auch  sompnat 
2519.    Comi-at    325. 

Der  posttonische  Nexus  ia  (i'e)  gilt  auch  für  zwei  Silben  in  sapi-a  574.  919,  sapien 
2907,  vgl.  auch  950.  2805.  Auch  784  hat  nur  dann  das  nöthige  Mass,  wenn  hestia 
dreis,  ist.  Desgleichen  2849  in  Bezug  auf  gracia. " 

Voc  i  zählt  für  zwei  Silben.  Wenn  überall  la-yns^  so  muss  wol  1232  layns  en  Ia 
Caldera  dond  als  ein  schlecht  gemessener  Vers  angesehen  werden.  Wird  aber  ein  solcher 
Nexus  vom  Accente  verlassen,  so  ist  Vereinigung  der  zwei  Vocale  zu  einer  Silbe 
leicht  statthaft;  trayt  muss  zweisilbig  sein;  ay  in  traydor  kann  zwei  oder  eine  Silbe 
ausmachen:  a-y  437.  735.  739.  859  u.  s.  w.;  ay  845.  912.  1420.  1635.  1652  u.  s.  w. 
Einige  Fälle  sind  zweifelhaft:  412.  854.  2399.  2651.  Hieher  gehört  auch  cuy-nar  2069. 
cuyna  müsste  wol  dreis.  sein,  es  wäre  denn  dass  ßeti'action  des  Accentes  einträte. 
Eine  solche  müsste  in  /?/?/  (st.  juy^  §.  60)  angenommen  werden,  wenn  dieses  Wort, 
wie  im  V.  3180  der  Fall  zu  sein  scheint,  als  eins  gelten  soll;  sonst  ist  es  immer  zwei- 
silbig,  z.   B.    6.  . 

Voc  i  als  fallender  Diphthong  ist  in  der  Regel  einsilbig.  Schwerlich  wird  man 
cu-ydats  1584  zugeben,  da  uycl  doch  eher  aus  og'd  als  aus  o[y/id  sich  entwickelte. 
V.  28  u.  1427  enthalten  das  Wort  aytals  und  sind  nur  siebensilbig,  sollte  sich  unser 
Dichter  a-yt  erlaubt  haben?  Vgl,  auch  918  in  Bezug  auf  aytant ,  2583  in  Bezug  auf 
ayci^  230  über  eyla.  Wie  ist  die  Interjection  ay  zu  betonen?  Wenn  ay^  so  zählt  sie 
für  zwei  Silben,  wie  fast  immer  im  Altfrz.  und  in  unserem  Denkmale  2361.  2370. 
3013.  Im  Prov.  gilt  sie  gewöhnlich  als  einsilbig  und  ist  wol  dy  auszusprechen;  so  2766. 

2.  Zwischen  zwei  Wörtern.  Auslautendes  a  und  e  in  melirsilbigen  AVörtern  können 
vor  anlautendem  Vocal  nach  Belieben  elidirt  wei-den  oder  Hiatus  bilden;  Beispiele 
anzuführen  ist  überflüssig;  nur  kann  man  auch  hier  bemerken,  dass  die  Fälle  des  Hiatus 
bei  weitem  zahlreicher  sind. 

Einsilbige  grammatische  Wörter  verhalten  sich  folgendermassen : 

si  und  que  werden  (wie  im  Provenz.)  bald  apocopirt,  bald  nicht:  si  aquest  210  und 
s'  aquest  69 ;  que  avets  2281   und  qu'  avets  2524. 

Manche  Proclitica,  die  im  Provenz.  entweder  immer  oder  mit  seltenen  Ausnahmen 
vor  Vocal  apocopirt  erscheinen ,  bewahren  in  unserem  Texte  ihren  Vocal  und  bilden 
eine  selbstständige  Silbe: 

Ia  als  Artikel  (im  Provenz.  ziemlich  selten):  Ia  amor  1370.  1421,  Ia  Jionor  2247, 
Ia  ola  1047.  1056,  Ia  orina  923.^  —  Als  Pronomen  (ob  je  im  Provenz.?^):  Ia  an  176, 
Ia  ayues  1271,  Ia  aureU  1711,  Ia  amagas  2760, 


'    Vgl.   bei  Lull:   S.  48.3  Juslicia  es  50   qui  fa;   529  diligtncia  a  menjar. 

2  Masc.  Ia  un  zählt  bald  für  zwei  Silben  bald  für  eine  2539. 

3  Ia  enquer  LB  82,  59  wird  durcli  Tobler's  Emendation  bei  Philipson,   der  Mönch  von  Montaudon,  Anm.   zu  XIX  43  beseitigt. 


182 


A.   MUSSAFIA. 


me,  te,  se,  ne  (kuinn  im  l'rovcnz.'):  me  acets  1879.  3019,  se  asscnfa  1099,  ,se  acordas  2407, 
9ie  aurian  1383,  ne  avets  1435. 

//  (mancho  Beispiele  im  J'rovenz.):  last  immer  olnio  Apocopo :  li  ha  2948  //  an  2228. 
2240,  //  ambla  2717,  aber  ll'aja  2401. 

de  (äusserst  selten  im  Provenz.-):  de  aqucll  503.  2542,  de  aco  991,  de  ayga  1120, 
de  altres  1172,  de  aver  2138.   2535,  de  aycel  2153;  </r    Ijwras  907-,   de  hörnern  2935. 

/o  als  Artikel  und  ['nniomen  (wol  nie  im  Pi'ovenz.) :  lo  arhre  2024,  lo  aver  2169; 
lo  escoltar  33,  lo  Infant  72.  —  lo  han  448,  /o  apenlava  2309,  /o  asscjara  2334,  /o  asseja  2335, 
Zo  owels  2654;  lo  ocies  992. 

Soll  man  diese  Hiatus  anerkennen,  oder  überall  Verderbniss  annehmen?  Bei  der 
grossen  Anzalil  von  Fällen  erscheint  das  Erste  rathsamcr.  Und  wenn  man  einmal  den 
Hiatus  als  zulässig  erklärt,' lässt  sich  nicht  Versen  wie  171  renqjcrador  los  re&pon,  2045 
que  Vinfant  es  escapat  oder  647  lo  brassol  ses  abocat  dadurch  zu  Hilfe  kommen,  dass  man 
gegen  die  Handschrift  lo,  se  liest?  Solche  Verse  wären  noch  312.  705.  713.  1233. 
2301.  2822.  2948. 

Andrerseits  werden  Fälle  der  Apocope  geduldet,  die  im  Provenz.  selten  oder  kaum 
vorkommen.  No,  das  im  Prov.  meist  unapocopirt  bleibt,  wird  in  unserem  Texte  öfters 
zu  n:  no  ha  2360,  no  axi  1376,  no  avem  1764;  no  he  86.  1925,  no  cm.  609.  No  o  {=  non  hoc), 
wenn  einsilbig,  z.  B.  2763,  kann  als  no,  wie  die  Hs.  im  V.  1582  bietet,  oder  als  noti, 
wie  1897,  aufgefasst  werden. 

Ein  anderei-  noch  seltenerer  Fall  der  Apocope  wäre  folgender.  'NVenn  einem  Verbum  me, 
te,  sa,  ne,  lo,  la,  li  folgen ,  so  sollten  diese  mit  dem  Verbum  innig  zusammenhängende 
Wörtchen  durch  den  folgenden  Vocal  keine  Apocope  erleiden;  unser  Text  indessen  er- 
laubt sich  manchmal  eine  solche.  Neben  594  e  ach  ne  un  'patit  infant,  821  e  tench  se  ab 
la  una  ma,  2559  menen  lo  a  rcmpei^ador  finden  wir  1805  e  son  na  axi  ben  castigada, 
2511  e  viren  lo  ab  infants  jugar ,  2984  e  vos  porets  ne  esser  prohomj  Daher  konnte  icli 
mir  erlauben  2904  En  aco  eylls  se  son  acostats  (eylls  ist  unentbehrlich)  zu  son  sac  zu 
verändern. 

Vei-schleifungen  von  Vocalen,  die  zwei  Wörtern  angehören,  zu  einer  Silbe  finden 
ebenfalls,  der  allgemeinen  Neigung  zu  Hiatus  entgegen,  nicht  selten  statt.  So  zwischen 
t  (=  ia)  und  anlautendem  Vocale.  Und  so  kann  es  sein,  dass  eine  solche  Formel  bald 
drei,  bald  zwei,  bald  eine  Silbe  darstellt.  Neben  si-a-as-si  39,  si  as-si  29;  a-vi-a-un 
467  und  a-vi -un  {of^Qv  a-via-im)  468;  a-vta-magada  2860.  Andere  Beispiele  der  p]insilbig- 
keit  wären  te-nia  en  2073,  a-via  ho-mens  2123,  se-ria  he-retat  2699. 

Qu.i  mit  folgendem  Vocale  bildet  nicht  selten  nur  eine  Silbe,  entweder  durch  Ver- 
schiffung, oder  dadurch  dass  man  die  eben  so  berechtigte  der  Elision  fähige  Form  cpie 
annimmt;  vor  en,  c?  lässt  sich  Aphäresis  des  e  erblicken;  quial  cor  oder  (/«'a/ cor,  eben  so 
846.  2852;  557  und   661    entweder  quien  oder  qiocn  wie  887   oder  endlich  g?«Vi  wie  439. 

Andere  Fälle  der  A^erschleifung  wären:  ct-a:  va  a  544  (unsicherer  Fall,  da  empe- 
rador  im  Verse  vorkommt),  e  and  axi  740  (wenn  nicht  e  a-  eins.),  dond  a  806,  volrd  anar 
2556  ■_    a-u:   a  an  2458  —  t-a:  mor'i  a  3236.  —  l-a:  savi  a  1211.  2549,  hi  aura  1565 


1    me  nfi-i  bei  R.  Vidal,  Dkm.   146,  29. 

-   de  Äimol,  de  Atyus  Ixü  G.  de  Cabreij-a,  Dkm.  y2,  25  uiul  ',»(!,   IC). 

3   2503  eis  mvis  son  sa  acordats    n.  2.'538    e    Us  savis   son   se   acordats;    ich   habe  an  letzterer  Stelle    keine   metrisclie   Bemer- 
kung   gemacht,   weil  s'ac.  möglich  ist;  einfacher  wäre  eis.     Ein  drittes  Mal,  232,  findet  sich  eis  s.  se  son  ac. 


Die  katalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meistek.  X83 

(od.  coyl:)  —  o-a:  fo  ab  460, /o  a  1500,  do  [=  dort)  aquell  1436  (jedoch  l^esser  do  re.yll)^ 
0  ach  2864.  Ist  aiieli  /*«*  ab  1601   zulässig? 

Oft  ergibt  die  Conjunction  e  um  eine  Silbe  zu  viel  und  nicht  immer  lilsst  sie  sich 
leicht  streichen;  es  fragt  sich  ob,  wenn  A^ocal  folgt,  Verschleifung  angenommen  werden 
kann;  so  184.  311.   1!)08.  2158.  2340.  2560.  2900.  3010.   3039. 

Das  bisher  über  die  Vocalnexus  Gesagte  lässt  sich  dahin  zusammenfassen,  dass 
Hiatus  vorwiegend  ist  und  vielfach  bei  Proclitica  in  ganz  ungewöhnlicher  Weise  vor- 
kommt ,  dass  aber  andererseits  auch  manche  harte  Vocalverschleifungen  anerkannt 
werden  können. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  anders  gearteten  unregelmässigen  Versen,  so  bemerken 
wir  auch  hier,  dass  die  hypercatalectischen  in  geringerer  Anzahl  als  die  acatalectischen 
sind.  Faiigen  wir  mit  jenen  an.  Eines  der  leichtesten  Mittel ,  manche  derselben  in 
Ordnung  zu  bringen,  besteht  in  der  Anwendung  von  Encliticis  statt  der  volleren  Formen. 
Enclisis  an  vergleichendes  co  =  com  con  kommt  109  cos  tany  vor;  2785,  wo  com  aus- 
rufend ist,  dürfte  man  ebenfalls  cos  st.  com  se  lesen.  Wie  steht  es  mit  temporalem 
com?  Lässt  sich  579  coli  {==  c.  U)^  643  col  (c.  /o),  2770  cous  (c.  vos)  ansetzen?  vgl.  auch 
die  metrische  Anm.  zu  2330.  2707.  Enclisis  an  die  3.  Pluralis,  die  im  Catalan.  immer 
ihr  -n  bewahrt,  begegnet  nicht  in  unserem  Gedichte;  wäre  sie,  wie  im  Prov.  gestattet, 
so  käme  sie  manchen  Versen  zu  statten:   160.   315.  662.  2462.   2572.  2619. 

Manche  Verse,  welche  die  Praeposition  c/e  vor  Consonant  enthalten,  sind  um  eine 
Silbe  zu  lang;  so  368.  730.  828.  1187.  2570.  2690.  Lässt  sich  da  d'  annehmen?  Und 
wenn  nicht  überall,  wenigstens  dort,  wo  d  sich  leicht  an  den  folgenden  Artikel  V  oder 
la  anschmiegt,  wie  208.   648.   1204. 

Unterdrückung  eines  leicht  entbehrlichen  Wortes,  Ansetzen  einer  einsilbigen  Form 
an  die  Stelle  einer  zweisilbigen  u.  s.  w.  geben  ferner  das  Mittel,  zu  lange  Verse  ohne 
besondere  Gewalt  auf  das  richtige  Mass  zurückzuführen.  Trotzdem  bleibt  noch  eine 
gewisse  Anzahl  von  Versen,  welchen  in  so  leichter  Weise  nicht  beizukommen  ist.  Man 
kann  bemerken,  dass  besonders  solche  Verse  das  Mass  überschreiten,  in  denen  das  im 
ganzen  Gedichte  stets  wiederkehrende  Wort  emperador,  seltener  emperayre,  vorkommt  (so 
14.  212.  219.  236.  243.  446.  590.  750.  1179.  1508.  1516.  1679.  2022.  2143.  2195. 
2239.  2248.  2300  u.  s.  w.),  dann  in  den  einzelnen  Erzählungen  jene,  welche  die  Be- 
zeichnung der  Plauptperson  enthalten,  z.  ß.  cavaller  517.  591.  612,  biirges  1308.  1702.  1716. 
1853  u.  s.  w.  Liesse  sich  auch  einzelnen  solchen  Versen  mit  den  gewöhnlichen  Mitteln 
abhelfen,  so  geht  diess  bei  weitem  nicht  überall  an;  und  da  drängt  sich  die  Vermuthung 
auf,  dass  in  solchen  Fällen  die  Unregelmässigkeit  nicht  durch  Abschreiber  verschuldet, 
sondern  ursprünglich  sei;  der  Reimer  kam  da  besonders  oft  in's  Gedränge. 

Zu  kurze  Verse  lassen  sich  Avieder  zum  Theile  durch  Auflösung  von  Encliticis, 
Anwendung  von  umfangreichen  Formen,  Ergänzung  einzelner  Wörter  leicht  bessern;  die 
Anzahl  der  bloss  siebensilbigen  A'^erse  ist  aber  so  gross,  dass  der  Gedanke  aufkommen 
kann,  der  Dichter  habe  sich  oft  mit  solchen  begnügen  wollen.  Dass  bei  femininem  Aus- 
gange der  Reimwörter,  wo  also  wenigstens  für  das  Auge  acht  Silben  vorhanden  waren, 
solche  Verse  mit  trochäischem  (iange  von  manchem  provenzalischen  Dichter  gebraucht 
wurden,  ist  wol  bekannt;'  es  ist  nur  die  Frage,  ob  man  erstens  dem  Gedichte  die  Frei- 


'    Uli   erlaube  mir,  auf  meine  Erörterungen  in  den  Sitzungsber.  der  Wien.  Akad.  Bd.  XLVI  liinzuweiaen. 


J84  ^-    MUSSAFIA. 

heit  zuerkennen  kann,  feiiiininc  Verspaare  von  jambischem  Gange  niiit  solchen  von  tro- 
chäischem Gange  (wie  z.  li.  150-1,  173-4,  175-6,  186-6,  265-7,  275-6)  abwechseln  zu 
lassen;^  zweitens  ob  der  trochäische  Gang  auch  für  einzelne  masculino  Verspaare  in 
Anspruch  genommen  werden  könne  (z.  B.  26-7,  105-6,  164-5,  lt)'J-200,  277-78).  Fiele 
die  Antwort  bejahend  aus,  so  würde,  wenn  ein  Verspaar  aus  einem  acht-  und  einem 
siebensilbigen  Verse  besteht,  gestattet  sein,  beide  entweder  nach  der  einen  oder  nach 
der  anderen  Richtung  auf  gleiches  Mass  zu  bringen. 

In  den  Anmerkungen  am  Fusse  des  Textes  ist  eine  Emendation  in  Hinsicht  auf 
das  jMetrum  versucht  worden.  Die  oben  erörterten  Freiheiten  bezüglich  Zulassung  des 
Hiatus  oder  starker  Verschleifungen  werden  als  ursprünglich  verausgesetzt  vmd  die  be- 
treffenden Verse  unberührt  gelassen,  so  leicht  es  auch  oft  anginge,  durch  kleine  Modi- 
ficationen  regelrechteres  Mass  zu  eidangen.  Der  Kürze  wegen  schloss  ich  in  runden 
Klammern  Wörter,  die  zu  tilgen  wären;  die  viereckigen  Klammern  aber  wählte  ich,  um 
jene  Emendationen  zu  bezeichnen,  welche  sich  als  unnöthig  erweisen  würden,  sobald  man 
sich  entschlösse,  dem  betreffenden  Verspaar  trochäisches  Mass  zuzuweisen.  Ich  gestehe, 
dass  ich  nur  mit  einigem  Zögern  mich  zu  diesen  Anmerkungen  entschloss;  ich  fragte 
mich  oft,  ob  es  von  irgend  einem  Nutzen  wäre,  überall  zu  sagen,  dass  z.  B.  sius  in  si 
tws  aufzvilösen  oder  si  vos  zu  sius  zu  vereinigen  sei,  und  überall  ein  bestimmtes  Flick- 
wort vorzuschlagen,  wo  jeder  Leser  dasselbe  oder  ein  anderes  beliebiges  ei'gänzen  kann; 
wenn  ich  trotzdem  mich  dieser  einerseits  leichten,  andererseits  misslichen,  weil  allerhand 
Einwendungen  ausgesetzten  Arbeit  unterzog,  so  wird  man  es  mir  nicht  zum  Vorwurf 
anrechnen  wollen. 


i   Vgl.  bei  Lull 

S.  493  Per  gtii  sia  altra  vtda  Qui  de  he  sia  complida 

S.   496  E  nuylla  causa  creada  Pol  esser  infinilada 

S.  501    Qtd  son  en  una  natura  Vistinclas  senes  viesura. 
daneben  in  demselben  Gedichte: 

S.  502  Elernalmenl  e  inßnida  Perque  no  pol  esser  complida 

S.   511   Fa  que  Deus  de  niantes  naturas     Qui  eslan  en  las  creaturas. 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister, 


185 


Senyors,  si  entendre  volets, 
molts  bons  exemples  ausirets, 
e  tals  queus  poran  profitar, 
si  be  los  volets  tscoltar; 
5    car  los  .vij.  savis  quels  dixereu 
del  juy  de  mort  estorceren 
eis  tots  .vij.  e  lur  seiiyor, 
lo  fiyll  de  r  omperador. 

De  Koma  f'o  1'  emperador 

10    e  ach  muyllur  de  gran  valor ; 
de  ssa  muyler  hac  .i.  fyll, 
(|ui  apres  sofri  g-rau  perill. 
Mori  la  inara  de  1'  iufant, 
e  r  emperador  dix  ab  aytant 

15    a  .vij.  savis  que  faria 

e  soll  fyll  quäl  li  nodriria. 
Bencills  respos  tot  primer, 
qui  era  hom  de  gran  afer : 
,Senyor,   luucli  temps  vos  he  amat 

20    e  molt  bou .  couseyll  vos  he  dat ; 
prech  vos  qiie  m'  o  gasardoneis, 
car  vey  que  prest  o  avets; 
si  vostre  fyll  ma  comanats, 
tot  m'  ü  aureis  gazardonats; 

25    e  yo  proin  et  vos  per  ma  fe 
que  li  mostrare  axi  be 
que  de  ssi  tro  a  .vij.  anys 
eil  sabra  aytals  .vij.  tans 
que  yo  ne  savi  qui  sia  assi, 

30    e  prech  vos  que  sia  ab  mi.' 
Encilles,  hom  de  gran  poder, 
dix :  ,Senyor,  yous  vull  parlar 
si  a  vos  plau  lo  escoltar ; 
comeuats  me  aquest  infaiit, 

35    e  yo  promet  vos  be  aytant, 
que  ans  sien  .vj.  anys  passats 
yo  li  aure  mostrat  assats, 
que  eil  sabra  pus  que  mi 
ne  alguu  qui  sia  assi.' 

40    Lentules  apres  respos 

e  dix:  ,Feis  me  tantes  honors 
que  yo  nodresque  mon  senyor, 
e  yo  promet  vos  per  Deu 
e  per  los  sauts  que  sou  al  cel 


176"  45    que  li  mostrare  mos  escrits, 

que  de  ssi  a  .v.  anys  complits 

r   infant  aura  apres  assats, 

mes  que  savi  que  vos  ajats.' 

Melquider  s'  es  eii  peus  levats 
50    e  dix:  , Senyor,  er  m'  escoltats, 

que  vull  parlar  un  patit  176° 

de  CO  que  vos  nos  avets  dit. 

De  mi  mateix  vos  die  aytant, 

que  no  se  lo  cor  de  1'  infant, 
55    que  yo  lo  plavis  a  vos 

qu'  el  fos  pus  savi  que  tots  nos ; 

mas  sil  me  comeuats, 

ans  que  sien  .iiij.  anys  passats, 

yo  li  aure  be  ensenyats 
60    de  bon  seny  e  de  grans  bontats; 

mostrat  li  aure  tant  de  be 

que  prou  n'  aura  si  o  rate.' 

Apres  parlet  Cato, 

parlet  coma  savi  baro : 
65    jEmperayre  de  gran  valor, 

honrats  un  vustra  servidor, 

per  so  com  eu  vos  e  amat 

be  de  cor  e  de  voluntat; 

si  aquest  infant  me  comeuats, 
70    yo  sere  tostemps  honrats; 
176"  anans  que  veugut  los  anys  tres, 

lo  infant  aura  tant  apres 

que  en  tota  part  sera  conegut, 

per  bo  e  per  savi  tengut.' 
75    Josep  fo  hom  ensenyat  176'' 

e  dix :  , Senyor,  per  caritat 

vostra  fyll  a  mil  comeuats; 

que  eu  li  mostreray  assats, 

ans  que  dos  anys  sien  complits, 
80    qui  entre  mi  e  mos  escrits ; 

prech  vos  que  a  nul  nel  liurets, 

car  ja  en  res  noy  falirets.' 

Apres  parlet  Nayron 

e  dix  paraula  de  prohom : 
85    , Senyor,  tots  vos  an  conseylat 

e  yo  no  he  encara  parlat, 

e  vull  parlar,  s'  a  vos  plau, 

e  nom  sia  tengut  a  mal ; 

vos  me  comanats  vostra  tili. 


[7   e  eis     8?]        11   hac  eil    [oder  unveräncl.   und   12    qni   a-  eins.]  15  que    eil    [od.    16  (£uill]          17  li  r.  [od.  18  er'  liom] 

22  vos  o         [27  entro         28  s.  be  od.  a-yt.?]         [32  yo  vos         33  lo  sc]         38  be  pus  [od.  30  sia  assi  dreh.]  41  li  i:,  v;/l.  17 

43  eine  Silbe  zu  ergänzen  [od.  44  pels]         51  que  vos  od.  que  yo         55  qu'  ara         57  si  vos  lo         63  siehe  Anm.  70  ne  sere  od. 

bonorats       73  que  per  tot?       75  be  ens.       83  lo  bo  od.  lo  veyll  N.       87  si  a 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  24 


186 

90    si  Dens  vos  gart  de  tot  perill, 
e  softreren  aytant  d'  af'ayn 
iiue  de  a([ui  tro  a  .i.  aiiy 
sera  savi  e  beu  apres 
e  de  nul  mal  iio  sabra  res ; 
95    o  si  roman   en   mon  poder, 

so  que  jons  dich  be  sera  vor; 
e  vos,  seuyor,   no  y  duptets, 
car,  si  a  Den  plau,  vos  o  veurets.' 
L'eniperador  lio  a  entes 

100    e  dix :  ,A  tots  fas  g-raus  merces, 
que  molt  vos  he  (j^ue  grahir, 
car  tan  be  me  volets  servir; 
plau  me  quem  serviscats, 
a  tots  .vij.  sia  comenats, 

105    e  mostrar  li  ets  axi 

con  avets  promes  a  mi; 
e  si  axi  li  ensenyats, 
bon  gasardo  n'  aurets  assats 
axi  cos  tany  de  prous  barons, 

110    car  axi  o  merexets  vos." 
Dix  .i.  savi :  ,E  com  sera? 
que  r  infant  tant  no  apendra 
com  cascun  li  mostrara, 
per  que  cascun  empatxat  sera, 

115    e  eil  no  pora  retenir 

so  que  cascun  li  volra  dir.' 
L'  emperador  los  dix  axi : 
, Barons,  so  que  comensats 
mantenets  e  aureus  no  grats.' 

120    E  dix  Cato :  ,Si  farem, 
mas  assi  estar  no  porem, 
car  si  r  infant  esta  assi, 
hoyra  qualque  mayti 
dir  alguna  vilania, 

125    e  forsa  eil  o  retendria ; 

car  en  la  ciutat  sou  moltes  gents 
qui  no  sahen  dir  ne  fer  bens, 
e  nos  starem  fora  la  vila, 
la  on  trobarem  bon'  azina, 

130    on  vos  farets  .i.  bell  estar, 
on  eil  e  nos  puxam  posar.' 
Dix  r  emperador:  ,Volenter 
fare  so  que  avets  mester, 
per  que  li  puxats  ensenyar 

135    e  en  tots  bens  adoctrinar.' 


A.    MUSSAFIA. 

Apres  de  Kuma  hac  un  vcrger 

qui  era  bell  per  deporter, 

e  als  dit  lo  emperador 

qu'  ostien  aqui  per  lur  sabor, 
140    e  eil  tancar  los  ha  en   gir, 

([ue  null  hum  noy  puxa  venir, 

si  no  aquells  <|uc  ells  volran 

e  per  la  porta  entrarau. 

Aquest  verger  es  fort  be  clos 
177"  145    e  hac  layns  molt  bei  repos ; 

al  verger  hac  .i.  bell  estar, 

a  merveyhi  fo  beyll  e  dar; 

tots  estan  en  aquest  alberch, 

r  infant  eis  savis  exament.  177° 

150    L'  infant  apres  a  merveyles ; 

tot  quant  ou  de  ses  oreyles 

rate  ab  si  tota  via, 

que  sol  un  mot  no  li  n'  oblida ; 

molt  apres  be  1'  infant, 
155    e  lexem  lo  star  ab  aytant. 

E  apres  gran  temps 

sis  pensaren  les  gents 

de  r  emperador  que  farie 

e  per  que  muller  no  prenia; 
160    ajustaren  se  tuyt  li  major 

e  vengren  a  1'  emperador : 

,Emperayre  de  grans  bontats, 

nos  estam  fort  mereveylats 

com  vos  no  prenets  muyller, 
165    car  be  1'  auriets  mester 

e  estariets  leyalment 

e  senes  pecat  axament ; 

car  vos  avets  molt  tresor, 

que  si  aviats  tres  infants, 
177''  170    tots  ne  serian  aretats.' 

L'  emperador  los  respon : 

,Sercats  me  fiyla  de  prohom, 

tal  qui  sia  be  cortesa  177* 

e  en  tots  aps  be  apresa.' 
175    La  donseyla  an  sercada 

entro  que  la  au  trobada, 

de  prohomens  fo  verament 

e  sabia  molt  exament ; 

amenen  la  a  lur  senyor 
180    e  feyen  li  molt  gran  honor, 

e  eyll  pres  la  per  muyller, 


f 
I 


101  yo  vos  [od.  2  bem]  3  qiip  tots  me  [od.  que  me  u.  4  sia  eins.]  [5  enaxi  6  con  vos]  13  ne  m.  od.  dem.  14  siehe 
Amn.  18  qu'  avets  com.  [od.  10  e  a\i-  eins.]  20  Nos  si  [od.  2i  star]  23  eil  oyra  24?  [od.  2.5  fors'  eil]  26  (car)  od.  qu'  en 
[50  mereveyles  51  eil  ou]  52  eil  r.  54  aquell  iuf.  [od.  lo  inf.  u.  65  (e)]  56  passat  un  g-ran  57  totes  les  [od.  ap.  passat  gr., 
auch  ap.  un  molt  gr.  si  sc]  60  (tuyt)  [64?  65  molt  be]  68  gran  tr.  [73  e  tal  74  molt  be]  [75  ells  au  76  ells  la] 
81   sa  IM. 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


axi  com  Roma  volch  ni  quer. 

E  com  la  dona  hac  .i.  teinps  stat 

prega  son  senyor  e  as  pensat: 

185    , Senyor,  pregar  vos  volria 
que  vostra  iiyll  vaser  volria, 
que  axi  com  vos  sots  payra, 
si  deig-  yo  esser  sa  mayra ; 
qua  a  tota  dones  pertany 

190    per  bona  amor  leyal 

que  am  so  quel  marit  ama. 
E  yo  fer  1'  e  axi  nodrir 
con  si  del  meii  cors  era  axit, 
e  vos  qui  li  mostrarets 

19Ö    qui  sots  savi  e  bou  entes. 
e  ges  vos  no  aprengues  taut 
com  a  fet  aquest  vostra  iutant, 
e  sots  tan  savi  e  prous 
e  en  grat  de  tots  los  bons ; 

200    e  vos,  senj'er,  sius  plan,  enviats  lii 
e  que  tantost  sia  aj'ci.' 
Kespos  lo  emperador : 
,Yol  fare  venir  per  vostra  honor.' 
Aycela  dona  sa  pensava 

205    e  cascun  jorü  ela  tractava : 
,Si  yo  he  fiyll  de  mon  senyor, 
eil  no  sera  emperador, 
car  cell  de  la  premera  muyler 
sera  de  cert  hereter; 

210    inas  si  aquest  int'aut  tos  mort, 
yo  poria  fer  bon  acort ; 
e  si  no  he  tili  de  1'  emperador, 
fare  cortes  et  aymador, 
e  si  n'  he  üy\,  senes  dupter 

215    aquell  sera  hereter; 

pus  aquest  altre  fos  tudats, 
lo  meu  guanyara  la  heretats, 
que  los  paytits  e  los  mayors 
diran  qu'  es  fiyll  de  1'  emperador.' 

220    E  cant  tot  o  hac  perpensats, 
ella  regarda  ses  arts 
que  poria  fer  ni  dir, 
per  quel  faes  sempre  morir 
al  premer  mot  que  eil  dixes, 

225    sempre  quel  payre  lo  vaes; 
e  cant  aco  hac  endressat, 
si  a  son  marit  apeylats: 
Senyor,   a  1'  infaut  enviats. 


178' 


178" 


si  Deus  vos  gart  de  tots  peccats.' 
230    jDompna,  yo  li  euviare  a  dir  axi 

que  sia  ayci  bon  mayti.' 

Lo  missatyer  hi  es  anats^ 

eis  savis  se  son  acordats 

6  regarda  cascun  ses  arts, 
285    e  veren  1'  engan  e  la  dolor 

de  la  muyller  de  1'  emperador. 

Cato  parla  e  dix  axi: 

,Vos  altres  entendets  mi 

e  coneyets  so  que  yo  conech 
240    car  en  mon  cor  men  estremesch, 

car  DOS  morrem  tots  malament, 

e  aquest  Infant  verament; 

que  la  muyller  de  1'  emperador 

nos  traeix  per  sa  foylor.' 
245    E  tots  los  altres  an  parkt: 

.Certes  axi  es  veritat'; 

e  ploren  tuyt  de  gian  dolor, 

car  per  be  servir  liu-  senyor 

soferran  tuyt  gran  dolor,  178= 

250    e  no  trobaii  que  .i.  n'  estorca, 

car  axi  eove  per  fiua  forca; 

e  vengueren  sen  a  1'  Infant, 

quels  dix  :   ,Que  anats  pensant, 

barons,  ni  de  queus  trabaylats? 
255    per  Deu,  Verität  me  diats.' 

, Certes'  dixeren  ells  ,conexem 

que  vos  e  nos  en  breu  morrem, 

e  la  muller  de  vostra  payra 

nos  traex  al  nostre  vyayre.' 
260    Dix  r  Infant:  ,Conexets  per  re 

aquest  mal  si  tornara  'n  be '?' 

E  ells  dixeren  que  cert  no, 

ans  cove  pendreis  pacio. 

L'  Infant  esgarda  sos  senyals 
265    e  atrobels  bons  e  leyals, 

coneix  que  estorcre  poria, 

si  cascun  d'  eis  se  volia 

que  eil  sia  .vij.  jorns  mut 

e  que  no  parla  ne  son  mot; 
270    e  dix  als  savis:  ,E  que  sera, 

porets  me  voö  estor9re  ja, 

si  yo  no  parla  en  la  cort, 

quem  puxats  estorcre  de  mort 

si   mon  payre  mi  vol  ociure, 
275    ([ue  ab  vostra  parlaria  178'' 


185  yo  vos   [oA   *e  ver]        [87  3011  p.     «8  axi]       90  e  1.  [o(i.  «.9  qu'a]        ^l    qne  \o  m.;  v,,l.  mu'h  die  Anm.       94  aqiii  [orf.   <?5 
-VI   e  eins.]        98   [e  tan  pr.     99?) 

200  (e  vos)  od.  (senyor)       2  R.   li  o.l.  Lavora  r.  1'  emp.        3  Farel?       9  son   h.        15  sou  h.       21  a  ses;  vgl.  S2I)  22  fayre 

'.  2.1  fes]        30  (Donina)  od.   (axi)        35   (e)  ver.       :i8  a  mi        39  qu'  eu       44  atr.  od.  la  sna  f.       49  molt  gr.       51  qu'  axi  53  qui 

^  od.  an.  vos          55  Cert   od.  (ells)         «7  de  ells    [od.  CG  qu'    est.]          68  estia          70   (ej         [75  que  vos  od.  qu'  ab  v.  bona  p. 

24* 


188 


A.    MUSSAFIA. 


nie  storsats  cascun  \u\  dia'? 
e  die  vos  que  conech  be 
que  yo  de  raort  estoryre ; 
Stare  .vij.  dies  de  parlar 
280    com  hom  nie  sabes  matar ; 
e  per  res  que  s'  esdeveiigue 
no  axira  mut  de  ma  luiiga, 
e  cant  .vij.  jorus  seran  passats 
trestots  serem  escapats.' 
285    Dix  .i.  savi:  ,Senes  falia 

vos  die  queus  estorgre  .i.  dia 
ab  vostra  payre  de  inorir, 
si  el  ma  volra  ausir' ; 
eis  altres  dixeren  verament 
290    que  1'  (;stor9ran  certanaraent 
cascun  per  si  mateix  .i.  dia; 
en  a90  no  ag'a  faylia. 
Los  savis  volg-ren  assajar 
sis  porien  en  eil  iiar, 
295    que  lur  senyor  los  ha  mostrat, 
ne  si  trobaran  en  eil  certanitat. 
Dir  vos  he  com  lo  assejareu  : 
.xvj.  fuyles  de  lor  preseren 
e  meten  ne  .iij.  en  cascun  peu 
300    del  lit  qui  era   seu, 

en  que  posava  e  dormia 
pus  fo  aqui  per  tota  dia, 
,e  si  eil  es  tan  aprimat 
com  a  nos  altres  ha  mostrat, 
305    ans  que  sia  lo  sol  axit, 
eyll  aura  a  nos  tots  dit.' 
Ära  s'  es  1'  Infant  adormit 
axi  com  se  sol  en  son  lit, 
que  mot  nols  n'  a  sonat 
310    ne  de  res  nols  n'  a  parlat; 
e  al  mayti  com  se  desperta, 
garda  de  ssa  e  d'  eyla, 
garda  en  terra  e  al  traginat 
e  dix:  ,Be  son  mereveylat.' 
315    Dixeren  los  savis:   ,E  de  que'?' 
,Per  cert,  barons,  yuus  o  dire; 
aquest  meu  lit  s'  es  alsat, 
ol  traginat  s'  es  abaxat, 
0  yo  no  se  naguna  re 
320    ne  a  mos  arts  no  gardare, 
si  ay^o  no  es  Verität, 


179* 


e  vull  be  que  sia  provat.' 

K  los  savis  agren  grau  goig 

c  (lixeren:   ,l)o  es  Verität.' 
325    Ära  pren  1'  Infant  eomiat 

de  aquells  qui  li  an  ensenyat, 

e  als  dit  tot  anaxi : 

jBarons,  sius  play,  membreus  de  mi,      179" 

car  si  yo  muyr  malament, 
330    sius  farets  vos  axainent; 

si  yo  estor9,   sius  farets  vos, 

e  per  a^o  membreus  de  nos; 

qvie  tot  hom  deu  serquar 

com  veu  son  prohisme  turmentar 
335    ne  fer  forsa  ne  sobraria 

de  nuyla  re  qui  lege  sia 

—  e  sis  deserven  axament  — 

pernen  lur  dret  planament; 

e  es  cosa  qui  plau  a  Deu 
340    cant  hom  ama  so  que  amar  deu; 

senyor  deu  hom  per  dret  amar 

e  deu  li  be  son  dret  dunar; 

e  puys  si  li  demana  mes, 

pregar  1'  a  que  sen  cayles 
345    e  no  vulla  errar  vers  Deus 

e  que  no  tolga  als  hom  es  seus, 
que  si  o  fa,  pecat  n'  aura 
en  aquest  segle  o  en  1'  altra.' 
L'  infant  se  part  de  son  repayre 
350    e  ana  ssen  devers  son  payre. 
Lo  payre  sabent  que  venia 
cavalcant  isque  li  a  via: 
,Mon  hll,  ben  siats  venguts' ; 
e  el  cayla  cou  si  fos  mut  179° 

355    que  anch  mot  ne  li  sona, 
empero  besä  li  la  ma. 
,Mon  tiyll,  com  avets  estat'?' 
e  r   infant  humilia  lo  cap. 
Dixeren  tots :   ,Com  se  pot  fayre 
360    que  eil  no  parla  a  son  payre  ?' 
E  r  emperayre  dix  axi: 
,E11  ha  parlat  .vij.  anys  lati, 
per  que  crey  que  s'  esdevenga 
que  no  sap  parlar  nostra  longa.' 
365    AI  palau  sen  son  intrats 
lo  fijl  el  payre  eis  magnats, 
van  a  1'   einperadrits  molt  gent 


80V    [od.    70  dies  eins.]        81   e  j.a   \o<l.   82  ii"  ax.]        84  s.  uos 


276  me  est.   od.  vo9  m'  est.]        [77  die  yo       78  cert  est.] 
88?       89?       96   (np)  s'   i  tr.   (en  eil)  c.       99  (e)  od.  (ne) 

300?         6  o  aui-a  [od.   5  sia  eins.]         9  nuyl  m.  no  los  10  no  los   [od.   .9  nuyl  m.  v.  10  nnrei-.]  12  de  ayla  od.  e-y? 

15  (E)  17  o  aqu.  24  vertat  27  a  los  [29  er  mal.  m  si  vos?]  33  tostemps  s.  38  tot  pl.  44  se  ne  53  siats  vos 
[od.  54  e  el  eiii,?.]  55  niiyl  mot  od.  [Sß  besall]  57  er  com  od.  avets  vos  [od.  -lial  eins.]  fiS  yo  er.  od.  se  esd.  65  se  ne 
[od.   66  payr'  eis] 


Die  cätalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meisteu. 


189 


vestida  de   nobla  vestiment, 

e  va  r  Infant  abrassar 
370    e  eil  lo  cap  inclinar. 

,Mon  fill,  com  estats  vos'?' 

e  eil  mot  no  li  respos, 

e  feu  coma  savi  e  pros. 

,Mon  fill,  yo  vull  ab  vos  parlar', 
375    e  comensel  sen  a  manar 

en  la  cambra  un  gesia 

ab  molts  gents  que  la  seguia. 

Con  foren  en  la  cambra  intrats, 

la  dona  dix:  jAiHus  lexats, 
380    que  vull  parlar  de  celats 

ab  aquest  savi  ensenyats.' 

E  com  foren  tots  axits, 

si  parla  1'   emperadrits : 

jSenyor,  la  vostra  gran  valor, 
385    prech  vos  siats  mon  aymador, 

car  yo  vos  he  lonch  temps  amat 

mes  que  nul  hom  que  anc  fos  nat; 

e  vos,  senyer,  si  a  vos  plau, 

farets  de  mi  atretal; 
390    vostra  payre  prcs  per  marit, 

c'  a  vos  vull  pendre  per  amicb, 

e  ssapiats  certanament 

que  ab  mi  no  jach  carnalment, 

ans  son  encara  puucela 
395    axi  com  deu  esser  donzela.' 

E  axi  eylla  lo  vol  bezar, 

cell  lo  cap  a  inclinar. 

,Senyor'   dix  ella  ,qu'   es  acoV 

volets  me  dir  d'  ayco  de  no? 
400    per  bona  fe,  si  no  parlats, 

vos  ne  serets  be  ahontats, 

que  yo  cridare  tan  fort 

que  tots  g'ents  n'  aura  en  la  cort 

trestots  los  hie  fare  intrar 
405    per  vostra  cors  a  turmentar.' 

E  r  Infant  mot  no  li  sona, 

e  ela  tota  se  tensona ; 

apres  ella  sou  vel  desliga 

e  crida  fort:   , Santa  IMaria! 
410    acorrets  me  tuyt  d'   espero ; 

si  no,  lassa!  aontada  so, 

que  aquest  diabla  traydor 

ha  volgut  trahir  mon  senyor.- 

L'  emperador  vengut  fo 


415    e  dix:  ,Dona,  que  es  ayoV 

,Monsenyor,  aquest  putaner 

qui  m'  a  volguda  ahonte[r] ; 

e  deyts  que  vostra  fyll  es, 

e  no  parla  ne  diu  res, 
420    e  vos  deyets  que  parlava 

e  que  molt  gint  se  raysonava; 

si  aquest  vostra  fyll  fos, 

no  ahontara  mi  ni  vos; 

si  yo  lassa !  fos  ahontada, 
425    mes  amara  esser  cremada ; 
ITO*"  si  no  fossots  tantost  vengut, 

ja  era  tot  mon  fet  perdut : 

per  queus  die  en  Verität 

qu'   eil   nfi   fo  per  vos  engenrat, 
430    e  no  cregats  null  lensenger  180'' 

qu.e  fos  fyll  de  vostra  muyllor; 

aquest  es  mort  quels  fo  liurat 

e  an  vos  .i.  diable  donat, 

e  deurien  o  coniprar  car, 
435    car  vos  an  volgut  ahontar; 

e  qui  vol  ahontar  son  senyor 

deu.  pendre  mort  de  traydor; 

aquest  deu  esser  confondut 

e  ceylls  qui   'n  poder  1'  an  tengut ; 
440    e  prech  vos  quel  fassats  rodar, 

si  a  mi  volets  amar.' 

Tantost  dix  1'  emperayre: 

,Lo  fare  penjar  coma  layre.' 

, Senyor,  a  Deu  sia  graliit 
445    com  conexets  queu  ha  servit.' 

L'  emperador  penjar  lo  mana, 

e  tota  la  gent  se   ajusta, 

e  los  barons  lo  han  pregat 

que  no  sia  justiciat 
450    aquell  dia  tro  1'  endema, 

per  que  eil  s'  i  acorda 
ISO'  e  dix:  ,Plau  me  assats 

tot  anaxi  com  vos  vullats.' 

La  dona  gran  dolor  ha 
455    cant  ou  que  1'  Infant  no  morra  ; 

ja  may  noy  avendra,  so  creu,  180" 

tan  bela  rao  com  ara  feu ; 

per  que  fortment  es  irada 

e  del  tot  desconortada. 
460    El  vespre  com  fo  ab  lo  senyor, 

ela  plora  de  gran  dolor 


[369  ella  va  od.  lo  inf.  70  a  incl. ;  vgl.  307]  71  ara  com  72  miyll  mot  [od.  71  er  com  n.  72  unver.]  [76  ceylla  c 
od.  cambr'  ou  eylla  77  moltes]  80  que  yo  [od.  ,S7  -vi  en-  eins.]  {82  eylls  f.  83  li  p.  od,  la  emp.]  89  tot  atr.  [od.  SS 
s'  a|        94  son  yo   [od.  .95  si  com]        97  e  cell  od.  e  eil 

402  aytan  [od.  .3  -ra  n]  14  hie  fo  19  e  eil  22  ver  f.  [od.  23  n'  all.)  28  que  vos  36  (e)  41  si  vos  [od..  40 
e  2«  tilgen]       42  axi  dix       öl   eil  be  [od.  50  dia  eins.]       b'i  Senyor,  pl.       54  ne  ha       57  er       [58  ne  es       59  molt  d.] 


190 


A.    MuSSAFU. 


e  dix  (jue  axin  peudra  a  <;11 
con  teu  al   \>i  de  sou  pinoll. 
,Dona'   lux   dl   .com   f'o  al   j)lV' 
465    .Senyer,  com  oyrets  ayei. 

hjn   Uuiiia  liac  uu  incrcader 
e  avia  uu  beyll  verger ; 
en  lo  vergor  avia  uu  pi, 
lo  pus  bell  que  hane  lioni  vi : 
470    e  al  peu  del  pi  tan  beyll 
uas([uo  un  fort  bell  pinell, 
c   eant  eil  viu  lo  pinoll  nat, 
son  ortiila  ha  apeylat 
e  diu  li :   ,Per  amor  do  nii 

475    tu  pensa  be  d'  aquest  i)aue  pi, 
car  sera  pus  alt  c  pus  bell 
quo  no  aquest  qui  ja  es  veyll ; 
e  ja  quo  sia  major, 
aquest  valra  major  tresor.' 

480    L'ortola  diu  quen  peusara 
e  qua  molt  be  lo  cavara. 
Lo  senyor  gasanyar  ana, 
estech  g-ran  temps  quo  no  torna. 
Lo  pinalet  tot  dret  puya 

485    e  tro  a  les  branques  toea 
del  pi  que  dessus  li  esta, 
e  puys  un  poe  s'  esdecanta; 
no  pucli  per  les  branques  passar 
e  liac  lo  eap  inclinar. 

490    Lo  senyor  veno  al  verg-er 
e  viu  lo  pinelot  cliner ; 
dix  :   , Aquest  pi  per  ques  turse '?' 
,Per  cert,  senyor,  yous  o  dire ; 
en  les  branques  toea  del  pi 

495    e  no  poc  puyar  dret  axi 
tot  dret  com  era  puyat, 
e  per  aco  s'  es  decantat.' 
De  les  branques  li  feu  taylar, 
si  quel  pinell  posqües  puyar 

500    tot  dret  assats  que  nos  torses, 
e  quel  pi  major  no  plagues. 
Lo  sol  entra  de  qui   'n  avall 
sus  per  mig  de  aquell  gran  tayll, 
tro  la  rayll  li  devayla, 

505    per  ([ue  lo  gran  pi  morra; 
e  val  ne  menys  tot  lo  vergor 
per  cobeza  del  pi  tenrrcr. 


Mos  valgro  lo  pinell  fos  fort 
que  com  lo  pi  tau  bell  es  uiort. 
510    Senyer,  vos  sots  lo  pi   major 
c  lo  pinell  es  lo  traytior ; 
a([uell   qui  mi  volo  aontar, 
ARBOR  aquell  volia  a  vos  taylar, 

e  com   me  toea  les  anques 
516    lavors  taylava  el  les  braucjues ; 
e  com  taylades  les  agues, 
apres  que  eil  vos  ocies 
e  que  li  romangues  1'  emperi 
axi  com  feu  al  pinell  lo  jardi. 

520    Diats,  senyer,  si  a  vos  plau, 
no  valgra  mes  que  la  destral 
agues  taylat  lo  pinell 
que  com  es  mort  lo  pi  tan  bell"?' 
jSertes,  dona,  be  valgre  mes 

Ö25    quel  pi  tau  bell  romangues.' 
130''  , Senyor,  mentre  vos  siats  viu 

val  mes  tot  vostre  senyoriu; 
mes  val  qu'  el  sia  per  dret  mort 
que  si  vos  moriets  a  tort, 

530    e  no  creats  nuyla  falorge, 

mas  vage  lo  bocb  en  la  corda.' 
,Dona,  yol  fare  nagar 
abans  que  sia  dia  dar.' 
,vSenyor,  a  Deu  sia  grahit 

535    com   conexets  queu  ha  servit.'  — 
Boncills  puya  en  son  destrer 
e  encontra  eu  un  carrer 
r  infant  que  mauaven  nagar 
0  comeuseu  Ion  a  pregar : 

540    ,8euyer,  sius  plau,  siats  curos 
d'  est  Infant  que  nodriets  vos.' 
,Per  cert,   dix  eil,   que  si  faro, 
si  plau  a  Deu,  que  1'  estorcre.' 
Ära  sen  va  a  1'  emperador, 

545    saludel   coma  son  senyor. 

,Nous  salut'   dix  1'  emperador 
,que  tolta  m'  avets  ma  houor, 
mon  fyll  ([ue  yo  amava  mes 
que  nuyla  re  que  auc  nasques, 

550    o  dixos  quel  nodririets 
isi'  0  quo  molt  be  li  mostrariets ; 

so  (|ue  abans  li  avets  mostrat, 
li  avets  lo  parlar  lovat, 


181" 


4ß9  nuyll  l,om  [od.  6S  -vi'  im  ein,.\  [70  d'  a.iuell  71  e  b.V]  78  quol  vejll  [od.  10  est]  89  a  iacl.  90  al  seu  [od 
91  viul]       9(5  com  eil  od.   er"  al)ans 

505  ne  m.  [od.  4  rayll  ein*.;  vijl.  Glossar]  14  tocava  od.  eil  me  [od.  15  -av'  el]  Ib  quell  19  (axi)  22  lo  jimic 
25  que  lo  od.  viu  r.   [od.  24  Cert]       32  yo  lo   [od.  33  dia  eins.]       50  que  lo  [od.  51  que  zu  tilgen  od.  bell  zu  lesen] 


k 


Die  catalaniscee  meteische  Version  dee  sieben  weisen  Meister. 


191 


e  apres  li  mostras 
555    que  ma  iiniyler  ahontas, 

per  que  eil  sera  confonduts 

e  ceylls  qiii  en  poder  1'  an  teng-uts. 

Respos  lü  savi  e  dix  li : 

,Seiiyor,  no  vaja  axi ; 
560    si  r  Infant  no  sap  parlar, 

mes  de  be  li  devets  vos  far; 

que  si  eil  parlar  sabes, 

be  sercara  de  qne  visques ; 

e  per  aco  no  merex  iiiort 
505    ne  que  sia  jutg-at  a  tort ; 

si  la  dona  diu  que  fo  ver 

que  ab  ella  volgues  jaser, 

vos,  senyor,  sots  aqui  posat 

per  mantener  la  Verität, 
570    e  vos,  senyor,  ensercats  o 

quäl  ha  lo  tort  ne  quäl  no. 

Si  una  persona  vol  mantir, 

per  so  no  deu  hom  altra  ocir 

tro  sapia  la   Verität 
575    quäl  es  aquell  qui  ha  errat, 

e  si  als  hi  volets  fer, 

pendraus  ne  axi  com  al  ca valier, 

qui  ocis  lo  lebrer  a  tort, 

con  li  restaura  son  tili  de  mort.' 
580    Dix  r  emperayre:  ,Com  li  pres?' 

,Axi  com  oyrets  ad  es, 

ab  que  r  Infant  fassats  venir 

e  axi  nol  fassats  morir, 

entro  m'  ajats  be  escoltat 
585    e  puys  serets  be  acordats ; 

sius  play  so  queus  aure  comptat, 

r  Infant  sera  doncs  escapat ; 

e  si  als  hi  volets  fer, 
sera  tot  al  vostre  plaser.' 
590    Dix  1'  emperayre :  ,Fets  lo  venir, 
e  vejam  com  pres  al  cavaller.' 

,U    esta  vila  fo  lo  cavaller, 
e  avia  fort  bela  muyller, 
e  ach  ne  un  patit  Infant 
595    que  amava  scs  tot  engan ; 
tres  fembres  tenia  ab  si, 
qui  pensassen  be  del  fadri; 
la  una  li  dava  la  let, 
r  altra  lavava  los  draps 


600    ab  que  sovin  lo  refrescas, 
isr  la  ter9a  lo  porta  per  delit. 

Tots  diemenges  per  alegria 
anaven  cavallers  bornar ; 
alegra  era  lo  cavaller  182* 

605    e  volies  molt  deporter, 
cassar  li  pleya  volentei- 
e  avia  un  beyll  lebrer, 
la  meylor  que  anc  agues; 
no   era  cassa  que  no  preses, 
610    ela  prenia  tot  cassant 

los  oceylls  que  anaven  volant. 
Lo  cavaller  a  bornar  es  anats; 
la  dona  munta  al  terrats 
que  vases  los  alegrers, 
615    car  tota  dona  ha  bon   sabi-ers, 
con  veu  cavallers  bornar 
e  cant  veu  homens  deportar. 
Eis  nodrisses  al   inur  puyaren 
per  veser  ceyls  qui  bornaven; 
620    jaquiren  1'  infant  al  peu  de  la  tor, 
qui  dormie  a  lur  sabur. 
Lo  lebrer  viu  1'  infant  tot  sol 
e  gitas  al  peu  del  brassol. 
E  aqui  vench  una  serpent, 
181""  625    qui  era  grossa  verament, 

6  volc  al  brezol  puyar, 
per  que  1'  Infant  posques  menjar. 
IjO  lebrer  viu  la  serpent 
e  non  feu  res  aparvent ; 
630    va  la  pendre  cant  fo  levat, 

e  la  serpent  1'  ach  fort  siblat  182'' 

e  gita  la  a  una  part; 
e  lo  lebrer  enverinat, 
axi  que  fort  congoxava 
635    per  lo  vari  qui  al  cor  li  entrava; 
e  la  serp  al  bres  turna, 
e  lo  lebrer  rezebe  la, 
e  morde  la  verament; 
CANIS  la  serp  lo  sibla  axament. 

640    Montre  lo  lebrer  se  fo-lunyat, 
per  so  com  era  greu  siblat, 
la  serp  sen  puya  al  bressol. 
Com  lo  ca  o  viu,  si  n'  hac  gran  dol 
6  torna  vers  la  serp  irats, 
645    si  que  n'  ha  fetes  .iiij.  parts. 
Mentre  quel  labrer  ha  tirat, 


62? 


554  ap.  ayijo         55    eyll  ah.   [od.    54  ap.  so    «.   55  nnver.]  59  enaxi   [od.   5f^  -vi  e  ein.i.]  CO  car  si  od.  lo  inf. 

71    quäl   d'  eylls       76  si  vos  als       77   (axi)        70  coli  od.  quill       88=.T76'       92  fol       99  e  1' 

601  tei-fal  8  que  eyll  14  ([ue  hie  IG  kanm  los  c,  da  homens  artikellos  ist  19  aycels  20  ?  26  v.  sen  [28  E  lo 
Hl.  ceylla  s.  29  no  y]  33  el  1.  es  env.  34  que  eil  [od.  35  pel]  3i;  serpent  od.  bressol  38  e  eyll?  \nd.  .HB  -bla  a-  fxns.\ 
10  Mentrel       43  Col  od.  (Com)  od.  (si);    we«.  auch  ca-u  eins. 


192 


A.    MUSSAFIA. 


li)  hiassol  s'  es  abocat, 

0  jau  r  infant  ilc  la  part  dujus 

e  lo  brassol  estccli  dessus; 
650    los  (haps  l'oion  ensangonats, 

e  de  la  serp  enviionats 

tot  so  qiii  de  tora  ßstava, 

mas  dedins  g-ciis  iio  intrava. 

L'  infant  tota  via  donni, 
C5Ö    DOS  desperta  ue  res  seiiti. 

Lo  lebrer  es  fort  inflat 

e  es  se  reg-eii  trabalat. 

Las  dides  veuen  a  V  iiil'aiit, 

e  veren  aqui  niolta  saucli 
660    e  los  draps  cn  quo  Finfaut  gesia 

e  lo  lebrer  qiii  en  gir  curria, 

e  veren  lo  brassol  abocat ; 

dixereu  :   ,L'  infant  es  nienjut ; 

veus  lo  lebrer  com   es  gros, 
66ö    auch  no  u'  a  lexat  sol  uu  os, 

ans  lo  s'  ha  tot  menjat, 

per  so  es  tan  eng-ruyat; 

fugam  e  uons  hie  anirem, 

que  si  no,  totes  .iij.  niorreni.' 
670    E  van  sen  ab  cara  morta, 

troben  la  dona  a  la  porta, 

e  dix:  ,Com  sots  color-mudades!' 

,Madona,  fort  soin  malfadades; 

quel  lebrer  quel  senyor  ania  taut 
675    ha  menjat  tot  lo  nostre  infant 

e  uo  u'  i  a  ronias  sol  ges; 

trobats  sou  los  draps  sangouets.' 

Los  cavallers  sou  partits  dcl  boruar 

eu  son  albereh  descavalcar, 
680    lo  lebrer  qiiil  senti   ivas 

correch  que  li  ajudas, 

que  molt  es  fort  destret 
de  SSO  que  la  serp  li  ha  fet. 
Com  la  doua  viu  lo  senyor   intrar, 
685    comensa  fort  a  cridar, 

e  eil  dix:  ,Per  que  ploratsV 
,Aquell  infant  que.  taut  amats 
a  menjat  lo  lebrer, 
que  sol  uu  os  non  volc  lexer; 
690    si  vos  nol  metats  ad  es, 

ja  may  eu  mi  vos  nous  fiets, 


ja  lues  alegra  no  sere, 
ijue  aquell  vege  devant  nie.' 
Lo  cavaller  fo  fort  irat, 
695    al  li;bror  ha  lo  cap  taylat; 
ara  es  lo  lebrer  mort, 
el  cavaller  hac  son  acort 
que  anas  veser  on  1'  a  menjat 
ne  eu  quäl  loch  lo  ha  trobat, 
700    e  va  ssen  devers  1'  infant 
e  atroba  eu  mig  del  camp 
un  tros  de  la  serp  que  fo  morta 
e  puj'S  ab  si  eyll  se  recorda, 
182"  e  com  hac  un  patit  anat, 

705    altre  tros  n'  a  atrobat. 

Cant  lo  brassol  hac  dressat, 
son  tiyll  ha  dejus  trobat, 
qui  uo  hac  null  mal  sobre  si, 
e  lo  cavaller  se  penedi 
710    e  dix:  ,rort  malestruc  son, 
car  ma  muyller  cregui  de  sso, 
quel  lebrer  fos  tan  malanat 
que  r  infant  agues  tocat ; 
enans  fo  certament 
715    que  r  estorce  de  la  serpent, 
e  si  no  1'  agues  defensat, 
la  serp  lo  s'  agra  menjat; 
be  malament  tiu  mon  afer, 
com  pres  conseyll  de  ma  muller 
720    e  he  mort  ceyll  i[u"  avia  uodrit 
6  qui  tant  be  m'  avia  servit, 
tro  que  yo  ag-ues  provat 
si  avia  1'  infant  menjat; 
donques  tu  est  traydor, 
725    car  ceyll  que  per  la  sua  amor 
se  combate  ab  la  serpent, 
e  tu  as  lo  mort  oruelment; 
per  dret  ue  deus  esser  raptat, 
182''  car  tau  foylament  as  errat, 

730    car  ton  fiyll  restaura  de  mort 
e  tu  as  lo  mort  a  tort ; 
nies  val  que  teu  vagues  ades 
que  si  teu  reptaven  les  gents; 
mes  val  anar  a  desouor 
735    que  hoyr  nom  de  traydor.' 
Lo  cavaller  jaqui  lo  seu 


183' 


647  se  es  od.  tut  ali.       4»  ii-enn  idcitt  iV  la,  so  (e)    1'   inf.  jau       53  ne  intr.    [od.  52  stava]       56    es   ne    [od.  57  e  es  eins.] 

60  eis       62  lo  lires,        wenn  nicht  vercl        64  oll  es        66  eertes  tot        67  es  eil   [od.  GG  ha  eil  M.   07  unver.]       70  se  ne  [od.    71 

don'  a]  74?  78  Lo  cavaller  ve  del  h.  81  c.  a  li  <iiie  U'  a.  82  se.  sent  eil  f.  84  (Com)  u.  viul  85  e  c.  86  li  dix 
[od.  .V7  Ceyll]       8S  lo  vostre       90  no  lo       96  lo  boV 

700  ya  se  ue   [od.  701  -b'  en]         5  no  ha  od.  ha  oll         |6   E  cant  od.   sus  dr.        7  atr.]         9  el  c.         10  yo  son  od.  son  yo 

13  lo  inf.  od.  mon  inf.  14  fo  eil  ccrtauaniont  17  ser])ent  od.  aguera  22  entro  [od.  2ä  avia  ziceia.]  24  ver  tr.  3  t  a  grau 
[od.  äO  car  eu  tilfjtn] 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meistee. 


193 


e  va  ssen  tot  sol  a  peu 

en  loch  on  ho  in  nol  coneg^ues  ISS*" 

e  traydor  no  li  dixes, 
740    e  ana  axi  deseonsolat, 
car  tan  fort  avia  errat. 

Sius  plau,  diats  me,  senyor, 

no  valgre  ines  al  cavaller 

que  auas  veser  son  infant, 
745    anans  que  ag-ues  errat  tant, 

que  com  ha  mort  son  lebrer 

e  ha  jaquit  tot  son  afer 

e  ha  lexades  totes  ses  honors 

e  va  per  lo  mon  coma  traydor.' 
750    Dix  r  emperador:  ,Be  valgre  nies 

que  de  primer  se  conseyles, 

car  d'  uymes  no  y  ha  conseyll 

qui  li  sia  bo  ni  beyll.' 

,Per  SSO  se  den  hoin  conseylar 
755    ans  que  del  tot  puxa  arrar, 

e  vos,  seuyer,   conseyllats  vos 

ab  lof;  savis  e  barons, 

que  si  oceyts  aquest  infant, 

a  vos  valra  be  atretant 
700    con  feu  ladoncs  al  cavaller 

con  ocis  lo  seu  lebrer; 

nuyla  persona  no  cregats 

que  r  infant  sia  justiciats.' 

Lo  senyor  dix :  ,Fort  son  pagats 
7(35    de  90  que  vos  in'  avets  comptats,  183° 

car,  si  1'  infant  moria, 

forsa  yo  me  penidria.' 

Estort  es  1'  infant  verament; 

er  ausirets  com  li  avench. 
770    La  dona  fort  angoxava 

com  ou  que  1'  infant  nos  matava ; 

al  vespre,   com  fo  al  lit. 

ela  si  dix  a  son  marit : 

,Axin  pendra  a  vos  ben  tost 
775    com  feu  al  senglar  de  son  bosch.' 

,Dona,  com  pres  al  senglar?' 

jSenyer,  yous  0  sabre  comptar; 

si  be  nom  creets  de  re, 

sius  deig  dir  so  que  se, 
780    e  a  vos  pora  prou  tenir, 

car  be  vey  queus  volen  ocir. 


"res  d'  esta  vila  hac  un  bosch 
e  si  y  avia  un  bell  porch  ; 
nula  bestia  hi  eutrava 
785    ne  nul  hoin  eutrar  hi  gossava. 

En  lo  bosch  ha  molt  beyl  fruyter, 
de  que  menjava  lo  sengler; 
tots  Jörns  com  eil  vol  menjar 
en  altre  loch  no  cal  anar, 
790    (jue  de  la  fruyta  d'  aquel  arbra 
viuria  eil  e  un  altra. 
Un  pastor  una  bestia  perde, 
en  aquell  bosch  sercar  la  ve, 
a  r  arbre  venc  tot  en  descu^yt 
795    e  atroba  aquell  bell  fruyt; 

de  aquelles  fruytes  ha  cuylides 
e  les  faldes  se  n'  ha  umplides, 
e  apres  com  seil  volc  anar 
vec  vos  veuir  lo  sanglar; 
800    lo  pastor,   cant  lo  viu  venir, 
be  conoc  que  no  pot  fogir, 
e  puys  es  se  acordat 
e  en  1'  arbre  se  n'  es  puyat. 
Lo  sanglar  la  fruyta  menjava, 
805    aquella  que  dejus  trobava ; 

apres  dona  a  1'  arbre  gi'an  colp, 
si  quel  pastor  se  tench  per  mort; 
tal  li  dona  de  son  caxal, 
aparech  quey  faris  destral; 
810    lo  pastor  acordat  se  fo, 
dona  li  fruyta  a  bando, 
de  ceyla  qua  coylida  avia, 
si  anganar  lo  poria. 
Dix  lo  pastor  :  ,Per  que  nol  grat, 
815    que  poder  auren  lo  cap? 
que  si  yol  pux   oeiure  tost, 
apres  sere  senyor  del  bosch ; 
cert  bou  aventurar  mi  fa 
que  bona  pastura  hie  ha.' 
820    Per  les  branques  avall  se  penja 
e  tench  se  ab  la  una  ma, 
e  baxa  1'  altra  per  gratar 
les  espatles  del  porch  senglar. 
Lo  senglar  hac  molt  menjat 
825    e  venc  li  lo  gratar  de  grat, 
e  assecli  se  gi[n]t  e  suau, 
no  pensant  li  vengues  mal. 
Lo  pastor  lo  grata  de  vigor 


APER 


183" 


184' 


737  va  se  ne   [od.  HR  jaquü]       42  Si  vos       46    lo    seu    1.    \od.    47  e  ha  eins.]       48  (totes)       49  pel       53  ui  bo 
i'.l   eil  o.        C6  si  ara       67  me  ne   {od.  66   lo  inf.  m.   67  unmr.\        70  se  aug.        72  foren        76  a  est  s.         78  no  me 
11.  yo  se    {od.    TSunver.  u.    7.9  si  vos]        84  n.  altra?       88  volia?       91   e  eil  [wenn  nicht  00  d'la]       92   'na?       99  y  v. 

802  eil  es        13  eil  lo        15  aure  ne       20  Pels       24  avia?       27  nuyll  m.   [od.  26  e  a-  eins.]       28  p.  gratal? 


57  e  los 
79  si  vos 


DenkschriltoM  der  phil.-liist.  Cl.  XXV.  B.l. 


194 


A.    MuSSATU. 


e  lo  porch  sen  doua  sabor, 
g30    es  se  decautat  .i.  patit 

e  sempre  fo  adorinit; 

lo  pastoi-  devayla  suau 

e  tench  al  coli  .i.  grau  pedral, 

e  faril  sobre  lo  cap 
835    e  al  fort  malament  nafrat; 

e  veis  lo  porch  qui  jac  niort, 

el  pastor  fo  senyor  del  bosch. 

Senyer,  diats  me  per  Den, 
avets  entes  com  ab  lo  seu 

840    assadoyla  lo  porcli  senglar, 
per  so  quel  pos([nes  matar, 
e  qu'  eil  agiles  a  son  niaudar 
lo  büsch  e  tot  lo  termenat '? 
Atrestal  volen  fer  de  vos 

845    aqiiests  barons  falsos  traydors, 
qui  ab  vostre  fiyll  se  son  levats 
6  an  vos  ja  avirats; 
vos  no  conexets  ([uiiis  fa  mal 
ne  qiiius  fa  be  atretal ; 

850    mes  creets  ceyls  de  mantir 
que  no  fets  a  mi  del  ver  dir, 
crets  me  e  fets  lo  matar; 
si  no,  porets  vos  hi  tardar; 
mes  val  "que  muyra  .i.  traydor 

855    que  si  mor  .i.  lionrat  senyor.' 
jDona'  dix  1'   emperador 
,dema  morra  a  gran  dolor; 
cremar  lo   fare  verament 
coma  traydor  menyscreent.' 

860    ,  Senyor,  a  Deu  ne  fas  lauzor, 
com  conexets  vostra  error.' 
Lo  mayti  com  se  fo  levats 
mana  que  son  fiyll  fos  cremats. 
Encilles  vencb  molt  gint  e  be 

865    cavalcant  en  son  palafre, 

troba  ceylls  que  van  cremar 
r  Infant  e  dix  los:  ,No  cuytar, 
que  parlare  ab  1'  emperayre, 
que  no  passara  lo  foch  gayre.' 

870    A  r  emperayre  es  venguts 
e  saludal  ab  breus  mots: 
, Senyor,  nostre  Senyor  vos  do 
conexer  conseyll  qui  sia  bo, 
e  yo  prech  ne  santa  Maria 

875    que  conegats  quius  diu  falcia.' 


184" 


184' 


880 


Dix  r  emjicrador:   , Diats  me, 
mas  yo  nous  salut  en  re.' 
Dix  lo  savi:  ,E  per  quo  no?' 
,Car  sots  me  anat  a  tracio, 
car  comanius  .i.  meu  fiyll, 
e  prometes  me  sens  perill 
aquell  fariets  be  nodrir. 
e  no  parla  tort  ni  drct, 
mas  a  tots  los  apercep, 

885    ahontar  ma  volc  ma  muyller, 
mas  eil  o  comprara  be  ver, 
e  ceylls  qu'  en  poder  1'  an  tengut, 
car  fort  mal  lii  an  avengut.' 
, Senyor,   «scoltats  me  .i.  patit; 

890    si  aquest  Infant  no  es  nodrit, 
den  eil  per  ay^'O  morir"? 
certes  null  hom  no  o  deu  dir. 
Irat  ne  son  dins  en  mon  cor, 
car  vos  vey  en  tanta  error; 

895    axius  pendra,  si  nous  gardats, 
con  feil  al  metge   Ypocras.' 
,Com  li  pres?'  dix  1'  emperayre. 
,  Senyor,  dir  o  ay  ses  tardar  gayre; 
fets  venir  vostre  fiyll  aysi, 

900    e  puys  vos  entendrets  a  mi; 
com  yous  aiire  aco  dit, 
vos,  senyor,  aurets  bon  ardit, 
e  vos  mateix  conexerets 
que  gran  mal  estar  hi  farets.' 

905    E  r  emperayre  li  ha  dit: 
,Venga,  tro  you  aja  ausit 
de  Ypocras  com  li  avench; 
car  si  bo  es,  conseyll  ne  prench.' 


184'' 


,JL poeras  fo  lo  inylor  metge, 
910    que  anc  fos  en  tot  lo  segle, 
e  lo  nabot  fora  mylor, 
mas  eil  lo  ocis  coma  traydor. 
Lo  rey  de  Poyla  .i.  fiyll  avia, 
qui  greument  malalt  gesia, 
915    e  envia  per  Ypocras 

en  totes  guises  quey  anas 
e  li  metgas  aquell  Infant, 
e  donar  li  a  aytant 
com  li  sapia  demenar, 
920    ab  que  son  fill  puxa  scapar. 
Ypocras  fo  afanat, 
a  li  son  nabot  enviat ; 


MEDICUS 


185" 


831  eil  ad.       34  fari  lo   [od.  35   e  al  eins.]        36  lo    sanglar  qui  38  er   diats       41    que   lo       47  siehe  Anm.       49  qui  vos 

50  a  ceyls  52  creets  56  li  dix  66  aceylls  71  s.  lo  [od.  W  -ayr'  es]  77  no  vos  80  c.  vos  [83  ni  t.  84V]  91  er 
deu   [od.   ;i2  nou]       97  li  dix       98  dire-u? 

901   yo  TOS        10  anc  mes   [od.  9  fol]     14  molt  gr.        18  e  eU  d.  21  greu  .af.   [od.  22  enviat  ziceU.] 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


195 


lo  nabot  garda  la  urina 

de  r  Infant  [qui  malalt]  gesia, 

925    e  volcli  vaser  ceyla  del  payre 
e  apres  ceyla  de  la  mayre, 
e  cant  be  les  hac  g-ardades, 
viu  les  natures  fort  mesclades, 
e  conecli  la  Verität 

930    (]uel  rey  no  1'  avia  engenrat, 
car  eil  fürt  be  u  coneix, 
la  natura  o  departex, 
e  enten  eu  son  cunseyll 
que  aquell  no  es  fyll  del  rey, 

935    e  dix :  , Regina,  si  vos  plats, 
diats  ma  la  veritats, 
car  eu  fort  be  nia  gardare 
que  d'  ago  nous  descobrire; 
aquest  Infant  de  qui  fo  fiyll, 

940    si  Deus  vos  gart  de  tot  perill? 
car  eil  no  es  fyll  del  rey.' 
,A!  senyer,  per  que  o  diets?' 
,Dona,  si  dir  nou  volets, 
per  ml  forsada  non  serets.' 

945    , Senyer,  eu  vos  dich  per  ma  fes 
que  aquest  tili  del  rey  es.' 
,Dona,  pus  m'  o  volets  nagar, 
ades  me  n'  aure  a  tornar, 
que  ges  non  parlare 

950    tro  sapla  per  que.' 

,  Senyer,  prech  vos,  slus  plau, 
que  d'  a90  nom  descobrau, 
que  axi  es  Verität 
com  vos  avets  recomptat, 

955    que  un  compta  de  gran  valor 
passava  per  aquesta  honor ; 
en  cest  pahis  se  reposa, 
el  senyor  rey  lo  convida, 
el  nostra  palau  es  intrat, 

960    feil  se  de  ml  anainorat, 
e  pregani  per  sa  lionor 
que  fos  mon  gay  aymador. 
Lo  rey  a  cassar  es  anats, 
e  viu  aquest  ten  ensenyats, 

1*65    nom  sabi  que  II  dixes, 

e  empregnam  d'  aquest  Infant; 
ara,  sius  play,  cura  ajats.' 


185" 


,Dona,  eil  sera  be  peusats.' 

E  dix  que  hom  11  adobas 
970    carn  de  bou  e  quen  menjas, 

car  eil  coneix  ses  faylir 

que  ab  carn  de  bou  deu  garir;  185° 

de  la  carn  11  donen  assats 

e  r  Infant  es  mj'lorats, 
975    car  son  para  ne  menjava   mes, 

mays  que  d'  altra  (jue  agues. 

L'  Infant  es  fort  be  mylorats, 

e  lo  metge  es  be  pagats, 

a  son  oncle  es  tornats. 
980    E  Ypocras  II  demana : 

,  Aquell  Infant  com  11  va? 

crey  que  sla  be   gorlt.' 

,Hoc,  senyer,  a  Deu  sia  grahit.' 

,Que  11  donist  per  que  garls"?' 
985    , Senyer,  eu  carn  de  bou  pris, 

e  de  aqiiella  proii  menja, 

que  natura  II  o  dicta, 

e  trobi  que  d'  ayyo  myloras 

mes  que  d'  altra  cosa  que  menjas.' 
990    Ypocras,  com  ho  entes, 

de  ago  gran  onta  pres, 

e  pensa  com  lo  ocles, 

e  niiyll  hom  no  ley  retragues 

ne  fos  estat  tan  bon  metge 
995    com  eil  en  tot  lo  segle. 

Dix  11 :   ,VenIts  ne  al  verger.' 

Dix  lo  nabot:  ,Molt  volenter.'  185<' 

E  layns  son  Intrats, 

de  bones  erbes  an  trobats. 
1000    Ypocras  la  terra  garda, 

iina  bona  erba  troba : 

,Vejats  erba  de  gran  valor.' 

, Senyer,  veus  ne  altra  mylor.' 

Ypocras  com  o  aiisi 
1006    tot  lo  cor  11  freml, 

altra  erba  ha  troba[da] 

de  la  terra  1'  a  arrancada : 

, Nabot,  veus  aquesta  beyla  flor.' 

, Senyer,  mas  aquesta  es  mylor.' 
1010    ,Nabots,  donques  coylits  ne.' 

,Volentes,   senyer,  per  ma  fe.' 

E  cant  se  fo  incllnat, 


927    eil    be         29    e   tost         31?    [od.    32   natura-u]  33    ent.    be    [od.    34    qu' aqu.]  36  er  d.  41   cert  no         43  si 

'S  od.  uo  o;  vyl.  892,  1160,  1223  4«  qu'  aquest  infant  [od.  45  yous]  49  que  yo  plus  ges  50  entro  que  s.  51  yo  pr.  v.  si 
^.13  plau  52  no  me  [od.  in  SI  nur  eine  Sylhe  ert/änzen  und  52  unver.]  [53  enaxi  od.  la  v.  54  er  av.  od.  o  av.]  [61  prega 
ine  62  que  eil]  65  no  me  70  que  ne  [od.  ßa  qu'  hom]  71  senes  [od.  12  qu'  ab]  74  es  ne  75  pareu  od.  par'  en 
76  eil  ag.  od.  de  nuyll'  al.  qu'  ag.  79  es  ne  81  er  com  82  yo  crey  85  Monsenyor?  88  (e)  89  de  cosa  [90  com 
Im.  hac         91   d'  a(;o  gran  ont'  en  sou  cor  pres]        94  que  ne       95  eil  era  [od.  94  unver.  u.  93  eil  fo]        98  enduy  int. 

1004  E  Yp.       5  dedins  li  [od.  4  unver.   u.  5  dins  li]       6  ha  eil  [od.    7  a  ar-  ems.]       8  esta       10  er  d. 


196 

eil  li  ac  fiel  coltell  donat, 
en  tal  g-uisa  <iiie  1'  ha  mort, 

101  ä    e  an  aut  fort  mal  aeort. 

Lexem  lo   naliot,  pus  mort  es, 
vajain    Ypucras  com  li  prcs. 
Ypucras  avia  miiller, 
era  fembra  de  mal  ater; 

1020    enduy  eren  al  mirador 
e  miraven  a  dcrredur, 
e  viren  dels  porchs  assats 
e  viren  tnig'es  ab  Verrats. 
Dix  Ypocras :  ,Dona,  per  Deu, 

10-2Ö    no  es  mill  hom  jus  lo  cel 
qui  d'  aqiiella  trüge  menjas, 
que  BD  fos  mort  tost  e  yvas; 
lo  .viiij.  Jörn  senes  falensa 
seria  mort  per  corrensa.' 

1030    Dix  ella:  .Per  Den,  no  ho  diats 
que  tremolen  sen  mos  costats ; 
porien  estorcre  per  res?' 
,Hoc,   dona,  si  del  brou  agues; 
si  del  brou  aver  no  podia, 

1035    seria  mort  lo  .ix.  dia.' 

,0  Deus'  dix  ella  ,fort  Ventura!' 
Ab  tant  sen  va  e  no  s'  atura, 
e  ha  sercats  homens  malvats : 
, Barons,  la  trüge  me  amenats, 

1040    aquella  qui  es  en  amor, 

car  yous  dare  de  mon  trasor.' 
I^a  trüge  li  an  amenada, 
ella  r  a  molt  be  adobada, 
donen  raenjar  a  son  marit, 

1045    per  so  quel  fassa  tost  morir; 
la  serventa  ha  castigada 
que  la  ola  sia  trencada, 
e  en  tal  loch  lo  brou  vasses 
que  per  res  no  sen  trobas  ges. 

1050    La  serventa  o  ha  acabat 
axi  com  li  fo  conseylat, 
e  com  Ypocras  ha  menjat, 
tantost  fo  color-mudat 
e  dix :  ,Portats  me  del  brou.' 

1055    ,Senyer,  no  n'  i  a  ges,  so  creu, 
que  la  ola  es  trencada, 
e  yo  e  la  de  fors  gitada.' 
Ypocras  conech  mantinent 
que  enganat  es  malament; 


A.    MUSSAFIA. 


186° 


186" 


1060 


1065 


1070 


1075 


1080 


1085 


1090 


1095 


1100 


1105 


mas  de  ayo  no  parla, 

e  dir  vos  he  ques  perpensa: 

,Pus  aquesta  fembra  t'  a  mort, 

per  que  tu  no  fas  bon  acort 

e  que  r  aver  te  romangues 

e  nul  altre   no  V  agues, 

e  que  ella  moris  abans, 

e  res  no  li   prolit  engans?' 

E  dix :   ,Tostemps  vos  he  amada 

mes  que  fembra  qui  auch  fos  nada, 

e  plau  me  que  vos   heretets 

e  que  vos  ajats  tots  mos  bens, 

e  vos,  sius  plau,  de  mi  pensats 

dementre  <{ue  viu  ma  vejats, 

e  dich  vos  certanament 

quel  .ix.  jorn  morre  breument.' 

Dix  la  dona :   ,Volentera 

ne  pensare  en  tal  manera 

tot  axi  com  vos  volrets 

e  a  mi  vos  o  manarets.' 

,Dona'  dix  eil  ,si  a  vos  plau, 

....  aja  cantat  lo  gayll, 

venits  vos  en  sus  ayci, 

e  seurets  vos  de  prop  mi 

en  ceyll  marbre  qui  m'  es  de  prop 

e  aquim  faret  molt  gran  goig ; 

cartaus  en  fare  certament 

de  tot  quant  he  verament, 

per  so  que  hom  no   diga 

qu'  en  la  carta  aja  falcia, 

e  atressi  que  nul  hom  nats 

no  y  poxes  metre  contrasts; 

e  vos  ne  farets  altra  a  mi 

qui  dira  tot  anaxi, 

que,  si  vos  abans  mi  morrets, 

que  tot  quant  avets  ma  jaquits.' 

,Senyer'  dix  ella  ,plau  ma  assats 

tot  axi  com  vos  vullats.' 

La  dona  bon  mayti  se  leva, 

en  la  pere  se  assenta, 

posa  dejus  la  pere  .i.  lansol 

axi  com  lo  seu  marit  vol ; 

mas  ella  nos  pensava  ges 

que  axi  li  esdevengues, 

car  bes  cuydave  ses  faylir 

que  eil   degues  anans  morir. 

Cant  .iiij.  jorns  o  hac  tengut 


IHG' 


186" 


I 


1012  eil  se  od.  jus  ine.   [nd.  13  W  ac]        14  tost  m.   [od.  15  e  an  eins.]       22  y  v.       25  dejus       29  eil  s.  [od.  28  ses] 
eil       54  me  tost      56  tot  tr.  od.  oF  es  tota      60  ges  no  [od.  Gl  e  direus]       65  ja  no       74  yo  dich       76  Be  vol.   [od.  77  'n] 
[od.    79  e  a  eins.]        [82?      83?]       87  yo  he       88  null  hom  may  [od.  nuv  eine  Silhe  ergämm  u.   8!)  -t'  aja]        93  me  d. 
98  inaytis  1. 

1100  jus  (sus?)   la  p. 


53  fo 
78  anaxi 
97  anaxi 


I 


Die  oätalanische  metrische  Veksion  dee  sieben  weisen  Meister. 


197 


e  sobre  lo  marbre  hac  segut, 

la  fredor  devayll  li  entra, 

tro  ssi  al  cerveyll  li  puya, 
1110    car  sobra  la  pere  no  tenia 

cor  .i.  lansol  en  que  sezia ; 

ella  fo  inorta  ses  falsia. 

E  Ypocras  es  malalt  fort 

e  coneix  be  que  eil  es  mort, 
1115    e  demana  de  sos  parents 

dels  savis  e  dels  conexents; 

una  bota  feu  foradar, 

nies  de  mil  forats  hi  feu  far, 

e  apres  tots  tancar  los  feu 
1120    e  feu  la  de  ayga  omplir, 

per  so  que  denaiit  tuyt  posques  dir. 

Ypocras  pres  de  sos  enguents, 

de  les  polvores  examents,  187" 

dins  en  la  bota  ho  a  xitats, 
u-25    sempre  feu  ne  traura  los  taps, 

e  r  ayg-a  esta  presa  dins 

e  de  fors  no  n'  axia  geus, 

e  dix :  ,Ara  podets  conexer 

qua  eu  suy  mort  de  ver  en  ver, 
1130    car  r  ayga  "qui  era  clara 
ab  enguents  1'  e  estancada, 
e  mi  no  pux  estancar 
ue  per  res  bon  conseyll  trobar 
que  .c.  veus  no  isque  lo  jorn ; 
1135    be  pux  conexer  que  mort  son, 
aytant  mal  conseyll  atrobi 
con  lo  mea  nabot  mati; 
e  si  ara  fos  viu  aquell, 
eil  me  donara  conseyll, 
1140    car  era  metge  molt  bo. 
O  Deus!  per  quäl  rayso 
ocis  tan  bon  compayo? 
ara  m'  o  he  acordat ; 
mas  al  conseyll  me  son  tardat ; 
1145    mas  si  m'  acordas  abans, 

yo  que  son  mort  fora  be  sans; 
per  Deu !  fort  se  deu  acordar 
om  qui  vol  altra  matar; 

e  quant  eu  cregui  ma  muyller,  187'' 

iiöo    quim  donet  la  trüge  menjer, 
atressi  conech  verament 
que  nos  deu  creure  la  on  nient, 


mas  del  dir  honi  la  cregues, 
don  penedir  nos  pogues.' 

1155    Digats,  senyer,  no  valgre  mes 
a  Ypocras  que  s'  acordes, 
ans  que  son  nabot  ocies, 
que  com  eil  mori  apres?' 
E  r  emperador  li  respon  : 

1160    ,No  0  feu  cert  coma  prous  hom, 
pus  son  nabot  ocis  a  tort ; 
fort  esta  be  eil  sia  mort.' 
,Senyor,  si  aquest  es  cremat, 
axi  serets  vos  enganat, 

1165    e  noii  volriets  aver  fet 

per  tot  quant  Deus  vos  ha  donet ; 
e  crets  me  e  no  1'  ociats, 
per  CO  que  nous  en  penidats, 
e  no  creats  vostra  muyller, 

1170    axi  com  Ypocras  quen  mori, 
car  sius  farets  vos  atressi ; 
de  altres  cossas  la  cregats, 
per  que  loar  vos  en  puscats.' 
Dix  eil :   ,No  len  creure  pas, 

1175    que  mal  ne  pres  a  Ypocras.' 
AI  vespi-e  cant  fo  post  lo  sol, 
la  dona  si  mena  gran  dol 
e  dix :  , Senyer,  axius  en  pendra 
con  a  r  emperador  Octovia.' 

1180    ,Con  ne  pres  a  1'  emperador?' 
,,Jous  0  dire,  mon  senyor. 

VJctovia  r  emperador 

avia  molt  gran  trezor ; 

a  .i.  savi  lo  comana, 
1185    quil  tingues  en  sa  garda. 

L'  emperador  .ij.  savis  te 

ab  ques  conseyla  de  tota  re; 

e  la  .i.  es  fort  escars 

e  r  altre  es  prous  e  largas, 
1190    e  tot  quant  eil  pot  ganyar 

ho  dona  en  beure  e  menjar; 

a  r  altre  savi  ten  tinent 

fo  comanat  tot  1'  ergent ; 

r  altra  savi  ha  despes 
1195    tot  quant  ha  e  no  ha  res, 

dix  a  son  fjdl :   ,D'  aquell  trezor 


187' 


GAZA 


1110  sus  la  21  per  que  'JS  Er  [30  la  a.  ml.  est'  a.  31  yo  1'  e]  32  ges  est.  37  yo  m.  [od.  36  tan  mal  od.  trobi] 
.'.'.i  bon  c.  [od.  .38  s'  ara]  40  eil  era  41  mala  r.  42  oc.  yo  [od.  41  e  per  !«.  40,  allenfalls  auch  42  unver.]  43  be  a<-.  45  me 
ac.  od.  men  ac.  [od.  46  be  km  tilgen]  48  nn  al.  [53?  54  no  se|  58  ne  m.  70  (axi)  v.  que  ne  74  Yo  no  od.  la  ne 
TM  (e)  81  Yo  vos  83  un  m.?  [od.  82  Octovia  dreis.]  85  qui  lo  \nd.  84  a  un  eins.]  87  en  t,  wenn  nicht  d'  88  la  .!• 
'V  ella   [od.  89  altr'  ee]        90  gasanyar  [od.  Hl  don'  en  beur'   e]        93  lo  arg.  od.  ceyll  arg.        |94  e  1'        95  eil  ha  (hac?)] 


198 


A.    MüSSAFIA. 


del  senyor  einperador 
si  n'  avem,   no  li  noura  gayre, 
cuydara  o  aja  fet  layra.' 
1200    jMonsenyer,  si  era  sabut?' 
,]\Ioii  fiyll,  no  sera  conegut; 
sol  Ulla  pere  ne  traui-ein 
e  apres  tornar  ley  ein, 
e  com  de  1'  aver  assats  auiem, 
1205    nos  maiiera  hi  tindrein, 

ear  per  res  uos  conexera.' 
E  van  seil  tost  d'  emagats 
axi  com  so  an  pensats; 
0  de  r  aver  preneu  assats 
1210    e  despenen  lo  volentes. 

Lo  savi,  a  r[ixi  es  comenat, 
es  dins  en  la  tor  muntat, 
e  coneix  be  per  Verität 
que  de  1'  aver  era   levat 
1215    e  de  aco  res  no  parlet, 

mas  una  g-ran  caldera  pres 
e  del  visch  assats  layns  mes, 
tant  que  tot  hom  retingues, 
qui  de  1'  aver  levar  volgues. 
1220    E  r  altre  ach  1'  aver  despes, 
e  diu  que  tornar  hi  a; 
e  la  muyller  li  conseyla 
que  per  res  no  o  fassa 
,que  si  res  vos  esdeveuia, 
1225    ja  may  alegra  no  seria; 

e  noy  anets  per  nuyla  res, 
flixem  nos  ab  poca  res.' 
,Dona'  dix  eil  ,nom  n'  estare, 
ans  vos  dich  que  y  anire.' 
1230    A  la  tor  sen  son  auats 

e  lo  payre  premer  intrats; 
layns  en  la  caldera  doua, 
per  cert  eil  no  n'  axira, 
e  ha  son  fiyll  apeylat, 
1235    dix  li  (jue  li  tolgues  lo  cap. 
jPare'  dix  eil  ,yo  nou  fare, 
car,  si  yo  pux,  vos  en  traure.' 
, Fiyll'   dix  eil  ,nu  poras, 
ans  per  Ventura  hie  cauras; 
1240    mes  val  quem  tolgues  lo  cap 
que  si  era  justiciat, 
car  si  yo  era  coneguts, 


187'' 


188» 


tots  vos  altres  sercts  perduts, 

e  val  ne  mes  certanameuts 
1245    que  envergonyir  los  parents.' 

Lo  fiyll  li  ha  lo  cap  taylat 

e  a  casa  se  n'  es  tornat. 

L'  altra  savi  venc  a  la  tor 

per  i-egardar  aquell  tresor ; 
1250    en  la  caldei-a  ha  trobat  188" 

lo  cors  qui  era  menys  de  caji 

e  nol  conech;  as  perpensat 

per  la  vila  fos  rossegat ; 

los  parents  quil  veuran  tirar 
1255    no  poran  estar  de   plorar, 

e  ceyll  qui  pluras  nis  plangues 

sempre  que  hom  lo  preses. 

Lo  cors  per  la  vila  tiraren, 

devant  la  casa  lo  passareu; 
1260    la  tiyla  e  la  muyller 

luateren  mans  per  dol  a  i'er. 

Lo  fiyll  cant  ho  hac  oyt, 

ab  lo  colteil  eil  s'  es  farit 

e  es  se  fortment  nafrat, 
1265    e  los  saigs  hi  son  intrats, 

dien  los:  ,Per  que  plorats?' 

,Senyer,  mon  fiyll  que  s'  es  nafFrats' ; 

pei'  que  tuyt  foren  escapats. 

Diats,  senyer,  si  es  ver 
1270    que  agues  creguda  sa  muller ; 

car  si  creguda  la  agues, 

no  agre  preses  los  deners; 

no  la  volch  creure  verament, 

e  per  so  muri  malament; 
1275    e  com  son  fiyll  li  tolc  lo  cap 

be  degra  esser  justiciat. 

Ha  senyer,  com  se  poch  sofrir  188° 

quel  fiU  volgues  lo  payre  ocir, 

ne  com  lin  venc  voluntat 
1280    quel  payre  fos  per  lo  fiyll  scapsat? 

Senyer,  yous  vull  pregar 

que  d'  ayous  vullats  gardar, 

que  nous  metats  a  tal  perill 

com  feu  aquest  que  ocis  son   fill ; 
1285    e  si  vos  a  mi  no  creets, 

certes  en   tal  mort  morrets ; 

que  niius  ocia  lo  desleyal, 


1203  la  hi  [od.  2  pere  -n]       4  (e),  wenn  nicht  d'  1'       5   tal   m.,   so  class    (i  que    iier   z«  le.ien    wäre         [7    so   ne         8   anaxi 
od.  ells  au]        12  dedins        18  eil  r.       21   retornar       23  nuylla  res   [od.  que  ja]        27  er  fl.       30  se  ne  od.  ells  sen       32  dins  en? 
33  eil  ims       34  lo  seu   [od.  35  quell]        38  ay(?o  no   [od.   uo  o  n.  39  -ra  liic  eins.]       40  quo  me  [od.  41  s'  era 
62  E  lo  od.  tost  cant  [od.   (!3  eil  zu  tilgen]        |64  molt  f.       65  tost  hi       66  e  d.  od.  E  per]       69  Siehe  Anw. 
81  Mons.  yo  vos       82  a90  vos   [od.  81  S.  yo  vos  u.  82  miver.]       86  c.  vos  [od.  «5  crets] 


57?       60  c  la  f. 
70  li  ne       80  pel  f. 


Die  cätalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


199 


mas  vos  vivits  coma  leyal/ 
,Dona,   110  men  pemlra  axi, 

1290    fer  r  e  rüssegar  pel   maj'ti.' 

,8enyer,  Dens  vos  ho  meta  al  cor 
qiie  el  niuyra  a  gran  dolor.' 
Maytis  leva  1'  eraperador, 
e  foren  aqui  sos  servidors; 

1295    e  dix  los:  ,En  Verität 

vull  mon  fiyll  sia  tirassat.' 
Lentules  veneh  be  abrivat, 
a  r  emperadür  es  intrat, 
saluda  lo  deliurament, 

1300    e  r  emperador  no  les  li  ret: 
,Senyer,  per  qiie  no  sahidats?' 
jSenyer,  vos  m'  avets  eng-auats 
de  mon  rill  qneus  comene, 
c'  ara  veig-  que  perdut  1'  e, 

1305    e  pus  que  axi  1'  he  perduts, 

vos  altres  aiirets  los  caps  perduts.' 
,Senyer,  be  veig-  Verität  es : 
axius  en  pendra  com  al  burges, 
qui  fortment  fo  aontat 

1310    con  crech  sa  muyler  de  viltat.' 
,Doncs,  com  li  pres  al  burges?' 
jSenyer,  dir  o  ay  volentes, 
ab  que  sia  restaurats 
vostra  fiyll  trou  aja  comptats; 

1315    savi  sots  e  gint  apres, 

conexerets  quäl  valra  mes.' 
E  dix :  ,Plau  ma  sia  estort 
tro  aga  oyt  vostra  acort.' 

,htn  esta  vila  hac  .i.  burges, 
1320    qui  era  hom  ric  de  grans  afers ; 
veyll  era,  molts  dies  avia, 
e  pres  per  mujdler  una  nina. 
Aquesta  nou  poch  soferir, 
drut  feu,  uo  sen  poc  abstenir; 
1325    e  una  nit  que  plohia 
e  fort  escura  nit  fazia, 
a  son  amich  envia  a  dir 
que  vengues  senes  faylir, 
que  la  nuyt  era  fort  escura, 
1330    cella  axiria  de  fora 

sempre  qnel  marit  fos  eolgat. 
Pus  quel  seny  agues  tocat. 


PUTEUS 


189° 


en  Roma  era  aeostumat 
que  no  era  nul  hom  nat, 
1335    pus  lo  seny  sonat  agues, 

si  hom  de  fora  lo  prengues, 
que  la  vila  eil   corregues, 
axi  com  costuma  ei'a, 
e  per  precs  no  estoi-cera. 
1340    Lo  biu-ges  al  lit  se  gita, 
e  la  dona  se  despuyla; 
e  cant  eil  fo  adormit, 
remembra  li  de  son  amic; 
devers  la  porta  se  n'  ana 
1345    e  son  amich  aqui   ti-oba. 
Lo  marit  len  senti  anar, 
e  sempre  de!  lit  se  va  levar, 
e  trasch  lo  cap  al  finestral 
qui  era  sobia  lo  portal, 
1350    e  mantinent  eil  ha  vist 
la  muyler  ab  .son  amich, 
e  conech  be  certament 
que  enganat  es  malament, 
e  a  la  porta  devayla, 
1355    de  continent  eil  la  tanca; 
a  la  tinestra  es  tornat, 
e  ves  lo  drut  si  se  n'  es  anat; 
la  dona  a  la  porta  toea, 
e  lo  marit  la  desonra. 
1360    Dix  ella:  , Lassa!  e  qu'  es  a§o"? 
que  no  he  feta  falio ; 
mas  lo  ventre  mi   feya  mal, 
per  que  axi  fora  lo  portal : 
monsenyer,  sius  play,  obrits  me.' 
1365    jCertes,  dona,  no  fare, 

car  yoni  cuydava  verament 
que  estiguesseu  leyalment, 
em  pensava  be  de  vos 
que  fossets  leyals  e  pros 
1370    e  coneguessets  la  amor 
que  yous  avia  al  cor  ; 
er  veig  que  m'  avets  enganat 
e  aurets  na  vostra  part.' 
, Monsenyer,  per  amor  de  Deu 
1375    obrits  me,  nous  sia  greu, 

que  yo  no  axi  ])er  als  defors 
si  no  pel  mal  que  avia  al  cors. 
Monsenyor,  si  sonal  seny 


189" 


1294  (e)   od.  f.  liic       95  e  eil  [od.  96  sia  eins.] 

[1303  que  V09  4  que  ara  od.  yo  1'  e]  6  vos  aurets  ne,  %oenn  nicht  aureuls  8  (axi)  n.  vos  en  9  qui  tan?  11  Donques 
\od.  42  direu]  13  sol  ab?  15  fort  g.;  vgl.  1464  25V  [od.  26  scura  od.  (fort)J  28  qu'  a  li  [od.  -via  a  eins.]  32  que  lo 
34  no  hi  35  pus  que?  [od.  .?C  si  hom  eins.]  [38  la  e.  od.  aeostumat  39  nuyll  no  od.  nuyll  hom  no  st.]  42  se  fo  47  (e) 
[50  y  ha  51  lo  seu  a.]  52  certanament  [od.  53  qu'  eng.]  57  (e)  od.  (si)  63  foral  65  no  o  [68  e  me  C9  e  1.] 
71   yo  vos  od.  avia  tostemps  al  cor  [od.   70  V  am.]        73  la  v.       75  no  vos        [78  sona  lo       79  cert  me] 


200 


A.    MüSSAFlA. 


les  g'aytes  me  preiiHrieu; 
1380    serc  per  vila  correguda, 

mes  valria  esser  confondiula-, 

que  caut  mos  jmrents  o  [aiisiau],  189" 

per  cert  g-ran  dolor  ne  aurian ; 

luonseuyor,  obrit  me.' 
1385    ,Certes,  domi,  non  fare  rc' 

Denaut  la  porta  ha  .i.  j)Ou, 

qui  era  de  cert  iiiolt  preyun, 

diu  que  layns  se  g-itara 

e  diu:   .Senyer,  volets  que  aqui  entraV 
1390    si  HO,  al  pou  me  trobarets 

c  certes  ja  may  nom  veurets, 

car  mes  am  esser  nagada 

que  si  era  aliontada.' 

,Dona,  be  podets  nagar, 
139Ö    que  assi  vos  no  podets  intrar.' 

,Ay,  monsenyor,  e  per  que  noV' 

,Car  m'  avets  feta  traeio.' 

Ära  oyrets  que  tara; 

prop  la  porta  ima  gran  pere  ha 
1400    sus  al  coli  la  ss'  a  levada, 

denant  lo  pou  se  n'  es  anada. 

, Senyer,  pus  obrir  nom  volets, 

layns  al  pou  ma  trobarets; 

diran  que  vos  o  avets  fet 
1405    e  serets  ne  fort  be  destret.' 

,Dona,  pagat  ne  seria 

si  aqui  neg-adaus  vesia.'  189 

E  dix :  ,Ay  Deus !  que  morta  son,  so  creu', 

e  gita  la  pere  al  pou. 
1410    Lo  senyer  senti  la  pere  caser 

e  cuydas  o  dixes  per  ver, 

e  erida  sempre :  ,Deus,  ajuda!' 

E  eylla  fo  a  la  porta  venguda, 

eil  ix  de  fors  deliurament; 
1415    eyla  se  n'   entra  mautinent, 

sempre  la  porta  ha  tancada, 

en  la  tinestra  es  puyada. 

Lo  marit  fo  sobre  lij  pou 

e  crida  la  en  alta  veu; 
1420    ela  respon:  ,No,  don  traydor; 

aquexa  era  la  amor 

que  vos  tots  jorus  deycts, 

e  que  tan  g-ran  amor  nie  aviats? 
.  en  lo  lit  geya  yo,  ua  lassa! 


1430 


1435 


1440 


1445 


1425    e  vos  geyets  ab  la  bagassa ; 

ay  lassa!  be  deg  aver  falonia, 

car  per  aytal  ma  cambia ; 

yo  so  nina,  eil  veyll  ruats.' 

Dix  oll :  jMadoua,  sius  plats, 

obrits  me,  que  gran  goig  he 

per  so  com  atrobadeus  he 

e  vcig  que  no  sots  negada; 

tota  la  color  m'  ere  mudada.' 

,Mes  o  feyets  per  la  bagassa,  190' 

que  vos  ne  avets  amada ; 

iiostre  Senyoi-  vos  do  aquell  be 

que  vos  volriets  per  nie.' 

,Doiia,  obrits  me  la  porta." 

,Anats  sercar  aquexa  morta 

e  aquella  vostra  aymia, 

que  deyts  que  al  pou  gesia.' 

,Dona,  si  no  entra  aqui, 

escobat  sere  en  lo  mati; 

si  les  gardes  m'  ich  vezen  star, 

diran  queych  son  per  mal  afar; 

e  si  pendre  me  poran, 

la  vila  correr  me  faran.' 

Les  gaytes  venen  fort  tost 

e  prenen  lo  veyll  en  rescost, 
1450    e  si  an  a  la  dona  dit: 

,Per  que  cridats?  que  avets  ausit?' 

,A  Deus!  no  es  a  eil  despler 

que  aquest  sia  putaner, 

lexa  eu  casa  sa  muller 
1455    e  va  ab  putanes  geser.' 

Lo  burges  se  vol  raysonar, 

ella  comensa  a  cridar 

e  prega  a  tots  los  barons 

que  r  amenen  als  presons. 
14G0    Dixeren  les  guardies: 

,Anc  no  sabem  per  nuyla  res  190'' 

que  vostra  marit  fes  res 

si  no  axi  com  honrat  burges, 

savi  hom  e  fort  gint  apres; 
1465    encara  no  ha  lo  seny  cäylat, 

obrits  li,   sia  li  perdonat; 

car  es  la  premera  vagada, 

just  es  li  sia  perdonada.' 

Respon  ella  e  dix :  , Certes 
1470    vos  acusats  ne   serets, 


1384  m.,  vos  prech,  ob.       80  (Senyer)        [92  yo  am  od.  molt  mes       93  tan  ah.]       94  vos  p. 

1400  desus?  6  fort  p.  od.  yo  ne  [od.  7  .i'  aqui]  8  (E  Aixi  od.  (so  creu)  10  Ell  s.  13  sl.  fo  a  eins,  vielleicht  Eyll' 
a  la  p.  fo  V.  22  aver  d.?  [od.  me  d.  u.  23  e  zu  tilgen]  26  (lassa)  27  wenn  nicht  a-yt.,  so  eil  ma  29  si  vos  30  yo  be 
[od.  67  trob.]  32  que  ja  33  (la)?  [od.  32  unver.  u.  33  tota  zu  tilgen]  35  tau  am.  37  aviets  volgut?  38  er  obr.  43  'u 
od.  el        46  ells  me        48  y  v.        59  a  les;  vyl.  1477  [od.  58  preg'  a]        60  D.  li         62  faes        63  (axi)  u.  coma       70  vos  tuyt 


Die  catalanische  metrische  Veksion  dek  sieben  weisen  Meister. 


201 


car  la  costuma  trencats; 

you  dire  a  1'  emperador 

que  vos  aminvats  sa  honor, 

qii'  eil  vül  los  raals  castigar  1520 

1475    e  vos  o  volets  celar.' 

Ells  no  0  g'osaren  mudar, 

a  les  presons  lo  van  menar. 

AI  mayti  dien  tuyt :  ,Que  es? 

aytal  bvu-ges  an  anit  pres;  1525 

1480    corre  la  vila  mantinent, 

e  veg-e  ho  tota  la  gent, 

quels  savis  e  hoinens  honrats 

per  so  no  sien  piurats; 

e  per  Den  be  sercava  mal,  1530 

1485    car  eil  avia  inuyller  tal 

que  sen  degra  tenir  pagats, 

ans  que  en  tal  fet  agues  arrat; 

6  molt  hom  blasma  sa  muller, 

ara  gardats  que  sen  deu.  fer.'  190° 

1490    E  dien  tuyt:  ,Fort  be  esta  1535 

que  la  vila  eil  corregut.' 

Lo  burges  si  vol  parlar 

e  nol  volen  escoltar, 

per  que  an  fortment  arrat 
1495    ceylls  qui  lo  juy  an  donat,  1540 

per  ques  deu  saber  la  Verität 

ans  que  lo  juy  sia  donat; 

e  fassa  lo  senyor  so  que  deu, 

car  cosa  es  qui  plan  a  Deu. 

1545 
1500    8enyor,  aquest  fo  a  tort  jutyat.' 

Dix  r  emperayre :  ,Es  Verität; 

be  degra  hom  saber 

quäl  era  ella  ni  si  era  ver.' 

, Senyor,  vos  deyts  veritats;  1550 

1505    per  que  eil  fo  foyl  e  orats, 

per  so   com  eil  crec  sa  muyler 

ques  volgues  al  pou  giter.' 

Dix  r  emperador:  ,Mala  la  crech; 

per  so  la  vilä  correcli.'  1555 

1510    , Senyor,  si  vostra  muyller  creets, 

tot  atrestal  conseyll  aurets, 

e  vos  podets  vos  en  gardar, 

per  que  no  vullats  tant  arrar; 

con  penedir  vos  en  volrets,  1560 

1515    eertes  vos  die  que  no  porets.'  190" 

Dix  r  emperayre :  ,No  la  creure. 


car  malament  hi  errere, 

que  mes  val  creure  bon  consejdl 

que  no  venir  contra  aquell; 

si  aquest  Infant  raort  agues 

mal  conseyll  agra  pres.' 

La  dona  si  s'  a  acordat, 

al  vespre,  com  la  cort  se   [>art, 

que  pora  dir  a  son  marit 

e  que  1'  Infant  sia  parit: 

, Senyor,  vos  creets  quius  vol  niatar 

e  no  creets  quius  vol  gardar, 

e  veig-  que  tot  gint  e  asaut 

vos  pendra  com  al   senescaut.' 

,Com  lin  pres,  si  Deus  vos  saul'?' 

,Dir  0  ay,  sius  gart  Deus  de  mal. 


Ue  Poyla  era  lo  senescal 

e  estava  gint  e  suau, 

totes  les  rendes  el  prenia 

quantes  en  lo  regne  n'  avia, 

e  anava  tot  lo  regnat 

a  trestota  sa  voluntat,  . 

e  lo  rey  nula  re   fasia 

si  no  axi  com  eil  volia. 

Lo  rey  fort  malalt  gesia 

e  es  inflat  de  tal  guisa 

que  null  hom   pensar  nos  poria 

que  eil  escapar  ne  posques, 

car  nid  hom  per  nuyla  res 

li  pot  vaser  son  membra, 

per  que  dien  tuyt  que  morra 

e  ja  per  res  no   estorgra. 

Un  metge  vench  en  lo  regnat 

e  a  li  dita  Verität, 

que  certament  el  garira, 

sil  rey  creyra  lo  volra. 

Lo  rey  li  diu  certament 

que  li  dara  de  son  argent 

aytant  com  eil  ne   demanes, 

ab  que  garir  lo  posques. 

Pa  d'   ordi  dix  c'   om  li  donas 

e  de  aquell  sovin  menjas, 

atressi  begues  de  1'  ayga 

6  axi  garra  senes  fayla. 

Cant  per  .v.  jorns  o  hac  tengut, 

lo  rey  fo  fort  dexinflat ; 

lo  metge  li  dix  que  agues 


SENESCALCUS 


191» 


1471   vos  tr.        [74  que  eil       75?]        [92  los  vol       93  uo  lo]        94  molt  f.  [od.   95  juy  eins.f]        96  vertat       98  fassal 

1502  per  que  be  od.  cascun  hom       7  que   se    [od.    6  com  crec]        9  e  per  10  erets       21   trop  m.  c.  ag.  yo  [od.   20    s' aq. 

«.  21  nur  eine  Sylhe  ergänzen]        26  crets       30  li  ne  [od.  31  Direus]        [40  sen  g.  41    aytal]       44   hom   nat    [od.  43  eil  sc]        45? 

51  si  lo  [od.  50  per  cert]        52  certanament  [od.  53  quell]        55  sol  ab?  vgl.  1313  58  e  atr.  [od.  59  e  a-  eins.  od.  ses]        61   ue  fo 


Donksehiiftcn  Jo-  jjliil  -liist.  Ol,  XXV.  BJ. 


26 


202 


1565 


A.    MoSSAflA. 


1570 


1575 


1580 


1585 


1590 


1595 


1600 


1605 


una  fembra  ab  que  ja^ucs-; 

con  hi  aura  jagut  una  iiit, 

lo  rey  sera  tautost  g;arit. 

Lo  rey  preg'a  lo  senescal 

que  li  sercas  giut  e  suau, 

e  li  menas  una  fembra  de  jovent 

e  dar  li  a  .xx.   marchs  «T  argent, 

e  si  jier  .xx.  no  la  atrobas 

que  tro  a  .xxx.  lin  donas. 

Lo  senescal  la  va  sercar 

e  dix  :  ,Cert  be  la  deig  trobar.' 

Lo  senescal  vencli  a  ssa  muller, 

dix  li :  ,Vos  podets  gasanyar  breument 

en  esta   nuyt  .xx.   marcbs   d'   ergent,* 

que  sils  auria  altra  fembra.' 

,Ha  senyer.  e  en  queV 

jCertes,   dona,  yous  o  dire: 

que  jagats  anit  ab  monsenyor, 

e  fer  vos  ha  molt  gran  honor.' 

jCertes,  senyer,  n    o  fare  pas 

per  null  aver  qu'  el  me  donas.' 

,Dona'  dix  eil  ,vos  cuydats 

quel  rey  sia  del  tot  inflats.' 

,Certes  tant  eil  no  sera  garit 

que  ab  mi  jaga  en  .i.  lit; 

av  lassa!  e  que  pot  esser 

que  vos  cogus  volets  esser ! 

anans  fos  yo  al  foch  cremada 

ans  que  fer  tan  gran  errada.' 

Dix  eil :  ,A  fer  cove  que  y  anets.' 

, Monsenyor,  e  forsar  me  n'  ets? 

siu  fets,  vos  vos  en  penidrets 

tal  sayso  que  fer  no  porets 

pendra  conseyll  quius  sia  beylL' 

,Dona,  yo  fare  lo  lum  morrer 

que  eil  nous  puxa  conexer.' 

E  lavors  pi-en  la  per  la  ma, 

a  la  cambra  la  sen  mena; 

lo  rey  feu  ab  ella  son  delit, 

ab  la  dona  que  tencli  al  lit. 

Lo  senescal  man  se  leva, 

dins  en  la  cambra  se  n'   intra, 

e  lo  rey  quil  senti  venir 

sempre  li  comensa  a  dir : 

,Com  venits  aytal  horaV' 

, Senyer,   quem  liurets  la   dona.' 

,Encara  no  leus   liurare, 


litr 


lor 


1610 


1615 


1620 


1625 


1630 


1635 


1640 


1645 


1650 


1655 


que  ab  cUem  deportare; 

tornats  liic  doncs  ades, 

e  liurar  leus  he  volentes.' 

Cant  un  patit  hac  ßstat, 

sem[ire  eil  hi  es  tornat: 

, Senyer,  la  dona  mi  liurats.' 

Dix  lo  rey:   ,Be  sots  cuytats; 

apres  un  poch  vos  hie  vendrets 

e  lavors  leus  en  manerets.' 

E  altra  veu  hi  es  venguts. 

, Senyer'  dix  el  ,si  Deus  vos  ajuts, 

aquexa  dona  mi  liurats 

anans  que  sia  dexelats, 

car  ella  es  de  gran  afer, 

e  per  res  nom  seria  mester.' 

Dix  lo  rey:  ,De  quals  gents  es?' 

, Senyer'  dix  eil  ,ma  muyller  es.' 

Dix  lo  rey:   ,Es  ta  muyller V' 

,Certes,  senyer,  ben  es  ver.' 

Lo  rey  tantost  regonech  la 

e  fortment  sen  mereveyla 

e  dix  :   ,Aquest  es  traydor 

mes  que  si  avia  mort  son  senyor, 

qui  per  aver  ha  trahit  si  mateix; 

bem  trahira,   si  poxes, 

aquest  traydor  qui  per  aver 

m'  a  liurada  sa  muyler; 

be  son  yo  foyll  e  orat 

que  ab  eil  ma  son  fiat-, 

certes  eil  o  comprara  molt  car, 

car  ha  trahida  sa  muyler.' 

, Monsenyor,  yo  li  conseyli  be 

que  no  erras  per  nula  re, 

e  sol  nom  volch  tscoltar; 

per  que  n'  aura  dan,  som  par.' 

,Doua,  die  vos,   coma  traydor 

lo  gitare   de  ma  honor, 

e  no  sen  dura  aur  ni  argent 

mas  so  qvie  vest  mesquinament, 

e  fas  li  yo  tanta  d'  onor 

per  so  com  vos  sots  sa  uxor, 

que  si  no,  feral  ponir, 

car  coma  traydor  den  morir; 

e  vos,  dona,  qui  li  dixes 

que  a§o  per  res  no  faes, 

faes  coma  prous  muylers 

e  com  r  aconsevlas  leyalraent.' 


191" 


192' 


78  mons.  e  yo      80  (que) 


1564  eoy  od.  hi  au-  eins.  od.  'na       08  eil  men.  fembra       74?       75  (dix  li)   od.   (vos)  p.  ganyav 
86   Gert  od.   (eil)       91   faes?       92  (Dix  eil)       97   (yo)  od.  farel 

1601  ivenv  nicht  feu  ab  eins.,  ™  e  lo  rey  feu  lo  seu  d.  7  t.  vos  a  ay.  8  que  me  [od.  unver.  u.  in  7  nur  eine  Silhe  zu  erga„2en\ 
lld  unpocapres?^.  «/7  [13  eyll  hac  14  ret.]  16  Dix  li  20  (el)  25  E  de  [27  Dix  li  28  mon...]  33  (qui)  p.  a.  trah.  ;^4  be 
me        36mea      [37?      .38?]        39  cert  od  (eil)       41  yoll      [43  no  me       44  so  me]       47  (e)       51  yo  f.  o</,  f.  lo       55  vos  f.        56  (com) 


Die  catalanische  meteische  Version  deb  sieben  weisen  Meister. 


203 


Senyor,  dix  ella,  valgre  mes 

al  senescal  cregut  agues 

lo  conseyll  que  la  miiyller  li  ha  dat 
1660    que  ara  com  es  deseratat.' 

,Be  valg-ra  mes'  dix  1'  emperayre 

,qiie  ara  com  va  a  desayre; 

senyor  era  del  regnat 

e  ara  es  traydor  provat/ 
1665    , Senyor,  si  a  mi  no  creets 

que  aquests  vos  ociuran,  -■ 

e  mos  amics  maridar  m'  an, 

c  aiu'e  marit  quim  creiu'a 

e  ja  en  re  noy  faylira ; 
1670    mas  si  aquest  fos  tudats, 

vos  forets  be  aconseylats, 

car  yo  vos  he  be  mostrat  192" 

en  que  porets  avenir 

e  en  que  porets  faylir.' 
1675    jDoua,  yol  fare  ocir' 

dix  r  emperayre  ,ses  faylir/ 

,Seuyer,  si  o  fets,  loar  vos  n'  ets; 

si  no,  vos  vos  en  penidrets.' 

AI  mayti  1'  emperador  hac  son  acort 
1680    e  mana  que  son  t'yll  fos  mort. 

Melquider  vench  enaxi 

a  r  emperayre  e  dix  li : 

,Monsenyor,  si  a  vos  plau, 

saludats  me,  mmi  vullats  mal,' 
1685    Dix  r  emperayre :   ,Nous  salut, 

anans  fets  compte  de  perdut 

axi  coma  desleyals, 

car  be  sots  vosaltres  aytals, 

qui  axi  m'  aconseylas 
1600    que  mon  fyll  vos  comenas, 

emparas  lo  de  bona  amor 

e  mostras  li  que  fos  traydor, 

e  ma  muyller  qu'  es   prous  e  leyals 

conech  be  que  era  aytals ; 
1695    e  car  no  la  poc  aontar 

axi  com  eil  cuy-<lava  far, 

encara  ques  depeny   mut 

per  que  no  sia  conegut;  192° 

mas  yo  vuymes  tots  vos  conech 
1700    e  fer  n'  e  so  que  fer  ne  dech.' 

Melquider  dix:  ,Axius  pendra 

con  al  burges  qui  sa  muyler  sagna, 


si  nous  en  volets  aydar 

axi  com  el  qui  la  feu  segnar.' 
1705    ,Con  li  pres?'  dix  1'  emperayre. 

,Dir  u  ay,   que  nos  trieb  gayre, 

e  per  quin  afer  segnar  la  feu, 

mas  vostra  fiyll  assi  tornareu, 

tro  que  yous  aja  comptada 
1710    la  rao  per  que  fo  segnada, 

e  quant  ausida  la  aurets, 

tan  savi  sots  be  1'  autendrets.' 

L'  emperayre  dix  que  tornes, 

tro  la  rayso  ausida  agues. 

1715    ,iiiu  la  ciutat  de  Roma  stava       TENTAMINA 

lo  burges  qui  sa  muller  sagnave, 

e  la  mayre  de  la  muyller 

era  dona  de  gran  afer, 

bona  e  prous  avia  stat 
1720    e  manteuguda   castedat; 

a  r  esgleya  van  un  mati, 

e  la  mayra  dix  li  axi : 

,Fiyla,  com  be  estats?' 

,Madona,  be  queu  sapiats ;  192* 

1725    de  tots  bens  he  bastameuts, 

mas  trestot  m'  0  tenc  a  nient, 

e  vuU  be  certanauient 

amich  qui  sia  coviueut, 

car  no  men  poria  estar    . 
1730    e  dich  vos  que  mi  vull  cuytar.' 

,A!  ma  tiylla,  e  que  dej'ts  vos, 

e  ja  avets  marit  tan  prous! 

Ma  fiyla,  anch  en  mon  linaige 

no  fo  fembra  qui  fes  oltraige, 
1735    e  si  vos  ara  fets   drut, 

tostemps  aurem  lo  cap  perdut ; 

e  per  res  no  0  fassats, 

car  malament  hi  arrats.' 

,Madona,  no  men  pux  estar.' 
1740    ,Ma  tiyla,    qui  volets  amar?' 

, Mayre,  si  am  cavaller, 

nom  fara  mas  cortejer ; 

e  si  amava  mercader, 

uol  veuria  d'  un  any  poder; 
17-15    si  hom  de  vila  amava 

e  tot  jorn  devant  mi  passava, 

conexer  s'  i  a  1'  endema, 


1659  qu'  ella  li?  63  eyll  era  [od.  H4  ar'  es  vnd  traydor  zwei».]  66  yous  dich  qu'  aq.  70  s'  aquost  iufant  72  fort  be 
^73  vos  p.  od.  be  av.  74  vos  p.]  75  yo  lo  81  hi  vench  83?  87  fols  d.  [$9  euaxi  90  acom.]  93  (e)  od.  prous,  1. 
97  depenya 

1702?  4?  [od.  3  ayd.  ziceis.  u.  4  axi  zu  tilgen]  [5  Er  com  6  no  se]  7  (e)  8  f.  qui  t.  9  yo  vos  16?  23  Ma 
f.,  er  c.  25  he  yo  27  e  yo  [od.  28  sia  ein.9.]  35  vos  f.?  [37  e  ja  od.  per  nuyla  res  nou  f.  38  vos  hi]  [41  Ma  m.  od, 
«i  yo       42  no  me]       45  yo  am. 

26- 


204 


A.    MUSSAFIA. 


per  qu'  eu  villi  amar  capella.' 
,I\Ia  fila,  pot  per  res  ronianir?' 

1750    ,Mayre,  no  men  pux  abstenii'.' 
,Ma  iiyla,  fets  .i.  aidit, 
assejats  vostra  niarit.' 
,Hoc,  madona,  volentera 
e  dir  vos  he  en  qiiai  manera: 

175Ö    en  lo  verger  .i.  pomer  lia, 
lo  qiial  el  molt  ama 
e  de  aquell  fare  foch  fer, 
car  totes  coses  nie  sofer/ 
E  com  la  niissa  to  cantada 

1760    cascuua  es  a  casa  anada; 
aquesta  al  verger  iutra 
e  apeyla  son  ortola, 
dix:   ,Lo  senyer  es  anat  casser, 
e  no  avem  leya  per  foch  a  fer; 

1765    tayla  est  arbra  assi  prop, 

com  eil  vendra,  que  trop  bou   focli.' 
jCertes,  axo  no  fare  pas, 
que  noych  se  arbre  tant  amas 
mes  que  nul  altra  qui  hie  sia, 

1770    e  ab  mi   se   baraylaria.' 

,Digats  que  yol  fiu  taylar.' 
,Ay§o.  dona,  no  m'  ha  que  far.' 
,Dona  la  destral  tu  a  me, 
e  yo  mateixa  taylar  1'  e.' 

1775    ,[Dona,]  (,'0  fare.  volentes, 
e  veurem  que  sabrets  fer.' 
La  dona  pres  la  destral 
e  afaytes  de  son  mal 
e  cant  .x.  colps  hi  a  donats, 

1780    dix  r  ortola:  ,Areu  lexats, 
que  yol  taylare  ivas 
e  aurets  lenya  assats.* 
L'  ortola  ha  1'  arbra  taylat, 
e  la  dona  al  sen  portat. 

1785    Cant  lo  senyor  venc  de  cassar 
e  viu  al  foch  1'  arbre  cremar, 
dix:   ,Esta,  lenya  don  la  agues'?' 
, Senyer,  fle  1'  ort   la  purti  ades, 
car  sabia  que  vos  vendriets 

1790    ab  grau  fret  e  queus  scalfariets.' 
,Dona,  -1  meu  arbre  avets  taylat 
e  son  na  fort  despagat.' 
, Senyer,  nom   cuydaveus  fjs  greu; 


perdonats  per  amor  de  Deu; 
li»3"  1795    per  amor  vostra  la  tayli, 

per  que  fucli  trobassets  aqui; 

yo,   senyer,  la  merce  de  Deu, 

vestida  son  be,  o  sab  Don, 

per  que  fret  no  pux  aver, 
1800    mas  per  vos  hu  1'  arbre  tayler ; 

mas  ara  conech  que  vertat  es  193" 

que  so  c'  om  cuyda  fer  per  bes 

torna  a  mal  a  vagades, 

per  que  no  deu  hom  gardar  arrades, 
1805    e  son  na  axi  be  castigada 

com  si  tota  m'  aviets  tastada.' 

,Dona,  ayso  vos  perdo, 

mas  gardats  vos  altra  sayso 

que  vos  tan  fort  no  arrets, 
1810    car  cert  vos  en  penidrets.' 

E  cant  venc  a  1'  endema, 

la  dona  a  la  sgleya  ana 

e  troba  aqui  sa  mayra, 

demana  la  de  son  afayre : 
1815    ,Fiyla,  as  tu  1'  arbre  taylat?' 

, Madona,  hoc  en  Verität, 

e  preguil  que  nos  trabaylas, 

car   per  so  o  fiu  ques  escalfas, 

e  eil  sempre  perdona  mi, 
1820    con  li  dixi  per  quel  tayli.' 
193''  jFiyla,  quin  es  ton  ardit?' 

,Madona,  que  fare  amich.' 

,Ma  fiyla,  assage  ton  marit 

altra  vets;  faras  bon  ardit.' 
1825    ,Volenter  lo  assejare 

e  dir  vos  he  con  o  fare:  lOS*" 

eil  ha  fort  bona  lebrera 

e  amala  en  tal  manera 

que  nul  hom  la  gosa  tocar, 
1830    si  ab  eil  nos  vol  baraylar, 

e  yo  ociure  la  labrera, 

e  si  m'  0  sofer  e  que  nom  fera, 

be  pore  fer  ma  voluntat, 

car  de  tot  lo  fare  pagat.' 
1835    Devers  la  casa  se  n'  ana 

e  garda  lo  senyor  com  vendra, 

e  feu  ensendra  bon  foc 

e  es  se  asseguda  de  prop; 

una  palissa  s'  a  vestida 


17-19  (Ma)        [öl   un  liel  a.          52  er  as.]         63  yo  vol.   [od.  54  e  eu  tilgen]  56  fortment  ama        63  (dLx)        64    (e)  od.  (a) 

71  yo  lo  76  vos  s.  [od.  75  »»«•  eine  Silbe  ergänzen]  [77  E  la  78  afayta  .se]  [81  yo  lo  82  vos  aur.  od.  aiir.  nc]  88  dT 
od.  (Senyer)  u.  yo  la       92   e  yo  od.  fortment       99  yo  fr. 

1801   er  od.  (mas)         3  torn'  a  m.  a  moltes  v.         4  Siehe  Anm.         7  yo  vos  [9  fortment        10  vos  vos;  vgl.  1594.   10  78] 

11   eil  V.  [od.  12  -ya  a-  eins.]        13  la  sua  m.?        18  so-u        21   Ma   f.   od.    lo    teu  27  ha  una  bona,  mich  f.  b.,    xoenn   man    ha  u- 

eins.  od.  'na  liest  [od.  28  -V  en,  la  'n]        32  (e)  si  od.  (e)  que       36  gardal       37  un  b. 


Die  cätälanische  metkische  Veksion  dee  sieben  weisen  Meister. 


205 


1840    tota  d'  esquirols  e  d'  erminis ; 

e  lo  burges  veüch  de  cassar; 

los  cans  se  venen  escalfar; 

la  labrera  a  ella  se  acosta, 

sobra  la  palissa  se  Santa; 
1845    la  lebrera  era  niuylada, 

tota  la  palissa  li  ha  solada, 

e  la  dona  com  o  vi, 

tot  lo  cor  li  estremi, 

pres  un  coltel  d'  ua  servicial, 
1850    per  mig-  lo  pits  li  dona  tal 

que  morta  li  estecli  de  prop, 

que  ancli  d'  aqui  levar  nos  poch. 

Lo  biirges  viu  la  labrera  morir 

e  comensa  seinpra  a  dir : 
1855    ,Certes,  dona,  mal  o  faes 

com  la  labrera  ocies, 

car  aquella  amava  mes 

que  alg'una  que  yo  agues ; 

per  cert  vos  die  que  pesani   fort 
1860    mes  que  sil  caval  aguessets  mort; 

tan  bona  non  trobare  pas, 

yo  trobare  cavall  ivas.' 

,Senyer,  vejats  com  m'  a  dobada 

aquesta  palissa  tant  honrada, 
1865    qui  Tai  molt  gran  riquesa 

e  que  la  affoyll  per  ma  peguea ; 

de  vos  dien  per  veritats 

qu'  en  totes  guises  me  amats, 

e  per  so  porian  dir 
1870    que  yo  afoyll  tot  mon  vestir ; 

pus  vos  me  tenits  hourada, 

no  deig  esser  mal  ensenyada, 

que  agnes  morta  la  labrera, 

si  sabes  tan  corall  vos   era, 
1875    mas  yo  non  sabia  re, 

car  anch  cassar  no  ane.' 

,Dona,  r  arbre  mi  taylas, 

apres  la  lebrera  matas ; 

grans  desplers  me  avets  fets ; 
1880    sius  play,  ja  nous  hi  tornets.' 

jvSenj'er,  aus  preeh  Dens  que  m'  ocia 

si  fas  res  que  pesar  vos  sia; 

monsenyor,  si  a  vos  plats, 

aquesta  vets  mi  perdonats.' 
1885    Dix  lo  burges :  ,Plau  me  assats ; 

d'  aqui  avant  vos  hi  gardats.' 


AI  mayti,   com  i'o  dia  dar, 

la  dona  ana  missa  scoltar; 

sa  mayra  aqui  troba 
1890    e  tantüst  ella  li  demana: 

,As  morta  la  lebi-era,   ma  tiylaV' 

,Mayre,  hoc  senes  faylia.' 

,Ma  tiyla,  fo  greu  al  senyorr" 

,Hoc,  mas  yol  torni  en  amor, 
1895    e  vuymes  no  men  cal  duptar, 

car  abrivadament  pux  amar.' 

,Ma  fiylla,  prech  te  que  nou  fasses; 

tem  que  enganada  non  vages.' 

,Mayre,   d'  ayo  nous  creure, 
194"  1900    que  no  pot  romandre  per  re.'' 

,Ma  liylla,  no  sies  orada, 

assagel  altra  vagada.' 

jMadona,  plau  me  assats, 

e  fare  so  queus  vullats. 
1905    Dema  es  festa  de  nadal, 

assejar  1'  e  per  cominal.'  194° 

Lo  burges  es  hom  ensenyats 

e  ha  molts  ciutadans  convidats, 

cavallers  e  homens  honrats ; 
1910    cant  a  taula  foren  seguts 

e  los  menjars  foren  venguts, 

la  dona  al  cap  de  taida  assech 

e  les  claiis  ab  les  tovayles  liguet, 

e  puys  levas  deliurament, 
1915    vessals  menjars  sobra  la  gent. 

Dix  lo  burges:   ,Per  queus  levas?' 

,Senyer,  per  so  queus  aportas 

aquell  vostra  coltell  taidar, 

de  queus  solets  tant  altar.' 
1920    ,Dona,  los  menjars  avets  vessats.' 

,Senyer,  vajats  per  caritat 

les  tovayles  quis  son  lassades 

ab  aquestes  claus  malfadades ; 

senyer,  be  podets  veser 
1925    que  yo  no  he  poscut  alra  fer.' 
194''  E  eil  mes  mans  per  alegrar 

eis  convidats  a  solassar, 

e  mentre  eil  los  tench  [a]   solas 

feu  adobar  altres  menjars, 
1930    que  menjassen  los  ciutadans  194'^ 

e  ques  tinguessen  per  pegats 

del  burges   e  de  ses  bontats, 

mas  noy  ac  algun  tan  privat 


1843  lab.  li.s' ac.  44  palissa.?  46  (tota)  orf.  paliss' hall  .s.  [47?  48?]  53?  60  aviets?  64  esta  65?  69?  71  tan  h. 
[75  no  ne  76  yo  no]  77  lo  ar.  od.  vos  me  [79  desplaer.s  od.  vos  me  SO  .si  vo.s]  83?  vgl  1G83  [od.  14  esta]  89  e  sa 
90  (e)   od.  ellall       91    (ma)        92  hoc  yo       96   (car)        99  no  vos 

1902  un'  a.  [od.  1  sies  ems.]  [3  hoc  pl.  4  que  vos]  13  eis  cl.  als  t.?  19  que  vos  20  Donais;  vgL  1791  24  Mons. 
od.  vos  be  [od.  25  que  zu  tilgen] 


206 


A.    MUSSAFIA. 


qui  coneg-ues  que  fos  irat. 

1935    AI  vespre,  com  foren  partits, 
gitas  la  dona  ab  sdii  inarits, 
o  lo  Intrg^es  no  teil  seinhlant 
que  agiles  ab  si  mal  talaut. 
AI  mayti  ela  s'  es  levada; 

1940    el  li  (lix:  ,E  que  volets  tarV 
,Senyer,  a  la  sg-leya  vull  anar.' 
,No  farets,  obs  vos  avets  a  ssegnar, 
car  esta  es  la  mylor  segnia 
qui  en  tot  V  auy  per  cert  sia, 

1945    e  yo  fer  vos  he  segiiui-; 

obs  0  avets,   seg-ons  quem  par.' 
,Senyer'  dix  ella  ,may  uoin  segne 
e  per  ma  fe  uom  seg-nare.' 
,Doiia,  ear  uous  sots  segnada, 

1950    vos  es  la  sauch  fort  engruxada ; 
e  per  que  nous  feyets  segnar 
araiis  poria  profitar, 
per  que  se  den  pendre  conseyll 
al  mal  anans  que  sia  veyll, 

1955    que  sil  lexava  hom  puyar, 
uo  s'  i  poria  conseyll  dar. 
Com  taj'las  1'  arbra  del  verger, 
la  vostia  sanc  se  va  inescler, 
e  com  vos  en  penedis, 

1960    cuydem  quel  mal  de  vos  partis ; 
e  com  ocies  la  labrera, 
la  vostra  sanc  no  era  clara, 
e  cuydem  queus  espessas 
e  per  ago  noy  mis  les  mans; 

1965    ir  com  avia  convidats, 

tots  los  menjars  foren  vessats, 
lavors  sobra  la  vostra  sanch; 
que  si  passas  de  vuy  anant, 
ja  mes  s'  i  pogra  conseyll  dar 

1970    e  pog-ra  s'  i  massa  trigar, 

per  que  val  mes  siats  segnada 
que  si  del  tot  erets  ahontada.' 
E  prop  lo  foch  la  feu  seer 
e  puys  feu  venir  lo  barber : 

1975    ,8enyer,  ma  miiyler  me  segnats.' 
Dix  ella :  ,8enyer,  no  fassats, 
que  no  son  vesada  de  segnar.' 
Dix  eil:  ,Yous  lii  vuyll  avesar.' 
De  dus  brasses  la  feu  segnar, 

1980    mereveyla  fo  com  poc  scapar; 


tanta  sanch  li  n'  a  feta  axir  19.5'' 

qu'  ela  no  pot  mot  sonar  ui  dir, 

e  puys  cl  la  fort  be  pensada 

axi  com  fembra  qu'   es  segnada. 
1985    ,Dona,  la  mala  sanc  n'  es  axiila 

6  creu  que  serets  tost  garida, 

e  ssius  torna  la  malaltia, 

yo  mateix  vos  segnaria, 

ear  be  conec  on  vos  esta 
1990    aquella  sanc  que  mal  vos  fa, 

que  no  leus  lexare  puyar, 

car  massa  mi  cu.yde  tardar.' 

La  dona  a  ssa  mara  envia 

que  venga,   que  mal  li  va. 
1995    La  mayra  la  vench  veser 

e  a  penes  li  poc  pailer. 

,Ma  fyla,   e  vos  amarets?' 

,Madona,  no  men  parlets.' 

,Ma  fiyla,  porets  vos  en  lexarV' 
2000    jMadona,  lexats  me  estar 

e  no  men  parlats  en  re, 

que  ja  maj'  cura  no  n'  aure.' 
195'  , Fiyla,  a  Den  sia  grabit 

com  vos  segna  vostra  marit.' 
2005    A  SOS  amics  o  van  comptar, 

comensen  fort  a  menassar 

al  marit  qui  la  feu  segnar,  195° 

e  que  molt  car  o  comprara. 

Dix  la  mayra :  ,No  sia  jiarlat, 
2010    tro  sapiats  la  Verität, 

que  so  quel  marit  ha  fet 

eil  ho  a  fet  ab  molt  bon  dret, 

car  si  no  la  fes   seg-uar 

ella  vos  volia  ontar, 
2015    e  dix  que  per  mi  nos  n'  estaria, 

ans  dix  que  aymador  faria.' 

Dixeren  tots :   ,Fort  be  fsta 

de  la  sanc  que  i)erduda  ha.' 

,Diats,  senyer'  dix  Melqiiider 
»Q.iQ    ,no  valc  mes  com  la  feu  sagner 

que  si  fos  cog'us  provat?' 

Dix  r  emperayre:  ,Hoc  en  Verität, 

car  massa  avia  tardat; 

com  l(j  arbre  li  ac  taylat, 
2025    lavors  la  devia  segnar  verament, 

e  non  fora  tengiit  per  pech.' 


1941  (villi)  od.  vull  a  la  sgley'  au.  42?  44  certament  sia  45?  47  S.,  ja  niay  no  mes.  49  uo  tos  59  vos  vos; 
vgl.  1810  63  que  vos  72  .s'  er.  d.  tot  77  (que)  80  merv.  82  que  no  85  (Doua)  n.  vos  n  es  88  e  yo  od.  yo  m., 
dona,  -US  s.?       94  veng'  a  li       95  tost  la  [od.   96  e  a  eins]       98  me  ne  [od.    <.)7  fiyl',  e]        99   (Ma) 

2001  mene     11  que  lo  od.  li  ha  [oc^.  ^2  ho  a  eins.]     13  faes      15  (e)      21  ellf.     25?  nW/.  2^^  lavors  com  1' ar.  11' .ac  t.  w.  M  (lavor-s) 


Die  catalanische  metrische  Veksion  dek  sieben  weisen  Meister. 


207 


,Senyer,  vos  diets  Verität; 
per  que  nous  vullats  tanlar 
de  vostra  niiiyller  a  segnar, 

2030    qui  vol  fer  ociure  vostre  fiyll; 
beus  assage  per  ver  a  dir. 
Si  no  la  fets  ara  segnar, 
beus  hi  poriets  tai-dar, 
iiias  vos,  senyur,  nun  conexets 

2035    anaxi  com  feix  lo  burges; 
e  pendraus  ne  axi  ivas 
com  f'eu  a  eil,   si  nous  gardats; 
vostra  fiyll  nu  vullats  oeir ; 
si  DO,  axius  pendra  ses  mentir.' 

2040    Dix  r  emperayre :  ,No  inorra, 
anans  vos  die  que  eil  viura ; 
be  enten  que  ella  me  assage, 
per  que  d'  ayyo  poder  no  aja.' 
Cant  a  la  dona  ho  an  comptat 

•-'045    que  r  Infant  es  escapat, 
tal  ira  sen  dona  al  cor 
que  per  .i.  poc  sempre  no  mor. 
Denant  1'  emperayre  plora 
e  dix  que  axi   lin  pendra 

■2050    com  feu  a  .i.  emperador, 
qui  cobejava  fort  tresor. 
,Com  li  pres"?  aram  diats.' 
,Senyer,  plau  me  o  sapiats. 

Hin  esta  vila  hac  .i.  prohom, 

2055    Virgili  lo  apeylava  liom, 
6  sabia  d'  encantaments 
mes  que  nul  hom  qui  anc  nasques; 
en  esta  vila  feu  gran  be, 
mas  r  emperador  lo  desfe 

-■060    per  cobina  de  tresor, 

e  puys  mori  a  gran  dolor. 
Virgili  enses  .i.  focli  en  esta  vila 
qui  cremava  nuyt  e  dia, 
e  nuyll  hom  lenya  noy  metia, 

2065    e  lo  foch  sei  no  minvave, 
ans  feya  a  tuyt  gran  be, 
que  s'  i  calfava  molta  gent, 
e  ceylls  qui  lenya  no  avian 
en  aquell  loch  cuynar  fazian ; 

2070    una  torra  li  feu  de   prop 

e  un  hom  qui  gardavel  foch; 
r  om  era  de  covra  format, 


tenia  en  la  ma  .i.  arch  parat; 
en  r  arch  tenia  una  segeta 
2075    e  al  coli  tenia  un  escrit 
e  deya  axi  com  vos  dich: 
,Quim  farria,  yo  tiraria 
e  lo  foch  apagaria.' 
Aquin  passa  un  hom  foyll 
2080    qui  legi  lo  escrit  del  coli ; 
195''  com  lo  escrit  hac  legit, 

si  ha  als  compayons  dit : 
,Vos  altres  volets  quel  firaV 
e  vejam  sil  pendra  ira; 
2085    yo  li  dare  ab  una  pera 

e  apres  veurem  que  fara.' 
Aquell  li  dona  un  gran  colp 
e  eil  tira  en  mig  del  foch, 
si  que  del  tot  1'  a  apagat,  196" 

2090    si  qu.e  anc  puys  no  crema ; 
ara  es  lo  foc  apagat, 
e  aquell  noy  ha  res  guanyat. 
L'  emperador  li  ha  perdonat, 
qui  degra  esser  justiciat. 
2095    Altra  cosa  major  sofri 

per  que  V  emperador  mori. 
Nul  hom  fo  qui  tant  de  be 
fes  en  Roma  com  Virgili, 
car  eil  lo  mirador  basti ; 
2100    dins  un  marbre  mes  un  mirayll, 
VIRGILIUS  qui  era  pus  beyll  que  crestayll, 

e  de  sobra  .i.  pilar 
quatre  Colones  hi  feu  far, 
en  quel  mirador  pogues  star. 
2105    Cascun  mayti  tot  li  major 
venien  al  mirador, 
e  si  null  hom  lus  intrava 
en  Roma  e  en  lo  termenat 
196"  e  aqui  volia  mal  fer, 

2110    sempre  o  poden   en  lo  mirayll  veser, 
e  conexen  ho  be  al  mirayll 
quins  homens  son  ni  de  quin  tayll, 
ne  que  vest  ne  que  porta  ab  si 
ne  on  va  ne  per  quäl  cami, 
2115    e  tantost  tremeten  hi 

e  troben  o  tot  anaxi  196° 

com  ells  an  vist  en  lo  myrall 
que  be   es  aquest   de  tal  tayll ; 
prenen  lo,  diga  Verität, 


2028  DO  vos  30  ocir;  V(/i.  2038  33  be  vos  45  lo  Inf.  52  ara  me  [od.  53  sapiats  swet«.]  60  siehe  Qloas.  s.  v.  co- 
bina 62?  63  e  n.  78  e  tost  [od.  77  farria  2»v«.]  70  Aqui  ne  passa  [od.  SO  V  es.]  [81  eil  hac  82  a  lo.s]  |83  que  lo 
84  si  li]       85  yoll       90  quel  foc  p.   [od.  89  V  apaga]        97   fo  anc 

2102  un  gran  p.        6  a  ceyll       7  er'  intrat        10  (sempre)   o  p.  el  in.        11   (e)  od.  (ho)        15  eylJs  tr.   [od.  10    axi] 


208 


2120 


A.  MUSSAFIA. 


2125 


2130 


2135 


2140 


2145 


2150 


2155 


2160 


2165 


troben  que  es  certanitat; 

de  tots  aqviells  que  preuieu 

sempro  justicia  ue  feyen. 

Lo  rey  de  Poyla  avia  homens  grans 

qui  per  Roma  anava  rübans, 

perdia  gents  de  sa  honor 

per  aquell  tan  bell  mirador, 

e  dix  que  y  pora  fer 

que  eil  lo  puxa  derroquer 

e  tot  liom  qui  aydar  ii  puxa 

data  dt,'  1'  aur  iiientre  quen  vi'.lla. 

Tres  niacips  se  van  acordan 

e  dien  quel  derrucarau, 

e  que  lo  rey  los  bast  d'  aver 

aytant  com  n'  auran  mester, 

e  diu  lo  rey  que  u  fara, 

e  am-  fretura  nols  fara. 

Tantost  .iij.  caxes  fan  fer 

e  fan  les  omplir  de  aver. 

Prop  Roma  les  an  portades 

e  aqui  les  an  amagades, 

easeuna  ineteu  en  son  logar; 

e  lo  mayti,   eant  dia  par, 

denant  F  emperadur  son  iutrats 

e  tan  gint  1'  an  saludats; 

e  dix  los:   ,Que  volets  ferV 

,Senyor,   devinam  e  trobam  aver, 

e  en  esta  vostra  ciutat 

lia  miilt  grau  aver  amag-at, 

e  trobar  1'  em  si  o  volets, 

e  que  bona  part  nus  en  donets.' 

Dix  r  emperayre :   ,Volentes 

vus  en  dare,  si  n'  atrobes, 

de  aycel  que  trobar  puxats, 

e  ja  non  serets  enganats.' 

,E  nos  lo  sabrem  be  trubar, 

ab  que  ab  vos  nos  puxan)  tiar.' 

Dix  '1  emperador:  ,8i  farets 

e  ab  mi  Verität  atrobarets.' 

,Senyur,  com  vendra  lo  dia  dar, 

vos  veurets  que  sabrem  far.' 

Dix  la  nus:    ,Yu  he  lo  aver  trubaf 

en  lo  loch  ou  1'  a  amagat. 

Tantost  vench  a  1'  emperadur 

e  dix  li:  ,Senyer,  siin  seg-uets; 

que  yo  he  soniiat  anits 


l'JG" 


197" 


2170 


2175 


2180 


2185 


2190 


2195 


2200 


2205 


2210 


quo  prop,  no  mult  luny  de  ssi, 

atrobarem   de  boii  aur  ti.' 

Dix  r   emiierador:   ,Volentes.' 

Ära  van  veure  lo  aver, 

per  saber  si  es  Verität 

so  que  aquest  ha  somiat. 

Dcvers  aquell  loch  se  u'  ana 

ou  la  sua  caxa  amag-a 

e  dix :    ,Ayci  fets  ben  cavar, 

que  aver  hie  devem  troljar.' 

Aqui  caven  de  gran  poder, 

troben  la  caxa  ab  1'  aver. 

L'  emperador  fo  fort  pagat 

de  r  aver  que  au  trobat, 

e  diu  que  be  es  Verität. 

E  com  vene  1'  endema, 

r  altre  diu  que  somiat  ha 

e  diu  que  trobara  aver, 

e  mostrar  ho  ha  be  per  ver; 

prega  1'  emperador  quey  anes 

e  que  1'  aver  traure  faes. 

Dix  r  emperador :  .Flau  ma  assats, 

e  vejats  si  es  veritats.' 

E  lo  macip  se  u'  es  anat 

la  on  r  aver  ha  amagat, 

a  los  dit:  ,Cavats  be  ayci 

e  trobarets  1'  aver  aqui.' 

E  comensaren  a  cavar 

e  tantost  van  1'  aver  trobar. 

Dix  r  emperayre:  ,Be  son  fornit, 

car  a  tot  mon  temps  sere  ben  rieh.' 

Com  vench  1'  altre  mayti,  li'T' 

V  altre  dix  atressi 

que  aver  ha  somiat 

la  on  r  avia  amagat, 

e  que  val  mes  que  un  regnat. 

E  com  vench  1'  altre  dia, 

eis  s'  acordaran  gran  falcia, 

e  dien  a  1'  emperador 

que  ells  sabeu  molt  tresor. 

,Con  es?'   dix  1'  emperador 

jDessots  lo  peu  del  mirador.' 

L'  emperador  dix  que  hom  hi  anas 

e  que  1'  aver  hom  ne  gitas, 

e  que  1'  apuntalen  de  rador 

e  gardeu  com  lo  poran  traure, 


2121   e  de    [od.  22  justieinu]  27  ,ue  eylL.,["<^.   ^*  ^u'  eil]  34  com  eylls   H-  o^  quel]  3-   eyll,    -  H-^^    -1 

39  eylls  les  [od.  40  e  a-  ein.]        41    ,ueteu  casoW  eu        44  eylls  ..       45  hie  fer        46  (Seuyor,        50  (e  o&  ^^'^-^'fj'^^ 

60  que  nos    od.  .5.  vendral]         66  de  ayci         79  atr.    [od.  SO  vertat]         81    a  T  end       ,,,.  m^    s.k   ''-''  j  ^^  ;/:/;^  ^^  ^ 
.^2.[       .6  (ear)  od.  ,beu)       97  E  co.u  v.  a  od.  Hroa  E  c.  vene       98  lo  al.  li  d.   [od.  ,n  he^de,^  1  ersen  nnr  e.ne  SUhe  .u  n.amen} 

99  que  eyll 

2202  eil  V.  a;   v.ji.  2191       5  grau  tr.   [nd.    I  dien  einn.]       6  los  d.        10  (e)  od.   (que) 


Die  catalanische  metrische  Veesion  der  sieben  weisen  Meister. 


209 


e  quel  pilar  uo  posques  caure. 

jSenyor,  no  n'  axir<a  per  ver, 

si  volets  quel  puxam   caver/ 
2215    ,Si  vull  be'  (lix  1'  emperador 

,per  so  que  ajain  lo  tresor.' 

Dejiis  lo  pilar  fa  cavar 

e  feu  lo  fort  escalonar, 

e  com  lo  sol  fo  colgats, 
2220    lo  pilar  fo  del  tot  taylats. 

En  la  imj't,   cant  son  adormits, 

vengueren  los  .iij.  inaeips, 

e  nieten  foc  al  bastiment, 

caen  les  voltes  exament ; 
2225    e  cant  ho  agren  be  cramats,  197° 

tautest  ells  scu  son  anats ; 

al  rey  de  Poyla  son  tornats 

e  tot  lo  fayt  li  an  comptats, 

e  com  lo  pilar  es  cauts 
J230    e  ells  com  s'  i  son  auts. 

Lo  rey  es  estat  fort  pagats 

de  CO  que  11'  an  comptats. 

Lo  mayti  coni  fo  dia  dar, 

los  de  Roma  venen  mirar 
2235    lo  pilar,  en  ques  solen  mirar, 

e  viren  lo  del  tot  casvit-, 

antra  ells  g-ran  dol  s'  es  mogiit, 

6  dien:  ,Qui  Iia  cremat  lo  mirador?' 

Dix  la  .i.  a  1'  altra:   ,L'  emperador; 
2210    car  .iij.  macips  li  an  comptat 

que  dejns  avia  tresor  amagat, 

e  per  cobina  del  trezor 

ha  fet  cremar  lo  mirador ; 

ara  d'uymes  cascun  pora 
2245    fer  taut  de  mal  com  se  volra, 

que  nos  veui-a  en  lo  mirador 

qui  fara  mal  en  la  honor; 

mas  r  emperador  qui  tant  ha  cobejat 

trezor,  per  quo  no  li  n'  es  dat?' 
2250    L'  aur  prenen  e  sil  foneren  197'' 

c'  assats  a  beure  liu  denen, 

tant  tro  que  fo  mort, 

car  les  avia  fet  grau  tort, 

dient :  , Aur  volguist  e  aur  beuras ; 
2255    aur  ta  darem,  bevent  morras.' 

Ara  es  mort  1'  emperador 

per  cobina  de  trezor. 


Senyer'  dix  ella  ,no  valgra  mes 

a  r  emperador  que  penses 
2260    que  assats  avia  tresor 

que  com  crema  lo  mirador?' 

Dix  r  emperador:  ,E1  volia 

la  riqueza  que  mal  queria, 

e  pus  aver  amava  tant, 
2265    mes  val  sia  mort  ab  aytant.' 

,Senyer,  si  vos  no  creets  mi, 

vos  morrets  tot  auaxi, 

car  pus  vos  parlen  del  traydor, 

mes  vos  plauria  del  trezor, 
2270    car  pus  vos  creets  lensenges,  - 

axils  estoryriets  per  deners; 

e  si  vos  a  mi  no  creets, 

per  cert  aytal  mort  farets.' 

jCertes,  dona,  si  creure  be; 
2275    lo  mayti  ociurel  fare.' 

,Certes,  senyer,  vos  neu  farets, 

qne  aquells  legeters  creurets.' 

,Dona,  d'  uymay  nels  creure, 

car  be  veig  que  errat  hi  e.' 
2280    ,  Senyer,  a  Deu  sia  grahit, 

si  es  ver  so  que  avets  dit.' 

AI  mayti  mana  1'   emperador 

que  son  fiyl  moris  a  dolor. 

A  r  empera<ler  ve  Gate 
2285    e  parla  coina  prous  baro  : 

,  Senyer,  yo  vench  a  vos,  sius  plats, 

car  vey  que  fort  sots  euganats, 

car  axius  peudra,  so  say, 

con  al  mercader  de  son  papagay.' 
2290    ,Cou  li  pres  al  mercader?' 

, Senyer,  yous  en  dire  lo  ver, 

ab  que  vostra  Hyll  torn  ayci 

e  que  estia  devant  mi, 

e  ju.sticiar  nel  fassats 
2295    tro  a90  oyt  ajats; 

e  si  vos  d'  aconi  creets, 

certes  en  res  ney  errerets ; 

e  si  nom  crets  exament, 

errar  hi  ets  fort  malament.' 
2300    Dix  r  emperador:    ,Qu'  eus  en  creure 

e  r  Infant  venir   fara, 

e  uo  sera  justiciat, 

tro  que  vos  o  ajats  comptat.' 


198" 


2219  jus  c.         22  V.  aycells  .iij.    [od.    21  En  am  tÄlgm]         26  se  ne         30  se  In  [ml.   20  col]  3S  que  eylls  li  an        35  ? 

:is  (e  dien)  40  quey  av.  46  el  m.  50 — 51  siehe  A^im.  52  entro  quo  eyll  ne  [od.  mir  zwei  Sylben  ergänzen  u.  .5.i'  avia  zwfis.] 
.")7  :=  2060  58  (no)  und  der  Salz  adfirmativ  67  morirets  73  vos  f.  [od.  72  crets]  78  no  los  [od.  79  qu'  er.]  88  axi  vos 
s',i  1       99  Er  oom       95  entro  [od.  94  -ciar  eins.'\       96  afo  me       98  creets 

2301  lo  inf. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  27 


210 


2305 


A.  MUSSAFIA. 


2310 


2315 


2320 


2325 


2330 


2335 


2340 


2345 


2350 


,Lo  mercader  fo  d'  esta  vila,        AVIS      i;»8 

im  fort  beyll  papag-ay  avia, 

lo  mylor  qiic  hane  lioin  ves; 

res  no  era  qu'  el  no  dixes; 

tot  hüiii  qui  eu  la  casa  entrava 

per  sou  110111  lo  apeylava, 

pus  oyt  r  agues  nomenar, 

e  sabia  be  devinar, 

e  nol  podieu  enganar. 

La  muyller  del  iiiercader 

avia  fort  avol  mester,    . 

car  so  feya  volentera 

les  liores  qiiel  iiuuit   iioy  era. 

Lo  papagay  beu  conexia 

e  al  seuyor  tot  o  disia. 

Lo  mercader  ira  sen  dona 

e  la  muyler  ne  manassa ; 

la  dona  iiiou  g-ran  trabayll 

de  SSO  que  diu  lo  papagay 

6  pensa  com  lo  fass'  aucir 

e  ella  non  fos  en  raptir, 

e  puys  a  ssa  guisa  faria, 

e  lo  iiiarit  res  non  sabria. 

,A  Dens!  que  pore  far  ni  dir, 

que  a  mon  marit  lo  fassa  ocir?' 

Araus  dire  en  quäl   inauera 

r  assaja.     Com  son  marit  nuy  era, 

eylla  envia  per  son  am  ich 

e  que  veng-ues  aquella  nit, 

que  del  papagay  nos  tembra, 

car  ella  lo  assejara; 

e  direus  com  lo  asseja. 

Tot  lo  terrat  forada, 

pres  una  massa  ab  que  pica 

sobral  terrat,  par  que  trona; 

e  pels  forats  gita  candeles  cremants 

e  aparech  que  fos  foc  e  lamps, 

puys  gita  ayga  pel  terrat-, 

lo  papagay  es  tot  muylat 

e  cuydas  certanament 

que  plogues  fort  regeument; 
lo  papagay  nos  pensa  pas 
que  la  duna  axi  1'  enganas. 
En  ago  la  dona  1'  amich  raques, 
el  papagay  fort  be  o  conech, 
e  com  vench  V  altra  dia, 
lo  senyor  vench  fora  la  vila, 
e  com  eil  per  la  casa  intra, 


igs" 


lo  papagay  no  li  parla. 
,L  (pi'   es,  amich,  que  no  parlats?' 
,No,  senyer,  que  fort  suy  irats, 
2355    que  en  G™  hie  es  intrats 
e  ab  la  dona  ha  jugats; 
abduy  jähen  tota  la  nuyt 
anit  que  tan  fortineut  pluhia, 
a  mi  ajudar  no  volia 
2360    e  anch  a  mi  no  ha  aydat; 
ay  las!  tan  fort  son  banyat!' 
, Amich,  e  que  avets  aiit, 
que  anit  no  ha  plogut'r" 
, Senyer,  e  com  o  podets  dir, 
2365    que  yo  ayci  cuydi  morir? 
e  plovia  e  tronava, 
paria  la  terra  se  n'  intrava.' 
La  dona,  cant  ho  ac  ausit, 
plora  e  gita  un  gran  crit: 
2370    ,Ay  na  lassa  desastruga! 

a  tan  mal  juy  son  venguda, 
car  per  inantides  a  dir 
he  poscut  tant  de  mal  sofrir; 
eil  es  del  tot  cregut, 
2375    diu  que  anit  ha  tant  plogut; 
pero  bes  sab  la  Verität, 
si  a  plogut  0  ser[e]  stat; 
si  no  mor  esta  vagada, 
nul  temps  yo  sere  pagada, 
2380    car  d'  uymay  podets  conexer 
si  ment  eil  o  si  diu  ver-, 
auceyll  te  hom  per  alegrar, 
mas  no  per  traball  a  donar. 
Senyer,  muyre  lo  papagay, 
2385    quins  hie  dona  tan  gran  trabayll, 
e  pus  serets  alegra  e  pagat 
e  viurets  com  hom  honrat, 
car  vos  estavets  leyalnient 
e  senes  trabayll  exament; 
2390    apres  queych  to  lo  papagay, 
anch  no  aguem  si  no  trabayll; 
mes  val  estar  ab  alagransa 
que  soffarir  mal  ni  pesansa.' 
Dix  eil:  , Verität  es, 
2395    per  cert  yo  1'  ociure  ades.' 

Lo  mercader  lo  papagay  lia  mort 
e  110  y  foii  ges  bon  acort, 
nou  volgra  aver  t'et  per  nid  tresor, 
coiieix  e  diu  que  es  traydor; 


198'' 


199" 


2306  veses  od.  vees,  vaea  9  lo  seu  n.  od.  eyll  lo  13  d'  aquost  in.  19  iras  (1.  21  fort  gr.  30  Co-1  m.?  36  afor 
39  (pels  forats)  [43  cuyda  se  44  e  reg.]  47  (En  a^-o)  n.  son  am.  49  =  2202  61  ges  pl.  [od.  62  qu'  av.]  66  e  tan  pl. 
e  tan  tr.  72  sol  per  74  est  auceyll  es  [od.  aquest  es  «.  75  qu'  ha]  [78  si  eyll  79  yo  ne]  81  lo  ver  86  (e)  87  coma 
94  el  mercader:   'Vertat  es       98  (nul)? 


Die  c'atalanische  metkische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


211 


2400    de  la  terra  s'  es  axit; 

ans  que  null  hom  li  aja  res  riit 
que  eil  fos  traydor  provat, 
mes  val  jaquir  tot  lo  reg-nat.' 

Cant  ho  ac  dit  a  1'  emperayre 
2405    jDiats  ine,  senyer  debonayre, 

no  valg-ra  mes  al  mercader 

que  el!  se  acordas  premer, 

ans  que  ocies  lo  papagay, 

que  ara  com  ha  gran  ti-aball?' 
2410    Dix  r  emperador:  ,Per  Verität, 

assats  n'  a  gasardo  trobat  \d9^ 

lo  papag-ay,  qui  li  gardava 

la  muylcr  e  tota  sa  maynada, 

esta  fort  be  en  Verität 
2415    qu'  el  ne  sia  be  enganat.' 

,Senyor,  vos  de  so  creets  mi, 

car  enganat  sots  atressi, 

si  vos  creets  vostra  muyller, 

axi  com  feu  lo  mercader, 
2420    per  que  vos  no  o  fassats 

e  vostra  fiyll  restaurats, 

qu'  en  breu  aurcts  certanitat 

si  so  que  deym  es  Verität, 

si  la  dona  diu  Icyaltat, 
2425    per  que  dege  esser  jnsticiat; 

e  sil  fiyll  se  vol  escondir, 

certes,  senyor,  no  deu  morir.' 

Dix  r  emperador:  , Verität  es, 

e  dich  vos  que  estort  1'  avets.' 
2430    La  dona  fortment  plora, 

cant  ou  que  1'  Infant  es  estort, 

penses  que  pora  dir  ni  far 

quels  .vij.  savis  fes  matar; 

si  los  savis  son  escapsats, 
2435    aquell  tantost  sera  tiidats, 

e  dix :  , Senyer,  axius  es  pres 

con  a  r  emperador  Herodes.' 

Dix  r  emperador:  ,(_'om  li  pres?'  199° 

, Senyer,  eu  vos  dire  lo  vers. 

2440    L'   emperador  fo  d'   esta  vila   VIT.  SAPIENTES 

e  .vij.  savis  ab  si  tenia, 

e  no  fera  nuyia  res 

que  a  ells  conseyll  no  demanes. 

Aquests  estaven  en  la  cort 
2445    e  agren  tots  .vij.  acort. 


2400  se  es         10  vertat       13  e  la  sua       [20  vos  may 
33  que  los  od.  faes       42  anch  ii.       45  agueren        [4fi  eylls  p. 
u.  vertat;    a   im  eins.  62  Er  son       68;    vgl.  2060.  2257       [74 
80  (e)  od.  eis       92  hie  m. 


e  pensen  que  poran  far 

que  aui-  puxen  aplagar; 

e  dix  la  .i. :  ,Si  nos  volem, 

molt  gran  tresor  ajustarem ; 
2450    dir  vos  he  com   o  porem  far, 

que  vullam  sompnis  arrenar; 

e  ceylls  que  a  nos  vendran 

e  lur  sompni  saber  volran, 

e  aport  .i.  basant  d'  ergent, 
2455    dir  ley  em   certanament, 

e  tot  r  aver  que  portaran 

entre  tots  se  partira; 

e  pus  a  .i.  aurem  dita  Verität,' 

tuyt  hi  vendran  de  voluntat.' 
2460    E  los  altres  tantost  an  dit 

que  aquell  ha  dit  bon  ardit. 

Ara  son  los  savis  acordats 

e  los  sompnis  an  arrenats,  199'' 

e  tots  ceylls  que  hi  son  anats 
2465    dien:  ,Tan  be  o  an  dictat; 

molt  ma  poria  mes  valer, 

en  pore  trobar  gran  aver; 

per  cobina  d'  un  besant 

certes  yo  no  vnll  perdre  tant, 
2470    que  mes  val  aquest  besant   do 

per  recobrar  bon  gasardo.' 

E  tot  jorn  venien  les  gents 

eis  savis  apleguen  1'  ergents, 

e  mes  n'  an  ells  aplegat 
2475    que  no  n'  ha  en  lo  regnat. 

L'  emperador  per  aquest  pecat 

es  de  SOS  uylls  ensegat; 

dins  la  vila  eil   veu  fort  be, 

mas  de  fora  no  veu  re ; 
2480    e  los  savis  son  enraquehits 

e  los  altres  fort  empobrits. 

L'  emperador  noy  pot  als  fer, 

e  dix  li  aytant  sa  muyler: 

, Aquests  savis  que  vos  tenits 
2485    per  que  nous  an  dels  uylls  garits, 

axi  com  ells  an  gran  saber 

e  apleguen  tan  gran  aver 

e  son  se  fets  devinadors, 

con  no  denen  consell  a  vos?'  200' 

2490    Dix  r  emperador:  ,Per  ver  a  dir 

yo  veure  sim  sabi-an  garir.' 

Los  savis  li  an  menats. 

, Barons'  dix  eil  , conseyll  me  dats, 

21  lo  V.]  23  vertat  28  Vertat  30  ne  plora  molt  fort,  vgl.  2701 
f.  47  que  molt]  52  aceylls  55  nos  c.  57  nos  tots  58  (e) 
ne  lian       75  tot  lo  r.]        77   tot   enc.        79  eil   no    [nd.    78   vil'   eil] 


27* 


212 


2495 


2500 


2505 


2510 


2515 


2520 


2525 


2530 


2535 


car  yo  no  veig-  fora  la  vila; 

de  quo  port  en  mou  cor  gnin  iia, 

e  villi  auar  per  1'  emperi 

per  veer  so  quc  hom  nia  diu.' 

Dien  los  savis:  ,Uii  dia  nos  donats 

e  que  nos  siam  acordats; 

e  si  nos  ter  o  podem, 

sabiats  que  couseyll  vos  darem.' 

Lo  dia  los  ha  donats, 

eis  savis  son  sa  acordats 

que  ells  que  serquen  Merli, 

lo  quäl  dien  que  es  bon  devi. 

Marli  fo  fiyll  de  bona  niayre, 

mas  no  sap  hom  que  agues  payre; 

e  la  dona  per  null  aver 

ab  nul  liome  no  volc  jaser. 

Los  savis  lo  van  serear 

e  viren  lo  ab  infants  jugar, 

e  los  savis  cant  lo  viren 

tantost  lo  conegueren. 

Ab  tant  .i.  hom  veoch  per  lo  cami 

e  sempre  ha  los  dit  Merli: 

,D'  equel  hom  vos  dich  per  Verität 

que  eil  sen  va  a  la  ciutat, 

e  porta  .i.  besant  en  la  ma 

per  un  sompni  que  sompnat  ha.' 

Apres  a  1'  home  s'  acosta 

e  sempre  lo  saluda, 

e  dix  li:  ,Yo  se  per  ver 

per  que  anats  ni  per  quäl  afer: 

per  .i.  sompni  que  avets  somiat, 

e  sera  fort  be  arrenat, 

e  dar  m'  ets  aquex  besant, 

dir  vos  que  somias  ab  aytant 

que  uua  tont  beyla  veyets 

sots  lo  fogar  on  foch  feyets, 

e  r  ayga  qui  era  layus'  * 

Dix  r  ome:  ,Be  es  Verität 

tot  so  que  m'  avets  comptat.' 

Dix  Merli:  ,Araus  en  tornats, 

e  jus  al  fogar  vos  cavats, 

e  trobarets  tant  de  aver 

que  rieh  hom  na  podets  esser.' 

Ij    ome  sempre  se  n'  es  tornats, 

e  los  savis  son  se  acordats, 

e  que  la  .i.  d'  eylls  que  vaja  la 


A.    MUSSAFIA. 


2540 


200'' 


2545 


2550 


2555 


2560 


2565 


2570 


2575 


2580 


2585 


per  veiire  1'  aver  sil  trobara 

,e  si  r  aver  es  atrobat, 

de  aquell  ajam  nostra  part; 

los  altres  romandran  ayci  200° 

e  veuran  que  fara  Merli.' 

1^'  om  es  a  casa  tornat 

e  cavant  ha  1'  aver  trobat, 

e  lo  savi  quey  fo  enviat 

si  ac  de  1'  aver  la  maytat. 

Lo  savi  a  Merli  es  tornat, 

e  Merli  han  demanat: 

, Merli,   dar  nos  ets  consell. 

A  r  emperador  qui  nos  veu, 

—  cant  es  axit  fora  la  vila 

no  pot  veiire  nula  partida  — 

vos  porets  li  conseyll  donar 

e  que  vege  com  volra  auar.' 

Dix  Merli:  ,Hoc  certament 

lo  fare  veure  mantinent.' 

Menen  lo  a  1'  emperador, 

e  ha  goig  que  li  leii  la  dolor, 

e  com  r  emperador  lo  viu  venir 

dix:  , Porets  me  bonos  noves  dir?' 

,Hoc,  senyer,  que  veus  ayci 

un  savi  qui  ha  nom  Älerli, 

e  diu  senes  faylir 

que  eil  vos  vol  dels  ulls  garir.' 

, Merli'  dix  1'  emperador 

, porets  me  levar  la  dolor?' 

,Hoc,  senyer,  siiis  volets 

e  de  mon  conseyll  me  creurets, 

car  en  vostra  cort  tenits  200'' 

.vij.  demonis  quius  tolen   lo  vis, 

e  com  los  aurets  gitats, 

vos  aurets  tost  lo  vis  cobrats.' 

Dix  r  emperador:  ,Pora  esser  ver? 

e  porem  o  nos  veser?' 

,Hoc  certes,  senyer,  per  ver 

e  trestot  vos  o  mostrare; 

deyts  me,  senyer,  vos  on  jesets?' 

, Merli,  vos  ades  o  veurets.' 

L'  emperador  lo  mene  al  lit 

e  Merli  li  ha  tantost  dit: 

, Senyer,  fets  ayci  cavar 

e  veurets  queiis  hi  vull  mostrar.' 

Cant  un  poch  agren  cavat. 


2498  (loa  savis)   od.  dien   eins.  u.  dia-ns  eins. 

2500?.      2  ha   eyll  [od.   .5  s' ac]       4  ells  vajaii  serear  [od-  5  dien  eins.]       10  van  tost   od.    1' anaren        12  veseren,    veeren 
13  eylls  lo  regon.  [od.  nur  eine  Sylbe  ergänzen  u.  12  eis  od.  veren]        14  pel  c 
,Amich,  yo       26  e  si       27  direus        32  que  vos  [od.  31  vertat]        40  (per) 
-r4  a-  eins.       57   certanament      62  (dix)       63  vec  vos       65  diu  per  ver 
73  t'ors  g. 


16  vertat       21    e    eyll    od.    gint   lo       22  (e)  «. 

45  se  n'  es        50  a  M.        51   vos  dar        56   (e)  od. 

67  li  dLx      69  si  vos  o  v.       70  d'  ?      71  la  v.       72  tolelf 


76  tost  V.        77  mons.       79  (me)  od..   (vos)       83  er  f.       85  eylls  un  od.  agueren  [od.  S6  sempr'  au] 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


213 


aqiii  sempre  an  atrobat 
ima  Caldera  qui  bolia 
e  .vij.  bulls  de  foeh  fazia, 
e  ges  de  focli  lioni  noy  vezia, 

2590    e  la  Caldera  fort  liolia. 

jSenyer,  conexets  aco  que  es?' 
Dix  r  cmperador:   ,Oert.  nu  ges.* 
,Aquests  buylls  vos  tuleu  lo  vis, 
6  los  .vij.  savis  que  vos  tenits; 

2595    e  tant  com  eii  eylls  vos  liats, 
sots  vos  dels  iiylls  encegats; 
no  vets  quant  aver  an  ajustat 
per  los  sompnis  arrenar, 
e  son  ne  be  enriquehits 

2600    eis  altres  ne  son  apobrits, 
6  vos,  senyer,  no  o  sabets, 
que  vos  de  fora  no  anats. 
Senyor,  vos  axi  o  l'arets: 
la  .i.  dels  savis  pendrets; 

■2605    com  li  ajats  lo  cap  taylats, 

la  Caldera  ha  .i.   buyll   minvats; 

senyor,  si  no  es  veritat, 

de  mi  fets  a  vostra  voluntat/ 

A  la  .i.  dels  savis  ha  lo  cap  taylat, 

2610    e  la  calder'  a  .i.  buyll  minvat. 
L'  emperador  ho  a  gardat 
e  coneix  que  es  veritat. 
, Senyor,  dels  altres  fets  atretal, 
yous  0  dich  per  conseyll  leyal, 

2615    e  vos,  senyor,   o  veurets, 
en  la  caldera  o  sabrets.' 
L'  emperador  ho  a  manat 
axi  com  li  fo  conseylat, 
e  com  tots  agren  lo  cap  taylat, 

■2620    en  la  caldera  an  gardat 
e  no  hi  veren  nuyla  res. 
Dix  Merli :  ,Volets  anar 
de  fores  per  deportar?' 
Dix  r  emperador:  ,Pleu  me  assats 

■2625    veure  si  son  desencantats.' 

A  la  porta  vench  ab  son  destrer 
e  Merli  axi  tot  primer, 
dix  a  r  emperayre  que  broques 
axi  com  lo  caval  poi'tar  pogues. 

J630    L'  emperador  broca  ab  aytant, 
sempre  lo  portal  hac  passat; 
e  com  fo  for'  a  la  carrera 


eil  vae  tota  la  terra, 

e  ha  aut  lo  major  goig 
2635    que  auch  nul  hom  aver  no  poc; 

e  diu  que  tindra  Merli 

axi  com   .i.  bon  savi. 

Sils  savis  no  fosseu  scapsats, 

tostemps  r  emperador  fora  encegats, 
2640    e  ara  coneix  1'  engan. 

Senyer'  so  dits  1'  emperadriu, 

,escoltats  so  que  hom  vos  diu, 

car  vos  ges  no  conexets 
201'  lo  gran  mal  queus  fan  aquests 

2645    e  crey  be  queus  au  encegat 

per  encantament  e  per  art, 

per  que  conexer  no  puscats 

los  greus  mals  que  avets  passats. 

Si  vos,  senyor,  a  mi  creets,  201° 

2650    aquests  .vij.  savis  scapsarets, 

e  muyra  ab  ells  lo  traydor, 

qui  m'  ha  mesa  en  tan  gran  error. 

Yo,  mon  senyor,  a  vos  ne  planch 

com  lo  avets  sofarit  tant, 
2655    e  muyren  tots,  si  a  vos  plan, 

abans  que  nous  en  preuga  mal.' 

Dix  r  emperador:  ,Per  veritat 

qu'  eil  sera  al  mayti  scapsat, 

e  puys  aure  mon  acort 
2660    dels  .vij.  savis,  si  merexeu  mort.' 

, Senyor,   nous  o  cal  acordar, 

tantost  los  fets  tots  escapsar.' 

,Dona'  dix  eil  ,queu  fare 

e  ja  altra  acort  no  n'  aure.' 
2665    , Senyor,  a  Deu  sia  grahit 

com  tan  be  o  avets  dit, 

ab  que  tan  be  o  fassats 

e  que  ges  nous  en  penidats.' 
201''  AI  mayti,  com  eil  fo  levat, 

2670    mana  que  son  tili  sia  scapsat. 

Ara  es  veugut  Jusep 

e  parla  altament  e  be. 

e  dix:   , Senyor,  axit  pendra  d'  aquest    tili    teu 

com  al  cavaller  feu   del  seu, 
2675    qui  r  ocis  per  conseyll  de  sa  muyler,     201"" 

de  que  o  compra  be  quer; 

enqu^er  morirem  abdos, 

e  se  be  que  axiu  pendra  a  vos; 


2588  e  qui       94  eis       96  tot  enc.     97  V  aver  qu'  an       98  sol  per 

2604  p.  vos   [od.   3  axiu]       8   (a)        9  Laun   d.  s.  lial  c.  t.        10  (e)        13  aytal  15  dar  v.    [od.  10  ealder'  o]        19  (e)  od. 

ag-rel  '?        [22  Er  v.       23  vos   A.]       26  Vench  a  la  port'  ab?       29  (axi)       33  y  vae      [36  que  eyll       37  enaxi]        40  c.  eyll        [43  ? 

44  que  vos]      57  =  2410      59  lo  meu  ae.      60  (vij)      63  Ma  dona  od.  que  o;  vyl.   2971  66  com  vo.s  [od.  65  sia  eins.]     67  vos  o 

71  hi  es  [od.   72  14  al-  eins.]        73   (e  dix:  ,SeDyor)        75?;    viell.  (1"   ocis)   u.   76   l'ocis,  de    queu   c.   b.         77    m.   nos 


214 


A.   MuSSAFIA. 


e  a  vos,  dona,  quil  consoylats, 
2680    sapiats  quo  mal  conseyll  li  dats, 

e  porets  o  axi  comprer 

com  la  mnyller  del  cavaller.' 

Dix  r  emperador:  ,Com  ii'  a  pres  al  cavaller?' 

jSenyor,  yoiis  o  sabre  compter; 
2685    mas  r  infaut  no  sia  scapsats 

tro  queiis  o  aja  comptats/ 

,1'lau  me'  dix  1'  emperador 

,e  stia  assi  a  la  rador.' 

D'  esta  vila  tb  lo  cavaller  NOVERCA 

2690    e  de  forts  prühomens  pres  iiiuyller, 

e  ac  ue  un  bell  Infant, 

lo  pus  beyll  qua  nasques  auc. 

Romas  lo  fiyll,  mori  la  mayra, 

e  lo  cavaller  pres  ne  altra; 
2695    e  la  madastra  si  s'  a  pensats 

que  lo  filastre  fos  tudats; 

que  si  ella  Infant  avia, 

lo  cavaller  lo  primer  tili  lieretaria, 

e  lo  seu  no  seria  heretat, 
2700    car  sou  payra  1'  a  fort  amat; 

per  que  pensa  molt  fort 

que  aquell  infaut  fus  mort,  202' 

,e  sil  fas  ociure  a  son  payra, 

be  sera  fet  al  meu  vyayre.' 
2705    Lo  cavaller  fort  beyla  copa  avia, 

qui  molt  gran  tresor  valia, 

en  taula  la  te  com  Li  sehia. 

E  la  dona  diu  cascvin  dia 

que  r  Infant  mal  conreu  fahia. 
2710    ,8enyer,  ijerque  nol  castiats? 

creu  que  eil  sera  penjats.' 

jDona,  yol  castigare, 

e  vos  nous  eu  curets  de  re; 

car  de  cert  dien  tots 
2715    que  vos  querriets  que  fos  mort.' 

L'  Infant  uua  caxeta  lia, 

ela  la  clau  li  ambla, 

e  (lins  en  la  caxeta 

ela  ha  la  copa  mesa, 
2720    e  puys  la  clau  ha  tornada 

en  lo  loc  on  1'  a  atrobada. 

L'  Infant  dormia  en  son  lit 

e  d'  ago  res  no  ha  sentit. 


Com  vench  1'  endenia, 

2725    lo  senyor  en  taula  se  assenta 
e  demana  la  copa  on  es. 
,Per  Deu,  senyer,  non  trobam  ges.' 
,A5o'  dix  eil  ,no  pot  estar, 
a  fer  ave  de  trobar, 

2730    e  no  sera  tant  amagada 
que  ella  no  sia  atrobada; 
si  no,   tal  cosa  faria 
que  tota  res  ne  parlaria.' 
La  copa  au  per  tot  sercada, 

2735    mas  no  1'  an  atrobada. 

Dix  la  muyler  del  cavaller: 
, Senyer,  sius  ve  de  plaser, 
a  vostra  fiyll  la  demanats, 
en  la  sua  caxa  la  sercats, 

2740    si  vos  trobar  la  volets, 
e  axi  la  cobrarets.* 
jDona,  com  o  podets  dir? 
qu'  el  se  lexaria  ans  morir 
que  la  copa  agues  tocada 


2745 


e  tal  cosa  agues  assejada. 


, Senyer,  si  vos  a  mi  no  crets, 
senyer,  vos  o  g-ardarets, 
e  vos  aqui  la  gardats, 
que  si  aqui  no  la  trobats, 

2750    fer  r   em  en  altra  part  sorcar 
tant  tro  que  la  puxam  trobar.' 
E  lo  para  dix  a  1'  Infant: 
,Obri  ta  caxa  ab  aytant.' 
, Senyer,  hoc  molt  volenter, 

2755    0  fare  a  vostra  plaser.' 

E  cant  la  caxa  uberta  hac 
el  cavaller  ha  dins  gardat, 
la  cojia  layns  ha  trobada 
tota  trencada  e  passegada. 

2760    ,Don  fals,  per  que  la  amagas?' 
,Sertes,  senyer,  no  o  fiu  pas.' 
,E  donchs  qui  la  ha  mesa  ayci?' 
,No  o  se,  si  Deus  ajut  a  mi.' 
,Com  pot  esser  no  o  sapiats, 

2765    en  traydor  fals  renegats?' 

,Ay  na  lassa!'  diu  la  muyller 
,e  com  0  pot  negat  teuer? 
Senyer,  vos  no  creets  en  re  me. 


202'' 


202' 


e  yo 


sabia  ho  fort  be. 


2679  (a)  83  (Dix  1'  emp.)  u.  a  est  86  que  vos  [od.  85  sia  eins.]  87  li  d.  [od.  stia  aa-  eins.]  89  fol;  vgl.  592  90  (e) 
luenn  nicht  d'  od.  promcns       [91   molt  b.  od.  un  patit  inf.,  wie  594       92?]       95  (e)  od.  (si)       98  (lo  cavaller) 

2701   ella  \),         2  tost   m.    [od.  unver.    u.  1   nur   eine  Sylhe   ergänzen]         6   qui  un?  7  co-y?  11   yo  creu         12  yo  lo 

14  car  certanament  17  e  ella  [od.  K!  caxet'  ha]  18  en  aquella  19  el'  ha  la  heylla  c.  [od.  18  en  ceylla]  20  eil'  a  [od.  21 
el  loc]  24  E  com  oll  v.  a  1'  end. ;  vgl.  218 1  25  ?  29  la  tr.  [od.  28  star]  32  yo  f.  .'tö  la  lian  ges  atr.  [od.  34  cop"  au.] 
37  si  vos       [40  atr.       41   vos  la]       42  vos  dir       47?       48?       54  Mons.       68  crets 


Die  c'atalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meistee. 


215 


2770 


2775 


2780 


■-'785 


2790 


■J795 


liSOO 


2805 


2810 


JS15 


com  vos  deya  perque  nol  castigats, 

\"us,  senyer,  m'  amanassats ; 

ara  vos  n'  aurets  desonor, 

vüstra  liyll  iie  romaii  traydor; 

e  si  aquest  es  penjats,  2820 

vos  ne  serets  fort  ahontats; 

certes  a  vos  valiia  mes, 

eiians  queus  hi  anantessets, 

quel  fessets  tost  ivas  negar 

que  si  fort  ne  sots  aontat;  2825 

tal  cosa  pora  assejar  e  fer 

que  verg'onyaus  fara  parer.' 

,  Certes,  dona,  Verität  es 

e  yo  fer  1'  e  nagar  ades.' 

La  dona  mes  mans  a  plurar:  2830 

, Lassa!  com  se  den  hom   porpensar,  202'^ 

que  yo  V  amava  axi 

com  si  fos  axit  de  ini; 

si  aquest  Infant  fos  be  noyrits, 

mes  ne  valgueren  sos  amics,  2835 

car  eil  es  d'  omens  honrats; 

ara  veig  que  sera  nagats; 

mas  mes  val  .i.  Iiaul  morir 

quel  linatg-e  envergonyir; 

si  aquest  no  fos  desastruch,  2840 

tot  son  linatge  fora  fornits.' 

Lo  cavaller  ha  apeylats 

tres  macips  qui  s'  i  son  logats, 

e  als  dit  tot  anaxi : 

,Vos  manats  aquest  fadri  2845 

de  qui  'n  aval  per  riba  de  la  niars; 

una  pere  al  coli  li  ligats 

e  jus  en  1'  ayga  lo  lensats 

en  tal  loch  que  hom  nol  trop 

e  no  veja  hom  en  quin  loc;  2850 

nul  hom  non  sapia  re 

e  gran  aver  vos  en  dare.' 

E  los  macips  1'  an  anagat 

axi  com  los  fo  manat. 

Cant  agren  nagat  lo  fadri,  2855 

cavallers  venen  pel  cami; 

eren  avoncles  del  fadri, 

de  la  mayra  eren  germans; 

e  nos  cuyden  que  ges  axi  203° 

sia  apres  al  fadri.  2860 

Los  macips  quils  viren  venir 


comensen  sempre  de  fogir 

e  dixeren:   ,Que  farem  nos 

de  aquests  qui  venen  detras  nosV 

mas  Deus  vol  sia  dexelat 

e  que  sia  castigat. 

Los  cavallers  quels  viren   desar 

los  comensen  d"  encalscar. 

, Aquests  homens  qui  tan  fort  fugen 

certes  nostres  mals  vole[n]ts  son; 

prengam  los  e  puys  o  sabrem 

que  an  feyt  ne  per  que  fugen.' 

E  cant  los  agren  ateses. 

dixeren :  ,Traydors,   nous  mogats, 

que  certament  o  comprarets, 

aquell  mal  que  fet  avets.' 

Eylls  0  deyen  per  assejar, 

e  eis  comensen  a  pregar: 

jSenyors,  si  a  vos  plau, 

sapiats  que  noy  marim  mal, 

car  ab  eil  estam  a  soldada, 

ab  ceyll  quens  hie  ha  enviats, 

e  sapiats  senes  engans 

que  no  volriam  vostra  dau 

e  nous  volem  nagat  tener, 

que  del  tot  vos  direm  lo  ver;  203'' 

car  sius  o  teniem  nech, 

aparria  qu'  eb  conseyll  nostre  fos  fet, 

e  compra  o  qui  mal  hi  mer, 

que  nos  noy  posquem  alra  fer.' 

,Arans  diats  la  Verität 

con  es  ni  com  es  anat; 

que  si  la  Verität  nos  deyts, 

justiciats  vos  no  serets.' 

,Senyors,  grans  gracias  vos  fem 

e  ja  de  res  nous  en  mintrem; 

nos  estam  ab  tal  cavaller 

qui  hac  de  fort  prohomens  muyller, 

e  son  hie  luny  d'  est'  ancontrada 

mes  de  una  jornada; 

e  com  la  muyller  sa  mori, 

si  li  romas  .i.  tili  patit 

qui  era  fort  engalardit, 

era  fort  be  ensenyats, 

e  a  son  par'  a  amblada 

una  copa  que  avia  amagada 

dins  en  una  sua  caxa, 


2770  etwa  cous  d.  ,que  n.  c'  71  amanassaväts  mit  provenz.  Betomingf  74  sera  p.  80  ?  84  cos  den  [85  enaxi 
s6  si  eyll]       90  de  h.  od.  honorats;  vgl.  2934       92  avol  [od.  93  -tg'  env.]       93   (tot)?        [98  a  los       99  aul  f.V] 

2800  ?  3  no  lo  [od.  4  vej'  hom]  5  uo  ne  8  euaxi  [od.  7  nagat]  14  a  ceyll  f.  20  quel  mesfet?  [od.  unoer.  u.  19 
sia  eins.]  21   ven  d.       22  de  enc.       30  vos  f.   [od.  29  per  cert]       33  dien:  ,S.       41   si  vos       42  ?      46  com  hoc   [od.  45  vertatj 

17  vertat       54  ?  58  e  era       59  pare  a       Ol  ? 


216 

e  la  niadastre  conech  o 
e  a  son  marit  compta  ho. 
Lo  ca valier,  quant  o  hac  oyt, 

2865    fort  nc  fo  enfayloiiit, 

(lis:   ,Mon  linatge  es  desonrat' 
e  aina  ines  qiie  tos  luigat, 
e  nos  nol  g-osain  desnienar 
e  inenam  lo  assi  negar.' 

2870    ,Ara  treyts  Ion  sus  ades.' 

,Hoc,  seiiyors,  molt  volentes/ 
E  cant  viron  liir  nabot  mort 
si  an  aut  lur  acort 
que  ocien  lo  cavaller, 

2875    e  la  falsa  de  sa  muyller 
sia  apres  cremada, 
qui  la  copa  avia  amagada, 
per  so  que  moris  son  fiastra, 
,si  Dens  li  trameta  mal  astra, 

2880    car  lo  nostra  nabot  ha  mort 
e  fet  ociure  a  g-ran  tort.' 
Los  homens  an  fort  be  ligats 
e  an  los  escudera  lexats, 
per  mig-  la  vila  son  intrats 

2885    ab  lurs  cavals  e  cors  armats, 
e  van  sen  gint  e  suau 
a  la  casa  del  desleyal, 
qui  per  eonseyll  de  sa  muyller 
avia  fet  son  fiyll  nag-uer; 

2890    a  la  porta  1'  an  atrobat 
e  aqui  1'  an  alensejat, 
e  tant  alensajat  1'  ag-ueren, 
la  gent  de  la  vila  crideren: 
, Pensem  nos  tuyt  ivas  d'  ermer, 

2895    qu'  estranys  an  mort  .i.  cavaller.' 
Aquests  son  de  fors  axits 
e  oen  de  dius  g-rans  crits; 
aquells  de  la  vila  ixen  de  fors 
e  criden  los:  , Barons  traydors'; 

2900    e  aquells  qui  be  eren  armats 
si  los  an  de  fors  esperats, 
dixeren:  ,Ayci  vos  sperarcm 
e  nostra  rayso  vos  comptarem.' 
En  aco  eylls  se  son  acostats, 

2905    e  dien:   ,Plau  nos  assats', 
e  dien  que  fort  es  bo 
que  sapien  la  lur  rayso. 
,Senyors,  so  que  nos  avcm  fet 


A.    MUSSAFIA. 

avem  fet  a  fort  bo  drct, 
2910    e  aquest  que  nos  avcjiii   mort 

ocis  nostre  nabot  a  tort, 

e  deuria  a  Deus  plascr, 

com  eil  ha  fet  son  tili  naguer 

per  eonseyll   de  sa  muyller, 
203°  2915    e  a^o  metrem  nos  cu  ver; 

e  sil  fiyll  del  payre  se  vol  i>levir, 

ges  per  ayoo  no  den  morir, 

e  aquest  nul  mal  no  meria, 

mas  la  madastro  son  falcia.' 
2920    \j'   emperador  dix  que  dret  feren 

ceylls  qui  lo  cavaller  ociercn; 

e  ceylls  qui  la  muyler  an  cremada,  204" 

cregats  que  noy  an  feta  errada. 

,8enyor,  si  vostra  muyler  creets, 
2925    e  que  aquest  infant  matets, 

axius  en  pendra  poder 

com  feu  en  aycell  cavaller; 

e  vos,  senyor,  no  la  cregats, 

que  seriets  ne  enganats.' 
2930    Dix  r  emperador:  ,No  la  creyre 

ne  so  que  diu  ja  no  fare; 

car  si  1'  oceya  a  tort, 

yon  poria  pendre  la  mort, 

car  eil  es  de  liomens  lionrats 
2935    c  seriem  be  demauats.' 

Cant  ou  la  dona  que  1'  infant 

no  mor,  ans  es  escapat: 

,Ay  lassa!  e  tan  mala  fe 

que  yo  cregu.da  no  sere; 
2940    de  SSO  que  cviydava  per  mi, 
203"  tem  me  que  no  sia  axü' 

La  dona  se  pensa  que  fara 

e  denant  lo  marit  grau  dol  fa 

e  dix  a  1'  emperador: 
2945    , Axius  en  pendra  a  vos,  senyor, 

com  al  rieh  qui  no  repres  sa  fyla.' 

,Com  li  ha  pres  al  rieh  hom?' 

,Senyer,  a  mala  mort  1'  aucis  hom. 

Un  rieh  hom  hac  en  esta  vila,    FILIA     204" 
2950    qvii  avia  fort  beyla  fiyla-, 
molts  macips  la  cortejaven 
qui  del  payre  nos  gardaven, 
e  anch  lo  payre  sol  .i.  dia 


I 


2864  o  hac  eins.  od.  quiu      65  fortment     71?     73  lo  lur      76  en  foc  er.     86  se  ne      [96  fora  97  molt  gr.]        98  ceylls  de 

2902  di.x;    ,Ayciu3         3    (e)  od.  raysous        4  son  s'  ac.        5  dien  los        6  los  es  [od.    7  .saiiien  zweis.]        9  nos  av.        14  per 

lo  0(1.  de  la  sua  [od.   //>  e  a-  ems.]        16  (e)  u.  payres       21  qnil       22  e  cant  la       24  crets       26   axi  vos        37    es  eil        42   donas 

43  (e),      46  ?       47  Er  com        48  (Senyer)  u.  lo  auc.        [51   e  molta        52  no  se] 


Die  cATALANiscHE  METRISCHE  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


217 


HO  volch  castigar  sa  fivla 

•-'Oöö    ne  li  dix  ques  g-ardes, 

ne  fes  so  quo  fer  no  deg-ues; 
mas  dicli  vos  per  vuritat 
que  feya  a  ssa  voluutat. 
El  rieh  ora  conseylador 

•Jii6(»    de  mouscnyor  1'  emperador, 
iios  partia  de  1'   empei'ayre 
tro  soDava  lo  seny  del  layre, 
e  .i.  inacip  si  dix  un  dia 
a  la  donseyla:  ,Jous  pregaria 

.",1(55    tl^e  vos  nie  volguessets  amar, 

que  certes  inolt  vos  tenc  en  ear.' 
Dix  ella:  ,Yous  amare  taut 
e  fare  sius  vo  de  grat, 
ab  que  vos  o  vullats  fer, 

■j;i70    so  que  yuus  vull  conseyller.' 
jMadoua'  dix  eil  ,que  o  fare, 
tot  so  que  vos  vullats  de  nie.' 
,Amich,  yo  couech  be  per  ver 
que  vos  noui  poriets  aver 

■-".175    axi  com  a  vos  pertenyeria 
ne  com  a  mi  mester  seria; 
e  sius  demanava  per  marit, 
uo  0  volrien  mos  amics, 
mas  yous  dire  que  porets  fer: 

■-".ISO    vos  porets  mon  payre  mater 
e  roiuandra  a  nos  1'  aver, 
que  uoy  lia  altre  hei-eter, 
e  mon  payre  es  rieh  lioin, 
e  vos  porets  ue  esser  prohom ; 

_".i85    eu  tal  guisa  o  eudressare 

que  ja  iiul  hom  iiou  sabra  re; 
e  apres  com  eil  sera  mort, 
yo  aure  fet  bon  acort 
que  a  tots  mos  amics  diria 

1^,190  qua  ab  vos  esposada  m'  avia 
mon  payra,  e  tots  o  creyi-an 
que  res  d'  ayo  nos  peusaran, 
e  vos  tindrets  alberch  honrat 
de  §0  que  mon  payra  ha  gasauyat.' 

•.;'.i'J5    ,Dona,  plau  ine  que  axi  sia; 
mas  axo  com  u  fariaV' 
,.Senyer,  yous  dire  com   sera; 
lo  vespre  com  mon  payra  veiidra 
de  la  cort  de  1'  emperador, 

:;ii0ü    vos  estarets  en  esta  tor 


de  sobra  lo  portal, 

nos  pensara  quey  age  mal, 

e  com   eil  entrar  volra, 

a  la  porta  el  eridara,  204'' 

3005    0  dich  vos  be  senes  faylir 

que  li  devaylare  obrir, 

e  lavors  com  entrara 

vos  tenits  lo  colteil  en  la  ma, 

e  fort  regeuraent  lo  farits, 
3010    e  apres  yo  gitare  greus  crits: 

,Qual  es  aquell  qui  es  passats 

qui  mon  payra  m'  a  nafratsV 

ay  na  lassa!   quem  fare 

que  no  se  qui  es  nel  conech'; 
3015    e  vos  anat  vos  en  serets, 

ans  que  nul  hom  hi  sia  ates.' 

,Dona''  dix  eil  ,quel  matare 

e  eertament  axiu  fare 

com  vos  me  avets  conseylat, 
3020    e  nom  sera  ges  oblidat.' 

Axi  com  0  an  perpensat 

si  u  an  fort  be  acabat, 

e  lo  bon  rieh  hom  an  matat 
i^04'  e  eis  son  fort  be  eretats, 

:i0'25    e  nul  hom  no  sap  quiu  ha  fet 

e  niül  dels  parents  so  ponset, 

e  ella  a  sos  amics  ha  dit 

qu'  eytal  maeip  es  son  marit 

que  r  arma  de  son  payre,   Deus  1'  empai-, 
3030    la  li  feu  sertes  esposar 

,e  ja  yo  non  diguera  res 

si  esposat  no  1'  agues,  205' 

mas  pus  inon  payra  lom   volc  dar, 

yo  nol  gose  desmenar. 
3035    Ära  vuymes  yo  que  fare? 

ear  ab  aquest  estar  aure ; 

e  si  nou  fas,  fer  m'  a  vedar; 

en  esglej'a  nom  cal  intrar, 

e  altre  marit  no  trobaria, 
3040    ear  aquest  ma  somonria/ 

E  SOS  parents  si  li  an  dit: 

,Pus  aquest  es  vostra  mai'it, 

fets  ne  so  que  fer  ne  devets, 

ans  que  del  vostre  menyscabets; 
3045    eu  casa  on  hom  no  sia 

molt  s'  i  pert  e  s'  i  degasta. 

Ära  es  mort  lo  prohoin   tan  ricli, 


2954  la  311,1  f.   [oiL  53  e  aucli  em*.]  56     ain/li 

si  vos  [(i9  sol  all  70  yo  vos]  75  si  com 

yo  o  [od.  9ö  qu'  axi]  98   (com )  ? 

3001?       3  lii  V.       7  eil    en.       8   (vosj        12  nie  a  [nd.  11  qui  '.■<]        29  que  lo  .seu  |j.?       32  lo  ag. 
Denkschrifteii  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd. 


i  d.  que  se  57  yo  dieli   [od.  58  -ya  a  eins.\  G4  la  fiyla? 

(e)  83  niolt  ricIi         88  tal  bon  [od.  S7  e  a-  ems.'\  94  ganyat 


3J   no  lo        40  me  ne? 


218 


A.    MUSSAFIA. 


e  ela  pren    o  macip  per  marit. 

Diats,  senyer,  no  valgia  nies 
3050    al  rieh  lioiu  que  la  casties 
e  no  la  lexas  cortejar 
nels  inacips  en  casa  intrar 
que  ara  eom  1'  an  inort 
per  aver  lo  seu  a  g-raii  tort?' 
3055    Dix  r  emperador:  ,Be  valgra  nies 
que  castigada  la  ag-ues.' 
,vSenyer,  com  li  dixeren  los  aniiclis 
que  cortejar  no  la  jaquis, 
dix:  ,I>exats  lern  estar  205" 

3060    que  elles  sabra  molt  be  gardar 
ne  fara  res  que  mal  li  stia 
ne  que  vergonya  li  sia.' 
,Ab  taut,  senyer,  vos  gardats.' 
, Barons,  de  vos  mateixes  pensats, 
3065    e  lexats  estar  nia  tiyla 

que  vul  c[ue  fassa  a  ma  guisa.' 
Dix  r   emperayre:  ,Fürt  be  sta 
que  sia  mort,  pus  axi  o  deya 
e  castigar  no  la  volg-ues 
3070    per  nul  hom   qui  ley  dixes.' 

, Senyer,  si  aquest  fals  no  castigats, 
anaxi  serets  vos  niatats; 
car  be  veeni  tot  dia 
lo  fiyll  la  mort  del  payra  desige, 
3075    car  li  fa  goig  la  heretat 

de  SSO  quel  para  ha  guasanyat; 
e  sil  para  res  no  ha 
niuyra  sis  vol  com  se  quera, 
quel  fiyll  no  estara  ab  eyll 
3080    ne  gayra  a  son  conseyll. 
Mousenyor,  si  a  vos  plats 
gai'dats  no  siats  enganats; 
vuymes  no  he  res  que  niostrar; 
sius  play,  vullits  vos  gardar; 
3085    car  mentre  que  viva  sere, 

de  nuyla  re  vos  pregare.  205' 

De  vostra  prou  vos  he  pregat 
e  veig  que  no  me  n'  avets  grat, 
per  mon  grat  res  nous  dire, 
3090    per  mal  queus  ne  sdevenga 
no  axira  mot  de  ma  lenga.' 
jDona,   molt  vos  he  que  grahir, 


car  vos  be  ma  conseylats; 
cert  al  mayti  perdra  lo  eap.' 
3095    ,'Scnyer,   be  vos  en  penidrets 
tot  anaxi  com  fer  solets.' 
,Encaraus  dich  seues  t'aylir 
que  nul  hom  men  pora  res  dir 
quel  mayti  nol  fassa  morir; 
3100    mes  am  que  eil  perda  lo  cap 
que  si  yo  era  ahontat, 
si  eil  feya  a  mi  morir 
con  la  fiyla  quil  payre  feu  ocir; 
e  yo  am  mes  qu'  el  sia  mort 
3105    e  yo  sia  ab  honor  estort, 
car  si  aquest  estorcia 
cert  yo  creu  que  morria.' 
, Senyer,  a  Deu  gracia  sia 
con  conexets  lo  mal  el  be/ 
3110    AI  mayti  1'  emperador  ha  nianat 
que  son  fiyll  sia  escapsat. 
Aron  vench  ab  gran  alagria 
e  dix:  ,Per  Deu,  senyor,  no  sia; 
car  gran  goig-  devets  aver 
3115    de  90  que  yous  dire  lo  ver, 
car  he  gardat  en  les  «steles 
e  hi  vistes  grans  mereveyles, 
e  conech  per  Verität 
que  vostra  fill  ha  lo  parlar  cobrat. 
3120    Dema  vos  dich  que  deu  parlar 
e  deu  son  seny  demostrar; 
e  si  nom  creets  d'  ayco, 
vos  metets  mi  en  preso; 
e  si  dema  no  parla  assats 
3125    abdos  siam  justiciats. 

Senyor,  be  deu  esser  sperats; 
tostemps  ne  forets  ahontats.' 
Dix  r  emperador:  ,Plau  ma  assats; 
tro  r  endema  sia  sperats 
3130    e  sobra  aquest  covinent, 
si  no  parla  de  mantineut, 
que  abduy  los  caps  perdrets 
e  per  res  no  estor§rets.' 
, Senyor,  d'  aquest  peccat  aytal 
3135    me  gardare,  si  a  Deu  plan.' 
L'  empcradriu  ha  tal  dolor 
que  per  pauc  d'  ira  no  mor, 
e  conech  be  senes  t'alir 


205'^ 


3048  er  ha  lo  m.?  53  aycoUs  1'  an         57  (Senyor)         59  Ara  1.         62  gcs  li  63  aytant  64  ^barons)  ».  vos  p. 

65  la    mia  f.  [od.  66  fass' a]  70  home         71    ^Senyer)  od.  s'  est        73  v.   nos  a        74  ?       77  si  lo  [od.   7S  cos]       80  lo  seu  c. 

81  si  hoc  [od.  ft2  siats  eim.]  84  si  vos  89  uo  vos  90  per  uuyll  n,al  que  vos  [od.  91  n'  ax.  und  ÖO  nur  eine  Sdbe  erganzen; 
vgl.  281--J]         93  me  ac.  [od.  94  perdral] 

3103  ?  6  s-  aqu-infant  7  certes  yo  er.  que  yo  m.  [od.  nur  eine  Silbe  ergänzen  >,.  6  unva:]  14  vos  d.  [od.  Ib  direlj 
18  e  yo       19  que  1'  Infant  lial       22  lo  seu  s.       [23  uo  me       24  ar'  en]        [32  abd.  vos       33  (e)  per  nuyla  r] 


Die  catalanische  siktrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


219 


lo  mal  qui  li  pot  sdevenir  206°  3185 

3140    que  ,r  Infant  com  parlara 

tot  so  que  yo  he  fet  dii-a' 

e  tench  se  per  destroliida; 

no  gosa  per  1'  emperador 

fer  null  semblant  de  tristor.  3190 

3145    L'  emperador  a  ssa  cort  mana 

que  tuyt  hi  sien  1'  endema, 

per  so  que  tuyt  jjuxen  ausir 

so  que  son  fiyll  volra  dir, 

car  eil  deu  dema  parlar;  3195 

.U50    ,per  so  ma  cort  fas  ajustar.' 

Tuyt  lii  son  venguts  volentes. 

L'  Infant  es  per  la  cort  intrats 

e  vench  coma  Lome  honrats, 

e  estech  ab  sos  uylls  plorants,  32oo 

3155    e  besä  a  son  payra  les  mans 

e  dix:  , Payra,  si  a  vos  plan, 

prech  vos  me  fassats  ihet  leyal 

e  prech  tots  ceylls  qui  son  on  cort 

que  yo  no  prena  nagun  tort,  3205 

3160    e  que  trestuyt  me  fassats  dret, 

con  aurets  oyt  aquest  fet, 

6  met  me  en  vostra  poder, 

e  que  men  puxats  destrenyer; 

si  aver  bastar  noy  pora  3210 

3165    que  la  persona  hi  vag-e;  206'' 

e  prenets  axi  en  poder 

aquells  de  que  J^om  vull  clanier.' 

L'  emperador  respon  pi'cincr 

e  dix  quo  fort   volenter  3215 

3170    li  plau;   jVostre  dret  ajats 

e  de  re  tort  no  prenats.' 

E  tots  ceylls  qui  o  an  oyt 

dien:  ,Senyor,  be  avets  dit 

e  devets  o  axi  fer 5  3220 

3175    que  cascu  aja  son  dret  pleuer.' 

,Mon  fiyll,  e  vos  de  quius  clamats?' 

,Yous  0  dire,  si  a  vos  plats; 

yom  clam  de  la  emperadrits, 

per  so  com  n'  e  mal   soferits,  3225 

3180    e  son  ne  stat  en  juy  de  mort, 

.vij.  dies  pensi  que  fos  mort; 

e  so  que  mon  payre  foya  fer 

certes  en  rayo  mal  noy  raer; 

e  vull  al  camp  sien  intrats  3230 


dos  cavallcrs  per  saber  veritats 

e  cant  lo  camp  sera  levats, 

ceyll  qui  dira  veritats 

sera  estort  ab  molt  gran  goig, 

e  r  altra  ira  dins  lo  foch; 

e  no  dich  dels  cavallers  garnits, 

mas  de  mi  e  de  la  emperadrits.'  206" 

E  tots  ceylls  qui  en  la  cort  son 

dien:   ,Ayyo  es  molt  bon.' 

E  r  emperador  dix  aquella  batayla 

sera  ades  sens  tota  fayla; 

,anans  que  no  menjarem, 

6  sabrem  aquell  que  creinarem, 

e  ceyll  qui  sera  vensut 

cempre  sera  confondut', 

e  que  ja  amor  uon  aura, 

mas  layns  al  foch  ira, 

e  aqui  sera  cremats 

ceyll  qui  penset  la  falcedats. 

Los  cavallers  foren  armats 

e  dins  lo  camp  son  intrats, 

e  van  se  farir  fortment; 

abdos  caen  verament, 

ceyll  de  1'  Infant  se  fo  lavats 

e  es  en  lo  cavall  puyats, 

e  va  ssen  vers  lo  cavaller : 

,Sus  levet,   si  n'  as  poder.' 

Ceyll  de  la  dona  jau  al  camp 

e   no  va  atras  ni  avant 

e  diu  quel  vis  a  pordut, 

no  troba  lansa  ni  escut, 

e  nos  pot  defendre  per  res,  206'' 

car  cert  diu  que  vensut  es; 

e  pus  aquest  es  vensut, 

la  dona  fa  compte  de  perdut. 

Los  cavallers  se  son  desgarnits, 

meten  al  foch  1'  emperadrits, 

dien:  ,Provada  es  la  falcia 

e  par  be  que  Verität  sia, 

qui  mal  sercava  1'  a  trobat, 

car  ella  1'  avia  sercat; 

per  que  tot  hom   se  deu  gardar 

que  no  deu  a  alti'e  mal   sercar, 

si  doncs  no  ley  ha  be  servit 

a  eil  0  altra  son  amieh; 

e  ceyll  quil  serca  primer. 


3137  elbi,  110  40  lu  iiif.  [12  elbi,  t,]  41  sa  tr.V  48  lo  sen  f.  49  1'  endema  69  qu' ayijo  [70  lo  v.  71  no  hi] 
[4  enaxi  75  (qiie1  82  (ei  85  ?  87  ac.  od.  la  v.  90  (e)  91  d'  1'  emp.?  93  nos  es?  [od.  92  qui  'd]  96  nos  no  97  (e) 
798  hi  sera  99  tot  c] 

3201  se  n'  ira  2  tost  er.  ö  sen  son  [6  molt  f  7  y  caen)  11  leva  te  14  que  lo  [od.  /.5  ni  scut]  17  per  cert 
18  ?        19  ?       20  (.se)        30  qui  lo 

28* 


220 


A.    MuSSAFIA. 


3235 


aquell  apar  be  que  mal  ([uer; 
si  r  altra  sen  sap  ijai-dar, 
nol  den  hom  pas  jiits^ar, 
ans  li  (lou  esser  perdonat, 
pus  altre  ho   [ha]   pi-iiuor  sercat. 
La  doiia  mori  a  grau  dolor, 
el  fiyll  romas  ab  1'  emperador, 
estech  iriolt  ensenyadanient, 


3232  se  ne       33  ja  no  In  den. 


an  na  g'ran  goig-  tota  la  gent. 


3240    l^os  axiinplis  son  acabats 
e  sils  avets  bu  escoltats 
be  hi  podets  aver  apres; 
aqui  porcts  be  profitar 
si  \n'.  los  volets  escoltar. 


I 


ANMERKUNGEN. 


1.    Cod.    entende. 

16.  Cod.  ql,  also  eigentlich  quel,  so  auch  2.523. 
Bei  der  Leichtigkeit,  die  Abkürzungszeichen  unter  ein- 
ander zu  verwechseln,  und  da  sonst  immer  quäl  ausge- 
schrieben steht  (571.  ö75  u.  s.  w.),  so  setzte  ich  diese 
Form  an.  Auch  Cambonliu  und  Lambert  lasen  quäl. 
Vgl.  Aum.  zn  377.  —  An  unserer  Stelle  könnte  auch 
qui  lli  gemeint  sein. 

17.  Vielleicht  Benci'Hes,  vgl.  Anm.  zu  31  und  40; 
V.    536   wäre   dann  puya  'n  zu   lesen. 

24.  Cod.  gazardoats,  wol  kaum  eine  berechtigte  Form ; 
das  n-Zeichen  wird  vernachlässigt  sein,  wie  826  git,  2824 
volets;    vgl.     auch    über   sangonets    §.    84   der   Einleitung. 

31.  Cod.  Enalls ;  vgl.  864;  ci  wurde  als  a  gedeutet 
und  das  Abkürzungs-Zeichen  für  e  ist  übersehen  wor- 
den,  vgl.   die   Anmerkungen  zu   40.   298.   37  7.    645. 

Nach  31  fehlt  ein  Vers,  es  wäre  denn  dass  man 
32.  33  parier,  escolter  lesen  wollte,  in  welchem  Falle 
man  drei  Verse   mit  gleichem   Aiisgange   erhielte. 

40.  Cod.  Bentals,  zu  bessern  nach  1297.  Die  Vor- 
lage wird  lentules  mit  kleinem  anlautendem  l  gehabt 
haben ;  dieses  konnte  leicht  als  b  gelesen  werden ;  dann 
wurde  u  als  a  angesehen  und  in  Is  wurde  das  e-Zeichen 
übersehen. 

42.  Meine  Abschrift,  welche  hier  den  Sohriftzügen 
des  Cod.  genau  nachahmt,  würde  eher  nodreshe  fordern; 
eben  so  nashe  471,  ishe  352.  1134.  Ucberall  findet  sich 
nämlich  sh  und  der  zweite  Strich  des  h  ist  nach  unten 
gezogen.  Da  indessen  dieser  Buchstabe  im  Cod.  möglicher 
Weise  ein  q  ist,  und  da  der  Grammatik  der  gutturale 
Laut  weit  besser  zusagt,  so  druckte  ich  an  allen  vier 
Stellen   que. 

40  —  42.  drei  Verse  mit  gleicher  Assonanz;  os,  ors,  or. 


43.   Cod.  promot. 

49.  Cod.  Melguider:  ich  setzte  auch  hier  die  vom 
V.  1681  und  von  den  meisten  anderen  Versionen  ge- 
botene Form.   Vgl.   Anm.  zu   377   und   2836. 

63.  Es  sind  nur  sechs  Silben.  Man  könnte  ver- 
sucht sein,  parlel  als  aus  dem  folgenden  Verse  anticipirt 
anzusehen,  und  etwa  n,ach  dem  Muster  von  V.  49 
Apres  levas  en  peits  Cato  zu  lesen.  Indessen  scheinen 
solche  Wiederholungen  desselben  oder  eines  ähnlichen 
Wortes  in  zwei  auf  einander  folgenden  Versen  gerade 
im  Stile  vmseres  Dichters  zu  liegen:  975  son  para 
ne  menjava  mes,  mays  que  d'altra  que  agues;  495  e  no 
poch  puyar  dret  a.ri,  tot  dret  com  era  puyat  (hier  ist 
allerdings  die  Wiederholung  sehr  hart;  man  wäre  ver- 
siioht,  mes  axi  zu  lesen);  1601  lo  rey  feu  ab  ella  son 
deüt,  ab  la  dona  que  tench  al  lit;  2835  ab  eil  estam  a 
soldada,  ab  ceyll  quins  hie  ha  enviats.  Aehnlich  ist  die 
Ankündigung  des  Objectes  durch  ein  Pronomen  Ifeutrum: 
2829  certament  o  comprarels,  aquell  mal  que  fet  avets; 
2969  ab  que  vos  o  vullats  fer,  so  que  yous  vidi  conseyller; 
vgl.  2971.  —  Mau  wird  demnach  parlet  schonen  und 
wie  im  V.  83  lo  bo  oder  den  Artikel  mit  einem  anderen 
einsilbigen  Adjective   ergänzen. 

71.  Ob  die  Auslassung  des  Auxiliare  in  der  Fü- 
gung anans  que  vengut  los  ans  tres  zulässig?  Jedenfalls 
wäre  venguts  zu  lesen.  Nach  V.  58  Hesse  sich  ans  que 
sien  venguts  vorschlagen. 

80.  qui  ist  sehr  verdächtig;  das  Adverbium  ,hicr' 
ist  an  dieser  Stelle  ganz  unpassend.  —  lihire  .  .  .  e 
hat  wol  die  Bedeutung  ,theils  .  .  .  theils';  Diez  IJI  408 
Anm.  —  Auch  sei  bemerkt  dass  meine  Abschrift  seats 
bietet,   das  ich  scj-its  deutete. 


Die  catalanische  metrische  Veesion  der  sieben  weisen  Meister. 


221 


81.  Cod.  a  nul  llurats.  Die  Ergiinznng  nol  (nel  int 
ein  Druckfehler)  bot  .sich  von  selb.st.  Der  Schreiber  hat 
eines   der  zwei  so  ähnlichen  Wörter  weggelas.sen. 

84.  Cod.  he,  eine  Schreibung,  die  übrigens  hie 
und  da  auch  in  anderen  Hss.  vorkommt  und  die  ich 
dcsshalb  hätte  beibehalten  können. 

115.  Cod.  retenre.     115 — 1 1  7  drei  assonircnde  Verse. 

112  —  llß.  ,Dcr  Knabe  wird  nicht  Alles  lernen, 
was  jeder  Einzelne  ihm  vortragcii  wird;  dadurch  wird 
aber  jeder  Lehrer  (oder  .Teder,  sowol  Lehrer  als  Schüler?) 
behindert  werden,  und  er  wird  nicht  Alles  behalten 
können,  was  ihm  jeder  einzelne  Lehrer  wird  sagen 
wollen'.  Nicht  gerade  undeutlich,  aber  ziemlich  ver- 
schroben ausgedrückt.  Indessen  könnte  V.  112  no  für 
ne  od.  na  stehen  (^V.  119  mnss  man  dieses  annehmen), 
woraus  sich  der  Sinn  ergäbe:  ,der  Knabe  wird  wol 
alles  lernen  (studieren),  aber  nicht  Alles  behalten'; 
auch  wird  während  der  Studienzeit  die  grosse  Anzahl 
der  Lehrer  hinderlich  sein.  —  Ich  wage  noch  eine  Ver- 
muthung.  Cascu  ist  vielleicht  in  dem  überlangen  V.  114 
irrig  und  durch  das  Vorkommen  desselben  Wortes  in  113 
xmd  116  herbeigeführt  w-orden.  In  diesem  Falle  wäre  per 
qiie   eil   empafxat  sera   od.  ^jer   que   emp.   ne   sera  zu   losen. 

117.   Cod.   los- emp.,  und   s  durchgestrichen. 

115  — 117.  Wenn  nicht,  wie  leicht  möglich,  vor 
oder  nach  117  ein  Vers  au.sgefallen  ist,  .so  haben  wir 
hier  drei   Verse   mit  gleicher  Assonanz:   ir  ir,   i. 

119.  Wie  zu  V.  112  — llß  gesagt,  muss  no  lat. 
inde  entsprechen;  es  ist  darin  eher  ein  Schreibfehler 
als   eine   Formvariantc   zu   erblicken. 

158.  farien  und   n  durchgestrichen. 

160.    Cod.   ajustaxe. 

Nach   168   fehlt  jedenfalls   ein   Vers. 

191  ist  reimlos.  Wenn  auch  der  Sinn  keine  Lücke 
fühlen  lässt,  so  darf  man  doch  xVusfall  einer  Zeile  an- 
nehmen. Amü.  zu  betonen  und  hier  drei  assonirende 
Verse   (a«,   cd,   a)  zu   erblicken,   wäre  gewagt. 

226.  In  meiner  Abschrift  würde  man  eher  tant  lesen. 

Fehlt  nach  234  ein  Vers  oder  haben  wir  hier 
drei    Verse  mit  gleicher  Assonanz   (als  als,   arts)} 

237.   Cod.    Can. 

247 — 49.   Drei   Verse   mit  gleichem  Reime. 

267.  se  ist  Dativus  ethicus.  Ein  solcher  kommt 
in  unserem  Texte  nicht  selten  vor;  z.  B.  330  Si  yo 
muyr,  sius  farels  vos:  vgl.  1171  ;  2552  nos  veu ;  2569  sius 
volets;  2245  se  volra;  3078  muyra  sis  vol ;  2992  nos 
pensaran  vgl.   2003;    3013   quem  fare. 

jSTach   274   muss   ein   Vers  fehlen. 

280.  , selbst  wenn  man  mich  tödten  sollte' ;  der 
Gebrauch  von  saber  ist  hier  zu  bemerken.  Vgl.  P.  65 
noy  mudariem,  si  a  mi  sabieis  tolre  lo  cap  del  coli  ne  siy 
sabiets  a  tots  matar. 


295.    Cod.   mostrar. 

298.    Cod.  fuyls;   Vgl.   Anm.   zu   V.    31. 

318.  Cod.  0   al  tr. 

319.  Cod.   re. 

319 — 22.  , Entweder  eine  dieser  zwei  Erschei- 
nungen (sich  Erheben  des  Bettes,  sich  Niedersenken  der 
Himmeldecke)  ist  eingetreten,  oder,  wenn  diess  nicht 
wahr  ist,  so  verstehe  ich  nichts  und  werde  auf  meine 
Kunst  nichts  halten;  ich  will  dass  die  Sache  klar  dar- 
gelegt werde'.  Man  könnte  auch  nach  320  stärker  inter- 
pungireu,  321  und  322  umstellen  und  erklären:  .Ent- 
weder ist  hier  etwas  geschehen  oder  ich  verstehe  Nichts 
und  werde  u.  s.  w.;  ich  will  dass  man  sich  überzeuge, 
ob  das  was  ich  sagte  (in  Bezug  auf  die  zwei  Erschei- 
nungen)  richtig  ist'. 

323  ist  reimlos;  man  fühlt  keine  Lücke  und  es 
folgen  drei  Verso  auf  -fd.  Ob  nicht  323  ursprünglich 
gleichen  Reim  hatte? 

333  ff.  serquar  fordert  nach  sich  ein  Verbum  ent- 
weder im  Infinitiv  oder  in  einem  tempus  finitura;  durch 
die  Zwischensätze  beirrt,  vergass  der  Dichter  daran 
und  wandte  die  C!onstruction  mit  dem  Gerundium  prenen 
an.  Auch  ging  er  vom  Singulare  proisme  zum  Plurale 
de-iih-ven  und  lur  über.  Der  Sinn  der  nicht  gerade  deut- 
lichen Stelle  scheint  mir  folgender  zu  sein :  Der  Mensch 
muss,  wenn  er  seinen  Nächsten  I  und  zwar  im  prägnanten 
Sinne  , Einen  der  ihm  nahe  steht')  Ungemach  erdulden 
sieht,  selbst  wenn  Letzterer  solches  Leiden  verdient, 
sich  desselben  annehmen.  Die  Wörter  son  proisme  wären 
im  V.  334  als  Accusativ,  335  aber  als  Dativ  aufzu- 
fassen. In  sis  ist  -s  Dativus  ethicus.  Es  Hesse  sich  viel- 
leicht auch  si  es  (si  's)  deservin  annehmen,  nur  wäre 
dann  der  Plural  hir  sehr  hart.  Schliesslich  will  ich  nicht 
unterlassen  zu  bemerken,  dass  das  Wort  deserven  aus 
Förster's  Abschrift,  welche  hier  die  Schriftzüge  des 
Cod.  genau  nachzeichnet,  kaum  zu  entnehmen  war; 
die  Lesung  wurde  mir  von  G.  Paris  raitgetheilt,  welcher 
sie  aber  mit  einem  Fragezeichen  vorsieht. 

341 — 348.  Diese  Verse  setzen  eine  weitere  Lehre 
auseinander,  wie  man  nämlich  in  allen  gerechten  Dingen 
seinem  Herrn  Gehorsam  leisten,  wenn  er  aber  Unziem- 
liches verlangt,  ihn  davon  abbringen  müsse.  Diese  Verse 
beziehen  sich  wol  auf  den  Kaiser ;  den  Weisen  liegt  ob, 
einerseits  ihren  Zögling  vor  Gefahren  zu  retten,  andrer- 
seits  ihren  Herrn  vor  ungerechten  Handlungen  warnen. 

344.  Das  Imperf.  Conj.  cayles  nach  Praes.  im 
Hauptsatze  ist  recht  störend,  besonders  da  vuUa  und 
tolga  unmittelbar  nachfolgen. 

371- — 3.   Drei  Verse  auf  -os. 

377.  Man  setze  ohne  weiteres  malte s  in  den  Text; 
das  Metrum  fordert  es  und  das  Zeichen  für  e  vor  s  ist 
im  Cod.   mehr    als    einmal    vernachlässigt    worden   (vgl. 


222 


A.    MUSSAKIA. 


Aiimrikg.  zu  V.  31).  Ich  liabi>  einen  Augenblick  an 
(iie  Möglichkeit  eines  mascnlinen  ffents  geglaubt,  weil 
ich  403  tots  (/pii/s  zu  finden  glaubte.  Indessen  sehe  ich 
dass  das  ipih  uieincv  Abschrift  eigentlich  ipiti  darstellt 
(vgl.  Aumk.  zu  V.  49^  und  q  nicht  que  sondern  qua 
(vgl.  Aumk.  zu  V.  16)  bezeichnet;  es  ist  demnach  tols 
quaiits  zu   lesen. 

391.  c'  ist  verdächtig,  man  wird  e  vorziehen;  e  a 
zählen,   wie  sonst  oft,   ftir  eine   Silbe. 

475.  Aus  meiner  Abschrift  ersehe  ich  nicht  deut- 
lich, ob  der  Cod.  pauc  od.  patit  bietet;  wenn  letzteres, 
so   wird  man   des  Metrums  halber   tu  tilgen. 

483.   Cod.   siech.      488.   Cod.  per  nn  poch  per. 

491.   Cod.   viu  pinelet. 

498.   U  bezieht  sich  wol  auf  die  grosse  Fichte. 

501.  Cod.  plangues  mit  ausgeschriebenem  n.  Da 
das  Verbura  pJamjer  hier  keinen  befriedigenden  Sinn 
gibt,  hielt  ich  mich  für  berechtigt,  plagues  zu  emen- 
diren,   .verwundete',   in  gemildeter  Bedeutung  , träfe'. 

502.  deqn,  also  eigentlich  dequen;  da  aber  2800 
der  Cod.  deq'n  bietet,  so  glich  ich  die  zwei  Formen 
aus.  Ich  deutete  quin  als  qui  (=:  eccu  hie)  und  en  ('n)  ; 
muss  jedoch  bemerken  dass  im  Altcat.  ein  Adverbium 
aquen  vorhanden  gewesen  sein  muss.  So  P.  (die  Seiten- 
zahl vergass  ich  anzumerken"!  foren  gitats  d' aquen  alyu-ns; 
auch  S.  32  de  aquen,  e  lo  rey  u.  s.  w.  Also  beide  Male 
mit  vorangehendem  de;  auch  Esteve,  der  kein  aquen 
kennt,  verzeichnet  als  veraltet  daquen  ,de  aqui,  de  ahi, 
de  esto',  lat.  ,hino'  (auch  im  iAltiiortug.  d'aquen)  V.  2079 
kommt  aquin  vor,  wahrscheinlich  :=  aquen.  Ich  hätte 
also  an  beiden  Stellen  d'equ.  (==  d'aq.  §.  3  der  Einl.) 
drucken  können. 

503.  sus  dürfte  zw  jus  zu  cmendiren  sein:  vgl.  den 
umgekehrten  Fall,  V.  1100.  Da  indessen  zur  Noth  auch  sus 
angehen  könnte,  getraue  ich  mich  nicht  etwas  zu  verändern. 

502 — 505.  Der  Sinn  dieser  Verse  ist  mir  nicht 
recht  deutlich.  ,Die  Sonne  trat  mitten  durch  diesen 
grossen  Schnitt  (^der  abgehauenen  Aeste  des  grossen 
Baumes")  ein  und  .stieg  herab  bis  zu  dessen  (des  kleinen 
Baumes)  Wurzel,  wodurch  der  grosse  Baum  absterben 
wird'.  Es  scheint  zu  bedeuten,  dass  die  kleine  Fichte, 
durch  die  Kraft  der  Sonnenstrahlen,  die  ihr  nun  unge- 
hindert zu  gute  kamen,  sich  immer  mehr  entwickelte 
und  den  Tod  der  grossen  herbeiführte.  Mau  kann  ver- 
gleichen in  der  Historia:  .Altitudo  arboris  solem  et 
pluviam   impedit,   per  ipac  duo  pinella  crescere  deberct'. 

517.  Von  welchem  Verbum  hängt  que  eil  vos  ocies 
ab?  Schwerlich  von  voUa  im  V.  513.  Wenn  man  queus  oc. 
läse,   wäre  Platz  für  ein  zweisilbiges  Verbum  gewonnen. 

539.  Das  Subjcot  von  comensen  ist  ,die  Diener, 
welche  den  Knaben  zum  Tode  führten'  oder  ,dic  Leute, 
welche  herum   standen'. 


5S0.   Cod.   em^ayr. 

GOl.  Cod.  la  tra;  ich  zog  la  ter^a  der  anderen 
möglichen  Lesung  V  nllra  vor.  598  und  fiOl  sind  reim- 
los, und  es  ist  schwer,  Wegfall  von  je  einem  Verse 
anzunehmen.  Man  könnte  601  doch  V  altra  lesen  und 
diesen  Vers  nach  598  einrücken;  da  wir  aber  dadurch 
den  Reim  Ict  :  delit.  und  die  nicht  sehr  ansprechende 
Ausdi'uckswcise  la  una,  V  altra,  V  altra  erhielten,  so  ent- 
schloss  ich  mich,  die  Reihenfolge  der  Verse,  wie  sie  der 
Cod.   bietet,   beizubehalten. 

602.   Wol  per  alegrar. 

608.  un  heyll  Irbrer,  la  meylor  .  .  .  und  V.  610 
ela  prenia,  während  sonst  in  dieser  Erzählung  nur  das 
Masculiuum  gebraucht  wird.  Darf  man  an  eine  Unacht- 
samkeit des  Dichters  denken  (welche  an  ersterer  Stelle 
kaum  denkbar  wäre)  oder  verschuldete  diess  der  Schrei- 
ber? V.  610  wäre  des  Metrums  wegen  e  eil  zu  lesen. 
Vgl.   auch  Anmkg.   zu   V.   632. 

621.  Ist  lur  richtig?  Es  müsste  bedeuten,  dass 
der  Knabe  ihrem  (der  Amu\en)  Wunsche  gemäss  schlief. 
Einfacher  wäre  wol   n   son. 

628.  Cod.   via. 

629.  ,Dcr  Windhund  liess  nichts  davon  merken, 
dass  er  die   Schlange  gesehen  hatte'. 

632.  Welches  ist  das  Subject  von  gita?  Man  sollte 
meinen  la  serpenf,  dann  würde  sich  la  wieder  auf  den 
Windhund  beziehen  und  müsste  zu  lo  verändert  werden  ; 
vgl.   Anm.   zu   608. 

633.  Es  fehlt  das  Verbum;  ich  schlug  daher  schon 
am  Fusse   der  Seite   cl  lehrer  es  env.  vor. 

635.   Cod.   ab  brezol. 

645.  Cod.  fets  zu  fetes  (^Vernachlässigung  des  e-Zei- 
chens,  Anmerkg.  zu  V.  3l\  und  nicht  etwa  zu  fet, 
im  Texte  gebessert,  weniger  der  Metrik  als  der  Gram- 
matik zu  liebe.  Denn  wie  das  ältere  Catalanischc  über- 
haupt, so  lässt  unser  Text  beständig  das  mit  habere 
construirte  Participium  mit  dem  Objecte  congruiren. 
Auch  wenn  es  sich  um  das  Participium  eines  Modal- 
verbnms  handelt,  dem  Infinitiv  folgt:  417  qid  m'a 
volguda  ahonter,  1981  tanta  sa7ich  li  na  feta  axir;  vgl. 
Doc.  39  7  no  m'an  poscudes  tolre  les  mies  seiendes.  Selbst 
nach  partitivem  Genitive  kann  Congruenz  eintreten. 
797  de  aquelles  fruytes  ha  cuylides;  dagegen  999  de  bones 
erbes  an   trobal(s). 

658.   Cod.   venc. 

Zwischen  678  und  6  79  ist  möglicherweise  etwas 
ausgefallen.  Dann  würde  auch  die  metrische  Emendation 
sich  anders   gestalten  müssen. 

815.  poder  aure  statt  pore  aver.  So  1744  not  vcuria 
poder  für  nol  poria  veser ;  2926  axius  en  peiidra  poder 
=  pora  pendre.  Bartsch,  S.  Agnes  S.  68,  erinnert  an 
das  in  Süddeutschlaud  verbreitete  ,ich  trage  ihm  helfen, 


Die  catalaniscue  metrische  Vebsion  dek  sieben  weisen  Meister. 


223 


statt  ,icli  helfe  ihm  tragen'.  Er  rechnet  dazu  das  be- 
kannte son  ayut  für  ai  estal,  das  aber  (wie  ich  noch 
immer  meine)   nicht  genau   derselbe   Fall   ist. 

847.  Cod.  nicht  deutlich  ob  auirats  od.  aiuraU. 
Ich  weiss  nicht  was  ich  mit  dem  Worte  anfangen  soll. 
Ob  ad-ehriatum  in  der  Bedeutung  von  , bethört,  ver- 
blendet' gemeint  sei? 

867.  Imperativ  durch  den  Infinitiv  ausgedrückt 
auch  in   der  zweiten  Pluralis. 

Fehlt  nach  882  ein  Vers  oder  liegen  da  drei 
assonirende   Verse   (il   il,  ir)  vor? 

884.   Vgl.   Glossar  unter   npercebre. 

880.  Vergleicht  man  1G39  und  2675-G  und  be- 
denkt man  die  formelhafte  Verbindung  comprar  car,  so 
fühlt  man  sich  geneigt,   auch  hier  qicer  zu  lesen. 

Nach  941  dürfte  eiu  Vers  fehlen;  das  ßeirawort 
wird  vey  gewesen  sein.  Da  andererseits  drei  Verse  auf 
-eis  folgen,  so  wäre  es  immerhin  niüglich,  dass  941  mit 
ihnen   assonirte. 

Sowol  965  als  966  sind  reimlos.  Soll  man  Aus- 
fall von  zwei  Versen  annehmen  oder  nach  irgend  einer 
Emendation  sich  umsehen ,  durch  welche  diese  zwei 
Verse   mit  einander  reimten? 

977 — 979.   Drei   Verse   mit  gleichem   Ausgange. 

983.   Cod.   garit.       1010.   Cod.   na. 

1073.   Cod.    dementer   ausgeschrieben. 

1081.  Cod.  stny  aja.  Da  ich  das  erste  Wort  nicht 
zu  deuten  wusste,  liess  ich  eine  Lücke  im  Texte.  Ob 
die  Partikel  sus  darin  steckt  ?  Das  Altcatalanische  Ge- 
brauchte nämlich  sus  (Estevo  hat  surs;  eine  der  um- 
gekehrten Sehreibungen,  worüber  die  Anm.  zu  §.  3G  be- 
richtet) oft  in  Verbindung  mit  tru,  entro  (z.  B.  P.  28  —  29 
chtro  sus  quc  fv),  in  der  Bedeutung  ,bis',  manchmal 
auch  für  ,uahe  an  der  Zeit  da'  o.  , sobald  als'  z.  B.  J.  233 
sus  quant  nos  fom  endret  Almenara  .  .  .  facren  nos  he  .v.  o 
.vj.  aUimares  (^  lluminarias).  ,^vie  wir  bald'  oder  , sobald 
wir  waren'.  Die  Art  wie  sus  (sursum,  sitper)  diese  Neben- 
bedeutung annahm  erklärt  sich  aus  J.  e  quan  vench  a 
la  nuyt  que  fo  sus  ora  d'  alba ;  vgl.  ital.  suW  alba,  sojjra 
sera  , gegen  Abend'.  Dem  Buchstaben  der  Hs.  zunächst 
käme    Sus   que    aja   cantat   lo    c/ayll. 

1100.  Aus  1110  erhellt,  dass  das  Leintuch  auf 
dem  Steine  ausgebreitet  war;  es  ist  demnach  sus  la 
pere   zu   lesen. 

1110 — 13.   Drei   Verse   mit  gleichem  Ausgange. 

1119  ist  reimlos.  Ein  Vers  fehlt,  es  wäre  denn 
dass  man  los  feu  tancar  lesen  wollte,  in  welchem  Falle  drei 
Verse  mit  gleichem  Reime  auf  einander  folgen  würden. 

1136.  Cod.  aylans.  Ich  konnte  mich  nicht  ent- 
schliessen  hier  advcrbielles  «  anzunehmen,  und  emen- 
dirte  zu   aytant. 

1140  —  42.   Drei   Verse  mit  gleichem  Reime. 


1149 — 1154  sind  uicht  recht  deutlich.  Nachdem 
Hippocrates  sagte:  ,Man  muss  es  lange  überlegen  bevor 
man  einen  Menschen  tödtet',  fügt  er  hinzu:  ,Und  da 
ich  meiner  Gattin  traute,  die  mich  dann  verricth,  er- 
kenne ich  diesen  zweiten  Satz  an,  dass  mau  dem  Weibe 
nicht  Glauben  schenken  darf  dort  wo  sie  lün-f;  die 
zwei  letzten  Verse  endlich  scheinen  zu  sagen :  ,Nur 
betreffs  solcher  Dinge  kann  man  den  Frauen  glauben 
die  man  später  zu  bereuen  keine  Gelegenheit  habe' 
oder,  wenn  man  die  Conjectur  del  ver  dir  billigt:  ,Wol 
aber  kann  man  den  Frauen  trauen,  wenn  sie  die  Wahr- 
heit sagen  und  so  Einem  keinen  Anlass  zu  späterer 
Reue  geben'.  Beide  Gedanken  sind  zwar  an  vorliegender 
Stelle  nicht  gerade  passend,  indessen  sind  1169  und 
1172  zu  erwägen,  in  welchen  die  gleiche  Unterschei- 
dung zwischen  den  Dingen  gemacht  wird,  in  Bezug 
welcher  den  Eathschlägeu  der  Frau  Folge  zu  verwei"-ern 
oder  zu  leisten  ist.  In  beiden  Fällen  ist  die  Construc- 
tion  ungemein  hart  und  nur  dadurch  eiuigermassen  zu 
erklären,  dass  das  Impf.  Conj.  creyues  als  von  conech 
abhängig  ansehe ;   que  wäre  unterdrückt. 

1169  ist  reimlos;  vielleicht  fehlt  ein  Vers,  worin 
gesagt  wurde,  in  Bezug  auf  welche  Dinge  der  Kaiser 
seiner  Frau  keinen  Glauben  schenken  darf.  Indessen  ist 
dieser  Zusatz  nicht  unentbehrlich:  es  könnte  e  voslra 
muyller  no  creats  gelesen  werden,  wodurch  mau  drei 
Verse  mit  gleichem  Reime   erhielte. 

1206.  Ich  schlug  que  statt  car  vor,  um  eiu  Cor- 
rclativ  zu  dem  wieder  von  mir  vermutheteu  tal  im  vor- 
angehenden Averse  zu  erhalten.  Die  Emendation  kann 
aber  auch  anders  ausfallen,  wenn  man  1206  als  reimlos 
ansieht  und  Ausfall  eines  Verses  annimmt.  Ich  o-inn- 
um  mit  dem  was  vorhanden  ist  auszukommen,  von  der 
Voraussetzung  aus,  dass  conexerd  mit  mayals,  pensals 
(die  eigentlich  -at  darstellen)  assoniren.  1209  könnte 
dann  mit  1210  assonireu,  sei  es  dass  man  e  preuen 
assats  de  Vaver  oder  e  despenen  lo  de  lur  yral  läse  oder 
durch   Umstellung  den   Reim  preneii :  despenen  erhielte. 

1215.  parlet  kann  mit  2»'es  assoniren;  durch  Um- 
stellung von   res  Hesse  sich  ein  reinerer  Reim  erreichen. 

1223  ist  reimlos,  es  wäre  denn  dass  man  fassd 
betonte :   dann   wären   drei   Verse  auf  -d  vorhanden. 

1231.  Es  fehlt  das  Auxiliare  es,  welches  indessen 
in  dem  son  des  vorangehenden  Verses  virtuell  enthalten 
ist  und   nicht   ergänzt  zu   werden   braucht. 

1242.  Cod.    erra. 

1243.  Streng  grammatisch  w^äre  seriels  am  Platze. 
1248.   Es  ist  mir  aus  meiner  Abschrift  nicht  ganz 

deutlich  ob  der  Cod.  veno  oder  veni  hat;  im  Zweifel 
gab  ich  der  starken  Form,  welche  hier  auch  dem  Metrum 
besser  zusagt,  den  Vorzug.  V.  2180  findet  sich  deutlich 
vene,  worüber  §.  85  der  Einleitung.  Vgl.  Aumkg.  zu  1275. 


224 


A.  MussAi'u. 


1264 — 68.  Fünf  Verse  auf  -ats  f-al). 

1267.  Eine  schöne  volkstliümliclie  Construetion ;  ^ue 
ist    als    Pronomen   rolativum  aufzufassen,   vgl.   416  — 17. 

1269 — ^70.  Es  nüisste  erklärt  werden:  , saget  ob 
es  (nicht)  wahr  ist  (_dass  es  besser  gewesen  wäre), 
dass  (=  wenn)  er  u.  s.  w.'  So  starke  Ergänzungen 
sind  aber  durchaus  unzulässig.  Si  es  ver  gehört  dem 
Schreiber,  welcher  dann  um  einen  Heim  zu  erhalten 
im  folgenden  Verse  die  Worte  Timstellte.  Vergleicht 
man  1155 — 56.  2258  —  59.  3049 — 50,  so  unterliegt  es 
kaum  einen\  Zweifel,  dass  folgendermassen  zu  lesen  ist: 
Dials,   senyor,   no   vahjra   mes   que   sa  muller  creguda  agues. 

1275.  Hier  gibt  meine  Abschrift  recht  deutlich 
lole;  mau  wird  mich  nicht  tadeln,  wenn  ich  dieser  nicht 
geradezu  abzulehnenden,  aber  jedenfalls  seltenen  Form, 
das  starke  tolc  vorzog.  Will  man  aber  dem  Cod.  (falls 
er  wirklich  tole  liest)  folgen,  so  ist  des  Metrums  wegen 
lolel  cap  anzusetzen. 

Nach  1286  dürfte  ein  Verspaar  ausgefallen  sein; 
jetzt   schwebt  der  Coujunctiv  que  noiis  ocia  in   der  Luft. 

1294.   Cod.   so   servidor. 

1.300.  les  bezieht  sich  auf  ,Grüssc',  das  virtuell 
im  A'erbum  saluda  enthalten  ist.  Oder  wäre  es  gestattet, 
das   Wörtchen  zu  streichen .'' 

1303.  Im  Cod.  ist  der  letzte  Buchstabe  von  comen. 
entweder  ein  e  aus  einem  j  corrigirt  oder  umgekehrt 
ein,/  aus  einem  e.  Beide  Formen  sind  zulässig;  ich 
wählte  jene,   welche  dem  Reime  besser  zusagt. 

1330.  Die  Anwendung  des  Pronomens  cella  ist 
hier  wenig  passend  ;  wahrscheinlich  ist  e  ella  gemeint ; 
vgl.  Anmkg.  zu  V.  391.  —  Cod.  axirria;  bei  der  Be- 
liebtheit von  n-  im  Fut.  u.  Condit.  hätte  ich  die  Schrei- 
bung beibehalten  können. 

133.0 — 37.   Drei   Averse  auf  -es. 

1337.  Der  Zusammenhang  fordert  eil  no  corregues; 
den  Text  ohne  weiteres  zu  corrigiren  hielt  mich  die 
Erwägung  ab,  dass  bei  den  vielen  Anakoluthien  unseres 
(jedichtes  es  immerhin  möglich  ist,  dass  der  Verfasser 
die  begonnene  Wendung  verlassen  habe  und  dem  Ge- 
danken gefolgt  sei:  ,es  war  der  Brauch,  dass  wer  immer 
nach  dem  Glockenzeichen  aufgegriffen  ward  durch  die 
Stadt  geschleppt  wurde'.  Der  Conjunctiv  corregues  ist 
wol   auch  in   der  affirmativen  Endung  zulässig. 

1386.   A'ielleicht  hac. 

1420.  Auf  was  bezieht  sich  no}  Etwa  , Nichts  da, 
Aerrätherr'  A'gl.  2354;  der  Kaufmann  fragt  den  Papagei : 
, Warum  sprichst  du  nicht  ?'  Die  Autwort  lautet :  ,No, 
senyer ,     que   fort    suy    irats'.       Ist    zu     übersetzen:     ,loh 


spreche   nicht,    weil  u.    s.   w.'? 


Der  Umstand    dass 


beide  Male  das  Wort  .Herr'  folgt,  könnte  die  A^ermu- 
thung  rechtfertigen,  dass  No  =  dominus,  expletiv  ge- 
Ijraucht,   sei.   Das  Komma  fiele  dann   nach  No  weg. 


1452.   Es   dürfte   eher   a  eylls  zu  lesen  sein. 
1460.   AVenn    mau  guardics    betont,    so  haben    wir 
1460 — 64   fünf  Verse   auf  -es. 

1469 — 70  können  mil  einander  reimen,  nur  muss 
man  certcs  betonen,  1471  ist  reimlos.  Liest  man  1470 
vos  ne  serets  tots  acusats,  so  bilden  1470 — 71  ein  Reim- 
paar, und  1469  bleibt  ohne  Reim.  Durch  Annahme  von 
1469  Respon  ella:  ,En  Verität  würde  man  endlich  drei 
Averse  auf  -at  (ats)   erhalten. 

1488  —  89.  Der  Sinn  der  zwei  A'erse  ist  nicht 
sehr  deutlich.  Sie  können  noch  zur  Rede  des  A''olkes 
gehören :  , Dieser  da  hatte  eine  Frau,  mit  der  er  sich 
wol  hätte  begnügen  können.  Freilich  verschmäht  mancher 
Ehemann  seine  Gattin,  nun  sehet  was  daraus  folgt'. 
Man  könnte  aber  auch  mit  1487  die  erste  Rede  schlies- 
scn,  und  148iS — 89  dem  Erzähler  zuweisen:  ,(Die  meisten 
geben  dem  Manne  Unrecht),  mancher  aber  tadelt  die 
Frau ;  nun  sieh,  was  daraus  wird'.  Dem  steht  aber  ent- 
gegen, dass  es  V.  1478  und  A^  1490  heisst,  Alle  hätten 
gegen  den  Mann  gesprochen;  auch  wird  1492  —  93  her- 
vorgehoben, dass  sie  den  Mann,  der  sich  entschuldigen 
wollte,  nicht  zu  Wort  kommen  Hessen.  Ich  musste  daher 
nach   der  ersten  Deutung  interpungiren. 

1491  reimt  nicht  mit  dem  vorhergehenden.  Da 
aber  der  Vers  offenbar  lückenhaft  ist,  so  lässt  sich  das 
Reimwort  ergänzen.  Entweder:  la  vila  corregud'  ajd  oder 
2)er  la  vila  corregut  siä,  in  beiden  Fällen  mit  unter- 
drücktem  que. 

1506  Cod.  eil  cregut  über  der  Zeile  zwischen  com 
und  sa;  nach  muyler  noch  einmal  cregut,  aber  aus- 
gesti'ichen. 

1515   Cod.   dit. 

1538 — 42.  Fünf  Verse  mit  gleicher  Assonanz. 
1545.  Sechssilbig  und  reimlos.  Betont  man  memhrä, 
so  kann  der  A''ers  zum  folgenden  Reimpaare  gezogen 
werden,  und  er  ist  siebeiisilbig.  Liest  man  lo  seu,  so  | 
erhalten  wir  acht  Silben;  es  wäre  denn,  dass  in  1546 
dien  als  eins,  aufgefasst  und  1547  n'estorgra  od.  no  st. 
gelesen  werde. 

Zwischen  1560  und  1561  dürften  zwei  Verse 
ausgefallen  sein  ;  das  Reimwort  des  ersten  wird  begut, 
das  des  zweiten  menjat  gewesen  sein 

1573.  Vielleicht  auch  bela  i^^  beylla):  ,ioh  muss 
eine  schöne  Frau  finden'. 

1574  ist  reimlos.  Oder  darf  man  in  1572 — 73 
-er  statt  -ar  ansetzen,  so  dass  drei  A'erse  mit  gleichem 
Reime  aufeinander  folgten? 

Nach  157(;  fehlt  gewiss  ein  oder  mehrere  A'erse; 
der  Vordersatz :  ,Es  wäre  besser,  dass  du  das  Geld 
gewännest  .  .  .'  ist  zu  ergänzen. 

Nach  1595  dürfte  ein  Vers  ausgefallen  sein;  in- 
dessen kann  -eyll  mit  -er  assoniren. 


Die  CATAIiiNISCHE  METEISCHE  VeESION   DER  SIEBEN  WEISEN  MeISTEE. 


225 


1656.  Die  vorgeschlagene  Streichung  des  com 
sucht  auf  kurzem  Wege  den  Sinn  Islar  zu  machen.  Ist 
dann  muylers  als  assonirend  mit  leyahnent  anzusehen, 
uder  assonirt  1G55  mit  53 — 54,  so  dass  56  reimlos 
blieber  Unmöglich  wäre  es  auch  nicht,  dass  zwischen 
55   und   56   etwas  verloren  gegangen   sei. 

1658.   Cod.    creguda   V  agues. 

Nach   1665   fehlt  jedenfalls   ein   Vers. 

1670 — 73.   Drei   Verse  mit  gleichem  Reime. 

1695 — 99  enthalten  zwei  Kebensätze  (e  aar  .  .  . 
und  encara  que  .  .  .  \  welche  bei  dem  Mangel  eines 
Hauptsatzes  in  der  Luft  hangen  ;  möglich  dass  nach  96 
etwas  fehle,  es  kann  aber  eine  der  nicht  seltenen  ."Vna- 
kuluthien   unseres   Textes  sein. 

1697.  Die  Anmerkung  am  Fusse  der  Seite  ist 
weniger  metrisch  als  grammatisch,  da  encara  que  den 
Conjuuctiv  fordert.  Statt  depenya  wäre  noch  genauer  die 
nach  §.  4  der  Einl.  mögliche  Form  depenye  anzusetzen,  da 
der  Schreiber  leichter  das  Abkürzungszeichen  für  e  als 
den  Buchstaben   a  vernachlässigen  konnte. 

1719 — 2Ü.  Avia  ist  im  ersten  Verse  Auxiliaro  zum 
Neutrum  slar,  im  zweiten  zum  Transitiv  mantenir.  Vgl. 
jjor  vos  ai  esti  de  mort  pres  |  Et  de  trauail  soff'ert  gi-a7i 
fes.   Fl.   et  Bl. 

1804.  Das  auch  gegen  das  Metrum  verstossende 
HO  ist  entschieden  zu  tilgen,  da  der  Sinn  nur  sein  kann 
.daher   muss   man   sich  vor   Irrthum  hüten'. 

1865 — 66.  Trotzdem  riquesa  mit  peguea  gut  asso- 
niren  können  (man  könnte  selbst  beide  Endungen  voll- 
ständig gleich  machen,  da  nur  ein  Suffi.x  -itia  zu  Grunde 
liegt),  muss  zwischen  dem  einen  und  dem  anderen 
A'erse  etwas  ausgefallen  sein.  Es  ist  der  Gedanke  zu 
ergänzen:  .Die  Leute  werden  meinen,  dass  ich  eines  so 
kostbaren  Kleides  nicht  achte  und  u.  s.  w.';  ein  Ge- 
danke,   welcher    1867  —  70   weiter   entwickelt  wird. 

1871  ff.  Mit  1870  könnte  die  Rede  bezüglich 
der  Kleider  zu  Ende  sein,  und  mit  1871  eine  neue 
Erörterung  beginnen,  deren  Sinn  folgender  wäre :  ,da 
ihi  mich  so  hoch  in  Ehre  hältst,  durfte  ich  nicht  (so) 
unverständig  sein ,  dass  ich  dein  Windspiel  getödtet 
liättc,  wenn  ich  gewusst  hätte,  dass  es  dir  so  sehr  am 
ILerzen  lag;  ich  wusste  es  aber  nicht"  u.  s.  w.  Einige 
Schwierigkeit  macht  dabei  deig  esser  statt  degra  oder 
wenigstens  deck  esser.  Auch  ist  die  Stelle,  wenn  auch 
nicht  gerade  undeutlich,  doch  nicht  frei  von  Härte. 
Mau  fühlt  sich  daher  zu  anderen  Vermuthungen  geneigt. 
\"ielleicht  ist  nach  1872  wieder  etwas  ausgefallen. 
Wie  viel,  hängt  von  der  Bedeutung  des  Wortes  ensenyada 
ab.  Fasst  man  es  im  gewöhnlichen  Sinne  auf,  so  muss 
erstens  zur  Vervollständigung  des  Gedanken  ,ieh  darf 
nicht  so  unverständig  sein'  ein  Satz  folgen,  welcher 
sagt  ,dass  ich  meine  Kleider  zu  Grunde  richte'.  (Mög- 
Denkschriften  der  pliil.-liisf.  C'l.  XXV.  Bd. 


lieber  Weise  könnte  als  zweiter  der  hier  zu  ergänzen- 
den Verse  1866  gelten,  welcher  an  unrechter  Stelle 
eingerückt  worden  wäre);  zweitens  ein  Verspaar,  welches 
einen  das  que  agues  u.  s.  w.  regierenden  Hauptsatz 
enthielte.  Liesse  sich  dagegen  dem  Verbum  ensenyar, 
(was  ich  nicht  bestimmt  weiss)  die  Bedeutung  , zeigen, 
mit  Fingern  zeigen'  zuweisen,  so  würden  1871  —  72  einen 
vollstäijdigen  Sinn  ergeben:  , gerade  weil  du  mich  ehrst, 
darf  man  auf  mich  nicht  mit  Fingern  zeigen';  und  es 
wäre  uur  die  zweite  Ergänzung  vorzunehmen. 

1879.  Besser  empfiehle  sich  die  metrische  Emen- 
dation   dos  gratis. 

1892.   Cod.   senes  faylir.      1901.   Cod.   sie. 

Entweder  nach  1906  oder  nach  1909  fehlt  wahr- 
scheinlich eine  etwas  grössere  Reihe  von  Versen.  Denn 
wie  bei  den  zwei  ersten  Proben,  so  dürfte  auch  hier 
zuerst  die  Tochter  der  Mutter  erklären,  was  sie  zu 
thun  gesonnen  ist,  und  erst  dann  die  entsprechende 
Erzählung  folgen.  Wahrscheinlich  waren  an  zweiter 
Stelle  ein  Paar  Verse  aus  der  Rede  der  Tochter  be- 
nützt und  das  Auge  des  Schreibers  sprang  von  dem 
ersten   Verse  zu  dem  ähnlichen  zweiten. 

1928  —  30  drei  Verse  mit  gleicher  Assonanz 
(as,  ars,   ans). 

Nach  dem  reimlosen  V.  1939  muss  ein  Vers  aus- 
gefallen sein,  in  welchem  etwa  gesagt  wurde,  dass  die 
Frau  sich  auszugehen  anschickte ;  denn  auf  das  blosse 
Aufstehen  hin,  würde  der  Manu  uicht  fragen:  ,Wa8 
willst   du   da   thun  ?' 

1940 — 42.   Drei  Verse  auf  -ar. 

1950.   Cod.   la  carn. 

2007 — 8  sind  reimlos.  Durch  Umstellung  e  que 
ho   comprara  molt   car   ist   Alles   in   Ordnung. 

2027 — 29.  Drei  Verse  mit  gleicher  Assonanz 
(at.   ar   ar). 

2062 — 64.  Drei  Verse  mit  gleicher  Assonanz 
(ila,   ia   ia). 

2065  ist  reimlos;  man  wird  kaum  an  die  Be- 
tonung  mitwavi  denken   dürfen. 

Nach   2074   ist  ein   Vers   ausgefallen. 

2097  ist  reimlos;  denn  die  im  Abschnitte  IV.  der 
Einleitung  aufgezählten  Fälle  von  e  :  i  lassen  sich  alle 
einigennassen  erklären ;  he  aber  assonirend  mit  mori, 
sofri  od.  basti  erregt  grosses  Bedenken.  Oder  soll  man 
more,  sofre  annehmen  ?  Wahrscheinlicher  ist  mir  eine 
Lücke  zwischen   2096  und   2097. 

2102 — 4.   Drei   Verse  auf  -ar. 

2107.   los  ist  wol  als  Dativus   ethicus  aufzufassen. 

2112.  Zu  bemerken  ist  der  Plural  homens,  wäh- 
rend vorher  und  nachher  der  Singular  gebraucht  ist. 
Eine  Emendation  zu  versuchen  —  etwa  quin  hom  eyll 
es  —  ist  indessen  durchaus  überflüssig. 

29 


22G 


A.    MUSSAFIA. 


21  Gl — 62.   Eigcnthümlicli   is(    hier  der  Tebergang   I 
von   der  dirccten    zur    indirectcn    Rede:    ,Ieli    habe   das 
Geld  gefunden'  in  dem  Orte,  wo  er  es  versteckt  hatte: 
gleichsam:   ,und   meinte  damit   den   Ort'   u.   s.   w.     Auch 
ist   nicht   klar,   wann   diese    erste  Aussage    (eine  zweite   [ 
Rede  des  ersten  Betrügers  ist  2164 — 67   enthalten)   ge- 
halten   worden    sei;    am  Tage    der    ersten    Vorstellung   i 
wol  kaum,    denn    sie    sagten   so    eben    dem   Kaiser,  sie 
würden    erst    am    folgenden   Tage    ihre   Kunst  im  Auf- 
findeu  von  Schätzen  zeigen. 

2163  ist  reimlos:  sehr  wahrscheinlich  fehlt  vor- 
her ein  Vers,  welcher  wie  2181.  2197.  2202  sagte: 
,Und  wie  der  folgende  Tag  anbrach'. 

2165.  In  meiner  Abschrift  ist  nicht  deutlich,  ob 
der  Cod.   anits  oder  itnits  (de  nits)  liest. 

2178 — 80.   Drei   Verse  auf  -at. 

2199 — 201.  Desgleichen. 

Nach  2201  sollte,  streng  genommen,  wenigstens 
ein  Vers  folgen,  in  welchem  es  hiesse,  auch  dieses 
Mal  wäre  der  Schatz  gefunden  worden.  Würde  dieser 
Vers  etwa  E  eylls  Vaver  hi  han  trobat  lauten,  so  würde 
die  Anmkg.  über  2199 — 201  gegenstandslos  werden. 
Indessen  ist  es  leicht  möglich,  dass  der  Erzähler  das 
Auffinden  der  dritten  Goldkiste,  als  selbstverständlich, 
verschwiegen  habe. 

2203.   Wol  aeordaren. 

2207.  con  ist  sehr  verdächtig.  Wol  e  on,  vgl.  Aum. 
zu  V.  391.  1330.  Demnach  wäre  die  metr.  Emend.  über- 
Äüssig. 

2210  ist  reimlos. 

2224.  Cod.    carn. 

2225.  Cod.    cramars. 

2229.  Ich  muss  bemerken,  dass  meine  Abschrift 
statt  com  eine  Abkürzung  bietet,  die  als  ver  oder  ves 
zu  deuten  wäre.  Das  zweite  Wort  würde  in  directer 
Rede  wol  am  Platze  sein.  Ich  folgte  der  Construction 
von   2230. 

2233 — 35.   Drei   Verse   auf  -ar. 

2238.  Cod.  die. 
"  •  2250 — 51.  Der  Reim  fehlt.  Entweder  wählt  man 
das  Praesens  für  alle  drei  Verba  und  man  liest  Aquell 
aur  prenen  e  sil  fönen  que  assatz  a  beure  lin  donen  (oder 
mit  trochäischem  Rhythmus  L'  a.pr.  e  si  lo  f.  c'as.  u.s.  w.); 
oder  auf  das  Praesens  prenen  folgen  zwei  Perfecta:  L'a. 
pr.  e  si  lo  foneren  C'as.  sats  a  beure  lin  doneren.  Für  die 
Form   doneren   st.    donaren   vgl.   §.97    der  Einl. 

Der  Sinn  der  VV.  2268 — 71  ist  nicht  sehr  deutlich. 

2277.   Cod.    lelegoters. 

2300.    Die    Einleitung    einer    directen    Rede  mit 
que  kommt  noch   2663.   2971.    3017   vor. 

2310 — 12.  Drei  Verse  auf  -ar. 


2338.  AVenn  frona  Praesens  ist,  wie  das  voran- 
gehende par  zu  fordern  scheint,  so  ist  trond  zu  betonen. 
2350.  Wie  ist /ora  la  vila  zu  verstehen?  Der  Herr 
kommt  ja  von  aussen  her  in  die  Stadt.  Vielleicht  de 
fora  villi,  ein  Ausdruck,  der  auch  sonst  zu  belegen  ist. 
2357  ist  reimlos,  und  das  Gerundium  Ja/iCJi  schwebt 
in  der  Luft;  es  fehlt  jedenfalls  ein  Vers,  etwa  se  donaren 
molt  gran   delit. 

Nach   2395   muss    eine  Reihe  von   Versen    fehlen, 
in   denen    erzählt    wird,    dass    der     Kaufmann    auf    den 
Dachboden    gestiegen,    den    Betrug    der   Frau   erkannte. 
2430.   Cod.   dena. 

2452  ff.  Auch  hier  (vgl.  zu  2112)  Vermischung 
der  zwei  Numeri:  52  —  53  Plur.,  54—55  Sing.,  56  Plur., 
während  endlich  das  a  un  des  V.  58  auf  Erwähnung 
nur  eines  Individuums,  als  Vertreters  der  Gattung,  hin- 
weist. Diesem  auffälligen  Schwanken  wird  abgeholfen, 
wenn  man  V.  56  portara  liest  und  zwischen  53  und 
54   eine  Lücke  annimmt. 

2496.  Cod.  emperayre;  entschieden  falsch.  Ich  setzte 
in  den  Text  emperi,  das  mit  dem  Acoente  auf  der  letzten 
Silbe  zur  Noth  mit  diu  assonireu  kann. 

2504.   que   ells    que    serquen;    so   auch   2539    que   la 
un  d' eylls  que  vaja;  diese  Wiederholung  des  que  unmittel- 
bar  nach    dem  Subjecte    ist    in    catalan.    Prosaschriften 
sehr  häufig;    so   z.   B.   J.    29    conseylaren    7ios   que  nos   que 
prenguessem.    Wenn    Hofmann    in    der    Stelle    que    ab  la 
serpent  que  tractas  das  zweite  que.  tilgen  will,  so  verwischt 
er  da  einen  Catalanismus.   Drei   que  hart   aneinander  in 
J.    32    pregal    que    en    tot    cas    que    eil    que    la  prengues. 
Wenn    ich    an    dieser  Stelle    eine    andere    Lesung  vor- 
schlage,   so  geschieht    es   nur   dem  Versmasse  zu    Liebe. 
2523.   Cod.    ql;  vgl.   Anmkg.   zu    16. 
Nach   2530  fehlt  wenigstens  ein  Vers,  dessen  Sinn, 
nach  dem  franz.  Texte  zu  urtheilen,  wäre  :   .diente   zum 
Trünke    allen     deinen    Nachbarn'.     Das    Reimwort    war 
jedenfalls  vehins. 

2602.    Der    fehlende    Reim    wird    am    leichtesten 
erhalten,   wenn  man  das  Pfct.   anes  ansetzt. 
2621    ist  reimlos. 
2705 — 9.   Fünf  Verse   auf -in. 
2792.   Cod.   mel  ual. 

2794 — 95  reimen  nicht  mit  einander;  Ausfall 
etwa  von  einem  Verspaare  in  der  Mitte  ist  ganz  un- 
wahrscheinlich; es  muss  in  den  Reimwörtern  Verderb- 
niss  stecken.  Ich  vermuthe  im  ersten  Verse  destrohits 
(in  ähnlicher  Bedeutung  3142);  dann  weiss  ich  nicht 
ob  es  gestattet  ist,  dem  Worte /on»7,  die  ital.  Bedeutung 
von  , beendigt'  zuzuweisen:  ,wird  der  junge  Mann  nicht 
aus  dem  Wege  geschafft,  so  ist  es  mit  seinem  ganzen 
Geschlechte  zu  Ende';  eine  Interpretation,  die  in  den 
Zusammenhang  am  Besten    passt    und   sich  enge  an  die 


Die  catalanische  meteische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


227 


zwei  vorangehenden  Verse  anschliesst.  Liesse  sich  fornit 
in  solchem  Sinne  nicht  auffassen,  so  wäre  auch  dieses 
Wort  zu  emeudiren  und  etwa  honit  zu  lesen.  Das 
Metrum  würde  dadurch  hergestellt  werden;  auch  ist 
leicht  zu  verstehen,  -wie  aus  for'onits  der  Fehler  fora 
fornits  sich  ergeben  habe. 

2800  ist  zehnsilbig  und  reimlos,  wenn  es  nicht 
mit  seinem  Endworte  mars  zu  den  zwei  folgenden  Versen 
auf  -als  gehalten  wird.  Möglich,  dass  etwas  ausgefallen  sei. 

2801.  Das  ./  von  jus  ist  in  der  Abschrift  so  lange 
nach  aufwärts  gestreckt,  dass  es  wie  ein  s  aussieht. 
Der  Cod.  hat  demnach  wahrscheinlich  sus;  die  übliche 
Verwechslung.   Vgl.   zu   503.    1100. 

2807.  Cod.  früher  anganat,  dann  das  erste  a  durch- 
gestrichen und  über  der  Zeile  zwischen  n  und  g  ein  a 
geschrieben :  diess  ergibt  naganat.  Ich  hatte  die  Wahl 
zwischen   Van   anagat  und   lo   an  nagat. 

280t) — 11    drei   Verse   auf  -i. 

2812  ist  reimlos;  es  fehlt  wol  ein  Vers,  der 
etwa  sagte,  dass  die  Oheime  des  Knaben  in  der  Ferne 
wohnten,   oder  von  der  Ferne  kamen. 

2818.   Cod.   aquest. 

2822.   Cod.   encalscar. 

2823 — 24  reimen  nicht  mit  einander.  Etwa  Ests 
hom.  qui  t.  f.  fugen  certes  son  nostres  mal  volents?  Muss 
doch   auch   2726  fugen  bctout  werden. 

2827.  Um  den  Reim  zu  erhalten,  müsste  an  die 
Stelle  von  aleses  ein  dreisilbiges  (^oder  zweisilbiges,  wenn 
man  agtieren  liest!  Partie,  der  I.  Conjug.  treten.  — 
Was  kann  überhaupt  ateses  bedeuten?  Der  Zusammen- 
hang forderte  , erreicht,  eingeholt';  also  Vb.  atanyer. 
Ates  kann  aber  nur  Partie,  von  atendre  sein :  wie  passt 
nun   dieses   Verbum   hieher? 

283.5 — 36.  Der  dritte  Fall  innerhalb  weniger  Verse, 
wo  der  Reim  gestört  ist.  Ich  getraute  mir  nicht,  statt 
a  soldada,  asoldats  zu  lesen. 

2836.  Cod.  gns.  wieder  ein  Fall  von  g  statt  q; 
vgl.   Anm.   zu   V.    49. 


2855  ist  reimlos,  wenn  nicht  55 — 57  als  gleich 
assonirend   (i,   it  it)  angenommen  werden. 

2858  ist  reimlos;  es  fehlt  jedenfalls  etwas,  da 
zwischen  dem  Aiisspruche  ,er  war  wolerzogen'  und  der 
Erzählung  ,und  er  hat  seinem  Vater  einen  Becher  ge- 
stohlen' eine   Vermittlung  doch  vorhanden  sein   muss. 

2861    ist  reimlos. 

2912 — ff.  sind  nicht  ganz  deutlich ;  ich  suche  mir 
den  Sinn  folgeudermassen  zti  erklären:  ,Dass  wir  Diesen 
getödtet  haben,  wie  er  auf  den  Rath  seiner  Frau  seinen 
eigenen  Sohn  tödtete,  sollte  als  ein  gottgefälliges  Werk 
angesehen  werden.  Diess  wollen  wir  als  wahr  behaupten; 
denn  wenn  der  Sohn  sich  seines  Vaters  bedienen  will 
(d.  h.  dessen  Sachen  benützen  will,  wie  der  junge  Mann, 
wenn  er  auch  wirklich  den  Becher  seines  Vaters  genommen 
hätte),    so    verdient    er    deshalb    doch    nicht     den   Tod'. 

2927.  Sonst  wird  immer  das  unpersönl.  prendre 
mit  der  Präposition   a  construirt ;   hier  mit   en. 

3089   ist  reimlos. 

2092.   Dessgleichen. 

3097 — 99.  Drei  Verse  auf  -ir. 

3106 — 8.  Drei  Verse  auf  -ia  und  3108  reimlos. 

3142  ist  reimlos,  es  wird  ein  Vers  fehlen.  Denn 
man  wird  kaum  destrohidd  lesen,  so  dass  40  —  42  mit 
einander  reimten. 

3151  ist  reimlos.  Auch  hier  kann  man  mit  ziem- 
licher Bestimmtheit  Ausfall  wenigstens  eines  Verses 
annehmen. 

3194.  Das  Pronomen  aquella  macht  unmöglich, 
schon  nach  dix  directe  Rede  anzunehmen.  Man  könnte 
dix:  ,Que  IIa  batayla'  mit  der  in  der  Anm.  zu  V.  2300 
nachgewiesenen  Anwendung  von  Que  zur  Einleitung 
einer  dircctcn  Rede  annehmen.  L'emperador  dix:  ,La 
bat.'  wäre  freilich  das   einfachste. 

3242   ist  reimlos. 


29* 


228 


A.    MUSSAFIA. 


ZUM  LEXIKON. 


acordar;  ein  sehr  beliebter  Ausdruck  unseres  Gedichtes. 
Es  erscheint  als  Intrans.  refl.  z.  B.  «i  m'rtcorda« 
abans  1145,  oder  als  Trans,  mit  dem  Reflexiv- 
pronomen im  Dativ:  ara  m'o  he  acordat  1143;  so 
auch  2203,  2601.  Die  Bedeutungen  sind:  ,sich 
überlegen ;  Etwas  ausdenken ;  sich  zu  Etwas  ent- 
schliessen';  recorda  703.  Wenn  das  Subjcct  im 
Plurale  steht,  so  kann  auch  die  Bedeutung  .über- 
einkommen, zusammen  beschlicssen'  angenommen 
werden;  so  233  (=  2503.  2538).  In  der  Conjngatio 
periphrastica  auch  ohne  Reflcxivpron. ;  2462. 
2499.   —  Vgl.    das   folgende  Wort. 

aCOrt   in  Verbindung    mit    aver    und   /er;    aver    ac.   mit 
dem  Possessivum  =  se  acordar:  696  ara  es  lo  lebrer 
mort,   el   cavaller  hac   son   acort   que   anas  veser   on  V 
(y  Infant)  a  menjat;  der  Kaiser  sagt  2659  puys  aure 
mon    acort    dels     .vij.     savis    si    merexen    mort;     die 
Oheime  des   ertränkten  jungen  Mannes  an  aut  lur 
acort  que  ocien  lo  cavaller  2873;   die  sieben  Weisen 
estaven  en  la  cort  e  ngren  tots  .vij.  acort  e  pensenn.  s.  w. 
2445   (die  metrische  Emendation   lur  ac.  empfichle 
sich  besser    als  agueren).    Mit   einem   Adjoctiv  der 
Eigenschaft:   ,ich  werde   die  Meister   tödten',   sagt 
der  Kaiser,   e  ja  altra  acort  no  n'aure  26G4;   Hippo- 
crates  tödtete  seinen  Neffen   e  an  aut  fort  mal  acort 
1015   ,und    da    war    er    übel    berathen,    und   sein 
Entschluss  brachte    ihm  Schaden';    eben   so   2396 
lo  mercader   lo  papagay   ha   mort  e  noy  feu  ges  hon 
acort.    Auch    in   den    anderen   Stellen,    wo  fer  ac. 
vorkommt,   findet  sich    stets    das   Adjectivum   bon: 
die  Kaiserin  sagt  210   si  aquest  Infant  fos  mort,  yo 
poria  fer   bon    acort;    und    das    Mädchen,    welches 
den   eigenen  Vater  tödten  lässt,   meint  com  eil  sera 
mort    yo   aure   fet    bon    acort    que    a   tots  mos   amics 
diria  u.  s.  w.   2987.    Hippocrates  von  seiner  Frau 
verrathen,  sagt:    1062  pus  aquesta  fembra  t'a  mort, 
per  que   tu  no  fas  bon  acort  .  .  .  que  ella  moris  abans  f 
Vgl.   auch   ardit. 
adobar    .zubereiten'    von    Speisen     969.     1043.    1929; 
, zurichten'   ironisch  gemeint,    also    .arg  zurichten' 
von  einem   Pelze   ^^hier  in   der  Form  dobar)    1863. 


afaytar,   S';   afaytes  de  son  mal    1778  , bemüht  sich  um 

Etwas,   das   ihr  Unheil   bringen   wird'. 
alansejar  2891,   alens.   2890    ,mit    der  Lanze   verwun- 
den,  durchbohren';   bei  Rochegudc,   Est.   alancejar; 
span.   alancear. 
altar,    se;    , Gefallen   an   etwas   finden':   vostra   coltell,    de 
queus  solels   tant   altar  1919.   Dem   prov.   se   azautar 
entsprechend.     Das    einfache    altar    ist    in    catal. 
Schriften  häufig;    so  z.   B.   in    Gen.    (das    Glossar 
erklärt  richtig  das  Wort:    ,agradarse    de,   compla- 
cerse   en');    auch    Esteve    führt  es,     aber  als  ver- 
altet   an.    Hofmann    brauchte    demnach    nicht    zu 
dem  se  allaven    seines    Textes    (Abschn.    22)    ,lie8 
se   asaltaven'   zu   bemerken. 
aniagat,    d'    in    der   Form    d'emagat    1207    ,in   Geheim', 
noch  lebend  neben  d'amagatotis,  einst  auch  d'amaga- 
tons,   prov.   amagatadamen.   Vom  prov.   cat.  Verbum 
amagar  .verbergen',  das  Diez  II  94   erwähnt,   ohne 
es  zu  deuten.   Salvä  führt    span.    amagar   als  pro- 
vinoiell  für   agacharse  ,sich  ki'ümmen'  oder  , ducken 
während  der  Gefahr,  eine  bessere  Zeit  abwartend'. 
anailtar    27  75     , entehren';    Rayn.    II     82    verzeichnet 

enantar. 
anar  als   .Vuxiliare  des  Perfectes,   wie  im  späteren  Ca- 
talanischen,   ist  in  unserem  Gedichte  sehr  selten; 
se   va  mescler  ^=  se  mescla    1958;    tantost  van   Vaver 
trobar   2194.* 
angoxar    absolut    gebraucht    in    reflexiver    Bedeutung 

770;   vgl.   congoxar. 
apagar   .auslöschen'     2078.    2089.    2091;    bei  Rocheg., 

noch  cat.  u.  span. 
apercebre  von  Rochogude  durch  .avertir,  donner  avis' 
übersetzt,  hat  noch  im  Catal.  und  im  Span,  (in 
der  Form  apercebir)  die  Bedeutung  , ermahnen,  war- 
nen, unter  Strafandrohung  verwarnen'.  Die  nicht 
o-anz  deutliche  Stelle  V.  884  ist  demnach  viel- 
leicht  mas  a  tots  vos  yo  apercep  zu  lesen  und  ,ich 
sage  jedoch  euch  Folgendes'  zu  übersetzen. 
aplegar  (ausser  dem  Accente  auch  aplagar)  .sammeln' 
2447.  2473.  2474.  2487  ;  so  noch  im  Cat.  neben 
arreplegar;   span.   allegar,   port.   achegar. 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


229 


apniltalar  ,dnrch  Balken  stützen'  2210;  noch  oat.  und 
apan.  ;    it.    cippunlellKre. 

ardit  kommt  mehrfach  vor.  Encille.s  .sagt  dem  Kaiser: 
Bevor  ich  dir  meine  Mähre  erzahle,  la.ss  deinen 
Sohn  hicher  kommen;  com  yous  aure  a(;o  dit,  vos 
aureus  hon  iirdit  e  conexerets  u.  s.  w.  901.  —  Die 
Mutter  rilth  der  liebesbedürftigen  Tochter:  fets 
un  ardifj  assejats  vostrn  marit  1751;  assaja  altra 
veU  ton  marit;  faras  bon  a.rdit  1824.  Und  als  die 
Tochter  erzählt,  dass  sie  ihren  Mann  mit  gutem 
Erfolge  auf  die  Probe  gestellt  hat,  fragt  die 
Mutter:  Quin  es  Ion  ardit?  1821.  —  I<]iner  der 
geldgierigen  Weisen  setzt  den  Gefährten  ausein- 
ander, wie  sie  durch  Traumdeuterei  sich  bereichern 
können,  e  los  altres  han  dit  que  aquell  ha  dit  hon 
ardit  2460.  Die  Bedeutung  berührt  sich  also  viel- 
fach mit  der  von  acort;  ,Rathschlag,  Meinung, 
Entschluss',  hie  und  da,  besonders  1751,  mit  der 
Nuance  , listiger  Rathschlag'  u.  s.  w.  Im  Neucat. 
finden  wir  noch  ardit  ,List,  Kriegslist',  dem  span. 
port.  ardid  entsjjrechen,  über  dessen  vermuthlichen 
Ursprung  Diez  I  30  nachzusehen  ist.  Vgl.  auch 
prov.  ardit  in  der  C'h.  des  Albigeois,  besonders 
V.  8834.  —  Noch  zu  bemerken  ist,  dass  ältere 
catal.  Schriften  das  Wort  auch  in  der  Bedeutung 
von  jNaohricht,  Neuigkeit'  gebrauchen;  so  P.  53 
hac  ardit  ,er  erfuhr';  Mihi  im  Jahrb.  V  152.  So 
auch  Hf.  7  li  fes  a  saher  tots  los  ardits  de  QO  quel 
rey  feya  en  sa  terra  contrc  lo  compte  ,alle  Nach- 
richten'; würde  de.  fo  fehlen,  so  könnte  es  , listige 
Anschläge'  bedeuten. 

arrenar  sompnis  , deuten';  kommt  mehrfach  vor,  2451. 
2463.  2525.  2598,  so  dass  an  einen  Fehler  kaum 
zu  denken  ist.  Im  Provenz.  narrar,  enarrar.  Liegt 
eine  Metathesis  vor,  so  ist  sie  jedenfalls  ganz  un- 
gewöhnlich. 

art   als   Femin.    221.    234,    als   Masc.    320. 

assajar  hat  in  der  Erzählung  tentamina  die  Bedeutung 
,auf  die  Probe  .stellen'.  V.  2745  u.  2780  bedeutet 
es  , versuchen  etwas  Unrechtes  zu  thun,  wagen'. 
In  der  Erzählung  avis  sinnt  die  Frau  auf  Mittel, 
sich  dos  unbequemen  Papageis  zu  entledigen :  araus 
dire  en  quäl  manera  l'assaja  2330 ;  sie  meldet  dem 
Buhlen,  er  solle  nur  kommen,  del  papagay  nos 
tembra,  car  ella  lo  assejara,  e  direus  com  lo  asseja 
2334  —  5,  worauf  die  angewandte  List  erzählt 
wird.  Da  das  Pronomen  lo  sich  nur  auf  den  Vogel 
beziehen  kann,  so  erscheint  hier  das  Verbum 
assejar  in   einer  ungewöhnlichen  Bedeutung. 

ilturar,   s'   ,3ich  aufhalten,   zögern'    1037;   noch  cat. 

avenir  persönlich  gebraucht  und  mit  Bezug  auf  eine 
Person;   der  Kaiser  sagt:    Mein   Sohn    und   dessen 


Lehrer  werden  es  theucr  büssen,  ear  fort  mal  hi 
an  avengut  888;  wol  zu  übersetzen  , schlecht  hat 
es  ihnen  bekommen'.  In  folgender  Stelle  yo  vos 
he  he  mostrat  en  que  porets  avenir  e  en  que  porets 
faylir  16  72  scheint  das  absolute  Verbum,  wie 
sonst  oft,  optimistischen  Sinn  zu  haben  ,wie  ihr 
zu  gutem  Ziele  gelangen  könnet';  indessen  ist 
vielleicht,  wie  schon  in  den  metrischen  Emen- 
dationen  angedeutet  wurde,  be  zu  ergänzen.  — 
Ueber  ave  vgl.  fer,  a. 

aver;  com  (ells)  s'i  son  aiits  2230  ,wie  sie  sich  da  ver- 
halten haben'.  Ist  hier  eine  besondere  Bedeutung 
von  aver  als  Reüexivum  zu  erkennen ;  oder  ist 
esse  hier  in  prägnanter  Bedeutung  gebraucht,  so 
dass  «0)1  aiits  für  an  estat  stünde?  «'  wüi'de  in 
diesem  Falle   expletiver  Dativ  sein. 

bastar;  quo.  lo  rey  los  hast  d'aver  2133  ,sie  mit  Geld 
versehe';   wie   bei   Rayn.   II    192  d'aver  sui  bastats. 

bOCh;  die  Kaiserin  ermahnt  ihren  Gemal  den  Ein- 
flüsterungen der  Weisen  kein  Gehör  zu  geben  und 
den  Sohn  zu  tödten,  no  creats  nuyla  fidorqe.  mas 
vage  lo  hoch  en  la  corda  531.  Eine  ähnliche  sprich- 
wörtliche Locution  im  Castia-gilos  des  Eamon 
Vidal.  Die  Frau,  welche  den  eifersüchtigen  Gemal 
zuerst  geschlagen,  dann  eingesperrt  hat,  sagt  dem 
Buhlen:  araus  don  so  c'avets  tostemps  dezirat,  c'amors 
0  vol  e  m  0  acordn  e  laissem  lo  hoch  en  la-  corda. 
Der  Sinn  dürfte  demnach  sein  :  ,Wer  Einem  Uebles 
thun  wollte,  der  möge  es  selbst  erdulden'  oder 
,Wer   Strafe  verdient,   der   möge   sie   büssen'. 

boriiar  603,  prov.  beordar,  fr.  hehourder  u.  s.  w.  Die 
Form  mit  n  auch  bei  Bernart  d'Esclot,  in  Bezug 
auf  welche  Stelle  Diez  fragt,  ob  nicht  bornaren  zu 
bordaren  zu  emendiren  sei.  Das  Vorkommen  des 
Wortes  auch  in  unserem  Texte  spricht  zu  Gunsten 
derselben.  Esteve  führt  als  veraltetes  hornar  an, 
das  er  ,dar  voltas,  torns'  lat.  ,gyrare'  erklärt.  Also 
begritflich  mit  beordar  innig  verwandt;  vgl.  tor- 
neo  u.  s.  w.  Ob  aber  auch  formell  identisch  so 
dass  d  zu  n  übergangen  wäre,  ist  mehr  wie  zweifel- 
haft. Mit  cat.  hornar  ist  das  dunkle  span.  hornear 
, krümmen,  ausweichen'  (Diez  I  76);  port.  hornear 
a  pega  (in  der  Artilleriekunst)  ,voltd-la  segundo 
a  pontaria  que  se  (juer  farer';  borneio  ,movimento 
oon  direcqao  circular,  em  gyro'  zu  vergleichen. 
Ferner  ist  an  span.  borne,  port.  borneio  ,extremo 
de    la    lanza    con    que    se    justaba'    zu   erinnern. 

CObina;  per  e.  de  tresor  2060.  2257,  ein  siebensilbiger 
Vers;  2242  e  per  c.  de  tresor  hat  acht  Silben; 
per  c.  d'un  besant  2468  ist  wieder  siebensilbig. 
Da  die  Bildimg  des  Wortes  schwer  zu  erklären 
ist    und    da  n    im  Cod.    mit    ti    oder    ei  leicht  zu 


230 


A.    MUSSAFIA. 


verwechseln  ist,  so  lässt  sich  fragen  ob  nicht 
cohitia  (so  in  der  Noblu  Leyczon)  od.  cobicia  (altspan.) 
<i'craeinf   ist. 

COlor-inudat  t;7'2.  1053.  .verlÜrbt,  eiblasst'.  Ein  Compo- 
situm aus  einem  Verbum  (hier  im  Participium) 
und  einem  Substantive  in  obliquem  Verhältnisse; 
v>t1.    Darraestetev,   Mots  composcs,    139   ff. 

«Oniillill,  per.  Die  Frau  will  die  Geduld  ihres  Mannes 
zum  dritten  Male  dadurch  prüfen,  dass  sie  das 
Gastmahl,  bei  welchem  viele  Eingeladene  ver- 
sammelt waren,  stört;  sie  kündigt  es  durch  die 
Worte  assejar  l'e  per  com.  1906  an.  Der  Ausdruck 
bedeutet  im  Prov.  .zusammen',  hier  etwas  ver- 
schieden ,mit  Anderen  zusammen,   öffentlich'. 

COnipte;  fets  campte  de  pcrdut  1686  .betrachtet  euch 
als  verloren'  auf  mehre  Personen  bezogen ;  eben 
so  la  dona  fa  c.  de  perdui  3219;  also  gleichsam 
,die  Kechnung  eines  Verlorenen  machen,  seine 
Lage  so  ansehen,  wie  ein  Verlorener  es  thut'; 
daher  stets  perdut. 

COUH'OXar  absolut  gebraucht  mit  reflexiver  Bedeutung 
634.  So  noch  im  Span.;  Est.  kennt  nur  das  Ke- 
flexivum.   Vgl.   angoxar. 

COnreil,  fahia  mal  , führte   sich  schlecht  auf   2709. 

COrall   ,ans   Herz  gewachsen'    1874. 

«Orrer:  zu  bemerken  die  doppelte  Construction  correr 
la  vila  1337.  1447.  1480.  1509  und  esser  corregut 
per  (la)  vila  1380.  Vgl.  auch  Anmkg.  zu  1491. 
So  im  Mittellatein :  für  currat  villam  (auch  per 
villam)  und  currant  cum  per  villam.  Die  Bedeutung 
erklärt  DC.  ,currere  dicebantur  qiii  ob  crimen 
aliquod  per  urbem  traducebantur' ;  vgl.  auch  die 
Stellen  unter  trotari  (trotabuntur  per  villam).  Zu 
der  schimpflichen  Schau  werden  sich  wol  oft  auch 
Schläge  gesellt  haben;  vgl.  V.  1443  escobat  sere; 
Esteve  erklärt  das  veraltete  corregut  geradezu  mit 
,assotat  publicament'. 

€0rtes  als  Subst.  ,TIofmacher'   213. 

decailtar  , neigen,  biegen'  rcfl.  gebraucht  497.  830; 
lebt  noch  im  Cat.  Span. ;  als  technischer  Ausdruck 
im   it.    decantare,   frz.    decanter.    Vgl.   esdecantar. 

depenyer,  Se ;  encara  ques  depenye  mut  ,obwol  er  sich 
stumm  stellt'  1697;  vgl.  bei  Kayn.  bes  deu  gardar 
qui  a  drutz  se  depeis,  die  Uebersctzung  ,se  dessiue' 
ist  nicht  ganz  befriedigend. 

desar:  Die  Knechte,  welche  den  unschuldigen  Jüngling 
ertränkt  hatten,  sehen  dessen  Oheim  und  be- 
ginnen zu  fliehen,  loa  cavallers  quils  viren  desar 
los  comensen  d'encalsar  2820.  Esteve  führt  dieses 
Verbum  an  und  erklärt  es  ,alzar,  guardar;  abdere, 
reconderc'.  Soll  man  also  se  dexar  (das  Pronomen 
Eeflexivum  ist    in    unserer  Stelle  vor  dem  lufiu. 


nach  viren  unterdrückt)  ,Bich  verstecken,  sich  dem 
Blicke  entziehen'   übersetzen?    Saura'a   oatal.  Wb. 
übersetzt  desar  wie  Esteve,  ferner  durch  ,reservar, 
retirar';  ,sich  zurückziehen'  würde    ebenfalls  gut 
zu  unserer   Stelle  stimmen. 
desayre    1662.   Das   Subst.    hat    oder    hatte   wenigstens 
in   allen   Sprachen   die    das   Wort    besitzen    (prov. 
cat.   span.  port.)   die  zwei  sich  vielfach  berühren- 
den Bedeutungen  .Unglück'    (auch    .Mangel'.  .Un- 
gemach'1  und  .Schimpf.   Beide  würden   in  unserer 
Stelle   passen ;   besser  die  zweite. 
deSCUJ't,   en    794.    Die    Lesung    des    Wortes    ist    nicht 
ganz     sicher;     in     Förster's    Abschrift    Hesse    sich 
auch   destuyt  erblicken;    Paris    theilte  mir   desruyt 
mit.   Ich  zog  deseuyt  vor  und  erkläre  .unversehens, 
unüberlegt';  von  dis-cogit-, 
desnienar   .verweigern'   2868.   3034;    prov.    desmandar. 
dida  ,Ammc'   658  ;   noch  cat. 
dobar:   siehe  adohar. 

eiuparar;  emparas  lo  de  bona  amor  e  mostras  li  u.  s.  w. 
1691;  wol  , lehren' ;  prov.  und  altcat.  bedeutet 
es  , lernen';  die  zwei  Begriffe  werden  oft  ver- 
wechselt; vgl.  apprendre.  —  V.  3029  hat  das 
Verbum  die  noch  im  Cat.  lebende  Bedeutung  von 
, schützen,  in  seinen  Schutz  nehmen'. 
endreSSar  .einrichten,  die  zur  Ausführung  eines  Vor- 
habens nöthigen  Vorkehrungen  treft'en'.  Die  Kai- 
serin sinnt  wie  sie  den  Stiefsohn  in's  Verderben 
stürzen  könne  e  cant  ago  hac  eiidressat  si  a  son 
marit  apeylat  226.  Die  Tochter,  welche  den  Tod 
des  Vaters  vorbereitet,  sagt:  en  tal  guisa  o  endressare 
que  ja  nul  hom  non  sabra  re  2985. 
euriquellir  ,bereichern'  2599,  enraqu.  2480.  Die  Bil- 
dung ist  zu  bemerken;  aus  rieh  wäre  zu  erwarten 
enriquir  [-requ-,  -raqu-)  wie  im  Prov.  und  Neucat. 
Viele  ähnliche  Bildungen  verzeichnet  Esteve;  alle 
mit  der  Bezeichnung  ,vcraltet'  und  mit  Angabe 
der  neueren  kürzeren  Form;  statt  -elr  vielfach 
-air.  So  aiidiirair  nb.  endurir,  anflaquair  nb.  aflaquir, 
anglotair  nb.  englulir.  (tiifristair  nb.  aitristir,  anvanair, 
anvilayrnh.  envilir,  sclarair  nb.  esclarir,  scurair  u.  s.  w. 
Ich  verrauthe,  dass  diese  Verba  nicht  aus  dem 
Adjective  unmittelbar,  sondern  aus  dem  mittels 
des  Suö".  itia  =  cat.  ea  abgeleiteten  Abstracta 
gebildet  wurden;  also  z.  B.  aus  tristea,  entristair 
=  in-trisi'iti-ire. 
escalonar  2218  scheint  dieselbe  Bedeutung  zu  haben 
wie  apuntalar  (s.  o.).  Ist  aber  das  Wort  richtig 
gelesen'?  Und  womit  hängt  es  zusammen?  Mau 
vergleiche  folgende  Stelle  aus  J.  117;  los  cavadors 
passaren  ab  pichs  e  guamits  tro  a  les  torres,  e 
comengaren  de  cavar  a  pcsar  dds  Sarrains  qui   nou 


Die  cätalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


231 


podien  deffcndre,  e  meieren  priinerament  unii  torra  en 
estolonS,  e  quan  aquela  torra  fo  mesa  en  estolons, 
meieren  fach  als  eslolons,  tanl  tro  que  la  lorre  se/ene. 
Die  Situation  scheint  dieselbe  zu  sein  wie  in 
unserer  Stelle;  und  jedenfalls  liegt  dasselbe  Wort 
Tor.   Was  bedeutet   aber  estolon? 

esdecautar,  s\  esdecanlarse  487.  Wenn  keine  andere 
Belege  für  dieses  Compositum  zu  finden  sind,  so 
lässt  sich  auch  an  der  betreffenden  Stelle  s'es 
decantnt  lesen ;  unser  Gedicht  erlaubt  sich  die 
Assonanz   a,   -at. 

fadl'i   ,Kind'   597;   Noch    im  Cat. ;    auch    im  alt.   Span. 

fillorge  530  .Fabel,  Lüge,  Posse';  neucat.  falornia, 
bei  Borao,  diccionario  de  voces  arragonesas,  fcdordia, 
bei  Fuster,  Vocab.  valenciano, /nZoria,  altfr. /a^orda, 
ven.  fiilopa  Tind  wol  in  vielen  anderen  Idiomen; 
Alles   mit  gleicher  Bedeutung. 

flixai',  se ;  flixem  nos  ab  poca  res  1227  .begnügen  wir 
uns'.  So  in  den  Gramm,  prov.  S.  45  fleis  ,fit 
[l.  siO)  contentus'.  —  In  Doc.  189  etwas  anderes: 
Flixet  de  ta  volental  que  faries  contra  ton  seny  si 
la  complies  , enthalte  dich'  ;  ähnlich  Folquet  de 
Lunel  ed.  Eichelkraut  V  V.  53  tro  que  del  mal 
dir   se  fleis. 

fer;  so  feya  2315  von  einer  Frau  euphemistisch  ge- 
braucht für  , ihrer  Lust  fröhuen';  sonst  gewöhn- 
lich nur  vom   Manne. 

fer;  «  fer  cove  que  y  anels  1592;  a  fer  ave  de  trobar 
2729.  Eben  so  bei  Jacme  a  fer  ave  que  s'a  a 
complir:  Doc.  142  si  ave  a  fer  de  morir,  placius 
quem  auciats  ab  el.  Auch  in  einem  launigen  Ge- 
spräche zwischen  En  Buch  und  seinem  Pferde, 
das  Förster  bald  herausgeben  wird,  findet  sich 
dieselbe  Locution.  .4  fer  ist  pleonastisch,  das  fol- 
gende Verbum  gleichsam  ankündigend ;  vgl.  kd 
sayso  que  fer  no  porels  pendra  conseyU  1595.  — 
Wie  man  sieht,  ist  hier  das  unpers.  avenir  mit 
covenir  gleichbedeutend.  Eben  so  verhielt  es  sich 
vielfach  mit  dem  persönlich  gebrauchten  avenir 
im   Altcat. 

fretlira,   far   ,fehlen,   mangeln'   2136;   .so   noch   cat. 

gitar,   se   ,Rich  in's  Bett  legen'    1936;   so  spau.   eeharse. 

layre,  seny  (lel  2962  muss  eine  Abendglooke  bezeichnen. 

intrai";  paria  la  terra  se  n'intrava  2307  ,die  Erde,  die 
Welt  schien  zu  versinken'.  Esteve  führt  an:  en- 
trarsen  ,ruere,  corrueri',  entrarsen  tot  ab  aygua 
jCffusissimum  imbrem  ruere',  und  zwar  ohne  irgend 
eine  Beschränkung,  so  dass  der  Ausdruck  noch 
zu  leben  scheint.  Allgemein  gebräuchlich  dürfte 
es    aber    doch   nicht  sein,   denn  sonst  hätte   Mild, 


der  gelehrte  Catalanc,  nicht  bei  der  Stelle  (S.  472 
Anra.)  com  (lo  jutglar)  fo  IIa  on  lo  castel  era,  tot 
fo  aytant  pla  com  la  palma,  que  sen  fo  entrat  ,denn 
es  war  versunken'  das  letzte  Wort  mit  einem 
Fragezeichen  verschen. 

ivas.  Das  Wort  kommt  vielfach  vor:  680.  1027.  1781. 
1862.  2036.  2778.  2994.  Trotz  der  Schreibung 
yuas  (1027),  welche  die  Lesung  iu  oder  iv  ge- 
währleistet, wäre  man  versucht  vias  =  prov.  viatz 
zu  lesen.  Indessen  bieten  Gen.  250  iuas,  J.  39 
yuas,  Est.  führt  als  veraltet  iuas  an  (das  er  un- 
richtig unter  Jod  anführt,  als  ob  yuas  gemeint 
wäre);  ferner  Gen.  155  iuassosament,  P.  53  -wol 
durch  einen  Schreib-  oder  Druckfehler  ivarcosament 
(eine  absonderliche  Ableitung;  das  Prov.  hat  vias- 
sament).  Die  Lesung  des  Wortes  dürfte  demnach 
nicht  anzufechten  sein.  Ein  eigenes  Etymon  wird 
man  jedoch  nicht  suchen;  es  muss  ein  proven- 
zalisches  Lehnwort  sein ,  auf  gelehrtem  Wce 
eingeführt.  Eine  falsche  Lesung  erbte  sich  durch 
literarische  Tradition  fort.  Wenn  dem  so  ist,  so 
haben  wir  da  eine  ihrer  Seltenheit  halber  sehr 
merkwürdige  Erscheinung.  —  Auch  in  dem  prov. 
Margaretenleben  ed.  Noulet  V.  196  yuas  (Romania 
IV  486). 
largas,    Augmentativ    von    lary    in   der  Bedeutung  von 

, freigebig'    1189.    Est.   llargas   ,valde   longus.' 
legoter  ,Schmeicliler'   2277;   statt   lag.,   wie  in  anderen 
cat.   Schriften,   im  Prov.   und   Span.;   Diez  II  355. 
malanat  , schlecht'   712;  ursprünglich  wol  , unglücklich.' 
lualfadat  , unglücklich'   673,   , unglückselig'    1923. 
inans,   ineter  mit  präpositionellem  Infinitiv  , beginnen'. 
Die    Präpos.    ist    entweder   a:  la   dona  mes  mans   a 
plorar  2784,   oder  per,   dem,   wie   sonst   oft,   noch  a 
hinzugefügt  werden  kann :   materen  mans  per  dol  a 
fer   1261.   Ferner   eil  mes  mans  per  alegrar  eis  convi- 
da.ts  a  solassar  1926 — 7,  wo  beide  Präpos.    neben 
einander    vorkommen.    Auch    mit    dem    Sing,   ma; 
J.    110   meieren  ma,   a  plorar. 
niinvai*    als    intrans.    lo  fach   no    minvave    2065    ,nahm 
nicht    ab'.    In    der    Stolle    la   caldera   ha   im  buyll 
minvat   2606.   2610   kann  ha  selbstständige  Bedeu- 
tung haben  und  minvat  prädicativer  Accusativ  zu 
buyll    sein,     oder    ha    minvat    ist    periphrastisches 
Perfect   =  minva.    In    beiden    Fällen    ist  der  Ge- 
brauch   des    Wortes    bemerkenswerth    ,die  Anzahl 
der    siedenden   Stellen   im  Kessel  hatten   um   eine 
abgenommen'.    —   1473  kommt   trans.  aminvar  vor. 
mirador   , Warte'    1020;   so   noch  cat.  (Esteve:   ,lloc  alt 
desde  ahont  se    mira),   span.    (Salvä:     ,balcon   cu- 


'    Diese  Emendation  rührt  von  Tobler  her,   der  mir  bei  diesem  und  manch  anderem  Worte  dankenswerthe  Winke  gab. 


232 


A.   MUSSAFIA. 


bierto  con  sii  ti'jadillo,  y  i'üdcadci  de  vidricnvs,  quc 
suclc  habor  cu  las  casas,  para  mirar  lo  quo  pasa 
sin  padccer  la  molcstia  de  los  tcinpuralcs')  aucb 
miradero;  port.  (Moracs:  lugav  alfo  da  casa,  d'ondc 
se  descortina  uu  largo  liorizoutc),  auch  mirante. 
Vgl.  miranda  bei  DC.  —  Iii  der  Erzählung  Vir- 
gilius  hat  das  Wort  die  Bedeutung  .Spiegel'. 

lUOrir;  /"'■  morrer  la  hun  Ififl?  notdi  jetzt  oat.  morirsc 
, erlöschen';  nach  far  wird  im  Tufinitiv  das  pro- 
nomen  personale  unterdrückt ;  daher  , erlöschen 
lassen'  =  .auslöschen'.  Vgl.  it.  smorzare,  prov. 
aniortar  ainortir  u.   s.   w. 

IHOVer:  la  dona  mou  grau  frabayll  ,ist  und  geberdet  sich 
sehr   betrübt,   erzürnt'. 

liech;  car  sius  o  (eniam  neck  2841  ,weuu  wir  euch  diess 
verborgen  hielten'.  Auch  Esteve  führt  nech  als 
veraltet  au  und  erklärt  es  durch  ,ocult,  amagat'. 
Ueber  prov.  tener  nee  .verheimlichen'  siehe  Phi- 
lipson,   der    Mönch  von   Moutaudon,    Anm.   XI  27. 

—  Nicht  zu  übersehen  ist,  dass  zwei  Verse  vor- 
her derselbe   Begriff  durch 

negat,  teuer  ausgedrückt  ist.  .Etwas  Wahres  läuguen' 
und  ,dio  Wahrheit  verheimlichen'  sind  zwei  Be- 
griffe, die  sich  sehr  nahe  berühren.  Negar  ist  wol 
das  lat.  Verbum,  nicht  etwa  eine  Ableitung  von 
neeh.  Aber  auch  nee  in  dieser  Bedeutung  wird 
kaum  als  eine  Ableitung  von  negar  anzusehen  sein. 
Solleu  also  die  zwei  Stämme  ganz  verschieden 
sein  und  die  Lautähnlichkeit  nebst  identischer 
Bedeutung  in  der  Locution  tener  n.  rein  zufällig 
sein?  —   V.    2767    bedeutet    tener  negat  , läuguen' 

Ilina  , Mädchen'  142.S,  wie  im  Span.  Im  Neucat.  nur 
, Puppe'  und  .Augapfel'. 

nodrit  in  figürlicher  Bedeutung  , erzogen'  8'JO;  vgl. 
prov.   noirimens,   noiridura;  af'r.   nourreture. 

Orat  ,thöricht'  1505.  1637.  1901  (in  den  zwei  ersten 
Stellen  in   der  Verbindung  foyll  e  or.)  Span,  orate. 

pedral  833,  das  Werkzeug,  womit  der  Hirt  iu  der 
Erzählung  aper  den  Eber  niederschlug.  Ich  ver- 
stehe  das  Wort   nicht. 

plevir  als  ReÜexivum  .sich  bedienen,  benutzen'  2916. 
So  auch  bei  Esteve,  welcher  das  Verbum  als 
veraltet   bezeichnet. 

rador,  de  oder  in  einem  Worte  derador;  e  que  l'apun- 
talen  de  r.  2210  .ringsum'.  Mit  vorangehendem  n  ; 
miraven   a   derredor    1021    mit   gleicher   Bedeutung. 

—  Zu  bemerken  ist  e  slia  assi  a  la  rador  2688. 
Der  Cod.  schreibt  die  Locution  in  drei  getrennten 
Worten  und  ich  folgte  ihm ;  das  feminine  Genus 
macht  jedoch  Schwierigkeiten  (vgl.  port.  ao  j-edor)  ; 
will  man  nicht  darin  Analogie  der  Nomina  auf 
-or,  oris  erblicken,  so  wird  man  a  l'  (od.  af)  arador 


(=  n  -\-  redor),  dem  Span,  al  deredor  (rededor)  ent- 
sprechend, vorziehen.  l)iez  bespricht  den  Ausdruck 
an  zwei  Stellen:  Gramm.  II  469- — 70,  wo  er  ihn 
aus  loriin  deutet,  dann  EW.  11  172,  wo  er  fragt, 
ob  redor  für  ruedor  ruedol  =  lat.  rotalus  ,Rad" 
stehe.  Die  erstere  Ansiciht  ist  weit  ansprechender. 
Morel-Fatio  (RomanialV  39)  erwähnt  nurdie  Deu- 
tung des  EW.  und  gibt  sich  mit  Kccht  nicht  damit 
zufrieden,  bringt  jedoch  keine  eigene  Erklärung  vor. 

raptir;  non  fos  enr.  2324  .nicht  beschuldigt  würde'.  Es 
ist  ein  Substantiv  aus  dem  Verbum  raplar,  mittelst 
-erium  gebildet,  wie  afr.  desirier,  encomhncr  u.  s.  w. ; 
-erium  zu  iri  (Anm.  zu  §.  6  der  Einleitung),  dann 
(V.    A^gl.    bei    Borao    repterio    ,reto,   accusacion'. 

rayll  , Wurzel'  504.  Es  ist  in  unserem  Texte  wol  zwei- 
silbig und  rayll  zu  betonen ;  ist  darin  radieula 
mit  verändertem  Genus  zu  erblicken?  Doc.  203 
begegnet  die  Form  rael,  Gen.  14  zu  reis  contrahirt ; 
neucat.  arrel;  welche  Formen  noch  schwerer  zu 
erklären   sind. 

rezeber;  im  Kampfe  zwischen  Schlange  und  Windhund 
la  serii  al  bres  torna  c  lo  lebrer  rezebe  la  e  morde  la 
637.  Man  kann  diese  speoielle  Bedeutung  des 
Verbums  bemerken;  ,nahm  den  Kampf  auf,  leistete 
Widerstand  u.  s.  w.'  Vgl.  P.  47  la  davantera  feri 
en  los  enernichs  .  .  .  e  ells  los  reeberen  taut  fortment 
que  etc.  von  Bofarull  übersetzt  ,fue'  tal  la  pu- 
janza  con   que   cstos   resistieron   el  ataque'. 

rossegar;  as  perpensat  (que  lo  cor s)  per  la  vila  fos  rossegat 
1253  .geschleift';  vgl.  1258  lo  cors  per  la  vila 
tiraren.  Ebenso  fer  l'e  rossegar  pel  mayti  1290  und 
vull  mon  fiyll  sia  tirassat  1296.  Kaynouard  hatte 
also  Unrecht,  als  er  in  der  von  ihm  augeführten 
Stelle  aus  K.  Vidal's  Castiagilos  das  Verbum  durch 
frz.  rosser  erklärte.  Ihm  folgte  Bartsch  im  Glossar 
zum  LB.  (im  Texte  liest  B.  rosseguat,  im  Glossar 
rons.;  wie  hat  die  lls.  ?).  So  erklärt  Esteve  das 
noch  lebende  rossegar  und  arrossegar  ä  algu  6  al- 
guna  cosa  durch  span.  arrastrar , schleifen,  schleppen'; 
auch  als  intrans.  lo  vestit  arrossega,  daraus  rosseg 
rossegal , Kleidersohleppc',  auch  figürlich  ,wer  Einem 
beständig  nachfolgt'  und  Aehnliches.  Esteve  kennt 
auch  eine  alte  Form  roagar  (^  roegar);  könnte 
der  Abfall  der  Sibilaus,  welches  gewöhnlich  nur 
dann  stattfinden  kann,  wenn  diese  auf  <;,  cj  oder 
tj    sich    gründet,    den    Weg  zum   Etymon   weisen? 

Saig  ,Gerichtsdieuer,  Scherge'  1265;  von  Est.  als  ver- 
altet angeführt,  altspan.  sayon,  altport  saiab,  DC. 
s.   v.   saiones  vel  sagiones  \   üiez  II   178. 

si  Pronomen  reflexivum  nicht  auf  das  Subject  des 
Satzes  bezogen  :  lo  burges  no  fett  semblant  que 
agues  ab  si  (gegen   die  Frau)   mal  talant   1938. 


Die  catalanische  metrische  Version  der  sieben  weisen  Meister. 


233 


siblar.    Die   Schlange    greift    den    Windhund    an,    l'aclt 

fort  siblat  e  lo  lebrer  '.  .  .  congoxava  per  lo  vai-i  qui 
al  cor  U  entrava  631  ;  dann,  vom  Windhunde  ge- 
bissen, la,  serp  lo  sihla  axament  639.  Der  Wind- 
hund entfernt  sich  per  so  com  era  greu  siblat  641. 
Das  Verbum  kann  nur  .durch  Biss  oder  Stich 
verwundet'  bedeuten.  Kann  man  da  siblar  als 
activ  gebraucht  annehmen,  ursprünglich  bloss 
, anzischen',  dann  , zischend  angreifen,  verwunden'? 
Schwerlich.  Im  Catal.  hat  man  fiblar,  mit  der 
fibla  durchstechen  ,aculeo  fcrire'  und  diess  würde 
genau  passen.  Deshalb  aber  si  zu  fi  zu  emendiren, 
wäre  nicht  rathsam  :  lebt  doch  noch  im  catal.  sivella 
=  span.  hebilla,  lat.  fib-eUa.  (^Janer's  Lesung  im 
.span.  Alexandre  ist  daher  nicht  unbedingt  zu  ver- 
werfen; vgl.  Komania  IV  5ü).  Die  Möglichlieit 
eines  Uebcrganges  von  anlaut.  /  zu  «  ist  in  neue- 
rer Zeit  von  mehr  als  einer  Seite  zugegeben 
worden. 

tastar  .prügeln'  180G.  Die  Entwickelung  der  Bedeu- 
tung ist  leicht  zu  erklären.  Es  ist  nicht  nöthig, 
an  prov.   tuslar  , klopfen'  zu   denken. 

taular  Adj.   zu   collM  ,Tischme.s.ser'    1918. 

teni'rer  als  Adj.  zu  pi  in  der  Bedeutung  ,jung,  jünger' 
.507.  Ich  verstehe  nicht  recht  das  Wort,  welches 
wol  kaum  der  organische  Comparativ  von  tenerus  ist. 

toruieiiat  ,die  innerhalb  gesteckter  Gränze  enthaltene 
Gegend'   843.    2108. 

terrat  , Altane'.  So  in  der  Erzählung  canis  V.  613: 
la  dona  munta  al  lerrat-s  um  das  Turnier  zu  sehen ; 
und  in  Avis,  VV.  2336.  2338.  2341,  muss  das 
terrat,  welches  durchlöchert  wird,  um  die  Flammen 


und  das  Wasser  durchzulassen,  und  auf  welches 
geklopft  wird,  ein  flaches  Dach  sein.  Noch  catal. 
terrat,    span.    terrado ;   it.    aber   terrazza. 

traciö  1397.  Ich  verzeichne  diese  auch  prov.  Form., 
um  auf  die  Eigenthümlichkeit  der  Bildung  auf- 
merksam zu  machen.  Sie  kann  nur  auf  tractionem 
zurückgehen  ;  die  bekannte  Vermischung  von  trahere 
und   tradere.   Daneben   prov.   und   cat.   auch   traicid. 

traginat  ,Decke  des  Zimmers'  313.  318;  Doc.  245, 
ganz  wie  au  orsterer  Stelle,  der  ungeschickte 
Redner  garda  el  iaguinat;  Esteve  kennt  ein  ver- 
altetes traginat  ,especie  d'adorno  en  eis  sostres, 
lat.  laquear,  lacunar'.  A'icht  .  anders  Fuster :  tag. 
,zaquisami  ci  cobertizo  de  madera  labrada'.  Also 
immer  ohne  r;  im  Mallorquinischeu  jedoch  traginado 
,techo'.  Sind  es  zwei  Wörter  oder  nur  eines? 
Und  wenn  letzteres  der  Fall  ist,  welche  Form 
ist  die   ursprüngliche  ? 

tudar  ,tödten'  2435.  Die  wenigen  prov.  Belege,  die 
ich  kenne,   bieten   nur  die  Form   tuar. 

via,  a  mit  Dativ  der  Person;  isque  li  a  via  ,ging  ihm 
entgegen'  352;  vgl.  o  carrera;  la  abadesa  hisque 
a   c.    al   comte   Doc.    77. 

Tis   , Sehkraft'   2574.   3214.   So   im   älteren  Span. 

vedar  in  einer  alten  Chronik  (ich  weiss  nicht  ob  J. 
oder  P.)  kommt  das  Wort  in  der  Bedeutung  ,in 
Kirchenbann  setzen'  vor:  nos  deviem  nos  cornnar 
e  nou  poguem  fer  car  nos  erem  vedats.  Ob  eben  so 
V.  3037?  Die  ganze  Stelle  genau  zu  erklären 
(bedeutet  nom  cal  ,ioh  darf  nicht'?)  wären  einige 
Kenntnisse  im  kirchlichen  Eherechte  nothwendig, 
die   mir  vollständig  abgehen. 


Denkschriften  'ier  pliil.-hist.  Cl.  XXV.   Bd. 


30 


DER 

FELDZÜG  DER  JAPANER  GEGEN  COREA 

IM  JAHRE  1597. 


VON 


D^   A.  PPIZMAIER, 

WIRKLICHEM  MITGLIEDE  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSTIIAFTEN. 


(SCHLUSS.) 


San-dai-sib  me-ivo  mi-awasete  imada  fen-to-mo  na-kari-si-ni  o-o-gawutsi  kiku-ja  ina-ja 
sore  gim-sib  ki-katsü-wo  gim-si-to  tomo-ni  si-tamb  koto  inisi-je-jori-no  mitsi-zo  kasi.  Sika-mo 
kono  ro-ziu-to  mosü-wa  toivoku  nippon-no  tsi-tvo  fanare  tai-min-no  seme-wo  ukete  inotsi-wo  osi- 
si-to  ohosi-mesu  jo-ja  aim-heki  nippon-to  iü-to-mo  nmvo  fadzü-hesi  iwan-ja  ta-koku-ni  oi-te- 
ivo-ja.  Tatoi  inotsi-ioo  tasiikari-tamb-to-ino  nan-no  men-boku  atte  fito-ni  mamije-tamb-beki 
tatoje-ha  si-sotsü-no  ^  -p^  sin-mei-ni  tai-sib-wa  kaje-tamb-to-mo  tai-sib-no  on-inotsi-ni  si- 
sotsü-iüo-ha  kaje-tamb-he-karazü.  Kakaru  fu-gi-naru  mbsi-  f^  zib-iva  07i-mimi-ni  ire-tamb-be- 
karazü  |^  -^  ziu-si  kakic-no  sni-san  soko  tatsi-noku-hesi-to  sa-mo  arake-naku  i-i-kere-ha  san- 
tai-sib  itsi-do-ni  o-o-gaivutsi-ga  ko-zib  motto-mo  si-goku  seri-to  ^  do-serare-si-ka-ha  fu-gi-no 
nei-zin  te-wo  usinai  omote-wo  akamete  tai-srhssü.  O-o-gawutsi  za-ioo  tatsi-te  uma  aru-ni  jotte 
ka-jb-no  nei-zin  ide-kitaru  tote  dai-ioon-ni  toneri-tvo  mesi  tai-sib-tatsi-no  on-uma  fiki-idase-to 
iü  mama-ni  kosi-no  katana-wo  fiki-nui-te  itsi-itsi  hibi-ivo  fane-tari-keru. 

Während  die  drei  Heerführer  einander  anblickten  und  noch  keine  Antwort  erfolgte, 
sagte  O-o-gawutsi:  Höret  man  es  oder  nicht?  Dass  ein  Heerführer  Hunger  und  Durst 
zugleich  mit  den  Kriegsmännern  des  Heeres  leidet,  sind  wohl  die  Wege  von  Alters  her. 
Jedoch  in  Bezug  auf  diese  belagerte  Feste,  weit  von  dem  Lande  Nij)pon  getrennt  und 
von  dem  grossen  Ming  angegriffen,  kann  man  irgend  daran  denken,  das  Leben  zu 
schonen?  Selbst  in  Nippon  müsste  man  sich  noch  schämen,  um  wie  viel  mehr  in  einem 
anderen  Reiche !  Gesetzt,  ihr  rettet  das  Leben,  welche  Ehre  hättet  ihr  davon,  dass  ihr 
vor  den  Menschen  erscheinen  könntet?  Gesetzt,  die  Heerfiihrer  tauschen  ihr  Leben  für 
dasjenige  ihrer  Kriegsmänner  und  gemeinen  Streiter  ein,  die  Heerführer  können  für  ihr 
Leben  dasjenige  ihrer  Kriegsmänner  und  gemeinen  Streiter  nicht  eintauschen.  Solchen 
ungeheuerlichen  Reden  dürfet  ihr  nicht  das  Ohr  leihen.  Ein  junger  Sohn  muss  solche 
Zumuthungen  gründlich  von  sich  weisen.  —  So  sagte  er  mit  Strenge.  Die  drei  Heer- 
führer sagten  auf  einmal  einstimmig:  Die  Darlegung  0-o-gawutsi's  liat  im  höchsten 
Grade  Recht.  —  Der  ungerechte  Schmeichler  verlor  den  Haltpunkt  und  trat  mit  ge- 
röthetem  Angesicht  zurück. 


30* 


'23()  Pfizmaier. 

0-0-gawutsi  stand  von  dem  Sitze  auf  und  sagte:  Well  Pferde  vorhanden  sind,  Ist 
ein  solcher  Schmeichler  gekommen.  —  Er  rlei"  mit  laut(M-  Stimme  die  Stallknechte 
herbei  und  sagte:  Führet  die  Pferde  der  Heerführer  heraus!  —  In  diesem  Augenblicke 
zog  er  das  Schwert  an  seinen  Lenden  und  schlug  jedon   Pferde  das   Haupt  ab. 

Säte  zib-nai-no  gun-si  zi-hun-ioo  fakari-te  jo-utsi-ni  idzüru.  Ickl  ^  z  to-do-no  jo-ufsi-ni 
te-tvo  jaki-te  ^p  :^  fei-sia-ni  siki-gawa-ivo  siki  kahuto-no  uje-ni  simo-wo  uke  me-ivo  jasttmezü- 
site  teppo-ni  ß-nawa-tvo  kake  jumi-ni  ja-wo  tori-soje  jari-no  siwo-kubi-wo  nigiri-te  tasika-ni 
dzin-tco  katame-tci-keru  fokoro-je  rö-feo  ni-te-ni  ivakare  usi-narunde  sa-jü-je  dotto  utsi-kakari 
san-zan-ni  tatakai-te  smogi-wo  kedzüri  tsüha-wo  waru-to  ije-domo  tai-koku-no  gun-fb  si-oki 
tadasi-ki-ni  jotte  o-o-kudzare  mi-kata  utsi-se-mazi-ki-ga  tame-ni  tonari-dzin  katsüte  ka-sei-sezu 
juje-ni  ^  ^  ko-zei-no  rö-feö  nozomi-no  mmna-ni  teki-no  itsi-dzin  utsi-tsirasl  mi-kata-iva 
itsi-nin-mo  iitarezü  fiki-tori-si-ga  kajeru  sa-ni-wa  jari-wo  tsüje-ni  tsüki  joro-joro-to-zo  kajcri- 
ke.ru.  0-o-gawutsi-wa  itsü-mo  mon-ivo  jaku-sio-to  site  wi-tari-kere-ha  mai-nitsi  ni-do  san-do 
kitte  idzürii-ni-mo  itsi-do-mo  fito-ni  saki-wo  se-sasezari-si-ka-ha  juki-naga-no  gun-si-domo  nani- 
to-zo  site  o-o-gawutsi-ga  saki-ni  iden-to  tagai-ni  kokoro-wa  fagemasi-kere-ba  ki-katsü-no  ku-rö- 
mo  icasüre-keri.  Jil-si-no  kokoro-zasi-wa  |^  ^  tesseki-jori-mo  kata-kari-keri-to  me-ivo  loodorokasü 
bakari  nari. 

Plierauf  berechneten  die  Kriegsmänner  in  der  Feste  die  Zeit  und  zogen  zu  dem 
nächtlichen  Ueberfalle  aus.  Der  Feind,  der  sich  bei  mehrmaligen  nächtlichen  Ueberfällen 
die  Hände  verbrannte,  breitete  über  den  flachen  Sand  Sitzfelle,  empfing  auf  den  Hel- 
men ßeiffrost.  Dem  Auge  keine  Ruhe  gönnend,  hängte  er  an  die  Flinten  die  Lunte, 
legte  auf  den  Bogen  den  Pfeil,  erfasste  den  Hals  der  Lanzen  und  bewahrte  sorgfältig 
das  Lager.  Lidessen  theilten  sich  die  Belagerten  in  zwei  Abtheilungen,  stellten  sich  in 
Reihen  und  schlugen  nach  rechts  und  links  unter  Lärmen  los.  Ob  man  auch  im  heftigen 
Kampfe  die  Zierathen  der  Klinge  abschabte,  den  Schwertgriflf  spaltete,  da  die  Ivriegs- 
kunst  des  grossen  Reiches  richtiggestellt  war  und  die  Unserigen,  gänzlich  gebrochen, 
nicht  erschlagen  werden  durften,  leisteten  die  benachbarten  Lager  durchaus  keine  Hilfe. 
Desswegen  zerstreute  die  kleine  Macht  der  Belagerten,  ihrem  Wunsche  gemäss,  ein 
ganzes  feindliches  Lager  und  die  Unserigen  traten ,  •  ohne  dass  ein  einziger  Mann 
erschlagen  worden  wäre,  den  Rückzug  an.  Heimkehrend  stiessen  sie  die  Lanzen  gleich 
Stäben  in  den  Boden  und  kehrten  auf  diese  Weise  schwankend  heim. 

Da  0-o-gawutsi  beständig  das  Thor  zu  seinem  Dienstplatze  machte,  trat  er  jeden 
Tag  zwei-  bis  dreimal  mit  Entschlossenheit  heraus  und  liess  kein  einziges  Mal  einen 
anderen  Menschen  voraustreten.  Da  die  Kriegsmänner  Juki-naga's  Anstrengungen  mach- 
ten, um  auf  irgend  welche  Weise  vor  0-o-gawutsi  herauszutreten,  vergass  man  auf  die 
Qualen  des  Hungers  und  Durstes.  Dass  der  Sinn  der  muthigen  Kriegsmänner  härter 
als  Eisen  und  Stein  gewesen,  kann  nur  mit  Staunen  erfüllen 


Ni-ziu-sitsi-nitsi  sb-ten-jori  mata  tai-teki  un-ka-no  gotoku  seme-agaru.  Rö-feo  sü-zitsu  tsiü- 
ja-no  seme-nm'e-tare-ba  nani-ka-iim  wodoroku-beki  tsüki-korosi  fane-otosi  fusegi-tatakai  fei-ura 
ken-go  nare  tatsn-no  koku  bakari-ni  koto-gotokto  fiki-si-ka-ba  mi-kata-mo  iki-ioo-zo  jaswme-keru. 

Am  sieben  und  zwanzigsten  Tage,  seit  dem  frühesten  Morgen,  stieg  der  mächtige 
Feind  wieder  gleich  Wolken  und  Wolkendunst  angreifend  herauf.  Da  die  Belagerten 
durch    mehrere  Tage    an   Angriffe    bei  Tag   und  Nacht   gewöhnt  waren,  konnten  sie  auf 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  237 

keine  Weise  erschrocken  sein.  Erstechend  und  niederhauend  führten  sie  den  Vertheidiö'unafs- 
kämpf,  und  die  innere  Seite  des  Erdwalls  war  wohl  fest.  Da  der  Feind  um  die  fünfte 
StLintle'  vollständig  sich  zurückzog,   kamen  auch   die  Unserigen  wieder  zu  Athem. 

Sikaru  tokoro-ni  tsiku-zen  kuo-mon  fide-aki-kö  go-ka-rb  jjj  P  jama-gutsi  gen-ba-no  zeö-wo 
mesi-te  urii-san-no  ro-zib  nan-gi-ni  ojohu-no  rö-feö  niu-ge-ni  süte-korosü-heki-ni  arazü  isogl 
ka-sei-iüo  su-besi.  Tadasi  "^  ^  tb-zib  ju-san-kai-wa  nippon-no  un-sö  zi-jü  dai-itsi-no  minato 
nare-ba  tai-min-zhn  uru-san-no  nin-kazü-ivo  wakete  tb-zib-ivo  seniezü-to  iü  koto  arii^be-karazü. 
Sa-aran-ni  ui-te-wa  -p  jo  ziaku-nen-ni  site  rö-zib-no  te-date-ivo  sirazü  mata  no-oi-no  fataraki- 
wa  jb-sü-ico  mi-fakarai-te  züi-bun  tsi-riaku-ivo  megurasü-besi.  Nandzi-tu  tera-zaioa  si-ma-no 
kaiid-wa  kuku-nl  ari-te  kataku  siro-wo  mamoru-besi-to  no-tamaje-ba  gen-ba-no  zeö  _t.  zib-sib- 
gun-no  on-mi-nite  inottai-naki  un-koto-to  ^\  sei-si-tate-matsüri-kere-domo  go-siö-in-naku  site  ni- 
ziü-roku-nitsi  fu-san-kai-too  gu-slutsü-ba  nasare  ni-ziü-fatsi-ri-no  sono  mitsi-ivo  itsi-nitsi  itsi- 
ja-ni  go-tsiaka  keu-no  tatsü-nu  koku  bakari-ni  uru-san  kin-sio-no  j^,  jjj  marn-jama-ni  un- 
sunaje-tvu  taterararit-to  fitusl-ka  kake-fi  idzümi-no  kami  ka-to  sa-ma-no  süke  mo-ri  i-ki-no 
kami-wo  mesi-idasare  ^  j^  kon-kib  ^  jo-ni  magirete  tai-teki-no  kakomi-wo  nori-jaburi  uru- 
san-ni  irih-besi-tü  o-use  ari. 

Unterdessen  berief  der  mittlere  Rath  von  Tsiku-zen,  Fürst  Fide-aki,  seinen  Haus- 
ältesten Jama-gutsi,  Zugetheilten  des  Angestellten  für  den  Empfang  der  Gäste,  zu  sich 
und  sprach :  Die  in  Gefahr  schwebende  Besatzung  der  belagerten  Feste  Uru-san  darf 
man  nicht  rücksichtslos  opfern.  Man  muss  schnell  eine  liilfsmacht  bilden.  Da  aber 
diese  Feste  Fu-san^kai  das  erste  Wasserthor  ist,  zu  welchem  Nippon  frei  hinüberschafft, 
so  kann  es  nicht  anders  geschehen,  als  dass  die  Menschen  des  grossen  Ming  ihre  Leute 
vor  Uru-san  theilen  und  diese  unsere  Feste  angreifen.  Bei  einem  solchen  Ereignisse 
kenne  ich  als  Jüngling  nicht  die  Kunst,  sich  in  Festen  einzuschliessen.  Was  ferner  die 
Unternehmungen  im  freien  Felde  betrifft,  so  werde  ich  deren  Bescliaffenheit  erwägen 
und  die  Entwürfe  sorgfältig  herumgehen  lassen.  Du  und  Tera-zawa,  Statthalter  von 
Si-ma,  befindet  euch  hier  und  bewachet  streng  die  Feste.  —  Der  Zugetheilte  des  An- 
gestellten für  den  Empfang  der  Gäste  warnte  ihn  und  sagte :  Es  ist  eine  Sache,  bei 
welcher  der  oberste  Heerführer  mit  seinem  Leibe  nicht  einstehen  darf.  —  Doch  Jener 
willigte  nicht  ein.  Er  ritt  am  sechs  und  zwanzigsten  Tage  von  Fu-san-kai  weg,  legte 
einen  Weg  von  acht  und  zwanzig  ßi  in  einem  Tag  und  einer  Nacht  zurück  und  stellte 
um  die  fünfte  Stunde  des  heutigen  Tages^  auf  dem  runden  Berge  in  der  Nähe  von 
Uru-san  seine  Schlachtreihen  auf.  Zugleich  rief  er  Kake-fi,  Statthalter  von  Idzumo, 
Ka-to,  Gehilfen  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken  und  M6-ri,  Stattlialter  von  I-ki, 
hei'bei  und  sagte :  Heute  Morgen,  von  der  Nacht  verworren,  werden  wir  die  Einschliessung 
des  mächtigen  Feindes  brechen  und  in  Uru-san  einziehen. 

San-nin  tsussinde  gooi-zib-tsükamatsüru-wa  ni-ziü-go-nitsi  i-rai  sono  omomuki-ioo  iro-iro-to 
sb-dan-tsükamatsürl-sbrbje-domo  tsüne  tai-tei-no  teki-ni  sbrawane-ba  tsikara-waza-ni-mo  fakari- 
goto-ni-mo  ojobi-gataku  sbrb  sükosi  zi-setsü-^oo  on-matsi-asobasasü-beku  josi  mbsi-aguru.  Säte 
kuro-foro-no  on-tsükai-han  rib-nhi  mesi-te  go-ko-zib-no  dan-dan  o-ose-tsükerare  rö-zib-no  san- 
sib-je  tsukawasaru  uma-no  koku  bakari-ni  urH-san  mukb-no  iri-umi-no  kisi-je  kuro-foro-no 
mu-sia    ni-ki   kitatte    bgi-wo    agete    siro-wo  maneku.    Rö-feb  nan-hb-no  fei-no  vje-ni  tobi-agari 


'   Von  5  bis  9  Uhr  Morgens. 
2    Von  5  bis  9  Ulir  Morgens. 


238  Pfizmaiee. 

nani-goto  jaran-to  toi-kere-ha  zw-nai-no  san-sio  \k  gun-si-doxio  [i&  nari-wo  sidzümete  zib- 
i-no  sina-zina  uke-tamaware-to  dai-won  agete  johawari-kerii.  Fi-da-no  kmni  kazüje-no  kami 
sa-kib-dat-fu  ■men-men-no  uma-zirusi-ivo  usim-nl  täte  kahuto-ioo  nuki  fel-no  kasa-gi-ni  te-ivo 
kake  sono  foka  rö-feo-dumo  fei-no  si-mai-ni  sikori-kakarl  uke-tamawaru-tü  ari-kere-ba  kore-iva 
tai-sib-gun-no  zib-i  nari  ren-zitsü  ro-zib-no  ku-rö  y|t  ^  bei-süi-naku  site  ken-go-ni  siro-wo 
fusegi  sü-do-no  hii-jü-wo  fiirii  koto  go-kan-etsü  naname-narazii.  Zib-nai  ika-ni-mo  kokoro- 
dzüjoku  omo-besi  ika-fodo-no  tai-gun  nari-to-mo  soku-zi-ni  kiri-kuzüsi  tatsi-motsi  j^  un-iüo 
firakasü-besi-to  jobawari-tari.  Fi-da-no  kami  dai-won-wo  motte  go-  h  -ffi  zib-si.-je  mbsi-aguru- 
nite  sbrb  makoto-ni  ari-gatakl  zib-i-ico  uke-tamatvari  ßaku-man-gi-no  ka-sei-jmH-mo  zib-nai  kisoi-te 
sbrb  go-zen  sikaru-beki  jb  go-ß-rö  adzükaru-besi-to  kotaje-kere-ba  zib-si  süde-ni  nori-kajeri-keru. 

Die  drei  Miinner  meldeten  ehrerbietig,  dass  sie  seit  dem  fünf  und  zwanzigsten  Tage 
sich  auf  verschiedene  Weise  über  diesen  Gegenstand  besprochen,  doch,  da  es  kein  ge- 
wöhnlicher Feind  von  grosser  Masse  sei,  könne  man  durch  Stärke  und  durch  List  ihm 
nicht  beikommen.  Der  Heerführer  möge  eine  kurze  Zeit  zuwarten.  Man  berief  jetzt 
zwei  mit  schwarzen  Rückenpanzern  bekleidete  Herolde,  trug  ihnen  die  Rede  in  ihren  Einzeln- 
heiten auf  und  schickte  sie  zu  den  drei  Heerführern  der  belagerten  Feste.  Um  die  siebente 
Stunde '  kamen  zu  der  Uferhöhe  des  Meerbusens  gegenüber  Uru-san  zwei  mit  schwarzen 
Rückenpanzeim  bekleidete  berittene  Krieger,  erhoben  die  Fächer  und  winkten  der  Feste. 
Die  Belagerten  stiegen  flugs  auf  den  Erdwall  der  Südseite  imd  fragten,  was  es  gebe. 
Die  drei  Heerführer  innerhalb  der  Feste,  ingleichen  die  Kriegsmänner  machten  das 
Geräusch  verstummen  vmd  riefen  mit  lauter  Stimme,  dass  sie  Aeusserungen  des  hohen 
Willens  in  Empfang  nehmen  würden.  Der  Statthalter  von  Fi-da,  das  Haupt  der  Rech- 
nungen und  der  Grosse  der  Hauptstadt  zur  Linken  stellten  jeder  hinter  sich  die  Feld- 
herrnfahne auf,  nahmen  den  Helm  ab  und  legten  die  Hand  an  die  Querhölzer  des 
Erdwalls.  Ausserdem  hielten  sich  die  Belagerten  an  das  Geländer  des  Erdwalls  und 
sagten,  dass  sie  ganz  Ohr  seien.  Der  Abgesandte  rief:  Es  ist  der  hohe  Wille  des  obersten 
Heerführers.  Dass  durch  fortgesetzte  Tage  die  belagerte  Feste  Ungemach  ertragen,  ohne 
Reis  und  ohne  Wasser  entschlossen  sich  vertheidigt  ynd  mehrmals  kriegerischen  Muth 
bekundet  hat,  seine  Freude  darüber  ist  unverholen.  Wie  starkgeistig  muss  man  in  der 
Feste  denken !  Welch'  ein  grosses  Heer  es  auch  sei,  er  wird  es  allsogleich  niederwerfen 
und  plötzlich  das  Loos  erschliessen. 

Der  Statthalter  von  Fi-da  antwortete  mit  lauter  Stimme :  Ich  melde  es  den  hohen  Abge- 
sandten. Wir  haben  den  hohen  Willen  in  Empfang  genommen.  Weil  eine  Hilfsmacht  von 
hunderttausend  Reitern  ist,  wetteifert  man  in  der  Feste.  Möge  der  hohe  Heerführer  auf  ge- 
ziemende Weise   es  vorläufig  bekannt  machen.  —  Hierauf  ritten  die  Abgesandten  zurück. 

Zib-nai-no  zib-ge  zib-i-wo  kiku-jori  o-oi-ni  tsikara-wo  jete  itsi-do-ni  kan-zi-tate-matsüri 
sastiga-ni  den-ka-no  ken-soku-to  iü-beki  go-ki-rib  nari.  Tb-nen  ziü-roku-sai-ni  koso  narase- 
tamb  J^  ^  son-go-ga  ^jjj  ^  sei-kan-jori  ^  Mj  riü-siussi-tamajeru  ^  ^  son-sib  kana  si- 
koku  -h  Ig  kifi-goku-no  dai-sib-mib  go-ziü  roku-ziu-ni  ojobi-te  sono  na  ßsasi-ku  ßto-ni  tona- 
jerarurii  fai-sib  iku-ßto-ga  ari-keru-ga  kono  kotoba-wa  ojobazü  ziü-roku-no  rb-wd  roku-ziun-no 
■sib-nen  kana-fo  fome-tsü  sosiri-tsti,  ivarai-keri. 

Seit  die  Höheren  und  Niederen  in  der  Feste  den  hohen  Willen  gehört,  gewannen 
sie  sehr  an  Kraft  und  waren   zugleicli  gerührt.      Es  ist  in  der  That  ein  Geist,   von  dem 


1  Von  11   Uhr  Früh  bia   1  Uhr  Nachmittags. 


Dek  Feldzug  deu  Japaner  gegen  Corea.  239 

man  sagen  kann,  es  ist  derjenige  eines  weisen  Sohnes  des  Feldherrnhauses.  Ein  geehrter 
Anführer,  der  in  diesem  Jahre  sechzehn  Jahre  alt  wurde,  der  aus  der  Lunge  und  Leber 
Sün's  und  U's '  hervorgekommen.  Sein  Name,  zu  fünfzig  und  sechzig  grossen  und  kleinen 
Fürsten  der  vier  Reiche,  der  neun  Reiche  sich  erstreckend,  wird  lange  Zeit  von  den 
Menschen  besungen.  Wie  viele  grosse  Anführer  gab  es,  und  diese  Worte  gebühren 
ihnen  nicht!  Ein  Greis  von  sechzehn  Jahren,  ein  Jüngling  von  sechs  Decaden!  —  Mit 
solchen  Worten  äusserte  man  bald  Lob,  bald  Tadel  und  lachte. 

Kadzü-josi-ga  ka-tsiü-nite  -|g  ^^h  rib-tsi-no  taka-wo  turi-bito-gai'a  sen-nin-ni-mo  sügure- 
taru  wotoko-mo  motte-no  foka  kosl-nukcte  koko-kasiko  sio-sio-ni  kagami-ioi-taric  jatstt-bara  ziü- 
nin  amari-mo  ari-si-ga  siu-gun-kö-no  07i-kotoha-iüo  utsütsü-ni  ki-ite  faja  ru-zib-mo  firaku  kotu- 
to  omoi-keru.  Ke-siki-nite  joro-juro  joioa-jowa-to  clete  samajoi-meguri-kere-ba  katca-viura  ziü 
süke  o-o-gaivutsi  rau  sa-je-mon  zeo  sasi-tsükete  sate-sate  tai-sib-no  on-kotoba-wa  oku-bib-mono- 
110  jip  ^  miü-jaku-to  mije-tari.  Ni-ziü-rd-nitsi-no  fai-gun-jori  me-ni-mo  mijezaru  jatsü-bara- 
ga  jorol-joroboi-ariku  wokasi-kere  ika-ni  onore-ra  mata  teki-ga  semu-besi  sa-ara-ba  me-ico 
mawasi  tatsi-tokoro-ni  si-sü  best.  Fei-ura-no  jaku-ni-wa  tatazü  sb-sb  ja-gura-je  Juki  mimi-no 
trna-je  isi-wo  komi-te  siaga  me-to-zo  i-l-keru.  Kano  ziü-jo-nm-no  mono -domo  mono-ico-mo 
iiüazü  kasira-ivo  sage  neri-mawaru.  Kadzu-josi  kijo-masa  ori-si-mo  toioori-keru-ga  asi-ivo 
todomete  kore-wo  ki-ite  kijo-masa  i-i-keru-iva  nin-gen-no  i^  ^  kib-ziaku-iva  ka-fodo-ni-mo 
kaivaru  mono  kana  are-ra-ni  kure-tamb  ^  ^  tsi-gib-wa  l(|  kawa  nari-to-zo  iware-keru. 
Joki  tsüi-de-to  omoi-keru-ni-ja  kijo-masa  juki-naga-ni  mukai-te  go-fen-no  sabin'ai  ki-mata  fiko 
saburö  tsiü-ja-no  furi-ivo  mivu-ni  fi-rui-naku  mi-ojobi-sbrb.  Man-ni  ßto-tsü-mo  un-ioo  firaki- 
mbsi-sbrawa-ba  kua-bun-no  ka-zö-si-tamb-besi.  Mata  go-fen-no  ije-nite  reki-reki-to  mije-taru 
lüotoko  ni-nin  saku-zitsü-no  o-o-zeme-no  utsi-ni  fataraku  koto-wa  omoi-mo  jorazü.  Issiuku-iüa 
nugi-sütete  ^j;  ^  kö-je-no  katabami-no  |^  mon  ai^u  o-o-jo-gi-wo  kakaje  murasaki-no  utsi- 
gai-wo  kaburi  me-ni  fotoke-mo  naki  tei-nite  buratsüki  ariki-kei^u.  Go-fen-wa  imada  waka-kere- 
ba  osi-nokete  kano  jatsü-bara-ga  ka-tsiit-no  sasi-fiki-sü-beki  tokoro-ni  o-oki-uam  kosi-nnke  nari 
ujß-furui-te  si-si-ta7-a-ba  saiivai  mosi-mo  nagaraje-ara-ba  kiü-ni  kubi-wo  fane-tamaje-to-zo 
ijeri-keru. 

In  dem  Hause  Kadzu-josi's  Avaren  über  zehn  in  der  Hohe  des  Fruchtgenusses  des 
Bodens  vor  tausend  in  Empfang  nehmenden  Menschen  ausgezeichnete,  unwürdige  Männer, 
welche  in  den  Füssen  ungewöhnlich  lahm,  hier  und  dort  an  verschiedenen  Orten  sich 
krümmten.  Dieselben  hörten  deutlich  die  Worte  des  Heerführers  und  glaubten,  dass  die 
Belagerung  bald  aufgehoben  sein  werde.  Von  Aussehen  haltlos  und  schwach,  kamen  sie 
hervor  und  schwankten  umher.  Kawa-mura  Ziü-suke  und  0-o-gawutsi-mo,  Zugeseilter  des 
Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  redeten  sie  an  und  sagten :  Die  Worte  der  Heerführer 
scheinen  eine  wundervolle  Arzenei  für  Feiglinge  zu  sein.  Dass  Kerle,  die  man  seit  der 
Niederlage  des  zwei  und  zwanzigsten  Tages  mit  keinem  Auge  gesehen  hat,  gepanzert 
und  haltlos  einhergehen,  mag  lächerlich  sein.  Höret!  Wenn  der  Feind  wieder  an- 
greifen sollte,  werdet  ihr  schwindelig  sein  und  auf  der  Stelle  sterben,  Ihr,  die  ihr  für 
den  Dienst  innerhalb  des  Erdwalls  nicht  tauget,  frühzeitig  zu  den  Thürmen  gehet 
und  in  eure  Ohrlöcher  Steine  stopfet!  —  Jene  zehn  Menschen  senkten,  ohne  ein  Wort 
zu  sagen,  die  Häupter  und  schlichen  umher. 


'  Die  chinesischen  Heerführer  Siin-tse  und  U-tse-siü. 


240  Pkizmmek. 

Kadzu-josi  und  Kijo-masa  gingen  um  die  Zeit  hindurch.  Sie  standen  still,  und  als 
sie  dieses  hörten,  sagte  Kijo-niasa :  O  dass  die  Stärke  und  Schwäche  der  Älenschen  so 
sehr  wechselt!      Der  Boden,   dessen  Fruclitgenuss  du  ihnen  gibst,  ist  ein   Fluss. 

Kijo-masa,  dieses  wohl  für  eine  gute  Cxelegenheit  haltend,  sprach  zu  Juki-naga:  Wenn 
man  sieht,  wie  dein  Kriegsmann  Ki-mata  Fiko  Sabui-o  bei  Tag  und  Nacht  sich  benimmt, 
so  erscheint  er  unvergleichlich.  Wenn  wii-  wie  Eins  zu  Zehntausend  das  Loos  erschliessen, 
niusst  du  überaus  grosse  Zugaben  luid  Vei'mehrungen  zu  Wege  bringen.  Ferner  sind 
in  deinem  Hause  zwei  Männer,  welche  anständige  Männer  zu  sein  scheinen.  Während 
des  gesterigen  Angriffes  war  deren  Thun  ganz  unerwartet.  Sie  warfen  den  Panzer  weg, 
hängten  ein  rothgesticktes ,  mit  Streifen  von  Sauerampfer  versehenes  Nachtkleid  an, 
deckten  über  das  Haujit  einen  purpurnen  Sack  ohne  Boden  und  gingen,  mit  den  Augen 
auf  eine  gottlose  Weise  nickend,  einhei'.  Da  du  noch  jung  bist,  sind  sie  in  dem  Augen- 
blicke, wo  man  sie  wegjagen,  von  jenen  Kerlen  das  Haus  säubern  sollte,  grosse  lahme 
Menschen.  Wenn  sie  vor  Hunger  und  Frost  gestorben  sind,  wäre  es  ein  Glück.  Wenn 
sie  am  Leben  sind,  haue  ihnen  schnell  das  Haupt  ab. 

Ni-zm-fatsi-nitsi  tai-min-zin  tai-gun  nare-ba  uru-san  yJ^  Wj  siu-tsi-to  i-i  ko-zei-to  i-i  kata- 
gata  kibisü-wo  megurasü-be-karazü-to  ta7ia-gokoro-ni  nigiri  nin-ba  kosi-feo-ro  bakari-nite  tori- 
ide-taru  tokoryj-ni  siro  motte-no  foka-iii  kata-kari-si-ka-ba  teki-mo  siro-to  fitosi-ku  nje-tari-keri. 
Sikai'e-doriw  sü-man-ki-no  tai-gun  fadzüka-no  ko-siro  ßto-tsü  seme-otosazü-site  ivo-me-wo-me-to 
fiki-toru-beki  koto  tai-min-no  tsi-zioku-to  omoi-kere-ba  inisl-je  kazuje-no  kami-ni  tsnkaje-si 
jgl  2fcC  tcoka-moto  jetsi-go-no  kami-to  iü  mono  saru  si-sai  ari-te  nippon-wo  siwppon-si  tosi- 
goro  tai-min-ni  dziü-site  kon-do  itru-san-ni  vmkai-te  fatsi-sen-gi-7io  tai-sib-nite  kitari-keru-ga 
kare-ioo  rib-nin-no  wb-no  -j^  'fiB  tai-si-to  site  kon-nitsi  mi-no  koku  bakari-ni  atsukai-ioo  irete 
i-i-keru-wa  zib-nai  sü-zitsü-no  jü-riki  fi-rid-naki  si-dai  nari  kuno  uje-ioa  siro-tco  ake-watasi-te 
sin-mei-wo  tasiikari  nippen  dai-wb-je  tsiü-setsü  are-kasi-to  arH. 

Acht  und  zwanzigster  Tag.  Da  die  Menschen  des  grossen  Ming  ein  grosses  Kriegs- 
heer waren,  hielt  man  Uru-san  für  ein  kleines  Gebiet,  seine  Kriegsmacht  für  klein.  Ohne 
an  den  Seiten  die  Ferse  drehen  zu  können,  griff  man  mi't  flacher  Hand  zu  und  nahm  bloss 
die  tragbaren  Mundvorräthe  für  Menschen  und  Pferde  mit.  Da  indessen  die  Feste  ausser- 
ordentlich stark  war,  litt  der  Feind  zugleich  mit  der  Feste  Hunger.  Man  hielt  es  jedoch 
für  eine  Schande  für  das  grosse  Ming,  wenn  man,  mit  einem  grossen  Kriegsheere  von 
mehreren  zehntausend  Reitern  die  unbedeutende,  kleine  Feste  nicht  durch  einen  einzigen 
Angriff"  zum  Falle  bringe  und  behutsam  sich  zurückziehen  würde. 

Ein  Mann,  Woka-nioto,  Statthalter  von  Jetsi-go  genannt,  der  ehemals  als  Haupt 
der  Rechnungen  diente,  war,  indem  er  hierzu  Ursache  hatte,  aus  Nippon  geflohen  und 
wohnte  seit  Jahren  in  dem  grossen  Ming.  Derselbe  stand  jetzt  als  Anführer  von  acht- 
tausend Reitern  vor  Uru-san,  und  die  zwei  Könige  bestimmten  ihn  zum  grossen  Abge- 
sandten. Er  leitete  heute  um  die  sechste  Stunde '  Unterhandlungen  ein  und  sprach:  Der 
Muth  und  die  Kraft,  welche  die  Feste  seit  einigen  Tagen  bekundet,  sind  unvergleich- 
lich. Möge  man  nebstdem  die  Feste  übergeben,  das  eigene  Leben  retten  und  gegen 
den  grossen  König  von  Nippon  Redlichkeit  zeigen. 

Zib-nai-jori  ta-naka  o-gaivufsi  k?i-t.m-mi  san-nin  idete  jetsi-go-no  knmi-je  tagai-ni  na-nori- 
ai-te    migi-no    kö-zib-wo   kiki    o-o-gaivutsi    tsükai-ban    nare-ba   juki-te    san-sib-je    mbsü-besi-to 

'  Von  9  bis   11   Uhr  Morgens. 


Dek  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  241 

ta-)inka  ku-tsü-mi  i-i-keru-ivo  o-o-gawutsi  wuka-vioto-ni  mukatte  ika-ni  jetsi-go  dono  go-fen-mo 
nippo)i-no  fito  tari-si-ga  so-mo-so-mo-ja  inotsi-ga  osi-ki  tote  teki-ni  siro-wo  watasi-te  nige-noku 
1^  fo-ja  aru-beki  kara-kuni-wa  iza  sirazü  waga  teo-ni  oi-te-wa  kono  -ffilj  7-ei-wo  kikazü.  Sono 
mune  tai-sib-je  mbsi-tara-ha  ono-ga  sin-mei  tasükari-ta-sa-ni  tt.  fo-naki  koto-ioo  mbsü  tote 
ikarn-beki-wa  — •  ^  itsi-deo  nari.  Sa-no  gotoku  naru  oku-bio  sa-ta  tai-sib-je  mbsü  koto 
kaku-go-ni  ojobazü-sbrb.  Zib-nai  midzü  feo-rö  sitkosi-mo  naku  tama-kusüri  saje  fadzüka-ni 
nare-ba  tai-gim-wo  motte  semeraren-ni  nam-fodo-no  koto-ga  sbrh-beki  tada  toku-toku  semeraru- 
besi  si-kaba7ie-wo  uru-san-ni  udzümi-te  ^    ig  gi-mei-ioo  kö-sei-ni  sadzüken-to-zo  i-i-kerii. 

Ta-naka,  O-o-gawutsi  und  Ku-tsu-mi  traten  aus  der  Feste  heraus,  sagten  dem  Statt- 
halter von  Jetsi-go  gegenseitig  den  Namen  und  hörten  die  obigen  Worte.  Da  O-o- 
gawutsi  der  Unterhändler  war,  sagten  Ta-naka  und  Ku-tsu-mi,  er  möge  hingehen  und 
es  den  drei  Heerführern  melden.  O-o-gawutsi  sprach  zu  Woka-moto:  Herr  Jetsi-go! 
Du  warst  auch  ein  Mensch  von  Nipjjon.  Mag  es  wohl  eine  Vorschrift  geben,  der  gemäss 
man,  aus  Liebe  zum  Leben,  dem  Feinde  Festen  übergibt  und  hinwegflieht.  In  dem 
chinesischen  Reiche  kennt  man  dieses  nicht,  in  unserem  Lande  hört  man  davon  kein 
Beispiel.  Wenn  Avir  dieses  den  Heerführern  melden,  werden  sie  gewiss  zürnen,  weil 
wir,  bei  dem  Wunsche,  das  eigene  Leben  zu  retten,  etwas  Vorschriftwidriges  melden. 
Die  Darlegung  einer  Feigheit  solcher  Art  kann  man  für  die  Heerführer  nicht  bereit 
halten.  Da  in  der  Feste  Wasser  und  Lebensmittel  auch  in  der  kleinsten  Menge  nicht 
vorhanden,  Kugeln  und  Pulver  es  ganz  imbedeutend  sind,  wie  viel  kann  es  da  bedeuten, 
wenn  wir  von  dem  grossen  Heere  angegriffen  werden?  Mögen  wir  nur  sehr  schnell 
angegriffen  werden.  Wir  werden  die  Leichname  in  Uru-san  begraben  und  den  Namen 
der  Gerechtigkeit  späteren  Geschlechtsaltern  mittheilen. 

Jetsi-go-no  karni  sore-wo  kiki-te  ze-fi-naku  fon-dzin-je  kajeri-si-ga  mata  nori-kitari  san- 
nin-wo  maneki-dasi  o-o-gawutsi-je  mukatte  go-fen  go-sio-zon-nite  go-fen-to  rib-wb-je  mbsi-kere-ba 
motte-no  foka  o-oi-ni  kan-zi  rib-wb-no  kotoba  ajamari  nari-to  kö-kuai-seri.  Kan-ten-to  i-i  tai- 
gun-ni  kakomare  midzü-ni  kassi  sioku-ni  uje-taru  rö-fei  jü-si-no  mitsi-tvo  tatete  tai-sib-no 
mimi-ni  daiii  irezü-to  iü  koto  motto-mo  kan-züru-ni  taje-tari.  Sono  fito-no  na  '^  ^  mib-zi- 
■100  kaki-tomu-besi-to  rib-iob  sünaivatsi  go-fen-no  on-na-wo  kaki-tome-tari .  Sikara-ba  tai-min 
ni-nin-no  icb-to  zib-nai  san-nin-no  tai-sib-to  tagai-ni  ko-zei-nite  fan-to-ni  ide-ai  kiiai- 
mei-si  sono  uje  ^  ^  i-gi-naku  ßki-tori  tagai-ni  ki-katsü-no  Ä  ^  rd-fei-ico  jasumu- 
besi-to   ari. 

Der  Statthalter  von  Jetsi-go,  dieses  hörend,  wusste  nichts  zu  erwiedern  und  kehrte 
in  sein  Lager  zurück.  Er  kam  hierauf  noch  einmal  herangeritten,  winkte  die  drei 
Männer  herbei  und  sprach  zu  O-o-gawutsi:  Als  ich  nach  deinem  Sinne  die  Antwort  den 
beiden  Königen  hinterbrachte,  zollten  sie  imgewöhnlich  grosse  Anerkennung,  und  sie 
bereuten  die  Unrichtigkeit  ihrer  Worte.  Dass  die  Belagerten,  bei  kaltem  Wetter,  von 
einem  grossen  Heere  umzingelt,  dürstend  und  hungernd,  den  Weg  muthiger  Kriegs- 
männer begründen  und  den  Heerführern  es  nicht  einmal  zu  Ohren  bringen,  ist  überaus 
der  Anerkennimg  würdig.  Sie  sagten,  man  mtisse  den  Namen  und  den  Geschlechtsnamen 
dieses  Menschen  aufschreiben.  Die  beiden  Könige  schrieben  dann  deinen  Namen  nieder. 
Da  es  sich  so  verhält,  müssen  die  zwei  Könige  des  grossen  Ming  und  die  drei  Heer- 
führer in  der  Feste  gegenseitig  mit  einer  kleinen  Kriegsmacht  auf  halbem  Wege  zusammen- 
treffen, einen  Vertrag  beschwören,  ausserdem  ohne  Widerrede  sich  zurückziehen  und  die 
hungernden  und  dürstenden,  ermüdeten  Krieger  ausruhen  lassen. 

Denkschriften  doi-  phil.-hist.  Ol.  XSV.  Bei.  31 


242  Pfizmaier. 

0-0-gaioutsi  sojio  kö-zib-wo  san-sib-je  fi-ro-sü.  San-sib  gun-beö-wo  mesi-atsüme  men-men- 
no  sio-zon  nokorazü  mbsi-hesi-to  ari-kere-ha  ^  p  i-ku  do-sin-ni  mbsi-keru-ioa  tote-mo  kono 
sirn-no  tei-tarakn.  itsu-ka  mi-ka-tvo  idezü-site  kotu-gotoku  uje-si-sü-besi  sa-aran-ni  oi-te-iva 
nippou  sio-zei-iiü  joivari  nomi-iü.  arazü  ja-tsü-no  siro-z/ro-mo  tsikara-iüo  usinai  teu-sen-to 
— ■  ^  ikkua-no  jakara-mo  sbrbje-ha  to-ni-mo  kaku-ni-mu  sir'o-wo  seme-otosarezü-site  tai-teki-wo 
nabike-taru  kono  zib-nai  si-goku-no  sio-ri-taru-besi.  Flto-zitsi-wo  tor'i-kaiva.n  ken-jaku  tadasi-ku 
go-tai-men-ni  oi-te-iva  sikaru-beki  on-koto-to  kotoba-ico  tsi^ltsiimazü  mbsi-kere-ba  san-tai-sib  ware- 
ivare-mo  sa-koso  omoje-to  zib-ge  itsi-du-ni  kessi  san-sib-jori  fen-to-ni  rib-gun  ßto-zHsi-wo  tori- 
kaivasi  tai-men  i-go  i-gi-naku  uma-ico  ireraru-nl  oi-fe-wa  rib-tob  nozomi-ni  makasü-hesi-to  ari. 

0-o-gawutsi  gab  diese  Rede  den  drei  Heerführern  bekannt.  Die  drei  Heerführer 
beriefen  die  Krieger  des  Heeres  zusammen  und  sagten,  dass  ein  Jeder  ohne  Ausnahme 
seine  Meinung  aussprechen  könne.  Mit  verschiedenen  Worten,  jedoch  einmüthig  sagte 
man:  Wie  diese  Feste  beschaffen  ist,  müssen  wir,  ehe  noch  fünf  Tage,  drei  Tage  vor- 
über sind,  insgesammt  Hungers  sterben.  Dann  sind  die  Streitkräfte  von  Nippon  nicht 
allein  schwach ,  auch  die  acht  Festen  verlieren  ihre  Kraft.  Wenn  wir  mit  Teö-sen  in 
Eintracht  ein  Geschlecht  bilden,  wird  jedenfalls  die  Feste  nicht  erstürmt,  und  es  muss 
für  das  Innere  dieser  Feste,  welche  den  mächtigen  Feind  gebeugt  hat,  der  höchste  Sieg 
sein.  Es  ist  eine  angemessene  Sache,  dass  man  gegenseitig  Geiseln  stelle,  redlich  bei 
dem  Versprechen  sei  und  von  xVngesicht  zusammentreffe.  —  Als  man  dieses  unumwunden 
dargelegt  hatte,  sagten  die  drei  Heerführer :  Wir  denken  ebenfalls  so.  —  Man  fasste 
zugleich  den  Entschluss,  und  von  Seite  der  drei  Heerführer  sagte  man  in  der  Antwort: 
Nachdem  die  beiden  Heere  gegenseitig  Geiseln  gestellt  haben  und  man  von  Angesicht  zu- 
sammen getroffen  ist,  kann  man  es  dem  Willen  der  beiden  Könige  überlassen,  dass 
die  Pferde  hereingebracht  wei-den. 

0-o-gawutsi  sono  mune  jetsi-go-no  kami-ni  i-i-watasü.  Sükosi  toki-wo  fete  mata  jetsi-go- 
110  kami  kitari-te  hvaku  ßto-zitsi-no  nozomi  motto-mo  si-goku-ni  sbraje-domo  sari-nagara  zib- 
tsiü-no  san-dai-sib-no  utsi  jj^  J^  sib-nin-to  site  itsi-nin  kono  fb-je  siiitsü-zib-mo  aru-mazi-ku 
sbrb.  Mata  tai-inin  tai-kub-tei-no  mib-dai  nare-ba  kono  fb  •rib-tvb-no  utsi  itsi-nin  71  iKg  niu- 
zib-mo  nari-gatasi.  Sikara-ba  i-ge-7io  ßto-zitsi-wa  sen-nasi  sono  uje  tai-koku-ni  itsüu-ari-naki- 
no  -^  deo.  Sib-guatsü  mi-ka  uma-no  toki-ni  kuai-mei-to  ari-kere-ba  siro-jori-mo  motto-mo-to 
fen-zi-site  sono  omomuki-ni  kiwamari  tsükai-wa  süde-ni  kajeri-nu. 

0-o-gawutsi  überbrachte  diesen  Beschluss  dem  Statthalter  von  Jetsi-go.  Nachdem 
eine  geringe  Zeit  verflossen,  kam  der  Statthalter  von  Jetsi-go  nochmals  und  sprach : 
Der  Wunsch  nach  Geiseln  ist  zwar  äusserst  bereclitigt,  jedoch  das  Haus  der  drei  Heer- 
führer in  der  Feste  besteht  aus  rechtlichen  Menschen,  und  es  darf  kein  Einziger  zu  uns 
aus  der  Feste  treten.  Auch  kann  es  unmöglich  geschehen,  dass  aus  dem  Hause  unserer 
beiden  Könige,  da  sie  Stellvertreter  des  grossen  Kaisers,  des  grossen  Ming  sind,  ein 
einziger  Mensch  in  die  Feste  tritt.  Unter  solchen  Umständen  sind  Geiseln  hinfort 
unnütz.  Ueberdies  sind  in  dem  grossen  Reiche  die  Tunkte  des  Uebereinkommens  ohne 
Falschheit.  Am  dritten  Tage  des  ersten  Monates  des  Jahres,  um  die  siebente  Stunde ' 
wird  der  Vertrag  beschworen.  —  Aus  der  Feste  antwortete  man,  dass  dieses  Recht 
sei.  Es  wurden  über  den  Gegenstand  Bestimmungen  getroffen  und  die  Abgesandten 
kehrten  zurück. 


'  Von   11   Ulir  Morgens  bis   1   Ulir  Nachmittags. 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  243 

Teki  mi-kata  ja-ivo  todome-te-kere-dovio  zib-nai-ni-wa  sükosi-mo  kokoro-wo  jurusazü-site 
fei-ura-icu  kataku  mamori-keru,.  Sikaru  tokoro-ni  o-o-gatvutsi  sime-ate-wa  jamete  kia-fan-ioo 
fagi-wi-keru-ga  kia-fan-no  wo-mo  tokezü-site  asi-kubi-je  sagari-tari.  Kind-nto  sagarl-si-ioo  fiki- 
agarasime  nuisühi-oki-si-ni  mata  sagari-tare-ha  sore-nite  kokoro-tsüki  süne-niku  otsi-te  koso-to 
omoi  kia-fan-ioo  tori-te  mire-ha  tada  take-iio  tsütsü-too  tate-taru  gutoku-nite  fukura-no  niku- 
wa  sükosi-mo  naku-te  fone-ni  kawa-no  kakaru  bakai'i  nari.  Fh-fai-ni  jama-gaioa  -M  naga 
fei-je-zeo-to  iü  mono  ara-arasi-ki  umare-tsüki-nite  tsüne-ni  fowo-bone  arete  me-mo  o-oi-ni  kutsi 
firoki  wofoko  nare-ha  tsitra-wo  mi-ha-ja-to  onioi  o-o-gawutsi  jama-gaiva-ai  inukai  go-fen  kahuto- 
wo  nui-te  foico-afe-v:o  totte  omote-ivo  mise-jo-to  i-i-kere-ba  jama-gawa  kotajete  teki  nitvaka-ni 
seme-ba  kabuto-ico  kiru  fima  aru-mazl-ki-to  i-i-sl-ivo  mu-ri-ni  nugasete  mire-ba  makotu-ni  nani- 
ni  tatö-beki  jb-mo  naki  ^  'äik  men-tai  tada  ^  e-ni  kakeru  ga-ki-ni  koto-narazü.  Sio-gun- 
beo  kore-wo  mite  itsi-do-ni  te-iuo  utte  taka-ivarai-si  »lata  rnku-rt/i-süru-m.o  a,ri. 

Obgleich  der  Feind  und  die  Unserigen  ihre  Pfeile  zurückhielten,  war  man  in  der 
Feste  niclit  im  Geringsten  sorglos  und  bewachte  streng  die  innere  Seite  des  Erdwalls. 
Als  indessen  0-o-gawutsi  sich  der  Beinharnische  entledigte  und  eben  die  iStrümpfe  aus- 
zog, waren  die  Strumpfbänder,  olme  dass  sie  sich  gelöst  hätten,  zu  dem  Halse  des 
Fusses  herabgesunken.  Auch  gestern  waren  sie  herabgesunken,  und  er  iiatte  sie  höiier 
heraufgezogen  und  angebunden.  Da  sie  wieder  herabgesunken  waren,  wurde  er  auf- 
merksam, und  er  glaubte,  dass  das  Fleisch  der  Beine  eingefallen  sei.  Als  er  die  Strümpfe 
wegnahm  und  hinsah,  war  es,  als  ob  Bambusrohre  hingestellt  wären.  Das  Fleisch  der 
Waden  war  gar  nicht  vorhanden,  und  die  Haut  hing  nur  an  den  Knochen. 

Unter  seinen  Genossen  war  Einer,  der  sich  Jama-gawa  Naga,  Zugesellter  der  be- 
waffneten Leibwache,  nannte.  Da  derselbe  ein  Mann  war,  der  bei  einer  groben  Ivörper- 
beschaffenheit  immer  grobe  Gesiclitsknochen,  grosse  Augen  und  einen  breiten  Mund 
hatte,  so  wünschte  Ü-o-gawutsi  dessen  Gesiclit  zu  sehen.  Er  sprach  dahei-  zu  Jama- 
gama :  Lege  den  Helm  ab,  nimm  den  Helmsturz  weg  und  zeige  dein  Angesicht.  — 
Jama-gama  erwiederte:  Wenn  der  Feind  plötzlich  angreift,  wird  keine  Zeit  sein,  den 
Helm  aufzusetzen.  —  Jener  nöthigte  ihn,  den  Helm  abzulegen.  Als  man  Jama-gawa 
ansah,  wusste  man  wirklich  nicht,  womit  man  ihn  vergleichen  solle.  Seine  Gesichts- 
bildung war  von  derjenigen  eines  hungrigen  Dämons,  dei'  nur  auf  Gemälden  gemalt 
wird,  nicht  verschieden.  Die  Krieger  des  Heeres,  welche  dieses  sahen,  schlugen  zugleich 
in  die  Hände  und  lachten  laut.      Es   gab   deren  auch,  welclie  Thränen  vergossen. 

0-o-gawutsi  i-i-keru-ioa  kono  7^  siki -  nite -  iva  teki  itsi-nin  ai-te-ni  süru  koto  nari- 
gata-kant-besi.  Ware  uzi-gami  dai-bo-satsü-wo  ^  sin-zi-tate-matsw'e-ba  jo-tsü  asi-wo  kataku 
^  kin-zi-keru-ga  kono  toki-no  koto  )iai'e-ba  tote  si-si-taru  um.a-no  vwmo-ivo  kiri-totte  ja-no 
ne-ni  tstirauuki  i-komi-si  ja-domo-iw  taki-gi-to  si  jai-te  sioku-si-keru.  Sio-nin  kore-ivo  mite 
ika-ni  o-o-gaioutsi  azl  joki-ja-to  tö.  Kotajete  ware-ioa  azi-ni-wa  kamaumzü  tsikara-ni  saje  nara- 
ba  isi  nari-to-mo  nonde  t^  A  tö-zin  fitori  ai-te-ni  sen  tarne  nari-to  i-i-kere-ba  ware-mo  fito-mo 
motto-mo  tote  sioku-si-keru  fodo-ni  si-go-fiki-no  uma-no  asi  fodo-naku  mina-ni  si-tare-domo 
tai-zei-no  koto  nare-ba    nodo-ioo  nurasü  fodo-mo  na-kari-keri. 

0-o-gawutsi  sprach :  Auf  diese  Art  kann  es  unmöglich  geschehen,  dass  wir  mit 
einem  einzigen  Feinde  handgemein  werden.  Als  ich  an  den  Gott  der  Geschlechtsnamen, 
den  grossen  Bosats  glaubte,  verbot  man  streng  die  Vierfüssler.  Doch  es  handelt  sich 
um  die  Gegenwart.  —  Hiermit  hieb  er  einem  todten  Pferde  den  Schenkel  ab,  steckte 
ihn  an  einen  Pfeilschaft,    gebrauchte    hereingeschossene  Pfeile   als  Brennholz,    briet    ihn 

31* 


244  Pfizmaier. 

und  uss  ihn.  Die  Leute,  welche  dieses  sahen,  fragten  ilui :  0-o-gawutsi !  Schmeckt  es 
gut?  —  Er  antwortete:  Ich  kümmere  mich  nicht  um  den  Geschmack.  Wenn  es  nur  für 
die  Kraft  ist,  so  mögen  es  Steine  sein,  ich  verschlucke  sie.  Es  ist,  um  mit  den  Menschen 
von  Thang  für  mich  allein  handgemein  zu  werden.  —  Weil  er  und  Andere  sagten,  dass 
es  Recht  sei  und  assen,  vertilgte  man  unverzüglich  die  Schenkel  von  vier  bis  fünf 
Pferden.  Da  es  sich  aber  um  eine  grosse  Streitmacht  handelte,  war  es  nicht  so  viel, 
um  die  Kehle  zu  befeuchten. 


Ni-ziu-ku-nitsi  teki  mi-kata  tagai-ni  mono-sidzüka  nari.  Sare-domo  zio-nai-ni-wa  tsiü-ja 
me-ico  awasezü  katame-keru.  Zib-nai  koko-kasiko-no  ja-gura  sita  mitsi-waki-no  fi-omote-ni-wa 
sahurai  asi-garu  nin-ha-ra-ni  kagirazü  ki-katsü-no  uje-no  ^  ||^  kan-nan-ni  itami  go-ziü-nin 
san-ziü-nin-dzütsü  tisiro-je  motare  mata  sono  usiro-je  motarete  kbbe-ivo  tare  fusi-ivi-keru-toa 
kazü-ivo  sirazii.  Faja  ni-san-nitsi-mo  mi-wo  igoki-vio  sezare-ha  fei-ura  mawaru-gtm-si  jari-wo 
mi-dzükara  katagctc  mawari-si'7ii  ikka-mo  ivgokazari-si-ka-ba  jari-no  isi-dzüki-tvo  motte  fane- 
tawosi  mire-ba  koto-gotoku  tvi-sükumi-ni  nari  arui-ioa  koivori-ni  todzirare  .n-si-wi-tari-keri. 
Aware-to-mo  gon-zetsü-ni-ica  nobe-gataki  ro-zih  nari. 

Am  neun  und  zwanzigsten  Tage  verhielten  sich  der  Feind  und  die  Unserigen 
gegenseitig  ruhig.  Jedoch  in  der  Feste  schloss  man  Tag  und  Nacht  kein  Auge  und 
wachte.  In  der  Feste  lehnten  unter  den  hier  und  dort  befindlichen  Tliürmen,  an  der 
Sonnenseite  der  Theilungen  der  Wege,  Kriegsmänner,  nicht  bloss  Fussgänger  und 
Arbeiter,  zu  Hunger  und  Durst  noch  von  Kälte  leidend,  zu  Fünfzigen  und  Dreissigen  nach 
rückwärts.  Die  Zahl  derjenigen,  welche,  sich  nach  rückwärts  lehnend,  dazu  den  Kopf  sinken 
Hessen  und  liegen  blieben ,  ist  nicht  bekannt.  Als  sie  bereits  zwei  bis  drei  Tage  sich 
nicht  rührten,  stiessen  die  innerhalb  der  Mauern  umhergehenden  Krieger,  indem  sie,  die 
Lanze  auf  der  Schulter  tragend,  umhergingen,  als  jene  durch  mehrere  Tage  sich  nicht 
rührten,  sie  mit  dem  stumpfen  Ende  der  Lanze  zu  Boden.  Als  sie  hinsahen,  waren  die 
Menschen  sämmtlich  zusammengeschrumpft,  einige  von  Eis  verschlossen,  und  waren 
todt.      Es  war  eine  traurige  und  durch  Worte  nicht  zu  beschreibende  Belagerung. 

Kaku-te  ima  teki  seme-ivo  jurusi  kiü-soku-no  ßma  ari-kere-ba  kijo-masa  ka-tö-jo-fei-dzi- 
wo  mesi  0  gu-si  fon-maru  kadzü-josi-no  moto-je  kite  o-o-gawutsi  mo-sa-je-mon-deo-wo  tsika- 
dzüke  ni-ziü-san-nitsi  sd-kamaje  -4^  l^  tni-fai-no  ^J  koku  go-fen  fi.-rui-nakl  singain-no  ßto- 
fiiri  ja-gura-jori  fogaraka-ni  itsi-ran-sü.  0-o-te-no  p^  mon-no  singari-wa  go-fen  karame-te- 
no  mon-no  shigari-um  jo-fei-dzi  nari-to  ijeri.  0-o-gaivutsi  kata-zi-ke-naki  o-kotoba-wo  uke- 
tamawari-shrb-je-doyno  soregasi-wa  katsüte  singari-nite-iva  sbrawazü.  Ni-ziü-ni-nitsi-no  tai-Jai-- 
gun-ni  uma  sü-ka-sio  irare-sbrb-je-ba  katsi-datsi-no  si-awase-taru-ni  jotte  ono-dzükara  osoku 
tori-iri-te-sbrb  isasaka  motte  singari-tsükamatsürti-beki  sio-zon  mö-tö  sbraivazü.  0-ije-no  jo-fei- 
dzi-dono  koso  kokoro-wo  kake  sa-kib  dai-bu-dono-wo  saki-ni  tatete  sono  tije  itma-zirusi-ni  |^ 
wa-wo  kake  teki-ni  utasezü-site  tori-iri-sbrb  koto  köre  ko-kon  bu-s6-no  na-takaki  singari-nite 
sbrb-to  kotaje-kere-ba  kijo-masa  tai-jetsü-no  ke-siki-nite  o-oi-ni  ivarai  go-fen  sib-zik/  sügi-taru 
fito  kana  kokoro-gake-naki  tote-mo  ato-ni  sirizoki-taru-mono-wo  .nngari-to-ioa  iü  nari-fote 
sünawatsi  sono  fi-no  rib-nin-ivo  singari-fo  nioku-roku-ni  kaki-nose-tari .  Sazo  ^  "J^  zib-ka- 
100  mire-ba  zib-nai-je  teki-jori  i-keru  ja-saki  isi-gaki-ni  atari  otsi-tsümori-si-ni  fatsi-ken-no 
isi-gaki  ni-ken-jo-iva  koto-gotoku  ja-ni  umari-keru. 

Als  somit  der  Feind  jetzt  in  seinen  Angriffen  nachliess  und  eine  Weile  Ruhe  war, 
berief   Kijo-masa    den  Kx'iegsmann    Ka-to-fei-jo-dzi    zu    sich.     Er    zog  0-o-gawutsi-mo, 


Dee  Feldzüg  der  Japaner  gegen  Cobea.  245 

Zugesellten  des  Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  der  in  dem  ursprünglichen  Rund  zu 
Kadzii-josi  kam,  in  seine  Nähe  und  sprach :  Am  drei  und  zwanzigsten  Tage,  zur  Zeit 
als  die  allgemeine  Umschliessung  vollständig  gebrochen  wurde,  beobachtete  ich  von 
dem  Thurme  genau  die  unvergleichliche  Weise  deiner  Deckung  des  Rückzuges.  Den 
Rückzug  zu  dem  Thore  der  vorderen  Seite  hast  du  gedeckt.  Den  Rückzug  zu  dem 
Thore  der  rückwärtigen  Seite  hat  Jo-fei-dzi  gedeckt.  —  Als  0-o-gawutsi  diese  verbind- 
lichen Worte  erhielt,  erwiederte  er:  Ich  habe  den  Rückzug  nicht  gedeckt.  Da  bei  der 
grossen  Niederlage  des  ein  und  zwanzigsten  Tages  mein  Pferd  an  mehreren  Stellen 
angeschossen  wurde,  musste  ich  zu  Fusse  gehen,  und  ich  rückte  desswegen  spät  ein. 
Ich  hatte  nicht  im  Geringsten  den  Gedanken ,  dass  ich  den  Rückzug  decken  könne. 
Der  Herr  Jo-fei-dzi  aus  deinem  Hause  richtete  hierauf  sein  Augenmerk.  Den  Herrn 
Grossen  der  Hauptstadt  zur  Linken  voranstellend,  hängte  er  überdiess  an  die  Feldherrn- 
fahne das  Rad  und  rückte,  den  Feind  nicht  zum  Schlagen  kommen  lassend,  ein.  Dieses 
ist  eine  ausgezeichnete  Deckung  des  Rückzuges,  die  in  dem  Alterthum  und  in  der 
Gegenwart  ihres  G] eichen  nicht  hat.  —  Kijo-masa,  in  seinem  Angesichte  grosses  AVohl- 
gefallen  zeigend,  lachte  laut  und  sprach:  Du  bist  ein  überaus  ehrlicher  Mann!  Denjenigen, 
der,  obgleich  gedankenlos,  zurückgewichen  ist,  nennt  man  den  Decker  des  Rückzuges.  —  Man 
trug  dann  die  zwei  Männer  jenes  Tages  als  Decker  des  Rückzuges  in  die  Verzeichnisse  ein. 
Als  man  den  Fuss  der  Feste  betrachtete ,  hatten  sich  daselbst  die  von  Seite  des 
Feindes  in  die  Feste  geschossenen  Pfeilspitzen,  indem  sie  die  Steinmauer  trafen,  im 
Fallen  gehäuft,  und  von  der  acht  Ken  in  der  Höhe  messenden  Steinmauer  waren  über 
zwei  Ken  gänzlich  unter   Pfeilen  begraben. 


Zusätze  des  Fürsten  Kijo-masa : 

Oku-goku-tsiü  osi-fataraki-no  •mitsl-siizi-nite  sio-7iin  o-oi-ni  ran-hb-sü.  Fide-moto-mo  nippon 
ki-teö-no  mijage-to  omoi-te  aja  nisiki  kin-ran  siu-sü  fl[E  ^  niu-riö  don-sü  iro-iro-no  maki- 
rnono  fi-hi  jerami-te  kon-nitsi  totte  mata  mib-nitsi-wo  mite-wa  maje-ni  tottai'u  sükosi-mo  otoreru- 
wa  jaki-sütete  *|[  rui-sükunaki  bakari-iuo  süguri-tori  san-fiaku  sitsi-ziü  ^  kuan  tori-to.ri. 
Sio-nin  koto-gotoku  kokoro-ni  makase-tottario  ato-nite-wa  o-oi-naru  kura-mo  mina  jaki-tsirasi-te 
toioori-keru.  Flde-inoto  fawa  M^  ^  mio-gen-in-je  mijage-ni-to  kokoro-zasi-taru  in-sü-no  sia- 
ka  ^t}-  1^  kon-si  ^  ^M  kln-dei-no  tagui-naki  nd-fitsü-no  ^  ^  ^-  fo-ke-kiu  sono  foka 
jumi-ja  si-ko  tsia-wan  suzüri  i-ge  iro-iro  sama-zama-no  teo-sen  do-gu-wo  tori  usi  ni-fiki-ni 
tsükete  uru-san-no  ko-ja  made  tsütsüga-naku  motsi-kitari-si-nifatsi-ziü-man-  ^  ki-ni  oi-komare 
i/ma  nado  fumi-korosi-taru  tei  nare-ba  ko-ja  nite  nokorazü  siu-sissü.  Sore  nomi  narazü 
tai-kh  den-ka-jori  fai-rib-se-si  on-fa-wori  tob-gon  fide-moto  dziü-dai  bi-zen  ^  -^  kane- 
mitsü-ga  ivaki-zasi-ni  itaru  made  koto-gotoku   ^      h    en-zib-si-tari-ki. 

Auf  den  Wegen  der  Unternehmungen  im  Inneren  des  Reiches  machten  alle  Krieger 
i-eiche  Beute.  Auch  Fide-moto  glaubte,  dass  die  Gegenstände  bei  der  Rückkehr  nach 
Nippon  sich  zu  Geschenken  eignen  würden.  Er  suchte  jeden  Tag  Damast,  ßrocat,  Gold- 
brocat,  Atlas,  Seidendamast  und  allerlei  Gemälde  aus.  Indem  er  die  Gegenstände  heute 
nahm  und  morgen  wieder  betrachtete,  verbrannte  er  dasjenige,  welches  dem  früher  Genom- 
menen etwas  nachstand,  wählte  nur  das  in  seiner  Art  Seltene  und  nahm  dreihundert  sieb- 
zig Rollen  (Gemälde).  Nachdem  die  Leute  ganz  nach  ihrem  Gutdünken  genommen  hatten, 
verbrannten    sie    alle    grossen    Vorrathhäuser     und    zogen  weiter.     Fide-moto    nahm  die 


24ß  Pfizmaiek. 

verschiedenen  Grerätlie  von  Teö-sen,  welclic  er  dem  Tempel  Mio-gen ,  dem  Tempel 
seiner  Mutter  zum  Geschenke  zu  machen  beabsiclitigte,  die  auf  gesiegeltem  blauem 
Papier  mit  Goldtinte  von  einem  unvergleichlich  geschickten  Schreiber  geschriebenen 
Bücher  der  Secte  Fo-ke,  ausserdem  Bogen  und  Pfeile,  Pfeilkürbe,  Theeschalen,  Tinten- 
steine und  noch  Mehreres,'  lud  es  auf  zwei  Rinder  und  war  damit  ohne  Unfall  bis  zu 
den  Hütten  von  Uru-san  gekommen.  Als  indessen  das  Eindringen  der  achtzigtausend 
Heiter  und  Ertreten  durch  die  Pferde  stattfand,  verbrannten  alle  diese  Gegenstände  in 
den  Hütten.  Nicht  nur  dieses,  auch  der  Mantel  und  das  Gold,  das  er  von  dem  grossen 
Seitenthore  (Fide-josi)  und  den  Menschen  unter  der  Vorhalle  zum  Geschenke  erhalten, 
selbst  das  Erbstück  des  Geschlechtes  Fide-moto,  das  kurze  Schwert  von  Kane-mitsu  aus 
Bi-zen,  Alles  wurde  ein  Raub  der  Flammen. 


Kadzü-josi  kijo-masa  ^  2/  -\^  2^  to  -in  tokoro-ni  tö-riu-no  utsi  pj^  ^  rih-ke-no  gun- 
zei-too  motte  jama-wo  tori-maki  tora-gari-se-si-7ii  tora  sikari-kakaru  mukb  tüi-tani,  kijo-masa- 
ga  gnn-si  kabuto-gurumi-ni  kasira-wo  kurai-ßsigare  ko-te-gurumi-ni  vde-iüo  kurai-ßsigaretc 
tatsi-matsi-ni  si-si-tari-kere-ha  dai-zi-no  ikusa-wo  kakajete  sio-sen  irazaru  koto-tote  fora-gari- 
wo  jame-fari.  Sare-ha  teo-sen-nite-mo  tora-gari-no  i^j  ku-ioo  koto-ni  tai-jä-to  sadamuru  nari. 
Mata  yh  ly  ^  tv-m  tokoro-ni  idete  osi-keru-ni  ^  ~p  amari-no  jg  -^  ta-kire  ari-te 
vvia-no  fufo-vioiiio-too  seinuru  fodo  nare-ba  doro-ivo  konete  norl-watasu  koto  nari-gatasi.  Ika- 
ga-su-beki-to  in  tokoro-ni  o-oki-naru  kura  ari.  Utsi-jaburi  mire-ba  |||  tö-mo-men-wo  tsume- 
okl-tari.  Saitvai-to  tori-idasi  ^  ~y  jo-no  faka-doro-ivo  mo-men-ivo  motte  koto-gotoku  umete 
nin-ba-wo  towosi-tari.  Ge-ge  nin-bn-no  warazi  uma-no  kutsü-ni  itario  made  mina  tö-mo-men- 
wo  ßki-saki  tsükuri-te  motsi-i-tari.  iffl  |^  Osi-dzin-no  utsi-wa  nin-bu-ra  made  fu-dan  tsüru 
faku-te.6-wo  fazimete  j^  ^  teö-rui  ^  ||g  gijo-rui  jorodzü-no  ||.  -^  kua-si-ni  itaru  made 
nippon-nite  tada  fosi-na-wo  m,otsijufn(,-jori  nawo  takio-san-ni  ^  fuku-si-keri.  Fide-moto  fatsi- 
man-gü-wo  sin-go-si-tate-matsure-ba  jo-tsu  asi-ivo  motsi-i-zu-to  ije-domo  i-koku  to-kai-no  mei- 
jo-no  tame-ni  tora-wo  ^ß  fuku-si  mata  kon-zi-teö-wo-mo  i^  sioku-si-keru.  Ban-zi  jü-ran-ni 
o-oki-naru  koto  motto-mo  atejaka-naru  tokoro-gara  nippon-ni  tatö-beki  jb  nasi  ;^  ^  wb-kb- 
no  mitsi  firoki-wa  san-ziü-go-ken  ni-zin-go-ken-jori  semaki-iva  nasi.  Itsi-rl-no  sakai  kuni-zakai- 
ni-tva  o-o-isi-tüo  motte    /\    -^  fakkaku-ni  kiri-te  dai-mon-zi-ni  ^  mei-ivo  kiri-tsüke-tatete  ari. 

Während  Kadzu-josi  und  Kijo-masa  sich  in  Tsin-sen  aufhielten,  umringten  sie  mit 
ihrer  Kriegsmacht  das  Gebirge  und  jagten  Tiger.  Ein  Tiger  brüllte,  und  einen  ihm 
gegenüber  befindlichen  Krieger  aus  dem  Heere  Kijo-masa's  wairde  an  dem  Helmknopfe* 
das  Haupt,  an  dem  Knopfe  der  Armschiene  der  Arm  entzwei  gebissen,  so  dass  er  plötz- 
lich todt  blieb.  Man  zog  das  wichtige  Kriegsheer  an  sich  und  stand  endlich  von  der 
Tifferiaffd  als  einer  unnöthiffen  Sache  ab.  Indessen  bestimmt  man  aucli  in  Teo-sen,  dass 
Thaten  auf  der  Tigerjagd  besonders  grosse  Tapferkeit  sind. 

Als  man  feimer  zu  einem  Orte  Namens  Fo-siki^  vorrückte,  befand  sich  daselbst  ein 
über  zwei  Strassenlängen  messendes  Stück  Acker.  Die  Pferde  kneteten  den  Schlamm, 
der  so   tief  war,     dass   er  ihre  Schenkel   bedrängte,    und    es    w^ar   unmöglich,    hinüber  zu 


'  Kabuto-gunirai,  wörtlich   ,Walliniss  des  Helmes',  fehlt   sowohl  in  den  Wörterhüi-liern   als  in    den  Zeichnungen.     Dasselbe  ist 

auch  bei  Ko-te-gurunii  der  Fall. 
2  Nach   einer  anderen  Lesart    ^J^     it     3^    fokin. 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  247 

reiten.  Während  man  keinen  Ratli  wusste,  fand  sich  in  der  Nähe  ein  grosses  Voi-raths- 
liaus.  Als  man  es  einbrach  und  hinsah,  war  daselbst  chinesisches  Baumwolltuch  angehäuft. 
Man  nahm  dieses  glücklicher  AVeise  hervor,  füllte  den  zwei  Strassenlängen  messenden 
tiefen  Schlamm  mit  dem  Baumwolltuche  gänzlich  aus  und  brachte  Menschen  und  I'ferde 
hinüber.  Die  Strohschuhe  der  untersten  Arbeiter,  selbst  die  Hufeisen  der  Pferde  Alles 
zog  und  zerriss  chinesisches  Baumwolltuch.  Man  machte  es  zurecht  und  verwendete  es. 
In  dem  vorgeschobenen  Lager  assen  selbst  die  Arbeiter,  von  Kranichen  und  Schwänen 
jmgefangen ,  unaufhörlich  Vögel ,  Fische ,  endlich  zehntausend  Arten  von  Frücliten 
mehr  als  man  in  Nippon  nur  trockenes  Gemüse  gebraucht. 

Da  Fide-moto  den  Tempel  Fatsi-man  verehrte,  verwendete  er  keine  vierfüssio-en 
Thiere,  doch  wegen  des  Ruhmes,  nach  den  fremden  Reichen  das  Meer  übersetzt  zu 
haben,  gebrauchte  er  Tiger  als  Speise  und  ass  auch  den  Vogel  der  goldenen  Schwino-en. 
Die  Grösse  der  zehntausend  Dinge  beim  Lustwandeln,  die  äusserst  zierliche  Beschaffen- 
heit der  Orte  haben  nichts  von  der  Art,  das  man  in  Nippon  damit  vergleichen  könnte. 
Die  Breite  der  Wege,  auf  denen  man  wandelt,  beträgt  fünf  und  dreissig  Ken.  Schmäler 
als  fünf  und  zwanzig  Ken  gibt  es  keine.  An  der  Gränze  einer  Weglänge  und  an  den 
Reichsgränzen  schneidet  man  grosse  Steine  achteckig,  gräbt  Lischriften  in  orossen 
Schriftzeichen  in  sie  und  stellt  sie  auf. 


Fortsetzung  des  Tagebuches. 

Kei-teo  san-nen  tsütsi-no  je  inu  sib~guatsu  fiitsü-ka  ne-no  kokte  hakarl-ni  mon-guai-no 
saka-sita-ni  mono-ivoto  kasüka-ni  kikoju.  0-o-r/aivutsi-mo  sa-je-mon  deö  sio-fb-bai-ni  mukai-te 
aisükai-ni  kofo-jose  ju-dan-no  utsi-ni  ika-naru  ^  ^  fev-ri-no  te-date-ivo  megurasu-heki-mo 
sirezu.  Sadamete  teki  sinohi-jose-keru-to  koso  omoje  tvare  fisoka-ni  idete  saguri-klku-besi. 
Mosi-mo  tal-gun  tsikaku  fase-jori-te  tori-iri-gataki-ni  oite-wa  sono  mmie-wo  johaivaru-hesi. 
Kanarazü  kugwi-wo  firaku-he-karazib  soregasi  fitori-ivo-ha  sute-korod  ken-go-nl  fusegi-soraje- 
to  ken-jaku-si  mon-guai-ni  idete  siro-saka  fito-tsu  ori  kiku-}d  woka-moto  jetsi-go-no  kamifitori- 
no  ko-e-nite  sidzüka-ni  go-zib-nai-je  mbsi-shrb-to  iil.  0-o-gawutsi  woka-moto-dono-nite  sbrb 
kana-to  iü.  Jetsi-go-no  kami  ono-ono  go-rib-san-nin-je  mbsi-taki  si-sai  atte  kitari-to  kotaju. 
0-o-gawutsi  sore-wo  kiki-te  köre  viade  nori- agari-tamaje  tote  ta-naka  ku-tsü-mi-ivo-mo 
johi-idasü.  • 

Am  zweiten  Tage  (35)  des  ersten  Monates  des  Zeitraumes  Kei-teo  (1598  n.  Chr.), 
um  die  erste  Stunde,'  hörte  man  unter  der  vor  dem  Thore  befindlichen  Bergtreppe 
undeutlich  ein  Getöse.  O-o-gawntsi-mo ,  Zugeseilter  des  Thores  der  Leibwache  zur 
Linken,  wendete  sich  zu  seinen  Gefährten  und  sprach:  Was  für  zweideutige  Künste  man 
unter  dem  Vorwande  der  Unterhandlung,  während  unserer  Sorglosigkeit,  in  Anwendung 
bringen  mag,  ist  nicht  bekannt.  Man  sollte  denken:  wahrscheinlich  hat  sich  der  Feind 
herangeschlichen.  Ich  werde  heimlich  hinaustreten  und  horchen.  Wenn  das  grosse 
Kriegsheer  nahe  heranstürmt,  und  es  unmöglich  sein  sollte,  Eintritt  zu  erhalten,  werde 
ich  mit  lauter  Stimme  rufen,  dass  es  sich  so  verhält.  Ihr  dürfet  die  Schlupfpforte  nicht 
erweitern.  Möget  ihr  mich,  den  Einzelnen,  opfern  und  euch  tapfer  vertheidigen.  —  Er 
traf  das  Uebereinkommen  und  trat  vor  das  Thor   hinaus.     Als  er  über   eine  Bergtreppe 


'  Von   11   Uhr  Abends  liis   1  Ulir  Morgens. 


248  Pfizmaieh. 

(I(M-  Feste  hinabstieg  und  liorelite,  sagte  eine  einzelne  Stimme,  diejenige  Woka-moto's, 
Statthalters  von  Jctsi-go,  leise:  Ich  melde  mich  zum  antritt  in  die  Feste.  —  0-o-gawutsi 
sagte:  Es  ist  der  Herr  Woka-moto!  —  Der  Statthalter  von  Jetsi-go  erwiederte :  Ich  bin 
aus  dem  Grunde  gekommen,  weil  ich  zwei  oder  drei  Menschen  etwas  melden  möchte.  — 
Als  0-o-gawutsI  dieses  horte,  sagte  er:  Geruhe,  hier  heraufzureiten.  —  Dabei  rief  er 
Ta-naka  und   Ku-tsu-mi  heraus. 

San-))tu  koto-no  jb-sü-wo  tö  tokoro-ni  jetsi-go- no  kami  i-i-keru-wa  wäre  fu-sib-no  mi  nari- 
to  ije-domo  i-koku  fon-teo-no  tsü-zi  nari-te  07i-atsükai-wo  mbsi-kiroamuru-to  iü  koto  tai-min 
kb-rai  nippon  san-goku-7ii  sono  kakure  ari-gatasi.  Tsüra-tsüra  kore-wo  an-süru-ni  hu-si-taru 
mono-no  ^  toku-ni  arazün-ba  aru-beki-ka-to  ki-jetsü-no  omoi  mi-ni  amai'i-keru-ni  fii-si-gi-no 
=2^  ^  fi'ö-deu-ivo  kiki-nn.  Soregasi  kono  goro  tai-mln-ni  ^  ziü-site  ^  -{^  ki-si  fassen-no 
•jS.  sib-to  naru  sono  H  tvon-ivo  fakarn-ni  Jama-jori-mo  takaku  umi-jori-mo  fukasi.  Fone-ico 
j^  ko-ni  sl  mi-ico  fisi-bi-siico-ni  site-mo  4ß  fö-züru-ni  tarazü.  Tsütaje-kiku  ^  ^  ^  gaku- 
sib-koku-ica  kiü-wun-wo  omoi-te  ^J^  ^  sin-jen-wo  wasüre  J^  en-um  ^^  iitau  koto-a-o  fossezü. 
Koko-ni  sib-nai-wo  mi-tate-mafsure-ha  kijo-masa-no  on-fata  ari.  Ware  itsi-do  go-fu-sin-iuo 
kbmuri  kaku  jen-goku-nl  fadreru  mi  nari-to  ije-domo  kun-sin-tari-si  ^  gi  wasüre- gataku 
tsur/i-ni-ira.  soregasi  itsüwaru  tokoro-no  |S  ig  aku-mib-im  ukuru-mo  mu-nen  nari  juje-ni  kö- 
nan-tüo  kajeri-mizü  tsiü-setsü  mbsi-nite  sbrb.  Meo-nitsi-no  go-kuai-mei  kanarazü  on-ide  aru-hc- 
karazü.  Sono  jiije-wa  tai-koku  itsmoari-ivo  konomazu-to  ije-domo  _&  fei-wa  =^  ^  ki-db 
nare-ha  rib-tcb-no  fakari-goto-ni  fatsi-ziü-man-ki-no  naka-nite  dai-riki-no  mono-wo  nnki-süguri 
kuai-mei-no  Jg  Jh  dan-zib-ni  -4^  ^  tai-sib-wo  saki-to  si  koto-gotohi  ike-tori-te  1^  |g  7'o- 
kuaii-no  M\  rei-ni  makasu-besi-to  s|  gi-süru-no  aida  kanarazü  on-ide  o.ru-be-karazü-to  makoto- 
ni  futa-gokoro-na-ge-ni-zo  tsüge-tari-keru. 

Als  die  Drei  fragten,  um  was  es  sich  handle,  sprach  der  Statthalter  von  Jetsi-go: 
Dass  ich,  obgleich  ein  Entarteter,  der  Dolmetsch  zwischen  dem  fremden  Reiche  und 
dem  eigenen  Hofe  war  und  die  Unterhandlungen  zum  Abschluss  brachte,  dieses  vor  den 
drei  Reichen,  vor  dem  grossen  Ming,  Kö-rai  und  Nippon,  zu  verbergen,  hält  schwer. 
Indem  ich  dieses  ernstlich  betrachte,  überwallt  in  mir  "der  freudige  Gedanke,  ob  wohl, 
wenn  die  Tugend  der  als  Krieger  auftretenden  Männer  nicht  wäre,  es  sein  könnte,  und 
dabei  hörte  ich  eine  unerwartete  Entscheidung.  Ich  wohnte  um  diese  Zeit  in  dem  grossen 
Ming  und  wurde  Anführer  von  achttausend  Reitei-n.  Wenn  ich  diese  Gnade  ermesse, 
ist  sie  höher  als  Berge,  tiefer  als  das  Meer.  Machte  ich  auch  die  Knochen  zu  Mehl,  den 
Leib  zu  eingetrocknetem  Saft  der  Wasserlinsen,  es  genügte  nicht,  es  zu  vergelten.  Yo- 
tschang-kue,  von  dem  man  in  der  Ueberlieferung  hört,  gedachte  der  alten  Gnade  und 
vergass  den  neuen  Groll,  er  wünschte  nicht,  dass  man  Yen  angreife.  Als  ich  hier  das 
Innere  der  Feste  sah,  befand  sich  in  ihr  die  Fahne  Kijo-masa's.  Obgleich  ich  einmal 
in  Verdacht  gerieth  und  in  ein  so  fernes  Reich  flüchtete,  kann  ich  nicht  vergessen,  dass 
das  Verhältniss  zwischen  Gebieter  und  Diener  bestand.  Dann  auch  wäre  es  schmerzlich, 
einen  schlechten  Namen,  weil  gelogen  wurde,  zu  erhalten.  Desswegen  nehme  ich  keine 
Rücksicht  auf  das  spätere  Uebel ,  und  das  sind  Worte  der  Redlichkeit.  Ihr  dürfet 
:i^ur  Yertragsschliessung  des  morgigen  Tages  nicht  herauskommen.  Die  Ursache  ist:  Das 
grosse  Reich  ist  zwar  kein  Freund  der  Lüge,  jedoch  das  Kriegshandwerk  belügt  den 
Weg.  Desshalb  hat  man  nach  dem  Plane  der  beiden  Könige  unter  den  achtzigmal 
zehntausend  Reitern  Leute  von  grosser  Stärke  ausgewälilt.  Auf  dem  Altare  der  Yer- 
tragsschliessung wird  man,   mit  den  Heerführern  beginnend,    alle  gefangen  nehmen  und 


Der  Feldzüg  dee  Japaner  gegen  Corea.  249 

nacli  dem  Beispiele  Lu-lioan's  sie  zur  A^ei-fügung  stellen.  So  lange  diese  Berathimg 
besteht,  dürfet  ihr  nicht  herauskommen.  —  So  meldete  er  auf  eine  Weise,  die  in  der 
That  nicht  doppelherzig  war. 

0-o-gawutsi  san-dai-sib-no  maje-ni  jukl-te  kono  josi-ivo  mosl-kere-ba  san-sih  te-wo  utte 
sate-nio  o-oki-naru  fakari-goio  kana-to  odorokeri.  Fi-da-no  kami  kadzu-josi  fen-tu-ni  iioaku 
sit-do  mon-guai-ni  itatte  ^  ^  to-sib  ari-to  ije-domo  tsüi-ni  tai-men-ni  atatvazü  koto-sara 
-^  ^  kon-scki-no  gi  ^  isiü-sin  sari-tote-wa  fi-rui-naki  koto  gon-go-ni  nohe-gatasi.  Tada- 
ima  'g  -^  fu-ki-no  ja  J^  ku-ivon-too  kajeri-mizü  kun-sin-no  gi-wo  mamori  -|-  si-no  mitsi-ioo 
tateraru  koto  jjj(p  ^  sin-vdo-no  itari  ^  kan-ztiru-ni  taje-tari.  Sio-nal-nomi-no  tsiü-sin-ni 
arazü  nippon  tai-ich-je-no  tsiü-setsü  nari.  Tada-ima  tatst  iivM-no  fö-hl-ni-mo  ojohu-he-kere- 
domo  u-on-mitsu-no  koto  nare-ha  f^  ^  zi-san-mo  ikaga-to  en-in-sü.  G'o-fen  kazüje-no  kami- 
ga  hakka-wo  tatsi-sa7'i-te  notsi  juku-je  sirezaru  tokoro  sono  fo-no  ^  -f'  sai-si-im  ^&  2(S 
kuma-moto-no  ni-no  maru-7ii  komete  kcn-go-ni  ban-wo  tsidie-oki-tari.  Mosi  !M  man-ni  — ■ 
fito-tsü-mo  kono  siro-un-ico  ßrakl  ^  ^  lä-teo-no  mi-to  nari-ie  kaku-no  tsiü-setsü  -^  ^  so-sh 
V  1^  zih-him  tassü-besi.  Mata  go-fen  ^  ^  tslaku-si-u-o  simaivatsi  ctsi-go-no  kami-ni 
^  -fl  ziju-7'ib-si  :^  ^  fon-tsi  ^  ^  se?i-goku-wo  ^  ^  ^  san-sen-goku-ni  ka-zö-si  ato- 
n-o  tsügasimu-besi.  ^  -^  Nio-si  ßtori-ica  kazüje-no  kami-ga  musäme-to  si  sikaru-beki  kata- 
/e  5[|;  ka-sü-besi.  Mosi  kono  omomuki  kaznje-no  kami"^dd-sln-sezaru-nl  oi-te-wa  ^  ~)j  kn- 
bb-je  gon-zib-tate-matsüri  tsiaku-si-ica  J^  kami-je  idasü-besi.  Nio-si-ica  soregasi-qa  J§  ^ 
kio-sib  fo-siü  usü-ki-je  jobi-totte  -^  jo-ga  nmsüme-to  nasü-besi.  Nippon  koku-tsiil  -^  /\\  tai- 
sib-no  jji^  i^^  zin-gi-no  batsü-ivo  tsikatte  itsüwari  sara-ni  aru-be-karazü.  Kore-ico  fo-bi-to 
omoi-iamaje-to  ari-kere-ba  o-o-gaimtsi  uke-tori-te  koma-goma-to  i-i-tvatasü. 

Als  0-o-gawutsi  zu  den  drei  Heerführern  ging  und  diese  Sache  aneldete,  schlugen 
die  Heerführer  in  die  Hände  und  riefen  erschrocken :  O,  ein  grosser  Anschlag !  — 
Kadzu-josi,  Statthalter  von  Fi-da,  sagte  in  der  Antwort:  Icli  kam  mehrere  Male  vor  die 
Thore  und  erstieg  die  Mauer,  doch  eine  Begegnung  war  niemals  möglich.  Es  war 
insonderheit  die  Nachricht  des  heutigen  Abends.  Demungeachtet  kann  man  diese  unvei-- 
gleichliche  Sache  mit  Worten  nicht  sagen.  Dass  man,  auf  die  grosse  Wohlthat  des 
Keichthums  und  des  vornehmen  Standes  nicht  Rücksicht  nehmend,  die  Weise  des 
Gebieters  und  Dieners  bewahrte  und  den  Weg  des  Kriegsmannes  begründete,  dieses  ist 
das  Höchste  der  göttlichen  Vortrefflichkeit  und  würdig  der  Bewunderung.  Es  ist  niclit 
allein  Eedlichkeit  und  Treue  gegen  die  Feste,  es  ist  Redlichkeit  gegen  den  grossen 
König  von  Nippon.  Man  kann  zwar  eben  jetzt  zu  Belohnung  durch  Schwert  und  Pferd 
nicht  kommen,  doch  da  es  eine  verborgene  Sache  ist,  zieht  sich  auch  das  Mitnehmen 
ungewiss  in  die  Länge.  Nachdem  du  das  Zelt  des  Hauptes  der  Rechnungen  verlassen 
hattest,  wusste  man  nicht,  wohin  du  gegangen.  Man  schloss  deine  Gattin  und  deine 
Kinder  in  das  zweite  Rund  von  Kuma-moto  und  bewachte  sie  streng.  Wenn  als  eins  zu 
zehntausend  das  Loos  der  Feste  sich  eröffnet  und  wir  an  den  Hof  zurückkehren,  werden 
wir  eine  solche  Redlichkeit  schnellstens  nach  oben  zu  Ohren  bringen.  Ferner  wird  man 
deinen  ältesten  Sohn  sogleich  zum  Statthalter  von  Jetsi-go  einsetzen,  den  ursprünglichen 
Gehalt  von  tausend  Scheffeln  bis  zu  dreitausend  Scheffeln  vermehren  und  die  Nachfolo-e 
bestehen  lassen.  Deine  Tochter  wird  man  zur  Tochter  des  Hauptes  der  Rechnungen 
machen  und  sie  nach  einer  angemessenen  Seite  vermalen.  Sollte  mit  diesem  Vorgehen 
das  Haupt  der  Rechnungen  nicht  einverstanden  sein,  so  wird  man  es  dem  Fürsten  vor- 
tragen, und  der  älteste  Sohn  wird  zu  dem  Oberen  hinaustreten.  Die  Tochter  werde  icii 

Denkschriften  der  phil.-hist.  C'l.  XXT.  Bil.  32 


250  Pl'IZJIAIER. 

nach  meiiipr  Wohnfeste  Usu-ki  in  Fo-siu  ruicn  inul  sie  zu  meiner  Tochter  machen. 
Indem  ich  bei  den  grossen  und  kleinen  Göttern  in  dem  Reiche  Nippon  schwöre,  kann 
es  durchaus  keine  Lüge  sein.  Geruhe,  dieses  für  die  Belolmung  zu  halten.  —  0-o-gavvutsi 
nahm  diese  Antwort  in  Empfang  und  hinterbrachte  sie  in   ihren  Einzelnheiten. 

Etsi-go-no  kami  kore-wo  kiki-te  sikiri-ni  namida-tco  nagasi  siliasi  mono-ico-mo  i-i-je-gata- 
kari-si-ga  nagaruru  ki-jetsü-ivo  osajete  i-i-keru-u-a  icare  fj^  ^'|'|  min-siü-je  ivatari  kaku  fito- 
to  nari-te  kono  |^  J^  sen-ziv-je  kitaru-to  ije-domn  ko-kih-ni  sute-oku  tsuma-ko-ga  koio-wo 
tcasüru  fima-wa  sorav:azü.  |X|  */$  Son-kai  ^  ^  han-ri-ico  fedate-tare-ha  ^  '^  tsitgi- 
kit.ru  kaze-no  tajori-ino  kikojezv  ^  ^  sih-si-no  ari-sama  to-ja  am  kaku- ja  aramasi-to  nitsi- 
ja  teu-ho  kokoro-uv  tsükusü-ni  sen-naku  kanasi-i  kana.  Jume-ni-ica  foka-ni  ni-miru  koto-mo 
kanaivazaru-ni  oi-te-wa  imada  nagarajete  ari-soro-ja  kadzü-josi-kö  kono  ari-gataki  o-kotoba 
^J®  i^  sö-kai-mo  siit-ini-sen-to-mo  masari-te  mbsi-aguni-beki  ju  shratcazü.  Kijo-masa-ko-no 
o-namkc-wo  motte  kare-ra  ima-made  nagaraje  tsiü-ja-no  tatakai  naka-datsi-to  natte  ^  -^ 
sai-si-ga  juku-süje  made  uke-toriiaicari-si  koto-ni  iku-je-ni-mo  go-zen-je  sikarii-beki  jo-ni  on- 
tori-nasi  fito-je-ni  tanomi-tate-matsüru-tote  te-ico  aivase  kure-gure-to  i-i-oki  kono  uje-wa  mosi- 
mo  kono  kofo  more-kikoje  kuruma-zaki-no  ~)^  J||  tai-nan-to  ije-domo  5}S  ^  fon-mö  nari. 
[n]    -^    kh-go    011-    §    me-ni   kakaru-mazi   tote   namida-to   tomo-ni  fon-dzin-je-zo  kajeri-keru. 

Als  der  Statthalter  von  Jetsi-go  dieses  hörte ,  vergoss  er  sogleich  Thränen.  Eine 
Weile  unfähig,  ein  Wort  hervorzubringen,  unterdrückte  er  die  entfesselte  Freude  und 
sprach :  Obgleich  ich  nach  Ming  übersetzte,  so  ein  Mensch  wurde  und  zu  diesem  Kampf- 
platze kam,  vergass  ich  keinen  Augenblick  die  Gattin  und  die  Kinder,  die  ich  in  der 
Heimath  zurückgelassen.  Da  ich  durch  zehntausend  Weglängen  Berge  und  Meer 
abgeschlossen  war,  wurde  auch  eine  Nachricht  des  zunäclistkommenden  Windes  nicht 
gehört.  Ob  die  Umstände  ihres  Lebens  oder  Todes  so  oder  so  beschaffen  sein  werden, 
Tag  und  Nacht,  am  Morgen  und  am  Abend  richtete  ich  darauf  alle  meine  Gedanken, 
vergeblich  trauerte  ich!  Im  Traume  vermochte  ich  nicht  etwas  anderes  zu  sehen.  Daher 
dieses  kostbare  Wort  des  Fürsten  Kadzu-josi,  dass  sie  wohl  noch  leben,  das  gesammte 
Meer  mit  dem  Berge  Siju-mi,'  sie  können  auf  keine*  Weise  mehr  sagen.  Indem  sie 
durch  die  Güte  des  Fürsten  Kijo-masa  bis  jetzt  am  Leben  sind  und  ich,  bei  dem  Tag 
und  Nacht  währenden  Kampfe  der  Vermittler  gcAvorden,  die  Zidamft  der  Gattin  und 
der  Kinder  gehört  habe,  bitte  ich  inständig  und  einzig  um  eure,  in  einer  Weise,  die 
für  euch  angemessen  sein  wird,  zu  geschehende  Dazwischenkunft.  —  Liier  legte  er  die 
Hände  zusammen,  gab  immer  wieder  Weisungen  und  sagte  überdiess :  Wenn  diese  Sache 
ruchbar  wird  und  das  grosse  Unglück  des  Zerreissens  durch  AVagen  auch  erfolgt,  es  ist 
mein  eigener  Wunsch.  Von  nun  an  sehe  ich  euch  nicht  wieder.  —  Hiermit  kehrte  er 
unter  Thränen  in  sein  Lager  zurück. 


Siu-gnatsü  vti-ka  tatsh-no  koku  rio-icb-no  ^  "^  fai-si-to  site  kore-mo  nippon-koku-zin-to 
ohosi-ki  Samurai  ^  "f^  sih-ka-ni  kitari-te  ^  J^  si-ki-ivo  motte  siro-tvo  maneku.  Ta-naka 
ko  sa-je-mon  deö  o-o-gawutsi  mo  sa-je-mon  deö  ku-tsü-vn  -^  ^  feu-zo  ide-h  tnkoro-ni  kore- 
iva  rio-tvu-no  tai-si  nari.  Uma-no  koku-mo  jojaku  nare-ha  go-jö-i  afte  go-  {i{  ^  siiltsü-zib 
sbrb-besi.     Fan-to-ni    oi-te    tai-mcn-ioo    toge    ^   |||    i-gi-naku    uma-tco    ire-sbrb-besi-to    nari. 


'  Der  licrg  Siju-iiü  liog-t  in  dem  grossen  Meere  und  stützt  sioli  .auf  diia  goldene  Rad   (auf  die  unterste  Gränzc  der  Erde). 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea,  251 

0-u-gaioutsi  0pj  ^  sib-mon-sl  siro-ni  itte  san-dai-sib-je  fi-rö-sü.  Fl-da-no  kami  fen-to-ni  iwaku 
kon-nitsi  tai-men-no  ^  ^^  ken-jaku  iuotto-mo  itsuioari-ni  arazh-tn  ije-domo  kono  ni-san-nitsi 
seme-ivu  jurusare-sbru-je-ha  gnn-heu  kisoi-wo  nukasi  kaze-wo  fikl-te  koto-gotoku,  jamai-ni  fusi 
so)iu  uje  rib-nin-no  tai-sib-no  ^  ^  ki-rb-ni  javä-sbrb-je-ba  itsi-nin  idete  tai-men-mo  ika-ni 
sbrb  aida  sükosi  ai-noheraru,-hesi-to  ijeri. 

Am  dritten  Tage  des  ersten  Monats,  um  die  fünfte  Stunde,  *  kam  ein  Kriegsmann, 
den  die  beiden  Könige  zum  grossen  Abgesandten  machten  und  den  man  ebenfalls  für 
einen  Menschen  des  Reiches  Nippon  hielt,  an  den  Fuss  der  Mauer  und  Avinkte  der  Feste 
mit  einer  Zeichenfahne.  Als  Ta-naka  Ko,  Zugesellter  des  Thores  dei-  Leibwache  zur 
Linken,  0-o-gaAvutsi  Mo,  Zugesellter  des  Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  und  Ku- 
tsu-mi,  Mann  der  Waffenkammer,  zu  ihm  liinaustraten,  war  es  der  o-rosse  Abaresandte 
der  beiden  Könige.  Da  es  nahe  an  der  siebenten  Stunde^  war,  sollte  man  sich  vor- 
bereiten und  aus  der  Feste  ziehen.  Nachdem  man  auf  halbem  Wege  die  Begegnung 
bewerkstelligt,  sollte  man  ohne  Widerrede  die  Pferde  Jiereinbringen,  0-o-gawutsi  liörte 
dieses  an,  trat  in  die  Feste  und  eröffnete  es  den  drei  Heerführern.  Der  Statthalter  von 
Fi-da  sagte  in  der  Antwort :  Das  Versprechen,  heute  von  Angesicht  zusammenzutreffen, 
ist  zwar  durchaus  keine  Lüge,  doch  da  man  Avährend  dieser  zwei  oder  drei  Tage  vom 
Angriffe  abgelassen  hat ,  sind  die  Krieger  des  Heeres  von  dem  Kampfe  entwöhnt,  sie 
liaben  sich  erkältet  und  liegen  insgesammt  krank  darnieder.  Da  tiberdiess  auch  die 
beiden  Heerführer  von  der  Anstrengung  erkrankt  sind,  wie  könnte  da  der  Eine  heraus- 
treten und  von  Angesicht  zusammentreffen?  Der  Zeitraum  muss  ein  wenig  ver- 
längert werden. 

Tsükai  knjeru-to  ßtosi-ku  i'ib-icb  o-olä-ni  fuku-riü-si  kono  aida-no  seme-ivo  nusümi-tari-to 
iü  mama-ni  faja-kane-u:o  sikiri-nl  tsuki  ^^  ^  sö-gun  iro-meki-ivatari-te  tai-ko-iüo  seme-kai- 
■ico  tafete  — ■  -^  itte-itte-no  gun-tsiü-ni  fan-guan  sib-gun  utsi-fa-wo  totte  gun-si-ivo  süsüme 
itsi-gun  siro-wo  maki-te  sa-jü-no  te-aioase-süru-to  fitosi-ku  momi-ni  nionde  seme-noboru,.  Sib- 
nai-iiio  koko-ico  sen-do-to  fusegi-kere-ha  itsi-gun  seme-inc  koto-tvo  jezii  fon-dzin-je  fiki-sirizoke- 
ha  mata  itsi-gun  seme-kakaru.  Semete-ica  fiki  fiki-te-ica  seine  tsiü-ja-no  sakai-mo  naku  ara- 
tc-iro  ire-kaje-kajete  fito-iki-mo  tsügasezü.  Mi-ka-no  uma-no  koku-jori  itsü-ka-no  fitsuzi-no 
kokn-no  oivari  made  momi-ni  monde  seme-tari-keri.  Tai-gun-no  ja-sakehi  toki-no  ko-e-wa  ko- 
fama-wo  azamuki  to.takai-no  ken-geki-no  ßkari-ira  B^  -^  sei-kiib-no  fosi-jori-mo  o-oku  teppö- 
no  kefuri  uma  fokori-ioa  kuro-kumo-no  gotohi  uzümaki-agari-te  faku-zitsü-ivo  ^^  ^  kaku- 
ri-si  sv-gun^7io  J^  ^  sei-ki  ten-wo  kasüme  'j^  ^  kna-fu-iva  fei-tsi-ni  Yf  ^  tsiku-i-too  ^ 
seö-si  ja-ziri  ama-asi-jori-mo  sige-kari-keri. 

Bei  der  Rückkehr  des  Abgesandten  geriethen  die  beiden  Könige  in  heftigen  Zorn 
und  riefen:  Man  hat  den  Angriff  dieser  Zwischenzeit  gestohlen!  —  Unterdessen  schlug 
man  unaufhörlich  die  Lärmglocke,  das  gesammte  Kriegsheer  kam  in  kriegerischer 
Haltung  herüber,  stellte  die  grossen  Trommeln,  die  Angriffsmuscheln  auf,  und  in  dem 
aus  einzelnen  Abtheilungen  bestehenden  Heere  ergriffen  die  richtenden  Obrigkeiten,  die 
Heerführer  den  Fächer  und  führten  die  Kriegsmänner  vorwärts.  Ein  Kriegsheer  um- 
ringte die  Feste,  und  sobald  man  rechts  und  links  handgemein  geworden,  stieg  es  in 
voller  Thätigkeit  zum  Angriffe  empor.     In  der  Feste    vertheidigte    man    sich    mit  Hart- 


'  Von  7  bis  9  Ulir  Morgens. 

-  Von   11  Uhr  Morgens  bis   1  Uhr  Nachmittags. 

30* 


252  Pfizmaieh. 

näckiffkeit.  Wenn  ein  Ivricö'sluH'r  nicht  eindringen  kennle  imd  sieli  in  das  Lao-or  zurück- 
zog,  kam  wieder  ein  Kriegsheer  zum  Angriffe  heran.  Angreifend  und  si(di  zurückziehend, 
sich  zurückziehend  und  angreifend,  Hess  man,  oline  B(igränzung  durcJi  Tag  und  Nacht, 
immer  abwechselnd  neue  Abtheilungen  eintreten  und  Hess  keinen  Augenblick  Athem 
schöpfen.  Von  der  siebenten  Stunde*  des  dritten  Tages  bis  zu  dem  Endo  der  achten 
Stunde*  des  fünften  Tages  griff'  man  in  voller  Tliätigkcit  an.  Das  Sclnvirren  der  l'feile 
des  grossen  Heeres,  das  Kriegsgeschrei  spottete  des  Echos,  die  Lichter  der  Schwerter 
und  flakenlanzen  des  Kampfes  waren  zahlreicher  als  die  glänzenden  Sterne,  der  Rauch 
der  Flinten,  der  Staub  der  Pferde,  gleich  schwarzen  Wolken  aufwirbelnd,  schloss  den 
hellen  Tag  ab,  die  Fahnen  des  gesammten  Kriegsheeres  verdeckten  den  Himmel,  die 
Lanzen  machten  auf  flachem  Boden  Bambus  und  Schilfrohr  wachsen,  die  Pfeilspitzen 
waren  dichter  als  ßegenfüsse.^ 

Kaku-ie  itsü-ka-no  joi-no  ma-no  tsüki  ^  ^]  sei-zan-ni  kakuru  made  tekl  katsü-te  seme- 
zari'si-ka-ba  sio-nai-ni-mo  sadamete  teki  tsükarete  semezaru-ran-to  iü  tokoro-ni  ne-no  koku 
fazime-no  koto  naru-ni  tai-teki  ko-e-ioo-mo  tatezü  seme-jose  isi-gaki  naka-ba  nohori  do-^oon-ni 
foki-u'o  age  ja-iro  i-komi  o-o-dzütsü  isi-bi-ja-ioo  utsi-kake  seme-noboru.  Mi-kata  fajakit  tori- 
aivase  tsäki-otosi  fane-taicosu.  Teki-mo  mi-kata-mo  fagai-ni  jü-riki-u-o  furutte  ^j^  fi  "^  midzü- 
ni  nari-te-zo  tatakai-keru.  Tai-gun-no  ko-e-no  vtsi-ni-ira  zirio-san-no  fataraku  koto  o-o-dzi- 
sin-jori-mo  ohitadasi.  ^  -^  R6-fe6  kaurtru  mi-kata-tva  nasi  jari-tvo  tsüki-fiku  fima-mo  naku 
ude-no  tsikara-mo  obojezü  nagaruru  ^  f^  neitefsü-no  ase-nite  kattsiü-wa  jake-namari.  Mi- 
toki  bakari-no  jo-no  akuru-ioa  san-ncn-ioo  oknru-jori  oso-kari-kcri. 

Da  der  Feind,  bis  der  Mond  am  Abende  des  fünften  Tages  hinter  den  westlichen 
Bergen  sich  verbarg,  nicht  angegriffen  hatte,  sagte  man  in  der  Feste,  Avalirscheinlich 
werde  der  Feind  ermüdet  sein  und  nicht  angreifen.  Als  es  aber  um  den  Anfana:  der 
ersten  Stunde^  war,  drang  der  gewaltige  Feind,  ohne  einen  Laut  von  sich  zu  geben, 
heran  und  erstieg  die  Hälfte  der  Steinmauer.  Er  erhob  einstimmig  ein  Kriegsgeschrei, 
schoss  mit  Pfeilen  herein,  begann  aus  grossen  Feuerröliren  luid  Feuerschlünden  zu 
schiessen  und  stieg  zum  Angriffe  empor.  Die  Unserigen  traten  schnell  dazwischen, 
stiessen  herab  und  warfen  abhauend  zu  Boden.  Indess  der  Feind  und  die  Unserio-en 
gegenseitig  Muth  und  Kraft  entfalteten,  führten  sie,  Feuer  und  Wasser  geworden,  den 
Kampf.  Bei  dem  Geschrei  des  grossen  Kriegsheeres  war  die  Arbeit  von  Uru-san  schreck- 
licher als  ein  grosses  Erdbeben.  Die  Belagerten  hatten  keine  Streitkräfte  zum  AVechseln. 
Olme  Zeit  zu  haben,  die  Lanzen  nach  dem  Stosse  zurückzuziehen,  bemerkten  sie  nicht 
die  Kraft  der  Arme.  Yon  dem  fliessenden  Seh  weisse  des  glühenden  Eisens  waren  die 
Rüstungen  verbranntes  Blei.  ^  Das  Morgengrauen  in  einer  Nacht  von  drei  Stunden "  war 
langsamer  als  das  Verbringen  dreier  Jahre. 

Jojaku  sino-no  me-no  sora-mo  ake-gata-ni  nari-kere-ba  teki-no  tai-sio  kin-ko-no  ge-dzi-ni 
sitagatte  seme-te-no  ^  sei-wa  koto-gotoku  makl-fogusi-ka-ba  mu-ka-ioa  nana-ka-iva-ni  sonaje- 
wo  tatete  ßkl-tori-keri.  Rd-feu  kore-ivo  mite  faja-kane-wo  tsüki  tai-ko-ivo  seme  ^    H$   oi-doki 


'  Von   11   Uhr  Morgens  bis   1   Uhr  N.acliniittags. 

2  Von   1  bis  3  Uhr  Nachmittags. 

'  Der  fadonartig  fallende  Regen. 

■*  Von   11   Uhr  Abends  bis   1   Uhr  Morgens. 

^  Der  Satz  schliesst  hier  im  .Japanischen  olnic  llauptzeitwort. 

'^  Seclis  europäische  Stunden, 


Dkr  Feldzug  der  Japaner  gegen  Cokea.  253 

san-do  age-kere-ha  kitte  idzüru-to  kokoro-jete  sonaje-wo  sicjekio  tsi-dori-ni  täte  ato-ivo  fiki-te-iva 
saki-ni  täte  j6-zin-no  tei-ni  mije-si-ka-ba  rö-feö  itsi-dö-ni  "^  itsü-im  kagiri-id  fusegu-beki 
ihiada  fe  asi-no  kano  toki-si-ja  kitte  ide  utsi-zini-si  gen-ze-7io  fima-ivo  ake-nan  tote  o-o-te-no 
P^  Dion-wo  osi-firaku  tokoro-ni  kadzü-josl  juki-naga  kake-ide  luon-no  maje-ni  tatsi-fusagari 
jari  naginata-wo  jokotaje  are  koso  fiku  teki  naru-ni  mono-ni  kurä-ka  ono-ono-to  motte-no 
foka-ni  ikari-te  mon-no  to-hira-wo  osi-tate  mi-dzükara  J^  -^  ebi-wo-zo  orosi-ker'u.  Ro-feb  ze- 
ß-naku  site  fei-no  utsi  fasiri-no  ita-ni  tori-agari  kiri-no  fima-jori  j^  ^  ziun-ken-süru-ni 
makoto-ni  fiki-iru-to   mijete  sasüga    i-kokii-no  mu-sija-dzükai  faiiajaka-iiari-si   koto-domo  7iari. 

Als  endlich  der  Himmel  der  fünften  Nachtwaclie  die  Morgendämmerung  wurde, 
entrollte  sich,  der  Weisung  der  ehernen  Trommel  der  feindliclien  Heerführer  gehorchend, 
die  Macht  der  Angriffskörper  insgesammt,  stellte,  etwa  in  der  Zahl  von  sechs  bis  sieben, 
Schlachtordnungen  auf  und  zog  sicli  zurück.  Die  Belagerten,  welche  dieses  sahen, 
schlugen  die  Lärmglocke,  rührten  die  Trommel  und  erhoben  dreimal  ein  Kriegsgeschrei 
der  A^ erfolgung.  Der  Feind,  bemerkend,  dass  man  durcluius  herauskomme,  stellte  die 
Schlachtordnungen  kreuzweise  nach  Brachvogelart.  Als  sie  lange  zurückblieben,  stellte 
er  sie  nach  vorn  und  schien  auf  seiner  Hut  zu  sein.  Die  Belagerten,  die  sich  alle 
zusammen  bis  zum  äussersten  Zeitpunkte  vertheidigen  konnten,  wollten,  so  lange  Hände 
und  Füsse  noch  tüchtig  waren,  entschieden  herausrücken,  in  dem  Kampfe  fallen  und 
die  Zwischenzeit  der  sichtbaren  Welt  benutzen.  Als  sie  das  Thor  der  A^orderseite 
öffneten,  sprengten  Kadzu-josi  und  Juki-naga  heraus.  Vor  dem  Thore  abgeschlossen, 
legten  sie  die  Lanze  und  das'  lange  Messer  quer  und  riefen  überaus  zoi-nig:  Dort  ist 
der  Feind,  der  sich  zurückzieht.  Seid  ihr  alle  wahnsinnig?  —  Sie  stellten  die  Flüo-el 
des  Thores  auf  und  nahmen  eigenhändig  den  Schlüssel  herunter.  Die  Belagerten,  nichts 
zu  erwiedern  wissend,  stiegen  auf  die  Laufbretter  innerhalb  des  Erdwalls,  und  als  sie 
durch  die  ausgeschnittenen  Lücken  im  Umherwandeln  spähten,  schien  der  Feind  wirklicli 
in  sein  Lager  zu  ziehen,  und  die  Verwendung  der  Krieger  des  fremden  Reiches  gehörte 
schliesslich  zu  den  zur  Schau  y-estellten  Dinoen. 

Kaku-te  mu-ka-no  sb-ten  kuga-te-no  osaje  ziü-mau-gi  singari-site  sirizoku  tokoro-wo  tai- 
sib-gun  fide-aki-ko  itsi-dzin-ni  süsümase-tamo.  Ka-to  sa-ma-no  süke  mo-ri  i-ki-no  kavii  viakari- 
dete  mbsi-keru  on-  [§^  dziki-no  go-  -^  |^  sen-dzin-to  aru  koto  moitai-naki  on-koto  nari. 
Rib-nin-ni  on-saki-te  o-ose-tmkerare-sbrb-besi-to  gnii-zib-sü.  Fide-aki-ku  o-ase  kem-wa  -f'  jo 
to-kai-sü-to  ije-donio  fu-san-kai-no  ^  ^  ziu-dai-ni  o-ose-tsukeraritru-ni  jotte  nan-no  sirusi- 
mo  nakii  mu-nen-no  mi-ni  kurasi-keri.  Kono  omote-no  oi-ntsi  neqb  tokoro-no  saitvai  nari. 
Nandzi-ra-ga  fataraki-iva  medzürasi-karazü.  To-kaku  keu-no  ^  ^  sen-zib-iva  -y*  jo-ga 
kokoro-ni  makasü-besi.  Fitori-mo  saki-je  idzü-be-karazü-to  kataku  o-ose-tsükerare  ziü-man-gi- 
110  sonaje-no  naka-je  itsi-mon-zi-ni  nori-iri-tamb. 

Als  somit  am  frühen  Morgen  des  sechsten  Tages  die  Nachhut  der  Abtheilung  des 
festen  Landes,  zehnmal  zehntausend  Reiter,  den  Rückzug  antrat,  rückte  der  oberste 
Heerführer,  Fürst  Fide-aki,  mit  dem  ganzen  Lager  vorwärts.  Ka-to,  Gehilfe  des  A^or- 
stehers  der  Pferde  zur  Linken,  und  ALVri,  Statthalter  von  I-ki,  hatten  beim  Fortzuge 
eine  Meldung  gemacht.  Sie  sagten:  Dass  du  gerade  bei  dem  A'"ordertreffen  bist, 
ist  eine  unstatthafte  Sache.  Es  sollte  uns  Beiden  der  Vortrab  zugewiesen  werden. 
—  Fürst  Fide-aki  sprach:  Ich  habe  zwar  das  Meer  übersetzt,  doch  weil  icli  zum 
Stellvertreter  in  der  Feste  Fu-san-kai  bestimmt  wurde,  verbrachte  ich  ohne  irgend  eine 
Auszeichnung  trauervoll  die  Tage.  Das   Verfolgen  und  Tödten  dieser  A'orderseite  ist  ein 


254  Pfizmmek. 

Glück,  um  welches  icli  bitte.  Euer  Vorgelien  ist  uiclit  seliätzenswertli.  Jedenfalls  soll 
man  mir  den  heutigen  Kampfplatz  nach  meinem  Sinne  ilberlassen.  Kein  Einziger  darf 
mir  vorangclien.  —  Er  sagte  dieses  mit  Festigkeit  vind  ritt  geraden  AVcgs  mitten  In  die 
Aufstelluno-  der  zehnmal  zehntausend  Kelter. 

On-tsukai-han-no  knro-foro  Zl  ,^  lä-gi  uru-san-no  fimioio-je  kudasara  zih-nai-no  ^  *|^ 
san-sib-ico  fazimete  gim-si  makoto-ni  tatojete-mo  tsüki-gataki  tai-gun-no  ieki-wo  ukete  tsütsüga- 
naku  si7^o-iro  motsi-silmasi-taru-to  iü  koto  ame-ga  s/'ta-ni  sügure-tarii  mei-jo  taru-besi.  Tada- 
ima  siü-gun  oi-utsi-nasar^uru  ro-feu  asi  te-no  tsikara  jowa-karu-ran-ni  fitoin-mo  idezü-site  mon- 
ivo  kataku  utsi-te  fei-no  uje-jori  nemuri-zamasi-ni  ken-hussü-hcsi-to  o-ose-kudasaruru.  Mata 
sono  tsügi-ni  kake-fi  idzümi-no  kami  i|)g  ^  faha-maze-no  /]^  '{^  ko-sio  foro  ni-ki  kosi-te 
go-rö-zib-no  go-ku-ro  mosi-tsükusi-gatasL  Tada-ima  tai-sib-gn.n-ku  on-tomo-si-tatc-matsüru  go- 
ken-hutsü-sbraje-to  i-i-watasi  tsükai-wa  isogi  gun-tsiü-je  nori-juki-kerih.  Zib-nai-no  rö-fed-iva 
fei-no  vje-ni  nohori  teki-no  mu-sia-dzükai  mi-kata-no  oi-vtsi-tro  ken-hiiyssite-zo  i-tari-keru. 

Es  wurde  (hinsichtlich  Uru-san)  befohlen :  Die  abgesandten  Wachen,  die  zwei  in 
schwarze  Baumwollpanzer  gekleideten  Reiter  stiegen  zu  dem  Fusse  des  Bergs  von 
Uru-san  herab  und  sagten,  dass  man,  von  den  drei  Heerführern  der  Feste  angefangen, 
wirklich  den  Feind,  ein  völlig  unvei-gleichliches,  grosses  Kriegsheer,  auf  sich  genommen 
und  die  Feste,  ohne  Schaden  zu  leiden,  behauptet  habe.  Dieses  wird  ein  den  Erdkreis 
überi'agender  ßuhm  sein.  Eben  jetzt  setzen  die  Heerführer  Verfolgung  und  Tüdtung 
in's  Werk.  Da  bei  den  Belagerten  die  Kraft  der  Hände  und  Füsse  ermattet  sein  wird, 
mögen  sie,  ohne  dass  ein  Einziger  heraustritt,  die  Thore  fest  verschliessen  und  von  der 
Hölie  des  Erdwalls,  aus  dem  Schlafe  erwacliend,  zusehen.  —  Zunächst  kamen  noch  die 
durch  die  Mengung  der  Leinwandbreite  gekennzeichneten  Begleiter  Kake-fi's,  Statt- 
halters von  Idzumi,  zwei  in  Baumwollpanzer  gekleidete  Reiter,  herüber  und  hintei'- 
brachten  die  Worte :  Die  Leiden  der  Feste  lassen  sich  nicht  ganz  durch  Woi'te  sagen. 
Wir  begleiten  eben  jetzt  den  Fürsten,  den  obersten  Ileerführer.  Möget  ihr  zusehen. 
—  Die  Abgesandten  ritten  hiermit  eilig  zu  dem  Kriegsheere.  Die  Besatzung  der  Feste 
stieg  auf  den  Erdwall  und  sah  zu,  Avie  der  Feind  die  Krieger  verwendete  und  wie 
die  Unserigen  verfolgten  und  tödteten. 

Ten-dziku  sin-dan-wa  isa-sirazü  nippon  kai-biaku-jori  kono  kata  imada  kakaru  koto-wo 
kikazü  si-gafa-kari-keru  ro-zib  nari.  Sikaru-ni  fide-aki-ko  teki  zm-inan-gi-ga  sono  naka-ivo 
/\  ~^  fappö-ni  no7'i-tsigaje  ziü-mon-zi-ni  nori-jabatte  bi-zen  ^  ^  kanc-mitsü  '^  nami- 
ojogi-to  iü  on-kosi-no  mono-wo  nuki-motsi  kata-te-utsi  moro-te-giri  kabuto-gurumi  ko-te-gurumi 
'iima-nn  kasira  fira-kubl  atarii-tvo  saiwai  "f"  ^  ,^  ziü-san-ki  zi-sin  un-te-ni  kake-tamb.  Sa- 
ma-no  siike  i-ki-no  kami  idzümi-no  kami-wo  saki-io  site  mö-ri  bu-zen-no  kami  sima-dzü  mata 
sitsi-ro  aki-dzüki  saburö  taka-fasi  ku-rö  sagara  sa-feo-je-no  süke  osi-tsüdzuki-tate-maUüri  on- 
fataraki-ivo  miru-jori  inotsi-wo  osimazü  fase-iri-fe  o-uki-ni  teki-wo  utsi-tori-nn. 

In  Indien  und  China  unbekannt,  etwas,  dergleichen  man  seit  der  Entstellung  von 
Nippon  noch  nicht  gehört  hat,  war  die  schwer  auszuführende  Einschliessung  in  der 
Feste  gewesen.  Indessen  ritt  Fürst  Fide-aki  von  allen  acht  Seiten  mitten  unter  die  zehn- 
mal zelmtausend  feindlichen  Reiter,  sprengte  sie  im  Ritte  mid  das  mit  Namen  ,auf  den 
Wellen  von  Kane-mitsu  schwimmend'  genannte  Schwert  von  Bi-zen  ziehend  und  es  fest- 
haltend, schlug  er  mit  der  einen  Hand,  schnitt  mit  beiden  Händen,  und  indem  der  Helm- 
knopf, der  Kopf  der  Armschiene  das  Haupt  und   den  flachen  Hals  des  Pferdes  berührten, 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  255 

nahm  er  glücldiclier  Weise  dreizelin  Reiter  in  eigener  Person  auf  sicli.  Von  dem  Gehilfen 
des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken,  dem  Statthalter  von  I-ki  und  dem  Statthalter 
von  Idzumi  angefangen,  folgten  ihm  M6-ri,  Statthalter  von  Bu-zen,  Sima-dzu  Mata  Sitsi-ro, 
Aki-dzuki  Saburo,  Taka-fasi  Ku-rö  und  Sagara,  Grehilfe  der  bewaffneten  Leibwache  zur 
Linken,  mit  Gewalt  nach.  Indem  sie  seine  Thaten  sahen,  sprengten  sie,  ihr  Leben  nicht 
schonend,  hinein  und  erlegten  in  grossem  Masse  die  Feinde. 

Koko-ni  ^M  ^^  ^  ^  de-wa-no  kami-to  iil  jü-si  ari.  Tan-ha-no  kuni  si-u-tsi-no  ^  ^  zin- 
siu  tarl-si-ga  fa-siba  'j^  ^  siu-siu  fide-fisa-kio  tan-ha-no  koku-siü-to  nari-tamajeru-jori  ko- 
kib-ico  safte  i-ki-no  kam-ni  tsükaje  mu-ri  jo  e-mon-zeu-to  na-nori-te  kono  sen-zib-je  kitari-si- 
(ja  sa-ma-no  süke  teki-ni  uma-ivo  kirarete  katsi-datsi-ni  nari-te  aja-^bki-wo  mite  mo-ri  fase- 
kitari  sa-ma-no  süke-ni  mukai-si  teki-ivo  si-fh-ni  ottsirasi  isogi  mna-jori  tohi-ori-te  sa-ma-no 
süke-wo  kaki-nosete  tcare-mo  mata  nori-gaje-ni  utsi-nori-te  zippo  fito-manako-too  kubari-te 
kubi  kazü-amata  idsi-tori-keru. 

Es  war  hier  ein  muthiger  Kriegsmann,  Namens  Si-u-tsi,  Statthalter  von  De-wa. 
Derselbe  war  Herr  der  Feste  Si-u-tsi  in  dem  Eeiche  Tan-ba  gewesen.  Weil  Fide-fisa, 
kleiner  Anführer  von  Fa-siba,  der  Vorsteher  des  Reiches  Tan-ba  wurde,  verliess  Jener 
seine  Heimat  und  diente  dem  Statthalter  von  Lki.  Er  fulirte  den  Namen  Mö-ri  Jo 
Zugesellter  der  bewaffneten  Leibwache,  und  kam  auf  diesen  Kampfplatz.  Dem  Gehilfen 
des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken  wurde  von  dem  Feinde  das  Pferd  niedergehauen. 
Er  kämpfte  zu  Fusse  und  schwebte  in  Gefahr.  Mö-ri,  der  dieses  sah,  sprengte  herbei, 
zerstreute  die  dem  Vorsteher  der  Pferde  zur  Linken  gegenüberstehenden  Feinde  nach 
allen  vier  Seiten,  flog  eilig  vom  Pferde  herab  und  setzte  darauf  den  Vorsteher  der 
Pferde  zur  Linken.  Er  selbst,  auf  einem  gewechselten  Pferde  wieder  daherreitcnd,  warf 
den  Blick  nach  allen  zehn  Seiten  und  erbeutete  zahlreiche  Köpfe. 

Teki  o-oki-ni  %\\  ri-wo  usinai  ^  fai-se-si-wo  mi-kata  ijo-ijo  katsü-ni  nori  go-ix)ku-te6-ga 
sono  aida  süki-ivo  arasezü  utsi-tsirasü.  Teki  tai-gun  te-oi-ivo-mo  tasnkezü  jowaki  tomo-wo-mo 
kakoi-jezü-site  firoki  kare-no-no  fagi-wara-je  ran-niu-se-si-ka-ba  tai-sib-gun  on-uma-zirusi-wo 
taterare  ^  |^  sio-ko-no  on-ge-dzi-ioo  motte  oi-juku  gun-beo-wo  todome  katsi-doki-ivo  agesase 
idzümi-no  kami  sa-ma-no  süke  i-ki-no  kami-ivo  mesi-te  no-tamai-keru-wa  kono  fagi-tcara  to- 
zai-je  nagaku  nan-boku-je  firoku  sigeri-tare-ba  tai-teki  kanarazü  ^  fuku-ico  oku-besi.  Mi- 
kata  /\\  ^  ko-zei-nite  katsü-ni  ^  zib-zi  naga-oi-si  mosi  fa-kaku-mo  si-dasa-ha  kon-teö-no 
fataraki  munasi-ku  nani-besi-to  omoi-te  nori-todome-taru-tva  fide-aki-ga  fikaje  fun-betsü-ni  7ii- 
fari-ja  ika-ni-jo.-to  no-tamb. 

Der  Feind,  in  grossem  Masse  seines  Vortheils  verlustig,  wurde  geschlagen.  Die 
Unserigen,  ihren  Sieg  sich  zu  Nutzen  machend  und  auf  einer  Strecke  von  fünf  bis 
sechs  Strassenlängen  keinen  Zwischenraum  lassend,  zerstreuten  ihn.  Das  grosse  feind- 
liche Kriegsheer,  welches  den  Verwundeten  keine  LEilfe  leistete  und  die  schwachen 
Gefährten  nicht  umschliessen  konnte,  drang  in  Unordnung  in  die  AVeiderichgebüsche 
des  weiten,  verdorrten  Feldes.  Der  oberste  Heerführer  stellte  die  Feldherrnfahne  auf, 
hielt  durch  die  Weisung  der  Glocken  und  Trommeln  die  auf  die  Verfolgung  ausgehenden 
Krieger  des  Heeres  zurück  und  Hess  ein  Siegeslied  anstimmen.  Er  berief  den  Statt- 
halter von  Idzumi,  den  Gehilfen  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken,  und  den  Statt- 
halter von  I-ki  zu  sich  und  sj-.rach  :  Da  dieses  Weiderichgebüsch  von  Osten  nach  Westen 
lang,  von  Süden  nach  Noi'den  breit  und  dicht  ist,  wird  der  gewaltige  Feind  o-ewiss 
einen  Hinterhalt  legen.     Die  Unserigen  mit  ihrer  kleinen  Macht  machen  sich   den  Sieg 


25G  Pfizmaier. 

zu  Nutzen  und  leiten  eine  lange  Verfolgung  ein.  Ich  ilaclite,  wenn  sie  einen  Unfall 
iierbeiführen,  würden  die  Thaten  des  heutigen  Morgens  vergeblieh  sein,  und  ich  hemmte 
iliren  Ritt.  Die  Zurückhaltung  FIde-aki's  hat  wohl  mit  lunsieht  Aehnlichkeit :  Was 
meinet  ihr? 

Mi-tari  uke-tamaivari  konu  iahi  fazime-ie-no  gv-  |JjjC  dzin-ni  go-  ^  %  zi-sin  go-sen- 
dzin-no  on-ge-dzi-wo  motte  kono  gotoku-no  on-ie-gara  ^  fl^  zettu-ni  tsükusi-gataku  zon-zi-tate- 
matsüru  tokoro-ni  tada-ima  on-uma-zirusi-wo  todovie-saserare-surb  on-te-date  dai-so-koku-ko 
on-ge-dzi-ni-ioa  ^  viada  ^  mi-kasa-mo  masari-shro-to  osore-nagara  kan-zi-si-tate-matsürv- 
no  mune  gon-zio-sh.  Fide-aki-ku  go-man-etsü-no  go-ki-geu-nite  keu-no  kb-miu  zikken-si  tsiü-mon- 
ni  sirusü-hesi-to  o-osete  kake-fi  idzümi-no  kami  sen-saku-wo  togete  go-jü-ßtsü  ^  "jjf  ka-ko 
bu-zen-no  kami.  moku-rokri-ni-zo  sirusi-keru  gon-ziu  kh-rai-koku  ^  }\\  gi-sen  kawara  gassen 
kei-teö  san-nen  siu-guatsü  muju-ka  tatsü-no  koku  ko-inib  nikki. 

Die  drei  Männer  hörten  dieses  und  wagten  es,  ihre  Bewunderung  auszusprechen, 
indem  sie  ihm  meldeten :  Während  wir  erkennen,  dass  über  eine  solche  That,  diessmal 
bei  dem  ersten  Treffen  durch  die  Weisung  für  das  Vordertreffen  persönlich  vollbracht, 
mit  der  Zunge  unmöglich  Alles  sich  sagen  lässt,  übertrifft  eben  jetzt  die  Veranstaltung, 
dass  die  Feldherrnfahne  zurückgehalten  werde,  die  Weisungen  des  Fürsten,  des  grossen 
Reichsgehilfen,  noch  um  den  Berg  der  drei  Hüte.^ 

Fürst  Fide-aki,  in  freudiger  Stimmung,  befahl,  dass  man  die  Ruhmeszeiehen  des 
heutigen  Tages  prüfen  und  in  die  Bücher  eintragen  möge.  Als  Kake-fi,  Statthalter  von 
Idzumi,  die  Untersuchung  beendet  hatte,  trug  sie  (die  Ruhmeszeichen)  der  als  Schreiber 
zur  Seite  stehende  Ka-ko,  Statthalter  von  Bu-zen,  in  die  Verzeichnisse  ein. 

Das  Tagebuch  über  die  in  der  Schlacht  auf  der  Flussebene  Gi-sen,  in  dem  Reiche 
Kö-rai,  am  sechsten  Tage  des  ersten  Monats,  des  dritten  Jahres  des  Zeitraumes  Kei-teö 
(1598  n.  Chr.),  um  die  fünfte  Stunde"  gewonnenen  Ruhmeszeichen. 

Die    Zahl    der   unter    dem    obersten    Heerführer,    Fürsten    Fide-aki, 

erbeuteten    Köpfe:  • 

Siebentausend  einhundert  zwanzig:  Sugi-wara,  Statthalter  von  Simo-tsuke; 

Fünfhundert  fünf  und  dreissig :  Ka-to,  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken ; 

Dreihundert  zwei  und  siebzig:  Kake-fi,  Statthalter  von  Idzumi; 

Eintausend  zweihundert  ellf:  Mö-ri,  Statthalter  von  I-ki  •, 

Fünfhundert  dreissig:  M6-ri,  Statthalter  von  Bu-zen-, 

Vierhundert  siebzig:  Sagami,  Gehilfe  der  bewaffneten  Leibwache  zur  Linken; 

Siebenhundert  acht  und  dreissig:  Sima-dzu  Mata  Sitsi-rö ; 

Sechshundert  zwei  und  siebzig:  Aki-dzuki  Saburo ; 

Sechshundert:  Taka-fasi  Ku-rö. 

Zusammen  dreizehntausend  zweihundert  acht  und  dreissig  Köpfe. 

(Siegel  der  Oboraufseher.) 

Von  den  Unserlgen  gefallen :  Ueber  zAveltausend  achthundert. 


*  Um  die  Hölie  des  Berges  der  drei  Hüte. 
-  Vi>n  7  bis  '.)  Uhr  Morgens. 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Cokea.  257 

Fide-aki-ko  sono  omote-no  jh-dai  tsüviabiraka-ni  on-sirusi  atte  gon-zib  asobasi-keru-ga  on- 
kokoro-jo-ge-nite  ono-ono  uke-tamaicare.  Mi-kata  fadzüka-ni  itsi-man  /V  ^  fassen- 
jo-no  ^  sel-wo  motte  ziü-man-ki-no  teki-wo  oi  kaku  'jh^  %\]  tai-ri-wo  uru-to  iü  koto  nippon- 
no  ^  ^  kitsi-zi  fanafada-motte  man-zoku-no  itari  nari.  Tai-teki  -^  i^  km-to-jori  uje- 
uje-tsükare-taru  juje  soko-baku-no  gun-zei-wo  utarete  fiki-irl-mt-to-zo  o-ose-keru.  Kaku-te  idzümi- 
no  kami  go-ka-ro  simo-tsnke-no  kami-ni  mukatte  i-i-keru-wa  kon-do  tai-sib-gun-ku  go-gu-soku 
fazime-no  gassen-ni  ^  ^  saa-goku  bu-sh-no  on-ge-dzi-ivo  motte  utsi-tottaru  kubi-kazü-ioo 
fana-wo  kaki-tare-ba  tote  kono  kusa-fukakl  tokoro-nite  süte-oku-beki-ni  arazü.  Fii-san-kai-no 
o-o-mina-to-je  idasi  go-  ^    ~l\  zio-ka-je  kake-oki  ||jt    _\   sü-nin-ni   sarasü-besi-to-zo   i-i-keru. 

Fürst  Fide-aki  verzeichnete  umständlich  diese  Vorgänge  und  brachte  sie  nach  oben 
zur  Kenntniss.  Mit  Freude  mochte  sie  Jedermann  hören.  Dass  die  Unserigen  mit  einer 
Macht  von  kaum  achtzehntausend  Menschen  den  zehnmal  zehntausend  Heiter  starken 
Feind  verjagten  und  so  grossen  Vortheil  davon  trugen,  war  für  Nippon  ein  überaus 
glückliches  Ei-eigniss,  die  höchste  Genugthuung.  Man  verkündete,  dass  der  gewaltige 
Feind,  weil  er  seit  dem  Winter  des  alten  Jahres  von  Hunger  erschöpft  war  und  eine 
so  grosse  Heeresmenge  getödtet  wurde,  abgezogen  sei.  Da  sprach  der  Statthalter  von 
Idzumi,  der  hohe  Hausverwalter,  zu  dem  Statthalter  von  Simo-tsuke:  Da  man  den  in 
Folge  der  in  den  drei  ßeichen  unvergleichlichen  Weisungen,  welche  diessmal  der  oberste 
Heerführer,  mit  seiner  Rüstung  angethan,  in  dem  ersten  Treffen  gegeben,  erbeuteten 
Köpfen  die  Nasen  abgeschnitten  hat,  so  sollte  man  sie  an  diesem  mit  dichtem  Grase 
bewachsenen  Orte  nicht  wegwerfen.  Man  soll  sie  zu  dem  grossen  Fahrwasser  von  Fu- 
san-kai  hinausbringen,  sie  an  dem  Fusse  der  Stadtmauern  aufhängen  und  den  Menschen 
zur  Schau  stellen. 

Kakari-keru  tokoro-ni  bi-zen  mima-suka-no  rib-  ^  ^  koku-siu  uki-da  tsiü-na-gon  sü-wb- 
no  koku-siü  mo-ri  -^  i^  sai-sib  a-wa-no  koku-siü  futsi-sü-ka  a-wa-no  kamt  sanu-ki-no  koku- 
siü  i-koma  uta-no  kami  onazi-ku  sanu-ki-no  kami  i-ki-no  koku-siu  matsüra  fi-zen-no  kami  to- 
sa-no  koku-siü  teö-so-ga-be  to-sa-no  kami  satsü-ma-no  koku-siü  sima-dzü  feö-ko-no  kami  nabe- 
sima  sina-no-no  kami  ko-dera  ka-i-no  kami  to-db  sa-do-no  kami  naka-gaiva  \^  ^§.  siü-ri-no 
tai-fu-ra-ioo  fazimete  sono  foka  ono-ono  ikusa  ^  san-zife  ^  )\\  j^  gi-sen-gen-no  sen-zib-ni 
kitari  siba-i-je  tsükubai-narande  sügi-wara  simo-tsüke-no  kami-wo  motte  go-te-gara-no  omomuki 
mbsi-aguric. 

Unter  solchen  Umständen  kamen  vorerst  der  mittlere  ßath  Uki-da,  Vorsteher  der 
beiden  Reiche  Bi-zen  und  Mima-saka,  Mo-ri,  Vorgesetzter  und  Reichsgehilfe,  Reichsvor- 
steher von  Su-w6,  Fatsi-su-ga,  Reichsvorsteher  von  A-wa,  Statthalter  von  A-wa,  I-koma, 
Reichsvorsteher  von  Sanu-ki,  Haupt  der  grossen  Musik,  der  denselben  Geschlechtsnamen 
führende  Statthalter  von  Sanu-ki,  Matsura,  Reichsvorsteher  von  I-ki,  Statthalter  von  Fi- 
zen,  Teo-so-ga-be,  Reichsvorsteher  von  To-sa,  Statthalter  von  To-sa,  Sima-dzu,  Reichs- 
vorsteher von  Satsu-ma,  Haupt  der  Rüstkammer,  Nabe-sima,  Statthalter  von  Sina-no,  Ko- 
dera,  Statthalter  von  Ka-i,  Tö-dö,  Statthalter  von  Sa-do,  und  Naka-gawa,  der  die  Grund- 
sätze ordnende  Grosse,  ausserdem  die  einzelnen  zerstreuten  Kriegshaufen  zu  dem  Kampf- 
platze der  Ebene  des  Flusses  Gi-sen,  kauerten  auf  der  Schaubühne  und  meldeten  durch 
Sugi-wara,  Statthalter  von  Simo-tsuke,  das  Nähere  über  die  That. 

Fide-aki-kö  go-ran  atte  ika-ni  nandzi-ra  kua-bim-no  kokii-gun-wo  kudasi-okaruru-wa  go- 
jö-ni  tateraru-beki  on-tame  naru-ni  kono  sen-dai  mi-mon-no  ro-zib-wo  kiki-nagara  sono  fb-ra 
itin-ba-wo-mo  tate-kosazü-site  go-tsüme-mo  ka-sei-mo  naru-beki-ja.  Ziü-ni-guatsü  ni-ziü-go-roku- 

Denischriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bil  33 


258  Pfumaif.k. 

nitsi-no  koro-jorl  men-men-ga  '^  )^  zev-sen  bakari-nite  ^>L  iJj  itnru,-jama-iw  mina-to-nite 
juraje  nan-no  ^  sen-ga  aru-beki  mata  gaasen-no  koto  sügi-te  kono  ümote-je  jiondzüje-ni  sügari- 
idete  tai-teki  mosi-mo  tofte  kajesi  ZL  ni-no  §  me-no  gassen  tori-miisühn,  koto  ara-ha  ikn-ga 
fatarakii-heki-no  f'J\  ^  sio-zon-zo-ja-to  o-oki-ni  ikarase-tamu.  Sio-tal-slo  makoto-ni  ajamari- 
kere-ha  go-fen-to-ivo-mo  mbsi-age-jezü  kasira-wo  i^J  tsi-ni  tsüke-wi-tmn-keru.  Sio-gun-zei  kore- 
tco  kiki-ie  sate-mo  mu-rid-no  tai-sib  kana  imada  ziil-sitsi-sai-ni  koso  narase-tamaje  on-fataraki- 
no  o-o-ioaza  on-kotoba-iio  ju-ju-si-sa-jo-to   J^    ~P  zib-ge  ^    ^    zi-moku-wo  odorokasi-keru. 

Fürst  Fide-ald  sali  die  Meldung  und  sprach  in  grossem  Zorne :  Ihr,  denen  nach 
der  Unterwerfung  von  mehr  als  der  Hälfte  der  Keiche  und  Kreise  Alles,  was  ihr  brauchen 
konntet,  zu  Gebote  stand,  als  man  von  dieser  in  früheren  Zeitaltern  unerhörten  Be- 
lagerung Kunde  erhielt,  setztet  ihr  keine  Menschen  und  Pferde  hinüber:  Konntet  ihr 
da  die  Theilnehmer,  die  Hilfsmacht  sein?  Seit  dem  fünf  oder  sechs  und  zwanzigsten 
Tag-e  des  zwölften  Monats  schaukeltet  ihr  Alle  zu  Schüfe  in  dem  Fahrwasser  von  Maru- 
jama:  Was  kann  hieran  Besonderes  sein?  Als  ferner  die  Schlacht  vorüber  war,  ginget 
ihr,  auf  die  Bogen  gestützt,  zu  jener  Fläche  hinaus.  Wenn  der  gewaltige  Feind  zurück- 
kehren und  in  eine  zweite  Schlacht  sich  einlassen  sollte,  wie  steht  es  da  mit  dem 
Gedanken,  dass  ihr  etwas  leisten  könnet?  —  Da  die  Heerführer  wirklich  gefehlt  hatten, 
konnten  sie  keine  Antwort  vorbringen  und  legten  die  Häupter  an  den  Boden  an.  Als  die 
Heeresmenge  dieses  hörte,  waren  Höhere  und  Niedere  in  ihrem  Staunen  Auge  und  Ohr 
und  sagten :  0 ,  ein  unvergleichlicher  Heerführer !  Er  mag  erst  siebzehn  Jahre  alt 
werden.     0,  die  Grösse  seiner  Werke!     O,  die  Hochherzigkeit  seiner  Worte! 

Sore-jori  fide-aki-kö  martc-jama-je  on-sonaje-ivo  Ircraru  mata  kuro-foro  ni-ki  uru~san-no 
siro-je  kudasare  ru-zib-no  tei-wo  dziü-dziü  go-kan-nasare  se-zü-kai-ni  ari-si  kaznje-no  kami-ga 
gun-beö-ioo  sb-sb  uru-san-je  ire-kaje-si  ^  i  rö-si-wo  se-zü-kai-no  siro-je  utsüsi  itsi-nin-ni 
go-nin  maje-no  fu-tsi-wo  ki-teo-ni  itaru  made  ke-dai-naku  tsükawasi  naga-naga-no  ku-vo  kiü- 
soku-sase-hesi.  Mata  kin-tu  ni-zm-ni-nitd-jorl  kon-nitsi-ni  itaru  made  sono  aida  ziü-jokka 
TJt  Ü^  hei-süi-wo  tatete  fi-hi-no  tai-jü  tsümahiraka-ni  sirusi  ß-da-ito  kamt  — ■  ^ij  ippan-ic 
motte  gon-zib-tsukama,tsüru-beki  m.une  o-ose-kiidasarii  san-täi-sib  on-uke-mbsi-age  ^  '^  rib-si- 
ica  kajeri-keru. 

Hierauf  legte  Fürst  Fide-aki  seine  Aufstellungen  nach  Maru-jama.  Ferner  sandte 
er  zwei  in  schwarze  Baumwollpanzer  gekleidete  ßeiter  zu  der  Feste  von  Uru  -  san 
herab  und  Hess  sich  den  Zustand  der  Besatzung  sehr  angelegen  sein.  Die  von  dem 
Haupte  der  Rechnungen  befehligten  Kriegsleute,  die  sich  in  Se-zu-kai  befunden  hatten, 
wollte  er  schnell  wechseln  und  nach  Uru-san  legen,  die  daselbst  eingesclüossenen  Kriegs- 
männer nach  der  Feste  von  Se-zu-kai  überführen^  jedem  Einzelnen  bis  zur  Rückkehr 
an  den  Hof  unablässig  die  für  fünf  Menschen  bestimmte  Unterstützung  schicken  und  sie 
für  immer  von  ihren  Mühen  ausruhen  lassen.  Ferner  befahl  er,  dass  man  umständlich 
niederschreiben  und  unter  dem  Siegel  des  Statthalters  von  Fi-da  über  die  grosse  Tapfer- 
keit, durch  welche  im  Winter  des  vorigen  Jahres,  in  der  Zeit  vom  zwei  und  zwanzigsten 
Tage  des  Monats  bis  zu  dem  heutigen  Tage,  durch  vierzehn  Tage  ohne  Reis  und  Wasser, 
die  Besatzung  Tag  für  Tag  sicli  auszeichnete,  berichten  möge.  Die  drei  Heerführer 
meldeten  es  in  einer  Schrift,  und  die  zwei  Abgesandten  kehrten  zurück. 

Sika7'u-ni  min-siü-no  tai-gun  koto-gotoku  fiki-drizoki-tari-to  ije-domo  zib-nai-ni-wa  katmte 
ju-dan-sezä.  San-koku-no  aida-jori  mata  teki  idzüru  koto  aru-hesi-tote  zib-ge  sidzumari 
kajette    i-tari-si-ni  y^    Jt,  kai-zib  H^    ^  sü-sen   nori-ukabe-taru   -^    jKJ  feö-sen-domo    wäre 


0 


I 


DeE   FliLDZUG    DER   JaPANER   GEGKN    CoREA.  259 

saki-ni-to  osi-iru.  ^  fJi  Zlu-tsiü-jori  kore-tco  mite  iru-be-karazü-to  ai-chü-no  faja-kane-wo 
■seme-semere-ba  sore-ico  kiki-uke  mina-mina  ^^  _t.  fa-zib-ni  juraje-keru-ga  sio-nin  amari-ni 
taje-kanete  fune-wo  mina-to-ni  osi-tsüke  sa7'u-no  koku  hakari-nl  uru-san-je  fase-nohori  sirn-mo 
si7'aza7'u-ino  rv-feö  ^  ^  ga-ki-no  jb  naru.  Te-ivo  totte  kabuto-iio  ^  te-tsü  ^  fon-je  sasi- 
itadakl  safe-mo  urajamasi-ki  go-rö-zib  kann.  Mala  kon-ja-tslü-no  seme-no  utsi  isi-bi-ja  u-o- 
dzütsü-iva  kagiri-naku-mo  utsi-dasi-tamai-tari.  San-no  maru-no  fei-no  uje-ni-ica  ZL  ^^  ni- 
ken-jo-no  o-o-dai-matsü  süki-ma-nahi  sasi-dasi-tamb  koto  kono  tai-nan-no  ru-zib-ni  fi-rui-naki 
on-koto  kana.  Kaza-kazü  naga-tai-matsü-no  fikari-nite  siro-no  fotori-wa  tada  faku-tsiil-ni 
koto-narazü.  Ni-no  san-no  fon-mcLru-iva  kuro-kumo-ni  tsütsümare-tario  ju-ni  mije-si-ga  fito- 
seme-semuru  tabi-goto-ni  kono  siro-ica  3l  |S3  go-ken  -{^  59  sitsi-ken-tsütsü  mai-agari-si-ka-ba 
faruka  kumo-i-ni  takaku  nari-te  utsi-dasü  tsütsü-icoto-mo  ^  f|^  un-tsm-ni  kikoje-kere-ba  nii- 
no  ke-mo  jodaisü  bakari-to  kataru. 

Obgieicli  das  grosse  Kriegsheer  des  Landes  Ming  gilnzlicli  sich  zurückgezogen  hatte, 
war  man  in  der  Feste  durchaus  nicht  sorglos.  AVährend,  in  der  Meinung,  dass  der  Feind 
noch  aus  den  Gebirgsthälern  hervorbrechen  könne,  Höhere  und  Niedere  das  Gegentheil 
von  Beruhigung  hatten,  liefen  auf  tlem  Meere  mehrere  tausend  bemannte  Kriegsschiffe  im 
Wetteifer  ein.  Als  man  dieses  aus  der  Feste  sah,  sclilug  man  zum  Zeichen,  dass  sie 
niclit  einlaufen  dürfen,  fortwährend  die  Lärmglocke,  und  die  Schiffe,  auf  denen  man  es 
hörte,  schaukelten  in  Gesammtheit  auf  den  Wellen.  Die  Leute,  welche  nicht  länger 
aushalten  konnten,  legten  die  Scliiff'e  in  dem  Hafen  an,  und  um  die  neunte  Stunde' 
sprengten  sie  nach  Uru-san  hinauf.  Die  Krieger  der  Besatzung,  die  bekannten  und 
unbekannten,  waren  gleich  liungerigen  Dämonen.  Jene  ergriffen  die  Hände,  erhoben 
sie  zu  der  KuppeP  des  Helmes  und  riefen:  O,  eine  beneidenswerthe  Besatzung!  —  Sie 
erzählten  ferner:  Während  des  Angriffes  der  heutigen  Nacht  schösset  ihr  mit  Feuer- 
schlünden und  grossen  Feuerröhren  ohne  Ende  heraus,  lieber  dem  Erdwalle  des  dritten 
ßunds  stelltet  ilir  grosse  Fackeln  von  dei-  Höhe  zweier  Ken,  ohne  einen  Zwischenraum 
zu  lassen,  hinaus :  Welch'  eine  unvergleichliche  Sache  bei  dieser  in  grosser  Gefahr 
schwebenden  Besatzung!  Bei  dem  Lichte  der  zahlreichen  langen  Fackeln  waren  die 
Umgebungen  der  Feste  nicht  anders  als  am  hellen  Tage.  Das  zweite,  dritte  und  das 
ursprüngliche  Eund  erschienen  wie  in  schAvarze  Wolken  gehüllt.  So  oft  ein  Angriff 
erfolgte,  stieg  diese  Feste  zu  je  fünf  Ken,  sieben  Ken  tanzend  empor.  Sie  wurde  fern 
als  AVolkensitz  hoch,  und  als  der  Ton  der  abo-efeuerten  Röhre  in  den  Wolken  erklang 
standen  die  Haare  zu  lierge. 

Rö-feo  kore-ico  klki-te  kimo-wo  kesi  i-i-keric-vja  fei-ura  kaicaru  gun-beö  saje  na-kere-ba 
tai-matsu  nado  idasü  koto  kaku-go-ni-mo  ojobazü  teppö-tva  tama-mo  kusuri-mo  taje-fate  tsiitsü- 
wo  te-ni  toru  mono-mo  nasi.  Sono  sib-ko-ni-ioa  tsütsü-mo  kin-sio-ni  aru-be-karazü.  Mata 
tai-matsü-no  moje-ato-mo  ßto-tsü-mo  nasi-to  kotaje-kere-ba  sio-nin  te-tvo  täte  dai-itsi  tai-kun-no 
go-  1^  ^  sei-un  ten-tsi-jori-mo  atsüku  fukakn,  juje-ni  nippon-no  ku-man  fassen-no  ^  )jj^ 
gun-zin  tate-komori-te  kata-zi-ke-naku-mo  ^  gi-wo  mamoru  jil-si-ni  tsikara-ico  aicase-tamai-si- 
to  mije-tari.  Taga  ff(  ^  sio-i-to-mo  sirazü-site  kaku-no  gotoki  fu-si-gi-naru  jjjlp  ^  zin-sio- 
no  fodo  koso   ari-gata-kere.      Tsüfaje-kiku    0  ß-iva   ^    (^   ro-jb-no    tame-ni  ^    ^  san-sia- 


'  Von  'i  bis  ö  Uhr  Nachmittags. 

2  Te-tsu  fen    ,das   Zuriickkeliren   der  Hand'   ist  so   viel   als   te-fen,  der  oberste   knopftorraige  Theil    des   Helmes.    Dieser  Thcil 
des  Helmes  heisst  auch      ^p     jr\     ten-kü. 

33* 


2(;o  l'rizMAiER. 


iro  sirizoJci  iwawo-tva  J^    ^j|j  zi-d-ga   tame-ni  ^    ^  fi-sen-tvo    idam-mo    makoto-nam-hesi-to 
^    ^  ki-i-no  omoi-tvo-zo  ncui-tari-kern. 

Als  die  Krieger  der  Besatzung  dieses  hörten,  waren  sie  vor  Staunen  ausser  sich 
vind  sagten :  Da  es  innerhalb  des  Erdwalls  keine  wechselnden  Krieger  gab,  konnte  man 
nicht  daran  denken,  Fackeln  hinauszustellen.  Für  die  Flinten  waren  Kugeln  und  Pulver 
zu  Ende  gegangen,  und  Niemand  war,  der  ein  Feuerrohr  in  die  Hand  genommen  hätte. 
Ein  Beweis  dessen  ist,  dass  sich  in  der  Nähe  keine  Feuerröhre  befinden  können.  Auch 
ist  kein  einzio-er  Stumpf  einer  abgebrannten  Fackel  vorhanden.  —  Bei  dieser  Antwort 
schlugen  die  Leute  die  Hände  zusammen  und  riefen:  Weil  das  heilige  Loos  des  ersten 
grossen  Gebieters  gewaltiger  und  tiefer  als  Himmel  imd  Erde  ist,  haben  sich  die  neun- 
mal zehntausend  und  achttausend  Kriegsgötter  Nippons  in  die  Feste  gelegt.  Dass  sie 
mit  den  dankbar  an  der  Gerechtigkeit  festhaltenden  tapferen  Kriegsmännern  ihre  Kraft 
vereinigt  haben,  ist  offenbar.  Ohne  zu  wissen,  wessen  Werk  es  ist,  mag  man  für  eine  so 
wunderbare  göttliche  Hilfe  dankbar  sein.  Wovon  man  in  der  Ueberlieferung  hört,  dass 
die  Sonne  wegen  Lu-yung  um  drei  Tagereisen  zurückgewichen,  dass  der  Fels  wegen 
Ni-sse  eine  fliessende  Quelle  hervorgesendet,  es  kann  wahr  sein.  —  Sie  dachten  dabei 
an  ein  Wunder. 

San-tai-sib  ka-tu  sa-ma-no  süke-ga  fima-tai-sib-no  =z  Jl  mi-kami  ^  ^  rohi,-no  ^ 
zeo-wo  jobi-te  sono  sina  tsühusa-nl  klki  fi-da-no  kami  kadzü-josi  i-i-kerit-wa  s6-zite  to-kai  i-rai- 
1X0  ®  Pb  gun-tsiü  \  ßto-waza-ni-ira  arazü-to  uhoje-tari.  Kotn-sara  kono  siro-no  tei-ico  an- 
züru-ni  mattaku  nin-gen-no  fataraki  nomi-ni  arazü.  Teki-jori  nfsi-si  o-o-dzutsu  isi-hi-ja  o-o- 
jumi-ua  ame-jori-mo  sige-kari-si-ni  zib-nai  (tsi-niii-mo  atari-fe  ^  si-taru-to  in  mono  nasi. 
Sono  uje  kono  ||  jjjiü^  zin-fi  fito-je-ni  fide-josi-ko  %  ^  seki-zen-vo  on-  ,^  |J  zi-ß-jori  ide- 
taru  koto-to  oboju.  Sore-tco  ika-ni-to  iü-ni  nippon-koku-tml-no  jjj$  fi  zin-zija  ^  ^  bukkaku 
-hr  jifi:  tai-sija  /]"»  jjÜ  sib-sija-ni  kagirazü  ni-fiaku-nen  san-fiaku-nen  kutsi-fate-taru-ico  ^ff  ^ 
sio-sio-no  ^  |E  kin-ki-too  motte  koto-gotoku  jg;  ^  su-jei  o-oae-tsnkerare  arui-tca  '^  ^  ^ 
ko-mei-zib  ^  ^  sen-si-no  kiü-seki-to  taje-taru-im  aratame  sütare-tarit-ico  tmgase  sono  ßtka 
fi-jei-san-no  "f  ]^  bo-sio-to  nari-si-wo  arntame-tamb  nomi  narazü.  ^  ifß  Toß.  ^  ^  jen- 
kib-no  ban-min  sidzh-jama-katm  ^  ^  ro-do  san-rin-no  ^  \  ßn-zln-ra-ni  'itarn  made 
amamku  to-sei  an-do-no  on-megum.i  D|  ^  so-ten  If,  '/$  sn-kai-ni  mitsi-te  makoto-ni  0  ^ 
zitsü-qetsü-no  kusa-ki-wo  terasi  |^  ^  ga-u-x-no  koku-do-wo  uruwosu-ga  gotosi.  Jitje-ni 
iM  "^  zin-butsü-no  i-riki-mo  tsnjoku-site  kami-kaze  arata-ni  tai-giin-no  kakomi-tvo  fuki-jahn,ri 
fadzüka-no  rö-ßeö  kare-ki-ni  fana-no  saki-taru-to  jaran-no  ^  i||  ki-7m-wo  ßrnki-si  koto-no 
arl-gatasa-jo-to-zo  ücare-keru. 

Die  drei  Heerfahrer  riefen  die  drei  Höheren  und  die  sechs  Zugesellten  des  von 
Ka-to  Gehilfen  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken,  abhängigen  Heerführers  der 
Schiffe  und  als  sie  diese  Sache  in  ihren  Einzelnheiten  hörten,  sprach  Kadzu-josi,  Statt- 
halter von  Fi-da:  Ueberhaupt  hat  man  bemerkt,  dass  in  dem  Ki'iegsheere,  seit  es  das 
Meer  übersetzt  hat,  nicht  das  Walten  der  Menschen  stattfindet.  Besonders  wenn  man 
das  Wesen  dieser  Feste  betrachtet,  so  ist  es  in  seiner  Vollständigkeit  nicht  bloss  das 
Werk  von  Menschen.  Während  die  von  dem  Feinde  aus  grossen  Röhren,  Feuerschlünden 
und  Steinschleudern  entsendeten  Geschosse  dichter  als  Eegen  waren,  war  Niemand,  der 
gesagt  hätte,  dass  in  der  Feste  auch  nur  ein  Einziger  getroffen  worden  und  gestorben 
sei.  Ueberdiess  erkennt  man,  dass  dieses  göttliche  Geheimniss  einzig  aus  dem  das  Gute 
häufenden    Mitleide    des    Fürsten    Fide-josi    hervorgegangen.      Fragt    man,    wie    dieses 


Der  Feldzüg  der  Japaner  gegen  Corea.  261 

geschieht,  so  hat  er  sich  auf  die  göttlichen  Altäre,  die  Buddhatempel,  die  o-rossen  Altäre 
die  kleinen  Altäre  in  dem  Reiche  Nippon  nicht  beschränkt.  Was  zweiliundert  Jahre 
dreihundert  Jahre  verfallen  war,  wurde  mit  Hilfe  alter  Berichte  der  verschiedenen  Orte 
auf  seinen  Befehl  gänzlich  aufgebaut.  Bisweilen  erneuerte  er,  was  von  den  alten 
Spuren  in  dem  Kampfe  gefallener  alter  berühmter  Heerführer  verwischt  war  füo-te 
zusammen,  was  verworfen  war.  Ausserdem  erneuerte  er,  was  zu  Grunde  gegangene 
Stellen  des  Berges  Fi-jei  geworden.  Dieses  ist  es  nicht  allein.  Die  zehntausend 
Menschen  des  Volkes  der  Landstädte,  der  fernen  Gränzen,  selbst  die  o-emeinen  Berg- 
bewohner, die  armen  Menschen  der  Wege  und  Strassen,  der  Berge  und  Wälder  die 
Gnade,  mit  der  er  ihnen  den  Unterhalt  des  Lebens,  Ruhe  verschaffte,  sie  erfüllt  den 
gesammten  Himmel,  das  gesammte  Meer,  sie  ist  in  Wahrheit  gleich  Sonne  und  Mond 
welche  Pflanzen  und  Bäume  beleuchten,  gleich  dem  fallenden  Regen,  der  die  Erde 
des  Reiches  befeuchtet.  Dass  desswegen  die  Kraft  der  Götter  und  Budha's  crewaltio- 
war,  der  Götterwind  von  Neuem  die  Umschliessung  des  grossen  Kriegsheeres  zerblies 
und  bei  einer  geringfügigen  Besatzung  das  Loos  der  Gefahr,  welches  so  beschaffen  war, 
als  ob  auf  verdorrten  Bäumen  Blüthen  keimen  sollten,  eröffnete,  ist  eine  seltene  Gnade. 

Saru  fodo-ni  kazüje-no  kamt  kijo-masa-ga  kio-zio  se-zu-kai-no  gun-hev  ka-tö  u-ma-no 
zeö-iüa  nokosi-oki  ka-to  momo-süke  ^  sih  fajasi  faja-to-no  süke  ^  mo7'i  ^  ^  moto-qi  tai- 
fa  isogi-kite  urii-san-zib-ni  iri-kaivaru.  Fi-da-no  kami  kadzü-josi  saki-datte  HJ  ÖJt  siiitsü-zib- 
sii  ni-ban  sa-kih-no  dai-fu  juki-naga  san-ban  kazüje-no  kami  kijo-masa  siro-tvo  idzüru.  Kawari- 
no  gun-si  fata  msi-mono  idzüre-mo  fanajaka-ni  siro-je  kazari  midzü  fib-ro  fatua  kusürl  faki- 
gl  ^  P^  jen-so  nahe  kama-to-ni  itaru  made  ziu-nai-je  tori-ire-kere-ba  san-dai-sih-zoo  fazimete 
rO-si  sio-guatsu  muju-ka-no  ^  jo-ni  iri-te  fime-ni  tori-norl  ^  ^  so-sei-si-tariü  kokotsi-site 
mono-no  gu-wo  nugu-to  fitod-ku  kosi-iva  süde-ni  fisi-to  nuki-te  tatsi-i-mo  kanaioazü.  Osi-dzin- 
no  zi-setsit  saje  sio-nin-mo  fan-tokl-to-mo  tsid-ni  manako-wo  awazaru-ni  masi-te  kiü-to  ni-ziü- 
ni-nitsi-jori  ima  muju-ka-ni  Hatte  katsüte  manako-wo  mazijezü.  Midzü-ni  kassi  sioku-ni  uje 
fi-bi  \f^  sün-no  ßma-naku  mi-bone-ivo  kudaki-te  fataraki-kere-ba  faja  tawai-mo  naku  neburi- 
si-ka-ba  tai-gun-no  seme-ivo  jume-ni  mite  katana-no  tsüka-ni  te-wo  kake  gappa-to  oki-te  me-wo 
samasü.  Ru-feö  zio-ge-nl  kaglrazü  sükosi  raadoromu  sono  aida-ni-wa  u-o-seme-no  jume-zvo 
miru  koto  san-nen  amari-ica  javiazari-keri. 

Die  Kriegsmacht  von  Se-zu-kai,  der  Wohnfeste  Kijo-masa's,  Hauptes  der  Rechnungen, 
bei  Ka-to,  Zugeseiltem  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Rechten,  zurückgelassen,  kam  unter 
Ka-tö  momo-suke  Siö,  Fajasi.  Gehilfen  der  Thorwache,  und  dem  Grossen  Mori  Moto-gi 
in  Eile  und  zog  zum  Wechsel  in  die  Feste  von  Uru-san.  Kadzu-josi,  Statthalter  von 
Fi-da,  verliess  die  Feste  zuerst.  Als  Zweiter  trat  Juki-naga,  Grosser  der  Hauptstadt 
zm-  Linken,  als  Dritter  Kijo-masa,  Haupt  der  Rechnungen,  aus  der  Feste.  Die  wech- 
selnden Kriegsmänner  schmückten  die  Feste  prachtvoll  mit  allen  Fahnen  imd  Wimpeln, 
und  nachdem  man  Wasser,  Mundvorräthe,  Kugeln,  Pulver,  Brennholz,  selbst  Salz  und 
Essig,  Pfannen  und  Kessel  in  die  Feste  gebracht  hatte,  stieg  die  Besatzung,  die  drei 
Heerführer  voran,  beim  Anbruch  der  Nacht  des  sechsten  Tages  des  ersten  Monats  in 
die  Schiffe.  In  dem  Augenblicke,  als  sie  mit  einem  Gefühle,  als  ob  sie  von  den  Todten 
auferstanden  wären,  die  Rüstung  auszogen,  waren  ihre  Lenden  ganz  lahm  geworden, 
und  sie  waren  nicht  fähig,  zu  stehen  oder  zu  sitzen.  Zur  Zeit  der  Vorrückung  schlössen 
die  Leute  nicht  einmal  eine  halbe  Stunde  ein  Auge,  um  wie  viel  weniger  hatten  sie 
^eit  dem  zwei  und  zwanzigsten  Tage  des  Winters  des  alten  Jahres  bis  zu  dem  heutigen 


262  Ill/MAIKl;. 

sechsten  Tage  ein  Auge  geschlossen.  Sie  hatten,  dürstend  naeh  AVasser,  hungernd  nach 
Speise,  Tag  für  Tag  ohne  einen  Augenblick  Masse,  bis  zum  Zermalmen  der  Knochen 
sich  abgemüht,  und  als  sie  bald,  ihrer  selbst  nicht  machtig,  einschliefen,  träumten  sie 
von  dem  Angrift'e  des  grossen  Heeres.  Sie  legten  die  Hand  an  den  Grift"  des  Schwertes, 
erhoben  sich  rasch  und  erwachten.  Dass  die  Krieger  der  Besatzung,  gleichviel  ob 
Höhere  oder  Niedere,  wenn  sie  nur  ein  wenig  schlummerten,  von  dem  grossen  Angrifi'e 
träumten,  hörte  durch  mehr  als  drei  Jahre  nicht  auf. 

Koko-ni  o-o-gairutsi-ga  fune-no  sen-do  go-ro-ii-je-inon-to  iü  mono  omo-ju-ivo  naka-wan 
^  /j>P  san-hai  atajete  notsi  itsi-do-mo  atajezari-kere-ha  o-o-gaioutsi  go-ro-u-je-mon-wo  mesi-te 
kaju-wo  kure-jo-to  semurit-to  ije-domo  ziü-jo-nitsi-ga  akla  uje-tarit  koto  nare-ha  sono  sama- 
wo  kangami-te  kaju-ivo  ataje-zari-keru-wo  motte-no  foka-ni  nikusi-to  omoi  tada  go-i'o-u-je-mon- 
wo  kiri-korosi  sioku-zi-wo  kokoro-mama-ni  makasü-hesi-to  omoi-te  kosi-ioa  tatazü  sikiri-ni  jobi- 
kere-ba  go-ro-u-je-mon  idete  o-o-gaw?itsi-ga  men-sioku-ivo  mi-uke  ma-doivo-ni  ari-te  i-i-keru-wa 
go-ke-siki-wo  mi-tate-matsüre-ba  go-te-utsi-ni  nasaru-heki  tei-ni  sbrb.  Go-fuku-riil'ioa  go-motto- 
mo  si-goku-motte  sbrbje-domo  madzü  go-si-an-si-nasare-sbraje.  Sen-dai  mi-mon  tamesi-goto-naki 
tai-teki-no  utsi-no  go-ru-zib  tote-mo  on-inotsi  aru-hcki-ni  arazam  tokoro-ni  man-man  ^  si 
— ■  ^  issib-no  on-inotsi-wo  ßrowase-tamb  koto  makoto-ni  u-don-ge-to  zon-zi  kono  uje-wa 
araki  kaze-ico-mo  ikoi  joku-joku  ju-iku  si-tate-matsüru-beki-to  zon-ze-si-ni  go-san-nitsi-ga  aida 
taje-gataku  obosi-mesi  sioku-zi  on-kokoro-ni  makase-tamawa-ba  tatsi-matsi-ni  on-inotsi-zca  sbru- 
mazi.  Dai-zi-no  on-inotsi-ico  munasi-kii  ^  Pfl  sen-tsiü-nite  säte-sase-tamawan  koto  katsü-ira 
go-  i:\^  ^  fi-kib-ni  shrb.  Inia  go-san-nitsi-ga  aida-iva  go-rö-zib-to  obosi-mesi-sbraje.  Watakusi 
inotsi-kagiri-ua  go-nitsi-ga  aida-wa  f^P  ^  gijo-i-ni  inakase-sbrb-mazi-to  namida-ivo  nagasi-te 
kotaje-keru.  0-o-gawutsi  sasi-ataru  ^  ri-ni  tsümerarete  kotoba-mo  naku  tada  — •  S>J  fito- 
iitsi-ni-to  omoi-si  kokoro-mo  jowari-te  fadzukasi-ku  utsutsü-no  gotoku-zo  fusi-m-keri. 

Der  Befehlshaber  des  Schiffes,  auf  welchem  0-o-gawutsi  sich  befand,  ein  xMann 
Namens  Go-j-o-u-je-mon,  nachdem  er  ihm  Reisbrühe,  mitten  in  eine  Schale  drei  Löffel 
voll,  gegeben  hatte,  gab  es  ihm  später  nicht  Ein  Mal.  0-o-gawutsi  rief  ihn  herbei  und 
sagte  zu  ihm  gebieterisch:  Gib  mir  Reisgrütze!  —  Doch  in  Betracht,  dass  wir  vierzehn 
Tao-e  o-ehuno-ert  hatten,  o-ab  Jener  die  Reisgrütze  nicht.  0-o-gawutsi  war  ausserordent- 
lieh  aufgebracht.  Er  gedachte,  Go-ro-u-je-mon  niederzuhauen  und  nach  Belieben  zu  essen. 
Während  seine  Lenden  lalim  waren,  rief  er  ilm  unaufhörlich.  Als  Go-ro-u-je-mon  her- 
vortrat, erblickte  er  die  Züge  0-o-gawutsi's.  Er  blieb  in  weiter  Entfernung  stehen  und 
sprach:  Wenn  ich  deine  Züge  betrachte,  so  thust  du,  als  ob  du  mit  der  Hand  zuhauen 
Avolltest.  Dein  Zorn  steigt  mit  Recht  auf  das  Aeusserste,  aber  denke  früher  nach.  Dass 
ungeachtet  der  in  früheren  Zeitaltern  unerhörten,  beispiellosen  Belagerung  durch  den 
gewaltigen  Feind,  als  dein  Lebensloos  keineswegs  Bestand  haben  konnte,  du  dein 
Lebensloos,  bei  welchem  zehnmal  Zehntausend  der  Tod,  ein  Einziges  das  Leben,  auf- 
lasest, hieran  erkenne  ich  wirklich  die  Blume  U-don-ge. '  Während  ich  zudem  denke, 
dass  ich  vor  dem  rauhen  Winde  Ruhe  verschaffen,  nach  besten  Kräften  Pflege  angedeihen 
lassen  solle,  glaubst  du,  durch  fünf  oder  drei  Tage  entbeliren,  sei  unmöglich.  Wenn 
du  nach  Belieben  issest,  wird  dein  Leben  plötzlich  nicht  bestehen.  Dass  du  dein 
theures  Leben  unnützer  Weise  in  dem  Schiffe  wegwerfen  willst,  ist  überdiess  Vermessen- 
heit.    Denke,    ihr    werdet   jetzt    durch    fünf    oder    drei    Tage    belagert.      Du    wirst    die 


1  In  Cliina  die  fjrüncn  I'Iiitlicn  flcr  Wassorlilio,  in  Japan  die   Banancnbliithe. 


Dek  Feldzuii  der  Japaner  gegen  Cop.ea.  263 

Begränzung  des  eigenen  Lebens  durcli  fünf  Tage  nicht  deinem  Willen  überlassen.  —  So 
entgegnete  er  unter  Thränen.  0-o-gawutsi  war  von  den  zutreffenden  Gründen  überführt. 
Ohne  ein  Wort  zu  sprechen  und  sein  Herz,  in  welchem  er  es  mit  einem  einzigen  Schlage 
abzuthun  gedachte,  erweichend,  schämte  er  sich  und  legte  sich,  wie  zu  sich  ge- 
kommen, nieder. 

Kio-nen  sitsi-guatsu  nanu-ka-ni  Id-fazime-si  gu-soJcu-7io  uioa-ohi  ^  ^  kon-seki  sen-tsiü- 
nite  tokl-tari.  Kaku-te  tai-sib-no  moto-fune-ioo  fazimete  ibru-san-no  tsi-jori  san-teo-ga  aida 
7^  '^  niü-kal-iüo  fedatete  asi-iüara-zima-no  sü-saki-ni  furi-kakaiH-ni  tsünagi-te  jo-wo  akasi- 
keru.  Kon-nitsi  fide-aki-kv  gi-sen-gen-no  on-fataraki-ni  on-tomo-si  ^  ^  tai-kö-wo  tate-si 
go-fö-hi-to  Site  ^  ^  ^  sa-7no-zi-no  on-kosi-iibono  kai-gu-no  on-uma  ka-td  sa-ma-no  süke-ni 
kudasant  3fe  ^  mitsü-tada-no  on-kosi-mono  on-uma  kake-fi  idzmü-no  kami  ^  ^  en-ziii- 
no  on-kosi-muno  on-vmia  mö-ri  i-ki-no  kami  fai-rib-sü.  Mu-ri  hu-ze7i-no  kami  sima-dzü  mata 
sitsi-ro  aki-dzüki  sahuru  taka-fasi  ku-rö  sa.gara  sa-je-mon  süke  migi-no  itsü-tari-no  m.en-men- 
wa  kai-gu-no  on-uma  fai-rib  ono-ono  men-hoku  mi-ni  amari-te-zo  mije-ni-keru. 

Der  äussere  Gürtel  der  Rüstung,  die  man  am  siebenten  Tage  des  siebenten  Monates 
des  vergangenen  Jahres  zum  ersten  Male  angezogen  hatte,  wurde  heute  Abend  in  den 
Schiffen  gelöst. 

Die  Schiffe,  voran  diejenigen  der  drei  Heerführer,  nachdem  sie  so  weit  in  das  Meer 
gegangen,  dass  sie  von  dem  Gebiete  von  Uru-san  drei  Strassenlängen  Weges  getrennt 
waren,  stiessen  an  die  Sandbank  der  Insel  der  Schilfebene,  ankerten  daselbst  und  ver- 
blieben über  Nacht. 

An  demselben  Tage  bestimmte  Fürst  Fide-aki  die  Belohnungen  für  das  Verdienst, 
an  den  Unternehmungen  auf  der  Ebene  von  Gi-sen  theilgenommen  zu  haben.  Ein  Schwert 
Sa-mo-zi  und  ein  Pferd  mit  vollständigem  Geschirre  ward  Ka-to,  dem  Gehilfen  des 
Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken,  verliehen.  Ein  Schwert  Mitsu-tada  und  ein  Pferd 
erhielt  Kake-fi,  Statthalter  von  Idzumi,  ein  Schwert  der  Lebensverlängerung  und  ein 
Schwert  erhielt  Mö-ri,  Statthalter  von  I-ki.  Fünf  Männer:  M6-ri,  Statthalter  von  Bu- 
zen,  Sima-dzu  Mata  Sitsi-ro,  Aki-dzuki  Saburo,  Taka-fasi  Ku-ro  und  Sagara,  Gehilfe  des 
Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  erhielten  ein  Pferd  mit  vollständigem  Geschirre.  Es 
zeigte  sich,   dass  Allen  Ehre  im   Ueberflusse  zu  Theil  ward. 


Nanu-ka-no  -^  ^  sb-ten  san-tai-sib-no  moto-fune-ioo  mata  uru-san-no  mina-to-je  osi-ire 
ka-tö  momo-süke  sib  fajasi  faja-to-no  siike  m.ori  moto-gi  tai-fio-wo  mesi-te  siro  kin-fen  teki-no 
utsi-zini-ivo  sirusi-hesi-to  ari-si-ni  ziru-san  ni-san-teo-ga  ^Usi  soto-nite  titsi-zini-taru  teki-no 
si-gai  itsi-man  go-sen  sitsi-ßaku  go-ziü-si-nin  nari.  Ro-zib-nite  uje-kogoje  ^  si-si-taru  mono 
fappiaku  ku-ziü-roku-nin  ari-si-ivo  m.oku-roku-ni  sirusi-keru.  Sore-jorl  san-dai-sib  gun-si 
nokorazü  inu-no  koku  hakari-ni  se-zu-kai-ni  JA.    *^   niit-sin-site   -^    ^   dai-rö-tuo  jasüme-keru. 

Am  frühen  Morgen  des  siebenten  Tages  liess  man  die  Schiffe  der  drei  Heerfülirer 
wieder  in  den  Hafen  von  Uru-san  einlaufen.  Man  rief  Ka-to  Momo-suke  Siö,  Fajasi, 
den  Gehilfen  der  Thorwache,  und  den  Grossen  Mori  Moto-gi  herbei  und  sagte  ihnen, 
dass  sie  die  in  der  Umgebung  der  Feste  auf  feindlicher  Seite  Gefallenen  verzeichnen 
mögen.  Die  Leichen  der  vor  Uru-san  innei-halb  einer  Strecke  von  zwei  bis  drei  Strassen- 
längen gefallenen  Feinde  waren  fünfzehntausend  siebenhundert  vier  und  fünfzig.  Ver- 
hungert oder  erfroren  waren  auf  Seite  der  Belagerten  achthundert  sechs  und  neunzig 
Menschen,    die    man     in    die    Verzeichnisse     eintrug.      Hierauf    liefen    die   drei    Heer- 


2(34  Pfizmaier. 

fUlirer    und   ihre    sämmtlichen   Krieger    um    die    eilfte  Stunde'   in  den  Haien  von  Sc-zu- 
kai  ein,  und  man  liess  sie  von  ihren  grossen  Mühen  ausruhen. 

Ja-fan-no  koro  uru-san-no  kata-ni  atatte  isi-bi-ja-to-vw  o-o-dzüfsü-io-mo  fatojete  i-i-gataki 
o-oki-naru  mono-woto  rih-do  dzisin-ni-mo  arazü-site  |i|  '{^  san-kai  ^  j$Sl,  fni-dzi-mo  jurugi- 
tatsi  zio-nai  matsi-ja-no  to  sib-zi-mo  koto-gotoku  fadzüre-tari.  Mata  Ü  J^  go-ko-no  aka- 
tsüki-ni  itari-te  tai-min-zin  ni-ki  fase-kitari  i-l-keru-ira  ivare  futari  siutsü-dzm-no  ^j  koku- 
jori  teppd-no  kusürl  ataka-mn  ^  \i\  tai-san-no  gotoku  adzükaru  tokoro-ni  fu-si-gi-no  ^  j/C 
fen-kua-iro  motte  kore-wo  sib-sissü.  Gun-si-mo  o-oku  jake-sini-kere-ba  u^are-ra  fidarl-mo  ^^ 
ija  ^  4*  kua-tsiü-ni  munasi-ku  naru-to-no  |^  setsü-av  fonoka-ni  kiki-tare-ba  ko-kib-ni 
nokori-si  ^  -^  sai-si-ga  — ■  •^  itsi-mei-ivo  nobu-beki  tame-ni  fisoka-ni  koko-je  tsiku-ten-sü. 
Inotsi-ico  tasüke-tamaje-tote  ko-san-ni  ojobu. 

Um  Mitternacht  erzitterten  bei  einem  gewaltigen  Tone,  der  in  der  Gegend  von 
Uru-san  erscholl  und  den  man  weder  mit  demjenigen  der  FeuerschlUnde,  noch  dem- 
jenigen der  grossen  Feuerröhre  vergleichen  konnte,  zweimal,  ohne  dass  sich  ein  Erd- 
beben ereignet  hätte,  Berge  und  Meer  sowie  der  ganze  Erboden.  In  der  Feste  gingen 
die  Thüren  und  Scheidewände  in  den  Häusern  der  Strassen  gänzlich  auseinander.  Ferner 
kamen,  als  man  um  die  Zeit  der  fünften  Nachtwache  den  Tagesanbruch  erreichte,  zwei 
Reiter.  Menschen  von  Ming,  herangesprengt  und  sagten:  Als  man  um  die  Zeit,  wo  wir 
Beide  das  Lager  verliessen,  Pulver  für  Flinten  eben  gleich  grossen  Bergen  in  Ver- 
wahrung nahm,  wurde  dieses  durch  wunderbares  Himmelsfeuer  verbrannt.  Auch  viele 
Krieger  verbrannten,  und  da  wir  ein  unbestimmtes  Gerücht  hörten,  dass  auch  wir 
Beide  in  dem  Feuer  zu  Grunde  gegangen  seien,  so  entflohen  wir,  um  das  Leben  unserer 
in  der  Heimath  zurückgelassenen  Frauen  und  Kinder  verlängern  zu  können,  heimlich 
hierher.     Schenket  uns  das  Leben!  —  Mit  diesen  Worten  ergaben  sie  sich. 

Kadzü-josi  kiki-te  negb  tokoro-no  saiwai  nari-tote  kijo-masa  juki-naga-je  tsükai-wo  motte 
maneki  min-ßto-ivo  mesi-te  rib-koku-no  jb-dai-ico  tadzüne  min-bito  iwaku  kon-do  rib-wb  ka-sei- 
to  site  tai-gun-ivo  mesi-  ^  gii-si  faru-baru  kitari-si  ka-i-naku  uru-san-no  /]>  ^  sed-zib 
ßto-tsü  seme-otosi-jezü  amassaje  soko-baku-no  gun-beo-ivo  korosi  nani-7io  men-boka  ari-te  tai- 
min-je  kajeru-beki  kin-sio-ni  ^  |^  zai-dzin-site  itsi-do  uru-san-ivo  utsi-tsübusit-besi-to  ^  ^ 
gi-deo-si  urn-san-jori  H  0  ^  san-nitsi-ro  fedatete  ^  ^  tai-zai-no  tokoro-ni  omoi-no 
foka-naru  ten-kua-nite  gun-si  amata  ^  si-si-keru  tai-kokic-no  ßi-uu  nari.  San-nitsi-ro- ga 
aida-no  mitsi-sügara  te-oi  ^  X  si-nin-7io  ßisi-taru-iva  iku-sen-man-to  iü  kazü-wo  sirazü-to- 
zo  katari-keru. 

Kadzu-josi  hörte  dieses  und  sprach:  Die  Bitte  ist  für  uns  ein  Glück.  —  Er  liess 
Kijo-masa  und  Juki-naga  durch  einen  Abgesandten  einladen,  rief  die  Menschen  von 
Ming  und  befragte  sie  um  die  Verhältnisse  der  beiden  Reiche.  Die  Menschen  von  Ming 
sagten:  In  Erwägung,  dass  man  diessmal,  mit  den  beiden  Königen  als  Hilfsmacht,  ein 
grosses  Kriegsheer  an  sich  gezogen,  aus  weiter  Ferne  gekommen,  im  Angriffe  die  einzige 
kleine  Feste  Uru-san  nicht  erobern  konnte,  überdiess  eine  Menge  Krieger  geopfert  hatte, 
frao-te  man,  welche  Ehre  man  gewinne  und  wollte  nach  dem  grossen  Ming  zurückkehren. 
Indem  man  in  der  Nähe  sich  in  dem  Lager  befand,  beschloss  man  in  dem  Rathe,  ge- 
meinschaftlich Uru-san  zu  erdrücken.  Als  man,  von  Uru-san  durch  den  Weg  dreier 
Tage  getrennt,    stehen  blieb,   fanden  durch  das  unerwartete  Himmelsfeuer  viele  Krieger 


1   Von   7  1iis  9  Uhr  Aliends. 


Der  Peldzüg  deh  Japaner  gegen   Corea.  265 

den  Tod.  Es  war  das  Missgeschick  des  grossen  Reiches.  Auf  dem  Wege,  einem  Wege 
dreier  Tage,  liegen  Verwundete  und  Todte,  man  weiss  nicht,  wie  viele  Tausende  oder 
Zehntausende  an  der  Zahl  es  sind.  —  Dieses  waren  ihre  Worte. 


Sio-tai-sib  se-zu-kai-ni  atsümari-te  feo-deo-si-keru-wa  so-mo-so-mo  kon-do  tiru-san-no  ro- 
zih-ni  feo-ro-wo  ireru  koto-wo  jezü  mata  tai-teki-no  kakomi-ivo  je-taru  koto  saki-te-no  siro-to 
i-i-nagara  amari-ni  de-sügi-taru  juje  nari.  Onaziku-wa  uru-san  )I|§  ^  siun-ten-wo  jahuri- 
siitete  ßgasi-wa  se-zü-kai-wo  motte  saki-te-to  si  nisi-wa  ^  j^  nan-kai-wo  motte  saki-te-to 
nasi  sikaru-besi-to  ari-kere-ba  ono-ono  motto-mo-to  onazi-site  ren-sio-no  ^  deö-wo  gon-zio-sen-to  sü. 

Die  Heerführer  versammelten  sich  in  Se-zu-kai  und  fassten  einen  Beschluss,  der 
lautete:  Es  gelang  uns  diessmal  nicht,  in  die  belagerte  Feste  von  Uru-san  Mundvor- 
räthe  zu  bringen.  Dass  die  Feste  ferner  die  Einschliessung  durch  den  gewaltigen  Feind 
erfahren  hat,  es  ist  desswegen,  weil  sie,  obgleich  eine  Feste  des  Vorderzuges  genannt, 
zu  weit  hinausliegt.  Man  soll  sowohl  Uru-san  als  Siun-ten,  nachdem  man  sie  zerstört, 
auflassen  und  im  Osten  Se-zu-kai,  im  Westen  Nan-kai  zu  Festen  des  Vorderzuges 
machen.  —  Alle  hielten  dieses  für  Recht  und  wollten  das  zusammenhängende  Schreiben 
nach  oben  reichen. 

0-o-fa  fi-da-no  kami  i-i-keru-wa  migi-no  p^  ^  rib-zib-iva  kiä-fo  ßde-aki-ko  o-ose-nite 
torl-tate  sika-mo  uru-san-uia  nanigasi  bu-gio-to  nari-te  zib-ziu-sesime-si  siro  nare-ba  kore-wo 
jabutte  sikaru-besi-to  nru  koto  madzü-wa  fide-aki-kö-wo  karon-zi-tate-matsüri  ~fC  sita-ni-wa  bu- 
gib-no  muno-wo  nni-ga  siro-ni  si-tamb  sio-zon  nanigasi-ga  fun-betsü-ni-wa  kanai-gatasi.  Sikari- 
to  ije-domo  mono-koto  o-oku-no  ko-zib-ni  makasete  ai-kiwamu-beki  _t  ^  zib-i  kio-nen  fusi- 
mi-wo  |i}  ^  siussen-no  kizami  o-ose-tsükerarc-kere-ba  ono-ono  zon-bmi-no  towori  ^  J^.  gon- 
zib  aru-besi-to  nari. 

0-o-ta,  Statthalter  von  Fi-da ,  spi-ach:  Die  genannten  zwei  Festen  hat  man  im 
vorigen  Winter  auf  Befehl  des  Fürsten  Fide-aki  errichtet,  jedoch  Uru-san  ist  die  Feste, 
die  ich,  Oberaufseher  geworden,  ausbauen  Hess.  Wenn  man  daher  sagt,  dass  man  sie 
zerstören  solle,  so  schätzt  man  vor  Allem  den  Fürsten  Fide-aki  gering,  in  zweiter  Reihe 
achtet  man  einen  Mann,  der  Oberaufseher  ist,  für  nichts.  Einen  solchen  Gedanken 
kann  ich  nach  meinem  Verstände  nicht  fassen.  Da  aber  bei  alledem  zur  Zeit,  als  wir 
im  vorigen  Jahre  Fusi-mi  zu  Schiffe  verliessen,  der  hohe  Wille  geäussert  wurde,  dass 
man  viele  Dinge  mündlich  vorbringen  und  bestimmen  könne,  so  möge  ein  Jeder,  was 
seine  Meinung  ist,  nach  oben  berichten. 

Take-naka  i-dzü-no  kami  mo-ri  min-bu-no  ta-jü  i-i-keru-wa  teki-no  siro-ivo  mi-kata-ga 
seme  mi-kata-no  siro-wo  teki-jori  semuru  koto  medzürasi-ki-ni  arazu.  Mata  feö-ro-wo  iruru- 
beki-mo  maje-kata  sirazuru  koto  nare-ba  kore-wo  motte  siro  de-sügi-te  fed-ro  ire-gataki- 
ni  arazü.  Go-ziaku-nen-no  sib-gun-ko  o-ose-tsükeraruru-to  iü  fatsi-ziü-man-ki-no  sei-wo  motte 
seme-jezü-site  sükunaki  rö-feö  2|j  ,^  fon-i-wo  toge-si  siro-wo  fiki-irurii-beki-to-no  sb-dan-wa 
ono-ono  ajamari-taru-besi.  Migi-no  rib-zib-ni  tai-si  idzüre-mo  ika-naru  ku-ro  mi-ni  tsümori 
jaburi-sütsüru-beki-no  go-   ^    0f:  so-sib-ica  fu-ka  nari-to-zo  i-i-keru. 

Take-naka,  Statthalter  von  I-dzu,  und  Mö-ri,  grosser  Stützender  der  Abtheilung  des 
Volkes,  sprachen:  Dass  die  Unserigen  eine  Feste  des  Feindes  angreifen,  eine  Feste 
der  Unserigen  von  dem  Feinde  angegriffen  wird,  ist  nichts  Seltenes.  Wenn  man  ferner 
Mundvorräthe  hereinbringen  soll  und  dieses  früher  nicht  weiss,  so  ist  es  desswegen 
nicht  der  Fall,  dass  die  Feste  zu  weit   hinaus    liegt    und  Mundvorräthe  hereinzubringen 

DenkBchriften  der  phil.-liist,  Cl.  XXVI.  Bd.  34 


2CiG  Pkizbiaiku. 

uiiniögiich  ist.  Die  Reden,  in  welchen  ein  Befelil  des  Fürsten,  des  jugendlichen  Heer- 
führers genannt  wird,  dass  man  die  Feste,  die  man  mit  einer  Macht  von  achtmal  zehn- 
tausend Reitern  niclit  erstürmen  konnte,  deren  geringe  Besatzung  ihre  Absicht  erreichte, 
hereinziehen  solle,  müssen  alle  ein  Irrthum  sein.  Welche  Mühen  sollten  uns  Allen,  den 
genannten  zwei  Festen  gegenüber,  erwachsen?  Die  Anzeige,  dass  man  sie  zerstören  und 
auflassen  müsse,  ist  unstatthaft. 

Sikare-domo  sio-tai-sib  to-kaku  gon-zih  sikaru-hesi-to  fev-gi-sü.  Koko-ni  ka-tu  sa-ma-no 
süke  ^J  fan-wo  kuioajezü  i-koma  uta-no  kami  mo-ri  i-ki-no  kami  JljJJ  ^ij  ka-fan-serare-sbraje- 
to  sama-zama  süsüme-kere-ba  sa-ma-no  süke  kotajete  ono-ono  ^g  ^  reki-reki  ren-ban-no  gon- 
zib-ni  nanigasi  gotoki  fan-zib-itasü-ni  ojubazü  tote  katsüte  tori-awazü. 

Die  Heerführer  beschlossen  jedoch,  dass  es  angemessen  sei,  den  Bericht  zu  erstatten. 
Ka-to,  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken,  setzte  sein  Siegel  nicht  hinzu. 
I-koma,  Vorsteher  der  Musik,  und  M6-ri,  Statthalter  von  I-ki,  drangen  in  ihn  auf 
allerlei  Weise,  dass  er  das  Siegel  hinzusetze.  Der  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde 
zur  Linken  entgegnete :  Bei  dem  mit  den  fortlaufenden  Siegeln  sämmtlicher  aus- 
gezeichneter Männer  versehenen  Berichte  ist  es  nicht  nöthig ,  dass  Jemand  meines 
Gleichen  das  Siegel  aufdrückt.  —  Er  nahm  niemals  daran  Theil. 

Sio-dai-mib  itsi-dö-ni  fi-da-dono  kazüje-dono  go-fen-wo  sü-nin  mu-sia  fasira-to  tanoniu 
tokoro-ni  ono-ono  to-ja  kaku-to  iwaruru  koto  _t.  itje-no  on-tame  oroka-naru-ni  ni-tari-to  i-i- 
si-ka-ba  sa-ma-no  süke  ^  ^  sio-sib-ni  mukatte  iivaku  kon-do-no  uru-san  ro-zib  ten-dziku 
sin-dan-ni-mo  imada  kono  tamesi-ivo  kikazü  üvan-ja  icaga  teu-ni  oi-te-iüo-ja.  Kai-biaku  i-rai- 
no  ^  ^  dzin-zi  7iip2}on-no  bu-jtl-tco  ame-ga  sita-ni  arawasü  koto  ani  kono  siro-ni  joru-ni 
arazü-ja.  Katsü-ivd  itsi-do  tori-idasi-taru  saki-te-no  siro  fiki-noku  nomi  arazü  kore-fodo  ^  7^ 
ki-tai-no  ^  ^  mei-ziu-tvo  jaburu-to  iü  koto  ^  "{tt^  ko-sei-no  teö-7'd  waga  teö-no  ka-kin-to 
zon-zü.  Ono-ono-no  kotoba-ni  ^  dziö-si  ^  ^  gu-sia  ^  ^  süi-san  ~f^  simo-to-site  _t. 
kami-ivo  fakari  ^  osore-tco  ^  kumu-ni  ai-ni-tari-to  ije-domo  den-ka-no  on-kokoro-nite-wa 
jawaka  jaburi-süte-jo-to-wa  _t,  j^  zib-i  aru-mazi-si-to  zon-züru  nare-ba  sa-ma-no  süke-ni  oi- 
te-wa  ka-fan  mattaku  itasü-mazi.  Mosi  ono-ono-no  go-so-sib  -]"  ^  ziü-bun-nl  kaiiai-si  h 
nje-zva  den-ka-no  on-togame-ico  kbfuri-tate-matsüy^i-sorb-beki  koto  tana-gokoro-wo  sasi-te  kore-wo 
siru  sikari-to  ije-domo  nanigasi-ga  zov-bim-wa  kaku-no  gotoku  sorb-tote  tsüi-ni  ka-fan-sezari- 
keri.  Fi-da-no  kami  migi-no  ^  ^  siü-i-nl  tsükete  go-bu-gib  fJJ  ^i]  tsia-fan-naku  itru-san- 
wa  kazüje-no  kami  kio-zib-taru  koto  juje  kijo-masa-mo  fan-sezü.  Nokori  san-ziü-jo-nin  ren- 
ban-si  sono  omomuki  i-sai-ni  kaki-tsüke  gon-zib-ni  kiwamari-keru. 

Die  Fürsten  sagten  insgesammt:  Indem  der  Herr  Fi -da  und  das  Haupt  der 
Rechnungen  sich  auf  dich  als  den  Pfeiler  mehrerer  Krieger  verlassen,  hat  die  Sache, 
die  von  jedem  Einzelnen  auf  verschiedene  Weise  besprochen  wird,  für  den  Hohen  mit 
etwas  Thörichtem  Aehnlichkeit.  —  Der  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken 
wendete  sich  zu  den  Heerführern  und  sprach :  A'on  einer  Belagerung,  wie  diejenige  von 
Uru-san  diessmal  war,  hat  man  in  Indien  und  China  noch  kein  Beispiel  gehört,  um  wie 
viel  weniger  an  unserem  Hofe !  Das  Kostbarste  seit  der  Entstehung  der  Dinge ,  den 
kriegerischen  Muth  von  Nippon  der  ganzen  Welt  darthun,  wie  könnte  es  nicht  in  Bezug 
auf  diese  Feste  geschehen?  Zudem  ist  es  nicht  bloss  der  Fall,  dass  man  die  Feste  des 
einmal  herausgenommenen  Vorderzuges  wegzieht.  Eine  so  merkwürdige,  berülnnte  Feste 
zerstören,  erkenne  ich  als  einen  Gegenstand  des  Spottes  späterer  Geschlechtsalter,  als 
einen    Flecken    unseres    Hofes.     Obgleich    die    Worte    jedes    Einzelnen    sich    zu   Nutzen 


Deu  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  267 

machen ,  das  Hereindrängen  des  Tliörichten  hintansetzen  und  das  Höhere  ermessen, 
Aehnlichkeit  mit  Furcht  hat,  erkenne  ich  nach  dem  Sinne  der  Menschen  unter  der  Vor- 
halle,' dass  der  Befehl  zu  Zerstörung  und  Auflassung  schwerlich  der  hohe  Wille  sein 
wird.  Daher  wird  der  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken  das  Siegel  gar 
nicht  hinzusetzen.  Dass  ich,  wenn  man  auf  die  Meldung  jedes  Einzelnen  in  allen  ihren 
Theilen  eingeht,  überdiess  von  Seite  der  Menschen  unter  der  Vorhalle  Anschuldigungen 
erfahren  werde,  ich  zeige  darauf  mit  den  Handflächen,  ich  weiss  es.  Dessen  ungeachtet 
ist  meine  Meinung  so,  wie  ich  sagte.  —  Er  setzte  durchaus  nicht  sein  Siegel  hinzu. 

Der  Statthalter  von  Fi-da  schloss  sich  dem  obigen  Gutachten  an,  ohne  das  Siegel 
des  Oberaufsehers  beizudrücken.  Weil  Uru-san  die  Wohnfeste  des  Hauptes  der  Rech- 
nungen war,  setzte  auch  Kijo-masa  sein  Siegel  nicht  hinzu.  Die  übrigen  dreissig  Männer 
setzten  die  fortlaufenden  Siegel.  Sie  schrieben  die  Begründung  ausführlich  hinzu  und 
bestimmten  die  Schrift  für   die  Meldung. 

Sono  josi  ßde-aki'ku  kikosi-mesi  o-okl-ni  faku-riü  atte  kakaru  kitsl-zi-no  ^  ^  mei-zib 
fiki-iruru-heki  gon-zib  sa-ta-no  kagiri  gon-go-ni  tqje-tari-to  ije-domo  ^  ^  zio-zi  ta-bun-no 
kö-zio-ni  kiwamu-heki  viune  o-ose-idasarure-ba  kore-tvo  gon-ziu-sezarn.  koto  kajette  zio-i-wo 
somuku-ni  ai-ni-tari.  Isogi  gon-zib-sü-besi  sari-nagara  siro  kin-jyen  san-ziü-jo-teö  PI)  ^ 
si-men-no  \\\  '/$  san-kai  ^^  }\\  dei-sen-no  ^  fi)f  zen-sio  ^  J^  aku-sio-tvo  kuioasi-ku 
e-dzü-ni  utsüsi  zib-nai-no  an-nai  joku  sittaru  ben-zctsü-joki  sahurai  si-go-nin  i-i-tsüke  ka-ko 
-^  ^  tai-zei-nite  tatsi-kajeri  fü-fa-no  zen-aku-tvo  iwazü  to-kai-si  sb-sb  zlb-i-no  go-fen-zi  ^  ^ 
ki-tsiaku-süru  jb-ni  mbsi-tsüke-beki  josi  kake-fi  idzümi-no  kami  kuma-gaje  kara-no  zed-ni  o-ose- 
tsükeraru. 

Als  Fürst  Fide-aki  diese  Umstände  erfuhr,  gerieth  er  in  grossen  Zorn.  Die  Meldung, 
dass  man  eine  so  glückliche,  berühmte  Feste  einziehen  solle,  war  zwar  das  Aeusserste 
der  Mittheilungen  und  nicht  in  Worte  zu  fassen,  da  jedoch  der  Befehl  ergangen  war, 
dass  man  alle  Dinge  im  Ganzen  mündlich  festsetzen  möge,  hätte  es  im  Gegentheil, 
Avenn  man  es  nicht  gemeldet  hätte,  mit  Auflehnung  gegen  den  hohen  Willen  Aehnlich- 
keit gehabt.  Man  sollte  es  in  Eile  melden.  Indessen  wurde  Kake-fi,  Statthalter  von 
Idzumi ,  und  Kuma-gaje,  Zugetheiltem  der  Kammer,  befohlen ,  dass  sie  in  den  Um- 
gebungen der  Feste,  dreissig  Strassenlängen  weit  die  guten  und  schlechten  Orte  der 
Berge  und  des  Meeres,  der  Moräste  und  Flüsse  aller  vier  Seiten  in  Abbildungen  genau 
zeichnen,  dass  vier  bis  fünf  die  Einrichtungen  der  Feste  gut  kennende,  wohlberedte 
Männer  in  ihrem  Auftrage  mit  einer  grossen  Menge  Matrosen  zurtickkehren,  ohne  zu 
fragen,  ob  Wind  und  Wellen  gut  oder  böse  sind,  das  Meer  übersetzen  und  schnellstens  die 
Antwort,  dem  hohen  Willen  gemäss,  als  ob  sie  in  der  Heimath  ankämen,  überbringen  mögen. 

Kasanete  riü-nin-ni  no-tamai-keru-wa  zi-zen  man-man  ßto-tsü-mo  kono  rib-zib  jaburu- 
besi-to  zib-i  ara-ba  -^  jo-tua  iiru-san-ni  ^  ^  zai-zib-si  zimi-ten-ni-wa  jama-gutsi  gen-ba-no 
zeö-tco  kome-oku-besi.  Kono  si-aicase  zib-i-ni  somuki  ^  J[^  rv.-nin-to  natte  ^  j^  kld-gen-iii 
kabane-ico  sarasü-to  iü-to-mo  nippon-je  ki-teo-iva  kaku-go-ni  ojobazü-to  no-ta-mb.  Jama-gutsi 
gen-ba-zeo-vjo  mesi-te  nandzi  ziün-ten-je  to-kai-si  siro  maivari  e-dzü-  ^  men-ico  sirusi  isogi 
ki-tsiaku-sü-besi-to  o-ose-ni  jotte  on-mesi-no  ko-süzüme-maru-to  iü  faja-btme-ni  nori-te  tsiü-ja- 
710  sakai-mo  yiaku  isogi-keru. 


Den-ka     ,unter    der    Vorlialle'    sind    in    China    der    Nachfolger    und    die    Könige.      In    Japan    bedeutet    es    das    Haus    des 
Kuan-baku. 


34* 


2(5)^  l  1TZMAIEH. 

lOr  sagte  wiedi-rliDlt  /,ii  den  Beiden:  Wenn  es  viclleiclit,  wie  Zolintausende  zu  Eins, 
der  hohe  Wille  ist,  dass  man  die  zwei  Festen  zerstöre,  so  werde  ich  in  der  Feste  von 
Uru-san  wohnen,  und  nach  Zlun-ten  werde  ich  Jama-gutsi,  Zugetheilten  des  Gen-ba, ' 
setzen.  Durch  dieses  Verhalten  dem  hoiien  Willen  den  Rücken  kehrend,  mag  ich  auch 
ein  Verbannter  werden,  auf  den  neun  Ebenen  den  Leichnam  zur  Scluui  stellen,  um  die 
Rückkehr  an  den  Hof  von  Nippon  brauche  ich  mich  nicht  zu  kümmern.  —  Er  rief 
Jama-gutsi,  Zugetheilten  des  Gen-ba,  zu  sich  und  befahl  ihm :  Du  sollst  nach  Ziun-ten 
über  das  Meer  schiften,  die  Feste  umwandeln,  die  Umrisse  der  Abbildung  zeichnen  und 
eilig  zurückkehren.  —  Demgemiiss  bestieg  Jener  das  schnelle  Schift"  des  Fürsten,  das 
Rund   des  kleinen  Sperlings,   und  war.   ohne  Gränze  zwischen  Tag  und  Nacht,   eilig. 

Take-siniani)  ^  ^  zio-sln  nabe-sima  sina-nu-no  kamt  ^  3E  ten-si-ä-ni  l-tarii  munu- 
mi-no  it  sl  |i|  P  jaiiia-guLsi-ga  uma-zirnsi-wo  ^  mi-jori  fajaku  ^  f^  feo-sen  ^  ~h  ® 
sü-zissö-ni  fed-git-wo  Ire  ^  ^  ko-fei-ivu  nose  _t.  "^  zib-si  mukai-to  xite  idasi  sono  tsügl 
0  "V  '^  lU  ri.jaku-sait-no  .vro  made  okiirii.  liiaku-san-jori  i)tiikal-iiu  feo-sen  idete  mata 
^  ^  ^  p  ko-dzija-u-no  siro-je  oknri  y  iz  ^  so-sen-no  siro  nan-kal-no  siro  si-dai- 
.n-dai-ni  okuri-te  ziün-ten-je  tsiaku-si  gen-han-no  zeo  e-dzü-wo  totonoje  mata  siro-ziro-jori  okuri- 
U  fu-san-kai-je  nori-modori-kere-ha  sünawatsi  -{^  \  sifsi-nin-no  go-bu-gib-  ^  t.mi-je  o-ose- 
taükerare  sb-sb  gon-zib  ari-keru. 

Sobald  die  in  Thien-tschü  weilenden  ausspähenden  Kriegsmänner  des  Vorstehers  der 
Feste  der  Bambusinsel,  Nabe-sima's,  Statthalters  von  Sina-no,  die  Feldherrnfahne  Jama- 
gutsi's  erblickten,  brachten  sie  schnell  in  mehrere  Zehende  von  Kriegsschiffen  Kriegsgeräthe, 
luden  Panzer  und  Angriffswaffen  auf  und  schift'ten,  dem  hohen  Abgesandten  entgegen- 
kommend, heraus.  Zunächst  begleiteten  sie  ihn  bis  zu  der  Feste  Rijaku-san.*  Aus 
Rijaku-san  liefen  entgegenkommende  Kriegsschifte  aus  und  begleiteten  ihn  wieder  bis 
zu  der  Feste  Ko-dzija-u.  Indem  die  Festen  So-sen  und  Nan-kai  nach  der  Ordnung  das 
Geleite  gaben,  gelangte  man  nach  Schün-thien.  Der  Zugetheilte  des  Gen-ba  besorgte 
die  Abbildung,  und  indem  man  ihn  wieder  von  Seite  der  verschiedenen  Festen  be- 
o-leitete,  schift'te  er  nach  Fu-san-kai  zurück.  Hierauf  erfolgte  der  Auftrag  an  die  sieben 
Oberaufseher,  und  man   brachte  eilig  die   Meldung. 

Si-sia  sib-guatsü  ziA-go-niti^i  tora-no  — ■  ^  itfen-ni  teo-.ten-ivo  nori-idasi  tmi-ja  tomo-nl 
isogu  fodo-ni  ni-ziü-jokka  fiisi-vii-nu  on-siro-je  ^  |frp  tsiaku-fu-sü.  Sünaic.atsi  S.  go-bii-gib- 
X^  f.-iü  ß-ru-no  tokoro-ni  tai-kb  den-ka  go-ki-gen  naname-narazü.  Si-sia-wo  go-zen- 
je  mesi'idasay-e  ro-zib-no  sina-zhia  tsubasa-ni  kikosi-me.n-agerare  o-oki-ni  jorokobase-tamb.  Je- 
do  nai-dai-zin  ^  J^  ije-jasü-ku  je-do  tsiü-na-gon  ^  ^  fide-tada-kib  ka-ga  doi-na-gon 
%\\  ^  fosi-ije-kib  ai-dzu  tsm-na-gon  ^  ^  kage-katsü  ike-da  sa-je-mon-zeu  ^^,  ^  teru- 
vi.asa  sa-take  u-kib-dai-bii  ^  ^  josi-nub/i  ^  ^  da-te  etsi-zen-no  kami  jE  ^  masa-mione 
sima-dzü  siu-ri-no  dai-hi.  ^  ^  josi-ßsa-ra-tvo  fazivie-to  site  ^  zai-fml-mi-no  dai-sib-mib 
knto-gofuku  ^  ^  to  zib-si  sono  sina-zina  ki-i-te  ßto-je-ni  -^  ko-no  go-bu-jü  ||!  ^  S(%ten- 
jiiri-mo  kub-dai-naru,  juje  nari-fo  ono-ono  kan-zi-tate-matsüru. 

Die  Abgesandten  schifften  am  fünfzehnten  Tage  des  ersten  Monats,  um  die  dritte 
Stunde'  von  Teo-sen  ab.  Da  sie  sowohl  bei  Tage  als  bei  Nacht  eilten,  kamen  sie  am 
vier  und  zwanzigsten   Tage  in   dem  Sammelhause  von  Fusi-mi  an.      Als  hierauf  die  fünf 


'  Ein  hoher  Angestellter,  der  sich  mit  den   Gästen  befasste. 
2  Sonst    V^;      1 1 1    Li;uig-schan  geschrieben. 
■'  Von   :S   bis  b   Uhr  Murgens. 


Dkr  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  269 

Oberaufseher  die  Sache  eröffneten,  war  das  Wohlgefallen  des  grossen  Seitenthores'  und 
der  Menschen  unter  der  Vorhalle  kein  geringes.  Die  Abgesandten  wurden  in  die  hohe 
Gegenwart  berufen.  Daselbst  hörte  man  genau  alle  Umstände  der  Belagerung  und 
freute  sich  sehr.  Von  dem  Fürsten  Je-do  Ije-jasu,  grossem  Diener  des  Inneren,  dem 
Reichsminister  Je-do  Fide-tada,  mittlerem  Rathe,  dem  Reichsminister  Ka-ga  Tosi-ije, 
grossem  Rathe,  Ai-dzu  Kage-katsu,  mittlerem  Rathe,  Ike-da  Teru-masa,  Zugeseiltem  des 
Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  Sa-take  Josi-nobu,  Grossem  der  Hauptstadt  zur 
Rechten,  Da-te  Masa-mune,  Statthalter  von  Jetsl-zen,  und  Sima-dzu  Josi-fisa,  dem  die 
Grundsätze  ordnenden  Grossen,  angefangen,  kamen  die  in  Fusi-mi  anwesenden  grossen 
und  kleinen  Fürsten  insgesammt  in  die  Feste  und  hörten  diese  Umstände.  Alle  drückten 
ihre  Bewunderung  aus ,  indem  sie  sagten :  Es  ist  einzig ,  weil  der  Kriegsmuth  des 
Fürsten  gewaltiger  und  grösser  als  der  gesammte  Himmel  ist. 

Sikaru  tokoro-ni  go-hu-gib-no  ^  B9  isi-da  dzi-bu  sib-fu  H.  ffl  mi-tsü-nari  tsnne-dzüne 
^  ^Ci'  giaku-sin-no  kokoro-zasi  aru-ni  jotte  ararenu.  Tsi-riaku-wo  megurasi-te  -^  go-kuan- 
baku  — "  tSp  ippon  tai-zib-dai-sin  ^  ^  ßde-tsügu-kd-tvo  ^  zan-si-tate-matsüri-te  nsinai-tate- 
matsurl-te  mata  fide-aki-ko-ioo-mo  nani-to-zo-to  ^  1^  zia-sin-wo  sasi-fasami  ^  kö-nu  go-zen-ni 
oi-te  vfibsi-agerii-wa  fide-aki-kö  go-mib-dai-nite  go-to-kai-no  tokoro-ni  go-ziaku-nen-taru  jtije  karu- 
garu-siku  go-  [ij  ^  siutsü-zib  j^  q»)'  txüi-tö-asohasarurit  on-koto  aja-uki  si-dai-ni  sbrb.  Mosi  tai- 
fekl  idete  fn-san-kai-wo  seme-tori  teki  ^  ^  zai-zib  sbrawa-ba  n'qjpon  5^  tsü-zi-no  mina-to-ivo 
fusagare  ^  ^  sio-zei  nan-gi-ni  ojobu-besi-to  gon-zib-si-kere-ba  -^  kö-nio  fito-madzü  ge-ni-mo- 
to  obosi-mesare-keru. 

Indessen  war  einer  der  fünf  Oberaufseher,  Isi-da  Mi-tsu-nari,  kleiner  Stützender  der 
Abtheilung  der  Gebräuche,  weil  er  immerfort  einen  widersetzlichen  Sinn  hatte,  niöht 
dabei.  Indem  er  seine  Anschläge  in's  Werk  setzte,  verleumdete  er  den  späteren  Kuan- 
baku,  den  zur  ersten  Classe  gehörenden  grossen  Diener  der  grossen  Lenkung,  Fürsten 
Fide-tsugu^  und  brachte  ihm  den  Untergang.  Auch  gegen  den  Fürsten  Fide-aki  hatte 
er  aus  irgend  einer  Ursache  ein  falsches  Herz,  und  er  stellte  dem  Fürsten'  vor:  Dass 
Fürst  Fide-aki,  nachdem  er  als  Stellvertreter  das  Meer  übersetzt  hat,  seiner  jungen 
Jahre  wegen  leichtfertig,  aus  der  Feste  zieht,  verfolgt  und  schlägt,  ist  ein  gefährliches 
Beginnen.  Wenn  der  gewaltige  Feind  hervorkommt,  Fu-san-kai  erstürmt  rmd  der  Feind 
sich  dann  in  der  Feste  befindet,  so  wird  der  für  den  Verkehr  mit  Nippon  dienende 
Hafen  verschlossen  werden  und  die  Streitmacht  in  Unglück  gerathen.  —  Auf  diese 
Meldung  dachte  auch  der  Fürst  vor  Allem,  dass  es  wahr  sei. 

Kaku-te  uru-san  ziun-ten  jaburi-te  sikaru-beJci-to-no  ren-ban-no  gon-zib-wo  zib-ran  atte 
motte-no  foka  ikarase-tamai  so-mo-so-mo  kono  uru-san-wa  ten-ka-bu-s6-no  mei-zib  nare-ba  san- 
ziü-jo-nin  ren-ban-no  mono-domo-nl  uru-san-no  H.  -^  ni-zi-wo  kal-te  mamori-to  sü-besi-to 
mbsi-tsükawasü-beki  josi  zib-i  ari.  Säte  ^  ^  7'ib-zib-7io  e-dzü-tco  zib-ran  atte  on-sasi-dzü 
ose-kudasaruru-ni-tva  uru-san-no  siro  fon-maru-jori  i{]^  ~)j  fopiM-ni  tori-tam  ni-san-no 
maru-wo  tori-kitte  fon-maru-no  minami-ni  tmke  p|^  rib-waki-ito  isi-gaki  fakasa,  ziü-ken-ni 
tsüki-age  sio-sio-ni  masü-gata-wo  totte  ni-no  marii  san-no  maru-ni  f^  riinn-ivo  ZL  -^  ^)\  ni- 
ka-sio-ni   ire-tsigajete    tatsü-besi.     Ni-san-fon-maru-no   ^   sö-mawari  ^    ^  dai-gi-ivo  fane- 


o 


'  Tai-kö    ,das    g^rosse    Seitenthor'    ist   ein    ehemalig'er   Kuan-baku,    dessen    Sohn    wieder    ein    Kuan-bakn    geworden    ist.     Hier 

ist  es  Fide-josi. 
-  Fiile-tsugu,  der  Pflegesohn  Fide-josi's,  war  von  diesem  znm  Nachfidger  in  dem  Amte  des  Kuan-Iiakii  ernannt  worden, 
•ä  Dem  Fürsten  Fide-josi. 


270  PriZMAlKlJ. 

dasi  naga-ja-ico  tate-mawasi  kaivara-wo  motte  fioku-hesi.  Siro-jori  sügu-ni  minami-no  -Ir  j^ 
dai-kai-je  sasi-iratasi  joko  go-teo-jo-ni  mukb-no  asi-wara-ico  fori-wari  ^r  J^  sin-tsi-no  funa- 
iri-to  Site  nippon  fune-no  dziki-ni  siro-je  nori-iru  jb-ni  S7i-besi.  Snnawatsi  fu-sin-xoa  ren-han- 
no  mono-je  mbsi-tsiike  mosi  sükosi-nite-ino  te-maje  okurete  ^  Ep  ^  fu-ga-i-naki  mono-ica 
-f-"  J^  z'tü-nin-nite  Zl  ~p  ^  ni-ziü-nin-nite-mo  J!|P  ^  ka-han-ni  nokosi-uku-hcsi.  Fu-sin 
siuttai'Se-ba  ßde-aki-wo  saki-tu  site  ^  ^  zib-siii-no  foka-ioa  iidna-mina  ki-teo-itasü-heki 
josi  zib-i  ari.  Sono  utsi  yX,  ^  dni-tsiü-no  men-men-je-ica  go-  ^  ijj^  kan  -  deu  -  wo  -  zo 
kudasare-keru. 

Als  er  die  mit  fortlaufenden  Siegeln  versehene  Meldung,  in  welcher  es  hiess,  dass 
die  Zerstörung  von  Uru-san  und  Ziun-ten  angemessen  sei,  zu  Gesicht  bekam,  ward  er 
überaus  zornig.  Da  übrigens  dieses  Uru-san  eine  berühmte  Feste  war,  die  in  der  ganzen 
Welt  ihres  Gleichen  nicht  hatte,  war  es  der  hohe  Wille,  dass  man  den  dreissig  Inhabern 
der  fortlaufenden  Siegel  das  Bedeuten  schicke,  sie  möchten  die  zwei  Zeichen  ,Uru-san' 
niederschreiben  und  daraus  Talismane  machen.  Als  er  die  Abbildung  der  beiden  Festen 
sah,  befahl  er  das  in  der  Feste  Uru-san  nördlich  von  dem  ursprünglichen  Rund  erbaute 
zweite  und  dritte  Rund  wegzunehmen  imd  im  Süden  des  ursprünglichen  Runds  anzu- 
bringen, die  Steinmauer  der  beiden  Seiten  bis  zu  zehn  Ken  zu  erhöhen,  an  verschiedenen 
Orten  Sammelplätze  zu  bauen  und  bei  dem  zweiten  und  dritten  Rund  Thore  an  zwei 
Stellen  einander  schräg  gegenüber  aufzustellen.  Die  allgemein  umschliessenden  Ter- 
rassenbäume des  zweiten  und  dritten  Runds  sollte  man  wegschneiden,  rings  umher  lange 
Häuser  errichten  und  diese  mit  Ziegeln  decken.  Die  Schilfebene,  welche  dem  gerade 
im  Süden  befindlichen  grossen  Meere  gegenüber,  schräg  in  einer  Ausdehnung  von  fünf 
Strassenlängen  im  Durchmesser,  liegt,  sollte  man  durchgraben,  daraus  einen  Eingang 
für  die  Schiffe  auf  neuem  Boden  bilden  und  es  so  einrichten,  dass  die  Schiffe  von 
Nippon  gerade  in  die  Feste  einlaufen.  Hinsichtlich  des  Baues  trug  man  dann  den 
Inhabern  der  fortlaufenden  Siegel  auf:  Wenn  die  Arbeit  nur  im  Geringsten  sich  ver- 
zögert, soll  man  Menschen,  welche  nicht  untüchtig  sind,  zehn,  aucli  zwanzig,  als 
zugetheilte  Wache  zurücklassen.  Wenn  der  Bau  vollendet  sein  würde,  sollten,  von 
Fide-aki  angefangen,  die  Vorsteher  der  Festen  ausgenommen,  Alle  an  den  Hof  zurück- 
kehren. Dieses  war  der  hohe  Wille.  Unterdessen  gelangte  an  Jeden ,  der  grosse 
Redlichkeit  bekundet  hatte,  ein  Schreiben  der  Anerkennung  herab. 


Das  Schreiben  an  0-o-ta,  Statthalter  von  Fi-da. 

Sono  fb  fatarakl  ima-ni  kagtrazü  ten-sib-no  ziü-nen  go-guatsü  hittsiü-no  kuni  ^  ^ 
sü-kumo-jama  ^  ^  zib-siu  ^  03  matsü-da  i^  jßl  sa-kon  ^  ^  sib-gen-ico  utsi-tori  |^ 
onazi  ziu-fatsi-nen-no  roku-guatsü  musasi-no  kuni  /V  ^  ^  fatsi-wb-zi-no  siro  itsi-han  nori- 
tsükamatsiirl-ni  jotte  bnn-go-no  kuni  j^  ^  usü-gi  ^  j^  siro-dzüki  san-man-go-sen-goku  go- 
^  fX  tsi-gib  kudasare  ziii-man-goku-no  on-  ^  *^  dai-kuan-no  itjl  tsi-wo  o-ose-tsidcerare 
sono  ^  qo-kei-teo  ni-nen  sitsi-gaatsü  kb-rai  kara-sima  omote  kai-zib-ni  nozovii-te  utsi-fa-wo 
totte  ^  ^  sio-gun-vüo  süsiime  funa-ikiisa-ni  sib-ri-ico  je  soko-haku-no  "^  ^  tai-sen-ioo 
jaki-jahuri  3^  joku  fatsi-guatsü  nan-on-no  siro  itsi-ba)i  nori-tsukamatsüri  keku-siü  fan-guan 
ni-ban-gi-no  tai-sib-wo  utsi-tori  koku-tsiü-no  fataraki  sü-do  no-ai-no  kassen  kiri-katsi  ziü-ni- 
guatsü  uru-san  omote-no  "^  ^  '^  dai-fai-gun  singari-itasi  sio-gun-wo  tasüke  onazi-ku  ni- 
ziü-jokka  fon-maru  o-o-te-no  mon-gnai-ni  kiri-ide    kubi-kazü  kokono-tsü  yj>    ^  sib-sin-taru-to 


Dkr  Feldzug  dkr  Japaner  gegen  Corea.  271 

ije-domo  ziü-roku-man-gi-no  gun-tsiü  dai-itsi-katsi  sü-do  mn-rui-no  fatarakl  1((m  i^  go-kan 
naname-narazü.  Sore-7vi  jotte  te-maje  o-  ^  '^  fff  tai-kuansio-no  utsi  si-man-goku  go-ka- 
zö-nasare  2(j  ^  fon-td  san-man-go-sen-goht  tm-gu  sitsi-man-go-sen-goku  pq  utsi  itsi-man- 
goku  f^  ^  mu-jaku  nokori-te  roku-man-go-sen-goku  ^  ^  gun-jaku  tsükamatsüru-beku  surb. 
Naiüo  1^  #  1^  toku-zen-in  asa-no  ^  IE  dan-zib-no  ^  ^05  sib-fitsü  masi-ta  u-je-mon-zeö 
^    ^   na-tsüka  o-o-kura-no  tai-fu  mbsü-beki  nari. 

Kei-teo  san-nen. 

Sib-gi(atsü  ni-ziü-roku-nitsi  fide-josi  go-siu-in. 
0-o-ta  fi-da-no  kami  tono-je. 

Deine  Thaten  beschränken  sich  nicht  auf  jetzt.  Im  fünften  Monate  des  zehnten 
Jahres  des  Zeitraumes  Ten-siö^  erlegtest  du  Matsu-da,  die  richtende  Obrigkeit  der  nahen 
Leibwache  zur  Linken,  Vorsteher  der  Feste  des  Berges  Su-kumo  in  dem  Reiche  Bittsiü. 
Im  sechsten  Monate  des  achtzehnten  Jahres  desselben  Zeitraumes^  erstiegest  du  der 
Erste  die  Feste  des  Klosters  der  acht  Könige  in  dem  Reiche  Musasi,  Desswegen 
gewährte  man  einen  zu  der  Feste  Usu-gi  in  dem  Reiche  Bun-go  gehörenden  Besitzstand 
von  fünf  und  dreissigtausend  Scheffeln  und  gab  Auftrag  hinsichtlich  des  Bodens  eines 
Verwesers  für  zehnmal  zehntausend  Scheffel.  Später  im  siebenten  Monate  des  zweiten 
Jahres  des  Zeitraumes  Kei-teo,'*  blicktest  du  auf  der  chinesischen  Insel  in  Kö-rai  auf 
das  Meer  herab,  ergriffest  den  Fächer,  führtest  die  Kriegsheere  vorwärts  und  erlangtest 
in  der  Seeschlacht  den  Sieg.  Du  verbranntest  eine  Menge  grosser  Schiffe.  Im  nächsten 
achten  Monate  erstiegest  du  der  Erste  die  Feste  Nan-on,  erlegtest  den  Heerführer  von 
zwanzigtausend  Reitern,  die  richtende  Obrigkeit  von  Keku-siü.  Deine  Thaten  im  Inneren 
des  Reiches  waren  mehrmals  Kämpfe  auf  offenem  Felde,  Niedermachungen  und  Siege. 
Im  zwölften  Monate,  bei  der  grossen  Niederlage  von  Uru-san,  bewerkstelligtest  du  den 
Rückzug,  rettetest  die  Kriegsheere.  Am  vier  und  zwanzigsten  Tage  desselben  Monates 
tratest  du  vor  das  Thor  der  Vorderseite  des  ursprünglichen  Runds  hinaus  und  erbeutetest 
neun  Köpfe.  Bist  du  auch  klein  von  Körper,  in  dem  Heere  der  sechzigtausend  Reiter 
bist  du  der  Erste  Sieghafte.  Die  Bewunderung  deiner  mehrmaligen  unvergleichlichen 
Thaten  ist  keine  geringe.  Desswegen  erfolgt  an  dem  Wohnsitze  deines  Verwesers  die 
Vermehrung  um  vierzigtausend  Scheffel.  Der  ursprüngliche  Besitzstand  betrug  fünf  und 
dreissigtausend  Scheffel.  Es  sind  zusammen  fünf  und  siebzigtausend  Scheffel.  Darunter 
bleiben  zehntausend  Scheffel  für  die  dienstlose  Zeit  übrig,  und  es  mögen  fünf  und 
sechzigtausend  Scheffel  für  die  Dienste  in  dem  Kriegsheere  sein.  Mehreres  mögen  in 
dem  Palaste  Toku-zen  die  Männer  Asa-no,  kleiner  Stützender  des  kaiserlichen  Ver- 
merkers, Masi-ta,  Zugesellter  des  Thores  der  Leibwache  zur  Rechten,  und  Na-tsuka, 
grosser  Stutzender  der  grossen  Kammer,  sagen. 
Kei-teo,  drittes  Jahr. 

,     Erster  Monat,  sechs  und  zwanzigster  Tag.     Das  rothe  Siegel  Fide-josi's. 
Herrn  0-o-ta,   Statthalter  von  Fi-da, 


'   158-2  n.   Chr. 

2  1590  n.  Chr. 

3  1597  n.  Chr. 


9  72  Pfizmaieh 

Naclischri  ft. 

Nawo-motte  ki-teo  sbrawa-ba  sügu  kono  fu-je  madzü  makari-noboru-beht  go-tai-men- 
nasare  o-dziki-ni  o-ose-kikerare  jaga-fe  hmi-rn  fsükau-asaru-beki  nari. 

Noch  mehr:  Wenn  du  an  den  Hof  zurückkehrst,  sollst  du  geraden  Weges  früher 
zu  mir  emporsteigen.  Das  Zusammentreffen  von  Angesicht  zu  Angesicht  wird  statt- 
finden   der  Befehl  soll  unmittelbar  gehört  und  sogleich  in  das  Reich  geschickt  werden. 


Das  Sclireiben  an  Sa-tö,  Zugesellten  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken. 

Sono  fo   koto    sen-nen  '/x    ^t  ko-foku-ni   oi-te  ^    ^   siba-ta   kassen-no  kizami  itsi-ban 
jari-ioo  tsükamatsüri-sbrb.      Tsiikerarete   go-fo-bi-to    .fite   go-tsi-glo    ikkado  go-ka-zo-nasare-sbru. 
Sono  i-go  teo-sen-ni  oi-te  sü-do  ^    ^   ban-sen-wo    kiri-tori  fi-rui-naM    te-gara-no    dän    agete 
fakaru-be-karazü-sbrb.     Koto-ni  kon-do  ziun-ten  uru-san  rib-zib  ßki-iru-beki  mune  ono-ono  ren- 
ban-tsükamatsüri-sbrb  tokoro  ka-fan-itasazü  jjjl^    ^j/  sin-mib-no  kaku-go  ft|]    J§  go-kan  naname- 
narazü.     Sore-ni  jofte  te-maje  on-dai-kuan-sio  ari-si-dai  san-man  sitsi-sen  ßakii-goku  go-ka-z6- 
site  kndasare-sbrh.     Fon-tsi    roku-maji    ni-sen-goku   tsü-gb  ziü-man-goku  utsi  itsi-man-goku  mu- 
jaku    hi-vian-goku    gun-jaku    tsükamatsüm-beku-sbrb.     Mosi    kuni-motsi-ni    okn-bib-mono    köre 
ara-ba  an-   ^    fj\  kessio-nasare  nawo-mata   ^    ^  koku-siu  o-ose-tsükeraru-beku  sbrb.  Kaku- 
no qotoku    o-ose-idasaru-iva    inotsi-wo   mattaku    tsükamatsüri  tsiü-setsü-itasü-beku    sbrb.     Si-zen 
pM    %.  teo-gi-ni  ^  zio-si  '^    j^  rio-zi-no  fataraki  tsükamatsürazü    otsi-do-naki  jb-ni   kaku- 
go-sesimu-beku  sbrb.     JSfawo  toku-zen-in  asa-no  dan-zib  sib-fitsü  masi-ta    u-je-mon-zeo    na-tsüka 
o-o-kura-no  tai-fu  mbsü-beki  nari. 
Kai-ted  san-nen. 

Sib-gnatsü  ni-ziü-roku  nitsi  fide-josi  go-siü-in. 
Ka-tö  sa-ma-no  süke  tono-je. 

Du  hast  in  früheren  Jahren  in  dem  Norden  des  Stromes,  zur  Zeit  des  Kampfes  von 
Siba-ta,  der  Erste  von  der  Lanze  Gebrauch  gemacht.  Es  wurde  eingetragen  und  zur 
Belohnung  dein  Besitzstand  ansehnlich  vermehrt.  Später  erbeutetest  du  in  Teo-sen 
mehrmals  Wachschiffe,  deine  imvergleichlichen  Thaten  lassen  sich  nicht  ermessen.  Be- 
sonders diessmal,  als  Alle  zu  der  Meldung,  dass  man  die  beiden  Festen  Ziun-ten  und 
Uru-san  einziehen  solle,  die  fortlaufenden  Siegel  setzten,  setztest  du  dein  Siegel  nicht 
hinzu.  Die  Bewunderung  deiner  merkwürdigen  Besonnenheit  ist  keine  geringe.  Dess- 
wegen  erfolgt,  gemäss  dem  Wohnsitze  deines  Verwesers,  die  Vermehrung  um  sieben 
und  dreissigtausend  einhundert  Scheffel.  Der  ursprüngliche  Besitzstand  ist  zwei  und 
sechzigtausend  Scheffel,  es  sind  zusammen  zehnmal  zehntausend  Scheffel.  Darunter 
mögen  zehntausend  Scheffel  für  die  dienstlose  Zeit,  neunzigtausend  Scheffel  für  die 
Dienste  in  dem  Kriegsheere  sein.  Wenn  es  unter  der  Reichsgewalt  Feiglinge  g'eben 
sollte,  so  verhänge  man  die  Einziehung  der  Güter,  und  überdiess  kann  der  Vorsteher 
des  Reiches  es  anordnen.  Wenn  auf  diese  Weise  die  Befehle  ergehen,  wird  man  das 
Leben  vollständig  bieten  und  Redlichkeit  bekunden.  Man  soll  die  von  selbst  sich 
ergebende  Berathung  sich  zu  Nutzen  machen  und  Anstalten  treffen  lassen,  als  ob  man 
leichthin  Thätigkeit  nicht  entfaltete  und  kein  Vergehen  vorfiele.  Mehreres  mögen  in 
dem  Palaste  Toku-zen  die  Männer  Asa-no,  kleiner  Stützender  des  kaiserlichen  Vermerkers, 


Der    Fki.dzug  der  Japanek  gegen  Cobea.  273 

Masi-ta,    Zugesellter    des    Thores    der    Leibwache    zur    Rechten,    und   Na-tsuka,    grosser 
Stutzender  der  grossen  Kammer,  sagen. 

Kei-teO,   drittes  Jahr. 

Erster  Monat,  sechs  und  zwanzigster  Tag.     Das  rothe  Siegel  Fide-josi's. 
Herrn  Sa-tö,  Zugesellten  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken. 


To-zo  kudasare-kern.  Kake-fi  idzümi-no  kami  sima-dzü  mata  sitsi-rö-ni-mu  go-kan-deö 
go-fö-bi-wo  kudasare  '^  ^  si-sia-mo  tvö-gon  go-fuku  fai-reo-si  go-siu-in-no  fako-wo  uke-tori- 
te  sünav:atsi  ni-zm-roku-nitsi  fnsi-mi-wo  nori-idasi-te-jori  mitsi-no  mina-to-iii  kakarazü  siwo- 
toki-ico  vicdazü  kako  tatsi-kawari-te  tsm-ja  tomo-7ii  isogi-kere-ba  nl-guatsü  fatsrl-ka  tori-no 
koku  issiü  kaza-moto-no  mina-to-ni  nori-ire  funa-bito-wo  jobi-dasi  kore-wa  dai-zi-no  go-siu-in 
fune  nari  tai-siü  to-kai-no  fi-jori  ika-ga-to  iü.  Funa-bito  kasikomatte  nippon  — ■  itsi-no 
ß-jori-nite  sorb.  On-fane-no  sen-dö  kore-jori  sügu-ni  ku-rai-je  to-kai-no  jo-sü  obotsüka-naku 
sbratca-ba  on-fune-no  kadzi-wo  toru-beki-ni-ja-to  iü. 

So  lauteten  die  Schreiben.  Auch  an  Kake-fi,  Statthalter  von  Idzumi,  und  an  Sima- 
dzu  Mata  Sitsi-ro  gelangten  Schreiben  der  Anerkennung  und  Belohnungen  herab.  Ebenso 
erlüelten  die  Abgesandten  Gold  und  Kleidungsstücke.  Sie  nahmen  die  Kiste  mit  dem 
rothen  Siegel  in  Empfang  und  schifften  am  sechs  und  zwanzigsten  Tage  von  Fusi-mi 
ab.  Ohne  hierauf  in  den  Häfen  unterwegs  zu  landen  oder  auf  die  Fluthzeit  zu  warten, 
wechselten  sie  sofort  die  Matrosen  und  liefen,  da  sie  Tag  und  Nacht  hindurch  eilten, 
am  zweiten  Tage  des  zweiten  Monats,  um  die  zehnte  Stunde '  in  den  Hafen  von  Kaza- 
moto  in  Issiü  ein.  Sie  riefen  die  Schiff leute  heraus  und  sagten :  Dieses  ist  ein  wichtiges 
Schiff'  mit  dem  rothen  Siegel.  Wie  ist  das  Wetter  für  die  Fahrt  über  das  Meer  nach 
Tai-siü?  - —  Die  Schiffleute  erwiederten  ehrerbietig:  Es  ist  das  vorzüglichste  Wetter  von 
Nij^pon.  Wird  der  Befehlsliaber  eures  Schiffes,  wenn  die  Beschaffenheit  der  geraden 
Fahrt  über  das  Meer  von  hier  nach  Kö-rai  zweifelhaft  ist ,  vielleicht  das  Steuer- 
ruder erfassen? 

Si-sia  kore-wo  kiki-te  ura-bito  itsi-nin  tori-noru-hesi-to  i-i-si-ka-ba  j^  ^p  tai-ru  sa-je- 
mon-to  iü  mono  fune-ni  nori-keru-ga  kono  ja-fata-jama-no  dake-ni  kagari-ioo  futuku  taku-besi- 
to  i-i-oi-te  inu-no  koku  bakari-ni  nori-dasi  ta-ro  sa-je-mon  kadzi-dzüka-wo  totte  norosi-iro  sirn- 
be-ni  jami-jo-tvo  fasiri-kere-ba  ki-sara-gi-no  mizika-jo-mo  ake-fanare  ziun-fa-ivo  [J  ^'\~JM. 
tada-tomo-ni  zdcete  mi-ka-no  jü-gure-ni  tai-siü  tojo-saki-no  ura-ivo  tori-kadzi-ni  mite  nori-süguru. 
Joi-no  ma-no  mi-ka-dzüki-mo  fodo-naku  ^  jjj  sei-zan-ni  kakari-tamaje-ba  knraki  i)x  _t 
fa-zio-wo  maknra-to  site  si-ziü-fatsi-ri-no  kai-zib-wo  ziö-i-wo  omoka  fasiri-keru. 

Als  die  Abgesandten  dieses  hörten,  sagten  sie :  Wir  können  einen  Küstenbewohner 
an  Bord  nehmen.  —  Ein  Mann,  Namens  Tai-rö  Sa-je-mon  bestieg  jetzt  das  Schiff".  Sie 
hinterliessen  den  Auftrag,  dass  man  auf  der  Hölic  des  hier  sich  erhebenden  Berges  der 
acht  Fahnen  ein  starkes  Leuchtfeuer  anzünden  möo-e  und  schifften  um  die  eilfte  Stunde^ 
ab.  Ta-ro  Sa-je-mon  ergriff'  den  Stiel  des  Steuerruders,  und  als  man  unter  Feuerzeichen 
durch  die  finstere  Nacht  hinlief,  ging  die  kurze  Nacht  des  zweiten  Monats  in  den  Morgen 
über.     Den  günstigen  Wind  in  das  gerade  liintertheil  des  Schiffes    aufnehmend,   bekam 


'  Von  5  bis   7  Uhr  Naclimitt.'iga. 
-  Vou  7  bis  9  Uhr  Abends. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Ed.  -^ij 


274  Pl-IZMAIEK. 

iiuin  in  der  Abenddümnu'fuiig  dr.s  dritten  Tages  die  Iniclit  von  Tojo-saki  In  Tal-siA  an 
dem  SteueiTuder  zu  Gesichte  und  schiffte  vorüber.  Als  In  der  Nacht  der  IVIond  des 
dritten  Tages  unverwellt  an  die  westlichen  iJerge  sich  legte,  machte  man  die  finsteren 
Wellen  zu  einem  Polster  und  lief  auf  einer  Seetläche  von  aciit  und  vierzig  Weglängen, 
den  hohen  AVillen  für  wichtig  haltend,  einher. 

Sen-tsiü-no  z/b-f/e  H  ^  ui-ja  itsi-nitsi-no  fasiri-ni  tsükare  '^J  ^  zcn-i/u-ico  ]^  bu- 
zite  fire-fusi  5£  M  go-kö-no  akatsüki-wo  wakimajezü.  Sarc-do^iio  tai-rö  sa-je-mon  tsüi-ni  me- 
■wo  jfJ,sümezü  tsiü-ja  kadzi-dzüka-wo  irigiri-te  jii-dan-sezü.  ^  'Jj  Tö-bu-no  joko-ffumo  fannbiki 
ko-rai-koku-no  "^  jjj  ku-mn-nio  fonoka-ni  mije-ioata.ru:  Zio-ge  tsikara-wo  jäte  makuto-ni  ban- 
ri-wo  fedate-iaru.  |^  ^  taki-koku  nari-to  ije-domu  ko-kib  tsiaku-sürü  kokotsi-site  fodo-naku 
jn-ka  uma-no  koku  se-zü-kai-nl  nori-iri-kcru. 

Die  Menschen  in  dem  Schiffe,  Höhere  und  Niedere,  von  dem  Laufe  durch  zwei 
Nächte  und  einen  Tag  ermüdet,  vergassen  Früheres  und  Späteres  und  lagen  darnieder. 
Sie  unterschieden  nicht  den  Tagesanbruch  um  die  fünfte  Nachtwache.  Indessen  schloss 
Tai-rö  Sa-je-mon  niemals  ein  Auge.  Tag  und  Nacht  den  Stiel  des  Steuerruders  fest- 
haltend, war  er  nicht  sorglos.  Jetzt  breiteten  sich  schräge  Wolken  der  östlichen 
Gegend,  und  die  hohen  Berge  des  Reiches  Kö-rai  kamen  vor  dem  Blicke  undeutlich 
herüber.  Höhere  und  Niedere  erlangten  Kraft,  und  obgleich  es  in  Wirklichkeit  ein 
zehntausend  AVeglängen  entferntes  feindliches  Reich  war,  hatte  man  ein  Gefühl,  als  ob 
man  in  die  Heimath  gelangte  und  lief  unverweilt  um  die  siebente  Stunde'  des  vierten 
Tages  in  Se-zu-kai  ein. 

Fi-da-no  kami-ga  fon-dzin-je  go-bu-gw-atsümari  ^  fu-ico  firaki  fai-ken-sü.  Fide-aki-ko 
go-ran-no  tarne  kake-fi  idzümi-na  kami  fu-san-kai-je  dzi-san-seri.  Kaka-te  go-bu-gib-tsiü  ura- 
bito  tai-rö  sa-je-mon-ivo  mesi-idasi-te  fö-bi-to  site  faku-gin  san-ziü-go-mai  kaznje-no  kami  sai- 
kib  dai-bu-jori  ziü-mai  ~f^    fr  ge-gib-sü.    Ura-bito  ^    '1*^  keö-jetsü-no  maju-wo-zo  ßraki-keru. 

In  dem  Lager  des  Statthalters  von  Fi -da  versammelten  sich  die  Oberaufseher, 
erbrachen  das  Siegel  und  sahen  das  Schreiben.  Damit  F.ürst  Fide-aki  es  sehe,  brachte  es 
Kake-li,  Statthalter  von  Idzumi,  nach  Fu-san-kai.  Die  Oberaufseher  riefen  den  Küsten- 
bewohner Tai-ro  Sa-je-mon  hervor  und  schenkten  ihm  fünf  und  dreissig  Stücke  Silber.  Von 
dem  Haupte  der  Rechnungen  und  dem  Grossen  der  Hauptstadt  zur  Linken  erhielt  er 
zehn    Stücke.    Der  Küstenbewohner    spannte    die  Augenbrauen    vor  Furcht    und  Freude. 


Fide-aki-ku  teö-sen  kokuno-fsn.-no  tsüke-siro-ni  ^  -^  zib-siü-ivo  o-ose-tsükeraruru.  Figasir 
no  saki-te  keku-siaku-tai  uru-san-no  siro  ka-io  kazuje-no  kami  ^  [^  dö-koku  se-zü-kai-no 
siro  mö-ri  i-ki-no  kami  do-kuku  fu-san-kai-no  siro  tera-zawa  si-ma-no  kami  dö-koku  take-zima- 
no  siro  nabe-sima  sina-iio-no  kami  dö-koku  'j  "^  ^  rijaku-  jJj  san-no  siro  ko-dera  ka- 
i-Jio  kami  dö-kokit,  17  ^  "^  ^  ko-tsija-u-no  siro  tafsi-bana  sa-kon  tai-fu  tsiku-siaku-tai 
>Ä  jll  si-sen-no  siru  sima-dzü  feö-ko-no  kami  dö-koku  nan-kai-no  siro  ^  so  tsüsi-ma-no  kami 
nisi-no  saki-te  dö-koku  ziim-ten-no    siro    ko-nisi  tsü-no  kami-to  sadameraru. 

Fürst  Fide-aki  setzte  in  den  neun  zugetheilten  Festen  von  Kö-rai  Vorsteher  ein. 
Für  die  Feste  des  östlichen  Vorderzuges :  Uru-san  in  Kaku-siaku  wurde  Ka-to,  Haupt 
der  Rechnungen,    für    die  Feste  Se-zu-kai   In    demselben   Reiche   Avurde  M6-ri  Statthalter 


Vou  11  Uhr  Morgens  bis   1    Ulir  Nncluiiittags. 


Dek  Fkldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  275 

von  I-ki,  für  die  Feste  Fu-san-kai  in  demselben  Eeiche  wurde  Tera-zawa  Statthalter  von 
Sima,  für  die  Feste  der  Bambusinsel  in  demselben  Reiche  wurde  Nabe-sima,  Statthalter 
von  Sima-no,  für  die  Feste  Eijaku-san  in  demselben  Reiche  wurde  Ko-dera  Statthalter 
von  Ka-i,  für  die  Feste  Ko-tsija-u  in  demselben  Reiche  wurde  Tatsi-bana,  Grosser 
der  nahen  Leibwache  zur  Linken,  für  die  Feste  Si-sen  in  Tslku-siaku-tai  wurde  Sima- 
dzu,  Haupt  der  Rüstkammer,  für  die  Feste  Nan-kai  in  demselben  Reiche  wurde  So/ 
Statthalter  von  Tsusi-ma,  für  die  Feste  des  westlichen  Vorderzuges:  Ziun-ten  in  dem- 
selben Reiche  wurde  Ko-nisi,  Statthalter  von  Setsu,   bestimmt. 

Sono  foka  ni-ziü-jo-nin-no  ^  /Jn  ^  tai-sio-mib  roku-man  ni-sen-jo-nm-no  \  ^  nin- 
zih-ico  motte  zw-i-no  gotoku  uru-san-zio  tori-tsüke-nawosi  fu-sin  isogu-hekl  jo.n  sügl-tvara  slmo- 
tsüke-no  kami  jama-gutsi  gen-ha-no  zeo-ioo  viotte  o-ose-tsükerare-kere-ba  ni-guatsü  muju-ka-jori 
tori-kakaru.  Flde-aki-ku  ka-tö  sa-ma-no  süke-ivo  mesi-te  sono  fb  kono  tahl  ^  ^ij  ka-fan- 
sezaru  koto  fi-rui  naki  obosi-mesi  jotte  sitsi-nin-no  hu-gih  do-zen  ttra-sait  fu-sUi-no  hu-gio 
o-ose-tsükeraru.  Sa-ma-no  süke  kan-rui-wo  nagasi  te-maje  ^  jaku-wo  sia-men-nasare  hu-gio- 
ni  o-ose-tsüke7'aruni  koto  makoto-ni  ari-gataki  si-dai  tote  on-idce  mbsi-age  go-zen-ivo  sirizoki-keri. 

Ausserdem  machte  man  sich  mit  Hilfe  der  zwei  und  sechzigtausend  Menschen  der 
grossen  und  kleinen  Fürsten,  dem  hohen  Willen  gemäss,  an  die  Wiederherstellung  der 
Feste  von  Uru-san.  Da  man  durch  Sugi-wara,  Statthalter  von  Simo-tsuke,  und  Jama-gutsi, 
Zugesellten  des  Gen-ba,  den  Auftrag  gegeben  hatte,  dass  man  den  Bau  beschleunigen 
möffe,  besann  man  damit  am  sechsten  Tae-e  des  zweiten  Monats.  Fürst  Fide-aki  berief 
Ka-to,  Gehilfen  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken,  zu  sich  und  sagte:  Dass  du 
diessmal  das  Siegel  nicht  beigesetzt  hast,  halte  ich  für  unvergleichlich.  Desswegen  bist 
du,  mit  den  sieben  Oberaufsehern  gleich,  zum  Oberaufseher  des  Baues  von  üni-san 
ernannt.  —  Der  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken  vergoss  Freudenthränen 
und  spi-acli:  Dass  ich  von  dem  Dienste  befreit  und  zum  Oberaufseher  ernannt  werde, 
dafür  bin  ich  wii-klich  dankbar.  —  LTiermit  meldete  er  die  Annahme  und  zog  sich  zurück. 


San-guatsü  ziu-san-nitsi-ni  koto-gotoku  fu-sin  siuttai-sü.  Nana-kasira-no  bu-gib-  Fp  dzifi 
narabi-ni  ka-tö  sa-ma-no  süke  kono  omomuki  tai-sw-gun-je  gon-zih-sl  kere-ba  go-  j^  ^ 
siakic-tsiaku-ni  obosi-mesi  sa-ara-ba  ziü-sitsi-nitsi  go-kl-teo-no  go-  pj  ^  siüssen  aru-beki 
mune  o-ose-idasaru.  Juje-ni  sio-tai-sib  on-toino-no  ^  ^  jö-i-si  fata  sasi-mono-wo  motte 
fune-ico  kazari  sa-nagara  teki-ni  mukb-ga  gotoku  jumi  jari  naglnata-wo  osi-tate  ziü-rokv-nitsi- 
ni  nokorazü  go-   ^    ~fC  zib-ka  fu-san-kai  omote-no  kai-zib-ni  nori-ukabe-keru. 

Am  dreizehnten  Tage  des  dritten  Monats  war  der  Bau  gänzlich  vollendet.  Als 
die  sieben  Oberaufseher,  nebstdem  Ka-tö,  Gehilfe  des  Vorstehers  der'  Pferde  zur 
Linken,  diese  Thatsache  dem  obersten  Heerführer  meldeten,  dachte  dieser  an  das  Ein- 
treffen bei  dem  Feste.  Es  ward  somit  anbefohlen,  dass  man  am  siebzehnten  Tage  zur 
Rückkehr  an  den  Hof  abschiffen  werde.  Desswegen  trafen  die  Heerführer  Vorbereitungen 
für  die  Theilnahme.  Sie  sclimückten  die  Schiffe  mit  Fahnen  und  Flaggen  und  stellten, 
gerade  als  ob  sie  dem  Feinde  entgegen  gingen.  Bogen,  Lanzen  und  lange  Messer  auf. 
Am  sechzehnten  Tage  schwammen  alle  ohne  Ausnahme  auf  dem  Meere  an  dem  Fusse 
der  Feste  Fu-san-kai. 


'  Nacli   einer  anderen  Lesart  Janag^i-^awa. 

35* 


276  Pkizmaieu. 

Zm-sitsi-nitsi-no  ^  1^  mi-mei  fide-aki-hv  luesl-no  fon-maru-no  o-o-hime  itsü-tsü  kiri-ko- 
ni  yC  fi-i-i-'o  tatete  osi-idasü.  Sio-sib  koto-gotoku  osi-tsüdzüki-tate-matsüri  siüssen-sü.  Si-guatsu 
jo-ka  ßde-aki-kö  o-o-zaka-ni  go-t^iaku-sen  o-ja-kata-ni  irase-tamb.  Sio-tai-sib-mo  nokorazn  on- 
tomo-site  tsiaku-gan-sü.  On-tsükai-ban-no  Jt  si-wo  mesi-te  »b-sb  fusl-mi-je  nuhori  ^  Pfl 
matsi-dziü-ni  on-ije  ^  Jt  sio-si-nu  ^  :^L  siuku-fuda-wo  utsü-besi.  B^  Mev  Itsu-ka-ni-wa 
kanarazü  go-   _t.    V^  zib-raku-to  o-ose-tsükeraru,. 

Noch  vor  Anbruch  des  siebzehnten  Tages  lief  das  grosse  Schiff,  das  ursprüngliche 
Eund  des  Fürsten  Fide-aki,  nachdem  man  in  fünf  geschnittene  Laternen  Feuer  gestellt, 
aus.  Die  Heerführer  schlössen  sich  insgesammt  an  und  fuhren  ab.  Am  vierten  Tage 
des  vierten  Monats  gelangte  Fürst  Fide-aki  zu  Schiffe  nach  0-o-zaka  und  bezog  eine 
Behausung.  Sämmtliche  Heerführer  stiegen  mit  ilim  ans  Ufer.  Man  berief  die  Kriegs- 
männer der  abgesandten  Wachen,  damit  sie  sclmell  nach  Fusi-mi  hinaufgehen  und  in 
den  Strassen  die  Einkehrtafeln  der  Kriegsmänner  für  die  Häuser  auswerfen.  Es  wurde 
angeordnet,  dass  mau  am  anderen  Tage,  dem  fünften  des  ]\lonats,  nach  der  Hauptstadt 
ziehen  müsse. 

It.iu-ka  sb-ten  o-o-zaka-ico  siutsü-gio  on-saki-te  sügi-wara  simo-tsüke-no  kami  Hl  ^^  ni- 
sonaje  jama-gutsi  gen-ha-no  zcö  fata  jumi  teppo  jari  ^  j^  deö-siki-no  gotoku-nite  oit-saki- 
te-to  go-fon-dzin  sono  aida  i2jpiaku-jo-ted-'WO  fedatete  on-fata-saki  asi-garu  san-fiaku  on-fata 
hu-gib  ^  yH  naka-se  ^  y)  tatsi-faki  fon-dzin-no  oti-saki-te  saka-saki  idzümo-no  kami  on- 
taka-zib-no  men-men  sasi-kuwawari  on-fata-moto-ni-wa  on-tsükai-ban  go-kin-ziu-no  i  si 
fJt  ^  gu-hzi-si  on-ato-sonaje-no  tai-sib  ^  |^  matsü-no  siu-me-no  kbto  ^T'  ^  gib-gi  tadasi- 
ku  moro-moro-no  db-gu-wo  soroje  sidzü-sidzü-to  fnsi-mi-je  irase-tamb. 

Am  fünften  Tage,  in  früher  Stunde  erfolgte  der  Auszug  aus  0-o-zaka.  Den  Vorder- 
zug bildete  Sugi-wara,  .Statthalter  von  Simo-tsuke,  mit  zwei  Aufstellungen  und  Jama- 
gutsi,  Zugesellter  des  Gen-ba,  mit  den  Fahnen,  Bogen,  Flinten  und  Lanzen  nach  der 
bestimmten  Regel.  Die  ursprüngliche  Schlachtordnung  war  von  dem  A'orderzuge  durch 
einen  Raum  von  hundert  Strassenlängen  getrennt.  Dasplbst  befanden  sich  dreihundert 
den  Fahnen  vorangehende  Fussgänger  und  der  Oberaufseher  der  Fahnen  Naka-se,  mit 
dem  Schwerte  umgürtet.  Den  Vorderzug  der  ursprünglichen  Schlachtordnung  bildete 
Saka-saki.  Statthalter  von  Idzumo.  Alle  Falkner  waren  zugesellt,  und  als  Krieger  unter 
den  Fahnen  gaben  die  abgesandten  Wachen  und  die  nahestehenden  Männer  das  Geleite. 
Der  Heerführer  der  letzten  Aufstellung:  Matsu-no,  Haupt  des  Vorgesetzten  der  Pferde, 
brachte  mit  richtigem  Anstand  die  Geräthe  zurecht.  So  zog  man  langsam  in  Fusi-mi  ein. 

^  iiß  2o-/t  en-kib-no  rib-zin-tö-ni  itaru  made  iku-sen-man-no  kagiri-nakii,  i-narahi-te- 
ken-hussü.  Nana-kasira-no  go-h?i-gib-tvo  fazimete  ki-teo-no  tai-sib-mib  mina-mina  gu-hu-si 
nohori-keru.  Tai-sib-gun-ku  go-  ^  ^  to-zib-ni  joitc.  nai-dai-zin  ije-jasü-ku  jÜS  -^  fuku-sima 
sa-jc-mun  tai-fu  JE  M'J  niasa-7io7^i-kib  ka-ga  dai-na-gon.  ^ij  ^  tosi-ije-kib  onazi  tsiaku-si 
fi-zen-no  kami  awo-ki  ki-nu  kami  kib-goku  -^  ^  sio-sib  ta-de  'f^  ^  zi-zijü  ai-dzü  tsiü-na- 
gon  jama-gata  de-wa-7t.o  kami  naga-woka  ettsiü-no  kami  jü-ki  tsiü-na-gon  ^  ^  fide-jasü- 
kib-wo  fazime-to  site  go-kin-zih  ;^j>  ^  to-zama-no  tai-sib-mib  nokorazü  'fp]  -^  si-ku-no  tokoro- 
vi  3^  ij[Q  ^  tai-so-koku-kö  |ij  fdp  siutsu-gio  tai-sib-gun-je  go-tai-gan  on-kotoba-tco  kakerare 
sitsi-nin-no  bu-gib  sa-ma-no  süke  ku-rö-tstdiamatsüri-taru-to  zib-i  ari  o-o-ta  fi-da-no  kami  uru- 
san-uo  sii'o  zib-i-iro  motte  tori-naicosi-taru. 

Die  Menschen  der  Hauptstadt  und  der  Landstädte,  selbst  die  Reisenden  von  den 
fernen    Gränzen    —    wie    viel    Tausende    oder    Zehntausende    es    waren,    liess   sich  nicht 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Corea.  277 

bestimmen  —  standen  in  Reihen  und  sahen  das  Schausjnel.  Von  den  sieben  Oberauf- 
sehern angefangen,  gaben  alle  heimkehrenden  grossen  und  kleinen  Fürsten  das  Geleite  und 
zogen  hinauf.  Weil  der  Fürst,  der  oberste  Heerführer  in  die  Feste  kam,  machten,  von 
dem  Fürsten  Ije-jasu,  grossem  Diener  des  Inneren,  dem  Reichsminister  Fuku-sima,  Masa- 
nori.  Grossem  des  Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  dem  grossen  Rathe,  Reichsminister 
Ka-ga  Tosi-ije,  seinem  denselben  Geschlechtsnamen  führenden  rechtmässigen  Sohne, 
Statthalter  von  Fi-zen,  Awo-ki,  Statthalter  von  Ki-i,  Kiö-goku,  kleinem  Anführer,  Ta-de, 
Aufwartendem  und  Folgendem,  Ai-dzu,  mittlerem  Rathe,  Jama-gata,  Statthalter  von  I)e-wa, 
Naga-woka,  Statthalter  von  Jettsiü,  und  dem  mittleren  Rathe  Fürsten  Jü-ki  Fide-jasu 
angefangen,  die  nahestehenden  und  fernstehenden  grossen  und  kleinen  Fürsten  ins- 
gesammt  ihre  Aufwartung.  Der  Fürst,  der  grosse  Reichsgehilfe  trat  heraus,  sah  den 
obersten  Heerführer  von  Angesicht  und  richtete  an  ihn  Worte.  Es  war  der  hohe  Wille, 
dass  dies  sieben  Oberaufseher  und  der  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  sich  aba-emüht 
hatten.  0-o-ta,  Statthalter  von.  Fi-da,  hatte  nach  dem  hohen  Willen  die  Feste  von  Uru- 
san  wieder  hergestellt. 

E-dzü  dzi-san-si  zib-ran-ni  ire-tate-matsüri-kere-ba  ^  ^  san-r/okn  h^i-su-no  siro-taru- 
ran-to  go-ki-gen  asa-karazü-site  f^  \^  go-deo  ari-keru-wa  ikusa-ni  katte  :^  kö-ivo  ^  j^ 
kö-se-ni  simesü-wa  ko-kon-no  j^  j^J  tsü-rei-zo  kasi  iwan-ja  kore-wa  fide-josi  '/p  Üt  dzi-sei- 
no  aida-ni  teo-sen-nu  fiE  ^  sei-fasseru  ^  j^  ki-tai-no  koto  nare-ha  iva-kan  pj^  ^  rio-teö 
Tj^  1^  matsü-dai-no  mei-jo-ni  sonb-hesi-to  o-usete  nip2Jon-no  gun-zei  zm-ruku-man-ki-ga  uttaru 
tc6-sen-bito-no  kubi-kazü  ziü-fatsi-man  go-sen  sitsi-fiaku  san-zlü-fatsi  tai-min-hito-no  kuhi-kazü 
ni-man  ku-sen  ziü-si  sühete  ni-zm-itsi-man  si-sen  sitsi-fiaku  gu-zid-ni.  Fei-an-  ^  ziu-no  figasi- 
naru  hutsü-den-  ^  fen-ni  ^  FJl  do-tsiü-ni  tsüki-kome  ^  ^  seki-tb-ioo  tatete  ^  ^  ki- 
sen  ima-ni  kore-wo  miru.  Gun-tsiü-no  tei-taraku  ^  ^  tsiü-ku-no  mono-no  fataraki  nado 
i-sai  nikki-ni  kaki-tsükete  ^  ^  sio-zi  ^  jjti:  sio-sia-ni  fö-no-si  tamb-beki  nando  sa-ta-si 
ajeri  -  keri. 

Als  man  die  Abbildung  brachte  und  sie  dem  hohen  Blicke  ausstellte,  war  das 
Wohlgefallen  daran,  dass  es  eine  unvergleichliche  Feste  der  drei  Reiche  sein  werde, 
kein  geringes.  Der  Beschluss  lautete:  Dass  man  die  Verdienste  des  siegreichen  Feld- 
zuges den  späteren  Geschlechtsaltern  bekannt  gebe,  sollte  der  allgemeine  Brauch  des 
Alterthums  und  der  Gegenwart  sein.  Um  so  mehr  sollte  dieses,  da  es  das  merkwürdige 
Ereigniss  des  Angriifes  auf  Teo-sen  zur  Zeit  der  Lenkung  Fide-josi's  ist,  als  ein  Gegen- 
stand der  Lobpreisung  für  die  letzten  Zeitalter  der  Höfe  von  Nippon  und  Hau  dar- 
gelegt werden.  —  Die  Zahl  der  Köpfe  von  Menschen  von  Teo-sen,  welche  die  aus 
.sechzigtausend  Reitern  bestehende  Heeresmacht  Nippons  abschlug ,  betrug  einhundert 
ftlnf  und  achtzigtausend  siebenhundert  aclit  und  dreissig.  Die  Zahl  der  Köpfe  von 
Menschen  des  grossen  Ming  betrug  neun  und  zwanzigtausend  vierzehn.  Es  waren  im 
Ganzen  zweihundert  vierzehntausend  siebenhundert  zwei  und  fünfzig  Köpfe.  Man  mauerte 
sie  zur  Seite  des  im  Osten  der  Stadtmauer  von  Fei-an '  befindlichen  Buddhatempels  in 
die  Erde  ein,  setzte  einen  Grabstein,  welchen  Vornehme  und  Gemeine  in  der  jetzigen 
Zeit  sehen.  Es  wurde  angeordnet,  dass  man  die  Beschaffenheit  des  Heeres  und  die 
Thaten  der  redlichen  und  verdienstvollen  Männer  genau  in  Tagebücher  eintragen  und 
diese  den  Tempeln  und  Altären  darreichen  möge. 


Fei-au  ist  der  eigentliche  Name  von  Mijako. 


278  Pl-IZMAIEK. 

^  Ko  on-kokoro-jo-ge-narn-ico  .^aiirai-fo  o-o-ta  ß-(la-)io  kaml  tsütsüsinde  gon-zib- 
tsükamatsüru-wa  hm-do  fide-aki-ko  mn-rul-narn  go-ge-dzi-no  kage-ni  jori  ro-fed-no  iin-mei-mo 
tasnkari  sio-gmi-zei  o-oki-ni  %\\  ri-ico  je-suru  koto  go-ziak?(.-)ieii-fo-n-a  musarezü  sorb.  Ko-kon 
imi-s6-nu  !^  ^  son-sib  imsore-nagara  kimi-no  go-  le  ^  sei-jn-ni  sukosi-mo  tslgaioase-tamb- 
be-karazü-to   musi-agurii. 

Bei  der  günstigen  Gelegenheit,  wo  der  Fürst  gut  aufgelegt  war,  meldete  ihm  0-o-ta, 
Statthalter  von  Fi-da.  in  Ehrfurcht:  Dass  diessmal  durch  den  Schatten  der  unvergleich- 
lichen Weisung  des  Fürsten  Fide-aki  das  Schicksal  der  Belagerten  abgewendet  wurde 
und  die  gesammte  Streitmacht  in  grossem  Masse  Vortheil  erlangte,  wird  nicht  den  jungen 
Jahren  zugeschrieben.  Der  geehrte  Anführer,  der  in  dem  Alterthum  und  in  der  Gegen- 
wart seines  Gleichen  nicht  hat,  wird  —  ich  spreche  es  mit  Schüchternheit  aus  —  von 
dem  weisen  und  muthigen  Gebieter  nicht  im  Geringsten  vei'schieden  sein. 

Den-ka  zib-bun  afte  mqje-kado  isi-da  mi-tsü-nari-ga  zmi-gen-si-tate-matsür/si  juje  zib-i 
ari-keru-wa  tai-sih-gun-no  ml-dzakara  jmni-ja-wo  tom-to  iü  koto  nasi.  Kono  tahi  fide-aki-wo 
mib-dai-to  site  tanomi  '^  )^  sm-en-ni  nozonii  ^  ^J'C  faku-fib-wo  fwmtt-to  jaran  go-kd- 
kuai-ni  ohosi-mesi-tari-to  ari-kere-ba  zib-i-no  _t.  sita-jori  ßde-aki-ko  no-tamai-keru-tva  ß-da-no 
kamt  sa-iiia-?io  süke  jokit  uke-tamcnrare  jo-no  tsnne-7io  go-mib-dai-to  ara-ba  go-so-sib-no  sio- 
zon-mo  arv-be-kere-domo  gun-dzin-no  go-mib-dai  naru  ßije  ziakn-fai  nari-to  ije-domo  on  uke- 
mbsi  to-kai-si-tari  kana.  Tada-hna  go-ko-kuai-no  zib-i  |ij  ji:  siussi-no  mono-domo  sü-nin-no 
^  g  zi-rnoku-mo  ßadzükasi-ku  ^  ^  sib-kai-no  ^  sen-nasi.  -f'  Jo  ßu-kaku  aru-ni  oi-te- 
wa  bu-gib-no  mono-domo  akir'aka-ni  gon-zib-itasi  ßde-aki-ga  kbbe-tvo  ßanerare  go-ko-kuai-no 
nadamerare-sbrb  jb-ni  ß-da-no  kami  sa-ma-no  siike  mbsi-oge-jo-to. 

Als  die  Menschen  unter  der  Vorhalle  dieses  zu  Ohren  brachten,  lautete,  weil  schon 
früher  Isi-da  Mi-tsu-nari  Worte  der  Verleumdung  gesprochen  hatte,  die  hohe  Willens- 
äusserung :  Der  oberste  Heerführer  ergreift  nicht  eigenhändig  Bogen  und  Pfeil.  Diessmal 
Fide-aki  zum  Stellvertreter  ernennen  und  sicli  auf  ihn  verlassen,  hierbei  steht  man  an 
dem  tiefen  Wirbel,  tritt  auf  das  dünne  Eis.  Man  hat  mit  Reue  daran  gedacht.  —  Sobald 
der  hohe  Wille  bekannt  gegeben  war,  sprach  Fürst  Fide-aki:  Der  Statthalter  von  Fi-da 
und  der  Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken  mögen  es  gut  hören.  Wenn  es 
sich  um  einen  gewöhnlichen  Stellvertreter  handelte,  hätte  man  auch  denken  können, 
dass  eine  Anklage  stattfinden  werde.  Da  es  aber  eine  Stellvertretung  in  dem  Kriegs- 
lager war,  erklärte  ich  micli,  obgleich  ein  Jüngling,  zur  Annahme  bereit  und  setzte  über 
das  Meer.  Durch  die  hohe  Willensäusserung,  in  welcher  eben  jetzt  von  ßeue  die  ßede 
ist,  sind  Auge  und  Ohr  mehrerer  zum  Dienste  hervortretender  Männer  beschämt  und 
diese  Welt  ist  vei-gebens.  Sollte  ich  eine  Unachtsamkeit  begangen  haben,  so  mögen  die 
Oberaufseher  es  offen  nach  oben  aussprechen,  mögen  der  Statthalter  von  Fi-da  und  der 
Gehilfe  des  Vorstehers  der  Pferde  zur  Linken  auf  eine  Weise,  dass  das  Haupt  Fide-aki's 
abgeschlagen  und  die  ßene  herabgestimmt  werde,  es  melden. 

Kuri-kajesi  on-ko-e-fakaku  /j  ^  ban-si-no  on-ke-siki-to  mijete  go-zen-ni  ßabakari-mo 
naku  sikiri-ni  no-tamai-si-ka-ba  ^  kö  go-za-ivo  tatase-tamai  go-ka-rö-no  siigi-wara  simo-fshke- 
no  kami  jama-gutsi  gen-ba-no  zeö-ni  ku-rö-tsükamatsüri-taru-to  on-kofoba-wo  kakerare  ^  Pp 
ren-tsin-je  irase-famai-keric  tokoro-ni  {je-jasn-ku  ßde-aki-ko  on-soba-tsikaku,  jori-tamai  säte 
süzüsiku-mo  o-oserare-sbrb  mono  kana  go-matto-mo  si-goka  nari.  Go-  ^C  j  fu-si-sama-no 
on-naka  nan-no  go-si-sai  sbrb-beki-to  sama-zama  isame-tamaje-ba  ^  Fp  den-tsiä  'fp]  -^  .s?- 
ko-no  sio-dai-mib  itsi-do-ni  ßome-tato-matsari-si  naka-ni  isi-da  dzi-bu  sib-ßu  simo-tsüke-no  kami 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Cükea.  279 

gen-ha-no  zeo-ni  tsikadzv,i-te  i-i-keru-iva  tada-ima  araki.  on-feu-to-ni.  jufte  kiiiii  go-ki-gen  asikic 
mtje-sase-tamo.  Madzü  on-ja-kata-je  on-tomo  aru-hekt  raune  sasajaki-keru..  Fide-aki-ko  fonoka- 
ni  kikosi-mesi-te  tada  fito-utsi-ni-to  obosi-mesü  tei-nite  on-kosl-monu-wu  ottori-tatase-tamo  tokoro- 
id  ije-jasu-ko  idaki-tomerare  dzi-hu-no  sih-fu  sui-san-wo  mbsü  makari-tatsi-hesl-to  ikarl- 
tamai-keriij. 

Als  er  dieses  immei'  wieder  mit  lauter  Stimme,  scheinbar  zelintausendmal  den  Tod 
in  dem  Angesichte  und  ohne  sich  in  der  hohen  Gegenwart  zu  fürchten,  mit  Heftigkeit 
sprach,  erhob  sich  der  Fürst  von  seinem  Sitze,  richtete  an  den  Hausverweser  Sugi-wara, 
Statthalter  von  Simo-tsuke,  und  an  Jama-gutsi,  Zugesellten  des  Gen-ba,  Worte  über  die 
Mühsal,  welche  sie  erduldet,  und  trat  hinter  die  ThUrmatte.  Fürst  Ije-jasu  rückte  nahe 
an  den  Fürsten  Fide-aki  heran,  und  sprach :  Wie  kühl  wurden  die  Worte  gesagt !  Du 
bist  im  höchsten  Rechte.  Das  Einvernehmen  zwischen  Vater  und  Sohn,  welche  Bewandt- 
niss  könnte  es  mit  ihm  haben?  —  Er  beruhigte  ihn  auf  verschiedene  Weise.  Während 
die  in  der  Vorhalle  aufwartenden  grossen  Fürsten  gleichzeitig  Lob  spendeten,  näherte 
sich  Isi-da,  kleiner  Stützender  der  Abtheilung  der  Gebräuche,  dem  Statthalter  von  Simo- 
tsuke  und  dem  Zugesellten  des  Gen-ba  mit  den  Worten :  Wegen  der  rauhen  Antwort, 
die  er  jetzt  eben  erhielt,  scheint  der  Gebieter  in  übler  Laune  zu  sein.  —  Früher  flüsterte 
er,  dass  sie  ihn  in  seine  Behausung  begleiten  möchten.  Fürst  Fide-aki  hörte  dieses 
undeutlich.  In  dem  Gedanken  an  einen  einzigen  Hieb  schickte  er  sich  an,  das  Schwert 
zu  ergreifen,  doch  Fürst  Ije-jasu  umfasste  ihn  und  hielt  ihn  zurück.  Der  kleine 
Stützende  der  Abtheilung  der  Gebräuche  nannte  sich  zudringlich  und  sagte  zornig,  dass 
er  fortgehen  werde. 

Säte  ije-jasu-ko  fide-aki-ko-no  on-te-ivo  fikare  go-  |i{  ^  sihtm-zib  on-ja-kata-nl  Hatte 
on-tomo-nasare  jawarage-tamu  tokorO'-ni  tai-sö-koku-ka  _t  "^  zib-si-to  s'de  'Jj  ^  V''  ^  X 
ka-u-zo-usü-to  iü  ^  Fp  zio-tsiü  kitare  zib-i-no  omomuki  mbsare-keru-wa  kono  tahi  kb-rai-no 
on-fataraki  karn-garu-siku  ohosi-mesü  uje-ni  tada  ima-no  on-kotoha  tsujoku  o-ose-agerare-tsuru. 
(to-  ^  ;g,  kua-tai-to  site  etsi-zen-no  kuni-je  on-kuni-gaje-to  o-ose-idasare-sbrb  josi  mbsi- 
agerare-kere-ha  ßde-aki-kö  o-oki-ni  go-fuku-rm  ari-te  hi-ku-ni-no  utsüke-taru  koto  iü  kana-to 
san-zan  ikari-tamb.  tl  ^  ^  t7  ^  Ka-u-zo-usn  mei-waku-si  zw-sl-no  mi-nite  sbrbje-ha 
zib-i-no  omomuki-wo  mbsi-aguru-nite  sbrb.  Watakusi  ika-de-ka  tstikuroi-tate-matsuru-beki-to 
ari-kere-ha  fide-aki-ko  go-kua-tai  uku-beki  on-togame-ioo  obojezü  tada  kbbe-wo  faner aru-besi. 
Inotsi  aran  kagiri-wa  kimi-gaje-iva  tsükamatsüru-mazi-ki  josi  mbsi-age-jo-to-zo  o-ose-keru. 

Fürst  Ije-jasu  zog  den  Fürsten  Fide-aki  bei  der  Hand,  verliess  mit  ihm  die  Feste 
und  begleitete  ihn  zu  dessen  Wohngebäude.  Während  er  ihn  besänftigte,  kam  eine 
von  dem  Fürsten,  dem  grossen  ßeichsgehilfen  zur  hohen  Abgesandten  ernannte  Frau 
Namens  Kö-z6-su  und  verkündete  als  den  hohen  Willen,  dass  man  diessmal  auf  die 
Thaten  in  Kö-rai  in  geringem  Masse  Bedacht  nehme  und  dass  überdiess  eben  jetzt 
heftige  Worte  gefallen  seien.  Zur  Strafe  dafür  sei  der  Befehl  ergangen,  das  Reich 
gegen  das  Reich  Jetsi-zen  zu  wechseln.  Bei  dieser  Meldung  ergrimmte  Fürst  Fide-aki 
gewaltig  und  rief  im  äussersten  Zorne:  Blödsinn  einer  Nonne!  —  Kö-z6-su  war  bestürzt 
und  sagte :  Da  ich  die  hohe  Abgesandte  bin,  melde  ich  den  hohen  Willen.  Wie  könnte 
ich  etwas  daran  ausbessern  ?  —  Fürst  Fide-aki  sprach :  Icli  erinnere  mich  auf  keine 
Schuld,  um  derenwillen  mir  Strafe  zu  Theil  werden  sollte.  Man  möge  mir  nur  das  Haupt 
abschlagen.  Melde,  dass  ich,  so  lange  mir  das  Leben  bleibt,  das  Reich  nicht  wech- 
seln werde. 


Oi^A  PlIZMAIKK. 

Ije-jasiir-kö  'Jj  t7  ^P  7^  ka-v-zo-u-sü-ico  ßki-noke-tamai-te  ßde-aki-ko  ^  '1*^  keo- 
jetsü-ni  ohusi-mesü  josi  go-zen  sikaru-beö  o-osc-agerare-sbraje-to  7io-tamu.  ^J  t?  y^  P  7\ 
Ka-u-zo-u-sü  kotajcte  go-motto-mo-ni  ko.^o  suraje  joku-joku  go-i-ken  tanomi-ma-irase-suro.  On- 
tori-motsi-no  .n-dni  man-dokoro-no  fdp  ^  ^  mi-dai-cn-je  kuwasi-ku  mosi-aguru-hesi-tote  kajereri. 

Fürst  Ije-jasu  zog  Kö-zo-su  bei  Seite  und  spi-ach :  Mögest  du  auf  geziemende  Weise 
melden,  dass  Fürst  Fide-aki  mit  Furcht  und  Freude  daran  denkt.  — Kö-z6-su  erwiederte: 
Du  magst  recht  haben.  Ich  halte  mich  streng  an  deinen  Ratli.  Zur  Zeit  der  Vor- 
stelluno- werde  ich  es  in  dem  Gange  des  Gerichtssaales  ausführlich  melden.  —  Hiermit 
kehrte  sie  zuriU-k. 

Kaku-te  ^  ^  nai-fu,  iro-iro-to  go-i-ken  fito-madzü  etsi-zen-je  TV  H  niü-kokn  sornje- 
to  no-tamaje-dumu  fide  aki-ku  katsüte  on-tori-fiki-si-tamaioazü.  Nai-fu  aviari-ni  kotoba-ivo 
tsükusi-tamai-kere-ba  ßde-oki-kö  sakasi-ki  mei-sib  nare-ba  dzi-bu-no  sib-ßi-ga  zan-gen-to  kitto 
obosi-mesißukumase-tamb.  Go-ßen-to-ni  ivare  inotsi-no  kagiri-tva  etsi-zen-je  niü-koku  omoi-mo 
jorazu-to  ije-domo  amari-ni  ZI  li^  ni-sin-  naku  i-ken-si-tamb  aida  sa-ara-ba  ^  Pf  ro-tsnl 
den-tsiü-ni  kagirazu  dzi-bu.-no  sib-ßu-me-wo  mi-aioase  si-dai  utsi-kiri  sono  noisi  ßun-besscsimu- 
beki  o-oseßanasare  ^  ^  u-mu-ni  on-do-sin  na-kere-ba  ije-jasü-kö  sügi-icara  sivio-tsnke-no 
kami  jama-gutsi  gen-ba-no  zed-je  mitsü-mitsü  -  sa  ^  ^  nai-dan  äffe  o-ije-no  i  si  sib-sib 
etsi-zen-je  sasi-kudasi  jado-ja-ni  oki-tamb-besi.  Madzü-wa  -^  ^  fai-kun  on-ßara-ise-no  tarne 
nari-to  no-faviai-fe  fide-aki-ko-je-wa  |§  ^  on-missi  fo-zama-no  J:  si  sib-sib  etsi-zen-je 
kudasi-tamb. 

Der  grosse  Diener  des  Inneren'  war  auf  verschiedene  Weise  berathen  und  ver- 
kündete,  dass  vor  Allem  der  Eintritt  in  das  ßeich  Jetsi-zen  stattfinden  müsse,  allein 
Fürst  Fide-aki  zog  sich  niemals  zurück.  Der  grosse  Diener  des  Inneren  erschöpfte  sich 
in  Worten.  Da  Fürst  Fide-aki  ein  verständiger  berühmter  Heerführer  war,  hatte  er  die 
volle  Ueberzeugung,  dass  der  kleine  Stützende  der  Abtheilung  der  Gebräuche  ihn  ver- 
leumde. Sagte  er  auch  wider  Erwarten  in  seiner  Antwort,  dass  er,  so  lange  ihm  das 
Leben  bleibt,  nicht  in  das  Reich  Jetsi-zen  gehen  werde,  war  er  doch  in  seiner  Be- 
rathung  überaus  frei  von  Falschheit.  Unterdessen  sagte  er  offen,  dass  er,  wenn  er  unter 
solchen  Umständen,  gleichviel  ob  auf  dem  Wege  oder  in  der  A^orhalle,  den  schändlichen 
kleinen  Stützenden  der  Abtheilung  der  Gebräuche  erblicken  würde,  ihn  niederhauen 
und  es  dann  beurtheilen  lassen  würde.  Da  über  das  Thatsächliche  keine  Ueberein- 
stimmung  stattfand,  hatte  Fürst  Ije-jasu  mit  Sugi-wara,  Statthalter  von  Simo-tsuke,  und 
Jama-gutsi,  Zugesellten  des  Gen-ba,  insgeheim  darüber  eine  vertraute  Besprechung  und 
sagte :  Man  muss  die  Kriegsmänner  seines  Hauses  allmälig  nach  Jetsi-zen  herabgelangen 
lassen  und  sie  in  Einkehrhäuser  setzen.  Es  ist,  um  vorläufig  den  Zorn  des  grossen 
Gebieters  zu  beschwichtigen.  —  Dem  Fürsten  Fide-aki  verheimlichte  er  es  und  liess 
die  fernstehenden  Kriegsmänner  allmälig  nach  Jetsi-zen  gelangen. 

Sikam-ni  ije-jasü-kö  maje-da  dai-na-gon  tosi-ije  on-sasoi  ari-kere-doiao  tosi-ije  nakl-ni 
jotte  nai-ßih  tada  on-ßtori  ß-bi  ja-ja-ni  go-tö-zib-si-tamb.  Dai-so-koku  o-ose-keru-iva  ije-jasu 
kono  ßodo-iva  kofo-nu  ßoka-ni  ßö-ko-biiri  agari-fari-to  iw-famb  sono  on-kotoba-ico  fane-to  säe 
ije-jasu  gon-zib-ni  iumku  ßde-aki-kö  teö-sen-nite-no  un-ßataraki  on-karu-garu-siku  obosi-mesn 
juje-ni  on-hiiij-gaje-to  o-use-idosore-sbrb.    Ogi-ncgawnku-ica  go-ßon-goku-je  gn-   ^    ^   k/-kokn- 


Eigentlich  .das  innere  Sammelh.'ius,'  was  so  vIpI  als  iini-dai-ziii  ,il('r  Efi-osse  Diener  des  Inneren'  ist.   Derselbe  war  Fide-josi. 


Deb  Feldzcg  der  Japaner  gegen  Corea.  281 

no  071-wabi-kotu  mbsi-age-taku  zonzi-tate-matsüri-sörbje-domo  go-ki-gen-ico  osorete  mbsi-age-jezü- 
to  no-tamai-agerarunt.  Sore-jori  ijo-ijo  utsi-tsüdzüki  go-to-zib  ari-kere-ba  ^  ku  nn-kokorn-jo- 
ge-ni  mala  fd-ko  agari-keru-to  o-osü. 

Unter  solclien  umständen  hatte  Fürst  Ije-jasu  den  grossen  Ratli  Maje-da  Tusi-ijo 
an  sich  gezogen.  ^Yei]  aber  Tosi-ije  starb,  kam  der  grosse  Diener  des  Inneren  ganz 
allein  jeden  Tag  und  jede  Nacht  in  die  Feste.  Der  grosse  Reichsgehilfe  sjirach:  Die 
Weise  des  Dienstes  Ije-jasu's  hat  sich  um  diese  Zeit  ausserordentlich  gehoben.  —  Auf 
diese  Worte  baute  Ije-jasu  und  sagte  in  einer  Meldung:  Weil  man  auf  die  Thaten  des 
Fürsten  Fide-aki,  die  er  in  Teö-sen  verrichtete,  in  geringem  Masse  Bedacht  nimmt,  sagt 
er,  dass  er  das  Reich  wechseln  werde.  Ich  denke  zwar,  dass  er  sehnlich  wünscht,  wegen 
seiner  Rückkehr  in  das  eigene  Reicli  um  Verzeihung  zu  bitten,  doch  da  er  die  hohe 
Laune  fürchtet,  kann  er  es  nicht  sagen.  —  Da  man  seitdem  in  immer  öfterer  Folge  in 
die  Feste  kam  war  der  Fürst  frohen  Muthes  und  sagte,  dass  der  Dienst  sich  wieder 
gehoben  habe. 

Ije-jasü-kö  nani-to-zo  fide-aki-kö  on-koto-wo  on-wabi-koto  mosi-age-faku'Sbrbje-domo  go-ki- 
gen  ika-ga-to  mbsi-age-jezü-sbrb-to  bakari  ßta-mono  no-tamai-si-ka-ba  -^  ko  go-ki-etsn-no  tei- 
nite  sono  fb  sa-fodo-ni  omoi-tammva-ba  ije-jasu  si-dai-to  o-ose-idasaruru.  Ije-jasn-kd  go-zen- 
nite  kan-rui-wo  sode-ni  Jiurasi  go-kev-etsü  atte  makoto-ni  ari-gataki  ziu-i-ioo  nke-tamawarl- 
sbrb  tute  den-tslü-wo  on-tatsi  sb-sb  fide-aki-kö  on-ja-kata-je  iri-tamai  p|^  A  rib-nin-no  go-ka- 
ru-ni  mukatte  etsi-ze7i-je  tsükawasi-taru  go-  ^  A  ke-nin  sassoku  jobi-nobose  go-fon-goku 
tsiku-zen-je  kud,asi-tamaje-to  no-tamai  säte  fide-aki-kö  on-tomo-nite  roku-guatsü  futsü-ka  to- 
zib  a7n-keru. 

Als  Fürst  Fide-jasu  auf  irgend  eine  Weise  eindringlich  sagte,  dass  er,  obgleich 
Fürst  Fide-aki  wegen  seiner  Sache  um  Verzeihung  bitten  wolle,  ihm  nicht  sagen  könne, 
von  welcher  Art  die  hohe  Laune  sei,  sagte  der  Fürst  freudig  heraus:  Wenn  du  so  sehr 
dich  sehnst,  so  geschehe  es  nach  dem  Willen  Ije-jasu's.  —  Ije-jasu  benetzte  in  der 
hohen  Gegenwart  mit  Thränen  der  Rührung  den  Aermel  und  sprach  voll  Furcht  und 
Freude :  Ich  empfange  in  Wahrheit  den  kostbaren  liohen  AVillen.  —  Er  verliess  die 
Vorhalle  und  trat  eilig  in  das  Wohngebäude  Fide-aki's.  Er  sagte  zu  dessen  beiden 
Hausverwesern:  Rufet  schleunigst  die  Hausgenossen,  die  man  nach  Jetsi-zen  geschickt 
hat,  herauf  und  lasset  sie  in  das  eigene  Reich,  nach  Tsiku-zen  hinabsteigen.  —  Somit 
kam  er  mit  dem  Fürsten  Fide-aki  am  zweiten  Tage    des    sechsten  Monats    in   die  Feste. 

^  Kö  go-tai-men  go-ki-gen  joku-site  fide-aki-kö-je  teö-sen  kit-rö-no  go-fö-bi-to  o-osete 
■^  tl  ^  takaki  ^  ^  sada-mune-no  on-tatsi  ^  3fe  josi-mitsü-no  on-idsi-gatana  A  Wi 
tai-fan  /§"  ^  -f"  nija-süte-ko-no  on-tsübo  fitta.-tsa  go-  ^  ^M^  Jl  tsia-db-git  on-taka  futa- 
moto  on-uma  ni-fiki  wb-gon  sen-mai  ^  sin-zeraruru.  Ije-jasü-kö -je  yf^  ;g.  mitsit-tada-no 
on-kosi-mono  ^ij  ^  ban-kin  san-fiaku-mai  kiidasi-okare  on-fiurmnai  sama-zaiua-nn  go-  ^%  ^ 
tsi-sö-nite  pj^  ^  rib-sib  ja-kata-je  kajerase-tamb.  Fide-aki-kö  on-tsitkai-ban  -^  iml  iiaga- 
zaki  i-dzü-no  kaini-ivo  mesi-te  ije-jasü-kö-je  tsükawasaru  on-kotoba-ni  itvaku  kon-do  on-tori- 
motsi-wo  motte  fon-goku-je  ^  ^  ki-koku  sono  uje  iro-iro  -fiSp  ^  go-kon-ni  sbrb  zi-bun-wo 
motte  go-rei  mbsü-besi-to-zo  o-ose-irer'are-keru. 

Der  Fürst  war  bei  der  Zusammenkunft  gut  gelaunt  und  befahl,  dass  dem  Fürsten 
Fide-aki  für  dessen  Mühen  in  Teo-sen  Belohnung  zu  Theil  werde.  Derselbe  erhielt  ein 
Schwert    von  Takaki  Sada-mune,    einen  Säbel    von  Josi-mitsu,    zwei  Töpfe    von   Tai-fan 

I  Denksclriften  d.  phil.-hist.  Cl.  XXV.  B.l.  31) 


282  Pfizmaier. 

Nija-sute-ko,  einen  Theeaufsatz,  zwei  Pferde,  zwei  Falken  und  tausend  Stücke  Goldes  zum 
Geschenke.  Für  den  Fürsten  Ije-jasu  gelangten  ein  Schwert  von  Mitsu-tada  und  drei- 
hundert Stücke  gestempelten  Goldes  herab.  Unter  Festlichkeiten  und  allerlei  Belustigungen 
kehrten  die  beiden  Anführer  in  ihr  AVohngebüude  zurück.  Fürst  Fide-aki  berief  seine 
abgesandte  Wache  Naga-zaki,  Statthalter  von  I-dzu,  zu  sich  und  sagte  in  den  Worten, 
die  er  dem  Fürsten  Ije-jasu  übersandte :  Durcli  deine  diessmalige  Anempfehlung  kehre 
ich  in  das  eigene  Reich  zurück,  und  überdiess  findet  allerlei  Freundlichkeit  statt.  Ich 
werde  dir  zu  seiner  Zeit  meine  Erkenntlichkeit  bezeigen. 


Sitsi-guatsü  zib-ziun-no  koro-jori  dai-so-koku  ko  nani-to-naku  go-i-rei-to  fü-hun-su.  Makoto- 
ni me-de-taki  fip  'f^  mi-jo-no  ^  ^  i-fä  kub-dai  mu-fen-ni  sitc  [51  lf$  si-kai  nami  sidzüka- 
ni  osamari  ^  fJfP  jo-riü-no  kaze  jeda-wo  narasazn  ^  ^  ri-kua-no  ame  tsütsi-kure-wo 
jaburazü-to  jaran  faru-wa  josi-no  §|^  @^  dai-go-no  on-fana-mi  natsu-wa  u-dzüki-no  den- 
tsiu-ni  akasi  kurasi-tamai  u-dzi-gaiDa-ao  un-kari  aki-iva  mi-no  ivo-ivari  mi-kaiva  totomi-ni 
on-taka-no  asobasare  "fö;  jo-ni  otsi-udo-ni-wa  go-  ^  ^  tsi-g?b-wo  kudasare  siukke  go-ke-nin- 
tu-no  wabi-mono-ni  kin-gin  ^ft  ^  bei-sen-ivo  kudasare  ^  fl^  ro-tö  san-rin  ^  sidzil  i-ga 
made-mu  ije  ja-siki  kiulasarete  amaneku  go-zi-fi-no  on-megumi  jo-mo-ni  mitsi-kuwawari-te 
nippon-gokiij-tsiü  koto-gotoku  ^^  J^  ken-tsi  o-ose-tsükerare  ^  koku-tsümori-ni  kiwamari  ika- 
nai'u  siukke  sia-mon  ama  bi-ku-)ii-td-mo  kokoro-jasüku  pjif  ^  sib-mu-wo  nasi  man-man-zai 
möde  negai-tate-matsüru  koto  nare-ba  go-fn-rei-to  kiki-te  ten-ka-no  sib-si  köre  nari-fo  zib-ge 
kanasimazaru-to  iü  mono  nasi.  Saru  fodo-ni  fatsi-tsüki  zib-ziiin  sore-sore-je-no-go-  ^  ^ 
jui-mei  ari-te  on-kata-mi  iro-iro-ivo  sib-dai-mib-je  kudasare-keru. 

Seit  der  ersten  Decade  des  siebenten  Monats  verbreitete  sich  das  Gerücht,  dass  der 
Fürst,  der  grosse  ßeichsgehilfe  ohne  allen  Anlass  unwohl  sei.  Da  in  der  That  bei  der  un- 
ermesslichen  Grösse  der  Macht  des  hohen  Zeitalters  die  Wellen  der  vier  Meere  ruhig  sich 
gelegt  hatten,  der.AVind  der  Weidenbäume  die  Zweige  nicht  ertönen  machte,  der  ßegen  der 
Birnblüthen  die  Scholle  nicht  zerstörte,  da  im  Frühlinge  die  Blumenschau  von  Josi-no 
und  Dai-o-o,  im  Sommer  das  Verbring-en  der  Zeit  bis  zum  Moro-en  und  Abend  in  der 
Vorhalle  des  vierten  Monats,  die  Jagd  an  dem  Flusse  U-dzi,  im  Herbst  die  Lustbarkeit 
des  Falkenfeldes-  in  Mi-no,  Wo-wari,  Mi-kawa  und  Tötomi  stattfand,  den  gesunkenen 
Menschen  in  der  Welt  ein  Besitzstand,  den  unglücklichen  Mönchen  und  Witwen  Gold 
und  Silber,  lieis  und  Münzstücke,  selbst  den  gemeinen  Menschen  zur  Seite  der  Wege, 
den  Menschen  der  Berge  und  Wälder  und  noch  Niedrigeren  Häuser  und  Grund  verliehen, 
die  "wohlwollende  Güte,  die  vier  Gegenden  erfüllend,  sich  hinzugesellte,  in  dem  Reiche 
Nippon  die  Untersuchung  alles  Bodens  angeordnet,  für  die  Häufung  der  Scheffel  Be- 
stimmungen getroffen  wurden,  Mönche  und  Nonnen,  von  welcher  Art  sie  auch  waren, 
ruhig  ihre  Beschäftigung  trieben  und  in  den  Tempeln  die  Bitten  um  Zehntausende  von 
Jahren  geschahen,  so  war  es,  als  man  von  seinem  Unwohlsein  hörte,  ein  Schmerz  für 
die  Welt  und  Keiner  unter  den  Höheren  und  Niederen  war,  der  nicht  trauerte.  In  der 
ersten  Decade  des  achten  Monats  ward  über  dieses  und  jenes  sein  letzter  W^ille  ausge- 
sprochen und  gelangten  allerlei  zu  hinterlassende  Angedenken  an  die  grossen  und 
kleinen  Fürsten  herab. 


I 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Couea.  283 

Kakti-te  ziü-go-nitsi-no  asa  "fj  5^  V  !$?  X  ka-u-zo-u-sü-wo  mesi-ie  on-süzüri  ^^\  j^ 
TiO-si-wo  koi-tamai  on-fude-xoo  some-tnmb. 

Am  Morgen  des  fünfzehnten  Tages  berief  er  Kb-z6-su'  zu  sich  und  bat  um  seinen 
Tintenstein  und  um  Papier.     Er  tunkte  den  Pinsel  ein  und  schrieb : 

— •   (Fito-tsü).     Joku-ico  fanaru-beki  ^   (koto). 

Eines.     Man  soll  sich  von  Begierden  lossagen.^ 

— ■  [Fito-tsn).     Onna-ni  ii^  [kokoro-)  jurusü-na-no  ^   (koto). 

Vertraue  keinem  Weibe. 

— •  (Fito-tsü).     -^   (O-oki-)  sa-ni  süru-na-no  ^  (koto). 

Eines.     Reibe  nicht  an  der  Grösse. 

— •  (Fito-tsü).     Asa-ne-süru-na-no   ^   [koto). 

Eines.     Schlafe  nicht  am  Morgen. 

— •  (Fito-tsü).     (Fito-)  ni  i|^  (mono-)  arasö-na-no  ^   [koto). 

Eines.     Streite  nicht  mit  den  Menschen. 

— •  (Fito-tsü).      ^  Mi-no  juku-e  tsüssimu-heki  ^  (koto). 

Eines.     Man  beachte,  wohin  man  geht. 

— •   (Fito-tsü).    )\\    (Kaiva-)  ni  odzi-beki  ^   (koto). 

Eines.     Man  soll  sich  vor  dem  Flusse  fürchten. 

— ■  (Fito-tsü).     ^   Teki-ni  odzi-beki  ^  (koto). 

Eines.     Man  soll  sich  vor  dem  Feinde  fürchten. 

— •  (Fito-tsü.)      p^   (Utsi-J  no  mono-ni  nasake-aru-beki  ^   (koto). 

Eines.     Man  sei  gütig  gegen  die  Leute  in  dem  Hause. 

— •  (Fito-tsü).     ^    ^   (Nani-goto-)  mo  \   (fito-)  nami-no  ^   (koto). 

Eines.     Etwas  ist  auch  der  Brauch  der  Menschen. 

— •   (Fito-tsü).     ^   (Mono-)  ni  tai-kussüru-na-no  ^   (koto). 

Eines.     Sei  einer  Sache  nicht  überdrüssig. 

— •   (Fito-tsit).   '^    ^   (Nani-goto-)  mo  tsüka-dzüku  ^   (mono-)  ivo  fi-ge-sü-beki  ^   (koto). 

Eines.     Tliut  man  etwas  ernstlich,  soll  man  die  Sache  herabsetzen. 

— •  (Fito-tsü).     '(Bf    ^   (Nani-goto-)  mo: 

Eines.     Noch  etwas.  Verse : 

^  (Tsäju-J  no  fyt  (jo-ni)  \  tsüju-to  kije-ni-si  \  ^  ^  (icaga-mi)  kana  \  tada  nani-goto- 
mo  1  jume-no  mata  jume. 

Der  in  des  Thaues  Welt  |  als  Thau  geschmolzen  ist,  |  ach  mein  Leib !  |  Es  ist  nur, 
wie  es  aucli  sei,  |  von  dem  Traume  wieder  der  Traum. 

To-zo  asobasi-keru.  Sare-ba  go-nb-zitsü-tvo  otte  tanomosi-ge-naku  mije-sase-tamo.  Ten- 
ka-no  mei-jo  kazü-im  tsükusi-te  atsümari  ki-faht  kub-tei-no  ^»  g  fi-si-ivo  ^  an-zi  fp^  fjQ 
ka-kan   ^    ^  tan-kei-ga  jtp   ~^  mib-fb-wo  kizamasi-kere-domo  sara-ni  sirusi-mo  masi-masazü. 


'  Die  oben  (S.  279)  erwähnte  Nonne. 

2  Die  in  diesem  und  den  folgenden  Sätzen  vorkommenden  chinesischen  Zeichen  wurden  in  der  Umschreibung  sämmtlicli  bei- 
belialten.    Wo  bloss  Sylbeuschrift  steht,  enthält  auch  das  Original  bloss  Sylbenschrift. 

31)* 


2g4  Pfizmaiek. 

Jasiro-jasiro-no  ^  ^jf-  fö-fei  tera-dera-no  '^  jj^  kon-lci  tsuki-matsi  fi-matsi  fosi-matsüri  tai- 
san  fu-kun  mach  niatsüri-kere-domo  ^  ^  c/eu-f/ö  nare-ha  ka-i-mo  nasi.  y^  :^v&  Jodo-matsh- 
no  mi-dai-dokoro-ica  ^  mbsü-ni  ojohaza  den-tsiä  zib-ge-no  nib-hö-tatsi  ijo-ijo  isikai'a-wo  usinai 
to-ja  aran  kakn-ja  icatarase-tamu-ran-to  ^  an-zi-wadzhrh.  Ori-f/m  PJI  naka-no  ^^  maru-no 
go-  ^  1^  siü-do),  ki-mura  ^  -g-  so-ki-ga  tate-tari-si  to-basira  siki-i  kanio-i  io  ori-iri-no 
ten-zib  made-mo  -^  kin-no  kaiia-  ^  gu-no  faka-maki-e-nite  fusüma  sib-si  fari-tsüke-iva  ka-no 
fase-gaica-ga  fude-ioo  tsükusi-te  kaki-si  kara-ko-7io  \  ^  nin-e  ZL  Jf}  ni-man-mo  m  ^ 
san-man-mo  kazü-ivo  sirazü  ari-si-ni  omowazaru-ni  kore-tco  mire-ba  J^  tsi-no  naniida  ari  fu- 
si-gi-io  omoi  kmcasi-ku  mire-ba  iku-sen-mnn-mo  koto-gotoku  me-no  kiwa-jori  fuwo-saki  made 
usüku-mo  nakii  koku-mo  nakl  tsi-no  namida  itsi-dij-ni  tsükete  ari-kere-ba  sio-nin  kore-tvo  mite 
ki-mo  tamasi-i-mo  use-fatete  naki-kogare-tcnnai  namida-ni  musebu  bukari  nari. 

Indessen  schien  er  schon  seit  den  letzten  Tagen  hoffnungslos  zu  sein.  Obgleich 
die  Berühmtheiten  der  ganzen  Welt  in  erschöpfender  Zahl  sich  versammelten,  die 
geheimen  Bedeutungen  Khi-pe's  und  des  gelben  Kaisers  untersuchten,  die  wundervollen 
Heilmittel  von  Ho-kien  und  Tan-khi  zerschneiden  Hessen,  es  hatte  durchaus  keine 
^Yirkung.  Obgleich  man  an  den  Altaren  Handopfer  reichte,  in  den  Tempeln  inbrünstig 
betete,  den  Mond  verehrte,  die  Sonne  verehrte,  den  Sternen  opferte,  selbst  dem  Ge- 
bieter des  Sammelhauses  des  Tai-schan  opferte,  da  es  Schicksal  war,  nützte  es  nichts.  Von 
den  vornehmen  B^rauen  von  Jodo-matsu  nicht  zu  sprechen,  erschöpften  in  der  Vorhalle  die 
Frauen  der  Höheren  und  Niederen  immer  mehr  ihre  Kraft,  ängstlich  forschend,  ob  er  sich 
so  befinde,  ob  er  sich  andei's  befinden  möge.  Um  die  Zeit  standen  in  der  vorgesetzten 
Vorhalle  des  mittleren  Eunds,  an  den  von  Ki-mura  und  SO-ki  aufgestellten  Thüi'pfosten, 
Ober-  und  Unterschwellen  bis  zu  der  gebrochen  hereindringenden  Himmelsfeste  mit 
goldenen  Metallringen  und  hohen  Goldlackgemälden  Schiebewände.  Auf  den  Uebei'- 
spannungen  waren  mit  Erschöpfung  des  Pinsels  von  Ka-no  und  Fase-gawa  gemalte 
Menschenbilder  chinesischer  Söhne  zweimal  zehntausend,  dreimal  zehntausend  —  ihre 
Zahl  kennt  man  niclit  —  angebracht.  Wenn  man  diese*  gedankenlos  betrachtete,  hatten 
sie  blutige  Thränen,  man  hielt  es  iur  ein  Wunder.  Wenn  man  sie  genau  betrachtete, 
waren  allen,  mehreren  Zehntausenden,  von  der  Gränze  der  Augen  bis  zu  dem  Vorsprung 
der  AVano-en,  Thränen  von  Blut,  das  dünn  nicht  vorhanden  war.  dick  nicht  vorhanden  war, 
zu  gleicher  Zeit  hinzugefügt.  Als  die  Menschen  dieses  sahen,  gingen  ihnen  Geist  und  Seele 
verloren.      Sie  weinten,  härmten  sich  und  schluchzten   nur  unter  Thränen. 

Zin-sitsi-iiifsi-no  tatsü-no  koku  -^  kö  0-0-110  siu-ri-no  tai-fu  faja-mi  ka-i-no  karni  kata-- 
qiri  ^  r{l  to-it.n-no  jE  kami-ivo  go-za-no  on-  ^  ^  siü-den-je  mesare  on-sakadzüki-wo 
kudasare  ^  ^  fide-jori-ivo  mori-tate-beki  josi  zib-i  ari  3C  mnfa  go-  j||  bib-iüci  figasi-jama- 
no  ßimoio-ni  kamaje  sib-ifsi-i  ^  g  fö-koku  -^  B^  filjl  dai-mib-zin-to  arawasi-tate-matsüru- 
beki  mune  o-oseraruru-ni  san-niii  uke-famaivari-te  ß-rui-wo  sode-ni  tiruwosi  go-zen-wo  makari- 
tatsi-ni-keru.  Sikaru-ni  kono  kimi  ten-bun  go-7ien  saru  fatsi-guatsü  ziu-fatsi-nitsi  tatsü-no  koku  go- 
tan-sib  nari-si-ni  kei-ted  san-nen  inu  fatsi-guatsü  zifi-fatsi-nitsi  tatsü-no  koku  on-tosi  roku-ziu-san- 
sai-nite  ^  ^^  rio-ei-no  jmne-zo  same-iamb.  Dai-mib  "^  ^  kb-ke-no  ^»  Jp  on-taku-ni  ju- 
a.mi-se-si  mono-wa  iü-ni  ojobazü.  T6n-ka-no  ki-scn  nan-nio  ^  -^  rö-sib  made-mo  %  ^4 
kb-ß-ini  ^  s6-sürri-ni  nawo  koje-tari-keri.  |^  ^  Tö-gib  so-rakn-si-tamai  ^  */$  .•<i-kai 
A  ^  fatsi-in-iro  todomu-to-ka-ja  sorc-ica  _h  '^  zib-ko-no  1^  *^  sei-tei  kore-ira  ^  j^ 
matsü-sc-no    ^    ^%    viei-sib    toki  fedatari    ^  jo    kotonari-to    ije-domo   ^    f^  ßc-setsü-wo 


Der  Feldzüg  der  Japaner  gegen  Corei.  2(S5 

awasüru-ga  gotoku  nari.  Ari-gata-kari-si  mei-sio  nari.  Ima-iva-uo  khoa-no  qo-  l^-^  ;}ig  tei-so 
makoto-ni  fito-ni  sügure-tamajeri-ki.  '^  '^  Kei-ran-ioa  jabure-jasüku  ^  3E  rih-gioku-iva 
kata-karazü.  Uki-jo-wa  tada  jame-no  gotosi.  Jorokohu  koto  iku-baku-zo-jaAo-wa  ima-sara 
omoi-sirare-tari. 

Um  die  fünfte  Stunde'  des  siebzehnten  Tages  berief  der  Fürst  die  Männer  0-o-no 
Grossen  der  geordneten  Grundsätze,  Faja-mi,  Statthalter  von  Ka-i,  und  Kata-giri,  Rich- 
tigen des  östlichen  Marktes,  in  die  vorgesetzte  Vorhalle  seines  Saales  und  reichte  ilmen 
seinen  Weinbecher.  Der  hohe  Wille  war,  dass  man  Fide-jori  beschützen  und  einsetzen^ 
möge.  Ferner  befahl  er,  dass  man  ihn  in  seinem  Ahnentempel,  in  der  UmSchliessung 
an  dem  Fusse  des  östlichen  Berges,  zu  dem  zu  der  ersten  riclitigen  Rangstufe  gehörenden 
grossen  glänzenden  Gotte  von  Fö-koku^  erklären  möge.  Als  die  drei  Männer  dieses 
hörten,  befeuchteten  Thränen  des  Schmerzes  ihre  Aermel,  und  sie  schieden  aus  der 
liolien  Gegenwart.  Dieser  Gebieter  war  im  fünften  Jahre  des  Zeitraumes  Ten-bun 
(153G  n.  Chr.),  Saru  (33),  am  vierten  Tage  des  achten  Monats,  um  die  fünfte  Stunde  * 
geboren.  Im  dritten  Jahre  des  Zeitraumes  Kei-teo  (1598  n.  Chr.),  Inu  (35),  am  acht- 
zehnten Tage  des  achten  Monats,  um  die  fünfte  Stunde,  im  drei  und  sechzigsten  Jahre 
seines  Lebens,  erwachte  er  von  dem  Traume  der  beiden  Dachfirsten.  Von  den  o-rossen 
Fürsten,  den  hohen  Häusern,  die  mit  dem  Regen  seiner  Gnade  er  badete,  braucht  man 
nicht  zu  sprechen.  In  der  ganzen  Welt  gingen  Vornehme  und  Geringe,  Männer  und 
Weiber,  Alte  und  Junge  über  die  Trauer,  die  man  um  den  todten  Vater,  um  die  todte 
Mutter  hat,  noch  hinaus.  Wenn  bei  dem  Tode  Yao's  von  Thang  die  Länder  der  vier 
Meere  mit  den  acht  Tönen  innehielten,  so  war  es  dort  ein  höchstweiser  Kaiser  des 
hohen  Alterthums,  hier  ist  es  ein  berühmter  Heerführer  der  letzten  Geschlechtsalter. 
Durch  die  Zeit  sind  sie  getrennt,  durch  das  Geschlechtsalter  verschieden,  doch  es  ist 
als  ob.  sie  die  Abschnittsröhre  zusammenfügten.  Es  ist  ein  berühmter  Heerführer  der 
Avundervoll  gewesen.  Sein  Aussehen  und  seine  Gestalt  in  der  Todesstunde  zeichneten 
in  der  That  vor  den  JMenschen  sich  aus."  Die  Luftblume  ist  leicht  zu  zerstören  der 
treffliche  Edelstein  ist  nicht  hart."  Die  vergängliche  Welt  ist  nur  gleich  einem  Traume. 
Wie  viele  der  Freuden  seien,  wurde  jetzt  wieder  in  Gedanken  erkannt. 

Go-hu-giu  nari-si  isi-da  zi-hu-sw-fu  mi-tsü  nari  asa-no  dan-sib  sib-fitsü  naga-masa  masi- 
ta  u-je-mon-zeö  ^  ^  naga-mori  naga-tsüka  o-o-kura  tai-fu  jE  ^  masa-ije  kata-giri.  tö- 
itsi-no  kami  onazi  ^  g§  siu-zen-no  IE  kami  o-o-no  siü-ri  tai-fu  sb-dan-si  go-  -fjg,  ^  ta-kai- 
■wo  sibaraku  on-missi-tate-matsüran-to  fossi-tc  go-  ^  f |  sl-tal-tvo  kana-gu  maki-e-no  on-fako- 
ni  osame-tate-matsüri-keru.  Sika-to  ije-domo  go-ta-kai  fü:  jo-ni  kakure-naki-ni  jotte  naga- 
tsüki-no  zib-ziim  mijako-no  figasi-ni  atatte  a-mi-da-ga  mine-ni  on-fako-wo  osaiae-tatematsüri-keru. 

Isi-da  Mi-tsu  nari,  kleiner  Stützender  der  Abtheilung  der  Gebräuche,  Asa-no  Naga- 
masa,    kleiner   Stützender    des    kaisei'lichen    Vermerkers,    Masi-ta  Naga-mori,    Zugesellter 


'  Von   7  bis  9  Uhr  Morgens. 

-  Zum  Kuan-baku. 

3  Fide-josi   erhielt   nach    seinem    Tode    den    Namen    Ä    [g    Fö-koku   ,das   gedeihende    Reich'.     Mau    nennt    ihn    sonst    auch 

Ä    ^   F6-k6  ,Fürst  von  Fö'.     Früher  hatte  er  den  Geschleclitsnamen   M^    W    Tnjo-torni  erlialteu. 

•*  Von   7   bis  9   Uhr  Morgens. 

'•'  Das  Näliere  hierüber  i.st  in  dem  unten  folgenden  Zusätze  des  Fürsten  Kijo-niasa  entlialten. 

*  Hier  ist  der  gewöhnliche  weisse  Edelstein  gemeint. 


286 


Pfizmaikr. 


des  Thores  der  Leibwache  zur  Rechten,  Naga-tsuka  Masa-ijc,  grosser  Stützender  der 
grossen  Kammer,  Kata-giri,  Riclitiger  des  östlichen  ]\Iarktes,  der  denselben  Geschlechts- 
namen führende  richtige  Vorgesetzte  der  Speisen  und  Ü-o-no,  Grosser  der  geordneten 
Grundsätze,  welche  Oberaufseher  gewesen,  besprachen  sich.  Sie  wünschten  den  Tod 
des  Fürsten  eine  Zeitlang  zu  verheimlichen  und  legten  den  Leichnam  in  eine  mit 
o-oldenen  Ringen  und  Goldlackgemälden  verzierte  Kiste.  Da  dessen  ungeachtet  der 
Tod  des  Fürsten  in  der  Welt  kein  Gelieimniss  war,  verbargen  sie  in  der  ersten  Decade 
des  neunten  Monats,  östlich  von  der  Hauptstadt,  auf  dem  Berggipfel  von  Araida 
die  Kiste. 


Zusatz  des  Fürsten  Kijo-masa. 

Fide-moto  ^  ^  ki7i-go  ^  P^  kub-mon  ßde-aki-ko-ni  tsükaje-matsüri-si  koro  man- 
dokoro-  ^  en-je  on-tsükai-to  site  ma-iri-si  toki  juru-juru-to  go-fen-zi-tvo  matsi-keru  aida-ni 
T!/  $?  y  ^  X  ka-u-zo-u-sü-ni  ide-ai  jo-mo-jama-no  mono-gatari-no  tsü-ide-ni  fide-moto 
i-i-kerio-wa  dai-mio  kb-ke-no  mi-no  ?ije-ni  saje  fito-ni  jori  medzürasi-ki  koto-mo  sbrb-to  uke- 
tamawaru.  Masi-te  tai-kim  go-  ^  lä  zai-se-no  on-toki  ^  ^  ki-i-naru  on-koto-mo  sbrai- 
tsüru-ja-to  tadzüne-kere-ba  tl  V  ^/  V  7\  ka-u-zo-u-sü  kotajete  sasi-te  amari-ni  kaivari- 
taru  go-jb-dai-wa  sbrawazaru-ga  ori-ori  firu-no  koro  m.adoromase-tamb-tote-wa  on-me  same- 
sbrb  made  okosi-tate-matsüru-he-karazü  mata  fito-mo  kitaru-be-karazü-to  o-osete  tada  on-fitori 
go-za-siki-je  irase  utsi-jori  kake-gane-tuo  kake-tamai-te  madoromase-tamh-ni  amari-ni  fisasi-ku 
on-me  samezaru  ori-kara-wa  soregasi  #|*  fari-wo  motsi-te  juki-te  sib-zi-ni  sükosi-ki  ana-wo 
akete  fisoka-ni  mi-tate-matsüre-ba  "h  :fe  fi:  zvii-deo-ziki  arui-wa  —  Zl  #  itsi-ni-deö  go- 
za-siki  ippai-ni  o-oki-ni  narase-tamb.  On-sügata  iku-tabi-mo  ari  mata  tsüne-no  on-sügata-no 
toki-mo  sbrai-tsüru  o-oki-ni  narase-tamai-si  on-katatsi-wo  mi-tsüru  toki-wa  mi-no  ke-mo  jodatsü 
bakari  nari-ki.   To-kaku  tsüne-no  go-  \    f|   nin-tai-nite-w'a   na-kari-keri-to-zo   katarare-keru. 

Zur  Zeit  als  Fide-moto  in  den  Diensten  des  Fürsten  Fide-aki,  mittleren  Rathes' 
von  dem  Sammelhause  des  Thores  der  Leibwachen,-  stand,  wurde  er  als  Abgesandter 
in  den  Gang  des  Ortes  der  Lenkung  geschickt.  Als  er  hinkam  und  mit  Müsse  auf  die 
Antwort  wartete,  begegnete  er  Kö-z6-su.  Er  fragte  sie:  In  der  Einleitung  zu  der  Ge- 
schichte des  Berges  Jo-mo  sagte  Fide-moto:'  ,Dass  über  dem  Leibe  der  grossen  Fürsten, 
der  hohen  Häuser,  von  den  Menschen  nur  abhängend,  auch  ausserordentliche  Dinge  sich, 
befinden,  hört  man'.  Sind  es  nicht  um  so  mehr,  zur  Zeit  als  der  grosse  Gebieter  lebte, 
auch  wunderbare  Dinge  gewesen?  —  Kö-z6-su  antwortete:  Ein  besonders  und  über- 
mässig veränderter  Zustand  war  es  nicht.  Damit  er  manchmal  um  die  Mittagszeit 
schlummern  könne,  befahl  er,  dass  man  ihn,  bis  er  erwaclit  sein  würde,  nicht  aufwecken 
dürfe,  ferner  das  Niemand  zu  ihm  kommen  dürfe.  Er  trat  ganz  allein  in  die  Halle, 
hängte  von  innen  den  Schlosshaken  an  und  schlummerte.  Als  er  zu  lange  nicht 
erwtchte,    nahm    ich    eine  Nadel,    ging    liin    und    stach   in    die  Schiebewand  eine  kleine 


<  Kuö-mon  ,aas  gelbe  Thor'  ist  der  chinesische  Name  für  tsiil-ua-gon  ,niittlerer  Ratli'. 

2  Kin-go  ist  iler  chinesische  Name  für  sa-u-je-mon  fu  ,Saiiimelliaus  des  Thores  der  Leibwaclie  zur  Linlien  und  Rechten'. 

3  Der  früher  genannte  Fide-moto  ist  0-o-gawutsi.    Ob  Fide-moto  in  der  angeführten  Stelle  des  Buches  ebenfalls  O-o-gawuts. 
oder  ein   Anderer  sei,  lässt  sicli  nicht  bestimmen. 


Dek  Feldzüg  der  Japaner  gegen  Couea.  287 

Oeffnung.  Als  ich  heimlich  hindurchsah,  war  von  zehn  Matten  die  vielleicht  eine  oder 
zwei  Matten  enthaltende  Halle  ganz  voll  und  gross  geworden.  Seine  Gestalt  war  mehr- 
mals voi-handen  und  war  auch  grösser  geworden  als  sie  es  zur  Zeit  seiner  gewühnlichen 
Gestalt  gewesen.  Als  ich  seine  Gestalt  sah,  war  sie  so,  dass  mir  die  Haare  zu  Berge 
standen.     Jedenfalls  war  es  nicht  die  gewöhnliche  menschliche  Gestalt. 


Schluss  des  Tagebuches. 


Ziü-itsi-guatsü  tsüitatsi-no  mi-mei-jori  f^  j||  go-hw-no  ^ijß^  ^  dzi-geö-wo  narasi  isi- 
gaki-ioo  tsüki  2J5C  jjtt  fon-sia  ^  |^  kiä-den  ^  j|j|  kuai-rö  ^  |^  fai-den  LU  P^  san- 
mon-tö  on-uma-ja-ni  itaru  made  go-  j§;  ^  sd-jei-wo  isogi-keru  fodo-ni  nami-ki-no  sakura 
isi-dü-ro  i-ge  made-mo  koto-gotoku  kei-teu  jo-nen  i  san-guatsü  tsiü-ziun-ni  siutsü-rai-sü.  Si- 
guatsii  zm-fatsi-nitsi  on-mija  utsüsi  ari-keru.  Kakari-keru  tokoro-ni  raku-tdu  raku-guai-no 
matsi-nin  akindo  jori-ai-te  f^P  'f^  mi-jo-no  kagami-no  akiraka-naru  jnje-ni  kokoro-ni  makase 
jutaka-ni  S^  ^  nen-getsü  to-sei-wo  okuru-to  iü  koto  fito-je-ni  go-  ^  ^  dziu-ivon-ni  arazü- 
ja  semete  odori-wo  age  Jt  ^  "^  zib-sen-kü-wo  süzüsime-tate~matsüru-hesi-to  itsi-do-site  kin- , 
gin  tsükusü  koto-wo  itowazü,  Karu-san  ta-hifukuro  kija-fan  kosi-mino-ni  kin-sia  ^^ra-^  kin- 
ra-sia  seo-seö-fi  kin-ran  aja  ni-si-ki  siu-sü  mu-rib-uio  tatsi-kudaki  j^J!  ^^  kn-si-nite  tvaranzi-wo 
tsukuri  men-men  faki-te  kasira-ni-wa  fana-oke  fana-kago  ^f  rih  J^  fusi  ^  zo  tora  ki-rin 
kara-si-sl  ku-ziaku  fö-ioh  arui-wa  tai-sib-no  -^  Wji  kin-ziü  ^  '^  tai-gijo  inusi  kera-ni  itaru 
made  jb-jb-no  tsükuri-mono  mitsi-sügara  go-  ^  '^  fo-zen-nite  odorii  :j^  -^  fio-si-ni  josi-no- 
zakura-no  tsiru-ga  gotosi.  Ziu-ni  kasira-no  sirusi-ni-ioa  slro-aja  siro-fa-huta-je-wo  motte  ziu- 
nl  faba-no  ori-kake  ziü-rokii  faha-no  siro-foro  ziü-ni  faba-no  fuki-nuki  arui-ica  kin-ran  ||^ 
fi-don-sü-nite  o-o-fata.-iüo  täte  itte-itte-ni  osi-tate  kai  kane  iai-ko  fuje  tsüdzmni  raku-tsiü-wo 
fibikasi-keru.  Dai-mib-zin-no  ^  Fp  kiü-tsin  go-nion-guai-wa  in-ni  ojobazü.  Raku-tsiii-ioa 
III ina  kin-gin-no  süna-wo.  siki-tari-ki .  ^  g]  I-koku-no  koto-tva  iza-sirazü  nippon-ni  oi-te 
kai-hiaku-jori  i-rai  tamesi-süktmaki  koto  nari-keri. 

Seit  der  Zeit  vor  dem  iVnbruch  des  ersten  Tages  des  eilften  Monats  ebnete  man 
den  Grund  des  Ahnentempels,  führte  die  Steinmauer  auf  und  indem  man  sich  mit  dem 
Baue  des  eigenen  Altares,  des  Palastes,  des  Kreisganges,  des  Bethauses,  des  Bergthores, 
selbst  des  Pferdestalles  beeilte,  waren  die  Baumgänge  von  Kirschbäumen,  die  Stein- 
lampen und  Anderes  in  der  mittleren  Decade  des  dritten  Monates  des  vierten  Jahres 
I  (36)  des  Zeitraumes  Kai-teö  (1599  n.  Chr.)  gänzlich  vollendet.  Am  achtzehnten  Tage 
des  vierten  Monats  fand  der  Umzug  nach  dem  Palaste  statt.  Als  dieses  geschah,  ver- 
sammelten sich  die  in-  und  ausserhalb  der  Hauptstadt  befindlichen  Strassenbewohner 
und  Kauf  leute.  Sie  sagten :  weil  der  Spiegel  des  hohen  Zeitalters  hell  ist,  überlasse 
man  die  Sache  ihrem  \Yillen.  Dass  sie  Jahre  und  Monate  im  Ueberflusse  verbringen, 
sei  dieses  nicht  einzig  seine  mehrfache  Gnade?  Man  möge  wenigstens  Tänze  aufführen 
und  den  Palast,  zu  dem  er  übersiedelt,  erfrischen.  Zu  gleicher  Zeit  verdross  es  sie 
nicht,  Gold  und  Silber  gänzlich  zu  verausgaben.  Zu  Fischerkleidern,  Socken,  Säcken, 
Strümpfen  und  Lendenmänteln  zerstückelten  sie  Goldflor,  Flor,  goldgesticktes  Wolltuch, 
scharlachrothen  Goldbrocat,  geblümte  Stoffe,  Brocat,  Atlas  und  fiinffädige  Stoffe.  Sie 
verfertigten  aus   rothen  Seidenfäden  Schuhe    nach  Art    der  Strohschulie    und    trugen    sie 


f)oQ  PriZMAlEl!, 


inso-esammt  an  den  Füssen.  Auf  ihrcM.  Häuptern  tanzten  verschiedenartige  naclagemachte 
Ding-e:  Blumentöpfe,  Blumenkürbe,  Drachen,  Sternbilder,  Elephanton,  Tiger,  Einhörner, 
chin'esische  Löwen,  Flaue,  Paradiesvögel,  mitunter  grosse  und  kleine  Vögel  und  vier- 
füssige  Thiere,  grosse  Fische,  selbst  Insecten  und  Grillen,  unterwegs  vor  den  Tempeln. 
Nach  der  Tonweise  war  es,  als  ob  die  Kirschblüthen  von  Josi-no  sich  zerstreuten.  Bei 
den  zwölf  Abzeichen  stellte  man  vermittelst  weissen  geblümten  Stoffes  und  weisser 
zweifacher  Flügel  gebrochen  Angehängtes  von  zAvölf  Leinwandbreiten,  weisse  Baum- 
wollkleider von  sechzehn  Leinwandbreiten,  Durchgeblasenes  von  zwölf  Leinwandbreiten, 
mitunter  grosse  Fahnen  aus  Goldbrocat  und  mennigrothem  Seidendamaste  auf  und  Hess  von 
den  in  den  einzelnen  Abtheilungen  stehenden  Muscheln,  Glocken,  grossen  Trommeln, 
Flöten  und  kleinen  Trommeln  die  Hauptstadt  wiederhallen.  Wie  es  sich  vor  dem  Thore 
des  Palastes  des  grossen  glänzenden  Gottes  verhielt,  braucht  nicht  gesagt  zu  werden. 
In  der  Hauptstadt  war  überall  Gold-  und  Silbersand  gebreitet.  Wie  es  sich  in  fremden 
Reichen  verhält,  weiss  man  nicht.  In  Nippen  war  es  etwas,  wovon  seit  der  Entstehung 
der  Dinge  wenige  Beispiele  vorgekommen  sind. 


Der  Feldzug  der  Japaner  gegen  Cokea.  289 


Schlussbemerkung. 


igi  kono  §  sio-ivu  miru  fito-ioa  ^p  ^  ai-ziü  tada  o-o-gotvidiii  ^  ~'''-^«  ^  ^  fjun- 
ko-wo  agnru-ni  ni-tc  fi-gurasi-no  mama-ni  sore  knre-to  nakn,  jod-nasi-  ^  hito-ivo  kakl-tsnke- 
faheri-tarl-kere-tu  i-l-ken  sikari-to  ijc-domo  sono  kaknre-taru-wo  saguru-ni  ojoso  i  si  tarn, 
mono  iiii-<hükara  naka-datsl-site  ^  ^  fu-zio-no  okoriai-wo  nasü  koto  aran-ja.  ^  (J-iro 
fome  ;^  ^  mo-dfin-iro  ^  sio-süru  koto-ico  kol-negb-hesi.  Kami-ni-wa  den-ka-no  ^  ^ 
i-hu-ivo  araiL-atil  ^  ^  siu-sotsü-no  tsii)-gi-wo  age  simo-ni-wa  ^  ^  ko-jei-tvo  fagemasan-to 
fossiii'H  varan.  Sika-mo  kurio  sio-no  utsi-ni  y^  ^  dai-do  i(^  )ff  miu-ju  ari  jE  ^  sei-hn 
ari  ^  %\  ki-kei  ari  anl  it  si-turu  mono-no  B^  ^  mei-kih  ^  j^  kö-kai-ni  arazaru.  koto- 
ico  jen-zo.  ^  ^  Bun-zi-ni  ^  ^  san-si  ^  ^%  sihn-zin  -^  ü^  kl-ßtsü  ari  iva-ka-ui  ^^^^  ^ 
gen-zl  ^  ^  san-dai-no  '^  ^-^  ka-saku  ari  ^o)io  f^  ^  tokit-zitsü-wo  firawazü  idzükun-zo 
hun-zi-no  sakan-narazaru-wo  loarawan.  ^  ^  Bö-jtu-wo  tsnma-ba  nan-zo  ^  ^  gon-ku- 
ito  -^  ki-narazaru  kuio-iöo  msiran.  ^  ^  Kö-ran-no  ^  -^  kun-si  sono  ^  ^  zi-ku-no 
ijasi-ki-tvo  motte  ^"^  ^  si-ke-rasi-sa-no  mama-ni  sono  ^  ^  ba-ba-no  7iikki-ni  xitagatte  kore-ico 
"J^  ku-si  kore-wo  tadasi  tatoi  ]^  teki-no  süje-no  ^  fa  nari-to-mo  nan-zo  ari-te  ^  nasi-to 
si  naki-ivo  ari-to  sen-ja.  Koko-ni  oi-te  nvppon-koku-tsiu  y^  /J>  dai-siö-no  jjltj}  JÜSi  zin-gi  koto- 
ni-iva  uzi-kami  fatsi-man  ^  ffi  san-sio-ni  tsikai-te  — •  ^  itsi-gon-no  §^  f^  so-gi-naki 
küto-iro  arawasü  mono   nari. 

Diejenigen,  welche  dieses  Buch  sahen,  werden  gesagt  haben,  dass  es  vom  Anfang 
bis  zum  Ende  bloss  die  kriegei'ischen  Verdienste  0-o-gawutsi's  hervorzuheben  scheint 
und  dass  in  ihm  wohl  grundlose  Worte  wie  das  Läugnen  des  Abends,  wenn  die  Sonne 
untergeht,  niedergeschrieben  wurden.  Wenn  man  aber  das  in  ihm  Verborgene  aufsucht, 
wird  es  da  der  Fall  sein,  dass  der  Kriegsmann,  der  sein  eigener  Mittelsmann  ist,  die 
Handlung  des  Weibes  begeht?  Wer  Yü  preist,  muss  bitten,  Meng-tien  nennen  zu  dürfen. 
Es  wird  sein,  dass  man  nach  oben  die  Macht  und  den  Kriegsmuth  der  Menschen  unter 
dei'  A  orhalle  darzulegen,  die  Redlichkeit  der  Anführer  und  gemeinen  Streiter  hervor- 
zuheben, nach  unten  die  späteren  Nachkommen  anzuregen  wünscht.  Ueberdiess  findet 
sich  in  diesem  Buche  der  grosse  Weg,  die  treffliche  Anwendung.  Es  finden  sich  in 
ihm  richtige  Entwürfe,  wundervolle  Berathungen.  Wie  sollte  es  der  glänzende  Spiegel 
des  Ivriegsmannes,  die  spätere  Warnung  für  ihn  nicht  sein  können?  Unter  den  Worten 
der  Schrift  finden  sich  die  drei  Geschiclitsschreiber,  der  wundervoll'  Pinsel  des  Früh- 
lings und  Herbstes.  Unter  den  japanischen  Gedichten  finden  sich  die  vortrefflichen 
AVerke:  das  Geschlecht  Gen  und  die  drei  Zeitalter.  Wenn  man  das  Gediegene  solcher 
Eigenschaften  nicht  aufliest,  wer  kann  bei  den  Worten  der  Schrift  über  den  Mangel 
an  Fülle  lachen?  Wenn  man  die  Blätter  der  Entwürfe  pflückt,  wie  kann  man  bei  den 
Abschnitten  der  Rede  über  den  Mangel  an  wundervoller  Eigenschaft  spotten?  Die  später 
überblickenden  vorztiglichen  Männer,   welche  bei   diesen  niedrigen  Abschnitten   der  Rede 

Denkschriften  d.  phil.-hise.  Cl.  Bd.  XXV.  37 


oQQ  Pfizmaiek.     Der  Feldzuo  der  Japaner  gegen  Corea. 

o-anz  nach  Gutdünken  und  nacli  den  Tagebüchern  jener  Zeiten,  dieses  untersuchen,  dieses 
zurechtstellen,  sollten  sie  auch  Abkömndinge  der  Feinde  sein,  werden  sie  bewirken,  dass 
etwas  Geschehenes  nicht  geschehen,  Nichtgeschehenes  geschehen  ist?  Demnach  schwört 
man  bei  den  (^rossen  und  kleinen  Göttern  des  Nipponroiches,  insbesondere  bei  den  drei 
Sitzen  Fatsi-man's,  Gottes  der  Geschlechtsnamen,  dass  man  etwas,  worin  nicht  ein  einziges 
Wort  Unwahrheit  enthalten  ist,  veröffentlicht.* 

Kuan-bun,  zweites  Jahr,*  achter  Monat,  glücklicher  Tag. 

Der  zu  dem  unteren  Theile  der  nachfolgenden  fünften  Rangstufe  gehörende  Grosse 
Ü?>    ^    7C   ^lina-moto  Fide-moto. 

Miyi  kono  ^  ^  riu-kuan-iva  ^  ^  v-fu  ko-rai-kuku-je  to-kai-se-si  tuki-no  nikki-wo 
atsümete  motte  teu-se)i-mono-gatari-to  na-dzuku.  Zi-fitsü-no  fan-fjio-wo  motte  -p  jo-ni  sh-den- 
no  tokoro  nari.  Sikarii-ni  fatsi-man  \\]  ~p  saii-gc  •^  ^  den-jo  ±  X  sib-nin-jori  kore- 
wo    tanomaruru    tsitsi-no    bo-dai-   ff(    sio    nari-kere-ba   sam-ai-to  ■  kore-wo    osame-tate-matsüru 

mono  nari. 

AVas  die  obigen  zwei  Bücher'  betrifft,  so  hat  mein  Vater  zur  Zeit  als  er  über  das 
Meer  nach  dem  Reiche  Kö-rai  setzte,  ein  Tagebuch  zusammengestellt  und  ihm  den 
Namen  , Geschichte  von  Teo-sen'  gegeben.  Es  ist  dasselbe,  welches  er,  mit  seiner  Unter- 
schrift und  seinem  Siegel  versehen,  mir  überlieferte.  Indessen  wurde  ich  von  dem 
hochwürdigen*  Den-jo  an  dem  Fusse  des  Berges  Fatsi-man  darum  gebeten.  Da  es  der 
Ort  für  das  Seelenheil  des  Vaters  gewesen,  gab  ich  es  ihm  glücklicher  Weise  in 
Verwahrung. 

Kuan-bun,  zwölftes  Jahr,'*  erster  Monat,  glücklicher  Tag. 

0-o-gawutsi,  Zugetheilter  des   Vorstehers  des  Weines,  Namens  ^    5I   Fide-tsura, 


'  Hier  folgt  ein  Stammbaum,  aus  welcliem  zu  ersehen,  dass  O-o-gawutsi  in  sechsuudzwanzigstcr  Linie  von  dem  Kaiser  Sei-wa 
(859  bis  876  n.  Chr.)  abstammt.     Es  schien  nicht  angemessen,  diesen  Stammbaum  wiederzugeben. 

2  1662  n.  Chr.  0-o-gawntsi  nahm  als  sehr  junger  Mann  an  dem  Feldzuge  gegen  Corea  Theil.  Wie  aus  der  angeführten 
Jahreszalil  hervorgeht,  erreichte  er  ein  bedeutend  hohes  Alter. 

'■>  Die  Abtlieiluug  in  zwei  Kuan  (Bücher  oder  Capitel)  findet  in  dem  gedruckten  Werke  nicht  statt. 

i  H  A  Sio-iiin  ,oherer  Mensch'  bezeichnet  einen  Bonzen.  J^  Siö  hat  zum  Unterschiede  in  diesem  Worte  nicht  den 
trüben  Laut  ziö. 

»  1672  n.   Chr. 


ZUR  KMTIK  UND  QUELLENKUNDE 

DER 

ERSTEN  REGIERÜNGSJAHRE  K.  KARLS  V. 

VON 

D"    CONST ANTIN    von    HÖFLER, 

WIRKLICHEM  UITaLIEDE  DER  KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  22.  DECEMBER  1875. 


Vorwort. 

J_/ie  Gescliiclite  des  Hauses  Habsburg  nimmt  eigentlich  erst  unter  Kaiser  Karl  V, 
einen  universalhistorischen  Charakter  an.  Zwar  hat  sie  bereits  unter  Maximilian  I.  sich 
den  steten  Streitigkeiten  mit  Böhmen  imd  Ungarn  entzogen  und  an  den  Niederlanden, 
durch  Gewinnung  einer  festen  Stellung  in  Westeuropa  ein  Aequivalent  für  den  Verlust 
der  beiden  Königreiche  erlangt.  Aber  erst  unter  Maximilians  Enkel  findet  die  Um- 
schliessung  Frankreichs  durch  habsburgische  Territorien,  die  beinahe  völlige  Beherr- 
schung Italiens  und  eine  Concentration  von  Landschaften  statt,  die  weder  vorher  noch 
nachher  unter  Einem  Scepter  vereinigt  waren.  Hat  dieses  auch  nur  wenige  Jahrzehnte 
angehalten,  so  gab  es  doch  eine  Zeit,  in  welcher  Oesterreich  und  die  spanisch- 
italischen Königreiche  unter  Einem  Scepter  standen,  beide  Theile  des  grossen  habs- 
burgischen  Gesammtreiches  Einen  Fürsten,  eine  gemeinsame  Geschichte  hatten. 

Dieser  Periode  gehören  die  nachfolgenden  Untersuchungen  an. 

Sie  beziehen  sich  zum  Theile  auf  bisher  ganz  unbekannte  und  somit  bisher  unbe- 
nutzte handschriftliche  Quellen  aus  Madrid  und  Simancas,  zum  Theile  auf  gleichzeitige 
Schriftsteller,  denen  man  blindlings  zu  folgen  sich  gewöhnt  hatte,  sowie  auf  Briefsamm- 
lungen, deren  reicher  Inhalt  entweder  gar  nicht  gekannt  oder  nicht  genügend  unter- 
sucht wurde. 

Schon  spanische  Geschichtschreiber  haben  sich  mit  Recht  über  die  Angaben  Ulloa's 
in  seinem  Leben  K.  Karls  V.  lustig  gemacht.  Wenn  sie  aber  dem  königlichen  Historio- 
und  Epistolographen  Don  Antonio  de  Guevara  Glauben  schenkten,  ohne  zu  beachten, 
dass  seine  Briefe  offenbar  später  überarbeitet,  falsch  datirt  wurden  und  dergleichen,  so 
verstrickten  sie  sich  in  nicht  geringere  Irrthümer.  Wer  hat  bisher  bemerkt,  dass  so 
mancher  von  dem  fleissigen  und  genauen  Gachard  citirte  Brief  des  königlichen  Gober- 
nadors  von  Castillien  sich  aus  dem  Grunde  nicht  im  Archive  von  Simancas  vorfinden 
kann,  weil  er  von  diesem  zu  der  von  Gachard  angeführten  Zeit  gar  nicht  geschrieben 

37* 


292 


HOl'I.KU. 


ward  nicht  gesclirieben  wei-den  konnte?!  Andererseits  freut  man  sieb  zu  sclien,  dass 
Angaben  officieller  Erlasse  bei  Lang  auf  noch  vorhandenen  Berichten  beruluMi,  die  an 
den   Kaiser  gerichtet  worden  waren! 

Es  ochört  leider  zu  den  schweren  Ei>>enthiimlichkeiten  der  österreichischen  Geschichte, 
dass  sie  in  Folge  der  geschichtlichen  Zusammensetzung  der  Monarchie  aus  so  ganz 
heterogenen  Bestandtheilen  von  Zeit  zu  Zeit  wie  von  Vorne  beginnen  muss,  plötzlich 
an  einem  vollständigen  Bruche  mit  der  Vergangenheit  gearbeitet  wird,  eine  förmliche 
Zerreissung  des  historisch  Gewordenen  versucht  wird,  worauf  dann  regelmässig  mit  Schweiss 
und  Blut  wieder  zusammengeleimt  werden  muss,  was  sich  erst  mühsam  als  ein  organisches 
Ganzes  zu  fühlen  begonnen  hat.  Beinahe  ohne  dass  man  sich  davon  hinlänglich  Rechen- 
schaft zu  geben  vermöchte,  entsteht  ein  wilder  Aufruhr,  der  den  Bestand  des  Ganzen 
auf  das  Aeusserste  gefährdet.  Das  aber  war  nicht  blos  in  den  Tagen  Rudolfs  IL,  der 
Kaiser  J\Lxthias  und  Ferdinands  IL  der  Fall,  sondern  ganz  besonders  in  jener  Periode, 
welche  als  der  Eintritt  des  Hauses  Habsburg  in  die  weltgeschichtliche  Action  zu  bezeichnen 
ist.  Die  Gährung  hatte  die  eigentlichen  österreichischen  Lande  ergriffen,  Sieilien  wie 
Valencia  waren  im  Zustnnde  der  Revolution,  Castillien  bot,  wie  trotz  des  künstlichen  Ver- 
schweigens  der  Spanier  nicht  bezweifelt  werden  kann,  seine  Krone  im  Osten  wie  im 
Westen  aus,  und  während  der  Erzherzog-König  das  Kaiserthum  erlangte,  schien  der 
Verlust  seiner  Erb-  und  Stammländer  unaufhaltsam  einzutreten. 

Diesen  verhängnissvollsten  Moment  der  habsburgischen  Geschichte  kritisch  zu 
beleuchten  und  durch  Wfirdigung  der  Quellen  einen  festen  historischen  Boden  zu  gewinnen, 
ist  der  Endzweck  der  vorliegenden  Schrift,  welche,  wenn  sie  sich  auch  vorzüglich  mit 
den  Avichtigsten  Ereignissen  des  castillianischen  Theiles  der  Monarchie  K.  Karl's  Y. 
beschäftigt,  dadurch  nicht  blos  den  wunden  Fleck  zeigt,  der  Franz  1.  wie  Soliman  an- 
reizte, sich  gegen  K.  Karl  die  Hände  zu  reichen,  sondern  auch  die  welthistorische  Kata- 
strophe, durch  welche  es  diesem  thätigen  Fürsten  gelang,  sich  im  Besitze  seiner  spanisch- 
burgundischen  Erbländer  zu  erhalten,  während  er  aber  auch  in  die  Nothwendigkeit  sich 
versetzt  sah,   die  österreichischen   Erblande  in   einen   Secundogeniturbesitz  umzuwandeln. 

Prag,  29.  September  1875. 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Besten  Regierungsjahke  K.  Kabls  V. 


293 


INHALTSVERZEICHNISS. 


A.  Die  Constitutions-  und  Uniunsversuche  In  der  Zeit  des  Auf- 
standes der  Comuneros. 

B.  Kritik  der  Schriftsteller  über  den  Aufstand. 

1.  Pedro  de  Alcofer,  relacion  de  algunas  cosas  qiie  pasarou 
en  estos  reinos. 

Mit  einem  Apendice  von  D.  Martin  Gamero.  Sevilla   1873. 

2.  Juan  de  Chaves  Areayos  nueva  relacion  sobra  las  comu- 
nidades  de  Toledo. 

(Bei  Gamero.) 

3.  Relacion  de  las   comnnidades.  Ms. 

4.  Tratado  de  lavenida  del  Emperador Carlos V.  enEspafla.  Ms. 

5.  Diego  Hernan  Hortiz  (Ortiz)  memoria  de  las  eomunidades.  Ms. 

6.  Pero  Mejia  relation  de  las  eomunidades  de  Castilla  (Biblioteea 
de  autores  Espaiioles  T.  XXI.). 

7.  Don  Ju.in  Maldonado,  el  movimiento  de  Espana,  traducida 
al  castillan  e  illustrada  con  algunas  notas  y  doeumentos  por 
el  presbitero  D.  Jose  Quevedo.  Madrid   1840.   4". 

8.  Thoniae  Rochae  bistoria  eonnn  quae  gesta  fuere  in  Hispania 
ulteriori  tempore  quo  vulgus  comnnitatcm  obtabat  (opta- 
bat).  Ms. 

9.  Relacion  de  las  eomunidades  de  Vizcaya.   Ms. 

10.  Lorenzo  Galindez  Carvajal,  anales  breves  del  reinado  de 
los  reyes  catolicos  D.  Fernando  y  Dofia  Isabel.  (Doeumentos 
T.  XVIII.) 

11.  Lea  memoires  de  Messire  Martin  du  Bellay  (Collection 
Michand  T.  V.l. 

12.  Don  Fr.ay  Prudencio  de  Sandoval  bistoria  della  vida  y 
beclios  del  Emperador  Carlos  V.  En  Pampelona   lfi.34  f. 

13.  Dr.  Bartbolome  Leonardo  de  Argensola  anales  de  Aragon. 
En  Q.aragoca  1630  f. 

14.  Jonnnis  Genesii  Sepulvedae,  de  rebus  gestis  Caroli  Y  Ira- 
peratoris  libri  XV.  Madrid   1780.   Opera  I.  4». 

15.  Altbnso  UUoa,  vita  dell'  invitissimo  Imperator  Carlo  V.  In 
Venezia   166?.   4". 

16.  Ferrer  del  Rio.  Decadencia  de  E.spaiia.  Primera  parte. 
Historia  del  levantamiento  de  las  coipunidades  de  Castilla. 
Madrid  1850. 

17.  Carramolino,  Juan  Martin,  historia  de  Avila,  su  provincia 
y  obispado.  Madrid   1872/3  T.  III. 

18.  Anales  o  historia  de  Tortosa  desde  sa  fondacion  hasta 
nuestros  dias  por  D.  Daniel  Fernandez  y  Domingo.  Barce- 
lona 1867. 

19.  D.  Modestü  Lafuente,  historia  general  de  Espana.  Madrid 
1853.  T.  XI,  XII. 

20.  Ginseppe  de  Leva,  storia  docunientata  di  Carlo  V  in  corre- 
lazione  d'Italia.  Venezia  18G1.   1.  2. 

21.  Alex.  Henne,  bistoire   du   regne    de    Charles-Quint    en    Bel- 

gique,  T.   1.  2. 

22.  Ad.  F.bert,  Quellenfor.schungen  aus  der  Geschichte  Spaniens. 
Kassel  1849.  —  Hefele,  Havemann,  Rö.sler,  Winning, 
L.  von  Ranke. 

23.  Alvar  Gomez.  Flecbier.  Arnao.  D.  Diego  Clemencin,  elogio 
de  Doiia  Isabel.  Fr.  Liciniano  Sabez. 


\    24 
25 


26. 

27. 

C. 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 


10 


11 


16. 


Hieronymus  Osorius,  historia  de  rebus  Emannuelis  Lusi- 
taniae  Regis  gestis  libri  XII.  Col.  Agripp.  1681. 
Isabella  von  Castillien  und  Ferdinand  von  Aragonien.  Von 
Reinhold  Baumstark.  Freiburg  1874.  Wilhelm  H.  Prescott, 
Geschichte  der  Regierung  Ferdinands  und  Isabellens  der 
Katholischen  von  Spanien.  Aus  dem  Englischen  übersetzt. 
Leipzig  1842.  2  Bde.  —  Will.  Robertson,  tlie  liistory  of  the 
reign  of  Charles  V.   Hasel   1788.  4  Vol. 

Boehmer  Edward.  Bibliotheca  Wiffoniana.  Spanish  refor- 
mers  of  two  centuries  from  löiO.  1  Vol.  Stras.sburg-London 
l.'^74.  Bauer,  Dr.  Heinrich,  Hadrian  VI.  Heidelberg  1875. 
Llorente,  Job.  Anton,  kritische  Geschichte  der  spanischen 
Inquisition.  Deutsch  von  J.  K.  Hock.  4  Bde.  Gmünd  1819. 
Briefe  und  Urkundensammlungen. 
D.  Pascual  Gajangos  y  D.  Vincente  de  la  Fucnte.  cartas 
del  Cardinal.  D.  Fray  Francisco  Jinienez  de  Cisneros  diri- 
gidas  h  D.  Diego  Lopez  de  Ayala.  Madrid  1S(;7. 
Colecrion  de  doeumentos  ineditos  para  la  bistoria  de 
Espafia.  58  Bde. 

,  D.  Antonio  de  Guevara  epistolas  familiäres.  1 544  f.  ( .4iivers.  S".) 
Lanz,  Actenstücke  und  Briefe  zur  Gescliiclite  K.  Karls  V. 
Wien  1853. 

Lanz,  Correspondenz  K.  Karls  V.  3  Bde.  Leipzig  1844—46. 
Gachard,  correspondance  de  Charles-Quint  et  d'Adrian  VI. 
Bruxelles   1859. 

Indice  y  estratos  de  los  papeles  relativos  a  las  eomunidades 
de  Castilla  que  se  eonservan  en  la  Real  Academia  de  la 
historia  de  Madrid  y  son  copia  de  los  origin.ales  en  el 
archivio  de  Simancas.  T.  I.  1520.  T.  11.  1521.  Ms. 
Guerra  de  Navarra.  Estractos  de  Simancas.  Ms. 
Despachos  del  Almirante  de  Castilla  D.  Enrique  sobra  el 
succeso  de  las  eomunidades  y  otrosde  los  anos  1520 — 1521.  E.k- 
tractos  de  nn  Ms.  de  la  biblioteea  nacional  de  M,adrid.  Ms. 
,T.  S.  Brewcr,  letters  and  papers  foreign  and  domestic  of 
the  reign  of  Henry  VIII.  Vol.  II,  P.  11.  Vol.  III  P.  I,  II,  III. 
London.  4°. 

Bergenroth,  calendar  of  letters,  despaclies,  and  State  papers, 
relating  to  the  negotiations  between  England  and  Spain, 
preserved  in  the  archives  of  Simancas  and  elsewhere.  Vol.  I.  II. 
London  1866  f. 

Bergenroth,  Supplement  toVol.  I  and  II  of  letters.  London  1868. 
Rawdon  Brovpn,  calendar  of  State  papers  and  maunsci-ipts 
existing  in  the  archives  and  coUections  of  Venise  and  ih 
other  libraries  of  northern  Italy.  Vol.  III.  1520-1526. 
London  1865.  4". 

Opus  epistolarnm  Petri  Martyris  Anglerii.  Amstelod.  f.  1670. 
Pieees  historiques.  Ms.  des  k.  k.  geh.  Haus-,  Hof-  und 
Staatsarchives. 

Der  Reichstag  zu  Worms  im  Jahre  1.t21.  Nach  den  Briefen 
des  päpstlichen  Nuntius  Hieronymus  Aleander.  Von  Jos. 
Friedrich  (Abhandl.  der  K.  B.  Akad.  d.  W.  München  1871.) 

Conclave    des   Cardlnal-Gobernadors   von    Spanien,    Adrian    von 

Tortosa  (Adrian's  VI.). 


294  HöFLEH. 


A.  Die  Constitutions-  und  Unionsversuche  in  der  Zeit  des  Aufstandes  der 

Comuneros. 

Will  man  der  grossen  Verwiri'ung  entgehen,  welche  in  Betreff  der  Ursachen  des 
Aufstandes  der  Comunidades  herrscht,  so  muss  man  die  mannigfaltigen  Bestrebungen 
nach  Erneuerung  altcastillianischen  Herkommens  und  altcastillianischer  Gesetze  von  dem 
eigentlich  revolutionären  Treiben  unterscheiden.  Und  aucli  letzteres  ist  —  den  künst- 
lich erzeugten  Aufstand  Toledos  ausgenommen  —  wesentlich  aus  der  Ueberzeugung  hervor- 
gegangen, dass  auf  dem  gewöhnlichen  Wege  den  gegründeten  Beschwerden  Castilliens 
nicht  abgeholfen  werden  könne.  Dasjenige,  was  den  rechtlichen  Zustand  Castilliens  am 
allermeisten  verändert  hatte,  war  aber  die  Adelsmacht,  welche  sich  auf  Kosten  der  Krone, 
ihrer  Rechte,  Güter,  Einkünfte  breit  gemacht  hatte,  und  an  deren  Beschränkung  mittelst 
eines  Bürgerheeres  mit  vollstem  Bewusstsein  der  Cardinal  Jimenes  gearbeitet  hatte.  Eine 
Restauration  des  Reiches  auf  alterthümlichen  Grundlagen  tliat  nach  der  langen  Regent- 
schaft seit  1506  noth  und  daran  arbeiteten  die  Cortes  zu  Valladolid  1518,  als  sie,  den 
nachher  von  den  Comuneros  geächteten  Dr.  Zumel  an  der  Spitze  dem  jugendlichen  Könige 
Don  Carlos,  dessen  Erscheinen  mit  niederländischen  Begleitern  die  Dauer  der  Regent- 
schaft eher  vermehrte  als  minderte,  ihre  Gravamina,  88   Petitionen  überreichten. 

Man  kann  sie  mindestens  mit  dem  gleichen  Rechte  als  Ausgangspunkt  des  grossen 
spanischen  Verfassungsstreites  ansehen,  mit  welchem  spanische  Geschichtschreiber  die  in 
la  Coruua  1520  K.  Karl  übergebenen  Petitionen  als  solchen  bezeichnen.  Die  einen  wie 
die  andern,  aber  zumal  die  ersteren  wai-en  weit  entfernt  ein  revolutionäres  Ziel  zu  ver- 
folgen. Sie  bezogen  sich  zum  Theile  darauf,  dass  der  König  spanisch  sprechen,  den  Mon- 
teros  de  Espinosa  als  königlichen  Guarden  seine  Person  anvertrauen  möge  und  dergleichen 
ziemlich  unverfängliche  Bitten.  Zwischen  diesen  vom  Februar  1518  und  denen  vom  April 
und  Mai  1520  liegen  freilich  jene  zwei  verhängnissvollen  Jahre  der  Regierung  des  Herrn 
von  Chievres,  welche  Karl  um  die  Liebe  seiner  castillianischen  Unterthanen  brachten. 
Ehe  er  abreiste,  um  erst  1522  wiederzukommen,  übergaben  ihm  die  Granden  Avie  Argensolä 
in  den  Annalen  von  Aragon  sagt,  eine  neue  Anzahl  von  Bitten,  von  welchen  der  arago- 
nesische  Geschichtschreiber  behauptet,  der  Unterschied  von  ihnen  und  dem  nachherigen 
Verlangen  der  Comuneros  habe  nur  darin  bestanden,  dass  die  Granden  baten,  die  Comu- 
neros mit  Trotz  begeln-ten.  Allein  diese  Auffassung  ist  ebenso  irrig,  als  wenn  er  sagt, 
Karl  habe  sich  geweigci-t  auf  die  in  la  Coruua  an  ihn  gerichteten  Bitten  einzugehen, 
wälirend  der  König  die  wichtigsten  Bitten  gewährte,  ehe  er  Spanien  den  Rücken  kehrte, 
luir  nicht  das  thörichte  Verlangen  als  Kaiser  nicht  nach  Deutschland  zu  gehen  und 
ebenso  wenig  das  innerlich  gegründete,  einen  Einheimischen,  einen  Granden,  den  Con- 
destable,  zum  Regenten  zu  erlieben.  Die  grosse  Unzufriedenheit  der  Granden  beruhte 
auf  ihrer  persönlichen  Zurücksetzung  durch  Karl,  welcher  sich  als  rey  asoluto  betraclitete; 
die  Unzufriedenheit  der  Städte    auf  die   Bewilligung    eines    neuen   servicio    (Steuer),    ehe 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  295 

noch  die  alte  erhoben  war.  Zur  Empörung  kam  es  aber  erst  durch  das  systematische 
Schüren  der  Toledaner,  welche  schon  im  vollen  Aufstande  begriffen  waren,  als  K.  Karl 
Spanien  verliess. 

Als  es  aber  in  der  nächsten  Zeit  zu  der  santa  Junta  der  aufrührerischen  Städte  und 
ihrer  Begründung  kam,  begannen  die  eigentlichen  A^erfassungsentwQrfe,  so  von  Martin 
Mufioz  de  las  Fosadas  aus,  von  dem  bachiller  Densiso  und  der  von  Avila  selbst,  welcher 
in  den  documentos  ineditos  I  p.  272  abgedruckt  ist.  Das  ist  derselbe  von  welchen  der 
Cardinalgobernador  an  K.  Karl  am  4.  September  1520  schrieb,  die  Junta  von  Avila 
beabsichtigte  Karl  als  Usurpator  zu  bezeichnen  und  gestützt  auf  die  siete  partidas 
K.  Alfonso's  zum  Wahlgang  zu  schreiten. 

Der  Entwurf  von  Avila  enthielt  so  ziemlich  den  Rahmen  aller  nachherigen  Ver- 
fassungsentwürfe: sucesion,  consejo,  procuradores,  gobernador,  justicia,  oficios,  beneficios, 
encomiendas,  oficio  real  un  oficio,  edades,  encabezamiento,  moneda,  saca  de  pan  y  de 
carne,  enagenacion,  restitucion,  armas,  posadas,  caballos,  revocacion  de  oficios,  ordinacion 
de  gente  de  guerra,  bulas,  juramento. 

Die  weibliche  Erbfolge  wird  abgeschafft,  König  muss  ein  geborner  Castillianer  sein, 
was  K.  Karl  nicht  war.  Zu  Procuratoren  der  Cortes  sollten  ein  Hidalgo,  ein  Labrador 
(Bauer),  ein  Cleriker,  zwei  Caballeros,  ein  Franciscaner  und  ein  Dominicaner  gewählt 
werden,  was  hinlänglich  bewies,  wer  dabei  seine  Hand  im  Spiele  habe.  Das  Herberge- 
recht des  Hofes  solle  auf  drei  Tage  beschränkt,  die  der  Krone  durch  die  Granden  entzogenen 
Ländereien  zurückgegeben  werden,  was  denn  doch  die  Granden  in  la  Corufia  nicht  be- 
gehrten noch  begehren  konnten.  Die  Steuern  sollten  auf  den  Bestand  in  den  Tagen  der 
Königin  Lsabel  reducirt,  allgemeine  Bewaffnung  erlaubt,  Ausländer  von  Aemtern  und 
Pfründen  ausgeschlossen  werden. 

Man  sprach  in  den  Flitterwoclien  der  heiligen  Junta  von  Avila  von  allgemeiner 
Gleichheit  der  Castillianer,  man  wollte  den  castillianischen  Städten  einen  Rechtsstand 
verschaffen,  wie  ilm  die  italienischen  Freistaaten  besassen,  die  Granden  zwingen  die  der 
Krone  entfremdeten  Ländereien  zurückzugeben.  Gutes  und  Schlimmes,  Heilsames  und 
was  zum  grössten  Kampf  führen  musste,  schwirrten  unter  einander.  Es  blieb  aber  als 
leitender  Gedanke  der  einer  restitutio  in  integrum,  das  Zeitalter  der  Königin  Isabel, 
welche  wenig  betrauert  gestorben  war,  als  den  allgemeinen  Maassstab  zu  betrachten,  bis 
zu  welchem  die  Dinge  zurückgeführt  werden  sollten,  im  Ganzen  mehr  ein  Rückgang, 
als  ein  Fortschritt,  wie  wir  uns  Verfassungsveränderungen  im  XIX.  Jahrhundert  vorzu- 
stellen gewohnt  haben.  Ich  bemerke  übrigens,  dass  die  Angaben  Sepulveda's  IL  c.  2, 
mit  diesen  articulos  niclit  völlig  übereinstimmen. 

Es  handelte  sich  offenbar  um  mehrere  Entwiirfe,  welche  erst  später  zu  einem  Ganzen, 
einem   authentischen  Verfassungsentwurfe  redigirt  wurden. 

Dies  ist  die  Verfassung  von  Tordesillas  vom  20.  October  1520,  welche  uns  Sandoval 
aufbewahrte,  und  die  zu  den  interessantesten  politischen  Documenten  des  XVI.  Jahr- 
hundertes  gehört,  die  Möglichkeit  einer  politischen  Regeneration  Spaniens  in  sich  schloss; 
ich  möchte  sie  das  eigenthümliche  Reformationswerk  Spaniens  nennen. 

Der  Entwurf,  besser  einer  petition  of  rights  als  einer  Verfassung  bezog  sich,  1.  en 
lo  que  toca  a  las  personas  reales,  wobei  der  Satz  ausgesprochen  war,  wenn  der  Kaiser 
nach  Castillien  käme  und  dort  verweile,  werde  er  die  Welt  beherrschen;  2.  en  lo  que 
toca  a  la  casa  real.     Hiebei  wurde  verlangt,  dass  kein  Grande  ein  Amt  bekommen  solle, 


29  G  Höi'-LKR. 

welches  sich  auf  d\c  Hazienda  y  patrimonio  real  beziehe;  3.  Govcrnadores,  diese  müssten 
Eingeborne  von  Castillien  und  Leon  sein  und  mit  Zustimminig-  des  Königreichs  gewählt 
Averden.  4.  Huospedes,  Beschränkung  des  königlichen  Quartiers  auf  sechs  Tage.  5.  Alcavalas 
y  rentas  reales  y  encabezamiento,  Beschränkung  der  Alcabala  auf  das  Maass  unter  der 
Königin  Isabel  und  Bestimmung  der  Einhebung.  6.  Procuratores  de  Cortes,  servicios, 
Beseitigung  des  servicio  von  la  Coruua  und  freies  Versammlung-srecht  der  Cortes,  freie 
Vollmacliten  für  sie  und  Verbot  der  Annahme  iro-end  einer  Gnadenbezei2:uno;  für  die 
Procuratoren.  Letztere  könnten  letrados  oder  letrados  de  cortes  sich  wählen,  welche 
von  den  Städten  eine  Besoldung  empfingen.  Die  Cortes  sollten  sich  von  drei  zu  drei 
Jahren  versammeln  und  die  Procuratoren  verpflichtet  sein,  nach  längstens  vierzig  Tagen 
iliren  Städten  Rechenschaft  abzulegen.  7.  Moneda  —  Verbot  der  Ausfuhr.  Die  Münze 
solle  (en  ley  y  valoi-)  anders  sein  als  die  Münze  der  benachbarten  Staaten.  8.  Plata. 
Die  Mai-k  Silber  soll  2250  Maradevis  gelten.  9.  Bellon.  Neue  Prägung  von  Kupfer- 
münze. 10.  Sacos  de  pan  cueros  y  ganados  y  lanas.  Ausfuhrverbot  für  Brot,  Häute 
(Leder)  von  Sevilla,  Vieh  (geschlachtete  oder  lebende  Schweine)  und  Wolle.  11.  Lo 
([ue  toca  al  consejo,  audiencias,  justicias.  Entlassung  des  gegenwärtigen  Consejos,  regel- 
mässige Visitation  der  audiencias  und  chancellerias,  Ertheilung  solcher  Aemter  an  die 
Würdigen,  Ernennung  eines  Veedor  bei  jeder  audiencia  und  chancillaria,  welcher  auf 
gehörige  Residenz  der  Beamten  halten.  Die  Oydores  und  Alcalden  sollen  sich  nicht  für 
Hei-ren  ihrer  Aemter  noch  für  beeinträchtigt  ansehen,  wenn  andere  an  ihre  Stelle  treten, 
12.  Consejo  y  audiencias.  Ausschluss  der  Fremden  und  \  ernichtung  der  ertheilten 
Naturalisation,  Beschränkung  auf  Ein  Amt,  Reform  der  Geschäftsgebahrung,  Appellation 
von  den  Criminalsentenzen,  Reform  der  Corregidores  und  Alcalden,  Einfülirung  besoldeter 
Stadtrichter.  13.  Encomiendas  y  consejo  de  las  ordenes  (der  drei  Ritterorden).  Einführung- 
grösserer  Ordnung  in  der  Verwaltung.  14.  Bullas  y  cruzadas  y  com^^osicion.  Fest- 
stellung einer  bestimmten  Ordnung  in  Betreif  der  Verktlndigung  von  Ablassbullen  durch 
<lie  Cortes,  Verwendung  dieser  Gelder  für  den  Kampf  mit  den  Moren.  15.  Indias,  Islas 
y  teri'a  firma.  Widerruf  aller  Gnadenbezeugungen  zu  Gunsten  Einzelner,  wodurch 
die  Indier  (siendo  como  son  christianos)  als  Ungläubige  und  Sclaven  behandelt  wurden. 
Die  casa  de  la  contratacion  solle  in  Sevilla  bleiben.  Ki.  Mercedes.  Keine  Verleihung- 
confiscirter  Güter,  noch  an  Richter  statt  der  Besoldung,  ebenso  wenig  von  Perlen  und  Gelder 
(Gold  und  Silber),  was  sich  auf  die  Gunstbezeugungen  an  die  Flamänder  bezog),  ebenso 
wenig  A-'erleiliung  von  Gütern  der  königlichen  Krone,  Restituirung  aller  seit  1504  ver- 
liehenen Städte,  Orte,  Jurisdictionen,  Salinen,  Silber-,  Gold-  und  anderer  l^ergwerke,  der 
Briefe  vmd  Privilegien  von  Ilidalguias,  Ex^iectatlven  auf  Aemter  und  AVürden  lebender 
Personen.  Entlassung  der  sclilechten  Beamten  der  casa  real,  die  sich  grosses  Vermögen 
erwarben.  Aufhören  aller  Aemterverkäufe  und  Erledigung  aller  solcher  erkauften 
Aemter,  Aufhören  aller  Cumulation,  Todesstrafe  für  diejenigen,  welche  von  den  seit 
1516  erkauften  Aemtern  Gebi-aucii  machten.  17.  Residencias.  Innerhalb  dreissig  Tage 
nach  Bestätigung  dieser  „capitulos  y  leyes"  solle  der  König  Commissäre  ernennen,  denen 
die  Beamten  des  patrimonio  real  Rechensciiaft  abzulegen  hätten  seit  der  Zeit,  dass 
K.  Ferdinand  V.  diese  Königreiche  verwaltete;  ;iber  auch  diejenigen,  welche  die  Einnahmen 
der  cruzadas,  dann  von  Indien,  zu  verwalten  liiUten.  18.  Perlados  e  cosas  particulares. 
Kirchliche  Pfründen  könnten  nur  an  Einheiini>clie  vergeben  werden,  namentlich  das  Erz- 
bisthum  Toledo  nicht  an   den  Vetter  des  Hrn.  v.  Chievres,  welcher  anderwärts  entschädigt 


ZuK  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegierüngsjahrk  K.  Karls  V.  297 

werden  solle.  Alle  Naturalisationen  sollen  zurückgenommen  werden,  die  Prälaten  den 
grössern  Theil  des  Jahres  auf  ihren  Pfründen  zubringen  und  dazu  binnen  eines  Jahres 
eine  papstliche  Bulle  veranlasst  werden.  19.  Eegidores.  Diese,  die  24  jurados  und  die 
andern  Mitglieder  des  consejo  der  Städte  sollten  keine  Licenzen  als  Seüores  erhalten 
noch  Advocaten  sein.  20.  Enagenacion  de  bienes  de  la  corona  Real  e  juros.  Alle  Ver- 
äusserungen,  welche  von  Orten,  Festungen  gegen  das  Testament  der  Königin  Isabel 
stattgefunden,  sollten  aufgehoben  sein.  21.  Fortalezas  y  Alcaldias.  Feste  Plätze  und 
Alcaldien  sollten  nur  an  Eingeborne  verliehen  und  die  Verleihungen  an  Fremde  und 
Naturalisirte  zurückgenommen  werden.  Antonio  de  Fonseca,  der  vom  Könige  ernannte 
Generalcapitän,  solle  seine  tenencias  und  oiicios  verlieren,  Festungen  und  Alcaldien  an 
kein  senores  de  titulo,  de  estado  noch  an  einen  gran  senor  verliehen  werden.  Die 
Grenzfestungen  sollen  von  zwei  zu  zwei  Jahren  visitirt  werden.  22.  Panos.  Die  fremden 
Tücher  sollten  nach  der  Px-agmatik  sein,  die  darüber  erlassen  war.  23.  Contribucion.  Diese 
bezog  sich  auf  die  Verpflichtungen  derer,  Avelche  früher  zu  den  Stadtmarken  gehörten, 
nie  aber  unter  senores  standen.  24.  Generales.  Unter  diesem  Titel  kam  noch  eine  Reihe 
von  Bitten  und  namentlich  Rechtfertigung  des  bisherigen  Verfahrens  der  Städte.  Auch 
dass  der  König  in  Ausführung  bringe,  was  Gutes  zu  Valladolid  und  in  la  Coruüa  (!) 
von  den  Cortes  beschlossen  worden  sei.  Sie  stellten  das  Begehren  eines  allgemeinen 
Pardon,  Zurücknahme  der  Processe  des  Consejo  und  des  Alcalde  Ronquillo;  der  König 
möge  befehlen,  dass  diese  capitulos  als  unveränderliche  Gesetze  gehalten  würden,  weshalb 
denn  aucli  die  (eventuelle)  Genehmigung  imd  Ausfertigung  (por  via  de  contrato  hecho 
e  contraydo  entre  nos  e  los  dechos  nuestros  reynos  de  Castilla  e  de  Leon  e  de  pro- 
curadores  dellos  e  con  las  comunidades  e  vezinos  e  moi-adores  dellos)  hinzugefügt  wurde, 
gleich  als  sei  dies  Alles  proprio  motu  erfolgt,  mit  dem  Befehle  an  den  Consejo,  die 
audiencias  oder  chancilliarias,  für  die  Ausführung  Sorge  zu  tragen,  als  unveidetzliche 
Gesetze  des  Reiches  por  via  de  contrato.' 

Man  sieht,  an  die  Stelle  der  bisherigen  Verschwommenheit  und  Unklarheit,  wie  sie 
bei  der  Junta  von  Avila  hervorgetreten,  war  eine  grosse  Bestimmtheit  und  Klarheit  des 
Begehrens,  sowie  das  auf  grosser  Kenntniss  der  sachlichen  Verhältnisse  des  Königreichs 
beruhende  Verlangen  getreten,  mit  dem  Könige  einen  beide  Theile  für  ewige  Zeiten 
bindenden  Vertrag  einzugehen,  der  Castillien  und  Leon  innere  Ordnung  und  also  jene 
Macht  verlieh,  die  zu  ihrer  Voraussetzung,  Aufrichtung  eines  Rechtszustandes  bedurfte. 
Der  Entwurf  war  zwar  kein  modernes  Verfassungselaborat  in  allgemeinen  Sätzen,  sondern 
beruhte  auf  einer  tiefen  Kenntniss  castillianischer  Zustände,  der  Rechtsverhältnisse  und 
der  socialen  Veränderungen,  die  in  Folge  der  Verwahrlosung  von  Seite  der  Regierung 
und  systematischer  Ausbeutung  des  Volkes  durch  die  Granden  eingetreten  Avaren.  Es  ist 
zu  bedauern,  dass  die  spanischen  Geschichtschreiber  so  rasch  darüber  hinweggleiten, 
während  die  Beschwerden  erst  den  factischen  Zustand  und  wohin  es  mit  Castillien 
gekommen  war,  aufdecken;  die  Einzelnheiten,  welche  sich  auf  die  Rechtspflege,  die 
Administration  beziehen,  vollständig  zu  verstehen,  ist  weniger  die  Sache  eines  Nicht- 
spaniers  als  eines  Einheimischen.     Ich  möchte  nicht    zweifeln,    dass  Don  Pedro  Laso  de 


1  Samloval    I,    pag.    33S.     Wie    K.    Karl    in    der  Achtserklärung    sagt,    war  die  carta  signada  de  Lope  de    Pallares  escrivan.i 
Argensüla  p.   1122.  Die  kaiserliche  Erklärung  ist  vom  Jahre  1520,  als  Karl  noch  nicht  wusste,  dass  Turdcsillas  den  Rebellen 
abgenommen  war. 
Denkschriften  der  pliU.-hist.  Cl.  .XXV.  lid.  38 


9qö  Höl'LKR. 

la  ^'eo•a,  welcher  nachher  118  capitulos  als  Grundlage  der  Unterhandkmgen  mit  den 
Gi-anden  /Aisammenstellte,  der  Verfasser  des  Entwurfes  war.  Es  ist  gewiss,  dass  der 
contrato  uno-emein  viel  Treffliches,  Richtiges  und  Wünschenswerthes  enthielt  und  von 
der  Durchführung  des  Einzelnen  wirklich  die  Besserung  der  sj)anischen  Verhältnisse 
bedino-t  war.  Allein  ebenso  gewiss  war,  dass  K.  Karl  ohne  geradezu  sich  selbst  aufzu- 
geben, auf  viele  Forderungen  nicht  eingehen  konnte,  nicht  eingehen  durfte  und  zwar 
o-ilt  dies  ebenso  von  der  Bestimmung  in  Betreff  der  Succession  als  in  Bezug  auf  den 
consejo,  den  Gobernador  und  die  Bestrafung  Fonseca's,  der  nur  im  Auftrage  des  consejo 
und  Governador  gehandelt  hatte.  Wie  konnte  man  glauben,  dass  der  Kaiser  ohne  durch 
eine  verlorene  Schlacht  dazu  gezwungen  zu  sein,  sich  durch  den  contrato  die  Hände 
für  immei-  werde  binden  lassen?  Nun  liatte  aber  der  Kaiser  bereits  gesprochen,  seine 
Nacho-iebigkeit  in  gewissen  Dingen  gezeigt,  aber  gerade  dadurch  auch  positiv  zu  erkennen 
o-egeben,  dass  er  einen  weiteren  Schritt  nicht  zu  thun  gedenke,  ja  jede  Zumuthung  per- 
horrescire.  Es  war  ferner  die  Frage  berechtigt,  ob  die  Uebelstände  Spaniens  nicht  tiefer 
lao-en,  als  dass  sie  durch  einen  Contract  zwischen  dem  König  und  den  Comunidades 
oehoben  werden  konnten,  der  so  grosse  sociale  Uebelstände  unberührt  Hess,  an  den 
Bauern  (labradores)  vorüberging  und  das  Grundübel  Spaniens,  den  deshonor  del  trabajo 
nicht  in  eine  ehrenvolle  Stellung  der  Arbeit  und  der  Arbeiter  umwandelte.  Andererseits 
war  auch  gewiss,  dass  so  wie  einmal  die  Parteien  einander  gegenüber  standen,  der  con- 
trato vom  Könige  zurückgewiesen  wurde,  von  den  Comunidades  nur  mit  Gewalt  der  Waffen 
durchgesetzt  werden  konnte.  Siegten  aber  die  Comunidades  mit  Hülfe  der  Granden 
oder  ohne  diese  über  den  König,  so  war  wieder  keine  Bürgschaft  vorhanden,  dass  die 
siegende  Partei  bei  dem  contrato  stehen  bleiben  werde,  sondern  selbst  mehr  als  wahr- 
scheinlich, dass  mit  dem  Siege  die  extreme  Partei  unter  den  Comunidades  zum  Siege 
kommen  werde,  vor  der  Hand  die  Partei  Padillas,  welcher  nach  dem  Grossmeistertliume  griff; 
an  sich,   an  den  eigenen  Nutzen  und  niclit  an   das  dachte,  was  dem  Königreiche  frommte. 

Von  diesem  Verfassungsentwurfe,  welcher  auf  dem  Papiere  blieb  und  nur  eine 
historische  (antiquarische)  Bedeutung  erlangte,  gehen  nun  zwei  Richtungen  aus,  die  sich 
aber  in  gleicher  Weise  in  den  Sand  veidaufen.  In  dem  Augenblicke,  in  welchem  der 
Almirante  die  Unterhandlungen  in  seine  Hand  nimmt,  erhalten  diese  das  Ziel,  die  Feind- 
schaft der  Comuneros  gegen  die  Granden  möglichst  abzuschwächen  und  es  nicht  zu 
einem  Kampfe  auf  Leben  und  Tod  zwischen  den  beiden  Ständen  kommen  zu  lassen. 
Und  als  dann  Don  Pedro  Laso  den  Faden  der  Unterhandlungen  wieder  aufnimmt,  ist  es 
ganz  besonders  der  Gedanke,  den  Cardinalgobernador  für  eine  Concordia  und  zwar 
durch  Preisgebung  der  einen  oder  anderen  extremen  Forderung  zu  gewinnen.  Bei  beiden 
Richtungen  aber  tritt,  wenn  sie  auch  ihr  Ziel  verfehlen,  doch  das  sehr  achtbare  hervor, 
womöglicli  mit  Vermeidung  des  Blutvergiessens,  mit  Beseitigung  des  Bürgerkrieges  zu 
einem  gegenseitigen  Verständnisse  —  Concordia  zu  gelangen. 

Zu  den  ersteren  gehören  die  von  Quevedo  p.  316—319  publicirten  Artikel  des 
Almirante,  Versprechungen,  die  dieser  der  Junta  machte,  wenn  sie  die  Königin  frei  imd 
dem  Könige  die  von  ihnen  usurpirte  Regierung  zurückgeben  wollten.  Diese  Artikel 
zweifelsohne  vonTorreLobatonvom  19.  November  1520,  hatten  aber  keine  andere  Bedeutung 
als  die  Meinungsäusserung  eines  hochgestellten  Mannes,  der  zu  diesen  Versprechungen 
nicht  autorisirt  war  und  da  sie  gerade  in  die  Zeit  der  Absendung  des  Verfassungs- 
entwurfes fielen,  so  brauchten  sich  die  Junteros  um  sie  eigentlich  gar  nicht  zu  kümmern. 


Zur  Kkitik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Eegierungsjaiire  K.  Karls  V.  299 

Sie  erwarteten  Abhilfe  von  der  Annahme  des  Contrato  von  Seite  des  Königs  und  nicht 
von  dem  Almirante. 

Ein  gleiches  Schicksal  hatten  die  Capitulos,  welche  Don  Antonio  de  Guevara  als 
angebliches  Ultimatum  von  Seiten  der  Gobernadoren  an  Don  Pedro  Giron  in  Villabraxima 
überbrachte  und  die  in  den  epistolas  familiäres  enthalten  sind.  Sie  wurden  einfach  ab- 
gewiesen. Der  Contrato  war  wie  die  Mosisschlange,  welche  die  kleinen  Schlangen  auffrass. 
Aber  auch,  als  von  Tordesillas,  Frühling  1521,  von  Don  Pedro  Laso  und  dem  Bachiller  von 
Guadalajara  die  Unterhandlungen  über  118  Capitulos  —  d.  h.  die  einzelnen  Sätze  des 
Contrato  stattfanden,  führten  diese  zu  keinem  Resultate.  Da  Juan  de  Padilla  auf  die 
Entscheidung  durch  das  Schwert  drang  und  dann  doch  nicht  ihr  die  gewünschte  Wir- 
kung zu  geben  wusste,  zerhieb  das  Schwert  von  Villalar  aucli  alle  Unterhandlungen  und 
es  gab   nur  mehr  —  Ergebung  an   den  Sieger. 

Ich  theile  hier  zuerst  die  Capitel  mit,  welche  Guevara  als  Ultimatum  übergab  und 
von  denen  Quevedo  (p.  319)  mit  Recht  sagt,  sie  seien,  wenn  auch  nicht  der  Ordnung 
nach,  doch  dem  Wesen  nach  dieselben,  die  ich  als  die  von  Torre  Lobadon  bezeichnete. 
Villabraxima:  Anträge  des  Fray  Antonio  de  Guevara,  November  1520. 

1.  Ninguna  vez  que  saliera  el  monarco  del  reino  se  pondria  gobernador  quo  no 
fuese  castellano. 

2.  Todas  las  dignidades  tenencias  encomiendas  y  oficios  del  reino  y  la  corte  se 
darian  a  naturales. 

3.  Se  encabezian  las  rentas  en  un  honesto  y  mediane  arrendamiento. 

4.  Si  en  el  consejo  real  se  hallara  alguno  oidor  6  fiscal  ü  otro  oficial,  incluso  el 
presidente,  que  no  fuera  cuerdo  para  gobernar,  para  sentenciar  docto  y  en  vivir  honesto, 
le  absolveria  el  rey  del  oficio  y  le  daria  a  comer  en  otro  cabo. 

5.  En  adel-ante  mandaria  sa  Magestad  d  los  alcaldes  de  corte  y  chancellarias  que 
no  mostraran  en  lo  que  proveian  tan  absolutes,    ni   en    lo    que   castigaban    tan    rigoroses. 

6.  Reformaria  el  rey  su  casa  y  cercenaria  los  eccesivos  gastos  de  su  dispensa. 

7.  Per  estrema  necessitad  que  tuviese  no  secaria  ningun  dinero  para  llevar  ä  Ale- 
mania,  ni  4  Flandes,  ni  a  Italia. 

8.  Ni  permitiria  que  se  cargasen  en  naos  estrangeras  hierro  de  Viscaya,  alumbres 
de  Murcia,  vituallas  de  Andalucia  y  sacas  de  Burgos. 

9.  Tampoco  daria  fortaleza,  castillo,  roquas,  casa,  fuerte,  puente,  puerta,  torre,  sino 
fuere  (i  hijosdalgo,  llanos  y  abonados,  y  no  a  caballeros  poderosos. 

10.  Se  abstendria  de  otorgar  cedulas  para  llevar  ä  Portugal  pan  de  tierra  de  campos 
y  de  la  Mancha  ä  Valencia. 

11.  Con  toda  brevitad  se  versian  los  litigiös  entre  el  conde  de  Benalcazar  y  Toledo, 
Don  Fernando  Chacon  y  Segovia,  la  ciudad  de  Jaen  y  la  villa  de  Martos,  Valladolid  y 
Simancas,  don  Pedro  Giron  y  el  duque  de  Medina  Sidonia. 

12.  En  fin  mandaria  su  Magestad  reformar  los  träges,  tasar  los  casamientos,  dar  ley 
A  los  convites,  reformar  los  monasterios,  visitar  las  chancillarias,  reparar  las  fortalizas 
y  fortificar  las  fronteras  todas. 

Ferrer  p.   145. 

Nun  muss  man  aber  mit  diesem  Ultimatum  vergleichen,  was  der  Almirante  gleich 
anfänglich  der  Junta  verhiess,  wenn  sie  die  von  ihm  gestellten  Bedingungen  annehmen 
wolle : 

38* 


;300  ^''"'^="- 


l'romoto  en  iiombre  ilcl  Rey'  i|ue  sii  Magestad 

1.  encabezarä  las  rentas  coiü'onue  a  la  clausula  del   testamento  de  la  catolica  Reina 

(Isabel) ; 

2.  quitai-a  el  Servicio  quo  ecbu  en  la  Coruna  6  i^ue  de  Miui  adelante,  cuando  los 
pecharen,  sertl  con  voto  de  las  cibdades,  e  por  cosa  que  inanifies tarnen te  vean  que  con- 
viene  e  con  voluntad  de  ellas;  e  que  quedaren  llbres  pro  siempre  los  procuradores  con 
poder  de  consultar,  6  como  ellos  quisieron;  y  que  el  servicio  este  depositado  en  nombre 
de  las  cibdadas,  porque  non  pueda  ser  gastado  en  otra  cosa  si  no  en  aquello  por  que 
serä  demandado  e  otorgado,  y  esto  viendo  la  manifesta  nccessidad  6  aun  en  ella  non 
habra  fuerzas  sinon  con  su  voluntad-, 

3.  otorgarä  su  Alteza  que  ninguna  dignidad  ni  beneficio  ni  oficio,  ni  encomienda  ni 
tenencia  non  pueda  ser  dada  a  estrangeros; 

4.  que  no  se  sacara  ninguna  moneda  de  Castilla  6  que  para  esto  se  darä  toda  la 
orden  e  siguridad  necessaria; 

5.  que  en  el  derecho  de  las  balas  se  terna  la  forma  que  en  las  cibdades  de  Italia 
sin  hacer  vejaciones  ni  descomuniones  como  en  las  cibdades  se  tiene; 

6.  quitai-ä  todas  las  posadas  del  reino,  que  jamas  se   aposenten   sinon    por    dineros; 

7.  revocartl  las  naturalezas  que  ha  dado  en  el  reino; 

8.  no  se  encargera  en  naos  estrangeras  si  non  las  del  reino; 

9.  dara  los  corregimientos  conforme  ä  las  leyes  del  reino  y  no  erd,  contra  ellas; 

10.  guardara  todas  las  leyes  del  reino  como  lo  ba  jurado  y  las  provecliosas  al  reino 

aunque  no  se  hayan  usado; 

11.  que  si  han  puesto  algunas  imposiciones  o  becbo  cuerpo  de  rentas  en  alguna 
manera  que  ne  fue  acostumbrada  que  se  revocarä; 

12.  que  ningun  oficial  del  reino  ternä  mas  de  un  oficio  y  que  los  oficiales  de  la 
casa  real  seran  castellanos  y  no  estrangeros  e  que  la  casa  real  estara  en  pie  con  todos 
los  Caballeros  e  continuos  que  solian  teuer  los  pasados;. 

13.  que  todos  los  oficios  que  vacaren  serän  proveidos  en  Castella,  e  non  fuera  del 
reino,  e  que  asi  sera  lo  de  las  renunciaciones; 

14.  que  el  consejo  i  cbancellaria  se  porna  de  personas  de  ciencia  e  de  conciencia  y 
tales  que  el  reino  no  pueda  de  ellos  teuer  sospecha,  i  y  que  su  Magestad  mandarä  tomarles 
residencia  de  3  en  3  afxos  e  a  sus  presidentes  e  alcaldes  del  consejo  e  cbancellaria  e  de 

la  Corte; 

15.  que  se  tomarä  estrecba  cuenta  a  los    oficiales    reales    para    saber    de    las    rentas 

del  rey  que  se  ban  becbo; 

16.  que  se  veran  los  cambios  y  logros  que  se   ban   pasado   y   que   se   barä  restituir 

todo  lo  mal  levado; 

17.  que  se  bara  perdon  general  a  todo  el  reino  de  todas  las  cosas  pasadas,  ansi 
para  perlados  como  para  caballeros  como  para  las  comunidades  y  pueblos  de  todo  el 
reino  y  que  su  Magestad  dard  forma  para  que  se  satisfaga  el  dailo  que  se  bizo  en  la 
Villa  de  Medina  del  Campo  en  la  guerna  e  por  los  otros  danos  que  se  ban  becbo  en 
el  reino. 


1  Dieses    war    von    Anfang    eine    Unwahrheit.     Der    Klinig    daclite    gar    nicht    daran,    derartige    Versprechungen  zu  machen, 
geschweige  sie  zu  lullten. 


ZUK  KliiniC  UND  QUELI.KNKONÜE    DER  EkSTEN  ReGIERUNGSJAHRE    K.  KaRLS  V.  301 

18.  que  la  gente  de  arma  serä  pagada  de  cuatro  en  cuatro  meses  de  manera  que 
no  pueden  comer  en  los  aposentos  ä  costa  de  los  pueblos; 

19.  que  los  fortalezas  que  tienen  agora  tomadas  las  tengan  asi  hasta  que  esto  se 
firme  e  cumpla  con  tal  que  seyendo  firmado  los  dejen  como  antes  estaban.  (Ms.) 

Das  Alles  aber  sollte  nach  der  Meinung  des  Almirante  von  K.  Karl  binnen  drei 
Monaten  bekräftigt  werden.  Man  musste  aber  K.  Karl  gar  niclit  kennen,  wenn  man 
glaubte,  er  werde  hierauf  eingehen.  Offenbar  dachte  der  Almirante  daran,  den  König 
mit  Hilfe  der  Comuneros  zu  zwingen,  diese  Zugeständnisse  zu  machen  und  dadurch  sich 
selbst  eine  Stellung  in  Castillien  zu  verschaffen,  wie  sie    der  justicia  in  Aragon   besass. 

Nun  existiren  neben  diesen  Versprechungen  des  Almii-ante  auch  noch  andere  von 
ihm  und  zwar  in  Briefen  an  die  Städte,  wie  an  Segovia,  wo  man  aber-  überzeugt  sein 
kann,  dass  er,  der  so  viel  schrieb  und  versprach,  Toledo  und  andern  Städten  ähnliche 
Versprechungen  machte.  Wir  wissen  aus  Gamero,  dass  er  durch  Fr.  Gonzalo  de  la 
Pefia  an  Segovia  anbieten  Hess: 

1.  que  no  se  den  en  estos  reinos  oficios  ni  beneficios  a  estrangeros; 

2.  que  se  reboquen  las  naturalezas  dadas  y  que  no  se  den  mas; 

3.  que  las  alcabalas  se  den  por  cabez  or  perpetuamente  y  forma  en  que  los  enca- 
bezo  el  Cardenal  (Jimenez)  el  ano  que  el  rey  catholico  murio  y  en  missmo  precio 
y  no  de  otra  manera; 

4.  que  quanto  a  las  cortes,  se  embiaren  procuradores  que  sean  hechos  con  eleccion 
de  las  ciudades  sin  ser  apremiados; 

5.  que  quando  pidieron  servicio,  que  sea  acordado  por  el  reyno,  si  es  para  cosas 
de  necesitades  y  que  no  se  pueda  gastar  en  otras  cosas; 

6.  que  no  se  pueden  vender  oficios  y  si  los  vendieran,  que  los  perdan  los  vendi- 
dores  y  compradores; 

7.  que  todos  las  imposiciones  puestas  despues  que  murio  el  rey  catholico  sean  quitadas; 

8.  que  se  den  las  posadas  (huospedes)  como  en  el  reyno  de  Aragon  escepto  a  las 
gentes  de  las  guardas ; 

9.  que  no  se  paguen  los  salarios  de  la  Inquisicion  de  los  bienes  confiscados,  sino 
que  el  rey  6  el  papa  los  pague  de  su  camara; 

10.  que  los  Alcaldes  de  la  corte  hagan  residencia  de  tres  en  tres  afios; 

11.  que  se  alguno  de  los  del  consejo  fuere  acusado,  que  sea  hecho  justicia; 

12.  que  la  cruzada  anda  como  en  Italia,  sin  que  sean  apremiados  de  otro  manera 
ä  tomarla  por  escusar  males  y  que  no  puedan  excomulgar  por  Papa; 

13.  que  se  guarda  la  ley  de  no  cargar  en   naos    de    estrangeros    sino    de    naturales; 

14.  que  no  salga  moneda  del  ßeyno  y  que  para  esto  haya  grandes  penas; 

15.  que  en  la   casa  real  ninguna  pueda  tener  mas  de  un  oficio. 
(Gamero  apendice  III  p.   154  zu  Alcocer.  Sevilla  1872.) 

Beinahe  möchte  man  glauben,  sie  seien  nichts  Anderes  als  ein  Auszug  aus  dem 
Contrato  mit  Hinweglassung  der  Stellen,  die  sich  auf  den  König  und  auf  die  Granden 
resp.  die  Restitution  der  Krongüter  bezogen,  welche  die  Granden  an  sich  gerissen 
hatten.  Schon  weil  dieser  Punkt  weggeblieben  war,  hatte  das  Anerbieten  des  Almirante, 
das  gewiss  allen  Städten,  nicht  blos  Segovia  allein  gemacht  worden  war,  keine  Wirkung. 

Wie  verhält  sich  nun  das  angebliche  Ultimatum  der  Granden,  das  nach  seiner  Be- 
hauptung Fray  Antonio  de  Guevara  Anfang  November  im  Namen  der  Governadoren  und 


302  Höfleu. 

Granden  den  Capitanos  der  Junta  tiberbraclite,  zu  den  Vorschlägen  des  Almirante  an 
Segovia?  Diese  enthalten  15,  jene  nur  12  Punkte.  Im  Ultimatum  ist  von  den  Cortes 
und  von  der  Inquisition  keine  Rede;  was  Naturalisation,  Verbot  der  Ausfuhr  gewisser 
Gegenstände  betrift't,  so  stimmen  selbst  beide  zusammen.  Im  Ultimatum  ist  vom  Ver- 
kauf von  Aemtern  keine  Iledo  mehr.  Wohl  aber  liegt  der  Nachdruck  in  c.  9,  dass 
Festungen,  Brücken,  Thore,  Thürme  etc.  nicht  an  mächtige  Caballeros  verliehen  werden 
sollten.  Es  hatte  lange  gedauert,  bis  die  Granden  dieses  in  ihr  Fleisch  tief  einschneidende 
Zugeständniss  machten,  und  als  sie  es  endlich  machten,  wurde  es  von  der  Junta  nicht 
angenommen. 

Im  Ganzen  möchte  icli  nicht  daran  zweifeln,  dass  die  Vorschläge  an  Segovia  gemacht 
wurden,  ehe  der  Almirante  aus  Catalonien  nach  Castillien  kam;  dass  die  19  Punkte,  die 
Vorschläge  von  Torre  Lobaton  waren;  dass  die  12  Punkte  Guevara's  mit  dem  die  Granden 
so  sehr  benachtheiligenden  §  9  wirklich  ein  Ultimatum  enthielten,  ehe  es  zum  Kampfe 
Ende  November  1520  kam.  Was  aber  die  Glaubwürdigkeit  Guevara's  selbst  betrifft  und 
wie  wenig  seinen  positiven  Angaben  über  seine  Mission  —  angeblich  am  2.  November  1520 
—  eine  Zuverlässigkeit  zuerkannt  werden  kann,  wird  da  erhellen,  wo  wir  auf  Guevara's 
epistolas  familiäres  zu  sprechen  kommen.  Nichts  desto  weniger  verdienen  die  von  ihm 
ausgegangenen  Propositionen  alle  Beachtung;  nur  findet  sich  keine  Spur  vor,  dass  der 
Gobernador-Cardinal  und  der  Gobernador  Condestable  damit  einverstanden  waren,  und 
was  den  dritten  Gobernador  betraf,  den  Almirante,  so  weigerte  sich  dieser  noch  fort- 
während (1520)  dieses  Amt  anzutreten,  während  er  der  Junta  gegenüber  sich  benahm, 
als  hinge  die  ganze  Entscheidung  von  ihm  ab. 

Gerade  die  Unterhandlungen,  welche  er  im  Namen  des  Königs  führt,  ohne  dazu 
auch  nur  im  Mindesten  ermächtigt  zu  sein,  beweisen,  wie  gut  der  König  verfuhr,  als  er 
bei  seiner  Abreise  keinem  Granden  die  Regentschaft  übertrug  —  und  zweitens  wie  sehr 
die  Granden  mit  den  Comuneros  gemeinsame  Sache  zu  machen  strebten.  Der  König 
durfte  doppelt  auf  seiner  Hut  sein.  Er  war  es,  indem  'er  weder  auf  die  Wünsche  der 
Einen  nocli  der  Andern  einging! 


B.  Schriftsteller. 


1.  Von  den  spanischen  Quellenwerken  über  den  Aufstand  der  Comunidades  behauptet 
Pedro  de  Alcocer  relacion  de  algunas  cosas  que  pasaron  en  estos  reinos  desde 
que  muriö  la  reina  catolica  Doiia  Isabel  hasta  que  se  acabaron  las  comuni- 
dades en  la  ciudad  de  Toledo  (Sevilla   1872)  einen  vorzüglichen  Rang. 

Ich  überlasse  es  den  spanischen  Geschichtsforschern  zu  erweisen,  ob  unter  diesem 
Namen  sich  der  Canonicus  Juan  de  Vergara  barg.  Der  Verfasser  der  relacion  war 
jedenfalls  ein  Zeitgenosse  und  theilt  Berichte  von  Augenzeugen  mit.  Geschichtschreiber 
von  Toledo,  war  er  mit  den  Ereignissen  Spaniens  in  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts wohl  bekannt;  aber  er  ist  eigentlicli  kein  Geschichtschreiber  des  Aufstandes 
der  Comuneros.  Er  beginnt  seine  Relation  mit  der  Ankunft  der  Königin  Juana  und 
ihres  Gemales  K.  Philipps  in  Spanien  nach  dem  Tode  der  Königin  Isabel  1504  und 
führt  den  Leser  sogleich  in  die  Zerwürfnisse  an  dem  castillischen  Hofe  ein,  deren  Seele 


Zur  Kritik  dnd  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  303 

Don  Juan  Manuel  war,  welcher  den  König  ganz  beherrschte.  Ihm  entgegen  stellt  er  Don 
Pedro  Lopez  de  Padilla ,  welcher  anfänglich  als  Vertheidiger  der  Königin  Juana  auf- 
trat, und  schildert  die  gewaltigen  Zerwürfnisse,  die  durch  die  Adelsfactionen  in  den 
Städten  entstanden,  als  K.  Philipp  1506  plötzlich  starb,  worauf  sein  ßathgeber  Don 
Juan  Manuel  sogleich  vor  K.  Ferdinand  die  Flucht  ergriff.  Aber  auch  in  den  nächsten 
Capiteln  kommt  er  noch  lange  nicht  zum  Aufstand  der  Comuneros,  wohl  aber  weist  er 
die  bedeutende  Stellung  nach,  die  Lopez  de  Padilla  in  den  Tagen  K.  Ferdinands  ein- 
nahm. Erst  im  siebenten  Capitel  (von  19)  kommt  er  auf  den  Tod  K.  Ferdinands  zu 
sprechen,  im  achten  auf  K.  Karl's  Anwesenheit  und  wie  Herr  von  Chievres  die  Hidalgos 
dazu  zu  bringen  suchte,  die  Alcabala  zu  entrichten.  Bei  dieser  Gelegenheit  tritt  Juan 
de  Padilla,  des  Pedro  Lopez  Sohn,  zum  ersten  Male  auf  und  zwar  um  den  Adel  aufzu- 
fordern die  Steuer  nicht  zu  bezahlen,  wofür  er  von  seinem  Vater  Lob  erhielt.  Als  aber 
nun  der  Aufstand  ausbricht,  Segovia  die  Hilfe  von  Toledo  anfleht,  Juan  de  Padilla  statt 
Laso  de  la  Yega's  Capitän  wird,  tadelt  der  Vater  diesen  Schritt  sehr.  (Caj)itel  neun.) 
Die  weiteren  Cajiitel  sind  nun  dem  Schicksale  Juans  gewidmet.  Allein  gerade  hier  ist 
seine  Erzählung  lückenhaft  und  ungenau.  Er  lässt  Don  Juan  nach  der  p]roberung  von 
Tordesillas  wegen  der  Krankheit  seiner  Gemalin  nach  Toledo  gehen,  Don  Pedro  Giron 
wird  dadurch  Generalcapitän  und  verrieth  Tordesillas  an  die  Granden  1520.  Dasselbe 
thut  auch  Don  Laso  de  la  Vega  (Sohn  des  comendador  mayor  de  Leon,  Garci  Laso  de  la  Vega) 
aus  Eifersucht  gegen  Don  Juan,  als  letzterer  von  Torre  Lobaton  nach  Toro  ziehen  will. 
Don  Laso  gibt  den  Tag  des  Auszuges  an,  worauf  die  Gobernadoren  den  Generalcapitän 
überfallen,  schlagen,  gefangen  nehmen,  hinrichten,  1521.  Aber  selbst  Alcocer  muss  zu- 
gestehen, dass  Don  Juan  grosse  Fehler  machte,  wenn  auch  sein  tragisches  Ende  diese 
bedeckte.  Von  den  letzten  sechs  Capiteln  (13 — 19),  sind  drei  seiner  Witwe,  Dona 
Maria  Pacheco  gewidmet  und  dienen  zur  Verherrlichung  dieser  Frau,  deren  Lichtseiten 
ebenso  grosse  Schattenseiten  gegenüber  standen.  Das  vierzehnte  und  fünfzehnte  be- 
schäftigt sich  mit  dem  Bischöfe  von  Zamora,  Don  Antonio  de  Acuüa,  wohl  der  bedeu- 
tendsten Persönlichkeit  unter  den  Aufständischen,  der  nach  Alcocer  ein  Heer  von  Mördern 
und  Verbrechern  sammelte  und  Toledo  plündern  wollte,  was  Dona  Maria  hinderte.  Endlich 
erfolgt  die  Capitulation  von  Toledo,  der  Versuch  einer  neuen  Revolution,  zuletzt  die 
Flucht  der  Dona  Maria  nach  Portugal  und  die  Zerstörung  des  Padillanischen  Hauses  auf 
Befehl  Di-.  Zumels.  Damit  wäre  eigentlich  das  Werk  zum  Abschluss  gekommen.  Nichts 
destoweniger  bespricht  im  neunzehnten  Capitel  Alcocer  das  Einverständniss  der  Auf- 
ständischen in  Toledo  mit  den  Franzosen  und  die  Gründe  des  Widerstandes  der  Stadt, 
nachdem  Juan  de  Padilla  schon  gefallen  war.  Es  fällt  ihm  nicht  ein,  diesen  A^errath 
entschuldigen  zu  wollen.  —  Man  kann  so  nicht  sagen,  dass  Alcocer  eine  Geschichte  des 
Aufstandes  der  Comuneros  gebe;  es  war  auch  nicht  seine  Absicht  es  zu  thun.  Er  gibt 
eine  Reihe  interessanter  Bilder  mit  vielen  feinen  Zügen,  die  aber  der  Vervollständigung 
sehr  bedürfen  und  wobei  das  von  ilim  Mitgetheilte  nicht  immer  ganz  richtig  ist.  So  ist 
es  z.  B.  falsch ,  dass  K.  Karl  in  Coruüa  Gobernadoren  ernannte.  Selbst  die  Vor- 
gänge in  Toledo  wissen  wir  aus  anderen  Quellen,  Hortiz,  gleichzeitigen  Briefen,  besser. 
Immer  muss  man  jedoch  die  interessanten  psychologischen  Züge,  die  er  mittheilt,  dankbar 
annehmen  imd  bietet  er  ein,  wenn  auch  nicht  sehr  vollständiges,  docli  iiöchst  ansprechendes 
Bild  voll  Leben  im  Einzelnen, 


304  HöFLKR. 

"Was  aber  den  Yorratli  Duii  Pedro  Giron's  und  Dmi  Pedro  Laso's  betrifft,  so  Avird 
sich  später  noch  Gelegenheit  ergeben,  darüber  weitläufig  zu  sprechen.  Es  ist  bei  jeder 
aus  dem  Felde  geschlagenen  Partei  Sitte,  sicli  über  Verrath  von  Seite  derjenigen  zu 
beklagen,  denen  kurz  vorher  niclit  Vertrauen  genug  geschenkt  werden  konnte.  Padilla 
war  kein  Feldherr,  seine  Misserfolge,  die  unläugbar  waren,  mussten  nun  der  Schlechtig- 
keit Anderer  zugeschrieben  werden-,  die  Erörterung  wird  jedoch  ergeben,  dass  Padilla 
sich  der  extremen  Seite  zuwandte,  während  Giron  und  Laso  nicht  das  Königthum  Karl's 
zu  beseitigen  beabsichtigten.  Darin  lag  der  Hauptunterschied.  An  der  Niederlage 
Padilla's  zu  Villalar  trug  aber  etwas  ganz  Anderes  Schuld,  als  dass  Laso  den  Granden 
die  Stunde  seines  Auszuges  mittheilte.  Durch  solche  Erzählungen  lassen  sich  nur  die- 
jenigen berücken,  welche  von  dem  wirklichen  Stande  der  Dinge  keine  Einsicht  haben. 
Mit  Recht  hat  daher  auch  der  Herausgeber  Alcocer's,  Don  Antonio  Martin  Gamero 
namentlich  in  Note  14  darauf  hingewiesen,  dass  man  den  A^erdächtigungen  einzelner 
Persönlichkeiten  insbesondere  Don  Pedro  Laso's  nicht  unbedingt  Glauben  sclienken  darf. 
Ebenso  weist  er  auch  das  Mährchen  zurück,  dass  Padilla  wegen  der  Krankheit  seiner 
Frau  das  Heer  verliess.  Alcocer's  Heros  ist  nun  einmal  Juan  de  Padilla  und  sein  Werk 
vorzugsweise  zu  seinem  Lobe  geschrieben.  Dennoch  führt  er  zuletzt  an,  dass  Dona 
Maria  de  Pacheco  mit  den  Franzosen  in  heimlicher  Verbindung  stand  und  ihre  Agenten 
ffefansfen  wurden,  der  letzte  Aufstand  in  Toledo  aber  mit  diesen  französischen  Unter- 
handluno-en  zusammenhing; ! 

Uebrigens  macht  das  Werk,  wie  es  vor  uns  liegt,  den  Eindruck,  dass  es  aus  zwei 
verschiedenen  ßecensionen  bestehe.  Der  erste  Theil  reicht  bis  zum  Ende  des  Aufstandes 
von  Toledo,  der  Flucht  der  Doiia  Maria  de  Pacheco,  Capitel  dreizehn.  Der  zweite  Theil 
(14 — 19)  beschäftigt  sich  aber  nichts  desto  weniger  ausschliesslich  aufs  Neue  mit  den 
Toledanischen  Angelegenheiten,  mit  dem  Aufenthalte  des  Bischofes  von  Zamora  daselbst, 
dem  Kampfe  mit  dem  königlichen  Belagerungsheere,  mit  dem  letzten  Aufstande  in  Toledo, 
nochmals  mit  der  Flucht  der  Dona  Maria  und  des  H-ermann  de  Avalos  und  endlich 
mit  den  geheimen  Verbindungen  gewisser  Toledaner  mit  den  Franzosen. 

Ich  möchte  nicht  zweifeln,  dass  dieser  letzte  Theil  später  ausgearbeitet  wurde,  als 
der  erste  und  der  Verfasser  nicht  mehr  Lust  oder  Zeit  hatte,  beide  Theile  in  Ein  Ganzes 
zu  verarbeiten. 

2.  Die  in  der  Ausgabe  Alcocer's  enthaltene  nueva  relacion  sobra  las  comu- 
nidades  de  Toledo  por  el  presbitero  Juan  de  Chaves  Arcayos,  nur  acht  Seiten 
stark,  bezieht  sich  erstens  nur  allein  auf  Toledo  und  zwar  vom  IG.  April  1520  bis  zum 
3.  Februar  1523  und  enthält  nur  eine  Anzahl  von  mehr  oder  minder  ausführlich  gehal- 
tenen Daten  bis  zu  dem  Augenblicke,  als  das  Plaus  des  Juan  de  Padilla  zerstört,  Salz 
darauf  gestreut  und  nun  eine  feierliche  Procession  als  Sühnung  der  Revolution  abge- 
halten wurde.  Da  die  spanischen  Schriftsteller  mit  den  chronologischen  Daten  selir 
sparsam  sind,  die  neue  Relation  aber  diese  enthält,  so  bietet  sie,  obwohl  nicht  von  einem 
Zeitgenossen  geschrieben,  —  der  Verfasser  Don  Juan  de  Chaves  Arcayos  war  repartidor 
de  coro  de  esta  santa  iglesia  Primada  de  las  Espaüas  von  1583 — 1643  —  sehr  viel 
dankenswerthes.  Namentlich  der  Bericht  über  das  Schalten  des  Don  Antonio,  Bischofs 
von  Zamora  in  Toledo  1521  wird  durch  diese  Angaben  eigenthümlich  beleuchtet. 
Doch  haben  wir  darüber  noch  Briefe  von  Augenzeugen,  welche  mehr  enthalten  als 
Arcayos  gab. 


Zur  Kritik  und  Quellenkünde  der  Ersten  Kegierungsjahue  K.  Karls  V.  305 

3.  Eine  andere  relacion  de  las  comunidades  enthält  ein  Manuscript  der  k.  Aka- 
demie de  la  Historia  zu  Madrid  (Arcliivo  de  Salazar.  Ms.  4°  G.  62).  Es  beginnt:  el  rey 
Don  Carlos  nuestro  Seuor  que  es  en  Gloria,  was  also  beweist,  dass  die  Eelation  nach 
1558  dem  Todesjahre  K.  Karl's  geschrieben  wurde.  Näher  betrachtet,  ist  aber  die  Re- 
lation nichts  Anderes  als  —  Alcocer  von  Cai?.  VIII,  p.  36,  despues  de  la  muerte  bis 
zu  Ende  von  Cap.  XIII,  die  Geschichte  Juan  de  Padilla's  und  seiner  thatendurstigen 
Gemalin.  Der  Text  hat  selbst  nur  geringe  Variationen.  Wenn  z.  B.  p.  44,  bei  dem 
Brande  von  Medina  del  Campo  es  bei  Alcocer  heisst,  das  Feuer  verbreitete  sich  über 
San  Francisco,  donde  estaban  grandes  mercadurias  del  rey  de  Portugal  y  gran  parte  de 
la  reyna  y  de  Mercadores,  so  heisst  es  im  Manuscript:  ,del  rey  de  Portugal,  y  de  gran 
parte  de  la  Eua  de  los  mercadores',  was  doch  einen  viel  besseren  Sinn  gibt  —  dann 
wird  im  Manuscript  Don  Pedro  Laso  geradezu  als  Judas  angeführt  und  heisst  es:  avis6 
a  los  gobernadores  diciendola  todo  que  pasava  —  diciendoles  quid  vultis  mihi  dare  et 
ego  vobis  eum  tradum. 

Ebenso  wird  bei  Beschreibung  der  Flucht  Dona  Maria's  ausgelassen,  dass  Antonio 
Rodriguez  und  Villayzan  sie  begleiteten  p.  58,  und  heisst  es  im  Manuscript:  y  fuera  la 
estaban  esperando  dos  escuderos  y  con  ellos  otros  algunos  de  los  que  se  sentian  culpados 
se  fue  a  Portugal  y  tamvien  Hernando  de  Avalos  donde  estubieron  hasta  que  murieron 
padeziendo  trabajos.  Y  fue  esto  postrero  escandalo  en  Toledo  dia  de  s.  Blas  lunes  tres 
dias  de  henero  1520  y  dos  anos  algunos  de  los  revolvedores  fueron  despues  havidos  y 
äorcaron  y  otros  murieron  por  halla  y  otros  fueron  perdonados  por  perdones  generales  y 
particulares  que  el  rey  hizo;  pasaron  en  el  tiempo  de  las  comunidades  en  cada  pueblo 
tantas  particularidades  que  es  imposible  hazerse  memoria  de  todas ,  en  toda  parte  no 
faltaron  memorias  de  algunas  personas  curiosas  que  las  escricuan  o  aian  escriptto. 

A\  ir  haben  es  also  hier  wohl  mit  einer  dritten  Recension  Alcocer's  zu  thun.  Die 
aus  der  biblioteca  de  la  real  Academia  de  la  historia  stammende  Abschrift  belehrt  aber 
den  Leser  derselben  nicht  nur,  dass  ihr  Verfasser  unbekannt  sei,  obwohl  sie  Wort 
für  Wort  mit  Alcocer  von  S.  36  —  58  übereinstimmt,  sondern  auch,  dass  er  die  Wahr- 
heit viel  unparteiischer  in  D.  Yllescas  historia  pontifical,  2.  Ausgabe,  Buch  VI,  p.  224 
finden  könne.     Letztere  ist  mir  nie  zu  Gesicht  gekommen. 

4.  Tratase  de  la  venida  del  Emperador  Carlos  V  ä  Espana.  Su  coronacion, 
primeras  cortes  que  celebro  y  principio  de  rompimientos  c.  1.  Gleichfalls  ein 
Manuscript  der  k.  Akademie  der  Geschichte  G.  22  4",  abgeschrieben  mit  Hinweglassung 
der  Stellen,  die  angeblich  Ferrer  del  Rio  anführt. 

Ich  bezeichne  durch  die  Capitelüberschriften  den  Gang  der  Darstellung : 

2.  Pasa  el  rey  a  Zaragoza,  celebra  Cortes  y  jurasele  por  Rey. 

3.  Pasa  el  rey  a  Barcelona:  prestasele  el  juramento:  recibe  la  noticia  de  la  muerte 
de  Maximiliano:  recusa  Valencia  reconoserle  por  Rey:  y  su  buelta  li  Castilla. 

4.  Llega  el  rey  a  Valladolid:  resuelve  pasar  a  Alemaila  oponence  los  Castellanos 
y  alteraciones  que  hubo. 

5.  Celebra  el  rey  segundas  cortes  en  Valladolid  y  dese  quenda  de  lo  que  en  ellas  pasö. 

6.  El  Emperador  pasa  al  reyno  de  Galizia:  tiene  Cortes  en  San  Jhago  y  la  Corufia 
y  dase  quenta  de  algunas  partlcidaridades  que  hubo. 

7.  Embarcase  el  Emperador  dexa  governadores  del  reyno:  los  procuradorcs  se  resti- 
tuyen  ä  sus  pueblos  y  dase  cuenta  de  algunas  particularidades  que    en   ellos  sucedleron. 

Denkschriften  J^r  phil.-liist.  Cl,  XXV.  Bd.  39 


306  Höl-LKK. 

8.  Dase  euenta  de  lo  que  succdiö  en  Santa  Maria  de  Nieva  y  Medina  del  campo 
y  como  los  de  la  comunidad  se  apoderaron  de  la  Artillerla. 

9.  Los  de  la  comunidad  se  apoderaron  de  Tordesillas.  I  dase  euenta  de  lo  que 
sucedi6  en  Burgos  al  Condestable. 

10.  El  Condestable  embia  a  su  liijo  el  conde  de  aro  a  sosegar  las  Merindades. 

11.  Los  de  la  comunidad  prenden  los  gobernadores  del  rcyno.  Hacen  estos  fuga 
y  el  Condestable  pide  socorso  de  dinero  al  rey  de  Portugal. 

12.  Los  comuneros  intentan  que  el  Condestable  dexe  la  gobernacion  y  el  dcsprecia 
la  amanara. 

13.  Reduze  el  condestable  la  ciudad  de    Ikirgos    a    servicio    del    Seüor    Emperador. 

14.  Como  el  virrey  de  Navarra  embio  gente  a  Castilla:  juntase  con  la  del  conde 
de  Aro  en  Medina  de  ßioseco. 

15.  Nombra  los  que  seguian  la  voz  del  Emperador  por  su  capitan  general  al 
Conde  de  Aro  en  Medina  del  Rio  seco. 

16.  Toma  el  Conde  de  Aro  la  Fortaleza  de  Villa  Garcia  vienen  los  grandes  y 
Senors  de  Tordelumos  y  Villabraxima  y  entran  en  consejo  para  determinar  si  se  debe 
combatir  a  Villalpando.  Pasan  a  Torre  de  Lobaton  y  Penaflor.  Quexase  el  sacristan 
de  este  lugar  de  un  hurto  que  le  liabian  hecho  y  amotinase  la  gente. 

17.  Saea  el  conde  la  gente  de  Peüaflor:  la  embia  a  camino  de  Tordesillas,  combaten 
esta  villa  con  alguna  perdida.  Apoderanse  de  la  ßeyna  y  quedanse  sobra  las  armas 
esta  noclie. 

18.  Pasan  los  que  estaban  en  Alaexos  d  Medina  del  Campo  y  los  de  la  comunitad 
que  estaban  en  Villalpando  d  Valladolid.  Se  reduzen  algunos  de  la  comunidad  al  ser- 
vicio del  Emperador  y  i'ormase  un  libro  de  acuerdo. 

19.  Aceta  el  Almirante  la  gobernacion  por  auto  de  escribano.  Quedanse  la  mayor 
parte  de  los  Grandes  en  Tordesillas  en  acompaiiamiento  de  la  Reyna.  Embiase  a  Si- 
mancas  un  buen  golpe  de  gente  como  quarniziones  a  otras  villas  y  lugares  y  escribe 
el  Condestable  una  carta  a  los  de  Burgos. 

20.  Tornase  la  fortaleza  de  Burgos  por  no  haverse  aprobado  los  capitulos  que  el 
Condestable  liavia  ofrecido. 

21.  Embia  la  ciudad  de  Toledo  a  Juan  de  Padilla  por  dexacion  de  J).  Pedro  Giron, 
Capitan  general.  Pasa  el  conde  de  Aro  a  Medina  del  Campo :  clioque  que  tubo  con  Juan 
de  Padilla  y  otros  eneventos  que  liubo. 

22.  Junta  el  conde  de  Salvatierra  alguna  gente  de  los  montafios  y  toma  unas  piezas 
de  artelleria  del  Condestable,  las  que  bace  quebrar. 

2o.  Corre  el  obispo  de  Zamora  con  gente  de  la  comunidad  tras  los  Imperiales.  Entra 
en  Cordovilla :  haze  quemar  sa  fortaleza  y  pasa  a  Fuentes  de  D.  Bermudo :  toma  este  lugar 
y  se  vuelve  a  Valladolid. 

24.  Pasan  los  Imperiales  comandados  por  el  Conde  de  Aro  a  las  vistas  de  Torre 
de  Lobaton:  tienen  algunas  escaramuzas  con  la  gente  de  Juan  de  Padilla:  llamo  el 
Almirante  a  Tordesillas  al  Conde :  y  apoderanse  los  de  la  Comunidad  de  Torre  de  Lobaton. 

25.  Pasan  los  Imperiales  a  las  cercanias  de  Medina  del  Campo.  Tubieron  algunas 
escaramuzas  e  hizieron  prisionero  a  N.  Quintanilla. 

26.  Juntase  la  gente  de  cada  uno  de  los  exercitos  los  Imperiales  para  tomar  a 
Torre  de  Lobatton,  y  los  de  la  comunidad  para  defenderla. 


ZuE  Kritik  und  Quellenkunde  der  Besten  Kegierüngsjahre  K.  Kärl's  V.  307 

27.  Batalla  sangriente  que  tubieron  en   Villalar    quedando    este    lugar    por    los    Im- 
periales y  haciendo  prisioneros  los  capitanos  de  la  comunidad  a  los    quales  ajusticiaron. 

Hieraus  geht  aber   von    selbst    liervor,    dass,    abgesehen  von    der    gehaltvollen    Ein- 
leitung, die  den  Aufenthalt  des  Königs    in    Spanien    ausführlich    bespricht,    der    tratado 
vor  Allem  sich  die  Aufgabe   stellte,    die  kriegerischen   Ereignisse    zu    erzählen    und    den 
Grafen  von  Haro  als  Mittelpunkt  derselben  hinzustellen,  wie  Alcocer  die  Padilla's   Vater 
Sohn  und  Schwiegertochter  zum  Centrum  seiner  Darstellung  machte.    Man  könnte  somit 
sagen,  der  tratado  biete  mit  den  kriegerischen  Ereignissen,  die  sich  um  Don  Inigo  de 
Velasco,  Condestable  von  Castillien  und  seinen  Sohn  den  Grafen  von  Haro  o-ruppirten 
ein  interessantes  Gegenstück  zu  Alcocer  dar,  so  dass   beide    sich    ergänzen.     Der    Höhe- 
punkt der  Darstellung  ist  einerseits  die  Wiedereinnahme  von  Tordesillas ,    wo  sich  aber 
der  Graf  von  Haro  als  der  schlechte  Feldherr  zeigte,  der  er  wirklich  war,  und  dann  die 
Schlacht    von    Villalar,    deren    Verlust    Alcocer    dem    Doppelverrathe  Don  Pedro  Giron's 
und  Don  Pedro  Laso's  zuschreibt.     Der  tratado    stellt    die  Sache  so  dar,    dass  das  Heer 
der    Comunidades    im    Besitze    von    Torre   Lobaton    ruhig   liegen  bleiben  wollte    bis  der 
Einbruch  der  Franzosen  über  Navarra  in  Castillien  erfolgt  wäre,    C.  26,    und  nun  Juan 
de  Padilla  zuletzt  zum  Abzüge  genöthigt,    von   der    vereinigten    Macht    der    Granden  in 
der  Ebene  von   Villalar,  23.  April  1521,  angegriffen    und    geschlagen    wurde.'     p]s  liegt 
dann  noch  in  der  Natur  des  Gegenstandes,    dass  er,  wenn  auch  nur  vorübero-ehend    der 
Schlacht  von  Noain  in  Navarra,  30.  Juni   1521,  erwähnt,  in  welcher  die  Franzosen   deren 
König  König  von  Castillien  werden  sollte,  vollständig  geschlagen  wurden.  Obwohl  nun 
das    Benehmen    der    Granden,    ihre    Uneinigkeit    unter    einander,  ilire  ßathlosigkeit,  die 
Versuche,  die  sie  machen,  der  Verwüstung  ihrer  Ländereien  zuvorzukommen,  erst  durch 
die  Briefe  des  Cardinal-Gobernadors  an  den  Kaiser  in  das  rechte  Licht  gesetzt  werden 
so  ist  der  tratado  doch  eine  bedeutende  Geschichtsquelle  für    den    Aufstand    der  Comu- 
nidades.   Seine    Einzelnheiten    sind    lehrreich,    die   Erzählung  klar  und  während  Alcocer 
immer  nur  die  Angelegenheiten  von  Toledo  als  Hintergrund  der  Ereignisse  gibt,    hat  der 
tratado  die  Entwicklung  des  Aufstandes  im  Ganzen  und  seine  Niederwerfung  durch  die 
Granden  sich   zur  Aufgabe    gestellt.     Die  Herausgabe    des   tratado    wäre    eine  wirkliche 
Bereicherung  der  Geschichte. 

5.  Für  sich  ein  eigenes  Werk  von  hohem  Interesse  ist  die  memoria  de  las  comu- 
nidades que  obo  en  este  reyno  llaiuadas  guerras  de  las  comunidades  von 
Diego  Hernan  Ortiz  (Flortiz),  jurado  de  Toledo,  gleichfalls  Manuscript  der  k.  Akademie 
der  Geschichte  in  Madrid.  Er  konnte  von  sich  sagen,  er  sei  im  Stande,  die  auso-ezeich- 
netsten  Ereignisse  als  Augenzeuge  zu  beschreiben,  da  er  als  Abgesandter  Toledo's  sowohl 
nach  Molin  derecha  in  Catelunia,  als  in  San  Jago  und  Corufia,  sowie  später  im  Auftrao-e 
der  Gobernadoren  in  Toledo,  wichtige  Missionen  erfüllte.  Seine  Berichte  gehen  so  weit 
als  seine  eigenen  Erlebnisse  reichen  und  über  die  ganz  zuverlässigen  Nachrichten,  die  er 
von  Augenzeugen  einzuholen  vermochte.  Er  beginnt  sein  Werk  mit  der  Geschichte  der 
ersten  castillianischen  Cortes,  welche  K.  Karl,  als  er  1517  nach  Spanien  gekommen  war 


1  El  fin  que  teniau  los  de  la  comunidad  era  junttar  gente  de  todos  las  ciudades  y  hazerse  fuertes  eu  Torre  de  Lobaton 
estandose  alli  quietos,  liasta  que  entrase  en  Castilla  el  exercito  que  despues  vino  del  rey  de  Francia,  con  quien  ellos  tenido 
tratado,  de  que  le  hacian  Rey  de  Castilla,  como  la  Inibiera  sido  si  los  de  la  comunidad  hubieran  vencido  la  Batalla  de 
Villalar. 


Sil-» 


308 


Höfler. 


in  Valladolid  hielt  und  beendigt  es  mit  dem  61.  Capitel  der  Darstellung  de  lo  que  en 
Toledo  procure  hazer  quando  cnttre  en  el  por  mandado  del  Condestable  y  del  Cardenal 
(Adrian)  1520,  als  er  erst  während  der  Herrschaft  der  Doua  Maria  Pacheco  und  des 
Hernando  de  Avaloz  in  Toledo  sich  aufhielt,  dann  plötzlich  zur  Rettung  angesehener 
Frauen  und  im  Einverständniss  mit  Antonio  Alvarez,  Oheim  des  Juan  Padilla's,  in  einer 
Nacht  bei  der  puerta  de  Visagra  die  Wächter  überrumpelte  und  mit  seiner  Begleitung 
durchbrach.  Leider  gibt  er  die  Zeit  nicht  an,  als  er  der  Revolution  diesen  Streich  spielte, 
sondern  bricht  das  Manuscript  in  der  Erzählung  ab. 

Die  Memoria  des  Ortiz,  welcher  bald  mit  den  angesehensten  Persönlichkeiten  am 
Hofe  K.  Karl's  bekannt  wurde,  führt  uns  ganz  andere  Männer  vor  als  der  Tratado  und 
Alcocer.  In  den  Vordergrund  tritt  vor  Allem  Dr.  Zumel,  Procurator  von  Burgos  imd 
Haupt  der  Opposition  der  Cortes  gegen  Karl  V.,  bis  derselbe  die  Rechte  imd  Freiheiten 
Castilliens  beschwor,  1518.  Der  unerschrockene  Kämpe  gegen  die  Herrschaft  der  Aus- 
länder, die  den  König  leiten,  stellt  sich  aber,  als  der  Aufstand  der  Comunidades  ausbricht, 
auf  die  Seite  des  Königs  5  er  leistet  der  Sache  des  Fürsten,  den  er  zur  Nachgiebigkeit 
zwingt,  als  die  Revolution  ausbrach,  die  grössten  Dienste,  welche  der  Condestable  von 
Castillien  in  seinen  Briefen  an  K.  Karl  nicht  genug  rühmen  kann.  Der  Führer  der 
Opposition  vom  Jahre  1517/8  ist  es  sodann,  welcher  später  von  der  Revolution  bedrängt, 
um  Haus  und  Gut  gebracht,  sich  der  Reaction  in  die  Arme  wirft  und  das  Haus  des  Don 
Juan  de  Padilla,  von  wo  aus  Dona  Maria  de  Pacheco  Toledo  in  seinem  Aufstande 
erhält,  niederreissen  Hess.  Billigte  doch  der  eigene  Vater  nicht  das  Vorgehen  seines 
Sohnes  und  blieb  auch  Don  Juans  Bruder  dem  Könige  treu.  Als  der  König  dann  nach 
Barcelona  ging,  begab  sich  Don  Diego  Hernandez  Hortiz  auch  dahin  und  empfing  dann 
daselbst  wichtige  Aufträge  von  Toledo,  1519.  Docli  fällt  seine  Hauptthätigkeit  in  das 
Jahr  1520,  als  K.  Karl  in  Folge  eines  sehr  ungebührlichen  Benehmens  der  Procuratoren 
von  Toledo  und  namentlich  des  Don  Pedro  Laso  de  la  Vega  (seiior  de  Guerba  y  Vatres), 
diesen,  den  Don  Antonio  Suarez  (sefior  de  Galvez  y  Jumela),  Don  Miguel  Gita  und 
Antonio  Ortiz  aus  San  Jago  und  vom  königlichen  Hofe  verwies  und  nun  die  Ver- 
Aviesenen  durch  Don  Diego  Hernandes  Hortiz  mit  dem  Hr.  von  Chifevres  Unterhandlungen 
anzuknüpfen  suchten.  Don  Diego  begleitete  dann  auch  den  Cardinalgobernador  nach 
Valladolid,  hatte  mit  diesem  mehrere  politische  Unterredungen  und  begab  sich  endlich 
in   das  aufrührerische  Toledo. 

Es  sind  Memoiren,  Aufzeichnungen  des  selbst  Erlebten,  mit  denen  wir  es  hier  zu 
thun  haben,  sehr  lebhafte  Gespräche  mit  den  Häuptern  der  königlichen  Regierung,  theil- 
weise  selbst  unmittelbare  Ereignisse  vom  Hofe,  wie  die  Scene,  die  Don  Pedro  Giron  mit 
K.  Karl  persönlich  hatte  (C.  11)  und  die  den  eigentlichen  Grund  des  nachherigen  revo- 
lutionären Auftretens  dieses  Granden  erblicken  lässt,  Audienzen  bei  Kaiser  Karl  und 
dergleichen  mehr,  Dinge  von  der  grössten  historischen  Bedeutung.  Wenn  irgend  Jemand 
ist  Hortiz  von  den  Angelegenheiten  in  Toledo  und  wie  dort  die  Revolution  um  sich 
griff,  unterrichtet  und  gehört  er  in  dieser  Beziehung  zu  den  bedeutendsten  Quellen 
seiner  so  denkwürdigen  Zeit.  Sandoval  hat  ihn  offenbar  sehr  ergiebig  benützt.  Auch 
seine  Darstellung  verdient  in  holiem  Grade  veröffentlicht  zu  Averden. 

G.  Ich  konnte  keinen  Anhaltspunkt  dafür  finden,  dass  der  muy  illustre  caballero 
Pero  Mejia  in  seiner  Relation  de  las  comunidades  de  Castilla  (Biblioteca  de 
autores  espanoles   T.  XXI.  p.  367—407)  Hortiz    gekannt    habe,    Sandoval   gewiss.    Mejia 


Zur  KiiiTiK  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjaiire  K.  Karls  V.  309 

verfasste  eine  Geschichte  K.  Karls,  welche  unvollendet  blieb ;  Pex'o  Mejia,  sagt  Don 
Antonio  Ferrer  del  Rio  in  der  Einleitung  zur  historia  del  levantamiento  de  las  comunidades 
de  Castilla,  wollte  das  Leben  Karls  V.  bis  zu  dessen  Kaiserkrünung  in  Rom  schreiben. 
Karl  wurde  jedoch  niemals  in  Rom  gekrönt,  sondern  in  Bologna;  seine  Relation,  welche 
im  Jahre  1852  zum  ersten  Male  gedruckt  erschien,  ist  nur  ein  Theil  des  grossen  Werkes. 
Sie  ist  mit  unverkennbarem  Fleisse  und  möglichster  Genauigkeit  verfasst.  Er  befand 
sich  im  Besitze  der  gedruckten  Erlässe  der  ,heiligen  Junta'  und  unterscheidet  sehr 
wohl  zwischen  den  gegründeten  Beschwerden,  welche  Anlass  zu  ihrer  Entstehung  gaben, 
und  den  Erfindungen  der  revolutionären  Partei,  die  das  Volk  durch  falsche  Vorspiege- 
lungen aufhetzte,  wie  er  denn  am  Schlüsse  seines  bis  zur  Schlacht  von  Villalar  und  der 
Hinrichtung  Juan  de  Padilla's  gefülirten  Werkes  sich  sehr  scharf  gegen  den  Aufstand 
ausspricht.  Ungeachtet  seiner  anscheinenden  Genauigkeit  muss  man  aber  doch  selbst, 
wo  er  feste  Daten  angibt,  noch  vorsichtig  sein.  So  wurden  die  Cortes  von  San  Jago 
am  2.  April,  nicht  am  1.  eröffnet,  wie  S.  405  im  Jahre  1521  der  Graf  von  Haro  sich 
nicht  am  20.  (Sonntag)  sondern  am  21.  April  mit  seinem  Vater  dem  Condestable  ver- 
einigte. Der  Graf  von  Haro  wird  auch  nicht  durch  den  Kaiser  Generalcapitän  sondern  durch, 
die  Granden.  Pero  übergeht  das  Gefährliche  des  Aufstandes  zu  Valladolid  14.  April  1520. 
Für  den  Aufenthalt  der  Procuratoren  von  Toledo  in  San  Jago  und  ihre  Zerwürfnisse 
mit  K.  Karl,  ihre  endliche  Verweisung,  ist  Ilortiz  die  einzige  sichere  Quelle;  er 
enthält  Angaben,  die  Mejia  fehlen,  namentlich  weiss  letzterer  nichts  von  dem  persön- 
lichen Zerwürfnisse  Don  Pedro  Giron's  mit  dem  Kaiser.  Mejia  untersucht  später  die 
Gründe,  warum  Giron  bei  den  Comunidades  als  Verräther  galt  und  neigt  sich  selbst  der 
Ansicht  zu,  dass  er  als  Generalcapitän  der  Junta  an  dieser  Verrath  geübt.  Er  weiss 
jedoch  nicht,  dass  der  Almirante  von  Castillien  und  der  Cardinalgobernador  sich  für 
ihn  bei  dem  Kaiset'  verwandten,  noch  dass  Valladolid  selbst  ihn  trotz  seines  angeb- 
lichen Verrathes  nach  der  Hinrichtung  Padilla's  imd  seiner  Gefährten,  wieder  an  die 
Spitze  der  Junta  stellen  wollte.  Mejia  unterscheidet  viel  zu  wenig  die  Zeit,  in  welcher 
die  Granden  theils  heimlich,  theils  offen  es  mit  den  Comunidades  hielten  und  die,  in 
welcher  sie  hievon  zurücktraten,  als  sie  sahen,  dass  sie  dem  Kaiser  mit  Waffengewalt 
nicht  zu  imponiren  vermochten.  Er  weiss  nicht,  dass  -der  Cardinalgobernador  die  Seele 
der  Unternehmung  der  Granden  gegen  Tordesillas  war,  wobei  er  freilich  die  schlechte 
Leitung  des  Sturmes  durch  den  Grafen  von  Haro  durchblicken  lässt.  Dass  in  Toledo 
Dona  Maria  de  Pacheco,  das  ehi-geizige  Weib,  geleitet  von  Hernando  de  Avalos,  Regidor 
von  Toledo,  auf  den  Einbruch  der  Franzosen  wartet;  dass  die  scheinbare  Unthätigkeit 
Juan  de  Padilla's  im  Frühlinge  1521  offenbar  mit  der  Invasion  derselben  in  Navarra 
in  Verbindung  stand ;  dass  der  grösste  Fehler  Juan's  darin  bestand,  die  Vereinigung  des 
Condestable  mit  dem  Generalcapitän  Grafen  de  Haro  nicht  gehindert  zu  haben,  er 
ersterem  nur  ein  kleines  Corps  unter  Figueroa  entgegenschickte,  der  aus  dem  Kerker 
der  Inquisition  befreit  worden  war,  jetzt  aber  geschlagen  und  gefangen  in  den  Kerker 
des  Condestable  wandern  musste;  dass  die  eigentliche  Krise  der  Bewegung  in  Toledo 
erfolgte,  als  Juan  die  Krankheit  seiner  Gemalin  vorschützend,  von  Tordesillas  mit  der 
Post  dahin  reiste  und  dann  Don  Pedro  Giron  beseitigt  wiu'de,  als  es  sich  darum  handelte, 
die  Franzosen  in  den  Kampf  hineinzuziehen ;  diese  und  gar  manche  andere  Momente 
treten  bei  Mejia  viel  zu  wenig  hervor.  Die  ganze  mühevolle  und  entsetzliche  Stellung 
des  Cardinalgobernador's  den  Granden  gegenüber  ist    ihm    unbekannt    geblieben,    sowie 


310  Hofler. 

dass  derselbe  nicht  gleicli  nucli  der  Einnahme  von  Tordesillas  durch  die  Granden, 
5.  December  1520,  dahin  abging,  sondern  erst  noch  fast  einen  Monat  in  Medinaa  del 
Kio  seeo  blieb.  Ungeachtet  dieser  Aussetzungen,  welche  leicht  noch  vermehrt  werden 
könnten,  ist  Älejia  doch  ein  gewissenhafter  Geschichtschroiber,  welcher,  man  sieht  es 
deutlich,  über  sein  Material  mit  grosser  Treue  verfügte,  jedoch  die  wichtigen  Acten- 
stiicke  nicht  vor  sich  hatte,  über  welche  wir  jetzt  zu  verfügen  vermögen  und  die  uns 
über  den  wirklichen  Stand  der  Dinge,  die  verzweifelte  Lage  der  königlichen  Sache  jetzt 
nach  mehr  als  300  Jahren  tieferen  Einblick  gewähren,  als  der  Geschichtschreiber  K.  Karl's, 
der  freilich  einen  grossen  Theil  der  handelnden  Personen  kannte  oder  wenigstens  über 
sie  von  Zeitgenossen  Bericht  erlangen  konnte.  Dass  auch  die  Inquisition  einen  Antlieil 
an  den  Bewegungen  hatte,  Klagen  gegen  sie  vorkamen,  Kerker  derselben  geöffnet 
wurden,  so  dass  endlich  die  Bewegung  einen  theilweisen  judaisirenden  Charakter  im 
spanischen  Sinne  des  Wortes  erlangte,  wird  von  Mejia  nur  gelegentlich  angedeutet.  Als 
er  schrieb,  war  die  ßeaction  im  vollen  Gange. 

7.  El  Movimiento  de  Espana  6  sea  historia  de  la  revolucion  conocida  con  el  nombre 
de  las  comunidades  de  Castilla,  escrita  en  latin  por  el  presbitero  D.  Juan  Maldonado 
y  traducida  al  castellano  e  illustrada  con  algunas  notas  y  documentos  por  el  presbitero 
D.  Jose  Quevedo,  bibliotecario  del  Escurial.  Madrid  1840,  4". 

Ferrer  del  Rio  hat  an  diesem  Werke  viel  zu  tadeln  und  dass  Maldonado  für  seine 
Geschichte  die  Form  eines  Dialoges  wählte,  ist  auch  in  mancher  Beziehung  nicht  gut. 
Das  im  Jahre  1524/5, '  geschriebene  Werk  (VII  Bücher)  wurde  1545  vollendet  und  am 
1.  December  dieses  Jahres  ,dem  Sohne  des  Cäsar',  dem  principe  de  Espana,  dem  nach- 
herigen K.  Philipp  II.  gewidmet.  Es  ist  mit  vielem  Freimuthe  geschrieben,  vertheidigt 
den  Aufstand,  in  wie  ferne  er  sich  nicht  gegen  K.  Karl  richtete,  mit  grosser  Wärme 
und  es  war  offenbar  mit  vielem  Vorbedacht,  dass  Maldonado  die  dialogisirende  Form 
wählte,  um  den  an  dem  Gespräche  sich  betheiligenden  Personen,  einem  Deutschen,  einem 
Franzosen,  einem  Italiener,  einem  Toledaner,  Aeusserungen  in  den  Mund  zu  legen,  die 
er  selbst,   der  Erzähler,   nicht  machen  wollte,  nicht  machen  durfte. 

Doch  es  sei  gestattet,  hier  zuerst  der  Verdienste  des  Herausgebers  Erwähnung  zu  thun. 
Nicht  blos  dass  er  dem  Texte  •  werth volle  historische  Noten  hinzufügte,  er  zählt  im 
Appendix  n.  2  die  spanischen  Abgaben,  n.  5  das  lügenhafte  Verzeichniss  derjenigen 
Steuern  auf,  die  Karl  V.  angeblich  ausschreiben  wollte,  was  ein  wesentliches  Mittel  war, 
die  Toledaner  aufzuwiegeln,  nennt  die  Deputirten  der  Junta  von  Avila  (n.  6),  bringt 
die  äusserst  wichtigen  Erlässe  K.  Karls  bei  Ernennung  der  drei  Gobernadoren  S.  292 
bis  314,  ferner  Correspondenzen  des  Almirante,  wobei  ihm  aber  kein  Bedenken  über 
die  Zuverlässigkeit  Guevara's  kommt  (S.  315),  so  wenig  wie  über  die  letzten  Schreiben 
Juan  de  Padilla's  an  seine  Frau  und  die  Stadt  Toledo,  endlich  den  Bericht  über  den 
Tod  des  kriegerischen  Bischofs  von  Zamora  (23.  März  1523),  die  Flucht  der  Dona 
Maria  de  Pacheco,  und  den  perdon  general,  zuletzt  gibt  er  noch  (n.  19)  einen  Bericht 
über  den  Aufstand   von  A^alencia. 

Maldonado  selbst  spricht  sich  (S.  44)  über  seine  Absicht  dahin  aus,  er  wolle  trazar 
el  quadro  de  este  movimiento  de  Espaüa  tan  grande  cual  jamas  le  conviceron  nuestros 
mayores  con  objeto  de  que  la  posteredad  sea  mas  cauta  en  la  osadia  y    este    adverdida 


'  Hace  nias  de  viente  afios  qnc  oommence  a  eseribir  declia  giierra  (Wirlmung) 


Zur  Kritik  und  Quellenkünde  der  Ersten  Kegierungsjahre  K.  Karls  V.  311 

de  que  las  empresas  temerarias,  ya  sean  contra  el  rey  ya  contra  la  nacion,  se  con- 
vierten  las  mas  veces  en  dafio  de  los  autores.  Er  hat  also  sich  einen  praktischen 
Endzweck  vorgestellt,  zu  bewirken,  dass  man  sich  nicht  mehr  in  ähnliche  Unternehmungen 
einlasse,  damit  ist  aber  nicht  gesagt,  dass  er  die  comunidades  an  und  für  sich  ver- 
urtheilte.  Im  Gegentheil.  Er  spricht  wiederholt  mit  einer  Art  von  Begeisterung  von 
ihnen,  so  lange  sie  nur  nicht  in  offenen  Aufstand,  in  eine  Revolution  sich  verkehren 
und  dadurch  den  Fluch  der  offenen  Auflehnung  verwirlien.'  Das  Ganze,  im  hohen  Grade 
lehrreich,  ist  in  sieben  Bücher  getheilt,  von  welchen  das  erste  sich  mit  der  Vorgeschichte, 
den  reyes  catolicos,  der  Massregel  des  Cardinais  Jimenes,  durch  eine  Bürgermiliz  den 
Adel  zu  beschränken  und  das  Königthum  zu  stärken,  das  zweite  mit  dem  verhängniss- 
vollen Aufenthalt  K.  Karl's  in  Spanien  bis  zu  seiner  Abreise  von-  la  Coruha  am 
20.  Mai  1520  beschäftigt.  Das  dritte  schildert  den  blutigen  Beginn  des  Aufstandes  in 
Segovia  und  Burgos  (29.  Mai  und  10.  Juni)  und  gibt  dann  eine  sehr  lehrreiche  Beschrei- 
bung Spaniens  unter  Hinweisung  auf  die  tablas  geogi-aficas.  Das  vierte  Buch  zeigt 
bereits  den  vollen  Aufstand,  wie  er  in  Folge  des  Brandes  von  Medina  del  Campo  sich 
entwickelte,  so  dass  der  Condestable  von  Castillien  mit  Mühe  sich  und  die  Seinen  aus 
Burgos  rettet.  (S.  111 — 159.)  Damit  ist  die  Erzählung  nicht  weiter  gekommen,  als  bis 
September  1520  und  muss  nun  nachholen,  was  weiter  geschah,  und  da  tritt  uns  im 
fünften  Buche  erst  die  Persönlichkeit  des  D.  Antonio  Acufia,  Bischofs  von  Zamora  und 
dann  die  des  D.  Pedro  Giron  hinzu,  welcher  sich  an  die  Junta  anschliesst  und  General- 
capitän  wird,  während  D.  Inigo  Velasco,  Condestable,  zum  Gobernador  erhoben,  seine 
Rückkehr  nach  Burgos  betreibt.  Dort  wurde  er  auch  am  1.  November  aufgenommen 
und  förderte  er  nun  wieder  den  Sieg  der  Königlichen.  Das  sechste  Buch  beschäftigt 
sich  mit  dem  Generalcapitanat  Girons,  der  Wiedereroberung  Tordesillas  durch  die  Granden 
(5.  December),  der  Abdankung  Girons,  der  Uebernahme  des  Generalcapitanates  durch 
Juan  de  J'adilla  inid  dessen  Eroberungen  in  der  tierra  de  campos,  sowie  dem  Zuge  des 
Bischofs  von  Zamora  nach  Toledo.  Es  sind  die  Ereignisse  vom  November  1520  bis 
März  1521.  (S.  192 — 247.)  Dann  folgt  in  dem  nur  kurzen  siebenten  Buche  die  Katastrophe, 
die  Schlacht  von  Villalar  (23.  April  1521),  der  Einbruch  der  Franzosen  und  ihre 
Niederlage  am  30.  Juni,  die  Gefangennehmung  des  Bischofs  von  Zamora,  die  Capitulation 
von  Toledo,  endlich  die  Flucht  der  Witwe  Padilla's,  die  Rückkehr  Karls  nach  Spanien 
und  die  Hinrichtung  der  gefangenen  padres  de  la  Junta,  das  Erlöschen  des  Aufstandes 
in  Castillien  wie  in   Valencia. 

Maldonado  theilt  den  gemeinsamen  Fehler  spanischer  Geschichtschreiber,  wenig 
Rücksicht  auf  die  Chronologie  zu  nehmen.  Er  nimmt  in  seiner  Erzählung  auf,  was 
eben  zu  dieser  gehört  und  mit  ihr  in  Verbindung  gebracht  werden  kann  und  höchstens 
bei  den  bedeutendsten  Ereignissen  nennt  er  die  Festtage,  an  welchen  dieses  oder  jenes 
vorfiel;  äusserst  selten  gibt  er  das  Datum  genauer  an.  Dieser  Mangel  an  chronologischem 
Halte  ist  unangenehmer  als  die  dialogisirende  Form,  welche  ihm  Gelegenheit  zu  mehr- 
facher Excursion  gewährt  und  eigentlich  nur  selten  störend  wirkt. 

Man  sieht,  es  ist  oft  seine  Absicht,  den  Fremden,  die  er  in  „las  Huelgas"  versammelt, 
Fragen  oder  Einwürfe  von  ihrem  Standpunkte  in  den  Mund  zu  legen,  offenbar  um,  ohne 


'  No  negai-Ä  que  la  revoluciou    tue  mahvida  y  ann  impia,  pero  sostendre  que  la  culpa  la  tuvieron  las  clascs  todas,  pag.   158. 
Nos  Espafiolea  somos  araigos  de  novedades  p.   159. 


312  Eö^-LYAi. 


sich  selbst  zu  conqu-.unitrireii,  Gelegenheit  zu  finden,  Bemerkungen  und  Excurse  zu 
machen,  für  welche  ilnu  der  Leser  nur  dankbar  sein  kann.  Maldonado  will  unterrichten. 
Er  webt  eine  geographische  Beschreibung  ein,  eine  Darstellung  der  Städteverfassung, 
der  Wahl  der  Procuratoren  zu  den  Cortes,  so  dass  man  mehrfach  bedauert,  das  Studium 
dieser  merkwürdigen  A^orgänge  nicht  mit  der  Leetüre  Maldonado's  begonnen  zu  haben. 
Andererseits  aber  muss  man  doch  wieder  mit  gewissen  Kenntnissen  bereits  ausgerüstet 
sein,  um  die  Sprünge  und  Lücken  in  der  Erzählung  zu  bemerken,  da  hiezu  Quevedo's 
werthvolle,  doch  nicht  sehr  zahlreiche  Noten  nicht  ausreichen.  Der  Standpunkt  seiner 
Erzählung  ist  der  Burgesische,  wie  sich  die  Dinge  um  Burgos  gruppiren.  Aber  Burgos 
schien  wohl  das  Centrum  der  aufständischen  Bewegung  zu  werden,  wurde  es  jedoch 
nicht.  Die  Folge  hievon  war,  dass  Maldonado  in  Bezug  auf  andere  Städte,  z.  B.  Valla- 
dolid,  in  Betreif  des  Verhaltens  der  Regentschaft  weniger  unterrichtet  ist.'  Er  besitzt 
ein  sehr  nüchternes  Urtheil,  ist  nichts  weniger  denn  blind  in  Beziehung  auf  die  grossen 
Schäden,  die  es  in  Spanien  gab,  auf  die  Fehler  der  Regierung,  auf  die  innere  Berech- 
tigung des  Aufstandes-,  aber  auch  nicht  in  Bezug  auf  das  anfängliche  Zusammenhalten 
aller  "stände  und  die  baldige  Scheidung  der  Plebejer  von  dem  Adel,  das  blutige  und 
tyrannische  Emporkommen  der  ersteren  und  den  nothwendigen  Anschluss  der  Senores, 
die  man  ja  in  den  kleinsten  Städtchen  zu  Tausend  zählte,  an  die  Regierung,  als  diese 
nur  einmal  wieder  ihren  Bestand  documentirte.  Aber  im  Ganzen  bildet  die  Thätigkeit 
Inigo  Velasco's,  des  Condestable-Gobernadors,  den  eigentlichen  Inhalt  seines  Werkes. 
Daneben  widmet  er  Don  Antonio  Acuua,  dem  kriegerischen  Bischof  von  Zamora, 
namentlich  im  sechsten  Buche  viele  Seiten,  zieht  aber  im  siebenten  und  letzten  Buche 
die  Erzählung  von  den  Vorbereitungen  der  Schlacht  von  Villalar  (23.  April  1521)  bis 
zur  Flucht  der  Dona  Maria  de  Pacheco  (3.  Februar  1522),  sehr  stark  zusammen. 
Schon  bei  dem  fünften  Buche  werden  die  dialoglsirenden  Reden,  wenn  gleich  erst 
gegen  das  Ende  weitläufiger,  Don  Pedro  Giron,  der  Bischof  von  Zamora,  müssen  lange 
Standreden  halten.  Im  Einzelnen  fallen  viele  Unrichtigkeiten  vor,  doch  sieht  man 
deutlich,  dass  sich  Maldonado  viele  Mühe  gab  das  Richtige  zu  treffen.  Er  hat  offenbar 
die  Frao-e  über  den  Antheil  der  Dona  Maria  an  dem  Einfall  der  Franzosen  in  Spanien 
sorgsamer  Forschung  unterzogen  und  kommt  hiebei  zu  einem  negativen  Resultate, 
wodurch  man  sich  gar  nicht  beirren  zu  lassen  braucht.  Der  ganze  Nimbus  der  Heldin 
von  Toledo,  die  dort  den  Widerstand  gegen  K.  Karl  organisirt,  würde  ja  schmählich  in 
die  Brüche  gehen,  wenn  sie  mit  den  Nationalfeinden  in  Verbindung  gestanden  wäre! 
Der  Bischof  von  Zamora  wollte  ja,  als  er  Toledo  verliess  und  nach  Frankreich  eilte, 
auch  nur  den  Weg  nach  Rom  eingeschlagen  haben.  Hätte  K.  Karl  nur  die  bei  Noain 
aufgefangenen  Papiere  publicirt,  es  stünde  um  diese  Frage  viel  leichter,  doch  haben 
wir  glücklicher  Weise  der  Zeugnisse  genug,  die  diese  Verbindung  nachweisen.  Zuletzt 
kommt  Maldonado  noch  auf  die  Unruhen  in  Valencia  und  die  dort  beabsichtigte  Ver- 
folgung des  Adels  zu  sprechen.  Es  ist  aber  falsch,  wenn  er  behauptet,  dass  der 
Valencianische  Aufstand  in  gar  keiner  Verbindung  mit  dem  der  Comunidades  stand. 
Im  Gegentheile  gab  man  sich  von  beiden  Seiten  die  grösste  Mühe,  ebenso  eine  Ver- 
bindun^T  herzustellen,  als  sie  zu  verhindern.  Interessant  ist,  was  er  noch  von  dem  wenig 


1  Man    tlarf   nur    die    ganz    irrige  Darstellunji-,    wie    der   Almirante    die  Gobernadorstelle    annahm,    S.    177  —  178,    als  Beispiel 
nelnnen. 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Eksten  Kegierungsjahre  K.  Karls  V.  313 

bekannten  Enrique  Manrique,  el  oculto  genannt,  erzählt,  que  sucediendo  en  el  puerto 
de  A'^icente  estaba  tan  diestro  en  hacer  milagros  con  maravillosos  artificios  6  inducir 
a  iina  nueva  religion,  que  en  Algesiras  y  en  Xativa  casi  le  adoraban  como  Dios,  e 
indudablemente  le  acataban  y  respectaban  por  rey,  pay6  su  atrevimiento  con  la  cabeza, 
was  aber  die  Aufrübrer  nicht  abhielt,  sich  einen  anderen  embencador  zum  Haupte  zu 
wählen  (p.  2S0). 

8.  Thomae  Rocha,  historia  eorum  que  gesta  fuere  in  Hispania  ulteriorl  tempore 
quo  vulgus  comunitatem  obtabat.  Ms. 

Die  Einleitung  nennt  den  Thomas  Gottolani  (Catalane)  von  Gerunda  im  Taragonischen 
als  Verfasser  dieser  Schrift,  welche  fünf  Tage  nach  der  Schlacht  bei  Villalar,  also  am 
28.  April  1521,  in  Tordesillas  verfasst  wurde.  Die  kleine  Schrift,  fünf  Blätter  stark, 
ist  eine  Verherrlichung  der  Thaten  des  Almirante  von  Castillien,  Federico  Henriquez 
de  Cabrera,  Grafen  von  Modica  und  seiner  Brüder,  von  welchen  Ferdinand  Henriquez 
mit  700  Rittern  und  vielem  FusSvolke  den  Feind  bei  Tag  und  bei  Nacht  beunruhigte 
und  namentlich  den  Toledanern  Padilla's  grossen  Schaden  zufügte;  der  andere  aber, 
Alfonso  Henriquez,  Bischof  von  Osma,  Medina  de  Rio  seco  in  diesen  schweren  Zeiten 
vertheidiffte.  AYährend  nach  den  andern  Angaben  der  Almirante  am  12.  November  1520 
nach  Medina  kam,  kam  er  nach  Thomas  am  15.  dahin  und  am  19.  November  nach 
Torre  Lobaton,  um  mit  den  Procuratoren  der  Junta  zu  unterhandeln.  Diese  aber  befahl, 
statt  zu  unterhandeln,  dass  Don  Pedro  Giron  Rio  seco  angreife,  worauf  gegen  den  Willen 
Giron's  der  Bischof  von  Zamora  Villabraxima,  das  dem  Almirante  gehört,  besetzte.  Damals 
hätten  die  Granden  das  Heer  der  Junta  vernichten  können,  allein  der  Almirante,  welcher 
noch  immer  hoffte  sie  zu  überreden,  habe  das  Blutvergiessen  verhindert.'  Als  aber 
nachher  Giron  von  Villalpando  zurückgekehrt,  Medina  de  Rio  seco  angreifen  wollte, 
wo  der  Cardinal  war,  habe  Don  Fernando,  Bruder  des  Almirante,  die  Stadt  cum  paucis 
militibus  ab  ejus  rabie  vertheidigt.  Der  Verfasser  erwähnt  noch,  er  habe  der  Hinrichtung 
Juan  de  Padilla's  beigewohnt.  Er  kann  die  Beredsamkeit  des  Almirante  nicht  genug 
rühmen  und  stellt  ihn  Cicero  nicht  zu  fern.  Von  seiner  Schreibseligkeit  zeugt  auch 
nicht  nur  der  Band  Instructionen,  die  wir  haben,  sondern  auch  der  übrigens  sehr  edel 
gehaltene  Brief  an  Valladolid  vom  23.  October  1520,  den  Quevedo  p.  316 — 320 
veröffentlicht. 

Die  Ausbeute  ist  im  Ganzen  nicht  gross  und  die  Zuverlässigkeit  der  Nachrichten 
nichts  weniger  als  sicher  gestellt. 

9.  Relacion  de  las  comunidades  de  Vizcaya.   7  Bl.  Ms. 

Caj)itulo  primero  de  lo  que  pas6  en  las  montauas  de  Guipuzcoa  y  provincia  de 
Alava  y  ciudad  de  Vitoria  y  contado  de  Vizcaya  acerca  de  las  llamadas  comunidades 
del  aüo  de  1521. 

Cap.  11  de  la  discordia  que  habia  entre  el  Conde  de  Salvatierra  y  Madama  Margarita 
de  Saluzes  y  que  dende  succediö. 

Cap.  in  Como  D.  Inigo  Fernandez  de  Velasco,  Condestable  de  Castilla,  inbi(j  a  la 
dicha  provincia  de  Alava  a  hacerles  saber  como  hera  gobernador  destos  reinos  por  sa 
Magestad. 


^  Der    Almirante    versiclierte    jeflocli    (despachos    2)    l)ote    io    en  Medina    duz    veces  que  les  diessernos  la  batalla  y   dieiendo 
alg'uniis  que  era  malo  aveuturai'sse  no  se  liizo. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  40 


314  HüFLER. 

Cap.  IV  conu)  el  Condestable  eiivio  ä  conibatir  la  villa  de  Anipudla  (|ii('  era  dcl 
conde  de  Salvatierra. 

Cap.  Y  Como  el  Condestable  inbi6  per  artelloria  a  la  villa  de  Fiientarabia  y  lo 
que  tfobra   ello  aeaezio. 

Cap.  VI  de  lo  que  la  ciudad  liizo  sabiendo  (pie  el  conde  la  venia  a  dc^sti'uir  e  conio 
hubieron  batalla  con  el  e  tue  vcncido  6  preso  su  capitan  Gonzalo  Varaona  e  degollado 
por  justicia. 

Es  sind  die  Schicksale  der  Provinz  von  Alava  und  Vitoria,  die  von  Bursros  auf- 
gewiegelt  wurden,  aber,  weil  sich  diese  Stadt  cabeza  de  Castilla  nannte,  mit  Burgos 
nichts  zu  schaffen  haben  wollten.  Doch  gehören  diese  Ereignisse  nicht,  wie  angegeben 
ist,  in  den  August  1521,  sondern  1520.  Es  werden  die  Zerwürfnisse  des  Grafen  von 
Salvatierra  mit  seiner  Gemalin,  die  Bemühungen  der  Junta  von  Tordesillas  beschrieben, 
Vitoria  in  den  Aufstand  hineinzuziehen  und  wie  die  Stadt  den  Condestable  ihrer  Treue 
versichern  Hess.  Dann  folgen  die  Kämpfe  um  Ampudia,'  Jänner  1521,  das  dem  Grafen 
von  Salvatierra  gehörte;  wie  dieser  im  Auftrage  Juan  de  Padilla's  die  Munition  und 
Artillei-ie  wegnahm,  welche  von  Fuentarabia  nach  Vitoria  und  von  da  nach  Burgos 
gebracht  werden  sollten  (4.  März  1521);  wie  dann  das  wankende  Vitoria  für  den  König 
wieder  gewonnen  und  Salvatierra  dem  Grafen  abgenommen  wurde,  bis  zur  Schlacht  an 
der  Duranabrücke,  die  der  Graf  von  Salvatierra  verlor.  Sein  Hauptmann  wird  gefangen, 
die  Artillerie  (40  eiserne  Kanonen)  erobert,  der  äusserste  östliche  Flügel  der  Juntaer 
beinahe  an  demselben  Tage  vei'nichtet,  an  welchem    das    Hauptheer    geschlagen    wurde. 

9.  Die  anales  breves  del  reinado  de  los  reyes  catolicos  D.  Fernando  y  Dona 
Isabel  —  que  dej6  manuscritos  el  D.  Lorenzo  Galindez  Carvajal  de  su  consejo  y 
caraara,  y  de  los  reyes  Doüa  Juana  y  D.  Carlos  (fortgesetzt  von  D.  Rafael  Floranes 
ßobles  y  Encinas  (1787)  im  XVIII.  Bande  der  Documentos.  1851,  p.  226,  geben, 
abgesehen  von  ihrem  früheren  Inhalte,  sehr  Averthvolle  Aufschlüsse  über  die  letzten 
Tage  und  Stunden  K.  Ferdinands  V.,  die  Sendung  des  Dechanten  Adrian  und  des  Herrn 
von  la  Chaulx,  über  den  Verkauf  von  spanischen  Aemtern,  der  am  flandrischen  Hofe, 
ehe  Karl  nach  Spanien  kam,  durch  den  Grosskanzler  Juan  Salvaje  mit  Hilfe  des  Doctor 
Zuguete,  eines  Spaniers  getrieben  wurde,  so  dass  nachher  Salvaje  in  vier  Monaten 
150.000  Duoaten,  die  er  für  verkaufte  Aemter  gelöst  (p.  401),  nacli  Hause  senden  konnte 
und  der  Consejo  K.  Karl  Vorstellungen  machte ;  über  die  Nachtheile  des  Vertrages  von 
Noyon  c.  18;  über  die  Unruhen  in  Andalusien,  welche  der  Graf  von  Ureiia  durch  Unter- 
stützung der  Ansprüche  seines  Sohnes  Don  Pedro  GIron  auf  das  Herzogthum  Medina 
Sidonia  verursachte.  Die  Anales  setzen  Karls  Landung  in  Villaviciosa  auf  den 
27.  September  1517,  was  um  acht  Tage  fehlgegriffen  und  einer  der  zahllosen  Beweise 
ist,  wie  wenig  man  sich  auf  clironologische  Daten  bei  den  spanischen  Schriftstellern 
verlassen  kann.  Von  Wichtigkeit  ist  wieder  die  Darstellung  des  langsamen  Zuges  Karls 
von  \'illaviciosa  nacli  Aquilar  del  Campo  und  von  da  nach  Valladolid  und  seines 
Benehmens  gegen  den  Consejo.  Er  erklärte,  erst  in  Valladolid  sein  Haus  ordnen  zu 
wollen  und  Hess  bis   dahin  Alles  in  suspenso. 

Die  Anales  bemerken,  man  sage,  dass  der  Bischof  Mota,  welcher  nicht  wollte,  dass 
Jinicnes   init  K.   Karl   zusammenkomme,    den    Brief   schrieb,    welcher   den   Cardinal   nacli 


'    In   der   tierra  de  caniiios. 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierüngsjahre  K.  Karls  V.  315 

Mojados  berief.  Leider  erstrecken  sicti  die  von  Sandoval  wohl  gekannten  und  benützten 
Annalen  nur  bis  zum  (undatirten)  Einzüge  Kai'ls  in  Yalladolid,  18.  November  1517-, 
sie  erweisen  sieb  aber,  wenn  sie  auch  nicht  über  den  Aufstand  der  Comunidades 
berichten,  doch  über   die  unmittelbar   vorangehende    Zeit,    als    eine    verlässliche    Quelle. 

11.  Les  memoires  de  Messire  Martin  du  Bellay.  Collection  Michaud  T.   V. 

Diese  Denkwürdigkeiten  sind  in  Bezug  auf  den  Einfall  der  Franzosen  in  Navarra, 
Mai  1521,  einschlägig,  ohne  jedoch  auf  grosse  Wahrlieit  Anspruch  machen  zu  können; 
denn  wenn  es  auch  ganz  richtig  ist,  dass  der  Seigneur  d'  Asparrot,  Oberkommandant 
der  französischen  Truppen,  Hpanien  zu  erobern  gedachte,  so  ist  es  ganz  falsch,  dass  ihm 
la  Grogne  (Logroüo  am  Ebro)  keinen  Widerstand  leistete.  Es  kann  sein,  dass  er  einen 
Theil  seiner  IVuppeu  von  da  zurücksandte,  weil  er  ihnen  nur  Halbsold  zahlen  wollte. 
Allein  der  Sieg  der  Spanier  bei  Noain ,  wo  d'  Asparrot  und  der  Seigneur  de  Tournon 
gefangen  wurden,  war  so  vollständig,  dass  BeHay  gar  nicht  den  Muth  hat,  seinen  ganzen 
Umfang  einzugestehen. 

Ueber  die  übrigen  Ereignisse  berichtet  er  nichts. 

12.  Don  Fi-ay  I'rudencio  de  Sandoval  historia  della  vida  y  heehos  del  Emperador 
D.  Carlos  V.     En  Pamplona  1634,  f. 

Es  ist  kein  geringer  Beweis  fiir  die  Trefflichkeit  dieses  AYerkes,  wenn  gesagt  werden 
muss,  dass  der  Forscher  auch  nachdem  er  Alcocer,  Maldonado  und  die  übrigen  Zeit- 
genossen durchgearbeitet,  immer  wieder  auf  Sandoval  zurückkehrt.  So  viele  schätzens- 
werthe  Documente  hat  er  mitgetheilt  und  so  genau  führt  er  in  das  Einzelne  ein.  "Wir 
sind  freilich  im  Stande,  uns  auch  einer  anderen  Anschauung  zuzuwenden  und  gar  vielen 
Punkten  eine  Bedeutung  zu  geben,  welche  bei  Sandoval  nicht  hervortritt.  Auch  mag 
es  sein,  dass  er,  wie  Ferrer  nachwies,  einige  Documente  nicht  vollständig  mittheilte,  wie 
ihm  auch  sehr  viele,  über  welche  wir  verfügen,  nicht  bekannt  waren.  Vergleicht  man  ihn 
jedoch  mit  den  Bericliten  Anderer,  nicht  blos  Alfonso  Ulloas  in  seinem  Leben  K.  Karls, 
der  die  D.  Maria  de  Pacheco  mit  ilirem  Genial  hingericlitet  werden  lässt,  so  wird  der 
unbestrittene  Werth  SandovaPs  sich  um  so  mehr  ergeben.  Da  Eanke  (zur  Kritik  neuerer 
Geschichtschreiber,  S.  131)  bereits  mehrere  Punkte,  welche  sich  auf  den  Aufstand  der 
Comunidades  beziehen,  hervorhob,  um  namentlich  die  ermüdenden  Wiederholungen 
Sandovals  bemerklich  zu  maclien.  ist  es  nicht  nothwendio-  darauf  weiter  einzuffehen. 
Sein  Werk  wird  noch  lange  Zeit  unentbehrlich  sein,  wenn  auch  schon  Argensola  sich 
bewogen  fühlte,  auf  Fehler  SandovaPs  (libro  I  de  los  anales  p.  531  c.)  aufmerksam 
zu  machen. 

13.  Unmittelbar  an  Sandoval  schliesst  sich  das  Werk  des  obenerwähnten  D.  Bar- 
tholome  Leonardo  de  Argensola  (chronista  del  Rey  de  la  Corona  y  reino  de 
Aragon)  —  Anales  de  Aragon  als  Fortsetzung  Zurita's  —  an.  En  Qaragossa  1630  fol. 
Argensola  hat  nicht  blos  das  hohe  Verdienst  in  Betreff'  des  Königreichs  Aragon  sehr 
wichtige  Nachrichten  mitzutheilen,  wie  z.  B.  die  Bewegungen  gegen  die  Missbräuche 
der  Inquisition  im  Jahre  1519,  c.  72,  sondern  auch  die  auswärtigen  Angelegenheiten, 
sowie  die  Bewegungen  berücksichtigt  zu  haben,  die  zuletzt  zu  dem  Aufstande  der 
Comuueros  führten,  sowie  den  so  gefährlichen  im  Königreiche  Valencia.  Er  kennt  die 
Anliegen  der  Toledaner  bei  K.  Karl  V.,  die  Audienz  ihrer  Gesandten  zu  Molino  del 
rey,  das  Schreiben  der  Toledaner  an  die  anderen  Städte  um  eine  Vereinio'uno-  der 
castillianischen    Städteprocuratoren    zu  Stande  zu  bringen,    der  aber   Burgos    und  Sevilla 

411* 


3Ui  HöFucii. 

widerstrebten.  In  Burgos  liabe  Kai-1  den  französisclien  Gesandten  empfangen,  welcher 
Restitution  von  Navarra  und  Vermählung  mit  der  Tochter  K.  Franz  I.  verlangte.  In 
Valladolid  liabe  Don  Pedro  de  Laso  den  Einwohnern  versprochen,  sicli  der  Person  des 
Hr.  V.  Chievres  zu  bemächtigen.  Er  besclircibt  ausführlich  die  Scene,  welche  in  Valla- 
dolid zwischen  dem  Kaiser  und  Don  Pedro  Giron  stattfand  (5.  März  1520).  Nur  Karl 
und  Chifevres  seien  damals  nach  Tordesillas  gekommen  (p.  503).  Als  aber  Karl  befahl, 
den  aufrührerischen  Valladolesen  zu  vergeben,  habe  diese  Grossmuth  gar  keinen 
o-ünstigen  p]rfolg  gehabt,  sondern  nur  Giron  wurde  belobt,  weil  er  gewagt,  dem  Kaiser 
zu  drohen.  In  San  Jago  kam  es  beinahe  zu  Thätlichkeitcn,  so  ereiferten  sich  der  Graf  v. 
Benavent  und  der  Erzbischof  gegen  Chievres.  Weitläufig  werden  die  Intriguen  besprochen, 
um  Toledo  in  den  Aufruhr  hineinzuziehen,  und  das  illoyale  Treiben  Juan  de  Padillas 
aufgedeckt. 

Interessant  ist  die  Darstellung  der  Bitten  der  Granden  in  la  Coruna,  von  welchen 
Argensola  mit  einem  Schein  von  Recht  sagt,  der  Unterschied  zwischen  dem,  was  die 
Granden  damals  wollten  und  was  die  Comuneros  begehrten,  habe  nur  darin  bestanden, 
dass  die  Granden  baten,  die  Comunei-os  mit  Trotz  verlangten  (p.  936).  Argensola  kennt 
die  Berathungen,  welche  im  Schosse  des  königlichen  Rathes  in  Betreff  Spaniens  statt- 
fanden, als  dieses  rebellirte;  wie  der  Erzbischof  von  Granada  für  äusserste  Strenge 
stimmte.  Sogleich  solle  ein  Alcalde  de  Corte  nach  Segovia  abgeschickt  werden,  um 
nach  strengem  Recht  zu  verfahren  und  nicht  der  Fehler  Chi&vres  in  Bezug  auf  Toledo 
nachgeahmt  werden.  Don  Alonso  Tellez  Giron  war  für  Milde  und  Schonung,  der  Cardinal 
habe  sich  für  den  Erzbischof  entschieden  (p.  961).  Die  Schilderung  des  Aufstandes 
selbst  ist  sehr  lebhaft  und  übersichtlich,  nur  ist  die  Methode  in  dem  einen  Capitel  von 
den  Comuneros,  im  zweiten  von  Mexico,  im  dritten  von  den  auswärtigen  Verhältnissen 
Spaniens  zu  reden,  dann  wieder  zu  den  Comuneros  zurückzukehren,  lästig  und  störend. 
Argensola  lässt  Don  Juan  de  Padilla  am  29.  August  nach  Segovia  kommen,  dort  fünf 
Tage  bleiben,  am  2.  September  in  Tordesillas  einrücken.  In  Betreff  der  beabsichtigten 
Verhaftung  des  königlichen  Rathes  in  Valladolid  unterscheidet  Argensola  die  Mission 
des  Fray  Pablo,  dem  Fray  Alonso  de  Medina  nachfolgte,  der  die  Relation  über  die 
Voro-änge  in  Tordesillas  am  24.  September  in  Valladolid  verlas  (p.  1025)  und  dass  die 
Königin  im  Stande  sei,  die  Regierung  zu  übernehmen.  In  Betreff'  des  räthselvollen 
Benehmens  des  Almirante  citirt  Argensola  einen  Brief  des  letzteren  an  Alonso  de  Quinones, 
er  möoe  D.  Maria  de  Mendo^a  (Gemalin  Padillas),  Pedro  Lopez  de  Padilla  und  Hernando 
de  Avalos  sagen,  que  el  vino  de  su  casa  de  Cataluila  con  animo  de  suplicar  al  rey  lo  ■ 
niismo  que  las  Ciudades  de  Castilla,  p.  1032. 

Die  Flucht  des  Cardinalgobernadors  aus  Valladolid  setzt  Argensola  irrig  auf  den 
20.  October  1520.  Er  theilt  das  Decret  Karls  in  Betreff  der  Ernennung  von  drei 
Gobernadoren  am  9.  September  1520  mit  (p.  1055),  die  Instruction  an  Lope  Hurtado 
de  Mendoza  (p.  1059)  vom  gleichen  Datum.  Er  nimmt  das  Gastmal  der  Gräfin  von 
Modica  als  wahr  an  und  dass  wirklich  in  Rio  seco  auf  Befehl  des  Almirante  und  des 
Grafen  von  Benavente  eine  Erklärung  stattfand,  zu  Gunsten  der  heiligen  Junta,  für  die 
Königin,  den  König  und  die  Comunidad,  worauf  das  Heer  der  Junta  die  Belagerung  von 
Medina  de  Rio  seco  aufgegeben  habe  (p.  1076).  Er  theilt  das  wichtige  Schreiben  der 
Junta  an  K.  Manuel  von  Portugal  mit  (24.  October  1520),  um  dessen  Intervention  zu 
erlangen,  worüber    dann    der   König    an   den    Condestable  schrieb  und  Karl  bitten  Hess, 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegierungsjahre  K.  Karls  V.  317 

mitleidig  (piadosamente)  zu  verfahren,  p.  1104.  Daneben  (p.  1116)  erzählt  er,  wie  klug 
sich  der  Grraf  von  Haro  bei  dem  Sturme  von  Tordesillas  benommen,  während  über  seine 
Unfähigkeit  nur  Eine  Stimme  war.  Er  führt  die  Wormser  prematica  penal  (die  Acht- 
erklärung der  Comuneros)  an,  welche  Sandoval  erst  in  das  Jahr  1521  verlegt,  während  sie 
schon  Ende  1520  in  Valladolid  bekannt  war,  wenn  sich  auch  daselbst  nicht  die  drei 
Vicekönige  befanden,  wie  Argensola  p.  1117  angibt.  Mit  dieser  langen  Achtserklärung 
p.  1118 — 1128  schliesst  Argensola  seine  primera  parte  de  los  anales  de  Ai'agon,  von 
welchen,  was  ihre  Behandlungsweise  betrifft,  mit  Recht  auf  das  Urtheil  hingewiesen 
werden  mag,  das  schon  Don  Antonio  de  Solls  in  der  historia  de  la  conquista  de  Mejico 
I.  c.   2,  aussprach. 

14.  Joannis  Genesii  Sepulvedae  de  rebus  gestis  Caroli  V  Imperatoris  libri  XV. 
(Oper  I.)  Madrid   1780.  4^ 

lieber  den  liohen  Werth  der  Geschichte  K.  Karls  von  Sepulveda  ist  nur  Eine 
Stimme  vorhanden.  Er  spricht  sich  über  die  von  ihm  benützten  Quellen  in  dem  Briefe 
an  Jakob  Neyla  ausfühidich  aus.  Er  erwähnt,  Antonio  de  Eonseca  habe  ihm  selbst 
gesagt,  wie  er  seinen  Truppen  verboten  habe,  Medina  del  Campo  anzuzünden.  In  der 
Erzälilung  legt  er  besonderen  Werth  auf  die  Absonderung  Andalusiens  und  Estremaduras, 
das  durch  die  Streitigkeiten  der  (Jhaves  und  Vargas  gespalten  war,  von  dem  Aufstande, 
erzählt  letzteren  beredt,  aber  ohne  tiefer  einzugehen  und  die  eigentlich  controversen  Punkte 
aufzuhellen.  Er  bespricht  die  Kämpfe  mit  dem  Grafen  von  Salvatierra  sehr  ausfülirlich, 
ebenso  den  Einfall  der  Franzosen  in  Navarra  auf  Betrieb  der  Witwe  Padilla's  und  des 
Bischofs  von  Zamora  (p.  102).  Den  Sieg  von  Noain  schreibt  er  der  Tapfei'keit  des 
Almirante  zu,  während  der  Herzog  von  Najera  schon  sich  zurückgezogen  hatte.  Zuletzt 
werden  noch  die  Kämpfe  um  Toledo  erzählt,  alles  in  dem  Sinne,  dass  die  T baten  der 
Königlichen  besonders  hervorgehoben  und  des  Aufstandes  und  seiner  Bedeutung  ver- 
hältnissmässig  wenig  gedacht  wird.  Dona  Maria  lässt  er  als  Bäuerin  verkleidet  auf 
einem  Maulthier  entrinnen.  Er  widmet  ihr  weder  Lob  noch  Nachruf,  verhält  sich  über- 
haupt unendlich  kühl,  man  möchte  sagen  zugeknöpft  gegen  das  ganze  denkwürdige 
Ereigniss. 

15.  Alfonso  Ulloa  vita  dell  invittissimo  Imp.   Carlo  V.    In  Yenezia   1G62.  4". 

Ein  Muster  von  Ungenauigkeit  und  oberflächlicher  Darstellung  in  Betreff  des  Auf- 
standes der  Communen.  Ulloa  lässt  K.  Karl  in  Portugal  in  Yiscaya  (1520)  abreisen,  den 
ganzen  königlichen  Rath  und  die  Königin  in  Valladolid  gefangen  genommen  werden, 
Doiia  Maria  wird  mit  ihrem  Gemal  in  Villalar  enthauptet,  die  Franzosen  werden  am 
24.  August  1521  (statt  30.  Juni)  geschlagen  u.  a.  m.  Ulloa  kennt  Briefe  des  Almirante, 
stützt  sich  auf  Antonio  de  Guevara,  ohne  dessen  Fehler  zu  kennen,  verwechselt  Medina 
de  Rio  seco  mit  Medina  del  Campo  und  lässt  den  Almirante  von  da  ausziehen  und 
Tordesillas  nehmen,  als  wäre  er  der  Obercommandant  gewesen.  Beinahe  jede  angeführte 
Thatsaclie  ein  grober  Fehler.  Für  die  Geschichte  der  Conumidades  ist  Ulloa  gei^adezu 
unbrauchbar. 

16.  Decadencia  de  Espana.  Primera  parte.  Historia  del  levantamiento  de 
las  comunidades  de  Castilla.  1520 — 1521.  Por  Don  Antonio  Ferrer  del  Rio. 
Madrid   1850. 

Das  sehr  glänzend  und  mit  grossem  rhetorischen  Feuer  geschriebene  Werk  des 
gelehrten    individuo    de    las    reales    Academias  de  buenas  letras  de  Sevilla  y  Barcelona 


318  Höfler. 

sollte  eigentlich  luii-  riu  ^  orläufer  der  Lebensgeschiclite  des  grossen  K.  Karls  III.  sein, 
die  aber,  eine  Yerherrliclmng  des  bonrbonisclien  Königtlnims,  selbst  erst  nach  dem  Tode 
des  A'ertassers  zu  erscheinen  bestimmt  war.  Ferrer  stützt  sich  auf  Pedi'o  Mejia,  der 
damals  noch  nicht  gedruckt  war,  auf  die  seit  1840  in  spanischer  Uebersetzung'  heraus- 
gekommene Schrift  Juan  Maldonado's  de  motu  Hispaniae  vel  de  communitatibus  Ilispaniae, 
deren  historischen  Werth  jedoch  Ferrer  zu  wenig  analysirt;  auf  des  Cordobaners  Gonzalo 
de  Ayoi-a,  relacion  de  todo  lo  sucedido  en  las  comunidades  de  Castilla  y  otros  reinos, 
ein  nicht  näher  bekanntes  Werk  eines  Zeitgenossen,  von  welchem  wir  erfahren,  dass 
Gonzalo  im  Rathe  sass,  als  es  sich  um  das  Schicksal  Segovias  handelte,  und  er  für 
mildere  Massregeln  stimmte,  was  sich  doch  wohl  darauf  bezog,  als  der  strenge  Alcalde 
ßonquillo  1520  gegen  Segovia  abgeschickt  wurde;  auf  den  uiis  wohl  bekannten  Pedro 
de  Alcocer,  von  Avelchem  er  urtheilt,  es  muy  bueno  que  se  le  consulte  y  muy  insuficiente 
para  que  se  le  siga  ä  la  letra;  auf  die  epistolas  familiäres  del  fray  Antonio  de  Guevara 
(Bischof  von  Mondonedo)^  und  die  dazu  gehörigen  cartas  censorias  del  lector  Pedro 
ßhua  (1Ö49,  Burgos);  auf  die  ungedruckten  cartas  y  advertencias  del  almirante  Don 
Fadrique  Enriquez  al  emperador  de  Alemania,  von  Avelchen  ich  vermuthe,  dass  sie 
dieselben  sind,  welche  handschriftlich  vor  mir  liegen ;  auf  Don  Pedro  Fernandez  del 
Pulgar,  teatro  clerical  y  apostolico  de  las  iglesias  de  Espana ;  auf  Don  Antonio  Cabezudo, 
antiquidades  de  Simancas,  in  welchem  sich  Notizen  fanden,  die  sonst  überall  fehlten; 
auf  fray  Prudencio  de  Sandoval,  Bischof  von  Pamplona,  in  seinem  Leben  K.  Karls  V., 
wobei  Ferrer  bemerkt,  Sandoval  stütze  sich  auf  Ortiz,  Guevara  und  Ayora  ohne  letzteren 
zu  nennen  und  folge  Meja  wirklich  nach.  Ist  der  Ausdruck:  intercala  integres  muchos 
y  muy  notables  documentos  so  zu  verstehen,  dass  die  von  Sandoval  eingeflochtenen 
Urkunden  in  ihrer  IntegTität  mitffetheilt  seien,  so  ist  das  nachweisbar  irriof.  Endlich 
führt  Ferrer  noch  Diego  de  Colmenares,  historia  de  la  insigne  ciudad  de  Segovia, 
Francisco  Cascales,  discursos  historicos  de  Murcia  y  su  reino,  Fernando  Pecha,  historia 
de  Guadalajara,  und  die  Ordensgeschichte  fray  Alonso'S  de  Castilla  vom  Predigerorden, 
fray  Antonio  Dazas  vom  Franciscaner-Orden  an.  Selbstverständlich  sind  die  documentos 
ineditos  von  Salva,  Bravo  und  Navarete  nicht  umgangen. 

Was  nun  die  Behandlungsweise  des  Gegenstandes  betritft,  so  ist  zwar  Fei-rer  von 
der  Unumstösslichkeit  seiner  Behauptungen  (p.  XX^I)  vollkommen  überzeugt;  ich  jedoch 
vom  Gegentheilc.  Für  ihn  ist  die  Zeit  Ferdinands  V.  und  der  Königin  Isabel  das 
goldene  Zeitalter  Spaniens,  wobei  er  freilich  mit  der  Einführung  der  Inquisition  etwas 
ins  Gedränge  kommt;  denn  diese  passt  doch  schlecht  zum  goldenen  Zeitalter.  Allein 
die  Zeit  K.  Karls  muss  nun  einmal  seiner  festen  Ueberzeugung  nach  der  Anfang  und 
Ausgangspunkt  der  decadencia  de  Espana  sein  und  das  genügt.  Er  sielit  in  der  Auf- 
stellung eines  Bürgerheeres  durch  den  Cardinal  Cisneros  (Xlmenes)  die  Bürgschaft  des 
Besserwerdens  und  feiert  diese  Einrichtung,  welche  doch  nach  dem  Tode  I'erdinands  V. 
stattfand,  mit  wahrhafter  Ueberschwenglichkelt.  Sie  scheiterte  an  dem  zähen  Festhalten 
iler  Städte  an  ihren  alten  Grewohnhelten.  Die  Massregel  erreichte  ihren  Zweck  nicht 
und  zwar  unabhängig  von  Karl  V.,  der  wohl  dafür  auch  verantwortlich  sein  soll.  Schlechte 
ßathgeber  verleiten  Karl,  nach  dem  Tode  seines  Grossvaters  Ferdinand,  den  königlichen 


'   Vi'ii  QuevL'do:   Movimiento  de   Espana. 
2  Edicion  de  Valladolid    154P. 


ZuB  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regieeungsjahre  K.  Karls  V.  319 

Titel  anzunehmen.  Die  malos  consejos  bestanden  in  der  Anerkennung  Karls  als  Könio- 
durch  seinen  Grossvater  Maximilian  und  Papst  Leo  X.,  die  beiden  Häupter  der  Christenheit. 
Die  beiden  Herren,  welche  zur  Vertretung  der  Interessen  Karls  nach  Castillien  geschickt 
wurden,  waren  la  Chau  —   in  Wirklichkeit  de  la  Chaux,  und  Amerstorff  —  Armerstorf. 


Aus  Utrecht  ist  Utrech  gemacht. 


Die  so  interessanten  Verhandlungen  der  Granden  in  Madrid  1516,  über  die  Aner- 
kennung Karls  als  König,  welche  Gomez  ausführlich  gibt,  werden  nur  ganz  im  Allge- 
meinen besprochen.  Kurze  Zeit,  nachdem  Ximenes  das  Enthebungsschreiben  erhalten, 
sei  er  gestorben.  Das  Schreiben  ist  vom  7.  November,  der  Tod  erfolgte  am  8.  November. 
Es  ist  sicher  gestellt,  dass  es  nicht  in  die  Hände  des  Sterbenden  kam,  dessen  Regent- 
schaft übrigens  mit  der  Ankunft  des  Königs  von  selbst  aufliörte.  Doch  Ferrer  durfte 
die  schöne  Gelegenheit  von  dem  publico  testimonio  de  la  ingratitud  mas  fria,  perfida 
y  degradante  Karls  nicht  unbenutzt  vei'streichen  lassen. 

Natürlich  ist  bei  der  Versammlung  der  Cortes  zu  Valladolid  D.  Zumel,  Procurator 
von  Burgos  und  Haupt  der  Opposition  der  städtischen  Procuratoren,  Gegenstand  besonderer 
Vorliebe  für  Ferrer.  Allein  die  Opposition  machte  denn  doch  insoferne  Fiasco,  als 
.sie  gegen  die  Person  des  Herrn  von  Chievres  gerichtet  war,  der  als  Ausländer  Spanien 
und  den  König  beherrschte.  Das  zweite  Capitel:  Espana  bajo  la  dominacion  flamenca, 
schrumpft  sehr  zusammen,  da  sich  herausstellte,  dass  Chievres,  wenn  auch  nicht  Spanier 
von  Geburt,  doch  tUirch  Naturalisation  und  zwar  seit  langer  Zeit  war.  Darauf  war  die 
Opposition  nicht  gefasst.  Der  Geschichtschreiber  aber  hat  nicht  die  Parteianschauungen 
der  einen  Partei  sich  anzueignen,  wie  es  Ferrer  machte,  sondern  auch  die  Stellung  des 
Königs  zu  würdigen,  der  seine  Autorität  zu  wahren  suchte.  Uebrigens  fand  das  Auf- 
treten Zumels  auch  unter  den  Procuratoren  durchaus  nicht  unbedingten  Beifall  und  ist 
es  sehr  bezeichnend,  dass  der  Führer  der  Opposition  der  Procuratoren,  so  lange  es  galt, 
den  König  zu  vermögen,  die  Rechte  Castilliens  zu  beschwören,  sicli,  als  der  Aufstand 
der  Comunidades  ausbrach,  auf  Seite  des  Königs  stellte. 

\Yenn  aber  irgend  etwas  die  parteiische  Auffassung  Ferrer's  zu  eharacterisiren  ver- 
mag, so  ist  es  die  Darstellung  der  Erhebung  Karls  zur  Kaiservvürde.  Nombrado,  heisst 
es,  Don  Carlos  emperador  de  Alemanda  por  influjo  del  sabio  }'  virtuose  Marques  de 
Brandenburgo!  Bei  einer  derartigen  Verkehrung  der  Thatsachen  ist  es  nur  mehr  ein 
Act  der  Selbstüberwindung,  dem  Verfasser  nachzufolgen,  der  in  der  Erlangung  des 
Kaiserthums  nur  einen  Act  der  Ambition  Karls  erblickt,  welcher  dadurch  Herr  eines 
sehr  ausgedehnten  Territoriums  wurde  und  Spanien  auf  den  traurigen  Rang  einer 
tributären  Provinz  herabdrückt. 

Warum  haben  dann  die  Spanier  ihrem  Könige  die  Hand  geboten,  Kaiser  zu  werden? 
Aber  solche  Dinge  übergeht  Ferrer  del  Rio.  Seine  xVuffassung  ist  ja  unwiderleglich. 
Allein  es  wird  denn  doch  erlaubt  sein,  zu  fragen ,  nachdem  Ferrer  so  wenig  A\"erth 
darauf  zu  legen  scheint,  dass  jetzt  erst,  nicht  unter  den  katholischen  Königen  ganz 
Spanien  vereinigt  war,  was  wäre  denn  wohl  aus  Spanien  gewoi'den,  wenn  Karl  V.  nicht 
Kaiser,  sondern  statt  seiner  es  König  Franz  von  Frankreich  oder  König  Heinrich  VIII. 
von  England  geworden  wären?  Glaubt  man  denn,  K.  Karl  hätte  ruhig  in  Spanien  sitzen 
und  der  Entwicklung  der  Dinge  von  Saragossa  oder  Toledo  aus  zusehen  können?  Navarra 
und  die  Niederlande  wären  von  den  Franzosen  nicht  angegriffen  worden?  K.  Franz 
hätte  im  Besitze  von  Mailand  die  Pland  nicht  nach  Neapel  ausgestreckt,  hätte  im  Innern 


320  HöFLiai. 

Spaniens,  das  denn  doch  aus  einem  Conglonierate  von  Gegensätzen  bestand,  keine  Partei 
gefunden,  welclie  sieh  an  ihn  angeselalossen  hätte?  Aragonesen  und  Castillianer,  welche 
schon  in  Saragossa  aneinander  geriethen,  hätten  sieh  dann  die  TIand  geboten.  Valencianer 
wären  nicht  aufgestanden  und  Spanien,  das  durch  Navarra  Frankreich  bedrohte,  durch 
Neapel,  die  Niederlande  und  liurgund  mit  den  Geschicken  Mitteleuropas,  durch  die 
österreichischen  Länder  mit  Osteuropa  zusammenhing,  hätte  ruhig  zusehen  können,  wie 
Eno-land  seine  Herrschaft  über  den  Continent,  Frankreich  über  Deutschland  und  Italien 
ausbreitete,  um  dann  mit  voller  Kraft  über  Spanien  herzufallen.  Ferrer  befindet  sich 
mit  seinen  Declamationen  in  einer  ähnlichen  Lage,  wie  jene  deutschen  Geschichtsclireiber, 
welche  o-lauben,  welch'  gewaltige  Politiker  sie  sind,  wenn  sie  unsere  grossen  Kaiser  schul- 
meistern, weil  sie  den  Sattel  auf  die  Alpen  gelegt,  das  Kaiserthum  errangen  und  Italien 
mit  Deutschland  verbanden,  nur  dass  Ferrer  seine  Unvernunft  allein  trägt,  die  historische 
Sopliistik  der  deutschen  Geschichtschreiber  aber  an  dem  Bürgerkriege  des  Jahres  186G 
die  Mitschuld  trägt.  Die  Vorgänge  in  Valladolid ,  das  den  König  mit  Gewalt  zurück- 
halten wollte,  werden  nur  im  Sinne  der  Aufständischen  besprochen-,  dass  Karl,  nachdem 
er  von  den  Aragonesen  und  Cataloniern  über  Gebülir  aufgehalten,  nicht  nach  Valencia 
o-eo-angen  war,  dort  die  Huldigung  zu  empfangen,  nun  auch  nicht  von  Villalpando  nach 
Toledo  gehen  konnte,  er  so  viel  an  ihm  war,  seine  Abreise  nach  Deutschland  beschleunigen 
musste  wo  der  grösste  Aufruhr  gährte,  war  begreiflich,  nur  nicht  für  Ferrer  del  Rio. 
Ueber  die  Darstellung  der  Cortesversammlung  zu  San  Jago  und  la  Coruna  wird  bei  la 
Fuente  die  Eede  sein.  Ferrer  entlässt  den  Kaiser  aus  Spanien  mit  einer  Philippica 
über  seinen  masslosen  Ehrgeiz  und  mit  der  Behauptung,  dass  die  Spanier  ein  Recht 
hatten,  ilin  zurückzuhalten.  Sie  unterstützten  ihn  mit  aller  Kraft,  das  Kaiserthum  zu 
erlano-en:  sie  hatten  daher  ein  Recht!  Alles  aufzubieten,  dass  er  es  so  rasch  als  möglich 
verliere,  das  ist  die  Argumentation  Ferrer's. 

Der  Ausbruch  des  Aufstandes  der  castillianischen  Städte  wird  sehr  ausführlich 
beschrieben,  leider  aber  das  Datum  weggelassen,  was  doch  für  die  Sicherstellung  der 
chronologischen  Folge  unumgänglich  nothwendig  ist.  Man  erlangt  keine  Uebersicht, 
in  welcher  Art  Juni  und  Juli  1520  verflossen,  sondern  plötzlich  steht  man  vor  Medina 
del  Campo  und  seiner  Katastrophe  am  22.  August,  der  Brand  dieser  Stadt  gibt  Ferrer 
wieder  Gelegenheit  zu  unsinnigen  Declamationen.  Als  Antonio  de  Fonseca  mit  den 
königlichen  Truppen  die  Medinesen  angrifl',  aber  die  Strassen  verbarrikadirt  fand  und 
lum  sieh  in  einen  harten  Strassenkamj^f  verwickelt  fand,  griffen  seine  Soldaten  zu  dem 
o-ewöhnlichen  Mittel  der  Stürmenden,  wie  es  später  bei  der  Einnahme  von  Tordesillas 
geschah,  in  Magdeburg  und  Bazeilles  und  in  Tausenden  von  Orten,  sie  legten  Feuer  an. 
Niemand  löschte,  aber  bei  der  Masse  von  brennbaren  Stoffen,  die  in  den  Magazinen 
waren,  griff'  das  Feuer  unaufhaltsam  um  sieli  und  nun  geht  es  wie  gewöhnlich  in  solchen 
Dingen.  Nach  Rodrigo  Mendez  Silva  brannten  200  Häuser  ab,  nach  dem  Arcediano 
del  Alcor  500,  nach  Juan  Lopez  Osorio  in  seiner  Geschichte  Medina  del  Campo's  900. 
Natürlich  ist  Fonseca  Kain  H.  Meiner  Ueberzeugung  nach  wäre  es  besser  gewesen, 
wenn  Ferrer  untersucht  hätte,  ob  das  von  ihm  S.  358  mitgetheilte  Schreiben  der  Capitäne 
Juan  de  Padilla,  Juan  Zapata,  Juan  Bravo  von  Martin  Munoz  de  las  Posadas  wirklich  vom 
25.   Auo-ust  war.     Da  Juan   de   l'adllla  sich  um   24.   in  den  Besitz  von  Tordesillas  setzte' 


Schreiben  des   Cardiiiiils  bei   Bers'enroth,   Calenclar,  pag.   20 


ZuB  Kritik  und  Quellenkunde  dek  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  321 

und  dort  blieb/  ist  es  doch  unmöglich,  dass  er  am  26.  Arevalo  eine  Stunde  rechts  liegen 
liess  —  wo  Fonseca  stand  —  um  nach  Medina  zu  ziehen.  Der  Brief  ist  datirt  vom  23. 
Die  Eröffnung  der  santa  Junta  von  Avila,  die  Einnahme  von  Tordesillas ,  das  Benehmen 
der  Königin  sind  so  dramatisch  dargestellt  als  möglich.  Aber  es  wurde  verschwiegen, 
dass  Diener  der  Königin  die  Junta  aufforderten,  den  Ueberfall  von  Tordesillas  zu  wagen 
und  dass  das  Gerücht  ausgestreut  war,  die  Königin  sei  gesund  und  wider  ihren  Willen 
in  Haft  gehalten.  Da  fehlen  Ferrer  die  wichtigen  Documente,  welche  Bergenroth 
bekannt  machte,  von  denen  er  aber  selbst  einen  historisch  nicht  zu  rechtfertigenden 
Gebrauch  machte.  Mit  Recht  tadelt  Ferrer  den  Don  Juan  de  Padilla,  dass  er  wohl  die 
Räthe  des  Consejo  wegschleppte,  aber  nicht  Simancas  nahm,  das  mit  seiner  festen  Lage 
an  dem  Pisuerga  erst  die  strategische  Verbindung  Valladolids  mit  Tordesillas  und 
Zamora  gewährte.  Man  kanii  sagen  im  Besitze  Simancas  wäre  die  Schlacht  von  Villalar 
unnöthig  gewesen,  —  dass  aber  Zapata  sich  verkleidete  und  Valladolid  rettete,  ist  doch 
wohl  unrichtig,  da  er  bei  dem  Cardinalgobernador  aushielt  und  diesem  später  zur 
Fhicht  behülflich  war.  Auch  wurden  nicht  zwei,  sondern  drei  Deputirte  nach  Deutschland 
geschickt,  Karl  V.  das  Memorial  der  heiligen  Junta  zu  übergeben.  Die  wichtigen 
Zwischenfälle  von  der  Begründung  der  dreifachen  Regentschaft  bis  zur  Ansammlung 
des  Heeres  der  Granden,  wie  die  Gefangenschaft  Adrians  in  Valladolid  und  seine  Flucht 
nach  Rio  seco  werden  von  Ferrer  sehr  kurz  behandelt.  Dann  heisst  es,  der  Cardinal- 
gobernador sei  eine  venerable  nullidad  en  los  negocios  de  Castilla  gewesen,  nur  der 
Condestable  und  der  Almiran te  hätten  gehandelt.  Letzterer  aber  hatte  in  Rio  seco  noch 
nicht  einmal  die  Stelle  eines  Gobernadors  übernommen.  Ferrer  gibt  selbst  zu,  dass  die 
Reise  Padillas  nach  Toledo,  als  statt  seiner  Don  Pedro  Giron  Generalcapitän  wurde,  die 
Krankheit  der  Dona  Maria  Pacheco  nur  zum  Vorwande  nahm;  die  Entfernung  der  tole- 
danischen  Truppen  in  diesem  Augenblicke  und  der  Mangel  an  Einigkeit  unter  den 
Führern  war  aber  der  grösste  Fehler,   den  man  begehen  konnte. 

Ferrer  legt  nun  sehr  grossen  Werth  auf  die  Unterhandlungen,  welche  im  Auftrage 
der  Gobernadoren  der  Franeiscaner  Guevai-a  in  Villabraxima  mit  den  Granden  der  Junta 
führte.  Allein  von  Aufträgen  der  Gobernadoren  war  hier  keine  Rede.  Der  Almirante 
war  noch  an  demselben  Tage,  an  welcliem  er  nach  Rio  seco  gekommen  war,  nach  Torre 
de  Lobaton,  drei  Stunden  von  Tordesillas,  gegangen  und  soll  nun,  ohne  die  Regentschaft 
bedingungslos  übernommen  zu  haben,  durch  Guevara  Anerbietungen  gemacht  haben,  die 
weit  über  die  Capitulos  von  Burgos  des  Condestable  hinausgingen.  Ferrer  theilt  sie 
dem  "Wesen  nach  mit  (S.  145).  Es  handelte  sich  aber,  wie  der  Cardinal  dem  Kaiser 
schrieb,  wesentlich  um  Einstellung  der  Feindseligkeiten  durch  Entlassung  der  beider- 
seitigen Heere  und  der  Almirante  war  auch  hierauf  eingegangen  •,  tlie  Unterhandlungen 
wurden  durch  den  Bischof  von  Zamora  abgebrochen  und  der  Unterhändler  mit  dem 
Bedeuten  fortgeschickt,  er  möge  sich  nicht  mehr  bei  dem  Heere  der  Junta  blicken 
lassen.  Der  Pater,  welcher  somit  sieben  Mal  umsonst  nach  Villabraxima  gegangen  war 
und  doch  etwas  ausgerichtet  haben  wollte,  erzählt  dann :  Don  Pedro  Giron  saliö  ä  mi 
al  Camino  cuando  me  tomaba  y  alli  platicamos  tales  y  tan  delicadas  cosas  que  de  nuestra 
platica  resulto  que  el  resistiese  el  campo  hacia  Villalpando  y  que  los  gobernadores 
marchasen  hacia  Tordesillas. 


I  Er  war  am   I.   September  das  Haupt  der  Ovalion,  welche  mau  der  Königin  in  Tordesillas  brachte.  1.   c.  pa<j.   'il'd. 
Denkschrillen  der  pliil.-liist.  Cl.  XXV.  Bd.  4t 


39  0  Höfler. 

Aus  (Irn  später  folgenden  Erörtei-ungen  in  Betreff  (jriievai'a's  wird  hervorgelien,  wie 
ungenau  diese  Mittheilungen  sind,  wie  unmüglicli  sie  in  die  von  Ferrer  angenommene 
Zeit  einzurahmen  sind.  Was  aber  die  Unterhandlungen  Don  Antonio's  mit  Don  Pedro 
Gii'on  betrifft,  so  halte  ich  sie  aus  Gründen,  die  ich  an  einen  andern  Orte  auseinander- 
setzte, i'üi-  eine  mönchische  Aufschneiderei,  der  alle  innere  Begründung  ermangelt,  auf 
die  aber  Ferrer  den  grössten  Werth  legt. 

Wir    sind    nun    gerade    über    die    Vorgänge,    welche    dem    Sturme    auf    Tordesillas 
zunächst    vorausgingen,    durch    unsere    Materialien    auf   das    Genaueste    unteri-ichtet  und 
wissen,  dass  Beschluss  und  Ausführung  beinahe  identisch  waren ;    wir  wissen  aus  Mejia, 
dass  der  Zug  Don  Pedro  Giron's   nach  dem    seitwärts  gelegenen  Villalpando    mit    voller 
Zustimmung    sämmtlioher    Häupter    des    Juntaheeres    stattfand    und  nicht  einseitig  durch 
,den  Yerräther'    Giron   angeordnet  wurde ;    dass    ferner   derselbe  ganz  im  Geiste  der  im 
Juntaheere  herrschenden  Politik  geschah,  nämlich  die  Granden    durch  Verwüstung  ihrer 
Ländereien  zu  zwingen,   sich  an  die  Junta  anzuschliessen ;   daher  der  Zug  nach  ßio   seco, 
das    dem    Almirante    gehörte,    daher    der    Zug    nach  Villalpando,    das  dem  Condestable 
o-eliorte  und  dass  diese  Politik  ihre  guten    Gründe    hatte,    geht    daraus   hei-vor,    dass  die 
Granden    auf   dem    Punkte    standen,    es    so  zu  machen,  wie  es  die  Griechen  bei  Salamis 
ohne  Themistoklcs  gethan   hätten,  auseinander  zu  gehen,    um  ihre  Ländereien  von  ihren 
Castellen  aus  zu  vertheidigen.     Es    ist    von    Ferrer    lächerlich,    Don    Pedro    Giron    einen 
Vorwurf  daraus  zu  machen,  dass  er  sein  Volk  im  Angesichte  der  rauhen  Jahreszeit  nicht 
in  Rio  seco,  das  er  gar  nicht  gewinnen  konnte,  überwintern  lassen  w^ollte,   sondern  in  dem 
reichen  Villalpando,   auf  feindlichen  Boden,  in    der    Besitzung    eines    der    Gobernadoren, 
dem    dadurch    der    empfindlichste    Schaden    erwuclis.     Man    nimmt    aber    eine  wohlver- 
wahrte Stadt  —  und  das  war  ßio  seco,  wohl  auf  dem  Papier    sehr   leicht,    aber  nicht 
in  \^'irklichkeit.  Man  kann  selbst  Giron  nicht  einmal  den  Vorwurf  machen,    dass  er  die 
drei    Ortschaften,    von    wo    aus    er    Rio    seco    angegriffen    hatte,    während    er    westlich 
abschwenkte,  blos   gestellt    habe.     Villagarcia    z.    B.    masste    erst    von    dem    königlichen 
Heere    erstürmt    werden.     Selbst    Sandoval    hat    von    diesen    Vorgängen    keine    richtige 
Anschauung,    wie  Ferrer  richtig  nachwies,  diesem  aber  blieb  unbekannt,    dass  der  Graf 
von  Haro,  der  Generalcapitän   der    Königlichen,    schon    in    Rio    seco    zum    Heere    stiess. 
Er  nahm  Villagarcia.     Ferrer  lässt  ihn    dann   Tordesillas  am  punto  mas  facil  angreifen; 
gerade  das  Entgegengesetzte  geschah.     Tordesillas  wurde  von  der  geistlichen  Garde  des 
Bischofs    von    Zamora    vertheidigt,    die    wie    Ferrer    uns    sagt,  wie    embravecidos   leones 
fochten.    Einer  schoss  eilf  königliche  Soldaten  todt.     Zu  seinem    besonderen  Vergnügen 
schlägt  jetzt  auch  noch  gegen  Ende  des  6.  Capitels  Ferrer  den  Don   Pedro    Giron,    den 
vil  magnate,  den  traidor  d  todos  moralisch  todt,  ohne  jedoch  einen  anderen  Beweis  dafür 
aufstellen    zu    können,    als    dass    sein    Abschwenken    nach    Villalpando    die    Strasse  nach 
Tordesillas  frei  liess.  Ich  wiederhole,  hätte  Juan  de  Padilla  solange  er  Generalcapitän  war, 
das  wichtige  Simancas  genommen,  so  würde  der  Zug  nach  Tordesillas  zur  Unmöglichkeit 
geworden  sein.     Nun  lässt  zwar  Ferrer  den  Bischof  von  Zamora    und  Don  Pedro   Giron 
vor  Rio  seco  recht  schön  herumgaloppiren,  macht  dem  Verräther  grosse  Vorwürfe,  dass 
er  nicht  auch  versuchte,  jetzt  Rio   seco    durch    einen    Handstreich    wegzunehmen;    allein 
er  vergass  oder  weiss  nicht,  dass  das  Heer  aus  schlechter  Lifanterie  bestand,    der  Kern 
in  Tordesillas  lag  und  jetzt  sich  rächte,  dass  die  Städte  den  Bemühungen  Jimenes,    ein 
Bürgerheer  zu  schaffen,  Widerstand  geleistet  hatten  und  Juan  de  Padilla  abgezogen  war. 


ZuK  Kritik  und  Quellenkünde  dek  Ersten  Regierungsjahre  K.  Kakls  V.  323 

Das  Heer  der  Junta  war  eben  nicht  feldtüchtig,  durch  den  Verlust  von  Tordesillas 
demoralisirt,  konnte  man  es  zu  keinem  neuen  Wagniss  führen.  Es  hatte  in  Villalpando 
geplündert,  den  Bauern  alle  ihre  Plabe  abgenommen.  Ein  solches  Heer  kann  man  nicht 
zum  Sturme  führen,  am  wenigsten  wenn  man  befürchten  muss,  dass  ein  sieo-reiches 
wohl  disciplinirtes  von  Tordesillas  aus  in  den  Rücken  falle.  Das  ganze  Capitel:  traicion 
de  Don  Pedro   Giron  ist  verfehlt;   die  Auffassung  ganz  und  gar  irrig. 

Man  darf  aber  nicht  übersehen,  dass,  wenn  Don  Pedro  Giron  kein  Verräther  war 
Don  Juan  de  Padilla  auch  nicht  Castillien  vom  Verrathe  retten  konnte.  Der  künstliche 
Oberbau  der  Grösse  Padilla's  fällt  zusammen,  sobald  der  Unterbau  sich  als  morsch  und 
schadhaft  erweist.  Da  die  Granden  sich  zerstreut  und  nach  Hause  gegano-en  waren 
hatte  die  Junta  Zeit  sich  zu  organisiren.  Jetzt  erfolgten  die  Unterhandlungen,  welche 
Ferrer  sehr  ausführlich  beschreibt,  auf  welche  aber  der  Cardinalgobernador  sehr  wenig 
Werth  legte,  da  sie  die  Unternehmungen  nur  lähmten.  Hierauf  die  Eroberung  von 
Torre  de  Lobaton  durch  Don  Juan  de  Padilla,  die  einzige  Kriegsthat  des  Helden  der  Junta 
welcher,  nachdem  ihn  der  neue  Luther,  der  Bischof  von  Zamora  verlassen,  wie  ver- 
zaubert in  Unthätigkeit  dasteht.  Den  Grund  freilich  kennen  wir  aus  dem  tratado.  Der 
Held  Castilliens  wartete  auf  den  Einbruch  der  Franzosen,  Dann  wendet  sich  die  Er- 
zählung den  Fahrten  Don  Antonio  de  Acufia's  zu,  leider  ohne  durch  chronologische 
Daten  Sicherheit  in  Betreff  der  Aufeinanderfolge  der  Ereignisse  zu  geben.  Hiebei 
ergeht  sich  Ferrer  in  Lob  über  das  humane  Benehmen  der  Comuneros  gegen  ihre 
Gefangenen  und  beruft  sich  dabei  auf  die  Behandlung,  welche  Don  Tello,  einer  der 
königlichen  Räthe,  erlitten.  Aber  alle  Berichte,  welche  wir  darüber  haben,  sprechen 
sich  über  die  grosse  Härte  und  Misshandlung  aus,  deren  Gegenstand  Don  Tello  war. 
Dem  Bischof  von  Zamora  zu  Liebe  muss  die  göttliche  Vorsehung  unmittell)ar  einschreiten, 
um  seine  Gegner  wegen  Treubruchs  zu  züchtigen.  Der  innere  Krieg  nahm  an  Heftigkeit 
zu;  auch  in  Toledo  schritt  man  zur  Zerstörung  der  Häuser  der  Gegenpartei.  Don  Juan 
de  Padilla  aber  wird  jetzt  in  seiner  Rathlosigkeit  zu  Torre  de  Lobaton  mit  Hannibal  in 
Capua  verglichen.  Dann  werden  wohl  die  Gefechte  um  Palacios  de  Meneses  ausführlich 
erzählt,  aber  der  grösste  Fehler  Padilla's,  die  Vereinigung  der  beiden  Grandenheere  in 
Peuaflor  nicht  zu  hindern,  wird  nicht  gerügt,  wohl  aber  gesagt,  die  drei  Gobernadoren 
seien  in  Penaflor  zusammengekommen,  während  doch  Adrian  in  Tordesillas  zurückblieb. 

Das  Uebrige  gestaltet  sich  zu  einer  Art  von  historischen  Hymnus  auf  Dona  Maria 
de  Pacheco,  den  Mann  ihres  Gemals,  wie  sie  Petrus  de  Angleria  nennt.  Dass  nach  der 
Schlacht  von  Villalar  ihr  Widerstand  sinnlos  war  und  nur  den  Franzosen  einen  Vorschub 
leistete,  dass  sich  die  Toledanerin  in  ihrer  Gewaltherrschaft  auf  GOO  Fremde  stützte,  die 
Stadt  verarmte,  eine  Seuche  die  Bevölkerung  decimirte,  Doila  Maria  Geld  zum  Aufstande 
von  der  Kathedrale  erpresste,  ihr  eigener  Oheim,  der  Marques  von  Villena,  so  wenig  wie 
ihr  Schwager  etwas  von  ihr  wissen  wollten,  sie  die  Brüder  Aquirres  ohne  Process  hin- 
richten Hess,  raubt  ihrem  Heiligenschein  keine  Strahlen.  Karl  ist  nur  Karl  von  Gent 
der  Tyrann,  sie   die  Märtyrerin. 

Da  ist  es  unnöthig  ein  AVort  noch  zu  verlieren. 

17.  Historia   de  Avila,  su  provincia  y  opispado  por  Don    Juan    Martin    Carramolino 
de  la  academia  de  ciencias  morales  y  politicas.     Madrid  1872 — 1873,  3  Bde. 

Carramolino  stützt  sich   in  seiner    Darstellung    des    Aufstandes    der    Comuneros    auf 
Sandoval,    Guevara,    Ferrer    und    la    Fuente.     Er    benützt    wohl    Colmenares  historia  de 

41* 


[524 


HöFLEli. 


Seo-ovia,  jedooli  mir  voiiil)erg-ehen(i,  den  Geschiclitschrciber  von  Avilu  r.uis  Ariz  sowie 
einige  Originalbriefe,  welclie  sich  auf  die  Absendung  des  Vazquez  Davila  und  Sancho 
Sanchoz  Zimbron  nach  Worms  zu  K.  Karl  1520  bezogen,  ohne  jedoch  dieselben  mitzu- 
theilen.  Er  erwähnt  nur,  dass  K.  Karl  sich  ausdrückt,  Zimbron  habe  ihm  in  der  Junta 
von  Tordesillas  eher  gute  als  schlechte  Dienste  geleistet  (antes  le  sirviö  que  le  disirviö) 
111.  p.  152.  Da  die  Gobernadoreii  in  der  Junta  ihre  Parteigcänger  hatten,  die  ihnen 
im  Geheim  dort  gute  Dienste  leisteten,  scheint  der  Avilese  zu  diesen  gehört  zu  liaben. 
Er  hoffte  wohl  auch  in  Worms  selbst  dafür  prompte  Bezahlung  zu  erlangen  und  unterzog 
sich  deshalb  der  Mühe  der  Gesandtschaft,  die  ihm  aber  anfänglich  theuer  zu  stehen  kam. 
Nach  einer  Nachricht  hätte  sie  ihm  ja  selbst  das  Leben  gekostet.  Dass  am  21.  August 
ßonquillo  sich  in  Arevalo  mit  Fonseca  verband,  entnehmen  wir  den  wenigen  Andeu- 
tungen, die  Carramolino  aus  Colmenares  schöpfte,  S.  155;  dass  der  Kaiser  am  20.  Juli 
von  Gent  aus  an  Diego  de  Vera  über  die  Niederlage  der  Franzosen  in  Navarra  schrieb, 
erzählt  Luis   Ariz  S.    157. 

Im  Ganzen  ist  die  Ausbeute  aus   Cai'ramolino  sehr  gering. 

18.  Anales  o  historia  de  Tortosa  desde  su  fondacion  hasta  nuestros  dias,  por 
I).  Daniel  Fernandez  y  Domingo.  Barcelona  1867. 

Obwohl  der  A^erfasser  sagt,  er  habe  varios  documentos  ineditos  benützt,  so  ist  die 
Ausbeute  für  diese  Epoche  beinahe  auf  Null  zu  setzen.  Er  beschränkt  sich  8.  279  und 
280  auf  einige  geringe  Angaben  über  Adrian  VI.  Von  seiner  Wirksamkeit  als  Bischof 
von  Tortosa  ist  keine  Meldung  gegeben.  Nur  soviel  erfährt  man,  dass  nach  dem  Tode 
des  D.  Fr.  Luis  Mercader,  Karthäuser  und  Bischofs  von  Tortosa  (seit  18.  Jänner  1514), 
gestorben  im  Juni  1516,  das  Capitel  den  Don  Luis  de  Cardona  wählte,  zum  letzten  Male 
aber  das  Wahlrecht  übte,  da  der  König  im  Einverständnisse  mit  dem  Papst,  Adrian  ernannte. 

19.  Don  Modesto  Lafuente,  de  la  i-eal  academia  de  la  historia,  hat  im  XL  Bande 
seiner  historia  general  de  Espaüa,  Madrid  1853,  dem  Aufstande  der  (.'omunidades 
mehrere  Capitel  gewidmet.  Er  hat  hiebei  das  Verdienst,  die  Protokolle  der  Cortes  von 
San  Jago  und  la  Coruna  benützt  zu  haben,  aus  welchen  er  Parte  IIL  Hb.  I,  II  Mehreres 
mittheilt.  Die  eigentliclien  Procuratoren  von  Toledo  wollten  nicht  kommen,  weil  ihre 
Vollmachten  zu  sehr  beschränkt  waren;  die  beiden  anwesenden  Agenten  von  Toledo, 
Don  Pedro  Laso  de  la  Vega  und  Don  Alonso  Sanchez  boten  aber  Alles  auf,  jeden 
Beschluss  der  Cortes  zu  verhindern.  Don  Pedro  Maldonado  Pimentel  und  Antonio 
Fernandez,  Procuratoren  von  Salamanca,  wurden  wegen  mangelliafter  Vollmachten  zurück- 
o-ewiesen  und  von  ihnen  ist  auch  in  den  Acten  keine  Rede  mehr. 

Am  31.  März  fand  die  feierliche  Eröffnung  der  Cortes  durch  den  König  statt,  für 
welchen  der  Bischof  von  Badajoz  Don  Pedro  Ruiz  de  la  Mota  das  Wort  ergriff',  um  ein 
gleiches  servicio  wie  in  Valladolid  und  für  gleiche  Dauer  zu  veidangen.  Dann  sprach 
auch  der  König  und  versicherte,  er  werde  in  drei  Jahren  wieder  kommen  und  in  dieser 
Zeit  keine  Aemter  an  Ausländer  geben.  Der  Procurator  von  Burgos,  Garcia  Ruiz  de  la 
Mota,  stimmte  sogleich  diesen  Auseinandersetzungen  bei.  In  der  zweiten  Sitzung  erklärte 
sich  die  Mehrzahl  der  Procuratoren  .für  den  Antrag  von  Leon,  dass,  ehe  der  servicio 
bewilligt  würde,  der  König  sich  über  das,  was  dem  Lande  zusage,  aussprechen  möge. 
Der  Grosskanzler  Mercurins  Gattinara  berichtet  dieses  dem  Könige,  welcher  noch  spät 
die  Procuratoren  auffordern  liess,  zuerst  den  servicio  zu  bewilligen,  dann  werde  er  bei 
seinem  königlichen  AVort  das  ihm  übergebene  Memorial    berücksichtigen.     Nun    blieben 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegierungsjahre  K.  Karls  V.  325 

wohl  die  meisten  bei  ihrer  ersten  Meinung,  aber  die  von  Cuenca  und  Segovia  neigten 
sich  der  königliclien  Ansiclit  zu.  Am  3.  April  erklärt  der  Grosskanzler  nochmal  die 
bestimmte  Meinung  des  Königs,  aber  Leon,  Cordoba,  Irun,  Toro,  Zamora,  Valladolid 
und  Madrid  beharrten  auf  ihrer  Meinung,  so  dass  am  4.  an  sie  die  Fi-ao-e  o-erichtet 
wurde,  ob  sie  den  servieio  bewilligen  wollten  oder  nicht.  Wie  aber  nun  die  A'otirung 
ausfiel,  gibt  Lafuente  nicht  an,  sondern  nur,  dass  man  daraus  gesehen  habe  dass  die 
Regierung  einige  Persönlichkeiten  gewonnen  habe.  Jetzt  sei  aber  der  Streit  der  Gali- 
cianer  um  das  Stimmrecht  entstanden,  der  Erzbischof  von  San  Jago  hatte  Ti'uppen 
gesammelt,  so  dass  man  die  Sitzungen  bis  zum  20.  April  suspendirte,  worauf  den  Pro- 
curatoren  eröifnet  wurde,  der  König  habe  sich  entschlossen,  weder  Geld  noch  Pferde 
aus  dem  Reiche  zu  nehmen.  Fremden  kein  Amt  zu  geben,  einen  Mann  seines  vollen 
Vertrauens  zum  Regenten  zu  machen  und  ehe  er  abreise,  auf  das  Memoriale  zu 
antworten,  jetzt  sollten  sie  aber  auch  in  Bezug  auf  den  servieio  mit  Ja  oder  Nein 
antworten.  Jetzt  sprachen  sich  Burgos,  Cuenca,  Avila,  Irun,  Soria,  Sevilla,  Guadala- 
jara, Granada  und  Segovia  für  des  Königs  Begehren  aus,  während  Leon,  Cordoba 
Zamora,  Madrid,  Murcia,  Jaen,  Valladolid  und  Toro  dagegen  stimmten.  Die  Procura- 
toren  von  Valladolid  setzten  dann  noch  die  Gründe  und  Bedingungen  auseinander 
unter  welchen  sie  für  dieses  Mal  dem  Könige  zustimmten.  Dann  erfolgte  die  Ver- 
tagung der  Cortes  nach  la  Coruna,  wo  ihre  Versammlung  am  25.  April  eröffnet 
wurde.  Der  Bischof  von  Badajoz  führte  an,  dass  der  König  dem  consejo  die  Verwaltung 
der  Justiz  an  das  Herz  gelegt  und  den  Cardinal  zum  Gobernador  ernannt  habe.  Dagegen 
protestirte  Leon,  während  Segovia  und  andere  zustimmten.  Am  19.  Mai  erfolo-te  die 
Gewährung  des  servieio.  Gl  Petitionen,  welche  zum  grossen  Theile  mit  denen  der  Cortes 
von  Valladolid  übereinstimmten,  wurden  dem  Könige  noch  überreicht;  von  ihm  viele 
derselben  bewilligt,   was  Lafuente  gegen  Ferrer  del  Rio  bemerkt. 

In  dem  weiteren  Verlauf  hebt  Lafuente  hervor,  wie  stark  der  Adel  in  der  soo-e- 
nannten  heiligen  Junta  vertreten  war,  als  die  gemeinsame  Regierungsbehörde  der 
Comunidades  zu  Avila  begründet  wurde,  der  die  Fajardos,  Ulloas,  Maldonados  und 
Ayalas  angehörten,  womit  übrigens  die  Anzahl  von  Männern  des  hohen  Adels  noch 
lange  nicht  erschöpft  ist.  Genauer  als  Lafuente  wissen  wir  aus  den  Briefen  des  Cardinal- 
gobernador,  welche  Granden  den  Aufstand  schürten,  und  aus  Hortiz,  was  die  Scheidung 
zwischen  dem  Adel  und  den  Comunidades  hervorrief.  Auch  ihm  ist  der  Held  Don 
Juan  de  Padilja,  der  Verräther  Don  Pedro  Giron,  welchen  Fray  Antonio  de  Guevara 
auf  die  Seite  des  Königs  gezogen  habe.  Vor  ihm  (Don  Juan)  muss  der  Prätendent  des 
Herzogthums  Medina  Sidonia,  wie  Don  Pedro  Laso  entweichen  und  dann,  als  Juan  de 
Padilla  allein  dasteht,  erfolgt  durch  seine  Ungeschicldichkeit  der  völlige  Untergang 
seiner  Sache! 

Nach  Lafuente,  der  hier  die  Worte  Ferrer  del  Rio's  wiederholt,  war  der  Cardinal- 
gobernador  der  leidige  Niemand,  während  er  in  der  Zeit  der  allgemeinen  Auflösung 
den  einzigen  Mittelpunkt  bildete  und  den  Sturm  auf  Tordesillas,  5.  December  1520, 
durchsetzt,  welcher  den  Comunidades  den  ersten  Schlag  versetzte.  Wenn  ferner  Lafuente 
den  Don  Giron  tadelt,  dass  dieser  im  November  1520  nicht  Rio  seco  angriff,  so  vergisst  auch 
er,  dass  dieser  Zufluchtsort  der  Regierung  eine  starke  Besatzung  hatte,  Giron's  Fussvolk 
meist  schlechtes  Volk  war  und  der  Graf  von  Haro  mit  andern  Granden  im  Anzüge 
war,    Rio  seco   zu  Hülfe  zu  kommen.     Selbst  der  von  Lafuente    so    sehr    getadelte    Plan 


326  Höfler. 

Giron's ,,  nach  Vlllalpando  auszubiegen  uikI  dort  seinen  Sitz  aufzuschlagen,  war  trotz 
seines  üblen  Erfolges  im  Sinne  des  Hauptplanes,  die  Granden  durch  Verwüstung  ihrer 
Güter  zu  zwingen,  auf  die  Seite  der  Comunidades  zu  treten  und  stand  offenbar  mit  dem 
Plane  der  Junta  in  Verbindung  die  Königin  nach  Benavente  zu  deportiren.  Nun  wusste 
man  bereits  am  28.  November  in  ßio  seco  sehr  wohl,  dass  sich  nach  dem  Abzüge 
Padilla's  nur  200  Mann  in  Tordesillas  befanden  und  richtete  man  darauf  sein  Auge. 
Auch  der  Vorwurf,  dass  Padilla  später  Simancas  nicht  nahm,  ist  imgegründet;  freilich 
wäre  der  Besitz  dieser  starken  Festung  für  ihn  ungemein  wichtig  gewesen,  allein  man 
hatte  dafür  gesorgt,  dass  er  es  nicht  wie  Torre  Lobaton  nehme.  Ueberhaupt  sind  diese 
Vorwürfe,  warum  ein  Feldherr  diesen  oder  jenen  Schlag  unterlassen,  meist  fehlgegriffen. 
Je  mehr  sich  das  Heer  der  Granden  durch  Veteranen  und  Artillerie  verstärkte,  desto 
mehr  musste  Padilla  mit  seinen  zusammengerafften  Bürgern  auf  der  Hut  sein.  Ein  Miss- 
erfolg und  er  wurde  so  unpopulär  als  Don  Pedro  Giron.  Bezeichnete  man  aber  diesen 
als  Verräther  der  Volkssache,  so  ist  doch  sicher,  dass  die  Häupter  der  Comunidades  im 
Frühlinge  1521  den  Einbi-uch  der  Franzosen  erwarteten,  diese  in  aller  Eile  bis  Logroflo 
zogen,  da  aber  war  von  einer  Unterstützung  durch  die  Comunidades  keine  ßede  mehr. 
Die  Sache  verhielt  sich,  als  die  Katastrophe  herannahte,  einfach  so,  entweder  verhinderte 
Padilla  die  Vereinigung  des  Condestable  mit  dem  Grandenheere,  warf  er  sich  jenem 
entgegen  und  schlug  ihn  nach  ßurgos  zurück,  das  dann  abfiel,  und  reichte  er  (Juni) 
den  Franzosen  die  Hände,  oder  das  vereinigte  Heer  der  Gobernadoren  verhinderte  die 
Vereinigung  Juan's  mit  den  übrigen  Comuneros  in  Toro,  erreichte  ihn,  ehe  er  selbst 
Toro  erreichte  und  vernichtete  mit  diesem  Schlage  den  Aufstand.  Bekannter  Massen 
erfolgte  das  Letztere  am  23.  April   1521. 

Lafuente  begeht  grosses  Unrecht  von  der  hochverrätherischen  Verbindung  mit  den 
Franzosen  zu  schweigen.  Er  bringt  auch  die  Briefe  Padilla's  an  seine  Gattin  und  die 
Stadt  Toledo.  Sie  sind  entschieden  unächt.  Den  ächten  Gruss  Juans  an  seine  Gattin 
enthält  der  tratado  sowie  Alcocer's;  que  ponga  mejor  re'caudo  en  el  anima  que  a  puesto 
en  el  cuerpo.     Das  verträgt  sich  nicht  mit  dem  Schwulst  des  Briefes. 

Es  ist  noch  immer  viel  Gemachtes  an  dieser  Grösse  und  dem  Martyrium  Don  Juan 
de  Padilla's  und  der  Dona  Maria  de  Pacheco. 

Andererseits  muss  zur  Ehre  Lafuente's  gesagt  werden,  dass  er  in  jedem  Bande 
seiner  ausführlichen  Geschichte  Spaniens  Beweise  grosser  Detailkenntniss  giebt  und  ein 
höchst  achtbares  Talent  historischer  Composition  besitzt.  Dass  er  sich  zu  sehr  im  Ein- 
zelnen auf  Ferrer  del  Rio  stützte,  ist  wahr.  Konnte  man  aber  von  Lafuente  verlangen,- 
dass  er  noch  grössere  Detailkenntnisse  beurkunde? 

20.  Storia  documentata  di  Carlo  V  in  correlazione  d'Italia,  del  professor 
Giuseppe  Leva.     Venezia  1864.   1,  2. 

Leva  beschränkt  sich,  wie  schon  der  Titel  zeigt,  aus  dem  reichen  Leben  K.  Karls 
nur  jene  Ereignisse  näher  zu  beleuchten,  die  sich  auf  Italien  beziehen.  Da  ist  denn 
auch  von  ihm  in  Betreff  des  Aufstandes  der  Comunidades  nichts  Besonderes  zu  erwarten, 
während  er  die  italienischen  Ereignisse  mit  grossem  Fleisse  behandelt.  Er  kommt  wohl 
im  zweiten  Bande  S.  6!)  auf  die  Griüidung  der  Junta  zu  sprechen,  erörtert  das  Begehren 
derselben  in  der  Denkschrift  vom  20.  October  1520,  jedoch  sich  auf  Sandoval  stützend; 
er  erwähnt  irrig,  dass  die  Gobernadoren  iliren  Sitz  in  Rio  seco  aufschlugen  und  tadelt 
das    Verfahren    der    Junta,    bei    welcher    die    Leidenschaft  die  Malmungen  der  Klugheit 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  327 

"beseitigte.  Irrig  lässt  er  nach  der  Schlacht  bei  Villalar  Dofia  Maria  de  Pacheco  den 
Alcazar  von  Toledo  vier  Monate  halten  und  dann  sie  nach  Portugal  entfliehen,  was  doch 
erst  im  Februar  1522  geschah.  Sehr  interessant  sind  die  Daten  über  Karls  Veräusse- 
rungen  in  den  Königreichen  Neapel  und  Sicilien  (S.  76  n.  2),  die  die  Kosten  des  castil- 
lianischen  Aufstandes  bezahlen  mussten,  das  baare  Geld  herbeizuschaffen  hatten.  Leva 
ist  von  den  chevaleresken  Eigenschaften  Padilla's  eingenommen,  geht  aber  in  der  Dar- 
stellung spanischer  Verhältnisse  nicht  über  Sandoval  hinaus. 

21.  Auch  Alexander  Henne  bespricht  in  seinem  gründlichen,  wahrhaft  ausgezeich- 
neten Werke,  Histoire  du  rhgne  de  Charles  Quint  en  Belgique  T.  1,2,  vorüber- 
gehend die  einschlägigen  spanischen  Ereignisse.  Henne's  Werk,  ein  Muster  von  Fleiss 
imd  Gründlichkeit,  zeigt  in  noch  stärkerer  Art,  als  wir  dieses  von  den  Spaniern  wissen, 
die  Bedrückungen,  welche  sich  die  Niederländer  von  1517 — 1520  in  Spanien  erlaubten  und 
die  durch  die  Unzufriedenheit,  die  sie  erzeugten,  wesentlich  zum  nachherigen  Aufstande 
Veranlassung  gaben.  Aus  den  von  ihm  benützten  Rechnungen  geht  hervor,  dass  selbst 
K.  Karls  Kleider,  während  er  in  Spanien  war,  in  den  Niederlanden  verfertigt  wurden. 
Nicht  ganz  kann  man  mit  ilnn  übereinstimmen,  wenn  er  I.  S.  345  den  Tod  des  Herrn 
von  Chievres  zu  Worms  am  28.  Mai  1520  als  ein  ungeheures  Unglück  dai-stellt,  da  sich 
Karl  von  diesem  Augenblicke  an  in  die  politische  Strömung  warf  und  dadurch  das 
Glück  seiner  Staaten  zerstörte.  Vielleicht  besser  war  zu  sagen,  dass  Karl,  von  dem  Todes- 
tage Chievres  an,  sich  mit  beispiellosem  Fleisse  j)ersönlich  der  Leitung  der  auswärtigen 
Angelegenheiten  unterzog,  die  er  bis  dahin  dem  Herrn  von  Chievres  überlassen.  Sehr 
interessant  ist  die  Schilderung  Mercurins  von  Gattinara,  des  neuen  Kanzlers  und  Freundes 
Peters  von  Angleria.  Das  Bild  welches  er  im  Jahre  1525  von  K.  Karl  entwirft,  zeigt 
einen  ganz  hervorragenden  Charakter;  Karls  Grösse  bestand  wahrlich  nicht  in  der 
ungeheuren  Ausdehnung  seiner  Territorien.  Auf  die  spanischen  Verhältnisse  geht  Henne 
nicht  weiter  ein. 

22.  Die  verdienstvollen  Werke  Hefele's  über  Cardinal  Ximenes'  und  Have- 
mann's"  über  die  spanischen  Zustände  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderte  gehören  nur 
in  so  ferne  hieher,  als  sie  das  Interesse  an  spanischer  Geschichte  wesentlich  förderten, 
durch  den  H.  Bischof  von  Hefele  eigentlich  erst  die  grossartige  Persönlichkeit  des 
Cardinalregenten  ,unser'  wurde,  Haveman's  lehrreiche  Schrift  erst  einen  Einblick  in 
die  Ursachen  des  Verfalls  wie  der  Grösse  Spaniens  gestattete.  Beiden  Werken  ist  ihr 
bleibendes  Verdienst  gesichert.  Maur  erb  recher  hat  in  seinen  Studien  und  Skizzen  der 
Reformationszeit,  Leipzig   1874,   den  castillianischen  Aufstand  nur  flüchtig  berührt. 

Ein  grosses  Verdienst  um  die  spanische  Geschichte  in  der  ersten  Zeit  Karls  V. 
erwarb  sich  Dr.  Adolf  Ebert  (Quellenforschungen  aus  der  Geschichte  Spaniens.  Cassel 
1849)  durch  seine  Geschichte  der  allgemeinen  Bruderschaft  (Germania)  der  Handwerker 
Valencia's,  dieses  merkwürdigen  Gegenstückes  zur  Geschichte  des  Aufstandes  der  Comu- 
nidades,  gleichzeitig  und  doch  so  ganz  verscliieden.  Es  muss  jedoch  als  ein  Irrthum 
bezeichnet  werden,  wenn  Ebert  sagte,  dass  beide  Bewegungen  nicht  versucht  hätten  sich 
zu  vereinigen.  Nicht  bloss  dass  diese  Gefahr  sehr  nahe  lag,  sondern  es  hat,  wie  nach- 
gewiesen werden  kann,  nur  die  feste  Haltung  Andalusiens  diese  Vereinigung  verhindert. 


•  Tübingen   1844. 

^  Darstellungen  aus  der  inneren  Geschichte  Spaniens  im  XV.,  XVI.,  XVII.  Jahrhunderte.     Göttingen   ISfiO. 


328  Ho  FI.  HR. 

Avelche  Karls   Tliroii   umzustürzen    vcnnoclit  liiitte.      Giur/.    Spanien    wäre    ohne   die  Oppo- 
sition  AndaliLsiens    in    den    Sti-ndcl    der  Kcvolution    hineingezogen    worden. 

Der  apologetischen  Schrift:  Juana  die  \\'ahnsinmge,  durch  den  der  Wissenschaft  zu 
früh  entrissenen  Professor  Rösler,  kann  nur  in  ehrender  Weise  gedacht  werden.  Er 
wies  die  Unbegreiflichkeiten  Bergenroth's  in  Betreff  der  Anwendung  der  Tortur  auf  die 
Königin  Juana  und  ihre  vermeintliche  Hinneigung  zum  Protestantismus  als  das  zurück, 
was  sie  sind,  als  Ti'äume.  Dass  der  Marques  von  Denia  es  nicht  verstand,  die  unglück- 
liche Frau  zu  behandeln,  dass  Alles  sich  über  ihn  beschwerte,  er  selbst  die  Infantin 
anschwärzte,  der  ganzen  Hofhaltung  bis  in  den  Tod  verhasst  war,  ist  sicher  und 
in  dieser  Bezlelnmg  geben  Bergenroth's  Actenstücke  obwohl  nicht  vollständig,  grosse 
Aufsclilüsse.  Dasjenige  Moment  aber,  welches  auf  die  Königin  am  schmerzlichsten  ein- 
wirken musste,  das,  als  es  als  unabweisbare  Thatsache  eintrat,  sie  geistig  und  körperlich 
vernichtete,  war  niclit  die  Hinneigung  zur  Reformation,  sondern  die  Trennung  von  ihrer 
Lieblingstochter  der  Infantin  Catalina,  als  diese  1524  den  König  von  Portugal,  Don  Jose 
heiratete.  Jetzt  war  sie  erst  vollkommen  vereinsamt.  Fremden  preisgegeben,  von  ihrer 
Familie  wie  ausgestossen  imd  musste  die  Krankheit  sie  machtlos  überwältigen.  Als 
K.  Karl  die  Infantin  nur  auf  drei  Tage  von  der  Mutter  entfernt  hatte,  gerieth  die 
Königin  in  einen  Zustand,  der  den  König  vermochte  auf  seinen  Plan,  die  Infantin  zu 
ihrer  Schwester  zu  führen,  Vei'zicht  zu  leisten.  Seitdem  fürchtete  Juana  stets  von  ihrer 
niua  getrennt  zu  werden  und  es  war  wirklich  ganz  teuflisch  von  der  Junta,  der  Köniffin 
vorzuspiegeln,  dass  Fonseca  die  Infantin  entführen  wollte,  um  dadurch  Juana  zur  Unter- 
schrift zu  vermögen.  Rechnet  man  aber  die  Drangsale  des  Bürgerlmeges,  die  steten 
Drohungen,  welchen  Juana  ausgesetzt  war,  die  unablässige  Furcht,  von  der  Infantin 
getrennt  zu  werden,  die  sie  selbst,  Weihnachten  1521,  in  der  Kirche  beschlich,  und 
endlicli  die  Avirkliche  Trennung  und  die  entsetzliche  Einsamkeit  und  Verlassenheit, 
welche  nun  in  Tordesillas  einzog,  so  braucht  man  keinen  weiteren  Erklärungsgrund  für  die 
Thatsache,  dass  die  Krankheit  unheilbar  wurde.  j\Ian  muss  nur  die  Stärke  des  Körpers 
bewundern,  der  das  Alles  so  lange  ertrug.  Juanas  Krankheit  erklärt  dann  wieder  die 
Ivrankheitszufälle  ihres  Urenkels  Don  Carlos. 

Nach  diesem  ist  es  niclit  mehr  nothwendig,  auf  A.  von  Winning's  Johanna  die 
Wahnsinnige  von  Castillien  (Ein  historisches  Problem.  Nach  den  neuesten  Forschungen 
bearbeitet.  Räumers  historisches  Taschenbuch  Y.  4.  1874)  näher  einzugehen.  Er  über- 
ging geradezu  was  mir  als  das  Wichtigste  erscheint,  die  Trennung  von  der  Lieblings- 
tochter. Auch  ist  es  irrig,  dass  Juana  ihre  Tochter,  Weihnachten  1522  (Winning  S.  200) 
vom  Altai-e  wegriss,  in  der  Besorgniss  man  möchte  ilir  die  Infantin  wegnehmen ;  es  war 
Weihnachten  1521.  (Bergenroth,  Suppl.  p.  406).  Der  Brief  Denia's,  der  dieses  meldet, 
ist  wohl  vom  Jahre  1522,  aber  vom  25.  Jänner  dieses  Jahres  und  berichtet  über  das, 
was  Weihnachten   1521    vorgefallen  war. 

Eine  besondere  Bemerkung  verdienen  hier  noch  Leopold  von  Ranke's  Fürsten  und 
Völker  von  Südeuropa,  und  zur  Kritik  neuerer  Geschichtschreiber  (Leipzig 
1824),  nicht  weil  sie  gerade  über  den  Aufstand  der  Comuneros  besondere  Aufschlüsse 
geben,  wohl  aber  weil  sie  zuerst  den  Blick  auf  romanische  Zustände  lenkten  und  uns 
leiirten,  wie  man  Quellen  zu  behandeln  habe.  Es  ist  eine  Pflicht  der  Dankbarkeit,  an 
beiden  Werken  nach  mehr  als   50   Jahren  nicht  mit  Stillschweig-en  vorüberzueehen. 


m 


ZuK  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjaiire  K.  Karls  V.  329 

23.  Die  letztere  Schrift  entliebt  inicli  aucli  der  Nothwendigkeit  eines  nähern  Ein- 
gehens auf  Alonso  Gomez  (Castro  de  Toledo):  de  rebus  gestis  a  Francisco  Ximenio 
Cisnerio  libri  VIII,  auf  welche  seines  zweckmässigen  Inhaltes  wegen,  fortwährend  alle 
angewiesen  sind,  die  die  Geschichte  Spaniens  im  Anfange  des  XVJ.  Jahrliundertes 
Studiren  (Ranke  zur  Kritik  S.  118).  Strenge  genommen  gehört  es  so  wenig  hieher  als 
Flechier/  dessen  Lebensgeschichte  des  Cardinalregenten  docli  wolil  durch  (his  Werk 
des  Bischofs  von  Hefele  für  immer  beseitigt  ist.  Was  Don  Vincente  Arnao  (elogio 
]iistorico  del  Cardinal  Don  Fray  Francisco  Gimenez  de  Cisneros)  schrieb ,  gehört 
nur  wenig  hieher.  Von  Prescott's  Geschichte  der  Regierung  Ferdinands  und  Isabellas 
dei-  Katholischen  von  Spanien  wird  nachher  nocli  die  Rede  sein  und  ich  bemerke  hier 
nur.  dass  die  Spanier  von  beiden  fürstlichen  Personen  als  den  katholischen  Majestäten 
sprechen  und  der  Ausdruck  Ferdinand  der  Katholische,  welchen  wir  zu  gebrauchen 
pflegen,  irrig  ist.  Der  König  von  Spanien  hiess  el  catolico  und  wie  Antonio  de  Guevara  uns  in 
einem  eigenen  Briefe :  porque  a  los  reyes  de  Castilla  llaman  agora  catholicos  (Antwerpner 
Ausgabe  p.  313)  auseinandersetzt,  gehört  dieses  Beiwort  der  Königin  von  Castillien  als 
solcher  zu.  Ein  anderes  elogio,  de  Dona  Isabel  por  Don  Diego  Clemencin  im 
VIII.  Bande  der  memorias  de  la  Real  Academia  de  historia  wirft  über  die  nationalökono- 
misclien  Verhältnisse  Spaniens  m-osses  Licht.  Niemand  wird  es  ohne  grosse  Befriediffuno- 
Studiren.  Dasselbe  muss  von  dem  tratado  de  las  monedas  de  Enrique  IV.  von  Fr.  Licinio 
Sabez  (Memorias  VI)  gesagt  werden,  der  die  grauenhafte  Anarchie  darstellt,  aus 
welcher  sicli  die  bessern  Zeiten  der  sogenannten  katholischen  Könige  erhoben,  die 
aber  den  Folgen  dieser  unseligen  Geldwirthschaft  sich  so  wenig  zu  entziehen  ver- 
mochten als  K.  Karl  V. 

24.'  Endlich  muss  hier  noch  jenes  Werkes  gedacht  werden,  das  über  die  gleicii- 
zeitige  Geschichte  Portugals  und  seines  berühmten  Königs  Don  Manuel  so  reichliclie 
Aufschlüsse  gewährt:  Hieronymus  Osorius  Jiistoria  de  rebus  Emmanuelis  Lusi- 
taniae  regis  (Coloniae  lö81).  Osorius  berichtet  geradezu,  dass  die  aufständischen 
Castillianer  dem  Könige  von  Portugal  die  Krone  angeboten  liätten,  rerum  suarum 
omnium  potestatem  —  ut  regnum  reeipere  vellet.  Die  übrigen  Geschichtschreiber 
enthalten  darüber  so  viel  wie  keine  Daten.  Sie  übei-ffehen  den  delicaten  Geo-enstand. 
Argensola  enthält  das  Schreiben  der  Junta  vom  24.  October  1520  (p.  1092—1101)  ohne 
diese  bezeichnenden  Ausdrücke.  Wahrscheinlich  hatte  der  Ueberbringer  seine  besonderen 
Vollmachten,  welche  Osorio  vor  Augen  schwebten. 

25.  Die  neueste  deutsche  Schrift  über  Isabella  von  Castillien  und  Ferdinand  von 
Aragonien  von  Reinhold  Baumstark,  Freiburg  1874,  macht,  wie  sie  selbst  sagt,  keinen 
Anspruch  auf  neue  kritische  Forschungen  über  das  Thatsächliche  des  Stoftes,  sondern 
gibt  nur  geistige  Durchdringung  und  Verarbeitung  des  Gegebenen.  Sie  gehört  ilirem 
Inhalte  nach  nur  selir  bedingt  hieher,  luit  aber  das  Verdienst  richtiger  Zeichnung- 
spanischer  Verhältnisse,  deren  Schwierigkeit  nur  der  zu  begreifen  vermag,  welcher  sich 
damit  beschäftigt.  Sie  stützt  sich  vor  Allem  auf  Prescott's  Geschiclite  der  Regierung- 
Ferdinands  und  Isabellas  der  Katholischen  von  Spanien.  (Deutsche  Uebersetzung.  Leipzig 
1842.  2  Bde.)  Das  Werk,  dessen  Original  1837  erschien,  zeichnet  sich  wie  bekannt 
dui'ch  eine    grössere    Kenntniss    der    Quellen    und    des  Stoffes  aus,  als  von  irgend  einem 


'  Histoire  de  Card.  Ximenes.  Amstenl.am.  "S.   16,  95.  2  Bde. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  ii 


330  HöKLER, 

auswärtigen  Schriftsteller,  wclclu-r  über  Spanien  schrieb,  gesagt  werden  kann.  Soit 
Prescott  sind  aber  so  viele  Quellen  erst  eröttnet  worden,  dass  eine  Auseinandersetzung 
in  dieser  Beziehung  dringend  geboten  ersclieint.  l"]s  charakterisirt  aber  den  Werth  seiner 
Forschung,  wenn  er  Tl.,  8.  ."508  selbst  gesteht,  man  könne  sich  kaum  vorstellen,  auf 
welchen  unsicheren  Grundlagen  der  grössere  Theil  der  Darstellung  erbaut  werden  müsse. 
Nirgends  ist  eine  Sichtung  der  Quellen  so  dringend  geboten  als  hier,  und  ob  hiebel 
den  aus  Petrus  Martyr  gezogenen  Nachrichten  als  von  luischätzbarem  Werthe  unbedingt 
Glauben  geschenkt  werden  darf,  ist  jedenfalls  erst  zu  erweisen.  —  Die  von  Prescott 
benützten  handschriftlichen  anales  de  Carbajal  sind  wohl  die  anales  breves.  Wie  selir 
ist  zu  bedauern,  dass  Prescott  es  nicht  für  nothwendig  fand,  sich  über  seine  Quellen 
auszusprechen! 

Robertson,  einst  das  einzige  Werk,  aus  welchem  man  Belehrung  über  K.  Karl  ^  . 
sich  erholte,  behandelt  den  Aufstand  der  Comuneros  im  dritten  Buche  seiner  Geschichte 
K.  Karls  V.  Die  Quellen,  welche  er  benützte,  gehen  nicht  viel  über  Sandoval  oder 
Petrus  Martyr  hinaus.  Die  Benützung  selbst  geschieht  aber  mit  jenem  historischen  Tacte, 
welcher  der  Geschichte  K.  Karls  so  lange  einen  wohlverdienten  Ruf  sicherte.  Er  kann 
sich  nicht  entschliessen,  in  (jiron  einen  Verräther  zu  erblicken.  Dass  in  Dona  Maria  de 
Pacheco  Ehrgeiz  die  Triebfeder  ihrer  Handlungen  sei,  ist  ihm  gleichfalls  nicht  ent- 
o-ano-en.  Er  erzählt,  wie  sie  durch  Zauberspuk  avif  die  Toledaner  einzuwirken  suchte, 
während  man  sie  selbst  beschuldigte,  dass  sie  den  P^inwirkungen  einer  Negersclavin 
keinen  Widerstand  leistete;  dass  sie  die  Franzosen  nach  Spanien,  terief,  was  doch  offener 
Landesverrath  war,  gibt  Robertson  unbedingt  zu.  Ihr  letztes  Auftreten  in  Toledo  sowie 
ihre  Flucht,  nach  Robertson'  irrig  am  10.  Februar,  wird  nichts  weniger  als  sachgetreu 
mitgetheilt. 

26.  Böhmers  Bibliotheca  ^^'itil:■eniana,  die  Darstellung  der  spanischen  Reformatoren 
o-ehört  nur  in  so  ferne  hieher,  als  sie  mit  dem  Jahre  1520  beginnt.  Für  die  Bewegung 
der  Jahre  1520 — 1522  bietet  sie  nichts,  als  die  Begründung  der  Thatsache,  dass  in  Spanien 
für  die  lutherische  Reformation  kein  Boden  war.  Wenn  man  aber  strenggläubige  Ka- 
tholiken deshalb,  weil  ihre  Werke  später  auf  den  Index  gesetzt  wurden,  zu  Reformatoren 
im  protestantischen  Sinne  des  Wortes  stempelt,  Juan  Yaldes  und  den  Verfasser  des 
Büchleins  de  beneficio  Ghristi  dazu  macht,  so  ist  dies  eine  licentia  poetica.  welche  der 
Historiker  zurückweisen  muss.  Mir  ist  diese  Jagd  nacli  Reformatoren  immer  als  etwas 
Krankhaftes  erschienen. 

Dr.  Heinrich  Bauer's  Hadrian  VI.  (Heidelberg  187(5)  bietet  in  seiner  Darstellung 
des  Aufstandes  der  Comuneros  nur  ein  Gewebe  von  Irrthümern,  so  dass  dieses  Capitel 
o-eradezu  gestrichen   werden  muss.  Das  ganze  Werk  ist  ungemein  oberflächlich. 

27.  Llorente,  Johann  Anton,  kritische  Geschichte  der  spanischen  In(|ui- 
sition.  Deutsch  von  Hock.  4  Bde.  Schon  Hefele  hat  in  seinem  Ximenes  das  Verdienst, 
durch  schlagende  Beispiele  nachgewiesen  zu  haben,  wie  wenig  die  kritische  Geschichte 
der  spanischen  Inquisition  dieses  Beinamens  würdig  ist.  Gab  Llorente  die  Anzahl  der 
im  .Jahre  1481  Hingerichteten  auf  2000  an,  so  machte  Hefele  S.  347  bemerkbar,  dass 
Llorente  mit  sich  selbst  im  Widerspruche  stehe.  Prescott  erklärte  gleichfalls,  man  müsse 
gegen    die    Verzeichnisse    Llorente's     gerechtes    Misstrauen     wegen    der    Leichtfertigkeit 


'   The  Itlstnry   of  tlie  roififii   of  t.lic   Ktiii)er<ir   Charles,   Lih    V.    . 


Zrii  Kritik  und  Quellenkunde  dek  Ersten  Regibrungsjahre  K.  Karls  V.  331 

liegen,  mit  der  er  auf  die  unwahrselieinliclisten  Schätzimgeu  bei  anderen  Gegenständen 
eingegangen  ist.  Wie  genau  er  es  überhaupt  mit  Zahlen  nahm,  geht  auch  aus  dem  Um- 
stände hervor,  dass  er  selbst  des  Unterschiagens  von  11  Millionen  Realen  beschuldigt 
wurde.  Hanke  hat  nicht  minder  ihn  der  Fälschung  der  Geschiclite  der  LKiuisitlou  iibej-- 
wiesen,  so  dass  ihn  zu  citiren  bereits  misslich  geworden  ist.  Es  darf  uns  auch  nicht 
wundern,  wenn  er  die  Wirksamkeit  Adrians  in  der  verkehrtesten  Weise  schildert.  Da 
heisst  es  zuerst,  K.  Karl  habe  den  Cortes  von  (Castilllen)  einen  von  dem  Kanzler 
Selvagio  (Sauvage)'  ausgearbeiteten  Reformplan  der  Inquisition  vorlegen  wollen  das 
Gesetz  sei  aber  nicht  vollzogen  worden,  ,weil  vor  seiner  Bekanntmachung  der  Kanzler 
iu  dem  für  seinen  Sieg  entscheidenden  Augenblicke  starb  und  der  Cardinal  Adrian  in 
]varls  V.  Ideen  und  Gesinnungen  eine  solche  Aenderung  bereitete,  (hiss  er  aus  ihm  einen 
leidenschaftlichen  Beschützer  der  Inquisition  machte,  wie  solches  dieser  Vorfall  und  andere 
die  ich  in  der  Folge  erzählen  werde,  beweisen'.  I.  S.  45o.  Dieser  Beweis  ist  aber  von 
i^lorente  nicht  geführt  worden  und  somit  die  Beschuldigung  Adrian's  gänzlich  müssig 
und  durch  nichts  gerechtfertigt.  Was  speciel  die  Cortes  von  Aragon  betrifft,  so  wurden 
von  diesen  31  Artikel  zur  Reformation  der  Inquisition  dem  Könige  vorgelegt  und  von 
diesem  die  Berufung  gegen  einen  Lupiisitor  an  den  (ieneral-Inquisitor  (Adrian)  gestattet, 
,i\er  ganz  nach  Billigkeit  sprechen  werde-.  (Llorente  I.  S.  4.^5.)  Eben  dieser  führt 
aber  nun  aus,  dass  Adrian  ganz  in  die  Wünsciie  der  Cortes  von  Aragon  (und  des  Königs 
[15"i0)  eingegangen  war  und  widerlegt  dadurch  seine  eigene  r>elianptung.  Der  Papst 
bestätigte,  was  der  König,  die  Cortes  und  der  Cardinal-Grossinquisitor  gewünscht 
(1.  December  1520)  und  K.  Karl  befahl  dann  am  2.S.  Juiiiiar  1521  die  Vollstreckuno- 
der  päpstlichen  Bulle,  durch  welche  die  Missbräuche  der  Juipiisition  abgescluifft  werden 
sollten.  Es  stellt  sich  somit  aus  Llorente's  Ausführungen  gerade  das  Eutgegeno-esetzte 
von  dem  heraus,  Avas  er  so  keck  behauptete.     Und  das  soll  ein  Gewährsmann  sein. 

Nun  Avar  damals  der  Aufstand  losgebrochen,  der  Bürgerkrieg  wüthete,  Adrian  ver- 
langte fort  und  foi-t  seine  Entlassung  und  da  soll  nun,  während  er  selbst  machtlos 
dastand,  seine  Thätigkeit  als  Grossinquisitor  sich  entfaltet  haben.  Unter  iiim,  klagt  der 
neueste  Biograph  Adrians,  Bauer,  Llorente  folgend,  seien  20  — .'30.000  Unglückliche  ver- 
urtheilt,  d.  h.  theils  lebendig,  theils  im  Bilde  verbrannt,  theils  mit  anderen  Strafen 
belegt  Avorden.  Doch  kommen  nachher  Hr.  Bauer  Bedenken  (Note  S.  45)  da  die  Zahlen 
bei  Llorente  nicht  stimmen.  Nun  kann  man  aber  bei  Adrian  gar  nicht  fiinf  Jahre 
einer  wirklichen  Amtsthätigkeit  rechnen,  da  er  in  Castillien  erst  1518  Grossinquisitor 
wurde,  1520  der  Aufstand  ausbrach,  an  welchem  sich  der  castillianische  Clerus  so  sehr 
betheiligte,  während  der  Cardinal  die  längste  Zeit  jeder  äussern  Macht,  jeder  Wirksamkeit 
beraubt  war,  seit  October  1521  aber  sich  jenes  Amtes  entschlug.  Man  kann  wohl  an- 
nehmen, ilass  die  Inquisition  von  Sevilla,  wohin  der  Aufstand  nicht  drang,  und  wo  sclion 
wegen  Juden  und  Mauren  (abgesehen  von  den  grossen  sittlichen  Vergehen,  die  der 
Gerichtsbarkeit  der  Inquisition  verfielen,  wie  Sodomie,  Unzucht  und  dergleichen)  die 
Inquisition  viel  zu  thun  hatte,  von  Innocenz  VIII.  bis  1524  unter  Clemens  VII.  1000 
Personen  dem  Tode  übergab,  wie  die  von  Llorente  angeführte  Inschrift  sagt.  Wollte 
letzterer  aber  gründlich  verfahren,  so  musste  er  die  Zahl  der  Autos  angeben  und  dabei 
die  Hauptkategorien  der  Verbrechen,  die  zur  Bestrafung   führten.     Seine   Combinationen 


'   Bauer,  der  diese  aufrebliclie  Tljatsaclip  berichtet,   macht  nocli  aus   Sauvage:   Sevaglio. 

42* 


332  ^'^"''''^'-• 

Ix'i-uluMi  iiuf  willkiirliclHMi  Ailditloiieu  mul  Multiplicatloiion  iiinl  liulx'ii  kciiiou  AVci-th. 
Nui-  wo  Ijloi-ciitc  Urkunden  anliihi-t.  mav;  hkui  ilini  so  weit  tnuicu  al.s  der  'L'oxt  derselben 
sicher  gestellt  ist. 

Das  Verhältniss  Ailiüans  als  Grossinquisitor  /.u  Iv.  Karl  und  die  Zwistigkeiten. 
welelie  stattfaiideu.  als  die  J udenchristen  (genus  lioniinuni  praeter  eeteros  opiljiis  praestans 
et  ail  coniponendas  eas  niire  ingeniosum,  miro  (pK)([ue  intcr  se  studio  eohaerens,  ita  ut  si 
uinuiHiuenipIani  laeseris  omnes  laesisse  videaris)  die  Personen  wissen  wollten,  die 
ü-egen  sie  aussagten,  hat  übrigens  schon  Moringus  (vita  Hadriani  VI.  p.  47)  ausoinaiulcr- 
o-esetzt.  Weit  entfernt  einen  Einfluss  auf  Karl  auszuüben,  legte  vielmehr  Hadrian,  als 
er  auf  des  Kaisei-s  Begehren  nicht  eingehen  konnte,  sein  Amt  nieder  und  übersandte  er 
Karl  das  darüber  ausgefertigte  Instrument.  Das  war,  als  die  Catalanen  fortwährend  den 
Kaiser  zu  Concessionen  drängten,  die  Karl,  um  nur  nach  Deutschland  zu  kommen,  ein- 
zugehen bereit  war.  Adrian,  welchen  Karl  an  Ximenes  gewiesen  hatte,  dass  dieser  ihn 
in  das  neue  Amt  einführe,  handelte  hiebei  nur  wie  Cisneros  gehandelt  Jiatte  luid  Karl 
überliess  es  ihm  dann,  nach  bestem  Wissen  und  GeAvissen  zu  verfahren.  So  Avenig  hatte 
abe]-  dieses  Verfahren  auf  Karl  in  Betreff  seiner  A^erfügungen  übei-  die  Inquisition  einen 
domlulrcnden  Einfluss.  dass  vielmehr  erst  nach  diesem  Ereignisse  jene  Unterhandlungen 
mit  l'a]ist  Leo  X.  stattfanden.  1520.  von  welchen  Llorente  spricht.  Charakteristisch  für 
des  letzteren  Wahrheitsliebe  ist  auch  die  Erzählung  von  der  Hinrichtung  des  Bischofs 
von  Zamora.  Avelche  er  in  das  Jahr  1521  verlegt.  \\\e  kann  man  sich  da  auch  nur  im 
Mindesten  auf  dieses  flüchtige  Werk  verlassen?  Die  Hinrichtung  des  Bischofs,  nachdem 
er  den  Commandanten  von  Simancas  in  ei)iem  Befreiimgsversuche  erstochen,  er  selbst  von 
ßonquillo  in  entsetzlicher  Weise  gefoltert  Avorden  Avar,  ist  eine  in  der  spanischen 
Geschichte  so  bekannte  Thatsache.  dass  die  Art  und  Weise,  Avie  sie  Llorente  behandelte. 
o-euüP't,  die  Unzuverlässigkeit  und  den  Unwerth  seiner  Forschung  darzuthun.  Er  unter- 
sucht  niemals  die  Glaubwürdigkeit  seiner  Angaben,  <lie  er  in  einem  Bündel  zusammen- 
häuft, um  den  Leser  durch  scheinbare  Gelehrsamkeit  zu  "bestechen  und  durch  die  Masse. 
die  ihn  erdrückt,  dahin  zu  bringen,  Alles  für  Avahr  und  erwiesen  zu  halten,  was  er  ihm 
als  neu  und   lumnistösslicli   vorhält. 


C.  Briefe  und  Urkundensammlungen. 

1.  Cartas  del  Cardeual  Don  Fray  Francisco  Jimenez  de  Cisneros  dirigidas  ä  D.  Diego 
Lopez  de  xiyala.  Publicadas  de  real  orden  por  los  catetraticos  de  la  universitad  central 
Don  Pascual  Gayangos  y  Don  Vincente  de  la  Fuente,  academicos  de  nümero  de  la  real 
Academia  de  la  historia.  Madrid  18(;T.  Imprenta  ilel  colegio  ile  Sordo-Mutos  y  de 
ciegos.  Sau  Matco  5. 

129  Briefe  vom  1.  September  1508  bis  zum  27.  Octobcj-  1517  und  zAvar  58  A^or  1516 
und  die  übrigen  71  aus  den  beiden  letzten  Lebensjahren  des  Cardinais,  als  er  nach  dem 
Tode  K.  Ferdinands  V.  Gobernador  von  Castillien  geworden  Avar.  Diese  sind  von  ganz 
ausgezeichneter  Bedeutung,  wenigstens  Avas  die  durch  Ayala  an  das  Cabinet  Karls  ^. 
gehenden  Memoriale  und  Sendschreiben  betrifft.  Die  Sorge  Jimenez',  Karl  die  Nachfolge 
zu   sichern,  die  h]ingrift"e    der  Gi-anden   in    die    Gerechtsame    der    Krone    zurückzuweisen. 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  333 

den  König  an  die  Spitze  eines  Heeres  zu  stellen,  das  nur  ihm  geliorclie  und  iinn  nichts 
koste,  seine  treue  aufrichtige  Sorgfalt  für  das  Beste  Castilliens  treten  im  schönsten  Lichte 
hervor.  Die  Veröffentlichung  dieser  Briefe,  welche  offenbar  Gomez  in  seinem  Leben  des 
Cardinais  kannte  imd  sorgfältig  benützte,  ist  ein  wahres  Verdienst  der  beiden  Gelehrten 
und  die  Kenntniss  ihres  Inhaltes  geradezu  unentbehrlich  zur  richtigen  Würdigung  der 
spanischen  Verhältnisse  in  der  Uebergangszeit  von  Ferdinanfl  V.  zu  seinem  Enkel  Karl. 
AVie  sein-  ist  zu  bedauern,  dass  ihre  Veröffentlichung  erst  nach  dem  verdienstvollen 
AVerke  des  Bischofs  von  Hefele  über  Ximenez  erfolgte. 

2.  Coleccion  de  documentos  iueditos  para  la  historia  de  Espana.  Gegenwärtig 
58  Bände  in  8",  die  reichhaltigste  und  luientbehrliche  Sammlung  von  Urkunden.  Corre- 
spondenzen,  geschichtlichen  Ausarbeitungen  über  Spanien  auf  dem  Höhepuiikt  seiner 
Macht  und  in  den  langgestreckten  Tagen  seines  unaufhaltsamen  Verfalles,  welcher  selbst 
aus  den  Gründen  seiner  Macht  hervorgegangen  ist. 

Das  sehr  bedeutende  Verdienst  dieser  Sammlung  gebidirt  vor  Allem  den  Herren 
Don  Miguel  Salva  und  Don  Pedro  Lainz  de  Baranda,  individuos  de  la  academia  de  la 
historia,  an  welche  sich  bereits  bei  dem  L,  IV.  und  V.  Bande  (1844)  Don  Martin 
Fernandez  Navarrete  anschloss,  welcher  im  XXIII.  Josef  Romeo' s  Werke  tiber  die  Vice- 
könige  von  Neapel  mit  Noten  versah.  Es  wurde  jedoch  erst  nach  seinem  Tode  ISfiS 
von  Don  Miguel  Salvä  herausgegeben.  Als  am  27.  August  1853  auch  Baranda  starb, 
setzten  seit  1854  der  Marques  de  Pidal  und  Don  Miguel  Salva  die  Sammlung  vom 
XXIV.  zum  XXXII.  Band  fort.  Dieser  erschien  ohne  Jahresangabe,  herausgegeben  von 
den  Marqueses  de  Pidal  und  de  Miraflores  mit  Salvä.  Avelche  die  Fortsetziuig  bis  zum 
XLVIII.  Band  186G  übernahmen.  Miraflores  und  Salvä  gaben  die  Bände  XLVIII  bis 
LVl  heraus;  die  Bände  LV]I  und  LVIII  (1872)  tragen  die  Namen  der  Herren  Salva 
und  des  Marques  de  la  Fuensanta  del  Valle  an  der  Spitze. 

Schade  dass  bei  dem  Wechsel  der  Herausgeber  es  nicht  möglieh  wai-.  ein  festes 
System  in  Bezug  auf  die  Gegenstände  der  Puldicationen  anzunehmen.  Karl  V.  und 
Philipp  IL  treten  hiebei  freilich  vor  Allem  in  den  Vordei-grund,  doch  greift  die  Coleccion 
auch  vorübergehend  in  das  XV..  mehrfach  in  das  XVII.  Jahrhundert  ein.  Obwohl  die 
comunidades  de  Castilla  eine  ßubrik  hiebei  bilden,  so  sind  sie  im  Ganzen  doch  niu- 
spärlich  bedacht,  wenn  man  die  Bedeutung  und  Fülle  des  handschriftlichen  Materiales 
bedenkt,  über  das  die  Herausgeber  verfügen  konnten. 

Für  den  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  sind  die  im  XVII.  Bande  enthaltenen 
Anales  breves  und  die  im  Band  VIII  abgedruckte  cronica  de  Felipe  I  Uamado  el  her- 
moso  escrita  por  D.  Lorenzo  de  Padllla  y  dirlgida  al  Emperador  Carlos  V  nebst  den 
von  Gonzalez  herausgegebenen  cartas  de  Felipe  el  hermoso  von  besonderer  Bedeutung. 
Die  cronica  erzählt  übrigens  schon  Im  9.  Cap.  ilen  Tod  K.  Pliillpps  und  fühi-t  darin  die 
Erzählung  bis  zum  Tode  K.  Ferdinands,  der  den  Don  Juan  Manuel.  Avelclier  über 
K.  Philipp  so  viel  vermochte,  stürzte.  Der  höchst  Intriguante  Mann  taucht  aber  dann 
am  Hof  K.  Karls  wieder  auf  und  regiert  als  königlicher  Botschafter  in  Rom  Italien  mit 
beinahe  souveräner  Gewalt. 

3.  Zu  den  in  ihrer  Ai't  bedeutendsten  Briefsammlungen,  auf  welcJie  in  den  Wirren 
der  Jahre  1521  und  1522  beständig  hingewiesen  wird,  gehören  die  epistolas  familiäres 
des  Padre  Don  Antonio  de  Guevara.  (Oblspo  de  Mondenedo.  predicador,  chronista 
y  del    consejo    del    Emperaihir  Don  Carlos    1544.     f.    Primera    parte.)     Die  Antwerpener 


334  HClFLER. 

Ausgabe   vou   1G03,   8",    cutliült  ;uu-li    den    /weiten     Tlieil.    weniger    ürlefe    als    Predigten 
und    Aliliand langen. 

Seine  Angaben  fanden  bislier.  als  die  eines  Zeitgenossen,  welcher  mit  dein  Con- 
destable  und  dem  xVlinirante  von  l^astillien  und  so  vielen  andern  Gi'anden  auf  beinahe 
vertrautem  Kusse  stand,  sieh  der  königlichen  Gunst  erfreute,  unbedingten  Glauben  und 
doch  zeigt  sich  bei  näherer  Untersuchung,  mit  welcher  Vorsicht  sie  zu  biMiützen  sind. 
l)on  Antonio  aus  dem  alten  Hause  Guevara  —  angeblich  aus  der  Bretagne  abstammend  — 
wai-  durch  seine  Gelehi'samkeit,  der  freilich  alle  Kritik  gebrach,  durch  seine  Tugenden, 
seine  Beredsamkeit  und  jMenschenkenutniss  zu  einem  Ansehen  gekommen,  welches  dem  des 
königlichen  liathes  Petrus  Martyr  de  Angleria  zu  vergleichen  war,  der  übrigens  in  Italien 
eine  viel  bessere  Schule  durchgemacht  hatte.  Wie  dieser  mit  dem  Grosskanzler  corre- 
öpondirte,  predigte  Don  Antonio  dem  Kaiser,  schrieb  er  Briefe  an  die  Königin  Leonore 
(erst  von  Portugal,  dann  von  Frankreich),  Ermahnungen  an  Don  Juan  de  Padilla,  an 
Doüa  Maria  de  Pacheco,  an  Don  Antonio  de  Acvula,  den  kriegerischen  Biscliof  von 
Zamora.  an  Don  Pedro  Giron  Prätendenten  des  Herzogthums  von  Medina  Sidonia  und 
Generalcapitän  der  Junta  etc.  Er  tröstet  letztern  als  er  in  Oran  in  der  Verbannung 
lebte;  erinnert  ihn  an  frühere  Zusammenkünfte  zu  Valladolid,  Villabraxima,  Penafiel  und 
Vittoria  und  führt  ihm  zu  Gemüthe,  wie  verkehrt  er  handelte,  als  er  sich  an  den  revo- 
lutionären Bischof  von  Zamora  anschloss,  wehdier,  um  das  Uebergewicht  über  den 
Grafen  von  Albaliste  zu  gewinnen,  kein  Bedenken  trug,  das  ganze  Königreich  umzu- 
stürzen: welche  geheime  und  folgenreiche  Abmachungen  zwischen  ihm  selbst  und  Don 
Pedro  (Jirou  statt  gefimden  hätten!  Er  gibt  sich  die  Miene,  in  die  Geheimnisse  der 
Jahre  1520 — 22  tief  eingeweiht  zu  sein  und  die  Briefe,  welche  aus  diesen  Jahren  stammen, 
sind  auch  i-egelmässig  als  zuverlässige  Quellen,  als  authentische  Berichte  eines  w^olil- 
unterrichteteu  Zeitgenossen  augesehen  und  gebraucht  worden. 

Die  Sammlung  selbst  enthält  Briefe  von  1520:  Madrid  27.  December.  Von  1521: 
Medina  del  Campo  8.  März,  Tordesillas  10.  Mäi-z,  Medina  de  Rio  seco  20.  December. 
Von  1522:  Villa  Vittoria  13.  Januar,  Medina  de  Rio  seco  16.  Januar,  Palencia  8.  Februar, 
Medina  de  Rio  seco  18.  Februar,  Valladolid  6.  März,  Madrid  12.  März,  Granada  11.  Üctober, 
Arevalo  11.  November.  Dazu  eine  Anzahl  aus  dem  Jahre  1523,  wobei  aber  bei  dem 
Briefe  vom  12.  März  1523  aus  Medina  del  Campo  auffällig  ist,  dass  von  der  Emperadriz 
die  Rede  ist,  Avährend  Karl  damals  nocli  nicht  verheiratet  war  —  somit  das  Datum 
offenbar  falsch   ist. 

Ich  übergehe  die  Briefe  über  Saguut  und  Numantia,    die  Erklärung  einer  römischen ' 
Inschrift,   die  interessante  Abhandlung  über   die  Preise    von    Lebensmitteln    und    Waaren 
in  Castillien    im    Jahre    1406    und    wende    mich    fünf    Briefen    zu,     welche    eine    nähere 
Untersuchung  verdienen. 

1.  f.  LXXin.  Aus  Medina  de  Rio  seco  vom  20.  December  1521  an  den  muy 
j-everendo  senoi-  y  lutticioso  perlado  D.  Antonio  de  Acuna,  Bischof  von  Zamora.  Diesem 
macht  Guevara  die  stärksten  aber  auch  nur  zu  gegründeten  Vorwürfe  über  sein  Be- 
nehmen und  sagt  ihm  bei  diesej-  Gelegenheit,  er  habe  Don  Pedro  Giron  seinen  Händen 
entrissen.  Wenn  Guevara  diesen  Einfluss  wirklich  auf  Giron  ausübte,  so  erfolgte  dieses 
während  dessen  Aufenthalt  in  Penafiel  December  1520,  nachdem  Tordesillas  am  5.  De- 
cernber  1520  bereits  in  die  Hände  der  Granden  gefallen  war.  Für  December  1521  spricht 
gar  nichts.     Im   Gegentlieil   am   20.   December   1521    war  Don   Antonio    de    Acuna    längst 


II 


Zur  Kritik  usd  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahuf.  K.  Karls  V.  335 

zur  Ilulie  gebracht,  Staatsgefangener  und  gar  keine  Person  mehr,  für  welclio  die  Aus- 
drücke des  Briefes  passten.  Letzterer  lässt  tibrigeus  an  Aufrichtigkeit  und  iJerbhoit 
gegen  einen  Mann,  welcher  den  Rriefschreiber  mit  dem  Tode  bedrolit  Iiatte,  nichts  zu 
Avünschen  übrig. 

Der  Brief  muss  unbedingt  in  die  Zeit  gesetzt  werden,  in  welcliei-  iler  Bischof  von 
Zamora  noch   in  der  tierra  de  campos  an  der  Spitze  des  Heeres  (h^r  Junta  stand. 

2.  f.  LXXIV.  Nachdem  der  Autor  erfahren,  dass  sein  erster  Brief  an  den  Bisclioi" 
augekommen,  schreibt  er  aus  Tordesillas  einen  zweiten.  Dieser  ist  vom  10.  März  1521 
und  das  Datum  ist  richtig  und  verurtheilt  das  (falsche)  Datum  des  erst  angeführten 
Briefes.  Letzterer  ist  auch  aus  einem  anderen  Grunde  wichtig,  da  man  sieht,  dass,  wie 
bei  dem  Aufstande  in  Valencia,  so  aucli  bei  dem  von  Castillien  die  Htindwerker  früh 
das  Liebergewicht  über  den  Adel  erlangt  hatten,  Don  Juan  de  Padilla,  Don  Pedi-o  Giron 
und  der  kriegerische   Bischof   von    ihrer    Unzuverlässigkeit    abhängig    geworden    waren. 

3.  f.  LXXVI.  Brief  an  Don  Juan  de  Padilla  vor  Medina  del  Campo'  (?)  vom 
M.  März  1521.  Guevara  stellt  ihm  vor,  dass  er  nur  ein  blindes  Werkzeug  seiner  Frau 
und  ihres  Ehrgeizes,  sowie  der  Rachsucht  seines  Oheims  Hernando  de  xWalos  gegen 
Chievres  sei.  Sein  Vater  Pero  Lopez,  sein  Oheim  Don  Garcia,  sein  Briider  Guliero,  alle 
seine  Verwandten  seien  auf  der  königlichen  Seite.  Er  sei  ein  verlorener  Mann,  der  niu- 
Mörder,  Lumpen,  unter  sich  habe,  welclie  ihn  bei  der  nächsten  Gelegenheit  Preis  gaben. 
Er  möge  nicht  als  Verräther  enden. 

Der  Brief  enthüllt  den  wahren  Stand  der  Dinge  in  erschreckender  Weise,  aber  Don 
Juan  war  zu  weit  gegangen,  um  noch  zurückkehren  zu  können.  Sechs  Wochen  später 
erfolgte  seine  Niederlage,  als  sein  Volk,  wie  ■  Guevara  vorausgesagt  hatte,  davon  lief, 
seine  Gefangennehmung  und  Hinrichtung. 

4.  f.  LXXIX.  Brief  an  Dona  Maria  de  Padilla,  Gemalin  Juans  von  Medina  de  ßio 
seco,   16.  Janiiar  1522. 

Auch  dieses  Datum  ist  falsch.  Aus  dem  Brief  geht  deiitlich  hervor,  dass  damals 
Don  Juan  de  Padilla  noch  lebte.  Es  muss  daher  1521  heissen.  Der  Brief  bewegt  sich 
in  den  stäi'ksten  Vorwürfen  gegen  die  ehrgeizige  Frau,  wehdie  ihren  Mann  und  Toledo 
imd  endlich  sich  selbst  in  das   Verderben  stürzte. 

Man  darf  aber  bei  diesem  Briefe  und  namentlich  den  Personalien,  welche  darin 
vorkommen,  nicht  vergessen,  dass  Guevara  mehr  als  irgend  ein  Anderer  mit  den  ver- 
schiedensten Parteien  und  Persönlichkeiten  in  nähere  Bezieliung  trat,  sie  genau  kannte, 
mit  iliren  Absichten  und  Zielen  vertraut  wurde  und  ihm  eben  deshalb  auch  in  erhülitem 
Masse  Glauben  zu  schenken  ist.  Dass  aber  die  Verbesserung  der  Zeitangabe  voraus- 
gehen müsse,  ehe  von  den  Briefen  wirklich  Gebrauch  gemacht  werden  konnte,  ist  bishei- 
Niemanden  in  den  Sinn  gekommen.  Und  doch  wird  dadurcli  erst  der  Gi-ad  der  Glaub- 
würdigkeit bestimmt. 

5.  f.  LXXXL  Eazonamiento  hecho  en  Villabraxima  a  los  caballeros  de  la  Junta. 
Nach  seiner  eigenen  Angabe  war  Guevara,^  nachdem  er  innerhalb  seclizehn  Tage  sieben 
Mal  dazu  verwendet    worden,    zwischen    den    Gobernadoren    und    dem    Heere    der  Junta. 


1   Sollte  Wühl  heisaen:  Medina  de  Rio  seio. 

-  In    dem     Schreiben    des     Cardinals    an     den     Kaiser    vom     14.     September     1520     (Bergenroth,     calendar    n.    57),     heisst 

es    bei     Anführung    des  Datums:     con     el  Doctor  Guevara,    also    niüsste    dieser    im    September    nach    Flandern    geschickt 

worden  sein. 


i536 


Höflee. 


die  sich  iiu  Noveiiibor  1520  gegenüber  standen,  zu  luiterliaudelii,  heaufti-agt,  den  Caballeros 
dei-  Junta  eine  Art  von  Ultimatum  zu  übej-bringen.  Es  bestand  in  einer  Reihe  von 
Vorschlägen  als  Basis  eines  xiusgleiches ;  sie  Avurden  jedoch  schnö(k-  zurückgewiesen  und 
deui  Unterhändler  von  dem  Bischof  von  Zaniora  bedeutet,  sich  niclit  mehr  im  Lager 
blicken  zu  lassen. 

Da  dieses  am  Tage  nach  Aller  Heiligen  (am  2.  November)  1520  stattfand,  so  müsste 
das  ungemein  wiclitige  Document  vor  den  erwähnten  Briefen  gesetzt  werden;  allein  von 
einer  chronologischen  Ordnung  ist  hier  wie  bei  den  lettere  di  principi  keine  Rede.  Dass 
(iuevara  mit  seinen  Friedensvorschlägen  bei  Don  Pedro  Giron  und  Avohl  auch  bei  Lasso 
lundruck  machte,  ist  klar;  dass  beide  Männer  mehr  und  mehr  sich  von  der  Unfrucht- 
barkeit ihres  Beginnens,  von  der  Schädlichkeit  des  Aufruhrs  überzeugten  und  allmälig 
zu  dem  Gedanken  kamen,  ihi-e  Sache  von  der  der  Revolution  zu  trennen,  ist  aus  dem 
Briefe  ersichtlich.  Dass  auch  nur  der  als  Verräther  galt,  der  den  König  verliess,  stimmt 
mit  der  Auffassung  der  Zeit  überein.  Dass  aber  Guevara  den  Mund  sehr  voll  nahm, 
als  er  die  nachfolgende  Wiedereroberung  von  Tordesillas  mit  seinen  Unterredungen  zu 
Villabraxima  in  Causalzusammenhang  setzte,  ist  mir  auch  vollständig  klar.  Offenbar 
abei-  liat  Pedro  Gii-on  dem  Pater  damals  seine  Bereitwilligkeit  zu  erkennen  gegeben, 
unter  o-ewissen  A'erhältnissen  einzulenken  und  die  Hand  zur  Aussöhnung  zu  bieten,- 
<leshalb  ist  aber  noch  lange  nicht  anzunehmen,  dass  Giron  auf  einen  Verrath  der  Junta 
sann,  an  die  er  sich  angeschlossen  hatte,  wenn  auch  Guevara  ihn  vielleicht  dazu  anspornte. 

Es  war  überhaupt  der  Gedanke  auf  beiden  Seiten  vorhanden,  wo  möglich  zu  einer 
gemeinsamen  Basis  des  Einverständnisses  und  des  Vorgehens  gegen  den  König  zu  gelangen. 

Wenn  aber  Guevara  ferner  versichert,  er  habe  gestern,  am  Tage  Aller  Heiligen 
[1.  November)  den  Gobernadoren  gepredigt,  so  ist  gewiss,  dass  der  eine  Gobernador,  der 
Condestable,  damals  nicht  in  Medina  de  Rio  seco  war  und  dass  der  dritte,  der  Almirante, 
sich  nicht  dort  befand,  ist  gleichfalls  unumstösslich,  somit  die  ganze  Angabe,  dass  er 
den  drei  Gobernadoren  am  2.  November  gepredigt,  falsch.  Aber  noch  mehr;  das  Heei' 
der  Junta,  zu  welchem  sich  (Guevara  am  2.  November  nach  Villabraxima  begeben  haben 
will,  stand  damals  noch  gar  nicht  an  diesem  Orte,  sondern  erst  zwanzig  Tage  späte)-. 
Endlich  war  Anfang  November  von  einem  Abbruch  der  Unterhandlungen,  wie  (Guevara 
behauptet,  keine  Rede,  sondern  im  Gegentheile  wurde  vom  Almirante  erst  Alles  ant- 
geboten  den  Krieg  hinauszuschieben  und  erst  Ende  November  Avar  die  Sache  dahin 
gekommen,  dass  Alles  von  der  Entscheidung  uilt  AYaffengewalt  abhing,  die  Unterhand- 
lungen abgebrochen  waren.  Es  lässt  sich,  je  mehr  man  die  Angaben  Guevara's,  denen" 
man  bisher  blindlings  zu  folgen  geneigt  Avar,  mit  anderen  beglaubigten  Daten  vergleicht, 
desto  bestimmter  sagen,  dass  er,  welcher  seine  Briefe  erst  mehrere  Jahre  nach  der 
Revolution  zusammenstellte,  sich  auch  hier  in  Betreff  des  Monatsdatums  irrte,  Avie  Avir 
seinen  In-thümern  in  Betreff  der  Jahre  und  des  Ortes  der  Ausstellung  gleichfalls  schon 
begegneten.  Die  von  Seiten  der  Gobernadoren  Ende  November  gestellten  Anträge  können 
dann  immer  als  das  Ultimatum  angesehen  Averden,  das  von  der  königlichen  Seite  ans 
stattfand.  Allein  wie  soll  man  sich  dabei  den  Umstand  erklären,  dass  sich  in  den  Briefen 
der  Gobernadoren  keine  Spur  dieser  Verhandlungen  vorfindet?  Diese  noch  dazu,  Avio 
sie  uns  überliefert  sind,  so  viel  Irriges  enthalten?  Offenbai-  kann  man  Guevara  nur  mit 
grosser  Reserve  benützen.  Die  Briefe  Guevara's  enthalten  Avirklich  sehr  viel  Lehrreiches 
und  gcAvähren  namentlich  in  Betreff  Padilla's  und  seiner  Fi-au   interessante  psychologische 


ZiK  Kkitik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Reoiehungsjahre  K.  Karls  V.  3;^ 7 

Aufschlüsse.  Allein  mau  muss  sie  sorgfältig  mit  anderen  Berichten  vergleichen,  um 
nicht  durch  das,  was  sie  Irriges  enthalten,  irre  geführt  zu  werden.  Als  in  Folge  der 
Gefangennehmuug  K.  PVanz  von  Frankreich  in  der  Schlaclit  von  Pavia.  24.  Februar  1525, 
Guevara  an  Karl  V.  die  Festpredigt  —  el  sermon  de  las  alegrias  —  hielt,  wobei  er  auch 
die  traurigen  Schicksale  derjenigen  bedachte,  die  durch  die  Schuld  ihrer  Väter  während 
der  Revolution  ihre  Güter  verloren,  führt  er  auch  die  fünf  Kaiser  Karl  auf:  1.  Karl 
den  Grossen,  2.  Karl  von  Böhmen  (IV.),  3.  Karl  den  Kahlen,  4.  Karl  den  Dicken, 
5.  Kaiser  Karl  V.  Ferrer  del  Rio,  welcher  diese  Stelle  in  seinem  Text  aufnahm  (S.  298) 
findet  es  nicht  für  nothwendig,  etwas  dazu  zu  bemerken.  —  Ich  auch  nicht,  aber  aiis 
einem  anderen  (jrunde,  weil  es  nicht  nothwendig  ist,  den  Leser  erst  auf  die  Stelle  auf- 
merksam   zu    macheu,    die    Karl   von  Luxemburg  unter  den  Karolingern- angewiesen  ist. 

4.  Von  den  Briefsammlungeu  berühren  die  Actenstücke  und  Briefe  zur  Ge- 
schichte K.  Karls  A'.,  mitgetheilt  von  Dr.  Karl  Lanz,  1852,  Spanien  nur  vorübergehend. 
So  wichtig  sie  sind,  da  sie  die  Correspondenz  K.  Karls  mit  seinem  Kanzler  Mercurin 
Gattinara,  seinen  Gesandten  bei  den  verschiedenen  Congressen  enthalten,  so  bieten  sie 
für  den  castillianischen  Aufstand  beinahe  nur  Unbedeutendes  dar,  so  sehr  treten  vor  den 
Ereignissen    der  hohen  Politik   die   specifisch  spanischen    Interessen    in   den  Hintergrund. 

5.  Von  grösserer  Bedeutung  ist  die  von  Lanz  herausgegebene  Correspondenz 
Kaiser  Karls  (Wien  1853).  wobei  sich  der  neugewählte  Papst  während  seines  Aufent- 
luxltes  in  Spanien  1522  gelegentlich  über  den  Aufstand  ausspricht:  Pleüt  a  Dieu  que 
tous  ceulx  qiii  ont  este  cause  des  turbations  des  susdittes  et  qui  pour  leur 
gains  et  singuller  profittes  ont  procar6es  et  suscitees,  le  portissens  escript 
en  leur  frontz  et  que  iceulx  bien  chastiez  et  punis,  V.  Majest6  pardonnoit  eie- 
rn entement  aux  aultres.  Tarragona  27.  Juli  1522.  Es  ist  die  stets  wiederkehrende 
Ivlage  von  den  geheimen  Anstiftern  des  Aufstandes,  die  sich  zur  rechten  Zeit  zurück- 
zogen, die  aber  so  hoch  stehen,  dass  sie  sich  der  gesetzliclien  Ahndung  entziehen!  Das 
ist  der  eigentliche  Schlüssel  zu  den  geheimen  Ursachen    des  Aufstandes    der  Comuneros. 

6.  Zu  den  liervorrageudeu  A^erdiensten  des  Herrn  Gachard,  welchem  wir  eine  so 
reichhaltige  Kenntniss  der  Zeit  Karls  V.,  Belgien  eine  wahre  Erleuchtung  seiner  Geschichte 
verdanken,  gehört  die  schon  1859  herausgegebene  Correspondance  de  Charles-Quint 
et  d'Adrian  VI.  Meine  eigenen  Forschungen  stehen  mit  diesem  Werke  in  Causal- 
zusammenhang,  da  ich  erst  aus  den  darin  gewährten  Aufschlüssen  den  Muth  schöpfte, 
an  die  Lebensgeschichte  Adrians  VI.  heranzugehen.  Herr  (Jachard  hat  aus  dem  Archiv 
von  Simancas  theils  in  extenso  theils  im  Auszuge  höchst  werthvolle  Briefe  Kaiser  Karls 
nicht  blos  an  Adrian  VI.,  sondern  auch  an  seine  Botschafter  in  Rom  sowie  von  diesen, 
und  eine  Anzahl  von  Briefen  Adrians  bekannt  gemacht,  durch  welche  wir  zum  ersten 
Male  mit  der  politischen  Wirksamkeit  dieses  Papstes  vertraut  wurden.  Nur  wenige 
Briefe  der  interessanten  Sammlung  (lettres  diverses)  beziehen  sich  auf  die  Zeit  voi-  Adrians 
Pontificat  (9.  Januar  1522)  und  bei  diesen  muss  erwähnt  werden,  dass  der  gelehrte 
Archivist  sich  irrte,  wenn  er  die  Ernennung  Adrians  zum  Gobernador  Castilliens  von 
Zamora  aus  (17.  Mai  1520)  geschehen  Hess.  K.  Karl  befand  sich  damals  in  la  Coruna 
und  von  da  aus  muss  die  Ernenmmg  datirt  sein.  Gachard  erklärte  ferner  p.  X.,  dass 
die  Documente,  welche  sich  auf  den  Aufstand  der  Comuneros  bezogen,  ausserhalb  des 
Kreises  seiner  Untersuchungen  lagen.  Er  gibt  aber  doch  ein  Verzeichniss  der  Schreiben 
Adrians  als  Gobernador  in    den    appendices    luid    darauf   muss    noch    etwas    eingegangen 

Denkschriften  der  phil.-List.  Cl.  XXV.  Bd.  4;) 


1 

.ie 

'ronlcsillas    . 

.      12. 

janvie 

11 

•^ 

„ 

6. 

fevriei 

IJI 

n 

V 

.      11. 

fevriei 

IV 

n 

n 

.     '21. 

fevriiM 

VI 

n 

V 

7. 

iiiai's 

;?3S  Hf>Ki,i.;u. 

werden.     Wenn     hiebei     Appeudiee     A     llcn-   (Jaeliaril     mitei'    den    lettres    du    Cardinal    de 
Tortosa  eouservees  dans   les  arcliives   royales   de  Simancas  anführt: 

ir)'20  j    VlI  de  Tordesillas  ...        9.  mars   1520 
ir)20  !  Vin     ,.  ^  ...     25.  avril    1520 

1520  avee  des  postdates  de  Mediua  del  Canijx) 

1520  1.  J\Iai  et  de  Coea  6.  Mai   — 

1520 

so  bedauere  leli  erwälineu  zu  müssen,  dasä  diese  arcliivaliselien  Angaben  sämmtlick  irrig 
sind.  Am  12.  .Januar  1520  befand  sicli  Adrian  nicht  in  Tor(iesillas,  das  am  Dueru  liegt. 
sund(n-n  entweder  bereits  in  Valencia  (Opus  epistolai-um  n.  654)  oder  auf  <leni  Wege 
dahin.  Eben  so  wenig  befand  er  sick  am  G.,  11.,  21.  Februar  in  Tordesillas,  auch,  nicht 
am  7.  oder  d.  März  1520,  da  er  sich  nach  dem  Opus  epist.  am  lo.  Februar  1520  noch 
in  Valencia  befand,  wo  an  diesem  Tage  Petrus  M.  de  Angleria  sich  von  ihm  verabschiedet. 
Der  Kaiser,  an  welchen  sich  dann  der  Cardinal  bei  seiner  Rückkehr  von  Valencia  an- 
schloss,  ging  erst  am  14.  März  1520  nach  Tordesillas,  befand  sich  aber  schon  am 
20.  März  in  Villalpando  nördlich  von  Tordesillas  auf  dem  Wege  nach  San  Jago,  am 
25.  A])ril  aber  sammt  dem  Cardinal  in  la  Coruna.  Somit  kann  von  den  I — VIU  be- 
zeichneten Briefen  Adrians  keiner  ihm  zugehöi-en,  wenn  dieselben  in  Tordesillas  ausge- 
stellt sein  sollen.  Der  Irrthum  des  ausgezeichneten  belgischen  Gelehrten  besteht  darin, 
dass  diese  acht  Briefe  nicht  in  das  Jahr  1520,  sondern  unwiderleglich  in  das  Jahr  1521 
7Ai  setzen  sind.  Was  zudem  den  Brief  vom  25.  April  betrifft,  so  heisst  es  in  demselben, 
der  Gobernador  sei  am  24.  in  Villalar  gewesen,  worauf  er  sich  am  1.  Mai  1521  nach 
Medina  del  Campo,  am  6.  Mai  1521  nach  la  Coca  begab.  Ich  erwähne  dieses  nur  um 
zu  zeigen,  wovon  ich  mich  bei  den  estrattos  wiederholt  überzeugt  habe,  dass  man  den 
archivalischen  Aufzeichnungen  nicht  unbedingt  Glauben  schenken  darf,  und  weil  ich  nicht 
wünschen  kann,  dass  ein  späterer  Forscher  durch  die  hervorragende  Autorität  Gachards  irre 
geleitet,  mir  einen  Vorwurf  mache,  als  hätte  ich  diese  Briefschaften  nicht  oder  irrig  benützt. 
Derselbe  Fehler  geht  aber  auch  durch  die  nachfolgenden  Aufzeichnungen  Gachards 
hindurch.  Die  im  Appendice  angegebenen  Briefe  aus  Valladolid  vom  25.,  80.  Juni, 
6.,  8.,  10.,  14.,  24..  24.  Juli  bis  zum  1.  October;  die  aus  Medina  de  Rio  seco  vom 
17.  October  bis  zum  20.  December  sind  richtig  vom  Jahre  1520  und  von  dem  Cardinal- 
Gobernador.  Nicht  aber  der  von  Herrn  Gachard  angeführte  aus  Medina  de  Rio  seco 
vom  28.  Decembej".  Denn  am  26.  December  1520  traf  Adrian  bereits  in  Tordesillas  ein, 
wo  er  bis  zum  24.  April  1521  blieb.  Das  Archiv  von  Simancas  enthält  freilich  einen" 
Brief  des  Cardinais  vom  28.  December  1520  aber  aus  Valladolid  und  dieses  allein  beweist, 
dass  derselbe  cntAveder  nicht  von  ihm  oder  doch  nicht  aus  Valladolid  vom  28.  December  1520 
ist,  wo  er  sich  in  Tordesillas  aufhielt.  Möglicher  Weise  ist  der  Brief  von  Lope 
Hurtado   de   Mcndoza. 

Richtig  sind  n.  XLIIl  und  XLIV  die  Briefe  aus  Tordesillas  vom  4.  und  8.  Januar  1521, 
ganz  falsch  aber  was  von  n.  XL  VI — LV  angegeben  ist.  dass  die  Briefe  vom  16.  Januar, 
vom  26.  und  'dO.  Januar  aus  Valhxdolid  seien,  wenn  auch  am  30.  Januar  1521  eine 
grosse  Erklärung  über  die  Stadt  Valladolid  stattgefunden  hat.  Eben  so  irrig  sintI  die 
aus  Valladolid  datirten  Briefe  aus  Februar,  März  und  ^\pril  angegeben.  Alle  diese 
Angaben  Gachards  könnten,  wenn  man  sich  auf  sie  verlassen  wollte,  nur  eine  heillose 
Vei-wirrung  erzeugen,   als   hätte  sich   der  (iobernador  damals   im   (Vntrum   des  Aufstandes 


Zur  Khitik  i  nh  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahrk  K.  Kakl.s  V. 


339 


befunden.  Richtig  ist  dann  wieder  der  Brief  aus  8egovia  vom  23.  Mai  (LVI),  von  Santo 
Domingo  de  la  Calzada  vom  11.  Juni  (LVIl).  Vom  8.  Juli  (LVTII)  Hegt  keiner  vor- 
ebenso  wenig  als  aus   Logroüo   vom   17.  Juli.  »Statt  23.  Juli  (LX)  muss  es  21.  Juli  lieissen. 

Die  Briefe  vom  7.,  S.,  14.,  14.  August  aus  Logrono  sind  richtig,  aber  der  vom 
30.  August  ist  aus  Villorado  und  nicht  aus  Logrono  datirt.  Vom  18.  September  erscheint 
kein  Brief  (LXVI)  des  Cardinais  aus  Burgos,  wohl  aber  vom  23.  September  (LXVII) 
und   vom  28.  September! 

Endlich  erscheint  vom  16.  Octobcr  1521  keiner,  woJil  aber  vom  7.  Uctober;  dann 
der  vom  24.  October  (LXX)  und  einer  vom  26.  October  gleichfalls  aus  Vitoria.  Hierauf 
vom  3.  November  (LXXI)  sowie  vom  3.  December,  der  bei  Gachard  fehlt,  vom  5.  December 
(LXXII).  vom  7.  December  zwei,  (LXXIII  und  LXXIV),  endlich  der  iler  drei  Gober- 
luxdoren  vom  12.  December  (LXXV). 

Wir  wollen  nun  nacli  diesem  versuchen,  das  Verzeichnis«  (lacliards  zu  ergänzen  und 
zu  rectificiren. 


a. 

Briefe  des  ( 

Jardinalgobernadors  vom 

Jahre  1520. 

Valladolid  14. 

J  uni 

Valladolid 

8.  October 

17. 

Juni 

Medina  de 

R\u  seco 

17. 

( )ctober 

25. 

Juni 

20. 

October 

30. 

Jimi 

21. 

October 

6. 

Juli 

22. 

( )ctober 

8. 

Juli 

31. 

October 

10. 

Juli 

G.  XXX 

1. 

November 

13. 

Juli 

4. 

November 

21. 

.luli 

12. 

November 

G.  X 

29. 

Juli 

17. 

November 

31. 

Juli 

20. 

November 

31. 

Juli 

28. 

November 

8. 

August 

4. 

December 

11. 

August 

6. 

December 

24. 

(2s.)  August 

10. 

December 

31. 

August 

12. 

December 

4. 

September 

G.  XL 

15. 

December 

4. 

September 

15. 

December 

5. 

September 

16. 

J)ecembei' 

G.  XX 

12. 

September 

19. 

December 

14. 

September 

20. 

December 

23. 

Septembei- 

G.  XLV 

23. 

1  )ecember 

1. 

Ucto  bei- 

b.   Briefe  des  Cardinalgobernadors  vom  Jahre  1521. 
Tordesillas     1.  Januar  G.  L 


4. 

8. 

16. 


Januar 
Januar 
•J  anuar 


22.  Januar 
26.  Januar 

30.  Januar 

31.  Januar 


4:^* 


340 


Hofler. 


6.  Februar 

11.  Februar 
21.  Februar 
28.   Februar 

8.  März 

9.  März 

12.  Mär/. 

13.  März 
21.   März 

28.  März 
3.  April 

Tordesillas  9.  April 
12.  April 
15.  April 
25.  April 

29.  April 

G.  LXX  Mediaa  del  Campo  1 .  Mai 

Coca    6.  Mai 

7.  Mai 

Segovia  23.  Mai 

S.  Domingo  de  Ja  Cazalda  11.  Juui 


G.  LX 


G.  LXXIIl 
G.  LXXIV 


Logi'uuo  S.  Juli 
23.  Juli 
28.  Juli 

7.  August 

8.  August 
G.  LXX                            14.   August 

14.  August 
Villorado   30.   August 
Burgos        16.  September 
23.  September 
28.  September 
7.  October 
Vitoria        24.  October 
2G.  October 
3.  November 
G.  LXXX  3.  December 

5.  l)ecember 

7.  December 

7.  December 

G.  LXXXiv  12.  December 


7.  Es  führt  diese  Erörterung  vou  selbst  zu  den  wichtigsten  und  umfassendsten  Be- 
helfen, die  mir  zu  Gebote  standen,  zwei  Bänden  Auszügen  und  Copien  von  Briefen  und 
Copien  aus  dem  Archive  von  Simancas ;  indice  y  estracto  de  lus  papeles  relativos 
a  las  comunidades  de  Castilla  correspondente  a  los  meses  de  Enero  hasta  Decembre 
1520,  und  ein  zweiter  Band  unter  gleichen^  Titel  bis  Ende   1521. 

In  kurzen,  meist  sehr  kurzen  Auszügen  sind  mitgetheilt: 
aus  dem  Monate  Januar  1520    2  Schreiben 


Febi-uai- 

G 

V 

März 

1 

V 

April 

4 

n 

Mai 

3 

n 

Juni 

11 

n 

27 

Schreiben 

aus  dem  Monate  Juli 

14 

Schreiben 

August 

44 

Tl 

September 

101 

n 

October 

92 

V 

November 

44 

V 

December 

72 

n 

394 

Schreiben 

Im  Ganzen  vou  selir  verschiedenem  AVerthe,  aber  immer  durch    die  Berichterstatter 
und  ihre  Stellung  Quellen  ersten  Ranges. 

Dem  vollen  Inhalte  nach  sind  von  diesen  mitgetheilt: 

Vom  Monat  Januar  1520  bis  zum  29.  Juli  13 

vom  August  -') 

September  9 

October  22 

November  und  December         66 

Im  Ganzen        113 


Zur  Kritjk  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  341 


Vom  Jahre   1521   sind  mitgetheilt : 

Auszüge   vom  Januar         86     vollständig  24 

Februar       70              ,,  22 

März            52     .         ^  17 

April            69              „  17 

Mai              28             „  16 

Juni              29              „  6 
334,  vollständig  102 


Juli               37  vollständig   15 

August        48  ,,  10 

September  23  „  4 

October       23  „  7 

November  11  „  1 

December    15  „  1 

491,  vollständig  140 


Da  diese  Briefe  grösstentheils  an  den  Kaiser,  den  Cardinalgobernador,  dessen  Collegen 
gei-ichtet  sind  oder  von  letzteren,  den  Vicekönigen  oder  anderen  bedeutenden  Persön- 
lichkeiten aiisgehen  und  sich  über  die  wichtigsten  Voi-gange  verbreiten,  so  kann  man 
sich  nur  darüber  wundern,  dass  diese  Sammlung  authentischer  Actenstücke,  deren  Ori- 
ginalien  sich  in  Simancas  vorfinden,  nicht  schon  früher  von  spanischen  Geschichtschreibern 
benützt  und  veröffentlicht  wurde.  Sie  geben  Aufschlüsse,  welche  wir  an  anderen  Orten 
vei-geblich  suchen  luid  zeigen  den  wahrhaft  heillosen  Zustand  der  Dinge  in  erschrecken- 
dem Lichte.  Es  ist  keine  Einigkeit  unter  den  Granden,  keine  unter  den  Gobernadoren, 
keine  im  consejo.  aber  auch  keine  unter  den  Comunidades.  Der  Marques  von  Denia, 
gestrenger  Hütei-  der  Königin,  verklagt  den  Almirante,  dieser  steht  mit  dem  Condestable 
von  Castillien  auf  dem  gespanntesten  Fusse,  letzterer  mit  dem  Herzoge  von  Najera.  Unter 
den  Städten  geht  Toledo  seinen  eigenen  Weg;  die  Eifersucht  der  alten  Königstadt  Burgos 
duldet  es  nicht,  leitende  Impulse  von  Toledo  zu  empfangen.  Valladolid  geht  gleichfalls  seine 
eigenen  Wege,  und  unterwirft  sich  nach  dem  grossen  Davonlaufen  der  Infanterie  der 
Comuneros,  was  man  die  grosse  Schlacht  von  Villalar  nennt,  Avährend  Toledo  erst  noch 
<lie  Hülfe  der  Fi-anzosen  anruft,  auf  die  Padilla  vergeblich  gewartet. 

Bei  so  widerstrebenden  Elementen  sind  die  Briefe  des  Cardinalgobernadors,  welcher 
nicht  wünscht,  dass  Castillien  die  Beute  der  Granden  werde,  die  nun  der  Krone  den 
erfochtenen  Sieg  mit  doppelter  Kreide  anzusclireiben  gedenken,  sowie  die  des  kaiserlichen 
Agenten  Lope  Hurtado  de  Mendoza,  eines  höchst  einsichtsvollen  ruhigen  und  klaren 
Beobachters,  der  Ariadnefaden  aus  dem  bunten  Gewirre  persönlichen  Interesses,  der 
schlechtverliehlten  Habsucht  und  noch  niedriger  Leidenschaften. 

8.  Von  geringerer  Bedeutung  sind  die  untei-  dem  Titel  :  Guerra  de  Navarra.  Extractos 
de  Simancas  y  otros  documentos  poi-  extractos,  auch  aus  dem  Archive  von  Simancas  ent- 
nommen. Copien  (28).  Die  gerichtlichen  Depositionen  der  von  den  Königlichen  gefangen 
genommenen  Agenten  der  Dona  Maria  de  Pacheco,  welche  diese  nach  Frankreich  sandte 
die  französische  Diversion  zu  bewerkstelligen,  sind  allein  schon  von  bedeutendem  Werthe, 
wenn  aucli  das  (iranze  wedei-  an  Umfang  noch  an  Inhalt  mit  dem  \"orausgehendcn  sich 
vergleichen  lässt. 

9.  Despachos  del  Almirante  de  Castilla  D.  Enrique  sobre  el  suceso  de  las 
comunidades  y  otros  de  los  anos  1520  y  1521.  Extractos  de  un  manuscrito  de  la 
biblioteca  Nacionale  de  Madrid. 

Diese  Depeschen  sind  zum  Tlieile  Instructionen  an  Angel o  de  Burssi,  welchen  der 
Almirante  wiederholt  an  K.  Karl  sandte,  man  könnte  sagen  politische  Herzenserleichte- 
rungen, in  weichen  sich  ein  ungemeiner  Freimuth  ausspricht,  zum  Theile  Schreiben  des 
Almirante,   welche   wie   der   Brief  von    Vallodolid    bei    Quevedo    p.    316    bezeugt,    seiner 


342  HöKi.Ku. 

Beredsamkeit  iVeien  Laiil'  zu  lassen  pflegte.  Das  ei'ste  ActeustUck  des  vorliegenden  Manii- 
scriptcs  ist  nach  dem  l\)d(>  Padilla's  g(\sehrieben,  somit  niclit  vom  Jahre  1520,  jedoch  nach 
<ler  Unterwerfung  von  Scgovia.  welche  am  8.  Mai  1521  erfolgte.  I^r  räth,  die  Anei-bie- 
tnngen  Toledos  anzunehmen,  indem  dadurch  über  1000  Mann  zum  K)-iege  in  Navarra 
verwendet  werden  könnten,  gibt  mehrere  ßathschläge  und  dringt  auf  Ankunft  des  Kaisei-s. 
11.    .Mai    1521. 

l)i(>  zweite  sehr  wichtige  Instruction  beschäftigt  sich  mit  den  Raubkriegen  Padilla's. 
ehe  er  l'ori-e  Lobaton  (21.  Februar  1521)  wegnahm  und  gibt  ein  treues  Bild  dei-  schlimmen 
Lage  dei-  Dinge,  in  welcher  sich  die  Königlichen  gegen  Ende  Januar,  Anfang  Februar  1521 
befanden.  Die  in  Bezug  auf  Sevilla  erwähnten  Vorgänge  weisen  nach,  dass  der  Brief  um 
die  Mitte  Februai-  geschrieben  Avurde.  Er  enthält  eine  umständliche  Auseinandersetzung 
der  Lage  der  Dinge,  eine  Yertheidigung  dessen,  Avas  der  Almirante  gethan,  Hervoi-- 
hebung  seiner  Verdienste  und  ziemlich  derbe  ZurechtAveisung  der  in  Flandern  geltend 
o-ewordenen  Ansichten  mit  der  Aufforderung  an  den  Kaiser,  zu  kommen  und  sich  die 
Liebe  seiner  Unterthanen,   die  er  verloren,  Avieder  zu  erwerben. 

c.  Schreiben  des  Almi]-ante  au  die  Junta.  Ermahnt  sie  zum  Frieden  und  dass  sie  ihr 
Begehren  auf  Entlassung  der  Gobernadoren  nicht  im  Namen  des  Königreichs  stellen  könnten, 
indem  Andalusien  sich  getrennt  habe  (durch  die  Junta  von  Rambla  8.  Februar  1521), 
Galicien.  Vizcaya,  (Tuipuzcoa,  Asturias,  Granada  und  Navarra  sich  an  sie  nicht  anschlössen. 
Sevilla  und  Cordova  und  Granada  gegen  sie  sich  verbanden.  Das  Schreiben  scheint  gleich- 
falls von  Mitte  Februar  zu  sein.  obAvohl  es  vielleicht  auch  für  eines  der  Schreiben  gehalten 
werden  könnte,   ilie   iler  Almirante   im  NoA^ember   1520  an  die-  Junta  richtete. 

d.  Schreiben  des  Almirante  an  den  Kaiser  nach  dei-  Katastrophe  von  Magas  ge- 
schrieben, das  der  Bischof  von  Zamora  im  Frühlinge  1521  eroberte  (nach  Sepulveda  TU, 
17,  genauer  gesagt  im  Januar  1521).  Da  der  Aufstand  von  Toledo  nicht  beglichen 
Avurde,  erfolgte  der  von  Segovia  und  da  man  hiei-  zögerte  das  richtige  Mittel  anzuwenden, 
der  von  Burgos  und  endlich  der  von  Valladolid.  Zum  •  grossen  Tlieile  sehr  allgemein 
gehaltene  Belehrungen  des  Kaisers,   Räthschläge.  wie  er  sieh  verhalten  solle. 

e.  Advertencia.  Lo  que  vos  direis  al  rey.  Auszug  in  13  Punkten  aus  dem  voi-igen 
Schreiben  mit  dem  Zusätze,    dass    die    pueblos    auch    die    Incpüsition    abschaffen    wollten. 

f.  AusftUirliches  Schreiben  des  Almirante  an  den  Kaiser,  nachdem  Navarra  Avieder 
erobert  worden.  Räthschläge  an  K.  Karl,  Avie  ei-  sich  zu  benehmen  habe.  Er  erAvähnt. 
wie  er  selbst  ganz  in  Zurückgezogenheit  lebte,  als  er  Gobernador  wurde,  bezeichnet  als 
Ursache  des  Aufstandes,  dass  die  Gesetze  nicht  gehalten,  Aemter  (beneficios)  an  Fremde 
vergeben,  das  Geld  weggeschleppt,  Aemter  und  Würden  verkauft  Avorden  waren. 

Er  schliesst  die  sehr  ausgedehnte  Anweisung,  wie  ein  Fürst  zu  regieren  habe,  mit 
den  Worten,  dei-  Kaiser  möge  es  nicht  verschmähen  seine  Schrift  zu  lesen,  welches  viel- 
leicht st)  nützlich  sein  könnte,  als  eine  Schlacht  zu  gewinnen.  Das  Schreiben  ist  aus 
dem  Hochsommer  1521. 

Im  Ganzen  muss  man  sagen,  spielte  bei  dem  Aufstaude  der  Comuneros  der  Almi- 
rante von  Castillien  vmd  nachher  auch  Gobernador.  eine  sehr  sonderbare  Rolle.  Er  war 
bei  dem  Anfange  des  Aufstandes  nicht  in  (kstillien,  zum  Gobernadoi-  ernannt,  nahm  er 
die  längste  Zeit  das  Amt  nicht  an,  schlug  es  aber  auch  niclit  aus  und  benützte  seine 
Stellung,  Politik  auf  eigene  Faust  zu  treiben.  Er  hatte  früher  die  Einwohner  von  Valla- 
dolid    zu     ihrem     grossen    Nachtheile    bcAvogen.     sich    der    von    Ximenez    beabsichtigten 


1 


Zun   KlUTIK   l'Nn  QuELI.ENKUNIir:  DER  EbSTKN  REGIERrNGSJAllUE  K.    KaKLS   V.  343 

Bildung  eines  Bürgerheeres  zu  widersetzen;  er  war  niclit  für  die  Anerkennung  Karls  als 
König  1516  gewesen.  Er  hoffte,  durch  sein  grosses  Ansehen  die  Comunidades  dahin  zu 
bringen,  dass  die  Städte,  statt  an  der  Vernichtung  der  Granden  zu  arbeiten,  was  namentlich 
Dona  Maria  de  Pacheco  mit  Hülfe  der  Franzosen  von  Toledo  aus  betrieb,  und  dann  als  die 
Handwerker  in  den  Städten  das  Uebergewicht  erlangten,  zur  Hauptrichtung  der  revolu- 
tionären Bewegung  wurde,  vielmehr  mit  den  Granden  sich  zur  Umbildung  der  Ver- 
fassung und  zur  Beschränkung  der  königlichen  Autorität  verbänden.  Daher  die  zahl- 
reichen Briefe,  die  er  an  die  Städte  schrieb,  sie  auf  mildere  Gedanken  zu  bringen; 
da]u>r  die  immer  wiederkehrenden,  ermüdenden  und  doch  fruchtlosen  Unterhandlungen,  die 
<len  Sieg  des  Königthums  aufhielten  und  die  zuletzt  Don  Juan  de  Padilla  mit  seinem 
kriegerischen  Programm  durchhieb:  daher  auch  die  langathmigen,  mit  geschichtlichen 
Reminiscenzen  durchzogenen  Memoires  an  K.  Karl,  in  welchen  der  Almirante  neben  dem 
bekannten  castillianischen  Freimuthe  auch  eine  Beredsamkeit  entwickelte,  die  gewiss  auf 
Iv.  Karl  noch  ermüdender  einwirkte,  als  auf  den  Forscher  des  XIX.  Jahrhumlerts.  Der 
Almirante  fasste  seine  Aufgabe  mehr  als  gobernador  del  rey  oder  del  principe,  denn  als 
gobernador  del  regno  de  Castilla  auf  und  schrieb  Anweisungen  über  die  Regierungskunst, 
welche  von  Karl  V.  schwerlicli  iu  ihi-er  ganzen  Ausdehnung  gelesen  wurden.  Daher 
sollten  sie  ihm,  wie  der  Almirante  wollte,  vorgelesen  werden  und  zwar  eher  zwei  Mal  als 
ein  Mal.     Der  Almirante  Avollte  offenbar  die   politische    Erziehung   K.    Karls    vollenden. 

Von  seinem  Vertrauten  dem  Bruder  Augelo,  heisst  es,  dass  er  mit  den  bedeutendsten 
Männern  unter  der  Junta  in  näheren  Beziehungen  gestanden  sei.  Wenn  es  wahr  ist,  dass  der 
Almirante,  seine  Gemalin,  der  Graf  von  Benavent,  Don  Pedro  Giron,  der  Bischof  von 
Zamora  in  Villabraxima  sich  bei  einem  Abendessen  besprachen,  der  Graf  sich  für  die 
Comunidades  ausgesprochen  habe,  wie  es  sich  darum  handelte  auch  in  Medina  de  Rio 
seco  für  den  König  und  die  Comunidades  das  Panier  aufzupflanzen,  dann  war  es  freilich 
sein-  weit  gekommen.  Die  Kriegführung  in  den  Tagen  grosser  Parteiung  ist  aber,  ehe 
man  beiderseits  die  Scheiden  wegwirft,  immei-  sehr  eigenthümlicli  und  in  Spanien  zumal; 
die  ^^'ahrscheinlichkeit  einer  derartigen  Zusammenkunft  ist  leider  doch  keine  geringe,  wenn 
(^s  auch   befremdet,  dass  sie  ohne  Zuzieliung  Don  Pedro  Laso's  statt  gefunden  haben  solle. 

10.  Letters  and  papers  foreign  and  domestic  of  the  reign  of  Henri  VHI  preserved 
in  the  public  record  office.  the  british  nmseum  and  elsewhere  in  England.  Arranged  and 
catalogued  by  J.  L.  Brewer,  MA.  under  the  direction  of  the  master  of  the  Rolls  and 
witli  the  sanction  of  her  Majestys  Secretaries  of  State.     London.    l<Sti4. 

Von  diesen  wegen  ihres  reichen  historischen  Inhaltes  mit  Recht  berühmten  Regesten 
Heinrichs  VIII  und  seiner  Zeitgenossen  kommen  hier  vol.  II  p.  IV  und  vol.  III  p.  I  H. 
III  in  Betracht. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  diese  letters  die  sj)anischen  Angelegenheiten 
nu)-  da  berühren,  wo  letztere  mit  den  Verhältnissen  Englands  in  unmittelbare  Beziehung 
treten.  Sie  ergänzen  auch  nur,  was  wir  grössten  Theils  schon  von  andern  Quellen  wissen, 
geben  aber  denn  doch  gar  häufig  Details,  die  wieder  diesen  fehlen.  Da  Avir  ferner  vom 
Brüsseler  Hofe,  als  K.  Karl  von  Spanien  nach  Deutschland  zurückgegangen  war  nui- 
Weniges  wissen,  nur  wenige  Nachrichten  aus  der  verhängnissvollsten  Zeit  Spaniens  dahin 
di-angen,  so  bieten  die  Nachrichten  der  englischen  Gesandten  bei  K.  Karl  über  die 
Ankunft,  Aufnahme  und  Wirkung  der  von  Spanien  anlangenden  Hiobsposten,  das  Be- 
nelimen  und  die  Anschauung  des  Herzogs  von  Alba,  Fonseca's  und   anderer  Spanier,  die 


;>^.J  HAKIKH, 

»MitwoltM-  .rloii'h  »imuitlt'lUar  mit  Karl  na.  Ii  I  ».«utschlaii.l  ^'Of-aiinfcii  waren  u.lcr  viir  di-r 
l^'vulution  sirli  .lalün  H(U-lit<'t«Mi.  ein.'  lii.rlist  wülkoiiiiiiiMic  Ausl.ciii.'.  In  I'.czuja  auf  <lus 
VtM-lialtrn  Krankrcirlis  zu  Sj.aiiÜMi.  .lic  VfrliamlhmniMi  /u  «"alais  im  Sommer  ir)'_>(), 
jr,>sehw»'igt'  nbtM-  (lio  \veeliseln<l«Mi  Hnmlnisse  «ler  M.mar.lieii  l'-iiH-lamls.  S|.aui.iis  nn<l 
KrauknMi-hs  sin-l  'lie  letters  eine  Quelle  erstens  Kauj^-es.  wenn  man  an.li  ni.lit  läuj-iien 
kann,  dass  <\w  \vi  nml  Weis.>  ,1er  l'.(>liamllnng-  Urewers.  meist  nur  ennliselie  Ans/ilyc 
aus  .len  l)ej)Oselien  /.u  ^cWn  nml  mir  selten  .leii  eioentlieInMi  W.irtlant.  -leni  Korselier 
nicht  sehr  ^villkouunon  ist.  her  Willkür  dos  lleransoebers  i>i  .hnlnivl.  ein  sehr  firi.sser 
Si.iolraum  ijogelu'u  un<l  was  ihm  intei-ossant  tiilnkt.  ist  es  nli  nielil  in  uleicli.-m  (irade  Lei 
-leni  Forsel»iM-^.l(M-  Kall,  woleher  sehr  cl't  Anfsehlil-sso  über  das  wilnsehl.  w..  di.'  Aus/tlge  nnr 
Au.loutuugen  irobon.  Allein  das  oilt  ja  imdir  oder  ndnder  v.m  allen  U.o-esten  nnd  ist 
tMU  Fehler,    wtdeher   in   der  Satdie    ni«dit    immer   in    »Ifv    l'ersdn    hef^l. 

n.  In  einem  uoeh  viel  höheren  (irade  als  bei  den  Lottcrs  tritt  das  l  nanj^enelime 
dieses  Verfahrens  iu  (J.  A.  J'.eroeurut  hs  ealeudar  of  Ictter.s  despatchos  and  state  j)apers 
relatini?  to  the  uegotiations  betweeu  England  and  Spaiu  presorved  in  the  andiives  ot 
SimancL  aml  elsewhere  (vul.  Jl.  Henry  Vlll.  1509—1525.  London  18<i(i)  hervor.  Sooft 
kommt  es  auf  den  Wortlaut  einer  Mittheilung  anl  Hergenroth  gcwäiirt  aber  nichts 
weniger  als  oft  oder  regelmässig  die  Sicherheit,  dass  man  bei  seinen  Auszügen  wirklich 
den  Originaltext  vor  sieh  habe  oder  auch  nur  einen  mit  den  Verhältnissen  vollkommen 
vertrauten  Mann.  Die  ^Vichtigkeit  des  vorliegenden  Bandes  besteht  in  den  Dej.eschen 
des  ränkevollen  Don  Juan  Manuels,  kaiserlichen  Botschafters  in  Rom,  einstmals  Anhänger 
K.  Philipi^s.  welcher  sich  aber  nach  dessen  Tode  sogleich  vor  K.  Ferdinan<l  von  Aragon 
flüchtete  un.l  dann  unter  Philipps  Sohne.  K.  Karl  /.u  neuen  Ehren  kam.  Man  wird 
kaum  Unrecht  thun.  Avenn  man  ihn  als  einen  der  gewissenlosesten  Diplomaten,  als  einen 
.Mann  bezeichnet,  bei  welchem  der  Wechsel  von  Intrigue  uml  (ücwalt  zur  andern  Natur 
wurde.  Adrian,  welcher  Gelegenheit  hatte,  sein  Treiben  kennen  zu  lernen,  verabscheute 
ilin.  Seine  Depeschen  sind  für  die  Geschichte  des  Aufstandes  der  Comuneros  begreiflich 
von  geringem  Werthe.  wohl  aber  von  grosser  Bedeutung  wo  sie  sich  auf  Rom  und 
namentlich  auf  die  Papstwahl  nach  dem  Tode  Papst  Leo's  beziehen;  dass  .lie  Depesche 
Lope  Hurtados  de  Mendoza.  Rom  vom  13.  Januar  1521  an  den  Kaiser  —  Calend.  n.  316  — 
nicht  aus  Rom.  oder  wenigstens  nicht  von  Lope  Ilnrtado  sein  kann,  da  dieser  sieii 
damals  in  Spanien  aufhielt,  ist  Bergenroth  entgangen. 

Die  späteren  Correspondenzen,  welche  sich  auf  .lie  i-astlosen  Bemühungen  bezielieu. 
Venedig  und  den  Papst  in  die  grosse  Liga  Karls  mit  K.  lleinri.l:  hineinzuziehen,  sind 
von  grösserem  Interesse.  Ob  aber  liiebei  Bei-genroth  überall  den  richtigen  Ausflruck  in 
der  Uebersetzuug  der  Depeschen  gefunden,  ist  eine  amlere  Frage.  So  übersetzt  er  ein 
Mal.  wo  es  sich°um  das  Hausgesinde  P.  Adrians  bezieht,  das  von  den  Spaniern  be- 
stochen wird,  die  Stelle,  welche  von  einem  gewissen  Fray  Bernar.lino  von  Sicilien  sj.richt. 
el  Siciliano  es  grande  ribalde,  es  amigo  mio  antigo.  tue  ]niviulo  del  Papa  Leon  —  was 
degradaded  bv  the  late  Pape  Leon  (U..  ]..  485).  bh  .nrndite  vi(d  eher  glauben,  dass 
die  Stelle  den  Sinn  habe,  er  war  ein  Vertrauter  P.  Leos,  weh  her  ja  sehr  sonderbare 
Creaturen  um  sich  hatte. 

Dass  auch  bei  ihm  die  Auszüge  oft  sehr  willkürlich  gemacht  wurden,  ist  /.war  un- 
vermeidlich, aber  dann  stets  schwer  zu  beklagen. 


ZuK  Kritik  unu  Quellenkunde  dek  Ersten  Regierungsjahhe  K.  Karls  V.  345 

12.  Von  grösserer  AViclitigkeit  für  unsere  Zwecke  ist  Bergenrotli's  Supplement 
to  vol.  I  aad  vol.  II  of  letters  despatches  and  State  papers  relating  to  the  negotiations 
between  England  and  Spain  preserved  eu  tlie  archives  et  Simancas  and  elsewhere.  London  1868. 

Der  Band  mit  seinen  wichtigen  Documenten  zerfällt  in  zwei  Abtlieilungen,  von 
welchen  die  eine  queen  Katliarine,  die  andere  intended  marriage  of  king  Henry  VII. 
witli  queen  Juana  betitelt  ist.  Nur  letztere  kann  hier  in  Berücksiclitigung  gezogen 
werden ;  sie  hat  aber  bereits  in  der  Abhandlung  des  für  die  Wissenschaft  zu  früh  ver- 
storbenen ßössler  über  die  Königin  Juana  in  Bezug  auf  die  Behauptungen  imd  Folge- 
rungen Bergenrotli's  eine  nur  zu  verdiente  Zurechtweisung  erhalten. 

Dasjenige,  was  ich  von  meinem  Standpunkte  aus  zu  bemerken  habe ,  ist  nicht 
geeignet,  Bergenroth' s  Autorität  zu  vermehren.  Da  wird  die  Vei-muthung  ziemlich  deut- 
lich ausgesprochen,  (p.  XXXVII),  K.  Philipp  I.  sei  vergiftet  worden,  der  genaue  ärzt- 
liche Bericht  über  die  letzte  Krankheit  des  Schwiegersohnes  K.  Ferdinands,  den  die 
documentos  iueditos  enthalten,  ist  jedoch  unerwähnt  geblieben.  S.  XXXVIII  wird  dar- 
gethau,  dass  Cardinal  Adrian  selbst  die  Festhaltung  der  Königin  als  Infamie  bezeichnet 
habe,  während  das  Document,  auf  das  sich  Bergenroth  beruft,  p.  SOG,  die  Klagen  des 
Gobernadors  über  die  Infamien  enthält,  welche  die  Junta  über  ihn,  K.  Philipp  und 
K.  Ferdinand  ausstreuten.  Er  behauptet,  Adrian  habe  die  Unwahrheit  gesagt,  dass  die 
Junta  Priestern  aufgetragen  habe,  die  Königin  (1520)  zu  exorcisiren;  aber  nicht  Adrian 
war  es,  der  stated  a  thing  which  he  knew  was  not  true.  Wir  sind  so  glücklich  eine 
ungleich  grössere  Anzahl  von  Documenten  über  die  Königin  Juana  und  ihre  Tochter, 
die  Infantin  Kathai-ina,  vor  uns  zu  haben,  als  Bergenroth  bietet;  ihr  Inhalt  führt  aber 
zu  ganz  andern  Schlüssen  als  Bergenroth  aus  den  ihm  bekannten  zog.  Adrian  war  gar 
nicht  der  Mann,  sich  von  dem  Marques  de  Denia  beirren  zu  lassen  und  wenn  Bergen- 
roth erwähnt,  die  Italiener  hätten  Adrian  als  einen  der  grössten  Heuchler  seiner  Zeit 
betrachtet,  so  wäre  es  für  Bergenroth  besser  gewesen,  eine  so  thörichte  Ansicht  nicht 
zu  wiederholen.  Es  ist  unwürdig  sich  zum  Träger  des  beschränktesten  Nationalhasses  der 
Italiener  gegen  den  deutschen  Papst  zu  machen;  aber  es  stimmt  dieses  vollständig  zu 
der  jetzt  herrschenden  Richtung,  die  habsburgischen  Zeiten  schwarz  in  schwarz  zu  malen. 
Aber  auch  in  kleineren  Dingen  ist  Bergenroth  unzuverlässig,  wie  er  z.  B.  p.  XLI, 
K.  Ferdinand  in  Guadalupe  sterben  lässt,  während  es  in  Madrigalejo  geschah.  Die 
dechiffrirte  Verwendung  des  Cardinais  für  die  Infantin  Katharina  vom  18.  September  1521 
p.  95,  gehört  einem  grösseren  Briefe  vom  28.  September  1521  de  dato  Burgos  an.  Diesem 
geht  aber  ein  Schreiben  der  Infantin  an  den  Kaiser  vom  13.  September  voraus,  das 
Bergenroth  nicht  kannte.  Nach  der  Ausführung  ßössler's  ist  es  nicht  mehr  nothwendig, 
auf  die  Bedeutung  des  Wortes  premia  zurückzukommen  und  Bergenrotli's  Behauptung,  als 
wäre  die  Königin  Juana  schon  von  ihrer  Mutter  gefoltert  worden,  zurückzuweisen.  Die 
Sache  ist  an  und  für  sich  so  unsinnig,  dass  nur  der  feste  Entschluss  ein  Gebäude  von 
angeblichen  Beweisführungen  zu  errichten  und  dasselbe  mit  einer  Behauptung  monströser 
Art  zu  krönen,  dazu  Anlass  geben  konnte.  Vom  28.  Juli  1521  bringt  Bergenroth  nur 
ein  Schreiben  von  13  Zeilen  von  Seiten  des  Marques  von  Denia  an  den  Kaiser.  Gerade 
in  dem  Fehlenden  kommt  aber  der  Ausdruck  premia  vor,  wo  von  einer  möglichen  Entfernung 
der  Königin  aus  Tordesillas  die  Rede  ist.  Er  bezeichnet  einfach:  Zwangfsanwenduntr. 
Gebrauch  von  Gewalt  y  esto  ni  se  debe  hacer  ni  pensar  sin  Vuestro  —  des  Kaisers  — 
mandamiento.  Das  ist  doch  klar:  pero  esto  no  podria  ser  sin  premia.  Hätte  Bergenroth 

Denkscbrifteu  der  phil.-bist.  Cl.  XXV.  Bd.  44 


346 


HöFMCR. 


diesen    Brief   gekannt,    so    wäre    es    wulil    uio    zu    der    nun,    abgetlianen    Controvorso    ge- 
kommen. 


Es  stellt  sich  nun  folgendes   Verliältni.ss  liei-aus :    1520. 


Supplem. 

n.  49.  Der  Marques  vonDcuia  an  den  Kaiser. 

Mai  1520?? 
n.  50.  Derselbe  an  denselben.  Mai   1520? 

n.  51.  Notariatsinstrument  über  die  Aussagen 
Bernaldino  de  Castros  vom  23.  Au- 
gust 1520. 

n.  52.  Die  Stadt  Valladolid  an  die  Capitanos 
der  Armee    der    Junta.    31.    August. 

u.  53.  Der  Cardinal  von  Tortosa  an  den 
Kaiser.  31.  August. 

n.  54.  Notariatsinstrument  über  die  Unter- 
redung der  Junta  mit  der  Königin. 
1.  September  1520. 

n.  55.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.  4.  Sep- 
tember 1520. 

n.  56.  Der  Cardinal  an  Lope  Hurtado.  4.  Sep- 
tember 1520. 

n.  57.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.  14.  Sep- 
tember 1520. 

n.  58.  Drei  Procuratoren  in  Tordesillas  an 
die  Junta  in  Mediua  del  Campo. 
18.  September  1520. 

n.  59.  Der  Marques  von  Denia  an  den  Kaiser. 
22.  September  1520. 

n.  60.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.  23.  Sep- 
tember. 

n.  61.  Instrument  über  eine  Unteri-edung 
der  Junta  mit  der  Königin.  24.  Sep- 
tember 1520. 

n.  62.  Schreiben  der  Generaljunta  von  Valla- 
dolid. 26.  September  1520. 

n.  63.  Der  König  an  den  Cardinal.  7.  Octo- 
ber  1520. 

n.  64.  Der  Cardinal  an  K.  Karl.  8._  Octo- 
ber   1520. 

n.  65.  DerCardinalandenKaiser.21.Üctober. 


Briefe  aus  dem  Archive  von  Simancas. 
Fehlt  im   Verzcichniss  von  Simancas. 

Passt  nicht  für  den  Monat  Mai,  sondern  für 

August. 
Fehlt  im  Verzeichniss  von  Simancas. 


Ist  im  Verzeichniss. 

Der  bei  Weitem  grössere  Theil  dieses  Briefes 

ist  Bergenroth  unbekannt  geblieben. 
Ist  im  Verzeichniss. 


Ist  im  Verzeichniss. 

Ebenso. 

Ebenso. 

Ebenso. 

Fehlt. 

Ist  im  Verzeichniss. 

Ist  im   Verzeichniss. 

Ist  im  Verzeichniss. 

Ist  im  A^erzeichniss. 

Fehlt  die  Nachschrift. 

Von  gleichem  Datum  sind  zwei  Briefe  des 
Condestable  aus  Briviesca  an  den  Kaiser 
über  Tordesillas. 


ZuK  Kritik  und  Quellenkünde  der  Ersten  Regierungsjahke  K.  Karls  V. 


347 


n.  66.  Der     Condestable     an     den     Kaiser. 

29.  October. 
n.  67.  Schreiben    aus     Tordesillas     an    den 

Cardinal,  s.  d. 

n.  68.  Der  Cardinal  au  den  Kaiser.    1.  No- 
vember 1520. 

n.  69.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.   13.  No- 
vember. 

n.  70.    Der    Cardinal     an     Lope     Hurtado. 
13.  Novernber. 

n.  71.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.   17.  No- 
vember. 

n.  72.  Brief  an  den  Condestable  s.  d. 

n.  73.  Der  Comendador-Mayor  an  den  Con- 
destable. 8.  December  1520. 

n.  74.  Derselbe  an  denselben.  9.  December. 

n.  75.  Gomez  de  Santillar  au  den  Cardinal. 
9.  December  1520, 

n.  76.  Lojje  Hurtado  an  den  Kaiser.  10.  De- 
cember 1520. 

n.  77.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.   15.  De- 
cember 1520. 

Nur  eine  kurze  Notiz,  dass  die  Kö- 
nigin nacli  Benavente  Iiätte  gebracht 
werden  sollen. 

u.  78.  Lope  Hurtado  an  den  Kaiser.   16.  De- 
cember. Ohne  Ortsangabe. 
Lope  Hurtado  an  den  Kaiser.    Ohne 
Ort  und  Datum. 


n. 


79. 


Ist  im   Verzeichniss. 

Dieses  ist  vom  13.  November  und  wurde  in 
den  Brief  des  Cardinais  vom  gleichen 
Datum  an  den  Kaiser  eingesclilossen. 

Im  Verzeichniss. 

Im  Verzeichniss. 

Im  Verzeichniss. 

Im  Verzeichniss. 

Vom  Grafen  von  Haro,   7.  December. 
Im  Verzeichniss. 

Fehlt. 

Im  Verzeichniss  angegeben  vom  8.  December, 

was  aber  irrig  ist. 
Ausgelassen  das  Verzeichniss  der  gefangenen 

Procuratoren. 
Schreiben     der     Infantin     au     den     Kaiser. 

13.  December. 
Drei  Seiten  langes  Schreiben. 


Fehlt  im  Verzeichniss  von  Simancas. 


Beide  Depeschen  n.  78  und  79  sclieinen  nur 
Auszüge  von  Depeschen  zu  sein.  Na- 
mentlich n.  79  scheint  dem  Jahre  1520 
nicht  anzugehören,  da  von  der  Ilückkehr 
des  Marques  von  Denia  und  seiner  Ge- 
malin  nach  Tordesillas  die  Rede  ist. 
Lope  Hurtado  muss  nach  dem  Schreiben  des 
Lic.  Vargas  an  den  Kaiser  vom  18.  De- 
cember 1520  damals  schon  von  Burgos 
zurückgereist  sein. 

So  verdienstvoll  denn  auch  die  Berg  cur  oth' sehen  Publicationen  für  das  Jahr  1520 
im  Supplement  sind,  so  Avenig  können  sie  einen  Ansprucli  auf  Vollständigkeit  machen. 
Es  fehlen  viele  und  selir  wichtige  Briefe,  die  über  das  Schicksal  der  Königin,  der  In- 
fantin Aufschluss  geben.  Es  fehlt  namentlich  die  ganze  äusserst  wichtige  Correspoudenz, 
die  sicli  auf  die  Austreibung  des  Marques  und  der  Marquesa  von  Denia  aus  Tordesillas 
bezieht.  Diese  war  aber  die  Thatsache,  welche  K.  Karl  als  einen  ihm  persönlicli  ange- 
thanen  Schimpf  ansah,  den  er  nie  vergass.     A^on  diesem  Augenblicke  an  waren  Unions-, 

44* 


34S 


Hör 


Constitutions-  und  Pacifieations-Bemüliungon  umsonst.  Gerade  in  dieser  Beziehung  wären 
Aiifselilüsse  sehr  wtinsclieuswerth  und  diese  fehlen  ebenso  wie  die  späteren  Briefe  des 
Cardinal gobernadors  von  Ende  Deceuiber,  welche  über  die  Königin  inid  die  Absicht  sie 
zu  entführen,  aus  Uastillicn  nach  Leon  zu   bringen,  so  interessante  Aufschlüsse  gewähren. 


Aus  dem   Jaiire   1^)21    linden  sich   bei  Bergenroth   nachfolgende  Correspoudenzen: 


u.  80.  Polauco  an denKaiser.  18.  Januar  1521. 

n.  81.  Der  Cardinal  an  den  Kaiser.  22.  Ja- 
nuar 1521. 

n.  82.  Die  Infantin  au  den  Kaiser.  2().  Ja- 
nuar 1521. 

n.  83.  Der  Marques  von  Denia  an  den  Kaiser. 
21.  Februar  1521. 


n. 

84. 

n. 

85. 

n. 

86. 

n. 

87. 

n. 

88. 

n. 

89. 

n. 

90. 

n. 

91. 

n. 

92. 

u. 

93. 

Der  Kaiser  an  den  Marques,  s.  d. 

Der  Marques  an  den  Kaiser  mit  Mar- 

o-inalnoten  des  kaiserlichen  Secretärs. 

12.  März  1521. 

Die    Granden    an    den     Kaiser     über 

Luther  vom   12.   April. 

Die  Granden  an  den  Herzog  von  Alba. 

12.  April. 

Der    Präsident    der    Consejo    an    den 

Kaiser  vom  13.  April. 

Der  Bischof  von  Oviedo  an  den  Kaiser 

vom   12.  April   1521. 

Fray  Juan  de  Avila    an   den  Kaiser,  j  Register. 

15.  Juni. 

Der  Mar(pes  von  Denia  an  denKaiser 

(28.  Juli  und  5.   August). 


Ln  Register  mit  dem  Datum  vom  17.  Januar. 
Mitgetheilt. 

Fehlt.  Hingegen  hat  das  Register  zwei  Briefe 
des  Fray  Juan  de  Avila  an  denKaiser  vom 
26.  und  28.  Januar. 

Bei  diesem  Brief  fehlt  der  Anfang,  welcher 
sich  über  die  Königin  und  die  Infantin 
ausspricht,  sowie  der  ganze  nachfolgende 
Brief.  Was  Bergenroth  mittheilt,  scheint 
nur  ein  Einschluss  gewesen  zu  sein,  den 
das  Register  enthält.  Der  Hauptbrief 
aber  blieb  Bergeni-otli  unbekannt. 

Dechiffrirt  im  Register. 

Dieser  Brief  fehlt.  Dagegen  fehlt  bei  Bergen- 
roth das  Schreiben  des  Marques  an  den 
Kaiser  vom  16.  März  und  das  vom  12.  April. 


Fehlen. 


Die  Marques  an  den  Kaiser.  30.  Juli. 
Die  Infantin  au  denKaiser.  29.  August. 


n.  94.   Memorial  der  Infantin  an  den  Kaiser. 
19.  Augvist. 

n.  95.  Der  Cardinal  an  denKaiser  (dechiÜ'rirt) 
vom    18.    September    und    dazu    eine 


Dieser  Brief  vom  28.  Juli  hat  in  der  Ab- 
schrift 7  Seiten  bei  Bergenroth  13  Zeilen, 
ist  somit  nur  ein  dürftiger  Auszug. 

Fehlt. 

Register.   Stimmt   aber    nicht    mit    dem 
Bergenroth  überein. 

Register. 

Dazu  noch   ein    anderes    Schreiben    der 
fantin  vom  24.  August. 

Die   eilf    dechiffrirten    Zeilen    fehlen.     Hin 
gegen  theilt  Bergenroth  das  lange  Schi-ei 


bei 


In- 


Zur  Kritik  und  Quellenkünde  der  Eestkn  Reoierungsjahue  K.  Karls  V.  349 

Mittlieilung     aus    einem    Briefe    vom  ben    des    Cardinais    vom    28.   September 

18.  September.  j         (nicht  18.  September)  nicht  mit,  an  dessen 

Ende  die  kleine  Mittheilung  von  15  Zei- 
len steht  und  ebenso  nicht  das  Ende 
dieses  Schreibens. 

Damit  schliesst  Bergenroth  die  Mittheilung  von  Documenten  für  das  Jahr  1521.  Er 
kannte  somit  das  Schreiben  der  Infantin  an  den  Kaiser  vom  24.  September  nicht,  nicht 
das  Schreiben  derselben  vom  12.  September,  noch  des  Cardinais  vom  3.  November  als 
der  Plan  besprochen  wurde,  die  Königin  von  Tordesillas  nach  Arevalo  zu  bringen,  und 
ebensowrenig  die  weitläufige  Instruction  des  Marques  von  Denia  an  D.  Hernando  de 
Fosar  vom  31.  December  1521,  womit  der  zweite  und  letzte  Band  der  Abschriften  aus 
Simancas  schliesst. 

Icii  selbst  Avill  mit  dieser  Erörterung  nur  beweisen,  dass,  so  dankbar  die  Veröffent- 
lichungen Bergenroths  anzunehmen  sind,  sie  doch  den  Gegenstand  nichts  weniger  als 
ei-schöpfeu,  mancherlei  Lücken  enthalten  und  nur  den  Anfang  von  Forschungen  bieten, 
nicht  aber  diese  abschliessen.  Ich  muss  aber  hier  nocli  Eines  zur  Ehre  Bergenrotlis 
erwähnen.  So  misslich  es  ist,  Auszüge  von  Briefen  zu  machen,  welche  einen  mannigfal- 
tigen Inhalt  besitzen,  so  hat  sich  doch  Bergenroth  mehr  in  seinen  Gegenstand  hinein- 
gearbeitet als  Rawdon  Brown,  wie  Ein  Beispiel  schlagend  beweisen  dürfte.  Brown  lässt 
Contarini  an  die  venetianische  Signoria  schreiben,  K.  Franz  sei  bereit  zum  Frieden  mit 
Karl,  sowie  zur  Herausgabe  von  Mailand,  Fuentarabia  und  to  pay  the  tribute  for  the 
Kingdom  of  Naples,  n.  510.  So  übersetzt  Brown  ohne  zu  bedenken,  dass  dieses  ein 
reiner  Unsinn  ist.  Bergenroth,  welcher  einen  Auszug  aus  dem  Schreiben  des  Martin  von 
Salinas,  kaiserlichen  Botschafter  bei  dem  Infanten  Ferdinand  mittheilt,  (IL,  p.  535)  fasst 
die  Sache  viel  verständiger  auf.  Der  König  verlangt,  dass  Mailand  und  Tournay  ihm 
zurückgegeben  werden,  und  that  the  pension  from  the  Kingdom  of  Naples  be  paid  to  him. 
Nämlicli  die  100.000  Sonnenthaler,  welche  K.  Karl  nach  dem  Vertrage  von  Noyon  (1516) 
dem  Könige,  seinem  künftigen  Schwiegervater,  gegen  Aufgebuug  der  französischen  An- 
sprüche auf  Neapel  jährlich  zu  entrichten  hatte! 

Ich  füge  noch  die  Notiz  hinzu,  dass  das  Münchner  Nationalmuseum,  wie  mich  Herr 
Conservator  Kuhn  aufmerksam  machte,  zwei  ausserordentlich  schöne  Gebetbücher  der 
Königin  Juana  mit  lierrlichen  Miniaturen  von  Hemling  und  seiner  Schule  besitzt,  die 
K.  Ferdinand  und  aus  seinem  Nachlasse  die  Erzherzogin  Anna,  Gemalin  Herzog  Albrechts  V. 
von  Baiern,  erhielten.  Durch  letztere  kamen  sie  in  den  Besitz  des  wittelsbachischen 
Hauses.  Das  Eine  von  ihnen  enthält  die  Erlaubniss  eines  Inquisitionsbeamten  in  S.  Pablo 
zu  Valladolid,  dass  es  gelesen  und  behalten  werden  dürfe.'  Will  man  das  nicht  auch 
zu  einem  Beweise  stempeln,   dass  die  Loca  habe  protestantisch  werden  wollen? 

13.  Calendar  of  State  papers  and  manuscripts  existing  in  the  archives  and 
collection  of  Venice  and  in  other  libraries  of  northern  Italy.  Vol.  III.  1520 — 1525.  Edited 
by  Rawdon  Brown.  London  1869. 

Die  Sammlung,  welche  in  Betreff  der  ßeformationsgeschichte  gar  nicht  unerhebliche 
Berichte  entliält,  ist  für  unsere  speciellen  Zwecke  von  geringer  Bedeutung.  Sie  beruht 
wesentlich  auf  den  Diarien  Sanutos    und    hat    vorzüglich    die    Betheiligiing    Englands    an 


Por  commission  del  Saiicto  officio  vistas  y  examinadas  en  sant  pablo  de   Valladolid  puedeu  se  tener  y  Her.  fra  Pablo  Marin. 


350  HöFLKU. 

den  politischen  Angelegenheiten  Italiens  im  Auge,  kommt  somit  mir  vorübergehend  auf 
spanische  Dinge  zu  spreclien.  Don  All'onso,  des  Kaisers  governor  Tind  captain  general, 
von  welchen  im  Berichte  Antonio  Surians  an  die  Signoria  vom  10.  November  1520  die 
Rede  ist  (Nr.  135  p.  93),  ist  Don  Antonio  de  Fonseca  contador  mayor  und  capitano 
general,  welcher  Ursache  am  Brande  von  Mediua  del  Campo  war  und  dann  sich  mit 
dem  Hasse  der  Comuneros  beladen,  flüchten  musste.  Von  hohem  Interesse  sind  die  Mit- 
theilungen über  die  Verbindung  (k^r  Franzosen  mit  den  Comimeros.  Dass  die  Ueber- 
setzung  der  italienischen  Berichte  in  das  Englische  gerade  liier  recht  störend  wirkt,  und 
es  viel  besser  gewesen  wäre,  den  ursprünglichen  Ausdruck  so  viel  als  möglich  zu  be- 
wahren, wird  kaum  beanständet  werden  können.  Das  AVerk  selbst  hat  für  die  deutsche 
Geschichte  einen  ungleich  grössern  Werth  als  für  die  spanische,  da  es  das  Auftreten 
Luther's  durch  interessante  Berichte  commentirt. 

14.  Die  Briefe  des  kaiserlichen  ßathes  Petrus  Martyr  de  Angleria*  (Opus 
epistolarum)-  aus  den  Jahren  1517 — 1522  sind  ein  fortlaufender  Commentar  der  wichtigsten 
Begebenheiten,  Zeitungsberichte  in  Form  von  Briefen.  Es  gehören  hieher  von  der  An- 
kunft Iv.  Karls  in  Spanien  bis  zur  Niederlegung  der  Gobernadorstelle  von  Seiten  Adrians 
54  Briefe  (n.  699 — 753).  Davon  fallen  auf  das  Jahr  1517  nur  mehr  sieben,  theils  aus 
Madrid,  theils  aus  Aranda,  theils  aus  Valladolid,  wo  Peter  Zeuge  des  feierlichen  Einzuges 
K.  Karls  war.  Vom  Jahre  1518  sind  nur  siebzehn  Briefe,  anfänglich  aus  Valladolid, 
dann  seit  Monat  Mai  aus  Saragossa,  wohin  er  sich  mit  dem  königlichen  Hofe  begab. 
Da  Anfangs  Februar  in  Valladolid  die  castillianischen  Cortes  versammelt  waren,  sind 
seine  Angaben  von  besonderem  Werthe.  Auch  er  schreibt  dem  Bischöfe  Mota  imd  Don 
Garcia  Padilla  das  Hauptverdienst  zu,  die  Cortes  dahin  gebracht  zu  haben,  dass  sie  den 
^Wünschen  des  Königs  folgten.  Mehr  und  mehr  entwickelt  sich  dann  bei  ihm  die  x\.b- 
neigung  gegen  den  Herrn  von  Chievres,  welche  den  Grundton  seiner  Correspondenz 
bildet.  Er  belegt  ihn  mit  dem  Beinamen  Bocks  (caper)  und  während  er  sich  in  grosses 
Lob  über  den  König  ergeht,  und  dessen  Eigenschaften  in  günstiges  Licht  zu  setzen 
sucht,  verfolgt  er  den  ersten  Minister  mit  dem  leidenschaftlichsten  Hasse.  Aber  auch  er 
muss  die  grosse  geistige  Bedeutung  Chievres  anerkennen  und  sagt  dann  selbst,  dass 
Chievres  von  dem  Bischöfe  Mota  geleitet  wurde,  den  er  als  einen  ganz  ausgezeichneten 
Mann  darstellt.  Nachdem  er  noch  den  verunglückten  Versuch  bericlitet,  die  Infantin 
Katalina  ihrer  Mutter  zu  entziehen,  begab  sich  P.  Martyr  nach  Aranda  am  Duero,  von  wo 
der  Infant  Ferdinand  nach  Deutschland  entlassen  wurde,  und  endlich  nacli  Saragossa, 
wo  die  aragonesischen  Cortes  Karl  nur  dann  als  König  anerkennen  wollten,  wenn  er' 
entweder  die  Zustimmung  seiner  Mutter  nachweise  oder  dass  sie  ihm  nicht  nöthig  sei. 
Die  Klagen  über  die  Ilaubsucht  der  Umgebung  Karls  nehmen  zu;  wie  sehr  man  aber 
hier  mit  Vorsiclit  verfahren  muss,  geht  aus  dem  leidenschaftlichen  Hasse  gegen  den 
Grosskanzler  hervor,  dem  er  (cp.  620)  den  Tod  wünscht.  Aber  welches  Verbrechen  liat 
zunächst  den  Zorn  des  kaiserlichen  Rathes  hervorgerufen?  Dass  der  Kanzler  ver- 
hmgte,  es  solle  die  Zeugenabgabc  bei  den  Inquisitionsprocessen  nicht  heimlich  geschehen, 
sondern  öffentlich  die  Zeugen  genannt  werden,  auch  sollten  die  Gefangenen  der  Inqui- 
sition nicht  in  den  Kerkern  des  Officiums  sondern  in  den  öffentlichen  (der  Staatsgewalt) 


'  Die  documentos  ineditos  veröflfeutlichen  im  XXXIX.  Bande,     \i.  397,    einige  Documente  über   ihn    und    sein  Testament  vom 

2H.  Sc)iteniber  lö2()  nel)st  einer  liurzen  Leliensslvi/ze  ohne  sich  in   eine  Kritilv  seiner  Briefe  einzulassen. 
-  Nacl)    Böhmer.   Siianisli    rrformevs  nf  two  eonturies   1S74  ]i.   9:^,    f;ind  die   erste  Ausgabe   st.itt   in  Aeademia  Com]ibiteiisi  l.'Sn. 


Zur  KniTiK  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  351 

aufbewahrt  werden.  In  diesem  Verlangen,  welches  eine  Wohlthat  für  die  Angeschul- 
digten in  sich  schloss,  sieht  Petrus  Martyr  das  grösste  Unglück.  (Nisi  atropos  ejus  filum 
disi'uperit,  sacra  prostrabitur  inquisitio  et  miseri  Rogi.s  fama  stemetur,  qui  se  patitur  a 
talibus  Harpyis  gubernari).  Man  sollte  meinen,  die  verhasste  flandrische  Regierung 
wäre  in  mancher  Beziehung  eine  Wohlthat  für  Spanien  gewesen.  Diese  Massregel, 
welche  der  Grosskanzler  befürwortete,  war  aber  von  grosser  Bedeutung,  da  in  dem  nach- 
folgenden Aufstande  die  Inquisition  eine  grössere  Rolle  spielte,  als  man  bislier  anzu- 
nehmen geneigt  war.  Es  ist  nicht  ohne  Grund,  dass  Karl  später,  als  es  sich  darum 
handelte,  die  leidenschaftlich  erregten  Gemüther  zu  beruhigen,  auf  die  Inquisition  einen 
so  grossen  Nachdruck  legt.  Er  that  dies  ganz  im  Sinne  der  Spanier,  d.  h.  in  jenem 
Sinne,  zu  dessen  Dolmetsch  und  Vertreter  sicli  Petrus  Martyr  gegen  den  Grosskanzler 
machte.  Als  der  Grosskanzler  starb,  rechnete  er  ihm  nach,  es  seien  an  1,100.000  Ducaten 
aus  Spanien  nach  Belgien  geschleppt,  was  nach  den  Berichten  Anderer  um  mehr  als  die 
Hälfte  übertrieben  war,  aus  dem  Erzbisthum  Toledo  mehr  als  100.000  gewonnen, 
Aemter  in  Masse  verkauft  worden,  der  König  sei  arm.  So  sehr  er  aber  dem  Flamänder 
zürnt,  muss  er  doch  (ep.  627)  eingestehen,  dass  die  Schuld  der  Vergeudung  bei  dem 
spanischen  Adel  liege,  der  die  andern  auf  alle  erledigten  Aemter  aufmerksam  machte, 
um  selbst  bei  ihrer  Verleihung  einen  Theil  des  Gewinnes  zu  ziehen,  ep.  627.  Castillianer 
sind  es,  die  die  Beschwerden  der  Sevillaner  und  Toledaner  zurückweisen,  ep.  (JoO.  Die 
aragonischen  Cortes  kamen  zu  keinen  Beschlüssen,  weil  sie  selbst  aus  dem  Könige  das 
Unmögliche  erpressen  wollten,  da  erhob  Chievres  durch  Kaufleute  das  servicio  im 
Voraus,  wie  er  es  mit  Castillien  gemacht  hatte,  ep.   632. 

Die  Briefe,  welche  sich  auf  das  Jahr  1519  beziehen,  sind  im  XXXII.  Buche  des 
Opus  epistolarum  niedergelegt,  ep.  33 — 55.  Von  diesen  sind  fast  alle  aus  Barcelona, 
wohin  sich  der  Hof  begab  um  die  catalanischen  Cortes  abzuhalten ;  die  andern  aus 
Valencia,  wohin  Peter  von  Angleria  eine  Mission  erhielt.  Der  lange  Aufenthalt  in 
Aragon  verschlang  12 — 150,000  Ducaten.  In  Lerida  war  bereits  (3  cal.  Febr.)  30.  Januar 
das  (lerücht  vom  Tode  K.  Maximilians  verbreitet.  Der  König  eilte  nach  Catalonien, 
wo  er  am  17.  Februar  in  Barcelona  ankam  und  die  Nacliricht  vom  Tode  seines  Gross- 
vaters erhielt.  Epl.  635.  (XII  cal.  Mart.)  18.  Februar.-  Dass  Maximilian  in  der  Stadt 
Vek  gestorben  sei,  gehört  zu  den  vielen  Fehlern  des  Textes,  an  welche  sicJi  die  chrono- 
logischen Irrthümer  anreihen.  Der  Dux  Bretumberchensis  ep.  637  ist  der  Herzog  von 
W ürtemberg.  Fucon  ist  Toison.  Bereits  treten  die  Wahlhandlungen  in  den  Vordergrund, 
während  die  Verhandlungen  mit  den  catalanischen  Cortes  sich  in  eine  unglaiibliche 
Länge  ziehen.  Neun  Monate  waren  in  Aragon  verloren  gegangen ;  für  Catalonien  war 
die  Aussicht  vorhanden,  dass  vor  zwölf  Monaten  kein  Bescliluss  erfolge.  Als  Karl,  er- 
wählter Kaiser,  die  Huldigung  in  Valencia  persönlich  nicht  vornahm,  Petrus  von  Angleria 
mit  .Jeronimo  Cabanilla  dahin  abgesandt  wurde,  war  die  Sache  auch  hier  so  weit  gekommen, 
dass  das  Aergste  befürchtet  wurde.  Bereits  vom  13.  December  (id.  Decembei-)  1519  an  sind  die 
Briefe  aus  Valencia  datirt,  sie  reichen  bis  zu  dem  13.  Februar  (id.  Februar)  des  nächsten 
Jahres  1520,  worauf  die  vorübergehenden  aus  Valladolid,  aus  Compostella  und  endlich 
bleibend  aus  Valladolid  kommen,  wo  Petrus  sich  während  der  Jahre  1520,  1521  auf- 
lädt. Er  war  somit  Zeuge  des  ersten  Ausbruches  der  Revolution  von  Valencia,  wohin 
er  den  Cardinal  von  Tortosa  (Adrian)  schon  Ende  December  1519  —  im  Widerspruche 
mit  den  Angaben  xVnderer  —  kommen  lässt.  Ep.   652,   654. 


352  Hopler. 

A\in  iiuu  au  begleiten  die  Briefe  jejie  Ereignisse,  die  wir  weitläufiger  aus  anderen 
Schriftstellern  kennen.  Peti'us  erwähnt  den  Aufstand  in  Valladolid  als  Karl  iiiudi  Torde- 
sillas  gehen  Avill,  versetzt  aber  den  Streit,  welcher  zwischen  Don  Pedro  Giron  und  dem 
Könige  iu  Yalhidolid  stattgefunden  hat,  (ep.  6(i(!)  nach  San  Jago  de  Compostcdla.  Er 
blieb  hier  und  dann  in  la  Coruüa  bis  zur  Einschiffung  Karls,  welclic  er  irrtliümlich  auf 
den  22.  Mai  verlegt.  Er  beruft  sich  ep.  669  auf  Mittheilungen  des  Grosskanzlers 
Gattinara,  welchen  er  als  einen  uubescholtenen  ausgezeichneten  Mann  darstellt;  allein 
diese  Mittheilungen  hindern  nicht,  dass  er  in  seinen  chronologischen  Daten  öfter  als  lieb 
ist,  sich  irrt;  dabei  leiden  seine  Angaben  erst  noch  unter  einer  Verstümmlung  des  Textes. 
Am  29.  Mai  (IV.  cal.  Jun.)  kommt  er  nach  Valladolid,  wo  er  nun  bleibt  und  die  Stürme 
der  Revolution  übersteht.  Er  berichtet  den  Aufstand  von  Zamora,  Segovia,  Guadalajara, 
Siguenza,  Madrid  und  Toledo,  die  Ermordung  Giofredi's,  dem  er  gleichfalls  die  ver- 
hängnissvollen "Worte  in  den  Mund  legt,  er  werde  sich  aus  dem  Blute  der  Neucliristen 
(neophytae)  —  Maranos  sagt  Maldonado  —  sein  zerstörtes  Haus  wieder  aufbauen.  Petrus 
gibt  aber  leider  keine  Aufschlüsse  über  die  Aveitere  Betheiligung  dieser  Neuchristen  an  der 
Bewegimg.  In  wie  ferne  Nachrichten  aus  Valencia  oder  anderen  Orten  einlaufen,  theilt 
er  sie  in  seinen  Valladolider  Briefen  mit,  wie  er  sich  denn  in  Betreff  des  Pfingstauf- 
standes  zu  Valencia  auf  Mittheilungen  des  Cardinais  Gobernadors  beruft.  Ep.  675,  X  cal. 
Junii,  was  wieder  Julii  heissen  niuss.  Er  bezeichnet  Juan  de  Padilla  als  Urheber  des 
Aufstandes  von  Toledo  —  ob  advei-sac  partis  familiae  de  Silva  odium  intestinum  und 
seine  liochfahrende  Frau  Dona  Maria  als  Mariti  maritum,  ep.  679.  Die  Briefe  begleiten 
nun  die  Aveitere  Entwicklung  des  Aufstandes  und  geben  schätzenswerthe  Details,  wie  dass 
der  Marques  von  Denia  selbst  nach  dem  Brande  Medina's  Fonseca  den  Rückzug  nacli 
Tordesillas  verweigerte,  worauf  sich  dieser  nach  Arevalo  begab,  während  die  Einwohner 
von  Valladolid  den  Cardinal  und  den  Consejo  zwangen,  ihn  zu  entlassen.  Ep.  61S2.  Petrus 
bleibt  jetzt  Correspondent  des  Grosskanzlers,  welcher  von  ilim  seine  Privatnachrichten 
über  die  Revolution  bezieht.  Wir  erfahren  durch  ihn  die  Vorgänge  in  Valladolid  selbst 
imd  was  der  Cardinal  wie  der  consejo  für  Mittel  anwandten,  den  Sturm  in  A^alladolid  zu 
beschwören.  In  dieser  Beziehung  sind  auch  die  chronologischen  Daten  von  Wichtigkeit, 
um,  wenn  auch  nicht  Tag  für  Tftg,  doch  Woche  für  Woche  das  Anschwellen  des  poli- 
tischen Sturmes  beobachten  zu  können,  wären  sie  nur  selbst  in  volle  Richtigkeit  gebracht. 
Er  erwähnt  die  Flucht  des  consejo,  seine  Rückkehr  und  erneute  Flucht,  die  Bestrebungen 
des  Cardinais,  die  Junta  in  Valladolid  zu  versammeln  imd  den  abweisenden  Bescheid 
derselben,  endlich  ilire  Vorstellungen,  welche  eine  ganze  Umwandlung  Spaniens  be-' 
zweckten.  Ep.   68 G. 

Die  übrigen  Briefe  zeigen  so  recht,  wie  die  Fluthen  der  Revolution  immer  höher 
schwollen,  in  Valladolid  einerseits  angeblich  der  Versuch  gemacht  wird,  sie  zu  beschwören, 
anderseits  sie  sich  auch  schon  dort  zu  organisiren  beginnt,  nach  der  Einnahme  von 
Tordesillas  schon  die  Mehrzahl  der  Procuratoren  Karl  V.  den  königlichen  Titel  ent- 
ziehen will  imd  nun  die  Reformbowegung,  welche  so  wünschenswerth  und  nothAvendig 
Avar,  in  die  i-evolutionäre,  in  die  oÖ^ene  Empörung  umschlägt.  In  dem  Briefe  vom  8.  No- 
vember (October)  erscheint,  während  Lope  Hurtado  (Furtatus  p.  383)  die  Ernennung 
der  andern  beiden  Gobernadoren  bringt,  der  Cardiiial  bereits  als  Gefangener.  Discessiun 
tentavit  saepe.     Wii-  kennen  aber  nur  den  Versuch    vom    1.  October    1520    (n.    691).    Ju 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  353 

i>ezug  auf  die  gefahrvolle  Stelle,  welche  der  Cardinalgobernador  in  Valladolid  im  Herbste 
1520  behauptete,  ist  P.  Martyr  Hauptquelle. 

Anders  wird  es,  seitdem  der  Cardinal  sich  aus  Valladolid  flüchtete,  Petrus  Martyr 
zurückblieb  und  ZAvar  über  die  Ereignisse  daselbst,  aber  nicht  mehr  über  den  Weo- 
berichten  konnte,  den  die  Regierung  einschlug.  Doch  sind  seine  Berichte  ein  treues 
Abbild  der  im  Schosse  der  verbundenen  Städte  sich  vollziehenden  Auflösimg,  die  die 
Katastrophe  herbeiführte ;  diese  freilich  aber  kommt  dann  v(_)n  einer  andern  Seite  und 
nicht  von  Valladolid,  das  bald  so,  bald   anders  sich  entschloss  (Ep.   700). 

Vielfach  berichtet  er  über  Pedro  Giron,   wie  der  Almirante  sich  mit  ihm  besprechen 
Avollte,  ersterer  die  Unterredung  ablehnte,  ohne  dass  die  Junta  sie  erlaubt  hätte  (ep.  704), 
wie  Don  Pedro  mid  der  Bischof  von  Zaniora  dann  zusammenkamen;  von  einem  Verrathe 
Don  Pedro's  weiss  er  niclits  zu  berichten.    Erst  wo  er    von    der    Eroberung    von    Torde- 
.slllas  durch  die  Granden  spricht,   erwähnt  er,   dass  <lie  (lemalin  des  Almirante  so  häufig 
von    den  Granden   zu   der  Junta  gehe.     Quid    operetur    non    intelligimus ,    credimus    per- 
suasuram  Almirantis    nomine  D.  Petro  Gironi    ut  Junteros  decipiat,   ep.  709.  IV.  cal.  Jan. 
Giron  werde  jetzt  in  Valladolid   Verräther  genannt,  weil  er  nach  Villalpando    zog.    Wir 
wissen    aber    sehr    genaii,    und  genauer,    als  Petrus  Martyr,  welche  Mühe  es  kostete,   die 
Granden  zu  bewegen,   damals  nach    Tordesillas    zu    ziehen.      Vergleicht    man    diese    Dar- 
stellung mit  der  Guevara's,  so  tritt    die  Ungeuauigkeit  des  letzteren  noch    mehr    hervor. 
Damit    schliesst    das    33.    Buch   der  Briefe  und  das  Jalii-  1520.     Gerade  im  ersten  Briefe 
des  34.  Buches,  avo  er  von  Padilla's  geringer  Begabung  und  grosser  Popularität  spricht, 
kommt  er  auf  den  Verrath  Giron's  und  Laso's  zu  sprechen  —  solos  in  hoc  vasto  gurgite 
viros  graves  —  die  jetzt  Verräther  heissen,    weil  sie  die    Bestrebungen    der    Junta    für 
einfältig  hielten.     Mit  dem   Anfange    des    neuen    Jahres    1521    beginnen    die    fruchtlosen 
Unterhandlungen  zwischen  den  Granden  und  der  Junta,  an  welchen  sich  der    päpstliche 
Nuntius   und    der    portugisische  Botschafter    betheiligen    und    worüber    Petrus    in    seinen 
Briefen  fortwährend  berichtet.     Mit  Reclit  tadelt  er    die    Unthätigkeit    der    Granden,    die 
Padilla  von  dem  verunglückten  Unternehmen  gegen  Burgos  ganz  ruhig  und  ungefährdet  im 
Januar  1521   nach  Medina  ziehen  und  die  dortigen  Contingente  übernehmen  Hessen.     Er 
theilt  den  Bericht  des  Cardinais  an  den  Kaiser  im  Auszuge  mit,  ep.   713,  welclier  von  der 
Junta    aufgefangen    und    in  Valladolid   veröffentlicht    wurde.     Bei  dieser  Gelegenheit  er- 
fälirt  man  auch,  wie  die  -Junta  nach  Giron's  Abgang  den  Don  Petrus  Laso  zum  General - 
capitän  einstimmig  erhob,  das  Volk  von  Valladolid  aber  eigenmächtig  den  Padilla  dazu 
wider  dessen  eigenen  Willen  bestimmte.    Nachdem  aber  alle  Vorschläge  in  Betreff'  eines 
Ausgleiches  von  der   Junta    —    wenn    auch    nicht    von    Padilla    zurückgewiesen    worden, 
verliess  Laso  selbst  nach  dem  Briefe  vom  15.  März  (idib.  Mart.)   die  Junta,    welche  damit 
iJir  Hau]3t  einbüsste,  ep.  7 IS.     Schon  der  720.  Brief  bringt  die  Nachricht  von  der  Schlacht 
bei   Villalar,    dem    Untergange  Padilla's  und  seiner  Gefährten.    Dann  aber  wird   mit  den 
dürrsten  Worten  ep.    721    berichtet,    die    Franzosen    seien    a  juncteris    plerisque    impulsi 
Toletanis  praecipue  ac  particulatim  ab  uxore  Padillae  —  in  der  Hoffnung  in  Navarra  ein- 
gefallen, dass  das  Feuer  sich  noch  weiter  verbreiten  werde.  Zu  spät  suchten  sie  die  Ebene 
zu  erreichen,  um  dem  Heere  der  Junta  die  Hände  zu    bieten.     Es    existirte    nicht   mehr. 
Die  Briefe  beschäftigen  sich  mehr  imd  melir  mit    niclit    spanischen    Dingen.     Schon 
der  726.  Brief  bringt  die  ausführliche  Nachriclit  von  der   grossen  Niederlage    der    Fran- 
zosen in  Navarra.     Auch  ihm  ist  bekannt,  dass  liiebei  Briefe  der  Dona  Maria  de  Pacheco, 

Denkschriften  der  pliil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  .1.0 


354 


HöFLEK. 


Schwester    des    Herzogs    voa  Moudejar    uud  Wittwe   Paililla's,   gefundcu  wurden,  die  ilie 
Fraii'zoscu  zum  Elufalleii  iu  Navarra  aufforderten,  p.  418. 

Mit  dem  728.  Briefe  beginnt  sein  Briefweclisel  mit  Cardinal  .Vdj-ian.  Der  Aufstand  ist 
niedergeworfen,  es  gibt  somit  darüber  an  den  Grosskauzier  nichts  zu  berichten;  nui- 
noch  Toledo  hält  sich,  als  der  neue  Einfall  der  Franzosen,  die  Eroberung  von  Euentarabia, 
ueium  Stoff  gewährte.  So  schliesst  das  Jahr  1521  mit  dem  748.  Briefe,  olme  dass  jedoch 
die  38  desselben  mit  denen  des  vorausgegangenen  an  innei-em  Gehalte  verglichen  werden 
können.  Der  erste  Brief  des  Jahres  1522  enthält  bereits  die  Nachricht  von  dem  Tode 
P.  Leo's,  der  Wahl  Adrians  und  ein  Giückwünschungsschreiben  an  den  neuen  Papst, 
ep.  754;  die  Nachricht  von  der  Flucht  Dona  Marias  de  Pacheco  ep.  758,  die  Reise  des 
königlichen  Rathes  nach  Saragossa,  um  P.  Adrian  zu  sehen,  folgten  rasch  nach.  — 
Angleria  hat  durch  die  Leidenschaftlichkeit,  mit  welcher  er  Chievres  verfolgte,  nicht 
wenio-  beia-etraaen,  das  Urtheil  über  die  wahren  Gründe  des  Aufstandes  der  comunidades 
zu  trüben.  So  viel  auch  nach  dieser  Seite  gesündigt  wurde,  es  bleibt  doch  immer  wahr, 
was  Antonio  de  Guevarra  den  Caballeros  der  Junta  sagte:  la  colpa  no  estuvo  en  todos 
ellos  si  en  en  la  poca  esperiencia  suya  y  en  la  mucha  embidia  nuestra. 

Wenn  Dona  Maria  de  Pacheco  durchaus  ihren  Mann  als  Grossmeister  des  Ordens 
von  San  Jago  sehen  und  als  alteza  begrüsst  werden  wollte  und  dazu  nun  alle  mög- 
lichen Lügen  in  Umlauf  gesetzt  wurden,  um  die  Toledaner  durch  die  Gefahr  einer  (er- 
dichteten) Steuer  zum  Aufruhr  zu  bringen,  so  gebietet  die  Wahrheit,  dass  durch  dieses 
Benehmen  das  des  ,caper',  womit  Petrus  beständig  den  Hei-rn  von  Chievres  bezeichnet, 
sehr  in  den  Hintergrund  gedrängt  wurde. 

Dass  eine  neue  kritische  Ausgabe  des  P.  Martyr  wünschenswerth  sei,  ist  wohl  kein 
Zweifel.  Ebenso  wenig,  meines  Bedünkens,  dass  es  mit  manchen  Briefen  Peters  nicht 
weniger  seltsam  sich  verhält,  (vergl.  Ranke,  Kritik  S.  414)  als  mit  denen  Antonio  de  Guevara's. 

15.  Ich  muss  hier  noch  der  pieces  historiques  des  k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staats- 
archives  zu  Wien  (Handschriften  n.  30)  erwähnen,  auf  welche  ich  durch  Herrn  von  Böhm's 
gründliches  und  genaues  Verzeichniss  (S.  8)  aufmerksam  gemacht  wurde.  Die  Instruc- 
tionen K.  Karls  an  la  Chaulx  vom  Jahre  1522  sind  hier  in  ihrer  vollen  Ausdehnung 
enthalten.  Brewer  (Calendar  n.  377,   378)  hat  sie  nur  im  Auszuge  mitgetheilt. 

16.  Ueber  die  Wichtigkeit  der  Briefe  des  päpstlichen  Nuntius  Hieronymus  Aleander, 
welche  Professor  Joh.  Friedrich  als  Beilage  zu  seiner  Schrift:  Der  Reichstag  zu 
Worms  im  Jahre  1521  veröffentlichte  (München  1871),  kann  wohl  nur  Eine  Stimme 
sein.  Als  ich  sie  gleich  nach  ihrem  Erscheinen  durchlas,  entging  mir  die  Bedeutung 
einer  Stelle,  welche  ich  erst  jetzt  in  ihrer  ganzen  Bedeutung  erkenne,  wobei  ich  be- 
daure,  dass  mir  diese  erst  nach  Beendigung  des  Druckes  meiner  Comunidades,  als  ich 
Friedrichs  Schrift  zum  zweiten  Male  durchging,  aufstiess. 

In  Antwerpia,  schrieb  Aleander  am  letzten  Februar  1521  aus  Worms  (S.  57).  se 
inprimea  Luther  in  ispanico,  credo  per  sollicitudine  de'  Marani  che  sono  in  Fiandra  et  se 
devea  mandar  in  Spania;  Cesar  ci  ha  detto  haverei  (haverci)  rimediato. 

Ist  die  Nachricht  authentisch,  so  ist  die  Verbindung  der  Marranos,  welche  bei  dem 
Aufstande  der  Comunidades  so  stark  unter  der  Decke  spielten,  mit  der  deutschen  Reform- 
bewegung sichergestellt  und  ebenso  klar,  warum  sich  die  Granden  so  sehr  gegen  diese 
aussprechen,  und   König   Kaid   für  die  Inquisition  Partei  nimmt! 


ZuK  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Eegierungsjahre  K.  Karls  V.  355 


D.  Das  Conclave  Adrians  VI. 

Die  AValil  Adrians  /Aim  Papste  fülirte  sehr  früh  7ai  einer  Controverse  über  den 
Antlieil  K.  Karls  und  seines  Botschafters  Don  Juan  Manuel  zu  Rom  an  derselben. 
Letzterer  bestand  auf  dem  Satze,  welchen  er  am  26.  März  1522  an  Andrian  schrieb, 
dass  nach  Gott  nur  der  Kaiser  ihn  zum  Papst  gemacht  habe  (despues  ile  Dios  solo  el  rey 
OS  ha  hecho  papa');  ein  Ausspruch,  den  derselbe  am  21.  April  1522  wiederholt.^  Der 
Kaiser  selbst  milderte  diesen  Ausspruch  am  9.  März,  indem  er  dem  neuen  Papste  schrieb, 
es  seien  von  der  kaiserlichen  Seite  aus  den  Cardinälen  keine  Personen  genannt  worden, 
die  sie  wählen  sollten,  sondern  nur  im  Allgemeinen,  sie  möchten  Jemanden  wählen, 
welcher  der  ganzen  Christenheit  erspriesslich  sei.  Jedoch  habe  der  Botschafter,  ehe  die 
Cardinälc  in  das  Conclave  gingen,  diese  aufmerksam  gemacht,  dass  vmter  den  Ab- 
wesenden sich  eine  so  verdiente  Persönlichkeit  behnde  wie  Adrian.^  Der  Kaiser  schrieb 
aber  dieses,  um  dem  Cardinal  von  S'  Croce  zu  widersprechen,  welcher  behauptete,  er 
habe  durch  seine  Stimme  die  AVahl  Adrians  entschieden,  während  er  doch  seine  Stimme 
zurückgenommen  habe,  um  den  Beitritt  der  Cardinäle  zu  verhindern. 

Der  Kaiser  Avar,  wie  ich  dieses  in  der  Abhandlung  über  Adrians  Walil  auseinander- 
gesetzt, in  einer  grossen  Verlegenheit.  Cardinal  Wolsey  hatte  seine  Untei-stiitzung  zur 
Papstwahl  verlangt,  er  sie  zugesagt,*  und  nun  war  der  Gobernador  von  Castillien,  Meister 
Adrian,  gewählt  worden.  Ohne  den  Einfluss  des  Kaisers?  A¥er  glaubte  es  denn  und  war 
es  nicht  im  Interesse  Karls,  dass  es  Adrian  selbst  glaube?  Dieser  aber  hatte  gar  keine 
Ursache,  Don  Juan  Manuel  dankbar  zu  sein  und  letzterer  wusste  es  auch,  dass  der  neue 
Papst  ihm  keineswegs  gewogen  sei. 

AYorin  bestand  nun  die  sichere  Thatsache?  In  Folgendem  und  zwar  nach  dem 
eigenen  Geständnisse  Don  Manuels. 

1.  Ehe  das  Conclave  bezogen  wurde,  warb  Don  Manuel  Stimmen  für  den  Cardinal 
von  Medici'\  der  die  ganze  französische  Partei  und  den  Cardinal  Colonna  gegen  sich 
hatte.  D.  Manuel  suchte  daher  letzteren  für  Medici  zu  gewinnen.  Das  ist  bewiesen  durch 
den  Bericht  Don  Manuels  an  den  Kaiser  aus  Rom  vom  19.  December. 

2.  Der  Cardinal  von  Medici  war  der  eigentliche  kaiserliche  Candidat.  Er  konnte 
auf  18  Stimmen  gegen  20  rechnen.  Don  Manuel  traf  nun  ein  Arrangement  mit  ihm,  dass 
Medici,  wenn  seine  Wahl  unmöglicli  sei,  seine  und  seines  Anhangs  Stimmen  demjenigen 
Candidaten  zukommen  lassen  wolle,  den  er  (Don  Manuel)  bestimme.  Wenn  Medici  sein 
Wort  halten  werde,  was  freilich  in  Rom  nicht  gewöhnlich  sei,  so  werde  das  Arrangement 
nicht  schlecht  sein.  Von  Adrian  von  Tortosa  ist  hier  keine  Rede;  dieses  ist  bewiesen 
durch  das  Schreiben  Don  Manuel's  an  den  Kaiser  vom  24.  December  1521. 


'    Gachard  p.  56. 

-    I.  c.  p.  20. 

•5   1.  c.  p.  40. 

•"   Wolsey  selbst  war  nach  den  Zusicherungen,  die  K.  Karl  ilim  gemacht   hatte,    überzeugt,    dass    er   Papst    werde.     Siehe   die 

Schreiben  bei  W.   IJradford,  correspondence  of  the  Emperor  Charles  V  and  bis  ambassadors   at    the    conrts  of  England  and 

France.  London  1850. 
^   Dieses  ist  so  .sicher,  dass  der  kaiserliche  Gesandte   in    England   am    17.    Januar    1522    dem    Kaiser    schrieb,    Wolsey    habe 

Depeschen  aus  Rom  erhalten,  Don  Juan  Manuel  thue  Alles  die  Wahl  Medici's   durchzusetzen,  Bradford   p.  33.     Der  Kaiser 

entschuldigte  sich  am   5.  Februar,  Manuel  habe    dazu   keinen   Auftrag   geliabt    und    die    Empfehlungsschreiben    für    Wolsey 

seien  zu  spät  angekommen.     Bradford  p.  34. 

45* 


356 


Höfler. 


3.  Der  Streit  euteüudete  sieh  Im  Couelave  zwisclicu  der  kaiserlichen  und  der  iVaii- 
zösiscli-venetiamsclieu  Partei,  den  jüngeren  und  den  älteren  Cardinälen. 

Don  Mannel  übergab  dem  Cardinal  Medici  in  Folge  des  Arrangements  einen  Zettel, 
auf  welchem  die  Namen  der  Candidaten  standen,  s^u  Gimsten  derer  Medicis  stimmen 
solle  wenn  seine  eigene  Wahl  nicht  möglicli  ist.  Auf  dieser  Liste  stand  in  letzter  Reihe 
Cardinal   Farnese,  welcher  den  eigenen  Sohn  als  Pfand  seiner  Gesinnung  gab. 

Da  aber  der  kluge  Botschafter  aucdi  die  Möglichkeit  der  Wahl  eines  Abwesenden 
(Wolsey,  Adrian  etc.)  in  Erwägung  zog,  so  schlug  er  für  diesen  (höchst  unwahrschein- 
lichen) Fall  den  Cardinal  von  Tortosa,  Adrian  von  Utrecht  vor. 

Dieser  stand  somit  nicht  auf  der  Liste,  welche  Medici  übergeben  worden  Avar  und 
letzterer  hatte  somit  auch  keine  Verpflichtung  in  Betreff  Adrians  übernommen;  er  wai- 
nur  genannt  worden. 

Der  Beweis  hiefür  in  dem  Schreiben  Don  Manuels  vom  ß.  Jänner  1522. 

Die  Sache  nahm  aber  noch  eine  ganz  andere  Gestalt  an.  Denn  nach  den  Erkun- 
digungen, welche  Adrian  als  Papst  einzog,  gingen  Don  Manuel  durch  die  Wahl  Adrians 
100.000  Ducaten  verloren,  die  ihm  der  Cardinal  Farnese  versprochen  hatte,  wenn 
er  Papst  würde.  (Schreiben  Adrians  an  K.  Karl  vom  21.  November  1522  bei  Gachard 
p.  15(i.)  Niclit  bloss,  dass  Don  Manuel  nicht  mehr  römischer  Botschafter  bleiben  wollte, 
als  Adrian  Papst  geworden  war,  sondern  letzterer  wollte  ihn  auch  excommuniciren  und 
drohte  selbst  mit  noch  ärgeren  Strafen,  was  sich  freilich  nicht  auf  Vorgänge  bei  der 
Papstwahl  bezog.  Am  2.  März  1523  kommt  Adrian  nochmal  auf  die  Sache  zurück  und 
beruft  sich  in  seinem  Schreiben  an  K.  Karl  auf  Manuels  Nachfolger  in  Rom,  den  Herzog 
von  Sessa,  welcher  wisse,  dass  Farnese  für  die  100.000  Ducaten  seinen  Sohn  dem  Don 
Manuel  als  Geissei  gegeben,  den  dieser  auch  nach  Neapel  bringen  Hess.  Erst  als  Farnese 
alle  Hoffnung  durchzudringen  aufgegeben,  entschied  er  sich  für  die  Wahl  eines  dritten 
und  so  sei  seine  eigene  Wahl  erfolgt.  Das  habe  aber  Don  Manuel  nicht  gewusst  und 
war  ganz  entsetzt,  als  er  von  Adrians  Wahl  hörte.  Der  Papst  fügte  hinzu,  er  bitte  Gott, 
ihn  vor  solchen  Freunden  zu  bewahren  wie  Don  Manuel  sei.  (Calendar  IL  n.  532.)  Der 
Kaiser  Hess  hierauf  am  15.  April  den  Papst  versichern,  er  wisse  genau,  was  zwischen 
Don  Manuel  und  dem  Cardinal  Farnese  stattgefunden  habe;  Geld  sei  jedoch  weder  ange- 
boten noch  angenommen  worden.  Don  Manuel  habe  den  Cardinälen  für  den  Fall,  dass 
die  Wahl  auf  abwesende  Cardinäle  fiel,  die  des  Cardinais  von  Tortosa  empfohlen.  Calend. 
IL  n.  542,  j).  545.  Diese  geheimen  Vorgänge  entziehen  sich  allen  denen,  die  nur  über 
das  Scrutinium  und  was  im  Conclave  vorging,  berichteten,  während  es  sich  hier  um 
Abmachungen   handelte,   die   vor  dem  Beginn  desselben  stattfanden. 

In  Bezug  auf  die  Vorgänge  bei  dem  Scrutinium  wird  auf  eine  Berufung  an  die 
Berichte  der  französischen  Partei  Verzicht  geleistet  werden  müssen,  da  diese  nicht 
eigentlich  im  Conclave  vertreten  wai-,  sondern  nur  die  Partei  der  altern  und  der  Jüngern 
Cardinäle  und  wird  daher  eine  kritische  Darstellung  der  Wahl  Adrians  vor  Allem  auf 
die  Berichte  dieser  beiden  Parteien  fussen  müssen;  andere  Berichte  Averden  nur  in  so  ferne 
Werth  haben,  als  sie  diese  der  Unwahrheit  zu  überweisen  vermögen.  Nun  hat  es  aber 
eilf  Scrutinien  gegeben,  wie  Don  Manuel  berichtet:  am  30.  December  zwei,  je  eines  am 
1.,  2.,  3.,  4.,  5.,  6.,  7.,  8.,  H.  Januar,  das  zehnte  vom  8.  Januar  wird  wedei-  von  Bur- 
maun  (Conclave  Adrian!  VI.)  noch  von  Papenbrok  erwähnt.  xVUein  auch  die  Stimmen- 
'/ahl   ist  selir  vers(•lli(^den.     Dai-in  abei-  stimmen  diese  Berichte  überein,  dass  im  5.  Sem- 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  357 

tinium  (vom  3.  Januar)  zum  ersten  Male  zwei  abwesende  Cardinäle  Stimmen  erhielten,  der 
von  Tortosa  (Adrian)  8,  der  von  York  (Wolsey)  7.  Allein  die  Stimmenzahl  entschied 
nicht  nur  nicht,  sondern  es  war  das  selbst  nur  ein  Wahlmanöver.  Beide  Cardinäle  werden 
im  6.,  7.,  8.,  9.,  10.  Scrutinium  nicht  mehr  erwähnt,  ja  im  8.  vom  6.  Januar  scheint 
die  AVahl  Farnese's  bereits  entschieden  zu  sein,  als  sie  durch  die  von  mir  berichteten 
(dem  Wesentlichen  nach  von  Burmann  erzählten)  Einwürfe  verhindert  wurde.  Jetzt,  wenn 
wirklich  der  Erzählung  Don  Manuels  so  viel  Glauben  geschenkt  werden  darf,  liätte  man 
meinen  sollen,  nachdem  die  Wahl  des  auf  seinem  Zettel  zuletzt  Genannten  nlclit  durcli- 
gesetzt  werden  konnte,  werde  man  an  die  abwesenden  Cardinäle  denken.  Nicht  Iju 
Mindesten ;  weder  am  7.  noch  am  8.  Januar  ei'hlelten  Adrian  oder  Wolsey  eine  Stimme. 
Jacobazius  erhielt  am  8.  Januar  eine  Stimme  mehr  als  am  7.,  nämlich  11  ;  der  Cardinal 
von  Ostia,  der  Spanler  Carvajal,  welcher  gewöhnlich  8  Stimmen  hatte,  jetzt  10.  Eben 
so  viele  die  Cardinäle  Flesco  und  Sion  —  letzterer  um  2  mehr  als  im  9.  Scrutinium, 
Grimani  aber  sinkt  von  10  Stimmen  am  7.  Januar  auf  7  herab.  Diese  letztere  AVahl 
findet  sich  wie  oben  bemerkt  Im  Berichte  Don  Manuels.  Alle  vereinigen  sich  dahin, 
dass  am  9.  Januar  der  Cardinal  von  Ostia  und  der  von  Tortosa  jeder  15  Stimmen  hatte 
und  die  Wahl  des  letzteren  nur  auf  Empfehlung  des  Cardinais  von  S.  Sisto  und  durcli 
Accession,  nicht  eigentlich  durch  Wahl  stattfand. 

Interessante  Daten  enthält  über  das  Conclave  ein  Bericht  der  Bibl.  Regia  Parisiensis 
5288  (auch  5157).  Er  hebt  als  das  bei  diesem  Conclave  Merkwürdige  hervor,  dass  von 
Versprechungen  keine  Rede  war.  In  qulbus  mira  arte  annotandum  e.st  quod  nee  fautores 
Cardinalls  de  Farnesio  nee  alii  diversa  sentientes  quidquam  promiserunt  nisl  purissima 
suffragia  reportare  prout  ex  ordine  scrutlnil  Inferius  annotati  poterlt  clarlus  viderl.  Fortuna 
Farnesio  labente  hora  XIX  quisque  ad  propriam  cellulam  reversus  est. 

Dann  erfolgte  das  3.  Scrutinium  und  nach  diesem  drang  wiederliolt  der  Cardinal 
von  Medici  auf  die  Wahl  Farnese's,  sed  magnis  viribus  seniores  obstiterunt. 

Nach  dem  4.  Scrutinium  am  2.  Januar  fanden  Besprechungen  unter  den  älteren 
Cardinälen  statt  de  eligendo  optimo  pontifice.  Dann  versammelten  sich  auch  die  Jüngern 
Cardinäle  (der  Partei  Medici)  In  der  St.  Nicolauscapelle  und,  nachdem  sie  über  eine 
Stunde  mit  einander  gestritten,  kamen  sie  endlich  überein,  einen  der  älteren  zu  wählen, 
der  sicli  durch  die  grösste  ßechtschaffenhelt  (maxima  probitate)  auszeichne  und  kein 
Parteimann  wäre  (nee  partes  foveret).  Die  älteren  Cardinäle  bestürmten  die  jüngeren, 
sie  möchten  die  Lage  der  Christenheit  beherzigen,  damit  nicht  wegen  ihrer  Uneinigkeit 
ein  Schisma  entstehe,  consulerent  relpublicae  christlanae  ne  forte  ob  dissensiones  In 
allquid  scisma  perniciosum  decurrerent  calamitatesque  priorum  saeculorum  commemorabant. 

Als  jetzt  bei  dem  5.  Scrutinium  am  3.  Januar  wieder  ein  Versuch  gemacht  wurde, 
die  Wahl  Farnese's  durchzusetzen,  widerstanden  die  älteren  Cardinäle  zum  vierten  Male. 
Nun  aber  hiess  es,  die  französischen  Cardinäle  eilen  herbei  und  da  beschloss  man,  sich  aucli 
zu  beeilen.  Allein  das  6.  Scrutinium  gab  wieder  kein  Resultat  und  zwar  aus  dem  von 
dem  Manuscripte  angeführten  Grunde,  in  aulis  deambulando  (am  4.  Januar)  disceptabant 
super  electione  fienda  In  tanta  discordia,  maxime  cum  in  collegio  tot  amplissimi  patres 
Jiaberentur.  Man  erwartete  aber  für  den  5.  Januar  mit  Sicherheit  eine  Papstwahl,  entweder 
Farnese  oder  Flesco  oder  Sitten,  als  auf  einmal  der  Cardinal  Medici  mit  seinem 
Verwandten  Clbo  (Cardinaldiaconus  von  S.  Maria  In  Domnica)  hervorrückte,  des  letzteren 
Wahl  mit  Mühe  durch    den  Cardinal  Colonna   im    7.  Scrutinium    verhindert    wiu-de.    Das 


358  Höfler. 

galt  nun  als  Fallstrick  iiihI  \  oi-sdnnitztlieit,  die  man  iiiclit  ortragoti  künnc,  woslialb  die 
altern  Cardiiiäle  —  ü])poi-tiiiiis  reinediis  hujusmodi  fallaciis  et  subdolis  providerc  ciipientes  — 
bei  dem  Cardinal biscliol'  von  Ostia  am  f).  Januar  eine  Besprecliung  hatten.  Quid  decer- 
nereut,    sequeuti  die  notum  factum  est  omnibus. 

Die  Gegner  hatten  (omni  arte)  Alles  aufgeboten,  am  G.  Januar  im  8.  Serutinium 
Farnese  zu  wählen.  Nicht  blos  dass,  wie  Don  Juan  Manuel  berichtet,  12  Stimmen  ilni 
schriftlich  gewälilt,  es  waren  auch  neun  (per  accessum)  hinzugetreten.  TA)]-enzo  Pulcio, 
Cardinal  von  SS.  Quati'o  coi'onati,  ein  Florentiner,  liatte  bereits  das  verliängnissvolle : 
Papam  habemus,  ausgerufen,  als  die  Cardinäle  de  Monte  und  Colonna  ordnungsmässige 
AVahl  verlangten.  Der  Cardinal  Cesarini,  wie  das  andere  Manuscript  der  Bibl.  Reg. 
Paris,  in  Uebereinstimnnuig  mit  Don  Juan  Manuel  erzählt,  -trat  auf  die  Seite  des  Car- 
dinais Aegidius,  es  entstand  nun  Streit:  an  accedendo  ad  alium  auferat  electionem  prioris 
und  über  diesen  Streit  kam  es  zum  8.  Serutinium,  aber  nicht  zur  Papstwalil,  da  Farnese 
von  26  Stimmen,  welche  nütliig  waren,  noch  fünf  fehlten.  Die  älteren,  von  welchen 
offenbar  mehr  als  einer  sich  Hoffnung  auf  die  Tiara  gemacht,  beschlossen  nun  einträch- 
tiger zu  verfahren,  um  nicht  von  den  jüngeren  ausgelacht  zu  werden.  Bei  dem  9.  Seru- 
tinium am  7.  Januar  verschwindet  zwar  der  Cardinal  Farnese  niclit,  er  kann  aber  mit 
:»  Stimmen  nur  den  dritten  Platz  erlangen  und  es  verbreitet  sich  das  Gerücht,  die 
mediceische  Partei  wolle  am  8.  Januar  alle  Minen  springen  lassen,  ihn  durchzusetzen. 
Die  älteren  verbanden  sich  dagegen  und  sie  utrimque  maximo  ambitu  agebatur.  Erst 
das  10.  Serutinium  am  8.  Januar  brachte  Rath.  Der  Cardinal  von  Medici  liess  statt 
Farnese  den  Cardinal  della  Valle  (von  S"  Prisca)  durch  Colonna  als  Papst  vorsclilagen, 
tanquam  virum  Optimum  et  ad  regimen  fluctuautis  ecclesiae  valde  opportunum.  Er  drang 
jedoch  nicht  durch,  aber  in  der  ersten  Nachtstunde  entschied  sich  die  Mehrzahl  der 
Cardinäle  weder  Farnese,  noch  Valle,  noch  Medici  zu  wählen.  Diese  Erklärung 
führte  die  Krise  herbei.  Am  9.  Januar  erfolgte  das  11.  Serutinium.  Jetzt  schlug 
der  Cardinal  von  Medicis  ludens  ut  consuevei-at  et  ut  videretur  rem  gratam  facere  voluisse 
Caesareae  Majestati  quae  illum  recommendaverat  (?),  den  Cardinal  von  St.  Johann  und  Paul, 
Adrian  von  Tortosa  vor.  Er  erhielt  gleich  dem  Cardinal  von  Ostia,  Bernardo  Carvajal, 
einem  Spanier,  15  Stimmen,  so  dass  die  Wahl  zwischen  zwei  Spaniei-n  schwankte.  Aber 
nicht  der  Vorschlag  des  Cardinais  von  Medici  entschied,  wie  das  Pariser  Manuscript 
ausdrücklich  hei-vorhebt,  sondern  die  Rede,  welche  der  Cardinal  von  San  Sisto,  Thomas 
de  Vio,  hielt  und  in  welcher  er  die  Tugenden,  Sitten,  Ehrbarkeit  und  Unsträflichkeit 
Adrians  hervorhob.  Es  erfolgte  die  accessio  zuerst  des  Cardinais  von  San  Sisto,  dann  was 
entscheidend  war,  Carvajals  —  Cardinalis  Canaliceasis  nach  dem  Manuscript,  Cavalicensis 
bei  Burmann  und  Bergenroth  —  endlich  folgten  de  Monte,  Sieua,  Araceli,  Armellino, 
Jacobazio,  Ti-ani,  Como,  so  dass  mein-  als  zwei  Dritttheile  die  "Wahl  Adrians  entschieden. 

Der  Bericht  Burmann's  gibt  einige  Notizen  über  Vorkommnisse  bei  den  früheren 
Scrutinien,  enthält  aber  wieder  Manclies  nicht,  was  das  Pariser  Manuscript  mittheilt.  Das 
Manuscript  5157  enthält  mehr  Klatschereien,  als  eigentlichen  historischeu  Bericht. 

Noch  gehören  hieher  die  commentaria  rerum  diurnalium  conclavis  in  quo  creatus  tuit 
Adrianus  Papa  VI,  Africano  Severolo  auctore.  (Im  k.  k.  geheimen  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv.) 

Diese  stimmen  in  Betreff  des  Verhaltens  des  Cardinais  Medici  und  des  Cardinais  von 
S.  Sisto  am  9.  Januar  Wort  für  Wort  mit  dem  Pariser  Manuscript  übereiu.  Es  heisst 
bei  dem  Vorschlage  des  Cardinais  von  Medici,  ut  a  magnis  viris  existimabatur  ludens  ut 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegierungsjahre  K.  Karls  V.  359 

consueverat  et  iit  vidcrctur  rem  gratam  t'acere  voluisse  Caesareae  majestati,  tpiae  illimi 
sibi  (!)  commendaverat.  Verum  Dens  qui  dissipat  consilia  gentium  egit  quod  D.  Cardinalis 
prius  liabens  coram  patribus  oratioiiem  de  virtute  ejus  accesit  ad  electionem.  Nacli 
Severolo  kam  aber  die  Walil  Adrians  gar  nicht  so  unerwartet  und  liatte  derselbe  nicht 
nur  im  5.  Scrutinium  (3.  Januar)  8  Stimmen  (ßergenroth,  Calendar  p.  391),  sondern  bei 
der  gi'ossen  Zersplitterung  der  Stimmen,  die  am  5.  Januar  (7.  Scrutinium)  stattfand,  als 
plötzlicli  Cibo  emjjorgehoben  wurde,  erhielt  Adrian  3  Stimmen,  woraus  hervorgeht,  dass 
Don  Juan  Manuel  nicht  so  genau  über  die  Vorgänge  im  Conclave  iinterrichtet 
war,  als  er  sich  den  Anschein  gab.  Bei  dem  9.  Sci'utinium  am  7.  Januar  eidiielt 
Adrian  wieder  2  Stimmen  und  dann  am  9.  Januar  15,  worauf  die  Accession  eintrat. 

Die  Wahl  selbst,  die  Betheiligung  Don  Juan  Manuels  und  des  Cardlnals  von  Santa 
Croce  gaben  noch  zu  vielen  Auseinandersetzungen  Anlass,  bei  welchen  der  rücksichtslose 
gewaltthätige  Charakter  Manuels  in  seiner  ganzen  Nacktheit  zum  Vorscheine  kam.  (Vergl. 
die  Depesche  vom  22.  März  1522  bei  Bergenroth,  Calendar  n.  398.)  Wer  ihm  Avider- 
strebte,  sollte  an  den  Galgen  kommen. 

Auf  die  im  Ganzen  doch  wenig  werthvollen  Commentaria  rerum  dlurnalium  conclavis 
in  quo  creatus  fuit  Adrianus  Papa  VI  Africano  Severolo  auctore,  sowie  auf  die  Commen- 
taria conclavis  Clementes  VII  P.  M.,  in  welch  letzteren  nur  vorübergehend  von  Adrian 
die  Rede  ist,  noch  näher  einzugehen,  halte  ich  für  überflüssig-,  es  genügt  Blasii  de  Cesena 
Magistri  caeremoniarum  ab  anno  1518  sub  Leone  X,  Adriano  VI,  demente  VII  et  Paulo  III 
usque  ad  1540  diarium,  das  auch  Aufzeichnungen  über  das  Pontificat  Adrians  VI.  enthält, 
und  die  von  mir  herausgegebenen  Additamenta  ad  Aegidii  (Viterbiensis)  historiam  facta  ab 
Hieronymo  Seripando  —  eigenhändige  Notizen  des  berühmten  Augustiner-Generals  über 
die  Päpste  seiner  Zeit  zu  erwähnen,  um  mich  dem  bändereichen  Werke  F.  Petrucelli's  de  IIa 
Gattina,  histoire  diplomatique  des  conclaves  Paris  1864 — 1866,  4  vol.,  zuzuwenden, 
da  demselben  ein  ungebührlicher  AVerth  beigelegt  wird.  Nicht  blos  dass  die  Gesandt- 
schaftsberichte, in  wie  ferne  sie  sich  auf  das  Conclave  Adrians  beziehen,  einen  unter- 
geordneten Werth  besitzen,  sondern  sie  sind  aucli,  wie  die  nachfolgende  Vergleichung 
in  Betreff  der  Scrutinien  darlegt,  geradezvi  irrig  zu  nennen. 

Wenn  ferner  behauptet  worden  ist,  dass  die  in  Gattina  (und  bei  BreAver)  angeführten 
Depeschen  Campeggio's  an  Wolsey  vom  17.  December  1521  und  10.  Januar  1522  durch 
die  englische  Ausgabe  (Brewer  n.  1879  und  n.  1952)  keineswegs  überflüssig  gemacht  worden 
seien,  wie  dies  D.  von  Trufl'el  in  einer  Anzeige  meines  Adrians  hervorhob,  so  ist  das 
nicht  viel  mehr  als  eine  Sylbenstecherei.  Die  Depesche  vom  17.  December  enthält  nur 
noch  eine  Angabe  über  die  Stellimg  der  Cardinäle  vor  dem  Conclave,  die  sehr  unter- 
geordneten Werthes  ist,  imd  was  die  von  Brewer  n.  1952  mitgetheilte  Depesche  betrifft, 
so  war  nur  mitzutheilen,  dass  die  Behauptung  Campeggio's,  Wolsey  habe  so  oft  aclit  und 
neun  Stimmen  erlialten,  die  übrigens  Brewer  in  dem  englischen  Text  gibt,  eine 
Unwahrheit  enthält.  Dass  ich  übrigens  AVolsey's  Candidatur  entschieden  zu  ernsthaft 
behandelt  habe,  ist  wieder  unrichtig,  da  Wolsey  selbst,  der  damals  Leiter  der  englisclien 
Politik  war,  auf  die  spanische  und  französische  einen  ungemeinen  Einfluss  ausübte,  alle 
Hebel  daran  setzte,  Papst  zu  werden.  Endlich  ist  zu  bemerken,  dass  Gattina's  Werk  eine 
Parteischrift  ist  und  sich  durchaus  nicht  auf  die  Höhe  ruhiger  unparteiischer  Erwägung 
der  historischen  Verhältnisse  erschwungen  hat. 


360 


Höfler. 


Icli  stelle  imu  zum  Schlüsse  die  florentinischen  Berichte  Gattina's  über  das  Conclave 
Adrians  denen  des  kaiserlichen  Botschafters  Don  Juan  Manuel  gegenüber,  aus  welchen 
man  die  Mangelhaftigkeit  des  ersteren  entnehmen  kann  und  damit  die  irrigen  Grundlagen 
der  Anschauungen  des  gelehrten  Mitgliedes  des  italienischen  Parlamentes. 


Nach  dem  florentinischen  Berichte. 


Nach  Don  Juan  Manuel. 


I.  Scrutinium  30.  December. 

Ostia 9 

Grimani 10 

Volterra       ....        5 

Flisco 12 

Monti 5 

Ancona 5 

Degli  Accolti  ...        5 

Grassi 6 

Jacobazi "7 

IL  Scrutinium  31.  December 

Medici 16 

Farnese 1'? 

Flisco 8 

A'.   Scrutinium   3.   Januar 

Santi  Quattro  ...     14 

S.  Eusebio  .     . 

5 

Flisco      .     . 

7 

Jacobaccio 

7 

San  Sisto 

7 

Sion    . 

6 

Valenza  . 

6 

Ära  Coeli 

6 

Mantua   . 

6 

Volterra . 

.       4 

Grassi 

4 

Medici     . 

4 

Campeggio 

.       4 

Egidio     . 

.       4 

X.  Scrutinium  8.  Januar 

Santa  Croce      .     .     .     20 

Flisco 20 

Jacobacci     .     .     .     .      12 

Farnese  . 

. 

, 

4 

Flisco   10  Stimmen 


Medici  3 

Medici  5  Stimmen 
Ostia  (Carvajal)   10 
Flisco  7. 

Farnese  ist   unter   denen   nicht   angegeben, 
die  mehr  als  5  Stimmen  hatten. 

Hatte  im  IV.  Scrutin.  14  Stimmen,  nicht  im  V. 

Volterra   12 

Flisco  im  IV.    7.  im  V.   9  Stimmen. 


Hier  ist  der  Cardinal  von  Tortosa  mit  8  und 
der  Cardinal  von  York  mit  7  Stimmen 
ausgelassen;  Ostia,  Medici,  Valle,  Egidio 
hatten  jeder  6  Stimmen. 

In  Wirklichkeit:   X.   Scrutinium 

Jacobaccius      ...      11 

Ostia 10 

Flisco 10 

Sion 10 

Grimani 7 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  361 

So  irrig  die  Zahlenangaben.  Gattina's  sind,  so  wenig  interessant  sind  die  von  ilim 
citirten  Briefe  des  florentinischen  Gesandten.  Ich  wüsste  nicht,  was  sie  nach  dem  durch 
Brewer,  Bergenroth  bekannt  gewordenen  Correspondenzen  noch  Neues   böten. 

Unstreitig  das  Bedeutendste  was  über  das  Conclave  Adrians,  die  zunächst  voraus- 
gehenden und  die  zunächst  nachfolgenden  Ereignisse  zugänglich  wurde,  befindet  sich  in 
den  Aufzeichnungen  Marin  Sanuto's  des  Sohnes  des  Leonardo,  de  successu  rerum  Italiae. 
Bekanntlich  ist  das  Original  dieses  Quellenwerkes  erster  Grösse  der  italienischen  liegie- 
runo-  abgetreten  worden  und  befindet  sich  nur  nielir  eine  niclit  immer  mit  vollei'  Treue  ver- 
fasste  Copie  in  dem  k.  k.  Haus-,  Hof-  imd  Staatsarchive  zu  Wien.  Das  Werk,  welches  für 
die  Geschichte  des  XVI.  Jahrhundertes  unentbehrlich  ist  und  längst  verdiente  von  einer 
Akademie  lierausgegeben  zu  werden,  ist  ein  Diarium  oder,  wenn  man  will,  ein  Regesten- 
werk, welches  Tag  für  Tag  die  Einlaufe  bei  dem  venetianischen  Senate  mittheilt  und 
sehr  häufig  neben  den  Auszügen  von  Berichten  der  Gesandten,  die  wichtigsten  Urkunden, 
Briefe  der  Kaiser,  Könige,  Cardinäle,  Päpste,  Fürsten,  in  ilirem  vollen  Inhalte.  Natürlich 
muss  zwischen  diesen  Berichten  genau  unterschieden  werden,  und  es  genügt  nicht  Citate 
Sanuto's  anzuführen,  da  die  Briefe  je  nach  ihrem  Aussteller,  dessen  genaueren  oder 
minder  genauen  Kenntniss,  ihrem  Parteistandpunkte,  von  sehr  verschiedenem  Werthe  sind. 
Das  gilt  namentlich  von  den  Berichten  aus  ßom  und  zumal  aus  der  Zeit,  die  in  den 
Kreis  dieser  Erörterung  fällt.  Die  Auffassung  eines  und  desselben  Ereignisses  wird 
begreiflich  zu  ganz  anderen  Resultaten  führen ,  je  nachdem  dasselbe  von  einem 
Augenzeugen,  einem  wohlunterrichteten  Correspondenten,  der  schon  um  seiner  Ehre  willen 
sich  keinen  falsclien  Bericht  zu  Schulden  kommen  lässt,  oder  von  einem  Privatmanne 
dargestellt  wird,  der  an  dem  vielfältigen  Klatsch  Gefallen  findet  und  diesen  zum  eigenen 
Vergnügen  wie  zu  dem  seiner  bi-ieflichen  Freunde  ausbeutet. 

In  Betreff  der  Nachrichten  über  das  Conclave  ist  noch  besonders  zu  erwähnen,  dass 
die  Venetianer  aus  den  Berichten  ihrer  Cardinäle  schöpften,  von  diesen  Grimani  die 
Hoffnung  Papst  zu  werden  nicht  aufgab,  bis  Adrian  Pajist  wurde,  und  die  beifolgende 
Tabelle  über  die  eilf  Scrutinien  wohl  als  die  zuverlässigste  und  im  Conclave  selbst  ver- 
fasste  anzusehen  ist.  Sie  zeigt  genau,  welche  Sprünge  man  sich  erlaubte,  mit  welcher 
Leichtfertigkeit  bald  dem  Einen  bald  dem  Andern  eine  illusorische  Majorität,  welche 
doch  nie  eine  absolute  war,  zugewendet  wurde,  wie  falsch  es  endlich  war,  wenn  dem 
Cardinal  von  York  geschrieben  wurde,  dass  sich  auf  ihn  immer  eine  respectable  Anzahl 
von  Stimmen  vereinigt  habe.  Medici  war  der  kaiserliche  Candidat  und  selbst  das  geht 
nicht  aus  diesen  Berichten  hervor,  dass  er  auf  den  Cardinal  von  Tortosa  aufmerksam 
machte.  Hingegen  ist  die  Schilderung  des  AVeinens  und  Wehklagens,  das  in  liom  statt- 
fand, als  es  gewiss  war,  dass  ein  Ausländer,  ein  Barbar,  gewählt  worden  sei,  wahrhaft 
drastisch.  Die  Leute,  welche  Aemter  von  P.  Leo  gekauft  hatten  und  nun  einsahen,  dass 
bei  der  Abwesenheit  des  Hofes  sie  ihre  Zinsen  nicht  herausschlagen  würden,  waren  in 
Verzweiflung  und  gaben  dieser  auch  den  lautesten  Ausdruck.  Interessant  ist  hiebei  auch 
eine  Andeutung,  dass  die  jüngeren  Cardinäle  sich  mit  dem  Gedanken  befreundeten,  die 
Papstwahl  ausserhalb  des  Conclave  vorzunehmen,  das  heisst  doch  letzteres  zu  sprengen, 
und  auf  das  Bestimmteste  behauptet  wurde,  die  Cardinäle  hätten  einen  Todten  gewählt, 
Adrian  sei  bereits  seit  zwei  Monaten  in  Spanien  gestorben. 

1.  Der  Tod  P.  Leos  X. 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXV.  Bd.  46 


362 


HöFLBR. 


Nach  dem  genauen  Berichte  des  venetianischen  Orators  zw  Korn,  Bartolomeo  Angitello 
vom  3.  December  1521,  war  am  2-1.  die  Nachricht  eingelaufen,  dass  sich  Maihvnd  der 
Kirche  und  dem  Reiche  ergeben.  Die  Nachricht  kam  an  den  päpstlichen  Secretär 
Jan  Matheo,  welcher  sich  sogleich  nach  Magliano  begab,  den  Papst  traf,  wie  er  das 
officium  betete  und  zwar  gerade  jenen  Vers  des  benedictus  ut  sine  timore  de  manu  omnium. 

Das  ist  eine  gute  Neuigkeit,  welche  ihr  mir  bringt,  sagte  er  zum  Secretär  und  Messer 
Taulo,  der  mitgekommen  war.  Er  entliess  beide.  Die  Nachriclit  verbreitete  sich  unge- 
mein rasch  und  nun  machte  die  Schweizerwache  Musik,  Feuerwerk  und  gab  Salven  die 
ganze  Nacht,  dass  der  Papst,  welcher  sie  vergeblich  zur  Ruhe  ermahnen  Hess,  die  ganze 
Nacht  nicht  schlafen  konnte.  Am  andern  Tage,  25.,  erklärte  der  Papst,  er  wolle  nach 
dem  Essen  nach  Rom  zurückgehen  und  stand,  bis  die  Cavalcada  begann,  längere  Zeit  in 
einem  Kaninchenparke.'  Der  Tag  war  sehr  heiss,  er  blieb  länger  als  gut  war  und  erkältete 
sich  namentlich  auf  dem  Wege,  weil  Sonnenuntergang  plötzlich  eintrat  und  er  nicht  Winter- 
kleider trug.  Nach  Einigen  habe  er  sich  über  den  Schmerz  der  Fistola  beklagt,  die  ihn 
mehr  als  gewöhnlich  presste  (premeva).  Der  Papst  kam  hocherfreut  in  Rom  an,  da  es 
aber  Montag  war,  wo  der  Papst  nur  einmal  des  Tages  zu  essen  pflegte,  nahm  er  das 
pranzo  mit  grossem  Behagen  (con  tutti  li  sui  piaceri  e  spassi)  zu  sich,  legte  sich  nieder 
und  schlief  vortrefflich.  Am  andern  Tage  (Dienstag)  gab  er  Audienzen,  es  kamen  zwei 
Cardinali  de  casa,  Trivulzi  mit  allen  Brüdern,  Neffen  und  Vettern.  Während  er  Audienz 
o-ab,  überfiel  ihn  Fieberfrost,  so  dass  der  Papst  sich  sogleich  niederlegte,  und  das  war 
der  erste,  wenn  auch  nicht  grosse  Paroxysmus.  Er  hatte  wenig  nächtliche  Rulie,  stand 
aber  Mittwoch  doch  heiter  auf,  war  aber  schwach,  und  gegen  Abend  kam  der  zweite 
Paroxysmus,  den  aber  die  Aerzte  durch  neue  Medicin  beseitigten,  so  dass  man  glaubte, 
der  Papst  werde  binnen  vier  Tagen  gesund  sein.  Am  andern  Tage  Hess  sich  der  Papst 
um  21  Uhr  Musik  machen,  erledigte  einige  Breven  und  machte  Pläne  für  den  S.  Am- 
brosiustag,  an  welchen  er  in  dessen  Kirche  Messe  lesen  wollte.  Allein  nun  stellte  sich 
der  Paroxysmus  Abends  so  heftig  ein,  dass  der  Papst  das  Bewusstsein  verlor,  die  Nacht 
war  äusserst  schlimm,  so  dass,  als  nun  der  Adventsonntag  anbrach,  drei  Couriere  an  den 
Cardinal  Medici  abgeschickt  wurden,  dann  aber  schlief  er  einige  Stunden  (15—19  Uhr). 
Als  er  erwachte,  wollte  er  Speise  zu  sich  nehmen,  beklagte  sich  aber  über  grosse  Hitze, 
ass  nur  sehr  wenig,  befand  sich  jedoch  so  gut,  dass  an  Cardinal  Medici  geschrieben 
wurde,  es  gehe  besser,  und  die  Aerzte  nicht  glaubten,  dass  noch  in  dieser  Nacht  ein 
Fieberfall  (parosismo)  stattfinde.  Der  Papst  aber  entliess  um  5  Uhr  diejenigen,  welche 
im  Zimmer  waren  und  nur  der  Cardinal  SS.  Quatro,  der  Arzt  Ponzola,  die  zwei  Nefi^en 
Salviati  und  die  Schwester  blieben  mit  2 — 3  Cameriei-en  zurück,  er  entliess  auch  diese 
um  zu  schlafen,  als  vor  sechs  der  Paroxysmus  so  entsetzlich  wiederkehrte,  dass  die  An- 
wesenden (Camerieri)  sogleich  nach  dem  Cardinal  SS.  Quatro  schickten.  Bis  derselbe 
aber  kam,  hatte  der  Papst  die  Besinnung  verloren."  Er  hatte  den  Tag  vorher  gebeichtet, 
die  Todesgefahr  erkennend,  die  letzte  Oelung  verlangt,  als  ,der  Katarrh'  so  heftig  wurde", 
dass  der  Papst  starb.  Sogleich,  wie  die  Nachricht  in  Rom  bekannt  wurde,  bewaffnete 
sich  jeder  und  verproviantirte  sich,  es  erfolgte  aber  durchaus  keine  Unruhe.  Die  Car- 
dinäle  ernannten  den  p]rzbischof  von  Neapel  zum  Grobernator,    Hessen  ein  Inventar  auf- 


'    Tn  un  barco  pioolo  de  oonigli. 

2    Benche  subito  sopraveiieiiduli  il  male  sua  8antita  cognoacendo  U  luorire  adomaiido  roglio   santo  et  el  jonio  s"era  confessalo 
e  tanto  li  abmidö   il  cataro  die  fra  le   7  höre  e  le  8  sua  »antita  passö. 


ZuE  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Eegierungsjaure  K.  Karls  V.  363 

nehmen/  Den  Nuntien  wurde  sogleich  der  gänzlich  unerwartete  Tod  angezeigt.  Sogleich 
begannen  im  Cardinalcollegium  sich  die  heftigsten  Feindschaften  zu  zeigen. 

■  2.  Das  Conelave. 

Gleich  nach  dem  Tode  des  Papstes  hatten  die  Cardinäle  den  venetianischen  Orator 
gebeten  an  die  Signoria  zu  schreiben ,  damit  sie  für  den  Kirchenstaat  Sorge  trage, 
dieser  aber  die  Cardinäle  ermahnt,  für  einen  tüchtigen  Papst  zu  sorgen.  Er  theilte  mit, 
dass  Cardinal  Soderini  sicli  sehr  bitter  im  Cardinalscollegium  gegen  den  Verstorbenen 
geäussert  habe."  Bereits  begannen  (in  banchi)  die  Wetten,  wer  Papst  würde.  Man 
berechnete,  dass  Leo  nur  von  den  Aemtern  der  cubicularrati  der  Cardinäle  und  der 
chavalierati  GO.OOO  Ducaten  eingegangen.  Er  fand  im  Castell  5,050.000  Ducaten  vor 
und  bei  seinem  Tode  war  er  verschuldet.^  Er  berichtet  wie  die  Gefangennehmung  des 
Cardinais  von  Ivrea  in  l'avia  den  Eintritt  in  das  Conelave  um  acht  Tage  hinausschob.* 
Die  Cardinäle  hielten  bei  Santa  Croce,  dem  Haupt  des  Collegiums,  Besprechungen,  Colonna 
trat  gegen  Medici  auf^  imd  letzterer  hatte  bereits  an  seinem  Ansehen  eingebüsst.  Dann 
aber  wii-d  wieder  darauf  hingewiesen,  dass  der  spanische  Botschafter''  Alles  für  Medici 
in  Bewegung  setze  und  Soderini  erklärte  sich  in  der  Congregation  der  Cardinäle  auf's 
Neue  gegen  Medici,  und  wie  es  Zeit  sei  aus  der  Tyrannei  herauszutreten,  worauf  Car- 
dinal Cesarini  antwortete,  er  kenne  in  P.  Leo  keinen  Tyrannen  imd  wenn  er  Cardinäle 
für  Geld  gemacht  habe,  so  habe  er  sehr  recht  gethan.'  Die  zehn  älteren  Cardinäle 
stellten  Colonna  zur  Eede  als  dieser  sich  (wieder)  fiir  Medici  aussprach  und  meinten, 
sie  wüssten  keinen  (rrund,  warum  er  Medici  zum  Papste  machen  wolle,  worauf  Colonna 
erwiderte,  weil  er  es  verdiene,  da  er  kaiserlich  sei,  kriegserfahren  und  tapfer,**  die 
Cardinäle  aber  erklärten  darauf  Colonna,  da  wollten  sie  lieber  ihn  zum  Papste  machen. 
Es  liegt  nun  ein  Bericht  an  Justinian  Cesarini  (2.  Jänner)  über  den  Eintritt  der  Car- 
dinäle in  das  Conelave,  27.  December,  vor,  was  unter  einem  so  grossen  Gedränge 
geschah,  dass  der  Berichterstatter  von  der  Menge  getragen,  den  Boden  nicht  berühren 
konnte. ''  Grimani  und  Cibo  krank,  Hessen  sich  in  Sänften  hintragen,  worauf  das  Conelave 
gesperrt  und  zur  AVache  an  der  Winde  (rota),  durch  welche  die  Cardinäle  das  Essen 
erhielten,  vier  Patriarchen  und  vier  Erzbischöfe  aufgestellt  wurden.  Nur  von  ihnen  erfuhren 
die  Gesandten  die  Vorgänge  im  Lmern  des  Conelave.  Dort  beschäftigte  man  sich, 
Sonntag  (29) ,  Capitel  für  den  neuen  Papst  zu  entwerfen.  Am  30.  liiess  es  Medici  sei 
Papst  geworden.   Dann  aber  hiess  es  Farnese  sei  Papst,  was  Grimani  so  entsetzte,    dass 


'  Non  intendo  que  uostro  signoi'e  a  la  inorte  sna  facesse  mentione  de  persona  alouna.  Alcuni  dicono  che  post  ronfessionem 
perilonoe  ad  Adriano  et  che  lo  veniesse.  p.   1G5. 

2  Bericht  vom  6.  December  p.   171.   —  Der  Bericht  vom   14.  Deceralier  p.   177   erzählt  weitläufig-  die  Exeqnien. 
ä   Guardate  se  inai  fo  veduto  el  piü  inagnifico  et  vero  papa,  pen.sate  como  stara  el  sncces.iore.  p.   178. 

^  p.  184. 
•■■  p.  192. 
s    Der  intriguenreiche  Don  Juan  Manuel,  che  grande  personaggio  ha  d'intrata  duc.   18.000  —  promete  che  fara  es.ser  da  con- 

ferire  beneficii  impediti  per  200.000  due.  p.   195. 
^   Perclie  V  ha  fatto  Cardinali  tutti  i  migliori  di  lui.  p.   194. 
8    Homo  molto  valoroso,  p.   19.5,   das    waren    die  Eigenschaften,   welche   zum    Papstthume    —    nach  der  Meinung  dieser  Herren 

—  befälligten. 

3  Der  Brief,  in  welcliem  es  nun  heisst,  P.  Leo  sei  wie  ein  Hund  ohne  Beicht  und  Sacraraent  gestorben  (21.  December,  p.  19.5), 
ist  von  einem  nicht  näher  Belvannten.  Capitolo  di  una  lettera  scritta  in  Roma  a  di  21.  Decembro  1521.  Die  Unwahrheit 
liegt  ■auf  oii'ener  Hand. 

46* 


364 


HöFLKR. 


er  einen  Sel.lagiuil'ull   l.atte   und   aus  dem  Conelave  weggetragen  werden  musstc. '     Dann 
kam  die  Nachricht  (11.  Januar  sabato)  Adrian  (Maestro  .loll'  Iinperador  et  e  in  Spagna) 
sei  gewählt.-     Eine  Bestürzung  ohne  Gleichen  (la  terra   rimase    tutta  attonita)    herrschte 
in  Venedig,  als  das    verspätete    Schreiben    des    venetianischcn    Oratores  ankam;  nur  der 
Legat  und^  der  kaiserliche  Botschafter  illuminirten  Abends  ihre  Häuser.     Allmälig  trafen 
über  die  Vorgänge  im  Conclave   nähere  Naclirichten  ein,  wie  Farnese,  Flisco,  Sion  nahe 
daran    gewesen.     Dann    kam    ein    Schreiben    des    Zoiv.i    Grafen    von    Zaffo  an  Justinian 
Contarini  vom  18.  Jänner   1522  an,  Farnese  sei  von  21  Uhr  bis  Vespro  (31.  December) 
Papst  gewesen,  in  seinem  Palaste  Alles  vor  Freude,  derselbe   bewacht  worden,  damit  er 
nicht  geplündert  wer.le  und  schon  die  päpstlichen  Wappen  aufgerichtet  gewesen.   Grimani 
wolle  zurück  in  der  Hoffnung    Papst    zu  werden.     Donnerstag    (heisst    es),    Medici    halte 
fest    entweder  für    sich  oder    für    Egidio ,    Farnese,    Cortona    und    vielleicht  SS.    Quatro. 
Alles  Hinderniss  stamme  von  Colonna  her  (che  ha  voltato  carta  apertamente  a  requisizione 
di  Volterra).  Vom  Freitag  erfuhr  man  nichts.    Vom  Sonntag  hiess  es,  wenig  habe  gefehlt, 
dass  die  Cardinäle  nicht  handgemein  geworden,  man  glaube,   dass    sie    ohne  Wahl    aus- 
einandergehen   würden.     Medici    habe    gesagt,    wenn    sie    ihn    niclit  wollten,  schlage  er 
SS.  Quatro,  wenn  sie  den  niclit   wollten,    Cortona,  Farnese  (die  gentilissimo  nobilissimo 
litterato  costumato  e  degno)  vor  und  wenn  sie  den  auch  nicht   wollten,    so  überlasse    er 
ihnen  die  Zügel,'  und  wer  dann  etwas  könne,  möge  können.*    Vom  Sonntag  den  .5.  De- 
cember war  wieder  nichts  zu  sagen,  als    dass    die    Processionen    vor    dem  Conclave,   um 
einen  Papst    zu    erflehen,    anhielten.     Alle    Wetten    seien    in    Rauch    aufgegangen.     Am 
Dienstag    den   7.  hiess  es,    Cibo    habe  23  Stimmen  gehabt.^     Am  Mittwoch  den  8.  Hess 
es  in  ganz  Rom,  Farnese  sei  Papst,  es  war  aber  nichts."    Als  aber  nun  Adrian  gewählt 
wurde    und    von  Aloise  Gradenigo,    venetianischem  Botschafter   in  Rom,    die   Briefe  aus- 
blieben, ward  derselbe  hart  getadelt,'  da  man  für  gewiss  annahm,  die  Cardinäle  hätten 


p.  223.  Er  habe  im   erateu  Scrutiuium   -.'  ötin.men  gehabt,  „.ehr  als  jeder  andere   (p.  234),  aber  seinem  Todfeinde  Cardinal 

Cornelio  sein  Herz  geöffnet.  ,    tt  j  •         »■. 

A  tutti  pnrRe  di  nuovo  questa  creazione,  di  uno  pontifice  alienigena  uon  conosciuto  mai  stato  a  Roma  el  quäle  Hadnano  tit. 
S  Johannis  et  Pauli  di  nation  di  Mastrieht  stato  maestro  del  imperador  e  al  presente  si  ritrova  Gobernador  e  vicere  m 
Spagna  stato  etiam  in  le  turbolenze  di  Spagna,  homo  doctissimo  in  theologia  a  lecto  20  anni  in  theologia  nel  studio  di 
Lovagno  fo  maestro  con  il  quäl  stete  per  dosenate  e  Piero  Pasqualigo  quäl  poi  si  doetoro  e  fo  cavalier  e  movse  orator  al 
cristianissimo  re  del  quäl  quando  fo  orator  a  1'  archiduca  in  sue  letere  nefece  dil  dito  suo  preeeptor  mention  come  spero 
di  troyare  questo  papa  creato  e  di  eta  de  anni  68  e  Episcopo  di  Tortosa  et  e  1'  anima  di  1'  emperador  homo  catholico  dice 
messa  ogni  jorno  pur  esta  grandissima  cossa  che  di  39  cardinali  erano  in  conclave  tra  li  quali  36  Itahan.  e  3  oltra- 
montani  cioe  do  Spagnoli  et  uno  Sq.iizero  habbino  creato  questo  pontifice  et  e  stato  col  favor  dil  Card.  Medici  quäl  vedendo 
non  poter  esser  lui  ni  aU-un  di  soi  havendo  U  voti  fermi  a  fato  questui  papa,  mirum  quia  et  mauditum  et  dal  .  .  .  Als  es 
geheisse.i  hatte,   Medici  werde  Papst,  brachte  Pasquino  folgende  Distichen: 

Est  nothus  est  natus  proavis  et  patre  tyraiinis 

Qui  nunc  e  caatris  currit  ad  imperium 
Roma  cave  obliquo  est  oculo  madidusque  venenis 

Quosque  habet  e  patrum  eaede  paravit  opes 
Deuique  ne  referam  quae  sint  scelera  ampla  leonis 

Hie  jubet  ille  facit?  hie  canit  (cadit)   ille  salit. 

>    .Jo  vi  lassero  la  briga.  ,   . 

i    Questc  sono  parole  che  vengono  dali    Ar.O.iepiscopi    che    custodi    del    conclavio    se   le   son   ve.-e    siano  .se    non    vele    adv.so. 

Diese  waren  also  die  Quellen  der  Conclaveberichte,  welche  durch  die  weiteren  Canäle  an  Glaubwürdigkeit  nicht  zunahmen. 
»    Che  si  giudica  ognu..o  habi    venato  a  lui  l)er  non  far  passar   niuno   tarnen    dica   de    piu    havevemo    quel    papa    si    joveneto 

splcndido  et  iiiagniKeo. 
^    La  discordia  del  conclavio  causa  per  li  voti  secreti  et    d.ibitose    non    vadi    piu    in    longo   che   alt.ui   non    pensa.     Uate  a  di 

8.   Jeuaro   1521. 
T    p.    247. 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Regierungsjahee  K.  Karls  V.  365 

Jemanden  gewählt ,  der  seit  zwei  Monaten  in  Spanien  gestorben  war.  Im  Fondao-o 
(fontego  di  .  .  .)  wurde  dieses  als  ganz  bestimmt  versichert.  Dann  hiess  es  wieder  es 
sei  noch  gar  keine  Papstwahl  zu  Stande  gekommen.^  Endlich,  am  18.  Januar,  kam  der 
Brief  des  Botschafters  über  die  Wahl  des  Papstes  und  der  nach  Spanien  bestimmten 
Cardinäle  —  erst  Colonna  und  Cesarini,  dann  aus  Rücksicht  auf  die  Partei  Orsini  auch 
dieser.  Im  Ganzen  habe  es  eilf  Scrutinien  gegeben.  Im  letzten  Adrian  15  erhalten, 
worauf  der  Cardinal  Thomas  de  Vio  eine  sehr  beredte  Ermahnung  an  die  Cardinäle 
richtete,  diesen  zu  wählen,  worauf  die  Stimmen  auf  28  stiegen.  Der  Cardinal  von  Medici 
sei  nach  Florenz,  der  von  Siena,  Petrucci  nach  Siena  abgereist.  Es  folgen  noch  vier 
Briefe  aus  Rom  vom   9.  imd  vom  11.  Januar,  vom   13.  und   19.  Januar. 

Der  erste  besagt;  dass  die  Partei  Colonna  einsehend,  dass  sie  nicht  weiter  komme, 
beschloss,  den  Cardinal  Cibo  von  der  Partei  Medici  zu  trennen  und  ihm  desshalb  Anträa:e 
stellte,  auf  die  er  antwortete,  wenn  sie  ihm  ihre  Stimmen  gäben,  sei  er  verpflichtet,  ihnen 
die  seine  zu  geben,  und  so  hatte  er  so  viele  Stimmen  erhalten,  dass  ihm  nur  fünf  fehlten, 
als  Colonna,  der  die  seine  für  ihn  schon  niedergeschrieben,  sie  zurückzog  und  vier  andere 
zu  gleichem  bewog.  Da  habe  endlich  Medici  (vedendo  che  non  cera  ordine  a  fare  papa 
che  non  li  fosse  inimico  capitale)  den  Cardinal  Flamingo  vorschlug  —  a  la  quäl  pro- 
posizione  ognuno  alzo  la  voce  et  fu  al  primo  el  Cardinale  della  minerva  Caietano  che 
niolto  lo  comendo,  el  secondo  S^  Croce  el  terzo  Triulzi  el  quarto  Campeggio  che  disseno 
molto  bene  di  lui  perche  altri  non  lo  cognoscean  ne  pur  lo  haveari  sentito  nominare  et 
quando  Medici  vite  (vide)  che  a  questo  vi  concorrevano  in  voce  questi  4  tenendo  quasi  de 
non  haver  altri  voti  che  quelli  lui  fu  il  primo  et  15  suoi  seguaci  che  messeno  il  Ihoro 
voto  in  calice  per  quello  et  quando  li  altri  vite  tanto  seguito  uno  drieto  laltro  corsero 
come  che  a  vazata  a  dargli  el  voto  suo  et  rimase  de  tutti  li  voti  nemine  discrepante 
et  questo  fo  ale  17  höre  quando  de  una  hora  e  meza  prima  era  partita  la  processione 
solita  e  fo  levata  la  pietra  de  la  finestrina  che  era  murata  et  el  Cardinale  Cornaro  lazio 
fora  la  croce  et  cum  una  voce  molto  fiacha  da  quella  finestra  disse :  Pap  am  habemus 
tal  che  mal  fo  inteso  e  fo  prevaricato  da  Cortona  a  Tortona  o  chel  fosse  per  la  diboleza 
del  stado  o  per  esser  malcontento  et  non  vi  era  in  la  corte  che  ogni  matina  fino  al 
hne  de  la  processione  vi  soleva  esser  5  et  6  miliaia  persone,  se  no  6  famegli,  ed  io  stava 
in  passegiar  uel  coridor  di  sopra  con  mio  cognato  Messer  Agnolo  quando  sentimo  uno 
certo  cridare  Medici,  palle,  Colonna,  Cortona  et  Vale  et  vedemo  su  la  piazza  di  S"  Pietro 
uno  correre  et  non  si  sapea  dove  uno  cridare  e  poi  redisse  et  uno  acrescimento  di  tanti 
a  piedi  et  a  cavallo  che  mai  habi  visto  in  fine  non  li  crederesti  et  volendosi  mio  chiarire 
quäl  era  el  papa  troviamo  per  le  scale  molto  impressa  per  pigliar  loco  in  S.  Pietro 
perche  subito  il  papa  dovea  esser  portato  in  chiesa  si  fosse  sta  electo  uno  del  con- 
clavio  et  non  fumo  a  pie  de  le  scale  che  se  diceva  chel  papa  era  in  Spagna  et  nui 
bien  di  stupore  andamo  verso  el  conclavio  et  trovamo  il  Rev'  Campeggio  et  Cibo  do- 
mestichissimi  de  mio  cognato  et  ce  disseno  el  nome  del  papa  et  a  che  modo  fu  electo, 
<^uando  fu  udito,  fumo  per  morire  da  maraviglia  se  partimo  et  se  incontramo  in  tutti 
11  cortegiani  palatini  et  molti  officiali  che  piangevano  stridavano,  biastemavano  et  se 
disperavano  discorendo    che  la  corte  romana    staria    piu    de    mesi    6    clie    non    faria    uno 


p.  248. 


r-GG 


Höfler. 


quatrino  li  suoi  ofticij  et  stanno  in  gran  |)ei-icolo  et  ulic  sono  privi  de  cortegiar  in  Roma 
perclie  il  papa  essondo  fiamengo  vora  fiamengi  et  dubitasse  chel  non  vegni  di  qui  che 
lo  Imperatore  non  lo  lascl  venire  et  chel  fazi  la  corte  de  li  per  piu  facihnente  potcrsi 
incoronare  e  pui-  venendo  che  non  si  erede  che  vera  cum  le  arme  in  mano  accompagnato 
dali  Tmperadore  per  für  gran  cose  ita  che  concludendo  non  trovo  persona  die  si  ralegri, 
ma   tutti  piangono. 

Fate  hora  voi  el  vostro  sancto  juditio  siate  certo  che  fino  le  24  liore  sono  stato  con 
o-randi  homini  et  cardinali  et  sono  sta  dicte  tante  cose  che  me  stracheria  a  scriverle  chi 
dice  de  li  stati  de  la  chiesia  a  uno  modo  et  chi  ad  un  altro  chi  judica  che  tutti  sara 
presi  et  che  Venetiani  repiglierano  ravena  et  cervia,  chi  dice  non  sera,  e  perduta.  El 
belle  non  voglio  tacere  per  niente.  El  primo  Cardinale  che  ussite  di  conclavio  ale  22  höre 
fu  Yale  quäl  come  sponto  a  la  porta  del  palazzo  sentiste  uno  fischiare  uno  cridare  et 
stridare  da  piu  di  6000  persone  che  stavan  a  la  piazza  che  intonava  tutta  Roma  dicendo 
che  39  Cardinali  sono  ben  stati  da  poco  che  non  ne  habino  saputo  elegere  uno  di  loro 
e  sono  sta  sforzati  a  fare  uno  barbaro  Cardinale  novo  et  maxime  a  questi  tempi  che 
tutto  il  mondo  e  in  avone  et  cussi  deteno  el  stridare  a  tutti  li  Cardenali  che  ussivano 
del  conclavi  a  uno  per  uno  üno  le  caxa  ita  che  tutta  Roma  tutti  banchi  done  et  homini 
li  aecompagnavano  di  ]nano  in  mano  fino  a  caxa  che  mai  fu  fatta  cosa  piu  merita  et 
condegna  et  chi  voleano  questi  Cardinali  a  rosti  et  chi  a  lessi  et  chi  a  relabina  ognuno 
parla  et  crida  a  sua  modo.    (p.  256.) 

Der  zweite  Brief  vom  11.  Januar  1522  beginnt:  El  secondo  jorno  dopo  la  creatione 
pontificia  de  tanta  poca  satisffatione  universale  quanto  mai  se  potesse  imaginäre  narare 
ne  cum  tutte  le  lingue  humane  et  rationale  et  inrationale  quanto  sapessino  parlare' 
exprimere  ita  che  non  si  sente  se  non  ramaricare  biasteme  disperatione  plante  et  singulti 
universali  dico  de  li  propri  electori  al  remedio  de  tanti  mali  damni  et  total  ruina 
ognuno  pensa  et  delibera  chi  ripatriare  per  stentare  et  vivere  poveramente  a  le  patrie 
et  chi  a  li  Ihoro  vescovadi  et  beneficij  et  chi  andare  in  Spagna  per  non  potere  fare 
altramente  perche  stände  de  qui  gli  Ihoro  oficij  non  venderano  uno  quatrino  sono  piu 
di  4000  oficiali  che  non  tochano  uno  bajocho  ne  trovano  da  vendere  li  officj  che  com- 
prorono  a  tanti  belli  ducati  dore  che  li  faceano  squazare  di  vestimenta  mulle  cavalli 
putane  et  garzioni  et  giochi  et  per  ogni  canto  si  vede  servitori  licenciati  dali  impotent! 
patroni  disoperati  piangere  tanta  festa  esta  facta  di  tal  creatione  quanti  si  fece  di  la 
morte  di  Papa  Leone  —  da  quelli  che  cognoscono  Sua  Santitä  e  molto  comendato  di 
bonta  santita  doctrina  justitia  et  prudentia  la  universita  damna  tal  electione  piu 
per  labsentia  che  per  altro. 

Der  dritte  Brief  vom  13.  Januar  meldet  den  raschen  Wechsel  von  Meinungen  und 
Plänen  der  Cardinäle,  die  Absendung  von  vier  Charavelen  von  Civitk  Vecchia  und  Livorno 
nach  Barcelona.  Tutte  cariche  et  piene  di  passagieri  che  vanno  al  papa  et  fra  per 
terra  et  per  mare  sono  andate  piu  de  4000  persone  al  papa  in  tanta  pressa  et  quoda- 
modo  desperatione  che  non  lo  potria  exprimere. 

Folgen  nun  Sonete  auf  das  erbärmliche  Verfahren  des  Cardinalscollegiums  (del 
sangue  di  Cristo   traditori). 

Ueber  das  Scrutinium  heisst  es  (p.  260):  pel  VIII  scrutinio  sopra  il  R.  Farnese  li 
furono  voti  12  di  qualli  ne  furono  Otto  degli  nostri  et  4  di  quelli  di  Medici  il  recto 
fino  ali   21.  furono  Ceseso  zoe  Medici  S.  Quatro  petruzi  valle  Campegio,  Cortona,  Armelia 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegieeungsjahre  K,  Karls  V. 


367 


Redolfi  ßanzon  il  Eev.  Egidio  ne  dete  Ceseso  e  scussase  non  li  esser  sta  parlato  tarnen 
l'u  perche  non  lo  volse  far  se  lui  lo  faceva  como  cei'to  si  facea  le  cose  andavano  bene 
perche  il  ß™  S.  Croce  et  Araceli  haveano  promesso  venir  al  Ceseso  passadi  li  23  voti 
et  cosi  era  papa. 

Nel  ultimo  scrutinio  sopra  il  ß.  Dertunense  electo  papa  i  voti  furono  15  poi  per 
acesso  Caietano,  Colona,  Caviglion,  Monte,  Trivulzio,  Piccolhomini,  Araceli,  Ancona, 
Campegio,  Armelino,  Trani,  Jacobazi  et  Como  et  cussi  fu  papa  et  tutti  li  altri  assen- 
tirono  per  non  poter  far  di  manclio  cosa  mai  pensata  sino  li  voti  che  sempre  lui  hebbe 
non  furono  a  disegno  alcuno  ma  piu  presto  et  seguito  de  die  ce  la  mandato  over  che 
vedevano  niuno  altro  poteva  esser  papa  se  non  questo  Tertucense  contra  il  quäl  molti 
erano  conjurati  et  da  distegno  volse  piu  presto  cha  .... 

Questo  erano  li  cardinali  dela  parte  di  Medici  primo  Medici,  Sedunense,  S.  Quatro, 
Petruzi,  Cortona,  Armelin,  Caietano,  Egidio,  Vale,  Campegio,  Cibo,  Cesis,  Salviati, 
ßedolfi  et  ßanzon  vid.   15. 

Contraro  di  questa  factione  Medici  erano  8.  Croce,  Volterra,  Flisco,  Farnesse,  Monte, 
Ancona,  Grassis,  Piccolhomini,  Trani,  Como,  Colona,  Jacobazi,  Araceli,  Cornelio,  Ursino, 
Cesarini,  Triulzi,  Pisani,  Ivrea,  Ponzeta,  Mantoa  et  Caviglion  22  et  il  Grimani  che 
ussi  fuora  (p.   260). 


Santa  Croce 

9 

7 

10 

8 

6 

9 

6 

12 

7 

9 

15 

Grimani . 

10 

7 

1 

1 

5 

4 

4 

6 

10 

8 

4 

Voltera  .     . 

.        6 

13 

2 

4 

12 

3 

4 

2 

5 

1 

2 

Flisco     .     . 

.     10 

7 

7 

7 

9 

9 

9 

8 

10 

10 

9 

Farnesce 

2 

4 

1 

1 

3 

2 

0 

21 

1 

4 

2 

Monte 

5 

2 

6 

5 

7 

4 

4 

4 

6 

6 

3 

Sedi'enense 

.       5 

5 

4 

6 

5 

8 

8 

0 

8 

10 

11 

Ancona   . 

.       2 

6 

5 

8 

7 

7 

5 

4 

3 

3 

3 

Grassis    . 

.       6 

1 

1 

4 

2 

0 

7 

4 

2 

3 

2 

Santi  quatro 

2 

6 

1 

14 

5 

8 

7 

0 

1 

7 

4 

Medici    .     . 

.       3 

4 

7 

4 

6 

5 

6 

2 

4 

8 

7 

Piccolhomini 

1 

1 

7 

3 

2 

3 

3 

2 

3 

2 

5 

Trani       .     . 

0 

1 

5 

0 

1 

0 

1 

2 

0 

3 

2 

Petruzi    . 

0 

1 

2 

0 

2 

3 

1 

0 

1 

3 

0 

Valle.     .     . 

1 

4 

4 

6 

6 

7 

5 

10 

7 

5 

6 

Yporigiense 

.       0 

0 

3 

2 

2 

3 

5 

2 

1 

3 

3 

Carigione     . 

0 

1 

3 

0 

0 

0 

0 

2 

1 

0 

Correr     .     . 

4 

3 

7 

1 

3 

4 

2 

5 

4 

4 

5 

Colonna  . 

1 

2 

3 

1 

2 

3 

2 

2 

4 

4 

6 

Jacobazi 

7 

4 

7 

7 

7 

8 

6 

6 

8 

11 

10 

Campezo 

1 

2 

4 

4 

4 

7 

4 

1 

7 

9 

4 

Dertonense  . 

0 

0 

0 

3 

8 

2 

3 

2 

2 

1 

15 

Malfeta  . 

0 

8 

6 

3 

3 

3 

4 

6 

6 

6 

6 

Cortona  . 

0 

2 

1 

2 

0 

1 

»J 

0 

0 

0 

0 

Armelin  .      . 

0 

1 

2 

1 

0 

0 

1 

9 

2 

3 

0 

Caietano 

1 

2 

4 

7 

1 

4 

4 

6 

4 

5 

5 

3gg  HöFLKR. 

Egidio 34       3       4GT39675 

Araceli 8        G551        745434 

Vico 44232       16       5       123 

Cornaro 0       0       4       0       2       0       2        112       0 

Mantoa 3436212        1120 

Cibo 0000       0       500040 

Ursino 337537        5       2543 

Cesis 000       0       00       0       0000 

Cesarin 0       0       0       0       0       0       0       0       0       0       0 

Salviati 0       0       0       0       0       0       0       0       0       0       0 

Eedolfi 00010       0       00000 

Ranzon 0000000       0       000 

Trivulzio  ....000  11000000 
Eboracense  ...0000500  0  000 
Maffuntino  ....00       0       00270010 


"o' 


Am  Ausführlichsten  spricht  sich  der  vierte  Brief  aus.  Roma,   19.  Jänner. 

Vedo  ve  siate  meravigliato  clie  per  il  coriere  sparato  dapoi  la  creatione  del  nuovo 
pontefice  niente  vi  scrivesse  in  una  cosi  importante  materia,  ma  considerate  di  quäle 
vüglia  mi  dovesse  trovare  quel  di  che  su  di  "quella  voce  inexpectata  et  quasi  horribile 
a  ciascuno  homo  di  sana  mente  credo  me  iscusarete  et  haverete  di  noi  altri  compassione 
liorra  allagerito  al  quanto  il  dolor  replicaro  cum'  menor  noia  le  cose  passate.  Messr  An- 
tonio Thebaldeo  nostro  huomo  como  sapete  diligentissimo  in  notar  tutte  le  cose  degni 
di  nota  mi  lia  narato  distintamenta  le  pratiche  et  li  progressi  del  conclavi  nel  quäle 
ey-li  vi  e  stato  cum  el  R""  Ranzone  et  dice  lessersi  trovato  a  queste  cose  dovere  esser  la  ruina 

o  ... 

et  perdition  dil  anima  sua  conciosiache  havendo  egli  compreso  tanti  tradimenti  rom- 
pimenti  di  fede  perjuri  et  iinalmente  niuna  scintilla  di  pieta  et  religione  ni  li  principi 
di  essa  homai  ha  produto  quelle  poco  di  fede  et  religione  ch'  e  gli  havea.  Non 
sia  chi  dica  chel  spiritu  santo  habbia  operato  punto  in  questa  cosa  perche  dove  non  e 
carita  et  amor  non  ce  disposizione  tale  chel  spirito  santo  possi  operare  etc.  II  Collegio 
era  diviso  in  doi  capital  fazioni.  II  Rev'""  di  Medici  con  14  voti  fermi  non  voleva 
condescendere  ad  alcuno  deli  vecchi  et  niuno  deli  vecchi  voleva  condiscendere  a  chiunque 
Medici  proponesse.  Medici  propose  Santi  Quattro  Cortona  la  valle  disse  mai  volse  far 
mentione  vista  la  impossibilita  ad  ultimo  propose  Farnese  existimando  quelle  dovere 
essere  grato  ali  veccliü  tanto  piu  chel  Rev""  nostro  concoreva  gaiardamente  et  hetbe 
voti  22  manchavano  quatti'O  ad  agiongei-  alli  doi  terzi  Egidio  nato  vasallo  di  Farnese 
non  volse  dare  il  voto  suo  il  quäle  dicessi  li  havea  promesso.  Araceli  anche  lui  manche 
che  se  questi  dui  attendevano  non  era  dubio  che  essendo  gli  altri  tanto  intervalo  dis- 
costi  qualche  uno  altra  havria  dato  lo  acccsso  ;  numerati  li  voti  del  Farnese  et  veduto 
il  gran  numero  a  rispetto  deli  altri  li  quali  non  passavano  13  voti  S"  Quatro  subito 
disse  papam  habemus  si  levo  al  ineonti-o  Colonna  e  disse  sedeatis  adhuc  papam  non 
habemus  laqual  parola  si  crede  fusse  qualche  causa  che  qualchuno  si  ritene  de 
andare  a  dare  lacesso  suo  in  modo  che  dischavalchato  Farnese  non  si  sapevano  m  che 
lato  volgere  e  fu  proposto  per  inanzi  Vol terra  et  dicono  che  avendo  egli  scosso  voti 
13  et  si  volse  verso  il    Cardinal    di    Medici    con    uno   viso   piatose    et   collo    torto    quasi 


Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegierungsjahre  K.  Karls  V.  369 

dicesse  a  te  sta  farmi  papa.  Impercioohe  se  Medici  avesse  voluto  ac(;eder  cum  la  secta 
sua  quello  liavrebbe  agionto  al  numero  debito,  non  dimeno  Medici  remoto  stete  ne  pur 
volse  guardare  Voltera,  ma  col  volto  in  terra  non  si  crollo  di  poi  quello  rivolse  gli 
odii  a  la  secta  Medici  pur  sperando  clie  qualchuno  si  movesse  non  tu  mai  uno  che  lo 
volesse  guardare.  Veduto  questo  il  povero  Soderini  inclinato  capite  emisit  spiritum. 
Quando  poi  corse  Santa  Croce  dissono  che  essendo  numerati  li  soi  voti  li  quali  erano  10 
lui  non  se  contentando  di  cenni  como  havea  fatto  el  Soderini  vi  aggionse  le  parole  et 
con  voce  humile  et  affetti  compassionevoli  da  Spagnolo  disse  a  domini  mei  Reveren- 
dissimi  accedatis  ad  me,  ma  niente  li  valse,  dicono  ancora  che  poco  niancho  che 
Mons.  Cibo  non  agiongese  al  numero  per  una  burla  percio  facta  a  studio  in  questo 
modo  che  havendo  lui  ricercato  da  Monsignor  nostro  et  altri  Cardinali  che  nel  sequente 
scrutinio  li  desseno  il  voto  non  per  altro  effecto  che  per  burlarlo  via  accio  altri  non 
spontasse  si  trovava  haver  cercha  12  voti  imprestido  a  questo  modo  Monsignor  de 
Medici  poi  havea  disposto  darli  tutti  e  suoi  in  modo  che  lera  papa  Monsignor  Colonna 
per  certo  videre  et  altri  inditii  scoperse  questa  cosa  in  quel  punto  che  si  erano  rinchiusi 
per  far  il  scrutinio  in  modo  che  li  bolletini  gia  erano  scritti  et  sigillati  et  subito 
disturbo  ogni  cosa  cum  li  soi  confederati  et  quelli  altri.  Mantoa  ancora  fu  in  gran 
predicamento  intervenendo  il  Medici,  ma  li  vecchij  li  obstavano  de  li  quali  ciascuno 
voleva  essere  dicessi  che  essendo  questi  3  Cardinali  (Farnese,  Ancona  et  Grassi)  andati 
alla  cella  del  Sedunense  simulando  volerlo  far  papa  accio  lo  tirassino  a  sua  divozione 
il  barbaro  accorto  si  disse  domini  mei  reverendissimi  ego  nolo  esse  pontifex  neque 
volo  quantum  in  me  est  pontificem  uxoratum,  notando  di  tutti  tre  de  pari  vitio. 
Tutta  la  notte  quelli  Signori  chi  per  se  chi  per  altri  coreva  la  staffetta  fin  li  zoppi 
et  li  gotosi  in  modo  che  el  pareva  verlficato  iterum  quello  Evangelio  claudi  ambulant 
surdi  audiunt  etc.  Rixe  altercationi  infinite  scoperte  da  molte  inimicizie  et  altre  incomin- 
ciate.  Monsignor  nostro  id  est  .  .  .  veni  a  parole  cum  Cavalicense  et  cum  Armelino  cii-ca 
il  nostro  ßev™"  Grimano  siate  certo  che  il  patron  mio  havia  fatto  ogni  cosa  se  l'havesso 
cognosciuto  in  lui  qualche  fundamento  ma  non  vei'a  ordine  perche  medici  non  lo  voleva 
sentir  nominare:  et  Colonna  il  quäle  li  prometia  maria  et  montes  statim  veduto  il  pocho 
suo  fundamento  allese  ad  altro  di  che  lui  sdegnato  ussi  fuori  ne  senza  gravi  nota  di 
pertinaeia  etc.  Dicto  Eev""  Grimano  ogni  di  dall  collegio  era  richiamato  dentro  ne 
mai  volse  ritornare  eccetto  che  dicono  che  quello  istesso  di  di  la  creatione  dil  novo  ponte- 
fice  si  apparechiava  di  rientrare.  Ad  ultimo  vedendo  Medici  che  pur  bisognava  risol- 
versi  et  intendendo  dil  prosperar  di  Francesco  Maria  il  quäle  havea  rimesso  in  casa  li 
Baglioni  et  andava  a  Siena  per  rimetter  dentro  gli  borghesi  cacciati  con  animo  etiam 
di  rivoltar  il  stato  di  Fiorenza  dubitando  de  li  casi  soi  se  la  cosa  fusse  troppo  ita  in 
longo  delibero  fare  conclusione  et  havendo  in  animo  questo  Cardinale  Dertosense  per 
esser  imperialissimo  ma  quasi  incognito  a  tutti  li  altri  desse  nel  ultimo  scrutinio  queste 
o  simili  parole.  Signori  vego  che  di  noi  che  siamo  qiii  non  j)^'^  riuscire  il  papa  im- 
peroche  v'  ho  proposto  3  o  4  li  quali  tutti  havesti  recusati  quelli  ancho  a  (da)  vui  proposti 
a  me  non  piaciono  per  molti  rispetti  forza  e  che  ne  pigliamo  uno  fuora  il  quäle  sia 
Cardinale  et  hoino  da  bene.  A  queste  jiarole  tutti  uno  ore  risposero  che  cosiera  da 
fare  et  che  Iho  proponesse.  Medici  veduta  questa  disposizione  soggionse  pigliate  il 
Cardinal  di  Tortosa  homo  di  eta  de  anni  65  homo  del  bene  et  per  giuditio  universale 
tenuto    sancto.     Alhora    il   Cardinal    de   la  Minerva  quam  vis  in  tutte  le  altre  cose  prima 

Denkschriften  der  phi(,-l,!st.  €1.  XXV.  Ud.  47 


310 


HöFLKR. 


si  havesse    dimostrato    conti-ario    a    iMedici    tarnen    in    (juc^Ui    (toncorde    si  Icvo  in   picdi  et 
parlo    tanto    honorevolmente    di   quel  Cardinale    el   «pial    egli    disse    haver  cog-nosciuto  in 
Alemagna    che    subito    naque    uno  ardentissimo  desiderio  etiam  neli  adversari  de  iMedici 
de  modo  che  quasi  tutti    coniinciorono   a   laudare    questa    proposta.      Vero   e   che  li  voti 
ordinarij  del  scrutinio  furono  solum  XV.  nia   li   altri  vennero  per  accessum  il  primo  che 
accessc  fu  il  predicto   di  la  minerva  il  secundo  Colonna,  il  terzo  Jacobazi,  il  4"-  Trivulzio 
di    poi    Ivrea    et    quando    Monsignor   Ursino    vide    la    factione   Ursino    concorrere,    crido 
peccoroni  dove  andate  alUi   mina  di   Franza  a  le   ([uale  parole  uno  de  dicta  fazione  fece 
una    pocho  honesta    risposta  la  quäle  non    scrivo  per  honor  di  la  degnita  Cardinalescha. 
El  26    voto    il    quäle    compiva   il    numero    de   li    doi    terzi    fu    quello    di    Trani    il    qiuxle 
disse:    et  ego  accedo  ad  D.  Dertusiensem   et    eum    facio    pontihcem.     Visto    questo    tutti 
gli  altri  per  non  poter  altramente  accessero  certatim    et   di   subito   Monsignor    nostro  id 
est  Corneli  quamvis  animo  egro  ruppe  la  finestra  et    messe    fora    la    croce    et   pronuntio 
queste    parole    anuntio    vobis    gaudium    magnum.      Papam    habemus    I).    Adrianum    tit. 
St.  Joannis  et  Pauli  Card.  Dertos.  la  finestra  e  sopra  la  corte  ove  li  Cardinali  chavalchano 
et  risponde  in  la  capella  de  Eugenio  perche  li  si  fanno  li  scrutinij  subito  smurasse  le  porte 
del  conclavi  intrai  dentro  nii  pareva  veder  anime  che  fussero  nel  lymbo  volti  squalidi  attoniti 
et  quasi  tutti  discontenti  et  gia  pentiti  di  quello  che  haveano  t'ato  uno  che  non  sapenao 
che  egli  fusse  barbaro  et  baylo  del  Imperator  il    quäle  fu    fato  Cardinale  da  Leone  nel 
numero  de'  trentone.    Divulgata  la  fama,  li  disegni  de  moU.i  andorno  in  fumo  et  denique 
non  si  vede  uno  liomo   allegro   in  modo    che  li    Cardenali   nel    andare   a   casa   tutti  forno 
exsibilati  et  apertamente  delazati  dal  vulgo  et  dali  artesani  et  cortisani  dicendo  ognuno 
che  pegio  meritavano  et  qui  soneti  in  volto  et  epigrami  Pasquino  e  state  in  gran  fazende 
et  dice  che  essi  Cardinali  che  non  potevano  far  altrimente  perche   niuno    era   ivi    dentro 
che  meritasse  il  ponteficato  et  oltra  li  versi    fo   uno   Romano    il    quäle    hebbe    ai-dire    di 
afrontare  il  ßev.  Cardinale  de  la  Minerva  su  la  via  et  dirgli  de   strane  parole  con    una 
bravata  romanescha  a  la  quäle  il  Cardinale  niente  rispose.   Ultra  cio  diverse  pitture  forno 
atachate  tra    le  altre  una  donna  romana  scapigliata    et    uno    S.   Pietro    con    una   sachoza 
in  spalla  el  quäle   furiva  et  quella    donna  pur    si    forzava    di    ritenerlo.    et    lui    con    uno 
breve    diceva    io    era    usito  di    man    de    usurari    hör    sono    intrato   in  man  de  ludei  cioe 
spagnuoli  perche  si  stima  che  costui  che  vasallo  di  lo  Imperatore  e  tutto  de  Spagna  de 
la  quäle  egli  e  stato    governatore.     Fu    ancora    su    Parma    dil    Cardinal    Egidio    lo    quäl 
porta  3   croce   crucefixi  tre  Cardinali  in  mezo  Medici  a  dextris  S.   Quatro,    a  sinistris  Lar- 
mellino  et  a  pie  della  croce  inginochiato  Egidio  il    quäle  dicea :    dignum    et  justum    est. 
Anchora  su  la  porta   dil    palazzo    apostolico    fu  atachato    uno    est   locanda    il    che    si  sol 
porre    sule    porte    dele  case  da  pisonare  per  dinotare  che  Roma   non    havea  pontifice  ne 
era  per  haverlo.  Fu  anchora  in  banchi  appeso  una  tal  pittura  il  novo  pontifice  in  guisa 
de  maestro  di  scola  con  la  ferula  in  mano   perche  era  pedagogo  di  Carlo  nina  (nino)  Im- 
perador    et    molti    Cardinali    levati   a   Cavallo   a   cullo  nudo  et  il  maestro  li  bateva  e  di 
sotto  questo   dito  en    quo    discordia   patres    perduxit    miseros.     Longum    esset    notificarvi 
tutti  li  segni  de  mestitia  dati  per  questi  cortesani  et  precipue  officiali  et    anche   romani 
et    quanto    odio    habiano    contrato    questi    Signori    Cardinali    per    questa    loro    mostruosa 
electione.  Hora  intenderete  quella  da  poi  ditta  electione  seguio.    Cre'ato  il  nuovo  pontifice 
statim    prima  che    ussissero  di  conclavi    ferono    congregazione    et    elexero    doi    legati    al 
novello  papa  questi  forno  Colonna  et  Cesarino  li   quali    li  portaseno    il    regno    et    supli- 


Zur  Kritik  und  QuELLENKUfroE  der  Ersten  Regierungsjahre  K.  Karls  V.  371 

chassero  sua  Santita  venisse  a  Roma  a  pigliar  la  tenuta  dil  suo  Episcopato  el  seguente 
iterum  congregati  vi  aggionsero  uno  terzo  cioe  fu  il  R.  Ursino,  ma  perche  questi  in 
longo  tempo  anderano  ne  si  possino  partir  per  tutto  questo  mese,  premisero  il  vescovo  di 
scalla  Spagnuolo  il  quäle  magnis  itineribus  andasse  annuntiare  dicta  elettion  al  electo  con 
commlssione  di  impetrar  uno  legato  in  Roma  per  fin  a  la  venuta  sua  per  le  cause 
occorenti  Interim  creorono  trimuviri  per  mensem  S.  Croce  Sedunense  et  Cornaro  seguendo 
l'ordine,  il  secondo  mese  se  prima  non  venisse  zoe  primo  vescovo  primo  prete  et  primo 
diacono  e  questo  fin  veniva  la  deputatione  dil  legato  se  hanno  deputato  la  stanzia  in 
palazzo  Apostolico  et  S.  Croce  sta  nela  camera  dil  papa  ita  che  al  despetto  di  tutto 
il  mondo  le  stato  doi  frate  (fiate)  papa.  11  3"  di  congregati  fecero  uno  governadore  di 
Roma  che  fu  il  vescovo  di  Cervia  nepote  di  Flisco  et  a  quello  deputorno  cento  fanti 
per  la  guardia  non  piu  perche  in  vero  la  terra  e  assai  quieta  et  di  dolor  consternata 
et  hanno  redintegrato  lo  edito  de  portare  l'arme  che  fece  Leone  et  la  pena  che  e  tre 
tratti  di  corda  et  X  ducati  a  chiunque  sera  trovato  cum  lärme  et  fin  qui  si  observa 
inviolabilmente  (p.  282). 

II  quarto  di  congregati  fecero  un  editto  publico  a  tutti  gli  officiali  che  niuno  ardesse 
andare  a  trovar  el  pontefice  ma  che  tutti  desseno  cautione  di  star  in  Roma  et  questo 
fu  facto  a  fine  che  li  oficiali  preditti  se  fussero  iti  al  nuovo  pontefice  non  dessero  prin- 
cipio  a  la  corte  in  quella  parte  et  cosi  la  corte  romana  restasse  desolata.  Item  deter- 
minarono  che  la  rota  si  eseguisse  et  li  judicij  tutti  seguisero  il  loro  corso  prometendo 
far  confirmare  al  nuovo  pontefice  tutto  quello  fusse  per  li  detti  judicij  fato.  Nela  quinta 
congregazione  fu  fato  provision  de  li  denari  per  li  legati  li  quali  hanno  a  partir  et 
non  possendo  altramente  trovar  denari  per  esser  la  chiesa  magnata  da  Fiorentini  fin 
a  r  ossa  fu  forzo  impegnar  quelli  belli  panni  de  razo  fatti  per  la  capella  et  li  apostoli 
dargento  li  quali  stavano  sopra  l'altare. 

Mit  diesem  Berichte  eines  Augenzeugen,  der  den  ausgezeichneten  Forschern  entging, 
die  über  diese  Zeit  und  Rom  insbesondere  schrieben ,  dürfte  die  Besprechung  über  die 
Vorgänge  im  Conclave  Adrian's  und  die  Darstellung  der  nächstfolgenden  Ereignisse 
zum  Abschlüsse  gekommen  sein.  Nicht  leicht  dürfte  die  Lage  der  Dinge  greller  und 
zugleich  treuer  wiedergegeben  sein.  Die  Mittheilung  der  Sonete  und  Spottgedichte  auf 
die  Cardinäle  halte  ich  für  überflüssig.  In  Betreff  der  Copie  des  Marin  Sanuto,  welche 
jetzt  noch  im  Besitze  des  k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchives  sich  befindet,  möge  die 
Bemerkung  gestattet  sein,  dass  sie  denn  doch,  wenn  je,  was  so  wiinschenswerth  wäre,  an 
ihre  Herausgabe  gedacht  werden  sollte,  mit  dem  Originale  verglichen  werden  niüsste, 
da  ich  mehrmals  sinnstörende  Fehler  bemerkte.  Ich  wüsste  aber  keine  Quellenpublication, 
welche  ein  grösseres  wissenschaftliches  Verdienst  in  sich  schlösse,  als  die  Hei'ausgabe 
Marin  Sanuto's. 


Eine  Erwähnung  verdient  hiebei  noch  das  Sommario  della  relazione  di  Roma 
di  Luigi  Gradenigo,  9.  November  1523  über  die  Papstwahl,  wobei  der  Einkünfte  der 
Cardinäle  besonders  gedacht  wird  und  ebenso  der  üblen  Zustände,  in  denen  Leo  X.  das 
Papstthum  zurUckliess.  Gradenigo  oder  wenigstens  der  von  ihm  mitgetheilte  Auszug 
aus  seiner  Relation  berührt  jedoch  die  Vorgänge  im  Conclave  nur  ganz  obenhin  (Alberi 
relazioni  degli  ambasciatori  Veneti.     Serie  II,  vol.  III). 


372 


HöFLKR.    Zur  Kritik  und  Quellenkunde  der  Ersten  Kegierunosjaiike  K.  Karls  V. 


Von  dem  neuesten  Aulsatze  Friedrich  Nippolds,  die  Reformbestrebungen 
P.  Hadrians  VI.  und  die  Ursachen  ihres  Scheiterns  (Raumer's  historisches  Taschen- 
buch Y.  5),  erwälme  ich  nur,  dass  dem  Verfasser  das  wichtigste  Document  in  Betreff  der 
Reformen  Adrians,  welches  icli  in  meinen  Analekten  veröffentlichte,  unbekannt  geblieben 
ist.  Dadurch  entbehrt  die  Schrift  ihrer  eigentlichen  historischen  Grundlage.  Ich  rechne 
es  mir  zum  besonderen  Verdienste,  diesen  ausführlichen  Reform  Vorschlag ,  welcher  in 
der  Universitätsbibliothek  zu  München  (Ingolstadt)  300  Jahre  lang  unbekannt  und 
unberücksichtigt  aufbewalirt  wurde,  hervorgezogen  und  als  das  erkannt  zu  haben ,  was 
er  wirklich  ist,  eines  der  wichtigsten  Actenstücke  zur  Kenntniss  der  reformatorischen 
Bewegung  des  sechzehnten  Jahrhunderts. 

Es  ist  nicht  meine  Schuld,  wenn  man  an  ihm  vorüberging,  wie  Drumann  an 
der  wichtigsten  Urkunde  zur  Kenntniss  P.  Bonifacius  VIII.,  welche  ich  gleichfalls  in 
den  Denkwürdigkeiten  dei-  k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften  veröffentlichte. 


DENKSCHRIFTEN 


KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE  CLASSE. 


SECHSUNDZWANZIGSTER  BAND. 


WIEN,  1877. 


IN    COM  MISS  ION    BEI    KARL    OEROLD'S    SOHN 

BUCHHÄNDLER  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


Druck  von  Adolf  HoUhiniseu  in  Wiom 
k.  k.  Umvt;raitäls-Buclidi-uckerci. 


INHALT. 


Seite 


Miklosicli:  Ueber  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  VI.  1 

rßzmaier:  Der  Nebel  der  Klage.    Ein  japanisches  Zeitbild 67 

Mildosich:  Ueber  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  VII.  IGI 

Ffizmaier:  Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan      . 249 

Werner:  Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus      .     .      .  345 


ÜBER  DIE 


MÜNDARTEN  UND  DIE  WANDERUNGEN 

DER 

ZIGEUNER  EUROPAS.  VI. 


VON 


D"    FRANZ  MIKLOSICH, 

WIRKL.  MITGLIEDE  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  !l.  FEBKUAB  1876. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  lundart  der  Zigeimer  in  Gralizien,  in  Sirmien 

und  in  Serbien 

mit  einem  Anhcange  über  den  Ursprung  des  Namens  .Zigeuner'. 


Die  vorliegende  Abhandlung  enthält  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Mundart  der  Zigeuner 
in  Galizien,  in  Sirmien  und  in   Serbien. 

Die  Materialien  zur  Kenntniss  der  Sprache  der  Zigeuner  in  Galizien  verdanke  ich 
meinem  ehemaligen  Zuhörer,  Herrn  Stefan  Dubrav^^ski,  Professor  an  der  k.  k.  Ober- 
realschule in  Stryj.  Derselbe  hat  das  mir  gütigst  mitgetheilte  Vocabular  einem  alten 
Mütterchen  in  Tojjolnica  im  Samborer  Kreise  abgefragt.  Herrn  Dubrawski  verdanke 
ich  auch  die  Notiz,  dass  die  Zigeuner  in  den  Karpaten  des  Samborer  und  Stryjer  Kreises 
ehedem  zahlreich  waren,  dass  jedoch  in  Folge  mehrerer  Missjahre  ein  bedeutender  Theil 
derselben  nach  Ungern  ausgewandert  ist,  so  dass  gegenwärtig  sich  in  jenen  Gegenden 
ihrer  noch  etwa  hundert  aufhalten,  die  theils  vom  Schmiedehandwerk,  theils  vom  Betteln, 
nur  sehr  wenige  vom  Feldbau  leben.  Dass  unter  den  mitgetlieilten  Wörtern  sich  einige 
befinden,  die  zu  erklären  mir  nicht  gelingen  wollte,  hat  wenigstens  zum  Theil  darin 
seinen  Grund,  dass  der  Zigeuner  ganz  und  gar  unfähig  ist,  zu  abstrahieren:  fragt  man 
ihn,  wie  er  ,tadeln'  sagen  würde,  so  antwortet  er:  ma  hanin  man  tadle  mich  nicht;  auf 
die  Frage,  wie  man  in  seiner  Sprache  , ermahnen'  ausdrückt,  lautet  die  Antwort:  mri  dai, 
d.  i.  meine  Mutter,  wohl  aus  dem  Grunde,  dass  dem  Zigeuner  bei  dem  Worte  jene  ein- 
fiel,  die  ihn  am  häufigsten  ex-mahnte. 

Die  Materialien  zur  Kenntniss  der  Sprache  der  Zigeuner  in  Sirmien  verdanke  icli 
meinen    ehemaligen  Zuhörern,    den  Herren  Gabriel   Lucaric  und  Ferdinand  Müller. 

Um  die  Kenntniss  der  Sprache  der  Zigeuner  in  Serbien  endlich  hat  sich  Herr 
Stojan  Novakovic,  gewesener  serbischer  Unterrichtsminister,  ein  wesentliches  Verdienst 

Denkschriften  iler  phil.-liist.  Cl.  XXVI.  Bd.  1 


2  Franz    Miklosich. 

erworben,  indem  er  niclit  mir  selbst  sicli  mit  Zigeunern  in  Verkehr  setzte,  sondern  mir 
aucli  zwei  von  anderen   veranstaltete  Wörtersammhmgen  zur  \^('rfiigung  stellte. 

Die  genannten  Herren  haben  auf  meine  Bitte  sieh  der  niciit  geringen  Mühe  unter- 
zogen Zigeunern  Worte  abzufragen:  sie  haben  durch  ihre  erfolgreiclien  Bestrebungen 
unsere  Kenntniss  der  Zigeuner-Sprache  gefördert  und  dadurch  nicht  nur  mich,  sondern 
aucli  alle  meine  Fachgenossen  auf  diesem  Gebiete  zu  Dank  verpflichtet. 

Der  Anhang  enthält  einen  Versuch  den  Namen  , Zigeuner'  zu  erklären.  Der  Name 
wird  mit  dem  Namen  der  Secte  der  döiYYavoc  in  Verbindung  gebracht,  ein  Gedanke, 
der,  weit  entfernt  neu  zu  sein,  hier  auf  neue  Art  begründet  wird. 


I. 

Vocabular  der  Mundart  der  Zigeuner  in  Galizien. 

Nach  deu  von  Herni  St.  Dubrawski  gesammelten  Matei'ialieu. 

A. 

a  coni.  aber. 

ac  impt.  bleibe:  ac  devleha,  az  devhha  lebe  wohl,  ich  danke  dir,  eig.  mane  cum  deo. 

ada  pron.   dieser:  ada  dive  heute. 

akanakas  adv.   neulich. 

amen  pron.  wir.  amen  hin  wir  haben,  eig.  nobis  est.  havinali'  amen  wir  werden  uns 
unterhalten. 

andal  praep.  aus:  moze  jov  andal  ada  javed'a  vielleielit  wird  er  aufkommen,  eig. 
vielleicht  wird  er  daraus  kommen,  dzav  andei  y  skoia  ich  komme  aus  der  Schule. 

andro,  jandro  Ei:    kachtii  nesinel  iandre  das  Huhn  legt  Eier. 

andre  praep.  in:  andr^  o  foro  in  die  Stadt,  andr'  o  ves  in  den  Wald,  andr'  e  mala 
in  den  Garten,  auf  das  Feld,  andre  tro  kher  in  deinem  Hause,  andr'  i  skoia  in  die  Schule. 
andra  savi  hodina  um  wie  viel  Uhr.  dzau  andr'  e  dls  wird  durch  das  deutsche  .Herr' 
erklärt:  es  scheint  jedoch  zu  bedeuten:  ich  gehe  her. 

angie  praep.   vor:  java  angie  iende  gehen  wir  ihnen  entgegen. 

angrusci  subst.   ßing. 

angusto  subst.  Zehe. 

antonos,  antosus  subst.  Anton. 

arde  adv.  her:  av  a7'de  komme  her.  —   Buk.  orde. 

armin  subst.  Sauerkraut.   —  Ungr.  ärmiii,  cech.  armin,   russ.  jarmi  aus  griech.  ap|Ji.7j. 

äro:  ahro,  aro  Mehl. 

aidca  adv.   so.   —   Ungr.  auka  so:  griech.   avaka,  avka  dieser. 

av  s.  jav. 

aver  pron.  ein  anderer:  ucnus  ucinel  aver  ungenau:  der  Lehrer  unterrichtet  den 
Schüler. 

avri  adv.   draussen:   savo  chmurnos  auri!  wie  trüb   es  draussen  ist! 


Übee  die  Mündarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eoropa's.  vi. 


B. 

bakrl  subst.   Schaf. 

bakro  subst.   Lamm. 

haia  subst.  Haar,  Wolle.  —  Buk.  bal. 

baiania  subst.  Krippe.  —  Buk.  balaji,  griech.  beläni,  beldi. 

balevas  subst.  Speck,  balevas  scheint  aus  balemas  entstanden,  wie  aus  rum.  balimas 
bei  Vaillant  97.  folgt  und  aus  imgr.  balano  nias  bei  Born.  110.  Russ.  bcdovds  ist  Speck 
und  Schinken   Bölitl.   265. 

baiu  subst.   Schwein. 

batvai  subst.  Wind;   unrichtig:  Kälte. 

bango  adi.  krumm,  lahm. 

bansos  subst.  Scheune.  —  Deutscli  Banse. 

bär  subst.  Stein:  bahr,  ba?\ 

bar  devies  Glück.  Dunkel. 

bäro:  bakro,   baro,  baru  adi.   gross;  bliaro  adv.  sehr.   Vgl.  pharo. 

barvalo,  barvaiu  adi.   reich;  unrichtig:  Reichthum. 

harvunos  subst.  Kranz.  —  Klruss.  barvinec,  pol.  bai'winek  vinca  pervinca  Immergrün. 

bas  vb.   bellen:  basen. 

basav  vb.  spielen:  the  barsaven  für  tJie  basaven.  —  Buk.  basav  klirren;  richtig:  klirren 
machen.  Vgl.  bas. 

basnu  subst.  Hahn. 

bavin  vb.  spielen,  sich  unterhalten:  the  bavinen.,  richtig  reflexiv:  bavinaK  amen  wir 
werden  uns  unterhalten,  me  man  bavino  ich  spiele.  —  Klruss.   bavyty. 

bavin  vb.  fürchten:  ma  bavin  fürchte  nicht.  —  Klruss.  bojaty  ^a,  pol.  bac  si^,  obawiaö  si§, 

bers  subst.   Jahr:   pl.   bersa;  unrichtig:   6erz. 

besagt  subst.  Bank,  richtig  Zweisack,  Quersack.  —  Pol.  biesagi. 

bes  vb.  sitzen,  sich  aufhalten:  the  besen,  the  besan  inf. ;  bes:  bez  cichones,  unrichtig: 
cichones  schweige,  sei  aufmerksam,  eig.  sitze  ruhig,  the  na  beses  halte  dich  nicht  auf. 
praet.  beslom. 

bez  praep.  ohne,  slav.  Die  Construction  ist  dieselbe  wie  bei  dem  Zig.  bi,  es  wird  nämlich 
bi  mit  dem  abhängigen  Nonaen  nach  Art  eines  possessiven  Compositum  zu  einem  Adjectiv 
verbunden:  bezieskero,  gi'iech.  bileskoro:  amen  dzanas  bezteskero  the  dzen  wir  müssen  ohne 
ihn  gehen. 

bharo  s.  bäro. 

bhenda  s.  iphen. 

hihi  subst.  Tante. 

biken  vb.  verkaufen:    bikende  praet.  pl.  III. 

binos  subst.   Sünde.   —  Ungr.   bino,  magy.   biin. 

bobeli  subst.   Semmeln,   richtig  vielleicht  bokoli  wie  Buk. 

hohimos  adi.  furchtsam.   Vgl.  klruss.  bojaty  ^a. 

bokah  adi.  hungrig :  buh  unrichtig  für  bokato. 

hov  adi.   Ofen;  unrichtig:  Wand. 

bracko  subst.  Vogel.  Aus  dem  klruss.  ptacb,  pol.  ptak,  ptaszek,  cech.  ptäk,  ptäcek 
verunstaltet. 


FnANZ     MlKLOSlClI. 


hrada  subst.  Bart.  —  Slavisch,   docli  weder  klriiss.,   noch  pol. 

bradi  subst.  Kanne,  nicht  Kalin.  —    lUik.  bradi. 

brahinta  subst.  Kanuner.   Dunkel. 

brainta  subst.  Nuss.  Wahrscheinlich  entstellt  i'iii'  biJlim.  pclenda:  vgl.  pehent  nucleus 
bei  Narbutt  IGl.  pagend  Nuss  bei  Böhtl.   264. 

brisint  subst.  Regen,  moze  dzaia  brisint  es  wird  vielleicht  regnen,  eig.  Regen  gehen, 
wie  im  Slav. :  klruss.  dose  ide.  mai  perei  brisint  es  regnet  schon,  eig.  es  fällt  schon 
Regen,  wie  klruss.  do§c  padaje.  Wenn  brisinel  dtal  durch  ,es  regnet'  wiedergegeben  wird, 
so  möchte  ich  lesen:  brisint  det  oder  brisint  diai.  Vgl.  jedoch  engl,  brisinela  es  regnet 
Smart  und  Crofton   62. 

brynda  subst.  Zunge.  Dunkel.  Vgl.   engl.  bri7iza  Fleich.   Pott  2.  433. 

bukus  subst.   Ochs.   —  Klruss.  byk. 

buhunus  subst.  Hase,  wohl  eig.  der  Furchtsame.  Vgl.  bohunos. 

bläh  adv.  viel,  clialum  buth  ich  habe  viel  gegessen,  bud  man  hin  hve  ich  habe  viel 
Geld,  hin  man  Ui-t-e  (das  ist:  but  te)  keren  ich  habe  viel  zu  thun.  mati  hin  bud  bersa 
mihi  sunt  multi  anni. 

buthno  adi.  ausgelassen.  —  Vgl.  klruss.  bujnyj. 


caklos  subst.  Glas.  —  Kroat.  caklo,  cklo,  serb.  staklo,  klruss.  skio. 

caukus  subst.   Bild.  Dunkel. 

cerach,  cerach  subst.  Stiefel.  —  Griech.  triäk,    ungr.   tirhaj,  böhm.  clrach,  pol.  tyrach 

Narbutt  166. 

ceral  subst.  K<äse.  —  Griech.  kerdl,  ungr.  Ural,  böhm.  ciral,  pol.  kirai  Narbutt  164. 
cesuros  subst.  Kaiserthum;   richtig:  Kaiser.   —   Klruss.  cisar. 

ci  s.  ci. 

cichones,  cichones  adv.  still.  —   Pol.  cicho. 

cikno  adi.  klein,  kurz. 

cih  adi.   ganz.   —  Klruss.  eil)',]. 

ein  vb.  kaufen:  cindiomandro  das  ist:  cindiom  mandro  ich  habe  Brot  gekauft. 

cindo  adi.  nass.  —  Rum.  tindo,  russ.  kindö  Böhtl.   19,  asiat.  tände  Pasp. 


c. 

caco  adi.  wahr.    Vgl.  cecipo,  chacu. 

caru  subst.  Schüssel.  —  Buk.  iiarö. 

cecipo  subst.   Wahrheit.  Vgl.   caco,  chacu. 

cetmiu  s.  citin. 

chacu  adi.  gerecht,  wohl  für  chacu.  Vgl,  caco,  cecip)0. 

chaj,  cha,  caj  subst.  Kind,  Knabe,  Sohn,  cha  Sohn.  pl.  cava,  cave. 

chaj  subst.  Tochter,  Magd. 

char  subst.  Wiese.   —  Buk.  car. 

chon  subst.  Mond;  falsch:  Sonne. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's,  vi.  5 

chori  subst.   Waise.  —  Buk.  coro  arm. 

choro  adi.  arm. 

churi  subst.  Messer,  Schwert,  ciri  Messer,  curaha  cingero  icb  schneide  mit  dem  Messer. 

ci  partik.  zum  Ausdruck  von  Fragen:  c^  hin  oda  cacof  ist  diess  wahr?  ci  (Manes  thn, 
romanes?  sprichst  (kannst)  du  zigeunerisch?  ci  hin  Anfosus  kehre?  ist  Anton  zu  Hause? 
minder  genau  ci:  ci  kames  hohelif  willst  du  Semmeln?  —  Klruss.  cy. 

cicki  subst.  pl.  Blumen.   —   Türk.   cicek. 

cik  subst.  Koth,  Lehm,  Sclimutz. 

ein  vb.  schreiben:  me  cinau  lin  ich  schreibe  einen  Brief.  —  Böhm,  ein,  deutsch  me 
cinäva  icii  schreibe. 

cinger  vb.  schneiden,  spalten,  pflücken:  cingerau  ich  pflücke,  cingero  ich  schneide. 
the  cingere  für  the  cingeren  spalten.   Vgl.   dzinger. 

cinker  vb.  gefallen:  khe  chai  cinkerel  cicki  den  Mädchen  gefallen  die  Blumen,  cinker 
ist  mir  dunkel. 

ciri  s.  churi. 

cirikio  subst.  Vogel. 

citin  vb.  lesen:  citinava  ich  lese,  me  cetunu  ich  lese  für  citino. 

cor  vb.  stehlen :  the  coren  inf. 

cnhunus  kriecht.   Dunkel. 

curaha  s.  churi. 


D. 

da  vb.  geben:  thu  deda  (richtig  deha)  du  wirst  geben,  de  man  gib  mir. 

dad^  dat  subst.  Vater,  cha  dades  kamen  (richtig  kämet)  der  Sohn  liebt  den  Vater,  dai 
für  dad. 

dai  subst.   Mutter. 

dand  subst.  Zahn.  pl.  danda. 

dander  vb.  beissen:  danderi  für  danderii  er  beisst. 

darin  vb.  schenken:  mange  mro  prahl'  daringe  (für  darinde)  rukones  mir  hat  mein 
Bruder  einen  Hund  geschenkt. 

dara  vb.  fürchten:  daran,  ich  fürchte,  macka  dara^l:  die  Katze  ist  falsch,  riclitiff:  die 
Katze  fürchtet,  daren  er  ist  furchtsam,  steht  wohl  für  darel,  darai.  ma  dera  fürchte  nicht. 
daranas  es  ist  keine  Gefahr,  eig.  etwa:  dar  na  is  metus  non  est. 

devet  subst.  Gott:  devles,  eig.  sing.  acc.  ac,  ai  devkha  lebe  wohl,  icli  danke  dir,  eig. 
bleibe  mit  Gott,  devieja  wollte  Gott.  Vgl.  dyvla  Himmel,  ^ir  o  devlos  pes  churinel  der 
Himmel  umzieht  sich,  eig.  am  Himmel  umzieht  es  sich. 

diakovin,  djakovin  vb.  danken:  djakovinau,  diakovinati.  thuke  ich  danke  dii-.  —  Klruss. 
djakuvaty. 

dikos  subst.  Bär.  —  Klruss.   dykyj  wild,  j)ol.   dzik  wildes  Schwein. 

dik,  dikh,  dikch  vb.  sehen,  bewundern:  dikhau  ich  bewundere,  dikau  jakenca  ich 
sehe  mit  den  Augen,  the  dikchen  int'.;  diklom  praet. 

dilino  Verstand,  unrichtig.  —  Buk.  dilil  dumm,  griech.  dillno,  dinilo,  ungr.  dilino, 
russ.  dylyno  Böhtl.  21.  2G4. 


g  Franz  Miklosicii. 

dis:  dzau  andredis  wird  durch  ,Herr'  übersetzt:  wenn  irli  dzau  andr'  e  dis  lese,  möchte 
ich,  allerdings  ohne  das  Missverständniss  aufklären  zu  können,  tibersetzen:  ich  gehe  in 
das  Land  oder  etwa:  her.  dis,  hind.  des,  findet  sicli  griech.  und  ital. 

div  subst.  ßoggen.  —  Buk.  diu  ^\  eizen. 

div  subst.  Tag:  ada  dive  heute.  Vgl.  dives. 

dives  subst.  Tag.  Vgl.  div.  Unverständlich:  javel  dives  Sommer,  eig.  es  kömmt  der  Tag. 

dores  vb.  bekommen:  doresla  maripen  ihr  seid  bestraft  worden,  heisst  wohl:  er  hat 
Schläge  bekommen:  doresla  ist  eine  Verbindung  des  slavischen  Praefixes  do  mit  dem 
zig.  Verbum  res:  griech.  resäva  ich  erreiche,  und  findet  sich  bei  Narbutt  154:  dorisava 
und  bei  Böhtl.  264:  dores. 

drago  Armutli.  eig.  theuer. 

dridzin  vb.  necken:  7na  dridzil  man  für  ma  dridzin  man  necke  mich  nicht.  —  Kli-uss. 
draznyty. 

drom  subst.  Weg,  Fusssteig. 

dui  numer.  zwei. 

dur  adv.   fern. 

dyvla  s.  devei. 

dziUno  adi.   grün.  —   Klruss.   zel'en^^'. 

dzinger,  richtig  wohl  dzinger  für  cinger,  vb.  pfl.ücken:  dzingerama  (für  dzingerava)  sukar 
cicki  wir  suchen  (eig.  pflücken)  schöne  Blumen.  Vgl.  cinger. 

dia  vb.  gehen:  m.e  dzav,  dzau,  di.ava  ich  gehe,  dzas,  dzalia  du  gehst,  dzaia  er  geht. 
diala  hrisint  es  regnet,   dzalia  wir  gehen,   dza  gehe,  the  dzen  inf. 

dzan  vb.  kennen,  wissen:  dzanau,  dzana,  dzanait  ich  kenne,  na  dzanam  nie  ich  habe 
wenig  Hofinung,  eig.  ich  weiss  (dzanam  für  dzanav)  nichts,  na  dzarnov  ich  kann  (possum) 
nicht,  dzanas,  dzanes,  dzanos  für  dzanos  du  weisst.  amen  dzanas  the  dzen  wir  müssen  gehen. 

dzav,  dzov  subst.  Getreide,  dzuvu  Weizen.  —  Buk.  zou  Gerste,  diu  Weizen. 

dzuva  subst.  pl.  Ohren,  falsch,  eig.  Läuse,  indem  klruss.  usy  Ohren  mit  vos,  vus 
Laus  verwechselt  Avurde.  —  Griech.  dhiv. 


E. 


eno  adv.  nur.  —  Pol.  jeno. 


fadin  vb.  frieren:  fadindio  praet.  —  Ungr.  fadinel  frieren,  fadino  erfroren:  magy.  fagy. 
fala  subst.  Wand.   —  Ungr.  falo:  magy.   fal. 
fedios  subst.  Theodor.  —  Klruss.  Fed'ko. 
foro,  foros  subst.  Stadt. 

fryhninos  Fieber:  pry  mandre  (mande)  es  fryhrunos  ich  habe  Fieber  gehabt,  eig.  wohl 
etwa:  auf  mir  ist  Fieber. 

fulus  subst.  Veilchen.  —  Klruss.  fyjalok. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeüneu  Europa's.  vi.  7 

G. 

gad  subst.  Hemd. 

gadzingero  adi.    der  Wirthe,  der  Menschen:    diav  andi'i  gadUngero  gau,  ungenau:  icli 
o-ehe  in  das  benachbarte  Dorf. 
gadzi  subst.  Wirthinn. 

gadzo,  gadhi  subst.  Wirth.  Mensch,  phuro  gadzu  Greis,  pl.  gadzi. 
gaiamba  subst.  Frosch.  Dunkel:  Frosch  ist  griech.  und  pol.  zamha,  ungr.  zamha. 
garuv  vb.  verwahren:  garuvav  ich  verwahre. 
gau  subst.  l)orf. 

gelom  praet.  ich  bin  gegangen:  gehlom.  gehlan  II.  sg.  geßa,  ghejla,  geJda  III.  sg. 
gen  vb.  rechnen:  jov  genela  er  wird  rechnen,  the  gehnen  inf. 
gili,  ghili  subst.  Lied. 
govnu  subst.  Sack.   —  Buk.  gono,  gonü. 
grai,  graj  subst.  Pferd.  g7^es  sg.  acc.  aus  grajes. 
guru  subst.  Ochs,  guruva  pl.  Vieh. 
gurimi  subst.  Kuh.  gurunia  sg.  acc. 

H. 

ha  subst.  Gans.  Dunkel. 

halunos  subst.  Sichel.  Dunkel. 

hanin  vb.  tadeln:  mahanin  man  tadeln,  richtig:  ma  hanin  man  tadle  mich  nicht.  — 
Pol.  gani(i,  klruss.  hanyty. 

hluhos  adi.   tief.   —  Klruss.   v  hJyb,  hJybokyj. 

liudina  subst.  Stunde:  savl  hodina  hin?  wie  viel  Uhr  ist  es?  —  Klruss.  hodyna. 

hordin  vb.  hochmüthig  sein:  hordinava  ich  bin  hochmüthig.  —  Klruss.  hordyj  hoch- 
müthig. 

horodzin  vb.  belohnen:  horodzinau  thuke  ich  belohne  dich.  —  Pol.  nagrodzic,  klruss. 
nadhorodyty. 

hrados  subst.  hrados  perel  es  hagelt,  eig.  es  fällt  Hagel.   —  Klruss.  hrad. 

hrimin   vb.   donnern:  hriminef,  falsch:   es  blitzt.   —  Klruss.  hrymity. 

hromus  subst.   Donner.   —   Klruss.   hrom. 

hry'cos  subst.   Gregor.  —  Klruss.  Hryc. 

Ch. 

cha  vb.  essen:  chau  ich  esse,  chava  ich  werde  essen,  chas  du  issest,  chaha  unrichtig: 
ihr  werdet  essen,  cha  iss.  inf.  the  chan.  Man  merke:  dza,  the  chavas  mange  du  wirst  mit 
mir  essen,  chalum,  chajom  praet.  I.  sg.  ci  chala  lala  imar?  hast  du  schon  gefrühstückt?; 
richtig:  ci  chalan  imar? 

chahen  subst.  das  Essen.  Minder  gut  chaven. 

chanik  subst.   Brunnen.   —   Buk.   chajing. 

chandru  subst.   Säbel.   —  Buk.  clianrö. 

chava   nähren,   eig.   essen  machen,   wofür  griech.   chachavdva  Pasp.   309. 


8 


Fkanz  MiKLOSini. 


chercher,  cherchet  siibst.  Erbse.   —  Böhm,  chrirhil.  pol.  hirhyl  Narbutt  löB,   russ.  (jlrÜ 

I3öbtl.   263. 

chmarin    vb.    reflexiv:    sieb    umwölken:    rhmarlnH   pes    es    iinnv.'illct    sieb.    —   Klruss. 

zacbmaryty  .4a. 

chaurin  vb.  reflexiv:  sieb  umwölken:  churinei  pes  für  chmurinel  pes  es  umwölkt  sieb. 

—  Pol.   cbmurzye  si?. 

chmurnos  adi.   trübe.  —   Pol.   climurny. 
chrohinus  subst.   Wurm.  —  Vgl.   pul.   cbrobak. 


imar  adv.  scbon.  Vgl.  mar. 

is  vb.  sein:  som  icb  bin.  saresanf  wie  gebt  es  dir?  ist  wobl:  sar  esanf  hin  er  ist: 
jov  hin  posiusnos  er  ist  geborsam.  hin  bu-cik  (d.  i.  but  cik)  es  ist  sebr  scbmutzig,  eig.  es 
ist  (gibt)  viel  Sebmutz.    Mit  dem  dat.   ,baben':  man  hin  icb  habe,  leski  hin  er  hat.  amen 


ses 


hin   wir    haben,    somas    scheint    die    Bedeutung:    ,wir    sind'    zu    haben,  ses  er  war:  na 
mindro  narodos  khere    die  Eltern  waren    nicht   zu  Hause,    eig.    meine  Leute    waren    nicht 
zu  Hause,  jesas:  mande  jesas  hve  ich  habe  Geld  gehabt. 

ivanos  subst.   Johann.  —  Klruss.  Ivan. 

izviknin  vb.  izviknindiom  wird  durch  ,ungemein'  übersetzt. 


jagoro  subst.  Kohle.  —  Buk.   angdr. 

jak  subst.  Feuer. 

jak  subst.  Auge,  jakha  pl.  dikait  jakenca  icb  sehe  mit  den  Augen. 

jandro  s.  a^idro. 

jasa  vb.   lachen:  the  jasan  inf.   —   Buk.   asa. 

jav  vb.  kommen :  javes  du  kömmst,  javct,  javeia,  javaia,  aveia  er  kömmt,  o  the  java(s) 
sik!  o  dass  wir  schon  dort  wären!  eig.  lasst  uns  schnell  gehen!  javen  sie  kommen,  jav, 
av  komme,  the  jave(n)  inf.  javtum,  richtig  javlum^  ich  bin  gekommen.  —  Buk.  at%  praet. 
aviTom. 

Javas  subst.  Zeit.  Dunkel. 

jek  numer.  ein. 

jekna,  jekne,  jeknaj  adv.  ein  wenig,  etwas.  Dunkel. 

jevent  subst.  Winter,  Frost.  —  Buk.  ivend. 

jic  adv.   gestern. 

jigen,  jügen  adv.  sehr,  stark,  gut.  jigen  tato  es  ist  sehr  kalt,  ma  vaker  Jügen  sprich 
nicht  laut,  sil  ligen  für  sil  jigen  es  ist  sehr  kalt.  —  Ungr.  igen,  magy.  igen. 

jih   subst.  Herz. 

jiv  subst.  Schnee,  jiv  perel  es  schneit,  eig.  Schnee  fällt.  —  Griech.  viv. 

joj  subst.  Marder.   Dunkel. 

jov  pron.   er. 
iurkos  subst.   Georg.   —  Klruss.   Jurko. 


Über  die   Mündahten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eüropa's.  vi. 


K. 

kachnl  subst.  Henne,  pl.  kachna.   —  Buk.   kajni. 

kaj  adv.  wohin:  kai  dzasi  wohin  gehst  du?  kai  jov  gejhla?  wohin  ist  er  gegangen? 
coni.  dass:  me  ma  spodivinev,  kai  thu  manga  dcda  (richtig  deha)  rukones  ich  hoife,  dass 
du  mir  einen  Hund  geben  wirst,  denn:  palikera,  kaj  ekne  beslom  icli  danke,  denn  ich 
bin  genug  (richtig:  ein  wenig)  gesessen,  kaj  fhe  coni.  damit:  sik  kaj  the  javes  damit  du 
schnell  kommest. 

kak  subst.  Onkel,  kakes  sg.  acc.  me  vza(ke)rev  mindre  kakes  icli  erwarte  meinen 
Onkel,  keci  tre  kakeske  bersa  hin?  wie  viel  Jahre  hat  dein  Oheim?  quottuo  patruo  anni 
sunt?  kaka  pl.   Eltern,  richtig  wohl   Verwandte. 

kaiapa  subst.  Mütze.  —  Magy.  kalap. 

kalo  subst.  Bohne,  eig.  der  Schwarze. 

katu  adi.   schwarz.   Vgl.  karo. 

kam  vb.  wollen,  verlangen,  bitten,  gerne  thun.  na  kam  verachten,  eig.  nicht  lieben. 
kamau  ich  will,  kames,  käme  du  willst,  kamen  für  kamej  er  will,  kamlum  praet.  I.  so-. 

kamlilum  wird  durch  ,schwitzen'  übersetzt;  es  ist  eig.  ein  praet.:  griech.  kavilö^  kamno 
schwitzend,  woher  das  pass.  kdmliovava,  kämniovava  in  Öchweiss  gerathen  Paspati  263. 

kainpcl  not.  kampeles  nothwendig.   —   Uiigr.   kampe. 

kan  subst.  Ohr.  khan,  kliau  (für  kliaii)  de  man  höre  mich  an,  richtig:  höre  mich  an. 
kanenca  mit  den  Ohren,  khan  duje  kanenca  wird  übersetzt:  die  Nase  mit  zwei  Nasen- 
löchern, kanenca  ist  der  pl.   instr.   von  kan.  —  Buk.  kan;  kand  gehorchen. 

käna,  kana  adv.  coni.  wann:  kahna^  kana. 

kand  vb.   stinken:  kandei  es   stinkt. 

kandipe  subst.   Gestank. 

kangeri,  kangcre  subst.   Kirche. 

kara  subst.   Strafe.   —  Klruss.   kara. 

karo  adi.   schwarz.   Vgl.  katu. 

karolos  subst.   Karl.   —  Klruss.   Karol. 

kas,  chas  subst.  Heu. 

käst  subst.   Baum. 

kath  vb.   spinnen:  the  kathen  inf.   • —   Buk.  kat. 

kathar  adv.  woher,  kaihar  pires?  woher  kömmst  du?  dcau  kathar  mindro  phral  ich 
komme  von  meinem  Bruder. 

kato  subst.  Erbse.  Dunkel. 

kaver  vb.  schwätzen:  ma  kaver  schwätze  nicht,  vielleicht  für  vaker. 

kavunus  subst.   Kaffee:   ci  pijines  kavunusf  trinkst  du  Kaffee? 

ke,  khe  praep.  zu.  javen  ada  dive  ke  tuthe  sie  kommen  heute  zu  dir.  kamlum  ke  t/iudc 
the  dzen  ich  wollte  zu  dir  gehen,  kosno  k'  o  nak  Schnupftuch,  eig.  Tuch  für  die  Nase. 
■lava  tkiit  ke  mande  ich  werde  dicli  zu  mir  nehmen,  khe  chai  cinkerei  cicki  den  Mädchen 
gefallen  die  Blumen,  chai  khe  dai  mehren  die  Tochter  ist  der  Mutter  ähnlich:  mehren 
ist  mir  dunkel. 

^■ec^,  kecik  numer.   wie  viel. 

kecen:  de  mange  Ä;ecen  leihe  mir:  kecen  ist  mir  dunkel. 

Denkschriflen  der  iihil.-liist.  Cl.  XXVI.  Bd.  2 


10 


Franz  Mikloshu. 


ker  vb.  tliun,  machon:  kheraha  wir  wollen  tliun.  hin  man  hn-t-e  (d.  i.  hut  te)  leeren 
Ich  habe  viel   zu   thun.  heran  du  hast  gemacht  steht   fiii-  krrjan,  kerdan.  Vgl.  pallker. 

kerio  subst.   Schlund.   —  Serb.   giio. 

kham  subst.  Sommer,   eig.   Sonne,  urspriinglich   Wärme. 

khana  subst.  Brust.  Dunkel. 

khei\  ker  subst.  Haus,  Hütte,  khera  plur.  Stadt,  eig.  Hcäuser.  khere  zu  Hause,  nach 
Hause:  nane  khere  er  ist  nicht  zu  Hause,  dza  khere  gehe  nach  Hause. 

kirinus:  phel  romni  kirimi-t  die  Schwester  strickt:  kirinus  ist  mir  dunkel. 

klevces  subst.  Hammer.  —  Klruss.  klevec. 

knuhos  subst.   Buch.   —  Klruss.  knyha. 

kon  pron.   wer. 

kopanos  subst.  Beet.  Dunkel. 

korovinios  subst.  Fahne.  —  Klruss.   choruhov. 

kosen  subst.  Band.  —  Vgl.  griech.  kosno,  buk.  kosnü  Tuch,  Tüchel.  h>sno  pr  e 
men  Halstuch,  kosno  k'  o  nak  Schnupftuch. 

kosykos  subst.  Korb.  —  Klruss.  kosyk. 

kotios  subst.  Kessel.  —  Klruss.  koteJ. 

kruhunus  subst.  Krähe.  —   Vgl.  klruss.  kruk. 

kriikos  subst.  Frosch,  falsch.  Vgl.  kruhunus. 

kupin  vb.  baden:  kupinen  Bad.  —  Klruss.  kupaty. 

kurin  vb.  stauben,  kurinen  prachus  jigen  es- ist  sehr  staubig.  —  Klruss.  kuryty. 

kurko  subst.  Woche. 

km-mi  subst.  Grütze:  kuhrmi.  —  Griech.  kurmi,  cech.  kurmin,  pol.  kurmi  Narbutt  157, 
russ.  kchtirmi  Böhtlingk  263. 

kiiridos  haro  raj  der  wohlhabende  Herr:  kuridos  ist  wohl  klruss.  korol. 

kyrystos  subst.  Kreuz.   —  Ungr.  keresto,  magy.  kereszt. 


tacho  adi.  schmackhaft. 

iadza  sich  schämen.  —   l>uk.  lazaö  Scham. 

tav  vb.  nehmen:  tava  ich   werde   nelimen.   Ulan  du  hast  genommen   für  Jinan. 

lemav  vb.  perunos  lemadia  der  Blitz  hat  eingeschlagen. 

lepeda  subst.  Leintuch.  —  Ungr.  lepedova,  magy.  lepedö. 

ieskeru  pron.  sein  eius:  bezieskero  ohne  ihn.  d^anau  leskere  minigi  ich  kenne  seinen  Namen. 

Hein  vb.  fliegen:  Meinen  er  fliegt,  wolil  für  licinel.  —  Klruss.  fefity. 

liker   vb.    halten:    likerevas  pures    ich    hielt    ihn   für   alt:    .ilm'   ist    nicht   ausgedrückt, 
reflexiv:  sich  befinden:  me  man  mistu  likerev  ich  befinde  micli  wolil.  — 

lin  subst.   Brief.  —  Buk.  lil. 

lo  pron.   er,  nur  in   den  obliquen   Casus    gebräuchlich:    sg.    acc.    m 
leske,  iesti.  pl.  dat.  iende. 

locinus  Karren.  Dunkel. 

hn  subst.   Salz. 

hve  subst.  pl.  Geld. 

hvh  adi.  roth.  —  Buk.  lulo. 


Vgl.  buk.  sngsr. 


les.    sg.  dat.  m. 


Über  die  Mundauten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi.  H 

lubin  vb.  lieben:  luhinen  er  liebt.  —  Klruss.  lubyty. 

iucos  subst.  Lucas.  —  Klruss.  Lud. 

Inka  subst.  Wiese.  —  Klruss.  Juka. 

iukavos  subst.  Zorn.   —  Klruss.  iukavyj  böse. 


M. 

ma  eoni.  lat.  ne:  ma  bavin,  ma  dera  fürchte  nielrt.  ma  vaker  sprich  nicht,  ma  dridzil 
mau,  necken,  wohl:  ma  dridzin  man  necke  mich  nicht,  mahanin  man  tadeln,  richtig:  ma 
hanin  man  tadle  mich  nicht. 

macho  subst.  Fisch,  machi  pl, 

macka  subst.  Katze.  —   Serb.  macka. 

makh  adi.  weich,  eig.  geschmiert.  —  Buk.  mak  schmieren. 

mai  adv.  schon.   —  Ungr.  »mr,  magy.  mär. 

maia  subst.  pl.   Feld:   andr'  e  mahi  auf  dem  Felde,   eig.   auf  den   Feldern. 

mandros,  mmidro,  mandrov  subst.  Bi-ot. 

m.angau  vb.  ich  bitte. 

mar  adv.  schon,  mar  na  dur  es  ist  nicht  nndir  weit:  uni-ichtig  mar  dort.  Vgl.  imar 
und  mal'. 

maripen  subst.   Strafe,  eig.  Schläge. 

mas  subst.  Fleisch,  Rindfleisch,  Aas,  Fett. 

mathi  subst.  Fliege. 

me   pron.    ich.   sg.  acc.    man,   ma:   me  man  havino  ich  unterlialte  mich,  me  ma  spodi- 
vinev  ich  verlasse  micli  darauf.  Enklitischer  dat.:  de  man  gib  mir.  J)cXt.  mange:  de  mange 
gib  mir.    sar  mange  peneia  dai  wenn  es  mir  die  Muttei-  sagt,    kames  pal  mande  the  dzenf 
willst  du  mit  mir  gehen?  sg.  instr.  manca:  dzaha  maneal  gehst  du  mit  mir? 
.   melin  vb.   mahlen:   meline  aus  meline-l.  —  Klruss.   moJoty. 

m,en  subst.  Hals,  kosno  jw    e  men  Halstuch. 

m.eng,  m.en  adv.  noch:  ?neng  na  chajom  ich  habe  noch  nicht  gegessen,  tro  dat  men 
zyjineia  dein  Vater  wird  noch  leben,  jov  kamen  m.en  the  dikchen,  etwa:  er  will  (mich)  noch 
sehen.  —  Magy.  meg. 

mer  vb.  sterben:  gadhi  m.erer  (merel)  der  Mensch   stirbt,  the  meren  inf. 

mer:  chai  khe  dai  mehren  die  Tochter  ist  der  Mutter  ähnlich.  Dunkel. 

mesasti  wird  durch  ,stark'  erklärt,  es  ist  wahrscheinlich  me  sasti  f.  ich  (bin)  gesund. 

mihuninel  bequem.  Dunkel. 

mindjer  adv.  sogleich.  —  Ungr.  mindar,  magy.  inindjäi-t. 

mindrikle  subst.  pl.  Korallen.  —  Griech.  minriklö  Rosenkranz,  Geschmeide,  ungr. 
miriklo  Koralle,  Perle,   cech.  miliklo  Koralle. 

mindro  pron.  mein,  mindro  roditos  meine  Eltern,  mindro  phral  mein  Bruder,  me 
vzafkejrev  mindre  kakes  ich  erwarte  meinen   Onkel.  Vgl.  mro. 

minigi:  dzanau  leskere  minigi  ich   kenne  seinen  Namen:  minigi  ist  dunkel. 

m.isli  subst.  pl.   Sinne. 

misos  subst.  Maus.  —  Klruss.  my.s. 

miskinos  adi.  wohnhaft:  me  som  thu  miskinos  ich  wohne  hier.   —  Klruss.  me§katy. 

2* 


lOSlCII. 


■»2  '      Franz  MiKi,of 

misto  ;ulv.  gut:  dianau  fhut  misto  icli  kenne  dicli  gut.  sar  o.san?  mistti  wie  gebt  es 
dir?   o-ut.  mistu  thu  sares  für  ,Rulun'  vermag   ieli    nicht  zu  erklären. 

mochto  subst.  Kasten. 

nioUn  vb.  reflexiv  beten:  moUiwli    amen  wir  werden  beten.   —  Klruss.   moJyty   ki. 

momeli  subst.  Kerze. 

morthi  subst.  Fell,  Haut. 

moskos  subst.  Gehirn.   —   Klruss.  mozok. 

movin  vb.  sprechen:  the  movinen  inf.  —  Klruss.  movyty. 

moie  adv.   vielleicht.   —  Klruss.  moze. 

inrazon  vb.  frieren;  mrazonel  es  friert.   Vgl.  mrazos. 

mrazos  subst.  Frost.   —  Serb.  mraz. 

mro  pron.  mein,  mro  prahl  mein  Bruder,  mir  (für  mrl)  dai  meine  Mutter.  Vgl. 
mindro. 

muj  subst.  Lippe,  eig.  Mund. 

müra,  mvra  subst.  Erdbeere:  muhra,  sing.  acc.  miores.  —  Poln.  mura  Meere  Narbutt 
156.  Skand.  mnril  Pott  2.  451. 

murdar  vb.  todten:  murdarau  ich  tödte. 

murz  subst.  Sohn.  —  Griecli.  murs  Mann,  ungr.  murz,  cech.  murs. 

musin  vb.  müssen:  musinau  ich  muss.  m.minas  khere  te  besen  wir  müssen  zu  Hause 
sitzen,  musindian  du  musstest.  —  Klruss.  musity. 

musunus  subst.  Bauch.  Dunkel. 

mutherel  Gipfel.  Dunkel. 

N. 

na  adv.  nicht,  nein:  thu  na  chas  du  issest  nicht,  dzanas,  kana  jov  javalaf  na  weisst 
du,  wann  er  kömmt?  nein. 

nadava  vb.  unterstützen.  Dunkel. 

nadija  subst.  Hoffnung.   —   Klruss.   nadija. 

nak  subst.  Nase. 

nane    ist    nicht:    naiie    hiubos    ist  lücht  tief,    man  nane  ich  luibe   nicht    mihi   non  est: 

n  ist  eingeschaltet. 

naniar  vb.   baden:    a  kames  thu  ty  naniarem  (für  naniaren)?    badest    du    dich    gerne? 
me  kamau  man  ty  nianiare  (für  naniaren)  ich  bade  mich  gerne,    daranas  pes  ty  naniaren  ■ 
andr'  o  stavos  ungenau:  es  ist  gefahrlich  im  Teich  zu  baden. 

narodos  subst.  Leute. 

nasav  vb.  verlieren:  nasadjum  cirl  ich  habe  das  Messer  verloren.  Richtig:  nasav. 

oiasvalipen  subst.  Unglück,  eig.  Krankheit,  pre  mande  nasvalipen  pela  ich  habe  Unglück 
gehabt,  eig.  auf  mich  ist  eine  Krankheit  gefallen. 

nasvai'o^  nesvalo^  nasvahi  adi.   krank. 

nasava  vb.  verlieren.  —    Griech.    vas    fortgehen,    nasav    fortgehen  machen  amittere, 

cech.  nasavav. 

nazvin  vb.  nennen:  sar  pes  nazvinel?  wie  heisst  er?  —  Klruss.  nazyvaty  .4a. 

nesin  vb.   tragen,  legen:   kadtni  nesinel  iandre  die  Henne  legt  Eier.  —Klruss.  nesty. 

ni  —   nl  adv.  weder  —  noch:  ni  dat  ni  dai  weder  Vater  noch  Mutter. 


Übeb  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eukopa's.  vi.  13 

7i?'c,  nie  pron.   mit  na  nichts:   na  dzanam  (für  dianav)  nie  ich  weiss  nichts,  na  vakerau 
nie  ich  sage  nichts,  jov  nie  na  bhenda  er  hat  nichts  gesagt. 
nyscesrias  subst.  Unglück.   —   Klruss.   nescaste. 

o. 

0,  e  art.  der,  die:  o  ehahen  die  Speise,  ei  dzanos,  kai  jo  Ivanos?  eig.  ei  dSanos,  kaj 
ü  Ivanos?  weisst  du,  wo  Johann  ist?  ^«•'  o  qau  auf  dem  J)orfe.  vas  e  kara  zur  Strafe. 
kosno  pr    e  men  Halstuch,  pl.  e:  andr'  e  mala  auf  dem  Felde,  eig.  auf  den  Feldern. 

ohrazy  subst.  pl.   Bilder. 

oda  pron.  dieser,  oda  pudios  es  ist  ein  Pudel.  Minder  gut:  vda. 

ochocin  vb.  ochoeinau  man  mit  Vergnügen,  eig.  ich  ermuntere,  frische  mich  auf.  — 
Pol.  ochoci6,  ochocic  sie. 

osohi  subst.  pl.  Personen. 

ot:  ot  savu  sukar!  o  wie  schön  ist  er! 

P. 

p>ados  subst.  Boden.   —  Klruss.  pod. 

2)aehnin  vb.  duften:  pachnine  für  pachninei  er  duftet.  —  Klruss.  pachaty. 

pal.,  pal  praep.  nach:  pml  mande  the  dzen  nach  mir  gehen,  gehlan  pa-l'-ende  d.  i.  pal 
lende  du  bist  nach  (mit)  ihnen  gegangen. 

paliker  vb.  danken:  palikera  ich  danke,  na  palikeres  unverschämt,  eig.  du  dankst 
nicht.  —  Ungi".  parikerav  ich  danke,  grüsse,  deutsch  parkervava  ich  danke,  skand.  pa- 
rikka  ich  danke:  aind.  pratikr  entgegen  machen,  erwiedern,  vergelten  Pott  1.  438. 

palinka  subst.   Brantwein.   —   Magy.  pälinka. 

pani  subst.  Wasser,  Fluss.    —  Buk.  pai. 

panlik  subst.  Band.  —  Magy.  päntlika. 

panovin  vb.   herrschen:  panovinava  ich  herrsche.   —  Klruss.   panovaty. 

l^apu  subst.  Grossvater.  —  Griech.   p)dpus,    ungr.  papu,    cech.  päpus,  griech.  icdinroc. 

parnu  adi.  weiss. 

pasin.  vb.   weiden,  pasinen  für  pasinet  er  weidet  poscitur.  —  Klruss.  pasty. 

pase  adv.  nahe. 

pasilo  vb.  liegen:  pasilinom  ich  bin  gelegen.  —  Griech.  päslilom  von  j^dsliovava. 

pe  praep.  nach,  in:  gehla  p'  o  toi'hos  sie  sind  auf  den  Markt  gegangen. 

pejky  subst.  pl.  Erdäpfel.  Dunkel. 

pek^  pihek  vb.  brennen:  phekel  er  erwärmt,  pekel  Hitze,  eig.  es  brennt,  the  peken 
Brennnessel,   eig.   brennen. 

pela  s.  per. 

pendeeh  subst.  Nuss.  pl.  pendecha. 

per  vb.  fallen,  mal  peret  brisint,  es  regnet  schon,  hrados  peret  es  liagelt.  jiv  perel  es 
schneit,  pre  mande  nasvalipen  pela  ich  habe  Unglück  gehabt,  eig.  auf  mich  ist  eine 
Krankheit  gefallen. 

peresterih  vb.  waren:  perestei'ihii  man  er  warnt  mich.  —  Klruss.  peresterihaty. 

perin  vb.  waschen:  perinei  er  wäscht,  the  perine  für  perinen  inf.  —  Klruss.  praty. 


■j^  Franz  Miklosich. 

perujios  subst.  Blitz:  perunos  lemadia  der  Blitz  hat  eingeschlagen.  —  Klruss.  periui. 
phaha,  phabai  subst.  Apfel. 
phabalin  subst.   Apfelbaum. 
pharo  adi.   schwei-.   Vgl.  buru. 
phen,  phel  subst.   Schwester. 

lyhen,    bhen,   pen    vb.    sagen,    erzählen,   penau,  peno  ich  sage,    me  gili  imio  icli   singe, 
jjenefa    er   sagt,    thc  phcncn.,    the  penen    inf.    bhenda    aus    bhendja,  peja   aus  ^ßuc//«  er  hat 
gesagt.  Unrichtig:  penera  ich  werde  sagen. 
phike  subst.  pl.  Schultern. 

phir  vb.   gehen:  phirau  ich  gehe,  unrichtig:  täglich,  pires  du  gelist.  piras  wir  gehen. 
tlie  phiren  inf.   Gang. 

jjhh-,  pir  subst.  Feder:  vgl.  pisinau  piriis  ich  schreibe  mit  der  Feder,  pirus  fasse  ich 
als  sg.   instr.   auf.   —   Klruss.  pero. 
phrai,  pi'äl  (prahl)  subst.   Bruder. 
plmrd,  purd  vb.  Avehen:  phurdel^  purdei'  er  weht. 

phuro,    puro    adi.    alt.   phuro,   puro   gadzu  Greis,   phuro    vom.    likeravas   (hs)  pures  ich 
hielt  ihn  füi-  älter,  richtig  alt. 
phus,  j3?(5  subst.  Sti'üh. 

plmter  vb.   öffnen:  phuteraii,  ich  offne,  plmter  Öffne. 

pl,  pijin  vb.  trinken:  pijav  ich  trinke,  pijines  du  trinkst,  pijel  Trunkenbold,  eig.  er 
trinkt,  pijaha  wir  werden   trinken,   the  pijen  inf. 

pticmos  subst.   Braten:  cha  jekna  picinos  iss  ein  wenig  Braten.  —  Klruss.  pecene. 
pidvaker  vb.  sclimeicheln :  pidvakerau  ich  schmeichle:  pid  ist  das  slavische  Praefix  pod. 
pindro  subst.  Fuss.  pl.  pindry. 

pipa  subst.  Pfeife. 

pipinkus  subst.  Mund.  Dunkel. 

pipirus  subst.  Pfeffer. 
piri  subst.  Topf. 

pzsm,  pesin  vb.  schreiben:  pisinau,  pisinava,  pesinu    ich  schreibe.  —   Klruss.  pysaty. 

piyvin  vb.   schwimmen:  the  phininen  inf.   —  Klruss.  piysty. 

po  pron.  reflexivum  ist  natürlich  nur  in  den  obli(j[uen  Casus  gebräuchlich:  acc. 
j)es:  sar  pes  nazvinei?  Avie  heisst  er?  eig.  wie  nennt  er  sich?  chmarinil  pes  es  umzieht 
sich,  pe  (p)es)  starine  (starinen)  sie  sorgen,  dat.  peske. 

pochfan,  jMchtan  subst.  Leinwand,  fjad  pochtanester  Hemd  aus   Leinwand. 

pochvalin  vb.  loben:  pochvalinaha  les  wir  loben  ihn.  —  Klruss.  pochvafyty. 

pokojnos  adi.  ruliig.   —    Klruss.  pokojnyj. 

polunos:  za  polunos  in  einer  halben  Stunde.   —  Klruss.  pöi,  poiovyna. 

poselinos  subst.  Bote.  —  Klruss.  poseJ. 

posevinus  adi.  kahl.   Dunkel. 

poslusnos  adi.   gehorsam.   —  Klruss.   posJusnyj. 

potin  vb.  zahlen:  potinei  er  zahlt.  —  Buk.  j^'^t^i^- 

prachos,  prachus  subst.  Staub,  Asche.  —  Serb.  prah.  ■ 

prajta,  preit   subst.  Blatt.  —  Buk.  ptatrin.  • 

prasa  vb.   laufen:  jirasai  er  läuft.   —   Buk.   prasta. 

prat  subst.  Feder.  Dunkel. 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeunee  Europa's.  vi.  15 

pravin  vb.  regieren:  pi^avinem  pes  Gesetz,  eig.  sie  regieren  sich.  —  Klruss.  pravyty. 

pre  praep.  auf,  in.  pr'  o  gau  avif  dem  Dorfe.  ptasilinom  pr'  u  vados  icli  l)in  im  Bette 
gelegen,  kosno  p)r    e  men  Halstuch,  pf  y  hika  auf  die  Wiese. 

prehes  vb.  berühren:  ma  prebes  berühre  nicht.  Dunkel. 

pryjarus  subst.  Freundschaft,  wohl:  Freund.   —  Klruss.  pryjatel'. 

pudlos  subst.   Pudel. 

piokin  vb.  klopfen:   varekon  ptikinei  jemand  klopft.  Dunkel. 

p)ider  subst.  Thür.  Vielleicht  piiter,  das  dann  mit  putrav  trennen,  buk.  puterdds  er 
öffnete,  in  Zusammenhang  gebracht  werden  könnte. 

R. 

raj,  rat  subst.  Herr,  rhaja  Herrschaft,  eig.  wohl  Herren  pl. 

7^akli  subst.  Magd,  zakli  für  rakli. 

rakro,  rakru  subst.  Kind,  Knabe,  Knecht. 

rani   subst.  Frilulein. 

rasaj  subst.  Geistlicher. 

i^at  (rad)  subst.  Nacht,  rathi  subst.  Nacht,  Abend,  eig.  Nachts.  Vgl.  griech. 
aratti  noctu. 

ratJi  subst.  Blut. 

ratvah  adi.   blutig. 

retunus  adi.  redlich.  Dunkel. 

rhu  subst.  Wolf. 

richin  vb.  reflexiv:  abreisen:  ma  richinau  ich  reise  ab.   —  Poln.  rucha6. 

robote  subst.  pl.  Arbeiten. 

rode  vb.  suchen :  rhode. 

roditos,  roditus  subst.  Eltern.  —  Klruss.  rodyc. 

rohos  subst.  Hörn.  —  Klruss.  roh. 

rohos  subst.  Sünde.   —  Klruss.  brich. 

roi  subst.  Löffel,  roja  Gefäss. 

rom  subst.  Mann:  zacyninen  phuro  rom  er  fängt  an  alt  zu  werden,  pl.  roma. 

romanes  adv.  zigeunerisch. 

romni  subst.  Frau. 

rosados  subst.  Same.  —  Klruss.  poln.  rozsada  Setzpflanze. 

rosin  vb.  thauen:  rosinei  es  thaut.  —  Klruss.  rosyty. 

rosoios  subst.  Suppe.  — •  Klruss.  rosol. 

rov  vb.  weinen:  roven  für  rovei  er  weint,  the  roven  inf.  rovavas,  rhovavas  ich  weinte. 

rovli  subst.  Stock. 

rozumin,  rozomin  vb.  verstehen:  rozumimis^  rozominus  du  verstehst.  —  Klruss.  rozumity. 

rukono,  ruJcon  subst.  Hund.  sg.  acc.  rtikones.  —  Griech.  rukonu,  rikono,  rum.  rykano, 
ungr.  rikuno. 

rukunoro  subst.  Hündchen. 


16  Franz  Miklosich. 


s. 


sajek  iidv.  iinmL'i',  etwa:   in  cincui  foj't,  asl.   viiinii;. 

sano  udi.   dünn. 

.9«?'  adv.  wie,  fragend  iiixl  relativ:  sar  esan?  wie  geht  es  dir?  eig.  wie  bist  dvi?  na 
dzana  sar  the  piyvinen  ich  kann  nic-lit  schwimmen,  wörtlich:  nescio  quomodo  natare.  wenn: 
me  diava  thuha,  sar  mangc  poiela  dal  ich  werde  mit  dir  gelien,  wenn  es  mir  die  Mutter 
sagt  (erlaubt),  richtig  wohl:  e  dai. 

sastu  adi.  gesund. 

savo  pron.  welch(>r.  savi  hodina  hin?  wie  viel  Uhr  ist  es?  andra  savi  hodina?  um 
wie  viel   Uhr?  savo  brisint f  was  für  ein  Regen! 

sig,  sik  adv.  schnell,  dza  sik  (sig)  gehe  schnell. 

sik  vb.  zeigen:  sikau  icli  zeige.  —   Griech.  sikava. 

sUus  subst.  Kraft.  —  Ivlruss.  syia. 

siv  vb.  nähen,  phen  siveta  die  Schwester  wird  nälien.  the  siven  inf. 

sivin  vb.  rauchen:  me  sivinau  pipa  ich  rauche  Tabak.  Dunkel. 

skrahunus  subst.  Elster.  —  Klruss.  soroka:  das  Wort  scheint  das  serb.  sraka  voraus- 
zusetzen. 

SDiakus  subst.  Geschmack.   —  Klruss.  smak. 

smutnos  adi.   traurig.   —   Klruss.   smutnyj.  - 

so,  sou  pron.  was,  fragend  und  relativ:  so  vakeresf  was  sagst  du?  soske  warum:  soske 
na  gchlanf  warum  bist  du  nicht  gegangen?  vare  so  etwas. 

songalin  vb.  dienen,  verdienen:  songalinau  ich  verdiene,  songalinei  Bedienter,  eig.  er 
dient,  rakli  songaline  für  songalinei  Küchinn,  eig.  die  Magd  dient.  —  Magy.  szolgäl  dienen. 

sov  subst.  Nadel:   daneben  shu. 

sov  vb.  schlafen,  träumen:  souaii  ich  träume,  sovena  sie  werden  schlafen,  soven  inf. 
sovavas  ich  schlief. 

spid  vb.   ausstopfen:  spidau  ich  stopfe  aus.   Dunkel. 

spisin  vb.   eilen:   spisinei  er  eilt.   —   Klruss.   spisyty. 

spodivin  vb.  reflexiv  hoffen:  me  man  spodivinev  ich  hoffe.  —  Klruss.  spodivaty  sa. 

stagi  subst.  Hut. 

stalinen  subst.:  the  stalinen  Stahl.  —  Klruss.  stal',  eig.  wohl:  stählen,  klruss.  nastaJyty. 

starin  vb.  reflexiv  sorgen:  pe  starine  sie  sorgen.  —  Klruss.   staraty  f^a. 

stavos  subst.  Teich.   —  Klruss.   stav. 

strimin  vb.  reflexiv  sich  enthalten:  striminaib  man  ich  enthalte  mich.  —  Poln.  wstrzy- 
maö  6i§. 

stunu  subst.  Stall.  —  Vgl.  skand.  stana  Stall,  span.  estana  Zelt. 

sudzin  vb.  glauben:  sndzindiom  ich  glaubte.  —  Vgl-  klruss.  sudyty. 

sunus  subst.  Rock.  Dunkel. 

svetos  subst.  Welt.  —  Klruss.  ^vit. 

svicinos  subst.  Schuster.  —   Klruss.  svec. 

svicudus:  po  des  svicudus  Spiegel.  Dunkel. 
'  svicin  vb.  leuchten:  svicinet  er  leuchtet.   —   Klruss.   Svityty. 

syrutus  subst.  Waise.  —  Klruss.  syrota. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi.  17 

s. 

scaslyvunos  adi.  giüeldich.  —  Klruss.  Scastlyvyj. 

sebus  subst.  Fenster.  —  ^'^g'l-  klruss.  syba  Fensterscheibe. 

sejlo  subst.   Schnur.  —  Buk.  silö,  solo. 

serandunia  subst.  wohl  pl.  Polster.  —  Buk.  s'Brand.  Vgl.  sirandani. 

sil,  sir  subst.  adi.  Kälte,   kalt.  —  Buk.  sul,  s'bI. 

Utah  adi.   frisch :  ^Ja???  sUalo  (unrichtig  sita-l'o)  frisches  Wasser. 

sirandani  subst.   Polster.  Vgl.  serandunia. 

siro,  sejro,  seru  subst.  Kopf;  unrichtig:  Hals.  —  Buk.  S5?'0,  serö. 

skoia,  skulos  subst.  Schule. 

star  numer.  vier. 

sukar,  siikal  adi.   schön. 

suko  adi.  mager,  eig.  trocken. 

sun  vb.  hören,  fühlen:  sunau,  suno  ich  höre,  fühle;  sunavas  ich  hörte.  —  Buk.  san,  asim. 

susin  vb.  trocknen:  susinei  er  trocknet.  —  Klruss.  suSyty. 


fatijMii,  tatipo  subst.  Hitze,  Wärme,  Wetter:  tipen:  durch  ein  Versehen  ist  ta  abgefallen. 

tato  adi.   heiss. 

terno,  therno  adi.  jung. 

terjjin  vb.  dulden:  terpinel  geduldig,  richtig:  er  duldet.  —  Klruss.  terpity. 

tenchamen  kämmen.  Dunkel. 

thau   subst.   Zwirn. 

the  coni.  und  the  -  the  sowohl  -  als  auch:  the  dat  the  dai  sowohl  der  Vater  als 
auch  die  Mutter,  dass:  dai  mange  peja,  the  jave  die  Mutter  hat  mir  gesagt  zu  kommen. 
kai  the  damit:  sik  kai  the  javes  damit  du  schnell  kommest,  the  na  beses  zögere  nicht.  Zur 
Bezeichnung  des  inf.   wird  the  mit  irgend  einer  Person  des  praes.  verbunden. 

thephelos  subst.  Sahne.  —  Magy.  tejföl. 

thil,  thiel  subst.  Butter:  cha  thileha  mandro  iss  Butterbrot,  eig.  iss  Brot  mit  Butter. 
kames  mandro  thileba  für  thileha?  willst  du  Butterbrot?  —  Griech.  kil  fett,  Butter,  rumun. 
khil,  ungr.  khil,  thil,  cech.  thtl. 

tho  vb.  legen  :  the  thoven  inf. 

thosara  adv.  früh.  —  Buk.  tehdra. 

thracin  vb.  verlieren:  me  thraci  nadija  verliere  nicht  die  Hoffnung,  richtig:  ma 
thracin  nadija.  —  Pol.  tracic. 

thu  pron.  du:  kai  thu  dEas?  wohin  gehst  du?  thnt  na  vitpenes  du  antwortest  nicht, 
richtig:  thu  na  vitpenes.  thu  als  sg.  dat.:  kecik  thu  berz  hin?  wie  alt  bist  du?  eig.  quot 
tibi  anni  sunt?  sg.  acc.  thut:  dzanau  tliiit  misto  ich  kenne  dich  gut.  sg.  dat.  thuke:  diako- 
vinau  thuke  ich  danke  dir.  ke  tuthe,  ke  thude  zu  dir.  sg.  instr.  thuha:  me  dzava  thuha  ich 
werde  mit  dir  gehen. 

thu  adv.  hier.   —  Klruss.   tu. 

thi  subst.  Rauch. 

thul'o  adi.  fett. 

DenltschriftiMi  der  phil.-liitt.   Cl.   XXVI.  Ed.  •  3 


1 8  Fkanz    Miklosich. 

thut  subst.   Milch.   —  Buk.  thud. 

thuverunos  subst.  Stiefel.   Dunkel. 

^o?;//e Eisen  ist  vielleicht  hnhe^  das  mitasiat.  /«/Eisen,  loli  Aiuboss  vermittelt  werden  kann. 

torhos  subst.   j\larkt.   —  Klruss.   torh. 

travus  subst.   Gli'as.  —  Klruss.  trava. 

Irin  munei".   di'ci. 

tro  proii.  dein:  tro  dat  dein  Vater,  keci  trc  kakeske  hersa  hin?  wie  alt  ist  dein  (3heim? 
eig.   quot   tuo  patruo  anni   sunt? 

tuiii  adi.   satt.   Dunkel. 

tumiros  subst.  Weste.  Dunkel. 

turhovin  vb.  reflexiv:  besorgt  sein:  ma  tnrhovin  thut  sei  unbesorgt.  —  Pol.  turbowac  si^. 

turkucin  vb.   rasseln  (vom  Wagen) :  tiirkucinei  er  rasselt.  Dunkel. 

tuverxnos  subst.   Stiefel.  Dunkel. 

tygrasovinen  vb.  zeichnen,  richtig  ty  grasovinen.  —  Pol.  rysowac,  wofür  man  rysovinen 
erwartet. 

u. 

ucenikos  subst.   Lehrer,  nönikos  Schüler.   —   Klruss.   ucenyk   Schüler. 
ucin  vb.  lehren :    ncinei.    ßeflexiv  mit    dem    slavischen    si  statt    des   z,ig.  pes  lernen : 
man  si  ucinau  ich  lerne. 

ucinin  vb.  machen :  ucinindium  ich  machte.   —  Klruss.  ucynyty. 

ucinus,   ucnus  subst.  Lehrer.   —  Pol.   uczen'  Schüler. 

ucisin  vb.  reflexiv:  sich  trösten:  ucisinau  man  ich  tröste  mich.  —  Klruss.  tisyty. 

itco  adi.   hoch,   gross. 

uhcahr,  ücär  vb.  bedecken.  —  Buk.  usarav. 

uchalen  subst.  Haar.  Dunkel. 

ulinau  subst.  Gasse,  wohl  falsch.  —   Vgl.  klruss.  ui'yöa. 

ulyva  subst.  ßegenguss.   —  Vgl.  klruss.  zfyva. 

umblav  vb.   liängen  :  umhlau  ich  hänge. 

urus  subst.  Glas.  Dunkel. 

uscila  subst.  Teich.  Dunkel. 

uzar  vb.  warten :  me  vzarev  ich  erwarte,  uzaren  sie  erwarten. 


vados,  vadios  subst.  Bett.  —   Ungr.  vodro,  vados,  skand.  vaddro,  engl,  vadros. 

vainel  subst.  Schock.  Dunkel. 

vaker  vb.  sprechen:  vakerau  ich  spreche,  vakere,  vakerev  für  vakerei.  vakeras  ieske 
schmeicheln,  unriclitig.  vaker  sprich,  vakeriies  er  hat  gesagt. 

varekon  pron.  jemand,  varcso  etwas.  —  Buk.  vare. 

vasilos  subst.  Basilius.  —  Klruss.  Vasyl. 

vast  subst.   Hand.   pl.  vastra  für  vasta. 

vas  praep.  wegen:  thuke  vas  u  chahen  ich  kann  nicht  mehr  essen,  wohl:  (palikera) 
thuke  usw.   ich  danke  dir  für  usw.   vas  e  kara  zur  Strafe.   —  Rumun.,   ungr.  cech.  vas. 

vda  pron.   dieses.   —  Ungr.   oda. 

vekos  subst.  Alter :  haro  vekos  hohes  Alter.  —  Klruss.  vik. 


1 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eüropa'S.  vi.  19 

verdan,  unrichtig  verdaii^  subst.  Wagen. 

vesulunus  adi.  fröhlich.  —  Klruss.  vcselyj. 

ves  subst.  Berg,  ves  für  üe*^  Wald.  Unrichtig:  ves  Fuchs.  Man  merke,  dass  dem  engl. 
Zigeuner  der  Fuchs  vesh-joökel,  o  lulo  iveshkeno-jookel  d.  i.  der  Waldhund,  der  rothe  Wald- 
hund heisst.   Smart  und   Crofton  XX.   153. 

vicinavies  subst.  Leben.  Dunkel. 

vicin  vb.  schreien,  rufen,  lärmen,  rollen  (vom  Donner) :  vicinava  ich  frage,  vicines 
du  schreist,  vicinet,  McineT,  vicinen  er  schreit,  m«  vicin  lärme  nicht,  vicinen  rufet. 

vicinipen  subst.  Lärm :   vycynipen. 

viducar  vb.  entdecicen.  vid,  das  slavische  praefix  ot-B,  und  ncar  decken. 

vidza  vb.  fortreisen :  vidzas  ich  reise,  unrichtig,  vi  für  vid,  das  slavische  praefix 
ot'B,  und  dzav  ich  gehe. 

vijin  vb.  wehen :  halvai  vijinei  der  Wind  weht.  —  Klruss.  vijaty. 

vitpen  vb.  antworten:  vitpenes  du  antwortest,  vit^  das  slavische  praefix  ott,  und  pen 
sagen.  —  Klruss.  otpovisty,  ötkazuvaty  usw. 

vuder  subst.  Thilr.  vuder,  vuda  Vorhaus. 

vustar  misto  auka  sar  andi'e  tro  kker  mache  es,  als  ob  du  zu  Hause  wärest,  vustar 
ist  dunkel. 

viiBe  Avächst :  dzov  {dzov)  vusze  andr  e  mala  das  Getreide  wächst  auf  dem  Felde : 
vusze  ist  dunkel. 

vuS.  subst.  Garn.  —   Ungr.  vus  Hanf. 

z. 

za  praep.   slav.  za  polunos  in   einer  halben   Stunde. 

zabesta  subst.  Saat.  Dunkel. 

zacynin  vb.  anfangen:  zacyninen phuro  rom  er  fängt  an  alt  zu  Averden.  —  Klruss.  zacaty. 

zamrazon  vb.  frieren  :  zamrazondja  es  hat  gefroren.  Vgl.     mrazon. 

zanosin  vb.  reflexiv:  sich  anschicken:  zanosinel  pes  p^'''  o  brisint  es  droht  zu  regnen. 
—   Pol.   zanosi6  si§  na  co  sich   wozu  anschicken. 

zapomozin  vb.  unterstützen:  zapomozinel  mau  (für  man)  Unterstützung,  richtig:  er 
unterstützt  mich.  —  Klruss.  pödpomahaty. 

zapotin  vb.  bezahlen  :  zapotinau  ich  bezahle.   —   ^"gl-  potin. 

zaprihin  vb.   einspannen :  zaprihina^c  ich  spanne  ein.   —  Klruss.   zaprjahaty. 

zazarin,  richtig  zavarin,  vb.  zumachen :  zazariiiau  ich  mache  zu.  —  Magy.  zilvär  üiegel. 

zbirin  vb.  sammeln :  zbirinava  wir  werden  sammeln.  —  Klruss.  zbyraty. 

zoraio    adi.  stark. 

z. 

zali  jügen  die  Nacht  ist  dunkel,  zali  kann  ich  nicht  erklären. 

zivin,  Hjin  vb.  leben :  machi  zivinei  andr  o  pani  die  Fische  leben  in  Wasser,  tro 
dat  men  zyjinela  dein  Vater  wird  noch  leben,  mandros  zivinos  das  Brot  nährt  uns  ist 
grammatisch  dunkel.   —  Klruss.  zyty. 

zycin  vb.   wünschen:  so  thuke  lycineha?  was   wünschest  du  dir?  —  Pol.  zyczyc. 


20 


Franz  Miklosich. 


II. 

Vocabularien  der  Mundart  der  Zigeuner  in  Sirmien. 

1.  Nach  den  von  Herrn  G.  Lucarid  gesanimeUen  jraterialioii. 


ac  vb.  bleiben:  acel  er  bleibt.  Vgl.  as. 

adjes  adv.  heute. 

ägor  adi.  zugespitzt,  serb.  siljat.  —  Grlech. 
agör  Spitze. 

akdna  adv.  jetzt. 

akartng  adv.  liieher,  serb.  ovamo. 

aluva  subst.  Wort.   —   Griecli.   lav. 

alavdlo  adi.  beredt,  serb.  rjecit. 

amaro  pron.  unser:  sg.  gen.  amaresko- 
instr.  amarea  •,  obl.  amare. 

dmhrol  subst.  Birne. 

amen  pron.  wir:  dat.  amendji;  instr. 
amenca. 

an  vb.  bringen :  an  mdndji  gib  mir, 
eig.   bringe  mir. 

and  praep.  in.  Vgl.   andre. 

andal  praep.  aus :  andav  cer  aus  dem 
Hause;  o  con  nici  cerdilo  andeloludje,  serb.  mje- 
sec  nije  svjetao,  scheint  eig.  zusein  ,der  Mond 
hat  sich  nicht  gemacht'  etwa  ,aus  den  Wol- 
ken': in  andeloludje  ist  andel  wohl  ,aus',  o 
der  Artikel;  dagegen  ist  ludje  dunkel.  — 
Griech.  andral  aus   dem  Innern. 

andre  adv.  darinnen. 

angjelosko:  angjelosko  o  djir  der  Engel 
ist  ein  Geist,  eig.  etwa  , englischer  Geist'. 

anglä  adv.  vorne. 

angldv  praep.  vor. 

dnro  subst.  Ei. 

apcin  subst.   Stahl. 

arak    vb.    finden,    bewahren :    aracil  er 
findet,  bewahrt,  serb.  naci,  cuvati. 
araö?  adv.  gestei-n,  eig.  Nachts. 
arjat  adv,  diese  Nacht. 
arljdko  veränderlich.  Dunkel. 
ardlo  adi.  aus  Mehl  gemacht. 
dfo  subst.  Mehl. 


as  vb.  hieben:  asdu  ich  lache,  lache  aus; 
te  asas  mdndar  dass  du  über  mich  lachest ; 
asdl  er  laclit. 

dsav  subst.   Mühle.   —  Buk.   asäü. 

as  vb.  bleiben  :  as  devle  adieu,  eig. 
bleibe  mit  Gott.  Vgl.  ac. 

amn  vb.  hören :  asunen  ihr  höret,  ge- 
horchet; asurdu  ich  höre  für  asundu. 

av  vb.  kommen :  avdu  icli  komme ;  avel 
er  kömmt. 

aver  pron.   ein  anderer:  avresci  alienus. 

avrechdndi  adv.  anders.  —  Oech.  avri- 
candes  Pu.  33.  35.   61. 

avri  adv.   draussen. 

azbdlandi  berühren ,  serb.  dotaknuti. 
Dunkel. 

azucar  vb.  warten :  azucarel  er  wartet. 
—  Griech.  udiakerdva. 


bahtdlo  adi.  nützlich.  —  Griech.  bachtalö 
glücklich. 

bdkru  subst.  Schaf. 

bal  subst.   Haar. 

bdlai  subst.  Trog.  —  Griech.  beldni,  beldi. 

baldno  adi.  Schweine — . 

bdle  subst.   Schweine  pl. 

bdlval  subst.   Wind. 

balvdlo  adi.   windig. 

bdngo  adi.  krumm.  —  Griech.  hangö, 
pangö  hinkend. 

bar  subst.  Stein,  Eis.  —  Griech.  bar  m. 

bar  subst.  Garten.  —  Griech.  bdri, 
pdri    f. 

bdrar  subst.  Gärtner,  serb.  vrtlar:  bar 
mit  dem  slav.  suffix  ai'b. 

barikdno  adi.  stolz ,  serb.  wolil  nicht 
oholost,  sondern  ohol. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi. 


21 


harjov  vb.  wachsen:  o  kas  harilo  der 
Baum  wächst,  eig.  ist  gewachsen.  —  Griech. 
bdriovava  gross  werden. 

haro  adi.  gross  :  haro  i^aj  Fluss  •,  häro  cer 
ein  grosses  Haus;  cerel  baro  er  vergrössert. 

barökar  adi.  ungewürzt,  serb.  suhoparan. 
Dunkel. 

barvdlo  adi.   reicli. 

bas  vb.  bellen,  brüllen:  basel  er  bellt; 
basel  0  del  es  donnert,  eig.  Gott  lärmt. 

basav  vb.  krachen :  basale!  es  kracht, 
serb.   pucati. 

bes  vb.   sieh   setzen  :  besel  er  setzt  sich. 

bezdh  subst.   Sünde. 

bi  praep.  ohne :  bisisiresko  ohne  Hut, 
serb.   bez  sesira. 

bicav  vb.  schicken:  bicalel  er  schickt; 
bichäl  impt.   schicke. 

bicin  vb.  verkaufen:   bicmel  er  verkauft. 

bilav  vb.  schmelzen  liquefacere :  bilavel 
er  schmelzt,  serb.  raztopiti.  —  Griech.  büdva, 

birtaj  subst.   ^^  irth,   serb.   birtas. 

bistr  vb.  vergessen :    bistrel   er  vergisst. 

bokhdlo  adi.   hung-rio-. 

boldino  adv.  dankbar,  serb.  zahvalan, 
eig.  wohl :  der  vergilt,  koji  vi-aca.  —  Griech. 
boldva,  bolavdva  drehen. 

boldino  subst.  Gurke,  serb.  krastavac, 
eig.  wohl  der  gedrehte,  runde.  —  Griech. 
boldino  gedreht. 

boH  subst.  Ofen. 

brddji  subst.  Wassereimer,  serb.  kabao. 

brdva  subst.  Schloss  serra,  serb.  brava. 

breskva    subst.    Pfirsich,    serb.    breskva. 

bresto  subst.  Ulme,  serb.   brijest. 

briji  vb.  rasieren:  brijü  pes  er  rasiert 
sich,  serb.   brijati  se. 

brini  vb.  sorgen:  brim  ma  ich  kümmere 
mich,  serb.   brinuti  se. 

bristro  adi.  klar,  serb.  bistar. 

brs  subst.  Jahr. 

brsesko  adi.  jährlich,  serb.   godisnji. 

brs7i  subst.  ßegen :  brsn  del  es  regnet. 
—  Griech.   brisin,  bursin. 

brsunddlo  adi.   regnerisch. 


büdji  subst.  Tagelöhner.  —  Vgl.  griech. 
buti,  puti,  bziM  Arbeit. 

bttlo  subst.  Raimi;  adi.  weit.  —  Griech. 
bughlo  weit. 

bus  subst.  Spiess.  —  Griech.  bust. 

buci,  buci  subst.  Arbeit,  Geschäft:  cera 
buci  ich  arbeite  ;  cerel  buci  er  schmiedet. 

buzrt  subst.  Ziege.  —  Griech.   btizni. 

C. 

caro    subst.    Kaiser :    o  caro,    serb.    car. 

ckno  adi.  klein,  nieder :  maj  ckno.  — 
Griech.  tiknö. 

cnOTO  adi.   klein.    Deminutiv    von   ckno. 

cra  adv.  ein  wenig;  er  wird  durch  po- 
manjiti  erklärt,  wohl  unrichtig.  —  Buk.  csra, 
cdrd,  csrn. 

crd  vb.  ziehen,  saugen :  crddu  icli  ziehe ; 
crdel  serb.  dojiti.  —  Buk.  curd. 

crdini  subst.  Flasche,  eig.  die  gezogene. 

crdinisarYh.  wohl:  umziehen:  crdinisdjlo 
Wolke,  eig.  es  hat  sich  umzogen.  Vgl.  crd. 

crepo  subst.  Ziegel,  serb.  ci-ijep. 

curi'dja  subst.  eine  Art  Socke ,  serb. 
opanak.  —  Bulg.  cbrvuli  milad.  106:  vgl. 
tCspßofjXca,  aspßo'jXa  Ducange.  tCcpßo'jXiavoc 
bei  Constant.  Porphyrog.  —  Griech.  cervnli 
Sandale. 

cvefovo  subst.  Strauss,  serb.  vjenac.  Serb. 
cvijet. 

C. 

cacipe  subst.  Glaube,  Gerechtigkeit. 

cdilo  adi.  satt.  Vgl.  carjov.  —  Griech. 
cal(5  satt,  cdUovava  satt  sein. 

camb  vb.  kauen  :  cambel  er  kaut.  — 
Griech.  camkerdva,  camukerdva. 

cao  subst.  Sohn :  sg.  dat.  chnvesce.  pl. 
dat.  e  chavendji.   —  Griech.  cavö. 

car,   unrichtig  cak,  subst.  Gras. 

carjov  vb.  weiden  neutr. :  carjo(l)  er 
weidet.   Vgl.  cailo.   —  Griech.  cardva  essen. 

carö  subst.  Schüssel. 

cas  subst.  Augenblick,   serb.  cas. 


22 


FuANZ     MiKLOSICn. 


cAuro  subst.  Kind.    Deminutiv  von  cao. 

cej  subst.  Tochter.    —    Griecli.  cdi,  cei. 

cer,  6er  subst.  Haus :  si  man  der  icli  habe 
ein  Haus ;  a7id  o  cer  Küche ,  eig.  in  das 
Haus.   —  Griech.  kher. 

cer  vb.  tliun,  marheii:  reran  ich  mache; 
cera  hi'ici  ich  arbeite;  cerel  büci  er  schmie- 
det; cerel  barö  er  vergrössert.  cerdilo  in: 
0  con  nici  cerdilo  andeloludje  mjesec  nije 
sx'jetao  ist  ein  partic.  pj-aet.  pass.  —  Griech. 
keräva. 

cerdja  subst.  Stern :  e  caraender  von  den 
Sternen.  —  Buk.  cerhdje  pl. 

ce7]ia  subst.  Stiefel.  —  Buk.  kire. 

chao  s.  cao. 

ci  adv.  nicht :  ko  ci  cerel  büdi  wer  niclit 
arbeitet. 

cicen  subst.  Fett,  serb.  mast.  —  Ungr. 
böhm.  ciken. 

cicendlo^  adi.  fett. 

cija  subst.  Schlüssel. 

cikdio  adi.   kotig.    —  Griech.   cik. 

ein  vb.  schneiden :  citiel  er  schneidet ; 
te  cnel  dji,  serb.  zetva,  eig.  er  schneidet 
Getreide. 

ein  vb.  kaufen :  cindds  er  kaufte.  — 
Griech.  kindva. 

cindjar  vb.  schneiden :  cindjardds  er 
schnitt.  Vgl.   ein. 

cindjar  vb.  benetzen :  cindjarel  er  be- 
netzt:  cindjar  mag  wieserb.  kvasiti  netzen 
und  säuern  bedeuten.  Vgl.  cingo. 

cindjiv  vb.  nass  werden :  cindjivat)  ich 
werde  nass. 

cindo  m.  cindji  f.  adi.  nass.  —  Russ. 
kindo,  rumun.  thindar  vb. 

cindu  adi.  serb.  tubast. 

ciraipi  subst.  Gekochtes. 
cirav  vb.  kochen:    ciravel  er  kocht.   — 
Rumun.    kirjadü,    ungr.     kerdol  neutr. ,    pol. 
karavas  Narbutt  156.   157. 

cires  subst.  Kirsche.    —    Griech.    keräs. 
cirikli  subst.  Vogel,  jeder  Vogel. 
cirikljdno  adi.  Vogel — . 
con  subst.  Mond,   Moiuxt:   o  con. 


cor  vb.  ausschütten :  coril  er  schüttet 
aus,  serb.   prosipati. 

cor  vb.  stehlen:  cor6l  er  stiehlt. 

coripe  subst.   Diebstahl. 

coro  adi.   arm. 

cucar  vb.  ausleeren  :  ciicarel  er  leert  aus. 

ctici  subst.   weibliche   Bi-ust. 

cüco  adi.  leer. 

C2(,d  vb.  ausziehen:  ciidel  er  zieht  aus, 
serb.  svuci.  —  Vgl.  buk.  md. 

cudi  vb.  refl. :  sich  wundern:  cudü  pes 
er  wundert  sich,  serb.  cuditi  se. 

cudno  adi.   wunderlieh,  sei'b.  cudan. 

cuniid  vb.  küssen :  cumiddu  ich  küsse. 
—  Griech.  cumidava. 

curi  subst.   Messer. 

cürka  subst.  Truthenne,  serb.  pura,  6urka. 

D. 

da  vb.  geben:  del  er  gibt,  fällt;  o  jiv  del 
es  schneit;  del pe  tele  sich  niederlegen,  serb. 
leci ;  dias  er  gab. 

dad  subst.  Vater:  e   dej  o   dad  Eltern. 

dddesko  adi.  väterlich. 

ddko  adi.   mütterlich. 

dand  subst.   Zahn.  ■ 

dar  subst.  Schrecken,  Furcht:  naj  (d.  i.      j 
na  i)  mand/i  dar  Freiheit,  serb.  sloboda,  ist 
eig.  non  est  mihi  metus. 

dar  vb.  furchten :  dardl  er  fürchtet  ; 
darä  i  devlestar  fürchte  Gott.  —  Griech. 
dardva. 

dardno  adi.  furchtbar.  —  Griech.  daranö. 

dej  subst.  Mutter:    e  dej  o  dad   Eltern. 

del,  0  del  subst.  Gott:  sg.  instr.  devle-^  sg. 
abl.  devlestar:  dard  i  devlestar  fürchte  Gott. 
Himmel.  —  Griech.  devü  Gott,  Himmel. 

dethdra  adv.  heute  früh ,  serb.  jutros. 
—  Griech.  tachidra,  tachdra,  ngr.  xa.jo6.. 

dethdrin  adv.  morgen,  serb.  jutro.  Vgl. 
dethdra. 

dik  vb.  schauen:  dikdu  ich  schaue;  dicMs 
du  gaffst ;  dicel  pala  pesti  er  sieht  sich  um ; 
dcol  er  sieht:  o  del  sa  dcol  Gott  sieht  alles. 

dilipe  subst.  Thorheit. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderunoen  der  Zigeuner  Europa'? 


23 


dja  vb.  Qeh.en:djdl  er  geht.  —  Griech.  dza. 


dmno  subst.  Rücken :  -perdu  dumea  serb. 


cZ;'a«i«^?'o  subst.  Schwiegersohn. —Griecli.  ;  nasloniti  se,  sich  anlehnen  ist  eig.  ich  falle, 


dzavmfr(5. 

djan  vb.  wissen:  djamdu^  wohl  djandn, 
ich  weiss.  —  Griech.  dzandva. 

djermo  subst.  ßrunnenschwengel,  serb. 
djeram. 

djes  subst.  Tag.  —  Griech.  dives. 

dji  adv.  bis :  dji  mismerc  bis  Mittag.  — 
Griech.  dzi. 

dji  subst.  Seele :  dukal  u  dji  es  empfin- 
det Schmerz  die  Seele,  imriclitig  djir.  — 
Griech.  ghi. 

djili  subst.  Spreu,  sci'b.  pljeva.  —  Vgl. 
griech.  seil. 

djir  subst.  Geist:   o  djir,    richtig  dji. 

djiraci  adv.  diesen  Abend,  serb.  veceras 
ist  eig.  dji  raci  bis  zum  Abend. 

djiv,  djim,  dji  subst.  Getreide,  serb.  zito : 
te  cnel  dji  Getreide  schneiden.  —  Griech. 
ghiv. 

djucel  subst.  Hund.  —  Griech.  dzukel, 
cukel. 

djüli  adi.  weiblich,  serb.  zenski.  — 
Griech.  diuvel. 

djungälo  adi.  garstig  :  richtiger  diimgdlo. 

djuceldno  adi.  Hunds — . 

dobisar  vb.  bekommen :  dohisardu  ich 
bekomme,  serb.  dobiti. 

doholbindji  serb.  oka.  Dunkel. 

dondji  subst.  Halbe,  als  Mass.    Dunkel. 

dosadi  vb.  dosadil  ma  er  ist  mir  lästig, 
serb.  dosaditi. 

drago :  o drago  Jesus;  drägo mandji  Freude 
ist  eig.  es  ist  mir  lieb,  serb.   drag. 

drak  subst.  Traube. 

drm  vb.  rütteln:  drmöl  er  rüttelt,  serb. 
drmati. 

drösin  subst.   Thau :   e  drösin. 

duk,  dukh  vb.  schmerzen  :  dnkal  ma  es 
schmerzt  mich ;  dukal  o  dji,  serb.  zalost, 
Trauer,  ist  eig.  es  empfindet  Schmerz  die 
Seele. 

dukha  ded  ^neoi  serb.  sto  su  nas  uvrije- 
dili,  eig.  (die)  uns  Schmerz  gegeben. 


lege  mich  mit  dem  Rücken. 

dundldo  serb.  zalostan,  traurig.  Dunkel. 

dur  adv.  weit. 

dusman  subst.  Feind :  sa  e  dusmanönca 
mit  allen  Feinden,  serb.  dusman. 

duvar  subst.  Mauer,  serb.   duvar. 

dzilab  vb.  singen :  dzilabel  er  singt.  — 
Griech.  ghiliabdva. 

dzudo  adi.  lebendig.   —  Griech.  dzivdu. 

dzungdlo  adi.  garstig,  minder  gut  djun- 
gdlo.   —   Buk.  zungalo. 

P. 

farbi  vb.  färben :  farbil  er  färbt,  serb. 
farbati. 

feljastro  subst.  Fenster.  —  Buk.  ferjästa. 
Aus  dem  rumun. 

fosili  subst.  Fasole.   —   Bidc.  fosij. 

frl  vb.    wiehern,    serb.    hrzati.    Dunkel. 

fulav  vb.  kämmen :  fidavel  er  kämmt. 
—  Vgl.   buk.  hulav. 

G. 

gad  subst.  Hemd :  lav  gad  ich  ziehe 
mich  an,  eig.  ich  nehme  ein  Hemd,  Kleid. 

gadava  pron.  dieses.  —  Vgl.  buk.  kado. 
Vgl.  godülo. 

gddjo  subst.   Bauer.  —  Buk.  gazo. 

gaida  adv.  so.  gajda  thai  gajda  wird 
durch  serb.  drugdje  anderswo  übersetzt.  — 
Vgl.  buk.  kade. 

gdlveno  adi.  gelb.  —  Buk.  gdlbsnu.  Aus 
dem  rumun.   galbin. 

gavesko  adi.  Dorf — . 

gavran  subst.  Krähe,  serb.  gavran  Rabe. 

gldso  subst.  Stimme:  pl.  gläsmja^  serb. 
glas. 

godjaver    adi.    weise.    —    Buk.    godaver. 

godolo  pronominaler  Stamm,  eig.  lo  mit 
einem  adv.  godo :  sg.  acc.  godoles  eum ;  sg. 
dat.  godolesöe  ideo.  —  -Buk.  gode.  Vgl.  ga- 
dava. 

gulub'U  subst.  Taube,  serb.  golub. 


24 


Franz  Miklosicii. 


goveddri  subst.  Rinderhirt,  serb.  govedar. 
qrad   vb.    machen:    gradau   icli     mache, 


serb. 


graditi. 


veseo. 


Vgl 


gras  subst.  Pferd:   o  gras. 

grcda  subst.   Balken,  serb.   grcda. 

qrmi  vb.  donnern :  grmü  es  donnert, 
serb.  grmljeti.  —  Vgl.  grmisar. 

grmisar  vb.  donnern:  grmisarel  es  don- 
nert.  —  ^'gl.  grmi. 

guci  vb.  girren :  gucü  er  girrt,  serb.  gu- 
kati,  gußem. 

güglu  adi.  süss.  —  Buk.  gugl6. 

gnru  subst.  Ochs :  o  guru. 

gurumni  subst.  Kuh ,  daneben  gurüni 
und  goruri:  e  goruri. 

H. 

ha  vb.  essen,  verschlingen  :  hal  er  isst, 
veVschlingt.   —  Buk.   cha. 

häbaj  subst.  Apfel.  —  Buk.  phabäj. 

habt,  hdhi  subst.  Speise.  —  Buk.  chahe, 
chahi. 

hacar  vb.  sich  erinnern  :  hacaret  er  er- 
innert sich,  serb.  sjetiti  se ;  -^v&tit.  hacärdäs. 
—  Rumun.  chakkjardu  fühlen  Bessar.;  hakiaräu 
verstehen  Mezz. 

häjing  subst.   Brunnen.   —  Buk.   chajing. 

halalasd  wird  durch  sei'b.  drag  theuer 
übersetzt.   Dunkel. 

hanadi  subst.  Haue.  —  Vgl.  hanav  und 
griech.  chanddva. 

hanamik  subst.  Freund  :  sg.  voc.  hana- 
mika.  Dunkel. 

hanav  vb.  graben:  hanavel  er  gräbt.  ■ — 
Vgl.  hanadi. 

hdndnk  subst.  Tiefe.  —  Vgl.  deutsch 
handäko  Graben. 

handz  vb.  jucken:  handSol  ma  es  juckt 
mich.  —  Böhm,  chandzav. 

hardno   adv.    stark,    serb.   jak.    Dunkel. 

harnjar  vb.  verkürzen :  harnjarel  er  ver- 
küj-zt.  —  Vgl.  hdrno. 

hdrno  adi.  kurz.  —  Griech.  charnö  nie- 
det;  charnierdva  erniedrigen. 

hasdli  subst.  Gold,  Dunkel. 


ici 


ver- 


hasdlo    adi.    fröhlich ,    serb. 
buk.   asa  lachen. 

hasar    vb.   verlieren :    hasardu 
liere.  —  Buk.  chasar. 

hndo,  d.  i.  wohl  hmdo^  wird  durch  serb. 
eist,  übersetzt.  —  Die  Form  ei-Innert  jedoch 
an  buk.  chsndi  bekackt. 

huhav  vb.  lügen,  betrügen  :  hohavdu  ich 
lüge-,    hohavel  er  betrügt.    —  Bvdt.  chodiav. 

holt  subst.  Zorn :  holi  mandji^  serb.  mr- 
ziti,   eig.   ira  mihi  (est).  ■ —  Buk.   choU. 

holjarav  vb.  erzürnen :  holjdüem^  serb. 
dosadan.  lästig,  ist  eig.  ich  habe  mich  er- 
zürnt: aus  holjärdilem.  —  Buk.  choTar. 

hordi  subst.  Spreu,  serb.  pljeva.  —  Vgl. 
hourdo  ,  buk.  churdö  und  griech.  churdo 
klein,  ungr.  hurdö,  deutsch  churdin  Spreu, 
Häcksel. 

hotirdo  adi.  fein,  serb.  sitan.  —  Vgl. 
hördi. 

hröta  subst.  Rad.  —  Buk.  rota,  pol. 
rota  Narbutt  157,  russ.  röta  Böhtlingk  267. 

hurhüzu    subst.  Melone,  serb.  dinja. 

hut  vb.  springen:  hutel  er  springt.  — 
Rumun.  chut. 

hvjdrdo  adi.  rauh,  uneben,  serb.  hrapav. 
—  Rumun.  chvardö  löcherig,  chsü  Loch. 


iko7ia  subst.  Bild.   —  Buk.   iköna. 

incar  vb.  halten,  tragen :  incarel  er  hält ; 
indjanü  er  trägt:  indjarddl ,  durch  serb. 
zavesti  übersetzt,  ist  das  praet.  von  indjar. 
—   Rumun.  üukdr. 

inkli  vb.  inklil,  serb.  zaöi.  —  Rumun.  zrikU 
herausgehen,  aufsteigen,  griech.  nikdva. 

incjd  adv.  dorthin,  serb.  onamo.  Dunkel. 

is  vb.  sein:  iMsandubist;  najsan  d.  i. 
na  isan  du  bist  nicht-  si  er  ist:  si  man  cer 
est  milil  domus;  najle  d.  i.  na  i  le  non  est 
ei ;  s6nia  eram ;  sas  erat. 

ivando  adv.  i-oh,  frisch,  serb.  prijesan. 
Dunkel. 

ivend  subst.   Winter. 


Über  die  Mündarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Edropa's.  vi. 


25 


J. 

jag  subst.  Feuer. 

jak  subst.   xVuge :  jakhd  pl. 

jarm  subst.  Joch,   serb.  jaram. 

jasle  subst.   Krippe,   serb.  jasle. 

jastreh  subst.   Geier,   serb.  jastreb. 

jäsvin  subst.  Träne.   —  Buk.  asfä  pl. 

jekhöna  subst.  Schlange,  serb.  gad.  — 
Griech.  s^:5va. 

jiv  subst.  Schnee:  o  jiv^  o  jiv  del  es 
schneit. 

jokute  adv.  dort.   —   Buk.   okoti. 

K. 

kai  adv.   wo.   —   Buk.  kai. 

kaigödi  adv.  wo  immer,  serb.  igdje, 
gdjegod. 

kdjni  subst.  Henne:  e  käjni.  kajmi  für 
Ente  ist  falsch. 

kajsija    subst.    Aprikose,     serb.    kajsija. 

kalac  subst.  zea  mais,  Kukuruz.  Dunkel. 

kalami  vb.  pfropfen:  kalamil  er  pfropft, 
serb.   kalamiti. 

kdlo  m.  kali  f.   adi.   schwarz. 

kam  subst.  Sonne.  —   Buk.  kham. 

kam  vb.   wollen :  kamau  ich  will. 

kan  subst.   Ohr. 

kana  coni.   denn,   weil,   eig.   wann. 

kanagödi  adi.  irgendwann,  serb.  njekad, 
kadgod. 

kanro  subst.  Weissdorn,  serb.  glog.  — 
Buk.  kanrt  pl.  Disteln,  griech.  kandö^  kanro 
Dorn,  Stachel. 

kar  subst.  Hörn.  —  Griech.  kai'  Dorn, 
penis,  ungr.  kar  penis,  sp.  ca  sexo,  parte 
sexual. 

karälo  subst.  penis.   —   Vgl.   kar  Hörn. 

kariiig  adv.   Avohin.  —  Buk.  karing. 

karväci  subst.  zea  mais,  Kukuruz.  Dunkel. 

kas  subst.  Heu.  ,    ' 

kas  subst.   Baum :  o  kas. 

kastüno  adi.   hölzern. 

kat  vb.  spinnen :  katdu  ich  spinne.  • — 
Buk.   kat. 

katär  adv.   woher. 

Denischriften  der  phil.-bist.  Cl.  XXVI.  Bd. 


Vgl. 


ngriech. 


kathe. 
serb. 


nigdje : 


kavä  pron.  dieser.  —  Vgl.  griech.  a/ca, 
ital.   akavä. 

kavädji  subst.  Kleid,  serb.  haljina.  — 
Serb.  kavad. 

ke  praep.  bei:  k'  amarö  ndrodo  bei 
unserem   Volke.   —   Griech.  ki,  ungr.  ke. 

khai  coni.  wenn;  allgemeines  relativum: 
sa  e  dusmanönca,  khai  dukha  (oder  dukho)  de 
amen  mit  allen  Menschen,  die  uns  beleidigt 
haben,  eig.  qui  dolorem  dederunt  nobis. 
khai  dui  l  trin  zwei,  drei.  ^  Vgl.  kai. 

khajdli  adi.  wolkig  ,  serb.  oblacan. 
Dunkel. 

khanci  quidquam,  mit  na  nichts :  nd  si 
na  (richtig  ma)  khdnci  osim  mdnro  ich  habe 
nichts    als    (ausser)    Brot.     — 

khandjiri  subst.  Kirche. 

khdte  adv.   hier.   —   Buk 

khateitde    adv.    nirgend , 
wohl  unrichtig.   —  Buk.  katinde. 

klas  subst.  Ähre,  serb.  klas. 

kljdUu  subst.  Zange,  bulg.   klesti. 

klopot    subst.    Glocke.    —    Buk.    klöpoto 

knezo  subst.  Fürst,  serb.  knez :  sg.  acc 
knezös. 

ko   pron.    wer,    serb.    ko. 

kogödi  pron.    wer  immer, 
kogodj. 

kokodacl     vb.      gackern : 
gackert,  serb.  kokodakati,  kokodacem. 

kolac  subst.  Art  radformiges  Brot,  serb. 
kolaß. 

koUn  subst.   Brust. 

kolombdca  subst.  Kartoftel.  —  Vgl.  ungr. 
kolampire. 

kolompirja  subst.  Kartoffel.  —  Ungr. 
kolompire. 

kolop  subst.  Hut,  magy.  kalap. 
*         komaddlo    adi.    bunt,    serb.    na    komad 
razne  boje,   serb.  komad  Stück. 

komsijas  svih^t.  Naclibar:  komsijdsci,  serb. 
komSija. 

köpac    subst.     Eiche,     serb.     hrast. — 
Buk.  kopdc  Baum. 


—  Buk.  kon. 
serb.   kogod, 

kokodacü     er 


26 


Fbanz  Miklosioii. 


köjJita  subst.  Klaue,  serb.  kopito. 

korkor,  korkora  pron.  selbst.  —  Buk. 
körkoro. 

kösa  subst.  Sense,  serb.  kosa. 

kos/o    adl.    glatt.    —    Buk.  kos  wischen. 

koso  subst.  ßauclifang.  Dunkel. 

kotordlo  adi.  bunt,  von  kotor  Stück  wie 
komadälo  von  serb.  komad. 

kCwd  pron.  jener.  —  Vgl.  kävä. 

kuvio  adi.  weich.  —  Griech.  kovlö^  ungr. 
kovlo^  kolo^  bülim.  kovlo,  aind.  kömala  zart, 
weich. 

krdjcarja  subst.  pl.  Ki'euzer. 

kraJj  subst.  König:  sg.  acc.  kraljös, 
sei'b.  kralj. 

kreveto  subst.  Bett,  serb.  krevet. 

kuc  adi.  theuer. 

kucin  subst.  Korn  granum,  serb.  zrno. 
—  Rum.  kuke  bessar.,  griech.  %6if.y.rjz^  ngriech. 
'Arjrj^i  ]_)u  Gange. 

kurkodje  subst.  Woche.  —  Buk.  kurko: 
dje  ist  wahi'scheiiilic]i :   Tag. 

kilro  subst.   Füllen.  —  Buk.  khurö. 

kuäik  subst.  Regenbogen.  —  Buk.  kustik 
Gürtel. 

kuv  vb.  weben:  kuvdu  ich  webe.  — 
Oriech.  kkuvdva  flechten,  stricken,  böhm. 
khuvav,  russ.  fe  khuves  Bölitlingk  19:  aind. 
guph,  gumph  winden. 


lacar  vb.  avoIiI  :  gut  machen :  lacarel^ 
serb.  premjestiti. 

lacipe  subst.   Güte. 

Idco,  lachö  adi.  gut:  lacho  gldso  guter 
ßuf;   schon,   reichlich,   lache  obl. 

ladzdvo   subst.  Scham,  serb.  stid. 

lalddo  subst.  Gurke,  serb.  krastavac. 
Dunkel. 

lav  vb.  nehmen  :  luv  gad  ich  ziehe  mich 
an,   eig.   ich  nehme  das  Hemd,  Kleid. 

ledjero  pron.  ihnen  gehörig  eorum  aus 
lengcro:  sg.  inst,   ledjerea. —  Griech.  lengoro. 

lescero  pi'on.  ihm  gehörig  eins  :  sg.  inst. 
lesöerea.   —  Griech.  leskoro. 


Ul  subst.  Schrift,  Bucli,  serb.  list,  pismo, 
knjiga. 

llpa  subst.   Linde,  serb.   lipa. 

lisica  subst.  Fuchs,  serb.  lisica. 

livddjin  subst.  Wiese,  serb.   llvada. 

Ijuljar  vb.  Ijuljarddn,  serb.  prostres,  ist 
ein  praet.  Dunkel. 

lo  pronominaler  Stamm,  der  im  nom. 
sg.  m.  durch  uou,  pl.  durch  von  ersetzt  wird: 
sg.  acc.  les,  le:  na  i  le  non  est  ei.  sg.  gen. 
lesko  eins.  sg.  dat.  lesti.  sg.  instr.  leja.  pl. 
gen.  Ungo.  pl.  dat.  lendji.  pl.  instr.  lenca.  — 
^  gl.   griech.   lengoro,  leskoro. 

loko  adi.  leicht. 

lolo  adi.  rotli. 

lopata  subst.  Schaufel,  serb.  lopata. 

lotra  subsf.  Leiter,  serb.  lojtre. 

I6ve  subst.  Geld. 

lozina  subst.  Weinrebe,  bulg.  loziu'b, 
vgl.  sei'b.  loza,  lozica. 

lahenica  subst.  Wassermelone,  serb.  lu- 
benica. 

luludji  subst.  ßose,  Blume.  —  Buk.  hdadi. 

lundjar  vb.  verlängern  :  lundjarel  er 
verlängert.   Von  bingo. 

lüngo  adi.  lang.   —  Buk.  lüngo. 

M. 

mache  subst.  Fisch :  machesci  jak  Fisch- 
auge, pl.  machesce  jakhd. 

macka  subst.  Katze,  serb.  macka. 

mackdko  adi.   Katzen — . 

mdgarc,  magdrco  subst.  Esel,  serb.  ma- 
garac. 

fiiaj  adv.  mehr,  dient  zur  Bezeichnung 
des  Comparativs  :  maj  haro  grösser,  maj  ckno 
kleiner,  maj  sigo  früher,   eig.   schneller. 

majmünu  subst.  Affe,  serb.  majmun. 

mdjstori    subst.    Meister,    serb.    majstor. 

inakar:  makar  so  was  immer,  serb. 
makar.  —  Buk.  makdr. 

inakli  subst.  Speck.  —Buk.  mak  schmieren, 
griech.  maklo  Fett,  0hl,  Unschlitt. 

mdnro  subst.  Brot.  —  Buk.  manrö.  Die 
Bedeutung  Speiding  ist  unrichtig. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa-s.  vi. 


27 


mdnus  subst.  Mensch,  serb.  celjade. 

mar  vb.  schlagen,  strafen  :  mardv  les 
ich  strafe  ihn,  marSl  er  schlägt,  marel  mui 
er  schwätzt,  serb.  sprdati  se. 

marpo  subst.  Brot :  o  marpo.  Dunkel. 
Vgl.  mänro. 

mas  subst.  Fleisch. 

maskar  praep.  unter,  zwischen:  maskar 
amende  unter  uns. 

me  pron.  ich.  man:  si  man  der  ich  habe 
ein  Haus,  mdndji^  mand,  mandi.  mdndar:  te 
asds  mdndar  dass  du  über  mich  lachest. 
manca  mit  mir. 

medveda  subst.  Bär,  serb.  medvjed. 

mek  vb.  lassen:  7nek  cerel  vo  prdvo^  serb. 
neka  cini  pravo. 

melji  vb.  malen  :  meljü  er  malt,  serb. 
mljeti,  meljem. 

memeli    subst.    Kerze,    Licht :    e  memüi. 

merdevine  subst.  Leiter,  serb.  Ijestve, 
merdivene. 

mesi  vb.  mischen:  tnesü  pe  er  mischt 
sich,  serb.  mijesati. 

mestelj  subst.  Lehrer,  serb.  mestar. 

müai  subst.  Sommer. 

minütu  subst.  Stunde.  Falsch. 

mirno  adi.  ruhig,   serb.  miran. 

misUsar  vb.  denken:  mislisards  wir  den- 
ken,  serb.   misliti. 

mismeri,  mismere  subst.  Mittag.  —  Buk. 
mezmSri^  mesmeri. 

mnrö  pron.  mein,  das  wohl  riidnrö  zu 
spreclien  ist:  mnresko;  sg.  instr.  mnrea.  —  Buk. 
morö. 

mohtö  subst.  Kiste.  —  Ungr.  mosto, 
böhm.  mochto,  skand.  mokti. 

mol  subst.   Wein. 

moli  vb.  bitten :  molü  er  bittet,  serb. 
moliti ;  moli  (für  moUv)  man  tüce  ich  bitte 
dich,   mit  serb.   Syntax. 

mora   vb.  müssen,  serb.  morati. 

morci  subst.  Haut.  —  Buk.  morti. 

mos  subst.  Wald,  richtig  wohl  vos. 

mrzn  vb.  frieren :  mrzn6(l)  pes  es  friert, 
serb.   mrznuti. 


mtici  vb.  martern  :  mucü  er  martert,  serb. 
muciti. 

mudar  vb.  tödten :  mudarel  er  tödtet.  — 
Buk.  micdar. 

muj  subst.  Antlitz :  marel  mul  er  schwätzt. 

muri  subst.  Mann ,  serb.  muski.  — 
Griech.   murs^  mrus. 

mustdka  subst.  Maisähre ,  serb.  klas, 
Idip  od  kukuruza.   Vgl.   serb.   mustac. 

mutdrdo  adi.  feucht,  serb.  vlazan.  — 
Griech.  muter  Harn,  muträva  harnen. 

mutdrdo  adi.  fleissig  ,  serb.  marljiv. 
Dunkel. 

N. 

nadisardjov  vb.  hoffen:  nadisavau^  serb. 
nadati  se:  *nadisar.  Das  passivum  beruht  auf 
dem  serb.  reflexivum. 

nal  adv.  nicht  für  ?m :  te  nai  hal  er 
esse  nicht. 

naj  subst.   Finger. 

najhic   adi.  wohlfeil,   eig.   nicht  theuer. 

najldco,  najldcho  adi.  schädlich,  eig. 
nicht  gut. 

najsdsto  adi.  krank,    eig.   nicht  gesund. 

nak  subst.  Nase. 

nak  vb.  hinübergehen:  nacel  er  geht 
hinüber,   serb.  preci.   —  Griech.  nakdva. 

nakav  vb.  hinüberführen :  nakavel  er 
führt  hinüber,  serb.  prevesti,  eig.  hinüber 
gehen  machen.  —  Griech.  nakavdva. 

napastovi  vb.  anfahren:  napjastovil  er 
fährt  an,  serb.  napastovati. 

ndrodo  subst.   Volk,  serb.  narod. 

nasvallpe  subst.  Krankheit. 

nasvdlo  adi.   krank. 

nas  vb.  fliehen:  nasel  er  flieht:  nasf pes 
wird  durch:   brz  schnell  übersetzt. 

nebo  subst.  Himmel:  o  nebo,  serb.  nebo. 

nek  Partikel :  nek  del  er  möge  geben, 
serb.  nek. 

nevö  adi.  neu. 

ni  adv.  ni  -  ni  weder  -  noch. 

nici  adv.  nicht. 

njiv  subst.  Feld,  serb.  njiva. 


28 


Franz  Miklosich. 


ohicaj  subst.   Gewohnheit,    serb.   obicaj. 

oblako    subst.     Wolke :    o    oblako,    serb. 
oblak. 

odbi  vb.  abschlagen :  odbU  er  schlägt 
ab,  serb.  odbiti. 

ocljdko    subst.    Rauchfang,    serb.  odzak. 

odjälo  adi.  mutig.  —  Griecli.  ogi  Seele, 
Herz,  Mut. 

odmori  vb.  ausrasten  lassen :  odmorÜ  pes 
er  rastet  aus,  serb.  odmoriti  se. 

ogledalo  subst.  Spiegel,    serb.  ogledalo. 

ognjisto  subst.  Feuerherd,  serb.  ognjiSte. 

okoring  adv.  dorthin,  serb.  tamo. 

okusi  vb.  kosten :  okusü  er  kostet,  serb. 
okusiti. 

omrazi  vb.  entzweien  :  omraziina  sie  ent- 
zweien, unrichtig  serb.   zamraziti  se. 

6pre,  öpre  adv.  oben. 

oprosti  vb.  verzeihen :  oprostü  er  ver- 
zeiht,  serb.   oprostiti. 

oranje  subst.  das  Ackern. 

urisar  vb.   ackern :   orisare(l)    er   ackert. 

ormdno  subst.  Kasten,  serb.  orman  ar- 
marium. 

osim  praep.  ausser,  sei'b.  osim. 

overidji  adv.  vorgestern,  serb.  prekjuce. 
• —  Griech.   umgekehrt  jicaver. 

overthara  adv.  übermorgen,  serb.  pre- 
kosutra.  —  Vgl.  griech.  tachidra,  tachdra 
morgen. 

P. 

paböl  es  bi-ennt :  pabole  (richtig  pabol) 
e  memeli  die  Kerze  brennt.    —  Buk.  phabol. 

paj,  pai  subst.  Wasser :  o  paj.  —  Griech. 
ptani. 

■pajdli  subst.  Wassermelone.  —  Vgl.  paj. 

pdjstir    subst.   Hirt,   serb.   pastir. 

pala  praep.  hinter,  nach  :  dicel  pala  p6sti 
er  sieht  sich  um,  eig.  er  sieht  um  sich,  serb. 
obazreti  se.  ko  djal  pald  i  avresci  posom  wer 
um  die  fremde  Wolle  geht,  serb.  tko  za  tu- 
djom  vunom  podje. 


palecer  vb.pa/ece?'e/,  serb.nastati.  Dunkel. 

pdlpali  adv.   hinten,  zurück. 

pand  vb.  binden,  schliessen  :  pandaii  ich 
schliesse;  pandel  er  bindet. 

pandav  vb.  wohl :  versperren  :  pandavel^ 
serb.  graditi. 

2)ao  subst.  Frost:  päd  ma,  serb.  zebsti, 
eig.  frigus  mihi  (est).  —  Rum.  pao  Vaillant 
63.  phaü  bess.,  russ.  pdho  Böhtlingk  272.  — 
Griech.  -srayoc,  iraYfovw. 

pdpin  subst.   Gans. 

papindko  adi.  Gans — . 

papiri  subst.   Papier. 

parav  vb.  spalten,  ackern :  paravel  er 
spaltet,  ackert,  serb.  cjepati,  orati.  —  Buk. 
pharav. 

pdrno  adi.  weiss. 

p)asi  vb.  weiden  transit. :  pasü  er  weidet, 
serb.  pasti. 

pasa  praep.  neben :  pasa  mande  neben  mir. 

patkdko  adi.  Enten — ,  serb.  pacji  von 
patka. 

paciu  subst.  Ehre,  Liebe.  —  Buk.  ijatu. 

pacivdlo  adi.   ehrlich.   —  Vgl.  paciu. 

pazi  vb.  acht  haben,  lieb  haben :  pazü, 
serb.  paziti. 

pe  praep.  p)  e  posledka  zuletzt.  — -  Rum. 
2?'   e  Unna. 

peci  vb.  braten :  pecil  er  brät. 

pecipe  subst.  Braten. 

p4ko  adi.   gebraten.  —    Buk.  pekö. 

pendjer   subst.    Fenster,    serb.    pendzer. 

per  vb.  fallen,  sich  legen:  perdu  dumea 
ich  lehne  mich  an,  serb.  nasloniti  se,  eig. 
ich  lege  mich  mit  dem  Rücken. 

per  vb.  füllen :  perel  er  füllt.  —  Buk. 
pher. 

perdo  adi.  voll.  —  Buk.  pherdö. 

perjas  subst.  Scherz.  —  Deutsch  perjas. 

p)erjasengo  adi.  scherzhaft. 

phal  subst.  Brett.  —  Pol.  phal  Narb\itt 
154,  j-uss.  phal  Böhtlingk  22,    deutsch  paJ. 

Ijhdro  adi.  schwer.  —  Buk.  bharö.,pharö. 

phubljfvo  adi.  angenehm,  serb.  ugodan. 
Dunkel.   Vgl.  p)uknjdli. 


\ 


Über  die  Mundarten  und  die  Wandeeungen  der  Zigeuner  Eueopa's.  vi. 


29 


pJmjäko  adi.   irden.    —  Buk.  phu  Erde. 

phuknjaU  adi.  freundlich,  serb.  prijazan. 
Dunkel.   Vgl.  ■phubljivo. 

phurdini  subst.  Dudelsack.  —  Buk. 
phurd  blasen. 

phuru  adi.  alt. 

p)i    vb.    trinken,    saugen:    pijeU    pel    er 


trinkt,   saugt. 


jnr  vb.  piräu  ich  gehe,  serb.  liodati. 
Vgl.  khai  pherdds    unrichtig    für    irgendwo. 

piri  subst.  Topf. 

piro  pron.  sein  suus :  inre  knezös  ihren 
Knezen.  ^j?V<5  ist  suus,  wenn  das  Subject  im 
pl.,  po  wenn  es  im  sg.   steht. 

pisdri  subst.  Schreiber,  serb.  pisar. 

p>lai  subst.  Berg.  —   Buk.  plaj. 

pldsto  subst.  Wagen,  serb.   voz.  Dunkel. 

plivi  vb.  scliwimmen:p^/t'f/  er  schwimmt, 
serb.  plivati;  plivü  o  machö  es  schwimmt 
der  Fisch ;  pUvila  er  wird  scliwimmen.  — 
Vgl.  plivisar. 

plivisar  vb.  schwimmen :  plivisärda  er 
schwamm.  —  Vgl.  pAivi. 

plügo  subst.   Pflug,   serb.  plug. 

po  Stamm  des  pronomen  j-eflexivum : 
sg.  acc,  pes:  admoril  pes  er  erholt  sich;  sg. 
dat.  pesti:  dicel  pala pesti  er  sieht  sich  um-, 
svako  pesce  trennen,   richtig:  jedes  für  sich. 

pucini  vb.  anfangen :  pocinü  er  fängt 
an,   serb.  poceti,  poßinjati. 

podrum  subst.  Erdgeschoss,  Keller,  serb. 
podrum. 

pugosti  vb.  bewirten :  pogostil  er  be- 
wirtet,  serb.  pogostiti. 

poloci  adv.  serb.  spor,  in  der  Bedeutung 
langsam,  daher  p>o  loku. 

pumüai  subst.  Frühjahr.  —  Vgl.  viüaj. 

por  subst.  Feder.   —  Buk.  jjo?'/. 

porddi  subst.  Leinwand  ,  serb.  bez. 
Dunkel. 

porizSn   subst.    Reiter.  —  Buk.  porizm. 

posi  vb.  säen:  p)usüa  er  wird  säen,  serb. 
posijuti. 

posUdka:  p'  e  posledka  zuletzt,  serb.  na 
posljedku. 


posveti  vb.  heiligen:  posvetü  pes  er  hei- 
ligt sich,   serb.  posvetiti  se. 

posöin  subst.  Wolle:  i  avresci  posoin  die 
fremde  Wolle. 

posomdio  adi.  wollen. 

p6stin  subst.  Pelz.  —  Buk.  postm. 

postui  vb.  ehren  :  postum  sie  ehren,  serb. 
postovati,  postujem. 

pötlam  adv.  nachher,  serb.  potlje,  nsl. 
potlam. 

potrosar  vb.  verbrauchen :  potr'ossar'du 
ich  verbrauche,  serb.   potrositi. 

pocin  vb.  zahlen:  pocinäu  ich  zahle.  — 
Buk.  potin. 

prasdpe  subst.  Scham,  serb.  sram.  — 
Grr'iech. prasäva  spotten,  prasaiöe  Spott,  engl. 
pross^  prosser. 

prasta  vb.  laufen:  prastdl  er  läuft.  — 
Buk.  prasta. 

p>rekoveridji  adv.  ehevorgestern .  serb. 
zakojuce.  —  Vgl.  overidji. 

prekoverthara  adv.  überübermorgen,  serb, 
zakosutra.   —   Vgl.  overthara. 

primi  vb.  erhalten:  primil  er  erhält, 
sei'b.  primiti. 

prrövu  subst.  Bach.  —  Buk.  psnü. 

pruna  subst.  Pflaume.  —  Vgl.  prüvil 
und   griecli.   ap>ürnes. 

prüvil    subst.    Pflaume.    —  Vgl.  priina. 

pu  subst.  Erde:  e  pu;  dia  e  puja  wird 
durch  serb.  vrh  zemlje  erklärt.  —  Buk.  phu. 

puc  vb.  fragen :  pucel  er  fragt.  —  Buk.  pus. 

jyui  subst.  das  Junge,  serb.  pile.  — 
Buk.  puj. 

purd  vb.  blasen,  atmen:  purddu  ich 
blase,  purdel  er  atmet.  —  Buk.  phurd.  Vgl. 
phurdini. 

puripe  subst.  Alter.  —  "^gl-  phuru. 

purd  subst.  Fuss.  —  Buk.  ponro.,  psnrö. 
purum    subst.  Lauch,    serb.    luk :   parni 
puruni  Knoblauch,   eig.   weisser  Laucli. 

pusddi  subst.  Gabel.  —  Böhm,  phosadi 
Gabel.  Vgl.  pusav. 

pusaxh  subst.  Gerste.  —  Griech.  pusavdi 
Haber.  Vgl.  pusav. 


30 


Franz  Miklosich. 


jpusav  vb.  stechen :  pusav6l  er  sticht.  — 
Griech.  pusavdva^  l)(")lini.  pho.mvav. 

putar  vb.  öffnen,  loslösen:  pufardu  ich 
öffne,  putdrdo,  serb.  prost,  etwa:  losgelöst. 
—  Buk.  puter. 

putniko  subst.  Wanderer,    serb.  putnik. 

putovi  vb.  wandern  :  putovtl  er  wandert, 
serb.  putovati. 

puzi    vb.     kriechen:    puzÜ    er    kriecht, 

serb.  puziti. 

R. 

raduji  vb.  reflex.  sich  freuen:  radujilpes 
er  freut  sich,  serb.  radovati  se,  radujem  se. 
raj  subst.  Herr,  Richter,  Zupan,  König : 
sg.   acc.   rajes. 

rajesko  adi.  städtisch  ,  serb,  gradski, 
richtig  Herren — . 

rajo  subst.   Paradies,  serb.  raj. 

ram  vb.  wollen :  ramol  er  will,  serb. 
htjeti.  Dunkel. 

rdmol  subst.  Buchstabe.  Dunkel.  Vgl. 
buk.  hram:  von  dine  hram  sie  schrieben  auf. 

ramope  offenbar,  serb.  ocit:  vielleicht 
ramol  pe,  was  etwa :  scribituj-  wäre.  —  Vgl. 
rdmol. 

rana  subst.  Nahrung,   serb.   hrana. 

rand^h.  scheren:  randel  er  schiert,  serb. 
sisati.  —  Ungr.  randel  kratzen,  böhm.  ran- 
dav,  skand.  randra  schreiben,  span.  randar 
schreiben. 

rdsaj  subst.  Geistlicher. 

racija    subst.  Branntwein,    serb.    rakija. 

ravn  vb.  ebnen:  ravnöl  er  ebnet,  serb. 
izravniti. 

raz   subst.   Blitz,   serb.   munja.   Dunkel. 

rdisäro  adi.  geduldig.  —  ßum.  rsbdisar. 

repa  subst.  Rübe,  serb.  repa. 

7'ez  subst.  Weingarten, 

ribisar  vb.  reiben  :  ribisardu  ich  reibe, 
serb.  ribati. 

riviici  vb.  wiehern:  rimicil  er  wiehert, 
—  Buk.  hreminti. 

rjat  subst.  Dunkel,  eig,  Nacht,  —  Buk,  rjet. 

rläli   adi.    trübe,    serb.   mutan.  Dunkel. 

rod  vb.   suchen:  ruddu  ich  suche. 


röi  subst.  Löffel. 

rom  subst.  Mann:  o  roTO-,  pl.  amdre 
röma  unsere  Männer. 

romni    subst.    Weib :    pl.    voc.    romnjdli. 

rov  vb.   weinen :  rovel  er  weint. 

rovlji  subst.  Stab:  rovlja  mit  einem  Stabe, 
—  Buk.  rovU. 

rto  adi.  zuwider:  rto  mandji  molestum 
mihi  (est.).  —  Buk.  urMo. 

rvda  subst,  Deichselstange,  serb,  ruda, 

rup  subst.   Silber. 

ntv  subst.  Wolf, 

S. 

sa  pron.  alles :  sa  dcol  er  sieht  alles ; 
adv.  allsogleich. 

salivai  subst.  Zaum  und  Geschirr,   serb. 
uzde  i  am.  —  Buk,  salavdr. 
sdno  adi.  dünn,   enge. 
sar  adv.  wie:  sar  -  gaida  so  -  wie. 
sastavisardjov     vb.    zusammenkommen: 
sastavisdjlem    ich    kam    zusammen,    serb.    ja 
sam    se    sastao.      Das    passivum    drückt    das 
reflexive  serb.  verbum  aus. 
sastipe  svibst.  Gesundheit. 
sdsto  adi.   gesund:  unrichtig  sastro. 
sdstri  subst.  Eisen,  Pflugeisen, 
sastruno  adi.  eisern. 
satUko  subst.  Seitel,  serb.  sajtlik, 
savo  pron,   welcher. 
seli  vb.  wegsiedeln  transit. :  selil  er  siedelt 

serb.  seliti, 
senica  subst.  Meise,  serb.  sjenica. 
sevi  vb.  leuchten :  sevÜ  es  leuchtet,  serb, 
sijevati. 

sigo  adv.  bald. 

siji,  sü  vb.  säen :  sijil,  siil  er  säet,  serb. 
sijati. 

sikav  vb.  lehren :  sikavdu  ich  lehre. 
sili  vb.    geniessen :    silel,    serb,    u2ivati, 
wohl  serb,   »iliti,    dessen   Bedeutung  jedoch 
nicht  passt. 

sinija  subst.  Tisch,  serb,  sinija, 
slabov   vb,    schwach    werden:    slaböl   er 
wird  schwach,  serb,  oslabiti. 


weg, 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi. 


31 


slav  vb.  kehren:  slaväu  icJi  kehre,  serb. 
cistiti,  mesti.  —  Griech.  sidavdva. 

slavulj  subst.  Nachtigall:  slavuljesce  sg. 
dat.  der  Nachtigall,  serb.  slavuj. 

slicno  adi.  angemessen,  serb.  slican. 

sluzi  vb.  dienen :  sluiü  er  dient,  serb. 
sluziti. 

so  pron.   was. 

soha  subst.  Zimmer,  serb.  soba. 

sogdcZ  pron.  was  immer,  serb.  -god,  -godj. 

sosteja  subst.  ]A.  Unterziehliosen,  serb. 
ga(^e.  —  Griech.  sosten. 

sotenti  vb.  anfahren:  sotentü  ma,  serb. 
napastovati.  Dunkel. 

sov  vb.  schlafen :  praes.  sg.  soväva,  sovau, 
soau;  sovea;  sovela^  sovel.  pl.  sovdsa;  sovena; 
sovena.  praet.  sg.  1.  sutem;  3.  suto.  pl.  1. 
sutdm;  3.  suti.  soväva,  sovea  werden  als  fut. 
angesehen :  ich  werde  schlafen,  du  wirst 
schlafen. 

sovurina  subst.  Eule,  serb.  sovura. 

srca  subst.  Glas,  serb.  srca. 

sfpo  subst.  Sichel,  serb.  srp. 

sfddji  subst.   Mütze.  —  Buk.  stadi. 

staresme  subst.  die  ältesten,  serb.  sta- 
reSina. 

stecisar  vb.  erwerben:  stecisardu  itA\  ev- 
werbe,  serb.  steci. 

stolica  subst.   Stuhl,  serb.   stolica. 

strafi  vb.  blitzen:  strafil  es  blitzt.  — 
Griech.  äoTpairf^. 

sti'ibu  subst.  Stengel,  serb.  stablo. 

siduma  subst.  Stroh.  —  Buk.  sulüm. 

süno  subst.  Traum. 

svako  pron.  jeder :  svako  pesce^  serb. 
razstaviti,    zig.   jedes   für    sich,    serb.  svaki. 

svakonedjesesko  adi.  alltäglich,  serb.  svaki 
und  eig.  djes  Tag:  der  Einschub  ne  ist  be- 
fremdend. 

sveco  subst.  der  Heilige:  o  svdco,  serb. 
svetac. 

sveto  subst.  Welt :  and  o  sveto  in  der 
Welt,  serb.  svijet. 

svinjäri  subst.  Schweinehirt,  serb.  svinjar. 

svinjco  subst.  Schweinestall,  serb.svinjac. 


svrsosar   vb.    beenden :   svrsosarddm  wir 
haben  beendet,  serb.  svr§iti. 

svuda  adv.  überall,  serb.  svuda. 


sah  subst.  Kohl. 

saj  adv.  können  :  ine  saj,  tu,  saj,  vov  saj ; 
amen  saj,  von  saj,  von  saj  ich  kann,  du 
kannst  usw. 

sareno  adi.  bunt,  serb.  saren. 

sarga  repa  subst.  Rübe,  eig.  gelbe  Rübe : 
magy.   sarga   gelb. 

seljd  subst.  Kleien,  pl.  and  e  seljd.  — 
Griech.   seU. 

serpenjdva  subst.  irdener  Dreifuss,  serb. 
serpinja,   tronoga,   magy.  serpeny,   serpenyö. 

seva  subst.  Lerche,  serb.  seva. 

siSiin  subst.  Hut :  bisisiresko  ohne  Hut, 
serb.  sesir. 

skripi.  vb.  knarren:  skrlpü  es  knarrt, 
serb.  ski'ipati. 

smijdko  subst.  Maus,  serb.  mis,  eig.  viel- 
leicht ein  adi.  Maus — ,  daher  für  misdko.  — 
Böhm.  misa. 

sogor  subst.  Schwager,  serb.  sogor. 

soro  subst.  Kopf. 

sösoi  subst.  Hase. 

suc  vb.  trocknen,  transit.:  sucü,  sucöl  er 
trocknet.  —  Griech.  sukiarava  trocknen, 
transit. ;  sukiovava  intransit.  sucü  ist  nach 
serb.  susiti  gebildet,  während  sucol  wahr- 
scheinlich siccatur  bedeutet. 

sddro  adi.  kühl,  kalt.   —  Griech.  sudrö. 

siikär  adi.   schön. 

sukljov  vb.  sauer  werden :  sukljol  er  wird 
sauer.   —  Griech.  sutlö,  sütliovava. 

suklö  adi.  sauer.   — ■  Griech.  sutlö. 

süko  adi.  trocken. 

T. 

tahtdi  subst.  Becher. 

tang  adi.    fein,    serb.    sitan.   —  Griech. 
I  tang  enge. 
!  tdto  adi.  warm. 

tavano  subst.  Boden,  serb.  tavan. 


32 


Franz  Miklosicu. 


tavd  vb.  flicssen :  tavdel  es  fliesst.  — 
Griecb.  tdvdava,  bölim.  thadövav:  aind.  dhäv. 

teldl  adv.   unten. 

telco  subst.  Kalb,  serb.   telac. 

tilciö  subst.  Kalb.  Vgl.  serb.  telac. 

tel4  adv.  unten. 

telo  subst.  Körper,  serb.  telo. 

tepsija  subst.  kupfernes  Becken,  serb. 
tepsija. 

ternipe  sixbst.  Jugend. 

terno  adi.  jung. 

thai,  the  coni.   und,  auch. 

the  s.  thai. 

thedra  adv.  morgen.  —  Griecli.  tachidra, 
taehdra. 

theni  subst.  Welt.  —  Griech.  ^em,  ungr. 
them^  bühm.  them. 

thodd  les  andrt^  serb.  nespretan,  nezgo- 
dan,  d.  i.  unbequem,  eig.  wohl:  er  hat  ihn 
hineingethan. 

t/iu  subst.  Rauch.  —  Griech.  tuv  Rauch- 
tabak, böhm.  thuv  Rauch. 

thud  subst.  Milch.  —  Griech.  tut,  böhm. 
thud. 

thulo  adi.   dick. 

tidri  subst.   Teller,  serb.   tanjir. 

tigdja  subst.   Pfanne,   serb.   tiganja. 

tomna  subst.  Herbst.   —  Rum.   tömna. 

tov  vb.  waschen :  tovdu  ich  wasche,  — 
Griech.  tovdva,  böhm.  thovav :  aind.  dhäv. 
—  Vgl.  tavd. 

tov  vb.  legen :  tovel  jag  er  macht  Feuer, 
serb.  naloziti.  —  Griech.  tuvdva^  bölmi. 
thovav  :  aind .  dhä. 

tovel  subst.   Axt.   —  Griech.   tover^  tovel. 

trajo  subst.  Thier,  serb.  zivotinja.  — 
Rumun.  traju  leben. 

trebi  vb.  säubern:  trehüpe^  serb.  trijebiti. 

tremo  subst.  Halle,  serb.  trijem.  —  Pol. 
tremos  Vorhaus  Narbutt  1<J4. 

trgövcu  subst.  Kaufmann,  serb.  trgovac. 

trinendji  swhst.Heugahel. — Vgl.  i^nn  drei. 

trom  vb.  wagen :  tr'omdu  ich  wage. —  Ungr. 
böhm.  tromav.,  skand.  trornma  wagen,  dürfen. 

trska  subst.   Rohr,   serb.   trska. 


tndj  vb.  nothwendig  sein:  trubi'd  es  Ist 
nothwendig,    serb.    trebati.    —   Rum.   trebul. 

trusül  subst.  Thurm.  —  Griech.  trnSül 
Kreuz,    böhm.  trusul. 

tu  pron.  du :  sg.  dat.  täce ;  sg.  instr.  tua 
mit  dir. 

ti'idum  subst.  Kiirhiss.  —  Griech.  dudi'im. 


cer    s.  cer  thun. 

cer  subst.  Haus:  cer4  zu  Hause,  nach 
Hause :  ^erS  avel  er  kömmt  nach  Hause,  öeral 
vom  Hause :  avdu  öeral  ich  komme  vom  Hause. 
and  0  cer.  —  Griecli.  AV/er,  ker.,  her.,  böhm.  kher. 

cerko  adi.  bitter.  —  Griech.  kerkö. 

cesdri  adi.   kaiserlich,   serb.   desar. 

ein  vb.  schütteln:  öinöl  er  schüttelt.  — 
Vgl.  i'umun.  ein:  cindim  pe  ils  se  secouent 
Vaillant  81.  cinosar  52. 

cirddo  partic.   gekocht.    —  Rum.    kirav 
buk.  kirjadü  bessar.,  pol.  karavas,  kierovo/ta     ■ 
Narbutt   156,   167. 

öirvo,  cirol  subst.  Gevatter:  e  6irve  ste- 
vanova  (für  stevanoa ,  stevanösa)  mit  dem 
Gevatter  Stephan.  —  Griech.  kirvö. 


U. 


ucdndi  subst.   Sieb.   —  Griech.   iisand 


va 


sie  Den. 


ucdrdo  subst.  üacli,  eig.  Gedecktes,  Zie- 
gel. —  Griech.  ucardva  decken,   buk.  usarav. 

ucaripi  subst.  Dach.  —  Vgl.  ucdrdo. 

iicipe  subst.   Höhe. 

üco  adi.   hoch.   —   Griech.  vucö. 

üdar,  vuddr  subst.  Thor:  o  nevo  vuddr 
das  neue  Thor. 

urj  vb.  fliegen:  uriäl  er  fliegt.  — Griech. 
urjdva. 

uzar  vb.  schälen :  uzarel^  serb.  guliti. 
Dunkel.  —  ^'gl-  etwa  rum.  uzo  (ujoj  weiss, 
reinlich  Vaillant  51.   65.   76.   132. 


V. 

vacar  vb.   reden:  vacarau  ich  rede,   va- 
carel  er  redet.  —  Griech.  vrakerdva,  vakerdva. 


\ 


Übeb  die  Mündarten  und  dik  Wanderungen  deii  Zigeuner  Europa's.  vi. 


33 


bölim.  vakerav,  pol.  rakir  Narbutt  155.  159, 
skand.  rakra,  rakla,  span.   araquerar. 

vaci  vb.  ächzen :  vacü  er  ächzet,  serb. 
jecati.  Dunkel. 

vadjal  ßede.   Dunkel. 

varesko  wird  durch  ,etwas'  übersetzt: 
man  erwartet  dafür  vare  so.  —  Buk.  vare  so. 

vas  subst.  Hand.   —   Griech.  vast. 

vedro  adi.  heiter :  vom  Himmel,  serb. 
vedro . 

venco  subst.  Kranz,   serb.   vjenac. 

ve7mo  adi.  treu,  serb.  vjeran. 

vi  coni.  auch. 

vicace  &di.  ernst,  serb.  ozbiljan,  eig.  wohl 
etwa :  und  wahrhaftig :  vi  cace. 

viljuska  subst.  Kinnlade,  serb.  vilica: 
viljuske  pl.  ist  die  Essgabel. 

visnja  subst.  Weichsel,  serb,  visnja. 

vladi  vb.  herrschen:  vladil  er  herrscht, 
serb.  vladati. 

v6rdo?i  subst.   AVagen. 

vörta  adi.  gerade,  serb.  pi-av.  — ■  Buk. 
ortha,   orta. 

vöstro  adi.    scharf,    spitzig,   serb.  ostar. 

vov  sg.,  von  pl.  er,  sie.  Die  casus  obliqui 
werden  von  lo  gebildet. 

vozi  vb.  fahren  trans. :  vozimdu^  serb. 
voziti.  Man  erwartet  etwa  vozm  mn. 

vrjdma  subst.  Zeit,  Wetter,  serb.  vrijeme. 

vrsi  vb.  Gretreide  austreten :  vrsü^  serb. 
vrsiti,  richtiger  vrijeci,   vrsem. 


vünato  adi.   grün,   blass.    —  Buk.  vmnt. 
vündji  subst.  Nagel,  vundje  Krallen.  — 
Buk.  n?igi. 

Z. 

zapovedi  vb.  befehlen:  zajyovedü  er  be- 
fiehlt, serb.  zapovjedati. 

zardli  adi.  saftig,  serb.  socan,  voden. 
Dunkel. 

zdrja  subst.  Wolle.  —  Griecli.  dzar 
Haar,  Faser,  dzarjalo  behaart,  ungi-.  dzär. 
zarda,  bohm.  dzar  Haar. 

zdrak  subst.  Weinlese.  —  Vgl-  etwa 
drak  Traube. 

zgrada  subst.  Gebäude,  Zaun,  serb. 
zgrada. 

zgrni  vb.  zusammenscharren :  zgrnü  ei- 
scharrt  zusammen,  serb.  sgrnutl. 

zid  vb.  mauern:  zidol  er  mauert,  serb. 
.zidati. 

ziddri  subst.  Maurer,  serb.  zidar. 

zido  subst.  Mauer,  serb.  zid. 

zlo  adj.  böse:  zlo  gldsurja,  serb.  zli  glasovi. 

zor  subst.  Gewalt. 

ziobiimi  subst.  Brustleibchen,  serb.  zubun. 

zuim  subst.  Suppe. 

zurdle  adv.  sehr. 

zurdlo  adi.  stark,  hart ;  subst.  Held. 

zvoni  vb.  läuten :  zvon'd  es  läutet,  serb. 
zvoniti. 

ianji  vb.  ernten :  zanjü  er  erntet ;  la- 
njüa  er  wird  ernten,   serb.   2eti,   zanjem. 


Numeralia  cardinalia. 

jek.  dui.   trin.  star.  pandj.   sou.  eftä.  ohto.   injii.  des.  desujek.  de§uduj   usw.  bis.  tranda. 
starvardes.  pandjvardes.  sovardes.  eftavärdes.  ohtovardes.  injavdrdes.  jeksel.  niilja. 

Numeralia  ordinalia. 

prvo.  düito.  trito.  starte,  pänsto.  softo.  eftäto.  injiito.  desto,   bisto.   trando.   stärvardesto. 
pandjvardeäto.  jekselto. 

Numeralia  adverbia. 
jenkhar.   düari.  trindrom.  Stardrom.  pandjdrom.  sovdrom.   bisdrom.  jekSeldrom. 


Denkschriften  der  pliil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd. 


34 


I'UANZ    MlKLUSlCll. 


2.   Nach  düii   von   Herrn   ¥.   Müllor  gosamiiultcu   Materialien. 


abcin    subst.   Stahl :  o  ahcln. 


ahdzin  subst.  Honiff 


ahdzin. 


ac  vb.  stehen,  bleiben:  acaii,  ich  bleibe; 
/"  acas  dass   du  stehest. 
adjes  adv.   heute. 
agali    subst,    Feuergewelu- :    e  agali.  —  ' 

Vgl.  jag- 

ajde  interi.  auf.  —  Buk.  liajda. 

akaija:  p  akaija  rig  auf  diese  Seite. 
—   Vgl.   griech.   akaring. 

ukana  adv.  jetzt. 

akarink  adv.  hieher.  —  Vgl.  akaija:  p' 
akaija  rig  auf  diese  Seite. 

akava  pron.  dieser:  sg.  gen.  ekaleski; 
pl.  ckala,  kale.  akalendzi,  kalendz.  —  Vgl. 
kava. 

ake  interi.  siehe :  ake  man,  serb.  eto 
mene. 

akhar  vb.  rufen  :  akharau  ich  rufe.  — 
Buk.   akhar. 

alau  subst.  Wort:  o  aJau.  —  Griech.  lav. 

amaro,  amaru  pron.   unser. 

amhrolin  subst.  Birne. 

amen  pron.  wir :  acc.  amen,  dat.  amendz. 

an  vb.  bringen :  an  bringe. 

and  praep.  in :  and  e  piri  in  dem  Topfe ; 
and  e  poski  in  die  Tasche;  dzau  and  o  der 
ich  gehe  in  das  Haus ;  and  e  lest  in  ihm 
(in  dem  Topfe). 

andral  adv.  von   innen. 

andre  adv.   darinnen. 

andre  subst.  Ei :  o  andre.  —  Griech. 
vandö. 

anglal  adv.  praep.  vorne,  vor :  maj  d 
anglal  dui  hrs  vor  zwei  Jahren. 

angle  praep.  vor:  angV  o  cer  vor  das 
Haus. 

angrustin  subst.   Fingerring. 

araci  adv.  gestern,  heute  Nacht,  serb. 
sinoc. 

arakh  vb.  hüten :  arakhau  ich  hüte, 
serb.  cuvati. 


aru  subst.   JMelil.   —   Giüech.   varö. 

a-s  vb.   lachen :   asal  er  laclit. 

a-stai-  vb.  ergreifen :  me  astarau  icli  er- 
gi'eife ;  te  astaras  dass  du  ergreifest;  astar  impt. 

asar  vb.  loben:  asaraa  ich  lobe;  asarel 
er  lobt.   —  Griech.   asardva. 

asnu  vb.  hören:  aSunes,  asunas  du  liörst. 
—  Griech.  sunäva. 

atoska  adv.  damahls.  —  Vgl.  buk.  aü'inc. 

av  vb.  kommen,  sein  :  praes.  sg.  avava, 
avasa,  avela.  pl.  avasa,  avena,  avena  ich 
werde  sein  usw. ;  i'  aves  sasto  dass  du  gesund 
seiest ;  me  avava  dikhlino  ich  werde  gesehen 
werden ;  n'el  d.  i.  n  avel  er  wird  nicht  sein ; 
ava  komme. 

nver  pron.  ein  anderer :  p'  aoer  than 
anderswo. 

avri  adv.   liinaus. 

avrijal   adv.   von   aussen. 

azucar  vb.  warten :  azucarel  er  wartet ; 
azucaren  ihr  wartet;  impt.  azucar;  praet. 
sg.  3.  ahicarda.  —  Bvdi.  azakar. 


haha  subst.  Grossmutter:  e  haha  sg.  acc. 

hakhrano  adi.  Schaf — :  hakhrano  mas 
Schaffleisch. 

hakhrico   subst.   Lamm :   u  hakhrico. 

bakhro  subst.  Schaf. 

hal  subst.   Haar:   e  hal. 

halikuno  adi.  Schwein — :  o  halikano 
vias  Schweinefleisch. 

halo  subst.   Schwein:  n  halo. 

haltajek    subst.    Sumpf.    —    Buk.   bdlta. 

halval  subst.  Wind. 

handziv  vb.  sich  bewegen :  handzivaa, 
serb.  gibam  se.  —  Buk.  bandov  sich  beugen. 

bar  subst.  Stein  :  o  bar.  —  Griech.  bar  m. 

bar  subst.  Garten.  —  Griech.  bäri,  pari  f. 

barikano  adi.  stolz. 

haro  adi.  gross :  hari  briga  grosser  Kum- 
mei-;  hoch;  weit:  o  drom  dur,  haro  der  Weg 
ist  weit. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi. 


35 


barvalo  adi.  reich :   pl.   harvale. 

has  vb.  bellen :  hasau  ich  belle. 

hasaldi  subst.  Flinte ,  aus  hasavdi,  etwa 
die  knallende. 

hasno  subst.  Hahn. 

hesno  adi.  wüthend:  hesno  dzucel  ein 
wüthender  Hund,  serb.  bijesan. 

hcs  vb.  sitzen,  sich  setzen:  hekiu  icli 
setze  mioli ;  tc  hchis  dass  du  sitzest. 

hiandilo,  serb.  rodio  se,  er  ward  ge- 
boren. —  Griech.  bidva  gebären:  hinsichtlich 
des  partic.  merke  man  bühm.  chasandlTom  von 
chosav  husten;  asandiTom  von  asav  lachen; 
prastandiTom  von  prastav  laufen ;  patandlTom 
von  patav  glauben.  Puchmayer  18.  Griech. 
ist  bidva  nur  im  pi-aes.  und  im  impt.  ge- 
bräuchlich. Paspati   179. 

Mein  vb.  verkaufen :  bicinas  du  ver- 
kaufst: bicin   verkaufe.  —    Griech.  bikndva. 

bico  subst.  Peitsche,  serb.   bic. 

bil  vb.  schmelzen  intrans. :  vosko  bilal 
das  ^  achs  schmilzt.  —  Griech.  Stamm 
bildva,  woher  das  partic.   bilmiö. 

birumni  subst.  Biene:  e  birumni.  — 
Griech.   bii.rU. 

bistar  vb.  vergessen :  bistardem  ich  habe 
vergessen. 

bogi:  bofji  b/ici  für  die  Arbeit,  vielleicht 
bog  i  buKi:  bog    steht  wohl    für    serb.   zbog. 

bokhalo^   bukkal  adi.  hungrig. 

bori  subst.   Schwiegertochter. 

branisar  vb.  vertheidigen :  bronisares 
du  vertheidigest. 

branisardov  vb.  sich  vertheidigen:  praet. 
branisalje. 

hriga  subst.  Sorge :  na  de  ma  briga 
mache  mir  keine  Sorge,  serb.  briga. 

hrs  subst.  Jahr :  o  brs.   —  Griech.  bers. 

hröSönd  subst.   Regen.  —  Griech.  brisin. 

buce  subst.  Leber  pl. :  e  buce,  sei'b. 
dzigerica.  —  Griech.  buko  Eingeweide. 

buchal  vb.  schicken:  5?4cÄaLschicke  impt. 
— •  Griech.   bicavdva. 

buci  subst.  Geschäft,  Arbeit.  —  Griech. 
bi(,ti,  putz,  bukf. 


bulo  adi.  breit.  —  Griech.  bugl/i. 

bus  subst.  Spiess  :   e  bus.  —  Griech.  hisL 

buth  adi.  viel:  ß  bfttlie  jjkiraimastar  von 
vielem  Gehen.  —  Griecli.  bnt. 

buzni  subst.   Ziege. 

buznjako  adi.  Ziegen — :  bvznjako  ma^ 
Ziegenfleiscli,  serb.  jaretina. 

buznu  subst.  Ziegenbock :  o  buznu. 


cnkno  adi.  klein:  cnkni  f.  —  Griech.  tiknö. 
cr,pelji    subst.  Schuhe,  serb.  cipele. 
czra  adv.   ein  wenig.  —  Buk.  ctra,  csrä. 


'  caco  adi.  walu*:  naj  htt  nijek  caco  ^  un- 
genau :   keiner  hat  reclit. 

ca7ig  subst.  Knie :  pl.  canga.  —  Griech. 
cang  Bein. 

car  subst.  Gi'as:   e  car. 

casu  subst.  Augenblick:  jVÄ:  caau,  serb.  cas. 

caur  subst.  Knabe,  Kind :  e  caur  dilc- 
die  Kinder  sind  unverständig. 

ce  pron.  was  für  ein  :  ce  fal  san  manios? 
was  für  ein  Mensch  bist  du? 

cei  subst.  Mädchen:  e  catliar  avel  rtim- 
nji  aus  dem  Mädchen  wird  ein  Weib. 

cel  vb.  tanzen :  celel  er  tanzt ;  na  gajci 
cel  tanze  nicht  so  viel.  —  Griech.  keldva 
spielen.    Vgl.  serb.  igrati. 

cen  subst.   Ohrgehänge.  —  Griecli.  t-em. 

cer  subst.  Haus :  o  cer.  —  Griech.  ker 
usw.    Vgl.   clter. 

cer  vb.  machen :  ceraii pherja  ich  scherze; 
cerel  er  macht;  cereZ  buci  er  arbeitet;  praet. 
cerdas.    —    Griech.  ko.rdva. 

cerajin  subst.  die  Sterne  als  nom. :  e  cera- 
jin.  —  Griech.   cerchdn. 

chaorn  subst.  Knabe:  e  choore(s)  sg.  acc. 
den  Knaben. 

eher  subst.  Haus:  o  eher.  —  Griecli. 
ker  usw.   Vgl.  cer. 

clion  subst.  Mond.  Vgl.  con. 

cJior  subst.  Bart :   e  chor.  —  Griech.  dzor. 


36 


Fkanz    Miklosicii. 


churl  subst.  Messer:  e  clmri. 
cib  subst.  Zunge,  Sprache :  e  cib. 
cid  vb.  sammeln:  ute  cldau  ich  sammle; 
llie  cidel  bnth  zor  damit  er  viel  Kraft  sammle. 

—  Ungr.    kedav,     russ.     te    zakades    Böht- 
lingk  262. 

cija  subst.  Schlüssel :  e  cija. 

r/n  vb.  kaufen:  chidem  ich  habe  ge- 
kauft.  —  (J  riech,   kinäva. 

ein-  vb.  schneiden,  hacken:  cinaii,  ich 
schneide;  te  cinas  dass  du  schneidest;  cinel 
er  schneidet.  —  Griech.  cindva. 

cino  s.  hicinu. 

ciral  subst.  Käse :  o  ciral.  —  Griech. 
keräl. 

cirav  vb.  kochen  trans.:  ciravel  er  ko,cht. 

—  Kumun.  kirjaää,  kirav. 

cirikli.  subst.  Vogel :  e  phak  e  cirikljac 
der  Flügel  des   Vogels. 

clru  pron.  dein.  —  Griech.  tinru. 

citisar  vb.  lesen:  citisarau  ich  lese,  serb. 
citati. 

CO  pron.  dein :  ce  sastimaski  in  deiner 
Gesundheit.   Vgl.  clru. 

cokan  subst.  Hammer,  serb.  ceki(:.  — 
Griech.  cokänos. 

con  subst.  Mond :    o  con.  Vgl.    cho7i. 

cor  vb.  giessen :  cor  pai  telat,  serb.  po- 
liti,  eig.  giesse  AVasser  hinab.  —  Griech. 
cordva. 

cor  vb.  stehlen :  te  coras  dass  du  stehlest. 

cucar  vb.  leeren :  cucaras,  serb.  isprazniti. 

—  Griech.  cioco. 

cit.ci  subst.  weibliche  Brust. 

cnd  vb.  werfen:  cudau  ich  werfe;  te 
cudas  dass  du  werfest.  —  Griech.  cülava 
ziehen,  ungr.  cidela  er  wird  werfen. 

cumid  vb.  küssen :  nie  cumidau,  cumido 
ich  küsse.   —  Griech.   cumidava. 

cundru  vb.  kneipen :  praet.  cundrudas, 
serb.  stipati.  —  Buk.  curund  mit  dem  Schna- 
bel hacken. 

curi  subst.  Messer:  rn.e  daii,  curjat^  ich 
steche;  te  das  curi  dass  du  abstechest. 


da  vb,  geben:  ^/e/ er  gibt;  Je,  dey'gib; 
praet.  sg.  diem^  dian,  dias  und  dia.  Redens- 
arten:  me  dau  canga  ich  knie;  dav  jag  ich 
zünde  an  ;  vie  dau  curjas  ich  steche ;  nie  dau, 
ma  roviaja  wohl :  ich  schwöre ;  das  svatu 
wir  reden,  serb.  divanimo. 

dah  subst.  Schlag.  —  Böhm.  dab.  Vgl. 
griech.   tap  in  tdpdava. 

dad  subst.  Vater:  sg.  acc.  e  dades;  sg. 
instr.   e  dadea  mit  dem   Vater. 

dale  coni.  ob  :  muiho  mandz,  dale  si  lache 
gajda  sage  mir,  ob  es  so  recht  ist,  serb.  dali. 

dand  subst.   Zahn. 

dar  vb.   fürchten :  daran  ich  fürchte. 

dei  subst.  Mutter:  sg.  acc.  e  tZa;  ce  dadi 
deiner  Mutter. 

del  subst.   Gott:   u  del;  sg.  instr.   devlea. 

detharia  adv.  morgen.  —  Griech.  ta- 
chiära,  tachära. 

devleski  adv.  vergeblich,  serb.  zalud. 
Dunkel. 

diklt,  vb.  sehen:  praes.  sg.  dikhau.  dices 
und  dikhas.  dicel:,  pl.  dikhas.i  dicen^  dichun : 
diese  Foi-m  ist  mir  dunkel ;  impt.  dik ;  praet. 
dikhlem\  praet.  pass.  seinas  dikldino,  senas 
dikhlino  usw.  . 

dil  adi.  imverständig :  dile  pl.  —  Griech. 
denilö,  dinilo,  dilinö. 

divljo  subst.  Unverstand.   Vgl.   dil. 

dobisar  vb.  erhalten,  bekommen:  dobi- 
sardem  ich    habe    bekommen,    serb.    dobiti. 

dosim  adv.  ausser:  7ii  cu  cumidau  nijecha, 
dosim  tut  ne  Ijubim  nikoju  do  tebe  ,  ich 
küsse  keine  ausser  dir,  serb.  osim,  do  osim. 

drakh  subst.   Traube. 

drmosar  vb.  schütteln :  e  ssl  drmosarel 
das  Fieber  schüttelt,  serb.  drmati. 

drom  subst.   Weg:    o  drom,  serb.   drum. 

dudum  subst.   Kürbiss. 

dwi  num.  zwei :  //  dul  beide. 

dukh  vb.  schmerzen:  dukha(l)  es  schmei'zt; 
dukhalm  d.  i.  dukhal  ma  es  schmerzt  mich; 
didcha  in:  tia  dukha  ma  verletze  mich  nicht 


I 


Ubee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  deb  Zigeuner  Europa's.  vi. 


37 


setzt  ein  transitives  dukhav  voraus.  —  Griecli. 
dukdva. 

dunio  subst.  Schulter:  o  dumo. 

dumud  adv.  lange.  Dunkel. 

dur  adi.  weit :  o  drum  dar,  haro  der 
Weg  ist  weit. 

durjov  vb.  sicli  entfernen:  durjau  aus 
durjovau  ich   entferne  naicli. 

duriigli  subst.  Fass:  e  durugli.  —  Buk. 
duridi. 

duvar  subst.  Mauer,  serb.   duvar. 

dza,  dja  vb.  gehen:  praes.  dzav,  dzau. 
djas,  dzasa.  dzal:  dzala  er  wird  gehen;  te 
dEas  lasst  uns  gehen;  impt.  £a. 

dzan  vb.  wissen :  dzanait  ich  weiss ; 
dzanes  du  weisst;  dzanel  er  weiss. 

dzelisar  vb.  wünschen:  dzelisarau  ich 
wünsche,  serb.  zeljeti. 

diene:  kala  dui  diene  ihrer  zwei  wohl: 
diese  beide.  —  Buk.  zeni  in  düj-zeni  beide. 

dzer  vb.  scheinen:  dlereli  te  ma7idze  es 
scheint  mir.  —  Vgl.  buk.  znrisar,  zäre. 

dzes  subst.  Tag,  Wetter:  o  dzes.  — 
Griech.  dives. 

dzilah,  djilah  vb.  singen,  spielen:  dzilahau 
and  e  hegeda  ich  spiele  die  (deutsche)  Geige ; 
diilabes ;  djilaheli  er  singt.  —  Griech.  gilid- 
hava. 

dzili  subst.  Lied.  —  Griech.  giU. 

dlin  vb.  zählen:  dzinau  ich  zähle.  — 
Griech.  gendva. 

dziracin:  e  dziracin  Abend  ist  eig.  dzi 
rat   bis  zum  Abend. 

dziv  subst.  Weizen:  o  dliv.  —  Griech. 
giv,  iv. 

dzivesko  adi.  Weizen — :  e  diivesko  aro 
Weizenmehl. 

dzov  subst.  Hafer:  e  dzov. 
dzungale  adv.  schlecht. 
dzungalipe  subst.  Unglück. 
dzungalo  adi.   schlecht.  —  Griech.  diun- 
gal6,  zungalo,  cungalo. 

dzungav  vb.  wachen  :  dSungavla  er  wacht. 
—  Griech.   dzangdva. 


E. 

e  coni.   und. 

eklau  vb.  ich  steige  empor,  serb.  popnem 
se.   —   Griech.   rdkllovava  herausgehen. 

ethara  adv.  des  Morgens.  —  Griech. 
tachidra,  tachdra. 

evend  subst.  Winter:  evende  im  Winter. 

—  Griech.  vent.  Vgl.   ivend. 

F. 

fal  subst.  Art:  ce  fal  qualis.  —  Buk. 
felo. 

falisar  vb.  loben:  mora  te  falisarau  tu 
ich  muss  dich  loben,  serb.  hvaliti. 

feder  adi.  besser :  maj  feder  besser.  — 
Ungr.,  böhm.  feder,  russ.  fedyr  Böhtlingk 
23,  266,  span.  feter. 

foru  subst.  Markt:  p'  o  foru  auf  den 
Markt.   —  Griech.  föros. 

freljastr  subst.  Fenster:  e  freljastr.  — 
Buk.  ferjdsta. 

ful  vb.  kämmen:  fidau  ich  kämme. 

G. 

gad  subst.  Hemd  :  jmrno  gad  ein  weisses 
Hemd. 

gadau  jji'on-  dieser:  gadau  por  diese 
Feder;  gadau  lil  dieses  Buch;  gadei  luludzi. 
pl.  gadal  pruvina  diese  Pflaumen. 

gadzu  subst.  Mensch. 

gaida,  gajda  adv.  so. 

galten  subst.  Gold :  o  galben,  eig.  das 
gelbe. 

galben  adi.  gelb,  blond. 

gandi    vb.    denken  :    gandis    du    denkst. 

—  Buk.  gsnd,i. 

garav  vb.  verbergen :  garavau  ich  ver- 
berge. —  Griech.  geravdva. 

gau  subst.  Dorf. 

glonco,  glonc  subst.  Kugel:  o  glonco, 
glonc.  —  ßumun.   gloncu. 

godi:  so  godi  was  immer,  serb.  sto  god. 

godoü  pron.  dieser:  godoü  gadhi  dieser 
Menscli.    godnva-^   gudei  f.     Im  Unterschiede 


38 


FuANZ      MlKLOSICIl. 


von  gadau  dieser  möchte  godau  eher  jener 
bedeuten.   Vgl.  giidau. 

godzaver  adi.  verständig.  —  Griech.  go- 
diaver. 

goja  subst.  Wurst :  e  goja  —  Griech.  g6i. 

goHO  subst.   Sack :   o  gonu. 

gras  subst.  Pferd :  sg.  acc.  pe  graste 
sein  Pferd. 

grmada  subst.  Haufe:  e  grmada.  — 
Rumun.  grömach. 

giulau  pron.  dieser:  sg.  obl.  gudole;  gu- 
dolater  daher.  Vgl.  godau. 

gioglo  m.  gugli  f.  adi.  süss. 

guru  subst.  Ochs. 

gurumni  subst.  Kuh. 

guruvano  adi.  Rind — :  guruvano  mas 
Rindfleisch. 

H. 

hajde  interi.   liommt.    Vgl.   ajde. 

hamurja  subst.  pl.  Geschirr  des  Wagen- 
pferdes :   serb   amovi  aus  haniovi. 

handuk  adi.  tief.  —  Verschieden  ist 
deutsch  handäko  Graben. 

haravli  subst.  Riemen :  o  haravli.  — 
Buk.  harai'il. 

hari  adi.  schwer ,  difiicilis  steht  für 
bhari  oder  pluiri:    cib  hari    lingua    difficilis. 

Äasa?' vb.  verlieren :  praet.  sg.  1.  hasar- 
dem^  2.  hasardan.  —  Buk.  chasar. 

hastisar  vb.  gähnen :  hastisarau  icli  gähne. 

hegeda  subst.  Geige:  e  hegeda,  serb.  he- 
gede,  egede. 

hegedaJw  adi.  Geigen — :  o  ijarko  hegedako 
Geigenbogen,  serb.   gudalo. 

hicino  adi.  müde:  trotz  sem  hicino  ich  bin 
müde,  richtig  wohl:  cino :  cino  müde  Vail- 
lant  54.  101,  griech.  ciniovava  müde  werden 
neben  khinö,  kinö. 

.  holba    subst.    Halbe :     holba    mol,    serb. 
holba. 

Ch. 

cha  vb.  essen,  beissen:  chau  ich  esse; 
te  chas  dass  du  essest;  chal  er  beisst,  isst; 
chanpes  sie  zanken  (beissen)  sich;  impt.  c/iaiss. 


chahe  subst.  Ess(Mi. 

cliamav  vb.  graben  :  chamavel  er  gräbt. 
Dunkel.  —  Vgl.  griech.  chandäva. 

chanamik  subst.  Freund :  sg.  acc.  chana- 
mikas.   Dunkel. 

charak  vb.  sich  hüten :  charak  hüte 
dich.   —   Vgl.  griech.   arakdva. 

charno  adi.  kurz.  —  Griech.  cAarao  nieder. 

chaukari :  na,  chaukari!  serb.  ne  moj, 
brate !  Dunkel. 

cliochav  vb.  lügen  :  praes.  sg.  chochavau, 
chodtaves,  chochavel.  pl.  chochavas,  chochaven, 
chochaven\  fut.  sg.  chochavava,  chochavea,  cho- 
chavela.  pl.  chochavas ,  chochavena  ,  chocha- 
vena.  impt.  chochav]  coniit.  sg.  chochavavas. 
chochavesas,  chochavelas.  pl.  chochavasas,  cho- 
chavenas,  chnrhavenas.  praet.  sg.  chochadem, 
chochadan,  chochadas.  pl.  chochadam,  chocha- 
den,  chochada. 

choli  subst.  Feindschaft,  serb.  pizma, 
eig.  Zorn. 

choljar  vb.  erzürnen:  na  choljar  vhö  er- 
zürne ]nich  nicht. 

choljardov:  na  choljau  te  mandi ,  serb. 
nemoj  se  Ijutiti  na  me,  zürne  mir  nicht.  In 
choljau  ist  eine  starke  Zusammenziehung  ein- 
getreten. 

chorachano  adi.  türkisch :  o  chorachano 
e  cib  die  türkische  Sprache,  wofür  man  e 
chorachani  cib  erwartet.  —  Griech.  chorachdi. 

chumer  subst.  Teig:  o  chumer.  —  Griech. 
chomer. 

chvar  vb.  durchlöchern :  chvarda  er 
durchlöcherte.  —  Griech.  chev  Loch,  chevia- 
räva  durchlöchern. 


i  coni.   auch.   —  Buk.   vi. 

icar  vb.  halten :  icarau  ich  halte.  — 
Buk.  nnksr. 

ijarko  subst.  Bogen :  o  ijarko  hegedako 
Geigenbogen,  serb.  gudalo.  —  Rumun.  arku. 

ikal  vb.  lierausziehen:  ikal  ziehe  heraus. 
— -  Gi'iech.  nikavdva  faire  sortir:  ikal  steht 
für  ikav. 


Über  die  Mundaeten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eueopa's.  vi. 


39 


iklau  vb.  herausgehen  :  t'  iklau  dass  ich 
herausgelie;  sg.  klaic,  kies,  kiel;  pl.  klas,  klen, 
klen.  —  Griech.  nikliovava.  Vgl.   eklau. 

indzar  vb.  tragen :  f  indzaras  dass  du 
tragest;  indiarel  er  trägt:  indzaras  ami,  serb. 
<^-emo  sc  odvesti.  Vgl.  ica?'. 

is  vb.  sein :  praes.  sg.  ssm  und  sein, 
san,  si.  pl.  smn  und  sam ,  san  und  sen,  si. 
impf.  sg.  samas  und  semas,  senas,  sas.  pl. 
samas,  senas,  sas.  nai  non  est;  naisen,  najsen 
non  estis.  sg.  semas  dikhlino,  senas  dikhlino 
usw.  pl.  samas  dlkhline,  senas  dikhline  usw. 
i)ian  si  ich  habe,  eig.  est  mihi;  tut  si  du 
hast;  les  si  er  hat;  si  la  galben  e  hal  sie  hat 
blondes  Haar,  naj  ma  kana  te  acau,  serb. 
nejiuam  kad  ostati,  ich  habe  keine  Zeit  zu 
bleiben. 

ivend  subst.  Winter:  o  ivend.  —  Griech. 
vent.   Vgl.  evend. 

izUci  vb.  heilen:  rana  nastik  te  izlicil 
die  ^^'^lnde  kann  nicht  heilen,  serb.  izlijeciti. 

J. 

jag,  eag  subst.  Feuer:   o  ijag. 

jagali  subst.  Brantwein :  e  jagali.  — 
Vgl.  jag. 

jakh  subst.  Auge  :  jakha  pl. 

jek  num.  ein:  sg.  acc.  jece(s) ;  sg.  abl. 
jecestar. 

jiln  subst.  Herz :  o  jilo.  —  Buk.  jilö. 

jiv  subst.  Schnee :  o  jiv.  —  Griech.  viv. 


kadali  pron.  kadali  rumjaci  dieser  Frau 
sg.  dat. 

kai  adv.  wo,  wohin,  welcher;  coni. 
dass,  denn.  Vgl.  kliai. 

kak  subst.  Ünkel :  e  kaces  sg.  acc. 

kalca  subst.  Hosen  :  e  kalca  —  Rumun. 
kdhci  Zu. 

kalo  adi.   schwarz :  kale  pl. 

kam  vb.  wollen:  kamel  er  will. 

kan  subst.   Ohr. 

kana  adv.   wann. 

kanalo  subst.  Schwein.   Dunkel. 


kand  vb.  gehorchen:  tlte  kandel  dass  er 
gehorche.  —  Ungr.  kanden,    böhm.   kandav. 

kandru  subst.  J)oi"n  :  o  kandrö.  — Griech. 
kanv('>. 

kanjako  adi.  Hühner — :  kanjako  mas 
Hühnerfleisch. 

kanzavur  aiihat.  Igel:  o  kanzavür .J)Mnk.Q\. 

kapa  subst.   Kotze :   e  kapa. 

karvaci  subst.  Mais.  Dunkel. 

kas  subst.  Holz :  e  kas. 

kastv.no  adi.   hölzern,   falscli :  kastruno. 

kasuko  adi.  taub.   —  Griech.    kasukö. 

katar  adv.  wolier,  von    da;   praep.  von. 

kate  adv.   hier.   —  Buk.  kathe. 

katipe  subst.  Gespinnst.  —  Buk.  kat 
spinnen. 

kava  pron.  dieser:  kaoa  manus  dieser 
Mensch ;  kala  duj  dzene  njih  dvojica.  —  Vgl. 
griech.  avakd. 

kavadzi  subst.  Gewand,  serb.  kavad. 

kazom,  kazzm  adv.  wie  viel :  kazom  dzes 
wie  viel  Tage. 

khai  coni.  weil;  ersetzt  das  pronomen 
relativuru.  Vgl.  kai. 

kham  subst.  Sonne :  o  kham. 

khandziri  subst.  Kirche :   e  kandziri. 

khas    subst.  Heu :   o  khas. 

khasar  vb.  verlieren :  khasardem  ich  ver- 
lor. —  Buk.  chasa7\ 

khos  vb.  abwischen,  serb.  izbrisati.  — 
Griech.  kosdva. 

kiml  subst.  Dreck:  o  kJnd.  —  Griech. 
kid,  kfid,  fid. 

kkur  subst.  Ferse.  —  Griech.  khur,  kur, 
kfur,  für. 

kikavja  subst.  pl.  Kessel.  Griech.  kakkavi. 

kisi  subst.  Beutel,  serb.  kesa.  —  Griech. 
kisi. 

klea  subst.  e  klea.  serb.  zrnje,  sto  zenske 
na  vratu  nose. 

kljastic  subst.  Zange :  o  kljastn.  Aus  dem 
bulg. :  serb.  klijesta. 

klapa  svibst.  Bank,  serb.  klupa. 

ko  pron.  wer:  sg.  acc.  kas;  dat.  kask, 
kaske. 


40 


FuANz  MncLOsirii. 


kocak  subst.   Knopf,   ,sorl).   dii^-mo.    Du» 
Wort   beruht  nicht   auf  einer  Ableituntr  von 


kolac,  gen.  koca. 

hochanno    adi.    lügenhaft.    Vgl.   chocliav. 

kokalü  subst.  Knochen:  o  kokalö. 

koleba  subst.  Hütte,  serb.   koliba. 

kolin  subst.  Brust. 

hdo  pronominaler  Stamm :  sg.  acc.  koles; 
auch  dat. :  kolez  dia  dah  er  gab  ihm  einen 
Schlag;  sg.  gen.  kolesko  sein  eius,  uni'ichtig: 
eorum ;  sg.  abl.  kolestar:  kulestar  jecestar 
hranisalje  er  vertheidigte  sich  gegen  jenen 
einen.  Vgl.  kova. 

kolomjjirja  subst.  pl.  Kartoffeln.  — 
Magy.  kolomper. 

komholacja  subst.  pl.  Kartoft'eln.  Dunkel. 

komsija  subst.  Bauer,  eig.  Naclibar :  o 
komHja,  serb.  komsija. 

kopac  subst.  Klotz :  o  kopac,  serb.  klada. 

—  Rumun.  kopac  Baum. 

kor  subst.  Hals:   e  kor. 

korkor  pron.  selbst  ipse :  korkor  e  vo  si 
er  ist  es  selbst. 

koro  adi.  blind,  serb.  corav. 

koroveco  subst.  Magenwurst  venter:  o 
koroveco^  serb.   kuljen.   Dunkel. 

kositar  subst.  Zinn,  serb.   kositer. 

kote  adv.  dort.  —  Buk.  kothe. 

kotor  subst.  Stück:  jek  kotor  papiri  ein 
Stück  Papier.  —  Griech.   kotor. 

koido  adi.    weich.   —  Griech.  kovlö. 

kova  pron.  dieser:  kovajek. 

kovaci  subst.  Schniied,  serb.  kovac. 

kovanica  subst.  Ambos :  c  kovanica,  serb. 
nakovanj. 

krafin  subst.  Nagel :  o  krafin.  —  Griech. 
kdrfia  pl.   wohl  für  kärfinja. 

krango  subst.  Zweig:  o  krango.  —  Biik. 
krjängt). 

krevetu  subst.  Bett,  serb.  krevet. 

kuc  adi.  theuer. 

kucor  subst.  Topf,  Ofenkachel:  e  kucor, 
serb.  loncic.  —  Bölim.  ktici.  deminutiv  kucori. 

kulunda  subst.  AVeihnachten:   e  kidunda. 

—  Bulg.  koladii  aus  griech.  if.rjXdvZai. 


k/wkii  subst.   Sonntas". 
kus   vb.    raufen :    kiisla    er   rauft,    serb. 
cupati.   —   Vgl.   griech.  k/tsdva  injurier. 

L. 

lace,  lache  adv.   gut   füi-  laces,    laches. 

laco,  lacho  adi.  gut:  lace  obl.;  laci  molf 
ist  der  Wein  gut?  laci  ci  rjnt  gute  Nacht, 
eig.  bona  tibi  (tua)  nox. 

ladja  subst.  Schiff:  e  ladja,  serb.  ladja. 

ladzau ,  ladiao  subst.  Scham :  ladzau 
mandz  ich  schäme  mich  pudor  niilii  (est). 
—  Griecli.   ladi,  lac. 

lakato  subst.  e  lakatoskl  Schlüssel — •.  — 
Magy.  lakat. 

lav  vb.  nehmen,  ergreifen :  lel  ma  i 
lindri  es  ergreift  mich  der  Schlaf;  savi  ja 
lesaf  welche  willst  du  nehmen?  ja  ist  mir 
dunkel. 

lü  subst.  Buch :  o  lil. 

lindri  subst.  Schlaf:  i  lindri.  —  Griech. 
lindr. 

livadjin  subst.  Wiese,  serb.  livada. 

Ijaso  subst.  Flechte :  e  Ijaso  e  vordoneski, 
serb.  Ijesice :  Ijaso  ist  bulg.  Ursprungs. 

lo  piTinoininaler  Stamm :  sg.  acc.  les,  le, 
li  ihn;  dat.  leske;  pl.  acc.  len;  dat.  lendz. 

loko  adi.  leicht. 

lolo  adi.  roth. 

Ion  subst.  Salz :  o  Ion. 

love  subst.  Geld :  e  love. 

hdudzi  subst.  Blume.   —  Griech.  hdudt. 

M. 

macka  subst.  Katze:  tumari  e  macka 
eure  Katze,  serb.  macka. 

magla  subst.  Wolke:  e  magla,  serb.  magla. 

maj  adv.  mehr :  maj  kuc  theurer ;  maj 
feder  besser ;  maj  d'  anglal  mehr  vorne  ; 
also:   hiaj  dik,  serb.  ve6  gledaj. 

mandro    pron.    mein.    —  Griech.  minrö. 

mandro,  mandru  subst.  Bi'ot:  o  mandru:, 
sar.   instr.   e  mandrea.  —  Griech.  manrö. 

mang  vb.  verlangen:  mandzes  du  ver- 
langst. 


f 
I 

f 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eukopa's.  vi. 


41 


manits  subst.  Mensch :  o  manus;  sg.  acc. 
niamise(s) ;  pl.   e  manusa. 

mar  vb.  schlag-en :  mardi  sie  schlugen. 

marime  adi.  fleissig :  marime  sem^  serb. 
mariti,  marljiv. 

mas  subst.  Fleiscli :  si  o  mas  ande  lest 
es  ist  Fleisch  in  ihm  (darinnen). 

mato  .adi.   trunken. 

me  pronom.  ich:  sg.  acc.  man,  ma;  auch 
dat.:  de  ma  gib  mir;  te  mandi  auf  mich; 
riiandze^  mandzi,  mandz,  te  mandzi\  mandar: 
si  tu  jek  plien  mandar?  hast  du  eine  Schwe- 
ster für  mich? 

mek  vb.  lassen:  mekait  ich  lasse;  mek 
ma  lasse  mich ;  praet.  meklem. 

memelji   subst.  Licht:    e  memelji. 

mer  vb.  sterben:  te  meren  dass  sie  sterben. 

meripe  subst.  Tod :  o  meripe. 

milai  subst.  Sommer :  o  milai  diesen 
Sommer.  —  Griech.  nildi. 

mismeri  subst.  Mittag:  o  mismeri. 

tnisk  vb.  bewegen :  misko  ma  ich  be- 
wege mich.  —  Buk.  misti. 

mistoru:  mal  m.istor?t  wird  durch  serb. 
dobar  dan  guten  Tag  übersetzt;  es  bedeutet: 
besser. 

mol  subst.  Wein :  e  mol. 

mora  es  ist  nothwendig :  me  mora  the 
phusart  ich  muss  fragen,   serb.   morati. 

morci  subst.  Haut :  e  morci.  —  Griech. 
niorti. 

mothav  vb.  sagen :  mothava  ich  werde 
sagen ;  te  motas  erzählen  wir ;  impt.  motho 
sage.   —  Rumun.   motao  A'aillant  51. 

mudar  vb.  tödten  :  mudarda  er  tödtete.  — 
'Buk.  mudar. 

mui  subst.  Mund :  me  thau  mid  ich 
schreie. 

viulo,  umul  adi.  todt:  umidi  mnndri  dei 
es  starb  meine  Mutter,  serb.  umrla. 

musar  vb.  beschädigen :  musarau  ich 
beschädige.  —  Buk.  musar. 

mustak  subst.  Knebelbart,  serb.  brk. 

mzndrova..  mnndri  f.  pronom.  mein:  möndri 
die  meinige;    obl.    msndre:   msndre    dadesko 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd. 


cer  meines  Vaters  Haus;  möudre  dade;  pl. 
msndre  dadn;  mnndre  dadendi;  msndre  daden; 
msndre    love    mein    Gold.   —    Griech.    minrö. 

N. 

na  adv.  nicht;  lat.  ne,  griech.  \vr^\  naj 
d.   i.   na  i  non   est. 

nadisard'ov  vb.  hoffen :  nadisavau  ich 
hoffe,  serb.  nadam  se:  nadisavaii  ist  aus 
nadisardovau  zusammengezogen. 

nai  subst.   Finger. 

nais  wird  durch  serb.  da  bog  da  über- 
setzt. —  Buk.   nais. 

najardov  vb.  sich  baden  :  te  naivas  dass 
wir  uns  baden,  aus  te  najardJovas :  das  Pas- 
sivum  dient    zum  Ausdrucke    des  Reflexivs. 

aak  subst.  Nase. 

nakliav  vb.  passieren  machen,  verschlin- 
gen: impt.  7iakha  //,  serb.  dobavi  ga,  lasse 
ihn  passieren.  —  Griech.  nakavdva. 

nastik:  nastik  dikhau  ich  kann  nicht 
sehen  ;  rana  nastik  te  izlicil  die  Wunde  kann 
nicht  heilen ;  o  tover  nastik  the  cinel  die  Axt 
kann  nicht  hauen. 

neho  subst.  Himmel,  serb.  nebo. 

nejako  adi.  schwach,  serb.  nejak. 

nepindzardo  adi.  unbekannt.  Vgl.  pindzar 
kennen. 

w^c^,  nie  adv.  nicht. 

nijek  proii.  keiner:  nicit,  cumidau  nijecho 
ich  küsse  keine. 

niko  pronom.  jemand :   sg.   acc.   nikas. 

njamcnjka  subst.  die  Deutsche. 


0  artikel  masc. ;  e  fem. :  o  kham  die 
Sonne ;  o  der  das  Haus ;  o  soro  der  Kopf ; 
e  macka  die  Katze. 

ohlako  subst.  Wolke :  pherdo  ohlakurja 
voll  Wolken,  serb.  oblak. 

okojarig  adv.  jenseit :  okojarig  o  pai 
jenseit  des  Wassers,  serb.  s  one  strane  vode; 
za  p'  okojarig,  serb.  idi  na  onu   stranu. 

okolo  pronominaler  Stamm :  okolesk;  pl. 
nom.   okola ;  dat.  okolendz.  Vgl.   okova. 


42 


Franz  Miklosioh. 
kot'6.  I 


vpre  ])    0  kas 


ukotar  lulv.   von   tlurt.    ^  gl.   Ijuk.   u 

okova  pron.  jener.   Vgl.  okulo. 
■    opre    adv.    liintuif,    oben 
liiniuif  auf  den  Baum. 

oprostiaar  vb.  verzeilien:  uprustisarau  iclx 
werde  ver/eilien,   serb.   oprostlti. 

orkar  vb.  ackern :  urisarel  er  ackert, 
serb.  orati,  urjem. 

otiuisar  vb.  rauben :  f  olDilmras^  serb. 
oteti,  otmem, 

ozenji  vb.  reflex.  heiraten:  kanaozenjijato? 
wann  wirst  du  lieiraten  ?  j-iclitig:  oSenji(s) 
ja  tu. 


jmi    subst.   Wasser:    o   pai.    —    Griecli. 
pam. 

ptala  praep.  Hinter:   dzau  pala  o  cer  ich 
gehe  hinter  das  Haus;  pala   hsti  ihm  nach. 

2)alc  adv.   dennoch. 

p)andro  subst.  Fuss  :  pandre  pl.  —  Griech. 
pinrö. 

jjapnn  subst.   Gans. 

papinako    adi.    Gänse — :   papinaku    mas 
Gänsefleisch. 

2)apiri  subst.   Papier. 

paramic  subst.  Erzählung.  —   Buk.  ^jo- 
ramici. 

jjarastui  subst.  Freitag.  —  Buk.  para- 
stuji. 

parav  ,vb.  spalten:  pai^avas.,  serb.  i'az- 
derati.  —  Griech.  p)aravdva,   buk.  pharav. 

pjarno  adi.  weiss:  drakh  ^^fwW  die Ti'aube 
ist  weiss. 

2)aS  subst.  Hälfte:  o  pas  u  cer  die  Hälfte 
des  Hauses.   —  Griech.  jekpas. 

jjasljiv  vb.  liegen  :  pasljivau  ich  liege ; 
pasljol  er  liegt ;  te  pasljivas  dass  du  liegest. 
—   Griech.  pdsliuvava. 

jxitisar  vb.  leiden,  sich  quälen:  patl- 
sara  mu  devleski  ich  plage  mich  vergeblich, 
serb.   patiti.    mu  ist  dunkel. 

patka  subst.  Ente,  serb.  patka. 
paikako  adi.  Enten  —  :  patkako  mas  Enten- 
fleisch. 


patradzi  subst.  Ostern.  —  Griech.  ^jö- 
trangi. 

jmtrin  subst.  Blatt :   e  patrm. 

pavosardjov  vb.  sich  erkälten :^auosaZ/efli 
ich  habe  mich  erkältet.  —  Griech.  paghosa- 
rava  erschlossen  aus  paglwsdUo  tar  kizä-^w^z. 

pe  praep.  auf,  \n:peles  aufihn;p'  u  khavt 
in  der  Sonne;  ^j'  u  vordun  auf  dem  Wagen; 
2)    0  foru  auf  dem  Markt.  —  Buk.  pe. 

pliah  vb.  brennen  intrans.  :  pjlMhol  es 
brennt.  —  Buk.  pjhahvv. 

pliahai  subst.  Apfel. 

2)hahaUn  subst.  Apfelbaum. 

2)hag  vb.  zerbrechen :  phadzel  er  zer- 
bricht; 2^hagla   pm    er  zerbrach   den  Topf. 

—  Griech.  pangdva. 

phak subst. Flügel:  ep)hak.  —  Griech.paA;. 

2ihal  subst.  Brett :  e  pihal.  —  Pol.  pchal 
Nai'butt  154,  russ.  2)c^i'^'-l  Böhtlingk  22. 

phaljov  vb.  verbrennen  neutr. :  phalilo 
pai'tic. 

phandado  partic.  eingesperrt.  —  Buk. 
2jhandav. 

2)handl2ye  subst.  Arrest. 

pjhdro  adi.  schwer. 

pjlien  subst.  Schwester. 

pherdo  adv.  voll :  ^9Äe?-(iü  slovurja  voll 
Buchstaben. 

2)herja  subst.  Scherz  :  cerau  pherja  ich 
scherze.   —  Deutsch  23ß'>jas. 

2)hir  vb.  gehen :  te  phires  dass  du  gehest. 

—  Buk.  ^jAer. 

pjhiraim-  subst.  das  Gehen:  plnraiiaastar 
vom  Gehen;  Besuch:  ce  phireimaski  über 
deinen  Besuch. 

pJiral  subst.  Bruder :  sg.  acc.  e  jj/H'a7es  ; 
voc.  plirala. 

2)hu  subst.  Erde :  e  ^jA?i. 

p)hurd  vb.  athmen,  wehen:  2^hurdes  du 
athmest;   phurdel   es    welit.    —    Bidc.  ^/hwy/. 

pjhuru  adi.  alt:   e  JJA^(?'^■  die  Alte. 

phus  vb.  fragen:  phusau  ich  frage; 
2:)]mses  du  fragst.  —  Buk.  p?/.s,  griech.  px- 
cdva. 

2)1    vb.   trinken:  tlic  pel  damit  er  trinke. 


Über  die  Mundartkn  und  die  Wanderungen  der  Zigedneu  Euuopa's.  vi. 


43 


phidSa?^ \'b. kennen: 2}indzari(s)  du  kennst. 

—  Griech.  pincUardva. 

pindzardo  adi.  bekannt,  partic. 

piperi  subst.  Pfeffer.  —  Buk.  kiper. 

pwi  subst,  Topf. 

pisom  subst.  Floh.   —  Griech.  pvsAm. 

pisot  subst.  Blasebalg:  o  pisof. 

po  pronominaler  Stamm,  reflexiv,  daher 
nur  in  den  casus  obliqni  vorkommend :  clial 
pes  wird  gegessen,  serb.  se  jede;  chan  pes 
sie  zanken  sich ;   vazda  pe(s)  er  erhob  sich. 

po  pronom,  sein  suus :  the  vazdel  po  tele 
ut  reficiat  suum  corpus. 

pocin  vb.  zahlen.  —  Buk.  iwtin. 

pocmisar  vb.  anfangen :  pocmisardan  du 
hast  angefangen,  serb.  poßeti,  pocmem. 

podkova  subst.  Hufeisen,  serb.  potkova. 

pochtan  subst.  Leinwand:   o  pochtan. 

pondro  subst.  Fuss  :  o  pond,ro.  —  Griech. 
pinro.   Vgl.  pandro. 

por  subst.  Feder:  cjadau por  diese  Feder. 

—  Buk.  pori. 

por  subst.  Magen :  e  pora.  —  Griech. 
por,  pol,  bor,  per. 

poski  subst.  Tasche:  e  poski.  —  Ungr. 
jjosifi,  potisi. 

posöm    subst.  Wolle.  —  Griech.   posöm. 

prasta  vb.  laufen:  prastae  sie  liefen 
wohl  für  prasfaTe.  —  Böhm,  prastav,  pi'aet. 
prastandiTom ;  buk.  prasta.,  praet.  prastajöm 
aus  prastaForn. 

pravaripe  subst.  Nahrung :    o  pravaripe. 

—  Griech.  parvardva  nähren. 

pravo  subst.  Recht :  kai  si  tu  pravo  dass 
du  recht  hast  quod  tibi  est  rectum,  serb. 
pravo. 

preja  adv.  sehr :  preja,  trusalo  selir  dui'- 
stig;  preja  si  tatipe  es  ist  eine  schreckliche 
Hitze.   —   Buk.  pre. 

prohojcu  subst.  Durchschlageisen,  sei'b. 
probojac. 

pruna  subst.  Pflaume.  —  liumun.  prunt. 

pi'uvina  subst.  pl.  Pflaumen.  Vgl.  pruna. 

pui  subst.  das  Junge,  serb.  pile.  — 
Buk.  puj. 


purano  adi.  alt:  pl.  purane:  purana 
pindzarde  alte  Bekannte  •,  purano  chanamik 
ein  alter  Freund  •,  pitrane  love ;  purani  e  mal. 

pur^vni.    subst.   Lauch. 

pusav  vb.  stechen :  mepusavau  ich  steche. 
—  Griech.  prtsavdvn. 

putr  vb.  öffnen :  putrau  ich  öffne.  — 
Griech.  putrdva. 

puzunjari  subst.  Tasche. —  Rumun.  pozi- 
narjü. 

R. 

radrcji  vb.  reflex.  sich  freuen:  raduj  riia 
ich  freue  mich,  serb.  radovati  se,  radu- 
jem  se. 

rafo  subst.  Wandleiste:  o  rafo.,  serb.  raf. 

raj  subst.  Herr :  sg.  voc.  raja. 

ram  vb.  schreiben:  sa  ramol  pef  wie 
wird  geschrieben  d.  i.  sar  ramol  jk? 
Vgl.  ramosar.  —  Vgl.  buk.  kraut. :  von  dine 
kram  sie  schrieben  auf,  griech.  Ypd[j,jj,a. 

ramosar  vb.  schreiben:  ramosaran  ich 
werde  schreiben ;  ramosaras.  Vgl.  rnm,. 

ran  adv.  früh,  serb.  rano. 

rana  subst.  Wunde,  serb.  rana. 

rand  vb.  rasieren  :  randel  er  rasiert  sich 
für  randel  pe.  —  Rumun.  randao  rasieren, 
unarr.  randel  kratzen,  skand.  randra  schi'ei- 
ben,   span.  randar  schreiben. 

ranime  adi.  verwundet. 

rat  subst.  Blut :  o  rat. 

razumisar  vb.  verstehen :  razurnüarau 
tuce,  ich  verstehe  dich,  serb.  razumjeti. 

rin  subst.   Holzfeile:    o   rln.  —  Griech. 

rin  ptv/j. 

rjat  subst.  Nacht:  e  rjat  des  Nachts; 
laci  ci  rjat  gute  Nacht. 

ivxl  vb.  suchen:  rodau  ich  suche;  te 
rodas  dass  du  suchest. 

roji  subst.  Löffel :  e  roji. 

rom  subst.  Zigeuner. 

romaja  subst.  nie  da  ma  romnja.,  sei'b. 
zaklinjem  beschwöre,  eig.  schwöre. —  Griech. 
armdn.,  armanjd  Fluch. 

romani   adv.  zigeunerisch,    für  roman^s. 


44 


FüANZ    MlKI,(iSU-|l 


romnjij  rumnji  subst.  Weib,  Zigomierinn: 
sg.  abl.  rumnjathar:  e  rumnjatlia(r)  (avel)  e 
phuri  aus  dem  Weibe  wird  das  alte  Weib; 
dat.  rumjaci-^  pl.  e  romnja. 

rata  subst.  Ead :  e  rota  vordoneski 
Wagenrad. 

rov  vb.   weinen :  rovau  ich  weine. 

rovlji  subst.  »Stab:  e  rovli.  —  Griech. 
ruvU. 

ru  subst.   Wolf:    u  ru.    —    Griech.  ruv. 

rup  subst.  Silber:  e  rupestar :  o  galben 
maj  kuc  e  rupestar  Gold  (das  Gold)  ist  theurer 
als  Silber  (das  Silber). 

rupuno  adi.   silbern :    riipimi. 

7'snza   subst.  Magen.  —  ßumun.  rabnzü. 


S. 


alles :    sa    si    aniaru    alles   ist 


sinija,  sinji  subst.  Tisch  :  e  shiija,  e  sinji 


sa    prun 
unser. 

sadisar  vb.    pflanzen :    sadisarda    er 
gepflanzt,   serb.   saditi. 

salivarja    subst.  pl.    Zaum.    —    Griech. 
sulivdri. 

sano  adi.  dünn. 

sap  subst.  Schlange :   o  sap. 

sar^  sarkai  adv.  wie. 

sara    adv.     ein     wenig :     sara    p)ai.     — 
Vgl.   cöra. 

sastim-  subst.  Gesundheit:  ce  sastimaski 
in  deiner  Gesundheit. 

sastipe  subst.    Gesundheit:  o  sastipe. 

sasto  m.  sasti  f.  adi.   gesund:  t'  aves  sasto 
dass  du  gesund  seiest. 

sastri  subst.  Eisen:  o  sastri;  pl.  Fesseln: 
e  cija  e  sastrendz  der  Schlüssel  zu  den  Fesseln. 

sastruno  adi.  eisern. 

savato    subst.  Samstag.  —  Buk.   sävato. 

savo^  sau  pronom.  was  für  ein :  savi  ja 
lesaf  welche  wirst  du  (zum  Weibe)  nehmen? 

sicija  subst.   Lehre.   —    Vgl.  griech.  67- 
kdva  zeigen,  lehren. 

sign  adv.  schnell,  bald. 

m  vb.   säen 
sijati. 


serb.   sinija. 

sjai  vb.  sclieinon  :  sjail  es  scheint,  serb. 
sjati. 

skrba  subst.  das  Ekelhafte,  serb.  gadno. 
—   Vgl.   etwa  serb.  skrb  Kuniinci'. 

slovu  subst.  Buchstabe:  slovurja  pl., 
serb.  slovo. 

so  pron.   was :  sostar  warum. 

sosten  subst.  Unterziehhose.  —  Griech. 
sosten. 

sov  vb.  schlafen:  sovau,  sovo  ich  schlafe; 
Sovel  er  schläft;  sovavas  ich  möchte  schlafen. 

srem  subst.  Sirmien :  o  Srerii^  serb. 
Srijem. 

stöiig  adi.  link:  o  fitoiig  pöudro  Her  \in\.e 
Fuss.  —  Buk.  stßngo. 

suv  subst.  Nadel :  e  suv. 

svako   pronom.  jeder:    svako    rem  jeder 

.     ,  :  Zigeuner ;    vacares    dhmgale    svakoneske    du 

sprichst  von  Jedermann  schlecht,  serb.  svaki. 

svasto  pronom.  allerhand :  svastonestar : 
das  svatu  svastonestar  wir  spreclien  von  allei*- 
hand,  serb.  svasto. 

svatu  subst.  Gespräch :  das  svatu  wii- 
sprechen,  serb.  divanimo  se,  asl.  s'Bvet'B  Ratli. 

svrssar  vb.  vollenden :  the  svrssares  du 
musst  vollenden,  serb.  svrsiti:  hessev  svrsisar. 


te  siil  dass  er   säe,    serb. 


S. 

sai  adv.   te  sai  wenn  du  kannst. 

serand  subst.  Kissen :  o  serand. 

simijako  subst.  Maus.  —  Vgl.  griech 
misdkos. 

skodisar  vb.  schaden :  skodisarela  es  wird 
schaden,  serb.  skoditi. 

solo  subst.  Strick :  o  solo.  —  Griech.  sel6. 

soro  subst.  Kopf:  o  soro.  —  Grieclj.  serö. 

sosoi  subst.  Hase :  o  sosui. 

sucar  vb.  trocknen:  sucarau  ich  trockne; 
sucaras. 

sudro  adi.  kalt:  sudri  balval  ein  kalter 
Wind.    —   Griech.  sudro,    sudru.   sldrö,   sitrö. 

sukar  adi.  adv.  schön,  rein. 

suko  adi.  trocken. 


ÜßEii  DIE  Mundarten  und  die  Wandekungen  der  Zigeunku  Europa-s.  vi. 


45 


ssl  subst.   Kälte,    Fieber:    e  sül;   c  bare 

sdlestar    von    grosser   Kälte.   —  Griech.    süa 

Kälte. 

T. 

ta  conj.   und,   serb.  pa. 

tachtai  subst.  Becher :  o  tachtai. 

tai  coni.   und. 

tar  adv.  dzav  tar.  —  Buk.  tar. 

tasav  vb.  erdrosseln :  tasavau  ich  er- 
drossele. —  Griech.  tasäva. 

tatipe  subst.  Wärme:  milai  avela  tatipe 
der  Sommer  wird  warm  werden,  richtig: 
im  Sommer  wird  es  warm  werden. 

tativ  vb.  sich  wärmen :  te  tativau  dass 
ich  mich  wärme.  —  Griech.  tätiuvava  Pa- 
spati 10(J. 

tato  adi.   warm. 

tatradj  subst.  Mittwoch.  —  ßum.  tetrddi. 

te  coni.  und;  dass,  wenn:  darau^  te  usw.; 
praep.  te  mandze;  an  te  mandzi  gib  mir. 

tel  praep.  unter:  tel  e  sinija  unter  dem 
Tische. 

telat  adv.  cor  pal  telat  etwa :  giesse 
Wasser  hinunter. 

tele  subst.  Kalb :  o  tele,  serb.  telac. 

telecak  adi.  nieder.   Vgl.  tel. 

temnica  subst.  Kerker,  aus  dem  bulg., 
serb.  tamnica. 

ternu  adi.  jung. 

thai  coni.  und. 

than  subst.  Ort :  p  aver  than  anderswo  ; 
aruV  0  lacho  than.   —  Griech.  tan. 

thau  vb.  me  tliau  mui  ich  schreie.  Dunkel. 

thavdi  subst.  Brantwein:  e  thavdl.  — 
Griech.  tavdö  von  taväva  sieden,  kochen. 

the  coni.  damit :  trubul  the  tliovel  man 
muss  legen;  o  manus  cerel  buci,  the  zaslvzil 
der  Mensch  arbeitet,  damit  er  verdiene. 

theara  adv.  morgen.  —  Griech.  tachiära, 
tachdra. 

them  subst.  Volk,  Leute,  serb.  svijet. 
—   Griech,  tem. 

thov  vb.  legen:  thovel:  trubul  the  thovel 
jag^  serb.  treba  loziti  vatru,  man  muss  Feuer 
anmachen;   impt.  thov,  tho ;  praet.  thodas. 


thud  subst.  Milch :  o  thud.  —  Griech.  tut. 

thulo  adi.  fett,  dick.   —  Griech.  tulo. 

thuvali  subst.  Pfeife.  —  Griech.  tuv 
Tabak. 

tijari  subst.  Teller :   o  tijari,  serb.  tanjir. 

tomna  subst.  Herbst:  e  tomna.  —  ßumun. 
toamns. 

tover  subst.  Axt :  o  tover. 

trad  vb.  jagen:  tradau  ich  jage;  trades 
du  jagst;  praet.  tradan.  —  Griech.  trddava. 

tricbul  vb.  es  ist  nothwendig,  serb.  treba. 

—  Buk.   trebu. 

truja(l)  praep.  um,  herum :  truja.(l)  leste 
oko  njega.  —  Ungr.  trujal,  deutsch  trujall, 
trujuni:  vgl.  pol.  trnhit  Narbutt   160. 

trusalo  adi.  durstig. 

tzi  pronom.  du:  sg.  acc.  tut,  tu;  dat.  tuce 
dir ;  ttite   bei  dir. 

ttimaro  pronom.  euer :  tumari  emacka  eure 
Katze,  wohl :  die  Katze  ist  euer. 

turnen  pronom.  ihr:  dat.  tiomendz. 

tunjariku  adi,  dunkel.  —  Buk.  tuneriko. 

tup  adi,  stumpf,  serb,  tup, 

U. 

udzUo  adi.  schuldig:  kazüin  sem  udzüe 
tuce?  wie  viel  bin  ich  dir  schuldig?  — 
Böhm,   uzlö,  skand.  usla. 

umal  subst.  Feld :  e  umal.  —  Buk.  mal. 

umblado  adi.  hangend,  partic.  —  Griech, 
iimblavdo. 

umblav  vb,  hängen :  umhla  ma  hänge 
mich,  —  Griech.  umblaväva. 

ungurica  subst.  Ungerinn. 

usthi  vb.  aufstehen :  usthes  du  stehst 
auf.   —  Griech.   ustidva,  buk.  tcsti. 

utorku  subst.  Dienstag,  serb.  utorak, 
sonst  triti,  kedo. 

uzinisar  vb.  mittagmahlen  :  me  uzinisaraio 
ich   werde  mittagmahlen,   serb.   uzinati. 

V. 

vacar  vb.  sprechen,  plappern :  vacarau 
ich  spreche ;  vacares  du  sprichst ;  vacar  sprich, 

—  Griech.  vrakeräva. 


46 


FbANZ    MlKLOSlCIl. 


vas  subst.  ILinil:  o  vas. 


zadovoljno    adi.    /ulVuvlon 


sevi). 


zado- 


vazcl  vb,    erheben,  stärken:   vazdan  ich  i  voljan. 
erhebe;    the    vozdel  po    felo  damit  er  seinen  '  zaloga    subst.    ein    wenig:    zalo[/a    svatu 

Körper    kräftige    da    okrijepi ;    vazda  pe  er  i  ein    wenig   Gespräch,    serb.    zalogaj    Bissen, 
erhob  sicli.  —  Buk.    vazd^    griech.    Idzdava. 

vi  coni.  auch  :   a  v    o  pai  aber  auch  das 
Wasser,  serb.  a  i  voda.   —  Buk.  vi. 

vo  pronom.   er :  pl.  von. 

vordon  subst.  Wao-en :  e  rofa  vurdoneski 
Wagenrad. 

vosko  subst.  Wachs,  serb.  vosak. 

vos  subst.  Wald,  Berg :  o  vos. 

vidio  subst.  Sperber:   o  vulio,  serb.  ko- 
bac.  Dunkel. 

vunat  adi.  blau.  —   Buk.  vinötu.. 

vimdic   subst.  Angel,     serb.    udica,   asl. 
adica,  rumun.  luidicB. 

vundza    subst.    Nagel :     e    vundza.    — 
Buk.   nngi. 


Ungr.  zalog  wenig,  zalogeder  weniger  und 
sogar  zalijie  Wenigkeit. 

zaslidi  vb.  verdienen :  zasluzil  er  ver- 
dient, serb.  zasluziti.  Vgl.  zasluzisar. 

zasluzisar  vb.  verdienen :  zasluziaardem- 
ich  habe  verdient.   Vgl.  zasluzi. 

zehn  adi.  grün.   —  Buk.  zelino. 

zraku  subst.  Luft.  Vgl.  nsl.  zrak  Luft, 
dagegen  serb.  zrak  Sonnenstrahl. 

zuvii  subst.   Suppe:   e  zumi. 

ztiralo  adi.  stark;  hart:  vom  Bette. 

Z. 

Uvisar  vb.  geniessen :  turnen  zivisaren 
ihr  geniesset,  serb.  zivjeti  leben. 

zucel  suh&i.  Hund  :  o  zucel.  —  Grriech.  cukü. 

Sdla  subst.  Wurzel :  e  zsUa.  Dunkel. 

srma  subst.  Spulwurm:  e  arma.  —  Rumvm. 
rtniTi  Regenwurm. 


zahavi  vb.   unterhalten:    zahavil  ma    er 
unterhält  mich,  serb.  zabaviti. 

Numeralia  eardinalia: 

jek.    dni.    trin.    Mar.  pandL   sov.    efta.   ochto.   inja.    des.    desujek.    desiidibji.    bis.  tranda 
starvardes.  pandzvardes.  sovardes.  eftavardes.  ochtovardes.  injavardes.  jek  sei.  dui  sela. 


III. 


Vocabularien  der  Mundart  der  Zigeuner  in  Serbien. 

1.   Nach  den  von  Herrn  St.  Novakovic  gesammelten  Materialien. 


TSTach  den  Bcobaclitmigen  des  Herrn  Novakovic  sind  3  und  e  Nasale;  allein  die  Versehnielzung:  von  a  und  e  mit  n  ist  nicht  so 
vollständig,  dass  sich  beide  Laute  nicht  unterscheiden  Hessen:  in  pa6  ist  die  Verschmelzung  vollkommener  als  in  ivld,  dessen- 
ungeachtet wäre  die  Schreibung  ivend  der  Aussprache  minder  adaequat.  Auslautendes  w  stellt  einen  Laut  dar,  der  wie  das  eng- 
lische 10  zwischen  u  und  v  liegt,  c  und  dj  lauten  wie  im  serbischen,  doch  mit  einer  Annäherung  an  k  und  g:  wo  sich  dj  dem  g 
fühlbar  nähert, 
merklicher  Hinneigung 

hat  die  accentuirte  Silbe  so  bezeichnet,  dass  dabei  auch  die  Quantität  der  Silbe  ersichtlich  gemacht  wird;  es  ergibt  sich  daraus, 

dass   die   serbischen    Zigeunci-,   vielleiclit   auch   andere,    viele  kurze  Silben   ganz   kurz    sprechen,    daher  dikhav,   di6S»,    dsams   usw- 

Ich  liabe  für  diessmal  nur  die  betonte  Silbe  bezeichnet,  ohne  auf  die  Quantität  Rücksicht  zu  nehmen. 


I  zwiscnen  n  una  v  iiegi.    c  unu  a,j  ihulcu   wie  im  »ciuib^ik  n,   i*i....i.    ^.i..  v,.w^-.   ^- ^  —    -    -       ^ 

lähert,  steht  g.  Neben  dem  deutschen  ch  besteht  kh,  d.  i.  aspirirtes  k.  -b  ist  der  unbestimmte  Vocal;  o  ist  derselbe  Laut  mit 
ler  Hinneio-nng  zu  o.  i.  ist  ein  unvollkommenes  i.  dz  nähert  sich  manchmal  den  d/,  ohne  dieses  zu  erreichen.   Herr  Novakovic 


A. 

abjdw  subst.  Hochzeit.  —  Griech.   bidv. 

adjivisstno  adi.  heutig.  —  Griech.  av- 
dives  heute ,  und  davon  *  avdivesutnö  wie 
anglalutno  der  vordere   von  ariglal;    ratfutnö, 


arattutnö  nächtlich  von  ratti  usw.  Vgl.  Ab- 
handlung II,  S.   2L 

aUv  subst.  Name:  sav  si  Usko  aUvf 
welches  ist  sein  Name?  —  Griech.  lav. 

amdro  pronom.  imser. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eoropa's.  vi. 


47 


ame  pronom.   wir.  —  Griech.   amen. 

angdr  subst.   Kohle. 

ängl'mo  adi.  erster,  eig.  vorderer.  ■ — 
Griech.  anglunö,  anglalimö,  anglalutnö. 

apcin  subst.  Stahl. 

arcici  subst.  Zinn.  —  Griech.  arcici 
arMci^  ar^tici. 

av  vb.  kommen :  mer  viljsm  wir  sind 
gekommen :  mer  aus  men,  amen. 

avghi  subst.  Honig. 

avri  adv.  draussen. 

B. 

bakri  subst.  Schaf. 

bakril  subst,  Lamm. 

hal  subst.  Haar. 

bar  subst.   Stein. 

bäro  adi.  gross,  hoch :  bdro  plai  ein 
hoher  Berg. 

harvalo  adi.  reich. 

basalcl  vb.  ermusiciert:  richtiger  6aia- 
vel.  —  Griech.  basavdva  faire  erier,  faire 
jouer  (richtig  wohl  jouer)  sur  des  Instru- 
ments de  nuisique  Paspati  165. 

birövli  subst.    Biene.    —    Griech.    burU. 

hukosko  adi.  Buchen — :  biikusko  kas 
Buchenholz. 

hüku  subst.  Buche,  serb.  bukva. 

bttci  subst.  Arbeit:  cera  ft^^ci  ich  arbeite, 
eig.  ich  verrichte,  thue  eine  Arbeit :  kac 
pre  buci,  serb.  vi  cete  raditi,  ihr  werdet 
arbeiten,  ist  mir  dunkel.  —  Griech.  huti. 

buzni  subst.  Ziege. 

buznö  subst.  Ziegenbock;  cshio  buzno 
Böcklein. 


ceram  subst.  Stern.  —  Griech.  cerchdn. 

crcl  vb.  ziehen  :  crdäv  drum  sich  auf  den 
Weg  begeben,  serb.  po6i  na  put.  —  Buk. 
csrd:  hinsichtlich  der  Bedeutung  vgl.  bulg. 
tribgM.  und  deutsch  ziehen, 

cshnö  adi.  klein.  —  Griech.  tiknö. 


C. 

cdma  subst.  Wange.  —  Griech.  cam. 

caur'ö  subst.    Kind :    canr^  bar  Bursche, 

cej  subst.  Zigeunermädchen, 

cero  subst.  Zerreiche,  serb.  cer. 

clb  subst.  Zunge. 

cikdt  subst.   Stirn. 

ein  vb.   schneiden :    cindv    ich  schneide. 

con  subst.  Monat,  Mond :  hi  (für  .n)  col 
(für  con)  avri  es  ist  Mondschein,  eig.  der 
Mond  ist  heraus. 

cor  subst.   Bart.  —   Griech.   dzör. 

coro  adi.   arm. 

D. 

dand  subst.  Zahn. 

del,  0  del  subst.  Gott. 

detdril  adv.  morgen.  —  Vgl.  griech. 
tachidra^  tachdra. 

devlesko  adi.  göttlich. 

devojka  subst.  serbisches  Mädchen. 

dikh  vb.  sehen:  dikhdv  ich  sehe;  dices 
du  siehst ;  diklem  ich  sah ;  diklem  simo  ich 
träumte,  wörtlich:  ich  sah  einen  Traum,  ein 
Traumgesicht. 

dil6  adi.  thöricht.  —  Griech.  denilö. 

djives:  gives  subst.  Tag.  —  Griech.]  dives. 

drak  subst.  Traube. 

drom,  drtim  subst.  Weg,  serb.  drum. 

dia  vb.  gehen:  dzav  ich  gehe;  diavd 
ich  werde  gelien ;  gelem,  djelem  ich  ging :  jelem 
drom  ich  reisete. 

dza7i  vb.  wissen:  dzand  ich  weiss;  dianes 
du  weisst;  dianglem,,  djamlem  ich  wusste.  — 
Griech.  dzandva,  partic.  dzanlo. 

dzuli  subst.  Weib.  —  Griech.  dziivel. 

F.       ■ 

fön,  foru  subst.  Stadt.  —  (jriech.  föros. 

G. 

gaiü  subst.  iJorf. 
gelem  s.  dza. 

(jilab  vb.  singen :  gilabsdem  ich  habe  ge- 
sungen. —  Griech.  gilidbava,  partic.  gilidbilo. 


48 


Franz  MiKLOsinr. 


gimija  subst.  Schiff,  serb.   (IJciuIja. 

godjaver    adi.   verständig. 

^oc?yY subst.  Verstand.  —  Gri'iech.  gocH,  goti. 

grad  subst.  Festung,  serb.  grad. 

gras  subst.   Pferd. 

grdsni  subst.  Stute. 

guriimi  subst.  Kuh. 

guriiv  subst.   Oclis. 

Ch. 

chasti  vb.  gähnen:  chastiv  ich  gähne; 
soshe  (so'ske,  vgl.  Paspati  74)  chastiz?  serb. 
§to   ste  zevali?   elg.   warum   gähnst  du? 


indjer  vb.  tragen :  indjerdv  ich.  trage. 
—  Buk.   önkü)-. 

is  vb.  sein :  praes.  me  se.  tu  sä.  vov  si, 
hi;  ame  ssm.  turne  ssm.  von  si.  impf.  sema. 
sdns  und  sdna.  sas ;  sdm5.  sena.  sena. 

ived^  ivend  subst.  Winter. 

ivedesko  adi.  AVinter — :  ivedesko  con 
Wintermonat. 

J. 

jag  subst.  Feuer. 

jakd  subst.  pl.    Augen. 

jelem  s.  dza. 

K. 

kaj  adv.  wo. 

kojni   subst.  Henne. 

kam  subst.  Sonne. 

kan  subst.   Ohren. 

kandjfri  subst.   Kirche. 

kas  subst.  Heu. 

kas  subst.   Baum. 

kastüno  adi.   hölzern. 

kat  vb.   spinnen :  kdtav  ich  spinne. 

kharkumd  subst.  Kupfer.  —  Griech.  chär- 
ko'ma  batterie  de  cuisine,  griech.  ydXxfojxa, 
•/'j.rjf.in]i.rj_  Kupfer. 

kir6  prononi.   dein.   —  Griech.  tinrö. 
kisäj  subst.  Sand.  —  Rumun.  kisdj,  bessar. 
ttsaj.   Vgl.   griech.  pisdva  male. 

kocfje  subst.  Bferdewagen,  serb.  kocije. 


koj  subst.  Unsclilitt.  —  Rumun.  koj  Fett 
Vaillant  113. 

kojdci  adi.  Unschlitt — . 

krdngo    subst.    Zweig.    —  Buk.  krjdngü. 

kuv  vb.   flechten  :  kuvdv  ich  flechte. 

kskdvi  subst.  Kessel.  — •  Griech.  kakkdvi. 
kakkavi. 


L. 


Iac6r    adi.  gut. 


—  Griech.    nildi. 
Pol.    vudiva  Nar- 


le-^ko  sein  eins :  lesko  aUv  sein  Name : 
Stamm  lo. 

Hl  subst.  Buch,  Papier,  Schrift. 

M. 

manus  subst.  Mensch. 

me  pron.   ich. 

memeli  subst.  Kei-ze. 

mile    subst.    Sommer 

mal  subst.  Wein. 

moKv    subst.  Blei.  - 
butt  160,  skand.  mollavis  Zinn. 

mom  subst.  Wachs. 

momeski  adi.  Wachs — :  momeski  memeli. 

mui  subst.  Mund. 

mibrö  pronom.  mein:  murö  manus.  — 
Griech.  minrö. 

N. 

naj  subst.   Finger. 
nak  subst.  Nase. 

O. 

oblako  subst,  Wolke,  serb.  oblak. 

ognjistö  subst.  Feueidierd,  serb.  ognjiste. 

om  subst.  Widder,  serb.  ovan.  Sonst 
unbekannt. 

ördomo  subst.  Ocbsenwagen.  —  Griech. 
vordön. 

P. 

pabor  vb.  brennen  urere:  pabordv  ich 
brenne :  man  erwartet  pabarav.  —  Buk. 
phabar. 

paj  subst.  Wasser.  —  Griech.  pani. 

pälco  subst.  Daumen,  serb.  palac. 

parö  adi.  schwer. 

pärh  subst.  Geldstück,  serb.  para. 


I 


Über  die  Mundarten  und  die  Wandehungen  deu  Zigeuner  Eueopa's.  vi. 


49 


pato  subst.  Kleid,  serb.  lialjlna.  —  Vgl. 
rumun.  jiatu  Bett. 

putrin  subst.  Blatt.  —  Griech.  patr, 
patri,  patrin. 

piptii  subst.   Gans.  —  Griech.  papfn. 

pirostfje  subst.  Dreifuss,  bulg.  pirostija. 

pldi  subst.  Berg. —  Buk.  plaj. 

plägo  subst.   Pflug,  serb.  plug. 

2Jor  subst.  Feder.  —  Böhm,  por,  russ. 
por  Böhtlingk  22. 

pogar'hcat  subst.  Abend.  —  Vgl.  griech. 
etwa  pasS,  pasäl  bei  und  ratt^  serb.  rjath. 

potökhd  subst.  Bach,  serb.  potok. 

p66in  subst.  Bezahlung.  — Buk.poifmvb. 

pf-ta  subst.  Pfad.  —  Vgl.  serb.  prtina 
Schneebahn. 

puj  subst.  das  junge  Huhn,  das  Junge, 
serb.  pile.  —  Buk.  pjuj. 

imranö  adi.  alt. 

2mv  subst.  Erde. 

p)üva  subst.  pl.  Brauen. 

psmö  subst.  Fuss.  —  Griech.  pinru. 

R. 

rdca  subst.   Ente,  serb.  raca. 

rakl'i  subst.  serbisches  Mädchen. 

rasai  subst.  Geistlicher. 

racdkd  adi.  nächtlich. 

radija  subst.  Brantwein,  serb.  rakija. 

7'jatr,  subst.  Nacht. 

roj  subst.  Lötfel. 

romane  adi.  zigeunerisch :  rumane  (wohl 
für  romanes)  vacer  zigeunerische  Sprache, 
eig.   , sprich  zigeunerisch'. 

rv2:)u  subst.  Silber. 

S. 

sa   adi.  aller:  5a-/-e  roy«  alle  die  Löffel. 
sdstri  subst.  Eisen. 
sastrdno  adi.  eisern. 


sav  pronom.   welcher. 
soha  subst.  Stube,  serb.  soba. 
somnakdj  subst.  Gold. 
somnakmitt  adi.  golden. 
stadji  subst.   Mütze.  —  Buk.  stadi. 
stolica  subst.  Stuhl,  serb.  stolica. 
SU  vb.  nähen :  siidv  ich  nähe.  —  Griech. 
sivdva. 

sitno  subst.  Traum :  d/klem  snno  ich  habe 


geträumt. 


S. 


snj  adv.    dient    zur  Umschreibung    von 
können. 

sukdr  adi.   schön. 


telc5  subst.  Kalb,  serb.   telac. 

temö  adi.  jung. 

hl  pronom.  du :  sd-j-e  tu  ihr,  eig.  omnes 
tu,   griech.  turnen. 

tumdro  pronom.  euer  und  fälschlich  ,ihr 
eorum'. 

C. 

car  subst.   Gras.  • —   Griech.   car. 

cer  vb.  machen,  thun:  ccra  ich  thue ; 
cerdem  ich  that.   —  Griech.  kcrdva. 

cer  subst.  Haus :  cere  zu  Hause.  — 
Griech.  ker,  kher  usw. 

curi  subst.  Messer.  —  Griech.  corU 

V. 

vas  subst.  Hand. 

vatrdlji  subst.  Feuerschaufel,  serb.  va- 
tralj. 

vacer  subst.  Sprache,  wohl  vb.  etwa 
sprich. 

veridzi  subst.    pl.  Ketten,    serb.  verige. 

vo  pronom.   er.   von  sie. 

vos  subst.  Wald.  —  Buk.  vos,  vös. 

vimdjija  subst.   Nagel.   —  Buk.   ungi. 


Numeralia  cardinalia. 

jek.  diil.  trin.  star.  pac,  padj.  sov.  eftä.  ocht(3.  Injä.  des.  de.suj^k.  desudüi.  desutiin. 
desustär.  desupäc,  desusöv.  de.sefta.  desochtö.  desunjä.  bis.  trända.  serända.  penjda.  sovades. 
eftavärdes.  ochtovardes.  injavärdes.  gel.  milja.  deS  milja. 

Denkschriften  der  pliil.-liift.  Cl.  .XXVI.  Bd.  7 


50 


FitANZ   MlKLOSICU. 


Numeralia  ordinalia. 

ano-lin6.    düito.   trito.   st:ir(o.   paSto.   56vto.   cMto.  oclitüto.   hijato.   desto,  desueto.  desvi- 
düito.  deSutn'ti».  desustärto.  desupaSto.  desusövto.  deSeftdto.  deSoL-htötü.  de.sudinjdto.   bisto. 

Numeralia  adverbia. 

jevkärt,   jivkarT.    einmal.   dii;ir.  trivär.  Star  vär.   p;u'   var  usw. 


2.   Nach   den   am   Timok  gesammelten  Materialien. 


ac  vlb.  bleiben:  ac  devieja  adieu,  serb. 
z  bogom,  eig.  bleibe  mit  Gott. 

akavä  pronom.  dieser.  —  Vgl.  griech. 
avakd. 

alavre  adv.  übermorgen.  In  avre  steckt 
das  pronom.  aver:  der  erste  Theil  ist  mir 
dunkel. 

aniaro  pronom.   unser. 

amen  pronom.  wir:  dat.  amendje. 

and  praep.  in,  auf:  and  o  p?t/  auf 
Erden.  Bei  Verben,  die  ein  Heraustreten 
bezeichnen,  nimmt  die  praep.  and  die  Be- 
deutung ,aus'  an :  me  injom  and  o  Srbija  ich 
bin  aus  Serbien. 

andle  adv.  vor.  —  Griech.  angle. 

asanjom,  serb.  kasalj,  ist  eig.  das  praet. 
von   chasdva    dessen    partic.  chasano    lautet; 
'  asäva^i  partic.  asano^  ist  lachen. 

astagi  subst.  Mütze,  Hut.  —  Griech. 
stadik,  sadik. 

av  vb.  kommen,  werden,  sein:  nck  avel 
er  komme,  serb.  neka  dodje.  t'  ave(!<)  dzivdo 
serb.  bog  ti  pomogao,  eig.  dass  du  lebest, 
lebend  seiest,  partic.  avilo. 

avdjin  subst.  Honig. 

avdjive  adv.   heute.    —  Griech.   avdives. 


hakre  subst.  pl.   Schaf. 
hala  subst.   pl.   Haar. 
halo  subst.   Schwein. 
haro  adi.  gross,    hoch:    bari  durulji  ein 
grosses  Fass.    6ar^  kas  ein  hoher  Baum. 


hämo  subst.  Hahn. 
bers  subst.  Jahr. 

heslji    subst.    Stuhl.    —    Griech.    besdva 
sich  setzen. 

bezaa  subst.  Schuld,  Sünde.  — -  Buk.  bezech. 

hi  praep.  ohne :  hioleskere,  durch  .ohne' 

wiedergegeben,  ist  eig.  ohne  es,    ohne  ihn. 

hibi  subst.  des  Onkels  Frau.  —  Griech. 

bihi. 

hijav    subst.  Hochzeit.  —  Griech.  bidv. 
hilacipe  subst.  Versuchung,  richtig  Übel, 
das  nicht  Gute:  bi  ohne,  lacijye  das  Gute  von 
laco  gut. 

borce  subst.  Schulden. 
horija  subst.  Schwiegertochter.  —  Griech. 
bori. 

brsiin.  subst.  Eegen.    —    Griech.    hrisin. 
hrUndalo  adi.  regnerisch. 
buk  subst.  Leber,  Lunge:  kalo  buk  serb. 
crna  dzigerica  Leber-,  j^f^mo  buk  serb.  bijela 
dzigerica  Lunge.  —  Griech.  bukö  Eingeweide. 
bidja  subst. :  parnji  bnlja  Reh.  Dunkel. 
bidjardo  subst.  Bett:  eig.  ein  partic.  praet. 
pass.  von  bugliardva  ausbreiten  von  buglö. 
buznji  subst.  Ziege. 

C. 

cer  subst.  Decke,  Bettdecke,  serb.  po- 
krivac.  —  Vgl.  buk.  cnhra,  cggyrg  Zelt. 

cervalj  subst.  Beschuhung. 

cid  vb.  führen:  ma  cida  führe  niclit. 
—  Vq-I.  buk.  czrd. 

cikno  adi.  klein.  —  Griech.  tikno. 

ciunji  subst.  Bär.  Dunkel. 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi. 


51 


caji  subst.  Tochter. 

capin  subst.  Haue,  serb.  capa. 

caro  subst.  hölzerne  Schüssel. 

cävo  subst.  Kind. 

cekat  subst.  Stirn. 

cih,  ciho  subst.  Zunge. 

ein  vb.  schneiden. 

cindo  subst.  ßebenmesser,  serb.  kosijer. 

ciriklo  subst.  Vogel ;  auch  Reute,  Rode- 
hacke, serb.  budak,  trnokop. 

coljgi  subst.  Zimmeidiacke.  Dunkel. 

cora  subst.  Bart.  —  Griech.  lUor. 

cumgar  subst.  Sp eichelaus wurf. — Griech. 
cungär. 

curi  subst.  Messer,  Rasiermesser. 


clad    subst.  Vater. 

daj  subst.  Mutter. 

danda  subst.  pl.  Zähne. 

das  subst.  Mensch,  serb.  covjek,  das 
Mensch  und  Mann  bedeutet.  • —  Griech.  das 
bulgar.  A^gl.  Paspati  24. 

davdvardo  subst.  Fasole,  eig.  ein  partic. 
praet.  pass.  Dunkel. 

devel  subst.  Gott:  sg.-voc.devla-^  Himmel: 
and  0  devel  im  HimmeL 

diklo  subst.  Spiegel,  serb.  ogledalo. 

dumä  subst.  pl.  Rücken. 

durulji  subst.:  bari  dzirulji  ein  grosses 
Fass.  —  Buk.  duridi. 

durnlo  subst.  Fass. 

dza  vb.  gehen :  o  dzal  er  geht,  me  kam 
dia  ich  werde  gehen,  serb.  ja  cu  ici. 

dzaimiti^o  subst.  Schwiegersohn. 

dzi  adv.  mit  der  praep.  ke  bis  zu. 

dzivdo  adi.  lebend  f  ave(s)  dzivdo^  serb. 
bog  ti  pomogao,  eig.  das  du  lebest,  lebend 
seiest. 

dzukel  subst.  Hund. 


fera  subst.  Magen. 
Bauch,  böhm.  j^er. 


—  Vgl.  griech.  per 


fiso  subst.  Stadt:  and  o  fiso  in  die  Stadt. 
Vgl.  alb.  gQg.  fis-i  Volksstamm. 

G. 

gad^  gado  subst.  Hemd. 

gadzi  subst.  Weib. 

gacniko  subst.  Hosenband,  serb.  gäciiik, 
uckur. 

giljah  vb. :  glljahel  er  singt.  —  Griech. 
gilldhava, 

godji  subst.  Hirn.  —  Griech.  godi^  goti. 

gras  subst.  Pferd. 

grasnji  subst.  Stute. 

gudlo  adi.   süss. 

guruv  subst.  Ochs. 


iklilo  wird  durch  serb.  ,iz,  aus'  erkUlrt: 
et  ist  eig.  ein  partic.  praet.,  das  dem  griech. 
niklilo  qui  exiit  entspricht.  Vgl.  Paspati 
255.  391. 

is  verb.  sein:  III.  sg.  isi:  wem  ich  habe, 
eig.  milii  est  •,  tu  isi  du  hast,  me  injom  ich  bin. 

iv  subst.  Schnee.  —  Griech.  vif,  asiat.  hiv. 

ivaskei'e  adi.  eig.  beschneit.  —  Griecli. 
viveskoro:  viveskoro  drom. 

J. 

jakd  subst.  pl.  Augen. 

jel  coni.   oder. 

jer  subst.  Esel.  —  Griech.  kher. 

ji  coni.  wenn.  Dunkel. 


kak  subst.   Onkel. 

kakav  subst.  Kessel. 

kalci  subst.  pl.  Beinkleidei\  —  Rumun. 
kdlhci  Zu. 

kalo  adi.   schwarz,  blau,  serb.  sinji. 

kam  vb.  wollen :  me  kam,  dza  icli  werde 
gehen,  serb.  ja  cu  ici. 

kamlipen  subst.  Seh  weiss.  —  Griech. 
kamnö^  kamlö  schwitzend. 

ka)ia  subst.  pl.   Ohren. 

kanji  subst.  Henne. 

7* 


52 


Fkanz  Miklosich. 


kas  subst.    l'uniii. 

kada  subst.  Scheere.  —  Griccli.  kat, 
i'umun.  kaci  Vaillant  111. 

ke  praep.  zu:  dzi  k'  u  bis  zu:  o  ist  der 
Artikel. 

kel  vb.  tanzen :  kel  jmpt.  tanze.  — 
Griecli.  keldva. 

ker  subst. :  kere  naoli  Hause. 

ke7'ko  adi.  bitter. 

kil  subst.  Schmalz.   —  Griecli.  kil. 

kiral  subst.  Käse.  • —  Griech.  kerdl. 

kohor  adv.  wie  viel :  kohoi-  tu  isi  hers? 
wie  alt  bist  du?  eig.  cpot  tibi  sunt  anni? 
—  Griecli.  kehör. 

koc  subst.  Knie.   —  Griecli.  koc. 

kokalö  subst.  Knochen. 

koljin  subst.  Brust :  koljin  kokale  Brustbein. 

kororo  adi.  blind  :  kororej  (richtig  korore) 
jaka  Schläfen,  wie  serb.  slijepe  oci. 

koslo  subst.  Tuch,  serb.  ubrus.  —  Griecli. 
kosäva^  kosdva  reinigen. 

k>f7'i  subst.  Füllen.   —  Griech.  kuru. 

kitrko  subst.   Woche. 

L. 

la  verb.  nehmen  :  ■iljom  mögt  das  Athmen, 
serb.  disanje,  richtig  iljoi)i  (Ijom)  ogi  ich  habe 
Athem  geholt. 

laco  adi.   gut,   schön. 

lame  subst.  Pflugeisen  ,  serb.  raonik. 
Dunkel. 

lele!  interi.  acli !  serb.  jao! 

hilo  adi.   roth. 


M. 

ma  colli,  nicht,  griech.  [r/^,  lat.  ne :  ma 
ckla   t'idire  nicht. 

maj  adv.  mehr:  maj  misto !  besser,  serb. 
pomozi  bog ! 

inanus  subst.   Älann. 

maro  subst.   Brot.   —   Griech.   niaiiro. 

me  jii'oiiom.   ich. 

mek  vb.  vergeben  :  mek  oU  amendje  ver- 
gib  uns:  oll  ist  iiiii-  dunkel. 

men  subst.  Hals. 


7nisto  adi.   gut:  maj  misto  besser. 
mal  subst.   Wein. 
mulo  adi.   todt. 

N. 

naja  subst.  pl.  Finger. 

nak  subst.  Nase. 

7ias  vb.  fliehen :  nas  impt.  fliehe. 

nek  ist  das  serb.  neka,  nek :  nek  O'vel 
neka  dodje  er  komme. 

nekav  vb.  herausgehen  machen :  nekal 
(nekav)  ame  befreie  uns  izbavi  nas.  —  Griecli. 
nikavava  je  fais  sortir.  Paspati  391. 

nilaj  subst.  Sommer.    —    Griech.  nildi. 

O. 

0  proii.  er:  o  dzal  er  geht.  Davon 
oleskei^e  in  bioleskere. 

ogi  subst.  Herz:  iljom  mogi,  richtig  iljom 
ogi,  ich  habe  Athem  geholt.  —  Griech.  ogi. 

P. 

l^aio  subst.  Rauchreif.  —  Rumun.  pao  Eis, 
Frost,  pchaü  Bessar. 

paialo  adi.  gelb.  Dunkel. 

palme  subst.  Spanne.  —  Buk.  jjdbna. 

pand  vb.  sperren.  —  Griech.  j^^nddva, 
banddva  binden,  einkerkern. 

pavji  subst.  Wasser. 

papin  subst.  Truthenne,  serb.  curka, 
richtig  Gans. 

papiiio  subst.  Ente,  serb.  plovka,  patka, 
richtig  Gans. 

Ijarno  adi.   weiss. 

parvaro  adi.  entspricht  dem  asl.  na- 
sastbuT.  im  Gebete  des  Herrn:  maj'o  parvaro. 
—  Vgl.  griech.  parvardva  nähren. 

Ijasö  subst.  Schritt,  rumun.  pasu. 

2^asavr6  subst.   Rippe. 

pat/inia  subst.  Ferse.  —  Ungi-.  j^rtf«, 
böhin.  pafuna. 

pacardo  subst.  Bohrei-.  —  Griech.  be- 
deutet das  entsprechende  pakiardö  involutus. 

2)en  subst.  Schwester. 

piralje  subst.  pl.  Strümpfe.  Dunkel. 
Vgl.  pir6  Füsse. 


Über  die  Mumdarten  und  die  "Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vi. 


53 


Xtire  subst.  pl.  Fasse.   —   Griech.  ii'mru. 

piri  subst.  Topf. 

porjd  subst.  pl.  Gedärme.  —  Griccli.  inr. 

pova  subst.  pl.  Brauen.  —  Griecli.  pov. 

pral  subst.  Bruder. 

prastela.,  serb.  brzo,  ist  eig.  wolil :  er 
läuft.   —  Böhm,  prastav. 

prvto  viuri,  serb.  zeva  mu  sc,  er  gähnt, 
ist  wahrscheinlich  ^j««?'aw(io  muj  apertum  os. 

2iuf  subst.  Erde:   and  o  puf  auf  Erden. 

purano  adi.  alt:  purano  dad  Grossvater; 
purano  (richtig  purani)  daj  Grossmutter. 

R. 

rakilo^  serb.  veceras,  diesen  Abend,  ist 
eig.  rakilo  aus  ratiln  es  ist  Nacht  ffeworden : 
griech.  rdkih,  rdttilo  il  se  fait  nuit.  Paspati  47 7. 

raklo  subst.  Sohn,  eig.  Knabe. 

rat  subst.,  serb.  noc:-as  diese  Nacht,  ist 
eig.  Nacht. 

rat  subst.  Blut. 

rod  vb.  suchen :  roddv  ich  suche. 

roji  subst.  Löil'el. 

ruf  subst.  Wolf. 

S. 

sap  subst.  Schlange:  hari  sapa  serb. 
smuk,  eine  Art  Schlange. 

sasto  adi.  gesund:  f  ave{s)  sasto,  serb. 
bog  ti  zdj-av,   eig.   dass   du  gesund   seiest. 

savo  pronom.  wie  beschaffen,  steht  für  wie. 

sindrav  subst.  eiserne  Schaufel,  serb. 
asov.   L)unkel. 

sir  subst.  Lauch :  p)arnji  sir  bell  luk 
Knoblauch;  kalji  sir  crni  luk  Zwiebel. 

skavidji  subst.  Tisch.  —  Ungi-.  kafidi 
sj)an.   cafidi. 

suske  adv.  wai'um,  stellt  unrichtig  fcn- 
serb.   ,za' :  es  ist  ein  Casus   von  so. 

soskere  coni.   weil,   serb.  zar.  A^gl.  soske. 

sosten  subst.  Unterbeinkleid. 


sov  vb.  schlafen:  sov  impt.  schlafe;  na 
Sovel  pe  mandje,  serb.  ne  spava  mi  se,  wört- 
lich: non   dormitur  mihi. 

S7'bija  subst.  Serbien :  and  o  Srbija  aus 
Serbien. 

S. 

saro  subst.  Kopf. 

serand  subst.  Kissen. 

sosoj  subst.  Hase. 

suko  adi.   dürr,   trocken. 

T. 

tab  vb. :  nek  tabol  mo  tloiji  entspricht 
dem  asl.  da  sv§tit:B  s(j  im§  tvoje  im  Gebete 
des  Herrn.   Dunkel. 

tagaripe  subst.  Reich.  — Griech.  dakarlbe. 

taljig  subst.  lAfantel.  —  Buk.  thalik. 

tari  subst.  Bi-antwein.  —  Ungr.  tardi, 
thardi^  thardi  mol  gebrannter  Wein. 

tataj  subst.  Becher.  —  Griech.  tachtäi. 

tavto  adi.  warm.  —  Griech.  tavdö  von 
tavdva. 

te  coni.   und. 

tesarin,  teserin  adv.  morgen.  —  Griech. 
tachidra,  tachdra. 

tloiji.^  tloi  pronom.  dein.  —  Griech.  tiiml. 

lover  subst.   Axt. 

ta  pronom.   du:  tute  dein. 

C. 

cermuso  subst.  Maus.  —  Griecli.  kermitsö. 


varo  subst.  Mehl. 

vastanji    subst.     pl.     Handschuhe,    von 
griech.  vasf  Hand. 

volja  subst.   Wille,  serb.    volja. 
vusta  subst.   pl.   Lippen. 


zoralji  adi.   arg. 


Numeralia  cardinalia. 

jck.  diu.  trin.  star.  panc.  sov.  jerta.  ovto.  jcvjd.  des.  desvjfvta ;  bis;  trianda;  sa.randa  ; 
pcvjmda;  kvardes;  stvardesopanc;  Jcviavardcs]  ovtovardeS;  Jenjavardes]  sei.  dujsel.  trinsel. 
sarsei  usw.  jeh   rnilji    tausend. 


54 


Franz  Miklosicii. 


3.  Nach  den  von    Hovrn   St.    Popovii!  in    Kragiijevac  gesammelten   Materialien. 


amoro  pron.  unser. 

B. 

bal  subst.  Haar. 


cauro  subst.   Kind. 

cikat  subst.  Stirn. 

cit  vb.  lesen:  me  citou  ich  lese;  tu  citos 
du  liesest;  vuv  citol  er  liest;  amen  citos  wir 
lesen,  serb.  citati. 

cjol  subst.  Bart.  —  Griech.  dzor. 


dadu  subst.  Vater. 

dandu  subst.  Zahn. 

de  subst.  Mutter. 

del  subst.  Gott;  sg.  voc.  devla. 


is   vb.    sein :    me    sem   ich    bin ;    tu   san 
du  bist. 


jag  subst.  Feuer. 


kas  subst.  Kutlic. 

kjel  subst.  Haus.    —    Griech.  ker,  kher, 
kcitcr,  her. 

kjiro  prouom.  dein.  —  Griecli.  ti7ir6. 

L. 

hsko  pronom.  sein  eins. 

M. 

moro^  mar  pronom.  inein. —  Griech.  minrö. 

N. 

nak  subst.  Nase. 

P. 

pai  subst.  Wasser.  —  Griech.  pani. 

piri  subst.  Topf. 

pu  subst.  Erde. 

imva  subst.  pl.   Brauen.  —  Griech.  pov. 

R. 

rom  subst.  Mann. 

S. 

sukar  adi.  gut. 

V. 

vudar  subst.  Thor. 


Numeralia  cardinalia. 

jek.  dui.  trin.  Mar.  pans.  sou,  so.  efta.  ochto.  inja.  des;  bis.  bis  tha  jek.  bis  tha  duj; 
tranda;  saranda;  pinda;  sovardes;  eftavardes;  oehtovardes;  injavardes;  sei.  dui  sala.  trin 
sala.  Star  sala  usw.  inilja. 


Über  die  Mündarten  und  die  Wanderungen  der  Zigednek  EuRorA-s.  vi.  55 


ANHANG. 


Über  den  Ursprung  des  Wortes  ,Zigeuner*. 

Das  Wort  , Zigeuner'  ist  in  das  Deutsche  aus  dem  Slavischen  eingedrungen,  wahr- 
sclieinlich  aus  dem  Cecliischen,  wo  das  entsprechende  Wort  cigdn,  cingan,  cikan  hxutet. 
Das  Cechische  hat  den  Namen  aus  dem  Magyarischen  entlehnt :  cigäny,  das  dem  rumu- 
nischen  cigan  entspricht.  Dieses  ist  aus  dem  bulgarischen  acigan-B,  aciganin:&,  eiganü 
hervorgegangen,  das  mit  dem  mittelgriechischen  ätoiyicavor  identisch  ist.  Die  Frage  nach 
dem  Ursprünge  des  Wortes  ,Zigeuner'  lautet  demnach :  Woher  stammt  das  mittel- 
griechische dzaiy/avo??  Manche  beantworteten  diese  Frage  dadurch,  dass  sie  äiaiyxavo^ 
mit  dem  Namen  der  Secte  der  ä6:YYavo[,  für  identisch  erklärten.  Diese  Ansicht  wahr- 
scheinlich zu  machen  ist  Aufgabe  dieser  Zeilen. 

Es  sollen  vor  allem  die  verschiedenen  Formen,  die  das  AVort  , Zigeuner'  bei  verschie- 
denen Völkern  hatte  oder  noch  hat,  aufgeführt;  es  sollen  zweitens  die  vornehmlich  bei 
den  Byzantinern  vorkommenden  Notizen  über  die  ä6r,'Yavoi  zusammengestellt,  drittens  der 
wahrscheinliche  Zusammenhang  der  Zigeuner  mit  den  ä.Hi'ffav'Ji  angegeben,  viertens  einige 
von  den  übrigen  Ansichten  über  den  Ursprung  des  Wortes  , Zigeuner'  angeführt  werden. 

I.  Die  Formen  des  Wortes  ,Zis:euner'. 

Mittel-  und  Neugriechisch :  dtcrj'xavoc  m.  dtarfAdva  f.  Somavera.  xai-fcavo?  m.  Toty- 
yotvisaa  f.  Martin-Leake.  Türkisch:  cingäne.  Bei  den  Lateinern  Griechenlands :  acinganus 
Hopf  11.  18.  32.  Italienisch:  zingano,  zingaro  und  daraus  span.  cingaro  und  portug. 
cigano  für  das  volksthümliche  gitano  Bulgarisch :  aciganin-b,  aciganx,  ciganü  m.  in  einer 
Urkunde  vom  Jahre  1606  in  Venelin's  Vlacho-bolgarskija  ili  dako-slavjanskija  gramoty. 
St.  Peterburg-B.  1840.  Seite  251.  252.  aciganin^B  m.  aciganka  f.  1626  Seite  291.  aciganin:& 
1642  Seite  322.  cigam>  1458  Seite  91.  Vgl.  meine  Abhandlung:  Über  die  Mund- 
arten und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  III.  Seite  8.  Heutzutage  ciganin. 
Rumunisch:  cigan.  Magyarisch:  cigäny.  Slovakisch :  cigdü.  Serbisch:  ciganin.  Neu- 
slovenisch :  cigan.  Cechisch:  cingan,  cigan,  cikan.  Polnisch :  cygan,  und  daraus  litauisch: 
cigonas.  Kleinrussisch:  cyhan.  Russisch:  cygan'B.  Oberserbisch:  cygan.  Niederserbisch: 
cygan.  Deutsch  Zigeuner,  gelehrt  Sagüner   bei  Moser,  Zyginer  bei  Stumpf. 

Dass  diese  Worte  zusammenhangen  und  dass  an  die  Spitze  derselben  das  griechische 
rj.zab(if.aw'JZ  zu  stellen,  ist  für  mich  unzweifelhaft.  Der  fremde  Ursprung  des  Wortes  ergibt 
sich  daraus,  dass  die  Zigeuner  sich  nie  mit  diesem  Namen  bezeichnen,  sondern  nur  von 
anderen  so  genannt  werden.  Das  Verbreitungsgebiet  des  Namens  Zigeuner  ist,  wie  sich  aus 
dem  Gresagten  ergibt,  Osteuropa  und  Italien.  Im  Osten  Europa's  Avanderte  derselbe  von  den 
Grieclien  zu  den  Bulgaren,  von  diesen  zu  den  Rumunen,  die  ihn  den  Magyaren  und  Slaven 
überlieferten.  Von  den  letzteren  fand  er  den  AVeg  in  das  östliche  Deutschland.  Nach  Italien 
kam  er  unmittelbar  aus  Griechenland,  wie  die  abweichende  Form  zingano,  zingaro  darthut. 


56  Franz  Miklosich. 

II.  Naclirifliteii  über  dio  Atliinijaiii. 

I.  MsXyiac^cxiTai  sbiv  ot  vOv  7:poaaYOpso6[j.cVot  'AOiyyavot .  oorot  töv  McX/tOc^sx  aöyo'jc'.v, 
iS  o'j  Wt  x'/jv  sTr(ovu[j.iav  si/.r/faaiv  .  siat.  5s  irspl  'YjV  «I'^ytav  .  oors  os  sßfatoi  oütö  sOvaot 
sbtv .  ooxoOat  [j.cV  to  adßßaTov  cf'jXdTtctv,  ttjv  5s  adpxa  [rrj  TisrjUSfivsaOac.  o6 -o!.  o'Josva  dv6p(OTrov 
d-icjOat  a'Jröjv  ävsyov-at,  dXXd  /.dv  5(o  a'j-oic  tcc  dfiov  y;  uo(op  Yj  Ixspov  xt  sßoc,  oöv. 
dvsyovrat  d-rö  yscpcov  Xa|3civ,  dAÄd  irapaxaXo'jat  rooc  £ict5t5öv:a?  aörolc  Osiva'.  yp^yj-'.  "d  £'.'5yj, 
xal  oöxtoc  aüroL  7:cvOj£[jyö[j.«vot.  aipooacv  aörd,  oixciuoc  mv  a-j-oi  stc^oocc  [JLcTao'.ocba'.v.  -cj-üto  ouv  tcö 
rpoTTO)  AOtYYdvoo^  aözobz  y,aXoöa!.  5td  to  jxy^  äyiyßa()rjx  aöto'jc  iü[;oa'|a'j£iv  t'.voc.  ö6cV  xal 
o'jroc  Trpo3c,oy/J[j.£Vot  -•(]  dyccf  xo'j  Osoö  sx.x/.Yptcf  ypsiav  syouat  zoO  aojzY^puöoo'JC  ßa-rtafxazo?. 

Timotheiis  Uspt,  rwv  lupoaspyojxsvcov  x*/]  dyi'^.  £X7,AYjaic/.  in  Cotelerius,  Ecclesiae  graecae 
monumenta.  III.  392.  Timotheus  soll  vor  622  gelebt  haben.  Fabricius  A'III.  358.  Epi- 
phanius  im  vierten  Jahrhundert  kennt  die  Athingani  noch  nicht. 

II.  T(bv  ^lavtyaüov  zcbv  vOv  JlauXix'.avtöv  XcYO[AcV(ov  y.al  AOiYydvfov  xwv  xard  (S>[j'r(ir/.v  %ai 
Aoy.aov{av  dYytyct-övdjv  aöroO  'ftXoc  r^v  otdTT'jpo;,  ypY^jioi?  itai  ZcÄs-alc  a'Jtcbv  STityacpcov, 
£V  r>i<;  otav  BapodvYjC  6  T:a-p{y.'.oc  eiravsarr;  aörcp,  toözo'jc  '!tpoa-/,aXcad[JL£voc,  xatc  aözcbv  [xaf- 
Yav£iatc  xoOtov  'jTr£xa££V  usw. 

Theophanes  Seite  413.  Vgl.  Le  ]>eau,  Histoire  du  Bas-Empire  XII.  442.  Dieser  Freund 
der  Athingani  ist  Kaiser  Nikephoros  802—811.  Die  Nachricht  steht  unter  dem  Jahre  810. 

III.  Z'/jXco  6£0'j  iroXXw  %iYr/)zii  'Aaza  ^lav.yaicov  -ibv  vOv  UaoXixiayihv  'wX  kHi-\yhi\y)  x(bv  £V 
z'(j  <l>p'JYCC(,  xai  AoT.aovicf  T.c'^aÄi'z.Y^v  tL[j.(opiav  diroYYjvdjxcVoc  "clc  NtxY/fopo'j  xo'j  d.Ytcotdto'j 
icarpt.dpyo'j  7,a'.  dXXcov  £'Ja£[i(bv  £caYf("/^a£aiv  dvExpaiTY]  oi  £T£pcov  ■naxoßooXcov  TCporpdast  [Acxavoiac, 
oTTcp  YjV  d56vaTov  xo6c  x'/;  7tXdv*(]  £X£iV'(j  iaXcoxöxac  [j.£xavo'?)aat.. 

Theophanes,  ed.  Goar  419.  Totj?  A.QiYT'"^-'''^^'-''^  5Y;[X£6aa;  £uOp{c/.  Trapi^covis  8id  Adovxoc  xoä 
axpaxY^Y^'^  '^^^'''  AvaxoXoccbv  421.  Die  Rede  ist  von  Kaiser  Michael  I.  (ßhangabe)  811 — 813. 
Die  Naclu'icht  steht  unter  dem  Jahre  812. 

IV.  Toüxov  xov  Mr/aY^Ä  i^nxf'Z  1J-£V  Yj  zaxd  xy^v  dv(o  ^puY^^iv  iröXtc  A[xcbptov  o'jx(o  /,a).oujX£VY^, 
£V  '^  'lo'j^aüov  xat  AOiYYdvojv  y-ry.i  £X£p(ov  da£ß(bv  iztäfi^z  i'/.'K.rArj.i  x(bv  ypövwv  £Yy.axoaiC="'"-^-- 
y.vi  xt{;  3£  airj^oic,  i%  z'qz  äXXiiXMV  y.oLV(ov[ac  y,aL  oiYjV£y,o'j(;  ö[j.t)iac  xacvöv  i/yjorx  tov  xpö^ov 
X7.1  dXXöxo-rj.  o6'([irj-a  iTZ'.'fjBzai,  'qz  äoll  aOxo?  |x=xoyo^  yjv,  Traxpoxapdooxov  6pYja%£cav  d-o- 
-jtXyjpwv.  a'jxY^  xo'j  [X£V  O£io'j  Xo'jxpoö  ■xat  aojxY^puooo'jc  xo'j^  xsXo'jjxsvo'jc  [XcxaXaYxdvEcv  dvtY^ai, 
zafXa  o£  Tidvxa  acöCst,  'f'Jkä.zzvJia  -öv  vojxov  xov  ^[(oaa'ixov  ttXy^v  xy^;  7:£p'.xo;x-/;w.  £'ry£  5ä 
SiodaxaXov  ö  MryaYjX  y.at  otov  £c7.pyov,  öz'  aüxoO  [X£jx'jöxaY(OYY^[X£vr;c,  £ßpalöv  xiva  y^  sßpaßa 
xaxd  xöv  £7.0X00  ouov,  o'j  |xovov  xd  ']^oywd  dXXd  5yj  %7.c  xdc  itax'  oixov  oiy.ovojxc7.c  7.ÖXÖV  £y.- 
'7r7.i5c6ovx7..  6'/  oo  'n:poXY/fO£CC  ofjo£V  dxspacov  £a(oC£V,  dXX'  yjV  d'iriaxt7.i:  xic  aövoooc,  xd  x£ 
yptaxc7.vcbv  irapayapdliac,  xd  'Io'j57.ui)V  xiß5Y^X£6j7.c,  xai  xdXXa  'Karjrjyrjfjs.'joac.  mc  otj  icai  £l? 
xY^v  p7.a{X£tov  äy-ff/ß-q  äpy-fi^,  £a£[xvöv£xö  xs  y.ai  (t)patC£xo  xtb  5c7.0Y^[X7.xt  xai  x"(]  dXoopYt5t,  Xöy^^v 
o£  y.7'.  [xdOYjGtv,  «K  xd  7'jxoO  dv7.xp£T:ovx7.  y,ai  5ovd[X£V7.  jx£xa5t5da%£cv  xd  y.p£txxova,  d7i£ßdXX£xo 
X7i  YjXqxaCcV,  £Xt[X7.  o£  xd  rilv-zla  ot7/f£pövx(Oi;.  xd  0£  y^v,  o'Jih-^  |X£V  xfbv  dpxtxoxtov  'jrpoXcY£W 
öqoi  x£  Eaovx7.i  £Öxp7/f£i^  X7.1  a(o[xdx(ov  [XEYsOooc  orjy,  d[xocpY|30oa!.,  y,7.t.  oaoi  xoi?  Evavxtoii; 
TTcpiT/EQY^aovxat,  %7c  tirTTcov  [X£V  i';-(6c.  iazrjyai  zwv  \av.ziCiyzMV  zifjivai,  ovouc  os  xoö^  Krj:/.zL- 
Covxac    (0^    TCoppwxdxw  £%xp£':i£a07t.   £'j'fO(bi;.    Yjjxwv(ov  x£  xpt.xYj?    dptaxoc  y^v,  X7.i  xo'jxtov  oaoi 

|X£V     TipÖ^     'fÖpXC/V    £'KtXYjO£tOt    clot     Ol7.XptV£lV,     OOOt    0£    ZO'JC    £7itßdx7C     EÖCföpCOC    (fSpctV     5ÖVaVXat, 

%ai  |XYj  xtVL  TTxoccf,  TTcpiosci?  Y^'''^^[-*'='^^^  £%xpayYjXtC^'£V.  oö  jXY^v  dXXd  xai  xoö^  itttuodc  ö<pOaXjx(bv 
|xövov  7cptvo)V  siLtiSoXaic,  ooot  x£  Tupöi;  öpöixov  £oxovot.  xac  xayEic  xai  oaot.  Ttpoc  tcöXsixov  xo  xap- 
xcpt,y.öv  ot.7.j<öCo'jatv.  'jrpoßdxcov  x£  xal  ßo(bv  £Öx'>x{7.s  7,7.1  x'/)V  xoö  Y^Xaxxo?   oaat  '57.']/LX£t7.v  £X 


Übkr  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa-s.  vi.  57 

cfooccoc  sAayov,  zm  rs  äprrcsvtov  y^^VY^Ixatojv  ciosvat,  ocaxptvscv,  tcoIov  iizwxc,  izzi  [vr^zrAQ.  yi.rji 
td  jX£V  xt;?  TTpcoTT^?  'f^kiv.irj.c,  ci-jiciv  Ss  xwi  r?ji:  zz\z'jzrj.irj.z  zr/.'jza.  rj-q  za.  [i.rjAWiiw.zu.  %ai  ao\).yo- 
)vOYr;jj.c/-a.  oj^  i^s  f^xjjLaCsv  y^otj,  zöv  Tzivrfj.  ßtov  5tai)-X(bv  %7i  xaprcf-cov,  sottcüos  toötov  -Trda'fj 
äxoTpc'laaö-ac  [xrf/rjyr^.  xai  iroic  zö)  irj.ozo'j  Tza^jO.ozdz  axparrjyfp  ia'JZ'jv  OTüstpaws  r/^  r?;c  y^-«»"- 
zTjC  "paoAörr^'ci  xov  rj.rr/jjvzrj.  syxa/vO'jiJisvoc.  x(bv  3s  iVal-tyYdvcov  rtc,  -f'^fw^xö?  'J7i7.p/(i)V  -co  atpar- 
Tyytl),  aöröv  xs  zoözoy  röv  Mr/ar^Ä  xoi  -iva  stcpov  TTcpqSo'/jXOO«;  eazod-ai  jxct'  o'j  xo/.'j  Sfr^yopsuE 
xat  ßaadsia:;  aOir^c  iTziz'jyßlv  orjx  sv  [xavipw  tto  Xpov(p  usw.  T-r;v  os  toO  [j-qbiyzrjQ,  "AOiYydvotj 
'fcoVTjV  (bc  tiva  ä-scav  icpöppr^tv  svy^/t^iJ-sIi;  6  Mt/ar;}.,  Sc'J-cspov  o'  ouovöv  a.ihr,'fMz  ^ai  rr^v  %axd 
zb    OcXojxtXcov   Toö    jxova/oö  irpoayopcUGiv  usw. 

Georgius  Cedrenus.  Bonnae  2.  jjag-.  69.  Theophanes.  Bonnae  3.  pag.  42.  'Et'jyyavs  ydp 
-(o;;  vsj.i  a.'/JMZ  6  AU/7.tjÄ  6~ö  irdvtwv  [JLiaoöjxsvoc,  die  oyj  ■/.av.'qc  [xiv  aipsaEcoi;  [xs-sa/r/zcb^  r-?jc 
td)V  'AOtYYdvojv  pag.  52.  'A6cYYdvocc  T£  if.rj.i  y_piato[xd/ot(;  rpiXoc  Ephraim  v.  2195. 

V.  Mr/arp.  (ö  si;  'A[X(op'>yj)  TsOappTjXcbt;  [xd^-iara  stcc  ts  toic  XotTroic  a'Jvavrfj|X7.ac  xai  irpop- 
prjas3tv,  £ti  OS  %ai  xol?  ';tpc;ava7i£rpcovrj[XEVotc  'A6tYY«-Voo  -iiapa  nvoc  |xdvTctoc,  oc  zo)  xYjVaaöta 
atparY^Ädx-(]  toO  zwv  'AvaxoXaöjv  -ö-sixaTO?  Trslpav  oscltoxo)?  iro/.A(bv  diroßdaecov  otcxpdvoo  töv 
Uiya-QK  v.ai  tiva  srspov  x(bv  os'jxspdiv  ^laoT^jxaxo'jopr^astv  aaffcb?  dTro(X7.vx£'jö[X3voc.  Mr/ar^X  szi- 
[Xfojxo?  dxö  xfjc  ■TiatpL^oc  aötoö  ^Vä'rfj'dvcov  Tzkrfi'jy  sxtpc^o'jaT;?. 

Genesius.  Bonnae  31.  32.  Der  hier  getadelte  Kaiser  istMichael  11.  (derStammIer)820 — 829. 

YI.  Mc-ö-o^ioo  ToO  dYUotdtou  TuaTptdp-zofj  otdra;;Ci;  Tücpt.  i(bv  sv  ota^fopal?  xpÖTrcov  zai  -/p.ixubv 
£':rtatp£'föv:(ov. 

"()-{oc  /pYj  0£/£3i>ai  zr^'jc  d7:ö  'A\)-tYYdv(ov  r^  öpö-o^oio)  Tzhzzi  irpoacp/oixsvo'j^.  Asl  vd 
6  dxo  McXycasSc'jcixcbv  ■xai  ösoi^ottavwv  xai  'AQ-iyyrjyioy  -irpoGubv  z'/]  Trcatci  xwv  /oiGrcavöiv  .  . 
o'j  ötd  zivrj.  ä-iä-^x-f^v  '7i  (pößov  y^  irsviav  'J^  sTr-z^pstav  -/^  Xps'^C  'q  i-{v.kriim  xax  sjxoO  xivo'jjxsvov 
■q  Ol  irspov  rtva  xpö-ov  äTirijopoüixeyoy^  dXX'  (bc  si;  oXy^«;  '^^o/j^q  X7i  zap^b.?  röv  Xpiaröv 
o.yrj.Tzrprj.z  f.rn  z'qv  a'JroO  ttigtiv,  dvai)-£[xarcCw  xdaav  r/jv  T(bv  M£Xyta£0£%tT{bv  v^rot  Bsooo- 
Tiav(bv  xai  'AiI-iyT^^-"^^"'^  aip£aiv  y.rjx  to6c  atp£atdp/ac  ü.~r),^nrj.:, ,  ÖEÖciotöv  'fYy|xi  xov  o-mz'f;) 
y.rj.i  zrj'jc  aö-oO  [xali-Yjzdc,  'AaxXYjXcdSYjV  7,ai  'Epjxö'ftXov  xat,  'AttoXXcovioyjv  itat  BsoSotov  zbv 
zrjrj.TzeCiz'qy ,  oGTic  [xdXcGza  '(i^^rj'^c.y  a.ij/rffrjQ  ~ffi  aip£G£(oc  TOcfjtYjC.  dvaO-SjxartCw  xai  to6c 
xc/.ö-eSy^c  ^coaGxdXouc  xwv  'Aö-iYYdvcov,  OGot,  xard  Y=Vcdv  i-mozYp/  rj:/jA  toO  vOv  '(eyiyrxoi  %c/i 
oGot  GY^[Xcpov  ciGi  %ai  Y^'^^GÖ-at  [xsXXooGtv.  dvai)-£[xaTcC(o  Ttdv-ac  to'jc;  'fpovoOvtac;  xaL  ooi;d- 
Covrac;  xat  oii^dGxovtac  xat  ki'frjvzr/.z,  orc  6  MoX/lgcOsx  oöx  y^v  dvO-pcoso:.  dXXd  i56va[xtc  9-£o0 
{xsydXou  otatptßo'jGa  sv  dxazovo[xdG-r;tc  tö^rotc;  xai  ort  jxscCfov  zw  XptaroO  sGitv  sxscvoc,  xai 
3id  ToöTO  Xsyctac  ö  XptG-o?  (bc  i^sürspo?  xr/L  ÖTioossG-spo?  xatd  ty^v  sxsivy^v  zd'iiv  tsparsöstv. 
dva{)-s[xa-iC(o  to'j?  Xiyrjvzac,  ori  6  McXyiGsSsx  Y^rot  y^  [xsydXYj  oöva|xt^  6  ö-söc  xc/.t  ';ratYv  toO 
xuptoü  Y;|x(bv  "Iy^go'j  XptGTOö  iozi,  xal  §cd  tofj-co  xaXsl'cry.t  dTcdrcop,  dfXY^Ttop,  rj.javBaX6YfiZrjc. 
dvaikixatiCfo  to'jc  '■foXaTrovrac  (xsv  (b?  loooatoot;  to  Gdßßatov,  (b?  sv^vtxo'jc  os  v.at  r/yv  irspi- 
TOjXYjV  ot7.z-6ov:ac  %at  ro  ßdirrtGjxa.  dvc/.0-£[xaT:iC(o  toü?  /pcofxsvo'j;;  [xav-stats  xai  '(rj-qzeLrj.t.z  %rj.i 
(papixay.scai?  xai  Si'  a'Jxwv  ßXdTrrctv  xat  {b'fsXsiv  dvO-pcoTio'jc  s'jraYYsXXoixsvo'Jc.  dvaOs|xaxtCw 
xou?  £ircxaXr;ü|X£VO'jc  3at|x6vta  xtvd,  (bv  td  irpcöta  v.aX'j'jyzrj.i  aopoO  -/.a!,  Gsydv  xai  dpyac,  xal 
Sl  aoTÄv  T-rjv  GsX'^VY^v  3'?;i)-£V  ikv.rjvzac  TzfrjQ  iaozooQ  xai  spcoTtövrac  a'Jrd  -rrspi  <bv  dv  ßo'j- 
X(ovT7.t.  dvai^cixatiC«)  toöc  s'jrt-cö-svtac  zrjiz  dcrpaGcv  dv{)-p(bx(ov  övofxata  xac  otd  '■prxvzaGirj.c, 
Saqxovtcb^ofjc   xcvsiv    a.özvjc,   xatd  dXXVjXfov    rspa-suofxsvooc   xat    o'jko    cpYjjxcCovrac,    (b<;    6  toO 

SsiVOC    rj.ZZ'qrj    TÖV    ZO'J    östVOC    SGtOGE    xac    OSl   TldVTtOC    sfvai  tövos    xrjrj-rjxfjzzrjrjy)    ExstVOfJ    xai    S'JX'J- 

ysG-spov.  dva{)-c[xaTtCw  ^^^^J?  £V  TcpooTcoiYjCSGt  icaO'apor^roi;  [xcGavi)-po):rcav  ^i^doxovTa;;  xal  ßos- 
X'JGGOixsvou?  -Ttdvta  dvö-pto-JTOV,  OGxtc  «fjxoic  o'Jx  sGrtv  ö[xoTrtato?  xai  oid  xoOto  [xy^ts  xoogsyy^Ce'-v 

DonVscliriften  der  phiL-hist.  Cl,  XXVI.  Kd.  ^ 


5g  FkANZ  MlKLOSICll. 

-/£cp(öv,  £1  ci£  '(irr^zal  u  xard  tü-zy^v  toioütov,  £'Ji)-j:  kizi  v.a»)a[iiajiO'j?  xai  }//jt[j7.  -/(orjoOvra?  co? 
|jL£|xo/.'j3[JL£VO'JC  y-'X-  äxaO-dpro'Jc  yc^ovötac.  äva»)'£jJia7iCw  ':iL,'JOC  TO'Jroi;  xal  TOäv  £':£f/OV  £>)-o?  xat 
£7:'wtYjO£'jjxa  ^al  t.O.z'-j.v  irpr/äv  rwv  'Aö'CYyävcov  9av£pö)C  y^  Xafl'paüoc  'irap''  aOzcbv  icXouixevy^v.  zaoza 
-o'lvuv  Tzrj.vz'x  ävaö'£[jLaztC(o,  xat  äTroatfJEiyöiieVoc  v.al  d-jroTaaaöiXEVoc  aütolc  auvxdaaojxai  xcjjXpiatqS, 
y.c/.i  r^jTc'Jo)  £'.;  sva  i)'£ov  xaxEpa  Tza.'^z'jY.pä.z'jrja,  Tzrii'qz'qv  oüpavoO  %7.!.  -f/jc,  xat.  -cd  £uY;c. 

Tdac  ^('yrj\i.iYf^  £Tri  tcöv  dTco  aip£a£(oc  '7rpoc;£f-yo[j.£V(ov  rr^  ^jp<)"()  friars!.  Yjrot  'ApciaviarÄv. 
Ma/.soov'.avwv,  Nauattavcöv  usw. 

Der  Verfasser  dieser  Stdra^tc  ist  der  Patriarch  von  Constantinopel,  Methodios  I., 
842 — 846.  An  Methodios  II.  1240  ist  nicht  zu  denken.  Aus  dem  Codex  vaticanus  graecus 
1455  bomtycinus,  4°,  saee.  XIV.  329.  335. 

VII.  Pendant  que  le  pieux  roi  —  Bagrat  IV.  —  etait  dans  la  ville  imperiale  de  Con- 
stantinople,  il  apprit,  chosc  merveilleuse  et  absolument  incroyable!  qu'il  s'y  trouvait 
certains  descendants  de  la  race  samaritaine,  de  Simon-le-magicien,  dits  Atsincan,  sorciers 
et  scelerats  fameux.  Or  il  y  avait  des  betes  feroces,  venant  d'habitude  devorer  les  ani- 
maux  vivant  dans  Ic  parc  (philoparc)  imperial,  pour  la  chasse  du  monarque.  Le  grand 
empereur  Monomaque,  qui  en  fut  informe,  ordonna  de  faire  venir  les  Atsincan,  pour  que 
par  leur  art  magique  ils  detruisissent  les  betes  devorant  son  gibier.  Ceux-ci,  en  execu- 
tion  de  Vordre  imperial,  firent  perir  quantite  de  betes  feroces.  Informe  de  ce  que  nous 
avons  dit,  le  roi  Bagrat  manda  les  Atsincan  et  dit:  .De  quelle  inanifere  avez-vous  fait 
perir  ces  betes?'  ,Sire,  dirent-ils,  notre  art  nous  apprend  ä  empoisonner  des  chairs  que 
nous  pla9ons  dans  le  lieu  frequente  par  les  betes :  montes  sur  des  arbres,  nous  les  attirons 
en  imitant  le  cri  des  animaux,  elles  se  rassemblent  ä  notre  voix,  mangent  la  chair  et  meu- 
rent  foudroyees.  Seulement  les  betes  nees  le  samedi-saint  ne  nous  obeissent  pas,  et  au 
lieu  de  devorer  la  chair  empoisonnee,  nous  disent:  mangez-en  vous-memes,  puis  elles  s'en 
vont  sans  accident.'  Le  monarque  ayant  demande  qu'ils  lissent  venir  une  bete  de  cette 
espfece,  afin  d'etre  temoin  du  fait,  on  ne  put  trouver  d'autre  bete  qu'un  chien,  que  Ion 
savait  etre  n(i  non  le  jour  indique,  mais  ä  une  tout  autre  epoque.  Le  moine,  qui  etait 
alors  en  presence  du  roi,  fut  emu  du  meme  sentiment  naturel  dont  il  a  ete  question  plus 
haut,  a  l'occasion  des  Images  et  de  la  ressemblance  divine.  II  fut  emu  non-seulement  de 
pitie,  mais  du  sentiment  de  la  crainte  de  Dieu,  et  ne  voulut  pas  que  pareille  chose  se  fit 
cliez  des  chretiens,  et  surtout  dcvant  le  roi,  dans  un  lieu  oii  il  se  trouvait  lui-meme.  Ayant 
aussitöt  fait  le  signe  de  la  croix  venerable  sur  la  chair  empoisonnee,  l'animal  ne  l'eut  pas 
plus  tot  prise,  qu'il  le  fit  emmener,  afin  qu'il  ne  tombät  pas  mort  sur  la  place.  Le  chien  eni- 
inene  n'ayant  eprouve  aucun  accident,  les  sorciers  impuissants  prierent  le  roi  de  faire  con- 
duire  le  moine  —  Giorgi  —  dans  les  appartements  Interieurs  et  d'ordonner  d'amener  un  autre 
chien.  Le  saint  moine  parti,  on  amena  un  autre  chien,  auquel  on  presenta  la  chair  empoi- 
sonnee, et  qui  tomba  mort  sur-le-champ.  A  cette  vue,  le  roi  Bagrat  et  ses  grands  eprou- 
verent  une  grande  joie  et  informerent  de  cette  merveille  le  pieux  empereur  Constantin  Mono- 
maque,  qui  partagea  leur  satisfaction  et  remercia  Dieu.  Quant  au  roi  Bagrat,  il  disait :  ,Que 
ce  Saint  homme  soit  aupres  de  moi,  et  je  ne  crains  ni  les  sorciers  ni  leurs  poisons  mortels'. 

Extrait  de  la  vie  de  Giorgi  Mtharsmindel  de  la  Sainte-Montagne.  Chrestomathie 
georgienne  de  M.  Tchoubinof.  St.-Petersbourg.  1846.  pag.  241,  255.  Die  hier  abge- 
druckte neue  Übersetzung  des  für  den  vorliegenden  Gegenstand  nicht  unwichtigen  Auf- 
satzes   verdanke    ich    der    Güte    des    Herrn    Akademikers    ßrosset    in    Petersburg.     Vgl. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wasderüngem  der  Zigkuner  Europas,  vi.  59 

Bulletin    de    la    classe    liistorico-philülogi(|ue    de    Tacademic    imp.   de  8t.-Pctersbourg-.  II. 
1853,  Seite  4,  und  Brosset,  Histoire  de  la  Georgie.  I.  pag.  338. 

VIII.  'AXXoc  OS  ro'jc  orp st?  s-f/vOATriC^IJ-^voi  oc  %rjX  'Aa^tyyavoi  ÄcYÖ(j.öVot,  töv  \).i't  yi^i  -(zwcf 
b-fiVrxt.  zIq  Y^[xspav  xrjxrtizrjOjV,  töv  o'  a'J  sie  äa-spa  dyatl-öv,  v.at.  zö-'j/iac  y-ai  u'jo-'s/irj.c,  yevt^- 
aojjLsvac  äTiayYsXXo'jac,  xat  aXXa  tivd  ff}v'ja[jO'jct,  [J-y^os  '({j'y-'fQ  Trapaoollr^va'.  a^ta.  —  '£777.- 
GTptfitjOot  -£  v,at  YvwGTat.  XsYovcat  ttc/.v-sc  oi  aazavtzwc  £v{)'ooauövrsc;  xat,  irpoÄSYOvrsc  oy^D-sv 
td  dYVCoata,  (o?  at  Kpiiptat,  oi   AiHYYavot  %ai  «j'S'JooTTfiOi'fYjtac,  spYy(xtzat  %ai  s-spot. 

Balsamen  (f  circa  1204)    im  Commentar    zimi    61.  und  (55.  Canon    des  trullanisclien 
Concils.  yi6vzrj~([irj.  t(bv  %avöv(ov  von  ßlialles  und  Potles.  Athen.   1852 — 1859.  IT.  445.  458. 
Aus  den  angeführten  Stellen  ergibt  sich,  dass  die  Athingani  eine  Secte  waren,  nicht  ein 
Volk,  wie  manchmal  angenommen   wurde;  dass  die  Anhänger  dieser  Secte  namentlich  in 
Phx'ygien    und  Lycaonien    verbreitet   waren;    dass    die    Athingani    in    der    byzantinischen 
Geschichte    zuerst    unter   der  Regierung  des  aus  Pisidien  gebürtigen  Kaisers  Nicephorus 
(802 — 811)  auftauchen;  dass  sie  unter  Michael  I.   (811 — 813)  verbannt  werden;    dass  sie 
unter  dem  aus  Amorion  in  Phrygien  stammenden  Kaiser  Michael  II.  (820 — 829)  Einfluss 
bei  Hofe  gewinnen ;  sie  werden  in  einer  rJi6.zrj.cic  des  Patriarchen  Methodius  I.  (842 — 846) 
erwähnt;    eben    so    in    einem    im  eilften  Jalirhunderte  verfassten  georgischen  Leben  des 
hl.  Giorgi.  Balsamen,  dei-  zu  Anfang  des  dreizehnten  Jahrhunderts  starb,  ist  über  das  Wesen 
der  Secte  der  Athingani  als  im    Unklaren.  Über  die  weiteren   Schicksale  der   Athingani 
habe  ich  in  den  byzantinischen  Schriftstellern  keine  Nachricht  gefunden:  Hopf  32.  oibt 
an,    ein  Patriarch  von  Constantinopel  habe  gegen  sie  einen  Kreuzzug  heraufbeschworen 
und  sie  der  Vernichtung  geweiht,    worauf   sie   aus    der  Geschichte    verschwunden  seien. 
Mit  dem  Kreuzzuge  wird  es  wohl  seine  ßichtigkeit  haben,  obgleich  es  mir  nicht  gelun- 
gen ist,  die  Quelle  ausfindig  zu  machen,  aus  welcher  Hopf  diese  Nachricht  geschöpft  hat. 
Der  barbarische  Name  'A'S-iYY'^'^^^  ist  wahrscheinlich  eine  sklavische  Nachbildung  des 
gleichdeutigen  arabischen  lämasäsiyya,  eines  Wortes,  mit  dem  die  Samaritaner  von   den 
Arabern  bezeichnet  wurden.     Nach    einer  Stelle    des    Korans,   Sura  20,  87 — 96,    hat  ein 
Samaritaner  in  der  Wüste    das    goldene  Kalb    gegossen    und    wurde   von  Moses  dadurch 
bestraft,  dass  er  aus  der  menschlichen  Gesellschaft  gestossen  ward  und  zeitlebens  rufen 
musste :  lä  masäsa,  keine  Berührung.    Nutt,  A  Sketch  of  Samaritan  history,  dogma,  and 
literature.    London.    1874.  Seite  45,   meint,  Mohammed  verdanke  diese  Erzählung  irgend 
einer  jüdischen  Legende.  Masudi  und  Biruni  erzählen,  dass  die  Samaritaner  noch  zu  ihrer 
Zeit,    also    im    zehnten    und    eilften    Jahrhundert,    die  Worte   lä   masäsa  gebrauchten.  De 
Sacy,  Chrestomathie  arabe  1.  304.   343.  Abulfath  Ann.  Seite  175.  Auf  den  Zusammenhang 
der    Athingani     mit    den    Samaritanern    scheint    auch    der  Umstand    hinzuweisen ,     dass 
in    der    oben    mitgetheilten   georgischen  Legende    die   Athingani  ,descendants  de  la  race 
samaritaine,    de  Simon-le-magicien'    genannt    werden,    der    auch    in    der  Geschichte    der 
Samaritaner  eine  Rolle  spielt.  Nutt,  Seite  55.     Nach   der  Erzäljlung  des  hl.  Epiphanius, 
hielten   die  Samaritaner    die  Berührung  Andersgläubiger    für  verunreinigend.    "E/ouGt    (oi 
Xajxapsiza!,)  y>ai.  dXXa  -ivd  ävoiac  £|i.7rXsa,  oofi(()  xkoCöiizvot.^  s-jrdv  diro  iisvY;?  sXIl-foat,  [j,s|j.iry.[ji- 
[J.SV01  OY^O-sv,    'jorj.zi  G'jv  i\j.rj.-:irjic,  ßaTiTtCojxsvoc,    sTidv  d'|;(0VTat  stspo'j  xcov  d/Aos^vcöv.  jj.taG[xöv 
Ydp  r^yryy^zai  ~6  zivoc  wl^rj.zQv.'.  y^toi  O-cysiv  rj.k\rjO  zivbc,  dv\)-p(o'3ro'j  dir'  d/,/.o'j  ^rj'(iw.-rjc.    Epi- 
phanii   opera,  edidit  G.    Dindorfius.  Lipsiae   1859.   I.  Kard   aipsascov  Seite   308.  Dasselbe 
beobachten  die  Dositheaner,  rszdptYj  atpsatc  diro  2^a[xap£ttcov :  zb  \):q  ^v^yrXy^iy  zivbc,  otd  to 
[^OcXotzsa^J-at  lüdvca  dvö-pco-^ov  Seite  313. 


(Jü  FuANZ    MlKI.OSIClI. 

III.  Znsiuiiiiiciihiing  der  Zigeuner  mit  den  Alhinguni. 

Die  Zusammengehörigkeit  der  Namen  äil-iYyavot  und  äraiYxavot  ist  mir  unzweifelhaft; 
es  handelt  sich  demnach  für  mich  nur  um  die  Frage :  Welcher  Zusammenhang  besteht 
zwischen  dem  Volke  der  Zigeuner  und  der  Secte  der  Athingani?  Oder,  genauer,  wie 
kam  es,  dass  der  Name  der  Secte  der  Athingani  auf  das  A^olk  der  Zigeuner  übertragen 
wurde?  Denn  dass  die  Sectirer  ursprünglich  Zigeuner  gewesen  seien,  daran  ist  nicht  zu 
denken.  Über  die  \  eranlassung  dieser  Namensübertragung  können  mehrere  Vermuthungen 
aufgestellt  werden.  A  or  allem  kann  nach  meiner  Ansicht  nachgewiesen  werden,  dass  die 
Zigeuner  Eui'opa's  aus  einem  von  Armeniern  bewohnten  Lande  in  das  byzantinische  Reich 
eingewandert  sind.  Es  ergibt  sich  diess  aus  den  unten  aufgezählten  zahlreichen  armenischen 
Bestandtheilen  der  Zigeunermundarten  Europa's.  Wenn  demnach  die  Byzantiner  die  aus 
Armenien,  zunächst  aus  Phrygien  und  Lycaonien,  nicht  etwa  aus  Syi'ien,  nach  Byzanz  ein- 
wandernden Zigeuner  Athingani  nannten,  so  thaten  sie  ungefähr  dasselbe  was  die  Fran- 
zosen thaten,  als  sie  die  aus  Böhmen  nach  Frankreich  kommenden  Zigeuner  Bohemiens 
nannten.  Eine  andere  Vermuthung  ist  die,  die  Byzantiner  hätten  die  Zigeuner  als  Athin- 
gani bezeichnet,  weil  sie  in  ihren  früheren  Wohnsitzen,  wie  das  ihre  Sitte  ist,  sich  dem 
Glaubensbekenntnisse  der  Bewohner  jenes  Landes  angeschlossen  hätten.  Eine  dritte  Ver- 
muthung endlich  ist,  die  Byzantiner  hätten   die  Zigeuner  zum  Schimpf  Athingani  genannt. 

Dass  die  Zigeuner  diesen  Namen  von  den  Athingani  erhalten  haben,  ist  keine  neue 
Lehre.  Derselben  Ansicht  begegnet  man  in  älterer  Zeit  so  häufig,  dass  man  versucht 
ist  anzunehmen,  sie  sei  die  herrschende  gewesen. 

Vagatur  hinc  inde  genus  quoddam  impostorum,  sagt  ein  Schriftsteller  des  sechzehnten 
Jahrhunderts,  squalida  tetraque  et  deformi  specie  et  habitu  peregrino,  quos  recentes 
Graeci  Attinganos,  nos  Zigeunos  nominamus.  Creduntur  ex  Aegypto  primum  et  vicinis 
Africae  partibus  prodiisse,  ubi  incantationum  atque  universim  omnis  generis  praestigiarum 
et  divinationum  tantus  est  usus,  ut  nihil  nisi  consultis  vatibus  suscipiatur  et  magnus 
vatum  numerus  singulis  diebus  in  foro  publico,  in  compitis  et  pergulis  praestoletur  con- 
sulturos,  quod  qui  Alexandriae,  Alcairi,  quae  Memphis  est,  et  in  locis  vicinis  fuerunt, 
pro  certo  compertoque  afl'irmant.  C.  Peucer,  Commentarius  de  praecipuis  generibus  divina- 
tionum. Witebergae.  1572.  IGÜ.  a.  Derselben  Ansicht  war  Jakob  Goar  (f  1653):  Athin- 
ganorum  reliquiae  ac  successores,  sagt  derselbe,  Italis  Tzingari,  nobis  (Franco-gallis) 
Boemi  vel  Aegyptii,  quod  ex  Oriente  profecti  in  illas  partes  et  inde  versus  nos  pene- 
trarint.  Theophanes,  ed.   Goar,  Seite  632. 

Diese  Ansicht  ward  zuerst  von  Pagi  in  Baronii  annales  XIII.  Seite  462  mit  Be- 
rufung auf  die  Lehre  der  Athingani  bei  Constantinus  Porphyrogenitus  und  bei  Cedrenus 
bekämpft.  Le  Beau,  Histoire  du  Bas-Empire  XII.  Seite  442  erwähnt  die  Ansicht  von 
dem  Zusammenhange  der  Zigeuner  mit  den  Athingani :  On  croit  que  ces  malheureux 
vagabonds,  connus  aujourd'hui  sous  le  nom  de  Bohemiens,  sont  un  reste  des  Athingans. 
Saint-Martin  bemerkt  darüber  folgendes :  C'est  la  ressemblance  de  nom  qui  a  fait 
croire  que  les  Bohemiens  avaient  (piebpie  chose  de  commun  avec  les  Athingans  et  qu'ils 
pouvaient  eii  descendre.  Zu  den  Bekämpfen!  dieser  Ansicht  gehört  auch  A.  Korai : 
AraiYYy.voc.  ro  a  sivai  irXsovaararJV  sie  zh  zCij^rx-^oc  bohemien,  egyptien,  hv'j\xdCs.zai  -/sn 
yu'ftoc,  äyY/.tj-:!,  gipsy.  oi  IraXoi  tov  ovjjj.c/.Co'jv  zingano,  oi  yspixavoc  Zingeuner,  ot  roöpxot 
rCtyycVE.  xay.ö);  iyrj\xlo\Wi ,  ozi  sivai  ol  7.7:0  706c  '(rjaiyjjrjo^ialrj'jc  övo|xaai)-£v:cC  rj.^iy'^av'ji. 
zoOro    slvai  ovo[j.a  aijjsny.cöv,  01  oiroloi   (ovo[xdCr;v:o  xai   MsÄ^^iac^cy-iTai,  Siort    £OOY[JidTtCav  rov 


ÜbEE  DIE  MüNDAETEN   UND    DIE  WaNDERU  NüEN     DER   ZiCEUNEE  EuEOrA'S  VI.  61 

MsXytasos-Ä  ävcörspriv  torj  Xpiatoü.  ot  TCcYyavo'.,  ttoäü  [j.staYEVsarcpot,  Ttbv  'AO-iyTavcov,  £rpdv/)aav 
SIC  r?;v  E'Jf/(ÖTrY;V  iTcpl  xa?  dpydc  xyjc  Ocxärr^c  TTSjJ.-irtY^c  sxarovrasrrjpiooc,  spyoiJ.£vr>i  dicö  ty)V 
Mv^tav  ocd  xtjC  Al^uxTGU,  oSsv  (ovo(j.daö-Yjaav  %al  FöcpTot,  (r'j--ot.).  zo  ovojxa  Tarpcavo:;  tj  tö 
s'fspav  dzo  TTjV  '[voiav  -J^  to  sXaßav  sie  ~^jV  opö|xov  dTcö  xdväv'  dXXo  sö-vo?  Korai,  "Araxra 
4.  Seite  37.  '0  szüiJ.o^.öyoc  £-0[xo),oy£i  (Sev  stsopw  dv  iriaabc)  rovo[xa  x(öv  aipctt7.(bv  'A\)-!,y- 
Ydv(ov  oüTtoc"  dl)-CYY'"''-vo?  6  (xtj  {)-£Ä(ov  xwl  xpoa£YY^'^'^^  ^''^^  t^^'^  i)-CY<'i>  ^■'^  y^-P  '^''i"*'  ^^P^cw 
xaöxY;V  £yovx£C  ofJO£V  xap"  rj.Xkri'j  Xajxßdvooaiv  ibid.  711.  Pagi,  Saint-Martin,  Korai  sind  in 
so  ferne  in  vollem  Rechte,  als  ihre  Gegner  offenbar  eine  Abstammung  der  Zigeimer 
von  den  Athinganen  annehmen :  Beide  haben  miteinander  nichts  als  den  Namen  gemein. 

Nach  dieser  Hypothese  hätte  die  Auswanderung  der  Zigeuner  in  einer  bedeutend 
früheren  Zeit  stattgefunden,  als  ich  ehedem  annahm,  indem  ich,  auf  die  leider  sehr 
dunkle  Geschiclite  der  arischen  Sprachen  Indiens  bauend,  dieses  Ereigniss  um  das  Jahr 
1000  eintreten  liess.  Nach  der  hier  dargelegten  Ansicht  sind  die  Zigeuner  zu  Anfang 
des  neunten  Jahrhunderts  bereits  in  Byzanz,  also  um  ein  halbes  Jahrhundert  früher  als 
die  Dzat  das  Gebiet  des  griechischen  Reiches  betraten.  Wer  die  Zigeuner  mehr  als  ein 
Jahrtausend  vor  dieser  Epoche  in  Europa  wohnen  lässt,  der  wird  Schwierigkeiten  haben 
die  nahen  Beziehungen  zwischen  dem  Zigeunerischen  und  den  arischen  Sprachen  des 
heutigen  Indien  zu  erklären.  Vgl.  Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der 
Zigeuner  Europa's.  III.  Seite  4.  Wenn  man  auch  nicht  mit  Paspati  behaupten  kann : 
d'histoire  entifcre  de  cette  race  est  dans  son  idiome',  so  ist  gewiss,  dass  wir  der  Sprache 
der  Zigeuner  die  werthvollsten  und  sichersten  Aufschlüsse  über  ihre  Geschichte  ver- 
danken und  dass  wir  ohne  die  Kenntniss  der  Sprache  nicht  einmal  den  Satz  aufstellen 
könnten,  dass  die  Zigeuner  aus  Indien  stammen.  In  der  Geschichte  der  Zigeuner  spielen 
die  aus  anderen  Sprachen  entlehnten  Elemente  eine  hervorragende  Rolle. 

Aus  den  armenischen  Elementen  der  Zigeunermundarten  Europa's  ergibt  sich,  dass 
die  Vorfahren  unserer  Zigeuner  auf  der  Wanderung  aus  ihrer  indischen  Heimat  nach 
dem  Westen  in  Armenien  Halt  gemacht  haben.  Es  ist  jedoch  seit  langem  bekannt  und 
von  Herrn  M.  J.  de  Goeje  in  den  , Verslagen  en  mededeelingen  der  k.  akademie  van 
wetenschapen.  Afdeeling  Letterkunde.  Tweede  reeks.  Vijfde  deel'  Seite  56 — 80  aus 
arabischen  Quellen  genauer  nachgewiesen  worden,  dass  auch  im  Süden  durch  von 
Arabern  bewohnte  Landstriche  Zigeunerhorden  nach  dem  Westen  zogen.  Es  entsteht 
nun  die  Frage,  ob  auch  diese .  südlichen  Zigeuner  Vorfahren  der  europäischen  Zigeuner 
sind.  Wer  die  Frage  bejaht,  muss  annehmen,  dass  sich  die  südlichen  mit  den  nördlichen 
Zigeunern  verbunden  haben,  was  wohl  nur  im  Gebiete  des  griechischen  Reiches  geschehen 
sein  kann.  Die  Ansicht  könnte  begründet  werden  durch  den  Nachweis  arabischer  Elemente 
in  den  Mundarten  der  Zigeuner  Europa's.  Diesen  Nachweis  versuchte  Herr  de  Goeje  an  zehn 
zigeunerischen  Worten  zu  liefern.  Mir  scheint  der  Versuch  nicht  gelungen.  Der  Verfasser 
zog  einestheils  Worte  herbei,  von  denen  gezweifelt  werden  kann,  ob  sie  wirklich  zigeu- 
nerisch sind,  theils  erklärte  er  echt  zigeunerische  Worte  in  unrichtiger  Weise.  Es  wird 
sich  diess  aus  dem  angeschlossenen  Verzeichniss  ergeben.  Dadurch  wird  zwar  die  Thesis  nicht 
hinfällig,  dass  ein  Theil  der  Vorfahren  der  Zigeuner  Europa's  unter  Arabern  gelebt  habe, 
indem  eine  genaue  Durchmusterung  der  europäischen  Zigeunermundarten  ein  für  dieselbe 
günstigeres  Resultat  ergeben  kann;  allein  der  von  Herrn  de  Goeje  aufgestellte  Satz,  dass 
,al  de  Zigeuners  een  tijdlang  onder  arabisch  sprekende  Menschen  verkeerd  hebben'.  kann 
Angesichts    der    armenischen    Bestandtheile    des  Zio-eunerischen  nicht    bewiesen    werden. 


(j2  Franz  Miki.usich. 

agor  Ende,  Pott  2.  45,  wird  von  Herrn  ilo  (tocJc  mit  arab.  acliir  in  Verbindung 
gebracht.  Griech.  agor  Spitze,  Rand ;  arjor^  adv.  am  ßande ;  agordl  adv.  eig.  vom  Rande, 
liangen  mit  aind.  agra  Spitze,  äiisserstes  Ende,  Vorderseite,  zusammen. 

[alikati).  alicati  time,  turn,  span.  vez,  Pott  2.  59,  soll  das  arab.  al-wakt,  al-ikat  sein. 
Das  Wort  findet  sich  bei  Borrow  und  ist  im  günstigsten  Falle  der  Mundart  der  span. 
Zigeuner  bekannt:  allein  selbst  diess  darf  bezAveifelt  werden,  weil  es  bei  Campuzano, 
im  Diccionario,  bei  Jimenez  und  Quindale  fehlt. 

(caro).  czaro,  szahro,  szahn  Schüssel,  Pott  2.  198,  ist  nach  Herrn  de  Goeje  das  arab. 
(;ahn.  Die  Form  szahn,  schon  von  Pott  bezweifelt,  ist  falsch.  Das  in  zehn  Zigeuner- 
mundarten als  caro ,  engl,  als  cora  vorkommende  Wort  wird  mit  aind.  caru  Kessel, 
Topf  in  Verbindung  zu  bringen  oder  aus  dem  armen.,  wo  carai  Topf,  Schüssel  bedeutet, 
entlehnt  sein.  Schon  Pott  hat  hind.  carüä  a  large  pot  beigebracht. 

(cliandako).  handako  Wassergraben,  falsch  Grab  für  Graben,  Pott  2.  1G5,  wird  mit 
dem  arab.  chandak  vermittelt,  worauf  schon  Pott  hingewiesen  hat.  Da  jedoch  auch  das 
mgriech.  ydvSau  ])ucange  und  das  ngriech.  yav":d7.t,  kennt,  so  kann  das  zig.  Wort  aus 
dem  griech.  entlehnt  sein  und  kann  demnach  für  einen  ehemaligen  Aufenthalt  der 
Zigeuner  unter  arabisch  redenden  Stämmen  keinen  Beweis  abgeben.  Das  Wort  kömmt 
nur  in   einer  Mundart,   der  deutschen,  vor. 

(char,  kar).  jar,  car  Hitze,  Pott  2.  125,  findet  sich  bei  Borrow  und,  vielleicht  aus 
diesem,  bei  Quindale  in  der  Form  jar  und  nur  bei  diesem.  Andere  Mundarten  als  die 
span.  kennen  das  Wort  nicht,  jar,  car  soll  da'B  arab.  harr  sein.  An  aind.  gharma  darf 
allerdings  nicht  gedacht  werden,  denn  dieses  lautet  zig.  kham. 

choro,  richtig  chor,  tief,  Tiefe,  Pott  2  164,  wird  als  mit  dem  arab.  ghör  identisch 
erklärt.  Das  unzweifelhaft  zig.  Wort  ist  das  armen,  yor  tief. 

(kaha).  c«AflHaus,  wofür  Pott  2.  91.  eine  Quelle  (Rb.)  anführt,  habe  ich  in  keiner  Zigeuner- 
mundart gefunden.  Herr  de  Goeje  erklärt  das  Wort  für  das  arab.  ,käha  oder  vielleicht  käch'. 

(kes).  kesz  Seide,  Pott  2.  119,  ist  nach  Herrn  de  Goeje  das  arab.  kazz.  Das  Wort,  griech. 
kes^  rumim.  tes,  tez,  M,  ungr.  kes,  span.  kechesausw.,  wird  schon  von  Pott  mit  pers.  Ä:e^  vermittelt. 

koter,  gotter  Stück,  Pott  2.  97,  soll  aus  dem  arab.  stammen,  wo  das  bereits  von  Pott 
herbeigezogene  kofa  Stück  bedeutet.  Das  allen  Zigeunermundarten  Europa's  bekannte 
Wort  ist  das  armen,  kotor. 

mochton,  genauer  rnochto,  Pott  2.  437,  wird  mit  arab.  mosjtän  (mostän)  zusammen- 
gestellt, das  nach  Zeitschrift  der  deutschen  morgenl.  Gesellschaft  20,  Seite  506.  507,  den 
.mechanischen  Apparat  der  Horoskopsteller,  Gaukler'  bedeutet.  Das  Wort  lautet  ungr. 
mosto  Trulie,  böhm.  mochto,  deutsch  mochton  Dose,  Schachtel,  skand.  mokti  Büchse,  engl. 
möchte,  mökto.  Der  Ursprung  von  mochton  ist  mir  dunkel. 

IV.  Andere  Erkliirinigen  des  Namens  , Zigeuner'. 

.  Ich  halte  dafür,  dass  durch  das  oben  Gesagte  der  .seinem  Ursprünge  nach  sehr  wenig- 
deutliche  und  gerade  deshalb  am  meisten  bequacksalberte  Name  Zigeuner'  so  sicher  er- 
klärt ist,  als  bei  einem  Gegenstände  dieser  Art  nur  immer  erwartet  werden  kann.  Wer 
die  älteren  Deutungen  dieses  Namens,  die  in  Grellmann's  Buch,  228 — 249,  und  in  Pott,  ' 
1.  44 — 47,  zusammengestellt  sind,  prüft,  wird  wenigstens  eines  einräumen  müssen,  dass 
nämlich  der  Herleitung  des  Wortes  ^igeuner  aus  aHiycjyA  für  denjenigen,  der  die 
Zwischenglieder  kennt,    keine    imüberwindlichen    sprachlichen  Schwierigkeiten    entgegen 


♦ 


Über  die  Mundakten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's  vi.  63 

stehen,    während  die  älteren  Erklärungen  eben  an   diesem  Widerstände    sclieitern.     Dass 

aber  auch  die  neuesten  Erklärungen  nicht  annehmbarer  sind  als  die  älteren,  ero-ibt  sich 

aus  den  von  den  Herrn  M.  J.  de  Goeje  und   Paul  Bataillard  ausgesprochenen  Ansichten. 

Des  ersteren  Erklärung  steht  in:   Verslagen  en  mededeelingen  der  koninklijke  akademie 

van    wetenschapen.    Afdeeling    Letterkunde.    Tweede    reeks.    Vijfde    deel.    Eerste    stuk. 

Amsterdam,   1875.    Seite  76.     Herr    de  Goeje    bemerkt    vor    allem,    die  Zigeuner   hätten 

sich  zu  allen  Zeiten  durch    ihre    musikalischen  Talente    hervorgethan ,  es  liege   demnach 

nahe  das  Wort  Zigeuner  durcli    ,Musikanten'    zu  erklären,    und   fährt  dann  auf  folgende 

Weise  fort:  ,Inderdaad  beduidt  het  perzische  woord  tsjeng  een  soort  van  harp  of  cither 

die  in  het  Oosten  veel  gebruikt  wordt,  en  tsjengl  is,  evenals  vroeger,  nog  heden  in  Perzie 

en  Turkije  een  gewoon  woord  von  ,muzikant'  en  ook  vor  ,danser'.  In  äit  tsjengl  is  de  I 

eigenlijk  de  arabische  uitgang  van  het  nomen  relativum,  doch  kan  ook  beschouwd  worden 

als  de  perzische  uitgang  van  het    nomen  unitatis.     Naar  deze   opvatting  mag  het  woord 

tsjeng  vor  de  danser,  de  muzikant  als  soortnaam  gebruikt  en  hiervan  met  den  perzischen 

uitgang    an    de    pluralis   tsjengän  gevormd    worden,  naar  analogie  van  7nerd ,  de  mensch, 

als  soortnaam,  merdi,  een  mensch,  een  individu,  merdän,  menschen,  of,  de  menschen.  De  vraao- 

is  alleen  of  men  inderdaad  tsjengl  aldus  heeft  opgevat,  of  t>ijeng  derhalve  in  de  opgegeven 

beteekenis  vorkomt.    Het  antwoord  hierop  heb  ik  aan  mijn  vriend    Dozy  te  danken    die 

mij  gewezen  heeft  op  een  voorbeeld  in  de  Dutzend  en  eene  nacht.,    en  de  v^erklaring  van 

het  woord  door  Lane  in  zijne  vertaling  van  dit  werk.  In  't  byzantijnsche  rijk  moet  dan 

de    beroepsnaam    tsjengän    tot    eigennaam    geworden    sijn.     Want    van    daar  volgt   hij    de 

Zigeuners  tot  naar  West-Europa,  en  van  daar  is  hij  door  de  Türken  in  Azie  als  eio-ennaam 

teruggekeerd.  Men  vindt  in  het  turksche  rijk,  zoowel  in  Europa,  als  in  Azie  en  Egypte, 

tsjengän.^    of  tsjengäne    met    een   nieuwe    pluralisvorming    als    naam    der    Zigeuners,    naast 

tsjengl,  dat,  zooals  boven  gezegd  is,  muzikant  of  danser  beduidt.' 

Herr  Paul  Bataillard  hat  in  seinem  Aufsatze:  Sur  les  origines  des  Bohemiens  ou 
Tsiganes  avec  l'explication  du  mot  Tsigane,  abgedruckt  aus  der  Eevue  critique  vom 
25.  September,  2.  und  9.  October  Paris  1875,  und  in:  Sur  les  origines  des  Bohemiens  ou 
Tsiganes.  Les  Tsiganes  de  Tage  du  bronze  usw.,  abgedruckt  aus  den  Bulletins  de  la 
Societe  d'anthropologie  vom  18.  November  und  2.  December  Paris  1876,  einen  Gedanken 
von  J.  G.  Hesse,  Vivien  de  Saint-Martin  und  Malte- Brun  aufgenommen  und  dem 
Namen  Zigeuner  den  Namen  der  am  linken  Ufer  des  Istros  ansässigen  Itjuwac  Herodot's 
5.  9.  zu  Grunde  gelegt.  Derselbe  äussert  sich  Seite  25  der  erstgenannten  Schrift,  seine 
Ansichten  zusammenfassend,  in  folgender  Weise :  ,En  resume  ^tyüvoc,  ancienne  forme 
grecque  du  nom  que  les  Tsiganes  portent  encore  aujourd'hui  dans  tous  les  pays  de 
l'Europe  Orientale,  d'oü  il  a  rayonne  un  peu  au-dela  et  un  peu  en-de9ä,  signifiait 
simplement  javelot,  pique,  etc.,  soit  que  le  nom  de  la  chose  ait  passe  ä  ceux  qui  la 
fabriquaient,  soit  que  le  nom  ethnique  des  fabricants  ait  passe  ä  la  chose.  Puis  ce  nom 
ethnique,  qui,  en  tant  que  nom  commun,  avaient  en  grec  ancien  des  formes  assez  diverses, 
notamment  celle  de  aiß'JVTj  et  de  ß=)>oc,  est  devenu  en  grec  du  moyen-age  ■/.azCißsKoz, 
qui  signifie  un  peu  plus  explicitement  fabricant  de  javelots,  fleches,  lances,  epees;  et 
c'est  la  encore  aujourd'hui  le  nom  grec  des  Bohemiens  le  plus  repandu,  non-seulement 
en  Grece  (oü  on  les  appelle  aussi  'A^CtY^avic  ou  Av^tYy'y.vo;,  et  F'jcfco?,  Egyptien),  mais  en 
diverses  regions  de  la  peninsule  des  Balkans  oii  le  grec  a  penetre.  Enfin  ce  nom,  que 
les  Turcs  ont  trouve  en  Chypre,  soit  sous  sa  forme  anciennes  de  Srcovoi;,  dejä  sans  doute 


64 


Fkanz  Miki,osic». 


transformö  en  Cingani  que  nous  y  renconti-ons  au  XV  siecle,  soit  sous  la  forme  plus 
moderne  de  y.azCi^jzl'JZ,  soit  plus  probablement  sous  l'une  et  Tautre  forme,  qui  s'expliquaient 
l'une  par  l'autre,  a  ete  traduit  dans  cette  Ue  par  kilindjiridcs,  mot  turc  flanqu6  d'une 
terminaison  o-rccque,  qui  signifie  plus  particuliferement  fabricant  d'epees.  La  meme  chose 
est  arrivee  a  Ilhodos,  avec  cette  seule  difference  (pie  le  mot  kaldji  est  demeure  purement 
turc  saus  addition  de  finale  grecque.  Ainsi  se  trouve  tout  ä  la  fois  explique  le  nom 
myst6rieux  des  Tsiganes,  et  prouvee  leur  identit6  originelle  avec  les  anciens  )Li-('jyA  ou 
ItYUVvat.  et  par  suite  aussi  celle  des  Sinti  actuels  avec  les  anciens  Xivrisc,  en  meme 
temps  que  le  rapport  des  uns  et  des  autres  avec  les  anciens  metallurges  cabiriques  se 
trouve  aussi  confirme  par  la  signification   meme  du  nom  des  premiers'. 

Ich  enthalte  mich  jeder  Kritik  der  hier  mitgetheilten  Ansichten,  die  ich  mit  den 
eigenen  Worten  ihrer  Urheber  vorlege,  damit  der  Leser  sie  selbst  zu  prüfen  in  die 
Lage  versetzt  werde. 

Armenische  Elemente  im  Zigeunerischen. 

arcic  Blei.  Armen. 

Griech.  arcic i,  arkici,  artici  Zinn.  Rumun.  arclc  Blei  Buk.  arcioi  Zu.  arslc 
Bessar.     Ungr.  arcic  Blei,  arcieano  bleiern.    Böhm,  arcic.    Vgl.  pers.  erziz  hind.  arziz. 

bow  Schmelzofen. 

Griech.  bov  m.  Ofen.  Rumun.  bov  Gal.' I.  boü  Buk.  Ungr.  bof  Unghv.  Böhm. 
bov  m.  Deutsch  böb  Lieb.  Poln.  bou  Narb.  161.  Russ.  bov  Böhtlingk  265.  Skcmd. 
bau.  Pott  2.  405. 

camb  Futter;  cambel  füttern. 

Griech.  cam  f.  Speise,  Brot,  camkeräva,  camukeräva  kauen,  camurdikanes  adv. 
gekaut,  undeutlich  (vom  Sprechen,  ngr.  |JLaa'/]|X£VOc).  Rumun.  camb  abnagen  Buk.  Ungr. 
chamlo  Brot.     DeutscJt  cammeväva  kauen;  cammerväva  reden.  Skand.  c a ml a  kauen. 

cafai  Topf,  Schüssel. 

Griech.  carö  m.  Teller.  Rumun.  car6  Schüssel.  Ungr.  caro.  Böhm.  cäro.  Deutsch 
cäro  Lieb.  Poln.  faro  catinus  Narb.  159.  Russ.  carö,  ßäro  Böhtlingk  24.266.  Skand. 
6aro  Gefäss.  Ital.  car6  Teller  Ascoli  130.  Engl,  cöra  a  plate.  Hiebei  ist  aind.  caru 
Kessel,  Topf  nicht  unerwähnt  zu  lassen.  Pott  2.   198. 

dudüm  Kürbiss. 

Griech.    dudüm    m.      Ungr.    du  dum,    du  du.     Engl.   Vgl.   diidum    belly,    womb. 

dzar,  car  Haar. 

Griech.  dzar  f.  Haar,  Faser,  dzarjalu  behaart.  Ungr.  dzär  Haar,  Borste,  dzar  ja 
pl.  Bart,  dzarvälo  haarig.  Böhm,  dzar  f.  Haar,  dzarälo  haarig.  Man  vgl.  jedoch 
aind.  gatä  Flechte,  faserige  Wui'zel.  Verschieden  scheint:  Griech.  cor,  dzor  f.  Bart.  Rumun. 
Sor,  rton.     Ungr.  c6ra  f.     Böhm,  cor  m.  Barthaar.     Russ.  cöra  Bart.     Span,  con  Bart. 

gn-al  gehen. 

Rnss.  te  roz-genes  auseinander  gehen  Böhtlingk  263:  das  Verbum  gen  ist  mit 
dem  russ.  Praefix  rozt  verbunden. 

grast  iumentum  Lastthier. 

Griech.  grast,  gras,  grai,  gra  Pferd,  grastni,  grasni,  grani  Stute. 
Rumun.  grast    m.    grazni   f.  Buk.  gras  m.  grasni  f.  Serb.      Ungr.  gra  pl.  grasta 


Über  die  Mundaeten  und  die  Wandeeungen  dek  Zigeuner  Eueopä's.  vi.  65 

m.  grasni  f.  Böhm,  grast  m.  grasni  f.  Deutsch  grai  m.  grasni  f.  Poln.  graj, 
sg.  acc,  gl- es  m.  grasny  f.  Russ.  graj.  gr astöro  demin.  m.  grasny  f.  Skand. 
grei  Ital.  grast,  grast  m.  Bask.  grami  iii.  crashnia  f.  Engl,  grei,  gra, 
davon  das  adj.  greiesto  m.  grasny  f.  Span,  graste  m.  grasni,  grasti  f. 

■/ant-el  jucken. 

Böhm,  cliandzel.  üngr.  handzol,  chandzava  Sirm.  Pohl,  cliandzolo 
Pruritus  Narb.   165.     Engl,  hon  dz  to  itcli,  tlie  Itch.  Pott  2.   167. 

chmor  Sauerteig. 

(iriech.  cliomer  m.  Teig.  Rumun.  chumer,  cliomer.  üngr.  liumer  Teig,  Brotkrume. 
Böhm,  eliumer  Teig,  c ]i u m e  1  Brotkrume.    Span,  chumeri,  chumeri  Brot.  Pott  2.  159. 

yor  tief. 

(xriecli.  clior  adi.  tief;  subst.  Tiefe.  TJngr.  bor.  Böhm.  chor.  Deutsch  choro. 
Pohl.  chor.     Russ.  chor.     Span.  gorö.     Pott  2.   164. 

jesän  Schleifstein. 

Rumun.  asan  f.  Schleifstein  Buk.  Aind.  ^äna,  säna,  ^äni:  s  für  aind.  s  spricht  für 
Entlehnung  aus  dem  armen. 

karküt  Hagel. 

Griech.  kukkudi.  Der  Zusammenhang  mit  dem  armen,  karküt  ist  wahrscheinlicher 
als  der  mit  ngr.  v.o'jxt  Bohne,  agr.  •/.öv.-Ao;  Kern. 

kocak  Knopf. 

Rumun.  kocak  Knoten  Bessar.  üngr.  kot'ak  Knopf.  Böhm.,  kocak  f.  Deutsch 
gocikk  Lieb.     Skand.  kocik.     Vgl  Pott  2.   131. 

kotör  Stück. 

Griech.  kotor.  demin.  kotorica.  Rumun.  kotör  m.  kotoricä  pL  Stückchen 
Buk.  Ungr.  kotor.  Böhm,  koter.  Deutsch  gotter.  Skand.  kottro.  Engl,  kötor. 
Span,  kotor e.  Dem  armen,  kotor  wird  wohl  das  arab.  kota  weichen  müssen,  womit 
Herr  de  Goeje  78.  das  zig.  Wort  in  Verbindung  bringt. 

kurak  Füllen. 

Griech.  kliuru,  kfuro,  kurö  m.  Füllen.  Rumun.  khurö,  kuro  Buk.  üngr. 
k  h  u  r  o  ;  k  u  r  6 ,  k  d  r  o.  Böhm,  k  h  u  r  d  o  Hengst  Puch.  2 1 ,  lüchtig  k  h  Q  r  o,  das  42  steht. 
Pohl,  kurro  Hengst,  kuroro  Füllen.  Russ.  khurö  Hengst,  khurorö  Füllen. 
Finn.  khuro  Hengstfüllen,  kuri  Stute  Bugge  147.  148.  Skand.  kuro  Füllen.  Span. 
kururö.  Vgl-  npers.  kürrah.  Die  Aspiration  lässt  eher  an  armenischen,  als  an  persi- 
schen Ursprung  denken. 

morf   Haut. 

Griech.  morti  f.  Fell,  Leder.  Rumun.  morti,  murfe,  murfi,  murci  Haut  Buk. 
morki  Bessar.  moröi,  morci  Sirm.  Ungr.  mortin  f.  Böhm,  morfhi  f.  Deutsch 
m  ortin,  morcin.     Bask.  mortcia.     Engl,  mütsi,  mütska.     Span,  morcas. 

mrcjün,  mrcimtn  Ameise. 

Rumun.  musonöj  Ameisenhaufen  Buk.  Dem  Worte  liegt  armen,  mrcjün  zu  Grunde:  oj 
scheint  ein  zig.  Suffix  zu  sein;  vocalisches  r  geht  nach  m  in  u  über;  die  Verwandlung 
des  c  in  s  ist  eine  Eigenthümliclikeit  des  rumun.  Zigeunerisch  Ameise  heisst  bei  den 
böhm.  Zigeimern  handa,  haAda  Puch.  40.  69;  bei  den  ungr.  handa;  sonst  kiri: 
Griech.  kiri  f.     Deutsch  gerria.     Pohl,  kirdza.     Engl.  kria.     Span,   kiria. 

Deiilschiiften  der  pliil.-bist.  Cl.  XXVI.  Kd.  9 


gß  Franz  MiKLOSicH.    ÜnuK  die  Mundakten  und  die  Wandeiuingen  der  ZuiEUNER  Eukopa's  vi, 

pativ  lillue-,   patvel  ehren. 

Griedi.  pakjäva  glauben,  vertrauen,  pakjano  treu.  Rmriun.  pakiii,  pakio 
foi,  honneur.  paeao  je  erois  Vaillant  58.  61.  120.  patu  Ehre.  Un()7\  patav  glauben, 
trauen,  pafiben  Glaube,  Ehre.  pa(;iu  Sirm.  Böhm,  pafav  glauben,  pativälo  treu, 
ehrlich.  Deutsch  pacäva  glauben,  patuv,  patib  Ehre,  liasx.  to  patjas  glauben. 
Skand.  pasa  trauen,  pasano  ti-eu.  pasipa  Treue.  Engl,  pätser  to  believe.  patsova 
I  believe.  pätsaben  belief.  Span,  pacabclar,  pancabclar  glauben,  pancabo 
Glaube,  paei  honour,  modesty,  virginity.  pacibo  Ehre,  paeibalo  honest,  espa- 
cilar  desflorar. 

por  Baueh ;  poroti  Eingeweide. 

Griech.  per,  por,  pol,  bor  m.  Bauch.  Riimim.  per,  pir  Vaillant  57.  122.  p:5r, 
por  Darm,  Bauch.  Ungr.  per.  por  Sirm.  Böhm.  per.  pervälo  bauchig,  pora  Ein- 
geweide. Deutsch  perr.  Foln.  per.  Russ.  per.  Basic,  porra.  ItaJ.  por.  Engl. 
per,  pur.  Span,  po,  poriä  m.  Bauch,  poria,  porria  Eingeweide.  Die  Aspiration 
fehlt  auch  bei  anderen  Wörtern.  Vgl.  hind.  pet  belly;  peru  the  lower  part  of  the 
belly;  sindh.  petu. 

posi  Staub. 

Griech.  posik  f.  Erde.  Rumim.  pos  Staub  Vaillant  63.  123.  pus  123.  TJngr. 
posi  Sand.     Böhm,  pösi  Sand. 

psranlc  pl.  Brosamen-,  psrel  zerstossen. 

Rumnit.  pursuka  pl.  Brosamen. 

t'agavor  König. 

Griech.  takar,  takhar,  taghar,  dakhar,  dakär.    Rwimm..  tagar  Vaillant  130. 

thafikh,  tlialikh  Filz. 

Rumuu.  thalik  schafwollenes  Kleid  Buk.  talig  Serb.  Ungr.  thalik  Herren- 
gewand. Rock  ohne  Ärmel.     Böhm,  thalik  f.  Mantel  ohne  Ärmel. 

vogi,  liogi,  ogi  Seele. 

1.  Griech.  ogi  m.  f.  Herz,  Seele,  Muth.  ongl  Magen,  Herz,  Wille,  dukdla  man 
m'  ogi  je  souffre  de  mon  coeur.  ogororf  deminut.  ogi  däva  ich  sterbe.  Rumun. 
odhi,  odi  m.  Mutterleib,  Herz:  morö  odi,  raklö  odhesko  rumun.  kopil  de  suflet 
Adoptivsohn,  vodalo  muthig  Buk.  ogi  Herz  Serb.  Ital.  ogi  Seele.  Span.  oci.  Asiat. 
gi.  2.  Ungr.  vodi  Herz,  Seele,  vodi.  Böhm,  vödi  Athem,  Seele.  Deutsch  vödi 
Hirn,  Seele.  3.  Griech.  godi,  gotl  m.  f.  Verstand,  godjaver  verständig.  Rumun. 
godi.  godaver.  godi  Hirn  Serb.  Ungr.  godi.  godjaver.  Böh7n.  godi.  godavel. 
Deutsch  godi.  godzvero.  Foln.  godi  Hirn,  godzy  intestinum,  godziavir.  Russ. 
gody.  godjaver.  Skand.  gosvardo  verständig.  Engl.  g6zvero  artful,  sly. 
4.  Deutsch  dsi  (dzi),  si  (zi)  Seele.     Poln.   dzi.     Russ.  di.     Skand.    si    (zi)  Herz.      Engl.  zi. 

ogi,  vodi,  godi,  zi  scheinen  mit  vogi  zusammenzuhängen. 

vus  Werg. 

Griech.  vus,  vus,  pus  Lein.      Ungr.  vus  Hanf. 


DER  NEBEL  DER  KLAGE. 

EIN  JAPANISCHES  ZEITBILD. 


D«.  A.  PPIZMAIER, 

WIRKLICHEM  MITGLIEDE  DER  KAIS.  AKADEMIE  DKK  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNCi  AM  1.5.  MAI  1H76. 


Die  vorliegende  Abliandlung,  in  einer  Erklärung  des  japanischen  Literaturwerkes 
'^  5  ^  '^ft  foko-natsit-sb-si  bestehend,  liefert  die  auf  mehrere  Capitel  vertheilte 
Schilderung  eines  in  die  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  fallenden  Ereignisses,  in 
welchem,  obgleich  mehr  in  Bezug  auf  häusliches  als  auf  öffentliches  Leben,  ein  Bild 
der  damaligen,  noch  durch  Bürgerkriege  bewegten  Zeit  vor  Augen  tritt. 

Der  japanische  Titel  Toko-iiotsii-so-si  bedeutet  eigentlich  ,Nelkenschreibebuch'  und 
wurde  der  Erzählung  deswegen  gegeben,  weil  eine  der  handelnden  Personen  den  Namen 
Nade-si-ko  ,Nelke'  führt,  wobei  jedoch  toko-natsu,  das  Synonymum  von  nade-si-ko,  herbei- 
gezogen wurde.    Ueber  das  Wort  selbst  bringt  die  Einleitung  einige  Bemerkungen. 

Der  Styl  des  von  ÖÖ  '^  j^  ^  Kioku-tei  Ba-kin  verfassten  Buches  ist  ein 
sehr  vortrefflicher  und  gebildeter,  an  vielen  Stellen  nicht  eben  leicht,  mit  zahlreichen 
Archaismen,  unter  denen  manche  erst  hier  kennen  gelernt  wurden  und  in  den  zugäng- 
lichen lexicographischen  und  philologischen  Werken  der  Jajjaner  nicht  vorkommen. 
Das  Wichtigste  dieser  Art  Wurde  an  dem  Ende  der  einzelnen  Abschnitte  mit  kurzen 
Worten  jedesmal  erläutert. 

Der  aus  Holland  bezogene  japanische  Text  ist  nirgends  mit  einer  Jahreszahl  ver- 
sehen. Indessen  geht  aus  einer  hinzugefügten  bibliographischen  Anzeige  mit  Gewissheit 
hervor,  dass  derselbe  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  zu  Je-do  erschienen  ist. 

Die  Abhandlung  wurde  nach  der  dem  ersten  Capitel  gegebenen  Ueberschrift : 
Nageki-710  kiri  ,der  Nebel  der  Klage',  einem  aus  dem  Man-jeu  entlehnten  Ausdrucke, 
benannt.    Das  Man-jeö  sagt  nämlich  : 

Oki-tsu  ^  (kaze)  itaku  P^  (fuki)-na-ha  wagimo-  -^  (k'')-ga  nageki-no  kiri -in 
iioamasi-mono-wo. 

Wenn  der  Buchtwind  |  heftig  weht,  |  meiner  jüngeren  Schwester  |  Klagenebel,  j 
)  dass  ich   in  ihn  gerathen  wäre ! 

Die  nächsten  zwei  Capitel  führen  die  Ueberschrift:  Nageki-no  rnori  ,der  Wald  der 
vlage'.     Die  Gedichtsammlung  Ko-kon-siü  enthält  die  entsprechenden  Verse : 


68 


Pfizmaier. 


Negi-goto-ico  sa-norni  i-i-ken  jasiro  koso  fate-iva  naqeki-no  mori-to  naru-rame. 

AYo  des  Gebetes  Worte  |  so  nur  luuu  wird  gesp]H»elieii  luibcn,  |  der  Altar,  |  zuletzt 
der  Klage  |  Wald   wird  er  werden. 

Die  Gedichtsammlung    ^    TJ^    Fu-boku  enthält  die  Verse: 

Matowariiru  nageki-iio  i^i  (mori)-vo  sa-ne-kadztira  tajenu-ja  ß^  (Jitu)-m>  tsurasa  naru-run. 

Umgeschlungen  |  die  Wurzelwinde  ]  des  Waldes  der  Klage,  |  unzertrennt  wohl,  |  der 
Kummer  der  Menschen  wird  sie  sein. 

Die  übrigen  Capitel,  obgleich  andere  Ueberschriften  tragend,  wurden  als  Foi-t- 
setzungen  betrachtet. 

Die  oben  angedeuteten  werth vollen  Bemerkungen  der  Einleitung  lauten : 

Kusa-no  fana-no  o-o-karu  naka-ni  |  ito  nw-de-taku  ohojuru-wa  \  toko-natm-no  fana  narl 
kasi.  Kono  fana  aki-ni  saki-datsi-te  \  sakari  mata  fisasi.  ^  ^  (Tei-ka)-ke6-no  \  fito-fana 
sakeru-to  jovii-tamai-ken  \  simo-gare-no-be-ni-mo  \  mare-ni-wa  ari-keri. 

Unter  den  vielen  Blüthen  der  Pflanzen  sehr  ausgezeichnet  denkwürdig  düi-fte  die 
Blüthe  der  Pflanze  toko-natsu  (Nelke)  sein.  Diese  Blüthe  erscheint  im  Herbste  zuerst, 
und  ihre  Fülle  ist  auch  von  langer  Dauer.  Selbst  auf  dem  vom  Reiffrost  erstorbenen 
freien  Felde  fand  man  sie  zu  seltenen  Zeiten,  was  der  ßeichsminister  Tei-kai  durch  den 
Vers:  ,Eine  Blume  ist  erblüht'  bezeichnet  haben  wird. 

Kaku-te  sono  i-meu  mata  o-o-kari.  Madzu  ^  ^  (nade-si-ko)-to  ije-ba  ^  (ko)-wo 
omö  I  oja-no  kokoro-no  ts7iju  ito  fiücasi.  Jamato-nade-si-ku  \  kara-nade-si-ko  \  idzure-tva  arc-do 
fito-no  makoto-ni  \  koto-naru  koto-no  naki  mama-ni  \  jagate  iru-ni-ja  ide-tsuran.  Mata  ^  Yi 
(seki-tsiku)-to-vio  kore-wo  iü  josi  \  fon-so-ko-moku  maki-no  ziu-roku  \  ^  ^  (ku-haku)-no 
^^  ii^  (siahi-meu)-ni  mije-tari-keru.  Sare-ha  ■man-jed-sm-ni-u-a  ^  'Ys  (seki-tsiku)-to  kaki-te 
nade-si-ko-to  jomasi-tare-do  \  tosi-jori-ason-iua  ^  (zi)-no  gotoku  \  ^  (isi)-no  Yf  (take)-to 
jomi-tamai-nu. 

Sonst  gibt  es  auch  viele  sinnverwandte  Namen.  Wenn  man  sie  vorerst  nade-si-ko 
(Kind,  welches  man  gestreichelt  hat)  nennt,  so  ist  der  Thau  des  den  Sohn  liebenden 
Vaterherzens  sehr  tief.  Nelken  von  Jamato,  chinesische  Nelken  gibt  es  jedenfalls,  doch 
werden  sie  den  Menschen,  gerade  als  ob  es  keinen  wirklichen  Unterschied  gäbe,  so 
vorgekommen  sein.  Warum  man  sie  ferner  seki-tsiku  , Steinbambus'  nennt,  ist  in  dem 
sechzehnten  Capitel  des  Pen-thsao-kang-mb,  bei  der  Erklärung  des  Namens  kül-ml  (Nelke) 
zu  sehen.  In  dem  Man-jeö-siü  wird  seki-tsikit  geschrieben  *id  nade-si-ko  ausgesprochen. 
Gleichwohl  luxt  Tosi-jori-ason  den  Schriftzeichen  gemäss  isi-no  take  (Steinbambus)  in 
<lem  Gedichte  gesagt.  i 

Kono    takl-tsiku-ni   tsi-nami-tarn  \  mono-gatari   itsi-deo    ari.     Sa-ica    nw-siwu-gnsa-ni  \ 
mukasi  tori-ta-no  toki-nusi-to  iü  masura-wo  ari-keri.    Waga  ije-no  usiro-no  jaina-ni  \  ^  (reo)- 
aru  isi-no  fito-wo  najamasu  ari.    Jori-te  toki-nusi  \  kudan-no  isi-wo  i-tari-keru-ni  |  sunaivatsi  ■ 
ja-wa   tatsi-te   niücezu.     Tsui-ni  fana    saki-nu  \  sono  fana  seki-tsiku  nari.    Fana  kasanari-ie 
säku-  I  to  sirusare-tari.    Sare-ha  mata  fu-hoku  siü-ni.  i 

Es  gibt  eine  mit  diesem  Steinbambus  (Nelke)  in  Verbindung  gebrachte  Erzählung.  So 
steht  in  dem  Mo-siwo-gusa  verzeichnet :  Einst  lebte  ein  tapferer  Mann,  Namens  Tori-ta-no 
Toki-nusi.  Auf  dem  Berge  hinter  seinem  Hause  quälte  ein  geisterhafter  Stein  die  Menschen.  | 
Als    deswegen  Toki-nusi   nach   diesem    Steine   schoss,    blieb  der  Pfeil   stecken   und   ging 
nicht  heraus.    Zuletzt  blühte  eine  Blume  auf,  welche  der  Steinbambus  war.    Die  Blume  i 
blühte  wiederholt.  —  Es  helsst  auch  in  der  Gedichtsammlung  Fu-boku: 


Der  Nebel  dek  Ki.aue. 


69 


#  (Kimi)-ga  ^^Oo)-no  tamesi-ni  ^|  (ßko)a  ^  0  ^  (kasu-ga-no)-wa  :^  (isi)-no 
'Yi    (take)-)ü-mo    :^    I^    (fana-saki)-ni-kcri. 

Das  als  Weise  des  Zeitalters  |  des  Gebieters  anfiiliren  man  wird,  |  das  Feld  von 
Kasu-ga,  |  dort  auf  dem  Steinbambus  auch  |  sind  Blumen  erblüht. 

Der  Verfasser  dieser  Verse  ist  Tosi-jori  Ason. 

Mata  kafa-mi-  ^  (gusa)-to-mo  iü  nari.  :^  ^  ^j;  (Baku-ten-seoJ-ni  \  mukasi  jamato-no 
kuni-ni  \  fito-no  ko-no  nade-si-ko-wo  tsukuri-tari-keru-ga  \  sono  notsi  ^  (.v)-site  \  uja  waga 
ko-no  tsukuri-taru  nade-si-ko  tote  kore-tco  mosu  nain. 

Sie  heisst  auch  kata-mi-gusa  ,die  Pflanze  des  Andenkens'.  Nach  dem  Baku-ten-seO 
liatte  einst  in  dem  Keiche  Jamato  der  Sohn  eines  Menschen  Nelken  gebaut.  Als  er 
gestorben  war,  gab  ihnen  der  Vater,  weil  es  die  von  seinem  Sohne  gebauten  Nelken 
waren,  diesen  Namen. 

^  (Ki)-te  ^  (ml)re-ba  naki  ^  (ß')-»^  A  (fito)-no  kata-mi-  ^  (gusa)  iku-taU 
ware-wa   ^^    (sode)  nurasu-ran. 

Als  ich  kam  und  sah,  |  war  es  die  Denkpflanze  |  des  todten  Menschen  der  Welt,  j 
Wie  oft  wohl  ich  |  den  Aermel  befeuchten  werde? 

In  der  Gedichtsammlung  Fu-boku  heisst  es : 

%  ^  (Nade-si-ko)-no  :fg  (fana)  saki-ni-keri  nakl  A  (ßo)-no  |^-  (koi)-si-ki  toki-ni 
joki  kata-mi-    ^    (gusa). 

Der  Nelke  |  Blüthen  haben  sich  erschlossen,  |  wo  der  todte  Mensch  |  ersehnt  ist,  um 
diese  Zeit  |  des  guten  Andenkens  Pflanze. 

Der  Verfasser  dieser  Verse  ist  Mi-tsune. 

Mata  natsukasi-gusa-to-mo  iü  nari. 

Man  nennt  sie  auch  natsukasi-gusa  ,die  Sehnsuchtspflanze'.  In  der  Gedichtsammluno- 
Fu-boku  heisst  es : 

Josojete-no  kai  koso  na-kere  ^%  \  (matsu  ßto)-no  kozu-no  toko-  ^  (natsu)  1^  {fana)-ni 
sake-domo. 

Des  gleichstellenden  |  Frommen  mag  nicht  sein,  |  hat  die  Nelke  des  Nichtkommens ' 
des  Menschen,  den  ich  erwarte,  |  zur  Blume  sich  auch  entfaltet. 

Der  Verfasser  dieser  Averse  ist  Saki-no  Tsiu-na-gon. 

In  der  Gedichtsammlung  Sino-no  me-seo  heisst  es : 

Furu-saio-to  kore-ni-zo  ^^  (omo)  fu  ^  (nat.m)-goto-ni  natsukaai-  ^  (gusaj-no  ^^ 
(sode)-no  karenaici. 

Der  Heimathsort,  |  an  diesen  wo  ich  denke,  ]  jeden  Sommer  j  ist  der  Sehnsuchts- 
pflanze I  Aei'mel  scharlacliroth. 

Der  A'erfasser  dieser  \'erse  ist  unbekannt. 

Nade-si-ko-to  iü-wa  \  kono  kusa-no  fon-meö  nari.  Soine-dono-no  kisaki-wo  \  nade-si-ko-no 
-f^P  (go)-to  mbse-si-ka-ba  |  imi-na-wo  sakete  \  toko-natsu-no  fana-to  iü  josi  \  suke-mori-seö  | 
(i-o-kagami  ura-gaki-   ^   (t6)-ni  mije-tari-to  nan. 

Nade-si-ko  ist  der  ursprüngliche  Name  dieser  Pflanze.  Da  die  Kaiserin  Some-dono 
die  Gemalin    Nade-si-ko    genannt   wurde,    vermied    man    diesen    Namen    und    nannte    die 


'  Das  Wa-kun-siwoi'i  sagt,  dass  in  dem  Man-jeu-siü  der  Ausdruck  kosu-no  toko-natm  vorkommt.  Es  lieisst,  dass  ko.m  das 
Feld  Kosu-no  in  dem  Keiclie  Setsu  bedeute.  Der  Sinn  wäre  somit:  Nelke  von  Kosu.  Das  Wa-kun-sivvori  meint  jedocb 
dass  dieses  eine  falsche  Lesung  des  Mau-jeö-siü  sei.    Aus  der  obigen  Scbreibart  kozu  ergibt  sieb  der  Sinn:  nicht  kommen. 


7Q  Pfizmaier. 

J'flaiize:    foko-natsu-no  fana    ,dle    Blume    des    beständigen    Sommers'.    Dieses    ist    in   den 
Aufzeichnungen  Suke-mori's,  in  den  Aufschriften  des  grossen  Spiegels,  zu  sehen. 

Natsu-jori  aki  fiijn.  tni-tükl-nl  wataru  mono  nare-ha  \  toko-natsu-no  fana-to  tono.  Tokn- 
oiatsu-to-wa  \  tsune-no  ^  (gi)  nari-  \  to  sude-ni  aru  mo7io-ni  ;^  (tsiü)-si-fnri.  Mala  ^ 
(sagi)-nade-si-ko  kmvara-nade-si-ko-tö-no  sit-siju  ari.  Ko-ica  tada  fana-no  katatsi-ni  jori-te 
nadzuke  \  aru-wa  sono  iro-ni  jori-te  na-dzuke-tara  nomi  |  o-o-kata-wa  tagawazu. 

Da  sie  drei  Jahreszeiten,  Sommer,  Herbst  und  Winter,  erlebt,  nennt  man  sie  die 
Blume  des  beständigen  Sommers.  Dass  toko-natsu  den  Sinn  des  Beständigen  hat,  ist 
bereits  von  Peinigen  dargelegt  worden.  Es  gibt  auch  Reihernelken  (sagi-nade-si-kn)^ 
Nelken  der  Flussebene  {kawara-nade-si-ko)  und  mehrere  andere  Arten.  Diese  werden  nur 
nach  der  Gestalt  der  Blüthen  benannt.  Andere  werden  nur  nach  der  Farbe  benannt. 
Sie  sind  im  Allgemeinen  niclit  verschieden. 

Haie  kore-ra-no  "j^  ^  (ko-ka)-jori  omoi-okosi-te  |  kasa-ja  natsio-to  \  ta-zima  sei-ziü-rb-ga 
itsi-go   sei-sui-no   mono-gatari-ica    ide-ki-ni-keri .    Jori-te   toko-natsu-so-si-to    iü  \  kore-mo   mata 
toko-natsu-ni  \  sakari-ßsasi-ku  j^  0o)-ni  okonaware-jo-  \  to  koto-fogi-taru  \  fiomi-ja-ga  tame-ni 
iü-ni  ni-tari. 

Indem  man  aus  diesen  alten  Gedichten  in  die  Gedanken  rief,  ist  die  Erzählung 
von  der  gleichzeitigen  Fülle  und  dem  Schwinden  Kasa-ja  Natsu's  und  Ta-zima  Sei-ziü-rö's  ^ 
hervorgegangen.  ])alier  heisst  es  das  Nelkenschreibebuch.  Dasselbe  bleibe  auch  als 
beständiger  Sommer,  von  Fülle  lange  während,  in  der  Welt  im  Gange !  —  Dieses  Gebet 
scheint  man  des  Bücherhauses  wegen  zu  sagen. 


Der   Nebel   der   Klage. 


Ima-wa  mukasi  \  musasi-no  kuni  ta-fa-gawa-no  ivatari  tsikaki  |  ko-te-sasi-wara-to  iü  ara- 
no-wa  I  sono  kami  mono-no  gu-no  ko-te  sasn  takami  amata  woreri.  Kama-kura  seo-gun-ke-no 
toki-ni-wa  \  ito  su-ge-naku  nari-te  \  ije-iva  kazuru-ni-mo  tarazu  naiü-ni-kere-do  \  natco  sono 
nagori  tote  \  ko-te-sasi-icara-to  nan  tonaje-keru. 

Vordem  wohnten  auf  der  in  der  Nähe  der  Ueberfahrt  des  Flusses  von  Ta-ma,  Reich 
Musasi,  lieg-enden  wüsten  Ebene  Ko-te-sasi-wara  viele  Künstler  welche  Armschienen 
für  Rüstungen  verfertigten.  Obgleich  zu  den  Zeiten  des  Feldherrnhauses  von  Kama- 
kura  grosse  Ungunst  der  Verhältnisse  eintrat  und  die  Zahl  der  Häuser  eine  unbeträcht- 
liche wiu-de,  nannte  man,  weil  deren  noch  immer  übrig  waren,  die  Gegend :  Ko-te-sasi- 
wara  (Ebene  der  Armschienenverfertiger). 

Ta-ma,  ein  Kreis  des  Reiches  Musasi,  hat  ursprünglich  die  Aussprache  ta-fa,  wie 
aus  dem  W^erke  Wa-na-seo  zu  ersehen  ist.  ^ 

Sono  kami  ,vordem'  ist  keine  eigentliche  Wiederholung,  da  ima-xca  mukasi  ,vordem' 
sich  auf  das  Ganze  der  Erzählung  bezieht. 

Kaz6ru-ni-mo  tarazu  bedeutet  wörtlich:  nicht  zählenswerth. 

Nach  dem  Sio-gen-zi-kö  liegt  die  Ebene  Ko-te-sasi-wai-a  in  dem  benachbarten  Reiche 
Simösa,  Kreis  Katsu-sika,  eine  Angabe,  die  von  dem  oben  und  weiter  unten  Gesagten 
bedeutend  abweicht. 


'  Diese  zwei  Personen  kommen  erst  in  der  zweiten  Hiilfte  des  Buches  vor. 

2  Wurde    in    der   Abhandlung:    jTelier   japanische    geograpliische    Namen'  anjjezeichnet. 


Der  Nebel  dek  Klage. 


71 


An-toku-ten-v:b-no  dzi-seö  go-nen  urü  ni-i/uafsu  ni-ziü-san-nitsl  \  ^,  03  (si-da)-no  zen-sed 
W.  M  (josi-firo)-to  yh  |1|  (ivo-jama)  |g  IE  (tomo-masa)  \  ^  jE  (nume-masa)-ra-to 
katisen-nu  toki  \  josi-firo-ga  kata-udo  \  ^  %\\  (asi-kaga)-7io  sitsi-ro  ^  |||  fari-tsunaj-ra  | 
ko-te-sasi-u-ara  j  yJ^  f^  (ko-tsutsumij-to-no  sio-sio-ni  oi-te  kassen-m-  \  to  j^  ^  (adzuma- 
kagami)-n  i  mije-tari. 

Zu  den  Zeiten  des  Kaisers  An-toku,  am  drei  und  zwanzigsten  Tao-e  des  zweiten 
.Monates,  eines  8chaltmonates,  des  fünften  Jahres  des  Zeitraumes  Dzi-seö  (1181  n.  Chr.) 
als  Josi-firo,  Frühgeborner  von  Si-da,  mit  Tomo-masa  und  Mune-masa  von  Wo-jama 
kämpfte,  kämpften  Asi-kaga-no  Sitsi-rO  und  Ari-tsuna,  Anhänger  Josi-iiro's,  auf  der 
Ebene  Ko-te-sasi-wara,  an  dem  kleinen  Damme  und  an  anderen  Orten,  wie  in  dem 
Spiegel  der  östlichen  Länder  zu  ersehen.  ' 

Notsl  mata  go-kiio-gon-in-nu  Imn-wa  guan-nen  |  ^  g  (nitta)  seo-sio  ^  ^  (josi-mune)- 
|g  £  (ason)-to  I  ^  :f^  ^  (tÖ-dzi-in)  ^  ^  ^  (taka-udzi-kio)-to  \  musasi-no-ni  oi-te 
kassen-no  toki  \  taka-udzi-no  ikusa  \  ko-te-sasi-icara-nite  ntsi-jahurare  |  josi-mune-ason-ni  itaku 
owarete  \  ban-to-mitsi  si-ziü-roku-ri-wo  ajegl-ajegi  \  isi-fama  made  nige-tamb  josi  |  tai-fei-ki-ni 
luije-tari. 

Später  wieder,  zu  den  Zeiten  des  Kaisers  Go-kuö-gon,  im  ersten  Jahre  des  Zeit- 
raumes Bun-wa  (1352  n.  Chr.),  als  der  kleine  Heerführer  Josi-mune  Ason  von  Nitta  mit 
dem  Tö-dzi-in,  dem  Reichsminister  Taka-udzi  auf  dem  Felde  von  Musasi  kämpfte  wurde 
das  Heer  Taka-udzi's  auf  der  Ebene  Ko-te-sasi-wara  geschlagen,  er  selbst  floh  von 
Josi-mune  Ason  heftig  verfolgt,  auf  einer  Strecke  von  sechs  und  vierzig  ßi  des  Bantö- 
weges    athemlos    bis  Isi-fama,    was    in    der  Geschichte   des    grossen  Friedens  zu  sehen.  - 

Bantö  ist  gleichbedeutend  mit  Kuan-tö  ,die  Reiche  des  Ostens'. 

Ko-te-sasi-iuara-ioa  |  ima  sono  tokoro-ivo  tsubara-ni  sezare-domo  \  musasi-no-ni,  towo- 
karane-ha  \  ni-i-kura  kowori-no  utsi  naru-hesi.  Notsi-nu  fito  \  tada  tai-fei-ki-wo  norid  ^ 
(■veu)-to  Site  I  ko-te-sasi-u-ara-no  koto-tvo  $ßi  (dan)-zure-domo  \  adzuma-kagami-wo  fiku  mono-wo 
mizu.  Adzuma-kagami-ni  sirusu  tokoro-n-a  |  tai-fei-ki-ni  masi-te  \  sio-sio-no  sato-no  ^  (na) 
5^  lÄ  (ren-zoku)-seri.    Sono  kami-no  kama-kura  f^  jM)  (kai-döj  nari-si  koto  j  vtagu-be-karazu. 

Die  Lage  der  Ebene  Ko-te-sasi-wara  ist  jetzt  zwar  nicht  gewiss,  da  sie  aber  von 
<leni  Felde  von  Musasi  nicht  weit  entfernt  ist,  muss  sie  sich  in  dem  Kreise  Ni-i-kura 
befinden.  Die  späteren  Menschen  sprechen  von  der  Ebene  Ko-te-sasi-wara,  indem  sie 
sich  einzig  auf  die  Geschichte  des  grossen  Friedens  berufen,  allein  man  sieht  nicht, 
dass  sie  den  Spiegel  der  Östlichen  Länder  anführen.  Was  der  Spiegel  der  östlichen 
Länder  verzeichnet,  ist  mehr  als  dasjenige  in  dem  Tai-fei-ki,  es  werden  die  Namen  der 
verschiedenen  Bezirke  neben  einander  gestellt.  Es  lässt  sich  nicht  bezweifeln,  dass  sie 
vordem  die  Strasse  zu  dem  damaligen  Kama-kura  gewesen. 

Kudan-no  fara-ni  \  ko-te-isi-fo  tonbru  '|5  ^  (kuai-seki)  ari.  Tsune-ica  kusa-ni  udzumare- 
tare-do  \  sono  ^  (na)  ono-dzukara  taka-kari.  Mosi  ^  li^  (gi-sin)-no  fare-gataki  koto  am, 
inouo  kono  isi-ni  mnkai-te  tsikai-ioo  sure-ha  |  zen-aku  zia-seö  tatsi-dokoro-iii  arawarunc  tote  \ 
^  ^  (i-me6)-ivo  tsikai-no  isi-to  iü  josi  \  M  ^  (ri-zoku)  P  ?^  (ko-ßj-ni  tsntaje-tari. 
Mata  kano  ta-fa-gawa-wa  \  ko-te-sasi-tcara-jori  \  ban-to-mitsi  ziü-ri  bakari-mo  fedatsuru-ni-ja  \ 
knica-no  kami  naka  simo-nite    ^    j^    cn-kin  naru-besi. 


'  In  dem  zweiten  Capitel  des  genannten  Werkes,  wie  eine  Anmerkung  liesagt. 
-  In  dem  31.  Capitel  des  genannten  Werkes,  wie  eine  Anmerkung  besagt. 


nn  Pl'IZMAIKR. 

Auf  dieser  Ebene  befand  sich  ein  wunderbarer  Stein,  welcher  der  Stein  derxVrmschienen 
genannt  wurde.  Obgleich  immer  unter  Pflanzen  vergraben,  hatte  er  grosse  Berühmtheit. 
Wenn  Jemand,  für  den  es  etwas  Zweifelhaftes,  UnaufkLärbares  gab,  diesem  Steine  gegenüber 
einen  Schwur  that.  so  waren  Gutes  und  Böses,  Unrechtes  und  Richtiges  auf  der  Stelle 
ersichtlicli.  Er  hiess  daher  mit  einem  anderen  Namen  auch  der  Stein  der  Schwüre. 
Diess  alles  wurde  von  dem  Volke  mündlicli  überliefert.  P'erner  war  der  Fluss  Ta-fa- 
o-awa  von  der  Ebene  Ivo-te-sasi-wara  vielleicht  dui-ch  eine  Strecke  von  zehn  Ri  Banto- 
weges  geschieden.     Es  kann  die  Entfernung  des  oberen,    mittleren    und    unteren  Theiles 

des  Flusses  sein. 

Mnda-banasi  sibarnku  oku.    Go-nara-no  in-no    ^    (jo)-U'0  sirosi-mesu  \  kw-roku-no  koro 
musasi-no  kiini  ta-fa-gawa-no  sato-ni  \  ,|^    ö  (tori-to.)-no  ^  H  (seo-zi)   ^    ^   (toki-nusi)-to 
in  mono  ari-keri.     Te-tsukitri-ja  \  sarasu  kaki-ne-to  jomeri-keru.      ^    (Sa)-n-o  naguru  ma-no 
-jö:   (jo)-ni-mo   %    (mata)  \    '|'l    ^   ke-u-ni    ije   tomi    nari-idete   \   ta-fa-no   M    ±    (g6-si)-to 
^   (se6)-serare  \  te-tsukuri-no   -^    :#    (tsio-zia)-to  johare-si  \  koto-no    moto-wo    tadzimuru-ni 
toki-nvsi  u-aka-kari-si  toki-jorl  \  kama-kura-no   kuan-rei  \   |i|    ^    (jama-no  utsi)    ^    ^    i 
(nori-firo-nusi)-ni   tsukajeto  \  saii-fiaku-kuan-no   j^    (roku)    tamaiuari-keru-ga  \  ajamateru   koto 
ari-te  \  katna-kura-ivo  1^  ^  (tsui-f6)-serare  \  tsui-ni  ta-fa-gawa-no  sato-nl  ki-te  |  wahi-sumai-su. 
Sare-ha   nasu  koto  nahi-te   tsuki-fi-wo    okuru-ni  \  ^    ^    (fü-fu)-ga  foka-ni-wa    tanomosi-ki  \ 
^    -^   (sin-zoku)-mo    arazu   \  fito-ni-iva    itaku    mi-otosarete   \   icare-mo    ihise-ki  fusi-siha-no 
fosoki  kefuri-iüo  tate-katie-tani,. 

Die  Erzählung  hebt  alsbald  an.  Zu  den  Zeiten  des  Kaisers  Go-nara,  in  den  Jahren 
des  Zeltraumes  Kiö-roku  (1528  bis  1531  n.  Chr.),  lebte  in  dem  Reiche  Musasi,  in  einem 
Dorfe  des  Flusses  Ta-fa-gawa  ein  Mann  Namens  Tori-ta-no  Seo-zi  Toki-nusi.  Es  galt 
von  ilim  der  Vers:  Das  Haustuch  |  wo  man  bleicht,  die  Mauerwurzel.  Auch  in  einer 
Welt  von  der  Dauer  der  Zeit,  während  welcher  man  die  Weberspule  wirft,  auf  wunder- 
bare Weise  reich  geworden,  wurde  er  der  vorzügliche  Mann  des  Bezirkes  von  Ta-fa 
genannt.  Man  forscht  nach  dem  Grunde,  warum  er  der  Aelteste  des  Haustuches  genannt 
wurde.  Seit  seiner  frühen  Jugend  stand  Toki-nusi  in  den  Diensten  Jama-no  utsi  Nori- 
firo-nusi's,  des  Geschäftsleiters  von  Kama-kura,  und  bezog  einen  Gehalt  von  dreihundert 
Schnüren  Geldes.  Da  er  sich  einen  Fehler  zu  Schulden  kommen  Hess,  wurde  er  aus 
Kama-kura  verwiesen,  kam  endlich  zu  dem  Dorfe  des  Flusses  Ta-fa-gawa  und  lebte 
daselbst  in  p]]cnd.  Da  er  indessen  sich  nicht  zu  helfen  wusste,  verbrachte  er  Monde 
und  Tage,  und  er  hatte  ausser  seinem  Weibe  keine  Angehörigen,  auf  die  er  sich  ver- 
lassen konnte.  Indess  die  Menschen  mit  tiefer  Verachtung  auf  ihn  herabblickten,  war 
es  ihm  schwer,  den  dünnen  Rauch  des  düsteren  Brennholzes  zu  Stande  zu  bringen. 

Muda-hanasi  ,eine  eitle  Erzählung'.    Der  Ursprung  des   Wortes  muda  wird  nirgends 

erklärt. 

1^  Sa  ,Weberspule'.  Die  Zeit,  während  welcher  man  die  Weberspule  wirft,  be- 
deutet eine  sehr  kurze  Zeit. 

Te-tsukuri  (te-dzukuri)  ,mit  der  Hand  verfertigt'  bezeichnet  das  in  dem  Hause  ver- 
fertigte Tuch. 

^  (Fin)-no  jamai-u-o  ijasn-beki  \  kusu-si-wa  tajrte  nah  ü:  (jo)  tote  \  to-ni  kaku  omol- 
knssi-tam-ga  \  wata  omoi-kajesu  koto-mo  ari-te  \  ara  0  (fi)  toki-nusi  \  tsuma  nari-kcru  %  ^ 
(kaicara)-i-to  \  jnku,  m-e  ^  (ko)-.ü  kata-no  koto-ico  katarh  tsni-de-ni  ijeri-keru-wa  \  icaga 
ije-iva  kama-kura-no  sikken  \  iit  f(^  ffo-de6)   B$  i^   (fokl-masa)-nnsi-jori  idete  \  ziii-fatsi-  ^ 


Der  Nebel  der  Klage.  73 

((lai)-ni  ojoberL  Sakan-naru  mono-ica  otororit  \  ^  t'i  (ei-ko)  ^  ^  (toku-sitsu)-no  kotoivari  j 
ima-ni  fazimenu  koto  nagara  \  f^  ^  (so-sen)  j\j  j^  (hi-dai)-no  ^  |^  (fan-zeö)-mo  \  seö- 
kei-no  — •  ^  (itsi-nm)-ni  samete.  \  si-^on-nn  ki-katsu-wo  sukn-in  tarazu.  Ima-mata  ru-ro-n.i 
ta-dzuki-wo  usinai  \  n-a-datsi-no  funa-no  dorn  iki-tsuki  \  ^^  "^  (ko-gijnj-no  itsi-ni  okvraruru- 
to-mo  tare-ka  awaremu  mono-no  am-beki. 

Da  es  in  der  Welt  durchaus  keinen  Arzt  gibt,  der  die  Krankheit  der  Arrauth  heilen 
kann,  war  er,  er  mochte  wie  immer  nachdenken,  rathlos.  Doch  er  Jiatte  noch  etwas 
ilberlegt,  und  eines  Tages  sagte  Toki-nusi  bei  der  Gelegenlieit,  als  er  mit  seiner  Gattin 
Kawara-I  über  die  Dinge,  welche  in  der  Zukunft  kommen  würden,  spracli :  Mein  Haus 
stammt  von  dem  Gebieter  Fo-deö  Toki-masa,  Machtinhaber  von  Kama-kura,  und  hat  das 
achtzehnte  Geschlechtsalter  erreicht.  Das  Vollkommene  schwindet.  Tndess  die  Einrichtung 
des  Blühens  und  Yerdurrens,  des  Gelingens  und  des  Felilschlagens  nicht  jetzt  ihren  Anfang 
liat,  o-enüo-t  das  Gedeihen  des  neunten  Geschlechtsalters  des  Vorfahren  bei  dem  Erwachen 
aus  einem  Traume  des  Zeitraumes  Seo-kei  nicht,  die  Söhne  und  Enkel  vor  Hunger  und 
Durst  zu  retten.  Jetzt  wieder  in  der  Verbannung,  ist  man  der  Stütze  veidustig.  Wenn 
der  Barsch  des  Wagengeleises  in  dem  Schlamme  athmet,  auf  den  Markt  der  gedörrten 
Fische  geschickt  wird,  wer  kann  es  sein,  der  darüber  Mitleid  empfindet? 

In  dem  Zeiträume  Seo-kei  (1332  bis  1334  n.  Chi-.)  wurde  das  Geschlecht  F6-de6 
beinahe  vollständig  ausgerottet. 

Das  Gleichniss  von  dem  Barsche,  der,  in  einem  Wagengeleise  verschmachtend,  um 
AVasser  bat  und  auf  das  Zustandekommen  einer  Wasserleitung  aus  den  Flüssen  des  Südens 
warten  sollte,  wurde  in  China  gebi-aucht. 

Namazi-i-ni  mono-no  fu-no  |  ije-ni  umare-tano  saiwai-wa  \  ima-mra  ko-jo-nak/  ^  ^ 
(fu-ku)-to  narl-te  \  aki-bito-no  waza-tco  slrazti,  j  ^  ^  (nu-fu)-no  nje-ni-wa  ijo-ijo  uto-kari  \ 
saranu  dani  \  gen-kö  gen-mu-no  midare-jori  \  jo-no  naka  ima-yri  sidcukn-narazu  \  mei-toku 
ö-nin-no  saivagi-jori  \  ^  (kib)  kama-kura  \  ije-ba  sara-nari.  Agata  ta  loi-naka  koto-gotohi 
kassen-ni  tsukare-tare-ba  |  nai'iwai-no  tajori  usinaiväzaru  mono-ioa  mare-nari.  Kakario  toki-no 
koso  I  tanomi-tate-matsuru-beki-wa  \  tada  ff  "^   (sin-butsu)-no  ^  ^  meo-dzio  nare. 

Bei  dem  Glücke,  dass  ich  in  dem  Hause  eines  Kriegers  geboren  wurde,  bin  ich 
jetzt  auf  das  Aeusserste  unglücklich  geworden.  Das  Geschäft  der  Kaufleute  verstehe 
ich  nicht.  Dem  Pflanzen  der  Ackerleute  wurde  ich  immer  mehr  entfremdet.  Seit  den 
nicht  einmal  so  argen  Unruhen  der  Zeiträume  Gen-kO  und  Ken-mu  ist  die  Welt  noch 
nicht  zur  ßuhe  gekommen.  Seit  den  Wirren  der  Zeiträume  Mei-toku  und  0-nin  die 
Hauptstadt  Kama-kura  zu  nennen,  ist  tiberflüssig.  Da  Districte,  Felder  und  Dörfer  von 
den  Kämpfen  gänzlich  erschöpft  wurden,  sind  diejenigen,  welche  den  Halt  ihrer  Beschäf- 
tlffuno-  nicht  verloi'en  haben,   Wenip-e.    Worauf  man  in  einer  solchen  Zeit  seine  Iloffnuno- 

O  O  7  0  O 

setzen  kann,  mag  die  dunkle  Hilfe  des  göttlichen  Fö  nur  sein. 

Der  Zeitraum  Gen-ko  umfasst  das  Jahr  1331   n.  Chr. 

Der  Zeitraum  Ken-mu  fällt  in  die  Jahre  1334  bis  133.5  n.  Chr.,  der  Zeitraum  Mei- 
toku  in  die  Jahre   1391   bis  1394,   der  Zeitraum  0-nin  in  die  Jahre  1467   bis   1468   n.  Chr. 

■^  ÜÜ.  (Sen-zoJ  fo-deo  toki-masa-nusi-wa  \  so-siü  ^  (j''J-no  sima-no  \  ben-zai-ten-ico 
^  (sln)-zi-tamai-si-ka-ba  \  nego-ni  masi-taru  saiwai  ari-si  \  tokl-nnsi  ijasi-ku-mo  \  sono  su-e 
nari.  Inora-ba  ]§  .f^  (ö-kenj-na-karazu-ja-ica  |  to-n-a  ije  tcare  hna  kono  zama-nite  \  siba- 
siba  je-no  sima-je  san-kei-se-ba  |  kama-kura-no  ^  JU  ^  (ko-fo-bai)-ni  \  usiro  jubi-sasaru-besi. 
Kore-mo  mata  omo-buse  nari. 

Denischriften  der  pliil.-hist.  Cl,  XXVL  Bil.  10 


74 


FIZMAIER. 


Mein  Vorfahr,  der  Gebieter  Fö-deö  Tt)ki-masa  glauLtc;  an  die  Göttin  Ben-zai-ten 
von  Je-no  sima  in  So-siü,  und  er  hatte  mehr  Glück,  als  er  sich  wünschte.  Ich  Toki-nusi 
bin  in  Niedrigkeit  sein  Nachkomme.  Wenn  ich  bete,  kann  man  fragen,  ob  nicht  eine 
Erfüllung  sein  wird.  Wenn  ich  jetzt  auf  diese  Weise  öfters  mich  nach  Je-no  sima 
beo-ebe  kann  von  Seite  meiner  alten  Genossen  von  Kama-kura  i-ilckwilrts  nach  mir  mit 
dem  Finoer  gezeigt  werden.     Dieses  wäre  auch  eine  Schande. 

Je-no  sima  ,Insel  des  Lotusbaumes'  hcisst  in  dem  Tai-fei-ki  eine  Insel  des  Reiches 
Sagami,  Kreis  Kama-kura.     Ihr  ursprünglicher  Name  ist  1^1  ^   fJe-)io)-sima. 

Kono  zama,  das  hier  zum  ersten  Male  vorkommt,  steht  füi-  kuiio  sama  ,diese 
Weise'.    Der  Nigorilaut  ist  von  unregelmässiger  Setzung  wie  in  dem  AVorte  kono  goro  für 

kono  koro. 

Omo-huse  ist  so  viel  als  omote-huse  ,Demüthigung'. 

Tatoi  je-no  sima  made  mbdezu-mo  are  \  hen-zai-ten-iva  — ■  ff  (Ittai)  naran-ni  \  asu-jori 
tsutomete  ij^  ^  ^  (asa-kusa-deraj  naru,  zeni-game-ben-ten-je  nissan-site  \  0f  ^>  (ki-nen)-si- 
tate-mtttsuru-heö  omö  nari.  Kano  hen-zai-ten-nio-ni  \  zeni-game-no  ^  (na)-ico  owasi-tate- 
matsuru  josi-wa  \  inuru  tai-ei  ni-ne.n  aki  ku-guatsu  \  ben-ten-  ^  (du)-no  fotori-jori  \  kotsu- 
zen-to  Site  zeni  amata  \  tvaki-idzuru  koto  ari-keri.  Kono  goro  so-siü-no  :^  ^  ^^IS  (sa-kei-tsio) 
^  m  (uzi-tsunaj-misi-no  ka-sin  |  '^  ^  (tojo-naga)  saburb  sa-e-mon-zö  \  tsukai  uke- 
tamaivari-te  |  '{^  ^  (ko-gaj-no  "^  ^  (taka-moto)  ason-je  ma-iru  tote  \  kudan-no  ^  ^  (kl- 
doku)-iüO  mi-tari-si-to  \  wosa-icosa  ßl-hun-se-si-wa  \  fatsi-ku-nen-ni  nari-nu-be-kere-do  \  rei-gen 
fi-bi-ni  ija-tsiko  nari.  Ko-wa  on-mi-mo  siru  tokoro  nari.  Fu-fu-ga  kokoro-tro  ßto-tsu-ni  site 
inori-tate-7natsura-ba-ja. 

Gesetzt  ich  gehe  nicht  bis  nach  Je-no  sima,  so  ist  Ben-zai-ten  ein  einziges  A\  esen. 
Ich  denke,  dass  ich  von  morgen  früh  angefangen  mich  zu  der  in  dem  Kloster  Asa-kusa 
befindlichen  Göttin  Ben-zai-ten  von  dem  Geldkruge  begeben  und  daselbst  beten 
könne.  Die  Ursache,  warum  man  die  Göttin  Ben-zai-ten  den  Namen  Geldkrug  führen 
lässt,  ist  folgende.  Im  Herbste,  im  neunten  Monate  des  zweiten  Jahres  des  verwichenen 
Zeitraumes  Tai-jei  (1523  n.  Chr.)  sprudelte  neben  der  Halle  Ben-ten  plötzlich  eine 
Menge  Geldes  hervor.  Um  diese  Zeit  erhielt  Tojo-naga  Saburo,  der  Zugesellte  des 
Thores  der  Leibwache  zur  Linken,  ein  Hausdiener  des  Gebieters  Uzi-tsuna  aus  Sagami, 
Grossen  der  Hauptstadt  zur  Linken,  einen  Auftrag  als  Gesandter  und  begab  sicli  zu 
Ko-ga-nu  Taka-moto  Ason,  und  er  sah  desshalb  dieses  Wunder.  Dass  die  Kunde  davon 
sich  in  grossem  Masse  verbreitete,  mögen  acht  bis  neun  Jahre  sein,  jedoch  die  göttliche 
Erhörung  ist  von  Tag  zu  Tag  offenbarer.  Dieses  weisst  du  auch  selbst.  Wir  werden 
Beide  einmüthig  das  Gebet  verrichten. 

Ben-ten  ist  die  Abkürzung  von  ben-zai-ten. 

Ija-tsiko,  durch  'JC^  f^  ,klar,  kenntlich'  ausgedrückt,  ist  so  viel  als  itsi-zirusi.  Man 
glaubt,  das  Wort  habe  den  Sinn  von  ija-tsikasi  ,immer  näher'. 

To  ije-ba  \  kaioara-i  kiki-te  \  isiku  kokoro-tsuki-tamai-mi.  Notsi-notsi  made-mo  okotarade  \ 
ma-iri-tamaje-to  \  iraje-suru-ni  tanomosi-ki  kokotsi  site  \  toki-nusi-wa  tsugu-no  fi-jori  \  asa- 
madaki-ni  ^    fjx    (sijuku-sio)-iüo  idete  \  kh-takete  kajeru   ^    (jo)  o-o-kari. 

Kawara-I,  welche  dieses  hörte,  willigte  mit  hoffendem  Gemüthe  ein,  indem  sie  sagte: 
Du  hast  es  gut  bedaclit.  Gehe  auch  noch  später,  so  lange  als  möglich,  unablässig  hin. 
—  Von  dem  nächsten  Tage  angefangen,  verliess  Toki-nusi  vor  Tagesanbruch  seine 
Wohnung  und  kam  oft  spät  in  der  Nacht  zurück. 


Der  Nebel  der  Klage.  75 

Ban-tv-mitsi  si-ziü-ri  amari-ioo  j  0  (fi)-^'^  -^^^ß  juM-ki-sezara  koto  na-kere-ha  \  kawara-i-mo 
mata  \  si-togi-ico  sonaje  \  mi-akasi-ico  tate-matsuri-te  \  farnka-ni  asa-kusa-dera-no  kata-wo  |  ^ 
(fatj-si-tate-onatsurtt-tco  mi-no  tsutome-to  site  \  ojoso  momo-ka-ni  '/^  (manj-zuru  0  (fi)  \  toki- 
nusi-iüa  tsune-no  gotoku  \  asa-kusa-dera-je  mbdete  tatsi-kajeru-ni  \  farji-kuho-vo  anata-nite  0 
(ß)-iica  kure-tari.  Nare-ni-si  mitsi-wo  jü-tsuki-ni  okurasi-te  \  sato  towo-zakaru  susukl-ioara-wo  \ 
fsuju-ni  sohotsi'te  ßiku  fodo-7ii  \  mukai-ni  utsi-o  tatsi-oto  fagesi-ku  \  to  mire-ha  tahi-suru  mono-to 
ohosi-ku  I  jo-so-dzi  amari  narib  mono-no  fu-to  \  no-husi-to  mijete  |  tosi-no  jowai-ioa  \  mi-so-dzi 
hakari  naru  ara-otoko-to  \  kissaki-jori    ^    (fi)  idzurih  made-ni  |  omeki-sakende  tataku-tari. 

Da  er  für  einen  Bantoweg  von  vierzig  Ei  hin  und  zurück  nothwendig  einen  Tag 
brauchte,  liess  es  sich  auch  KaMrara-I  angelegen  sein,  den  ßeiskuchen  bereit  zu  halten, 
die  Götterlampe  aufzustellen  und  nacli  der  Seite  des  Klosters  Asa-kusa  sich  zu  ver- 
beugen. An  dem  Tage,  als  die  hundert  Tage  voll  waren,  begab  sich  Toki-nusi  wie 
gewöhnlich  zu  dem  Kloster  Asa-kusa,  und  als  er  zurückkehrte,  ging  jenseits  einer 
Weiderichvertiefung  die  Sonne  unter.  Als  er,  auf  dem  gewohnten  Wege  von  dem  Abend- 
monde sicli  begleiten  lassend,  auf  der  von  dem  Dorfe  entlegenen  Riedgrasebene,  von 
dem  Thaue  befeuchtet,  einherschritt,  erklang  vor  ihm  der  heftige  Ton  zusammen- 
schlagender Schwerter.  Als  er  hinblickte,  führte  ein  über  vierzig  Jahre  alter  Krieger, 
den  er  für  einen  Reisenden  hielt,  mit  einem  rauhen  Manne,  der  ein  Feldlagerer  zu  sein 
schien  und  etwa  dreissig  Jahre  alt  war,  bis  aus  den  Schwertspitzen  Feuer  hervorkam, 
unter  Geschrei  und  Gebriül  einen  Kampf. 

Si-togi,  durch  ^  ausgedrückt,  ist  ein  Kuchen  aus  Reis  und  Getreide,  der  zum 
Opfern  dient.     jNIan  glaubt,  das  Wort  könne  so  viel  als  sira-togi  ,weiss  mahlen'  sein. 

Sobotsu  bedeutet:  von  Regen  oder  Tliau,  auch  von  Thränen  befeuchtet  sein. 

JSfo-busi  ,Feldlagerer'  ist  ursprünglicli  mit  jama-hnsi  .Berglagerer',  d.  i.  , Einsiedler' 
gleichbedeutend.  Es  bedeutet  aber  auch  &ieger,  welche  keinen  Gebieter  haben  (^ 
mm-7iaki   -^   tsuica-mono) . 

Kano  tahi-bito-ga  ^  ^  (zu-sa)  nari-ken  \  tcaka-tu  ni-nin  shno-he  ni-nin-iva  faja  utarete  \ 
(ynazi-makura-ni  fusi-tarn-ga.  \  tahi-bito-mo  ^  (bin)-no  fadzure  ZL  vj"  (ni-sun)  amari-kirarete  \ 
tsi-siioo-ni  ^  ^  fan-men-ivo  mamirasi  |  ara-^votoko-iva  fidari-no  kata'-saki-ni  g|  ^  (asa-de) 
ni-ka-sio  v-tari-keru.  Toki-nusi-7i:a  kore-iuo  mite  |  P^  ^  (ken-kuaj-no  soba  tsu-e  utaren-jori  | 
mitsi  fiki-tsigajete  kajerame-  |  to  omoi-si-ga  |  tada  fito-sudzi  naru  aki-kusa-no  ^  (no)-xvo  joko- 
giran  kata-mo  nasi.  Ware-mo  inukasi-ioa  ^  ^  (siju-kun)-ni  sitagai  \  ^  ^  (su-do)-no 
Ü^  Wi  (sen-zen)-ni  nozomi-tani-ni  \  ka-bakari-no  koto-ioo  osoreie  \  oto-je-ja-iva  modorn-beki. 
Kare-ra-ga  ^  ^  (seu-bu)-iüo  mi-faten-to  \  omoi-kajesi-te  ito  sigeki  |  susuki-no  naka-ni  mi-ico 
fisomasi  \  tsuki-ioo  akasi-ni  kai-ma-mi-wori. 

Zwei  junge  Gefährten  und  zwei  Diener,  welche  das  Gefolge  dieses  Reisenden 
gewesen  sein  werden,  waren  bereits  erschlagen  und  lagen  auf  gemeinschaftlichem  Kissen. 
Der  Haarschopf  des  Reisenden  war  aufgelöst,  über  zwei  Zoll  tief  durchschnitten,  und  das 
halbe  Gesicht  mit  Blut  befleckt.  Der  rauhe  Mann  hatte  an  der  linken  Schulter  zwei 
seichte  Wunden  davongetragen.  Toki-nusi,  der  dieses  sah,  war  gesonnen,  ehe  er  zur 
Seite  des  Getümmels  von  den  Waffen  getödtet  würde,  lieber  auf  einem  anderen  Wege 
zurückzukehren,  allein  es  war  keine  Stelle,  wo  er  über  das  in  gerader  Linie  mit  Herbst- 
pflanzen bewachsene  Feld  schräg  gehen  konnte.  Er  hatte  vordem,  als  er  den  Voi'gesetzten 
und  Gebieter  begleitete,  mehrmals  auf  Kampfplätze  herabgeblickt.  Sollte  er  sich  fürchten 
und   etwas   nach   rückwärts  weichen?    Ueberlegend,   wie  er  Sieg  und  Unterliegen  dieser 

10* 


76 


Pfizmaieu. 


Leute  zuletzt  sehen  könne,  versteckte  er  sich  in  dem  dichten  Riedgrase  und  spähte  bei 
dem  Lichte  des  Mondes  hindurch. 

Saru  fodo-ni  kudan-no  ni-nin-wa  \  ^  'j^  (siju-renj-no  tatst  kaze  kasa-ba-wu  nahikasi  \ 
ßramekasu  sira-fa-no  fikari-iva  \  kam  rnusasi-no-no  kusa-jori  idete  \  kusa-iii  mata  iru  tsuki- 
kaqe-no  \  tsiiju-ni  nagarunc-ka-tu  ajasimarc  \  mata  ta-fa-gawa-uo  waka-aju-no  \  faja-se-ni 
odoru-ni  kotonarazu.  Kore-kare  otori-niasarl-nnku  \  inotsi-ioo  kagiri-to  tatakai-si-ga  \  tahi- 
hito-wa  hln-no  fadzure-juri  \  nagaruru  td-sbvu-no  manako-ni  iri-te  \  tatsi-sudzi  tsii-i-ni  midare- 
si-ka-ha  \  ura-wotoko-ga  tatami-kake-taru  \  jaiba-ivo  junde-je  farai-ajezv,  \  waki-hara-wo  sitataka 
kirarete  \  siri-i-ni  du-to  tbrurit-ico  \  okosi-mo  tatezu  kiran-to  sure-ha  \  fusi-nagara  kiri-faro  | 
sira-fa-no  uje-wo  odori-koje  \  mima-saki  sika-to  fumi-suje-tsutsu  moteru  katana-ivo  tori-nawosi-te  | 
nondo-no  atari-ivu  gnm-to  sase-ha  \  ko-busi-ivo  iiigiri  asi-wu  age  \  viua-iva-no  ^  '%  (ku-tsu)-wo 
tsuku-dzuku  mite  \  nikko-to  jemi-taru  tsura-tamasi-i  \  jä-kan  fu-teki-no  kuse-mono  nari. 

Der  ^Yind  der  geübten  Schwerter  dieser  zwei  Menschen  beugte  die  Blätter  der 
Pflanzen,  der  Glanz  der  blossen  Klingen,  welche  sie  schwangen,  war  so  wunderbar,  als 
ob,  aus  den  Pflanzen  jenes  Feldes  von  Musasi  hervorkommend,  das  in  die  Pflanzen 
wieder  eintretende  Mondlicht  auf  dem  Thau  schwämme,  es  war  ferner  nicht  anders,  als 
ob  junge  AVeissfische  des  Flusses  Ta-fa-gawa  auf  der  reissenden  Stromschnelle  s^irängen. 
Lidess  sie,  ohne  dass  einer  dem  anderen  nachstand,  und  das  Leben  auf's  Spiel  setzend, 
kämpften,  drang  das  von  dem  gelösten  Haarschopfe  des  Reisenden  fliessende  Blut  ihm 
in  das  Auge,  und  die  Linie  des  Schwertes  ward  zuletzt  verwirrt.  Ehe  er  die  Aviederholt 
angelegte  Klingle  des  rauhen  Mannes  nach  links  wegschlagen  konnte,  wurde  ihm  die 
Seite  mit  Macht  durchhauen,  und  er  stürzte  rücklings  nieder.  Als  er,  das  Aufstehen 
nicht  zu  Wege  bringend,  stechen  wollte,  sprang  Jener  über  die  weghauende  blosse 
Klinge  des  Liegenden  und  trat  ihm  fest  auf  die  Brust.  Las  in  der  Hand  gehaltene 
Schwert  gerade  richtend,  stach  er  ihm  nach  der  Kehle.  Len  Schmerz  der  Todesstunde 
des  Anderen,  der  die  Fäuste  ballte,  den  Fuss  erhob,  deutlich  sehend,  hatte  er  in  seinen 
Zügen  ein  Lächeln.     Es  war  ein  külmer  und  furchtloser  Bösewicht. 

Kaku-te  ara-wutoko-iva  \  omu  mama-nl  teki-ioo  si-tomete  \  saivagi-taru  ke-siki-vio  naku  \ 
kanete  viiru  tokoro-ja  ari-ken  \  taU-Uto-no  katana-ico  tori-te  \  utsl-kajesi  mite  saja-ni  osame  j 
ono-ga  jaiba-no  J^  (tsi)-ico  nugüte  \  kore-kare  tomo-ni  kosi-ni  obi  \  sode  utsi-farai-te  juku 
fodo-ni  I  toki-nusi-wa  miru-ni  sinobazu  j  si-jatsu  utagb-beku-mo  aranu  tö-zoku  nari.  Nikusa-mo 
nikusi-  j  to  mi-wo  okusi  |  jama-datsi  mate-  \  to  jobi-tomure-ba  \  odoroki-nagara  waga  ato-ni  \ 
fiio  ari-keri-  |  to  mi-kajeri-te  \  nuki-toru  siju-ri-ken  utsi-kakuru-wo  \  suge-gasa  agete  nui-tome-tari. 
Somit  machte  der  rauhe  Mann,  wie  es  ihm  gut  dünkte,  dem  Feinde  den  Garaus,- 
nahm  ohne  in  seiner  Miene  Verwirrung  zu  zeigen,  das  Schwert  des  Reisenden,  welches 
er  früher  gesehen  haben  mochte,  kehrte  es  um,  betrachtete  es  und  steckte  es  in  die 
Scheide.  Von  der  Klinge  des  eigenen  Schwertes  das  Blut  wischend,  umgürtete  er  sich 
mit  beiden  Schwertern  zugleich,  schüttelte  den  Aermel  und  ging.  Toki-nusi  konnte  den 
Anblick  niclit  ertragen,  er  zweifelte  nicht,  dass  der  Elende  ein  Räuber  sei.  Voll  Ent- 
rüstung erhob  er  sich  und  hiess  ihn  mit  dem  Rufe:  Räuber,  warte!  stillstehen.  Jener, 
erschrocken  zurückblickend  und  bemerkend,  dass  hinter  seinem  Rücken  ein  Mensch 
war,  nahm  das  Wurfschwert,  welches  er  hervorgezogen  hatte,  und  warf  es.  Der  Andere, 
den  Rohrhut  erhebend,  hielt  es  in  der  Naht  auf. 

Sonu  foma-ni   kuse-m.ono-ioa  \  take-jori  nagaki  kusa-ni  kakurete  \  jaku-je-wa  sirezu  nari- 
d-ka-ba  i  tüki-nusi  futa-tabi  kore-wo  oicazu  \  fito-no  torami-wo  mi-ni  öte  |  aja-uki-wo  motomen-wa  \ 


Der  Nebel  dek  Klage.  77 

ware-nagara  fu-kaka  nari-si-to  \  omoje-ba  jagate  suge-gana-ni  \  uke-tome-taru  siju-ri-ken-ioo  \ 
nuki-tori-te  tsura-tsura  miru-ni  \  nan-ban-tetsu-no  icari-ku-gai-ni  \  kin-no  fototogisu-wo  tsnke- 
tari-keru-ga  \  ßdari-no  fane-wa  kasiko-ni,  nokori-te  \  tori-no  kata-mi.-ico  todome-tari.  No-busi-ga 
3jv5f   (re6)-ni-ioa  ito   ^    (m)-ge-nasi.    Kore-mu  iina  ibbai-sari-taru  \  katana-ni-ja  tsuke-tari-ken. 

Unterdessen  verschwand  der  Bösewicht  in  den  mehr  als  mannshohen  Pflanzen,  und 
es  Hess  sich  nicht  erkennen,  wohin  er  gegangen.  Toki-nusi  verfolgte  ihn  nicht  zum 
zweiten  Male.  Er  dachte,  es  sei  für  ihn  von  Nachtheil,  wenn  er  den  Hass  eines  Menschen 
auf  sicli  lade  und  die  Gefahr  aufsuclie.  Er  zog  sogleich  das  Wurfschwert,  das  er  in 
dem  ßolirhut  aufgefangen,  heraus.  Als  er  es  aufmerksam  betrachtete,  war  an  einer 
gespaltenen  Haarnadel  aus  Eisen  der  südlichen  Barbaren  ein  goldener  Kuckuck  befestigt. 
Der  linke  Flügel  desselben  war  auf  der  anderen  Seite  zurückgeblieben  und  hielt  den 
halben  Leib  des  \  ogels  an.  Es  war  den  Sachen  eines  Fcddlagerers  sehr  unähnlich.  Es 
wird  auch  dieses  an  das  eben  geraubte  Schwert  befestigt  gewesen  sein. 

Saru-nite-mo  itamasi-ki-ica  kono  tabi-bito  nari.  Tomo-bito  saje-ni  utare-tare-ba  |  ^  (naj- 
Wü-rao  sato-wo-mo  tö-ni  josi-nasi.  Mosi  kaai-tsiiX-ni  sirusi-taru  |  mono-mo-ja  am-  I  to  tatsl- 
jori-te  I  ■^  (s6)-no  tamoto-wo  maki-age-tsiitsu  \  iki  faja  kajete  naki  kara-no  \  futokoro-je  te-ioo 
sasi-irete  \  sagiirit  kobitsi-ni  matsutoari-si  \  ^  ^  (sai-fu)-nu  fimo-mo  ^  ^  (aku-jen)-no  j 
ito  obotsiika-noku  fiki-idasu.  Mi-no  tsumi  omoki  mi-tsutsumi-toa  |  toivade  kazu  siru  san- 
fiaku-rio  \  tsl-siwo-ni  somete-mo  jama-buki-no  |  ko-gane  faua-saku,  mi-no  sakaje  \  ben-zai-tcn- 
nio-no  tama-mono  naran.  Takara-no  jama-je  iri-nagara  \  te-ivo  munasi-ku  site  ka jeri-na-ba 
kö-kuai  so-ko-ni  tatsi-gata-ken.  Kono  keine  sibasi  kasi-tamaje  \  sono  naki  ato-iva.  nengoro-ni  j 
töte  ko-joi-no  mukui-wa  su-besi.  Na-mu  a-mi-da-butsu-  |  to  nen-zi-tsutsu  \  fotoke  tanomi-te 
tsumi  tsukuriü  \  onazi  majoi-no  jama-datsi-ni  |  waga  mi-wo  nasu-to  -nra-navii-ja  \  fazime-tvu 
1^   (zokii)-ico  nirami-mi-si  ]  manako  kane-ju-e  kura-mngire  \  ^  (joku)-ni-wa  kokoro  kegare-taru. 

Bei  alledem  war  dieser  Reisende  bedauernswürdig.  Da  seine  Begleiter  erschlagen 
waren,  gab  es  kein  Mittel,  um  seinen  Namen  und  seine  Heimath  zu  erfragen.  In  der 
Meinung,  dass  sich  vielleicht  in  seinem  Busen  ein  Kennzeichen  befinde,  trat  er  hinzu 
und  streifte  ihm  beide  Aermel  empor.  Der  Athem  war  ihm  bereits  ausgegangen.  Die 
Hand  in  den  Busen  des  Todten  steckend,  zog  er  das  um  die  suchende  Faust  sich  schlin- 
gende Band  eines  Geldbeutels,  wobei  die  böse  Beziehung  sehr  dunkel  war,  heraus.  In 
drei  Packen,  bei  denen  seine  Schuld  schwer  war  —  ohne  zu  fragen,  wusste  er  die  Zahl 
—  dreihundert  Tael  mit  Blut  gefärbt,  der  Glanz  des  Erblühens  der  goldenen  Blumen 
der  Musspflanze,  werden  das  Geschenk  der  Göttin  Ben-zai-ten  sein.  Wenn  er,  in  das 
Gebirge  der  Kostbarkeiten  eintretend,  mit  leeren  Händen  zurückkehrte,  würde  die  Reue 
dox-t  unnütz  sein.  Er  betete :  Leihe  mir  dieses  Geld  für  einige  Zeit !  Ich  werde  um 
diesen  Todten  ernstlich  trauern  und  für  diese  Nacht  vergelten.  Namu  Amida-Buddha !  — 
Indem  er  zu  Buddha  betete,  beging  er  ein  Verbrechen.  Ein  Räuber  war  er  wohl,  weil 
er  sich  zu  einem  in  demselben  Irrthum  befangenen  Räuber  machte.  Das  Auge,  mit  dem 
er  anfänglich  auf  den  Räuber  mit  Hass  blickte,  war  des  Geldes  wegen  umdunkelt,  sein 
Herz  durch  Habsucht  beschmutzt. 

Sira-nami  ,weisse  Wellen'  bezeichnet  einen  Strassenräuber.  Es  wurde  so  wie  , grüner 
Wald'  in  diesem  Sinne  zuerst  im  Chinesischen  gebraucht. 

Sai-fu-no  tsi-siwo  sibori-sute  \  tsu-i-ni  kono  no-ivo  fasiri-mikete  \  sono  ^  (joj  ^  (i)- 
naka-no  koro-oi-ni  \  ta-fa-gawa-no  sijiiku-sio-je  kajeri-tsuki-si-ga  \  tsuma-ni-wa  ari-si  koto-wo 
tsugezu,    Tsugii-no  fi-jori  \  asa-kusa-tera-je    mödzuru   goto-ni  \  kcö-iva    kakarii    mono-u-o  firai- 


78 


Pfkmaier. 


si-tote  I  ko-ban  itsi-ni-mai  tnri-idcio-ira  mi'^c,  |  mno  tsufiit-no  fi-ni-mo  \  kakam  mono-ioo  firai- 
si-tote  I  zeni  gn-roht-fiaku-wo  tori-idctp.  vüse  \jl-cjoio-ni  ^  (kin)  ^  (aen)  ^|  ^  (ken-fu)-no 
tagui-ivo  \  mofe  kajerazu-to  iü  koto  na-kere-do  \  asoki  wonna-no  kokoro-ni-wa  \  ajasimi-nac/arn 
7itagaivazt(,  |  ko-iva  mina  ten-nijo-no  sadzuke-tamb  |  takara-ni  koso-  \  to  omoi-tori-te  \  "^  f(^ 
(sin-sin)  ß-garo-ni  ijamasi-nu. 

Er  drückte  das  Blut  des  Geldbeutels  aus  und  entkam  im  Laufe  aus  diesem  Felde. 
In  dieser  Nacht  kehrte  er  um  die  Mitte  der  zwölften  Stunde^  In  seine  Wohnung  an  dem 
Flusse  Ta-fa-gawa  zurück.  Seiner  Grattin  theilte  er  den  Vorfall  nicht  mit.  Von  dem  nächsten 
Tage  angefangen,  sagte  er,  so  oft  er  sich  nach  dem  Kloster  Asa-kusa  begab,  dass  er 
eine  solche  Sache  aufgelesen  habe.  Dabei  nahm  ei-  ein  bis  zwei  Goldstücke  hervor  und 
zeigte  sie.  Den  nächsten  Tag  sagte  er  wieder,  dass  er  eine  solche  Sache  aufgelesen  liabe. 
Er  nahm  dabei  fünf  bis  sechshundert  Kupfermünzen  hervor  und  zeigte  sie.  Obgleich  er 
jeden  Tag  ohne  Ausnahme  mit  Gold,  Kupfermünzen,  Seidenstoffen,  Tuch  und  ähnlichen 
Dine,-en  nach  Hause  kam,  hegte  das  schwachsinnige  Weib,  so  sehr  sie  sich  wunderte, 
in  ihrem  Herzen  keinen  Argwohn.  Sie  bildete  sich  ein,  dass  dieses  alles  Kostbarkeiten 
seien,  welche  die  Göttin  veidiehen,    und    ihr  Glaube  ward    mit    der  Zeit   immer  stärker. 

Kakari-si-ka-ba  toki-nusi-wa  \  niwaka-ni  jutakeki  fito-to  nari-te  |  -^  "^  (si-bo)-no 
zijutsu-wo  takumasi-ku  si  \  madzmi-ki  mono-ni  kane-wo  kasi-te  \  sono  ri-soku  mote  nimo-wo 
orasi  \  kore-tco  kama-kura-nu  aki-bito-je  uri-ioatase-si-ka-ba  \  %\]  (ri)-ico  %^  (i)rii,  koto  sickuna- 
karazu.  Moto-jori  kokoro-zama  ijasi-ku-te  \  sonu  saga  jabusaka  nari-kere-ha  \  fadzuka  go- 
roku-nen-ga  awai-vi  nari-idete  \  ko-gane  to-fakö  amari-no  nusi-ni  nari-tari.  Ko-iva  mina 
ben-zai-ten-no  ^  ^  (mib-dzio)  nari  tote  \  ^  (tsuki)-no  sono  fi-goto-ni-ica  \  kmmrazu  fö-si-wo 
maneki-te   |^    (kwj-ico  jomasi  \  fisoka-ni  kano  tabi-bito-no  bo-dai-ico  toi-im. 

Auf  diese  AVeise  wurde  Toki-nusi  plötzlich  ein  wohlhabender  Mann.  Er  betrieb  in 
grossem  Massstabe  das  Geschäft  des  Wuchers  und  lieh  armen  Leuten  Geld.  Von  den 
Zinsen  Hess  er  Tücher  weben  und  übergab  diese  den  Kaufleuten  von  Kama-kura  zum 
Verkaufe.  Er  trug  dabei  keinen  geringen  Nutzen  davon.  Da  sein  Sinn  im  Grunde 
gemein  war,  wurde  er  von  Gemüthsart  geizig,  und  kaum  an  der  Gränze  von  sechs  Jahren 
angelangt,  war  er  der  Besitzer  von  zehn  Kisten  Goldes.  Indem  er  glaubte,  dass  dieses 
alles  die  dunkle  Hilfe  der  Göttin  Ben-zai-ten  sei,  lud  er  an  jedem  Tage  des  Monats 
einen  Bonzen  zu  sich  und  Hess  die  heiligen  Bücher  lesen.  Insgeheim  betete  er  für 
jenen  Reisenden. 

Kaku-te  tnki-nusi  tsuku-dzuku-to  omö-jb  \  ije-ni  •=f-  ^  (sen-kin)-wo  tswne-ha  tote  \  midare- 
taru  jo-ni-wa  tanomi-gatasi.  Mai-te  ^  (ja)-tsukuri  ki-rei-ni  \  nuri-gome  amafa  vvina-gi-icö 
tsurane-taran-ni-iva  \  fito-mo  kanarazu  mi-jurusazu  \  ware-mo  sore-fodo-no  \  ^  h!Ö  O'ö-ktiJ- 
wo-ba  masu-naru-besi.  Ken-wa  jasura-ge-ni  koko-ni  ite-mo  \  asu-iva  ^  ]K  (fio-kua)-ni  ije-ioo  i 
jakarete  \  lootsi-kotsi-nl  samajö-wa  \  kono  goro-no  tsune  nari.  Tada  iru-ico  afsnku  site  \ 
idzuru-wo  usuku  si  \  takuwo-ni-ica  sikazi  tote  \  joku  oru  tconna-go  amata  kakajete  \  te-tsukuri-ioo 
orasi  ^  (sagi)-suke  nando  jobaruru  \  ko-mono  si-go-nin-ni  kore-ivo  urasi-te  \  kb-eki-ivo  koto-to 
si  \  M  i  (gd-si)-no  gotoku-nite  jo-ico  loatarasi-ka-ba  \  sato-bito  nabete  te-tsukuri-no  tsib-zia- 
to-zo  tonaje-keru. 

Toki-nusi    sagte    sich    unter   ernstlichem  Nachdenken:    In  dem  Hause  tausend  Gold- 
stücke   aufhäufen,    ist    in    einem   Zeitalter    der  Wirren    unverlässlich.    Wollte    ich    lieber 


'    Um   10  mir  Abends. 


Der  Nebel  der  Klage.  79 

ein  Haus  bauen,  auf  zierliche  Weise  gemauerte  Jieliälter  und  viele  iialken  aneinander 
reihen,  werden  die  Menschen  nicht  zulassen,  dass  ich  es  sehe,  und  ich  werde  eine  so  o-rosse 
Plage  noch  vermehren.  Heute  weile  ich  liier  ruhig,  morgen  wird  das  Haus  durch  das 
Kriegsfeuer  verbrannt,  und  hier  und  dort  umherirren,  ist  in  dieser  Zeit  etwas  Gewöhn- 
liches. Bloss  das  Hereinkommen  für  wichtig,  das  Herauskommen  für  unwichtig  halten 
und  authäufen,  ist  nicht  gut.  Er  nahm  viele  Weiber,  welche  gut  woben,  in  seine  Dienste 
und  Hess  Haustuch  weben.  Er  Hess  dieses  durch  vier  bis  fünf  kleine  Diener,  unter 
welchen  der  Eine  Sagi-suke  genannt  wurde,  verkaufen  und  machte  den  Tauschhandel 
zu  seinem  Geschcäfte.  Da  er  gleich  den  vorzüglichen  Männern  des  Bezirkes  lebte,  nannten 
ihn  die  Menschen  des  Dorfes  allgemein  den  Aeltesten  des  Haustuches. 

Sare-ba  tori-ta  toki-nusi-ioa  ]  omo  mama-ni  toi)iisakbre-do  \  nawo  taranu  omo-motsi-nite  \ 
ßto  nakt  wori-wa  kabe-ni  rmikai  |  tan-soku-sezarii,  fi-mo  na-kere-ba  \  kaicara-i-iva  kore-wo 
ibakari  \  mukasi-wa  kefuri-tcu  tate-kane-tare-do  \  kaku  made-ni  mono-wo  üynoi-tamawazari-si  \ 
nani-goto-no  kokoro-ni  kakari-te  |  majzi  iitsi-fisome-tamo  jaran  \  kokoro-je-gataku  faberi-to 
iü-ni  I  toki-nusi  masu-masu  tan-soku-si  \  ko-wa  ivaga  tsuma-to-mo  obojezu  \  ojoso  "fü;  (jo)-ni 
ari-to  aru  mono  \  ^  ^  (si-son)-no  kofo  nomi  mina  omojeri.  Fü-fu-ga  saiivai  amari  ari-te  \ 
kaku  jutaka-ni  jo-tvo  tvataru  mono-kara  \  naivo  negawasi-ki-wa  -^  (ko)-ni  koso  nre.  Jusi-ja 
ije-ni-wa  okl-mo  aman  \  ko-gane  siro-gane  fsumi-takuwajete-mo  \  na-karan  notsi-ica  tare-ni 
torasen.  Joru  tosi-nami-no  futsi-se-jori  \  fukakl  omui-ica  tada  köre  nomi.  Ko-tosi-mo  ada-ni 
kure-take-no  \  jo-so-dzi-wo  sugi-te-mo  motanu  ^  (ko)-no  \  ^  (ko)-ju-e-ni  mado-to  siri-nagara  j 
satori-kanete-wa  ben-zai-ten-nio-wo  \  urami-mbsu-mo  bon-bu-no  mi  katte  \  sono  negi-goto-mo 
fito-sudzi-ni  \  fazime-wa  tomi-wo  inori-si  toki  \  momo-ka-ni  mitazu-site  \  fu-si-gi-no  rei-gen  ari- 
nagara  |  tosi-ivo  fure-domo  mbsi-  -^  (ko)-no  ]@  .|^  (ö-gen)  na-kere-ba  |  adziki-naku  waga 
tsuma-ni  damo  ajasimaru  \  je-gataki  mono-wa   ^    (ko)  nari-si^ 

Tori-ta  Toki-nusi,  obgleich  nach  Wunsch  reich  geworden,  hatte  noch  in  seinem 
Gesichte  den  Ausdruck  der  Unzufriedenheit.  Es  war  kein  Tag,  an  welchem  er  sich 
nicht,  wenn  Niemand  zugegen  war,  gegen  die  Wand  kehrte  und  seufzte.  Kawara-I,  sich 
hierüber  verwundernd,  sprach:  Vordem  konntest  du  keinen  Eauch  zu  Stande  bringen, 
doch  du  warst  nicht  in  solchem  Masse  nachdenklich.  Was  mag  dir  auf  dem  Herzen 
liegen,  dass  du  so  die  Augenbrauen  zusammenziehst?  Es  ist  mir  unbegreiflich.  —  Tori- 
taka  seufzte  noch  mehr  und  sprach:  Dieses  als  meine  Gattin  bemerkst  du  nicht.  Alle, 
die  in  der  Welt  sind,  wünschen  sich  nur  Söhne  und  Enkel.  Da  Avir  Glück  im  Ueber- 
flusse  haben  und  in  solchem  Wohlstande  leben,  mögen  Söhne  noch  Wünschenswerther 
sein.  Gesetzt,  in  dem  Hause  ist  überflüssiges  Kohlenfeuer,  ich  habe  Gold  und  Silber 
in  Haufen  aufgesj)eichert,  wem  werde  ich  es  nach  dem  Tode  geben?  Meine  Sorge,  welche 
tiefer  als  der  Wirbel  der  andrängenden  Jahreswellen,  ist  bloss  diese.  In  diesem  Jahre  habe 
ich  vergeblich  vierzig  Jahre  des  Bambus  von  U  überschritten  und  habe  keinen  Sohn. 
Sie  wusste,  dass  ich  wegen  des  Sohnes  irre,  doch  da  sie  es  nicht  einsehen  konnte,  grolle 
ich  der  Göttin  Ben-zai-ten.  Das  dem  Menschen  Angemessene  und  das,  was  er  erfleht, 
sind  ein  einziger  Faden.  Anfänglich,  als  ich  um  ßeichthum  bat,  waren  die  hundert 
Tage  nicht  voll,  und  ich  hatte  eine  wunderbare  Erhörung.  Obgleicli  Jahre  vergangen, 
wird  der  durch  Gebet  zu  erhaltende  Sohn  nicht  gewährt,  und  ich  bin  unglücklich. 
Meine  Gattin  wundert  sich  darüber.    Was  ich  nicht  erhalten  konnte,  war  ein  Sohn. 

To  kagotogamasi-ki  lüotto-no  siukkuai  \  kiku-ni  ima-sara  kanasi-ku-te  |  mitsure-ba  ^ 
(kakujru    ^    (jo)-no    narai   \    — ■    |tt    (isse)-no   tomi-ico   nasu  fito-no   \    -p     (ko)-no    naki-ni 


80 


FIZMAIER. 


kurusimu-iva  \  oii-ini  ßnr/'-ni  kaf/irnu-ja.  Sa-rno  ara-ha  are  kanasi-ki-wa  \  waga  ini  ßto-tsii-ni 
faberu-kasi.  Ko-naki  tsuma-tvo-ba  sare-to  iü  \  A^,  ^  (sitsi-kio)-no  tsumi-wo  mi-ni  sire-ba  \ 
mata  nagusamu-bekl  kotoha-mo  faberazu  \  fitori  fidari-no  ivonna-me-mo  \  soha-me-mo  ika-de 
ito-beki ,  to-mo  kaku-mo  site  -^  (koj-tvo  umasi-tanwje.   Ko-iva  mata  warawa-ga  ■negai-7ii  faberi. 

Als  sie  diese  lauten  Klagen  des  Gatten  hörte,  sagte  sie:  Du  bist  jetzt  wieder 
trauri"-  ^'oll  sein  und  hierauf  scliwindcMi,  ist  das  Gewöhnliche  in  der  Welt.  Der 
Kummer,  dass  du  den  ßeichthum  eines  ganzen  Geschlechtsalters  zu  Stande  bringst  und 
keine  Söhne  hast,  Avird  er  auf  dich  allein  beschränkt  sein?  Lasse  es,  wie  es  ist.  Möchte 
ich  doch  allein  traurig  sein !  Da  die  kinderlose  Gattin  weiss,  dass  sie  eines  der  sieben 
Fehler,  welche  Grund  zur  Scheidung  sind,  schuldig  ist,  so  hat  sie  auch  keine  Worte, 
welche  trösten  können.  Eine  oder  zwei  ^lägde,  eine  Nebenfrau,  wie  könnte  mir  dieses 
zuwider  sein!    Immerhin  erhalte  Söhne,  dieses  ist  ebenfalls  mein  Wunsch, 

Kagotogamasi  ist  so  viel  als  jakamasi  , lärmend'. 

To  ije-ba  toki-nusi  kbbe-wo  furi-te  \  sore-iva  omoi-mo  kakemi  koto  nari.  Tsiri-wo  atsumete 
jama-to  nasi  \  ije-no  tsuije-ico  fabuki-nagara  \  ogori-gamasi-ku  soba-me  tsukote  \  on-mi-ni 
mono-u-o  omowasen-ja.  Inisi-je-no  fito-no  kotoba-ni  \  oi-te-no  notsi-ni  netameru  tsuma-no  \ 
isaioosi-tüo  siru-to  ijeri.  Sare-do  on-mi-ni  sitio  nasi  \  köre  -{^  ^  ^  (sitsi-fu-kio)-no 
ßto-tsu-ni  kanajeri.  Moto-jori  motanu  ^  (ko)  nari-se-ba  \  jo-goto-ni  ivonna-wo  kajuru-to-mo  j 
-y-  (ko)-wü  umasen  koto  \  ^  (zin-riki)-no  ojobu-beu-wa  omowanu-kasi.  Ware-kara  omoi- 
lüasuren  tote. 

Toki-nusi  schüttelte  das  Haupt  und  sag-te:  Dieses  fällt  mir  nicht  bei.  Soll  ich, 
während  icli  den  Staub  zu  Bergen  ansammle  und  die  Ausgaben  des  Hauses  beschränke, 
verschwenderisch  eine  Nebenfrau  verwenden  und  dich  in  Betrübniss  versetzen?  In 
den  Worten  der  Menschen  des  Alterthums  heisst  es:  Wenn  man  alt  geworden  ist,  kennt 
man  die  Verdienste  einer  eifersüchtigen  Gattin.  Jedoch  du  bist  ohne  Eifersucht.  Dieses 
entspricht  einem  der  sieben  Dinge,  welche  kein  Grund  zur  Scheidung  sind.  Wenn  man 
ursprünglich  keine  Söhne  erhält,  so  mag  man  jede  Nacht  das  Weib  wechseln,  ich  glaube 
nicht,  dass  die  Kraft  des  Menschen  ausreichen  kann,  um  einen  Sohn  zu  erlialten.  Meinei-- 
seits  werde  ich  in  Gedanken  darauf  vergessen. 

Kono  notsi-u-a  mata  -f-  (ko)-naki-no  urami-ivo  tsugezu.  Sikare-domo  kawara-i-iva  \ 
wotto-iüo  omoi  I  war^e-wo  omoje-ba  \  ima-sara-ni  -^  (ko)-no  ito  fosi-ku  \  to-sama  kb-sama 
si-an-suru-ni  \  ^  (.jo)-mo  kokoro-joku-ioa  nebzirarezu  \  tada  itsu-made-mo  ben-zai-ten-ivo  |  inori- 
tate-matsuru-no  foka  arazi  tote  \  kokoro-zasi-uxi  fagemasi-tsutsu  \  toki-nusi-ni-mo  sirasezu 
jo-na-jo-na  fito  sidzumari-te  \  sinobi-jaka-ni  "^  f^  (se-do)-jori  idete  \  kake-ß-no  midzu-ni 
mi-ioo  utasi  \  tsume-ico  kiri  kami-ivo  midasi-te  \  omo-ja-no  miuie-je  tsutai-nobori  \  madzu  asa- 
kusa-no  kata-wo  fai-si  \  m.ata  je-no  sima-no  kata-wo  fai-si  \  ^  jlß  (ki-meo)  T^  Üü  (tsio-rni) 
en-bu-no  ^  ^' (tsiu-zi)  \  g^  ^  ff  t#  (nö-jo-s6-dzi)  -^  ^  M  M  (dai-tsi-e-siju)  \  dai- 
ben-zai-ten-ni  jjßff  m  (ki-seö)-si-tate-m.atsuru.  Tada  negawaku-tva  fü-fu-ga  naka-ni  \  — ■  -^ 
(issi)-wo  tadzukete  tabi-tamaje-  \  to  'Oft  (fu)-site-wa  fai-si  \  airogi-te-wa  \  fosi-no  fikari-ni  furu 
simo-no  \  siroki  f^  ^  (zib-jej-mo  kuru  made  \  ki-nen  ^  |^  (tan-sei)-wo  korasu  koto  \ 
sude-ni  nami-ka-ni  ojoberu  ^  (jo)-\  ^  Pf  ßti-tsiü)  faruka-ni  on-gaku  kikoje  \  ^^  ^ 
(si-un)   ^    ^    (ai-tai)-to  site  \  tanabiki-kudarit,  koto  toico-karazn . 

Von  nun  an  sagte  er  nichts  mehr  wegen  des  Verdrusses,  dass  er  keinen  Sohn  habe. 
Indessen  war  für  Kawara-I,  wenn  sie  an  den  Gatten  und  an  sich  dachte,  ein  Sohn  jetzt 
wieder  sehr  erwünscht.     Indem    sie    auf  jede  Weise    überlegte,    schlief  sie  in  der  Nacht 


Deii  Nebel  DER  Klage.  81 

iiiclit  vergnügt.  Glaubend,  dass  nichts  anderes  zu  geschehen  brauche,  als  dass  sie  nur 
immer  zu  der  Göttin  Ben-zai-ten  bete,  weckte  sie  ihren  Vorsatz  auf.  Ohne  dass  sie  es 
Toki-nusi  zu  wissen  that,  trat  sie  Nacht  für  Nacht,  wenn  die  Menschen  zur  Ruhe  gekommen 
waren,  heimlich  aus  dem  rückwärtigen  Thore,  warf  sich  in  das  Wasser  der  Wasserrölire, 
schnitt  die  Nägel  ab,  verwirrte  das  Haupthaar  und  stieg  an  den  Balken  des  Vorder- 
hauses empor.  Sie  verbeugte  sich  zuerst  nach  der  Seite  des  Klosters  Asa-kusa,  sie  ver- 
beugte sich  auch  nach  der  Gegend  von  Je-no  Sima.  Sie  richtete  das  Gebet  an  die 
wunderbare,  die  Gebräuche  auf  dem  Scheitel  tragende  älteste  Schwester  der  sichtbaren 
Welt,  sie,  welche  zusammenfassen  kann,  an  den  Sammelplatz  des  grossen  A^erstandes 
und  der  Gnade,  an  die  grosse  Göttin  Ben-zai-ten.  Sie  sagte  bloss :  Wir  bitten,  verleihe 
uns  einen  Sohn.  —  Abwärts  blickend,  verbeugte  sie  sich,  aufwärts  blickend,  betete  sie, 
bis  das  weisse  reine  Kleid  des  beim  Sternenschein  fallenden  ßeiffrostes  gefror.  In  der 
Nacht,  in  welcher  das  Zusammendrängen  des  Trachtens  bereits  sich  bis  zu  dem  siebenten 
Tage  erstreckte,  hörte  man  fern  in  der  Luft  Musiktöne.  Die  purpurnen  Wolken  trieben, 
und  ihr  Herabneigen  inid  Herabkommen  war  nicht  fern. 

Ten-nijo  ma-no  afari-ni  ^  [h)  (j^''>-[l^)  ari-te  \  sode  maki-kajesi-ie  kawara-i-ivo  \  fitta- 
tabi  mi-tabi  sasi-maneki  |  ajamateni  kana  nandzi-ra  fü-fu-ga  \  nen-guan  ito-mo  tsimii-fidcasi. 
Sore  sin-hutsu-tca  ^  i|^  (si7i-so)-ni  jori-te  \  kua-fuku-wo  kudasu  inono-ni  arazu  \  tada  ^ 
(zenj-ni  saiicai  si  \  ^  (akn)-ni-wa  kannrazu  tvazawai  su.  Smiaioatsi  ten-ri-no  sika-surtt 
fokoro  I  bon-bu-wa  kore-ivo  satnrazu-site  \  '|'^  ^  (ziö-jokuj-tco  tahmiasi-ku  st  j  ^  ^  (tsin-kn) 
go-zib-no  mitsi-ni  tbtoku-te  \  ^  ^_^  (zen-konj-tüo  ujeza  \  J^  ^  (kl-seki)-ivo  omoivazii..  ^  ^ 
(Fu-gi)-no  g  ^  (f{l-ki)-no  negaioasi-sa-iii  \  kami-ni  fetsural  |  fotoke-ni  kobi  \  sono  u-gen-ioo 
tanomu  ju-e-ni  \  mata  j§;  ^  (zö-aku)-no  tsumi-wo  masii,.  Majoi-furi-kere-ba  \  sono  tsumi-mo 
mata  omosi.  Sare-ba  toki-nusi-ga  nari-idete  |  ^  'jttr  (fan-sei)-no  tomi-wo  itasu  koto-ica 
icaga  mamori-te  sadzuke-taric  saiivai-ni-wa  arazu  \  mata  köre  nogarenu  in-gua  nari.  Kaku-te 
mata  ^  (ko)-tco  inorio-to-mo  \  ivare  mata  kore-wo  nani-to-ka  su-beki.  Nandzi-ra  — •  -^ 
(issi)-wo  nego-ga  \  ju-e-ni  -^  (koj-ico  mokuru  koto  ari-mi-besi.  Kore-mo  nogarenu  in-kua 
nari.  Toki-nusi  ittnn  otsi-burete  \  jukuri-naku  ije-wo  tomasi  |  mata  -^  (ko)-wo  inori-te  — •  -^ 
(issij-wo  mbke  |  -^  (koj  ju-e-ni  notsi-no  nageki-wo  masu-mo  \  mi-dzukara  naseru  tcazaivai- 
nite  I  ^  j^  (sidie-se)-no  ^  ^  (aku-gd)  kore-ni  kakare-ba  \  imn-no  saiwai-mo  \  vaga 
tasuke-taru-ni  arazu  \  notsi^no  loazatuai-mo  waga  ^  (bas)-suru-ni  arazu.  Mosi  utagatva-ba 
kore-'ico  mi-jo.     Omoi-awasum,  koto  aru-besi. 

Die  Göttin  erschien  vor  ihren  Augen,  rollte  den  Aermel  zurück  und  winkte  Kawara-I 
zwei-  bis  dreimal.  Sie  sprach:  In  welchem  Irrthum  befindet  ihr  euch!  Eure  Bitte  ist 
ein  sehr  grosses  Verbrechen.  Die  Götter  und  Fö  sind  keine  Wesen,  welche  je  nach  dem 
Fernstehen  oder  Nahestehen  Glück  und  Unglück  herabsenden.  Nur  füj-  das  Gute  ist 
Segen,  für  das  Böse  ist  gewiss  Unheil.  AVas  somit  das  Gebüln-ende  dei-  Ordnung  des 
Himmels  ist,  der  Mensch  bemerkt  es  nicht.  Er  hegt  leidenschaftliche  Begier  in  grossem 
Masse,  der  Redlichkeit  und  Aelternliebe,  dem  Wege  der  fünf  beständigen  l\igenden 
entfremdet,  pflanzt  er  nicht  die  Wurzel  des  Guten,  denkt  nicht  an  die  Strafe  der  Dä- 
monen. In  dem  AVunsche  nach  ungerechtem  Reichthum  und  Ansehen,  schmeichelt  er 
den  Göttern,  buhlt  um  die  Gunst  Buddha's.  AVeil  er  dabei  auf  Erhörung  hofft,  vermehrt 
er  noch  die  Schuld  der  Verübung  des  Bösen.  AVenn  er  in  Irrtlium  gelebt  hat,  ist  seine 
Schuld  auch  wieder  schwer.  Dass  Toki-nusi  vorwärts  kommt  und  den  Reichthum  des 
halben  Geschlechtsalters  zu  Stande    bringt,    ist    nicht    der   Segen,    den  ich  bnwalirt  und 

Denkschriften  der  phiL-hist.  CL    XXVL  Bü.  1 1 


■an  PkIZMAIEK. 

verliehen  luibe,  es  ist  wiedtT  die  Strafe,  der  ej- uicht  entkommt.  Mag  er  somit  um  einen 
Solm  bitten,  was  kann  icli  wieder  dai-aus  niaclien?  Weil  ihr  einen  Sohn  wünschet,  so  soll 
es  o-eschehen  sein,  dass  ihr  einen  Sohn  erlanget.  Dieses  ist  die  Strafe,  der  ihr  nicht 
entkommt.  Toki-nusi,  eines  Morgens  verarmt,  bereicherte  unverhofft  sein  Haus.  Er  bittet 
noch  um  einen  Sohn  und  erhält  einen  Sohn,  er  vermehrt  deswegen  die  spätere  Klage. 
Wenn  durch  das  Unheil,  das  er  selbst  zu  Stande  gebracht,  die  bösen  Thaten  des  frü- 
heren Lebens  ihm  anhaften,  so  ist  auch  der  gegenwärtige  Segen  nicht  durcli  meine 
Hilfe  erfolgt,  das  spätere  Unheil  nicht  durch  mich  als  Strafe  verhängt.  Wenn  du  zwei- 
felst,   so  sielic  dieses.     Es  wird  die  Gedanken  zurechtbringen. 

To  :^  i^  zi-gcn-site  \  iro-ka  me-de-taki  kusa-nu  fana-tco  \  kawara-i-ni  nage-ataje  j 
fikari-wo  fanatsi-te  tobi-sari-tamaje-ba  \  kawara-i-tca  kasikosa-nl  \  abumi-kawara-ni  asi  fiomi- 
suberasi  \  nukiba-je  fata-to  vtsi-tarv-rja  \  slkiri-ni  fito-nl  jobi-ikerare  \  'j^  ^  (gaku-zenj-to 
site  odoroki-samure-ba  \  köre  omoi-ne-no  jume-nite  \  ivare-wo  jobi-samase-si-wa  wotto  nari. 
Sate-toa  jume-nite  ari-keru-ka-  \  fo  i-i-tmtsu  mune-no  ase-wo  nuguje-ba  \  toki-nusi-mo  mata 
khbe-ico  motage  |  mnari-ni  itaku  osoivare-tamo  \  ko-e-ni  icare  saje  odoroki-samete  \  siba-siba 
jobi-te  juri'Okose-si  \  ika-naru  jume-tvo  mi-iamai-si. 

Als  sie  dieses  geoftenbart,  warf  sie  eine  von  Farbe  und  Geruch  ausgezeichnete  Pflanzen- 
blüthe  Kawara-I  zu,  schoss  Lichtstrahlen  und  entflog.  Kawara-1  glitt  in  ihrer  Furcht  auf 
den  Dachzieo-eln  mit  dem  Fusse  aus  und  fiel  auf  das  Vordach  hernieder.  Mehrmals  von  den 
Menschen  angerufen  und  zum  Leben  gebracht,  erwachte  sie  im  Schrecken.  Der  Gatte 
hatte  sie  aus  dem  Traume  des  Gedankenschlafes  durch  Eufen  erweckt.  In  der  Meinung, 
dass  es  ein  Traum  gewesen,  trocknete  sie  von  der  Brust  den  Schweiss.  Auch  Toki-nusi 
erhob  das  Haupt  und  sprach :  Bei  dem  überaus  starken  Angstgeschrei,  das  du  erhobest, 
erwachte  ich  im  Schrecken,  rief  dich  öfters  und  rüttelte  dich  auf.  Was  hat  dir  geträumt? 
To  toivaruru-ni  isutswni-gataku  ]  07i-mi  tosi-goro  ^  (ko)-nu  naki-wo  \  uroini-tcrmb-ga 
kotowari-nare-do  \  sen-su-be-nasa-ni  omoi-wasurezu.  Kono  goro-ioa  jo-mo  neburane-ba  \  omoi- 
tsukarete  ^  ^  (ma-jo)-naka-ui  \  madoromu  fodo-ni  asamasi-ja  \  toaga  mi  jo-na-jo-na  midzu- 
qo-ri  torife  |  tmme-ioo  kirl  \  kami-tvu  midasi  \  omo-ja-no  mune-je  jodzi-nobori-te  \  ten-nio-ivo 
odorokasi-tate-maUuri  \  — ■  ^  (issi)-wo  inori-mbsn  koto  \  sude-ni  nami-ka-ni  ojoberu  jo  \  ben- 
zai-ten-nijo  jed-gb  ari-te  \  meö-on-wo  fassi  \  ma-no  atari-ni  zi-gen-si-tamai-si-ga  \  mina  köre 
in-gua-no  db-ri-ni  site  \  sora  osorosi-ki  koto  m-bed-mo  faberazu.  Tsiii-ni  fito-moto-no  kusa- 
bana-tvo  nage-ataje  \  kub-meö  kagajaku-to  site  \  tobi-sari-tamb-ni  |  tsioma-date-tant  asi-wo  fumi- 
kajesi-te  \  icaga  mi-iva  tatsi-matsi-ni  \  marobi-otsuru-to  \  mite  same-faberi  \  ten-nijo-no  zi-gen-ica 
ka-jb-ka-jb-  \  to  jume-mi-si  mama-ni  mono-gatare-ba  \  toki-misi-ica  fisi-bisi-to  |  omoi-ataru  koto 
nomi  nare-ba  \  ke-siki  kawari-te  \  mono-wo-mo  je-iwazu  \  sibaraku  site  aza-warai  \  jume-tca 
omoi-ni  naru-to  ije-ba  \  fukaku  kokoro-ni  kake-tamb-na  \  ika-de  saru  koto-ja  aru-beki.  Fito-no 
katara-ba  loarawaru-besi. 

Bei  dieser  Frage  konnte  sie  nichts  verhehlen  und  sie  sprach:  Seit  Jahren  warst  du 
verdrossen,  dass  du  keinen  SoJm  hattest,  doch  es  Hess  sieh  dabei  nichts  thun,  und  ich 
vero-ass  es  nicht  in  meinen  Gedanken.  Um  diese  Zeit  schlief  ich  nicht  in  der  Nacht. 
A'om  Denken  erschöpft,  um  Mitternacht  beim  Einschlafen  vielleicht  schwachsinnig,  wusch 
icli  mich  Naeht  für  Naclit,  schnitt  die  Nägel,  verwirrte  das  Haupthaar,  kletterte  an  den 
Balken  des  Vorderluiuses  empor,  schreckte  die  Göttin  auf  und  bat  um  einen  Sohn.  Li 
der  Nacht,  in  Avelcher  sich  dieses  bis  zu  dem  siebenten  Tage  erstreckte,  erschien  die 
(Göttin  Ben-zai-ten.    Sie  schickte  Avunderbare  Töne  hervor  und  offenbarte  mir  vor  meinen 


Der  Nebel  der  Klage.  ^3 

Augen.  Dieses  Alles  war  nur  das  Ordnungsmassige  der  Strafe,  und  die  Schrecklichkeit 
des  Himmels  kann  ich  nicht  aussjarechen.  Zuletzt  warf  sie  mir  eine  Pflanzenblüthe  zu 
und  während  ein  helles  Licht  erglänzte,  entflog  sie.  Auf  den  Zehen  stehend,  trat  ich 
fehl  und  stürzte  plötzlich  herab.  Dieses  sehend,  erwachte  ich.  Die  Offenbarung  der 
Göttin  war  so  beschaffen.  —  Mit  diesen  AVorten  legte  sie  es  dar,  wie  sie  es  geträumt. 
Toki-nusi,  da  dieses  auf  rauhe  Weise  nur  mit  seinen  Gedanken  zusammentraf,  veränderte 
die  Miene  und  konnte  kein  Wort  hervorbringen.  Nach  einer  Weile  lachte  er  spöttisch  und 
sprach :  Da  man  sagt,  dass  Träume  in  der  Einbildung  entstehen,  so  nimm  dir  dieses 
niclit  sehr  zu  Herzen.  Wie  könnte  dergleichen  vorkommen?  Wenn  du  es  den  Menschen 
sagst,  kannst  du  verlacht  werden. 

To  i'i-iiagusame  nado  suru-ni  \  ja-ko-e-no  tori-no  ko-e-tatete  |  ne-ja-no  tomosi-hl  usuku 
nai'it  mama-ni  \  fü-fii-iva  jagate  oki-ide-si-ga  |  ko7io  goro-juri-zo  katvara-i-tva  \  saivari-tvo  sirazu 
nari-te  |  ml-tsuki-ga  fodo-ni-ica  |  mi-gomori-taran-  \  to  ware-mo  omoi  \  kusu-si-ino  sika  ije-ba 
saki-ni  mi-ts?iru-wa  masa-jmne  nari-si-  |  to  juku  su-e-no  koto  kokoro-ni  kakare-do  \  -^  (koj-ivo 
motsu  koto-ico  jorokohasi-sa-ni  \  fu-fu  nagusame  \  nagusamerarete  \  fito  matsu  gotokn  to-tsuki-ioo 
sugud  I  ten-himi  fatsi-nen  sitsi-guatsu  towo-ka-no  asa  madaki-ni  |  kaioara-i-wa  ^  (san)~no 
^    (ke)  tsuki-te  \  ito  jasuraka-ni  looviina-go-wo  nmi-keri. 

Indess  er  sie  mit  diesen  Worten  tröstete,  krähte  der  Vogel  der  acht  Stimmen,  und 
als  die  Lampe  des  Schlafzimmers  eben  schwächer  brannte,  erhoben  sicli  13eide  sofort 
und  traten  hinaus.  Seitdem  kannte  Kawara-I  nicht  die  Monatszeit.  Als  es  drei  Monate 
waren,  glaubte  sie,  sie  sei  schwanger,  und  auch  der  Arzt  sagte  dasselbe.  Was  sie 
friüier  geträumt,  war  also  ein  wahrer  Traum  gewesen.  Obgleich  ihnen  die  Zukunft  am 
Herzen  lag,  waren  sie  in  der  Freude  darüber,  dass  sie  einen  Sohn  erhalten,  getröstet. 
Als  sie,  wie  die  Menschen  erwarten,  zehn  Monate  verbracht,  am  zehnten  Tage  des 
siebenten  Monates  des  achten  Jahres  des  Zeitraumes  Ten-bun  (153!)  n.  Chr.),  gebar 
Kawara-I  noch  vor  Tagesanbrucli  sehr  leicht  ein  Mädchen. 

Ja-ko-e-no  tori  ,der  Vogel  der  acht  Stimmen'  ist  der  Haushahn. 

Wakaku-te  amata  motei^u  -^  (ko)-jori  \  sakari  siigi-te-no  ui-go  mbkuru  \  jorokobad-sa-no 
ija-masu-ica  |  fü^  (jo)-ni  tomu  fito-no  makoto  nare-ha  \  toki-nusi-ga  jorokobi  \  ije-ba  sara-nari. 
Ja-utsi-no  '^  ^^  (nu-fi)-mo  \  kore-ga  taine-ni  ^  ^  (/on-soj-site  \  -^  (tsi-dzi)-no  mare-bito 
fito-toki-ni  I  kitaru-ga  gotoku  \  ^  (JoJ  dani  neburazu.  Kono  fi-wa  sato-no  kuxa-itsi  na7^e-ba 
tote  I  toki-nusi-ga  musume-7io  na-wo  \  nade-d-ko-to  jobasi-te  j  tana-soko-no  tama-to  me-de- 
itsuknsi-mi  |  jagate  u-ba-site  fagukuinasuru-ni  \  "^  -^  (bo-si)  tomo-ni  jokic  ^ß  (ß)-datsi-te  j 
jorokohi-ni  jorokobi-iöo  kasane-tari. 

Da  es  in  der  Welt  bei  reichen  Menschen  wirklich  der  Fall  ist,  dass  ihre  Freude, 
wenn  sie  nach  den  Jahren  ihrer  Jugend  den  ersten  Solm  bekommen,  grösser  ist,  als 
wenn  sie  in  ihrer  Jugend  viele  Söhne  erhalten,  so  ist  es  unnöthig,  die  Freude  Toki- 
nusi's  zu  nennen.  Auch  die  Knechte  und  Mägde  in  dem  Hause  liefen  aus  diesem  Anlasse 
hin  und  her,  und  als  ob  Tausende  von  Gästen  in  einer  Stunde  kämen,  schliefen  sie  nicht 
einmal  in  der  Nacht.  Da  an  diesem  Tage  der  Pflanzenmarkt  des  Dorfes  war,  gab  man 
der  Tochter  Toki-nusi's  den  Namen  Nade-si-ko  (Nelke).  Man  liebte  sie  zärtlich  als  einen 
Edelstein  auf  der  Handfläche  und  Hess  sie  sogleich  durch  eine  Amme  aufziehen.  Mutter 
und  Kind  nahmen  an  Gesundheit  zu  und  man  häufte  Freude  auf  Freude. 

Säte  ima  ma-iri-se-si  j  nade-si-ko-ga  u-ba-no  na-wo  j  ^  (kazasi)-to  ijeri.  Ko-tsutsnmi-iio  sato- 
nite  1  ito    madzusi-ki   mojio-no   musume   naru-ga  \  fajaku    tsitsi-fatoa-ioo    itsinai-te  |  jasino-beki 


n* 


34  Pfizmaieu. 

viono-mo  na-kere-ha  \  mura-osa-no  ije-ni  tsukajete  \  lousana-yu-ini  d(i.kt-iii.ori  iiaclo  sttj'U  fudo-ni  \ 
wakaki  mono^no  madüi-nite  |  \%  |^  (kaja-zo)-to-ka  iü  kari-bito-to  mittsä-si  \  tsuki  saje 
l:asanari-te  \  aruzi-no  seme->io(/are-(iaiaki(  omö-ni  |  wotuko  muto-jori  |ij  /^  (siussijo)  ^  ^ 
(fu-dzio)-no  mono  nari.  l^^iiidc  jo-karazu-to-ja  oiuoi-ken  \  ko-f-'^nUiuiii-nu  safo-ico  tdku-ten- 
dte  I  juku-je  sirezu  nari-keru  0  (fi)  \  kazasi-iou  ^  (san)-iio  ^  (ke)  tsuki-te  loöna-go-ioo 
umi-tsit. 

Die  neu  angekommene  Amme  Nade-si-ko's  liiess  mit  Namen  Kazasi  (Aufgestecktes). 
Die  Tochter  sehr  armer  Leute  aus  dem  Dorfe  Ko-tsutsumi,  verlor  sie  frühzeitig  ihre 
Aeltern,  und  da  Niemand  war,  der  sie  ernähren  konnte,  diente  sie  in  dem  Hause  des 
Aeltesten  des  Dorfes.  Indem  sie  Kinder  in  den  Armen  hielt  und  bewachte,  hatte  sie 
in  der  A'erirrung  der  Jugentl  mit  einem  Jäger,  dessen  Name  etwa  Kaja-zö,  Umgang. 
Da  ihre  Monatszeit  immer  wieder  verschlossen  blieb,  war  es  schwer,  der  Zurechtweisung 
von  Seite  des  Gebieters  des  Hauses  zu  entkommen.  Wie  man  glaubte,  hatte  der  Mann 
eigentlich  keinen  bestimmten  Aufenthaltsort.  A\'ohl  in  der  Meinung,  dass  die  Gelegenheit 
nicht  günstig  sei,  entfloh  er  aus  dem  Dorfe  Ko-tsutsumi.  "Wohin  er  sich  begeben,  war 
unbekannt.    An  demselben  Tage  kam  Kazasi  mit  einem  Mädchen  nieder. 

Kaja-zh  sude-rn  mi-ivu  kakuse-si-ka-ha  \  kazasi  fitori-ga  otsi-do-to  nari-te  \  aruzi-no  seine 
ijo-jo  nogare-gataku  \  kono  oi-me-ivo  tsukunowan  tame-ni  \  fi-gara  fatete  notsi  \  waga  micsume- 
ivo-ba  sato-ni  jashiawasi-te  \  toki-nusi-ga  mvsume-no  u-ha-ni-wa  kl-tsuru  nari.  Kom.^  toki  tosi 
nawo  fatatsi-ni  tarazu.  -j^  ^  Ziü-hun-no  gan-sioku-ni-ioa  arane-do  \  fadaje  siroku  ahara- 
tsuki-te  I  tsi-no  joku  idzuru-ni  \  kokuro-zama  matn  oroka-narazu.  H^  ^  (Kan-kn)-no  utsi-ni 
fifv-fo  nari-te  \  joru-be-naki  mono  nari-to  iü-ni  \  toki-misi-mo  kawara-i-mo  \  icaga  ko-ico 
fagukumasure-ba  \  koto-ni  fu-bin-no  mono-ni  omoi-te  \  natsio  fnju-no  kinu-nan-domo  :  sadame-no 
foka-ni  torasi-tsu.  Nade-si-ko  joku  jasinawa-ba  \  wäre  kanarazu  nakor-datsi-site  \  joki  ■wotto-ioo 
inotasi  I  ivaga  musume-no  usiro-date-ni  su-beki-zo-to  \  tanomosi-ku  kikojuru-ni  |  kazasi-mo  joki 
zp    (sijü)-wo  tori-fari-to  \  jorokobi-fe  \  ito  mame-jaka-ni  tsukaje-tari. 

Da  Kaja-zö  sich  versteckt  hatte,  war  es  allein  das  Vergehen  Kazasi's  und  es  ward 
immer  schwerer,  der  Zurechtweisung  von  Seite  des  Gebieters  des  Hauses  zu  entkommen. 
Um  für  diese  Schuld  einen  Ersatz  zu  leisten,  Hess  sie,  als  die  Zeit  zu  Ende  war,  ihre 
Tochter  in  dem  Dorfe  aufziehen  und  kam  als  Amme  der  Tochter  Toki-nusi's  an.  Sie 
war  um  die  Zeit  nicht  ganz  zAvanzig  Jahre  alt.  Obgleich  sie  keine  vollkommenen  Züge 
hatte,  war  ihre  Haut  weiss  und  geschmeidig,  die  Milch  kam  gut  liervor,  und  auch  von 
Sinn  war  sie  nicht  unverständig.  Da  sie  in  Mühsal  aufgewachsen  war  und  keine  Stütze 
liatte.  fühlten  Toki-nusi  und  Kawara-I,  als  sie  ihr  Kind  aufziehen  Hessen,  besonderes 
Mitleid  und  gaben  ihr  ausser  dem,  was  bestimmt  worden,  noch  Sommer-  und  Winter- 
kleider. Sie  versprachen  ihr,  dass  sie,  wenn  sie  Nade-si-ko  gut  aufziehen  würde,  ihr 
einen  o-uten  Maini  zubringen  und  sie  zur  Beschützerin  ihrer  Tochter  machen  würden. 
Auch    Kazasi    freute    sich,    dass    sie    gute  Gebieter  erhalten   hatte   und  diente  sehr  treu. 

Sare-ba  ßma-jziku  kowa-no  agaki  fajaku-te  \  toki-nusi-ga  musume  nade-si-ko-ica  \  faja 
jo-tsu-ni  nari-nu.  Ben-zai-ten-no  mosi-ko  nare-ba-ni-ja  \  ki-rio-ica  jo-no  tsune-ni  sugurete  \ 
5§  JS  (sai-si)  /J^  0tr  (ko-matsi)-ga  loarawa-datsi-mo  \  kore-ni-ioa  masu  koto  arazi-to  omö. 
Oja-no  tsio-ai  tagujen-ni  mono  nasi.  Fito-no  ko-nu  otona-bi-tara-ico  vdte-u-a  \  fiki-nio  nobasi-te 
nade-si-ko-wo  \  toku  o-oki-ku  se-baja  tote  \  matsi-ivabu  oja-no  joru  tosi-wo  \  omowanu-mo  inata 
ito  faka-nasi.  To-kaku.  suru  fodo-ni  \  ko-tosi-mo  sitsi-guatsu  towo-ka-ni  nari-nu.  Toki-nusi-wa 
nade-si-ko-ga  tan-zeo-bi-no  iwai-su  tote  \  sato-no  osa-domo-tco  maneki-te  \  ßnemosu  sakadzuki-wo 


Der  Nebel  dek  Klage.  85 

to-susume  \  jo-ni    iin-te-iva  \  mi-fi-ni-mn  junisi-te  sake  nomase  \  ware-vio  itakv  jei-te  |  ka-ja-no 
utsi-je  joromeki-tsiifsu  iri-tari. 

Indessen  bewegte  das  über  die  Zwischenräume  wandelnde  Füllen  schnell  und  Nade- 
si-ko,  die  Tochter  Toki-nusi's,  war  bereits  vier  Jahre  alt.  Weil  sie  wohl  ein  von  der 
Göttin  Ben-zai-ten  erbetenes  Kind  war,  übertraf  ihre  Schönheit  das  in  der  Welt  Ge- 
wöhnliche, und  man  glaubte,  dass  die  Kinder  Si-schi's  und  Ko-matsi's  nicht  schöner 
sein  könnten.  Die  Zärtlichkeit  der  Aeltern  war  mit  nichts  zu  vergleichen.  Wenn  sie 
sahen,  dass  die  Kinder  anderer  Leute  gross  waren,  zogen  und  dehnten  sie  an  ihr  und 
meinten,  dass  sie  doch  schnell  gross  werden  möchte.  Die  Aeltern,  welche  nicht  warten 
mochten,  dachten  nicht  an  die  herannahenden  Jahre  und  waren  auch  sehr  im  Unge- 
wissen. Während  sie  allerlei  thaten,  kam  in  diesem  Jahre  der  zehnte  Tag  des  siebenten 
Monats.  Toki-nusi  lud  zu  dem  Geburtsi'este  Nade-si-ko's  die  Aeltesten  des  Dorfes  ein 
und  reichte  ihnen  den  ganzen  Tag  die  Becher.  Mit  dem  Einbrüche  der  Nacht  erlaubte 
er  auch  den  Knechten  und  Mägden,  Wein  zu  trinken.  Er  selbst,  stark  berauscht  und 
wankend,  trat  hinter  die  Netzvorhänge. 

Midzika-jo-no  i-gitanaki-ni  \  3£  (sijii)-nio  simo-be-mo  |  jei-te  fusi-fant  kuse  nare-ba  [  to- 
zasi  iiado-mo  j6  sezari-keru-ni-ja  |  sono  jo  nusu-bito  sinobi-iri-to,ru-ni  \  ja-utsi  uma-i-site  kore-ivo 
m'azu.  Kakari-si  fodo-ni  kaicara-i  nomi  \  imt-no  fojurn  ko-e-ni  samasarete  |  tsio-zu-sen  tote 
fitorl  ^  'j(^  (si-soku)-site  \  kaiva-ja-je  jukic  fodo-ni  \  'Ys  ^  (tsiku-jenj-no  to-bukuro-ni  sote 
tadazumeru  mono  ari.  Ajasi-to  omoi-te  \  fi-wo  age-tsutsu,  \  so-wa  tare  naru-zo-  \  to  togamure-ba  \ 
ko-e  tate-sasi-te-tca  kanawazi-to-ja  omoi-keti  I  nusu-bito-iva  j  ja-niiva-ni  fasiri-kakari-te  j  kosi-no 
katana-ico  nuku-te-mo  misezu  \  kaicara-i-ga  kata-saki-jori  ^  (tsi)-no  sita  sakete  tsio-to  kiru. 
Kirarete  atto  sakebu  ko-e-ni  \  fito-ma  fedatete  fnsi-tari-keru. 

In  der  Schlaftrunkenheit  der  kurzen  Nacht  hatte  man,  da  sowohl  Herr  als  Diener 
gewohnt  waren,  berauscht  sich  niederzulegen,  vielleicht  die  Thüren  nicht  gut  verschlossen, 
und  es  drang  in  dieser  Nacht  heimlich  ein  Räuber  ein.  Da  man  in  dem  Hause  fest 
schlief,  wusste  man  dieses  nicht.  Um  die  Zeit  wurde  bloss  Kawara-I  durch  das  Gebell 
des  Hundes  erweckt.  Als  sie,  ein  Licht  ergreifend,  allein  in  das  Flusshaus  ging,  stand 
an  der  Thürschlüpfe  des  Bambusvorhauses  ein  Mensch.  Darüber  sich  wundernd,  erhob 
sie  das  Licht  und  fragte  in  scheltendem  Tone,  wer  dieses  sei.  Der  ßäuber,  der  es  nicht 
für  angemessen  halten  mochte,  die  Stimme  zu  erheben,  lief  plötzlich  herbei  und  hieb, 
die  Hand,  welche  das  Schwert  an  den  Lenden  zog,  nicht  sehen  lassend,  Kawara-I  von 
der  Schulterhöhe  bis  unter  die  Brust  entzwei.  Niedergehauen  aufschreiend,  lag  sie,  durch 
ein  einziges  Gemach  geschieden,  am  Boden. 

Kaica-ja  ,Flusshaus'  ist  der  Ort  des  Abflusses  der  Unreinigkeiten.  Tsib-zu-suru,  mit 
tsio-zu   ,Handwasser'  zusammengesetzt,  ist  mit  seo-beii-sioru   gleichbedeutend. 

Ü-ba-no  kazasi-ga  odoroki-samete  \  jawora  kobe-wo  motaguru-ni  \  nade-si-ko-wa  joku 
neburi-tari.  Ima  sakebi-si-iva  tare  nara-rmi  \  sake-ni  najami-te  mono-tsuki-tsi?'asu-ka  \  mada 
jv-wa  akezu-ja-to  \  fitori-gotsi  \  oki-idete  seo-zi  osi-firaki  \  ide-i-no  fasira-ni  kake-tari-keru  \ 
W:  ^  (tö-gai)-7io  ~y  (ßj-ivo  kari-te  \  sudare-no  ßma-jori  |  tsiku-jen-no  kata-wo  sasi-nozoku-ni  \ 
omo-kage  koso  sadaka-naranu  \  mi-no  take  takaki  kuse-mono-ga  \  kori-ii(i  gotoki  kata7ia-icu 
fisagete  tattaru-ni  \  tamasi-i-wa  faja  mi-ni  sotcazn.  Ko-e-tate-na-ba  korosaru-besi.  Äto-je-Ja 
kajeran  \  joko-sama-ni-ja  nigen  tote  \  sumi-mo  nare-taru  ije-ni  f^  (to)  madoi  \  fakoban-tu 
suru  asi-najete  \  vmne  saje  todoi^oku-ni  \  "0  (fa)-no  iie  aicazu  \  soi-biisi-si-taru  nade-si-ko-wo 
mi-kajeru-ni   üoma-naku-te  \  jb-jaku    nan-do-je    kakure-iru-ni  \  kono   goro-no    musi-bosi-ni  |  te- 


gn  Pfizmaiek. 

tsukuri  iriiru  knjoi-hitsu  amata  fiki-tsirasi-tari.    Ko-wa  ^    ^  (kukkio)-no  \  kakure-ga  nari-to 
omoi-si-ka-ha  |  fidzi   tsika-narn   aki-bitsu-no  futa-wo  od-agete  \  sono  utsi-Je  sinohi-iri  \  utsi-jori 
fnta-wo  fane-kajese-ha  |  kcike-ganr  ono-dzukara  fata-to  ori-te  \  mata  idzu-beki  ju-mo  arane-do 
kokoro-aioate-tara  ort  iiare-ba  \  ^    (dzioj-no   sasare-tari-fo-iva   sirazu.     Tsu-wo   nonii  \  fiza-wo 
idaki-tsiofsu  \  nen-bussite-zo  i-tari-keru. 

Die  Amme  Kazasi  ei-waclite  im  Scbreclcen.  Als  sie  behutsam  das  Haupt  crliob, 
scblief  Nade-si-ko  gut.  Sic  sagte  zu  sieb  selbst:  Wer  wird  es  sein,  der  jetzt  geschrien 
hat?  Stösst  man.  von  dem  \Yeine  erkrankt,  einen  Dämon  von  sich?  Der  Tag  ist  wohl 
noch  nicht  ano-ebrochen.  —  Sie  öffnete  das  Schubfenster,  nahm  das  Licht  eines  an  den 
Pfeiler  des  Ausgangs  gehängten  Lampendeckels  und  spähte  durch  einen  Zwischenraum 
der  ThUrmatte  nach  der  Gegend  des  Bambusvorhauses.  Als  dort  ein  von  Grestalt  hoher 
Bösewicht,  dessen  Gesichtszüge  nicht  bestimmbar  waren,  ein  Schwert  wie  Eis  in  der 
Hand  haltend,  stand,  war  die  Seele  nicht  mehr  mit  ihrem  Leibe  verbunden.  ^Yenn  sie 
ein  Geschrei  erhob,  konnte  sie  getödtet  werden.  Bei  dem  Vorsatze,  wieder  zurückzu- 
kehren, in  schräger  Richtung  vielleicht  zu  entfliehen,  verfehlte  sie  in  dem  gewohnten 
Hause  die  Thüre,  der  Fuss,  den  sie  herumführen  wollte,  Avar  gelähmt,  ihre  Brust  wallte 
nur,  und  die  Wurzeln  ihrer  Zähne  blieben  nicht  beisammen.  Ohne  Zeit  zu  haben,  Nade- 
si-ko,  welche  neben  ihr  gelegen  war,  noch  einmal  zu  sehen,  trat  sie  mit  Noth,  um  sich 
zu  verstecken,  in  den  Verschlag.  Bei  dem  um  diese  Zeit  stattfindenden  Trocknen  waren 
viele  Kästen  des  Verkehrs,  in  welche  man  das  Haustuch  legte,  hier  und  dort  aufgezogen. 
In  der  Meinung,  dass  dieses  ein  vortreffliches  Versteck  sei,  hob  sie  den  Deckel  eines 
nahe  an  ihrem  Arme  stehenden  leeren  Kastens  empor,  stieg  hinein  und  versteckte  sich 
darin.  Als  sie  den  Deckel  von  innen  zusciilug,  liess  sicli  die  Klinke  von  selbst  herab, 
und  sie  konnte  nicht  mehr  heraus.  Doch  in  ihrem  Schrecken  wusste  sie  nicht,  dass  das 
Schloss  angelegt  war.    Sie  wartete  ungeduldig,  umschlang  ihre  Kniee  und   betete. 

S'aru  fodo-ni  nii,su-bito-wa  \  jaiba-no  nori-wo  nugui-te  kosi-ni  obi  |  sibasi  utsi-an-suru  ju 
■nari-si-ga  \  tsui-ni  nan-do-je  sinobi-iri-te  \  te-tsukuri-no  kajoi-bitsn-ivo  kore-kare-to  kai-saguru-ni 
mina  mono  nasi.  So-ga  naka-nl  tada  ßto-tsu  \  dzih-sasi-farn  ßtsu  ari-ie  \  ito  omo-jaka-nari- 
krre-ba  \  utsi-ni  fito  ari-to-ino  sirazn.  \  -^  yfc  (sijo-i-gi)-no  naica-je  kata-wo  irete  \  jb-jaku-ni 
se-oi-age  \  ko-tsuka-no  ■'<asugn  nuki-tori-te  \  kata-je-no  kabe-je  nani-jaran  \  tada  futa-kudari 
kiri-tsukete  \  moto-nu  fo-ziri-jori  sinobi-ide  \  nkca-no  ko-dafsi-iro  meguri-tsiitsii  kaki-wo  kobotsi-te 
nige-sari-keri. 

Unterdessen  wischte  der  Räuber  das  Blut  von  der  Klinge  ab  und  hängte  das 
Schwert  an  seinen  Gürtel.  Er  schien  eine  Weile  zu  überlegen.  Zuletzt  drang  er  heimlicli 
in  den  Verschlag  und  suchte  in  den  Verkehrskästen  des  Haustuclis  hier  und  dort  umher. 
In  keinem  befand  sicli  etwas.  Darunter  war  nur  ein  einziger  verschlossener  Kasten.  Da 
dieser  sehr  schwer  war,  fügte  er,  ohne  zu  wissen,  dass  sich  darin  ein  Mensch  befand, 
die  Schulter  in  den  Strick  der  Ti-aghölzer  und  hob  ihn  mit  jMühe  auf  den  Rücken.  Er 
zog  eiii  kleingriffiges  Taschenmesser,  ritzte  etwas  —  es  waren  nur  zwei  Zeilen  —  nebenan 
in  die  Mauer  und  trat  bei  der  ui-spriinglichen  Thüre  heimlicli  heraus.  Die  Baumreihen 
des  Vorhofes  umkreisend,   durchbrach   er  den  Zaun  und   entfloh. 

Sijo-i-gi,  ein  Wort,  das  sonst  nirgends  vorkommt,  hat  in  der  Zeichenschrift  die  Be- 
deutung ,Holz  des  T]-agens  auf  dem  Rücken'.  Was  sijo-i  eigentlich  bedeutet,  kann  mit 
keiner  Gewissheit  bestimmt  werden. 


Dek  Nebel  dek  Klage.  -  87 

Kakare-domo  \  nawo  slru-  mono  na-kari-sl-ni  \  akc-gata  t.sikaku  nara  mcüna-ni  |  nomi- 
ni-ja  kurusi-kari-ken  \  nade-si-ko-rja  fitori  samete  |  itakii,  naku  ko-e-sura-ni  \  toki-nusi  jujaku 
."tamcte  |  sa-jü-wo  ini-kajeru-ni  \  kaivara-i-ica  fusi-do-ni  loorazu.  Kawa-ja-je-ja  juki-ken  tote  j 
kara-kami-gosi-ni  \  kazasi-kazasi-to  \  jobi-samase-domo  iraje-sezu.  U-ba-ga  tosi-no  j  ifo  ivakaki-ni 
i-gltanaku-te  |  kaku-te-mo  Jiaivo  samezaru-ka  \  oki-Jo-  |  oki-jo-  \  to  i-i-nagara  \  kara-kami-wo 
usi-akete  |  ka-ja-no  soto-jo7'l  sasi-nozuku-ni  |  kazasi-mo  mata  fim-do-ni-iva  wurazu.  Kore-mo 
kawa-ja-je  juki-tcn^i-ken  \  ana  bin-nasi-  \  to  tsubujaki-te  |  ka-ja-no  utsi-je  kiiguri-iri  \  waga 
ko-wo  fiza-ni  idaki-agete  |  sama-zama-ni  sukasi-koslrajure-do  \  wöna-go-xüa  koto-sara-ni  \  tsitsi-no 
fiza-ni-iva  dtasimade  \  nawo  mutsukari-te  sori-kajeru.  Nade-si-ko-ivo  daki-snkumete-mo  |  sen- 
su-be-nasa-ni  ka-ja-wo  ide  \  iza  tamaje  \  kawa-ja  made  ide  u-ba  joban  \  itaku  na-naki-so-  \  to 
juri-agete  |  kawa-ja-no  kata-je  jukan-to  suru-ni  \  JjJ_  (tsi)-wo  f/imi-ivake-taru  asi-ato  wotsi- 
kotsi-ni  ari.  Ko-ioa  ika-ni-  |  to  utsi-odoroki  |  fasiri-te  tsiku-jen-no  kata-wo  mire-ba  \  ama-do 
itsi-mai  utsi-kajesare  \  ari-ake-no  tsuki  kuma-naku  sasi-irwtt-id  \  tsi-siivo  nagare-tsutote  \  take- 
su-no  ko-wo  some-si-ka-ba  \  ^  ^  (ga-kitwb)-7io  namida-ivo  sosogeru  gotoku  |  tsuma-no 
kawara-l-wa  |  noke-sama-ni  kiri-tbsarete  \  mukuro  futa-kida-ni  nari-tari. 

Wähi'end  auf  diese  Weise  noch  immer  Niemand  etwas  wusste  und  die  Moi'gen- 
dämmerung  nahe  war,  erwactte,  vielleiclit  von  Flöhen  belästigt,  Nade-si-ko  allein  und 
schrie  sehr  laut.  Toki-nusi,  mit  Mühe  erwachend,  blickte  nach  rechts  und  links,  doch 
Ivawara-I  befand  sich  nicht  in  dem  Schlafzimmer.  In  der  Meinung,  dass  sie  in  das 
Flusshaus  gegangen  sein  werde,  rief  er  durch  die  Pa]3ierwand :  Kazasi !  Kazasi !  und 
Avollte  die  Amme  aufwecken,  doch  diese  antwortete  nicht.  Er  vermuthete,  dass  die 
Amme,  sehr  jung  und  schlaftrunken,  somit  noch  nicht  aufgewacht  sei.  Unter  dem  Rufe: 
Steh'  auf!  steh'  auf!  öti'nete  er  die  Papierwand  und  blickte  aus  dem  Netzvorhange  her- 
vor, allein  auch  Kazasi  befand  sich  nicht  in  dem  Schlafzimmer.  Er  flüsterte  vor  sich 
hin :  Sie  wird  in  das  Flusshaus  gegangen  sein.  Wie  ungelegen !  —  Hiermit  schlüpfte 
er  liiuter  den  Netzvorhang,  hob  sein  Kind  auf  die  Kniee  und  that  allerlei,  um  es  zu 
besänftigen,  jedoch  das  Mädchen,  mit  den  Knieen  des  Vaters  sich  durchaus  nicht 
befreundend,  ward  noch  äi-gerlicher  und  beugte  sich  zurück.  Er  schloss  Nade-si-ko  fest 
in  die  Arme,  und  da  er  sich  nicht  zu  helfen  wusste,  sagte  er:  Wir  gehen  zu  dem  Fluss- 
hause. Wohlan !  Wir  gehen  zu  dem  Flusshause  und  werden  die  Amme  rufen.  Schreie 
nicht  so  sehr!  —  Als  er,  mit  diesen  Worten  sie  schaukelnd,  auf  das  Flusshaus  zugehen 
wollte,  waren  hier  und  da  Fussstapfen  in  zertretenem  Blute.  Sich  wundernd,  wie  dieses 
komme,  lief  er  und  blickte  nach  der  Gegend  des  Bambusvorhauses.  Ein  Flügel  der 
Ilegenthüre  war  umgewendet,  und  als  der  Mond  des  Tagesanbruchs  ungehindert  herein- 
scliien,  floss  Blut  umher  und  färbte  die  Bambusflur.  Wie  von  den  Thränen  Ngo-hoang's 
benetzt,  war  seine  Gattin  Kawara-I,  auf  dem  ßücken  liegend,  niedergehauen,  und  ihr 
ßumpf  in  zwei  Stücke  zertheilt. 

Asamasi-sa  iü-beö-mo  arane-ba  ^  tada  ko-e-wo  kagiri-ni  \  koto  o.7'i-ari-  j  to  sakebi-si-ka-ba 
nu-ß-ica   kore-ni  odorokasm^ete  !  mina-mina  obi-ivo  musubi-mo  ajezu  \  te-ni-ie-ni  tomosi-bi  tori-te 
fasiri-ki-tsu.     Kono    ari-sama-nl    j^    ^    (sin-seöj-site  \  i-i-gai-naki    onna-domo-iva  |  si-gai-ico 
mainori-te    iitsi-naku    novu.    Aruzi-ni   toje-ba   aruzi-mo    sirazu.    Kataki-wo   tare-to-mo   sadamc- 
kanete  \  ^    ^    (siju-zijü)  omote-ivo  awasi-tsutsu  |  akirete  sn-be-mo  na-kari-keri. 

Da  seine  Verblüfftheit  unaussprechlich  war,  schrie  er  nur  so  laut  er  konnte:  Es  ist 
etwas  geschehen!  —  Die  Knechte  und  Mägde,  hierdurch  aufgeschreckt,  kamen  alle,  ohne 
sich  zum  Knüpfen  des  Gürtels  Zeit  zu  lassen,  in  den  Händen  Lampen  haltend,  herbei- 


88  Pfizmaieü. 

gelaufen.  Dui-cli  dieses  Ereigniss  ausser  Fassung  gebracht  und  unfähig  zu  sprechen, 
bewachten  die  Weiher  den  Leielinam  und  weinten  niii-.  Als  man  den  Gebieter  des 
Hauses  befragte,  wusste  es  der  Gebieter  des  Hauses  auch  nicht.  ]\Ian  konnte  nicht 
bestimmen,  wer  der  Feind  sei.  Herr  und  Diener  steckten  die  Köpfe  zusammen,  staunten 
und  waren  ratldos. 

Sono  ti'ki  tol:i-}iusi-ira  \  i-knii-no  ma-huta-wo  sibn-fntaki  |  koto-no  tei-taraku-ivo  ^  (sui)- 
surit-ni  \  iu-zoku-no  waza  naran-to-ica  omoje-do  j  tada  ibukasi-ki-iva  ii-ba-no  kazasi-ga  |  kakaru 
sawagi-ni  ide-mo  kozu^  \  kare-mo  zoku-ni-ja  korosare-ken  \  toku  tadzime-jn-  \  to  iradate-ha  \ 
mina-mina  kokoro-je-fatde  \  ma-goto  nokorii  kmna-mo  naku  |  sono  na-ivo  jobi-kakete  tadzune- 
megnru-ni  \  tajete  worazti.  Nan-do-no  aki-fitsu  tada  ßto-tsu  use-taru  foka-ni-iva  \  ubai-sarare- 
tarn  ]iioiiü-wo  va-kere-ba  \  sijn-zijn  futa-tahi  n.an-do-je  tsudui-te  \  to-jaran  \  kaku  jaran-to 
nonosiri-o  fodo-ni  \  t(iki-)insi  sibasi  si-an-site  \  icaga  tsuma-iva  korosarete  \  n-ba-wa  worazu. 
Aki-ßtsu  fito-tsu  use-taru-mo  kokoro-je-gatasi.  Mosi  ii-ba  kazasi-ni  misoka-ioo  ari-te  \  ko-joi 
sinobi-iri-taru-'wo  |  kaioara-i-ni  mi-togamerare  |  jamit  koto-wo  jezu  setsu-gai-site  \  kazasi  moro- 
tomo  nige-sari-taru-ka  \  köre  mata  siri-gatasi.  Tada  aki-ßtsii-no  7i.se-taru  nomi  |  osi-faküru- 
beo-mo  arazu.     Nandzi-ra-ica  nani-to-ka.  umö  \  omoi-airasurn  josi-ica  nakl-ka. 

Da  winkte  Toki-nusi  unwillig  mit  den  Augen  und  sprach  gereizt:  Wenn  man  die 
Umstände  der  Sache  erwägt,  so  sollte  man  denken,  dass  es  die  That  eines  Räubers  sein 
wird.  Es  ist  jedoch  imbegreiflich,  dass  die  Amme  Kazasi  bei  einem  solchen  Lärm 
nicht  hervorkonunt.  Sie  wird  vielleicht  auch  von  dem  ßäuber  getödtet  worden  sein. 
Suchet  sie  schnell!  —  Alle  Avaren  ganz  liiermit  einverstanden.  In  jedem  Zimmer  und 
ohne  einen  W^inkel  übrig  zu  lassen,  riefen  sie  ihren  Namen  imd  suchten  sie  rings  umher, 
jedoch  sie  war  nirgends.  Da  nur  ein  einziger  leerer  Kasten  des  Verschlages  abging 
und  ausserdem  nichts  geraubt  worden  war,  versammelten  sich  der  Herr  und  die  Diener 
zweimal  in  dem  Verschlage,  schmähten  unter  einander  und  sagten,  so  oder  so  werde  es 
sein.  Toki-nusi  dachte  eine  Weile  nach  und  sagte:  Meine  Gattin  wurde  getödtet,  und 
die  Amme  ist  nicht  da.  Dass  ein  leei'er  Kasten  abgeht,  ist  schwer  zu  begreifen.  Hat 
die  Amme  Kazasi  vielleicht  einen  Buhlen,  der,  als  er  heute  Nacht  heimlich  hereinkam, 
von  Kawara-I  gesehen  und  bezichtigt,  nicht  umhin  konnte,  sie  zu  tüdten  und  zugleich 
mit  Kazasi  entfloh?  Auch  dieses  lässt  sich  nicht  erfahren.  Warum  nur  ein  leerer 
Kasten  abgeht,  darüber  kann  man  keine  Vermuthung  aussprechen.  ^Vas  haltet  ihi'  davon? 
Gibt  es  nichts,   was  ihr  damit  in   Verbindung   bringen  könnt? 

To  siba-siba  toje-domo  kotöru  mono  nasi.  Sikani-ni  otona  sagi-suke-ica  \  tsika-goro  te- 
t^tikuri  ^  ^  (fiaku-tan)  arnari  vjatakusi-site  \  kore-tco  tsukimb-ni  sio-be-naku  \  fitori  kokoro- 
knrusi-ku  omö  wori  \  kano  aki-fitsu-no  use-taru-ioo  \  kukkib-no  koto-to  site  \  fara-no  utsi-ni 
moku-romi  are-ha  |  ko-fiza-ivo  idsl-te  susumi-ide  \  ono-ono-iva  kano  fitsu-ni  \  mono  nasi-to  omoi- 
tsuran-ga.  |  kiil-ni  ka,ma-kura-je  nobosu-bckl  josi  ari-te  |  jon-be  onore  fiaku-tan-no  te-tsukitri-ivo 
ire-oki-tare-do  |  k()to-m,ra-ni  fito-n.o  ide-iri  o-ohu  \  kotofogi-sake-ni  jei-magirefe  |  nan-do-ni-tua 
oki-tari-si  \  sare-ba  nitsu-bito-ga  iibai-sarl-si-wa  \  akl-fitsu-ni  arazu. 

So  fragte  er  immerfort,  doch  Niemand  antwortete.  Indessen  sagte  der  älteste  Dienei" 
Sagi-suke :  Jüngst  nahm  ich  über  hundert  Stücke  Haustuch  zu  mir.  Ich  hatte  kein 
.Mittel,  sie  zu  veräusseru,  und  während  ich  allein,  im  Herzen  mich  quälend,  nachdachte, 
hielt  ich  jenen  abhanden  gekommenen  Kasten  für  eine  vortreffliche  Sache.  In  meinem 
Inneren  entstand  ein  Plan,  ich  schlug  das  Knie  und  trat  vor.  Ein  Jeder  mochte  glauben, 
dass    in    jenem  Kasten  nichts   sei.    und   da  die  Älöglichkeit  vorhanden   war,    schnell  nach 


Der  Neuel  der  Klage.  89 

Kama-kura  zu  schicken,  legte  ich  vorigen  Abend  hundert  Stücke  Haustuch  hinein.  Es 
gingen  jedoch  besonders  viele  Menschen  ein  und  aus,  und  von  dem  Festweine  berauscht 
und  verwirrt,  stellte  ich  den  Kasten  in  den  Verschlag.  Somit  ist  es  kein  leerer  Kasten, 
welchen  der  ßäuber  geraubt  hat. 

Koto-fogi  hat  den  Sinn  ,mit  Worten  beten'  und  bezeichnet  das  Glückwünschen. 

To  iü-ni  I  viina-mlna  tabakaru-to-wa  omoi-mo  kakezu  \  sate-wa  kazasi  nusu-hito-no  \  siru- 
be-se-si-ni  kiicamareri  |  te-wake-site  jukzt-je-wo  tadzunen  \  iza  tote  mina-mina  tatan-to  suru-ioo  | 
toki-nusi  kiü-ni  osi-todomete  \  kata-je-no  kabe-ico  utsi-mi-age  \  nandzi^ra  joku  are-wo  mi-jo  \ 
kabe-ni  kizii  tsukete  nani-jaran  kaki-todome-taru-ka-  \  to  ubosi  \  tomosi-bi-no  kutsi  sasi-muke- 
jo-  I  to  i-i-tsutsu  tatsi-te  kore-ivo  mire-ba  \  te-tsukuri  fito-fitsit  -^  ^  (sijahi,-jö)-no  koto.  len- 
bun  ziü-itsi-nen  \  sitsi-guatsu  towo-ka.  ^  ^  su-tshl-no  ßto-je  \  so-tsiü-no  ßto-  |  to  sirusi- 
tare-ba  \  sagi-suke-ga  itsuwari-mo  \  tatsi-matsl-ni  makoto-to  nari-te  \  mina-mina  futa-tabi  akire- 
tsutsu  I  aku-made  kimo-no  fiiioki  jatsu  kana.  So-tsiü-no  fito-to-wa  nani-no  koto-zo  \  ate-na-mo 
ware-mo  kusa-no  ntsi-no  \  ßto-to-ica  ^  (gej-semt  fan-zi-mono  \  fan-zi-z'a-mo  ito  nikumu- 
beki-ioa  \  kazasi-ni  koso.    - 

Alle,  nicht  daran  denkend,  dass  er  sie  betrüge,  sagten :  Also  ist  es  entschieden, 
dass  Kazasi  dem  Räuber  den  Weg  gezeigt  hat.  AVir  werden  uns  theilen  und  aus- 
forschen, wohin  sie  gegangen  ist.  Auf!  —  Als  Alle  sich  erheben  wollten,  hielt  sie 
Toki-nusi  schnell  zurück,  wandte  die  Blicke  nebenan  auf  die  Mauer  und  sagte:  Sehet 
dieses  gut  an !  Es  sieht  aus,  als  ob  man  in  die  Mauer  Hitze  "'cmacht  und  etwas  nieder- 
geschrieben  hätte;  Haltet  die  Oeffnung  der  Lampe  liin !  —  Als  man  sich  erhob  und  es 
ansah,  stand  daselbst  geschrieben  :  Man  entlehnt  einen  Kasten  Haustuch.  Ten-bun  eilftes 
Jahr,  siebenter  Monat,  zehnter  Tag.  '  An  den  Menschen  inmitten  der  Pflanzen  der  Mensch 
inmitten  der  Pflanzen.  —  Die  Lüge  Sagi-suke's  wurde  plötzlich  Wahrheit  und  Alle 
staunten  zum  zweiten  Male.  Sie  sagten:  Ein  bis  zum  üeberdrusse  beherzter  Sklave! 
Was  ist:  Mensch  inmitten  der  Pflanzen?  Ein  Ding  für  die  Auslegung,  wobei  der  Name 
und  er  selbst  es  nicht  erklärt,  was  ,Mensch  inmitten  der  Pflanzen'  ist.  Das  Auslegen  soll 
sehr  abscheulich  sein  für  Kazasi. 

To  dojomekic  fodo-ni\mado-no  fima-jori  sirami-tsutsu\tsune-ni-wa  aranu  ake-garciMc-mo  \ 
mono-no  aicare-ioo  siru-ni  ni-te  \  toki-nusi-wa  hna-sara-ni  \  omoi-cnvasxra  koto-mo  are-ba  \ 
sagi-suke-ra-iüo  katakn  todomete  |  kazasi-ga  juku-je-ivo  tadzunen-to-mo  sezn  \  m.adzfi  koto-no 
omomuki-ico  \  kokib-fu-je  rdtajete  \  kawara-i-ga  no-be-no  okuri-iuo  isogasi  |  nanu-ka-nanu-ka-no 
iE  Wi  (tsui-zen)  ^  ^  (do-kib)-ni  \  ta-muke-no  midzu-mo  sode-.no  tsuju  \  ^  (ko)-no 
kefuri-ni  mime-no  _j/C  (fi)-no  \  kije-ni-si  tsuma-no  \  kata-mi-to  ovioje-ba  \  naico  ^  ^ 
(ai-dziakuj-no  ijamase-si  \  nade-si-ko-ni  nomi  nagusamete  \  ni-i-tama-matsuri  mukaje-tari. 

Während  sie  so  lärmten,  dämmerte  es  aus  den  Zwischenräumen  der  Fenster,  der 
gewöhnlich  nicht  anwesende  j\Iorgenrabe  auch  schien  das  traurige  P]reigniss  zu  kennen. 
Da  Toki-nusi  jetzt  wieder  seine  Gedanken  beisammen  hatte,  hielt  er  Sagi-suke  und  die 
Anderen  mit  Festigkeit  zurück  und  wollte  nicht  erforsclien,  wohin  Kazasi  sicli  begeben 
hatte.  Er  zeigte  zuerst  den  Vorfall  in  dem  Sammelhause  des  Reiches  an  und  beschleu- 
nigte das  Leichenbegängniss  Kawara-I's.  Bei  dem  mehrmals  sieben  Tage  dauernden 
Todtenopfer  und  dem  Lesen  der  heiligen  Bücher,  dem  Wasser  des  Handopfers  und  dem 
Thau  des  Aermels,  in  dem  Rauche  der  Wohlgerüchc  glaubte  er  die  Gattin,  bei  welcher 


'    Das  Jahr  1542  n.  C'Iii-.     An  dem  angegebenen  Tag-e  wurde  das  Geburtsfest  gefeiert. 
Denkschriften  der  plül.-hist.  Cl.    XXVI.  B.l.  12 


90  Pi'lZJlAlEU. 

das  Feuer  der  Brust  erloschen,  Im  Bilde  zu  sehen.  Nur  bei  Nade-si-ku,  die  er  noch 
mehr  liebte,  Trost  findend,   ging  er  dem  neuen  Todtenfeste  entgegen. 

Korc  nan  saki-ni  haicara-i-ga  \  jume-makura-ni  tatsi-tamai-si  |  ben-zai-ten-no  zi-gen-ni 
tayaicazti.  Ko-ico  motsi-te  Qiotsi  kaku  made-ni  nagekl-no  kiri-nu  ito  fukaku  \  omoi-sidzimii-te 
1)11-710  aki-ico  I  ko-toyi-jori  ;</ru  fadzi-raornidzl  \  tsiri  jnku  su-e-ica  ika  varaii  \  tsui-ni  nogarenu 
in-gua-to-ica  \  omoi-oraowanu  hon-hu-  ;Cj>  (mh)  \  matanu  tsuki  ß-m»  tatsu  mama-ni  \  tada  jo- 
tvatari-ni  idsi-magire  \  iku  faru  aki-tco  okuru  naru-hesi. 

Dieses  war  von  der  Offenbarung  der  Göttin  Ben-zai-ten,  welche  fridier  zu  dem 
Traumpolster  Ivawara-I's  getreten,  nicht  verschieden.  Nachdem  man  ein  Kind  erhalten, 
war  der  Nebel  der  Klage,  selbst  bis  zu  einem  solchen  Masse,  sehr  tief,  in  Gedanken 
versunken,  waren  die  den  Herbst  des  Leibes  seit  diesem  Jahre  kennenden  rothen  Blätter 
des  Färberbaumes  verstreut:  wie  sollte  die  Zukunft  sein?  Zuletzt  muss  das  den  Gedanken 
an  die  nicht  zu  vermeidende  Strafe  nicht  fassende  Menschenherz,  indess  die  nicht  erwar- 
teten Monde  und  Tage  sich  erheben,  einzig  bei  dem  Durchsetzen  des  Zeitalters  verwirrt, 
manche  Frühlinge  und  Herbste  verbringen. 


Der  Wald  der  Klage.     Erster  Tlieil. 

Kub-in  ^  (joj-no  gotoku  \  mata  ^  (osaj-no  gotoku  \  turi-ta-no  seö-zi  toki-nusi-ga 
mnsiime  nade-si-ko-ica  \  faja  ni-fatsi-no  faru-ivo  imdiaje-tari.  Kakaru  inaka-ni  ßto-tu-tva 
nare-du  |  ito  imizi-ku  rUagete  \  niicojaka-naru  oviu-kage-ica  \  kio  kama-kura-ni-mo  |  tagui 
o-o-karu-he6-mo  arazu.  Kaze-ico  fickumeru  janagi-no  kami  \  tsuju-ni  nure-taru  fana-no  kiäsi- 
biru  \  mono-no  i-i-zama  cd-kio-dzuki-te  \  majii-ica  faru-no  tsuki-no  \  |^  |1|  (en-zan)-ifo  nohoru 
gotoku  I  riie-ica  aki-no  nami-no  j  J§  )%  (j6-tsi)-ni  fasiru-ga  gotoku  \  %  ^  (mo-seo)  I§  J'^ 
(sei-sij-mo  omote-u-o  fadzi  \  |^  ^  (ko-ziju)  ^  ^  (sei-kin)  kagami-wo  owö-he-kari-si  woto-me 
naru-ni  \  fasiri-gaki  mata  tsuta-na-karazu  \  so-si  mono-gatari  nado-mo  \  o-o-kata-wa  jomi- 
ukamete  |  siki-sima-no  mitsi-ni  omoi-iuo  josi  \  ito-take-no  sirahe  \  jo-no  tsune-ni  sugi-tare-ha 
kano  tosi-kage-no  musmne-to  iü-to-mo  \  kore-ni-iva  ika-de  masu-beki-to  \  siru-mo  siranu-mo 
sono  tsuma-oto-ifo  more-kiku  mono  \  tatsi-tomorazu-to  iu  koto  nasi. 

Die  Zeit  war  gleich  einem  Pfeile,  auch  gleich  einei-  Weberspule,  und  Nade-si-ko, 
die  Tochter  Tori-ta-no  Seö-zi  Toki-nusi's,  ging  bereits  zweimal  acht  Frühlingen  ent- 
gegen. Obgleich  sie  in  einem  solchen  Dorfe  aufwuchs,  war  sie  von  ganz  besonderem 
Liebreiz,  und  ihre  schönen  Züge  konnten  selbst  in  der  Mutterstadt  Kama-kura  nicht 
viele  ihres  Gleichen  haben.  Das  Hauptljaar  der  den  AVind  aufnehmenden  ^Yeiden,  die 
Lippen  der  von  Tliau  befeuchteten  Blumen,  die  Sprechweise  war  lieblich.  Die  Augen- 
brauen gleich  dem  Frühlingsmonde,  der  die  fernen  Berge  ersteigt,  das  Auge  gleich  den 
herbstlichen  Wellen,  die  auf  dem  Teiche  des  Edelsteins  Yao  umherlaufen,  sie  war  ein 
Mädchen,  vor  welchem  Mao-tsiang  und  Si-schi  sich  ihres  Angesichtes  schämen,  Kiang- 
schü  und  Tlising-kin  den  Spiegel  verdeckt  haben  konnten.  In  der  laufenden  Schrift 
war  sie  auch  niclit  unerfahren,  die  Schreibebücher  und  Erzählungen  las  sie  im  Ganzen 
durch,  an  den  Weg  der  gebreiteten  Insel  heftete  sie  die  Gedanken,  in  dem  Einklang 
der  Seide  und  des  Bambus  ragte  sie  über  das  Gewöhnliche  hervor.  Man  sagte:  Wäre 
es  auch  die  Tochter  jenes  Tosi-kage,  wie  könnte  sie  mehr  als  dieses  Mädchen  sein?  Die^ 


Der  Nebel  DER  Klaue.  91 

Menschen,  welche  sie  kannten  und  diejenigen,  welche  sie  nicht  kannten,  wenn  sie  den 
Ton  ihres  Saitenspiels  hörten,  geschah  es  niemals,  dass  sie  nicht  stehen  blieben. 

Rotagete^  welches  rafu-tofjete  gesclirieben  werden  soll,  hat  eine  Bedeutung  gleich 
ai-rasi  ,lieblich'. 

Sare-ha  ^  (^  (seö-en)  amata  ari-te  \  kiiwi-doku  takaki  tono-bara-mo  j  kiki-tsutajefe-u-a 
minu  koi-iii  akugare  |  naka-dafat-iiiofe  sama-zama-nl  \  kodrajuru-ruo  are-do  [  tnki-nusi-wa 
rnuko-ico  jerami-te  \  imada  sono  ^^  t^  (kon-jenj-ico  sadamezu.  Knan-rei  ;^  ^  (hu-seoj-icn 
m7tko-ni  toru-to-mo  \  kata-karazl-  ]  to  omoi-fokoreru  nara-besi. 

Indessen  gab  es  viele  Besitzer  von  Lehensfesten,  Herren,  welche  hohe  Aemter 
bekleideten.  Diese,  als  sie  von  ihr  hörten,  verliebten  sich,  olnic  sie  zu  sehen.  Sie  traten 
durch  Vermittler  auf  allerlei  Weise  Vorbereitungen,  allein  Toki-nusi,  wenn  er  einen 
Schwieo-ersohn  wählte,  bestimmte  noch  nicht  die  Vermäluno'.  Er  mochte  in  seinen 
Gedanken  stolz  darauf  sein,  dass  es  nicht  schwer  sein  würde,  einen  Statthalter,  einen 
Kriegsanführer  zum  Schwiegersohne  zu  nehmen. 

Sikaru-ni  ko-zo-no  aki-jori  \  toki-nusi-ga  ije-no  |  figasi-tonarl-nl  lüabi-sicmai-suru  |  bu-sl-no 
rh-nin  ari-keri.  Tusi-ica  fatatd-no  uje-ico  idezu.  Kore-mo  7nare-narn  bi-seu-nen-riite\ 
1s^  "^  ^  (bi-si-ka)-ga  ije-ni  najameru  omo-kage  \  ^  3L  (zai-rjo)-no  kvni-no  adzuma-dzi-ni  j 
samajoi-tamai-si  fu-zei  ari.  Kimi-no  ^  (tsio)-no  otoroje-taru-ka  |  tsitsi-ni  ai-ivo  usinai- 
taru-ka  \  mi-wa  ta-fa-gaiva-ni  nagare-kite  \  ßkari-ico  udzume  |  ato-ioo  fisome  \  sato-no  age- 
iiiaki-ra-ni  te-fon-wo  torasi  |  mata  icaka-ndo-ra-ni  \  sasa-fatsi-no  fuje-v:o  ivosijete  |  kore-wo 
asa-jn-no  siro-to  si^tsu.  Sono  na-ico  ^Q  ^  (ina-ki)  f<i|  ZL  ^  (fo-zi-ro)-to  juharu.  Moto- 
jvri  ^  "^  (mu-boku)-no  tcabi-zumai  nare-ba  |  mi-dzukara  ß  taki  midzu  kumi-te  ]  jafsn- 
jatsusi-ku-wa  tafsi-furumaje-domo  |  josi-aru  ßto-no  ko-ni-ja  ari-ken  |  kokoro-zama  ijasi-karazu. 
Jorodzu  tsussimi  ßidio-site  \  viono-sirio  katco-mo  sezari-si-ka-ba  \  sato-bito-ra-mo  mata  kore-ico 
anadorazii.     -^  (Ko)  aru  mano-ica  \  mina  fo-zi-ro-ga  de-si-ni  site  \  ina-ki-no  risi-fa  fataje-tavi. 

Seit  dem  Herbste  des  vorigen  Jahres  lebte  jedoch  in  dem  östlich  von  dem  Hause 
Toki-nusi's  gelegenen  Nachbarhause  ein  ärmlich  wohnender  unbeschäftigter  Kriegsmann. 
Derselbe  war  nicht  über  zwanzig  Jahre  alt.  Er  war  ein  Mann  von  seltener  Schönheit, 
mit  Gesichtszügen,  tiber  welche  man  in  dem  Hause  Wei-tse-hia's  sich  kränkt,  von  einer 
Haltung,  in  welcher  man  auf  dem  östlichen  Wege  des  unter  Fünfen  befindlichen  Ge- 
bieters umhergewandelt  ist.  AVar  die  Gunst  des  Gebieters  verringert?  Hatte  er  die 
Liebe  bei  dem  Vater  verloren  ?  Er  kam  als  ein  Verbannter  zu  dem  Flusse  Ta-fa-gawa 
und  vergrub  das  Licht,  machte  die  Spuren  unkenntlieh.  Er  gab  Knaben  Schreibe- 
muster, lehrte  auch  Jünglinge  die  einen  Schuh  acht  Zoll  messende  Flöte  und  machte 
daraus  seinen  Rückhalt  für  den  Morgen  und  Abend.  Sein  Name  war  Ina-ki  Fo-zi-rö. 
Da  er  ursprünglich  ohne  Diener  und  ärmlich  wohnte,  machte  er  mit  eigenen  Händen 
Feuer  und  schöpfte  Wasser.  Obgleich  er  elend  auftrat,  war  er  wohl  der  Sohn  bemit- 
telter Leute,  und  sein  Sinn  war  nicht  gemein.  Da  er  in  den  zehntausend  Dingen  grosse 
Aufmerksamkeit  zeigte  und  nicht  die  Miene  eines  Weisen  annahm,  schätzten  ihn  die 
Menschen  des  Dorfes  auch  nicht  o-erino-.  Alle  Söhne  waren  die  Schüler  Fo-zi-rö's  und 
nannten  ihn   den  grossen  Mann  des  Geschlechtes  Ina-ki. 

Tatajeru  ,mit  Wasser  anfüllen'  wurde  ehemals  durch  ^  ausgedrückt  und  bedeutete: 
lobpreisen  oder  lobpreisend  nennen. 

Sare-ba  fo-zi-rh-ica  mono-taru  tosi-mo  ara-  jth  (j"J->''o  j  naka-naka-ni  jas/dcit  oboje.te  | 
ßru-ica  ßnemosu   kasigamasi-ki  |  dö-zi-ra-ga    mori-rco    mre-ba  \  kore-ra-wo   kajesi-fatete  notsi  \ 

VI'* 


92  Pfizmaiek. 

icaga  ije-  ^  (rakuj-no  tsure-dzure-ni  |  ßtoj'i  fasi-tsikb  wori-te  \  jn-tsuki-ni  utsi-mukai  \  sasa- 
fatsi-no  fuje  fuki  susami-tsutsu  \  J5  (kuj  takete^num  ju  o-o-kari.  Gerd  aki-no  sika-no  fuje-ni 
joru-mo  I  koi-tefu  mono-ni  mi-ico  rvasurete  \  ono-ga  tsuma-to-zo  madu  naru  \  sore-ni-wa  arade 
nade-si-ko-wa  |  tonareru  ije-no  fuje-no  ne-no  |  ito  onio-siroku  kikojuru-ni  moto-jori  konomib 
xcaza  nare-ha  \  ika-naru  fito-no  sirahe-ni-ja-  \  to  arui-iva  iitagai  \  arui-tva  kan-zite  \  fitori 
mimi-wo  soha-tate-tsutsu.  Tsuki-no  ito  akaki  jo-wa  \  ware-mo  mata  taka-dono-niie  |  kotu  kaki- 
narasi  o.ioasure-ha  \  fo-zi-ro-mo  kanete  kiku  |  köre  koso  tori-ta-ga  ma-na-musume-no  |  tsuma-oto 
narame-  |  to  fakaru  nomi.  Waga  ije-to  kano  taka-dono-to  |  utsi-mukai-te-ioa  |  ari-nocjara 
koto-no  wo  narade  ziü-san-gen-no  \  mizo-gaioa-ni  fedaterare  \  migiica-ni-ica  isasa-mura-take  \ 
ija-ga  uje-ni  sigeri-ai-tsio.  Fira-ja-nare-ha  kasiko-wa  mijezu  \  kasiko-jori-mo  konata-wo-ha  \ 
miru  josi  tnjete  na-kari-keri. 

Indessen  gedaclite  Fo-zi-ru  in  der  That  ruhig  der  genügenden  Jahre  und  des  rauhen 
Zeitalters.  Den  Tag  über  machte  er  den  Wächter  der  läi'menden  Knaben.  Nachdem 
er  diese  nach  Hause  geschickt,  weilte  er,  in  der  Einsamkeit  seiner  häuslichen  Freude, 
allein  nahe  an  der  Seite  des  Hauses.  Dem  Abendmonde  gegenüber,  in  das  Blasen  der 
einen  Schuh  acht  Zoll  messenden  Flöte  vertieft,  ging  er  viele  Nächte  spät  in  der  Nacht 
schlafen.  Oifenbar  hielt  er  sich  an  die  Flute  des  Herbsthirsches,  und  es  war  nicht  der 
Fall,  dass  er  vor  Liebe  auf  sich  selbst  vergass,  bei  der  eigenen  Gattin  zerstreut  war. 
Nade-si-ko,  als  der  Ton  der  Flöte  von  dem  benachbarten  Hause  sehr  lieblich  erklang, 
war  davon  eingenommen.  Bald  in  Zweifel,  wessen  Tonweise  dieses  sein  möge,  bald 
bewundernd,  neigte  sie  das  Ohr  hin.  In  sehr  hellen  Mondnächten  spielte  auch  sie  in 
dem  Stockwerke  zugleich  die  Harfe.  Fo-zi-ro,  der  dieses  hörte,  yermuthete  nur,  dieses 
werde  das  Saiten.spiel  der  Tochter  des  Geschlechtes  Tori-ta  sein.  Sein  Haus  und  jenes 
Stockwerk  standen  einander  zwar  gegenüber,  jedoch  wenn  die  Saiten  der  Harfe  nicht 
gewesen  Avären,  waren  sie  dui'ch  einen  dreizehn  Ken  messenden  Grabenfluss  geschieden, 
lind  an  der  Wassergränze  wuchsen  Büsche  von  wenigem  Bambus  in  Blätterfülle  der  eine 
über  dem  anderen.  Da  es  ein  flaches  Haus  war,  konnte  man  dorthin  nicht  sehen,  und 
von  dort  hierher  zu  sehen,  war  durch  gar  kein  Mittel  möglich. 

^    ^    (Ma-na)-musume  ist  so  viel  als  das  einfache  musume  , Tochter'. 

Isasa-jinira-take  ist  ein  Bambusgebüsch  von  wenigem  Bambus.  Isasa  hat  die  Be- 
deutung von  isasaka  ,wenig'. 

'  Sa-are-domo  fo-zi-ro-'tva  \  sono  kokoro-zcm  iro-gonomi-sene-ha  \  omoi-ico  kakurii  koto-tca 
naki-ni  |  nade-si-ko-tva  waga  kononm  tokoro-jori  |  kasiko-no  fuje-no  ne-ni  ßkarete-ii:a  \  tada 
sono  ßto-ivo  mi-ma-fosi-ku  |  joso-nagara  ivonna-domo-ni  |  ina-ki-ga  koto-wo  tsutaje-kikl-te  \ 
Jcokoro-no  vtsi-ni  kore-iüo  sitai  \  ika-ni-mo  site  mi-baja-to  omoje-do  \  taka-dono-ni  nohori-te-mo  \ 
fikuki  kusa-nu  ja-u-a  to-ni  kaht-ni  |  fori-to  take-to-ni  fedaterare  |  omote-ni  kaki-site  tatsu 
gotosi.    Kasiko-ni-mo  koko-no  gotoku  |  taka-dono  are-kasi-to  omö  nomi. 

Während  Fo-zi-rö,  von  Gemüthsart  nicht  lebensfroh,  seine  Gedanken  an  nichts 
heftete,  wünschte  Nade-si-ko,  von  dem  Orte,  den  sie  liebte,  durch  den  Flötenton  jenes 
Ortes  weggezogen,  nur  diesen  Menschen  zu  sehen.  Von  unbetheiligten  Weibern  das 
Nähere  über  das  Geschlecht  Ina-ki  erfahrend,  sehnte  sie  sich  nach  ihm  und  wünschte 
ihn,  auf  Avelche  Weise  es  auch  sei,  zu  sehen.  Jedoch  als  sie  in  das  Stockwerk  stieg, 
war  das  niedrige  mit  Stroh  gedeckte  Haus  auf  jeder  Seite  durch  den  Graben  und  durch 
den  Bambus  geschieden,  es  war,  als  ob  vor  dem  Angesichte  eine  Mauer  stände.  Sie 
wünschte  nur,  dass  dort  gleich  wie  hier  ein  Stockwerk  sei. 


Dee  Nebel  der  Klage.  <j3 

Mata  miru  josi-mo  na-kari-si-ka-ba  |  ama-no  kawara-no  naka-tajete  \  tsuki  saje  kuraki 
kokotsi-se-si-ni  \  kono  tosi-no  aki  de-midzu-site  \  fira-ja-iva  su-no  ko-ivo  kuje-ni-kere-ba  |  fo-zi- 
rb-ioa  midzu-ni  oiarezu  \  itaku  odoroki-osorete  |  kaja-ja-no  mune-ni  jodzi-nobori-tsutsu.  Midzu-Ho 
otsuru-ico  matsu  fodo-ni  |  toki-nusi-ga  ja-utsi-no  niono-ica  \  mina  taka-dono-ni  nobori-te  v:ori  \ 
koko-ni  fazimete  nade-si-ko-wa  \  kolsi-ki  fito-to  omote-ioo  aivasi-te  |  katami-ni  sono  mijabi-jaka- 
naru-ico  siru  mono-kara  |  airai  faruka-ni  fedatsure-ba  j  mono-i-i-kaken  su-be-mo  arazu.  Masi-te 
fo-zi-ru-wa  \  ito  ^  (kö)-zi-taru  wori  nario-ni  \  iro-too  konomazare-ba  j  futa-tahi  kore-ioo  mi- 
kajerane-do  \  nade-si-ko-wa  omö-ni  masi-taru  |  ina-ki-ga  omo-kage-ni  mime  zttsi-saicagi  j  fune 
sasi-josi-te  kano  ßto-zvo  I  konata-je  rimkaje-tori-te-jo-  \  to  kvan-to  site-iva  iku-so  tabi  \  je-mo 
i-i-kanete  fito  siranu  \  omoi-wo  kasiko-je  fakobasu-to-ica  \  satoranu  oja-iva  sagi-suke-ra-to  | 
fo-zi-ro-ivo  jiibi-sasi-tsutsu  |  ka-bakari-no  midzti-ni  urotajete  \  ja-ne-je  nobori-si  mono-mo  ari  \ 
are  mi-jo-ja  tote  |  azami-warb  fodo-ni  \  midzu-iva  fatsiika-ni  \  futa-toki  bakari-ni  faja  otsi-te 
fito-iüo  sokonb  koto-mo  naku  j  ta-fata-ivo  jaburu  koto-mo  na-kari-si-ka-ba  j  sato-bito-ra  jorokobi-te  | 
kotofogi-v  ko-e  |  kado-kado-ni  mitsi-tari. 

Da  es  ferner  kein  Mittel  ihn  zu. sehen  gab,  hatte  sie  das  Gefühl,  als  ob  die  Ebene 
des  Himmels  in  der  Mitte  zerrissen,  der  Mond  nur  finster  wäre.  Indessen  trat  in  dem 
Herbste  dieses  Jahres  das  Wasser  aus  und  überfluthete  in  dem  flachen  Hause  die 
Bambusflur.  Fo-zi-rö,  an  das  \Yasser  nicht  gewohnt,  ward  in  hohem  Grade  von  Schrecken 
und  Furcht  befallen  und  kletterte  auf  die  Firste  des  Strohdaches.  Während  er  auf  das 
Fallen  des  Wassers  wartete,  stiegen  die  Leute  in  dem  Hause  Toki-nusi's  insgesammt  in 
das  Stockwerk  und  verblieben  daselbst.  Hier  hatte  Nade-si-ko  zum  ersten  Male  mit 
dem  geliebten  Menschen  ein  Begegnen  von  Angesicht,  und  Beide  lernten  ilire  gegen- 
seitige Zierlichkeit  kennen.  Da  sie  dabei  durch  einen  weiten  Zwischenraum  getrennt 
Vv'aren,  war  es  nicht  thunlich,  an  einander  AVorte  zu  richten.  Um  so  weniger,  als  Fo- 
zi-rö,  eben  in  grosser  Verlegenheit  sich  befindend  und  keineswegs  leichtlebigen  Sinnes, 
nicht  zum  zweiten  Male  herblickte.  Jedoch  Nade-si-ko  war  von  dem  in  ihren  Gedanken 
immer  mehr  auftauchenden  Bilde  Ina-ki"s  im  Inneren  erregt.  Mehi'mals  im  Begrifl'e  zu 
sagen :  Schicket  ein  Schifl'  aus  und  bringet  jenen  Menschen  hierher !  konnte  sie  das  Wort 
niemals  aussj^rechen.  Ihr  Vater  und  Sagi-suke.  nicht  ahnend,  dass  sie  die  von  Anderen 
nicht  gekannten  Gedanken  dorthin  trage,  zeigten  auf  Fo-zi-ro  mit  dem  Finger  und 
sagten :  Durch  ein  solches  Wasser  aus  der  Fassung  gebi'acht,  steigen  Menschen  sogar 
auf  das  Dach.  Sehet  dorthin!  —  Dabei  lachten  sie  spöttisch.  Indessen  fiel  nach  kaum 
zwei  Doppelstunden  schon  das  Wasser,  ohne  den  Menschen  Schaden  zuzufügen,  und 
auch  die  Felder  imd  Gärten  waren  nicht  verwüstet.  Die  Menschen  des  Dorfes  freuten 
sich,  und  der  Ton  ihrer  vereinten  Gebete  erfüllte  die  Tliore. 

Azami-ivai^o  steht  für  azamuki-ivaro  , spöttisch  lachen'. 

Kore-ni   jori-te  fo-zi-ro-mo   \  ja-ne-jori    tvori-te    su-no    ko-ivo    oral   |   nure-tarii    kabe-ico 


0 


kaivakasi-te  \  rib-san-nitsi-ga  fodo-ni  |  te-naro  do-zi-ra-ico  tsudojete  ^  p^  (kib-iku)-suru  kot 
fazime-no  gotosi.  Ojoso  kono  midzu-no  tatsi-dokoro-ni  otsi-taru-ico  |  jorokobazaru  mono-ica 
naki-ni  |  tada  nade-si-ko  nomi  ]  koisi-ki  ßto-ivo  miru  jost  naki-ni  |  zvare-kara  sigeki  omoi- 
gusa  I  kari-mo  farawami  sode-no  tsuju-ni  |  nuru  ^  (jo)-no  jume  nomi  tanomarete  |  kokoro- 
gurusi-ku  okuru  0  (fi)-no  \  ko-tosi-mo  nokori-sukunaku  nari-tsu.  Ara-tama-no  tosi-wa  tatsi- 
kajere-do  |  ono-ga  kokoro-no  faru-koma-no  \  isa  made  fitori  utsi-nageke-do  \  fito-ni  tsugu-beki 
koto  narane-ba  |  nagusamu  josi-mo  na-kari-keri. 


94  Pkiz.maiek, 

Demnach  stieg  aucli  Fo-zi-rö  von  dein  Duclic  herab,  wusch  die  Bainbusflur  und 
trocknete  die  befeuchtete  Mauer.  Nach  zwei  oder  drei  Tagen  versammelte  er  die 
Knaben,  welche  bei  ihm  schreiben  lernten,  und  unterrichtete  imd  erzog  sie  wie  früher. 
Während  Jedermann  sich  über  das  schnelle  Fallen  dieses  Wassers  freute,  waren  bloss 
bei  Nade-si-ko,  da  sie  kein  Mittel  hatte,  den  geliebten  Menschen  zu  sehen,  die  von  selbst 
in  Fülle  Avachsenden  Pflanzen  der  Gedanken  nicht  abgemäht  und  nicht  gebannt,  und 
indem  nur  der  Traum  der  von  dem  Thau  des  Aermels  befeuchteten  Nacht  erbeten  ward, 
waren  von  den  in  Herzensqual  verbrachten  Tagen  in  diesem  Jahre  wenige  übrig. 
Obgleich  das  Jahr  der  rohen  Edelsteine  wiederkehrte,  das  Frühlingsfüllen  ihres  Herzens 
erging  sich  bis  dahin  allein  in  Klagen.  Da  sie  es  den  Menschen  nicht  sagen  konnte, 
o-ab  es  auch  kein  Mittel,   sie  zu  trösten. 

Die  \Yörter  karu  ,mähen',  farh  ,bannen'  und  nuru  , schlafen'  schliessen  hiei-  zugleich 
den  Sinn  von  ,trocknen',  , abwischen'  und  ,befeuchtet  sein'  in  sich. 

Sikarv-ni  ki-sara-gi-no  fazime-no  kata  \  aru  fi  fo-zi-rb-wa  \  dö-zi-ra-wo  kajesi-fatete  \ 
fitori  suzuri-ni  suml  suri-nagasi  \  te-fon-ico  kakl-te  i-tari-keru-ni  \  kotsu-zen-to  site  fato  itsi-fa  \ 
akari-mado-jori  tobi-iri-te  \  t.sitku-e-no  sifa-je  kakure-'si-ka-ha  |  ko-wa  ika-ni-  \  to  ajasimi-te 
jaicoi'a  ßki-idasi-te  kore-ivo  miru-ni  \  itaku  taka-nl-ja  oicare-tari-ken  |  ajegu  koto  fanafadasi. 
H  i%  (kiu-tsiu)  futokoro-ni  iru  toki-iva  \  kari-hito-mo  torazu-to-zo  in  naru.  No-no  tori-irn, 
fito-ico  osorete  \  sono  asi-oto-ico  kika  toki-ioa  |  tatsi-matsi-ni  tatsu  mono  nare-do  |  sono  "^  ^^ 
(ki-kiü)-ni  ojobi-te-wa  \  kajete  fito-no  tasuke-ico  motoniu.  Awaremu-hesi  \  awaremu-hesi-  \  to 
fitori-gotsi  \  sidzuka-ni  ^  (fa)-ii:u  nadc  \  midzu-ico  nomasi  |  niwaka-ni  mame-tco  fitasi-te 
kore-ni  kö-ni  |  kono  fato  tsui-7ii  tobi-sarazu.  Toivo-ka  amari  fioru  fodo-ni  \  joku  narete  \  ^ 
(sijüj-no  ^  ^  (sin-tai)-ni  sitagaje-ba  \  ijo-jo  fu-bin-no  mono-ni  si-tsn.  Na-wo-ba  imtoko- 
jama-to  jobi-te  ^  ^  (seö-ai)-su.  Kore-jori-site  kano  fato-ioa  \  asita-ni  idete  jube-ni  kajeru-ni  \ 
kanarazu  towoku-zva  je-mo  asobade  |  toki-nusi-ga  sen-zai-ni  tobi-juki-te  \  otsi-bo  nado  firai-si-ka- 
ba  I  tori-ta-ga  ije-no  simo-be-domo-mo  \  tonari-no  fato  nari-  \  to  sirazaru  mono-ica  na-kari-keri. 

In  der  ersten  Decade  des  zweiten  Monats  hatte  Fo-zi-rö  eines  Tages  alle  Knaben 
nach  Hause  geschickt  und  weilte  allein,  auf  dem  Tintensteine  Tinte  reibend  und  die 
Musterschriften  schreibend,  als  plötzlich  eine  Taube  bei  dem  Lichtfenster  hereinflog  und 
sich  unter  dem  Tische  versteckte.  Er  verwunderte  sich  hierüber.  xUs  er  sie  sanft 
hervorzog  und  sie  anblickte,  mochte  sie  Intzig  von  einem  Falken  verfolgt  worden  sein 
und  keuchte  überaus  stark.  Man  sagt:  Wenn  ein  armer  Vogel  in  den  Schooss  fliegt, 
fängt  ihn  auch  nicht  der  Jäger.  Ein  Vogel  der  "Wildniss  fürchtet  den  ]\lenschen,  und 
wenn  er  dessen  Schritte  hört,  so  fliegt  er  plötzlich  auf.  Geräth  er  jedoch  in  Gefahr, 
so  sucht  er  im  Gegentheil  bei  dem  Menschen  Hilfe.  Er  sagte  zu  sich  selbst:  Bedauerns- 
wc'i-rh !  bedauernswert]! !  Er  streichelte  ihr  die  Flügel,  gab  ihr  Wasser  zu  trinken,  weichte 
schnell  Bohnen  ein  und  fütterte  sie  damit.  Diese  Taube  flog  zuletzt  nicht  fort.  Nach 
zehn  Tagen  war  sie  ganz  an  ihn  gewöhnt,  und  da  sie  ihrem  Gebieter  bei  dessen 
Kommen  und  Gehen  folgte,  war  sie  des  Mitleids  immer  w^irdiger.  Er  gab  ihr  den 
Namen  Wotoko-jama  (Mannberg)  und  liebte  sie  sehr.  A^on  nun  an  flog  diese  Taube 
am  Morgen  aus  und  kehrte  am  Abend  zurück.  Nicht  im  Stande,  weit  umherzuschweifen, 
flog  sie  in  den  Hausgarten  Toki-nusi's  und  las  abgefallene  Aehren  auf.  Die  Diener  in 
dem  Hause  Tori-ta's  wussten  insgesammt,  dass  sie  die  Taube  des  Nachbars  sei. 

Saru  fodo-ni,    nade-si-ko-wa  |  koisi-ki   fito-no    kai-tori-to  |  kiku-ni   kure  saje  kawai-kn-te 
kal-natsuken-to  omoi-si-ka-ba  \  kudan-no  fato-ga  kuru-goto-ni  \  aioa-ico  maki ,  mame-ico  tsirasi-te 


Der  Nebel  der  Klage.  95 

izano-ni  \  fito-ni  nare-taru  tori  nare-ba  \  imada  iku-ka-mo  arazu-site  \  fana-mofo-tsikaku  kvrii-qa 
uresi-ku  \  utsi-odorokasu  koto-mo-ja  tote  \  loonna-domo-ioo  imasimete  I  seö-zi-no  ake-tafe-rd-mo 
kokoro-ico  motsi-i  |  tsui-ni  juku  kai-nare-ni-kere-ba  |  mata  nade-sl-ko-ga  sin-tai-ni  |  sitagawazu-to 
iü  koto  nasi.  Ko-iva  ivaga  tame-ni  musiihu-no  kami-no  \  fita-dzukai  naravie-  |  to  omoje-ha  | 
kene-site-mo  omö  kagiri-ico  \  kagi-sitatame-tario  fumi  tori-idete  |  tori-no  asi-je  jui-sojuru-id  1 
fito-ja  miru  tute  susamazi-ku  \  junde-wo  nd-kajeri  \  me-te-wo  mi-kajeri  |  ivare  saje  ko-tori-no 
asaru-ga  gotoku  \  koi-mo  negai-si  hno-to  se-no  }  jeni-si-to  tomo-ni  musubi-te-si  |  koi-no  f)\ 
(sijuj-ivake-tca  sira-fato-mo  |  ame-ni-ioa  tsitma-ico  jobii-to  kiku  \  kono  kajesi  sirase-jo-  1  t<i 
i-i-tsutsu  jagate  fanatsi-jare-ba  |  sasuga-ni  asi-wa  omo-ge-nite  \  fata-fata-to  site  tobi-te  inu. 
Ana  uresi-ja-  |  to  miine  nade-orosi  \  mata  kano  fato-ivo  matsii  fodo-ni  |  kokoro-mo  mca-no 
sora-danome-narn  \  kasiko-ico  nagamete  fasi-i-seri. 

Als  Nade-si-ko  horte,  dass  dieses  der  von  dem  geliebten  Menschen  ernährte  Vogel 
sei,  war  er  ihr  nur  theuer,  und  sie  wünsclite,  ihn  zu  ernähren  und  zu  zähmen.  So  oft 
diese  Taube  kam,  säte  sie  Hirse,  streute  Bohnen  aus  und  lockte  sie  herbei.  Da  es  ein 
an  die  Menschen  gewöhnter  Vogel  war,  so  vergingen  kaum  ein  paar  Tage,  und  er  kam 
schon  ihrer  Hand  nahe.  Erfreut,  wollte  sie  ihn  ja  nicht  erschrecken  und  trug  den 
Weibern  auf,  bei  dem  Oeffnen  und  Schliessen  der  Schubfenster  vorsichtig  zu  sein.  Als  man 
die  Taube  völlig  zahm  gemacht  hatte,  blieb  es  nicht  aus,  dass  sie  auch  Nade-si-ko  bei 
deren  Kommen  und  Gehen  folgte.  Sie  glaubte,  dass  dieses  für  sie  der  thörichte  Gesandte 
des  knüpfenden  Gottes  sein  werde.  Sie  nahm  einen  in  dieser  Voraussetzung  schon  früher 
geschriebenen  Brief  hervor  und  band  ihn  an  den  Fuss  des  Vogels.  Besorgt,  dass  Jemand 
es  sehen  könne,  blickte  sie  nach  links,  blickte  nach  rechts,  ganz  wie  ein  junger  Vogel, 
der  Nahrung  sucht.  Sie  sprach :  Es  ist  das  Kennzeichen  der  Liebe,  als  erbetenes  Band 
zwischen  der  Schwester  und  dem  Bruder  in  Gemeinschaft  geknüpft.  Auch  die  weisse 
Taube  hört  man,  wie  sie  in  dem  Regen  die  Gattin  ruft.  Verkünde  mir  hierauf  die  Ent- 
gegnung!—  Mit  diesen  Worten  liess  sie  den  Vogel  los.  An  den  Füssen  beschwert,  flog 
er  sogleich  fort.  Wohl  sehr  erfreut  und  im  Herzen  erleichtert,  auf  die  Zurückkunft 
dieser  Taube  wartend,  sass  sie  an  der  Seite  des  Hauses  und  blickte  in  die  Ferne  nach 
jenem  Orte,    auf  Avelchen  sie,    in  Gedanken  verloren,  ihre  Hoffnung  setzte. 

Kakari-si-ka-ha  ina-ki  fo-zi-rb-ica  j  sono  jü-gure-ni  kajeri-kite  ne-gura  motomuru  tcotoko- 
jama-ga  |  asi-ni  jui-tsukerare-taru  mono  are-ba  j  motsi-ico-ja  ßki-ken  |  fuki-ja-ivo-ja  oi-iaru 
tote  j  fiza-no  uje-je  maneld-josi-tsutsu  \  kore-icu  miru-ni  \  ^  ^(J  (so-bu)-ga  kari-wi  tsubasa-ni 
josi-taru  ]  furu-koto-ni  ni-tari-keri. 

Als  Wotoko-jama,  an  diesem  Abende  zurückkehrend,  die  A^ogelstange  aufsuchte  und 
an  seinem  Fusse  etwas  angebunden  war,  meinte  Ina-ki  Fo-zi-rb,  der  Vogel  werde  viel- 
leicht Vogelleim  herangezogen  haben  oder  durch  ein  Blaserohr  verwundet  worden  sein. 
Er  lockte  ilin  auf  sein  Knie,  und  als  er  ihn  ansah,  war  es  etwas  Aehnliches  wie  in  der 
alten  Erzählung,  nach  welcher  Su-wu  den  Flügeln  der  Wildgans  vertraute. 

Ko-ica  ibukasi-to  isogawasi-ku  \  ßki-toki-te  firaki-miru-ni  j  mitsi-no  ku-gami-nl  tome-ki- 
site  I  faru-no  fana-no  tsiru  gotoku  \  aki-no  kusa-no  midaruru  gotoku  |  ito  koina-jaka-ni  kaki- 
tsuranete  \  fazime-ni-iva  \fuje-no  ne-ni  ^  F^  (tan-seo)-site  \  kimi-ga  mijabi-wo  siri-nagara\ 
on-omo-kage-v:o  konata-je-to  |  utsusu  josi-naki  mi-ivo  urami-te-ica  itodo  omoi-no  masu-kügami  | 
viime-utsi  kumoru  aki-same-wo  \  saso  viidzu-to-iva  omoi-ki-ja.  Kaja-ja-ga  mune-ni  ivoivase- 
si-ioo  I  faruka-ni   mi-ma-irasen-to-ica  \  minu  toki  dani-mo  akugare-si-ni  \  ßto-tabi  omote-au-usi- 


9(3  Pfizmaier. 

te-wa   I    ifo-sika-no    tsnno-in)    tsitka-no    ma-mo  |  omoi-icasurtirn  fima-ica  faherazu  |  sinobu-nu 
jama-no  sino  susuki  \  j^    (fo)-ni   sl    idzuru-ico    musuhi-sojete  \  tada  ßto-fude-no   on-kajesl-ifo 
sirasi-tamaje-  \  to   fude-ni    iicasi-tanc.     Kaki-zama  |  itu    mijahi-jaka-nite  \  sono   ^    ^   (biui- 
seo)  hida-kudasi-karazu  \  ^    V    tsi-dzi-no  umoi-ico  kome-taru.    Oku-ni. 

Hierüber  befremdet,  löste  er  es  eilig  ab  und  sah.  es  an.  Auf  Papier  von  Mitsi-no 
Ku  war  gleich  verstreuten  Blumen  des  Frühlings,  gleich  verworrenen  Pflanzen  des 
Herbstes,  in  sehr  feiner  Schrift  geschrieben :  , Anfänglich,  den  Ton  der  Flöte  bewundernd, 
kannte  ich  die  Zierlichkeit  des  Gebieters.  Sehr  gekränkt,  dass  ich  kein  Mittel  hatte, 
sein  Bild  hierher  zu  verpflanzen,  ward  immer  mehr  der  zehnzöllige  Spiegel  der  Ge- 
danken in  der  Brust  umwölkt,  ich  hielt  ihn  wohl  für  das  den  Herbstregen  herbei- 
führende Wasser.  Icli  wollte  ihn  von  ferne  auf  der  Firste  des  mit  Stroh  gedeckten 
Hauses  weilen  sehen.  So  lange  ich  ihn  nicht  sah,  verzehrte  micli  nur  die  Pein.  Als  ich 
ihn  ein  einziges  Mal  von  Angesicht  sah,  ist  die  Zeit  des  Vergessens  in  Gedanken  selbst 
nicht  o-leich  dem  Zwischenräume  der  Griffe  des  Geweihes  des  Hirsches.  Den  kleinen 
Bambus  des  Berges  Sinobu,  das  Riedgras,  wenn  es  in  Aehren  schiesst,  geknüpft  hinzu- 
fügend, möge  er  die  Entgegnung  eines  Pinselstriches  zu  wissen  geben'.  —  Die  Schrift 
war  sehr  zierlich,  die  Schreibart  war  nicht  weitläufig  und  schloss  tausend  Gedanken  in 
sicli.     Im  Inneren  stand  : 

Tsi-faja-huru  \  kami-nn  musuban  \  imo-tv  se-ico  |  wosijuru  tori-ni  \  makase-te-si  kana. 

AVas  der  tausendfach  mächtige  |  Gott  wird  knüpfen,  |  der  Schwester  imd  des  Bruders 
Sache,  I  dem  diese  lehrenden  |  Vogel  hab'  ich  es  vertraut ! 

Fu-zi-rb-ica  fazime-jori  |  kuri-kajesi-mite    tan-soku-si  \  ojoso  fito-no   oja  taru  mono  \  sono 

-y*    (ko)-no  tame-ni   ^ffj    (si)-ioo  jerami-te  \  te-naratcasi  mono-jomasuru  koto  \  ada-naru   koi-ni 

f^    (zeu)-ico  fakobasl   \    itadzttra-se-jo-to-no    tarne    naran-ja.     Muro    narn  fana-wa  firaku-ni 

fajaku  I  fukaki  mado-ni  jasinaicarurn  \  wotome-mo  koi-ni-iva  sono   ^    -^    (tsi-take)  tari.  So- 

mo-so-mo    tori-ta-wa   kono  sato-nite   \  fito-ni   sirarete    tomu-mono    naru-ni   \   tanomu   kage-naki 

fo-zi-ro-ga  \  negai-aru    mi-mo    'ff-    \%   (fu-ro)-no    ta-tsuki-ni   \  mada    sumi-narenu    tahi-suzuri  \ 

fatsuka-ni  fude-no    inotsi-    ^    (ke)-ico  \  jbjaku    tsunagu  jare-fisasi  \  musihbaruru  jeni-si    ari- 

to-mo  I  mmubi-fatsu-beki  jeni-si-ni    arazu  \  masi-te   mitsi-narajiu    koi-ni   uki-na-ioo    taterare  \ 

fito-no  musume-ni   kizu   tsukete  \  wäre    kono   sato-wo  oicare-na-ba  |  momo-tabi  tsi-tabi  kü-to-mo 

ojobazi.     Fito    ^    ^    (boku-seki)-ni    arane-domo   \   tsussimu-beki-ica   f^    ^    (zeu-joku)    nonii. 

Ko-iva  waga  mi-ni-wa  maga-tsumi-no  \  kanü-ja  jori-ken-  \  to  fitori-gotsi-te  \  fumi-wo  jagate  osi- 

momi-te  \  fi-batsi-no  fai-ni  udzume-tari. 

Fo-zi-r6,  nachdem  er  das  ganze  Schreiben  durchgesehen,  seufzte  und  sprach  zu  sich 
selbst :  Ein  Vater,  der  für  sein  Kind  einen  Lehrer  wählt,  es  schreiben  und  lesen  lernen 
lässt,  sollte  er  es  deswegen  thun,  damit  es  zu  vergeblicher  Liebe  seine  Leidenschaft  trägt 
und  leichtfertig  handelt?  Die  Blume  in  dem  inneren  Hause  öftnet  sich  schnell,  das  an 
dem  tiefen  Fenster  erzogene  Mädchen,  in  der  Liebe  besteht  die  Reife  ihres  Verstandes. 
Indessen  wird  Tori-ta  in  diesem  Dorfe  von  den  Menschen  gekannt  imd  ist  ein  reicher 
Mann.  Der  schutzlose  Fu-zi-rö,  bedürftig  und  mit  unsicheren  Behelfen,  unter  einem 
zerstörten  Dache,  wo  er  den  Tintenstein  der  noch  ungewohnten  Reise,  in  geringem 
Masse  das  Lebenshaar  des  Pinsels  mit  genauer  Noth  anbindet,  sollte  er  auch  ein  geknüpftes 
Verhältniss  haben,  es  ist  kein  Verhältniss,  das  man  zu  Ende  knüpfen  kann.  Um  so  mehr 
ist  dieses  der  Fall,  wenn  er  sich  einen  schlechten  Namen  macht,  der  Tochter  eines 
Menschen  einen  Makel  anhängt.   Wenn  ich  aus  dem  Dorfe  vertrieben  werde,  mag  ich  es 


Dur  Nebel  dek  Klage.  97 

hundertmal,  tausendmal  bereuen,  es  nützt  nichts.  Der  Mensch  ist  zwar  nicht  Holz  und 
Stein,  jedoch  zu  hüten  hat  man  sich  nur  vor  Leidenschaft  und  Begehren.  Dieses  wird 
mir  der  Gott  des  Unglücks  angethan  haben,  — •  Hiermit  zerknitterte  er  sogleich  den 
Brief  und  vergrub  ihn  in  der  Asche  der  Feuerschüssel. 

To-ica  sirazu-site  nade-si-ko-iva  |  tstcgti-no  fi-mo  asa  toku  oki-te  \  ina-ki-ga  fato-icn  nidtsu 
fodo-ni  I  mate-ha  mata  aja-niku-nl  \  sono  fi-iva  fine-mosu  kage-rno  misezu.  Dai-san-nitsi-no 
ma-ßru  goro-ni  |  tslku-jen-no  fotori-ni  kitari.  Nade-si-ko-wa  kore-wo  mite  \  namida-gmmi 
niade  uresi-ku-te  \  kajesi-tvo-ja  mote-ki-tsuru-  \  to  madzu  sono  asi-ioo  miru-ni  \  mtisidn-soje-taru 
niono-iva  araz?(.  Tatsi-matsi  nozomi-ioo  itsinai-te  \  mosi  kano  fumi-wo  otosi-ja  si-tsuru  \  tatoi 
kokoro-ni  kanaivazu-to-mo  \  mi-tamaica-ha  fito-fude-no  \  kajesi-si-tamawazaru  koto-ja-ica  aru  | 
ko-ica  kokoro-moto-nasi  tote  \  mata  isogaivasi-ku  fumi  kaki-sitatame  \  kono  tahi-tca  go-siki-no 
ito-wo  mote  \  mata  kono  tori-no  asi-ni  jui-soje-tsutsu  fanatsi-jaru-ni  \  sibasi-mo  arazu  tobi- 
sari-tsu.  Mata  tsugtt-no  fi-mo  ki-ni-kere-do  |  ina-ki-ga  kajesi-sezari-si-ka-ba  |  aru-toa  ivotoko-no 
tsure-naki-ico  urami  \  aru-ica  jeni-si-no  faka-naki-wo  nageki  \  tada  kori-zu-ma-ni  omoi  nomi  \ 
nta-so-wo-no  su»uki  fonomekasi-te  \  siba-siba  fato-wo  naka-datsi-ni  \  fumi-ioa  td-tsuka-ni 
amari-ni-keri. 

Nade-si-ko,  welche  dieses  nicht  wusste,  stand  am  nächsten  Morgen  frühzeitig  auf 
und  wartete  auf  die  Taube  Ina-ki's.  Wie  sie  auch  wartete,  diese  Hess  sich  zu  ihrem 
A^erdrusse  den  ganzen  Tag  nicht  sehen.  x\m  dritten  Tage  kam  sie  um  Mittag  an  die 
Seite  des  Bambusvorhauses.  Nade-si-ko,  welche  dieses  sah,  weinte  vor  Freuden  und  in 
der  Meinung,  dass  sie  die  Entgegnung  .bringe,  blickte  sie  zuerst  auf  deren  Füsse,  doch 
es  war  an  diese  nichts  angebunden.  Ihrer  Hoffnung  plötzlich  beraubt,  sagte  sie :  Sie  hat 
vielleicht  diesen  Brief  verloren.  Gesetzt,  es  ist  nicht  nach  seinem  Sinne,  sollte  er  mir  nicht. 
wenn  er  es  sieht,  durch  ein  Schreiben  die  Entgegnung  schicken?  Dieses  ist  unbegreiflich. 
—  Sie  schrieb  in  Eile  wieder  einen  Brief  und  band  ihn  diessmal  mit  fünffarbiofer  Seide 
an  den  Fuss  dieses  Vogels.  Sie  liess  den  Vogel  los,  und  dieser  entflog  unverweilt.  Als  er 
den  nächsten  Tag  wiederkam  und  Ina-ki  keine  Entgegnung  geschrieben  hatte,  zürnte 
sie  bald  über  die  Unfreundlichkeit  des  Mannes,  bald  beklagte  sie  die  Ungewissheit  des 
Verhältnisses.  Sie  war  jedoch  nicht  abgeschreckt,  und  indess  nur  vor  ihren  Gedanken 
das  Riedgras  der  wahren  Hanfschnur  undeutlich  schwebte,  machte  sie  die  Taube  oft- 
mals zur  Vermittlerin,  und  die  Briefe  waren  über  tausend  Pinselgriffe. 

Kori-zu-ma  bedeutet:  sich  nicht  abschrecken  lassen.    Ma  ist  ein  hinzus;efüo-tes  Wort. 

Ma-so-wo-no  susuki  ,das  Riedgras  der  wahren  Hanfschniu*'  ist  der  W^eiderich  (fagi), 
weil  die  Aehren  dieser  Pflanze  mit  Hanfschnüren  Aehnlichkeit  haben. 

Fo-zi-rb-ica  kono  jn-e-ni  \  fito  siranu  mwne-wo  kionosime  |  kono  fato-no  are-ba  koso  \  kakai^u 
masa-naki  koto-mo  ide-kure  \  oi-usinaiva-baja-  |  to  omö  mono-kara  \  namazi-i-ni  joku  nare- 
tare-ba  |  oje-domo-oje-domo  kajeri-kite  |  ika-ni-to-mo  sen-su-be-nasi.  Kaku  made-ni  natsuki-si 
mono-'wo  \  kono  tori  nani-no  tsnmi-ga  aran.  Sio-sen  fito-tabi-wa  \  kano  musume-go-ni  kajesi- 
site  I  omoi-tajesa-sen-ni-iva  tote  \  suzuri  fiki-josi-te  \  sumi  suri-nagasi-te  |  tatsi-no-gami-ioo  utsi- 
kasane  to-siwo-ni  amarii  on-kokoro-base-ioa  j  ari-gataki  made-ni  kata-zi-ke-naku  omoi-fabere-do 
i-i-gataki  ju-e-mo  fabere-ba  \  iraje-si-tate-matsurazari-ki.  Waga  tije  asi-karazu  \  omoi-tama-wa 
sunt  makoto  ara-ba  \  kasanete  midzv-guki-no  ato-wo  na-  |  kajoicasi-tamai-so.  Sara-ba  kojo- 
naki  on-nasake-ni  koso-  j  to  kaki-fatete  |  sono  oku-ni. 

Fo-zi-rfj  war  desswegen,  den  Menschen  unbewusst,  im  Herzen  gequält  und  dachte 
sich :  Weil  diese  Taube  da  ist,  mag  eine  so  unrechte  Sache  vorkommen.    Ich  werde  sie 

Denkschriften  iler  pliil.-liist,    Cl.  XXVI.  Brt.  13 


98  Fl'IZSIAlKK. 

verjageil.  —  Vd  sie  jedoch  ganz  au  ihn  gewölmt  ■war.  nuu'lite  er  sie  immerhin  verjagen, 
sie  kam  wieder  und  er  wusste  sieh  nicht  zu  hellen.  Er  sagte:  Jün  Wesen,  welches  so 
sehr  vertraut  ist!  Welche  Schuld  sollte  dieser  Vogel  haben'?  Endlich  werde  ich  diesem 
Mädchen  einmal  antworten,  um  es  ihr  aus  den  Gedanken  zu  bringen.  —  Er  nahm  den 
Tintenstein,  rieb  Tinte,  legte  Papier  von  Tatsi-no  zusammen  und  schrieb :  ,Eür  das 
Schätzbare  Eurer  zehnfach  innigen  Gedanken  empfinde  ich  Dankbarkeit,  da  jedoch  eine 
nicht  zu  nennende  Ursache  vorliegt,  habe  ich  nicht  zugestimmt.  Wenn  es  wahr  ist, 
dass  über  mir  der  Edelstein  des  nicht  bösen  Gedankens  ist,  so  möget  Ihr  nicht  wieder 
die  Spur  des  Wasserstengels  verkehren  lassen.  Somit  bleibt  es  bei  Eurer  durch  nichts 
übertroffenen  Güte'.   —  Hiermit  schloss  er.    Im  Inneren  stand : 

Isi-faja-huru  |  kami-jo-ica  sirazu-  \  tohn-tori-mo  1  nja-no  jurusanu  \  koi-iva  wosije-zi. 
Den  der  tausendfach  mächtigen  |  Götter  Zeitalter  nicht  kennt,  |  der  fliegende  Vogel 
die  von  dem  Vater  nicht  erlaubte  |  Liebe  nicht  lehrt. 

Midzu-giiki  , Wasserstengel',  sonst  auch  ein  Name  für  das  Hornblatt,   bezeichnet  den 
Pinsel.     Midzv-gnki-nn  atn  .die  Spur  des  AVasserstengels'  bezeichnet  das  Geschriebene. 

To   ^4    (ei)-zi-tsutsu.     Fato-no    asi-ni  jm-tsukete  fanatsi-jaru-ni  |  fato    saje   kokoro    aru 
gotoku   I   tonari-no   sen-zai-ico    sasi-fe    tohi-juki-nu.     Kono    toki   nade-si-ko-iva   |   kewai-he-ja-ni 
irl-te  I  kami  tori-ageie    i-tari-si-ka-ha   \  fcä(f-no    kitaru   koto-ivo    sirazu.     Oja-no   toki-nusi-ga  \ 
kino   'nje-kajesasi'tarii  |  niica-no    tsukuri-matsu-ivo    min    tote  \  seö-zi-ico   sa-to  fiki-akure-ha  \ 
tsikic-jen-no  fotori-ni   i-tari-si   \  fato-iva   kore-ni   odorokasare   \   isogawasi-ku   \   tohi-sari-si-ga 
fumi-no  jui-me-ja  jitriimi-tari-ken  \  fo-zi-rb-ga  kaki-taru  mono-wo  \  fumi-isi-no  uje-ni  otosi-ni- 
keri.      Toki-nusi    omoi-mo    kakezu   \   asi-moto-jori    tatsu    tori-no   j   otose-si-to-wa    sirane-domo 
— ■    ^    (ifftl)-no  fumi  otsi-taru-u-o  mite  \  firai-tori-te  ßraki-mirn-ni  \  imada  aicazaru  luotokn- 
jori  I  iconva-je  kajesi-suru  nari-keri.     Uta-no  kokoro-ica  joku-mo  sirane-do  \  ^  ^    (siju-seki) 
koto-ni  sugure-tare-ba  |  mi-ß    7iando-7io    koi-suru-ni-iva  arazi.    Sate-iva  nade-si-ko-ni  \  misoka- 
ivo-ja  ari-ken-  j  to  ßto-tabi-tva  utagai  j  fito-tahi-ioa  iki-doroori  \  fito-ni  misezi-  \  to  maki-kajesi-fe 
ffi-tokoro-ni  osame-tsntsii.. 

So  lauteten  die  Verse.  Er  band  es  an  den  Fuss  der  Taube  und  Hess  diese  los. 
Die  Taube,  gerade  als  ob  sie  Verstand  hätte,  flog  in  der  Richtung  des  benachbarten 
Hausgartens  fort.  Um  diese  Zeit  war  Nade-si-ko  in  das  Putzzimmer  getreten  und  hob 
sich  das  Haupthaar  empor.  Sie  wusste  nicht,  dass  die  Taiibe  gekommen  war.  Als  ihr 
Vater  Toki-nusi,  um  die  gestern  umgepflanzten  angebauten  Fichten  des  A  orhofes  zu 
sehen,  das  Schubfenster  mit  Geräusch  aufzog,  wurde  die  zur  Seite  des  Bambusvorhauses 
weilende  Taube  dadurch  erschreckt  imd  entflog  eilig.  Sie  Hess  dabei,  da  die  Schleife 
des  Briefes  gelockert  sein  mochte,  das  Geschriebene  Fo-zi-ru's  auf  einen  Trittstein  fallen. 
Toki-nusi,  nicht  aufmerksam,  wusste  nicht,  dass  der  vor  seinen  Füssen  auffliegende  \  ogel 
etwas  verloren  hatte,  als  er  aber  einen  versiegelten  herabgefallenen  Brief  ei'blickte. 
hob  er  ihn  auf,  öffnete  ihn  und  sah  ihn  an.  Es  war  von  Seite  eines  Mannes,  dem  man 
noch  nicht  begegnet  war,  die  Antwort  an  ein  Weib  geschrieben.  Den  Sinn  des  Xiedichtes 
verstand  er  zwar  nicht  recht,  da  es  aber  eine  besonders  ausgezeichnete  Handschrift  war, 
konnte  es  sich  um  eine  Liebschaft  von  Knechten  und  Mägden  nicht  handeln.  Sollte 
Nade-si-ko  etwa  einen  geheimen  Geliebten  gehabt  haben?  Bei  diesem  Gedanken  das 
eine  Mal  zweifelnd,  das  andere  Mal  in  Zorn  gerathend,  rollte  er  den  Brief,  ohne  ihn 
Jemandem  zu  zeigen,  wieder  zusammen  und  verbarg  ihn  in  dem  Busen. 


Der  Nebel  dee  Klage.  .  99 

Mata  tsvku-dziilcu-to  omv  jo  \  icaga  muswme-wa  umar'e-jete  \  ziil-ni-hun-iio  gan-sijoku 
naru-ni  |  kokoro-zama  mata  sakasi-ku  \  mono-kaki  \  uta-jomu  koto-wa  sara-nari.  Ito-fake-no 
icaza  fito-tsu-to  site  \  tsuta-nasi-to  iü  muno  nasi.  Kaku  made-ni  loosije-taru  \  oja-no  ^  ^ 
(tan-sei)-wa  nan-no  tame-zo  \  iknvoi-aru  fito-no  ko-ivo  muko-ni  site  \  naico  fana-jagi-taru 
sakaje-ico  mi-baja-  \  to  su-e  tanomosi-ku  omoi-taru  \  oja-no  kokoro-ico  -f-  (ko)-wa  sirade  \ 
oja-iva  tvosijenn  nama-gokoro-no  \  faja  tsukit  mama-ni  kaku-no  gotoku  |  jo-karanu  koto-wo 
si-idasi  j  sono  ^  '^  (seö-gai)-iuo  ajamata-ba  |  migaki-si  tama-wo  doro-ni  nage-utsi  \  tsiikuri-si 
jeda-iüo  looru-ni-mo  otoreri.  Ima  sono  kusare-no  asaki  toki  \  so7io  -^  (dokuj-ico  kedzuri- 
sarazu-tva  \  tsui-ni  fuhi-sin-no  jamai-to  naran.  Ko-wa  nav;o-zari-ni  su-be-karazu.  Sika-ioa 
are-do  \  kototvari-ivo  osi  \  ^^  (ß)-iL-o  semete  j  tdsi-tsiike-ni  nade-si-ko-ni  \  tö-to-mo  ikade  makoto-u'o 
tsugen.  Ko-wa  kanarazu  v:onna-domo-ni  \  naka-datsi  si-tarii-ga  aru.-besl-  \  to  fara-no  utsi-nite 
si-an-si-tsu. 

Er  dachte  ferner  in  Ernst :  Meine  Tochter  hat  von  Geburt  eine  vollkommene 
Gesichtsbildung,  ihr  Sinn  ist  auch  verständig.  Dass  sie  schreibt  und  Gedichte  hersagt, 
ist  keine  Frage.  Schon  in  der  einzigen  Sache  der  Seide  und  des  Bambus  ist  sie  kein 
ungeschicktes  Wesen.  Das  Trachten  des  Vaters,  der  sie  so  erzogen,  wonach  geht  es? 
Er  möchte  den  Sohn  eines  einllussreichen  Mannes  zum  Eidam  nehmen  und  ein  nocli 
herrlicheres  Aufblühen  sehen.  Wenn  das  Kind,  die  Absicht  des  an  die  Zukunft  hotfnungs- 
voll  denkenden  Vaters  nicht  kennend,  indess  ihm  sclion  unreife,  von  dem  Vater  nicht 
beigebrachte  Gedanken  kommen,  so  unrechte  Dinge  verübt,  sein  Leben  verfehlt,  so  ist 
dieses  ärger,  als  den  geschliffenen  Edelstein  in  den  Koth  werfen,  deii  künstlich  gepflegten 
Zweig  brechen.  Wenn  ich  jetzt,  wo  diese  Verderbniss  leicht  ist,  das  Gift  nicht  weg- 
schabe, wird  es  bald  zu  einer  Krankheit  des  Bauches  und  des  Herzens  werden.  Hier 
darf  ich  nicht  mit  Gleichgiltigkeit  zu  Werke  gehen.  Wollte  ich  auch  unter  solchen 
Umständen,  wegen  des  Grundes  drängend,  wegen  des  Unrechtes  zur  Rede  stellend, 
Nade-si-ko  kurzweg  fragen,  wie  würde  sie  die  Wahrheit  sagen?  Hier  muss  sie  die 
Weiber  zu  Vermittlerinnen  gemacht  haben.  —  So  überlegte  er  in  seinem  Inneren. 

Sinobi-sinobi-ni  kore-wo  toje-domo  \  mina  sirazu-  |  to  iü-ni  sen-su-be-nak/i,  \  mata  otona 
sagi-suke-ni  \  koto-no  omoinuki-ivo  kikoje-sirasi-te  \  omoi-atcastiru  koto  ari-ja-  \  to  toje-ba  |  sagi- 
suke  sibasi  kbbe-tco  katabuke  \  omoi-awasuru  koto  koso  \  tsika-goro  tonari-no  fu-rb-nin  \  ina-ki 
fo-zi-rb-ga  kai-fato-no  konata-je  nomi  kite  asari-sbrb-ga  \  joku  dzib-rb-ni  nare-tari-to  menoko- 
ra-ga  i-i-tsuru  koto-mo  sbraje-ba  |  kano  tori-no  tatsi-taru  ato-iii  |  sono  fumi-no  otsi-taru  koso 
kokoro-ioo  tsukic-beki  tokoro  nare.  Mosi  kano  fato-no  asi  nado-je  \  fumi-ioo  jui-tsukete  j  '['^ 
(zeö)-wo .  fakobasi  \  omoi-wo  kajoivasuru  \  naka-datsi-ni  se-si-ni-ioa  arazu-ja.  Mi-dzukara  ^ 
(sui)-si-tam,ai-ne. 

Er  fragte  ganz  im  Geheimen  diese  Weiber,  doch  alle  sagten,  dass  sie  es  nicht 
wissen.  In  seiner  liäthlosigkeit  theilte  er  auch  dem  Aeltesten  der  Knechte,  Sagi-suke, 
die  Sache  mit  und  fragte  ihn,  ob  man  es  sich  erklären  könne.  Sagi-suke  neigte  eine 
Zeitlang  das  Haupt  seitwärts  und  sagte  dann:  Es  lässt  sich  erklären.  Seit  einiger  Zeit 
kommt  die  Taube,  welche  der  Nachbar,  der  unbeschäftigte  Mensch  Ina-ki  Fo-zi-i'ö  sich 
hält,  nur  hierher  und  sucht  Nahrung.  Die  Weiber  sagen  auch,  dass  sie  sich  gut  an  die 
hohe  Tochter  gewöhnt  hat.  Dass  der  Brief  niederfiel,  nachdem  diese  Taube  aufgeflogen 
war,  ist  bemerkenswerth.  Sollte  man  nicht  an  den  Fuss  dieser  Taube  einen  Brief 
♦gebunden  und  sie  zu  einer  Vermittlerin,  welche  die  Empfindungen  herumträgt  und  die 
Gedanken  in  Verkehr  setzt,  gemacht  haben?    Möget  Ihr  selbst  darüber  urtheilen. 

13* 


100 


Pfizmaieb. 


_t.  3^  Ziu-)-o  .liolier  Schalttag'  werden  die  Tüchter  der  höchsten  Würdenträger 
genannt. 

To  mame-dafsi-fe  sasajake-ba  toki-nusi  kilä-te  nfsi-iuiadzuki  '  nandzi-ga  §g  ^  (kan-tei) 
tar/u-be-karazu.  Kudan-no  tera-ko-ja  fo-zi-ru-wa  \  |i{  )^  (sijnasijo)-ico  sadaka-ni  kiki-mo 
sirane-do  \  inaka-ni-ioa  koto-sara-ni  \  kira-kirasi-ki  ivotoko  nari.  Saware  ima  nade-si-ko-ni  \ 
semari-te  omoi-taje-jo-to  iwa-ba  I  u-akaki  mono-no  narai  nari.  Kajette  oja-no  nageki-nxi  masu  \ 
jo-karami  ivaza-wo-ja  si-idasu-beki  \  kore-mo  mata  kokoro-moto-nasi.  Tada  nikumu-beki  mono-wa 
fato  nari.  Kare  misoka-u-n-ni-ica  \  imada  aivazu-to  obosi-ki-ni  \  kudan-no  fato  dani  tiUi- 
korosa-ba  \  fwni-no  kajoi-dzi  naka-taje-nan.  Kaku-te  ivaga  ije-no  \  joru-no  mamori-ivo  kataku 
se-ba  I  nade-si-ko  ika-ni  omo-to-mo  \  katarai-joru  koto  kanh-be-karazu.  Uwa-ki-dotsi-no  koi 
nare-ba  \  towo-zakaru  mmna  vtoku  nari-te  \  ware-kara  aku-ma-wo  faraican-ka.  Ware  mata 
kiü-ni  muko-iuo  jerami-te  \  kon-jen-wo  sadamu-besi.  Nandzi  joku  kokorojete  ]  ka^io  fato-ico 
utsi-korose  \  jume  nade-si-ko-ni  na-sirasi-so. 

So  flüsterte  er  mit  Lebhaftigkeit.  Toki-nusi,  als  er  dieses  hörte,  nickte  zustimmend 
und  sagte:  Dein  Urtheil  kann  nicht  fehlgehen.  Dieser  Schulmeister  Fo-zi-ro,  obgleich 
man  mit  Gewissheit  nicht  erfahren  hat,  woher  er  kommt,  ist  auf  dem  Lande  ein  mit 
glänzenden  Eigenschaften  ganz  besonders  ausgestatteter  Mann.  Wenn  er  jetzt,  von 
Nade-si-ko  bedrängt,  sagt,  sie  möge  es 'sich  aus  den  Gedanken  schlagen,  so  ist  dieses 
bei  jungen  Menschen  so  Sitte.  Dass  man  aber  eine,  das  Leid  des  Vaters  vermehrende, 
unlöbliche  Sache  verüben  kann,  dieses  ist  auch  unbesonnen.  Aber  der  hassenswerthe 
Gegenstand  ist  die  Taube.  Es  hat  den  Anschein,  dass  man  mit  dem  heimlichen  Geliebten 
nuch  nicht  zusammengetroffen  ist.  Wenn  man  diese  Taube  nur  tödtet,  wird  der  Weg 
des  brieflichen  A^erkehres  abgeschnitten  sein.  Wenn  ich  somit  die  nächtliche  Bewachung 
meines  Hauses  streng  durchführe,  so  mag  Nade-si-ko,  wie  es  auch  sei,  an  ihn  denken, 
es  kann  sich  nicht  treffen,  dass  sie  mit  ihm  spricht.  Da  es  von  beiden  Seiten  eine 
leichtfertige  Liebe  ist,  wird  man  wohl,  weit  getrennt  und  entfremdet,  von  selbst  den 
bösen  Dämon  bannen.  Ferner  werde  ich  schleunig  einen  Eidam  wählen  und  die  Ver- 
mäluno-  beschliessen.  Verstehe  es  gut  und  tödte  diese  Taube,  aber  mache  es  bei  Leibe 
Xade-si-ko  nicht  zu  wissen. 

To  ßsomeke-ba  \  sngi-suke-ioa  unadzuku  nomi.  ^  ^  (Sijä-ziii)  simesi-awasuru-ivo  | 
nade-si-ko-ioa  jiikuri-naku  j  kara-kami-gosi-ni  tatsi-kiki-te  \  katsu  odoroki  katsu  nageki  \  tama- 
tama  kimi-ga  kajesi  ari-si-ivo  \  tete-go-no  iäme-ni  firawarete  \  koi-no  seki-viori  sujerare-si 
M.  tö:  fsiikM-se)  ika-naru  ^  %  (aku-fd)-zo  \  sika  nomi  narazu  tvaga  tame-ni  \  naka-datsi- 
si-taru  kano  tori-wo  \  mata  wäre  ju-e-ni  korosasi-te-wa  \  sono  ^  (on)-ico  uke-nagara  \  tstd-ni 
ata  mote  mukü  nari.  Ko-ica  ika-ni  sen-  \  to  bakari-ni  \  urei-modajete  tsuku-dzuku  iki-mo  \ 
namida-no  ame-no  joko-sibuki  \  ivaga  m.i-no  uje-ni  kakare-domo  \  fukaki  urami-wo  ßto-dzufe 
narade  \  iü  josi-mo  namazi-i-ni  |  fazime  matsi-taru  tori-ivo  mata  \  konata-je  ki-na-  \  to  fita- 
snra-ni  \  inorit  makoto-no  kai-naku-te  \  tsugu-no  fi-mo  kano  fato-no  \  sen-zai-ni  ki-ni-kere-ba  | 
saqi-suke  fajakn-mo  kore-too  mite  \  tana-moto  tsikaku  josen  tote  \  niiva-je-iva  amofa  mame-wo 
tdrasi-te  \  magaki-no  kage-ni  kakurete  icori. 

So  sagte  er  heimlicli,  und  Sagi-suke  nickte  nui'.  Nade-si-ko,  welche  die  gegen- 
seitigen Kundgebungen  des  Gebieters  und  des  Dieners  zufällig  durch  die  Papierwand 
hörte,  war  bald  erschrocken,  bald  seufzte  sie.  Wälirend  zur  Zeit  eine  Entgegnung  des 
Geliebten  ankam,  wurde  diese  für  den  Vater  aufgelesen  und  ein  Gränzwäcliter  der  Liebe 
aufgestellt.   Welch'  eine  schlechte  Vergeltung  des  früheren  Lebens !    Dieses  war  es  nicht 


Der  Nebel  der  Klage.  101 

allein.  AVenn  sie  jene  Taube,  welche  für  sie  der  Vermittler  gewesen,  noch  tödten  Hess, 
so  würde  sie  die  Wohltbat,  welche  sie  empfangen,  zuletzt  durcli  Feindschaft  vergelten. 
Nicht  wissend,  was  sie  dabei  thun  solle,  leidvoll  und  traurig,  indess  ihre  Seufzer  und 
der  Regen  der  Thränen  sich  durchkreuzten,  lastete  es  auf  ihr,  jedoch  den  tiefen  Groll 
nicht  gegen  die  Menschen  aussprechend,  betete  sie  im  Gegentheil  inbrünstig,  dass  der 
Vogel,  den  sie  anfänglich  erwartete,  nicht  mehr  hierher  kommen  möge.  Dieses  war  in 
"Wahrheit  nutzlos,  und  den  nächsten  Tag  kam  diese  Taube  in  den  Vorgarten.  Sagi-suke 
erblickte  sie  schnell,  und  damit  sie  seiner  Hand  nahe  komme,  streute  er  in  den  Vor- 
hof viele  Bohnen  und  verbarg  sich  in  dem  Schatten  des  Zaunes. 

Sibuka  soll  den  Sinn  von  sikii'i-fuku  , heftig  blasen'  haben.  Man  sagt  kaze  sibuku 
,der  Wind  weht  heftig'. 

Sare-domo  fato-ica  jeda-ioo  fanarezu.  Fito  Ä|  jCi*  (mu-sin)  narii,  toki-wa  |  tori  ke-mono-mo 
joku  narete  |  tsiiju-bakari-mo  kore-xvo  osorezu.  Mosi  ^  >\j>  (gai-sin)  aru  toki-wa  |  sono 
ke-siki-iüo  mite  tsikadzukazu.  ^  -^  (Sö-ziJ-ga  iioajuru  kamome-no  tatoje  \  kaku  ari-ken- 
to-mo  sirazari-si  \  sagi-suke-wa  yj^  ^  0  (ko-fan-nitsi)  |  magaki-no  kage-ni  i-sukumi-te  { 
sibire-kirasi-te  \  o-oki-ni  ^  (ken)-zi  \  jaivora  mi-ioo  okosi-te  asi-ivo  fiki-zuri  |  uisi-ni  iri-te 
aruzi-ni  tsugure-ba  |  toki-niisi  sawagu  ke-siki-mo  nakii  \  ide-ja  iDare  \  utsi-otosan-  |  to  i-i-kakete  \ 
ßdzi-tsika-nari-keru  \  siizuri-bako-wo  \  wotsi-kotsi-to  kaki-saguri  |  ko-ioa  kukkib-no  mono  koso 
are-  \  to  fö-jemi-site  \  ^  ^  (bun-tsin)-meki-taru  kana-kusi-ivo  |  sode-no  utsi-ni  kakusi-motsi  j 
sagi-suke-wo-ba  ^  (jon)-ni  tata.n-te  |  fisoka-ni  niwa-je  ide-tari-keru  |  iiade-si-ko-tva  fazime- 
jori  I  koto-no  jb-wo  siri-te-kere-ba  \  to-gaja-no  ^  (jenj-'ui  siri-wo  kakete  |  kokoro-gurusi-kio 
omu  nomi.  Takaki  ko-zu-e-ni  ivoru-  fato-ico  \  oi-jaran  su-be-mu  naku  |  sarc-ba  tote  akara- 
sama-ni  |  ßto-ni-ica  tmgu-ru  josi-mo  aranu-ni  \  toku.  nige-jo  kasi-  \  to  tatsi-tsu  i-tsu.  Iku- 
tahi-ka  te-wo  agete  |  icosijure-domo  tobi-mo  sezu.  Mata  ^  (e)-ivo  mite-mo  zvori-mo 
kozu.  Ana-kokoro-u-  \  to  maju  iitsi-ßsome  \  todokanu  omoi-no  todoku-ja-  \  to  kami-ni  fotokc-ni 
ki-nen-si-tsu. 

Die  Taube  trennte  sich  indessen  nicht  von  dem  Zweige.  Wenn  der  Mensch  nichts 
im  Sinne  hat,  so  fürchten  ihn  die  Vögel  und  vierfüssigen  Thiere,  die  gut  an  ihn  gewöhnt 
sind,  nicht  im  geringsten.  Hat  er  aber  etwas  Böses  im  Sinne,  so  kommen  sie,  wenn  sie 
seine  Miene  sehen,  ihm  nicht  nahe.  Sagi-suke,  der  nicht  wusste,  dass  es  sich  mit  dem 
von  Tschuang-tse  gebrachten  Gleichnisse  von  der  Möve  so  verhalten  haben  wird,  einen 
kleinen  halben  Tag  in  dem  Schatten  des  Zaunes  zusammengeschrumpft  sitzend,  war 
gelähmt  und  in  hohem  Grade  ermüdet.  Leise  sich  erhebend,  zog  und  rieb  er  die  Füsse, 
ging  in  das  Haus  und  sagte  es  dem  Gebieter.  Toki-nusi,  ohne  sich  ungehalten  zu  zeigen, 
sao'te :  Wohlan !  Ich  werde  sie  fallen  machen.  —  Mit  diesen  Worten  durchsuchte  er  das 
nahe  an  seinem  Arnie  betindliche  Tintensteinkästchen  hier  und  dort  und  sagte  dann 
lächelnd :  Dieses  mae-  eine  vortreffliche  Sache  sein.  —  Er  verbarg  ein  eisernes  Stäbchen, 
das  wie  ein  Schriftenbesehwerer  aussah,  in  seinem  Aermel  und  hiess  Sagi-suke  sich  vor 
das  Vorhaus  stellen.  Nade-si-ko,  welche  heimlich  in  den  Vorhof  herausgekommen  war, 
wusste  von  Anfang  an.  was  es  gebe.  Sie  setzte  sich  in  das  mit  einem  äusseren  Netz- 
vorhange versehene  Vorhaus  und  hatte  nur  schmerzliche  Gedanken.  Nicht  wissend,  wie 
sie  die  auf  dem  hohen  Wipfel  sitzende  Taube  vertreiben  solle,  zugleich  ohne  ein  Mittel, 
es  offen  den  Menschen  zu  sagen,  bald  aufstehend,  bald  ruhig  sitzend,  dachte  sie  sich: 
O  dass  sie  doch  entfliehen  möchte !  —  Sie  erhob  wohl  mehrmals  die  Hand  und  bedeutete 
es  ihr,  jedoch   sie  entflog  nicht.    Sie  kam  auch  nicht,  wenn  sie  das  Futter  sali.    Aeusserst 


2Q2  Pfizmaieu. 

traurig,  runzelte  sie  die  Brauen,  und  in  dei-  Meinung,  das.s  der  nicht  erfüllte  AVunsch 
vielleicht  erfüllt  werde,  betete  sie  zu  den  Gütteru  und  zu   Inuldlui. 

Ko-:ii-e-ico  nagamate  i-tari-keru-nl  |  tsitsi-no  foki-nasi-(/a  ßsojaka-ni  \  scn-zai-ni  tatsi- 
idcte  I  siba-siba  ko-zu-e-ico  uisi-aicogi  \  ko-no  moto-tsikaku  nerai-jora-wo  \  sirade-ja  tori-iva 
tobi-mo  sezio.  Nads-si-ko  faruka-ni  kore-wo  mite  \  awa-ja-  \  to  bakari  utsi-sawagu.  Kokoro 
kasiko-7ii  \  nu-ira  koko-ni  \  arl-to  arahuru  kami  fotoke  \  tasnke-tamaje-  \  to  te-tco  aivasi  | 
•7^  0^  (kuu-mio)  ^  ^  (sin-gon)  -\'  ~)j  (zi]jp6)  se-kai  \  nen-butsu  ^  ^  (.siju-zedj-  |  to 
tonaje-mo  fate-nu-ni  \  fato-wa  tatsi-matsi  jeda-ivo  fanarete  |  ina-ki-ga  kata-je  tobi-juku-wo 
tuki-uusi-iva  oi-sama-ni  \  ~y  (tsio)-to  utiaru  siju-ren-no  siju-ri-ken  \  ^  (fa)-tsuki-no  fone-wo 
utsi-nnkare  \  tama-giru  ko-e-to  moro-tomo-nl  \  otsin-to  se-si-ga  jbjaku-ni  \  kaze-wo  tsikara-ni 
tabu  tori-no  \  tsiibasa-to  tomo-ni  siwore-tm^u  |  simo-no  nade-si-ko  ko-e  karete  |  are-jo-  |  to  takaku 
sakebare-nu.  OJa-ni-tca  itodo  fabakari-no  \  [^  (seki)-ni  magirasii  mune-gurim-sa-wo  \  siri- 
me-ni  kakaru  sagi-suke-ga  \  kokofsi-jo-ge-ni  ^  (Jen)  fumi-narasi-te  \  jaja-to  foimiru-mo  tmra- 
lükuki  i  koi-ni-iva  tori-ivo  uramu-to  ije-do  \  kono  kinu-ginu-ira  mada  sirade  \  tori-ni  wakaruru 
luono-omoi  |  kore-mo  nogarenu  in-gua-to-ica  |  omowanu  oja-to  omoi-go-no  \  majoi-wa  idzure 
fuka-midorl  |  )iami-ki-nu  matsu-ni  fedaterare  \fatO'no  jnku-Je-wa  mijezu  iiari-nu. 

Indess  sie  nach  dem  AVipfel  des  Ba^iinies  blickte,  trat  ihr  Yater  Toki-nusi  heimlich 
in  den  Vorgarten  liinaus  und  blickte  häufig  zu  dem  Wipfel  empor.  Der  Vogel,  vielleicht 
nicht  wissend,  dass  man  nahe  an  dem  Stamme  des  Baumes  spähe,  entflog  auch  nicht. 
Xade-si-ko,  welche  dieses  von  ferne  sah,  bekundete  durch  einen  Ausruf  der  Angst  ihre 
Erreii"uno-.    Ihi- Geist  war  dort,  ihr  Leib  hier.    Grausame  Götter.  Buddha  helfet!  Hiermit 

CO  ' 

legte  sie  die  Hände  zusammen  und  sagte  die  Worte :  ,AVahre  Worte  des  glänzenden 
Lichtes,  irdische  Welt  der  zehn  Gegenden,  alle  Gebornen,  die  an  Buddha  denken'. 
Nachdem  sie  dieses  ausgesprochen,  trennte  sich  die  Taube  plötzlich  von  dem  Zweige 
und  flog  in  der  Richtung  des  Hauses  des  Geschlechtes  Ina-ki  fort.  Es  wurde  ihr  von 
dem  künstlichen  AYurfschwerte,  welches  Toki-nusi  im  Nachsetzen  warf,  der  Knochen 
der  Flügelwurzel  eingebohrt.  Sie  wollte  unter  herzzevreissendem  Geschrei  gänzlich  zu 
Boden  fallen.  Zugleich  mit  den  ScliAvingen  des  kaum  durch  die  Kraft  des  ^^'indes 
fliegenden  Vogels  erschlaft't,  machte  die  bereifte  Nelke  (Nade-si-ko)  mit  heiserer  Stimme 
einen  lauten  Aufschrei.  Bei  dem  Schmerze  in  ihrer  Brust,  den  sie  vor  ihrem  Vater 
durch  äusserst  schüchternes  Husten  übertäubte,  machte  der  schelblickende  Sagi-suke 
wohlgemuth  von  seinen  Tritten  das  Vorhaus  ertönen  und  war  durch  seine  Lobsprüche 
sehr  widerlich.  In  ihrer  Liebe  zürnte  sie  über  den  Vogel,  doch  sie  kannte  noch  nicht 
die  Folgen  imd  war  bekümmert,  dass  sie  von  dem  Vogel  getrennt  war.  Von  Seite  des 
Vaters  und  des  erbetenen  Kindes,  welche  nicht  bedachten,  dass  auch  dieses  die  Strafe 
sei,  der  man  nicht  entkoinmt.  war  es  ein  Irrthimi.  Durch  dunkelgrüne,  in  Reihen  stehende 
Fichten  geschieden,  konnte  man  jedenfalls  nicht  sehen,  wohin  die  Taube  geflogen. 

Kinu-ginu  ,Kleider'  bedeutet,  dass  man  das  Festkleid  auszieht,  das  eigene  Kleid 
anzieht  und  sich  trennt.  Nach  einer  Erklärung  ist  es  die  Trennung  bei  Tagesanbruch. 
Man  sagt  ono-ga  kinu-ginu  ,die  eigenen  Kleidei-',  kinu-ginn-no  icakare  ,die  Trennung  der 
Kleider'. 


Der  Nebel  der  Klage.  103 


Der  Wald  der  Klage.     Zweiter  Theil. 


Sate-mo  inu-ki  fo-zi-ro-ica  \  omoicanu  icofome-ni  omowarete  \  oniö  koto  mata  naki-ui 
arane-ba  \  tatan  ukl-na-no  ito  tco.'::i-kii  |  ml-so-ßto-mo-zi-ni  kotoicari-te  I  mata  kano  fato-no  asi-ui 
tsuke  I  ohotsuka-naku-mo  tsukaiuase-si-ga  \  snsuga-ni  sono  koto  kokoro-ni  kakare-do  |  ika-ni 
se-si-to-mo  to-ni  josi-naku  \  tsitgv-no  fi-mo  tera-ko-ra-ivo  kajesi-fatete  \  fitori  fasi-tsikb  idete  | 
to-no  kata  nagamete  i-tari-keru-nl  \  tatximatsi  mono-no  oivare-si  gotoku  \  fato-ica  massikura-ni 
tohi-kajeri-te  \  ivori-do-no  konata-je  fata-to  otsi-tari.  Waga  tori-ni-iva  arazii-ja  \  -to  omoje-ba 
jagate  yj^  ^  (boku-ri)  ßki-kake  \  isogaivasi-k/i  fasiri-jori-te  \  jawora  fiki-tatete  mirn-ni  | 
aioaremtL-besi  ivotoko-jama-ioa  \fidari-no  kata-naru  fa-tsuki-no  fone-wo  |  siju-ri-ken-ni  utsi-nukare  \ 
fan-sin  tsi-shco-ni  mamire-tsiUsu  \  iki-ioa  taje-tari.  Kakaru  fiika-de-ioo  oi-nagara  \  waga  ije-to 
si-mo  omoje-ba  koso  j  karh-zite  kajeri-kite  |  3g  (sijü)-no  mana-saki-ni  si-si-taru  nare  |  tori 
siira  muto-wo  wasurenii  kana.  Mosi  kano  kajesi-wo  fito-ni  torare  |  seö-zi-ga  nu-fi-ra-ni  nikumare- 
taru-ka.    Mu-zin-ni  ntsi-mo  utsi-tarl-si  |  itamasi-ki  koto  site-kerl. 

Ina-ki  Fo-zi-rö,  als  ein  Mädciieu,  an  das  er  nicht  dachte,  auf  ihn  die  Gedanken 
richtete  und  es  nicht  der  Fall  \var,  dass  er  weiter  keine  Gedanken  hatte,  war  sehr 
besorgt,  dass  er  sich  einen  scldechten  Namen  machen  werde  und  lehnte  mit  ein  und 
drelssig  Schriftzeichen  ab.  Es  ging  ihm  in  Wahrheit  auch  zu  Herzen,  dass  er  an  den 
Fuss  jener  Taube  etwas  geheftet  und  sie  aufs  Gerathewohl  ausgesandt  hatte,  doch  wie 
immer  er  es  anstellen  mochte,  er  hatte  kein  Alittel,  sich  zu  erkundigen.  Am  nächsten 
Tage,  als  er  alle  seine  Schtüer  nach  Hause  geschickt  hatte,  trat  er  allein  nahe  dem 
äussersten  Rande  hinaus  und  blickte  nach  auswärts  in  die  Ferne,  als  plötzlich,  als  ob 
sie  verfolgt  wi'irde,  eine  Taube  blindlings  zurückflog  und  jeaseits  der  Flügelthüre  zu 
Boden  fiel.  Er  dachte  sich:  Ist  dieses  nicht  mein  Vogel?  —  I>ie  Holzschuhe  anziehend, 
lief  er  eilig  hin,  stellte  ihn  sanft  aufrecht  und  sah  ihn  an.  ü  Leid !  es  war  Wotoko- 
jama.  Der  Knochen  seines  linken  Flügels  war  durch  ein  Wurfschwert  ausgerissen,  der 
halbe  Leib  mit  Blut  befleckt  und  das  Leben  erloschen.  Bei  einer  so  schweren  Wunde, 
mit  dem  Gedanken,  dass  es  das  eigene  Haus  ist,  wird  sie  kummervoll  zurückgekommen 
und  vor  den  Augen  des  Gebieters  gestorben  sein.  Selbst  der  Vogel  vergisst  nicht  seine 
Heimath!  Ist  vielleicht  die  Antwort  von  den  Leuten  aufgefangen  worden  und  er  dem 
Gesinde  Seo-zi's  verhasst  gewesen  ?  Es  ist  ein  schmerzliches  Ereigniss,  dass  er  ohne 
Grund  erschlagen  wurde. 

Mi-so-fito-mo-zi  ,ein  und  dreissig  Schriftzeichen'  ist  ein  aus  ein  und  dreissig  Sylben 
bestehendes  Gedicht.    Ein  solches  hatte  Fo-zi-ro  seinem  Schreiben  beigeschlossen. 

To  omoi-amari-te  tan-suku-si  j  sono  siju-ri-ken-wo  niiki-tori-te  \  )iuri  osi-nvgul  \  iitsi-kajesi  \ 
utsi-kajesi-tsiitsv,  iku-tabi-ka  \  mire-ba  tosi-goro  tadzunioru  kh-gai  \  sore-ka  \  aranu-ka-  \  to 
bakari-ni  \  mamori-fukuro-ni  fime-oki-si  \  e-dzu  isogawasi-ku  fori-idasi-te  \  kare-to  kore-to-nl 
fiki-awasi  \  ßki-atvasi-te-iva  \  tori-ta-ga  ja-siki-no  \  mori-ico  farvka-ni  mi-kajeri-tstitsio  j  arui-wa 
ikari  |  arui-iva  jorokobi  \  sibasi  ^  j^  (ten-tsi)-tco  orogami-te  '  mata  kano  munasi-ki  fato-wn 
ßki-tate  \  inisi-je  ame-waka-fiku-to  kikoje-.n  kami  \  asi-icara-no  naka-tsn  kunl-ni  sumai-site  | 
sita-teru-fime-no  iro-ni  me-de  |  fisasi-ku  kajeri  kozari-si-ka-ha  \  taka-musnbi-no  kami  ibnkari- 
tamai-te  |  na-nasi-kizi-ico  tsukawasi-te  \  koto  mi-sasi-tanw  fodo-ni  kizi-wa  tobi-juki  tobi-kudari-te 
ame-waka-fiko-no  kado-be-naru  |  ju-tsu-no  katsnra-ni  ivori-si-ka-ba  \  ame-ivaka-fiko  kore-ivo 
mite  I  taka-musubi-no    mikoto-jori    tamawarl-taru  \  arne-no    ka-ko-jnini-ni  \  anic-no    fa-bu-ja-v:o 


JQ4  Pfizmaiek. 

iitsi-tsugai  \  ite  kano  kizi-ico  koro.^e-si-nt  \  sono  ja  kizi-no  mune-wo  towotte  \  taka-musiobi-no 
on-maje-ni  tobi-juki-tsu.  \  Mikoto  köre- wo  mi-sonaivasi-te  |  so)io  ja-wo  kajesi-nage-tamaje-ha  | 
ame-icaka-fiko-no  muua-saki-ni  \  fa-bukura  semete  tattari-keru.  Köre  kajesi-ja-no  moto  nari- 
to-zo.  Kami-jo-no  koto-wo  ima  kuko-ni  \  omoi-awasuru-wa  kasiko-kere-do  \  kono  ko-gai-wa 
tsitsi-no  kata-mi  \  inata  kono  fato-wa  tvaga  tame-ni  |  na-nasi-kizi-nite  ari-keru  nari.  Kaku-to 
sirane-do  kono  tori-wo  |  icotoko-jama-to  nadzuke-site-zo  \  masa-ni  korc  fatsi-man-  ^  (gu)-no  j 
^  3^  bu-un-iL'o  mamorase-tamb  nare.  ^  ^  (Ten-mei)  koko-ni  munasi-karade  \  tsitsi-no 
j^  ^  (icö-sij-tva  ziü-kn-ka-nen-no  \  mukasi-wo  ima-ni  kuri-kajesu  \  masa-ki-no  kadznra  ito 
nagaki  j  tirami-tvo  mukiacan  jorokobasi-ja  \  tsitsi-no  ata  taru  tori-ta-no  toki-nusi  \  ide  kubi 
toite   ^    ^    (son-rel)-ni  \  sonajen  mono. 

Bei  diesen  Gedanken  seufzend,  zog  er  das  Wurfschwert  heraus  und  wischte  das 
anklebende  Blut  ab.  Indem  er  es  umdrehte  und  wieder  umdrehte,  betrachtete  er  es 
mehrmals.  Es  schien  die  gespaltene  Haarnadel  zu  sein,  die  er  seit  Jahren  suchte.  Er 
nahm  die  Zeichnung,  die  er  in  dem  Zaubersacke  heimlich  niedergelegt  hatte,  in  Eile 
heraus  und  hielt  beides  zusammen.  Als  er  es  zusammengehalten  hatte,  warf  er  einen 
Blick  auf  die  ferne  Baumgruppe  auf  dem  Hausgrunde  Tori-ta's.  Bald  erzürnt,  bald  sich 
freuend,  verehrte  er  alsbald  Himmel  und  Erde.  Zugleich  stellte  er  diese  todte  Taube 
auf  und  sagte:  Einst  weilte  ein  Gott  Namens  Ame-waka-fiko  in  dem  Reiche  zwischen 
den  Schilfebenen  und  kam,  von  der  Schönheit  Sita-teru-iime's  eingenommen,  lange  Zeit 
nicht  zurück.  Der  Gott  Taka-musubi  verwunderte  sich  darüber.  Er  entsandte  den 
namenlosen  Fasan  und  hiess  Um  nachsehen.  Der  Fasan  entfliegend,  flog  herab  und  sass 
auf  dem  fünfhundertfachen  Zimmtbaume  vor  dem  Thore  Ame-waka-fiko's.  Als  Ame- 
waka-fiko  ihn  sah,  legte  er  auf  den  von  dem  geehrten  Taka-musubi  zum  Geschenke 
erhaltenen  Bogen  des  Hirschkalbes  des  Himmels  den  Pfeil  der  Flügelfedern  des  Himmels, 
schoss  und  tödtete  diesen  Fasan.  Der  Pfeil  drang  durch  die  Brust  des  Fasans  und  flog 
zu  Taka-musubi  hin.  Der  Geehrte  sah  dieses  und  warf  den  Pfeil  zurück.  Dieser  blieb 
in  der  Brust  Ame-waka-fiko's,  die  Flügeltiefe  drängend,  stecken.  Dieses  ist  der  Grund 
des  Wortes:  ein  zurückgeworfener  Pfeil.  Ich  scheue  mich  zwar,  das  Ereigniss  des  Götter- 
zeitalters jetzt  hier  in  Gedanken  zusammenzubringen,  jedoch  diese  Haarnadel  ist  das 
Bild  des  Vaters,  und  diese  Taube  ist  für  mich  der  namenlose  J'asan  geworden.  Nicht 
wissend,  dass  es  sich  so  verhält,  gab  ich  diesem  Vogel  den  Namen  Wotoko-jama.  Dieses 
mag  gerade  so  viel  sein,  als  dass  der  Tempel  Fatsi-man  das  Kriegsloos  bewahrt.  Das 
Loos  des  Himmels  ist  hier  nicht  vergeblich.  Der  Vater  starb  eines  gewaltsamen  Todes 
vor  neunzehn  Jahren.  Es  ist  vielleicht  die  Freude  darüber,  dass  ich  den  die  Vergan- 
genheit zu  der  Gegenwart  zurückwendenden,  gleich  der  glticklichen  Schlingpflanze  sehr 
langen  Eachedurst  stillen  werde.  Wohlan!  ich  werde  das  Haupt  Tori-ta-no  Toki-nusi's, 
welcher  der  Feind  des   Vaters  ist,  nehmen  und  es  dem  geehrten  Geiste  darreichen. 

Orogami  steht  für  ogami  , verehren'. 

Wotoko-jaina  heisst  der  Berg  in  Jama-siro,  wo  sich  der  Tempel  des  Gottes  Fatsi- 
man  befindet. 

To  isami-tatsu.  Tosi-yno  waka-kl-wi  fana-no  ani  \  faru  naranaku-ni  saki-kakete  \  ato- 
je-wa  ßknnu  ^  %,  (ga-ki)-fone-no  \  seo-zi-wo  fata-to  osi-akete  |  a-ziro  fotsure-si  furu- 
tsudzuva-mo  \  fito-me-ioo  tsutsumu  gu-soku-fitsu  \  futa  tori-nokete  fiki-idasu.  J6-i-no  fara-maki  \ 
mi-karukn  ide-tatsi  \  tatsi-ni  no-datsi-wo  faki-sojete  \  tatsi-nagara  mnsubn  mu-sija  tvara-zi  \ 
nhca-je  firari-to  tobi-icori-te  \  nisi-ico  sasi-te-zo  fase-jnki-keru. 


Der  Nebel  der  Klage.  105 

Mit  diesen  Worten  erhob  er  sich  nmthig.  Er  öffnete  das  Schubfenster  der  Knochen 
der,  indess  der  ältere  Bruder  der  Blüthen  der  von  Jahren  jungen  Bäume,  der  Frühling 
nicht  ist,  vorwärts  dringenden,  nicht  nach  rückwärts  weichenden  hungerigen  Dämonen, 
nahm  den  Deckel  von  dem  alten,  von  Flechtwerk  abgenützten  Koffer  und  dem  das  Auge 
der  Menschen  einhüllenden  ßüstungskasten.  In  den  bequemen  Bauclipanzer,  den  er 
herauszog,  leicht  gekleidet,  zu  dem  Schwerte  das  Feldschwert  fügend,  in  den  stehend 
gebundenen  Strohschuhen  des  Kriegers,  flog  er  liurtig  zu  dem  Vorhofe  lierab  und  lief 
in  -^vestlicher  Richtung  fort. 

Kakari-d  fodo-ni  toki-misi-wa  \  niktisi-to  omu  rna-ki-f/a  fata-io)  \  nerai-fadzrisade  utsi- 
fari-si-ga  \  siju-ri-ken-ti-o  oi-nagara  \  tori-no  tobi-sari-si-ico  j  nokori-wosi-kn  onioi-si-ka-ha  \  nawo 
■^  ^  (jen-kaicaj-ni  siri-ivo  kake  \  sagi-suke-ioo  mi-kajeri-tsutsu  \  kam  fatii  f^  ^  (ke-u)-ni 
tohi-saru-to  ije-domo  \  snde-ni  siju-ri-ken-ni  nuivare-tare-ha  |  ina-ki-ga  ije  Diade-iva  je-mo 
jukazi  I  tsui-dzi-no  soto  \  ta-fata-no  FJI  (tsiü)  nando-ni  otsi-taru  naru-hesi.  ütsi-tome-taru-tvo 
mi-fatene-ha  \  mono-taranu  kokotsi  koso  sure.  Nandzi  soko-ra  fito-megurl  \  tokit  miie  ki-jo 
kasi-  I  to  in-ni  sagi-suke-wa  fita-sura-ni  \  aruzi-no  siju-7-en-wo  ^  ^^  (seo-sanj-si  \  jo-no 
tsune-no  aki-bito  nara-ha  \  sorohan-no  tania-wa  fadzikan-ga  |  takaki  ko-zu-e-ni  ivoru  fato-wo 
fadzikn-heu-mo  sm^awazu.  Ntmo-tco  urasi-te  nariivai-to  si-tamai-nagara  \  nawo  ftita-kosi-wo 
mte-tamaivanu-wo  \  kokoro-je-gataku  shrai-si-ga  \  tada  ima-no  te-nami-wo  mite  \  mitkasi 
sjtawasi-ku  koso-  \  to  nagusamure-ba  toki-nusi-wa  kokoro-jo-ge-ni  jeini  kata-muke  \  sude-ni 
akn-ma-toa  faro-tari.  Toku-tokit  |  -to  isogase-ba  |  sagi-suke-ira  mo-no  suso  fi-wori-te  \  to-no 
kata-je  fase-juki-mt. 

Um  diese  Zeit  bedauerte  Toki-nusi,  als  er  die  ihm  verhasste  Taube  Ina-ki's,  bei 
seiner  Nachstellung  sie  nicht  fehlend,  getödtet  hatte,  dass  der  Vogel  mit  dem  Wurf- 
schwerte  auf  dem  Rücken  entflogen  war.  Noch  immer  an  der  Seite  des  Vorhauses 
sitzend,  blickte  er  auf  Sao-i-suke  und  sag-te :  Diese  Taube  ist  zwar  seltsamer  Weise  ent- 
flogen,  da  sie  aber  von  dem  Wurfschwerte  durchbohrt  ist,  kann  sie  nicht  bis  zu  dem 
Hause  Ina-ki's  gelangen.  Sie  wird  aussei'halb  der  Mauer,  auf  dem  Felde  oder  in  dem 
(jarten  niedergefallen  sein.  Wenn  ich  nicht  wirklich  sehe,  dass  ihr  der  Garaus  gemacht 
wurde,  werde  ich  ein  Gefühl  von  Unzufriedenheit  haben.  Möchtest  du  doch  dort  einmal 
herumgehen,  schnell  nachsehen  und  zurückkommen !  —  Sagi-suke  pries  höchlicli  die 
Geschicklichkeit  des  Gebieters,  indem  er  sagte :  Wäre  es  ein  gewöhnlicher  Kaufmann, 
er  wüz-de  einen  Stein  des  Rechenbretts  schnellen  und  die  auf  dem  hohen  Wipfel  sitzende 
Taube  nicht  schnellen  können.  Während  Euer  Geschäft  darin  besteht,  dass  Ihr  Tuch 
verkaufen  lasset,  konnte  man  sich  nicht  überzeugen,  dass  Ihr  die  zwei  Schwerter  nicht 
weggeworfen  habet.  Wenn  man  aber  das  jetzige  Kunststück  betrachtet,  ist  man  sehn- 
süchtig nach  der  Zeit  von  ehemals.  —  Bei  diesen  erfreuenden  Worten  lächelte  Toki-nusi 
gut  aufgelegt  und  sagte  eilig:  Der  böse  Dämon  ist  bereits  gebannt.  Schnell,  schnell!  — 
Sagi-suke    zog    den  Saum    des  Unterkleides    und   lief  in  der  Richtung   nach    aussen  fort. 

Fi-wori  steht  für    ^|    ^fx  fiki-ioori  , ziehend  brechen'. 

Kakaru  tokoro-ni  fo-zi-ro-iva  \  otonai-mo  sezu  toki-nusi-ga  \  se-do-jori  iri-te  niwa-gutsi 
naru  \  ko-datsi-no  fima-ni  mi-iüo  fisomasi  \  utsl-iw  jb-wo  ukagaje-ba  |  gama-go-za  siki-taru  | 
jen-gaica-no  motare-fasira-ni  \  mi-wo  jose-kake-tam  joko-gawo-ioa  \  kanete  mi-sireru  kono  ja-no 
aruzi  \  toki-nusi  nari-  \  to  mite-kere-ba  \  ikitvoi-takeku  fasiri-iri  \  tsitsi-no  ata  taru  seö-zi  toki- 
nusi  I  M  ^  (sato-mi)-no  ije-no  ko  \  ina-ki  '/p  ^  2pl  (dzi-bu-fci)-ga  tsiv-nan  \  fo-zi-rb-ico 
sireri-ja-  I  to  na-nori-mo  ajezu  tatst  müd-kazasi-te  kiran-to  suru-wo  j  toki-misi-iva  usiro-sama-ni  1 

Denkschriften  der  phil.-liist.  Cl.    XXVI.  Bd.  14 


lOCt  Pl'IZMAIElt. 

hgi-ioo  motte  uke-nagasi  \  ke-kaJcsH  seu-zi-ivo  tatc-ni  site  |  mata  utsu  tatsi-ico  sajegiri-tome  \ 
ku-wa  kokoro-mo  janu  \  tcare-n-o  sasi-te  \  tsitsi-no  afa-to-tva  ika-narv  ju-e-zo  \  y[  ^  (kua- 
siokn)-no  fito-to  mi-ivo-ha  )iasc-duviu  |  narvo  fida-kosl-wa  siitenu  toki-nusi  \  zi-gi-ni  jutte  nogare- 
cjataki  \  seu-ko  ara-ba  utare-mo  xeme  \  fito-tagaje-site  ko-kuai-su-na. 

Unterdessen  trat  Fo-zi-rb,  ohne  ein  Geräusch  zu  machen,  bei  dem  rückwärtigen 
Tliore  Toki-nusi's  ein,  verbarg  sicli  zwisclien  den  an  dem  Ausgange  des  Vorhofes 
befindlichen  Baumreihen  und  erspähte  die  Beschaffenheit  des  Inneren.  Er  sah,  dass  der 
an  eine  die  Seite  des  mit  Binsenmatten  belegten  Vorhauses  stützende  Säule  sich  lehnende 
Gebieter  dieses  Hauses,  den  er  früher  einmal  von  der  Seite  gesehen,  Toki-nusi  war. 
31it  rasender  Gewalt  hereinrennend,  rief  er:  Seo-zi  Toki-nusi,  Feind  meines  Vaters, 
kennst  du  Fo-zi-ro,  den  ältesten  Sohn  Ina-ki  I)zi-bu-fei's,  Hausdieners  von  Sato-mi?  — 
Hiermit  zog  er,  ohne  zu  warten,  bis  Jener  den  Namen  nannte,  das  Schwert,  hielt  es 
vor  sich  hin  und  wollte  einhauen.  Toki  Hess  rücklings  den  Fächer  aus  seiner  Hand 
los,  machte  das  mit  einem  Fusstritte  umgewendete  Schubfenster  zu  einem  Schilde,  ver- 
sperrte dem  nochmals  schlagenden  Schwerte  den  Weg  und  sagte:  Dieses  verstehe  ich 
nicht.  Aus  Avelchem  Grunde  bezeichnet  man  mich  als  den  Feind  des  Vaters?  Obgleich 
er  ein  wohlhabender  Mann  geworden  ist,  hat  Toki-nusi  die  zwei  Schwerter  nicht  weg- 
geworfen. Wenn  nach  Umständen  unwiderlegliche  Beweise  sind,  möge  ich  erschlagen 
werden.    Man  habe  nicht  die  ßeue,  indem  man  die  Menschen  verkennt. 

To  iirase-mo  ajezu  |  manako-wo  ikarasi  \  seu-ko-naku-te  kataki-to  iwan-ja.  Kono  kb-gai-ica 
lui-mo  icasurede  \  nandzi-ga  kokoro-ni  si.ru  josi  aran-ni  \  naga-mono-gatari-iva  mio-jaku-nt  ni- 
tarc-do  |  kaganbre-ha  fata-tose-ni  \  ßto-tose  taranu  ^  '|>^  (sikko)-no  urami  \  ten-bun  san-nen 
fatsi-gmvatsu  mi-ka  \  waga  tsitsi-nite  tvowase-si  fito  \  ^  ^  (siju-kun)-no  ose-uke-tamawari  \ 
kama-kura-no  kuan-rei-ke-je  \  kon-jen-no  koto  attc  \  ßki-de-viono-to  site  |  sato-mi-no  ^  ^ 
ftsiu-fo)  I  0-0-tsuki-kata-no  tatsi-ivo  mori-adzukari  \  teki-koku-je  sirare-zi  tote  \  tomo-bito-wo-ba 
Ho  jatstisi  \  kama-kura-je  omomuku  dö-tsiü  \  musasi-no-no  anata-naru  \  fagi-kubo-no  sato 
fadzure-nite  \  waga  ts'dsi  ^  ^  (sijü-zijü)  aje-naku-mo  |  tö-zoku-no  tame-ni  utare  \  o-o-tsuki- 
kata-nu  tatsi-tva  sara-nari  \  betsu-ni  fiki-de-mono-to  site  motarasi-taru  \  siju-kun-no  ^  -^ 
(jö-kin)  san-fiaku-rib-wo  itbai-toraru.  Kono  toki  isitd-ga  "i^  (gu)-si-taru  waka-tb  \  ^  ^[5 
(ziju-rb)-suke-to  iü  mono  fj\  ^  (^io-jö)  atte  j  ni-san-ri-ga  ßido  okurc-si-ka-ba  \  koto  fate-tari- 
keru  ato-je  fase-tsake  \  mimasi-ku  ^  (sijCiJ-no  si-gai-wo  mori-te  bö-siü-je  tatsi-kajeri  |  koto-no 
tei-taraku-ico  tsugnru-to  ije-dumo  |  kono  tosi  u-are-tca  fadzuka-ni  futa-tsn  \  ototn  y||  ^  ^[5 
(se-zi-rbj-iva  ib-zai-nite  \  fawa-no  tai-nai-ni  ari-si-ka-ba  \  ^itare-si  tsitsi-no  jume-no  ato-wo  \ 
jiome-to-mo  icakadc  notsi-ni  kiku  |  i-kon  jaru  kata-nasi-to  ije-domo  \  kataki-no  omo-kage  mi^ 
sirane-ba  \  mato-naki  jumi-wo  iru  gotosi. 

Ihn  nicht  ausreden  lassend ,  erwiederte  Jener  mit  zornigen  Blicken :  ,Werde  ich 
Jemanden  einen  Feind  iiennen,  ohne  Beweise  zu  haben?  Da  du  nicht  vergessen  haben 
wirst,  dass  du  diese  Haarnadel  gesehen  hast  und  da  sie  dir  bekannt  sein  wird,  so 
scheint  eine  lange  Erzählung  unnütz  zu  sein.  Doch  wenn  ich  nachrechne,  so  sind  es 
zwanzig  Jahre,  weniger  ein  Jahi-,  dass  ich  den  Schmerz  wegen  des  A^erlustes  des  Vaters 
habe.  Es  war  am  dritten  Tage  des  achten  Monats  des  dritten  Jahres  Ten-bun,  als  der- 
jenige, der  mein  Vater  gewesen,  von  dem  Vorgesetzten  und  Gebieter  einen  Auftrag 
erhielt.  Es  wurde  ihm  das  für  das  Haus  des  Statthalters  von  Kama-kura,  wo  eine  Ver- 
mäluno'  stattfand,  als  Geschenk  bestimmte  kostbare  Kleinod  von  Sato-mi,  das  Schwert  der 
grossen  Mondgestalt  anvertraut.    Damit  es  den  feindlichen  Eeichen  nicht  bekannt  werde. 


Der  Nebei,  der  Klage.  107 

beschränkte  man  sehr  die  Zahl  der  Begleiter.  Auf  dem  AVege  nach  Kama-kura  Avurde 
mein  Vater  sammt  seinen  Begleitern  an  dem  Ende  des  Dorfes  der  auf  der  anderen 
Seite  des  Feldes  von  Musasi  liegenden  Weiderichvertiefung  unglücklicher  Weise  von 
einem  Räuber  erschlagen.  Das  Schwert  der  grossen  Mondgestalt  und  nebstdem  das 
eingetriebene  Geld  des  Vorgesetzten  und  Gebieters,  dreihundert  Tael,  die  er  als  ein 
Geschenk  mit  sich  führte,  wurden  geraubt.  Um  die  Zeit  war  ein  dem  Vater  zugetheilter 
junger  Mann,  Namens  Ziju-ro-suke,  der  etwas  zu  thun  hatte,  zwei  bis  drei  Ri  weit  zurück- 
geblieben. Derselbe  lief  nach  verrichteter  Sache  herbei,  bewachte  allein  den  Leichnam 
des  Gebieters  und  kehrte  sogleich  nach  Bo-siü  zurück.  Man  erzählte  zwar  die  Umstände 
der  That,  docli  in  diesem  Jahre  war  ich  kaum  zwei  Jahre  alt,  mein  jüngerer  Bruder 
Se-zi-ro  befand  sich  in  diesem  Jahre  noch  in  dem  Mutterleibe.  Die  Spur  des  Traumes 
von  dem  erschlagenen  Vater  auch  nicht  im  Traume  untei'scheidend,  horte  ich  es  später. 
Den  Groll  konnte  ich  nicht  bannen,  doch  da  ich  das  Angesicht  des  Feindes  nicht 
gesehen  hatte  und  nicht  kannte,  war  es  so  viel  wie  ohne  Ziel  mit  dem  Bogen  schiessen.' 

Kaganbru  bedeutet  hier :  an  den  Fingern  zälilen.  In  den  alten  Büchern  findet  sich 
bloss  kaganafe  und  kaganafeie.  Das  Wort  hat,  wie  angegeben  wird,  den  Sinn  von  ^  ^ 
kagamt-naraberu  , krümmend  in  Reihen  legen'  und  bezeichnet,  dass  man  die  Finger 
krümmt  und  zählt.  Nach  einer  Erklärung  ist  es  ein  altes  Wort,  welches  für  ^  klijiafern. 
,untersuchen'   gesetzt  ist. 

Sikkn  ,die  Stütze  verlieren'  bedeutet:  den  Vater  verlieren. 

Jumi-ja-no  ije-ni  tsiikaje-sl  tsiUi-ica  |  dai-zi-no  tsukai-wo  uke-tamaicari  |  imada  kama- 
kura-je  je-mo  juknzu  |  sono  ini  u-b-si-site  |  o-o-tsuki-kata-to  san-fiaku-kin-ico  \  ubai-torare-si 
kofo  I  sono  toga  ito-mo  karo-karazii,.  Siju-kun-no  ke-siki  kurauri-te  \  fi/f  ^  (sio-tai)  koto-goto 
i^  ^X  (inossrju)-serare  \  jakara-wo  xE  ^  (tsui-f6)-serare-si-ka-ha  .  nageki-no  uje-ni  nageki-tro 
mase-si  \  fawa-no  vi)}  ^  (ku-r6)-(ra  koto-no  fa-ni  \  toki-tsnku-saren?i,  — •  ^  fikkej-no  y%  ^ 
(tsin-7'aku)  \  kakaru  zi-setsu-ni  ototo-ga  {ij  ^  (sijibsseö)  \  kasu-keki.  jukari-ioo  motomete-ioa  { 
koko-ni  fan-nen  \  kasiko-ni  itsi-nen  \  nagare-ivatari-ni  sumi-fate-nu .  üja-ko  ini-tari-ga  namida- 
gawa  \  terasanu  tsuki-fi-mo  tatx?!,  kofo  fajaku  \  icare-ica  /V  ^  (fassai)  \  ototo  nana-tsu  \ 
Tj  "^  (^^~fi0'9^  "fc  Ifil  (sitsi-kuai)  ^^  0  (ki-nitsi)-no  ^  ^  O'^'^'-jc)  I  fazimcte  fawa-no 
mono-gatari-ni  |  tsitsi-ga  ich-si-no  ari-sarna-wo  \  kiki-tarii  toki-no  kutsi-ioosi-sa  |  kataki  ari-to-wa 
siri-nagara  \  kawo-mo  mi-sirazu  \  na-mo  sirazio  |  sirade-mo  utan-to  omoi-tatsi-si  \  ko-zo-ni  ko- 
tosi-wa    ija-masi-te  \  suzume-ko-jitmi-ni  \  ajame-tatsi  \  warawa-asobi-mo    tada   sono    koto    nomi. 

,Der  in  dem  Hause  der  Bogen  und  Pfeile  angestellte  Vater  hatte  einen  wichtigen 
Auftrag  erhalten  und  war  noch  nicht  nach  Kama-kura  gekommen,  als  er  eines  gewalt- 
samen Todes  starb  und  sammt  der  grossen  Mondgestalt  dreihundert  Kobang  geraubt 
wurden.  Diese  Schuld  war  keine  sehr  leichte.  Er  wurde  von  dem  Vorgesetzten  und 
Gebieter  darum  angesehen,  alle  seine  Habe  wurde  eingezogen,  seine  Hausgenossenschaft 
verbannt.  Der  Schmerz  der  Mutter,  zu  deren  Leid  weiteres  Leid  gefügt  ward,  lässt 
sich  mit  Worten  nicht  beschreiben.  Gerade  um  die  Zeit,  als  das  ganze  Haus  zu  Grunde 
ging,  wurde  der  jüngere  Bruder  geboren.  Lidern  wir  unbekannte  Verwandtschaften 
suchten,  hatten  wir  hier  ein  halbes  Jahr,  dort  ein  Jahr  in  unstätem  Durchzuge  gewohnt. 
Monde  und  Tage,  den  Thränenfluss  dreier  Menschen,  der  Mutter  und  der  Söhne,  nicht 
erleuchtend,  vergingen  schnell,  ich  war  acht  Jahre  alt,  der  jüngere  Bruder  sieben.  Li 
der  Nacht  der  siebenten  Wiederkehr  des  Todestages  des  verstorbenen  Vaters  hörte  ich 
zum  'ersten  Male  aus  dem  Munde  der  Mutter,    wie    der  Vater   eines   gewaltsamen  Todes 

14* 


108  Pfizmaieu. 

starb.  In  iiieinom  Schmerze  von  (hiinals  wusste  it'h,  dass  es  einen  Feind  gibt,  doeli  ich 
kannte  ihn  niclit  von  Angesicht,  ich  wusste  auch  nicht  seinen  Namen.  Es  war  im  vorigen 
Jahre,  als  mir  der  Gedanke  kam,  dass  ich  ihn  tödten  werde,  ohne  ihn  zu  kennen,  in 
diesem  Jahre  dachte  ich  es  immer  mehr.  Bei  dem  Knabenspiele  mit  dem  kleinen  Sper- 
lingsbogen.   mit   dem  Kalmusschwerte  befasste  ich  mich   juir  jult  dieser  Sache.' 

Kasu-keki  ist  so  viel  als  kasuka  , dunkel,  vei'borgen'. 

To-tose-ni  tdkaki  faru  aki-ioo  \  okure-do  ata-ico  taso  nari-to  \  siru  josi-mo  naka-naka-ni 
oja-ko  mi-tari  fito-tsu-ni  ari-te-tva  \  ito  bln-nasi-to  omoi-si-ka-ha  \  fara-knra  fisoka-ni  simesi- 
atvasi  I  ototo-tco-ba  nokosi-todomete  |  jamu-tco  tsune-nam  fawa-je-no  ^  ^  (ko-jo)  \  ivare-tca 
niwaka-ni  tabi-datsi-te  \  tokoro  sadamenu  mu-sija  ^  ^^  {aiju-ylo)  \  zi-zen-to  ohoje-si  bu- 
gei-wo  kakusi-te  \  kono  ta-fa-gawa-ni  loabi-sumai  \  tsitsi-ga  utare-si  fagi-kubo-ni  \  fodo-towo- 
karane-ba  mosi  ata-wu  |  siru  josi-mo  aran-ka-  |  to  omoi-fakari-si  kai  ari-te  |  saki-ni  nandzi-ga 
iraqa  fato-je  \  ntsi-kake-taru  siju-ri-ken-ica  ;  o-o-tsvki-kata-je  tsukerare-si  |  fototogisu-no  wari- 
kü-gai  ]  tatsi-no  kazari-ioa  waga  faiva-no  \  kiki-iuo  tsutajcte  oicase-si-ka-ba  \  ivare  koto-goto 
kore-wo  |@  (dzu)-si  \  tada  kano  tatsi-ico  kataki-no  seo-ko-  \  to  kokoro-ni  tanomu  wotoko-jama  j 
jumi-ja-gami-no  |^|t  ^  (u-go)-ni  jotte  \  fato-ga  riiitsi-biku  kataki-no  kakurc-ga  \  hidan-no 
e-dzu-ni  kono  ko-gai-no  \  tstiju-bakari-mo  tagawane-ba  |  nigu-to-mo  ika-de  nigasu-beki.  Fagi- 
kubo-no  ara-no-rdte  |  waga  tsitsi  dzi-bu-fei-wo  setsu-gai-si  \  o-o-tsuki-kata-to  san-fiakit-kin-wo  '■ 
ubai-tottaru  kusc-nionu-wa  \  tori-ta-no  seö-zi  toki^nusi  nari-  \  to  ij^  V  (seu-sed)-taru  ten-tö-no 
kagami-ni  utsusi-te  sirasi-tamajeri.  Na-nore-na-nore-  |  to  ikimaki  takaku  \  jaiba-ivo  kazasi 
tsume-jose-tari. 

,Wir  verbrachten  Frühlinge  und  Herbste  nahe  an  zehn  Jahre,  doch  um  zu  wissen, 
wer  der  Feind  sei,  hielten  wir  es  in  der  That  für  sehr  ungelegen,  Avenn  drei  Menschen. 
Mutter  und  Sühne,  beisammen  blieben.  Wir  Brüder  verständigten  uns  im  Geheimen. 
Man  Hess  den  jüngeren  Bruder  zur  Pflege  für  die  beständig  kranke  Mutter  zurück.  Ich 
selbst  brach  plötzlich  auf,  ohne  den  Ort  zu  bestimmen,  verbarg  ich  die  Künste,  an 
denen  man  die  Geübtheit  des  Kriegers  erkennt,  und  wohnte  ärmlich  an  diesem  Flusse 
Ta-fa-gawa.  Da  es  nicht  weit  zu  der  Weiderichvertiefung  ist,  wo  der  Vater  erschlagen 
Avui'de,  so  dachte  ich  mir,  ich  werde  vielleicht  ein  Mittel  linden,  den  Feind  zu  erkennen, 
und  es  war  von  Nutzen.  Das  Wurfschwert,  welches  du  vorhin  auf  meine  Taube  warfest, 
die  an  der  grossen  Mondgestalt  angebrachte  gespaltene  Haarnadel  des  Kuckucks,  die 
Verzierung  des  Schwertes,  es  war  aus  der  Ueberlieferung  meiner  Mutter  noch  bekannt, 
und  ich  bildete  alles  ab.  Es  ist  der  Berg  Wotoko-jama.  auf  den  ich  mich  im  Herzen 
verliess,  dass  jenes  Schwert  der  Beweis  gegen  den  Feind  sein  werde.  Durch  den  Bei- 
stand des  Gottes  der  Bogen  und  Pfeile  hat  die  Taube  den  Weg  zu  dem  Verstecke  des 
Feindes  gezeigt.  Da  diese  Haarnadel  von  jener  Abbildung  nicht  im  geringsten  ver- 
schieden ist,  so  mag  man  entfliehen,  wie  kann  mau  entfliehen  lassen?  Das§  der  Böse- 
wicht, der  auf  dem  wüsten  Felde  der  Weiderichvertiefung  meinen  Vater  Dzi-bu-fei 
ermordet,  die  grosse  Mondgestalt  und  dreihundert  Kobang  geraubt  hat,  Tori-ta-no  Seö-zi 
Toki-nusi  ist,  wird  durch  den  Spiegel  des  leuchtenden  Himmelsweges  abgespiegelt  und 
bekannt  gegeben.  Nenne  den  Namen!  Nenne  den  Namen!'  ■ —  Hiermit  hielt  er  zornig 
die  Klinge  hoch   über  das  Haupt  und   drang  ein. 

Toki-nusi- tva  kiku  goto-ni  \  omoi-awasuru  koto  nomi  nare-ba  \  amata-tubi  tan-soku-site  \ 
seu-zi  kai-jari  fata-to  za-si  |  fito-ioo  korosanu  mi-no  keppaku-mo  \  wari-kb-kai-ga  seu-ko-to 
nari-te   |  utagawaruru-wa    kotowari   nare-do   \   kore-ni-wa   siju-ziju-no    in-jen    ari.      Waga   iü 


Dee  Nebel  DER  Klage.  1Q9 

josi-wo    matazu-site    uta-ba    kanarazu    ko-kuai   aran.     Mi-tamaje    kosi-ni    katana-ioo    ohine-ha  \ 
te-mukai-mo  sezu  \  nige-mo  sezu  \  tosi-wakasi  tote  fajaru  wo  nornl  |   ^    ^t    fjü-sij-no  fo-i-to-ioa 
iü-he-karazu.      Madzu    iil  josi-ivo    kikl-tamaje-   |   to    sawaganu   jamato-tamasi-i-ni   |  fo-zi-rb 
jaiba-wo  fiki-sobame  \   ima-ni    ojobi-te    inotsi-ico    ivoslmi  \  sumi    mote  juki-to    azaimika-to-mo 
tare-ka-wa  sore-wo  makoto-to  sen.     M  josi  ara-ba  |  ije  kikan  |  ika-ni  \  ika-ni. 

Toki-nusi,  da  es  nur  Dinge  waren,  die  er  sicli  erklären  konnte,  seufzte  mehrmals, 
indem  er  sie  hörte.  Er  nahm  das  Schubfenster  weg,  setzte  sich  und  sprach:  Ich,  der 
ich  keinen  Menschen  getödtet  habe,  bin  ganz  unschuldig.  Dass  die  gespaltene  Haar- 
nadel zum  Beweise  dient  und  ich  verdächtigt  werde,  ist  zwar  gegründet,  doch  es  Avalten 
dabei  verschiedene  Umstände.  Wenn  man  auf  das,  was  ich  sage,  nicht  wartet  und  eirihaut, 
wird  man  es  gewiss  bereuen.  Sehet!  Wenn  er  das  Schwert  nicht  an  dem  Gürtel  träo-t. 
wendet  man  sich  nicht  gegen  den  Feind,  man  flieht  auch  nicht.  Jung  von  Jahren,  ist 
man  nur  rasch.  Man  kann  es  nicht  den  Sinn  eines  tapferen  Kriegsmannes  nennen. 
Höret  zuerst,  was  ich  sage!  —  Mit  unbewegtem  Jamatogeiste  neigte  Fo-zi-ro  die  Klinge 
seitwärts  und  sagte:  Bis  zu  dem  gegenwärtigen  Augenblicke  das  Leben  schonend,  mag 
man  mit  Tinte,  als  ob  es  Schnee  wäre,  täuschen,  doch  wer  wird  es  für  wahr  halten? 
Wenn  etwas  zu  sagen  ist,  sage  es,  ich  werde  hören.    Wie  ist  es?    Wie  ist  es? 

To  seki-tatsure-b.a  \  toki-nusi  futa-tabi  sa-tan-site  \  so-ica  toioarezu-mo  iwazarari-ja.    Tada- 

inia  go-fen-ga  mono-gatari-ni  |  omoi-awasuru  fagi-kuho-no  \  aki  faja  koko-ni  ziü-ku-neu    wäre 

ito  madzusi-kari-si  koro  \  nen-guan-no  mune  atte  1  asa-kusa-tera-jori  kajeri-mbsi  \fi-gurete  kajeru 

no-7iaka-nit.e   \   tabi-sioru    bu-si-to    ara-wotoko-fo   \   kiri-musubit,  jaiba-no  fikari-wo   j   mire-donio 

foka-ni  mitsi-mo  nasi.    Ken-kua-no  soba  tsu-e  lotare-zi-to  '  tmju-tvo  färbte  kusa-ni  fusi  \  koto-no 

jb-ivo    kai-ma-mi-taru-ni  \  tabi-bito-no    tomo-bito-ra-wa  \  faja    utarete  \  ^    (sijü)-mo   ko-bin-no 

fadzure-wo    kirare  \  tsi-siwo    nagarete    manako-ni  iri-ken  \  utsu  tatst  sudzi-mo  sadaka-narazu  | 

kudan-no    no-busi-no    ara-wotoko-mo  \  usu-de   ^  ^    (seö-seo)    oi-tarn-si-ga   \   kore-ni   ki-wo  jete 

ßimi-komi-komi  \  tsui-ni  tabi-bito-wo  kiri-fusete  \  kosi-naru  katana-ioo  ubai-tori  |  fasiri-saran-to 

si-tari-si-ka-ba  |  joru-be    kukuri-no    naki   ware-mo  \  miru-ni    sinobizu   mi-wo    okosi  |  kuse-mono 

mate-  \  to  jobi-tomurib-ni  \  mi-kajeri-nagara  utsi-kake-si  |  siju-ri-ken-wo  suge-kasa-ni  \  md-tome- 

■<asi-taru  so)io  fima-ni  |  ka)io  ara-icotoko-wa  kusa-ni  kakurete  \  juku-je  sirezu-)ii  nari-niire-do 

inotsi-wo  kakete  ö-beki-ni  arazu. 

Mit  diesen  Worten  drängte  er.  Toki-nusi  seufzte  zweimal  und  sprach :  ,Werde  ich 
dieses  ungefragt  nicht  sagen?  Die  Weiderichvertiefung,  an  die  Ihi-  mich  eben  durch 
Eure  Erzählung  erinnert,  es  sind  im  Herbste  bereits  neunzehn  Jahre.  Zu  einer  Zeit. 
wo  ich  sehr  arm  war,  hatte  ich  die  Absicht,  zu  beten.  Ich  kehrte  von  dem  Kloster 
Asa-kusa  zurück,  es  wurde  Abend,  und  mitten  auf  dem  Felde,  über  welches  ich  den 
Rückweg  antrat,  glänzten  die  verknüpften  Klingen  eines  reisenden  Kriegers  und  eines 
rauhen  Mannes,  welche  sich  schlugen.  Ich  sah  es,  doch  es  war  sonst  kein  Weg.  Um 
nicht,  dem  Kampfe  nahe,  durch  die  Waffen  getödtet  zu  werden,  legte  ich  mich,  den 
Thau  abstreifend,  in  die  Gräser  und  spähte,  wie  die  Sache  ausfallen  werde.  Die  Ge- 
fährten des  Reisenden  waren  bereits  erschlaget!,  auch  der  gelöste  kleine  Haarschopf  war 
dem  Gebieter  durchschnitten,  das  fliessende  Blut  wird  ihm  in  die  Augen  gedrungen  sein, 
und  die  Linie  seines  einhauenden  Schwertes  war  unbestimmt.  Jener  Feldlagerer,  der  raulie 
Mann,  der  ebenfalls  leichte  Wunden  davongetragen  hatte,  bekam  dadurch  Muth.  Mit 
den  Füssen  stampfend  und  immer  eindringend,  hieb  er  ihn  zuletzt  nieder,  raubte  dessen 
Schwert    und  wollte    entlaufen.    Ich,    in    der    Nacht    ohne    Einhalt,    konnte    den  Anblick 


■]■«(■)  Pfizmaikh. 

niclir  ertrao-en.  Ti'li  erhob  mich  und  fiel"  ilim  (lii>  Wofte :  Bösewicht,  warte!  nach. 
Während  das  Wvirfschwert,  welches  er  im  Umblicken  warf,  in  meinem  Riedgrashute 
stecken  blieb,  verschwand  dieser  raidie  Mann  in  den  Gräsern  und  ich  wusste  nicht, 
wohin   er   oekommen.    Doch   ich   konnte  ihn   nicht  mit  Gefahr  des  Lebens  verfolgen'. 

Tada  itamasi-ki-wa  i^  M  (icb-si)-no  ^  ^  (siju-zijü)  \  idziäsi-iw  fito-fo  tu-ni  josi- 
naku  I  ivaqa  te-ni  nokoru  ku-gai-no  \  sono  knta-ivarc-iva  notsi-no  seo-ko-to  \  futokovo-ni  osatne- 
tsutsu  I  jar/afß-zo  ije-ni  kcijeri-si-ga  \  ßto-ni  iü-beki  koto  narane-ha  \  kano  ku-c/ai-iva  suzuri-ni 
tsukete  1  ^  ^  (bun-tsin)-ni  se-si  toki-mo  ari-si-ni  \  mono-tobosi-karazu  nari-te-no  notsi-ica 
omoi-wasurefe  tori-mo  idasazu.  Sikaru-ni  kinö  fakarazu-mo  \  go-fen-ga  ^  (aij-surit  kai- 
fato-no  I  tattaru  ato-ni  nokori-si  foimi-iva  \  musume-to  ivake-no  aru-ni  ni-tari  \  -f-  (ko)-ico 
omo  oja-no  ßto-sudzi-ni  \  hidan-iio  fato  dani  idsi-korosa-ba  \  kui-no  kajori-dzi  naka-tajen-  \  to 
mono-katakuna-ni  inükn-romi-te  '  kudan-no  fato-ioo  matsu  fodo-ni  j  ked-mo  mata  waga  niwa-no 
i^  (ko)-no  jeda-ni  ivoru-wo  mite  \  kokoro-seku  mania  fidzi-tsika-naru  \  suzuri-bako-ivo  kai- 
saguri  \  te-ni  atattaru  ko-kai-ivo  \  sih-ri-ken-to  si-tari-si-ka-ba  i  kataki-to  iwarnru  waga  mi-no 
/£  M%  (jaku-nan)  \  kore-ino  fu-si-gi-no  in-jen  nari.  Go-fen-no  kataki-wo  mi-siri-si  toki-nusi 
K5f  ÜC  (zi-r/ij-ni  jora-ba  tsikara-ioo  awasi-te  \  fo-i  toge-sasiorio  koto-mo  ari-nan.  Madzu  sono 
jai-ba-ico  osame-tamaje. 

,Was  mich  nur  schmerzte,  war,  dass  ich  kein  Mittel  hatte,  zu  fragen,  wer  Herr 
und  Diener,  die  eines  gewaltsamen  Todes  starben,  gewesen.  Die  eine  Hälfte  der  in 
meiner  Hand  gebliebenen  Haarnadel,  damit  sie  später  zum  Beweise  diene,  in  dem  Busen 
verbergend,  kehrte  ich  sogleich  heim.  Da  es  keine  Sache  war,  die  ich  den  Menschen 
sagen  konnte,  befestigte  ich  diese  Haarnadel  an  den  Tintenstein  und  machte  sie  zum 
Schriftenbeschwerer.  Um  diese  Zeit  geschah  es,  dass  ich  nicht  mehr  dürftig  war.  Später 
vergass  ich  darauf  und  nahm  sie  nicht  heraus.  Nachdem  gestern  unvermuthet  Eure 
geliebte  Haustaube  aufgeflogen,  schien  der  Brief,  den  sie  zurückliess,  Beziehung  zu 
meiner  Tochter  zu  haben.  Als  Vater,  der  sein  Kind  liebt,  dachte  ich  mii-  alberner 
Weise,  dass,  wenn  ich  diese  Taube  geradezu  tödte,  der  Verbindungsweg  der  Liebe 
abgeschnitten  sein  würde.  Indem  ich  diese  Taube  erwartete,  sah  ich,  dass  sie  auch 
heute  auf  dem  Aste  eines  Baumes  meines  Vorhofes  sass.  In  der  Uebereilung  griff-  ich 
nach  dem  nahe  an  meinem  Arme  befindlichen  Tintensteinkorbe  und  machte  die  in  die 
Hand  gerathene  Haarnadel  zu  einem  Wurfschwerte.  Icli  hatte  das  Unglück,  ein  Feind 
genannt  zu  werden.'  Auch  dieses  ist  eine  wunderbare  Strafe.  Wenn  ich  Toki-nusi,  der 
ich  Euren  Feind  gesehen,  die  angemessene  Zeit  finde,  wird  es  geschehen,  dass  wir 
unsere  Kräfte  vereinen  und  unsere  Absicht  erreichen.    Vorerst  berget  diese  Klinge!' 

To  I  ije-ba  kara-kara-to  azawarai  \  sono  mi-no  tsumi-wo  nogaren  tame-ni  \  knisi-sakasi- 
ku-mo  kosiraje-tari.  Ware  kono  sato-je  kite  kiku-ni  \  nandzi  fazime  ito  itb  \  madzusi-kari-si-ga 
jukuri-naku  \  zeni-kame  ben-ten-no  ^  ^  (mio-dzio)-ni  jotte  \  o-oki-ni  tomi-wo  lamotsu-to  iit. 
Ko-iva  utago-beki  ßto-tsu  nari.  Kano  mi-tatsi-wo  mi-siro-nasi  j  san-fiaku-  ^  (kin)-to  kore-wo 
avMsi-te  \  kaku  vari-ide-taru  :^  ^  (fu-gi)-no  ^  (zai)  \  tö-ni-ica  otsizu  kataru-ni  otsiru-  !  to 
jo-no  koto-waza-ioa  nandzi-ni  ari.  Ware  loosanaki-jori  tsitsi-no  ata-wo  |  utan-to  nomi  omo 
ju-e  I  tada  mi-ioo  ^  (ai)-site  nom.i-ni-mo  sasasezu.  Saru-ni  jotte  inuru  aki  \  sasajaka-naru  l 
de-midzu-ni-mo  |  ajamatsi-se-zi-  |  to  kaja-ja-ga  mune-ni  \  jodzi-nobori-faru  kokoro-tca  sirade  \ 
azaioaro  mono  nomi  ari-si-ni  \  ^  %  (aku-jen)-no  joru  tokoro-ka.  Nandzi-ga  mvsume  nade- 
si-ko-ga  \  sono  toki  ware-ioo  ^  ^  (ken-renj-site  |  wari-naku  fami-ivo  okuru-to  ije-domo  \ 
kataki-ico    nerb    kono    mi-ni-iva   1    iro-mo    nasake-mo    nani-ka-wa    sen-  \  to    utsi-sutete    mi-mo 


Dee  Nebel  dee  Klage.  111 

kajerane-ba  \  ijo-jo  omoi-kogarefe-ja  \  waga  kai-fato-wo  naka-datsi-ni  \  ^  ^  (tsi-tsuka)-ni 
amario  fumi-no  kazu  |  »laki-zoi-seraruno  koto-mo-ja-to  \  omö  bakarl-nl  tada  fito-fude\ 
^—  -f-"  — •  (mi-so-ßto)  mO'Zi-ni  kotowari-ie  \  fato-ni  tsuke-taru  kajesi-no  — ■  ^  fywV  kajette 
nandzi-ni  jerare-si-jorl  \  wäre  rnata  kataki-no  seö-koico  je-tari  g"  ^  fmö-kij-no  uki  ki 
1^  ^  ^li  -iE  (u-ba-ra-ge)-nn  \  faru-ni-iva  futa-tahi  ai-gatasi.  Inotsi-iuo  tcosimu-ka  |  uk/i- 
se-si-ka  \  urami-no  jai-ba  toku  uke-jo. 

Bei  diesen  Worten  liohnlaclite  Jener  und  sagte :  Damit  du  der  Schuld  entkommest, 
hast  du  es  wohlredend  dargelegt.  Als  ich  in  diesem  Uorfe  ankam,  hörte  ich  erzählen, 
dass  du  anfänglich  äusserst  arm  warst.  Unverhofft  besassest  du  dui-ch  die  dunkle  Hilfe 
dei-  Göttin  Ben-ten  von  dem  Geldkruge  in  grosser  Menge  Reichthum.  Dieses  ist  das 
Eine,  das  man  bezweifeln  kann.  Jenes  kostbare  Schwert  verkauftest  du,  die  dreihundert 
Kobang  fügtest  du  hinzu.  So  entstand  dein  ungerechtes  Gut.  ,Beim  Fragen  fällt  man 
nicht,  beim  Sj^rechen  fällt  man.'  Dieses  in  der  \Yelt  übliche  Sprichwort  passt  auf  dich. 
Weil  ich  seit  meiner  frühen  Jugend  nur  daran  dachte,  den  Feind  meines  Vaters  zu 
tödten,  schonte  ich  mich  und  Hess  auch  nicht  von  einem  Flohe  mich  stechen.  Als  ich 
somit  im  vergangenen  Herbste,  um  bei  einer  kleinen  Austretung  des  AVassers  keinen 
Fehler  zu  begehen,  auf  die  Firste  des  Strohdaches  klomm,  kam  es  vor,  dass  man,  die 
Bedeutung  nicht  kennend,  mich  nur  verlachte.  Ist  das  böse  Verhältniss  hierin  begründet? 
Um  diese  Zeit  warf  deine  Tochter  Nade-si-ko  ihre  Augen  auf  mich  und  schickte  mir 
mit  Aufdringlichkeit  einen  Brief.  Doch  was  wären  für  mich,  der  ich  auf  den  Feind  lauere, 
Sinnlichkeit  und  Neigung?  Ich  warf  ihn  daher  weg  und  nahm  keine  Ilücksicht.  Viel- 
leicht Avar  sie  noch  mehr  von  Liebe  verzehrt.  Durch  die  Vermittliuig  meiner  Haustaube 
betrug  über  tausend  Handbreiten  die  Zahl  der  Briefe.  In  der  Meinung,  dass  ich  darin 
verwickelt  werden  könnte,  entschloss  ich  mich  nur  zu  einem  einzigen  Briefe  und  ein 
und  dreissig  Schriftzeichen.  Seit  jedoch  das  an  die  Taube  befestigte  versiegelte  Schreiben 
der  Entgegnung  von  dir  erlangt  wurde,  habe  ich  auch  die  Beweise  gegen  den  Feind 
erlangt.  Das  schwimmende  Holz  der  blinden  Schildkröte,  den  Frühling  der  Blume 
Ü-ba-ra-ge  kann  man  unmöglich  zweimal  treffen.  Schonst  du  das  Leben?  AYar  es 
Feigheit?    Empfange  schnell  die  Klinge  der  Rache! 

U-ba-ra-ge  ist  so  viel  als  u-don-ge^  die  Blume,  von  dcj'  gesagt  wird,  dass  sie  in 
dreitausend  Jahren   einmal  blüht. 

2b  nonosiri-nagara  firamekasu  |  jai-ba-tco  kuguru  toki-nusi-toa  j  usiro-sama-ni  tobi-noki-te  \ 
ima-sara  nogare  katana-kake  \  fidzi-wo  nobasi-te  kai-toru  waki-zasi  \  naki-awasl-tsutsu  kiri- 
ijiusuhii.  — •  _t.  — '  T*  (Itsi-zeo-itsi-ge)  \  ^  '^  (sm-ren)-no  kissaki  |  ^  -^  (den-kiio) 
^  jM.  (seki-kuaj-to  fagesi-ki  tatsi  uto  \  ku-ica  nani-goto-zo-  \  to  iiade-.n-ko-ga  I  isogawasi-ku 
fasiri-kite  \  to  mire-ba  \  tsitd-to  koi-bito-no  \  sinogi-wo  kedzuru  ^  ^  (se6-si)-rio  mkai  \  ana 
kannsi-ja-  |  to  ko-e  tatete  |  sakebe-do  jobe-do  oru  fata-no  \  oto-ni  magirete  ßto-mo  kozii. 

Toki-nusi,  unter  der  Klinge,  welche  Jener  bei  diesen  Scheltwortcn  schwang,  hin- 
durchschlüpfend und  flugs  nach  rückwärts  weichend,  streckte,  jetzt  endlich  losgekommen, 
den  Arm  nach  dem  Schwertgestelle  aus  luid  hieb,  indem  er  das  ei'grlffene  Schwert 
zugleich  zog,  anknüpfend  ein.  Bei  dem  heftigen  Klirren  der  Schwerter  während  des 
Blitzens  und  Feuerschiagens  der  bald  oben,  bald  unten  befindlichen  geübten  Schwert- 
spitzen sich  fragend,  was  dieses  sei,  kam  Nade-si-ko  eilig  herbeigelaufen.  Sie  sah  den 
Geliebten  mit  Ihrem  Vater  die  Linie  des  Schwertrückens  schaben  und  Beide  an  der 
Gränze  von  Leben  und  Tod.     Sie  erhob  ein  Geschrei  und  rief:    O  wie  traurig!  —  Wie 


■J12  PlTZMAIKH. 

sie  lUK-li  schrie   und   rief,   sie  wuih1(>  von  dem  'i\)iie  der  ^Vebstüllle   übertäubt  und  Niemand 
kam   herbei. 

Kanata  konata-to  fase-megure-ha  \  '|^^  ^  fke-ga)-sii-na\joru-na\todomu-na-'to  tsitsi-mo 
otoko-v)o  manako-iro  ikarasi  |  sikari-nokcte-mo  noka-naka-ni  inotsi-ioo  wosimaztt,  fa-.sidoinl-no  | 
1^  -^  (seo-zij-ico  tutte  ntsi-airase-si  \  jai-ha-no  uje-je  o-oi-kake  \  sono  mi-wo  osi-ni  fata-to 
^  (za)-su.  Ka-joioaki  loonna-no  tsikara-gusa-mo  |  mi-iro  si  sntf^ure-ba  tori-tomitru  \  köri-no 
jai-ba  titsi-foke-gafaki  I  fo-zi-rb-wa  ko-e-u'u  fagemasl  inare-naki  wonago-vo  HJ^  ^ij  (sai-ban) 
oja-ko  inotsi-too  suten-to  negb-ka  \  so-ko  noke-ja-tsu-  |  to  iki-make-ba  \  toki-nusi-mo  ko-fiza-ioo 
f.viki  I  nii-ni  oboje-naki  ata-?ifsi  ^  Sj^  (zan-mai)  |  kono  ^J  \  (kib-nin)-u'0  ike-dotte 
H  jjy-  (ko-fu)-j('.  fikasen.  Faja  noke  nade-si-ko  \  josi-naki  waza-ni  ajamatsi-su-na-  |  to 
i-i-tsutsn  ajegi-ajegi-taru. 

Als  sie  hier  und  dort  umherlief,  blickten  der  Vater  und  der  Mann  mit  den  Worten: 
Beeinträchtige  nicht!  Komme  nicht  nahe!  Halte  nicht  auf!  zornig  und  schoben  sie 
scheltend  bei  Seite.  In  der  That  ihr  Leben  nicht  schonend,  nahm  sie  das  Schubfenster 
des  Halbgitters,  deckte  es  über  die  im  Schlagen  vereinten  Klingen  und  setzte  sich, 
ihren  Leib  zu  einem  Gewichte  machend,  rasch  nieder.  Durch  die  Kraft  eines  schwachen 
Weibes  w^ar  es,  da  sie  sich  hinwarf,  den  eisigen  Klingen,  welche  sie  aufhielt,  sich  frei 
zu  machen  unmöglich.  Fo-zi-ro  rief  mit  erregter  Stimme  athemlos :  Hie  Entscheidung 
eines  unberufenen  Weibes!  Wünschen  Vater  und  Kind  ihr  Leben  hinzuwerfen?  Gehe 
dort  zurück!  —  Auch  Toki-nusi  stiess  sie  mit  dem  Knie  und  rief,  dabei  ganz  aus  dem 
Athem  kommend :  Diesen  Wahnsinnigen,  der  darauf  beharrt,  einen  mir  nicht  erinner- 
lichen Feind  zu  tödten,  werde  ich  gefangen  nehmen  und  nach  dem  Sammelhause  des 
Reiches  führen  lassen.  Gehe  schnell  weg,  Nade-si-ko !  Irre  dich  nicht  bei  einer  nutz- 
losen Sache ! 

Oja-to    tuotoko-ga    isuno-k/tmi-si   |   sono  josi-asi-wa   sirane-domo   \  fitori-iva    sutsuru  inotsi 
nara-ba  j  mi-tari   issio-ni    ^    {ij    (si-de)-no    tabi  \  ^    ^    (san-dzu)-no  kmva-ico  tomo-ikada 
xvaraica-u-o  saki-je  korosi-fe  tabe.    Omö  ivotoko-no  jai-ba-ni  kakerare  \  oja-no  -^  ^  (sen-do)-ni 
tatsu  nara-ba  \  iki-nokori-te  mono-ioo  omö  j  notsi-no  nageki-ni  masi-faberame  j  maze-si  icotome-no 
sai-ban-to  |  siliararurii-ka-iva  sirane-domo  \  ina-ki-no  nusi-wa  waga  tsitsi-wo  \  oja-no  kataki-to 
no-tamaje-domo  \  ikani-mo  nandzi-ga  tsitsi-ico  utsi-si-  |  to  na-noru-tvo    kikade   utsi-tamaioa-ba 
mono-no  fu-no  mitsi-ni-mo  kake.     Mos?  ata-narami  koto-josa-no  notsi-ni  kikojete  aia-naranu  \ 
ßto-u'o  korose-si  mi-no  tsumi-too  \  oi-tamh  koto  ara-ba  |  idzure-no  inotsi  \  idzure-no  mi-wo  mote 
makoto-no    kataki-wo    ntsi-tamb  \  jori-fe    toaraiva-ga    loosanaki   sai-ban  \  ko-te-sasi-bara-ni 
omomuki-te  |  nadote   tsikai-wo   si-tamawazarn.     Tsutaje-kiku    ko-te-sasi-bara-narit    ko-te-isi-ica 
mt(kasi-jori   ^    (i^euj  faberi.     Mosi   ^    ;^    (gi-nen)  farezaru    mono  \  kudan-no    isi-no  fotori- 
nite  I  tsikai-tDO   sure-ba    tatsi-dokoro-ni   |    ^     ^    (zen-aku)    ^     ^    (kio-zitsu)-ivo  siru-to  in. 
Utagatvasi-ki-wa   isnmi-sezu-to  \  mono-ni-mo    sirusi-te    aru  naraz2i-ja.    Sare-ba  tsikai-no  isi-no 
na-no   \   munasi-karazu-wa    utagai-no   I  farenv,    koto-ja-wa   faberit-beki   \   kata-mi-ni    si-an-si- 
iamaje-  \  to   i-i-kakete    otosu   tsi-no    namida  \  futa-tsu-no  sode-ica  ari-nagara  \  nugü-ni  te  saje 
fanasarenu   \   seö-zi-no   uje-ni    ^     ^    (se6-si)-no    sakai.      Kakaru    toki-si-mo    icotome-go-ga 
^    ^    (ton-tsi)-wo    J^    (kanj-zite    fo-zi-rb-wa   \   katana-no    tsuka-ivo    nigiri-motsu   |   kobusi-mo 
sukosi  jurumi-kei'i. 

Jene  hob  an :  Das  Gute  und  Schlechte,  wesshalb  der  Vater  und  der  Mann  aneinander 
gerathen  sind,  weiss  ich  zwar  nicht,  doch  wenn  Einer  von  ihnen  das  Leben  verliert, 
reisen  Drei    zugleich    zu    dem  Todeshimmel,    über    den  Fluss    der   drei  Wege  setzt  man 


Der  Nebel  der  Klaue.  113 

auf  gemeinscliaftlicliein  Flosse.  Tödtet  frülier  mich !  Es  wird  besser  sein  als  das  spätere 
Leid,  in  welchem  ich,  am  Leben  geblieben,  trauere,  wenn  von  der  Klinge  des  geliebten 
Mannes  erreiclit,  der  A'^ater  früher  den  Todesweg  antreten  sollte.  Ich  weiss  nicht,  ob 
ich  mit  den  AVorten :  ,die  Entscheidung  eines  sich  einmengenden  Weibes'  gescholten 
wurde,  doch  wenn  der  Gebieter  Ina-ki,  ohne  die  Namensnennung:  ,Ich  habe  irgendwie 
deinen  Vater  getödtet',  zu  hören,  ihn  tödtet,  so  ist  in  dem  Wege  des  Kriegers  eine 
Durchbrechung.  Wenn  die  Kunde,  dass  er  der  Feind  nicht  ist,  später  gehört  wird  und 
ihr  die  Schuld,  einen  Menschen,  welcher  der  Feind  nicht  ist,  getödtet  zu  haben,  auf 
euch  ladet,  mit  welchem  Leben,  mit  welchem  Leibe  tödtet  ihr  dann  den  wirklichen 
Feind  ?  *  Daher  lautet  meine  jugendliche  Entscheidung :  Warum  schwöret  ihr  nicht,  auf 
das  Feld  von  Ko-te-sasi  gehend,  einen  Eid?  Der  auf  dem  Felde  Ko-te-bara  befindliche 
Stein  der  Armschienen,  von  dem  man  in  der  Ueberlieferung  hört,  ist  von  Alters  her 
geistig.  Man  sagt :  Wenn  Jemand,  dessen  Zweifel  nicht  aufgeklärt  sind,  neben  diesem 
Steine  einen  Eid  schwört,  so  werden  auf  der  Stelle  Gutes  und  Böses,  Wahrheit  und 
Lüge  bekannt.  Sollte  er  nicht  für  die  Menschen  ein  Verkünder  sein,  damit  man  in 
zweifelhaften  Fällen  nicht  straft'?  Wenn  der  Name  , Stein  des  Eidschwures'  kein  eitler 
ist,  könnte  er  wohl  eine  Sache  sein,  wodurch  der  Zweifel  nicht  aufgeklärt  wird?  Ueber- 
leget  es  gegenseitig !  —  Ueber  dem  Schubfenster,  von  dem  bei  dem  Trocknen  der  ver- 
gossenen blutigen  Thränen,  bei  dem  Vorhandensein  zweier  Aermel,  die  Hände  nicht 
einmal  losgelassen  wurden,  war  die  Gränze  von  Leben  und  Tod.  Um  die  Zeit  lockerte 
auch  Fo-zi-rö,  den  Scharfsinn  des  Mädchens  bewundernd,  ein  wenig  die  den  Griff  des 
Schwertes  festhaltende  Faust. 

Toki-nusi-iva  koto-sara-ni  |  ^  f^  (kan-riii)-ivo  todome-ajezu  !  geni-geni  omoi-wasiore-tari . 
Josi-ja  utsu-to-mo  utaruru-to-mo  urami-nakl  mi-ico  inu-zini-site  \jo-no  mono-iüciraje-to  naru-mn 
utate-si.  Kanu  ko-te-isi-iva  ^  ,^^  (rei-gen)  ari  tote  \  sato-bito-ra  osi-nabete  |  tsikai-nu  isi-to 
jobi-naseri.  Ina-ki-to  tonio-nl  kasiko-ni  itara-ba  \  koto-iio  ^  ^  (kio-zitiu)-wa  ono-dzukara 
^  H^  (fnn-mib)-ni  slraru-besi.  Fo-zi-rh  ika-ni-  \  to  i-i-kerc-ba  |  idd-unadzuki-te  ke-siki-ivo 
jaicarage  \  icare  mata  kano  isi-no  ^  (rfiö)-aru  koto-ica  fobo  kikeri.  Na-noranit,  kataki-ico 
ntan-jori  \  ona-ono  kudan-no  fara-ni  omomuki  \  ijo-ijo  sono  koto  makoto  nara-ba  \  ko-te-sasi- 
hara^ga  sugu-sama    ||ij    J^    (sen-dzio).     Sikarn-ba  jai-ba-wo  osamen-ja  \  iza  fike  \  fikan. 

Toki-nusi,  absichtlich  die  Freudenthränen  nicht  zurückhaltend,  sprach  :  In  der  That, 
ich  hatte  es  vergessen!  Gesetzt  ich  tödte,  oder  ich  werde  getödtet,  es  ist  traurig,  dass 
ich,  keinen  Hass  empfindend,  einen  unrechten  Tod  sterbe  und  mich  vor  der  Welt 
lächerlich  mache.  Weil  diesem  Steine  der  Armschienen  göttliche  Bestätigung  innewohnt, 
nannten  ihn  die  Menschen  des  Dorfes  allgemein  den  Stein  des  Eidschwures.  AVcnn  ich 
zugleich  mit  Ina-ki  dort  ankomme,  wird  das  Wahre  oder  Falsche  der  Sache  deutlicli 
erkannt  werden.  Was  meint  Fo-zi-rö?  —  Der  Andere  nickte  mit  dem  Haupte  mid 
erwiederte,  in  seiner  Miene  Besänftigung  zeigend :  Auch  ich  habe  obenhin  von  dei- 
Göttlichkeit  dieses  Steines  gehört.  Anstatt  dass  ich  einen  Feind,  der  keinen  Namen 
nennt,  tödte,  gehen  wir  lieber  Beide  auf  dieses  Feld.  Gewiss,  wenn  die  Sache  wahr 
ist,  sei  das  Feld  von  Ko-te-sasi  geradezu  der  Kampfplatz.  Also  werden  wir  die  Klingen 
bergen?    Wohlan,  ziehe  zuilick!    Ich  werde  zurückziehen! 


'  Wohl  so  zu  verstellen,   daas  dann  das  Lehen  vei-wirkt  iat. 
Denkschrifton  .lei-  pliil.-liist.  Cl.  X.VVI.  Bd.  lö 


114 


Pl'IZMAIKK. 


Ti>  moru-f(»ti(i-ni  \  jai-ha-ioo  saja-je  osanmre-ba  j  sukosi-tca  kokorx)  otsi-toi-tsutsu  \  mune-no 
atari-wu  nade-si-ko-mo  \  ^    -f'    (seö-zi)  kai-jari  \  kamt  kaki-naße  \  fadzukasi-ki  koto  nagnru 
iete-go-to  tono-go-je  negai-faheri.    Tdkai-no  isi-no  tsikai  ari-te  \  ata-naranu  josi   ^    ^    (fun- 
mib)-ni  \  utagai-no  fare-tamawa-ha  \  kore-wo    imo-se-no   ^   (jen)-ni   site   \   me-awasi-te    tahi- 
ten-ja.  Omoicärezu-to-mo  omö  mi-ioo  j  tama-tmbaki-n<>  /\  ^  ■f^  (j'^-t^^-p)  inctde  |  kasidzukasi-tc 
tamawara-ba  \  waraiva-ga   tame-ni-mo   si-uto-no    kataki   tete-go-iio    fa-suke-wa   muko-no    tarne 
J^  (on)-ti>  nasake-wo  jui-aioasi  \  tono-go-no  fo-i-mo  \  warawa-ga  negai-mo  \  toge-sad-te  tamaiva-ba 
fazime-iio  urami  fiki-kajete  \  jorokobi  kore-ni  masu  koto   nasi. 

Hiermit  bargen  Beide  zugleich  die  Klingen  in  der  Scheide.  Im  Herzen  etwas 
erleichtert,  nahm  Nade-si-ko  das  Schubfenster,  das  sich  vor  ilirer  Brust  befand,  weg, 
strich  das  Haupthaar  und  sprach :  Ist  es  auch  eine  Sache,  deren  ich  mich  schäme,  habe 
ich  an  den  Vater  und  an  den  Herrn  eine  Bitte.  Wenn  der  Schwur  bei  dem  Steine  des 
Eidschwures  stattgefunden,  Avenn  es  deutlich  wird,  dass  man  nicht  der  Feind  ist  und 
euer  Zweifel  aufgeklärt  ist,  werdet  ihr  dieses  das  A^erhältniss  von  Schwester  und  Bruder 
werden  lassen  und  mich  zum  Weibe  nehmen?  Wenn  es  mir,  die  ich,  wenn  auch  nicht 
o-eliebt.  liebe,  zu  Theil  wird,  dass  man  mich  bis  zu  den  achttausend  Zeitaltern  der 
Edelsteincamelie  dienen  lässt,  so  knüpft  meinetwillen  auch  des  Feindes  des  Schwähers, 
des  Vatei-s  Hilfe  für  den  Eidam  Güte  und  Neigung  zusammen.  Wenn  der  Vorsatz  des 
Herrn  mich  meinen  Wunsch  erreichen  lässt,  so  wechselt  der  anfängliche  Hass  und  in 
Freude  ffeht  nichts  darüber. 

21,  i-i-tsutsii  kawn-wo  utsi-otvo  \  sode-no  fima-jorl  oja-no  kaivo  \  ivotoko-nn  kawo-wo  sasi- 
nozoku  I  wotome-gokoro-no  su-e-nagaki  \  ta-moto-ni  amaru  omoi  nari.  Toki-nusi-mo  ^  ^ 
(on'ai)-no  \  sa-koso-tu  omoje-ba  idsi-siioabuki  |  kakaru  wori-kara  ^  ^  (kon-jen)-no  j  koto- 
josa  su-beki-ni  arane-domo  \  ina-ki-ga  tsitsi-no  ata-taru  kuse-monv  j  sono  omo-kage-wa  wäre 
mi-sireri.  Sikara-ba  nke-fihi  koto-mo  aran-ga  \  ^  |H  (kuan-rei)  ^  jjf-  (bu-seoj-ni  arazaru- 
jori-wa  |  midco-ni-'wa  sezi-to  omoje-domo  \  fade-kn  rimsi-mo  ono-ga  suki  |  kaku  made  omö 
wotoko  nara-ba  \  loare  mata  nadeö  kobamu-beki  \  ijo-ijo  utagai-faruru-ni  oi-te-wa  \  musume-ga 
negai-ivo  kanb-beki-ja.    Ina-ki-ga    ^^    4*    (kio-tsiii)  kika-ma-fosi. 

Während  sie  so  sprach,  spähte  sie  durch  die  Aermel,  mit  welchen  sie  das  Angesicht 
verdeckte,  nach  dem  Angesichte  des  Vaters  und  dem  Angesichte  des  Mannes.  Es  war 
das  über  die  am  Ende  lange  Aermeltiefe  hinausgehende  Sehnen  des  Mädchenherzens. 
Toki-nusi,  dessen  Güte  und  Zärtlichkeit  für  so  gross  gehalten  wurde,  hustete  und  sprach: 
Zu  einer  solchen  Zeit  sollte  zwar  die  Begründung  einer  Heirath  nicht  stattfinden,  jedoch 
ist  das  Angesicht  des  Bösewichts,  welcher  der  Feind  des  Vaters  Ina-ki's  ist,  mir  bekannt. 
Wo  es  sich  um  die  Einwilligung  handelt,  glaube  ich  zwar,  dass  ich  ihn,  da  es  kein 
Statthalter  oder  Kriegsanführer  ist,  nicht  zum  Eidam  machen  dürfe,  jedoch  das  Insect, 
welches  Blutkraut  verzehrt,  hat  selbst  daran  Freude.  Wenn  es  ein  Mann  ifet,  den  man 
in  solchem  Masse  liebt,  warum  sollte  ich  da  ferner  widerstreben?  Soll  ich,  wenn  endlich 
der  Zweifel  aufgeklärt  ist,  den  Wunsch  der  Tochter  erfüllen  ?    Ich  möchte  die  Meinung 

Ina-ki's  hören. 

To  ije-ba  \  knbc-wo  sa-jü-je  utsi-furi  \  sono  koto-iva  iraje-gafasi.  Tori-ta-wa  tsitsi-no  ata 
narazu-  \  to  koto  ^  B^  (fnn-iiiio)-id  nt.aga,i-no  \  farete-no  notsi-iva  to-mare  kaku-mare  tada- 
Ima  koko-ni  ^  (gi)-su-be-karazit.  Ko-te-sasi-bara-je  iza-tamaje-  \  to  tatan-to  suru-ico  toki- 
nusi-wa  \  isogaivasi-ku  osi-todome  \  kano  fara  made-wa  ban-dö-mitsi  \  -p  M  (ziu-ri)-ni-im 
amareru-ni  \  keo-wa  kururu-ni  fodo-ni  arazu.     ^    (Jo)-no  utsi-jori  jö-i-site  \  ake-na-ba  kasiko-je 


*ti 


■S 


Dee  Nebel  DER  Klage.  115 

omomuku-hesi.  Kaku  iwa-ba  ^  (jo-ni)  magirete  \  nige-mo  fasiru-  \  ka-to  omö-be-kere-do  \ 
icare-mo  katana-wa  imada  sf.itezu.    Ko-joi  fito-jo-no  ßto-zitsi-ni-iva    nade-ai-ko-ioo   mu-irastt-hesi 

Jener  bewegte  das  Haupt  nacli  reclits  und  links  und  sprach :  Hierein  kann  ich 
unmöglich  willigen.  Wenn  es  sich  herausstellt,  dass  Tori-ta  der  Feind  meines  Vaters 
nicht  ist  und  der  Zweifel  aufgeklärt  sein  wird,  sei  es  so  oder  anders.  Eben  jetzt  und 
an  diesem  Orte  kann  es  nicht  berathen  werden.  Führet  mich  auf  das  Feld  Ko-te-sasi ! 
—  Hiermit  Avollte  er  aufbrechen.  Toki-nusi  hielt  ihn  eilig  zurück  und  sagte :  Zu  diesem 
Felde  sind  über  zehn  Ei  Bandoweges.  Da  es  heute  schon  dämmert,  ist  es  nicht  an  der 
Zeit.  Wir  werden  uns  von  der  Nacht  an  bereit  machen,  und  wenn  der  Tag  graut,  dort- 
hin gehen.  Wenn  ich  so  sage,  köiuite  man  glauben,  dass  ich  unter  den  Deckmantel 
der  Nacht  vielleicht  entfliehe,  doch  ich  liabe  das  Schwert  noch  nicht  weggeworfen.  Ich 
werde  als  Geissei  für  die  eine  Nacht  von  heute  Nade-si-ko  schicken. 

To-mare  kaku-mare  steht  für  to-mo  are  kaku-mo  are  ,es  sei  so  oder  anders'.  Man 
findet  auch  to-mare  ko-mare. 

2o  iü-ni  ure-»i-to  ije-ha  je-rd  j  iwade  uresi-ki  ivotome-go-ga  |  kokoro-ni  tsitsi-w(-)  fusi- 
wogame-ba  j  ina-kl-ica  oja-ko-ivo  siri-me-ni  kake  \  ^  ^  (kio-zitsuj-wa  imada  sadaka-naranu  | 
kataki-no  musume-ivo  tomonawa-ba  |  fJjp  "f^  S.^  (riü-ka-kei)-to  iü-to  ije-domo  |  tsuma-fadziki- 
enu  mono-ja-ica  aru.  Sare-ba  tote  \  kataki-to  omo't-sadame-tam  |  toki-nusi-wo  ome-ome-tn  | 
fito-Jo-tari-to-mo  mi-jurusati-ioa  \  fito-no  ko-no  sezaru  tokoro  \  ^  zt  (jü-sij-no  fadzuru  tokoro 
na?v'.  Ika-ni  su-beki-  j  to  kbbe-ivo  katabuke  |  jb  koso  are-  \  to  mi-ico  okosi  |  katana-wo  nuki-te 
nade-si-ko-ga  |  ta-bicsa-wo  futto  kirl-t<m-te  \  oja-ko-no  mono-ni  utsi-nmkai  j  tada-ima  utsl-mo 
otosii-be-kari-si  \  nade-si-ko-ga  tsitsi-no  kbbe-ni  j  sibaraku  kajuru  kono  ta-busa-wo  ivaga  futokoro-ni 
osaine-oki  \  koto  -^  B^  (fu?i-mibj-m  utagai  fare-na-ba  |  kono  moto-dori-ioo  muko-fiki-de. 
Mosi  utagai-no  farezaru  toki-iva  |  tori-ta-ga  kubi-mo  kaku-no  gotoku  |  tuaga  jai-ba-wo  uke- 
sasu-besi.  Slkara-ba  oja-no  bo-dai-no  tame-ni  ama-to-mo  naran  nade-si-ko-ga  [  ta-busa  fito- 
tsu-wo  mi-tari-ga  uje-ni  \  kakete  jurusami  mune-no  ]ß  (to)-ioo  \  aka  ^  (m7i)-tstc-no  kaue 
ai-dzu-to  si  |  ko-te-sasi-hara-nite   ^    "^   (sai-kuai)-sen. 

Bei  diesen  Worten  warf  sich  das  erfreute  Mädchen,  welches  nicht  sagen  konnte, 
dass  sie  erfreut  sei,  in  Gedanken  vor  ihrem  Vater  nieder.  Ina-ki  blickte  Vater  und 
Kind  von  der  Seite  an  und  sprach :  Wenn  ich  die  Tochter  des  Feindes,  so  lange  Wahrheit 
oder  Lüo-e  noch  nicht  gewiss  sind,  beo^leite,  mao-  ich  selbst  der  Mann  Namens  Lieu-hia- 
hoei^  sein,  schlage  ich  da  kein  Schnippchen?  Wenn  ich  jedoch  Toki-nusi,  den  ich  bestimmt 
für  den  Feind  gehalten  habe,  stumpfsinniger  Weise,  wäre  es  auch  nur  für  eine  Nacht, 
aus  den  Augen  lassen  wollte,  so  wäre  dieses  etwas,  das  ein  Sohn  unter  den  Menschen 
nicht  thut,  dessen  ein  muthiger  Mann  sich  schämt.  Wie  soll  ich  es  anstellen?  —  Hierbei 
ueigte  er  das  Haupt  zur  Seite.  Mit  den  Worten:  Es  mag  gut  sein!  erhob  er  sich,  zog 
das  Schwert  und  schnitt  den  Haarschopf  Nade-si-ko's  plötzlich  ab.  Zu  Vater  und  Kind 
gewendet,  sprach  er:  Diesen  Haarschopf,  der  für  eine  Weile  die  Stelle  des  Hauptes  von 
Nade-si-ko's  Vater,  das  ich  eben  jetzt  nicht  abschlagen  konnte,  vertritt,  berge  ich  in 
meinem  Busen.  Wenn  die  Sache  offenbar,  der  Zweifel  aufgeklärt  sein  wird,  mache  ich 
diesen  Haarschopf  zimi  Geschenke  des  Eidams.  Wird  der  Zweifel  nicht  aufgeklärt, 
werde   ich  den  Hals  Tori-ta's    auf   solche   Weise    meine  Klinge    empfangen    lassen.    Den 


Lieii-liia-hoei   lebte   zu    den    Zeiten    des  Fürsten   Hi    von   Ln,    nacli  Tscliuaiig-tse    zu    den    Zeiten   Khnug-tse's.     Er  war   der 
jüngere  Bruder  des  Räubers    B>fi  Tschi.    Näheres  liegt  niclit  vor. 

15* 


116 


Pl'IZMAIER. 


einen  llaaivschopf  Nade-si-ko's,  welche  dann  wogen  des  Seelenlieiles  ihres  Vaters  Nonne 
werden  wird,  über  drei  Menschen  hängend,  niadit  man  zur  nioht  erlaubten  Thüre  des 
Willens.  Die  sechste  Glocke  des  Morgens  sei  das  Zclclion.  Auf  dem  Felde  von  Ko-te- 
sasi  treft'en  wir  uns  wieder. 

Ije-ba  je-ni  hat  den  Sinn  von  .unaussprechlich'.  ,7«  Avui'de  dabei  (hu-ch  '/X  jß  , Strom' 
erklärt  und  sollte  den  Sinn  von  amsi  , seicht'  haben.  Es  wirtl  jedoch  angegeben,  dass 
der  Ausdruck  den  Sinn  von  ijc-ha  jenu  ,wenn  man  sagt,  erlangt  man  niclit'  haben  müsse. 
Ni  hat  die  Geltung  der  Negativpartikel  «;t,  wovon  Beispiele  angeführt  werden.  So  hat 
Jf    ^    ,nicht  wissen'    in    dem  Man-jeo-siü    und    dem  Zoku-nippon-ki   die  Lesung   sira-ni 

anstatt  siranu. 

Tsuma-fadziki  , Schnippchen'  hat  den  Sinn  von  Jito-wo  Jcohami  fadzukasimu  ,sich  den 
Menschen  entgegenstellen  und  sie  beschämen'. 

To  i-i-tsutsu  jai-ha-ico  osamure-ba  \  nade-si-ko-iva  te-ivo  utsi-aicasi  imo-se-no  ^  (jenj-vu 
iiiHsubi-gami  kokoro-mo  koko-ni  utd-toke-si  ta-busa-mo  sono  mama  koi-bito-no  \  te-ni  todoniara-ba 
kono  mi-no  2|S  ü  (fon-mo).  Tomi-ni  isukaje-ga  otsi-i-si-  \  to  obi  osi-jurubenc  icori-si-mo 
are  \  sagi-suke-wa  te-nogui-ivo  \  ikaniesi-ge-ni  fatsi-maki-site  |  :^  K.  t^  (roku-siaku-b6)-wo 
icaki-basami  \  mesi-taku  wotoko  ^  :^  (to-roku)  \  ^  A  (.fatsi.sai)-ga  \  saki-ni  tatsi-te  ko- 
datsi-no  fima-jori  \  ide-ki-tsutsu  aruzi-ni  mukai  \  koto  'ari-to  mite  soraje-ba  \  mono-domo-tvi, 
kari-atsume  suke-datsi  sen-to  omoi-sorai-si-ni  \  asu-no  asa-ke-ni  \  ko-te-sasi-bara-nite  \  ^  ^ 
(se6-bu)-sen-  \  to  no-tamawasuru-züo  tatsi-kiku-ni  \  jo-i  tatsi-matsi  i^  ^  (sb-i)-site  \  nokori- 
lüosi-ku  koso  sbro  nare.  Tsikai-no  isi-ni  -f^  >\t  (je-ko)  ari-te  \  ina-ki-ga  ^  ^^  (gi-nen) 
farezu-mo  are.    Sagi-suke  kaku-te  soraje-ba  \  mi-kokoro  jasuku  omoi-tamaje. 

Mit  diesen  Worten  barg  er  die  Klinge  in  der  Scheide.  Nade-si-ko  legte  die  Hände 
zusammen  und  sagte :  Wenn  das  ein  A^erhältniss  von  Bruder  und  Schwester  knüpfende 
Haupthaar,  der  Haarschopf,  durch  den  auch  das  Herz  hier  gelöst  wurde,  so  wie  er  ist. 
in  der  Hand  des  Geliebten  zurückbleibt,  so  ist  dieses  mein  ursprüngliches  Verlangen. 
Schnell  war  das  Hinderniss  beseitigt.  —  Sie  lockerte  dabei  den  Gürtel.  Es  mochte  in 
demselben  Augenblicke  sein,  als  Sagi-suke,  ein  Taschentuch  mit  ernster  Miene  um  die 
Stirne  wickelnd  und  einen  sechs  Schuli  langen  Stock  unter  den  Arm  nehmend,  den 
Köchen  T6-roku  und  Sai-fatsi  voranging.  Zwischen  den  Bäumen  hervorkommend,  sagte 
er  zu  dem  Gebieter  des  Hauses:  Da  ich  sah,  dass  es  etwas  gebe,  trieb  ich  die  Leute 
zusammen  und  gedachte,  den  Helfer  zu  machen.  Da  ich  jedoch  euch  sagen  hörte,  dass 
ihi'  morgen  mit  Tagesanbruch  auf  dem  Felde  Ko-te-sasi  die  Sache  entscheiden  werdet, 
sind  die  Vorbereitungen  plötzlich  verfehlt,  und  ich  mag  fernerhin  besorgt  sein.  Indem 
man  den  Stein  des  Eidschwures  vorzieht,  kann  es  geschehen,  dass  der  Zweifel  lna-ki\s 
nicht  aufgeklärt  wird.  Da  ich  Sagi-suke  somit  da  bin,  so  denket  dabei  in  eurem 
Herzen  ruhig. 

To  iwase-mo  ajezu  \  toki-nun-wa  manako-ioo  mi-fari  \  ^  Zl  (sed-zi)-ga  • —  ^  (Isse)-ivi 
/B  W^  (jaku-nnn)-ni  I  nandzi-ra-wo  tanoman-ja  \  tokit,  ■makaJe-jo-  j  to  sikararete  ^  sagi-suke-wa 
nzau-nrai  \  %  ^  (rio-jaku)-iva  kutsi-ni  nigaku  \  ^  ^  (kan-gen)-tüa  mimi-ni  sakai  \  ui- 
kogari-wa  itsu-de-mo  atsiisi.  Tsiü-gi-wo  tsiü-gi-to  siranu  ^  ^  (siti-kuiij-je  \  tsukusu  tsiii- 
f/i-ga  makoto-no  tsiü-gi  \  kanawanu  toki-ni  sagi-suke  tanomu-  \  to  oio-tamawasuru-na-  \  to 
tsubujake-ba  \  toki-nusi  futa-tahi  iwan-to  urii-nis  \  fo-zi-ro  kcrr-ivo  mi-kajeri-te  \  sikara-b 
toki-nusi  itoma-mbsu-  \  to  i-i-tsutsu  sode-ico  fiki-awasi  \  ^  ^  (jen-gaica)-ni  tatsi-na  jaro^ 
sagi-suke-wo    mite    utsi-fö-jemi  \   nandzi-ga    te-nami-wa   siraiie-domo   \   mono-mono-siki    ^    ^ 


a 


Der  Nebel  DEK  Klage.  117 

(kub-gen)  kana.  Ai-te-wa  kirawanu  ßru-nu-nu  tatakal  \  ßto-sato  tsuhisi-te  suke-datsi-se-jo . 
Ko-te-'^asi-hara-nite  me-ni  mono-misen. 

Toki-nusi,  ihn  nicht  ausreden  lassend,  starrte  ihn  an  und  tsagte  :  Werde  ich  bei  dem 
Unheil  des  Geschlechtsalters  Seö-zi  auf  euch  vertrauen?  Schnell  machet  euch  fort!  — 
So  gescholten,  iiohnlachte  Sagi-suke  und  flüsterte :  Eine  gute  Arznei  ist  in  dem  Munde 
bitter.  Ein  guter  ßath  ist  dem  Ohre  zuwider.  Das  erst  Gebratene  ist  immer  heiss. 
AVenn  die  Redlichkeit,  die  man  einem  die  Redlichkeit  niclit  als  Redlichkeit  erkennenden 
Gebieter  gegenüber  erschöpft,  nicht  die  wahre  Redlichkeit  sein  kann,  saget  nicht,  dass 
man  Sagi-suke  vertraut.  —  Als  Toki-nusi  es  zum  zweiten  Male  sagen  wollte,  blickte 
Fo-zi-ro  auf  ihn  und  sagte :  Ich  nehme  also  von  Toki-nusi  Abschied.  —  Dabei  legte  er 
die  Aermel  zusammen  und  schritt  gegen  das  Verhaus.  Sagi-suke  erblickend,  sagte  er 
lächelnd :  Deine  Geschicklichkeit  ist  mir  zwar  unbekannt,  doch  welch'  eine  wichtig- 
thuende  Ruhmredigkeit!  In  dem  Kampfe  auf  dem  weiten  Felde,  wo  man  den  Gegner 
nicht  verschmäht,  bringe  ein  ganzes  Dorf  und  mache  den  Helfer.  Auf  der  Ebene  von 
Ko-te-sasi  werde  ich  es  vor  die  Augen  bringen. 

To  i-i-kakftf  \  niwa-je  sidzuka-ni  worin-to  se-si  \  tokor<j-wo  ima  madzu  kokoro-mi-ni-  \  to 
i/tsi-komu  ^  (bö)-ico  fane-kajesi  |  firumu  jeri-gami  kai-tsukami-te  \  fi-idzitru  made-ni  fumi- 
hi-je  I  modori-utasi-te  faia-to  nage-tsuke  \  futa-tahi  aruzi-ioo  rni-kajeri-te  I  toki-nusi  sude-ni 
fadzi'ivo  sira-ba  |  asu-iva  kanarazu  madaki-jori  |  tsikai-no  isi-no  fotori-ni  kitare  \  i-i-gai- 
iiaku-te  okure-na-se-so  \  iv-ni-ja  ojobu-  |  to  kotoba  siorudoku  \  okuru  ^  fJciakuJ-buri  |  arvzi- 
buri  I  siino-be-ioa  mi-kori-te  siri-gomi-su7'e-ba  \  kosi-ivo  utase-si  sogi-siike-mo  |  kata-asi  agete 
farabai-nagar-a  j  mi-okuru  kage-ico  todome-ajezu  |  ko-no  ina-wo  meguru  jari-midzii-no  \  asakit-ica 
ßto-tco  omo-wazi-to  i  nobi-agari-tsutsu  nade-si-ko-ga  \  maneku  kai-naki  ko-te-sasi-bara-no  \  tsuju-ni 
sakl-datsu  tsuju-no  mi-to  |  sirade  okuru-mo  aioare-naru-besi. 

Im  Begriffe,  langsam  in  den  Vorhof  liinabzusteigen,  sagte  er :  Es  sei  jetzt  früher 
zum  Versuche!  —  Hiei'mit  schnellte  er  den  hereinschlagenden  Stock  zurück,  erfasste 
den  nachgebenden  Halskragen,  stürzte  den  Mann  (Sagi-suke),  so  dass  Feuer  hervoi'kam, 
kopfüber  gegen  den  Trittstein  und  schleuderte  ihn  daran.  Zweimal  nach  dem  Gebieter 
des  Hauses  zurückblickend,  sagte  er  mit  scharfen  "Worten :  "Wenn  Toki-nusi  bereits  die 
Schande  kennt,  möge  er  morgen  gewiss,  noch  ehe  der  Tag  graut,  bei  dem  Steine  des 
Eidschwures  ankommen.  Es  ist  nutzlos  zu  sagen,  dass  er  nicht  feig  sei.  Man  bringt 
es  dahin,  dass  man  es  sagt.  —  Es  war  die  Weise  des  Gastes,  den  man  begleitete,  die 
Weise  des  Gebieters  des  Hauses.  Die  Diener,  durch  den  Anblick  abgeschreckt,  wichen 
zurück  und  traten  ein.  xVuch  Sagi-suke,  der  sich  die  Lenden  zerschlagen  Hess,  einen 
Fuss  erhebend  und  kriechend,  getraute  sich  nicht,  den  von  ihm  mit  den  Blicken  beglei- 
teten Schatten  zurückzuhalten.  Während  das  zwischen  den  Bäumen  herumfliessende  her- 
geleitete Wasser,  bei  seiner  Seichte  die  Menschen  nicht  beachtend,  sich  ausdehnte  imd 
stieg,  begleitete  ihn  Nade-si-ko,  nicht  wissend,  dass  es  der  dem  Thau  der  von  ihr  herbei- 
gewinkten nutzlosen  Ebene  von  Ko-te-sasi  vorangehende  Leib  des  Thaues  sei,  mit  den 
Blicken,  es  sollte  traurig  sein. 

Fmni-isi    ,Trittstein'    ist  ein  Stein,    auf   den    man    beim  Besteigen  des  Wagens    tritt. 

Modori-vtasu  steht  für  niondori-utasu  ,kopfüber  werfen'. 


118  Pfizma 


Die  Finsterniss  des  Rauches. 

Mono-no  fu-no  \  ko-te-sasi-bara-ni  kari-knrasi-te  \  ju-icatari-to  suru  masura-uo  ari-keri. 
Ije-iva  no-su-e-ni  ari-nagara  \  tsi-c/aja  ja-je-mogura-ni  matowarete  \  uki-jo-ni  toivoku  sumi- 
nase-ba  \  fito-ni  towarezu  toi-mo  sezu.  Ko-ddtsi  fima-naki  noki-no  tsitma-ni  \  utsu-semi-zo  naku 
natsu  kite-mo  \  tacla  ßto-tsu-ba-no  ßto-tsu  ja-iva  |  na-ivo  siru  mono  dani  mare-nari-keri . 
Keö-mo  mata  madaki-jori  \  ^  (jo)-tco  okasi  |  fosi-im  itadaki  j  jumi  ja  ta-basami  ide-taru-ni  \ 
jo-tca  ipiada  ake-fatezu  [  omoi-no  foka-ni  faja-kari-si  tote  \  sibad  kuize-ni  siri-ico  kake  |  natsu- 
gusa-ni  fi-ivo  kiri-kakete  \  koko-ni  akziru-wo  matsu  fodo-ni  \  fosl-no  ßkari-mo  usuku  nari-te 
ßki-watasu  joko-himo-no  \  jbjaku  murasaki-datsi-taru-ni  |  ima-wa  faja  |  joki  koro  nari-  \  to 
ßfori-gotsi  \  jatvora  mi-wo  okosi-tsutsu  |  no-naka-ico  sasi-te  jukan-to  snre-ba  \  kono  kari-bito-no 
tsuma  naru-besi  j  tosi-no  jowai-ioa  mi-so-dzi-no  uje-too  \  itsu-tsu  mu-tsu-mo  koje-ja  si-tsuran-  \  to 
mijuru  sidzu-no  me-ga  |  mo-no  siiso  midzikaki  asa-ginu  kite  \  susuki-no  fo  su-e-wagane-si 
gotoku  \  naga-jaka-narit  kami-wo  miisubi-sagete  \  te-ni-tva  wari-go-ico  ßsage-tsutsu  \  isogawasi- 
ge-ni  fasiri-kite  \  ko-ja  ?iu-nb-  \  to  jobi-tomnre-ba  j  kari-bito-ioa  kbbe-ivo  megurasi  j  nani-goto-ka 
aru  I  ßto  odoroke-no  jobi-ko-e  kana. 

Auf  clei-  Ebene  des  Verfertigens  der  Armschienen  der  Krieger  (Ko-te-sasi-bara)  lebte 
ein  starker  Mann,  der  den  ganzen  Tag  bis  zur  Nacht  jagte  und  sich  dadurch  seinen 
Lebensunterhalt  verschaffte.  Da  sein  Haus,  an  dem  Ende  des  Feldes  behndlich,  von 
Riedgras  imd  achtfachem  Labkraut  umzingelt  war,  er  selbst  fern  von  der  Welt  wohnte, 
so  wurde  von  den  Menschen  nicht  nach  ilim  gefragt,  und  er  fragte  auch  nicht  nach 
ihnen.  Ob  auch  der  Sommer,  in  welchem  an  dem  Rande  der  Dachtraufe,  wo  kein 
Zwischenraum  der  Bäume,  die  hohlen  Grillen  sangen,  gekommen  war.  Diejenigen,  die 
das  einzelne  Haus,  ein  Einblatt,  bloss  dem  Namen  nach  kannten,  waren  Wenige.  Auch 
heute,  als  er  noch  vor  Tagesanbruch,  die  Nacht  beleidigend,  die  Sterne  auf  dem  Haupte 
tragend.  Bogen  und  Pfeil  unter  dem  Arme  haltend,  heraustrat,  meinte  er,  dass  die 
Nacht  noch  nicht  völlig  gewichen  und  dass  es  wider  Erwarten  früh  sei.  Er  setzte  sich 
für  eine  Weile  auf  einen  Baumstumpf,  schlug  auf  den  Sommerpflanzen  Feuer  und  wartete, 
bis  es  hier  tagen  würde.  Als  indessen  das  Licht  der  Sterne  schwächer  ward,  die  her- 
übergeführten schrägen  Wolken  allmälig  purpurn  aufstiegen,  sagte  er  zu  sich  selbst  : 
Jetzt  ist  bereits  die  günstige  Zeit!  —  Langsam  sich  erhebend,  wollte  er  der  Mitte  des 
Feldes  zuschreiten,  als  ein  Weib,  welches  die  Gattin  dieses  Jägers  sein  konnte,  an  der 
Hand  einen  Esskorb  tragend,  eilig  dahergelaufen  kam.  Es  war  ein  gemeines  Weib, 
welches  aussah,  als  ob  sie  das  dreissigste  Lebensjalir  und  nebstdem  noch  fünf  bis  sechs 
Jahre  überschritten  hätte.  Sie  war  in  ein  Hanfkleid  mit  kurzem  Saume  des  Unterkleides 
gekleidet  und  Hess  das  lange  Haupthaar  gleich  den  an  der  Spitze  geringelten  Aehren 
des  Schachtelhalmes  geknüpft  herabhängen.  Als  sie  ihn  mit  den  Worten :  Heda!  Holla! 
zurückrief,  wandte  der  Jäger  das  Haupt  und  munnelte :  Was  gibt  es  ?  Ein  Ruf,  die 
Menschen  zu  erschrecken ! 

To  tsubujaku  fodo-ni  \  sidzu-no  me  jb-jaku  fasiri-tsuki  \  ke-sa-wa  amari-ni  faja-karu- 
besi-  \  to  i-i-tsnru-nx)  \  kikade  ide-tamai-si-ka-ba  \  wari-go-ivo  tvasure-tamb-ni  arazu-ja.  Köre 
naku'Se-ba  ßru-ke-no  '^\  (red)-ni  nani-tco-ka  si-tamb-beki-  |  to  kokoro-gurusi-ku  faberi-si-ga\ 
iio  kura-kere-ba  sen-su-be-naku  \  karastc-no  naku-wo  matsi-tcabi-te  \  ato-öte  ki-tsuru  koto  | 
■icari-go    raa-irasen    nomi-ni-ivo.  faberazu.    Kono   goro-wa   utsi-tsudzuki-te  jume-mi-mo   warosi. 


Der  Nebel  DER  Klage.  lli> 

Juku-je  sirezani  '^  §  (toko-natsu)-ga  koto  nado  |  sama-zama-ni  omoi-jare-ba  |  ^  j^ 
(fu-fu)-ga,  uje  koso  tsumi  fnka-kere.  Ma-g>i,sa-kari-te-mo  taten-to  nara-ha  |  asita-nn  kefuri-tva 
tateraru-beki -ni  \  konomu  waza-to-wa  i-i-nagara  [  akete-mo  kurete-mu  jumi  ja  zr.  ij^  (zan- 
laai)  I  ^  /^  (sesse6)-ivo  nomi  koto-to  si-tamb-ivo  \  tosi-goro  isame-fahere-domo  \  tsujii-hakari-mo 
kiki-iamawazu.  Ojosu  iki-to  si  ikeru,  mono  \  idznre-ka  inotsi-no  loosi-karazaru  |  viono-nu 
tatari-no  are-ba  koso  |  tajete  fisasi-ki  musume-ga  juka-je  [  ima-ni  siru  josi-nnki-ni  arazu-ja. 
:^  ^"  ^  ^  (Bv-seö-fu-dzibJ-u-a  ^  (jo)-no  ^  %  (ten-ben)  |  (r  +  'S)  ^^  (fo-^o) 
fasika  |  5£  JöF  (go-kan)-no  musl-jamai-mo-ja  si-tsibru.  Naki-hito-no  kazu-ni-ja  iri-si-  |  to  omoi- 
jie-ni  I  naiüo  madoromanu  aka-tsuki-no  \  kaze-no  tajori-mo  naka-naka-id  \  motanu  -f"  (ko) 
nara-ba  naki-mo  se-zi  j  keö-iva  u-dzuki  jo-ka  tote  \  fotoke-no  umare-tamb  fi-to  ije-ba  j  sihasi-nari- 
to-mo  ^    ^   (go-sej-no  itonami  |  jumi  ja-wo  jasuraje-tamai-ne. 

Das  gemeine  Weib,  endlicli  im  Laufe  herangekommen,  spracli :  Als  ich  heute  Morgen 
sagte,  dass  es  zu  früh  sein  müsse,  ihr  aber  nicht  hörtet  und  hinausginget,  habt  ihr  da 
nicht  den  Esskorb  vergessen?  Ich  war  besorgt,  was  ihr  zum  Mittagsmahle  haben  werdet, 
wenn  ihr  ihn  nicht  habt.  Da  es  sehr  finster  war,  wusste  ich  mir  nicht  zu  lielfen  und 
mochte  nicht  auf  das  Geschrei  des  Raben  warten.  Dass  ich  euch  nachlief  und  daher- 
kam, geschah  nicht  allein,  um  euch  den  Esskorb  zu  reichen.  Um  diese  Zeit  habe  ich 
fortwährend  böse  Träume,  Wenn  ich  an  Toko-natsu,  deren  Aufenthalt  unbekannt  ist, 
denke,  mag  auf  uns  eine  schwere  Schuld  lasten.  Ob  ich  auch  Pferdefutter  schneide, 
wenn  ich  es  hinstellen  will,  lasset  ilu-,  indem  der  Morgenrauch  hervorgebracht  werden 
kann,  es  eure  Lieblingsbeschäftigung  nennend,  am  Morgen  und  am  Abend  Bogen  inid 
Pfeil,  beständiges  Tödten  des  Lebens  euch  nur  angelegen  sein.  Ich  machte  durch  Jahre 
dagegen  Vorstellungen,  doch  ihr  hörtet  mich  nicht  im  Geringsten.  Da  Heimsuchung 
durch  alle  lebenden  Wesen,  deren  Leben  nicht  geschont  wird,  stattfindet,  ist  es  da  nicht 
der  Fall,  dass  wir  kein  Mittel  haben,  den  Aufentlialt  der  lange  verschollenen  Tochter 
zu  erfahren?  Wobei  Alter  oder  Jugend  unbestimmt  sind,  waren  Umwälzungen  und 
Veränderungen  in  der  Welt,  Blattern,  Masern,  vielleicht  auch  ^^\lrmkrankheiten  der  fünf 
Geschwüre.  Bei  dem  Schlafen  in  dem  Gedanken,  ob  sie  vielleicht  unter  die  Zahl  der 
Todten  eingetreten,  ist  es  Tagesanbruch,  an  dem  ich  noch  immer  nicht  schlummere. 
AVenn  es  ein  Kind  ist,  von  dem  ich  die  Nachricht  des  Windes  in  der  That  nicht  habe, 
darf  ich  auch  nicht  weinen.  Heute  ist  der  achte  Tag  des  vierten  Monats.  Da  er  der 
Tag  heisst,  an  welchem  Buddha  geboren  wurde,  so  lasset,  sei  es  auch  für  eine  kurze 
Zeit,  zur  Beschäftigung  mit  dem  späteren  Leben  Bogen  und  Pfeile  ruhen. 

To  kaki-kudoke-ba  j  azawarai  j  nani-goto-wo  iü-to  omoje-ba  \  omo-kage  dani  mi-mo  obojenu  ! 
musume-ga  koto  saje  tori-idete  \  sore-ivo  ica-nami-ga  siru  koto-ka.  Jitku  saki  viijemo  ^  \Ai 
(go-se)  omote  |  3^  ^  (sesse6)-sene-ba  ^  ^  (fi'''fiO  moro-tomo  j  uje-sini-suru  foka  su-be-rno 
nasi.  Ojoso  ,|^  ^  (tsib-ziu)  "^  ^  (gio-tsiü)  nando-iva  |  soiio  kawa-wo  mote  |  "^  ^  (i-seo) 
utsuwa-mono-to  si  |  sono  |^  (nikv,)-wo  tori-te  '^  (siohi)-to  nasu.  Nin-gen-ni  ^  (eki)  0-0- 
kari.  Koko-wo  mote  |  tosi-ni  amata-no  -^  (ko)-wo  uraasi  j  fito-no  fi/f  ^  (sio-ju)-ni  taten 
tote  1  ^  (ten)-jori  tsukuri-okaruru  mono  nari.  Tera-no  tai-ko-mo  kawa-de  fare-ba  |  ^  ^ 
(sesseö)  ^  (kaij-tva  ^  Q  (meö-moku)  nomi.  On-mi-ga  gotoki  koto  nomi  iwa-ba  |  kari- 
bito-no  tane-wa  tsuki-nu-besi.     Wari-go  watasi-te  |  tokii  kajere. 

Bei  diesen  eindringlichen  Worten  holiulachte  Jener  und  sagte :  Wenn  ich  bedenke, 
was  es  bedeutet,  so  ist  die  Sache  der  Tochter,  deren  Bild  mir  nicht  einmal  erinnerlich 
ist,    ganz  entrückt.     Kenne  ich  sie  wohl?   Wenn  ich,    an  die  vorher  unsichtbare  spätere 


1 20  -  Pfizmaiek. 

Welt  (leiikoiul.  (las  Leben  nicht  tödtote,  so  liätten  wir  Beide  nielits  anderes  zu  tliun. 
als  Hungers  zu  sterben.  Alle  Vögel  und  Avilden  Thiere,  Fische  und  Insecten,  man 
bereitet  aus  ihrer  Haut  Kleider  und  Geräthe,  man  nimmt  ihr  Fleiscl:  und  bereitet  daraus 
Speise.  Die  Menschheit  hat  davon  vielen  Nutzen.  Hierdurch  bewirkt  man,  dass  in  dem 
Jahre  Kinder  geboren  werden  und  für  die  Bedürfnisse  der  Menschen  gesorgt  ist.  Es  sind 
daher  Dinge,  welche  durch  den  Himmel  hervorgebracht  und  liingelegt  werden.  Da  man 
auch  die  Trommeln  der  Tempel  mit  Fellen  überspannt,  so  ist  das  Verbot  der  Tödtung 
des  Lebens  nur  ein  leeres  AVort.  Wenn  es  nur  das  bedeutete,  was  du  sagst,  so  müsste 
das  Geschlecht  der  Jäger  ausgestorben  sein.  Gieb  mir  den  Esskorb  und  kehre  schnell 
zurück ! 

To  sikararete  tsimia-ica  itodosi-ku  |  namida-kumi-iaru  me-ivu  migui  |  kokoro-tsujoki-wa 
masura-wo-no  \  tsune-ni-ira  are-do  \  koto-ni  joru.  Onazi  lüd-jo-ivo  icataru  mi-no  |  kari-hito 
sene-ha  ujeru-ka  \  sinuru-ka.  Kokoro-tsujosi-  |  to  hvase-mo  ajezu  \  manako-wo  mi-fari-te  ko-e-wo 
furi-tate  \  kadogamasi-ku  'j^  ^  (ke-tsi)  tsuke-tare-ha  |  keö-no  je-mono-mo  fodo-wa  sire-tari. 
Fi-mo  ide-taru-ni  vka-uka-to    kuri-goto-ico  kiku  itoma-iva  arazu.    Wari-go  torasl-te  jukazu-ja. 

Mit  diesen  Worten  gescholten,  trocknete  die  Gattin  die  überaus  thränenvollen  Augen 
und  sagte:  Obwohl  der  Geistesstarke  gewöhnlich  der  Mann  ist,  kommt  es  auf  die  LTm- 
stände  an.  AA'enn  er,  der  zugleich  durch  die  vergängliche  Welt  setzt,  kein  Jäger  wäre, 
würde  er  hungern?  würde  er  sterben?  Er  ist  geistesstark.  —  Ohne  sie  ausreden  zu 
lassen,  starrte  sie  Jener  an  und  rief  mit  erregter  Stimme :  Da  du  auf  lärmende  Weise 
Albernheiten  vorgebracht  hast,  ist  die  Beschaffenheit  der  Beute  des  heutigen  Tages 
bekannt.  Die  Sonne  ist  aufgegangen,  ich  habe  keine  Zeit,  die  gehaltlos  immer  wieder- 
kehrenden Worte  zu  hören.    Gibst  du  nicht  den  Esskorb  und  gehst? 

To  iki-makit  icori-kara  |  ko-te-sasi-hara-no  kusa-gakure  |  foro-utsu  kizi-no  ko-e-tatete 
ono-ga  ari-ka-wo  slrnsi-no  isi-dzuka  me-ate-to  jumi  ja  utsi-tsugai  \  nerai-tsikadzitku  wotoko-no 
sode-wo  I  isogaioasi-ku  fiki-todome  \  ko-iva  kiki-waki-nasi-  |  to  ^  (enj-zure-ba  \  samatage-sv- 
na-  I  to  fata-to  keric  |  kerarete  |:p.  (db)-to  fusi-marobn  \  tsuma-mo  komoreri  natsu-gusa-no 
kefuri-no  su-e-no  fodo  toivomi  |  mata  naktc  kizi-ni  ja-goro-nv  fakari-te  \  joppiki-te  fio-to  im. 
To-sakehi-no  ko-e  moro-tomo-ni  |  fata-fata-to  tatsu-ioo  kitto  mite  \  masasi-ku  ja  kotaje-si-fari- 
si-ni  I  i-fadzusi-taru-ka  kntsi-wosi-  |  to  i-i-kakete  fase-juke-ba  |  no  nasake-nasi-  \  to  sakebi- 
tsutsu  I  tsmna-ica  jo-jnhi  mi-ioo  okosi  \  ja-jo  matsi-tamaje  iü  koto  ari.  Ko-ja  no-nh-  \  to  jobi- 
kajese-do  \  kajeranu  ivotoko-ni  ko-e-tafsuru  I  wäre  saje  kigisit-no  tsuma-  koi-te  [  obotsuka-nakv.-vio 
okkake-tari. 

In  dem  Augenblicke,  als  er  sich  so  ereiferte,  erhob  in  dem  Pflanzenverstecke  der 
Ebene  Ko-te-sasi  ein  mit  den  Flügeln  schlagender  Fasan  die  Stimme.  Den  Steinhügel, 
den  der  Vogel  als  seinen  Aufenthaltsort  kundgab,  zum  Ziele  machend,  legte  der  Mann 
den  Pfeil  auf  den  Bogen  und  näherte  sich  mit  lauerndem  Blicke.  Das  Weib  zog  ihn 
hastig  bei  dem  Aermel  zurück  und  sagte  unwillig :  Hier  ist  durch  das  Gehör  nichts  zu 
vernehmen.  —  Er  rief:  Sei  mir  nicht  hinderlich!  —  Dabei  schlug  er  mit  dem  Fusse 
aus,  und  sie  stürzte,  von  dem  Fusse  getroffen,  zu  Boden  und  verbarg  sich.  In  der 
Ausdehnung  der  Spitze  des  Rauches  der  Sommerpflanzen  spähend,  bemass  er  den  Schuss 
nach  dem  wieder  schreienden  Fasan  und  drückte  los.  Bei  dem  beiderseitigen  Vogel- 
geschrei sah  er  genau,  dass  ein  Vogel  aufflatterte  und  sagte :  Indess  der  Pfeil  geradezu 
entsprochen  hat,  sollte  ich  da  gefehlt  haben?  Es  ist  bedauerlich.  —  Hiermit  lief  er 
hin.    Die  Gattin  schrie:  O  unbarmherzig!  —  Indem   sie  sich   dabei  langsam  erhob,  rief 


Der  Nebel  DER  Klage.  121 

sie  ihn  mit  den  Worten :  He,  wartet !  Ich  habe  etwas  zu  sagen.  He !  Holla !  zurück, 
doch  sie  rief  einem  Manne,  der  nicht  zurückkehrte.  Dieser  verlangte  für  sich  nur  das 
Männchen  des  Fasans  und  machte  sich  an  die  unsichere  Verfolgung. 

Sarib  fodo-nl  kari-bito-ioa  \  htsa  kaki-wafd-te  i-tari-si  kigisu-ivo  \  koko-ka  \  kasiko-ka-  \  to 
tadzunure-ha  \  aivaremu^besi  j  fitori-no  ivaka-iulo  |  fara-maki-ni  ko-te  sune-ate-site  |  siro-nuno-ivo 
fatsi-maki-to  si  \  nagaki  futa-kosi-wo  joko-tajete  \  ito  ikamesi-ku  ide-tatsi-taru-ga  \  ^l  (tsi)-no 
sita-iüo  no  fiikaku  i-sasi-te  \  tsikai-no  isi-no  fotori-naru  \  kusa-ha-no  uje-ni  tbre-tari.  Kari- 
bito-iva  kore-ico  mite  \  katsa  odoroki  \  katsto  akire  \  ana  itamasl-  \  to  idaki-okose-ha  \  tsuma-mo 
jö-jaku  fasiri-ki-tsu.  Ko-wa  so-mo  ika-ni-  \  to  hakari-ni  \  kore-kare  maje-jori  usiro-jorl  \  sama- 
zama-ni  itaware-ha  \  waka-udo-iva  jo-jaku-ni  \  iki-idete  manako-ioo  mi-fari  \  ^  f^  (fi-krd) 
nari  tori-ta  toki-nusi  \  ware-ico  sukasi-te  \  kono  firo-no-je  obiki-josi  j  tobi-dö-f/u-iuo  mote  kajeri- 
utsi-ni  I  utan-to-wa  fakari-si-jo.  Nandzi-ra-vio  kataki-no  kata-udo  |  fo-zi-ro-ga  jomi-dzl-7io 
tahi-no  \  siru-be-ioo  sasen. 

Als  der  Jäger,  die  Pflanzen  zertheilend,  suchte,  ob  der  geschossene  Fasan  vielleicht 
hier,  vielleicht  dort  sich  befinde,  da,  o  Leid !  war  ein  junger  Mann,  nebst  der  gespal- 
tenen Rüstung  mit  Armschienen  und  Beinharnischen  bekleidet,  ein  weisses  Tuch  als  Kopf- 
binde tragend,  mit  zwei  langen  Schwertern  schräg  umgürtet  und  von  sehr  furchtlosem  Aus- 
sehen, dem  vinter  der  Brust  ein  Pfeilschaft  tief  hineingeschossen  war,  über  den  zur  Seite 
des  Steines  des  Eidschwures  befindlichen  Pflanzenblättern  hingesunken.  Der  Jäger, 
erschrocken  und  verwundert,  schloss  ihn  mit  dem  ßufe :  Sehr  schmerzlich !  in  die  Arme 
und  hob  ^  ihn  auf.  ■  Auch  die  Gattin  lief  endlich  herbei.  Nur  sagend :  Wie  ist  dieses 
geschehen?  nahmen  sie  sich  hier  und  dort,  vorn  und  rückwärts,  auf  allerlei  Weise,  um 
ihn  an.  Der  junge  Mann,  mit  Mühe  athmend,  starrte  sie  an  und  spracli :  Es  ist  feig ! 
Tori-ta  Toki-nusi  beredete  mich  und  lockte  mich  auf  dieses  weite  Feld.  Indem  er  mit 
einem  fliegenden  Geräthe  zurückwirft,  macht  er  einen  Anschlag,  mich  zu  tödten !  Ihr 
seid  die  Anhänger  des  Feindes,  ich  werde  euch  auf  der  Reise  Fo-zi-ro's  in  die  Unter- 
welt die  Wegweiser  sein  lassen. 

To  nori-mo  ajezu  \  katana-ivo  nuke-do  tsuki-kakaru  \  kobusi-iuo  sude-ni  oforojcte  \  itodo 
ibrami-zo  ijamasi-taru  \  ^  J|^  (ku-tsü)  sa-koso-to  kari-hlto-wa  \  mabuta-nl  aiaaru  namida-wo 
tataje  \  sate-iva  tori-ta  toki-nusi-ni  |  urami-aru  fito  nnri-ja.  Wa-iimni-ica  mattaku  toki-nusi-ga  , 
kata-zama-no  mono-ni  arazu.  Kono  no-zu-e-naru  simoto-hara-ni  |  j^  (joj-wo  nige-midzu-no 
oi-tori-gari  \  ^  ^  (sesseoj-tco  nomi  narücai-ni  \  nige-kakurene-do  sato  towo-kere-ba  \  ^  ^ 
(fü-fu)  kasuka-ni  sumi-wabi-taru  |  kari-bito-nite  sorb  naru.  Ima  kono  isi-no  fotori-nite  \  naki- 
tatsu  kizi-ico  i-tomen  tote  \  joppiki-fan  atsu  ja-iva  sorete  |  fito-ioo  i-tari-si  ^  ^  (fn-rio)-no 
ajamatd  \  itamasi-ki  koto  site-keri-  \  to  tüaburu-ni-mo  wabi-gataku  \  oivase-si  fiüca-de-wo  ika-ni 
sen.    Mina  köre   y^    j^   (suku-se)-no    ^    ^    (aku-gd)-to  |  omoi-akirame  jitrusi-te  tabe. 

So  noch  scheltend,  zog  er  das  Schwert,  doch  die  stossende  Faust  war  bereits 
schwach.  Ein  solches  Leiden,  bei  welchem  der  Hass  noch  mehr  überhand  genommen 
hatte,  sehend,  sagte  der  Jäger,  indem  in  seinen  Augen  die  Thränen  überflössen :  Also 
gibt  es  Menschen,  die  auf  Tori-ta  Toki-nusi  einen  Hass  werfen.  leli  bin  gar  kein  An- 
hänger Toki-nusi's.  Auf  der  am  Ende  dieses  Feldes  befindlichen  Gertenebene  mache 
ich  nur  die  Vogelbeize  des  die  Welt  fliehenden  Wassers,  die  Tödtung  des  Lebens  zu 
meiner  Beschäftigung.  Ich  bin  kein  verborgener  Flüchtling,  doch  da  die  Dörfer  entfernt 
sind,  bin  ich  ein  Jäger,  der  mit  seiner  Gattin  ärmlich  in  tiefer  Abgeschiedenheit  wohnt. 
Jetzt  wollte  ich  einen  zur  Seite  dieses  Steines  schreiend  sich  erhebenden  Fasan  schlössen. 

.    Denkschriften  tl^r  pliil.-bist.  CL  XXVI.  Bd.  16 


-J  90  Pl'IZMAIKK. 

K-Ii  ilrücktL-  los,  clor  l'foil  ging  schief,  iiinl  der  iiavorlioffte  Irrtlmni,  da.ss  ieli  einen 
Mensclien  traf,  war  sclimerzlirli.  Wie  ich  auch  um  Hilfe  Hehe,  es  ist  unmöglich,  um 
Hilfe  anzurufen.  Was  ist  bei  der  tiefen  Wunde,  die  ich  beibrachte,  zu  tliun?  Erkläret 
euch  dieses  alles  als  eine  böse  Beschäftigung  des  früheren  Lebens  imd  vei'zeiliet. 

Niqe-midzu  ,fliehendes  Wasser'  ist  der  Anblick  des  Feldes  von  Musasi.  Im  Sommer 
bei  heiterem  Himmel  sind  daselbst  die  Spitzen  der  Blätter  der  l'flanzen  weiss  und 
gleich  fliessendem  Wasser.  Es  ist  kein  wirkliches  Wasser.  Geht  man  zu  einem  anderen 
Orte,  so  erscheint  es  wieder  gegenüber.  Es  heisst  desshalb  ,fliehendes  Wasser'.  An 
dieser  Stelle  wird  ,das  die  Welt  fliehende  Wasser'  gesagt. 

Tu  te-tcu  atcasure-ba  j  kbhe-wo  furi  \  sate-ioa  nandzi-wa  \  toki-nusi-rd  tanomarete  \  ware-wo 
fowo-ja-ni  kake-nagara  \  sono  tnbakari-wo  i-i-kuromen  tute  \  kigizu-to  omoi-tagaje-si-to-wa  j 
säte  ne-fukaku-mu  fakari-ni-keri.  Toki-nusi-wa  idzuko-ni  aru.  Kataki-no  knivo-tuo  minu 
fudo-u-a  I  sinanu  \  sinamt-  \  to  in  ko-e-mo  \  jaja  jowari-juku  ima-ica-no  ^  '\^  (ku-no)-wo  \ 
iniru-ni  je-tajezu  jo-ju-to  naku  \  imnna  kokoro-toa  koto-sara-ni  i  semaki  tamoto-wo  siburl-ajezu  j 
moto-jori  mi-mo  si  kiki-mo  senu  \  ßto-ivo  nani-si-ni  kokoro  ari-te  \  wotto-ga  ja-saki-ni  kake- 
faberan  \  jo-wataric  icaza-no  o-o-karu-ni  \  jumi-iru  kotu-ico  fito-nami-ni  \  fiki-mo  oboje-si 
^  ^  (aku-g6)-nite  \  wotto-wa  no-jama-ni  kari-kurasi  \  asari-akasi-ie  ^  'ftf  (go-sej  sirazu  1 
jo-karanu  loaza-to  isainete-mo  |  asita-no  fara-no  tsnju-bakari-mo  \  motsi-irarene-do  \  kori-zu- 
via-ni  1  keo-wa  koto-sara  "^  ^  %"  (busseo-e)  \  semete  ßto-ß-tca  ^  ^  (sessed)-no  \  jumi 
ja-ivo  jasuraje-tamai-ne-  |  to  hna-si-mo  itaku  arasoje-ba  \  aja-niku-ni  naku  kizi-no  ko-e. 
I-muke-no  sode-ivo  ßki-tomete  \  kaki-kudoki-taru  ju-e-ni  \  nerai-ica  sorete  jukuri-naku  [  kaku-wa 
on-mi-ico  i-sasi-ken.  Kui-te  kajeranu  koto-ni-tva  fabere-do  I  tvaga  tsuma  nomi-no  ajamatsi 
narazu.  Utagai  farasi-te  ^  ^  (hi.kkua)-u-o  je-tamaje.  ^  ^  (Fü-fu)-ga  hiotsi-no  aran 
kagiri-wa  |  ato  nengoro-ni  toi-faberame  \  ika-naru  ju-e-ni  ta-ioa-gawa-no  \  -^  ^  (tsiu-ziaj-wo 
ata-to-'ica  no-tamo  jaran.     Waga  mi  loaka-kari-si  toki. 

Hiermit  legte  er  die  Hände  zusammen.  Jener  schüttelte  das  Haupt  und  sagte:  Du,  von 
Toki-nusi  gebeten  und  mich  einem  fernen  Pfeile  anhängend,  hast,  um  den  Betrug  zu  ver- 
decken, gründlich  ersonnen,  dass  du  dich  an  einem  Fasan  geirrt  liabest.  Wo  ist  Toki- 
nusi?  So  lange  ich  das  Angesicht  des  Feindes  nicht  selie,  sterbe  ich  nicht,  sterbe  ich 
nicht.  —  Hierbei  wurde  seine  Stimme  allmälig  schwächer.  Das  weinende  Weib  ertrug 
es  nicht,  die  Leiden  der  Todesstunde  zu  sehen.  Sich  nicht  Zeit  lassend,  den  engen 
Aermel  auszuwinden,  sagte  sie :  Warum  sollte  mein  Mann  einen  Menschen,  den  er  früher 
gar  nicht  gesehen  und  von  dem  er  auch  nicht  gehört  hat,  mit  Absicht  an  die  Pfeilspitze 
hängen?  Während  die  Erwerbsquellen  viele  sind,  hatte  mein  Mann  eine  schlechte  Be- 
schäftigung, wobei  er  das  Pfeilschiessen  zur  Gewohnheit  machte,  das  Bogenspannen  sich 
ins  Gedächtniss  rief.  Er  jagte  auf  Berg  und  Feld  bis  zum  Abend,  schoss  mit  Pfeilen 
bis  zum  Morgen  und  kannte  nicht  die  spätere  Welt.  Machte  ich  auch  Vorstellungen 
gegen  die  nicht  gute  Sache,  er  nahm  nicht  so  viel  an,  als  der  Thau  des  morgendlichen 
Feldes  beträgt.  Doch  während  er  sich  nicht  warnen  liess,  sagte  ich  heute  besonders, 
an  dem  Feste  der  Geburt  Buddha's,  er  möge  wenigstens  einen  Tag  die  Tödter  des 
Lebens,  Bogen  und  Pfeile,  ruhen  lassen.  In  dem  Augenblicke,  wo  icli  heftig  stritt, 
ertönte  zum  Unglück  die  Stimme  eines  Fasans.  Ich  zog  ihn  an  dem  linken  Aermel 
zurück,  imd  weil  ich  ihm  zuredete,  zielte  er  schief,  und  er  wird  euch  unvermuthet  so 
mit  dem  Pfeile  getroffen  haben.  Es  ist  eine  Sache,  die  durch  Eeue  nicht  rückgängig 
wird,    doch  es  ist  nicht  der  Fehler  meines  Mannes    allein.     Zerstreuet   den  Zweifel   und 


Der  Nebel  dek  Klage.  123 

empfanget  die  Vollendung  Buddha's.  So  lange  uns  Beiden  das  Leben  bleibt,  werden 
wir  ernstlich  um  euch  trauern.  Aus  welcher  Ursache  möget  ihr  den  Aeltesten  des 
Flusses  Ta-wa-gawa  euren  Feind  nennen?    Als  ich  jung  war  — 

To  iwan-to  surio-wo  \  kari-bito-wa  utsi-siwahuki  \  tada-ima  tsuma-r/a  i/l  (jotoku  \  |^  jVj) 
(ja-sin)  ari-te  ^  (gai)-se-d-ni  arazu.  Ito  wakaki  fito  narv-ni  \  oja  fara-kara-mo  tvoirasu- 
hesi.  I-i-nokosu  koto  ara-ha  \  furu-sato-je  koto-tsuge-sen.  Kaku  iü  koto-no  itsuwari  ara-ba\ 
ja-ivo-jorodzu-no  jjj^  "^  (sin-hatsn)-ivo  \  tatsi-tokoro-nl  kbnmri-ten.  Koto-ni  tokoro-wa  ko-te- 
sasi-hara  \  tsikai-no  isi-no  fotori-nite  |  tsikb  kotoba-ica  \  kuvioranu  kagami  \  tsmna-no  isame-tvo 
ima  jb-jaku-ni  j  omoi-aioase-si  ~f^  V\  (r/e-suj-no  ^  ^,  (tsi-e)  |  ato-je  matoase-si  janagui-no  I 
ja-'wo-mo  lüori  \  tsurn-ioo-mo  kiri  |  ^  ^  jfj^  (sesseo-kaij-ico  tamotsu-besi.  ^  -^^  (Gl-nenj-ico 
farasi-te  J^  ^  (zeb-bntsu)  are-  \  to  i-i-tsutsu  ja  totte  tsib-to  woru  \  ke-siki-ni  makoto-rva 
araware-tari. 

Als  sie  weiterreden  wollte,  luistete  der  Jäger  und  spracli :  Es  ist  nicht  der  Fall, 
dass  ich  ein  wildes  Herz  habe  und  morde,  wie  die  Gattin  eben  sagt.  Da  ihr  ein  sehr 
junger  Mann  seid,  werdet  ihr  Aeltern  und  Brüder  haben.  Wenn  ihr  etwas  zu  hinter- 
lassen habt,  so  werde  ich  es  nach  eurer  HeimatJi  melden.  Wenn  ein  solches  Wort  falsch 
ist,  so  wird  die  Strafe  der  achthundertmal  zehntausend  Götter  auf  der  Stelle  mir  zu 
Theil  werden.  Was  besonders  den  Ort  betrifft,  so  sind  die  Worte,  welche  man  zur  Seite 
des  Steines  des  Eidschwures  auf  der  Ebene  Ko-te-sasi  schwört,  ein  unumwölkter  Spiegel. 
Mit  dem  Verstände  des  gemeinen  Mannes,  wobei  ich  die  Vorstellungen  der  Gattin  jetzt 
endlich  beachtet  habe,  werde  ich  die  Pfeile  des  Köchers,  den  ich  nach  rückwärts 
gedreht  habe,  zerbrechen,  die  Sehne  zerschneiden  und  das  Verbot  der  Tödtung  des 
Lebens  immer  vor  Augen  haben.  Zerstreuet  den  Zweifel  und  werdet  selio-! —  Hiermit 
nahm  er  die  Pfeile  und  zerbrach  sie.    Seine  Miene  bekundete  Wahrhaftigkeit. 

Fo-zi-rb-ica  kono  ari-saona-ni  \  urami-mo  tajete  tan-soku-si  |  saie-wa  go-fen-wa  kari-bito- 
nite  I  tori-ta-ga  tame-ni  suke-datsi-sen  tote  \  toare-ico  i-tsuru-ni-wa  arazaru-ka.  Tsitsi-no 
kataki-to  ziü-ku-ka-nen  |  onazi  tsuki  fi-ivo  itadaki-nagara  \  na  dani  sirane-ba  utsu-ni  josi- 
naku  I  kokoro-wo  tsukusi  \  mi-ioo  jatsusi  \  kino  fazimete  tsitsi-no  ata-tvo  \  toki-nusi  nari-to  sirit 
mono-kara.  \  na-nori  awane-ba  \  utsu-ni-mo  utarezu.  Tsikai-no  isi-no  fotori-nite  \  ^  ^  (kio- 
zitsu)-iüo  sire-  j  to  ^  (rij-ivo  osi-te  I  vjabure-ba  ze-fi-naku  sono  ^  (i.)-ni  ]§  (6)-zite  |  ware-ica 
joi-jori  ^  ^j\  (siuku-sio)-wo  ide  \  fitori  kono  no-ni  komori-tsutsu  \  toki-nusi  ososi-  \  to  ahirii, 
jo-iüo  I  matsi-tvabi-te  sode-no  itje-ni  |  okv,  sira-tsujn,-ni  saki-datsi-te  |  faka-naku  inotsi-ico  otosu- 
to-ica  I  kami-mo  fotoke-mo  ivaga  tije-ivo-ba  \  mamori-tamawanu  \^  (jo)  nari-keri.  Kaku  made 
^  )||  (bu-nn)-ni  tsuki-taru.  nanigasi  \  josi-ja  go-fen-ivo  uramu-to-mo  futa-tabi  iku-beki  ivaga 
mi-ni  arazu.  Iivaruru  tokoro  makoto  ara-ba  g^  ^  (go-ga)-no  fotori-ni  loabi-sumai-suru  \ 
faioa-to  ototo-ni  koto-dzute-iamaje. 

Unter  diesen  Umständen  schwand  der  Hass  Fo-zi-ro's,  und  er  sprach  seufzend : 
,Also  seid  ihr  ein  Jäger  und  habt  nicht,  um  Tori-ta  beizustehen,  auf  mich  geschossen? 
jVlit  dem  Feinde  meines  Vaters  durch  neunzehn  Jahre  gemeinschaftlich  Sonne  und  Mond 
auf  dem  Haupte  tragend,  wusste  ich  nicht  einmal  dessen  Namen.  Ohne  ein  Mittel,  ihn 
zu  tödten,  erschöpfte  ich  das  Herz,  ermüdete  den  Leib.  Erst  seit  gestern  weiss  ich,  dass 
Toki-nusi  der  Feind  des  Vaters  ist.  Doch  da  die  Nennung  des  Namens  nicht  stattfand,  habe 
ich  ihn  nicht  getödtet,  noch  wurde  ich  getödtet.  Da  er  mir  als  Grund  aufdrang,  dass  ich 
an  dem  Steine  des  Eidschwurs  Wahrheit  und  Lüge  erfahren  möge,  und  in  Verzweiflung 
war,  ging  ich  ohne  Widerrede  auf  den  Vorschlag  ein  und  verliess  in  der  Nacht  meinen 

16* 


1 2-t  Pfizmaieb, 

Wohnort.  Als  Einzelne)"  in  dieser  Wildniss  verborgen,  wartote  icli  in  dem  Gedanken, 
dass  Toki-nusI  spät  komme,  mit  Ungeduld  auf  den  ATdjrucli  des  Tages,  und  friüier  noch 
als  der  über  den  Aermel  sich  legende  weisse  Thau  wesenlos,  verlor  ich  das  Leben.  Es 
Avar  die  Welt,  in  welcher  die  Götter  und  Buddha  über  mich  nicht  wachten.  Ich,  der 
ich  bis  zu  einem  solchen  Masse  bei  dem  Loose  des  Kriegers  erschöpft  bin,  gesetzt  auch, 
ich  grollte  euch,  ich  bin  es  nicht,  der  noch  einmal  leben  kann.  Wenn  eure  Worte 
Wahrheit  sind,  so  bringet  meiner  Mutter  und  meinem  jüngeren  Bruder,  die  bei  Go-ga 
iii-mlich  wohnen,   die  Kunde.' 

So-mo-so-7no  kore-toa  Jl.  ^  (safo-mij-no  ije-uu  ko  |  ^  ^  (ina-kij  '/p  ^  2p.  ^^i^.i_ 
btt-feij-ga  -^  ^  (tsib-nanj-ni  \  f<;j|  Zl  ^|5  (fo-zi-rb)-to  jobaruru.  mono  nari.  Tsitsi  dzi-bu- 
fei-wa  fagi-kvho-nite  |  tö-zoku-no  tame-ni  utare  |  ^  ^  (,'iiu-kun)-jori  adzukari-tate-matsuru 
o-o-tsitki-gata-no  mi-tatsi-to  |  san-fiakkin-ico  vhai-toraru  |  kono  togame-ni  jotte  |  Ije-iva  |8)f  ^ 
(dan-zetsu).  Kono  toki  ware-iva  fadzuka-ni  futa-tsu  |  ototo  y|^  I^  ^[5  (se-zi-ro)-wa  *^  ^ 
(fo-zai)  nare-ba  \  tsitsi-no  j^  ^  (wb-si.J-wo  notsi-ni  kiki  \  ^  '|'^  (i-kon)  fara-wata-xioo 
tatsu-to  ye-domo  \  kataki-ivo  tare-to  sirazare-ba  |  amata-no  tosi-ivu  ada-ni  okuri  |  tsika-goro 
loare-iva  ta-fa-gaiva-7io  |  sato-ni  sibaraku  loabi-sumai-site  j  fisoka-ni  o-o-t-mki-gata-no  tatsi-ivo 
tadzunuru  fodo-ni  \  tori-ia-no  seu-zi  toki-nusi-ga  j  kudan-no  tatsi-ni  tsukerare-si  |  fototogisu-no 
loari-ko-gai-wo  kakusi-mottaru  jtt-e  |  sika-sika-no  koto-ni  jotte  \  fu-rio-ni  kano  kb-gai-wo  | 
tvaga  ije-bato-ni  utsi-tsuke-tari.  Koko-ni  fazimete  toki-nusi-wo  |  tsitsi-no  ata  nari-to  ^  (suij- 
se-si-ka-ba  |  tori-ta-ga  ije-ni  fasiri-juki  |  sude  ni  ^  ^  (sed-buj-tvo  idomu-to  ije-domo  |  toki- 
nusi  tsiijä-tsuja  kataki-to  na-norazu. 

,Ich  bin  der  älteste  Sohn  Ina-ki  Dzi-bu-fei's,  Hausdieners  des  Geschlechtes  Sato-mi, 
und  heisse  Fo-zi-rö.  Mein  Vater  Dzi-bu-fei  wurde  in  der  Weiderichvertiefung  durch  einen 
Räuber  getödtet.  Da  ihm  das  kostbare  Sch^vert  der  grossen  Mondgestalt,  das  er  von 
dem  Vorgesetzten  und  Gebieter  in  Verwahrung  erhalten  hatte,  und  dreihundert  Kobang 
geraubt  wurden,  erging  auf  Grund  dieses  Verschuldens  über  sein  Haus  die  Abschneidung. 
Um  die  Zeit  war  ich  kaum  zwei  Jahre  alt,  mein  jimgerer  Bruder  Se-zi-rö  war  in 
demselben  Jahre  geboren,  und  wir  erfuhren  den  unglücklichen  Tod  des  Vaters  sj)äter. 
Der  Ingrimm  durchschnitt  uns  die  Eingeweide,  doch  wir  Avussten  nicht,  wer  der  Feind 
sei,  und  wir  verbrachten  vergeblich  viele  Jahre.  Unlängst,  als  ich,  in  dem  Doi'fe  des 
Flusses  Ta-fa-gawa  für  eine  Zeit  ärmlich  wohnend,  insgeheim  das  Schwert  der  grossen 
Mondgestalt  suchte,  heftete  Tori-ta-no  Seo-zi  Toki-nusi,  weil  er  die  gespaltene  Haarnadel 
des  Kuckucks,  welche  an  dieses  Schwert  befestigt  gewesen,  versteckt  hielt,  in  Folge 
verschiedener  Umstände,  unvermuthet  diese  Haarnadel  an  meine  Haustaube.  Jetzt  erst 
errieth  ich,  dass  Toki-nusi  der  Feind  meines  Vaters  sei,  und  ich  lief  in  das  Haus 
Tori-ta's.  Ich  kämpfte  bereits  im  Einzelnkampfe  um  den  Sieg,  jedoch  Toki-nusi  nannte 
durchaus  nicht  den  Namen  als  Feind.' 

Kano  fototogisu-no  kb-gai-wa  \  mnkasi  fagi-kubo-no  ara-no-nite  |  no-busi-to  obosi-ki  ara- 
ivotuko-ga  |  tahi-suru  ji^  Jt  (bu-si)-wo  kiri-fuscte  |  kosi-naru  katana-wo  ubai-saru  toki  j 
j/ikiiri-naku-mu  juki-aioasi  |  mh^n-ni  sinobizu  ko-e-tatsure-ba  |  kuse-mono-ioa  nti-kajeri-nagara  j 
utsi-kaknru  sik-ri-ken-wo  |  suge-gasa-ni  nui-tome-tari.  Sana  siu-ri-ken-wa  \  kono  kb-gai  nari-  |  to 
makoto-si-jaka-ni  arasö  fodo-ni  |  toki-nusi-ga  inusume  |  nade-si-ko-ga  kanasimi  tsugete  \  tsikai-no 
isi-no  fotori-ni  i-juki-te  |  tsikawa-ba  ^  ^  (kio-zitsu)-wo  siran-to  iü.  Fi-mo  nisi-ni  katamiike-ba  j 
jainu  koto-iüo  jezu  \  ^  "^  (sni-kiiai)-v)o  asu-no  asake-to  tsigiri-tstitsu  |  madaki-jori  koko-ni 
kite  I  toki-nusi-wo   matsu-to    ija-domo  |  jo-wa  ake  asa-fi-no  'noboru   made  \  toki-nusi-wa   ide-mo 


Der  Nebel  dek  Klage.  125 

kozio.  Kakare-ha  kinö  i-i-tsuru  koto^wa  |  koto-goto-ku  itsuwari-nite  |  ijo-jo  utaqai-naki  mono 
nari.  Go-fen  ßsoka-ni  |  kono  ku-gai-tvo  seö-ko-to  site  \  loaga  fawa-ni  Unqc,  |  otuto-ni  sirasi  1 
tftitsi-oio  ata-taru  toki-nusi-ivo  \  ute-  ••.  fo  koto-dzute-tamaware-kasi.  Fawa-wa  ^^  ^  (dzi-bib)-ni 
^  ^  (siaku-ziu)  ari  \  tosi-goro-no  f^Jj  ^  (ku-r6)-ni  jotte  \  jami-sarahai-tamai-si-ga  \  mi- 
sutete  ide-si-mo  oja-no  tarne  \  kataki-wo  neraje-ha  j  oto-dzure-sezu  |  keo-wa  tajori-no  kikojuru-ka  \ 
asu-wa  kajeru-  \  to  matsi-iüahi-te  \  i-tamu  tokoro-je  kono  asiki  \  tajori-tvo  kikosi-mesare-na-ha  \ 
sono  mama  taje-mo  fate-tamawame.  Faira-no  nageki-ni  ototo-ga  urami  |  omoi-jaru  nomi 
hna-u-a-no  majoi.  Ko-ga-no  watari-no  '/^  \^  J^  (fu-i'o-nin)  ina-ki  se-zi-rb-to  tadzune- 
tamaje.     Tadzune-mi-mosu-iva  kono  koto  nomi. 

.Hinsichtlicli  jener  Haarnadel  des  Kuckucks  behauptete  er  auf  eine  Weise,  als  ob 
es  wahr  wäre,  er  sei  einst  unabsichtlich  hinzugekommen,  als  auf  dem  wüsten  Felde  der 
Weiderichvertiefung  ein  rauher  Mann,  dem  Anscheine  nach  ein  Feldlagerer,  einen  reisenden 
Kriegsmann  niederhieb  und  das  an  dessen  Seite  befindliche  Schwert  raubte  und  damit 
fortging.  Als  er,  dieses  nicht  sehen  könnend,  die  Stimme  erhob,  habe  der  Bösewicht  im 
Zurückblicken  ilim  das  geworfene  Wurfschwert  in  dem  ßiedgrashute  haften  gemacht.  Das 
Wurfschwert  sei  diese  Haarnadel.  Da  betrübte  sich  Nade-si-ko,  die  Tochter  Toki-nusi's, 
und  sagte :  Wenn  man  zu  dem  Steine  des  Eidschwures  ginge  und  schwüre,  so  würde 
man  Wahrheit  und  Lüge  erfahren.  Da  die  Sonne  sich  nach  Westen  neigte,  so  konnten  wir 
nicht  zu  Ende  kommen.  Indem  wir  eine  nochmalige  Zusammenkunft  für  den  nächsten 
Morgen,  bei  Tagesanbruch,  verabredeten,  kam  icl]  noch  vor  Tagesanbruch  hierher  und 
wartete  auf  Toki-nusi.  Doch  der  Tag  brach  an,  die  Morgensonne  stieg,  und  Toki-nusi 
kam  nicht  zum  Vorschein.  Somit  wird  es  immer  zweifelloser,  dass  alles,  was  er  gestern 
sagte,  eine  Lüge  gewesen.  Möget  ihr,  indem  ihr  heimlich  diese  Haarnadel  zum  Beweise 
dienen  lasset,  meiner  Mutter  es  melden,  meinem  jüngeren  Bruder  es  zu  wissen  thun  und 
ihm  die  Nachricht  bringen,  dass  er  Toki-nusi,  den  Feind  des  Vaters  tödten  möge. 
Die  Mutter  ist  von  langwieriger  Kranklieit  ergriffen  und  in  Folge  des  durch  Jahre 
andauernden  Leidens  hinfällig.  Dass  ich  sie  aus  den  Augen  liess  und  fortging,  geschah 
des  Vaters  Avillen.  Als  ich  dem  Feinde  nachstellte,  gab  man  ihr  keine  Nachricht.  Sie 
wartet  mit  Ungeduld  und  fragt,  ob  man  heute  eine  Nachricht  hört,  ob  ich  morgen 
zui'ückkehre.  Wenn  sie  diese  schlechte  Nachricht  hören  wird,  kann  sie  in  dem  Aue-en- 
blicke  gänzlich  vernichtet  werden.  Nur  das  Denken  an  den  Ingi-innn  des  jüngeren 
Bruders  bei  der  Klage  der  Mutter  ist  die  Störung  der  Todesstunde.  Fraget  nach 
Ina-ki  Se-zi-rö,  den  unbeschäftigten  Krieger  der  Ueberfahrt  von  Ko-ga.  Was  ihr  zu 
sagen   habt,  wenn  ihr  ihn  findet  und  seht,   ist  bloss  dieses.' 

To  i-i-tsutsu  kb-gai  tori-idete  \  watasio-mo  itodo  kurusi-ge-naru  \  fito-no  aware-ni  musume-ga 
kofo  I  omoi-awasi-te  |  sidzu-no  me-tva  \  masit-masu  jo-jo-fo-  muse-kajeri  |  geni  jo-no  naka-no 
tadazumai  \  fu-si-awase-naru  mono-iva  \  ivaga  ko  nomi-ni-mo  arazari-keri.  Futa-tsu-no  toki- 
jori  tete-go-iüo  tdare  \  ziü-ku-ka-nen-no  H^  ^  (kan-kv)-site  \  ata-ni-mo  aranu  fito-no  ja-ni  \ 
kakaru  urami-iüo  7iagusamen  |  koto-no  fa-wa  faberane-do  \  kokoro-jasu-kare  wotto-wo  isogasi  | 
ko-ga-no  jakara-je  tsuge-faberan.  Sa-wa  ije  on-mi-ga  ata-to  si-tamb  \  tori-ta-no  nusi-wa-  \  to 
iivase-mo  fatezu  \  kari-hito-wa  tsuma-wo  kai-jari-te  \  P^  ^  (ko-kin)  sewasi-ki  fo-zi-rb-ga  \ 
mimi-no  fotori-ni  kutsi-wo  Jose  |  sate-wa  nandzi-wa  sato-mi-no  ije-no  ko  |  ina-ki  dzi-hu-fei-ga 
ko  nari-si-ka-  \  to  ije-ba  tatsi-matsi  kbhe-tvo  motage  |  so-iva  ika-ni  site  waga  tsitsi-no  na-ico 
siri-tari-si-  \  to  ihukare-ba  \  kari-bito-iva  nikko-to  jemi  \  jami-gataki  urami-ni  jotte  |  fagi- 
kubo-no  ara-no-nite  \  dzi-bu-fei  ^    ^  (sijü-zijü)-wo  \  mina-korosi-ni  si-tari-si-wa  \  wäre  nari. 


]2(i  Pkizmairr. 

Hiermit  nulim  er  die  Haai-nadel  liervor  inul  rciclite  sie  ihm.  Das  gemeine  Weib, 
Lei  dem  sehr  schmerzlichen  Leid  eines  Anderen  au  ihre  Tochter  denkend,  schluchzte 
immer  lauter  und  sagte :  In  der  That,  ein  ungliickliclies  \N'esen,  das  in  der  Welt  unstät 
umherirrte,  war  nieiit  allein  mein  Kind.  Als  er  zwei  Jahre  alt  war,  wurde  ihm  der 
Vater  getödtet.  Nach  einer  Mühsal  von  neunzelm  Jaliren  geräth  er  an  den  Pfeil  eines 
Menschen,  der  sein  Feind  nicht  ist.  Um  einen  solchen  Unwillen  zu  besänftigen,  hat 
man  keine  Worte,  doch  seid  beruhigt.  Ich  werde  meinen  Mann  eilen  heissen,  und  er 
wix'd  es  den  Eurigen  in  Ko-ga  melden.  Indessen  ist  der  Gebieter  Tori-ta,  den  ihr  für 
euren  Feind  haltet  — .  Der  Jäger  Hess  sie  nicht  ausreden.  Er  zog  seine  Gattin  weg, 
legte  den  Mund  an  das  Ohr  des  hastig  atkmenden  Fö-zi-rö  und  sagte:  Also  warst  du 
der  Sohn  Ina-ki  Dzi-bu-fei's.  Hausdieners  des  Geschlechtes  Sato-mi?  —  Jener  erhob 
plötzlich  das  Haupt  und  fragte  verwundert:  Wie  ist  hier  der  Name  meines  Vaters 
bekannt?  —  Der  Jäger  lächelte  und  sprach:  Derjenige,  der  in  Folge  unaufhörlichen 
Hasses  auf  dem  wüsten  Felde  der  Weiderichvertiefung  Dzi-bu-fei,  Herr  und  Diener 
niedermetzelte,  bin  ich. 

To  iiL-ni  odoroku  tsuma-jori-mo  \  fo-zi-ro-wa  fa-wo  kui-sibarl  |  sate-iüa  nandzi-wa  waga 
tsitsi-ico  I  jami  utsi-ni-site  o-o-tsuki-gata-to  j  san-fiakkin-wo  iibai-tottaru  |  to-zoku-nite  ari-keru-ka. 
Ima-sara-ni  toki-nusi-ga  \  i-i-tsuru  koto-no  itsuxvari-naranu-wo  \  sini-mo  tsikai-no  isi-no  "gj*  ^ 
(ki-doku).  Tatoi  fuka-de-tca  oi-mt-to-mo  \  fito-tatsi  nari-to-mo  tsitsi-no  ata  \  uramade-ja-tva-  |  to 
ko-e^wo  fagemasi  \  ata-to-iva  sirade  fawa-no  koto  \  ototo-ga  koto-ivo  tsuge-si  kujasi-sa.  Imada 
na-7\uri-mo  kakezu-site  \  tada  kono  mama-ni  kajeri-utsi-ni  |  zitare-iva  se-zi-  \  to  katana-ioo 
tsu-e-ni  \  tatan-to  site-vja  iku-tabl-ka  \  oki-te-tva  marobi  |  marobi-te-iva  \  viata  oki-kajere-ha 
fotobasiru  \  tsi-siwo-nagara-ni  ^  f^  (i-kon)-no  namida  \  farai-mo  ajenu  sira-tsuju-ivo  |  IRÖ  J^ 
(san-qoj-no  tama-to  some-naseri . 

Mehr  noch  erschrocken  als  die  Gattin  knirschte  Fo-zi-rö  mit  den  Zähnen  und  rief: 
Also  warst  du  der  Räuber,  der  meinen  Vater  in  der  Dunkelheit  erschlug  und  nebst  der 
grossen  Mondge&talt  dreihundert  Kobang  raubte  ?  Jetzt  endlich  weiss  ich,  dass  die  Worte 
Toki-nusi's  keine  Lüge  sind,  und  der  Stein  des  Eidschwurs  ist  ein  Wunder.  Gesetzt 
ich  habe  eine  schwere  Wunde  davongetragen,  wäre  es  auch  ein  einziger  Schwerthieb  — 
der  Feind  des  Vaters  —  es  thut  mir  nicht  leid!  —  Die  Stimme  anstrengend,  sagte  er:  Nicht 
wissend,  dass  es  der  Feind  ist,  theilte  ich  ihm  die  Sache .  der  Mutter,  die  Sache  des 
jüngeren  Bruders  mit,  o  wie  reut  es  mich!  Indem  ich,  den  Namen  noch  nicht  anhängend, 
eben  in  diesem  Augenblicke  den  Gegenstreich  führe,  durfte  ich  nicht  getödtet  werden.  — 
Das  Schwert  zu  einem  Stocke  macliend,  wollte  er  aufstellen.  Indem  er  sich  mehrmals 
erhob,  stürzte  er  um.  Indem  er  umstürzte,  erhob  er  sich  wieder.  Bei  dem  spritzenden 
Blute  sich  nicht  Zeit  nehmend,'  die  Thränen  des  Zornes  zu  trocknen,  färbte  er  und 
machte  den  weissen  Tluiu  zu  Korallenperlen. 

Kari-bito-wa  kono  ari-saina-ni  \  ijo-jo  saioagu  ke-siki-mo  naku  \  dzi-bu-fei-ga  utare-si 
kvro  I  nandzi-ra  ncakena-kari-si-ka-ba  \  koto-no  omomu.ki-ivo  sirazaru-ka.  Nandzi-ga.  tsitsi 
kuso  tö-zokii  naru-ni  |  kajette  icare-u-n  tn-zoku  no-busi-to  \  nonosivu-iva  j|^  ^  (kua-gon)  nari. 
Jma  tsuiaabiraka-ni  toki-sirasen  \  ^  ^  (ku-tsü)-wo  sinobi-te  joku-mo  kike.  ]Vare-tva  kama- 
kura-no  htan-rei-sioku  \  )^  ^  (hgi-ga  jatsn)  ^  -^  (tomo-oki)  a-son-no  /^  ^  (ro-do)  \ 
^  M.  (fudzi-saka)  |^  J^  (kurando)  ^  ff  (faru-jnki)-ga  — ■  -^  (issi)  \  ßj  |^  (kura) 
H.  ^P  (go-rh)  ^  y^  (fam-zumi)-to  iü  mono  nari.  Sikaru-ni  sono  goro  \  nandzi-ga  tsitsi 
dzi-ba-fei-mo  \  <'>gi-ga  jatsn  dono-ni  tsihkajete  \  ivaga  tsitsi-ni-wa    "^  ^   (bu-gei)-no  de-si  tavi. 


Dee  Nebel  der  Klage.  127 

Kaku-te  kama-kura-no  rih-kuan-rei  \  ogi-ga  jatm  \\\  p\  (jama-no  utsi)  ?^  ^  (kuaku- 
sitsuj-ni  jotte  \  kassen  su-do-ni  ojobu  fodo-ni  |  nandzi-fja  tsitsi  dzi-hu-fei-wa  |  ^  (joki()-ni 
madoi-te  ^  (sijü)-ico  ttri  \  [^  (tekij-je  ^  ^  (nai-ts>l)-.'<en-to  suru-no  ke-siki  mije-fari. 
Waga  tsitsi  fojaku-mo  kore-ioo  ^  fsui)-si  |  tsvA-ni  ßfjj  f^  (si-tei)-no  josimi-wo  motte  1 
ßsoka-ni  ^  %}\\  (kib-kun)-wo  htwaje-si-ka-ha  |  uje-ni-toa  ^  jj^  (ki-fukn)-nu  omo-mutsi-si 
^  ^  (sei-gonj-wo  tatete  sono  kokoro-wo  jurusase  \  aru-jo  M,  M  (/«'-'i)  fagesi-ki-ni  magirete  \ 
waga  ije-je  sinobi-iri  \  tsitsi  faru-juki-ga  adzukaru  tokoro-no  |  o-o-tsuki-gata-no  tatsi-to\ 
^  ^  ;^  (gu7i-j6-kinj  san-fiaku-riu-wo  nusumi-tori-te  \  nige-fasin-to  sunt,  loori  \  farii-iuki 
iza  tokii  kore-ni  samete  |  katana-ioo  fisage  okkake-si-ga  |  niwa-no  fumi-isi-ni  tsumadzukl-te  1 
tatsi-matsi  fata-to  marohu  fodo-ni  \  dzi-hiu-fei  jagate  totte  kajesi  |  tvaga  tsitsi-ivo  saje  sasi- 
korosi-te  \  idzuku-to-wa  naku   ^    ^    (tsiki(-ten)-seri. 

Der  Jäger,  unter  diesen  Umständen  immer  weniger  Erregung  in  seiner  Miene 
zeigend,  sprach :  ,Da  ihr  beide  zur  Zeit  als  Dzi-bu-fei  erschlagen  wurde,  jung  wäret 
wisset  ihr  wohl  nicht,  wie  die  Sache  sich  vei-hält.  Da  dein  Vater  der  Räuber  ist  so 
sind  es  ungeziemende  Worte,  wenn  du  micli  einen  Räuber  und  Feldlagerer  schiltst. 
Ich  werde  es  jetzt  ausführlich  erklären  und  kundgeben.  Ertrage  den  Schmerz  und  liöre 
es  gut.  Ich  bin  ein  Sohn  Fudzi-saka  Kurando  Faru-juki's,  eines  alten  Grefährten  Ögi-ga 
jatsu  Tomo-oki  A-son's,  Statthalters  von  Kama-kura  und  heisse  Kura  Go-rö  Faru-zumi. 
Indessen  diente  um  jene  Zeit  auch  dein  Vater  Dzi-bu-fei  dem  Herrn  Ögi-ga  jatsu  und 
war  zu  meinem  Vater  ein  Schüler  in  den  Künsten  des  Krieges.  Als  es  somit  in  Folo-e 
der  Gegnerschaft  zwischen  den  beiden  Statthaltern :  Ogi-ga  jatsu  und  Jama-no  utsi  zu 
mehrmaligen  Kämpfen  kam,  verrieth  dein  Vater  Dzi-bu-fei,  durch  Habsucht  verleitet 
seinen  Gebieter,  und  es  zeigte  sich,  dass  er  sich  mit  dem  Feinde  ins  Einvernehmen 
setzen  wolle.  Mein  Vater  errieth  dieses  bald  und  liess  ihm  vermittelst  der  zwischen 
Lehrer  und  Schüler  bestehenden  Freundschaft  insgeheim  Belehrung  zu  Theil  werden. 
Jener  that  äusserlich,  als  ob  er  sich  unterwürfe  und  schwor  einen  Eid,  dass  er  dieses 
Vorhaben  aufgebe.  Eine  Nacht,  unter  dem  Scliutze  von  heftigem  Sturm  und  Reo-en 
schlich  er  in  unser  Haus  und  stahl  nebst  dem  Schwerte  der  grossen  Mondgestalt  welches 
mein  Vater  Faru-juki  in  Verwahrung  hatte,  dreihundert  Tael  Kriegsgelder.  In  dem 
Augenblicke  als  er  entlaufen  wollte,  erwachte  Faru-juki  dabei  schnell.  Indem  er  das 
Schwert  an  dem  Arme  tragend,  ihn  verfolgte,  strauchelte  er  über  den  Trittstein  des 
Vorhofes  und  stürzte  plötzlich  zu  Boden.  Dzi-bu-fei  kehrte  sogleich  das  Schwert  um 
tödtete  meinen  Vater  und  entfloh,  ohne  dass  man  wusste  wohin.' 

Kono  mono-oto-ni  ware-mo  same  \  zoaka-to  simo-he-ra  saioagi-tate-domo  |  ^P  ^  (nio-fo) 
Wi  -^  (an-ja)-no  koto  nare-ba  \  tsui-ni  kataki-no  juku-je  sirezu.  Si-gai-no  fotori-ni  nokose-si 
§  ^  (sio-kan)-u-a  utagö-beo-mo  aranu  dzi-bu-fei-ga  \  teki-je  nai-tsü-no  ^  §  (missio) 
■nare-ba  \  fazimete  kataki-wo  siru-to  ije-domo  |  sude-ni  toivokio  nige-sari-te  \  tajete  sonn  ari- 
kn-ivo  sirazu.  Kono  toki  ware-wa  ziü-ku-sai  \  fatva-ivo-ba  tvosanaki  toki-ni  usinai  \  tsitsi-ga 
i^  ^  (wb-si)-ni  mi-no  ^  ^  (fakv-mei)-wo  \  utsi-nageke-domo  kakaru  toki-ni-wa  \  H  ^ 
(sin-zoku)-mo  tsikara-to  narazu.  fj]  |^  (Sio-z'ö)-no  ^  ^  (bu-gu)  \  :^  ^  (i-seo)  nando-wo 
uri-siro-nasi-te  \  nusumare-taru  gun-jö-kin  \  san-fiaku-rio-wa  tsukunb-to  ije-domo  \  mi-fatsi 
o-o-tsuki-gota-ii-o  usinai-tare-ba  \  ^  ^  (sih-kun)  bgi-ga  jatsu.  dono  \  waga  mi-no  itoma-wo 
tamawari.  Tsitsi-no  ata  ina-ki  dzi-bu-fei-wo  utsi-totte  \  o-o-tsuM-gata-no  tatsi-ioo  ^  ^  (dzi- 
san)-se-ba  \  moto-no  ^  ^  (sijü-zijü)  taru-besi-  \  to  6suru-ni  |  sv-e-tanomosi-ki  kokofsi- 
^i-tsu. 


128  PnzMAlER. 

,Durch  dieses  Geräuscli  erwuchte  aucli  icli,  die  jungen  Leute  und  die  Diener  geriethen 
in  Aufregung,  doch  da  es  stockfinstere  Nacht  war,  wusste  man  zuletzt  nicht,  wohin  der 
Feind  gekommen.  Der  neben  dem  Leichnam  zi;rückgelassene  Brief  war  unzweifelhaft 
eine  von  Dzi-bu-fei  verfasste  geheime  Schrift  des  Einverständnisses  mit  dem  Feinde. 
Somit  kannte  ich  zwar  anfanglich  den  Feind,  doch  da  er  bereits  weit  hinweggeflohen 
war,  wusste  ich  durchaus  nicht  seinen  Aufenthalt.  Um  diese  Zeit  war  icli  neunzehn 
Jahre  alt,  die  Mutter  hatte  ich  in  früher  Jugend  verloren.  Bei  dem  gewaltsamen  Tode 
des  Vaters  beklagte  ich  mein  Unglück,  doch  zu  einer  solchen  Zeit  verliehen  uns  auch 
die  Verwandtschaften  keine  Kraft.  Indem  ich  die  aufbewahrten  Kriegsgeräthe  und  die 
Kleider  verkaufte,  ersetzte  ich  zwar  die  geraubten  dreihundert  Tael  Kriegsgelder,  doch 
da  das  kostbare  Schwert,  die  grosse  Mondgestalt  verloren  war,  gab  der  Vorgesetzte  und 
Grebieter,  Herr  Ogi-ga  jatsu  mir  den  Abschied.  Indem  er  sagte,  dass,  wenn  ich  Ina-ki 
Dzi-bu-fei,  den  Feind  des  Vaters,  tödtete  und  das  Schwert  der  grossen  Mondgestalt 
brächte  wir  wie  früher  Herr  und  Diener  sein  würden,  hatte  ich  das  Gefühl  von  zuletzt 
noch  bleibender  Hoffnung,' 

Kataki-iva  viasa-ni  \  jama-no  utsi-no  kuan-rei-ke  \  ^  ^  (nori-firo)  nusl-no  ^  Pfl 
{zeo-tsiüj-je  \  fasiri-taran-  \  to  omoi-si-ka-ha  \  mi-iro  jatsusi-te  nerb  koto  \  go-roku-nen-ni  oboje- 
domo  I  tsui-ni  sono  ari-ka-wo  sirazu.  Kaku-te  mata  mi-tose-ico  feie  \  clzi-hu-fei-wa  \  ^  j^ 
(a-ica)-no  M  Ä  (sato-mij-ni  tsukoru,  josi-wo  tsutaje-kiki-si-ka-ba  \  tada-ni  j^  f\\  (bv-siä)-ni 
omomnki  \  kotsu-ziki-to  nari-te  \  sato-mi-no  ^  ~f  (zed-kaj-tvo  ^j^  ^[Ü  (fai-kuaij-si  \  kataki-no 
^  ^  (sin-tai)-ico  ukago-ni  \  dzi-hu-fei-ioa  \  nnsumi-tottarit  san-fiakkin-wo  mote  sato-mi-no 
-^  g  ro-sin-ra-ni  josimi-wo  musubi  \  kano  o-o-tstiM-gata-no  tatsi-wo  \  ^  ^L  (josi-ßro)-je 
ma-irase-si-ka-ba  \  josi-firo  sono  tatsi-wo  jete  |  fukaku  jorokobi  \  tsui-ni  dzi-bu-fei-ni-wu 
^  "3"  "^  (qo--ßakku.an)-xvo  ate-okonoivarete  ^  ^  (kin-ziu)-ni  mesi-okare-si-ka-ba  \  tatsi- 
dokoro-ni    Hj    §^    (stutt6)-site  \  tsuma-ico  me-tori  \  ko-ico  umase-si-  \  to  kikoje-tari. 

Ich  glaubte,  dass  der  Feind  gerade  in  der  Feste  des  Gebieters  Nori-firo,  Statt- 
halters von  dem  Geschlechte  Jama-no  utsi,  entlaufen,  sein  werde.  Ich  verkleidete  mich 
und  lauerte  durch  fünf  bis  sechs  Jahre,  doch  zuletzt  wusste  ich  seinen  Aufenthalt  nicht. 
Indem  ich  auf  diese  Weise  weitere  drei  Jahre  verbrachte,  erfuhr  ich,  dass  Dzi-bu-fei 
bei  Sato-mi  in  dem  Reiche  A-wa  diene.  Ich  begab  mich  geraden  Weges  nach  A-wa, 
wurde  ein  Bettler  und  während  ich.  in  der  Stadt  der  Feste  Sato-mi"s  hin  und  her 
wandelnd,  das  Vor-  und  Zurücktreten  des  Feindes  erspähte,  verlautete,  dass  Dzi-bu-fei 
vermittelst  der  dreihundert  Kobang  mit  den  alten  Dienern  Sato-mi's  Freundscliaft 
o-eschlossen  und  jenes  Schwert  der  grossen  Mondgestalt  Josi-firo  als  ein  Geschenk  ge- 
reicht habe.  Josi-firo,  als  er  dieses  Schwert  erhielt,  sei  hocherfreut  gewesen  und  habe 
sodann  für  Dzi-bu-fei  fünfhundert  Schnüre  Geldes  bewilligt  und  ihn  zu  seinem  vertrauten 
Diener  ernannt.  Dieser  habe  sogleich  die  Stelle  angetreten,  habe  ein  Weib  genommen 
und  Kinder  erhalten.' 

Jori-te  kore-ioo  \  utan-to  suru  koto  siba-siba  nare-domo  \  o-o-tsuki-gata-wa  |  sude-ni  sato- 
mi-no  ^  p^  (fd-zb)-ni  fime-okarure-ba  \  kore-wo  tori-kajesu-ni  te-date-naku  j  to-sama  kb-sama  \ 
kokoro-tco  kurusime-taru-ni  \  toki  nqrih-kana.  Ten-hni  san-nen-no  uki-no  koro  \  sato-mi  josi- 
firo-no  ,^,  -^  (soku-dzio)-to  kuan-rei  7iori-ßro-no  J^  ^  (soku-nan)-to  \  j^  ^  (kon-jen)-no 
koto  ari-te  \  sato-mi-jori  \  o-o-tsuki-gata-no  tatsi-wo  muko-fiki-de-to  site  j  kama-kura-je  okuraruru-ni 
kataki  dzi-bu-fei-wa  \  kono  tsukai-ico  nke-tamawari.  Niwaka-ni  ka-sima-datsi-se-si-  |  ("o  M,  M 
(fü-bün)    are-ba  \  ten-no    suke-to  fisoka-ni   jorpkubi  \  jagate    dzi-bu-fei-ga    ato-wo    6  fodo-nl  \ 


Dee  Nebel  DER  Klage.  I2d 


^  ^  0  (riu-san.-nitd)-7iite  muRasi-naru  \  fagi-kuho-no  firo-no-nite  oi-semari  \  tsui-ni  dzi- 
bu-fei  ^  ^  (siju-zijü)-wo  kiri-fusete  \  o-o-tsuki-gata-no  tatsl-wo  tori-kajesu,  ivori  \  tatsi-matsi 
nsiro-ni  ßto  ari-te  \  kuse-mono-to  |  johi-kake-tari.  Kataki-no  tomo-hlto  naran-to  omoje-ba  1 
Icokoro-sekii  mama  o-o-tsuki-gata-no  \  tatsi-ni  tsuke-taru  fototogisu-no  \  wari-ko-gai-wo  miki- 
idasi-te  \  siu-ri-ken-ni  utsi-kake-tsiitsio  \  kudaii-no  nora-wo  fasiri-sari. 

, Demnach  geschah  es  häufig,  dass  ich  ihn  todten  wollte,  allein  da  die  grosse  Mond- 
gestalt bereits  in  der  Schatzkammer  Sato-mi's  im  Verborgenen  niedergelegt  war,  hatte 
ich  kein  Mittel,  um  sie  zurückzunelimen.  Während  ich  auf  jegliche  Weise  mein  Gemütli 
<}uälte,  kam  endlich  die  Zeit.  Im  Herbste  des  dritten  Jahres  des  Zeitraumes  Ten-bun 
(1534  n.  Chr.),  als  die  Vermälung  zwischen  der  Tochter  Sato-mi  Josi-firo's  und  dem  Sohne 
des  Statthalters  Nori-firo  stattfand,  wurde  von  Seite  Sato-mi's  das  Schwert  der  grossen 
Mondgestalt  zum  Geschenk  für  den  Eidam  bestimmt.  Dasselbe  wurde  nach  Kama-kura 
gescliickt,  und  der  Feind  Dzi-bu-fei  dabei  zum  Abgesandten  ernannt.  Als  man  plötzlich 
hörte,  dass  er  den  Weg  angetreten  habe,  freute  ich  mich  insgeheim  über  den  Beistand 
des  Himmels.  Indem  ich  sogleich  die  Spur  l)zi-bu-fei's  verfolgte,  drängte  ich  ihm  in 
zwei  oder  drei  Tagen  auf  dem  in  Musasi  liegenden  weiten  Felde  der  Weiderichvertiefung 
nach.  Ich  hieb  Dzi-bu-fei  sammt  dessen  Dienern  nieder  und  nahm  das  Schwert  der 
grossen  Mondgestalt  zurück.  In  diesem  Augenblicke  befand  sich  plötzlich  hinter  mir 
ein  Mensch,  der  mich  mit  Bösewicht!  anrief.  In  der  Meinung,  dass  es  ein  Gefährte 
des  Feindes  sein  werde,  zog  ich  in  der  Hast  die  an  das  Schwert  der  grossen  Mondgestalt 
befestigte  gespaltene  Haarnadel  des  Kuckucks  hei-aus,  warf  sie  als  Wurfscliwert  und  lief 
dann  über  dieses  Feld  fort.' 

Fime-oku  ,insgeheim  niederlegen'  ist  aus  dem  in  der  Gescliichte  des  Geschleclites 
Gen  vorkommenden  fivtcru^  welches  den  Sinn  von  ^«  fi-suru  ,verlieimlichen'  hat,  gebildet. 

Ka-simu-datsi,  wörtlich  ,das  Aufbrechen  von  der  HirscJiinsel',  hat  den  Sinn  von 
kado-ide  , Antritt  der  Eeise'. 

Kama-kurn-je  kajpri-ma-iran-to  omoi-si-ni  \  kono  goro  \  ^  ^  (siu-kun)  ogi-ga  jaisu 
dann  ^  ^  (sokkijo)-si-tamai-te  \  lÖi  ^  (ko-zeö)  tatsi-inatsi-ni  -tf-  (kami)-iüo  usinai  |  tomo- 
oki-no  ^P  ^  (waka-tono)  J&  f>||  ^  (oki-iüaka-maro)-no  on-juku-je  sirezu-to  |  kikojuru-ni  i 
tatsi-matsi  ^  ^  (ki-sanj-no  josu-ga-ivo  usinai  |  ivotsi-kotsi-ni  sasorai-tsutsu  |  tsui-ui  kono 
no-ni  musubi-kake-si  |  kaja-ja-ga  noki-ni  moru  tsuki-no  |  jitmi  ja  ta,-basaini  fi-goto-ni  idete  | 
tada  kigisu-iüo  i-tsn  |  ko-turi-wo  i-tsit  \  kasokcku  tatsuru  kefuri-no  siro-to  \  nasu  kai  ari-te 
fakarazu-mo  |  koko-ni  nandzi-ni  meguri-ai  |  keö-no  je-mono-ni  kataki-no  ne-wo  tatsu  \  ^  ^ 
(jü-si)-no  ^  :^^  (i-dzi)-  \  to-wa  i-i-nagara  \  atara-tsubomi-no  icaka-udo-wo  |  fito-ja-ni  tsirase-ba 
kokoro-jo-karaziL.  ^  ii^  (Ko-sinJ-ni  me-de  |  B^  ^  (zi-gi)-ni  jori  \  na-nori-ote  |^  ^ 
(sed-bu)'Wo  liji^  (k< s)  si  \  utare-mo  sen-ni  kokoro-naku  \  satsu-ja-ni  kake-si-wa  loaga  ujc-no  \ 
saiivui-7ii  nite  saiwai  narazu,  Tsikai-no  isi-ni  tsikai-site  |  tsuju-bakari-mo  itsiiwari-naranii,  | 
seö-ko-ivo  mi-jo-ja. 

Als  ich  nach  Kama-kura  zurückzukehren  gedachte,  hörte  man,  dass  der  Vorgesetzte 
und  Gebieter,  Hei"r  ügi-ga  jatsu  gestorben,  die  verwaiste  Feste  plötzlich  ihres  Statthalters 
verlustig  sei  und  man  nielit  wisse,  wohin  Oki-waka-maro,  der  junge  Sohn  Tomo-oki's, 
gekommen.  Ich  hatte  plötzlicli  keinen  Anhaltspunkt  für  die  ßückkehr.  Hier  und  dort 
unstät  umherirrend,  nahm  ich  zuletzt  den  Bogen  des  an  dem  Vordache  des  auf  diesem 
Felde  zusammenffefüo-ten  mit  Stroh  gfedeckten  Hauses  durchschimmernden  Mondes  und 
die  Pfeile   unter  den  Arm,  zog  jeden  Tag  hinaus  und  sclioss  bloss  Fasane,  schoss  kleine 

Denkschriften  ilcr  i)bil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  17 


■|^>Q  i  l'IZMAIEK. 

YögcL  Kh  hatte  Gewinn,  den  ich  zur  Feste  des  düster  aufsteigendcjn  Rauches  machte, 
als  ich  wider  Vermuthen  hier  im  Umherzielien  mit  dir  zusammen  traf.  Als  Beute  des 
luHitio-en  Tages  schnitt  ich  die  Wurzel  des  Feindes  durch.  Nennt  man  dieses  auch  den 
Geist  eines  muthigen  Kriegers,  da  ich  die  bedauerliche  Knospe,  den  jungen  Maim,  mit 
einem  Pfeile  zerstäubte,  ist  es  keine  Freude.  Indess  man  deti  älternliebenden  Sinn  be- 
wundert, an  die  angemessene  Zeit  sich  hält,  gegenseitig  den  Namen  sagt  und  Im 
Entscheiden  über  den  Sieg  auf  dem  Punkte  ist,  getödtet  zu  werden,  absichtslos  an  den 
Jaj'-dpfeil  heften,  scheint  für  mich  ein  Glück  und  ist  kein  Glück.  Siehe  den  Beweis, 
dass  das  Schwören  bei  dem  Steine  des  Eidschwures  nicht  im  Geringsten  Täuschung  ist.' 

To  i-i-kakete  fi-utsi-bukuro-no  suko-fakaku  \  fime-oki-tarii  dzi-ha-fei-ga  \  uhm-.si  ^  ^ 
(missioj-ico  od-firaki  \  mana-uje  tsikaku  sasi-josure-ha  |  fu-zi-ru-wa  ^  ^/^  (ku-tsü)-wo  dnohi  \ 
wowari-made  jomi-kudatsi-te  \  ito  omo-na-ge-ni  tan-soku-si  \  geni  mi-sireru  tsitsi-no  ^  ^ 
(siu-seki)  \  ^  (teki)-je  nai-tsn-no  missio  nari.  lu-akenaki  toki  tsitsi-wo  usinai  \fawa  daui 
sirarm  koto  nare-ba  \  kakaru-besi-to-wa  umoi-mo  kakene-do  \  moto-wa  kuan-rei  ogi-ga  jatsit-no  \ 
m.  M^  (fu-dai)-no  ije-no  ko  taru  josi-ica  \  ^  ^  (ka-kei)-ni  jotte  kore-wu  sireri  tsitsi-wa 
tsitsi  tarazu-to  iü-to-mo  \  ko-wa  ko  tarazu-iva  aru-be-karazu.  Jo-karanu  okonai  ara-ba  are. 
Omoi-sadame-si  ^  ^  (fuku-siü)-no  \  kokoro-zasi-wo-ba  je-mo  tugezu  \  ata-ni  utaruru  ^  ^ 
(stiku-sc) -no  ^  $ß  (aku-fo)  \  oja-no  0  ^  (in-gua)-ga  ko-ni  rnukä-to  \  jo-no  koto-waza-mo 
lüaga  mi-ni  ari-  \  to-wa  sirazii-site  uraiui-uaki  \  tokl-nud-wo  nonoslri-fadzukasime  \  nade-si-ko 
saje-ni  iku-baku-no  \  mono-omowasi-taru  tsumi  fukasa-jo.  Josi-ja  kono  no-no  tsuju-to  kijete-mo  j 
tamasid-wa  ije-rd  fatsi-kajeri  \  se-zi-rb-ga  mi-ni  soi-te  \  fawa-wo  nagusame  ^  W^  (fuku- 
siü)-no  I  kokoro-zad-iüo  fatasu-besi.     Kore-made  nari. 

Hiermit  öffnete  er  das  tief  auf  dem  Boden  des  Feuerzeugsackes  versteckte  geheime 
Schreiben,  welches  Dzi-bu-fei  verloren  hatte,  und  hielt  es  ihm  nahe  vor  die  Augen. 
Fo-zi-rö  ertrug  seinen  Schmerz  und  las  es  bis  zu  Ende.  Sehr  beschämt  seufzte  er  und 
sagte:  Es  ist  in  der  That  die  mir  bekannte  Handschrift  lueines  Vaters,  ein  geheimes 
Schreiben  des  Einverständnisses  mit  dem  Feinde.  Da  ich  in  früher  Jugend  den  Vater 
verlor  und  die  Mutter  von  der  Sache  gar  nichts  wusste,  dachte  ich  nicht  daran,  dass  es 
so  sein  könne.  Doch  dass  er  ui-sprünglich  ein  erblicher  Hausdiener  des  Statthalters 
Ögi-ga  jatsu  war,  dieses  war  aus  dem  Stammbaume  des  Hauses  bekannt.  Dass  der  Vater 
kein  Vater  ist,  mag  man  immerhin  sagen,  doch  dass  der  Sohn  kein  Sohn  ist,  darf  nicht 
stattfinden.  Gibt  es  eine  schlechte  Handlung,  so  sei  es.  Dass  ich  den  Vorsatz  der  Eache, 
zu  der  ich  mich  entschlossen,  nicht  erreichen  kann,  dass  ich  von  dem  Feinde  getödtet 
werde,  es  ist  Vergeltung  des  Bösen  der  vergangenen  Welt.  Ich  wusste  nicht,  dass  das 
Sprichwort:  ,Die  böse  That  des  Vaters  wird  an  dem  Sohne  vergolten'  auf  mich  passe. 
Ich  schalt  und  beschimpfte  den  keinen  Hass  nähi-enden  Toki-nusi,  veranlasste  selbst 
Nade-si-ko  zu  manchen  traurigen  Gedanken,  welche  Tiefe  der  Schuld!  'Gesetzt  ich 
schmelze  als  Thau  dieses  Feldes,  mein  Geist  wird  nach  Hause  zurückkehren,  sich  Se-zi-rö 
beigesellen,  die  Mutter  trösten  und  den  Vorsatz  der  Rache  ausführen.  So  weit  ist  es 
gekommen. 

To    tatsi  I  tori-naiüosi  \  fa.ra-je   gusa-  \  to    tsaki-tutete  \  nui-te-je    kiriri-to    fiki-mawase-ba 
^    Ä    (gi-ri)-ni    .sigaramu   fudzi-saka-ga  \  tsuma-wa    miru-ni  je-vw  tajezu  \  ata-ni  kake-tarit 
td-sudzi-no   namida   \   nani-to    iwa-kosu    kuke-si-midzu   \   waki-kajeni-ni-zo    seki-ajenu   \  ßto-no 
ko-no    uje   ivaga   ko-nn    uje-  \  jori-mo    tsudoi-si   in-gua-dotd  \  ata-to    nari   ata-to   nasu  \  mina 
aaki-tsu  jo-no    ^     |||    faku-göj-to  \  omuje-do    oraui-jaru   se-naki   \   kefnri-no  jami-ni   j^    '\^ 


Der  Nebel  dek  Klage.  131 


^ 


(bon-no)-no   \  jahe-no-no    kizi-to    mi-ino   koc/asi  \  naJci-mado    tsuma-ni   me-mo    kakezu 
(ku-tsü)-safte-zi-to  \  faru-zitmi  f^  ^  (rin-ziü)  sitsimmni  V^    ^   (sro-meuj-to  |  tomo-ni  firameku 
jai-ha-no  sita-ni  \  inn-ki-ga  kobe-tva  otsi-te-keri. 

Hiermit  nalim  er  wieder  das  Schwert,  stiess  es  gegen  den  Baucli  und  drehte  es 
schnell  nach  der  rechten  Reite  um.  Die  Gattin  des  durch  Gerechtigkeit  eindämmenden 
Fudzi-saka  konnte  den  Anblick  nicht  ertragen.  Die  dem  Feinde  geweihten  Thi-änen 
der  tausend  Fäden,  indess  das  irgendwo  die  Felsen  überschreitende  klare  Mooswasser 
zurücksprudelte,  nicht  zu  verscliliessen  wagend,  glaubte  sie,  dass  die  mehr  noch  über 
den  Kindern  der  Menschen  als  über  dem  eigenen  Kinde  sich  ansammelnden  gleich 
bösen  Thaten,  indem  man  der  Feind  ist,  zum  Feinde  macht,  sämmtlich  die  böse  Bo- 
schäftiffung;  der  früheren  Welt.  Doch  auf  die  in  der  Finsterniss  des  früchtlosen  ßauches 
als  Fasan  des  brennenden  Feldes  der  Sünde,  auf  das  sie  dachte,  den  Leib  versengende, 
durch  Weinen  verstörte  Gattin  die  Augen  nicht  richtend,  ermahnte  ihn  Faru-zumi,  damit 
er  ihn  nicht  leiden  lasse,  in  der  Todesstunde,  und  zugleich  mit  der  Nennung  des  Namens 
fiel  unter  der  gescliwungenen  Klinge  das  Haupt  Ina-ki's  zu  Boden. 


Die  Finsterniss  des  Rauches.     Zweiter  Theil. 

Kakaru  tokoro-ni  ito  sirjeki  |  vat.su-c/?tsa-ivo  aara-sm^a-fo  osi-nab/kasi  \  tsuma-no  kataki-ivo 
nigasu-iia-  |  to  in.  ko-e-suru-ni  \  fori-ta-r/a  otona  sagi-snke-ivo  saki-ni  tatete  |  tu-rokii  |  .<iai-faf.d 
nando  joharurii,  ko-mono-dnmo  \  te-ni-te-ni  jori-bu-ioo  fiki-sagete  |  kusa-mura-no  iitsi-jori  fasiri- 
ide  {  kura  go-rb  faru-zumi  ^  ^  (fü-fu)-iro  \  fisi-hisi-to  tori-maki-te  \  ja-niwa-ni  rdd-tbsan 
tote  fisimcke-ha  \  faru-zumi  sawagi-taru  ke-siki-mo  naku  |  mono-mono-siki  neznmi-no  tomo-gara  | 
u-are  nandzi-ra-ni  J^  ^  (sio-j6)-nasi.  Toki-nusi-ni  iu-heki  koto  ari  \  $e6-zi-too  idase-  |  to 
monosirH-te  |  niramaje-tattnru  ^  '|^  (jü-kn-u)-ni  |  ^  ^  (sa-u)-naku-iva  utsi-mo  kakarazu  \ 
tada  kasigam  asi-ku  dojomeki-keri. 

In  diesem  Augenblicke  bog  man  unter  Geräusch  die  sehr  dichten  Sommerpflanzen 
seitwärts,  und  mit  dem  Rufe:  Lasset  den  Feind  der  Gattin  nicht  entfliehen!  liefen,  indem 
sie  den  Aeltesten  Sagi-suke  voranstellten,  die  Knechte  To-roku  und  Sai-fatsi,  an  den 
Händen  grosse  Stöcke  tragend,  aus  den  Pflanzendickicht  hervor.  Sie  umringten  Kura 
Go-ro  Faru-zumi  und  dessen  Gattin,  wollten  sie  rasch  zu  Boden  werfen  und  lärmten. 
Faru-zumi,  ohne  in  seiner  Miene  Verlegenheit  zu  zeigen,  schalt  sie  und  rief:  Ihr  wichtig- 
thuenden  Ratteno-esellen !  Ich  habe  mit  euch  nichts  zu  Schäften.  Ich  habe  Toki-nusi 
etwas  zu  sagen.  Bringet  Seö-zi  herbei!  —  Bei  der  Kühnheit,  mit  welcher  er  finstere 
Blicke  warf,  waren  sie  sprachlos.  Sie  drangen  nicht  heran  und  erhoben  nur  ein  lautes 
Geschrei. 

Sa-u  von  sa-jü  zu  ixnterscheiden,  ist  das  Koje  von  ^  ^  ,links  imd  rechts'  und 
hat  gemeiniglich  die  Bedeutung  von  otodzure  ,Nachricht'.  Sa-u-nakn  hat  den  Sinn  von: 
ohne  Nachricht,  nichts  zu  sagen  wissend. 

Sono  toki  ßto-mura  sigeki  \  icaka-fagi-wo  osi-ioake-tsutsu  \  tnri-ta-no  seo-zi  toki-nusi-iva  | 
no-hakama-ni  taka-ßmo  musubi-sagefe  \  :^  ^  (siu-saja)-no  futa-kosi-wo  joko-taje  |  o-o-mafa-ni 
ajumi-idete  \  farih-zumi  fu-fu-ni  mnkal  \  tajeic  fisasi-ki  ^  Pf?  (sd-tsiüj-no  fito  \  ima  mata 
fib-im\-ni  ^  "^  (sai-kuai)-su.  Zitsu-ni  fu-si-gi-no  @  ^  (in-jen)  nari.  Mukasi  ten-bun-no 
fazime  \  fagi-kidio-no    sato  fadzure-nite  \  nandzi   ntsi-kake-taru  \  fototogisu-no    kb-gai-ni  jotte  | 

17* 


][32  1  FIZMAIER. 

icare  omowazu-mo  |  ina-ki  fo-zi-rv-ni  utagaware  \  koto-iio  ^  ^  (kio-zitsuj-ivo  tsikai-no  isi-ni  | 
kakete  akasan-to  tsigiri-si-ka-ba  |  asa-madaki-ni  ije-wo  ide  \  saki-ni  kono  tuhiro-je  kite  \  koto-no 
tei-taraku-ico  ukagu-ni  \  itamasi-i  kana  fo-zi-rh-iva  \  nandzi-ga  satsii-ja-ni  ^  p/\  (kiü-sio)-wo 
i-sasi-te  \  mM-heo-mo  arazara-ha  \  koto-no  moto-ico  siran  tame-ni  |  nawo  hisa-gahü-e-site  itsi- 
hu-si-ziü-ico  I  otsi-mo  nnku  tatsi-kiki-seri.  Gent  nandzi-ga  toku  iokoro  ^  ^  (tsiü-k6)-ni 
kakotsukete  \  fo-zi-rb-tco-ha  azamuku-to-ni,o  \  ika-de  toki-nusi-ioo  azamuki-jen.  Inuru  ten-b/in 
ziü-itsi-nen  fudzuki  towo-ka-no  jo-ni  magire  \  sore-naru  wonna-nusit-hito-no  \  kazasi-wo  siru- 
he-to  Site  \  icaga  ije-je  sinobi-iri  |  nio-bb  kawara-i-wo  kiri-korosi-te  \  fito-fitsu-no  te-Uukuri-wo 
nusumi-ton  kahe-ni  Wi  Wi  ^  (su-ka-zi)-wo  kiri-tsukete  \  kazani-wo  ite  nige-snttaru  \  '^  pfl 
(sb-tsiü)-no  ßto-to  iü  \  mono  snnaioatsi  nandzi-ga  koto  naru  josl-wa  \  kazasi-wo  mite  ima 
kove-wo  dreri.  Sika  novii  narazu  icare  sono  kami  \  fagi-kubo-no  kusa-ioara-nite  \  mi-si  omo- 
kage-wo  ika-de  wasuren. 

Jetzt  trat,  ein  dichtes  junges  Weiderichgebüscli  zertheilend ,  Tori-ta-no  Seö-zi 
Toki-nusi,  an  den  Feldbeinkleidern  das  hohe  Band  geknüj)ft  herabliängen  lassend  und 
an  dem  Gürtel  zwei  Schwerter  mit  hellrother  Scheide,  gespreizt  hervor  und  sagte  zu 
Faru-zumi  und  dessen  Gattin  zornig:  ,Die  lange  Zeit  getrennten  Menschen  inmitten  der 
Gräser  treffen  jetzt  wieder  inmitten  der  Gräser  zusammen.  Es  ist  in  Wirklichkeit  eine 
wunderbare  Beziehung.  Auf  Grund  der  Kuckuck-Haarnadel,  welche  du  einst  im  Anfange 
des  Zeitraumes  Ten-bun,  an  dem  Ende  des  Dorfes  der  Weiderichvertiefung  nach  mir 
warfest,  gerieth  ich  unvermuthet  bei  Ina-ki  Fo-zi-rö  in  Verdacht,  und  wir  kamen  überein, 
dass  Avir  das  Wahre  oder  Falsche  an  der  Sache  durch  Anhängen  an  den  Stein  des  Eid- 
schwures  aufklären  werden.  Ich  verliess  das  Haus  noch  vor  Tagesanbruch  und  kam 
früher  an  diesen  Ort.  W^ährend  ich  die  Umstände  erspähte,  wurde,  o  Sclimerz!  Fo-zi-rö 
von  deinem  Jagdpfeile  an  der  Stelle  des  Moxabrennens  getroffen.  Da  ihm  nicht  zu 
helfen  war,  blieb  ich,  um  den  Grund  der  Sache  zu  erfahren,  noch  immer  zwischen  den 
Gräsern  verborgen  und  liörte,  ohne  dass  mir  etwas  entfallen  wäre,  von  Anfang  bis  zu 
Ende  Alles.  Mit  deiner  Erklärung,  indem  du  Redlichkeit  und  Aelternliebe  vorschütztest, 
magst  du  Fo-zi-ro  betrogen  haben,  doch  wie  wirst  du  Toki-nusi  betrügen  können?  Im 
eilften  Jahre  des  verwichenen  Zeitraumes  Ten-bun ,  am  zehnten  Tage  des  siebenten 
Monats,  schlichest  du  unter  dem  Schutze  der  Nacht,  von  der  dort  befindlichen  Räuberin 
Kazasi  des  Weges  geleitet,  in  mein  Haus,  erschlugest  mein  Weib  Kawara-I  und  raubtest 
einen  Kasten  voll  Haustuch.  Du  kratztest  an  die  Wand  einige  Schriftzeichen  und  liefest 
mit  Kazasi  davon.  Dass  du  derjenige  bist,  welcher  der  ]\Iensch  inmitten  der  Gräser 
heisst,  ich  wusste  es  jetzt,  als  ich  Kazasi  sah.  W^ie  könnte  ich  zudem  die  Züge,  die  ich 
vormals  auf  der  Pflanzenebene  der  Weiderichvertiefung  sah,  vergessen?' 

Fudzuki  steht  für  fiimi-dzidd  , Schriftmonat',  ein  Name  des  siebenten  Monates  des 
Jahres. 

Naka-ni  tsui-te  nikumi-te-mo  \  naivo  nikumu-beki-wa  kazasi  narL  Miosume  nade-si-ko-ga 
''^t  (tsi)-Uuke-ni  tote  \  ima-ma-iri-se-si  sono  fi-jori  \  jo-tose-ga  awai  sono  mi-ni  amari-si  \ 
^  ^  (i-doht,)-wa  so-mo-so-mo  taga  kage-zo-ja.  Futa-oja-wo-ba  fajaku  usinai  \  tootoko-ni-wa 
suterarete  \  joru-be-naki  mono  nari-  |  to  ia-ni  namida  moroku-te  \  tvaga  ^  9fp  (fü-fu)-no 
awaremi-omoi-si  koto  \  §  |^  (zi-jo)-no  ^  ^  (nu-ß)-to  fitosi-kavazu.  Nade-si-ko-ga  tsi- 
bihsa-fanatsi-taru  notsi-ni-wa  \  to-mo  si  kaku-mo  site  nando  |  ito  nengo7'o-ni  kikoje-oki-te-tari-si  1 
sono  megmni-wo  mukuican-to  made  omowazu-to-mo  \  nazo-ja  ib-zoku-wo  ßki-irete  \  3E  (sijüj-no 
niö-bb-wo  ittase  \  ^    (zoku)-to    tomo-ni  fasiri-taru  \  kai-tsuru   inu-ni   te-wo    kamare  \  uje-taru 


Der  Nebel  DER  Klage.  133 

ibara-ni  kaki-wo  thsarurn-to  in  |  koto-tvaza-ni-mo  kuje-faru-nl  |  ftf;  (Jo)-v:o-'mo  ^  (sij'uj-ico-mo 
fabakarazu  \  nusu-hito-ni  tomonawarete  \  waga  sato-jori  towoku-mo  aranu  \  kono  no-zu-e-ni 
kahirui-taru  \  nandzi-ga  kimo-no  o-oki-naru  \  Uura-yio  kaiva-no  atsu-jaka-naru  \  tagujen-ni 
mono-mo  arane-do  \  loare-iva  nawo  \  fotoke-gokoro-wo  mote  \  tosi-goro  nandzi-ra-wo  kari- 
motomen-to-mo  sezari-si-ni  |  ^  (tenj-no  ami-wo  kakerarete  |  sakai-ioo-ha  je-mo  kojezu\fakarazu- 
site  keö  koko-ni  \  waga  tsuma-no  ata-wo  je-tari.  |g  jj^  (Ko-fu)-je  fikasi-te  tsumi-wo  tadasi  \ 
ßto-tm-ni-iva  |  kawara-i-ga  naki-tama.-ivo  nagusame  \  fito-tm-ni-iva  \  ina-ki  fo-zi-rb-ga  tame-ni  \ 
uraini-too  kajesu-besi.    Fldzi-wo  kagamete  imasime-wo  toku-toku.  vke-jo. 

,Üb  ich  dich  auch  ganz  besonders  verabscheue,  noch  verabscheuungswürdiger  ist 
Kazasi.  Seit  dem  Tage,  wo  sie  neu  angekommen  war,  um  die  Amme  meiner  Tochter 
Nade-si-ko  zu  sein,  bis  an  vier  Jahre,  von  Avessen  Gunst  waren  Kleider  und  Speise,  die 
sie  im  Ueberflusse  hatte?  Indem  sie  sagte,  sie  habe  beide  Aeltern  frühzeitig,-  verloren, 
sei  von  einem  Manne  verlassen  worden  und  habe  keine  Stütze,  zerfloss  sie  in  Thränen. 
Das  Mitleid,  die  Bedach tnahme  gegen  sie  war  mit  dem,  was  anderen  Knechten  und  Mägden 
gegenüber  der  Fall  ist,  nicht  gleich.  Nachdem  Nade-si-ko  von  ihrer  Brust  getrennt  war, 
Hessen  wir  auf  jede  Weise  sehr  freundlich  von  uns  hören.  Wir  mochten  nicht  daran 
denken,  dass  sie  uns  diese  Güte  vergelten  werde,  doch  warum  führte  sie  einen  Räuber 
herein,  liess  das  Weib  des  Gebieters  erschlagen  und  ei-grilf  mit  dem  Räuber  die  Flucht? 
Dieses  geht  noch  über  das  Sprichwort:  Von  dem  Hunde,  den  man  ernährt  hat,  wird 
man  in  die  Hand  gehissen,  von  den  Dornen,  die  man  gepflanzt  hat,  wird  der  Zaun 
niedergeworfen.  Vor  der  Welt,  vor  dem  Gebieter  dich  nicht  fürclitend,  von  dem  Räuber 
begleitet,  hast  du  dich  an  dem  Ende  dieses  von  meinem  Dorfe  nicht  fernen  Feldes 
verborgen.  Es  gibt  nichts,  das  man  mit  der  Grösse  deiner  Keckheit,  mit  der  Dicke 
der  Haut  deines  Angesichts  vergleichen  könnte.  Doch  während  ich,  mit  dem  Herzen 
Buddhas,  Jahre  hindurch  euch  nicht  aufjagen  wollte,  werdet  ihr  von  den  Netzen  des 
Himmels  umstrickt,  ihr  könnet  die  Gränze  nicht  überschreiten,  und  ohne  dass  ich  es 
vermuthete,  finde  ich  heute  an  diesem  Orte  die  Feinde  meiner  Gattin.  Ich  lasse  euch 
zu  dem  Sammelliause  des  Reiches  führen,  über  euer  Verbrechen  das  Urtheil  fällen  und 
werde  euch,  einerseits  um  den  Geist  der  todten  Kawara-I  zu  beruhigen,  andererseits 
Fo-zi-rö"s  wegen,  die  Feindschaft  vergelten.  Bieget  die  Arme  und  empfanget  schnell 
die  Bande.' 

Moroku  in  namida-moruku  luit  eigentlich  die  Bedeutung  , gebrechlich'.  Es  werden 
die  Ausdrücke  namida-moro,  moro-tsuku  und  nioro-'ino7'o-suru^  der  erstere  in  dem  Geschlechte 
Gen,  die  zwei  letzteren  angeblich  im  gemeinen  Leben  vorkommend,  angeführt.  Näheres 
über  den  Sinn  wird  nicht  gesagt,  doch  dürfte  das  hier  gesetzte  ,in  Thränen  zerfliessen' 
ilim  ganz  entsprechen. 

To  iki-make-ha  \  kazasi-iva  itodo  men-boku-mo  \  naki  sidzumi-te  i-tari-si-ga  \  fori-otsuru 
namida-U'O  osajefe  |  ju-jaku-ni  kbbe-wo  motage  |  3£  (sljüj-no  ije-to-dzi-tco  korosasi-te  \  wotoko-to 
tomo-ni  fasiri-si-  \  to  utagai-o-ose-ba  nikumi-te-mo  |  nikumi-akasu-zo  woioasu-beki  \  ima-sara 
ari-si  koto-no  mama-ni  \  ije-ba  mi-no  ^  (fi)-wo  kazaru-ni  nite  \  makoto-to-wa  jo-mo  kiki- 
tamaicazi.  Sikari-to-mo  fito-kudari-no  \  iu-beki  josi-ivo  kiki-tamaje.  -^  ^  (Tsiku-seö)  nari- 
to-vw  ^  (on)-wo  siru.  Nani-wo  tirami-ni  nani-tco  ata  \  fukaki  megiimi-ivo  asa-faka-ni  j  omoi- 
wasurete  nusu-bito-ni  \  ije-to-dzi-ivo  korosasu-beki.  Sono  jo-sari  ^  ~J\  (rd-ka)-nite  \  fito-no 
sakebu-ni  samasarete  |  oki-idete  kai-ma-mi-sure-ba  \  faruka-ni  firameku  jai-ba-no  fikari-ni  \ 
tamasi-i-iva    mi-ni    sowazu.    Sara-ni  fusi-do-je  iran-ni-mo  \  asi  saje  najete  ware-ni-nio  arazu. 


134 


Pfizmaiek. 


Adzukari-fagiikumu  loosanai-wo  \  idaki-forv-ni  itonia-mo  naku  \  awafe  nando-jc  madoi-iri  \  te- 
tsukuri-no  kajoi-fitsu-7io  \  mono-naki-ioo  loaga  kakihve-ga-to  \  kakure-iri-tsutsu  te-wo  nobasi-te  j 
iitsi-jori  futa-wo  fane-kajese-ha  \  fidzi-gane  fn-to  kui-in-te  \  ^  (zio)-no  sasare-si  koto-wo-ba 
sirazu  \  tada  kamt  fotoke-tco   ^,    (nenj-suru  nomi  \  tsu-wo  nomi  \  iki-wo  korasi-te  faberi. 

Das  Angesielit  Kazasi's  war  immer  mehr  von  Thräncn  überströmt.  Die  lierab- 
fallenden  Thränen  unterdrüekend,  erliob  sie  allmälig  das  Haupt  uml  sprach:  ,l)a  iln-  niicli 
im  Verdachte  habt,  dass  ich  die  Hausmutter  des  Gebieters  tödten  Hess  und  mit  einem 
Manne  entlief,  wie  ich  auch  darüber  unwillig  bin,  unwillig  bis  zum  Morgen,  ich  muss 
ein  Ende  machen.  Wenn  ich  jetzt  wieder  von  ^er  geschehenen  Sache,  wie  sie  ist, 
spreche,  so  hat  es  den  Anschein,  als  ob  ich  mein  Unrecht  bemäntelte,  und  ob  es  wahr 
ist,  dürftet  ihr  niemals  hören.  Indessen  höret  eine  Reihe  Dinge,  die  ich  zu  sagen  habe. 
Selbst  ein  Thier  ist  dankbar.  Was  sollte  ich  als  Gegenstand  des  Hasses  betrachten, 
was  als  Feindschaft,  dass  ich,  die  grosse  Güte  leichtfertig  vergessend,  durch  einen 
E<äuber  die  Hausmutter  tödten  lassen  könnte?  In  jener  Nacht  wurde  ich  durch  das  in 
dem  Gange  ertönende  Geschrei  eines  Menschen  aufgeweckt.  Als  ich  aufstand  und  ver- 
stohlen hinblickte,  blieb  bei  dem  Glänze  einer  in  der  Ferne  geschwungenen  Klinge 
mir  die  Seele  nicht  mit  dem  Leibe  verbunden.  Im  Begriffe,  wieder  in  das  Schlafzimmer 
zu  treten,  waren  die  Füsse  ganz  gelähmt  und  gehörten  nicht  mir.  Ohne  Zeit  zu  haben, 
das  mir  anvertraute  Kind  in  die  Arme  zu  nehmen,  verirrte  ich  mich  im  Schrecken  in 
den  Verschlag  und  machte  einen  leeren  Kasten,  in  welchen  man  Haustuch  legte,  zu 
meinem  Verstecke.  In  dem  Augenblicke,  als  ich  mich  darin  verbarg,  streckte  ich  die 
Hand  aus  und  schlug  von  innen  den  Deckel  zu.  Der  Eiegel  schob  sich  ein,  und  ich 
wusste  nicht,  dass  das  Schloss  gesperrt  war.  Ich  betete  bloss  zu  den  Göttern  und 
Buddha,  wartete  ungeduldig  und  hielt  den  Athem  an.' 

Haru  fodo-ni  waga  ßtsu-ni  |  ^  (zib)-no  sasi-tnru-ioo  mite  kono  utsi-ni  \  fito-no  ari-fo-wa 
sira-nami-ga  \  ^  ;^  (sio-i-gi)-no  nawa-ni  kata-iro  Ire  \  se-oi-idasu-ka-  \  to  omoje-domo  \ 
masu-masu  mono-nu  osorosi-kv-te  \  todomu-beki  jb-nio  naku  \  sono  kakure-ga-je  tomonaware  \ 
fazimete  fida-wt>  firakarete  \  kata-mi-no  omote-ioo  ibtsi-aioasi  \  fata-tabi  odoroku  imo-se-no 
^  r^  (akn-jen).  Warawa-ivo  ufe  kajeri-si-ica  \  ko-isntsumi-ni  ari-si  toki  |  jo-wo  sinobi-ne-ni 
ko-iüo  umasl  j  ivakarete  jo-tose  otodzure-nakl  \  karl-bito  kaja-zb  nari-si-ka-ba  \  ko-wa-ko-wa 
ika-ni  \  to-bari-ni  |  fazime-wa  akire  \  notsi-ioa  jorokobi  \  sate-vio  on-mi-wa  kono  tokoro-ni 
itsu-no  fodo-jori  siimai-si-tamb  \  nandzi-toa  mata  itsu-no  koro-jorl  \  tori-ta-ga  ije-ni  mija- 
dzukqje-se-si  \  umi-tarn  tsigo-wa  \  wonoko-ka  menoko-ka  \  sore-ivo-ba  ika-ni  si-tari-si-  \  tn 
toware-tsu  \  toi-tm  ima-sara-ni  \  nott^i-no  tatari-mo  osorosi-kere-do  \  tootoko-tca  ^  (sijil)-no 
ije-to-dzi-too  \  korose-si-to-mo  wäre  sirazare-ba  \  tada  nade-si-ko-no  uje-ioo  nomi  \  kokoro-moto- 
naku  omoje-domo  \  ima-sara  ta-fa-je-wa.  kajerarezu.  Utsuru-ni  jamki  kare-so-da-no  fosoki 
kefuri-wa  ibuseku-to-mo  \  ivotoko4o  tomo-ni  jn-no  nxa-tco  \  nagusamerare-tsu  \  nagusamete-  \  to 
kura-karanu  mi-iüo  kuraku  site  \  tsui-ni  kono  no-no  foka-ni  idezu. 

,Indessen  glaubte  ich,  dass  man,  dass  Schloss  meines  Kastens  versperrt  sehend  und 
nicht  wissend,  dass  sich  darin  ein  Mensch  befinde,  die  Schulter  in  die  Stricke  der  Trag- 
hölzer fügte  und  den  Kasten  auf  dem  Rücken  hinaustrug.  Die  Sache  wurde  jedoch  immer 
schrecklicher,  icli  hatte  kein  Mittel  der  Abwehr  und  wurde  von  ilim  in  sein  Ver- 
steck gebracht.  Als  der  Deckel  jetzt  geöffnet  ward,  blickten  wir  uns  in  das  Angesicht, 
es  war  die  böse  Beziehung  von  Bruder  und  Schwester,  wobei  ich  zum  zweiten  Male 
erschrak.     Der    mich    mit    sich    nach    Hause    getragen    hatte,    war    der    Jäger    Kaja-zö, 


Der  Nebel  der  Klage.  135 

derselbe,  der  zur  Zeit  meines  Aufenthaltes  in  Ko-tsutsumi  in  der  Nacht  zu  mir  hinein- 
schlich, ein  Kind  erhielt  und  durcli  vier  Jahre  nichts  von  sich  hören  Hess.  Wie  kommt 
dieses  alles?  In  einem  Zelte!  Anfangs  erstaunt,  hierauf  erfreut,  wurde  icli  gefragt 
und  fragte  wieder.  Seit  wann  wohnt  ihr  an  diesem  Orte?  —  Seit  Avann  hast  du 
wieder  in  dem  Hause  Tori-ta's  gedient?  Ist  das  Kind,  welches  du  um  die  Zeit  ge- 
boren hast,  ein  Knabe  oder  ein  Mädchen?  Wie  hast  du  dieses  angestellt?  —  Mir 
war  jetzt  wieder  vor  der  späteren  Heimsuchung  bange,  doch  da  ich  nicht  wusste,  dass 
der  Mann  die  Hausmutter  des  Gebieters  getödtet  habe,  ängstigte  ich  mich  bloss  wegen 
Nade-si-ko,  kehrte  übrigens  nicht  nach  Ta-fa  zurück.  Der  dünne  Rauch  des  leicht  zu 
überführenden  dürren  Brennholzes  mochte  düster  sein,  doch  ich  wurde  mit  dem  Manne 
zugleich  bei  der  Trübsal  der  Welt  getröstet  und  tröstete.  Mich,  die  ich  dadurch  nicht 
in  Dunkelheit  mich  befand,  in  die  Dunkelheit  stellend,  trat  ich  zuletzt  nickt  mehr  aus 
diesem  Felde  hervor.' 

Fodo-fete  kaze-ga  tajori-site  \  ^  ^  (ko-sijü)-no  to-dzi-iva  fudzuM-no  koro  |  niwaka-ni 
mi-makari-tariiai-si-  \  to  tsutaje-mo  kiku-ni  itatnosi-ku  \  uke-si  megumi-ioa  wasiirene-do  |  knnd- 
naranu  mi-wa  sono  jo-sari  \  waga  wotoko-no  jai-ba-ni  kakerare  \  inotsi-wo  otosi-tamal-si-to  ] 
slrane-ha  itodo  tni-no  tsumi-no  |  oinoki-ga  vje-ni  tsumi-wo  masu.  Miitsuki-no  titsi-jori  sato- 
oja-ni  I  fagukumasi-taru  musume  toko-natsu-wo  fisoka-ni  inukaje-toron  tote  \  sono  koto  v:otoko-ni 
kataraje-domo  |  soiio  fito-iii  mukui-stt-hcki  \  mono  arazare-ba  kokoro-no  foka-iil  \  futa-tose 
amari-wo  sugusi-tsutsu  \  jb-jaku-ni  kane  totonoje  |  aj'io  ^  (joj  tcotoko-ivo  ko-tsutsumi-naru  \ 
sato-oja-gari  tsukawase-si-ni  \  jagate  inunasi-ku  kajeri-ki^tsu.  Sato-no  aruzl-wa  mi-makari-te  \ 
joru-be  na-kere-ba  ije-wo  lori  \  kudan-no  jamome-wa  sato-ko-no  te-ioo  fiki  \  jnku-je-mo  slrazu 
madoi-ide-si-  \  to  kikv-ni  m?.me  madzu  futagari-te  |  ivaga  ko-tco  mamoru  kaml-nasi-  ^  (tsuki)  \ 
sigururu  sode-wo  fosi-ajene-do  |  juku-je  slrene-ba  sen-su-be-nasi-  j  to  itaku  irotoko-ni  isamerare  \ 
wasuren-tu  sure-do  wasurarenu.  2h-tose-7ii  amaru  mono-omoi  |  asita-no  kumo-ivo  nagamete-wa  \ 
musume-ga  juku-je-wo  omoi-jari  \  jil-be-no  tsuki-ni  mukai-te-wa  \  fsjcju-keki  sode-wo  kata-siki-te  | 
naki-akasii  jo-vio  o-o-kari-si  |  ko-wa  mina  ono-ga  mi-ni  mukü  \  ^  "^  (ten-hatsu)  nari-to 
ima-zo  siru.  I-i-toki-gataki  ajamatsi-wo  \  tsikai-no  isi-ni  utsusi-te-wa  \  nani  itsuioari-no  fdberu- 
bekl  I  in-beki  koto-iva  i-i-fate-tsii.  Meguru  in-gua-ica  iki-na.gara  \  hiruma-ni  ßkasi  \  usi-ni 
sakasi  \  nana-kida  ja-kida-ni  nasu  made-ni  |  waga  mi  Jito-tsn-ioo  tsuminai-te  \  löotoko-no 
inotsi-wo  tasvkete  tobe  \  men-boku-nasi. 

,Nach  einiger  Zeit  hörte  ich  gerüchtweise,  dass  die  Hausmutter  des  alten  Gebieters 
im  siebenten  Monate  des  Jahres  plötzlich  verstorben  sei.  Ich  empfand  Schmerz  und 
vergass  nicht  die  empfangenen  Wohlthaten,  doch  ich,  die  ich  nicht  göttlich  bin,  wusste 
nicht,  dass  sie  in  jener  Nackt,  von  der  Klinge  meines  Mannes  getroffen,  das  Leben 
verloren  habe.  Hierdurch  vermehrte  ich  bei  der  ScliAvere  meiner  Schuld  noch  die 
Schuld.  Um  die  Tochter  Toko-natsu,  die  ick  seit  den  Wickelbändern  durch  den  Pflege- 
vater aufziehen  liess,  heimlich  abholen  zu  können,  erzählte  ich  dem  Manne  die  Sache. 
Doch  da  ich  nichts  hatte,  wodurch  ich  diesem  Menschen  vergelten  konnte,  liess  ich  wider 
meinen  Willen  über  zwei  Jahre  vergehen.  Als  ich  endlich  Geld  herschaffte  und  in  einer 
Nacht  den  Mann  zu  dem  in  Ko-tsutsumi  lebenden  Ptiegevatei-  schickte,  kam  er  sogleich 
unverrichteter  Sache  zurück.  Man  hörte,  der  Hauswirth  des  Dorfes  sei  gestorben,  die 
Witwe  habe,  da  sie  keine  Stütze  hatte,  das  Haus  verkauft  und  sei,  das  Pflegekind  an  der 
Hand  führend,  ohne  dass  man  wusste  wohin,  in  der  Verwirrung  ausgezogen.  Meine  Brust 
war  zuerst  verschlossen,  ich  kam  nicht  dazu,  den  vom  Rieselregen  des  Monats,  in  welchem 


13G  Pfizmaikh. 

es  die  mein  Kind  bewahrenden  Götter  iiiclit  gab,  träufelnden  Aermel  zu  trocknen,  doch 
da  ich  den  Aufenthaltsort  nicht  wusste,  konnte  ich  nicJits  tluin.  icli  wurde  dabei  sehr  von 
dem  Manne  getadelt,  und  ich  wollte  vergessen,  aber  vergass  nicht.  Durch  zehn  Jalire 
mich  kränkend,  dacJito  ich,  Avenn  ich  die  Morgenwolken  betraclitete,  an  den  Aufentludt 
der  Tochter.  Dem  Abendnionde  gegenüber,  breitete  ich  den  thauigen  Aermel  seitwärts, 
und  viele  Nächte  weinte  ich  bis  zum  Morgen.  Ich  weiss  jetzt,  dass  dieses  Alles  die 
Himmelsstrafe  ist,  mit  der  man  mir  vergilt.  Wenn  ich  den  schwer  zu  erklärenden 
Irrthum  zu  dem  Steine  des  Eidschwures  bringe,  welche  UnAvahrheit  könnte  es  sein? 
Ich  bin  mit  dem,  was  ich  sagen  kann,  zu  Ende.  Für  die  umherkreisende  böse  That 
mag  man  mich  lebendig  mit  Wagen  zerren  lassen,  durch  Ochsen  zerreissen  lassen,  mich 
in  sieben  Stücke,  in  acht  Stücke  selbst  zertheilen,  man  bestrafe  mich  allein,  doch 
schenket  dem  Manne  das  Leben  —  ich  verliere  die  Fassung.' 

Sato-oja  ,Dorfvater'  ist  der  Pflegevater. 

In  sato-oja-gari  ,AVohnsitz   des  Pflegevaters'  ist  gari  so  viel  als  gari  , Aufenthaltsort'. 

Sato-ko  , Dorfkind'  ist  das   Pflegekind. 

Kami-nasi-tsvki  steht  für  kami-na-dzuki,  einen  Namen  des  zelmten  Monates  des  Jahres. 
Das  Wort  wird  in  der  Zeichenschrift  durch  , götterloser  Monat'  ausgedrückt,  aber  ver- 
schieden erklärt.  Man  gibt  ihm  den  Sinn  von  kazu-mina-tsuki  , Monat  aller  Zahlen',  kami- 
name-tsuki  , Monat  des  Götterkostens',  endlich  von  kami-nari-nasi-tsuki  , donnerloser  Monat'. 

To  kaki-kudokv,.  Omoisemari-te  mi-ico  oki-kane  \  natnu  a-mi-da  butsu-  \  to  tonaje-mo 
ajezib  I  wotoko-no  katana-wo  ßki-nuki-te  |  ^  (tsi)-no  sita  fakaku  fsuki-tate-tari.  Tsuma-7io 
ö  ^  (zi-satsii)-tvo  itamasi-tn  |  omoje-domo  mi-kajerann  \  kura  go-ru  faru-zumi-iüo  |  dri-me 
kake-tsutsu  toki-nusi-wa  \  fakaina-no  soba-tvo  tsumami-age  \  ßto-no  tsuma-wo  korosit  moito-wa  1 
^  (ten)  mnta  »ore-ga  tsuma-wo  korosu.  Kazasi-ga  ^  t^  (zi-satsuj-ica  tvotoko-no  '  ^  ^^ 
(aku-foj.    Mono-domo   nado-te   kaja-zo-no    kura   go-rb-wo    ike-dorazaru  \  toku  toku  imasime-jo. 

So  erklärte  sie  sich  mit  Heftigkeit.  In  Gedanken  beengt,  war  sie  unfähig,  sich  zu 
erheben.  Die  Worte :  Namu  Amida-Buddha !  kaum  aussprechend ,  riss  sie  das  Sch^vert 
des  Mannes  heraus  und  stiess  es  sich  tief  unter  die  Brust.  Toki-nusi,  auf  Kura  Go-rö 
Faru-zumi,  der,  obgleich  über  den  Selbstmord  der  Gattin  voll  Schmerz,  sie  nicht 
beachtete,  einen  schelen  Blick  werfend,  zog  mit  einem  Griffe  den  Seitentheil  der  Bein- 
kleider empor  und  rief:  Wer  die  Gattin  eines  anderen  Menschen  tödtet,  dessen  Gattin 
tödtet  der  Himmel  wieder.  Der  Selbstmord  Kazasi's  ist  eine  Vergeltung  für  das  Böse 
des  Mannes.  Leute,  warum  nehmet  ilir  Kaja-zo-no  Kura  Go-rö  nicht  gefangen?  Schnell, 
schnell  bindet  ihn ! 

To  iki-make-ha  \  faru-zuvd  kara-kara-to  aza-irarai  \  trarc  ßto-no  tsmna-ico  korose-ha  \ 
ßto  mata  waga  tstima-wo  korosu  \  kore-wa  köre,  §  ^  §  |^  (zi-go-zi-toku)  \  in-gua-no 
du-ri-iva  koko-ni  tsukuseri.  Ware  mata  nani-no  tsuiiii  ari-te  |  nandzi-ra-ni  imasimeraru-beki. 
Saki-jori  tatsi-kiki-si-taran-ni-ica  \  koto  tsumahiraka-ni  iü-ni  ojobazu.  Mukasl  wäre  \  ßagi- 
kubo-nite  |  tsitsi-no  kataki  inn-ki  dzi-bu-ßei-ivo  utsi-tomete  |  o-o-tsuki-gata-no  tatsi-ivo  tori- 
kajesi(,-to  ije-domo  \  ^  ^  (siJ-ü-ka)-7io  najami-ni  nozomi-wo  nsinai  |  ko-tsutstimi-no  sato-ni 
sasorai-te  \  te-nare-si  mania-ni  ßimi  ja  mote  \  uki-jo-no  ßoka-no  jama-kasegi  \  na-wo  kaja-zb-to 
jobare-sl  koro  \  toakaki  dotü-nu  madoi-nite  \  ada-naru  ßana-ni  kaki-wo  koje  |  ta-icori-some- 
taru  kazasi-ga  '|^  ^pj  (kuai-tai)  \  J^  '[^  {nin-zeö)-ni-wa  motoru-to-mo  |  naico  nozomi  am 
masura-wo-ga  j  — '  ^  A  ({ffii^-zinyni  ^  '/Jü  (sed-gaij-tvo  j  ajamatare-zi~  j  to  omoi-kajesi-te  \ 
kokoro-dzujokit-mo  icagi'iiio-ko-wo  ßuri-sntete  tsiku-tcn-si  |  koko-mo  jumi  ja-ni  ßikari  am  \  ko-te- 


Der  Nebel  dek  Klage.  1 


o  ( 


sasi-hara-ni  kakure-sumi-te  \  sono  fi-gurasi-no  oi-tori-gari-mo  \  zitsu-ni  ko-tori-no  — ■  ^  (ippi) 
^  ^  (fan-tsiu)  I  tada  mi  fito-tsu-wo  asari-kanete  \  mi-tose  jo-tose-n-o  ada-ni  siikusi  |  j^  ^ 
(ko-sijü)-no  waka-gimi  \  oki-ioaka-maro-no  on-ari-ka-wo  |  tadzune-ma-irasuru-ni  \  mada  ojobazu. 

Auf  diese  zornigen  Worte  entgegnete  Faru-zumi  hohnlachend :  ,Wenn  ich  die  Gattin 
eines  anderen  Menschen  tödte,  so  tödten  die  Menschen  wieder  meine  Gattin.  Hiermit 
ist  die  Ordnung  der  bösen  That,  dass  man  durch  eigenes  Verschulden  es  sich  selbst 
zuzieht,  erschöpft.  Welches  Verbrechens  wäre  ich  sonst  noch  schuldig,  dass  ich  durch 
euch  gebunden  werden  sollte?  Bei  dem  früher  Gehörten  Hess  sich  die  Sache  nicht  aus- 
führlich sagen.  Obgleich  ich  einst  in  der  Weiderichvertiefung  Ina-ki  Dzi-bu-fei,  den 
Feind  des  Alters,  tödtete  und  das  Schwert  der  grossen  Mondgestalt  zurücknahm,  verlor 
ich  bei  dem  Unglück  des  Hauses  des  Vorgesetzten  die  Hoffnung.  Fri  dem  Dorfe  Ko- 
tsutsumi  unstät  umherirrend,  hatte  ich  mit  Bogen  und  Pfeil,  wie  icli  eben  mit  ihnen 
vertraut  war,  ausserhalb  der  vergänglichen  Welt  einen  Erwerb  auf  den  Bergen.  Zur 
Zeit  als  ich  mich  Kaja-z6  nannte,  erstieg  ich  in  der  Verirrung  junger  Leute  zu  einer 
fremden  Blume  die  Mauer,  es  erfolgte  die  Empfängniss  der  gebrochenen  Kanzasi.  Es 
mochte  dem  menschlichen  Gefühle  widerstreben,  doch  ich  bedachte,  dass  ein  Mann,  der 
noch  Hoffnungen  hat,  hinsichtlich  eines  Weibes  sich  nicht  für  sein  ganzes  Leben  ver- 
fehlen darf.  Starken  Sinnes  verstiess  ich  meine  Schwester  und  entfloh.  Hier  auf  der 
Ebene  von  Ko-te-sasi,  welche  auch  Beziehung  zu  Bogen  und  Pfeilen  hat,  verborgen 
wohnend  und  durch  die  Vogelbeize  der  Abenddämmerung,  in  Wirklichkeit  durch  kleine 
Vögel,  deren  Flug  von  der  Dauer  eines  halben  Morgens,  nicht  im  Staude,  nur  mich 
allein  zu  ernähren,  verbrachte  ich  drei  Jahre,  vier  Jahre  vergeblich  Und  kam  noch 
nicht  so  weit,  um  den  Aufenthaltsort  Oki-waka-maro's,  des  jungen  Sohnes  des  früheren 
Vorgesetzten,  aufsuchen  zu  können.' 

To-sama  ku-sama  si-an-stiru-ni  |  tori-ta-no  seo-zi  toki-nusi-ni-wa  |  sakl-ni  kasi-tarii,  kane 
are-ba  |  juki-te  koiva-haja-  |  to  omoi-si-ka-ba  |  fudzuki  towo-ka-no  jo-ni  magire  |  tori-ta-ga 
ije-ni  sinobi-iru-ni  |  tatsi-matsi  wonna-ni  togamerare  |  sikiri-ni  ko-e-wo  tatei'cii'e-tari.  Ja-utsi-no 
m,ono-ni  sirasi-te-iva  |  sinobi-te  ki-tstoru  kai-mo  nasi.  Odosa-ba  ko-e-wo  je-mo  tatezi-  |  to  fasiri- 
kakari-si  katana-no  mine  utsi  nogarenii,  in-gua-ka  te-ga  maioari-te  \  tada  fito-katana-ni  kiri- 
fuse-tari.  Ware-ivo  ajasimu  ajamatsi-ni  |  fozo-wo  kame-domo  sukü-ni  josi  nasi.  Koko-ni  futa- 
tabi  omojeraku  \  J^  (kd)-take  sinobi-te  ki-tsuru  koto  \  aruzi-no  fadzi-wo  kakusan  tote  |  usiro- 
me-taki  ivaza-wo  se-si  |  mina  köre  ^  ^  (bic-sij-no  nasake  nare-domo  \  omowazu  fito-ioo 
korose-si-ka-ba  \  aruzi-ni  tai-men-su-beö-mo  arazu.  Kaku-wa  munasi-ku  kajera-baja-to  \  omoje- 
domo  nawo  omoi-kanete  \  tsi-gatana  ßsagete  tadazumi-si-ga  |  mata  tsuku.-dzuku-to  ovio  jh  | 
1^  ^  (ko-sijü)-no  ari-ka-wo  tadztmen-ni-mo  \  tada  :=p  ^  (fan-sen)-no  ^  ^  (ro-jd)-wa 
nasi.  ^  ^  (Tsiü-gi)-7io  tame-ni-wa  utagawarete  \  kegare-taru  na-mo  wosivm-ni  tarazu. 
Ima  toki-nusi-ni  ma-no  atari  |  koto-no  josi-ivo  tsugezu-to-ma  \  tsito-no  mono-wo  kara-baja-  |  to 
fara-no  utsi-nite  si-an-si-tsu. 

,Indem  ich  die  Sache  auf  jegliche  Weise  überlegte,  dachte  ich  mir:  Ich  habe  Tori- 
ta-no  Seo-zi  Toki-nusi  in  früherer  Zeit  Geld  geliehen.  Ich  möchte  hingehen  und  es 
begehren.  —  Ich  schlich  mich  am  zehnten  Tage  des  siebenten  Monats  unter  dem  Schutze 
der  Nacht  in  das  Haus  Tori-ta's,  als  ich  plötzlich  von  einem  Weibe  eines  Verbrechens 
beschuldigt  und  heftig  angeschrieen  wurde.  Ich  dachte  mir:  Wenn  sie  es  den  Leuten 
in  dem  Hause  kundgibt,  so  nützt  es  mir  nichts,  dass  ich  heimlich  gekommen  bin.  Wenn 
ich  sie  schrecke,  dürfte  sie  kein  Geschrei  erheben.  —    Ich  lief  hin    und   schlug  sie  mit 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  IS 


]^38  Pfizmaiek. 

deiu  Rücken  des  Schwei-tes,  doch  vielleicht  durch  eine  unvermeidliche  böse  Fügung 
drehte  sich  die  Hand  und  ich  liieb  sie  mit  einem  einzigen  Hiebe  nieder,  lieber  den 
mich  verdächtigenden  Irrtluim  mochte  ich  noch  so  sehr  Reue  empfinden,  ich  konnte  auf 
keine  AVeise  helfen.  Icli  dachte  mir  jetzt  wieder:  üass  ich  in  tiefer  Naclit  heimlich 
gekommen  bin,  geschah,  um  die  Schande  des  Gebieters  des  Hauses  zu  verbergen,  und 
icli  habe  eine  besorgnisserregende  Sache  gethan.  Dieses  alles  ist  zwar  die  Güte  des 
Kriegers,  doch  da  ich  unvermuthet  einen.  Menschen  getödtet  habe,  kann  ich  nicht  vor 
den  Gebieter  des  Hauses  treten.  Somit  möchte  ich  unverrichteter  Sache  nach  Hause 
zurückkehren.  —  Doch  ich  konnte  noch  immer  nicht  denken  und  schritt,  das  blutige 
Schwert  an  dem  Arme  tragend,  auf  und  ab.  Ich  dachte  wieder  ernstlich  nacli  und 
sagte  zu  mir,  die  Sache  überlegend:  Wenn  icli  den  Aufenthaltsort  des  früheren  Vor- 
gesetzten aufsuche,  besitze  ich  nicht  einmal  ein  halbes  Kupferstück  Reisegeld.  Der 
Redlichkeit  willen  in  Verdacht  gerathen,  brauche  icii  den  befleckten  Namen  nicht  zu 
schonen.  Wenn  ich  auch  jetzt  Toki-nusi  persönlich  den  Sachverhalt  nicht  melde,  möchte 
ich  einige  wenige  Dinge  entlehnen.' 

Nan-do-no  kata-je  sinuhi-ire-ha  \  te-tsukuri-to  sirusi-taru  \  aki-ßtsu  amata  tsumi-tari-si  \ 
so-ga  naka-ni  tada  fitu-tsu  \  mono  ari-to  ohosi-ku-te  \  ^  (zio)-tco  sika-to  sasl-taru  ari. 
Ugokasi-te  mire-ha  omojaka  nari.  Köre  kara-baja-to  ßtori-gotsi-te  \  kudan-no  ßtsu-ivo  se-oi- 
tsutsu.  I  kataje-no  kahe-ni  Wi  ^  ^  (su-ka-zi)-wo  kiri-tsuke  \  niwa-gutsi-jori  fasiri-ide  \  sono 
ake-gata-ni  ^  ff]  (siuku-sio)-ni  kajeri-te  |  madzu  kano  ßtsu-no  \  futa-ivo  ßrake-ba  nuno- 
ni-wa  arade  \  waga  te-tsukurl-no  ta-woja-me-wo  |  suzuro-ni  vte  kajeri-si-ka-ba  \  futa-tabi 
matsuwaru  ^  (jen)-no  tsuna-no  \  asi-kase  te-kase-wo  kakerarete  \  jo-tose  ivakare-si  imo-to 
ivare.  Moto-no  saja-je-wa  osamari-te-mo  \  katana-ni  nokosio  mi-no  ajamatsi  \  tori-ta-ga  ije-nite 
omoivazti-mo  \  fito-wo  korose-si  koto-wo-ba  tsugez'a.  31oto-no  na-ivo  dani  sirasene-ba  \  tsuma-wa 
musume-ga  jukuje-wo  omoi  \  ware-wa  j^  ^  (ko-sijü)-m  on-ari-ka-ivo  \  tadzunen-to  nomi 
omoje-domo  \  ^  (ßn)-7io  jamai-ni  todzimerarete  \  kono  no-no  foka-ni  je-mo  idezu.  \  3E  (Sijü)-wo 
omoje-do  ^  (tsiil)  narazu  \  ^  (gi)-ni  jori-nagara  ^^  ^  (.ß-gi)-ni  nite  \  sinohu-ni  amaru 
musasi-no-no  kusa-jori  idete  kusa-ni  iru.  Kizi-ni  utsura-ni  ^  ^  (sesseu)-no  \  in-gua  Ü,  M  Ä 
(teki-men-su)-no  utsi-jori  \  musvme-wo  sutete  mata  tsuma-ioo  \  korosi-te  sutsuru  kari-ßimi-no 
magareru-ni  nite  ito  nawoki  \  faru-zwni-wo  karamen  tote  \  mono- mono -siku  ßsimeku-wa  \ 
inoko-wo  klaki-te  kusaki-wo  wasure-si  \  toki-nusi-ga  madoi  nari.  Ware  ^  Pfl  (sb-tsm)-no 
fito  uare-ba  \  nandzi-mo  mata  so-tsiü-no  ßto  naru  mono-wo. 

Als  ich  heimlich  in  den  Verschlag  trat,  waren  daselbst  viele  als  Haustuch  bezeich- 
nete leere  Kästen  aufgehäuft.  Unter  ihnen  sah  nur  ein  einziger  aus,  als  ob  er  etwas 
enthielte  und  war  mit  einem  Schlosse  fest  versperrt.  Ich  rüttelte  ihn,  und  er  war  schwer. 
Ich  sagte  zu  mir  selbst :  Diesen  möchte  ich  ausleihen.  —  Diesen  Kasten  auf  dem  Rücken 
tragend,  kratzte  ich  in  die  Wai>d  daneben  einige  Schriftzeichen  und  lief  bei  dem  Ein- 
gange des  Vorhofes  heraus.  Als  ich,  mit  Tagesanbruch  in  meine  Behausung  zurück- 
gekehrt, zuerst  den  Deckel  des  Kastens  wegnahm,  befand  sich  darin  kein  Tuch,  sondern 
Tch  luitte  mein  in  Haustuch  gekleidetes  zarthändiges  Weib  unbewusst  auf  dem  Rücken 
nach  Hause  getragen.  Mit  den  Fussfesseln,  den  Handfesseln  der  zum  zweiten  Male 
gewundenen  Schnur  der  Freundschaft  behängt  waren  die  durch  vier  Jahre  getrennte 
Schwester  und  ich.  Dass  ich  in  meinem  Irrthume,  den  ich,  obwohl  es  in  seiner  Scheide 
verborgen  war,  auf  das  Schwert  zurückschiebe,  in  dem  Hause  Tori-ta's  unvermuthet 
einen  Menschen  getödtet  habe,  sagte  ich  nicht.    Da  ich  meinen  eigentlichen  Namen  gar 


Der  Nebel  DER  Klage.  139 

nicht  kundgab,  dachte  die  Gattin  nur  daran,  wohin  die  Tochter  gekommen,  und  icli 
dachte  nur  daran,  den  Aufenthalt  des  früheren  Vorgesetzten  zu  suchen.  Jedoch  von 
der  Krankheit  der  Armuth  eingeschlossen,  konnten  wir  nicht  aus  diesem  Felde  heraus- 
kommen. Denkt  man  auch  an  den  Vorgesetzten,  es  ist  niclit  ßedlichkeit.  Indem  man 
sich  an  die  Gerechtigkeit  hält,  ist  man  einem  Ungerechten  ähnlich.  Ich  kam  heimlich 
aus  den  auf  dem  Felde  von  Musasi  überflüssigen  Pflanzen  hervor,  trat  zwischen  die 
Pflanzen  ein.  Aus  dem  augenscheinlichen  Neste  der  an  Fasanen,  an  Wachteln  verübten 
bösen  That  der  Tödtung  des  Lebens  verstiess  ich  die  Tochter,  tödtete  ferner  die  Gattin. 
Der  Jagdbogen,  den  ich  wegwerfe,  scheint  verkrümmt  zu  sein.  Dass  man  sagt,  man 
möge  den  sehr  rechtlichen  Faru-zumi  binden  und  wichtigthuend  lärmt,  es  ist  eine 
Verirrung  Toki-nusi's,  der  auf  den  Gestank  vergessen  hat,  als  er  ein  Schwein  in  die 
Arme  nahm.  Wenn  ich  ein  Mensch  inmitten  der  Pflanzen  bin,  so  bist  du  ebenfalls  ein 
Mensch  inmitten  der  Pflanzen.' 

To  nvase-mo  ajezu  |  toki-nusi  ko-e-tvo  furi-tatete  |  kono  nusu-bito-qa  kutsi-sakasi-sa-ja. 
Ware-to  nandzi-wa  ima  koko-nite  \  fazimete  mono-wo  iü  naru-ni  \  idzure-no  toki-ni  mazirai-te  I 
kane-'wo  kari-taru  koto  aran-ja.  Sika-nomi  arazn  ivaga  ije-je  |  sinobi-iri-taru  sono  jo-sari  j 
kawara-i-ni  ajasimerare  \  jamu  koto-ioo  jezu  kiri-korose-si-wo  \  odosan  tame-no  mine-utsi-ni  1 
te-ga  mawari-si-  j  to  i-i-kosiraje  j  sono  mi-no  tsuml-v:o  karukit  sen  tote  \fakaru-to-mo  fakararen-ja. 
Nandzi  ika-narii  josimi  ari-te  j  iku-bahi-no  kane-ivo  kasi-tcmnt  [  sed-ko  ara-ba  toku  idase  1 
toku-toku  mlse-jo. 

Ihn  nicht  weiter  reden  lassend,  rief  Toki-nusi  mit  erhobener  Stimme :  Welche  Wohl- 
redenheit  von  diesem  ßäuber!  Da  du  mit  mir  jetzt  hier  zum  ersten  Male  sprichst,  zu 
welcher  Zeit  könnte  ich  da  mit  dir  verkehrt  und  von  dir  Geld  ausgeliehen  haben? 
Ueberdiess  hast  du  in  jener  Nacht,  in  welcher  du  dich  in  mein  Haus  schlichst,  von 
Kawara-I  beanständet  und  sie  nicht  beschwichtigen  könnend,  sie  durch  einen  Schwert- 
hieb getödtet.  Dass  du  vorgibst,  du  habest,  um  sie  zu  schrecken,  mit  dem  Rücken  der 
Klinge  geschlagen  und  deine  Hand  habe  sich  gedreht,  dieses  magst  du,  um  dein  Ver- 
brechen leichter  erscheinen  zu  lassen,  ersonnen  haben,  doch  wird  es  beachtet  werden? 
Welche  guten  Beziehungen  hast  du  zu  mir  und  wie  viel  Geld  hast  du  mir  geliehen? 
Wenn  du  Beweise  dafür  hast,  so  bringe  sie !    Schnell,  schnell !  lass'  sehen ! 

To  iradate-ba  |  faru-zi(,mi-tva  unadzuki-te  \  kosi-ni  tsuke-taru  ß-utsi-bukuro-wo  \  toki-nusi-ni 
nage-ataje  \  seö-zi-ioa  sore-ivo  mi-si?'eri-ja.  Fagl-kubo-no  ara-no-nite  |  tsitsi-no  kataki-wo  utsi- 
si-toki  I  omotvazu  nandzi-ni  jobi-kakerare  |  siü-ri-ken-ivo  tobasi-te  kusa-ni  kakure  \  koto-no 
jb-ivo  ukagäi-si-td  |  nandzi  fisoka-ni  dzi-bu-fei-ga  |  si-gai-wo  saguri-te  futokoro-naru  \  kane  mi- 
tsutsumi-wo  ubai-tori  |  tsi-siwo-ni  mamire-si  HJ  'ffj  (sai-fu)-wo-ba  \  kusa-mura-no  utsi-je  sute- 
si-ka-ba  \  wäre  mata  fisoka-ni  firai-tori-te  \  jagate  nandzi-ga  ato-wo  tsuke  ,  ^  ^J\  (siiiku-sioj-ivo 
sika-to  mi-sadame-tare-ba  \  mi-tsutsumi-no  kane-wo  kasume-tori-si  |  kuse-niono-toa  ta-fa-no  rb- 
nin  I  tori-ta-no  seo-zi  toki-nusi  nari-  \  to  sono  ^  (jo)-no  utsi-ni  faja  sireri.  Sono  kami 
ina-ki  dzi-bu'fei-ga  \  san-fiaku-rib-n<i  .^  ^  -^  (gun-j6-kin)-to  |  o-o-tsuki-gatn-wo  nusumi- 
tori  I  amasaje  waga  tsitsi-tvo  idsi-te  tsiku-ten-se-si  koro  \  wäre  ^  -JL  (bu-gu)-wo  iirl  |  "^  ^ 
(i-seö)-iüo  uri  \  dzi-bu-fei-ni  nusif.mare-taru  \  san-finkkin-tco  ^^  ^  (tsio-tas)si-te  \  ^  ^ 
(sijü-kun)-je  kajesi-ma-irase-tare-ba  |  dzi-bu-fei-ga  '|^  FJ?  (liun-tsiiVi-se-si  \  kano  mi-tsutsumi-wa 
waga  kane-nite  \  katana-wa  sunawatsi  ^  ^  fko-sijfij-no  ^  ^  (tsiü-fö)  |  o-o-tsuki-gata-no 
fito-furi  nari.  Sika-iva  are-do  \  ware-noa  tada  ata-ico  utsi  \  tatsi-wo  tori-kajesan-to  nomi  \ 
omoi-sadame-si  koto  nare-ba  |  si-si-tarn.  kataki-no  "f^    \^  (kuai-tsitlj-wo  |  saguran-to-wa  sezari- 

18* 


14()  PlIZMAIKU. 

si-ni  I  naiidzi  kajette  tö-zoktt-to  |  ware-ica  johl-kakete  ui-fasirasi  j  ßto-naki-iro  mife  si-gai-tvo 
saguri  \ßsok<i-n/  knne-wo  ubai-tori-tc  \  ^  (e)-no  %\\  (ri)-wo  fakari-si  faru-nusu-hito  \  kakii,- 
inade  kegare-si  kokuro-ni-mo  |  ka)ie  novii  totte  tsi-ni  mamire-si  |  sai-fu-wu  so-ko-ni  sute-tare-ha  \ 
notsi-no  seö-ko-fo  ßrai-tori-ta  \  ß-?i.fsi-Imkuro-ni  si-fnri-si-wa  \  nandzi-ni  misen  tarne  nari-si. 

So  sagte  er  mit  Entrüstung.  Faru-zumi,  mit  dem  Haupte  nickend,  warf  den  an 
seiner  Lende  befestigten  Feuerzeugbeutel  Toki-nusi  hin  und  sprach:  ,Kennt  Seö-zi 
dieses?  Als  ich  auf  dem  wüsten  Felde  der  Weiderichvertiefung  den  Feind  des  Vaters 
tödtete,  wurde  ich  imvermuthet  von  dir  angerufen.  Ich  warf  das  "VYurfschwert,  ver- 
barg mich  zwischen  den  Pflanzen  und  beobachtete,  was  geschehen  werde.  Du  durch- 
suchtest heimlich  den  Leichnam  Dzi-bu-fei's,  raubtest  die  in  seinem  Busen  befindlichen 
drei  Packe  Geld  und  warfest  den  blutbefleckten  Geldbeutel  in  das  Pflanzendickicht. 
Icli  las  ihn  wieder  heimlicli  auf,  folgte  dir  sogleich  nach  und  sah,  wo  sich  dein  Wohnort 
befindet.  Dass  der  Bösewicht,  der  die  drei  Packe  Geld  geraubt  hat,  Tori-ta-no  Seö-zi 
Toki-nusi,  der  dienstlose  Kriegsmann  von  Ta-fa  sei,  erfuhr  ich  schon  in  jener  Nacht. 
Vordem,  zur  Zeit  als  Ina-ki  Dzi-bu-fei  dreihundert  Tael  Ivriegsgelder  und  die  grosse 
Mondgestalt  raubte,  überdiess  meinen  Vater  tödtete  und  die  Flucht  ergriff,  verkaufte 
ich  die  Kriegsgeräthe,  verkaufte  die  Kleider,  brachte  die  von  Dzi-bu-fei  geraubten  drei- 
hundert Kobang  zusammen  und  gab  sie  dem  Vorgesetzten  und  Gebieter  zurück.  Die 
drei  Packe,  welche  Dzi-bu-fei  in  dem  Busen  verborgen  hatte,  waren  mein  Geld,  das 
Scliwert  war  die  Kostbarkeit  des  früheren  Vorgesetzten,  ein  Schwert  der  grossen  Mond- 
gestalt. Da  ich  indessen  nur  entschlossen  war,  den  Feind  zu  tödten  und  das  Schwert 
zurückzunehmen,  wollte  ich  nicht  den  Busen  des  todten  Feindes  durchsuchen.  Du  hin- 
gegen, der  du  mich  mit  Räuber!  anriefest,  mich  verfolgtest  und  entfliehen  machtest, 
du  durchsuchtest,  als  du  keine  Menschen  sähest,  den  Leichnam,  raubtest  heimlich  das 
Geld  und  als  ein  alter  ßäuber,  der  den  Nutzen  des  lluhmes  erwog,  mit  so  sehr  be- 
schmutztem Herzen,  nahmst  du  nur  das  Geld  und  warfest  den  blutbefleckten  Geldbeutel 
von  dir.  Ich  las  ihn  zum  späteren  Beweise  auf,  und  dass  ich  ihn  zum  Feuerzeugbeutel 
machte,  geschah,  damit  ich  ihn  dir  zeige.' 

Sare-ba  nandzi-ga  ije-ivo  uruu-osu  \  koto-no  nioto-ioo  siru  jio-e-ni  |  ßsoka-ni  i-ßiki-te  kono 
sai-fu-tü  I  waga  utsi-kake-si  |  kb-gai-no  \  kata-ware-wo  ^  ^  (ko-ekij-si  |  hetsi-ni  sukosi-no 
ro-jo-wo  koi-uke  \  oki-waka-maro^no  on-juku-je-wo  |  tadzime-ma-irasen-  to  omoi-si-ga  |  suso-wo 
musuhi-te  kata-ni  kakiiru  \  mi-no  zama-nite  ^  ^  (faku-tsiü)-ni  \  tori-ta-ga  ije-je  i-juki-na-ba  j 
kanarazu  ^  ^^  (nu-ß.J-ra-ga  ajasimii-ben.  Siknre-ha  ßto-no  ^p  (ß)-ivo  arnwasi-te  |  sono 
fadzi-iDO  kagajakasen-wa  |  waga  ßo-i-to  suru  tokoro-ni  arazu.  J^  (Kö)-takete  sinobi-ßiki 
toki-nusi-to  läsi-miikai-te  \  kore-ra-no  koto-wo  tsuguru-ni  sikazu-  |  to  namazi-i-ni  omoißakari- 
si-toa  I  toaga  watakusi-ni  idzuru-to  ije-domo  |  kano  ^  ^  (aku-ß6)-ni  kakanu  tokoro-ka 
umowazu-mo  kiri-fuse-si  |  wonna-wa  nandzi-ga  tsuma  nari-ken  |  ^  ^  (bi-sei)-ga  makoto-ica 
tsukusa-ni  kai-naku  \  nandzi-ni  idete  nandzi-ni  kajeru-iva  |  kawara-i-ga  7^  ^  (wb-sij  nari. 
Ware-jori  idete  mata  tvare-ni  kajeru-ioa  kazasi-ga  ^  ^  (zi-satsu)  nari.  Tsuma-no  tame- 
ni-wa  ^  ^  (ko-sijü)  nari-to-mo  |  wäre  toki-mtsi-?co  osoren-ja.  Sibaraku  nandzi-ga  nawa-ico 
käse  I  ivare  madzy.  nandzi-ioo  imasitnete  I  ^  /frf-  (ko-ßuj-je  ßkasi-te  tsumi-ivo  totvan.  Mosi 
kono  isi-no  fotori-nite  |  mi-no  ^^  (ß)-too  owö  mono  are-ba  \  ^  ^  (ten-rai)  tatsi-matsi 
kore-tüo  ßurn-to  |  ßto-no  P  ^%  (k6ß)-ni  tsutaje-tari.  Kaku-te-mo  toki-nusi  aras6-ja.  War^e-ni 
mi-tsutsumi-no  kane-ioo  kari-zn-to  ije-ba  |  nandzi-toa  sunawatsi  nusu-bito  nari.  Ide  iraje-se-jo 
ide  ije. 


Dkr  Nebel  UEE  Klage.  141 

,\Veii  ich  somit  die  Grundlage  kannte,  auf  welcher  du  dein  Haus  bereichert  hast, 
gedachte  ich  heimlich  hinzugehen,  diesen  Geldbeutel  gegen  die  von  mir  geworfene  eine 
Hälfte  der  Haarnadel  auszutauschen,  ausserdem  etwas  Reisegeld  zu  erbitten  und  den 
Aufenthaltsort  Oki-waka-maro's  auszuforschen.  Es  hätten  jedoch,  wenn  ich  in  meinem 
Aufzuge,  den  geknüpften  Saum  an  die  Schulter  gehängt,  am  hellen  Tage  zu  dem  Hause 
Tori-ta's  gekommen  wäre,  die  Knechte  und  Mägde  gewiss  Verdacht  geschöpft.  Uebrigens 
war  es  nicht  meine  Absicht,  das  Unrecht  eines  Menschen  darzuthun  und  dessen  Schande 
leuchten  zu  machen.  Ich  erwog,  dass  es  ungleich  besser  sein  würde,  wenn  ich  in  tiefer 
Nacht  heimlich  hinginge,  Toki-nusi  entgegenträte  und  diese  Sachen  berichtete.  Ist  es 
auch  von  mir  besonders  ausgegangen ,  es  hängt  vielleicht  mit  der  Vergeltung  jenes 
Bösen  zusammen.  Das  Weib,  welches  ich  unbedachter  Weise  niederhieb,  wird  deine 
Gattin  gewesen  sein.  Bei  der  Ergründung  der  Wahrheit  des  Lebensendes  hat  man  keinen 
Nutzen.  Dasjenige,  das  von  dir  ausgegangen  ist  und  zu  dir  zurückkehrt,  ist  der  ge- 
waltsame Tod  Kawai'a-I's.  Dasjenige,  das  von  mir  ausgegangen  ist  und  wieder  zu  mir 
zurückkehrt,  ist  der  Selbstmord  Kazasi's.  Werde  ich  in  Betreff  der  Gattin,  und  wäre 
er  selbst  der  frühere  Vorgesetzte,  Toki-nusi  fürchten?  Leihe  mir  für  eine  Weile  deine 
Stricke.  Ich  werde  früher  dich  binden,  dich  zu  dem  Sammelhause  des  ßeiches  führen 
lassen  und  dich  wegen  der  Schuld  befragen.  Von  den  Menschen  wurde  es  mündlich 
überliefert :  Wenn  Jemand  zur  Seite  dieses  Steines  sein  Unrecht  verdeckt,  so  trifft  ilin 
plötzlich  der  Donner  des  Himmels.  Wird  somit  Toki-nusi  es  bestreiten?  Wenn  dvi  sagst, 
dass  du  die  drei  Packe  Geld  von  mir  nicht  ausgeliehen  hast,  so  bist  du  ein  Räuber. 
Wohlan,  gestehe!    Wohlan,  sprich!' 

To  sai-fu-ivo  totfe  me-saki-je  tsuki-tsuke  |  jose-awasl-tam.  favn-zumi-ni  \  seo-ko-too  torarete 
toki-nusi-ica  \  i-i-tsuru  koto-no  fadzukaioasi-ku  |  kdbe-tvo  tarete  ^  ^^  (moku-nen)  tari.  Kono 
ari-sama-ni  sagi-suke-ra-wa  \  fatsi-maki  toki-te  fada-wo  ire  |  f^  (böj-ioo  usiro-je  osi-kakusi-te  \ 
omote-wo  aicasi  kbhe-tuo  kaki  \  mi-ico  oki-kane-si  |  kusa-no  tsiiju    kije-mo  taje-jo-to  omö  naru-hesi. 

Hiermit  nahm  er  den  Geldbeutel  und  hielt  ihn  ihm  vor  die  Augen.  Toki-nusi, 
dem  durch  den  andrängenden  Faru-zumi  der  Beweis  erbracht  worden,  schämte  sich 
seiner  früheren  Worte.  Er  senkte  das  Haupt  und  schwieg.  Unter  diesen  Umständen 
lösten  Sagi-suke  und  die  Anderen  die  Kopfbinde  und  zogen  die  blossen  Schultern 
herein.  Indem  sie  die  Stöcke  hinter  dem  Rücken  verbargen,  näherten  sie  einander  das 
Gesicht,  kratzten  sich  den  Kopf  und  konnten  sich  denken :  Der  nicht  erhebungsfähigen 
Pflanzen  Thau  |  vergehe,  sei  zerrissen ! 

Sibaraku-site  toki-nusi-tüa  |  sora  utsi-aioogi-te  tan-sok(i->ii  \  makoto-naru  Kciga  ^  ^ 
(fu-gi)-no  \  tomi-wa  ukameru  kmno-jori  faka-naku  |  ^  ^  ^  (zen-tsi-sikl)-no  51  ■^  (^'^- 
zed)-nite  |  jaja  fare-wataru  nmne-no  tsuki-ni  [  fadzi-too  kakitsan  knma-mo  nasi.  Ware-wa 
moto-jorl  ^  -^  (rin-siokii)-no  \  musabori-akade  ivakaki  toki  \  kama-knra-wo  j^  ^  (tsui-fö)- 
serare  \  j^  j^  (ru-ro)-ioo  nagehi  kami  mbde  \  fotoke-tanomu-mo  i^  ^Ij  (luio-ri)-no  tarne  : 
fito-no  10.  ^  (wb-sij-wo  sakvai-ni  j  san-fiakkin-wo  kasume-tori-te  \  tsuma-ica  sara-nari  sato- 
bito-ra-ifo  |  azamiiku  tame-ni  ben-zai-ten-no  %\]  ^  (ri-jaku)-ni  kore-wo  kakotsukete  \  kami 
fofO'ke-iüo  !<i-i-tari-si  \  ^  ^  (mib-batsu)  tsui-ni  manekarezu.  Moto  fani-zumi-ga  kane  nari-si  ] 
kane-ni  kaje-taru  kaicara-i-ga  \  1^  5t  (tcb-si)-mo  onoga  ^  ^  (aku-fb)-to  |  saviete  kujasi-ki 
jume-no  ato  \  ben-zai-ten-no  :^  I^  (zi-gen)  mra  j  ima  mata  omoi-aware  jtit  (jo)-no  \  ^ 
(joku)-ni  kono  mi-ivo  fari-tsuvie-si  \  f^  ^  (siu-ra)-7io  "jx.  Ü  (tai-ko)-no  ukari-keru  \  koto- 
tvo-ba  sirade  'J^    '\^  (fon-nb)-no  \  ^    ^   'i^  (inn.-zi-motsu)-naru  toki-nusi-ga  \  koko-ni  '(^  f^ 


1^2  Pl-'lZMAIEH. 

(sau-(/eJ-iva  oso-k'm^i-d  |  fadzukawasi-ja.  Wcuja  ^^  (ß)->i'o  hakusi-te  fito-wo  sone  |  knjette 
fito-ni  semeraruru  \  kakn  aru-besi-to  fazime-jori  \  tsuju-bakari-mo  satoin-na-Jxi  \  kazasi-ni 
©  ^  (zi-sats)-sasezarl-si  \  men-boku-mo  nasi.  Fudzi-saka-nnsi  go-fen-no  kane-nite  ware-iva 
to)iii  I  icare  tovm  ju-e-ni  fadzi-wo  sirazu.  Mi-dzukara  naseru  wazaivai-wa  \  kane  koso  ono-ga 
kataki  nare.  Ima  tatsi-mafsi-id  ^  ^  (don-joku)-no  \  ^  -^^  (mü-nen)-ioo  tatsu-to  ije-domo  \ 
tada  tatsi-gataku-te  J^  ^  (on-ai)-no  \  kidzima-to  naru-wa  musume-ga  koto.  Go-fen-no 
tsuma-no  ^  (tsi)-ni  sodatsi-si  \  jukari-mo  are-ba  nade-si-ko-ivo  \  makoto-no  nmsume-to  mi- 
sonawasi  |  jasinai-tori-te-tamai-ne. 

Eine  AVeile  blickte  Toki-nusi  zum  Himmel  empor  und  sagte  dann  seufzend:  JMein 
wirklich  ungerechter  Reichtimm  ist  vergänglicher  als  eine  schwimmende  Wolke.  An  dem 
durch  die  Leitung  des  guten  Wissens  und  Erkennens  ziemlich  hell  hinüberziehenden 
Monde  des  Herzens  ist  kein  Bergrand,  der  die  Schande  verbergen  würde.  Ich  war 
ursprünglich  bei  meinem  Geize  im  Begehren  unersättlich  und  wurde  in  meiner  Jugend 
aus  Kama-kura  verjagt.  Meine  Entlassung  beklagend,  ging  ich  zu  den  Göttern,  flehte 
zu  Buddha.  Um  des  Namens  und  des  Nutzens  willen  hielt  ich  den  gewaltsamen  Tod 
der  Menschen  für  ein  Glück  und  raubte  dreihundert  Kobang.  Um  nicht  allein  die 
Gattin,  sondern  auch  die  Menschen  des  Dorfes  zu  täuschen,  gab  ich  es  für  eine  Hilfe 
der  Göttin  Ben-zai-ten  aus  und  entkam  der  dunklen  »Strafe  dafür,  dass  ich  die  Götter 
und  Buddha  betrog,  zuletzt  nicht.  Gegen  das  Geld,  welclies  eigentlich  das  Geld  Faru- 
zumi's  gewesen,  wurde  eingetauscht  der  gewaltsame  Tod  Kawara-l's  und  die  Vergeltung 
meines  eigenen  Bösen.  Dabei  erwachend,  richte  ich  nach  dem  jämmerlichen  Traume 
selbst  auf  die  Offenbarung  der  Göttin  Ben-zai-ten  jetzt  wieder  die  Gedanken.  Indem 
er  nicht  wusste,  dass  die  Trommel  der  Hölle  Siju-ra,  über  welche  er  durch  die  Begierde 
der  Welt  diesen  Leib  mit  Gewalt  spannte,  traurig  war,  ist  hier  das  Bekenntniss  des 
sündigen,  sich  verstellenden  Toki-nusi  eine  spät  gekommene  Scham.  Wer  sein  Unrecht 
verbirgt  und  die  Menschen  zur  Rede  stellt,  wird  dagegen  von  den  ]\Ienschen  zur  Rede 
gestellt.  Hätte  ich  anfänglich  nur  im  geringsten  gemerkt,  dass  es  so  sein  wird,  so 
hätte  ich  Kazasi  nicht  zum  Selbstmord  getrieben  und  hätte  keine  Schande.  Herr  Fudzi- 
saka!  durch  euer  Geld  wurde  ich  reich.  Weil  ich  reich  war,  wusste  ich  mich  nicht  zu 
schämen.  Bei  dem  durch  mich  selbst  bereiteten  Unglück  mag  nur  das  Geld  mein  Feind 
sein.  Jetzt  mache  ich  mich  plötzlich  von  den  unordentlichen  Gedanken  der  Begier  los, 
doch  nur  schwer  kann  ich  micii  losmachen  von  dem,  was  die  Fesseln  der  Zärtlichkeit 
sind,  von  meiner  Tochter.  Da  sie  mit  der  Milch  eurer  Gattin  aufgezogen  ist  und  eine 
Verwandtschaft  besteht,  so  betrachtet  Nade-si-ko  als  eure  Avii-kliclie  Tochter  und  nehmet 

sie  auf. 

To  tnnofiiu    kotoba-no    tsiijto  fasiru  \  katana-ioo  snrari-to  fiki-nuki-te  \  sai-fu-ivo  totte  jai- 
ba-je   maki-soje  \fara-je    tsuki-taten-to    si-tari-si-ka-ba   \  ja-jo    matsi-tnmaje-  \  to  jobi-todome  \ 
M    ^  (natsu-kiku)   \  Jj^   ^^  (kitsi-kö)  \  ogi  fagi-no  \  tsi-kusa  kaki-waki  nade-si-ko-wa  \  fusi- 
tsu   marobi-tsu  fasiri-idete   \   tsüsi-ga    kobusi-nl   mgari-fome   \   iwan-to    sure-do   waki-kajeru 
namida-no   idzimni   seki-kanete  \  itodo    nageki-ica  masu-kagami  \  oja-ko  omote-wo  aioasi-fsutsu 
jai-ba-u-o  sutete  idaki-josi  \  idaki-josevare  moro-tomo-ni  \  naku-jori  foka-ni  su-be-mo  nasi. 

Das  als  Thau  dieser  bittenden  Worte  herauslaufende  Schwert  flugs  ziehend,  nahm 
er  den  Geldbeutel,  rollte  ihn  an  die  Klinge  und  wollte  diese  gegen  den  Bauch  stossen. 
Mit  dem  Rufe :  He !  Wartet !  hielt  ihn  eine  Stimme  zurück  und.  die  Sommergoldblumen, 
die    blauen  Glockenblumen,    die    Binsen,    den  W^eiderich    und    die    tausend    Pflanzen   mit 


Der  Nebel  der  Klage.  IA'] 

den  Händen  zertheilend,  lief  Nade-si-ko,  bald  fallend,  bald  umstürzend,  hervor  und 
umklammerte  die  Faust  des  Vaters.  Sie  wollte  sprechen,  doch  indem  sie  die  zurück- 
sprudelnde Quelle  der  Thränen  nicht  zu  verschliessen  vermochte,  waren  diese  für  die 
überhandnehmende  Klage  der  zehnzöllige  Spiegel.  ^Yährend  Vater  und  Kind  einander 
das  Angesicht  ncäherten,  warfen  sie  die  Klinge  weg.  Umarmend  und  umarmt,  konnten 
beide  nichts  thun  als  weinen. 

Sibaraku  nade-si-ko-iva  \  tamoto-wo  kajesi-te  me-wo  nugid  \  tisikai-no  isl-nite  tsikai-wo  sen 
tote  I  asa-madaki-jori  ide-tamai-si  \  usiro-kage-ico  mi-okuri-te  |  to-jaran  kaht-ja-  \  to  omO 
fodo-ni  I  oja-no  koto  icotoko-no  koto  kokoro-moto-nasa  m-beu-mo  faherazu  \  i-tsutsu  mono-wo 
omowan-jori  \  on-ato-ni  tsuki-te  koso-  \  to  ßto-ni-tva  tsugezu  tada-ßtori  \  suzuro-ni  ije-icu  fasiri- 
idete  I  kono  tokoro-je-wa  ki-tsure-domo  \  tsitsi  dani  sinohi-te  tvowasi-mase-bd  \  kaku-to  i-i-jorn 
josi-naku-te  \  utsu-gi-no  naka-ni  kakuroi-tsutsu  \  koto-no  jo-tüo  kai-ma-mi-fabere-ba  \  mi-ni  si 
kajen-to  omo  ivotoko-wa  |  nagare-ni  inotsi-ivo  otosi  \  miäsiiki-no  utsi-jori  faguhmare-si  \  uba 
saje  jai-ba-ni  fusi-tare-ba  \  mim  goto  \  kiku  \  goto  |  kanasi-sa-no  |  mune-ni  semare-do  \  ko-e- 
tatezi-  I  to  tamoto-wo  kami-mo  kiru  bakari  |  saki-jorl  naki-te  faberi-si-qa  \  ^  (jo)'ico  faka- 
nanii  \  mi-ico  fadzi-te  \  tete-go  saje  laata  koko-nite  \  g  ^  (zi-kaij-sen-to  si-tamaje-ba  \  jume- 
to-mo  ivakazib  maborosi-to-mu.  \  Wagane-si  tsvto-no  midare-gami  j  sttstiki-no  icaka-ba  kaki- 
waki-te  \  fadzi  kagajakasi-ku  ide-faberi.  ^  (Jeni)-si-iua  musubi-tomezu-to-mo  \  uki-jo-no 
naka-ni  tada-fitori-to  \  omo  lootoko-ni  uresi-ku-mo  \  kinö  kirare-si  knro-kami-no  1  keo-wa  M.  -^^ 
(mei-do)-je  muko-ßki-de  |  bo-dai-no  mitsi-wa  mada,  sirade  \  koi-mo  negai-si  kon-in-no  \  sono 
sakadzuki-ioa  ta-muke-no  midzu  \  ^  ^  (sa-zan)  jh  pp  (ka-fon)-no  f^  ^  (zio-do)-nite 
sumi-no  koromu-no  iro-nawosi  \  fasu-no  uteyia-wo  tama-no  toko  |  tanomu-ica  ^  fü^  (Hio-se)no 
^   (jeni)-si  nomi.    Fo-zi-rb-nnsi-too  saki-datete  tare-wo  joru-be-ni  nagarajen  \  jitrusase-tamaje. 

Nach  einer  Weile  schlug  Nade-si-ko  den  Aermel  zurück,  trocknete  die  Augen  und 
sprach:  Als  ihr,  um  an  dem  Steine  des  Eidscliwurs  einen  Eid  zu  schwören,  vor  Tao-es- 
anbruch  hinaus  tratet,  sah  icli  euch  nach  und  indem  icli  dachte,  ob  es  so  oder  anders 
ausfallen  werde,  war  um  den  Vater,  um  den  Mann  meine  Besorgniss  unbeschreiblich. 
Statt  zu  überlegen,  wollte  ich  eurer  Spur  folgen.  Ohne  Jemanden  etwas  zu  sagen,  lief 
ich  ganz  allein  ohne  Absicht  aus  dem  Hause  und  gelangte  zu  diesem  Orte.  Da  jedoch 
der  Vater  nicht  zu  sehen  war,  hatte  ich  keine  Gelegenheit,  ihn  anzureden.  Indem  ich 
mich  zwischen  den  Deutzien  verbarg,  beobachtete  ich  heimlich,  was  geschehen  würde. 
Der  Mann,  an  dessen  Stelle  ich  mich  zu  setzen  gedachte,  verlor  durch  einen  Pfeil  das 
Leben,  die  Amme,  durch  die  ich  seit  den  Wickelbändern  ernährt  Avurde,  sank  unter  der 
Klinge  zu  Boden.  So  oft  ich  sah,  so  oft  ich  hörte,  war  ich  In  der  von  Traurigkeit 
erfüllten  Brust  beengt,  jedoch,  um  keinen  Laut  von  mir  zu  geben,  biss  ich  in  den 
Aermel,  so  dass  Ich  ihn  durch  biss,  von  Anfang  an  weinend.  Als  der  Vater,  für  den  die 
Welt  wesenlos,  seiner  sich  schämend,  sich  hier  noch  das  Leben  nehmen  wollte,  unterschied 
icli  nicht,  ob  es  Traum,  ob  es  Zauberkunst.  Das  zusammengefasste  verwirrte  Haupthaar, 
die  jungen  Blätter  des  langen  Grases  mit  den  Händen  zertheilend,  die  Schande  leuchten 
lassend,  kam  ich  hervor.  Ist  die  Freundschaft  auch  nicht  geknüpft,  das  schwarze  Haupt- 
haar, das  ich  von  dem  Manne,  an  welchen  als  an  den  Einzigen  in  der  vergänglichen 
Welt  ich  denke,  mit  Freuden  gestern  abschneiden  Hess,  ist  heute  das  Eidamsgeschenk 
für  die  finstere  Erde.  Die  Vermälung,  welche  ich,  den  Weg  des  Seelenheiles  noch  nicht 
kennend,  erbat,  ihr  Becher  ist  das  Wasser  des  Todtenopfers.  Auf  der  reinen  Erde  der 
dreimal    drei    neun  Rangstufen    ist  die  Farbenherstellung    des  Tintenkleides,    den  Kelch 


J44  Pkizmaieu. 

der  Wasserlilie  mache  ich  zum  Edelsteinbette.  Um  was  ich  bitte,  ist  bloss  die  Beziehung 
der  späteren  Welt.  Da  ich  den  Gebieter  Fo-zi-rö  vorangeschickt  habe,  mit  wem  als 
Stutzer  werde  ich  am  Leben  bleiben?  Erlaubet! 

To  kudoki-mo  a/ez/t  \  jai-ba-ivo  totte  mune-saki-jori  \  kissaki  sobira-je  tsuki-idasi  |  tatsi- 
matsi  fata-to  fusu  fudo-ni  \  tsi-siivo  satto  fotobasiri  |  sita-ni  wori-siku  natsu-kusa-ioo  \  aki-no 
ni-si-ki-to  some-nasi-tari.  Kore-ioa-  \  tu  bakari  toki-nusi-wa  |  j^  ^  (siü-seuj-(u  ^  ^  (ai-zeö)- 
ni  I  mune-kurusi-ku-te  mi-mo  loakane-do  \  naje-taru  kaina-wo  sasi-irete  \  idakl-ukose-ba  sagi- 
suke-ra-mo  \  ana  utate-si-  \  to  dojomeki-te  \  itawaru  kai-nukl  fiihi-de-no  ^  if^  (ku-tsn)-wo 
miru-ni  je-tajezu  farit-zumi-mo  \  sikiri-ni  sa-tan-si-tari-keru. 

Mit  dieser  Rede  kaum  zu  Ende,  ergriff  sie  die  Klinge  und  stiess  von  der  Vorder- 
seite der  Brust  die  Spitze  bei  dem  Rücken  heraus.  Indem  sie  plötzlich  niederstürzte, 
spritzte  das  Blut  und  machte  die  unten  gebreiteten  Sommerpflanzen,  sie  färbend,  zu 
Goldbrocat  des  Herbstes.  Toki-nusi,  in  diesem  Augenblicke  entsetzt  und  betrübt,  im 
Inneren  wahnsinnig,  nahm  es  nicht  aus,  doch  umfasste  er  sie  mit  den  eingedrängten 
erschlafften  Armen  und  hob  sie  auf.  Sagi-suke  und  die  Anderen  lärmten  unter  Wehe- 
rufen und  empfanden  Schmerz.  Faru-zumi,  es  nicht  ertragend,  das  Leiden  durch  die 
unheilbare   tiefe  AVunde   zu   sehen,   seufzte    unaufhürlich. 


Der  Vogel  des  blossen  Goldes. 

Nade-si-ko  jbjaku   kbbe-wo    motagete  \  musi-jori   fosoki    ko-e-wo  fagemasi  \  on-ai-no  jaru 
kata-naku-te   \   ito-ioosimi-tamatüasuru   \   oja-ni    saki-datsu    Z^    ^    (fu-kd)-no    tsumi-ioo   \   ito 
omosi-to-wa   siri-nagara  i  wotoko-no  tame-ni  misawo-wo  tsukusi    oja-no  inotsi-ni  kawaru  mi-tuo 
nani  itadzura-ni  osimu-beki.   Saki-jo7'i  kasiko-ni  tatsi-kiki-tare-ba  \  koto-no  josi-wa  fazime-jori 
wowari-made  jokii  siri-te  fabei'i.    Ima  fate-tamawan  tama-no  wo-ivo  \  fa-su-e-no  tsuju-ni  musiibi- 
toniete  i  ko-ga-to  jaran-je    tadzune-juki  \  fo-zi-rb  nusi-no   fawa-go-ni-mo  \  ototo-kimi-ni-mo  kono 
koto-iüo  I  tsuge-mo  sirasi-te  naki-ato-ivo  j  towasi-mo  site  j  ii,ki-jo-7io  foka-ni  sumi-zome-no  i  koke-no 
koromo-ni  sama-wo  kaje  |  fotoke-ni  tsukaje-tamai-na-ba  |  tsukuri-si  tsumi-mo  kije-nu-besi.    Tada 
itamasi-ki-tva  fo-zi-rb   nusi  \  tete-go-no    ^    ^    (aku-zi)-wo   tsuju-bakari-mo  \  sirade   kataki-ico 
utan-to  nomi  \  omoi-sadame-si   ^    ^    (ku-k6)-wo  \  inamoran  kami-wa  masi-masade  |  ke-nikuki 
kizi-no  kusa-gakure  \  tsuma-goi  kane-tsu  ko-e-tatete  \  nado-te  waga    ^    (.se)-wo  i-susi-tam.  Oinoi- 
some-ni-si  fazime-jori   \   musubti   kami-jo-ni    mame-tvo   mite   \   icori-irib  fato-tüo   naka-datsi-ni 
tanomu    kai-naki    kajesi-ja-iva    |  jö-naki    kizi-no  fita-tsukai   \    ame-waka-fiko-no    ajamatsi-ico 
wotoko-no  mi-ni  si  oioane-domo  \  sita-terii-fi,me-no  furu-koto-ioo  |  inia-zo  mi-ni  siru  nade-si-ko-ni  \ 
musubi-soje-taru    ^    0    f^    (akn-in-jen).    Kono   ^    (jo)-no  notsi-no  mata  notsi-no  \  ^    (jo)- 
made  kawaranu  imoto-to  |  ^    (sp)-to  \  tsikai-no  isi-wo  faka-sirusi  |  tsuma-nw  komoreri  mHS<(<!i- 
no-no  I  keö-no  kefurl-to  tatsi-noboru  \  mitsi-dzure-wa  mata  koko-ni  ari. 

Nade-si-ko,  mühsam  das  Haupt  erhebend,  sprach  mit  angestrengter  Stimme,  welche 
leiser  als  diejenige  der  Insecten :  , Obgleich  ich  weiss,  dass  das  Verbrechen  des  ÄJangels 
an  Aelternliebe  indem  ich  dem  mit  unzertrennbarer  Zärtlichkeit  liebenden  Vater  voran- 
gehe ein  sehr  schweres  ist,  könnte  ich  mich,  die  ich  für  den  Mann  die  Beharrlichkeit 
erschöpfe,  für  das  Leben  des  Vaters  das  meinige  hingebe,  eitler  Weise  schonen?  Da  ich 
schon  früher  dort  liorchte,  sind  mir  die  Thatsachen  von  Anfang  bis  zu  Ende  gut 
bekannt.    Wenn    ihr    die  Edelsteinschnur,    welche    enden    soll,    als    Thau   an   die  Spitzen 


DiiK  Nebel  deu  Klage.  ]  45 

(ier  Blätter  knüpfet,  in  Ivo-ga  euch  erkundiget,  es  der  Mutter  und  dem  jüngeren  Bruder 
des  Gebieters  Fo-zi-ro  kundgebet,  um  den  Todten  trauern  lasset,  selbst  um  ihn  trauert, 
dann  ausserhalb  der  vergänglichen  Welt  durcli  das  mit  Tinte  gefärbte  Mooskleid  eure 
(iestalt  verändert  und  Buddha  dienet,  so  wird  das  Verbrechen,  Avelches  ihr  begangen 
habt,  ausgelöscht  sein.  Was  micii  nur  schmerzt,  ist,  dass  der  Gebieter  Fo-zi-ro,  von  der 
Uebelthat  des  Vaters  nicht  das  Geringste  wissend,  bloss  den  Feind  zu  tödten  entschlossen 
war,  dass,  indem  es  keinen  Gott,  der  die  Aelternliebe  beschützt  liätte,  gab,  der  hassens- 
werthe  Fasan  in  dem  Pflanzenvei'stecke  seine  die  Gattin  begehrende  Glockenstimme 
erhob.  Warum  hat  man  meinen  Bruder  erschossen?  Anfänglich,  als  ich  zu  lieben 
begann,  in  dem  Götterzeitalter,  das  ich  knüpfte,  auf  die  Taube,  welche  die  Bohnen  sah 
und  verweilte,  wie  auf  eine  \  ermittlerin  lioft'end,  war  ich  hilflos.  Der  zurückgeworfene 
Pfeil  ist  die  Folge  der  thörichten  Gesandtschaft  des  unbrauchbaren  Fasans.  Den  Fehler 
Ame-waka-fiko's  Hess  sich  der  Mann  zwar  nicht  zu  Schulden  kommen,  doch  die  alte 
Bache  Sita-teru-fime's  erkenne  ich  jetzt  an  mir.  Es  ist  eine  an  Nade-si-ko  geknüpfte 
böse  Beziehung.  Für  die  nach  dieser  Welt,  selbst  in  einer  nocli  späteren  Welt  imverän- 
derte  Schwester  und  den  Bruder  ist  der  Stein  des  Eidscliwures  das  Grabdenkmal,  und 
die  Gattin  ist  daselbst  verborgen.  Eine  als  der  heutige  Hauch  des  Feldes  von  Musasi 
aufsteigende  Gefährtin  des  Weges  auch  gibt  es  hier.' 

Ja-jo  nba-jo  \  ja-jo  kazasi-jo  \  mutsuki-no  utsi-jori  fagiikv-mare-si-ioo  \  ivasururu-to-ni-wa 
nrune-domo  |  kare-ica  faica-f/o-no  ata  nari-  f  to  tsutaje-mo  kike-ha  koto  samete  \  itaku  nikumi-si 
kujasi-sa-jo.  Wai^e-ica  fatsuka-ni  jo-tsic-no  aki  \  faica-cjo-wo  asinai-faberib-kara  |  on-omo- 
kage-ica  je-mo  sirazu.  Mata  sono  koru-ni  s?iterare-si  |  uba-no  kazasi-ni  tosi-takete  \  ai-miru 
koto-nu  uresi-sa-wa  |  makoto-tw  faiva-ico  ml-tate-matsunt  \  kokotsi-wa  sure-do  utsu-semi-no  1 
iki-no  utsi-naru  mono-gatari-mo  |  ima-ioo  kagirl-no  ^  ^ij  ^  ^  (ai-heisiL-ri-ku)  |  kahh 
aru-hesi-to  faja  sira-ha  \  tate-to  nari  |  kase-tn-mo  nari-te  \  p  ^  (:i-kai)-wo  todomu-he-kari- 
si-ni  I  o-wo  wakare-no  Ä  -^  (mei-do)-no  tabi-ni  \  omoi-gake-naki  iiütsi-dzure-wa  I  '^  ^ 
(fhi-gajej-gataki  saki-no  jo-no    ^^    ^    (jaku-soku)-goto-ka. 

,0  x\.mme !  o  Kazasi !  Ich  habe  niclit  vergessen,  dass  ich  seit  den  Wickelbändern 
von  ihr  ernährt  ward,  doch  icJi  hörte  auch,  dass  sie  die  Feindin  tler  Mutter  sei.  Indem 
ich  über  die  Sache  aufgeklärt  bin,  o  wie  reut  es  mich,  dass  ich  tiefen  Hass  empfunden 
habe !  Da  ich,  kaum  vier  Jahre  alt,  im  Herbste  die  Mutter  verloren  liabe,  kann  ich 
ihr  Bild  nicht  kennen.  In  der  Freude,  dass  ich  noch  in  dieser  Zeit  mit  der  verstossenen 
Amme  Kazasi  in  vorgerückten  Jahren  zusammentreffe,  habe  ich  das  Gefühl,  als  ob  icli 
die  wirkliche  Mutter  sälie,  jedoch  die  Erzählung  innerhalb  des  Athems  der  hohlen  Grillen 
ist  der  auf  jetzt  beschränkte  traurige  Abschied,  die  Trennung  in  Leid.  Wenn  ich  schnell 
gewusst  hätte,  dass  es  so  sein  wird,  wäre  ich  ein  Schild  geworden,  ein  Halseisen  ge- 
worden und  hätte  sie  von  dem  Selbstmorde  abhalten  müssen.  Die  unerwartete  Beglei- 
terin auf  der  Reise  nach  der  finsteren  Erde,  Avelche  die  Trennung  bei  der  Begegnung, 
ist  sie  die  Sache  eines  unabänderlichen  Verspi-echens  der  früheren  Weif?' 

To  kaki-kudoke-ba  \  sono  ko-e-ja  miml-nl,  Irl-ken  |  kazad-wa  tatsi-matsi  me-ivo  firaki  \ 
uresi-ki  koto-wo  kikoje-tamb.  Wara-no  uje-jori  ivakarete-si  \  musnme  toko-naisio-ni  koto-narade  | 
omoi-icasure-si  fi-ica  faberazu.  Sa-zo-na  o-o-kiku  nari-tan?airame  \  ivosanaki  toki  dard  fnr 
(jo)-ni  sugure-si  |  kl-rih-ira  nki-jo-ga  e-gaki-taru  |  '^  ^  ^ß  Ö^''^^'ßJ'^"  .y^''^'  |  ^^h  ^  ß'-'' 
matsij-to  jara-nl  \  otori-tamawazi  |  mi-ma-fosi-  j  to  omu  raono-kara  to  Josi-mo  naki  |  nu-no 
tsumi    toga-wa    te-tsukuri-ja.    Sarasu   kabane-v:a   ta-fa-gawa-no  \  tama-wo  si  koko-ni  udzumn- 

Dcnkschriften  der  rliil.-hibt.  Cl.    XXVI.  Bd.  .  19 


|4()  l'llZMAlliE. 

to-mo  I  ^  Jl  (mei-do)-no  tahi-no  fune-io-mo  nari  \  kurunia-tu  nari-te  siru-bc-so».  Sa-ica  ijc 
on-mi-ga  kono  fi-goro  \  koi-sitai-tamai-taru  |  ina-ki  imsi-io  icaga  wutoko-iva  \  mv-Siibcm  ata-no 
aru  uje-ni  |  fakarazu  ■•^atsu-jn-ni  kake-fahere-ba  \  kokono-tsu-no  j^  (.p)-v-'0  kajnru  raade  \ 
iirami-tamo-to-mo  nagusamn-beki  \  koto-no  fa-tca  faberaw-do  \  jo-tsn-nv  akl-made  fagukmni-no  \ 
josivii-ivo  omote  makoto-aru  \  kimi-ga  namke-wa  ^  ^  (dö-kibj-ni-mo  |  masi-te  iofoki  §|  ^ 
(in-zeoj  nari.  Ima-i<ara  omoi-nokosu  koto  \  vasi-to  ije-do  to-ni  kaku-ni  kokoro-ni  kakaru-u-a 
musume-ga  koto.  Tada  negaicaku-wa.  waga  tsuma-wa  \  kowi  no-iro  idete  ^  (kih)  kama-kz'.ra 
agafa  ta  inaka  fe-megvri-tc  \  toko-natsv-ga  jnku-je  tadzvnete  tabe.  Ten-bun  fatai-npii  rokv- 
guatsii  itsu-ka-no  ^  ^  (tan-zeö)  \  mv.msi-no  kuni  0f  ^  (ni-i-kura)  kori  \  /J^  J^  (ko- 
tsutsumi)-no  sato-bito  \  ^ßl  p^  (kaja-zbj-ga  mnstime  toko-natsu-  j  to  ubu-ge  foso-iw  iro-no  taib- 
qami-ni  \  waraica-ga  fe-nite  kaki-tarv-wo  \  mamori-bnhiro-vi  iretc  faheri  \  korc-zo  waga  ko-no 
sirusi-naru  \  i-i-nokosu  koto-iva  tada  köre  nomi. 

So  lautete  ihre  Rede.  Kazasi,  in  deren  Ohr  die  Stimme  gedrungen  sein  wird, 
öfi'nete  plötzlich  die  Augen  und  sprach :  Ich  hüre  eine  freudige  Sache.  Nicht  anders 
als  bei  meiner  Tochter  Toko-natsu,  von  der  ich  seit  dem  Sitzen  auf  dem  Stroh  getrennt 
bin,  war  kein  Tag,  an  dem  ich  in  Gedanken  vergass.  Indem  ich  mir  dachte,  sie  werde 
in  der  That  gross  geworden  sein,  nacli  dem  Aussehen  in  ihrer  frühen  Jugend,  welclies 
in  der  Welt  nur  ausgezeichnet  war,  könne  sie  der  theuren  Königin  von  dem  Geschlechte 
Yang  und  Ko-matsi,  die  man  in  der  vergänglichen  Welt  abbildet,  nicht  nachstehen,  und 
ich  möchte  sie  sehen,  hatte  ich  kein  Mittel,  um  nach  ihr  zu  fragen.  Mein  Verbrechen 
und  meine  Schuld  beziehen  sich  auf  das  Haus  des  Haustuches.  Mag  der  unbegrabene 
Leichnam  Edelsteine  des  Flusses  von  Ta-fa  bilden,  mag  man  ihn  hier  begraben,  ich 
werde  das  Schiff  der  Heise  zu  dem  finsteren  Wege  werden,  der  AVagen  Averden  und  dei- 
Wegweiser  sein.  Ha  indessen  der  Gebieter  Ina-ki,  den  ihr  um  diese  Zeit  liebtet,  nebst 
der  von  meinem  Manne  geknüpften  Feindschaft  von  einem  Jagdpfeile  getroffen  wurde, 
so  möget  ihr,  bis  neu.n  Welten  ihr  Avechselt,  grollen,  es  gibt  nicht  Blätter  der  Worte, 
welche  trösten  könnten.  Wenn  er  jedoch  das  durch  das  Aufziehen  bis  zu  dem  Herbste 
des  vierten  Jahres  bestandene  gute  Verhältniss  bedenkt,  ist  das  Mitleid  des  wahrhaftigen 
Gebieters  auch  bei  dem  Lesen  der  heiligen  Bücher  immer  mehr  eine  geehrte  Leitung 
und  Begegnung.  Jetzt  endlicli  lasse  ich  nichts  in  Gedanken  zurück,  doch  das,  um  was 
ich  besorgt  bin,  ist  die  Sache  meiner  Tochter.  Das  Einzige,  um  was  ich  bitte,  ist,  dass 
mein  Mann  aus  diesem  Felde  lieraustrete,  in  der  Hauptstadt  Kama-kura,  in  den  Distiücten 
und  Dörfern  umherzielie  und  nach  dem  Aufenthaltsorte  Toko-natsu's  forsche.  Ich  habe 
die  Worte :  Toko-natsu,  geboren  am  fünften  Tage  des  sechsten  Monats  des  achten  Jahres 
des  Zeitraumes  Ten-bun,  Tochter  Kaja-zö's,  eines  Mannes  des  Dorfes  Ko-tsutsumi,  Kreis 
Ni-i-kura  in  dem  Reiclie  Musasi,  auf  das  gefaltete  Papier  des  Flaumes  der  Neugebornen 
und  der  Nabelschnur  mit  meiner  Hand  geschrieben  und  in  den  Zauberbeutel  hineingelegt. 
Hieran  ist  mein  Kind  zu  erkennen.  Der  Auftrag,  den  ich  hinterlasse,  ist  bloss  dieses. 
To  in  ko-e-mo  faja  iki-girete  \  jai-ba-wo  vuke-ba  1  tatd-matsi-ni  moroku-mo  tsiri-si  kazasi-no 
J'ana-to  \  tomo-ni  tsuju-kcki  nade-si-ko-ica  \  sini-oknrezi-to  jb-jakn-  \  ni  tsitsi-no  kata-ico  mi- 
kajeri-te  \  kajesu-gajesti-vw  ko-ga-no  sato  \  se-zi-rb  misi-wo  wasure-tamb-na.  Waga  koi-bito-wa  i 
^  (reö)-to  nari-te  :  se-zi-rb  inisi-no  mi-ni  soican-to  \  no-tammvase-si  koso  tanomosi-kere.  8ara-ha 
warawa-mo  tsinami-um  \  iiba-ga  musume-wo  mitsi-biki-te  \  ^  SQ  (sai-go)-no  ^^^  ()ien)-tco 
fato,sn-besi.  Nawo  negaiva^i-ki-ma  naki-gara-^co  \  fo-zi-rb  nusi-to  -^  ^  (gasso)-si  \  tsikai-no 
isi-ni    ^    ^    (ßV'ß''[I'^    Ü"    "^'    {ß''9^')  I  .?e''«-w«    todomete-taviaje-kasi.     Tsami    ito  fukaki    ^ 


ÜEE  Xebel  DER  Klage.  147 

koto  nagara  \  kono  isi-no  fotorl-jori  j  koto-nai'ic  kasa-no  fana-saka-ba  \  icaraica-ga  omoi-oku, 
koto-no  I  munasi-karazti-to  sirosi-mese.  Jo-no  musume-ra-cja  itadzura-nl  \  oja-no  juncsanu  Jen 
musuhi-site  \  tsui-ni  sono  mi-no  ata-to  nani  \  tamesi-ni  icare-ica  fikarura-to-mo  \  ima-sara 
omoi-taje-gataki  \  icotuko-ni  ika-de  ohiren. 

Indem  diese  Worte  ertünten,  athmete  sie  bereits  schwer  und  zog  die  Klinge  heraus. 
Mit  der  plötzlich  welken  und  verstreuten  aufgesteckten  Blume  zugleich  wendete  die 
bethaute  Nelke,  um  sterbend  nicht  zu  verzagen,  die  Blicke  zuletzt  dem  Vater  zu  und 
sprach:  Vergesset  keineswegs  auf  den  (Tcbieter  Se-zi-ro  aus  dem  Dorfe  Ko-ga.  Dass  mein 
Geliebter  gesagt  hat,  er  werde,  wenn  er  ein  Geist  sein  wird,  sich  dem  Gebieter  Se-zi-r«') 
zuo-esellen,  maa-  Hoffnuna-  erwecken.  Indessen  kann  ich  aucli  die  Tochter  der  mit  mir  in 
Verbindung  stehenden  Amme  auf  dem  Wege  führen  und  den  letzten  Wunsch  erfüllen.  Um 
was  ich  ferner  bitte,  ist,  dass  man  meinen  Leichnam  mit  demjenigen  des  Gebieters  Fo-zi-ro 
begraben  und  in  den  Stein  des  Eidschwurs  unsere  Namen  der  Vorschrift  einmeisseln 
]n(»M-e.  Wenn  bei  der  Schwere  meiner  Schuld  zur  Seite  dieses  Steines  die  Blüthe  einer 
verschiedenen  Tflanze  sich  öffnet,  so  erkennet  dai-an,  dass  dasjenige,  was  ich  in  Gedanken 
habe,  nicht  vergeblich  ist.  Dass  die  Miidchen  der  Welt  durch  das  eitle  Knüpfen  eines 
Verhältnisses,  in  welches  der  Vater  nicht  willigt,  zuletzt  ilire  eigenen  Feinde  werden, 
als  ein  Beispiel  davon  mag  ich  angeführt  werden,  doch  wie  sollte  ich  jetzt  wieder 
hinter  dem  Manne,  an  den  zu  denken  icli  nicht  aufhören  kann,  zurückbleiben? 

lü  kutsi-hlru-mo  iro-gawari  \  karete  munasi-ki  nade-si-ko-ni  \  kal-naku  sosogu  tama- 
midzx-no  \  nokoru-ica  oja-no  namida  nari.  Faru-zumi-mo  kore-kare-no  \  nageki-wo  luaga  nü-ui 
omoi-aioasi-te  \  tsiuie-ica  tonaje-nu  ^  ^  (butsu-inio)-no  |  Hl,  ö  ^  (kuan-on-so)-mo  ^  "[g; 
(go-se)-no  tarne  \  keu-ica  ine-ni  tsuku  zuzu-dama-ni  \  naisu-no-mo  aki-no  kokotsi-si-tsn,.  Toki- 
nusi-ica  fazime-jori  \  tada  naki-sldzumi-te  i-tari-si-ga  \  taje-kanete  asi-zitrl-sl  \  uiakura-he-ni 
tatsi  \  ato-he-ni  jori-te  j  mnnasi-ki.  kara-wo  jiiri-itgokasi  \  jci-jo  nade-d-ko  \  oja-ico  isame 
icotoko-ico  sital  \  tatsi-matsi-ni  ^  ^  (zi-sas)  si-tare-ba  \  on-mi-ga  misawo-wa  tatsu-beki-ga  \ 
ato-ni  nokori-te  iki-gai-naki  I  uki-ico  ini-jo-to-no  ^  ^  (ko-kö)  nara-ba  !  uresi-kn-mo  omoioann.- 
kasi.  Jo-ni  am  ßto-no  icakaki  tokl  \  majö-ni  jasuki  f^  ^  (zeo-jnkfij-ica  \  omoi-iodomaru 
tokc-mo  are-do  |  oi-te-no  itje-no  ^  ^  (don-joku)-ica  \  tsui-ni  todomarit  tokoro-iuo  sirade 
tori-ni-mo  sikazarii  tori-ta-ga   ^    ^    (aku-gö). 

Hiermit  erblichen  ihre  Lippen,  und  das  auf  die  verdorrte  leere  Nelke  vergeblich 
gesprengte  Ueberbleibsel  des  Edelsteinwassers  waren  die  Thränen  des  Vaters.  Audi 
Faru-zumi,  dieses  und  das  andere  Leid  sich  in  die  Gedanken  bringend,  betete  fort- 
während. Die  Kuan-on-Pflanze  mit  Buddlia's  Namen  erscliien  der  späteren  Welt  willen 
]ieute  vor  den  Augen  als  Iliobsthräne,  das  sommerliche  Feld  luitte  das  Gefühl  des 
Herbstes.  Toki-nusi  zerÜoss  anfänglich  nur  in  Tln-änen.  Unfäliig,  es  zu  ertragen  und 
ungeduldig,  erliob  er  sicli  auf  der  Kopfseite,  stützte  sicli  auf  die  Fussseite,  rüttelte  den 
todten  Köi-per  und  sprach  :  ,0  Nade-si-ko  !  Du  ermahntest  den  Vater,  betrauertest  den  Mann 
und  tödtetest  plötzlich  dich  selbst.  Deine  Festigkeit  konnte  dui-chschnitten  werden.  Wenn 
es  ein  Wandel  der  Aelternliebe  wäre,  bei  welchem  man  sagte:  O  Kümmerniss,  dass 
man  übrig  geblieben  und  <las  Leben  nutzlos!  so  dürfte  ich  auch  nicht  freudig  denken. 
Bei  der  Begierde  der  Leidenschaft,  in  welcher  die  in  der  Welt  lebenden  Menschen  in 
ihrer  Jugend  leicht  sich  verirren,  gibt  es  eine  Zeit,  in  welcher  man  in  seinem  Begehren 
innehält,  jedoch  über  das  Alter  hinaus  bei  der  Habsucht  niclit  inne  zu  halten  wissen 
und   ilem  Vogel  niclit  älmlich  sein,   war  Tori-ta's  böse   Tluxt.' 

19* 


148 


Pfizmaier. 


Waga  ko-ni-mo  fadzurn  koto  o-o-kari  \  sikam-ni  o)i-mi-iva  mkasi-kn-fc  \  jo-no  ivotome- 
qo-ra-ga  itadzuva-ioo  j  korasi-wosijuru  kofo-no  fasi-ni  \  ßkare-mo  .fen-  \  to  mi-wo  fadzi-taru  \ 
sore-ni-wa  masi-te  toki-^msi-ira  \  ^;  (jvku)-ni  madoi-te  mono-a-o  kasume  \  ^  (jo)-ni  sira.'^ezi-to 
omoje-domo  \  ^  (ten)  siri  i^  (tsi)  siri  \  fito-mo  siri  \  tcare  mata  koko-ni  omoi-sirn.  l'bai-d 
kane-ica  san-fiakn-rib  \  kore-jori  nkvaka-ni  ije-tvo  tomasi-te  \  mono-siru  ßto-ivo  kazu-to-mo  sezu. 
Takara-ni  fokoru  ^  fß  (aku-f6)-nite  \  ßto-nami-naini-ni  mg^ire-taru  \  mumme-iva  fatatsi-no 
uje-u'o  kojezu  |  mi-dzukara  jai-ba-ni  fsuranukarurn-ico  |  todomen-to  se-si  te-zra  ojohadc  \  v}i- 
tsntsu  korosi-te  nageki-tco  viasu  \  mina  kakaru-heki  @  (in)  nari  |^  (kna)  nari.  Osu-ni 
osarenu  hen-zai-ten-no  \  7^^  If,  (zi-gen)  kasikoki  knsa-iw  fana  \  u-are  kusa-icara-ni  kane-ioo 
jete  I  ima  mata  tama-fo  umoi-  ^  (g'^)-»o  \  nade-si-ko-tvo  kono  kusa-imra-ni  \  udzumete  kajesn 
mi-no  aki-wa  \  ^  t'Ä  (<^i-^(')  #  ^  (toku-sitsu)  nogarenu  ]§  #  (o-fö).  Sikare-ha  on-mi-wa 
luaga  ko-ni  arazu  \  hen-zai-ten-nio-no  -)j  fg  (fu-hen)-nite  \  toki-nusi-ga  musume-to  ^  i^ 
(ke-gen)-si  \  ware-wo  imasime  |  mata  notsi-no  |  Ä'  ^  A  (fon-jnh'-hitoj-iro  imasme-faino-ka. 
Säte  nani-to  sen  men-hokv  nasi  \  fadzi(kawasi-ja. 

,Auch  im  lueinem  Kinde  war  vieles,  das  ihm  zur  Schande  gereiolit.  Indessen  war 
sie  verständig,  und  sie  wäre  duri-h  die  Brücke  der  Worte,  welche  junge  Mädclien  der 
Welt  vor  Leichtsinn  warnt  und  sie  belelirt,  geleitet  worden.  Mehr  noch  als  in  dem, 
was  ihr  zur  Schande  gereichte,  verii-rte  sich  Toki-nusi  in  Habsucht  und  raubte  Gegen- 
stände. Ich  glaubte  zwar,  dass  ich  es  die  Welt  nicht  wissen  lassen  werde,  doch  der 
Himmel  weiss  es,  die  Erde  Aveiss  es,  die  Menschen  wissen  es,  und  auch  ich  erkenne  es 
hier  in  Gedanken.  Das  geraubte  Geld,  dreihundert  Tael,  dadurch  bereicherte  ich  plötzlich 
das  Haus  und  aclitete  die  einsichtsvollen  Menschen  für  nichts.  Zur  Vergeltung  des 
Bösen,  dass  ich  auf  die  Schätze  stolz  war,  wurde  die  alle  anderen  Menschen  übertreffende 
Tochter,  ehe  sie  zwanzig  Jahre  überschritten  hatte,  durch  ihre  eigene  Hand  von  der 
Klinge  durchbohrt.  Dieses  sehend,  indem  die  Hand,  Avelche  im  Begriffe  war,  sie  abzu- 
halten, nicht  ausreichte,  tödtete  ich  sie,  vermehre  die  Klage.  Dieses  alles  ist  die  bevor- 
stehende Beziehung,  ist  die  Frucht.  Die  Offenbarung  der  durch  Drängen  nicht  zu 
drängenden  Göttin  Ben-zai-ten  Avar  die  Blüthe  der  ehrwürdigen  Pflanze.  Ich  fand  auf 
der  Pflanzenebene  Geld,  jetzt  wieder  grabe  ich  das  als  Edelstein  erbetene  Kind  Nade- 
si-ko  auf  dieser  Pflanzenebene  ein.  Dafür  sind  in  meinem  Herbste  Blühen  und  Ver- 
dorren, Gelingen  und  Fehlschlagen  die  nicht  zu  vermeidende  entsprechende  Vergeltung. 
Doch  vielleicht  ist  sie  nicht  mein  Kind.  Vielleicht  hat  die  Göttin  Ben-zai-ten  sie  durch  ihre 
Kunst  in  die  Tochter  Toki-nusi's  verwandelt,  hat  mich  gewarnt  und  auch  die  späteren 
Ju^bgierigen  Menschen  gewarnt.  Ich  habe  keine  Ehre,  die  ich  irgendwie  erwerben 
könnte,  ich  bin   beschämt ! ' 

To  kuri-kajesu  \  midare-no  su-e-no  ito  nagaki  ]  \^  \%  [san-gc)-ni  toki-tcci,  titsusi-keri . 
Kakii-te  ara-heki-ni  arane-ha  \  far/i-zinni-u-a  \  siri-ivo  kake-laru  kuize-wo  fanarete  \  sagi-sitke- 
ra-ni  me-kuhase-si  j  ^  i%  (sin-sevj-wa  kotowari  nare-domo  |  si-si-taru  mono-ivo  ika-hakan 
nageke-ha  tote  kajeru-ni  arazu.  Omoje-ba  in-gua-wo  warir-kn-gai '  si-de-m  ta-trosa-no  fototogisu-mo 
kajeru-ni  sikazu-to  ima-zo  nakii.  Oja-ko-ni  ^  ^  (ßhf'O-'"^  I  «'«  kataki  |  ßutari-no  ^  i 
(se-siu)-ni  \  mi-tari-no  naki-gara  \  keßuri-to  nasi-te  moro-tomo-ni  |  nrami-ioo  sutsurii  tsikai-no 
isi-no  I  ßotori-vi  kore-tvo  i^  ^  (mai-sü)-seii  \  ika-ni  f<orh  tori-ta  mi,si-to  ßagemasarete  toki- 
misi-iva  I  jo-jaku-ni  mi-wo  okose-ba  |  mgi-suke  to-roku  sai-ßatsi-i-a-mo  \  snri-akame-taru  oni-no 
m.e-ni  \  tsnßi-no  natsn-gusa  ßana-utszt-gi-zco  kai-i-atsmnc-t-vt.s/i  ^  ^  {da-bi)-nr  site  mi-tan-ga 
.<i-(/ai-iro  kofiiri-to  nasi  \  isi-no  moto-ni-zo  ßomnri-kern. 


Dee  Nebel  dek  Klage.  149 

So  die  Worte  zurückdreliend,  verbrachte  er  mit  verwirrten  Bekenntnissen  von  selir 
langer  Spitze  die  Zeit.  Da  dieses  nicht  so  sein  sollte,  trennte  sich  Faru-zumi  von  dem 
Baumstumpfe,  auf  welchem  er  sass,  richtete  auf  Sagi-suke  und  die  Anderen  die  Augen 
und  sprach  :  Trauer  und  Schmerz  sind  zwar  berechtigt,  doch  wenn  man  die  Todten  nocli 
so  sehr  beklagt,  so  findet  dabei  die  Rückkehr  nicht  statt.  Wie  ich  glaube,  bezieht  sich 
auf  Strafe  für  böse  Thaten  die  gespaltene  Haarnadel.  Auch  der  Feldälteste  des  Todes- 
himmels, der  Kuckuck  singt  jetzt:  Am  besten  ist  heimkehren!  Es  handelt  sich  um 
Vater  und  Kind,  um  Mann  und  Weib,  um  zwei  feindliche  Vorsteher  der  Opfergabe. 
Wenn  man  die  drei  Leichname  zu  Rauch  machen  luid  neben  dem  Steine  des  Eidschwurs, 
wo  wir  Alle  zusammen  den  Hass  aufgeben,  begraben  würde,  was  sagt  ihr  dazu,  Ge- 
bieter Tori-ta?  —  Toki-nusi,  mit  diesen  Worten  aufgefordert,  erhob  sich  mühevoll. 
Sagi-suke,  T6-roku  und  Sai-fatsi,  die  Dämonenaugen  durch  Reiben  geröthet,  indem  sie 
die  bethauten  Sommerpflanzen  und  die  blühenden  Deutzien  schnitten  und  häuften,  machten 
durch  das  Da-bi  (Verbrennung)  die  drei  Leichname  zu  Rauch  und  begruben  sie  an  dem 
Fusse  des  Steines, 

Sono  toki  fudzi-saka  faru-zumi-ica  \  fo-zi-rh-ni  i-tsuke-taru  |  satsu-ja-ico  faka-no  fotori-ni 
täte  I  mata  tsuku-dzuku-to  mi-kajeri-te  \  makoto-ni  ina-kl  fo-zi-ro-wa  \  ata-ni-wa  are-do  atara 
loaka-mono  \  ima-ioa-no  ^  '|'^  (i-konj  omoi-jaru  |  'ware-mo  tosi-goro  oki-icaka-maro-no  |-o?(- 
ari-ka-wo  tadzume-tate-matsurl  \  o-o-tsuki-gata-no  tatsi-wo  kajesi-ma-irasen-  \  to  omoi-nagara  j 
tnhi-dzi-ni  motarasti  kate  na-kere-ha  \  amata-no  tosi-ivo  itadzura-ni  \  suguse-ba  ^  ^  (fu- 
tsin)-ni  ni-fari.  Waga  ^^  ^  (sikv-si)  dani  fatasi-na-ha  \  go-fen-ga  ototo-ni  na-nori-ai-te  | 
isagijoku  utare-mo  sen  \  ta-mnke-wa  kore-ni  masu  mono  aran  |  o-to-mo  kajeranu  koto  nagara  \ 
go-fen-no  tAitsi-yii  joko-sima-naku-tva  |  loare-mo  go-fen-mo  inoro-tomo-ni  \  bgi-ga  jatsit,  dono-ni 
tsukajete  \  ^  ^  (sih-kun)-no  tame-ni  sutsu-heki  inotsi-ioo  \  icatakusi-no  urmni-ni  jotte  \  ßki- 
kata-midce-si  jumi  ja-no  ig;  j^  (i-dzi).  Mukasi-ioo  toje-ba  JIJ  ^  (fö-j^V'''^'-'  1  '"'«»'?"  kasane-sl 
1^    it    (do-si)-utsi-wa  \  ^    ^    (fß-'>^^)  ^^'^.s-o  fito-no  fodasi  nare. 

Um  diese  Zeit  stellte  Fudzi-saka  Faru-zumi  den  Jagdpfeil,  den  er  auf  Fo-zi-'rö 
geschossen  hatte,  neben  dem  Grabe  auf.  Ferner  blickte  er  ernsthaft  zurück  und  sprach  : 
Ina-ki  Fo-zi-ro  ist  zwar  in  Wirklichkeit  ein  Feind,  doch  er  ist  ein  bedauernswerther 
jungei'  Mann.  Auch  ich,  der  ich  des  ererbten  Hasses  gedenke,  bin  seit  Jahren  willens, 
den  Aufenthaltsort  Oki-waka-maro's  zu  suchen  und  ihm  das  Schwert  dei-  grossen  Mond- 
gostalt  zurückzugeben,  doch  da  ich  für  die  Reise  keinen  Mundvorratli  erhalten  habe, 
verbrachte  ich  fruchtlos  viele  Jahre,  es  hat  Aehnlichkeit  mit  Unredlichkeit.  Wenn  ich 
meinen  lange  gehegten  Vorsatz  ausgeführt  habe,  werde  ich  eurem  jüngeren  Bruder  den 
Namen  nennen  und  auf  ehrenhafte  Weise  getödtet  werden.  Das  Handopfer  wird  dadurch 
vermehrt  sein.  Selbst  wenn  icli  zusammentreffe,  abei*  nicht  zurtlckkehre,  wenn  an  eurem 
Vater  keine  Verderbtheit  wäre,  würden  ich  und  ihr  zugleich  dem  Herrn  Ogi-ga  jatsu  dienen 
und  für  den  Vorgesetzten  und  Gebieter  könnte  das  Leben  hingegeben  werden.  Li  Folge 
selbstischen  Hasses  besteht  die  Stimmung  der  gespannten  Bogen  und  seitwärts  geneigter 
Pfeile.  Fragt  man  nach  der  vergangenen  Zeit,  so  mag  bei  dem  Tödten  der  Genossen, 
welche  den  Hass  zwischen  Freunden  wiederholt  haben,  das  Recht  die  Fessel  der 
Menschen  sein. 

I-i-ts?itsu  ma-hiita  siba-tataki  \  fo-zi-rb-ga  katana-ni  tstike-taru  \  kata-ivare-no  ku-gai-ico  [ 
iraga  ko-gai-ni  jose-awasi-te  \  mata  amata-tabi  tan-soku-si  \  toki-nusi  kore-ivo  mi-tamajeri-ja. 
Fito-txn-ni  jori-si   ku-gai-ivo  \  futa-tabi   icakatsi-te   farn-znmi-ga  \  fana-muke-ni  ma-ira-m-besi. 


250  pFIZMAlER. 

Go-fen  ko-(/a-je  omonmki-tamawa-ba  \  kono  kata-u:are-no  kb-(jai-ico  |  ina-ki-ija  ofoto-ni  /ui'a.si- 
tamaje.  Kono  fototogisu-no  kata-icare-wa  |  sude-ni  ivaga  kata-ni,  ari.  Kata-mi-iii  kawo-ico 
mi-sirane-ba  \  kore-wo  wari-fu-ni  na-nori-ai-ie  \  ^  ^  (seu-hu)-wo  kes.vini.  tokt-mo  aru-hesi. 
Ina-kl-ga  tsitsi-no  dzi-bu-/ei-ica  \  icaga  tame-ni  oja-no  ata  \  mata  faru-zumi-wa  se-zi-ru-ga  j 
tame-ni-ica  ani-no  kataki  nari.  Utan-to  nara-ba  |  utare-riio  sen  \  icosimu  inotsi-wa  ^  ^ 
(tsiii-gij-no  tarne  \  kono  josi  t.mbara-ni  tsutaje-tamaje. 

So  spreclieml.  nickte  er  mit  den  Augen,  und  indem  ci-  die  an  das  Schwert  Fo-zi-ro's 
befestigte  eine  Hälfte  der  gespaltenen  Haarnadel  an  die  eigene  Haai-nadel  fügte,  seufzte 
er  wieder  mehrmals  und  sagte:  Toki-nusi,  seht  ihr  dieses?  Die  zu  einer  einzigen  zu- 
sammengelegte Haarnadel  muss  man  wieder  trennen  und  sie  Faru-zumi  zum  Geschenke 
maclien.  Wenn  ihr  nach  Ko-ga  gehet,  so  gebet  diese  eine  Hälfte  der  gespaltenen  Haar- 
nadel dem  jüngeren  Bruder  Ina-ki's.  Diese  eine  Hälfte  des  Kuckucks  gehört  bereits 
mir.  Wenn  wir  uns  gegenseitig  von  Angesicht  kennen  lernen,  mache  ich  sie  zum  Ab- 
schnittsrohr, ich  nenne  den  Namen,  und  es  wii-d  die  Zeit  sein,  um  über  Sieg  und  Unter- 
liegen zu  entscheiden.  Dzi-bu-fei,  der  Vater  Ina-ki's,  ist  für  mich  der  Feind  des  Vaters, 
ferner  ist  Faru-zumi  für  Se-zi-r(>  der  Feind  des  älteren  Bruders.  Wenn  ich  tödten  werde, 
mag  ich  aucli  getödtet  werden.  Wenn  ich  das  Leben  schone,  ist  es  um  der  Redlichkeit 
willen.    Theilet  diese  Sache  ausführlich  mit. 

To  nengoro-ni  toki-simesi-te  \  kano  ko-gai-ico  icatase-si-ka-ba  \  toki-nusi  fukaka  ^  f|jc 
(knn-geki)-si  \  kokoro-je-soro  fudzi-saka-ndzi  \  go-fen-ica  jo-ni-mo  mare-naru  ^  it  (gisi) 
nari.  Mata-gataki-iitsu-ica  g  ^  (kokka)'no  j^  %\\  (kin-zei).  Utaru-beki  mi-ni  arazu-to 
ije-domo  \  fo-zi-ro-ga  ^  ;\!>  (kö-sin)-ivo  \  ito-u-osimi-te-no  ^  ^  (kekkö)  nara-ba  \  kano 
f-e-zl-ro-ni  kono  josi-wo  \  tsugete  kb-gai-wo  torasu-besi.  Nawo  katarh-heki  koto-mo  are-ba  \  tvaga 
|§  fJX  (sihhi-sio)-je  omomuki-tamaje  tote  \  mame-jaka-ni  izanh-ni-zo  \  faru-zumi-wa  ikv-tabi-ka 
kore-KO  inarnn-ni  jurusarene-ba  \  jamu  koto-ico  jczu  |  tomonawarete  |  ta-fa-gaiva-no  safo-je 
omomuki  |  tori-ia-ga  ije-ni  todornerarete  \  itsu-muju-ka-wo  sugusu  fodo-ni  \  naki-bito-bito-no  \ 
^<]J   (sio)-nami-ka-no    ^    ^    (tai-ja)-ni  nari-nu. 

So  erklärte  und  bezeichnete  er  sorgfältig  und  übergab  jene  Haarnadel.  Toki-nusi 
war  sehr  ergriffen  und  sagte :  Ich  verstehe  es.  Ihr  von  dem  Geschlechte  Fudzi-saka 
seid  ein  Kriegsmann  von  einer  in  der  Welt  seltenen  Gerechtigkeit.  Nochmals  einen 
Feind  tödten,  ist  in  den  Reichen  und  Häusern  verboten.  Es  gibt  zwar  Niemanden,  der 
getödtet  werden  dürfte,  doch  wenn  es  rühmlich  ist,  von  dem  älternliebenden  Sinne 
Fo-zi-rö's  gerüh]-t  zu  sein,  werde  ich  jenem  Se-zi-ro  die  Sache  melden  und  ihm  die 
Haarnadel  einhändigen.  Da  wir  noch  Mehreres  zu  besprechen  haben,  so  tretet  den  Weg 
nach  meiner  Behausung  an.  —  Hiermit  gab  er  ihm  aufrichtig  das  Geleite,  Faru-zumi 
weigerte  sich  mehrmals  und  Hess  es  nicht  zu.  Doch  man  konnte  nicht  davon  abstehen, 
und  er  ging,  von  ihm  begleitet,  nacli  dem  Dorfe  des  Flusses  von  Ta-fa.  In  dem  Hause 
Tori-ta's  zurückgehalten,  verbrachte  er  daselbst  fünf  bis  seclis  Tage.  Es  Avar  jetzt  die 
Nacht  vor  den  ersten  sieben  Tagen  der  Tödten. 

Kaku-te  toki-nusi-wa  \  kono  ß  .#  (ko)-fana-tcn  ia-mvken  tote  \  asa  toku  oki-te  \  ko-ie- 
san-bara-je  juki-te  miru-ni  \  inuru  fi  fudzi-saka  faru-zumi-ga  \  tsikai-no  isi-7ii  jose-kakete  \ 
-j-  X^  (do-tsinj-je  sika-to  sa-n-tari-keru  \  satsu-ja-jori  me-u-o  idasi-te  \  koto-naru  fana  saje 
saki-taru-ga  \  na'dc-si-ko-ni'ni-te  sono  fana-iva  \  ^  Hl  (ßi-to)  M  M  (ren-rij-no  katatsi-wo 
nnsi  I  ka.sanari-te  koso  saki-ni-kere. 


DiK  Nebel  DKK  Klage.  151 

Toki-nusi  wollte  au  diesem  Tage  das  Handopfer  der  wohlrieclienden  Blumen  bringen. 
Er  stand  am  Morgen  frühzeitig  auf  und  ging  auf  die  Ebene  Ko-te-sasi.  Daselbst  sah 
er,  dass  aus  dem  Jagdpfeile,  welchen  an  dem  vergangenen  Tage  Fudzi-saka  Faru-zumi 
dicht  an  dem  Steine  des  Eidsohwures  in  die  Erde  gesteckt  hatte,  eine  Sprosse  hervor- 
gekommen und  eine  eigenthümliche  Blume  völlig  aufgeblüht  war.  Einer  Nelke  ähnlich, 
liatte  diese  Blume  die  Gestalt  zweier  zusammengewaclisener  Häupter  und  mochte  doppelt 
erblidit  sein. 

Toki-nusl-iva  kore-iou  mite  \  fainot.si-krme-tari'.  sode-'no  ame-ico  \  koiw  fana-hira-je  fari- 
sosugl  I  satc-wa  vmsume  nach-si-ko-cia  \  ^f^  ^  (rin-ziti)-no  -^  '^^  (siii-nen)-nite  \  ima  kono 
f<ina-i€0  misuru  naran.  Makotv-ni  mono-iio  ^  (reö)-ant  kofo  |  kore-tco  simcsa-ha  lare-ka-wa 
si-in.  Fana-no  katatsi-ica  ^  ^  (fü-fu)-ni  ni-tari.  Kaku-made  omo  mvko-gane-ni  \  tada 
jito-josa-no  soi-busi-mo  j  sasaz/i  sasemo-ga  tsujii-fidcaki  kusa-no  fara-naru  nade-si-ko-no  \  fana 
iiKmo-lwane-do  iro-ni  ide-si  |  notsi-no  jo  itudo  obotguka-7m-''i.  ^R  ^  (Nio-rai)  y^  ^  ()ie- 
fanj-'wo  |§  (seö)-tu  site  \  ■nagaku.  ^  ^  (seö-si)-ni  tatsi-tamh.  Moi^i  ma-gokoro-ni  kikv, 
toki-iva  I  M  -g;  ^  (mu-rib-raku)-ii-o  "^  ^  (zio-iuku)-sen-  \  tu  toki-tamai-m-si  -f^  ^ 
(dai-dzi)  |j^,  ;\j>  (ß-dn).  Tanomu-ica  mi-da-no  tsikai-no  isi  \  vüt.^i-biki-tamaje  ^  ^  tIl 
(zm-rw-kiih)    lui-mu  a-vii-da-hitsu-  \  to  -^^  (nen)-zi-tmtsii    ^  f^  (cd-zeö)  koko-ni  ijantasi-tari. 

Als  Toki-nusi  dieses  sah,  besprengte  er  mit  dem  liegen  des  Aermels,  den  er  nicht 
festhalten  konnte,  diese  Blüthen  und  sprach :  Meine  Tochter  Nade-si-ko  wird  durch  den 
in  der  Todesstunde  festen  Sinn  jetzt  diese  Blume  zum  Vorschein  bringen.  Wenn  wirklich 
die  Geistigkeit  der  Dinge  dieses  kundgibt,  wer  wird  dann  unwahr  reden?  Die  Gestalt 
dei-  Blume  hat  Aehnlichkeit  mit  Mann  und  Weib.  Die  Blüthe  der  auf  der  Ebene  der 
stark  bethauten  Pflanze  des  Beifusses  wachsenden  Nelke,  dem  in  einem  solchen  Maasse 
geliebten  vorläufigen  Eidam  das  Zusammenliegen  eines  einzigen  Abends  nicht  ver- 
schliessend,  spricht  zwar  nicht,  jedoch  die  in  die  Farbe  getretene  spätei'C  Welt  ist  sehr 
ungewiss.  Nio-rai  macht  die  ^'ernichtung  zum  Beweise,  ewig  durch  Leben  und  Sterben 
schneidet  er  ab.  Wenn  man  reinen  Sinnes  hört,  ist  das  grosse  Wohlwollen,  das  mitleidige 
Herz,  welche  erklärt  haben,  dass  man  die  unermessliche  Freude  beständig  erlangen 
wird.  Um  was  ich  bitte,  ist,  dass  Mi-da  durch  den  Stein  des  Eidschwurs  der  Führer 
auf  dem  AVege  sei.  O  ermessender  (irlanz  der  Langjährigkeit,  Namu  Amida  Buddha!  — 
Indem  er  so  betete,  wurden  Traurigkeit  und  Leid  hier  immer  grösser. 

Muko-gnne  ,vorläufig  Eidam'  ist  ein  Wort  wie  kisaki-gnne  .vorläufig  Kaiserin',  d.  i. 
zui"  Kaiserin  bestimmt  sein. 

Sare-ha  kono  fana  tosi-goto-ni  \  isi-no  fotori-ni  oi-idete  \  sono  kazu  o-oku  nari-si-ka-ba  | 
^  ^15  (f^^-'-fi)  iM.  ^  (en-kinj-ni  ^  ^  (seö-kuan)-si  \  isi-ni  tsuki  \  take-ni  jori-te  \  oi-some- 
tarii  fana  nare-ba  \  ^  'Ys  (»cki-tsiku)-to-zo  nadzuke-taru  \  kore-jori-site  notsi-notsi-made  \ 
seki-isiht-to  in  toki-wa  |  nade-si-ko-bana-no  ^  ^  fi-iaecij-to-sn  \  köre  _  kono  koto-no  moto 
naru-besi. 

Indessen  wuchs  diese  Blume  jedes  Jahr  neben  dem  Steine  hervor  und  als  sie  in 
grosser  Anzahl  vorhanden  war,  machte  man  sie  in  den  Hauptstädten  und  Landstädten, 
nahe  und  fern  zum  Geschenke  imd  hatte  an  ihr  Freude.  Da  es  eine  Blume  war,  welche 
im  Beginne  ihres  Wachsthums  sich  an  Steine  heftete  und  an  Bambus  stützte,  gab  man 
ilir  den  Namen  , Steinbambus'.  Dass  man  seitdem  in  einer  viel  späteren  Zeit  ,Steinbanibus' 
sagte  und  dieses  als  einen  verschiedenen  Namen  für  Nelke  betrachtete,  wird  hierin 
seinen   Grund   liaben. 


15-J  Pfizmaiek. 

Dei^  Schlamm  des  Weges. 

Kaku-te  tori-fa  toki-nusi-ica  \  sono  fi  ko-te-sad-bara-jori  \  kura  go-ru  farn-zumi-icu  tomonai- 

kajeri-te  \  nengoro-ni  kore-u-o  motcnasi  \  tsui-ni  itsu-muju-ka  kore-wo  todome  |  nade-si-ko-ra-ga 

^JJ    (sio)-nnnu-ka-m  \  ^    BflJ    (fö-sij-tcu    maneki-te    ^    (kiu)-wo  jumasi  |  toki-nusi   sunnwatsi 

^    M    (ziu-kai)-site  \    JÜ     ^    (d7Mie)    A    M,    (niü-dÖ)-si  \  ^    ^    (meu-ku)-U>    ^    ^ 

fo-mibj-su. 

Tori-ta  Toki-nusi  kehrte  an  jenem  Tage  von  der  Ebene  Ko-te-sasi  mit  Kii)-a  Go-r6 
Faru-zumi  zurück.  Er  bewirtliete  ihn  freundlich  und  behielt  ihn  dann  fünf  bis  sechs 
Tao-e  bei  sieh.  An  dem  ersten  siebenten  Tage  nach  dem  Tode  Nade-si-ko's  und  der 
Anderen  lud  er  einen  Bonzen  zu  sicli  und  liess  die  heiligen  Bücher  lesen.  Toki-nusi 
empfing  hierauf  die  Gebote,  entsagte  der  Welt,  betrat  den  Weg  und  führte  den  Kloster- 
namen Meö-kü. 

Kono  fi.  toki-nusi  fo-si-wa  \  kane  roku-fiuh(.-rib-wo  tori-te  \  kore-wo  faru-zumi-ga  fotori-ni 
oki-narabe  \  soregasi  mukasi  fagi-hiho-nite  \  kasume-tottani  sanfiakkin-iva  \  go-fen-je  kajeru- 
beki  kane  nari.  Sikare-ba  ima  \  -sono  san-fiakkin-ico  kajesi-ma-irasuru  nari.  Mata  betsi-ni 
san-fiakkin-ica  \  sunawatsi  mih-kü-ga  vj^  ;^,  (sun-si)  nare-ba  \  uke-osame-tamaje-to  ii%.  Faru- 
zumi  kiki'te  kobe-ivo  utsi-furi  \  soregasi  mukasi  dzi-bu-fei-ni  \  san-fiakkin-wo  nusumi-torare- 
fare-domo  \  dzi-bu-fei-ga  utare-si  toki  \  ^  ^^  (hiai-tsiüj-si-taru  sanfiaku-rio-tüa  \  sato-mi- 
^  (ke)-no  ^  ^  (jö-kin)  naru  josi  \  fo-zi-rh-ga  mono-gatari-ni  kikeri.  Sikare-ba  kudan-no 
san-fiakkin-ii-a  |  dzi-bu-fei-ga  kane-ni  arazn.  Dzi-bu-fei-ga  kane  narazu-ica  \  fartt-zumi  ika- 
de-ka  kore-wo  toru-beki.  Sika-ica  are  kau«  dzi-bu-fei-ica  \  nusn.mi-tottaru  kane-wo  mote 
sato-mi  josi-firo-nu  ^  ^  (7^6-sinJ-ni  f^  (jen)-wo  motome  >  tsui-ni  kano  ije-ni  tsukaje-tare-ba 
josi-ja  sato-mi-no  hme-ni-vio  are  \  -j^  ^  (tai-k6)-wa  ^0  ^  (sai-kin)-iuo  kajeri-mizu.  Sikara-ba 
moto-no  san-fiakkin-wo  tike-osamete  \  j^  ^  (ko-sijü)-no  %  ^  (sen-doj-wo  mi-tate-matsuru 
tasuke-to  su-besi.    Kono    ^    (jo)-no  kane-wa  ßto-fira  nari-to-mo  |  uke-gatasi. 

An  diesem  Tage  nahm  der  Bonze  Toki-nusi  sechshundert  Tael  Goldes,  legte  sie 
vor  Faru-zumi  in  Reihen  und  sprach:  Die  dreihundert  Kobang,  die  ich  einst  in  der 
Weiderichvertiefung  raubte,  sind  das  Geld,  das  ich  euch  zurückgeben  muss.  Somit  gebe 
ich  jetzt  die  dreihundert  Kobang  zurück.  Da  die  ferneren  dreihundert  Kobang  ein 
kleines  Andenken  von  Seite  Meo-kü's  sind,  so  nehmet  sie  an.  —  Als  Faru-zumi  dieses 
hörte,  schüttelte  er  das  Haupt  und  sprach:  Ich  habe  aus  dei-  Erzählung  Fo-zi-ro's  ent- 
nommen, dass,  obgleich  durch  Dzi-bu-fei  dreihundert  Kobang  geraubt  wurden,  zur  Zeit 
als  Dzi-bu-fei  getödtet  wurde,  die  in  seinem  Busen  befindlichen  dreihundert  Tael  das 
von  dem  Hause  Sato-mi  verausgabte  Geld  gewesen.  Somit  sind  diese  dreihundert  Kobang 
nicht  das  Geld  Dzi-bu-fei's.  Wenn  sie  nicht  das  Geld  Dzi-bu-fei's  sind,  ,wie  könnte 
Faru-zumi  sie  nehmen?  Da  jedoch  Dzi-bu-fei  mit  dem  geraubten  Gelde  bei  dem  alten  ji 
Diener  Sato-mi  Josi-firo's  eine  Verbindung  gesucht  und  dann  in  jenem  Hause  gedient 
hat,  so  mag  es  immerhin  das  Geld  Sato-mi's  sein,  bei  grossen  Verdiensten  sieht  man 
nicht  auf  kleine  Flecken.  Unter  solchen  Umständen  werde  icli  die  ursprünglichen  drei- 
hundert Kobang  annehmen  und  daraus  eine  Beihilfe  machen,  um  den  früheren  Weg  des 
vormaligen  Vorgesetzten  zu  sehen.  Das  Geld,  welches  darüber  ist,  sei  es  aucli  ein 
einziges  Stück,  kann  ich  unmöglich  annehmen. 

Tote  inami-si-ka-ba  \  toki-nusi  fo-si  mata  iü  jh  \  soregasi  ima-wa  \  jo-wo  sutete  takara-ni 
^    ijö)    nasi.     Sare-ba    tote   ju-e-naku   site   \   kore-u-o   go-fen-ni   ma-irasu-ni   arazu.     Mukasi 


Der  Nebel  der  Klage.  153 

fagi-kubo-no  kusa-mura-je  \  sute-tari-si  J^  (tsi)-tsuki-no  sai-fu-wo  \  ^  ^  (zi-jo)-no  ßtu-ni 
firaicare-na-ba  |  tatsi-matsi-ni  tsumi  u-be-kmH-si-ni  |  go-fen  kore-ico  tori-te  kosi-ni  tsuke-nagara  \ 
tajete  fito-ni  tsiigezaru  ju-e-ni  \  waga  kbbe-wo-ba  tsugi-taru  nari.  Sude-ni  kudan-no  sai-fu- 
ico-ba  I  ko-te-sasi-bara-nite  |  nanigasi-ni  nage-atajerare-tare-ha  |  ima  betsi-ni  ma-irasvrii  \  san- 
fiakkin-ica  sai-fu-no  siro  nari.    Magete  osame-tamaje. 

Mit  diesen  Worten  weigerte  er  sich.  Der  Bonze  Toki-nusi  entgegnete :  Icli  habe 
jetzt  der  Welt  entsagt  und  kann  die  Sehätze  nicht  brauchen.  Uebrigens  biete  ich  euch 
dieses  nicht  ohne  Ursache  an.  Wenn  der  blutige  Geldbeutel,  den  ich  einst  in  das 
Pflanzendickicht  der  Weiderichvertiefung  warf,  von  einem  anderen  Menschen  aufgehoben 
worden  wäre,  so  hätte  ich  plötzlich  ein  Verbrechen  auf  mich  laden  müssen.  Doch  weil 
ihr  ihn  nähmet,  an  die  Hüfte  heftetet  und  es  den  Menschen  durchaus  nicht  sagtet,  habt 
ihr  mir  mein  Haupt  an  den  Leib  angesetzt.  Da  bereits  dieser  Geldbeutel  auf  der  Ebene 
Ko-te-sasi  mir  zugeworfen  wurde,  so  sind  die  dreihundert  Kobang,  die  ich  jetzt  besonders 
anbiete,  der  Preis  des  Geldbeutels.     Seid  so  gefällig,  sie  zu  nehmen. 

To  ije-ba  \  faru-zumi  futa-tabi  kobe-wo  furi  \  josi-ja  gb-fen-nl  tsumi  ari-to-mo  \  ^  "^ 
(seö-bat.suj-ico  waga  icatakusi-ni  \  tori-mo  okonb-beki-ni  arnzu.  Sikaru-ni  sono  ^  (ß)-wo 
kakuse-si  tote  \  ima-sara  amata-no  kane-tvo  tora-ba  \  waga  tsumi  go-/en-7ii  kofo-narazu. 
Kore-wa  ^  (kes)  si-te  vke-gatasi  tote  |  siba-siba  susumure-domo  \  tsid-ni  ukezxi..  Ware-mo 
mata  naki-bito-no  faka-ma-iri-site  |  fi-narazu  kono  j^  (tsij-wo  ka-sima-datsi-si  \  J^  ^  (ko- 
sijü)-no  ari-ka-wa  tadzunen  tote  \  niwaka-ni  aruzi-ni  xvakare-wo  tsugete  ko-te-sasi-bara-je-zo 
kajeri-keru. 

Faru-zumi  schüttelte  nochmals  das  Haupt  und  sagte:  Gesetzt,  ihr  seid  eines  Ver- 
brechens schuldig,  so  darf  ich  Belohnung  und  Strafe  mir  nicht  besonders  vorbehalten. 
Wenn  ich  also,  weil  ich  das  Unrecht  vei'borgen  habe,  jetzt  wieder  vieles  Geld  empfinge, 
wäre  meine  Schuld  von  der  eurigen  nicht  verschieden.  Es  ist  durchaus  unmöglich, 
dieses  anzunehmen.  —  Wie  oft  ihn  Jener  auch  nöthigte,  er  nahm  es  schliesslich  nicht 
an.  Indem  er  aus  eigenem  Anti'iebe  das  Grab  der  Todten  besuchte ,  bracli  er  nach 
wenigen  Tagen  von  dieser  Gegend  auf.  In  der  Absicht,  den  Aufenthaltsort  des  früheren 
Vorgesetzten  zu  suchen,  meldete  er  plötzlich  dem  Gebieter  des  Hauses  die  Trennung 
und  kehrte  nach  der  Ebene  Ko-te-sasi  zurück. 

Kaku-te  mata  toki-nusi  fö-si-wa  |  tsumi-takmcaje-farn  ^  ^  (kin-sen)  ^  ^  (ka-zai)-wo  | 
koto-goto  tori-idete  \  "^  ^^  (nu-fi)-ni  wakatsi-torasi  |  mata  sato-bito-nu  madzusi-ki-ni  torasi  j 
nawo  amareru-wo-ba  |  kawara-i  |  nade-si-ko  |  fo-zi-ro  oja-ko  \  kazasi-ra-ga  bo-dai-no  tam,e-ni  \ 
tera-dera-je  ^  |i^  (fu-se)-si-taru-ga  \  otona  sagi-suke-ni-wa  \  fatsuka-ni  kane  go-rio-wo  torase- 
si-ka-ba  \  sagi-suke  kore-wa  ^  ^  (fu-soku)-site  ukezu  |  jatsugare-wa  \  koko-ni  ma-iri-tsukaje- 
si-jori  \  fata-tose-ni  tsikasi.  i'Sika  nomi  narazit.  \  tosi-goto-ni  -JH  ^  (bin-gi)-iüo  kangaje  ^te- 
tsukuri-wo  uri-idasi-te  \  ^  (sijü)-no  zeni-bako-wo  nigiwasi-tarto  \  mina  jatsugare-ga  ^  (ko) 
naru-ni  \  mono-tamawaru-ni  ujobi-te-ica  \  — •  ^  (ikki)  ^  ^  (fan-ki)-ni  de-kawari-suru  | 
■wonna-domo-ni-mo  itaka  otoreri.     Ko-wa  tatcbre-iva  tamb-ni-ja  \  kokoro-je-gatnsi. 

Ferner  nahm  der  Bonze  Toki-nusi  das  aufgehäufte  Geld  und  alle  Güter  des  Hauses, 
trat  heraus  und  vertheilte  es  unter  die  Knechte  und  Mägde.  Er  gab  es  ferner  den 
armen  Menschen  des  Dorfes.  Was  noch  übrig  blieb,  schenkte  er  um  des  Seelenheiles 
Kawara-l's,  Nade-si-ko's,  Fo-zi-rö's  sammt  dessen  Vaters  und  Kazasi's  willen  den  Klöstern. 
Dem  ältesten  Knechte  Sagi-suke  gab  er  kaum  fünf  Tael  Goldes.  Sagi-suke  war  damit 
nicht  zufrieden.     Er  nahm   es  nicht  an  und   sagte  murrend  :    Dass  ich  hier  in  den  Dienst 

DenkscLritten  der  phil.Oii-t.  Cl.  XXVI.  Bd.  20 


J54  PfIZ  MAIER. 

getreten  bin,  sind  nahezu  zwanzig  Jalire.  Ausserdem  passte  icli  jedes  Jahr  auf  die 
o-eleo-ene  Zeit,  verkaufte  das  Haustuoh  und  brachte  Leben  in  die  Geldkisten  des  Ge- 
bieters.  Während  dieses  alles  mein  Verdienst  ist,  stehe  ich,  wenn  es  zum  Beschenkt- 
werden kommt,  den  Weibern,  welche  einen  letzten  Monat,  einen  halben  letzten  Monat 
für  Andere  eintreten,  bei  weitem  nach.  Machet  ihr  da  einen  Scherz?  Es  ist  mir  unbe- 
greiflich. 

To  tsubujake-ha  \  Inki-imsl  fo-si  aza-warai  \  nandzi-ga  saki-ni  \  kaiimra-i-ga  i^i  ^ 
(wo-si)-se-si  ^  (jo)  \  ßto-tsu  nse-taru  fitsu-no  naka-ni-iva  \  te-tsukuri  "g"  ^  (ßakii-tanj-vo  \ 
ire-oki-taru  josi-wo  i-i-taru-ga  \  faru-zumi  kazasi-ga  id  tokoro  \  kore-ni  kotu-nari.  Mina  köre 
nandzi-ga  itsmoari-nite  \  ^  (sijii)-no  niö-ho-no  j^  ^  (ivo-si)-ni  jori-te  \  rnino  fiaku-tan-ioo 
tratakusi-se-si-ioo  |  faja  n-asurete-zo  aran-zuran.  So-mo-so-mu  nandzi-ga  ^L  ^  (si-jvkv)-)tn 
o-o-karii  \  kano  nnno  fiaku-tan  nomi-ni  arazu.  Sikara-ha  kono  go-rih-no  kane-tno  )^  ^ 
(kua-bun)  narazu-ja  \  kaku-te-mo  nawo  nkezaru-ka  \  ito  P%  ^  (wo-ko)  nari-  :  to  i-i-korasarrtv 
sagi-suke-ioa  kotbru-ni  kotoha-naku  \  kbbe-ico  kaki  \  fitai-ioo  nade  \  nama-zi-i-ni  osi-modose-si  ^ 
kane-wo  nezumi-no  fiku  gotokn  \  jb-jaku-ni  kaki-josi-te  |  tafsu  siwo-mo  naku  makade-keri. 

Der  Bonze  Toki-nusi  hohnlachte  und  sprach:  Du  sagtest  früher,  dass  du  in  der 
Naclit,  in  welcher  Kawara-I  eines  gewaltsamen  Todes  starb,  in  einen  abhanden  gekom- 
menen Kasten  hundert  Stücke  Haustuch  gelegt  habest.  Die  Aussagen  Faru-zumi's  und 
Kazasi's  lauten  davon  verschieden.  Dieses  alles  waren  Lügen  von  dir.  Aus  Anlass  des 
gewaltsamen  Todes  des  Weibes  des  Gebieters  hast  du  dir  hundert  Stücke  Tuch  zugeeignet. 
Du  wirst  dieses  schon  vergessen  haben.  Deine  vielen  Begehrlichkeiten  beschränken  sich 
nicht  allein  auf  diese  hundert  Stücke  Tuch.  Sind  somit  auch  diese  fünf  Tael  Goldes 
nicht  ein  Uebriß-es?  Also  nimmst  du  es  noch  immer  nicht  an?  Es  ist  lächerlich!  — 
Auf  diese  Vorwürfe  hatte  Sagi-suke  kein  Wort  der  Erwiederung.  Er  kratzte  den  Kopf, 
strich  die  Stirne  und  nachdem  er  das  unwillig  zurückgeschobene  Geld  gleich  einer 
Ratte,  welche  etwas  wegzieht,  endlich  zusammengescharrt,  ging  ei-,  in  seinen  Erwartungen 
getäuscht,  fort. 

Saru-fodo-ni  \  toki-nusi  fo-si  mib-kü-iöa  \  fo-zi-rb-ga  fawa-to  ototo-no  \  madzusi-ki-wo 
sukuiüan  tame-ni  \  nokori-si  kane-ivo  futokoro-ni  site  \  niioaka-ni  tabi-no  josoivoi-wo  totonoje  \ 
oi-wo  se-oi  ]  ^  (siahtj-tuo  fisage  \  waga  ije-iw-ba  \  to-mo  kaku-mo  si-tamaje-  \  to  mura-osa-ni 
kikoje-oki-te  \  tsugu-no  fi  kado-ide-si-tari-si-ka-ba  \  tosi-goro  kage-tvo  kbmnri-tam  \  ^  ^ 
(nu-ß)-ra-wa  sara-nari  \  sato-no  ^  ^  (rd-niakii)  wakare-wo  icosimi-fe  \  kore-u-o  okuru  mono 
o-o-kari.-keri.  So-ga  naka-ni  sagi-suke-iva  \  itaku  aruzi-ni  i-i-korasarete  \  fatsuka-ni  kanc 
go-rih-iüo  je-tari-si-ka-ba  \  sikiri-ni  urami-iki-dotvorzi-fo  ije-domo  \  ivaga  mi-no  kusnsa-rn 
kntsi-wo  tsugumi-te  \  o-me-o-me-to  tatsi-ide-si-ga  \  toki-nusi-wo-ha  mi-mo  oknrazu. 

Der  Bonze  Toki-nusi,  genannt  Miö-kü,  nahm  jetzt,  um  der  Mutter  und  4em  jüngeren 
Bruder  Fo-zi-ro's,  welche  arm  wai-en,  zu  Hilfe  zu  kommen,  das  übrige  Geld  in  den 
Busen  und  traf  plötzlich  die  Vorbereitungen  für  die  Reise.  Auf  dem  Rücken  den  Trag- 
korb tragend,  an  dem  Arme  den  Zinnstab  tragend,  hinterbrachte  er  dem  Aeltesten  des 
Dorfes  die  Worte :  Verfahret  so  oder  so  mit  meinem  Hause.  Als  er  am  nächsten  Tage 
auszog,  bedauerten  nebst  den  Knechten  und  JMägden,  welche  durch  Jalire  seine  Wolil- 
thaten  empfingen.  Alte  und  Junge  sein  Scheiden,  und  diejenigen,  die  ihm  das  Geleite 
gaben,  waren  viele.  Unter  ihnen  war  Sagi-suke,  da  er  von  dem  Gebieter  mit  heftigen 
Vorwürfen  überhäuft  worden  und  kaum  fünf  Tael  Goldes  erhalten  hatte,  fortwährend 
von  Hass  erfüllt  und   aufgebi-acht,    doch  bei  seiner  Verderbtheit  den  Mund  verschlossen 


Dee  Nebel  der  Klage.  155 

haltend,    begleitete  er,    indem    er   verblüfft    hervortrat.  Toki-nusi    niclit    einmal    mit    den 
Blicken. 

To-i'oku  I  sal-fatsl-ica  |  ß-goro  ^  ^  (do-ki)  ai-motomete  |  kokoro-zanut  wara-id  oturazii  \ 
Itaku  figami-taru  mono  nare-ha  \  fisoka-ni  kore-ra-ico  katarai-josi-te  |  säte  iü  jo  |  ono-ono-mo 
siru  gotoku  \  icare-wa  tori-ta-no  otona-nite  |  fata-tose  tsikaki  ^  ^  (kiii-kö)  koso  are  |  tsujit- 
hakari-mo  3^  ^  (fu-gi}-no  okonai-nasi.  Sika7m-ni  ^  (sijü)-no  fo-si-wa  |  ^  ^  (.f"'-'.ß')-ni 
jotte  ije-wo  tomase-si-ni  \  kajette  ware-wo  ^  ^  (fu-gi)-to  slte  \  fatsuka-ni  kane  go-rio  tor<isi- 
tari.  Ito  ivari-nasi-to  omoje-domo  ^  (sijü-)ni  ßku-beki  jwmi-no  na-kere-ha  \  ja-take-gokoro-tvo 
osi-sidzumete  \  tajete  tarazaru  kawo-ico  sezu.  Fifo-ni-wa  fotoke-to  iwarure-du  |  "^  ^  (Aan- 
motsaj-no  sttkuna-kere-ba  |  nani-ico  moto-de-ni  \  nariicai-ico  fazhnu-beki  \  wa-nami-no  josu-ga- 
naki-ni  tsukete-mo  |  tada  netamasi-ki-ica  \  kaja-zh-no  kura  go-ro  farih-zimni  nari.  Si-jaUn-ica 
waga  ^  (sijiX)-no  nio-bo-wo  korosi-nagara  \  kajette  icaga  ng  (sijü)-ivo  nonosiri  \  takeku-mo 
semari-te  \  ta-jasuku  san-ßakkin-ico  je-tari.  Ono-ono  ^  i^  (dö-i)  aru-ni  oi-te-wa  \  icaga 
tomo-gara  kokoro-ivo  aicasi  \  kaicara-i  dono-no  ata-ivo  mukü-to  jobaioari-te  |  ja-niwa-ni  faru- 
zuml-n-o  utsi-korosi  \  kudan-no  kane-wo  tori-kajesi-te  \  mi-tsn-ni  ivakatan-wa  ika-ni. 

Da  T6-rokii  und  Sai-fatsi  äusserst  verderbte  Menschen  waren,  w^elche,  vun  jeher 
gleichen  Sinnes,  einander  aufgesucht  hatten  und  ihm  in  der  Beschaffenheit  des  Herzens 
nicht  nachstanden,  so  redete  er  sie  heimlich  an  und  sagte :  Wie  Jedermann  weiss,  mag 
ich  als  ältester  Knecht  Tori-ta's  durch  nahezu  zwanzig  Jahre  mir  Mühe  gegeben  haben. 
Ich  habe  nicht  im  geringsten  Ungerechtigkeit  verübt.  Indessen  hat  der  Bonze,  der  Ge- 
bieter ,  indem  er  durch  Ungerechtigkeit  das  Haus  bereichert  hat ,  im  Gegentheil  mich 
für  ungerecht  gehalten  und  mir  kaum  fünf  Tael  Goldes  gegeben.  Obgleich  es  mir 
sehr  unbegreiflich  vorkam,  hatte  ich  keinen  Bogen,  den  ich  gegen  den  Gebieter  spannen 
konnte.  Ich  unterdrückte  meine  Aufwallung  und  zeigte  durchaus  keine  Unzufriedenheit 
in  meiner  Miene.  Da  ich,  obgleich  von  den  Menschen  ein  Buddha  genannt,  wenig  zu 
verstreuen  hatte,  was  kann  ich  da  zum  Grundvermögen  machen  und  damit  ein  Geschäft 
beginnen?  Setze  ich  etwas  zu  meiner  Mittellosigkeit,  so  ist  der  mir  Verhasste  nur 
Kaja-z6-no  Kura  Go-ru  Faru-zumi.  Dieser  Mensch,  obgleich  er  das  Weib  meines  Ge- 
bieters getüdtet  hatte ,  schmähte  im  Gegentheil  meinen  Gebieter.  Keck  und  in  Be- 
drängniss,  erhielt  er  mit  leichter  Mühe  dreihundert  Kobang.  Wie  wäre  es,  wenn  wir  ein- 
mUthig  den  gleichen  Entschluss  fassten,  mit  dem  ßufe,  dass  wir  dem  Feinde  der  Frau 
Kawara-I  vergelten,  allsogleich  Faru-zumi  tödteten,  dieses  Geld  wieder  wegnähmen  und 
es  in   drei   Theile  theilten  ? 

To  ije-ba  |  to-roku  sai-fatsi  o-oki-ni  jorokobi  \  kono  fakari-goto  kuvamete  itp  (med)  nari. 
Fiaku-rib-no  ^  (toku)  tsiiku  koto-ivo  |  tare-ka-wa  |^  ^  (dö-i)  sezaru-beki.  Sika-ioa  are-do  j 
kano  faru-zumi-ga  tsura-tamasi-i  j  j^  ^  (bu-geij-mo  svgure-tari-to  obojuru-iii  |  kokoro-gamaje 
naico-zari-ni  se-ba  \  i-i-gai-naku  ^  ^  (ßi-kaku)-iuo  toru  koto^mo  ari-nan.  ^  '\'  ^  %\ 
(San-ziCi-rokkei)  \  damasn-ni  te-wa  nasi-  |  to  se-jo  \  kaku  se-jo-  \  to  sasajaki-bte  |  moku-romi 
sude-ni  totonoi-si-ka-ba  \  vü-tari  jadori-wo  tatsi-idc  |  ato-ni  nari. 

To-roku  und  Sai-fatsi  waren  sehr  erfreut  und  flüsterten  unter  sich :  Dieser  Plan  ist 
äusserst  wundervoll.  Einen  Gewinn  von  hundert  Tael  machen,  wer  könnte  damit  nicht 
einverstanden  sein?  Dennoch  bemerkt  man,  dass  der  Geist  und  die  kriegerische  Ge- 
schicklichkeit dieses  Faru-zumi  alisgezeichnet  sind.  Wenn  man  die  Vorsicht  ausser  Acht 
lässt,  ist  es  nutzlos  zu  sagen,    dass  man  Schaden  leiden  wird.     , Sechs  und  dreissig  Ent- 


156  Pfizmaiek. 

würfe,   beim  Täuschen   ist   keine   Hand."     l)ieses  tliue  man,  .so   tluie   man.   —  Als  der  An- 
sclilag  vorbereitet  war,  traten  die  Drei  aus  ihrei'  Behausung  und  folgten  auf  den  Fersen. 

Saki')i/  tatsi  |  ko-te-sasi-hara-je  tote  juku  fodu-ni  \fudzi-saka  kura  go-rb  faru-zumi-wa  \ 
sonu  ß  naki-bitü-no  faka-ni  mudete  \  seki-tsikn-no  fana-ni  namida-iuo  sosogi  \  no-sa-e-no  ije-ni 
kajeri-si-ga  j  itodo  samisi-kl  ßto-tsu  ja-no  \  tsuma-iuo  saje  usinai-te-wa  \  omoi-nokosu  mono-mo 
nasi.  Iina-ioa  ro-jo-ni  amari  are-ba  \  inotsi-ioo  kagiri-ni  \  kimi-guni-wo  iitsi-meguri  \  oki- 
waka-iaaro-nu  oii-ari-kn-ico  tadz'ime-tate-matsura-J>a  \  mu.mme-ni  meguri-b  fi-mo  aru-besi  tote  \ 
ije-ico-ba  sono  mama  sumi-sutete  \  tsugu-no  fi  kama-kura-ivo  sasi-te  kado-ide-suru-ni  \  viufiai^i- 
no-no  anata  \  mur'amki-zaica-no  fotori-nite  \  fasi-nakn  sagi-suke-ra-ni  juki-b-tari. 

An  dem  Tage,  an  welchem  Fudzi-saka  Kura  Go-rb  Faru-zumi,  früher  aufbrechend, 
nach  der  Ebene  Ko-te-sasi  ging,  besuchte  er  das  Grab  der  Todten,  benetzte  die  Blume 
des  Steinbambus  mit  Thränen  und  kehrte  zu  dem  Hause  an  dem  Ende  des  Feldes 
zurück.  Da  er  die  Gattin  des  sehr  einsamen  alleinstehenden  Hauses  ganz  verloren  hatte, 
war  Niemand,  bei  dem  er  die  Gedanken  zurückliess.  Da  er  jetzt  Ueberfluss  an  Reise- 
areld  hatte,  so  konnte,  wenn  er  bis  zur  Gränze  des  Lebens  die  Reiche  durchwanderte 
und  den  Aufenthaltsort  Oki-waka-maro's  suchte,  auch  der  Tag  kommen,  wo  er  auf  seiner 
Wanderung  mit  seiner  Tochter  zusammentreffen  würde.  Er  Hess  daher  das  Haus  unbe- 
wohnt. Als  er  am  nächsten  Tage  den  Weg  nach  Kama-kura  antrat,  begegnete  er  an 
dem  jenseits  des  Feldes  von  Musasi  befindlichen  purpurnen  Sumpfe  zufällig  Sagi-suke 
und  den  zwei  Anderen. 

Kai'e-ra-iva  tori-ta-ga  mao-be  nari-keri.  Niiüaka-ni  ^  (sijü)-ni  suterarc-tarn-kn,  Toki- 
nusi  fo-si-ga  koto-icu  toiva-baja-  \  to  omoi-te  |  asi-no  fakohi-ivo  isogani-tsiitsii  \  fotori-tsikaka. 
naru  mama-ni  \j6-roku  sai-fatsi-iva  \  ^  3^  (sa-jn)-jori  fiki-fasami  \  sagi-suke-ica  ato-be-ni 
tatsi-nieguri  \  ßfo-ivo  korose-si  o-o-nusu-bito  \  niguru  tote  nigasan-ja.  Wnga  tomo-gara  ^  ^ 
(tsm-gi)-ni  jotte  \  kawara-i  dono-no  ata-tco  kajesi  \  ina-ki-ga  'xrami-ivo  kijomvru-zo-  \  tu 
jobaicari-tsiUsu  \  ^  J^  (san-nin)  fitosi-ku  jai-ba-wa  fiki-nuki  \  ja-nnva-m  kiran-to  kisoi- 
kakare-ba  \  kokoro-je-tari-  |  to  mi-wu  ßneri  |  saki-ni  susumi-si  tö-roku-ga  \  kaina-wo  tsukande 
nedzi-tbse-ba  \firari-to  kiri-komu  sai-fatsi-ga  \jai-ba-iro  "T"  (tslb)-to  utsi-otosi  ßrumu  tokoro-wo 
mune-saki  totte  |  jnnde-je  katsugi-te  ^  (duj-to  noguru-ni  |  koko-ica  tokoro-mo  murasaki-zaica  | 
aja-me  kaki-tsubata  oi-sigeri.  Jü-be-no  ame-ni  tsutsumi  azete  |  ktiro  semaku  doro  fukasi.  Kono 
fiüari-no  waru-mono-wa  \  doro-no  utsi-je  mi-ico  fiki-tare-ba  \  me-to-mo  tvakazt'  \  kutsi-to-mo 
icakazii.  Okin-to  sure-ba  zururi-to  suberi  \  tatan-to  snre-ba  asi-ico  todzirare  \  u-adatsi-ni  iki- 
tsuka  fnna-no  gutoku  \  nki-ki-ni  noborn  kame-ni  ni-tari. 

Er  dachte  sich :  Diese  waren  ja  Diener  Tori-ta's.  Sind  sie  plötzlich  von  dem  Ge- 
bieter Verstössen  worden'?  Ich  möchte  mich  nach  dem  Bonzen  Toki-nusi  erkundigen.  — 
In  dem  Augenblicke,  als  er,  seine  Schritte  beschleunigend,  nahe  bei  ihnen  war,  zwängten 
ihn  Tö-roku  und  Sai-fatsi  von  rechts  und  links  ein,  Sagi-suke  umwandelte  ihn  an  der 
Fersenseite.  Sie  riefen:  Der  grosse  Räuber,  welcher  Menschen  getödtet  hat,  will  ent- 
fliehen. Wird  man  ihn  entfliehen  lassen?  Wir  vergelten  zufolge  der  Redlichkeit  und 
Gerechtigkeit  dem  Feinde  der  Frau  Kawara-I  imd  löschen  den  Hass  Ina-ki's !  —  Dabei 
zogen  die  Drei  zu  gleicher  Zeit  die  Klingen  und  wollten  ihn  im  Wetteifer  sogleich 
niederhauen.  Jener  wand  sich  verständnissvoll,  erfasste  den  Arm  des  zuerst  vorgedrun- 
genen T6-roku,  drehte  ihn  und  warf  den  Mann  zu  Boden.  Dem  hurtig  einhauenden 
Sai-fatsi  die  Klinge  aus  der  Hand  schlagend,  packte  er  den  Weichenden  vorn  an  der 
Bj-ust  und  schleuderte  ihn  verdeckter  Weise    nach    links.    Dieser  Ort  war  der   purpurne 


Der  Nebel  der  Klage.  157 

Sumpf,  an  welchem  Magenwurz  und  Schwertlilien  in  Fülle  wuchsen.  Von  dem  Regen 
der  letzten  Nacht  war  der  Damm  zerstört,  die  Feldraine  waren  eng  und  der  Schlamm 
tief.  Da  diese  zwei  schlechten  Menschen  sich  in  den  Schlamm  geschleppt  hatten,  unter- 
schied man  nicht,  was  ihre  Augen,  unterschied  man  nicht,  was  ihr  Mund.  Wenn  sie 
sich  erheben  wollten,  glitten  sie  aus.  Wenn  sie  stehen  wollten,  waren  ihre  Füsse  zu- 
sammengeheftet. Sie  waren  gleich  Barschen,  die  in  dem  Wagengeleise  Athem  schöpfen, 
sie  hatten  Aehnlichkeit  mit  Scliildkröten,  die  auf  schAvimmende  Bäume  steigen. 

Sono  fima-ni  sagi-suke-wa  j  ko-e-wo-mo  kakezu  usiro-jori  |  utsi-kakuru  jai-ba-no  fikari-ni  \ 
furu-zumi  fajaku  kore-iou  sakure-ba  \  sagi-sivke-'wa  futa-asi  mi-asi  |  odori-kosi-te  mi-kajeru 
tokoro-tvo  I  asi-iüu  tobasi-te  fata-to  kern  |  kerarete  jai-ha-wo  karari-to  otosi  |.  doro-ivo  tsukande 
utsubud-ni  |  ^  ^  (fan-sin)-ico  fori-itdzume-tari.  Kakari-si  fodo-ni  |  tö-roku-fo  [  sai-fafsl-iva 
jo-jaku-ni  |  doro-no  utsi-jori  fai-ide-tsittsu  |  idsi-mono-nite-iüa  kanavmzi  tote  '  JljQ  ^  ;j^  (san- 
go-ziu)-ico  tori-kane-si  \  kuronbb-no  sumb-ga  gotoku  \  faru-zumi-ga  '^  ^  (sen-go)-jori  \  ja-to 
koje-kakete  musiri-tsiiku-ivo  |  kmnasi-te  fita-to  furi-fogusi  \  fidari-je  migi-je  utsi-tbse-ba  j 
|5|  3i  Bfl  (si-go-ken)  ojogi-te  modori-tvo  kajesi  \  ad  sora-sama-ni  fusi-marohi  j  oki-mo 
jczariL-iüo  fumi-kojete  \  sagi-suke-wa  nawo  korizu-ma-ni  \  otose-si  kafana-ivo  kai-tori  fajaku  | 
tsukl-kakuru  kissaki-ivo  |  faru-zumi  je-tari-  \  to  junde-je  sorasi  |  nigiri-katamete  tsuki-idasu  j 
kobusi-ni  utarete  sagi-suke-wa  atto  sai-fatsi  to-roku-ga  \  tbre-si  uje-je  fusi-kasanari  \  mata 
okin-to-vio  sezari-keri. 

Faru-zumi  wich  bei  dem  Glänze  der  Klinge,  mit  welcher  Sagi-suke,  ohne  einen 
Laut  auszustossen,  unterdessen  von  rückwärts  einhauen  wollte,  schnell  aus.  Er  trat 
Sagi-suke,  welcher  zwei  Schritte,  drei  Schritte  weit  herübersprang,  flugs  mit  dem  Fusse 
und  vergrub,  indess  der  Getretene  die  Klinge  fallen  Hess  und,  den  Schlamm  mit  den 
Händen  ergreifend,  mit  dem  Kopfe  nach  unten  lag,  dessen  halben  Leib.  T6-roku  und 
Sai-fatsi,  jetzt  mühsam  aus  dem  Schlamme  herauskriechend,  waren,  weil  sie  sich  keiner 
Werkzeuge  bedienen  konnten,  gleich  ringenden  Negern,  denen  es  unmöglich  war,  die 
Korallen  zu  nehmen.  Als  sie  vor  und  hinter  Faru-zumi  die  Stimme  erhoben  und  zupfend 
herannahten,  legte  er  sie  zusammen,  machte  sie  rasch  auseinander  und  warf  sie  nach 
links,  nach  rechts  zu  Boden.  Als  sie  vier  bis  fünf  Klafter  weit  schwammen  und  bur- 
zelten,  mit  unsicheren  Füssen  sich  wälzten  und  nicht  aufstehen  konnten,  trat  er  über 
sie.  Sagi-suke,  noch  immer  nicht  abgeschreckt,  ergriff  das  ihm  entfallene  Schwert. 
Faru-zumi  schlug  die  Schwertspitze,  mit  welcher  Jener  schnell  stossen  wollte,  geschickt 
nach  links  und  hielt  sie  fest.  Sagi-suke,  von  der  hervorgestossenen  Faust  getroffen,  fiel 
Avieder  über  Sai-fatsi  und  Tu-roku,  welche  gefallen  waren,  und  machte  ferner  keine 
Anstalt,  sich  zu  erheben. 

Kura  go-rb  faru-zumi-iva  aku-made  waru-mono-ra-ivo  kake-najamasi-taru-ni  \  kare-ra-wa 
sude-ni  |  tsikara  otoroje  ikitvoi  tsuki-taru-wo  mite  |  kara-kara-to  aza-ivarai-te  \  sagi-suJce-ra-ga 
sobira-wo  fumi-suje  |  nandzi-ra-ga  ^  (sijü)-to  tanomi-si  toki-7iusi  sura  |  ^  ^  (ri-gi)-ico 
tadzune  \  in-gua-tvo  ^  '|^  (kan-go)-si  \  urami-wo  sutete  makofo-ivo  tsukusi-taru-ni  |  nandzi- 
ra-ioa  \  ^  (tsiü)-mo  naku  ^  (gi)-tvo-mo  sirade  \  kajette  ^  (sijn)-no  nio-bb-no  \  ata-ico 
mukü  nando-to  itsnivari  |  ivare-wo  nerai-utan-to  fakari-si-iva  \  luaga  futokoro-no  mono-wo  toran 
tarne  naru-besi.  Notsi-no  mi-korasi-ni  \  kbbe  utsi-otosu-beki  jatsu  nare-domo  |  ioaga  tsuma  ^ 
(si)-site  I  imada  ikka-wo-mo  fezu  \  jori-te  ta-suke  je-sasuru  nari.  Sarii  kokoro-no  motsi-zama- 
se-ba  I  loare-ica  ima  kbbe-wo  torazu-to  iü-to-mo  |  tsui-ni  btsi-je  kakerare-nan  \  ima-no  itasa-wo 
icasiirn-na-  \  tn  i-i-korasi  \  sode   utsi-farai-te   ^   ^   (kai-d6)-wo    kama-kura-dzi-je    tote  jnkv, 


ö 


ir^^  Pfizmaiek. 

fodo-ni  I  tcaru-mono-ra-ica  fusi-nagara   \   towoku    naru-made    ni.e-okuri-te   |  fazimete    iki-tarn 
kokotsi-si-tsu. 

Kura  Go-rö  Farii-ziimi  hatte  bis  zur  Sattheit  die  schlecliten  Menschen  gequält.  Als 
er  sah,  dass  ihre  Stärke  bereits  geschwunden,  ihre  Kraft  erschöpft  war,  setzte  er  den 
Fuss  hohnlachend  auf  den  Rücken  Sagi-suke's  so  wie  der  Anderen  und  sprach  die  warnenden 
Worte:  Während  Toki-nusi,  auf  den  ihr  euch  als  auf  den  Gebieter  verliesset,  Billigkeit 
und  Gerechtigkeit  suchte,  auf  die  Strafe  für  böse  That  aufmerksam  war,  den  Hass  auf- 
gab und  die  Wahrheit  erschöpfte,  seid  ihr  ohne  Redlichkeit,  kennt  nicht  die  Gerech- 
tigkeit. Ihr  brachtet  im  Gegentheil  die  Lüge  vor,  dass  ihr  dem  Feinde  des  Weibes  des 
Gebieters  vergeltet.  Dass  ihr  euch  verabredetet,  mir  aufzulauern  und  mich  zu  tödten, 
wird  geschehen  sein,  um  die  in  meinem  Busen  verwahrten  Sachen  zu  nehmen.  Ihr  seid 
Sklaven,  denen  ich  zur  späteren  Abschreckung  die  Köpfe  abhauen  soll,  doch  seit  dem 
Tode  meiner  Gattin  sind  noch  nicht  mehrere  Tage  vergangen.  Desswegen  lasse  ich  euch 
Hilfe  erlangen.  Da  ihr  eine  solche  Denkungsart  habt,  mag  ich  jetzt  immerhin  sagen, 
dass  ich  eure  Köpfe  nicht  nehme,  sie  werden  zuletzt  auf  Zedarache  gehängt  werden. 
Vergesset  nicht  den  Schmerz  von  jetzt!  —  Hiermit  strich  er  die  Aermel  und  ging  auf 
dem  Wege  nach  Kama-kura  weiter.  Die  schlechten  Menschen  sahen  ihm  liegend  so  lange 
nach,  bis  er  weit  entfernt  war,  und  hatten  dann  erst  ein  Gefühl,  als  ob  sie  lebten. 

Moro-tomo-ni  kbbe-tvo  motagete  I  jitganrnru  tsura-tva  doro-no  utsi-ni  \  ^  (riu)-no  manako-no 
aru  gotoku  \  mata  joko-mado-wo  kiri-ake-taru  \  nama-kabe-ni  koto-narazit.  Kata-mi-ni  me-to 
me-wo  aioasi-tmtsu  \  itasa  wokasi-sa  utsi-mazete  |  komura-gajeri-si  asi-ioo  nohc-,  \  kata-wo  juri- 
age  juri-orosi-te  \  jo-jaku-ni  mi-wo  okosi  \  jai-ha-no  doro-ivo  osi-nugui-te  jawora  »aja-je-ica 
osamete-mo  \  mada  osamaranu  utsi-mi-iou  nadede  \  to-roku-wa  fo-wo  fukurasi  \  saseru  urami-mo 
naki  jatsu-wo  utan  tote  \  ke-iuo  fuki-te  kizu-ivo  motome  \  kaku  made-ni  karaki  me  mi-taru-wa  \ 
sagi-suke-ga  ivaza  nari.  Nandzi-wa  fi-goro  jawara  nado-mo  \  wosa-wosa  kokoro-je-taru-  \  to 
fokori-ka-ni  iü-wu  \  makoto  sa-mo  ari-nan-  |  to  omoi-nasi-te  \  usiro-date-ni  si-tari-keru-ni  \ 
kajette  ivare-to  sai-fatsi-ni  nomi  \  ada  Jone-tuo  icorasi-te  \  masa-ka-vo  toki-ni-wa  ^  (jak/tj-)ii 
tatazu  I  mi-kake-dbsi-no  sire-mono   kana. 

Indem  sie  mit  einander  das  Haupt  erhoben,  waren  ihre  verzogenen  Gesichter,  als 
ob  sich  in  dem  Schlamme  ein  Paar  Augen  befänden,  und  waren  auch  von  einer  rohen 
Mauer,  in  welcher  schräge  Fenster  ausgehauen  wurden,  nicht  verschieden.  Indess  sie 
einander  in  die  Augen  fassten,  war  Schmerz  mit  Lächerlichem  gemengt.  Die  vom 
Krämpfe  befallenen  Füsse  streckend,  die  Schultern  nach  aufwärts  und  nach  abwärts 
bewegend,  erhoben  sie  sich  mit  Mühe,  wischten  den  Schlamm  von  den  Klingen  und 
bargen  sie  langsam  in  der  Scheide.  Ohne  die  noch  unbesorgten  Quetschungen  zu  reiben, 
blie's  T6-roku  die  Backen  auf  und  rief  scheltend:  Dass  wir,  um  einen  von  keinem 
nennenswerthen  Hasse  erfüllten  Kerl  zu  tfklten,  die  Federn  wegbliesen  und  die  Wunde 
suchten,  in  einem  solchen  Maasse  Leiden  erfuhren,  es  ist  das  Werk  Sagi-suke's.  Du 
prahltest  immer  und  sagtest,  dass  du  den  Ringkampf  vollkommen  verstehest.  Wir  nahmen 
an,  dass  dieses  wirklich  so  sei  und  deckten  dir  den  Rücken,  doch  du  hast  mir  und 
Sai-fatsi  nur  eine  vergebliche  Mühe  bereitet  und  warst  uns,  gerade  als  die  Zeit  kam, 
von  keinem  Nutzen.    W^elch'   ein  unzuverlässiger  Thor! 

To  nonosire-ha  \  sai-fatsi-mo  mata  kutsi-hiru-wo  ßrugajesi  \  wosanaki  toki-jori  oja-ni 
damo  I  utarenu  kbbe-tvo  sakuru  bakari-ni  j  lotsi-najamasarete  kata-ico  kudzikaM  I  kosi-no  fone-im 
fiki-t.ügawasi-te  \  si-tate-baje-se-si  ßto-je-ginu  saje  \  fiki-sakarete  doro-ni  aje  \  ko-tsupia  nw-men 


Der  Nebel  DEE  EÜLAGE.  15f> 

— ■  Ä  (ittan)-ico  \  tatsi-dokoro-nl  ti.nnaware-si-mo  \  moto-wa-to  toje-ba  |  sagi-ga  waza  nari  | 
to-te-mo  kaku-te-mo  ked-no  ^  -^  (fu.-kakuj-iva  \  sagl-suke  fitori-no  uje-ni  ari.  Kakare-ha 
nandzi-ga  futokoro-naru  \  go-mai-kane-wa  ^  ^  (kö-jaku)-siro-ni  j  ware-to  tö-roku-nl  torase- 
kasi.  Ko-wa  tb-zen-no  ^  (ri)-ni  koso-  |  to  kami-tsukiire-ha  \  tö-rohi-mo  ko-fiza-wo  susume  \ 
geni  sai-fatsi-ga  in  tokoro  |  do-ri-no  uje-no  du-ri  nari.  Ware-mo  sa-koso  omo  nare  1  fnku- 
tokx.  icatase. 

Sai-fatsi  bewegte  ebenfalls  die  Lippen  und  sagte  bissig :  Üass  ich,  bis  zum  Zer- 
springen des  Kopfes,  der  seit  meiner  frühen  Jugend  nicht  einmal  von  dem  Vater  ge- 
schlagen wurde,  gepeinigt,  mir  die  Schulter  verrenken,  das  Hüftbein  verrücken  Hess, 
dass  mir  das  glänzend  hergestellte  einfache  Kleid  ganz  zerrissen  und  im  Schlamme 
verdorben  wurde,  dass  ein  Stück  Baumwollenstoff  der  kleinen  Gattin  auf  der  Stelle 
verloren  ging,  dieses  ist,  wenn  man  um  den  Grund  fragt,  das  Werk  Sagi's.  Es  sei  wie 
ihm  wolle,  der  heutige  Schaden  kommt  einzig  auf  Rechnung  Sagi-suke's.  Somit  gib 
die  in  deinem  Busen  befindlichen  fünf  Stücke  Goldes  mir  und  To-roku  als  Preis  des 
Pflasters.  Dieses  ist  nur  in  der  richtigen  Ordnung.  —  Audi  Tö-roku  setzte  die  Knie- 
spitzen vorwärts  und  sagte :  In  der  That,  was  Sai-fatsi  sagt,  ist  Recht  über  Recht.  Ich 
möchte  ebenso  denken.     Schnell,  schnell!    Gib  her! 

i  ^  (Sa-jü)-jori  \  doro-mo  kawakanu  te-ioo  idase-ha  \  sagi-suke-wa  aza-warai  \  ana- 
gama-ja  kasimasi-ja  |  nandzi-ra  nani-no  do-ri-ga  aru-beki.  ^  J^  (San-nin)  kokoro-tvo 
— ■  ^  (ittsi)-se-ha  \  kakaru  ^  "^  (fu-kaku)-wa  toru-beo-mo  arazu.  Tai-seö-gim-no  ^  Qß, 
(gun-bai)-'wa  \  tsuju-bakari-mo  ajamatsi  na-kere-do  \  dt  ^  (si-sotsib)-no  kake-fiki  -^  S§ 
(gakkoj-sezare-ba  |  takara-no  jama-je  iri-nagara  \  te-wo  munasi-ku  doro-ni  aje-tari.  Sikare-ba 
i^  >S»  (kua-tai)-no  siro-to  site  \  nandzi-ra  aruzi-no  Üß  ^  (fai-bun)-serare-si  \  kane-ico 
idasi-te  loare-ni  torase-ju.  Ina  iurimre-ba  iwaruru.  mono  kana.  Miirasaki-zawa-no  doro-ni 
mamirete  |  do-zeö-mo  fumi-jenv  sagi-zune  nagi-fe-mo  |  *^  ^  (ko-jakuj-siro-tvo  torazaran-ja. 
Ina  nandzi-ra-ga  kane-ico  icatase. 

Hiermit  hielten  sie  von  links  und  rechts  die  Hände,  an  welchen  der  Schlamm  nicht 
vertrocknet  war,  hin.  Sagi-suke  erwiederte  hohnlachend :  Eitles  Geschwätz !  Was  für 
ein  Recht  könntet  ihr  haben?  Wenn  wir  Drei  einmüthig  gewesen  wären,  hätten  wir 
keinen  solchen  Schaden  leiden  können.  Ist  auch  in  der  Leitung  des  obersten  Heer- 
führers nicht  der  geringste  Fehler,  wenn  seine  Kriegsleute  bei  Andringen  und  Zurück- 
ziehen nicht  die  bestimmte  Zeit  einhalten,  so  mag  man  in  das  Gebirge  der  Schätze 
treten,  man  hat  die  Hände  vergebens  im  Schlamme  verdorben.  Nehmet  also  als  Preis 
der  Nachlässigkeit  das  Geld,  mit  welchem  der  Gebieter  eucli  betheilt  hat,  lieraus,  und 
gebet  es  mir.  Wenn  ihr  Nein  saget,  wird  euch  etwas  gesagt!  Mit  dem  Schlamme  des 
purpurnen  Sumpfes  bestriclien,  möget  ihr  das  Reiherbein,  das  auf  den  Schlammaal  niclit 
treten  kann,  abmähen,  den  Preis  des  Pflasters  werdet  ihr  wohl  nicht  nehmen?  Nein! 
Gebet  euer  Geld  her! 

Tu  kotoba-tatakai  siri-ko-e-tataku  |  makezi-to  nore-ba  \  makezi-to  nonosiri  ]  make  fara- 
tattar/i  j^  j;  (do-si)-utsi-ni  |  tsvkamt-kakaru  tö-roku-ico  \  sagi-suke-iva  jun-de-je  sasajete  | 
me-te-ni  jai-ba-wo  ßramekasi  \  ^  ^  (mi-ken)  ^3  5E.  "^  (si-go-sun)  kiri-sai-tari.  Atto 
toritru  td-roku-wo  |  odori-koje-tsuts'a  sai-fatsi-tva  |  jai-ba-wo  toran-to  kumi-tsuku  tokoro-ivo  j 
kata-saki  fukakn  ~J"  ftsihj-to  kiru.  Ko-wa  kiitsi-ivosi-  |  to  moro-tomo-ni  \  katana-wo  nid-te 
joromeki  joroboi  \  suki-ma-mo  naku  ntte  kakaru-ico  |  sagi-suke-wa  mono-to-mo  sezu  |  fidari-je 
migi-je  iihe-nagasi  \  tatsi-oto  fagesi-kv  tatako-tari. 


160 


Pfizmaiek.     Der  Nebel  der  Klage. 


So  stritt  er  mit  Worten  und  schalt,  sich  nicht  besiegen  lassend,  mit  lauter  krei- 
schender Stimme.  Jene,  sich  nicht  besiegen  lassend,  schalten,  und  in  dem  Hauskriege, 
in  welchem  man  beim  Unterliegen  in  Zorn  gerieth,  stemmte  Sagi-suke  den  mit  der 
Pland  erfassten  T6-roku  nach  links,  mit  der  Hechten  scliwang  er  die  Klinge  und  hieb 
die  Gegend  zwischen  den  Augenbrauen  vier  bis  fünf  Zoll  weit  entzwei.  Er  hieb  dann 
Sai-fatsi,  der,  den  mit  einem  Schrei  niedersinkenden  Tö-roku  überspringend,  in  der 
Absicht,  die  Klinge  zu  entreissen,  sich  anldammerte,  tief  in  die  Schulter.  Mit  dem  Rufe : 
Dieses  ist  bedauerlich!  zogen  Beide  zugleich  die  Schwerter  und  hieben  lärmend  und 
taumelnd,  ohne  einen  Zwischenraum  zu  lassen,  ein.  Sagi-suke  achtete  dieses  für  nichts. 
Sie  aufnehmend,  trieb  er  sie  nach  links,  nach  rechts  weg  und  kämpfte  unter  heftigem 
Klange   der  Schwerter. 

(Schluss  folgt.) 


Berichtigung. 


S.   90,  Z.   17  statt    i^    (osa)  zu  setzen    i^    (fi). 

—    Z.  14  V.  n.  statt  ,gleich  einer  Weberspule'  zu  lesen:  , gleich  einem  Weberschiffe'.    Das  japa- 
nische Buch  enthält  an  der  bezüglichen  Stelle  irrtliümlich  die  Aussprache  osa  statt  fi. 


ÜBER  DIE 

MUNDARTEN  UND  DIE  WANDERUNGEN 

DEK 

ZIGEUNER  EUROPAS.  VII. 


VON 

D«-  FRANZ   MIKLOSICH, 

WIRKL.   MITGLIEDE   DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  18.  OCTOBER  1.S76. 


Vergleichung  der  Zigeunermundarten. 

Erster  Theil. 


Die  Abhandlung-  enthält  eine  Vergleichung  der  in  Europa  gesprochenen  Zigeuner- 
mundarten. Aufgenommen  sind  sprachlich  oder  historisch  bedeutsame  Wörter,  daher  nicht 
nur  die  aus  der  indischen  Heimat  des  Zigeunervolkes  stammenden,  sondern  auch  eine 
Anzahl  der  aus  anderen  Sprachen  entlehnten  Wörter.  Der  Stoff  ist  alphabetisch  geordnet: 
für  die  Anordnung  der  oft  gar  sehr  von  einander  abweichenden  Formen  desselben  Wortes 
sind  die  von  mir  angenommenen  dreizehn  Mundarten  der  Zigeunersprache  massgebend : 
griechisch,  rumunisch,  ungrisch,  böhmisch,  deutsch,  polnisch,  russisch,  finnisch,  skandi- 
navisch, italienisch,  baskisch,  englisch  und  spanisch.  Eine  Erklärung  der  Abkürzungen 
wird  am  Schlüsse  der  Abhandlung  gegeben  werden.  Die  Schreibung  der  zigeunerischen 
Wörter  ist  einheitlich,  es  ist  daher  im  spanisch-zigeunerischen  cJmnar  und  nicht  etwa 
cunar  zu  lesen. 

Zu  den  alten  Förderern  meiner  Zigeunerstudien  sind  einige  neue  getreten,  die  sich 
durch  Mittheilung  werthvollen  Materials  auf  meine  wärmste  Dankbarkeit  Anspruch 
erworben  haben:  es  sind  diess  Herr  Dr.  J.  Si gg  in  St.  Petersburg,  Herr  Prof.  Josef  Pod- 
hradsky  in  Zombor  und  Herr  Johann  Klucli,  stud.  philoL,  in  AVien. 

abcin. 

Griech.  abcin  m.  Stahl.  ßumun.  absin  m.  abslnesko  adj.  vaill.  nbein  für  absin  zu. 
apcin  serb.  abcyn  Magnet  bessar.  spin  Stahl  buk. :  nspin  Wetzstein  vaill.  96.  ist  zu  be- 
zweifeln.      Ungr.   apcin  Stahl  sirm. 

Kurd.    avsin  Eisen  rh.  avg.    öspinäh  tr.  53.  osset.  afsejnäg,  äfsejnag  Pott  2.  51.   52. 

DeniRfhriften  iler  phil.-hist.  C.  XXVI.  Bd.  21 


jß2  Fkakz  MiKLOsicn. 


abor. 


Griech.  abör  minier,  wie  viel,  so  viel:  ab(5r  cave  ist?  wie  viel  Kinder  sind  da?  dziii 
abor  bevs  ist  es  sind  so  viele  Jahre  608.  aborendza?  (pl.  instr.)  mit  wie  vielen?  abör  mang'm 
ha  terdva  so  viel  Geld  ich  haben  werde  620.  Vergl.  kebor  sed.,  das  nach  276.  griech.  /,at 
und  abör  ist,  was  kaum  richtig:  eher  ist  an  das  Pronomen  ka  zu  denken:  kebör  caven  teres'? 
wie  viel  Kinder  hast  du?  Wie  die  bestimmten  Numeralia  ist  abör  in  Verbindung  mit 
Substantiven  indeclinabel.       Rumun.  kobor:  kobor  tu  isi  bers?   quot  tibi  sunt  anni?  serb. 

Mit  kebör  vergl.  man  hind.  kab  wie  asc.  22. 


ac. 

Griech.  acdva  vb.,  partic.  acilö^  bleiben,  ac  devh'sa  adieu,  eig.  mane  cum  deo.  nari 
acilS  love  il  ne  reste  plus  d'  argent  594.  astd  bleibe,  warte  nom.  in :  astd,  te  dikdv  ozö-OVJ, 
vd  "§(»  494.  steht  wahrscheinlich  für  acta:  ta  ist  eine  den  impt.  häufig  begleitende  Par- 
tikel, ßumun.  as  sich  stellen,  stehen  bleiben,  sich  legen  (vom  Sturm),  warten,  bleiben, 
werden,  sein,  praes.  sg.  I.  asö.  III.  dsel  -pe  es  passt.  impt.  sg.  II.  as  sei  ruhig,  warte,  as 
deuUsa  adieu,  partic.  as'dö.  pi-aet.  sg.  III.  as'iTöü,  asiTds:  'siTds  korö  er  wurde  blind  buk. 
as  stehen  bleiben,  bleiben,  aufhören:  kala  (richtig  wohl  kana)  asel  o  bresin  quand  la 
pluie  cessera  vaill.  87.  /  valval  asileas  (d.  i.  asiJ'as)  le  vent  est  tombe  63.  aufhalten, 
beruhigen  95.  Man  merke  das  singulare  as  kerom  (das  für  Herama,  kerava  steht)  je  desire 
faire  57.  95.  ac  devle,  devleja  (aus  devleha)  serb.  Ungr.  acel  sitzen,  bleiben,  sein  ung.  äcav^ 
praet.  aälom  born.  97.  106.  111.  acaiu  acel,  acilo  ml.  164.  168.  169.  183.  194.  acel  er 
hört  auf  sirm.  acelas  er  dauerte,  acli  leski  trus  sein  Durst  hörte  auf.  joj  acli  khabni  sie 
ward  schwanger  karp.  Böhm,  acav  bleiben,  wohnen,  sein,  partic.  ach.  sasti  ac  bleibe 
gesund  (sana).  Deutsch  acäva  bleiben,  wohnen,  ac  pokono  bleib  ruhig,  sei  still  lieb. 
loco  cava  Bürge  beitr.  9,  eig.  ich  stehe  gut.  loas  hmonde  cela  Beistand  8,  eig.  er  steht  bei 
mir:  pas  mande  cela.  Russ.  te  jMrejaces  aufhören:  russ.  perestatb.  2'^^'>^^jacöm  aus  -jacjom, 
-jaciTom.  Skand.  aca,  asa  sein.  Ital.  acel  i  mol  sta  il  vino.  celö  aus  acilö.  ciöm  aus 
aciTom.  ciöm  esterdi  ich  ward  eingekerkert,  ac  devlesa.  Bask.  acha:  bocali  acha  ich  bin 
hungrig  asc.  156,  der,  wohl  mit  Recht,  auch  mek  achin  ich  habe,  tvk  achin  du  hast  hieher 
zieht,  ch  als  aus  s,  c  entstanden  darstellend.  Engl,  ac,  hac.  acöva  I  stand,  partic.  dclo. 
praet.   acdäs,  actds. 

Päli  acch  to  stay,  to  remain,  to  settle  down,  präkr.  acch.  hind.  ach.  bang,  äch 
existieren.  Beames  1.  215.  stellt  bang,  äöh  mit  präkr.  acßh,  aind.  akS,  erscheinen,  zu- 
sammen, worüber  zu  bemerken,  dass  ks,  ks  nicht  in  c  überzugehen  pflegt  und  dass  das 
Petersburger  Wörterbuch  aks  in  der  angeführten  Bedeutung  nicht  kennt.  Childers  9. 
vergleicht  päli  acfh  mit  aind.  äs,  was  ebenso  wenig  einleuchtet.  Pott  2.  49.  50.  Zeitschr. 
der  d.  morgenl.  Gesellschaft  7.   394. 

ada. 

Ungr.  add  pron.  dieser  ung.  ada  lile  (lil)  dieser  Brief,  ada  por  diese  Feder  br.  add 
dieses  ml.  152.  adaleskero,  adalakero,  adalengero  diesem,  dieser,  diesen  gehörig  ung.  adaj  adv. 
hier  ung.  karp.  ddaj  ml.  155.  157.  164.  dort  188.  adja  adv.  hier  ung.  adöde  adv.  hieher 
born.  adöde  ml.  184.  ddtar  von  da  ml.  204.  praeji.  diesseits  born.  anrjladä  adv.  vor  dem  born. 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zioeuner  Europas,  vii.  1(J3 

IIb.  d.  i.  anyV  adä.  adadij  heute  ung.  liumun.  adesso  solclier:  adesse  ida  solche  Kleider  zomb. 
Böhm,  andr''  ada  coripen  in  dieser  Armuth.  adaj  adv.  hier  54.  60.  70.  adaj  thü  edaj  her 
und  hin  64.  adarde  hier,  adathar  hier  durch,  adadives  heute,  adadivesuno  adj.  heutig. 
adalinaj  heuer,  eig.  ada  linaj  diesen  Sommer.  Poln.  adava  dieser,  adaj  hier,  adziak  so 
na.  166.  Russ.  ada,  adavd  dieser  bö.  18.  261.  Skand.  daava,  dova^  dieser,  dm  da. 
Ital.  adavd,  davd  dieser,  dadeves  heute  asc.  145.  Engl,  adnva,  'düva  jener,  adoj,  'doj  dort. 
adza  (ajflio)  so.        Span,  andoba  dieser,  dokamble  wo  immer  (kamäma  wollen). 

Vergl.  avg.  da  dieser  tr.  144.  Pott  1.  256.  269.  271.  ada  ist  eig.  ein  adv.,  etwa 
hier,  an  das  in  den  casus   obliqui   das  pron.   *fo,  aind.   ta,   gefügt  wird.  Vergl.  r//t«,  avakd. 

agor. 

Griecli.  agör  Spitze  pointe  647.  agore  adv.  am  Rande,  an  den  Rand,  sa  agör  agor 
dza  gehe  ganz  an  den  Rand,  av  agore  komme  an  den  Rand,  agore  t'  i  devrjdl  beim  Meere. 
agordl  dSa  gehe  am  Rande.  Rumun.  ago7'  Ende,  Ecke  buk.  Ende  zomb.  Ungr.  agor' 
Anfang  ung.  jdgor  Ende  karp.  agor  zugespitzt  sirm.  Böhm,  agor  Ende.  Vergl.  span. 
egresiton,  gresiton.    segriton  adj.    der  letzte,    gresite   m.    Endo.       Asiat,  vegur   vorwärts    pa. 

Vergl.  aind.  agj'a  und  zig.  angle  Pott  2.  45. 

achal. 

Griech.  achäJovava,  aghdTovava,  aghdl'a  kerdva  vb.  verstehen,  ta  aghdlilo  tar  o  dakdr  et 
le  roi  comprit.  gerund,  aghalindös.  Ungr.  liaTov:  Jiajovel  ung.  für  liaTovel.  Böhm,  cha- 
Tövav.       Deutsch  vergl.  hejväva,  praet.  heibdum.       Skand.  heja. 

Pott  2.   168. 

aka. 

Griech.  akd  m.  akjd.  akhjd  f.  akle  pl.  pron.  dieser,  akavd  dieser,  akavkd  m.  akavkhjä  f. 
akavkle^  akakle  pl.  dieser,  akeiöv  m.  akatäj  f.  dieser  71.  akatjd  (akd  atjd)  hier.  akaU  okote 
par  ci  par  lä  594.  600.  akatjaring  hier  durch,  hier,  akatdr  von  hier,  akari,  akarin,  aka- 
ring  hier,  akai'ing  okoring  hie  und  da  600.  akd,j,  kaj  jetzt  nom.  Rumun.  akavd  dieser, 
er  serb.  kode  dieser  gal.  I.  aka  jetzt  buk.  Ungr.  akqj  hier  ung.  dka,j  dort  ml.  160. 
dorthin  160.  irgendwo  161.  ko  raj  dieser  Herr  mündl.  akava  dieser,  akaring,  akarink  serb. 
ovamo  sirm.  Böhm,  akada  desgleichen  80.  Deutsch  akaj^  aki,  agaj  hier,  aköva  dieser 
lieb,  akater  allhier  beitr.  6.  Skand.  ke]  hier,  her.  Ital.  akdva,  akvd^  kavd^  kva^  kud  pl. 
akukt,  knld  dieser,  aka  hier  asc.  134.  136.  139.  145.  146.  148.  Bask.  akasabo  Erbe,  aka- 
saja  Erbinn  baud.  14.  deutet  asc.  156.  als  aka  cavo,  aka  cai  hie  filius,  haec  filia.  Engl. 
aköva,  'köva  dieser,  akej^  'kej  hier,  kdva  kej  this  here.  kav^  odoj  that  there.  kovva  dwvas 
heute.       Span,  akoj,  akaJ'ö.  akatan  hieher. 

Pott  1.  256.   257.  aka  ist  ein  adv.,  etwa  hier.   Vergl.  add^  avakd. 

akaua. 

Griech.  akand^  okand.^  akanghd  adv.  jetzt,  akanarüo.  sogleich.  Rumun.  akaria,  akan, 
akanak  vaill.  akand  buk.  akands  sogleich  buk.  Ungr.  akanik  ung.  akanik,  akanak  born. 
dkänek    ml.    153.    157.    165.    heute   156.    185.   akanak  karp.    akana  sirm.       Böliin.  akana. 

21* 


164  Franz  Miklosich. 

Poln.  akana  na.   KiG.         Itivl.  kand,   kanön  asc.   135.  Engl,  kdnna,    konna,    kon,    kondio, 

kendic.       Span,    akana,  aokana,  okana. 

Aind.  ksana  Augenblick,  pali  präkr.  kliana.  Vergl.  nhd.  weil  mit  iihd.  Woilo,  alid. 
iiwila.     Man  beachte  jedocli  auch   das  pron.  aka. 

akhar. 

Griech.  akardva^  akerdva,  akjardva,  acardva  vb.  seufzen.  Rumun.  akhar  vb.  partic. 
akhardö,  akardö  buk.  akar  Lärm,  akarao  schreien,  rufen  vaill.  75,  Ungr.  akjarel  ung.  praet. 
sg.  JII.  dkhjarda  ml.  188.  pl.  III.  dkjarde  170.  akardas  karp.  akhjaravava  rufen  lassen: 
praet.  pl.  Hl.  dkhjärade  178.  akharau  rufen  sirm.  Böhm,  akhärav  seufzen.  Deutsch 
karäva  rufen,  nennen.        Span,  akarar  vb. 

akhor. 

Griech.  akör,  akhur  m.,  pl.  -ur,  Nuss  corylus  avellana.  akorin,  akhorin  f.  Nussbaum. 
Rumun.  akhor  zomb.  akori  vaill.  Ungr.  akör,  akhor  ung.  Böhm,  akhor  m.  pl.  -a. 
akhoröro  m.  deminut. :  die  Aspiration  ist  unorganisch.  Deutsch  kör  Haselnuss.  Yergl. 
lakora  Nuss,  Haselnuss.  Ital.  vakör  asc.  135.  Span,  aköres  pl.  Asiat,  kör  wälsche 
Nuss  syr. 

Aind.  aköta  Betelnuss  Pott  2.  46. 

amal. 

Griech.  amdl,  mal  m.,  pl,  mal^  Gesellschafter,  malipe  m.  Gesellschaft,  malalo  adj. 
begleitet,  bimaleskoro  adj.  unbegleitet.  Rumun.  amdl  m.,  pl.  amdl^  Gespiele  buk.  Böhm. 
mal  m.  mäli  f.        Deutsch  mal.        Engl,  mdlyaw  pl.        Span.   mal. 

Avg.  mal  tr.   Gl.  Vergl.  osset.  ämbal. 

amaro. 

Griech.  amaro  pron.  unser.       Rumun.  amaro  buk.  zomb.  amaro,  amaro  serb.       Ungr. 
am,dro  ung.    dmäro  ml.   17(i.   178.   183.    amaro  sirm.  karp.       Böhm.  amro.        Poln.  amaro 
na.   1(30.       Span,  amaro. 

Hind.  hamärä  aus  ham  wir.  bang,  amära  aus  ämi.  or.  amhara  aus  amhe  usw.  amarö 
ist  wohl  aus  amen  durch  das  Suffix  ro  gebildet.  Beames  2.  302.   312,  Vergl.  zig.  tumarö. 

ambrol. 

Griech.  ambröl,  pl.  ambridd,  Birne  624.  ambrolengoro  adj. ;  m.  Birnenverkäufer,  am- 
brolin  f.  Birnbaum.  ambroUn  ruk  624.  Vergl,  amrüt  119.  Rumun.  ambri'd.  ambruUn  f. 
buk.  ambro  vaill.  Ungr.  ambrol  Birne,  ambrolin  Birnbaum  sirm.  ambro  Birne,  Apfel 
karp.  Böhm,  ambrol  f,  am,brolöri  f.  deminut.  Deutsch  bröL  Poln.  brohlo  (brolo) 
na.   156.  aus  grellm.  290.       Asiat,  armö,  harmö,  hermö  pa. 

Pei's.  ami-üd ;  daraus  tiirk.  ernrüd ,  volkstümlich  armüd.  Vergl.  kurd.  meröe  zaz. 
Lerch  211. 

amen. 

Griech,  amen,  ^men  pron.  wir.  ameja  auch  wir  aus  am^n  ja.  Rumun.  amen,  'men, 
amin,  amd.   dat.  ammde,  aminde;  ammgd.  instr.  aminca  buk.    ame  vaill.  ame  bessar.  serb. 


Übee  die  Mundarten  UNr>  me  Wanderungen  der  Zioeüner  Eüropa-s.  vii.  165 

üngr.    amen    uiig.    amen,    amen    sirm.       Böhm.  amen.       Poln.  men.       Ital.  lame    asc.   135. 
Engl.  men.       Span,  amanrje.       Asiat,  emi  wir.  amiki,    emiki  unser  pa.  amin  syr. 

Aind.  asmän.  päli  amhe.  liind.  liam.  gudz.  ame.  mar.  ämhl.  or.  amhe.  bano-,  ämi 
Beames  2.  302.  kurd.  em  Lerch  85.  Das  auslautende  n  von  amen  gehört  dem  acc.  an. 
^  ergl.  zig,  f'umen. 

amuni. 

Griech.  amuni  f.    Ambos :    asiat.  loh.       Ungr.    amoni,    mafd  f.    ung.  dmoni    ml.    15(3. 
amonis  m.  karp.       Böhm,  amonis.       Span,  amini. 
Ngriech.  7.(xöv'.,  a7.[j.öviv  Pott  2.  57. 

an. 

Grriech.  anuva  vb.,  partic.  andu.^  bringen,  führen,  praet.  sg.  II.  anddn  612.  pl.  III. 
ande  614.  andä  keixids  il  fit  conduire  608.  andardva.,  andardva  bringen  lassen.  Kumun. 
an  vb. :  andü,  anö.  praet.  andöm,  avgnr,  nngnr,  dngar,  angar  neben  ankdr,  snksr^  mikar,  ankar 
vb.  praes.  ang5r6,  sngardü  usw.  praet.  angardom  buk. :  angsr  aus  anger  ist  eine  Verbindung 
von  an  und  ker:  kerdva:  vergl.  zig.  iker.  anao  vaill.  94.  an  66.  Ungr.  anel  vb.  bringen, 
tragen  ung.  praet.  andom  born.  111.  dneha  du  wirst  bringen  ml.  152.  impt.  an  183. 
impf,  anestdd,  dnelahi,  dnenahi  156.  173.  187.  praet.  aneda  158.  187.  a»  sirm.  an  ta  impt. 
karp.  Böhm.  anav.  praet.  andas  pu. :  anandiJ'e  wrat.  9.  7.  kömmt  sonst  nicht  vor. 
Deutsch  anävn  lieb.  Poln.  andzija  für  a.nda:  hiro7^es  andzija  grasny -puWum. -pe^erit  (tulit) 
ecpia  na.  161.  Engl,  andova  ich  bringe,  andessa  du  bringst,  partic.  dnlo.  praet.  sg.  III. 
andds,  andadds.  annered  er  brachte  leb.  175.  Asiat,  anemi,  enemi  ich  bringe,  impt.  ne 
pa.   390. 

Aind.  ä-ni :  änajämi  herbeigeleiten,  -führen,  -bringen,  -tragen,  päli  äneti  er  bringt, 
sindh.  änanu.  praet.  ändö  tr.  273.  kurd.  ana  ich  bringe  zaz.  iini  er  brachte  Lerch  82.  191. 
ünin,  enän,  enändin  bringen  Pott  2.  53. 

andre. 

Griech.  andre  sed.  a«r/e  nom.  ane  adv.  darin,  hinein  596.  624.  (iOb.  praep.  in:  e  pur- 
fdkoi'O  ande  o  temeli  kerdilas  en  dedans  il  devint  fondement  du  pont  622.  and'  o  kazds  in 
der  Provinz  624.  andre  jju  lil  dans  son  livre  598.  o  jek  mdsek  andre  dans  un  mois  594. 
Als  praep.  erscheint  ande  bei  den  türk.  Zig.  meist  mit  /fe,  te  verbunden :  andre  k'  o  gav 
in  das  Dorf  628.  ande  k'  o  vos  in  dem  Walde  616.  ande  k'  i  derdv  auf  dem  Meere  628. 
ande  M  i  katfma  in  dem  Zelte  620.  andre  t"  o  tem  in  der  Welt  594.  andre  f  o  sardj  in 
den  Palast  598.  Nachgesetzt:  duj  masekende  andre  in  zwei  Monaten  626.  ke  und  te  ver- 
bunden: ande  k'  i  veseste  in  den  Wald  624.  mit  katdr  te:  katdr  f  o  vziddr  andre  mon  te 
dMna  des  qu'ils  entreront  par  la  porte  610.  andrdl  von  innen  heraus  de  dedans  sacoö-sv 
mit  katdr  ke:  andrdl  katdr  k'  o  dudnm  de  dedans  la  gourde  616.  anddl  F  o  pdj  aus  dem 
Wasser  622.  andrdl  akata  f  i  2Jolin  äxö  |xsaa  äiro  z-qv  Tüo/av  mem.  228.  andralunö  darinnen 
befindlich.  ßumun.  andre^  andri,  dndrs-.^    andd^  ända,  dnda,  and,  an^  sn:  dnda  trin  des 

in  drei  Tagen,  an  u  pdtn  im  Bette,  nn  krig  auf  der  Seite,  wohl  aus  sn  k''  e  rig^^  buk. 
andr  o  ker  dans  la  maison  vaill.  95.  andr''  o  foro  en  ville,  dans  le  bourg  63.  95.  andr 
ol  Uli  dans  les  cartes  59.  d'  o  coon  dans  le  chaudron  80.  yndo  (und'  o,  d.  i.  ^nd  o)  bessar. 


\C)6  PkANZ  JMlKLO.SlCll. 

andrdJ,  andrd:  ajidrci  tüti  aus  dii-.  Ungr.  andre,  unde  darinnen,  hinein;  in  karp,  andr' 
0  panl  in  das  Wasser,  dnde  adv.  ml.  152.  153.  ände  thödom  ich  tat  hinein  154.  dnde  gelo 
er  gicng  hinein  159.  dnde  davon  163.  pi-aep.  and  odd  kdsteli  in  jenes  Schloss  1(S3.  dnde 
(richtig  and'  e)  pinca  in  den  Keller  17(i.  and  e  (richtig  o)  kker  in  das  Zimmer  193. 
dnde  /)o  breköro  in  iliren  (suum)  Busen  KJü.  neben  and  o  po  brek  161.  Mit  te:  dnde  mdnde 
in  mich  154.  dnde  tfdc  in  dich  153.  dnd'  e  hure  föreste  in  die  grosse  Stadt  155.  dnd  e 
(richtig  dnde)  jekhe  bare  pincete  in  einen  grossen  Keller  187.  Unrichtig:  dndo  geTo  jekhe 
föreste  er  gieng  liincin  in  eine  grosse  Stadt  159.  an  in  ung.  andre  darinnen,  and  o  6er 
in  das  Haus  sirm.  andral  aus  born.  118.  sirm.  karp.  andal  ung.  klaus.  andar  ung.  dndar  e  bare 
veseste  ari  gld'o  er  gieng  aus  dem  grossen  Walde  heraus  ml.  158.  dndar  i  phü  aus 
der  Erde  159.  Böhm,  andre  adv.:  andre  pele  sie  fielen  ein  68.  praep.  andr''  odova 
während  dem  72.  74.  andre  tru  kan  in  dein  Ohr  65.  andr'  o  moriben  (für  mariben)  in 
der  Schlacht  54.  andre  (richtig  andr'  e)  jakh  im  Auge  31.  Unrichtig:  andro  jekh  kker  in 
ein  Haus  56;  ebenso  andro  i  khangeri  in  die  Kirche  17.  und  andro  e  kher  in  dem 
Hause  13.  Mit  ke,  te:  andre  leske  in  ihm  (dem  Haus)  56.  andre  leste  73.  andre  tute  11. 
andral  o  vast  aus  der  Hand,  andral  o  jakha,  o  muj  aus  den  Augen,  aus  dem  Munde. 
Deutsch  an  i  izvia  in  der  Stube.  ät7'in  darinnen,  tre  hinein,  dran  heraus  lieb,  andririck 
Seite,  eig.  auf  der  Seite:  andr'  i  rik  beitr.  29.  dre  18.  nanisidre  ledig  20,  richtig:  nani 
ci  dre  es  ist  nicht  darinnen  20.  ßuss.  andro,  dro :  dre  (dr'  e)  lavka  in  die  Bude.  Skand. 
andri  innen.  Ital.  dzdsa  tuk  andr'  6  ker  te  ne  vai  nella  casa  asc.  146.  andrdl  da  entro  53. 
Engl,  adre,  'dre\  adrdl,  'dral.       Span,  andre,  enre,  enren,  an.,  on. 

Aind.  antare  dai'innen,  hinein,  päli  antare.  sindh.  andare  innen,  andara,  andaro  von 
innen  von  andaru  das  Innere  tr.  388.  405.  andrdl  ist  aind.  antarät  aus  dem  Innern  heraus. 
Pott  1.  299;  2.  56. 

angali. 

Griech.  angdli  f.  Armvoll,  Umarmung  598.  m'  angalende  in  meine  Arme  600.  Rumun. 
angale  buk.  angali  Schooss  zomb.  angdli  Arm  mezz.  Ungr.  angali  ung.  karp.  angalori 
deminut. 

Ngriech.  rj.-^yAia^,  äyrnKw.. 

an  gar. 

Griech.  angdr  m.,  pl.  angdr,  Kohle,  angareskoro  adj. ;  m.  Köhler.  Rumun.  angdr 
buk.  serb.  angarunkero  Köhler  vailL,  richtig:  angarengero.  Ungr.  dngara  pl.  ml.  156. 
angaröre  pl.  deminut.  karp.  Böhm,  angar  m.  pl.  angara.  angaröro  m.  deminut.  anga- 
rengero m.  angarengeri  f.  Köhler,  Kölilerinn.  angaruno  adj.  Deutsch  dngar.  angarengero. 
Russ.  vangdr.  Ital.  li 'ngar  -pl.  asc.  138.  Engl,  dngar,  vöngar,  wöngar.  ^-pa,n.  hangar, 
langar  m.  hangarero. 

Aind.  pali  angara.  präkr.  ingäla.  bind,  angärä.  gud2.  angärö,  ingärö.  sindh.  angäru 
Beames   1.   129. 

angle. 

Griech.  angle  adv.  vorne;  praep.  vor.  angleder  comparat.  po  angU  mehr  vorne 
mem.  184.  anglutnö,  angledunö,  anglunö  adj.  angldl  adv.  von  vorne;  praep.  vor.  angldl 
devlede,  f  o  devil  vor  Gott  mem.  184.  angldl  t'  i  rakli  au  devant  de  la  fille  598.  angldl 
ta  paldl  von  vorne  und    von    hinten,     angldl  ddva  antworten,     anglalutnö ,    anglalunö    adj. 


ii 


Übek  die  Mund  AKTEN  und  die  Wandebungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  1 6  7 

ßumun.  angle,  anglt.  iiiaj  angli  mehr  vorne.  ghTcts  angli  er  gieng  voraus,  angluno  adj. 
buk.  anglinder  par  devant  vaill.  anglinö  erster  serb.  angldl  adv.  vorne;  praep.  vor.  angld 
(für  angldl)  tuminde  vor  euch,  angld  mdndi  vor  mir  buk.  Ungr.  angle:  angV  o  kher  vor 
dem  Hause,  angle  jekh  khurkheste  vor  einer  Woche  born.  96.  98.  angladä,  angludä  vor 
dem  born.  118.  für  angV  adä,  angV  odä.  angl'  o  meribe  vor  dem  Tode  ml.  162.  angle  tro 
ruvt  vor  deinem  Manne  coram  171.  JMit  Verben  als.  Praefix  174.  175.  181.  182.  187.  an- 
gluno  adj.  der  erste  born.  121.  klaus.  anglal  ung.  dnglal  hervor  ml.  161.  angldl  voran ^  früher. 
anglu7io  erster  karp.  anglal,  angld  sirm.  Böhm,  anglal,  angal:  angal  o  dives  vor  dem 
Tage,  angal  mande,  angal  tute,  angal  leste,  angal  lende  vor  mir,  vor  dir,  vor  ihm,  vor 
ihnen.  Deutsch  'glan  voi'ne ;  vor.  glanduno  adj.  Ital.  angldl  amand  in  faccia  a  me 
asc.  141.  Engl,  aglal,  agal;  'glal,  'gal  vor.  Span,  anglal,  angeTa,  gres  vor.  angely  adj. 
Aind.  agre  vorn,  voran,  vor,  in  Gegenwart:  anglal  ist  aind.  *agrät.  hind.  ägal,  agil, 
äge.    sindh.    äge    vor.    agunö    der    vorhergehende    von    agu   Vorderteil    tr.    73.    388.    405. 


angust. 

Clriech.  angdst,  angdst  f.,  pl.  -jd,  Finger.  ßumun.  guzdo  Zeigefinger,  guzgo  Finger 
vaill.  angus^  pl.  -*"M,  zu.  angusnd  mezz.  Ungr.  angusto  m.  ung.  karp.  angust  f.  born.  87. 
angibsta  wohl  pl.  ungh.  Böhm,  angusto  m.  angustöro  m.  deminut.  hiangustengero  adj. 
tingerlos.  Deutsch  gushdo  beitr.  12.  güsto.  Poln.  janguskiy  na.  161.  angusto  gal.  II. 
Skand.  gustro.  Ital.  angusto^  pl.  nnguskid^  asc.  135.  Engl,  vöngusti,,  vöngzm,  vöngus. 
Span,  angustt,    langustl  pulgar,    dedo    gordo.       Asiat,  angül,  anghidl  pa.    dngul,  angld  syr. 

Aind.  angustha  Daumen,  angula,  aiiguli.  päli  anguttha.  sindh.  änüthö  Daumen,  änure 
f.  Finger  tr.  12.  hind.  angust  entlehnt,  angli,  ungli.  pers.  angust.  kurd.  engist,  iiigist 
Lerch  192.  Pott  2.  55. 


angustri. 

Griech.  angustri^  angrusti,  angrnst  f.  Ring.  ßumun.  angrusti^  migrusti  buk.  angrusti 
zomb.  angostri,  angrustin  vaill.  81.  95.  gustri  Handfessel  107.  Ungr.  angrusti  f.  born. 
87.  dngrusti  ml.  151.  160.  168.  170.  175.  185.  angrustengero  m.  ßingmacher,  Goldarbeiter 
ung.  angrustin  Ring  sirm.  Böhm,  angrusti  f.  angrustöri  f.  deminut.  Deutsch  angusterin, 
gusterin  lieb,  gostring  waldh.  118.  gusderin  beitr.  26.  Poln.  angustry  na.  162.  Russ. 
jangrusty,  angruzdy.  Skand,  gustri,  gustring.  Ital.  angustri,  angustrori.  Span,  angustro. 
Asiat,  angüsteri  pa. 

Pers.  angustar.  sindh.  äiiüthi  Daumenring  tr.  12.  hind.  angustari ,  angustäna 
entlehnt,  kurd.  engistere  zaz.  Lerch   192,     Pott  2.  56. 


am. 

Griech.  a«f,  eni^  an^  «i  adv.  wie:  in  dikdva  wie  ich  sehe:  gleichbedeutend  mit  sar. 
Rumun.  ani  ja  zu.  Russ.  rtf  böhtl.  18.  Skand.  ehe.  Asiat,  ari  ja  syr.  Pott.  Vergl. 
Bugge  153.  asc.  26.  Pott  1.   318. 


j^gg  Fkanz  Miklosich. 


arcici. 

Griech.  arcici,  arkici,  artici  Zinn.  ßumun.  arcic  ni.  Blei  buk.  arcici  serb.  orcici 
zu,  arsic  bessar.  ardzic  Zinn  bessar.  II.  Ungr.  arcic  m.  Blei,  arcicano  bleiei-n  ung. 
Böhm,   arcic  m. 

Armen,  arcic.  pers.  arzTz  Blei,  Zinn,  davon  liind.  arziz  Zinn.  Vergl.  osset.  archüj, 
archij    Kupfer  Pott  2.  58. 

arman. 

Grriecli.  armdn  £.,  armanct  pl.,  ein  Fluch,  armdn  ddva,  armand  ddva  fluchen.  Ilumun. 
das  les  armaje  er  verfluchte  ihn  buk.  Ungr.  armani  f.  ung.  ärmandino  verflucht  ml.  169. 
me  da  ma  romaja  ich   beschwöre   sirm.,    eig.  ich    verfluche    mich    serb.    ja    se    zaklinjem. 

Aind.  arman  Name  verschiedener  Augenkrankheiten:  vergl.  zig.  o  devel  te  koro  kerel 
man !  möge  mich  Gott  blind  machen !  ngr.  V7.  rucp Xcoö-r^s  türk.  kior  ol.  ma  de  man  armdn 
fluche  mir  nicht,  pa.  mem.  175.  asc.  62.  Pott  1.  200.  407;  2.  58.  Mordtmann  70  stellt 
das  Wort  mit  ahriman  zusammen. 

armi. 

Ungr.  armi,  ai'min  Sauerkraut,  Kohl  ung.  armin  born.  87.  90.  jarmin  karp.  Böhm. 
armin  f.  pl.  arraina.  armitiöri  f.  deminut.  arminakero  adj.       Russ.  jarmi  Kohl.' 

Ngriech.  dpjxtd,  Xa/avotpfitd.  aruss.  kvasena,  rekomya  ar'mea  i  kombasta  ustav.-spas. 
Pott  2.  58. 

as. 

Griech.  asdva  vb.,  partic.  a^anö,  lachen,  asavdva  vb.  lachen  machen,  betrügen,  asd- 
novava  vb.,  partic.  asdnilo^  lachen,  asai,  asindös,  asaindös  gerund,  asaibe  m.  Gelächter. 
Rumun.  asdl,  asdla  er  lacht,  asdn  sie  lachen,  asdlas  er  lachte,  asdiias  sie  lachten,  asajöä 
er  hat  gelacht  aus  asafwü  buk.  asdii  vb.  bessar.  assoup,  assap  zu.  reflexiv  nach  dem  slav. 
smijati  s§.  Ungr.  asavel  neben  alasel  vb.  dsav  vb.  ich  lache  ml.  163.  asavipe  m.  Ge- 
lächter ung.  asd/i:  ich  lache,  hasdlo  lustig  sirm.  Böhm,  asav  man  vb.  35.  reflexiv;  ohne 
man  13.  15.  praet.  asandiTom.  18.  asärav  vb.  lachen  machen,  asavihen  m.  Deutsch  säva 
lieb,  sahen  lachen  fried.  Poln.  sähe,  hussnahe  Gelächter,  hussaahava  vb.  lachen  na.  164. 
Russ.  te  sas  pe  reflexiv,  sähe  Gelächter.  Skand.  sa.  Engl,  sav,  sal,  sdrler  vb.  sdvaben, 
sdvapen  subst.  Span,  asaselar  se  vb.  to  rejoice,  to  laugh.  Vergl.  asiat.  khastiri,  khesti 
lachen,  hazri  er  lachte  pa.  465. 

Aind.  päli  has.  hind.  hansnä.   Pott  1.  466;  2.   61.  kurd.  has,  khas  pleasure. 


asan. 

Rumun.  asdn  f.  Schleifstein.  Vergl.  griech.  asdn  Rad,  wobei  asc.  8.  an  ein  ,iranisch 
verflachtes'  aind.  aksa  denkt. 

Armen,  iesan.  aind.  §äna,  ääna,  ^äni.  päli  säna.  Zig,  s  für  aind.  ^  spricht  für  die 
Entlehnung  aus  dem  Armen. 


Über  die  Mundakten  und  die  Wanderungen  der  Zigeunee  Edeopa'S.  vii.  169 


asjav. 

Griecli.  asjäv,  vasjdv  m.  Mühle  185.  vasjaveskoro  m,  Müller.  Rumim.  o.saü  m.  pl. 
asavd.  o  bar  le  asavesko  Mühlstein  buk.  asa  vaill.  asdv.  asavari  m.  Müller,  nach  molvdri 
durch  ari  gebildet  zomb.       Ungr.  dsav  sirm.       Span,  asjd  Mühle,  esjanö,  esjanerö  Müller. 

Hind.  äsijä  Mühle,  kurd.  a§  Lerch  82.  äs  rh.  ber  a§a  Mühlstein,  äsi  Orient. 


aso. 

Griech.  asavko  m.  asavki,  asaki,  asavkhjd,  asakjd  f.  asavke  pl.  pron.  ein  solcher.  Ungr. 
dso  pron.  ein  solcher  ml.  167.  168.  me  dsi  cöri  som  ich  bin  so  arm  167,  eig.  ich  bin 
eine  solche  Arme:  ebenso  169.  178.  185.  vergl.  slav.  taka  krasna.  Vergl.  Gramm.  4.  16. 
dsar  wie  204.  asavo  pron.  ein  solcher  wie  jener,  asevo  ein  solcher  wie  dieser  ung.  dsavo 
ein  solcher  ml.  155.  166.  170.  dsavi  Mkär  dngrusti  ein  so  schöner  Ring  168.  dsavo  sästo 
hl  er  ist  so  gesund   187:  dvavo  183.   10.  fehlerhaft  für  dsavo. 

Aso,  asavo  ist  mit   aind.  asau.    päli  asu,  asuka  zusammenzustellen. 

astar. 

Griech.  astardva  vb.,  partic.  astardo,  ergreifen,  fangen,  anfangen,  halten,  astardi  f. 
Stab,  eig.  was  man  hält ;  echelle  de  la  mer.  asturibe  m.  Ergreifen.  astarJd  kerdva  vb. 
ei'greifen  lassen,  befestigen,  astdrdovava  vb.  ergriffen  werden.  Vergl.  astardva  vb.  schleifen. 
asfdrdovava  vb.  pass.  Rumun.  astar  vb.,  partic.  astardö,  ergreifen,  anfangen  buk.  astar 
vb.,  partic.  astardö,  ergreifen,  anspannen  zomb.  astarao,  starao  vb.  einkerkern  vaill.  87. 
128.  anfangen  64.  astarao  anzünden  51.  76.  96.  astardu  Insel,  eig.  das  Stehende,  bessar. 
Ungr.  astaral,  esterei  vb.  ergreifen,  halten  ung.  ma  dstar  ml.  173.  te  dstären  173.  dstarda 
153.  macanastarav  (d.  i.  macen  astarav)  vb.  fischen  born.  106.  astar  vb.  te  astaras  er- 
greifen, astar  impt.  sirm,  Böhm,  stardo  m.  stardi  f.  Arrestant,  Arrestantinn.  stariben  m. 
Arrest.  Deutsch  staräva  vb.,  partic.  stardo,  verhaften,  staripenn  Gefängniss  lieb.  Skand. 
starda  vb,  hintergehen,  eig.  fangen.  Ital.  estardo  eingekerkert,  asterdd  l  sie  verhafteten 
ihn  asc.  132.  134.  starbe  Gefängniss  136.  Bask.  ostariben  Kerker  baud.  37.  Engl,  std- 
riben.  steripen,  steririius,  stdrdo,  .s/om'i  Kerker,  st^romengro,  steromesti  (aus  steromeskri)  Gefangener. 
Span,  estardar,  estardelar  vb,  einkerkern,  estardo  adj,  estaribel,  estaripel  m.  Kerker. 

Astar  scheint  mit  der  W.  sthä  stehen  zusammenzuhängen :  vergl.  asar  lachen  machen 
mit  as  lachen  Pott  2.  246. 

asti. 

Asiat,  asti  es  gibt:  masi  astif  gibt  es  Fleisch?  In  Europa  meist  mit  der  Negati  na: 
ndsti,  ndstik  in  der  Bedeutung  ,unmöglich' :  ndsti  nakavdv  ich  kann  nicht  schlucken,  nd- 
stik  astards  la  wir  können  sie  nicht  fangen  387.  ndst'  arakfds  er  konnte  nicht  finden  598. 
vdstik  f  arakTe  sie  konnten  nicht  finden  618.  ndndsti  t'  acds  wir  können  nicht  bleiben 
387.  ndnastik  sovdva  ich  kann  nicht  schlafen  165.  ndnastik  pendöm  ich  habe  nicht  sagen 
können  614.  Rumun.  )i  astik  sinau  les  ich  kann  ihn  nicht  tödten.  ?i'  astik  hidistöm  ich 
konnte  nicht  hinuntersteigen  neben  n  astiü  ich  bin  schwach,  krank,  astil  te  avÜ  es  kann  sein. 
n'  astilas  er  konnte  nicht,  astisaraü  ich  kann,  sti  Macljt  vaill.  128.  astisaro  vb,  können  96, 

Denkschriften  der  phil.-hiEt.  Cl.  XXTI.  Bd.  22 


170  FkaNZ  MlKLOSICH. 

astisailo  möglich  1)6.  nasti  dikhan  ich  kann  nicht  sehen  mezz.  Ungr.  naStik  es  kann 
ni(;ht  geschehen  ung.  born.  119.  nästik  magy.  nem  lehet  born.  106.  nastik  te  dzav  neben  nästik 
dzav  ich  kann  niclit  gelien  ml.  165.  nästik  dzas  du  kannst  nicht  gehen  175.  naStik  iiStav 
ich  kann  nicht  aufstehen  196.  nästik  haja  er  konnte  nicht  essen  162.  nästik  gejom  ich 
konnte  nicht  gehen  161.  nastik  dikhau  ich  kann  nicht  sehen  sirm.  Böhm,  nasti  tnke  te 
cikaTärav  o  2>ä7u  ich  kann  dii-  nicht  das  Wasser  trüben  52.  nasfi  nikaj  te  dzal  er  kann 
nirgendshin  gehen  64.  Deutsch  nasti  nicht  können :  man  beachte  sasti,  hasti  können. 
Russ.  nasty  unmöglich  21.  Ital.  aUi  rev6s  du  kömmst  nothwendig  wieder  asc.  145. 
Yergl.  149 :  ähnlicli  slav.  moram  ich  muss  und  morem  ich  kann  possum.  Span,  astis 
adv.  möglicherweise,  astisar,  astisarar  vb.  können,  astisaro  adj.  mächtig,  ostisaripen  m. 
Macht,  nasti  unmöglich  :  nastis  no  se  puede. 

Asc.  147.  bringt  gegen  Pott  1.  372.  asti  mit  dem  Verbum  as  in  Verbindung.  Aind. 
asti,  nasti.  Vergl.  päli.  präkr.  atthi,  in  den  Inschr.  nästi,  nas'ti  neben  natthi,  nathi. 
mar.  ähe.  sindh.  atha  Muir  II.  12.  31.  102.  121.  tr.  XLIV.  Hinsichtlich  des  auslauten- 
den k  vergl.  avrf^  avrik;  chandt,  chandik;  kimi,  kunik  usw. 


asva. 

Griech.  äs2)a.  äsva,  dsfa  pl.  Thränen.  Vergl.  das  mit  der  Bedeutung  , Augenstern' 
angeführte  äsfo  m.  Rumun.  asfä,  dsfa  Thräne.  pl.  instr.  asvßnca  buk.  asfa  larmes  vaill. 
96.  Ungr.  asva,  avsa,  avsta  f.  Thräne  ung.  e  jasva,  jdsvin  sirm.  asva  ödenb.  Böhm. 
avs  f.  pl.  -a.    avsärav  vb.   thränen.        Deutsch  sua.       Poln.  ansva  na.   158.        Russ.  jasvä. 

Alle  neuind.  Sprachen  verwenden  zur  Bezeichnung  des  Begriffes  .Thräne'  aind.  a^ru : 
hind.  mar.  äsü.  gud2.  ädzu.  sindh.  häd^a  Beames  1.  357  :  aus  aSru  ergäbe  sich  (nach  k\&- 
§rü,  richtig  sva.^rü,  zig.   sasüj)  eine  zig.  Form  asuj  Pott  2.  52. 

atja. 

Griech.  atjd,  a.t6  adv.  hier,  dort  614.  atakis  hier  durch,  atär,  atjätar  von  hier,  nas 
atdr  pars  d'ici  616.  atjäl  von  hier  nom.  für  atjätar  der  sed.  Rumun.  atM  hier  buk. 
Ungr.  ädtar  für  äfar  von  hier  ml.  204.  8.  Vergl.  dti  so  viel  ml.  160.  175.  185.  dfi 
151.  190.       Span.  atosS  hier. 

av. 

Griech.  avdva  vb.,  partic.  a.vilo,  al6,  kommen,  adva,  adv  aus  avdva,  avdv  604.  606. 
mist'  avilän  willkommen  626.  avel  il  porte  596.  Rumun,  av  vb.  kommen,  xyerden,  sein. 
avdü,  av6.  praet.  sg.  I.  aviTöm.  plsqpft.  sg.  I.  aviTömas.  avao,  avo  vaill.  96.  auäu  mezz. 
Ungr.  avelY\>.  ung.,  partic.  alo:  praet.  sg.  I.  älom  born.  85.  dvav,  avel  ml.  183.  184.  nd.jel 
aus  na  alel,  aJ'al  non  venisti  161.  2.  naM  165.  16.  alo  venit  167.  1.  neben  ah  159.  6; 
160.  10;  178.  13.  Ali  f.  186.  17.  neben  äTi  159.  14.  cde  venerunt  161.  6;  188.  7-,  188. 
18;  192.  5;  201.  12.  neben  td'e  178.  16.  ävTa  er  kam  153.  5.  avlahi  sie  wollten  kommen 
impf.  186.  9.  neben  dvTahi  er  kam  155.  2;  er  war  gekommen  159.  4:  alo,  äli,  die  sind 
unorganisch;  für  dvl'a  sollte  wohl  ala  stehen;  für  avlahi  erwartet  man  avnahi,  avenahi 
veniebant;  statt  avTahi  ist  avlahi  zu  setzen,  aolo  karp.  Böhm,  avav  vb.,  partic.  avlo, 
kommen,  auch  gelien.  jav  komme  impt.  55.  70.  javas  lasst  uns  gehen  74.  avlas  aus  avelas 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  171 

er  gieng  79.  praet.  avi'as  55.  56.  59.  60.  64.  76.  79.  avle  52.  65.  68.  peskrestar  avel  er 
kommt  um  das  seinige  75:  av  hat  häufig  die  Bedeutung  sein:  te  aveJ  zu  sein  79.  avel, 
byva  67.  saj  avel  es  kann  sein  74.  mange  avela  \v\i  habe  75,  d.  i.  mihi  est.  Ebenso  18. 
57.  59.  60.  64.  66.  69.  74.  Deutsch  aväva,  väva  vb.  lieb,  wias  er  kam  beitr.  6.  Iluss. 
te  aves.  praet.  avjöm.  avela  genug:  vergl.  klruss.  bude  genug,  te  oves  gehen.  SIcand.  ava 
komme  impt.  Ital.  avav.  praet.  avejum,  avedzjom  asc.  146.  152  aus  aviJ'rmi.  Engl,  av, 
avel,  aivel,  'ivel,  'vel;  viöm  ich  kam.  vidn.  viäs.  Span,  abüar,  ahilelar  vb.  kommen,  abela, 
la  pani  es  regnet  br.  87  :  vergl.  deutsch  vela  giv  es  schneit  lieb.  Asiat,  dvami  ich  komme 
syr.  Pott,  eiroom,  eiroor  ich  kam,  du  kamst  syr.  airom  je  suis  venu  pa.  252.  254.  ha, 
pa   119.  heiri  il  est  venu  254. 

Aind.  äp  erreichen,  mit  Praefixen :  kommen,  hind,  ä-nä  kommen,  sindh.  ävate  dza- 
vate  income  expense,  eig.  Coming  going,  äjö  partic.  äu  impt.  tr.  49.  150.  261.  käf.  ei 
am  ich  komme  Pott  2.  52.  Die  Stämme  avdva  venire  und  nmdva  fieri,  welche  die  griech. 
Zigeuner  auseinander  halten,   pa.   80,  werden  von  allen  arulern  Zigeunern  vermengt. 

avaka. 

Griech.  avakd^  avkd  m.  avakhjd  f.  avakle  pl.  pron.  dieser,  avakhjdkoro  dieser  gehörig. 
avekd  adv.  so.  avekd  t'  alekd  so  so  152.  avatjd,  avdtjaring  hier,  avatdr  von  hier,  avakd 
lil,  avekd  lil,  avkd  lil  dieser  Brief  596.  avkd  598.  602.  avkhjd  ratt  diese  Nacht  602.  avkle 
(avakle)  divesende  in  diesen  Tagen  608.  avkles  (avakles)  7'akles  sg.  acc.  604.  avakhä,  akhd 
mem;  220.  avaklia,  akld  resa  diese  Weinberge  ibid.  Ungr.  avka  adv.  so  ung.  auka 
born.  120.  auka,  avka  karp.  avka  ml.  153.  156.  165.  189.  Böhm,  avoka  adv.  so.  Span. 
aoter^  aotal  dort.  Vergl.  griech.  avdives^  avdies,  apdives  adv.  heute,  avdiveseske  khasoj  die 
Nahrung  für  heute,  avdivesestar  adv.  von  heute.  liumun.  ajes  (d.  i.  wohl  ades)  vaill.  77. 
avdive  zu.  ad'es  zomb.  ades  buk.  mezz.  avdive  serb.  Ungr.  adjes  sirm.  aus  avdives.  ades 
ödenb.       Span,  acibes  aus  avdives.        Asiat,  adje,  edje  pa.   231. 

AdjS  ist  aind.  adja.  päli,  präkr.  agga.  hind.  mar.  gudz.  aga.  sindh.  agu  Beames  1. 
327.  tr.  XXXVI.  Die  mit  av  anlautenden  pron.  hängen  mit  aind.  amu,  päli  amu,  amuka 
zusammen:    Vergleichung  mit  dem  abaktr.  ava  ist  abzuweisen. 


avgin. 

Griech.  avgin  m.  Honig,  avginengoro  m.  Honigverkäufer.  Bumun.  abgin,  ahdin  f.  sg. 
instr.  abgindsa  buk.  avgin,  avdin  serb.  Ungr.  advin  m.  ung.  ahdzin  sirm.  adin  ödenb. 
Böhm,  avdln,  dvdin  f.  69.  76.  Deutsch  gicln  (gwien)  beitr.  17.  givin  f.  gioinäkro  lieb, 
ßuss.  jagviii.      Bask.  angui.     Span,  agui.,  angiiin  f.  quin  m.  quinoso  adj.      Asiat,  hüngevm  pa. 

Pers.  angubin.  kurd.  hingiv;  ehgimjö  Lerch  192.  hingawin  rh.  enyivin  Garzoni 
Pott  2.  54.  asc.  59. 

avgo. 

Griecli.  augö,  avgös,  avkös  adj.  erster,  adv.  vorher,  avgutno  adj.  früherer.  Ung.  vergl. 
nägom  adv.  erstens  born.  105.  dza  augöder  geh  voraus  karp.  Böhm,  avgoder  adv.  vordem, 
neulich  33.  35.  agoder  63.  Deutsch  vago  adj.  erster.  Skand.  vago  erster  Pott  2.  45.  77. 
asc.  20. 

22* 


■[■J2  FuANZ  MlKLOSlCH. 


avri. 


Griecli.  avri,  avrik  adv.  draussen,  hinaus,  ka  nikJiona  avri  des  qu'ils  sortirent  610. 
avrik'  okhere  en  dehors  de  la  maison  618.  avri  prögmata  sonderbare  Dinge  mem.  207. 
avrjdl  adj.  von  aussen  G22.  avnUno  adv.  fremder.  Rumun.  avri  vaill.  96.  buk.  M  col 
avri  der  Mond  ist  heraus,  er  scheint  serb.  avrjdl  von  aussen,  draussen  buk.  ävri.  avri 
kathar  apage  hinc  zomb.  avri  bessar.  IL  Ungr.  ai^i  ung.  äri  born.  118.  ari  ml.  152. 
153.  155:  nach  Art  eines  Praefixes :  ari  sdstärav  ich  heile  aus  155.  ari  kerda  159.  ari 
pe  citfa  er  schlich  sich  hinaus  160.  ari  äle  161.  ari  dzav  ich  gehe  hinaus  186.  15.  avri. 
avrijal  von  aussen  sirm.  avri.  avral  karp.  Böhm.  avri.  avri  avel  69.  avri  forostar  hinaus 
aus  der  Stadt  70.  Deutsch  avri,  vri,  vri^i  lieb.  V7^y  beitr.  10.  Russ.  avri.  Skand. 
avri.  Ital.  avri  de  ker  aus  dem  Hause  asc.  146.  Engl.  nvri.  avri-rig  outside,  crust. 
Span,  abri;  simace  abri  seiial  exterior.  abertune  adj.  fremd.       Asiat,  bahdra,  beJidra  pa. 

Aind.  vahis.  päli  bahire.  präkr.  vähila,  vähira.  hind.  bähir.  sindh.  bähare  aussen 
von  bäbaru  tr.  388.  406.  avg.  bahar  Aussenseite  279.  Pott  1.  301  ;  2.    82. 


azom. 

Griech.  azöm  numer.  mehrere,  so  viele,  wie  viele:  az(5m  bers  mehrere  Jahre,  m'  an 
(d.  i.  ma  an)  dzin  azom  subarjen  bringe  nicht  so  viele  Soldaten,  azöm  vianns  gele  tarf 
wie  viele  Personen  sind  gekommen?  ki  'zom  dives?  in  wie  viel  Tagen?  626. 

bagav. 

Ungr.  baga  impt.  singe  aus  Ung.  396.  Russ.  te  bagds  vb.  singen,  praet.  bagadöm, 
bagaddm.  bagahndskiro  m.  Sänger.     Vergl.  span.  bagandi  Glocke. 

bacht. 

Griech.  bacltt  f.  Zufall,  Schicksal,  Glück,  bachtori  f.  deminut.  bachfalo  adj.  glücklich, 
unglücklich.  Vergl.  asc.  47.  bibachtalö^  bibachfjdkoro  adj.  elend.  Rumun.  bacht  f.  buk. 
Ungr.  e  bacht  Glück  karp.  bast  m.  bastdlo,  bastdno  adj.  glücklich  ung.  bastdle  ml.  154.  175. 
bibastalo  adj.  born.  100.  bach.  hachtdlo  adj.  sirm.  Böhm,  bacht  f.  pl.  -o.  bachtälo  adj.  bach- 
tali  f.  Fledermaus,  bibacht  f.  Unglück,  bibachtälo  adj.  Deutsch  backt  beitr.  15.  bibachf. 
bibachtelo  adj.  Poln.  bakh  na.  155.  bokh  166.  Russ.  bach.  bachtalö  adj.  Skand.  bahi. 
penna  bahi  wahrsagen.  Engl,  bockt,  buk.  Span,  bachi  f.  bachiar  vb.  Avahrsagen.  ba- 
chaly  Wahrsager,  Wahrsagerinn. 

Pers.  hind.  avg.  kurd.  bacht.  abktr.  bakhta.  ngriech.  |j.7id7.TC.  Vergl.  sindhi  bhägu. 
W.  aind.  bhag  zutheilen  Pott  2.  398. 

baj. 

Griech.  baj  f.,    pl.  -d,    Ärmel,     bibajingoro  adj.  keine  Ärmel    habend.       Rumun.  baj 

vaill.        Ungr.  baj  f.   ung.        Böhm,   baj  f..  pl.  -a.  Deutsch  bej.       Russ.  baj.       Engl.  bcj. 

Aind.  bähu  Arm.  pali  bähä  f.  hind.  bah.  gudz.  bahn.  avg.  bähü  tr.  67.  abaktr.  bäzu. 
armen,  bazuk  Pott  2.  424. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  dee  Zigeünek  Europa's,  vi;.  173 

bakro. 

Griech.  hakro  m.  Hammel,  hakrt  f.  Schaf,  bakreskoro  adj.  bakror'ö  m.  demimit.  ba- 
kricö  m.  Lamm,  hakricanö  adj.  Eumun.  bakro  zomb.  bakri  Schaf,  wohl  falsch:  Ziege,  ba- 
krisö  Lamm  buk.  zomb.  bakro.  bakrini  vaill.  96.  98.  bakrisjä  bessar.  bakro.  bakri  gal.  I. 
bakri  taganr.  Ungr.  bakro  m.  Widder,  Schaf  ung.  bakhro.  bakhrico.  baklirano  mas  Schaf- 
fleisch sirm.  bakhro.  bakhri.  bakhrdno  adj.  karp.  bokri  ödenb.  Böhm,  bakro  m.  pl.  -e  Widder. 
bakruro  m.  deminut.  Lamm,  bakri  f.  Schaf,  bakröri  f.  deminut.  Deutsch  bako  lieb,  bakru  Schaf 
waldh.  119.  tvakro,  bakero  beitr.  15.  20.  27.  Poln.  bakro.  bakroro.  bakry  Schaf,  bakrono 
mas  Lammfleisch  na.  152.  156.  161.  ßuss.  bakro  Hammel,  Kalb,  bakrorö  deminut. 
Skand.  bakro.  Bask.  barko,  barkua,  barkico,  barki  baud.  28.  29.  35.  Engl,  bokro,  bö- 
koro  Schaf,  bökoco  Lamm.       Span.  braM  f.       Asiat,  bakdra  pa.  bakra,  backrah  syr. 

Hind.    baki-ä,    bakri   Ziege,    dakh.  bakrä  Schaf,    kurd.  berkh   Lamm  rh.    Pott   2.  83. 

bal. 

Griech.  bal  m.  pl.  -u  Haar,  baloro  m.  deminut.  balalü  adj.  behaart,  bare-baUngoro 
adj.  langhaarig.  bibaUngoro  adj.  haarlos.  Bumun.  bal  m.  Haar,  AVolle  buk.  bal  serb. 
zomb.  bessar.  vaill.  mezz.  bah  vaill.  bai  gal.  I.  bala  pl.  zu  Ungr.  bal  m.  ung. 
kai'p.  ball  born.  87.  zate-balengero  blondhaarig  karp.  Böhm,  bal  m.  baloro  m.  de- 
minut. bibalengero  adj.  haarlos.  Deutsch  ball,  gringi  (wohl  grajengo)  ball  Pferdehaar. 
baleskre  bal  Borsten  beitr.  8.  24.  Poln.  bai'  crinis,  villus  na.  164.  167.  ball  aus  ba^l 
gal.  IL  ßuss.  bald  pl.  Haare,  pibalengiro  adj.  Skand.  bal.  Ital.  Il  bald  Haare 
asc.  138.  Bask.  balla,  bilac  Haare,  bala  Wolle  baud.  30.  34.  Engl,  bal,  pl.  bdlaw. 
bdleno  adj.  haarig.       Asiat,  val.  agori  valos  Pferdehaar  pa. 

Aind.  väla,  vära  Schweif  haar,  pcäli  väla  Kopfhaar,  Schweif  haar.  hind.  bäl  Pott 
2.  419. 

balamo. 

Griech.  balamo  m.  pl.  -e  Grieche,  balamorö  m.  deminut.  balamori  f.  deminut.  bala- 
meskoro  adj.  balamano  adj.  balamanSs  adv.  balamni  f.  Griechinn.  bahhnu  Christ  aeg.,  sonst 
kutttr  Grieche,  Christ  pa. 

Das  allerdings  nicht  ganz  zweifellose  Vorkommen  des  baldmu  in  Aegypten  wilrde  den 
nichtslavischen  Ursprung  dieses  dunklen  Wortes  beweisen  asc.  5.  Yergl.  balam  bei  Kamus 
Name  einer  Stadt  im  Lande  Eüm. 

balo. 

Griech.  balö  m.  bali  f.  Schwein,  baloro  m.  deminut.  balicö  m.  deminut.  Schwein, 
Wildschwein,  balengoro  adj. ;  m.  Schweinehirt.  ßumun.  balö,  ball,  balisö  Ferkel,  baliäoro. 
balisi  f.  buk.  balo.  balano  adj.  Schweine-,  baliso  zomb.  balo.  ball,  balisl  vaill.  89.  96.  97. 
balimas  Speck  97.  bali  bessar.  balö  gal.  I.  balevds  gal.  I.  balavds  zu.  Ungr.  balo  m. 
ung.  bälo  born.  87.  balo  ml.  174.  baloro  m.  deminut.  ung.  balicö,  balichö  m.  deminut. 
ung.  bälicho  born.  87.  90.  balano  adj.  balano  käst  der  Baum  der  Schweine,  die  Eiche 
ung.  balano  mas  horii.  110.  balovasS'peck  ung.  bdlovas  ro.1.  l'db.  bolevas  hörn.  Hl.  balo.  baldno 
adj.  baUkano  ^?^as  Schweinefleisch  sirm.  balo.  baloro.  bdli.  6o/eva5 karp.  balemas  bdienh.     Böhm. 


■inA  FeANZ  MiKLOSICU. 

bälo  m.  pl.  -e.  bälöro  m.  tleminut.  bäli  f.  hälori  f.  demiiuit.  haldiio  adj.  baleja  m.  Sau- 
magen:  ist  richtig  ein  sing.  voc. :  du  Sau!  balevas,  pl.  -vasa  75.  Deutsch  halv.  baleno 
adj.  lieb.  balo.  balici.  baleskre  bal  Borsten,  bälevas  Speck  beitr.  8.  27.  28.  30.  Poln. 
po-A/  na.  165.  2^'''-'b^o  porcus  165.  bahvas  164.  5a/fc»i  gal,  II.  Russ.  bahjco  Schwein, 
Schweintleisch.  balovds  Speck,  Schinken.  Finn.  balichno  Schwein  Bugge  148.  Skand. 
balo.  balivas,  ballevas  Speck,  Schweinefleisch.  Bask.  balico,  balecua  Schwein,  balebas, 
balabasa,  balabara  Speck  band.  30.  34.  Engl,  bäulo.  baühsko  mas.  bälovds.  Span. 
ball,  balici  f.  balice.  balicön  m. 

Aind.  bäla  junges  Thier.  hind.   bhäl,  bhälü  bear  Pott  2.  420. 

balval. 

Griech.  balval,  palvdl  f.,  pl.  -Id,  -Id,  Wind,  palvalengoro  adj.  windig,  palvalengere  pl. 
Bohnen.  ßumun.  balvdl  m.  buk.  mezz.  zomb.  välval  Nordwind  bessar.  bessar.  II.  vdlval 
bari  Sturm  bessar.  Ungr.  balval  m.  ung.  i  balval  born.  87.  bälval  m.  balvälo  adj. 
windig  sirm.  balval.  e  bavlal  karp.  Böhm,  barval  f.,  pl.  -a,  barvalöri  f.  deminut. 
Deutsch  joäTOMZ  lieb,  baleval  beitr.  35.  Poln.  balvai  na.  167.  bahan  gal.  II.  ßuss. 
balvdl.  balvalori  deminut.  Ital.  braväl.  Engl,  bdval.  mandijs  bdvol  mein  Athem  lel.  248. 
Span,  barbal,  barban  m.  Wind,  Luft,    barbalö  adj.  luftig,    bahrri  f.    ventosidad.    barbanar 

vb.  airear. 

Aind.  väta.  hind.  väö,  bäö,  bäd.  sindh.  väu.  kurd.  bä  rh.  Balvdl  ist  durch  Re- 
duplication  aus  dem  dem  aind.  väta  entsprechenden  val  hervorgegangen:  vergl.  zig. 
bulbiU,  vulvül  neben  bul,  viil;  khelel  neben  khel. 

bar. 

Griech.  barm.  Stein,  parnebar^l.  Diamanten,  barorö  n\.  deminut.  baritU^l.  -Ta  deminut. 
bareskoro  adj.  steinern:  bareskoro  ker;  m.  Steinschneider,  baranv  adj.  steinig.  Eumun. 
bar.  ol  avlind  sas  barßskü  die  Schlösser  waren  versteinert  buk.  bar  serb.  Stein,  Fels 
bessar.  II.  bar,  bhar  Stein,  Fels,  Hügel  vaill.  97.  98.  bar  barö  Fels  bessar.  bar  Stein, 
Mauer  gal.  I.  delo  (d.  i.  del  o)  bar  es  hagelt  siebenb.  Ungr.  bar  m.,  pl.  -a,  Stein  ung. 
bär,  pl.  bära,  born.  87.  baröru  m.  deminut.  bar  ml.  175.  sa  bdra  alle  Steine  177.  bar 
Stein,  Eis  sirm.  bär  Stein,  Höhle,  im  Gegensatz  zu  bär  Garten,  bartmo  adj.  steinern  karp. 
Bölim.  bar  m.  bäröro  m.  deminut.  barüno  adj.  Deutsch  parr  lieb.  6an',  öarre  Fels,  Stein 
beitr.  12.  30.  bar  waldh.  120.  Poln.  bar  na  157.  gal.  II:  barra  Handmühle  na.  168. 
ist  der  pl.  von  bar.  Russ.  bar.  Skand.  bar.  bareske  alako  der  steinerne  Alako.  bar  Mark. 
Ital.  ll  bar  Steine,  baresk  Steinmetz  asc.  136.  Bask.  bar  Stein,  bara  Fels,  larra  Ziegel 
baud.  37.  38.  39.  Engl.  bar.  Span.  bar.  bur  Berg.  6arr/a  eine  Unze  Goldes  in  der  spa- 
nischen Gaunersprache.  Borrow,  The  Zincali  2.  148.     Asiat,  bar  Stein  syr.  ivat  syr.  vat  pa. 

Kurd.  bar  rh.  ber  Lerch  156.  Pott  2.  409.  410. 

baravalo- 

Griech.  baravalö,  barvalo  adj.  reich,  baravallpe  m.  Keichthum.  baravdhvava  vb.  reich 
werden,  baravalikanö  adj.  ziemlich  reich,  vornehm,  ngr.  äp/ov-o-J-C^oc     Rumun.  barvalö  adj. 


Über  die  Mundaetes  und  die  Wandekungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  175 

l)iik.  serb.  varval  vaill.  8U.  133.  bärvaJo  mezz.  harvalimos  lleiclithum  zomb.  harvaUpi  buk. 
Ungr.  barvälo  adj.  ung.  hdrvälo  ml.  15G.  166.  179.  barvalipe  m.  ung.  bdrvalipe  ml.  155. 
barvdlo  sirm.  hhdrvalo.  bharvalipen  karp.  barvdlu  ödenb.  Böhm,  barvälo  adj.  barvalipen  m. 
harvaTärav  vb.  bereichern,  barvalövav  vb.  reich  werden.  Deutsch  barvelo  lieb,  beitr.  22. 
Russ.  barvalu  adj.  ^e  barvaUs  reich  werden.  Skand.  hai-valo  i-eich,  mächtig,  barvalipd. 
Engl,  bdrvalo.  bdrvalopen.  Span,  balbalö.  balbalipen. 
Vergl.  aind.  bala  Macht  Pott  2.  416. 

bari. 

Griech.  bdri,  pari  f.  Zaun,  Garten.  ßumun.  i  bar  bessar.  6a?'  zomb.  bar,  i  bhar 
vaill.  73.  83.  97.  bdre  zu.  bar,  baf  Zaun,  mit  erweichtem  r,  russ.  rt,  buk.  Ungr.  bar 
barori  deminut.  karp.  bar  f.  pl.  barja  Zaun,  Garten  ung.  i  bär  pl.  barja.  born.  86.  87. 
i  bär  ml.  176.  barori  f.  deminut.  ung.  bäröro  m.  deminut.  born.  87.  90.  121,  wofür  man 
bäröri  erwartet,  barjengero  m.  Gärtner  87.  90.  bar  Garten,  bdrar  Gärtner  sii'm.  Böhm. 
bär  f.  pl.  bära.  barori  f.  deminut.  star  bärora  vier  Zäune  78.  Deutsch  bär  lieb,  baar 
beitr.  36.        Poln.  bor  Garten  na.  160.        Engl.  bor.  borengri  Zaunpfahl. 

Hind.  bär  Hecke  Pott  2.  410. 

baro. 

Griech.  baro  adj.  gross,  vornehm,  bareder  comparat.  o  po  bareder  der  ßeichste.  ha- 
ribö  m.  Grösse,  Vornehmheit,  barjardva  vb.  gross  machen,  bdrjovava  vb.  gross  werden, 
wachsen,  bare-kareskoro  adj.  einen  grossen  penis  habend.  barS-pereskoro  adj.  dickbauchig. 
Rumun.  bharo  gross,  alt,  hoch,  bhaript  m.  Majestät:  rumun.  m'Bria.  bharjar  vb.  gross 
ziehen,  bkarjov  vb.  gross  werden :  partic.  bharilo  buk.  barar  vb.  erzeugen,  erziehen. 
baruv  \h.  wachsen:  partic.  barilo  zomb.  bay^o  vaill.  62.  97.  barosaro  vb.  rühmen  97.  barel 
(aus  barjovel)  vb.  wachsen  78.  barö  bessar.  gal.  I.  mezz.  bareder  zu.  barjon  (aus  barjo- 
ven)  sie  wachsen  zu.  Ungr.  baro  ung.  bäro  born.  95.  100.  baro  ml.  177.  189.  204. 
bareder  compai'at.  176.  bhareder.  naj  bhareder  karp.  bare  sehr  born.  118.  bares  adv.  sehr 
aus  Ung.  328.  baripje  m.  Grösse  ung.  bäripe  born.  87.  90.  bardrel  vb.  vergrössern  ung. 
rna  barar  tut  sei  nicht  stolz  karp.  barjarä  vb.  born.  106.  107.  bardJel  vb.  prahlen  ung. 
baralav  vb.  born.  106.  107.  barjovel,  barovel  vb.  gross  werden,  wachsen  ung.  o  kas  barilo  der 
Baum  wächst,  richtig  crevit.  barikdno  adj.  stolz  sirm.  and  e  bhdri  läc  in  grosser  Schande  karp. 
Böhm.  6«ro.  bareder.  naj  bareder.  6äresadv.  sehr.  6ärofawvb.  grösser  werden,  wachsen:  barvolvn. 
Wuchs,  eig.  wohl :  er  wächst,  für  barjovel.  Deutsch  baro  gross,  vornehm  lieb,  baro  gross, 
lang,  bare  rej  Obrigkeit,  barder  (d.  i.  bareder)  rasej  Abt,  eig.  Oberpriester,  baremoskro 
Prahler,  eig.  Grossmaul,  beitr.  5.  15.  20.  24.  25.  Poln.  baro  vornehm  na.  161.  baryolau 
(für  barjovati)  vb.  wachsen,  bareskirava  man\h.  prahlen  153. 163,  eig.  ich  mache  mich  gross. 
baro  hoch  gal.  II.  Russ.  barö  gross,  bari  ditma  grosse  Gedanken,  bari  tausend,  te  ba- 
ryov  vb.  wachsen,  ubarhja  es  ist  gut  gerathen  (ti  ist  das  slav.  Praefix  u)  aus  tibariTa. 
Skand.  baro.  Bask.  baro.  p)anino  barua.^  pani  barro  Meer,  eig.  grosses  AVasser.  baro  daju 
Richter,  eig.  grosser  Herr,  bala  daja  I\.ömg :  mit  dem  vorhergehenden  Ausdruck  identisch. 
balo  laja  Stadt  baud.  31.  33.  34.  38.  39.  Engl,  baiit'o  gross,  bauroddr  comparat.  Span. 
barö,  bare  adj.  gross,  baribustre  adj.  viel,  buribustri  f.  baribustripen  m.  Fülle,  barader 
Obrigkeit,     balolakro  m.  Intendant:    eig.    wol    bar6  raklö  Oberknecht,     nebaro  adj.   klein. 


270  FhaNZ  MiKLOSICH. 

harikimtus   Haupt    einer    Zigeunerbande:     kuntus    ist    sp.    conde    oder    it.    conte.     haripapi 
Grossmutter:  pap/  ist  das  fem.  von  papus.       Asiat,  hurro  gross  syr. 

Aind.  vadra.  präkr.  vadda.  sindh.  vado  gross  tr.  IG.  liind.  barä  gross,  barhnä 
gross   werden,     barhänä  gross  machen  Pott  2.  411. 

bas. 

Griecii.  hasdva  vb.,  partic.  hustö,  schreien,  bellen,  rufen,  singen,  hasavdva  vb.  schreien 
lassen,  ein  Instrument  spielen,  basavdö  m.  Imam,  Muezzin,  basavdf  f.  Minaret,  Musik, 
Gesang,  Tanz,  basnö.  hasnö  m.  Hahn,  hasnö  m.  Vogel  565.  basneskoro,  basnengoro  adj.  mem.  173. 
RuiULin.  bas  vb.  schallen,  klappern,  krähen,  bellen:  praes.  basüa,  basü.  praet.  sg.  III. 
baslöü.  basav  vb.  klirren:  impf,  basavelas.  baznö  Hahn  buk.  basnö  serb.  basavo  vb.  bellen. 
hasaldi  (basavdi)  Musik  vaill.  81.  97.  basnö  zomb.  bessar.  II.  gal.  I.  masnö  zu.  basnA 
bessar.  basaUl  (basavel)  Blaseinstrument,  richtig :  er  spielt  ein  solches  serb.  Ungr.  basavel 
vb.  spielen,  musicieren,  geigen  ung.  karp.  basavipe  m.  Spiel,  Musik  ung.  basaviben  karj). 
basau  vb.  bellen,  basel  o  del  es  donnert,  basalel  (basavü)  es  kracht,  basaldi  Flinte  sirm. 
Böhm,  basavav  vb.  spielen,  basaviben  m.  Spiel,  basovav  vb.  bellen,  basno  m.,  pl.  -e,  Hahn. 
basneskero  adj.  basneskero  gilaviben  der  Hahnenruf  62.  Deutsch  basäva  vb.  bellen,  pdsno^ 
p((sJo  Hahn.  Vergl.  pvssin  Hahn  lieb,  basopen  Klang  beitr.  19.  pasemaskru  Spielleute,  eig. 
Spielmann,  waldh.  119.  Vergl.  so  pas  cha  sia  reden,  eig.  wohl  so  basesaf  was  redest 
da?  118.  Poln.  basal  (basau J  vb.  spielen,  based'e  bellen:  dunkel,  kasno  falsch  für  bamo 
Hahn  na.  156.  157.  166.  Russ.  te  bases  vb.  bellen,  blöken,  basady  Guitarre.  Skand. 
6asft  vb.  spielen.  Ital.  &as«f«^;  vb.  spielen,  basvani  ^hisitk.  basadöJJh.v  asc.  133.  150.  153. 
Engl,  bos  vb.  bellen,  geigen,  bömo  Hahn.  Span,  basnö  m.  Halm,  bachani  f.  Guitarre.  ^^a- 
chandia,  Flöte. 

Aind.  bhäs.  päli  bhäs  sprechen,  bind,  bhäkhä  Rede  Pott  2.  426.  Für  aind.  bh 
erwartet  man  zig.  j-?//. 

belani. 

Griech.  beldni,  beldi  f.,  pl.  -jd,  Trog,  belandkoro  m.  der  Tröge  macht,  bdlani  628. 
Rumun.  balaje  buk.  balaji  zomb.  balai  gal.  I.  Ungr.  bdlai  sirm.  Böhm,  balan^  pl. 
Mulde. 

bell. 

Griech.  beli  f.  der  hintere  Pfeiler  des  Zeltes.        Rumun.  bell  f.  Säule. 


ben. 

Griech.  bendva  vb.,  partic.  bendö,  gebären,  praet.  bendds,  biendds.  ben  f.  Gebären. 
bend'ardva  vb.  bei  der  Entbindung  Hilfe  leisten,  benduvava,  bendovava  vb.  geboren  werden: 
bendilu  tar  o  kam  die  Sonne  ist  aufgegangen :  serb.  rodilo  se  sunce.  Rumun.  benel  vb. 
gebären,  voj  benjd  (aus  benda)  sie  gebar:  falsch  me  benelem  ich  gebäre  zu.  bijaii  vb.,  partic. 
bijandö,  gebären,  o  käst  bijanel  lugume.  o  bijandö  käst.  pass.  bijandov  vb.;  bijdndon  ver- 
mehret euch,  bijandilu,  bijandiles  er  ward  geboren  zomb.  Ungr.  bijandilo  sinn,  bijanohos 
parerem  klaus.       Engl,  blno  geboren. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  177 

Bijan,  woraus  bjaji,  ben,  scheint  auf  aind,  vjäni  (vi  ä  ni)  zu  beruhen  und  eig.  edu- 
cere,  producere  zu  bedeuten.  Griech.  bidva  vb.  gebaren,  (Eier)  legen  und  hind,  bjanä 
vb.  fohlen,  kalben  Pott  2.  88.  ist  von  bijan  verschieden. 

beng. 

Griech.  beng  m.  Teufel:  asiat.  sejtan.  bengoro  m.  deminut.  hengipe  m.  Teufelei,  beii- 
galö,  bendalo  adj.  teuflisch,  bengulano  adj.  teuflisch.  Kumun.  beng,  pl.  beng,  buk.  beiui 
vaill.  bessar.  gal.  I.  byng  zu.  angus  byngamo  belemnites,  eig.  wohl  Teufelsfinger,  zu.  Ungr. 
bengo  m.  ung.  beng  ml.  154.  179.  b^Mgo  153.  9.  bjeng  der  Böse,  Teufel  born.  87.  benglpe 
m.  Schlechtigkeit  ung.  bjengipe  born.  87.  120.  bengälo  adj.  ung.  bjengalo  born.  100.  ben- 
goro m.  deminut.  ung.  Böhm,  beng  m.,  pl.  -a.  bengipen  m.  Hölle.  Deutsch  beng 
Drache,  Teufel,  bengvälo  adj.  lieb,  beng  Drache,  Teufel  beitr.  10.  31.  Poln.  beng  Dämon 
na.  154.  bynk  gal.  II.  Kuss.  beng.  bengloro  deminut.  bengly  teuflisches  Weib  boe.  23.  265. 
Finn.  bang  Bugge  147.  Skand.  beng.  sastra-beng  ,selve  fanden',  bengesta  Teufelsstadt. 
benga  vb.  fluchen,  bengalo  adj.  besessen.  Bask.  beka  baud.  31.  Engl.  beng.  Span. 
benge  m.  Drache,  bengt  Teufel,  denge  m.  diantre.  bengocM  f.  Basilisk,  bengorre,  bengorro 
m,  Dämon,  bengistano  m.  Hölle. 

Vergl.  aind.  päli  bheka  Frosch,  kurd.   baq  Lerch   153.  mazand.  vek  Pott  2.  407. 

berand. 

Griech.  berand,  berdndi,  pl.  -dja,  die  horizontale  Stange  der  Zeltdecke.       Rumun.  ha- 
rand  6pieu,  epaule  vaill.  97.        Span,  barandi,   varandia  f.  Rücken,  Schulter. 
Pott  2.   7G.  429. 

bero. 

Griech.  bero  m.  Schiff,  Galeere.  beresko7'o  adj.;  m.  Seemann.  Rumun.  be^nl  Fahr- 
zeug bessar.  bertt  Boot  bessar.  II.  barai  bäteau,  vase,  alveole  vaill.  97.  Deutsch  bero 
beitr.  18.  27.  lieb.  Skand.  6e?T0.  Engl.  be^'O.  berSngro^  beromengi'O  Schiffer.  Span. 
bero,  bere,  berdö  m. 

Sindh.   beri.  avg.  berai  tr.   104.  hind.   bhar,   bhar  grosses  Boot  Pott  2.   89. 

bers. 

Griech.  bers  sed.  bres  nom.  m.  Jahr,  berseskoro  adj.  jährlich,  eftd-bersengoro  adj. : 
pani  eftd-bersengoro  Wasser  auf  sieben  Jahre  606.  Rumun.  bnrs,  pl.  bsrs.  bsrsoro  m.  de- 
minut. bürsm-vsko  adj.  einjährig.  börSmgo  adj.:  end-bdrsingo  neunjährig  buk.  virs.  virsingo  adj. 
äge  vaill.  62.  82.  133.  byrs  bessar.  6ers  zomb.  bsrs,  byrs  raezz.  Ungr.  bers  ung.  born.  87. 
ml.  156.  173.  brs.  brsesko  adj.  jährig  sirm.  6ör.?  (d.  i.  bsrs)  karp.  Böhm,  bers  m.,  pl.  -«. 
bersnno  adj.  jährlich,  bersuküno  adj.  jährig.  Deutsch  bers.  bersüno  adj.  Poln.  bers 
na.  163.  Russ.  bes.  palbes  (pal  ist  russ.  polt)  Halbjahr.  Skand.  bers.  Ital.  bers.  -bar- 
sengere adj.  -jährig  asc.  131.  136.  Bask.  brecha  Jahr,  brecha  kipia  Woche,  brecha  kinua 
Monat,  eig.  kleines  Jahr  baud.  28.  35.  38.  Engl.  bes.  besengro  adj.  ein  Jahr  alt.  Span. 
breche  m.       Asiat,  bers,   vers.  dez  varsei  zelm  Jahre  pa. 

DcckEchriften  der  phil.-hist.  CI.    XXVI.  Bd.  'i'A 


J78  Fkanz  Miklosich. 

Aind.  varSa.    päli  vassa.     sindli.  varelui.    liuid.   baras :    das  Wort  bedeutet  eigentlich 
Regen.  Vergl.  zig.  hrisin  und   Beames   1.   355.  Pott  2.   81. 

bes. 

Griecli.  besdva  vb.,  partic.  hestö,  boM6,  sich  setzen,  sitzen,  wohnen;  bei  den  nom. 
loddva.  gerund,  hesindös.  besipe,  basipe  m.  Sitz  Wohnung,  besavdva  vb.  setzen,  besavdö 
m.  Pilau.  Rumun.  bei  vb, :  besdü,  besö.  praet.  besTum  buk.  b'i'srl  d.  i.  bdsd  sedet  zomb. 
bcsao  vb.  vaill.  me  besau  ich  wohne  mezz.  bysav,  besel,  bas'd.  impt.  bys.  gerund,  besdunde. 
besimd  Nest  zu.  beSri  Sessel  serb.  Ungr.  besel  vb.  sitzen,  Avohnen  ung.  besel  er  sitzt  ml.  195. 
impt.  bes  174.  191.  195.  besä?'  vb. :  besarda  er  liess  sich  setzen  176.  12.  besle  habi- 
tarunt  klaus.  Böhm,  besav  vb.  sich  setzen,  sitzen,  gerund,  besindos.  beste  sie  setzen  sich. 
besio  liegend :  som  besto  ich  liege.  Deutsch  besäva  vb.  Poln.  bei  für  bes.  besybe  Kerker 
na.  164.  166.  besava  gal.  II.  Russ.  te  beses.  praet.  besendöyn  23.  Skand.  besä  vb.  sitzen, 
stehen ;  setzen,  stellen,  besä  uppri.  Engl,  bes  vb.  bcMo,  bösto  Sattel,  besolden  Sitzung,  beso- 
mengro  Sitz.  Span,  bechelar  vb.  declinar,  sentar.  bestar,  bestelar  vb.  setzen.  besH  f.  Sitz. 
bestipe,  bestijJen  m.  Reichthum.  bestale,  bestele  m.  Bank,  bestelelar  vb.  bleiben.  Asiat,  ve- 
Äame  ich  setze  mich,  partic.  vesti,  vezti.  vesürom  je  suis  rest6  pa.  576. 

Aind.  \\k  intrare.  upa-  considere.  ni-  causat.  facio  ut  quis  considat,   habitet.  upavista 
sedens.  hind.  basnä  wohnen,  basänä  stellen  Pott  2.  427. 


bezeh. 

Griech.  bezeh  m.,  pl.  bez^ha,  Sünde,  Schade,  Erbarmen,  keres  bezeh  te  romndte  du  be- 
trübst deine  Frau.  Rumun.  bezech,  pl.  bezechd,  bezecha.  amdre  bezecha  unsere  Schulden:  im 
Vaterunser,  bezech  le  grastestar  Schade  um  das  Pferd  buk.  bezech,  pl.  bezecha.  bezechalo  adj. 
sündhaft;  m.  Sünder  zomb.  bezaa  serb.   bezgch,  d.  i.  bezsch,  Sünde  gal.  I.       Ungr.  bezdh  sinn. 

Pers.  bazah.  türk.  beze  Schade,  Sünde, 

bi. 

Griech.  bi  praep.  ohne,  mit  dem  instr. :  bi  indndza  ohne  mich,  bi  amendza  ohne 
uns.  bi  f/tsa  ohne  dich,  bi  tumendia  ohne  euch,  bi  e  Dimetrdsa,  bi  e  Maridsa.  partik. 
bizoralö  adj.  kraftlos;  ebenso  bimdngoro,  biamengoro  adj.  ohne  mich,  ohne  ims,  als  Attri- 
bute; ferner  besereskoro  adj.  kopflos:  lauter  Composita.  Yergl.  Gramm,  der  slav.  Sprachen  2. 
402.  Rumun.  bilacipe  das  Böse,  bioleskero  adj.  ohne  ihn  serb.  bi-mors-jakh5)igp  aus  meinen 
Augen,  bisornngo  adj.  bartlos,  bi-le-zdjdko  ohne  den  Sattel,  bitirö  ohne  dich,  bisekadö  wild, 
ungezähmt.  Man  merke  vi  in  vimidö  unsterblich :  vimidö  pai  das  lebenmachende  Wasser 
buk.  bi  vaill.  98.  Ungr.  praep.  mit  dem  acc. :  bi  o  gra,  bi  i  stadik  ohne  Pferd,  ohne 
Hut  born.  bisukarimaskro  adj.  unschön  klaus,  99.  Böhm,  praep,  mit  dem  abl, :  bi  maii- 
dar  ohne  mich,  partik.:  bilaco  adj.  schlecht,  bibacht  Unglück.  Deutsch  bi:  bijakkingro 
blind,  eig.  ohne  Augen,  bipatzeno  Aberglaube,  eig.  Unglaube,  beitr.  5.  8.  Poln.  by-o-cy- 
bakjero  adj.  ohne  Zunge  na.  152.  Russ.  bi  partik.:  boe.  23.  Ital.  bi  romri  ohne 
Frau,  bi  ta  olme  dass  asc.  146.  147.  Span,  bi  praep.  Asiat,  ve-dat  ohne  Geschmack. 
ve-lon  ohne  Salz  pa. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa-s.  vii.  179 

Aind.  vi.    bind.  avg.  be.    kurd.  he,  bi  ohne,    bepesin    atemlos  rh.   he  Lercli   155.    Pott 

1.  23;   2.  87. 

biav. 

Griecli.  hiäv,  hav,  pidv  m.  Heiratli,  Hochzeit.  ßumun.  aheü  m.  Hochzeit  buk.  ah- 
jdw  serb.  ahev  zomb.  Ungr.  hiav,  piav  m.  ung.  hijav  ml.  156.  hijcm,  hijav  karp.  hidv  ödeiib. 
Vergl.  hiavel  sich  paaren  ung.  Böhm,  hijav  m.  hijaveskeru  m.  Hochzeitsgast.  Deutsch  biave 
Heirath  beitr.  IG.  pidv  Hochzeit,  piaviskero  Bräutigam,  piaviskrica  Braut.  Vergl.  puijdva 
sich  begatten  lieb.  Poln,  hiau,  Hochzeit,  Gastmahl  na.  167.  Russ.  bjav.  Skand. 
blavi  Hochzeit.  Vergl.   bi/ja  vb.  beschlafen.       Ital.  biav  m. 

Hind.    bjäh    aus    aind.    viväha    Heimführung    der   Braut,    Hochzeit,     bjähnä  vb.  Pott 

2.  87. 

biaveli. 

Griech.  hiaveli  adv.  Abends:  Gegensatz  von  rdno.  biavelov  vb.  dunkeln:  biavelilo 
tar  0  devel  po  dives  unrichtig :  dieu  fait  obscurcir  son  jour ;  hiavelüo  tar  o  devel  ist :  le 
ciel  s'est  obscurci,  po  dives  passt  dann  freilich  nicht,  hiaveldkoro  adj.  abendlich.  Deutsch 
brevul  Abend.       Skand.  hervel,  helvel,  hellven  Abend. 

Pott  2.  418. 

bibi. 

Griech.  h'tbi,  hiho  f.  Tante.  Eumun.  hibi  zomb.  Ungr.  hibi  serb.  Böhm.  hihi, 
hihöri  deminut.  Deutsch  hibi,  pippi.  Russ.  Mho.  Ital.  hebt  asc.  loO.  Engl.  hihi. 
Asiat,  hihio  pa.  651. 

Hind.  bibl  Pott  2.  405. 

bicavav. 

Griech.  hicavdva,  picavdva  vb.,  partic.  hicavdö,  schicken.  Kumun.  hisav  vb. :  hisaldes 
misit  zomb.  Ungr.  hichavel  vb.  ung.  bichavd  born.  106.  htchaa  ich  schicke  ml.  202. 
impt.  biehav  155.  praet.  hichadom  154.  impt.  bichal,  buchcd  sirm.  Böhm,  bicavav  vb. 
Deutsch  bicäva,  biceväva.  Poln.  hiezava  für  hicava  na.  1()2.  Russ.  te  bicaves  vb.  Ital. 
bucaväva  asc.   136.       Engl,  bicer  vb.        Span,  hicabar,  bicabelar  vb. 

Vergl.  hind.  bißhtlnä  to  diifuse,  to  spread  und  bhcdznä  to  transmit,  dem  nach  Beames 
1.  206.  328.  aind.  bhedaja  trennen  zu  Grunde  liegt  Pott  2.  401.  Ztschrft.  XVII.   244. 

bikin. 

Griech.  bikndva  vb.,  partic.  hikindu,  verkaufen,  gerund,  hikenindus.  impt.  bikin.  bikne. 
bikendovava  vb.  verkauft  werden.  Rumun.  praes.  hitindü,  hifinö.  impf,  bitinlas.  praet. 
bitindöm  buk.  hikinao  vb.  1)ikina  vente,  achat  vaill.  Ungr.  Jnknel  vb.  ung.  bikend^  bikinä, 
biknd  born.  86.  106.  107.  impt.  bikne  ml.  154.  praet.  hikinda  172.  biknehgero  m.  Händlei- 
ung.  biknipe  m.  Verkauf  ung.  impt.  hicin  sirm.  Böhm,  hikenav  vb.  biknihen  m.  Ver- 
kauf, bikenipnaskero  m.  Kaufmann.  Deutscli  hikinäva  vb.  Poln.  biknava  vb.  na.  163. 
Russ,  te  hikms  vb.  Skand.  bikna  vb.  biknipa  Verkauf,  hiknat,  mit  schwedischem  Suffix, 
verkauft.  Ital.  hikendv  asc.  132.  Engl,  hikin  vb.  Span,  hinar,  hinelar,  hisnar  vb.  bisva 
f.  Verkauf.       Asiat,  vuknim  pa. 

23* 


180  FhaNZ  MiKLOSU'H. 

Aind.  viki'i  verkaufen:  kri  (krinäti,  krinite)  kaufen,  päli  vikkinäti,  sindh.  vikinanu 
verkaufen  tr,  253.  278.  vikanu  verkauft  werden  52.  liind.  kinna  kaufen  Pott  2.  87.  Verarl. 
zig.  kin  kaufen. 

bil. 

Griech.  hi/-:  hilano  adj.  geschmolzen,  hilanov  vb.  schmelzen  intr.  Rumun.  hilav 
vb. :  hilavel  er  schmelzt,  hiladov  vb.  aus  hilavdov  in  bjeldjToü  aus  hilavdiToü  er  schmolz  buk. 
baläjles  zomb,  für  hiläjles.  Ungr.  hilavel  vb.  Für  hilal  in :  vosko  p'  o  kham  bilal  das 
AVachs  schmilzt  an  der  Sonne  sinn,  erwartet  man  ein  pass.  Form :  hilal  kann  nicht  ftir 
*  hiJ'ovel  stehen. 

Bil  ist  vielleicht  das  aind.  vi-li :  *hilava  beruht  auf  einem  aind.  *vilajämi. 

bistr. 

Griech.  histrdva  vb.,  pai'tic.  histo'du,  vergessen.  Rumun.  hist5r  vb.  praet.  bistsrdom  buk. 
bistrav  vb.  histardov  vb.  pass.  praet.  histardileiii  zomb.  Ungr.  pohisterel  vb.  ung.  pöbisterda  ml. 
199.  202 :  ^:»o  ist  das  slav,  Praefix  po.  histrel,  histardem  sirm.  Böhm,  pobisterav  vb. 
Deutsch  bisterava^  hiserava  vb.     Russ.  te  zabistyres,  te  zahistyrdes  vb. :  za  ist  das  slav,  Praefix  za. 

Aind.  vismr:  vismarati.  päli  vissarati.  sindh.  visäranu.  bistvr'wa  beruht  auf  *visarämi, 
'''  visi'ämi :  t  ist  zwischen  s  und  r  eingesclialtet. 

bis. 

Griech.  bis^  bis  numer.  zwanzig,  bisenyoro  m.  Zwanziger.  Rumun.  bis  bessar.  buk. 
gal.  I.  zu.  bisjek  einundzwanzig  zu.  bisd-bürSsngo  adj.  zwanzigjährig  buk.  bes  vaill.  mezz. 
Ungr.  bis  ung.  bisvar  zwanzigmahl  ung.  bisujeg  born,  105.  bistajeg  mündl.  Mmtrhi.  bis- 
usiär,  hisupänc  ml.  152.  17G.  204.  hisinger  m.  Zwanziger  ung.  bisto  zwanzigster  ung. 
Böhm.  5/#.  bisvar.  bisthejek.  hise7igero  ndj.  bisto.  Deutsch  bis.  Poln.  bis  na.  154.  gal.  II. 
Russ.  bis.  Ital.  bis  asc.  132.  Engl.  bis.  Span.  bin.  Asiat,  bist,  vist.  vist  ek  ein- 
undzwanzig, turrum  vist  dreimal  zwanzig,  turntm  vist  das  siebzig  syr. 

Aind.  visati.  ]iäli  vIsati.  hind.  bis.  sindh.  vlh.  pandz.  bih.  avg.  sil  aus  (vi):5ati  tr. 
125.  Pott  1.  215;  2.   88. 

bobi. 

Griech.    böbi,    bupi    m.,    ]d.    bobja ,    Bohne,     bohola  pl.    deminut.        Rumun.    hob    pois, 

feve.     hobi  grain,    graine  vaill.  98.        Ungr.  bobo   m.    Hülsenfrucht,    Kukuriyz    img.    sirm. 

Deutsch    hoho.       Bask.    hobi   Bolme    baud.    32.        Engl.    Indi,    böbi  Erbse.       Span,  bobi   f. 

Bohne  haba,  bobani  f.  Habana. 

Slav.  bob. 

bokh. 

Griech.  hok  f.  Hunger,  hokalö  adj.  hungrig.  bokdTovava  vb.  hungrig  sein.  Rumun. 
hok  f.  hokhäfar  abl.  hokhalo.  bokhaVov  vb.  liungrig  werden  buk.  hokhalö  zomb.  hok  vaill. 
Ungr.  hokh  ung.  hokhatar  aus  Hunger  aus  Ung.  330.  hokhalo  adj.  ung.  karp.  hokhalo  adj. 
born.  100.  bokhajovel  vb.  hungern  ung.  au«  -l'ov.  hokhalo  adj.  ml.  164.  189.  bokhäjovahi 
184.  12.  hokhalo  sirm.  hokh.  hokhalö  karp,  hokh  f.  ödenb.  hok  klaus.       Böhm,  hokh  f.,  pl.  -a. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa'S.  vii.  181 

bokhälo  adj.  Deutsch  buk.  Poln.  bokh  na.  155.  hokho  hungrig  na  155.  biikelisom  Hunger 
gal.  II.,  richtig:  ich  bin  hungrig.  Russ.  bokhd  Hunger,  bokhalö  adj.  te  hokhales  vb. 
hungern.  Finn.  bokk  gae.  Skand.  bokka  vb.  bokk,  bokkipä  Hunger,  hokkalö  adj.  Bask. 
hokali  asa  ich  bin  hungrig  band.  32.  EngL  bok,  hökaJo.  Span,  lioki  f.  boke  m.  hokinö 
adj.       Asiat,  bkäla  adj.  syr.  Pott. 

Aind.  bubhuksa  Esslust,  päli  bubhukkli  hungern,  liind.  bhükli  f.  bhükhä  adj. 
Pott  2.   396. 

bokoli. 

Griech.  bokoli  f.  Brod,  Weissbrod.  Rumun.  bokoli  Honigkuchen  buk.  Ungr.  h(- 
keli  aus  Ung.  330.  bok^ri  f.  ung.  Böhm,  bokoli  f.  Semmel,  Buchtel,  bokolöri  f.  deminut. 
churde  bokohra  mürbe  Buchteln  71. 

bol. 

Griech.  boldva  vb.,  partic.  boldö,  bolno,  eintauchen,  taufen,  bolipe  m.  Taufe,  bolavdva 
vb,  taufen  lassen,  boldovava  vb.  eingetaucht,  getauft  werden,  biholdö,  biholno,  hiholavdo 
adj.  ungetauft.  Rumun.  bol  vb.  eintunken  zomb.  boles  du  taufst,  praet.  holdöü^  holdds. 
holdov  vb.  getauft  werden  buk.  Ungi'.  bolel  vb.  eintauchen,  biboldo  m.  biboldi  f.  Jude, 
Jüdinn  ung.  biboldo  karp.  Böhm,  bolav  vb.  eintauchen,  taufen,  biboldo  m.,  pl.  -e,  Jude, 
Kapaun,  biboldi  f.  Jüdinn.  biboldüno  adj.  jüdisch.  Deutsch  hipoldo  m.  bipoldica  f.  lieb. 
boldo  Taufe  beitr.   31.       Skand.  bolld  vb.  taufen,  hollijxt  Taufe. 

Hind.  börnä  eintauchen  Pott  2.  422. 


bolav. 

Griech.  bolavdva  vb.  reflexiv:  sich  drehen  (im  Tanze),  bolaipe  m.  Drehung,  böldava 
vb.,  partic.  boldino^  drehen,  boldinö  m.  Steuerruder,  Mühle,  eig.  das  sich  drehende,  bol- 
dini  f.  Erdbohrer.  Rumun.  impt.  bohl  drehe  zomb.  reflexiv:  umkehren,  zurückkehren, 
praes,  boldes  tu.  praet.  holdds  2)e.  boldinö  adj.  ki-aus  buk.  ti  rinholdas  tordre  double 
vaill.  87.  Ungr.  boldinö  adj.  dankbar,  eig.  koji  vraca;  subst.  Gurke  sirm.  Böhm,  bolipen 
m.  Welt.  Deutsch  pölöpenn  Himmel  lieb,  holopen  Welt  beitr,  16.  35.  Poln,  bolyhen 
na,   160.       Russ,  holyhe  Himmel,  Wolken,  holyhndskiro  adj.  himmlisch. 

Pott  2.  423. 

bori. 

Griech.  bori  f.  Braut,  junge  Frau,  Schwiegertochter:  vergl,  bord  620.  hori 
Marder:  vergl.  ngriech.  ^o\i.'^izCrj.^  vo(pl-Cr/.  it.  donnola,  borori  f.  deminut.  Rumun.  buri 
Schwiegertochter  buk.  horija  serb.  lakre  d»ij  hora  eins  (f.)  duae  nurus.  i^hendas  peskre  do 
burange  dixit  suis  duabus  nuribus  klaus,  Ungr.  bori  sirm.  Poln.  bori  des  Bruders  Frau 
na,  153.  Ital,  buro  m.  Bräutigam,  huri  f.  Schwiegertochter,  eig.  Braut  asc.  134.  137. 
Russ.  bori  Schwiegertochter.  Finn.  vergl.  sahoria  Prinzessinn  Bugge  149,  der  sa  mit 
russ,  carB  in  Zusammenhang  bringt,       Asiat,  vahri  pa. 

Kurd,  bura  Schwager  rh,  Pott  2.  353. 


182 


Franz  Miklosich. 


bov. 

Griecli.  bov  m.  Ofen,  bovcskuru  adj. ;  m.  Bäcker,  boveskeri  f.  Bäckerinn.  Rumun. 
bofi,  pl.  bovd,  bod,  buk.  böu  bessar.  II.  bo  vailk  98.  bov  gal.  I.  Ungr.  pal  o  böua  liinter 
dem  Ofen  mk  203.  ?'o/  iingh.  bou  sirni.  6ov  karp.  Böhm,  bov  m.,  pk  -a.  Deutsck 
böb  lieb.       Poln.  ?)0?t  na.   1(31.       Russ.  bov.       Skand.  bau.  benrjeske  bau  Hölle. 

Armen,  bow  Schmelzofen  Pott  2.  405. 

bradi. 

Eumun.  bradil^&nna  buk.  c/«?"  braji  (wohl  iracf^;;  «io^  deux  brocs  de  vin  vailk  81.  Ungr. 
brädi  karp.  sirm.  Böhm,  brädi  f.,  pl.  -«.  6rocfori  f.  deminut.  bradencßro  m.  Fassbinder. 
Poln.  bradi  gal.  III. 

brek. 

Griech.  brek  m.  Busen:  asiat.  guc.  Rumun.  bzrk.  Ungr.  6reÄ-o  m.  Busen,  Brust. 
brekoro  m.  deminut.  ung.  brek  ml.  161.  breköro  m.  deminut.  IGO.  Böhm,  palobrek 
Busen,  richtig:  _paZ'  o  brek  im  Busen.  Russ.  ier^?.  Itak  brek,  breke  Brust.  Ä;'  o  6re^e 
im  Busen  asc.   135.   139.       Engl.  berk. 

Arab.  pers.  berket  arab.  berk  asc.   135. 

brisin. 

Griech.  brisin,  brisinclö,  bursin,  bursindö  m.  Regen,  risin  bdela  es  regnet,  brisindeskoro 
adj.  brisindengoro  adj.  brisindengere  dives  regnerische  Tage.  Rumun.  brssmd,  brss6n.  del 
brsssn  es  regnet  buk.  brisin  vaill.  brysyng  bessar.  brisind^  brysin  zu.  brysind  mezz.  bnj- 
cynd  bessar.  IL  brsindalo  regnerisch  serb.  Ungr.  brisind  m.  ung.  brisin  born.  87.  90. 
brsunddlo  sirm.  brisind  öden  b .  Böhm,  brisind  m.  pl.  -a.  brisindoro  m.  deminut.  Deutsch  brsindo 
lieb,  bresindo  beitr.  26.  falsch:  &r?se«c?o  erregen  11.  Poln.  brySynt  nn.  154.  gal.  IL  Russ. 
6mT??.  Skand.  6r2isa  vb.  br/isipä  Regen.  Bask.  birzindo,  brechindua  Regen  baud.  37. 
Engl,  brisindo,  Usno .  briseno,  bisavo  adj.  brisinSla  es  regnet.  Span,  brichinda,  brichinelia 
f.  brichindar  vb.  brichindoj,  brichinduj  adj.  regnerisch,  brichindope  m.  Sündflut.  Asuit. 
varsundö.  varsundi.  varsündi.  Jäv  varsüsteri  wörtlich  :  il  a  plu  de  la  neige  pa.  254. 

Aind.  vr§,  varSati  vb.  varsa,  vrSti  Regen,  päli  vassati.  vassa.  bind,  barasnä  regnen, 
barsänä  regnen  lassen,   sindh.  vasanu  regnen  Pott  2.   81.  Beames   1.   355. 

buglo. 

Griech.  buejlö  adj.  weit,  geräumig;  m.  Piaster  sed.  für  astalö  nom.  bugTardva  vb.  aus- 
breiten, bügl'ovava  vb.  ausgebreitet  werden.  Rumun.  buMö  buk.  buejlö  bessar.  II.  buglü 
weit  bessar.  buTardo  Bett  serb.,  eig.  das  ausgebreitete  Stratum,  buvlerla  sternit  zomb.  für  bugTa- 
rela.  Ungr.  buUw  adj.  breit  born.  100.  bulheno  adj.  flach  ung.  biilo  weit  sirm.  buchli  f.  buchles 
adv.  karp.  bidho  ödenb.       Böhm,  buchlo  adj.  breit,  buchlipen  m.  Breite,  buchli  f.  Tafl'etband. 


Übek  die  Mündaktes  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa-s.  vii.  183 

hucJiTöri  f,  deminut.       Deutscli  huchlo  adj.  weit,  breit,    huchhväva  ausweiten  wohl  pass.  lieb. 
hiichlo  Brut,  richtig  breit,  huchlipen   Platz  beitr.   9.   24.        Poln.  hulhako  breit  na.   166. 
Pott  2.   399:  bitcldo. 

buko. 

Griech.  hukö  m.,  pl.  -e,  Eingeweide,  hukorö  m.  deminut.  huMskoro  adj.  hihuk^ngoro 
adj.  ohne  Eingeweide,  mitleidslos  aairÄay/voc.  Rumun.  kalo  buk  Leber;  i-tarno  buk 
Lunge  serb. :  vergl.  serb.  crna,  bijela  dzigerica.  Ungr.  bukko  m.  Eingeweide  ung. 
pdra  (parnoj  bkuko  albi  pulmones  Lunge  zum  Unterschiede  von  der  Leber  aus  Ung.  7. 
396.  buce  sirm.  Böhm,  büke  pl.  Deutsch  pukko  Leber,  Lunge,  Milz,  Niere  lieb,  buko 
Leber  beitr.  20.         Engl,    buko    Leber.         Span,  buko  m.    Leber,    Muth.     büke  m.  Lunge. 

Aind.  bukka  Herz  Pott  2.   398  :  buchos  vulc. 


bur. 

Griech.  bur  adj.  aller,  o  ves  o  bur  toutes  les  montagnes  361.  Rumun.  boro  adj. 
large,  etendu  vaill.   98.        Poln.  burono  gross  adj.  na.   IGT.     Ein  dunkles  Wort. 

burli. 

Griech.  burli^  berüli  f.  Biene.  burTengoro  adj.  Rumun.  biruli  buk.  birli  vaill.  98. 
biruvli  serb.  Ungr.  birumni  f.  sirm.  Böhm,  brli  f.  Biene  69.  (unrichtig  Birne  36.) 
hrTori  f.  deminut.  Deutsch  inrlin,  pareni  lieb,  birlin,  brul  beitr.  8.  Poln.  birli  na.  163. 
Span.  beriJ'i  Wespe. 

Hind.  birni  Wespe  Pott  2.  419. 

burnek. 

Griech.  bnrnek  m.  Handvoll.  Ungr.  burnik  m.  flache  Hand  ung.  ödenb.  burnek  f.  : 
andr  e  burnek  karp.  Böhm,  burnek  f.  Handvoll,  burneköri  f.  deminut.  Engl,  bönnek  : 
fo  lel  bönnek  ergreifen. 

buro. 

Ungr.  buro  m.  Dornstrauch,  buroro  m.  deminut.  ung.  ande  jekke  burreste.  büroro  deminut. 
karp.   bur  ödenb.     Böhm,  bura  m.  pl.  Gesträuch.        Deutsch  i^orr  Busch,  Wald  lieb. 
Hind.  bütä. 

buruv. 

Griech.  buruvdva,  brivdva  vb.  aufflechten:  burüv  te  bat  flicht  deine  Haare  auf. 

bust. 

Griech.  bust  f.,  pl.  -ja,  Spiess.  bustjdkoro  m.  Lancier.  Rumun.  bust  Bratspiess  buk. 
Ungr.  bust  Bratspiess  anz.  btis  f.  sirm.  p^tsfa  f.  Lanze,  Spiess  ung.  Deutsch  p7ist  lieb. 
Ital.  buSt,  pl.  bustjd,  Spiess  asc.   138. 

bus. 

Rumun.  büselpe,  busel  er  heisst  vaill.  80.  busss,  busos  du  heissest.  impf,  busolas,  busulas  buk. 


234  FliANZ  MlKLUSllH. 


but. 


Gi'iecli.  hut  adj.  adv.  viel,  so  hut  wie  viel  61G.  hnlm  adj.  viel,  huteder  comparat. 
butlö  adj.  viel:  selten.  Rumun.  but.  maj  but  mehr  hixk.  but  viel,  gross,  lange,  buter: 
tu  mande  buter  clivesa  (d.  i.  ci  avesa)  inds  \\\  mihi  amplius  non  eris  discipulus  zomb.  Ungr. 
biU  adj.  viel  ung.  buter  comparat.  ung.  but  ml.  154.  btiter  165.  176.  178.  e  büterengeri 
men  der  Hals  der  mehreren  187.  o  büter  die  übrigen  165.  1.  but-dz6ne^  buter-diene  in 
mehreren  ung.  butvar  adv.  oft  ung.  bütvar  ml.  159.  biotarel  vb.  vermehren  ung.  butaluv 
vb.  magy.  sokallok  born.  106.  büt  karp.  buder  klaus.  Böhm.  but.  buter  comparat.  mecj 
buter  noch  mehr,  najbnter  superlat.  Deutsch  but  viel,  oft  lieb,  büt  (buut).  buter  mehr 
beitr.  21.  22.  l'oln.  but  na.  167.  Russ.  bitt.  ndbnt  wenig.  Udytyr  comparat.  te  buteres 
vb.  zulegen.  Skand.  but,  pl.  biete,  viel,  butt  wohl.  Bask.  6?f;e?'  beaucoup.  buter  troupeau. 
but  ils;  6z(/er  nous :  vergl.  nous  autres,  sp.  nosotros  baud.  29.  33.  36.  39.  Engl,  btit, 
buti.  Span,  but,  bute  viel,  buter  mehr,  de-biis  ausserdem,  butre  adj.  zalilreich.  butembrar 
vb.  abundar.       Asiat,  buhu  pa. 

Aind.  bahu.  bind,  bahut.  bahuterä  Pott  2.  400.  but  beruht  auf  bahut,  *baut. 

buti. 

Griech.  buti,  puti^  bukt,  pl.  -jd,  f.  Arbeit,  buturi  f.  deminut.  butjdkoro  m.  Arbeiter 
bibutjdkoro  adj.  der  ohne  Arbeit  ist.  Rumun.  huti,  buti,  bhuti  f.  Arbeit,  Ding.  kSrla 
buti  er  arbeitet,  kade  buti  dieses  Ding,  bufar  vb. :  butarü  er  arbeitet  buk.  6era  bicdi  ich  ar- 
beite serb.  biiti  zomb.  Ungr.  o  buti  born.  87.  bäti  ml.  156.  172.  butikerä  arbeiten 
born.  106,  richtig  buti  kerä  ich  arbeite,  o  manus  cerel  buci  der  Mensch  arbeitet,  cerel 
büci  er  schmiedet  sirm.  buti^  buti  karp.  Böhm,  buti  f.  Arbeit,  Schmiedearbeit.  Deutsch 
bütin  lieb,  butin.  butinandri  jmb  Ackerbau  beitr.  5.  6.  richtig  butin  andr''  i  pub  Arbeit 
auf  dem  Felde.  Poln.  buty  na.  163.  Russ.  butij.  buternö  Arbeiter,  butjarny  Arbei- 
terinn,  Köchinn.        Ital.  butm  asc.   135.       Engl,   buti,  butsi.       Span,  buci  Sache. 

Aind.  vrtti  Art  und  Weise  zu  sein,  Verfahren,  Lebensunterhalt,  Gewerbe,  päli 
vutti  behaviour,  livelihood,  profession  Pott  2.  402.  403. 

buz. 

Rumun.  buzechd  pl.  Sporn.       Ungr.  buz  m.  buzeha  f.  ung.  buzech  f.  karp.  o  buze  born.  87. 
buzechd  pl.  ödenb.     Böhm,  biizech  f.,  pl.  -a.      Deutscli  pussi,  passik  lieb,  bussicka  beitr.   30. 
Pott  2.  429. 

buzno. 

Griech.  buznö,  büzos  m.  Bock,  buzanö  adj.  Bocks-,  buznorö  m.  deminut.  buzn(  f.,  pl. 
-fid,  Ziege.  Rumun.  lirusno  Bock,  brusni  Ziege  vaill.  99.  bu'zni  Ziegenbock  bessar., 
wohl  falsch.  buz7i6,  bnzni  serb.  bakrisu  huznako  zomb.  Ungr.  buzno.  buzni,  buzrl.  buznako 
mas  Bockfleisch  sirm.  Abweichend  böhm.  ^:>««f)»  m.  Ziegenbock.  Poln.  buzno.  buzny 
na.  157.  Skand.  busni  Ziege.  Bask.  busni  baud.  30.  Vergl.  span.  busnö,  busn4  m. 
extrafio,  barbaro,  gentil.  brunö,  bruM  Bock,  Ziege.       Asiat,  buzni,  buzin  Ziege  pa. 

Kurd.  bizin  Lerch  158.  bizin  rh.  avg.  vuz  Ziegenbock  tr.  51.  pers.  buz.  abaktr. 
büza  Pott  2.  366.  434. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigetiner  Europa.s.  vii.  185 

cid. 

Ungr.  c/cZ  vb. :  te  cidon  ziehen,  impt.  cid.  impf,  cidelahi  ml.  169.  177.  201.  cÄdel  vb. 
ziehen,  streichen,  die  Violine  spielen  ung.  cudel  vb.  ausziehen  sirm. :  praet.  cidinda  ml.  18*3. 
9.  beruht  auf  einem  Thema  eidin.  Böhm,  cidav  vb.  schöpfen,  Avägen.  cidipnaskere  pl. 
Wage  13.  37.  Vergi.  civ. 

cipa. 

Ungr.  dpa  f.  Leder,  Haut  ung,  o  cipa  born.  87.  Böhm,  dpa  f.,  pl.  -/,  Haut,  ci- 
picka  f.  deminut.  Deutsch  cepa.  Poln.  cypa  cutis  na.  164.  Russ.  cypo  altes  Vieh 
russ.  oderii. 

caco. 

Griech.  cadpe  m.  Wahrheit,  cacipanö  adj.  walir.  cacipanes  adv.  wahr.  cactin6 
adj.  wahr,  richtig.  Rumun.  cec6  adj.  wahr,  recht  (dexter).  o  vast  o  cecu  die  rechte  Hand. 
moj'ö  kan  o  ceco  mein  rechtes  Ohr.  cecipi  Recht,  Grerechtigkeit.  cecimäsa  in :  sänas  mdnija 
cecimäsa  ihr  wart  gegen  mich  gerecht  (mit  Gerechtigkeit),  ceces  adv. :  na  j  ceces  es  ist  nicht 
wahr  buk.  cacös  adv.  gerade  bessar.  ceci  f.  bessar.  11.  caco.  cecimosko  manüs  ein  gerechter 
Mensch  zomb.  Ungr.  caco  adj.  wahr,  richtig,  cncova  die  rechte  Hand  ung.  (mcJlo  born,  lOU. 
cadpe  ung.  Glaube  sirm.  cachipe  born.  87,  90.  cacepaskero  adj.  rechtschaÜ'en  ung.  caco  auf- 
richtig karp.  caces  adv.  cacipn  Gerechtigkeit,  cacimastar  sg.  abl.  cacimaskro  adj.  gerecht 
khius.  Böhm,  cäco  recht,  gerecht,  eigen,  ntro  caco  mein  Eigenthum.  peskro  cäco  tover 
seine  eigene  Hacke  59,  60,  cäces  adv.  cacipen  Gerechtigkeit,  cacnno  adj.  eigen.  Deutsch 
cäco.  cäces.  cacopen.  cacovo  eigen  lieb.  dico.  cacohen  beitr.  8.  14.  26.  Poln.  caco.  nane 
caco  Unwahrheit,  richtig :  es  ist  nicht  wahr,  cacuno  treu,  cadjhe  Gerechtigkeit,  Urtheil. 
cacypen  Gesetz  na.  155.  162.  164.  167.  Russ.  caco.  Finn.  caco  gac.  Skand.  caco. 
cadpä.  Engl.  täco.  tdceno.  tdco  wast.  iäcnes  adv.  Span,  cadpe.^  cacipen.  cacipenö  adj. 
cacipirö  adj.  cacwmi  f.  Wahrheit. 

Aind.  satja.  päli  sacca.  bind,  saceä  wirklich  (actual),  Avahr,  gerecht  Beames  1.  327. 
Vergl,  sindh.  sandö  eigen  tr.  129.  Das  anlautende  c  für  s  verdankt  seinen  Ursprung  der 
Assimilation   an   das  inhxutende  c  aus  tj.  Vergl.   zig.   dico. 

cal. 

Rumun.  praes.  sg.  HL  calil,  cal'ul  es  gefällt,  praet,  sg,  III.  calöu,  cal'ds  es  gefiel 
buk.  saleol  (d.  i.  saTol)  ma  es  gefällt  mir.  salimas  plaisir.  caTil  es  gefällt  mezz.  Richtig 
vielleicht  caTov  pass.,  so  dass  cnTiU^  caTü  für  cdTovel,  cäTol;  caTüii  für  caTiJoü  stünde. 

ealav. 

Griech.  caUivdva  vb.  schlagen,  klopfen :  bei  den  sed.  mardva.  caTardi  f.  Art  Ilammci-. 
Ungr.  calel  vb.  schlagen  ung.  ccdavä  born.  106.  111.  calav  vb.  schlagen  ml.  172.  177.  187. 
chütteln  173.  15.  16.  caladi  f.  Uhr,  eig.  die  schlagende;  Stunde  ung.  Stunde  born.  87. 
100.  Böhm,  calarav  vb.  berühren.  16.  64.  77.  läce  jlleha  elias  ccdado  er  ward  mit  gutem 
Herzen  gerührt  79:  unrichtig  dlavav  37.  Russ.  te  calaves  vb.  ausschlagen  (vom  Pferde). 
Kngl.  cdlav  vb.   berühren,        Span,   calahear  vb,   bewegen,   nihren, 

Aind.  cal  causat.  beweg^en,  stossen.  bind,  calnä  schlagen. 

DenkscUritten  der  pbil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  24 


S 


18f)  Franz  MiivLOSiCH. 


calo. 


Griech.  cal6  ;ulj.  satt.  caTardva,  calardva  vb.  sättigen,  cdlovava  vi),  satt  werden. 
J\uniuu.  raln.  pl.  cclf,  satt,  praet.  ceTiTds  er  ward  satt  buk.  cajlärdv  irli  nähre  zomb.  fiii- 
caTardv.  Ungr.  calo  adj.  satt  ung.  chdlo  ml.  169.  caTarav  vb.  sättigen.  M-aTovav  vb.  satt 
werden  ung.  cdilo  satt  sirni.  für  cdlilo.  caluvava  vb.  ich.  esse  mieli  satt,  partic.  cdlilo  karp. 
Deutsch  cälo.  caloväva  vb.  sättigen.        Poln.  cah  na.   165.        Russ.  calo.       Skand.  calo. 

Vergl.  car  f.  und  car  essen:  carava  Yoii  2.  201. 

cam. 

Griech.  cam.  f.,  pl.  -/'«,  AVange.  ßumun.  cdma  wohl  pl.  Gesicht  serb.  Ungr.  cam,  cham  f. 
Wange  ung.  chani  f.  born.  87.  Vergl.  chamohal ,  chahomal,  cahomal  m.  Kinn  ung. 
Böhm,  cam  f.,  pl.  -o,  Gesicht.  Deutsch  ca,mm.  cammadini  Ohrfeige,  cammaldcha  Kinn- 
lade lieb,  cam  Backe,  cammla  pl.  AVangen.  cammedini  beitr.  7.  34.  Poln.  cam  Gesicht 
na.   166.       Engl,  cam  Wange. 

Vergl.  hind.  cäbnä  kauen.      Cam  mag  ursprünglich  die  Kinnlade  sein. 


cam. 

Griech.  cc^n  f.  Brot,  Speise,  cameskoro  m.  Bäcker,  camkerdva,  camukerdva  vb.  kauen. 
camurdikanes  adv.  gekaut,  undeutlich  (von  Worten  im  Sprechen)  ngriecli.  [laaY^jJisvoc :  so  ca- 
murdikrmes  vakeres  ti  shoraf  wai-um  sprichst  du  deine  Rede  undeutlich?  ßumun.  camh  vb. 
abnagen:  praes,  sg.  III.  camhela.  praet.  camhhim  buk.  camh  vb.,  partic.  camhU,  kauen  zomb. 
Ungr.  chamlo  m.  Brot  ung.  camhel  er  kaut  sirm.  Deutsch  cammevdva  vb.  kauen,  cam- 
inerväva  vb.  reden  lieb,  cammervava  kauen  beitr.  18.  Skand.  camla  vb.  kauen.  Span, 
vergl.   damhilar  vb.  kauen. 

Vergl.   aind.   camasi  Art  Backwej-k   und  hind.  cäbnä  kauen  Pott  2.   193. 

cand. 

Griech.  cdndava,  cdrdava  vb.,  partic.  cardlnö,  schi-eien,  rufen.  imjU.  Mrdc.  pi-aet. 
Candida  622.   626  :  bei  den  sed.  chujdzava. 

candi. 

Griech.  candi  f.  Fetzen,  candih't  adj.  zei-fetzt.  candde-jismatenrjoro  adj.  zen-issene 
Kleider  tragend :  besser  -jizm-. 

cang. 

Griech.  cang  m.,  pl.  -//<?a,  Bein,  cangcskoro,  cangengoro  m.  Spaten,  eig.  der  mit  dem 
Fusse  in  den  Boden  gestossen  wird,  eftd-cang^ngere  skara  gril  ayant  sept  pieds.  trin4n- 
plm^mgeri  (wohl  -goro)  dzangunö  trepied.  Vergl.  zig.  piralö.  ßumun.  cang  Knie,  pe  Idks  cangd 
zu  ihren  Füssen  buk.  canga  vaill.  lOO.  cangd  Bein  mezz.  Ungr.  cang  m.  f.  ung.  cdnga  pl. 
ml.  191.  cangengeri  f.  Schürze,  eig.  die  an  die  Knie  reichende  ung.  cangori  f.  deminut.  ung.  pre 
cdugöri  auf  den  Knien  ml.  197.  cang.  me  dau  canga  ich  knie  sirm.  cang  kai-p.  Böhm. 
i-ang   f.    cangürl  f.   deminut.        Deutsch   cavfj  lieb,     canga  beitr.   19.        Poln.   cank.    de  cank 


CbEK  die  iluNDARTEN  UND  DIE  WANDERUNGEN  DER  ZlGEUNEK  EuKOPA'S.  VII.  187 

iiiedei-knien    na.    157.        FInn.   cevg   gac-.        Skand.  jung,    gäw].       Ital.   cany  Bein.        Engl. 
cong.       Span,  cankli  f. 

xVind.  päli  ganghä  Hüfte,  lilnd.  d^ängli  der  obere  Schenkel.  Hier  steht  zig.  //  iVu- 
alnd.   gh. 

car. 

Rumun.  car  m.  Sand  vaill.  100.  ucar,  richtig  wohl  o  car^  mezz.  mar,  richtig  o  sar, 
Asche  bvdc.  Deutsch  üär  Asche  lieb,  car  beitr.  7.  Asiat,  car  pa.  ksar  Staub  445. 
tjarüss  Asche  syr.  seetz.  186. 

Alnd.  ksära  Potasche.  präkr.  chära.  Iiind.  khär  Beames  1.  310.  sindh.  öhäru  Pott 
2.   1!>S.   Das  Wort  ist  dunkel. 

car. 

Griech.  car  f.,  pl.  carjd.  Gras,  Kraut,  carjalö  adj.  grasreich,  carjengoro  m.  der  Krauter 
verkauft,  cardva  vb.,  partic.  calö,  essen,  gesättigt  werden,  caraväva  vb.  essen  lassen, 
weiden,  cärjovava  vb,  grasen.  Rumun.  car  f.  Gras  buk.  bessar.  mezz.  cär,  pl.  le  carä, 
zomb. :  cairl  aus  carja.  car  bessar.  II.  Ungr.  car  m.  ung.  karp.  cär  Gras,  Pflanze,  Blume 
born.  104.  Kraut  ml.  192.  193.  car.  carju(lj  er  grast  sirm.  e  dar  Gras  karp.  Böhm. 
car  f.,  pl.  -a, ,  Gras,  Weide,  caröri  f.  deminut.  carävav  vb.  weiden  trans.  Deutsch  cär. 
caräva  vb.  grasen  lieb,  cär  Gras,  cardrabe  Gewürz  beitr.  15.  Poln.  caraveio  weiden 
na.  IGl,  eig.  er  weidet  pascit.  Russ.  car.  Skand.  car.  Engl.  cor.  Span,  ca  m. 
Kraut,   cavan  m.   AVeide. 

Aind.  car  essen,  grasen,  sindh.  caranu  tr.  49.  263.  hind.  chär  f.  Rasen,  carnä 
grasen,  gudz.  carävavii  weiden,  pers.  ßaridan  weiden. 

car. 

Gi'iech.  caräva  vb.,  partic.  cardo,  lecken,  cardikane-viistengoro  adj.  seine  Lippen  leckend: 
halb  türk.  jalamd-vustengoro.  Rumun.  car  vb. :  impf.  pl.  III.  cärnas  buk.  car  vb., 
partic.  Carlo,  cargU^  zomb.  Ungr.  carel  vb.  ung.  Böhm,  carav ,  unrichtig  corav. 
vb.  13.  38.  Deutsch  caräva  lieb,  beitr.  20.  Poln.  catnarava  na.  158,  eine  Combi- 
nation  des  zig.  caräva  und  des  hind.  inf.  catna  bei  grellm.  298. 

Hind.  (^ätnfi  lecken. 

caro. 

Griecli.  carö  m.  Teller,  careskoro  m.  der  Teller  macht,  verkauft,  Diener.  Rumun. 
coro  Schüssel,  caro  serb.  charo  zomb.  Ungr.  caro  Schüssel,  Teller  ung.  caro  sirm. 
o  cäre  pl.  karp.  Böhm,  cäro  m.,  pl.  -e,  Schüssel,  cärori  f.  deminut.  für  das  erwartete 
cäroro.  Deutsch  caro  lieb,  caro  beitr.  23.  hämo  caro  irdene  (richtig  weisse  parno)  Schüssel 
18.  Poln.  caro  na.  159.  Russ.  carö,  cäro  Schüssel,  Teller.  Tasse,  car  Gefäss  boe 
24.   26G.       Skand.  caro.       Ital.  caro  Teller.        Engl,  coro,  cor,   cöra. 

Aind.  caru  Kessel,  Topf,  armen,  carai  Topf,  Schüssel. 

cat. 

Griech.  catäva  vb.,  partic.  catlö,  cadlo,  sich  erbrechen,  praet.  cadMs  316.  catipe  m.  Er- 
brechen.       Rumun.  sad:  sjädo  les   avri  ich   werde  ihn  herausgeben  evomani.  praet.  sagTöü 


1  oo  FliANZ  MiKLOSICH. 


aus  sadloü  buk.  sadao  vaill.  57.  125.  saglem  vomui  zoinb.  Uiigr.  chandel  vb.  ung. 
ßölim.  carrdav  vb.  Deutscli  dsadovnva  vb.  spucken.  Russ.  te  cades  vb.  vomiren,  be- 
sudeln boe.  266.       Rkand.  cadda  vb. 

Aind.   cluird  ausbrechen,   vomiren.   paii  cbadd   Pott  2.   207. 


cavo. 


Griech.  cav6,  caö,  co  m.,  pl.   cave,  Kind,    cacorö  m.  deminut.    cavSskoro,  cavengoro  adj. 
caj,  cej  t,  pl.  coy^^.  Tochter,   tv^jo?-/ f.  deminut.   cdkoro,  cajdkoro  adj.   bicavdngoro  adj.  kinder- 
los.      Rumun.  savö,  sao.    saorö.    sej  buk.  sjaü.  sdoru.    sej  bessar.  II.    sjavo.    savoru,  savorro 
zomb.    caho,  cao.    caoro.    cabe,    ce  f.  vaill.    cav6.    caj  gal.  I.  cävo.     daß,    cej  serb.      chavo. 
chavorö.  chai.  taganr.     Ungr.  chävo,  chcl  born.  87.  cavo  ml.  173.  199.  chavhtero  adj.  173.  chd- 
vöro  163.  chavoHskero  adj.    163.  chavoro,  cavoro  deminut.  ung.  cavöro  born.  90.   122.    cha- 
vöro  87.  cavöro  ml.   153.    175.  caskero  adj.  born.   119.  chaj,  caj  £.  Tochter,  Mädchen  ung. 
cajöro  born.  90:  richtig  cajöri.  chaj  ml.   166.  chdjöri  196.   199.   200:  falsch  chüjeskero  166. 
caro.   tV/üoro,  chavoro.  caj.  i^omdni  cajöri  karp.   cao.   cdnro,  chaoro.  cej  sirm.   /aÄ;re  diie  chave 
eins  (f.)    duo  liberi.     da    chavenca    cum   duobvis  filiis.     da  chavengre  nava  duorum  filiorum 
nomina  klaus.        Böhm,  cävo  m.,    pl.  -e,  Sohn,  Kind,  Knabe,     cävoru.    cavengero  adj.  kin- 
disch,   caj  f.  Tochter,  Mädchen,     cäjori  f.   deminut.        Deutsch  cävo.   cai.    cäkro  adj.  lieb. 
cavo,    covo,    cabo.    caveskro  cavo  Sohneskind,    pengakro  cavo  Enkel,    eig.  sororis  (penakro) 
filius,    Neffe,     caj.,  cej.    cakri   caj  Tocliterkind.     cakro  7mm  (rom)  Eidam   beitr.   11.    12.   18. 
29.  32:    eig.    filiae    maritus.        Poln.    ca.vo.    cavaskero   ghassi    des  Sohnes  Frau,    richtiger 
raveskero:   ghassi  kömmt  nur  in  na.  vor.    caj.  cakerg  als  virgo  nobilis  ist  falsch:   es  kann 
nur  filiae,   virginis  bedeuten  na.   153.   161.   165.       Russ.  cävo.    cave  romani  pl.  Zigeuner. 
6^caves/fc^Vo  adj.  kinderlos,  caj.  cajöri.       Finn.  cq/ Kind,  cew  m.  cej  f.   gac.       Skand.  cauo; 
caA}on  in    der  Anrede:    hava  kei,    davon  komm  her,   Sohn,    cei  Mädchen.        Ital.  cavö,    pl. 
cave.    cavorö.     cdj,  pl.  cajä.     caori  deminut.        Bask.  caho.     Vergl.  zig.  aka.       Engl,    cavo 
m.  cdvi,  cej  f.  Vergl.  römani  cal  Zigeuner  mit  dem  russ,  cav6  romanl       Span,  cabö,  cabe. 
caU,  cavi,  caj.    caborö.    cahorL     cabal   Sohn,    cahala  Tochter.     Vergl.  asiat.     cagKii,  Sohn. 
dzdghi  Tochter  pa. 

Der  Ursprung  des  Wortes  ist  dunkel  Pott  2.  181.  Man  ist  versucht  an  präkr.  vaccha, 
sindli.  bacö  Kind  aus  aind.  vatsa  zu  denken  und  Metathese  der  Anlaute  der  Silben  an- 
zunehmen, allein  es  fehlen  diese  Annahme  bestätigende  Fälle.  Besser  stimmt  zum  zig. 
Worte  päli  chäpa,  ßhäpaka  das  Junge  eines  Thieres  a  child,  das  Childers  mit  aind.  .4ava, 
sävaka  vermittelt.  Vergl.  E.  W.  A.  Kuhn,  Beiträge  45. 

cavri. 

Griech.  cavri  f.  Hühnchen,  Junges  von  Vögeln.  Ungr.  cavri  f.  Hühnchen  born. 
87.  Böhm,  carvi  f.,  pl.  -a,  Huhn,  carvöri  f.  deminut.  Deutsch  cavrin  Huhn,  Henne 
lieb,    cabri.n    waldh.   116. 

Nach  asc.  12  aus  dem  türk.  jävri  unter  dem  Einflüsse  des  zig.  cavö. 

cel. 

Griech.  cel,  dzel  f.  Kinderblattern,  celalö  adj.  blatternarbig,  cclalö  m.  celali  f.  Käse, 
Käselaib. 


ÜBER  DIE  Mundarten  und  die  Waxdehungen  der  Zigedneu  Europa'.*,  vii.  1811 


ceni. 


Griech.  ceni,  cei  f.,  pl.  cend,  Ohrring.  Ungr,  cen:  e  cen  e  rupuni  das  silberne  Olir- 
gehänge  sirm.       Russ.  cen.       Ital.  ceni.  cenvri  deniinut.        Asiat,  dient  pa. 

cerga. 

Griech.  cerga  f.  Zelt  sed. :  katiina  nom.  cergeskoro,  cergengoro  m.  Zeltbewohner,  No- 
made :  cergeskoro  für  -gdkoro.  cergehj  Nomade  274.  Böhm,  cey^ha  f.,  pl.  -i,  Flache,  Zelt  2'.\. 
falsch:   Pflaster  37.        Deutsch  cerka  Tuch.       Span,  vergl.  cercha  Art  Mantel. 

Türk.  oerk'eh. 

cerchan. 

Griech.  cerchän  sed.,  cercheni  nom.,  cergeni  f.,  pl.  -nd,  Gestirn,  cerchendkoro  adj. 
ßumun.  cerhdje,  cerhaj4  pl.  Sterne  buk.  cerhan,  pl.  cerhaje,  zomb.  cerganjdfar  pl.  abl.  zu. 
cergena  Morgen-  und  Abendröthe  taganr.  eerain  Stern  serb.  Ungr.  cerheni,  cerheiia  f. 
Stern  ung.  cerchen  karp.  cerhan  mündl.  cerdja.  caraender  pl.  abl.  sirm.  Böhm,  cercheii 
f.,  pl.  -na.  cerchenöri  f.  deminut.  Poln.  cerhenni  na.  156.  cierchen  gal.  II.  carahenmj 
Älorgenröthe  na.  169.  Skand.  clkken.  Span.  ucurgaM,  cerdiTi  f.  Stern.  Asiat,  tschen- 
nanih  syr.  seetz. 

Pers.  öarch  sphaera,  caelum,  und  davon  durch  ano,  eno:  cerhano,  cerheno,  im  f. 
-an/,  eni  caelestis,  Himmelskörper.     So  nach  asc.  65.   Pott  2.    197. 

cero. 

Rumun.  cero  Himmel  vaill.  100.  cerjii  bessar.  cer  bessar.  II.  and  o  ceri,  ceri,  cef  im 
Himmel  buk.  ceri.  ceeri  zomb.  Ungr.  ce7'os  buch,  ceros  klaus.  chi  mündl.  Bask. 
cJiarö  m.   baud.   30.        Span,   caro  m.   Himmel,  Firmament. 


Rumun.  cerjü. 


ci. 


Ungr.  ci  nicht:  me  ci  d^anav  te  skiri  (für  skrii)  ich  kann  nicht  schreiben  mündl. 
ko  ci  6erel  buci,  te  na  hal  wer  niclit  arbeitet,  soll  nicht  essen.  Daneben  nici:  nici  kamel  te 
kandel  er  will  nicht  gehorchen  sirm.  Böhm,  ci  mit  na  nichts:  nane  mange  ci  ich  habe  nichts. 
Deutsch  ci  nicht,  nichts,  cinäkro,  cinägro  adj.  wertlos,  mit  eingeschaltetem  n.  cici:  ciceske 
zu  nichts,  umsonst  lieb,  ma  pen  ci  schweigsam  beitr.  33,  richtig :  sage  nichts,  cici  23. 
Poln.  cycg  na.  160.  Russ.  nici  nichts  21.  Skand.  ci  mit  na  nichts.  Ital.  vergl.  cu- 
mondc  etwas  asc.  133.  146.  Engl,  c/,  c(ci.  Bei  lel.  106.  mor  pen  cici  sage-  nichts. 
Span.  Ci  subst.  f.  und  adv.  nichts. 

A'ergl.  kurd.  ci  was  rh.  Pott  1.  274.  323.  Man  vergl.  mit  ci  griech.  ic,  hie  etwas, 
mit  na  nichts:  ndna  pendva  hie  ich  sage  nichts.  Rumun.  is  etwas  vaill.  nani  huti  kdic 
non  est  opus  mezz.    ic  ob  ist  slavisch:    ungr.  hoj  ci  ehi  meg  dzido  ob  er  noch  lebt  karp. 

cib. 

Griech,  cip,  für  cih.  f.  Zunge,  cibalö  adj.  geschwätzig,  cibano  m.  Albanier.  cibanoro 
m.   deminut.        Rumun.  sib  vaill.  127.  jib  (d.  i.  zib)   110.  cib,   sib  mezz.  sib  bessar.  sib,  pl. 


190 


FlUNZ  MlKLOSlCU. 


s!bä  Zunge,  Spraclie.  bisihaka  d.  i.  hisibäkö  für  bisibilko  &dj.  ohne  Zunge  buk.  cib,  ci6o  Zunge, 
nicht  auch  Spniclie  serb.  Ungr.  r/'b,  cip  m.  Zunge  ung.  c/üp  f.  born.  88.  87.  sib  miindl. 
peskeri  cib  karp.  ribalo  adj.  geschwätzig  ung.  m.  Schmied  born.  87.  Richter  ungli.  cib. 
cibhdro  Richter  kaj-p.  Böhm,  cib  f.,  pl.  -«,  Zunge,  Sprache,  bicibakero  adj.  ohne  Zunge. 
cibalo  ni.  Richter,  cibäli  f.  Richterinn.  Deutsch  cib  Zunge,  Sprache,  civälo  Schwätzer, 
Taugenichts;  Baier,  Unger,  Pole  lieb,  cib  beitr.  36.  Poln.  cijb  locutio.  by-o-cybakiero 
adj.  elino-uis  na.  152.  15!».  Russ,  c-^p  Zunge  boe.  24.  Ital.  cibb  asc.  131.  cibane  Alba- 
nier,    eig.   wohl   Schwätzer   154.  P]ngl.   civ.         Span,    cipe,    uci    i.     sariC-ipes    Dolmetscli, 

eig.  alle  Sprachen.       Asiat,  dzib  pa. 

Aind.   gihvä.  päli  givhä.   präkr.   gihä.   gud2.  dzivhä.   hind.   dzibh   f.   dak.   dzib. 

ciben. 

Böhm,  ciben  f.,  pl.  -a,  Bett,  cibenöri  f.  deminut.        Deutsch  cipenn  lieb,   eibin  beitr.  8. 
Poln.  cuibe  na.   162.        Bask.  hibena,    cia  neben  chariben  baud,   34.       Span,    vergl.  ceripen. 
Veröl,  civ. 

cicaj. 

Griech.  cicdj  f.,  pl.  cica,  Katze,  nom.  411.  für  mdcka  sed.  cicajorl  f.  deminut.  cicd- 
koro  adj.  bicicajdkuro  adj.  ohne  Katze,  cicaibe  m.  das  Katze  sein,  cicos  635.  Bask.  ci- 
caja  baud.  29.  30.        Span,  cicais  pl.  br.  83. 

cik. 

Griech.  cik:  cik  ddva  vb.  niesen.  Rumun.  cik  clava  ich  niese  zomb.  Böhm,  cik: 
man  Jen  cika  ich  niese,  eig.  mich  ergreift  das  Niesen.  Deutsch  me  däva  cikka.  cikklo- 
väva  vb.  ich  niese.       Span,  cikatelar  vb. 

xVind.   chikkä.  hind.   chinknä  vb. 

cik. 

Griech.  cik  f.,  pl.  -«',  Koth,  Schuld,  auch  Gläubiger,  cikalö  adj.  kothig,  verschuldet. 
cikdva  vb.  schlammig  machen  mem.  261.  cikdTovava  vb.  sich  beschmutzen.  Rumun. 
cik  Lehm  buk.  zomb.  Morast  bessar.  Koth  zu.  Ungr.  cik  m.  Koth,  Schmutz  ung.  karp. 
cik  f.  born.  87.  cikalo  adj.  ung.  born.  100.  cikdio  kothig  sii-m.  Böhm,  cik  f.  loli  cik 
Thon.  cikälo  adj.  cikaTärav  vb.  trüben.  Deutsch  cikk  Schmutz,  cikkelo  adj.  schmutzig. 
cikkloväva  vb.  beschmutzen.  Poln.  cik  Koth  gal.  II.  Engl.  cik.  ciklo  adj.  Span,  cik-^ 
m.  Koth,  Erde,  Grund.        Asiat,  chekid  syr. 

Aind.  cikila,  cikhalla.  päli  Cikkhalla.  hind.  cik. 

cikat. 

■  Griech.  cikdt  Stirn  im  Index  640.  cikdt.  Rumun.  cikdt  buk.  cikat  zomb.  cikdt,  cekat 
serb.  dzikat  bessar.  II.  Ungi-.  cekaf  m.  ung.  cikdt  mündl.  Böhm,  cekat  m.  cekatCrni 
demiinit.       Deutsch  cekkdt. 

ciken. 

Rumun.  cikin  Fett,  Butter,  cikyn  Fett  bessar.  cikdn  Schweinefett  bessar.  II.  ciknm 
balano  Schweinefett  zomb.       Ungr.  ciken  Fett  born.  87.  ciken  97.  ciknipe  m.  Fett,  Schmalz 


l-BEK  DIE  Mundarten  und  die  Wanderungen  dek  Zigeuner  Europa's.  vu.  191 

ung.  cicen  Fett,  cidenälo  adj.  fett  sirm.  Böhm,  ciken  m.,  pl.  -a.  cikulbc»  m.  Schmalzen. 
ciknärav    vb.    schmalzen.  Deutsch    cikken    Fett.  Poln.    o//te«    Fett    adeps    na.    163. 

JJask.  cikena  graisse  band.  33. 

Hind.  ciknä  adj.  fett,  ciknäi  Fett. 

ein. 

Griech.  cinäva  vb.,  partic.  cindö^  schneiden,  ernten,  begreifen  249.  tödten  598.  614. 
616.  opfern  618.  cindo  adj.  afflicted  mem.  176.  cinavära  vb.  schneiden  lassen,  cindovava 
vb.  geselmitten  werden,  verwandelt  werden:  praes.  sg.  III.  nnol  610.  fut.  kavmovao  612. 
praet.  cindilo  tar  614.  cinipe  m.  Schnitt,  cinde-cihdkoro  adj.  mit  abgeschnittener  Zunge 
276.  cinde-cibengoro  m.  Albanier.  hicindo  adj.  unbeschnitten,  cindaräva  vb.  beschneiden. 
c7«rfa/?  f.  Messer.  Eumun.  sin  vb.:  praes,  s'mäü  schneiden,  niederhauen,  reissen.  impf,  sinös. 
partic.  sindö.  praet.  Undum.  Mndbv  vb. :  slndeTds  für  shtdiJds  er  ward  abgerissen,  s'mi^ü 
Zimmermannshacke  buk.  cindv  vb.  cindo  ßebenmesser  serb.  sindi  Brennholz  bessar.  sina- 
rava\h.  ich  lasse  abschneiden,  sinava  vb.  versprechen  zomb.  sinao,  sanao  vb.  schneiden  vaill. 
76.  129.  Ungr,  cinel,  chinel  vb.  schneiden,  hacken  ung.  praes.  chinelia,  chtnen  ml.  160. 
164.  impt.  chin  156.  162.  praet.  chinda  153.  154.  162.  praes.  cMnes  du  schlägst  182. 
chinape  m.  Schnitt,  Wunde  ung.  cindokdri,  chindokdri  m.  Jude  ung.,  eig.  der  Beschnit- 
tene, cinel  vh.  fe  cinel  cfj  Ernte,  eig.  Getreide  schneiden,  -praet.  cindardds  er  schnitt  sirm.  cinel  jek 
lil  er  schreibt  einen  Brief,  cindas  er  schrieb,  ciiiav  vb. :  cinddo  zerrissen  karp.  Böhm,  cinav 
vb  hauen,  schreiben,  cindas  er  zerriss  53.  ciniben  m.  Brief,  cinda  pl.  Schere.  cindOra 
pl.  deminut.  Deutsch  cinäva  y\>.  sclmeiden,  schreiben,  partic.  c/«r/o  geschnitten,  geschrieben; 
beschnitten,  Jude,  geizig  lieb,  cinava  vb.  cinneben  Wunde,  cinnepen  Hieb,  cindo  Jude  beitr. 
16.  18.  2ö.  28.  35.  ein  vb.  schreiben,  cinde  geschrieben,  cinniben  Schreiben  6.  15.  28.  Poln. 
rt/nara  vb.  percutere.  cynova  vb.  mactare.  cynela  scindere,  eig.  scindit.  cynibe  vulnus 
na.  16.">.  167.  16S.  Vergl.  tlie  clionau  ernten  168.  einem  ich  schreibe  gal.  III.  ßuss.  fc 
eines  vb.  schneiden,  trennen,  zerren,  verderben,  te  {seines  vb.  zerreissen.  te  p)odcines  vb. 
ein  wenig  abschneiden,  te  vycines  vb.  ausreissen  boe.  24.  266  :  ein  mit  den  russ.  Prae- 
fixen   izi),    podi,    vy.  Engl,   ein  vb. :  praet.   cindöm.    cinoben  AVunde.        SjJan.   einar,   ci- 

nelar,  acinelar  vb.  schneiden,  cinarar  vb.  verwunden.  ei)iiben  Wunde,  kapascinao  adj. 
beschnitten,  kapascinari  f.  Beschneidung,  einorre  adj.  klein,  acinar  vb.  verkürzen,  ein- 
domel^  eindoma  Fleischer  bi'.  81.  Asiat,  praes.  cinemi .  einem,  impt.  le  ein.  cinarom  jai 
eoupe  pa.   417. 

Aind.  chid(chinatti):  cindva  ist  kein  denominat.  von  einem  partic.  cinü.,  aind.  cinna  :  es 
l>eruht  auf  dem  aind.  praes.  (Vergl.  zig.  sun  hören.)  sindh.  fhinanu  pflücken,  kurd.  cinen'aich 
.-schneide  Lerch  199.  Vei'gl.  span.  cirdo  kurz  borr.  arirdar.  recirdar  vb.  vei-ki'irzen  Pott 
2.209.  Die  böhm.  und  deutsch  vorkommende  Bedeutung  .schreiben'  und  rumun.  ,versprechen' 
liätte  ich  wohl  besonderen  Stämmen  zuweisen  sollen,  da  ich  den  Bedeutungsübergang 
niclit  vermitteln  kann. 

cinav. 

Rumun.  cinav  y\>.:  cinaim  pe  sie  schütteln  sich  vaill.   81   aus  einaven  pe.    impt.  cinc- 
f^nr  scliüttle  52.        Ungr,   einol  tresti  sirm.,   j-ichtig  wolil  :      er  wird   geschüttelt, 
(iriecli.   7.'.V3lv. 


192  FkANZ  MiKLOSICll. 

cingar. 

Rumiin.  chiqdri,  civgäf,  cingar  m.  Schrei,  doü  clngör^  cingar  <ha  er  schrie  biilc.  cingar 
dav  ich  schreie  zoinb. 

cinger. 

Griech.  cingerdva,  minder  genau  cinkerdva,  dzinkerdva,  vb.  durchbohren  mem.  208.  2G(>. 
cinkerdö  m.  ein  eisernes  Werkzeug.  Vei-gl.  cingdr  Unglück.  Rumun.  singar  vb.  schneiden, 
hacken,  zerreissen :  praet.  Hngardds  buk.  singardv,  singrdv;  singrla  lacerat  zomb.  Ungr. 
cÄm^rere/ivb. schneiden  \ing.  cm^-errwavb. hacken,  spalten,  niederhauen,  brechen,  schlagen  karp. 
te  chmgeren  kneipen  ml.  194.  c/i/ngerda  er  stiess  177.  cindardds  er  schnitt  sirm.  ringerdo 
Axt  karp.  Böhm,  cingerav,  cingeravv'h.  schneiden,  hauen,  reissen.  impf,  cingerlas  er  hieb,  cinga- 
räva  vb.  ich  werde  pflücken,  bei  wrat.  6.  zanken,  cingerdo  adj.,  eig.  partic,  abgerissen;  m. 
Bohrer,  cingerdöro  m.  demlnut.  Deutsch  cingerväva  vb.  streiten,  zanken,  zürnen  lieb.  Singer 
vb.  schelten,  cm^erie« Kampf,  Hader,  Streit,  cingrehen  Zank  beitr.  15.  18.  27.  31.  36.  Poln. 
A'en_(/«-aM  vb.  secare.  cyngire^i,  cggiren  yh.  castigixre.  cygardeh  zanken,  eig.  er  zankt  na.  153. 
1G3.  165.  Russ.  fe  cmg?'my  vb.  reissen,  zerkrümeln,  klopfen,  ite  cm^iVes  vb.  hauen,  reissen, 
bestrafen,  hinrichten,  rycingardes  vb.  durchprügeln.  Skand.  cingra  vb.  schneiden,  greieske 
cingrar  der  Hengste  beschneidet.  Engl,  cingar  vb.  streiten,  schelten,  cingariben  Streit. 
Span,  cinga^   cingari  f.  cingarijJen  in.  Streit,  cingarar,  cinkarelar  vb.  streiten. 

Cinger  ist  eine  Verbindung  von  c/??  und  ker  machen.  Die  Bedeutungsübergänge  sind 
sclmeiden,  schlagen,  streiten,  zanken,  vielleicht  auch  sclireien :  vergl.  cingar. 

ciriklo. 

Griech.  ciriklo  m.   Vogel,    cirikloro  m.  deminut.   cirikli  f.   Huhn.  Rumun.   cerikli  f. 

Vogel,  Sperling  buk.  ciriklo  vaill.  cirikli  zu.  cirikli  bessar.  II.  ciriklo  Reute  serb. 
öirikli.  cirikTori  deminut.  zomb.  Ungr.  ciriklo  m.  cirikli  f.  ung.  cirikli  ml.  185.  cirikläno 
adj.  Vogel-  195.    cirikli.    cirikTdno  adj.  sirm.  Böhm,  ciriklo  m.  ciriklengero  adj.  Vogel-. 

cirikloro  m.  deminut.  cirikli  f.  mri  ciriklöri  mein  Schätzchen  70.  Deutsch  cirkulo  lieb. 
ciriklo  beitr.  33.  l'oln.  cyrykh.  cyrykah  deminut.  na.  163.  Russ.  ciriklo  Vögelchen, 
Sperling,  Zeisig  boe.  266.  Ital.  ciriklo.  Bask.  vergl.  suria  baud.  36.  Engl,  ceriklo  m. 
cerikli  f.         Span,  ciriklo  m.  cirikli  f. 

Aind.  ciri  Papagei,  hind.  cirijä  f.  Vogel,  cirä  Sperling,  avg.  cirkurai  Hähnchen  tr. 
57:  ciriklo  ist  ein  deminut.  von  ciri  wie  manriklo  von  manro.  Vergl.  jedoch  aind. 
päli  Cataka  Sperling. 

ciro. 

Rumun.  siro  Zeit  vaill.  127.  Ungr.  ciro  ung.  Böhm,  hako  ciro  jeder  Zeit  wrat. 
12.   15.         Deutsch  ciro  Zeit,  AVetter.  Engl,  ölr,  clrus.  Span.  cir6. 

Griech.  v.atpö;. 

civ. 

Griech.  civdva  vb.,  partic.  civdö  616,  ziehen,  civdovava  vb.  gezogen  werden,  cvvdva, 
cidi\  cuvdva  vb.,  partic.  civdö^  werfen  368.  608.  cidava  vb.,  partic.  cidinö,  ziehen,  impt. 
cide  224.    cidtnovava    vb.  gezogen  werden,    cidino  m.  Schnellwage,    cidineskoro   -dd}.  cidim 


Ubek  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  193 

f.  Knie,  citäva  vb.  werfen  mem.  220.  findet  sich  in  desselben  Verfassers  Etudes  wohl  deswegen 
nicht,  weil  die  Seiten  537 — 552  und  die  Worte  zwischen  cicäj  und  cucardva  fehlen.  Rumun.  suv 
vb.  werfen,  fehlgebären,  stellen,  stecken,  schieben ;  reflexiv :  kriechen,  schleichen  :  suv6^ 
dem  griech.  cuvdv  entsprechend,  so.  impt.  snu,  sio  für  suo,  griech.  cuv.  sup  tu  krieche, 
eigentlich  etwa :  wirf  dich,  für  suv  tu.  praet.  sutöm  neben  *  suddm^  sudäs  buk.  satt  ich 
werfe  bessar.  suvla  neben  sola  deponit.  praet.  III.  sg.  sutas  zomb.  sud  vb.  werfen,  fehl- 
gebären, verlassen:  praes.  sudö,  richtig  sildo,  dem  griech.  culavcCi*  citdava  entsprechend.  II.  sg. 
sudes.  III.  siklel.  impt,  si'ide.  praet.  sudöm  aus  mdiliom.  III.  pl.  sudine  buk.  sudav  vb.  werfen, 
praet.  sudem  zomb.  Ungr.  civel  vb.  werfen,  säen  born.  106.  civel  säen  ung.  Vergl. 
cito  angebaut  born.  100.  cidela  er  wird  werfen  ml.  187.  impf,  cidelahi  179.  (Vergl.  cid),  civau  ich 
würde  werfen,  cidas,  cide  karp.  citkrrda  er  warf  ml.  186.  189.  Vergl.  ?«a?i  cittom  ich  schlich 
mich,    pe  cittd  152.    153.    154.   160.   161.   167.   186.   187.   cudau  sirm.  Böhm,  civav  vb. 

werfen,  giessen.  praet.  sg.  III.  cidas  59.  79.  pes  civel  prihodi  se  es  stösst  zu  63.  Vergl. 
civrdav  vb.  werfen  mit  griech.  cidava  aus  clvdava.  Deutsch  civäva  vb.  legen,  stellen, 
säen,  pflanzen,  civverväva  vb.  werfen  lieb,  ceber  werfen,  ceverben  Wunsch,  richtig  Wurf,  dele 
cedo  man  ich  liege,  eig.  ich  habe  mich  niedergelegt:  cedo  man  für  griech.  civdöm  man.  Vergl. 
cedas  pes   sich    empören    beitr.    11.    21,    35.     Richtig:    er    hat    sich   empört.  Russ.    te 

cives  vb.  werfen,  giessen,  schütten,  ausbreiten,  te procives  y\) .  vergiessen.  te  vycives  vh.  hinaus- 
werfen: civ  mit  den  russ.Praefixen  pro,  vy.  Dunkel  ist  mir  ^eacay,  ieacai-'&svb.  umwerfen.  A^ergl. 
te  cives  vb.  schreiben  mit  ein.  Skand.  civra  vb.  Ital.  cev  vb.  legen,  praet.  cedom.,  cejöm 
asc.  133.  151.  ri  civdv  für  at'rf  civdv  132.  Engl,  civ  vb.  civöva.  praet,  cidöm.  Span. 
cihar^  cihelar  vb.  werfen,  legen,  cihandar  vb.  werfen.  Vergl.  cltar  vb.  stellen,  pflanzen. 
Aind.  ksip  schleudern,  schnellen,  wohin  thun,  giessen,  streuen,  stecken,  päli  khip : 
partic.  khitto  (aind.  ksipta).  Hinsichtlich  des  c  für  aind.  ks  vergl.  zig.  car  Asche,  curi 
Messer,  ric  Bär  mit  aind.  ksära,  ksuri,  rk«a :  zig.  jakli,  Auge  steht  allerdings  dem  aind. 
aksi  gegenüber.     Ascoli,  Studj   348.     p  zwischen  Vocalen  geht  in  v  über. 

coeha. 

Deutsch   socha    Frauenkleid.  Poln.    cncha    vestis    na.   165.  Skand.  cokka  Unter- 

rock.        Bask,    soka^    socha    Weiberrock    baud.    34.  Engl,    cidco.         Span,    cockindia   f. 

Kleid. 

Slav.  ßoha  entlehnt  Pott  2.   178.     Vergl.  Sjögren,  Ossetische  Studien  54. 

col. 

Griech.  coldva  vb.  ausschneiden,  schälen.       ßumun.  colgl  Hacke  sej-b.  aus  coldi. 
Aind.  ßhur  asc.   18. 

comut. 

Griech.  comiü  sed.  für  con  nom,  Mond.      Rumun.  cuim'ä  mezz.      Poln.  ciomut,  ciorna- 
toro  gal.  IL         Bask.  simurta  baud.  Span,  cimutri  f. 

Aind.  vergl.  kaumudi.  päli  kömüdi, 

'  con. 

Griech.  con  nom.  für  comiit  sed.  Mond.       Rumun.  son,  mn  m.  buk.  son  Mond,  Monat 
vaill.  son  zomb.  bessar.  IL  sion  (d,  i.  sjon)  bessar.  con  zu.   con  Monat  serb.  chon  taganr. 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bil.  25 


194  Franz  Miklosich. 

Ungr.  chon  ung.  con  sirm.  cJiom  born.  87.  con.  conöro  deininut.  karp.  soh  üdenb.  Bülim. 
CO)),  m.,  pl.  -a.  conöro  demiiuit.  conüno  adj.  Deutsch  cön  Monat  lieb,  con  beitr.  22. 
Poln.  con  na.  158.  Russ.  con  Mond,  Monat.  Finn.  cen  gac.  Skand.  con.  Engl. 
mm,  sun,  sid  Mond.  8pan.  con6^  ocon  Monat, 

Aind.  eandra.  päli,  piTikr.  randa.  liind.  cänd.  slndli  randru  Pott  2.   194. 

cor. 

Griech.  cor  m.,  pl.  -a.  Dieb,  e  corengoro  baru  Räuberhauptmann  618.  cornö  m.  Dieb. 
coraz  m.  Erzdieb.  I^ai'o  cordzis  Räuberhauptmann  579.  coräva  vb.  stehlen,  coldva  vb. 
stehlen  mem.  217.  coriM  m.  Diebstahl,  cordikano  adj.  gestohlen,  cörjovava  vb.  gestohlen 
werden,  corjäl  adv.  verstohlen.  Rumun.  cor,  pl.  6or,  cof,  cord,  Dieb,  cor  vb.  stehlen: 
pvaet.  cordöm.  corip)  Diebstahl,  sg.  abl.  corimdstar  vom  Stehlen,  corjdl  adv.  heimlich 
buk.  coro  Dieb,  corao  vb.  stehlen  vaill.  corel  pe  es  wird  gestohlen  80.  cordas  pe  es  ward 
gestohlen  80.  Ungr.  cor  m.  Dieb  ung.  trh^el  vb.  stehlen  ung.  te  coj'el  ml.   199.  cliorav 

vb.  stehlen  born.  106.  119.  121.  coripe  sirm.  po  cöral  leise,  pr'  e  cori  auf  Raub  kar^J. 
Böhm,  cor  m.,  pl.  cor,  Dieb,  coreske.ro  adj.  coröro  m.  deminut.  corica  f.  Diebinn.  corav  vb., 
jiartic.  cordo.  te  coreJ  57.  pes  coren  sie  schleichen  71.  corihen  m.  Diebstahl,  cöral  adv. 
diebischer,  heimlicher  Weise,  corikäno  adj.  diebisch,  unrichtig :  m.  Dieberei,  coritka  adv. 
diebisch.  Deutsch  cor.  coräva.  cöröchäno  adj.  heimlich  lieb,  cor  Dieb,  cor  Raub,  cor  vb. 
stehlen,  coroganes  (für  corikanes)  adv.  heimlich,  cordas  Diebstahl,  richtig:  er  stahl  beitr.  10. 
16.  25.  oO.  cor  Dieb  waldh.  114.  Poln.  cor  Dieb,  the  corau  vb.  stehlen,  coryhe  Dieb- 
stahl na.  157.  185.  169.  ciurcma  vb.  stehlen,  cinrachan  Dieb  gal.  II.  Russ.  cor  Dieb,  te 
cores  vb.    stehlen.  Skand.  caar  Dieb,     caara    vb.    stehlen,     caaripd  Dieberei.  Engl. 

cor   Dieb.    vb.    stehlen.  Bask,    sora    Dieb,    soi^acia   vb.    stehlen  band.  40.         Ital.  cör.^ 

cor  Dieb,  curdv  vb.  stehlen  asc.  131.  134.  143.  Span,  corar  vb.  stehlen,  rauben,  coro 
m.  Raub,  corarö,  coruj  m.  Dieb,  Räuber,  coripen  m.  Schändlichkeit. 

Aind.  cur  (corajati).  päli  cur  (cöreti).  hind.  curänä  stehlen,  rauben,  cor  Dieb,  fori 
Diebstahl,   sindh.  cöru  Pott  2.  200. 

cor. 

Griech.  cordva  vb.,  partic.  cordö,  schütten,  giessen ;  pissen  647.  coraibe  m.  Schütten, 
Giessen.  cördovava  vb.  geschüttet,  gegossen  werden.  Rumun.  cor,  sor  vb. :  praet.  cordöü, 
sordöü.  cordov^  sordov  vb.  pass.  rollen:  praet.  soixUTas.  Ungr.  corel  vb.  ung.  cor6l  sirm. 
Deutsch  corhväva  vb.  giessen. 

Vergl.   hind.  chöi-nä  to  shoot,  to  let  go. 

cor. 

Griech.  coi-,  dior  f.,  pl.  cor,  dzor,  Bart  372.  411.  pe  cord  (pl.)  cindds  il  coupa  sa 
bai-be   616.      dzor    im  Index,    diormgoro    adj.    bärtig.  Rumun.  sor,  son  vaill.   128,     cor, 

cjol  Bart  serb,  sor  bessar.  Ungr.  coi-a  f.  ung.  chöra  m,  born,  87,  chim^o  m.  ung.  e  chor 
sirm,  Böhm,  cor  m.  Barthaar.  corö)'o  m.  deminut.  corvälo  adj.  bärtig.  Deutsch  diör 
lieb,  cor  beiti\  7.  Russ.  c6ra  Bart,  corjd  Schnurbart,  hicoreskiro  adj,  bartlos.  Engl, 
ci'iralo  adj.  bärtig,       Span,  con  m.  Bart,  corero  Barbier, 

Vergl.   avgh.   ziräh   tr.   54. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  dek  Zigeuner  Europa's.  vir.  195 

coro. 

Griech.  coro  adj.  arm,  verwaist,  corjdkoro  adj.  der  Armen  sg.  f.  mem.  209.  cororu 
deminut.  ärmlich  mem.  209.  coripe  m.  Armutli.  corikanö  adj.  arm.  cörjovava  vb.  arm 
werden.  Eumun.  coro  adj.  arm.  corariov  vb.  ai'm  werden.  coräjTas  für  cordniTas:  Thema 
*corano  buk.  coro,  corar  vb.  zur  Waise  machen  zomb.  corarde  la  lakre  do  chavendar  or- 
barunt  eam  eius  duobus  liberis  klaus.  soro  vaill.  128.  cori  mezz.  Ungr.  coro  adj.  ung. 
coro  ml.  152.  172.  175.  usw.  cörea  pl.  born.  93.  122.  coro  sirm.  corro,  sorro.  co7Toro,  sorroro 
karp.  cörro  ödenb.  Böhm,  coro  adj.  corengero  adj.  67.  cororo  m.  armer  Teufel,  coripen 
m.  Armuth.  corovav  vb.  arm  werden.  Deutsch  corelo  adj.  lieb,  corero  adj.  betrübt,  sorero  adj. 
schlecht,  hässlich.  cororo  Armuth,  richtig  :  arm.  coreVoj?e/t  Elend  beitr.  7.  8. 10. 16. 27.  Poln. 
coro7'o  adj.  arm.  cororo  graj  Schindmähre  na.  166.  167.  Euss.  cororo  adj.  bettelarm,  m. 
Bettler,  te  coroi'is  vb.  verarmen,  corcilyem  ich  bin  arm  geworden.  Skand.  c'oro,  corralo 
adj.  elend.  Engl.  cüro.  Span,  coro  m.  Übel,  Schaden,  corre  adj.  schlecht,  hässlich.  cororo 
adj.  arm.  cororipen  m.  Armut.       Asiat,  coni  pa. 

Sindh.   chörö  verwaist   tr.   100.  Vergl.   hind.   chotä  klein. 

covechano. 

Griech.  covechano  m.  covechani  f.  Gespenst  330.  covechaneskoro  adj.  covechanibe  m. 
Gespenstererscheinung.  covechcMovava  vb.  ein  Gespenst  werden.  Rumun.  cochat  i.  Hexe 
buk.  Ungr.  cohdnl  f.  Hexe  ung.  colachani  karp.  Deutsch  covackoväva^  covachaiväva 
vb.  behexen,  covdchäno  Hexenmeister,  covdchäni  Hexe  lieb,  covlgani  beitr.  16.  cohachanin 
waldh.  116.  Poln.  covarava  vb.  zaubern,  covahano  Zauberer  na.  154.  Bask.  coakani 
Zauberer  baud.  38.        Engl,  cövihöni  Hexe.       Span,  cuachafd  f. 

Ai'men.  ßivay,  dzivay. 

cuci. 

Griech.  cuci  f.,  pl.  -ja,  weibliche  Brust,  dzi  k'  o  chtj  cucjende  jusqu'  aux  deux  ma- 
melles  622.  cucort  f.  deminut.  Rumun.  cuci,  cici  f.  buk.  Ungr.  cuci  f.  ung.  karp. 
cucin  f.  born.  87.  cuci  sirm.  Böhm,  cuci  f.,  pl.  -a,  Zitze.  Deutsch  cucin  lieb.  Poln. 
cutci  ubera.  cucg  mamma  na.  162.  168.  Russ.  tjidi  Zitze  boe.  264.  Skand.  cuce  Brust. 
Ital.  cucjd  Zitzen  asc.  138.      Bask.  ticia  baud.  37.      Engl.  tuci.      Span,  cucai  f.  Euter,  Zitze. 

Aind.  cüßuka  Brustwarze,  aind.  päli  kuca.  hind.  cünci  Zitze,  kurd.  cldze  Lerch  199. 
eeeik  rh.  Pott  2.   180. 

cuco. 

Griech.  cucö  adj.  leer,  cucjardva  vb.  leeren,  cücjovava  vb.  geleert  werden.  Rumun. 
mso  adj.  susar  vb.  leeren  zomb.  Ungr.  chuco^  suco  adj.  sucipe  Leere  ung.  cuco  adj. 
cucar  vb.  leeren  sirm.       Böhm,  cuco  adj.       Finn.  cucu  adj.  gac. 

Aind,  päli  tuoßha.  hind.  chüehä  leer.  Im  zig.  ist  das  anlautende  /  dem  inlautenden 
e  assimiliert.  Vergl.   hind.  chüehä  und  cacö. 

culav. 

Böhm,  culav,  culovav  vb.  tröpfeln  14.  38.  cülo  adv.  wenig  54.  culo  38.  70.  Ungr. 
cujovav  vb.  fliessen  ung.  aus  cuTovav.  culo  ein  wenig  karp. 

Hind.  cOnä  tröpfeln,  causat.  culänä  Beames  1.  241.  aind.  ksulla.  päli  culla,  ßüla,  cula. 


196  Fkanz  Miklosich. 


cumb. 


Griech.  ciimh^  cutni,  cani  Kuss.  cumidihe  m.  Küssen,  cumidava  vb.  küssen,  cumidind 
kerdva  vb.  küssen  lassen.  Rumun,  cumid  vb.  küssen :  praet.  cumidihn  ans  cnmidinöm 
buk.  me  cumlndav  ich  küsse  zu.  cnmidav  icli  küsse,  impt.  cumide.  praet.  cumidem,  cumidöu, 
cibinidhias  zonib.  cuminas  klaus.  Unffr.  cumldel  vb.  küssen,  cumidihe  m.  Kuss  unar.  ai- 
midav  ni.  Kuss  born.  87.  praet.  cumidinda  nil.  171.  cumiddu,  cumido  sirm.  Böhm,  cn- 
midav vb.  gerund,  cumidindos  59.  Deutsch  cummeväva  vb.  küssen  lieb,  cummoben 
Kuss  beitr.  19.  Poln.  camudava  vb.  na.  153.  Kuss.  te  camudes  vb.  Skand.  mnwia^ 
cnmra  vb.  küssen,  cunini  Kuss.  Ital.  cumiddv,  cumida  vb.  küssen  asc.  lol.  149.  Engl. 
citma  subst.  vb.       Span,  ctmiendi,  ciipendi  f.  Kuss.  cumendiar,  cupendo.r  vb.  küssen, 

Aind.   päli  cunib  vb.   bind,  cumnä  vb. 

cungalo. 

Griech.  cungalö,  dmngalö,  ztmgalö  adj.  elend,  böse.  cungdTovava,  diungdTovava,  zungd- 
Tovava  vb.  elend,  böse  werden.  ßumun.  zungalo  adj.  hmgaUs  adv.  schlecht,  zunganimös 
m,  Übel,  dzimgdlo  adj.  schlecht,  dzungdles  adv.  mezz.  cungarao  vb.  entstellen  vaill.  101. 
üngr.  dhingalo  adj.  hässlich,  schmutzig  ung.  dziingalo  hässlich.  o  mro  dzi'mgale  römea 
0  mein  hässlicher  Mann  ml.  167.  clzungaTarel  vb.  beschmutzen  ung.  dzungalo,  djungdlo  adj. 
schlecht,  elend,  hässlich.  dzungalipe  Übel  sirm.  dhmgdlo  karp.  dzungalipe  Böses,  le  dzun- 
gal'imastar  vom  Bösen  buch,  zungalo  ödenb.  Böhm,  dzungalo  adj.  garstig.  Deutsch 
dzungelo  adj.  schmutzig.  Ital.  dzungalo  adj.  hässlich  asc,  137.  Bask.  zungali  vilain 
baud.  39.        Span,  cungido  adj.  schlecht,  cutigcdipen  Schlechtigkeit. 

Vergl.  cungdr. 

cungar. 

Griech.  cungdr  m.  Speichel,  Auswurf,  cungardva^  cungdrdava  vb.  ausspucken,  cuvga- 
ribe^  cimgardihe  m.  Auswurf,  cungartinöm  I  was  spit  upon  mem.  217.  ßumun.  sungarao 
vb.  ich  sjjucke  vaill.  129.  sungardela  er  wird  anspucken  buk.  sungardav  vb.  ich  spucke 
zomb.  cumgar  Auswurf  serb.  üngr.  chungeren  vb.  spucken  ung.  Böhm,  cungard  m. 
Speichel,  cungardav  vb.  ausspucken.  Deutsch  dzunger  Speichel,  dsungerväva.  vb.  spucken 
lieb,  cunger  Speichel  beitr.  30.  Poln.  cungar  Speichel  na.  164.  Russ.  te  cungardes^  cin- 
gardes  vb.  speien,    vycungdrdes  vb.    ausbrechen.        Skand.  conkra  vb.        Engl,  cungar  vb. 

Vergl.  cungalo  und  Pott  2.   196. 

cupni. 

Griech.  cupni,  cukni  f.  Tabakpfeife,  pidva  cupnd  ich  rauche,  eig.  trinke  eine  Pfeife : 
dieselbe  Ausdrucksweise  findet  sicli  im  ngriech.,  türk.,  slav,  und  deutschen,  me  dumeskeri 
cupni  mein  Rückgrat,  cupiidkoro  m.  der  Pfeifen  macht,  verkauft.  Ungr.  cumnik  m. 
Peitsche  ung.  cumnik  f.  born.  87.  cugndko  desto  Peitschenstiel  ödenb.  Böhm,  cupiii  f. 
Peitsche,  ciipnöri,  f.  deminut.  cupfdk  f.,  pl.  -a,  Karbatsche.  cupniköri  f.  deminut.  Deutsch 
cupni  lieb,  beitr.  9.  Poln.  cupny  Peitsche,  cupnenca  marena  verberatio  cingarorum  pro- 
pria  na.   152.   164:    eig.    sie    schlagen    mit  Peitschen.  Russ.  c?<^:)nv/  Peitsche.         Skand. 

cukni.        Engl,   cupni,  cdkni.        Span,   cupini  f. 

Pott  2.   181.    Vergl.  bind,  chüci  Pfeife. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wan'deeokgen  der  Zigeuner  Europa-.-,  vii.  11)7 

curi. 

Griech.  cvri,  cori  f.,  pl.  -ja,  Messer  sed.  Rumun,  citri  taganr.  curi,  sur'i  buk.  curi^ 
curi  serb.  sjiiri  bessar.  züri,  zilri  bessar.  II.  citri  zu.  Ungr,  citri,  churi  f.  ung.  citri 
born.  87.  citri  f.  ml.  176.  pl.  chüria  15!).  curi,  churi.  me  daib  curjas  ich  steche,  te  das 
curi  schhxchten  sirm.  curori  karp.  süri  öclenb.  Bölim.  citri  f.,  pl.  -a.  curöri  f.  deminut. 
Deutsch  cilrin  Messer,  corrie  Stiche  lieb,  citri,  curidini  Stechen  beitr.  22.  30.  Poln.  cury 
na.  160.  Russ.  curi.  Skand.  curi,  curing,  curil  Messer:  kaben-cnri  Brotmesser,  öuro- 
dine  Messerstich.  Engl,  ctiri.  Bask.  chouri,  curia,  chutria  Messer  baud.  31.  Span. 
curi  f.  Messer,  curinar  vb.  hauen,  curinaro  m.  matador.       Asiat,  bit  ceri  mit  dem  Messer  pa. 

Aind.  churi,  churikä,  ksuri,  ksura.  päli  churikä.  präkr.  ehurl.  bind,  churi,  churä. 
sindh.  cliuri.  avg.  cural  tr.  50.  kurd.  sür,  sjflr  Lercli   138.  Pott  2.   210. 


curn. 

Griech.  ihtrn,  cunr  m.,  pl.  cunrjd,  Haartiechte.        Russ.  cur  Flechte. 
Aind.  cüdä  Scheitelhaar,  päli  oülä  a  single  lock  usw. 

ciirund. 

Rumun.  curimd  vb.  mit  dem  Schnabel  hacken:  praes.  pl.  III.  curunden,  Ungr. 
cundrudas  kneipen,  eig.  praet. :    er  kneipte  sirm. 

da. 

Gi'iech.  däva  vb.,  partic.  dim'),  geben,  fallen,  schlagen,  schneiden  usw.  din&  pes  A''  o 
drtjin  sie  begaben  sich  auf  den  AVeg  G06.  tline  pes  sie  schlugen  sich  620.  anglctl  ddva 
antworten  G48.  dinardva  vb.  geben  lassen,  dibeva.  Gabe.  Rumun.  da\h.daü,  do  ich  werde 
geben,  praet.  tJom  aus  dinom.  pl.  III.  dine.  das  cingdr  er  schrie,  das  sol  er  tat  einen 
Pfiff.  d(At  les  puski  er  erschoss  iJm.  pusIiD  dino  erschossen,  me  do  jag  kmidrö  icli  werde 
die  Stube  anzünden,  das  Idko  drum  er  Hess  sie  laufen,  delas  düma  er  redete,  dine  jje 
duma  sie  unterredeten  sich,  d'as  les  and  o  ssrö  er  schlug  ihn  auf  den  Kopf.  tTus  pe  p'  o 
.?sr6  er  schlug  einen  Burzelbaum.  das  ma  hidi  (bide)  futuit  me.  del  jiü  es  schneit,  das 
bresmd  es  regnete,  das  ma  avri  er  verriet  mich,  slavisirend.  pald  kodö  dela  la  dem  wird 
er  sie  zur  Frau  geben,  slavisirend.  tJas  pe  er  fieng  an.  dine  tele  sie  warfen  herab  buk.  dimosdab 
Wunde  bessar.,  eig.  das  Geben  eines  Schlages,  dav  cik  ich  niese,  me  dav  nota,  nota  dav 
ich  schwimme,  o  paji  del  vras  das  Wasser  siedet,  das  (aus  das)  pes  tele  er  legte  sich  nieder 
zomb.  dinas  nav  appellavit  klaus.  Ungr.  da  ich  gebe  born.  8G.  de  gib  120.  del  brisind  es 
regnet  ung.  del  o  jiv  es  schneit  ml.  203.  dime  Gabe  born.  88.  praet.  diem,  dian,  dias 
usw.  del  pe  tele  er  legt  sich  nieder,  me  dau  canga  ich  knie,  wie  dau  curjas  ich  steche. 
dav  jag  ich  zünde  an.  me  dau  ma  romaja  ich  schwöre  serb.  zaklinjem  se.  das  svatu  (asl. 
s'Bvet'B)  wir  sprechen  sirm.  les  dinom  kdrije  ich  erschoss  ihn.  dine  the  kerel  Hessen 
machen,  tline  pes  liQ&sexv  sich  ein  karp.  Böhm.  Jat'^b.  geben,  tun,  fallen,  zulassen  (wie 
slav.  dati).  Reflexiv:  sich  begeben:  dinas  pes;  anfangen,  partic.  dino.  del  brisind  es 
regnet,     dav  andre  le  grasten  ich  spanne  die  Pferde    an.     dav  karie   ich  schiesse,     dav  ril 


^98  FHANZ  MlKLOSICir. 

peJo.  dav  sola  icli  pfeife.  Deutsch  dava  lieb,  dias  man  Gabe,  eig.  er  gab  mir.  sci-n 
dias  tele  entliaupten,  eig.  er  tat  den  Kopf  herab,  sero  dine  tele  köpfen,  eig.  sie  taten 
den  Kopf  Iierab  beitr.  11.  14.  19.  Poln.  dava.  godty  (fe-^a  wiehern,  richtig:  er  wiehert. 
rf«fe  r/;«//// tumultus,  richtig:  er  lärmt.  Russ.  ^e  c?aw,  te  des  y\).  te  del  devel !  gebe  Gott! 
te  dav  (jodly  rufen,  te  dias  des  zu  essen  geben,  te  otdes  vb.  abgeben,  te  vydes  vb.  herausgeben. 
udfija  pe  zadalo  sb.  zadyjöm  ich  habe  versetzt :  otoi,  vy,  u,  za  sind  slavische  Praefixe. 
Skand.  de,  dela  vb.  Ital.  desa  du  gibst.  difid  es  regnete.  Bask.  deantsia  donner. 
deocao  rendre.  Engl,  döva,  delöva  ich  gebe,  werde  geben,  praet.  diöm,  deldöm.  Span. 
dinar,  diiielar  vb.  din  gib.  dini  Pfund,  dinipen  m.  Gabe.  Asiat,  denii,  dämi  ich  gebe 
pa.  167.  389. 

Aind.  da,  päli  demi,  dadämi,  partic.  dinno.  präkr.  demi.  hind.  denä,  partic.  dija, 
din.  sindh.  dianu,  partic.  dino.  kurd.  de  gib  Lerch   127.   Pott  2.  300. 

dab. 

Rumun.  (lab  Schlag,  Hieb,  Streich,  and  ek  dab  auf  einen  Schlag  buk,  Wohl  un- 
richtig dab  ich  schlage  bessar.  dah  Schlag  vaill.  55.  102.  Vergl.  dimosdab  Wunde  bessai-., 
eig.    das  Geben    eines    Schlages.  Ungr,    dab    sirm.  Böhm,    dab    f.,    pl.  -u,    Schlag, 

Wunde,  tel  jekha  dabate  unter  einem  Schlag  38.  77,  79,  Deutsch  dap  Schlag  lieb, 
^«65«  Prügel  beitr.  25.  27.  Skand.  dabba  vb.  schlagen,  dabb  (dab)  Schlag.  Vergl. 
griech.  tdjjdava,  tävdava  vb.   schlagen  und  ital.  tabbä  Schläge  asc.   138. 

Vej'gl.  aind.  dabh  und   hind.  dhappa  Schlag  Bugge  155.   Pott  2.  282. 

dad. 

Griech.  dad  m.  Vater,  dadorö  m.  deminut.  dadeskoro  adj.  596.  626.  bkladeskoro  adj. 
vaterlos.  Rumun.  dad  buk.  bessar.  serb.  purano  dad  Grossvater  serb.  Ungr.  dad  ni. 
ung.  dadöro  m.  deminut.  born.  121.  dddöro  ml,  176,  200,  201.  dadeskero  adj.  born.  119. 
dddestero  adj.  ml.  177.  188.  dadengero  adj.  born.  96.  dad.  dädesko  väterlich  sirm. 
dad.  dadöro.  dadeskero  karp.  Böhm,  dad  m.,  pl.  -a.  dädoro  m.  deminut.  Deutsch  däd 
lieb.  däde.  dadeskri  pen  Vaterschwester,  dadeskru  präl  Vaterbruder,  dadeskru  tem  Vater- 
land beitr.  32.  33.  Poln,  dad.  styfdad  Stiefvater,  däda  Grossvater  na.  155.  161.  va^ 
dadcyzne  für  Vaterland  116.  Russ.  dad  Vater,  Gott,  dädoro.  Skand.  dad.  dadeske 
dad  Grossvater,  dadeske  pral  Vatersbruder.  Ital,  dad  asc,  131.  Engl,  dad,  dddios. 
dadengro  Bastard.  ^:)?(ro  dad  Grossvater,  stfffo  dad  Stiefvater.      Span.  dadd.       Asiat,  dadi  ous. 

Hind.  dädä  Grossvater,  käf.  däi,  Vergl,  aind,  täta  Pott  2.  308. 

daj, 

Griech,  daj,  dej,  taj  f,  Mutter,  dajori  f.  deminut.  ddkoro  adj.  mütterlich,  biddkoro 
adj.  mutterlos,  sg.  voc.  ddle,  döle  644.  Rununi.  dej  aus  daj;  dij,  dij  aus  dej:  däko] 
ddsa;  voc.  ddle  buk.  daj  taganr.  daj,  de  serb.  k'  e  peskra  dakro  kher  in  suae  matris 
domum  klaus.  Ungr.  daj  f.  ung.  karp.  daj,  da  born.  121.  daj  ml,  180.  187.  däjöri 
deminut.  201.  202.  dqjön  born.  121,  dakero  adj.  born.  96.  dajengero  adj.  born.  96. 
d(j  sirm.  dajöri.  dakro  Mutter-  karp.        Bölun.  daj.  däjori  f.  deminut.        Deutsch  daj  lieb. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eukoi'A's.  vii.  199 

btutr.  22.  Poln.  daj.  styfdaj  Stiefmutter  na.  158.  159.  Russ.  claj.  ddjoro  deminut.  für 
ddjori.  Skand.  deia.  dakri.  Ital.  daj  asc.  131.  Bask.  daja,  raja  (j  aspire)  baud.  35. 
]^ngl.  dej.   stiffi  dej  Stiefmutter.        Span.  daj.       Asiat,  dado  pa.  dai.  adai  pers. 

Vergl.  dad.  hind.  dädi  Grossmutter,  avg.  da!  Amme  tr.  75.  kurd.  da  LercL  124. 
dui,  doiik  rh.  Pott  2.  309. 

dakar. 

Griecli.  dakdr,  dakliär,  takdr,  takhdr,  taglidr  m.  König,  dakaranu  adj.  königlich,  da- 
kareskoro  adj.  dakarutnö  Sid^'].  dakar/kanö  adj.  dakaribe  ni.  l\.oiügreich.  t/o/iar«-?  f.  Königinn. 
Jlumun.  taga}^  Kaiser  vaill.   130.       Böhm,  fakar  König,  takaruno  adj.  wrat.  8.  15.  16.  17. 

Apers.  takabara  Kronen  träger,  pers.  tädzvar.  armen,  thagavor. 

dand. 

Gi'iech.  dant,  für  dand,  m.  Zahn,  onanuseskere  dant  pl.  Bohnen,  pange-dantengoro  adj. 
gebrochene  Zähne  habend,  dantdva  vb.,  partic.  dantö,  beissen.  danteldva  vb.,  partic.  dan- 
feldö,  beissen.  dantilijje  m.  Biss.  dantardva  vb.,  partic.  dantardo,  beissen.  Rumun.  dand, 
pl.  dand.  ddndal  vb.:  praet.  ddndaldoü  buk.  dand  bessar.  serb.  pl.  danda  zu.  dan.  dan- 
dei'il  er  beisst  mezz.  Ungr.  dand  m.  ung.  dandereJ  vb.  beissen  ung.  praet.  ddnderda 
ml.  167.  dand,  pl.  danda,  sinn.  Böhm,  dand  m.,  pl.  dand.  dandöro  m.  deminut.  dan- 
derav  vb.,  partic.  danderdo  70,  beissen,  nagen,  bidandengero  adj.  zahnlos.  Deutscli  dant. 
danteräva,  danterväva  vb.  lieb.  dant.  daudcrvava  besser  füi-  dandervava  beissen  beiti\ 
7.  36.  Poln.  dantyrava  vb.  beissen,  nagen  na.  156.  167.  Russ.  dand.  te  dandyres  vb. 
beissen.  te  zaddndyr  vb.  nachessen  :  za  ist  ein  slav.  Praefix.  hidandengiro  adj.  zahnlos. 
Skand.  dan,  pl.  danjar.  Ital.  U  ndant  pl.  asc.  138.  Engl.  dan.  dan,  dand,  ddnder  vb. 
lieissen.     ddndhnengri   cor  Nessel,     ddnomeskri  Senf.  Span,  dans  m.    dani  f.  Asiat. 

dent  pa. 

Aind.  päli  danta.  hind.  dant,  entlehnt  dandän.  kurd.  dedan  Lerch  127.  pers.  dandän 
Pott  2.   315. 

dar. 

Griech.  dar  f.,  pl.  dard,  Furcht,  Schreck,  dardva  vb.  fiirchten  sed.  ma  ddra  fürchte 
nicht  606.  daranu  adj.  furchtsam,  daravdva  vb.  schrecken,  dardnovava  vb.  erschreckt 
werden.  Rumun.  dar  f.  gdl'ds  lad  dardtar  er  gieng  zu  ihr  aus  Furcht,  daranov  vb. :  praet. 
dardjToü  aus  dardnüoü.  dardü  ich  fürchte,  impt.  ma  dard,  ma  ddra  buk.  pass.  darajveJ 
iüv  daranovel.  darajlas  für  dardnU'as.  daramnu  adj.  furchtsam  zomb.  Ungr.  darel  vb.  sich 
füi-chten.  dardvel  vb.  schrecken  ung.  ddrinä,  dirinä  ich  fürchte  ml.  169.  191.  derdni  sie 
fürchtete,  deräni  erschrocken  169.  dar.  na  j  mandi  dar  Freiheit,  eig.  non  est  milii  metus. 
daruJ  QY  fürchtet,  dardno  adj.  furchtsam  sirm.  dari.  Furcht,  darandutno  adj.  erschi'ocken  karp. 
Böhm,  dar  f.  Fuixlit.  hidarakero  adj.  furchtlos  72.  däj^av  vb.  fürchten,  nist  tut  ma  da)- 
fürchte  dich  nicht  72.  ^>e5  te  daral  nach  dem  slav.  reflexiv,  sich  fürchten  64.  partic.  da- 
randilo  GG.  -^v&ci.  pes  dar  andile  12.  (iararav  vb.  schrecken.  Deutsch  ^«r.  tarävaWeh.  Poln. 
darah  ich  fürchte,  eig.  er  fürchtet,  darano  Schrecken  na.  152.  165.  wohl:  furchtsam,  de- 
rdva  vb.  fürchten  gal.  II.  Russ.  darlu  adj.  ängstlich.  Skand.  darra  Furcht,  darrani 
;ulj.  bange.  Span,  dar,  dal,  dan,  dra  m.  Furcht,  darano  m.  Staunen,  daranoj  adj. 
furchtsam,  daranar,  daranelar  vb.  verwirren,  daranali  f.  Staunen. 


9QQ  FkANZ  MlKLOSICH. 

Aind.  päli  dara.  liind.  dar  Furclit.  dariia  vb.  fürchten,  daränä  schrecken.  darälCi 
furchtsam,   sindh.  drine)  partic. :  aind.  AV.  dr  (drijate)  Eücksicht  nehmen  Pott  2.  315.  31G. 

das. 

Griech.  das  m.,  pl.  dasd^  dam,  dasdj\  Bulgare,  dasorö  m.  deminut.  daseskoro  adj.  da- 
sengoro  adj.  dasano  adj.  dasikanö  adj.  dasikanes  adv.  dasni  f.  Bulgarinn.  dasiior(  f. 
deminut.       Eumun.  das  Mann,  Mensch  covjek  serlo. 

Aind.  päli  dasa  Sklave. 

desto. 

Griech.   desto  m.        Ungr.   desto  m.    Stiel,    Griff  ung.    desto  ödenb.         Böhm,  desto  m. 

Beilstiel.       Deutsch  desto  lieb. 

Pers.  dastali  Stiel. 

des. 

Griech,  des  nuni.  zehn.  deS-u-duJ,  des-ti-do.  des-u-pandz  600.  618.  Eumun.  des.  d'es- 
n-jek.  des-u-duj.  des-u-pänz.  desto  zehnter  buk.  des  serb.  taganr.  Ungr.  des  ung.  sirm.  dres 
born.  121,  des-u-jek.  des-u-duj.  des-u-trin  105.  des-u-düj.  des-u-panc.  desujekhengero  adj.  den 
eilf  o-ehörig  ml.  186.  10.  des  taj  des  born.  106.  desto  zehnter  img.  sirm.  desinger  m. 
Zehner  born.  88.  des  sei  tausend  born.  105.  deh-u-trin  ödenb.  Böhm.  des.  desto,  desvär 
zehnmal.  des-ti-jek.  desujekto  eilfter.  des-u-duj  zwölf,  des-u-trin  dreizehn,  desutrinvär  drei- 
zehnmal, des-u-stär  vierzehn,  desustärto  vierzehnter,  desustärvär  vierzehnmal.  des-u-pandz 
fünfzehn,  des-u-iov  sechzehn,  desefta  siebzehn,  desochto  achtzehn,  desma  neunzehn,  des- 
värsel  tausend.  Deutsch  des  lieb.  des.  des-e-jek.  des-i-stär  beitr.  10.  33.  36,  Poln,  des. 
des-u-jek.  de-s-a-panco.  deJefta  na.  155,  156.  162.  164.  Euss,  des.  des-u-jiiklt.  Ital,  des 
asc,  132,  Engl,  des.  des-ta-jek.  des-ta-ddj.  Span,  deke.,  esden.  Asiat,  dis,  dez  pa. 
167.  417, 

Aind.  da^an.  päli  dasa.  sindh.  daha.  kurd.  dah. 

devel. 

Griech.  devel,  del  m.  Gott;  Eücken,  devel,  sukch-  devel  Himmel,  devlorö  m.  deminut. 
devleskoro  adj.  devUkanö  adj.  devlikanes  adv.  auf  dem  Eücken.  Eumun,  devel,  im  nom. 
wohl  nur  del,  dil  Gott,  Die  anderen  Casus  lauten  deüles,  deiäesko,  deüleste,  deülesiar,  deidesa, 
deüle,  voc.  deüla  buk.  devel  Himmel,  ac  devle  adieu,  del,  o  del.  devlesko  adj,  serb,  del. 
deloro  deminut,  devlesko  Gottes-  zomb.  del  klaus.  del  vaill.  59.  devlesa  8S.>  devel  zu,  del 
bessar,  IL  dyl  gal.  I.  Ungr.  devel,  del  m.  born.  86,  devlo  m.  ung.  sg.  voc.  devla  ml. 
152,  154.  175.  devlöro  m.  deminut.  born,  90,  devlOro  ml.  devleskero  adj.  born.  119,  br. 
90.,  del  ml,  165.  185.  delo  202.  o  del  Gott,  Himmel.  devle.?ki  umsonst,  eig.  Gottes  wegen 
sirm,  del,  devel  karp.  Böhm,  devel  m„  pl.  -a.  mro  devel.  devleskero  adj.  Deutsch  devel 
lieb,  devel.  debleski  dela  Almosen,  eig.  er  gibt  um  Gottes  willen  beitr.  6.  15,  Poln. 
devel.  deuleskery  poena  divina :  dunkel  ist  deveidad  Engel  na.  152,  157,  mrl  devli  Mutter 
Gottes  gal,  II,  eig.  meine  Göttinn.  A'ergl.  mro  den,  mru  dcnoro  Gott  gal.  II.  Euss. 
devel.  devlakuno  üA^].ivomm.  bidevleskiro  adj.  gottlos,  pasdcrel  Mittag.  Fhm.  devel.  Skand. 
devel.     baro  devel   der   gi-osse  Gott,    tikno  devel  Engel.       Ital.  devles-sa  mit  Gott.       Bask. 


I 


Über  die  Mundakten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vh.  201 

doubelle  Gott,  dehla  Sonne,  ama  doubellen  Mutter  Gottes  baud.  31.   38.  39.        i^ngl.  düvel. 
Span,  debel  m.  Gott,  dehla  f.   Göttinn.  ondebel,  undebel  Gott. 

Aind.  päli  deva.  praki-.  deö.  bind,  dev  (deo  zu  sprechen)  Gott,  Dämon,  devi  Göttinn. 
sindh.  devatä  Gottheit.     Devel  entspricht  dem  pali  devata  n.  aind.   daivata. 

devrjal. 

Griech.  devrjal,  devrudi :  vergl.  dardv  f.  Meer,  deräv  628.  derjdv  604.  608.  devrjald- 
koro,  derjavdkoro  adj.  derjavdkoro  plrdo  was  auf  dem  Meere  geht,  Fahrzeug,  derjavdkere 
laldska  pl.  vulvae  maris,  Seemuscheln.  Engl,  dorjöv,  dojdv,  dovjdl,  dovdl  Meer.  Span. 
loria,  lurija  aus  durija  bor. 

Pers.  darijä,  darja.  apers.  daraja.  abaktr.  zarajo.  kurd.  deria. 

dikh. 


o 


Griech.  dikdva^  dikhdva  vb.,  partic.  diklö,  sehen,  schaueji,  besorgen,  trachten.  dAkl 
m.  Laterne,  dikibe  m.  Anblick,  dikfardu  m.  Spiegel,  dikjovava  vb.  erscheinen,  partic.  dikilo. 
praes.  dikjol  608.  aus  dfkjovel.  dikÜni  man  es  erschien  mir  208.  582.  für  diklimli,  dik.i- 
nili.  na  dikilnilö  tar  l'on  ne  l'appercevait  pas  208.  dikinö  adj.  aufrecht,  dikinh  adv.  di- 
kiko  adj.  aufreclit.  ßumun.  dik  vb.  dihm:  impt.  dik,  d/k-fa.  praet.  diklöm.  pass.  dikjov: 
d'tkjöl  es  wird  sichtbar  für  dikjol  buk.  dikhäv.  '^vAet.diklem.  dikleni  suno  ich  träumte,  r7/^'/o Spiegel, 
serb.  dikfas  vidit  klaus.  dikao  vaill.  dikhäü  vb.  bessar.  dekav^  dikav  vb.  zu.  dikhimös^  dicimös 
Liclit  zomb.  Ungr.  dikhel  vb.  sehen  ung.  dikhav  born.  86.  dfkhav  ml.  161.  195.  dikhjol^ 
dithol  vb.  erscheinen  ung.  dithol  born.  86.  dikhingeruv  vb.  besuchen  born.  106.  dikhes  karp. 
impt.  dikh  ödenb.  dikau,  dikliau  ich  sehe,  dices,  dickes,  dicel.  impt.  dikh.  partic.  dikhlino.  sa 
dcol  omnia  videt,  eig.  omnia  videntur,  ist  sa  dncöl,  dikjöJ  sirm.  Böhm,  dikhav  vb.  gerund. 
dikhindos.  Deutsch  dikkäva.  dikkamdskri,  dikkapäskri  Laterne  lieb,  dik  sieh  beitr.  5. 
29.  Foln.  dykavavh.  schauen,  predykava  experiri  na.  154.  161.  Russ.  f/yM  vb.  Skand. 
dikka  vb.  Ital.  dekdv  ich  erblicke.  Engl,  dik  vb.  diköva  ich  selie.  praet.  diktöm,  diktüm. 
partic.  d'ikto,  dikno.  d/ikomus,  dikimus  Anblick,  dikommgro  SpiegeL  Span,  dikar  vb.  sehen. 
dikahelar  vb.  schauen. 

Aind.  drs.  präl^r.  dekkhämi.  hind.  dekhnä  sehen,  dikhlänä  zeigen  Beames  1 .  161. 162.  315. 
^Iuir2.  33. 100. 122.  Zig.  f/ü'M  setzt  eine  Form  drks  voraus.  Dagegen  steht  dikkhämi  für  drak- 


sjämi  nach  Lassen,  Institutt.   263. 


diklo. 


Griecii.  diklö  m.  Tuch,  TüclieL  Kumun.  diklo  Hand-,  Kopftuch  buk.  diklo  Hals- 
tuch zu.  Ungr.  dikhlo  sii-m.  dikhlö  ödenb.  Böhm,  diklo  m.  Tüchel.  Deutsch  dikklo 
lieb,  diklo  beitr.  28.  ßuss.  dijkhJo  Tuch,  Frauenkopftuch.  Skand.  dMo  Tuch.  Engl. 
diklo.       Span,  diklo. 

Pott  2.  305. 

dinllo. 

Griech.  dinilo.  dilinö,  detiilo  adj.  närrisch  sed.  denil'ovava  vb.  närrisch  werden,  deni- 
Upe  m.  Narrheit.  Rumun.  dilö,  gilu  dumm,  dil'ov  vb. :  praet.  gileles  aus  diTiTas  er  ward 
wahnsinnig,  dilivanu,  dilivanö,  delivano  dumm  buk.    dilö.    diläjlem   insanivi,  vielleicht  aus 

DcDkschriltcn  der  phil.-hist.  Cl,    XXVI.  Bd.  26 


202  Franz  Miklosich. 

düanilem.     diliinos  Narrheit    zomb.     dilö    serb.  Ungr.   dilino  adj.    närrisch,    duniin   ung. 

karp.  düino  ml.  15(J.  184.  dilmipe  m.  Dummheit  ung.  diltpo.  Dummheit  sirm.  dilino 
ödenl).  I>()hm.  dilino  adj.  dumm,  dilincs  adv.  dilinipen  m.  Thorlieit  68.  Deutscli  di- 
nello  lieb.  l'oln.  dylyno  na.  155.  ßuss.  dylyno,  dylynf)  Narr,  Närrinn,  Skand.  dingel 
albern.  Ital.  diline,  dirine  Monaciglioni,  ein  Ort,  eig.  Narren  asc.  154,  Bask.  dihilo  när- 
risch baud.  32.  Engl,  dfnilo,  dinlo,  dinvero.  Span,  dinelö,  dililö,  ninelo  adj.  dumm. 
dinelovisar  vb.   dumm  sein. 

Aind.  päli   vergl.   dina   arm.   traurig  Pott  2.   313. 

dives. 

Griech.  dives.  dives,  dies,  dis  m.  Tag.  disdra  adv.  früli.  dise  adv.  bei  Tage,  dise  arati  Tag 
lind  Naclit.  diveseskoro  adj.  täglich;  m.  Taglohn,  du-,  trin-divesengoro  d.rom  ein  Weg  von 
zwei,  drei  Tagen  610.  dtsjula  es  tagt,  disilo  tar  es  tagte  598.  610.  disili  iar  sie  sah  den 
Tag  602.  disjoihe  m.  Tagesanbruch,  jeh  divis  eines  Tags,  avdives  heute.  ßumun.  des, 
des.  des5  bei  Tage  buk.  dives.  adivisstnö  adj.  heutig,  avdive  heute  serb.  divese  bei  Tage. 
avdive  zu.  ges  taganr.  ages  heute  bessar.  soges  poln.  codzieii  täglich  gal.  I.  ndes.  de  adesara 
von  heute  an.  desarav  vb.  ich  leuchte,  desaivel  es  tagt  zomb.  für  desardovel.  deseske  bei 
Tage,  ödes  heute  klaus.  Ungr.  dives,  dives,  des  karp.  dive  m.  Tag  ung.  dlve  m.  born. 
87.  adä  dive  heute  103.  deve  m.  87.  ada  deve  heute  118.  ^q^''  ^  "'^^''^  '^^'^'^  täglich  120. 
divesa  bei  Tage  ung.  diveha  bei  Tage  ml.  164.  öda  dlve  jenes  Tags  190.  dij  m.  Tag, 
Wetter,  dij,  di  ml.  158.  173.  sako  dij  täglich  ung.  sdko  dij  ml.  158.  ^:)a5"  fZiy  Mittag,  adadij 
adv.  heute,  dislol  vb.  leuchten  xmg.  für  disjol.  djes,  dzes.  adjes  heute  sirm.  ades.  sakone- 
deseskro  manro  panis  quotidianus  buch.  Böhm,  dives  m.,  pl.  -a.  divese  73.  falsch  divete 
74.  jekvär  diveseske  einmal  des  Tags,  divesestar  von  lieute  an  68.  dives  divesestar  von  Tag 
zu  Tag.  adadives  adv.  heute.  divesaJ'ovav  vb.  tagen.  divesaTol  es  tagt  69.  Deutsch  dives. 
divese  te  ratti  Tag  und  Nacht,  diveseske  bei  Tage  lieb,  dives  beitr.  29.  31.  Poln.  dives. 
dedyves  adv.  heute  na.  155.  ßuss.  deves.  adadeves  adv.  heute,  ijaldeves  Mittag.  Skand. 
dives,  dyvvus.  Ital.  deves.,  dves,  pl.  devesa.,  U  dves,  Tag.  Bask.  dibesi,  dihesi  Licht,  Tag 
baud.  34.  Engl,  divvus.  Span,  cibe  Tag  aus  dive.  acibe  heute.  Asiat,  dis  Tag.  de 
disi  pecöi  nach  zv^rei  Tagen,  edze  heute  pa. 

Aind.  päli  divasa.  präkr.  divaha  Pott  2.  310. 

divio. 

Ungr.   divljo  Nari-heit    sirm.        Deutsch  divio  wild    lieb,   dihjo  beitr.  35.       Engl,   divio 

wild,  toll. 

Aslov.  divij   adj.   wild   usw. 

dombo. 

Ungr.    domhn    m.    Hügel    ung.  Rumun.    dombo    Bergrücken    vaill.    103.  Böhm. 

domhos  m.        Deutsch   dondja.        Engl,   dumho. 
Magy.  domb  Hügel. 

domuk. 

Griech.  domvk  m.  Faust,  Faustschlag.  ßumun.  dumük.  Ungr.  dumttk  m.  ung. 
i  dum.uk,  pl.  dumnkha,  ödenb.        Böhm,  dinmik.       Deutsch  datmdc  Daumen. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europas,  vii.  203 

dori. 

Griech.  dort  f.  Band.  Rumun.  dori.  Ungr.  cfo?'^^'  m.  Schnur  ung.  dorik  f.  born.  86. 
karp.  /  döri  ödenb.  dorikerel  vb.  stehlen  ung.  Böhm.  dori.  f.  Band,  doröri  f.  deminut. 
Deutsch  törin  lieb,  dori  beitr.  7.  8.  Poln.  dorn  gal.  II.  Engl,  döri,  dnri.  Span. 
dori  f.  rope,  soga. 

Aind.   döraka.  bind,  dör  string.  mar.  dör. 

dosta. 

ßumun.  dösta  genug.  Ungr.  dosta  adv.  born.  105.  dosta  ml.  156.  184.  dosto  adj. 
genügend  ung.  BöhiQ.  doha  adv.  genug.  Deutsch  doha,  dochu  lieb,  dosta  beitr.  14. 
Skand.  dosta.       Engl,  dösta.       Span,  dosta  adv. 

Aslov.  do  syti,  sonst  dosta  usw.  Pott  2.  308. 

dos. 

Rumun.  dos  f.  Schuld  culpa,  dosalö  adj.  schuldig  buk.  dos  Fehler  vaill.  i^as  ode  dos 
ob  eam  causam  klaus.  Ungr.  dosalo  buch.  Deutsch  dos  Mangel,  dosvälo  adj.  lieb,  dös 
Schaden  beitr.  27.  Poln.  dos  pernicies.  Russ.  dos  Laster.  Engl,  d^is  subst.  Übel ; 
adj.  übel,  düsalo  unglücklich.       Span,  docht  f.   culpa. 

Aind.  päli  dösa.    hind.  dös,  dökh  Tadel,  dökhnä  tadeln,  nirdökh  schuldlos. 

dos. 

Griech.  dosdva  vb.,  partic.  doslö,  melken.  Rumun.  dusö  ich  melke,  praet.  dusTöü. 
VergL  deutsch  thucäva  vb.  lieb,  und  asiat.  impt.  le  tus  pa.   333. 

Kurd.  düsim  ich  melke  Lerch   131.   Vergl.  aind.  duh.   päli   duh  (döhati).   hind.  döhnä. 

drab. 

Griech.  drab,  drap  m.,  pl.  drapd,  Kraut,  Medicin.  drahengoro  adj. ;  drabengoro  m. 
drabSngeri  f.  Kräutersammler,  Kräutersammlerinn.  Rumun.  drab,  drjab  m.  Tabak. 
drjäb  bessar.  IL  Ungr.  drab  m.  Heilmittel,  drahengero  m.  Apotheker  ung.  drab 
ödenb.  Deutsch  träh  Wurzel  lieb,  car-drabe  Gewürz  beitr.  15.  Poln.  drab  Kraut. 
draba  kirla  divinare,  eig.  divinat.  drabo  Wahrsager,  drabi  Wahrsagerinn  na.  168.  169. 
Skand.  drabb  Medicin,  Gift,  drabbeske  adj.  Engl,  drab  Gift,  Medicin.  drabengro,  dra- 
bengri  Apotheker,  Arzt.       Span,  drao  m.  Gift. 

Aind.  dravja  n.  Gegenstand,  Ding,  Stoff,  Substanz ;  ferners  flüssiger  Stoff,  Arzenei- 
stoff',  Salbe,  geistiges  Getränk  usw.  päli  dabba  object,  thing;  material,  substance;  a  fit 
object:  wealth,  property,  fuel   Pott  2.  316.  Sundt  374.  Globus  26.  203. 

drabar. 

Rumun.  drabar  vb.  lesen :  drabarU.  praet.  drahardds  buk.  drabarao  vaill.  75. 
Deutsch  iravervära  vb.  lesen,  beten  lieb,  drovervena  lesen,  beten  beitr.  20,  eig.  sie  lesen, 
beten.       Skand.  drabbra  vb.  lesen,  drabbranö  adj.  gelehrt,  drablopa  Lesen,  drabelina  Buch. 

Pott  1.  439. 

2fi* 


OA  I  FliANZ  MlKLOSIClt. 

drakh. 

GriecL.  drak  in.,  pl.  -(/.  Traube,  drakengoro  adj.  drakengoro  pdj  Traubenwasser, 
Wein  620.  Rumun.  drak  vaill.  64.  103.  serb.  zomb.  Ungr.  draki  f.  ung.  dräkhi 
born.  87.  drak,  drakh  sinn,  dräkha  pl.  ödenb.  Böhm,  drakh  f.,  pl.  -a.  Deutsch  dräk. 
Bask.  draka,  grata  Traube  baud.  38.  draka;i  Weingarten  39.  Span,  draka,  trakia  f. 
Asiat,  dräk  syr.  seetz.  drek  pa. 

Aind.  draksä.  bind.  dakh.   sindh.   dakli.   gu2.   darakh.   käf.   drä§. 

drom. 

Griech.  drom  m.,  pl.  -d.  Weg.  dromorö  m.  deminut.  dromeskoro  adj.;  m.  Reisender. 
Rinnun.  drum  m.,  pl.  drumd.  drum  das  er  Hess  laufen  buk.  drom  mezz.  dromeske  mikle 
pen  sie  begaben  sich  auf  den  Weg  klaus.  Ungr.  drom^  m.  ung.  bis  drom,  frin  drom  usw. 
zwanzigmahl,  dreimahl  usw.  wie  serb.  dvaput,  triput  sirm.  Böhm,  drom  m.,  pl.  -«. 
dromengero  m.  Wanderer.  Deutsch  trom  lieb.  drum,  drom  nasedum  Irre  error,  eig.  ich 
habe  den  Weg  verloren  beitr.  18.  26.  31.  34.  trom  waldh.  120.  Poln.  drom.  Russ. 
drom.  Skand.  dromm.  Ital.  drom  Strasse  asc.  131.  145.  Bask.  drömia  montagne, 
foret  baud.  32.   35.       Engl.  drom.       Span,  drun,  drune  m. 

Griech.  Spötio?  Pott  2.  318.      Dasselbe  Wort  findet  sich  im  bulg.,  serb.  und  rumun. 

drösln. 

Rumun.   drosin  Thau   zu.        Ungr.   drösin  sirm. 

Ngriech.   opöaoc,  opoatä. 

dud. 

Rumun.  dudar  vb.  leuchten  zomb.  n  ndud  bukar.  udud,  udut :  sg.  acc.  ndtides  klaus. 
dudalesk  adj.  Fenster-.  wc^i^fZa^/  Fenster  vaill.  75.  132.  Ungr.  dud.  dut,  ududt  m.  Licht. 
dudipe  m.  Licht.  rf«.f?io.  tidutno  adj.  licht  ung.  ?trf«rf  ödenb.  Böhm,  dud  m.  c?MfZöro  m. 
deminut.  Deutsch  /■«<  hell.  Ital.  dudd,  pl.  rf».c?c^;a,  Leuchter.  Engl,  dud  Licht. 
Span.  f^M^  m.  Licht,  diitoj  adj.  licht,  dundun  adj.  klar.  (f«mc??:  Lampe. 

Aind.   djuti.   päli   göti.   bind,   dzöt  Licht. 

dudum. 

Griech.  dztdüm  m.,  pl.  -d,  Kürbiss.  gudlv  dudüm  Pfebenkürbiss  potiron.  Rumun.  dodomd 
pl.      Ungr.  dudüm  ödenb.  dudum,  dudu  ung.  dudum,  tüdum  sirm.  Vergl.  engl,  dtidum  Bauch. 

Armen,  dudüm. 

dugo. 

Rumun.    dilgo    adj.    breit    buk.         Ungr.  dugo    adj.    lang    born.   100.  adv.   121.   karp. 
dnges  adv.  karp.  dugipe  m.  Länge  ung.       Böhm,  dugo  adj.  dtigipen  m. 
■     Vergl.  aslov.  dl-Egt.  bulg.  dl-Bg.  serb.  dug  usw. 

duchki. 

Griech.  duchkjäva  vb.,  partic.  duchkinö,  springen,  duchkinf  grastnt  besprungen  250. 
impt.  düchki.    duchkmovava  vb.   spi-ingen.  Asiat,   dekhviti,    dekhavti,    dekhti   d.    i.    dech-. 

Duchkjdva  ist  wahrscheinlich   auf  aind.  ud  sthä  zurückzuführen. 


Übek  die  Mündakten  und  die  Wanpebunöen  der  Zigeuner  Europas,  vii.  205 

duchos. 

Griech.  duchos,  dücho  m.  Luft,  Wind,  dein  o  duchos  der  "Wind  weht.        Rumiin.  ducho 

Geist.         Deutscli    tucho    Haucli,    Atliem,    Luft,    Geist  lieb,     doko    beitr.   7.         Span,  dukö 

m.  Geist. 

Aslov.  duhi)  usw.  ,    . 

duj. 

Griech.  duj  num.  zwei,  du  626.^  do  620.  duj  d^ene  zwei  Personen  262.  Rumun. 
duj.  li-duj,  düj-ieni  beide,  dujto  num.  zweiter,  duvar  zweimahl  buk.  velduj  beide  ist  wohl  vi 
e  duj.  soloduj  beide  steht  wahi'scheinlich  für  sa  Je  duj  klaus.  duj  bessar.  di  zu.  Ungr. 
duj  ung.  duj,  du  born.  105.  duvar  zweimahl,  dujto  zweiter  ung.  dtijtovar  zum  zweiten  Mahl 
born.  105.  du-dzene  zu  zweien  ung.  ditari  zweimahl  sirm.  düvar  ödenb.  Böhm.  duj. 
duvär.  duvär  bis  viei'zig.  duj  sei  zweihundert,  duje-hersengero  adj.  zweijährig,  dujto.  du-dzene 
mitsammen.  Deutsch  duj  lieb.  Poln.  duj.  duaTo  doppelt,  dujo  zweiter,  dujsel  na.  154. 
Russ.  duj.  c^w-fföme  beide,  zusammen.  Skand.  dy.  Ital.  duj,  du\  Bask.  duj  baud.  31. 
Engl.  duj.  Span.  duj.  dujdeke  zwölf,  dujto  doppelt,  dujtar  vb.  verdoppeln,  duiskero 
zweiter.       Asiat,  di,  de  pa.  356.  417.  422. 

Aind.  dvuii :  Stamm  dva.  päli  dvc,  duve.  präkr,  due,  du.  hind.  dö.  dönö,  har 
do  beide,  kurd.  du. 

dukh. 

Griech.  duk  f.  Schmerz,  dukdva  vb.,  partic.  dukano,  Schmerzen  empfinden ;  lieben, 
mit  ke:  dukdva  ti'dce  ich  liebe  dich  618.  duklo  adj.  leidend;  elend,  arm  618.  dukano  m. 
Geliebter,  dukam  f.  Geliebte,  dukaväva  vb.  Schmerzen  empfinden  machen,  verwunden. 
dukänovava  vb.  schmerzhaft  sein,  lieben,  dukanihe  m.  Liebe,  dukaihe  m.  Schmerz,  Liebe. 
Rumun.  duk  vb. :  dukdl  es  schmerzt  buk.  dhukal  gal.  L  Ungr.  d^hk  f.  dihkh  m.  Schmerz 
ung.  dukh  f.  born.  88.  dukhel.^  dukäl  vb.  schmerzen  ung.  didclial  born.  106.  dukal  lua  es 
schmerzt  mich,  na  dukha  ma  verletze  mich  nicht :  dukha  für  dukhav.  o  vast  dukhäl  die 
Hand  schmerzt,  le  dant  telune  dukhän  die  unteren  Zähne  schmerzen  ödenb.  Böhm,  dukh 
f.,  pl.  -a.  d'ukhal  vb.  wehtun.  man  dukhal  76.  Deutsch  dukk.  dukkäxa  vb.  lieb.  duk.  dukala 
o  weh,  eig.  es  schmerzt,  kurlo  dukalo  heisch,  eig.  der  Hals  schmerzt  beitr.  16.  23.  28. 
34.  Poln.  dukalo  Schmerz  na.  152.  Russ.  dukhal  weh.  Skand.  dukk  (dykkeha) 
Krankheit,  kirja  dukk  Aussatz :  kirja  ist  mit  (/er  zu  vergleichen,  dukkalö  krank.  Engl. 
düker  vb.  praet.  dnkadds  he  did  hurt.  Span,  duka,  dua  f.  Mühe,  dud  adv.  kaum,  sobald 
als.  dukilar  vb.  kj-ank  werden,  dukipen  m.  Schmerz,  dukinam,  dukinensia  f.  Reue. 

Aind.  du :  kha.    päli  dukkha.  hind.  dukh.  duklmä  vb.   sindh.   dukhu  Pott.   2.   306. 

duma. 

Rumun.  düma  Rede,  Antwort,  das  duma  er  redete  buk.  de  duma  parpali  reponds. 
dumao  vb.  raisonner  vaill.  dau  duma,  dumdu  ich  rede  mezz.  Böhm,  duma  Sprache. 
Russ.  duma  Gedanken,  dumiskirava:  hari  düma  dumiskirdjom  icli  dachte  grosse  Gedanken. 

Bulg.  dumt  Wort.     russ.   duma  Gedanke. 

dumo. 

Griech.  dumo  m.  Rücken,  hange  -  dumeskoro  adj.  buckelig.  bar6 -  dumeskoro  adj. 
liinen  gi-ossen  Rücken  habend,  dumorö  m.  deminut.       Rumun.  dumo  vaill.  d?'.m6  Schulter 


2()(;  Fkanz  Miklosich. 

buk.  dtimd-p].  serb.  Ungr.  dumo  ßUckeii  m.  uug.  karp.  ddiiio  ml.  ödenb.  diaiio;  sg.  instr. 
dumea    sirm.  Böhm,    dumo    m.,    pl.    -e.     dumöro   m.    deminut.  Deutscia   dummo  lieb. 

c^ifTOO  beitr.  25.  26.  Poln.  dummo.  dumo  attritus  sedno  missverstanden  na.  164.  165. 
Finn.  dummo  gac.  Skand.  dummu  (domm).  Ital.  durnö.  Engl.  dumo.  Span,  dume, 
diimen.  paldumo  liuncliback. 

Hind.  dum  f.  entlehnt,     pers.  dum.  abaktr.  duma  Schwanz  Pott  2.  314. 

dur. 

Griech.  dur  adj.  adv.  entfernt,  weit,  comparat,  dureder.  dural  adv.  von  ferne,  duripe 
m.  Entfernung,  duritnö  adj.  lang,  dürjovava  vb.  entfernt  sein,  durano  adj.  entfernt,  du- 
rdftovava  vb.  sich  entfernen.  ßumun.  dur.  dural  von  ferne,  durjov  vb. :  praet.  durile 
bulc.  comparat.  durdir  vaill.  dur.  dural  bessar.  II.  Ungr.  dur  adv.  entfernt  ung.  dür 
ml.  159.  204.  dural  adv.  von  weit  her  born.  118.  dural  ödenb.  comparat.  dureder  ml. 
169.  175.  182.  durjau  vb,  ich  entferne  mich  sirm.'  dureder  karp.  Böhm,  dur  adj. 
Deutsch  dtiro.  durjeväva  vb.  weit  gehen  lieb.  dur.  nani  dur  nahe  beitr.  2o.  35,  eig.  es 
ist  nicht  weit.  Poln.  dur.  nane  dur  nicht  fern  na.  152.  154.  Euss.  dur  in  der  Ferne, 
hoch.  Skand.  dur  lang.  Ital.  durtune  pl.  fremd.  Engl.  dur.  comparat.  durder.  Span. 
dur  adv.  fern.       Asiat,  duri.,  dürghe  entfernt,  dircüne  fremd  pa.   639. 

Aind.  päli.  abaktr.  dura.  hind.  pers.  dür.  kurd.  dar  Lerch  131.  Pott  2.   317. 

durik. 

Deutsch  turkeväva  vb.  wahrsagen,  turkepeii  Prophezeiung  Lieb,  durker  vb.  beitr.  34. 
Engl,  durik  vb.  dtirikapen  Wahrsagen. 

duruli. 

Rumun.  duruli  f.  Fass  buk.  durido.  bari  duruU  grosses  Fass  serb.  Ungr.  durugli 
sirm.        Deutsch  turdli  lieb. 

dusman. 

Ilumun.  dusman  m.  Feind  buk.  vaill.       Span,  dacmanu  m. 
Pers.   avg.   hind.   dusman. 

dza. 

Griech.  dznva  vb.,  partic.  gelo,  gehen,  dza  tüke  etwa :  va-t-en.  o  rakW  gelö  peske  le 
gar9on  s'en  alla.  Kumun.  za  vb. :  zan^  *o,  zdp-tar  ich  gehe,  partic.  praes.  zandöj.  partic. 
praet.  gelö,  gslö  buk.  arul  o  zamos,  dzamos  inter  eundum  zomb.  dzava  serb.  taganr.  te  saj 
dzohos  ut  possem  ire:  dzuhos  für  das  erwartete  dzavas.  -praet.  g/fas.^  gile  klaus.  Ungr.  dzal\l>. 
ung.  dM  born.  122.  praes.  dzav,  dzä  ml.  174.  186;  156.  160.  impt.  dza  162.  169.  praet. 
gelo,  geTo  ml.  152.  153.  157.  176.  181.  dlava.  dia[l]  [i]  halval  der  Wind  weht  karp. 
Böhm,  f/iav,  dzal.  impt.  dza.  praet.  geTas,  gele  54.  63.  dzara  in  so  tuke  odolestar  dzaraf 
was  wird  dir  daraus  kommen  (entstehen)?  53.  steht  für  dzala.  Deutsch  dzäva  vb.  lieb. 
tshamraauder  meiden  für  dza  mander  gehe  von  mir.  tschahen  d.  i.  diaben  Gang  beitr. 
14.  21.         Poln.    diavan    (wohl:     diava)    and  o    drom    peregrinari.     vydzava    evehi.     tndut 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  207 

obdzau  circumvehi.  i^am  zadzala  occasus  solis  für  kam  zadzata  sol  occidit  na.  IGO.  1G7. 
168  :  vy,  ob,  za  sind  slav.  Praefixe.  ßuss.  te  dzas  vb.  gehen,  te  vdzas  hineingehen,  te 
vydzas  hinausgehen,  praet.  gejöm,  ugejöm :  v,  vy  sind  slav.  Pi-aefixe.  Skand.  ja  gehen. 
jaben  Gang.  Ital.  dzava,  dzav.  dza  mang  ich  gelie.  jyom,  jele  asc.  140.  143.  149.  152. 
J3ask.  sigo  sade  coiu'ir  band.  30.  asc.  löfi.  Engl,  dzal  vb.  gehen,  dzova,  dzalova  ich 
gehe,  partic.  fiiln.  praet.  giom.  Span,  calar  vb.  gehen,  ca^  ca  tiikue,  cal  geh.  Asiat,  dlämi 
ich  gehe,  garöm  ich  gieng.  gari,  giri  er  gieng  pa.  jämi  ich  gehe,  praet.  garüm  syr.  Pott. 
Aind.  ja.  päli  gä.  hind.  d2änä.  praet.  gajä  Pott  2.  212.  Beanies  1.  249.  253.  avg. 
dzam  ich  gehe,  dzah  geh  tr.  178.  191.  kurd.  ve  dzen'a  ich  gehe  aus  Lerch  212.  Das 
partic.  gelu  ist  das  aind.  partic.  gata. 

dzamutro. 

Griech.  dzamutro  m.  Schwiegersohn,  Schwager  beau-fils,  le  mari  de  la  soeur  wie 
ngriech.  Ya[i.ßpöc.  Rumun.  dzamutro  serb.  zamutro  zonib.  Ungr.  djam/Uro  sirra.  dza- 
mutro  karp.  Böhm,  dzamutro  m.,  pl.  -e,  Eidam.  Ital.  dzamudrö,  dzamodro  asc.  130. 
Asiat,  dzafterö,  dzaftüri^  dzardäv,  dzartdv  pa. 

Aind.  gämätr.  päli  gämätä.  präkr.  gämää.  sindh.  dzätrö.  hind.  dzamäi,  entlehnt  dämäd. 
pers.  dämäd.  kurm.  zäva  Beames   1.   192. 

dzan. 

Rumun.  g'anao,.  jinao  (wohl:  dzanao,  dzinno  oder  zanao,  zinao)  vb.,  praet.  -ndim,  en- 
gendrer  vaill.  105.  110.  Span,  cindar  vb.  gebäi'cn.  cinoro  m.  Geschöpf,  cindal  Mutter. 
cindoj  Geburt. 

Aind.  päli  gan.  hind.  dzannä  geboren  werden,  dzanänä  hervorbringen.  dXanmänä 
gebären,  sindh.   d2ananu.  armen,  zenel.  kurd.  za  gebar  Lerch   143. 

dzan. 

Griech.  dzandva  vb.,  partic.  dzandö,  dzanlö,  kennen,  wissen.  Rumun.  zan  vb.:  zandü 
ich  weiss,  praet.  II.  sg.  zangldn.  zangJov  vb.  pass.  buk.  dzand  ich  weiss,  praet.  dzanglem 
ich  wusste  serb.  dzaiuin  mezz.  dzanav  zu.  ianglimos  Wissen  zomb.  Ungr.  dzanel  vb. 
wissen,  kennen,  können  ung.  dzanav  vb.  born.  106.  dMnav  ml.  184.  194.  205.  dzänau 
154.  155.  163.  dzdnä  169.  170.  praet.  dzdnda  153.  154.  156.  dzdneda  er  hat  gekonnt  169.  175. 
176.  193.  dzanau  sirm.  dzanipe  m.  Kenntniss  ung.  Böhm,  dzanav  vb.  p'''*  dzanTas  se 
dovSdel  55.  Deutsch  dzanäva  lieb.  Poln.  dzinava^  dzinau,  zynava  wissen  na.  167.  169. 
Russ.  te  dzines,  praet.  dzindjom.,  wissen,  erkennen,  diindlo  Bekannter.  Skand.  jana  vb. 
Ital.  dzandva  vb.  Engl,  dzin  vb. :     dzindw,    dzinovci.    ich   weiss,     partic.    dzinlo.    praet. 

dzlndöm.  Span,  canar^  canelar  vb.  cande  adj.  gelehrt,  canaru  m.  Kenner.  Asiat,  dza- 
ndmi,  dMnemi  ich  kenne,  weiss,  dzaneri  er  weiss  pa.  für  eur.  dzanel:  ?■,  /  für  aind.  t. 

Aind.  giiä.  päli  gänäti.  präkr.  gänädi  er  kennt,  hind.  dzännä.  sindh.  dzänanu  Pott 
2.  218.  Beames   1.  303.  kurd.  zänim  ich  weiss  Lerch   143. 

dzang. 

Griech.  dzangdva  vb.,  partic.  dlanganö,  wecken,  urspr.  wohl  wachen,  dlangaudva  vb. 
wecken.     dSangdnovava,   vb.,    partic.    dzangdnilo  ^    geweckt    werden,    erwachen.         Rumun. 


208  Franz  Miklosich. 

zimgac  vb. :  zungado  snm  ich  wache,  zungadov  vb. :  upre  zungadilem  ich  wachte  auf,  serb. 
probudio  sam  se  zomb.  Ungi-.  dzangavel  vb.  wecken  aus  Ung.  331.  dzungavla  er  ist 
wach  sirm. :  falsch.  Deutsch  dzangeväva  vb.  erwachen,  wecken,  dzangelo  adj.  munter 
lieb.  ßuss.  tc  dingdv  vb.  wecken.  Engl,  dzongcv  vb.  wecken.  Span,  canganar  vb. 
Aind.  gägr.    päli  gägar  (gagarati),    hind,  dXägnä  wachen,     d^aganä  wecken,     sindh. 


dzaganu  wachen. 


dzar. 

Griech.  dzar  f.  Haar,  Faser,  dzarjalo  adj.  behaart,  hare-dzarjengoro  adj,  langhaarig, 
üngr.  dzär  m.  Haar,  Borste,  dzarja  pl.  Bart  ung.  dzarval  Haar  born.  89.  dzarvalo 
adj.  haarig,  borstig  ung.  dzarvalo  born.  101.  zarda  f,  Haar,  Barthaar  ung,  zärja  Wolle 
sirm.  dzar  Zotte  karp.  Böhm,  dzar  f.,  pl.  -a,  Haar,  Cecli.  chlup,  dzaröri  f.  deminut. 
dzarälo   adj.   haarig.   Vergl.  cor  Bart. 

Aind.  päli    g'atä  Haarflechte,    avg.   Xiräh  Bart  tr.  54,  Pott  2.   2.58, 

dzeno. 

Griech,  dienö  m.,  pl.  -e,  Person,  kanek  dzenö  jemand  606.  jek,  kanek  dzenö  mit  der 
Negation  niemand  298:  jek  dzenö  ndnaj  personne  n'est  610.  te  na  vrakerel  man  kanek 
dzenö  que  personne  ne  me  parle  612.  laüia  dzen^-.  Rumun.  düj-^eni  beide,  trin-zene  alle 
drei,  star-zeni  alle  vier  buk,  Ungr.  dii-dzene  zu  zweien  ml.  169.  Imt-dzene  viele  ung. 
butcene  born.  118.  für  but-dzene.  ofta-dzene  zu  achten  upg.  duj-dzene  sirm.  jek  dzeno  einer, 
jeder  einzelne,  sako  jek  dzeno  jeder,  so  duj  dzene  beide,  trin  dzene,  so  trin  dzene  alle 
drei  karp.  Böhm,  du-dzene  zusammen  63.  65.  74.  Deutsch  dzeno  Mensch,  Kerl 
lieb,       Finn,  djeino  Kerl,  djeinesk,  djeinengo  adj.  d.  i.  wohl  dz-, 

Aind.  päli  gana.  hind.  d2an   Person,  Mann, 

dzl. 

(Jriech.  dii ,  dzin,  ci,  ein  adv.  noch,  bis.  dzi  des  hanlä  ungefähr  zehn  Börsen, 
ngriech,  Icoc  5e/,a.  na  pekilo  dzi  es  ist  noch  nicht  gekocht,  dzi  te  dzal  avant  d'arriver  622, 
mit  ;e  praep. :  dzi  f  o  kocd  bis  zu  den  Knien  610.  614.  Rumun.  dzi,  zi:  z  akanä  bis 
jetzt,  z'  ek  pas  bis  zur  Hälfte,  z  and  o  des  bis  zum  Tage,  zi  kol  (kaj  ol)  casuri.  conj. 
zi  kaj:  zi  kaj  cwde  bis  sie  zogen  buk.  Ungr.  dzi,  diik  ung.  ii  praep. :  zi  Pesti  bis  Pest 
born.  99.  sddzik  bis  dahin  ml.  171,  eig,  ganz  bis.  dzi  sirm.  Deutsch  ein.  Ital,  dzi-ratti 
•piesta  sera  asc.   141,  der  dzi  mit  dives  vergleicht, 

dziv, 

Griech,  diivdva  vb.,  partic.  dzivdö,  leben,  dzivdö&^].  lebend,  dzibem.  Leben,  dzivdovava 
vb.  pass.  leben.  Rumun.  zuv  vb. :  zuvdü,  zuvö.  zudö  adj.  lebend  buk,  zuindu  lebend,  arzi- 
ziu  zivoindu  Quecksilber  bessar.,  d.  i.  argentum  vivum.  di,ivdü  adj.  serb.  zuvdv  vb.  le  zuvin- 
denge  thaj  le  nmlenge  vivis  et  mortuis  zomb,  Ungr.  dzivel,  zivel  vb.  ungr.  dzivel,  dziven 
ml.  157,  165.  172.  179.  d^rä  vb.  born.  dzivibe,  zivibe  m.  dzivdö,  zivdö  adj.  dzivdärel 
vb.  anzünden  ung..  eig.  leben  machen,  impt.  dzivdar,  Mvdar  ml.  196,  198.  dindarde  bala 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  dek  Zigeüneu  Europa's.  vii.  209 

lange  Haare  ungli.  für  dzivdarde.  dztido  lebend  adj.  sirm.  dMdo,  zhlo  adj.  lebend,  dzidol,  zklol 
lebt  karp.  dzivdo  adj.  ödenb. :  zlvisar  vb.  geniessen  sirm.  stammt  aus  dem  slavischen. 
Böhm,  dzido  adj.  itas  dzido  halb  todt.  dzidärav  vb.  nähren.  Deutsch  dziväva  vb.  dzido  adj. 
dzimasfer  lebenslänglich  lieb,  dzivava  vb.  dzimaster  ewig,  eig.  lebenslänglich  beitr.  12.  20. 
Poln.  zt/vai-a  vb.  dziindo  lebendig  na.  169.  Russ.  te  dzives  vb.  dzindle  hoe.  24.  te  prodzives 
vb.  verleben:  pro  ist  ein  slav.  Praefix.  dUdö  adj.  Skand.  jida  vb.  jido  adj.  jiben  subst. 
Ital.  dzivdu,  dzido  adj.  Engl,  dziv  vb. :  dzivöva  ich  lebe,  dzivdo,  dzido,  dzivo  adj.  dzi- 
vohen  subst.  Span,  cibos,  cibiben,  cipen,  ocibiben  m.  Leben.  Asiat,  me  dzende  fz.  vie 
pa.  ist  vielleicht  ,in  meinem  Leben'. 

Aind.  päli  giv.  giva.  bind,  dzinä  leben,  kurd.  dzüve  Quecksilber  Lerch  120.  Pott 
2.  217. 

dzoro. 

Griech.  dzoro  m.  Maultier,  dzorni  f.  sed.       Ital.  dzurö  asc.  134.       Span,  core,  -t  m.  f. 

dzov. 

Griech.  dzov  m.,  pl.  -ä,  Gerste,  dzoveskoro  m.  der  Gerste  verkauft.  ßumun.  züu 
zweisilbig  buk.  sani  (richtig  wohl  sano)  zo  Hafer  zomb.,  eig.  dünne  Gerste.  Ungr. 
dzö  m.  Hafer  born.  89.  dzov  sirm.  zov  ödenb.  Böhm,  dzov  f.,  pl.  -a,  Hafer.  Deutsch  dzöb. 
Poln.  dzoii  Plafer.  zup  Gerste  na.  156.  161.  ßuss.  dzov  Hafer.  Ital.  dzove  Gerste 
asc.   130.       Engl,  dzob  Hafer.       Span,  co^  cor  Gerste.       Asiat.  dz,ev  pa. 

Aind.  päli  abaktr.  java.  hind.  sindh.  avg.  dzau  Gerste,  kurd.  dzau,  dze  Lerch  118.  200. 
griech.  (^io.. 

dzukel. 

Griech.  dzukel,  zukel  m.  Hund.  znMi  f.  Hündinn.  Rumun.  zuksl,  zuköl.  sg.  acc.  iu- 
kles.  zukUsko,  zuklengo  adj.  ziddoro  m.  deminiit.  buk.  ^jukyl  bessar.  dznkül  taganr.  dzukel  serb. 
zukel,  zukdl.  zukU  zomb.  Ungr.  dzukal,  dzuklo  m.  dzukloro  m.  deminut.  dzuJdi  f.  dzuklori 
f.  deminut.  dzuklano  adj.  schlecht  ung.  dznkläno  schlecht  ml.  204.  dhiMano  pele  P^rd- 
apfel ,  eig.  die  Hode  des  Hundes  born.  88.  dziddanipe  m.  Schurkerei  89.  zukTori  f. 
deminut.  karp.  zucel.  djuceL  djuceldno  Hunds-  sirm.  dzukel.  diuklori,  cuklori  deminut. 
dzuklano  karp.  zukel  ödenb.  Böhm,  dzukel  m.,  pl.  -a.  sg.  dat.  dzukleske  73.  74.  dzukloro 
m.  deminut.  dzukll  f.  dzuklori  f.  deminut.  Deutsch  cukklo.  jukel  Hund,  jukli  Plündinn 
beitr.  IG.  17.  cokel  waldh.  116.  Poln.  dzukel.  dzukloro  deminut.  dhddy  f.  na.  162.  165. 
ßuss.  dzukel.  dziikly.  Skand.  juklo.  Bask.  chakel,  sukela  baud.  30.  Ital.  dzukel  asc. 
130.  Span,  cukel:  ctikel^  sos  pirela.^  kokal  terela  ein  Hund,  der  herumgeht,  erhält  den 
Knochen. 

Aind.  gakuta,  gukuta.   Vergl.  hind.  kukar  Pott  2.  213. 

dzut. 

Griech.  dzut  m.,  pl.  dzutu,  dzut,  Jude,  dzufmyoro  adj.  604.  dzutoro  m.  deminut.  dzutnö 
adj.   dzutnex  adv.   dzutni  f.   Jüdinn.   dzutnori  f.   deminut.  pa. 

Vergl.  hind.  jahüd.     In  Ilissar  dzugut  Globus  XXXI.   29. 

Denkscuriften  der  phil.-hibt.  C'l.  XXVI.  BJ.  27 


9^0  FkANZ  MiKLOSIClI. 


dzuto. 


Ruimin.  S/ito,  ziito  m.  Jooli,   Paar:  ek  ziito  gurit  ein   Par  Ochsen  buk. 
Aind.  jüktra.    päli  jötta  the  tie  of  tbe  yoke  of  a  plougli.     liind.  dzu'a  Jucli.    dzotna 
vb.  kurd.  dzöt  Joch,  Paar  Lerch  119. 


*■? 


dzuv. 

Griech.  dzuv  m.,  pl.  -d,  Laus,  dzuvalö  adj.  lausig,  dmvälovava  vb.  lausig  werden, 
partic.  dhivälilo  628.  Eumun.  jua^  d.  i.  dzua,  vermine  vaill.  110.  Ungr.  dzü  m.  ung. 
pl.  dzhva  ml.  154.  dzuvalu  adj.  lausig  ung.  3«6,  pl.  htvä.  iuvdlo.  le  iuvengi  kangli  Laus- 
kaumi  ödenb.  Böhm,  dzuv  f.  dhtvöri  f.  deminut.  dzuvälo  adj.  Deutsch  cuv.  cuvälo 
adj.  lieb,  jua  beitr.  20.  Poln.  dzun.  na  167.  Russ.  dzuv.  Finn.  dzu  gac.  Skand. 
ju.  Bask.  sua  Laus,  kokusua  Floh  baud.  37.  Engl,  dzuva  subst.  dMvli  adj.  Span. 
cube.       Asiat,  dziv  pa. 

Aind.  jflka  Laus,  jukäla  lausig,  päli  üka.  liind.  dzu.  sindh.  dzü,  dzüa  tr.  29.  37. 
Pott  2.  114.  dzuv  für  dzuvo  aus  dzuo  nach  Ausfall  des  k. 

dzuvel. 

Gi'iech.  dzuvel  f.  Weib:  Gegensatz  zum  Mann,  dzuvli  f.,  pl.  -lä.  dzuvJdkoro  adj. 
weiblieh,  dzuvlikano  adj.  weiblich.  Rumun.  zuvli,  zuli  buk.  zuvli,  zuli  zomb.  dzuükano 
klaus.  dhdi  zu.  zuli  bessar.  11.  zuli,  zouli,  dzuU  serb.  Ungr.  dzuvli  f.  Frauenzimmer 
uno-  dzuvli  Jilädchen  ml.  157.  dzuU  sirm.  zuli  ödenb.  Böhm,  dzuvli  f.  Weibsbild. 
Deutsch  cüvli.  cuvlidmi  adj.  Russ.  dzuly  altes  Weib.  Finn.  romani-djuli  Zigeuner- 
mädchen Bugge  147.  Skand.  juje  (juja,  guja)  Frauenzimmer,  jujeske  gad  Frauenhemd. 
Bask.  usela  chienne  baud.  30.  nach  asc.  156.  Ital.  cdj  dzuvel  figlia  femina  asc.  137. 
Eno-1.  dzuvel  subst.  dzuvni  adj.       Asiat,  djury  Weib  syr.  sectz. 

Aind.  päli  juvati  Jungfrau,  junges  Weib.  hind.  d^uvatl.  sindh.  dzöe  tr.  68.  Pott 
2.  215. 

efta. 

Griech.    eftd    man.    sieben,     des-u-eftd    siebzehn,     effdngoro    adj.    den    sieben   gehörig. 

eftd-serengoro  adj.  siebenköpfig  610.  614.  Rumun.  jeftd.    jeftdvardes  siebzig  buk.     efta 

zu.  bessar.  jifta.  jiftadysa  taganr.      Ungr.  efta  ung.  (ifta  ml.  203.  eftato  siebenter,  eftavar 

siebenmahl  ung.   eftavades  born.   pftavardesueftoto  für  -tato  ml.   158.  eftd.  eftdto.  eftavdrdes 

sirm.  efta-dzene  zu  sieben  ung.      Böhm,  efta  sieben,  Woche,   eftato.  eftangero  m.  Siebner. 

eftavärdes.       Deutsch  efta  lieb.  efta.  eftavardes  beitr.  29.       Poln.  efta.  eftavqrdes  na.  164. 

Russ.  evtd.       Ital.  fta  asc.   132.        Engl,  afta,    eft.       Span,  eftd   neben    emd,  ester  sieben. 

estero  siebenter,    esterdi  siebzig.        Asiat,   eftd  ist  in  Asien  unbekannt  pa.   36:    dafür  tritt 

das  pers.   haut  ein. 

No-riech.   ircxa. 
^  '  enea. 

Griech.  enea,  enia,  emja,  ima,  inid  num.  neun,  eneninta  neunzig.  Rumun.  end. 
ejlato  neunter  bidc.  c«a%sa  neunzig  taganr.  ina,  Jena,  jeüavardes  sevh.  me  zomb.  Ungr.  ena. 
enato  neunter,  efiavar  neunmahl  ung.  enavades  neunzig  born.  105.  efiavarena  neunund- 
neunzig ml.   175.  efia-dzene  zu  neun  ung.    ind.  inavdrdes.    inato  sirm.        Böhm.  e/ia.  eiiato. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  211 

enavär.    eimvärdes.       Deutsch  ennia    lieb,     cngn,  d.  i.  ena,    beitr.  23.       Poln.  enia.    enia- 

valdes   na.    155.         ßuss.    end.         Skand.    engja.  öfters  ni7i.         Ital.    na.         Engl,    enneah. 

Span,  esnia  neun,  esneiu  neunter,  csnete  neunzig.  Asiat,  ist  enea  unbekannt :  neja,  mi  pa. 
Griecli.  svvsa. 

fa. 

ßumun.  ma  fal  es  täiisckt  mich,  fal  es  scheint,  praet.  faloü:  /.es  falo/t  los  greaca  es 
ekelte  ihn:  vergl.  rumun.  im  pare  greca  buk.  fal  ma  il  me  paratt.  fal  ma  misto  j'en 
suis  fort  aise.  fao  vb.  scheinen,  praet.  falim  vaill. 

feder. 

ßumun.  feder  comparat.  besser  zomb.  Ungr.  feder  adj.  besser  ung.  feder  vastisH 
zur  rechten  Hand  born.  121.  feder  adv.  118.  karp.  najfeder  superl.  sirm. :  maj  Idso  ge- 
wöhnliclier  als  feder  ödenb.  Böhm,  feder.  najfeder.  Deutsch  fedidlr.  Poln.  hone 
/eA>  optimus  na.  160,  eig.  wohl:  cpiis  est  melior.  'Rw^s,.  fedyr,  fededyr.  Engl,  fettader. 
Span,  feter  adj.  adv.  besser. 

foros. 

Griech. /oros  m.  Markt  grösserer  Städte.  ßumun. /o?'o  Stadt,  forusej  pl.  Städter  buk. 
foros  mezz.  föros,  foro  bessar.  II.  foro  zomb.  Ungr.  föro  m.  Markt,  Stadt  img.  föro 
born.  88. /öro  ml.  154.  IbQ.  föreste  155.  156.  167.  171.  172.  174.  IS^.  föroste  154. /Jros, 
pl.  fori,  karp.  foreskero  m.  Städter  ung,  Böhm,  foros  m.,  pl.  -i,  Stadt,  forickos  m. 
deminut.  foroskero  m.  foroskeri  f.  Städter,  Städterinn.  Deutsch  foro  lieb.  foro.  gacerdi- 
foro  Brandenburg  beitr.  8.  30,  eig.  verbi-annte  Stadt.  Poln.  foros  na.  159.  Skand. 
foro  Stadt.  Girnaforo  Christiania.  Fröidisforo  Fredrikstadt.      Ital. /or  Markt.      Eno-1.  föros. 

Ngriech.  (pöpoc.   bulg.  na  forosehi  auf  den  Märkten  Pott  2,  393. 

gad. 

Griech.  gad  m.  Hemd,  gadoro  m.,  pl.  -re.  deminut.  gadalö  adj.  mit  einem  Hemde  be- 
kleidet, bigadalo  adj.  ohne  Hemd.  ßumun.  gad,  gddo,  pl.  -a,  buk.  gad,  gado  serb.  gad 
Hemd,  gada  pl.  Kleider  zomb.  Ungr.  gad  m.  ung.  sirm.  gad  born.  88.  gad  Gewand. 
gada  Gewand,  Kleider  ml.  159.  178:  unrichtig  g(kla  acc.  154.  Böhm,  gad  m.,  pl.  -a, 
21.  39.  gadöro  m.  deminut.  Deutsch  gad  lieb,  gaad  beitr.  10.  Poln.  gatt  na.  157. 
Skand.  gad  (gard).       Ital.  gad.       ßask.  gate,  gata  band.   30.       Engl.  gad.      Span,  gate  m. 

Pott  2.   132. 

gadzo. 

Griech.  gadzo  m.,  pl.  gadze,  Fremder,  Nichtzigeuner,  Person,  Mensch,  Gemahl,  gadzi 
f.,  pl.  gadM,  Nichtzigeimerinn,  Gemahlinn.  gadzorö  m.  gadzori  f.  deminut.  gadlano  adj. 
fremd,  higadzdkoro  adj.  ohne  ^^'eib  pa.  ßiunun.  gazö  m.  Mann,  Wirt,  ßumune.  gazi  f.  buk. 
gazo  Nichtzigeuner,  Mann.  gaU  Weib  zomb.  gazo  Mensch  bessar.  II.  Ungr.  gadzo  m.  Nicht- 
zigeuner, Bauer,  Unger  ung.  ^-äc^zo  born.  88.  (/«c/io  Unger  ml.  166.  167.  179.  185.  Bauer  166. 
167.  171 :  selten  Zigeuner  167.  9,  eig.  Mann,  gadzo  Mann  karp.  gadzoro  m.  Männchen,  Freund 


')  j  '2  Franz  Miklosicii. 

Ulli»-,  gadzöro  born.  88.  gadzi  f.  ung.  gädzi  born.  85.  gadzi  Ungerinn  ml.  18!),  190-  Bäue- 
rinn  1G8.  ISl.  185.  Weib,  Frau  154.  Iß7.  1G8.  171.  181.  195.  gadzori  f.  demimit.  ung. 
(ladzdkcro  adj.  der  Frau  gehörig  ml.  KiT.  gadzeno  adj.  bäuerlich  ung.  gddjo  sirm. 
Böhm,  gädzo  m.,  pl.  -ze,  Bauer,  Hauswirt,  pl.  Menschen,  Leute,  gädzi  f.  Bäuerinn, 
Wirtinn.  gädzoro  m.  deminut.  gadzori  f.  deminut.  gadzüno  adj.  Bauer-.  Deutsch  gadzo 
Nichtzigeuner,  Mensch,  Bauer  lieb,  gajo  beitr.  9.  Poln.  gaudzo  Bauer  na.  153.  gadzio 
m.  Nichtzigeuner.  gadzia  f.  gal.  II.  Russ.  gadzö,  gädzo,  pl.  gddie,  Russe.  Bask.  o'[aso, 
ogaso  Mann,  egasi  Weib  baud.  32.  33.  kocoa  asc.  156.  Ital.  gadzo,  pl.  gadzi',  Bauer. 
qadzidn  Bauern    pl.    acc.  Engl,    gaudzo,    gaüdzer,    gördzo  Niclitzigeuner.  Span,  gacö, 

gace  m.  Mann,  Jüngling,  gaci,  kaci  f.  Weib.  Asiat,  gadzuno  120.  gadzunitori  fremd  pa. 
Aind,  gaja  m.  Ilaus,  Hof;  Hausstand,  bestehend  in  der  Hausgenossenschaft,  so  wie 
im  Vermögen,  familia.  gadw  ist  ein  Hausgenosse  und  bezeichnet  den  ansässigen  Menschen, 
im  Gegensatze  zum  unsteten  Zigeuner,  kann  daher  den  Rumunen,  Deutschen  usw.  aus- 
drücken. 

gand. 

Griech.  ghanddva,  ghantäva,  ghrantäva,  khrantäva  vb.,  partic.  ghanlö,  kämmen,  ghangli, 
karnjU  f.  Kamm,  ghanlo  m.  der  kämmt,  abteilt,  ein  Werkzeug  zur  Reinigung  der  Pflug- 
schar, Stacliel.  ghantavdva  vb.  sich  kämmen,  ghanglinengoro  m.  Kammmacher.  Rumun. 
kangli  f.  Kamm  zomb.  vaill.  111.  Ungr.  kangli  f.  ung.  cliandi  f.  gekämmt  ungh. 
Böhm,  chanav  vb.  kämmen,  kangli  f.,  pl.  -Ta,  Kamm.  kangTöri  f.  deminut.  kanglengero 
m.  Deutsch  ganglin  Kamm.  Vergl.  hanäva  vb.  kämmen  lieb.  Russ.  kangly  Kamm. 
Skand.  gloris  Kamm.       Engl,  kongali  Kamm. 

Vergl.  aind.  kankata.  hind.  kanghi  Kamm.  Vieles  ist  hier  dunkel:  böhm.  chanav. 
deutsch  hanäva  und  ungr.  chandi  gehören  sicher  zusammen,  kangli  ist  auf  aind.  kankata 
zurückzuführen.  Vielfältig  beirrt  hier  mangelhafte  Lautbezeichnung.  Vergl.  chand. 


gara. 

Rumun.  gai'ä  Pferd,  garani  Stute  zu.  Span,  vergl.  goro  m.  goroni  f.  Füllen,  gyrai 
Pferd  taganr. :  in  Europa  sonst  stets  grast.  Asiat,  agöri,  agora  Pferd,  sg.  instr.  agoresa  zu 
Pferde  pa.  aghora,  ghora,  uguhra  Pferd  syr.  gorth  Pferd  syr.  seetz.  nän  goherus  bring  his 
horse  syr.  Pott,  ghora  Pferd  pers.  ghord  pers.  gob.  agora  ous. 

Aind.  ghöta,   ghotaka.   präkr.   gliodao.   hind.   gliodä,  ghörä  m.   ghöri  f.  usw. 


gav. 

Griecli.  gav  m.  Dorf,  gavudnö  adj.  Rumun.  gaü^i  pl.  gavn,  bxdi.  gaü  bessar.  gmo 
serb.  Ungr.  gav  ung.  ml.  157.  160.  gavoskero  adj.  ung.  gaü.  gnvrsko  Dorf-  sirm.  gaw 
karp.  Böhm,  gav  m.  gavengero  adj.  gavengeri  f.  Dorbewohnerinn  71.  Deutsch  gab 
lieb,  caveskro  Amtmann  beitr.  ().  fiii-  gaveskro.  Poln.  gnu  pagus  na.  167.  Kuss.  gav. 
Skand.  gav.        Engl.  gav.        Span,  gau  lugar,   pueblo. 

Aind.  gräma.  päli.  präkr.  gäma.  hind.  graju,  giiv  Dorf.  kaf.  gläm  Pott  2.  134.  Zeit- 
schrift 17.  243. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wandekungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  213 

ged. 

Griech.  gedava  vb.,  partic.  gedinö,  versammeln,  gedinu  ramasse,  serre.  Rumun. 
kedao  vb.  ramasser  vaill.  112.  tid  vb.  sammeln,  sparen,  fassen:  üdau.  praet.  tidom.  thid: 
thidel  pe;  thidäs  pe  buk.  Ungr.  kedel,  khedeJ  vb.  sammeln,  pflüclcen.  kedä  born.  106. 
107.  kedel  ävri  er  nimmt  heraus  97.  kedipe,  ^'^er/^joe  m.  Sammeln  ung.  c«/a«  vb.  ich  sammle 
sirm.  te  keden  versammeln  ml.  154.  kedelahi  158.  Vergl.  kedinda  er  nahm  153.  äri  ke- 
dinda  er  nahm  heraus  172.  kedine  sie  legten  karp.  Russ.  fe  zakades  vb.  zusammen- 
raffen 262,  mit  dem  slavischen  Praefix  za.   Vei-gl.  te  khedes  vb.  razvoditb  boe.  263. 


gen. 

Griech.  gendva  vb.,  partic.  gendö,  zählen,  gendovava  vb.  pass.  Rumun.  gln,  wolil  nicht 
zin,  Zahl  vaill.  106.  dinav  vb.  ich  zähle,  dlnavav  vb.  ich  lese  zomb.  Ungr.  gen  Zalil.  genel 
vb.  zählen  ung.  ghenciv  vb.  lesen  born.  93.  106.  praet.  genda  ml.  193.  dzinau  vb.  ich  zähle 
sirm.  gin  vb.  lesen :  ginen.  praet.  givde  karp.  gindv  le  luve  ich  zähle  das  Geld  ödenb. 
Böhm,  gin  Zahl,  ginav  vb.  zählen,  lesen.  Deutsch  gin.  ginäva  vb.  zählen  :  vergl.  gen- 
däva  lesen  lieb,  gin  Zahl,  shinawa,  d.  i.  wohl  zinava  oder  dzinava,  rechnen  beitr.  26. 
35.  Poln.  the  ginau  vb.  zählen  na.  163.  Russ.  te  gines  vb.  lesen.  Skand.  jin  Zahl. 
jina  vb.    zählen.  Engl,  gindzer,   gina    vb.   zählen,    rechnen.  Span,  chin  Zahl,     china 

Rechnung,  ckinar  vb.  zählen.       Asiat,  le  gen  pa. 

Aind.  gana  Schar,  Reihe,  Zahl,  gan  zählen,  päli  gan  (ganeti).  hind.  ginnä.  sindh. 
gananu.  avg.  ganal  tr.   14.   Pott  2.   135.  Zeitschrift  17.   243. 

ger. 

Griech.  ger,  gür^  jnr  f.,  pl.  jerd,  Schenkel,  Weiche,  Bruch,  Bauch.  Ungr.  hero 
m.  Fuss.  herengero  adj.  langfüssig  ung.  cheroj  karp.  i  chera  le  grastengi  thidon  ödenb. 
übersetzte  der  Zigeuner  durch  ,Klee',  es  ist  offenbar:  crura  equorum  pinguescunt.  Böhm. 
cheroj  f.,  pl.  cliera^  Schenkel,  Bein,  chera  pl.  G8.  cherojöri  f.  deminut.  bicherengero  adj.  ohne 
Beine,  bange-cherengero  adj.  krummbeinig,  pärnecherengero  adj.  weissfUssig.  Deutsch  hero 
Bein,  Schenkel  lieb,  heroi  beitr.  7.  Poln.  heroi  crus  na.  155.  Russ.  ger,  pl.  gerd,  Fuss. 
higerengiro  ohne  Fuss.       Engl,  hero,  herer.   Vergl.  asiat.  gur,  pl.  gurin,  Fuss  pa.  245. 

Pott  2.   162. 

ger. 

Griech.  ger,  gel  m.  Krätze,  geralö,  gelalo  adj.  krätzig.  Ungr.  ger  m.  geralo  adj. 
geralovel  vb.  krätzig  Averden.  geriiM  m.  Krätze  ung.  geli  tar  i  ger  die  Krätze  ist  ver- 
gangen ödenb.  Böhm,  ger,  ger  f.,  pl.  -a,  Krätze.  Deutsch  ger  Krätze,  Aussatz,  ge- 
reli  dzarnpa.  Kröte,  eig.  krätziger  Frosch,  lieb,  gerein  beitr.  25.  Poln.  ger  na.  158. 
Span,  garipxi  scab.  guel  itch. 

Sindh.  garu  f.  Räude  tr.  92.  kurd.  gir,  gir,  khoriän  Jucken  rh.  chorinim  ich  kratze  Lerch 
114.  pers.  gar,  gari  Bugge   153. 

gerav. 

Griech.  geravdva  vb.,  partic.  geravdö,  geradö,  verbergen,  geravdikanö.,  geradikanö  adj. 
verborgen,    geheim,    heimlich,     gerdvdovava   vb.    verborgen    sein,    geraibe   m.  Verbergen. 


214  Fkanz  MiKi.osicn. 

geräva  vi).:  kamagerdv  je  cacherai  602.       Rumun.  gardü  vb.  garadafi  pß  er  versteckte  sich. 

garudov  vb.   pass. :  praet.  garudiJ'as  buk.    garavav  zomb.       Ungr.  garuvel   vb.  verstecken, 

säen  ung.    garuvä  vb.  aufbewahren  born.   106.    praet.  gänida  eingesteckt  ml.   170.    gara- 

vnu  vb.  sirm.     praet.  ganulas  pes  er  verbarg  sich  karp.         Böhm,    garüvav,   gurüvav    vb. 

Deutsch  (^«ret'ära  vb.  lieb.      Russ.  ^e_5r«raz;es  vb.  retten,  begraben.      Skand,  ^«?'a  vb.       Ital. 

praet.  garadöm  ich  verbarg  asc.  142.  152.        Engl,  gurav,  gärer  vb.       Span,  garahar^  ga- 

rahelar  vb.  guardar,  enterrar. 

Pott  2.   140. 

gero. 

Rumun.  gnro  arm  (bedauernd).       Ungr.  gero  kaj-p.       Böhm,  gero  adj.  selig,  mro  gero 
dad.       Deutsch  gero.   Vergi.  skand.  gern  Christus,  Christian,  girna  Christiania  Bugge  150- 
Pott  2.   63.  141. 

gili. 

Griech.  gili  f.,  pl.  gilä,  Lied.  giTdbava  vb.  singen,  gerund.  giTabindos.  Vergl.  giovende  f. 
Sängerinn,  Tänzerinn.  Rumun.  delah  vb.  deldbo  ich  singe,  diläbe  für  dildbes.  dildbelas.  gerund. 
dilabandoj.  praet.  delabajoü,  aus  delabaloü,  buk.  giTabel  er  singt  serb.  gelabdü  vb.  bessar. 
dilabav  vb.  zu.  üngr.  dili  f.  Lied,  Arie  ung.  dlli  born.  88.  107.  düi  f.,  pl.  ff^Ta,  Lied  ml. 
188.  195.  düöri  deminut.  188.  gili.  gilabo  oanam  ödenb.  dilazinel  vb.  ung.  düi.,  duli  Lied. 
dzilabau  ich  singe  sirm.  gili.  glTau  ich  singe,  praet.  giTadas  karp.  Böhm,  gilavav  vb.  16. 
gilovav  39.  gilaviben  m.  Gesang  62.  Deutsch  ^i7/.  gicheväva  vb.  singen  für  ^iz/e-,  ^/re-  lieb. 
gili.  giuvava.  gijupaskro  Sänger  beitr.  14.  21.  27.  giling  Sänger  waldh.  119.  Poln.  gily 
Lied,  gijaba  vb.  singen  na.  162.  165.  gilavava  gal.  IL  Russ.  gily  boe.  20.  Skand.  jda 
vb.  singen,  jilijxi  Gesang.  Engl,  gil  vb.  gfli  Lied.  Bask.  kilia  otsia  singen  baud.  29. 
asc.  157.  Ital.  gil'avdv  vb.  asc.  150.  Span,  gijabö  m.  Lied,  gilabar,  gijabar.i  gijabelcn\ 
gibelar,  labilar  vb. 

Aind.  giti.  aind.  päli  gita.  hind.  git  Gesang  Pott  2.  140. 


giv. 

Griech.  giv,  iv  m.,  pl.  givd,  Getreide,  banlo  giv  gebundenes  Getreide,  Garbe,  give- 
skoro  m.  Getreideacker,  giveskoro  pangö  Grütze,  eig.  gebrochenes  Getreide.  Rumun. 
diii  "Weizen,  giu  bessar.  dw,  di  Getreide,  Weizen  zomb.  Ungr.  jiv  m.  ung.  dlv  Weizen 
born.  88.  div,  di,  dziv.  e  dlivesko  aro  Weizenmehl  sirm.  diu  Getreide  karp.  div  Weizen 
ödenb.  Böhm,  div  m.  Korn.  Deutsch  gib  Getreide  lieb,  gib  Gerste,  Korn,  giebe  Malz. 
gibes  oropos,  d.  i.  gibeskro  pos,  Ähre,  eig.  Gerstenstroh,  beitr.  5.  14.  19.  21.  gi^  Korn 
waldh.  117.  Poln.  giu  Roggen  na.  169.  Skand.  giv  Korn.  Bask.  yiört  froment  baud. 
32.       Engl,  giv  Korn,  Weizen.        Span,  gut,  gi  f. 

Aind.  päli  gödhuma  Weizen,  hind.  gehü,  göhü.  dakh.  ghjauh.  bang,  göma,  gama 
Beames  1.   169.  267.  kurd.  genim  Weizen,  Getreide  Lerch  106.  Pott  2.   67. 

godi. 

Griech.  _(7or/f,  gudi,  goti  m.  f.  Verstand,  Meinung  368.  godjdkoro.,  godjalö,  godjaver  wohl 
goddkoro  usw.  adj.   verständig,     bigodjdkoro.,    bigodjalö  adj.    verstandcslos.     Hieher   gehört 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  215 

wohl  auch  ogi  m.  f.  Seele,  Herz,  Mut,  Wille,  otigi  nom.  Bauch  408.  Magen,  kalö  'gl  Leber 
471.  Vergl.  huko.  ogorori  f.  deminut.  ogi  ddva  den  Geist  aufgeben.  Rumun.  godi  Ver- 
stand, godaver  klug.  Hieher  zähle  ich  auch  odi^  minder  gut  odhi^  Herz,  Mutteideib.  ode 
pl.  Seelen,  raldö  o(Ze*'Ä;o  Adoptivsohn,  nach  dem  rumun.  vodalö  adj.  mutig,  cß,  de  Seele  buk.  godi. 
godäver.  di  Herz,  Seele  zomb.  gödl  f.  ödenb.  godi  Verstand,  tlirn.  godaver  serb.  ogi  Seele 
bessar.  ogi  Herz.  ITom  mogi  Atem,  richtig :  dom  ogi,  ich  schöpfte  Atem  serb.  vodl  Seele, 
Baummark  zu.  mangel  mor'  ogi  te  chal  ich  wünsche  (mein  Herz  wünscht)  zu  essen  mezz. 
gi  bessar.  II.  odi  m.  le  svuntone  odestar  e  spiritu  sancto.  dl  Herz.  vodi.  Geist  klaus. 
Ungr.  godi  Verstand  ung.  i  godi,  gödi  born.  87.  88.  gödi  f.  Geist  ml.  196.  gOfaha  sg. 
instr.  172.  gödaver  ung.  godiaver  born.  100.  higodjakero  adj.  hirnlos,  unverstandig  ung. 
godäver,  godzaver  sirm.  vodi  Seele,  Herz  ung.  vödi  born.  84.  87.  89.  vodiskero  adj.  des  Geistes 
born.  121.  vödi  m.  Seele  ml.  1.52.  me  vödiske  sg.  dat.  198.  vodi  Seele,  vadore  deminut. 
voddlo  adj.  grossmütig.  godaver,  gosvardo  adj.  karp.  odjdlo  herzhaft  sirm.  Böhm,  gödi  f.,  pl. 
-«,  Hirn,  Verstand,  godöri  f.  deminut.  godavel  adj.  bigodäkero  adj.  33.  36.  vödi  m.,  pl.  -a, 
Atem,  Seele  10.  22.  läco  vödi  59.  vodöri  f.  deminut.  Deutsch  godi  Hirn,  Sinn,  Verstand. 
godzvero  adj.  lieb,  gozvro  weise,  gozgro  für  gozvro  klug,  ncmi  gozvro  toll,  gozvrojjen,  gozvrepen 
Weisheit,  List  beitr.  19.  21.  32.  34.  35.  vödi  Hirn,  Seele,  dzi,  zi  Seele  Herz,  Mut,  Puls, 
Ader  lieb,  lacozeskro  Demut,  beitr.  9,  richtig  adj.  demütig:  lace-zeskro  adj.  qui  bono  animo 
est.  Poln.  godi  Hirn,  godzy,  aus  godi,  intestinum,  godziavir  sapiens  na.  157.  159.  Zweifel- 
haft: gozdava  sapientia.  godziave  ratio  159.  163.  dzi  Seele,  bgodzieskier  atheus.  Falsch: 
odzil  Herz  152.  154.  164.  Russ.  gody  Sinn,  Verstand,  godjatgr  sg.  abl.  von  godg  f. 
godjaver  adj.  klug,  di  Seele.  Skand.  gosvardo  adj.  verständig,  zi  (si)  Herz.  Ital.  ogi  Seele. 
Engl,  zi  Herz,  Seele.       Span,  oci  f.  Geist,  Wesen,  orci  f.  Seele.       Asiat,  gi  Seele. 

Armen,  hogi,  vogi,  ogi  Seele  Pott  2,  78.  132.  216.  In  der  Zeitschrift  d.  d.  morgenl. 
Gesellschaft  7.  396.  wird  ogi  mit  aind.  bödhi  in  Verbindung  gebracht.  Ob  alle  die  oben 
angeführten  zig.   Worte  zusammengehören,   ist  nicht  vollkommen  sicher. 

godli. 

Deutsch  gödli,  goli  Laut,  Schall,  dava  godli  rufen,  schreien  lieb,  godli,  gödli,  falsch 
guddi  beitr.  14.  28.  Poln.  gudiy  tumultus.  gaiy  dzenava  increpare.  data  godia  clamor, 
eig.  clamat.  godJ'y  rfe-^a  hinnire.  gray  dedela  (für  dela)  godiy  equus  hinnit  na.  156.  158.  163. 
Russ.  godly  Ruf.  te  dav  gödly  rufen.  Skand.  gaala  (gola)  vb.  schreien.  Engl,  godli. 
Span,  gole  m.  Stimme,   golar  vb.  rufen,  seufzen. 

Bang,    gol    karan    Geräusch  machen,    golmäl    Geschrei    Bugge    153.    Pott   2.   134. 

goj. 

Griech.  goj  f.,  pl.  gojä,  Wurst,  gojäkoro  m.  Wurstmacher,  Wurstverkäufer.  Ungr.  goj 
m.   Darm,  Wurst  ung.    göj  Wurst   born.   88.   ödenb.    goja  sirm.  Böhm,  goja  pl.   Wurst. 

gojora  pl.  deminut.  Deutsch,  goich  lieb,  goji  beitr.   35.    goig   waldh.   121.  Poln.    goj 

na.   157.  Skand.  göie.  Engl.  goj.  Span,  goli  f.  black-j)udding.    gochi  f. 

Pott  2.  134. 

gono. 

Griech.  gono  m.,  pl.  -iie,  Sack,  gonisi  f.,  pl.  -sjä,  Sacknadel,  Compositum,  goneskoro 
m.  der  Säcke   macht.  Rumun.  gono    buk.  qono    vaill.    hlgonesko    adj.    ohne    Sack    buk. 


216  Franz  Miklosich. 

Ungr.  gouo  m.  ung.  sinn,  göne  pl.  ml.  li)9.  pl.  iiistr.  gönenca  172.  175.  gonöro  karp.  göno 
ödenb.  Böhm,  göno  m.,  pl.  -ne,  Sack,  gönuro  m.  deminut.  Deutsch.  go7io  lieb,  bcitr. 
25.  26.  Poln.  gono  na.  108.         Russ.  guno.         Skand.  gaano  (gaaning).         Bask.  gonua 

band.   38.  Engl,  göno,  gonnö.  Span.  gf07J(5.  Asiat,  goiuh  syr.   seetz. 

Vergl.  pali  gunaka  a  woollen  coverlet  with  a  very  long  fleece  Pott  2.   136. 

grast. 

Griech.  grast,  gras,  gra,  graj  m.  Pferd,  grastorö  m.  deminut.  grastanö  adj.  Pferd-. 
grasteskoro  m.  Pferdehändler,  Stallknecht,  grastm,  grasni,  grani  f.,  pl.  -M,  Stute.  Rumun. 
grast  buk.  grast  bessar.  gras  serb.  mezz.  grasni  gal.  I.  grazni  buk.  grasni  taganr.  grasni 
serb.  Ung)-.    ^r/ras^,    grasto  m.  ung.    ^ras  sirm.    ^ra  ung.    ^fj-ä  born.    88.  pl.    grasta  94. 

f/?'(77  ungh,  gra  ml.  174.  sg.  acc.  graste  für  grdstes.  pl.  grdstu  174.  grastöro  karp.  grasni  f.  ung. 
pl.  grasna  born.  87.  ««o  i!j(Ä;e  ^d/e  grastes  ich  bringe  dir  ein  rotes  Pferd,  grasni.  grastäni 
khur  Huf  ödenb.  Böhm,  ^f?-««^  m.,  pl.  ^ro*?.  grastöro  m.  deminut.  grastüno  adj.  Pferd-. 
grastengero  m.  Pferdemarkt,  grasni  f.  Stute,  grasiiakero  adj.  Stuten-.  Deutsch,  ^rray.  grasni 
Stute,  Hure  lieb.  ^J-cr;'.  c/er/ia  f/re;'  Füllen  für  ferno  ^rq;'.  gringiball  Pferdehaar  füi-  grajengo 
bal.  grasni  beitr.  13.  16.  24.  30.  krej  waldh.  118,  Poln.  gray.  duj  graja.  gres  te  kierau 
equum  curare,  dunkel  na.  157.  161.  165.  graj,  grajoro  gab  II.  grasny  Stute,  grastanö  Tatar, 
wohl  der  berittene,  na.  157.  166.  Russ.  graj,  pl.  graja.  grastöro  deminut.  grasny  Stute. 

Finn.  grasni  Bugge  147.  graj  gac.  Skand.  grei.  greieske  cingrar  Hengstschneider,  grei- 

liske,  parar  Rosstauscher.   graena  vb.  fahren,   reiten.  Ital.    grast,  gra-st.         Bask.    granii 

cheval.  krasnia  cheval,  jument.  hrastano  Gendarme   baud.  30.   33.  34.  asc.  157.  Engl. 

grej.  grdsni.  Span,  graste  m.  Pferd,  gra  m.  bestia,  caballeria.  graltülo  Reiter,  grastt 
f.  jaca.  grasfd  f.  Stute. 

Armen,    grast  Lastthier. 

gudlo. 

Griech.  gucUö,  gnglö  adj.  süss.  m.  Zuckerwerk,  gudles  adv.  gudlipe  m.  Süssigkeit.  Rumun. 
quglö  neben  gnle  dade  süsser  Vater  buk.  gudlo  serb.  guglo  süss,  guglimas  Zucker  vaill.  gugl'J 
zu.  guglo  lieb  zomb.  munre  gule  caja  meae  dulces  filiae  klaus.  o  glo  del  dulcis  deus. 
gide-deleskru  divinus,  eig.  dulcis  dei,  bukur.  Ungr.  gullo  adj.  ung.  güllo  ml.  194.  gid- 
löne  adv.  born.  118.  guTarel  vb.  süss  machen.  guTovel  vb.  süss  werden  ung.  guglo  sirm. 
gi'di   f.  gules    adv.    karp.  guglö   ödenb.  Böhm,  gulo  adj.  süss,    gudlo  m.,  pl.  -e,  Kaffee. 

gudlöro  m.  deminut.  guTärav  vb.  versüssen,  gulövav  vb.  süss  werden.  Deutsch,  gido  süss. 
guloräva  vb.  versüssen  lieb,  gudlo  beitr.  31.  Poln.  guido  na.    164.  Russ.  gudlo  Thee. 

gudlyp6  süss,  richtig  Süssigkeit.  Skand.  gulo  süss,  gidot  Süsses,  Zucker.  ,  Engl,  gildlo. 
Span,  gulö  und  huTan  süss,    gule  must,  syrup.  Asiat,  gulde  pa. 

Aind.   guda.  pali  gula  Zucker  Pott  2.   133. 

guruv. 

Griech.  guruv,  guri  m.,  pl.  guruvä.,  Ochs,  guruveskoro  adj.  Ochsen-  m.  Ochsenhirt. 
guruveskoro  kar  penis  des  Ochsen,  eine  Art  Pflanze,  nach  640  gond.  guruvanö  adj.  Ochsen-. 
mas  guruvanö  Rindfleisch  340.  guruvtii,  gurumni  f.  Kuh.  Rumun.  gurüü,  gurü  m.  Ochs. 
gurumni,  grumni  f.  Kuh  buk.  guruvi  taganr.  guruv.^  gurihni  serb.  guru.  gurumni  zomb.  gurü 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's,  vii.  217 

Ochs,   gurjumni    Kuh    bessar.    gurn..    gvrun'i.    gurunöry    Kalb   zu.  Ungr.    guru,  gurnv  m. 

Ochs,  Stier,  ßind  ung.  guruv,  pl.  -va,  boi-n.  121.  gümv  ml.  175:  falsch  gurave  175,  gicru- 
vengeru  adj.  157.  guruvälo  adj.  ßinds-  ung.  guruvni  f.  Kidi  ung.  born.  87.  gt'iruvna  sg. 
acc.  ml.  175.  guruvfiekero  adj.  Kuli-  born.  96,  für  -vnak-.  guru  Ochs,  gurumni^  gitruni 
Kuh.  gurvano  mas  Rindfleisch  sirm.  guruv,  guru.  guruvni.  guruvnori  deminut.  guruväno 
mas  karp.  güni.  guruvni  üdenb.  Böhm,  guruv  m.,  pl.  -a.  guruvöro  m.  deminut.  guru- 
väno adj.  Rinds-,  giornviii  f.  Kuh.  gtcruvnöri  f.  deminut.  Deutscli  guro  Ochs,  Rind. 
gurumni  Kuli  lieb,  gurub,  d.  i.  guruv.  gurumni  beitr.  19.  24.  Poln.  guru  bos.  guruvng 
vacca.  guruva  pecus  bydJo,  cig.  pl.,  na.  153.  158.  168.  gurov.  grumni  gal.  IL  Russ. 
guTitv  Ochs,  Bär.  Finn.  guruni  Bugge  148.  Skand.  gurni  Kuh.  Ital.  guruvm. 
Bask.  gurro^  gurua  Kuh.  karia  Stier  baud.  39.  Engl,  güroni,  gröv.  grüvni,  griiven.  Span. 
gorM,  goruj,  gruj  Ochs.  Vergl.  churn  m.  Stier,  churi  f.  Kuh  und  buru,  burel  Ochs,  burl 
Kuh  asc.   157.          Asiat,  goruf  bull,  guru,  goorur  cow  syr. 

Bang,  goru  bei  Colebrooke. 

hum. 

Böhm,  lium    es    ist    notwendig,     linm  te  dzav  icli  muss  gehen.  Deutsch   me  liun   te 

chäva  ich  muss  essen  lieb.   Iium  ti  mokes  usw.   beitr.  34.  Finn.  -w  te,  d.  i.  hom  ie,  kuni 

te  dient  bei  den  finnischen  Zigeunern  zum  Ausdruck  des  Futurum:  lua  so  te  bachha  ich 
werde  begehren  Bugge  146,  147.  Ital.  In  der  Sprache  der  italienischen  Zigeuner 
Lezeichnet  htm  te  die  Möglichkeit:  na  'n  de  dzav.,  d.  i.  na  'un  de  dzav,  na  hum  te  dzav 
ich  kann  nicht  gehen,  während  asti  dem  Ausdruck  der  Notwendigkeit  dient :  asti  reves 
du  musst  zurückkehren  asc.  147.  Span,  chomte,  worin  das  Nomen  mit  der  Partikel  zu 
einem  Worte  verschmolzen   ist :  chomte  pennr  man   muss  reden. 


eha. 

Griech.  chäva  vb.,  partic.  chnlo,  essen,  chnlo,  charu  benagt  311.  Man  beachte  praet. 
chadäs  469.  583.  chachuvdva,  cliaderdva  vb.  nähren,  eig.  essen  lassen,  atzen,  chale-ruiuna- 
koro  adj.  eine  angefressene  Nase  habend,  chcde-sereskoro  einen  kahlen  (benagten)  Kopf 
habend.  chdTovava  yh.  gefressen  werden,  chabc  m.  Essen,  chabezdnis  adj.  hungrig:  vero-1. 
ramazänis.  Rumun.  chaü,  cho.  praet.  chalom.  chabe  Jii.,  pl.  chabendta,  Speise  bidc.  chau 
vb.  beissen,  essen  bessar.  chaü,  praet.  chafym,  gal.  I.  chalas  tino  er  quälte  sich,  eig.  er  ass 
Pein.  c7;f/6e  zomb.  Ungv.  hdvel,  hajel  vh.  ung.  hä,  /mv  born.  106.  111.  habe,  havem.nng.  hav 
ml.  164.  partic.  hälo  200.  havava  vb.  essen  lassen:  praet.  havada  191.  habe  163.  188. 
190.  191.  chal  er  isst.  chabe  sirm.  chabe  ödenb.  Böhm,  chav  vb.  chaben,  chaben.  hijaba- 
chabnaskero    Umsonstesser    68.  Deutsch    chäva    vb.     chavven    subst.  Heb.     gaben  Frass 

Speise  beitr.   13.  30.  Poln.  chabe  na.   160.    chaca  gal.  II.         Russ.  te  chas  vb.   te  chas 

des  zu  essen  geben,  te  otches  vb.  abfüttern,  te  zachaves  vb.  dazu  essen,  zu  Tode  beissen : 
ot,  za  sind  slavische  Praefixe.  chabe.  Skand.  ka  vb.  kaben  Essen,  kapjeba  Esstisch.  Ital. 
chäva  vb.  chalari,  etwa  für  chalori,  ein  wenig  (Brod)  asc.  133,  Bask,  tegalitia  baud.  3."). 
asc.  156.  Engl,  haw  vb.  hnwmeskro  Tisch.  Span,  chalar,  chalelar,  chamar,  chamelar  vb. 
essen,  chalipear  vb.  gierig  essen,    chamiarano  adj,  gefrässig.  chamaripen  m.    Gcfrässigkeit. 

Denkschriften  der  pliil.-hist.  VA.  XXVI.  Bd.  28 


2jg  Franz  Miklosicii. 

chaTij)cn  m.    Essen.    chaUpi    f.  Appetit.         Asiat,    chami,  chaimi  ich  esse,    chairöm  ich  ass, 
litt,  leki  chaimi  ich  schwöre  pa.   192.  oll.  332.   357. 

Aind.   päli  khad.   präkr.   kha.   hiiul.   kliäi\a.   sind,  khainu  IJeamcs   1.   202. 

chacar. 

Ungr.    chacjov  vb.,  praet.   clulcijas  er  brannte  karp.   für  chdcWas.  Boiim.    diacärav 

vb.  brennen  trans.        Deutsch  chacäva,  chaceväva  vb.  brennen,   anzünden,  chacerdi  Brant- 

wein,   unriclitig  chads-    lieb,    gacerben  Brand,    gacerdi  foro  Brandenburg  beitr.   8.       Poln. 

cliackirau  vb.  urere.  chackirdo  ardenter.    chackiriak  für  chackiriau  vb.  lucere  na.   155.  KU. 

165.  Russ.  te  zachacies   vb.    anbrennen:    za  ist  ein  slavisches  Praefix.    te  chackires  vb. 

brennen    kochen  (vom  Wasser)  20.  263,  te  chackirdes  vb.   verbrennen,    chackirdo  adj.  heiss. 

Skand.    kacali    Brantwein.  Engl,    /cßcar,    höcer   vb.  Span,    chacd,  facd   m.    Wärme. 

chacarar  vb.  w^ärmen. 

Pott  2.   160. 

chakjar. 

Eumun.  chakkjnräü  vb.  fühlen,  chakkjeran  für  -rau  hoffen  bessar.  hakjardü  vb.  in- 
tendo  mezz.  hacar  :  hacardoü  buk.  hafoi-av  vb.  fühlen  zomb.  Ungr.  hacar  vb.  sich  er- 
innern, hacarel.   hacardds. 

chalav. 

Gi-iech.  chalav  vb.  niederreissen.  chalaven  les  demolissez  le.  chalavds  612.  chalavdov 
vb. :  chaldvdile  amari  rcza  nos  vignes  ont  ete  detruites  30S.  ßumun.  chaTar  vb. :  praet. 
chalärdem  detrivi  (calceos).         Ungr.  unrichtig  chaTardan  du  verbranntest  karp. 

Ngriech.  yaXth. 

chalav. 

Kumun.  cÄ«7c/ü  vb.  waschen :  chalavdü,  chalavö.  -praet.  chaladom.  chaladov  \h. -pass.:  cha- 
Iddol  lavatur.  praet.  chalddiTom. 

chanamik. 

ßumun.    chanamik  m.    »-Schwiegei'vater   zomb.  Ungr.    chanamik  Freund,   chanamiko 

freundschaftlich  sirm. 

chand. 

Griech.  chanddva,  chatdva,  ghanddva,  chraddva  vb.,  partic.  chanlo,  ghanlö,  graben. 
chanTardva  vb.  graben  lassen.  chmiTardö  m.  Spaten.  chdnTovava  vb.  gegraben  werden. 
Ungr.  chan  vb. :  praet.  chandas  er  grub  kai-p.  chanava  ich  grabe  odenb.  hanavel  vb.  graben. 
hanadi  i.  Spaten  sirm.  Yergl.  ßumun.  hun,    kunav  vb.    gi-aben,   jäten:    hundü,  hunavö. 

praet.  hunadom  buk.   nie  kimava  ich  grabe  zomb. 

Aind.  päli  khan  graben,  präkr.  kliand  lindere,  frangere.  avg.  kanal,  kandal  tr.  217. 
Vergl.  gand. 

cliandi. 

Griech.    chandi,  chanrik,  chanltk  adv.   Avcnig.    chanrorica  deminut.  ßumun.    chänry 

leicht  bessar.  IL  hanri  wenig  vaill. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  219 

Aind.    khanda    adj.   lückig.    subst.    Lücke,    Bruch,    Stück,    päli  kliandä.  bind,  khand, 
känd.  kurd.  liindik  wenig  Lerch  96.     Yergl.  zig.   charno. 

chando. 

Griech.    chando,    chanlo,    chanro,    hanlo  m.  Degen.  Rumun.    chanro  m.   Säbel   buk. 

chdnro    zomb.  Ungr.    haro  Schwert    ml.    18G.    haru    ung.    charo    ungh.    cliäre    pl.  karp. 

charno  odenb.  Böhm,  chäro  m.,  pl.  -e,  Schwert,  chärengero  m.  Schwertfegcr.  Deutsch 
chä7'o  lieb,    goro  beitr.   9.    chaclum  waldh.   114.  Poln.    goro  na.   16.").     chandro  gal.  III. 

Skand.  saro  (charo).         Span,  chanro  Säbel,   Degen. 

Aind.  khadga.  päli  khagga.  hind.  khändä  Schwert  Pott  2,  48.   161. 

chanduk. 

Ungr.  händuk  adj.  tief;  subst.  Tiefe  sirm.  Deutsch  handäko  Graben. 

Vergl.  arab.  chandaq  Pott  2.  165.  und  das  davon  abhängige  mgriech.  -/rjyZrj.^  duc. 
und  ngriech.  yavrdxt..    serb.  hendek. 

ehandz. 

Griech.    chdndzjovava   vb.    jiass.    kratzen,    richtig  wohl  jucken.  Ungr.   chadzol  vb. 

jucken  ung.  c/iaHc/io/ wm  es  juckt  mich  sirm.  Böhm,  chandzel  vb.  Deutsch  cAa/ic/Mi^a  vb. 
Poln.  chandzoh  pruritus  na.   165,  richtig  prurit.  Engl,  hondz  vb.  subst. 

Aind.  kharg  peinigen,  khargu  Jucken,  Kratzen. 

chaning. 

Griech.  chanmg,    chaing    f.   Brunnen,    chaningäkoro  adj.  Rumun.   chajing,  chaing  f., 

pl.  chamga,  buk.  chaing  bessar.  IT.    cliamg  zomb.  Ungr.  ha,nik  m.  ung.    i  hanik  born. 

88.  hanik  ml.  177.  hdjing  sirm.  chanori  deminut.  chafiigöri  deminut.  karp.:  jenes  beruht 
auf   *chani,    dieses    auf  chanig.    i    chajink    ödenb.  Böhm,  chanig   f.,    pl.    -ga.    chafiigöri 

f.  deminut.       Deutsch   haning  lieb,    hani  beitr.  9.  25.        Poln.   hamjnk  na.   165.  Span. 

chani  f.  chanike  m.  Quelle.  Asiat,  chani  pa. 

Aind.  khan  graben,  khani  Mine.  hind.  khän  f.  Mine.  kurd.  qäni  Lerch  96.  käni 
rh.     Vergl.  chan  unter  chand. 

char. 

Griech.  char  f.  Loch.  Rumun.  char  f.,  pl.  chare,  Niedei-ung,  Thal  buk.  chär  Thal 

zomb. 

Sindh.  khada  Grube,  das  mit  präkr.  gadda,  aind.  garta,  in  Zusammenhang  ge- 
bi'acht  wird  tr.   xxiii.   xxxix.     Vergl.   zig.   charno. 

charkoma. 

Griech.  chdrkoma  m.  Küchengeschirr.  Rumun.  chdrkom  Kupfer,  charkomdko  adj. : 
ek  hdiidt  charkomdü.    charkunö  m.  charkvM  f.  adj.  kupfern.     Vergl.  chaldzi  Messinc)-  buk. 

28* 


220  FllANZ  MiKLOSICll. 

chorkunu  ;idj.  zomb.  charhnn  zu.  drkoma  bessar.  charkoma  bessar.  II.  cImvIcö  taganr.  diar- 
ku))in  »crh.        Ungr.  harkum  ung.   cliarkomdlo  adj,  karp.  charkoma  Kupfer  üdenb.        Böhm. 
cJiarkom,  pl.   -a,  Kupfer,   charkuno  adj.        Engl,  liauro,  hurro,  hölono. 
Griecli.  yd}a(o|X7..  ngriech.  aXico)[J.a  Kupfer  Pott  2.   168. 

charno. 

Griecli.  charno  adj.  niedrig,  charnes  adv.  cha-rnipe  iii.  Niedrigkeit,  charnerdva  vb. 
erniedrigen,  chariiovava  vb.  sich  erniedrigen.  ßumun.  charno  zomb.  Ungr.  hämo  adj. 
kurz  ung.  ödenb.  harnipe  m.  Kürze,  harnetdne  adv.  nahe,  liarnetdnipe  m.  Nähe  ung.  charno, 
hdrnu  kurz,  harnarü  vb.  kürzen  sirm.  Böhm,  charno  adj.  kurz,  chärnes  adv.  chartiärav 
vb.    verkürzen.         Ital.    charniserö   Richter,    eig.    kleinköpfig,    dumm    asc,    134.  Asiat, 

vergl.  khatne  kurz,  klein  pa. 

Aind.  päli  vergl.   khanda  lückig,  mangelhaft.  Vergl.   zig.   chaiidi  und  char. 

charun. 

Ilumun.   charun   vb.  kratzen :    praet.   charundom.        Ungr.   vergl.    haruvav  vb.   kratzen. 
kharnvcl  vb.  kämmen  ung.        Böhm,   charilvav  vb.  kratzen. 
Kurd.  chorinim  ich  kratze  Lerch   114.  Vergl.  zig.  (jer. 

chas. 

Griech.  chcis  m.  Husten,  chasdva  vb.,  partic.  chasano^  husten,  chasdnovava  vb.  husten. 
ßumun.  hasao  vb.  vaill.  praet.  asanöm  serb.  Ungr.  khas  m.  khasel  vb.  ung.  o  chas 
Sputum  ödenb.  Bölun.  chas  m.  chasav  vb.:  praet.  chasandlTom.  Deutsch  chas.  chase- 
väva  vb.  lieb,  ^/has  beitr.  17.  Poln.  kasylo  tussis  na.  157,  wohl:  er  hustet.  ßuss.  te 
chas  vb.  platzen.        Span,  chas  m.  chasar  vb.        Asiat,  vergl.  koMdori  der  hustet  pa. 

Aind.  käs.    hind.   khasnä,  khonkhnä  vb.   khasi  Husten,    kurd.  kokhin  vb.   husten  rh. 

chasar. 

ßumun.    chasar    vb.    verlieren:     chasardä,    chasaro.     praet.    chasardöm.     chasardov    vb. 

pass. :    chasdjvo  aus  chasdrdovo.    praet.  chasdjToni  aus  chasdrdilom  buk.  chasar  vb. :  chasar- 

dorn,  chasardem;   chasardäs.  chasajvav  vb.  pereo.    pi-aet.  chasajlem  ich  verirrte    mich  zomb. 

Ungr.  hasardu  vb.  praet.  hasardem  sirm. 

Ngriech.  ydvto  verlieren. 
^  '^  chev. 

Griech.  cliev  f.,  pl.  -vjd.  Loch,  e  chevd  pl.  G24.  chevjardva  vb.  durchbohren,  chevjardo 
m.  Matrize,  chevjardi  f.  l'ouverture  au  centi-e  de  la  roue,  dans  laquelle  passe  l'essieu 
nom.  chevjdrdovava  vb.  durchbohrt  werden.  ßumun.  chyü  Höhle  bessar.  chiv  Grabhügel 
zu.  chiv  Glas,  vielleicht  Fensterscheibe,  Fenster  zu.  chiii  Grabhügel  bessar  II.  chsü. 
chvardö  adj.  löcherig  buk.  Ungr.  hcv  m.  f.  Loch,  Höhle,  Öffnung  ung.  hev  f.  Höhle 
ml.  IUI.  183.  Grube  180.  Grab  180.  Öffnung  191.  chvar  vb.  durchlöchern:  o  glonc 
chvarda  o  davar  die  Kugel  durchlöcherte  die  Mauer,  hojdrdo  adj.  rauh  »inn.    chen,  Loch, 


Übek  die  Mundarten  und  die  Wandekunüen  der  Zigeuner  Eüropa-s.  vii.  221 

Fenster,  pl.  chova,  karp.       Böhm,  clicv  f.,  pl.  -a,  Loch,  Fenster,    chevörl  f.  deminut.    che- 
venge7'o    m.    Glaser.  Deutsch    cheh    lieb,    geh    Loch,    gehe    Grube,    gev   Arsch    beitr.    7. 

15.    21.  Poln.   geh    na.    155.     Vergl.   geihar   Höhle    antrum    156.  Russ.    chev    Loch. 

Skand.  hev,  kjev.       Engl,  hev  Loch,  Fenster,  Grab. 

Wohl  nicht  zu  vergl.  ist  aind.  päli  guhä  Höhle  Pott  2.   162. 

cliin. 

Griech.  ckinäva^  chiäva,  chTdva,  chenddva  vb.,  partic.  chendo,  cJdendu,  cacare.  chendö 
m.  Excrement.  chendi  f.  Abort,  chendardva,  cliendardva  vb.  cacare.  chendardu  m.  Nacht- 
topf, ßumun.  cJdi  vb.  chli  impt.  praet.  chöndom  buk.  Ungr.  hijen  vb.  ung.  cJdnel. 
chindas  avri  karp.  Befremdend  ist  hndo,  d.  i.  Imido,  rein  sinn.  Böhm,  chinav  vb.  chin- 
dihnangero  m.  Abort.  Deutsch  chniväva  vb.  lieb.  Russ.  chyndalo  m.  Abort.  Vergl. 
chin  (te  cknar)  vb.  boe.  20.       Engl,  hmder^  khidev  vb.        Span,  chifiar  vb. 

Chip. 

Ungr.  hip  m.  Deckel,  i  chip  ödenb.  Böhm,  ddp  f.,  pl.  -a.  cldpori  f.  deminut. 
Deutsch  chlh  lieb. 

chochav. 

Griech.  chochavdva  vb.,  partic.  chochavdö,  auslachen,  betrügen,  im  Spiele  einem  Geld 
abgewinnen,  chuchdvdovava  vb.  ausgelacht,  betrogen  werden,  chochavnö,  -mnö,  -nnö  m. 
Lügner,  chochavnö  pakjardi  Name  eines  türkischen  Gerichtes  400.  chochamnihe,  -cliaimbe 
m.  Betrug,  Lüge,  chochaimhes  adv.  falsch,  chochdviiovava  vb.  betrogen  werden.  Rumun. 
chochavvh.:  ^raetll. sg.chochaddn.  cAocAawmo  m.  Lügner  buk.  chochavyh.  chochamno  Sidj.  falsch. 
Minder  genau  chuchav  imd  chachav  vb.  zomb.  kokao  vb.  lügen,  betrügen,  kokaimos  Lüge,  ko- 
kcdmata  pl.  Lügen,  Irrtum,  d.  i.  cliocli-,  vaill.  54.  58.  61.  113.  Ungr.  hohdvel  vb.  lügen, 
betrügen,  stehlen  ung.  liohavä  born.  85.  sohavä  betrügen  106.  ung.  hohavibe  m.  Lüge,  Betrug 
ung.  cliochavava,  chocliavau  vb.  impf,  chochavavas .  praet.  chochadern.  kochanno  adj.  lügen- 
haft sirm.  praet.  chochade  karp.  chochavel  vb.  lügen  ödenb.  Böhm,  chochavav  vb.  lügen, 
betrügen,  chochavel  adj.  lügenhaft,  chochavibnaha  (falsch  chochhv-)  mit  einer  Lüge  60. 
Deutsch  chocheväva  vb.  lügen  lieb,  gocheno  betrügen,  wohl  adj.  betrügerisch,  gochuhen  lügen, 
wohl  Lüge  beitr.  8.  21.  Poln.  chochovesa  ineptiae,  falsch  na.  152.  Russ.  te  chochaves 
vb.  lügen,  betrügen.  Skand.  kokka  vb.  lügen,  mander  kokkar  ci  ich  lüge  nicht,  mit  ger- 
manischer Setzung  der  Negationspartikel,  kokkalo  (Jcokkano)  unwahr,  kukkijjd  Lüge,  kuk- 
kihaskro  Lügner.  Ital.  hnchanu  lügenhaft,  Lügner  asc.  130.  Engl,  hochaben.  hochanö, 

hokano.       Span,  chochabar,  chonchabar  vb.  betrügen,    ckochaim.  chonchanö  Prellerei,    chon- 
chanar  vb.   betrügen.  chonchanijJen  m.   chonchaina  f.  Betrug. 

Aind.  kakh,  khakv  lachen:  das  anlautende  cli  steht  unorganisch  für  k.  chochav  be- 
deutet ursprünglich :  auslachen.  Vei-gl.  griech.  asavava  lachen  machen,  betrügen  Pott 
2.   160.    - 

choliu. 

Griech.  choUn  f.  Zorn,  Galle.  choTdzava  vb.  yoXtdCco.  cholasar  vb. :  cholasdilo  tar  er 
ward   zornig,     choliterdva  vb.   sich   ärgern,   richtig:    choli  terdva  Zoi-n    haben,     cliolindkoro^ 


222  Franz  äLklosicii. 

cholindkoru  adj.  zornig.  Rumun.  choU  £.  choTar  vb.  erzürnen:  praet.  rliuTardöm.  choTardov 
vi),  pass. :  praet.  clioUjTom  aus  clioTdrcUTom.  chomaüa  er  ward  zornig  für  cJiol-.  cholerniko  adj. 
buk.  choli  hessar.  bessar.  II.  choläj les  zornh.  für  choTarcüTas.  Ungr.  hoU  ung.  lioli  mi.  154. 
hoFarel  vb.  erzürnen,  holovel  vb.  in  Zorn  geraten  ung.  aus  hoTardovel.  choli.  chofar  vb.  er- 
zürnen, cholardov  vb.  pass. :  clioTda  in :  na  choldü  te  mandi  sei  nicht  böse  auf  micli,  aus  cho- 
Tardov. praet.  clioTäilem  aus  choTdrddom  sii'm.  te  na  clioTdjves  pe  to  gdzo  zürne  nicht  deinem 
Manne  ödenb.  Böhm,  chöli  f.,  pl.  -a.  choTärav  vb.  Vergl.  holeder  comparat.  ärger  12.  40- 
63.  l>eutsch  cholin.  holedir  böser  lieb.  Vergl.  gojurdom.an  Argerniss.  gojimen  Zorn, 
Murren,  gojemen  trotzig,  eig.  ira  (est)  mihi,  beitr.  6.  22.  32.  36.  Poln.  choliso  ira.  choli- 
sova^a.  irasci  na.  155:  beides  dunkel.  Russ.  choTasös  pe  vb.  sich  ärgern,  te  choTakordh 
vb.  betrüben.  Engl.  Ä;oZ«.  hojno,  Aöjjo  angry;  bei  Lei.  177.  /ra/'er-m' teasing.  Span,  c/w/'m. 
Griech.  XoXtq.  ngriech.  yrAid^M. 

cholov. 

Rumun.  holoh  jambe  de  pantalon  vaill.  108.  kolobd  braghe  mezz.  Ungr.  holav  m. 
Hose  ung.  hÖlav  f.  ml.  168.  liolev  f.  born.  88.  holof  ungh.  cholov,  choloü  karp.  ^  churüj 
ein  Teil  der  Hosen  ödenb.  Böhm,  cholov  f.,  pl.  -«,  Beinkleider,  cholov  enger  o  m.  Hosen- 
macher. Deutsch  choUh  lieb,  goluh  Hosen  beitr.  17.  chahi  Hosen,  hnlha  Strümpfe 
waldh.  116.  120.  Poln.  chohu  feminalia  na.  155.  chohv  gal.  II.  Russ.  cholovd,  pl. 
-ve,  boe.  20.  Skand.  kolliva  Strümpfe.  Bask.  hobeliac,  horihonac  pantalon  baud.  36. 
Engl.  Mdavcrs.       Span,  olihlas  Borrow,  Romano  lavo-lil  72.  Vergl.  solebd. 

Bulg.  holev  pl.  gen.  gram.  10.  kroat.  holjeva  glasn.  1861.  126.  hoveje  auf  Veglia. 
klruss.  choljava  posl.  97.  russ.  choleva.  pol.  cholewa.  oserb.  nserb.  kholova  Pott  2. 
71.   169. 

chomer. 

Griech.  chomer  m.  Teig,  chomereskoro  adj.  Rumun.  chomer,  chumer  m.  buk.  chumer 
Teig,    Mehlspeise    zomb.  Ungr.    humer    m.    Teig ,    Krume    ung.     chumer    sirm.    ödenb. 

Böhm,  chumer  m.,  pl.  -a,  Teig,  chumel  Brotkrume.       Span,  chumert  f.  Brot. 

Armen,  chmor  Pott  2.   159. 

Chor. 

Griech.  chor  adj.  tief  5  auch  subst.  622  :    k'  c  burddkoro   ¥  0  chor  dans  la  profondeur 

de  l'endroit.         Rumun.  and   o   chor   in  abysso  klaus.         Ungr.  hör  adj.    horipe  m.  Tiefe 

ung.     chor    adj.    ödenb.  Böhm,    chor,   chor   adj.   tief,     choreder    comparat.    choripen    m. 

Tiefe.       Deutsch  choro  lieb,   gor  (gom-J  beitr.   32.       Poln.  chor  profunde  na.^  155.       Russ. 

chor  adj.       Span,  goro  adj. 

Armen,  chor  tief  Pott  2.  164. 

chorachaj. 

Griech.  chorachdj  m.  Türke,  chorach/n  f.,  pl.  -nd,  Türkinn,  chorachnori  f.  deminut. 
chorachdskoro  adj.  türkisch,  chorachanö  adj.  subst.  türkisch,  Türke,  chorachanes  adv.  U- 
choracMngoro  adj.  ohne  Türken.  Rumun.  chorachaj  bessar.  IL  chorachaj.  chorochano 
zomb.  karakaj  \c\\\\.  Cyl.  Ungr.  cAoracAo?iü  adj.  türkisch  sirm.  Span.  Ä'oracÄo;',  -^ Maure, 
Maurinn,  korachanö,  -ni  adj. 

Chorachdj  scheint  mit  dem  Namen  des  Landes  Chorasan  zusammenzuhängen. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Edropa's.  vii.  223 

chrichil. 

Böhm,  chrichil  m.,  pl.  -a,    Erbse.       Deutsch  heril  lieb,    hirhil  beitr.   11.       Poln.  hir- 
hyi  na.   156.       ßuss.  girtl.       Skand.  hiril.       Bask.  kirikila  Bohne  band.  33. 


Slav.  grab  Pott  2.   167. 


chud. 


Ungr.  chud  vb.  ergreifen :  cliudav.  praet.  chudinas,  chudinas  er  ergriff,  chudipen 
Kerker  karp.  Böhm,  cliudav  vb.,  partic.  chudino,  langen,  greifen,  fangen,  erreichen, 
erhaschen,  rauben,  anrühren,  schnappen  53.  54.  59.  61.  66.  73.  74.  75.  76.  gerund,  chu- 
dindos.  o  vödi  chudelas  sie  schöpft  (richtig:  schöpfte)  Atem  72.  Vergi.  skand,  haata 
vb.  stehlen  Bugge  153. 

chuchunr. 

Griech.  chuchunr  m.  Schwamm,  chuckunrengoro  m.  chuchunr&ngeri  f.  Ungr.  huhur 
m.  ung.  Böhm,  chuchur  m.  sapüno  chuchur  Fliegenschwamm. 

chulaj. 

Griech.    clmlclj  m.  Herr,  chulcmo^   clndaro  subst.  adj.  Herr,  Herren-.  Rumun.  chu- 

lani  f.  Herrinn,    clmlaj  Mann,    chuluni  Weib  zu.  bessar.  II.        Poln.  chuiaj  pater  familias 
na.    156.  ßuss.    chulaj   Hauswirt,     chidany    Hauswirtinn.     chuldnori    deminut.  Span. 

clmlaj  m.  Herr,  chulani  f.  Frau. 

Pott  2.   170. 

chulav. 

Rumun.  Iwlav  vb.  scheiden  :  Imlavel  er  kämmt,  praet.  Imladas.  Imlavav  man  ich  kämme 
mich,  hihulado  adj.  ungekämmt  zomb.       \]ngv.  fulau  vb.  ich  kämme,  fulavel  er  kämmt  sirm. 

churdo. 

Griech.  churdo  adj.  klein,  jung,  churdes  churdes  adv.  nach  und  nach,  churdeder  com- 
parat.  churdoro  adj.  deminut.  churdipe  m.  Jugend.  Rumun.  churdö  adj.  buk.  churde  love 
Kleingeld  zomb.  Ungr.  hurdo  adj.  klein,  zerbröckelt  ung.  Imi-de  love  Kleingeld  boru. 
121.  0  kürdo  mäko  der  kleinkörnige  Mohn  ml.  189.  hurdo  serb.  sitan.  h(j}'di  Spreu  sirm. 
churdo  ödenb.  Böhm,  churdo  adj.  klein,  mürbe,  m.,  pl.  -e,  Mohn,  churdoro  m.  Mürbes, 
Kuchen,  churdärav  vb.  zerbröckeln.  Deutsch  churdin  Spreu,  Häcksel  lieb.  Span,  churdi 
f.  Pulver. 

Aind.  ksudra.  päli  khudda  klein,  pers.  churd.  bind,  khurd  petty;  richtig  aind.  khud 
brechen:  aind.  ksudra  würde  als  Anlaut  kh  ergeben  Pott  2.   159. 

chut. 

Rumun.  chut,  chut  vb.,  partic.  chuklo^  springen :  chutdü.  chutila  er  wird  springen,  praet. 
c.hukTöm.  chukTäs  o  kam  die  Sonne  gieng  auf.  chukTäs  pe  Mste  er  ergriff  ihn,  eig.  er  sprang 
auf  ilm,   buk.  chutav  vb. :   chiklo  zomb.        Ungr.  clinfel  vb.  imgh.    clmtel  sirm.  chntJas  neben 


224  Fkanz  Miklosicu. 

tichtiJo  er  sprang  karp.  Böhm.  cJud  vb.,  purtic.  chutlo^  springen:  chutav.  Russ.  te 
uchtäv  boe.  2()2. 

Yergl.  bind,  kudnä  springen,  avg.  chatal  to  ascend  iv.  202.  Ich  denke  jedoch  bei 
cliut,  ucht  an  aind.   ut-sthä.     Vei'gl.   zig.  uML 

chutil. 

Rumun.  chutil,  chotil  vb.,  partic.  chutildö,  ergreifen,  fangen,  packen,  rauben :  chutilö. 
tlie  chutila(s)  ame  pral  machen  wir  Bruderschaft,  eig.  ergreifen  wir  uns  als  Brüder,  buk. 
chutildv  vi).,  partic.  chvlildo,  zonib. 

ic. 

Griech.  ic,  jic,  aus  idS,  jidz,  adv.  gestern,  jic-aver,  jic-u-jave?^  vorgestern.  Rumun. 

jic  buk.  hie  zu.  iz  bessar.  averic  vorgestern  mezz.  Ungr.  ic  ung.  ic  ml.  163.  201. 
overicli  vorgestern.  p?'e/to'ümt/j  ehevoi'gestern  sirm. :  ov er  ist  jav er ;  idi  ist  idzi,  idz.  !i  ödenb. 
Ital.  jidz.         Asiat,  hidza,  aidza  pa.  o9o. 

Aind.  hjas.  päli  hijo,  hijjo  aus  hijjas.  zig.  ic  steht  für  ico,  idzo,  dessen  o  aind.  as, 
wie  sonst,   entspricht. 

iker. 

Rumun.  snksr  vb.  halten :  snksro,  unknrdü.  praet.  miksrdöm.  impt.  jiknr  buk.  inger 
vb.  tragen,  bringen,  führen:  inger av,  ingräv.  ingnrela^  ingrla,  ingrel  neben  inkerav,  inkrav. 
inkerel,  inkrel,  inkrla  zomb.  inkerav.  le  moahonengro  nikeripo  in  regnum  Moab  klaus. 
Ungr.  ikerel  vb.  ung.  ikrä  born.  106.  tkeren  ml.  155.  168.  praet.  ikerdal  177.  peste  ikre- 
lalii  179.  ikerav  vb. :  ikerädo  id'o  178  er  wurde  gefangen,  icarau,  incarel,  indarSl^  indzarü 
tragen  sirm.  ?Ä;ervb.  halten:  ikerava.  ixa^t.iker.  praet.  ^Ä'erf/«5 karp.  ?7cere^  er  hält  ödenb.  ligerei 
nehmen  ung.  Böhm,  ikerav.  -^vsiGi.ikerdas.  Deutsch  r/Merväva,  liggerväva  vb.  führen,  leiten 
•  lieb.  Skand. r/Mra,  riggravh.  It&l. ningeravaYh.  tragen.  Engl.  7'ik,  riker,  rf^er  vb.  tragen, 
halten,  bringen.  Vergl.  hicer:  an  yeck  divvus  the  foki  hitchered  hini  avree  the  sturahen 
führten  ihn  aus  dem  Kerker  hinaus  Leland  177.     Span,  lecherar^  likerar,  Tigerar  vb.  tragen. 

Pott  2.  269.  Vergl.  zig.  angür  aus  an  und  ker  unter  an.  Die  Lautübergänge 
sind  etwa  *anker,  *ankzr,  snkör,  inkör,  iksr,  jikdr^  riker,  jiker  und  *anger,  angsr,  sngzr, 
ingsr.  Die  Formen  mit  anlautendem  l  scheinen  dieser  Ansicht  entgegen  zu  stehen :  vergl, 
jedoch  nikeripo  klaus.,  das  zomb.  snkeripe,  linkeripe  lautet. 

is. 

Griech.  isöm  vb.  ich  bin.  Rumun.  som.  ssn  via  ich  habe,  est  mihi,  sn  ihe  ariu  ich 

werde    ackern,    eig.    est    ut  arem,    buk.    hom   ich    bin    klaus.  Ungr.  si,  'hi    es  ist  not- 

wendig, möglich  ml.  161.  165.  167.  nie  ssm  ich  bin  sirm.  som,  sim  ödenb.  Böhm. 
hi  es  ist  notwendig  67.  har  hi  tuke  dzidi  t'  aves?  jak  mas  ziva  byti?  70.  Deutsch 
me   hom    ich    bin    lieb,    hi    er    ist    beitr.  7.  Span,    sinar,    sinelar   vb.   sein,    aisnar   vb. 

haben.  Asiat,  iri  es  ist  pa.   141. 

Aind.   as. 

iv. 

Griech.  iii,  viv,  vif,  hiv,  hiv  m.,  pl.  -vd,  Schnee,  dela  vif  es  schneit,  viveskoro  adj. 
Rumun.   jiv    buk.    id    bessar.    hiv    zu.  iv  serb.  Ungr.  hiv  m.  ung.  jiv  ung.  sirm.  o  jiv 


Über  die  Mtjndakten  und  die  Wanderxjngen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  225 

ödenb.  del  o  jiu  es  fällt  Schnee  ml.  203.  o  jiv  del  es  sclineit  sinn. :  falsch  div  ung.  Böhm. 
jiv  m.,  giva  d.  i.  jiva  pl.,  74.  jivoro  m.  deminut.  Deutsch  glv,  gib.  dela  glv  lieb,  jive 
beitr.  28.  Poln.  iv  na.   165.  Russ.  iv.         Skand.  jiv.         Engl,  rä,  jiv,  giv,  slv,  luv. 

jivjela    es  schneit.  Span.    cMhe   m.  Asiat,    hiv    pa. 

Aind.  pali  hima  Kälte,  Winter,  Schnee,  abaktr.  zima.  avg.  zimai  tr.  10.  Pott  2.  fi7. 
416.     Mit  dem  asiat.  hiv  Mond  pa.  vergl.  man  aind.  hima  Mond. 

ivend. 

Griech.  vend.  vent  m.  Winter,  vendeskoru,  laiitgesetzlich  unrichtig  vent4skoro.  adj. 
ßumun.  ivend  buk.  bessar.    ived.  ivedesko  adj.   Winter-   serb.  Ungr.  jevend  ung.   born. 

88.  jevend^  ödenb.  jent^  jint  ung.  tvend.  evende  im  Winter.  Vergl.  ivando  frisch  sirm. 
Böhm,  jevend.  jevende  im  Winter.  Deutsch  venda  lieb,  vend.^  vent  Winter,  Herbst  beitr. 

16.   35.  Poln.  javent^  jahnt  gal.  II.  Engl,  ven,  tven.  Span,  ven,  oben. 

Aind.  päli  hemanta. 

jag. 

Griech.  jag  f.,  pl.  jagä.^  Feuer,  jagäkoro  adj.  bijogdkoro  adj.  der  kein  Feuer  hat. 
jagalo  adj.;  m.  Feuerzeug.  Kumun.  jag  f.  jagdko  adj.  Feuer-,  jagalo  adj.  buk.  jag 
zomb.  bessar.  II.  käst  jagdk  (jagdko)  Brennholz,  jagalv  Feuerstahl  bessar.  jagalt  Brant- 
wein  gal.  I.  Ungr.  jag  m.  ung.  ödenb.  jdgöro,  richtig  jdgöri,  deminut.  ml.  186.  199. 
e  jagali   Brantwein    sirm.    jakh,  jagh.   für  jag.     jagralo    adj.    warm    karp.  Böhm,  jakh 

32.  statt  jag.  Deutsch  jäk  lieb,  jag  beitr.  12.  Poln.  jag  na.  160.  jagoro  gal.  IL 
Russ.  jejak  d.  i.  e  jak  das  Feuer.  Skand.  jag.  jaggra  vb.  brennen,  jagralo  adj.  warm, 
ßask.  jaka  band.  32.  Engl.  jog.  Span,  jake  m.  jake-bar  m.  Feuerstein,  jakunö  adj.  ve- 
rano,  estio  asc.  158.       Asiat,  eg.  jak  le  ^er  mache  Feuer  pa. 

Aind.  agni.  päli  aggi,  aggini,  gini.  präkr.  aggi.  hind.  äg  f.  sindh.  äge  Pott  2.  47. 
Beames  1.  300. 

jakh. 

Griech.  jak  m.,  pl.  jakd,  Auge,  mustenie-jakengoro  adj.  kleine,  schläfrige  Augen 
habend :  der  erste  Theil  des  W^ortes  ist  arab.-türk.  bijakengoro  adj.  keine  Augen  habend. 
Rumun.j'ßÄ;,  pl.JoM«.  hi-morß-jakMngo  adj.  aus  meinen  Augen  buk.  jak.^  pl.  jaklid,  taganr. 
zu.  gal.  I.  jak  zomb.  Ungr.  jakh,  jak  m.  akli,  pl.  atha,  ung.  jakh  karp.  o  jak  born.  88. 
aihöro  m.  deminut.  86.  122.  jakh.  kal'  acora  schwarze  Augen  karp.  jakh.  jakhdki  prin- 
caiia,  Augenbrauen  ödenb.  jek-atalo  adj.  einäugig  ung.  aus  jek-akhjalo.  Böhm,  jakh  f., 
pl.  -a.  dav  jakh  ich  gebe  Acht,  jakh  dindos  Acht  gebend  62.  73.  jakhöri  f.  deminut. 
hijakhakero  adj.  keine  Augen  habend,  jek-atälo  adj.  einäugig.  Deutsch  jakk  lieb.  jack. 
baugeakingro  schielen,  i-ichtig:  bange-akingro  adj.  schielend,  eig.  einen  schiefen  Blick 
habend,  kachmiakriack  Hühnerauge,  richtig  kachnakri  jak,  beitr.  7.  17.  27.  Poln.  jak, 
pl.  jakha.  jeke-jakakero  adj.  einäugig  na.  156.  160.  'Russ.  jakh,  ])l.jakhd.  jekhdkiro  Auge, 
richtig  ^ohl  jekhe-jakhdkiro  aij.  einäugig  boe.  25. 267.  Skand.  _;'«^'.  Ital.  jak,  pl.  lljakjd^ 
asc.   138.        Bask.  aka  baud.  36.       Engl.  jok. 

Aind.  aksi.  päli  akkhi,  acöhi.  präkr.  aßchi.  hind.  äkh.  sindh.  akhi,  akhe  Pott  2.  46. 
Beames  1.  309. 

UeDischriften  der  phil.-hist.  C'l.    XXVI.  Bd.  29 


226  Franz  Miklosich. 


javer. 


Griech.  javer  pron.  ein  anderer,  javer  far  ein  andei-es  Mahl,  javrhkorti  adj.  einem 
anderen  gehörig,  jek  u  vavrr  der  eine  und  der  andere,  ajer  628.  Ruiiiun.  aver.  jek 
avres  alius  alium.  aver  'pns  die  andere  Hälfte  buk.  aver.  £as  avre  thani  an  einen  anderen 
Ort  zomb.  aver.  sg.  abl.  avrester  61.  hiavresko  adj.  ohne  den  andern  vaill.  averic  vor- 
gestern mezz.  okoV  avrakkro  nav  klaus.  wörtlieh :  illius  alterius  nomen.  alavre  über- 
morgen serb. :  a.l  ist  mir  dunkel.  Man  merke  po  t  ever  Ivme,  i)  o  t  ear  h'ime  auf  die 
andere  AVeit  buk. :  t  ist  mir  dunkel  buk.  Man  vergl.  o  kuver  der  andere  buk.  imd  awl 
i  koare  parte  auf  die  andere  Seite  bessar.  II.  Ungr.  aver  ml.  153.  154.  167.  dvro  17 li. 
194.  ävri  f.  190.  pl.  nom.  178.  ävra  198.  aver  born.  121.  avro  der  andere  ung.  born.  105. 
avreskero  adj.  einem  andern  gehörig  born.  121.  avreste^  avrete  anderswo  96.  118.  avretar 
anderswoher  118.  avresar,  unrielitig:  ein  anderes  Mahl  ung.  avreclumdi  adv.  anders  für -c/?(fHf/e.s- 
sii-m.  aver.  aver  svito  die  andei'e  Welt,  avreval  ein  anderes  Mahl,  abermahls  karp.  Böhm. 
aver  54.  62.  64.  avre  71.  avres  63.  avra  62.  avreskero  adj.  75.  avrete,  avrete  anderswohin 
33.  35.  avrethar  anderswo  durch,  avricandes  adv.  anders  33.  35.  61.  Deutsch  prevvavve- 
rick:  pr'  e  vaver  rik  jenseit  beitr.  18.  toawertshaudes :  vavercandes  anders;  unrichtig:  ver- 
ändern 33.  Russ.  ravir  der  andere.  Skand.  vaver  (ravrifi).  Engl,  tvdver^  icuver. 
Span,   aver  m.  aver^  f. 

Aind.  päli  apara.  bind,  aur  Pott  1.  277;  2.  52.  Mit  -candes  in  avricandes  anders 
vergl.  man  bind,  cand  ver.schieden. 

jek. 

Griech.  jek   num.    ein.    jekeskoro    adj.    einem    gehörig.  ßumun.  jek,    ek;    sg.    acc. 

jekhss.  anda  jek  auf  einmahl  buk.  jek.  jeko  erster  vaill.  jektu  erster,  ande  jek.  jekhipe  Ein- 
heit zomb.  jegh:  tranda  lia  jegh  einunddreissig  bessar.  II.  la  ekhakro  nav  der  Namen  der 
einen  (sg.  f.)  klaus.  Ungr.  jek  ung.  jekh  ml.  175.  jekho  175.  ek,  ekh,  jek,  jekh  born. 
105.  jekhipe  m.  Einheit  born.  121.  jckhestero  adj.  einem  gehörig  ml.  185.  jekvar,  ekvar 
einmahl  ung.  jekfar  ml.  198.  204.  jefar  ung-  jefar  ml.  154.  157.  evkar  ung.  jekker  m. 
Kirche  born.  121,  nach  dem  magy.  egyhäz.  jekto,  ekto  num.  erster  ung.  jcktovar  zuerst 
ml.  187.  jekhavre  einander  192.  jek-dzene  adv.  einzeln  191.  jenkhar  einmahl  sirm.  jekvar 
karp.  jek,  jekh  ödenb.  Böhm.  jekh.  jekhvär.  pj^ejekhvär  auf  einmabl  55.  jekhe-divesüno 
adj.  eintägig,  jekhto.  jekh  avres  einander  63.  Deutsch  jekk.  jekkto.  jekktes  adv.  zuerst 
lieb.  jeek.  jektopas  anderthalb  beitr.  6:  etwa  ,das  erste  und  die  Hälfte'.  Poln.  jek  na. 
156.  jak  gal.  II.  Russ.  jekh.  Finn.  eek  gac.  Skand.  jikk.  Bask.  jek,  jet  baud.  39. 
Engl.  jek.       Span.  jeke.       Asiat,  jek  san  zugieich  pa. 

Aind.  päli  eka.  sindh.  hiku.  kurd.  jek  Lerch  120.  ek  rh.  Pott  2.  48."  99.  Hieher 
gehört  auch :  Griech.  eketane,  ikitane,  ketane.i  kitane  adv.  eig.  eke  tanc  an  einem  Orte, 
zusammen,  beisammen.  Rumun.  kajfhdn  aus  kaj  ek  than  buk.  Ungr.  jekhe  thäne  an 
einen  Ort  ml.  189.  ekhethäne  zusammen  178.  ekhetane  born.  118.  ckhetane  da  trauen  107, 
eig.  zusammen  geben,  ekhetane  dime  Trauung  89,  eig.  das  zusammen  geben,  cktdne,  kethane 
ung.  kethäne  ml.  153.  156.  171.  184.  189.  Böhm,  khetane  wrat.  9.  17.  jekhetanel  vb. 
sammeln  7.  Skand.  ketanes  adv.  Engl,  ketane,  ketanes,  to-ketane.  Span,  katane  adv. 
akntar.1  katanelar,  katanar  vb.  zusammen  bringen,  katesia  f.   Versammlung. 


Übek  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zioeuner  Europa's.  vii.  227 


jilo. 

liumun.  jUu  m.  Herz  buk.  ilo  vaill.  57.  61.  109.  iUü  bessar.  Ungr.  jüo  uno-.  jilu 
born.  88.  jüeste:  defin  man  jileste  sticli  micli  in's  Herz  ml.  176.  jilö  sirm.  ßlo,  ilo  karp. 
Jilo  öclenb.  Böhm.  Jllo^  jilo,  pl.  -e.  jilo7'o  deminut.  la,ce  jlleha  ehas  calado  dobrym  srdcem 
byl  hnut.  Skand.  vergl.  sino  Bugge  154,  das  jedoch  nicht  hieher  gehört.  Ital.  jölo, 
vielleicht  jdo.       Span,  ilo  Seele,  Geist. 

Aind.  hrd,  hrdaja.  päli  hadaja.  präkr.  hiaa.  hind.  hijä,  hirdä.  sindh.  hirdhö  Beames 
1.  202.  Aind.  h  fällt  im  zig.  ab;  zig. j  ist  ein  Vorschlag;  das  silbenbildende  r  geht  in  i  über; 
d  weicht  dem  /;  das  auslautende  o  hat  darin  seinen  Grund,  dass  alle  nominalen  Stämme 
des  zig.  aind.  a-Stämmen  entsprechen. 

jismata. 

Griech.  jismata  (jizmata)  pl,  Kleider  265.  391.  594.  596.  paravde-jismatengoro  adj. 
zeri-issene  Kleider  tragend,  hijismatengoro  adj.  keine  Kleider  habend. 

Griech.  tjjid-tajxa. 

jito. 

ßumun.  jito  adj. :  jito  grast  ein  schnelles  Pferd  zornb. 

Aind.  vergl.  hrta  von  hr  rapere :  zig.  t  für  aind.  t  befremdet.  Das  seltene  Wort  mag 
als  zweifelhaft  angesehen  werden. 

ka. 

Griech.  ka  adv.  interrog.  relat.  wo :  ovotjä,  ka  kelelas  dort,  wo  er  spielte  73.  74. 
als :  ka  smide  o  cave  als  die  Kinder  hörten  74.  ote  ka  au  moment  que  596.  sar  ka  ara- 
klds  sobald  er  fand  382.  dass  Ott,:  na  dzanesa^  mo  dat  ka  nikavÜ  mo  sukaribef  ne  sais-tu 
pas  que  mon  pere  travaille  a  mon  portrait?  608.  kai  jetzt  624.  welcher,  wie  ngriech. 
itO'j,  für  den  sg.  und  pl.  nom.  und  acc. :  o  mam'j.s,  ka  kindds  der  Mensch,  der  kaufte  73. 
rakle,  ka  kelina  des  gar^ons  qui  jouaient  (jouent)  606.  katär  A;'  o  trin^  ka  bendäs  von  den  dreien, 
die  sie  gebar  73.  ßumun.  kaj  1.  adv.  a)  wo,  wohin,  interrog.  und  relat.:  kaj  (kaj  i) 
o  balisö?  wo  ist  das  Ferkel?  nas,  kaj  sovel  non  erat,  ubi  dormiret.  b)  conj.  dass  6n;  zi 
kaj  bis  relat.  c)  kaj  vertritt  das  relative  Pronomen:  gras,  kaj  pheros  das  Pfei'd,  das  (auf 
dem)  ich  ritt,  kodö  raklö,  kaj  Toü  les  paläl  der  Knabe,  den  er  fortjagte.  Vergleichende 
Syntax  der  slav.  Sprachen  92.  93.  2.  praep.  zu,  in,  an,  bei :  kaj  ek  raj  zu  einem  Herrn. 
kaj  (kaj  e)  kor  an  dem  Hals,  kaj  o  ssrö  zum  Kopfe.  Für  kaj  o  steht  meist  k'  o  oder 
Ix'tm:  k'  0  abeti  zur  Hochzeit,  koa  ruü  zum  Wolfe.  Dem  kaj  ist  das  daraus  entstandene 
kö,  ke  gleichbedeutend :  dass  oxi,  denn,  weil  buk.  kaj  dass.  ko,  ke  denn  zomb.  ke  denn 
klaus.  ke  dass,  denn  vaill.  69.  88.  Ungr.  kaj  wo,  irgendwo  ml.  151.  160.  167.  170. 
kaj,  k/iaj  wo,  wohin ;  denn ;  sar  kaj  wie  relat. :  na  j  gajda  dilo,  sar  kaj  gandis  er  ist  nicht 
so  dumm,  wie  du  denkst  sirm.  ka  wenn,  kaj  wo,  wohin;  dass,  damit  karp.  Böhm,  kaj 
wo,  wohin ;  da,  weil ;  kaj  te  dass :  phen  leske,  ka;]  te  dzal  sage  ihm,  dass  er  gehe,  kaj  t' 
acel  d^idi  dass  sie  am  Leben  bleibe.  Deutsch  gaj  wo,  hier,  dort  lieb.  Ital.  ka,  ke 
asc.   146.   kra  ka   der  welcher   136.        Engl.  kei. 

29* 


228 


FuANZ  MiKLOSICll. 


kadava. 


Griech.    kadava    m.    kadajd  f.  pl.   kadald,  kadali  diesei-.  Iluimni.  kadö  m.  kade  f. 

so-,  acc.  m.  kadaUs.  pl.  kadald,  kadali,  kaddl,  kadöl.  kade  adv.  so  buk.  otkadaj  diesei-  zu.  : 
ot  ist  russ.  kade,  gade  so  vaill.  pe  kade  phu  in  liac  terra  zomb.  kidekade  adv.  ita  buch. 
kade  gal.  I.  gade  bessar.  II.  ksde  so.  kade  hier  mezz.  kadiä  so  viel  zomb.  Ungr.  kade 
aus  Ungern  334.  gadava,  gadau.  gajda  so.  na  gajci  cel  tanze  nicht  so  viel  sirm.  Böhm. 
kadava:  andra  kadava  kJier  in  diesem  Hause  61. 

kahni. 

Griech.  kahni,  kayni,  kaghni,  kajni  f.  Henne.  Rumun.  kajm,  kajni,  gajni,  gajni 
buk.  khaini  bessar.  kluijni  bessar.  II.  kagni  zu.  kajni,  kani  serb.  kakm  gal.  I.  kajne  zomb. 
Ungr.  kanha^  kanhi  born.  88.  kanld.  kanhalo  adj.  ung.  kanalo  järo  Hühnerei  born.  88. 
kanlieno  adj.  ung.  kajni.  kanako  mas  Hühnerfleisch  sirm.  kainn.  kahnori  karp.  kajni^  pl. 
kajna,  ödenb.  Böhm,  kähni,    pl.  kahna.    kahnori   f.  deminut.    kahiiälo  adj.    kahiiäli  hfd 

Hühnerauge.  Deutsch   kachnin  lieb,   kachni.    kachmiakriack  Hühnerauge    beitr.    16.   17. 

für    kachiiakrd  jak.         Poln.    kahny    na.   157.     kachni    gal.  II.         ßuss.    kagnij.  Skand. 

kakni.         Bask.  kani  baud.  37.  Engl,  kachni,  kdnni.         Span,  kani,  kanaj  f. 

Aind.  vergl.  kanijäs  kleiner,  jünger  Pott  2.  91. 

kak. 

Griecli.  kak  m.  Onkel:  sg.  voc.  kdko  nom.  kdke  sed.  Ä;flÄ:;/  Tante,  kakidzalö  m.  Onkel. 
kakidzcdi   f.    Tante.  Rumun.    ^-a^    buk.    serb.    Ä;aM  bessar.  IL  Ungr.  kak:  sg.  acc. 

kaces    sirm.     /ta/b    ödenb.  Böhm,    kak    m. ,     pl.    -M,     Vetter.  Deutsch   kako ,    gäko 

Oheim,    Blutsfreund   lieb,    kaacko    beitr.   33.  Poln.  kak  patruus    na.   165.  Russ.  kok 

Onkel.  Finn.  kakisko  cav    Vetter    gac.  Engl.    koko.        Span,  kacikalö  m.    kacikal'i  f. 

Verwandter,  Verwandte. 

Hind.  käkä,  cäcä  aus  dem  pers.  Beames   1.  210.   avg.  käkä  paternal  uncle  tr.  57. 

kakavi. 

Griecli.  kakkavi,  kakkdvi  f.,  pl.  -vjd,  Kessel,  kokdj,  kukdj  m.  Kessel,  o  kakäj  la 
marmite    616.    kakkavd    m.    fete    des    chaudrons.  Rumun.    kakavi,    kakavi   buk.  kskävi, 

kakav    serb.  Ungr.    kikavja   pl.    sirm.  Skand.    kakkave.  Bask.    kakabi    chaudron 

baud.    30.    kakabia    cruche    31,  Engl,    kekävi    neben    kdvi    lel.  32.  Sptin.   kaskarabi 

f.  Kessel,  dagegen  ist  kakabi  f.  Halseisen  argolla. 

Griech.  mx,7,a|3oc,  y.rxf.i/.rj.'pr^  Pott  2.   93. 

kakh. 

Griech.  kak  f.    Achselliöhle.  Rumun.  khak,    kak  f. :    tala  j   khak,    kak   unter   dem 

Arme    buk.    kak    zomb.  Ungr.   ihel   o   käka   karp.  Böhm,    telckak  Üchse  (5ech.  pod- 

pazdi  d.  i.   tel!  e  kak. 

Aind.  kaksa  Achselgrube. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  22^ 


kako. 

Kimmn.    kakö    pron.    in.    kake  f.  dieser,    kakö  mamis  dieser  Mensch,    kake,    kate    rovlf 
dieser  Stab.  sg.  acc.  m.  kakales.  pl.  kakdl:  kakdl  anrf>  diese  Eier  buk.     Ungr.  pl.  kakald  ödenb. 
Kako  ist  die  Verbindung  eines  adv.  mit  dem  Artikel.  Vergl.  kadava. 

kalo. 

Grriech.  kalö  adj.  schwarz;  m.  Neger  626.  kaM  f.  Negerinn.  comparat.  kaleder.  kalorö 
adj.  deminut.  schwärzlich,  kalibe  m.  Schwärze.  koTardva  vb.  schwärzen.  kaTardo  partic. 
schwarz ;  m.  Sack,  Kaffee,  Kaffeehaus.  kaTardi  f.  Kaffee.  kaTarde  pl.  Eierpflanzen  Solanum 
melongena.  kaTardikanö  adj.  schwärzlich.  kdTovava  vb.  schwarz  Averden.  kcde-moskoro  adj. 
ein  schwarzes  Gesicht  habend,  kale-sereskoro  adj.  einen  schwai'zen  Kopf  habend,  kalo 
bukö  Leber,  eig,  schwarzes  Eingeweide,  kalö  ruk  Ulme.  Man  füge  hinzu  kah'pe  Ex- 
communication  Mordtmann  68.  ßumun.  kalö  adj.  buk.  kalo  schwarz,  bratm  zomb.  kalö 
bessar.  kaiö  gal.  I.  kalo,  kalt  zu.  JJngr.  kalo  adj.  schwarz;  m.  Zigeuner.  kaU  f. 
Zigeunerinn  ung.  kälo  born.  100.  kalo  ml.  154.  195.  kalo  sinn,  kalarel  vb.  schwärzen 
ung.  kaTarä  born.  106.  kaTovel  vb.  schwarz  werden  ung.  muri  kdli  gdzi  (romni).  kalo  hiiko 
ödenb.  Böhm,  kälo  adj.  schwarz;  m.  Zigeuner,  Rauchfangkehrer.  käli  f.  Wagenschmiere. 
kalöro  adj.  deminut.  schwärzlich.  kaJarav  (kaTärav)  vb.  schwärzen,  kalardl  f.,  pl.  -a, 
Küche,  käle-dandengero  adj.  schwarzzähnig.  käle-jaklie^igero  adj.  schwarzäugig,  käle-yiakheskcro 
adj.  schwarznasig.  käle-sereskero  adj.  schwarzköpfig.  käle-vastengero  adj.  sch^varzhändig. 
Deutsch  gälo  schwarz,  Zigeuner,  galopenn  Schwärze,  galoräva  vb.  schwärzen,  galo  gib 
Roggen,  eig.  schwarzes  Getreide,  lieb,  kalo  schwarz,  dunkel  beitr.  10.  28.  Poln.  kallo 
na.    154.    kai)o    aus    ka'lo.    kali    Schmutz    gal.  II.  Russ.    kalö.         Skand.  kalo.         Ital. 

kalö.  Bask.  tahta  band.  35.  Engl,  kanlo.  Span,  kalö,  kaPt  adj.;  subst.  Zigeuner,  Zi- 
geunerinn. a  sueti  kal'f  Zigeunervolk,  kalorrö,  kalorri,  wie  kalö,  kal'i.  galardö  adj.  schwarz. 
Asiat,  gliali,  glieili  schwarz,  ghülara  Zigeuner  pa. 

Aind.  päli  käla.     hind.   kälä.     sindh.    kärü  Pott    2.    106. 

kam. 

Griech.  kamdma  vb.,  partic.  kamnö,  wünschen,  wollen,  kamdm,  kadma,  kadm  je  veux 
594.  kam  wird  zur  Bildung  des  Futurums  angewandt:  kam-uvdva  fiam,  ero.  kama-ldva 
sumam.  kama-ddva  dabo,  kam-ladzävdva  pudore  afficiam.  ka-ntkTol  surget  usw.  Rumun. 
kamdü  vb.  wollen,  lieben,  schulden,  praet.  kamlöm..  kamU pe  sie  liebkosten  einander  buk.  ka- 
wH^e  Wille  zomb.  trokamipo  dein  Wille  buch.  kamao\h.  lieben,  wollen  vaill.  54.  111.  kamdü 
vb.  bessar.  kamdu.  praet.  kamiym  gal.  I.  kamav,  kamau  vb.  zu.  kamdit,  vb.  mezz.  pant 
kam,dm-  ich  will  Wasser  haben  taganr.  Ungr.  Ä-ameZvb.  lieben,  wollen  ung,  kamav\h.  born.  106. 
kamaü  sirm.  kamel  'varekoste  Jemand  schulden,  khamä,  klmmav  vb.  born.  106.  107.  kamav 
ml.  197.  204.  kamav.  157.  175.  kamd  167.  khamel  aus  Ung.  328.  kamlö  adj.  geliebt,  er- 
wünscht ung.  kämlo  geliebt  ml.  165.  169.  189.  kamipe,  kamepe  m.  ung.  khamipe  khamibe 
m.  born.  90.  kampe  es  ist  notwendig  ung.  kamjye  ml.  170.  175.  181.  189.  191.  kames 
ma,  nastis  bistres  ma  du  liebst  mich,  kannst  mich  nicht  vergessen  ödenb.  Böhm,  kamav 
vb.  praet.    kamTas  52.   69.   75.  Deutsch  kamäva  vb.    kamelo  adj.  lieblich  lieb.    kam.ava 


230  Franz  Miklosich. 

lieben;  Schuld,  richtig  schulden,  kamelesdeperl  straucheln,  richtig:  er  wollte,  war  nahe 
daran  zu  fallen:  kavielas  te  perel  beitr.  20.  28.  31.  Poln.  kumama,  riclitig  kanmma,  amor, 
richtig  amo.  tut  kamame  amare  für  kamama,  richtig  te  amo.  kam  Liebe  na.  153.  157.  159. 
Russ.  te  kames,  te  kamäs  vb.  wünschen,  lieben,  te  vkames  pe  vb.  sich  verlieben :  va  ist 
ein  slav.  Praeiix.  ach  kak  mi  tute  karmama  (für  kamama)\  ach  wie  liebe  ich  dich!  Aus- 
land 183G.  1041.  Ital.  kamdv,  kaniä.  Bask.  akaba  vb.  lieben  baud.  28.  Engl,  kom, 
kömer  vb.  lieben,    schuldig  sein,  Span,   kamelar^   kamblar,    enkamelar   vb.   lieben,    ado- 

kambJe,   dokamble  wo  immer. 

Aind.    päli  käma.    pers.  kam.    armen,  kam. 

kamno. 

Griech.  kamno,  kamlö  adj.  schwitzend,  kdmiiovava  vb.  schwitzen,  kamnoipe  m.  Schweiss. 
Rumun.  kamUpen  Schweiss  serb.      Vergl.  khani. 

kan. 

Griech.  kann  m.,  pl.  kannä,  Ohr.  kandnzava  vb.  hören,  gehorchen.  Rumun.  kan, 
khan,  pl.  kan.  kand  vb.  gehorchen,  eig.  hören;  kändo  ich  gehorche,  kandinö  m.  Auf- 
seher, eig.  der  lauscht  buk.  pl.  kana  serb.  kan  bessar.  pl.  kand  zu.  khand  mezz.  Ungr. 
kan  m.  ung.  khan  f.  ung.  pl.  khana  born.  88.  kanden  vb.  gehorchen,  kaiiarel  vb.  horchen 
ung.  Ä;Äa^am  vb.  horchen  born.  88.  A-o?z  sirm.  mro  (io  A;an^«ca  Krug  mit  zwei  Henkeln,  bare- 
kanengo  Langohr :  o  samaro  isi  bare-kanengo  der  Esel  ist  ein  Langohr  ödenb.  Böhm,  kan 
m.,  pl.  kan.  kanöro  m.  deminut.  kandav  vb.  gehorchen,  bikaneskero  adj.  ohne  Ohren. 
Deutsch  gann  Ohr,  Henkel,  gann  däva  gehorchen,  ganndelo  adj.  gehorsam  lieb.  Poln. 

kan  na.  167.  Russ.  kan.  bikaneskiro  adj.  Ital.  gan.  pl.  gdna.  Engl.  kan.  Span. 
kan,  kam  m.   Gehör,  akan  aufmerksam. 

Aind.  karna.  päli  kanna.  hind.  kan  Beames  1.   343. 

kana. 

Griech.  kanna  adv.   conj.   wann;    wann,   als,    wenn.  Rumun.  kand,  kana:    man  nas 

ma  kdna  mihi  non  erat  quando,  d.  h.  ich  hatte  keine  Zeit,  buk.  Ungr.  kana  wann, 
wenn,  als  ung.  khana  born.  118.  nikdna  nie  ung.  kana  ml.  158.  1(36.  167.  jetzt  158. 
kana.    kanagödi   wann  immer  sirm.    kana  karp.         Böhm.    kana.    nikana  nie.  Deutsch 

ganna  wann,  wenn;  jetzt  lieb.  Engl.  kd;nna.         Span,  kana,  okano  hor%. 

Aind.  vergl.  kSana  Augenblick,    päli  khana.     Man  erwartet  daher  khana. 

kando. 

Griech.  kandö,  kanrö  m.  jenes -nom.,  dieses  s6d.,  Dorn,  Stachel,  kanrö  Dorn,  penis 
409.         Rumun.    pl.    kanrn    Disteln    buk.  Ungr.    kanrö,    kandrö   Dorn.         Böhm,    karo 

in.,  pl.  -e.  Deutsch  karo  Dorn,  Stachel  lieb,  karro  Distel  beitr.  10.  Engl,  köro, 
körri  Dorn,  penis.     Vergl.  span.  charri  f.  Dorn. 

Aind.  kanta,  kantaka  Dorn.  Stachel,  päli  kantaka.    hind   kantä  Dorn.  Vergl.  kar. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeünek.  Europa's.  vii.  231 


kanek. 

Griecli.  kdnek,  kanek,  kajek  pron.  ii-gend  einer,  kajek  far  einlgemahl.  Mit  na  niemand : 
kdnck  mam'is  ndndj  es  ist  niemand  da  386.  ndna  mukl'ds  kanikes  er  Hess  keinen  fort. 
kdnek  ist  kan  ek:  jenes  ist  griecli.  xav  in  xavsLc  aus  xal  sav  zlz.  Aus  kajek  ist  kek  ent- 
standen. Deutsch  kek  keiner  lieb,  nani  kek  niemand  beitr.  23.  naneleskeeksy  zag  35, 
richtig:  nane  les  kek  zi  wörtlich:  non  est  ei  ullus  animus.  Poln.  keddleno  niemand  na. 
160.  für  kek  dzeno.  Engl,  kek  nicht,  nein,  kekkömi  nicht  mehr.  Span,  kaike  asc.  24. 
Hieher  gehört  auch  ßumun.  kanci^  kanc  irgend  etwas,  mit  na  nichts :  voj  na  pendöü  kanc 
sie  sagte  nichts  buk.  na  diken  kans  sie  sehen  nichts  vaill.  89.  knie  mezz.  khanci  zomb. 
Ungr.  na  j  ma  khdnci  osim  mdnro  ich  habe  niclits  ausser  Brot  sirm.  Poln.  kandz  gal.  I. 
kanci  besteht  aus  kan  und  ci  etwas. 

kangeri. 

Griech.  kangeri,  kangiri,  kargiri,  kangtri,  kangli  f.,  pl.  -/o,  Kirche.  ßumun,  kangm'f, 
kangari,  kdngdrt.  kangsrjdko  adj.  buk.  khangyri  bessar.  bessar.  II.  kangjert  gal.  kan- 
drr  zu.  khangi?'?  mezz.  kandiri  serb.  e  k?i>sakusa  khangtri  catholica  ecclcsia  zomb. 
Ungr.  kangeri  f.  ung.  khangheri  born.  88.  khdngeri  ml.  164.  165.  183.  kliandm,  khandziri 
sirm.  kJiangeri  ödenb.  viermahl  karp.  Böhm,  ghangeri  f.,  pl.  -a.  ghangeröi'i  f.  deminut. 
Deutseh  kangri  lieb,  beitr.  18.  kangrin  waldh.  117.  Poln.  kangjery  na.  157.  kangyry 
gal.  II.  ßuss.  khangiri.  Finn.  kankeri  gac.  Skand.  kangari,  kanaria.  Ital.  kangri. 
Bask.  kandiria  temple.  kangiria  autel  baud.  28.  39.  Engl,  kongri.  Span,  kangari.^ 
kangri  f.   kangaripe  m. 

Vergl.  asiat.  kangri  und  span.  kangaTa  Wagen.  Nach  den  Acten  des  Nicetas 
wurde  bei  den  Goten  des  vierten  Jahrhunderts  ein  Götzenbild  auf  einen  Wagen  gestellt 
und  zu  den  Zelten  der  christlich  gewordenen  Goten  herumgefahren,  damit  sie  ihm 
opferten  und  es  anbeteten.  J.  Jung,  Ztschr.  für  die  österreichischen  Gymnasien  1876.  103. 
Pott  2.  150. 

kar. 

Griech.  kar  m.  Dorn,  penis  578.  karoro  m.  deminut.  kareskoro  punim  l'oignon  de 
la  verge,  le  gland  450.  bare-karcskoro  adj.  einen  grossen  penis  habend  267.  karkhaniHurej 
soll  sein:  qui  a  mange  (connu,  daher  wohl  -chani)  le  penis  267.  ßumun.  kar  vaill.  72. 
(Jngr.  Äor,  kdri  m.  ung.  kar  ödenb.  kär  ml.  166.  167.  168.  169.  Vergl.  knr  born.  88. 
kar  Hörn,  kardlo  penis  sirm.  Böhm,  kaar'm.  boh.  Deutsch  gäro  lieb,  kaar  heitr.  28. 
Poln.  kar  na.  154.        Skand.  karo.       Span,  ka  m.  Vergl.  kardlo  Borrow,  The  Zincali  256. 

Kurd.  vergl.  qir  Lerch  97.  kiri  rh.    pers.  kir.  avg.  ycnr  und  zig.  kandö  Pott  2.   94. 


karavidini. 

Griech.  karavidini  f.  Krebs.       ßumun.   karavdi    bessar.  IL       Ungr.    karavdi   mündl. 
karahin,  karodin  m.  ung.        Deutsch  garedlni  lieb. 

Ngriech.  xapaßt^a.   Vergl.  keramidini  mit  ngriech.  y.cpajit^a  Pott  2.   117. 


232  FbANZ  MlKLOSlCH. 


karfia. 


Griecli.    kdrßa    pl.    Nägel,    des    clous.    karfica    f.    demiuut.    Stecknadel.  Ilumun. 

Jcarfin  m.  Nagel.  Ungr.  krafin  sirm.  karfin,    pl.  karfa  für  karfia,  karp.  Böhm.  Ä;cr- 

fin  f.  karfinön  f.  deminut.  Deutsch  graffni  lieb.  Engl,  krafni.  Span.  Äo/ri  f.  Steck- 
nadel, karfialar  vb.  annageln,  sinkarfial  Nagel  clavo. 

Ngriecli.  %ap'fc,  xaf,'fttCoi. 

karije. 

Uno-r.  keria  te  den  schiessen  ml.  187.  partic.  karjaclino  erschossen,  aby  karije  the  na 
den  sie  möchten  nicht  schiessen,  dine  karije  sie  schössen,  /es  difiom  kdrije  ich  erschoss 
ihn  karp.  Böhm,  dav  karie  ich  schiesse.  Deutsch  dava  tjarrie,  garäva  vb.  schiessen. 
(jarapenn  Schiessen,  garadlni  Schuss.  garamäskri  Schiessgewehr  lieb,  karrie  beitr.  27. 
Poln.  karie  dava  iaculari.  karjelo  iaculator  na.   165,  richtig  iaculatur. 

Das  Wort  ist  dunkel. 

karing. 

Griech,  kdrin  adv.  wo,  wohin  624.  woher  606.  akaring,  akarin,  selten  akari^  hieher 
vers  ici  131.  Eumun.  karing,  karin  adv.  wohin,  praep.  gegen,  karing,  karin  gegen 
zomb.         Ungr.  karing  wohin  sirm. 

In  karing  sehe  ich  eine  Verbindung  des  Pronomen  ka  mit  rig  Seite. 

käst. 

Griech.  käst,  kas  m.  Holz,  kastunano  adj.  hölzern;  m.  Scheffel,  kästovava  vb.  zu 
Holz,    hart    werden,    kastengoro^    kasteskoro    m.    der    Holz    fällt,  verkauft.  Rumun.  käst 

m.  Holz,  Baum,  kastunö  adj.  hölzern  buk.  kas  mezz.  kas  Holz,  Kuthe.  kastimo  adj. 
hölzern  serb.  käst  zomb.  käst  Baum  bessar.  Brennholz  II.  käst  jagdk^  sindi  Brennholz 
bessar.  kdstuno  zet  Baumöhl  mezz.  Ungr.  käst  m.  Holz,  Baum  ung.  o  kasta  born.  88. 
käst  Kreuz  88.  Baum,  Holz  ml.  154.  159.  kdstöro  Hölzchen,  ein  wenig  Holz  154.  157. 
kas  sirm.  kastuno  adj.  hölzern  ung.  Christ  born.  88.  100.  121.  kasteskero,  kaslestero 
adj.  Baum-  ml.  154.  181.  le  kastengi  bar  ödenb.  käst,  kastöro.  kastuno  adj.  karp.  Böhm. 
käst  m.  kastimo  adj.  hölzern,  kastimi  f.  Kochlöffel,  kastuiii:  kastunatar  vom  Stuhle  herab 
71.  72.  für  -una-.  kasteskero  m.  Zimmermann,  kasteskero  58.  kasteskeri  f.  Schaufel. 
Deutsch  gast,    gasteno  adj.  lieb.    käst,    kasteskro  Corporal   beitr.  9.  17.  30.  Poln.  karst 

Baum,    Stock,     Balken    na.   152.  154.   157.    karstlakeri  Holz   154:    dunkel.  ßuss.    kast^ 

kastö    Scheit  Holz,    kastd   Baum,    Holz.  Skand.    käst   Baum,    Holz,    kastaker    Zimmer- 

mann.        Ital.    u  käst,    u    kuast    Holz.  ßask.    kasta    Holz,    kasta    Holz,    Stock,    kaista 

Stock    baud.   29.  Engl.  kost.  Span,  kas  Holz,    käste,  kate    m.    Baum,    Stock,    karcta 

m.  Baum,  kasie  randador  Ptlug.  Asiat,  gasd  pa. 

Aind.  kästha  Holz,  päli  kattha.  präkr.  kattha.  bind,  kath  Holz,  Block  ßeames  1. 
315.  Pott  2.   120.  423. 

kasuko. 

Griech.  kasuko,  kasuköv,  kasukö  adj.  taub,  kasukibe  m.  Taubheit,  kasukjovava  vb. 
taub    werden.  Ungr.    kesuko    ung.    ödenb.    kesukol    vb.    taub    werden    ung.         Böhm. 


ÜBER  DIE  Mündarten  und  dte  Wanderungen  der  Zigednee  Eükopa's.  vii.  233 

kasiiko.    kasukövav  vb.  Deutsch  (jasikko  lieb.  Poln.    kasuko  na.   155.         Engl.    Mko. 

Span,  kachukö. 

Das  Wort  ist  dunkel. 

kat. 

Griech.  katdva  vb.,  partic.  kaflö,  spinnen,  katlö  m.  Faden,  katl?  f.  Spindel,  kaileiu/oro 
m.  Rumun.  kat  vb. :  praet.  kakJ'öm.  partic.  praes.  katindoj.  kakli  f.  Spindel.  Ungr. 
katdv  vb.  ödenb.  katäu  vb.  katipe  Gespinnst  sirm,  Böhm,  khatav  vb.  Deutsch  gaklin 
Spinne. 

Aind.   krt  (krnatti)   er  dreht  den  Faden,    spinnt,     hind.   kätnä.   sindh.  katanu  tr.   264. 

kat. 

Griech.  kat  f.  Schere.  Rumun.  kaca.  serb.  kaci  vaill.  111.  kat  f.  zomb.  Unarr. 
kat  mündl.  Deutsch  gattlin,  gattni.  Finn.  kockli  Bugge  154.  Engl,  katsers^  katsi-es. 
Span,  kaca  f. 

Aind.  kartarl  Schere,  präkr.  kattari.  sindh.  katara  tr.  XXXIX.  liind.  kätnä  vb. 
schneiden  Beames   1.   334. 

katar. 

Griech.  katar  adv.  woher,  katdr  mit  ke,  te  von,  durch:  katdr  k'  i  lindr  vfcim  tar  eile 
se  leva  du  sommeil  606.  katdr  f  o  bar  ka-nikTol  il  se  levera  de  la  pierre  614.  katar  t'  o 
viiddr  andre  man  te  dzdna  dfes  qu'ils  entreront  par  la  porte  610.  ßumun.  katlidr,  katdr, 
kd.td,  kat  adv.  woher;  von  hier,  hierdurch,  praep.  von.  \'^ergl.  kathe^  kafe^  katM^  kafi  hier, 
hieher.  katlnnde,  katinde  irgendwohin  buk.  kacinde  mit  na  nirgends  vaill.  73.  kathar. 
IcatM^  kate.  kliatinde:  cl  zav  khatinde  ich  gehe  nirgends  hin  zomb.  kadchdf(^d.  i.kathdf)  von  hier 
bessar.  Ungr.  katar  adv.  woher,  praep.  abseits  von  ung.  katar  mro  dad  born.  99.  katar 
woher,  von  hier,  kate,  khdte  hier,  khatende  mit  na  nirgends  sirm.  Böhm,  kathar  adv. 
woher,  wodurch,  nikathar  adv.  nirgendsdurch.  Deutsch  gottcr  adv.  woher,  her,  gegen, 
wohin.  Vergl.  gatte,  gaj  hier,  dort,  wo.  Ital.  katdr  praep.  von:  katdr  tro  brek.  Engl. 
katdr.  kdtar,  kdter  praep.   zu. 

kazom. 

ßumun.  kazom  adv.  so  viel  vaill.   70.    kazuvi  buk.     Vergl.  kacum  einige :    kaaim   des 

einige  Tage,    o  kacum  raands  einige  Menschen  buk.       Ungr.  kazom  wie  viel :    kazom.  dies 

and  0  brsf    wie  viel  Tage   sind  im  Jahre?    kazdm  smn  udzile  (wenn  m.  udiilo)  tucef    wie 

viel  bin  ich  dir  schuldig?  sirm. 

Das  Wort  ist  dunkel.    Verffl.  keti. 

^  ker. 

Griech.  kerdva  vb.,  partic.  ker-dö^  machen,  versuchen,  bauen,  heucheln,  ambrulin  am- 
hndd  kerdds  le  poirier  fit  des  poires  624.  gerund,  kerindos.  kerdd  kerdva  vb.  machen, 
hissen,  kerdva  6«^?  arbeiten,  kerdovava  vb.  pass:  kerdilas  il  devint  622.  Rumun.  kardü,  krjrdü 
vb.  partic.  knrdö.  praet.  knrdom.  knrdov  vb.  pass.:  ksrdöl  fit.  ksrdds  but{  er  hat  gearbeitet. 
kürdds  pe  er  verwandelte  sich  buk.  kerdü  vb.  bessar.  praet.  cerdem  serb.  te  kerel  krisi  ut 
iiidicet.  ksrav^h.:  keraven  (karaven)  faciunt  zomb.  kerdas.  kerdüas,  kerdilas  factus  est  klaus. 
l  ngr.  kerel  vb.    partic.  kerdo  ung.  kerav,  kerä  ml.   188.  1H9.  kerdo  179.  kherau  karp.  kerä 

Denkschriften  <ler  phil.-hist.  fl.    XXVI.  Ed.  30 


234  Fkanz  Miklosich. 

bziti  ich  schmiede,  keravo  ich  werde  mache»  lassen  ödenb.  buti  kerel  arbeiten  ung.  kerdol 
vb.  pass.  geschehen  born,  107.  cerdu  vb.  cerM  bi'ici.  praet.  cerdas  sirni.  Bölim.  kerav  vb.  so 
mange  keravaf  co  sobß  pocmi?  57.  pes  kerrlas,  kerdas  pes  stalo  se  es  geschah  58.  68. 
kerav  hvti  schmieden,  keriben  m.  Arbeit,  keribnaskero  m.  Arbeiter,  Gesell,  Freund:  un- 
richtig kheribnaskere  63.  keribnaskeri  f.  Haue.  Deutsch  keräva,  geräva  vb.  partic.  gerdo 
lieb,  gil  keraba  anfangen,  etwa  angJe  kerava^  beitr.  6.  tulo  kerdimi  mästen,  eig.  ich  habe 
fett  gemacht  21.  Poln.  the  kierau  vb.  tun.  tlie  kerau  tele  o  sero  se  prosternere  na.  162. 
163.  Russ.  fe  keres  vb.  tun,  arbeiten.  Slcand.  kje^^a  vb.  kjera  uppri  aufmachen. 
kjerar  Arbeiter,  kjeripd  Arbeit.  Ital.  kerä  vb.  ich  tue.  praet.  kerdöm,  k'rdom  ich  tat. 
Engl,  keröva.  kelova  vb.  partic.  Mrdo.  praet.  kedöm  aus  kerdöm.  Hropen,  keriben.  kerimvs. 
Span,  kerar  vb.  machen,  kerdi  f.  Tat.  kerelar  vb.  ausüben,  kerelarö  m.  Thäter.  knrelo 
Yi\.    Geschäft.  Asiat,    kerdmi    ich    mache,    impt.    le   ker   333.  469.    praet.   sg.  I.  kuröm, 

IL  hirör  pa.  389. 

Aind.  päli  kr  (karömi).  liind.  karnä.  partic.  kijä.  kijä  karnä  to  practise.  sindh.  ka- 
ranu.  partic.  kltö,  kajö,  kiö.  avg.  kral  tr.   16.  Pott  2.   111. 

keral. 

Griech.  kerdl  m.,  pl.  -Id.  Käse,  keralengoro  m.  ßumun.  tiral  Brinse  vaill.  86.  khi- 
rdi  Käse  gal.  I.  khiral  bessar  II.  kiral  serb.  tira  zomb.  Ungr.  kirnl  ung.  thiral  m. 
born.  89.  firal.  tiraleskero  m.  Käsemacher  ung.  ciral  sirm.  kiral  Topfen  ödenb.  Böhm. 
ciral  m.  Quark.  Deutsch  kiral  lieb,  beitr.  18.  Poln.  kirai  na.  164.  Skand.  keral. 
Bask.  Mala,  jidal  baud.  32.  asc.  157.  Engl,  vergl.  kal.  Span.  kird.  Asiat,  kir 
Milch  pa.  Vergl.  kJiil. 

keras. 

Griech.  keras  m.  Kirsche.       Rumun.    ciras,    sires    vaill.       Deutsch  girjdsin  lieb,    kir- 
gisin.  kirjisakro  riik  Kirschbaum  beitr.   18.       Span,  kirsichimf  f. 
Ngriech.  /.cpaa'.. 

kerko. 

Griech.  kcrkö  adj.,  pl.  kfrke,  kerkd,  bitter,  kerkijje  m.  Bitterkeit.  Vergl.  görko  adj. 
schlecht,  böse,  görkes  adv.  gorkibc^  gorkipe  m.  Bosheit.  Rumun.  kdrkö  adj.  bitter,  kdva 
kdrti  bitterer  Kaft'ee  buk.  kerko  serb.  karko  adj.  kwkar  vb.  exacerbare  zomb.  Ungr. 
kerko  adj.  ung.  kerko  ödenb.  kherkho  born.  100.  cerko  sirm.  Böhm.  krko.  Deutsch  kirko. 
Poln.  kirko  na.   156.       Russ.  kirkö  adj.  bitter.  ki7'ki  Senf,  Tabak.  , 

Serb.  grk  neben  gorak  Pott  2.   109. 

kermo. 

Griech.  kermd,  germo  m.  Wurm.    kermor6  m.  deminut.  kermalö  adj.  wurmig.  kermdTo-    f 
vava    vb.    von    Würmern    zerfressen   werden.  Rumun.    kermn    bessar.    kermo    gal.    I. 

Böhm,  krmo  m.  krmöro  m.  deminut.  Deutsch  germo.  germelo  adj.  wurmig  lieb,  kirmo 
beitr.   35.        Poln.  kirmo  na.   163.        Skand.  kjermo.        Engl,  kermo.        Span,   kirmo  m. 

Pers.  kirm.    aind.  krmi.  päli  kimi.    hind.  kirm  entlehnt  Beames  1.  257.  Pott  2.   109. 


i  ; 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's.  vii.  235 

kermuso. 

Griech.  kermim    m.,    pl.  -s*',    Ratte.     ko7-6   kermusö  Maulwurf,  eig.    blinde  Ratte,  293. 

Rumun.  karmus  Maus  zu.  cermuso  serb.        Üngr.  kermtisa,  kermnsi  f.  raus  domesticus  ung-. 

Deutscli  germüso  Maus,    Ratte  lieb.  Ital.  karmuso   asc.    129.  Span.  karmuM  f.    kar- 

mujon  va.  Ratte. 

Pers.  karmüs  Pott  7.  396. 

kerno. 

Griecli.  A"e?'«o  adj.  faul,  pourri.  Rumun.  kertiov,  ternov  vb.  verfaulen,  praet.  ker- 
niTom  buk.  ternov  vb.  zomb.  Ungr.  kerno  adj.  ung.  ödenb.  Böhm,  krno  adj.  kriiovav 
vb.   faulen,  krnovävav  vb.   zu  faulen  pflegen.       Deutscli  kirno  adj.  verfault. 

kes. 

Griech.  kes  m.  Seide,  kesanö^  kesidanö  adj.  seiden,  keseskoro  kermö  Seidenwurm. 
Rumun.  tes,  tel,  tez  m.  tezesko  adj.  tezahinö  adj.  buk.  Ungr.  kes  m..  ung.  l^)ö]un.  kes  m.. 
Deutsch    gec    Seidenfaden    lieb,     kes  Seide    beitr.  29.       Engl,  kes,    kedz.        Span,  kechesa. 

Pers.  ke2  genus  serici  panni  vilioris. 

keti. 

Griech.  keti  adv.  wie  viel.  Rumun.  kitivar  wie  oft  zomb.  kekl  vaill.  keki-virsingo 
san?  quel  age  ont-ils?  82.  kitsom  mezz.  Ungr.  keci  ungh.  karp.  kiü  ung.  kitivar  adv. 
wie  oft  born.  119.  Böhm.  keci.  kecivär  wie  oft.  Deutsch  gici  wie  viel.  Poln.  keci 
im  hers?  quot  annos  habes?  Przeglad  poz. :  im  ist  mir  dunkel.        Span,  kici  wie  viel. 

Aind.  päli  kati.  hind.  kitnä,  kitne  wie  viel,  wie  viele.  Vergl.  kazom. 

khabni. 

Griech.  kabnf,  kamni  adj.  f.  schwanger,  trächtig,  kabnaräva  vb.  schwängern,  käbno- 
vava  vb.  schwanger  werden,  kahiaoihe^  kamüoibe  m.  Scliwangerschaft.  Rumun.  kamnl. 
Ungr.  khdmni  ödenb.  Böhm,  khäbni.  Deutsch  kabni.  Russ.  khabny.  Ital.  kabeni. 
Engl,  käfni.^  kdvni. 

Aind.  garbhini.  päli  gabbhini.  hind.  gabhin  Beames   1.   140.   319. 

kham. 

Griech.  kam  m.  Sonne,  kamorö  m.  deminut.  kameskoro  adj.  Rumun.  kham  bessar. 
zu.  kham  heiss,  Sonne  taganr.  sfnntu  kham  mezz. :  slav.  bozje  sunce.  kham,  kam  buk. 
khamb  bessar.  IL  Ungr.  kliam.  ung.  kham,  kam  sirm.  kham.  khamöro  karp.  kham  ödenb. 
Böhm.  kham.  khamöro  m.  deminut.  khamüno  adj.  Sonnen-.  Deutsch  kämm  lieb,  kam 
beitr.  30.       Poln.  kam  na.   104.  Russ.  kham.        Finn.  kämm..         Engl.  kam.         Span. 

kam,  okan,  orkan.       Asiat,  gam  Sonne,  Tag  pa.  gäm,  gaham  syr. 

Aind.  gharma  Glut,  Wärme,  päli  ghamma.  hind.  ghäm  f.  Sonnenschein,  avg.  yärmah 
Mittagshitze  tr.   6.5.   Pott  2.   152. 

khan. 

Griech.  khan,  kan  f.  Gestank,  khanardva,  kanerdva  vb.  stinken,  eig.  cinstänkern. 
peter.  kdnardo  adj.  verächtlich:  damit  identisch  ist  kanardo  adj.  stinkend  467.   kdnovava 

:50* 


236 


FuANZ  MlKLOSlCII. 


vb,  stinkend  werden,  kanüipe  m,  Gestank,  kändava  vb.,  partic.  kandinö,  riechen,  kandinö  adj. 
stinkend,  verächtlicli,  lauuigcnelim.  kandiniko  m.  stinkender,  verilclitliclier  Menscli.  kan- 
dinovava  vb.  stinkend  werden.  Eumun.  kand  vb. :  kdndel.  kandinö  adj.  stinkend  buk. 
khandimos  Gestank  zomb.  Ungr.  khan  m.  Geruch,  Gestank,  khandel  vb.  stinken,  khan- 
dino  adj.  stinkend,  khandrav  vb.  einstänkern  ung.  khandinu  adj.  kandipen  karjj.  khdndel 
vb.  ödenb.  Böhm,  khandav  vb.  khanärav  vb.  stänkern,  khandinu  adj.  stinkend,  khaii- 
dipnaskeri  f.  Schwefelhülzchen.  Deutsch  kandäva  vb.  kandeli  Abort,  Eingeweidewurm  lieb. 
kan  vb.  stinken,  caudela  (richtig  kandela)  beitr.  30.  Poln.  kandela  nidor,  richtig:  es  stinkt. 
khendyni  Schwefel  na.  164.  165.  ßuss.  te  khandes  vb.  stinken.  Finn.  kän  (kahn)  gac. 
Skand.  kanla  (kandraj  vb.  stinken.  Engl,  kan^  kdnder  vb.  kan,  kand  subst.  Span,  kan- 
dimumeli  f.  Phosphor,  eig.  stinkende  Kerze. 

Aind.   päli   gundha.   hind.   gandh  f.   Pott  2.   150. 

khani. 

Ungr.  kani  f.  Unschlitt  ung.  koiii  karp.  khoni  f.  ödenb.  Böhm,  khäni  f.,  pl.  -a,  42. 
khöni  23.  Daraus  rumun.  khoj  bessar  IL  koj  Fett,  Schweineschmalz  vaill.  113.  koj  f. 
Unschlitt.  kojdcl  Unschlitt-,  fem.  von  kojdko,  serb. 

khar. 

Rumun.  kliardü  vb.  ich  rufe,  heisse.  praet.  khdrdöm  buk.  Ungr.  karav  vb.  nennen 
born.  106.  Böhm,  khärav  vb. :  man  khärav,  heissen,  sich  nennen.  Poln.  karavaknme 
illicere  wabic  na.  167:  zweifelhaft.  ßuss.  te  khardv  vb.  rufen,  te  vykhares  vb.  heraus- 
rufen :  vy  ist  ein  slavisches  Praefix.       Skand.  kara  vb.  nennen. 

Pott  2.   153.  Vergl.  akhar. 

khas. 

Griech.  kas  m.  Heu.  kaseskoro  m.  der  Heu  mäht,  verkauft,  kaseskeri  f.  236.  Kumun. 
kas    buk.     khas    taganr.    zomb.   mezz.     Aas  serb.  Ungr.  kas  ungh.     khas  m.   ung.    khase 

born.  88.  kas,  khas  sirm.  khas  karp.  ödenb.  Böhm,  khas  m.,  pl.  -a,  Heu.  khasüno  adj. 
Heu-.  Deutsch  kas  lieb,  beitr.  16.  Poln.  gas  na.  164.  ßuss.  khas  Heu.  Finn.  kes 
gac.  Skand.  kas.  Bask.  kasa  Gras,  kasidorra  Heu  baud.  32.  33.  Engl.  kas.  Asiat. 
kas^   cjKas,  ghehs  pa. 

Aind.  päli  ghas  essen,  fressen,  hind.  ghäs  f.  Gras,  Heu,  Stroh,  osset.  chos  Pott 
2.  156.  Zu  aind.  ghas  gehört  wohl  auch  griech.  khasoj,  khasöj  f.,  pl.  khasd,  sg.  dat. 
khasdke,  Nahrung  bei  den   sed.   für  diabe   bei  den  nom. 


khel. 


Griech.  hdava  vb.,  partic.  keldo,  tanzen,  spielen,  keldva  lil  Karten  spielen,  gerund. 
kelindüs.  kelnö  m.  Musiker,  Sänger,  kelihe  m.  Tanz,  Spiel,  Musikinstrument,  Lied,  kela- 
vdva  vb.  spielen  lassen,  bewegen,  kelavdf,  f.  Hure,  keldardva  vb.  spielen  lassen.  kSldu- 
oava,  keldovava  vb.  pass.  zittern.  Ilumun.  kd  vb.  spielen,  tanzen,  tummeln  (ein  Pferd). 
küäü,  kdlü  vb.  praet.  kddöm.  gerund,  kölindöj.    kalav  vb.  vertanzen,    impf,   kalavelas   buk. 


Übee  die  Mundarten  und  die  Wandeuunöen  deu  Zigeuner  Bdkopa's.  vii.  237 

impt.  kel  serb.  kelimos,  kelimas  Spiel  vaill.  74.  112.  khaldu  vb.  tanzen  bessar.  Ungr. 
klielel  vb.  ung.  khelav  vb.  born.  119.  klieUbe  m.  Tanz  ung.  praet.  kheldom  ml.  201.  celela 
er  wird  tanzen,  celiije  Tanz  203.  celel  er  tanzt  sirm.  praet.  kheldom  ödenb.  Böhm. 
khelav  vb.  tanzen,  kheliben  m.  Tanz,  Comüdie.  Deutsch  kelläva  vi),  spielen,  kellrqjenii 
Spiel,  chellädo,  chellädi  Geliebter,  Geliebte  lieb,  kelllpen  Spiel  beitr.  30.  Poln.  khel 
vb.  salire.  kellepen,  kelleben  ludus  na.  156.  164.  ßuss.  kheles  vb.  tanzen,  spielen,  pro- 
kholibeNevhxsit:  pru  ist  ein  slav.  Praefix.  Skand.  kjella  vb.  tanzen,  kjellipd  Tanz.  Bask. 
kea   osa,    kea  otsea   arsia    vb.    tanzen    baud.    31.     kilia    otsia    asc.    157.  Engl,    kel   vb. 

kelopen  Tanz.  Span,  kelar  vb.  tanzen,  kele,  kelo  m.  keliben  m.  kelani  f.  Tanz,  kelararu 
m.  Tänzer, 

Aind.  krid  spielen,  ved.  krlli.  päli  kil  (kllati).  hind.  khelnä  spielen,  khel  Spiel, 
sindh.  khedu  Spiel,  khilanu  lachen  Pott  2.   155.  Beames   1.   23!*.   244. 

kher. 

Griech.  kher^  kfer,  fer  m.  Esel,  khero  363.  kheUl^  pl.  kheleU,  nom.  kheruru  m.  deminut. 
kheranö  adj.  Esel-,  kherni^  pl.  khernä,  f.  Eselinn.  khereskoro  adj.  kherndkoro  adj.  kherane- 
masengoro  adj.  Eselsfleisch  habend,  unempfindlich.  liumun.  dieru,  Esel  bessar.  jef-  serb. 
Ungr.  klier,  khero  ung.  Ital.  kher.  Bask.  kera  baud.  2«.  Span,  gel,  grel.  Asiat. 
kar  pa.  kharr,  kharri  syr. 

Aind.  gardabha.  päli  gadrabha.  präkr.  gaddaha.  hind.  gadhä  aus  gadahä.  mar. 
gädhav.  bang,  gädhä.  sindh.  gadähu  tr.  99.  kurtl.  ker,  ker,  k'er  Lerch  100.  Beames 
1.   335. 

kher. 

Griech.  Mer,  kyer,  ker,  her  in.  Haus,  kerorv  m.  deminut.  ke)'e  zu  Hause,  nach  Plause. 
li  u  kere  im  Hause  620.  A;)rere  427.  e  ph?irjäkoru  kere  la  maison  de  la  vieille  616.  leskom 
kere  ibid.  kereskoro  adj.  kereskere  dzuvd  Wanzen,  eig.  Zimmerläuse.  ßumun.  khnr  m.,  pl. 
kJinrd.  khororö  m.  deminut.  kliürn  nach  Hause,  khnrdl  vom  Hause  buk.  cer.  cere  zu,  nach 
Hause  serb.  kliere  zu,  nach  Hause,  khsresku  udar  Haustor  zoiiib.  khyr,  d.  i.  khör,  bessar. 
klier,  khere  nach  Hause,  klierdl  vom  Hause  mezz.  Mör,  khyr  taganr.  kjel  serb.  Ungr. 
ker  Plaus,  Pleimat  ung.  kher  ung.  born.  95.  kher  Haus,  Zimmer  ml.  160.  194.  khere 
zu  Hause  160.  168.  204.  nach  Hause  153.  166.  175.  187.  204.  kheri  zu  Hause  204. 
205.  kheröro  m.  deminut.  born.  88.  121.  kere  nach  Hause  ung.  khere  born.  122.  cer, 
cer.  cere.  ceral  vom  Hause  sirm,  kher.  kheroro.  khere,  kere  karp.  jekker  Kirche,  magy. 
egyhäz.  som  khSre  sum  domi  ödenb.  Böhm,  kher  m..^  pl.  -a.  kheroro  m.  deminut,  tedzal  khere 
nach  Hause  gehen,  kherestar  aus  dem  Hause,  kheritüno  adj.  Haus-,  cech.  domäci. 
Deutsch  ker.  kere  zu,  nach  Hause,  keredüno  adj.  häuslich  lieb,  ker  Haus,  Bau,  Giebel 
beitr.  7.  15,  16.  Poln.  ker  na.  154.  Euss.  kher  Haus,  Hof.  khere  zu  Hause,  bikheres- 
kiro  adj.  hauslos.  Skand.  ker,  kjer  (kell).  Ital.  ke7\  Bask.  clie7'a  Haus,  chera  kinua 
kleines  Haus,  kera  kinua  Ofen  baud.  32,  34,  Engl.  ker.  kere  zu  Hause.  Span,  ker, 
kere  m.  kereskero  m.  Hausverwalter.  Asiat,  guri  Haus,  zi  guri  airom  ich  komme  vom 
Hause,  maki  gKiha  guriom  esti  mihi  bona  domus  est,  oinki  gurior  nie  ei  domus  non  est : 
man  beachte  guriöm  domus  mea  und  gurior  domus  eius.  gurte  zu  Hause,  nach  Hause, 
gurie  nie  er  ist  nicht  zu  Hause,  gurie  ghiri  er  gieng  nach  Hause  pa. 


238  FkANZ  MlKLOSICII. 

Aind.  grlia,  gcha.  päli  gaha,  geha.  präkr.  ghai'a,  glha.  bind,  ghar,  sindh.  gharu 
Haus,  gharo  im  Hause  tr.  XIII.  XX.  avg.  kör  tr.  6.  Pott  2.  llß.  153.  Beames  1.  160. 
182.  lilier  beruht  zunächst  auf  ghara. 

khil. 

Grieeh.  kil  m.  Fett,  Butter.  kUardva  vb.  mästen,  kilalo  adj.  fett.  kildTovava  vb.  fett 
werden.  kUdvdovava  vb.  gemästet  werden.  Rumun.  khil  0hl  bessar.  0hl,  Butter  bessar.  II. 
khU  gal.  I.  thil  Seife  zu.  kil  Butter  serb.  Ungr.  khil,  thil  m.  Fett,  Butter,  thilalo  adj. 
fett  ung.  dzil  aus  eil  Butter  karp.  eil  ödenb.  Böhm,  thil  m.,  pl.  -a.,  Schmalz  22.  49. 
{(hjileskeri  f.  Butterfass.  fhilengero  m.  Schmalzhändler.  Deutsch  ktl  Butter  lieb,  beitr. 
9.  waldh.  114.  Poln.  ksil  Butter  na.  151».  Finn.  eili  gaß.  Russ.  ksil  Butter,  Öhl. 
Skand.  kil  (kill)  Butter.  Engl.  kil.  Span.  kii'.  Asiat,  kill,  kür  Tokat.  gm-  pa.  252. 
kir,  pir  Milch  pa. 

Aind.  kslra  Milch,  päli  khlra.  präkr.  chira.  sindh.  khiru.  hind.  khir,  chir :  Sir  ent- 
lehnt, pers.  sir  Pott  2.  257.  Beames  1.   309. 

khino. 

Grieeh.  khino,  kino  adj.  müde,  khmovava  vb.  müde  sein,  kMnilo  tar  il  fut  fatigue 
mem.  176.  khinoibe  m.  Müdigkeit.  Rumun.  dno  adj.  vaill.  54.  101.  Ungr.  cinovel, 
cinol  vb.  müde  werden,  cinilo  adj.  müde  img.  cino  adj.  sirm.  Deutsch  kino  adj.  kino- 
väva   vb.    lieb,    kino  beitr.  22.         Russ.    kintpiö    adj.    abgemattet.  Skand.    kingjo    adj. 

Engl,  kino  adj.  kinger  vb.  ermüden  aus  '*kinar. 

Aind.  ksina  vermindert,  erschöpft,  partic.  praet.  pass.  von  ksi.  päli  khina  Pott  2.  151. 

khoro. 

Grieeh.  koro  m.,  pl.  kore^  Becher,  kororo  m.  deminut.  koreskoro  m.  Ungr.  koro, 
khoro  Krug  ung.  /fo?'ro  born.  68.  koro  karp.  khöro.  klwro  kirligosa  Krug  mit  einem 
Henkel  ödenb.  Böhm,  khöro^  pl.  khöre.  Deutsch  koro  lieb,  waldh.  ghoro,  goro  Flasche 
beitr.   12.       Ital.  kord  Kanne.        Bask.  korona  Flasche  baud.   29.       Engl,  köro,  körro. 

Vergl.  aind.  päli  ghata. 

khos. 

Grieeh.  kosdva,  gosdva,  kosdva  vb.,  partic.  koslö^i  reinigen,  kosela  pe  jakd  eile  frotte 
ses  yeux  606.  kosTardva  vb.  reinigen  lassen.  Rumun.  kos  vb.  wischen :  kosü.  praet. 
koslöm  buk.  kosao  vb.  bürsten  vaill.  Ungr.  khosav  vb.  löschen  ung.  khos  vb.  kSslo  adj. 
glatt  sirm.  khosav  vb.  ich  wische  ab  ödenb.  Böhm,  khosav  vb.  abwischen.  Deutsch 
koseväva  vb.  reinigen.  Russ.  te  khoses  vb.  wischen.  Skand.  vergl.  taasa  vb.  trocknen 
Buo-ge  153.     Hieher    gehört    grieeh.   kosnö,    koznö  m.  Tuch,    mouchoir,  Rumun.  kosnö, 

koznö  m.  buk,  koslo  serb,       Ungr.  khosno  m,  ödenb,  khosno,  khesno,  kosno  Tuch,  Umhänge- 
tuch ung,  khosnoro,  kosnoro  deminut.  karp.  kosno  ml.  159,   160.   162.   164. 

Vergl.  aind.  ghr§  reiben. 

khul. 

Grieeh.  knl,  kful,  ful  m.  Excremente,  IMist,  Dreck,  kidalö,  kfnlalo,  fidalö  adj.  dreckig. 
fuUngoro    adj.       Rumun.    ktd    m,  Kot,       Ungr,  khid  m,  Dreck  ung,    ml,  174,   178,    sirm. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeüneu  Ettropa's.  vii.  239 

khulalö  adj.       Deutsch  frd.       Poln.  kfut  na.   1G2.       Russ.  kful.        Skand.  ful  Dreck,  fula 
v"b.  cacare.  fulalö  adj.  unrein,   fulinna  Schindmähre.       Bask.  fida  Excremente  baud.  32. 
Engl,  fid,  fid.        Span.  fnl.  fulalo  m.   ein   dreckiger  Kerl,  fidani  f.   Schmutz. 
Pott  2.   391. 

khur. 

Griech.  khur^  kfur,  kur,  für  f.  Ferse.  Ungr.  khur  Ferse  sirm.  grastdni  khur  Pferde- 
huf ödenb.       Deutsch  kür  lieb. 

Aind.  päli  khura  Huf.  hind.   khur,   dessen  Anlaut  jedoch   nicht  passt. 

khurmi. 

Griech.  kurmi  f.  Hirse.  Ungr.  khurmin  Hirse,  gemalener  Hirse  kai-p.  Böhm. 
khurmin  f.,  pl.  -a,  Hirse,  Brei.  Poln.  kurmi  j)ulmentum  na.  157.  Russ.  khurmi  f. 
Hirse,  Weizen,  Buchweizen,  rohe  Grütze,  khormi  Gnitzbrei  263. 

Pott  2.   155. 

kliuro. 

Griech.  khurö,  kfuro,  kiiro,  knri  m.  Füllen.  Rumun.  khurö,  kurö.  kurorö  m.  deminut. 
buk.  churoro  zu.  kuri  serb.  khuro  zomb.  kurory  bessar.  H.  Ungr.  kurö  m.  ung.  khurö 
born.  88.  knro  ml.  174.  küro  sirm.  kuröro  karp.  khür.  kinu  tuki  lole  khures  ich  kaufe  dir 
ein  rotes  Füllen  ödenb. :  o  in  kino  lautete  nasal,  wie  fz.  on.  Böhm,  khurdo  21.  Hengst, 
richtig  khuro:  khftrdo  soll  jedoch  auch  in  karp.  vorkommen.  Poln.  kun^o  Hengst,  ku- 
roro  Füllen,  kurore  sandzija  grasni  equa  peperit  pullum,  richtig :  kurores  andza  (d.  i. 
anda)  grasni  na.  160.  161.  169.  Russ.  khuro.  khurorö.  Finn.  kwo  gac.  khuro  Hengst- 
füllen, khuri  Stutenfüllen.     Skand.  kuro.       Span.  go7'6.  kurorö  m. 

Hind.  kurra  Pott  2.  155. 

khuv. 

Griech.  khuväva,  kuvdva  vb.  flechten,  stricken.  Rumun.  kuvav  vb.  flechten,  plesti 
serb.  Ungr.  kuväu  vb.  weben  sirm.  khuvav  vb.  ich  flechte  ödenb.  Böhm,  khuvav  vb. 
flechten.        Deutsch  kuväva  vb.  flechten.       Russ.  te  khuves  vb.  flechten. 

Aind.  guph,  gumph  winden,  anknüpfen:  nach  der  Metathese  der  Aspiration  geht  p 
zwischen  Vocalen  in  v  über. 

ki. 

ki,  ke  praep.  Die  Praeposition  ki,  ke  findet  sich  auch  als  kia,  kio:  sie  bedeutet 
zu,  bei,  gegen,  auf,  und  wird  mit  dem  acc.-nom.  oder  mit  den  Formen  auf  -ke,  -te 
verbunden.  I.  Griech.  ki  'zom  divesf  in  wie  viel  Tagen?  Ungr.  ä:'  odä  zu  ihm  ml. 
152.  153.  154.  Ä;'  odd  läkero  dad  zu  jenem  ihrem  Vater  158.  k'  odd  gädio  zu  jenem 
Bauer  168.  F  odd  säp  zu  jener  Schlange  192.  ki  po  gdzda  zu  seinem  Herrn  155.  ki  fo 
dad  zu  deinem  Vater  158.  Ä:'  dmäro  kher  zu  unserem  Hause   176.  /c'  odi  zu  ihr  155.  156. 

158.  k'  odi  rdni  zu  jener  Frau  155.   178.  /<•'  odi  räkli  zu  jenem  Mädchen  179.  ki  rnti,  ke 
ra<^■  Abends,  eig.  gegen  die  Nacht,  richtig  k'  i,  k'  e  räti,  ml.  163.  173.  ke  rati  \b'l.   153. 

159.  162.   169.  178.   180.     ke   mro    dad   zu  meinem  Vater  ung.     ki  neben  dem  slavischen 


94.0  FkANZ  MiKLOSICll. 

pri:  ki  pri  sukare  rakJa  hesel  er  sitzt  bei  scliönen  Mädchen  born.  99.  sdko  k^räti  jeden 
Abend  ml.  173.  Böhm,  kia  chahen  zum  Mittagmahl  55.  kia  leskeru  mtij  zu  seinem  Munde 
64.  kia  peskri  pJtenöri  zu  ihrer  (sua)  Seh Avester  70.  ki  odova  dazu  5i.  kio  jekh  klier  zu  einem 
Hause  60.  Ital.  ke  MasUini  nach  S.  Elia  asc.  140.  Vor  Vocalen,  daher  auch  vor  dem 
Artikel  0,  i  fällt  der  Vocal  von  /,/,  ^-e  ab,  ich  schreibe  daher  k'  0,  k'  ?.  a)  Griech.  diM(.'<) 
Ä'  0  chnrdö  raklu  er  gab  dem  kleinen  Knaben  273.  Ä:'  o  chahe,  k'  0  p/6e  im  Essen,  im 
Trinken  349.  dhie  jms  ¥  0  drom  sie  machten  sich  auf  den  Weg  60ß.  vikizdds  la  k'  0  kere 
er  rief  sie  in  das  Zelt  620.  Inhidäsa  (collect.)  k'  0  sor6  dikel  la  er  sieht  sie  mit  Blumen  auf 
dem  Kopfe  618.  Kumun.  k'  0  Noj  für  den  acc.  nach  dem  rumun.  pe  Noe  buk.  Ungr. 
odi  pMila  k'  0  rom  jene  sagt  zum  Zigeuner  154.  p^f-HC^  />•'  6  iw  clitvvo  er  sagt  zu  seinem 
Sohne  172.  k'  0  vtdrisko  Mräli  te  dzan  zum  Vidrer-  (richtig  wol  Fischottern-)  Kihiig  zu 
o-ehen  175.  onda  tele  k'  0  pani  ki  mi  ph'äni  dort  unten  bei  dem  Wasser  ist  meine  Ge- 
liebte 198.  b)  Griech.  dinds  k'  i  rakTd  er  gab  dem  Mädchen  608.  todds  0  kakdj  k'  i  jnk 
er  stellte  den  Kessel  auf  das  Feuer  616.  hdngilo  k'  i  cliev  il  sepencha  vers  le  trou  624. 
Ungr.  phenel  k'  i  rcini  er  sagt  zur  Frau  ml.  153.  k'  i  pJm  te  den  zu  Boden  werfen  175. 
sövelahi  k'  i  rSmni  er  schlief  l)ei  der  Frau  178.  geTo  k'  i  rakli  er  gieng  zum  Mädchen 
180.  sarko  gegen  ung.  ist  eig.  sar  k'  0  wie  zu.  ki-j-o  peskro  sero  auf  seinen  Kopf,  thov  ki-j- 
e  jagh  stelle  an  das  Feuer,  ki-j-a  pcski  sostin  an  seine  Unterhosen  karp.  i  erhält  sich 
manchmal  vor  0  und  e:  Griech.  ki  0  p)re  zu  den  Füssen,  ki  0  vudd^^  zur  Thür.  Böhm. 
/,/  0  tover  zur  Axt  58.  ki  0  .skmnin  beim  Tische  74.  ki  0  lancos  an  eine  (die)  Kette  74.  ki  0 
Oslos  zum  Esel  70.  Befremdend  ist:  ki  o  godavel  zur  Weisheit  68,  da  godavel  ein  adj.  ist. 
ki  e  lenöri  zum  Bächlein  52.  ki  e  len  zum  Flusse  59.  ki  e  misöri  zum  Mäuschen  70.  ki 
e  gavengeri  zur  Dorfbewohnerinn  70.  ki  e  kerihen  zur  Arbeit  62.  Ital.  k'  0  bustdn  im 
Garten  asc.  139.  k'  0  rom  140:  verschieden  ist  k'  in:  k'  m  rom  mit  einem  Zigeuner  140. 
IL  A-i,  ke  wird  mit  durch  ki,  ke;  ti,  te  als  Postpositionen  gebildeten  Formen  verbunden: 
a)  Griech.  kia  ratdte  gegen  Abend.  Ungr.  A:'  odd  ölasko  römeske  zu  jenem  walachischen 
Zigeuner  ml.  166.  A'  odd  gädzeste  zu  jenem  Unger  167.  A'  e  ranake  zur  Dame  178. 
nvTds  ke  leste  er  kam  zu  ihm.  ki-j-e  licate  zu  einer  (wohl  der)  Buche  karp.  b)  Griech. 
A'  0  phurane  divesfnde  in  den  alten  Tagen  620.  dzi  A'  o  düj  cucjeade  bis  an  die  beiden 
Brüste  622.  Ungr.  ki  dmiende  zu  uns  ml.  159.  161.  ki  mdnde  zu  mir  158.  165.  179. 
180.  189.  ke  mande  ung.  ki  Idnde  zu  ihnen,  fem.  158.  ki  rakl'ate  zum  Mädchen  158.  ki  tute 
zu  dir  159.  160.  ke  tut  196.  ki  late  zu  ihr  160.  ke  turnende  161.  A'  e  ködusiste  zu  dem 
Bettler  184.  Böhm,  kia  mande  zu  mir  52.  kie  hoste  wozu  56.  70.  kia  p)este  zu  sich  63. 
67.  Am  leste  zu  ihm  64.  kia  niltoste  zu  nichts  69.  kia  late  zu  ihr  70.  kie  leste  zu  ihm  79. 
kia  leste  zu  ihm    79. 

Ke,  ki  verleiht  den  Adverbien  andre,  nndrdl,  angldl,  nvrt,  katdr,  opre^  tele,  teldl  prae- 
positionale  Geltung:  nr^Tdv  les  andre  A'  i  chaning  ich  werde  ihn  (den  Brief)  in  den 
Brunnen  Iiinablassen  596.  mukTds  e  caven  ande  A'  o  vos  er  verliess  die  Kindei-  in  dem 
AValde  616.  avilo  ande  A'  o  hindri  er  kam  an  die  Quelle  622.  kam-av6l  ande  k'  0  des-u-di'ij 
2>ral  sie  wird  zu  den  zwölf  Brüdern  kommen  622.  ande  A'  i  devrjdl  pdngili  tar  sie  neigte 
sich  über  das  Meer  622.  Ebenso:  ande  A'  i  veseste  gelö  er  gieng  in  den  Wald  624.  me 
inkaldv  (MMovav)  la,  ti  angrusti,  anddl  A'  0  po;  je  la  retire,  ta  bague,  de  dedans  l'eau 
622.  Man  merke:  mgliste  andrdl  katdr  A'  0  dudi'mi  sie  kamen  aus  dem  Kürbiss  heraus 
616.  te  perel  i  siM  angldl  A'  i  Lenga  que  la  table  tombe  au  devant  de  Lenga  622. 
Ferner:     bestö    angldl   f    i   rakli    er    setzte    sich    vor    das    Mädchen    598.     avri  k'    0    kerS 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa'S.  vii.  241 

ausser  dem  Hause  618.  katär  k'  o  maskareder  von  dem  mittleren  600.  katdr  k'  i  lindr 
iifcim  tar  sie  stand  vom  Schlafe  auf  606.  o  kam.  dinäs  oj^re  k'  u  ker  die  Sonne  leuchtete 
(fiel)  auf  das  Haus  neben  dirids  o  kam  f  o  ghaliöni  opre  606.  vmbladds  leg  (o  dudüm)  opre 
k'  i  jMJ'ikin  er  hieng  ilm  (den  Kürbiss)  auf  den  Baum  616.  gerdvdile  teldl  k'  i  sUldvka 
sie  verbargen  sich  unter  den  Besen  616.   Vergl.  das  mit  ki,  ke  identische  ti,  te. 

kia. 

Ungr.  kid  adv.  wohin  ung.  km  ml.  151.  152.  155.  157.  174.  175.  185.  192.  dzi  kid 
wie  weit  ung.  nikiä  nirgendshin,  dzikija,  dzioja  wie  weit  born.   118.    Vergl.  ki. 

kilav. 

Griech.    kiläv    m.    Pflaume,      kilavin    f.     Pflaumenbaum.  Rumun.    ctlieve    siebenb. 

Büiim,  thilava  f.,  pl.  -a,  Zwetschke,  Obst.  Poln.  kilav  gal.  II.  Bask.  killaha  prune 
baud.  37.       Span,  kilaba  f.   Pflaume.        Asiat,  vergl.  heli,  helom  pa. 

Pott  2.   108. 

kilo. 

Griech.  kilo  m.  Pfahl.  Rumun.  killu  bessar.  bessar.  II.  {ilö  Pflock  buk.  Ungr. 
kilu  ödenb.        Böhm,  cilo,  pl.  -e,  21.  37. 

Aind.  prili  klla,  khila  Pfahl  Pott  2.   107.  256. 

kin. 

Griech.  kindva  vb.,  partic.  kindo,  kaufen,  kinabeskoro^  kinib^skoro  m.  Käufer:  *ki- 
nabe,  *kinibe  sind  unnachweisbar,  kindovova  vb.  gekauft  werden.  Für  kindva  wird  auch 
parensa  (parendzaj  Idva  ich  nehme  um  Geld  gesagt.  Rumun.  fin  vb. :  findu,  tino.  praet.  tindom 
buk.  kinaoyh.  vaill.  Ungr.  kinel,  tinen  vb.  ung.  praet.  tinda  ml.  156.  rindern  sirm.  kin  vb.: 
impt.  kin.  khindas  karp.  Böhm,  kinav  vb.  Deutsch  kindva  vb.  lieb,  kin  Kauf,  gilkinaca 
Vorkauf  für  angle  kinava  ich  kaufe  vor  beitr.  18.  33.  Poln.  the  kinam  na.  158.  Kuss.  te 
kines  vb.    kaufen,    ie  vykines  vb.    loskaufen:    vy    ist    ein    slav.  Praefix.  Skand.    kjinna 

(kina)  vb.       Engl,  kin  vb.  praet.  kindani..       Span,  kinar,  kinelar  vb.       Asiat,  lav  kinim  pa. 

Aind.  kri  (krinäti).  päli  ki  (kinäti).  hind.  kinnä.  kurd.  kiria  kaufte  Lerch  103.  kirin 
rli.    Pott  2.    103.   Das  zig.   Thema  kin  beruht  auf  dem  aind.  praes.   krinäti. 

kirav. 

Rumun.  Urdu  vb.  kochen  aus  kiravdü.  partic.  kiradö.  praet.  (iradöm.  kirdov  \h.  pass.: 
firjul  aus  kirdovel.  impf.  firölaSj  ürjölas  coquebatur.  praet.  tiriloü  aus  kirdilöü.  kiiJöm  ich 
schwitze  scheint  aus  kirdiJom  entstanden  zu  sein  buk.  kii-jadü  kochen  bessar.  (ii-av  vb.: 
firavel.  praet.  keradas  zomb.  Ungr.  ciravel  vb.  kochen,  partic.  cirddo.  ciraipi  Gekochtes 
sirni.  ker  vb. :  kerdol  es  siedet,  sprudelt  ung.  kiradö  gekocht  ödenb.  Deutsch  garaväva  vb. 
kochen,  partic.  gardo.  garapaskero  Koch  lieb,  kerevava  vb.  sieden,  keropaskro  Koch  beitr. 
19.   29.         Poln.  the  karavas,    kierovata    vb.    coquere    na.    156.    167.    keredo  heiss  gal.  II. 

Deni-sdirifteu  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  ol 


242 


Franz  Miklusich. 


Russ.    te    karaves   vb.         Skand.  hjerva  vb.    kochen,     kjerviba  Schornstein.         Engl.  ker6v 
vb.       Span,  kernbar  vb.  koclien,  braten. 
Pott  2.   172. 

kiri. 

Griech,  kiri  f.,  ^\.  kirjä,  Ameise,  kirjalö  adj.  voll  Ameisen.  kirjSngoro  adj.  Rimiiin. 
tirS  pl.  Ungr.  i  kir  ödenb.  Deutsch  kirja  beitr.  6.  gerria  lieb.  Poln.  kirdza  na. 
158.       Engl.  Ärfa.       Span,  kiria  f. 

Vergl.  bind,  kire  Insecten  Pott  2.  392. 

kirivo. 

Griech.  kirivö,  kirvö,  kioro  m.  Gevatter,  kirvi  f.  Gevatterinn.  kiribe  m.  Geschenk, 
ßumun.  tirvö.  tirvi:  tirö  ist  wohl  falsch.  Ungr.  cirvo  sirm.  Böhm,  kirvo  m.  kirvöro  m. 
deminut.  kirvi  f.  kirvöri  f.  deminut.  Deutsch  ^fiVew  m.  ^rzVevi  f.  lieb.  Poln.  kirgvo  na.  157. 
Russ.  kirvi.  Ital.  A-'ryo  m.  Ä-'rwf  f.  Span.  ä;«Vj6o  m.  Gevatter,  Nachbar,  Freund,  kiribi 
f.  Gevatterinn  usw.,  auch  Grossvater,  Grossmutter. 

Kirvo  ist  vielleicht  eine  Entstellung  des  ngriech.  7.o'j|X7rdpoc,  it.  compare. 

kisi. 

Griech.  kisi,  pl.  kisjd  618.  kisies,  Beutel,  tuveskeri  kisi  Tabaksbeutel.  Rumun.  kisß, 
tisö.  Ungr.  kisi  f.  ung.  Deutsch  gisikk  lieb,  kisik  beitr.  8.  Poln.  kisyk  na.  157. 
Ital.  Ä:^s^.     Engl.  kisi.     Span,  ä-j.s?,  Ä;isza,  kisobu,  kisobil,  kisobi. 

Hind.  kisa.  kisi  ist  aus  dem  arab.  kis  entlehnt. 


kislo. 

Griech.  kislö  adj.  mager.  kisTovava  vb.  abmagern,  kislipe  m.  Magerkeit. 
Aind.  kr^  (kr^jati)  abmagern,  päli  kisa  abgemagert:  aind.  krsa. 

kjustyk. 

Griech.  kjustyk  Gürtel.  Rumun.  kustik.  Ungr.  kiistik  Regenbogen  sirm.  Poln. 
kustyk  Gürtel  na.   161.   166.       Russ.  kustyk.       Span,  justiki,  justini  f. 

klidi. 

Griech.  klidi,  kilidi  f.  Schlüssel.  Rumun.  kledin  m.  buk.  klidi  vaill.  113.  Ungr. 
klidin  f.  Schloss,  Anhängeschloss  ung.  Midi,  klidori  deminut.  neben  kleje  pl.  karp. 
Böhm.  kli(R  f.,  pl.  -a,  Schloss.  klidori  f.  deminut.  klidengero  m.  klidengeri  f.  Schlosser, 
Schlosserinn.  Vergl.  /b/^ja  f.  Schlüssel,  klcjicka  f.  deminut.  Deutsch  ^r/iV/«.  gliteväva,  gli- 
teräva  vb.  schliessen  lieb,  klidin.  bango  klidin  Dietrich,  eig.  krummer  Schlüssel,  beitr.  10. 
28.       Poln.  klydyn  na.   157.  klije    gal.  IL       Ital.  klid  asc.   134. 

Ngriech.  xXsiSi,  dai-aus  türk.   cilit.  hind.  killd.  Yergl.  kidco. 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eüropa's.  vn.  243 

kockarida. 

Böhm,  kockarida  f.  Rülps,    man  len  kockäridy  ich  rlilpse.         Ungr.  kockaridi  f.    ung. 
Deutsch  gloskerlda  lieb.   137.  Vergl.  griech.  klucika  f. 
Griech.  vergl.  xXö^or. 

ko6. 

Griech.  koc  m.,  pl.  kocd,  Knie.       Rumun.  koc  serb.    val. 

kocak. 

Rumun.  kocak  Knoten  bessar.    kocdk  Knopf  bessar.  II.  Ungr.  köcak  Knopf  sirm. 

köcaka    pl.    ödenb.  Bölim.    kocak    f.,    pl.    -a.    kocaköri    f.  deniinut.  Deutsch    gocikk- 

Skand.  kocik. 

Armen,  kocak  Pott  2.   131. 

kodo. 

Rumun.  kodö  m.  kode,  gode  f.  pronom.  dieser,  jener,  kodö  raklo  dieser  Knabe,  kvdo 
phuri  dieses  alte  Weib.  sg.  acc.  m.  kodoles  f.  kodold.  gen.  m.  kodolesko.  sg.  instr.  m.  kodu- 
lesa.  pl.  nom.  kodol,  kodold.  acc.  m,  (kodolenj^  kodole  buk.  and  o  kudola  desa  in  illis  diebus  zomb. 
kodoles  wird  in  kulles  zusammengezogen,  kodole  in  kolle:  kolle  grastesa  mit  diesem  Pfenle; 
kodold  in  kolld,  kodoldsa  in  kulldsa.  Neben  kodö  kömmt  ko,  neben  kode-koj  vor  buk.  Hieher  gehört 
/to/Äa?"  von  hier.  kotJie,  kotlü,  koti  hier  .^hieher.  Z:of/esobuk,  koti,  goti  n&iW.  godöa  dieses,  godola 
pl.  Ungr.  kodovo,  falsch  wer  ung.  sg.  acc.  m.  koles.  gen.  m.  kolesko.  kote  dovi.  godoü:  godoü 
gadzo  dieser  (richtig  wohl :  jener)  Mensch,  godova.  godej  f.  godolatcr  desshalb  :  gudulater 
rovau  desshalb  weine  ich  sirm.  Böhm. Äocfoy«  welcher,  richtig  der,  dieser.  Deutsch  kova,  gova 
der  lieb,  kova  das.  svako  kova  allerdings,  micach  (oder  midzacJi)  kova  Jammer,  eig.  ein  böses 
Ding,  puca  kolüster  für  kolester  Zeuge,  eig.  frage  diesen,  jenen,  sukerakerhenkikoles  beredt, 
richtig  svker  rakerhen  hi  koles  pulchra  oratio  est  ei.  kote  wo  beitr.  7.  9.  17.  35.  36.  Engl. 
kovva,  akövva.  Yergl.  aka,  kova. 

kokalo. 


(/ 


Griech.  kökkalo  m.,  pl.  kökkala,  Knochen.  Rumun.  kokalo  buk.  val.  kokalo  serb.  kokal 
zomb.  kökal  bessar.  kokal  bessar.  II.  Ungr.  kokalo,  kukalo  m.  ung.  kokalo  sirm.  kokal 
boi'n.  58.  kokalkos  karp.  kokalo  ödenb.  Böhm,  kokalos  m.,  pl.  -la.  kokala  pl.  Würfel. 
kokalöro  m.  deminut.  kokahngeri  f.  Beinhaus,  hikokalengero  adj.  ohne  Knochen.  Deutscli 
gogalo.  Poln.  kokaig  na.  157.  Russ.  kokalo.  Finn.  kokkalo:  pieresko  kokkalo  I\iss- 
knöchel  gaß.       Bask.  kokaluak  baud.  36.       Engl,  kokalo,  kokälos.       Span,  kokal,  kokale  m. 

Ngriech.  y.öxaXov. 

kolin. 

Griech.  kolin  m.  Brust,  hare-kolindkoro  adj.  eine  breite  Brust  Jiabend,  Athlet:  man 
erwartet  kolineskoro.  Vergl.  cerga  und  katüna.  Rumun.  kolm  m. :  kolinestar.  aiuV  e  koline 
in  den  Brüsten  zu.  o  kolm,  e  kulin  bessar.  IL  kol'in  serb.  Ungr,  kolin  m.  ung.  kölht 
sirm.  and  o  kolm  karp.  i  kolin  Ödenb.  Böhm,  kolin  m.  Deutsch  göliii  lieb,  kolin 
beitr.  9.        Poln.  koiyn  pars  prior,  guiyn  Brust  na.  162.  163.       Russ.  koly.  kolyneskiro  Kind. 

Aind.  köla  m.  Busen,  Schooss, 

31* 


24^4  Fkanz  MiKLosicH. 


kon. 


Griech.  kon  pron.  interrog.  relat.  allg.  wer.  kon  te  mml  (juiconque  entcnd  GIO.  kd- 
skoro  adj.  de  quiconque  622.  Rumun.  kon  wer,  welcher,  sg.  aec.  kas,  gen.  käsko,  dat.  käste, 
instr.  kdsthar.  väre  kon  jemand:  väre  kdsthar.  könik  irgend  einer,  mit  der  Negation  : 
niemand,  sg.  acc.  kanikds,  instr.  kanikdsa.  Ungr.  ko  iing.  wer,  welcher  interrog.  relat.  ]nl. 
152.  1G9;  ir)5.  170.  175.  203.  irgend  einer  168.  kon  buch,  niko  niemand,  wohl  nm-  mit 
na,  ung.  born.  104.  niko  jemand:  sg.  acc.  nikas:  rodau  nikas  ich  suclie  jemand  sinn. 
ko,  kaskSro.    niko  karp.  Böhm.    ko.  kaskero  adj.  wessen,     käste,    kas.    kastar.   kaha  25. 

Deutsch  kön  lieb,  beitr.  34.  Poln.  kon  wer  na.  15<S.  Russ.  kon.  konesktro  adj.  wessen. 
Engl,  ko,  kon.  sor-kon  jeder.        Span,  koin,  pl.  koines.         Asiat,  kü  wer  syr.  l'ott. 

Hind.  kann.   aind.  ka,  sg.   nom.   m.  kas. 

kori. 

Griech.  kor(,  korin  f.  Gui-gel,  Hals.  Ilumun.  kor  f.  Hals  zomb.  o  kor.  pale  i  kor 
bessar.  II.  kor,  kori,  korö  buk.  korij  (d.  i.  korz)  mezz.       Ungr.  e  kor  sirm. 

korkoro. 

Griecli.  körkoro,  kolkoro  pronom.  allein,  kilrkuro  335.  korkores  adv.  korkoribe  m.  Ein- 
samkeit. Ilumun.  körko  allein  gal.  I.  körkoro,  korkoro  selbst,  allein  buk.  korkor  zomb. 
körkur  bessar.  II.  kerkeri  f.  wüst  klaus.  Ungr.  korkoro  selbst  ung.  korkoro  allein  ml. 
154.    165.    177.    189.    200.     and   o   korkoro    bei  sich  173.     körkor  sirm.  Böhm,  korkoro 

allein,  selbst.  Deutsch  kokeres,  gogeres  einsam,  allein  lieb,  kokero  beitr.  6.  Poln.  ko- 
koro  ipse  na.  163.  ßuss.  kororo  selbst  19.  Skand.  kokkarö  allein.  Engl,  kökero,  ko- 
kero.      Span,  kolkoro,  kolkore,  folkore  allein. 

Pott  2.   108. 

koro. 

Griech.  koro  adj.  blind,  koriandös,  korindös  adv.  blindlings,  körjovava  vb.  erblinden. 
korikanö  adj.  halbblind,  korikanes  aäv.  koribe  m.  Blindheit,  korjd  kerel,  köre  kerelh\en6.en. 
Äord  Ä;emw5(5  Maulwurf,  korö  (für  A-or^  r//a«f/i//  d.  i.sukö  (für  s«Ä-f;  f^A««f?i//  trockener  Brunnen. 
Rumun.  korö.  koranov  vb.  erblinden:  praet.  kordjlöm  aus  kordnihwi:  Thema  *korano,  womit 
comTiov  zu  vergleichen,  buk.  Ä-crore  ./a^-a  Schläfen,  eig.  blinde  Augen,  serb.  Ä:ora.  Äv»mr  vb. 
excaecare  zomb.  yto'ro  bessar.  IL  Ungr.  koro,  karo  adj.  koripe  m.  Blindheit  ung.  Ä-o?:/oy 
vb.  blind  werden:  partic.  korilo  karp.  koro  ödenb.  Böhm.  Ä-oro  adj.  koripen  m.  Blind- 
heit. Deutsch  gorelo  adj.,  eig.  partic.  Poln.  kororo  blind,  ^ora/yf-  erblimlen  na.  160. 
164,    eig.   praet.'        Russ.  praet.    kordlyja    parisivelt    boe.  262.  Skand.    korra'ö    blind. 

Engl,  köro,  köredo,  körodo  blind.       Span,  korijjen  m.  Strafe,  Qual. 

°  Hind.  kör,  entlehnt,    pers.  kör.    armen,  kojr  (d.  i.  kuir).    kurd.  kor,  kuri,  kur.  kü  ir 
Lerch  103.  Pott  2.   109. 

kotor. 

Griech.  kotör  ein  Stück,  ein  wenig,  kotör  kotör  in  Stücken,  kotorica  ein  wenig. 
Rumun.  kotör,  pl.  kotord.  ek  kotör  phu  ein  Stück  Landes,  kotoricd  pl.  deminut.  buk.  kotor 


Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Eüropa's.  vn.  245 

zomb.  kotovdj  \al.  Uiigr.  kofoj'  m.  ung.  kofar  hörn.  'SH.  kötor  m\.  195.  kotordlo  Sidj.  hunt: 
vergl.  komadälo  adj.  bunt,  eig.  gefleckt,  sirm.  koter.  kotroro  karp.  kutor  ödenb.  Böhm, 
koter  111.,  pl.  -a.  koferöro  in.  deminut.  Deutsch  gotter  lieb,  jeckotter  8tUck  beitr.  151,  richtig 
jek  koter,  ein  Stück.  Skand.  kottro.  Engl,  kotor.  Span,  kotore  ni.  Stück,  dekotorar 
vb.  zerstücken. 

Annen,  kotor  Pott  2.  97. 

kova. 

Griech.  Ävw^?,  kojd  m.  Sache,  Ding.  Ungr.  kova  f.  Sache,  Ding,  etwas  ung.  sg. 
dat.  köveste  ml.  176.  and  o  bharo  kova  in  grossem  Schmerz  karp.  kova  etwas  ödenb. 
Böhm,  kova-  f.  Deutsch,  /tova,  gova.  Russ.  vergl.  kofo  Vorteil  boe.  19.  Skand.  kaaoa 
Ding.        Engl,  kovva.  Vergl.  kodo. 

kovlo. 

Griech.  kovlo  adj.  weich,  kovlipe  m.  Weichheit.  kovTovava  vb.  weich  werden.  Rumun. 
kovlö  iiA^.  zu.  bessar.  11.  Ungr.  kovlo.^  kolo  adj.  ung.,  unrichtig:  kolo  hart  born.  100.  ko- 
Tarel  vb.  weich  machen.  koTovel  vb.  weich  werden  ung.  kövlo  sirm.  pr'  p,  kovll  postela 
auf  dem  weichen  Bette  karp.  Bölim.  kovlo.  kovTärav  vb.  weich  machen.  kovTövav  vb. 
weich  werden.  kovTc.-moskero  adj.  weichmäulig.        Deutsch  govlo  adj.  lieb,  kaulo  beitr.  34. 

Aind.  ptili  kömala  zart,  weich,  hind.  kömal. 


kralis. 

Griecli.  kräl/ii  m.,  j)l.  Atc//«,  König.  kralUa  f.  Königinn.  Rumun.  kraj,  Mraji,  kruT; 
kndevic  buk.  koroT  bessar.  kraj.  kraimos  Reich.  Ungr.  kirfdi  ml.  1G2.  173.  174.  kira- 
lestero  adj.  königlich  ung.  kiräleskero  adj.  ml.  155.  kiräUskero  176.  190.  194.  kiräUstero 
162.  e  terili  kräliftki  rdkll  die  junge  Königstochter  karp.  Deutsch  krälo  lieb.  Poln. 
krcdis  na.  158.  Russ.  krali.  Skand.  krajo  (kralo).  krali  Königinn.  Engl,  kralis.  krä- 
lisko,  kruliskesko  adj.  krdUsi,  kralisi,  kralUsai.  Span,  krali  m.,  pl.  kraTises,  okraj  König. 
kraNsa,  okrajisa  f. 

Ngriech.  xpdXTjc.  Den  zig.  Worten  liegt  zu  Grunde  das  auf  bulg.  kral  beruhende 
ngriecli.  xpd/.Y^c :  das  niagy.  kiraly;  das  serb.  kralj ;  das  poln.  kröl;  das  russ.  korol. 
Pott  2.   123.  539. 

ksilavi. 

Griech.    ksildvi.    sildvi,    sildi,    silei  f.,    pl.  -vjd,    Zange.  Ungr.   silahi,  sulavi  f.  ung. 

Ilöhm.  silahis  m.  silahickos  m.  deminut. 
Griech.  öi;'jXdßrj,  öu6Xaßri<;. 

kuc. 

Rumun.  Ä-H(- adj.  teuer  buk.  zomb.  Ungr.  Amc  ung.  born.  100.  ödenb.  kuco  ung.  kuc. 
najkuc  wohlfeil,  eig.  es  ist  nicht  teuer,  sirm.    kuc  dad  lieber  Vater  karp.  Böhm,  kuc: 

to  hi  kuc  das  ist  teuer.  Deutsch  gunc:  vergl.  guc  selig  lieb.  .  Poln,  kuc  na.  154. 
Russ.  nakuc  billig. 

Hind.  vergl.  kuch  pretty. 


246  Fkanz  MiKLo.sicii. 


kuöi. 


Rumun.  kuci  Topf  zomb.  Uiigr.  kacl  f.  Tupf,  Becher  ung.  ödenb.  e  kucor  deminut. 

sirm.  kucöri.  kücika,  e  kucike  karp.  Bülnu.  kuci  f.  kucöri  f.  deminut. 


kuko. 


Rumun.  kukö  m.    kuke  f.  pronom.  dieser,  diese,    kuku  raklorö  dieser  Knabe,  sg.  acc. 
m.  kukoles  f.    kukold.    pl.  knkole,  kukuld^  knkol  buk.     Vergl.  k^ko  khsr  dieses  Haus  zomb. 


kulco. 


Ungr.    kulco  m.    Schlüssel    ung.  Deutsch   glicin^   glitin.         Skand.   klisin  Schüssel. 

klisa  vb.  schliessen.  klisaskiro  Gefangenwärter  liask.  (jUchii,  kilcina  Schlüssel  baud.  30. 
Engl,  klisin  subst.  vb.  Schloss,  schliessen.  Span,  klici  f.  Schlüssel,  langoklici  f.  Haupt- 
(krummer)  Schlüssel.  Die  Scheidung  der  mit  dem  slav.  kljucb  (magy.  kulcs)  von  den  mit 
dem  griech.  yXz'M  zusammenhangenden  Wörtern  ist  schwierig.    Pott  2.  122.   Vergl.  klidi. 


kuni. 

Griech.  kmu,  kuntk  f.  Ellbogen.  In  den  casus  obliqui  tritt  wohl  nur  kuni  als  Thema 
ein.  ßumun.  kimi  Ellbogen,  Elle :   kvjete  aus  kunete.  kujäkd  adj.  ellenlang  aus  kufidkn 

buk.    0    khijä    Ellbogen,    wohl    pl.,    bessar.    IL  Ungr.    kuni   f.    Ellbogen,    Elle    ung. 

Böhm,  kmii  f.,  pl.  -«,  Elle.  Deutsch  kuni  lieb,  beitr.   10.  21.  Falsch  kani  waldh..  114. 

Hind.  kuhnl,  köhni  Ellbogen.      Vergl.   aind.  köna  Ecke,  Winkel. 

kur. 

Griech.  kurdva  vb.,  partic.  kurdö,  schlagen,  se  masturber,  ngriech.  ätutcw.  perdö  kurdö 
ganz  voll  299.  kuradini^  koradini  f.,  pl.  -nä,  Ohrfeige.  ßumun.  kti^r  vb.  futuere  :  ku- 
rdü.  Ungr.  kiirel  vb.  klopfen,  stossen,  beschlafen  ung.  kürav,  kürä,  te  küren  ml.  153. 
167.    171.    kurepe,    kuribe    m.    Schlägerei    ung.    khürdas    futuit  karp.  Bölim.    kürav  vb. 

schlagen,  klopfen,  rupfen,  kuriben  m.  Krieg.  Deutsch  kuräva.  kurdo  thut  Butter- 
milch lieb,  kuruben  Isj-ieg,  Schlacht,  Treffen,  kurumaskro,  griromaskro  Soldat,  Krieger. 
kuromangri  Fussvolk.  kurumangreingro  barder  Oberoffizier  beitr.  13.  19.  23.  27.  30.  32 : 
mit  barder  vergl.  baro.  gurmastkrom  Soldat  waldh.  19.  für  -mask-.  Skand.  kurra  (kura)  vb. 
schlagen,  kurras  vb.  reciprok.  kurripä  (kur-ning)  Schlägerei,  kuropaskor  Profoss.  Bask.  kar- 
rantcia  vb.  frapper  baud.  32.  Engl,  kur  vb. :  kuröva  ich  kämpfe,  praet.  pl.  I.  kurdem. 
kuroben,    hirimus  Schlacht,     k/iromengro    Soldat.  Span,    kurar   vb.    schlagen,    arbeiten. 

kurelar  vb.  strafen,  quälen,  kurrando  Hammer. 

Aind.  kutt  spalten,  päli  kutt  (kotteti)  to  strike,  to  break,  to  pound,  to  cut  Pott 
2.   113. 

kurko. 

Griech.  kurko  m.  Sonntag,  Woche.  Rumun.  kurko  m.  Sonntag  buk.  kurko  Woche 

serb.       Ungr.  kurko  m.  ung.  Sonntag,  Woche  karp.    kurko  ml.   165.  kurke,    khurkhe  born. 


Über  die  Mundarten  UNn  die  WiNDEnüNOEN  der  Zigeuner  Eüropa-s.  vii.  247 

88.   96.  kfirko.    kurkodje  d.  i  kurko  dje,  serb.  nedjelja  danu,    Woche  sirm.  Böhm,  kurko 

m.  Feiertag,    Woche.         Deutsch    gurko  Heb.    kurko^   gurko    beitr.  30.   35.  Poln.  kurko 

na.   160.         Riiss.  kurko.         Skand.  korko.         J]ngl.  küroko,  kilroki.  Span,  kurkö. 

Ngriech.  xopiotuT]  Pott  2.   116. 

kurlo. 

Griech.    knrio  m.    Kehle,   Hals,    hare-hirleskoro  adj.  grosshalsig.  gurlö  507.  Ungr. 

kcllo  m.  Hals  born.  88.       Böhm,  krlo  m.,    pl.   -e,  Stimme.       Deutsch   kurlo  dtikallo  heisch 

beitr.    16:    richtig:    der    Hals    schmerzt.           Poln.    kiria    gula    na.     155.          Ital.  garlo. 
Engl,  kurlo.          Span,  garlo,  kcrlo  Hals. 

kuä. 

Griech.  kusdva  vb.  beschimpfen,  beleidigen,  kusipe  m.  Schimpf,  Beleidigung. 
Rumun.  akusao  vb.  beschimpfen,  beleidigen  vaill.  55.  94.  me  akosel  pe,  akosel  p  vb.  sich 
zanken  zu. :  richtig  ohne  me.  kusdva  vb.  schelten,  schimpfen,  fluchen,  praet.  kusTöm  buk. 
Ungr.  kosel  vb.  fluchen,  schimpfen  ung.  praet.  kosta  er  schimpfte  ml.  153.  172.  koste  sie 
schimpften  156.  kosipe  m.  Fluch,  Schimpf  ung.  /^o.s^6e?i  Zank  karp.  Böhm. /iwat»  vb.  zanken, 
fluchen,  praet.  II.  sg.  kostal.  kosihen  m.  Zanken,  Fluchen.  Deutsch  goseväva  vb.  fluchen, 
verwünschen  lieb.  Voiw-kosava^h.  maledicere  na.  157.  Russ.  te  koMs  vb.  tadeln,  schimpfen. 
te  zakoses  vb.  anfangen  zu  tadeln,  zu  schimpfen:  za^  ist  ein  slav.  Praefix.  kosihe  Tadel. 
kosibnaskiro   m.    Schimpfer.  Skand.  kosa  vb.    fluchen,    schwören,    kusseha   für   kusschar 

(kusar)  Tierarzt. 

Aind.  kru^  schreien,  ki-usta  der  schimpft,  äkruä  hinschreien,  schimpfen,  päli  kus 
(akkösati)  to  abuse.     liind.  kösnä  fluchen  Pott  2.   120. 

ku§. 

Rumun.  kus  vb. :  kusdva  schälen,  schinden  buk.  Ungr.  kusen  vb.  rupfen,  schinden 
ung.  küsen  ml.  157.  kusihe  m.  Rupfen,  partic.  kusto  geschunden,  kusvalo  m.  Schinder, 
Henker    ung.    knsla    er    rupft    sirm.    kusen    thele    sie    schälen    karp.  Böhm,    kusav    vb. 

rupfen,     partic.  htsio    gerupft,    kahl,    kusvälo  m.,    pl.  -e,  Schinder,    kusväli  f.  Deutsch 

gusvälo  Schinder,  Henker. 

Aind.  kus  reissen  Pott  2.   120. 

ktrcma. 

Rumun.  ksrcma,  knzina  f.  Schenke  buk.  krisma  vaill.  83.  Ungr.  kocma  ung.  köcma 

lul.   155.  krcma  karp.   kircima  mündl.  ödenb.  Böhm,  krcma.        Deutsch  kercimma.  ker- 

remäro  Wirt,    kercemarica  Wirtinn.  Bask.   kuercinia    baud.    28.  Engl,    kicema.    kice- 

laengro  Wirt.  Span,  kacitnan.,  kachnani. 

Aslov.  krtßbma  usw. 


DIE  GESCHICHTE 

EINER 

SEELENWANDERUNG  IN  JAPAN. 


vriN 


D^    A.  PFIZMAIER, 

WIRKLICHEM  MITGLIEDE  DEH  KAISEIILICHEN   AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  12.  JUNI  1876. 


JLn  der  in  dieser  Abhandlung  mitgetlieilten,  im  Ganzen  allerdings  den  Charakter 
der  Fabel  an  sich  tragenden  Erzählung  finden  sich  die  Japan  eigenthümlichen,  aus  dem 
Buddhismus  oÖenbar  zwar  entstandenen,  aber  von  diesem  in  Bezug  auf  Mass  und  Körper- 
lichkeit völlig  verschiedenen  Ansichten  von  Seelen  Wanderung,  wie  dieselben  in  den 
alten  Zeiten  herrschend  gewesen  sein  mögen.  Sie  zeigen  eine  starke  Verquickung  mit 
Taolehre,  sind  aber  auf  beinahe  ausschliesslich  japanischem  Gebiete  zusammengedrängt. 

Im  Wesentlichen  handelt  die  Erzählung  von  zwei  Menschen,  welche  bereits  als  Un- 
sterbliche auf  dem  Berge  Fo-rai  lebten,  jedoch  eines  Vergehens  wegen  in  die  Welt 
des  Staubes  zurückgeschickt  und  daselbst  wieder  geboren  werden.  Damit  verbunden  ist 
die  Geschichte  des  Zimmermannes  und  Iviinstlers  Sumi-nawa  aus  dem  Reiche  Fi-da. 

Das  zu  Grunde  liegende  geschichtlich  Ueberlieferte  ist  in  dem  Werke  ^^  J§  0  pE 
sara-sina-nikki  ,das  Tagebuch  von  Sara-sina'  enthalten,  aus  welchem  in  der  Einleitung 
zu  dem  Werke  ^  |lp  |2.  ^  M^  fi-da-no  takumi  monu-gatari  , Geschichte  des  Zimmer- 
mannes von  Fi-da'  einige  kurze  Stellen  angeführt  werden.  Der  A'erfasser  gedenkt  in- 
dessen, da  er  zur  Erwerbung  des  gedachten  Tagebuches  Hoffnung  hat,  diese  Stellen 
erst  am  Schlüsse  des  Ganzen  zu  verzeichnen,  wodurch  Bedeutung  und  Zusammenhang 
mehr  ersichtlich  und  vielleicht  Ergänzungen  möglich  gemacht  würden. 

Die  umfangreiche  Erzählung  bietet  übrigens  auch  in  anderer  Hinsicht  des  Merk- 
würdigen genug,  das  nicht  eben  Fabel,  sondern  ziemlich  geistreiche  Dichtung  ist  und 
nebstdem  einen  Einblick  in  jnanche  allgemeine  japanische  Verhältnisse  gewährt. 

Das  oben  genannte,  für  diese  Arbeit  benützte  Fi-da-no  takumi  mono-gatari  zeigte 
sich  bei  näherer  Betrachtung  als  ein  lehrreiches  und  werthvolles  Werk,  das  besonders 
in  Hinsicht  auf  die  zierliche  und  ungeachtet  ihrer  Hinneigung  zum  Alterthümlichen 
verständliche  Sprache  als  Muster  gelten  kann. 

Die  Erklärung  desselben  wurde  von  dem  Verfasser  auf  die  gewohnte  Weise,  nach 
Gegenständen  und  Sätzen,  bewerkstelligt,  wobei  neue  und  bisher  unbekannte  Wörter 
und  Ausdrücke,  deren  Anzahl  jedoch  weniger  bedeutend  ist,  wo  es  nöthig  schien,  eben- 
falls erläutert  wurden. 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.    XXTI.  Bd.  32 


250  Pfizsiaiüh. 

Sumi-nawa. 

Fi-da-no  takumi-to-wa  fito  fiiori-no  na-ni-iva  arazu  \  ini-si-je  fi-da-no  Jcum-jori-iva  \  |^  $^ 
(j6-teö)-wo  tate-matsurazv,  \  sato-goto-ni  [2  "T  (■'^io-tsio)  zlü-nin-wo  idasi-te  o-o-jake-no  ^  ^ 
(zo-jei)-ico  tsutome-itonami-si  nari.  Dzib-gnan-no  koro-tca  |  — ■  [Q  (ikkoku)-jori  ^  \, 
(fiakii-nin)-ico  mesarete  |  ^  ^  (teö-do)  |^  (in)  jjllj}  ^^  ^  (sin-sen-en)  nado  tsukurase- 
tamajeru  koto  |  ^  _5^  (kuku-zi)-ni  nose-tari.  Ima  kuko-ni  sirusi-tsuru-ica  \  amata  ari-si 
fi-da-bito-no  naka-ni  \  mgiireUi  f^  J^5  (ki-ku)-ni  taje-ni-dte  \  sono  zijnt.m  f^  (sin)-ni  tsü-zite  '' 
ten-tsi-zh-kua-no  !^  Pf  '@>  ^  (fu-ka-si-gi)-narit-wo-ino  \  tada  ||f|  ^  (teö-saku)-no  uje-ni 
idasi  I  /fc^-no  fasi-wo  motte  tori-to  nasi  \  ita-ivo  motte  uma-wo  tsukuri-te  \  — •  jö;  (isse)-no 
fito-wo  odorokase-si  \  kasikoki  takumi-ga  viono-gatari  nari  \  sono  zi-dai-ioa  tasika-ni  kiki- 
tsutajezu. 

.Zimmermann  von  Fi-da'  ist  niclit  der  Name  eines  einzelnen  Menschen.  Ehemals 
nahm  man  in  dem  Reiche  Fi-da  aus  jedem  Dorfe,  welches  keine  Abgaben  entrichtete, 
zehn  Zimmerleute  und  baute  im  Wege  der  Dienstleistung  die  öffentlichen  Gebäude.  In 
dem  Zeiträume  Dziö-guan  (859  bis  877  n.  Chr.)  berief  man  aus  dem  ganzen  Eeiche 
hundert  Zimmerleute  und  Hess  durch  sie  die  Hallen  des  Hofes,  die  Paläste  und  was  zu 
den  göttlichen  Quellen  und  Gärten  gehörte,  erbauen.  Dieses  ist  in  den  Geschicht- 
schreibern des  Eeiches  enthalten.  Was  jetzt  hier  verzeichnet  wird,  sind  die  Erzählungen 
von  einem  weisen  Zimmermanne,  der  unter  den  vielen  Menschen  von  Fi-da  durch  Kunst- 
fertigkeit besonders  ausgezeichnet,  dessen  Kunst,  mit  dem  Göttlichen  verkehrend,  das 
Wundervolle  der  Verwandlungen  des  Himmels  und  der  Erde  war,  der  jedoch  über  das  Ein- 
meisseln  und  Behauen  hinausging,  die  Wipfel  der  Bäume  zu  Vögeln  machte,  aus  Brettern 
Pferde  verfertigte  und  die  Menschen  des  ganzen  Zeitalters  in  Erstaunen  setzte.  Es  wird 
in  dieser  Zeit  sicher  nicht  überliefert. 

Idzure-no  o-on-toki-ni-ka  ari-ken  \  fi-da-vo  knni-ni  0  ^  ^  (i-na-he)-no  ^  f||  (sumi- 
naica)-to  iü  mono  ari-keri.  Tsitsi-faioa-wa  fajahb  nakii  nari-te  \  onore  fitori-zo  sumi-keru. 
Kono  kuni-no  narai  nare-ha  \  ta-gajesi  kusa-kim  itoma-ni-wa  \  noko-giri  nomi-ivo  tori-te  fita- 
sura  takumi-no  waza-wo  narai-keru-ga  \  fito-ni  sugurete  \  me-de-tnku  tsukuri-nasi-kere-ba 
^  X  (ro-k6)-no  tomo-gara-mo  koto-gotoku  ^  ^  kan-faku-site  \  ^  (sin)-no  %,  X  (rib-koj 
nari-to  fonte-nonosiri-keru.  Sumi-nawa  masu-masu  sei-sin-wo  korasi  siju-ren-si-kere-ba  \  ima-wa 
sa-u-naki  kono  mitsi-no  oja-to  nar'i-mi.  Arit-wa  niwa-tori-ico  tsukure-ba  \  makoto-no  rdica-tori 
kore-ivo  mite  \  ^  §  (rib-joknj-ivo  ßrogete  tobi-kakari  \  nezumi-wo  tsukure-ba  \  neko  kitatte 
kore-ioo  fori  nado  site  \  snma-zama  taje-nara  koto-dom.o  ari-kere-ba  \  en-kin-wo  iicazu  \  fito 
kore-ico  sitai-te  \  teo-do  ^  ^  (guan-butsu)-no  -^  (gu)  nado  atsuraje-mono  sunt  mono  | 
mon-zen-ni  r|l  (itsi)-wo  nasi-keru.  Sare-do  kokoro-magareru  mono  \  mata  |§  ^  (ken-sei)-ico 
motte  motomuru  mono-ni-v:a  \  futsu-ni  kotaje  dani  sezu  ^  \  (fin-zin)  ^  ^  (i'o-fn)  nado-no 
kojeru-ni-wa  |  jagate  iü  mama-ni  tsukuri-te-zo  ataje-keru. 

7m  irg-end  einer  Kaiserzeit  lebte  in  dem  Reiche  Fi-da  ein  Mann  Namens  I-na-be-no 
Sumi-nawa.  Seine  Aeltern  starben  frühzeitig,  und  er  wohnte  ganz  allein.  Da  es  in 
diesem  Reiche  so  Sitte  war,  nahm  er  in  der  freien  Zeit,  welche  ihm  bei  dem  Ackern 
und  Jäten  übriy  blieb,  die  Säge  und  den  Meissel  zur  Hand  und  übte  sich  stark  in  dem 
Zimmerhandwerk.  Er  übertraf  in  ausgezeichneter  Bildnerei  die  anderen  Menschen.  Seine 
Genossen,  die  alten  Künstler,  bewunderten  ihn  insgesammt,  und  alle  priesen  ihn  als 
einen  wahren  Künstler.     Sumi-nawa,    seinen  Geist  immer  mehr    anstrengend,    wurde  der 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  251 

Vater  dieser  jetzt  unerhörten  Kunst.  Er  verfertigte  bisweilen  einen  Hahn.  Wenn  ein 
wirklicher  Hahn  diesen  sah,  spannte  er  die  Flügel  und  flog  auf  ihn  zu.  Wenn  er  eine 
Maus  verfertigte,  kam  die  Katze  und  fing  sie.  Da  es  allerlei  wundervolle  Gegenstände 
gab,  waren  die  Menschen,  die  Entfernung  nicht  berücksichtigend,  dafür  eingenommen, 
und  diejenigen,  Avelche  Geräthe  und  Spielzeuge  bestellten,  bildeten  vor  seinem  Thore 
einen  Markt.  Indessen  gab  er  Menschen  von  verderbtem  Sinne  und  solchen,  welche 
nach  Einfiuss  und  Macht  strebten,  nicht  einmal  Antwort.  Wenn  arme  Menschen  und 
Greise  zu  ihm  kamen,  verfertigte  er  die  Gegenstände  sogleich  so,  wie  sie  es  sagten  und 
schenkte  sie  ihnen. 

Fidsu-ni,  in  dem  Nippon-ki  durch  ^  und  ^  ausgedrückt,  ist  mit  tajete  , durchaus' 
gleichbedeutend. 

Sono  koro  ^ß  'Rj  (gun-zij-nife  ^  (ki)-no  -^  ^  (take-tosi)-to  iü  muno  ari.  ,^  |^^ 
Zi-ß-no  kokoro-naht  \  takara-tco  musabori-te  \  tsune-ni  ^  ß  (nö-minj-ivo  kasume-anadori-te 
fosi-i-mama-ni-zo  furuviai-keru.  Kono  take-tod  sake-wo  konomi-te  nomi-kere-ba  |  sakadzuki 
fito-tsu-vjo  I  sumi-naiva-ni  atsuraje  \  tsnkurasen  tote  \  ^  ^  (zijü-sija)-wo  mote  \  i-i-okosi-keru. 
Sumi-naiva  tsune-ni  kare-ga  aku-gib-wo  nikuvü-iüori'kere-ha  \  tomi-ni-mo  tsukurazu  fi-ico  sugosi- 
ke7'u-ni  \  take-tosi  fara-datsi-te  j  kono  /Jn  ^  ^  (ko-kua-zija)-me  gun-zi-ivo-mo  fahakarazu  | 
sika  anadori-zama-ni  |  mote-nasio  kuso  \  ki-kuai  nare  tote  \  zijti-zija-domo-nl  i-i-fstfkefe  \  toku 
karamete  ko-jo  \  -to  i-i-tsukete  jari-tsu.  Zijü-zija-ra  sumi-nawa-ga  mon-no  tnaje-ni  itari-te  \ 
o-o-ko-e-ni  i-i-keru-wa  \  gun-zi-no  mesaruru-zo  \  toku  ide-jo-to  ko-e-go-e-ni  jobaivari-kere-do 
futsu-ni  irajezare-ba  \  icara-gutsu-no  mama  \  juka-ni  kake-nobori-te  |  sib-zi  ßki-akete  \  iran-to 
suru-ni  \  ika-ni  tsukuri-oki-ken  |  sib-zi  osi-akioru-to  sono  mama  zijü-zija-domo-ga  fumi-i-taru 
tatami  j  ßika  tomo-ni  saka-sama-ni  \  kutsugajeri-te  \  go-nin-no  zijü-sija-domo  koto-gotoku  \  juka-no 
sita-ni  otsi-iri-mi. 

Um  die  Zeit  lebte  ein  Kreisvorsteher  Namens  Ki-no  Take-tosi.  Derselbe,  ohne  Wohl- 
wollen und  Erbarmen,  begehrte  Schätze,  beraubte  und  verachtete  das  ackerbautreibende 
Volk  und  veranstaltete  nach  seinem  Belieben  Feste.  Dieser  Take-tosi  trank  gern  den  Wein. 
Er  bestellte  einen  Weinbecher  bei  Sumi-nawa  und  schickte  durch  seine  Leute  den  Auftrag. 
Sumi-nawa  verabscheute  immer  den  bösen  Wandel  dieses  Mannes.  Er  beeilte  sich  nicht 
mit  dem  Verfertigen  und  Hess  Tage  verstreichen.  Take-tosi  wurde  zornig  und  sagte: 
Dieser  kleine  Bemützte  fürchtet  nicht  einmal  den  Kreisvorsteher.  Er  behandelt  mich  mit 
solcher  Verachtung,  es  soll  mich  Wunder  nehmen.  —  Er  schickte  seine  Leute  mit  dem 
Auftrage,  ihn  schnell  zu  binden  und  herzubringen.  Die  Leute  kamen  zu  dem  Thore 
Sumi-nawa's  und  riefen  mit  lauter  Stimme :  Der  Kreisvorsteher  ladet  dich  vor.  Komm 
schnell  heraus !  —  Als  er  auf  ihr  wiederholtes  Rufen  durchaus  nicht  antwortete,  stiegen 
sie,  in  Strohschuhen  wie  sie  waren,  auf  das  Bett,  schoben  das  Schubfenster  auf  und 
wollten  eintreten.  In  dem  Augenblicke  als  sie  das  Schubfenster,  das  er  auf  irgend- 
welche unbekannte  Weise  verfertigt  und  hingesetzt  haben  mochte,  aufschoben,  kippte 
die  Flurmatte,  auf  welche  sie  getreten  waren,  sammt  dem  Bette  um,  und  die  fünf  Leute 
fielen  insgesammt  unter  das  Bett. 

Juka-no  sita-wa  \  fukaku,  ana-ivo  fori-te  ari-kere-ba  \  noboru-beki  jo-mo  nasi,     Fazime-no 
ikiwoi-ni-mo  nizu  \  o-oki-ni  osore-wananakl-te  \  sora-wo  bgi-te   i-i-keru-ira  \  ware-ware    2^    jjjg 
(mu-rai)-wo   itase-si-ioa  \  mina   gtm-zi-no  i-i-tsiike-nite  sbrb  \  ika-de  inotsi  tasuke-tamaioanan- 
to  ko-e-go-e-ni  wameku.     Soiio  toki  sumi-nawa-ga  ko-e-nite  \  kara-kara-to  luarai-te  \  fasi-go-uv 
orosi-kere-ba  |  kore-ni  tori-tsuki-te  nobori-kite  |  mina-viina  sumi-naioa-ga  maje-ni  te-wo  tsuki-te 

32* 


252  Pfizmaier. 

i-i-keru-ica  \  oii-mi  gun-zi-no  moto-ni  itarl-tamawazu-wa  \  loare-tvare  kono  tije-ni  |  ika-narn 
me-wo-ka  mi-sbratoan.  Aware  f^  (mi)-tokn-ni  kasiko-ni  itari-taraai-te  \  ware-ioare-ga  uki-me 
min-ivo  siikutcase-tamaje-to  ije-ha  \  sumi-naica-ga  iivüku  ware-wa  jukazi-to  omoje-do  \  so-ko- 
tatsi-no  iu  tokoro  kokoro-gurusi-kere-ba  \  sara-ha  juki-ten  tote  \  saki-ni  tatsi-te  ajame-ha  \  zijü- 
sija-ra-ica  jorokohi-te  \  siri-ni  tatsi-te  juku. 

Da  unter  dem  Bette  eine  tiefe  Höhlung  gegraben  war,  konnten  sie  auf  keine  Weise 
heraufsteigen.  Im  Gegensatze  zu  dem  wichtigen  Ansehen,  das  sie  sich  anfänglich  ge- 
geben hatten,  geriethen  sie  in  grosse  Furcht  und  zitterten.  Zu  dem  Himmel  empor- 
blickend, schrien  sie :  Dass  wir  uns  Unartigkeiten  zu  Schulden  kommen  Hessen,  geschah 
im  Auftrage  des  KreisNairsteliers.  AVie  solltet  ihr  uns  nicht  das  Leben  retten?  —  Sumi- 
nawa  hichte  laut.  Er  Hess  eine  Leiter  herab,  und  sie  kletterten  an  dieser  herauf.  Alle 
stemmten  vor  Sumi-nawa  die  Hände  auf  den  Boden  und  sagten :  Wenn  ihr  nicht  zu 
dem  Kreisvorsteher  kommt,  was  für  ein  Sclncksal  werden  wir  da  wolil  erfahren?  Möget 
ihr  doch  schnell  dorthin  kommen  und  aus  der  Gefahr  uns  retten!  —  Sumi-nawa  sprach: 
Ich  gedachte,  nicht  hinzugehen.  Da  jedoch  eure  Worte  herzzerreissend  sind,  wohlan !  so 
werde  icli  gehen.  —  Hiermit  schritt  er  voran.  Die  Leute  erhoben  sich  freudig  und 
gingen. 

Gun-zl  fa-iri-ni  tatsi-ite  \  sumi-nawa-wo  mite  \  manako-tco  o-ukiku  nasi  \  ßtai-ni  sudzi-ivu 
idasi-te  niramu.  Stimi-naica  sidzuka-ni  ^  (za)-ni  tsuki-te  |  nani-goto-no  sorai-te  \  kaku  yC  ^ 
(kua-kiü)-ni-iva  mesare-tsum-zo-to  ije-ha  gun-zi  iki-maki-te  waga  atsuraje-jari-si  sakadzuki  \ 
tsjiki-wo  fure-do  tsukuri-idezu.  Nandzi  gun-zi-iuo-ba  ika-naru  mono-to  omoi-te  \  sa-jb-ni 
anadzuri-zama-ni-tca  mote-nasu-zo.  Ide  onore-ga  sija-tsura  \  utsi-wari-te  fara-ico  in  tote  \  tsuka- 
tsuka-to  joran-to  su. 

Der  Kreisvorsteher  stand  an  dem  Eingange.  Als  er  Sumi-nawa  sah,  riss  er  die 
Augen  auf,  faltete  die  Stirne  und  blickte  finster.  Sumi-nawa  setzte  sich  ruhig  nieder 
und  fragte:  Was  ist  geschelien,  dass  man  mich  so  eilig  rufen  lässt?  —  Der  Ki'cisvor- 
steher  fulir  ihn  an  und  sagte  :  Der  Weinbecher,  den  ich  bei  dir  bestellt  liabe,  ist  nach 
einem  Monate  noch  niclit  fertig.  Für  was  hältst  du  den  Kreisvorsteher,  dass  du  ihn  so 
verächtlich  behandelst?  Wohlan!  Ich  werde  dein  Gesicht  zerschlagen  und  dich  in  den 
Bauch  schiessen.  —  Mit  diesen  Worten  wollte  er  plötzUch  auf  ihn  eindringen. 

Sumi-nawa  fu-tokbrb-jori  tsutsumi-taru  mono  tori-idete  \  utsi-sasagefe  motome-sase-tamb 
sakadzuki- IC a  kore-ni  sbrb.  Onore-ni  fadzi-mise-tamawa-ba  sakadzuki-wa  kono  tokoro-nite  utsi- 
jari-sute-sbrai-nan-to  ije-ha  j  gun-zi  sukosi  kawo-ivo  nawosi-te  \  sate-wa  sakadzuki-iva  |  toku 
tsukureri-to-ja  \  sare-ha  sore  tsukureru  ^\  (rib)-ni  \  kono  fito  kobusi-iva  jurusi-tsukaicasu  nari-  \ 
to  i-i-te  sakadzuki  te-ni  tori-te  \  kasanete  ivaga  i-i-tsuken  koto-ico  \  naioo-zari-ni  mono-se-ha 
m.e-ni  mono-wo  misen-zuru-zo  |  ima-iva  ^  (j6)-nasi.  Toku  kajere-to  i-i-te  \  sumi-nawa-ioo 
oi-idasi-jari-te  |  sakadzuki-wo  joku-joku  mite  \  aware  kasikoku  tsukuri-te-keri-to  \  te-mo  fanatazu 
mite  i-taru-ni  \  ivori-kara  tonari-no  kowori-no  gun-zi-no  iri-kitari-keru-wo  \  ide-i-ni  towosi-te  j 
mono-gatari-site  notsi  |  kano  sakadzuki  tori-idete  \  are-wa  keo  fazimete  je-taru  mono-nite  sbrb. 
Kore-nite  sake  ßto-tsu  ma-irasen  tote  jagate  sake  tori-idasi-te  susumii  tote  |  madzu  onore 
sakadzuki  te-ni  tori-te  \  me-no  warawa-ni  tsugase-keru-ni  \  ika-naru-ni-ka  |  kono  sakadzuk/ 
niwaka-ni  omoku  nari-te  \  fu-to  te-wo  fanatsi-te  \  otosi-kere-ha  \  me-no  warawa-wo  utsi-sikan- 
tsutsU'  I  mata  sakadzuki-wo  te-ni  tori-te  \  sake  tsugase-keru-ni  \  isi  nado-wo  motsi-taran  kokotsi- 
serarete  \  je-motsu-ni  tajede  \  mata  ntsi-katabukete-kere-ha  sake  fodo-basiri-te  \  tatami  mina 
nure-nu. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  253 

Sumi-nawa  nahm  aus  dem  Busen  einen  eingewickelten  Gegenstand,  reiclitc  ihn  dar 
und  sagte:  Dieses  ist  der  Weinbecher,  den  ihr  begehret.  Wenn  ihr  mir  einen  Schimpf 
anthuet,  werde  ich  den  Weinbecher  auf  der  Stelle  Avegwerfen.  —  Der  Kreisvorsteher 
nahm  eine  ein  wenig  veränderte  Miene  an  und  sagte:  Also  ist  der  Weinbecher  schnell 
feitig  geworden !  Als  Entgelt  für  die  Arbeit  sehe  ich  diesen  einen  Faustschlag  nach.  — 
Den  Weinbeclier  in  die  Hand  nehmend  sagte  er:  Wenn  du  wieder  bei  meinen  Auf- 
trägen gleichgültig  bist,  werde  ich  dir  es  zeigen.  Für  jetzt  brauche  ich  nichts.  Kehre 
schnell  heim!  —  Hiermit  jagte  er  Sumi-nawa  fort.  Den  Weinbecher  genau  besehend, 
sagte  er :  Ach,  er  hat  ihn  geschickt  verfertigt !  —  Während  er  ihn,  ohne  ihn  aus  der 
Hand  zu  geben,  besichtigte,  trat  der  A'^orsteher  des  benachbarten  Kreises  herein.  Er 
hiess  ihn  zu  dem  oberen  Sitze  gehen  und  sprach  mit  ihm.  Dann  nahm  er  den  Wein- 
becher hervor  und  sagte  :  Dieses  habe  ich  heute  erst  bekommen.  Ich  werde  darin  einen 
Trunk  Wein  anbieten.  —  Er  Hess  sogleich  Wein  bringen,  nahm,  um  ihn  anzubieten, 
zuerst  selbst  den  Becher  in  die  Hand  und  hiess  ein  kleines  Mädchen  ihn  anfüllen.  In 
diesem  Augenblicke  wurde,  man  wusste  nicht,  wie  es  zuging,  der  Becher  plötzlich 
schwer,  schlüpfte  unversehens  aus  der  Hand  und  fiel  zu  Boden.  Das  kleine  Mädchen 
ausscheltend,  nahm  er  den  Becher  nochmals  in  die  Hand  und  liess  ihn  mit  Wein  füllen.  In 
diesem  Augenblicke  hatte  er  das  Gefühl,  als  ob  er  Steine  erfassen  würde,  und  er  konnte 
ihn  nicht  halten.  Der  Becher  stürzte  wieder  um,  der  Wein  floss  über,  und  die  ganze 
Flurmatte  wurde  befeuchtet. 

^  (KiakuJ-naru  gun-zi-mo  odo7\)ki-te  \  onazi-ku  tori-agete  \  sake  tsugastiru-ni  |  sakadzuki 
kataimiki-te  |  sake-iva  mina  kobore-nu.  Sa-u-no  te-ni  motsi-te  j  sake-ioo  tszigase-kere-do  j  sake-wo 
irure-ha  \  sakadzuki  onore-to  \  saka-sama-ni  \  kajerl-nu.  TdkaTa-ioo  te-ni  trete  \  ika-de 
katamuke-zi-to  |  kanibre-do  \  dai-riki-no  fito-no  kite  fiki-kanaguru  jb  naru  kokotsi-serarete  \ 
iku-tahi-mo  saka-sama-ni  utsi-kajeri-kere-ba  |  aruzi-mo  kiaku-mo  |  tada  akire-ni  akirete-zo 
i-tari-keru. 

Auch  der  gastende  Kreisvorsteher  erschrack.  Er  hob  in  Gemeinschaft  den  Becher 
empor  und  liess  ihn  mit  Wein  füllen,  jedoch  der  Becher  neigte  sich  seitwärts,  und  der  ganze 
Wein  wurde  verschüttet.  Man  erfasste  ihn  mit  beiden  Händen  und  füllte  Wein  ein, 
doch  als  man  den  Wein  eingoss,  stürzte  der  Becher  von  selbst  kopfüber  um.  Man 
kräftigte  die  Hand  und  sorgte  dafür,  dass  man  ihn  auf  keinen  Fall  seitwärts  neigen 
könne,  doch  man  hatte  das  Gefühl,  als  ob  ein  sehr  starker  Mensch  dazu  käme  und 
zerrte.  Der  Becher  stürzte  mehrmals  kopfüber,  Wirth  und  Gast  waren  nur  ausser  sicli 
vor  Staunen. 

Gun-zi  o-oki-ni  fara-ico  tatete  \  ka-jatsu  ware-ioo  ^  (rö)-zite  \  kakarii,  mono  tsukuri-te 
'ifaje-tsuru  nikusa-jo.  Ika-ni  ro-do-domo  \  kare  torajete  ko-jo-to  ije-do  \  fazime-no  tahi-ni  korn- 
fare-ha  '  mina  siri-komi-site  juku  mono  nasi.  Kiaka-no  gim-zi-ga  ijeru-iva  \  icare-ni  joki  fakari- 
qoto  ari.  Kare  karakuri-tvo  mote  fokori-wore-ba  \  konata-mo  mata  kare-ni  ^  (teki)-su-beki 
mono-ico  idasi-te  kare-wo  kokoro-mi-tsu-besi .  Waga  koioori-ni  I  ^^  "|f  (fi-no  kuma)-no  ^  ^ 
(matsu-mitsuj-to  k%  mono  soi-o.  Kono  kuni-ni-ica  \  narabu  mono  naki  takumi  nare-ba  \  kare-ico 
koi-te  I  sumi-naioa-ni  aivasete  \  sono  ^  ^  (siö-retsu)-vjo  kokoro-mi-tamaje.  Sumi-nawa  make- 
si-taran-ni-wa  \  kare-ga  j^  f^  (zu-saku)-no  -^  (gn)-wo  nbai-te  j  kono  notsi  takumi-no  ^ 
(sioku)-wo  todome-tamawan-ni-iva  i  kare-ga  tame-ni-ica  \  kagiri-naki  fadzi-ni  soraxcan-to  ije-ba  \ 
gun-zi  jorokobi-te  \  sara-ba  toku  matsu-mitsu-ico  izanai-te  ki-tam.aje-to  tsigiri-te  \  sono  fi-tva 
wakare-nu. 


254  Pfizmaier. 

Der  Kreisvorsteher  gerietli  in  grossen  Zorn  und  rief:  Der  Sclave  hält  mich  zvun 
Besten.  Er  hat  eine  solche  Sache  verfertigt  und  mir  gegeben,  wie  abscheulich!  Diener I 
Nehmet  ihn  gefangen  und  bringet  ihn  her!  —  Doch  die  Diener  waren  das  erste  Mal 
gewitzigt.  Alle  zogen  sich  ein,  und  Niemand  ging.  Der  gastende  Kreisvorsteher  sprach  : 
Ich  weiss  einen  guten  Ilath.  Da  er  auf  seine  Kunstwerke  stolz  ist,  muss  man  liier 
auch  Jemanden  hervorschicken,  der  gegen  ihn  auftreten  kann,  und  ihn  auf  die  Probe 
stellen.  In  meinem  Kreise  befindet  sich  ein  Mann  Namens  Fi-no  kuma-no  Matsu-mitsu. 
Da  er  ein  Künstler  ist,  der  in  diesem  Reiche  seines  Gleichen  nicht  hat,  so  bittet  ihn. 
bringet  ihn  mit  Sumi-nawa  zusammen  und  machet  die  Probe,  Aver  von  ihnen  dem  An- 
deren überlegen  ist.  Wenn  Sumi-nawa  besiegt  wird,  so  nehmet  ihm  die  Werkzeuge  weg, 
dann  stellet  ilir  ihm  das  Zimmerhandwerk  ein,  und  dieses  wird  ilim  zu  unendlicher 
Schande  gei-eichen.  —  Der  Kreisvorsteher  sagte  freudig:  Führet  also  schnell  Matsu- 
mitsu  her.  —  Sia  gaben  sich  das   Versprechen  und  trennten  sich  für  diesen  Tag. 

Itsi-nitsi-wo  sugusi-te  \  tonari-no  gun-zi  fitori-no  tvonoko-wo  i-te  ki-Uu.  Utsi-mire-ha  \  te- 
wono-kubi-nite  \  sai-dzutsi-kasira  nari.  "^  (Fa)--wa  noko-giri-ni  ni-te  |  fana-wa  kana-dzutsi-no 
gotosi.  Gerd  ^  "^  (ten-kotsii)-ioo  je-taru  mitd-no  "^  ^  (siju-tsib)-to-ioa  mije-tari.  Gun-zi 
jorokohi-te  \  ika-de  sumi-naica-ni  oknre-ico  torasete  \  fadzi-misete  tamaje-to  ije-ba  \  matsu-mitsu 
azaivarmi-te  |  ojoso  ame-no  sita-ni  \  onore-ni  masarerit  takiimi  ari-to-mo  ^  (zon)-zi-sbrawazn. 
Sono  sumi-naioa-me  \fajahi  na-iva  kiki-ojohi-te  sbraje-domo  \  imada  tai-men-wa  tsukamatsurazu 
sorb.  0-o-se-naku-to-mo  \  ide-ai-na-ba  \  tsura  fadzi-kakasete  sorai-nan-to  j  kanete  zon-zite  sbraje- 
ba  I  sahcai-no  ivori-nite  shrb-to  \  ivaki-too  kaki-te  iü.  Sara-ba  moro-tomo-ni  tote  \  tsure-datsi- 
te  juku. 

Als  ein  Tag  vorüber  war,  kam  der  benachbarte  Kreisvorsteher  mit  einem  Manne. 
Wenn  man  diesen  betrachtete,  Avar  es  das  Haupt  eines  Holzschlägels  mit  dem  Halse 
einer  Hacke.  Seine  Zähne  hatten  Aehnlichkeit  mit  einer  Säge,  die  Nase  war  einem  eisernen 
Hammer  gleich.  Er  schien  in  der  That  ein  mit  Himmelsknochen  begabter  Aeltester  des 
Weges  zu  sein.  Der  Kreisvorsteher  freute  sich  und  sagte :  Flösset  Sumi-nawa  jedenfalls 
Furcht  ein  vmd  beschämet  ihn.  —  Matsu-mitsu  lachte  spöttisch  und  sagte:  Ich  weiss  nicht, 
ob  es  überhaupt  unter  dem  Himmel  einen  Künstler  gibt,  der  mich  übertrifft.  Dieser 
Sumi-nawa  ist  mir  bereits  dem  Namen  nach  bekannt,  doch  ich  bin  mit  ihm  noch  nicht 
von  Angesicht  zusammengetroffen.  Wenn  ich  auch  ohne  Auftrag  zu  ilun  ginge,  so  weiss 
ich  im  voraus,  dass  ich  ihm  Schande  anhängen  würde.  Es  ist  ein  glücklicher  Augen- 
blick. —  So  sprach  er,  sich  die  Seite  kratzend.  Also  mit  einander!  —  Mit  diesen 
Worten  machten  sie  sich  gemeinschaftlich  auf  den  Weg. 

Sumi-naioa-ga  moto-ni  itari-te  mire-ba  i  kuri-ja-meku  noki-wa  \fanarete  tsukuri-te  \  betsu-ni 
tsi-isaki  ije  tsukuri-te  sumi-u-ori.  Faru-no  koto  nare-ba  \  niwa-no  ki-domo  fana-saki-te  \  ke-siki 
josi.  Sama-de  mono-zuki-seru  ije-i  narane-do  \  ima-mekasi-ku  tsukuri-nüsi-tari.  An-nai  sure- 
ba  I  sumi-naiva  tatsi-idete  —  fig  (itsi-rei)-site  \  tomonai-te  iri-nu.  Tonari-no  gun-zi  snmi- 
nau-a-ni  mukai-te  i-i-keru-iva  \  köre  naru-ioa  \  fi-no  kuma-no  matsii-mitsu  tote  |  ivaga  tsikaki 
tüütari-ni  sumeru  mono  nari.  So-ko-to  waza-U)o  onazi-ü  sure-ba  |  tai-men-ni  iren  tote  \ 
tomonai-ki-tsu-to  ii(. 

Als  sie  zu  dem  Wohnsitze  Sumi-nawa's  gelangten  und  hinblickten,  war  daselbst  ein 
küchenartiges  Vordach  gesondert  angebracht  und  ausserdem  ein  kleines  Haus  gebaut, 
woselbst  er  wohnte.  Da  es  Frühling  war,  blühten  die  Bäume  des  Vorhofes  und  ge- 
währten einen  schönen  Anblick.  Obgleich  es  nach  dem  Anscheine  kein  ausserordentliches 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandekung  in  Japan.  255 

Gebäude  war,  hatte  er  es  neuartig  gebaut.  Als  sie  sich  meldeten,  kam  Sumi-nawa  heraus, 
verbeugte  sich  und  trat  in  ihrer  Gesellschaft  ein.  Der  benachbarte  Kreisvorsteher  sprach 
zu  Sumi-nawa :  Dieser  hier  heisst  Fi-no  kuma-no  JMatsu-mitsu  und  ist  ein  Mann,  der  in 
einem  in  meiner  Nähe  befindliehen  Durchwege  wohnt.  Da  er  dasselbe  Geschäft  betreibt 
wie  du,  so  bin  ich  in  seiner  Gesellschaft  gekommen,  um  ihn  vorzustellen. 

Sumi-naica  sate-iva  |^  ^  ((Jv-sioku)-no  fito-nite  oivasi-si-keru-ga  tote  |  nemjoro-ni  aje- 
sirb.  Säte  sakadzuki  tori-idete  \  ^  ^p|5  (kan-kio)  nani-hakari-no  !  mi-sakana-mo  sorawüne-do  \ 
fito-tsn  kikosi-mesa-haja-to  ije-ha  \  take-tosi  fu-tokoro-jori  |  sitmi-naiva-ga  tsuhiri-taru  sakadzuki 
tori-idete  \  kore-nite  fazimerare-jo  tote  |  maje-ni  su-e-kere-ba\sumi-naiüa  mi-dzukara\^-\-  ^^)^ 
(teo-si)  tori-te  tsugii,.  Take-tosi  me-mo  fanatazu  mamori-xvoru-ni  \  tsune-zama-no  sakadzuki-no 
gotoku  I  koto-7iaru  koto-mo  nasi.  Nomi-icowari-te  j  take-tosi-ni  sasu-wo  \  tori-agure-ba  \  sumi- 
nawa  tatsi-te  tsugu-ni  \  isasaka  sake  kohorezu  |  tsune-no  sakadzuki-ni  tagawazu. 

Sumi-nawa  empfing  ihn  freundlich  mit  den  Worten:  Also  seid  ihr  eiii  Geschäfts- 
genosse gewesen?  —  Er  nahm  einen  Weinbecher  hervor  und  sagte:  In  dem  kalten  Be- 
zirke ist  etwas  wie  ein  Imbiss  nicht  da,  aber  mochtet  ihr  doch  einen  Trunk  zu  eucli 
nehmen!  —  Take-tosi  nahm  jetzt  aus  dem  Busen  den  Weinbecher,  welchen  Sumi-nawa 
verfertigt  hatte,  und  stellte  ihn  mit  den  Worten :  Es  werde  mit  diesem  angefangen !  vor 
ihn  hin.  Sumi-nawa  ergriff  eigenhändig  den  Wärnikessel  und  schenkte  ein.  Take-tosi, 
ohne  ein  Auge  zu  verwenden,  beobachtete  ihn,  docli  es  war  Avie  bei  einem  gewöhnlichen 
Weinbecher,  und  es  ereignete  sich  nichts  Besonderes.  Als  man  ihn  ausgetrunken  hatte 
und  die  ßeihe  an  Take-tosi  kam,  hob  man  den  Becher  empor.  Sumi-nawa  stand  auf 
und  schenkte  ein,  doch  der  Wein  wurde  nicht  im  Geringsten  verschüttet,  und  es  Avar 
nicht  anders  wie   bei  einem  gewöhn liclien  Becher. 

Aje-sirb  ist  so  viel  als  asirb  .bewirthen,   empfangen'. 

Take-tosi  sumi-nawa-ni  mukai-te  \  kono  sakadzuki  saki-ni  okurare-si  toki  \  sake-wo  tsiige- 
ha  I  taisi-matsi  kutsugajeri-te  \  sake-wo  kohosi-nu.  Fi-ga-naru  koto-ni-ka-to  toje-ha  \  sumi-nawa 
ika-de  saru  koto  sbrawan-  |  to  kotajete  \  sora-siranu  kawo-wo  tsukure-ba  \  take-tosi  iü  koto 
naku-te  jami-7ru. 

Take-tosi  sprach  zu  Sumi-nawa :  Zur  Zeit  als  man  tliesen  Becher  brachte  und  er  mit 
Wein  gefüllt  ward,  stürzte  er  plötzlich  über,  und  der  Wein  war  ausgeschüttet.  Ist  dieses 
etwas  Unbegründetes?  —  Auf  diese  Frage  erwiederte  Sumi-nawa,  indem  er  sich  un- 
wissend stellte:  Wie  sollte  dergleichen  geschehen? —  Take-nusi  wusste  nichts  zu  sagen 
und  fragte  nicht  mehr. 

Säte  fito-bito  kawaru-gawaru  fiki-ukete  nomu  fodo  \  matsib-mitsit  susumi-idete  i-i-keru-wa  \ 
fakumi-no  ivaza-iva  \  ije-tsukuru-wo  motte  dai-itsi-to-wa  su-  nari.  So-ko-ni-wa  karakuri-wo  mote  \ 
fito-no  me-ivo  odorokasi-tamb-to  kiku.  Ijo-ijo  sa-jb-ni-ja-  \  to  ije-ba  \  sumi-nawa  utsi-iüarai-te  \ 
no-tamb-ga  gotoku  |  f^  ^  (ki-kuan)-wa  /]>>  j^  (seö-gi)  nari.  Sare-do  ije-wo  tsnkuran 
koto-toa  fanafada  jasusi.  Ika-naru  -j^  Jg_  (tai-ka)  ^  ^  (kb-db)  nari-to-mo  |  magari- 
gane-no  uje-ico  idezare-ba  \  mi-ren-no  fito-mo  joku  kore-v:o  tsukuru.  Ki-kuan-wa  ko-gatana-wo 
motte  sure-domo  \  [^  /^  (kioku-seki)-u-o  fanarete  tsukuri-nasere-ba  \  ^  '^  (sin-zib)-no  ^  X 
(sekkd)-ga  tagui-ira  |  nasi-iiru  koto  kata-karu-besi-to  iü. 

Während  Alle  abwechselnd  an  sich  zogen  und  tranken,  tratMatsu-mitsu  vor  und  sprach  : 
Bei  dem  Geschäfte  des  Zimmermanns  hält  man  den  Häuserbau  für  das  Erste.  Ich  höre, 
dass  ihr  dort  durch  Triebwerke  die  Menschen  in  Erstaunen  setzet.  Ist  dieses  wirklich 
der  Fall?  —  Sumi-nawa  lachte  und  sprach:  Wie  ihr  saget,  sind  Triebwerke  eine  kleine 


256  Pfizmaieu. 

Kunst.  xVbci-  Hilviser  bauen,  ist  überaus  leicht.  Welelie  grosse  Däcliei-  und  hohe  Hallen 
es  aucli  sein  mögen,  wenn  man  über  das  Winkelmass  nielit  hinausgeht,  baut  sie  auch 
der  unerfahrene  Mensch  gut.  Die  Triebwerke  bildet  man  zwar  mit  dem  kleinen  Messer, 
doch  wenn  man  sich  bei  dem  Verfertigen  von  dem  AVinkelmasse  lossagt,  wii-d  es  schwer 
halten,  dass  Leute  von  der  Klasse  der  unwissenden  Zimmeideute  sie  zu  Stande  bringen. 

JS^asi-urn  stellt  füi-  nasi-jeru  ,verrichten  können'. 

Matsii-iiuts/i-ga    iicaku    \   onore-mo    /\^    Jf)    (se6-to)-no    sai-ku-wa    \  ßto-ni    maku-besi-fo-mo 
ohuje-sura(cazu.     Kon-nitsu    koko-ni    ma-iri-te   soro-wa   \   migoto    takumi-no  mitsi-tvo  kurabete 
make-taran   kata-wa   \   kono    notsi   de-si-to  nari-te  \  tsukb-matsuru-hcku  zon-zite  sbrb.     Ika-ni 
kokoro-mite  mi-tamaicau-ja-to  ije-ba  \  simii-naioa-ga  hoakv,  \fito-to  kisiroi-arasowan-wa  j  onore-ga 
konomu  tokuro-ni  shraicazu.     Kono  gi-ni  oi-te-wa  \  jurusi-tamawaru-besi-to  iü. 

Matsu-mitsu  sprach  :  Ich  erinnere  mich  nicht,  dass  ich  in  AVei'ken  des  kleinen  Messers 
von  Menschen  besiegt  werden  könnte.  Ich  bin  heute  hierher  gekommen,  um  hinsichtlich 
des  Wcffcs  des  schönen  Zimmerhandwerk.s  zu  wetteifern.  Ist  es  mein  Loos,  dass  ich 
unterließe,  so  denke  ich,  dass  ich  dann  ein  Schüler  werden  und  euch  dienen  kann. 
Werdet  ihr  den  Versuch  machen  ?  —  Sumi-naAva  sprach :  Ich  liebe  es  nicht,  an  den 
Menschen  mich  zu  reiben  und  zu  streiten.  In  Folge  dieser  Ansicht  könnet  ihr  es  mir 
erlassen. 

Kisirofu  ist  so  viel  als  kisiru  ,sich  reiben'.  Man  sagt  auch  kisirafu. 

Matsu-mitsu   kokoro-ni    omoi-keru-iva    sate-iva  ki-jatsit  \  onore-ni  ojobazaru-ivo  fakari-siri- 
^ß  I  ^  jiM.  (ken-tai)-ni  kakotsukete  ^    -^    (sio-buj-wo  nogaren-to  sit  nari-  \  to  omoi-te  \  mata 
i-i-keru-ioa  |  katstc-tva    kei-ko-no    tame-ni-mo  sbraje-ba  |  fita-stira  tagai-ni  te-nami-no  fodo-tco 
kurabe-taku  so7'b-to  iü. 

Matsu-mitsu  dachte  sich:  Also  erkennt  dieser  Mensch,  dass  er  mich  nicht  erreicht 
und  will,  auf  die  Bescheidenheit  sich  ausredend,  einem  Kampfe  aus  dem  Wege  gehen, 
—  Er  sagte  wieder:  Da  es  mir  einstweilen  um  das  Lernen  zu  thun  ist,  möchte  ich 
tüchtig  in  dem  Masse  der  Geschicklichkeit  wetteifern. 

Futari-no  gun-zi-mo  j  tomo-domo  mojowose-ba  sumi-nawa  sen^kata-naku-te  '  sara-ba 
o-ose-ni  makase-ten.  Nani-goto-ico  nasi-te  \  siu-bu-ifo  sadamu-beki-fo  ije-ba  |  matsti-mitsu  fu- 
iokoro-jori  ki-mote  tsukureru  kani-ivo  tori-idasi-te  i-i-keru-tva  |  kore-wa  onore  ^  ^  (ta-nen) 
omoi-ioo  tswni-te  \  kosiraje-tsukureru  mono  nari-  \  to  i-i-sama  kani-no  fara-naru  tsumami-no 
gotoki  mono-wo  joku  nedzi-te  |  tatami-no  uje-ni  oke-ba  \  kono  kaiii  asi-ico  ugokasi-te  \  fasiru 
koto  I  sa-nagara  iki-taru  mono-no  gotosi. 

Da  auch  die  beiden  Kreisvorsteher  dazu  aufmunterten,  wusste  sich  Sumi-nawa  nicht 
zu  helfen,  und  er  sprach:  Also  soll  es  euch  überlassen  bleiben.  Man  thue  irgend  etwas 
und  führe  die  Entscheidung  herbei !  —  Matsu-mitsu  nahm  aus  dem  Busen  .eine  aus  Holz 
verfertigte  Krabbe  und  sagte :  Dieses  wurde  in  Folge  vieljährigen  Nachdenkens  durch 
micli  hergestellt.  —  Hiermit  drehte  er  stark  einen  an  dem  Bauche  der  Krabbe  befind- 
lichen, einem  Knopfe  ähnlichen  Gegenstand  und  legte  sie  auf  die  Flurmatte.  Diese 
Krabbe  bewegte  die  Füsse  und  lief,  gerade  als  ob  sie  lebendig  wäre. 

Gun-zi-ra  J^  (kiö)-ni  iri-te  fomiore-ba  \  matsu-mitsu  sitari-gawo-site  \  kono  kani-ni  kurabu- 
beki  m.ono  tsukuri-tamawa-b<i  |  mise-tamaje-to  iü.  Sitmi-nawa  ware-mo  mijako-bito-no  pj\  ^ 
(siü-mh)-ni  jori-te  \  kani-ivo  tsukuri-te  sbrb  \  mise-ma-irasen  tote  |  fako  fito-tsu  tori-idasi-te  j 
matsu-mitsti-ga  maje-ni  oki-tsa.  Matsu-mitsu  futa-wo  tore-ba  |  kani  onore-to  odori-idete  fasiru. 
Fito-bito   me-wo    tsukete   mire-ba   |   kono    kani   kabe-tvo  fai-nobori-te  \  aioa-wo  fuki  fasami-tco 


Die  Gescuicute  einku  Seellnwandekung  in  Japan.  257 

age-tsutsn  \  ^  ^  (ten-ziuj-ico  saka-sama-ni  fai-te  |  tsutai-juku.  Sihasi  arl-te  |  mata  kahe-ivo 
tsutai-kudari-te  |  tatanni-no  uje-ioo  fasirio.  Sumi-naica  fako-wo  totte  kani-no  maje-ni  sasi- 
tsukure-ha  \  ivodori-te  fako-no  utsi-je  tohi-iri-tsu.  Säte  futa-v:o  o-oi-te  \  tori-ivosame-kere-ba  1 
futari-no  gim-zi-ra  azami-odoroku  koto  o-o-kata  narazu. 

Die  beiden  Kreis  Vorsteher  hatten  Freude  daran  und  priesen  ihn.  Matsu-mitsu  sprach 
mit  selbstgefälliger  JMiene :  Wenn  ihr  etwas  verfertigt  liabet,  das  mit  dieser  Krabbe 
wetteifern  kann,  so  zeiget  es.  —  Sumi-nawa  sprach:  Auch  ich  habe  auf  den  Wunsch 
eines  Menschen  von  Mijako  eine  Krabbe  verfertigt.  Icli  werde  sie  zeigen.  —  Er  nahm 
ein  Kästchen  hervor  und  stellte  es  vor  Matsu-mitsu  hin.  Matsu-mitsu  hob  den  Deckel 
auf,  und  eine  Krabbe  sprang  von  selbst  heraus  und  lief.  Als  die  Menschen  auf  sie  die 
Augen  hefteten,  kroch  diese  Krabbe  an  der  Mauer  empor,  blies  Schaum,  erhob  die 
Scheeren  und  kroch  mit  dem  Kopfe  nach  unten  an  der  Decke  umher.  Nach  einer  Weile 
stieg  sie  wieder  an  der  ]\Iauer  herab  und  lief  über  der  Flurmatte.  Als  Sumi-nawa  das 
Kästchen  nahm  und  vor  sie  hinstellte,  sprang  sie  flugs  in  das  Kästchen  hinein.  Er 
stürzte  endlich  den  Deckel  darüber  und  hob  sie  auf.  Das  Spotten  und  Staunen  der 
beiden  Kreisvorsteher  war  kein  geringes. 

Azami  steht  für  azakeri  , spotten'. 

Matsu-mitsu  madzu  fazime-no  tahi-ni  \  make-nure-ba  \  sukusi  sekl-men-si-tari-keru-ga  \ 
feranu  tei-nite  i-i-keru-nct  \  karakuri-vxi  /\^  ^E  (^vo-m)-no  mute-asohl  nare-ha  \  tahmri  naru- 
mo  I  jo-7ii  ^  (ju)-nasi.  Kore-ivo  mi-taiaaje  tote  \  kinu-ni  tsutsuml-taru  mono-wo  tori-idete  \ 
utsi-firake-ba  \  bu-gaku-no  ^  f^  ^  (ran-riu-zcbj-no  ^  (meoi)  nari.  Miru-jori  osorosi-ku  \ 
mi-no  ke  jodatsi-te  |  giin-zi-ra  fnta-tabi  omote-ivo  viukezu. 

Matsu-mitsu,  zum  ersten  Male  besiegt,  erröthete  ein  wenig,  aber,  noch  immer  sich 
nicht  ergebend,  sagte  er:  Die  Triebwerke  sind  Spielzeuge  ffir  Kinder,  als  Kunstwerke 
sind  sie  in  der  Welt  unnütz.  Sehet  dieses  hier!  —  Hiermit  nahm  er  einen  in  ein  Tuch 
gewickelten  Gegenstand  hervor.  Als  er  das  Tuch  aufschlug,  war  es  die  Larve  eines 
tanzenden  Lan-ling-wang.  Bei  dem  Anblicke  standen  den  Kreisvorstehern  vor  Furcht 
die  Haare  zu  Berge.     Sie  wendeten  nicht  zum  zweiten  Male  das  Angesicht  hin. 

Sumi-nawa  utsi-mite  |  makoto-ni  joku  tsukurare-tari .  Onore-mo  tawamure-ni  \  saki-ni 
tsakuri-oki-taru  mono  soro  tote  \  kore-mo  kinu-ni  tsutsumi-taru  mono-ico  tori-idete  |  fimo  toki-te 
utsi-akc-tare-ba  |  tada-ima  kiri-taran-to  obojurit  |  tosi  go-ziü  bakari-to  mijuru  |  wonna-no  ka- 
sira  nari.  Nani-to  jaran  \  J^  (tsi)-kusaki  kokotsi  saje  sure-ba  \  gun-zi-ra-iva  |  mi  dani  jara- 
zu  I  anata-u'o  muki-te  zcori.  Matsu-mitsu  fe-ni  tori-age  mite  |  kore-tva  tsukureru  viono-fo-ica 
oboje-soraicazu  |  masa-sikit  ivonna-no  kasira-ni  soraioan.  Idzure-jori  tori-ide-tamai-si  |  ana 
ima-imasi-to  i-i-te  \  sasi-oki-kere-ba  \  sumi-nawa-ga  iwaku  \  moto-jori  ^  fsinj-no  kasira-nite- 
tca  sorawazu  \  onore-ga  tsukureru  tokoro  nari.  Utsi-wa  ntsvro-nite  \  suzu-tco  ire-oki-tare-ba  | 
furi-te  mi-tamaje-to  iü-ni  \  tori-agete  utsi-fnri  mire-ba  |  suzu-no  oto  koro-koro-to  nari-kere-ba  | 
fazimete  tsukureru  mono-to-wa  siri-nu. 

Sumi-nawa  betrachtete  es  und  sagte :  Dieses  ist  wirklieh  gut  verfertigt.  Auch  ich 
habe  scherzweise  früher  einen  Gegenstand  verfertigt.  —  Hiermit  nahm  er  einen  ebenfalls 
in  ein  Tuch  gewickelten  Gegenstand  hervor,  löste  das  Band  und  schlug  das  Tuch  aus- 
einander. Es  war  das  offenbar  eben  jetzt  abgeschlagene  Haupt  eines  dem  Anscheine 
nach  fünfzigjährigen  Weibes.  Da  man  gewisser  Massen  ein  Gefühl  hatte,  als  ob  es  nach 
Blut  röche,  sahen  es  die  zwei  Kreisvorsteher  nicht  einmal  an  und  wendeten  sich  nach 
der   anderen    Seite.     Matsu-mitsu    erhob    es  mit   der  Hand,    sah  es  an  und  sagte:   Dieses 

Di,-nk.-diriften  der  pbil.-Iiist.  Cl.  XXVI.  Bd.  3.S 


258  Pfizmaier. 

sielit  nicht  aus  wie  etwas  Verfertigtes.  Es  wird  wirklich  (la.s  Haupt  eines  Weibes  sein. 
Ihr  habet  es  irgend  woher  genommen,  es  ist  sehr  widerlicli.  —  Hiermit  legte  er  es  aus 
der  Hand.  Sumi-nawa  sprach :  Es  ist  im  Grunde  kein  wirkliches  Haupt,  es  wurde  von 
mir  verfertigt.  Das  Innere  ist  liolil,  und  es  wurden  Glöckchen  hineingehängt.  Schüttelt 
es  und  gebet  Acht!  —  Als  man  es  erliob,  schüttelte  und  Acht  gab,  erklang  der  Ton 
der  Glöckchen.     Jetzt  erst  wusste  man,   dass  es  verfertigt  war. 

Matsii-mitsu  sa-bakari  fari-damasi-i-naru  wonoko  nare-domo  \  kono  sal-ku-ni  odoroki-te  \ 
tote-mo  loare  \  kono  mono-no  kami-ni  tatsi-gatasi-to  omoi-keri.  Säte  i-i-keru-wa  \  kono  ije-wa 
koso  fitori-site  tsukuri-tamajeri-ja  i  foka-ni  tasuke-tsukurerti,  takumi-wo  sorai-ki-ja-to  toje-ba 
sumi-nawa-ga  hcuku  \  ka-hakari  tsi-isaki  ije  ßto-tsu  tsukuran-7ii  |  fito-no  te-tco  karu-beku-inu 
zon-zi-surawazu  |  tadasi  kure-wa  taka-dono-nite  |  tsune-no  ije-ni-iva  sbrawazu-to  iü-wo  \  matsu- 
mitsu  ibukari-te  j  kore-ivo  taka-dono  nari-to  no-tamb-wa  ika-naru  koto-zo-to  tö. 

Matsu-mitsu,  obgleich  ein  Mann  von  so  ausgespanntem  Geiste,  war  über  dieses 
Werk  erstaunt  und  dachte  sich  :  Jedenfalls  ist  es  unmöglich,  sich  Ubei-  diesen  Mann  zu 
stellen.  ■ —  Er  sagte  also  :  Ist  dieses  Haus  von  euch  allein  erbaut  worden,  oder  sind  noch 
Zimmerleute  gewesen,  die  euch  bei  dem  Baue  halfen?  —  Sumi-nawa  erwiederte:  Für 
den  Bau  eines  einzigen,  so  kleinen  Hauses  glaube  ich  nicht,  dass  man  fremde  Hände 
zu  leihen  nehmen  dürfe.  Dieses  ist  aber  ein  Stockwerk,  es  ist  kein  gewöhnliches 
Haus.  —  Matsu-mitsu  Avar  verwundert  und  fragte:  Wie  kommt  es,  dass  ihr  dieses  ein 
Stockwerk  nennet? 

Sumi-naica  tsui  tafsi-te  \  nagesi-meku  tokoro-nl  ari-si  kusahi-ico  fiki-nuki-te  \  sa-ba  go- 
ran-ze-jo-to  iü  fodo-ni  \  kono  ije  ono-dzukara  kamisama-ni  agari-te  \  J^  (tsi)-wo  fanaruru 
koto  — ■  "^  (itsi-zib)  amari-ni  nari-kere-ba  \  niwa-ni  u-e-taru  ko-zu-e-domo-mo  \  §  (me)-no 
sita-ni  niiru  jb-rd  iiari-nu.  Gun~zi-ioa  sara-nari  \  matsn.-mitsu-mo  kimo-ioo  kesi-te  \  aki-taru 
kutsi-ivo  fusagu  mono-mo  nas'i.  Sate-mo  medzurasi-ki  _t.  ^  (zib-zuj-no  takumi  kana-to  fome- 
omojeri. 

Sumi-nawa  erhob  sich  sogleich,  zog  einen  Pflock,  der  sich  an  einer  wie  ein  Quer- 
balken gestalteten  Stelle  befand,  heraus  und  sagte :  Sehet  also !  —  In  diesem  Augen- 
blicke stieg  dieses  Haus  von  selbst  aufwärts  und  war  eine  Klafter  weit  von  dem  Boden 
getrennt.  Auch  die  Spitzen  der  in  dem  Yorhofe  gepflanzten  Bäume  erschienen  vor  dem 
Blicke,  als  ob  sie  sich  unten  befänden.  Nicht  allein  die  Kreisvorsteher,  selbst  Matsu- 
mitsu  wai-  ausser  sich,  und  Keiner  Avar,  der  den  ofienen  Mund  verschlossen  hätte.  In 
Gedanken  sagten  sie  lobpreisend:  O  ein  Künstler  von  seltener  Geschicklichkeit! 

Säte  nani-vo  ^\  (rib)-ni  |  kaku-ioa  tsukuri-oki-tamai-si-to  toje-ba  \  suml-nawa-ga  iicaku  | 
kore-wa  ^  |^  (kua-sa^-wo  nogaren-to-no  tame-nite  sbrb.  Onore-ga  ije  madziosiku-te  fito 
sukunaku  sbraje-ba  kna-sai  aran  tuki  |j§  ^  (teö-do)  i-fuku-no  tagui  \  motsi-fakobu-beki  fito- 
mo  sbrawane-ba  \  rnosi  tsikaki  tokoro-ni  j/C  (fi)  ide-taran  toki-ni-iva  \  kono  ije-ico  tsutsi-no 
utsi-ni  I  ßki-irU'beku  tsukuri-oki-te  sörö.  Kaku  taka-dono-no  jb-ni  \  taka-jaka-ni  \  agari-juku 
jb-ni  I  tsvkuri-sbrb-iva  |  natsti-7io  koro  suzumi  to7'u-beki  tame-ni  \  mbkete  sbrb.  Kono  ije  joru 
nomi  tsukuri-te  atari-tsikaki  fito-ni-mo  \  ka-jb-no  karakuri  mbke-tari-si  koto-wa  \  sirase-mb- 
sazu.  Most  fito  siri-na-ba  \  umsaku  tsadoi-kitari-te  \  iniru  fito  o-o-karu-beku  zon-zi-sbrai-te  \ 
Jörn  nomi  fitori-site  |  totco-ka  bakari-ni  \  tsukuri-tatete  sbrai-ki-to  iü. 

Sie  fragten  ihn:  Zu  Avelchem  Zwecke  habt  ihr  es  so  erbaut?  — Sumi-nawa  sprach: 
Es  ist,  um  dem  Feuerscliaden  zu  entkommen.  Da  mein  Haus  arm,  der  Menschen  Avenige 
sind,  so  sind,  Avenn  eine  Feuersbrunst  entsteht,  keine  Menschen,  Avelche  die  Geräthe,  die 


Die  Geschichte  einek  Seelenwandeiiuno  in  Japan.  259 

Kleider  und  Aehnliches  fortschaffen  könnten.  Ich  baute  daher  so,  dass,  wenn  in  der 
Nähe  Feuer  ausbrechen  sollte,  ich  dieses  Haus  in  die  Erde  hineinziehen  kann.  Indem 
ich  es  so  auf  eine  nach  Art  eines  Stockwerkes  hoch  emporgehende  Art  baute,  sorgte 
ich  dafür,  dass  ich  zur  Sommerszeit  Kühlung  habe.  Indem  ich  dieses  Haus  nur  in  der 
Nacht  baute,  machte  ich  es  den  Menschen  nicht  zu  wissen,  dass  ich  ein  solches  Trieb- 
werk hergestellt  habe.  AVenn  die  Menschen  es  wiissten,  würden  sie  auf  belästigende 
Weise  sich  ansammeln  und  herkommen.  Denkend,  dass  die  Menschen,  welche  es  an- 
sehen, viele  sein  könnten,  baute  ich  nur  in  der  Nacht,  ganz  allein  und  führte  es  in 
zehn  Tagen  auf. 

Sate-mo  ^  (kio)-arit  koto-ni  koso  sbraje  \  sara-ha  \  juri-sagete  mise-tamaje-to  iü-ni  \ 
■<it.mi-naica  fitori  taka-dono-wo  ori-te  |  nani-goto-ivn  suru-ni-ka  aran  sibasi  ari-te  \  sa-ha  fiki- 
sagete  mise-tate-matsuran-to  iü-jori  \  mata  konu  tuka-dono  sidzuka-ni  sagarl  mote-jitki-te  \ 
tsutsi-no  utsi-je  im  koto  — ■  ^  (itsi-dzib)  bakari-site  todomari-mi.  Makoto-ni  toko-jami- 
iiite  I  inisi-je-nu  '/\^  ^  (kekkijo)-to  iü  mono  \  kakaru-ni-ja-to  oboje-keri.  Säte  mata  juri- 
uqoki-te  agari-juku  jv-ni  mije-si-ga  \  jagate  tsune-sama-no  ije-to  \  ßtnsi-h'  nari-nu. 

Sie  sagten :  Es  sei  zu  unserem  Vergnügen !  Zeiget  uns  also,  wie  ihr  es  herab- 
beweget! —  Suiui-nawa  stieg  allein  von  dem  Stockwerke  herab,  machte  sich  etwas  zu 
thun  und  sagte  nach  einer  Weile:  Ich  werde  euch  jetzt  zeigen,  wie  ich  es  herabziehe.  — 
In  diesem  Augenblicke  senkte  sich  das  Stockwerk  wieder  langsam  herab,  drang  eine 
Klafter  tief  in  die  p]rde  und  stand  still.  Man  glaubte  wirklich,  die  ewige  Finsterniss, 
das  Wohnen  in  Höhlen  in  alter  Zeit  war  vielleicht  so  beschaffen.  Es  schien  dann  als 
ob  es  sich  Aviedor  heraufbewegte,  und  es  war  sofort  mit  einem  gewöhnlichen  Hause 
gleich. 

Älatsu-mitsu  kash'a-ico  tatami-ni  utsi-tsukete  \  onore  ^  ^.  (tsi-e)-asakth  \  kim.i-ga  "Q" 
(ßaku)-ga  — ■  (itsi)-ni  tarazaru  "^  (saje)-ioo  motte  \  kore-made  usiro-guto  mosi-te  sosiri- 
inuse-si-iva  |  tsumi  nogaren-ni  tokoro-nakit  oboje-sorh.  Ima-jori  nagakrt  on-de-si-to  nari-te  | 
mitsi-no  f^  ^  (siju-gio)  tsukainatsuri-tuku  sbro-to  in.  Sumi-nawa  utsi-ioarai-te  |  onore 
fito-ivo  wosiurii  bakari-no  yf  ^  (sai-kaku)-iüa  sorawane-do  |  sika  no-tamb  uje-tva  \  i^atori- 
akirame-taru  fodo-no  koto-wa  \  ivosije-tate-matsuri-ten-to  in. 

Matsu-mitsu  legte  das  Haupt  auf  die  Flurmatte  und  sagte:  Ich  von  Verstand  seicht, 
mit  einer  nicht  für  ein  Hundertel  derjenigen  des  Gebieters  genügenden  Begabung,  habe 
bis  jetzt  Worte  hinter  dem  Iliicken  gesprochen  und  gesclimäht,  ich  Aveiss,  dass  es  nichts 
gibt,  inn  dieser  Schuld  zu  entkommen.  Ich  will  von  nun  an  ewig  euer  Schüler  sein  und 
die  Ordnung  des  Wandels  des  Weges  euch  darbieten.  —  Sumi-nawa  lachte  und  sprach: 
Ich  besitze  zwar  nicht  die  Einsicht,  um  Menschen  belehren  zu  können,  doch  in  Betracht, 
dass  ihr  so  sprechet,  werde  ich  so  viel  als  ich  dui-cli  meine  Erkenntniss  aufgeklärt 
habe,    euch    lehren. 

Saje  steht  fiir  "^   sai  , Begabung'. 

Gun-zi  take-tosi-mo  \  fazime-wa  nikumi-te  kitari-keru-ga  |  sumi-nawa-ga  tvaza-no  takumi- 
aaru-ni  |  kokoro-ivorete  \  makoto-ni  \  /^  J^  (bon-nin)-ni-wa  arazari-keri  tote  sita-wo  maki-te- 
zo  kajeri-keru.  Kore-jori  notsi  sumi-naica-ga  na  \  ijo-ijo  jo-ni  fiblki-te  \  fito  siranu  mono  na- 
kari-keru-to-zo . 

Der  Kreisvorsteher  Take-tosi  war  anfänglich  mit  Groll  im  Herzen  gekommen. 
Angesichts    der    Kunstfertigkeit    Sumi-nawa's    war    sein    Sinn    gebrochen,    und    er    sagte : 


2G0  Pfizmaikk. 

Es  \v;ir  in  der  Tliat  kein  gewölmlieher  Mensch.  —  Er  kehrte  kleinlaut  zurück.  \  on 
nun  an  hallte  der  Name  Sumi-nawa's  in  der  Welt  immer  melir  wiedei-,  und  es  war 
Niemand,   der   ilin   nielit  kannte. 


Der    Berg    Fo-rai. 

Sore-jori  mafm-mitsu-n-a  \  sumi-nawa-ga  mutu-ni  loori-te  \  sorio  m.itn-no  oku-aru  koto- 
domo-wo  I  narai-te  |  {{j^  ^  (ta-zi)-naku  tanomi-te-zo  tsukaje-keru.  Aru  fi  sumi-nawa  ^  ^^ 
(rib-sai)-wo  Jen  tote  \  matsu-mitsu-ico  tomonai-te  \  jama-ni  iri-kcru-ni  \  mitsi-ni  majoi-te  | 
jama-dzi  fukaku  wake-iri-keru-m  \  kiri-kisi  soha-datsi-te  \  simo-xoa  =^  ifjf]  (sen-zinj-mo  aran- 
to  oboje-tam  \  tani  aru  tokoru-nl  ide-nu.  Mukai-no  küi-ica  \  wadzuka-ni  H  [t9  (san-genj- 
bakari  fedate-tare-do  \  ■watari-jitku-beki  mitsi-mo  nasi. 

Von  nun  an  wohnte  Matsu-mitsu  bei  Sumi-nawa.  Die  verborgenen  Dinge,  welche 
dessen  AVeg  hesass,  lernend,  wünschte  er  nichts  anderes  und  diente  ihm.  Eines  Tages 
o-ing  Sumi-nawa,  um  gutes  Nutzholz  zu  erhalten,  in  Begleitung  Matsu-mitsu's  in  das 
Gebirge.  Sie  verirrten  sich,  und  während  sie  auf  Bergwegen  tief  in  die  Wälder 
drano-en,  kamen  sie  au  einem  Orte,  wo  ein  abgeschnittenes  Felsenufer  steil  zur  Höhe 
rao-te  und  unten  ein  dem  Anscheine  nach  vielleicht  tausend  Klafter  tiefes  Thal  sich 
befand,  hervor.  Das  gegenüberliegende  Felsenufer  war  kaum  drei  Ken  '  entfernt, 
doch  es  war  kein  Weg,   um  hinüber  zu  gelangen. 

Sikaru-ni  mukai-no  kisi-ni  \  tosi-wo  fe-taru  maki-vo  ki  tateri.  Kare-ico  kiri-tori-taran- 
ni-iva  I  kore-ni  maseru  ^  :/f  (riv-zai)  arazi-to  \  inaisu-mitsu-ga  ije-ha  \  sumi-naii-a  geni  zcare- 
mo  sa  omojeri.  Ide  kono  tani-ni  fast  ^dsi-watasi-ten  tote  \  viatsu-initsu-ni  owase-taru  tsutsumi 
tori-te  I  ßki-toke-ba  \  naka-ni  kuda-no  jb  naru  mono  \  ihi-ra-to-m.o  nakit  ire-oki-tari.  Sore-wo 
tsugi-aimse-tsure-ba  \  fasi-go-no  jb  naru  katatsi-to-wa  nari-nu.  Sumi-nawa  kano  fasi-go  jb- 
no  mono-wo  tori-te  mukai-no  tani-jc  mukete  fasi-no  kata-wo  nage-kere-ba  \  fito-tsii-no  kake- 
fasi-to-wa  nari-keri.  Ware-ni  tsudzuki-fe  imtaru-besi-to  ije-ba  \  matsu-mitsu  siri-ni  tatsi-te 
juku-ni  I  o-o-kata  aja-uki  koto  nasi.  Geni  jama-dzi-ni-wa  \  kakaru  mono  koso  ^  (j6)-iüo 
nasi-kere   tote  \  maisii-m.itsu  ijo-ijo  sumi-nawa-ga   ^    ^    (jd-i)-wo-zo  forne-keru. 

Indessen  stand  auf  dem  gegenüber  liegenden  Felsenufer  ein  alter  Eibenbaum. 
Matsu-mitsu  sprach :  Wenn  wir  ihn  fällen,  so  haben  wir  kein  besseres  Nutzholz  als 
dieses.  Sumi-nawa  sprach :  Dieser  Meinung  bin  icli  auch.  Wohlan !  \\'ir  werden  über 
dieses  Thal  eine  Brücke  schlagen.  —  Hiei-mit  nahm  er  einen  Bündel,  den  er  von  Matsu- 
mitsu  auf  dem  Rücken  tragen  Hess,  und  löste  ihn  auf.  Es  waren  in  demselben  röhren- 
artige Gegenstände  in  unbestimmter  Anzahl  hineingelegt.  Als  er  diese  zusammenfügte, 
erliielten  sie  eine  Gestalt  von  der  Art  einer  Leiter.  Sumi-nawa  nahm  diesen  leiterartigen 
Gegenstand,  kehrte  gegen  das  vor  ihm  liegende  Thal  und  warf  das  eine  Ende  hinüber. 
Es  wurde  daraus  eine  Hängebi-ücke.  Er  sprach:  Man  kann  mii-  nachfolgen  und  hinüber- 
gehen. —  Matsu-mitsu  erhob  sich,  schritt  hin  und  es  war  im  Ganzen  keine  Gefahr. 
Er  saffte  :  Wahrlich,  auf  Bero-wee:en  kann  man  eine  solche  Sache  verwenden.  —  Er 
pries   die   Umsicht   Sumi-nawa's   noch    mehr. 

Säte  utsi-icatari-te  \  kano  maki-no  moto-ni  itari-keru-ni  |  amari-ni  tsukare-tare-ba  \  si- 
hasi   ki-no    ne-ni   siri-utsi-kakete   \  jasumu  fach  \  kanata-nite  fuje-no  ko-e-su    nari.     Kakaru 


'  Ein  Ken  ist  sechs  Schuh   fünf  Zoll. 


Die   Geschichte  einek  Seelenvvanderung  in  Japan.  261 

ini-jama-ni  nani-mono-ka  ij'i-kltari-kcn  tote  \  ajasind-mire-ha  |  kiisa-kari-irarau-a-uo  |  totco- 
bakari  naru-ga  |  kago-wo  se-ni  oi-te  |  fuje  fiiki-narasl-tsutsu  k.itari.  Suiid-iiawa-icu  mite  \  so- 
ko-ica   kono    kimi-no    takumi-to    kikoje-taru    i-na-he-no    sumi-nawa-misi-ni    oicasuDi-ni-ja-to    in. 

Als  sie  hinüber  gegangen  Avaren  und  zu  dieser  Kibe  gelangten  ,  waren  sie  äusserst 
ermüdet.  Sie  setzten  sieh  eine  Weile  auf  die  Wurzeln  des  Baumes  und  ruhten  aus,  als 
dort  eine  Flöte  erklang.  Als  sie,  sich  wundernd,  dass  in  ein  so  tiefes  Gebirge  Jemand 
gekommen  sein  mochte,  hinblickten,  kam  ein  etwa  zehnjähriger  grasmuhender  Knabe, 
auf  dem  Rücken  einen  Korb  tragend  und  die  Flöte  blasend,  dalier.  Als  er  Sumi-nawa 
sah,  sagte  er:  Seid  ihr  der  in  diesem  Reiche  als  Kfinstlcr  berühmte  Herr  I-na-be-no 
Sumi-nawa? 

Sumi-nawa  kakaru  waraiva-no  \  ika-de  loaga  na-ico  siri-taru-naran-to  \  fa-si-gi  nagara  | 
sika-nite  sorh-to  ije-ba  \  icarawa-ga  iwakn  |  kono  oku-jama-ni  smnerih  fifo-ari.  So-ko-wo 
>nat.<ti-tamb  koto  fisasi.  Keo  koko-ni  iri-kitari-tamawan-nare-ba  j  onore-ni  madza-  juki-mnkai- 
te  I  sono  josi  sirase-tate-matsure-to  |  no-tamai-ki  tote  \fuje-7io  siri-site  \  kono  mitsi-jori 
worete  jiiki-tamawa-ba  \  tada  kasiko-ni  itari-tamai-nan.  Onore-tva  kusa-wo  kiri-te  notsi  \  ato- 
jori  ma-iran-zure-ba  \  tomonai-juki-gatasi-to  iü.  Siimi-naiva  kokoro-jezare-ba  \  sono  ai-min-to 
no-tamh  fito-tca  \  ika-naru  o-kata-ni-ka-to  toje-ba  |  warawa  madzu  kasiko-ni  juki-te  |  sono  si- 
sai-ica  toicase-tamaje-to  \  i-i-sasi-te  \  matn  fnje  nisi-fuki-tsutsn.  jama-wu  kojete  juki-nu. 

Sumi-nawa,  staunend,  dass  ein  solcher  Knabe  seinen  Namen  kannte,  erwiederte:  So 
ist  es.  —  Der  Knabe  sagte:  Es  ist  ein  Mensch,  der  in  diesem  tiefen  Gebirge  wohnt. 
Er  erwartet  euch  sclion  lange.  Da  ihr  heute  hierherkommen  wolltet,  sagte  er  mir,  ich 
möchte  früher  euch  entgegen  gehen  und  dieses  euch  zu  wissen  thun.  Wenn  ihr  bei 
dem  Naclihall  der  Flöte  auf  diesem  Wege  herabsteiget  und  weiter  gehet,  werdet  ihr 
gerade  dorthin  gelangen.  Ich  werde ,  nachdem  ich  das  Gras  gemäht  habe,  nach  euch 
hinkommen,  es  ist  unmöglich,  euch  zu  begleiten.  —  Sumi-nawa,  dieses  nicht  verstehend, 
fragte:  Wer  ist  dieser  Mensch,  welcher  sagt,  dass  er  mich  empfangen  werde?  —  Der 
Knabe  sprach:  Gehet  zuerst  hin  und  fraget  um  den  Grund.  —  Hiermit  überstieg  er, 
wieder  die  Flöte  blasend,  den  Berg  und  zog  weiter. 

Matsu-mit<u-gn  iicakn  \  kakaru.  '^  [Xj  (sin-zan)-ni  \  fito  s/nmi-beki  db-ri  nasi.  Jtsi- 
dzih  -j^  \  (sen-nin)  nado  iü  mono  naru-besi-to  iü.  Nani-ni-mo  are  \  iza  juki-te  min  tote  j 
s/irni-naica  saki-ni  tatsi-te  jidm.  Tokoro-dokoro-ni  kuma  o-o-kami  nado  i-tare-do  |  mina  mimi 
'co-ico  tareie  |  niiikb  koto  nasi.  Säte  Javia-^vo  nobori  \  tani-ioo  kojete  jaku-ni  \  matsu  kaje 
sigeri-taru  naka-ni  |  o-oki-naru  f^  (ino)))  miju.  Tsikadzuki-te  mire-ba  \  to-bira-ica  ko-gane- 
ico  nobete  tsuknri-te  |  kawara-iva  tama-tvo  motte  fuki-tari. 

Matsu-mitsu  sprach:  Dass  in  einem  so  tiefen  Gebirge  Menschen  wohnen  können,  ist 
niclit  in  der  Ordnung.  Es  müssen  Wesen  sein,  welche  man  unsterbliche  Menschen 
nennt.  —  Sie  sagten:  Wie  es  auch  sei,  wir  werden  hingehen  und  sehen.  —  Sie  erhoben 
Mcli,  Sumi-nawa  voran,  und  ffine'en  weiter.  Hier  und  dort  waren  Bären  und  \\<')lfe.  doch 
alle  Hessen  Schweif  und  Ohren  hängen  und  traten  nicht  in  den  Weg.  Indess  sie,  Berge 
ersteigend  und  Thäler  durchschreitend,  dahinzogen,  zeigte  sich  endlich  zwischen  blätter- 
reichen Fichten  und  Pistazienbäumen  ein  Thor.  Als  sie  nahe  kamen  und  es  betrachteten, 
waren  die  Thorflügel  aus  gedehntem  Golde  gebildet,  statt  der  Ziegel  war  das  Dach  mit 
Edelsteinen  gedeckt. 

Sumi-nawa  matsu-mitsu-to  tomo-ni  odoroki  mite  j  kono  [JL|  Fp  (san-tsiü)-ni  kakaru  ?je-i 
'vi-to-mo  kiki-ojobazn  tote  |  utsi-nagamc-i-taru-ni  |  to-bira  uno-dzukara  firaki-te  \  oh'ina-no  itaku 


2(32  Pfizmaier. 

ui-tnrii-fo  niijurii-ga  ide-kitari.  Suiiii-nmca-ni  untkai-tc.  \  ariizi-tsu  dono-wo  matsi-tamajeri  \ 
iza  tote  \  tnUsi-hiki-te  Iru.  Nani-to  jara  osorosi-ki  kokotsi-sure-do  |  mitsi-hikw  mama-ni  ftlfaf/ai- 
te  ire-ba  |  Pf?  P^  (tsm-mon)  ari  \  suno  ^  J^  (bi-rei)-naru  koto  |  iü-beo-mo  arazu.  Matsu- 
■mitsu-iro-ba  \  koko-ni  ari.-te  mntsu-be.si-to   i-i-te  |  snmi-nawa  bakarl-too  tomonai-te  iri-nu. 

Sumi-nnwa  und  Matsu-mitsu  blickten  beide  erschrocken  bin  und  sagten:  AVir  haben 
nicht  gehöi-t,  dass  sirh  in  diesem  Gebirge  ein  sokdies  Haus  befindet.  —  Während  sie 
in  die  Ferne  blickten,  öffneten  siel:  die  Tliorilügel  von  selbst,  und  ein  dem  Anscheine 
nach  hochbetagter  Greis  trat  hiM-aus.  Derselbe  Avendete  sich  zu  Sumi-nawa  und  sagte: 
Der  Gebieter  erwartet  euch.  AVohlan!  —  Hiermit  zeigte  er  den  Weg  und  trat  ein.  Was 
für  ein  Gefühl  von  Furcht  sie  auch  haben  mocliten,  sie  folgten  dem  Führer.  We'i  dem 
Eintritte  zeigte  sich  ein  inneres  Thor,  dessen  Schönheit  unaussprechlicli  war.  Er  hiess 
Matsu-mitsu  hier  warten  und  trat,  Sumi-nawa  allein  begleitend,  ein. 

Ide-i-to  obosi-ki  tokoro-ni  ^  (za)-site  ivore-ba  \  oku-no  kata-jori  kutsu-no  oto-site  ide- 
kuru  fito  ari.  Kasira-ivo  agete  mire-ba  \  kami  fige-wa  siro-gane-no  fari-tvo  u-e-taru  gotoku 
mijure-do  |  kanbase-wa  fatatsi-bakari-no  fito-no  gotusi.  Kitroki  kafuri-ni  ake-no  koromo-wo  ki- 
fari.  So7io  sama  bon-nin-to-züa  mijezare-ba  sumi-nawa  sozoro-ni  kasira-ioo  sagete  ^  (faij-su. 
Aruzi  sinni-naiva-ga  soba-tsikaku  za-site  \  nandzi  osoruru  koto  nakare.  Kono  tokoro-ioa  ^  '^^ 
(tö-kaij-no  ^  ^  jJj  fö-rai-san  nari.  Jo-no  tsune-no  fito-wa  \  kitari-itaru  koto  ataioazare- 
do  I  nandzi    fjlj    ^    (sen-jen)  aru-ni  jori-te  keo  koko-ni  midcaje-tsii-to  iü. 

Dieser  blieb  an  einem  Orte,  welcher  der  obere  Sitz  zu  sein  schien,  sitzen,  als  aus 
dem  Inneren  Schulie  knarj-ten  und  ein  Mensch  hereinkam.  Als  ei-  das  Haupt  erhob  und 
hin  blickte,  sahen  dessen  Haupthaare  und  Bart  aus,  als  ob  silberne  Nadeln  gepflanzt 
wären,  jedoch  sein  Angesicht  war  gleich  demjenigen  eines  zwanzigjährigen  Menschen. 
Er  trug  eine  schwarze  Mütze  und  war  mit  einem  hellrothen  Kleide  bekleidet.  Da  er 
keinem  gewöhnlichen  Menschen  gleich  sah,  senkte  Sumi-nawa  unwillkürlich  das  Haupt 
und  grüsste  ihn.  Der  Gebieter  setzte  sich  nahe  zu  Sumi-nawa  und  sprach:  Fürchte  dich 
nicht.  Dieser  Ort  ist  der  in  dem  Ostmeer  liegende  Berg  Fo-rai.  Den  gewöhnlichen 
Menschen  ist  es  zwar  nicht  vergönnt,  hierher  zu  gelangen,  doch  weil  du  Verwandtschaft 
mit  den  Unsterblichen  hast,  kam  ich   dir  heute  hier  entgegen. 

Sumi-naioa  ijo-ijo  odzi-kasikomari-te  wore-ba  \  do-zi-ra  sake  kuda-mono  nado-wo  |  te-goto- 
ni  tadzusaje-idete  \  sumi-nawa-ga  maje-ni  su-e-oku.  Aruzi  tsubo-wo  jubi-sasi-te  ijeru-wa  \  korc- 
wa  nin-gen-ni  iwajuru  \  ^  ^  ^  ^  (fu-zi-fu-ro)-no  fll|  |^  (sen-jaku)  nari.  Nandzi 
'/'ppai-wo  nomu-besi-to  iü-ni  \  sumi-nawa  osorosi-ku-mo  \  uresi-kn-te  \  sakadzuki-ivo  tore-ba  \  dö- 
zi  tsubo-tvo  kata-mukete  tsugu.  Kutsi-ni  josure-ha  sono  ^  ^  (kh-ki)  taje-ni-site  j  nin-gen- 
no  sake-ni  koto-nari.  Nomi-icowari-nure-ba  \  ;\j>  fl|  (sin-zin)  si-zen-to  sawajaka-ni  nari 
tai  karoku   nari-te  \  sa-nagara    fll|    (sen)-to  nareru  kokotsi-seri. 

Während  Sumi-nawa  immer  mehr  Furcht  hatte,  brachten  Knaben  in  jeder  Hand 
Wein  und  Früchte  und  stellten  sie  vor  ihm  hin.  Der  Gebieter  zeigte  nach  einem  Topfe 
und  sprach:  Dieses  ist  das,  was  von  den  Menschen  das  den  Unsterblichen  gehörende 
Arzneimittel  des  NichtSterbens  und  Nichtalterns  genannt  wird.  Du  kannst  einen 
Becher  davon  trinken.  —  Sumi-nawa,  erschrocken  und  erfreut,  ergriff  den  Becher,  ein 
Knabe  neigte  den  Topf  und  schenkte  ein.  Als  er  es  an  den  Mund  brachte,  war  es  von 
ausgezeichnetem  Wohlgeruch  und  von  dem  Weine  der  Menschen  verschieden.  Nachdem 
er  ausgetrunken,  ward  sein  Geist  von  selbst  aufgeweckt,  sein  Körper  leicht,  und  er 
hatte  das  Gefühl,  als  ob  er  eben  ein  Unsterblicher  würde. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandehung  in  Japan.  263 

Ariizi  ijtru-ioa  \  nandzl  S  f|l|  (sin-sen)-to  naran-ni-ioa  \  ima  sitsi-ziü-nen  suguru-wo 
matsu-hesi.  Tadasi  nundzi-ga  takumi-no  mitsl-ni  kasikoki-ni.  me-dete  j  kakn  jobi-mukaje-tari. 
li^o-joi-ivo  sugusi-na-ba  \  nandzi-wo  kajesu-besi.  Madzu  konata-ni  kitare-to  i-i-te  \  sumi-naioa- 
wo  izanai-te  \  niiva-ni  ori-te  |  tsi-isaki  kado-wo  akete  \  — ■  K^  (ittsib)-^hakari  juke-ba  \  kasiko- 
ni  fito-tsu-no  kado  ari-te  |  loono-no  oto  |  7iokogiri-no  ko-e  kasimasi-ku  kikoju.  Mitsi-biku  mama 
iri-te  \  mire-ba  sen-nin  amata  atsumari-te  |  ^  '^  (sai-vioku.)-wo  afsukai-te  ivuri  ]  sumi-nawa 
kure-wa  nani-no  ^\  (riuj-ni  mru-ka-to  foje-ba  |  arazi  ijeraku  \  f|l|  ^  (sen-km)-ifa  fazime 
tsiikurerii  mama-ni  \  f^  ^  (jei-sei)  ^  p^  (fn-kiH)-iiHe  \  taukuri-kafurii  kotu-ica  nasi. 
Kore-wa  '^  Y  (gen-gen)-kuo-tei-  '^  (mei)  ari-te  |  nanigasi-ni  o-osete  kono  tabi  fo-rai-  "^ 
(kiü)-no  ^ij  ^  (betsu-den)-ioo  inoke-tsukurase-tamh  nari.  Joku  me-wo  todomete  |  ßfo-bito-no 
]^    ^^    (siu-aaj-ico  mi-tsu-besi-to  wosiü. 

Der  Gebieter  sprach:  Um  ein  walirer  Unsterblicher  zu  werden,  müsstest  du  hier 
über  siebenzig  Jahre  warten.  Nur  aus  Achtung  vor  deinem  Wege  der  Kunstfertigkeit 
und  darüber  erfreut,  habe  ich  dicli  auf  diese  Weise  gerufen  und  bin  dir  entgegen- 
gegangen. Wenn  du  diese  Nacht  verbracht  hast,  werde  ich  dicli  zurückscliicken.  Früher 
komm'  hierher!  —  Hiermit  führte  er  Sumi-nawa  zu  dem  Vorhofe  hinab  und  öffnete  ein 
kleines  Thor.  Als  sie  eine  Strassenlänge  weit  fortgegangen  waren,  befand  sich  dort  ein 
Thor,  und  man  horte  den  Ton  der  Aexte  und  das  lärmende  Greräusch  von  Sägen.  Als 
er  hereingeführt  wurde  und  hinblickte,  waren  viele  unsterbliche  Menschen  versammelt 
und  bearbeiteten  Nutzholz.  Er  fragte,  zu  welchem  Zwecke  dieses  geschehe.  Der 
Gebieter  sprach:  So  wie  der  Palast  der  Unsterblichen  anfänglich  gebaut  wird,  bleibt  er 
die  ewigen  Geschlechtsalter  hindurch  unvei'gänglich,  und  man  baut  ihn  nicht  um.  Hier 
erging  der  Befehl  des  Kaisers  Gen-gen ,  er  gab  mir  den  Auftrag  und  lässt  diessmal 
durch  mich  eine  besondere  Vorhalle  des  Palastes  von  Fo-rai  herstellen.  Du  kannst  die 
Augen  fest  darauf  richten  und  das  Werk  der  Menschen  sehen,    —    So    belehrte    er    ihn. 

Tsukitri-kafuru  steht  für  ts/datri-kajuru  ,uinbauen'. 

Sitmi-nawa  ittsi-mamori-miru-ni  |  subete  nin-gen-ni  stiru  tokoro-to-iva  koto-nite  \  y^  yj  (zin- 
i-iki)-rdte  tsukuran-ni-ica  |  fi-goro-wo  fu-beki  mono-ico-vio  \  tomi-ni  tsukuri-idaseru  sama  bon- 
bi(-riu  ojobu-beki-ni  arazu.  Snrai-naira  idsi-miru  aida-ni  \  ijo-ijo  mitsi-no  -^  f^  (h-gi)-tco-zo 
kiwame-keru.  Subete  koyio  amata-no  fll]  \  (sen-nin) -tatsi  \  aruzi-no  okina-no  wosije-no 
mama-ni  \  okonai-te  \  jorodzu  .somiiku  koto-naku  |  mata  kore-wo  vjamo  koto-mo  fanqfadasi- 
kere-ba  |  kono  aruzi  \  nami-nami-no  se7i-nin-ni-iüa  owase-zi-to  omoi-jori-nu. 

Sumi-nawa  beobachtete  sie.  Anders  als  dieses  bei  dem  Menschengeschlechte  der 
Fall  ist,  brachten  sie  das,  wozu  man  bei  dem  Arbeiten  mit  Menschenkraft  Tage  brauchen 
würde,  eilends  hervor,  ein  gewöhnlicher  Mann  konnte  es  nicht  erreichen.  Indem  Sumi- 
nawa  dieses  sah,  erschöpfte  er  immer  mehr  die  tiefe  Weise  des  Weges.  Diese  vielen 
unsterblichen  Menschen  handelten  sämmtlich  nach  der  Weisung  des  Greises,  ihres 
Gebieters,  und  es  gab  keine  Art  von  Widersetzlichkeit.  Da  sie  ihm  ferner  überaus 
grosse  Ehrfurcht  bezeigten,  war  der  Gedanke  nahe,  dass  dieser  Gebieter  kein  einfacher 
unsterblicher  Mensch  von  dem  Range  der  übrigen  sei. 

Säte  tsure-datsi-te  \  so-ko-ioo  idete  vioto-no  /Y>  f^  (se6-mon)-wo  iri-keru-ni  \  dö-zi  aica- 
tadasi-ku  fasiri-ki-te  aruzi-ni  mukai-te  \  kua-kiü-no  mesi  ari  \  tote  ma-iri-tamaje-to  ije-ba  \ 
aruzi  rjl  M-  (kin-fnku)-ioo  aratamete  \  idete  jukan-to  site  \  sumi-naica-ni  mukai-te  \  omo-ni 
nandzi  u-e-taru-besi.  fllj  ^  (Sen-kai)  nin-gen-to  onazi-karane-ba  \  '^  ^  (sioku - zen) - ico 
mbkuru    koto    nasi    tote  \  do-zi-ni   ^    fmeij-zite  |  niwa-nani,   ^    i^   (rei-si)-wo   f ori-te  \  stimi- 


2G4  Pfizmaieu, 

nawa-ni  ataje  |  ivare  kajeri-kitnru  inade  |  koko-ni  ari-te  matsu-besi-io  i-i-fe  |  nodoka-ni  njinii/'- 
te-zo  ide-juki-keru. 

Als  er  endlich  mit  ilim  den  Ort  verliess  und  in  das  früliero  kloine  Thor  trat,  lief 
-ein  Knabe  in  Hast  herbei  und  sagte  zu  dem  Gebieter:  Es  ergeht  eine  dringende 
Berufuno-.  Mö2,-et  ihr  hinkommen!  —  Der  Gebieter  wechselte  das  Kleid,  trat  heraus 
und  sagte,  im  Begriffe  fortzugehen,  zu  Sumi-nawa:  Wie  icli  glaube,  wirst  du  hungerig 
sein.  Da  es  in  der  "Welt  der  Unsterblichen  nicht  wie  bei  dem  Menschengeschlechte  ist, 
kann  man  keine  Speisen  aufstellen.  —  Er  befahl  einem  Knaben,  das  in  dem  Vorhofe 
wachsende  Li-tschi  zu  pflücken  vmd  es  Sumi-nawa  zu  geben.  Er  sagte  noch:  Warte  hier, 
bis  ich  zurückkomme!  —  Hiermit  ti'at  er,   ruhig  einherschreitend,  hinaus. 

Sumi-nawa  kono  rei-si-wo  kui-miru-ni  |  "U"  ^  (kan-b/)-iian(  kofo  \  tagid-nasi.  Matsu- 
mitsu-ni-mo  kure-ivo  je-sasc-ran-to  ovwi-te  \  tsiü-mon-no  kata-je  |  ajumi-te  idzuru-ni  \  matsii- 
initsU'iva  matsi-i-taru  fodo  \  umi-tstdcarete  |  su-no  ko-no  kata-ni  jori-te  \  ßdzi-makio7'a-sife 
nefuri-i-tari.  Sumi-nawa  se-wo  utsi-te  jobi-samasi-te  \  kono  tokoro  nin-gen-to  onazi-karazu 
mu-rai-wo  sti-be-karazic-to  ije-ba  |  matsu-mitsu  ^  Ä  (fu-ki6)-ge-naru  omo-motsi-site  |  sen- 
nin-wa  mono-wosimi-suru  mono-ni-ja.  Koko-ni  kitari-te  fida-toki  amari-ni  nari-nure-do  \  fito- 
nigiri-no  i-i-wo  dani  atajezu.  Kono  ije-no  tsukii,ri-zama-wo  mire-ba  \  takara-ni  tomer  it.  ije 
naru-beki-wo  |  wadziika  - — ■  i(^  (itsi-ivanj-no  i-i-wo  dani  wosimeru-u-a  (  kokoro-nasi-no  kata-i- 
ni  koso  are.  Waga  ^jjj  (si)  toku  kajeri-tamaje-to  ije-ba  |  sumi-nawa  ■^Ij  (sei)-site  |  midari- 
ni  mono-na-i-i-so  \  madzu  kore-ico  kitje  tote  \  ri-si-ivo  idasi-te  atbre-ba  \  matsu-mitsu  te-vi  tori- 
te  1  sate-mo  o-oki-naru  si-i-take-nite  sorh.  Nama-nite  kuratva-ba  |  fara-wo-ja  sukonai-nan-to 
i-i-tsutsu  I  mono-fosi-kere-ba  \  musa-musa-to  kui-wowari-mt. 

Als  Sumi-nawa  dieses  Li-tschi  kostete,  war  dessen  AVohlgeschmack  imvergleichlich. 
Er  gedachte,  es  auch  Matsu-mitsu  zukommen  zu  lassen,  sclu'itt  gegen  das  mittlere  Thoi- 
und  trat  durch  dieses  hinaus.  Matsu-mitsu,  von  dem  Warten  müde,  hatte  sich  der  Flur- 
matte genähert,  den  Arm  unter  das  Hauj)t  gelegt  and  war  eingeschlafen.  Sumi-nawa 
gab  ihm  einen  Schlag  auf  den  Rücken,  weckte  ihn  und  sagte:  Dieser  Ort  ist  nicht  wie 
bei  dem  Menschengeschlechte.  Man  darf  keine  Unartigkeit  begehen.  —  Matsu-mitsu. 
mit  dem  Ausdi'ucke  übler  Laune  in  den  Gesichtszügen,  sagte:  Sind  die  unsterblichen 
Menschen  vielleicht  sparsame  Menschen?  Es  sind  mehr  als  zwei  Stunden,  dass  wir  hier 
angekommen  sind,  doch  sie  geben  uns  nicht  einmal  eine  Hand  voll  ßeisspeise.  Wenn 
man  die  Bauart  dieses  Hauses  betrachtet,  so  muss  es  ein  an  Schätzen  reiches  Haus  sein. 
Indem  sie  einen  winzigen  Napf  Reisspeise  sparen,  mögen  sie  gedankenlose  Bettler  sein. 
Möge  mein  Lehrer  schnell  heimkehren.  —  Sumi-nawa  wies  ihn  zurecht  und  sagte: 
Spricli  nicht  Dinge  auf's  Geradewohl!  Iss  dieses  zuerst!  —  Hiermit  nahm  er  das  Li-tschi 
hervor  und  gab  es  ihm.  Matsu-mitsu  nahm  es  in  die  Hand  und  sagte:  Dieses  ist  ja 
ein  grosser  Buchenpilz.  Wenn  ich  ihn  roh  esse,  Averde  ich  mir  den  Magen  verderben.  — 
Mit  diesen  Worten  ass  er  es,  gierig  wie  er  war,  verdrossen  auf. 

Kono  rei-si  nodo-too  sugi-nure-ba  \  ima-made  mono-no  fosi-kari-si  kokor'o  itsete  \  fara-iio 
titsi  Au.  /V  t^E  (sitsi-fatsi-ii-an)-no  i-i-wo  kui-taran  kokotsi-to  nari-nu.  Kakaru-ni  f|lj  ^ 
(sen-do)  ^  (zen)-ioo  sasage  kitari-te  |  mMsu-mitsu-ga  maje-ni  su-ete  |  iza  toku  kaki-soraje-to 
iü.  Matsu-mitsu  S2tmi-natca-ni  mukai-te  \  kono  toaraioa  \  kaki-sbraje-to  mbsu-wa  |  nani-goto-nite 
sorai-jaran-to  toje-ba  \  sumi-naiva  nandzi-ni  mono-kuje-to  iü  koto-zo-to  iü.  Matsit-mitsu  maju-ioo 
tsidzime  |  kasira  ufsi-ftiri-te  |  ika-de  mono-no  kuwarn.-beki  \  fara-wa  tsudzumi-no  jb-ni  nari-te 
ari-to  ije-ba  \  sen-do-no  iioaku  \  kono  loonoko  /L  X<^  (bon-zoku)  nare-ba  |  nin-gen-no  ^  (.<ioku)- 


1 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  265 

lüo  ataje-jo-to  |  aruzi-no  mbsarete  suraje-ha  \  koto-sara-ni  kaku  mhke-ide-taru  nari-to  in. 
Matsu-miisu  sara-ha  tamawari-te  \  notsi-ni  koso  tuhe-surawame  tote  \  warl-r/o  tori-idete  kano 
uiDO-to  i-i-ivo  läd-ake-tsure-ba  sen-dö-iva  zen-xco  viotsi-te  anata-je  iri-mi. 

Als  dieses  Li-tsclii  durcli  die  Kelile  gegangen  war,  schwand  die  bisherige  Esslust, 
und  er  hatte  das  Gefühl,  als  ob  er  sieben  bis  acht  Nilpfe  voll  Reisspeise  gegessen  hätte. 
Indessen  kam  der  unsterbliche  Knabe  mit  Fleischspeise,  stellte  sie  vor  Matsu-mitsu  imd 
sagte :  Wohlan !  Kratzet  sie  schnell !  —  Matsu-mitsu  fragte  Sumi-nawa :  Dieser  Knabe 
sagte:  Kratzet!  AVas  wird  dieses  sein?  —  Sumi-nawa  sprach:  Er  sagte  zu  dii-:  Iss!  — 
Matsu-mitsu  faltete  die  Bi-auen  und  sagte  kopfschüttelnd:  AVie  lässt  sich  etwas  essen? 
Der  Bauch  ist  gleich  einer  Trommel  geworden.  —  Der  unsterbliche  Knabe  sprach:  Der 
Gebieter  sagte  zu  mir:  Da  dieser  Mann  die  gemeine  Sitte  hat,  so  gib'  ihm  Speise  des 
Menschengeschlechts.  —  Desswegen  richtete  ich  es  absichtlich  so  her.  —  Matsu-mitsu 
sagte:  Da  ich  es  also  zum  Geschenke  erhalte,  werde  ich  es  später  essen,  —  Hiermit 
nahm  er  den  Speisekorb  und  nahm  den  Fisch  und  die  Reisspeise  weg.  Der  unsterbliche 
Knabe  trat  mit  der  Fleischspeise  an  dem  anderen  Orte  ein. 

^  (Koki)-tamaje  ,kratzet'  kommt  noch  in  einem  anderen  Buche  vor,  wobei  kakic 
, kratzen'  in  dem  Sinne  von  mono-kü  , essen'  gebraucht  wird. 

Tobe  (ta-uhe)  steht  für  iahe  , essen'. 

Utsi-akeru^  eigentlich  , öffnen'  hat  den  Sinn  von  ,leeren'  oder  ,wegnehmen'. 

Sumi-naioa  kono  tsu-ide-ni  |  kono  atari-no  ke-siki  min  tote  \  matsu-mitsu-ico  tsnrete  \  kado- 
tuo  idete  \  mitsi-aru  kata-wo  jukn-ni  \  i^  V  (ki-gij-wa  iama-ico  tsii,rane-taru  gotoku  \  isago- 
lua  koto-gotoku  kin-gin-no  iro  nari  \  fumi-te  ajumu-mo  kata-zi-ge-naki  kokotsi-su.  Konata-ni 
takaki  tsui-dzi  ari-te  \  kado  aki-tam  tokuru  ari.  Jmcora  iri-te  mire-ha  \  lootoko-wonna-no 
naki-ko-e  kikojn.  Ibukasi-kere-ba  \  kaki-no  suki-ma-jori  mire-ba  \  ^  J\^  (ki-ninj-fo  obosi-ki 
fito-no  I  ^  (i)-arite  |  take-dokesi-ki-ga  \  sudare-no  utsi-ni  tatsi-tamai  \  i^  ^  (sa-iü)-ni 
kioan-nin-to  obosi-ki  fito-bito    ^|J    (retsu)-ico  tadasi-te  za-si-tamajeri. 

Sumi-nawa  sagte:  AVir  werden  uns  bei  dieser  Gelegenheit  die  Gegend  ansehen.  — 
Er  trat  in  Begleitung  Matsu-mitsu's  bei  dem  Thore  heraus  und  wandelte  an  einer  Seite, 
wo  sich  ein  Weg  befand.  Die  Bäume  waren,  als  ob  man  Edelsteine  in  Reihen  gestellt 
hätte,  der  Sand  hatte  insgesammt  die  Farbe  von  Gold  und  Silber,  und  sie  hatten,  als 
sie  darauf  traten,  das  Gefühl  grosser  Freude.  Hier  befand  sich  eine  hohe  Mauer  und 
eine  Stelle,  an  welcher  ein  Thor  geöffnet  war.  Als  sie  leise  eintraten  und  sich  umsahen, 
hörten  sie  einen  Mann  und  ein  Weib  weinen.  Als  sie,  liierüber  verwundert,  durch 
eine  Ritze  der  Mauer  blickten,  stand  ein  Mensch,  der  ein  vornehmer  Mensch  zu  sein 
schien,  machtvoll  und  kühn  hinter  der  Thürmatte.  Zur  Rechten  und  Linken  sassen 
mehrere  Menschen,  welche  Obrigkeiten  zu  sein  schienen,  in  geraden  Reihen. 

1^  ~f»  (Kai-kaJ-ni  tootoko-wonna  fiitari-ivo  su-e-oki-te  \  itakn  nori-te  oivasu.  Mimi-wo 
tsükete  kiki-ba  |  ki-iiin-no  ijeraku  \  nandzi  ßsoka-ni  fu-fu-to  nari-te  \  f|l|  ^  (sea-to)-no  oki- 
te-ni  somuki-tari.  Sikasi-nagara  ^  ^  (dzin-jen)-no  tsiddzani  tokoro  ikan-to-mo  su-beki-ni 
arazu.  Ima-jori  nandzi-ra-xvo  ^  ^  (jokkai)-ni  kudasi-te  fu-fu-to  nasasimen.  ^  (G6) 
tsuki-taran-ni-ica  \  futa-tabi  kono  tokoro-je  miüiaje-ten-to  no-tamaiva-ba  |  nan-nio-no  sen-nin 
sasi-idsumuki-te  iraje  dani  sezu  |  naki-sidzumi-woru  saina  nari. 

Sie  stellten  die  zwei  Menschen,  den  Mann  und  das  Weib,  unter  die  Stufen  und 
schalten  sie  heftig  aus.  Jene  hielten  das  Ohr  hin  und  horchten.  Der  vornehme  Mensch 
>prach :    Ihr    wurdet    heimlich   Mann  imd  Weib  und  handeltet  den  Gesetzen  der  Haupt- 

Ucnkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XX.VI.  Bd.  31 


Oßß  iFIZUAIEH, 

Stadt  der  Unsterblichen  zuwider.  Unter  solchen  Umständen  kann  man  es,  wie  es  auch 
sei,  nicht  bewerkstelligen,  dass  das  Verhältnlss  des  Staubos  nicht  ein  Ende  habe.  Von 
nun  an  schicke  ich  euch  zu  der  Gränze  der  Begierden  herab  und  lasse  euch  j\lann  und 
^^■eib  werden.  Wenn  eure  Beschäftigung  zu  Ende  ist,  werde  ich  euch  zum  zweiten  Male 
an  diesem  Orte  empfangen.  —  Die  zwei  Unsterblichen,  der  Manu  und  das  Weib,  warfen 
sich  zu  Boden  und  zerflossen,   ohne   einzuwilligen,  in  Thränen. 

Sitmi-nawa  masii-masv,  fu-si-gi-ni  ovioi-te  \  kono  nan-nio-wo  mire-ba  \  utsukusi-ku  taioo- 
jaka-niic  \  ai-gio  koboruru  bakari  nare-ba  \  makoto-ni  bi-zin-to-ioa  \  kakaru  fito-ico  koso  iü- 
be-kere-to  \  iLtsl-omoi-ivoru-ni  \  ki-nin  otogai-wo  ugokasi-te  \  kafaicara-nu  fito-ni  me-kubase- 
feba  1  kataicara-no  fifo  tatsl-te  \  fata-tsu-nu  fisago-wo  tori-klete  \  ki-nin-no  maje-ni  oki-tsu. 
Kono  kataicara-no  ßo-tco  mire-ba  \  saki-ni  wa7-e-wu  mukaje-taru  aruzl-no  okina  narl.  Sate- 
wa I  mesi   ari  tote  \  ide-juki-tamai-si-ioa  \  koko-ni  ki-tamajeru  nari-to  omoi-jori-nu. 

Sumi-nawa  gerieth  immer  mehr  in  Verwunderung  und  warf  den  Blick  auf  diesen 
Mann  und  auf  das  Weib.  Sie  waren  schön  und  schmächtig  und  waren  in  Liebe  gebrochen. 
Er  dachte  sich :  In  der  That  schone  Menschen  muss  man  solche  Menschen  nennen !  — 
Der  vornehme  Mensch  bewegte  jetzt  das  Kinn  und  richtete  das  Auge  auf  einen  zur 
Seite  befindlichen  Menschen.  Der  zur  Seite  befindliche  Mensch  erhob  sich,  nahm  zwei 
Kürbisse  hervor  und  legte  sie  vor  dem  vornehmen  Menschen  nieder.  Als  Sumi-nawa 
diesen  zur  Seite  befindliehen  Menschen  betrachtete,  war  es  ein  Greis,  der  Gebieter,  der 
ihn  früher  empfangen  hatte.  Es  fiel  ihm  ein,  dass  derselbe,  als  er  gerufen  wurde  und 
hinausging,  hierher  gekommen  war. 

Ki-nin  mata  iivaku  kono  futa-tsu-no  fisago-iva  nandzi-ra-ni  fito-tsu-bito-tsu  atoru  nari. 
/t  0  (bon-jen)  tsuki-nan  toki  fida-tabi  motsi-kajeru-besl.  ümare-iden  tokoro-tt-a  ^  |§ 
•^  fW  (nan-sen-bu-siii)  dai-nippon-goku-no  utsi-nite  \  ivonna-iva  ^  ^^  (ki-zoku)-no  ije-ni 
nmarn-besi.  Wotoko-iva  ^  gl  (to-goku)-no  ijasi-ki  tami-nite  aran.  Toku  oi-jare-to  no- 
tamaje-ba  \  niwa-ni  nami-i-taru  f|ll  ^  (sen-sotsu)  tatsi-agari-te  \  ßdari-nu  nan-nio-no  te-ioo 
tori-te  I  sa-m-ni  tvakatsi-te  \  ßttate-juku.  Wonna-wo-ba  nisi-no  mine-no  kata-ni  fiki-juku  sama 
nari  \  ivotoko-ivo-ba  sumi-nawa-ga  nozoki-i-taru  kata-je  fiki-tsurete  idzure-ba  \  sumi-natva 
inatsio-mitm-mo  osorosi-kere-ba  \  kata-je-no  ki-ni  soi-te  \  kahire-i-mi. 

Der  vornehme  Mensch  spracli  wieder:  Vun  diesen  zwei  Kürbissen  gibt  man  einem 
Jeden  von  euch  einen.  Wann  das  gemeine  Verhältniss  zu  Ende  sein  wird,  könnet  ihi- 
zum  zweiten  Male  mit  ihnen  zurückkehren.  Der  Ort  eurer  Geburt  wird  in  dem  Land- 
striche des  südlichen  Sen-bu,  in  dem  grossen  Reiche  Nippon  sein.  Das  Weib  wird  in 
dem  Hause  eines  vornehmen  Geschlechtes  geboren  werden.  Der  Mann  wird  ein  Mensch 
des  niedrigen  A^olkes  der  östlichen  Reiche  sein.  Verjaget  sie  schnell!  —  Nachdem  er 
dieses  gesagt,  erhoben  sich  die  in  dem  Vorhofe  in  Reihen  sitzenden  unsterblichen  Leute, 
ergriffen  Beide,  den  Mann  und  das  Weib,  bei  den  Händen,  trennten  sie  nach  rechts  und 
links  und  zogen  sie  fort.  Das  Weib  zogen  sie  nach  der  Gegend  des  westlichen  Berg- 
gipfels. Den  Mann  zogen  sie  in  Gemeinschaft  nach  der  Gegend,  wo  Sumi-nawa  spähend 
weilte.  Sumi-nawa  und  Matsu-mitsu,  in  Furcht  gerathend,  schmiegten  sich  an  die  zur 
Seite  befindlichen  Bäume  und  verbargen  sich. 

Nan-sen-bu-siO  ,der  Landstrich  cles  südlichen  Sen-bu',  auch  nan-jen-bu-dai  ,der  Damm 
des  südlichen   Jen-bu'  oder  einiach  jen-bu-dai  genannt,  ist  die  irdische  "Welt. 

Sen-sotsii  toku  kore-tvo  mi-tsukete  \  fitori  fasiri-kite  \  nandzi-ra  ika-narn  koio-nite  \  kimo- 
futoku  I  kono   tokoro-ni-wa    iri-ki-tsuru-zo-to    iü.     Sumi-nawa  tsi-ni  fire-fusi-te  \  icare-tcare-ica 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderüng  in  Japan.  267 

hasiko-ni  ^  Z^  (siju-i)-ivo  ki-tamajerii  ^  ^  (ro-sen)-no  ije-ni  \  ima-fodo  via-iri-woru 
mono  nari.  Jtnnisase-tamaje-to  i-i-tsutsu  \  te-ico  fitai-ni  atete  ivogame-ha  \  sen-sotsu  utsi- 
warai-te  \  nandzi-ra  kono  tokoru-ni  kitareru  koto  |  ivare  toku  ^  f|lj  (ro-sen)-no  mono-ga- 
tari-nite  kiki-tari.  Nandzi-ra-wa  %\\  ^\-  (sei-guai)-no  /t  i^  (bon-zoku)  nare-ha  \  idzu~kata- 
ni  iri-kitaru-to-mo  \  togamuru   koto  nasi-to  iü. 

Die  unsterblichen  Leute  entdeckten  sie  schnell.  Einer  von  ihnen  lief  hinzu  und 
fragte:  Aus  welchem  Grunde  seid  iln-  frech  an  diesem  Orte  eingedrungen?  —  Sumi- 
nawa  legte  sich  auf  die  Erde  und  sagte :  Wir  sind  die  Menschen,  welche  dort  so  eben 
in  das  Haus  des  in  ein  Jiellrothes  Kleid  gekleideten  alten  Unsterblichen  gekommen  sind. 
Verzeihet  uns !  —  Hiermit  legte  er  die  Hand  an  die  Stirne  und  verehrte  ilm.  Der  unsterb- 
liche Mann  lachte  und  sprach :  Dass  ihr  an  diesen  Ort  gekommen  seid,  habe  ich  schnell 
aus  dem  Berichte  des  unsterblichen  von  Lu  erfahren.  Da  ihr  ausserhalb  der  Anordnungen  ste- 
hende gemeine  Menschen  seid,  so  mögetihr  wo  immer  eintreten,  man  zeiht  euch  keinerSchuld. 

Kono  koto-ivo  kiki-fe  \  sumi-nawa  matsn-mitsu-mo  o-oki-ni  kokoro  otsi-tsuki-te  |  kano  sen- 
nin-tatsi-no  siri-ni  tatsi-te  j  jiiki-te  mi-baja-to  omo  kokoro  ide-ki-Jiu,.  Sen-sotsu-ra-tca  \  kano 
^  ^  '^  (b'i-nan-si)-no  sa-iu-no  te-wo  tori-te  \  ßta-sura-ni  fiki-juku  sama  \  atari-ni  ito- 
ifosi-kari-kere-ha  \  sumi-naioa  siisnmi-idete  |  tvare  kano  icakaki  o-kafa-wo  |  oi-tate-matsuri-te  \ 
ma-ira-baja-to  ijc-ba  \  sen-sotsu-ra  |  nandzi  zi-fi-no  kokoro  ari  ^  ^  (sia-süi)  nari.  Sara- 
ba  kare-ni  oivase-jo  tote  \  wakaki  ßto-tco  sumi-natüa-ni  otcase-ts/t.  So7io  toki  mnt.m-mitsu  sono 
■>n-ßsago-wa  |  onore  motsi-te  ma-iru-besi  tote  |  te-ni  tori-te  \  tomo-ni  fasiru.  Kono  ßsago-to 
i/'i-ioa  I  kame-no  kaiatsi-site  \  uje-ni  kusari-ico  tsunagi-oki-tari.  Isi-ni-ja  aran  \  sono  ^ 
(sitsu)-iüa  siri-gata-kere-do  \  ito  karoki  mono  nari. 

Als  Sumi-nawa  und  Matsu-mitsu  dieses  hörten,  waren  sie  sehr  beruhigt.  Sie  gingen 
diesen  unsterblichen  Menschen  nach,  und  es  entstand  bc!  ihnen  der  A\\insch,  es  zu 
sehen.  Die  unsterblichen  Leute  nahmen  diesen  schönen  Mann  bei  beiden  Händen 
und  führten  ihn  fort,  was  einen  traurigen  Anblick  gewährte.  Sumi-nawa  trat  vor  und 
sagte :  Ich  möchte  diesen  jungen  Mann  tragen  und  mit  euch  gehen.  —  Die  unsterblichen 
Leute  sprachen :  Du  hast  ein  mitleidiges  Herz,  es  ist  etwas  Vortrefl'liclies.  Man  lasse 
ihn  also  durch  ihn  tragen.  —  Sie  liessen  jetzt  den  jungen  Menschen  durch  Sumi-nawa 
tragen.  —  Zu  gleicher  Zeit  sagte  Matsu-mitsu :  Ich  werde  diesen  Kürbiss  nehmen  und  mit- 
gehen. —  Er  nahm  ihn  in  die  Hand  und  lief  mit.  Dieser  Kiirbiss  war  von  der  Gestalt 
eines  Topfes  und  war  oben  an  ihn  ein  Schloss  angebunden.  Aus  welchem  Stoffe  er  war, 
ob  vielleicht  aus  Stein,  Hess  sich  nicht  erkennen,  doch  er  war  sehr  leicht. 

Matsu-mitsu  ßtori-no  sen-nin-ni  mukai-te  \  kono  ßsago-wa  nani-no  tame-ni  motsiüru  mono 
litte  sbrb-ka-to  toje-ba  |  kano  sen-nin  kotajete  i-i-keru-ica  \  sen-kai-nite  ■^  -^  (kin-t anj-to  in 
kusuri-wo  neru  koto  ari.  Kore-iva  nandzira-ga  gotoki  /t  ^  {bon-zoku)-nite-mo  \  kono  ku- 
suri-iüo  nomi-nure-ba  |  tadatsi-ni  f(l|  (sen)-to  naru  koto  nari.  Kono  kusuri-wo  neru  fodo 
ojoso  san-blak//-nen  bakari-wo  fezare-ba  \  ^  (tan)-to  naru  koto  atatoazu.  Kano  nan-nio-no 
sen-nin  kono  kin-tan-tuo  neri-tsukuru-beki  ^  (jaku)-tüo  komuri-te  ari-nagara  |  ßsoka-ni  imasi- 
lüo  wokasi-te  \  sinobi-ai-keru-ni-jori  \  kono  kegare-nite  \  kin-tan  fodobasiri-te  \  isasaka  kanabe- 
ni  nokoru  koto  nasi.  ^  ^  (Tan-jaku)  tsutsuga-naku  J^  |^  (zio-ziüj-se-ba  j  kono  ßsago- 
ni  mori-te  \  takiacb-beki-tco  |  kano  nan-nio  ^  (f^ywo  ivokasi-mtre-ba  \  kaku  sen-kai-ioo  \  oi- 
jaru  nari-to  katarti. 

Matsu-mitsu  fragte  einen  unsterblichen  Mensclien  :  Wozu  braucht  man  diese  Kür- 
bisse? —  Der  unsterbliche  Mensch  antwortete:    Innerhalb  der  Gränze  der  Unsterblichen 

34* 


2G8 


Pfizmaieu. 


läutert  man  ein  Arzneimittel,  welches  Goldmennig  genannt  wli-d.  Wenn  gemeine  Menschen, 
wie  ihr  seid,  dieses  Arzneimittel  trinken,  werden  sie  auf  der  Stelle  Unsterbliche.  Wenn 
bei  der  Läuterung  dieses  Arzneimittels  nicht  dreihundert  Jahre  vorübergehen,  so  kann 
es  nicht  zu  Mennig  werden.  Diese  zwei  Unsterblichen,  der  Mann  und  das  Weib,  ver- 
richteten den  Dienst,  wobei  sie  diesen  Goldmennig  durch  Läuterung  herstellen  sollten. 
Sie  übertraten  das  Verbot  und  verbanden  sich  im  Geheimen.  In  Folge  dieser  Unreinheit 
lief  der  Goldmennig  über,  und  es  blieb  niclit  das  Geringste  in  der  Pfanne  übrig.  Wenn 
man  das  Arzneimittel  dos  Mennigs  ohne  Unfall  zu  Stande  bringt,  kann  man  es  in  diese 
Kürbisse  füllen  und  aufbewahren.  Jener  Mann  und  das  AVeib  haben  das  Gesetz  über- 
treten, und  man  verjagt  sie  somit  aus  den  Gränzen  der  Unsterblichen. 

Motsu-mitsu  kiki-te  |  sate-tca  Ud-setsu-no  kusuri-ioo  iruru  fisago-nite  koso  suraje.  Nani- 
tote  kano  nan-nio-ni  \  kono  ßsago-ioo  adzuke-tamb-ni-ka-to  toje-ba  \  sen-nin  sate-sate  urusaku 
semete  tu  icotoko  kana.  Kono  fisago-ica  kare-ra-ga  nin-gen-nl  ^^  (taij-ivo  jadosi-te  \  säte 
notsi  futa-tabi  \  kono  sen-kai-je  kajerl-kitaran  tokl  \  tsuUuga-naku  kono  ßsago-ivo  motsi-kitara- 
zare-ba  I  f|Jj  (senj-fo  naru  koto  ataivazu.  Musi  kono  ßsago-ni  isasaka-no  kizu  dani  tsuki-te- 
mo  I  moto-no  kiorai-no  sen-nin-to-ioa  nari-gatasi-to  iü.  Matsu-mitsu  ivaga  "j^  |||5  (ko-kio)- 
nite-ica  \  kakaru  fisago-ni-iva  sumi  ta-don  nado-wo  koso  takuwaje-suraje.  Ka-bakarl-no  mono- 
ivo  dani  \  sen-kai-nite-wa  |  dai-zi-to  si-tamo-ni-ja-to  i-i-te  \  azaioarai-nu. 

Als  Matsu-mitsu  dieses  hörte,  fragte  er:  Also  sind  es  die  Kürbisse,  in  welche  man 
das  hochgeschätzte  Arzneimittel  füllt.  Warum  vertraut  man  dem  ]Manne  und  dem  Weibe 
diese  Kürbisse  an?  —  Der  unsterbliche  Mensch  sprach:  Ei!  Ein  auf  lästige  Weise  aus- 
fragender Mann!  AVas  diese  Kürbisse  betrifft,  so  beherbergen  jene  bei  dem  Menschen- 
geschlechte  einen  Mutterleib.  Wenn  sie  später  zum  zweiten  Male  nach  dieser  Gränzo 
der  Unsterblichen  zurückkommen  und  sie  nicht  ohne  Unfall  diese  Kürbisse  bringen,  so 
können  sie  keine  Unsterblichen  werden.  Wenn  diesen  Kürbissen  nur  der  geringste  Makel 
anhaftet,  so  ist  es  unmöglich,  dass  sie  unsterbliche  Menschen  von  ihrer  ursprünglichen 
Rangstufe  Averden.  —  Matsu-mitsu  verlachte  ihn,  indem  er  sagte:  In  meiner  Heimath 
hebt  man  in  solchen  Kürbissen  Kohlen  und  Kohlenkugeln  auf.  Legt  man  auf  dergleichen 
Dinge  an  der  Gränze  der  Unsterblichen  vielleicht  grossen  Wertli? 

Säte  itsi-ri  amari  juki-keru-ni  \  kagiri-mo  naki  takaki  jama-ni  itari-nu.  Koko-nite  oi- 
taru  fito-iüo  orosase-keru-ni  \  ivakaki  fito-iva  utsi-skvo-tarete  \  mono-ico  dani  iwazu.  Ika-ni 
sitru-ni-ka-to  sumi-ncnca  matsu-mitsu-mo  me-wo  fnnatazu  maraori-wore-ba  \  sen-sotsu-ra  \  kano 
u-akakl  ßfo-wo  \  kake-dzi-ni  ite  juki-te  \  suwa-to  i-i-sama  \  tani-no  sita-je  tsuki-otosi-nio.  Iku 
tsi-firo-to-mo  sirezaru  \  vii-tani  nare-ba  \  mi-dzin-ni  kudakete-ja  ^  (si)-si-nnran-to  \  sumi- 
7iawa-iüa  ito-icosi-to-zo  /-i-i-ta7'i-keru.  Matsu-mitsu  te-ni  motsi-taru  fisago-ivo  sasagete  |  kore- 
ica  ika-ni  si-tanto-zo-to  ije-ba  \  sen-nin-tatsi  odoroki-te  \  kono  fisago-wa  |  kare-ni  motase-tsuka- 
tvasii-beki-ii-o  |  fu-Un-naru  koto-ioo  si-fsuru  kana-tu  \  ono-ono  itaku  odzi-taru  sama  nari. 

Nachdem  man  über  eine  Weglänge  weit  gegangen  war,  gelangte  man  zu  einem  unendlich 
hohen  Berge.  Hier  Hess  man  den  auf  dem  Eücken  getragenen  Menschen  herabnehmen. 
Der  junge  Mensch  vergoss  eine  Fluth  von  Thränen  und  sprach  nicht  ein  Wort.  Sich 
fragend,  wie  es  enden  würde,  beobachteten  Sumi-nawa  und  Matsu-mitsu  mit  unverwandten 
Augen.  Die  unsterblichen  Leute  führten  den  jungen  Menschen  zu  einem  hängenden  Wege, 
sagten :  So !  und  stiessen  ihn  in  diesem  Augenblicke  in  das  Thal  lilnab.  Da  es  ein  tiefes 
Thal,  man  wusste  nicht  von  wie  vielen  tausend  Klaftern  Tiefe  Avar,  sagte  Sumi-nawa  mit 
Bedauern,    er   werde   zu  Staub  zermalmt  und  todt  sein.     Matsu-mitsu  reichte  den  in  der 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  269 

Hand  gehaltenen  Kürbiss  hin  und  fragte :  Was  thuet  ihr  mit  diesem  ?  —  Die  unsterb- 
liclien  Menschen  erschracken  und  sagten :  Diesen  Kürbiss  hätte  man  mit  ihm  fortschicken 
sollen.  Wir  haben  eine  bedauernswerthe  Sache  gethan  ! — Ein  Jeder  zeigte  sich  sehr  furchtsam. 

Kake-dzi,  sonst  jama-no  kaJce-dzi  ein  , angehängter  Gebirgsweg'  genannt,  ist  ein  aus 
angelegten  Steinen  gebildeter  Weg  (isi-ico  watasi-kake-tarii  mitsi).  Nach  einer  Erklärung 
hat  es    den   Sinn  von    ^   ^   kake-dzi  , Lückenweg'. 

Sumi-nawa-ga  iicaku  j  ima-no  fodo  \  nage-otosi-tamaica-ba  \  jorosi-karii-hed-to  ije-ba 
ßtu-bito  aza-warai-te  \  kare  fani-iro  fanaruru-jori  |  fajaku  nin-gen-ni  ^q  (taij-ico  jadod-nu. 
Ima-ica  kare  hon-vin-to  nari  \  ^  (sio)-wo  kaje-nure-ba  j  fi  i\\i  (sin-sen)-no  ^  ^j  (do- 
ziutsu)  use-nu.  Kono  fisago  nage-jari-tari-to-mo  |  kare-ga  moto-ni  itario  koto  katasi.  Kore-ioa 
ware-tcare  •^  '^  (mei-rei)-ni  somuki-taru  tsmni  sari-dokoro  nasi-to  \  ono-öno  ßtai-ivo  atsu- 
meie  ]  kujami-tcore-ba  |  sumi-nawa-ga  iicaku  |  loare-ware  saiwai  /t,  ^  (bon-kai)-ni  sumi- 
shraje-ba  \  kano  fito-no  juku-je-ivo  tadzunete  |  kono  fisago-wo  loatasi-mosan-wa  ika-nl-to  ije- 
ba  I  ono-ono  te-ico  utsi-te  |  kore-wa  ßtoje-ni  nandzi-ni  makase-ten.  Ware-ivare  flljl  jM.  (zin- 
tsü)-u-o  motte  \  kare-ga,  moto-ni  itaran-wa  |  jasu-kere-do  |  sen-kai-ni  oki-te  ari-te  \  fosi-i-mama- 
ni  nin-gen-ni  itaru  koto-ivo  imasime-tare-ba  |  ta-jasuku  juki-itaru  koto  katasi.  0-koto  tasika- 
ni  tcatasi-te-tamaje-to  iil. 

Sumi-nawa  sagte :  Wenn  ihr  ihn  gleich  jetzt  herabwerfet,  kann  es  gut  sein.  —  Alle 
verlachten  ihn  und  sagteii :  So  wie  er  das  Thal  verlässt,  hat  er  schon  bei  dem  Menschen- 
geschlechte  einen  Mutterleib  beherbergt.  In  diesem  Augenblicke  ist  er  ein  gemeiner 
Mensch  geworden.  Wenn  er  das  Leben  gewechselt  liat,  ist  die  Kunst  des  Weges  der 
wahren  Unsterblichen  verloren  gegangen.  Man  mag  diesen  Kürbiss  immerhin  auswerfen, 
es  ist  unmöglich,  dass  er  zu  dessen  Aufenthaltsorte  gelangt.  Wir  können  liier  der  Schuld, 
gegen  die  Befehle  ungehorsam  gewesen  zu  sein ,  durch  nichts  entkommen.  —  Alle 
brachten  einander  die  Stirne  nahe  und  empfanden  Reue.  Sumi-nawa  sprach :  Wir  wohnen 
zum  Glück  in  der  gemeinen  Welt.  Wie  wäre  es,  wenn  wir  den  Ort,  wohin  sich  dieser 
Mensch  begeben  hat,  aufsuchten  und  ihm  diesen  Kürbiss  brächten?  —  Alle  schlugen  in 
die  Hände  und  sagten :  Dieses  werden  wir  einzig  dir  überlassen.  Es  ist  zwar  leicht,  dass 
wir  durch  den  göttlichen  Verkehr  zu  dessen  Aufenthaltsorte  gelangen,  jedoch  in  der 
Welt  der  Unsterblichen  gibt  es  Gesetze.  Da  es  verboten  ist,  nach  Willkür  zu  dem 
Menschengeschlechte  zu  kommen,  so  ist  es  unmöglich,  ohne  Weiteres  hinzugehen.  Möget 
ihr  gewiss  ihn  überbringen. 

Sumi-naiüa  kano  ßsago-wo  tsutsumi-ni  tsutsumi  \  mi-dzukara  oi-te  sen-nin-ni  ivakare  | 
matsu-mitsu-tco  tsurete  |  jama-wo  kudari-te  \  moto-no  y^  fjlj  (rb-senj-no  ije-ni-zo  kajeri-keru. 
Aruzi-no  okina  ide-i-ni  \  matsi-tsuke-worn-te  \  nandzi  jama-ni  itari-tc  \  fisago-wo  uke-tori-te  \ 
kajeri-kitaru  naran-to  iü.-ni  \  kakusu-beki  narane-ba  |  ari-no  mama-ni  |  koto-no  sama-ico  nobe- 
kere-ba  \  aruzi  unadzuki-te  \  sa-zo  aran  \  nandzi  ^  ^  (dzin-kai)-ni  kajera-ba  tagai-naku  | 
kano  fito-ni  watasi-tsukawasu-besi.  Mosi  ajamari-te  |  ^  f^  (ten-ki)-ni  tagawa-ba  o-oi-narit 
tvazawai  aru-besi-io  ije-ba  \  sumi-nawa  ika-de  somuki-tate-matsuran  \  säte  toi-tate-matsuri-taku 
zon-zi-sbro-wa  |  ima-no  fodo  |  _t.  ^  (zib-za)-ni  owase-si  iatloki  on-fito-wa  \  ika-naru  on-kata- 
ni-ka-to  toje-ba  |  aruzi-ga  iwoku  \  kano  ki-nin-wa  ^  "^  (gen-gen)-kub-tei  '^  _t.  (da-zib) 
^  ^  (r6-kun)-nite  owasi-masu.  Nandzi  kata-zi-ke-nakit-mo  j  saiwai-ni  ^  (fai)-si-tate-ma- 
tsuru  koto-ico  je-tari-to  kotaje-nu. 

Sumi-nawa  wickelte  diesen  Kürbiss  in  einen  Bündel  und  trug  ilm  eigenhändig.  Von 
den  unsterblichen  Menschen  sich  trennend,  stieg  er,  von  JMatsu-mitsu  begleitet,  den  Berg 


270  Pfizmaikb. 

liliiub  und  kehrte  zu  dem  Hause  des  früheren  alten  Unsterbliclicn  zui-ück.  Der  Greis  und 
Gebieter  hatte  ihn  an  dem  oberen  Sitze  erwartet  und  sagte  zu  ihm:  Als  du  in  das  Gebirge 
kamst,  wirst  du  einen  Kürbiss  erhalten  haben  und  mit  ihm  zurückgekehrt  sein.  —  Jener 
konnte  es  nicht  verheimlichen  und  erzählte,  wie  die  Saclie  sich  verhielt.  Der  Gebieter 
nickte  mit  dem  Haupte  und  sprach:  Also  wirst  du,  wenn  du  in  die  Welt  des  Staubes 
zurückkehrst,  ihn  ohne  AViderrede  diesem  Mensclien  überbringen.  Wenn  du  dich  irrst 
und  von  den  .Triebwerken  des  Himmels  abweichst,  wird  grosses  Unglück  entstehen.  — 
Sumi-nawa  sprach:  Wie  könnte  ich  ungehorsam  sein?  Ich  möchte  jedoch  eine  Frage 
stellen.  Was  für  ein  Mensch  ist  der  vornelime  Mensch,  der  eben  jetzt  an  dem  oberen 
Sitze  sass?  —  Der  Gebieter  antwortete:  Dieser  vornehme  Mensch  ist  der  Kaiser  Hiuen, 
siuen,  der  höchste  Gebieter  von  dem  Geschlechte  Lao.  Du  hast  das  seltene  Glück  erlangt, 
ihn  verehren  zu  dürfen. 

Säte  db-zi-ni  o-o-sete  \  kanna  kiri  nomi  nolco-giri  loono  kana-dzxitsi  \  suhete  takumi-no 
gu-domo  tori-sorojete  \  sumi-nawa-ga  maje-ni  narahe-sasete  |  kono  tabi-no  ^  (7'o)-ni  \  nandzi- 
ni  kore-ioo  atbru  nari.  Kono  gu-wo  motte  \  mono-ivo  tsukuran-ni-wa  \  nandzi-ga  te-ivaza  ima- 
made-ni  fiaku-bai-site  \  sono  itj/  (meöj-ivo  tsukusu-besi-to  ije-ba  \  sumi-nawa  jorokobi-ni  ta- 
jez\i  I  faricka-ni  sisari-te  |  amata-iabi  nuka-dzuki-te  wogamu. 

Er  befahl  einem  Knaben,  alle  Zimmerwerkzeuge,  Hohel,  Bohrer,  Meissel,  Säge,  Axt 
und  Hammer  herbeizuschaffen  und  Hess  sie  vor  Sumi-nawa  in  Reihen  stellen.  Dabei  sagte 
er:  Zur  diessmaligen  Bewillkommnung  schenke  ich  dir  dieses.  Wenn  du  mit  diesen 
Werkzeugen  arbeitest,  wird  deine  Geschicklichkeit  hundertmal  grösser  sein  als  bisher, 
und  du  wirst  ihr  Wundervolles  auf  das  Aeusserste  bringen.  —  Sumi-nawa,  vor  Freude 
sich  nicht  fassend,  wich  weit  zurück,  schlug  die  Stirn  vielmals  gegen  den  Boden  und 
hezeigte  seine   Verehi'ung. 

Säte  mosi-keru-iva  \  ka-bakari  ari-gataki  jjjfp  f|lj  (zin-sen)-ni  ai-tate-viatsiiri-nuru  koto  j 
^  ^  (sib-gaij-no  jorokobi  kore-ni  sugi-laru  koto  sbrawazu.  Ika-de  on-na-wo  kikase-tamaje- 
to  ije-ba  \  ru-sen-no  ijeraku  |  nandzi-ni  nani-ivo-ka  tsutsumu-beki  |  tvare-wa  kara-hini-ni  ßto- 
io  nari-te  \  fi  fsci)-tna  ^  $|j  (ku-siu)-nite  \  na-nri  ^  fan-to  in  mono  'nari.  ^  [Q  (Eo- 
koku)-nite  mnare-tare-ba  \fito  ivare-wo  jonde  |  ^  ^  (ro-fan)-to  ^  (si6)-si-tari-ki  Onore 
nin-gen-ni  aru  toki  \  takumi-no  waza-ti-o  konomi-te  \  o-oki-naru  mono-tca  ^  ^  (den-kaku) 
t^  Ä  (ro-tai)  ^  ^  (keo-rib)  \  säte  /Y>  (seo)-naru  mono-iva  \  j|ö  '^  (sen-sija)  ^  M 
(ki-bei)-no  tagui-ico  \  tsukuru-ni  \  fito  sono  takumi-wo  fomete  \  flp  (sin)-to  ^  (sib)-zezaru 
mono  na-kari-ki.  Notsi-ni  ^  j^  (dzin-sei)-v:o  itoi-te  |  "^  j||  (kb-tb)  ^  ^  (un-mu)-no 
aida-ni  kakiire  |  tsui-ni  fö-rai-ni  itatte  |  ^  (kioj-wo  sime-tari.  Nandzi-ga  mitsi-ni  kasikoku 
katsu  kokoro-zasi-no  l§^  (tsijoku)-naru-ni  kan-zite  \  kaku  jobi-mnkajete  |  kono  gu-domo-ico  jn- 
dzuri-tsiikaicasu  nari.  Nandzi  dzin-sei-ni  tatsi-kajeri-te-mo  \  sen-kai-no  koto-wo , motte  \  fii-tsu- 
ni  fito-ni  mukai-te  \  kataric-be-karazn  \  maia  kano  nan-nio-no  f(l|  (sen)-ni  meguri-b-to-mo  |  sen- 
nin-no    ^    ^^    (siu-kon)  nari-to  iv  kolo  kanarazu  kafari-tsugu-be-karaz7i-to  iü. 

.  Endlich  sagte  er:  Dass  ich  einem  so  wundervollen  göttlichen  Unsterblichen  begegnet 
bin,  es  ist  die  Freude  meines  ganzen  Lebens,  es  geht  nichts  darüber.  Wie  nennt  ihr 
euch  mit  dem  hohen  Namen?  —  Der  alte  Unsterbliche  sprach:  Was  soll  ich  vor 
euch  verbergen?  Ich  bin  in  dem  chinesischen  Reiche  aufgewachsen.  Ich  bin  ein  Mann 
mit  dem  Geschlechtsnamen  Kung-schü,  mit  dem  Namen  Puan.  Da  ich  in  dem  Reiche 
Lu  geboren  bin ,  nannten  mich  die  Menschen  Lu-jiuan.  Zur  Zeit  als  ich  unter  dem 
Menschengeschlechte  lebte,   liebte  ich  das  Zimmerhandwerk.     Von  grossen  Dingen  baute 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandekunö  in  Japan.  271 

ich  Vorliallen  und  Warten,  Söller  und  Erdstufen,  Brücken  und  Wehre.  Von  kleinen 
Dingen  verfertigte  ich  Schiffe  vuid  Wagen,  Geräthschaften,  Gefässe  und  Aehnliclies.  Die 
Menschen  priesen  diese  Kunst  und  es  war  nichts,  das  nicht  göttlich  hervorgebracht 
worden  wäre.  Später  ward  ich  der  Welt  des  Staubes  überdrüssig  und  verbarg  mich  in 
dem  Yün-mung  in  Kao-thang.  Zuletzt  kam  ich  nach  F6-rai  und  nahm  daselbst  meinen 
Aufenthalt.  Ich  hatte  Achtung  vor  deinem  W^ege  und  bewunderte  überdiess  das  Gerade 
deiner  Vorsätze.  Somit  i'ief  ich  dich  herbei,  empfing  dich,  und  ich  überlasse  dir  diese  Werlc- 
zeuge.  Wenn  du  in  die  Welt  des  Staubes  zurückkehrst,  darfst  du  die  Dinge  der  Gränze 
der  Unsterblichen  durchaus  nicht  den  Menschen  sagen.  Wenn  du  ferner  jenen  zwei  Un- 
sterblichen, dem  Manne  und  dem  Weibe,  im  Umherziehen  auch  begegnest,  darfst  du  ihnen 
nicht  sagen,  dass  sie  von  der  Saat  und  der  Wurzel  der  unsterblichen  Menschen  sind. 

Sumi-nawa  kokoro-ni  omoi-keru-iüa  \  u-are-v:a  ^»  (fi)-sHe  kataru-niazi-kere-do  j  inatsu- 
mitsu  mosi  nin-gen-ni  morasu  kolo-mo-ja  aran-to  i^  Fp  (sin-tsiä)-ni  umoi-megurasi-kerii- 
ivo  I  ^  fllj  (ro-sen)  fajaku  satori-te  \  nandzi-ga  mesi-tsure-taru  iconoko  |  kutsi-saga-naki  jatsu 
nare-ba  \  fito-ni  fare-sirasan-wa  \  itsi-dzio  seri.  Kare-wa  loare  fakarb-heki  mune  ari  |  nandzi 
kokoro-ivo  tsukb  koto  na-kare.  ^  (Jo)-mo  fuke-nu  \  tsibkare-taru-be-kere-ba  toku  ine-jo-to  i-i- 
te  oku-sama-je  iri-nu. 

Sumi-nawa  dachte  sich :  Ich  werde  es  wohl  geheim  halten  und  nichts  sagen,  allein 
es  wird  vielleicht  geschehen,  dass  Matsu-mitsu  es  unter  dem  Menschengeschlechte  ver- 
lauten lässt.  —  Während  er  dieses  bei  sich  überdachte,  hatte  es  der  Unsterbliche  von 
Lu  bemerkt  und  sagte :  Der  Mann,  den  du  mit  dir  genommen  hast,  ist  ein  Sclave  von 
unseliger  Rede.  Dass  er  es  den  Menschen  bekannt  geben  wird,  ist  gewiss.  Hier  habe 
ich  ein  Mittel,  wodurch  ich  ßath  schaffen  kann.  Sei  desswegen  unbekümmert.  Es  ist 
auch  spät  in  der  Nacht,  und  da  du  ermüdet  sein  musst,  so  gehe  schnell  schlafen.  — 
Hiermit  trat  er  in  das  Innere  des  Hauses. 

Sumi-naioa  matsu-miisu-ico  jobi-te  |  kataioara-ni  fusasime  j  onore-mo  ^  (ku)-zi-keru  mama\ 
.sibasi  nemuri-keru-ni  \  fodo-mo  naku  |  ro-sen-no  ko-e-nite  |  fokii,  okl-idete  j6-i-se-jo-to  iu  ko-e- 
su.  Me-wo  firaki-te  miru-iü  |  ro-sen  narabi-ni  dö-zi-ra  rio-san-nin  \  katawara-nl  tatsi-te  ari. 
Odoroki-oki-tatsi-te  \  kinu  morai-si  mono-nado  fito-fsti-ni  isutsiimi-te  \  sumi-naiva  ro-sen-ivo  ^ 
(fai)-site  1  ari-gafaki  on-kajeri-mi-wo  \  koinuri-soro  koto  \  nobe-kikoju-beki  kata-nio  sdraioazu-to 
iu.  Ro-sen  kasanete  ijeru-wa  \  nandzi-ra  wadzuka-ni  — "  ft  -^  (itsi-tsiü-ja)-ivo  sitgusi-nure- 
do  I  nin-gen-  fö;  (sei)-nite-ica  |  ziü-go-nen  bakari-tco  sugusi-nu.  Toku  isoge  tote  |  dö-zi-ni  -gp 
(mei)-zite  \  an-nai-sasete  \  ro-sen  tsiiL-mon  made  okuri-te  \  futa-tahi  sitsi-ziü-nen-wo  sugusi-na- 
ba  I  nandzi  kono  tokoro-ni  kifari-te  |  icare-fo  tomo-ni  mitsi-ico  f|^  siu-su-beki-to  i-i-te  \  vakare- 
iro  nasi-nu. 

Sumi-nawa  rief  Matsu-mitsu  und  liess  ihn  zur  Seite  sich  niederlegen.  Er  selbst, 
müde  wie  er  war,  schlief  nach  einer  Weile  ein.  Es  währte  nicht  lange,  so  rief  die 
Stimme  des  Unsterbliclien  von  Lu:  Erhebe  dicli  schnell  und  bereite  dich!  —  Als  er 
die  Augen  öffnete  und  aufblickte,  stand  der  Unsterbliche  von  Lu  mit  zwei  oder  drei 
Knaben  an  seiner  Seite.  Sumi-nawa  erhob  sich  erschrocken ,  packte  die  Gegenstände, 
welche  er  an  dem  gestrigen  Tage  erhalten  hatte,  zusammen  und  verbeugte  sich  vor  dem 
Unsterblichen  von  Lu.  Er  sagte:  Dass  ich  eures  kostbaren  Blickes  gewürdigt  werde,  konnte 
icii  auf  keine  Weise  erfahren.  —  Der  Unsterbliche  von  Lu  sagte  noclimals:  Ihr  habet 
kaum  einen  Tag  und  eine  Nacht  verbracht,  doch  in  dem  Zeitalter  des  Mcnschen- 
geschleclites  habet  ihr  fünfzehn  Jahre  verbracht.    Beeile  dich  sehr!  —  Er  befahl  einem 


272  Pfizmaief. 

Knaben,  den  Führer  zu  machen.  Der  Unsterbliche  von  Lu  begleitete  ihn  bis  zu  dem 
mittleren  Thorc  mid  sprach:  AVenn  du  zum  zweiten  Male  siebenzlg  Jahre  verbracht 
luxst,  wirst  du  an  diesen  Ort  kommen  und  mit  mir  zugleicii  den  AVeg  üben.  —  Hiermit 
bewerkstelligte  er  die  Trennung. 

Sicmi-7iau-o  amata-tobi  fiosi-ivogami-tsutsu  \  dö-zi-ico  saki-ni  tatete  \  klete  juld-keru-ni  j 
klnh  kitarerii  ioki-ica  \  sa-bakart  jj;^  |M.  (ken-so)-varv  jama-ico  kojc-tari-si-ni  \  kono  tabi-ica 
isasaka  sa-jo-no  keicasi-ki  tokoro-mo  naku  \  sibasi-no  fodo-ni  saka-aru  tokoro-ni  itari-rm.  Du- 
zi-ga  iicaku  \  kono  saka-uv  kudari-na-ba  \  nandzi-ga  ije-tsikaki-ni  ari.  Ware-wa  kore-jori 
kajeri-inan-zn    tote  \  moto-no  mitsi-je  jiikii-zo-to  mije-keno-ga  \  fajaku  katatsi-wo  mi-usinai-rm . 

Sumi-nawa.  oftmals  zu  Boden  fallend  und  seine  Verehrung  bezeigend,  stellte  den 
Knaben  voran,  trat  hinaus  und  zog  fort.  Als  sie  gestern  kamen,  hatten  sie  einen  so 
steilen  Berg  überstiegen.  Diessmal  war  nicht  im  Geringsten  ein  solcher  abschüssiger 
Ort  vorhanden,  und  sie  gelangten  nach  kurzer  Zeit  an  einen  Ort,  der  eine  Bergtreppe 
besass.  Der  Knabe  sagte :  Wenn  du  diese  Bergtreppe  hinabsteigst,  bist  du  nahe  bei 
deinem  Hause.  Ich  wei-de  von  hier  aus  zurückkehren.  —  Man  sah,  wie  er  sich  mit 
diesen  AVorten  auf  den  früheren  AVeg  begab,  und  seine  Gestalt  entschwand  bald  ihren 
Blicken. 

Matsti-mitgu  mi-okur^i-te  \  sen-nin-iva  i.  ^  (go-koku)-iüo  tatsi-te  kuraivazu-to  kiki-si-ga  j 
makoto-nite  ari-keri.  Kome-no  atai-no  takaku  nobori-taru  koro-u-a  \  sen-nin  koso  urajamasi- 
kere-to  \  tsubujakzi.  Säte  saka-ivo  kudari-fatete  sihasi  kata-je-no  ki-no  ne-ni  siri-kakete  \  ja- 
sumu  fodo  I  mafsu-mitsu  i-i-kern-ica  \  kinh  o-oki-naru  si-i-take-u-o  kui-te-jori  \  mono-fosi-ki  ko- 
koisi-tva  sczare-do  \  keö-wa  seo-seu  kutsi-no  atari  \  sabisi-ki  kokotsi-si-sbrb.  Kino-no  mono 
tabe-surawan-to  t-i-sama  \  sen-kai-nite  morai-je-si  ttico-to  i-i-to  ire-taru  u-ari-go  tori-idete  \ 
ika-ni  uriga  ^^  (si)-mo  kikosi-mesu-beku-ja-to  ije-ba  \  sumi-7icni:a  ware-tca  isasaka  mono-fosi- 
ki  koto  nasi.  Nandzi  fosi-ku-ba  kuje-to  iü-ni  matsu-mitsu  wari-go-no  futa  tori-te  \  sara- 
sara-io  kui-tsukusi-tsn-to  omo  fodo  \  niivaka-ni  sita  ono-dzukara  tsidzimari-juku  jb-ni  obojure- 
ha  I  a-a-to  ko-e-ico  iaten-io  sure-do  \  mono-iwarezu.  Sita-iva  jb-jb-ni  isidzimi-juki-te  nodo-no 
naka-je  iru  jb-ni  obojiire-ba  \  manako-ux)  kurumekasete  \  fe-asi-tvo  modajete  sawaga. 

Matsu-mitsu  folgte  ihm  mit  den  Augen  und  flüsterte:  AVas  man  gehört  hat,  dass 
die  unsterblichen  Menschen  sich  der  fünf  Getreidearten  entschlagen  und  nicht  essen, 
ist  Avahr  gewesen.  Zu  einer  Zeit,  avo  der  Eeis  hoch  im  Preise  gestiegen  ist,  mögen 
die  unsterblichen  Menschen  beneidenswerth  sein.  —  Als  sie  dann  die  Bergtreppe  ganz 
hinabstiegen,  nach  einer  AVeile  sich  unter  die  zur  Seite  befindlichen  Bäume  setzten  und 
ausruhten,  sagte  Matsu-mitsu:  Seit  ich  gestern  den  grossen  Buchenpilz  gegessen,  empfand 
ich  keine  Esslust,  doch  heute  habe  ich  ein  wenig  in  dem  Munde  ein  schwaches  Gefühl 
von  Esslust.  Ich  Averde  die  Sachen  von  gestern  verzehren.  —  jMit  diesen ^AVorten  nahm 
er  den  Speisekorb,  in  welchen  er  den  an  der  Gränze  der  Unsterblichen  erhaltenen 
Fisch  und  die  Reisspeise  gegeben  hatte,  hervor  und  fragte:  Mein  Lehrer  wird  doch 
auch  essen?  —  Sumi-naAva  erwiederte:  Ich  habe  nicht  die  geringste  Esslust.  AVenn  du 
Esslust  hast,  iss!  —  Matsu-mitsu  nahm  den  Deckel  von  dem  Speisekorbe,  und  als  er 
glaubte,  dass  er  alles  aufgezehrt  habe,  hatte  er  plötzlich  das  Gefühl,  als  ob  seine 
Zunge  sich  zusammenzöge.  Er  AvoUte  den  Laut  Ach!  ausstossen,  doch  er  brachte  nichts 
hervor.  Es  Avar  ihm,  als  ob  seine  Zunge  allmälig  sich  zusammenzöge  und  in  die  Kehle 
drcänge.    A^jr   den  Augen  wurde  es  ihm  dunkel,  ILände  und  Füsse  schmerzten  und   Avareu 


unruhig. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  273 

Sumi-nawa-mo  odoroki-te  \  ika-ni  se-si-to  se-ivo  nade-sasnre-do  \  tada  mogakl  asi-znri 
7iomi-site  \  juhi-wo  kutsi-moto-ni  atete  \  wosiüru  nomi  nari.  Sate-wa  mono-no  iwarenu-ni-ja-to 
ije-ha  \  tada  unadzukit  nomi  nari.  Mimi-iva  kikojur?i-7ii-ja-fo  ije-ba  \  mata  unadzuku.  Sumi 
naiva-mo  awate-tari-si-ga  \  tsuku-dzuku  omö-ni  \  ro-sen-no  tamai-si-u-a  \  kare-wa  kutsi-saga- 
naki  jatsu  nari  \  su-heki  ^  (fö)  ari-to-no  tamai-si  \  sate-tua  sen-kai-no  sama-wo  \  kare-ni 
katarase-zi  tote.  \  kare-ivo  osi-to  si-tamajeru-ni-ja-to  ije-ha  \  mafsu-mits/i.  uramesi-ge-ni  \  jama- 
no  kata-ivo  mi-jari-te  \  tama-no  jo-nano  namida-wo  otostt. 

Aucli  Sumi-nawii  erschrack  und  fragte:  Was  ist  geschehen?  —  Er  strich  ihm  den  Rücken, 
docli  Jener,  bloss  sich  krümmend  und  die  Füsse  an  einander  reibend,  legte  den  Finger 
an  den  Mund  und  deutete  nur.  Auf  die  Frage:  Kann  man  vielleicht  nicht  sprechen? 
nickte  er  nur  mit  dem  Kopfe.  Auf  die  Fi-age:  Hört  man  vielleicht  mit  den  Ohren? 
nickte  er  wieder.  Sumi-nawa  war  entsetzt.  Tief  nachsinnend,  sagte  er  zu  sich:  Der 
Unsterbliche  von  Lu  sagte,  dieser  sei  ein  Mann  von  unseliger  Rede,  es  gebe  ein  Mittel, 
das  man  anwenden  könne.  Damit  er  über  die  Gränze  der  Unsterblichen  niclits  aussage, 
wird  er  ihn  stumm  gemacht  haben.  —  Matsu-mitsu  blickte  voll  Unlust  nach  dei-  Seite 
des  Berges  und  Hess  Thrilnen  wie  Perlen  herabfallen. 

Sumi-nawa  nagusamcte  ijeru-iva  \  nandzi  kokoro-ioo  aratame  \  fllj  ^  (t^en-doj-ni  ^  ^ 
(ki-jej-si  I  midari-ni  fito-tio  ^  (tan)-iüo  iwazara-ha  \  >ien-nin  aivaremi-tamai-te  \  fufa-fabi 
mono-itcaren-jo-ni  fakarai-tamh-besi.  Sibasi  sinobi-te  aru-besi-to  \  sama-zama-to  sukasi-kosirajete 
fittatsure-ba  \  matsu-mitsu  kano  ivari-go-wo  totte  jama-kata-je  utsi-nagete  |  me-ivo  o-okiku  nasi- 
te  I  utsi-nirame-do  fu-tsu-ni  ko-e-no  idene-ba  \  kutsl-ioosi-ge-ni  utsi-mi-kajeri-tsutsu  \  svmi-nawa- 
ni  te-ioo  fikarete  \  naku-naku  mitsi-tvo-zo  isogi-keru. 

Sumi-nawa  tröstete  ihn  und  sagte:  Wenn  du  deinen  Sinn  besserst,  den  AVeg  der 
Unsterblichen  befolgst  und  nicht  auf's  Geradewohl  den  Menschen  übel  nachredest, 
werden  die  unsterblichen  Menschen  sich  ei'barmen  und  IMittel  finden ,  dass  du  wieder 
sprechen  kannst.  Du  musst  eine  Weile  Geduld  liaben.  —  Er  redete  ihm  auf  allerlei  Weise 
zu  und  richtete  ihn  auf.  Matsu-mitsu  nahm  jenen  Sj)eisekorb  und  schleuderte  ihn  nach  der 
.Seite  des  Berges.  Die  Augen  aufreissend,  blickte  er  unwillig,  doch  es  kam  durchaus 
keine  Stimme  hervor.  Voll  Verzweiflung  nach  rückwärts  blickend ,  licss  er  sich  von 
Suma-nawa  an  der  Hand  führen  und  eilte  weinend  auf  dem  Wege  dahin. 

Säte  sumi-naiva-iua-  to-kaku  matsu-mitsu -wo  itawari-te  jvku  fodo  |  oboje-aru  matsu-no 
nami-ki-aru  tokoro-ni  itari-nn.  Sara-ha  lüaga  srimeru  sato-ni  tsikasi-tote  \  mitsi-tco  isogi-keru- 
ni  I  oi-taru  mono-domo  ide-kite  \  te-ico  utsi-te  |  smni-nmca-nusl  kajeri-ki-nu  tote  \  akire-taru 
sama-site  so-ko-iva  ika-ni-site  \  kono  ziü-go-nen  bakari  \  idzidcu-ni  jnki-te  s?mii-tamai-si  |  nadote 
furu-sato-ni-iva  \  fumi-wo  dani  okosi-tamatcazari-si  \  madzu.  mura-iüosa-no  moto-ni  tsuge-ba-ja 
nado'  i-i-te  sawagu. 

Als  Sumi-nawa,  jedenfalls  Matsu-mitsu  bedauernd,  einherschritt ,  gelangte  ei-  zu 
einem  Orte,  an  welchem  eine  Reihe  ihm  bekannter  Fichten  stand.  Er  sagte:  Ich  bin 
jetzt  meinem  Wohnorte  nahe.  —  Während  er  auf  dem  Wege  dahin  eilte,  kamen  alte 
Leute  herbei.  Dieselben  schlugen  in  die  Hände  und  sagten:  Der  Herr  Sumi-nawa  ist 
zurückgekehrt!  —  Sie  waren  erstaunt  und  fragten:  Wie  geht  es  euch?  Wohin  seid  ihr 
durch  diese  fünfzehn  Jahre  gegangen  und  wo  habt  ihr  euch  aufgelialten?  Warum  Jiabt 
ihr  in  eurer  Heimath  nicht  einmal  ein  Schreiben  zurückgelassen?  Wir  müssen  es  früher 
bei  dem  Aeltesten  des  Dorfes  melden.  —  Dieses  und  ähnliches  redend,  waren  sie  in 
Aufregung. 

nonkschriften  der  phil.-hist.  Cl,  XXVI.  Bd.  ,35 


274  Pfiemaiee. 

•  Sumi-natva  nvaku  \  naku  nari-si  5c  "f^  (fu-hoj-no  bo-dai-no  iame-ni  \  kuni-gtmi-no 
tera-dera  ma-iri-meguri-te  \  säte  kaku  tosi-tsuki-ivu  sucjusi-tsu-to  irajete  \  madzu  waga  ije-ni 
itari-te  miru-ni  \  itaku  are-tare-do  \  ije-ica  mukasi-no  mama-iii  tatsi-te  ari.  Nkva-iä-iva  \  kusa 
oi-sigeri-te  \  nki-vo  nora  nari.     To-kaku  faki-tsukuroi-te  iri-i-tari-keru. 

Siiini-n;i\va  erwiederte:  Wegen  des  Seelenheiles  meiner  verstorbenen  Aeltcrn  besuchte 
ich  im  Umherwandeln  die  Tempel  der  verschiedenen  lleiche  und  habe  somit  Jalire  und 
Monde  verbracht.  —  Als  cj-  zuerst  zu  seinem  Hause  gelangte  und  es  betrachtete,  war 
es  zwar  äusserst  verödet,  jedoch  das  Haus  stand  so  wie  ehemals.  In  dem  Vorhofe  wuchs 
das  Gras  in  Fülle  und  bildete  eine  herbstliche  Wilduiss.  Indessen  fegte  und  putzte  er 
es,  trat  ein  und  wohnte  daselbst. 

Kaku-te  fi-wo  suqusu-heki  narazu  \  kono  fisago-wo  motsi-jiüä-ie  \  kano  sen-nin-no  jidiu-jc- 
u-o  tadzunete  'a-atasa-ha-ja-tu  omoi-te  \  tahi-no  gu  nado  tori-sitatamete  \  kono  tahi-ica  \  fito- 
mura-no  mono-ni-mo  \  joku  itoma-goi-site  \  matsu-mitsii-ni  kan-a-go  ninawasete  \  adzttma-no  kata- 
je-zo  ide-tatsi-kem.  Kono  matsu-mitsu  wot^anaki-jori  te-narai-wo  je-sezu  \  — ■  -^  (itsi-zi)-u-o 
dani  ■ivakimajezari-kere-ba  |  osi-to  nari-te-jori  \  waga  omö  koto-wo  \  fito-ni  sirasuru  koto  kana- 
u-azu  I  ika-de  kanna-  ^  ^  (mo-zi)-wo  dani  \  siri-tara-ha-to  i-i-te  \  kasira  tataki-te  kujami- 
keru-to-zo. 

Er  durfte  die  Tage  nicht  so  verbringen.  Willens,  mit  diesem  Kürbisse  fortzuziehen, 
den  Ort,  wohin  jener  Unstei'bliche  sich  begeben,  aufzusuchen  und  den  Gegenstand  zu 
überbringen,  nahm  und  verzeichnete  er  die  ßeisegeräthe.  Er  verabschiedete  sich  diess- 
mal  auf  gute  Weise  von  den  Menschen  des  ganzen  Dorfes,  Hess  durch  Matsu-mitsu  den 
Koffer  tragen  und  reiste  in  der  Richtung  der  östlichen  Gegenden  ab.  Da  dieser  Matsu- 
mitsu  sich  nicht  von  Jugend  auf  die  Kunst  zu  schreiben  angeeignet  hatte,  unterschied 
er  kein  einziges  Schriftzeichen.  Nachdem  er  stumm  geworden  war,  konnte  er  seine  Ge- 
danken den  Menschen  nicht  mittheilen,  und  er  sagte  zu  sich  selbst:  Wenn  ich  doch 
irgendwie  nur  die  Kana-Zeichen  kennte!  —  Er  schlug  sich  vor  den  Kopf  und  empfand  Reue. 


Take-siba. 

Koko-ni  musasi-no  kiini  ^  j^  (je-hara)-no  kowori-ni  \  -Yi  ^  (take-siba) -no  \\\  \ 
(jama-bito)-to  iü  mono  ari.  Umare-tsuki  mijabi-jaku-ni  |  fikaru  bakari  utsukusi-kari-kere-ba  \ 
kare-ga  sugata-ivo  fomuni.  fito-no  \  ame-no  sita-no  katco-josi-to  fome-keru-ga  \  narai-to  nari-te  \ 
jama-bito-to  jobu  viono  nahe  \  osi-nabcie  kaivo-josi-to-zo  jobi-tari-kerii.  Tosi-ira  ziü-go-sai 
bakari-nife-zo   ari-kcrn. 

Hier  in  dem  Reiche  Musasi ,  in  dem  Kreise  Je-bara ,  lebte  ein  Mensch  Namens 
Take-siba-no  Jama-bito.  Da  er  von  Geburt  mit  zierlich  glänzender  Schönheit  begabt 
war,  wurde  es  Sitte,  dass  die  seine  Gestalt  preisenden  Menschen  ihn  als  den  Schönsten 
unter  den  Himmel  priesen,  und  es  kam  nicht  vor,  dass  man  ihn  Jama-bito  nannte, 
sondern  man  nannte  ilm  allgemein  den  Schönen.     Er  war  fünfzehn  Jahre  alt. 

Inisi-je  jod-aru  fito-no  \  kono  adzuma-ni  kudari-te  \  koko-ni  ije-i  simete  \  sumi-tamai-keru. 
Sono  fito-no  su-e  nari-kere-ba  \  jama-zato  nagara  \  teö-do  nado-mu  \  mukasi-no  nagori-todomete  | 
mijabi-tarn  mono-domo-mo  \  takuwaje-tari-keru.  Tsitsi-no  koro-jori  \  fnmi  nado-tvo-mo  jomase  \ 
loosije-tate-keru-ni  \  satoku   kasikoku-te  \  jomi-jc-gataki  maki-maki-ico-mo  \  koto-mo  naku  satori- 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandeeung  I^^  Japan.  275 

akirame-kere-ba  \    ^j|j    (si)-naru  fito-vio  \  koto-sara-ni  fomc-mono-si-keru.  Snhete  kono  jama-hito- 
wo  mi-tartt,  mono-tca  \  wotoko-wonna-wo  itaazu  \  omoi-wo  kakezaru-iva  na-kari-keri. 

In  alter  Zeit  kam  ein  Mensch  aus  gutem  Hause  zu  diesem  östlichen  Lande  herab 
und  nahm  daselbst  seinen  bleibenden  Aufenthalt.  Da  Jener  der  Nachkomme  dieses 
Menschen  war,  hatte  er,  war  es  auch  in  einem  Gebirgsdorfe,  die  Geräthschaften  von  ehe- 
mals noch  behalten  und  zierliche  Dinge  aufbewahrt.  Da  man  ihn  seit  der  Zeit  seines  Vaters 
Bücher  lesen  Hess  und  unterrichtete,  war  er  scharfsinnig,  weise  und  verstand  auch  die 
unlesbaren  Bücherrollen  ohne  Anstand  vollkomnien.  Die  Menschen,  welche  Lehrer  waren, 
priesen  ihn  besonders.  Unter  allen  Menschen,  welche  diesen  Jama-bito  sahen,  gleichviel 
ob   Männer  oder  Weiber,   war  Keiner,   der  ihm   nicht  seine  Neigung  zugewendet  hatte. 

Sono  koro  onazi-kuni-ni  \  ^  |Sj  (firo-icoka)-uo  ^  ^  (tsiv-zija)-to  iA  mono  arl.  Ko- 
koro-ßgami-taru  nedzike-hito-nite  ari-kerv-ga  \  kono  jama-bito-wo  omoi-somete  \  ika-de  ^  f^ 
(kib-dai)-no  katarai-sen-to  \  trd)i-tabi  fumi-nado-ico  okuri-kere-do  |  tsiija-tsnja  kajeri-goto  dani 
sezari-kere-ba  \  ika-ni-mo  site  |  rvaga  mono-ni  sen-to  omoi-te  \  joki  tsti-ide-wo-zo  matsi-i-tari- 
keru.  Faru-no  koro  [S]  (mukai)-ga  |^  (iüoka)-to  ijerit  tokoro-no  fana  saki-nu  tote  \  ßto-bito 
en-kin-wo  iwazu  |  koko-ni  tsudoi-tc  \  fi-me-mosu  asobi-kurasi-keru  naka-ni  \  jama-bito-vio 
faica-wo  izanai-te  I  takaki  looka-be-ni   ^    (sen)  utsi-siki-te  \  7iagame-i-tari-keru. 

Um  die  Zeit  lebte  in  demselben  Reiche  ein  Mensch  Namens  Firo-woka-no  Tsio- 
zija.  Derselbe  war  ein  Schmeichler  von  verderbtem  Herzen.  Er  liebte  diesen  Jama- 
bito  und  schickte  ihm  melirmals  Briefe,  in  welchen  er  fragte,  wie  er  mit  ihm  das 
Gespräch  der  Brüder  anknüpfen  könne.  Da  Jener  ihm  durchaus  keine  Antwort  gab, 
wünschte  er  ihn  auf  irgend  welche  Weise  zu  dem  Seinigen  zu  machen  und  wartete  auf 
eine  günstige  Gelegenheit.  Um  die  Zeit  des  Frühlings,  als  man  sagte,  dass  an  einem 
Orte  Namens  ]\Iukai-ga  Woka  (die  gegenüberliegende  Berghöhe)  die  Blumen  erbltiht 
seien,  kamen  die  Menschen,  auf  die  Entfernung  nicht  achtend,  hier  zusammen  und  ver- 
gnügten sich  den  ganzen  Tag  bis  zum  Abend.  Auch  Jama-bito  führte  seine  Mutter 
dahin,   breitete  an  der  Seite  der  Anhöhe  einen  Teppich  und  blickte  in  die  Ferne. 

Wori-kara  |  firo-'u:oka-no  tnb-zija-mo  \  kono  iratari.-ni  ^  (inahi)  ?itsi-matcasi-te  |  sake- 
nomi.  fanosimi-i-keru-ga  |  jama-hito-ga  fawa-ico  tsurele  \  koko-ni  kitareric  josi-n-o  kiki-te  \  ei- 
n.i  ^  (zi6)-zite  fasiri-kite  \  sunmvatsi  ^  (sen]-no  vje-ni  nobori  \  jama-bito-ga  tc-a-o  torajete  \ 
/rare  tabi-tabi  f^  J^^  (seö-soko)-site  \  kokoro-zasi-ico  tsiige-tsti.ru- tco  \  nasake-naki  -^  J\^  (seö- 
:in)  kana-to  i-i-te  |  fita-sura  taware-kakari-kere-ba  \  faiva-iva  J^  (kioj-samete  |  jama-bito-ni 
me-kubase-site  \  toku  koko-tco  tatsi-saran-to  sure-ba  \  firo-ivoka  tatsi-agari-te  \  faiva-wo  tsuki- 
iioke.  \  jama-bito-wo  waki-ni  fasami-te  |  ono-ga  ^  (maku)-no  utsi-je  fiki-tsure-jukan-to  s?(,. 
Fatca-wa  oki-agari-te  \  ko-iva  ^%  ^  (ro-zeki)  nari-to  i-i-tsutsu  \  sigami-isnku-n-o  |  asi-nite 
ßimi-tobasu.  Kono  sawagi-ni  |  ivari-go  sasaje  nado-ioa  \  mi-dzin-ni  nari-te  tobi-tsiri-nu,  Faiua- 
""'^  iE  ^  (siü-kij-tco  itsinai-te  \  -/(fsubusi-ni  tbrete  \  oki-mo  agarazu.  Firo-icoka  jama-bito- 
iro  torajete  |  fiki-jttkan-to  su.     Aja-vki  koto  ije-ba  sara-iiari. 

Um  dieselbe  Zeit  zog  aucli  Firo-woka-no  Tsiö-zija  an  diesem  Durcliwege  einen 
Vorhang,  trank  Wein  und  vergnügte  sich.  Als  er  hörte,  dass  Jama-bito  mit  seinei- 
Mutter  hierher  gekommen  sei,  lief  er  in  seiner  Trunkenheit  daher  und  stieg  auf  den 
Teppich.  Er  nahm  Jama-bito  bei  der  Hand  vmd  sagte :  Ich  habe  dir  oftmals  Briefe 
geschrieben  und  dir  meine  Absicht  mitgetheilt.  0  grausamer  junger  Mensch !  —  LIiermit 
wurde  er  zudringlich  und  begann  zu  scherzen.  Die  Mutter,  deren  Freude  verdorben 
war,    warf   Jama-bito    einen    Blick    zu    und    wollte    schnell    von    hier   aufbrechen.     Firo- 

35* 


27(^  Pfizmaiee. 

woka  erhob  sicli  sofort,  sticss  die  Mutter  weg  und  wollte,  Jama-blto  unter  den  Arm 
nehmend.  Ihn  mit  sicli  Jiinter  den  eigenen  Vorhang  fortziehen.  Die  Mutter  stand  auf 
und  stiess  unter  deju  Ivufe :  Dieses  ist  Gewalt!  den  Umsclüiessenden  mit  einem  Fuss- 
tritte  weit  weg.  Bei  lüeser  \' er  wirrung  wuj-den  der  Speisekorb  und  die  Weinkanne  zu 
Staub  zermalmt  und  der  Inhalt  verstreut.  Die  Mutter,  die  Besinnung  verlierend,  fiel 
kopfüber  zu  Boden  und  konnte  sieh  nicht  erheben.  Firo-woka  erfasste  Jama-blto  und 
wollte  ihn  fortziehen.     Die  Gefahr  war  augenscheinlieh. 

Kakaru-ni  \  fana-no  ko-kage-ni  \  fö  kahuri-seru  wotoko-no  tatsl-i-taru-ga  \  fasiri-klete  ' 
firo-icoka-ga  kiki-ude-tori-te  \  mondori-utasete  \  ^  H9  (san-gen)-bakari  nage-tsuke-tsu.  Jama- 
hito-u-a  /(resiku-te  \  fawa-ga  moto-7ii  jori-te  \  ^  |^  (kai-fbj-sure-ha  \  firo-woka  oki-agari- 
fe  kano  icotoko-ni  tohi-kakaru-wo  \  fittorajete  \  ^Ac  iÖl  (dai-dzi)-ni  nage-tsuke  \  maku-gusi-wo 
fiki-nnkl-ie  \  tsudzuke-utsi-ni  ufsi-kere-ba  \  ^|P,  ^  (gb-ki)-no  firo-woka-mo  \  naje-naje-to  nari- 
te  tbre-nu.  Kano  tcotoko  ^  ^  (ni-ifo)-datsi-ni  tatsi-ite  \  jama-hlto-ni  mukai-te  \  faiva  go- 
zen-ico  oi-te  |  toku  koko-ico  nige-tamaje-to  iil-ni  \  jama-bito-ioa  kokoro-sekarete  \  toku  fawa-ivo 
se-ni  oite  \  tvoka-ico  kudari-te  nige-juM-keru. 

Unterdessen  stand  ein  Mann,  der  die  ^^'angen  eingehüllt  hatte,  in  dem  Schatten  der 
blühenden  Bäume.  Derselbe  erfasste  Firo-woka  flink  bei  dem  Arme,  stürzte  ihn 
kopfüber  um  und  schleuderte  ihn  zwei  Ken  weit  hin.  Jama-bito  näherte  sieb  freuden- 
voll seiner  Mutter  imd  trug  für  sie  Sorge.  Firo-woka,  sich  erhebend,  stürzte  auf  jenen 
Mann  los,  doch  dieser  erfasste  ihn  und  warf  ihn  zu  Boden.  Den  Stab  des  Vorhanges 
herausziehend,  versetzte  er  ihm  einen  Schlag  nach  dem  anderen.  Der  kühne  Firo-woka 
wurde  mürbe  und  fiel  um.  Jener  Mann,  gleich  den  zwei  Königen  dastehend,  sagte  zu 
Jama-bito:  Nehmet  eure  Mutter  auf  den  Rücken  und  fliehet  schnell  von  hier!  —  Jama- 
bito,  im  Herzen  befangen,  nahm  die  Mutter  schnell  auf  den  ßücken,  stieg  von  der 
Berghöhe  herab  und  entfloh. 

Fir'O-iroka-ga  sirnobe-domu  ruku-sitsi-nin  \  kano  wotoko-wo  jarazi-to  tori-maku-ivo  \  maku- 
gusi-wo  fotte  lUt  tM  (ziju-wo)-nl  täte  mairare-ba  \  jori-tsiiku  mono-mo  sara-ni  naku  \  mina 
tsiri-dziri-ni-zo  nige-use-keru.  Kano  tcotoko  firo-tvoka-ga  fusi-tam  soba-ni  jori-te  \  kakaru 
jats7i-ni-wa  \  fadzi-misen-zii-lo  i-i-sama  \  obi-toki  koromo  fiki-fagi-te  \  koromo-wo-ba  nagare-ni 
utsi-nagete  \  utsi-jemi-tsatsu  |  idzukx-to-mo  sirazu  kajeri-juki-keru. 

Die  sechs  oder  sieben  Dienei-  Firo-woka's  wollten  jenen  Mann  nicht  fortlassen  und 
umringten  ilm.  Doch  dieser  ergrift"  den  Stab  des  Vorhanges  und  wandelte  schräg  ein- 
hauend umlier.  Es  konnte  ihm  durchaus  Keiner  beikommen,  und  Alle  stoben  aus- 
einander und  entliefen.  Jener  Mann  trat  an  die  Seite  des  zu  Boden  liegenden  Firo- 
woka  und  sag'te :  Einem  solchen  Sclaven  werde  ich  Schande  anthun.  —  Hiermit  löste 
er  ihm  den  Gürtel  und  zog  ihm  das  Kleid  aus.  Er  warf  das  Kleid  in  den  Strom  und 
ging  lachend,  man  wusste  nicht  wohin  es  war,  nach  Hause. 

Firo-xvoka-ifa  aka-fadaka-nite  fitsi-i-taru-ico  \  simobe-ra  tatsi-kajeri  \  sama-zama  kai-fb- 
si-kere-ba  \  jb-jaku-nl  iki-iva  ide-tar^e-^domo  \  aka-fadaka  nare-ba  \  kono  mama-nite  kajeri-tama- 
wan-wa  fito  warosi  tote  \  simobe-ga  kinu-wo  nugi-te  \  utsi-kise-kere-do  \  naivo  samusi-to  ije-ba  j 
sen  kata-naku-te  \  ari-ai-taru  ^  g§  (mb-senj-wo  tori-te  |  kasira-jori  utsi-kisete  \  obi-nite 
kuru-karu-to  fiki-musube-ba  \  firo-woka  joro-joro-to  tatsi-agari-te  \  aka-fadaka-nnru  simobe-ga 
kato.-ni  kakari-te  \  ajumi-juku  sama  \  sa-nagara  ^  (e)-7ii  kaki-taru  ^  ^  (daru-ma)-  ~f\, 
|5j]5  (dai-si)-no  ci-sire-taru  gotoku  nare-ba  |  kore-wo  miru  m.ono  \  te-utsi-tataki-te  icarai-ken. 
Kore-jori  ijo-ijo  neiaki  koto-ni  omoi-te  \  kono  nmkui-sen-to-zo  omoi-tatsi-keru. 


Die  Geschichte  einek  Seelenwändeeunq  in  Japan.  27  7 

Firo-woka  lag  nackt.  Die  Diener  kamen  zurück  und  trugen  auf  alleriei  Weise  für 
ihn  Sorge.  Er  erholte  sich  endlich,  doch  da  er  nackt  war,  sagten  sie :  Wenn  ihr  in 
diesem  Zustande  heimkehret,  nehmen  es  die  Menschen  übel.  —  Ein  Diener  zosj  das 
Kleid  aus  und  bekleidete  ihn  damit,  doch  er  sagte,  ihm  sei  noch  kalt.  Da  man  sich 
nicht  anders  zu  helfen  wusste,  nahm  man  einen  härenen  Teppich,  der  eben  bei  dej- 
Hand  war,  legte  ihm  denselben,  von  dem  Kopfe  abwärts,  an  und  band  ihn  mit  dem 
Gürtel  rund  herum  fest.  Firo-woka  erhob  sich  taumelnd  und  häno'te  sich  an  die 
Schidter  des  nackten  Dieners.  Wie  er  so  einherschritt,  war  er  gerade  gleich  einem 
auf  Gemälden  abgebildeten  grossen  Lehrer  Daru-ma,  der  durch  Trinken  blödsinnig 
geworden.  Die  ihn  sahen,  sclilugen  in  die  Hände  und  lachten.  Seit  dieser  Zeit  liebte 
er  bei  immer  grosserer  Eifersucht,  und  er  beschloss,  sich  zu  rächen. 

Netaki  steht  für  netamasi-ki  , eifersüchtig'. 

Säte  mala  sumi-nawa-wa  \  luatsu-mitsu-to  fomo-ni  j  adzuma-no  kata-je-to  kudari-keru-ni  \ 
sagami-no  kimi-wo-mo  sugi-nu.  Säte  fi-gure-niire-ha  \  jadori  mofomete  |  jn-wo  cdcasl-i-taru-ni 
jume-no  utsi-ni  |  ohitadad-ku  kami-nari  fibiki-te  \  motsi-kitari-keru  fisago  onore-to  mado-ivo 
idete  tohi-jvku-to  mi-taru-ni  |  odoroki-te  |  makura-wo  agete  \  kano  ßsago-wo  miru-ni  \  am  koto 
nasi.  Te-madoi-site  \  matsu-viitsit-wo  okosi-te  |  so-ko-ra  fomosi-bi-ico  terasi-te  mire-do  \  ato- 
kata-mo  nasi.  Kono  fisago  usinai-te-ha  \  ivaga  mi-ni  ika-naru  tatari  aran-mo  fakari-gatasi- 
to  I  ije-aruzi-wo-mo  jobi-okosi-te  \  ije-no  meguri  nado  sagasi-motomiüre-do  |  sore-to  obosi-ki  mono- 
mo  mijezu.  Kare  nusii-bito-no  motsi-juku-heki  mono-ni  arazu  \  masasi-ku  ^  pfl  (mu-isiü)- 
ni  kono  fisago  onore-to  tobi-ide-taru-to  mi-si-wa  |  mosikit-wa  sen-nin-no  tsuge-tamai-tmru-nite  j 
kono  fisago-wo  watasi-ma-irasiirit  fito-no  \  kono  atari-ni  sumi-tamo-ni-ja  aran  tote  \  jo-no  akurn- 
wo  matsi-te  \  kono  jadori-wo  tatsi-ide-mi. 

Ferner  war  Sumi-nawa,  von  Matsu-mitsu  begleitet,  zu  den  östlichen  Gegenden 
herabgekommen  und  reiste  aucli  durch  das  Reich  Sagami.  Als  es  Abend  wurde,  suchte 
er  ein  Nachtlager.  Während  er  daselbst  die  Nacht  verbrachte,  träumte  ihm,  dass  der 
Donner  fürchterlich  rollte  und  dass  der  Kürbiss,  den  er  mitgebracht  hatte,  durch  das 
Fenster  liinausglitt  und  entflog.  Erschrocken  hob  er  das  Polster,  und  als  er  nach 
diesem  Kürbisse  sah,  war  er  nicht  da.  Mit  den  Händen  umherfahrend,  weckte  er 
Matsu-mitsu,  leuchtete  mit  dem  Lichte  und  sah  nach,  doch  es  war  von  ihm  keine  Spur. 
Es  nicht  begreifend,  was  für  eine  Heimsuchung  es  für  ihn  sei,  wenn  er  diesen  Kürbiss 
verloren  hatte,  rief  er  den  Herrn  des  Hauses.  Man  durchsuchte  die  Umgebungen  des 
Hauses,  doch  etwas,  was  man  dafür  halten  konnte,  war  nicht  zu  sehen.  Er  sagte :  Ihn 
kann  ein  Dieb  nicht  mitgenommen  haben.  Indem  ich  im  Traume  deutlich  sah,  wie 
dieser  Kürbiss  von  freien  Stücken  hinausflog,  wii*d  vielleicht  der  Mensch,  dem  ich  im 
Auftrage  der  unsterblichen  Menschen  diesen  Kürbiss  überbringe,  in  dieser  Gegend 
wohnen.  —  Er  wartete  auf  den  Anbruch  des  Tages  und  zog  dann  von  diesem  Nacht- 
lager fort. 

Kuko-iva  kiki-ojobi-si  miisasi-no-to-ka-ja  \  fate-mo  naki  o-o-no-nite  \  asi  tcogl  nomi  takaku 
oi-ie  I  jidai  taki-mo  mijezu.  Kano  jume-ni  mi-tsuru  fisago-no  \  figasi-wo  sasi-te  tobu-to  mi- 
tsure-ba  \  musasi  — ■  ^  (ikkokv)-no  utsi-wo  tadzune-nan-ni-iva  |  o-o-kata  ari-dokoro  sirezaru 
koto  arazi.  Nandzi-ica  fidari-no  mitsi-wo  juki-te  tadzunu-besi.  Ware-wa  migi-no  mitsi-ico 
tadori-te  jukii-besi.  Isi-bama-to  ijem,  tokoro-ni  |  asi-ja-no  nanigasi  tote  \  siru  fito  ari.  So-ko- 
nite  ai-o-hesi-to  ije-ba  \  matsu-mitsu    |^|J    (reij-no  unadzuki-te  tatsi-wakare-juki-nu. 


278  Pfizmaieb. 


liier  auf  einer  endlosen  gi-ossen  Grasebene,  welche  vielleit'ht  das  vom  Hören 
bekannte  Feld  von  Musasi  war,  wuchsen  blos  Schilf  und  Binsen  hoch  empor,  und  man 
sah  nicht,  wohin  man  ging.  Er  hatte  in  dem  Traume  gesehen,  dass  jener  Kürbiss  in 
östlicher  l\ichtung  entflog.  Ei-  sagte  zu  Matsu-mitsu :  AVenn  man  das  Innere  des  ganzen 
Reiches  Musasi  durchsuchen  würde,  konnte  der  Ort,  wo  er  sich  befindet,  nicht  un- 
bekannt bleiben.  Du  kannst  den  ^^'eg  zur  Linken  wandeln  und  suchen.  Ich  werde 
den  ^Veg  zur  Rechten  umhertappend  wandeln.  An  einem  Orte  Namens  Isi-bama  lebt 
einer  meiner  Bekannten,  ein  Mann  von  dem  Geschlechte  Asi-ja.  Dort  werden  wir 
zusammentreffen.  —  Matsu-mitsu  nickte  wie  gewöhnlieh  mit  dem  Kopfe,  trennte  sich 
und  wandei'te  foi't. 

Sumi-nan-a-wo  ßfori  kono  asi  wogi-ico  usi-a-akc-tsutsu  |  niitsi-arv  kata-wo  tadori-jvki- 
keru-ni  \  nagarc-oru  tokoro-ni  ide-nu.  Kono  nagare-ni  $oi-te  \  juki-miru-ni  \  siha-basi  utd- 
watasi-taru  tokoro-ni  \  loakaki  fito  tsuri-site  i-iaru  ari.  Wo-bana  nade-si-ko  nado-no  \  kisi-ni 
tateru-mo  |  mi-sute-gataku-te  \  tatsi-todomari-te  \  (S|  '^  (si-kai)-wo  ike-to  si  \  !^  ß  (ban-mmj- 
ico  uwo-to  su-to  I  nani-to  naht  kutsi-zusami-kere-ba  \  kono  ivakaki  fito  anmi-nawa-ga  kata-wo 
ßiri-kajeri-viiru.  Sumi-naiva  kono  fito-wo  mire-ba  \  ziü-go-rokii-no  ^  -^  ^  (bi-seo-nen)- 
nite  I  kawo-no  niwoi  tagui-naku  ■\  wonna-nite  mi-ma-fosi-ki  sugata  nari.  Nani-to  jaran  m- 
taru  fito-no  jb  nare-ba  \  joku  omoi-megtirasu-m  j  kano  sen-kai-nite  \  tani-juri  oPm-irerare-»i 
fito-ni  tagaioazu. 

Sumi-nawa,  allein  jenes  Schilf  und  die  Binsen  zertheilend,  wandelte  tappend  in 
einer  einen  Weg  besitzenden  Gegend  und  kam  an  einem  Orte,  wo  sich  ein  fliessendes 
Wasser  befand,  hervor.  Als  er  längs  diesem  fliessenden  Wasser  hinging  und  sich  um- 
sah, war  an  einem  Orte,  an  welchem  eine  Brücke  aus  Reisholz  geschlagen  war,  ein 
junger  Mensch  mit  Angeln  beschäftigt.  Da  auch  blühendes  Riedgras  und  Nelken  auf 
der  Uferhöhe  standen  und  er  dieses  nicht  unbeachtet  lassen  konnte,  blieb  er  stehen 
und  summte  absiclitslos  vor  sich  liin  die  Worte :  Die  vier  Meere  zu  einem  Teiche  machen, 
die  Zehntausende  des  Volkes  zu  Fischen  machen.  —  Dieser  junge  Mensch  richtete  jetzt 
auf  ihn  den  Blick.  Als  Sumi-nawa  diesen  Menschen  sah,  war  es  ein  schöner  Jüngling 
von  fünfzehn  bis  sechszelm  Jahren,  mit  einem  unvergleichlich  reizenden  Angesichte 
und  einer  Gestalt,  wie  man  sie  bei  einem  "Weibe  sehen  möchte.  Es  schien  ein  Mensch 
zu  sein,  den  er  bei  irgend  einer  Gelegenheit  gesehen  hatte,  imd  als  er  es  gut  in  seinen 
Gedanken  erwog,  wai-  derselbe  von  dem  Menschen,  den  man  innerhalb  dei-  Gränzen  der 
Unsterblichen  in  das  Thal  hinabgestürzt  hatte,  nicht  verschieden. 

'^  A  O^cö-zmJ  i-i-keru-wa  \  on-mi-iva  tabi-bito-ni-ja  \  idzuku-wo  sasi-te  jiikase-tamb-to 
iü-ni  I  sumi-nawa  sasi-jori-te  |  onore-ica  fi-da-no  kuni-naru  takumi-nite  soro.  Kono  mumsi-no 
kuni-je-va  \  fazimete  makari-taru-ga  \  idzuku-ni  jadori-torH  beki  siru-be-mo  naku  sb7-b.  Ika- 
de  — ■  ^  (itsi-ja)-iro  akasase-tahi-nan-ja-to  ije-ba  |  seö-zin  jasuki  kofo-ni  koso  |  icaga  moto- 
je  tovionai-ina-irasen  tote  |  saivo-too  agete  \  iza  tote  saki-ni  tatsi-te  ajumu.  Usiro-de  kano  |ll  Fp 
(san-tsm)-nite  mi-tani,  fjlj  (sen)-ni  isasaka  tagb  koto  na-kere-ba  \  kanarazu  kono  fito  koso 
kano  sen-nin-no  umare-ide-tam  narame-to  omoi-te  \  tsuki-soi-te  juku  |  fodo-naku  kaja-fnki-taru 
kado-ni  itare-ba  \  seo-zin  siba-no  to  osi-firaki-te  iri-nu.  Koko-wa  Yi  ^  ^  (take-siba-zaka)- 
to  ijeru  tokoro-nlte  \  seo-nen-wa  kano  kawo-josi-to  kikoje-taru  jama-hito  nari. 

Der  junge  Mensch  fragte:  Seid  ihr  ein  Reisender?  Wohin  geht  euer  Weg?  — 
Sumi-nawa  näherte  sich  und  sagte :  Ich  bin  ein  Zimmermann  aus  dem  Reiche  Fi-da. 
Ich    bin    zum    ersten    Male    nach  diesem  Reiche  Musasi  gereist  und  weiss  nicht,   wo  icli 


Die  Geschichte  eineh  Seelenwandeeüng  in  Japan.  279 

einkehren  kann.  Wie  wäre  es,  wenn  ihr  mich  eine  Naelit  verbringen  liesset?  —  Der 
junge  Mensch  sprach :  Es  ist  etwas  Leichtes.  Ich  werde  euch  zu  meiner  Behausung 
begleiten.  —  Hiermit  erhob  er  die  Angelruthe,  sagte:  Wohlan!  und  schritt  voraus. 
Sumi-nawa,  hinter  ihm  einhergehend,  dachte  sich:  Da  gar  kein  Unterschied  zwischen 
ihm  und  dem  Ünsterbliclien  ist,  den  ich  in  jenem  Gebirge  gesehen  habe,  so  wird  gewiss 
als  dieser  Mensch  jener  unsterbliche  Mensch  geboren  worden  sein.  —  Nach  kurzer  Zeit 
gelangte  man  zu  einem  mit  ßiedgras  gedeckten  Thore.  Der  junge  ^lensch  öffnete  eine 
Thüre  von  Reisholz  und  trat  ein.  Dieses  war  der  Ort,  welcher  die  Bergtreppe  von 
Take-siba  hiess,  und  der  Jüngling  war  jener  Jama-bito,  der  unter  dem  Namen :  der 
Schöne  bekannt  war. 

Sumi-nawa  ntsi-ml-matcase-ha  \  are-taru  ije-i-no  sama-na[/a.ra  \  ju-e-josi  mijete  sumi-nasi- 
tari.  Sikaru-ni  oku-no  kata-jori  me-no  icarawa  fasiri-idete  \  awate-taru  ko-e-iiite  \  sate-mo  on- 
kajeri-wo  ima-ja-to  matsi-isukete  sbrai-ki.  Fawa-gimi-no  ßru-no  fodu-jori  |  idzuku-je  jukase- 
tamai-si-ni-ka  \  mije-sase-tamawazu.  'Isikaki  atari-ica  tadz2me-sbrai-tsure-do  |  fn-tsii-ni  on- 
juku-je  siri-taru  fito-mo  nasi.  Kimi-iva  mosi  on-juku  saki-ivo  sirase-tamb-ni-ja-1o  iü-ni  \  seo- 
nen  o-oki-ni  odoroki-te  \  fawa-bito  akara-sama-ni  \  tonari-no  ije-ni  itari-tamo-ni  dani  \  ware-ni 
tsuge-tamawade-wa  ide-juki-tamaivazio.  Alasi-te  onore  foka-ni  ide-taru-ni  |  ika-de  ije-ioo  ide- 
tamo-heki.  Saru-nite-mo  kokoro-narazaru  koto-jo  tote  \  kaslra  utsi-katamukete  tntere-ba  \  sumi- 
nawa  sate-sate  niga-nigasi-ki  koto-ico  idce-tamawari-sorb  mono  kana.  Mi-ma-irasuru-ni  \  on-ije- 
ni  ßto  sukunaku  mijete  sbrb  \  onore  mono-no  jaku-ni  tatsu-beki  mi-ni-wa  sbraivane-do  |  on- 
tsikara-to  nari-te  \  tomo-domo  fawa-givn-no  on-juku-je  tadztme-tate-matsurib-hesi-to  ije-ba  seh- 
nen o-oki-ni  jorokobi-te  \  uresi-ku-mo  no-tamb  mono  kana  tote  \  sumi-nawa-ni  asi-arawasete  | 
su-no  ko-no  uje-ni  izanb. 

Sumi-nawa  blickte  umher.  Obgleich  ein  verödetes  Haus,  war  augenscheinlich,  aus 
einem  Grunde  ein  Wohnplatz  geschaffen  worden.  Unterdessen  lief  von  der  Seite  des 
Inneren  ein  kleines  Madchen  heraus  und  sao-te  in  änp'stlichem  Tone:  So  habe  ich  eure 
Heimkehr  jetzt  doch  erwarten  können!  Die  Mutter  lässt  es  seit  Mittag  nicht  ersichtlich 
werden,  wohin  sie  gegangen  ist.  Ich  habe  in  der  Nähe  gefragt,  doch  es  ist  gar  Nie- 
mand, der  WLisste,  wohin  sie  gegangen.  Wisst  ihr  vielleicht,  wohin  sie  geht?  —  Der 
Jüngling  war  sehr  erschrocken  und  sagte:  Die  Mutter  ist  wahrscheinlich  nur  in  das 
Nachbarhaus  gegangen.  Ohne  es  mir  zu  sagen,  geht  sie  nicht  aus.  Besonders  da  ich 
selbst  ausgegangen  bin,  wie  könnte  sie  da  das  Haus  verlassen?  Indessen  ist  es  eine 
unerwünschte  Sache !  —  Dabei  stand  er  mit  seitwärts  geneigtem  Haupte.  Sumi-nawa 
sagte :  0  es  ist  euch  eine  unangenehme  Sache  widerfahren !  Indem  ich  mich  umsehe, 
scheinen  in  eurem  Hause  wenige  Menschen  zu  sein.  Obgleich  ich  für  Jemandes  Dienste 
nicht  tauge,  werde  ich  euch  helfen  und  mit  euch  fragen,  wohin  eure  Mutter  gegangen 
ist.  —  Der  Jüngling  war  sehr  erfreut  und  rief:  O  es  macht  mir  ein  Vergnügen,  was 
ihr  saget!  —  Er  liess  Sumi-nawa  die  Füsse  waschen  und  führte  ihn  zu  dem  oberen 
Tlieile  der  Fku'matte. 

Snmi-naa-a  utsi-mi-maumse-ba  |  kono  ije  ta-tsukum  kata-te-nl  \  sakc-ivo-mo  tsuktm-te  uri- 
fifakn-to  mijete  |  kuri-ja-no  anata-7ii  \  o-oki-naru  looke  nado  \  amata  narabi-te  ari.  Mata  iraga 
i-taru  katawara-ni  \  sa-ziki  kamajete  \  sake  iruru  käme  nado  \  am,ata  narabete  ari.  Joku 
mire-ha  |  onore-ga  usinajeru  fisago  kano  tsubo-no  uje-ni  \  tsuri-te  ari. 

Als  Sumi-nawa  sich  umsah,  schien  es,  dass  man  in  diesem  Hause  Feldbau  treibe 
imd  nebenbei  auch  Wein  erzeuge  und  verkaufe.   Auf  der  anderen  Seite  der  Kiiche  standen 


280  -  Pfizmaier, 

viele  grosse  Zuber  in  Reihen.  Ferner  waren  auf  der  Seite,  wo  er  si(;li  befand,  Gerüste 
erbaut  und  viele  Krüge,  in  welche  Wein  gegossen  wird,  in  Reihen  gestellt.  Als  er 
genau  hinsali .  war  der  von  ihm  verlorene  Kürbi'ss  dort  iibei'  einem  Tojife  an  einen 
Haken  gehängt. 

Sate-wa  koko-ni  koso-to  omoi-kcrn-ga  \  inadzu  sirazu-gaico  tsukuri-te  \  seö-nen-ni  mukai- 
ie  I  korc-nar)i  ßsago-tva  fur'itkii-jori  tsxtajete  motase-tamb-ni-ja-to  tuje-ha  \  seo-nen-ga  iwaku  j 
sono  koto-nite  soru  \  kore-wa  ke-sa-no  fodo  \  fajb  oki-idete  mi-sbraje-ha  \  kono  sake-tsuho-no 
uje-iio  fisasi-ni  \  kusari-ni  tstmagi-taru  fisago-nn  kakari-ie  sbrb.  Ika-naru  kofo-ni-ka-to  zon- 
zite  mite  sbraje-ba  |  icori-fusi  kotsi-kaze-no  fuki-idete  sbraje-^a  \  kono  fisago  nisi-ni  nabiki-te  1 
ne-wo  Site  sbrb  \  sono  ko-e  je-mo  rioazu  \  omo-siroku  \  kokoro-mo  ono-dzukara  sumi-watari-te 
sb7'ai-ki.  Sibasi-site  \  kita-kaze  fuke-ba  mata  minami-ni  nabiki-te  onazi-ku  omo-siroki  oie-ivo 
idasi-te  sbrb.  Kakaru  mono-wa  \  moto  waga  ije-ni  naki  tnono-nite  sbrai-tsuru-wo  \  ika-naru 
ßto-no  I  nokosi-oki-tarti-ni-ka-to  zon-zi-sbraje-ba  \  madzu  tori-irede  \  nusi-no  kitaran  made-iva- 
to  I  kb  saka-ganie-no  uje-ni  \  sono   mama-vi  tsuri-oki-te  sbi^i-to  kataru. 

Er  sagte  zu  sieh:  Also  hier!  —  Er  stellte  sich  zuerst  unwissend  und  fragte  den 
Jüngling:  Besitzet  ihr  den  Kürbiss  dort  vielleicht  schon  von  Alters  her?  —  ])er  Jüng- 
ling sprach:  Die  Sache  verhält  sich  so.  Als  ich  heute  Morgens  frühzeitig  aufstand  xmd 
umherblickte,  hing  an  dem  Wetterdache  über  diesem  Weintopfe  ein  mit  einer  Tvette 
umwundener  Kürbiss.  Ich  sann  nach,  was  dieses  sein  möge  und  sah  hin.  In  diesem 
Augenblicke  wehte  der  Ostwind.  Dieser  Kürbiss  neigte  sich  naeli  \Vesten  und  gab 
einen  Ton  von  sich.  Dieser  Ton  war  unaussprechlich  lieblich,  und  das  Herz  ward  zu 
ihm  hingezogen.  Nach  einer  Weile  wehte  der  Nordwind.  Der  Kürbiss  neigte  sich 
wieder  nach  Süden  und  gab  eben  so  den  lieblichen  Ton  von  sich.  Ein  solcher  Gegen- 
stand war  U]-sprünglich  in  meinem  Hause  nicht  vorhanden.  Ich  sann  nach ,  was  für 
ein  Mensch  ihn  zurückgelassen  haben  möge.  Ich  nahm  ihn  vorerst  nicht  herein  und 
hängte  ihn,  bis  der  Besitzer  gekommen  sein  würde,  so  wie  er  war,  über  den  Weinkrügen 
an  einem  Haken  auf. 

Sumi-nawa-ga  iwaku  |  kore-tva  fito-no  icasurete  nokosi-oi-tarii  onono-ni-wa  sbraivazi  |  iva- 
gimi-ni  ten-jori  atoje-tamajem  mono-ni  koso  sbrb-rame  \  dai-zi-to  nasi-te  |  kizu  Isukede  \  takara- 
to  nasi-tamaje.  Notsi-notsi  on-mi  \  nari-nobori  |  ^  (jo)-ni  7iuke-ide-tamb-beki  ^  ^  (kitsi- 
zui)  narn-beku  zon-zi-sbrb-to  ije-ba  \  seö-nen  ufsi-emi-te-  \  sara-ba  joki  saga-ni  koso  sbi^aje-to 
iitsi-katarai-woru  fodo  \  tonari-no  ije-aruzi  \  fasiri-iri-kite  \  kore-7w  faiva-gimi-iva  ßru-no  ko7-o\ 
o-oki-naru  wotokn-no  se-ni  oi-te  |  kita-wo  sasi-te  \  fasiri-jihki-taru-ico  \  tonari-no  mura-narn 
mono-no  \  kusa-kari-ite  \  tasika-ni  mi-tari-to  \  imo.-no  fodo  kitari-te  kafari-te  sb7^b-to  iü. 

Sumi-nawa  sprach:  Dieses  ist  kein  Gegenstand,  der  von  einem  Mensclien  vergessen 
und  zurückgelassen  wurde.  Es  wird  eine  Sache,  sein,  die  euch  von  Seite^des  Himmels 
gegeben  Avii-d.  Leget  grossen  Werth  darauf,  bringet  ihm  keine  Verletzung  bei  und 
haltet  ihn  für  eine  Kostbarkeit.  Ich  erkenne,  dass  es  ein  glücliliches  Zeichen  sein  kann, 
wodurch  ihr  in  späterer  Zeit  emporsteigen  und  der  Welt  entrückt  werden  könnt.  — 
Der  Jüngling  lächelte  und  sagte:  Also  möge  es  ein  gutes  Vorzeichen  sein!  —  Während 
sie  so  sprachen,  kam  der  Besitzer  des  Nachbarhauses  hereingelaufen  und  sagte:  Eure 
Mutter  hat  um  die  Zeit  des  Mittags  ein  grosser  Mann  auf  den  Rücken  genommen  und 
ist  in  nördlicher  Richtung  entlaufen.  Ein  Mann  aus  dem  benachbarten  Dorfe,  welcher 
Gras  mähte,  sagte  mit  Bestimmtlieit,  dass  er  es  gesehen  liabe.  Derselbe  ist  eben  jetzt 
gekommen  und  hat  es  erzählt. 


Die  Geschichte  einek  Seelenwandeeung  in  Japan.  281 

Wagivii  steht  für  waga  kinii  ,mein  Gebieter'. 

Sate-wa  |  so-jatsu  nusu-hito  naru-besi.  Oi-kakete  toraje-ten  tote  \  kokoro-gurü-hakari-nl 
seki-tatsi-te  satcagu.  Toki-ni  fi-mo  kure-nure-ha  |  matsa  toinosi-tsuranete  \  sumi-nawa-mo 
tomo-domo  sed-nen-ni  ßki-soi-te  |  ije-wo  idete  |  ivogi  susuki-no  naka-wo  wakete  |  go-ri-amari 
juki-tare-domo  \  kage  dani  mi-tsuke-taru  koto  nasi.  Se6-nen  ko-e-ico  agete  naku  koto  kagiri- 
nasi.  ladzusaje-kitaru  matsii-mo  moje-tsidcusi-nure-ha  \  ima-ioa  sen  kata-nasi.  Madzu  tatsi- 
kajeri-te  |  jo-tco  akasi-te  notsi  sagasi-motovm-besi.  ldznre-7ii-rno  are  \  un-juku-je  sirezaru  koto- 
tca   sbrawazi-to    sama-zama-to    iiagusame-tsidsu  |  mata   tuoto-no  jadori-je-to-zo  fiki-kajesi-keru. 

Man  sagte :  Also  muss  dieser  Kerl  ein  ßäuber  sein.  Wir  werden  ihm  nachsetzen 
und  ihn  ergreifen.  —  Man  erhob  sich  in  Angst  hastig  und  war  in  Aufregung.  Da  eben 
die  Sonne  untergegangen  war,  zündete  man  reihenweise  Fackeln  an.  Auch  Sumi-nawa 
gesellte  sich  zu  dem  Junglinge  und  verliess  das  Haus.  Die  Binsen  und  das  Riedgras 
durchbrechend,  wandelte  man  über  fünf  Ei  weit,  doch  man  entdeckte  niclit  die  geringste 
Spur.  Der  Jüngling  erhob  ein  Geschrei  und  weinte  masslos.  Da  man  auch  die  mit- 
gebrachten Fackeln  verbrannt  hatte,  wusste  man  sich  jetzt  nicht  zu  helfen.  Man  sagte: 
Wir  werden  vorerst  heimkehren,  die  Nacht  vorüber  gehen  lassen  und  dann  suchen.  Wo 
sie  auch  sei ,  es  soll  uns  nicht  unbekannt  bleiben ,  wohin  sie  gegangen  ist.  —  Indem 
sie  ihn  auf  allerlei  Weise  trösteten,  führten  sie  ihn  wieder  in  sein  früheres  Naclitlager 
zurück. 

So-jatsu  ist  sono  jalsu  , dieser  Sclave'. 

Matsu  , Fichte'  steht  für  tai-matsu  , angezündete  Fichte',    d.  i.  Fackel. 


Firo-woka. 


Matsu-mitsu-wa  sumi-naiva-ni  wnkarete  \  fitori  katua-go-tvo  oi-te  \  asi-ni  makasete  |  zm-ri- 
bakari  aruki-keru-ga  \  saru-no  toki  sugnrit  koro  |  sake-urii  ije-rio  maje-ni  itari-nu.  Nondo-mo 
kawaki-nure-ba  \  iri-te  ^  /L  (siu-gi)-ni  siri-kakete  i-keru-ni  \  kata-je-ni  wotoko  ßtori  tsutsumi 
se-ni  oi-te  |  sake  nomi-te  i-tari.  Alatsu-mitsit  kono  zvotoko-ga  tsutsumi-no  sama-ivo  miru-ni 
katatsi  marome-nite  \  kano  tcsinajeru  fisago-no  sama-ni  ni-tare-ba  ibukasi-kit-te  \  ika-de  min-to 
omoje-do  |  mono-iu  koto  narazare-ba  sen  kata-naku  \  kano  tootoko-no  itsiro-ni  maivari-te 
tsutsumi-no  uje-jori  saguri-mire-ba  |  kono  icotoko  fari-kajeri-te  |  ko-jatsu  nadeö  koto-ivo  siirif- 
rii-ka  |  fito-no  motsi-taru  tsutsitmi-ni  me-ico  kakuru-iua-to  i-i-te  niramu. 

Matsu-mitsu,  von  Sumi-nawa  getrennt,  trug  allein  auf  dem  Rücken  den  Koffer  und 
war,  auf  seine  Füsse  sich  verlassend,  zehn  Ri  weit  gegangen.  Als  die  achte  Stunde^ 
vorüber  war,  gelangte  er  vor  ein  Haus,  in  welchem  man  WVin  verkaufte.  Da  seine 
iCehle  vertrocknet  war ,  trat  er  ein.  Als  er  auf  einer  Bank  sass ,  war  zu  seiner  Seite 
ein  Mann,  der  auf  dem  Rücken  einen  Bündel  trug  und  Wein  trank.  Matsu-mitsu 
betrachtete  diesen  Bündel.  Derselbe  war  von  Gestalt  rund  und  hatte  mit  jenem  ver- 
lorenen Kürbisse  Aehnlichkeit.  Verwundert  dachte  er  darüber  nach,  wie  er  hineinsehen 
könne.  Doch  da  er  nicht  sprechen  konnte,  wusste  er  sich  nicht  zu  lielfcn.  Er  ging,  hinter 
diesem  Manne  ujnlier  und  betastete  von  oben  den  Bündel.   Dieser  Mann  kehrte  sich  um 


•  Von  3  bis  ö  Uhr  Nacli mittags. 
Denkschriften  der  phil.-liist.  Cl.  XXVI.  BJ. 


36 


gco  Pfizmaikr. 

und    siio-tc    mit    finsterem   Blicke:   Was    thut    diesei"  Kerl,    dass    er    die  Augen    auf   einen 
JJündel  heftet,  den  Andere  besitzen? 

Matsu-mitsu  maje-ni  kitari-te  \  koü  utsi-kagamete  \  sono  tsutsumi  ßraki-te  mise-tamaje-to  \ 
si-kata-nite  te-tco  tigokasi  misure-do  |  kano  wotoko  kokoro-jezu  \  ko-jatsu  mono-itoanu-wa  od 
naru-besi.  Nani-gotn-ivo  omo-ni-ka  kiki-waki-gatasi-to  i-i-tsutsu  \  kano  tsutsumi-wo  orosi  \ 
kore-ni  fidzi  utsi-kakete  \  sake  nomi-iuori  \  matm-viitm  tsiitsumi-no  utsi  sikiri-ni  jukasi-ku-te  \ 
utsi-mamori-i-tarih-ni  \  kano  icutoku  sake-ni  ei-7iuru-ni-ja  \  kasira  unadarete  nemuru  sama 
nare-ba  \  sidzuka-ni  soba-ni  jori-te  \  jawora  kano  tstttswmi-ni  te-wo  kakete  \  waga  kata-je  fiki- 
josen-to  suru-ni  \  kono  tvotoko  toku  me-wo  samasi-te  \  kono  kata-i-me  \  mata-mo  kono  tmtmmi- 
u-o  nnsuman-to  sunt-ni-ja.  Kono  tsutsumi-no  utsi-wa  \  ame-no  sita-ni  narabu  mono  naki 
utsuica-nite  \  ^  A  (ten-nin)  fli|  A  (sen-nin)-ni  arazare-ba  \  motsiüru  koto  naki  ^  ^ 
(tsio-fb)  nari.  Nandzi  tsutsumi-ni  kokoro-wo  kakuru-wa  \  itsi-dzib  nusu-hito  naru-besi.  Ta- 
jasuku  nandzi-ra-ni  nusumi-toraru-beki-ja-uia-to  jese-warai-tsiäsu  \  mata  kann  tsiitsumi-too  se- 
ni  oi-te  I  omo  sama-ni  nori-sikari-Uutsu  kado-ioo  idete-zo  ini-keru. 

Matsu-mitsu  kam  nach  vorn,  beugte  den  Leib,  machte  Zeichen,  welche  bedeuten 
sollten:  Oeifnet  den  Bündel  und  lasset  sehen!  und  zeigte  es  durch  Bewegungen  der 
Hände,  doch  dieser  Mann  verstand  es  nicht  und  sagte:  Da  dieser  Kerl  nicht  sprechen 
kann,  muss  er  stumm  sein.  Was  er  meinen  mag,  kann  man  unmöglich  hören  und  ver- 
stehen. —  Mit  diesen  Worten  nahm  er  den  Bündel  herab,  legte  den  Arm  darauf  und 
trank  Wein.  Matsu-mitsu,  fortwährend  sehnsüchtig  nach  dem  Inhalte  des  Bündels 
sehend,  beobachtete.  Als  dieser  Mann,  vielleicht  vom  Weine  trunken,  das  Haupt  hängen 
liess  und  zu  schlafen  schien,  legte  Jener  leise  an  den  Bündel  die  Hand  und  wollte  ihn 
zu  sich  ziehen.  Doch  dieser  Mann  schlug  schrrell  die  Augen  auf  und  sagte:  Will  dieser 
Bettler  schon  wieder  diesen  Bündel  stehlen?  In  diesem  Bündel  befindet  sich  ein  Geräth. 
dem  nichts  unter  dem  Himmel  gleichkommt,  eine  grosse  Kostbarkeit,  welche,  wenn  es 
nicht  Himmelsmenschen,  unsterbliche  Menschen  sind,  von  keinem  Gebrauche  ist.  Da  du 
dem  Bündel  deine  Aufmerksamkeit  zuwendest,  wirst  du  gewiss  ein  Dieb  sein.  Könnte 
er  ohne  weiteres  durch  dich  weggestohlen  werden?  —  Hiermit  nahm  er  hohnlachend 
wieder  diesen  Bündel    auf   den  Rücken,    trat,    in  Gedanken  schmähend,  aus  dem  Thore 

und  ging  fort. 

Jese-warb,    richtig    ef^e-warb,    wird    für   gleichbedeutend    mit    sesera-warb    ,hohnlachen' 

gehalten. 

Matsu-mitsu  kare-ga  sen-nin-no  motsu-beki  takara  nari-to  i-i-tara-wo  kiki-te  \  ijo-ijo  waga 
fadzunuru  fisago  naru-besi-to  omoi-kere-ba  \  siri-ni  tsuki-te  \  ßsoka-ni  oi-juku.  Kano  icofoko- 
wa  kokoro-mo  tsukazu  \  ko-uta  utai-tsutsu  juku-wo  \  iisiro-jori  mu-zu-to  kubi-sudzi-wo  toraje- 
tare-ba  \  kano  wotoko  te-wo  fiiri-agete  \  usiro-zama-ni  nagi-kere-ba  \  matsu-mitsu^  te-wo  fanatsu. 
Kano  wotoko  mafsu-mitsu-ni  tobi-kakaran-to  se-si-ga  \  joku-joku  dai-zi-no  mono  nari-ken  \  kam 
tsutsumi-ivo  se-jori  orosi  \  wuka-naru  tokoro-ni  sasi-oki-te  \  kosi-naru  \^  (b6)-ico  totte  \  utte 
kakaru.  Matsu-mitsa-mo  onazi-ku  bo-wo  motte  sibasi  tatakai-si-ga  \  tagai-ni  tataki-tsu  \ 
tatakare-tsu  site  \  ai-tomo-ni  ßtn  jowa.ri-ni  jowari-keru  toki  \  kano  lootoko  ko-e-wo  agete  \  sibasi 
maiase-tamaje  \  mbsu-beki  koto  ari-to  ije-ba  \  matsu-mitsu-mo  bo-wo  todomete  i-taru-ni  \  kano 
wotoko  u-oki-ni  iki-iuo  tsuki-te  \  tvare  tcosanaki  toki-jori  \  bo-wo  totte  \  inu-to  ßto-to-wo  iivazu  j 
utsi-su-ete  \  te-gara-wo  nasu  koto  tabi-tabi  nare-ba  \  ^  g  (tö-goku)-ni  oi-te-iva  j  ware-ni 
masaru-beki  bo-tsvkai-wa  arazi-to  \  g  \^  (zi-man)-site  ari-d-ni  \  ki-den-no  bo-no  te-nami 
icosa-icosa  toare-ni  otorazu.  Satc-sate  appare-naru  on-fataraki-nite  sbrb.  Lna-wa  on-   ^   (na)- 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandeeung  in  Japan.  283 

WO  nori-tamaje  \  sono  uje-nite-wa  soregasi-mo   ^    (naj-wo  akasi-mbsi-tsu-besi-to  |  mame-mame- 
siku  ko-e-wo  fanatsi-te  iü. 

Als  Matsu-mitsu  hörte,  dass  Joner  sagte,  es  sei  eine  Kostbarkeit,  welche  unsterbliche 
Menschen  besitzen  mögen,  gab  er  sich  immer  mehr  dem  Gedanken  hin,  es  müsse  der 
Kürbiss  sein,  den  er  suchte.  Während  jener  Mann,  auf  Nichts  achtend  und  ein  Lied 
singend,  seines  Weges  ging,  packte  ihn  Jener  von  rückwärts  fest  bei  dem  Halse.  Jener 
Mann  erhob  die  Hand,  hieb  ihn  rücklings  weg,  und  Matsu-mitsu  Hess  die  Hände  los. 
Als  jener  Mann  sich  auf  Matsu-mitsu  stürzen  wollte,  nahm  er  —  es  mochte  aus  grosser 
Vorsicht  geschehen  sein  —  den  Bündel  von  dem  Rücken,  legte  ihn  an  einer  Stelle  der 
Anhöhe  nieder,  ergriff  dann  den  Stock,  der  sich  an  seinen  Lenden  befand,  und  schlug 
zu.  Matsu-mitsu  hatte  ebenfalls  einen  Stock  und  kämpfte  alsbald.  Nachdem  Beide, 
gegenseitig  bald  schlagend,  bald  geschlagen,  sehr  matt  geworden  waren,  rief  jener 
Mann  mit  lauter  Stimme:  Wartet  eine  Weile!  Ich  habe  euch  etwas  zu  sagen.  —  Als 
Matsu-mitsu  den  Stock  zurückzog,  sagte  jener  Mann,  indem  er  schwer  athmete :  Ich  habe 
seit  meiner  Jugend  den  Stock  geführt,  und  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  es  Hunde  odei- 
Menschen  waren,  oftmals  niedergeschlagen  und  Thaten  verrichtet.  Ich  rühmte  mich, 
dass  es  in  den  östlichen  Reichen  keinen  Stockfechter  gebe,  der  mich  übertreffen  kann. 
Indessen  steht  eure  Fertigkeit  in  der  Handhabung  des  Stockes  der  raeinigen  nicht  viel 
nach,  es  ist  eurerseits  eine  erstaunliche  Leistung.  Nennet  mir'  jetzt  euren  Namen,  icli 
werde  euch   dann  den  meinigen  bekannt  geben.  —  Also  rief  er  ihm  treuherzig  zu. 

Matsu-mitsu  kokoro-ni  okasi-ku  omoje-do  \  kutsi  fatarakane-ha  \  mantori-i-taru-ni  \  kano 
wutoko  na-nori-tamawanu-wa  \  si-sai  koso  soratvame  \  mi-gokoro-ni  kokete  \  fosi-to  obosarurii 
fito-sina  j  tai-setsu-no  mono-nagara  ^  mise-tate-matsuran-to  \  sidzu-sidzu-to  tatsi-te  \  kano  tsutsumi- 
wo  te-ni  tori-agete  \  matsu-mitsu-ga  maje-ni  su-ete  \  iza-iza  firaki-te  mi-tamaje-to  iü-ni  \  matsu- 
mitsu  uresi-ku  |  mi-tabi-bakari  utsi-sasage-sasagete  \  säte  kano  tsutsumi-no  musiibi-me  toki-te 
firaki-miru-ni  |  ko-wa  ika-ni  |  ^  J^  (rb-nin)  ^  ^  (bib-ziu)  naxlo-yio  fusi-do-ni  j  takuwbru  •, 
si-bin-to  nadzuke-si   mono-ni-zo    ari-keru.     Matsu-mitsu-tva    oMrete  \  o-o-gutsi    aki-te    bgi-i-tari. 

Matsu-mitsu  hatte  merkwürdige  Gredanken,  doch  sein  Mund  bewegte  sich  nicht,  und 
er  hielt  zurück.  Jener  Mann  sagte :  Dass  ihr  den  Namen  nicht  nennet,  wird  einen 
(irrund  haben.  Ich  werde  euch  einen  Gegenstand,  dem  ihr  eure  Aufmerksamkeit  schenktet 
und  den  ihr  für  begehrenswerth  haltet,  so  wichtig  er  auch  ist,  zeigen.  —  Hiermit  stand 
er  ruhig  auf,  erhob  jenen  Bündel  mit  der  Hand  und  legte  ihn  vor  Matsu-mitsu  hin. 
Er  sagte:  Wohlan!  Oeffnet  ihn  und  sehet!  —  Matsu-mitsu  voll  Freude  hielt  ihn  drei- 
mal immer  wieder  empor,  und  als  er  den  Knoten  dieses  Bündels  löste,  öffnete  und  hinein- 
sah, was  war  es?  Es  war  ein  Gegenstand,  den  man  in  den  Schlafzimmern  der  Greise 
und  Kranken  aufbewahrt  und  dem  man  den  Namen  Nachtgeschirr  gegeben  hat.  Matsu- 
mitsu  war  erstaunt  und   blickte  mit  weit  geöffnetem  Munde  aufwärts. 

Si-bin  steht  für    j^    jfJt,   siü-bin  ,Nachtgeschirr'. 

Kano  tvotoko  ij''^-ijo  fajari-ka-ni  sajedzuri-keru-wa  \  kore-wa  mijako-no  jan-goto-naki  fito- 
bito-roa  o-o-tsubo-to  mesarete  \  mi-kawa-ja-bito  nado-no  |  tori-atsukb  mono-nite  sbrb.  To-goku- 
nite-wa  mint  koto  mare-naru  sina  naru-wo  I  onore-ga  3£  (sijüj-no  moto-ni  mara-udo-no  iri- 
kite  sbraje-ba  |  kono  sina  motsiü-beki  koto  ari-to  ^  J^  (siju-zin)  mbsi-tsukete  sbraje-ba  |  pjif  V 
(sijo-sijo)  kari-motomete  \  motsi-ma-iru  tokoro-ni  |  ki-den  kono  sina-ni  rne-ivo  tsuke-tamb-iva 
kokoro-aru  on-fito-to  mi-uke-tare-ba  |  tai-sctsu-no  mono-nagara  \  fisoka-ni  mise-tate-matsum  nari. 

Imada  siju-zin-ni  te-watasi-senu  utsi  \  watakusi-ni  flji    \   (ta-ninj-no  me-ni  fure-sbrb  kofo-wa  ' 

3(r 


284  Pl'lZMAlEll. 

ki-de7i-no  ^  li^  (sifi-!'in)-ni  kan-zure-bn  nari.  Jume  mi-ki-to  iia-no-tamai-so-to  \  te-hihi-iro 
ngokasi-tsufsu  m. 

Jener  Mensch  selnvätzte  immer  munterer  fort  und  sagte:  Dieses  ist  ein  Gegenstand, 
der  bei  den  unbeschreiblich  vornelimen  Menschen  von  Mijako  als  grosser  Topf  benützt 
Avird .  den  die  Menschen  des  kaiserlichen  Flusshauses  handhaben.  Es  ist  eine  Waare, 
die  man  in  den  Östlichen  Reichen  selten  sieht.  Da  zu  meinem  Gebieter  Gäste  ge- 
kommen sind,  kann  man  diesen  Gegenstand  brauchen.  Der  Wirth  gab  den  Auftrag, 
ich  suchte  es  an  verschiedenen  Orten  zu  leihen,  und  als  ich  es  brachte,  richtetet  ihr  auf 
diesen  Gegenstand  die  Augen.  Da  er  einem  verständigen  Manne  in  die  Augen  fiel, 
zeige  ich  ilin  euch,  so  werthvoll  er  ist,  im  Geheimen.  Dass  er,  ehe  ich  ihn  noch  dem 
Wirthe  übergebe,  im  Besonderen  einem  Anderen  vor  die  Augen  kommt,  es  ist  dess- 
wegen ,  weil  ich  von  euerer  Aufmerksamkeit  gerührt  bin.  Saget  es  bei  Leibe  nicht, 
dass  ihr  ihn  gesehen  habet.  —  So  sprach  er,  indem  er  die  Handgelenke  bewegte. 

Fajari-ka-ni ,  ein  Wort,  das  in  dieser  Form  sonst  nicht  vorkommt,  hat  die  Bedeutung 
,rasch'.     Ka-ni  sind  zwei    Partikeln  des  Zweifels. 

Sajedzuru  bedeutet  eigentlich  ,zwitschern'  und  bedeutet  hier  das  Schwätzen.  In 
dem  Nippon-ki  hat  das  Wort  ^  ^  .chinesische  Sprache'  die  Lesung  kara-sajedzuri 
, chinesisches  Zwitschern'. 

Matsu-mitsu  an-ni  ~)^  ^  (so-i)-si-tare-do  |  kono  wotoko-ga  koto-sara-ni  dai-zi-to  omö 
sama  nare-ha  |  osi-itadaki-te  \  tsutsumi-ni  fiki-tsutsumi-te  kajesi-watase-ba  |  lootoko  amata-tabi 
osi-itadaki.-te  |  moto-no  gotoku  se-ni  oi-te  |  tsu7'a-wo  sikame-tsutsu  |  sate-sate  omowazaru  \^ 
(bd)-no  ^  -^  (siö-bii)-ni  \  kaina-mo  kosi-mo  \  itami-te  taje-gatnku  surh-to  i-i-tsutsu  \  asi-mo 
sidoro-ni  ajumi-te  jidm. 

Matsu-mitsu  war  in  seiner  Erwartung  getäuscht,  doch  da  dieser  Mann  darauf  grossen 
Werth  zu  legen  schien,  hielt  er  den  Gegenstand  über  das  Haupt  empor,  wickelte  ihn 
in  den  Bündel  und  gab  ihn  Avieder  zurück.  Der  Mann  hielt  ihn  oftmals  über  das 
Haupt,  nahm  ihn  wie  früher  auf  den  Rücken  und  sagte,  das  Angesicht  verziehend:  Von 
dem  unvermutheten  Kampfe  mit  den  Stöcken  schmerzen  mir  Arme  und  Hüften  unerti-äg- 
lich.   —  Dabei  schritt  er  schlotternd  einher. 

Matsu-mitsu  futokoro-jori  \  aumi-nawa-ga  watasi-taru  fumi  iori-idete  |  firaki-misure-ba  1 
kono  lootoko  titsl-jomi-te  |  nani-nani  kono  mono  osi-no  jamai-nite  |  reö-dzi-no  tarne  \  tö-goku-je 
makari-kudari-sbrb.  Sikaru-beki  tokoro-ni-tca  \  — •  "^  (issijuku)-tsukainatsuru-beku  aida  \  on- 
tori-atsiikai-tamaivaTU-beku-to  |  jomi-mo  fatedr  \  kono  wotoko  ijeru-'wa  \  sode  furi-awasu-mo 
ilE»  ^  (ta-sibj-no  ^  (jen)-nite  sbrb.  Waga  siju-zin-no  moto-ni  tomonai-te  \  jadosi-ma- 
irasen  \  iza-iza-to  i-i-te  fiki-tsure-juku.  Säte  juki-juki-te  \  mune-mon  o-oki-naru  ije-ni  itari-nu. 
Kore-nan  firo-woka-no  tsib-zija-ga.  sumi-ka  nari-kem.  Matsti-mitsu-ivo  ko-be-ja-ni  irc-oki-te  j 
kano  iDOtoko-wa  oku-no  kata-je  juki-nu. 

Matsu-mitsu  nahm  aus  dem  Busen  ein  Schreiben,  welches  ihm  Sumi-nawa  gegeben 
hatte,  hervor,  öffnete  es  und  zeigte  es.  Dieser  Mann  las:  Dieser  Mann  ist  stumm  und 
reist  der  Heilung  wegen  nach  den  Östlichen  Reichen.  Wenn  er  an  einem  angemessenen 
Orte  übernachten "  kann,  möget  ihr  es  vermitteln.  —  Ehe  er  noch  zu  Ende  gelesen, 
sagte  dieser  Mann:  Man  legt  die  Aermel  an  einander,  es  ist  das  Verhältniss  eines  anderen 
Lebens.  Ich  werde  euch  zu  meinem  Gebieter  begleiten  und  euch  behei'bergen.  Auf! 
—  Dieses  sagend,  wandelte  er  mit  ihm  weiter.  Immer  einhergehend,  gelangte  man  zu 
einem  Hause    mit    grosser  Firste    und  grossem  Thore.     Es  war  der  Wohnort   Firo-woka- 


riE   Geschichte  einer  Seelenwanderuno  in  Japan.  285 

no  Tsit)-zija's.      Jener  Mann    brachte  Matsu-mitsu    in    einem    kleinen  Gemache  unter  und 
ging-  nach   der  inneren  Seite  fort. 

Sibasi  ari-te  \  uku-no  kata  sikiri-ni  mono-saivagasi-kerr-ba  ,  matsti-niitsu  fisvka-ni  iri-te  inire- 
ba  I  go-ziti-amari-naru  uba-ivo  torajete  |  aruzi  ßro-tvoka-no  tsih-zija  ikari-nonosiri-te  tvori. 
Kata-je-ni  kakurete  kike-ba  \  tsiu-zija-ga  iwaku  \  onore-wo  koko-moto-je  obiki-jnse-si-ica  1  sakl- 
ni-mo  katari-taru  gotoku  \  wäre  jama-hito-ga  ^  ^  (jd-noku)-7ii  majoi  \  tabi-tabi  ßfo-vo 
mote  sono  josi  i-i-ohiri-tsure-do  \  fu-tm-ni  iraje  dani  sezu.  Kore-ni  jori-te  \  onore-wo  kaku 
johi-su-ete  \jama-bito-tco  icare-ni  ataje-jo-to  j  sama-zama-to  i-i-kikasure-do  \  ^  §|  (si6-in)-sezaru 
koso  niku-kere.  Kono  uje  ina-to  ma-ba  \  tatsi-dokoro-ni  inotsi-wo  tatsu-besi.    Ika-ni  fen-to-se-jo-to. 

Nach  einer  Weile  entstand  im  Inneren  grosser  Lärm.  Matsu-mitsu  trat  heimlich 
ein  und  blickte  hin.  Firo-woka-no  Tsib-zija,  der  Gebieter  des  Hauses, '  hatte  eine  etwa 
fünfzigjährige  alte  Frau  festgenommen  und  schalt  sie  heftig  aus.  Matsu-mitsu  versteckte 
sich  zur  Seite  und  horte  zu.  Tsio-zija  sagte:  Dass  ich  dich  hierher  gelockt  habe, 
geschah  aus  dem  Grunde,  den  ich  dir  schon  früher  angegeben  habe.  Ich  bin  von  der 
Gestalt  Jama-bito's  eingenommen  und  habe  ihm  dieses  mehrmals  durch  Menschen  hinter- 
bringen lassen,  allein  er  gab  mir  nicht  im  Geringsten  Antwort.  Somit  habe  ich  dich 
gerufen  und  hier  behalten.  Ich  habe  dir  auf  allerlei  Weise  kundgemacht,  dass  du  mir 
Jama-bito  geben  sollest,  doch  du  willigtest  nicht  ein;  es  ist  abscheulich!  Wenn  du  noch 
ferner  Nein   sagst,  Averde  ich  dir  auf  der  Stelle  das  Leben  nehmen.     Gib  Antwort! 

Ko-e-tvo  agete  Ije-ba  \  itba  naki-sidztcmi.-tarii  kaico-ico  agete  |  sate-sate  ÖE  ^  (mu-zan)- 
naru  wo-ko-no  mono  kana.  Waga  ko-ioa  ^  \  (n6-nin)-no  ije-ni  umare-tare-do  \  ^  ^ 
(sii-sibj-ivo  hca-ba  \  nandzi-ra-ga  tagui-ni-wa  arazu.  Sikaru-wo  anagatsi-ni  |  joko-sama-narit 
me-wo  misen-to  suru-ja.  Fawa-ga  inotsi-ivo  tora-ba  tore  \  ivaga  ko-wa  omö  mama-ni-ioa  sase- 
zi-to  ije-ba  \firo-woka  o-oki-ni  ikm'i-te  \  josi-josi  sara-ba  uki-me  mise-ten.  Ko-jatsu  moto-no 
gotoku  taka-dono-ni  utsi-kome-oke-tn  ije-ba  \  simo-bito-ra  fe-ivo  tori-te  täja-ivo  tsurete  fasi-go-ico 
nobori  |  kaina-tvo  fasira-ni  kvkiiri-oki-te  \  fitosi-ku  taka-dono-ivo  kudari-nu. 

So  rief  er  mit  lauter  Stimme.  Die  alte  Frau  erhob  das  von  Thränen  überströmte 
Angesicht  und  sagte:  O  welch"  ein  schamloser,  thörichter  Mensch!  Mein  Sohn  ist  in 
dem  Hause  eines  Ackermannes  geboren ,  doch  schon  in  Rücksicht  auf  den  einfachen 
Geschlechtsnamen  ist  er  nicht  eures  Gleichen.  Willst  du  dennoch  mit  Gewalt  Schief- 
heit zeigen?  Nimmst  du  der  Mutter  das  Leben,  so  nimm  es.  Meinen  Sohn  lasse  ich 
nicht  nach  deinem  Willen  handeln.  —  Firo-woka  gerieth  in  heftigem  Zorn  und  rief: 
Gut!  So  werde  ich  dir  die  Gefahr  zeigen.  Leute!  Verschliesset  sie  so  wie  früher  in  dem 
Stockwerke.  —  Die  Diener  ergriffen  die  alte  Frau  bei  der  Hand  und  stiegen  mit  ihr 
die  Treppe  hinauf.  Sie  banden  ihr  die  Arme  an  einen  Pfeiler  und  stiegen  zu  gleicher 
Zeit  von  dem  Stockwerke  herab. 

Taka-dono-ni-ioa  iJ)a-ga  ko-e-nite  \  naki-nonosiri-te  jamazu.  Firo-woka  simo-tvotoko-wo 
jobi-te  i-i-keru-wa  \  kare  kurusimi-ni  tajede  |  asu-ni-mo  nara-ba  kokoro-ivorete  \  jama-bito-ioo 
tvare-ni  je-sasen-to-ja  i-i-mo  sen.  Mosi  ijo-ijo  keö-no  gotoku  fari-damasi-i-ni  sio-in-sezu-wa  \ 
asu-no  jo-wa  maje-naru  kaioa-ni  sidzume-ten-to  iü.  Matsu-mitsu  idsl-kiku-jori  |  sate-mo  Jf^  '^ 
(ju-tuj-no  jatsu-kana.  Ika-ni-mo  site  kono  uba-ga  inotsi-tasuke-baja-to  omoi-kere-do  \  sen-su- 
be-na-kere-ba  moto-no  tokoro-ni  kajeri-wori. 

Die  alte  Frau  in  dem  Stockwerke  hörte  nicht  auf,  laut  zu  weinen  und  zu  schmähen. 
Firo-woka  rief  einen  Diener  und  sagte  zu  ihm:  Sie  wird  die  Qual  nicht  ertragen,  und 
wenn    es    Morgen  ist,    im    Herzen  gebrochen,    sagen,    dass  sie  mir  Jama-bito  verschaffen 


286  Pfizmaier. 

werde.  Wenn  sie,  nuc-h  immer  so  halsstarrig  wie  heute,  nicht  einwilligt,  so  wird  man 
sie  morgen  Nachts  in  den  Fluss  gegenüber  versenken.  —  Matsu-mitsu  horchte  auf  und 
dachte  sich:  O  ein  übelthätiger  Kerl!  Ich  möchte  dieser  alten  Frau  auf  irgend  welclie 
Weise  das  Leben  retten.  —  Er  wusste  jedoch  nicht,  wie  er  es  beginnen  solle  und  kehrte 
an  seinen  früheren  Ort  zurück. 

Mitsi-jori  tomonai-si  wotoko  ^  (zcn)-wo  motsi-kite  |  matsu-mitsu-ga  mo,je-ni  su-ete  \  katawara- 
no  wotoko-ni  sasajaki-i-i-keru-tva  |  kano  tiba-wo  sukasi-nagusamen  tote  |  ivare-ni  o-o-tsubo-tvo 
•'^/'5  M  -&  (jv-i)-se-jo-to  I  i-i-tsukerare-t.mre-do  \  ko-joi-no  cm-sama-nite-wa  |  o-o-tsubo-ino 
-^  ffl  (ß'-'j'^)'''^'^  nari-nu-to  iü.  Matsu-mitsu  ^  (i-i)  sitatame-wowari-te  |  mata  kasiko-no 
atari-wo  ukagb-ni  |  aruzi-wa  ne-dokoro-ni  iri-te  fusi-nu.  Fodo-naku  wotoko  loonna-bara-mo  \ 
■mono-domo  tori-sitatamete  \  ono-ono  be-ja-ni  iri-te  fusi-nu. 

Der  Mann,  der  ihn  auf  dem  Wege  begleitet  hatte,  brachte  Speise,  stellte  sie  vor 
Matsu-mitsu  hin  und  flüsterte  zu  einem  nebenstehenden  Manne:  Es  wurde  mir  aufge- 
tragen, ich  möchte,  um  jene  alte  Frau  zu  beruhigen,  nur  den  grossen  Topf  bereit  halten. 
Wie  es  jedoch  heute  Nacht  den  Anschein  hat,  ist  der  grosse  Topf  unnütz  geworden.  — 
Als  Matsu-mitsu  die  Speise  aufgegessen  hatte,  spähte  er  wieder  nach  der  anderen  Seite.  Dei- 
Gebieter  des  Hauses  ging  zu  der  Schlafstätte  und  legte  sich  nieder.  Die  Männer  und  Weiber 
sammt  den  Leuten  assen  alsbald.     Ein  Jeder  ging  in  ein  Gemach  und  legte  sich  nieder. 

Sitatamuru  und  tori-sitatamuru,  hat  hier  die  Bedeutung  , essen'. 

Matsu-mitsu  ne-mo  jarade  ßto-toki  bakari-ioo  sugusi-keru-ni  \  kane-no  ko-e  kikojuru-tva 
ne-no  toki  naru-bed.  Mina  ßto  jokic  ne-iri-taru-ni-ja  |  ije-no  utsi  sidzumari-te  \  niiva-no  atari- 
ni  mnsi-no  ko-e  nomi  su  nari.  Sidzuka-ni  sinobi-idete  \  kuri-ja-wo  towori-te  |  oku-no  kata-ni 
juku-ni  I  tüotoko  loonna  mina  joku  inete  ßbiki-no  ko-e  nomi  su.  Si-sumasi-nu-to  |  fasi-go-ni 
asi-wo  kakure-ba  \  tvonna-no  ko-e-nite  |  nusu-bito-jo-to  iü-ni  \  matsu-mitsu  odoroki-te  |  fito- 
tsidzimi-to  nari-te  j  tatami-ni  fusi-wore-ba  |  kano  wonna-no  ko-e-nite  \  nusu-bito-ni-wa  arazu  \ 
waga  wotoko-nite  ari-keri  |  kotsi-jori  tamaje-to  i-i-tsvtsu  \  o-oi-naru  ibiki-ivo  kaku-ni-zo  |  sate- 
wa  ne-goto  nari-to  satori-te  \  mata  fasi-go-ni  kakari-te  \  oto-sezaru  jö  kokoro-dzukai-site  nobori- 
mir'e-ba  |  kuraku-te  rnono-no  aja-mo  mijezu.  Matsit-mitsu  mado-no  to-ioo  ake-tsare-ba  j  ne- 
matsi-no  tstiki-no  fikari  sasi-iri-te  \  so-ko-ra  azajaka-ni  miju. 

Matsu-mitsu  verbrachte  eine  Stunde,  ohne  zu  schlafen,  und  als  der  Ton  der  Glocke 
erklang,  konnte  es  um  die  erste  Stunde')  sein.  Während  alle  Menschen  Avohl  fest 
schliefen ,  war  es  in  dem  Hause  ruhig,  und  in  der  Nähe  des  Vorhofes  tönte  bloss  das 
Zirpen  der  Insecten.  Er  schlich  leise  hervor,  ging  durch  die  Küche  und  wandelte  an 
der  inneren  Seite  des  Hauses  umher.  Alle  Männer  und  Weiber  schliefen  fest ,  und  er 
hörte  nur  den  Ton  des  Schnarchens.  Als  er  in  dem  Gedanken ,  dass  er  es  zu  Stande 
gebracht  habe,  den  Fuss  auf  die  Treppe  setzte,  rief  eine  weibliche  Stimnae:  ßäuber!  — 
Matsu-mitsu  erschrocken ,  schrumpfte  zusammen  und  blieb  auf  der  Flurmatte  liegen. 
•Jene  weibliche  Stimme  rief  jetzt:  Es  ist  kein  Räuber,  es  war  mein  Mann.  Tretet  hier 
ein!  —  Dabei  ertönte  ein  starkes  Schnarchen.  Er  erkannte,  dass  es  im  Schlafe  ge- 
sprochene Worte  waren.  Er  wandte  sich  wieder  zur  Ti'eppe  und  bedacht,  dass  er  kein 
Geräusch  mache ,  stieg  er  hinauf  und  sah  sich  um.  Es  war  finster  und  nicht  das 
Geringste  zu  sehen.  Er  öifnete  den  Laden  des  Fensters.  Das  Licht  des  Mondes  dei- 
neunzehnten  Nacht  fiel  herein,  imd  die  Lage  dort  erschien  deutlich. 


Von  11  Uhr  Abends  bis  1   Ulu-  Morgens. 


Die  Geschichte  einer  Seet^enwanderung  in  Japan.  287 

üba  odoroki-te  furui-idase-ba  \  matsu-mitsu  se-wo  nade-sasuri-te  |  te-ni  kakuri-taru  nawa- 
wo  tokiL.  Uba  fu-sin-ni  omoi-te  mamori-ivore-ba  |  matsu-mitsu  tsutsumi-jori  sumi-nawa-ga 
tsukureru  kuda-wo  idasi-te  |  tsugi-awasde  \  ^\  (rtl)-no  fasi-go-to  nasi-te  |  mado-jori  sasi-orosi 
uha-ga  te-ivo  tori-te  |  fasi-go-no  moto-je  jare-ba  \  sate-wa  toare-wo  sukü  fito  nari-to  kokoro- 
dzuki-te  |  te-wo  awasete  wogami-tsutsu  \  kano  fasi-go-wo  kudare-ba  \  tsui-gaki-no  soto-je  ide-nu. 
Uba-wa  itresi-ku-mo  mata  osorosi-ku-te  |  ßta-sura  inatsn-mitsu-ga  kata-wo  fusi-wogami-te 
fasiri-jukan-to  suru-ni  |  ajasi-ki  wotoko-no  tsu-to  ide-kite  \  mono-wo  dani  iwazu  |  uha-wo  fiki- 
kakajete  |  idziiku-to-mo  sirezu  tohi-juki-nu. 

Die  alte  Frau  erschrack  und  zitterte.  JVlatsu-mitsu  streichelte  ihr  den  Rücken  und 
löste  die  um  ihre  Hände  gewundenen  Stricke.  Während  die  alte  Frau  im  Ungewissen 
war  und  zurückhielt,  nahm  Matsu-mitsu  aus  dem  Bündel  die  von  Sumi-nawa  verfertigten 
ßöhi-en,  fügte  sie  zusammen  und  liess  sie,  nachdem  er  daraus  eine  gewöhnliche  Treppe 
gebildet,  von  dem  Fenster  herab.  Als  er  hierauf  die  alte  Frau  bei  der  Hand  nahm 
und  zu  der  Treppe  führte,  merkte  sie,  dass  es  ein  Mensch  sei,  der  sie  rette.  Hie  Hände 
zusammenlegend  und  sich  verbeugend,  stieg  sie  diese  Treppe  hinab  und  gelangte  zu  der 
Aussenseite  der  Mauer.  Als  die  alte  Frau,  erfreut  und  zugleich  erschrocken,  Matsu-mitsu 
zugekehrt  sich  tief  verbeugte  und  dann  entlaufen  wollte,  kam  plötzlich  ein  wunderbarer 
Mann  hervor,  nahm,  ohne  ein  Wort  zu  sprechen,  die  alte  Frau  in  die  Arme  und  eilte, 
man   wusste  nicht  wohin,   mit  ihr  fort. 

Matsu-mitsu-wa  kor^e-wo  sirazu  \  kano  fasi-go-wo  ßki-agete  \  moto-no  kuda-to  nasi-te  \ 
fnutsumi-ni  irete  sidzuka-ni  fasi-go-wo  orin-to  suru  wori-kara  \  aruzi  firo-woka  me-samete  [  uba- 
ga  naku  ko-e-no  jami-si-wa  ibukasi  tote  \  ajumi-kite  fasi-go-ni  kakare-ba  |  matsu-mitsu  wori-kite 
■me-'wo  vii-atvase-nu.  Ja-ore  nusu-hito  koso  tote  j  moro-te-ni  fittorajete  ko-e-tvo  tatsure-ha  \  ije-no 
uisi-no  mono  mina  oki-ide-kite  \  tojomi-saivagu.  Firo-tvoka  nusu-bito-tua  toraje-oki-tsu  \  nawa- 
mote  ko-jo  tote  \  naiva-ivo  tori-joscte  \  matsu-mltsu-wo  sitataka-ni  kukiiri-age-tsu.  Uba-ga  ko-e- 
senu-wa  fu-sin  nari  lote  \  taka-dono-je  agari-te  miru-ni  \  uba  arazu. 

Matsu-mitsu,  der  dieses  nicht  wusste,  zog  diese  Treppe  herauf,  gab  sie,  nachdem 
er  sie  wieder  zu  Röhren  gemacht,  in  den  Bündel  und  wollte  leise  die  Treppe  herab- 
steigen. Um  die  Zeit  erwachte  Firo-woka,  der  Gebieter  des  Hauses.  Verwundert,  dass  er 
die  alte  Frau  nicht  mehr  weinen  hörte,  schritt  er  daher,  und  als  er  zu  der  Treppe  ge- 
langte, kam  Matsu-mitsu  eben  herab  und  traf  mit  ihm  von  Angesicht  zusammen.  He  ! 
ein  Räuber!  —  Mit  diesem  Rufe  packte  ihn  Jener  mit  beiden  Händen.  Auf  das  Geschrei 
ei'hoben  sich  alle  Leute  des  Hauses,  kamen  herbei  und  lärmten.  Firo-woka  sagte :  Ich 
habe  einen  Räuber  gefangen.  Bringet  einen  Strick.  —  Er  legte  den  Strick  an  und  band 
Matsu-mitsu  fest.  Er  sagte :  Es  ist  sonderbar,  dass  die  alte  Frau  keinen  Laut  von  sich 
gibt.  —  Hiei'mit  stieg  er  in  das  Stockwerk,  um  nachzusehen.  Die  alte  Fi-au  Avar 
nicht  da. 

Sate-wa  ko-jatsu-ga  nigasi-jari-tsuru  nari  tote  |  ijo-ijo  matsu-mitsu-wo  tsujohi  utsi-su-e-tsii. 
Ko-jatsu-wo  ßki-ire-taru-wa  7iani-mono-zo-to  iü-tii  |  ki7id  si-hin-wo  motd-kitaru  wotoko-no  tsure- 
kitaru  nari-to  ije-ba  \  ijo-ijo  ikari-te  |  kano  wotoko-wo-mo  torajete  seme-mutsi-utsu  koto  o-o- 
kata-narazu.  Saina-zama-fo  seme-toje-domo  ]  matsu-mitsu  moto-jori  mono-iwarene-ba  j  tada  sasi- 
titsumuki-te  woru-wo  |  ko-jatsu  kaku-bakari  seme-toje-doino  \  — •  ^  (itsi-gon)-wo  dani 
kotajezaru-wa  |  osorosi-ki  jatsu  nari.  Ko-jat.'iu  iabi-bito  naran-ni-wa  motsi-kitari-tsuru  kawa-go 
nado  aru-besi.  Firaki-mi-jo-to  ije-ba  \  wutoko-do7no  matsu-mitsu-ga  kawa-go-wo  tori-ide  kitar'i-te 
firo-woka-ga  maje-ni  oku. 


288  Pfizsiaiek. 

Er  sagte :  Der  Kerl  hat  sie  entflielien  lassen !  —  Er  selilug  Matsu-mitsu  mit  iidcIi 
grösserer  Heftigkeit  uiul  fragte:  Wer  hat  diesen  Kerl  hereingebracht?  —  Man  sagte: 
Der  Mann,  der  gestern  das  Nachtgeschirr  gebracht  hat,  ist  mit  ihm  gekommen.  —  Noch 
zorniger  werdend,  packte  er  aucli  diesen  Mann  und  peitsclite  ihn  nicht  Avenig.  ^^'ie  man 
ihn  auch  verhörte,  Matsu-mitsu  hatte  vom  Anfange  an  niclits  gesprochen,  und  er  senkte 
bloss  das  Haupt  zu  Boden.  Firo-woka  sagte:  Dieser  Kerl,  so  scharf  man  ihn  auch  verhört, 
hat  noch  mit  keiner  Sylbe  geantwortet,  es  ist  ein  fürchterlicher  Kerl.  Da  dieser  Kerl 
ein  Reisender  sein  wird,  so  wird  er  einen  Koffer  mitgebracht  haben.  Man  öffne  diesen 
und  untei'suche  ihn.  —  Die  Männer  nahmen  den  Koffer  Matsu-mitsu's  hervor,  bi-achten 
ihn  und  stellten  ihn  vor  Firo-woka. 

Kore-mo  nusumi-tsuru  mono  iiaru-hed  tute  \  utsi-firaki  mire-ha  \  koromo  futa-tsu  mi-tsu 
ire-taru  sita-ni  \  tada  ima  kiri-tari-to  mije-taru  ivonna-no  kasira  irete  ari.  Firo-woka  odoroki- 
te  I  naico  tomod-hi-ivo  tsikadzukete  mire-ha  \  jama-bito-ga  fawa-no  kasira-ni  ni-tare-ba  j  o-oki-ni 
odoroki-keru  utsi-ni-mo  omoi-megurase-ba  \  wäre  asu-no  jo-wa  uba-wu  korosan-to  omoi-tari-si-ni 
ko-jatsu-ga  korose-si-wa  saixoai  nari.  Saru-nite-mo  \  ika-naru  koto-nite  korosi-taru-zo  vmkuro- 
wa  idzure-ni  sute-taru-zo-to  ije-do  \  matsu-mitsu  iraje-sezaro-ba  \  mala  kano  kaira-go-ico  sagasi 
mire-ha  \  — •  j^  (ittsü)-no  fmni  ari.  Jomi-te  mire-ha  \  kono  mono  osi  nari-to  sirusi-te  ari  \ 
miru-jori  fro-icoka  mata  ^  -^^  (aku-nen)  ki-zasi-te  \  nita-nita-to  icarai-te  |  kono  fumi-tüo 
ßki-saki  sutete  \  joki  fakari-guto  ari-to  jorokohi-te  \  madzu  ko-jatsu-ico  tori-nigasn-he-karazu  \ 
ijo-ijo  tsunagi-te  oke-to  i-i-tsukete  j  Jo-no  akuru-tvo  matsi-tari-keru. 

Er  sagte:  Dieses  werden  auch  gestohlene  Sachen  sein.  —  Als  man  ihn  öffnete  und 
untersuchte,  befand  sich  darin  unterhalb  zweier  oder  dreier  hineingelegten  Kleider  ein 
dem  Anscheine  nach  eben  erst  abgeschnittenes  Frauenhaupt.  Firo-woka  erschrack,  hielt 
das  Licht  näher  und  blickte  hin:  es  hatte  Aehnlichkeit  mit  dem  Haupte  der  Mutter 
Jama-bito's.  In  seinem  grossen  Schrecken  sagte  er  zu  sich  selbst:  Ich  wollte  morgen 
Nacht  die  alte  Frau  tödten,  und  es  ist  ein  Glück,  dass  der  Kerl  sie  getödtet  hat.  —  Dessen 
ungeachtet  fragte  er:  Aus  welchem  Grunde  hast  du  sie  getödtet?  Wohin  hast  du  den 
Rumpf  geworfen?  —  Da  Matsu-mitsu  keine  Antwort  gab,  dui-ehsuchte  er  nochmals  den 
Koffer  und  fand  darin  ein  Schreiben.  Er  las  es,  und  es  enthielt  die  Worte :  Dieser 
Mensch  ist  stumm.  —  Sobald  Firo-woka  dieses  sah,  kam  ihm  wieder  ein  böser  Gedanke. 
Lachend  zerriss  er  dieses  Schreiben  und  warf  es  weg.  Er  freute  sich,  dass  er  jetzt  einen 
guten  Entwurf  habe.  Vorerst  sagte  er  befehlend :  Man  darf  diesen  Kerl  nicht  entfliehen 
lassen.  Bindet  ihn  noch  fester!  —  Hiermit  wartete  er  auf  den  Anbruch  des  Tages. 

Nita-nita,  eine  verstärkende  Partikel,  ehemals  auf  das  Essen,  jetzt  auf  das  Lachen 
bezogen. 

Fodo-nakii  jo-mo  ake-kere-ba  \  firo-woka  tsune-ni  viutsumasi-ku  juki-kajo  \kuni-no  kami- 
no  g  ^  (moku-dai)-ga  moto-ni  juki-te  |  unore-ga  ije-ni  \^  ^  O^ijo-zi)  ide-kite  sbrb-to  ije- 
ba  I  moku-dai  nani-goto-zo-to  toje-ba  \  firo-woka-ga  iü  jb  |  je-bara-goivori-ni  take-siha-no  jama- 
bito-to  mbsu  mono  \  tosi-goro  farra-ni  Jf-  ^  (fu-kb)-site  sbrai-ke.ru-ni  \  ototsu-i  fawa-wo  itaku 
mutsi-ntsi-te  korosu-heku  kamaje-.suraje-ba  \  fawa  nige-idete  onore-ga  moto-ni  kitari-te  sbrai-si- 
rco  \  jo-he  fito-iL'O  jatoi-te  \  onore-ga  ije-ni  sinobase-oki-te  \faira-iro  korosasete  sbrb  nari,  Korosi- 
tsuru  jatsu-wo  kararn.e-oki-te  sbrb  tokoro  !  kano  m.ono  fazime-wa  jama-bito-no  i-i-tsuke-nite  kitari- 
tsuru  josi-ivo  mbsi-tsure-do  \  kukuri-agete  notsi-wa  fu-tsu-ni  mono-ioo  itcazu  \  osi-no  gotoki  ma- 
ne-site  \  — ■  ^  (itsi-gon)-no  iraje  dani  tsiikamatsurazu  sbrb.  Kono  koto-no  onore-ga  mi-ni 
adzukareru   koto-ui   sbratvane-do  \  kare-ga  faioa-no  nige-ma-iri-te  sbrb-ico  \  korosase-tsuru  koto 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderuxg  in  Japan.  289 

■^^  (nenj-nak/i  zon-zi-sorb.   Toku  kano  mono-domo   j^   (tsiu)-ni  mesarete    55    /i    (inon-tsijü)-site 
tamawari-nan-to  \  makoto-t^i-jaka-ni  noburu. 

Als  bald  nachher  der  Tag  anbrach,  ging  FIro-woka  zu  dem  Stellvertreter  des  Statt- 
halters des  Reiches,  einem  Manne,  mit  dem  er  gewöhnlich  in  Freundschaft  verkelirte 
imd  sagte :  In  meinem  Hause  hat  sich  ein  grosses  Unglück  ereignet.  —  Als  der  Stell- 
vertreter fragte,  was  es  sei,  sagte  Firo-woka :  In  dem  Kreise  Je-bara  ist  ein  Mensch  Namens 
Take-siba-no  Jama-bito  seit  Jahren  gegen  seine  Mutter  nicht  älternliebend.  Am  gestrigen 
Tage  peitschte  er  seine  Mutter  gewaltig  und  traf  Vorkehrungen,  dass  er  sie  tödten 
könne.  Die  Mutter  entfloh  und  kam  zu  mir.  In  der  Nacht  miethete  er  einen  Menschen, 
versteckte  ihn  in  meinem  Hause  und  Hess  seine  Mutter  tödten.  Ich  habe  den  Kerl,  der 
sie  tödtete,  eben  gebunden.  Dieser  Mensch  sagte  anfänglich,  dass  er  im  Auftrage  Jama- 
bito's  gekommen  sei,  doch  nachdem  man  ihn  gefesselt,  spricht  er  auf  einmal  nicht.  Er 
stellt  sich  stumm  und  antwortet  mit  keiner  Sylbe.  Diese  Sache  ist  zwar  etwas,  das  mich 
nicht  angeht,  doch  seine  Mutter  hat  sich  zu  mir  geflüchtet,  und  ohne  darüber  nach- 
zudenken, weiss  ich,  dass  er  sie  tödten  liess.  Ihr  werdet  schnell  diese  Leute  vor  den 
Gerichtshof  laden  und  sie  verhören.  —  So  erzählte  er,  als  ob  es  Wahrheit  wäre. 

Kono  me-dai-iva  tsune-ni  ßro-woka-ni  zeni-wo  kari-te  |  sitasi-ki  wotoko  nari-kere-ha  ]  jume 
ure-i-tamb  koio  na-kare  j  onore  joku  fakarai-ien-to    ije-ba  |  ßro-woka   sibasi  katarai-awasete  \ 
ono-ga  jadori-je    kajeri-nu.     Sibasi    ari-te   kami-no   J^   (tsib)-jori    i    ^    (si-sotsu)  kitari-te 
matsu-mitsu-wo  fiki-te  tsure-juki-mi.   Mutsu-mitsu-iva  jume-no  kokotsi-site  \  fikarete   J^   (tm>)-no 
utsi-ni  iri-keru-ni  |  onore-ga  kataioara-ni  \  utsukusi-ki  seo-nen-no  udzukumari-i-tari. 

Dieser  Stellvertreter  lieh  Firo-woka  gewöhnlich  Geld  und  war  ein  ihm  befreundeter 
Mann.  Er  sagte :  Kümmert  euch  nicht  im  Geringsten.  Ich  werde  schon  liath  schaffen. 
—  Firo-woka  führte  noch  eine  Weile  mit  ihm  ein  Gespräch  und  kehrte  dann  in  seine 
Behausung  zurück.  Es  währte  nicht  lange,  als  aus  dem  Gerichtshofe  Kriegsleute  kamen 
und  Matsu-mitsu  mit  sich  fortführten.  Matsu-mitsu  glaubte  zu  träumen.  Als  er  fort- 
gezogen in  das  Innere  des  Gerichtshauses  trat ,  kauerte  an  seiner  Seite  ein  schöner 
Jüngling. 

Kuni-no  kami  madzu  matsu-mitsu-ni  mukai-te  \  koto-no  josi  toi-tamaje-domo  j  iraje-sezare- 
ba  I  ko-jatsu  kiki-tsuru  gotoku  osi-no  ma-ne-suru-to  mije-tari-to  i-i-te  \  mata  se6-nen-ni  mukai- 
te  I  nandzi-wa  sake-tsidcuri-te  aki-mono-suru  jama-bito-to  iü  mono  nant-ka-to  toje-ba  ]  seu-nen 
san  sbro-to  irb.  Nandzi  kore-naru  wotoko-wo  katarai-te  \  fawa-ioo  korosan-to  seru  ^  ^ 
(gijaku-zai)  nikumu-beki  jatsu  nari.    Tohi  ari-no  mama-ni  ije-to  semuru. 

Der  Statthalter  des  Reiches  fragte  zuerst  Matsu-mitsu  um  die  Umstände  der  Sache, 
doch  da  dieser  nicht  antwortete,  sagte  er:  Dieser  Kerl  sieht  aus,  als  ob  er  gehört  hätte 
und  den  Stummen  spielte.  —  Ferner  fragte  er  den  Jüngling:  Bist  du  Jama-bito,  ein 
Mensch,  der  Wein  bereitet  und  verkauft?  —  Der  Jüngling  antwortete:  So  ist  es.  — 
Jener  fragte  streng:  Du  bist  ein  verrätherischer,  verabscheuungswürdiger  Kerl,  der  sich 
mit  diesem  Manne  verabredet  hatte,  die  Mutter  zu  tödten.  Geschwind  sage  die  Um- 
stände ! 

Aki-mono  ist  so  viel  als  aki-iido  ,Kaufmann'. 

San  steht  für  sa-ni  ,so'. 

Irb  (irafu)  stellt  für  irajuru  ,antworten'. 

Seö-nen  namida-wo  nagasi-te  |  ikade  sa-jb-no  |  fito-naranio  furumai  tsuka-matsuru-beki  \ 
faiva-wa    kino    omoi-jarazu  juku-je-nakn    nari-te    sbrb    aida    pjf     \^    (sio-sioj    sagasi-motomete 

Denkscliriflen  der  phil.-hist.  Cl.  SXVi.  Bd.  37 


290  Pfizmaier. 

sord-ivo  I  tada-ima-no  tamb-ico  uke-tamawari-te  sbraje-ba  \  sate-wa  vagu  fawa-wa  kono  mono- 
110  korosi-taru-nite  soro-ka-to  in.  Kami  kat'e-ga  korosi-taru-wa  j  ma-no  atari  ßto-bito  miru 
tokoro  nari-to  ije-ha  seo-nen  ko-e-ivo  agete  naki-idasu. 

Der  Jüngling  vergoss  Thränen  und  sagte:  Wie  könnte  icli  eine  solche  unmensch- 
liche That  begehen?  Meine  Muttei*  ist  gestern  unvermuthet  verschwunden,  und  ich  habe 
sie  unterdessen  an  verschiedenen  Orten  gesucht.  Da  ich  eben  jetzt  die  Vorladung  er- 
halten habe,  ist  da  gar  meine  Mutter  durch  diesen  Menschen  getödtet  worden?  —  Der 
Statthalter  sayte:  Dass  sie  e-etödtet  wurde,  haben  Menschen  mit  Ihren  eigenen  Augen 
gesehen.  • —  Der  Jüngling  schrie  und  weinte. 

Kami  mata  hvaku  \  nandzi  kono  iootoko-wo  katarai-te  fawa-wo  korosase-si  koto  \  tsutsumazu 
mose-to  iü-ni  \  seo-nen  ika-de  sa-jb-no  asamasi-ki  koto  tsukam,atsuri-nan.  Kono  wotoko-ioa 
imada  mi-mo  siranib  mono-nite  sbrb-to  ije-ha  \  kami-no  ijeraku  \  nandzi-ga  sirazaru  wotoko-no 
ika-naru  ata  nari-te  fawa-no  korosu-beki  |  kore-wa  nandzi-ga  i-i-tsiike-taru-ni  tagawazi-to 
semuru-ni  \  seo-nen  nawo  aragaje-ba  |  kami  ikari-te  ^|5  ^  (rb-db)-ni  ge-dzi-site  \  kare-ra-ico 
V^  ^  (9o-gi)-ni  tsitnagi-te  ute-to  ije-ba  \  rb-db  |  futari-wo  fippari-te  \  gb-gi-ni  tsunagi-josete  \ 
toku  ari-no  mama-ni  ije  \  iwazu-ica  karaki  me  misen-to  i-i-sama  p^  f^  (gb-dzib)-wo  tori-te  \ 
utsi-su-e-kere-ba  \  te-asi-ni   J^   (tsi)  nagarete  \  foto-boto  iki-mo  taje-nan-to  su. 

Der  Statthalter  sagte  Avieder:  Gestehe  offen,  dass  du  dich  mit  diesem  Manne  be- 
sprochen hast  und  deine  Mutter  tüdten  liessest.  —  Der  Jüngling  sagte :  Wie  könnte 
ich  eine  solche  abgeschmackte  Sache  thun?  Diesen  Mann  habe  ich  noch  nicht  ge- 
sehen, und  ich  kenne  ihn  niclit.  —  Der  Statthalter  sprach :  Was  für  eine  Feindschaft 
könnte  ein  Mann,  den  du  nicht  kennst,  hegen,  dass  er  deine  Mutter  tödten  sollte?  Es 
ist  hier  nicht  anders,  als  dass  du  ihm  den  Auftrag  gegeben  hast.  —  Als  der  Jüngling 
auf  diese  scharfe  Frage  noch,  immer  leugnete,  gerieth  der  Statthalter  in  Zorn  und  befahl 
den  Leuten:  Bindet  sie  an  den  Untersuchungsbaum  und  schlaget  sie!  —  Die  Leute  zogen 
die  Beiden  heran,  banden  sie  an  den  Untersuchungsbaum  und  sagten :  Bekennet  schnell, 
sonst  werden  wir  euch  herbe  Dinge  zeigen.  —  In  diesem  Augenblicke  ergriffen  sie  die 
Untersuchungsstöcke  und  schlugen  los.  Von  den  Händen  und  Füssen  der  Beiden  floss 
das  Blut,  und  der  Athem  wollte  ihnen  vergehen. 

^    TJ^    Gb-gi  ,Baum  der  Untersuchung'  ist  ein  wirklicher  Baum  in  dem  Gerichtshöfe. 

•^    -fet    Ob-dzib  , Stock  der  Untersuchung'. 

Matsu-mitsu  kokoro-ni  omoi-keru-iva  \  onore-ga  inotsi-ica  wosimu-ni  tarazu.  Kono  seö- 
nen-no  \  omoi-joranu  nure-ginu  kite  \  seme-sainamaruru  koto-no  ito-fosi-sa-jo.  Firo-woka-ga  \ 
faiüa-ico  tori-ko-ni  se-si  koto-wa  \  tvare  koso  siri-tare  j  seö-nen-ni  tsuge-ha-ja-to  omoje-do  j  mono- 
iwarene-ba  sen-kata-nasi.  i  ^  Si-sotsu-wa  fita  utsi-ni  ute-ba  j  seö-nen-wa  faja  iki-tajete 
usiro-sama-ni  tawore-nu.  Wa7^e-mo  ima-ioa  inotsi-taje-nu-besi.  Ika-nare-ha  \  obojenu  kata-ica-to 
nari-te  \  uki-me  miru  koto-ni-ka  f[l|  A  (sen-nin)-to  iü  mono  ^  ^  (tsü-riki)  oivasa-ba  \ 
ware-ni  fito-tabi  mono-iwasete  tabe-to  \  j^  1$  (sei-sin)-tco  korasi-te  jJTlt  '^^  (ki-nen)-si-keru- 
ni  I  makoto-no  kokoro-ja   jj    (tsü)-zi-ken  \  aivare-to  |  to-bakari  fito-ko-e  ko-e-wo  agete  sakebi-nu. 

Matsu-mitsu  dachte  sich:  Mein  Leben  ist  nicht  werth,  dass  ich  es  schone.  Dass 
dieser  Jüngling  unvermuthet  ein  feuchtes  Kleid  angezogen  hat  und  gepeinigt  wird, 
welch'  ein  Jammer  ist  dieses!  Ich  habe  erfahren,  dass  Firo-woka  die  Mutter  gefangen 
genommen  luit,  und  ich  möchte  es  dem  Jünglinge  sagen,  doch  da  ich  nicht  spreche, 
lässt  sich  nichts  thun.  Da  die  Kriegsleute  stark  zugeschlagen  haben,  ist  der  Jüngling 
bereits  athemlos  und  rücklings  niedergefallen.  Auch  mir  kann  jetzt  das  Leben  erloschen  sein. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderuxg  in  Japan.  291 

Ohne  zu  wissen,  wie  es  zuging,  ein  Krüppel  geworden  und  in  Gefahr,  müget  ihr  doch, 
o  unsterbliche  Menschen,  wenn  ihr  durchdringende  Macht  besitzet,  mich  ein  einziges  Mal 
sprechen  lassen !  —  AVährend  er  so  den  Geist  zusammenhielt  und  betete,  mochte  der 
wahre  Gedanke  durchgedrungen  sein,  und  voll  Schmerz  that  er  nach  einer  Weile  einen 
einzigen  lauten  Schrei. 

Si-sotsu  säte  koso  ko-j'atsu  osi-no  ma-ne-si-tsuru-ga  \  kurusi-ki-rii  tajede  \  ko-e-wo  age-tsiira 
nare  \  nawo  sitataka-ni  utsi-su-e-ten-to  ije-ba  \  matsu-mitsio  ko-e-ico  agete  madzu  matsi-tamaje  \ 
mono-kikoju-heki  koto  ari-to  ijc-ha  \  kamt  sara-ha  tokit  mhse-to  iü.  Matsio-mitsu-ga  iivakio 
onore  kono  seö-nen-to  \  moto-jori  siru-fito-nite  sbrawazu.  Kino  omowazzo  firo-woka-ga  moto-ni 
jadori-te  sbrai-si-ni  |  firo-woka  itsi-nin-no  uha-ioo  torajete  \  itakit  seme-sainami-te  |  nandzi-ga 
ko-naru  jama-bito-ga  ivaga  kokoro-ni  sitagawazare-ha  \  nandzi-ivo  tori-ko-to  nase-si  nari-to  ije- 
do  I  uba  kokoro-wo  sadamete  uke-ßkazu  |  jori-te  asu-no  jo-ioa  nba-wo  korosu-besi-to  \  simo-bito- 
domo-ni  i-i-tsukefe  sbrb-wo  |  fi(,-to  kiki-te  sbraje-ba  \  üowosi-ki  koto-ni  zon-zi-abrbte  \  ^  (j")->ii 
magirete  \  taka-dono-ni  nobori  |  uba-ico-ba  otosi-jari-te  sbrb  nari-fo  iä. 

Die  Kriegsleute  sagten  :  Sehet !  der  Kerl  hat  sich  stumm  gestellt,  und  weil  er  die 
Qual  nicht  ertragen  kann,  hat  er  ein  Geschrei  erhoben.  Wir  werden  ihn  noch  stärker 
schlagen.  —  Matsu-mitsu  rief  laut:    Wartet  erst!    Ich  habe  etwas,    das  sich  hören  lässt. 

—  Der  Statthalter  sprach:  Also  sage  es  schnell!  —  Matsu-mitsu  hob  an:  Ich  bin  kein 
Bekannter  von  diesem  Jünglinge.  Gestern  kehrte  ich  von  ungefähr  in  dem  Hause  Firo- 
woka's  ein.  Firo-woka  packte  eine  alte  Frau,  peinigte  sie  stark  und  sagte  zu  ihr:  Da 
dein  Sohn  Jama-bitö  mir  nicht  willfährig  ist,  habe  ich  dich  gefangen  genommen.  —  Docli 
die  alte  Frau  war  standhaft  und  ging  nicht  darauf  ein.  Desshalb  gab  er  den  Dienern  einen 
Auftrag,  indem  er  sagte:  Morgen  Nacht  muss  man  die  alte  Frau  tüdten.  —  Da  ich 
dieses  zufällig  hörte,  empfand  ich  Mitleid.  Unter  dem  Schutze  der  Nacht  stieg  ich  in 
das  Stockwerk  und  liess  die  alte  Frau  herab. 

Kami  kasira-ioo  furi-te  j  ina-ina  \  7iandzi-ga  korosi-tsuru  uha-ga  kaslra  i^  (gen)-ni  kore- 
ni  ari  1  ika-de  aragawasu-beki-to  ije-ba  \  matsu-mitsu  sono  kasira-tua  \  ivaga  0i)j  (si)  i-na-be-no 
sumi-nawa-to  mbsu  mono-no  |  jeri-tsitkureru  mono  nari-to  iü.  Kami  aza-warai-te  |  köre  ika-de 
tsukureru  mono  naran.  Nandzi  kuru.n-sa-ni  |  maga-magasi-ki  sora-goto-ico  iü  'nari-to  ije-ba  | 
matsu-mitsu  sojio  kasira  tori-idasi-tamai-te  |  joku  go-ran-are-to  iü-ni  \  kami  kann  kasira  ire- 
taru  utsuwa-no  futa  iori-te  \  tsuku-dzuku  mite  \  kono  kasira  ika-de  yjt  (ki)-mote  tsiüaireru 
mono  naran-to  iü.  Seo-nen-tva  jb-jaku  iki-ide-keru-ga  \  nobi-agari-te  \  kono  kasira-ico  utsi- 
mite  I  lüaga  fau-a-ni  koso  oioasu  nare-to  i-i-te  \  naku  koto  kagiri-nasi. 

Der  Statthalter  schüttelte  den  Kopf  und  sagte :  Nein,  nein !  Das  Haupt  der  alten 
Frau,  welche  du  getödtet  hast,  befindet  sich  hier  vor  Augen.  Wie  kannst  du  es  leugnen? 

—  Matsu-mitsu  erwiederte :  Dieses  Haupt  hat  mein  Lehrer,  ein  Mann  Namens  I-na-be-no 
Sumi-nawa,  geschnitzt.  —  Der  Statthalter  verlachte  ihn  und  sagte :  Wie  kann  dieses  ein 
künstlicher  Gegenstand  sein?  Du  sprichst  in  deinem  Wahnsinn  verkehrte,  unbegründete 
Worte.  —  Matsu-mitsu  entgegnete :  Nehmet  dieses  Haupt  hervor  und  betrachtet  es  genau. 

—  Der  Statthalter  nahm  von  dem  Gefässe,  in  welchem  sich  dieses  Haupt  befand,  den 
Deckel  weg,  untersuchte  genau  und  sagte:  Wie  könnte  dieses  Haupt  aus  Holz  verfertigt 
sein?  —  Der  Jüngling  kam  jetzt  mit  Noth  wieder  zum  Leben.  Als  er  sich  emporstreckte 
und  dieses  Haupt  erblickte,  rief  er:  Es  ist  meine  Mutter!  —  Sein  Weinen  nahm  kein  Ende. 

Matsu-mitsu  iicalm  \  ivaga   0i|j    (si)-ica  ß-da-no  kuni-nite  \  narabi-naki  takumi-nite  |  ojoso 

kono  ßto-no  tsukureru  mono-uxt  \  köre  norni  narazu.   Fito-no  me-ico  nbai-sbrb  koto  amata  sbrb. 

:57* 


292  Pfizmaier. 

Kokoro-mi-ni  \  utsi-icarl-te  r/o-ran-are-to  in-iii  sara-ha  kare-ga  iü  mama-ni  kokoro-min  tote  j 
kami  katana-tvo  nuki-ie  \  kiri-tsukure-ha  \  kasira-wa  futa-tsu-ni  warete  \  utsi-jori  tsi-isaki  suzu 
fito-tsit  koro(je-ide-n\t.  Kami  tori-age  mire-ba  \  titsi-tva  tsune-no  ^  (ki)  iiari.  Sate-iva  fito-no 
kasira  narazu-to  \  fazimete  satori-te  \  sumi-nawa-ga  takumi-no  -pj"  (ki)-naru  koto-wo  fome-kan- 
zi-keri. 

Matsu-mitsu  sagte  :  Mein  Lehrer  ist  ein  unvergleichliclier  Zimmermann  in  dem 
Reiche  Fi-da.  Was  dieser  Mann  verfertigt  hat,  Ist  dieses  nicht  allein.  Es  sind  viele 
Dinge,  welche  das  Auge  der  Menschen  hinreissen.  Zerbrechet  es  zum  Versuche  und 
sehet  hin.  —  Der  Statthalter  sagte:  So  werde  ich  es  gerade  wie  er  es  sagt,  prüfen.  — 
Hiermit  zog  er  sein  Schwert  und  hieb  es  an.  Das  Haupt  ward  entzwei  gespalten, 
und  aus  dem  Inneren  rollte  eine  kleine  Glocke  hervor.  Der  Statthalter  hob  es  empor 
und  betrachtete  es :  das  Innere  war  gewöhnliches  Holz.  Jetzt  erst  erkannte  er,  dass 
es  kein  menschliches  Haupt  sei,  und  er  pries  und  bewunderte  die  seltene  Kunst 
Sumi-nawa's. 

Sarih-nite-mo  nba-ga  juku-je  sirezare-ha  \  nandzi-ico  fanatsi-jari-gatasi.  Nandzi-ga  mbsu 
gotoku-nite-wa  j  ßro-woka-me-mo  mesi-tori-te  toi-akiramu-hesi-to  iü.  Seö-nen  i-i-keru-wa  \  sate- 
tva  wa-dono-wa  suini-7iaica-misi-no  de-si-nite  owasi-keru-ni-ja.  So-ko-no  0i|j  (si)-narit  sumi- 
nawa-nusi-wa  \  ivaga  moto-ni  jadori-tamai-te  \  kinö  keö  fawa-no  juku-je.  nado  j  tomo-domo 
tadzunete  owase-si-io  ije-ba  |  matsu-mitsu-mo  jorokobi-te  \  fawa-gimi-iva  onore  iasuke-tate- 
matsuri-te  1  ^  (jo)-no  utsi-ni  \  otosi-ma-irase-si-to  katare-ba  |  sate-wa  fawa-no  on-inotsi  tsutsuga- 
naku  oicase-si-ka  tote  \  %  (ten)-ivo  ^  (faij-site  jorokobu. 

Dessen  ungeachtet  sagte  er :  Da  man  nicht  weiss,  wohin  die  alte  Frau  gekommen 
ist,  so  kann  ich  dich  unmöglich  loslassen.  In  Folge  deiner  Aussage  wird  man  auch 
Firo-woka  verhaften,  ihn  befragen  und  die  Sache  aufklären.  —  Der  Jüngling  sagte 
jetzt:  Also  seid  ihr  der  Schüler  des  Herrn  Sumi-nawa  gewesen?  Euer  Lehrer,  der  Herr 
Sumi-nawa  ist  bei  mir  eingekehrt.  Gestern  und  heute  suchte  er  in  Gemeinschaft  mit 
mir ,  wohin  die  Mutter  gekommen  sei.  —  Auch  Matsu  -  mitsu  freute  sich  und  sagte : 
Eure  Mutter  habe  ich  gerettet  und  sie  in  der  Nacht  herabgelassen.  —  Der  Jüng- 
ling rief:  Also  ist  das  Leben  der  Mutter  erhalten?  —  Er  dankte  dem  Himmel  und 
freute  sich. 

Kakaru-ni  firo-woka  ma-iri-te  J^,  (tsio)-ni  kasikomare-ba  \  kami-no  üvaku  |  nandzi-ga 
ije-nite  \  kono  mono-ga  tiba-wo  korosi-tsiunt  josi  |  nandzi  uttaje-ide-tare-do  so-wa  aranu  koto 
varu-besi-to  ije-ba  \  firo-woka  tianigasi  ika-de  itsuwari-ivo  mbsu-beki  |  waga  me-no  maje-nite  \ 
kano  mono  uba-ga  hibi  kiri-shrbte  \  jama-biio-ga  i-i-tmke-nite  korosi-tarit  josi  mbsi-te  sb7^ai- 
ki-io  iü.  Kami  sara-ba  kono  kasir^a-tvo  mi-jo-to  nage-jare-ba  \  firo-woka  tori-agete  |  utsi-kajesi 
mire-ba  \  ki-nite  tsukureru  mono  nare-ba  \  mata  iü-beki  kotoba-mo  idezu  kutsi-gqmom. 

Unterdessen  war  Firo-woka  gekommen  und  sass  in  dem  Gerichtshause.  Der  Statt- 
halter sprach:  Du  hattest  die  Anzeige  gemacht,  dass  in  deinem  Hause  dieser  Mensch 
eine  alte  Frau  getödtet  habe,  doch  dieses  muss  eine  ungegründete  Sache  sein.  —  Firo- 
woka  erwiederte:  Wie  kann  ich  eine  Lüge  vorbringen?  Vor  meinen  Augen  hat  dieser 
Mensch  das  Haupt  der  alten  Frau  abgeschnitten  und  gesagt,  dass  er  sie  im  Auftrage 
Jama-bito's  getödtet  habe.  —  Der  Statthalter  sprach:  Also  siehe  dieses  Haupt!  —  Hier- 
mit warf  er  es  ihm  hin.  Firo-woka  hob  es  auf,  drehte  es  um  und  betrachtete  es.  Es 
war  ein  aus  Holz  verfertigtes  Haupt.  Er  konnte  kein  Wort  mehr  hervorbringen  und 
stotterte. 


Die  Geschichte  einer  Seelen wandekdng  in  Japan.  293 

Kami  nandzi  fito-gurosi  nari-to  i-i-te  uttaje-si-wa  \  sora-goto-nara  kuto  sirusi.  Sate-wa 
nandzi  urami-iuo  idaki-te  \  jama-hito-wo  tsumi-ni  otosan-to  fakari-taru  naran-to  ije-ba  \  firo- 
woka  omote-no  iro  kawari-si-ga  \  mala  i-i-keraku  j  kono  kasira-wa  aranu  viuno-nlte  sorb-to- 
mo  I  uha-iüo  kome-oki-taru  taka-dono-no  moto-nlte  |  ki-jatsu-wo  torajete  soro  toki-joi'i  \  iiha-ga 
juku-je  naku  nari-soraje-ha  \  kare-ga  korosi-taru-iü  tagaivazu-to  iü.  Matsu-mitsu-ga  iwaku  \ 
wäre  nani-no  ata  ari-te  |  jama-bito-nitsi-no  fawa-gimi-tvo  korosu-hekl  \  nandzi  koso  kano  fito- 
wo  korosan-to  i-i-si-narazu-ja-to  ije-ba  |  firo-ivoka-ga  ijeraku  \  kano  fawa  ware-ivo  tanomi-te 
kitaru-ico  ito-ivosi-ku-te  \  jasinai-oki-tari.  Waga  ko7'osu-beki  du-ri-nosi-to  aragai-fatezu  \  wori- 
kara  fito-tsu-no  tobi  tobi-kite  j^  (tsio)-no  nitoa-wo  mai-watari-te  \  iüsu-no  fumi-wo  otosi-te  | 
anata-zama-ni  tobi-sari-nu. 

Der  Statthalter  sprach :  Deine  Anzeige,  dass  ein  Mord  vorgefallen,  war  offenbar 
falsch.  Du  wirst  es  also,  weil  du  einen  Groll  hegtest,  ersonnen  haben,  um  Jama-bito 
in  Schuld  zu  verwickeln.  —  Firo-woka  entfärbte  sich.  Er  erwiderte  noch:  Dieses 
Haupt  mag  immerhin  etwas  Nichtvorhandenes  sein.  Da  jedoch  seit  der  Zeit,  wo  ich 
unter  dem  Stockwerke,  in  welchem  die  alte  Frau  eingeschlossen  war,  den  Kerl  fest- 
genommen habe,  der  Aufenthalt  der  alten  Frau  unbekannt  ist,  so  ist  dieses  so  viel  als 
ob  sie  ermordet  wäre.  —  Matsu-mitsu  sagte :  Welche  Feindschaft  sollte  ich  hegen,  dass 
ich  die  Mutter  des  Herrn  Jama-bito  tödten  könnte?  Hast  es  du  nicht  gesagt,  dass  du 
sie  tödten  wollest?  —  Firo-woka  entgegnete:  Jene  Mutter  verlangte  mich  und  pflegte 
mich,  als  ich  kam,  selir  liebevoll.  Ich  habe  keinen  Grund,  um  dessen  willen  ich  sie 
tödten  könnte.  —  Während  er  vollständig  leugnete,  flog  ein  Habicht  herbei,  Hess,  im 
Umherkreisen  zu  dem  Vorhofe  des  Gerichtshauses  gekommen,  eine  Schrift  fallen  und 
iiog   auf  der  anderen  Seite  fort. 

Kami  kono  fumi-ivo  torasete  \  firaki  miru-jori  \  firo-woka-me-wo  kukuri-age-jo-to  ije-ba  j 
sl-sotsn  fajaku  ßro-woka-wo  nawa-mote  knkuri-age-tsu.  Kami-no  ijeraku  \  nandzi  inuru  faru 
mukai-ga  tvoka-nite  \  jama-bito-ni  rb-zeki-no  furumai  nasi  |  ima  mata  fawa-wo  niisumi-te  taka- 
dono-ni  tsunagi-oki  \  ko-joi  kare-wo  korosan  tote  \  stmo-hito-ni  i-i-tsuke-tari-si  koto  |  uba-ga 
uttaje-bumi  kore-ni  ari.  Kano  uba  nandzi-ni  itaku  sainamarete  |  jamai-ni  fusi-wore-ba  | 
j^,  (tsib)-ni  idziLrio  koto  nari-gatasi-to  |  kuivasi-ku  kono  fumi-ni  sirusi  ari.  Nin-gib-no  kasira- 
100  motte  I  tsib-wo  azamukan-to  se-si  tsumi  \  karoki-ni  arazu  tote  ikari-famb. 

Der  Statthalter  Hess  diese  Schrift  nehmen  und  entfaltete  sie.  Sobald  er  auf  sie 
einen  Blick  warf,  befahl  er :  Bindet  diesen  Firo-woka !  —  Die  Kriegsmänner  banden 
Firo-woka  mit  Stricken.  Der  Statthalter  sprach :  Du  bist  im  vergangenen  Frühlinge  auf 
der  Berghöhe  Mukai-ga  Wolia  gegen  Jama-bito  gewaltthätig  verfahren.  Jetzt  hast  du 
wieder  seine  Mutter  geraubt,  sie  in  dem  Stockwerke  angebunden  und  den  Dienern  auf- 
getragen, sie  heute  Nacht  zu  tödten.  Die  Klageschrift  der  alten  Frau  liegt  darüber 
vor.  Die  alte  Frau  zeigt  in  dieser  Schrift  umständlich  an,  dass  sie,  durch  dich  stai'k 
gepeinigt,  krank  darniederliegt  und  daher  nicht  in  das  Gerichtshaiis  kommen  kann. 
Das  Verbrechen,  dass  du  vermittelst  des  Hauptes  einer  Puppe  den  Gerichtshof  hinter- 
gehen wolltest,  ist  kein  leichtes.   —   So  sagte  er  züi'nend. 

Firo-woka  ima-wa  tsutsumu-to-mo  kai  arazi-to  |  jf-f  %\  (kan-kei)-no  fodo-ivo  \  nokosazu 
^  — ■  (tsiku-iisij-)ii  mbsi-kere-ba  |  nikni  ja'su  tote  |  jagute  fito-ja-ni-zo  irerare-keru.  Jama- 
bito  matsu-mitsu-wa  Isumi-na-kere-ba  |  ije-ni  kajesi-to  no-tamb.  Saru-nite-mo  uba-ga  utaje-bumi- 
wo    tobi-no    motsi-kitari-si    koso  fu-si-gi   nare   \    ^    }\^    (zen-nin)-no    fl[E    ^    (inu-ko)-ni   otsi- 


294  Pfizmaier. 

iran-wo  |  ^  (ten)-no  tasuke-tamajeru-ni-ja  tote  |  knmi-iro  fazinie  isiü-)io  ßfo-bito-mo  \  kore-iro 
ibukasi-ku-zo  omoi-keru. 

Firo-woka,  dem  das  Verhehlen  jetzt  nichts  nützte,  bekannte  seinen  Yerrath  voll- 
ständig- und  mit  allen  Einzelnheiten.  Man  nannte  ihn  einen  verabscheuungswürdigen 
Sclaven  und  schickte  ihn  sogleich  in  das  Gefängniss.  Da  Jama-bito  und  Matsu-mitsu 
unschuldig  waren,  Hess  man  sie  nach  Hause  zurückkehren.  Indessen  sagte  man:  Dass  die 
Klageschrift  der  alten  Frau  ein  Habicht  gebracht  hat,  ist  ein  Wunder.  Der  Himmel  wii-d 
guten  Menschen,  welche  unschuldig  in  Gruben  fallen  sollten,  Hilfe  geleistet  haben.  —  Von 
dem  Statthalter  angefangen  hielten  es  alle  Menschen  des  Gerichtshauses  für  unbegreiflich. 

Jama-bito  matsu-mitsu-mo  fazimete  an~do-no  omoi-ivo  nasi-te  \  ts%ire~datsi-te  jadori-je  ka- 
jeri-keru.  Jado-ni-ica  ^  -^  (rb-bo)  ^  jj^  (bib-sib)-ni  fitsi-irorii-ico  \  sumi-naica  to-kaku 
■f^  1^  (kai-fbj-si  |  atsukai-ie  i-tari.  Madzu  tsutsiiga-naku  ije-ni  kajeri-ki-si-koto-ivo  |  katami- 
ni  jorokobi-te  |  namida-wo  nagasu.  Fawa-wa  i-i-keru-zva  \  luare  inatsii-mitsu-dono-ni  \  inotsi- 
tasvkerare  \  ^  (fei)-no  to-je  ide-tari-si-ni  \  omoi-jorazu  fitori-no  wotoko  kitari-te  |  loare-wo  oi- 
te  fasiri-tsuru-ni  \  kimo  kokoro-mo  nsete  ari-si-ni  \  kono  fito  ika-naru  kokoro-ni-ka  \  icaraiva- 
■ico  I  kono  mura-no  kutM-made  oi-kitari  \  sute-oki-te  |  idzufsi-fo-mo  sirazit  fasiri-sarl-nu.  Kono 
fito-no  ku  oi-kitarazu-iva  |  mata  ßro-iroka-ni  torajerarete  \  idci-me-wo-ja  mi-masi  I  kajesii-ga- 
jesn,   ari-gataki  fito-mo    ■fü^    (jo)-ni   oicasi-keri  tote  naku. 

Jama-bito  und  Matsu-mitsu,  jetzt  erst  ruhig  denkend,  kehrten  gemeinschaftlich  nach 
dem  Wohnorte  zurück.  An  dem  Wohnorte  lag  die  alte  Mutter  auf  dem  Krankenbette 
und  Sumi-nawa  sorgte  für  sie  auf  jede  Weise  und  behandelte  sie.  Vorerst  freute  man 
sich  gegenseitig,  dass  man  unversehrt  nach  Hause  zurückgekonmien  und  vergoss  Thränen. 
Die  Mutter  sagte :  Als  mir  durch  Herrn  Matsu-mitsu  das  Leben  gerettet  wurde  und  ich 
über  die  Eino-mauer  hinaus  ffekommen  war,  erschien  unvermuthet  ein  Mann,  nahm  mich 
auf  den  Rücken  und  entlief.  Wahrend  ich  den  Muth  verlor,  trug  mich  dieser  Mann  — 
ich  weiss  nicht,  in  welcher  Absicht  —  zu  dem  Eingange  dieses  Dorfes,  setzte  mich 
nieder  und  entlief,  ohne  dass  ich  wusste  wohin.  AVenn  micli  dieser  Mann  nicht  so  hei'- 
getragen  hätte,  wäre  ich  wieder  von  Firo-woka  gefangen  genommen  worden  und  wohl 
in  Gefahr  gerathen.  Es  gibt  jedenfalls  wundervolle  Menschen  in  der  Welt.  —  Sie  er- 
zählte dieses  weinend. 

Jama-bito  i-i-ker?c-u:a  |  fawa-bito-no  uttaje-bumi-iro  tobl-no  motsi-kitarerit  koto  \  kami-tro 
fazime  \  ware-ware-mo  Jf^  |p  (fii-sin)  farezu-to  katare-ha  \  sumi-nawa  tsni  tatsi-te  \  sono  tobi 
kore-ni  shrb  tote  \  kata-je-jori  tori-ide-tam-u-o  mire-ba  \  ^  (ki)-mote  tsiücureru  mono  nari. 
Sumi-nawa-ga  iivaku  \  wäre  si-sai  ari-te  \  ^  \  (i-zinj-jori  X  j^  (kö-sibj-no  gu-domo-ico 
tsutaje-nu.  Kono  git-ico  motte  mono-^vo  tsvkure-ba  \  waga  kokoro-no  fossurio-ni  sitagaicazaru 
koto  nasi-to  i-zin-no  tsutajete  tamai-tare-do  \  im.ada  sikarit-ja  ina-ja-wo  kokoro-mizari-si-ni  | 
keö  fawa-gimi-no  kajeri-ki-tamajeni-ni  \  wa-gimi-no  J^,  (tsib)-ni  mesare-si  koto  \  kata-gata 
kokoro-guribsi-kari-si-ni  \  faica-gimi  firo-icoka-ga  takitmi-no  fodo  \  toku  |^,  (tsib)-ni  nttajen-to 
no-tamaje-do  \  kaku  jamm-ni  kakari-tamaje-ba  j  on-mi-dzukara  ide-juki-tamawan  koto  katasi. 
Onore  mata  -f^  ^'^  (kai-fb)-site  ma-irasezare-ba  |  foka-ni  atsukb  fito-mo  arazu  \  jori-te  faioa- 
gimi-no  fumi  kaki-tamb  aida-ni  \  ki-no  tobi  fito-tsu  tsidmri-idete  !  kokoro-mi-ni  tobase-jari-tsurii- 
7ii  I  omoi-si-nl  tagawazu  \  kann  |^,  (tsib)-ni  tobi-jidd-te  \  futa-tabi  koko-moto-ni  kajeri-kitari- 
si-ioa  I  köre  tcaga  takumi-no  ^  (ki)-narii-ni-tca  arazu  \  fito-je-ni  jjjlj)  \  (sin-zin)-no  sadzuke- 
tamai-si  db-gu-no  \  ^  (rei)-naru-ni  joreri-to  katare-ba  rb-bo-ivo  fazime  fito-bito-mo  atto  kan- 
zite  fusi-wogami-tsu. 


Die  Geschichte  elner  Seelenwandekung  in  Japan.  295 

Jama-bito  sagte :  Dass  die  Klageschrift  der  Mutter  ein  Habicht  brachte,  war,  von 
dem  Statthalter  angefangen,  uns  Allen  unbegreiflich.  —  Sumi-nawa  erhob  sich  schnell 
und  sagte:  Dieser  Habicht  ist  hier.  —  Dabei  nahm  er  ihn  von  der  Seite  hervor.  Als 
man  ihn  betrachtete,  war  es  ein  aus  Holz  verfertigter  Gegenstand.  Sumi-nawa  sprach  : 
Mir  wurden  aus  Ursachen  von  anderen  Menschen  die  Werkzeuge  der  Zimmermanns- 
kunst überliefert.  Ob,  wenn  ich  mit  diesen  Werkzeugen  Gegenstände  verfertige,  wirklich 
alles  meinem  Wunsche  entsprechen  würde,  dieses  hatte  Ich,  obgleich  es  andere  Menschen 
überlieferten,  noch  nicht  erpi'obt.  Indem  heute  die  Mutter  zurückkam,  war  icli  bei 
dem  Umstände,  dass  ihr  in  das  Gerichtshaus  berufen  wurdet,  im  Herzen  gecj^uält.  Eure 
Mutter  sagte,  dass  sie  von  den  Kunstgriffen  Firo-woka's  schnell  bei  dem  Gerichtshofe 
die  Anzeige  machen  werde ,  doch  da  sie  so  scliAver  erkrankte ,  war  es  für  sie  un- 
möglich, selbst  hinzugehen.  Da  ich  ferner  sie  wartete  und  nicht  hinging,  war  sonst 
kein  Mensch,  der  sich  damit  befasst  hätte.  Während  somit  die  Mutter  die  Schrift  schrieb, 
verfertigte  ich  einen  hölzernen  Habicht,  und  als  ich  ihn  zum  Versuche  fliegen  Hess,  flog 
er,  nicht  anders  als  ich  dachte,  in  das  Gerichtshaus  und  kehrte  wieder  hierher  zurück. 
Dieses  ist  nicht  das  Wunderbare  meiner  Kunst,  es  ist  einzig  durch  die  Geistigkeit  der 
mir  von  den  göttlichen  Menschen  verliehenen  Werkzeuge  begründet.  —  Als  er  so  er- 
zählte, waren,  von  der  alten  Mutter  angefangen.  Alle  gerührt,  fielen  zu  Boden  und  ver- 
ehrten ihn. 

Stimi-nawa  matsu-mitsu-ni  mnkai-te  |  nandzi-ga  osi-no  jamai  tomi-ni  ije-si  koso  uresi- 
kere-to  ije-ba  \  matsu-mitsu  ^  ^  (go-ki)-ni  tsunagare-si  koto-tvo  katari-te  \  fazime  sumi- 
naiva-ni  wakare-si-jori  \  ^^  PJI  (to-tsiu)  o-o-tsuho-wo  mi-tsigajete  hai-toran-to  se-si-jori  \  firo- 
woka-ga  ije-ni  jadori-si  koto-made  kuwasi-ku  katari-ide-kere-ba  |  sumi-naiva-tvo  fazime  fito- 
hito-mo  fazimete  loarai-ioo-zo  mojowosi-keru. 

Sumi-nawa  sagte  zu  Matsu-mitsu:  Es  freut  mich,  dass  deine  Stummheit  schnell 
geheilt  wurde.  —  Matsu-mitsu  erzählte,  wie  er  an  das  Untersuchungsgeräth  gebunden 
wurde.  Er  erzählte  ausführlich,  wie  er,  von  Sumi-nawa  getrennt,  auf  dem  Wege  einen 
grossen  Topf  verkannte  und  ihn  rauben  wollte,  endlich  wie  er  in  dem  Hause  Firo- 
woka's  einkehrte.  —  Sumi-nawa  und  alle  Uebrigen  erhoben  zum  ersten  Male  ein  Gelächter. 

Fawa  sumi-nau-a-rri)  tanomosi-ki  mono-ni  otnoi-te  i-i-keni-wa  \  loaga  ko  imada  tosi  tara- 
■wazu  I  sikaru-heki  ^^  ^  (si-zoku)-mo  naku-te  \  tajori-naku  soraje-ha  \  on-mi  kare-ga  ani-to 
nari-tamai-te  |  ima-jori  juku  su-e-wo  \  vsiro-mi-site  tainaje-to  ije-ba  |  sumi-nawa-ga  iwaku  j 
kakti  mije-ma-irase-si-mo  \  fnsi-gi-no  ^  (jen)-ni  sbraje-ba  \  ima-jori  kata-mi-ni  \  kokoro- 
atsuku  katarai-mhsu-besi.  Sikasi  onore-ioa  tokoro-wo  fedatete  sumai-sbraje-ba  \  nani-bakari- 
no  on-tsikara-ni-mo  nari-gaia-karan.  Tadasi  ima  si-go-nitsi-wa  todomari-wori-te  \  kata-mi-to- 
mo  mi-tamo-beki  fito-sina  tsidairi-idete  ma-irasen.  Onore  adzuma-ni  kudari-tari-si-tva  \  ju-e- 
aru  koto-nite  sbraje-domo  |  si-sai  are-ba  P  :^[»  (kö-gt(.ai)-?u  idasi-gatasi-to  ije-ba  \  matsu- 
mitsu  sasi-idete  |  ivaga.  0f|J  (si)  nagaku  mono-gatari-na-si-tamai-so.  Sate-wa  mata  osi-to-ja 
nari-tamawan-to  i-i-te  aja-u-gari-keri. 

Die  Mutter,  Sumi-nawa  für  einen  verlässlichen  Menschen  haltend,  sagte :  Mein  Sohn 
hat  noch  nicht  genug  Jahre.  Da  keine  entsprechenden  Verwandten  da  sind  und  er 
keine  Stütze  hat,  so  werdet  sein  älterer  Bruder  und  seid  sein  Beschützer  für  die  Zu- 
kunft. —  Sumi-nawa  sprach :  Da  ich  so  erschien  und  ein  wunderbares  Verhältniss 
besteht,  werde  ich  von  nun  an  freisinnig  mit  ihm  sprechen.  Da  ich  jedoch  durch  den 
Tlaum  von   ihm   getrennt  wohne,    wird    es    unmöglich  sein,    dass  ich   ihm  irgend   Avelchen 


296 


Pfizmaier. 


Eeistand  leiste.  Indessen  halte  icli  micli  jetzt  vier  bis  fünf  Tage  auf  und  werde  Lei 
dieser  Gelegenheit  einen  Gegenstand  verfertigen,  den  ihr  sehen  könnet.  Dass  ich  in 
die  östlichen  Gegenden  kam,  hat  eine  Ursache,  doch  das  Nähere  auszusprechen,  ist  mir 
\inmöglich.  —  Matsu-mitsu  kam  hervor  und  sagte:  Mein  Lehrer!  Führet  keine  langen 
Gespräche!     Ihr  werdet  vielleicht  auch  stumm  werden.    —    Er  fühlte  sich  unbehaglich. 

Sumi-nawa  sore-jori  fito-ma-naru  tokoro-ni  fiki-komori-te  nani-goto-ioo-ka  suran  \  noko- 
giri  u'ono-no  ofo  nomi  kikoje-si-ga  \  mi-tsu  ka-tn  iu  fi-ni  \  ide-kite  \  mono  fito-tsu  tsukuri-fate- 
tm  I  mi-tamoje-to  i-i-te  \  ^  ^  (sio-zi)  osi-ake-tare-ba  \  take-o-oki-ku  \  tahmasi-ki  uma- 
110  I  sa-nagara  ikeru-ga  gotoki  sama  site  \  tatsi-i-tari.  Fito-bito  mite  azami-odoroku  koto  ka- 
giri-nasi.  Svmi-ncum  i-i-keru-wa  \  kore-tva  morokosi-nite  ^  ^  ?L  ^  (sio-kakko-mei) -no 
tsiikuri-tamajern  if.  ^  (moku-baj-ni  narai-te  \  isasaka  takumi-ivo  motsi-i-ie  sbru  iote  \  niwa- 
ni  orosi-te  utsi-matagare-bo  \  kono  wnn  [5}  ^  (si-soku)-tvo  ugokasi  ajumi-juku  sama  \  ikern 
mono-to  isasaka  tagawazfi. 

Seitdem  blieb  Sumi-nawa  an  einem  Orte,  der  ein  einziges  Gemacli  war,  verschlossen, 
und  indem  er  etwas  thun  mochte,  hörte  man  nur  den  Ton  der  Säge  und  der  Axt.  Nach 
drei  Tagen  kam  er  hervor  und  sagte:  Ich  habe  eine  Sache  verfertigt.  Sehet!  —  Hier- 
mit öffnete  er  das  Schubfenster,  und  ein  von  Gestalt  grosses  und  stattliches  Pferd  stand 
vor  ihnen,  gerade  so,  als  ob  es  lebte.  Alle,  die  es  sahen,  geriethen  in  gränzenloses 
Erstaunen.  Sumi-nawa  sprach  :  Ich  habe  das  hölzerne  Pferd,  welches  in  China  Tschu- 
kö-khuno--ming  verfertigt  hatte,  nachgebildet  und  von  etwas  Kunstfertigkeit  Gebrauch 
gemacht.  —  Hiermit  Hess  er  es  in  den  Yorhof  herab  und  ritt  darauf.  Dieses  Pferd 
bewegte  die  vier  Füsse,  schritt  einher  und  war  von  einem  lebenden  Wesen  nicht  im 
Geringsten  verschieden. 

Matsu-mitsu  omo-siroki  koto-ni  omoi-te  \  onore  kawari-te  nori-te  min-to  ije-ba  \  sumi-nawa 
uri-te  I  su-no  ko-ni  siri-kake-wore-ba  \  matsu-mitsu  uma-ni  matagari  ta-dzuna-wo  tori-te  aju- 
masu.  Sumi-naioa  ko-e-kakete  \  nandzi  ta-dzuna-ivo  tsujoku  fiku  koto  na-kare.  Tsujoku  fiki- 
na-ba  fasiru  knto  togaru-besi-to  iu.  Matsu-mitsu  sidzuka-ni  ta-dziina-tvo  tori-te  \  kado-no  to- 
je  ajumase  idete  \  sate-sate  ^  (kidj-aru  koto  kana  \  makoto-no  uma-jori  nori-gokoro  josi 
nado  fomete  \  — •  Wf  (ittsio)-bakari  ajumasete  juki-si-ga  \  tsujoku  ßki-na-ba  |  toku  fasiru-to 
wosijerare-si-ga  \  ika-bakari  fasiru-ni-ka  \  kokoro-min-to  omoi-te  |  omo  sama-ni  \  tsujoku  tsuna- 
wo  ßki-kere-ba  \  kofio  umn  makoto-ni    ^    (ja)-wo  iru-ga  gotoku  \  ßo-tobi-ni  tobi-idasi-isu. 

Matsu-mitsu,  auf  die  merkwürdige  Sache  aufmerksam,  sagte  :  Ich  werde  euch  ab- 
lösen und  zu  reiten  versuchen.  —  Sumi-nawa  stieg  ab  und  setzte  sich  auf  die  Flur- 
matte. Matsu-mitsu  setzte  sich  rittlings  auf  das  Pferd,  ergriff  den  Zügel  und  Hess  es 
gehen.  Sumi-nawa  rief:  Ziehe  den  Zügel  nicht  stark  an.  M^enn  du  ihn  stark  anziehst, 
wird  der  Lauf  scharf  sein.  —  Matsu-mitsu  hielt  ruhig  den  Ztigel  und  Hess  es  vor  das 
Thor  schreiten.  Er  pries  es  und'sagte:  O  eine  vergnügliche  Sache!  Es  reitet  sich 
besser  als  auf  einem  wirklichen  Pferde.  —  Er  hatte  es  eine  Strassenlänge  weit  fort- 
gehen lassen,  als  er  sich  dachte  :  Es  wurde  angegeben,  dass  es  schnell  läuft,  wenn  man 
stark  anzieht.  Ich  werde  versuchen,  wie  viel  es  wohl  läuft.  —  Hiermit  zog  er  den 
Strick  stark  an.     Dieses  Pferd  flog  wirklich,   als  ob  man  einen  Pfeil  schösse,    im  Fluge 

d  avon . 

Matsu-mitsu  ana-ja-to  sakehi-kere-do  \  sen  kata-naku  \  uma-no  kuU-ni  sigami-tsuki-te  \ 
kono  uma  tomete  tabe-tabe-to  sakebe-do  \  tare-ka-wa  siran  \  uma-wa  kaze-no  fuku  jb-ni  \  tonde 
jnke-ba  \  ima-wa  me-mo  kure  \  tamasi-i-mo  mi-ni  sowazu  \  tada  uma-no  jukv-ni  makasete  \  utsu- 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  297 

husi-ni   sigami-tsuki-te    \  jo-ju  ivo-wö-to    |   ko-e-wo  tatete  loameku.      Uma-ica  tada    FJI     (tsin)-ico 
tonde  kita-wo  mui-te-zo  fasiri-juki-keru. 

Obgleich  Matsu-mitsu  Oh  schrie,  konnte  er  sich  nicht  helfen.  An  den  Hals  des 
Pferdes  sich  klammei-nd,  schrie  er:  Haltet  dieses  Pferd  auf!  —  Doch  wer  mochte  es 
wissen?  Das  Pferd  entflog  nach  Art  des  wehenden  Windes,  das  Auge  war  jetzt  dunkel, 
die  Seele  verblieb  nicht  bei  dem  Leibe.  Bloss  dem  laufenden  Pferde  sich  überlassend, 
umklammerte  er  es  gebückt  und  erhob  das  Geschrei  Holla !  und  Ho !  Das  Pferd  durch- 
flog geradezu  den  Raum  und  lief,  gegen  Norden  gewendet,  weiter. 


Isi-bama. 


Kaku-te  matsu-mitsu-wa  |  kimo  kokoro-mo  use-nuru  hakari-nite  \  uma-no  fasiru-ni  maka- 
sete  I  sika-to  knbi-tco  torajete  idaki-icori-si-ga  \  mits^-no  fodo  "^  Ji.  (7inn-ri)-hakari  fasiri-tari- 
ken  I  ima-iva  jjjljj  j^  (sei-sin)  joivari-te  idaki-tarw  te-wo  fanatsi-kere-ha  \  joko-sama-ni  flutete 
otsi-mi.  Kakaru-ni  mukai-jori  o-oki-narii,  lüotoko-tio  |  tada-ima  ^  (ju)-hiki-taru-to  mijete  | 
ju-kata-bira  ki-tarn-ga  \  fasiri-idete  |  kano  tohi-juku  uma-no  ta-dzima-wo  toraje-tari .  Uma-wa 
takeri-te  fasiran-to  suru-wo  \  joko-sama-ni  ta-dzima-wo  fiki-kere-ba  |  kara-u-zite  uma-wa  sidzu- 
mari-te  tatsi-nu.  Kono  wotoko  uma-ico  fiki-te  ßisi-tam  matsu-mitsu-ga  moto-ni  jorl-te  \  midzu 
nado  nomasete  itaware-ba  |  jo-ju  iki-ide  kokotsi  moto-no  jb-ni  nari-te  |  kano  ivotoko-wo  amata- 
tabl  ^   (fai)-site  \  jorokobi-wo  iü. 

So  überliess  sich  Matsu-mitsu,  während  Muth  und  Besinnung  ihm  schwanden,  dem 
laufenden  Pferde,  erfasste  fest  den  Hals  und  umschlang  ihn.  Indessen  erschlafften  — ■ 
er  mochte  mehrere  E,i  Weges  daher  gerannt  sein  —  jetzt  seine  Kräfte,  er  Hess  die  um- 
fassenden Hände  los  und  fiel  schräg  herüber  zu  Boden.  In  diesem  Augenblicke  lief 
von  der  entgegengesetzten  Seite  ein  grosser  Mann,  welcher  aussah,  als  ob  man  ihn  so- 
eben aus  heissem  Wasser  gezogen  hätte,  mit  einem  Badeanzüge  bekleidet,  herbei  und 
ergriff  den  Zügel  des  einherfliegenden  Pferdes.  Als  das  rasende  Pferd  entlaufen  wollte, 
zog  er  den  Zügel  schräg  an  und  es  kostete  Mühe,  bis  es  ruhig  stehen  blieb.  Dieser 
Mann  führte  (Uxs  Pferd  weg,  näherte  sich  dem  darnieder  liegenden  Matsu-mitsu,  gab 
ihm  W'asser  zu  trinken  und  bedauerte  ihn.  Als  Matsu-mitsu  allmälig  zum  Leben  kam  und 
sich  so  wie  früher  fühlte,  verbeugte  er  sich  vielmals  vor  diesem  Manne  und  drückte 
ihm  seine  Freude  aus. 

Kono  tvotoko  ije7'u-wa  \  on-mi-wa  idzuko-jori  ki-si  ßto-zo-to  tö-ni  |  matsu-mitsu  onore-wa 
tabi-bito-nite  \  je-bara-gowori-nario  soregasi-ga.  moto-ni  todomari-woru  mono  nari-to  ije-ba  \  kano 
wotoko  kasiko-jori  kono  tokoro-made-wa  j  san-ri  amari-no  mitsi  ari.  Onore  ide-awazu-ba  \  kono 
iima-  mitsi-no  ku-no  atari-made  \  fasiri-juku-besi  tote  icarb.  Matsu-mitsu  kajesu-gajesu  atsuki 
go-on-iro  kofjiri-sbrai-nu-to  i-i-taru-ni  \  sumi-nawa-wa  matsu-mitsu-ga  juku-je  obotsuka-naku-te  | 
ato-fco  oi-te  kitari-keru-ga  |  kono  ivotoko-no  uma-wo  fiki-todome-kure-keric  koto-wo  kik/'-te  | 
atsnku    f|^    (sia)-site  jorokobu. 

Dieser  Mann  fragte:  Woher  seid  ihr  gekommen?  —  Matsu-mitsu  antwortete:  Ich 
bin  ein  Reisender  und  halte  mich  bei  einem  gewissen  Menschen  in  dem  Kreise  Je-bara 
auf.  —  Jener  Mann  sagte  lächelnd:  Von  dort  bis  hierher  sind  über  drei  Ri  W^eges. 
Wenn  ich  euch  nicht  getroffen    hätte,    wäre  dieses  Pferd   bis  in  die  Gegend  des  Reiches 

Dcnischriften  der  phil.-hist.  Cl,  XXVI.  Bil.  .S8 


298  Pfizmaier. 

Mutsu  entlaufen.  —  "Während  Matsu-mitsu  immer  Avioder  sagte,  dass  er  einer  grossen 
(jlnade  tlieilliaftig  geworden,  kam  Sumi-nawa,  dem  es  unbekannt  war,  wohin  Matsu- 
mitsu  gekommen,  dessen  Spur  vei-folgend,  an.  Als  er  liürte,  dass  dieser  Mann  das  l'i'erd 
aufgehalten  habe,  bedankte  er  sich  warm  und  freute  sich. 

Kono  wotolco  \  zca-dono-tatsi-wa  \  idzuku-no  ßto-bito-ni-ka-to  toje-ba  \  srmü-nawa  loare- 
Lcare-ioa  fi-da-no  kuni-naru  takurtii  nari-tu  ije-ha  \  kono  wotoko  fi-da-iio  kuni-ni  i-na-he-no 
sumi-nawa-to  iü  fito  ari.  Onore-ga  tsitsi-no  ^  ^  (toku-i)  nari  tote  \  tsune-ni  mono-gatari- 
si-tamajeri.  So-ko-tatsi-iva  siri-tamaivazu-ja-to  iit-ni  |  onore  koso  o-oseraruru  sumi-nawa  nare-to 
ije-ha  \  kono  icotoko  j^  (tsi)-ni  kasira-ivo  tsukate  \  sate-mo  omoivazaru  tai-men-tsukamatstiri-te 
sorb-to  i-i-te  jorokobu. 

Dieser  Mann  fragte:  AVoher  seid  ihr?  —  Sumi-nawa  antwortete:  Wir  sind  Zimmer- 
leute  aus  dem  Reiche  Fi-da.  —  Dieser  Mann  sagte:  In  dem  Reiche  Fi-da  lebt  ein  Mann 
Namens  I-na-be-no  Sumi-nawa.  Mein  Vater  sagt,  es  sei  sein  Freund  und  erzählt  immer 
von  ihm.  Kennt  ihr  ihn  nicht? —  Sumi-nawa  erwiederte :  Ich  bin  Sumi-nawa,  von  dem 
ihr  sprechet.  — ■  Dieser  Mann  legte  das  Haupt  an  den  Boden  und  sagte  freudig :  Also 
habe  ich  .  eine  unvermuthete  Begegnung! 

Sumi-naim  luare  to-gokio-nite-ioa  \  siru  fito  tada  itsi-nin  ari.  Sate-wa  ^  ^  (asi-ja)-no 
fiina-nusi-dono-nite  owasu-ja-to  iü.  Kono  ivotoko  san-zoro  funa-7ivsi-'wa  waga  oja-nite  \  onore-ioa 
i^  %  (saiüo-maro)-to  mbsi-ie  \  j^  V  (dai-dai)  kono  ^  ^^  (isi-bama.)-ni  sumi-te  .soro. 
Madzu  waga  moto-je  irase-tamaje-to  i-i-tsidsu  \  izanai-te  iru.  Kore-wa  ije-i-mo  firoku  |  knra- 
dnmo  mi-tsu  jo-tsu  tate-tsudzukete  \  ikamesi-kic  sumi-nasi-tari. 

Sumi-nawa  sprach :  Ich  habe  in  den  Östlichen  Reichen  nur  einen  einzigen  Bekannten. 
Ist  es  vielleicht  der  Herr  Asi-ja-no  Funa-josi?  —  Dieser  Mann  antwortete:  So  ist  es. 
Funa-misi  ist  mein  Vater,  und  ich  selbst  heisse  Sawo-maro.  Wir  wohnen  hier  in  Isi- 
bama  durch  alle  Geschlechtsalter.  Doch  vorerst  tretet  in  unsere  Wohnung!  —  Mit  diesen 
"Worten  führte  er  ihn  hinein.  Dieses  Haus  war  geräumig,  es  waren  drei  bis  vier  Vor- 
rathshäuser  neben  einander  aufgebaut,  und  man  wohnte  prachtvoll. 

Sumi-nawa  kado-wo  ire-ba  |  tsitsi-mo  kaku-to  kiki-te-ja  \  ide-muknjefe  sumi-7iawa-nusi-ni 
koso  I  medzurasi-ku-mo  kudari-tamajeru  kana.  Ono-ga  fi-da-no  kuni-ni  ari-si  toki-tua  \  so-ko- 
ni-ica  nana-tsu  bakari-nite  oioasi-ki.  So-ko-no  tsitsi-gimi-no  atsuku  onore-ico  itawari  mono-si- 
tamai-si  koto  \  ima-ni  ivasure-gataku  uresi-ku-te  \  tsune-ni  mosi-idete  \  mi-  ^  (toku)-ivo  bgi-te 
v:ori  nado  \  sama-zama  atsuki  kokoro-zasi-iüo  nobete  \  oku-ni  izanai-te  sake  nado  mbkete  motenasv. 

Als  Sumi-nawa  bei  dem  Thore  eintrat,  kam  der  Vater,  der  gehört  haben  mochte, 
was  es  gebe,  ihm  entgegen  und  sagte:  Herr  Sumi-nawa  ist  als  etwas  Seltenes  herab- 
gestiegen! Zur  Zeit  als  ich  mich  in  dem  Reiche  Fi-da  befand,  wäret  ihr  sieben  Jahre 
alt.  Die  grosse  Sorgfalt,  mit  der  euer  Herr  Vater  mich  behandelte,  kann^ich  noch  jetzt 
nicht  vergessen.  Ich  spreche  es  immer  freudig  aus  und  blicke  empor  zu  seiner  Wohl- 
tijat.  —  Indem  er  auf  allerlei  Weise  seine  warmen  Gefühle  kundgab,  führte  er  ihn  in 
das  Innere,  bestellte  Wein  und  anderes  und  bewirthete  ihn. 

Uma-wo-ba  fa-iri-no  kata-naru  janagi-no  ki-ni  tsunagi-oki-taru-tvo  funa-nusi  mite  \  uma-ni 
ma-gusa  kmcase-jo  \  lootoko-domo-to  ije-ha\  wotoko-domo  ma-gusa-ivo  ire-taru  tarai  mote  kite  \  uma-no 
moto-ni  oki-fe  i-i-keru-wa  \  ajasi-ki  uma  kana  \  mono-kuwan-to-mo  sezu  \  ugoki  dani  sezu  j  tada 
manako  nomi  fatarakasu-wa  \  ^  ^  (ke-ii)-no  ^  ^  (tsiku-sib)  kana-to  iü-wo  \  matsu- 
mitsu  lüokasi-gasi-te  \  koto-no  si-sai-ioo  katare-ba  \  arxzi  oja-ko-mo  odoroki-tsutsu  \  sumi-nawa- 
ga  takumi-no    /L    (bon)-narazaru-ioo  kan-zi-keri. 


Die  Geschioute  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  209 

Das  Pferd  band  man  an  einen  zur  Seite  des  Eingangs  befindlichen  Weiden- 
baum. Als  Funa-bito  dieses  sah,  sagte  er:  Männer!  Gebet  dem  Pferde  Futtergras  zu 
fressen.  —  Die  Männer  brachten  ein  mit  Futtergras  gefülltes  Becken,  setzten  es  vor 
das  Pferd  und  sagten :  Ein  sonderbares  Pferd !  Es  thut  nicht,  als  ob  es  fressen  wollte 
und  rührt  sich  nicht  einmal.  Es  bewegt  bloss  die  Augen.  Ein  seltsames  Thier!  —  Matsu- 
mitsu  fand  dieses  lächerlich  und  sagte  ihnen  den  Grund.  Der  Wirth  und  dessen  Sohn 
staunten  und  bewiu^derten  die  nicht  gemeine  Kunstfertigkeit  Sunii-nawa's. 

Okti-no  kata-ni-v:a  |  kusu-si  nado  iri-ite  \  muno-saioagasi-ki  sama  nare-ba  \  sumi-ncnca 
ika-ni  on-ije-no  utsi-ni-wa  \  ^  ^  (hw-sia)  nado-no  mvasi-masu-ni-ja-to  ije-ha  j  sawo-maro 
kotojete  onore-ga  imo-uto-tiite  su7'b  mono  \  farit-no  koro-jori  jamai-ni  kakari-te  \  utsi-fusl-te 
wori  I  onore-tva  makoto-ica  ^  -^  (jb-si)-nite  funa-nusi-ga  umi-no  ko-nite-icd  shraivazu.  Imoto- 
v:a  '^  '^  (fu-ho)-no  lunu  tokoro-nite  |  ßto-tsu-go-nite  soraje-ha  \  koto-nl  dcu-zi-to  na^i-te 
jasinai-tatete  shrh  tokoro.  Omoi-kakeiiu  jamai-ni  kakari-te  |  oja-tatsi-mo  o-o-kata-narazn 
kokoro-iüo  kudaki-sbru-to  kataru. 

An  der  inneren  Seite  kamen  jetzt  Aerzte  herein  und  machten  ein  Geräusch.  Sumi- 
nawa  fragte:  Sollten  in  eurem  Hause  vielleicht  Ki-anke  sein? —  Sawo-maro  antwortete: 
Meine  jüngere  Schwester  ist  seit  der  Zeit  des  Frühlings  erkrankt  und  liegt  darnieder. 
Ich  bin  in  Wirklichkeit  ein  Pflegesohn,  ich  bin  nicht  der  leibliche  Solm  Funa-nusi's.  Da 
die  jüngere  Schwester  das  leibliche  und  einzige  Kind  ihrer  Aeltern  ist,  wurde  sie  mit 
besonderer  Sorgfalt  aufgezogen.  Indem  sie  unvermuthct  erkrankte,  sind  auch  die  Herzen 
ihrer  Aeltern  in  nicht  geringem  Masse  gebrochen. 

Swini-nawa  \\\\  ^  (sen-kai)-nite  morai-je-taru  ^  i^  (rei-si)-no  fasi-ico  \  fu-tokoro-juri 
tori-idete  \  are  ^  V  (seö-seö)  ^  (sen)-zite  motsi-i  kokoro-mi-tomaje-to  ije-ha  \  satco-maro 
jorokobi-te  \  oku-no  kata-je  motsi-juki-nu.  Sibasi-ari-te  \  fiwia-nusi  ide-kite  \  ima-no  fodo 
tamav:ari-si  on-kusuri  motsi-i-te  sbraje-ha  \  jwme-no  same-taru  jb-ni  sawajagi-te  \  kurugi-ki 
kolo-mo  wasure-sbrb  tote  |  Jatca-icu  fazime  mina  fito  jorokobi-ni  tajezu.  Saie-mo  ika-naru  mi- 
kusuri-nite  |  kakn    sumi-jaka-ni   sirusi-wo    araiüasi-sbrb-ni-ka-to    i-i-te   icodori-tatsi-te  jorokobu. 

Sumi-nawa  nahm  das  Stück  Litschi,  welches  er  in  dem  Lande  der  Unsterblichen 
bekommen  hatte,  aus  dem  Busen  und  sagte :  Siedet  dieses  ein  Avenig  und  versuchet,  es 
anzuwenden.  —  Sawo-maro  freute  sich  und  ging  damit  nach  der  inneren  Seite.  Nach 
einer  Weile  kam  Funa-nusi  heraus  und  sagte :  Als  wir  das  Arzneimittel,  welches  ihr 
uns  eben  schenktet,  anwendeten,  war  sie,  wie  aus  einem  Ti-aume  erwacht,  in  Aufregung 
und  hatte  ihre  Leiden  vergessen.  —  Alle  Menschen,  vor  allen  die  Mutter,  konnten  ihre 
Freude  nicht  ertragen.  Sie  sagten :  Was  für  ein  Arzneimittel  mag  so  schnell  seine  ^^  ir- 
kung  geäussert  haben?  —  Dabei  sprangen  sie  vor  Freude. 

iiaim-maro-mo  onazi-koto-ivo  i-i-te  jo?-okobe-ba  matsu-mitsu  si-tari-gaico-ni  \  sa-mo  sbrai- 
nan  \  kono  mi-kusuri  ^  ^^  (se-ken)-no  |^  ^  (jo-i)  nado-ga  sine  tokoro-nite  sorawazu. 
Onore  icaga  0r|l  (sij-to  tomo-ni  ^  ^  ^  ^  (sen-sin-ban-ku)  kafa-zi-ke-naku-mo  ^  f[ll 
(ro-sen)-no  mi-moto-nite-to  i-i-sasi-te  \  ^  (kiü)-ni  kutsi-ni  te-wo  atete  \  sumi-nawa-ga  kata-ico 
mite  I  sate-sate  lüare-nagara  saga-naki  hitsi-nite  sbrb.  Mata-mo  osi-to  naru-beki  koto-tco  tsui 
wasurete  sbrb-to  ije-ba  j  sumi-naiva-mo  fokorobi-te  warai-idasi-mi. 

Auch  Sawo-maro  sagte  dasselbe  und  freute  sich.  Matsu-mitsu  sagte  mit  wichtiger 
Miene:  So  wird  es  sein.  Dieses  Arzneimittel  ist  etwas,  das  die  gewöhnlichen  Aerzte  der  Welt 
nicht  kennen.  Ich  habe  es,  in  Gemeinschaft  mit  meinem  Lehrer  tausend  Leiden,  zehntausend 
Beschwerden  erduldend,  mit  Dank  an  dem  Wohnorte  des  Unsterblichen  von  dem  Geschlechte 


;!.s* 


OAA  Pfizmaiek, 

L;,  Indem  er  so    reden    wollte,    legte   er  hastig  die  Hand  an    den   Mund,    blickte    auf 

Sumi-nawa  und  sagte:  Ei  doch!  Selbst  bei  mir  ist  es  eine  unselige  Rede.  Ich  habe 
o-anz  vero-esscn,  dass  ich  wieder  stumm  werden  kann.  —  Sumi-nawa  platzte  vor  Lachen. 
Aruzi  üja-ko-wa  kokoro-mo  tsukazu  \  ßdari-wo  sama-zama  Mo  jö-site  \  ^  (:)o)-ni  m- 
kere-ba  j  kijoraka-naru  fusuma  tori-idete  \  futari-ivo  fusasime-keri.  Sumi-nawa<va  saki-ni  iri-te 
fusi-keru-ni  \  matsu-mitsu-tva  -f^J  (rei)-no  kutd-kiki  nari-kere-ba  \  fusi-mo  sede  san-o-maru-ni 
mnkai-ite  \  sumi-naioa-ga  takumi-no  ^  (ki)-naru  koto  nado  \  fokormvasi-ü  mono-gatari-site 
i-tari-keru-ga  \  mono-no  tsuide-ni  j  imotu-no  jameru  sama-ivo  toi-kere-ba  \  sawo-maro-ga  ijeraku  \ 
kikoje-iden-mo  \  wäre  saje  omo-naki  kokoUi-site  sbrb.  Makoto-wa  waga  imoto-nite  sbrh  mono 
na-tca  ^  (murasaM)-to  nwsi-te  \  ko-tosi  -p  P3  (ziü-si)-ni  vari-ie  suro  j  sugata  katatsi  fito-ni 
otori-soraicazu  \  kokoro-zasi-mo  Jasasi-kii.  surb  tokoro  \  sugi-d  faru  fito-bito-to  tomo-ni  \  mukai- 
ga  woka-no  fana-mi-ni  makari-te  sbrb  tokoro  \  fu-to  ivakaki  fito-wo  mi-somete  notsi  \  sore-jori 
kokotsi   ^\    (rei)-naranu  jb-ni  nari-te  \  ntsi-fusi-te  sbrb  nari-to  iü. 

Der  Wirth  und  dessen  Sohn  merkten  dieses  nicht.  Sie  unterhielten  die  Beiden  auf 
allerlei  Weise,  und  als  es  Nacht  wurde,  nahmen  sie  reinliche  Bettdecken  hervor  und 
bi-achten  die  Beiden  zur  Ruhe.  Sumi-naAva  trat  zuerst  ein  und  legte  sich  nieder.  Matsu- 
mitsu,  der  wie  gewöhnlich  gesprächig  wurde,  legte  sich  nicht  nieder.  Er  kehrte  sich  zu 
Sawo-maro  und  erzählte  ihm  von  der  wunderbaren  Kunstfertigkeit  Sumi-nawa's  auf  ruhm- 
redige AVeise.  Bei  dieser  Gelegenheit  fragte  er,  an  was  für  einer  Krankheit  dessen  jün- 
gere Schwester  leide.  Sawo-maro  sprach:  Wenn  man  es  verlauten  lässt,  habe  ich  nur 
ein  Gefühl  von  Beschämung.  Diejenige,  welche  in  Wirklichkeit  meine  jüngere  Schwester 
ist.  führt  den  Namen  Murasaki  und  ist  dieses  Jahr  vierzehn  Jahre  alt  geworden.  Von 
Angesicht  und  Gestalt  Anderen  nicht  nachstehend,  ist  sie  auch  von  Gemüth  sanft.  Als 
sie  im  vergangenen  Frühlinge  in  Gesellschaft  mehrerer  Menschen,  um  die  Blumen 
der  Berghöhe  Mukai-ga  woka  zu  sehen,  hinauszog,  verliebte  sie  sich  plötzlicli  in  einen 
jungen  Menschen.  Seit  dieser  Zeit  zeigte  sich  in  ihrem  Befinden  eine  auffallende  \  er- 
änderung,  und  sie  wurde  bettlägerig. 

Matsu-mitsu  sara-ba  ^  ^ß  (bib-kon)  jokii  sirete  sbrb-uv  \  ika-de  imoto-gimi-no  kokuro- 
zasi-no  goiokii  \  sono  wakakl  fito-wo  muko-to-wa  nasi-tamawazuru-to  ije-ba  \  sawo-maro  sono 
koto-nite  sbrb  \  kano  wotoko-no  ije-to  soregasi-ga  ije-to-wa  \  %  ^  (rui-sei)-no  ata  aru  naka- 
nite  sbraje-ba  \  tatoi  ^f  M  (kon-m)-no  koto  nado  mbsi-ide-tari-to-mo  \  kare-ga  kata-nite  uke- 
fiku-beki  db-ri  sbrcnvazn-to  in. 

Matsu-mitsu  sprach:  Also  ist  der  Grund  der  Krankheit  vollkommen  bekannt.  Wie 
kommt  es,  dass  ihr  nach  dem  Wunsche  eurer  jüngeren  Schwester  diesen  jungen  Menschen 
nicht  zum  Eidam  machet?  —  Sawo-maro  sprach:  Es  ist,  weil  das  Haus  jenes  Mannes 
mit  unserem  Hause  die  Geschlechtsalter  hindurch  in  Feindschaft  lebt.  Wenn  wir  auch 
die  Sache  der  Vermälung  vorgebracht  hätten,  es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  man  von 
jener  Seite  einwilligen  würde. 

Sono  wakaki  fito-to  mbsu-iva  \  ika-naru  fiio-nite  sbrb-ka-to  foje-ba  \  je-bara  kowori-nani 
take-siba-no  jama-bito-to  mbsi-te  \  ^  (jo)-no  fito  kawo-josi-to  jobu  mono-nite  sbrb-to  m.  Mafsu- 
mitsu  te-wo  utsi-te  \  icare-ivare  kon-nitsi-made  kano  jama-bito-no  moto-ni  \  todomari-ite  sbrai-ki. 
Kano  jama-bito-to  mbsu-iua  \  katatsi-joki  bakari-ni-wa  sbrawazu  \  kokoro-mo  ^  ^  (niü-ioa)- 
nite  ^  (gaku)-zaje-mo  kane-taru  fito-nite  sbraje-ba  \  tatoi  furukn-jori  ata-aru  koto  sbrb-to-mo  \ 
makezi  kokoro-wo  idaki-te  \  netami-uramu  jb-naru  kokoro-wo  tsukb  fito-ni  sbraumne-ba  \  kono 
^    i@   (kon-in)    totonoi-gatad-to-mo    mbsi-gataku-ja-to    ije-ba    \    mod  jama-bito-ga   uke-fi.ki- 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  301 

suraica-ba  |  onure-ga  jorokobl  kore-ni  siiglzu-to  iü.  Säte  sama-zama-no  mono-gaturl-ico  fari-te  1 
ono-ono  wakarete  fusi-do-nl  tri-tc  ine-mt. 

Jener  fragte:  Was  für  ein  Mensch  ist  dieser  junge  Mensch?  —  Sawo-maro  sprach: 
Es  ist  ein  in  dem  Kreise  Je-bara  lebender  Mensch,  Namens  Take-siba-no  Jama-bito, 
Avelchen  die  Menschen  der  Welt  den  Schönen  nennen.  —  Matsu-mitsu  schlug  in  die 
Hände  und  sagte :  Wir  haben  uns  bis  7a\  dem  heutigen  Tage  bei  diesem  Jaina-bito  auf- 
gehalten. Dieser  Jama-bito  ist  nicht  allein  schön  von  Gestalt,  sein  Herz  ist  auch  sanft, 
es  ist  ein  Mensch,  der  Lernen  und  Begabung  in  sich  vereint.  Wenn  auch  von  Alters 
\\QY  Feindschaft  besteht,  da  er  kein  Mensch  ist,  der  ein  unbeugsames  Herz  im  Busen 
trägt  oder  mit  etwas  wie  Neid  und  Hass  sich  im  Herzen  befasst,  so  lässt  es  sich 
wohl  unmöglich  sagen,  dass  diese  Vermälung  unmöglich  zu  Stande  kommen  kann. 
Wenn  Jama-bito  einwilligt,  ginge  in  meiner  Freude  nichts  darüber.  —  Sie  er- 
zählten sich  nocli  mancherlei.  Sodann  trennten  sie  sich,  traten  in  das  Schlafzimmer  und 
schliefen  ein. 

Jo-akete  oki-'ule-kere-ha  aruzi-no  funa-misi  sinni-naica-ni  ijeru-iva  \  onoi^e  ^  |^  (siukn- 
fjuanj-no  kofo  ari-te  tanomi-taru  mi-tera-no  filp  '^  (mi-dh)  ^  ji^  (kon-riü)  |  -se-ha-ja-tu 
zon-zi-tatsi-te  shrv.  Wa-ginii  kudarase-tamo  koso  saiwal  nare  \  sibasi  todomari-to.mai-te  \  kono 
^  (db)  tsukuri-te  tamawarl-naii-ja-to  iü.  tSunii-nawa-ga  iivaku  |  0)wre  — •  (fito)  madzu  kioni- 
ni  kajeri-te  \  mijako-ni  nohomi-beku  zon-zi-te  sbraje-domo  '  sa-jb-ni  no-tamd  uje-wa  |  todomuri-te 
kono  mi-dh  fsukuri^te  tate-matsurnn-to  iü-ni  \  fima-nusi  jorokobi-te  \  sikara-ba  simösa-no  kuni- 
nl  icaga  ^gä  ~jj^  (si-zoku.)-no  shro  \  sore-ga  joki  ^ßjf  yfv  (zai-mokn)-domo  amata  motsi-te  sbraje- 
ba  I  kasiko-ni  juki-tamai-te  \  ki-domo  jeri-tori-te  tamaje  tote  |  niwaka-ni  ^  ^  (si-taku) 
todonojete  |  sumi-naica-ico  izanai-te  \  simösa-no  kuni-je-zo  ide-jiiki-keru. 

Als  man  bei  Tagesanbruch  aufstand  imd  heraus  trat,  sprach  der  Wirth  Funa-nusi 
zu  Sumi-nawa:  Icli  habe  vor  langer  Zeit  ein  Gelübde  gethan  und  bin  gesonnen,  eine 
Halle  des  Klosters,  in  welchem  ich  gebetet  habe,  aufzubauen.  Es  ist  ein  Glück,  dass 
mein  Gebieter  zu  mir  herabgestiegen  ist.  Möchtet  ihr  euch  wohl  eine  Weile  aufhalten 
und  diese  Halle  bauen?  —  Sumi-nawa  sagte:  Ich  war  gesonnen,  vorerst  in  das  Reicli 
zurückzukehren  und  nach  Mijako  zu  reisen.  Weil  ihr  aber  so  redet,  werde  ich  micli 
aufhalten  und  diese  Halle  bauen.  —  Funa-nusi  war  erfreut  und  sagte :  '\\'enn  es  so  ist, 
so  sind  in  dem  Keiche  Simosa  meine  Verwandten.  Da  dieselben  viele  gute  Bauhölzer 
besitzen,  so  gehet  dorthin  und  wählet  die  Bäume  aus.  —  Hiermit  traf  er  plötzlich  die 
Vorbereitungen  und  i'eiste,   Sumi-nawa  das  Geleit  gebend,   nacli  dem  ßeiche  SimGsa  ab. 

Matsu-mitsU'tca  sono  ß  take-siha-ga  moto-je  juki-te  \  sika-sika-no  josi-ico  mono-gatari-si- 
kerit  tsiiide-ni  \  musume-ga  jamai-ni  kakari-te  koi-sifajera  josi-wo  \jama-bito-ni  katari-te\  kare- 
1C0  mukajete  tsuma-to  nasi-tamai-na7i-to  ije-ba  |  jama-bito-wa  kaivo  akaramete  \  to-kaku-no  iraje 
dani  sezu.  Matsu-mitsu  fawa-ni  ai-te  \  kono  koto-ivo  kataraje-ba  j  fawa  namida-gumi-te  i-i-keru- 
ica  I  kano  asi-ja-no  ije-tva  \  ivaga  wotto  nam  fito-to  |  moto  atsuku  maziwari-keru-ga  |  motsi- 
tsutaje-si  ta-ioo  g^  (i'on)-zi  arasoi-te  \  ^  a\  (koku-si)-no  f^  (tsibj-ni  idete  rätaje-keru  toki  \ 
icaga  icotto  furuki  ^  (ken)-ico  usinai-te  siö-ko-to  su-beki  mono  naku-te  \  kare-ni  makete  vien- 
hoku-ivo  iisinaicare-ki.  Sore-jori  notsi  |  kare-ga  ije-to  maziwari-wo  tatsi-te  |  ide-ö  koto-ivo  sezu. 
Wotto  tosi-wo  fezu-site  mi-makari-tamni-tare-ba  |  masu-masu  utoku  nari-juki-nu.  Kare-tva 
koto-ni  ije  jutaka-ni  nari-te  \  tobosi-ki  koto^  nasi  |  waga  ijc-wa  wotto-no  koro-jori  jb-jakn 
otorojete  \  iiua-ica  kaku  wabi-siki  sumai-site  are-ba  \  ika-de  kare-ga  ije-to  ^^  i@  (kon-in)-wo 
tori-m,usubu-beki.     Naki-ßto-no  obosan  tokoro-mo  |  fakari-gata-kere-ba  |  to-ni  kaku-ni  |  asi-ja-ga 


302  Pkizmaier. 

rnttsume-tco  j  icaga  jome-to-wa  uad-gatasi-to  |  suge-rao  naku  ije-ha  \  matsu-mitsu-mo  futa-tabi 
ü-beki  kotoba-mo  nasi.  Ware-v:are  kasiko-nl  sibasi  todomari-ite  \  ^  (do)  tsukuran  fodo  \  fi- 
kaztt  fe-nu-besi-lo  i-i-te  |  kaica-go  nado  katsiuji-te  \  futa-tabi  asi-ja-ga  moto-ni  kajeri-keri. 

Matsu-mitsu  ging-  an  diesem  Tage  zu  dem  Gesclilechte  Take-siba,  und  indem  er  über 
verschiedene  Dinge  sprach,  erzählte  er  bei  dieser  Gelegenheit  Jama-bito,  dass  das  Mädchen 
erkrankt  sei  und  vor  Liebe  vergehe.  Er  sagte,  er  möge  sie  abholen  und  sie  zu  seiner 
Gattin  machen.  Jama-bito  wurde  im  Antlitz  roth  und  hatte  nicht  einmal  eine  irgendwie 
beschaffene  Antwort.  Matsu-mitsu  begab  sich  zu  der  Mutter  und  sprach  von  dieser  Sache. 
Der  Mutter  kamen  Thränen  in  die  Augen,  und  sie  sagte :  Jenes  Haus  Asi-ja  stand  mit 
meinem  Manne  ursprünglich  in  einer  engen  Verbindung.  Es  machte  uns  die  ererbten 
Felder  streitig,  und  als  man  in  das  Gerichtshaus  des  ßeichsvorstehers  ging  und  klagte, 
verlor  mein  Mann  eine  alte  Urkunde.  Da  er  nichts  hatte,  das  zum  Beweise  dienen  konnte, 
Avurde  er  überwunden  und  verlor  die  Ehre.  Seitdem  vmterbraclien  wir  die  Verbindung 
mit  jenem  Hause,  gingen  nicht  hin  und  begegneten  uns  nicht.  Als  mein  Mann  nach 
nicht  ganz  einem  Jahre  starb,  wurden  wir  uns  noch  mehr  entfremdet.  Bei  Jenen  ge- 
langte das  Haus  zu  besonderem  Wohlstande  und  hatte  an  nichts  Mangel.  Unser  Haus 
gerieth  seit  der  Zeit  meines  Mannes  allmälig  in  Verfall.  Da  es  jetzt  ein  so  elender 
"Wohnplatz  ist,  wie  könnte  man  da  mit  jenem  Hause  das  Band  der  Vermälung  knüpfen? 
Da  es  unmöglich  ist,  für  das,  was  der  Verstorbene  Avünschen  wird,  Rath  zu  scluiffen, 
ist  es  jedenfalls  aucli  unmöglich,  dass  ich  die  Tochter  des  Hauses  Asi-ja  zu  meiner 
Schwiegertochter  mache.  —  So  sagte  sie  unfreundlich.  Matsu-mitsu  hatte  hierauf  weiter 
keine  Worte.  Er  sagte :  Wir  halten  uns  dort  eine  Zeitlang  auf,  und  wenn  wir  die  Halle 
gebaut  haben,  wird  eine  Anzahl  Tage  vergangen  sein.  —  Hiermit  nahm  ei-  den  Koft'er 
auf  den  liücken  und  kehrte  wieder  in  das  Haus  Asi-ja  zurück. 

Asi'ja-ga  ije-ni-wa  \  musume-no  jamai  jorosi-ku  nari-nu  tote  \  fito-hito  jorokobi  \  torai-ni 
kum  mono  tajezu.  Alusume-mo  kea-ioa  ne-dokoro-u-o  idete  |  fisasi-no  |^  -J^  (siu-zi)  ake-sasete 
nnva-no  kata-ico  mi-ldasi-te  v:ori  \  matsu-mitsu  kaki-no  kune-jori  nozoki-viiru-ni  \  kono  koro-7io 
jamai-ni  omo-jase-tare-do  \  ate-ni  utsukusi-ki  sugata  nare-ba  \  jama-bito-yii  me-awase-na-ba 
joki  — ■  ^  (ittsui)-no  ^  ^  (ß''-fiO  naru-besi.  Kono  ■musum,e-ga  omoi-iri-taru  kokoro-ne-mo  j 
ito-fosi-kere-ba  \  ika-de  kono  imo-se-no  nakarai  \  onore  imcsubi-totonoje-ten-to-zo  omoi-kcru.  Säte 
musume-ga  i-taru  tokoro-ni  iri-te  \  kutsi-garoku  mono-gatari-si  \  mata  sumi-natva-ga  tsukureru 
kani  nado  tori-idete  \  fasirasete  misure-ba  \  musume-mo  jorokobi-te  omo-siroki  fito-ni  omoi-kert. 

In  dem  Hause  Asi-ja  nahm  die  Krankheit  des  Mädchens  eine  Wendung  zum  Guten. 
Die  Menschen  freuten  sich  daher  und  kamen  unaufhörlich,  um  sich  zu  erkundigen.  Das 
Mädchen  trat  an  diesem  Tage  aus  dem  Schlafgemache,  Hess  das  Schubfenster  des  Vor- 
hauses öffnen  und  blickte  nach  der  Seite  des  Vorhofes  hinaus.  Matsu-mitsu  blickte 
durch  das  Flechtwerk  des  Zaunes  herein.  Obgleich  von  der  gegenwärtigen  Krankheit 
abo-emao-ert,  war  sie  von  besonders  schöner  Gestalt.  Er  dachte  sich:  Wenn  ich  sie  mit 
Jama-bito  verbinde,  wird  es  ein  schönes  Paar  werden.  Da  der  Gemüthszustand  des 
Mädchens,  in  welchen  sie  sich  durch  ihre  Gedanken  gebracht  hat,  sehr  bedauerlich  ist, 
so  werde  ich  irgendwie  diesen  Zusammentritt  von  Bruder  und  Schwester  knüpten  und 
einrichten.  —  Er  trat  somit  an  dem  Wohnorte  des  Mädchens  ein  und  hielt  mit  leiclitem 
Munde  Gespräche.  Er  nahm  ferner  die  von  Sumi-nawa  verfertigte  Krabbe  hervor,  Hess 
sie  laufen  und  zeigte  sie  ihr.  Das  Mädchen  freute  sich  und  daclite  an  den  liebens- 
würdigen Mensclien. 


Die  Geschichte  einer  Seelenvvandekung  in  Japan.  303 

So7}0  ß  fito-ma-ivo  vkagai-te  \  musume-ga  soba-ni  juri-te  \  onore  kimi-no  kukoro  jokii  siri- 
■nu.  Jama-hito-ioa  moto-jori  tcare  sitasi-kere-ha  \  katarai-awasete  notsi-iiotsi-v;a  ^  ^  (fö- 
fu)-to  nasi-ma-iraseti.  Madzu  fumi-ioo  jari-tamaje-to  ije-ba  \  musume-tva  omoi-kakezu  |  wa- 
tari-ni  fune  je-tariu  kokotsi-site  \  fadziikasi-sa-mo  wasurete  |  te-too  awasete  \  matsu-mitsu-ioo 
wogami-ie  \  namida-wo  kohosu.  Matsu-mitsu  ijo-ijo  rb-taku  omoi-te  |  säte  ika-ni  tahakari- 
kcn  I  jama-hito-ga  moto-je  mususume-ga  fumi-ivo  tsukaivasi-keru-ni  \  jama-hito-mo  iwa-ki  na- 
rane-ha-ni-ja  |  jagate  kajeri-goto-wo-zo  si-tari-keru. 

An  diesem  Tage  erspähte  er  eine  Zwischenzeit,  trat  an  die  Seite  des  Mädchens  und 
sagte  :  Ich  liabe  das  Herz  der  Gebieterin  gut  kennen  gelernt.  Da  Jama-bito  ursprüng- 
lich zu  mir  ein  Freund  ist,  werde  ich,  nachdem  ich  eine  Unterredung  zu  Stande  ge- 
bracht, eucli  zu  Mann  und  AVeib  machen.  Früher  schicket  ihm  einen  Brief,  —  Das 
Mädchen  hatte  ein  Gefüiil,  als  ob  sie  unvermuthet  an  der  Ueberfahrt  ein  Schiif  erlang-t 
hätte.  Auf  die  Schüchternheit  vergessend,  legte  sie  die  Hände  zusammen,  verbeugte 
sich  vor  Matsu-mitsu  und  vergoss  Thränen.  Matsu-mitsu  empfand  immer  grosseres  JMit- 
leid.  Wie  konnte  er  getäuscht  haben  ?  Er  schickte  an  Jama-bito  den  Brief  des 
Mädchens,  imd  Jama-bito,  da  er  wohl  nicht  Stein  und  Holz  Avar,  schrieb  sogleich  eine 
p]ntgegnung. 

Kono  uresi-ki-ni  sojete  ijo-ijo  kokotsi  sawajagi-ni-kere-ba  |  tsnki-gofo-ni  j^  ^  (asa-kiisa)- 
narn.  ^^  iit  ^  (kuan-ze-on)-ni  mbde-kere-do  \  faru-jovi  jami-fusi-te  kere-ha  \  laa-iri-tate-ina- 
fsurazio.  Keu  kasiko-ni  via-iri-nan  tote  \  faiva-ni  kaiarai-te  \  takc-gosi-ni  nori-te  ide-tatsu. 
Matsu-mitsu  sono  foka  wonna  woioko  ßki-soi-te  \  ide-juki-keru.  Kore-iva  arakazime  matsu- 
mitsu-ga  fakari-goto  kamajete  j  keo  jama-bito-ga  kata-je-mo  sirase-tsukawasi-te  \  fisoka-ni  aicase- 
t-m  tote  I  kaku  izanai-te  idzuru  nari-keri. 

Hierüber  erfreut,  '  Avard  ihr  Gemüth  überdiess  immer  heiterer.  Sie  hatte  jeden 
Monat  den  Tempel  der  Gottin  Kuan-ze-on  in  Asa-kusa  besucht,  doch  da  sie  seit  dem 
Frlihlinge  krank  darnieder  lag,  war  sie  dahin  nicht  gekommen.  An  diesem  Tage  sagte 
sie  ihrer  Mutter,  dass  sie  sich  dorthin  begeben  Averde,  stieg  in  eine  Bambussänfte  und 
verliess  das  Haus.  Nebst  Matsu-mitsu  Avaren  noch  Männer  und  Weiber,  Avelche  ihr  bei- 
gegeben waren,  hinausgegangen.  Es  Avar  dieses  Arorläuiig  der  Plan  Matsu-mitsu's.  Er 
schickte  heute  an  Jama-bito  eine  Verständigung.  Um  eine  heimliche  Zusammenkunft  zu 
Stande  zu  bi-ingen,    beredete  er  ihn  auf  diese  "Weise  und  kam  heraus. 

Sawajagu  ("tt"  V  "^  ^').  das  sonst  nirgends  A^orkommt,  ist  ein  Yerbum  und  hat 
die  Bedeutung  ,heiter  sein'.     Ein  geAA'ohnliches  Wort  ist  sawajaka  , heiter'. 

Säte  asa-kusa-ni  juki-tsuki-keru-ni  \  kono  mi-tera-ioa  to-koku  dai-itsi-no  ^  ^^  (rei-zibj- 
riite  I  ^  fll  (san-kei)-no  ^  ^  (nan-nio)  fiki-mo  kirazu  \  nigiwasi-ki  kotu  iü-mo  oroka 
nari.  Geni  koso  ^  j:^  (sa-taj-no  fitp  ^Ij  ^  (go-ri-sib)  imizi-ki  sirusi  nare-to  musume-mo 
loogami-iri-te  \  f^P  ^  (mi-dbj-uv  kudari-te  j  koko-kasiko  tatsi-jasurai-te  mi-megrtrase-do  \  jaina- 
hito-iüo  mizu.  Keo  ai-ma-irasezu-wa  |  itsu-no  toki-ni-ka  mata  ai-min-to  |  kokoro-fito-tsu-ni 
omoi-'wabi-tsufsu  |  jama-no  momidzi-ico  vie-dzuri-ni  kakotsi-te  \  to-kaku  jusurai-woru  fodo  |  ß- 
mo  nisi-ni  katamuki-nan-to  sii.  Matsu-mitsio-mo  kokoro-nnrazu  |  nawo  tatsi-motowori-wore'do  | 
jama-bito-ga  kage  dani  mijezu.  Tomo-ni  soi-taru  tvotoko  woviina  faja  ß-gure-ni  tsikaku 
sbraje-ba  \  fawa-gimi-no  matsi-oivasi-masu-ran-wo  \  toku  kajerase-tamaje-to  iü. 

Als  man  in  Asa-kusa  eintraf,  hatte  in  diesem  Tempel,  welcher  der  erste  rein- 
geistige Platz  der  östlichen  Reiche  war,    der  Zug  der  zum  Besuche  kommenden  Männer 


304  Pfizmaier. 

uml  ^Veiber  kein  Ende,  und  die  Lebhaftigkeit  daselbst  liess  sich  niclit  beschreiben. 
Auch  das  Mädchen  trat  mit  den  Worten:  In  Wahi-heit  möge  die  Gunst  der  Gottheiten 
ein  glänzendes  Zeichen  sein!  anbetend  ein.  Von  der  Halle  herabsteigend,  schritt  sie 
bald  hier  bald  dort  auf  und  ab  und  blickte  umher,  aber  sie  sali  Jama-bito  nicht.  In 
ihrem  einzigen  Trachten  dachte  sie  ängstlich;  Wenn  ich  lieute  nicht  mit  iimi  zusammen- 
treffe, zu  welcher  Zeit  werde  icli  ihn  noch  sehen?  —  Dabei  die  Ahornbäume  des  Berges 
bewundernd,  empfand  sie  Trauer,  und  während  sie  so  wie  so  auf  und  ab  schritt,  wollte 
sich  die  Sonne  nach  Westen  neigen.  Matsu-mitsu  wandelte  unfreiwillig  noch  immer 
umher,  aber  es  zeigte  sich  nicht  einmal  der  Scliatten  Jama-bito's.  Die  zur  Begleitung 
beigegebenen  Männer  und  Weiber  sagten :  Da  schon  nahezu  der  Sonnenuntergang  ist, 
wird  die  Mutter  wohl  warten.     Kehret  schnell  heim! 

Sibasi  koso  are  |  sa-nomi  mi-tera-no  utsi-yii  tadazumu-beki-ni  arane-ba  \  anayatsi-ni  fake- 
gosi-ni  noran-tu  sure-ba  \  anata-joi^i  iki-wo  kitte  fasiri-kuru  fito  ari.  Matsu-mitsu  ntsi-miru-ni 
jama-bito  nare-ba  \  sasi-jori-te  \  nado-te  kaku  osokn-wa  ki-tamajeru.  Matsi-tsukarete  ima  ka- 
jeran  tote  \  kano  fito-wa  faja  take-gosi-ni  nori-tamai-ki-to  iü-ni  \  jama-bito  ke-sa-jori  fawa- 
bito-no  ^  (siaku)-ni  ^  najami-tamaje-ba  \  to-kaku  atsukai-te  \  kokoro-narazzi.  osoku  nari- 
nu-to  iu. 

Da  man,  Aväi'e  es  auch  nur  eine  Weile,  nicht  einfach  in  dem  Tempel  stehen  bleiben 
konnte,  schickte  sie  sich  gezwungener  Weise  an,  in  die  Bambussänfte  zu  steigen,  als 
von  der  anderen  Seite  ein  ]\Iensch  athemlos  dahergelaufen  kam.  Matsu-mitsu  blickte 
hin.  und  da  es  Jama-bito  war,  näherte  er  sich  ihm  stracks  und  sagte  :  Warum  kommt 
ihr  so  spät  ?  Des  Wartens  müde,  wollten  wir  jetzt  heimkehren,  und  ist  das  Mädchen 
bereits  in  die  Bambussänfte  eingestiegen.  —  Jama-bito  erwiederte :  Da  die  Mutter  seit 
heute  Morgen  von  Krämpfen  gequält  wird,  nahm  ich  mich  auf  jegliclie  Weise  um  sie 
an,  und  es  wui-de  wider  meinen  Willen  spät. 

Tomo-no  wotoko  loonna-no  me-ivo  sinobe-ba  \  take-gosi-no  atari-ni  jori-tsuku-beki-ni  arazu. 
Nani-to  nakn  matsn-mitsu-to  mono-gatari-sum  furi-site  \  take-gosi-no  utsi-ivo  mi-jare-ba  \  inu- 
sume-mo  fo-i-na-qe-ni  jama-bito-ivo  utsi-viamori-icori.  Tsuki-goro-wa  fedate-tsure-do  \  kaku 
atari-tsikakii  \  sono  fito-ico  miru-mo  |  jume-no  kokotsi  nomi  serarete  \  kosi-jori  tobi-ide-si-taki 
kokotsi-siire-do  \  omoi-nen-zite  \  vtsi-mamori-miru-ni  \  faru  mi-sovie-si-ni-wa  naka-naka  tsika- 
masari-site  \  utsukusi-ki  wotoko  nare-ba  \  ijo-ijo  wari-naki  omoi-ivo-zo  soje-kera. 

Da  er  vor  den  Blicken  der  begleitenden  Männer  und  AVeiber  sich  verbarg,  Avar 
keine  Möglichkeit,  zu  der  Bambussänfte  heran  zu  kommen.  Indem  er  that,  als  ob  er 
gleichgiltig  mit  Matsu-mitsu  spräche,  blickte  er  in  die  Bambussänfte,  und  auch  das  Mädchen 
beobachtete  gleiclisam  unabsichtlich  Jama-bito.  Sie  Avar  zwar  durch  Monate  von  ihm  ge- 
trennt, doch  in  solcher  Nähe  ihn  sehend,  hatte  sie  bloss  die  Empfindung  eines  Traumes, 
und  es  war  ihr,  als  ob  sie  aus  der  Sänfte  herausfliegen  Avollte.  Sich  besinnend  und 
ihn  beobachtend,  befand  sie  sich  in  dei-  That  näher,  als  in  dem  Frühlinge,  in  Avelchem 
sie  sich  in  ihm  verliebte.  Da  es  ein  schöner  Mann  Avar,  Avandte  sie  ilim  immer  mehr 
eine  unwiderstehliche  Sehnsucht  zu. 

Nami-ki-datsi-taru  tokoro-ni  ki-kere-ba  \  kono  ivatari-iva  \  mono-mhde-no  ßto-mo  siiku- 
naku   I  jaja  mono-sabi-si-ge  nari.      Toki-ni  musume  ika-ni  si-tari-ken  \  take-gosi-no    utsi-mte  | 


1   Das    Zeichen   3^    ist   als  Einscliluss   in  das  Classenzeicheu    J%u  setzen.     Die  Verbindung  kommt  im  Cliinesisclien  iiiflit  vor. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  305 

a-to  sakebi-kere-ba  tomu-nu  mono-domo  \  uiadzu  kosi-tco  ^^Ji  (tsi)-nl  su-e-sasete  |  aivate  atsuku. 
Matsu-miUu  odoroki-te  kore-iva  tsuki-goro-no  jamai-no  futa-tabi  okori-taru  naran  tote  \  kosi- 
wo  nozoki-mite  \  jE  ^  (sio~ki)  sara-ni  tsuki-tamawazu.  Kono  atari.  saru-beki  kusii-.'<i  aran  | 
tadzunete  ko-jo-to  i-i-fsuke-jari-te  |  mata  ßtori-no  wonna-nl  kasiko-no  ije-ni  jnki-te  ju-wo  wa- 
kasi-te  morai-te  ko-jn.  Tare-tai-e-iva  \  ije-ni  fasiri-kajeri-te  \  koto-no  josi-iro  tsuge-jo.  Ware 
are-ba  \  kono  tokoro-wa  kokoro-jasn-karu-besi-to  i-i-te  mina  ßto-bito-ivo  fasirase-jari-te  \  ika-de 
jama-bito-tco  koai-no  utsi-ni  trete  |  sibasi  dani  mono-gatari  nado  sasen-to  \  kokoro-vjo  kubari- 
kerii-ni  |  kosi-kaku  icotoko  ni-nin  mada  katawara-ni  are-ba  \  matsu-mitsu  kasira  kaki-tc 
sama-zama  omoi-megurasi-kere-do  |  ko7io  uje  kare-ra-ivo  sake-towozakn  ^  (fd)-mo  nasi. 
Ika-ni  sen-to  iro-iro  omoi-te  \  niicaka-ni  u-u-to  i-i-te  sori-kajeri-nu. 

Man  kam  zu  einem  Orte,  an  welchem  sich.  Baumreihen  befanden.  An  dieser  Durch- 
fahrt waren  der  Besucher  des  Tempels  wenige,  und  es  wurde  bald  einsam.  Um  die  Zeit 
schrie  das  Mädchen  —  was  mochte  geschehen  sein?  —  in  der  Sänfte  laut  auf.  Die 
Begleiter  Hessen  vorerst  die  Sänfte  auf  den  Boden  setzen  und  traten  in  Aufregung  da- 
zwischen. Matsu-mitsu  sagte  ersclirocken :  Hier  wird  die.  Krankheit,  an  welcher  sie 
durch  Monate  litt,  wieder  ausgebrochen  sein.  —  In  die  Sänfte  hineinblickend,  sagte 
er:  Das  Bewusstsein  ist  gar  nicht  mehr  vorhanden.  In  dieser  Gegend  wird  ein  ge- 
eigneter Arzt  sein.  Man  suche  ihn  und  bringe  ihn  her.  —  Ferner  sagte  er  zu  einem 
Weibe :  Gehe  in  das  Haus  dort,  lasse  eine  Suppe  sieden  und  bringe  sie,  wenn  du  sie 
bekommst.  —  Weiter  sagte  er:  Jemand  laufe  in  das  Haus  zurück  und  melde,  was  ge- 
schehen ist.  Da  ich  da  bin,  kann  man  an  diesem  Orte  beruhigt  sein.  —  Hiermit  hiess 
er  Alle  laufen  und  schickte  sie  fort.  Er  machte  sich  darüber  Gedanken,  wie  er  Jama- 
bito  in  die  Sänfte  bringen  und  ihn  nur  für  eine  Weile  ein  Gespräch  anknüpfen  lassen 
werde.  Da  sich  noch  die  zwei  Sänftenträger  zur  Seite  befanden,  kratzte  er  sich  den 
Kopf  und  überdachte  die  Sache  auf  allerlei  Weise,  doch  es  gab  sonst  kein  Mittel, 
diese  Leute  zu  entfernen.  Indem  er  mannigfach  überlegte,  wie  er  es  anstellen  solle, 
rief  er  plötzlich:    Ei  doch',  und  bog  sich  zurück. 

Jama-hi/o-iiio  kvsi-kaka  /rutokc-mo  |  odoroki-te  -f^  \^  (kai-f6)-sure-ba  \  matsu-mitsu  taje- 
daje-naru  iki-no  sita-ni  |  fosoki  ko-e-nite  i-i-keric-wa  \  wäre  kokoro-wo  tsuko  toki-wa  \  itsu-mo 
kfdcaru  jamai  f^  (fas)  si-nu.  Kore-ni-ioa  sake-too  norne-ba  |  tatsi-matsi-ni  ijuru  nari.  Tuku 
sake-wo  kai-te  ko-jo-to  ije-ba  |  kosi-kaku  icotoko  itsi-nin  jagate  sake-uru  noki-tvo  sasi-te  fasiri- 
juki-nu.  Matsu-mitsu  kata-je-ico  mire-ba  \  ima  fitori  kosi-kaku  wofoko  are-ba  |  kare-ni  mukai- 
te  I  wäre  wasure-tari  |  kano  sake  ßto-tabi  atatamete  |  sore-wo  joku  samasi-te  \  futa-tabi  atata- 
mete  mote-ko-jo-to  \  i-i-tsukete  jaru-beki-wo  wasure-tsu.  Nandzi  toku  okkakete  ije.  Tada  nan- 
dzi-ra-mo  sono  tsuide-ni  \  sake  nomi-te  ko-jo-to  i-i-te  \  zeni  nage-idasi-te  jari-kere-ba  \  kono  ivo- 
foko-mo  asi-ivo  sora-ni  nasi-te  fasiri-inu. 

Jama-bito  und  die  Sänftenträger  erschracken  und  waren  besorgt.  Matsu-mitsu, 
athemlos  geworden,  sagte  mit  leiser  Stimme:  Wenn  ich  ängstlich  war,  ist  immer  eine 
solche  Krankheit  entstanden.  Wenn  man  dabei  Wein  trinkt,  ist  man  plötzlich  genesen. 
Man  kaufe  geschwind  Wein  und  bringe  ihn.  —  Ein  Sänftenträger  lief  sogleich  zu  einem 
Vordache,  unter  welchem  man  Wein  verkaufte.  Matsu-mitsu  blickte  nach  der  Seite,  und 
da  jetzt  ein  einziger  Sänftenträger  da  war,  sagte  er  zu  diesem:  Ich  habe  etwas  ver- 
gessen. Ich  hätte  mit  dem  Auftrage  schicken  sollen,  dass  man  den  Wein  einmal  wärme, 
ihn  gut  auskühlen  lasse,  ihn  dann  zum  zweiten  Male  wärme  und  ihn  bringe.  Dieses 
habe  ich  vergessen.    Laufe  schnell  nach  und  sage  es.     Doch   trinket  auch  ihr  bei  dieser 

Denkschriften  der  phil.-liist.  Cl.    XXVI.  Bd.  39 


gQg  Pfizmaiek. 

Gelegenheit  AVeiu  und  kommet  dann  zurück.  —  Hiermit  warf  er  ilnn  Geld  hin,  und 
dieser  Mann  lief  mit  geflügelten  Schritten  fort. 

Säte  ^  j^  (zia-ma)-no  jatsu-ioa  \  mina  )ji$  (kami)-jarai-m  jarai-mi.  Jama-hito-nml 
foku  kosi-no  mutu-ni  jori-tamaje-to  ia-ni  \  sasu-ga  fadzukusi-ku-ja  \  tamerai-te  juri-mo  kozu. 
Matsu-mitsio  iratsi-te  \  ima-ni-mo  jii-mo  sake-mo  itsi-do-nl  mote-kitaran  \  kataki-ni  mukawan 
^  ^  5  (tai-sih-gun)-no  \  sa-jh-ni  odzi-fabakaru-beki-ka-tua-to  \  te-ico  tori-te  kosi-nu  to-wo 
akete  tsuki-iren-to  m.  Musume-ioa  \  fazime-jori  \  sora-jamai-tsukuri-i-taru-ni  \  matsu-mitsu-ga 
ßto-wo  sakete  \  fakari-goto-iüo  okonb  fodo  \  u-arai-wo  sinohi-te  ari-kcru-ga  \  to-ivo  akete  jama- 
bito-ga  katco  bakari  sad-ire-tsure-ba  \  fadzukasi-wv  wasurete  sigami-tsukan-to  suru  toki  \  ju-wn 
mote-ma-iri-si-to  wonna-ga  ko-e-sttre-ba  \  jama-bito  odoroki-te  \  toku  tobi-noki-tsu. 

Matsu-mitsu  sagte:  Endlich  sind  alle  die  im  AYege  stehenden  Kerle  durch  die  gött- 
liche Bannimg  gebannt.  Herr  Jama-bito,  nähert  euch  schnell  der  Sänfte!  —  Allein 
Jama-bito,  wohl  aus  Schüchternheit,  zögerte  und  kam  nicht  nahe.  Matsu-mitsu  sagte 
ärgerlich:  Jetzt  wird  man  die  Suppe  und  den  Wein  zu  gleicher  Zeit  bringen.  Kann 
ein  oberster  Heerführer,  der  dem  Feinde  entgegen  gehen  wird,  sich  so  fürchten  ?  — 
Hiermit  ergriff  er  ihn  bei  der  Hand,  öffnete  die  Thüre  der  Sänfte  und  wollte  ilin 
hineinstossen.  Das  Mädchen  hatte  sich  eigentlich  krank  gestellt.  Als  Matsu-mitsu,  um 
die  Menschen  wegzuschaffen,  einen  Plan  ins  Werk  setzte,  verhielt  sie  das  Lachen.  Sie 
öffnete  die  Thüre,  und  als  Jama-bito  nur  das  Antlitz  hereinhielt,  wollte  sie,  die 
Schüchternheit  vergessend,  sich  an  ihn  fest  schliessen.  In  diesem  Augenblicke  rief 
ein  Weib:  Ich  bin  mit  der  Suppe  gekommen!  —  Jama-bito  erschrack  und  zog  sich 
flugs  zurück. 

Matsu-mitsu  mite  j  ko7io  ju  naivo  jurusi  \  ima  svkosi  aratamete  mote-ko-jo-to  iü-ni  ]  ivonna 
ika-de  nuru-karan  \  tagiri-jn-nite  sorb-to  ije-do  \  matsu-mitsu  kasira-ico  furi-te  \  nurusi-nurusi- 
to  ije-ba  \  wonna-iva  fudznkvmi-tsutsu  \  mata  moto-no  ije-je  fasiri-inu.  Matsu-mitsu  jama- 
bito-ga  te-wo  tori-te  \  madzu  kosi-no  utsi-ni  iri-tamaje-to  i-i-savia  \  si-ite  osi-iren-to  suru  to- 
koro-je  \  kosi-kaku  loonoko  fasiri-kite  \  sake  mote-ma-iri-tsu-to  iü-ni  \  jama-bito  mata  kosi-no 
icaki-ni  tobi-ide-tari.  Matsu-mitsu  kono  sake  amari-ni  toaki-siigi-tari.  Kasiko-ni  motsi-jicki-te 
samasi-te  ko-jo-to  ije-ba  |  kosi-no  wotoko  \  samasi-nan-ni-iva  \  kasiko-ni  motd-jukazu-to-m,o  \ 
koko-moto-nite-mo  \  same-mbsu-beku-to  ije-ba  \  kore-ni  tsumari-te  iu-beki  koto-naku  \  mata  ka- 
sira  kaki-te-i-taru-ni  \  tconna-mo  ju-wo  mote-kitare-ba  \  ima-wa  ^j  ff  (ziükkei)  tsuki-te  sen- 
su-be-nasi. 

Matsu-mitsu  sah  hin  und  sagte:  Diese  Suppe  ist  noch  lau.  Wärme  sie  jetzt  ein 
Avenig  und  bringe  sie.  —  Das  Weib  sagte :  Wie  sollte  sie  lau  sein '?  Es  ist  eine  siedende 
Suppe.  —  Allein  Matsu-mitsu  schüttelte  das  Haupt  und  sagte:  Sie  ist  lau,  sie  ist 
lau.  —  Das  Weib  lief  murrend  wieder  in  das  Haus,  woher  sie  gekommen.  Matsu- 
mitsu  ergriff  die  Hand  Jama-bito's  und  wollte  ilin  mit  den  Worten :  Begebet  euch  früher 
in  die  Sänfte!  mit  Gewalt  hineinschieben.  In  diesem  Augenblicke  kam  ein  Sänften- 
träger daher  gelaufen  und  sagte:  Ich  luibe  den  Wein  gebracht.  —  Jama-bito  schwang 
sich  wieder  an  der  Seite  der  Sänfte  heraus.  Matsu-mitsu  sagte:  Dieser  Wein  hat  zu 
sehr  gesotten.  Gehe  damit  dorthin.,  lasse  ihn  auskühlen  und  bringe  ihn.  —  Der 
Sänftenmann  sagte:  Um  ihn  auskühlen  zu  lassen,  brauche  ich  mit  ihm  nicht  dorthin  zu 
gehen.  Ei-  kann  hier  auskühlen.  —  Durch  diese  Worte  bedrängt,  wusste  Matsu-mitsu 
nichts  zu  sagen.  Während  er  sich  wieder  den  Kopf  kratzte,  kam  auch  das  Weib  mit 
der  Suppe.     Seine  Findigkeit  war  jetzt  erschöpft,  und  er  wusste  sich  nicht  zu  helfen. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandeeung  in  Japan.  307 

Kakaru-ni  \  anata-jori  suga-gasa  ki-fa7m  ßto-no  \  tobu  jh-ni  fasiri-kite  \  kasa-toru-u-o 
mire-ba  |  musume-ga  oja-no  funa-nusi  nari.  0-o-iki-tsuki-te  \  wäre  smni-naica-misi-to  |  shnösa- 
jori  tada-ima  kajeri-kitaru  mitsl-näe  mesi-tsukb  ivotoko-ga  \fasiri-juka-wo  mite  \  koto-no  sama- 
tco  toje-ba  |  musume-ga  keo  §§,  ^  (kuan-ti-on)-ni  mode-tarit-ni  \  5^  1^  (to-tsiü)-nite  jamai 
okoreru-to  kiki-te  \  sono  mavia  sugu-ni  kake-kitari-tsu.  Ika-ni  kokotsi  joku  nari-nu-ja-io  tö. 
Matsu-mitsu  niivaka-ni  siaku-no  okori-tamai-te  I  o~oki-ni  saicagi-shraje-do  \  ima-wa  kokotsi  si- 
dzumari-tainai-nu-to  irh . 

Unterdessen  kam  von  der  anderen  Seite  ein  Mensch,  der  einen  Riedgrasliut  auf- 
gesetzt hatte,  wie  im  Fluge  daher  gelaufen.  Als  er  den  Hut  abnahm,  sah  man,  dass 
es  Funa-nusi,  der  Vater  des  Mädchens,  war.  Tief  Athem  schöpfend,  sagte  er:  Ich 
kehrte  mit  dem  Herrn  Sumi-nawa  eben  jetzt  aus  Simusa  zurück.  Auf  dem  Wege  sah 
ich  einen  Diener  hinweglaufen,  und  als  ich  ihn  fi'agte,  was  es  gebe,  hörte  ich,  dass 
meine  Tochter  heute  den  Tempel  der  Göttin  Kuan-won  besucht  habe  und  dass  ilir  untei'- 
wegs  eine  Krankheit  zugestossen  sei.  Unter  solchen  Umständen  eilte  ich  geradezu  her- 
bei. Ist  ihr  Befinden  besser  geworden?  —  Auf  diese  Frage  erwiederte  Matsu-mitsu: 
Sie  wurde  plötzlich  von  Krämpfen  befallen.  Ich  war  sehr  beunruhigt,  doch  jetzt  fidilt 
sie  Erleichterung. 

Funa-nusi  jama-bito-ga  toiroku  noki-i-taru-tüu  mi-jari-te  |  kare-ica  take-siba-ga  ko-ni  ara- 
zu'-ja.  Waga  ije-to-wa  fima-ara  naka  nari  |  nani  tote  kono  atari-ni  tamerai-te-wa  aru-zo-fo 
iü-ni  I  matsu-mitsu  fiki-tori-te  \  omoi-jorazu  tada-ima  koko-nife  ide-ai-te  |  mono-gatari-sen-to 
^  (zonj-ze-si-ni  ju-to  sake-to  itsu-toki-ni  ma-iri-te  |  toku-to  mono-gatari-mo  tsukamatsurazu-to 
ije-ba  \  sate-wa  tva-dono  kare-to  |  sitatasi-ü  si-tamajeru-ni-ja.  Waga  ije-iva  si-sai  ari-te 
kare-ga  ije-to-wa  maziwari-iro  tatsi-te  ari  tote  \  ivonna-bara^ni  miikai-te  \  ka-jatsu-ni  mono- 
na-i-i-so-to  i-i-te   ^    &   (fu-ki6)-ge-naru  omo-motsi-su. 

Funa-nusi  sah,  dass  Jama-bito  in  der  Ferne  zurückgezogen  weilte.  Er  fragte :  Ist 
dieses  nicht  der  Sohn  des  Geschlechtes  Take-siba?  Es  besteht  mit  meinem  Hause  ein 
Zerwürfniss.  Warum  trödelt  er  in  dieser  Gegend  herum?  —  Matsu-mitsu  zog  ihn  bei 
Seite  und  sagte :  Er  ist  unvermuthet  eben  jetzt  hier  eingetroffen.  Als  ich  mit  ihm  zu 
sprechen  gedachte,  kam  man  zu  gleicher  Zeit  mit  der  Suppe  und  dem  Weine.  Es  liat 
Eile,  und  ich  spreche  nicht  mit  ihm.  —  Jener  erwiederte:  Also  seid  ihr  mit  ihm  be- 
kannt? Mein  Haus  hat  aus  einer  Ursache  mit  seinem  Hause  die  Verbindung  ab- 
gebrochen. —  Zu  den  Weibern  gewendet,  setzte  er  hinzu:  Eedet  nicht  auf  diesen 
Menschen!  —  Er  hatte  dabei  einen  verdriesslichen  Ausdruck  des  Gesichtes. 

Säte  kosi-ico  kaki-agure-ba  \  musume-wa  nainida-ico  ßtu-vie  ukete  \  kosi-jori  kawo-wo  sasi- 
idasi-ie  \  jama-bito-ga  kata-wo  \  nagori-ivosi-ge-ni  utsi-m.ijaru.  Kasira  furuje-ba  \  josoicoi-si 
tama-ico  kazari-si  kanzasi-no  \  jura-jura-to  utsi-jura.gu-wa  |  kaze-ni  tsiri-kb  fana-ka-to-mo  omo- 
waru.  Saru-wo  mi-sutete  ivakaruru-ioa  \  }x  ^  (kata-fa)-to  nari-si  jf^  (kari)-ga  ne-no  | 
toko-jo-ni  kajeru  kokotsi-serarete  \  jama-bito-u-a  to-woku  tatazumi-i-te  \  nobi-agari-mir/i  bakari- 
nite  I  Hiono  dani  iü  knto  narazare-ba  |  kore-mo  sozoro-ni  namida-gumu.  Kosi-kaku  wotoko  | 
u'onna-diniio-wa  kura-gura-ni  nari-mi.  Isoga-ba-ja  tote  |  fita-sura  asi-baja-ni  m,itsi-ico  isogu. 
Jama-bito-wa  nawo  tatazzimi-te  |  sibasi  mi-okuri-te  ari-si-ka-do  |  ika-ni-to-mo  sen-kata-nasi. 
Wori-kara  tsuki-dasu  kure  mu-isu-no  kane-ni  \  kokoro-boso-sa-mo  sinobi-gataku-te  \  aware-to 
bakari  i-i-sasi-te  \  kajeri-mi-gatsi-ni  juki-najamu. 

Als    man    die  Sänfte  hob,    schwammen    die  Augen   des  Mädchens   ganz  in  Thränen. 

Sie    streckte    das  Antlitz    aus    der  Sänfte  heraus   und  blickte  sehnsuchtsvoll    nach   Jama- 

39* 


QQg  PfIZMAIEU. 

bito.  Wenn  sie  das  Hau|it  l)C'\vegte,  schwankten  die  zur  Zierde  mit  Edelsteinen  besteckten 
Haarnadeln,  und  man  glaubte,  es  seien  vielleicht  in  dem  Winde  sich  verstreuende  Blumen. 
Von  diesem  absehend  und  getrennt,  mit  einem  Gefühle,  als  ob  die  einflügelig  gewor- 
dene Gaus  zu  den  ewigen  Geschlechtsaltern  zurückkehrte,  stand  Jama-bito  in  der  Ferne 
still.  Emporgestreckt  hinblickend  und  nicht  einmal  etwas  sagend,  hatte  auch  er  unwill- 
kürlich die  Augen  mit  Thränen  gelullt.  Die  Sänftenträger  und  die  Weiber  waren  schwin- 
delig geworden.  Sagend:  wir  wollen  eilen!  eilten  sie  mit  besonders  schnellen  Schritten 
auf  dem  Wege  dahin.  Jama-bito  stand  noch  immer  still  und  folgte  eine  Weile  mit  den 
Augen,  doch  er  wusste  sich  auf  keine  Weise  zu  helfen.  Um  die  Zeit  war  bei  dem 
sechsten  Schlage  der  Abendglocke  die  Bewegung  des  Herzens  nicht  zu  ertragen.  Bloss 
das  Wort:     o   Leid!    hervorbringend,    wandelte    er, in    das    Zurückblicken    verloren    und 

kränkte  sich. 

Karl-ga  ne,  ein  Wort,  dem  man  die  ursprüngliche  Bedeutung  ,Ton  oder  Stimme  der 
Wildgans'  beilegt,  wird  geradezu  für  die  Wildgans  selbst  gebraucht.  Nach  einer  Er- 
klärung steht  es  für  kari-ga  mure  ,Schar  der  Wildgänse'.  Die  Rückkehr  von  mn  re  ist 
me,  und  man  sagt,  ne  sei  der  Uebergang  von  me.  In  Uebereinstimmung  hiermit  ist  das 
in  alten  Gedichten  vorkommende  kari-ga  ne-no  ko-e  ,die  Stimme  der  Wildgänse'. 

Musume-ioa   kosi-jori   kawo    sasi-idasi-te  \  iku-tahi-ka    utsi-mi-jarti-ivo  \  tsitsi    tatsi-jori-te 
kaze-ni    atara-ha   \   asi-kari-nan    tote  \  kosi-nu    sudare-ico   saje-orosi-tsure-ha   \   utsuhusi-fusi-te 
naki-sidzumi-tsu.     Kaku-made  tabakari  moke-tsuru-ivo   \   mono    dani    iicasede   ivakaruru   koto  \ 
kajesu-gajesu  fo-i-nasi-to  \  nage-kubi-site  \  matsu-mitsu-mo  jama-bito-ga  kata-ico  mi-kajeri-tsutsu 
iiiinami-to  kita-je  ivakarete-zo  juki-keru.  Sate-mo  adziki-naki  suku-se  nari-kasi. 

Das  Mädchen  streckte  das  Antlitz  aus  der  Sänfte  heraus  und  blickte  wohl  mehrere 
Male  hin.  Ihr  Vater  trat  hinzu  und  sagte:  Wenn  du  dich  erkältest,  wird  es  schlimm 
sein.  —  Hierauf  Hess  er  den  Vorhang  der  Sänfte  herab.  Auf  das  Angesicht  nieder- 
fallend, zerfloss  sie  in  Thränen.  Dass  man  in  einem  solchen  Masse  List  gebraucht  und, 
nicht  einmal  das  Sprechen  zu  Wege  bringend,  sich  trennt,  es  ist,  wie  man  es  auch 
nimmt,  eine  Vereitelung  des  A^orhabens.  j\lit  diesem  Gedanken  warf  sie  das  Haupt  hin. 
Auch  Matsu-mitsu,  auf  Jama-bito  zurückblickend,  ging,  indem  man  nach  Süd  und  Nord 
sich  trennte,  weiter.  Es  dürfte  eine  erbarmungslose  frühere  Welt  gewesen  sein. 


Das  schwimmende  Schiff. 

Sumi-nawa-wa  simosa-no  kuni-nitc  \  mru-beki  kure-  t>t  ^  (zai-moku)  nado  jerabi-tori- 
te  1  ikada-ni  tsukurasete  kawa-je  idasase  \  säte  funa-nusi-to  tomo-ni  tatsi-kajeri-keru-ni  \  kam 
ikada-mo  \  imada  konata-ni  itarazu  \  mnnasi-ku  fi-tvo  sugusan-mo  itadzura-nari  tote  |  ßtori 
ßma-misi-ga   \   taka-dono-ni   nobori-te  \   f^J    (reiJ-7io    db-gu-domo    tori-idete  \   mono-tsukuri-te-zo 

irori-keru. 

Sumi-nawa  wählte  in  dem  Reiche  Simosa  geeignetes  Bauholz  für  Latten  aus,  Hess 
es  zu  einer  Flösse  machen  und  auf  den  Fluss  hinausschafien.  Als  er  in  Begleitung 
Funa-nusi's  zurückkehrte,  war  diese  Flösse  noch  nicht  hier  angekommen.  In  der  Meinung, 
dass  es  ungebürlich  sein  würde,  die  Tage  müssig  zu  verbringen,  stieg  er  allein  in  den 
Söller  Funa-nusi's,  nahm  die  gewöhnlichen  Werkzeuge  hervor  und  verfertigte  verscliie- 
dene  Gegenstände. 


Die  Geschichte  einer  Seelenvvandekung  in  Japan.  309 

Koko-ni  iimsume  mtirasaki-ira  |  nama-naka  kari-some-ni  ai-mite-jori  notsi  Ijo-ijo  tama-no 
wu-ino  tajuru  bakari  |  omoi-masari-te  |  ika-de  ima  ßto-tabi-no  b-se-mo  gana-to  matsu-mitsu-ivo 
semuru.  Matsu-mitsu-mo  ika-de-to  omoje-do  \  kono  ije  oki-te  kibisi-hi  \  midari-ni  ironna-nado-wo 
foka-ni  idasu  koto-naku  \  mata  ije-no  utsi-mo  \  P^  ^  finon-ko)-no  fedate-ogosoka-nite  \  to-jori 
sinobl-iru-beki  fima  na-kere-ba  [  namn-naka-naru  naka-datsi-ni  kakadzurai-te  |  naka-naka 
kokoro-ico-zo  itame-kerit.  Ani-no  saiva-maro-mo  imo-uto-ga  kokoro-wo  siri-tare-ba  \  tsitsi  funa- 
nusi-ni  jori-jori  susumete  |  jama-bito-no  kata-jc  imo-uto-ico  jari-tamaje-to  ije-do  \  funa-nusi  fu- 
ts7i-ni   ^    m    (sio-inj-sezare-ba  \  utsi-nageki-te-zo  ß->co  sugitsi-keru. 

Die  Tochter  Murasaki,  nachdem  sie  dennoch  eine  Zusammenkunft  für  einen  Augen- 
blick gehabt,  sehnte  sich  in  einem  Masse,  dass  die  Edelsteinschnur  zerriss,  immer  mehr 
und  drängte  in  dem  Wunsche,  irgendwie  jetzt  die  Stromschnelle  einmaliger  Begegnung 
zu  haben,  Matsu-mitsu.  Auch  Matsu-mitsu  wünschte,  dass  es  irgendwie  sei,  allein  die 
Gesetze  dieses  Hauses  waren  streng,  es  war  nicht  der  Fall,  dass  man  wider  die 
(Jrdnung  Weiber  heraus  liess.  Ferner  war  das  Innere  des  Hauses  durch  Thore 
und  Thüren  sorgfältig  abgeschlossen,  es  war  kein  Zwischenraum,  wo  man  von 
aussen  heimlicli  herein  kommen  konnte.  Mit  wirklicher  Vermittluno-  sich  beschäftig-end, 
quälte  er  in  der  That  sein  Herz.  Der  ältere  Bruder  Sawo-maro  kannte  die  Neiffuns:  der 
jüngeren  Schwester.  Er  redete  dem  Vater  Funa-nusi  von  Zeit-  zu  Zeit  zu,  dass  er  an 
Jama-bito  die  jüngere  Schwester  senden  möge.  Da  aber  Funa-nusi  durcliaus  nicht  ein- 
willigte,  vei'brachte  er  seufzend  die  Tao-e. 

Arn  fi  sumi-naica  taka-dono-jori  ori-kite  \  aruzi  funa-nmi-ni  i-i-keru-wa  \  onore  kokoro- 
mi-ni  I  fune  fito-tsu  tsukuri-ide-tari.  Utsi-ni  isasaka  karakuri-wo  mbke-oki-tare-ba  |  nori-te 
kokoro-mi-tamaje  tote  \  simo-bito-ni  i-i-tsukete  \  kaiio  ßine-ivo  tori-orosase-tsu.  Fito  5E.  A.  (5'^" 
Hin)  bakari  noru-beki  sama-nite  \  tsi-isaki  fune  nagara  \  '^ij  (rei)-no  omo-siroku  tsuknri-nasi- 
tsii.  Fvna-nvsi  tsune-ni  kaira-ni  idete  tsuri-surto  koto-wo  konnmi-kere-ba  kono  fune  tsukureru- 
ico  mite  jorokobu  koio  o-o-kata-narazu.  Asu-vca  '^  ^  )\\  (mija-to-gawa)-ni  sawo-sasi-te  j 
tsuri-site  asoban-to  iu-wo  matsu-mitsu  kiki-te  musume-ni  sasajaki-te  \  kö-kb  nasi-tamaje-to  wosijete  j 
onore-mo  sono   ^    i^    (jd-i)-wo-zo  si-keru. 

Eines  Tages  kam  Sumi-nawa  von  dem  Söller  hei-ab  und  sagte  zu  dem  Wirthe  Funa- 
nusi:  Ich  habe  zum  Versuche  ein  Schiff  gebaut.  Da  in  ihm  ein  wenig  Triebwerk  an- 
gebracht ist,  so  steiget  ein  vmd  versuchet  es.  —  Er  beauftragte  die  Diener  und  liess 
dieses  Schiff  herabbringen.  Es  war  ein  kleines  Schiff,  in  welchem  anscheinend  nur  fünf 
Menschen  fahren  konnten,  und  dabei  in  gewöhnlicher  Lieblichkeit  hergestellt.  Da  Funa- 
nusi  gewöhnlich  in  den  Fluss  fuhr  und  sich  gern  mit  Angeln  beschäftigte,  war  er,  als  er 
sah,  dass  dieses  Schiff  gebaut  worden,  nicht  wenig  erfreut.  Er  sagte,  dass  er  morgen 
früh  auf  dem  Flusse  Mija-to-gawa  die  ßuderstange  anlegen  und  sich  mit  Angeln  ver- 
gnügen werde.  Matsu-mitsu,  der  dieses  hörte,  flüsterte  dem  Mädchen  etwas  zu  und  be- 
lehrte sie,  wie  sie  es  anstellen  solle.  Er  selbst  traf  seine  Vorbereitungen. 

Säte  ^  9  (jokii-zitsn)-ni  nari-te  \  fana-nusi  tsuri-zatco  nado  jö-i-site  \  sumi-nawa  matsu- 
mitsu-wo  izanai-te  fune-ni  noran-to  site  \  fune-ni  kokoro-je-tar'u  mcsi-tsukb  ivotoko-wo  jobi-te  | 
nandzi  sawo  sase-to  ije-ba  |  sumi-nawa-ga  itoaku  |  ßto-site  kogasen  fune-tva  |  tare-ga  te-nite-mo 
tsukuri-tsu-besi.  Kore-wa  karakuri-wo  mbkete  sbraje-ba  |  ßfo-no  te-wo  karazu-site  \  ßune-iva 
ono-dzukara  juku-besi-to  iii-ni  \  kiku  ßto  ^  (kioj-aru  koto-ni-zo  omoi-keru.  Muslime  tsifsi-ni 
m.ukai-fe  |  warawa-wo-mo  ite  juki-tamaje-to  iü.  T'sitsi  kasira-wo  ßuri-te  \  vonna-nado  kawa- 
^    ^    (se6-jeö)-su-beki-ni  arazu-to  i-i-te  \  ßcrusazare-ba  \  matsu-mitsu-ga  iwaku    kore-wa  jn-no 


3 1  ()  Pfizmaiee. 

tsiine-no  fune-to-mo  tagai-tare-ha  \  rni(ragalci  dono-no  fj\  ^  (sio-md)  dh-rl  ari.  jlfif  Pp  (Sen- 
Isin)  \'^  J^  (ta-nin)-mu  arazare-ba  \  uose-taDini-nan-to  sasiuimra-ni  \  sarn-ha  tute  \  fikl-tsitrete 
ide-tatsu. 

Die  nächsten  Tage  bereitete  Funa-nusi  die  Angelrutlien  und  nahm  »Sumi-nawa  und 
Matsu-mitsu  mit.  Im  Begriffe,  das  Schiflf  zu  besteigen,  rief  er  einen  Diener,  dei"  auf 
Schiffe  sich  verstand,  und  sagte  zu  ihm  :  Lege  die  Ruderstange  an.  —  Sumi-nawa  spi'adi : 
Ein  Schiff",  welches  Menschen  rudern  werden,  kann  von  der  Hand  irgend  eines  Mensclien 
gebaut  worden  sein.  Da  ich  hier  ein  Triebwerk  angebracht  luxbe,  leiht  man  die  Hand 
der  Menschen  nicht,  das  Schiff  wird  von  selbst  gehen.  —  Die  Menschen,  welche  dieses 
hörten,  stellten  sich  die  Sache  als  eine  Unterhaltung  vor.  Die  Tochter  sagte  zu  dem 
Vater:  Nehmet  inich  aucli  mit.  —  Der  Vater  schüttelte  das  Haupt  und  erlaubte  es 
nicht ,  indem  er  sagte :  Weiber  dürfen  auf  dem  Flusse  keine  Lustfahrt  machen.  — 
Matsu-mitsu  sprach:  Dieses  Schiff  ist  von  einem  gewöhnlichen  Schiff'e  verschieden.  Der 
Wunsch  des  Fräuleins  ^lurasaki  ist  daher  berechtigt.  Da  auch  in  dem  Schiffe  keine 
fremden  ^Menschen  sind,  so  werdet  ihr  sie  einsteigen  lassen.  —  Jener  gab  diesem  Zu- 
reden nach.   Er  nahm  sie  init  laid  fuhr  aus. 

Kono  funa-niisi-ga  Ije-no  maje-n-a  na-ni.  takaki  f^  5J  )\\  (sumi-da-gaica)  nari-lceri. 
So-mo  kono  sumi-da-gaiva-to  ijeru-wa  \  inisi-je-jori  ito  o-oki-naru-  kawa-nite  \  ^  ^  (nari- 
ßra)  ason-no  izo  koto-towan-to  \  jomi-tamajeri-si-ica  \  fito-no  siru  tokoro  nari.  Mala  Jf  ^\ 
(sara-sina)  0  fß  (nikki)-ni  \  simösa-rio  kuni-to  musasi-no  sakai-nite  aru  |  asu-ta-gawa-to-zo 
iä-to  smtsare-si-mo  \  koko-)w  koto  nnri.  Kono  nikki  ^\]  2(5C  (in-fon)  amata  are-do  \  mina 
ajamari  nri-te  \  koko-ico-vio  futo-ifi-gaiva-to  >iirud-tsu.  Köre  nomi  narazu  \  tö-kai-do-no  mitsi- 
sudzi-nado-ico-mo  .  maje  siri-je-to  ajamareru  koto  ari.  ~^  2|j  (Ko-fon)-v:o  mi-taru ßto-wa  siru- 
hesi.  Säte  sumi-da-gaica-to  iü-wa'koko  hakari narazu.  De-wa-no  kuni-ni-mo\ki-no  kuni-ni-mo\ari~ 
te  I  furuku-jori  f^<  ^  (jei-ka)  ari.  Suru~ga-ni-ino  ari-to  '/i  (tsiü)-seru  fumi-mo  ari.  Kaku 
fj\  Y  (i^io-sio)-ni  onazi-na  are-ha  \  ~^  ^  (ko-ka)-nado-u-o-mo  omoi-tagajete  \  ajamaru  koto 
o-osi.  ^^  ^  ^  (Man-jeö-siüJ-ni  matsu-tsi-jama  \  jufu  koje-juki-te  \  i-^vo-zaki-no  \  sumi-da- 
gaicara-ni  \  ßtori-ka-mo  nen-to  \  joraeri-si-wa  \  ki-no  hini-naru  siimi-da-gatoa  naru-ico  \  koko- 
no  koto-zo-to  I  omoi-ajamari-te  \  sit-e-no  jo-ni-iva  \  matsu-tsi-jama  i-wo-zaki  nado  iu  na-ivo  si- 
mo  I  atari-tsikaki  jama-zato-no  na-ni  \  kbfurase-johu  jb-ni-iva  nari-nu.  Kore-wa  koko-ni  j6- 
}iaki  mono-gatari  nare-ha.  \  i-i-sasi-te  todonie-tsu. 

Vor  dem  Hause  dieses  Funa-nusi  befand  sich  der  berühmte  Fluss  Sumi-da-gawa. 
Dieser  sogenannte  Sumi-da-gawa  ist  seit  dem  Alterthum  als  ein  sehr  grosser  Fluss  und 
durch  das  Gedicht  Nari-fira  Ason's :  ,Wohlan !  Er  wird  eine  Sprache  sprechen'  den 
Menschen  bekannt.  Auch  der  Fluss,  der  in  dem  Tagebuche  von  Sara-sina  als  der  an 
der  Gränze  der  Reiche  Simosa  und  Musasi  befindliche  Asu-ta-gawa  verzeichnet  wii-d, 
ist  dieser  Fluss.  Von  diesem  Tagebuche  gibt  es  viele  gedruckte  Texte,  doch  alle  ent- 
luilten  den  Fehler,  dass  in  ihnen  dieser  Fluss  auch  als  der  Fluss  Futo-Avi-gawa  verzeichnet 
wi]-d.  Ueberdiess  kommt  auch  der  Irrthum  vor,  dass  man  auf  den  Wegen  des  Weges  des 
östlichen  Meeres  das  Vordere  nach  nickwärts  setzt.  Wer  in  die  alten  Texte  Einsicht  hatte, 
wird  dieses  wissen.  Den  Namen  Sumi-da-gawa  führt  niclit  bloss  dieser  Fluss.  Er  findet 
sich  auch  in  dem  Reiche  De-wa,  in  dem  Reiche  Ki-i  und  kommt  von  Alters  her  in 
Liedern  vor.  Es  gibt  Büchei-,  in  welchen  erklärt  wird,  dass  er  sich  auch  in  dem  Reiche 
Suru-ga  befindet.  Da  sich  an  so  verschiedenen  Orten  derselbe  Name  findet,  hat  man 
auch  die  alten  Gedichte  missverstanden  und  sich  liäufig  geirrt.  In  dem  Man-jeo-siü  liest 


Die  Geschichte  einer  Seelenwakdekung  in  Japan.  311 

man  die  Verse:  Den  Berg  Matsu-tsi  |  am  Abend  überschreitend,  |  in  I-wo-zaki  |  auf  der 
Flussebene  von  Sumi-da  |  allein  wohl  werd"  ich  schlafen.  —  Man  hielt  hier  den  in  dem 
Reiche  Ki-i  befindliclien  Fluss  Sumi-da-gawa  irrthilmlich  für  diesen  Fluss,  und  in  dem 
letzten  Zeitalter  kam  es  so  weit,  dass  man  die  Namen  Matsu-tsi  und  I-wo-zaki  durch 
die  Namen  der  nahen  Gebirgsdörfer  der  Gegend  gleichsam  überdecken  Hess.  Da  dieses 
eine  nicht  damit  sich  befassende  Erzälilung  ist,  Hess  man  es  bei  einer  Andeutung  bewenden. 

Säte  funa-nusi-ica  kono  sumi-da-gaioa-no  kisi-ni  snmi-nawa-ga  tsukureru  fune  ukamete  1 
ßto-hiio-to  fomo-ni  ftme-ni-zo  ari-kerii.  Kono  fune  tsi-isa-kere-do  \  isasaka  ja-ne-melm  mono-mo 
ari-te  \  arawtt-narane-ba  \  wonna-nado-no  noi^an-ni-ica  tajori-josi-to  iü.  Sare-do  fune  se.ha- 
kere-ba  |  mesi-tsuko  mono-nado-wa  7iosezu.  Funa-nusi  sinni-naiva  matsn-mitsic  musume-to  jo- 
tari  hakari'ZO  nottari-keru.  Sumi-nawa  fune-no  tomo-ni  tatsi-te  \  Isasaka  kui-no  gotoki  mono- 
wo  I  ugokasi-keru-ni  \  kono  fune  onore-to  ugoki-te  \  sidzuka-ni  juku  koto  fito-nn  kogu-jori  jasusi, 
Kisi-ni    i-taru    saivo-maro-wo  fazime  \  simo-bito-ra    made  te-n-o  tataki-fe  \  kore-ico  nzariii-mirv . 

Funa-nusi  Hess  an  dem  Ufer  dieses  Sumi-da-gawa  das  von  Sumi-nawa  gebaute  Schiff 
scliwimmen  und  befand  sich  mit  mehreren  Menschen  in  dem  Schifte.  Dieses  SchiÖ'  war 
zwar  klein,  docli  da  es  etwas  ein  wenig  einem  Verdecke  Aehnliches  hatte  und  nicht 
frei  war,  so  sagte  man,  dass  es  auch  für  Frauen  zum  Fahren  geeignet  sei.  Da  es  jedoch 
eng  war,  Hess  man  die  Diener  niclit  einsteigen.  Es  stiegen  bloss  vier  Menschen:  Funa- 
nusi,  Sumi-nawa,  Matsu-mitsu  und  das  Mädchen  ein.  Sumi-nawa,  an  dem  Hintertheile 
des  Schift'es  stehend,  bewegte  etwas,  das  ein  wenig  einem  Pflocke  glich,  und  das  Schift' 
bewegte  sich  von  selbst.  Sein  stiller  Gang  bewerlvstelligte  sich  leichter,  als  wenn  Menschen 
rudern.  Der  an  dem  Ufer  Aveilende  Sawo-maro,  selbst  die  Diener,  schlugen  in  die  Hände 
und   sahen  es  mit  Wohlgefallen. 

F'nna-7msi  tsuri-no  ito  orosi-te  \  fune-no  juku  mama-ni  \  taoo-ico  tsuri-te  tanosimu.  Sasaje 
nado  firaki-te  \  tori-dori-ni  sake  kumi-karva.su  \  ito  J^  (kiö)  ari.  Matsu-mitsu  ico.re-mo  tsuri- 
scn  tote  I  sawo-wo  tori-te  \  e-no  iri-taru  kago-wo  iori-te  \  ajamari-taru  furi-site  \  kawa-ni  utsi- 
otosi-kere-ba  |  midzu-ni  sitagai-te  nagarete-zo  jjiki-keni.  Funa-nusi  tsitri-su-beki  e-wo  usinai-te 
ika-ni  se-nasi  \  kono  atari-nite  mimizu  nado  forarnasi-to  ije-ba  |  sikaru-besi  tote  \  sumi-naira 
tatsi-te  I  kono  tabi-wa  \  tsi-isaki  kui-wo  mawasi-keru-ni  \  fune  onore-to  kisi-ni  tsuki-nu.  Muslime 
bakari-wo  fune-ni  nokosi-te  |  funa-nusi  saki-ni  tatsi-te  \  looka-ni  agari-te  |  kanata-konata-zo 
asare-domo  |  kono  atari  mimizu  nado  mijezu.  Matsu-mitsu  kanete  fakari-taru  koto  nare-ba  j 
kasiko-ni  koso  aranie  \  nado  i-i-te  |  toiooki  kata-je  |  mitsi-biki-te  juki-nu. 

Funa-nusi  Hess  die  Angelschnur  herab  und  vergnügte  sich,  indem  er  während  des 
Laufes  des  Schifies  Fische  angelte.  Er  öftnete  die  Bambusrohren,  schöpfte  und  wechselte 
auf  allerlei  AVeise  AVein.  Er  war  dabei  sehr  voll  Freude.  Matsu-mitsu  sagte :  Ich  werde 
auch  angeln.  —  Hiermit  ergriff'  er  die  Angelruthe,  nahm  den  Korb,  in  welchen  man 
den  Köder  gegeben  hatte  und  Hess  ihn,  indem  er  that,  als  ob  er  sich  geirrt  hätte,  in 
den  Fluss  fallen.  Der  Korb  schwamm  nach  dem  Laufe  des  Wassers  davon.  Funa-nusi 
hatte  den  Köder,  mit  dem  er  angeln  konnte,  verloren,  was  sollte  er  thun?  Er  sagte,  er- 
Averde  in  dieser  Gegend  Regenwüi-mer  ausgraben.  Sumi-nawa  sagte,  es  sei  recht,  und 
erhob  sich.  Er  drehte  diessmal  einen  Ideinen  Pflock,  und  das  Schiff"  legte  sich  von  selbst 
an  das  Ufer.  Bloss  das  Mädchen  in  dem  Schiffe  zurücklassend,  erstiegen  sie,  Funa-nusi 
voran,  die  Uferliölie  und  suchten  hier  und  dort,  doch  in  dieser  Gegend  waren  ßegen- 
würmer  nicht  zu  sehen.  Da  Matsu-mitsu  fn'iher  einen  Plan  entworfen  hatte,  sagte  er: 
Dort  wird   es  deren   o-eben.   —  Hiermit  fidirte   er  sie  zu  einer  fernen  Geo-end  fort. 


312  PpiZiMAIER. 

Kono  icafari-icn  \  kisi-be-ni-iva  \  fakaki  jusi-asi  oi-sigeri-te  are-ba  \  juku-saki-mu  mijezu. 
Miosume-ioa  kanete  tsigiri-te-si  kufo  are-ba  \  ivac/a  omu  ßto-iva  ika-ni-to  j  kisi-no  kata-wo  utsi- 
niamori-icoru-ni  |  sojo-sojo-to  josi-nu  oto-sure-ba  \  me-wo  tsukete  mi-jari-taru-ni  \  ana  uresi-ja  j 
koi-sitajeru  jama-bito  \  koromo-mo  tsuju-ni  nure-sobotsi-tsutsu  |  josi-no  naka-juri  kawo  sasi-ide- 
tari.  Musume-ioa  tobi-tati^u  bakari  -itresi-ku-te  |  sa-koso  matsi-tamai-tsurame-to  ije-ba  \  jama-bito 
kc-sa-no  fodo-jorl  hmo  kisi-ni  fsuki-ie  \  fune-no  jiiku-wo  ukagai-te  \  josi-no  naka-tvo  vmkc  ma- 
iri-tare-ba  \  icabi-siki  me  ini-tsu-to  i-i-te  siroki  te-ico  idaseru-ga  |  josi-asi-ni  sasarete  \  kizu 
tsuki-te  I  tokoro-dokoro  j^  (tsi)  ide-tari.  Ware  ju-e  bakari  karaki  nie  mi-tarnajeru  \  ito-toosi- 
sa-jo.  Madzu  toku  fune-ni  nobori-tamaje.  Tdtsi-no  owasan-ni-iva  \  matsu-mitsu  toku  fasiri-kite  \ 
sirasu-beki  josi  mbsi-tsure-ba  |  toku  koko-ni  iri-tamaje-to  iü. 

Da  an  den  Ufern  diesei-  Durclit'alirt  hohes  Schilfrohr  in  Fülle  wuchs,  sah  man  nieJit, 
Avohin  man  ging.  Das  Mädchen,  welches  früher  den  Bund  geschlossen  hatte,  rief:  O  mein 
Geliebter!  —  Während  sie  dabei  die  Uferseite  beobachtete,  ertönte  leise  das  Scliilfi-ohr. 
Als  sie  mit  unverwandten  Augen  hinsah,  war,  o  Freude!  von  dem  geliebten  Jama-bito, 
indess  seine  Kleider  von  Thau  trofen,  aus  dem  Schilfrohr  das  Antlitz  zum  Vorschein 
gekommen.  Das  Mädchen  schnellte  nur  empor  und  rief  freudig :  Also  werdet  ihr  gewartet 
haben!  —  Jama-bito  spracli :  Seit  heute  Morgen  hielt  ich  mich  nahe  an  dieses  Ufer 
und  beobachtete  den  Lauf  des  Schiffes.  Als  ich,  das  Schilfrohr  mitten  zertheilend,  herbei- 
kam, war  ich  elend  daran.  —  Hiermit  streckte  er  die  weissen  Hände  aus.  Sie  waren 
von  dem  Schilfi'ohr  zerstochen ,  hatten  Wunden ,  und  an  mehreren  Stellen  kam  Blut 
hervor.  Das  Mädchen  rief:  0  Jammer,  dass  ihr  nur  meinetwegen  Leiden  erduldet  habt! 
Steiget  vorerst  schnell  in  das  Schiff!  Wenn  es  der  Vater  ist,  so  hat  Matsu-mitsu  gesagt, 
dass  er  schnell  herlaufen  und  es  melden  wird.  Kommet  schnell  hier  herein! 

Kono  fune  kisl-jori  — •  f^  (ikken)  bakari  sisari-te  are-ba  \  noran-ni  mitsi  nasi.  Keo 
fazimete  orosi-tafe-tare-ba  j  ■wasu.rete  tomo-dzuna-mo  tsukezari-keri .  Alusume  fosoki  obi  tori- 
idete  \  fnnc-no  fe-ni  musubi-ie  \  obi-no  fasl-ivo  \jaina-bifo-ga  kata-je  7iage-jari-te  |  fohi  fiine-tvo 
fiki-jose-tamaje-to  iü.  Jama-bito  obi-no  fasi-ioo  iori-te  tsikara-wo  idasi-te  fike-ba  \  fune  konata-je 
jori-kuru  sama-na7'i.  Ima-ja  tsitsi-no  kajeri-ki-tamawan-to  omoje-ba  \  kokoro-mo  kokoro- 
narazare-do  \  mata  ai-min  koto-no  kata-kere-ba  |  fita-sura  tsikadzuki-te  \  omo  koto-wo-mo  itca- 
ba-ja-to  I  tagai-ni  kokoro-sekarure-ba  \  inune  nomi  wodoru-zo  kotowari  naru.  Jama-bito  tsikara- 
lüo  irete  ßku  vianta-ni  \  kono  fune  kisi-no  kata-je  ^  /^  {san-ziaku)  bakari  \  jori-kitari-to 
oiiw-ni  I  kono  niotsi-taru  obi  naka-ba-jori  |  fidto  kirete  \  jama-bito-ioa  josi-no  naka-je  omid^e-ni 
vÄsi-tore-rii.  Fune-wa  kono  ßb-si-ni  ]  PI    ^    ft9    (si-go-ken)  bakari  kawa-naka-je  ide-tari. 

Da  dieses  Schiff  von  dem  Ufer  um  ein  Ken  ^  zurückgewichen  Avar,  gab  es  kein 
Mittel,  hinein  zu  steigen.  Es  war  heute  zum  ersten  Male  herabgelassen  Avorden,  und 
man  hatte  vergessen,  ein  Ankerseil  anzufügen.  Das  Mädchen  nahm  den  .dünnen  Gürtel 
hervor  und  knüpfte  ihn  an  das  Voi-dertheil  des  Schiffes,  warf  dann  das  Ende  des  Gürtels 
Jama-bito  zu  und  sagte :  Ziehet  das  Schiff'  schnell  heran.  —  Jama-bito  ergriff'  das  Ende 
des  Gürtels,  zog  mit  aller  Kraft,  und  das  Schiff  schien  nach  dieser  Seite  heranzukommen.  Sie 
dachten,  dass  jetzt  der  Vater  zurückkommen  werde.  Wie  sehr  es  aucli  gegen  iln-en  Willen  war, 
es  wäre  dann  immöglich  gewesen,  sich  wieder  zu  sehen.  Bei  dem  heftigen  Wunsche,  sich  zu 
nähern  und  die  Gedanken  zu  sagen,  gegenseitig  im  Herzen  beengt,  war  es  der  Fall,  dass  es 
in  ihrer  Brust  nur  liüpfte.   Während  Jama-bito,  die  Kraft  hineinlegend,   zog,    glaubten   sie,. 


'   Ein  Ken  ist  seclis  Sehiili   fünf  Zoll. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandeeung  in  Japan.  313 

dass  dieses  Sdiift"  dem  Ufer  um  drei  Schuh  nahe  gekommen  sei.  In  diesem  Augenblicke 
zerriss  plötzlich  dieser  in  den  Händen  gehaltene  Güi'tel  in  der  Mitte,  und  Jama-bito 
stürzte  in  das  Schilfrohr  rückwärts  nieder.  Das  Schiff  fuhr  bei  dieser  Erschütterung 
vier  bis  fünf  Ken  weit  nach  der  Mitte  des  Flusses  hinaus. 

Jama-hito  sugn-ni  oki-agari-te  mire-ha  \  June-tca  midzu-ni  sitagai-te  iiagare-juku.  Mu- 
sume-iva  loahi-si-sa  |  mono-gurui-no  gotokio  nari-te  |  jama-hito-ga  kata-wo  mite  |  akire-i-tari. 
Kisi-narri  ßto-mo  mono-guruwasi-hi,  josi-iuo  icake-tsutsu  kisi-dzutai-ni  ajume-do  j  fiine-ni  tsika- 
dzuku-heki-ni  arane-ha  \  fate-fate-iva  ko-e-wo  agete  |  kata-mi-ni  naku  hakari-nari.  Kono  kaica- 
kami-wa  \  na-dakaki  ^  59  )\\  (irn-ma-gawa)-nite  \  mina-moto-wa  toivoki  kowori-jori  idete  | 
nagare-surudoki  midzu  narit-ioo  \  tvori-kara  klta-kaze-no  fagen-ku  fuki-idete-kere-ha  \  fune-wa 
ja-no  fasiru  gotoku  |  umi-no  kata-je-to  7iagare-juki-nu. 

Als  Jama-bito  sich  gerade  erhob  und  liinblickte,  schwamm  das  Schiff  nach  dem 
Laufe  des  Wassers  fort.  Das  Mädchen,  in  ihrer  Verzweiflung  einer  Wahnsinnigen  gleich 
geworden,  blickte  nach  Jama-bito  und  war  ausser  sich.  Auch  die  an  dem  Ufer  befind- 
lichen Menschen,  wahnsinnig  das  Schilfrohr  zertheilend,  schritten  längs  dem  Ufer  dahin, 
doch  da  sie  sich  dem  Schilfe  nicht  nähern  konnten,  erhoben  sie  zuletzt  ein  Geschrei, 
und  weinten  unter  einander  nur.  Dieser  Fluss,  dessen  oberer  Theil  der  berühmte  Iru- 
ma-gawa,  entspringt  in  einem  fernen  Kreise  und  ist  ein  reissend  fliessendes  Wasser.  Da 
um  die  Zeit  der  Nordwind  heftig  wehte,  trieb  das  Schiff,  als  ob  ein  Pfeil  liefe,  dem 
Meere  zu. 

Jama-bito  kokoru-ni  omoi-keru-ica  \  kakaru  tsi-isaki  fime-no  tadajori-te  nmi-ni  ide-na-ha  j 
n-o-nami-ni  ufsi-kajesarete  |  tadatsi-ni  soko-no  mi-kudzu-to-ja  naran.  Waga  ajamatsi-ni  jori  j 
tsigiri-te-si  fito-wo  korosan  koto  |  tsumi-no  fodo  sora-osorosi  tote  \  mata  kake-idasi-te  oi-ßike- 
domo  I  josi-asi-ni  sajerarete  |  faja  fune-no  jidm-jc-mo  mijezare-ba  \  mi-wo  modajete  \  ßtori  kisi- 
ni   tatsi-te  nageki-i-tari. 

Jama-bito  dachte  sich:  Wenn  ein  so  kleines  Schiff  umhertreibt  und  in  das  Meer 
hinausschwimmt,  wird  es  von  den  hohen  Wellen  umgeworfen  und  gerade  zu  Pflanzen- 
abfall des  Meeresbodens  werden.  —  Wegen  des  Verbrechens,  dass  er  durch  sein  Versehen 
den  Mensclien,  mit  dem  er  den  Bund  geschlossen,  tödte,  ohne  Grund  in  Furcht,  rannte 
er  noch  hervor  und  lief  nach,  doch  er  war  durch  das  Schilfrohr  aufgehalten,  und  das 
Schiff  war  bereits  dem  Blicke  entschwunden.  Sich  härmend,  stand  er  allein  an  dem 
Ufer  und  klagte. 

Kore-wa  sate-oki  \  funa-mosi-wa  \  kasiko-no  ivoka-ico  kudari-te  |  e-ni  naru-heki  mitaizu 
nado  I  amata  tori-te  \  moto-no  kisi-ni  tatsi-kajeri  miru-ni  \  fune  mijezu.  Odoroki-te  \  koko- 
kasiko  motomure-domo  |  ato-mo  mijene-ha  \  sate-wa  |  sibasi-no  fodo-ni  \  nami-ni  ßkarete  \  fune- 
no  fasiri-kerii-ni  koso  tote  \  namida-wo  nagasi-tsutsu  |  ko-e-wo  agete  murasaki-murasaki-to 
Jobi-te  I  kisi-no  atari-wo  fasiri-ariku. 

Dieses  werde  bei  Seite  gelassen.  Als  Funa-nusi,  von  der  dortigen  Berghöhe  herab- 
steigend und  viele  Regenwfirmer,  welche  als  Köder  dienen  sollten,  mitnehmend,  zu  der 
ursprünglichen  Stelle  des  Ufers  zurückkehrte  und  hinblickte,  war  das  Schiff  nicht  zu 
sehen.  Erschrocken  suchte  er  es  hier  und  dort,  da  jedocli  keine  Spur  von  ihm  zu 
sehen  war,  sagte  er  sich :  Also  ist  während  der  kurzen  Zeit,  von  den  Wellen  fort- 
ezogen,  das  Schiff'  entlaufen!  —  Thränen  vergiessend,  erliob  er  die  Stimme  und  Mura- 
saki!  Murasaki!  rufend,  lief  er  in  der  Gegend  des  Ufers  umher. 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  40 


<v, 


314  Pfizuaier. 

Sumi-naiva-wa  ^nkosi  okiirete  kitari-kera-ga  \  fune-no  juku-je  mijezio  \  katsu  funa-nusi-ga 
^i  ^  (kw-ki)-serii  jb-ni  |  tatsi-fasiri-iourii-wü  mite  \  sode-fikajote  i-i-keru-iva  |  sa-jb-ni  sawa- 
gase-tamb-na.  Kono  fune  .tatol  kaze-no  tame-ni  sasoioarete  \  fukare-jtiki-nu-to-vw  \  kurusi-ka- 
razi-to  ije-ha  \  funa~nusi-ga  iwaku  \  tada  fitori-no  |  musutne-wo  nami-ni  sidzuine-taran-ni  \  ika- 
de  saioagade  aru-beki-to  iü.  Sumi-nawa  lUsl-ioarai-te  \  onore  saki-ni  uma-tvo  tsiikuri-te  \ 
matsu-mitsic-wo  mi-usinai-taru-ni  \  kuri-tare-ha  |  kono  tabl  tsukureru  fiine-ioa  mäsi-no  kagiri- 
tvo  kiwame-sbrbte  \  — •  M.  (itsi-ri-no)  ^C  ^  (sui-ro)-wo  fasiri-nan-ni-iva  \  kanarazu  fune 
mata  konata-ni  muki-te  \  kajeri-kitaran  jb-ni  |  tsukuri-oki-tarl.  Sibasi  koko-ni  mamori-te 
oicase-to  iü-ni  \  funa-nusi  sukosi  nagusami-te  \  kisi-ni    ^    (zaj-slte  matsu. 

Sumi-nawa  kam  etwas  später.  Das  Schiff  war  vor  den  Blicken  verschwunden,  und 
zudem  sah  er,  dass  Funa-nusi  Avie  wahnsinnig  einherlief.  Er  zupfte  ilm  an  dem  Aermel 
und  sagte:  Seid  niclit  so  bestürzt.  Gesetzt  dieses  Schiff  Avurde  dux'ch  den  Wind  ent- 
führt und  weggeblasen,  so  ist  dieses  nicht  peinlich.  —  Funa-nusi  sprach :  Wenn  meine 
einzige  Tochter  in  den  Wellen  versunken  ist,  wie  sollte  ich  nicht  bestürzt  sein?  —  Sumi- 
nawa  erwiederte  lächelnd :  Da  ich  vordem  ein  Pferd  verfertigte  und  Matsu-mitsu  mir  ver- 
loren ging,  habe  ich,  dadurch  gewarnt,  diessmal  an  dem  Schiff'e,  welches  ich  baute, 
die  Gränze  des  Weges  bestimmt.  Ich  habe  es  so  gebaut,  dass,  nachdem  es  den  Wasser- 
weg einer  Weglänge  durchlaufen  hat,  dieses  Schiff  gewiss  wieder  nach  dieser  Seite  sich 
wenden  und  zurückkehren  wird.  Haltet  hier  eine  Weile  aus.  —  Funa-nusi,  ein  wenig 
getröstet,  setzte  sich  jetzt  an  das  Ufer  und  Avartete. 

Matsu-mitsu-mo  fune-no  naku  nari-taru-ni  |  kimo-wo  fijasi-tari-si-ga  \  sumi-nawa-ga  koto- 
ba-ni  I  sukosi  kokoro-otf^i-ite  \  kawa-dzura-ioo  me-mo  fanatazu  mamori-i-taru-ni  \  ikada-ni  saivo 
sasi-te  kuru  mono  ari.  Mire-ba  simosa-nite  atsuraje-oki-si  \  ono-ga  ^  TfC  (zai-mokuj-ivo 
tsumi-te  kuru  nare-ba  \  jobi-tomete  \  kono  ikada-ni  nori-te  \  mite  i-taru,-ni  \  kawa-simo-jori 
funa-bito-mo  naki  fune-no  \  midzib-ni  sakai-ie  nobori-kuru  ari.  Utsi-ivo  mire-ba  \  musume 
murasaki  \  funa-zoko-ni  naki-fusi-te  wore-ba  \  ßto-bito  ikada-ico  kogi-jose  fime-ni  nori-utsuri- 
te  itawaru.  Musume-tva  kono  fune-no  futa-tabi  waga  kata-ni  kajeri-kunt-to-iva  sirazu  |  fita- 
sura-ni  towoki  kata-ni  nagare-juku-jo-to  omoi-te  |  ima-ja  mi-wo  nagen-to  kamaje-i-keru-ni  | 
omoi-jorazu  fito-bito-ni  ai-te  |  jorokobu  koto  kagiri-nasi.  Fu-si-gi-ni  musume-ga  inotsi  tasu- 
kari-nurn-mo  \  ßto-je-ni  sumi-nawa-nusi-no  karakuri-no  takumi-ni  joreri  tote  |  ijo-ijo  tbtomi 
bgi-te  \  nawo-zari-narazu   ^    j^    (fon-su)-si-keri. 

Auch  Matsu-mitsu,  als  das  Schiff'  verschwunden  Avar,  schauderte.  Während  er,  durch 
die  AVorte  Sumi-nawa's  ein  wenig  beruhigt,  kein  Auge  von  der  Fläche  des  Flusses  ver- 
wandte und  beobachtete,  kamen  Leute  auf  einer  mit  ßuderstangen  versehenen  Flösse  an. 
Als  man  hinblickte,  brachten  sie  das  in  Simösa  bestellte,  von  ihnen  selbst  aufgehäufte 
Bauholz.  Man  rief  ihnen  zu,  still  zu  halten,  und  als  die  Menschen  auf  die  Flösse 
stiegen  und  sicli  umsahen,  kam  von  dem  unteren  Theile  des  Flusses  ein  Schiff',  auf 
welchem  sich  kein  Schiff'smann  befand,  gegen  die  Strömung  fahrend,  herauf.  Als  man 
hineinsah,  lag  das  Mädclien  Murasaki  weinend  auf  dem  Boden  des  Schiffes.  Die-  Menschen 
ruderten  auf  der  Flösse  heran,  stiegen  in  das  Schiff'  über  und  bezeigten  ihre  Theilnahme. 
Das  Mädchen,  Avelches  nicht  wusste,  dass  dieses  Schiff  noch  einmal  nach  ihrer  Gegend 
zurückkehren  werde,  glaubte  ernstlich,  dass  es  nach  einer  fernen  Gegend  fortscliwimme. 
Darauf  gefasst,  jetzt  vielleicht  das  Leben  auf's  Spiel  zu  setzen,  traf  sie  unverlioff't  mit 
den  Menschen  zusammen  und  ihre  Freude  hatte  keine  Gränzen.  Man  sagte :  Dass  Avie 
durch   ein   A^^mder    das  Leben    des   Mädchens  gerettet  wurde,    ist  einzig  den  kunstvollen 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  315 

Triebwerken  des  Herrn  Sumi-nawa  zu  verdanken.  —  Man  blickte  mit  immer  grösserer 
Ehrerbietung  zu  ihm  empor  und  drängte  sich  auf  nicht  gewöhnliche  Weise  heran. 

Säte  ije-ni  kajere-ba  |  faica-oja  nado  \  si-sai-ivo  kiki-te  \  odoroki  katsu  fsutsuga-naku  ka- 
jeri-kltmm-wo  jorokohu.  Musumc-ica  sono  mama  fe-ja-ni  iri-te  \  kasira  itasi  tote  fusi-kerih-ga  \ 
tsuku-dzuku  ontoje7'u-ica  |  sate-mo  Jam-jorl  sinu-hakari  ivadzurai-te  \  jama-bito-gimi-wo  koi- 
sitai-te  \  tama-tama  asa-kusa-nite  matsi-tsuke-ma-wase-si-ni  |  aja-niku-naru  koto  ide-kite  \  on- 
kawo-tco  dani  \  joku-mo  mi-ma-irasezu-site  lüakare-nu.  Keo  koso  ika-de-to  omoi-fakari-te  \  ma- 
no  atari  tsikadzuki-tate-viatsurl-si-ni  \  omoi-jorazu  |  ts?ma-de  naica-no  tatsi-matsi-ni  taje-fa- 
tete  I  kanasi-ku-mo  fo-i-naki  tvakare-wo  nase-si  koto  \  to-kaku-ni  kami-fotoke-no  \  luare-wo  mi- 
fanatsi-tamai-mmi,  naru-besi.  Kono  notsi  ai-mi-tate-m.atsiiran  koto-mo  \kanai-gata-karu-be-kere-ba\ 
iki-nagaraje-tari-to-mo  \  kai-na-karan  nado  |  sama-zama-to  omoi-megurasi-keru-ga  \  ima  fito- 
tabi  I  tsitsi-ni  mi-dzukara  ztreje-kikojete  \  koto  kanawazu-wa  \  sono  toki-ni  to-mo  kaku-mo  nari- 
fate-nan-to. 

Als  man  nach  Hause  zurückkehrte  und  die  Mutter  und  Andere  diese  Umstände 
erfuhren,  erschracken  sie  und  freuten  sich  zugleich  über  die  glückliche  Zvirückkunft. 
Das  Mädchen  trat  unterdessen  in  ihr  Gemach  und  indem  sie  sagte,  dass  sie  der  Kopf 
schmerze,  legte  sie  sich  nieder.  Dabei  überlegte  sie  reiflich  Folgendes :  Seit  dem 
Frühlinge  tödtlich  krank,  wartete  ich  aus  Liebe  zu  Herrn  Jama-bito  oftmals  in  Asa- 
kusa,  und  als  ich  ihn  fand,  ereignete  sich  etwas  Verdriessliches.  Ohne  auch  nur  sein 
Antlitz  gut  gesehen  zu  haben,  wurde  ich  getrennt.  Heute  ermass  ich  in  Gedanken, 
dass  es  irgendwie  sein  werde.  Als  ich  ihm  von  Angesicht  nahe  kam,  riss  plötzlich, 
ohne  dass  ich  es  vermuthete,  das  Schiifseil.  Dass  ich  in  Traurigkeit  die  nicht  be- 
absichtigte Trennung  hatte,  hier  wird  jedenfalls  der  göttliche  Buddha  mich  aus  den 
Augen  gelassen  haben.  Von  jetzt  an,  da  eine  Zusammenkunft  nicht  erreicht  werden 
konnte,  wird  es  auch  in  meinem  ganzen  Leben  unnütz  sein.  —  Auf  allerlei  A\  eise  über- 
legend, dachte  sie  :  Wenn  ich  es  jetzt  einmal  in  meiner  Betrübniss  dem  Vater  selbst  zu 
Ohren   bringe    imd    die  Sache   nicht  gelingt,    dnnn  wird  es  jedenfalls  ein  Ende  nehmen. 

Kokoro-iüo  sadamefe  |  tsitsi-no  maje-ni  idete  |  nak/i-naku  kaki-kudoki  i-i-keru-ica  |  tsitsl- 
faica-no  o-ose-wo  matsi-tate-matsurazu  misoka-ni  icotoko  moken-to  omoi-tatsi-si-ica  \  sora-oso- 
rosi-ki  mi-no  toga-ni  sbraje-domo  \  suku-se-no  nasu  tokoro-ni-ja  \  omoi-kajesi  lüabi-te  sbrb.  Ika- 
de  kono  oroka-naru  kokoro-ivo  \  aware-mase-tamai-te  |  jama-bito-gimi-no  moto-ni  |  waraiva-wo 
okuri-tamai-nan.  Kaku  tsutsumasi-sa-mo  ivasiirete  \  ai-naki  koto  kikoje-tate-matsuru-mo  \  fi- 
goro-no  on-itsukusi-mi~ni  \  amaje-taru-nite  |  katsu-ioa  vxiri-naki  mad,oi-ni  soro  tote  |  yiamida-wo 
taki-no  gotoku  otosi  \  te-ico  su7n-tsutsii  |  tatami-ni  utsi-fuse-ba  \faiüa-ioa  kanasi-to-ja  omoi-ken  | 
sa-nomi  na-nageki-so-to  i-i-te  \  wotto-ni  wmkai-te  |  kono  koto  jurusi-tamai-nan-to  ije-ba  \  tsitsi 
manako-wo  o-okiku  nasi  \  kasira    migi-fidari-ni  utsi-fiori-te  \  musume-wo   nirami-te  i-i-kcru-wa. 

Sich  entschliessend,  trat  sie  vor  den  Vater  und  erklärte  sich  unter  Weinen :  Ohne 
auf  den  Befehl  der  Aeltern  zu  warten,  kam  es  mir  heimlich  in  die  Gedanken,  einen 
Mann  zu  bekommen.  Verstellt  furchtsam  wie  ich  bin,  ist  es  zwar  meine  Schuld,  doch, 
indem  ich  bedenke,  dass  die  frühere  Welt  vielleicht  es  bewerkstelligt,  bin  ich  in  Ver- 
zweiflung. Wie  es  immer  sei,  werdet  ihr  Mitleid  mit  diesem  thörichten  Herzen  haben 
und  mich  zu  HeiTn  Jama-bito  schicken.  Indem  ich  so,  die  Blödigkeit  vergessend,  eine 
unliebsame  Sache  zu  Ohren  bringe,  ist  dieses,  in  dem  Stolze  auf  eure  durch  Tage  mir 
zu  Theil  gewordene  Gunst,  vorläufig  eine  niclit  zu  unterscheidende  Verirrung.  —  Die 
Thränen    gleich    einem  Wasserfalle  herabfallen  lassend  imd  die  Hände  reibend,    lag    sie 

40* 


316  Pfizmaier. 

auf  dem  Teppiche.  Die  Mutter,  welche  es  bedauerliiih  tiiideu  inuclite,  sagte:  Kränke 
dich  nicht  so  sehr !  —  Zu  ihrem  Manne  sagte  sie ;  Ihr  werdet  diese  Sache  erlauben.  — • 
Der  Vater  machte  grosse  Augen.  Das  Haupt  nach  rechts  und  links  schüttelnd,  blickte 
er  finster  auf  die  Tochter  und  sagte: 

Onore  |  wosanasi-to  ije-domo  \  take-siha-ga  ije-to  |  waga  ije-to  fima-arn  kotu-wa  |  juku  siri- 
tstirau.  Jo-nl  ßto-mo  o-o-karu-wo  \  kare-wu  si-in.o  koi-sume-tari-fu-ica  |  ika-narit  kuto-zo  |  masi- 
te  kare-wa  ije  madzusi-ku  nari-te  \  keö-no  kefvri-wo  dani  tate-kane-tsu-tu  kiku.  Sa-ju-no 
inono-ni  musume-wo  jaran-wa  \  waga  ije-no  o-üi-naru  fadzi  nari.  Kaiw  jama-bito-ga  fawa 
ware-ioo  iiaku  sonemi-te  |  wa^'e  joko-sama-ni  |  kare-ga  ta  fata-wo  fjff  f^  (slü-toku)-seri  nado  j 
sosiri-iforu  koto  |  joku  kiki-ojobi-te  ari.  Ika-de  kare-ni  \  waga  musume-wo  si-mu  \  uknri-tsu- 
kawasu-beki.  Koto-ni  onore  \  oja  dani  imada  kuto-wo  utsi-idezaru-nl  \  mi-dzukara  wotoko-wo 
jeri-te  \  kare-ioo  wutto-tu  sen  nado  iü  koto  |  "^  ^  ^  >\.  (bh-ziaku-bu-zin)-to-ja  m-beki. 
Wumia-no  fasiru-ioa  jurusio-be-karazu-to-wa  \  ^  ^  (kon-sia)-no  koiuba  nari.  Fadzi-wo  si- 
razaru  mono-tva  \  tcare-mo  -^  (ko)-to-wa  sezi  |  toku  kokoro-wo  aratamezu-ba  \  nagaku  ^  ^ 
(kan-db)-site  \  oi-fanatsu-beki-zo-to. 

Wenn  du  auch  jung  bist,  wirst  du  doch  gut  gewusst  haben,  dass  zwischen  dem 
Hause  des  Geschlechtes  Take-siba  und  meinem  Hause  ein  Zerwürfniss  besteht.  Während 
in  der  Welt  viele  Menschen  sind,  wie  kommt  es,  dass  du  dich  in  diesen  verliebt 
hast?  Ueberdiess  ist  sein  Haus  verarmt,  und  ich  höre,  dass  man  nicht  einmal  den  Rauch  des 
heutigen  Tages  zuwege  gebracht  hat.  Einem  solchen  Menschen  meine  Tochter  schicken, 
wäre  eine  grosse  Schande  meines  Hauses.  Die  JMutter  dieses  Jama-bito  beneidet  mich 
sehr,  redet  mir  übel  nach  und  sagt,  ich  habe  auf  unrechtmässige  Weise  ihre  Felder  er- 
worben. Dieses  ist  mir  gar  wohl  zu  Ohren  gekommen.  Wie  könnte  ich  zu  ihr  meine 
Tochter  schicken?  Besonders  du,  indess  nicht  einmal  der  Vater  noch  zu  der  Sache  ge- 
kommen ist,  dass  du  selber  einen  Mann  wählst  und  sagst,  dass  du  ihn  zum  Gatten 
machen  wirst,  dieses  kann  man  wohl  Unverschämtheit  nennen.  ,Dass  das  Weib  entläuft, 
darf  man  nicht  gestatten'  ist  ein  Wort  weiser  Männer.  Ein  Wesen,  welches  die  Scham 
nicht  kennt,  halte  ich  nicht  für  mein  Kind.  Wenn  du  nicht  schnell  deinen  Sinn 
änderst,  werde  ich  dich  für  immer  meinen  Zorn  fühlen  lassen  und  dich  fortjagen. 

Itaku  täsi-fara-datsi-te  \  tsukami-kakaru-beki  ari-sama  nare-ba  \  fawa  %^  (seij-site  \  irm- 
sume-wo  fittatete  \  fe-ja-ni  tomonai-te  \  sama-zama-tu  sukasi-kosiraje-tsutsu  \  wäre  ani-to  kata- 
rai-te  \  su-beki  jb  koso  are  nado  \  isamure-do  musume-wa  tada  naki-iri-te  \  iraje-sezu.  Oi-fi- 
gami-taru  tsitsi-ga  \  ikari-mmosiru  ko-e  |  nawo  fe-ja-ni  more-kikojete  \  tamasi-i-mo  kijuru  ba- 
kari-)/o  kokotsi-si-tsu. 

Indem  er  heftig  zürnte,  liatte  es  den  Anschein,  als  ob  er  die  Hand  anlegen  würde. 
Die  Mutter  hielt  ihn  zurück,  zog  die  Tochter  empor  und  geleitete  sie  in^  das  Gemach. 
Ihr  auf  allerlei  Weise  zuredend,  sagte  sie:  Ich  werde  mit  dem  älteren  Bruder  reden, 
und  es  wird  sich  etwas  thun  lassen.  —  Wie  sie  auch  ermahnte,  das  Mädchen  weinte 
bloss  und  gab  keine  Antwort.  Die  zornig  scheltende  Stimme  des  von  Alter  eigensinnig 
gewordenen  Vaters  war  noch  in  dem  Gemache  zu  hören,  und  das  Mädchen  hatte  ein 
Gefühl,  als  ob   ihr  die  Seele  schmölze. 

Kaku  tsitsi-no  omoi  sadame-tamaje-ba  \  tutc-mo  jama-bito-nusi-no  tsuma-to  naran  koto  ka- 
tasi.  Natiia-naka  nagaraje-ite  \  uki-wo  mi-taran-juri  |  sinan  koso  masarame.  Tadasi  faru- 
jori  jamai-dznki-te  \  kokotsi  si7iu-beku  koso  obojc-tari-si-ga  \  fu-si-gi-ni  jamai  lookotari-te  \  koi- 
si-to  omö  fito-ni  \  loaga  kokoro-wo-mo   mise-tate-matsuri  \  fonoka-nagara-vio  \  on-kawo-wo  si-mo 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandeeong  in  Japan.  317 

vti-tate-matsuri-nure-ba  \  semete  kore-wo  j  fü;  (jo)-no  omoi-de-fo  sn-hehi  nado  |  sama-zama  omoi- 
midare-tsutsu  \  josi-asi  kaki-wakete  ide-tari-si  omo-kage  saje  \  omoi-iderarete  \  fsutstcga-nahi 
ije-ni-ja  kajeri-tamai-ken  \  tcaga  kaku  omö-to-mo  |  siri-tamawade  \  ima-goro-iva  1  7ie-ja  si- 
tamai-niLran  \  jume-ni  mite-ja  owasu-ran  nado  faka-naki  koto  nomi  omoi-tsudzukete  \  ne-wo 
nomi  naki-te  utsi-thre-nu. 

Da  der  Vater  sich  so  entschlossen  hat,  ist  es  jedenfalls  unmöglich,  dass  ich  die 
Gattin  des  Herrn  Jama-bito  werde.  Ehe  ich  am  Leben  bleibe  und  Kummer  leide, 
werde  ich  lieber  sterben.  Gerade  seit  dem  Frühlinge  von  der  Krankheit  befallen,  hatte 
ich  das  Gefühl,  als  ob  ich  sterben  müsste.  Als  durch  ein  Wunder  die  Krankheit  nach- 
liess,  zeigte  ich  dem  geliebten  Menschen  mein  Hei'z,  sah,  wenn  auch  undeutlich,  sein 
Angesicht.  Wenigstens  dieses  sei  meine  Erinnerung  an  die  Welt.  —  In  solchen  Ge- 
danken auf  allerlei  Weise  unruhig,  dachte  sie.  Wesenloses  nur  in  Gedanken  fortsetzend, 
indess  das  Bild,  wie  er,  das  Schilfrohr  zertheilend,  hervorkam,  einzig  dieses  Bild  in 
ihrer  Seele  auftauchte:  Er  wird  wohl  ohne  Unfall  nach  Hause  zurückgekehrt  sein.  Nicht 
wissend,  dass  ich  so  denke,  wird  er  um  diese  Zeit  wohl  eingeschlafen  sein.  Wird  er 
Tielleicht  träumen  ?  —  Dabei  weinte  sie  nur  laut  und  sank  zu  Boden. 

Geni  toko-naka-ni  tadajo  namida-ni-ioa  \  atari-tsikakl  sumi-da-gaiva-no  \  watasi-mori-mo 
fune  jose-tsu-hekn.  \  mata  kanu  asa-kusa-nu  sato-ni  ari-fo-ka  iü-meru  \  isi-no  makura-mo  ?iki- 
mi-heku  koso. 

In  der  That,  an  die  in  dem  Bette  wallenden  Thränen  konnte  der  Fährmann  des 
nahen  Flusses  Sumi-da-gawa  das  Schiff  angelegt  haben,  auch  das  Steinpolster,  von  dem 
man  wohl  sagt,  dass  es  in  jenem  Dorfs  Asa-kusa  sich  befinde,  kann  auf  ihnen  ge- 
schwommen sein. 


Die    Schwiegertochter. 


Jania-bito-wa  |  murasaki-wo  fime-nite  mi-usinai-te  \  kawa-gisi-wo  kake-fasiri  samajoi-kere- 
do  I  kage-ico  dani  mizare-ba  \  sen-su-be-naku  \  kukoro-narazu  ije-ni  kajeri-te  |  — ■  Zl  0  (itsi- 
ni-nitsi)  sugusi-kere-do  \  oto-dzure-wo  dani  kikic  koto  nasi.  Omoi-najami-te  |  '^  ^  (sioku- 
zi)-mo  nondo-wo  toworazare-ba  \  matsu-mitsu-ga  moto-je  fito-wo  jarl-te  \  jb-su-wo-mo  |  towa-ba- 
jo-to  I  fisoka-ni  fimii  sitatame-i-taru  ivori-kara  \  fawa  oku-jori  ide-kite  \  keö-wa  tsitsi-no  tono- 
no  ^^  0  (ki-nitsi)  nare-ba  \  ^  ^  (sb-zi)-mono  totonojete  \  "^  Ijj"  (butsu-zen)-ni  ma-ira- 
sen-to  SU.  0-koto-mo  makanai-te  tamaje-to  ije-ba  \  jama-bito  fumi-kaki-sasi-te  \  '^  J^  (butsu- 
dan)-no  tsiri  kaki-farai  |  mi-akasi  tomosi-tsiUsu  \  fu-to  fotoke  o-niaje-wo  mire-ba  \  tsi-isakl 
iV^  J^ft  (siki-si)  I  fotoke-no  on-fiza-no  uje-ni  nosete  ari.  Tori-mire-ba  |  sumi-guro-nite  \  ^  )\\ 
(tama-gawa)-ni  sarasu  te-tsiohiri  sara-sara-ni  \  -to  kaki-te  \  simo-no  '^  (kuj-iva  nasi.  ^  |^ 
(Fu-sin)-ni  omoi-te  \  fawa-ni  mukai-te  \  kono  siki-si-wa  |  tsune-ni  me-ni  furezaru  mono-nife 
sbrb.     Ika-naru  fito-no  fude-ni-ka-to  toje-ba  j  fawa-ga  iwaku. 

Jama-bito,  welcher  Murasaki  in  dem  Schiffe  aus  den  Augen  verloren  hatte,  lief  das 
Flussufer  auf  und  ab,  doch  er  sah  nicht  einmal  ihren  Schatten.  Ohne  einen  Rath  zu 
wissen,  kehrte  er  wider  seinen  Willen  nach  Hause  zurück.  Es  verging  ein  Tag,  dann 
ein  zweiter,  doch  er  hörte  selbst  nicht  eine  Nachricht.  Wie  er  in  Gedanken  sich 
quälte,  drang  die  Speise  nicht  in  seine  Kehle.  Er  wollte  zu  Matsu-mitsu  Jemanden 
schicken    und    sich    erkundigen.     Als    er    eben    heimlich    einen    Brief   schrieb,    kam    die 


gjg  Pfizmaier. 

Mutter  aus  dem  Inneren  heraus  und  sagte:  Da  heute  der  Todestag  des  Herrn  Vaters  ist. 
habe  ich  die  Sache  des  Fastens  vorgerichtet  und  gedenke,  vor  Buddha  zu  treten.  Unter- 
halte ihn  auch  du.  —  Jama-bito  Hess  vom  Briefschreiben  ab,  fegte  den  Staub  von 
dem  Altare  Buddha's,  und  als  er,  die  Lichter  anzündend,  plötzlich  auf  Buddha  blickte, 
war  ein  kleines  Farbenpapier  auf  die  Kniee  Buddha's  gelegt.  Als  er  es  nahm  und 
betrachtete,  stand  darauf  mit  Tinte  schwarz  geschrieben:  An  dem  Tama-gawa', 
welches  man  bleicht,  das  Haustuch,  \  indem  es  rauscht.  —  Die  unteren  Verse  fehlten. 
Hierüber  verwundert,  sagte  er  zu  der  Mutter:  Dieses  Farbenpapier  ist  mir  niemals  unter 
die  Auo-en    a'ekommen.      Von    wessen  Pinsel    stammt    es?  —  Auf   diese  Frage    sagte   die 

Mutter : 

So7'e  koso  so-ko-no  t.sitsi-nu  on-kata-mi  narc  \  sono  si-sai  katari-te  kikase-ten.  Onore-wa 
moto  kono  ije-no  simo-ivonna-nite  ari-keru-ni  \  naku  nari-tamai-si  tsitsi-no  tono-no  \  fisoka-ni 
kokoro-zasi-wo  mise-tamai-te  \  sinobi-sinobi-ni  |  katarai-te-keru-ni  \  mukai-me-no  kiki-siri-tamai- 
te  I  itakii  fara-datsi-tamai-kere-ba  \  sibasi  ware-ivo-ba  \  oja-zato-ni  kajesi-tamai-ki.  Sono  toki 
onore  ^  M:  (knai-ninj-site  j  fodo-naku  —  A  (dsi-7im)-no  ^  ^  (nan-si)-ico  tmi-nu. 
Kono  koto  mukai-me-ni  more-kikoje-na-ba  \  ika-naru  koto-ka  ide-ki-nan-to  \  lüara-no  uje-jori 
sono  ko-iro-ba  fama-f/aica-naru  '^  ^  (fiaku-sio)-no  moto-ni  tsukawasi-tsu.  Sono  toki  tsitsi- 
gimi-no  fude-zusaoni-ni  \  tama-gawa-ni  sarasio  te-tsukuri  sara-sara-ni  \  nani-zo  kono  -^  (ko)- 
no  koko-ta  kanasi-ki-fo  |  siki-si-ni  — ■  "^  (issmj-ivo  sirusi-tamai-te  \  naka-ba-jori  kono  siki-si- 
100  fiki-saki-te  \  simo-no  ^  (kuj-tca  |  ubu-ko-no  mamori-ni  wosame  \  kami-no  ^  (ku)-no 
kata-wa  |  tvare-ni  adzukete  \  oki-tamai-nu.  Sono  notsi  mukai-me-mo  sini-tamai-kere-ba  \  faba- 
kani  koto-naku-te  ivare-wo  ije-ni  nndmje-tamai-kl. 

, Dieses  ist  wohl  ein  Erbstück  von  deinem  Vater.  Ich  werde  die  Umstände  er^ 
zählen  und  es  dich  hören  lassen.  Ich  war  ursprünglich  eine  Dienerin  dieses  Hauses. 
Der  verstorbene  Herr  Vater  gab  mir  heimlich  seine  Absichten  zu  erkennen  und  sprach 
mit  mir  ganz  im  Verborgenen.  Da  die  rechtmässige  Gattin  dieses  erfuhr  und  in  hef- 
tigen Zorn  gerieth,  schickte  er  mich  alsbald  in  das  Dorf  meines  Vaters  zurück.  Um 
die  Zeit  war  ich  schwanger  und  gebar  nach  nicht  langer  Zeit  einen  Knaben.  Icli 
dachte,  wenn  dieses  der  rechtmässigen  Gattin  bekannt  würde,  so  würde  wohl  irgend 
etwas  daraus  entstehen.  Ich  schickte  daher  von  dem  Strohe  weg  dieses  Kind  zu  einem 
an  dem  Flusse  Tama-gawa  lebenden  Geschlechte  des  Volkes.  Um  die  Zeit  schrieb 
der  Vater  in  der  Zerstreuung  des  Pinsels  auf  ein  Farbenpapier  die  Verse  :  An  dem 
Tama-gawa  |  welches  man  bleicht,  das  Haustuch,  |  indem  es  rauscht,  |  wie  dieser  Sohn 
über  vieles  sich  betrübt!  —  Er  zerriss  dieses  Farbenpapier  in  der  Mitte  und  barg  die 
unteren  Verse  in  dem  Zauberbeutel  des  neugebornen  Kindes.  Die  eine  Hälfte,  welche 
die  oberen  Verse  enthielt,  gab  er  mir  in  Verwahrung.  Als  später  diQ  rechtmässige 
Gattin  starb,  brachte  er  mich  ohne  Anstand  in  sein  Haus'. 

Säte  nan  sasi-tsugi-ni  \  tva-misi-tuo-mo  umi-tari-si  \  kano  tama-ga'wa-no  "g"  ü  (ßaku- 
sib).-mo  sini-taje-tari  tote  \  sono  notsi  oto-dzttre  kajoxvasi-tsure-do  \  ato-kata-mo  naku  nari-te  \ 
tsukawasi-tsuru  ko-no  ^  ^  (siu-zij-wo  dani  sirazu.  Mosi  ije-no  utsi-nite  sodatsi-na-ba  \  ica- 
nusi-no  joki  tsikara-gusa  na-oneru-wo  \  juhi-je  dani  siranu  jb-ni  nari-fate-si-mo  |  adziki-naki 
jo-ni-zo  ari-keru-to  \  namida-ioo  otosi-tsutsu  katare-ba  \  jama-bito-mo  tsitsi-no  kata-mi-no  fude- 
no  ato-to  kiki-te  1  amata-tabi  osi-itadaki-te  \  tomo-ni  namida-ni  kure-ni-keri. 


'  Der  Tama-gawa  ist  ein  Fluss  des  Kreises  Fi-ki  in  dem  Reiche  Miisasi. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  319 

, Gleich  zunächst  gebar  ich  aucli  dich.  Spilter  gelangte  zu  uns  die  Nachricht,  dass 
jenes  Geschlecht  des  Volkes  an  dem  Tama-gaAva  ausgestorhen  sei,  doch  es  wurde  nichts 
hinterlassen,  und  man  wusste  nicht  einmal,  ob  der  Sohn,  den  ich  ihnen  geschickt,  am 
Leben  sei  oder  todt.  Wenn  man  ihn  in  dem  Hause  aufgezogen  hätte,  so  würde  er  wohl 
für  dich  eine  gute  Stütze  sein.  Indessen  ist  es  so  weit  gekommen,  dass  man  nicht  einmal 
seinen  Aufenthalt  weiss,  es  ist  in  einer  erbarmungslosen  Welt  gewesen.'  —  So  erzählte 
sie  unter  herabfallenden  Thränen.  Als  Jama-bito  hörte,  dass  dieses  eine  hinterlassene 
Handschrift  seines  Vaters  sei,  hielt  er  sie  oftmals  über  das  Haupt  und  war  zugleich  mit 
der  Mutter  von  Thränen  umdunkelt. 

Kakaru-ni  \  kuri-ja-no  kata-jori  \  kawa-go-vjo  ninai-te  \  niwa-dzutai-ni  idzuru  mono  ari. 
Joku  mire-ba  \  waga  ije-no  kawa-go  nare-ha  |  mosu-bito  go-san-nare-to  |  jama-bito  tobi-ori-te  \ 
kawa-go-ni  te-zvo  kakete  fiki-modosu.  Nusu-bito-wa  furi-kitte  jukan-to  suru-ivo  \  faica  juku 
saki-iüo  tatst -fedatete  \  ^  J  (faku-tsiüj-ni  ije-ni  iru  ^  |^  (tb-zoku)  \  ika-de  jasuku 
toivosan-to  in.  Ntisii-bito  iratte  \  faiva-ivo  tsitki-nokuru.  Jama-bito  mata  tori-tsidci-te  \  jarazi-to 
tomure-ba  |  nusu-bito  atari-nai'u  ^  (bö)  ottotte  \  jama-bito-ico  utsi-su-e-tsu.  Tori-tsuku  fawa- 
ico-mo  I  onazi-ku  lUsi-su-ete  |  jese-warai-tsutsu  |  fowo-kaburi  tori-te  \  jama-bito  loare-ivo  mi-siri- 
tari-ja-to  iü-tvo  \  bgi-mire-ba  saki-ni   ^    ^    (goku-ja)-ni  iri-si  firo-iooka  nari. 

Als  es  so  kam,  war  Jemand,  der  von  der  Seite  der  Küche  mit  einem  Koffer  aut 
dem  Rücken  längs  dem  Vorhofe  hinausging.  Als  man  es  gut  ansah,  war  es  ein  Koffej- 
des  eigenen  Hauses.  Also  ein  Dieb !  In  diesem  Gedanken  stieg  Jama-bito  flugs  herab, 
legte  die  Hand  an  den  Koifer  und  zog  ihn  zurück.  Der  Dieb  schüttelte  ihn  ab  und 
wollte  gehen.  Die  Mutter  stellte  sich  ilim  in  den  Weg  und  rief:  Wie  wird  man  einen 
Dieb,  der  am  hellen  Tage  in  das  Haus  kommt,  leicht  durchgehen  lassen?  —  Der  Dieb 
ergrimmte  und  stiess  die  Mutter  weg.  Als  Jama-bito  sich  wieder  an  ihm  festhielt  und 
ihn  nicht  ausliess,  erhaschte  der  Dieb  einen  in  der  Nähe  befindlichen  Stock  und  schlug 
Jama-bito  nieder.  Auch  die  Mutter,  welche  sich  an  ihm  fest  hielt,  schlug  er  auf  gleiche 
Weise  zu  Boden.  Hohnlachend  nahm  er  die  Gesichtsbedeckung  weg  und  rief:  Jama- 
bito,  kennst  du  mich?  —  Man  blickte  empor:  es  war  der  vordem  in  dem  Gefängnisse 
gewesene  Firo-woka. 

Jama-bito  ko-e-ico  agete  |  nandzi  mata-mo  kitatte  |  ware-ni  ata-surii-7ii-ja-to  ije-ba  \  firo- 
woka  una-dzuki-te  \  ^  ^  (koku-si)-no  J^  (tsib)-ni  fiki-idasare  \  nandzi-ra-ga  tame-ni  \  ije- 
100  usinai  \  oi-jaraware-taru  firo-ivoka  nare-ba  |  ika-de  nandzi-ra-ico  uramizaran.  ICeö  koko-ni 
iri-komi-taru-wa  \  nandzi-ga  takuivaje-okerib  ^  ^  (i-rid)  |)j|  J^  (te6-do)-wo  ubai-tori  \  säte 
nandzi  oja-ko-ioo  korosan-tame-ni  j  sinobi-i-tari.  Si-de-no  tabi-no  ^  ^,  (jö-i)-se-jo-to  i-i-$ama 
mata  furi-agete  sitataka-ni  utsu. 

Jama-bito  rief:  Bist  du  wieder  gekommen,  um  gegen  mich  Feindseligkeiten  zu  be- 
gehen? —  Firo-woka  nickte  mit  dem  Haupte  und  sagte:  Ich  bin  Firo-woka,  der,  zu 
dem  Gerichtshause  des  Reichsvorstehers  liinausgeschleppt,  euretwegen  das  Haus  verlor 
und  fortgejagt  wurde.  Wie  sollte  ich  euch  nicht  hassen  ?  Dass  ich  heute  hier  herein- 
gekommen bin,  geschah,  um  die  von  dir  aufgehäuften  Kleider  und  Geräthschaften  zu 
rauben.  Endlich  versteckte  ich  mich,  um  dich  und  deine  Mutter  zu  tödten.  Bereitet  eucli 
zu  der  Reise  in  den  Todeshimmel !  —  Mit  diesen  Worten  schwang  er  wieder  den  Stock 
und   schlug  heftig  zu. 

Faiva  sono  te-ni  fori-tsiikii-ivo  fitturajeie  |  — ■  ^  (ikken)  bakari  nage-tsukete  \  tokii  kono 
jo-no  itoma-torasen  tote    kuri-ja-ni  kake-iri-te  |  /g]    "J"    (fb-tsib)  totte  wodori-idzure-ba  |  fawa- 


320  Pfizmaikk. 

ica  omote-'wo  sasi-te  nige-idasu-ivo  \  okkakete  kin-do-wo  klzarn-ni  |  umoi-kakezu  o-oki-naru 
wotoko-no  I  kiri-do-no  soto-id  tatsi-i-keru-ga  \  firo-woka-ga  motsi-taru  fb-tsio  mogi-tori  \  asi-ico 
agete  ke-jari-tarc-ba  \  omuke-ni  tvre-keru-ivo  \  nokkakari-te  \  sitataka-ni  ßinii-isidcete  |  take-siba 
oja-ko-wo  ^  (kai)-sen-to  suru  nandzi  nare-ba  |  inotsi  tasukete  oki-gatasi-to  i-i-sama  \  pß  ^ 
(rio)-te-ni  ßro-icoka-ioo  kai-tsukami-te  \  me-jori  takaku  sasi-agete  \  ei-to  i-i-sama  \  maje-naru 
kawa-ni  nage-komi-tsu.  Firo-woka-wa  atto  sakebi-taru  mama  \  midzu-ni  makarete  nagare-jidii- 
si-ioa  I  kokotsi-joku-zo  mije-tari-keru. 

Die  Mutter,  welche  sich  an  seiner  Hand  festhielt,  ergreifend  und  sie  ein  Ken  weit 
hinschleudernd,  rief  er:  Ich  werde  euch  schnell  von  dieser  Welt  Abschied  nehmen 
lassen !  —  Hiermit  stürzte  er  in  die  Küche,  nahm  ein  Küchenmesser  und  sprang  heraus. 
Als  er,  die  Mutter,  welche  gegen  die  Aussenseite  hin  wegfloh,  verfolgend,  bei  der  aus- 
geschnittenen Thüre  herauskam,  stand  wider  Vermuthen  ein  grosser  Mann  vor  der  aus- 
sreschnittenen  Thüre.  Dieser  entraner  das  Küchenmesser,  welches  Firo-woka  in  der  Hand 
hielt,  und  stiess  ihn  mit  erhobenem  Fusse  weg.  Den  rücklings  zu  Boden  Gefallenen 
übersteigend  und  ihm  starke  Fusstritte  gebend,  rief  er:  Da  du  es  bist,  der  Mutter  und 
Kind  des  Hauses  Siba-take  morden  Avill ,  so  ist  es  unmöglich,  dir  das  Leben  zu 
schenken.  —  Hiermit  packte  er  Firo-woka  mit  beiden  Händen,  hob  ihn  höher  als  die 
Augen,  rief:  Da!  und  warf  ihn  in  diesem  Augenblicke  in  den  vor  dem  Hause  fliessenden 
Fluss.  Firo-woka,  Ach!  schreiend,  wurde  von  dem  Wasser  bespritzt  und  fortgetrieben. 
Jener  zeigte  sich  davon  befriedigt. 

Kano  ivotoko-v:a  \  ^  ^  (ru-bo)-ga  te-ivo  fori  \  kiri-do-ioo  iri-te  \  jama-bito-ga  utsi-su- 
erare-iaru-ivo  \  to-kaku  -f^  |^  (kai-fb)-site  \  su-no  ko-no  uje-ni  idaki-agete  \  midzu  nado 
nomasete  atsukb-wo  \  fawa-ioa  uresi-ki-ga  naka-ni-mo  \  ibukasi-ku-te  \  so-mo  idzukib-no  on-fito- 
ni  oivasi-te  \  ware-ivare-tvo  tasukete  tamajeru-zo-to  \  te-ioo  awase-tsutsu  ijj§  (reij-wo  nase-ba  \ 
kano  wotoko  faiva-ga  kawo-wo  utsi-mamori-te  ]  fu-tokoro-jori  tatu-gami  iori-idete  \  köre  on-oboje 
owasu-ni-ja  tote  idasv-wo  \  obo-obosi-kere~do  |  torl-agete  firaki-mire-ba  \  siki-si-no  naka-ba  kiri- 
taru-nite  \  jomi-mire-ba  |  nani-zo  ko-no  koko-ta  kanasi-ki-to  sirusi-te  ari. 

Dieser  Mann  nahm  die  Mutter  bei  der  Hand  und  trat  in  die  ausgeschnittene  TJiüre. 
Den  zu  Boden  gesclilagenen  Jama-bito  auf  jede  Weise  pflegend,  hob  er  ihn  in  den  Armen 
auf  die  Flurmatte,  gab  ihm  Wasser  zu  trinken  und  sorgte  für  ihn.  Die  Mutter,  erfreut 
und  auch  verwundert,  sagte:  Was  für  ein  Mensch  ist  es,  der  uns  rettet?  —  Die  Hände 
zusammenlegend,  bezeigte  sie  ihm  ihre  Verehrung.  Dieser  Mann  betrachtete  genau  das 
Antlitz  der  Mutter,  nahm  aus  dem  Busen  ein  gefaltetes  Papier  und  reichte  es  ihr  mit 
den  Worten:  Erinnert  ihr  euch  auf  dieses?  —  Obgleich  sich  gut  erinnernd,  nahm  sie 
es,  entfaltete  es  und  sah  es  an.  Es  war  die  abgeschnittene  Hälfte  eines  Farbenpapiers. 
Als  sie  es  las,  waren  darauf  die  Worte:  ,Wie  dieser  Sohn  |  über  vieles t sich  betrübt!' 
geschrieb  en. 

Fawa  odoroki-te  \  kono  siki-si-ioa  waga  tsuma-no  ^  ^  (siu-seki)  nari.  Kore-wo  motsi- 
te  owa^u-wa  j  ika-naru  fito-zo-to  ^  ;gt  (fu-sin)-sure-ba  \  kano  wotoko  fariika-ni  tobi-sisari- 
te  I  kasira-ivo  sagete  i-i-keru-wa  \  onore  kose  ^<JJ  ^  (sio-sei)-no  koro  \  tama-gaioa-no  ^  jjfi 
(fiaku-sib)-ga  moto-je  tsiikawasare-si  |  ivosana-na-tva  te-ts7tkuri-m.aro-nite  sbraje-to  iü-ni  \  faiva- 
oja  mala  odoroki-te  j  tsu-to  soba-je  |  sasi-jori-te  \  tsuku-dzuku-to  kawo-tco  nagamete  -\t  ^  ^ 
(ni-ziu-jo-nen)-ioa  fedate-nure-do  \  fidari-no  mimi-no  fokuro  nokorai  \  omo-zasi-mo  \  tsitsi-gimi- 
no  katoo-ni  oboje-tarii  tokoro  ari.  Sate-iva  waga  ko-no  te-tsukuri-ka  tote  \  idaki-tsiüii-te  | 
naki-idasu. 


Die   Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  321 

Die  Mutter  erschrack  und  sagte :  Dieses  Farbenpapier  enthält  eine  Schrift  von  der 
Hand  meines  Mannes.  Wer  ist  es,  der  es  besitzt?  —  Als  sie  sich  so  verwundert  zeigte, 
wich  dieser  Mann  weit  nach  rückwärts,  senkte  das  Haupt  und  sagte :  Ich  bin  derjenige, 
der  zur  Zeit  seiner  Geburt  zu  dem  Gesehlechte  des  Volkes  an  dem  Flusse  Tama-gawa 
geschickt  wurde,  und  dessen  Jiigendname  Te-tsukuri-maro.  —  Die  Mutter,  wieder  er- 
schrocken, trat  schnell  an  seine  Seite,  beobachtete  aufmerksam  sein  Antlitz  und  sagte: 
Obgleich  zwanzig  Jahre  dazwischen  liegen,  ist  das  Maal  an  dem  linken  Ohre  nocli  vor- 
handen, und  auch  die  Züge  erinnern  an  das  Gesicht  des  Vaters.  Es  ist  also  mein  Sohn 
Te-tsukuri !  —  Hiermit  schloss  sie  ihn  in  die  Arme  und  weinte. 

Te-tsiikuri  ,Haustuch',  das  in  den  oben  angeführten  Versen  vorkommt,  ist  zugleich 
der  Name  des  Sohnes. 

Jama-hito-mo  omoi-jnranu  avi-gimi-no  go-tai-men-to  |  kasira-zco  sagete  \  jorokohi-naki-ni 
namida  otose-ha  \  faira  namida-tco  kaki-farai-te  \  tama-gaica-no  ^  Jlf^  (fiaku-siu)-no  ije- 
wa  I  ato-mo  iiaku  sini-vse-tare-ba  |  so-ko-no  juk/i-je-tco  tadzunen-ni  ]  te-gakari  siru-he-mu 
arazare-ha  \  ika-de  fotoke-gami-no  o-on-megumi-mfe  \  fito-iahi-u-a  \  meg^iri-awanan-to  '  kogare-ni 
kogare-si  ZI  ~|^  ^  ^  ()n-ziü-jo-nen)  kara.m-no  nakanu  fi-u-a  ari-to-mo  \  omoi-idenu  toki- 
wa  na-kari-si-ico  \  nado-te  tokii  tadztmete-tra  kitarazari-si  j  ima-wa  idzu-ko-ni  sumi-te  aru-zo-to. 

Mit  den  Worten :  Eine  unverhoffte  Begegnung  mit  dem  älteren  Herrn  Bruder ! 
senkte  Jama-bito  das  Haupt,  und  die  Freudenthränen  fielen  herab.  Die  Mutter  trocknete 
ihre  Thränen  und  sagte :  Als  das  Haus  des  Geschlechtes  des  Volkes  an  dem  Flusse 
Tama-gawa,  ohne  eine  Spur  zurückzulassen,  ausgestorben  war,  hatte  man  keine  Hand- 
habe und  kein  Kennzeichen,  imi  deinen  Aufenthalt  auszuforschen.  Schmerzlieh  mich 
darnach  sehnend,  dass  irgendwie  durch  die  Gnade  des  Gottes  Buddha  wir  einmal  im 
Umherwandeln  uns  treffen,  war  durch  zwanzig  Jahre  keine  Stunde,  in  der  es  mir  nicht 
in  die  Gedanken  kam,  es  möge  ein  Tag  sein,  an  welcliem  der  Rabe  nicht  krächzt. 
Warum,  wenn  du  schnell  gesucht  hast,  bist  du  nicht  gekommen?  W^o  hast  du  jetzt 
deinen  "Wohnort? 

Ko-e  furuiüasi-tsutsu  toje-ba  \  san-sbrh  onore  itsu-tsu-nite  soro  toki  \  fito-no  moto-je  nuvai- 
torare  |  kasiko-nite  j  oi-sodatsi-sbru  fodo  \  kano  tama-gaica-no  ^  ^-^fe  (fiakti-sio)-tca  \  loadzibrai- 
te  usete  soro.  Kare  hnada  nagaraje-tari-si  toki  \  onore-ni  katari-surb-wa  |  wn-dono-no  tsitsi- 
iva  I  je-bara- goiüori -nite  \  sake  tstikuri-te  aki-mono-suru  \  take-siba-no  nanigasi-dono-nite 
oioasu.  Mukai-me-no  netami-tco  osore  \  waga  ije-nite  sodate-ma-irase-tsu.  Wori-mo  ara-ba 
kasiko-ni  juki-te  \  oja-ko-no  ■na-nori-si-tamaje-to  |  vibsi-oki-te  soro  tokoro-ni  fakarazn,  asi-ja-no 
f'je-no  ^  -f'  (jb-si)-to  nari  j  ima-no  na-ica  saico-maro-to  mbsi-te  sbrb-to  .  katari-nw  ajenu-ni  j 
fmca  suri-jori-te  \  sono  asi-ja-dono-to-ica  idzure-no  fito-zo-to  toje-ba  \  sani-wa  waga  tsitsi-to 
^  ^  (fu-iva)-nari-sl  |  isi-bama-nani  fima-misi-nite  sbrb-to  iü-ni  \  fawa-mo  jama-bito-mo 
mata  odoroki-te  \  in  koto  nasi. 

So  fragte  sie  mit  zitternder  Stimme.  Jener  erwiedertc :  Es  ist  so.  Als  ich  fünf 
Jahre  alt  war,  fand  ich  bei  Menschen  Aufnahme.  W^ährend  ich  dort  aufwuchs,  erkrankten 
jene  Leute  des  Volkes  an  dem  Flusse  Tama-gawa  und  starben.  Als  sie  noch  am  Leben 
waren,  sagte  man  zu  mir :  Euer  Vater  ist  ein  gewisser  Herr  Take-siba,  der  in  dem  Kreise 
Je-bara  AVein  bereitet  und  Handel  treibt.  Aus  Furcht  vor  der  Eifersucht  der  rechtmäs- 
sigen Gattin  Hess  er  euch  in  meinem  Hause  aufziehen.  Wenn  ihr  Zeit  habt,  geliet  dorl- 
iiin  und  nennet  den  Namen  des  Vaters  und  des  Kindes.  —  Nachdem  man  mii-  dieses 
gesagt,   wurde  ich  wider   Vcrmuthen   der  Pflegesohn  des   Hauses  Asi-ja.    Mein  gegenwär- 

Denkschriftco  der  pliil.-bist.  Ul.  XXVI,  Bd.  41 


322  Pl'IZMAIKR. 

tiger  Name  ist  Sawo-maro.  —  Er  liatte  noch  nicht  ausgeredet,  als  die  Mutter  heran- 
rückte und  fragte:  Dieser  Herr  Asi-ja,  welcher  Mensch  ist  es?  —  Jener  erwiederte : 
Es  ist  der  in  Isi-bama  wohnhafte  Funa-niisi,  der  mit  meinem  Vater  auf  schlechtem  Fusse 
stand.  —  Die  Mutter  und  Jama-bito  erschracken  wieder  und  sagten  kein  Wort. 

Saioo-maro  kasanete  i-i-keru-u-a  |  onore  mono-no  kokoro-ivo  siri-fe-jori  |  fatva-bito-ico  toi- 
ma-irasen-to  snru-ni  \  ^  ^  (,P'f'0  ßmo-nnsi-dono-no  kotoba-ico  kike-ba  |  take-siba-no  ije- 
to-u-a  I  ata  ari-te  ^  ^  (fii-ira)  nari-to  iike-tamaioari-nu.  Sara-ba  funa-misi-ga  -^  (ko)-to 
na-nori-te-iva  \  faiva-bito  tai-men-zi-tamaicazi  ]  to-ja,  sr-masi  kaku-ja  se-masi-to  \  tosi-tsuki 
mune-ioo  kudaki-tari-si-ni  \  ko-zo-no  farii  \  mukai-ga  iroka-no  fann-ml-uo  koro  \  firo-woka-ga 
rb-zeki-tco  miru-jori  \  kaico-ico  kakusi-te  \  sono  -^  (ba)-ni  klete  |  fiJp  ^  A.  (go-rib-nin)-wo 
ta-suke-si-mo  |  onore  nari-to-wa  \  jo-mo  siri-tamawazi.  Sono  iwtsi  firo-woka-me-ni  torajerare- 
tamal-te  \  kare-ga  ije-ui  owasu-to  kikl-fe  |  ika-de  tori-kajesi-ma-irasen-to  |  firo-iooka-ga  ije-no 
atari  ^  ^  (tsiü-ja)-to  naku  |  nkagai-si-ni  |  omowazn  matsu-ndtsu-ga  fakarai-nite  \  ^  (fai)- 
wo  kojete  ide-tamai-mi .  Miru-jori  uresi-ku  \  se-ni  oi-ma-irase  \  kono  ije-tsikaki  tokuro-made 
on-tomo-tva  itasi-nagara  \  faiva-bito-to  dani  \  jobi-tate-matsnrazu  \  sono  mama  ivakare-ma- 
irase-si  \  onore-ga  kokoro-wo    ^    ^    (sui-satsu)  are-to. 

Sawo-maro  sprach  von  Neuem:  Seit  ich  die  Verhältnisse  kannte,  wollte  ich  die 
Mutter  besuchen.  Indessen  hörte  ich  die  Worte  des  Pflegevaters,  des  Herrn  Funa-nusi, 
und  ich  erfuhr,  dass  zu  dem  Hause  Take-siba  eine  Feindschaft  besteht  und  Misshellig- 
keiten obwalten.  Wenn  ich  mich  also  den  Sohn  Funa-nusi's  o-enannt  hätte,  würde  die 
Mutter  nicht  mit  mir  zusammengetroffen  sein.  Ueberlegend,  ob  ich  es  so  oder  anders 
anstellen  solle,  zersprengte  ich  mir  durch  Jahre  und  Monde  die  Brust.  Im  Frühlinge 
des  vorigen  Jahres,  als  ich  zur  Zeit  der  Blumenschau  der  Berghöhe  Mukai-ga  woka 
die  Gewaltthat  Firo-woka's  bemerkte,  verhtdlte  ich  mein  Gesiclit,  trat  auf  der  Stelle  hervor 
und  kam  euch  Beiden  zu  Hilfe.  Dass  ich  es  war,  werdet  ihr  auf  keine  Weise  wissen. 
Später  hörte  ich,  dass  ihr  von  Firo-woka  gefangen  genommen  wurdet  und  in  seinem 
Hause  euch  befindet.  Um  euch  irgendwie  zurück  zu  bringen,  spähte  ich  um  das  Haus 
Firo-woka's  herum,  zwischen  Tag  und  Nacht  keinen  Unterschied  machend,  als  ihr  un- 
vermuthet  durch  die  Veranstaltung  Matsu-mitsu's  die  Mauer  überstieget  und  herauskämet. 
Erfreut,  euch  zu  sehen,  trug  ich  euch  auf  dem  Rücken  und  begleitete  euch  bis  zu 
einem  Orte  in  der  Nähe  dieses  Hauses.  Dabei  nannte  ich  euch  nicht  einmal  Mutter  und 
trennte  mich  ohne  weiteres.  Schliesset  daraus  auf  mein  Herz. 

Katare-ba  |  faiva-oja  sate-wa  pjf  ^  (rio-do)-no  tdd-me-ivo  sukui-si-ica  j  o-koto-nite  ari- 
keru-ka.  Keö-no  ima-made  sa-iva  sirade  j  kami-fotoke-no  ■yj^  i^  (ke-gen)-ni-ja  \  ari-gataki 
fito-mo  owasi-keri-to  |  ktitsi-72i  tsukete  i-i-tari-si-ga  \  kami-naramt,  mi-tva  oroka-ni-mo  \  misu- 
■viisio  o-koto-ga  se-ni  owarete  \  ivaga  ko-tn  sirade  ari-keru-jo.  O-koio-ga  ^  fkcö)-no  kokoru 
todoki-te  \  keö-no  aja-iiki-wo-mo  \  nogart-si  uje  \  tajete  ßsasi-ki  oja-ko  ^  ^  (kib-dai)  |  tai- 
men-ni  ojobi-nuru-wa  \  keö-no  ^^  0  (ki-iritsi)-no  ^  ^  (sio-rio)-no  sini-be-site  |  tamajeru 
naran-to  \  fawa  sara-nari  \  jama-bito-mo   f^    "i^    (dzi-butsu)-ico    ^    (fai)-site  jorokobi-keri. 

Auf  diese  Worte  erwiederte  die  jMutter:  Also  warst  du  es,  der  mich  zweimal  aus 
der  Gefahr  rettete?  Bis  zu  dem  iieutiji'en  Tage  wusste  ich  es  nicht,  und  wohl  durch 
die  verwandelnde  Umgestaltung  des  göttlichen  Buddha  war  ein  kostbarer  Mensch.  — 
Sie  setzte  noch  hinzu:  Göttlich  wie  ich  nicht  bin,  wurde  ich  in  meiner  Unwissenheit, 
so  dass  ich  es  sali,  auf  deinem  Rücken  getragen  und  wusste  nicht,  dass  es  mein  Sohn 
ist.     Indem    dein    älternliebendes  Herz    dazu    kam,    wurde    ich  auch  aus  der  Gefahr  des 


Die  Geschicete  einer  Seelenwanderusg  in  Japan.  323 

heutigen  Tages  gerottet,  uiul  überdiess  geschah  es,  dass  Mutter  und  Söhne,  älterer  und 
jüngerer  Bruder,  durch  lange  Zeit  getrennt,  einander  begegneten.  Hier  wird  eine  Leitung 
des  heiligen  ßeingeistigen  des  heutigen  Todestages  stattgefunden  haben,  —  Sowohl  die 
Mutter  als  Jama-bito  verehrten  das  ßildniss  Buddha's  und  freuten  sich. 

Scnvo-maro  fawa-no  maje-ni  te-ivo  tsukl-te  \  i-l-kerit-wa  \  kon-nitsi  kore-je  ma-lri-si-wa  1 
fawa-bito-je  onore-ga  nego  mune  sbrb.  Kikosl-mesare-nan-ja-to  ije-ha  \  kaku  na-nori-b  uje- 
kara-ica  ffjf  ^  (sio-zon)  ara-ha  \  nani-goto-mo  katarai-airaaete  \  sikaru-hesl.  Tokio  katari-te 
are-to  ijc-ba  \  saico-maro  namida-ivo  fara-fara-to  nagasi-te  \  onore-ga  i)tio-uto-nite  sbrb  \ 
murasaki-to  mbsu  mono  |  jama-bito-wo  fukaku  sital  |  faru-no  koro-jori  \  jamai-tsuki  \  inotsi-rao 
aja-uku  sbrai-si-ni  \  jb-jaku  kono  goro  |  jamai  ije-gata-ni  nari-te  sbraje-do  ^^>  ^  (ren-bo)-no 
kokoro  jamu  koto-naku  \  si-i-te  jama-bito-no  tsmna-to  naran-to  setsi-ni  omoi-sadamete  sbrb. 
Aware  fawa-hito-no  \  on-  ^  ^^^  (zi-ß)-ni  kono  ^^  ^@  (kon-in)  totonqje-tamaware-ba  \  onore- 
ga  jorokobi-wa  I  moto-jori-nite  |  imo-uto-ga  "^  ^  {fon-mo)  kore-ni  sugizn.  Fita-snra  jurusase- 
tamai-nan-to. 

SaAvo-maro  stellte  vor  der  Mutter  die  Hände  auf  und  sagte:  Dass  ich  heute  hierher 
gekommen  bin,  geschah,  weil  ich  an  die  Mutter  eine  Bitte  habe.  Werdet  ihr  mich  an- 
hören? —  Die  Mutter  erwiederte:  Wenn  du  darüber,  dass  wir  so  die  Namen  genannt 
haben,  noch  einen  Gedanken  luxst,  so  ist  es  angemessen,  dass  du  irgend  eine  Sache  mir 
mittheilest.  Sage  mir  es  schnell !  —  Sawo-maro  vergoss  reichlich  Thränen  und  sagte : 
Meine  jüngere  Schwester,  deren  Name  Murasaki,  hat  zu  Jama-bito  eine  tiefe  Neigung. 
Seit  dem  Frülilinge  krank,  schwebte  sie  in  Lebensgefahr.  Endlich  ging  um  diese  Zeit 
ihre  Krankheit  in  Genesung  über,  docli  ohne  von  der  Liebe  in  ihrem  Herzen  abzulassen, 
ist  sie  entschlossen,  um  jeden  Preis  die  Gattin  Jama-bito's  zu  werden.  Möchte  doch  die 
Mutter  in  ihrer  Güte  diese  Vermälung  zu  Stande  bringen.  Indem  es  meine  Freude  ur- 
sprünglich ist,  geht  der  Wunsch  der  jüngeren  Schwester  nicht  weiter.  Ihr  werdet  es 
allen  Ernstes  erlauben. 

Omoi-itte  negb-ni-zo  |  fawa  sibasi  kasira  katafakete  ari-si-ga  \  musume-gokoro-ni  sika- 
bakari  \  icaga  ko-tvo  kör/i  kokoro-zasi  \  uke-ßkazaru-wa  \  Ä£  ;\a'  (mu-sln)-ni  ni-tare-do  |  tsitsi- 
gimi-no  ^  (jo)-jori  ^  ^  (fu-wa)  nari-si  \  asi-ja-ga  ije-to  ^  (jen)-wo  kumi-na-ba  \  naki 
tsitsi-no  mi-gokoro-ni-ja  somuki-nan.  Tsitsi-gimi  nagaraje-oivad-masa-ba  \  ivare-mo  tomo-domo 
isame-klkojete  \  kono  ^  ^@  (kon-in)  J^  |^  (zib-zm)-sen  jb-ni  \  atsukai  kikojn-be-kere-do 
naki-bito  nari-tamai-nure-ba  \  sen-kata-mo  naki  koto-zo  kasi-to  ije-ba  \  saiuo-maro  una-dzuki- 
te  I  kotoioari-aru,  o-ose-nite  sbrb-to  i-i-isiitstt.  \  fa-tokoro-jori  ^  (fü)-zi-taru  \  fito-fira-no  kamt 
torl-idasi  \  fawa-ga  maje-ni  sasi-oki-te  \  kono  fito-sina-wa  imo-uto-ga  jome-iri-no  \  mijage-no 
Wi  JS  (teo-do)  I  mohi-roku  siruse-si  — •  j^,  Oftstl)-nife  sbrb.  Firai-te  \  go-ran-aru-besi-to  in- 
ni  I  kukoro-jezare-do  |  firaki  mire-ba  \  g  a\  (koku-si)-no  j^  (tsibj-nite  arasoi-si  \  ta  fata-wo 
kaki-taru    ^   (ken)  nari-keri. 

So  bat  er  dringend.  Die  Mutter  neigte  eine  Weile  das  Haupt  seitwärts  und  sagte 
dann :  Dass  ich  dem  Wunsche  in  dem  Mädchenherzen,  meinen  Sohn  in  einem  solchen 
Masse  zu  lieben,  nicht  beistimme,  hat  zwar  Aehnlichkeit  mit  Herzlosigkeit,  doch  wenn 
ich  mit  dem  Hause  Asi-ja,  mit  welchem  seit  den  Zeiten  des  Vaters  eine  Misshelligkeit 
besteht,  ein  Verhältniss  knüpfe,  so  handle  ich  dem  Sinne  des  todten  Vaters  zuwider. 
Wenn  der  Vater  am  Leben  wäre,  so  würde  ich  mit  dir  zugleich  ihm  zureden  und  es 
vermitteln,    dass    diese  Vermälung    zu  Stande    kommt,    da    es    aber    der  Verstorbene    ist, 

so   dürfte  sich  nichts  bei  der  Sache  thun  lassen.   —   Sawo-maro    nickte    mit   dem  Haupte 

■ti* 


^24  Pl'IZMAlKU. 

und  erwiederte:  Es  ist  ein  vernünftiges  Wort.  —  Hiermit  nahm  er  aus  dem  Busen  ein 
gesiegeltes  Blatt  Papier  und  reichte  es  der  Mutter  hin.  Dieser  Gegenstand,  sagte  er,  ist 
ein  Verzeichniss  der  für  meine  jüngere  Schwester  zum  Brautgeschenke  bestimmten  Ge- 
riithe.  Oeffnet  es  imd  sehet  es  an.  —  Als  die  Mutter,  obgleich  die  Sache  nicht  ver- 
stehend, es  ölinete  und  ansali,  war  es  eine  Urkunde,  in  welcher  die  Felder,  um  welche 
man  in  dem  Gerichtshause  des  lieichsvorstehers  gestritten  hatte,  verzeichnet  waren. 

Sawo-maro  natvo  i-i-keru-iva  \  take-siba-no  ije-to  \  asi-ja-no  ije  \  ^  §^  (su-ronj-ni  ojobi- 
si-tva  I  kono  ^  (ken)-ni  sirusi-taru  ta  fata-jori  |  koto-okori-n/i.  Kore-wo  kajesi-ma-irase-na- 
ba  I  naki  tnitsi-gimi-iio  mi-tama-ni-mo  |  ^  f^  (i-kon)-ica  jo-mo  nokosi-tamawazi.  Tokii  konu 
^  (ken)  wosame-ianini  \  imu-nto-ga  negai-ico  kanajete-tamaje-to  ije-ba  \  kuno  ^  fkenj  ivaga 
ijc-ni  kajesi-okoserii-wa  |  so-ko  fitori-nu  kukoro  naru-besl.  ^  ^C  (Jb-fu)-naru  funa-uusi-dono-no  | 
ika-de  kore-wo  jurusu-beki-to  iü-ni  \  saioo-maro  kasira-ico  furi-te  \  ^  "^  (ß>-fi'')~9^  I  ^okoro- 
ni  jttrusazaru-wo  \  ika-de  loatakusi-ni  fakaro-beki.    To-nl  kaku-ni  j  kono  ^  (ken)  u-osame-tamajc-to. 

Sawo-maro  sagte  noch :  Der  Streit,  zu  welchem  es  zwischen  dem  Hause  Take-siba 
und  dem  Hause  Asi-ja  gekommen,  ist  von  den  in  dieser  Urkunde  verzeichneten  Feldern 
ausgegangen.  \\'enn  man  diese  zurückgibt,  bleibt  in  der  Seele  des  verstorbenen  Vaters 
nicht  im  Geringsten  ein  Groll  zurück.  Verwahret  schnell  diese  Urkunde  und  ei-füllet 
den  Wunsch  der  jüngeren  Schwester.  —  Die  Mutter  sprach :  Dass  man  diese  Urkunde 
meinem  Hause  zurückstelle,  dieses  wird  von  deiner  Seite  allein  beabsichtigt  werden. 
Wie  kann  der  Pflegevatei-,  Herr  Funa-nusi  es  zugeben  ?  —  Sawo-maro  schüttelte  das 
Haupt  und  erwiederte:  Was  der  Pflegevater  in  seinem  Sinne  nicht  zugibt,  wie  könnte 
ich  für  mich  allein  es  ausführen  ?  \  erwahret  jedenfalls  diese  Urkunde. 

Si-i-te  ^  "^  (ro-bo)-ga  fu-tokoro-ni  osi-ire  \  omote-no  kata-nl  mukai-te  \  koto  nari-nu 
tokii-toku-to  ije-ba  [  kasiko-ni  matsi-i-tari-to  mijete  |  isi-bama-ga  simo-bito-domo  |  ten-de-ni  sira- 
ki-no  ^  (dai)-ni\kinu  wata  nado  nose-tarii-ivo\utsi-sasage  iri-kite  ^^  (Jen)  saki-ni  narabure- 
ba  I  joinc-no  kimi-no  kosi-to  mijete  \  sidzuka-ni  kaki-kite  \  niica-ni  su-e-tari.  Fawa-mo  jama- 
bito-mo  I  kokoro-narazu  |  amari-ni  niwaka-no  jome-iri-jo-to  j  tada  awatete  utsi-mamoru.  Toki-ni 
kosi-no  to-ivo  ßraki-te  \  tatsi-idzuru,  fito-too  mire-ba  \  omoi-mo  joranu  asi-ja-no  funa-nusi  nari. 
Kasira-ni  fukuro-no  e-bo-si  utsi-kite  |  mi-ni-wa  nuno-no  kata-ginu  kite  \  joroboi-tsutsu  \  -^ 
(jen)-ni  agare-ba  \  faica-mo  jama-bito-mo  odoroki-te  \  mata  ika-naru  [^  ^  (kiö-zi)  ide-ki- 
nu-van-tü  \  mune  todoroki-te  ma.mori-wori. 

Er  schob  es  mit  (lewalt  in  den  Busen  der  Mutter,  wendete  sich  dann  nach  der 
Aussenseite  und  rief:  Es  ist  gescliehen !  Schnell,  schnell!  —  In  diesem  Augenblicke 
kamen  Diener  aus  Isi-bama,  welche  dort  gewartet  zu  haben  schienen,  in  den  Händen 
auf  ein  Gestell  von  weissem  Holze  gelegte  Seidenstoffe  und  Baumwolle  darreichend, 
herein  und  legten  diese  Gegenstände  vor  dem  \  orliause  reihenweise  hin.  Zugleich  kam 
man  in  der  Stille  mit  einer  Sänfte,  welche  diejenige  der  ScliAviegertochter  zu  sein  schien, 
und  stellte  sie  in  dem  Vorhofe  nieder.  Die  3Iutter  und  Jama-bito,  sich  denkend:  Wider 
unseren  Willen  ein  zu  plötzlicher  Einzug  der  Braut!  waren  nur  beunruliigt  und  beob- 
achteten. Als  man  jetzt  die  Thüre  der  Sänfte  öffnete  und  sie  den  Heraustretenden  sahen, 
Avar  es  der  von  ilmen  nicht  erwartete  Funa-nusi  von  dem  Geschlechte  AsI-ja.  Derselbe 
trug  auf  dem  Haupte  eine  sackartige  schwarze  Kappe,  an  dem  Leibe  ein  Schulterkleid 
aus  Tuch  und  stieg  wankend  zu  dem  ^  orhause  empor.  Die  JMutter  und  Jama-bito  waren 
erschrocken,  und  in  dem  Gedanken,  was  für  ein  Unglück  hier  entstanden  sein  werde, 
harrten  sie  mit  klopfendem  Herzen. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  325 

Jome-no  kiini  ,die  Gebieterin,  die  Schnur'  bedeutet  einfach  ,Schwiegertochter'. 

Funa-nusi  ^  "^  (ro-boj-no  kata-ni  mukai-te  \  u-aga  musume  \  kon-nitsi  si-i-te  ^  ^@ 
(kon-in)-no  — ■  f^  (itsi-deo)  \  saico-maro-ico  motte  sakl-ni  mbsi-ire-taru-ni  |  tike-ßki-tamo/wari- 
si  josi  Vf^  ^  (man-zohh)-si-tsii.  Jama-hito-ni-mo  ima-jori-ioa  \  kore-made-no  urami-ico 
nokosazu  \  nagara  ^  |^  (siu-tsin)-no  katarai-site  tabe-to  iü-nl  |  ^  -^  (ro-bo)  susumi- 
idete  \  musa-ba  ^  ^  (ß'fa)  — "  "E  (isse.)-no  iwai-goto-ni  sbrb-ivo  \  kojomi  dani  mizu  \  fi- 
dori-iüo-mo  jerabazu-site  \  niwaka-ni  me-ivoto-no  sakadzuki  sen-wa  \  karii-garu-sikii,  \  ßto-ino 
modoki-sbrai-nan  \  anata-nite-mu  \  sonu  ^  ig;  (ju-i)-si-sbraicaa  maraa  |  ^  0  (kltsi-nitsi)- 
■100  jerabi-tamai-te  \  konata-je  okuri-tamai-nan-to  iü-wo  |  funa-mcsl  kiki-mo  ajezn  \  oi-no  mi-wa 
kokoro-mizikaku  |  waka-kari-si  toki-no  gotoku  \  nodoka-ni  mono-ivo  matsii-ni  tajezu  \  tnda-ima 
kore-nite  \  ^  ^  (fv-fu)-no  sakadzuki  \  tori-kaicasase-tamaivaru-besi-  \  to  i-i-tsutsu  \  fii-tokoro- 
jori  ßto-tsu-no  "^  j{^  (i-fO'i)  tori-idasi-te  \  jama-bito-ga  soba-ni  oki-te  \  kono  '\^  j{^  (i-fai)- 
no  jome-no    kimi-je  \  toka-toku   sakadzuki   sasi-te  tabe-to  \  i-i-sasi-te  \  ko-e-u-o  agete  naki-idasu. 

Funa-nusi  wendete  sich  zu  der  Mutter  und  sprach:  Meine  Tochter  hat  durch  Sawo- 
maro  vorhin  angemeldet,  dass  heute  um  jeden  Preis  ihre  Yermälung  sein  solle.  Dass  ihr 
eingewilligt  habt,  gereicht  mir  zur  vollkommenen  Befriedigung.  Indem  gegen  Jama-bito 
von  nun  an  nicht  der  Groll,  den  ich  bisher  hatte,  zurückbleibt,  möget  ihr  das  Gespräch 
des  hellrothen  Lagers  halten.  —  Die  Mutter  trat  vor  und  sprach :  So  zu  sagen,  ist  es 
die  Feier  eines  o-anzen  Geschlechtsalters  für  Mann  und  Weib.  Wenn  man.  ohne  selbst 
in  den  Kalender  zu  sehen,  ohne  die  Wahl  des  Tages  vorzunehmen,  plötzlich  den  Becher 
von  Mann  und  Weib  reichen  wollte,  so  wäre  dieses  leichtfertig,  und  auch  die  Menschen 
würden  Ausstellungen  machen.  Möget  ihr  dort,  während  ich  die  Vorbereitungen  treffe, 
einen  glücklichen  Tag  wählen  und  das  Mädchen  hierher  schicken.  —  Ohne  sie  ganz 
anzuhören,  entgegnete  Funa-nusi :  Ich  der  alte  Mann  bin  kurz  entschlossen.  Gleichwie 
zur  Zeit  meiner  Jugend,  ertrage  ich  es  nicht,  ruhig  auf  etwas  zu  warten.  Eben  jetzt 
sollt  ihr  hier  den  Becher  des  Mannes  und  des  Weibes  wechseln  lassen.  • —  jMit  diesen 
AVorten  nahm  er  aus  dem  Busen  eine  Todtentafel,  stellte  sie  an  die  Seite  Jama-bito's 
und  sprach :  Reichet  der  Schwiegertochter,  dieser  Todtentafel  schnellstens  den  Becher ! 
—  Kaum  dass  er  dieses  gesagt,  brach  er  in  lautes  Weinen  aus. 

Jama-bito  ijo-ijo  kokoro-mo  jezu  \  ika-ni-ika-ni-to  |  iro-wo  kajete  toje-ba  i  sawo-maro  kare- 
taru  ko-e-wo  agete  \  imo-uto-v:a  \  icototsui-no  jo  mi-dzukara  kubirete  ^  (si}-si-tsuru  faja-to 
iü-ni  \  jama-bito  tamasi-i  usuru  bakari-ni  nari-te  |  nani-goto-no  ari-te  ^  (si)-sl-taru-zo-to  \ 
mi-wo  furuwasi-te  \  sawo-maro-ga  kata-ni  jore-ba  \  funa-nusi  namida-wo  kaki-nogoi-te  \  i-fai- 
loo  totte  I  utsi-nagame  i-i-keru-iva  \  -\^  ^  ^  (ziü-jo-nen)-no  kono  tosi  tsuki  \  faru-no  fana 
aki-no  tsuki-ni-vio  kajete  \  te-no  utsi-no  tama-to  omoi-te  \  itsukusinii  sodate-tsuru-ni  \  faka-naku 
mi-fate-nu  juvie-to-wa  nasi-tsu.  Joku  omoi-megurase-ba  ^  ^(kua-fbj  tsuta-naki  umare  nari-keri. 
Kokoro-figami-si  furu-okina-ga  |  osi-tatsi-te  nonosiri-si-ii:o  \  urame-si-ge-naru  kawo-mo  sede  | 
suga-suga-tü  fe-ja-je  iri-tari-si-ga  \  mune-ni  amari-te  \  jama-bito-ni  sowareyiu  koto-to  \  omoi- 
tsumete  inotsi  sute-tstiru  kawajusa-jo.  Sa-bakari-ni  omu-to  siraha  \  magete-mo  jurusu-be-kari- 
si-wo  j  nandzi-ga  fawa-no  loare-ivo  semete  \  7nusume-ga.  inotsi  ikeie  kajese-to  loare-wo  nono- 
siru  tabi-tabi-ni  kimo-ni  kotaje  fone-ni  towori-te  \  ^  fl^  (go-zb)  -^  ^  (roku-fu)-mo  na- 
masu-to  nari-nu.  Geni-geni  ^  jl]  (so-zan)-no  masira-no  fara-wata-mo  j  kakaru-ni  koso-to 
omoi-siri-ki.  Wakaki  musume-wo  saki-datase  |  oi-sarabojeru  sire-mono-no  \  Jh^  (jo)-ni  moko- 
joi-te  I  nani-ka  sen-to. 


onü  IFIZMAIER. 

Jama-bito,   es  noch   immer  niclit   verstehend,   fragte,   indem  er  die  Farbe  veränderte: 
"Wie  ist  es?  wie  ist  es?  —  Sawo-maro  erwiederte  laut  mit  heiserer  Stijnme :  Die  jüngere 
Schwester  hat  sich  vorgestern  Nacht  erhängt  und  ist  todt!  —  Jama-bito  wurde  wie  Einer,  dem 
die  Seele  entfährt,  und  rückte  mit  den  AV orten:  Was  ist  geschehen,  dass  sie  gestorben  ist?  und 
am  Leibe  zitternd,  an  die  Seite    Sawo-maro's.     Funa-nusi,    die  Thränen  trocknend,  nahm 
die  Todtentafel,    richtete    die  Blicke    darauf   und    sprach:    Vierzehn  Jahre,    durch  Jalire 
und    Monde    dieser    Zeit    setzte    ich    sie    an   die    Stelle    der    Blumen    des    Frühlings,    des 
Mondes   des   Herbstes,    ich  hielt  sie  für  einen  Edelstein  in  der  Hand  und  zog  sie  liebe- 
voll   auf.     Da    machte    ich    sie    zu    einem    Traume,     der    wesenlos    vor    dem    Auge    ver- 
schAvand.     Als    ich    es    gut   in    Gedanken    erwog,    war  sie  eine  ungeschickte  Geburt  der 
Vero-eltuno-    für  Böses.     Ich    der    Greis  von   verderbtem  Herzen  fuhr  auf  und  schalt  sie. 
Mit  einem  Angesichte,  in  welchem  sich  kein  Groll  zeigte,  trat  sie  ruhig  in  das  Gemach. 
In    ihrer    Brust  war    es    zu    viel.     In    die    Gedanken    sich    zwängend,    dass    sie    nicht  an 
Jama-bito  geschlossen,  warf  sie  das  Leben  weg,  o  Leid!  Wenn  ich  gewusst  hätte,    dass 
sie  so  denkt,    würde  ich  es  schlechterdings   bewilligt  haben.     Deine  Mutter  stellte  mich 
zur  Rede  und  sagte:    Bringe  die  Tochter  in's  Leben  zurück!  —  Sie  schalt  mich,    und  es 
durchbohrte    mir    oftmals    die  Leber,   drang    in    die    Knochen,    die  fünf  Eingeweide,    die 
sechs    Kammern    wurden    Gehacktes    von    Fischen.      Li    Wahrheit    erkannte    ich    in    Ge- 
danken,   dass    die    Eingeweide    des    Affen    der  Berge    von    Thsu    so   seien.      Der    ich  das 
junge  jMädchen  mir  vorangehen  Hess,  ich  der  alte  hinfällige  Thor,  wozu  soll  ich  in  der 
Welt  umherkriechen  ? 

I-fai-ivo  tsu-to  mi-ni  sojete  \  izatsi-naki-taru  J^  (tsi)-no  namida-wa  \  aki-no  mi-jama-no 
momidzi-ha-wo  \  si-gure-no  soiimru-ni  koto-narazu.  Jama-Uto-iüa  tada  idsi-fusi-te  \  kawaju-nn 
fito-no  kokoro-ja  \  kata-mi-ni  aioan-to  tsigiri-ni-si  \  asa-karami  kokoro-zasi-mo  \  asa-kitsa-no 
be-no  tsuju  hakari  \  koto-mo  kawasade  \  ivakare-te-ki.  Nawo  korizu-ma-ni  sinohi-tsutsu  \  uki- 
wo  mija-to-no  kaiva-dzura-ni  \  asi-ivake  wo-lmne  omowazu-mo  |  tsuna-de-to  toino-ni  \  tama-no 
wo-no  I  taje-fate-si  koso  kanasi-kere  tote  \  ko-e-mo  sozoro-ni  naki-i-tari.  Rb-ho-mo  tomo-ni 
sode-uxi  sihori-te  I  saru  ma-koto-aru  kukoro-zasi-wo  \  momo-ga  fito-tsu-mo  \  satori-na-ba  \  mata 
sen-kata-mo  aru-be-kari-si-ni  \  ito-ivosi-no  mi-no  fate-ja  tote  \  i-fai-tvo  totte  \  ^  Jg  (Mäsu- 
dan)-ni  su-ure-ba  \  jama-bito  tatte  namida-nagara  j  kana-mari-ni  midzti-wo  tataje  \  ^  '^  (kb- 
ro)-ni  htjurasu  .fito-taki-no  \  kefuri-no  sii-e-mo  natS2ikasi-to  \  muse-knjere-ba  \  faica-ojn-tva  ^ 
kaku  mismvo-aru  jome-no  kimi-ni  \  si-uto-me-jo-to  \  kasidzukarete  \  uma-zo-wo  umasete  mi-masi- 
ka-ba  \  ika-bakari  uresi-karamasi-wo  \  tvaraiva-ga  sidcu-se  koso  tsuta-na-kere-to  \  mata  vtsi- 
fusi-te-zo  naki-ni-keru . 

Indem  er  die  Todtentafel  an  den  Leib  legte,  waren  die  blutigen  Thränen,  welche 
er  schmerzvoll  weinte,  nicht  anders  als  ob  die  Ahornblätter  des  herbstlichen  tiefen 
Gebirges  der  Rieselregen  färbte.  Jama-bito,  nur  zu  Boden  liegend,  rief:  O  Herz  des 
geliebten  Menschen!  In  dem  nicht  seichten  Vorsatze,  mit  dem  sie  den  Bund  gegen- 
seitiger Vereinigung  schloss,  die  Sache  der  Seite  von  Asa-kusa  nicht  im  Geringsten 
ändernd,  trennte  sie  sich.  Noch  immer  nicht  abgeschreckt,  es  geheim  haltend,  war  sie 
bekümmert.  Auf  der  Oberfläche  des  Flusses  der  Palastthüre,  auf  dem  das  Schilfrohr 
zertheilenden  kleinen  Schiffe,  wurde,  ohne  dass  sie  es  dachte,  zugleich  mit  dem  Seile 
die  Edelsteinschnur  zerrissen,  es  war  traurig!  —  Dabei  weinte  er  unwillkürlich  mit 
lautem  Tone.  Auch  die  Mutter  presste  zugleich  den  Aermel  aus  und  sagte:  Wenn  ich 
ein    so    walirhaftiges  Vorhaben,    nur    einen  Theil  von  hundert,    geahnt  hätte,    wäre  noch 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderüng  in  Japan.  327 

ein  Mittel  gewesen.  O  das  Ende  der  Bedauerliclien !  —  Hiermit  nahm  sie  die  Todten- 
tafel  und  legte  sie  auf  den  Altar  Buddha's.  Jama-bito,  sich  erhebend,  füllte  unter 
Thränen  die  metallene  Schale  mit  Wasser  und  schluchzte  in  dem  letzten  Rauche  des 
Weihrauchs,  den  man  in  dem  ßauchfass  brannte,  voll  von  Sehnen.  Die  Mutter  sprach: 
Von  einer  in  solchem  Masse  an  den  Grundsätzen  festhaltenden  Schwiegertochter  als 
Schwiegermutter  geehrt ,  wenn  ich  gesehen  hätte ,  dass  sie  einen  Enkel  zur  Welt 
bringt,  wie  voll  von  Freude  wäre  ich  gewesen !  Meine  frühere  Welt  wird  nur  ab- 
ffeschmaclct  gewesen  sein.  —  Dabei  lag  sie  ebenfalls  zu  Boden  und  weinte. 

Su-ure-ba  ist  so  viel  als  su-ere-ha,   wobei  su-u    (X    $')    der  Lautübergang    von    su-e 
(X    3!  )    , hinlegen'. 

Sawo-maro  namida-no  siide-ico  farai-te  \  hno-uto-ga  ^  (si)-seru-wa  kui-te  kajerazu  \  jama- 
hito-fja  tsuma-to  nari.  ^  ^^  (Ko-ke)-no  ^  ^  (kit^-jo)  nkuru  uje-ica  \  kare-ga  jorokobi 
kore-ni  sugizu.  Kono  uje-ioa  tatsi-kajeri  \  no-be  okuri-site  \  -ti  V  (sitsi-sitsi)-no  ^  ^  (tsui- 
zenj  ^  ^  (do-kib)  itonami-nan-to  ije-ba  \  funa-nusi  kasira  utsi-furi  |  uki-jo-no  ^  (jokuj- 
ni  I  kakadznrai  \  take-siba-no  ije-to  ^  5(«P  (fu-ica)-to  nari.  Mnsume-ivu  saje  n.sinai-si-wa  \ 
korumu-no  ura-no  tama-ico  dani  \  mi-siranv.  /t.  ^  (bon-btij-no  ^  :^  |^  (zen-tsi-siki)  nare. 
Ima-jori  ^  [g  (sio-kokv)-ivo  fe-megural  \  kore-made  tsukuri-si  fp  1?^  (zai-siu)  f^  ^ 
Cseö-metsu)  \  katsu-wa  musume-ga  bo-dai-no  tarne  \  }^  ~f»  (ziu-ge)  ^  J;l  (seki-zio)-wo 
jado-to  nasi  |  t4  1^  tT  ^  (to-sö-an-gia)-no  mi-to  nari-te  \  ^  ^  (ko>i-jo)-no  ^  ^^ 
(ku-genj-wo  tasukaran-to  \  tote  jö-i-si-tsu.  Köre  mite  are-do  \  fukiiro-no  e-bö-si  tori-sute  \  migi- 
no  kata-ico  osi-nuge-ba  |  itsu-no  ma-ni  sori-kobotsi-ken  \  maro-gasira-naru  ßziri-no  sama-nite 
sumi-zome-no  korotno-ico-zo  ki-tari-keru. 

Sawo-maro,  den  bethränten  Aermel  trocknend,  sprach:  Dass  die  jüngere  Schwester 
gestorben  ist,  lässt  sich  durch  Reue  nicht  ändern.  Sie  ist  die  Gattin  Jama-bito's.  Da 
sie  zudem  das  Opfer  der  wohlriechenden  Blumen  empfängt,  geht  in  ihrer  Freude  nichts 
darüber.  Ich  werde  ausserdem  zurückkehren,  sie  zu  dem  freien  Felde  begleiten  und 
die  siebenmal  sieben  Todtenopfer  und  das  Lesen  der  heiligen  Bücher  bewerkstelligen.  — 
Funa-nusi  schüttelte  das  Haupt  und  sagte :  Von  dem  Begehren  der  vergänglichen  Welt 
befangen,  lebte  ich  mit  dem  Hause  Take-siba  in  Unfrieden.  Dass  ich  selbst  die  Tochter 
verlor,  hier  bin  ich  wohl  der  gut  Wissende  und  Kennende  als  gemeiner  Mann,  der  nicht 
einmal  den  Edelstein  des  Futters  des  Kleides  kennt.  Von  nun  an  werde  ich  die  Reiche 
durchwandern,  die  Hindernisse  der  Verbrechen,  die  ich  bisher  beging,  tilgen.  Einst- 
weilen werde  ich,  um  des  Seelenheiles  der  Tochter  willen,  imter  Bäumen,  auf  Felsen 
mir  ein  Nachtlager  suchen,  ein  umherziehender  Bonze  werden  und  gegen  die  Leiden 
der  künftig-en  Welt  Hilfe  schaifen.  —  Mit  diesen  Worten  machte  er  sich  bereit.  Ob- 
gleich  hier  Leute  waren,  welclie  es  sahen,  warf  er  die  sackartige  Kappe  weg  und  ent- 
blüsste  die  rechte  Schulter.  Man  mochte  ihm  zu  irgend  einer  Zeit  das  Haupthaar  ge- 
schoren haben.  Von  Gestalt  ein  rundköpfiger  Heiliger,  hatte  er  ein  mit  Tinte  gefärbtes 
Kleid  angezogen. 

Sawo-maro  mukai-tatsi-te  |  kotowari-aru  go-  |^  i^  (fossin)  nagara  \  amari  )/C  ^ 
(kua-kiüj-no  on-ide-tatsi  nari.  Semete  imo-uto-ga  -\^  V  (sltsi-sitsi)-no  ^  ^  (fö-zl)-no 
itonami  siigusi-te  notsi  \  tabi-datsi-tamawan  koto  oso-karazi.  On-tomo-ni  makaran-zuru  mono- 
'^'^  \  '^  ^  (si-taku)  ^  ^  (jv-i)-mo  totonoii-azi-to  ije-ba  \  ^  fjoj-ivo  siäe-fatete  idzuru 
mono-no  \  nan-deö  tomo-tco  ^  (git)-su-beki.  Ije-ni  kajeri-te  j  ^  ^  (ß-~')  i^  (siu)-se- 
jo-to-iva.    I   kotowori-naru    kotoba    nagara   \    saru-ioa    oja-no    kokoro-ivo   si-mo  sircnm  nari-keri. 


328  Pfizmaier. 

Wakaki  mono-wo  saki-ni  tatete  \  mame-jaka-narn.  katvo  is7iknri-fe  \  ika-dr  f^  '^  (dzi-hutsu)- 
no  ^  ^  (fon-zon)-wo-ino  \  mi-tate-matsuru-heki.  Kokoro-no  jami-no  tado-tado-si-sa-iva  \ 
kaki-kurasi-te  |  ije-dzi-mo  sirene-ha  \  kajeran  koto-wa  omoi-mo  jorazii.  \  koiio  mama  sugu-ni 
'S  ^  (kotsu-ziki)-site  \  to^coki  no-jama-no  tsuju-simo-ni  sohotsi  \  ame-kaze-ni  mi-iuo  sarasi-te 
^  ^  (kan-nan)  ^  ^  (sin-kn)-si-taran-tca  \  kono  mi-no  toga-wo  musume-me-ni  \  aganb 
tame-zo-io  |  i-i-sasi-te  fana  iitsi-kamu-mo  aicare  nari. 

Sawo-maro  stellte  sich  vor  ihn  und  sagte:  Bei  eurer  vernünftigen  Bekehrung  ist 
ein  zu  hastiges  Vorgehen.  Wenn  man  wenigstens  die  siebenmal  sieben  vorschrift- 
mässigen  Dinge  für  die  jüngere  Schwester  verrichtet  haben  wird,  ist  es  noch  nicht  zu 
spät,  die  Eeise  anzutreten.  Die  Leute,  welche  mit  euch  fortziehen  werden,  sind  mit 
ihren  Vorbereitungen  nicht  fertig.  —  Jener  erwiederte :  Wozu  sollte  Jemand,  der  ganz 
auf  die  Welt  verzichtet  und  austritt,  Begleiter  mitnehmen?  Dass  ich  in  das  Haus 
zurückkehren  und  die  vorschriftmässigen  Dinge  üben  möge ,  sind  zwar  vernünftige 
Worte,  doch  man  gerieth  auf  diese  Weise  in  Unwissenheit  über  das  Herz  des  Vaters. 
Die  jungen  Leute  voranstellend,  eine  aufrichtige  Miene  erkünstelnd,  wie  könnte  ich  dem 
ursprüngliclien  Geehrten  des  Buddhatempels  die  Blicke  zuwenden?  Bei  dem  Tappen  in 
der  Finsterniss  des  Herzens  zu  der  Nacht  gelangt,  erkenne  ich  nicht  den  Weg  nach 
Hause.  Ich  werde,  ohne  an  die  Heimkehr  zu  denken,  unterdessen  betteln,  auf  den 
freien  Feldern  und  in  den  Gebirgen  von  Thau  imd  Reif  befeuchtet,  dem  Regen  und  dem 
Winde  den  Leib  aussetzend,  Ungemach  und  bitteres  Leiden  ertragen.  Es  ist,  um  für  meine 
Sünden  vor  den  Augen  der  Tochter  zu  büssen.  —  Hiermit  bi-ach  er  weinend  in  der 
Rede  ab,  es  war  traui'ig! 

VH'r  "JT  (Fana-utsi)-kamu  hat  die  Bedeutung  ,weinen'.  Die  eigentliche  Bedeutung 
ist :  mit  der  Hand  die  Feuchtigkeit  der  Nase  entfernen.     Man  sagt  sonst  fana-kamu. 

Kakaru-ni  sumi-nawa  saki-ni  tatsi-te  ]  viatsu-mitsu-ni  mono-moiase  \  su-no  ko-ni  nohori- 
te  I  funa-nusi-ni  mukai-te  ijeru-wa  |  go-  |^  t(^  (fossin)-no  uje  j  ^  ^  (sio-koku)  go-  f^  ^ 
(siu-gio)-to  vke-tamaicari  \  on-ifoma-goi-nu  tarne  \  ma-iri-te  surb-to  i-i-fsutsio  |  fu-tokoro-jori  \ 
fsi-isaki  "^  ^  (mi-dzu-si)  iori-idasi-te  \  kore-ica  "i^  f^  (sessaku)-ni  soraje-domo  ]  (^  ^^ 
(gu-ma)-no  ^  (zu)-nite  oicasi-mase-ha  \  "^  \^  (to-tsiüj  ^  ^  (an-icon)-no  on-inori-ni 
moto  I  tate-matsuru  nari-to  |  sasi-idase-ba  \fwna-nud  amata-tahi  itadaki-te  \  fori-irosame-mi,. 

In  diesem  Augenblicke  trat  Sumi-nawa  vor.  Indem  er  sich  von  Matsu-mitsu  etwas 
tragen  Hess,  stieg  er  zu  der  Flurmatte  empor  und  sagte  zu  Funa-nusi:  Ich  habe  gehört, 
dass  ihr  zu  eurer  Bekehrung  in  den  Reichen  euren  Wandel  ordnet  und  bin  gekommen, 
von  euch  Abschied  zu  nehmen.  —  Dabei  nahm  er  aus  dem  Busen  ein  kleines  Buddha- 
bild und  saffte :  Dieses  ist  zwar  ein  ung-eschicktes  Werk,  doch  da  es  eine  die  Dämonen 
zur  Unterwerfung  bringende  Gestalt  ist,  so  mache  icli  es,  damit  ihr  auf  dem  Wege  bei 
dem  Beten  sicher  seid,  zum  Geschenke.  —  Hiermit  reichte  er  es  hin.  Funa-nusi  erhob 
es  oftmals  über  das  Haupt  und  verwahrte  es. 

Sumi-nawa  niata  matsu-mitsu-ni  motase-si  tsntsumi  maje-ni  sn-e-sasete  \  mata  ijeru-iva 
kore-wa  onore  koto-ni  kokoro-wo  komete  \  tsukuri-idase-si  '^  '^  (bokkuakn)  nari.  -^  ^ 
(Tsib-do)-ni  tsukare-tamawan  toki  |  kono  ts?ir?i-ni  nori-tamaioa-ha  \  tada-ni  fa  utte  tohi-jukan- 
ni-wa  j  ^  ^  (ten-dziku)  ^  _0  (sin-dan)-ni-mo  itari-nu-hesi-to  \  tsutsumi-ivo  toke-ha  |  ki- 
dzukuri-nagara  |  sa-nagara  ikern  gotoku-nite  \  geni-geni  fifo-tabi  tsubasa-ioo  firoge-ba  \  j^  ^ 
(ko-ku)-ni  fi-iran  sama  nari-keri. 


Die  Geschkhte  einer  Seelenwanderüsg  in  Japan.  329 

Sumi-nawa  liess  noch  den  Bündel,  den  er  durch  Matsu-mitsu  ti-agen  Hess,  vor  ihn 
hinlegen  und  sagte :  Dieses  ist  ein  von  mir  auf  besonders  tiefsinnige  Weise  verfertigter 
hölzerner  Kranich.  Wenn  ihr  auf  dem  langen  Wege  ermüdet  seid  und  diesen  Kranich 
besteiget,  so  wird  er  sofort  mit  den  Flügeln  schlagen  und  entfliegen.  Er  kann  dabei 
auch  nach  Indien  und  China  gelangen.  —  Hiermit  löste  er  den  Bündel  auf.  Oboloich 
aus  Holz  verfertigt,  war  dieser  Kranich  gerade  so,  als  ob  er  lebte.  Er  sah  in  Wahrlieit 
aus,  als  ob  er,  wenn  er  einmal  die  Flügel  breitete,  hoch  in  die  Luft  fliegen  würde. 

Sawo-maro  totte  ßtai-ni  sasage  \  mitsi-no  isukare-ivo  luasihren-wa  \  kore-ni  masu-hcki  | 
fana-muke-mo  sbrawazi-to  \  tsuru-wo  totte  sasi-idase-ba  \  funa-nusi  sumi-nawa-ni  titsi-mnkai  \ 
ica-f/imi-no  }$.  ^  (kö-ij  ||j'  (sia)-su-heki-ni  kotoha  nasi.  Sare-do  ^  ^fC  (nn-sni)-no  mi- 
ni-wa  j  — ■  ^  (ijopatsu)  — •  Z^  (itsi-jej-nife  koto-tari-nan.  ^5  ^  (Zia-foJ  ^  ^q  (gen- 
ziütsuj-no  ^\>  ^  (ge-db)-no  ^j]j  (si)  nari-tu  ntagawaren-mo  kokoro-gurusi.  Sikasi  ^ff  ^ 
(sekkaku)-no  tama-mono  nare-ha  \  saico-maro-ni  judzuri-atajete  \  nagaki  ^^  fjoj-no  takara-to 
sase-ten.  Sairo-maro  joku  kokoro-ivo  motsi-i-te  \  ije-wo  wosamete  \  jama-hito-to  kio-dai-no  si- 
tasi-mi  \  usinawazare  ivaga  ivaka-kari-si  toki-ni  narai-te  \  fito-to  takara-iüo  arasoi-te  1  mu- 
jaku-no  tsumi-wo  tsukuru-he-karazih.  Idzure-mo  ^  ^  {ken-go)-ni  ^  (jo)-ico  sugosa7'e-jo. 
Sawo-maro  nahm  ihn,  erhob  ihn  zu  der  Stirne  und  sagte:  Wenn  man  die  Müdig- 
keit auf  dem  Wege  vergessen  will,  kann  es  kein  besseres  Reisegeschenk  geben  als 
dieses.  —  Hiermit  reichte  er  den  Kranich  hin.  Funa-nusi  sprach  zu  Simii-nawa:  Um 
euch  für  eure  edle  Absicht  zu  danken,  habe  ich  keine  AVorte.  Ich  ein  Wolkenwasser 
werde  jedoch  mit  einer  Schüssel  und  einem  Kleide  zufrieden  sein.  Wenn  man  mich 
im  Verdachte  haben  sollte,  dass  ich  ein  Meister  des  äusseren  Weges  der  verderbten 
A'orschrift,  der  Zauberkunst  bin,  so  wäre  mir  dieses  im  Herzen  peinlich.  Da  es  jedoch 
ein  Geschenk  ist,  auf  welches  grosse  Mühe  verwendet  wurde,  so  werde  ich  es  an  Sawo- 
maro  abtreten,  es  ihm  geben  und  zu  einer  Kostbarkeit  der  langen  Zeitalter  machen 
lassen.  Sawo-maro  nehme  gut  seine  Gedanken  zusammen,  bestelle  das  Haus  und  lasse 
gegen  Jama-bito  die  Freundlichkeit  zwischen  Brüdern  nicht  ausser  Acht.  Er  darf  das 
nutzlose  A^erbrechen  des  Streitens  mit  den  Menschen  um  »Schätze,  woran  ich  zur  Zeit 
meiner  Jugend  gewöhnt  war,  nicht  begehen.  Verbringet  alle  in  Festigkeit  das  Zeit- 
alter ! 

Sara-ba-to  bakari  \  i-i-sutete  \  tatsi- iden-to  suru  ivori-kara  \  omote-no  kata  scucagasi-ki- 
wo  I  fito-bito  odoroki  mite  are-ba  \  i-zen-no  firo-woka  \  tatsi  nuki-kazasi  \  nure-sobotsi-taru  ko- 
romo-no  uje-ni  j  ta-suki  fiki-jui  fasiri-iri-te  |  3^  ^  (dai-on)-ni  i-i-keru-ica  \  midzu-ni 
otsi-taru  ^  ^  (fb-tb)-sen-to  |  futa-tabi  koko-ni  kite  mire-ba  j  matsu-mitsu-me-mo  kitarerii- 
jo.  Onore-ra  fi-goro-no  u-aga  nrami  |  nade-giri-ni  site  kuren-to  |  tatsi  firri-agete  utte  iru- 
wo  I  sawo-maro  je-tari-to  kai-kuguri  \  tatsi-wo  ubai-te  \  firo-icoka-ga  jeri-moto-ico  tsukande  \ 
fiza-ni  fiki-su-ete  |  ko-jatsii,  onore-ga  tsumi  onore-ivo  semuru-to  iti  koto  siranu  J^  (nin)  ^  ^ 
(fi-nin)-me  |  ike-oka-ba  jo-no  fito-no  ?trei-to  naran-to. 

Er  sagte  nur  noch  das  Wort :  Lebet  wohl !  In  dem  Augenblicke,  als  er  aufbrechen 
wollte,  entstand  an  der  Aussenseite  Lärm.  Als  die  Menschen  erschi-ocken  hinblickten, 
war  es  der  frühere  Woka-maro.  Derselbe,  das  gezogene  Schwert  vor  das  Gesicht  hal- 
tend und  über  das  benetzte  Kleid  ein  Tragband  gebunden,  lief  herein  und  rief  mit 
lauter  Stimme  :  Um  micli  für  den  Fall  in  das  Wasser  zu  rächen,  nochmals  hierher  ge- 
kommen, sehe  ich,  dass  auch  der  schändliche  Matsu-mitsu  gekommen  ist  !  Ihr  sollt 
meinen  durch  Tage  genährten  Hass  als  einen   streichelnden  Hieb  empfinden.   —  Hiermit 

Denkschriften  der  pliil.-hist.  C'l.  XXVI.  BJ.  .  42 


330 


l'i'IZMAlEK. 


erhob  er  das  Schwert  und  wollte  einhauen.  Sawo-maro  bückte  .sicli  rechtzeitig,  entriss 
ihm  das  Schwert  und  Firo-woka  beim  Kragen  fassend,  zog  er  ihn  auf  die  Knie  nieder. 
Er  rief:  Dieser  Mensch  ist  ein  NiclitswQrdiger,  der  das  Wort:  ,Das  eigene  Verbrechen 
züchtigt  uns'  nicht  kennt.  Wenn  ich  ihn  am  Leben  lasse,  wird  es  für  die  Menschen  der 
Welt  ein  Kummer  sein. 

I-i-sama  |  katana  tori-aguru-wo  \  sumi-nawa  sibasi-to  usi-fodoniete  \  ki-jatsu  ^  ^  (fjoku- 
ckiü)-no  ^  \  (aku-nin)-to  ije-domo  \  miirasakl-tovo-no  \  JE  (si)'Si-tamai-te  \  iniada  ^  jä| 
(su-suj-7nu  togerarezu.  Katsu  tsitsi-gimi-no  \^  ff  (si?t,-gw)-Jiu  kado-ide-to  i-i  \  kono  ije-mo 
4q  J^  (sen-zln)-ni)  ^  0  (ki-nitsi)-to  saje  uke-tamaioare-ba  \  korosl-tamawan  koto  \  kata- 
gata-ni  tsuki-te  Jf  ^  (fu-hin)  nari.  Sare-du  kaku-no  gotoki  mono  \  kono  atari-ni  tatsi- 
megura-ha  \  ika-naru  ata-iva  tsuka-matsuri-ten.  Josi-josl  icare-nl  joki  fakari-goto  ari-to. 

Dieses  sagend,  erhob  er  das  Schwert.  Sumi-nawa  hielt  ihn  eine  Weile  zurück  und 
sagte:  Dieser  Mensch  ist  zwar  ein  äusserst  schlechter  Mensch,  jedoch  die  Gebieterin 
Murasaki  ist  gestorben  und  das  Leichenbegilngniss  noch  nicht  vorüber.  Ueberdiess  ist  es 
der  Antritt  der  Reise  des  Vaters  für  das  Ordnen  des  Wandels.  Da  ich  aucli  gehört  habe, 
dass  in  diesein  Hause  der  Sterbetag  des  Vorfahrs  ist,  so  wäre  es,  wenn  ihr  ihn  tödtetet, 
für  euch  traurig.  Wenn  jedoch  ein  solcher  Mensch  in  dieser  Gegend  umhei'zieht,  würde 
er  irgendwelche  Feindschaft  ausüben.  Gut,  gut!  Ich  habe  ein  treffliches  Auskunftsmittel. 
Nami  for/.-idete  \  firo-ivoka-wo  kakuri-te  \  tsukureru  tsuru-no  se-ni  owasete  \  naiüa-nu 
amari-ivo  tsuru-no  kubi  asi-ni  jui-tsukete  \  kakaru  ^  '^  (fu-tv)-no  ^  (aht-nin)-u-a  \ 
nippon-nu  tsi-ni-wa  oku-be-karazu.  Kono  mama  sugu-ni  ol-fanatsi-te  \  kara  kb-rai-je  nagasi- 
mono-ni  sen-to  \  TJ^  ^  (bokkuakit)-no  wo-ioo  \  fata-to  ute-ba  \  fa-si-gi-ja  |  kono  tsuru  tszibasa- 
tvo  firoge  \  fito-ko-e  naku-to  mije-keru-ga  \  ßro-woka-uw  oi-taru  mama  \  nisi-wo  sasi-te-zo  tobi- 
juki-keru.  Kumo-i-ni-wa  firo-woka-ga  ko-e-site  \  aware-aware-to  jobi-keru-ga  \  si-dai-ni  ko-e-mo 
totcoku  nari-te  kasumi-ni  magirete  mijezu  nari-nu. 

Einen  Strick  hervornehmend,  band  er  Firo-woka  fest,  lud  ihn  auf  den  Eücken  des 
durch  Kunst  verfertigten  Kranichs  und  knüpfte  den  noch  übrigen  Theil  des  Strickes  an 
den  Hals  und  die  Füsse  des  Kranichs.  Ei-  sagte :  Einen  so  unwürdigen  schlechten 
Menschen  darf  man  auf  die  Erde  von  Nippon  nicht  setzen.  Ich  werde  ihn  so  wie  er 
ist  geradezu  wegtreiben  und  zu  einem  Verbannten  in  China  oder  Körai  machen.  — 
Hiermit  schlug  er  den  Schweif  des  hölzernen  Kranichs,  und  o  Wunder  1  dieser  Kranich 
breitete  die  Flügel  und  schien  einen  Schrei  auszustossen.  Firo-woka  auf  dem  Rücken 
trao-end,  flog  er  in  westlicher  Richtung  davon.  In  den  AVolken  rief  Firo-woka  wieder- 
holt :  Wehe !  Allmälig  verhallte  seine  Stimme  in  der  Ferne,  und  er  war,  in  dem  Höhen- 
rauche verschwindend,   niclit  mehr  zu  sehen. 

Lna-ni  fazime-nu  sumi-nawa-ga  t^  I^  (ki-kdj-no  fodo-ivo  \  ßto-bifu-wa  \  a-a-to  ^  (kan)- 
zurit  bakari-nari.  Fnna-nusi  fö-si  niiva-ni  ori-tatsi-te  |  ware-mo  kano  tsuru-no  gotoku  \  jitku-je 
sadamezn  nari-nu-besi-to  \  tsu-e-ico  fiki-tsiUsu  tatsi-idzuru.  Fito-bito-mo  ori-tatsi-te  \  namida-to 
tomo-ni  kado-okuri-site  \  sode-wo  sibori-te  wakare-keru-to-ka. 

Das  Mass  der  jetzt  erst  zum  Vorschein  gekommenen  Kunstfertigkeit  Sumi-nawa's 
bewunderten  die  Menschen  unter  Rufen  des  Erstaunens.  Der  Bonze  Funa-nusi  stieg  in 
den  Vorhof  hinab  und  sagte:  Auch  ich  werde  gleich  diesem  Kraniche  einen  unbestimmten 
Aufenthaltsort  haben.  —  Hiermit  zog  er  den  Stab  an  sich  und  trat  hinaus.  Die  Menschen 
stiegen  ebenfalls  hinab  und  begleiteten  ihn  unter  Thränen  zu  dem  Thore.  Die  Aermel 
ausdrückend,  trennten  sie  sich. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  331 


Der  wahrhafte  Traum. 


Sono  goro  mikado-no  o-on-musume-ni  \  J^  :^  {ko-i)-hara^nite  \  fime-mija  fitorl  oivasi- 
masi-keru.  Oii-.f?ir/afa  utsnkiisi-ku  taivojagi-te  \  ari-gataki  on-katatsi-hito-ni  |  owasi-kere-ha  ini- 
si-je-no  5^  ^  j[|5  (so-tovori-ßme)  nach  mbsu-iva  |  knkii-ja  ari-kcn  nado  \  jo-no  fito-no  «te- 
de-kikoje-keri.  Fazime  on-fawa-no  kb-i  \  sato-ni  ori-tnmai-te  \  \^  J^  (go-san)  ari-keru-ni  I 
furvki  narai-nite  |  on-ja-no  uje-ni  fito  nobori-te  \  kosiki-ioo  marohasi-otosu  koto  ari.  Wonna- 
mija  umare-sase-tamo-ni-icn  \  kiia-je  otosi  \  ^  -^  (icb-zi)  go-  ^  ^  (tan-zibj-ni-ira  1 
minavii-je  otosu-to-ka  \  mbsi-tsutaje-taru.  Kono  fime-mija  iimare-sase-tamai-keru  0  (fi)  kosiki 
tori-te  I  ^\  (rei.)-vo  gotokii  \  ja-no  uje-ni  fito-no  nohori-keru  toki  |  o-o-sora-jori  |  mari  bakori- 
ni  o-oki-ni  mije-taru  mono  |  fikari-kagajciki-fe  \  mune-no  uje-ni  otsi-nu. 

Um  die  Zeit  war  die  Tochter  des  Kaisers  eine  einzige  Tochter,  welche  von  der 
Kö-I  geboren  war.  Da  sie  von  Angesicht  schön,  zarthändig  und  von  wundervoller 
Gestalt  war,  ward  sie  von  den  Menschen  der  Welt,  welche  fragten,  ob  in  der  alten 
Zeit  So-towori-fime  wohl  so  gewesen  sei,  gepriesen.  Als  ihre  Mutter,  die  Kö-I,  in  die 
Strasse  hinabgestiegen  war  und  sie  geboren  hatte,  stieg  einem  alten  Brauche  gemäss 
ein  Mensch  auf  das  Dach  und  wälzte  einen  Kochtopf  herab.  Es  wird  liberliefert :  Wenn 
eine  Kaisertochter  geboren  Avard,  so  fiel  der  Kochtopf  nach  Norden.  Wenn  ein  Kaiser- 
sohn geboren  ward,  so  fiel  der  Kochtopf  nach  Süden.  An  dem  Tage,  an  welchem  diese 
Kaisertochter  geboren  ward,  nahm  ein  Mensch  einen  Kochtopf  und  stieg,  wie  es  Sitte 
war,  auf  das  Dach.  In  diesem  Augenblicke  fiel  von  dem  Himmel  ein  Gegenstand,  der 
von  der  Grösse  eines  Balles  zu  sein  schien,  hellen  Glanz  verbreitend  auf  die  Dachbalken. 

Die  Kö-I,  eigentlich  eine  weibliche  Obrigkeit,  welche  die  Aufsicht  über  die  Kleider 
des  Himmelssohnes  hat,  wird  einer  Kaiserin  gleich  geachtet. 

So-towori-fime  war  die  Schwester  der  Gemalin  des  Kaisers  In-giu  (412  bis  453 
n.   Chr.). 

Kono  fito  ofiorete  \  ja-no  uje-ni  farabai-te  \  me-ivo  todzi-te  \  furui-i-tari .  Säte  nani-qoto- 
mo  na-kari-kere-ba  \  me-ivo  firaki-te  miru-ni  I  ja-no  uje-ni  mono  ari.  Odzu-odzu.  jori-te  mire- 
ha  I  fisago-no  gotoki  kotatsi-seru  mono  nari.  Ika-ni-mo  ju-e-aru  mono  naru-besi  tote  |  kano 
fi.sago-tco  t07'i-te  \  ja-ivo  kudari-te  \  fito-bito-ni  katari-te-kern-ni  \  ^  ^  (ke-u)-no  koto  nari 
tote  1  mina  fito  odoroki-nu.  Sono  josi  ^  ^  (sv-m.on)-si-tari-kere-ba  |  joki  saga-ni-ja  \  asiki 
saga-ni-ja  tote  |  |^  1^  ßljj  (on-jb-si)  ^  Hg  0IP  (suku-je6-si)-iva  sara-nari  \  fumi-no  faka- 
se  I  ^  |JL(  (do-san)-n.o  ^  f^"  (kb-söj-tatsi-ni  \  o-ose-ari-te  \  uranai-mbsu-beki  josi  \  ^  (tsiokn) 
ari-keru-ni  \  kono  fime-mija  /L  \.  (bon-nin)-ni-u-a  otoasi-masazti  |  fll]  -^  (sen-butsu)-no 
kari-ni  ama-kudari-tamajeru  narn-besi-to  \  ^  ^  (sio-db)-7io  ^  ^  (kan-mon)  \  mina  onazi- 
jb-ni  mbsi-dere-ba  |  mikado-mo  jorokobi-oicasi-masi-te  \  su-e  tanomosi-ku-zo  \  obosi-kera. 

Dieser  Mensch  fürchtete  sich.  Auf  dem  Dache  kriechend,  schloss  er  die  Augen  und 
zitterte.  Als  es  endlich  nichts  gab,  öffnete  er  die  Augen,  und  sah,  dass  sich  etwas  auf 
dem  Dache  befand.  Er  näherte  sich  furchtsam,  und  als  er  hinblickte,  war  es  ein  wie 
ein  Kürbiss  gestalteter  Gegenstand.  In  dem  Gedanken,  dass  es  damit  irgend  eine  Be- 
wandtniss  haben  müsse,  nahm  er  diesen  Kürbiss,  stieg  von  dem  Dache  herab  und  er- 
zählte es  den  Menschen.  Alle  erschracken  und  sagten,  es  sei  eine  wunderbare  Sache. 
Als  man  es  an  dem  Hofe  zu  Ohren  brachte,  fragte  man,  ob  es  ein  gutes  Vorzeichen 
sei,  ob  es  ein  schlechtes  Vorzeichen  sei.  Nicht  bloss  an  die  Meister  des  Yin  und  Yang-, 
an  die  Meister  des  übernächtigen  Glanzes,  auch  an   die  vielseitigen  Gelehrten   der  Schrift, 


QUO  PFIZMAIEK. 

die  hohen  Bonzen  der  Berge  erging-  der  Befehl  und  eine  höchste  Verkündung  besagte, 
dass  man  Avahrsagen  möge.  Die  Gutachten  sämmtlicher  Wege  lauteten  einstimmig :  Diese 
Kaisertochter  o-ehört  nicht  zu  den  gewöhnlichen  Menschen,  Es  können  die  Unsterblichen 
und  Buddha  einstweilen  vom  Himmel  herabgestiegen  sein.  —  Auch  der  Kaiser  freute 
sich  und  hielt  das  Ergebniss  für  zuverlässig. 

Kono  fime-mija  umare-ide-tamai-te  \  naki-tamh  koto  kagiri-na-kari-kere-ha  \  kusu-si-wa 
mi-kusuri  tatc-matsuri  \  |^  ^  (rjen-zia)  kannagi  nadu  \  sama-zama  inori-tate-matsuri-kere-do  \ 
sara-ni  sirusi  mije-sase-tamatvoz/i.  Masu-fiiam  mudzukari  naki-tamaje-ba  |  ika-ni  semad-tu  \ 
ßo-Uto  mote-atsukai  kikoju.  Saru-ni  faicn  mi-jasu-dokoro-no  no-tamal-keru-ioa  \  umare  ide- 
tamajeru  toki  \  ja-no  nje-ni  otsi-taru  fisago  koso  ju-e  ara-be-kere  \  sore-tvo  makura-gami-ni  \ 
su-ete  mi-jo-fo  no-tavib-ni  |  toku  o-ose-no  mani  \  on-makura-gami-ni  su-e-oki-te-kere-ba  \  sasi-mo 
o-oki-ni  \  on-ko-e-tvo  agete  \  mudzukari-tamai-keru-ga  \  tatsi-matsi  jami-te  \  suja-suja-to  nefurase- 
tamai-nu.  Sore-jori  notsl  nebi-masari-tamai-te-mo  \  kono  fisago-wa  on-katawara  fanatazu 
tsune-no  ma-saguri-mono-ni-wa  \  si-tamai-keru. 

Als  diese  Kaisertochter  geboren  ward,  hatte  ihr  AVeinen  keine  Gränzen.  Die  Aerzte 
reichten  ihi-  Arzneien,  _  die  Zeichendeuter  und  Beschwörer  beteten  auf  allerlei  Weise, 
doch  es  zeigte  sich  an  ihr  durchaus  keine  Wirkung.  Da  sie  immer  eigensinniger  ward 
und  weinte,  hörte  man,  dass  die  Leute  sich  damit  beschcäftigten,  was  sie  thun  sollen. 
Ihre  Mutter,  die  kaiserliche  Gemalin,  sprach:  Mit  dem  Kürbisse,  der  zur  Zeit  ihrer 
Geburt  auf  das  Dach  gefallen  war,  muss  es  eine  Bewandtniss  haben.  Leget  ihn  über 
das  Polster  und  sehet  zu !  —  Als  man,  dem  Befehle  gemäss,  den  Kürbiss  auf  ihr  Polster 
legte,  hatten  ihr  so  grosses  Schreien  und  ihr  Eigensinn  plötzlich  ein  Ende,  und  sie  schlief 
beruhigt  ein.  Von  nun  an  und  auch  später,  als  sie  mehr  erwachsen  war,  Hess  sie  diesen 
Kürbis  nicht  von  ihrer  Seite  und  sie  machte  ihn  zu  ihrer  gewöhnlichen  Spielsache. 

Nebi  in  nebi-masaru  ,mehr  erwachsen  sein'  wurde  sonst  nur  in  anderen  Zusammen- 
setzungen gefunden.  So  in  nebi-juku  ,gross  oder  erwachsen  werden',  neU-taru  ,erwachsen', 
nebi-fito  ,ein  erwachsener  Mensch',  nebi-tosi  ,die  reifen  Jahre'. 

Kono  fisago-to  mbsu-iva  \  o-oki-naru  ßsago-wo  \  futa-tsu-ni  kiri-wari-taru  katatsi-si-tarit, 
mono-nite  \  ijasi-ki  mono-no  tori-atsuko  ß-siaku-no  jb-naru  katatsi-seri.  Kono  ßme-mija  tatete 
narai-tamawazare-do  \  ^  (ki7i)  ^  (gij  ^  fdo)  m  (gvo)-no  mitsi-mitsi  \  subete  kuraki 
kuto-naku  \  Jl  ^  (zw-zu)-nite  owasi-kere-ba  \  geni  f]^  A  (bon-nin)-ni-iüa  oioasazi  nado  \ 
fito-bito  sasajaki-kikoje-keri. 

Dieser  sogenannte  Kürbis  hatte  das  Aussehen,  als  ob  man  einen  grossen  Kürbis  in 
zwei  Theile  zerschnitten  hätte  und  war  von  der  Gestalt  eines  Schöpflöifels,  dessen  sich 
die  gemeinen  Leute  bedienen.  Diese  Kaisertochter  lernte  zwar  nicht  planmässig,  doch 
sie  war  in  den  Künsten  des  Harfenspieles,  des  Bretspieles,  des  Schreiben^s  und  Malens, 
ohne  dass  ihr  von  allem  etwas  dunkel  gewesen  wäre,  erfahren.  In  Wahrheit  flüsterten 
die  Menschen  und  Hessen  verlauten,  dass  sie  nicht  zu  den  gewöhnliclien  Menschen  gehöre. 
Aru  fi  ßme-mija  on-te-narai-si-sasi-te  \  tsuku-e-ni  jori-te  |  utsi-ncfuri-tamai-keim-m  \  jmie- 
ni  mi-tamai-keru  ju  \  ajasi-ki  sidzto-no  ije-to  obojuru  tokoro-ni  |  ß-goro  te-narasi-tamajeru 
fisago-no  \  fisasi-ni  tsuri-te  ari-kere-ba  \  odorokase-tamai-te  |  kore-toa  ivaga  loosanaki  toki-jori  | 
kataaara  fanatazu,  \  motsi-narasi-tsuru  ßsago  nari.  Ika-ni  site  \  koko-ni-wa  aru-zo-to  no-tamb- 
ni  I  utsi-jori  ßto  ide-klte  \  kore-iva  waga  ije-ni  ju-e  ari-te  \  motsi-tsutaje-si  ßsago-nite  sbrb  | 
jan-goto-naki  on-ioatari-ni-wa  \  ika-de  kaka.ru  mono-no  sbraican-to  iü-wo  \  mi-tamaje-ba  \  ßna- 
ni-wa   medzurad-ku    ate-naru    ßo-nite   \   mono-i-i-taru   ko-e-m.o   \  sawa-jaka-ni    okasi-kere-ba  \ 


Die  Gkschichte  einer  Seelenvvanderung  in  Japan.  333 

sibasi  utsi-mamori-te  owasi-keru-ni  kata-je-ni  takumi-no  |  ki-dovio  atsickai-te  i-taru-ga  \  irl-kite 
iü  jb  I  o-maje-ni-ioa  kono  aruzi-to  \  fukaki  tsigiri  owase-ha  |  me-ivoto-ni  narjAamai-nan  tote  \ 
te-ivo  tori-te  oku-zama-je  ite  juku. 

Eines  Tages  Hess  die  Kaisertochter  von  ihren  Schreibübungen  ab  und  schlief,  an 
das  Pult  gelehnt,  ein.  Sie  träumte,  dass  an  einem  Orte,  der  wie  ein  seltsames  gemeines 
Haus  aussah,  der  Kürbis,  an  den  sie  sich  durcli  Tage  gewöhnt  hatte,  in  dem  Vorhause 
an  einen  Haken  gehängt  war.  Sie  erschrack  und  sagte:  Dieses  ist  der  Kürbis,  den 
ich  seit  meiner  Jugend  nicht  von  meiner  Seite  gelassen  und  an  den  ich  gewöhnt  war. 
AYie  kommt  es,  dass  er  sich  hier  befindet?  —  In  diesem  Augenblicke  kam  aus  dem 
Inneren  ein  Mensch  heraus  und  sagte:  Dieses  ist  ein  Kürbiss,  der  in  meinem  Hause  aus 
einer  Ursache  vererbt  ward.  Wie  könnte  an  eurer  unbeschreiblichen  Ueberfahrt  ein 
solcher  Gegenstand  sein?  —  Als  sie  diesen  Menschen  anblickte,  war  es  ein  in  den 
Landstädten  seltener  vornehmer  Mensch,  und  aucli  der  Ton  seiner  Spraclie  war  durch 
Heinheit  merkwürdig.  Während  sie  ihn  eine  Weile  beobachtete,  kam  ein  Zimmermann, 
welcher  nebenan  Hölzer  bearbeitet  hatte,  herein  und  sprach:  Da  zwischen  euch  und 
diesem  Gebieter  des  Hauses  ein  inniger  Bund  besteht,  werdet  ihr  Mann  und  Weib 
werden.  —  Hiermit  nahm  er  sie  bei  der  Hand  und  führte  sie  in  das  innere  Zimmer. 

Konu  ijc-no  sama  arete  \  abara-naru  tokoro-mo  mijure-do  \  sasu-ga-ni  ß^  ^  (teo-do) 
nado-wa  |  ju-e-ari-ge-nite  \  mukutsuke-ki  \  inaka-bito-no  sama-ni-ioa  arazu.  Kokoy^o-narazu  j 
>^o-ko-ni  i-tamajere-ba  \  takumi  sakadzuki  tori-idete  \  kano  utsukusi-ki  fito-wo  j  waga  maje-ni 
su-ete  I  sakadzuki  kiuni-kawasi  nado  su.  Kono  wotoko-ivo  mi-tamb-ni  \  fazime  mi-si-jori-iva  \ 
tsika-masari-site  |  imizi-ü  utsukusi-kari-kere-ba  \  sate-mo  jasasi-ki  fito-ni  koso  are  |  utsi-ioatari- 
ni  juki-kb  fito-bito-iva  kamuri  ^  ^  (sib-zoku)  nado  koso  \  uruwasi-kere  \  svgata  katatsi- 
ica  I  kono  fito-ni  ni-taru  mono-mo  nasi.  Ware-wa  kono  fito-no  tsuma-nite  aranan-to  obosu. 
Säte  läsi-katarai-te  oivasu  fodo  \  omoi-kakezu  \  tsitsi  mikado-no  on-ko-e-sife  \  -»J'  (kami)  toku 
ma-ire-to  no-tamaje-ba  \  kotio  wotoko  saivagi-te  fasiri-idzu.  On-mi-dzukara-mo  \  itaku  odorokt- 
tamai-keru-ga  |  ase-mo  sitoto-ni  nari-te  \  on-me-same-tamai-nu.  Saru-iva  tsukii-e-ni  jori-owasi- 
te  I  kari-some-ni  mi-tamai-si  on-jume-ni-zo  avi-keru. 

Der  Anblick  dieses  Hauses  war  wüst,  und  es  schien  eine  Bauernbehausung  zu  sein. 
In  Wahrheit  gewährten  jedoch  die  Geräthe,  indem  es  mit  ihnen  eine  Bewandtniss  hatte, 
nicht  den  Anblick  wie  bei  schmutzigen  Landleuten.  Als  sie  wider  ihren  Willen  dort 
weilte,  nahm  der  Zimmermann  einen  Becher  hervor,  stellte  jenen  schönen  Menschen 
vor  sie  hin  und  bewerkstelligte  das  gemeinschaftliche  W^echseln  des  Bechers.  Indem 
sie  diesen  Mann  sah,  war  es  in  grösserer  Nähe  als  sie  ihn  zum  ersten  Male  gesehen, 
und  er  war  ausnehmend  schön.  Es  mochte  ein  gebildeter  Mensch  sein.  Die  an  der 
Ueberfahrt  des  Inneren  kommenden  und  gehenden  Menschen  mocliten  von  Mütze  und 
Anzug  schön  sein,  doch  von  Angesicht  und  Gestalt  war  Keiner  diesem  Menschen  ähn- 
lich. Sie  wünsclite  die  Gattin  dieses  Menschen  zu  sein.  Während  sie  mit  ihm  sprach, 
ertönte  unvermuthet  die  Stimme  ihres  Vaters,  des  Kaisers,  welcher  rief:  Der  Statthalter 
komme  schnell  herein!  —  Dieser  Mann  war  bestürzt  und  lief  hinaus,  Sie  selbst  auch  erschrack 
heftig  und  wachte,  vom  Schweiss  feucht  geworden,  auf.  Es  war  also  ein  Traum,  den 
sie,  an  das  Pult  gelehnt,  eine  kurze  Weile  geträumt  liatte, 

Sito-to  steht  füi'  sito-sito  ,feucht', 

Soba-ni  safurai-si  ßto-bito  \  on-jn  nado  motsi-kitari-te  \  ika-ni  osoioare-sase-tamai-si-ni- 
ka   I   on-ko-e-ivo    saje    age-sase-tamai-ki-to    mbsu.     Mi-gokoro-no    utsi-ni-mo  \  ito    omoiuazu-narii 


334  Pfizmaier. 

jume-ni  koso  ari-kere.     Saru-nite-vw    ima  ßto-tabi   \   saru  jume-wo  vii-ba-jn-to  ohosi-te  \   ko)io 
notsi  koto-sara-ni  tsuku-e-ni  jori-taviaje-do   \   on-me-mo  aivane-ha  \  masi-te  jume  nado  mi-sase- 
tamb  koto  nasi.      Tada  mi-si   omo-kage-no   koi-si-ku-te   \   sozoro-naru  on-mono-omoi-to  nari-te 
akasi-hirasase-tamai-keri. 

Die  zu  ihrer  Seite  aufwartenden  Menschen  trachten  ihr  die  Suppe  und  sagten:  Ihr 
müget  docli  böse  geträumt  haben !  Ihr  habt  sogar  aufgeschrien.  —  In  ihrem  Herzen 
mag  es  auch  ein  sehr  unerwarteter  Traum  gewesen  sein.  Indessen  wünschte  sie  jetzt, 
ein  einziges  Mal  einen  solchen  Ti-aum  zu  träumen,  Sie  lehnte  sich  hierauf  absichtlich  an  das 
Pult,  doch  sie  schloss  nicht  einmal  das  Auge,  geschweige  dass  sie  einen  Traum  gehabt 
hätte.  Bloss  bei  der  Lieblichkeit  des  Bildes,  das  sie  gesehen,  wurde  es  ein  unwillkür- 
liches Sehnen,  und  sie  empfand  dieses  bis  zum  Morgen,  bis  zum  Abend. 


Die   Reise   nach   Mijako. 

Sumi-naica-wa  \  funa-nusi-ga  atsnraje-si  ^  (dbj  \  isiikuri-fatete  \  mijako-ni  nuhori-juku- 
besi-tote  |  sawo-maro-ni  wakarete  \  jama-bito-ga  kata-je  kitari-keru.  Jama-bito-wa  murasaki-ga 
sinl-use-si-jori  |  jo-no  naka  adziki-naka  omoi-tori-te  \  kaki-komori-te  nomi  \  kurasi-i-tari-keru- 
ni  I  mura-icosa-no  moto-jori  \  sasi-taru  koto  ari  ima  ko-jo-to  \  jobi-ni  kitari-kere-ba  \  iki-keru- 
ni  I  so-ko-no  ije  \  ko-tosi  ^  ^  (bu-jaku)  tsutomu-beki  toki-ni  atari-nu.  Toku  ide-tatsi-te 
^  (kibj-je  noboru-besi-to  iü.  Kore-wa  sono  kami  sadament  koto-nite  \  kuni-goto-ni  ^  j^ 
(fiaku-sib)-no  kagiri-wa  \  ^  (kib)-ni  ma-iri-te  o-o-utsi-no  joboro-to  nari-te  j  sono  |^  (sioku)- 
tüo  tsutomuru  koto  nari. 

Nachdem  Sumi-nawa  den  Bau  der  von  Funa-nusi  bestellten  Halle  vollendet  hatte, 
sagte  er,  er  werde  nach  Mijako  reisen.  Er  nahm  von  Sawo-maro  Abschied  und  begab 
sich  zu  Jama-bito.  Jama-bito,  seit  dem  Tode  Murasaki's  die  AVeit  für  abgeschmackt 
haltend,  verlebte  die  Tage  nur  in  Verborgenheit,  als  man  ihn  von  Seite  des  Dorf- 
ältesten mit  dem  Bedeuten  vorlud,  es  gebe  etwas  Wichtiges  und  er  möge  jetzt  kommen. 
Als  er  hinging,  sagte  man  ihm,  für  sein  Haus  sei  dieses  Jahr  die  Zeit  da,  wo  es  den 
Frohndienst  verrichten  müsse.  Er  solle  schnell  aufbrechen  und  nach  Mijako  reisen. 
Es  bestand  nämlich  in  jener  Zeit  die  Einrichtung,  dass  in  jedem  Keiche  die  Menschen 
des  Volkes  in  äusserster  Anzahl  sich  nach  Mijako  begaben,  Knechte  des  grossen  Inneren 
wurden  und  je  nach  ihi'em  Gewerbe  Dienste  leisteten. 

Jama-bito  inamu-heki-ni  arane-ba  koto-uke-site  \  ije-ni  kajeri-keru-ni  j  sumi-nawa  matsu- 
mitsu  toku  kite  are-ha  mura-tcosa-no  i-i-tsiike-si  koto-wo  kataru.  Faica-ga  iwaku  \  sore-tva 
ito  uresi-ki  koto  nari.  Kakaru  inaka-ni  sumai-nure-ba  \  mijabi-taru  koto-wa  \  jume-ni  dani 
mizu.  Itadziira-ni  kusa-ki-to  tomo-ni  j  jo-ivo  wowaran  koto-no  nagekasi-ku-te  \  itsu-ka  o-koto- 
u-o  ^  (kib)-ni  nobose-jari-te  \  ja-goto-naki  rnijako-no  te-buri-too-mo  i  mise-masi-to  \  tosi-goro 
omoi-watari-tstiru-ni  1  saiwai-ni  koso  are  j  masi-te  sumi-naica-gimi-mo  7iobori-tamaje-ba  \  mitsi- 
no  fodo-mo  obotsuka-na-karazu.  Ware-wa  rn-su-no  fodo-wa  \  sawo-maro-ga  moto-ni  juki-te 
on-mi-no  kajeri-ivo  matsu-be-kere-ba  j  kokoro-ni  kakezu-site  \  toku  ide-tatsi-ne-to  iü. 

Da  Jama-bito  sich  nicht  weigern  konnte,  stimmte  er  zu.  Als  er  nach  Hause  zurück- 
kehrte, waren  Sumi-nawa  und  Matsu-mitsu  eilig  gekommen,  und  er  erzählte  ilmen,  was 
der   Dorfälteste    ihm    aufgetragen.     Die    Mutter   sprach :    Dieses  ist  eine  sehr  erfreuliche 


Die  Geschichte  einer  Skelenwanderdng  in  Japan.  335 

Sache.  Wenn  man  in  einem  solchen  Dorfe  gewohnt  hat,  sieht  man  Zierliches  nicht 
einmal  im  Traume.  Es  beklagend,  dass  du  unnütz  in  Gresellschaft  der  Pflanzen  und 
Bäume  das  Leben  beschliessen  werdest,  kam  es  mir  seit  Jahren  in  die  Gedanken,  dich 
einmal  in  die  Hauptstadt  zu  schicken  und  dich  die  Sitten  des  unvergleichlichen  Mijako 
kennen  lernen  zu  lassen.  Es  mag  nur  ein  Glück  sein.  Um  so  mehr  als  auch  Herr  Sumi- 
nawa  dorthin  reist,  die  Beziehungen  des  Weges  sind  da  nicht  fremd.  Ich  werde  während 
deiner  Abwesenheit  zu  Sawo-maro  gegangen  sein  und  auf  deine  Rückkehr  gewartet 
haben.    Sei  also  imbesorgt  und  tritt  schnell  die  Reise  an. 

Sumi-nawa  mats>i,-mitsu-?no  |  tomo-ni  jorokohi-te  |  to-kaku-no  j6-l-su.  Sono  fi-to  nari-te  \ 
sairo-maro-mo  kitari-te  nengoro-ni  itoma-goi-su.  Tabi-ni-tva  "^J  {rei)-no  ;;^  ^  (hoku-ha) 
koso  jo-kere  tote  \  katva-go  nach  nosete  |  ono-ono  suga-gasa-ni  icai'a-gutsu  faki-te  ide-tatsu. 
Saico-maro-wa  mitsi  made  okuri-te  \  faica-iüo  tsurete  isi-hama-je  kajeri-nu.  Säte  ^  J^  (san- 
nin)  'i^  ^  (boku-baj-tvo  fiki-te  \  kaicaru-gawaru  nori-te  juki-keru-ni  \  kore-wa  ki-tsukuri 
nari-to-wa  \  sara-ni  sirii  mono  na-kari-keri. 

Sumi-nawa  und  Alatsu-mitsu  freuten  sich  und  trafen  auf  jede  Weise  Vorbereitungen. 
An  dem  bestimmten  Tage  kam  auch  Sawo-maro  und  nahm  freundlich  Abschied.  In 
der  Meinung,  dass  für  die  Heise  das  gewöhnliche  hölzerne  Pferd  gut  sein  möge,  luden 
sie  auf  dasselbe  den  Koffer  und  Anderes.  Indem  ein  Jeder  sich  mit  einem  Riedgras- 
hute bedeckte  und  Strohschuhe  anzog,  brachen  sie  auf.  Sawo-maro  begleitete  sie  bis 
auf  den  Weg  und  kehrte  in  Gesellschaft  der  Mutter  nach  Isi-bama  zurück.  Die  drei 
Menschen  reisten,  indem  sie  das  hölzerne  Pferd  zogen  und  abwechselnd  auf  ihm  ritten. 
Es  wusste  durchaus  Niemand,  dass  es  aus  Holz  verfertigt  war. 

Säte  ^  (joj-tva  tomari  \  aka-tsuki-ica  tafsi-te  juki-juki-te  \  §|  ^  ^  (ßku-ma-no)- 
tü  iü  tokoro-ni  itari-nu.  Koko-wa  ^  j^  (dzi-t6)-ten-ivo-no  \  koromo  nnvoivase  \  tabi-no  si- 
rusi-ni-to  \  jomase-tamai-si  na-dokoro-nite  \  ito  firoki  o-o-no  ari.  Fito  amata  atsumari-wore- 
ba  I  tatazumi-te  mire-ba  |  ivakaki  tvotoko-no  \  uma-ni  nori-te  \  fasirase-i-tari.  Miru  ßto-bito 
fome-mono-suru  koto  |  kagiri-nasi. 

In  der  Nacht  einkehrend,  am  Morgen  aufbi'echend  und  immer  weiter  reisend,  ge- 
langten sie  an  einen  Ort  Namens  Fiku-ma-no  (Feld  des  ziehenden  Pferdes).  Dieses  war 
der  berühmte  Ort,  an  welchem  die  Kaiserin  Dzi-tö '  die  Verse :  ,Das  Kleid  zierlich  j 
zum  Zeichen  der  Reise'  diclitete.  Es  war  ein  sehr  weites  grosses  Feld.  Daselbst  waren 
viele  Menschen  versammelt.  Als  sie  stehen  blieben  und  hinblickten,  sprengte  ein  junger 
Mann  auf  einem  Pferde  umher.  Das  Lob  der  Menschen,  welche  es  sahen,  war  ohne 
Gränzen. 

Kono  lootoko  luna-jori  ori-te  \  fokorawasi-ki  omo-rnotsi-site  |  fito-bito-ni  mukai-te  i-i- 
keru-ica  j  uma-no  *^  (sei)-wa  joku  fasiru  mono  nare-do  j  noric  fito  ^  ^^  (mi-ren)  nare- 
ba  \  ^  il|  (riu-me)-io  ije-domo  \  joku  fasirazu.  ^^  (Jo)-ni  ^  J|.  (seyi-ri)-ii-o  fasiru 
uma  ara-ba  \  onore-ga  nora-ba  |  ZU  ^  M  (ni-sen-ri)-wo  fasiru-besi.  Mukasi  ^  3E  (boku- 
icv)-no  uma-wa  \  asi  tsutsi-wo  fumazu  |  — ■  ^  (itsi-ja)-no  utsi-ni  ^  H.  (ban-rij-ivo  juki-si- 
to-ka.  Sare-ba  um.a-no  f^  (n6)-tca  tada  fasirasu-ni  ari  '.  XH!  0"J""*  ika-naru  agari-uma 
ari-to-mo  |  onore  nori-te  \  ta-dzuna-wo  toran-ni-iva  |  tatsi-dokoro-ni  nori-su-ete  \  mise-ma-irasen, 
Siibete  nippon-no  utsi-ni  \  ta-dzuna-no  tori-jb-wo  siri-taru  mono  naku  \  mata  uma-ivo  joku  fa- 
sirasuru  mono  nasi.      ^    ^    (Ken-butsuJ-no  fito-hito-no   naka-ni  \  joku   uma-wo  fasirasu  fito 


I  Vom  Jahre  687   bis  096  n.  Chr. 


336 


Pfizmaiek. 


u- 
■ico- 


ara-ba  \  kokoro-mi-ni  |  tmore-to  narahi-te  H  ,||  (kei-ha)-no  ^  ^  (sid-bu)-wo  kokovo-mi- 
tamaje.  Onore  mosi  make-toran-ni-ica  kono  kasira-wo  ma-ivam-bcsi-to  \  unazi-wo  tataki-te  tu 
sama  \  ito  si-tari-gmvo  nari. 

Dieser  Mann  stieg  von  dem  Pferde  und  sagte  mit  stolzer  Miene  zu  den  Menschen: 
Das  Pferd  ist  von  Eigenschaft  ein  gut  laufendes  Thier.  ^Ycnn  jedoch  der  ßeitei-  un- 
erfahren ist,  so  mag  es  immerhin  ein  vortreffliches  Pferd  sein,  es  läuft  niclit  gut.  Wenn 
es  in  der  Welt  ein  Pferd  gäbe,  welches  tausend  Weglängen  läuft,  und  ich  es  reite,  so 
würde  ich  es  zweitausend  AVeglängen  weit  laufen  lassen.  Einst  soll  das  Pferd  des 
Königs  Mö,  ohne  dass  seine  Füsse  die  Erde  berührten,  in  einer  Nacht  zehntausend 
"Weglängen  weit  gegangen  sein.  Indessen  besteht  die  Kraft  des  Pferdes  nur  im  Laufen. 
Mag  es  in  der  Welt  auch  irgend  ein  aufsteigendes  Pferd  geben,  ich  würde  es  besteigen 
und  indem  ich  den  Zügel  ergreife,  es  niederreiten  und  zeigen.  In  ganz  Nippon  ist 
Niemand,  der  es  versteht,  den  Zügel  zu  halten,  es  ist  auch  Niemand,  der  das  Pferd  gut 
laufen  lässt.  Wenn  unter  den  Zuschauern  ein  Mensch  ist,  der  das  Pferd  gut  laufen 
lässt,  so  möge  er  sich  zum  Versuche  mit  mir  messen.  Er  versuche  den  Wettkampf  des 
Pferderennens.  Wenn  ich  unterliege,  werde  ich  dieses  Haupt  darreichen.  —  Indem  er 
dieses,  den  Hals  klopfend,  sagte,  hatte  er  eine  sehr  wichtig  thuende  Miene. 

^  ^  (Ken-butsu)-no  naka-jori  \  ivakaki  fito  idete  |  kare-to  tima-wo  narabete  \fasira- 
suru  viono  are-do  \  geni  kare-cja  i-i-si-ni  tagawazu.  Mina  4=-  ^  (fcm-tsib)  amari  \  nori-ok 
rete  \  ojobu  mono  nasi.  Kono  aru  fito-Uto  ijo-ijo  ^  ßanj-zite  fome-tatsure-ba  \  kono 
toko  bgi  -utsi-fikari  \  fidzi-ico  ikarasete  \  utsi  hgi-tsutsu  \  i-i-keru-ioa  \  ojoso  ame-no  sita-ni  icare-ni 
masu-beki  uma-nori-iva  arazu.  Sikaru-ni  \  kakaru  inaka-ni  sumeru  fito  nado-no  \  ivadzuka-ni  ta- 
gajesi-no  itoma-ni  \  jase-uma-ni  nori-taru  ^  |^  (bun-zai)-nite  \  loare-to  tatsi-nnrabi-te  uma- 
wo  fasirasen-to-ioa  \  ivo-ko  nari-to-ja  iwan  \  katawara  itaki  koto  nari.  Ika-ni  ^  i^  (ken- 
butsu)-no  fito-bito  \  ivaga  kasira  fosl-to  obosan  fito-wa  koko-ni  kitatte  1  fasiri-kurabe-site  \  mi- 
tamawazu-ja-to  |  i-i-te  \  taka-jaka-ni  loarai-te.  \  musiro-no  uje-ni     ^  :^  (zio-roku)  kaki-te  i-tari. 

Aus  dem  Kreise  der  Zuschauer  traten  junge  Menschen  heraus,  stellten  mit  ihm  das 
Pferd  in  eine  Linie  und  Hessen  es  laufen,  doch  es  war  in  Wahrheit  nicht  anders,  als 
er  gesagt  hatte.  Alle  blieben  im  Reiten  über  eine  halbe  Strassenlänge  zurück  und 
Keiner  erreichte  ihn.  Die  hier  befindlichen  Menschen  bewunderten  ihn  immer  mehr 
und  spendeten  ihm  Lob.  Dieser  Mann  spannte  den  Fächer,  streckte  den  Arm  und  sagte, 
sich  fächelnd:  Unter  dem  ganzen  Himmel  gibt  es  keinen  Reiter,  der  mich  übertreffen 
könnte.  Dass  jedoch  die  in  einer  solchen  Landgegend  wohnenden  Menschen,  kaum  bei 
dem  Ackern  Müsse  habend,  denen  es  beschieden  ist,  auf  mageren  Pferden  zu  reiten, 
sich  mir  gleichstellend,  das  Pferd  laufen  lassen  sollten,  dieses  ist  eine  Sache,  welche 
man  Avohl  lächerlich  nennen  wird,  wobei  die  Seite  schmerzt.  O  Zuschauer!  Einen 
nach  meinem  Kopfe  begierigen  Menschen,  der  hierher  kommt  und  um  die  Wette  rennt, 
sehet  ihr  ihn  nicht?  —  Dabei  lachte  er  hochmüthig  und  sass  auf  dem  Teppiche  mit 
zusammengelegten  Knieen. 

Matsu-mitsu  \  nikuku  omoi-te  \  fisoka-ni  \  jama-hito-ni  sasajaki-keru-tva  |  kojio  wofoko-no 
v.ma-wo  fasirasu  koto  fajasi-to  ije-domo  saki-ni  \  onore  0r|i  (si)-no  tsukuri-tarv,  nma-ni  nori- 
te  I  kake-sase-taru-ni-a-a  |  ojobu-be-karazu.  Kono  wotoko  amari-ni  \  fito-mo  na-ge-ni  fokoni- 
ga  I  niku-kere-ba  \  TJt  ^  (moku-ba)-xvo  fiki-idete  |  kare-to  ^  ^  (si6-bu)-tvo  kokoro-min- 
to  I  omo  nari.  Sare-do  ^\  (rei)-no  gotoku  fasiri-sugi-na-ba  \  motu  ki-si  mitsi-ni  \  kajeri-nan  \ 
tüdomu-beki  toki-ni  \  todomu-beki   ^  (fö)-ja  shrb-to  ije-ba  \  sumi-nawa  warai-te  \  tK  ^  (moku- 


Die  Geschichte  einer  SEELENWA^DERU^IG  in  Japan.  337 

ha)-no  ^  (sitaj-wotorajete  |  majc-ni  fika-ba  j  tatsi-matsl  todomavu  jh-ni  tsukuri-te  ari.  Sare- 
do  \  jaku-naki  arasoi  nare-ba  .\  fiE  ^  (mu-jo)  nari-to  ije-do  \  matsu-mitsu  kiki-irezu  \  uma- 
ni  tsuke-tara  kawa-go-ico  orosi  \  mna-no  iije-ni  matagarl  \  ta-dzuna  tori-te  |  ajumasete  \  kano 
wotoko-ni  i-i-keru-tca  |  no-tamu-rja  gntoku  nara-ba  \  ^  (jo)-nl  ^  ^  ^  (mi-zo-u)-no  nma- 
nori-nite  oivasu-ran.      Iza   ^    ^    (siu-bu)  tmkamatsuri-ten-to  in. 

Matsu-mitsu  verdross  dieses,  und  er  flüsterte  Jama-bito  heimlich  zu :  Dieser  Mann 
lässt  zwar  das  Pferd  sehneil  laufen,  doch  er  kann  mir,  wie  ich  einst  auf  dem  von  dem 
Meister  verfertigten  Pferde  ritt  vmd  es  einhersprengen  liess,  nicht  gleichkommen.  Dieser 
Mann  ist  allzusehr  auf  eine  Weise,  dass  er  thut  als  ob  es  keine  Menschen  gäbe,  stolz, 
es  ist  widerlich.  Ich  möchte  das  hölzerne  Pferd  hervorzielien  und  mit  jenem  Manne 
den  Wettkampf  versuchen.  Jedoch  wenn  ich  ihn,  wie  es  Sitte  ist,  im  Laufe  überholt 
haben  werde  und,  um  auf  dem  Wege,  auf  dem  ich  gekommen,  zurückzukehren,  es  an- 
halten soll,  gibt  es  da  ein  Mittel,  es  anzuhalten?  —  Sumi-nawa  sagte  lachend:  Es 
wurde  bei  der  Verfertigung  vorgesehen,  dass,  wenn  man  die  Zunge  des  hölzernen 
Pferdes  erfasst  und  sie  nach  vorwärts  zieht,  das  Pferd  plötzlich  stehen  bleibt.  Indessen 
wäre  es  ein  nutzloser  Streit,  und  man  darf  davon  keinen  Gebrauch  machen.  —  Allein 
Matsu-mitsu  hörte  ihn  nicht  an.  Er  nahm  den  Koffer,  den  man  auf  das  Pferd  gelegt 
hatte,  herab,  setzte  sich  rittlings  auf  das  Pferd,  liess  es,  indem  er  den  Zügel  ergriff, 
einherschreiten  und  sagte  zu  jenem  Manne:  Wenn  es  so  ist,  Avie  ihr  saget,  werdet  ilir 
ein  ßeiter  sein,  wie  er  in  der  Welt  noch  nicht  da  gewesen.  Wohlan !  Ich  werde  den 
Wettkampf  eingehen. 

Sumi-naica  jama-bito-wa  icarai-wo  kakusi-te  \  mi-l-taru-ru  \  kano  wutoko-wo  ugi-ico  tsu- 
kai-Jami-te  \  matsu-viitsu-ga  kata-ico  mite  |  kosi-no  su-e-zama  |  o-o-kata-naranu-tva  '•  narai-aru 
ßto-to  mijeie  sojv")  i  onore-ga  kasira-wo  go-  fi/f  ^  (sio-mbJ-7ii  svrh-ja-to  |  jese-icarai-tsutsu  | 
ta-dzuna  totte  \  jurari-to  utsi-nori  |  matsu-mit-vi.-ga  uma-ni  fana-wo  narabete  j  iza-to  i-i-sama  \ 
kake-sase-tari.  Matsit-mitsu  loaza-to  JH  ^  ^  (ni-san-gen)  okurete  !  kake-sase-tsure-do  \ 
tsiijoku  tsuna-ico  fiki-tsiune-tsure-ba  \  moku-ba-iva  ja-ivo  i7'u-Jori  fajaku  .  fJ?  (tsiü)-wo  tonde 
fasiri-nu.  Matsu-mitsu  ha-ba-no.  sakai-nite  \  inoku-ba-no  sita-ico  Jiki-kere-ba  |  an-no  gutoku 
todomari-nu.    Furi-kajeri-mire-ba  |  katio  wotoko-wa  \    — ■   ^'    (ittsib)  amari  okure-tai'i. 

Sumi-nawa  imd  Jama-bito,  das  Lachen  verhaltend,  sahen  hin.  Jener  Mann  liörte 
auf,  sich  des  Fächers  zu  bedienen,  blickte  Matsu-mitsu  an  und  sagte:  Nach  der  Art 
aufzusitzen,  scheint  es  ein  vollkommen  geübter  Mensch  zu  sein.  Hat  er  Absichten  auf 
meinen  Kopf?  —  Spöttisch  lachend  ergriff  er  den  Zügel  und  schwang  sich  auf  das  Pferd. 
Mit  dem  Pferde  Matsu-mitsu's  die  Nase  in  eine  gleiche  Linie  bringend,  rief  er:  Wohlan! 
und  liess  in  diesem  Augenblicke  das  Pferd  rennen.  Matsu-mitsu  blieb  absichtlich  zwei 
bis  drei  Ken  zurück,  zog,  obgleich  er  das  Pferd  rennen  liess,  den  Zügel  fest  an,  und 
das  hölzerne  Pferd  lief  schneller  als  man  einen  Pfeil  schiesst,  dahin.  Matsu-mitsu  zog 
an  der  Gränze  der  Reitbahn  die  Zunge  des  hölzernen  Pferdes,  und  dieses  stand,  wie 
er  es  vermuthet  hatte,  still.  Als  er  zurückblickte,  war  jener  Mann  über  eine  Strassen- 
länge  weit  zurückgeblieben. 

^    H    (Ken-butsu}-no  ßto-bito    matsu-mitsu- ivo  \  fome-dojomi-te  |  kasimasi-ki    made    sa- 
wagu.     Säte  uma-wo  konata-ni  ßki-mukete  j  nodoka-ni    ajumasete  [  kano  wotoko-ni  mukai-te 
fu-si-gi-ni  katsi-wo  tori-te  sbrb.     Sa-si-mo    ^    "J^    (ten-ga)-ni  narabi-naki  fito-no  |  ika-ni  site 
okure-tamai-si-to  ije-ba  \  kano  wotoko  te-wo  suri-te  j  matsu-mitsu-ico  loogami-te  j  aware  ju-ju- 
siki  mitsi-no   3^    J^    (tatsu-zin)-nite  owaseru  kana.    Onore  nana-tsu-to  mbsu  tosi-jori  \   ^  ^j 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  43 


QOQ  Pfizmaikk. 

(ba-ziutsu)-ni    kokoro-tco    irete  \      %    "^    (ten-ka)-id    ||^   (teki)-nasi-to   zon-zi-surh-ni   \   kinti-no 
qotoki  fito-mo  \  owasi-masi-keri-fo  in. 

Die  Zuschauer  iiriesen  Matsu-mitsu  vielstimmig,  und  ihre  Aufregung  steigerte  sicli 
bis  zum  Lärmen.  Matsu-mitsu  zog  das  Pferd  nach  diesseits  und  es  ruhig  einherschrelten 
lassend,  sao-te  er  zu  jenem  Manne:  Durch  ein  Wunder  habe  ich  den  Sieg  erhalten.  Wie 
kommt  es,  dass  ihr  als  ein  solcher  Mensch,  der  in  der  Welt  seines  Gleichen  nicht  hat, 
zurückgeblieben  seid?  —  Jener  i\iann  rieb  die  Hände,  verbeugte  sich  vor  Matsu-mitsu 
und  sagte :  Was  für  ein  wackerer,  des  Weges  kundiger  Mensch  ilir  doch  seid !  Ich  habe 
mich  seit  meinem  siebenten  Jahre  auf  die  Kunst  des  Umgangs  mit  Pferden  verlegt,  und 
während  ich  glaubte,  dass  mir  in  der  AYelt  Niemand  gewachsen  sei,  gab  es  einen 
solchen  Menschen,  wie  ihr  es  seid. 

Ken-butsu-no  mono  \  kare-tvo  niku-gari-te  \  ^  ^^  (kei-jaku)  nare-ba  \  kasira-wo  watasi- 
iamaje-to  ije-ba  \  kam  wotoko  kubi-ioo  tsiziinete  \  kasira-no  ßto-tsu  fida-tsu  j  wosi-to-iva  zon-zezare-do  \ 
tnda  inotsi-no  wosi-ku  sorb  \  masi-te  inaka-Uto-no  kasira  nare-ba  \  mijako-no  tsuto-ni-wa  \  mi- 
date-naku,  sbraican.  Sibasi  waga  f^  (d6)-ni  adziikete  tamaje  |  sonata-nite-tca  ^  (j6)-naki 
mono-nagara  \  waga  kata-ni  ari-te-u-a  \  g  ^  (tsi6-fb)-no  mono-nite  surb-to  \  furui-furui  iu. 
Matsu-rMtsu  ivarai-te  \  ked-no  tai-inen-no  fiki-de-mono-ni  \  kasira-wa  \  wa-nusi-ni  tate-mats/irx 
nari-to  ije-ba  |  kono  rvotoko  jorokobu  koto  kagiri-nasi. 

Die  Zuschauer,  ihm  aufsätzig  geworden,  sagten :  Da  ihr  es  versprochen  habt,  so  gebet 
euren  Kopf  her.  —  Dieser  Mann  zog  den  Hals  ein  und  sagte :  Um  einen  oder  zwei  Köpfe 
würde  mir  nicht  leid  sein,  aber  es  ist  mir  um  das  Leben  leid.  Zumal  da  es  der  Kopf  eines 
Landbewohners  ist,  wird  er  unter  den  Geschenken  von  Mijako  kein  Aufsehen  machen.  Gebet 
ihn  eine  Zeitlang  meinem  Rumpfe  in  Verwahrung.  Während  er  für  euch  ein  unnützer 
Gegenstand  ist,   würde  er  für  mich,    wenn  er  mir  gehörte,    eine  grosse  Kostbarkeit  sein. 

So  sagte  er  zitternd.  Matsu-mitsu  lachte  und  sprach :  Zum  Geschenke  für  die  heutige 

Begegnung  sei  euch  der  Kopf  dargereicht.  —  Die  Freude  dieses  Mannes  hatte  keine  Gränzen. 

Säte  matsu-mitsu-ga  uma-ico  isuhi-dzuku  mite  \  aj^pare-no  o-uma-nite  sbrb.  Sai-zen-jori 
sibasi-qa  fodo  \  üasaka  inanaki  dani  itasazaru-wa  \  ^  ^  (mei-ba)-no  sirusi-nite  sbrb. 
:^  pfl  (Ja-tsri)  ll^  ^  (teki-dzin)-wo  osoi-sbru-ni  |  tsuwa-mono  ^-^  (bai)-ivo  fukimi-te  \  ko- 
e-iüo  tatezaru  toki  ka-jb-no  uma  narazare-ba  \  motsi-i-gatasi.  Sate-mo  kagiri-naki  ^^  ^^Jl 
(itsi-motsuj-nite  sbrb-to  \  xE  ^  (tsui-sio)  surn-iuo  \  arufito-bito  nonosiri-%carb.  Sumi-nawa  mata 
matsu-mitsu-ivo  site  \  moku-ba-ni  kawa-go  owasete  \  so-ko-ioo  idete  juku  tote  viatsu-mitsu-m 
mukai-te  \  kakaru  tawbre-wa  \  ^  ^  (mu-jaku)-no  koto-zo-to  ije-ba  \  matsu-mitsu  sare-do  keu 
bakari  \  imizi-ku  fito-ni  fom.erarete  j  m,en-boku-wo  jete  sbrai-ki  tote  loarai-tsutsu  juku. 

Das  Pferd  Matsu-mitsu's  aufmerksam  betrachtend,  sagte  er:  Es  ist  ein  prächtiges 
Pferd.  Dass  es  seit  vorhin  eine  Zeit  hindurch  nicht  im  Geringsten  wiehert,  ist  ein 
Zeichen,  dass  es  ein  edles  Pferd  ist.  AVenn  man  in  der  Nacht  ein  feindliches  Lager 
überfällt,  wenn  die  Kiüeger  einen  Knebel  in  den  Mund  nehmen  und  keinen  Laut  von 
sicli  geben,  könnte  man  kein  anderes  Pferd  brauchen,  als  ein  solches.  O  welch  ein  un- 
veroieiclilicli  schnelles  Thier!  —  Indem  er  sich  so  zuthätig  benahm,  schalten  und  ver- 
lachten ihn  die  Anwesenden.  Sumi-nawa  Hess  wieder  durch  Matsu-mitsu  dem  hölzernen 
■  Pferde  den  Koffer  auflegen  und  bedeutete,  dass  man  dorthin  weiter  reisen  werde.  Er 
sagte  zu  Matsu-mitsu :  Ein  solcher  Scherz  ist  etwas  Unnützes.  —  Matsu-mitsu  erwiederte : 
Ich  wurde  doch  heute  ausnehmend  von  den  Menschen  gelobt  und  luibe  mir  Ehre  er- 
worbien.  —  Er  setzte  lachend  seinen  Weg  fort. 


Die  Geschichte  einer  Seelenwandeüung  in  Japan.  339 

— ■  Jg^  (Itsi-ri)  bakari  jukl-te  \  jama-hito  icara-guisii-ni  asl-ico  kuwarde  \  ||Lj  (ziutsu) 
nasi  tote  \  najami-kere-ha  |  mada  fi-toa  taka-kere-do  \  kono  atari-ni  \  jadori-tora-ba-ja  tote  j 
Ht.^i-mi-tsutsu  jiike-ba  fito-no  ije  ari.  Irl-te  \  sika-sika-to  ije-ba  j  tsuma-to  mijete  \  [5j  -j^  (si- 
ziü)-bakari-naru  uvnna-7io  manako  surudo-ge-naru-ga  idete  |  tvaga  ije  ßto-wo  todomezu  \  foka- 
ni  juki-te  mono-se-jo-to  \  su-ge-nakn  iü-ni  \  asi-im  itame-taru  mono-no  sbrai-te  \  ajumi-najami-ie 
shru.  Ika-de  jurasase-tamai-te  ßto-jo  akasase-tamai-nan-to  ije-ba  \  kano  wonna  o-oki-naru  ko-e- 
site  I  kokoro-naki  tabi-bito  kana.  Tomezi-to  iwa-ba  |  tokio  idete  juku-beki-tvo  \  anagatsi-ni  nani- 
ico-ka-  iü  I  tokii  idete  juki-iie-to  i-i-sama  \  fito-hito-wo  tsiiki-idasi-te  \  to  osi-tate-tsu. 

Als  sie  eine  Weglänge  gegangen  waren,  sagte  Jama-bito,  dass  ihm  durch  die  Stroli- 
schuhe  die  Fiisse  wund  gerieben  worden  und  dass  er  kein  Mittel  wisse.  —  Er  war 
dabei  leidend.  Obgleich  die  Sonne  noch  hoch  stand,  Avünschten  sie  in  dieser  Gegend 
ein  Nachtlager  zu  nehmen.  Als  sie,  um  sich  blickend,  dahergingen,  zeigte  sich  ein  von 
Menschen  bewohntes  Haus.  Sie  traten  ein  und  brachten  ihr  Anliegen  vor.  Ein  etwa 
vierzigjähriges  Weib  mit  stechenden  Augen,  welches  die  Gattin  zu  sein  schien,  kam 
hervor  und  sagte  unfreundlich:    Mein  Haus  beherbergt  keine  Menschen.     Gehet  hinaus! 

—  Sie  entgegneten :  Es  ist  Jemand,  welcliem  die  Fiisse  schmerzen  und  der  krank  vom 
Gehen  ist.  Ihr  werdet  es  irgendwie  gewähren  und  uns  eine  Nacht  zubringen  lassen.  — 
Dieses  Weib  versetzte  laut  schreiend :  Unsinnige  Reisende !  Wenn  man  sagt,  dass  man 
euch  nicht  aufnimmt,  müsset  ihr  schnell  hinausgehen.  Was  saget  ihr  da  zum  Trotze? 
Tretet  schnell  aus  und  gehet!  —  Mit  diesen  Worten  stiess  sie  die  Menschen  hinaus  und 
verschloss  die  Thüre. 

Fito-bito-ioa  \  sate-mo  nasake-siranii,  tvonna  kana-to  oinoje-do  |  sen-kata-na-kere-ba  \  sugo- 
siigo  idete  juku-ni  \  inata  to-7io  utsi-jorl  ko-e  site  \  tabi-bito  madzu  matsi-tamaje  \  mosu-beki 
koto  ari  \  kotsi  iri-tamaje-to  iü-ni  |  iri-te  mire-ba  \  aruzi-to  mijete  \  ^  -p  (roku-ziü)-bakari- 
no  okina-no  manako  si-i-taru-ga  \  fai-idete  |  asi-wo  jami-tamajeru  fito-no  oicasu-to-ja  \  kokoro- 
qurusi-ki  koto  nari.  Todome-ma-irasen  \  toku-toku  vmra-gutsn-wo  \  toki-tamaje-to  ije-ba  \  ivonna- 
wa  fara-datsi-te  okina-ico  nirami-te  |  ko-joi-tca  ^  'f^  {kusa-kai)-dono-7no  kon-to  no-tamai-si-ni 
tabi-hito-wo  saje  todomu-besi-ja-ioa-to  iü.  Okina  mimi-ni-mo  irede  j  ok>i_-no  kata-wo  jiibi-.fasi-te  | 
kasiko-ni  fanare-taru  ije  ari  |  iri-te  ikoi-tamaje  tote  |  löaraioa-ni  i-i-tsukete  \  fito-bito-ico 
izanawase  \  mata  onazi-ioarawa-ni  \  jü-ge-no  makanai  nado  \  sasu-meri.  Fito-bito-ica  fito-nui-ni 
iri-te  \  aruzi-ga  kokoro-zasi-ico  jorokobi-te  \  i-i-fajam. 

Die  Menschen  dachten  sich :  Ein  unbarmherziges  Weib !  —  Doch  es  Hess  sich  nichts 
thun,  und  sie  gingen  leise  hinaus,  als  hinter  der  Thüre  nochmals  eine  Stimme  rief: 
Reisende,  wartet  erst!  Ich  habe  euch  etwas  zu  sagen.  Tretet  hier  ein!  —  Als  sie  ein- 
traten, sahen  sie  einen  etwa  sechzigjährigen  blinden  Greis,  welcher  der  Herr  des  Hauses 
zu  sein  schien.  Derselbe  kroch  hervor  und  sagte :  Dass  ihr  fusskrank  seid,  ist  eine  lei- 
dige Sache.     Ich  werde  euch  aufnehmen.  Schnell,  schnell!    Ziehet  die  Strohschuhe  aus! 

—  Das  Weib  ergrimmte,  blickte  finster  auf  den  Greis  und  sagte :  Da  Herr  Kusa-kai 
gesagt  hat ,  dass  er  heute  Abend  kommen  werde ,  wie  kann  man  da  Reisende  auf- 
nehmen? —  Der  Greis  that  als  ob  er  dieses  nicht  hörte.  Er  zeigte  mit  dem  Finger 
nach  der  inneren  Seite  imd  sagte:  Dort  ist  eine  abgesonderte  Behausung.  Tretet  ein 
vmd  ruhet  aus !  —  Hiermit  gab  er  einem  Knaben  die  Weisung,  die  Menschen  hinzu- 
führen. Ferner  schien  er  demselben  Knaben  über  die  Bewirthung  mit  einem  Nachtmahle 
Andeutungen  zu  machen.  Die  Menschen  ti'aten  in  ein  Zimmer.  Sie  freuten  sich  über 
den  Entschluss  des  Gebieters  des  Hauses  und  bekundeten  es  durch  Worte. 

43* 


340  Pl'lZMAIEK. 

Matsii-mitsu  ^  ]^j  fiiiol-ii-ba)-ioo-ha  fisasi-no  ^\  (to)-ni  fsuvac/i-ie  \  kaica-cjo  tori-tc  \ 
oku-ni  iran-to  .Viru  iokl  \  omote-no  kata-jori  fito  iri-kitari  \  kono  wo)iokü-wa  \  "^  ^  (o-o-no)- 
no  !^  'fsj  (kusa-kai)  tote  \  kono  ironna-no  ani  nari.  Umare-tsuki  joko-shua-narii,  rnono-nite  \ 
nusu-hito-gokoro-ariL  ironoko  nari.  Imo-ufo-tvo  kono  ar-uzi-ni  jari-te  notsi  \  ukina-ga  takara 
o-oku  I  fa  fata  nado  aviata  moteru-wo  mite  \  waga  niono-ni  se-ha-ja-to  uiiwi-te  |  kanete  imoto- 
to  fakari-keru-ni  hnoto-mo  oi-taru  tcotoko-ico  itoi-te  \  ani-to  fito-tsn-ni  nari-te  \  takara-domo 
nbai-te  \  kono  ije-ioo  nogare-iden-no  kokoro  ari.  Säte  kono  kusa-kai  iri-kite  |  imoto-to  sasi- 
narabi-te  okina-ni  mukai-te  woru-tvo  \  matsu-mitsu  me-iw  tsidcete  mire-ha  \  soki-ni  fiku-ma-no- 
u'te  tuna-ioo  fasirasete  arasoi-taru  toonoko  nari-keri. 

Matsu-mitsu  band  das  liölzerne  Pferd  ausserhalb  des  Yorhauses  an,  nahm  den  Koffer 
herab  und  wollte  in  das  Innere  treten,  als  von  der  Aussenseite  ein  Mensch  herein  kam. 
Dieser  Mann,  welcher  sich  0-o-no-no  Kusa-kai  nannte,  war  der  ältere  Bruder  dieses 
Weibes.  Als  ein  Mensch  von  verderbter  Gemüthsart  hatte  er  das  Herz  eines  Räubers. 
Nachdem  er  die  jüngere  Schwester  zu  diesem  Gebieter  des  Hauses  geschickt  hatte,  sah 
er,  dass  die  Güter  des  Greises  zahlreich  seien,  dass  derselbe  viele  Felder  besitze,  und 
in  dem  Wunsche,  sich  dieses  zuzueignen,  berleth  er  sich  früher  mit  der  jüngeren 
Schwester.  Die  jüngere  Schwester,  dem  alten  Manne  abgeneigt,  wurde  mit  dem  älteren 
Bruder  eins  und  hatte  die  Absicht,  die  Güter  zu  rauben  und  aus  diesem  Hause  zu  ent- 
fliehen. Als  dieser  Kusa-kai  liereinkam  und  dicht  neben  der  jüngeren  Schwester  dem 
Greise  gegenüber  sass,  richtete  Matsu-mitsu  auf  ihn  den  Blick  und  sah,  dass  es  der  Mann 
sei,  welcher  vorhin  auf  der  Ebene  Fiku-ma-no  das  Pferd  mit  ihm  um  die  Wette 
rennen  liess. 

Odoroki-nagara  \  sirazu-gawo  tsuknri-fe  \  kiki-mimi-tatete  wore-ba  |  kusa-kai  loonna-ni 
mukai-te  oku-no  ^  (kiakv)-wa  idzuku-jori-zo-to  ije-ba  \  mi-mo  siranu  tabi-bito-wo  \  okina-no 
tomerare-si  nari-to  iü.  Kusa-kai  rnaju-u-o  siivamete  kasira-wo  kake-ba  \  loonna  suzuri-ivo  tori- 
idete  \  nani-goto-tco-ka  kami-ni  kaki-te  \  misure-ba  \  kusa-kai-mo  mata  fude  tori-te  \  kaki-tsuke 
nado  SU.  Tagai-ni  iku-tabi-ka  \  omo  koto-tvo  kaki-kawasi-te  \  mi-tsu  mise-tsu  suru-wo  \  okina- 
iva  sara-ni  sirazu.  Matsu-mitsu  kono  ani-to  imoto-ga  furumai  ajasi-ku  \  kokoro-jenu  koto-jo-to 
ntsi-mamori-i-tari. 

Obgleich  erschrocken,  that  er  als  ob  er  nichts  wüsste.  Als  er  liorchend  das  Ohr 
hinhielt,  sagte  Kusa-kai  zu  dem  Weibe:  Woher  sind  die  Gäste  darinnen?  —  Sie  ant- 
wortete: Es  sind  ganz  unbekannte  Reisende,  welche  von  dem  Greise  aufgenommen 
wurden.  —  Kusa-kai  runzelte  die  Brauen  und  kratzte  sich  den  Kopf.  Das  Weib  nahm 
einen  Tintenstein  hervor,  schrieb  etwas  auf  ein  Papier  und  zeigte  es.  Kusa-kai  ergriff 
ebenfalls  den  Pinsel  und  schrieb  etwas  hinzu.  Indem  sie  mehrmals  ihre  Gedanken 
schriftlicli  austauschten  und  bald  sahen,  bald  zeigten,  wusste  der  Gi^eis  nicht  das  Ge- 
ringste. Matsu-mitsu  dachte  sich:  Das  Benehmen  dieses  älteren  Bruders  und  der  jün- 
geren Schwester  ist  sonderbar  und  etwas  Unbegreifliches.  —  Dabei  beobachtete  er. 

Sikaru-ni  \  omote-ni  kano  wotoko-no  nori-kitaru  uma-iixi  \  tsunagi-oki-taru-ga  \  niicaka-ni 
kurui-idete  ]  inanaki-kere-ba  \  kusa-kai-mo  loonna-mo  omote-no  kata-ni  idete  miru.  Kono  fima- 
ni  I  matsu-mitsu  fisoka-ni  idete  \  aruzi-no  kataioara-naru  fumi-domo  \  tori-kitari-te  \  jama- 
bito-ni  jomi-te  mi-tamaje-to  iü-ni  \  ßraki  mire-ba  \  kusa-kai-ga  te-to  mijete  \  kaki-tsuke-taru- 
loa  I  icori-asiku  |  tabi-bito-tvo  tome-tsu.  Kanete-no  fakari-goto  \  kojoi-wa  okonawarezi-to  \  kaki-te 
ari.  Mata  tconna-no  te-nite  \  tabi-bito-wa  ^ij  ^  (betsu-ja)-ni  fusi-tare-ba  \  jo-mo  siru  koto 
arazi.  Ko-joi-no  utsi-yii  to-mo  kaku-mo  fakarai-tamaje.   Asu-to  nara-ba  \  okina-ga  ko-no  \  iabi- 


J 


Die  Geschichte  einer  Seelenwanderung  in  Japan.  341 

jo7'i  kajeri-ku-hesi.  Sl-kahane-tva  |  umi-ni  iru-he-kere-ba  \  fito  sirti  koto  arazi-to  kaki- 
te  ari. 

Unterdessen  wurde  das  draussen  angebundene  Pferd,  auf  welchem  jener  Mann  her- 
geritten war,  plötzlich  wild  und  wieherte.  Kusa-kai  und  das  Weib  gingen  nach  der 
Aussenseite  und  sahen  nach.  Während  dieser  Zeit  trat  Matsu-mitsu  heimlich  heraus, 
nahm  die  zur  Seite  des  Gebieters  des  Hauses  befindlichen  Schriften  weg  und  brachte 
sie.  Er  sagte  zu  Jama-bito :  Leset  und  sehet!" — Als  Jama-bito  sie  entfaltete  und  ansah, 
war,  wie  es  schien,  von  der  Hand  Kusa-kai's  hingeschrieben :  Zu  einer  ungünstigen  Zeit 
hat  man  die  Gäste  aufgenommen.  Unser  früherer  Plan  lässt  sich  lieute  Abend  nicht  aus- 
führen. —  Ferner  war  von  der  Hand  des  Weibes  geschrieben :  Da  die  Reisenden  in 
einem  besonderen  Zimmer  liegen,  können  sie  es  durchaus  nicht  wissen.  An  diesem 
Abende  schaffet  jedenfalls  Rath.  Morgen  früh  kann  der  Solm  des  Greises  von  der  Reise 
zurückkommen.  Da  man  den  Leichnam  in  das  Meer  werfen  wird,  können  die  Menschen 
nichts  davon  wissen. 

Sitmi-nawa-mo  tori  mite  \  odoroki-te  |  sate-tva  kono  wotoko  tvonna  i-i-aicasete  |  okina-tco 
korosan-to  sunt,  naru-besi.  Nikuki  jatsu  kana.  Ika-de  kono  josi  okina-ni  sirase-ten  nado  |  i-i- 
i-taru-ni  \  iraraica  jü-ge  mote  kite  \  fito-hito-ni  susumu.  Okina  kabe-wo  saguri-tsutsu  |  okn-ni 
kite  I  ma-irasu-beki  mono-mo  sbrawazu.  Wori-fusi  -f'  (ko)-naru  mono-no  \  tabi-ni  makari-ie 
sbraje-ba  \  jorodzu  tai-dai-siku  \  kokoro-ni  makase-sorawazu-to  iü.  Sumi-nawa  okina-wo  kata- 
sumi-ni  maneki-te  \  ko-e-ico  fiki-ku  nasi-te  kb-kb-no  koto  ari-to  tsugure-ba  \  okina  odoroki-te 
i-i-keru-ica  |  kare-ica  onore-ga  ^  (.sedj-nite  suj^u.  Kono  koto  ivare-mo  fi-goro  |  utagai-omoi- 
sbraje-domo  |  kare-ra  \  ka-bakari-no  inkumi-sen-to-iva  \  onioi-sorawazu-to  |  ivononoke-ba  \  madzii 
sirazu-gaiiv  t.sukuri-te  i-tamaje.  Onore  fakarb-beki  koto  ari  \  kb-kb  nasi-tamaje-to  loosije-kere- 
ha  I  okina-'wa  fusi-ivogami-te  \  anata-je  ide-nii. 

Auch  Sumi-nawa  nahm  es  und  sah  es  an.  Erschrocken  sagte  er :  Also  werden  sich 
dieser  Mann  und  das  Weib  verabredet  haben,  den  Greis  zu  tödten.  O  abscheuliche 
Sclaven !  Ich  werde  es  irgendwie  dem  Greise  zu  wissen  machen.  —  Li  diesem  Augen- 
blicke brachte  der  Knabe  das  Nachtmahl  und  setzte  es  ihnen  vor.  Der  Greis,  an  der 
Mauer  tappend,  kam  herein  und  sagte:  Es  ist  nichts,  das  man  darreichen  könnte.  Da 
um  die  Zeit  mein  Sohn  auf  einer  Reise  abwesend  ist,  lässt  man  mich  auf  zehntausen- 
derlei  Weise  nicht  nach  meinem  Willen  thun.  —  Sumi-nawa  winkte  den  Greis  nach 
einer  Seitenecke  und  theilte  ihm  mit  leiser  Stimme  mit,  wie  die  Dinge  sich  verhalten. 
Der  Greis  erschrack  und  sasfte  zitternd :  Dieses  ist  meine  Nebenfrau.  Diese  Sache  habe 
ich  schon  seit  Tagen  vermuthet,  doch  ich  dachte  nicht,  dass  sie  einen  solchen  Kunstgriff 
anwenden  werden.  —  Sumi-nawa  sprach :  Thuet  vorerst,  als  ob  ihr  nichts  wüsstet.  Ich 
habe  ein  Mittel,  wodurch  ich  Rath  schaffen  kann.  Thuet  so,  wie  ich  euch  sage.  — 
Hiermit  gab  er  ihm  Weisungen.  Der  Greis  warf  sich  verehrend  zu  Boden  und  ging 
nach  der  anderen  Seite  hinaus. 

Sumi-nawa  kawa-go-jori  |  wono  nokogiri  nado  tori-idete  fito-toki  bakari-site  \  nani-ioo 
tsukuri-ken  \  idete  matsu-mit.m-ni  sasajaki-te  \  sika-sika  fakaraje-to  \  wosije-kere-ba  |  matsu- 
mitsu  fisoka-7ii  idete  \  kusa-kai-ga  uma  aru  tokoro-je  \  ^  (rei)-no  /fC  ^  (moku-ba)-wo  fiki- 
juki-te  I  kura  ta-dzuna-wo-mo  tori-kajete  \  kusa-kai-ga  uma-ioo-ha  \  ura-no  kata-je  ßki-juki-te  \ 
tsunagi-oki-nu. 

Sumi-nawa  nahm  aus  dem  Koffer  Axt,  Säge  nebst  anderen  Dingen  und  mochte  in 
etwa  einer  Stunde  etwas  verfertigt  liaben.    Er  trat  hinaus  und   ertheilte  flüsternd  Matsu- 


ß_l^2  Pfizmaieb. 

mitsu  AVeisuno-en,  wie  er  es  anstellen  möge.  Matsu-mitsu  ti-at  lieimlicli  hinaus,  zog  an 
den  Ort,  wo  sich  das  Pferd  Kusa-kai's  tefand,  das  gewöhnliche  hölzerne  Pferd,  wech- 
selte Sattel  und  Zügel  und  band  das  Pfoi-d  Kusa-kai's,  nachdem  er  es  nach  der  inneren 
Seite  gezogen  hatte,  an. 

Aruzi-no  okina-tra  \  joi-jori  ne-ja-ni  iri-te  fusi-tsu.  Sumi-naiva-u-a  \  jama-hito-ni  sasajaki- 
te  I  ko-joi-a-a  ine-taru  furi-site  \  nefuru-he-karazu-to  \  i-i-aicasete  tagai-ni  sora-ibiki-kaki-te 
tusi-wori.  Jo-mo  ßkete  \  usi-'ni-ja  nan-nn-ran-io  omo  koro  \  kusa-kai  omote-no  kata-jori  \  oki- 
ide-kife  \  kuri-ja-ni  fusi-faru  u-onna-ni  sasajaki-te  |  asi-oto-wo  sinohi-ie  \  aruzi-ga  fusi-do-ni 
tri  I  tatsi  ßki-nuki-te  ukagv-ni  \  joku  ine-taru-fo  mijete  \  iki  dani  sezare-ha  \  si-sumasi-mi-to  \ 
nokkakari-te  \  mune-no  atari-wo  sasi-towose-ha  \  te  asi-ico  mogaku-nomi-nite  \  ko-e-wo  dani 
tatezu  ^   (si)-site-keri. 

Der  Greis,  der  Gebieter  des  Hauses,  war  am  Abend  in  das  Schlafzimmer  getreten 
und  hatte  sich  niedergelegt.  Sumi-nawa  sprach  zu  Jama-bito  flüsternd :  Heute  Nacht 
muss  man  thun  als  ob  man  schliefe,  aber  man  darf  nicht  schlafen.  —  Dieser  Verab- 
reduno- gemäss  lagen  Alle,  verstellter  Weise  schnarchend,  in  ihren  Betten.  In  tiefer 
Nacht,  als  man  glaubte,  dass  es  schon  um  die  zweite  Stunde'  sein  könne,  kam  Kusa-kai 
von  der  äusseren  Seite  hervor,  flüsterte  zu  dem  in  der  Küche  liegenden  Weibe  und  trat 
dann,  den  Ton  der  Schritte  nicht  hören  lassend,  in  das  Schlafzimmer  des  Gebieters  des 
Hauses.  Als  er  mit  gezogenem  SchAverte  s^^ähte,  schien  dieser  fest  eingeschlafen  zu 
sein  und  holte  nicht  einmal  Athem.  Sich  denkend:  Ich  habe  es  vollbracht!  stieg  er 
über  ihn  und  stiess  ihm  das  Schwert  durch  die  Brust.  Bloss  Hände  und  Füsse  verdre- 
hend und  nicht  einmal  einen  Laut  von  sich  gebend,  war  Jener  todt. 

l\'07ina  kaiva-go-zvo  motsi-kitari-ie  \  ^  |^  (si-gai)-ico  iren-to  sife  \  kusa-kai-to  fomo-ni 
d-gai-no  kosi-ni  te-ivo  kake-tsure-ba  \  omoi-kakezu  |  aruzi-no  si-gai  rnnku-iimku-to  oki-agari- 
kere-ba  \  watto  i-i-te  \  v-onna-mo  kusa-kai-mo  \  omote-no  kata-ni  kake-idasu.  Kono  si-gai  te 
kubi  utsi-furi-tsutsu  \  nau-o  oi-te  \  omote-no  kata-je  idzure-ba  \  osorosi-ku-fe  |  tamasi-i-mo  mi-ni 
soicanu  kokotsi-site  \  to-wo  osi-akete  kake-ide-nu.  WouJia-mo  onazi-ku  fasiri-idzure-ba  \  kusa- 
kai  aioate-taru  naka-ni-mo  \  fisasi-no  ^\-  (to)-ni  tsunagi-taru  mna  \  ßki-idad  \  wonna-tvo-mo  ] 
kaki-nose  |  ware-mo  siri-ni  utsi-nori-taru-ni  \  kono  si-gai  naivo  oi-ki-nuru  kokotsi-sure-ba  \  toku 
koko-ifo   nige-ba-ja-to  \   ta-dzuna-u:o    tszijoku  fiki-tsure-ba   \   uma-wa  ßgasi-ivo    sasi-te-zo    kake- 

idasi-keru. 

Das  Weib  brachte  einen.  Koffer  und  wollte  den  Leichnam  hineinschaffen.  Als  sie 
in  Gemeinschaft  mit  Kusa-kai  die  Pland  an  die  Hüften  des  Leichnams  legte,  krabbelte 
imvermutheter  Weise  der  Leichnam  des  Gebieters  des  Hauses  in  die  Höhe.  Mit  einem 
Schrei  der  Ueberraschung  liefen  das  Weib  und  Kusa-kai  an  der  Aussenseite  heraus. 
Dieser  Leichnam,  die  Hände  und  das  Haupt  bewegend,  verfolgte  sie  noch  immer  und 
kam  nach  der  Aussenseite  zum  Vorscliein.  Voll  Furcht  und  mit  einem  'Gefühle,  als  ob 
ihre  Seele  nicht  mit  dem  Leibe  vereint  wäre,  öffneten  sie  die  Thüre.  und  liefen  hinaus. 
Da  das  Weib  ebenso  hinauslief,  zog  Kusa-kai  im  Schrecken  das  ausserhalb  des  Vor- 
hauses angebundene  Pferd  hervor,  setzte  auch  das  Weib  darauf,  und  als  er  selbst  sich 
hinten  aufgesetzt  hatte,  war  es  ihm,  als  ob  dieser  Leichnam,  noch  immer  verfolgend, 
herangekommen  wäre.  In  dem  Wunsche,  schnell  von  liier  zu  entfliehen,  zog  er  den 
Zügel  fest  an  sich,   und  das   Pferd  jagte  in  östlicher  Richtung  fort. 


1    Von   1   bis  S.TIhr  Morgens. 


Die  Geschichte  einek  Seelenwasderukg  in  Japan.  34  3 

1^  ^  (Ii'i-rei)-mo  oi-konu  jh-sn  nare-ba  j  urua-wu  .■stdzuka-ni  jaran-to  sure-do  j  kunu 
uma  sibasi-mo  tamero  kotc-naku  \  — "  ^  ^  (itsi-mon-zi)-ni  fash'io  kuto  \  tatu-beki-ni  mono 
nasi.  Wonna-ica  |^  ^  (iü-rei)  jori-mo  |  kono  u)aa-ni  tamasi-i-ico  usinai-te  \  kije-iru  ba- 
kari-ni  nari-taru-tco  \  wotoko-tva  fiki-toi'aje-tsutsu  |  uma-no  fasiru-ni  makase-keru-cja  \  ^  ^f 
(ten-riü)-gawa-to  iu  kawa-ni  iri-keru  toki  \  me-mo  kure-madoi-te  |  fufari  tomo-ni  midzu-ni 
otsi-te-zo  ^  (si)-si-keru.  Uma-ioa  kawa-wo  watari-te  \  natvo  figasi-wo  sasi-te  \  kake-juki- 
keru-to-zo. 

Als  es  den  Anschein  hatte,  dass  der  Geist  nicht  nachsetze,  wollten  sie  das  Pferd 
zu  einem  ruhigen  Gange  bewegen.  Allein  der  Lauf  dieses  Pferdes  in  gerader  Linie, 
ohne  den  Aufenthalt  eines  Augenblickes,  Avar  mit  nichts  zu  vergleichen.  Das  Weib, 
dem  mehr  als  vor  dem  Geiste,  vor  diesem  Pferde  die  Seele  aus  dem  Leibe  fuhr,  war 
nahe  daran  zu  vergehen.  Der  Mann,  ziehend  und  erfassend,  überliess  sich  dem  Laufe 
des  Pferdes.  Als  man  in  einen  Fluss  Namens  Ten-iüu-gawa  einlenkte,  fielen,  vom  Schwindel 
erfasst.  Beide  zugleich  'in  das  AVasser  und  ertranken.  Das  Pferd,  nachdem  es  den  Fluss 
übersetzt  hatte,  jagte  noch  immer  in  östlicher  Richtung  weiter. 

Säte  sumi-nav:a  jama-bito-iva  oku-jori  |ft  'ji^  (si-soku)  sasi-te  \  omote-ni  idete  mire- 
ba  I  an-no  gotoku  \  tvonna-to  kusa-kai-iva  mijezu.  Flsasi-no  sita-naru  TfC  ^  (moku-ba)-mo 
arane-ha  \  sate-ica  fakari-goto-no  gotoku  |  kusa-kai-me-wa  |  moku-ba-ni  oicarcte  fasirl-tsurit 
naran-to  ije-ba  \  jama-bito  \  kanarazu  kawa-ni  otsi-iri-te  inotsi  usinai-ivi-besi.  Kokoro-kara  ! 
kawajuki  koto  nari-to  iu.  Matsu-mitsu  konata-no  kata-jori  \  aruzi-no  te-tco  tori-idete  \  joi-ni 
fisoka-ni  \  ase-gura-je  tomonai-te  |  tomo-ni  ima-made  sinobi-i-tari-to  iü. 

Sumi-nawa  und  Jama-bito  traten  aus  dem  Inneren,  eine  Papierkerze  haltend,  nach 
der  Aussenseite.  Als  sie  hinsahen,  waren,  wie  man  vermuthet  hatte,  das  AVeib  und 
Kusa-kai  nicht  zu  sehen.  Da  auch  das  unter  dem  Voi'hause  gewesene  hölzei'ne  Pferd 
nicht  da  war,  sagten  sie :  Der  schändliche  Kusa-kai  wird  von  dem  hölzernen  Pferde  auf 
dem  Rücken  getragen  und  entlaufen  sein.  —  Jama-bito  sprach:  Er  wird  gewiss  in  den 
Fluss  gefallen  sein  und  das  Leben  verloren  haben.  Es  ist  nach  Wunsch,  es  ist  eine 
liebliche  Sache.  —  Matsu-mitsu  kam  von  diesseits,  den  Gebieter  des  Hauses  an  der 
Hand  haltend,  hei'bei  und  sagte :  Ich  habe  ihn  am  Abend  heimlich  zur  Feldscheune 
geleitet  und  war  mit  ihm  bis  jetzt  versteckt  geblieben. 

Okina-ica  |  makoto-ni  \  fu-si-gi-no  inotsi  firoi-sbrb  koto  \  jorokobi  kikoje-tate-matsuran-ni  | 
kotoba-mo  nasi-to  \  fusi-wogamtt.  Mats?i-mitsic  tsuki-kage-ni  \  miikai-naru  kata-ivo  mite  |  ka- 
siko-ni  fito-no  tatsi-te  ukagai-woru  sama  nari.  Mosi  kusa-kai-me-ga  tatsi-kajeri-tsuru  narazu- 
ja-to  I  tsuka-tsuka-to  fasiri-juki-te  \  usiro-jori  mu-zu-to  idaki-te  \  nandzi-u-a  kusa-kai-ni-ja-to  \ 
sime-tsukure-ba  \  kono  fito  iraje-mo  sede  \  ie-tco  fure-ba  \  kusa-kai-ni  aranu-to  nara-ba  \  mono- 
ico  ije-kasi-to  \  i-i-tsutsu  \  joku-joku  mire-ba  \  kino  sumi-nava-ga  tsukuri-tsuru  yj^  f^  (nin- 
gib)-nite  \  artizi-no  okina-no  kaivo-ioo  \  sono  mama-ni  \  utsusi-jeri-taru  nari-keri. 

Der  Greis  sprach :  In  der  That,  dass  ich  auf  wunderbare  Weise  das  Leben  auf- 
lese, die  Freude  darüber  zu  Ohren  zu  bringen,  habe  ich  keine  Worte.  —  Dabei  warf 
er  sich  verehrend  zu  Boden.  Als  Matsu-mitsu  bei  dem  Lichte  des  Mondes  nach  der 
gegenüberliegenden  Seite  blickte,  hatte  es  das  Aussehen,  als  ob  dort  ein  Mensch  stände 
und  lauerte.  Er  dachte  sich :  Der  schändliche  Kusa-kai  wird  doch  nicht  zurückgekehrt 
sein?  —  Plötzlich  hinlaufend,  schloss  er  ihn  von  rückwärts  in  die  Arme  und  presste 
ihn  mit  den  Worten:  Bist  du  Kusa-kai?  ■ —  Dieser  Mensch  bewegte  die  Hand,  ohne 
eine  Antwort  zu  geben.     Jener    sagte  wieder :    W^enn  es  der  Fall  ist,    dass  du  Kusa-kai 


344  Pfizmaier,   Die  Geschichte  einer  Seelenwandeeung  in  Japan. 

nicht  bist,  so  bitte  ich  dich,  sprich  !  —  Als  ei-  dabei  ganz  genau  hinsah,  war  es  die 
hölzerne  menschliche  Gestalt,  welche  Sumi-nawa  gestern  verfertigt  hatte,  und  das  Ge- 
sicht des  Greises,  des  Gebieters  des  Hauses,  war  an  ihr,  so  wie  es  war,  in  Schnitzwerk 
nachgebildet. 

Kore-iva  matsu-mif.su  jol-nl  okina-ico  ne-ja-jori  Jiki-idasl-te  |  kaivari-ni  kono  \  f^  (nin- 
gibj-ico  ire-oki-si-ga  \  karakuri-wo  motsi-i-te  \  kono  nin-gib-no  \  onore-to  ajumi-iden-to-tca  \  omo- 
tmzari-si  tote  \  te-wo  tataki-te-zo  J^  (kan)-zi-keru.  Jo  ake-nnre-ha  \  fito-hito  tatsi-iden-to 
suru-ni  \  okina  fita-sura-ni  todome-kere-do  \  kagiri-aru  tabi  nari.  Mata  ko-so-to  tsigiri-te  \ 
matsu-mitsu-ni  kaiva-go  ninaivasete   \   icakarete    ^    (kio)-je-zo  nobori-keru. 

Matsu-mitsu  hatte  am  Abend  den  Greis  aus  dem  Schlafzimmer  geführt  und  an 
dessen  Stelle  diese  hölzerne  menschliche  Gestalt  hineingelegt.  Er  hatte  niclit  gedacht, 
dass  durch  Anwendung  eines  Triebwerkes  diese  hölzerne  menschliche  Gestalt  von  selbst 
herausschreiten  Avürde.  Er  schlug  in  die  Hände  und  bewunderte  sie.  Als  es  Tag 
wurde,  wollten  die  Menschen  aufbrechen.  Der  Greis  hielt  sie  mit  inständigen  Bitten 
zurück,  doch  es  war  eine  bestimmte  Reise.  Indem  sie  das  Versprechen  gaben,  wieder 
zu  kommen,  Hessen  sie  durch  Matsu-mitsu  den  Koffer  tragen,  nahmen  Abschied  und 
reisten  nach  Mijako. 

Ko720  okma-ica  \  ^  |^  (fari-hara)-no  naniffas/'  tote  \  mukasi-jori  koko-ni  sumi-te  \  ju-e- 
josi-aru  "g"  ^4:  (fiahi-sio)  nari-to-ka.  Kano  '^  {^  (nin-gio)-'wa  sono  notü  kono  watari-no 
tera-ni  tsvtajeie  \  fi-dn-no  tahimi-ga  ^  |^  (m-rei)-no  '^  (zo)  tote  \  ff  ^  (siü-motsuj-to 
nasi-keru-ga  \  notsl-no  jo-no  -^  *J^  (fei-kua)-ni  ato-mo  naku  nari-te  \  ima-wa  sono  tera-no 
na  dani  siru  mono  nasi.      Wosimu-beki  koto  nari-kad. 

Dieser  Greis  war  ein  gewisser  Eari-bara.  Dieses  Geschlecht  wohnte  hier  von  Alters 
her  und  war  wohl  ein  angesehenes  Geschlecht  des  Volkes.  Jene  hölzerne  menschliche 
Gestalt  kam  später  in  den  Tempel  dieser  Ueberfahrt,  und  man  machte  es  zu  einem 
Geräthe,  welches  den  Namen  , Bildsäule  des  Geistes  des  Zimmermannes  von  Fi-da'  führte. 
In  den  Feuersbrünsten  der  Kriege  späterer  Zeitalter  ging  sie  spurlos  verloren,  und  jetzt 
weiss  Niemand  auch  nur  den  Namen  dieses  Tempels.  Es  dürfte  eine  bedauerliche 
Sache  sein. 


(Schlnss  folgt.) 


DIE  PSYCHOLOGIE  UND  ERKENNTNISSLEHRE 

DES 

JOHANNES  DUNS  SCOTUS. 


PROF.  DR    KARL  WERNER, 

WIIIKLICHKM    MIXGLIEDE   DER   KAISERLICHEN  AKADEMIE    DER   WISSENSCHAFTEN. 


VORGELEGT    IN    DER    SITZUNG    AM    2.   .lANNER    1877. 


IJie  psycliologisclien  und  erkenntnisstheoretischen  Lehren  des  Johannes  Duns  Scotus 
sind  durch  bestimmte  metaphysische  Grundanschauungen  bedingt,  die  zum  Verständniss 
dei'selben  vorausgeschickt  werden  müssen,  und  zunächst  in  seiner  eigenartigen  Lehre  von 
der  Materie  ausgebildet  vorliegen.  Die  dem  Duns  Scotus  eigenthümlichen  Sätze  über 
die  Materie  betreffen  die  Materialität  alles  Geschaffenen,  die  selbsteigene  Quiddität  der 
Materie  als  solcher  und  unabhängig  von  der  sie  gestaltenden  Form,  und  die  dem  mensch- 
lichen Leibe  als  solchem  zukommende,  vom  seelischen  Informationsprincipe  zu  unter- 
scheidende Wesensl'orm. 

Die  Ueberzeugung  von  der  Materialität  alles  Geschaffenen  begründet  sich  dem  Duns 
Scotus  aus  dem  Unterschiede  des  Geschaffenen  von  dem  Ungeschaftenen,  Alles  schaff'enden 
Einem,  der  als  höchstes  Eines  zugleich  auch  das  absolut  Einfache  ist.'  Im  Gegensatze  hiezu 
muss  das  viele  Geschöpfliche  sich  allenthalben  auch  als  das  Zusammengesetzte  erweisen, 
und  zum  mindesten  als  Zusammensetzung  aus  Esse  und  Essentia  darstellen.  Eben  diese 
Zusammensetzung  erweist  sich  aber  bei  näherer  Analyse  als  ein  Zusammensein  aus 
Materie  und  Form,  das  Wort  Materie  in  rein  metaphysischem  Sinne,  als  denknotli- 
wendiges  Substrat  und  Subject  jeder  begränzten  Wesensform  verstanden.^  Duns  Scotus 
nennt  dieses  denknotliwendige  Wesenssubstrat  alles  Geschaffenen  die  materia  pi'imo- 
prima,  von  welcher  er  die  weitere  Determination  derselben,  die  materia  extensa 
oder  materia  mathematica  als  secundo-prima  unterscheidet.^  Unter  der  materia  tertio- 
prima  oder  physica  sind  sodann  selbstverständlich  die  eigenartigen  Stofflichkeiten  aller 
besonderen  Körper  zu  verstehen.  Aus  diesen  Angaben  resultirt  von  selber  auch  schon, 
dass  die  allem  Geschaff'enen  eigene  gemeinsame  Grundmaterie  oder  materia  primo-prima 


'  Vgl,  Duns  Scot-,  de   rerum  principio,  qu.   1,  art.  i. 

2  Dico,   quod   in   genere    materiarum  materia   metaphysiea  e.st  materia  primo-prima.     Vocatur  materia  metaphysiea  illud,    quod 

praestat  fulcimeutum  cuilibet-  formae,  qualem  pouimus   in   angelis  et  auima  rationali   .secundum  Augustinum  et  Boetliiiim  de 

Unitate  et  Uno  capp.   1   et  2.     Rer.  Priucip.  qu.   1,  art.   1. 
^  Vocatur  materia  extensa  materia  mathematica  secundo-prima,  quia  ut  communiter  teuetur,   aub  quautitate  et  sub   forma  cur- 

porea  est  subjectum  generationis.     Ibiil. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.    XXVI.  Bd.  44 


346  Kam,  Weknee. 

nur  Eine  sei,  die  ihrer  Natur  nacli  zur  Reception  aller  gescliüpfliclieii  Wesensformen 
geeignet  ist.'  Die  aus  den  naclifolgenden  speciellen  Determinationen  liervorgegangenen 
materiae  secundae  aber  sind  speciiiscli  von  einander  verscliicdcn,  und  natürlich  nur  z\ir 
Reception  oder  Festhaltung  der  ihnen  congruirenden  speciellen  AVesenst'ormen  geeignet. 
Die  Bildung  einer  materia  tertio -prima  ist  eigentlich  nur  im^-Bereiche  der  sublunaren 
corruptiblen  Körperwelt  möglich,  weil  es  nur  in  dieser  ein  Generationsleben  gibt;^  eben 
diese  Eigenartigkeit  der  sublunaren  Körperwelt  setzt  aber  eine  besondere  Art  von  Mate- 
rialität voraus,  welche  von  jener  der  incorruj)tiblcn  und  desshalb  in  quantitativer  Be- 
ziehung unverändeidich  determinirten  himmlischen  Küi-per,  und  endlich  auch  von  der 
durch  ihre  besondere  Wesensform  actuell  und  potentiell  der  Quantität  beraubten  Materie 
der  Engel wesen  und  Mcnschenseelen  verschieden  sein  muss, 

Der  Materialgrund  der  gesammten  geschöpflichen  Wirklichkeit,  der  geistigen  sowohl 
als  der  sinnlichen,  ist  sonach  die  materia  primo- prima,  die  in  allem  Geschaffenen  ent- 
lialten  ist,  aber  jedem  geschöpflichen  xVgens  unerreichbar  einzig  durch  Gott  bestimmt 
ist.  Duns  Scotus  vergleicht  die  Welt  mit  einem  herrlichen  Baume, ^  dessen  Wurzel  und 
Samengrund  (radix  et  seminarium)  die  materia  prima  ist;  die  Accidenzen  sind  die  abfal- 
lenden Blätter  dieses  Baumes,  die  corruptiblen  Dinge  Laub  und  Zweige,  die  Bliithen  die 
vernunftbegabten  Menschenseelen,  die  dem  Wesen  des  Baumes  entsprechenden  Früchte 
die  englischen  Naturen.  Mit  der  monistischen  Fassung  dieses  Weltschema  scheint  es  niclit 
zu  stimmen,  Avenn  unmittelbar  beigefügt  wird,  dass  die  Wiirzel  des  Baumes  unmittelbar 
in  die  beiden  Hauptstämme  der  Körper-  und  Geisterwelt  auseinander  gehe,  welcher 
dualistischen  Grundgliederung  die  Untergliederun^  der  Körperwelt  in  die  corruptible  und 
incorruptible  Körperwelt,  sowie  der  Geisterwelt  in  drei  Hierarchien  angeschlossen  wird. 
Eben  so 'scheint  fei'ner  eine  innerlich  nicht  vermittelte  Fusion  differenter  Standpunkte 
vorzuliegen,  wenn  Duns  Scotus,  aus  der  an  die  Idee  der  materia  prima  angeknüpften 
Deduction  des  Weltgedankens  in  die  constructive  Darlegung  desselben  übergehend,  den 
Menschen  als  Drittes  in  die  Mitte  desselben  rücken  lässt,*  wofür  allerdings  in  seinen 
sjiäter  anzudeutenden  christologischen  Anschauungen  der  erklärende  Grund  sich  darbietet. 
Die  Abstufung  der  Geisterwelt  in  die  drei  Hierarchien  seh  eint  als  sublimirter  Reflex 
der  Triplicität  der  Weltwesen  im  Allgemeinen,''  sowie  der  Dreigliederung  der  Materie 
genommen  werden  zu  müssen,  Avas  im  Zusammenhange  mit  der  Anschauung  \"on  der 
Materie  als  nothwendiger  Unterlage  aller  kosmischen  Existenzen  zu  erklären  scheint, 
Avesshalb  die  Engel  bildlich  als  die  gezeitigten  P'rüchte  des  AVeltbaumes  bezeichnet  Aver- 
den.  Die  Bezeichnung  der  materia  prima  als  Radix  und  Seminarium  gibt  bereits  eine 
Andeutung  über  die  eigenthümliche  Gestaltung  des  in  der  scotistischen  Doctrin  mit  dem 


'  Rer.  piincip.  qu.  S,   .art.  5. 

-  Rer.  jirincip.  qu.  <s,  art,   4. 
.3  L.  c. 

^  .Creavit  Dens  i»  primis  ojieribus  duarum  creatiirarum  differentias,  ad  (^uas  aliquo  modo  oiiinis  inultitudo  creata  lial)et  reduci, 
quasi  duo  extrema  creaturaium,  seil,  siiiritualem  et  eorporalem.  Omnis  autem  creatura  vel  ad  hanc  vel  ad  illam  vel  ad  coni- 
positam  ex  utraque  reducitur.  Et  sub  istis  gradibns  ordine  admirabili  per  immediatos  gradus  a  creatura,  quae  est  prope  se, 
conjungeudo  infima  superiorum  supremis  inferiornm  processit,  quasi  rectam  lineam  pertrahendo.  Sed  quia  liuea  recta  est 
imperfecta,  ideo  in  fine  operum,  seil,  sexta  die  lineam  rectaui  in  circulum  reflexit,  dum  illo  die  faciens  liominera  creaturam 
spiritualem  et  eorporalem  in  iinitate  su]ipositi  iinivit.     Rer.  princip.   qu.   12,  art.   1. 

^  Ut  esset  ordo  a  Deo  ad  alias  creaturas,  creaturam  qu.amd;iin  spiritualem,  seil,  angelicani.  corpori  ntui  uuitam  reliquit.  Post 
quam  ordine  immediato  sequitur  anim.T  rationalis,  corpori  unita,  tanien  soparabilis.  Pi>st  lianc  formae  unitae,  sed  non  sp])ara- 
biles.     Ibid. 


J 


Die  Psychologie  und  Ekkenntnisslehke  des  Johannes  Duns  Scotus.  347 

abstruci  formalisirenden  i'eripatetismus  ringenden  Individualismus,  worauf  wir  weiter 
unten  des  Näheren  zurückkommen  werden. 

Duns  Scotus  begründet  seine  Ableitung  alles  Geschaffenen  aus  einem  gemeinsamen 
Materialgrunde  unter  nebenhergehender  Berufung  auf  die  Autorität  Avicebrons,  und  sieht 
in  der  Voraussetzung  eines  solchen  Materialgrundes  die  einzig  denkbare  Möglichkeit,  von 
dem  ursprünglichen  absolut  Einem,  das  allen  Dingen  vorausgeht,  zur  Vielheit  der  Dinge 
zu  gelangen ;  die  materia  primo-prima  hat  die  Brücke  dieses  Ueberganges  zu  bilden.  Die 
materia  primo-prima  will  er  keineswegs  in  der  herkömmlichen  Weise  der  scholastischen 
Peripatetiker  für  die  blosse  Möglichkeit  des  Seins  gehalten  wissen ;  er  vindicirt  ihr  ein 
actuelles  Sein,  ein  Sein,  das  sie  nicht  von  der  Form,  sondern  von  ihrer  Wirkungsursache, 
von  Gott  hat-,  der  Form  kann  bloss  die  Conservirung  des  bereits  gesetzten  Seins  der 
materia  piümo-prima  zugeschrieben  werden.^ 

Man  erkennt  unschwer,  dass  Duns  Scotus  das  A  erhältniss  von  Materie  und  Form 
anders  bestimmt,  als  es  von  Seite  der  Dominicanerschule  geschah;^  diese  seine  abweichende 
Auffassung  musste  sich  auch  in  der  Auffassung  des  Menschenwesens  reflectiren,  dessen 
Componenten  Leib  und  Seele  nach  gemeingiltiger  peripatetischer  Auffassung  In  dem  Vei-- 
hältniss  von  Materie  und  Form  zu  einander  stehen.  Nach  Thomlstlscher  Ansicht  Ist  die 
vernunftbegabte  Seele  die  ausschliessliche  Wesensform  des  Menschen,  welche  eine  von  Ilir 
verschiedene  Wesensform  des  Leibes  nicht  zulässt;  Duns  Scotus  hingegen  vindicirt  dem 
Leibe  als  solchem  eine  der  Seele  zwar  subordlnirte,  aber  von  Ihr  imterschiedene  Wesens- 
form, die  dem  Leibe  auch  noch  als  todtem  Leibe  verbleibe.  Hiebel  wird  freilich  über- 
sehen, dass  der  Begriff  des  Leibes  jenen  der  Lebendigkeit  Involvirt,  und  der  Cadaver 
ein  blosses  Residuum  des  einstgewesenen  Leibes  darstelle.  Wir  hätten  also  an  Duns 
Scotus  zu  bemängeln,  dass  er  dem  Begriffe  des  Leibes,  welcher  nur  Im  Zusammensein 
desselben  mit  der  Ihn  umgreifenden  und  innerlich  gefasst  haltenden  Seele  Wahrheit  hat, 
den  Begriff  Körper  substituirte,  der  als  solcher  etwas  der  Seele  Aeusserllches  darstellt, 
und  insofern  freilich  eine  von  der  Seele  verschiedene  Realität  Ist,  woraus  aber  keines- 
wegs folgt,  dass  er  als  eine  von  seinem  geistigen  Formprinclpe  getrennte  Wesenheit 
existlren  könne.  Der  Begriff  eines  relativen  Selbstlebens  des  der  Seele  eignenden  Leibes, 
der  allerdings  dem  diesen  Begriff  Ignorlrenden  Thomismus  gegenüber  zur  Geltung  zu 
bringen  war,  kam  In  der  Opposition  des  Scotismus  gegen  den  Thomismus  nicht  zum 
Ausdrucke;  beide  einander  bekämpfende  Schulen  standen  auf  dem  gemeinsamen  Boden 
einer  Naturanschauung,  welcher  der  Begriff  der  Naturlebendigkeit  fremd  war,  und 
welche  daher,  anstatt  den  Stoff'  selber  als  lebendigen  zu  fassen,  das  Lebendigsein  als 
etwas   durch  besondere  Agentien  Causirtes  zu  Ihm  hinzukommen  Hess. 

Das  Interesse  des  Thomismus  In  der  Frage  vom  Verhältniss  der  beiden  Constituenten 
des  Menschenwesens  zu  einander  war,  dieses  Verhältniss  Im  Gegensatze  zum  Piatonismus 
als  ein  möglichst  Inniges  zu  fassen.  Es  Hess  sich  aber  nicht  Inniger  fassen,  denn  so, 
dass  es  als  Verhältniss  des  Stoffes  zu  der  Ihm  congrulrenden  Wesensform  bestimmt  wurde; 
es  sollte  damit  die  speclfische  Idee  des  Menschenwesens  als  eines  seiner  Idee  nach 
untheilbaren  Ganzen,    zugleich    aber  auch   die  durchgängige  Bestimmtlielt  des  Lelbllch- 


'  Rer.  princip.  qu.   8,  art.  6. 

2  Vgl.  Thom.  Aq.   1   qu.  66,  ai't.   1:  Materia  seeundum  id  qiaod  est,  est  ens  iu  potentia.     Unde  raagis  repugnat  materiae  esse 

in  actu  sine  forma,  quam  aceidenti  sine  subjecto.  —   Siehe  dagegen  D.  Scot.  Rer.  princip.  qu.  7,  art.  1;  Metaph.  IX,  qu.  I; 

2   dist.    12,   qu.    1    et  2. 

44* 


348  Karl  AVekner. 

Sinnliolien  durcli  den  liüliiTen  formgebenden  Theilconstituenten  dieses  Einen  Ganzen  zum 
Ausdruck  gebracht  werden.  Ein  derartiges  Interesse  ist  auch  iJuns  Scotus  nicht  fremd; 
auch  er  sucht  zu  zeigen.'  dass  die  Einigung  des  sinnlichen  Leibesgebildes  mit  dem 
intellectiven  Formprincipe  inniger  sei,  als  irgend  eine  andere  Einigung  von  Materie  und 
Form,  wobei  er  selbst  den  von  der  Dominicanerschule  so  entschiedenst  betonten  Gedanken 
von  der  Seele  als  Lebensprincip  des  Menschengebildes  nicht  minder  entschieden  zur 
Geltung  zu  bringen  bemüht  ist.^  Die  Einigung  von  Stoff  und  Form  —  lehrt  Duns  Scotus 
—  ist  um  so  inniger,  je  vollkommener  die  Form  ist,  in  welche  der  Stoff  hineingebildet 
wird;  die  vollkommenste  aller  Wesensformen  der  sichtbaren  Wirklichkeit  ist  aber  die 
intellective  Menschenseele.  Dieselbe  erweist  sich  als  das  formmächtigste  aller  Principien, 
indem  sie  den  Stoff  in  seiner  ausgebildetsten  und  vollendetsten  Gestaltung,  wie  diese  eben 
im  menschlichen  Leibesgebilde  dargeboten  ist,  zu  eigen  hat;  eben  darum  ist  aber  auch 
ihre  Einigung  mit  dem  Stoffe  inniger,  als  die  jeder  anderen  tiefei'stehenden  Form.  Die 
intellective  Menschenseele  ist  als  oberste  Wesensform  der  sichtbaren  Wirklichkeit  der 
oberste  und  darum  vollkommenste  Halt  der  im  Flusse  begriffenen  Materie;  damit  ist 
aber  zugleich  auch  der  innigste  Grund  der  Einigung  von  Stoff  und  Form  involvirt. 
Diese  Art  von  Einigung  ist  desto  inniger,  je  feiner  und  durchdringender  das  Form- 
princip  ist;  die  intellective  Seele  ist  als  spirituelle  Wesenheit  das  feinste  und  durch- 
dringendste aller  Formprincipien.  Das  Menschenwesen  nimmt  unter  allen  Verbindungen 
von  Stoff  und  Form  die  höchste  Stelle  ein;  es  ist  demnach  die  durchgebildetste  und  voll- 
kommenste Einigung  von  Stoff'  und  Form.^  Bestimmt  man  den  Werth  der  Form  nach 
ihrem  Einflüsse  auf  den  sie  gestaltenden  Stoff,  so  ist  endlich  auch  noch  hervorzuheben, 
dass  die  in  Gott  vollendete  himmlisch  verklärte  Seele  dem  ihr  eignenden  Leibe  eine 
Seinsvollendung  verleiht,  welche  über  jene  der  himmlischen  Körper  hinausreicht.*  Daraus 
ergibt  sich  aber  freilich  auch,  dass  die  vollkommene  Actualisirung  der  im  Menschen- 
wesen gegebenen  vollkommenen  Einigung  von  Stoff  und  Form  dem  himmlischen  Yoll- 
endungsstande  angehört,  und  auch  da  wieder  Stufenunterschiede  zulässt;  die  absolute 
Vollendungsstufe  ist  in  Christus  dargestellt,  in  welchem  die  vollendetste  Seele  mit  dem 
vollkommensten  Leibe  zur  vollkommensten  Einheit  zusammengeschlossen  ist ;  diese  ist 
demnach  das  Ideal  und  ßichtmass  aller  anderen  Einigungen  von  Stoff  vmd  Form,  der 
absolute  Zusammenschluss  des  der  Naturwelt  angehörigen  Stoffes  mit  einem  geistigen 
Formprincipe. '' 

Dieser  in  seiner  Art  bedeutsame  christosophische  Abschluss  der  metaphysisch-kosmo- 
logischen  Lehre  vom  Verhältniss  zwischen  Materie  und  Form  schllesst  wohl  nebenher 
auch  eine  indirecte  Kritik  der  Thomistischen  Anthropologie  in  sich,  sofern  diese  das- 
jenige, was  Duns  Scotus  zur  wahrhaften  und  vollkommenen  Einheit  von  Stoff'  und  Form 
forderte,    bereits    in     der    von    Tliomas    behaupteten    und    urgirten    Substanzeinheit    des 


'  Rer.  princip.  qu.  9,  ait.  "2,  sect.   3. 

2.  Quaravis  sint  diversao  formae  in  homiiie.    dantes  diversa  esse,  aniraa  intellectiva  noii  soluni   dat  esse  intellectui,    sed  [jerficit 

actus  aliarum  formarum.    Quod  patet,   qiiia  ipsa  recedente  incipit  materia  cornimpi  quoad  actus  aliarum  formanim.    Iliid. 
'  Tota  ratio  unitatis,   quae  jjossit  esse  in  aliquo  composito  pure  natnrali,    terminatui"  in  homine  nt   iu  ultimo  terniiuo  naturae: 

propter  quod  dico,    quod  in  liomine  est  major  uöitas  essentialis,   quam  in  aliquo  liruto  vel   composito  naturali,    et  in  eo  ter- 

minatur  omnis  ratio  unitatis  ut  in  terraino.     L.  c. 
*  Intellectiva    forma  ]>lus    abstrahit  materiani  snam,    quam  aliqua  forma,    de    mundo.     Quod  patet,    quia   cum    materia  ejus    sit 

corruptihilis,  per  actum  merendi  ordinat  eam  ad  ]1erpetuit,^t(•m  firmiorem,  quam  sit  in  coelo,  et  eam  uuit  formae  su|)ernaturali, 

secundum  quod  totus  homo  est   subjectum  beatitudinis  perfectae.     L.  c. 
^  Unitas  Christi  est  prima  nnionura  et  mensura  omnis  compositi  naturalis.     Rer.  princip.  qn.   '.1,   art.   2.  sect.  4. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnissleure  des  Johannes  Duns  Scotus.  349 

Menschenwesens  gefunden  zu  haben  glaubte.  Da  Duns  Seotus  in  dem  aus  Geist  und  Leib 
zusammengesetzten  Menschenwesen  ein  doppeltes  Esse  vereiniget  sah,  so  musste  er  zur 
vollkommenen  Vermittelung  der  menschlichen  Wesensdualität  höher  greifen  als  Thomas, 
und  gestand  die  von  diesem  behauptete  Wesenseinheit  des  Menschen  nur  in  so  weit  und 
in  dem  Grade  zu,  als  sie  im  überzeitlichen  Vollendungsstande  des  Menschen  zur  Wahr- 
heit wird ;  die  in  der  unmittelbaren  irdischen  Erfalnanig  gegebene  natürliche  Wesens- 
einheit des  Menschen  wurde  von  ihm  zwar  nicht  bestritten,  aber  doch  nur  als  eine 
relative  und  einer  nachfolgenden  Vervollkommnung  und  vollkommenen  Actualisirung 
bedürftige  angesehen.  Das  Problem  der  Wesenseinheit  ist  für  ihn  ein  viel  vermitteltei'es, 
als  für  Thomas,  schon  aus  dem  Grunde,  weil  er  in  der  Seele,  die  als  Formprincip  zum 
Leibe  in's  Verhältniss  gesetzt  werden  soll,  selber  bereits  eine  Zusammensetzung  aus  Stoö" 
und  Form  sieht.  Für  ihn  erwächst  also  die  Nothwendigkeit  sicli  die  Frage  zu  stellen : 
Kann  die  intellective  Seele  trotzdem,  dass  sie  selber  aus  Materie  und  Form  zusammen- 
gesetzt ist,  zugleich  auch  Formprincip  einer  von  ihr  unterschiedenen  Kealität  sein  ?  Sein 
Vorgehen  in  der  Lösung  dieser  Frage  ist  diess,  dass  er  zuerst  beweist,  die  menschliche 
Seele  könne  nicht  anders  denn  als  Wesensform  des  Menschen  gedacht  werden;  die  weitere 
Frage  ist  für  ihn  sodann,  unter  welchen  Modalitäten  sie  zufolge  ihres  zusammengesetzten 
Wesens  als  Wesensform  des  leiblich-sinnlichen  Menschen  gedacht  werden  könne.  Wenn 
wir  ihn  oben  sagen  hörten,  dass  der  Leib  als  körperliche  Realität  seine  eigene  lYesens- 
form  habe,  die  ihm  auch  nocli  im  Tode  verbleibe,  so  wäre  wohl  weiter  auch  noch  zu 
fragen,  ob  der  ein  selbsteigenes  Sein  habende  Leib  den  Zusammenschluss  mit  der  Seele 
zu  Einem  Wesen  vertrage?  Darauf  hörten  wir  indess  schon  oben  die  Antwort,  dass  auch 
die  materia  nuda  ein  selbsteigenes  Sein  habe  und  doch  mit  der  ihr  superinducirten  Form 
Ein  Wesen  ausmache.  Demzufolge  leidet  es  keinen  Zweifel,  dass  die  anima  vegetativa 
und  sensitiva  in  ihrem  Zusammensein  die  Wesensform  eines  sinnlichen  Lebewesens  con- 
stituiren  können.  Es  ist  also  nur  die  Frage,  ob  die  intellective  Seele  eben  so  wesent- 
lich und  in  derselben  Art  und  Weise,  wie  die  anima  vegetativa  und  sensitiva,  also  als 
Informationsprincip  zum  leiblichen  Menschengebilde  in  Beziehung  stehe.  Dem  Duns  Scotus 
ist  diess  zunächst  schon  durch  den  christlichen  Glauben  und  durcli  das  unmittelbare 
Selbstbewusstsein  des  Menschen  gewiss,  erscheint  ihm  weiter  aber  auch  auf  dem  Wege 
dialektischer  Vermittelung  bis  zur  Evidenz  nachweisbar.'  Alles  Leiden  ist  auf  die  Materie, 
alles  Thun  auf  die  Form  zurückzuführen.  Wenn  das  Litelligere,  welches  ein  Act  der 
anima  intellectiva  ist,  eine  Thätigkeit  des  Menschen  als  Menschen  ist,  so  muss  demnach 
die  anima  intellectiva  Wesensform  des  Menschen  sein.  Die  Ansicht,  welcher  gemäss  die 
anima  sensitiva  das  Formprincip  des  Ijcibes,  der  Intellect  aber  als  etwas  der  Materie 
als  solcher  fremdes,  nicht  Form,  sondern  bloss  ein  substantialer  Theil  des  Menschenwesens 
sein  soll,  wird  von  Duns  Scotus  umständlich  widerlegt.  Dieser  Ansicht  zufolge  wäre 
Socrates  wahrhafter  ein  sinnliches  Lebewesen  (animal),  als  er  Socrates  ist.  Substantiale 
Theile  eines  Ganzen  können  fehlen,  ohne  dass  das  dieser  Theile  ermangelnde  Subject 
aufhören  würde  zu  sein,  was  es  ist;  so  z.  B.  lassen  sich  Menschen  denken,  welchen 
Auge,  Hand,  Fuss  fehlt.  Undenkbar  aber  ist  ein  Mensch  ohne  die  intellectuelle  Anlage, 
did  ihn  vom  Thiere  unterscheidet  und  ihn  im  Unterschiede  vom  Thiere  zum  Mensclien 
macht.  Wäre  der  Litellect  bloss  substantialer  Theil  des  Menschen,  so  würde  das  Intelligere 


Rer.  princip.  qii.  9.  art.  i,  sect.  2.    —   Vgl.  4  dist.   43,  qn.  2. 


ocQ  Kahl  Werner. 

per  intellectum  dem  Yidere  per  oeuluiu  üleiehzusetzcn  sein.  Indess  selbst  das  Letztere 
setzt  voraus,  dass  das  Gesicht  Form  des  Auges  ist;  also  müsste  auch  das  Intelligere  als 
Form  eines  Theiles  vom  Menschen  genommen  wei'den.  Aber  der  Mensch  erkennt  nicht 
mit  einem  Theile  seines  AVesens,  sondern  als  Ganzer-,  also  muss  der  Intellect  Form  des 
o-anzen  Menschen  sein.  Angenommen,  dass  der  Intellect  dem  Menschen  nicht  unmittelbar, 
sondern  durch  Vermittelung  der  anima  sensitiva  eigne,  ist  jene  Vermittelung  entweder 
als  mediatio  dispositionis,  oder  als  mediatio  accidentalis,  oder  endlich  als  mediatio  naturalis 
zu  fassen.  Als  mediatio  dispositiva  bezeugt  sie  den  Formcharakter  des  Intellectes;  denn 
alle  dispositiones  mediae  in  der  Materie  zwecken  auf  eine  zu  introducirende  Form  ab. 
Eine  mediatio  accidentalis  anzunehmen  ist  unzulässig,  weil  für  den  Fall  einer  derartigen 
Mediation  dem  Menschen  das  Menschsein  und  Intelligere  etwas  Zufälliges  wäre.  Für  den 
Fall  einer  mediatio  naturalis  aber  oder  mediatio  ordinis  naturae  hat  der  Intellect  eine 
natürliche  Inclination  zum  belebten  Menschengebilde,  die  im  gegebenen  Falle  nur  als 
Inclination  der  Form  zum  Stoffe  begriffen  werden  kann.  Der  Intellect  ist  etwas  dem 
I\lensehen  wesentlich  Inhärirendes ;  den  Charakter  einer  solclien  Inhärenz  hat  aber  eben 
nui-  dasjenige,  was  sich  zu  dem,  welchem  es  inhärirt,  als  Form  verhält. 

M'ir  hurten  oben,  dass  der  Intellect  zunächst  Wesensform  der  Seelensubstanz  sei: 
und  es  fragt  sich  nun,  wie  dieser  Formcharakter  des  Intellectes  mit  jenem  anderen, 
zufolge  dessen  er  auch  dem  Leibe  als  Form  eignen  soll,  zu  vermitteln  sei.  An  und  für 
sich  zeuo-t  es  allerdings  noch  von  einer  ziemlich  unentwickelten  Sprechweise,  wenn  statt 
des  Ausdruckes  ,sinnliche  Lebendigkeit',  die  zufolge  ihrer  teleologischen  Beziehung  auf 
das  intellectuelle  Thun  und  Wirken  des  Menschen  die  intellective  Seele  zu  ihrer  wesent- 
lichen Lebensform  hat,  der  Ausdruck  , Leib' gebraucht  wird;'  wir  müssen  uns  indess  der 
Denkweise  des  Duns  Scotus  anbequemen,  der  im  Leibe  als  solchem  und  abgesehen  von 
seiner  Lebendigkeit  ein  fertiges  Esse  sieht,  das  er  im  abstracten  Denken  festhält,  ohne 
sich  um  die  mit  den  Lebensbedingungen  des  Leibes  zusammenfallenden  Existenzbedin- 
gungen desselben  zu  kümmern.  Er  sagt  freilich,  dass  die  Seele  als  Yegetationsprincip 
dem° Leibe  das  Esse  substantiale  verleihe;  die  Art  und  Weise  aber,  wie  er  diess  aus- 
spricht, bekundet  hinlänglich,  dass  eine  specielle  Advertenz  auf  die  Vitalvorgänge  des 
Leibes  und  überhaupt  auf  die  Vitalität  desselben  gänzlich  ausser  seinem  Gesichtskreise 
lieo-e.-  Demzufolge  beschäftiget  ihn  vornehmlich  nur  das  Verliältniss  des  Leibes  zur 
sensitiven  und  intellectiven  Seele,  deren  jede  seiner  Erklärung  zufolge  in  einer  anderen 
Art  Formprincip  des  Leibes  ist  —  die  intellective  Seele,  sofern  der  menschliche  Leib 
in  der  ebenmässigsten  Durchbildung  seines  Stoffes  zur  Vereinigung  mit  einem  intellectiven 
Formprincipe  geeignet  ist;^  die  sensitive  Seele,  sofern  dieser  ebenmässigst  durchgebildete 


1  Duns  Scotus  erklärt,  wie  man  nicht  Woss  die  intellective  Seele,  sondern  den  Intellect  selber  Form  des  Leibes  nennen  könue, 
in  folgenderweise:  Pars  intellectiva,  ut  est  de  geuere  substantiae,  est  forma  et  actus  materiae,  ipsa  vero  ut  poteutia  habet 
esse  in  materia,  quia  illud,  cujus  est  iiotentia,  sive  cum  quo  idem  est,  est  in  materia  et  forma  materiae,  et  per  consequens 
•  ipsa  potentia  intellectiva  aliquo  modo   est  in  materia.     Rer.  princip.  qu.  9,  art.  2,  sect.  2. 

=  Advertendum quod  .anima  humana,    quae  de  se  est  vegetativa,    sensitiva   et  intellectiva,    si    consideretur  ut  daus  esse 

substantiale,  nee  ut  sensitiva  nee  ut  intellectiva  est  forma  corporis  ut  organiei,  sed  solum  ut  est  corpus  mistum  et  com- 
plexionatum.      Ibid. 

3  Materia  corruptibilis  in  humauo  cori.ore  est  altissinia  et  nobilissiraa  et  dignissiraa,  et  ad  actus  altissimos,  ut  est  in  composito, 
apta.  Et  hoc  est,  quod  dicit  Avicenna  VI  Naturalium  part  4,  c.  ö:  ,Con,plexio,  quo  magis  accesserit  ad  medium  comple- 
xionis,  aptius  fiet  ad  recipiendum  augmentum  perfectionis  vitae;  cum  vero  tem]ieratissimum  fuerit,  ita  ut  contraria  aequalia 
sint  in  eo,  et  aequaliter  operentur,   coaptabitur  perfectioni  vitae  rationabilis.'     Ibid. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotcs.  351 

Leib  das  b es tge eignete  Organ  sinnlicher  Wahrnelimung  ist/  Die  intellective  Seele  setzt 
den  leiblichen  Organismus  als  etwas  für  sie  Gegebenes  voraus,  und  ist  weder  Wirkungs- 
grund seiner  Existenz,  noch  auch  Princip  seiner  organischen  Verrichtungen,  während 
die  Sensationsfähigkeit  doch  wenigstens  zur  Yollkommenmachung  der  Functionen  der 
organischen  Leiblichkeit  dient,  obschon  der  Bestand  oder  das  Esse  der  organischen  Leib- 
lichkeit als  solcher  auch  von  der  sensitiven  Seele  unabhängig  ist.  Wir  entnehmen  aus 
dem  Gesagten,  dass  die  Intellectivität  in  ganz  anderem  Sinne  Formprincip  der  Seele,  als 
die  intellective  Seele  P"'ormprincip  des  Leibes  ist;  die  Form  der  Intellectiven  Seele  ver- 
leiht dieser  das  Sein,  der  Leib  aber  hat  sein  Esse  unabliängig  von  der  Intellectivität 
der  Seele,  obschon  mit  durchgängiger  Beziehung  auf  dieselbe,  wodurch  er  sich  von  jedem 
anderen   bloss   tliierischen   Organismus  unterscheidet. 

Obschon  die  drei  Informationsprincipien :  die  anima  vegetativa,  sensitiva  und  intel- 
lectiva,  nach  der  ausdrücklichen  Erklärung  des  Duns  Scotus  substantiell  Eins  sind,^  und 
die  zwei  ersteren,  wie  er  sich  ausdrückt,  in  der  anima  intellectiva  wurzeln,^  so  wird 
doch  die  anima  vegetativa  von  den  beiden  anderen  sehr  bestimmt  unterschieden,  sofern 
er  dieselben  von  aussen  in  das  Product  der  elterlichen  Zeugung  eintreten  lässt,  während 
die  anima  vegetativa  diesem  Prodiicte  als  solchem  angehört.  Die  elterliche  Zeugung  pro- 
ducirt  also  durch  sich  selbst  nicht  den  ganzen  Menschen,  sondern  bloss  den  Leib  des- 
selben als  ein  Gebilde,  das  zur  Reception  der  intellectiven  Seele  disponirt  ist-,*  mit  dieser 
wird  aber  dem  Leibe  zugleich  auch  die  sensitive  Seele  durch  einen  göttliclien  Creations- 
act  infundirt,''  so  dass  die  Menschenerzeugung  weit  mehr  ein  übernatürlicher,  denn  ein 
natürlicher,  weit  mehr  ein  göttlicher  denn  ein  menschlicher  Act  ist,  und  weit  mehr  ein 
Schöpferact,  denn  ein  Generationsact  genannt  zu  werden  verdient.  Das  menschliche 
Zeugen  unterscheidet  sich  hiedurch  durchgreifend  vom  tliierischen  Zeugen,"  durch  welches 
das  Gezeugte  in  seiner  Ganzheit  aus  dem  Zeugungsstoffe  educirt  wird,  also  auch  die 
iinima  sensitiva  des  Thieres.  Er  verwirft  zwar  den  Gedanken  eines  der  irdischen  Materie 
als  solcher  immanenten  Lebens,  das  durch  die  thierische  Zeugung  gewissermassen  aus  seiner 
Latenz  hervorgezogen  würde;  aber  er  behauptet,  dass  die  Wesensformen  der  thierischen 
Existenzen  keimartig  in  der  IMaterie  präexistiren ,  und  durcli  die  Zeugung  actualisirt 
werden.  Der  Umstand,  dass  das  Thier  in  Kraft  der  Zeugung  eine  sensitive  Seele  hat, 
während  diese  dem  Producte  der  menschlichen  Zeugung  von  Aussen  eingesenkt  ward, 
bekundet  den  Vorzug  der  menschlichen  anima  sensitiva  vor  jener  des  Thieres,  welche 
ausgedehnt  und  theilbar  ist,"  während  jene  des  Menschen  zufolge  ihrer  substantiellen 
Einheit  mit  der  intellectiven  Seele  an  der  Einfachheit  und  Unausgedehntheit  derselben 
Theil  hat,  und  mit  ihr  als  tota  in  toto  et  qualibet  parte  corporis  gegenwärtig  ist.  Als  Educt 
aus  der  irdischen  Materie  wäre  die  menschliche  anima  sensibilis  vergänglich  wie  die 
Thierseele,  und  so  wüi'de  in  diesem  Falle  das  in  aufsteigender  Ordnung   allgemein  sich 


'  In  corpore  humano  duplex  est  conipositio;  una  corporis,  inquantuiu  corpus  est  sulistantia  inista,  complexionata  in  altissimo 
et  temperatissimo  gradu  mistionis  et  complexionis  ....  alia  vero  conipositio  est  corporis,  ut  est  Iiabeus  proportiones  compe- 
tentes  organis,  ut  sunt  susceptiva  specicrum  sensibilium.  Quae  dispositio  consistit  in  debita  quantitate  et  qualitate  et  tempera- 
mento  qualitatum  miscibilium,  secundum  quas  fit  media  ratio  et  proporlio  ad  suscipiendum  in  se  species  sensibilium.    Ibid. 

2  4  dist.   44,  qn.   1. 

3  Ker.  jn-incip.  qu.   10,  art.  4. 

■*  Rer.  princip.  qu.   10,  art.   2.  —   4  dist.  43,  qu.   3. 

''  Rer.  princip.  qu.   10.  art.  4. 

*'  Rer.  princip.  qu.   10,  art.  .S  —   2  dist.   !">,  (ju.  unic.   —    2  dist.    18,  qn.   nnic. 

'  Rer.  princip.  qu.   12,  art.  4.   —   4  dist.l,  ([U.  5  —   4  dist.  44.  i|H.   1. 


352  K'"'i'  '^Verner. 

bewährende  kosmische  Gesetz  der  in  einei-  bevorzugten  Wesensclasse  sich  vollziehenden 
Erhebung  des  Niederen  in  das  ilim  zunächst  übergeordnete  Höhere,  gerade  im  Menschen, 
dem  Gipfel  der  sichtbaren  Wirkliclikeit,  plötzlicli  zum  Falle  kommen.  Das  im  kosmischen 
Ganzen  sich  durcligängig  vorweisende  Aufstreben  zu  höheren  und  vollendeteren  Scins- 
weisen  vollzieht  sich  nämlich  in  Form  einer  kegelartigen  Zuspitzung,  welche  macht,  dass 
von  den  einer  bestimmten  Seinsstufe  angehörigen  Existenzen  ein  auserwählter  Theil, 
unter  Zurücklassung  aller  übrigen  auf  ihrer  Seinsstufe,  in  eine  höhere  emporgehoben, 
und  so  über  sich  selbst  erhoben  wird.  So  zeigt  sich  ein  Theil  der  zusammengesetzten 
irdischen  Körper  in  den  Pflanzen  aus  der  Seinsstufe  der  unbelebten  minei-alischen  Körper 
in  den  Bereich  der  vegetativen  Lebendigkeit  erhoben  •,  in  der  Thierwelt  das  weitver- 
breitete Gebiet  der  vegetativen  Lebendigkeit  in  jenes  der  animalischen  Sensibilität 
erhoben.  Demnach  muss  auch  wieder  die  Sensibilität  in  einem  bestimmten  bevorzugten 
Theile  irdischer  Lebewesen  über  sich  selbst  erhoben  und  in  eine  höhere  Seinsstufe  ein- 
gerückt Av erden.  Die  kegelartige  Zuspitzung  im  Aufsteigen  zum  Höheren  zeigt  sich 
darin,  dass  von  der  unermesslich  grossen  Zahl  der  gemischten  imd  complexionirten 
irdischen  Körper  nur  ein  Theil  vegetatives  Leben  hat,  von  den  vegetativ  lebendigen 
Körpern  nur  ein  Theil  sensibel  ist,  von  den  sensiblen  Lebewesen  nur  ein  Theil  zugleich 
auch  intellectionsfähig  ist.  Die  vollkommene  Zuspitzung  der  auf  der  breiten  Basis  der 
sinnlichen  Naturexistenz  sich  erhebenden  Pyramide  vollzieht  sich  in  Christus,  in  welchem 
die  intellective  ]\Ienschenexistenz  in  die  unmittelbare  personhafte  Einigung  mit  Gott 
hineingenommen  ist.  Die  wesenhafte  Einheit  der  anima  sensibilis  mit  der  intellectiva 
ist  auch  darum  nothwendig  gefordert,  weil  nur  unter  dieser  Bedingung  ein  wirklichei^ 
Vorzug  der  menschlichen  Sinnenseele  vor  jener  des  Thieres  gCAvahrt  ist;  denn  es  ist 
bekannt,  dass  der  IMensch  an  Schärfe  der  Sinne  vielen  Thieren  nachsteht,  daher  seine 
anima  sensibilis  nicht  durch  ihre  Thätigkeit,  sondern  nur  vermöge  ihres  Wesensranges 
über  jener  des  Thieres  stehen  kann.  Gegen  den  aus  Aristoteles  entlehnten  Einwurf,  dass 
einzig  der  Intellect  von  Aussen  in  den  Menschen  komme,  glaubt  Duns  Scotus  (freilich 
unrichtig)  bemerken  zu  dürfen,  dass  Aristoteles  an  der  bezüglichen  Stelle'  keineswegs 
die  intellective  Potenz  in  ihrem  Unterschiede  von  der  sensitiven  und  vegetativen  Potenz, 
sondern  die  Substanz  der  intellectiven  Seele  meine,  welche  alle  jene  Potenzen  in  sich 
schliesse.  Wir  haben  hier  zu  constatiren,  dass  Thomas  Aquinas,  welcher  die  anima  sen- 
sibilis des  Menschen  als  Product  der  elterlichen  Zeugung  ansieht,^  und  einzig  die  intel- 
lective Seele  unmittelbar  durch  Gott  verliehen  werden  lässt,  nicht  nur  der  aristotelischen 
Auffassungsweise  näher  steht,  sondern  auch  den  Aristoteles  richtiger  interpretirte,  als 
Duns  Scotus,  dessen  anthropologische  Anschauungen  in  dem  eben  besprochenen  Punkte 
zu  jener  Art  von  Dualismus  zui'ückstreben,  wie  er  in  des  Gennadius  Schrift  de  dogmatibus 
ecclesiasticis  vertreten  ist.  In  der  That  beruft  er  sich  für  seine  Ansicht  von  der  wesen- 
haften Einheit  der  anima  sensibilis  mit  dei'  anima  intellectiva  auf  eine  Stelle  jener 
Schrift,'  die  er  übrigens  nur  aus  der  pseudo-augustinischen  Schrift  de  Spiritu  et  Anima'' 
kennt   und   für   eine  xVeusseruns;  Auffustins   nimmt.^     Natürlicli  hält  sich  Duns  Scotus  in 


'  Ashterai  tbv  voüv   jj.övov  OupxOsv  IrsiaiEvai  zai  OeTov  "tiia.:  ao'vov.     Gen.  animal.  II,   "J,  ]i.   736. 
2  1   qu.   118,  art.   1. 
'  Gemiad.   dogm.   occl.   c.    14. 
'  De  Spir.   et  An.,  c.  48. 

'•>  Die  Stelle  lautet:    Dieinius,    corpus  per  conjugii  copulationem  scniinari.   Dei  vero  judicio  coagulari  in  vulva  matris  et  com- 
jjingi  atque   formari,   ao   formato    jani    cor])ore   animam   creari   et   iufuudi,   ut   vivat  ex   utero   homo    ex   corpore  constaus  et 


■Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  353 

Folge  dessen  für  berechtiget,  aucli  seine  Ansiclit  von  der  Unvergänglichkeit  der  anima 
sensibilis  des  Menschen  auf  die  Auctorität  des  heiligen  Augustinus  zu  stützen,  während 
Thomas*  die  Berufung  auf  eine  einschlägige  Stelle  in  der  Schrift  de  Spiritu  et  Anima ^ 
mit  der  Bemerkung  abweist,  dass  jene  Schrift  keinen  Anspruch  auf  Beachtung  habe/ 
Thomas  unterscheidet  zwischen  solchen  Seelenkräften,  deren  Subject  einzig  die  Seele  ist, 
und  anderen,  welche  den  Menschen  als  geistig  sinnliches  Wesen  zum  Subjecte  haben. 
Die  Kräfte  ersterer  Art:  Intellect  und  Wille,  verbleiben  der  Seele  auch  nach  ihrei- 
Trennung  vom  Leibe;  die  Potenzen  der  sensitiven  und  nutritiven  Seele  verbleiben  ihr 
nach  dem  Leibestode  bloss  virtuell,  nicht  aber  actuell. 

Fragen  wir  nach  einem  inneren  psychologischen  Grunde,  welcher  Duns  Scotus 
bewegen  konnte,  an  der  Unvergänglichkeit  und  wesenhaften  Identität  der  anima  sensibilis 
mit  der  intellectiva  festzuhalten,'  so  wird  es  wohl  kein  anderer  gewesen  sein  als  dieser, 
dem  unsterblichen  inneren  Seelenmenschen  den  Vollgehalt  des  psychischen  Innenlebens, 
das  nicht  im  Denken  und  Wollen  aufgeht,  zu  retten.^  Bei  Thomas  lag  die  Sache  anders; 
indem  er  bestimmter  und  entschiedener  als  Duns  Scotus  das  Wesen  oder  den  Grund  der 
Seele  von  den  Potenzen  derselben  abschied,  konnte  er  in  dem  verborgenen  Grunde  dei'- 
selben  ein  schlummerndes  Sehnen  und  Begehren  nacli  absoluter  Erfüllung  und  Befriedigung 
voraussetzen,  über  dessen  Ziel  und  Gegenstand  erst  die  vom  Leibe  geschiedene  Seele 
zum  vollkommen  klaren  Bewusstsein  gelangt,  und  welches  selber  erst  in  der  ihres  Leibes 
ledig  gewordenen  Seele  mit  voller  Macht  und  Entschiedenheit  sich  vernehmbar  macht. 
Wir  begreifen  sonach,  welches  Interesse  zufolge  ihres  strengen  Festhaltens  an  der  aristo- 
telischen Psychologie  Thomas,  wie  vor  ihm  schon  Albert,  haben  konnten,  das  Wesen  der 
intellectiven  Seele  von  den  Potenzen,  deren  ausschliessliches  Subject  sie  nach  Aristoteles 
ist,  so  bestimmt  abzutrennen ;  es  handelte  sich  für  sie  darum,  der  geistig-seelischen  Inner- 
lichkeit des  Menschen  einen  Lebens-  und  Thätigkeitsgehalt  zu  retten,  der  im  bewussten 
Denken  und  Wollen  des  irdischen  Zeitmenschen  nicht  aufgeht,  ja  demselben  nach  ihrer 
Ansiclit  nicht  einmal  deutlich  ins  Bewusstsein  tritt,  es  sei  denn,  dass  Gnade  und  Er- 
leuchtung den  Menschen  über  sich  selbst  erheben.  Duns  Scotus  hingegen  Avollte  den 
Menschen  eben  in  diesem  inneren  Kerne  seines  geistigen  Lebens  und  Strebens  fassen; 
und  da  er  gleichfalls  an  der  aristotelischen  Psychologie  insoweit  festhielt,  dass  er  ihren 
Schematismus  der  Seelenvermögen  als  kanonisch  giltig  hinnahm,  so  wusste  er  dem 
inneren  Seelenmenschen  den  V-ollgehalt  seines  Lebens  und  Empfindens  nur  dadurch  zu 
retten,  dass  er  die  von  Aristoteles  der  sensiblen  Seele  zugeschriebenen  irasciblen  und 
concupisciblen  Thätigkeiten,  also  mit  Einem  Worte  das  Affectleben  der  Seele  in  die  inner- 
lichste Tiefe    derselben  verlegte    und    mit  dem    intellectiven  Begehren  derselben  innigst 


anima.     Nee  duas  animas  credimiis  esse  in  uno  homine,    unam  seil,  animalem  ....  et  alteram  spiritualem  .  .  .  sed  dicimus 

unam  animam  eandemqne  esse  in  homine,    quae  et  corpus  sna  societate  vivificat  et  seraetipaam  sua  ratione  disponit. 
'   1   qUf  77,  art.  8. 
-  Dicitiu"  in  libro  de  Spir.   et  an.   (c.   15  a  princij).),    qnod  anima  secedit  a  corpore   seciim    traliens   sensuni    et  imagiiiationeni, 

rationem  et  intellectura,  intelligentiam,  concupiseibilitatem  et  irascibilitatem.   —  Diese  Stelle  ist  aus  Isaak's  v.  Stella  Schrift 

de  anima  entnommen. 
^  Liber  ille  auctoritatem  non  liabet;    unde  qnod  il>i  scriptum  est,  eadem  facilitate  contemuitur,  qua  dicitur.  L.  c. 
^  Vgl.  auch  Huge  a  St.   Victore   Erud.  didascal,  II,  5:    Simplex    substantia    est   anima,    nee   aliud,   nee  minus    est   ratio  in 

substantia  qxiam  anima;    nee    aliud,    nee    minus    est  irascibilitas  vel  concupiscibilitas  quam    anima;     sed  una  eademqne  svilj- 

stantia  secundum  diversa.?  poteutias  diversa  sortitur  vocabula.    Has  potentias  naturaliter  habet,  antequam  corpori  niisceatur. 
5  Ein   sinnliches  Empfinden    spricht  Duns  Scotus   der  anima  separata   eben  so  gut  wie  Thomas  ab:    Potentiae    sensitivae    aub 

i'atione  completa,  qua  sunt  principium  operandi,  non  remanent  in  anima  separata,  sed  incomplete  et  in  radiee.    Rer.  princip. 

qu.   11,  art.  2. 
Denkscliriften  der  phil.-Mst.  Cl.  XX VI.  BJ.     •  4ö 


0^4  Kaul  Webner. 

versclimolzen   dachte.      Da  er  aber  nicht  Mystiker,  sondern  Scholastiker  war,   so   di'ängte 
er  die  affectuosen  Stimmungen  der  mystischen  Theologie   in   sicli  selbst  so  weit  zurück, 
als  es  ihm  im  Interesse  eines  scharfen  und  klaren  Denkens  geboten  schien ;  da  ihm  indess 
das  Gebiet  der  metaphysischen  Realerkenntniss  sich  in   dem  Grade  verengte,   in   welchem 
er  die  Ansprüche    eines    strengen  Denkens  steigerte,    so  kam  er  unter  Verzicht  auf  eine 
speculatlve  l-Lrkennbarkeit    dessen,    was    der    im    gläubigen  Denken    festgehaltenen  über- 
irdischen AVirldichkeit  angehört,  dahin,  den  Inhalt  dessen,   was  die  kirchliche  Theologie 
über  die  höchsten,    ewigen  Ziele  der  Menschheit  lehrt,    unter  dem  vorherrschenden  Ge- 
sichtspunkte   eines    praktischen  AVillensinteresses    anzusehen,    wobei    er    aber    als    Christ, 
als  Theolog  und  Ordensmann  eben   nur  an  den  in  heiliger  Liebe  geklärten,    Gott  zuge- 
wendeten Seelenwillen  dachte.    Diess  ist  der  eigentliche  Sinn  und  innerste  Grundgedanke 
seiner  Lehre  von    der    im  Menschen    in    die  Region    der    Intellectivität    emporgehobenen 
anima  sensitiva.  Mit  dieser  seiner  theologisclien  Grundrichtung  hängt  sein  anthropologischer 
Dualismus  auf  das  engste  zusammen.     Je  schärfer  sich  in  seinem  Denken  die  übernatür- 
liche Ordnung  von  der  natürlichen  abschied,  desto  mehr  stellte  sich  ihm  letztei-e  in  einem 
gewissen  Grade  relativer  Unabhängigkeit  von  ei-sterer  dar.    Diese  Auffassung  reflectirtc 
sich  sodann  auch   in   seiner  Anschauung  vom  Menschen,   der  zunächst  in  seiner  seelisch- 
geistigen Innerlichkeit  in  den  Zusammenhang  mit  jener  höheren  übernatürlichen  Ordnung 
gezogen  ist;   die  irdische  Leiblichkeit  besteht  in   einer  relativen  Unabhängigkeit  von  der 
seelisch-geistigen  Innerlichkeit,    und    die    unmittelbare  Verbindung    zwischen    Seele    und 
Körper  ist  bei  Duns  Scotus  nur  dadurch  hergehalten,  dass  er  sich  zu  dem  Satze  von  dei- 
Seele  als  Lebensprincip  des  Leibes  bekennt,    so  ungenügend  auch   immerhin  die  in  den 
allgemeinen  metaphysisch -kosmologischen  Anschauungen    seines   Denksystems   enthaltene 
Begründung  desselben  ist.    Der  anthropologische  Dualismus  des  Duns  Scotus  hat  seiner- 
seits wieder  seinen  Rückhalt  in  dem  eben  aufgewiesenen  allgemeinen  Verhältniss  zwischen 
Stoff  und  Form.      Duns   Scotus   steht  bezüglich    dieses  Punktes   in    seinem  Zeitalter  nicht 
vereinzelt  da.     Der  Satz,    dass  die  Materie  ein  von   der  Form  unabhängiges  Esse  habe, 
findet  sich  auch  bei  Heinrich  von  Gent  ;*  die  Lehre  von  den  der  Materie  eingeschaffenen 
Rationes  seminales  gehört  zwar  zunächst  Augustinus  an,  ist  aber  in  der  Naturlehre  des 
Landsmannes  und  Ordensgenossen  des  Duns  Scotus,  Roger  Bacon,  ausgeprägt,  von  dessen 
geistigem  Einflüsse,    wenn    auch    nur    mittelbar    und    theilweise,    Duns   Scotus    immerhin 
berührt  worden  sein  mag. 

Duns  Scotus  verwirft  die  thomistische  Unterscheidung  eines  realen  Unterschiedes 
zwischen  dem  Wesen  der  Seele  und  den  Kräften  derselben,  und  entscheidet  sich  mit 
Bonaventura  für  das  Gegentheil  dieser  Ansicht.'  Man  könne  nicht  läugnen,  dass  die  Seele 
Subject  oder  Träger  ihrer  Acte  sei ;  unmittelbarer  als  diess  aber  ist  sie  die  active  A  er- 
anlasserin  derselben.  "Wenn  sie  nun  Subject  ihrer  Acte  nur  als  Substanz  sein  kann,  so 
werden  um  so  mehr  ilire  Thätigkeitsemotionen  unmittelbar  ihrem  substantiellen  Wesen 
angehören.  Jede  Substanz  ist  unmittelbare  Ursache  des  durch  sie  gewirkten  Accidens 
proprium;  wie  z.  B.  ein  Feuer,  welches  einen  Gegenstand  brennen  macht,  unmittelbar 
durch  sich  selber,  durch  seine  Wesensform  Ursache  des  erzeugten  Feuers  ist,  und  umge- 
kehrt auch  dieses  aus  der  Materie,  also  aus  der  Substanz  des  entzündeten  Objectes, 
educirt  wird.     Die  Seele  ist  zur  Einigung  mit  Gott,    dem   absolut  Einen   bestimmt;    die 


'  Quotllibetica  I,  qu.   10. 

-  Rer.  princip.  qu.   11,  art.   3.  —  2  dist.   l(i,  qu.  unic.   —   4  dist  44,  qu.  2. 


Die  Psychologie  und  Ekkenntnisslehbe  des  Johannes  Duns  Scotus.  355 

Einigung  vollzieht  sich  im  Erkennen  und  Wollen  der  Seele,  also  müssen  auch  die  Kräfte 
des  Erkennens  und  Wollens  mit  dem  Wesen  der  Seele  Eins  sein,  weil  sonst  die  Seele 
durch  sie  nicht  zur  unmittelbaren  Vereinigung  mit  Gott  gelangen  könnte.  Die  Seele  geht 
aus  dem  Schöpferwillen  Gottes,  der  mit  Gott  identisch  ist,  ohne  ein  vermittelndes  Medium 
aus,  und  muss  daher  auch  Gott  als  ihr  Ziel  ohne  ein  dazwischen  tretendes  Medium 
erreichen  können-,  also  müssen  Erkenntniss  und  Wille  mit  dem  Wesen  der  Seele  Eins 
sein,  können  nicht  ein  Superadditum  dieses  Wesens  sein.  Die  Seele  ist  ein  Bild  des  drei- 
einigen Gottes ;  gleichwie  nun  in  der  göttlichen  Wesenheit  die  Personsunterschiede 
Relationsunterschiede  sind,  so  werden  auch  die  Potenzen  der  Seele  bloss  beziehungs- 
weise Unterschiede  im  Sein  der  Seele  constituiren.  Man  hat  in  der  seelischen  Potenz 
Materie  und  Form  zu  unterscheiden-,  die  Materie  ist  mit  der  Substanz  der  Seele  gegeben, 
die  Form  durch  die  Wirkungsweise,'  diese  aber  durch  das  Object,  auf  welches  sich  das 
Wirken  bezieht.  Je  nachdem  nun  das  Wirken  der  seelischen  Potenzen  auf  das  Seiende 
als  solches  oder  auf  das  begränzte  und  verengte  Seiende  geht,  ergibt  sich  der  Grund- 
unterschied oder  generische  Unterschied  zwischen  intellectiver  und  sensitiver  Potenz.  Die 
intellective  Potenz  unterscheidet  sich  vom  Willen  durch  den  Modus  der  Beziehung  auf 
ein  bestimmtes  Object;^  die  sensitive  Potenz  diversificirt  sich  nach  Verschiedenheit  der 
sensitiven  Potenzen.  Erkennen  und  Begehren,  welche  die  von  einander  unterschiedenen 
Modos  der  Selbstbeziehung  der  intellectiven  I\)tcnz  auf  das  Object  ausdrücken,  sind 
selbstvei-ständlich  auch  Acte  der  sensitiven  Seele,  werden  aber  als  solche  von  Duns  Scotus 
nicht  speciell  hervorgehoben,  weil  ihm  die  sensitive  Seele  mit  der  intellectiven  sachlich 
Eines  ist;  als  specifische  Potenzen  der  anima  sensitiva  bezeichnet  er  nur  eben  solche, 
welche  der  Seele  in  ihrer  Vereinigung  mit  dem  Leibe  zukommen  und  deren  Actionen 
sonach  Actiones   conjuncti  sive  compositi  humani   sind. 

Duns  Scotus  lässt  sowohl  das  Erkennen  als  auch  das  Begehren  der  Seele  erst  durch 
die  specifische  Beziehung- auf  ein  sinnliches  Object  zu  einem  sinnlichen  Erkennen  und 
Begehren  werden,  und  theilt  die  Bewegungen  des  Concupiscibile  und  Irascibile  der  intel- 
lectiven Seele  als  solcher  zu ;  das  Zusammensein  der  anima  intellectiva  mit  der  sensitiva 
involvirt  ihm  nur  eine  specielle  Tingirung  jener  Bewegungen.  Diess  erhellt  daraus,  dass 
er  das  Erkenntniss-  und  Affectleben  der  Engel  durchaus  nach  Analogie  des  menschlichen 
fasst,  und  demzufolge  auch  Engel  und  Menschenseele  entschieden  näher  aneinanderrückt, 
als  es  in  der  thomistischen  Theologie  der  Fall  ist.  Der  Engel  konnte  als  geistiges 
Wesen  —  sagt  Thomas  Aquinas^  —  nur  durch  die  Sünde  des  Hochmuthes  fallen ;  und 
dieser  ersten  Sünde  konnte  als  zweite  Capitalsünde  nach  dem  Falle  nur  noch  der  Neid 
(über  die  göttliche  Vollkommenheit  und  über  die  Unschuld  des  Menschen)  nachfolgen. 
Duns  Scotus  bestreitet,*  dass  das  W'esen  der  Sünde  des  Engels  der  Hochmuth  gewesen 
sei.  Die  Sünde  des  fallenden  Engels  war  eine  grösste  unheilbare  Sünde  -,  der  Hochmuth 
ist  aber  nicht  die  grösste  Sünde,  weil  sonst  die  Demuth  die  grösste  der  Tugenden  sein 
müsste,  während  sie  doch  sicherlich  der  Charitas  und  der  Amicitia  nachsteht.  Zudem 
ist  der  Hochmuth   eine  Regung  des  Irascibile,  welche  jedoch  immer  erst  einer  Erregung 


'  Daher  die  scotistische  Formel,  dass  die  Potenzen  der  Seele  vom  Wesen  derselben  formaliter  verschieden  seien. 

-  Distinctio   intellectivae    potentiae  a  vohmtate    apparet   ex   modo  tendendi   in  objectum,    coguitione  vel  affectu.     Rer.   priiuip. 

qu.  U,  art.  2. 
a  1   qu.  63,  art.  2. 
■•  2  dist.  6,  qu.  2. 

4ö* 


356  Karl  Werner. 

des  Coneupiseibile    nachfolgen    kann ;    Jedes  Nolle    liat,    wie  Anselm  von  Canterbiiry    in 
seiner  Schrift   de   casu  diaboli   lehrt,    zu  seiner  Voraussetzung  ein  Vcllc'      Dieses  spaltet 
sich    seinerseits  wieder    in    ein  Velle  amicitiae    und  Velle   concupiscentiae,    welches   dem 
Velle  amicitiae   nachfolgt.     So   hat    denn    auch    die  Sünde    des  Engels    mit    einem  Amoj- 
amicitiae  begonnen,    und    zwar    mit    einem    ungeordneten  Amor    amicitiae   suiipsius,    der 
sodann  weiter  ein  ungeordnetes  Velle  concupiscentiae  nach  sich  zog.     Dieses  A^elle  kann 
nur  als  ein  ungeordnetes  Begehren  nach  Glückseligkeit  verstanden  werden,  das    sich  nicht 
an  die  Forderungen  der  Gerechtigkeit   kehrte,    sondern    einzig    das   selbstische  Interesse 
im  Auge  hatte.    So  fasst  auch  Anselm  dieses  zweite  Velle.'    Dasselbe  erklärt  sich  psycho- 
logisch aus  der  Analogie,  welche  es  mit  dem  durch  den  Sehsinn  provocirten  Gelüsten  in 
der  ersten  Menschensünde  hat.    Dieses  Gelüsten  war  durch  einen  sinnlichen  äusseren  Ein- 
druck bedingt,  welcher  das  Begehren  auf  ein  bestimmtes  sinnliches  Object  als  höchstes 
Begehrenswerthes  lenkte;   beim  Engel  fällt  diese  Beschränkung  auf  ein  besonderes  sinn- 
liches Object  hinweg,    somit  konnte  das  Velle  concupiscentiae    schlechthin    nur  auf   das 
Seligsein  als  solches  sich  beziehen.    Sündhaft  war  dieses  Begehren  als  ein  der  Regel  der 
Gerechtigkeit  entzogenes,  somit  eigensüchtiges  Begehren.    Daran  konnten  sich  im  weiteren 
Progresse  dei-  Wesens-  und  Willensverkehrung  hochmüthige  Selbsterhebung  über  andere 
Wesen  gleicher  Art,  Begehren  nach  gottgleicher  Seligkeit,  Hass  gegen  die  nicht  abwend- 
bare Oberherrschaft  Gottes,    endlich    der  Wille,    dass  Gott  nicht   sei,    anschliessen.     Die 
Sünde    des    Engels    schloss    also    den   Hochmuth    erst    als  Folge    ihrer    genetischen    Ent- 
wickelung  in  sich.     Der  ungeordnete  Amor  amicitiae  zu  sich  selber,    wovon  jene  Sünde 
ihren  Ausgang  nahm,    ist  weit  mehr  unter  die  Capitalsünde  der  Wollust  einzubeziehen ; 
ausser  der  grobsinnlichen  Wollust   gibt  es  auch  eine  feinere  geistige.^    Die  weiter   noch 
aufgewiesenen    imgeordneten    Regungen    sind    unter    die  Capitalsünden    des  Zornes"  imd 
Neides  einzubeziehen,  so  dass   ausser  der  Gula  und  Acedia,  die  nur  beim  Menschen  als 
sinnlichem  Erdenwesen  möglich  sind,  so  ziemlich  alle  Capltallaster  des  menschlich  Bösen 
in  der  Sünde  des  Engels  aufzuweisen  wären.'     Daraus    erklärt   und    begründet   sich   der 
von  Duns  Scotus  gelehrte  Satz,''  dass  Engel  und  Menschenseele  sich  nicht  wie  zwei  ver- 
schiedene Arten    von    Specles    zu    einander    verhalten,    sondern    die    Menschenseele    eine 
Theilspecles  der  durch  die  Engel  repräsentirten  Specles  von  Wesen  darstelle. 

Die  menschliche  Seele  ist  ein  Bild  des  dreieinigen  Gottes,''    sofern    in    ihr    die    drei 
Potenzen  Memoria,  Intellectus,  Voluntas,    zu    unterscheiden    sind,    welche  so   auseinander 


1  Duns  Scotus  verweist  auf  das  von  Anselm  gewählte  Beispiel  de  casu  diaboli  c.  3:  Avarus,  cum  vult  tenere  nummum,  et 
mavult  panem,  quem  habere  nequit  nisi  nummum  det,  prius  vult  dare  i.  e.  deserere  nummum,  quam  non  velit  tenere.  Non 
enim  illum  ideo  vult  dare,  quia  non  vult  tenere;  sed  ideo  non  vult  tenere,   quia  ut  panem  habeat,   necesse  est  dare. 

2  Aperte  video  —  erwidert  in  Anselra's  Dialoge  de  casu  diaboli  c.  4  der  Schüler  dem  Lehrer  -  quia  peccavit  et  volendo 
quod  non  debuit,  et  non  volendo  quod  debuit;  et  palam  est  quia  non  ideo  voluit  plu.s  quam  debuit,  quia  noluit  tenere  justi- 
tiam;  sed  ideo  justitiam  non  tenuit,  quia  -aliud  voluit,  quod  volendo  illam  deseruit,  .sicut  in  avaro  de  nummo  et  i)ane 
monstrasti. 

'  Peccatum,    in    quo   inordinate   delecfatur  quis    in    speculatione   conclusionis    geometricae,    ad    Uixuriam    reducitur  —   bemerkt 

Duns  Scotus  erläuternd   hiczu. 
<  Vgl.  dagegen  Thomas  Aq.:  Ira  cum  quadam  passione  est,  sicut  et  concupiscentia;  unde  ipsa  in  daemonibus  esse  non  j.otest, 

nisi  metaphorice.    1  qu.  43,  art.  2. 
'••  Dass   in   der  von  Duns  Scotus    versuchten  Weise,    die   menschliehen   Capltallaster   in    der   Sünde    des  Engels   nachzuweisen, 

auch  die  Avaritia  aufgewiesen  werden  könnte,    zeigt  Tliomas  1.  c:    Si   avaritia  dicatur  omnis   immoderata  cupiditas   habendi 

quodcunqne  bonum  creatum,  sie  avaritia  contiuetur  in  daemonibus,   sicut  et  superbia. 

6  2  dist.    t,   qu.   4. 

■>  2  dist.    10,  qu.   iinio. 


Die  Psychologie  und  Ekkenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotus.  357 

hervortreten,  wie  in  der  göttliclien  Dreieinlieit  der  Sohn  aus  dem  Vater,  und  der  Geist 
aus  Beiden  hervorgeht.  Aus  der  Memoria  geht  sonach  der  Intellect,  aus  beiden  die 
Voluntas  hervor.  Jedoch  nur,  soweit  diese  drei  Potenzen  activ  sind,  stellt  sich  in  ihnen 
formaliter  das  Bild  der  göttlichen  Dreieinheit  dar,  abgesehen  hieven  nur  virtualiter,  weil 
die  Potenzen  an  sich  und  bevor  sie  in  die  Thätigkeit  übei'gegangen  sind,  nicht  actuell 
auseinandertreten.'  Wenn  wir  oben  Duns  Scotus  als  scholastischen  Perij)atetiker  bloss 
zwei  Potenzen  der  intellectiven  Seele:  Intellect  und  \Yille,  unterscheiden  sahen,  während 
er  als  Theolog  mit  dem  heiligen  Augustinus  drei  Potenzen  nennt,  so  sehen  wir  hier 
zunächst  eine  Kluft  zwischen  rationellem  und  gläubigem  Erkennen  constatirt,  die  wir 
uns  aus  der  schon  betonten  Schärfung  des  Gegensatzes  zwischen  Natürlichem  und  Ueber- 
natürlichem  bei  Duns  Scotus  zu  erklären  haben.  Weiter  entnehmen  wir  aber  aus  der 
Analogisirung  der  Memoria  mit  der  ersten  Hypostase  des  göttlichen  Ternars,  welche  im 
Vei-hältniss  zu  den  beiden  übHgen  die  Essenz  des  göttlichen  "Wesens  repräsentirt,  dass 
auch  die  Memoria  im  Unterschiede  von  Intellect  und  Wille  mehr  oder  weniger  mit  dem 
Wesen  der  Seele  selber  zusammenfalle,  diese  also  ihrem  AVesensbegriife  zufolge  denk- 
haftes  Sein  sei.  Daraus  erklärt  sich  das  Widerstreben  des  Duns  Scotus  gpgen  die 
thomistische  Abscheidung  der  Potenzen  der  intellectiven  Seele  vom  Wesen  derselben.  Er 
will  eine  Unterscheidung  beider  nur  insoweit  zugeben,  als  dieselbe  denknothwendig 
gefordert  ist;  man  wird  den  Sinn  des  oben  angeführten  Terminus:  Distinctio  foi-malis, 
dahin  zu  bestimmen  haben,  dass  die  intellective  Seele  in  der  Thätigkeit  ihrer  intellectiven 
Potenzen  gewisser  Massen  sich  selber  actualisire,  sich  Form  und  Gestalt  gebe.  Das 
Denken  des  Duns  Scotus  war  jedoch  zu  sehr  formalisirt  und  in  abstract  metaphysischen 
Kategorien  befangen,  als  dass  er  sich  zu  einer  derartigen  Verlebendigung  der  von  ihm 
selbst  aufgestellten  Verliältnissb estimmun g  zwischen  Wesen  und  Kräften  der  Seele  hätte 
erschwing-en  können.  Zudem  liess  er  die  Memoria,  welche  den  Ansatz  einer  Verleben- 
digung  und  Vertiefung  des  peripatetischen  Seelenbegriffes  hätte  abgeben  müssen,  ausser 
dem  Bereiche  seiner  psychologischen  Forschung ;  sie  hatte  für  ihn  nur  ein  erkenntniss- 
theoretisches Interesse,  und  wird  daher  von  ihm,  wie  bei  den  übrigen  Peripatetikern  nur 
in  der  Lehre  vom  Erkennen  abgehandelt.  Schon  seine  Eintheilung  der  Memoria  in  ein 
sinnliches  und  intellectives  Gedächtniss  gibt  dies  zu  erkennen ;  an  die  auf  sich  selbst 
stehende  Bedeutung  derselben  wird  nur  einmal  angestreift  —  da  nämlich,  wo  Duns  Scotus 
die  drei  Potenzen  der  Seele:  Memoria,  Intellectus,  Voluntas,  mit  den  drei  Passiones  Entis: 
Unum,  Verum,  Bonum,  in  Parallele  stellt,  und  ihr  Verhältniss  zur  Seele  aus  jenem  der 
genannten  Passiones  Entis  zum  Ens  als  solchem  erläutert.  Zugleich  aber  bekundet 
dieser  Vergleich  das  Festgebanntsein  des  Duns  Scotus  in  abstracten  ontologisch- meta- 
physischen Denkkategorien,  die  für  sich  allein  nicht  ausreichen,  das  Wesen  der  Dinge 
zu  erklären. 

Die  Psychologie  des  Duns  Scotus  fasst  ihrem  Inhalte  nach  Ontologisch  -  Meta- 
physisches, Erkenntnisstheoretis'ches  \md  Thelematologisches  in  sich,  und  bekundet  hie- 
durch  Art  und  Grad  ihrer  Ausbildung.  Die  Erkenntnissthätigkeit  der  Seele  betreffend 
geht  Duns  Scotus  von  dem  in  der  Scholastik  gemeingiltigen  Satze  aus,  dass  die  Seele 
ursprünglich  tabula  rasa  sei,  und  von  der  Erkenntniss  des  Sinnlichen  sich  zur  Erkennt- 


So  weit  die  Potenzen  der  Seele  nicht  activ  sich  bethätigen,  ist  die  des  Erkennens  und  Wollens  fähige  Seele  formaliter  mir 
ein  Bild  der  göttlichen  Wesenheit  als  solcher,  abgesehen  von  der  in  der  Einheit  dieses  Wesens  sich  aufschliesseuden  Drei- 
heit.     Ibid. 


358 


Karl  Werner. 


niss  des  Uebersinnliclien  zu  erheben  habe.  Dieser  Satz  steht  bei  ihm  in  engster  Ver- 
bindung mit  seinem  anthropologischen  Dualismus,'  und  erhält  auch  eine  demselben 
entsprechende  Gestaltung.  Die  Lehre  von  der  Nothwendigkeit  der  l'rilccdenz  der  sinn- 
lichen Erkenntniss  spitzt  sich  in  den  Satz  zu,  dass  das  Esse  oder  die  actuale  Existenz 
der  Sinnendinge  den  Inhalt  der  sinnlichen  Anfangserkenntniss  des  Menschen  bilde, 
welche  die  Unterlage  aller  weiteren  Erkenntnisse  bilde.  Dieses  Esse  der  Sinnendinge 
bildet  das  Correlat  zu  dem  von  Duns  Scotus  so  entschieden  betonten  Esse  des  Leibes 
im  Unterschiede  vom  Esse  der  Seele,  und  das  Betonen  jenes  Esse  steht  einerseits  in  Ver- 
bindung mit  der  bei  Duns  Scotus  durchschlagenden  Bedeutung  des  Individuellen  als  des 
Hocce  esse,  andererseits  bekundet  es  die  gegen  den  speculativen  Thomismus  reagirende 
Auffassung  des  sinnlich  Wirklichen.  Das  speculative  Interesse  des  Thomismus  bezieht 
sich  auf  die  Bewältigung  des  in  der  sinnlichen  Erfahrung  Gegebenen  durch  geistige 
Ergreifung  der  in  den  einzelnen  Sinnendingen  plastisch  ausgeprägten  Formgedanken. 
Das  menschliche  Erkennen  ist  nach  Art  des  menschlichen  Seins  zu  fassen;  dieses  muss 
sich  in  jenem  reflectiren.  Wie  nun  der  Mensch  eine  •  plastische  Einheit  von  Stoff  und 
Form,  und  das  Stoffliche  ganz  und  gar  in  die  Wesensform  hineingenommen  ist,  so  dass 
es  sein  Esse  nur  in  und  kraft  dieser  hat,  so  ist  auch  die  Erkenntniss  des  Dinges  durch 
die  Apprehension  der  in  ihm  ausgeprägten  W^esensform  vermittelt,  und  geht  in  dieser 
Apprehension  auf;  durch  jene  Apprehension  ist  das  besondere  Ding  selber  in  seiner 
Besonderheit  ergriffen  (wenn  schon  nicht  unmittelbar  zugleich  auch  begriffen).  In  diesem 
Sinne  lehrt  Thomas,'  dass  der  menschliche  Intellect  das  Singulare  in  den  Sinnendingen 
nicht  direct  und  unmittelbar,  sondern  durch  Vermittelung  der  Species  intelligibilis,  oder 
wie  wir  sagen  würden,  der  aus  der  Sinnesvorstellung  hervorgezogenen  Idee  des  Dinges 
erkenne.  Dem  gegenüber  behauptet  Duns  Scotus,  dass  der  Intellect  in  allen  sinnlichen 
Wahrnehmungen  der  menschlichen  Seele  gegenwärtig  sei,  gleichwie  nach  Aristoteles  die 
Kraft  des  ersten  Bewegers  in  den  Actionen  aller  ihm  subordinirten  Bewegungsprincipien 
gegenwärtig  ist,  und  dass  die  sinnliche  Erkenntniss  als  solche  eben  nur  in  Kraft  dieser 
activen  Präsenz  des  Intellectes  im  sinnlichen  Wahrnehmen  sich  actuirt.^  Demzufolge  wird 
das  Sinnending  unmittelbar  durch  die  sinnliche  Wahrnehmung  der  intellectiven  Seele 
erkannt,  und  wäre  ausserdem  dem  Intellecte  gar  nicht  erreichbar,  da  die  Imagination, 
aus  deren  Vorstellungsbilde  der  Intellect  nach  Thomas  den  Wesensgedanken  des  Dinges 
hervorzieht,  nicht  das  Ding,  wie  es  an  sich  ist,  sondern  bloss  eine  subjective  Vorstellung 
präsentirt.  Duns  Scotus  ist,  wie  wir  aus  dem  Gesagten  entnehmen,  mit  Thomas  über  die 
objective  Wahrheit  unserer  Sinneserkenntniss  einverstanden,  versteht  aber  unter  dieser 
objectiven  Wahrheit  nur  die  objective  Wirklichkeit  des  Dinges,  mit  welcher  das,  was  das 
Ding  an  sich  ist,  unmittelbar  schon  gegeben  sei.  Während  Thomas  in  dem  einzelnen 
Sinnendinge  die  auf  eine  bestimmte  Art  determinirte  Materie  sieht,  deren  im  Intellectus 
possibilis  recipirte  Wesensform  durch  den  Intellectus  agens  ans  Licht  gezogen  werden 
soll,    sieht  Duns  Scotus  im  Sinnendinge    das    auf   eine  bestimmte  Art   determinirte  Sein, 


1  Si  igitm-  in  homine,  in  quantura  honio,  est  multiplex  cognitio,  sensitiva  seil,  et  iutelleetiv.i,  in  bomiue  sunt  duae  naturae, 
seil,  corporalis  et  spiritualis,  ail  quam  corporalis  sive  corpus  ordinatur,  sicut  imperfecttira  ad  perfectuni.  Ergo  pari  ratione, 
cum  sint  duae  cognitiones  in  eo,  uua  seil,  sensitiva,  quae  est  imperfecta  et  tenens  se  ex  parte  corporis,  ordinabitur  ad  eam, 
quae  se  tenet  ex  parte  animae  tanquam  ad  perfectum.    Rer.  princip.  qu.   13,  art,   1,  sect.  3. 

2  1   qu,  86,  art.   1. 

3  Rer.  princip.   qu.   13,  art.  3  —  2  dist.   3,  qu.   11;   2  dist.  qu.  2;  3  dist.    14,  qn.  3.   -  Quodlibet   13,  art.  2. 


Die  Psychologie  und  Brkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  359 

dessen  Gedanke  diircli  den  Intellect  unmittelbar,  und  zugieioli  mit  der  sinnliehen  Wahr- 
nehmung, aufgegriffen  Avird;  die  Seele  ist  in  dem  Wahrnehmungsacte  zugleich  empfindende 
lind  denkende,  der  wahrgenommene  Gegenstand  drückt  sich  unter  Einem  dem  Sinne  und 
Intellecte  ein,  und  dieser  Eindruck  besagt  durch  sich  selber,  was  das  Ding  sinnlich  und 
geistig  sei.  Für  Duns  Scotus  gibt  es  keinen  Intellectus  possibilis  als  eine  vom  Intellectus 
agens  verschiedene  Potenz;  er  kann  bloss  die  zur  intellectuellen  Apprehension  noth- 
wendige  Eindrucksfähigkeit  oder  passive  Wahrnehmungsfähigkeit  der  intellectiven  Potenz 
bezeichnen,  welche  sachlich  mit  der  intellectiven  Seele  selber  p]ins  ist.  Der  von  der 
sinnlich  concretisirten  Selbstdarstellung  des  Sinnendinges  hinwegsehende  Allo-emein- 
gedanke  des  Dinges  ist  die  in  jedem  sinnlichen  Walirnehmungsacte  der  intellectiven  Seele 
unmittelbar  enthaltene  Zugabe  der  intellectiven  Thätigkeit  der  wahrnehmenden  Seele. 
Sie  sieht  in  dem  so  oder  so  modificirten  Phänomen  eines  Steines,  Baumes,  Menschen 
neben  und  in  den  sinnlichen  Modificatlonen  des  Erscheinenden  unmittelbar  auch  den 
Stein,  Baum,  Menschen  als  solchen,  der  ihm  eben  in  jener  sinnlich  individualisirten  Er- 
scheinungsform sich  darstellt.  Was  sich  dem  Intellecte  in  dem  von  ihm  mittelst  der 
sinnlichen  Wahrnehmung  apjjcrcipirten  Objecto  darstellt,  ist  nicht  der  auf  eine  bestimmte 
Art  gestaltete  Stoff  oder  die  bestimmte  Gestaltung  desselben  als  solche,  sondern  die 
durcli  diese  bestimmte  Gestaltung  und  Individuli-ung  des  Stofflichen  ausgedrückte  Deter- 
mination des  Seienden  als  solchen.  Denn  das  dem  menschlichen  Intellecte  adäquate  Object 
der  Erkenn tniss  ist  nach  Duns  Scotus  nicht,  wie  Thomas  will,  die  im  Stoffe  ausgeprägte 
Form,  sondern  das  Seiende  als  solches.  Er  denkt  sich  also  die  menschliche  Seele  vom 
sinnlichen  Stoffe  unabliängiger  und  rückt  sie  den  leiblosen  Engeln  näher  als  Thomas; 
was  er  aber  freilich  nur  dadurch  bewerkstelligen  kann,  dass  er  letztere  aus  der  erhabenen 
Hohe,  in  welche  die  Thomistische  Sjieculation  sie  emporhebt,  herabrüekt,  um  sie  auch 
in  Bezug  auf  ihre  cognoscitiven  Thätigkeiten  dem  Menschen  näher  zu  bringen,  was  ihm 
um  so  näher  lag,  da  sie  ihm  nicht  rein  immaterielle  Wesen,  wofür  sie  Duns  Scotus  nahm, 
sondern  aus  Form  und  Materie  zusammengesetzte  Wesen  sind.  Er  besteht  insbesondere 
darauf,'  dass  man  den  Engeln  einen  Intellectus  agens  und  possibilis,  nicht  mit  Thomas 
blos  aequivoce,^  sondern  univoce,  d.  h.  in  demselben  Sinne,  wie  dem  Menschen  zutheile. 
Dem  Engel  den  Intellectus  agens  absprechen,  hiesse  ihn  entweder  Gott  gleichstellen 
oder  tief  unter  den  Mensclien  stellen ;  ihm  den  Intellectus  possibilis  aberkennen,  hiesse 
so  viel,  als  ihm  die  Möglichkeit  einer  Erkenntniss  der  Einzeldinge,  oder  doch  der 
Existenz  der  Einzeldinge  absprechen.  In  Bezug  auf  die  Erkenntniss  der  Sinnendinge 
besteht  der  Grundunterschied  zwischen  Engel  und  Mensch  nur  darin,  dass  sich  dem  Engel 
aus  der  Wahrnehmung  unmittelbar  der  Begriff  des  Dinges  ohne  Eintauchung  und  Tin- 
girung  desselben  im  menschlichen  Vorstellen  ergibt.  Die  Annahme  eines  Intellectus 
possibilis  im  Engel  ist  eine  denknothwendige  Consequenz  seiner  Zusammensetzung  aus 
Materie  und  Form ;  dui-ch  den  Intellectus  possibilis  ist  aber  zugleich  auch  der  Intellectus 
agens  involvirt,  weil  die  Thätigkeiten  beider  sich  wechselseitig  fordern  und  bedingen, 
da  dem  Intellectus  agens  jene  Art  abstractiver  Thätigkeit,  die  ihm  Tliomas  zutheilt, 
nicht  zukommt,  somit  auch  das  Wesen  des  Intellectus  possibilis  nicht  mit  Bezug  auf 
jene  fälschlich  angenommene  abstractive  Thätigkeit  des  Intellectus  agens  bestimmt  werden 
kann.  Der  Intellectus  possibilis  bedeutet  einfach  die  Receptionsfähigkeit  der  denkfähigen 

>  2  dist.  3,  qu.  11. 

-  Vgl.   Thom    Aq.   1    qu.  54,  art.  4. 


nnn  KaRL  WeRNKR. 

Substanzen,  der  Intellectus  ugens  die  iiitellective  Actionsfähigkeit  derselben-/  und  diese  -j 

letztere  beschränkt  sich  einfach  auf  die  logistischen  Thätigkeiten  des  Unterscheidens, 
Vero-leichens,  Urtheilens,  und  Schliessens  in  Bezug  auf  das  durch  unmittelbare  intcU 
lectuelle  Apprehension  Appercipirte.  Diese  rein  intellectualistische  Auffassung  des 
geistigen  Denklebens  macht  es  Duns  Scotus  möglich,  Engel  und  Menschenseele  in 
Bezug  auf  ihre  beiderseitigen  cognoscitiven  Denkthätigkeiten  näher  aneinanderzurücken; 
sie  setzt  auch  einen  ganz  anderen  Grundcharakter  der  Seele  als  intellectiven  Denkwesens 
voraus.  Die  Seele  ist  da  einfach  nur  Spiegel  der  in  sie  hineingeworfenen  geistlgeii 
Eeflexe  der  existenten  Dinge,  nicht  aber  die  active  Auswirkerin  dieser  Reflexe  und 
geistige  Nachbildnerin  der  mittelst  derselben  in  ihr  sich  spiegelnden  gegenständlichen 
Wirklichkeit  der  Begriff  der  intellectiven  seelischen  Lebendigkeit  also  jedenfalls  ein 
minder  lebendiger,  als  der  in  der  Thomistischen  Speculation  angestrebte. 

Es  wäre  indess  unbillig  und  verfehlt,  die  relative  Berechtigung  der  Opposition  des 
Duns  Scotus  gegen  die  Thomistische  Erkenntnisstheorie   irgendwie  bestreiten  zu  wollen. 
Sao-en  wir  es  einfach,  der  Thomistische  Gredanke  einer  Hervorziehung  des  Wesensgedankens 
des  sinnlichen  Dinges  aus  seiner  sinnlichen  Erscheinung  oder  aus  dem  Reflexe  derselben 
in  der  seelischen  Innerlichkeit    ist    ein    unwahrer  Gedanke,    der    mit    einem  in  der  Tho- 
mistischen Speculation    nicht    überwundenen    unphilosophischen   Empirismus    aufs    engste 
zusammenhängt.     Den   Wesensgedanken    eines    Dinges    kann    die    Seele    nicht    aus    dem 
gegebenen  Dinge  abziehen,  sie  muss  ihn  aus  sich  selbst  hervorstellen;  die  Ideen  kommen 
nicht  durch  Abstraction  zu  Stande,    sie   sind    unmittelbare    geistige  Intuitionen,    sie  sind 
Gedanken,   die  aus  den  Tiefen  der  inneren  seelischen  Denknatur,    des    inneren   geistigen 
Denklebens   der  Seele    herausgesetzt    werden.     Der  Aufgang   des   idealen  Denklebens  in 
der  seelisclien  Innerlichkeit   ist   allerdings    durch   den  lebendigen  Verkehr  des  Menschen 
mit  der  gegenständlichen  Wirklichkeit   bedingt,    diese    ist    die   unumgänglich    geforderte 
Erregerin  "des  seelischen  Denklebens;    sie  gibt  aber  nicht  die  Ideen  so  zu  sagen  selber 
an  die  Hand,  sie  kann  nur  das  Aufwachen  derselben  in  der  Seele  sollicitiren,  zum  Auf- 
leuchten   derselben    in    den  Tiefen    der   seelischen  Innerlichkeit  nur  den  Anstoss  geben. 
Anima  est  quodammodo  omnia  —  sagt  Thomas  mit  Aristoteles ;   ist  sie  dieses  Omnia  als 
lebendige  Wirklichkeit,    so    müssen    in    Ihr    der  Potenz  nach   die  Ideen  aller  Dinge  auf- 
gehoben   sein,    und    je    nach    Art    und    Grad    der    geistigen    Berührung   mit    der    gegen- 
ständlichen   Aussenwelt    sich  In    ihr    auch    thatsächlich    actualisiren.     Man    kann    sodann 
Immerhin    zugeben,    dass    die    der    irdischen  Leiblichkeit    eingesenkte  Seele    niclit   jenen 
Standort   einnehme,    der    sie    befähigen  würde,    sich   zu    der   ihr   zeitlich  übergeordneten 
überirdischen  Wirklichkeit    in    dasselbe   geistig  active  Verhältnlss   zu   setzen,    in  welches 
sie  schon  ihrem  Wesen  nach    zu    der   ihr   untergeordneten  irdischen  Wirklichkeit  gestellt 
ist;  und  insoferne  hat  allerdings  Thomas  das  Recht  zu  sagen,  dass  die 'irdische  Sinnen- 
welt das  der  menschlichen  Seele   specifisch   appropriirte  Object   der  Erkenntniss  sei;    es 
ist  aber   unzulässig    und    mit    ihrer  Geistnatur    unverträglich,    sie    zur    sinnlich -irdischen 
Wirklichkeit  in   jenes  gebundene  Verhältniss  zu  setzen,    welches    ihr  Thomas   durch   die 


Una  et  eadem  potentia,  quae  necessario  dififert  ab  actu  intelligendi,  dicitur  liossibilis  et  pasniva,  non  passione  objectiva  sed 
subjectiva,  in  quantum  est  passibilis  ad  determinationem  et  conservationem  actus,  receptionem  speciei  vel  habitus  infor- 
mationcm;  illa  eadem  inquatitum  habet  vim  per  quam  judicat,  comparat  et  inquirit,  considerat  et  similia  exercet  opera, 
dicit  agenn.  Et  si  vis  in  lii's  facere  distinctiouem,  potius  debent  dici  duae  vires  vel  vii-Mes  uniiis  polentiae.  Rer.  princip. 
qu.   14,  art.  2. 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslkhkk  des  Johannes  Duns  Scütus.  361 

eigenartige  Auffassung  und  Dui'chführung  des  Begriffes  dei-  Seele  als  substantieller 
Wesensform  des  Leibes  gibt.  Die  Mängel  in  seinen  Bestimmungen  über  Wesen  und 
Functionen  des  Intellectus  possibilis  und  agens  sind  einfach  nur  Consequenzen  der  noch 
unfreien  und  gebundenen  Auffassung  der  Seele  als  Wesensfoinn ;  wird  die  Seele  als  leib- 
freie actuose  Form  erkannt,  die  als  absolute  Form  der  sichtbaren  Wirklichkeit  alle  Wesens- 
und Lebensformen  derselben  in  höherer  Einheit  in  sich  aufgelioben  trägt,  so  kann  der 
Intellectus  possibilis  als  solcher  nur  die  Erregungsfälligkeit  der  Alles  zu  denken  fähigen 
Seele  bedeuten,  der  Intellectus  agens  Avird  sich  zum  Inbegriffe  aller  jener  geistigen 
Functionen  erweitern,  mittelst  deren  die  seelische  Denknatur  das  explicite  Verständniss 
der  in  ihren  ideellen  Apprehcnsionen  geistig  aufgegriffenen  gegenständlichen  Wirklich- 
keit auswirkt  und  gestaltet. 

Duns  Scotus  schien  durch  Urgirung  einer  der  intellectiven  Seele  subordinirten  zweiten, 
secundären  Substantialfoi'm  des  Menschenwesens  ein  freiej'cs,  vei'mittelteres  Yerhältniss 
der  Seele  zu  dem  ilir  eignenden  Leibe  und  der  gegenständlichen  sinnlichen  Wirklichkeit 
anbahnen  zu  wollen,  blieb  aber  an  der  unlebendigen  und  unfreien  perij)atetischen  Auf- 
fassung des  Begriffes  der  Substantialform  liaften,  wie  sich  schon  darin  zeigt,  dass  er  den 
Leib  als  Ort  der  Seele  fasst,  und  das  correlative  entgegengesetzte  Yerhältniss  auch  nicht 
von  ferne  berührt.  Er  that  eben  von  der  im  Thomismus  ermittelten  Bestimmung  des 
Verhältnisses  zwischen  Leib  und  Seele  hinweg  den  ersten  Schritt  zu  jenem  unvermittelten 
anthropologischen  Dualismus  liin,  wie  er  später  sich  im  Cartesianismus  dai-stellte.  Auf 
erkenntnisstheoretischem  Gebiete  reflectirte  sich  das  Abgehen  von  der  im  Thomismus 
zum  Ausdrucke  gekommenen  Idee  einer  plastischen  Einheit  des  Menschenwesens  im  Aber- 
kennen des  specifischen  Charakters  des  menschlichen  Erkennens,  welches  im  Unterschiede 
vom  Erkennen  rein  geistiger  Wesen  in  der  plastischen  Ineinsbildung  von  Bild  und  Idee, 
sinnlicher  und  geistiger  Anschauung  sich  auswirkt.  Der  imaginative  Trieb  der  seelischen 
Denknatur  liegt  gänzlich  ausser  dem  Bereiche  der  Beachtung  des  Duns  Scotus ;  diess  ist 
es,  wodurch  sich  seine  Anschauungsweise  jener  gegenüber,  welche  in  Thomas'  Denken 
sich  ausprägte,  als  Intellectualismus  charakterisirt,  während  umgekehrt  bei  Tliomas  das 
Vorwalten  einer  rein  gegenständlichen  Auffassung  des  Wirklichen,  wie  sie  dei'  Scholastik 
überhaupt  eigen  ist,  das  lebendige  formgebende  Princip  des  specifisch  menschlichen 
Erkennens,  die  Macht  des  Idealgedankens  gleichfalls  nicht  zu  seinem  vollen  Rechte 
gelangen  lässt.  Wir  haben  hier  auf  der  einen  Seite  Niederhaltung  des  speculativen  Triebes 
durch  die  vorwiegende  Macht  eines  empiristisch  begrifflichen  Denkens,  auf  der  anderen 
Seite  grundsätzliche  Abweisung  speculativen  Denkens  unter  Steigerung  der  Ansprüche 
des  metaphysisch-abstracten  Denkens,  beiderseits  die  Stützung  dei'  philosophischen  Denk- 
gewissheit  auf  ein  demonstratives  Denkverfahren,  als  dessen  Unterlage  die  sinnlich-irdisclie 
Erfahrung  genommen  Avird.  Sucht  Thomas  in  der  Bewältigung  der  sinnlich -irdischen 
Erfahrungswelt  durcli  den  Gedanken  des  gestaltenden  Formprincipes  den  Stützpunkt  für 
die  geistige  Erhebung  zur  höheren  übersinnlichen  AVirklichkeit  zu  gewinnen,  so  gibt 
Duns  Scotus  diesen  Stützpunkt  mehr  oder  weniger  bereits  Preis,  und  glaubt  ilin  durcli 
gesteigerte  Schärfe  des  formalen  Denkens  ersetzen  zu  können,  die  jedoch  in  Ei-mangelung 
eines  speculativen  Gesichtspunktes  eher  zersetzend  als  begründend  wirkt,  und  einem 
gewissen  philosophischen  Skepticismus  Raum  gibt.  Wie  er  den  in  der  Thomistischen 
Speculation  allerdings  ungenügend  vermittelten  Begriff  der  metaphysischen  Einfachheit 
des  menschlichen  Seelenwesens  ablehnt,    so  bestreitet   er  auch    die  stricte  philosophische 

Denkschriften  der  phil.-hist.  Gl.  XXVI.  Bd.  4f) 


362  K\UL  VVuRNER. 

Ei-weisbarkeit  der  Scelcn-rnsterblichkeit,'  die  er  zwar  in  der  Gewisslu>it  des  gläubigen 
Denkens  festliält,  aber  eben  nur  an  diese  geknüpft  gelten  lässt.  Dass  man  auf  den 
Aristotelischen  Seelenbegritf  gestützt,  die  Unsterblichkeit  der  Seele  beweisen  könne,  gibt 
er  nicht  zu;  und  andere  philosophische  Beweise  als  solche,  die  auf  den  Aristotelischen 
Seelenbegriff  gestützt  wären,  kennt  er  nicht.  Aristoteles  selber  habe  es  im  Ungewissen 
gelassen,  wie  er  über  diesen  Punkt  denke;  einige  Vordersätze  seines  Systems  lassen  einen 
Schluss  auf  die  Unkörperlichkeit  und  Unsterblichkeit  der  Seele  zu,  aus  anderen  folgt 
das  Gegentheil.  Daraus  ergebe  sich  wohl  von  selber,  dass  er  sich  über  den  Begriff  des 
menschlichen  Formprincipes  nicht  völlig  klar  war,  und  nicht  wusste,  was  er  zur  AVesens- 
form  des  Menschen  rechnen  solle,  und  was  nicht ;^  und  in  Beziehung  auf  dasjenige,  was 
ihm  vom  Wesen  des  Menschen  als  C«>ov  oder  Leibwesen  abtrennbar  schien,  bedeute  die 
Abtrennbarkeit  oder  Perpetuität  nicht  Anderes,  als  die  Fähigkeit,  ohne  Vermittelung 
eines  körperlichen  Organs  thätig  zu  sein,^  ohne  dass  über  die  Substantialität  des  Abtrenn- 
baren etwas  ausgesagt  werden  sollte.  Er  fasste  die  seelischen  Actionen  strengstens  als 
actiones  conjuncti,  d.  i.  als  Thätigkeiten  des  aus  Seele  und  Leib  zusammengesetzten 
Menschen,'  und  kann  gemäss  den  in  seiner  Metaphysik'  vorgetragenen  Lehren  der  Seele 
keine  andere  Subsistenz  zuschreiben,  als  jene,  welche  sie  als  Form  des  Leibes  im  Zu- 
sammensein mit  demselben  hat.  Den  Schluss  von  der  Incorruptibilität  des  Wirkens  der 
Seele  auf  die  Incorruptibilität  des  Seins  derselben  lässt  Duns  Scotus  schon  dcsshalb 
nicht  gelten,  weil  Aristoteles  keineswegs,  wie  man  ihm  unterlege,  eine  schlechthinnige 
Incorruptibilität  des  Wirkens  der  Seele  lehre;  er  fasst  vielmehr  gerade  an  jener  Stelle, 
auf  welche  man  sich  beruft,"  das  Intelligere  als  eine  Actio  conjuncti  auf,  die  durch  eine 
leibliche  Schädigung  des  Menschen  beeinträchtiget  oder  völlig  suspendirt  werden  könne. 
Eben  so  wenig  gibt  Duns  Scotus  zu,    dass  das   natürliche  Begehren   des  Menschen   nach 


'  Vgl.   4  diät.   43,    qu.  2    (Opus  Paris.,    im  Unterschiede   vom    Opus  Oxon.    d.  i.  vom    älteren    Comnientar   des  D.    Sc.   zu    den 

Sentenzen  so  genannt). 
-  Duns  Scotus  spricht  hier  mit  Beziehung  auf  die  von  Richard  von  Middleton  allegirte  Stelle  Äristot.  Anim.  II,  c.   2,  p.  4l:i: 

-.if,\  OE  To3  vou  /.a\  Trj;   0£fopr;T'.zfi;   ouvi|jso); Eoizs  'J-u/fj;  y£Vo;  STEpov  sivai,  xal  toüto   [j.ovov   IvSf/STa;  /topfi^Eafla'.,  xaOärs,'.  'O 

atoiov  TO'j  ';p9apT0j. 
3  .\nima  intellectiva  dicitur  ineorruptibilis  —  sagt  Duns  Scotus  mit  Beziehung  auf   die  in  der  vorigen  Anmerkung  angeführte 

Stelle  —  non  qiiod  sit  simpliciter  talis,  sed  quia  non  utitur  organo  corporali  in  operando,  nee  fatigatur  virtu.s  ejus  in  operando 

propter  excellentiam  intelligibilis. 
*  Duns  Scotus  citirt  als  Beleg  hiefiir  den  Ausspruch:  Animam  intelligere  non  est  aliud,  quam  ipsam  texere  vel  aedificare.  Die 

bezügliche  Stelle  bei  Aristoteles  (Anim.  I,  p.  408  b,  1.   11   flf.)  lautet  richtig:    tÖ  5k  Xc'ystv    öpyitEoDai    ttjv    il<u-/r|V   oiaoiov  zav  ä 

715  ),£yo'.  -f|V  'f J/V'   joiivE'v  r,  oV/.o?jO[iz'^  ■   ßs'XTiov  yip  "aw;   |j.r,  Xiysiv   -r|V  'f jy/jV   iXäEiv  ?,  ixavOäviiv  ?i   SiavoETaOai,   äX/.i  -ov  avOpco-ov 

^  Dicit  Aristoteles  Metaph.  VII,  Se.xt.  6li,  quod  impossibile  est  in  composito  esse  aliud  Esse  totms  praeter  Esse  partium,  nisi 
in  forma  totius  quae  est  alia  a  forma  iiartis.  Probat  autem  ibi  formam  totius  vel  totum  esse  aliud  a  partibus,  et  oonjunctim 
et  divisim.  Patet  ibi  de  syllaba  ah,  quia  tarn  materia  quam  forma  sunt  partes  materiales  tantum  respectu  forraae  totius 
(ibidem  et  V.  Metaph.).  Si  igitur  nianeret  anima  post  corpus,  anima  non  esset  forma  nee  pars,  ,sed  totum,  quod  ipse  im- 
probat ibi.  Ideo  credo,  quod  magis  couvenienter  dixisset  animam  intellectivam  esse  corruptibilera,  posito  quod  sit  propria 
forma  corporis  et  non  totius.  Die  von  Duns  Scotus  berücksichtigte  Stelle  findet  sich  Metaph.  VII,  c.  3  (p.  1043,  1.  29  tt".), 
und  besagt  eigentlicli   nur,  dass  das  Was  eines  Dinges  in  seiner  unterscheidenden  Wesensform  bestehe.    Thom.  Aq.   (Comm. 

■  in  Metaph.  lib.  VIII  (statt  lib.  VII)  lect.  3)  fasst  die  Stelle  als  eine  Widerlegung  der  Platoniker  auf,  welche  die  Nennwörter 
(om[Xtxm)  blos  auf  die  Formen  oder  Speeres  der  Dinge,  nicht  aber  auf  deren  concretisirte  Darstellung  in  den  Individuen 
bezogen  wissen  wollen. 

«  Siehe  Aristot.  Anim.  I,  c.  4  (p.  408.  b.  lin.  19  ft'.) :  liOcXiota  yäp  E'fOsipsT:'  äv  ürä  zf,i  Iv  "m  yiipa  a|iaupÜ!j£co;,  vijv  5'  'tsto; 
'ir.tp  iiz:  to"v  ataOr,tr|pifov  (jujißa(vEi  •  Ei  yäp  Xoißoi  ö  TCpEoßuTri;  oViJia  TOiovof,  ßX&o:  äv  '7)!jJi£p  xai  6  vso;.  iV>ote  to  y%«c  oü  rti  triv 
■iu7T]v -i  rEJiovOEvoci,  ocXX'  £v  (T) ,  >'.aOa;:Ep  h  ji^öai?  zai  vdooi;.  zat  t6  voew  of,  xai  to  OEtopsiv  aapaivETa'.  äXXou  xivb;  l'a<o  (pÜEipoiiEvou, 
auTO  Se  än«0^;  eotiv  tb  ok  StavoEtaOai  xa'i  ^iXew  5)  |xio£iv  oüx  eotiv  exeIvou  noiör),  iXXi  touo'.  toü  k'yovTo;  exewo,  f;  exeivo  =y_£i.  Sto 
zai  TouTOü  ■ffkipo\j.i')0'j  oüte  jj.vr,|j.ov£U£i  oüts  ^p'.XEt"   oü  yip  ex£(vou  *)v,  äXXi  toü  xotvoü,   ö  ir.i\wXiv  ö  o\  voij;  "iawc  Beiotecov  ti  xai 


to 


Die  Psychologie  ukd  Erkenntnisslehke  des  Johannes  Duns  Scotus.  363 

Seligkeit  an  sich  oder  auch  nach  der  Meinung  des  Aristoteles  einen  Beweisgrund  für 
die  Seelen-Unsterblichkeit  abgebe.  Nicht  an  sich,  weil  erst  unter  Voraussetzung  der 
Gewissheit  oder  wirklichen  Erreichbarkeit  eines  zukünftigen  seligen  Seins  das  Begehren 
nach 'Glückseligkeit  für  ein  in  der  Menschennatur  als  solcher  gelegenes  Begehren  genommen 
Averden  könnte.  Nicht  nach  Aristoteles ;  denn  dieser  erklärt  ausdrücklich,'  dass  das  natür- 
liche Begehren  nach  dem.  Sein  als  dem  Besseren  sich  nach  dem  Empfänglichkeitsgrade 
der  verschiedenen  Naturen  bestimme,  und  bei  den  irdischen  Lebewesen  auf  Erhaltung 
der  Gattung  sich  beschi'änke.  Thomas  lehrt,^  dass  die  Seele  als  eine  durch  sich  selbst 
subsistirende  Form  unvei'gänglich  sei.  Puns  Scotus  spricht  der  menschlichen  Seele  ein 
per  se  subsistere  ab,  weil  diess  so  viel  hiesse,  als  das  Sein  von  Niemand  empfangen 
haben.  Soll  per  se  esse  den  Gegensatz  zu  accidentaliter  esse  ausdrücken,  so  ist  nach 
Duns  Scotus  noch  immer  nicht  die  Fortdauer  der  Seele  nach  dem  Tode  des  Leibes 
bewiesen.  Allerdings  ist  sie  keine  Accidenz  des  leibliehen  Seins-,  aber  auch  die  Form 
des  Feuers  ist  keine  Accidenz  der  Materie  desselben,  und  doch  von  dieser  abhängig. 
Thomas  sagt,  das  Esse  liege  im  Begriffe  der  Seele  als  Form,  sei  also  von  ihr  imabtrenn- 
bar;  diess  stimmt  jedoch  nicht  zu  der  anderweitigen  Beliauptung  der  Schule,  Avelche 
Thomas  vertritt,  indem  diese  an  allem  Geschaffenen  das  Esse  als  etwas  Accidentales 
ansieht.  Angenommen  indess,  was  auch  vollkommen  richtig  ist,  dass  Esse  und  Essenz 
nicht  reell  von  einander  verschieden  seien,  muss  docli,  wie  ein  Seinsanfang  der  geschöpf- 
lichen Essenz,  auch  ein  Seinsende  derselben  gedacht  werden  können ;  wie  dem  Non  esse 
als  Terminus  a  quo  ein  Esse  als  Terminus  ad  quem  entsprach,  muss  umgekehrt  auch 
dem  Esse  als  Terminus  a  quo  ein  Non  esse  als  Terminus  ad  quem  entsprechen  kimnen. 
Die  Möglichkeit  eines  Aufhörens  der  Seinsdauer  der  Seele  kann  nicht  durch  die  Wesens- 
beschaffenheit der  Seele  ausgeschlossen  sein.  Aveil  sonst  die  Seele,  nachdem  sie  einmal 
erschaft'en  ist,  auch  von  Gott  nicht  mehr  annihilirt  werden  könnte,  während  doch  Thomas 
selber  das  Gegentheil  behauptet.^  Der  Unterschied  zwischen  Duns  Scotus  und  Thomas 
besteht  also  darin,  dass  letzterer  ein  Aufhören  der  Seele  aus  sich  selber  für  unmöglich 
hält,  während  ersterer  diess  durch  das  Wesen  der  Seele  als  solches  nicht  für  ausgeschlossen 
hält.  Darin,  dass  Gott,  wenn  er  wolle,  sie  aufhören  lassen  könne,  sind  Beide  einig.  Wenn 
nun  aber  dieses  durch  Gott  zu  bewirkende  Aufhören  nach  Thomas  im  Unterlassen  der 
Seinseinströmung  besteht,*  wie  kann  man  da  noch  sagen,  dass  die  Möglichkeit  ihres  Auf- 
liörens  nicht  in  ihrem  selbsteigenen  Wesen  begründet  sei,  das  doch  an  eine  solche  Seins- 
einströmung nach  Thomas' selbsteigener  Lehre  absolut  angewiesen  ist?  In  diesem  Punkte 
muss  man  also  die  Polemik  des  Duns  Scotus  für  vollkommen  zutreffend  halten,  und  wir 
kommen  hier  auf  die  schon  gemachte  Bemerkung  zurück,  dass  das  speculative  Element 
der  Thomistischen  Doctrin  mit  anderweitigen  Elementen  versetzt  ist,  welche  die  voll- 
kommene Hervorbildung  des  speculativen  Gedankens  niederhalten.  Das  abstract  meta- 
physische Element,  welches  bei  Duns  Scotus  unbeschränkt  dominirt,  macht  sich  auch  bei 
Thomas  geltend,    wenn    ihm  schon   zufolge    der  speculativen  Tendenz   der  Thomistischen 


'  Gen.  animal.  II,  ab  init. 

■  1   qu.  8.5,  art.  6. 

3  Vgl.  Thom.  Aq.  1  qu.  75,  art.  2:  Sicut  posse  creari  ilicitur  aliquid  non  per  potentiam  passivam,  sed  soluni  per  potentiam 
activam  creatoris,  qul  ex  nihilo  potest  aliquid  producere.  ita  cum  dicitur  aliquid  vertibile  in  nihil,  non  importatur  in  cre.atura 
potentia  ad  non  esse,  sed  in  Creatore  potentia  ad  lioo,  quod  esse  non  infiuat.  Dicitur  autem  aliquid  corniptibile  per  hoc 
quod  inest  ei  potentia  ad  non  esse. 

''  Vgl.  vorige  Anmerkung. 

46* 


Doctriii  nicht  so  viel  [{uiiiu  wie  bei  Dans  Scotus  gelassen  ist;  aber  der  speculative 
Gedanke  ist  nicht  so  mächtig  entwickelt,  dass  er  jenes  abstract  metaphysische  Element  in 
sich  aufhöbe  und  damit  in  ein  wahrliaft  pliilosophisches  Denken  umsetzte;  und  -er  vermag 
diess  nicht;  weil  er  selber  durch  das  in  die  Thomistische  Docti-In  als  Grundbestandtheil 
aufgenommene  realistisch -empiristische  Element  des  Aristo  telismus  niedergehalten  ist. 
In  Bezug  auf  die  Unsterblichkeitsfrage  macht  sich  jenes  abstract-metaphysische  Gedanken- 
element der  Thomistischen  Doctrin  als  abstracto  Möglichkeit  des  Vergehens  der  ihrer 
Idee  nach  unvergänglichen  JMenschenseele  geltend.  Der  Umstand,  dass  diese  abstracte 
Möglichkeit  niemals  in  Wirklichkeit  übergehen  kann,  schliesst  die  Aufforderung  ihrei" 
Elimination  und  Umsetzung  in  einen  wahrhaft  speculativen  Gedanken  in  sich,  der  kein 
anderer  als  der  des  absoluten  Getragenseins  aller  geschöpflichen  Realität  durch  die 
perennirende  Actuosität  der  schöpferischen  göttlichen  Causalität  sein  kann.  Der  Gedanke 
an  eine  Intermittirung  dieser  perennirenden  Actuosität  hebt  sich  als  eine  Contradictio 
in  adjecto  durch  sich  selbst  auf,  so  Avie  es  andererseits  undenkbar  ist,  dass  die  mensch- 
liche Seele  als  wesenhaftes  Abbild  des  ewigen  unvergänglichen  Gottes  eine  vergängliche 
Wesenheit  sein  sollte. 

In  der  Thomistischen  Speculation  ringen  ein  speculatives  und  empiristisch-realistisches 
Element  mit  einander;  bei  Duns  Scotus,  welcher  das  speculative  Element  hinwegfallen 
lässt,  emancipirt  sich  das  empiristisch-realistische  Element,  und  neben  demselben  aucli 
jenes  metaphysisch  -  abstracte  Denken,  welches  sich  mit  Vorliebe  in  den  Modalitäts- 
kategorien des  Möglichen  und  Nothwendigen  ergeht,  und  das  Wirkliche  nur  insoweit, 
als  es  entweder  durch  die  unmittelbare  Erfahrung  gegeben  oder  durch  Demonstration 
erreichbar  ist,  gelten  lässt.  Das  empiristisch-realistische  Element  bekundet  sich  auf  dem 
Gebiete  der  Anthropologie  in  der  Auslegung,  welche  Duns  Scotus  der  aristotelischen 
Lehre  von  den  Constituenten  des  Menschenwesens  gibt.  Er  macht  diese  seine  Auslegung 
auch  in  der  Unsterblichkeitsfrage  geltend,  indem  er  gegen  Thomas  urgirt,  dass  das  Sein 
der  Seele  nicht  als  Esse  totius,  d.  i.  des  gesammten  Menschenwesens,  gefasst  werden 
dürfe,'  und  demzufolge  ein  etwaiges  Aufhören  des  Seins  der  vom  Leibe  getrennten  Seele 
nicht  als  eine  Trennung  des  Seins  von  sich  selber  genommen  werden  könne.^  Der  Sinn 
dieser  kritischen  Bemängelung  des  Thomistischen  Argumentes  für  die  Seelen-Unsterblich- 
keit ist  kein  anderer  als  dieser,  dass  dem  im  Thomismus  ungenügend  vermittelten  specula- 
tiven Gedanken  von  der  Wesenseinheit  des  Menschen  eine  empiristisch-dualistische  Auf- 
fassung des  Menschenwesens  entgegengestellt  wird,  in  Avelcher  aber  überdiess  in  weiterer 
Folge  der  antike  Naturalismus  der  aristotelischen  W^eltanschauung,  welchen  die  specula- 
tive Scholastik  durch  ihre  Lehre  von  den  per  se  subsistirenden  Formen  überwunden  zu 
haben  glauben  durfte,  mittelbar  in  die  Seelenlehre  selber  hineingetragen  wurde.'  Wir 
erkennen  hier  die  auf  dem  Gebiete  der  Seelenlehi'e  und  Pneumatologie  sicll  aufschliessenden 


'■  Dico  quod  assumit  falsum,  cum  dieit,  quod  Esse  animae  est  Esse  totius,  quia  tunc  sola  specifica  differentia  homiuis  coniplete 
definiret  hominem  et  perfeete  indicaret  quid  est,  quod  est  falsum  et  contra  philosophum.  4  dist.  43,  qu.  2.  —  Vgl.  Seite  362 
Anmerkung  5. 

-  Vgl.  Tliom.  A(|.  1  qu.  75,  art.  6:  Materia  secundum  lioe  acqnirit  esse  in  actu,  quod  acquirit  fonnam;  secundum  hoc  autem 
accidit  in  ca  corruptio,  quod  separatur  forma  ab  ea.  Impossibilo  est  auteni,  quod  forma  separetur  a  seipsa;  unde  impossi- 
bile  est,  qiiod  forma  subsistena  desinat  esse. 

3  Anima  potest  corrumpi  per  se,  sieut  generari  per  se,  quia,  cujus  totum  per  se  et  primo  goneratur  et  corrumpitur,  ejus  partes 
per  se  generantur  et  corrnmpuntur,  etsi  non  primo.     4  dist.  43,  qu.  2  (Op.  Paris). 


J 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotus.  365 

Consequenzen   der  scotistisclien  Lehre  von  der  Zusammensetzung   alles  Geschafleneji  aus 
Materie  und  Form  in  der  von  Duns  Scotus  ihr  gegebenen  Auffassung  und  Deutung. 

In  Folge  seiner  Ablehnung  des  speculativen  Formbegriffes  ist  Duns  Scotus  als 
^Jetaphysiker  auf  das  Gebiet  einer  abstracten  Ontologie  verwiesen,  deren  Inhalt  der 
Gedanke  des  Seins  und  seiner  Determinationen  ausmacht.  Der  Gediinke  des  göttlichen 
Seins  fällt  ihm  mit  jenem  eines  höchsten  unendlichen  Seins  zusammen;  das  geschöpf- 
liche Sein  ist  das  determinirte  und  hiedurcli  vei'endlichte  Sein.  Demzufolge  ist  das 
unendliche  Sein  die  denknoth wendige  Voraussetzung  des  endlichen  Seins,  obschon  die 
erfahrungsmässige  Realität  des  letzteren  unserem  menschlichen  Denken  den  Stützpunkt 
zur  demonstrativen  Erweisung  des  ersteren  abgeben  muss.'  Dass  sich  der  Begriff  der 
göttlichen  Unendlichkeit  aus  jenem  der  absoluten  Immaterialität  oder  maxima  forma 
ei-gäbe,  wird  von  Dims  Scotus  gegen  Thomas  bestimmtest  in  Abrede  gestellt;  der  Be- 
griff' der  Form  ist  ihm  ein  relativer  Begriff",  dei'  jenen  der  Materie  zu  seinem  Correlate 
hat,^  so  dass  dort,  wo  keine  Materie  ist,  auch  von  keiner  Form  die  ßede  sein  kann. 
Von  Gott  als  absoluter  Form  der  Dinge  oder  Urform  des  Geschaffenen  sprechen,  hätte 
also  für  Duns  Scotus  schlechtweg  keinen  Sinn;  für  ihn  hat  Gott  in  rein  rationaler 
Beziehung  nur  die  Bedeutung  des  absoluten  Wirkungs-  und  Möglichkeitsgrundes  der 
Dinge,  deren  Sein  und  Sosein  durch  den  göttlichen  Willen  bestimmt  ist.  Allerdings  ist 
das  Zurücktreten  des  Willens  hinter  das  Erkennen  in  der  Thomistischen  Speculation  ein 
Mangel,  der  indess  nur  so  viel  bekundet,  dass  der  Gedanke  der  reinen  oder  in  sich 
selber  subsistirenden  Form  noch  weiter  vertieft,  und  die  Idee  der  absoluten  Form  in 
jene  des  absoluten  Geistes  umgesetzt  werden  müsse,  der  das  absolute  Sein  in  absoluter 
Selbstigkeit  ist,  und  demzufolge  alles  Andere  ausser  ihm  als  souveräne  Selbstmacht 
bestimmt;  von  dieser  versteht  es  sich  aber,  dass  sie  als  absolute  Geistigkeit  zugleich 
die  absolute  Denkhaftigkeit  ist,  daher  sie  allüberall  nur  als  denkhafter  Vernunftwille 
wirken  kann.  Duns  Scotus  vermag  die  Denkhaftigkeit  des  absoluten  Seins  nur  mittelbar 
und  auf  aposteriorischem  Wege  zu  erreichen,^  und  verwirft  jeden  Versuch  einer  Ableitung 
der  Denkhaftigkeit  des  göttlichen  Seins  aus  dem  Wesensgedanken  desselben.  Natürlich; 
aus-  dem  Gedanken  des  unendlichen  Seins  als  solchen  ergibt  sich  nicht  unmittelbar  auch 
schon  die  Intellectualität  desselben,  sondern,  sofern  es  als  erstes  und  oberstes  gedacht 
wird,  die  von  Duns  Scotus  daraus  abgeleitete  unendliche  Wirkungsmacht  desselben, 
welche  aber,  wie  Duns  Scotus  weiterhin  ganz  richtig  bemerkt,*  nicht  mit  der  durch 
blosses  Vernunftdenken  nicht  streng  erweisbaren  Allmacht  verwechselt  werden  dürfe. 
Um  diese,  d.  h.  die  absolute  Wirkungsmacht  Gottes,  zu  erweisen,  ist  die  Idee  des  abso- 
luten Geistes  als  des  in  sich  absolut  gesammelten  Seins  vorauszusetzen,  also  eine  Idee, 
von    welcher    Duns    Scotus    zufolge    seines   Widerstrebens    gegen    den    Gedanken    einer 


'    1    dist.   2,   qu.   1  —  3. 

^  Creatura  dicitur  aliqiiid  intrinsecum  habere,' vel  siout  totmn  lialjet  parteiii  sui,  vel  3icut  materia  habet  forraam.  In  Deo  nou 
est  pars  et  totum,  sicut  nee  materia  et  forma.  Igitiir  quod  habetur  intrinsece  a  Deo,  non  est  forma  sna,  nee  materia,  nee 
pars,  et  tamen  intrinsece  habetur;   igitur  est  ipsemet.     1   dist.  8,  qu.  4   (Op.  Paris). 

'  A  posteriori  potest  tantum  proI)ari,  Deum  esse  intelligentem  et  intellig'ere;  et  quod  ita  est,  ostendunt  necessario  etfectus  in 
universo,  qui  sunt  ab  eo  mediate  vel  immediate.  Et  non  potest  a  priori  probari,  quia,  sicut  homo  vel  huraanitas  est  prima 
ratio  constitutiva  hominis  vel  entitatis  specifice  talis,  nee  potest  ostendi  sibi  iuesse  per  aliquem  conceptum  sibi  imraediatiorem 

vel  priorem,   quia  tunc  non  esset  prima   ratio   constitutiva   ejus ita   etiara,    quod    intellectualitas    sit   prima  ratio  entis 

intelligibilis  constitnens  ipsum  in  esse  tali,  et  nihil  oxigat  re  (irius  esseiitialiter  ea,  quo  hoc  posset  de  eo  ostendi.  1  dist.  35, 
qu.   1,  art.   1   (Op.  Paris) 

■>   1   dist.  42,  qu.   unic.    (Op.   Paris). 


366  Kakl  Wkrner. 

absoluten  Form  am  allerweltosten  entfernt  ist.  Für  ilm  ist  Gott  an  sich  gcMiommen  eben 
nur  der  Allmüglichkeitsgrund  doi-  Dinge-,  die  Entscheidung  aber  über  das,  was  als 
möglich  oder  unmöglich  zu  gelten  hat,  steht  ihm  unabhängig  von  dem  Begriffe  des  gött- 
lichen allwirkenden  Seins  fest.  Um  diesen  Dualismus  zwischen  Theologie  und  Ontologie 
zu  überbrücken,  wäre  es  nothwendig,  Grott  als  die  absolute  Wirklichkeit  zu  denken, 
durch  die  schon  ihrer  Idee  nach  jede  andere  Art  von  "Wirklichkeit  bestimmt  ist,  so  dass 
ein  Sein,  welches  unter  diese  Bestimmtheit  nicht  fiele,  auch  nicht  eliima]  denkmöglich 
ist,  während  umgekehrt  die  Activität  der  absoluten  Actualität  demjenigen,  was  diese 
actuirt,  die  Nothwendigkeit  zu  sein  auferlegt.  Der  Gedaidce  der  absoluten  Wirklichkeit 
fällt  mit  jenem  der  absoluten  Form  der  Dinge  zusammen,  und  die  Wesensformen  der- 
selben sind  eben  nur  als  die  Reflexe  ihrer  absoluten  Form  im  göttlichen  Sein  anzusehen. 
Der  Begriff  Gottes  als  dei-  absoluten  Wirklichkeit  ist  einfach  nur  eine  Weiterbestimmung 
des  Begriffes  von  Gott  als  absoluter  Form  oder  Urform  der  Dinge,  die  schliesslicli,  wie 
schon  bemerkt,  im  Begriffe  des  absoluten  Geistes  sich  aufheben  muss,  in  Folge  dessen 
sodann  die  den  Wesensformen  der  Dinge  entsprechenden  Wesensgedanken  derselben  als 
freischöpferische  Conceptionen  des  göttlichen  Denkens  erscheinen,  die  durch  die  Energie 
der  göttlichen  Wirkungsmacht  ins  lebendige  Dasein  der  mundanen  Wirklichkeit  über- 
setzt werden. 

Beide,  Thomas  und  Duns  Scotus,  sind  zufolge  des  ihnen  Beiden  gemeinsamen  christ- 
lichen Gottesbegrifl'es  darin  einverstanden,  dass  Gott  unendlich  viele  Dinge  denkt  und 
erkennt,  die  er  nicht  in  die  Wirklichkeit  setzt,  und  dass  ihm  in  der  Wahl  dessen,  Avas 
aus  den  imendlich  vielen  Möglichkeiten  wirklich  werden  soll,  eine  unbegränzte  Freiheit 
gelassen  sei.  Diese  Auffassungsweise  ist  wohl  nur  eine  theologische  Umschreibung  der 
Idee  der  absoluten  göttlichen  Actualität,  die  sich  in  keiner  ihrer  Hervorbringungen  je 
zu  erschöpfen  vermag,  und  eben  desshalb  ihr  absolutes  Leben  nur  in  sich  selbst  haben 
kann,  während  sie  nach  Aussen  sich  zu  einer  bestimmten  Art  des  Wirkens  determiniren 
muss,  durch  welche  die  daneben  noch  möglichen  unendlich  vielen  anderen  Arten  der 
Selbstdetermination  der  göttlichen  Actualität  ausgeschlossen  sind.  Duns  Scotus  gibt  diesem 
Gedanken  durch  seine  Unterscheidung  zwischen  dem  absoluten  und  geordneten  Willen 
Gottes  Ausdruck ;  der  geordnete  Wille  bedeutet  die  Selbstdetermination  des  an  sich  unge- 
bundenen göttlichen  Willens  im  Wirken  nach  Aussen.  Die  Aufsuchung  eines  Grundes  für 
die  thatsächliche  Fassung  und  Gestaltung  des  geordneten  Willens  muss  Duns  Scotus 
ablehnen;  der  souveräne  göttliche  Wille  trägt  den  Grund  seiner  bestimmten  Determina- 
tion ausschliesslich  in  sich,  er  ist  sich  selber  der  absolute  Grund  seiner  Determination. 
Duns  Scotus  bleibt  also  dabei  stehen,  die  Schöpfung  als  ein  Werk  der  absoluten  gött- 
lichen Freiheit  zu  verstehen,  angesichts  welcher  jede  Frage  nach  einem  inneren  Grunde 
der  thatsächlich  gegebenen  Weltbeschaffenheit  zu  verstummen  hat.  Diese'durch  und  durch 
unspeculative  und  antispeculative  Weltauffassung,  welche  nach  einer  irineren  Wahrheit 
und  .Nothwendigkeit  des  göttlichen  Weltgedankens  zu  fragen  verbietet,  legt  die  Con- 
sequenzen  bloss,  welche  sich  aus  der  von  Duns  Scotus  festgehaltenen  Grundidee  vom 
göttlichen  Sein  als  unendlichem  Allmöglichkeitsgrunde  der  Dinge  ergeben.  Bei  Thomas 
werden  solche  Consequenzen  dadurch  abgehalten,  dass  er  am  Begriffe  des  göttlichen 
Seins  als  absoluter  Form  der  Dinge  festhält ;  diese  Auffassung  involvirt  die  Nothwendig- 
keit, in  den  Wesensformen  der  geschöpflichen  Wirklichkeit  Nachahmungen  und  Nach- 
bildungen   der    göttlichen  Wesenheit   zu    erkennen,    in  welchen   die  Wahrheit  und  Wii'k- 


Die  Psychologie  und  Eekenntnissleiire  des  Johannes  Duns  Scotus.  367 

lichkeit  des  geschöpflichen  Seins  begründet  ist,  so  zwar,  dass  sich  Wahrheit  und  Wirk- 
lichkeit des  geschöpflichen  Seins  nach  Art  und  Grad  des  Ausdruckes  der  absoluten  Form 
in  demselben  bestimmt.  Bei  Duns  Scotus  trennt  sich  die  P'rage  nach  der  Wahrheit  des 
Seins  Von  jener  nach  der  Wirklichkeit  desselben  völlig  ab;  er  fragt  überhaupt  nicht 
nach  dem  inneren  Wahrsein  der  Dinge,  sondei-n  bloss  nach  den  näheren  und  entfernteren 
Wirklichkeitsgründen  derselben,  deren  letzten  und  höchsten  er  selbstverständlich  im 
absoluten  alibedingenden  göttlichen  Sein  erkennt. 

Die  Opposition  des  Duns  Scotus  wider  die  Thomistische  Speculation  nimmt  ihi-en 
Ausgang  von  seiner  Bestreitung  des  Thomistischen  Begriifes  der  Materie,  deren  Auf- 
fassung als  passiver  Seinsmöglichkeit  der  sichtbaren  Dinge  den  Untergrund  der  Tho- 
mistischen Weltlehre  abgibt.  An  das  Nichts  angränzend  —  lehrt  Thomas  —  entbelirt 
die  Materie  für  sich  selber  des  Wirklichseins,  das  fiberhaupt  nicht  ihr,  sondern  bloss  den 
aus  ihr  gebildeten  Dingen  zukommt,  und  durcli  die  Ihr  aufgedrfickten  Wesensformen 
gewirkt  wird.  Wie  diese  das  Ding  möglich  machen,  so  machen  sie  es  auch  verstehbar; 
in  der  gestaltenden  Form  drückt  sich  der  Gedanke  oder  die  Idee  des  Dinges  aus,  die 
vom  menschlichen  Intellecte  aus  der  sinnlichen  Erscheinung  des  Dinges  hervorgezogen 
wird.  Die  im  menschlichen  Intellecte  aufleuchtende  Idee  des  Sinnendinges  ist  ein  Wieder- 
schein des  göttlichen  Gedankens  von  jenem  Dinge,  das  sonach  sein  urhaftes  Sein  im 
göttlichen  Gedanken,  oder  da  Gottes  Denken  mit  Wesen  und  Sein  Gottes  zusammenfällt, 
in  Gottes  Sein  und  Wesen  hat.  Gott  ist  somit  seinem  Wesen  nach  die  Urform  jedes  aus 
der  Materie  herausgebildeten  Sinnendinges,  und  dieses  besitzt  seine  Wahrheit  und  seine 
Wirklichkeit  in  der  den  göttlichen  Gedanken  desselben  ausdrückenden  und  verwirk- 
lichenden Form,  die  aber  um  so  schwächer  ist,  je  tiefer  sie  in  die  Materie  versenkt  ist 
und  je  unfreier  sie  demzufolge  an  dieser  haftet.  Je  schwächer  die  Form  ist,  desto 
weniger  hat  das  durch  sie  gestaltete  Ding  an  der  Wahrheit  und  Wirklichkeit  des  Seins 
Antheil.  Die  reine  Materie  an  sich  als  die  absolute  Formlosigkeit  entbehrt  mit  dem 
Wirklichsein  des  Wahrseins  völlig,  und  ist  demzufolge  nach  ihrem  reinen  Ansichsein 
nicht  einmal  für  Gott  selber  denkbar,  weil  der  Gedanke  von  ihr  als  einem  an  sicli 
wirklich  Seienden  ein  unwahrer  Gedanke,  nämlich  der  Gedanke  einer  Gott  widerstreben- 
den Absolutheit  wäre.  Die  Materie  als  die  blosse  Möglichkeit  des  Seins  bedeutet  im 
Bereiche  des  Seienden  den  äussersten  Gegenpol  des  göttlichen  Seins,  welches  als  die 
absolute  Form  alles  Seienden  die.  absolute  Wahrheit  und  absolute  Wirklichkeit  der  Dinge, 
und  demzufolge  auch  das  absolute  Mass  der  Wahrheit  und  Wirklichkeit  aller  geschöpf- 
lichen Dinge  ist.  Diese  bilden,  von  der  irdischen  Stoifwelt  als  Unterstem  angefangen, 
eine  aufwärts  steigende  Reihe  concreter  Existenzen  in  fortschreitender  Annäherung  an 
die  im  göttlichen  Sein  urhaft  gegebene  Wahrheit  und  Wirklichkeit  des  Seins ;  der  den 
geschöpflichen  Existenzen  erreichbare  Hochgrad  der  Annäherung  wird  in  den  von  der 
Materie  unabhängig  subsistirenden  Formen  erreicht,  zunächst  in  den  Menschenseelen, 
weiter  sodann  in  den  leiblosen  Engelwesen,  die  von  den,  die  Menschenseele  einschrän- 
kenden Wesensbeziehungen  zur  sinnlichen  Stoffwelt  losgelöst,  und  eben  damit  Gott  am 
nächsten  gerückt  sind. 

In  dieser  durchwegs  auf  den  Gedanken  des  Formprincipes  gestellten  Anschauung 
ist  unzweifelhaft  ein  speculativer  Gedanke  ausgedrückt,  nämlich  jener  einer  Repräsen- 
tation der  göttlichen  Vollkommenheit  im  Weltganzen  nach  allen  Arten  und  Graden  ihrer 
geschöpflichen    Darstellbarkeit.      Eben    so    unzweifelhaft     liegt    hier    weiter    eine    dem 


368  Kaki.  Wkrnkr. 

spoculativen  Golialto  iliosor  \\  oltuiificliauung  coiigruiromli'  llikoiniinissilicniic  vnr.  die 
ilarauf  abzwockt,  den  Inhalt  der  spoculativen  Woltanschauiino-  in  den  ihm  ailiiiiuatcn 
Formen  zu  lassen.  Andererseits  aber  lässt  siili  iiiclit  vcikcnncn,  dass  die  ladniicllf 
Erweisbarkrit  der  ganzen  Denkanscliauung  auf  di'n  ihr  zu  (iiiiiidc  licocndcii  Ik'grilV  der 
Materie  gestützt  ist,  dass  t'erner  tue  sjioeulativo  Ansrluuaing  an  den  liegrilVcn  i\{'v  die 
göttliche  Ürlbrin  nachahmenden  kosmischen  Existenzen  als  solcher  haften  bleibt,  oJnic 
zu  einem  die  Gesammtheit  derselben  innerlich  verknflpfenden  speculativen  Central- 
gedanken  vorzudringen,  dessen  ideelle  Wahilieii  Acw  mui  Thomas  ci'fassten  speculativen 
Weltgedanken  von  seinem  immerhin  bestreitbaren  StolVbegriffe  unaldiiingig  sicher  zu 
stellen  geeignet  wäre;  dass  endlich  das  ganze  ideelle  Weltverständniss,  wie  es  Tiionias 
zu  erschliessen  versucht,  doch  nur  ein  beziehungsweises  ist,  indeju  uns  eigentlich  nur 
gesagt  wird,  was  die  Dinge  im  Yerhältniss  zu  Gott  sind,  während  uns  ihr  inneres  Wesen 
durch  dit'  aus  iler  ai'istotelischen  Philosophie  enil(dii:i(Mi  genei-alisirendcii  I  lilfsbegi-ift'e : 
Materie  und  Form,  durchaus  nicht  in  die  anschauliche  Nähe  concreter  Ecbendigkeil 
o-ebracht  wird.  Der  Denkschärfe  des  D\ins  Scotus  darf  das  Eob  nicht  vorenthalten  werden, 
alle  diese  Mängel  der  Thomistischen  Speculation  richtig  herausgefühlt  und  eine  Kritik 
derselben  geliefert  zu  haben,  die  sich  bleibend  an  sie  geheftet  hat,  und  deren  Wahrheits- 
recht erst  im  Lichte  des  neuzeitlichen  speculativen  Theismus  vollkommen  zu  Tage  tritt. 
Die  scotistische  Kritik  des  Thomismus  war  die  durch  den  geschichtlichen  Fortschritt 
geforderte  Antithese  desselben,  in  welcher  sich  auf  historisch-objective  Weise  die  Noth- 
wendigkeit  einer  läuternden  Umbildung  und  tieferen  Selbstfassung  der  Thomistischen 
Speculation  aussprach.  Diese  Umbildung  und  Vertiefung  involvirtc  freilich  ein  völliges 
Abgehen  von  den  peripatetischen  Unterlagen  jener  Speculation  und  die  Gewinnung  eines 
neuen  höheren  Denkstandpunktes,  wie  er  selbst  in  der  nachscholastischen  Philosophie 
erst  nach  einem  mehrhundertjährigen  Entwickelungsprocesse  in  den  Anschauungen  eines 
neuzeitlichen  speculativen  Vernunftdenkens  gewonnen  wurde.  Dieses  ferne  Zukunftsziel 
lag  ausser  dem  Gesichtskreise  des  Duns  Scotus ;  selbst  das  seinem  Zeitalter  geschichtlich 
näher  gerückte  Ziel  philosophischer  Denkentwickelung,  welches  im  speculativen  Indivi- 
dualismus des  Nicolaus  von  Cusa  sich  verwirklichte,  war  auf  dem  von  Duns  Scotus  ein- 
genommenen Standpunkte  noch  nicht  abzusehen,  obwohl  sein  Denken  demselben  gleich- 
sam unbewusst  zuneigte,  und  der  Richtung  des  allgemeinen  Zeitdenkens  auf  dasselbe 
unwillkürlich  Zeugniss  gab.  Zunächst  und  unmittelbar  war  jedoch  seine  Thätigkeit  eine 
bloss  kritische;  zu  einem  selbsteigenen  speculative«.  Verfahren  durchaus  nicht  disponirt 
war  er  nur  dazu  angethan,  den  durch  Thomas  ausgeführten  Bau  aus  seinen  Fugen  zu 
rücken,  und  bis  auf  einen  gewissen  Grad  Stück  um  Stück  von  demselben  abzutragen; 
ja  er  glaubte  sogar  einen  ganz  anderen  Bauplan  angeben  zu  müssen.  Theologisches  und 
philosophisches  Denken  sollten  schärfer  auseinandergerückt,  die  Attributionen  beider 
erweitert  werden;  diese  Forderung  Hess  sich  indess  nur  hiedurch  ausführen,  dass  unter 
Steigerung  der  formalen  Ansprüche  und  Befugnisse  des  philosophischen  Denkens  die 
sachlichen  Einblicke  desselben  auf  einen  enger  gezogenen  Kreis  von  Objecten  beschränkt, 
somit  das  congruente  Verhältniss  zwischen  Denken  und  Erkennen  verschoben  wurde. 

Mit  Recht  bemängelt  Duns  Scotus'  die  Thomistische  Behauptung,   dass  die  Wesens- 
formen   der  sinnlichen  Erscheinungswelt   das   dem  Intellecte  des  Zeitmenschen   adäquate 


'    1   dist.  3,  qu.   3. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  369 

Object  wären.  Wenn  er  dagegen  das  Seiende  als  solches  als  objectum  primum  des 
menschliclien  Intellectes  erklärt,  so  substituirt  er  dem  durcli  Thomas  assignirten  con- 
creten  Objecto  ein  rein  abstractes,  durch  dessen  allumfassenden  Umfang  der  geistige 
Horizont  des  zeitlichen  Menschenintellectes  unermesslich  erweitert  erscheint,  während 
er  hinsichtlich  der  Erkenntniss  des  Sachlichen  nur  um  so  mehr  eingeschränkt  wird. 
Denn  eine  in  das  innere  Wesen  der  Dinge  dringende  Erkenntniss  wird  von  Duns  Scotus 
dem  zeitlichen  Erdenmenschen  schlechthin  abgesprochen;'  wir  können  das  A\'esen  dei- 
Dinge  nur  ratiocinativ  durch  Schlüsse  von  der  Ursache  auf  die  Wirkung  und  ander- 
weitige Yerhältnissbestimmungen  gewinnen.  So  bleibt  also  nur  eine  auf  empiristischem 
Grunde  stehende  abstracte  Vernunfterkenntniss  übrig,  die  ihren  Halt  letztlich  in  der  von 
Duns  Scotus  anerkannten  objectiven  Wahrheit  der  Allgemeinbegriffe  hat.  In  Folge  dessen 
muss  nämlich  auch  der  Begriff  der  Wesensform  und  die  Lehre  von  einer  aufwärts  steigen- 
den Reihe  von  Wesensformen  für  ihn  objective  Wahrheit  haben;  nur  dass  ihm  der  Begriff 
der  Form  imlöslich  an  jenen  der  JMaterie  geknüpft  ersclieint,  und  demzufolge  das  imma- 
terielle göttliche  Sein  in  eine  formlose,  d.  i.  geistig  unfassbare  Unendlichkeit  auseinander- 
geht, Avährend  ihm  umgekehrt  der  Begriff  der  reinen  Materie,  die  für  Thomas  die 
Bedeutung  der  formlosen  und  darum  geistig  unfassbaren  Unendlichkeit  hat,  in  jenen  des 
contractesten  endlichen  Seins  umschlägt,  das  aber  wirkliches  und  daher  auch  geistiu- 
fassbares  Sein  ist,  und  als  Seiendes  mit  dem  göttlichen  Sein  unter  Eine  Kategorie  fällt. 
Denn  das  Sein  wird  von  allem  Seienden  univoce  ausgesagt;^  demzufolge  besagt  das  Sein 
von  Gott  prädicirt  nicht  mehr  und  nichts  anderes,  als  wenn  es  von  der  Materie  aus- 
gesagt wird,  deren  Sein  die  denknothwendige  Voraussetzung  des  Seins  der  Form  ist.'' 
Aus  der  denknothwendigen  Priorität  der  Materie  erklärt  sich  die  Nothwendigkeit,  zur 
Gewinnung  einer  philosophischen  Realerkenntniss  vom  Untersten  auszugehen,  also  die 
gesammte  philosophische  Kosmologie  auf  eine  empiristische  Grundlage  zu  stellen,  die 
aber  eben  nur  für  die  Erklärung  der  sichtbaren  Welt  ausreicht;  die  Nöthigung,  über 
diese  hinauszugehen,  liegt  im  denknothwendigen  Begriffe  des  unendlichen  Seins,  so  wie 
in  der  durcli  denknothwendige  Schlüsse  erprobten  Immaterialität  der  endlichen  Menschen- 
seele, welche  zufolge  ihres  denknothwendigen  Unterschiedes  vom  unendlichen  göttlichen 
Sein  zur  Annahme  der  Materia  primo -prima  nöthiget,  und  hiemit  auch  die  durch  den 
christlichen  Glauben  bezeugte  Existenz  leibloser  Geistvvesen  denkmöglich  macht.  Während 
wir  das  Sein  und  Wesen  dieser  aus  ihrer  Analogie  mit  dem  Sein  und  Wesen  der  unter 
denselben  Artbegriff  fallenden  Menschenseele  begreifen,  sind  wir  in  Bezug  auf  die 
Wesensbestimmungen  des  unendlichen  göttlichen  Seins  auf  dasjenige  angewiesen,  was 
sich  uns  via  causalitatis  et  eminentiae  als  denknothwendige  Attribution  des  göttlichen 
Seins  ergibt.  Trotzdem,  dass  wir  Gott  zu  denken  genöthiget  sind,  ist  doch  unsere  Er- 
kenntniss vom  wirklichen  Wesen  Gottes  durchwegs  nur  eine  aposteriorische  und  aus 
Relationsbeziehungen  geschöpfte  Erkenntniss. 

Wie    sollen    wir   uns    diese    so    geflissentliche    Herabdrückung    des    Werthes    unserer 
zeitlichen  Gotteserkenntniss    erklären,    und    worin    differirt  bezüglich   dieses  Punktes  die 


'  Sicut  non  concipimus  entia  perfectissinij,  uisi  per  effectus  et  per  habitudinom  ail  efficiens,  ita  nee  etiam  diminuta,  uisi  per 
entia  pert'ectiora  et  per  sensibilia.  Et  ideo  inateriam  nön  cogiioscimus  nisi  per  habittidiuem  ad  formam,  quia  transmutatur 
ab  uua  forma  ad  aliani,  et  hoc  propter  imperfectionem  intellectus  nostri  m  via,  qui  non  intelligit,  nisi  i)er  sensibilia.  1  disf. 
36,  qu.  4  (Op.  Paris.). 

2  1   dist.  3,  qu.  3. 

3  Materia,  licet  sub  forma  ignis  et  aquae,  tarnen  essentialiter  et  secundum  se  est  prior  utraque  forma.  4  dist.  11,  qu.  3  (Op.  Paris.). 
Denkschriften  Jer  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  47 


370  '^  *'''■  ^^  ^•"NKli. 

scotistiscilc  Anschauung  \i>n  dcv  tliomistisclion  V  t  MVrnhar  dui'tli  ihicii  aiilis|)(H;ulativi'ii 
Charakter;  und  daraus  orkhirt  sirli  auch.  \vi(>  Thoiuas  trotzdtMu,  thiss  cv  niii  hunsScotus 
über  di«'  (.icwiinunii;-  unsci'iT  rcaliMi  ( iottoserkcniilniss  i^lclchc  ( i  i-undsiltzo  vorträgt,  d.  h, 
das  apostoriorisdio  MonuMit  und  den  Kchitioii.-chaiakt(>r  unsiMcr  Aussagen  u\)cv  (itili 
eben  so  sehr  als  Ihnis  Scotus  beti>nr,  die  menscliliclie  Golteserkcnntniss  liiilier  stellen 
und  ihr  einen  theoretischen  Werth  zuschreiben  könne,  der  ihr  von  l)uns  Scolus  abge- 
sprochen wird.  Her  von  Thomas  zugestandene  wesenliat'te  Inhalt  unseres  Gottesbegriffes 
besteht  in  seiner  Auffassung  Gottes  als  absoluter  l'orni  mul  caiisali-r  1  ifoini  der  Dinge, 
womit  unter  Kineni  ilie  von  I>uns  Scotus  behauptete  und  uigirle  Univocität  des  göttliuhen 
Seins  mit  dem  creatürlichen'  entschiedenst,  und  zwar  inli  I\(^cht  abgelehnt  ist,''  da -der 
absoluten  Wesentlichkeit  das  Sein  in  ganz  anderer  Weist»  /.ukominen  muss,  als  denjenigen 
Wesenheiten,  deren  iJeoritV  niidit  auch  schon  ihr  Sein  und  W  irklichscin  involvirt.  Der 
von  Thomas  der  absoluten  Wirklichkeit  in  der  i-einen  Matei'ie  gegenübergestellte  Gegen- 
pol schliesst  das  Wirklichsein  sogar  aus.  Nur  konnte  sich  Thomas  ni<  lif  entschliessen, 
den  Beffriff  Gottes  als  der  absoluten  Wirklichkeit  in  seiner  unmittelbaren  Wahrheit  und 
Denknothwendigkeit  anzuerkennen,  mid  bildete  ilm  auch  nui-  insoweit  dm-ch,  als  er  ihm 
als  denknothwendige  Voraussetzung  aller  geschöpfliclien  Wirklichkeiten  nothwendig  war  : 
und  dieser  Mangel  wurde  von  dem  scharfsichtige})  Duns  Scotus  so  sicher  und  trelVend 
herausgefühlt,  dass  er  ihm  eine  wichtigste  Hauptinstanz  für  seine  Bestreitung  der 
thomistlschen  Doctrin  darbot.  Thomas  muss  nämlich  im  Einklänge  mit  seiner  Anschauung 
von  Gott  als  absoluter  Form  die  göttlichen  Ideen  oder  Wesensgedanken  auf  die  seine 
Wesenheit  nachbildenden  Wesensformen  beschränken,^  mit  Ausschluss  der  Materie,  der 
Genera,  ilei- Accidenzen  und  der  Individuen.  Wenn  irgend  ein  Lehrpunkt  der  Thomistischen 
Doctrin,  so  ist  es  sicher  dieser,  der  die  unklare  Fusion  von  Begriff  und  Idee,  und  die 
Niederlialtung  des  Idealgedankens  durch  das  begriffliche  Denken  ins  hellste  Licht  stellt; 
und  es  war  daher  auch  vollkommen  in  der  Ordnung,  dass  Duns  Scotus  diese  durchaus 
mizuläng-liche  Auffassung  dei-  tröttlichen  Ideen  zu  durchbrochen  bemüht  war,*  obschon 
wir  nicht  zugeben  können,  dass  er  einen  richtigeren  oder  adäquateren  Begriff  der  gött- 
lichen Idee  aufgestellt  hätte.  Im  Gegen theil  weist  seine  Auffassung  derselben'  auf  seinen 
formlosen  Begriff"  von  der  unendlichen  göttlichen  Wesenheit  hin,  die  sich  demzufolge 
auch  nicht  zur  Schauung  einer  kosmischen  Centralidee  zusammenzufassen  vermag,  in 
welcher  Gott  das  relative  geschöpfliche  Gegenbil(^  seiner  selbst  seit  ewig  denkend  aus 
sich  reproducirt.  Hat  es  bereits  Thomas  nicht  zur  vollkommenen  Concentration  der 
Elemente  seiner  Gottesidee,  und  demzufolge  auch  nicht  zur  Ableitung  eines  centralen 
Weltgedankens  aus  der  in  ihrer  centralen  Tiefe  gefassten  Gottesidee  gebracht,  so  diffun- 
dirt  sich  die  scotistische  Vorstellung  vom  göttlichen  Denken  der  W' eltdinge  in  ein 
Allmöglichkeitsdenken,    welches   einzig   durch   den   absoluten  göttlichen  Willen   zu   einer 


'  Deus  non  est  a  nobis  cognoscibilis  naturaliter  —  heisst  es  bei  Duns   Scotus   1   ilist.  li,  qu.  3  —   nisi  ens  sit  imivocum  i-reato 

et  increato. 
-  Impossibile  est  —  sagt  Thomas   1.  qu.  13,  ait.  5  —  aliquid  praedieare  de  Deo  et  oieaturis  univoce,  quia  omnis  effectus  non 

adaequans  virtutem  causae  agentis  recipit  similitudinem  agentis  non  secundum  eandem  rationem  sed  deficienter,  ita  ut,  quod 

divisim  et  multipliciter  est  in  effectibus,  in  causa  sit  simpliciter  et  eodem  modo. 
3  1.  qu.  15,  art.  3. 
*   1   dist.  36,  qu.  4  (Dp    Paris.). 
=•  Idea  est  objectum  nt   cognitum    in   mente   divina Dicendum  est  cum  antiquo  doctore  Bonaventura,  quod    in  Deo  sunt 

infinitae  ideac.     1    dist.   36,  qu.  2  u.  qu.  2  (Op.  Paris.). 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Düns  Scoxus.  371 

bestimmten  Conception  des  in  Wirklichkeit  Seinsollenden  determinirt  wii-d.  Nicht  ohne 
relative  Berechtigung  erklärt  sich  Duns  Scotus  gegen  die  Thomistische  Unterscheidung 
zwischen  speculativen  und  praktischen  Ideen,  deren  letztere  die  Musterbilder  des  Wirk- 
lichen, die  ersteren  die  göttlichen  (ledanken  dessen,  was  nie  wirklich  wird,  bedeuten 
sollen.'  Er  übersieht  jedoch,  dass  die  göttliche  Weltidee  als  Idee  einen  denknothwendigen 
Inhalt  haben  müsse,  der,  den  göttlichen  Schaffenswillen  vorausgesetzt,  in  der  Schöpfung 
nothwendig  zum  Ausdruck  kommen  muss ;  und  dass  in  Bezug  auf  jenen  denknothwen- 
digen Inhalt  der  Idee  das  göttliche  Denken  nicht  durch  den  göttlichen  Willen,  sondern 
einzig  nur  durch  sich  selber  deterniinirt  sein  könne,  oder  vielmehr  jenem  denknotliwen- 
digen  Inhalte  der  göttliche  \\'ille  absolut  immanent  sei,  und  in  demselben  die  rationale 
Form  seiner  unbeschränkten  Freiheit  und  Wirkungsmacht  habe.  Der  göttliche  Schöj)fungs- 
gedanke  muss  unbeschadet  der  unbegränzten  Freiheit  seiner  concreten  Gestaltung  auf 
etwas  abzwecken,  worin  sich  der  absolute  Zusammenschluss  des  Greschaä'enen  mit  dem 
göttlichen  Urgründe  vollzieht,  und  muss  demnach  auch  in  der  Conception  seines  Inhaltes 
auf  die  Verwirklichung  dieses  Abschlusses  angelegt  sein.  Wenn  nun  bereits  bei  Thomas 
die  Idee  einer  gradweise  abwärts  steigenden  Repräsentation  der  göttlichen  Herrlichkeit 
in  der  Schöpfung  die  Reflexion  auf  eine  centrale  Mitte,  innerhalb  welcher  sich  der 
absolute  Eückschluss  zu  vollziehen  hat,  zurückdi'ängte,  und  den  Menschen  nur  als  ein 
mittleres  Glied  der  abwärts  steigenden  Reihe  erscheinen  Hess,  so  ist  Duns  Scotus  zufolge 
seiner  dualistischen  Auffassung  des  Menschen  noch  weiter  davon  entfernt,  im  Menschen 
die  centrale  Mitte  der  Dinge  zu  sehen ;  im  Gegentheil  reflectirt  sich  in  seiner  Anthro- 
pologie der  von  ihm  statuirte  und  in  keiner  höheren  Idee  vermittelte  Dualismus  von 
Geister-  und  Ivörperwelt.  Gleichwohl  ist  es  in  seiner  Art  bedeutsam,  wie  er  das  in 
Christus  über  sich  selbst  erhobene  Menschliche  zum  göttlichen  Sein  und  Wesen  in  nächste 
Beziehung  bringt,  so  dass  man  wohl  anzunehmen  berechtiget  ist,  er  habe  den  in  der 
rationalen  Kosmologie  nicht  aufgefundenen  centralen  Abschluss  der  Schöpfung  in  die 
Christologie  verlegt,  wie  er  denn  in  der  Tliat  diese  mit  seiner  Lehre  vom  höchsten 
Weltzweck  in  eine  vom  christlichen  Erlösungsglauben  unabhängige  Verbindung  bringt,' 
jedoch  so,  dass  liiebei,  eben  in  Folge  des  dualistischen  Charakters  seiner  Kosmologie, 
nur  die  moralische  Weltvollendung  berücksichtiget  erscheint.^ 

Die  Polemik  des  Duns  Scotus  gegen  die  Thomistische  Ideenlehre  steht  ganz  im  Ein- 
klänge mit  seinen  ontologisch-metaphysischen  Grundanschauungen,  und  ist  ein  treuer 
Reflex  des  empiristischen  Realismus  derselben.  Sie  geht  darauf  hinaus,  zu  zeigen,  dass 
in  Gott  ein  distincter  Gedanke  aller  logischen  und  ontologischen  Constituenten  der  gött- 
lichen Wesenheit  vorhanden  sein  müsse,  also  ausser  dem  Gedanken  der  Form,  welcher 
das  Ding  zu  dem  macht,  was  es  ist,  auch  ein  distincter  Gedanke  der  Materie,  aus  der 
das  Ding  geformt-  ist,  ein  distincter  Gedanke  des  Genus,  unter  welches  das  Ding  zufolge 


'  Si  idea  ante  actum  voluntatis  respiceret  diflerenter  possibilia,  umim  ut  fiendxuii,  alterum  ut  iiou  fiendum,  igitur  si  iutellectus 
ejus  sie  ostenderet  voluntati,  aut  voluntas  non  posset  iioUe  illud  fieri  et  sie  non  esset  libera;  vel  si  posset  noUe  illud  fieri, 
posset  etiam  esse  non  recta,  quia  faceret  contra  rectara  rationem  dictautem,  hoc  esse  fiendum.  Igitur  penes  possibile  futurum 
et  non  futurum  non  accipitur  distinctio  practica  et  non  practica.     1.  dist.  36,  qu.  4  (Dp.  Paris.). 

-  Dico,  quod  lapsus  non  fuit  causa  praedestinationis  Christi,  imo  si  nee  fuisset  angelus  lapsus,  nee  homo,  adhuc  fuisset 
Christus  sie  praedestinatus;  imo  et  si  non  fuissent  creandi  alii  quam  solus  Christus.     .9.  dist.   7,  qu.   4  (Op.  Paris.). 

•■'  Dico  igitur  sie:  Primo  Dens  diligit  se;  seeundo  diligit  se  in  aliis,  et  iste  amor  est  castus;  tertio  vult  se  diligi  ab  alio,  qui 
potest  eum  summe  diligere,  loquendo  de  amore  alicujus  extriuseci;  et  quarto'  praeridit  unionem  illius  natiirae,  quac  debet 
enm  summe  diligere,  etsi  nullus  cecidisset.     L.  c. 

47* 


.1-.^  K.\i;l.  WniNKli. 

(los   in   soiiKM-    Form    ausgvi>riii!:ten    Artcliaraktcrs    uclii.rl,    ein   .listim-ti's    Pcukcii   dci'   iiim- 
iiarablon  Acciilonzen    dos    gofonnten   Dingos,    ein    ilisiimto    ItcnlMii    .Icr    I  nd  i  vi.luni.    m 
wolilifu   .l.M-  Aribogriff  des   Dingos  ausgodriU'kl    ist.     Das  lioisst    mii    audfini  Wniicii.   das 
von  Thomas   unzidiinglirli   und   unvollkommon   orfassto  Woson   der  Idee  .soll   ganz   und   gai- 
auf   das    roin    bogritVlic  lio    Donlcon    loducirt    wordon.      An    dio    Stoll(>    di'i-    'riioiiiistisolion 
Kssontia   tritt   das  scotistisolio  Kns,  dessen  goistigor  tu>danko   nicht,    wie    riioinas   in  lio/.iig 
auf  dio  sinnofalligen  ("»bjooto  will,  aus  seiner  sinnlirh  indi  vidnalisiitcii   Ij-mIkmiiiiul;  luMvor- 
gezogen.  sondern   ui\n»iit<dl>ar   im   Tontacte    mit  dem   orscheiiirndrn   Ol.jcct,"   ai.pr.di.'ndiii 
wird?  und  weiter  sodann  in  der  .Vuseinandcrlegung  und  ZusamnuMifassung  der  untologisch- 
logisohon   l>otorminationon    dos   bostimmton   Kns   sieh  vordoutliohot.      Dieses    letztere,   den 
auf  dio  Gewinnung  der  intontio  sccunda  abzielenden   logisohon  l'roeess,   fasst  Tliomas   in 
gleicherweise  wie  Duns  Scotus  auf;   der  Unterschied  liegt  nur  darin,  dass   bei  Tlnimas 
dieser  Vorgang  als  geistige  Nachbildung  der  Wesensgestaltung  des  appercipirten  Ubjeetes, 
bei  Duns  Scotus  als  eine  Yerdeutliehung  der  das  appcrcipirte  bestimmte  Sein  besclirän- 
kenden   Determinationen    erscheint.     Da    nun    diese    Determinationen    das    Ding    zu    dem 
machen,    was  es  ist,    so  ist  nach   Duns  Scotus  die  klare  und  bestimmte  Erkenntniss  der- 
selben für   ein  vollkommenes  Erkennen  des  Dinges   die  Hauptsache;    daher  sie   im  gött- 
lichen Denken    am   allermeisten   gesondert   auseinandertreten  müssen.     Thomas  hingegen 
lässt  dieselben    für    den    simplex    intuitus    divinus    mit   dem   in  seiner  tiefsten  Wesenheit 
geschauten  Dinge  zusammenfallen,  un.l   sieht  in  der  gesonderten  Hervorhebung  und  Aus- 
oinanderhaltung    der    Constituenten    und    Determinanten    des    AYesens    eines    bestimmten 
Dinges  nur  einen  Behelf  des  seiner  Natur  nach  unvollkommenen  menschlichen  Denkens, 
dess'en  das  göttliche  Denken  nicht  bedarf.    Gewiss  dringt  der  göttliche  Tiefblick  simplici 
intuitu    ins    innerste  Wesen    des    Dinges;    wie    aber,    wenn    das    Ding    keinen    selbstigcn 
Wesensgrund    hat,    wenn    dieser  Grund    ausser    ihm    und   ausserluilb   der  gesammten  Ai't 
oder  Gattung  der  Dinge,  welcher  es  angehört,  liegt,  wie  diess  sicher  bei  allen  Individua- 
tionen  des  sinnlich  Erscheinenden  der  Fall  ist?     Wird  da  der  göttliche  Tief  blick    nicht 
auf  das  gemeinsame  Grundwesen   aller  Modificationen   und  Individuationen   des    sinnllcli 
Erscheinenden  gehen,  und  aus  diesem  Grundwesen  heraus  alle  jene  vielfältigst  modificirten 
Individuationen  desselben  erkennen?    Wird    man  also  da   noch  von  Ideen,  d.  i.  Wesens- 
gedanken der  sinnlichen  Einzeldinge  und  Einzelwesen,  sprechen  können,  ausser  sie  wären 
aus  dem  in  ihnen  individuirten  Grundwesen  erkannt?  Wie  unentwickelt  ist  also  noch  dci- 
Begriff  der  Idee,    wenn    er  mit  den  Artbegriffen  deT  Dinge  identificirt  wird,    abgesehen 
davon,  dass  das  Individuum  als  solches  hiebei  ganz  ausser  Acht  gelassen  wird,  während 
doch,  wie  Thomas  selber  zugeben  muss,   die  Species  der  Sinnendinge  nur  in  diesen   ein 
vom  Denken  verschiedenes   reales   Sein    haben.     Dieser  Punkt   ist   nun   einer  von  jenen, 
welche  Duns  Scotus   an    der  Thomistischen  Doctrin   mit   vollem  Grunde  bemängelt;    nur 
dass  seine  Kritik  auf  einen  Standpunkt  herabsinkt,  der  bei  völliger  Gleichgiltigkeit  gegen 
den  Unterschied  zwischen  den  concreten  Existenzen    geistiger  und  sinnlicher  Natur  aus- 
schliesslich den  abstracten  Begriff  des  Individuums  ins  Auge  fasst,  von  dem  er  behauptet, 
dass  es  eine  von  den  Ideen  der  Art  und  des  Genus  distincte  Idee  in  Gott  haben  müsse. 
Es  ist  allerdings  richtig,  dass  die  göttliche  Anschauung  der  Weltdinge  als  die  allervoll- 
kommenste  auch  die  allerconcreteste  sein  müsse.   Aber  als  solche  zehrt  sie  die  im  abstract 
formalen  Denken  auseinandergehaltenen  Unterschiede  von  Form  und  Materie,  Genus  und 
Species  in  sich  auf.  und  sieht  die  Dinge  in  ihrer  eigensten  Wesenheit  die  bei  keinem  dci- 


^i 


I 


Die  Psychologie  und  Ekkenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotüs.  373 

aussergöttlichen  Dinge  ausschliesslich  in  diesem  selbst  und  ausserhalb  der  Correlationen 
desselben  zu  allem  anderen  Seienden  liegt,  in  den  Sinnendingen  aber  von  diesen  Corre- 
lationen völlig  beherrscht  ist.  Daher  der  Fluss  und  Wandel  der  sinnlichen  Erscheinungen, 
in  deren  stetem  Wechsel  selbst  nicht  einmal  die  sogenannten  Wesensformen  ein  bleiben- 
des und  unalterirbares  Sein  haben  5  es  gibt  im  Gesammtbereiche  der  sichtbaren  Welt 
nur  Eine  bleibende  und  unalterirbare  \Yesensform,  jene  des  Menschen,  und  zwar  dess- 
halb,  weil  sie,  um  in  der  Sprache  der  Scholastiker  zu  sprechen,  eine  von  der  Materie 
der  Sinnendinp-e  unabhänffio^e  Subsistenz  in  sich  selber  hat.  Sind  die  sinnlichen  AVesens- 
formen,  die  im  Wandel  und  Wechsel  der  sinnlichen  Erscheinungswelt  das  Bleibende 
repräsentiren,  alterirbar  und  vergänglich,  so  sinken  die  stofflichen  Individuationen  der- 
selben zu  nocli  geringerer  Bedeutung  herab,  und  zählen  nur  als  Repräsentanten  des  in 
ihnen  verwirklichten  Artbegriffes;  daher  die  der  formlosen  Unbestimmtheit  der  , Materie", 
in  der  sie  verwirklichet  sind,  entsprechende  Unbestimmtheit  und  Unbegränztheit  ihrer 
Zahl,  obwohl  sie  in  Gottes  Denken  gezählt  sind.  Demzufolge  hat  Duns  Scotus  allerdings 
Eecht,  für  jedes  einzelne  Sinnending  einen  distincten  Gedanken  in  Gott  zu  postuliren ; 
verfehlt  aber  ist  es,  dieses  Postulat  auf  die  sogenannte  Substantialität  des  Sinnendinges 
zu  gründen,'  die  eben  nur  eine  rein  phänomenale  Bedeutung  hat.  Thomas  überwindet 
den  unphilosophischen  Empirismus  dieser  Anschauung,  wenn  er  das  Esse  des  Sinnen- 
dinges in  das  formgebende  Princip  desselben  verlegt;  und  darin,  dass  er  das  Individuum 
als  solches  nicht  in  die  musterbildliche  göttliche  Idee  aufgenommen  wissen  will,  könnte 
man  eine  leise  Ahnung  von  dem  immanenten  Selbstleben  der  Natur  ausgesprochen  finden, 
dessen  Idee  das  unmittelbare  Eingreifen  Gottes  als  Machers  jedes  einzelnen  Dinges  voji 
selber  ausschliesst.  Wenn  aber  die  unbegränzte  Variabilität  zum  Wesen  des  lebendigen 
Schaffens  der  Natur  gehört,  und  innerhalb  jeder  besonderen  Art  und  Form  des  Er- 
scheinenden in  der  mannigfaltigen  Individualisirung  des  Artbegriö'es  seinen  Ausdruck 
findet,  so  muss  auch  jedes  Individuum  als  solches  in  den  göttlichen  Formgedanken  auf- 
genommen sein,  der  ja  als  lebendiger  Gedanke  und  vollkommenster  Gedanke  alle  Varie- 
täten desselben  in  sich  schliessen  muss,  so  dass  keine  in  die  geschöpfliche  Wirklichkeit 
treten  kann,  die  nicht  ihr  Urbild  im  lebendigen  göttlichen  Urgedanken  der  allgemeinen 
Form  oder  des  Artbegrift'es  hätte.  Man  sieht,  das  Wahrheitsrecht  im  Streite  über  den 
Inhalt  der  göttlichen  Idee  schwankt  zwischen  beiden  streitenden  Theilen  hin  und  her ; 
ein  Beweis,  dass  keiner  von  beiden  in  der  lebendigen  Mitte  der  Sache  steht.  Es  ist  ganz 
richtig,  dass  jedem  einzelnen  sinnlichen  Individuum,  das  die  zeugende  Natur  producirt, 
ein  urbildlicher  göttlicher  Gedanke  entspricht ;  aber  wie  ganz  anders  muss  im  göttlichen 
Denken  ein  individuelles  Geistwesen  erscheinen,  welches-  als  ein  in  sich  geschlossenes 
Totum  nach  seinem  ontologischen  Range  nicht  nur  über  jedem  sinnlichen  Sonder- 
individuum, sondern  über  der  Gesammtheit  aller  Besonderungen  und  Particularisationen 
des  sinnlichen  Stoffes  steht!  Duns  Scotus  muss  zugeben,  dass  ein  solches  Totum  für  das 
göttliche  Denken  in  ganz  anderem  Sinne  als  die  stoft'lichen  Singularitäten  als  Einheit 
zähle.    Er  lässt  jedoch  die  Prädicate  Unum,  Verum,  Bonum  als  Passiones  entis  erst  nach- 


Intlividua  sunt  maxime  substantiae,  quia  sunt  primae  substantiae.  Unde  de  illis  non  est  diibitatio,  quin  quodlibet  eorum 
dicat  unitatem  realem  et  entitatem.  Substantia  autem  seeuuda  non  dicitur  maxime  substaiitia,  et  ideo  dubiuni  est,  si  est 
unitas  realis,  et  per  consequens,  si  entitas  specifica  sit  realis.  Cum  igitur  natura  uiaxime  intendat  illud,  quod  est  raaximae 
entitatis,  mirum  videtur,  quod  natura  solum  intendat  de  specie,  et  non  de  individuo.     1.  dist    ö(j,  qu.  4  (Op.  Paris.). 


•j- I  Karl  Wkknkb. 


tragJi 


ch    /.um    (ii'ilankcn    Jos    Soin.s    alf*    siilrlicn     liiri/uiii'ii'ii,    uml     la^st    «las   Soiciuli-    als 
solches  /uiuichst    nur   mitor   iloi»   limvli    Ji.'   .iuiiH|iu-   vui'cs  (largcbutenen   (iosiflilsiunikicM 
lies     ii-oncriMluMi.     speciHsrlirn     um!     iii.li viducllen    Seins,    so     «lass    in     r.'Iii    oiilolooisclici' 
Uezieluui'i-   [d'w   lii»'i-  mit   il<r   niii   logischen   Auffassung  des  Objectcs   /usaiunienfallt)    die 
Singularität   des  Kngels   unter  denselben  (Jesiehtspunkt   wie  Jene   eines   singiilären  Sinnen- 
dinves   fallt.     Dieses   logisch   abstracte  Schema  der  Weltdinge   hat    wtdil   auch  Thomas   mit 
Duns  Scotus  gemein;    es  nimmt  aber  bei  Thomas  einen   anderen   Sinn   (ladui-.  h   an,    dass 
bei   Thomas    die    >,'otionen   1  iium.   Verum    und    i'.oiiuni     niii    dem   (Jcdankm    des    Seienden 
als   solchen   sich    identitieireii.    und    denizufulge  Thotnas  sieh   das  Sunnniiiii  (■s^e    im  Voraus 
nicht    anders,    denn    als    summe   unum,    summe  vei-um    uml    sunnue    l>onum    deidvi'u    kann, 
welche  Auffassung   des   absolut   Seienden  im  UegrilVe    desselben   als    der  absoluten    Form 
und  Urform  alles  Seienden   ihren  Ausdruck  findet.    Das  Unzurciehendc  dieser  s]KTidaliv(ii 
Anschauung  vom  absoluten   Sein    liegt    nur    darin,    dass  sie   nlclil    gestattet,   die  Idee   des 
concreten  lebendigen  Seins  zu  gewinnen,    und  es  demzufolge  auch  nicht   zur  Erzeugung 
eines  lebendigen   Weltbegrift'es    von    concreter  Gestaltung  gelangen   lässt;    die   gesammte 
conerete  Weltwirklichkeit  wird   in   das  Schema  formal isirender  Abstractionen   gefasst,  der 
FormbevTrit^'  fällt  mehr  oder  Aveniger  mit  jenem  der  ^Vesensstufe  zusammen.  <las  lebendige 
Ineinander    der    geschöpflichen    Dinge,     in    welchem    die    lebendige    und    allseitige,    das 
Höchste  mit  dem  Niedersten  verknüpfende  Wechselbeziehung  einen  concreten  Mittelpunkt 
in  einem  kosmischen  Centralwesen   involvlrt,   vermag  unter  der  Vorherrschaft  formalismui- 
der  Abstractionen  schlechterdings   nicht   zum   Ausdrucke  gelangen.     Kein  ^Vumler,   wenn 
der  durch    den  Schematismus    formal  isirender  Abstractionen    niedergehaltene   speculative 
Denktrieb  in  der  Abw^erfung  desselben  sein  Heil  suchte,    um   in  den   Anschauungen  des 
speculatlven  Individualismus,    wie   er  im  Systeme   eines  Nicolaus  Cusanus  vorliegt,    dem 
Gedanken  des  concreten  Seins  zu  einem  von  dem  Gedanken  der  sinnlichen  Materie  unab- 
häno-iijen  Ausdrucke  zu  verhelfen,    in  welchem    mindestens    die  Idee   der  Welt  als  eines 
central  geeinigten  Totum  concreter  Existenzen  sich  verwirklichet  zeigte.    Thomas  kennt 
keine  concreten  Existenzen,  soweit  der  Begriff  derselben  etwas  von  jenem  der  geformten 
Materie  Verschiedenes  besagen   soll,  und  die  Individuationen  der  letzteren  fallen,  so  weit 
sie    in    ihrer  Mehrheit    einen    bestimmten   Formgedanken    zum    Ausdruck    bringen,    vom 
ideellen  Standpunkte  aus  angesehen  in  ein  unterschiedloses  Einerlei  zusammen,  d.  h.  die 
ideelle  Bedeutung    der  Variationen    des   F'ormausdrucfl^es    in    der  Materie   lässt  sich   vom 
Standpunkte  des  abstracten  Formdenkens  aus  nicht  errciclien.   Für  Duns  Scotus  hingegen 
ist  die  als  empirisches  Factum  feststehende  Thatsache  einer  Mehrheit  von  Individuationen 
derselben  ein  ausreichender  Grund,    für  jede   derselben    eine  besondere  Idee  in  Gott  zu 
setzen,    weil  für  ihn  überhaupt  die  göttliche  Idee   nicht  die  specifische  Bedeutung  eines 
musterbildlichen  Gedankens,    sondern    einfach    die  Bedeutung    des   göttlichen  Gedankens 
von  etwas  ausser  Gott  Möglichem   hat:     und  da  Gott   alles  ausser   ihm  Mögliche  bis   ins 
Einzelnste  und  Kleinste  denkt,  so  sind  im  göttlichen  Denken  so  viele  Ideen,  als  es  der- 
artige Möglichkeiten  gibt,  also  unbegränzt  viele. 

Da  die  tpiidditativen  Concepte  oder  das  sachliche  Denken  des  menschlichen  Intel- 
lectes  eine  Nachbildung  des  göttlichen  Sachdenkens  sind,  so  muss  die  Lehre  des  Duns 
Scotus  vom  Intellectiven  Denken  des  Menschen  selbstverständlich  im  Einklänge  mit  seiner 
Lehre  von  den  göttlichen  Ideen  begriffen  werden.  Wie  Gott  unendlich  Vieles  denkt,  so 
hat  auch  die  menschliche  Seele   die  Fähigkeit,    unendlich   Vieles    zu  denken,  und  erfasst 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  375 

jetzt  schon  im  Leben   der  Zeit  die   unendliche  Vielheit  der  möglichen  Dinge   wenigstens 
iraplicite  und  confuse  im  Gredanken  Gottes  als  des  unendlichen  Seins,  und  als  desjenigen, 
dessen  Denken  die  unbegränzte  Vielheit  alles  ausser  ihm  Möglichen  actuell  gegenwärtig 
ist.  Wie  die  unendliche  Vielheit  des  ausser  Gott  Möglichen  für  ihn  einfach   etwas  Gege- 
benes, ein  objectum  simplicis  visionis  ist,  das  er,  wenn  er  es  auch  mit  der  vollkommensten 
und    souveränsten    Freiheit    denkt,     als    denkender    und    absoluter    Allmöglichkeitsgrund 
denken  muss,    so  ist  auch  für  den  menschlichen  Intellect  die  unermessliche  Vielheit  des 
Denkbaren  und  Erkennbaren  etwas  Gegebenes,  welches  durcli  den  Intellect  geistig  auf- 
gegriffen   und    in    den    doppelten   Rahmen   der  logischen   und   ontologischen  Denkbestim- 
mungen gefasst  wird.     Der    göttliche    und    der    menschliche  Intellect   verhalten    sich    zu 
einander  wie  die  unendliche  Vernunft  zu  der  endlichen,  deren  ersterer  die  unermessliche 
Vielheit    der  Dinge    actuell    gegenwärtig    ist,    während    letztere   die  Gedanken  derselben 
wenigstens  der  Möglichkeit    nach    in   sicli   trägt,    Aveil   sie   aus  der  materia  primo- prima 
geformt  ist,  aus  welcher  alle  ausser  Gott  möglichen  Dinge  zu  bilden  sind.   Ihre  Bindung 
an  die  materia  primo-prima  hat  aber  zur  Folge,  dass  ihr  die  Gedanken  der  vielen  Dinge 
ausser  ihr  nicht,  wie  es  bei  Gott  der  Fall  ist,  schon  unmittelbar  von  selbst  gegenwärtig 
sind;  sie  müssen  in  ilir  durch  den  Contact  mit  den  wirklichen  Dingen  erzeugt  werden. 
Das  Wirkliche  als  solches  muss  ihr  durch  Erfahrung  nahegebracht  werden;   die  logischen 
und  metaphysischen  Determinationen  des  Wirklichen  erkennt  sie,  so  weit  dieselben  Deter- 
minationen  des  »Seienden   als    solchen  sind,    durch   sich  selber;     der  logisch -ontologische 
Schematismus,  in  welchen  sie  die  Dinge  fasst,  ist  eben  die  nothwendige  Form  des  "Vei- 
nunftdenkens,  das  sie  mit  Gott  gemein  hat.    Die  concreten  geschöpflichen  Wii'klichkeiten, 
welche  sie  in  dieses    denknothwendige  Schema    der  Vernunftanschaxumg   aufnimmt,    sind 
für  sie  eben  so,    wie   für   das  göttliche  Denken    selber,   etwas  Zufälliges ;    schon  die  mit 
der  dreifachen  Materie  gegebenen  grundhaften  Real-Determinationen   des  Seienden  sind 
ihrem  Denken  durch  die  thatsächlich  gegebene  Weltbeschaffenheit  aufgenöthiget,   um  so 
mehr  alle  aus  dieser  dreifachen  Materie  herausgebildeten  Besonderheiten.    Das  denkhafte 
Interesse,  das  sie  an  allen  geschöpflichen  Dingen  nimmt,  ist  diess,   in  ihnen  nach  einem 
bestimmten  Ordnungsverhältniss  abgestufte  und  gegliederte  Determinationen  des  Seienden 
zu  erkennen,  deren  nothwendige  Voraussetzung  ihr  Gott  als  das  unbegränzte  unendliche 
Sein  ist.    Wie  Gott  sich  selbst  zuerst  und  als  die  zufolge  der  Unendlichkeit  seines  Seins 
nothwendige  Grundvoraussetzung    alles  Anderen   ausser    ihm    denkt,    so    muss    auch    der 
geschöpfliche  Intellect  der  Gesammtheit  der  endlichen  Dinge  das  Unendliche  als  grund- 
haftes Erstes  voraussetzen,    obschon  —  und   hierin   liegt    der  Unterschied   zwischen   dem 
göttlichen  und  geschöpflichen  Intellect  begründet  —  für  letzteren  der  denknothwendige 
erste  und  seinem  Wesen   adäquirte  Gedanke   nicht  jener  des  unendlichen  Seins,   sondern 
der  an  sich  völlig  unbestimmte  Gedanke  des  Seins  als  solchen  ist,  dessen  Grundtheilung 
in  unendliches  und  endliches  Sein  im  geschöpflichen  Intellecte  etwas  Nachfolgendes  ist, 
und  nacli    dem  vollen  Inhalte    ihrer    sachlichen  Bedeutung   für  das   menschliche  Denken 
sich    erst  durch  eine  Reihe  von  Denkvermittelungen   aufhellt,    für   welche   überdiess    der 
in  die  irdische  Zeitlichkeit  gestellte  Mensch    sein  sinnlich-irdisches  Erfalirungsleben    zur 
Unterlage  und  zum  Ausgangspunkte  zu  nehmen  hat.  Es  wäre  aber  verfehlt,  diese  Abhän- 
gigkeit des  menschlichen  Intellectes  von    der   sinnlich- irdischen  Erfahrung,    wie  Thomas 
will,   für  etwas  Ursprüngliches    und   im  Wesen   des   menschlichen  Intellectes  Begründetes 
zu   nehmen,   imd   demzufolge   die   sinnliche  Quiddität  als  das  dem  menschlichen  Intellecte 


376 


Iv.VKl.  ^\  KKNKK. 


adnquato  Obji'ct  iK-r  Krkonntniss  anzuscluMi:'  ilcr  iiu'iisi.'liliilu'  InlclliHt  .stellt  als  Intcllcct. 
in  i<-loielior  Katogorit«  mit  dorn  oiiglischon,  imd  os  goluirt  zum  gomoinsaiucii  Cliai  aktcM- 
beider  als  geschöpflirli.T  Inicllecto,  dass  für  sir  das  Sci.'n.lc  als  solches  das  |Miinuiu 
objectum   Uli«!   a(l;i(|uati>  Object   ihres  Denkens   ist.* 

So    nüthiget    uns    also    Dans   Seotus    zn    unterscheiden    zwischen    den    l'likcnnlnisscil, 
welelie   der   menselilichen   Seele    ihrer    intellectiven   Natur   na(di   zustünden,    un<l    zwischen 
jenen,  welche  der  irdische  Zeitmensch   als   gefallener  .M.'iisi  h    iniineiliiii   noch   zu   enliiuen 
vermag.      Im  Verhältniss    zur    thomistischen    Ansicht     üImt    das    ni.jeciiiin    pi cjn  Imu    <les 
menschlichen  Intellcetes  hat  die  scotistische  Angabi-  di's  ..l.jectuni  iMo|,iiuni  des  gesclii)|.r- 
liclien  Intelleetes  die  Bedeutung  der  Emancipation  eines  abstracicn  \  crnunfKlcidcens  aus 
der  Herrschaft  eines  durch   einen   empiristischen  Realismus   niedergehaltenen   speculativcn 
Krkennens;  die  Attributionen  und  Vermöglichkeiten  dieses  Yernunfterkcnnens  für  den  i''all 
seines    ungehemmten  AValtens    haben    wir   aus    den   Angaben    des   Duns  Seotus    über    die 
intellectiven  Functionen  und  Vennriglichkciten  der  Engel  zu   enfiudmien,  welche,  wie  wir 
bereits  wissen,    mit    denselben    intellectiven  Kräften  wie   die  Mensclienseelen   ausgerüstet 
sind.  Die  Objecte  der  intellectiven  Erkenntniss  sind  für  den  Engel  wie  für  die  .Menschcn- 
seele  Gott,  das  eigene  Seilest  und  die  übrigen  ^Veltdinge.    In  Betreff  dieser  letzteren  hat 
nun  allerdino-s    der  Engel    diess  vor   dem    menschlichen  Intellecte  voraus,    tiass    ilim    die 
Species  specialissimae,   d.   i.  die  Idee   der  Einzeldinge  concreirt  sind,    weil   er  sonst  von 
diesen   Dingen    keine   bestimmte  Erkenntniss   haben  konnte.^     Diess  ist  indess  in  Beti-ciV 
der  Sinnendinge   nur    ein  Ersatz   für   die  der  menschlichen  Seele    gebotene  Möglichkeit, 
durch  Yermittelung    der    sinnlichen  Accidenzen    des  Dinges    die  Quiddität   desselben    zu 
erkennen,  und  ändert  für  den  Engel  nichts  an  der  Nothwendigkeit,  zur  Erkenntniss  der 
Existenz  des  singulären  Dinges  und  seiner  singulären  Besonderheit  auf  dem  Erfahrungs- 
weo-e    o-elangen    zu    müssen.'     Duns    Seotus    urgirt    weiter    gegen    Thomas    auf   das   Ent- 
schiedenste,* dass  die  Species  specialissimae,  mittelst  deren  der  Engel  erkennt,  als  rationes 
propriae  rerum  nicht  durch  höhere  und  allgemeinere  Species  ersetzt  werden  könnten,  so 
dass    wie  Thomas  lehrt,''  die  Engel  höherer  Ordnung  durch  wenigere  aber  universellere 
Species,  der  höchste  Engel  durch  eine  einzige  universalste  Species  die  Weltdinge  erkennte. 
Diess   würde    den    Engel    der   Art    nach    über    die    Menschenseele    stellen,    und    involvirt 
nebstdem    die    ontologische  Unmöglichkeit,    dass    ein  \)ing    niederer  Ordnung    in   jenem 
einer  höheren  Ordnung  enthalten  sei.'     Die  ontologische  Unmögliclikeit  gilt  freilicli  nur 


1  Utiui. ,,...-  .fiitur  Sit  iste  Status,  sive  ex  mera  Dei  voluntate,  sive  ex  mera  justitia  punitiva,  sive  ex  infirmitate,  quam  causam 

Aucustinns   (Trin.  XV,  cap.  nlt.)   iiinuit sive,   inquara,   haec  sit  tota  causa   sive  aliqua  alia,   saltem   non   est  primum 

objectum  intellectns,  ut  potentia  est,  quidditas  rei  mateiialis,  sed  est  aliquid  commune  ad  omnia  intelligibilia:  licet  primum 
objectum  adaequatum  sibi  in  movendo  pro  isto  statu  sit  quidditas  rei  sensibilis.      1.  dist.  3,  qu.  3. 

-  Intellectus  creatus  est  possibilis  respectu  cujuslibet  intelligibilis  et  etiam  potest  pati  a  quolibet  intelligibili,  propter  quod 
nuUum  illorum  est  objectum  adaecjuate  movens  intellectum  creatum,  sed  commune  ad  oumia.  Intellectus  autem  incrcatus 
non  patitur  nisi  ab  essentia  sua  eo  modo,  quo  dicitur  moveri  ab  essentia;  ideo  solum  cssentia  sua  est  objectum  ejus  ad- 
aequatum. Unde  propter  imperfectionem  intellectus  creati  est,  quod  nullum  unum  nisi  ens  adaequat  ipsum  in  ratione  objecti; 
tarnen  est  perfectio  supplens  imperfectionem,  quia  in  hoc  excedit  potentias  sensitivas.     1.  dist.  35,  qu.  2  (Dp.  Paris.). 

3  2.  dist.  3,  qu.  3  (Op.  Paris.). 

*  2.  dist.  11,  qu.  2  (Op.  Paris.). 

5  2.  dist.  3,  qn.  2  (Dp.  Paris.). 

•>  1  qu.  55,  art.  3. 

"  Species  snperior  non  potest  perfecte  continere  inferiorem,  nisi  ponatur  quod  essentia,  cujus  est  .species,  contineat  essentiam, 
cujus  est  alia  species.  Ideo  contradictio  est,  speciem  superiorem  perfecte  continere  inferiorfin.  et  essentiam  suijcriorem  non 
continere  essentiam  inferiorem.     2.  dist.  3,  qu.  2  (Op.  Paris). 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  377 

vom  scotistischen  Standpunkte  und  unter  der  Voraussetzung,  dass  das  Wesen  eines  Dinges 
nicht,  wie  Thomas  lehrt,  in  seiner  Form  beruhe,  sondern  durch  dasjenige  constituirt 
werde,  was  durch  die  Zusammensetzvxng  aus  Materie  und  Form  als  Product  resultirt. 
Weiter  stellt  sich  hier  abermals  recht  deutlich  der  in  der  scotistischen  Doctrin  waltende 
Trieb  hervor,  das  in  der  thomistischen  Speculation  über  die  rein  begriffliche  Fassung 
hinausstrebende  Idealdenken  wieder  streng  auf  das  rein  begriffliche  Denken  zurückzu- 
drängen. Was  Thomas  die  dem  höchsten  Engel  genügende  Eine  Species  universalissima  der 
Dinge  nennt,  bedeutet  nach  seinem  wahren,  von  der  rein  gegenständlichen  Auffassung 
des  scholastisch-peripatetischen  Denkens  losgelösten  Sinne  die  Centralidee  der  Schöpfung, 
jene  höchste  Idee,  aus  deren  Mitte  heraus  die  Gesammtheit  des  Geschaffenen  geistig 
umfassen  und  durchdringen  zu  können,  wir  auch  dem  Menschengeiste  vindiciren  müssen, 
wofern  es  wahr  ist,  dass  der  Mensch  die  lebendige  Mitte  des  Universums  und  das  ver- 
wirklichte geschöpfliche  Gegenbild  Gottes  ist.  Die  unter  jener  Species  universalissima 
befassten  Species  minus  universales  bedeuten  die  von  der  centralen  Schauung  um- 
schlossenen und  in  ihr  enthaltenen  Sonderideen  der  organischen  Glieder  und  Consti- 
tuenten  des  in  der  Centralidee  geistig  umfassten  Ganzen,  die  Species  specialissimae  die 
Ideen  jener  concreten  Existenzen,  in  welchen  die  doppelte  Wirklichkeit  der  unsichtbaren 
und  sichtbaren  Welt  und  die  im  Menschen  vollzogene  Einigung  beider  ihr  lebendiges 
Dasein  hat.  Diess  ist  der  Sinn  des  Wortes  Species,  wenn  es  etwas  vom  Allgemein- 
begriffe Verschiedenes  bedeuten  soll;  nur  muss,  wenn  den  thomistischen  Species  die  Be- 
deutung von  Ideen  gewahrt  bleiben  soll,  der  gesammte  Weltbegriff"  der  thomistischen 
Lehre  in  einen  anderen  umgebildet  werden,  weil  nur  unter  dieser  Bedingung  die  im 
Thomismus  vom  Begriffe  absorbirte  Idee  von  demselben  sich  loslösen  und  als  eine  vom 
logischen  Begreifen  specifisch  unterschiedene  Erkenntnissform  festhalten  lässt.  Der  tho- 
mistische  Fonnbegriff"  involvirt  ein  gradweises  Aufsteigen  der  Formen  der  Weltdinge 
von  einer  niedersten  und  engsten  angefangen  bis  zu  einer  höchsten  und  weitesten  hinauf; 
jede  niedere  Form  ist  in  der  höheren  enthalten,  wie  der  engere  Begriff'  in  dem  weiteren, 
wobei  selbstverständlich  als  höchster  allgemeinster  Begriff  jener  des  absoluten  Seins  als 
Correlat  der  absoluten  Form  vorausgesetzt  wird.  Hier  haben  somit  die  der  abgestuften 
Reihe  der  Wesensformen  entsprechenden  Species  des  Intellectes  ausschliesslich  die  Be- 
deutung von  mehr  oder  minder  generellen  Allgemeinbegriffen,  deren  Inhalt  nur  in  einer 
fortschreitenden  Generalisation  des  erfahrungsmässig  erkannten  Inhaltes  des  untersten 
und  niedersten  Begriffes  bestehen  kann,  nach  dem  Gedankenschema:  grobstoffliches  Sein, 
minder  gebundenes  stoffliches  Sein,  unstoffTiches  Sein,  absolutes  Sein.  Mit  Recht  macht 
Duns  Scotus  von  seinem  Standpunkte  aus  dawider  die  Einwendung,  dass  durch  derartige 
generelle  Classenbestimmungen  oder  Rangbestimmungen  der  Dinge  nicht  die  AVesens- 
eigenheit  derselben  erkannt  werde;  mit  Recht  verwahrt  er  sich  dagegen,  dass  die  den 
Wesensrang  ausdrückende  Form  zugleich  auch  die  Wesenheit  des  Dinges  selber  bedeuten 
solle,  woraus  natürlich  folgt,  dass  der  Formgedanke  nicht  Wesensgedanke,  nicht  Idee 
des  Dine-es  ist,  das  als  solches  nur  in  seiner  concreten  Besonderheit  erkannt  werden 
könne.  Damit  ist  aber  der  Mensch,  dem  im  Unterschiede  vom  Engel  nacli  Scotus  keine 
Species  der  Dinge  concreirt  sind,  ausschliesslich  an  die  sinnlich-irdische  Erfahrung  ange- 
wiesen, mit  der  sich  sein  Denken  zur  ontologlsch  -  logischen  Determination  des  Dinges 
zusammenschliesst ;  eine  andere  Erkenntnissart  und  Erkenntnissform  des  Dinges  als  diese, 
gibt  es  da  nicht.    Es  ist  bemerkenswerth,  in  welcher  Weise  Duns  Scotus  die  bei  Thomas 

Denkschriften  der  phil.-hist.  CI.  XXVI.  Bd.  48 


■i-jyi  Kakl  ^VKKN^:K. 

aufilaiuinonuli-    Alnuiiig   iK-s   l.loiiUlonkons   als   ouwv   \oin    ln'üritVIirli    aiiaiv  lischcii    DciiLiu 
imtorschioiltMion  ctMiti-aloii  Fassung  tlor  Ding.'   iiii>ilciv.uliallfii   iMtVi^si   sii'li    Ix-clli.     Tliniiias 
.•laubt    uamlioli    «las   iKmi    Ilnjicln    von     iliiii     /.uui'wiiisciic    MikcinuMi    aus   S|icii(  Uns    univer- 
salioribus    unalogiscli    «hiivli    .Ion    llinwois    auf    .las    li.'l'.T    .Iriiigfiulo    Kassiiiigsvonnögcn 
beijabtor    Moiisclien    orlaiitiM-n    /u    soIKmi.    (lii>,    wie    im-    bcim-ikt,    aus   Wenigem   und    VAu- 
taehom  Violos  /u  cM-uiron   veiinögon.'     l)uns  Scutus  ciwiiUMt.   dit"   vi<n  Tlionias   bcMncikiicli 
iToniai-hte    Tluitsaclie    beweise    nur,    tlass    («inige     .McusiIhmi    >.liii.'lli'r    mi.l     v.illk.unnicn.'i- 
etwas  auffassen   als   an. lere,    nicht  aber    <lass    >i.'   niillelst    einer    ii<-siliiiiiil.'n    rati.)   cognos- 
t-endi   Mehrercs  als   andere  zu   erkennen   verniüeliteii ;-'    .1.    Ii.   (>s  gibt    keine    solchen   tiefer 
hinter  den  Dln'^on   /urilckliegende  (ledanken.  auf  welclie   sich   zum   eeiitralercn  VerstiuuU 
niss   derselben  zurückgreifen  Hesse.     Im  Zusammenhange  mit  der  i'olemik  des  J)uns  Scotus 
iregen  Thomas    enthält    diese  Entgegnung    einen    Protest    gegen    die   von  Thomas  festge- 
haltene Anschauung,    dass    die  Engel    als    leiblose  Formwesen    nniversellere  Naturen  als 
die  Menschenseelen  seien,    und   dass  diese  Universalität  in  den  höheren  Rangclassen  dei- 
reinen  Geister  sich   fortwährend   steigere.     Nach  Duns  Scotus  sind    I^ngel   und  Menschen- 
>eelen    irleichmässig   durch    die    matcria  primo-prima   determinirt,    inid   der  höhere  Kang 
der  ersteren  keineswegs  durch  einen  höheren  Grad  von  Universalität  bedingt.    Die  inner 
halb  des  Bereiches  der  Engelwelt  bestehenden  Rangunterschiede  deidct  sieh  Duns  Scotus 
im  Einklänge   mit  seiner  Grundanschauung  über  den  Vorrang  des  Wilhnis    v.)r  dem   Tn- 
tellecte  einzig  von  Gnade  und  Verdienst  abhängig. 

Die  Ablehnung  eines  Gradunterschiedes  der  Universalität  .lci-  inlellectiven  Wesen- 
heiten steht  im  engsten  Zusammenhange  mit  der  Lehre  des  Duns  Scotus,  dass  alle 
o-eschöpflichen  Intellecte  ohne  Unterschied  darauf  angewiesen  sind,  die  Eealerkenntnis- 
der  AVeit  aus  der  Apprehension  der  Quidditäten  der  besonderen  Dinge  zu  schöpfen;  für 
den  menschlichen  Intellect  tritt  noch  diess  Besondere  hinzu,  dass  er  die  Erkenntniss 
dieser  Quidditäten  nur  durch  unmittelbaren  Contact  mit  der  Sinnenwelt  gewinnen  kann. 
Unsere  AVeltkenntniss  ist  also  nach  Ursprung  und  Inlialt  durchaus  eine  aposteriorische-, 
und  da  es  keine  vom  begrifflichen  Denken  specifisch  verschiedene  Form  des  Idealdenken 
o-ibt  imter  welche  sie  gefasst  werden  könnte,  so  bleibt  sie  ihrem  Realinhalte  nach  eine 
durchaus  empirische,  sei  es,  dass  Avir  um  die  Quidditäten  der  Dinge  durch  sinnlielie 
Erfahruno-,  oder  wie  in  Beziehung  auf  die  Geisterwelt,  durch  den  Glauben  wissen.  Dieser 
empirisch-aposteriorische  Inhalt  unserer  Weltkenntniss  wird  zum  Gegenstande  einer  philo- 
sopliischen  Erkenntniss  desselben  durch  seine  Einordnung  in  das  apriorische  Schema 
der  zehn  ontologischen  Kategorien,  die  eine  von  der  sinnlichen  Erfahrung  unabhängige 
Wahrheit  ansprechen,  und  desshalb  die  denknothwendige  Fassung  des  sinnlich-irdischen 
Erfahrungswissens  darbieten.  Das  Philosophische  der  in  dieses  Schema  hineingebildetcn 
Wekerkenntniss  besteht  darin,  dass  die  Dinge  nach  ihrer  Seinsbestimmtheit  erkannt 
werden,  welche  Erkenntniss  auch  mit  einem  denknothwendigen  Wissen  um  die  allge- 
meinen Seinscomponenten,  jMaterie  und  Form,   verbunden  ist,    indem  das  endliche,  d.  h. 


s 


•  Quae  Deus  co^oscit  per  unnm,  inferiores  intellectus  coguoscunt  per  multa,  et  tanto  amplius  per  plura,  ri.ianto  amplius 
intellectus  iuferior  fuerit.     Sic  igitur,   qnanto  angelus  ftierit  siiperior,  tanto  per  pauciores  species  universalitatem   intelligibi- 

lium  apprehendere  potest Et  de  hoc  exerapium  aliqualiter  in  nobis  perspici  poterit.     Sunt  ciiim  qiiidam,  qui  veritatein 

intelligibilem    eapere    non  possunt,    nisi   eis   partieulariter    explicetur Alii  vero,  qui  sunt  fortioris  intellectus,  ex  paucis 

multa  eapere  possunt.      1   qu.  55,  art.  3. 

2  2  dist.  3,  qu.  2   (Dp.  Paris.). 


Die  Psychologie  und  Ebkenntnisslehbe  des  Johannes  Duns  Scotus.  379 

unter  die  Begränzung  durch  die  zehn  Genera  fallende  Sein  uns  nur  unter  der  Bedingung 
einer  Auseinanderhaltung  von  Materie  und  Form  im  Denken  fassbar  wird.  Die  dem 
Seienden  als  solchem  anhaftenden  metaphysischen  Bestimmungen:  Unum,  Verum,  Bonum 
verlieren  die  Bedeutung,  welche  sie  für  eine  speculative  Realerkenntniss  im  Thomismus 
haben,'  bei  Duns  Scotus  dadurch,  dass  auch  die  Materie  als  solche  ein  Seiendes  ist;  wir 
begreifen  demzufolge,  wie  Duns  Scotus  durch  die  Consequenz  seines  Denkstandpunktes 
dahin  geführt  wird,  die  Unsterblichkeit  der  Seelen,  somit  auch  die  Unvergänglichkeit  der 
Geister,  für  keine  streng  erweisliche  philosophische  Wahrheit  gelten  zu  lassen.  Er  selber 
sagt  ausdrücklich,  dass  jene  drei  Prädicate  des  Seins  als  accidentelle  Bestimmungen  des- 
selben nichts  über  den  quidditativen  Charakter  eines  bestimmten  Seienden  entscheiden,^ 
vielmehr  Sinn  und  Grad  ihrer  Geltung  von  diesem  quidditativen  Charakter  eines  be- 
stimmten Seienden  abhängt.^ 

Gehen  wir  von  der  intellectiven  Erkenntniss  der  Weltdinge  auf  die  Selbsterkennt- 
niss  der  geschöpflichen  intellectiven  Wesen  über,  so  hat  hier  nach  Duns  Scotus  dei- 
Engel  allerdings  zufolge  seiner  Leiblosigkeit  vor  der  Menschenseele  den  Vorzug  einer 
unmittelbaren  Selbstanschauung  voraus,*  hat  aber  nebstbei  auch  mit  dem  Menschen  die 
Selbsterkenntniss  durch  ein  Gedankenbild  gemein,  während  umgekehrt  der  Mensch,  wenn 
er  nicht  gefallen  wäre,  sich  in  seiner  seelischen  Innerlichkeit  gleichfalls  nach  Art  des 
Engels  intuitiv  erkennen  würde.  In  diesen  Aufstellungen  liegt  eine  doppelte  Abweichung 
von  der  thomistischen  Anschauungsweise  der  Sache  enthalten ;  Thomas  legt  dem  Engel 
einfach  nur  eine  intuitive  Selbsterkenntniss  bei,'"  und  spricht  dem  zeitlichen  Erden- 
menschen  einfach  eine  intuitive  Selbstanschauung  seines  seelischen  Inneren  ab,''  die  ei- 
jedoch  der  vom  Leibe  getrennten  Seele  als  die  ihr  in  diesem  Zustande  der  Trennung 
congruente  Form  der  Selbsterkenntniss  zutheilt,''  woraus  jedoch  weiter  folgt,  dass  sie 
sodann  nicht  auch  auf  jene  andere  Art,  die  Duns  Scotus  dem  Engel  nebstdem  noch  zu- 
theilt,  nämlich  per  speciem,  sich  erkennen  könne.  Der  Meinungsgegensatz  zwischen 
Thomas  und  Duns  Scotus  in  Bezug  auf  das  Selbsterkennen  der  menschlichen  Seele  ist 
einfach  eine  Consequenz  aus  der  beiderseitigen  Auffassung  des  Verhältnisses  der  Seele 
zum  Leibe ;  der  das  Selbsterkennen  des  Engels  betreffende  Meinungsgegensatz  wird  zu- 
letzt darauf  zurückzuführen  sein,  dass  Thomas  den  Engel  als  reines  Formwesen  fasst, 
während  ihn  Duns  Scotus  aus  Form  und  Materie  zusammengesetzt  sein  lässt.  In  Folge 
dieser  Zusammensetzung  nämlich  kommt  dem  Engel,  wie  wir  oben  sahen,  ein  Intellectus 
possibilis  und  agens  in  demselben  Sinne  wie  dem  Menschen  zu ;  der  Intellectus  agens 
ist  auf  die  Erzeugung  einer  abstractiven  Erkenntniss  der  Quidditäten  oder  Wesenheiten 
der  Dinge  gerichtet.  Es  sei  kein  Grund  vorhanden,  dem  Engel  eine  solche  abstractive, 
oder  wie  Duns  Scotus  sich  auch  ausdrückt,  scientifische  Kenntniss  seiner  selbst  abzu- 
sprechen; man  würde  ihm  damit  nur  eine  derartige  Ivenntniss  von  sich  selbst  aberkennen, 


'  Vgl.  Thom.  Aq.   1   qu.  87,  art.   1 :   Sic  aliquid  est  ens  et  yerura  ....  prout  actu  est. 

2  Verum  est  passio  entis  et  cujuslibet  inferioris  ad  ens;  ergo  intelligendo  ens  et  quodlibet  inferius  ad  ens  praecisc  sub  ratione 
veri  Don  intelligitur  nisi  per  accidens  et  non  secundum  rationem  quidditativam.     1   dist.   3,  qu.  3. 

3  Unum  est  per  se  passio  entis,  et  ens  per  se  non  tantum  est  implex  sed  compositum ;  ita  ut  unum  per  se  non  sit  tantum 
illud,  quod  est  simplex,  sed  compositum.  2  dist.  12,  qu.  I  (Op.  Paris.).  Also  auch  ein  auflöslielies  Ding  ist  als  Ding  ein 
unum  per  se. 

<  2  dist.  3,  qu.  3   (Op.  Paris.).   —  3  dist.   3,  qu.  8  (Op.  O.xon.). 
^  1  qu.  56,  art.   1. 
6  1   qu.  87,   art.   1. 
'i  1   qu.   S'.t,  art.  2. 

48» 


3(<0  Kaui.  Wkunkk 

ilio  or  doeli  zugcstainloiiiM'  Massoii  von  den  ilhrim'ii  \\  i'lldiiii;!'!!.  ja  amli  mhi  den  \\  Csni 
seiner  eigenen  Art  liat.  Srotiis  vcrwii-ft  ilcsslialli  (lit'Ji'iiii>oii  Cirilmli'.  aus  wclclifii  'rimiuas 
•  lern  Kngel  eine  unniiitelbare  Solbstanschauuny  vinditlrt.  iiidcm  iHc.-cIIkii  die  Miioli.li- 
koit  einer  abstraetiven  oder  sciontilisclu'ii  SelUsterki'iintniss  dos  Jüigcds  aussililicssoii 
würden.  Thomas  nuudit  nändioli'  das  tmnüttelbarc  \  ert'iiii>;ts(Mn  dos  zw  orkomiondon 
Objüctes  mit  dem  Krkoniu'ndon  zur  ratio  rorinalis  intolligciidi,  so  dass  das  miiiiitlol- 
bare  Beisichsein  des  intollotiiMn  ICngels  ilor  (irimd  seiner  Solbsterkeiminiss  wiire,  die 
domzut'olge  ganz  In  der  Selbstansolianun!;-  aul'i^elini  miissie.  l''iir  huiis  Seotiis  ist  Im 
Lregobenen  Falle  die  unmittelbare  Triisenz  dos  zu  orkoiuiendoii  ObjiHtos  bloss  der  Miig- 
liohkeitsgrund  der  von  ihm  zugestandenen  Solbstanschaunng  des  JCngels,  die  jodooh  als 
intelleetiver  Act  sii-h  durch  die  Action  des  Intolloctcs  vollziohon  muss.  Damit  wird  alu'i- 
freilich  zugleich  auch  die  vi>n  rinunas  liehaupteie  ]iei|ieluirliehe  aeluelle  Sei  bsiaiischaiiiing 
des  Kngcls  in  Abrede  gcstolli.  «lei-  oben  nielit.  wii-  Thnjuas  will,  ein  >ieli  sclliei-  ewii; 
lichtes  reines  Formwesen  ist.  J)uns  Scotus  bleibt  bei  der  Assoi-lion  d(M'  .Miiglielikeii 
einer  unmittelbai'on  Selbstanschauung  dos  Engels  stehen,  und  erklärt  diese  iMöglichkeit 
ilaraus,  dass  das  Dbject  der  Solbstanschauung,  d.  i.  die  eigene  Essenz  des  J-^ngcIs,  als 
ein  actu  Intelligibilo  in  doi-  .Memoria  des  Engels  gegenwärtig  ist.  80  werden  also  in  Be- 
zug auf  das  Selbsterkennen  Engel  mid  jNlenschenscele  einander  möglichst  nahe  gebracht, 
und  zwar  dadurch,  dass  einerseits  der  Mcnschenseele,  selbst  sofern  sie  mit  dem  irdi- 
schen Leibe  vereiniget  ist,  nicht  schon  an  sich  das  Vormögen  der  Selbstanschauung 
abgesprochen  wird,  andererseits  aber  dem  Engel  die  iMügliclikeit  einer  perpetuirlichen 
aetuellen  Selbsterkeuntniss  aberkannt  wird,  während  beiden  ein  abstractes  Selbst- 
erkennen  als  gemeinsamer  Erkenntnissbesitz  zugetheilt  wird. 

Per  Thomistischen  Doetrin,  welche  dem  leiblosen  Intellccte  einfach  nur  eine  intuitive 
Selbsterkeuntniss  zutheilt.  der  mit  dem  passiblcn  Erdenleibe  vereinigten  Menschenseele 
aber  eine  solche  Selbsterkenntniss  einfach  abspricht,  wird  von  Duns  Scotus  der  Vorwurf 
gemacht,  dass  sie  den  Intellect  in  ein  rein  passives  Vcrhältniss  zu  den  übjecten  seiner 
Erkenntniss  setze.  In  Bezug  auf  das  Erkennen  der  Engel  wird  dieser  Vorwurl"  damit 
ei-härtet.  dass  den  Engeln  von  Thomas  ein  Intellectus  agens  im  eigentlichen  Sinne  abge- 
spi-ochen  oder  doch  nur  sehr  relativ  zuerkannt,  und  demzufolge  ihr  Erkennen  als  ein 
rein  intuitives  Erkennen  aufgefasst  werde.  Nicht  minder  Avei-de  aber  auch  das  intcUec- 
tive  zeitliche  Menschenerkennen  in  ein  excessives  Abhängigkeitsverhältniss  von  der  sicht- 
baren Wirklichkeit  gesetzt ;  zufolge  dessen  müsse  Thomas  sagen,  dass  die  intellective 
Menschenseele  iiu-  AVesen  nur  mittelst  jener  Acte  inne  werden  könne,  in  Avelchen  der 
^Intellectus  agens  aus  den  Sinnesvorstellungen  die  intclligiblen  Species  der  Dinge  hervor- 
ziehe. Hier  zeige  sich  die  passive  Abhängigkeit  des  Intcllectes  sowohl  in  Beziehung 
auf  die  Selbstwahrnehmung  der  Seele,  als  auch  in  Bezug  auf  die  intellective  Erkennt- 
niss der  Sinnendinge.  In  Bezug  auf  erstere  ist  einzig  das  unmittelbare  Dasein  der  Seelen- 
essenz der  Grund  des  Wissens  um  sie-,  in  den  Intellectionen  der  Sinnendinge  aber  werde 
alle  Activität  in  die  Species  intelligibilis  verlegt,  so  dass  diese  die  eigentliche  Auswirkerin 
der  Erkenntniss  und  gewisser  Massen  das  formgebende  Princip  des  Intcllectes  sei.''  Der 
eigentliche  Sinn  dieses  Vorwurfes  ist  wohl  dieser,  dass  Thomas  den  intellectiven  Erkennt- 


'   1   qn.  56,  art.   1. 
2  1   dist.  3,  qn.   7. 


Die  Psychologie  UiND  Eekenntnisslehbe  des  Johannes  Duns  Scotus.  381 

nissprocess  der  Menscbenseele  zu  einem  unfreien  Naturprocesse  herabdrücke;  daher  auch 
Duns  Scotus  im  weiteren  A' erfolge  seiner  Polemik  insgemein  die  freie  Willentlichkeit  als 
wesentliche  Form  des  intellectiven  Erkennens  betont/  Die  thomistische  Lehre  vom 
menschlichen  Intellcct  scheint  ihm  zu  sehr  in  die  allgemeine  Weltlehre  verschlungen," 
der  charakteristische  Unterschied  zwischen  dem  Wirken  natürlicher  imd  geistiger  Kräfte 
nicht  beachtet  zu  sein.  Aristoteles,  auf  den  man  sich  beruft,  wird  missverstanden;  sein 
Satz:  Intelligere  est  quoddam  pati,'  besagt  nicht,  dass  der  Intellect  im  Verstehen  sich 
passiv  verhalte,  sondern  nur,  dass  die  Intellection  als  förmliches  (actuelles)  Verstehen 
eine  im  Intellecte  activirte  Form  sei,  in  deren  Auswirkung  der  Intellect  sich  selbstver- 
ständlich activ  verhält.  Denn  die  intellective  Seele  ist  eine  Causalität  höheren  Ranges 
als  das  sinnliche  Object  der  intellectiven  Erkenn tniss,*  und  muss  demzufolge  auch  einen 
activeren  Antheil  an  der  Erkenntniss  des  Sinnendinges  haben,  als  das  hiezu  concurrende 
Sinnending.  Allerdings  verhält  sich  das  Sinnending,  dessen  Species  in  den  Intellect 
hineingenommen  wird,  gleichfalls  als  wirkendes ;  es  ist  aber  im  Intellecte  nur  secundum 
<juid,  nämlich  als  Bild,  gegenwärtig,  kann  daher  auch  nur  secundum  quid  zur  Aus- 
Avirkung  der  Intellection  beitragen,  die  principaliter  das  Werk  des  Intellectes  als  Trägers 
des  nur  secundum  quid  seienden  Bildes  sein  muss.!^  Die  recipirte  Species  verhält  sich 
nur  als  werkzeugliche  Ursache  des  Intellectes,  als  ein  co-agens,"  als  ein  in  secundärer 
Weise  Mitwirkendes. 

Die  von  Duns  Scotus  gegebene  Erklärung  des  Actes  der  Intellection  steht  im  voll- 
kommenen Einklänge  mit  seinen  uns  bereits  sattsam  bekannten  ontologischen  und  erkennt- 
nisstheoretischen Grundanschauungen.  Die  Intellection  des  Sinnendinges  ist  ihrem  Effecte 
•  nach  nichts  anderes  als  eine  besondere  Determination  des  im  menschlichen  Intellecte 
vorhandenen  Seinsgedankens,  wodurch  dieser  zum  Gedanken  eines  bestimmten  Dinges 
determinirt  wird.     Der  Intellect  verhält  sirh  zu  dem  besonderen,  von  ihm  appereipirten 


'  Est  euim  in  potesfate  uostr.i  intelligere,  quia  intelligimiis,    cum   volunnis.     Hoc  autem  non  est  projiter  speciem   )irinciiialiter, 
quae  est  forma  naturalis,  sed  propter  intellectum,  quo  Uli  possumus  cum  voluraus.      1   dist.  3,  qu.  8. 

2  Vgl.  Tliom.  Aq.   1   qu.  87,  art.   1:  Intellectus  humanus  se  liabet  in  genere  intelligibilium  ut  ens  in  potentia  tautura,  sicut  et 
materia  prima  se  habet  in  genere  omnium  sensibilium ;  unde  possibilis  norainatur. 

3  Vgl.  Aristot.  Anim.  III,  p.  429.  a,  10  ff.:    Uef:  os  toü   [iopi'ou  tou  Tri;  'iu/Jj;  S>  yw'iazEt  t;  r,   iu"/'')   zal  apovst oz£;:-|ov  .  .  . 

-löc  -OTS  y'^^'^"'  ■^°  voeTv.  c!  5r)  lc7T'.  TD  vosTv  hxsr.tp  TO  aiaOaviaOa:,  v)  -cisyeiv  ti  äv  zir]  Ojiö  tou  votjtoü  fj  -•.  toioutov  STcpov  /..  t.  a. 
Duns  Scotus  bemerkt  z\i  dieser  Stelle:  Dico  quod  Philosoplius  locutus  est  commuuiter  de  potentiis  animae,  inquantum 
sunt,  quibus  formaliter  sumus  in  actu  secuudo:  puta  de  sensu  inquantum  est,  quo  formaliter  sentimus,  de  intellectu  inquantum 
est,  quo  formaliter  intelligiraus.  Formaliter  autera  intelligimus  intellectu  inquantum  recipit  intellectionem,  quia  si  causet 
eam  active,  non  tamen  dicor  intelligere  intellectu  inquantum  causat,  sed  inquantum  habet  forraam.  Habere  enim  qualitatem 
est  esse  quale;  et  ita  intellectum  habere  intellectionem,  sive  recipere,  quod  idera  est,  ipsum  esse  intelligentem.  Nos  igitur 
intelligimus  intellectu,  inquantum  recipit  intellectionem.  Idee  Philosoplius  loquens  sie  de  intellectu  neeesse  habuit  dicere, 
eum  esse  passivum,  et  quod  intelligere  est  quoddam  pati  h.  e.  quod  intellectio  inquantum  est  quoddam,  quo  formaliter  intel- 
ligiraus, est  forma  quaedam  recepta  in  intellectu.  Non  auteni  intelligimus  eä,  inquantum  est  quid  causatum  ab  intellectu,  si 
causatur  ab  eo.  —  Die  Auslegung  des  Thomas  Aq.  (Comm.  in  Anim.  III,  lect.  7)  lautet:  Si  intelligere  est  simile  ei  quod 
est  sentire,  et  partem  intellectivam  oportet  esse  impassibilem,  passione  proprie  accepta ;  sed  oportet,  quod  habeat  aliquid 
simile  passibilitati,  quia  oportet  hujusmodi  partem  esse  susce.ptivam  speciei  iiitelligibilis ,  et  quod  sit  in  potentia  ad  hujus- 
modi  speciem,  sed  non  sit  hoc  in  actu.  Et  sie  oportet,  quod  sicut  se  habet  esse  sensitivum  ad  sensibilia,  similiter  se  habeat 
intellectivum  ad  intelligibilia;  quia  utrumque  est  in  potentia  ad  suum  objectum,  et  est  susceptivum  ejus.  Der  Unterschied  der 
beiderseitigen  Erklärung  reducirt  sich  darauf,  dass  Thomas  den  Intellectus  possibilis  vom  Intellectus  agens  als  besondere.s 
Vermögen  unterscheidet;  Duns  Scotus  wirft  Thomas  vor,  sich  an  die  averroistische  Auslegung  des  Aristoteles  gehalten  zu  haben. 

*  1   dist.  3,  qu.  8. 

'■■  Enti  secundum  quid   non   convcnit   actus    simplieiter;    sed  quando  habet  esse    tale   secundum   quid  per  aliud    simpliciter  ens, 

tunc  principalius  convenit  illi  enti  simpliciter,  si  illud  aliquo  modo   sit  activum  respectu  ejusdem.     L.  c. 
^  Dieses  co-agere  soll  nach  Duns  Scotus  die  etymologische  Unterlage  des  Sprachausdruckes  cogitare  darbieten.  —  Ueber  die 

wirkliche  sprachlich-genetische  Ableitung  dieses  Wortes  siehe  Pott,  indogerman.  Wurzelwörterbuch  III,  8.  387. 


3}<2  Kakl  Werskk. 

SiiuiciitliiiiiO    vvio    sicli    iKr    alljri'iufiiu'    Soinsüfedanko    /.um    lu'danki'ii    i'iiu's    bosuiHltM-fn, 
bestinimtoii    Ksse    verluilt ;     das    lotztorc    Ncrliäliniss    ist    oiii    ginlanktMihai'icf    Kttlcx    des 
orsttM-i-ii    in    der    roaloii    W  ii  klidikeit    boistt'lu'n.lcn    Ncrliiiltiiissos.      /iil'.-lijt"    der    solbstvor- 
stüiullichon  lobeivinstiininuii';-  tlor  siibjcctivoii  1  )i'nkiH>tli\vi'ndi<;k(Mt    und   der  roahMi  objek- 
tiven  NVirklirhkeit   bedarf  es   keiner  solelien   bMiUMideii    Hingebung  des   InteUeetes   an   die 
i'eirebene  NVirkliehkeit.   um   einen   objeetiv   wahren  ICindruek   von   ihr  /.u   em]il'angen;   eine 
derartige  passive  Versenkung  des  Intelleetes  in  die  gegebene  sinnlich.'  W  ulJithkeit.   wie 
Tliomas  sie  als  Grundbedingung  einer  (Jewinnung   (bs  \\'esensgedaiik(i;>   Mnnll.hri    Pingc 
fordert,    strei-tet  gegen   die   Natur   iK^s   Intelleetes,    die    eine    solche    \  ersenkmii;    nicht    zu- 
lässt.     Aueli   ist   es  dem    Intelleete   nieht.    so  zu   sagen,    um    ein   Eimlrin-icn    in    die   Seele 
des  Sonderdinges,   sondern   um   die  allgemeine  \Vahrheit  des  Dinges,   iiin   den  llegi  ill'  <li's- 
sclben  zu  thun;  daher  aueli  die  im  intellectivcn  Erkennen  sieh  vollziehende  Confoimation 
des  Erkennenden   mit   dem  l-^rkannten.   der  Seele   mit   dem   Sinnendinge,    nur   in  äc|ul  \  ciLciu 
Sinne  verstanden  werden   kann.'      In  der  That  kann  Thomas  eine   im  eigentlichen   Sinne 
zu   verstehende  (\»nformation    der    intelleetiven    Seele    mit    dem    erkannten    Sinnesobjeete 
nur  auf  den   unzulässigen  Gedanken  des  Zusammenseins  einer  sensiblen   und   intelleetiven 
Seele  in  einem  und  demselben  SeelenAvesen    stützen,    wobei    ilberdiess    die   zeitliche   und 
sachliche  Priorität  der  sensiblen  Seele  im  werdenden  Menschen  vor  der  eist  nachfolgend 
eintretenden    intelleetiven    Seele    den    Intellect    wirkllcli    in    ein     ungehöriges    Abiiiingig- 
keitsverhältniss  von  der  sinnliehen   Wirklichkeit  setzt.      Wenn    es    aber  wahr   ist.    dass   es 
eine  sinnestiefe  Auffassung  der  Sinnendinge  gibt,   die   nicht  sclioii  unmittelbar   im  begriti- 
lichen  Erkennen  derselben  enthalten  ist,   und   eben  nur  aus   einer  Versenkung  des  Men- 
schen mit  Sinn  und  Gemüth  in  die  gegenständliche  A\irkli(hkeit  geschöpft  werden  kann 
—   wenn  es  ferner  wahr  ist,    dass  diese  Art  von  Erkenntniss   als  eine  aus  der  Tiefe  des 
menschlichen  Seeleninneren  geschöpfte  Erkenntniss  den  Charakter  des  specifisch  Mensch- 
lichen an  sich  trägt,  so  muss  die  in  ihrer  unmittelbaren  Gegebenheit  unwahre  thomistische 
Ansicht  vom  specifischen  Charakter  des  intelleetiven  Naturerkennens  des  zeitlichen  Erden- 
menschen in  einem  höheren  Sinne  sich  bewahrheiten,  der  aber  nur  (hmn  zu  Tage  treten 
kann,  wenn  ein  vom  sinnlichen  Empfinden  verschiedenes  seelisches  Empfinden  anerkannt 
wird,  das  nicht  gleich  ersterem  ein  actus  conjuncti  ist,  sondern  dem  immanenten  Selbst- 
leben der  Seele  angehört,  und  aus  diesem  heraus  sich  entwickelt.    Von  einem  derartigen 
intelleetiven  Empfindungsleben    der  Seele   wissen  weder  Thomas   noch   Duns  Scotus;     es 
hat  überhaupt   keine  Stelle    in  der  scholastisch  -  peripatetischen  Psychologie,    welche   die 
Eigenart    des    Seelenwesens   verkennend,    dasselbe    lediglich    als    eine    Zusammensetzung 
eines  Intellectivwesens   mit   einem   Vermögen  sinnlicher  Wahrnehmung    (anima  sensitiva) 
fasst.     Der    unphilosophische  Begriff   eines    derartigen  Wesens    lässt    ein    Hinauskommen 
über  die  in  der  thomistischen  und  scotistischen  Erkenntnisstheorie  fixirten  dilemmatischen 
Gegensätze  nicht  zu;     entweder  muss   das  Intellectivprincij)    In  die    anima  sensitiva  der- 
art eingehen,  dass  es,  in  der  Realapprehension   der    einzelnen  Gegenständlichkeiten   der 
vielfältigst  diversificirten  sichtbaren  Wirklichkeit  aufgehend,  sich  zu  einer  die  gegebene 
Weltwirklichkeit    als    Totum    umgreifenden    Idealanschauung    nicht    zu    erheben    vermag, 


•  Principalius  agens  communiter  est  aequiTocum,  et  eminentius  habet  in  se  perfectionem  etfectus  quam  causa  univoca:  et  ideo 
non  magis  a?siinilatur  sibi  formaliter,  quia  hoc  esset  imperfectionis  in  causa,  sie  assimllnri  effectui.  Sed  assimilat  magis 
h.  e.  dat  magis  formam  effectui,  per  quam  sibi  assirailatur  aequivoce,  quam  det  agens  particulare,  et  ista  assimilatio  acfiva 
est  ex  perfectione  causae,  licet  non  sit  magis  assimilatio  formaliter.     L.  c. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Düns  Scottjs.  383 

oder  es  muss  umgekelirt  in  einer  gewissen  abstracten  Höhe  über  dem  Bereiclie  der 
sinnlichen  Sensationen  gehalten  werden,  die  es  zu  einer  wahrhaften  seelischen  Ergreifung 
der  sinnlichen  Wirklichkeit  nicht  gelangen  lässt,  andererseits  aber  auch  mit  dem  ange- 
nommenen substantiellen  Einssein  der  anima  intellectiva  und  sensitiva  nicht  vereinbar 
ist.  Gibt  es  ein  seelisches  Empfinden,  welches,  weil  die  Form  der  Intellection  an  sich 
tragend,  vom  rein  sinnlichen  Empfinden  durchgreifend  verschieden  ist,  und  ist  anderei*- 
seits  dieses  seelische  Empfinden  der  Seele  als  Seele,  d.  i.  als  actuosem  Formprineipe 
der  sinnlichen  Leiblichkeit  des  Menschen  eigen,  so  muss  es  der  Seele  als  einem  von 
den  leiblosen  Geistwesen  specifisch  verschiedenen  Wesen  zukommen,  und  ist  der  angeb- 
lich in  die  anima  intellectiva  recipirten  anima  sensibilis  als  specifische  Wesensqualität 
<ler  intellectiven  Menschenseele  zu  substituiren.  In  Kraft  dieser  ihrer  Wesensqualität  ist 
die  Seele  befähiget,  die  gegenständliche  sichtbare  Wirklichkeit  iu  einer  Weise  zu  innern, 
deren  das  leiblose  Geistwesen  nicht  fähig  ist;  nur  darf  diese  Innerung  nicht  als  passive 
Reception,  sie  muss  vielmehr  als  active  Umbildung  der  sinnlich  appercipirten  Weltwirk- 
lichkeit genommen  werden.  Sie  ist  als  Umsetzung  derselben  in  eine  höhere  Form  ihres 
concreten  Daseins  zu  verstehen,  als  diejenige  Form,  in  welcher  sie  ein  der  intellectiven 
Seele  homogenes  Sein  gewinnt,  olme  diejenigen  Eigenthümlichkeiten  zu  verlieren,  die 
sie  in  der  Aufnahme  in  das  Denken  eines  leiblosen  Geistes  einbüsst.  Indess  ist  die  Er- 
hebung der  sichtbaren  Wirklichkeit  in  die  Region  des  seelischen  Empfindens  etwas  von 
der  geistigen  Intellection  derselben  durchgreifend  Verschiedenes,  obschon  sie  dieselbe 
zu  ihrer  Voraussetzung  hat  und  nur  in  Kraft  derselben  sich  vollziehen  kann.  Je  voll- 
kommener die  Intellection,  desto  gebildeter  die  seelische  Empfindung;  die  durchgebil- 
detste und  vollkommenste  seelische  Apperception  der  sichtbaren  Wirklichkeit  wird  dem- 
nach auf  dem  Grunde  des  vollendeten  W'eltverständnisses  stehen.  Das  vollkommenste 
Verständniss  der  sichtbaren  Wirklichkeit  ist  das  aus  der  centralen  Mitte  derselben  heraus- 
gesetzte, und  desshalb  sie  als  lebendiges  Totum  umgreifende;  die  centrale  Mitte  der  sicht- 
baren Wirklichkeit  als  solcher  ist  die  seelische  Innerlichkeit  des  Menschen,  diese  in  ihrer 
tiefsten  Tiefe  gefasst;  aus  dieser  ist  also  der  centrale  Weltgedanke  zu  schöpfen.  Die  voll- 
kommene Herausstellung  desselben  aus  der  Tiefe  der  menschlichen  Intellection  hat  zu  ihrer 
nothwendigen  Vorbedingung  die  Einrückung  der  Seele  in  ihren  absoluten  Ort,  der  ausser 
ihr  liegt,  und  dessen  Erreichung  das  absolute  Ziel  ihres  zeitlichen  Vollendungsstrebens  ist. 
In  denselben  eingerückt  erkennt  sie  ihr  AVesen  als  die  absolute  Form  der  sichtbaren  W'irk- 
lichkeit,  und  stellt  sich  ihr  das  sichtbare  Weltganze  als  eine  aus  ihrer  lebendigen  Selbst- 
anschauung herausgestellte  Intellection  dar,  deren  concreter  Inhalt  ihr  in  der  vollendeten 
Durchbildung  ihres  immanenten  Empfindungslebens  innigst  gegenwärtig  ist.  Was  also 
Thomas  dem  höchsten  Engel  zuerkennt,  nämlich  dass  er  aus  einer  einzigen  Species 
universalissima  die  Species  aller  unter  Ihm  befindlichen  Wirklichkelten  erkenne,  müssen  wir, 
nur  in  ungleich  concreterer  Weise,  in  Absicht  auf  das  sichtbare  Weltganze  der  in  Gott 
vollendeten  intellectiven  Menschenseele  zuerkennen,  für  welche  in  ihrer  AViedervereinigung 
mit  den  geklärten  Empfindungsorganen  ihrer  leiblichen  Hülle  auch  der  schöne  Schein 
der  geklärten  sinnlichen  Wirklichkeit  in  einer  für  den  leiblosen  Geist  nicht  perceptiblen 
AVeise  vorhanden  sein  muss.  Damit  rückt  der  Mensch  seiner  Idee  nach  in  die  lebendige 
Alitte  des  AV eltganzen  als  derjenige,  dem  Gott  durch  die  Offenbarungen  seiner  Herrlich- 
keit In  aller  AVelse  nahe  ist;  während  die  ihm  an  Macht  und  Können  übergeordneten 
Geistmächte    als    höchste    kosmische    Mächte    den    Umkreis    des    durcluxus    von    geistigen 


3^4  Kmu.  Wkkser. 

Potciizoii     u^olialtiMU'ii    Wi'ltgan/en    i'uiit^tituiri'n    uiul     liii'inii     imuMli.illp     ili-r    (.iran/.cii    dci- 
Geschujitlichkcit   der  Hottlioit   als   absolutiMii   Unisrliluss  zuiijirlist    irt'rdokt   orsiliclmn. 

Duns  Seotus  orklärt  «lio  in  die  SocK'  rccii'iricii  Spocios  der  Siiiiicii(lirim>  l'ilr  instiii- 
inontiile  Airoiiticn  in  «Iit  l]i/.«niy;ung  dos  durcli  den  liittdloct  uusziiwirkt'iidi'ii  (n'diinkoiis 
oinos  siimlirli  ai>j>(.M(.ipirt<'ii  (-)l>joctos.  l.ässt  sirli  der  HogriiV  der  Sjiocics  oder  des  Vur- 
sttdhmsrslMltU's  als  cinos  A^eiis  luiltoii?  Sot/on  wir  di'n  j^cncicdlcii  li('<;iilV  eines  \'oi- 
stoUungshildos  in  seinen  coneretcn  Inhalt  vmi.  so  treten  zwei  Allen  von  N'nrstellunos- 
bildern  in  den  \  Ci'dergnind.  welelie  die  Seide  als  Al)l)ildnni;-en  der  äusseren  NN  iiUichkeil 
in  sieh  ant'nehnien  kann:  TonMlder  und  (Jesiehtsliilder.  1  >le  Ajt]>ereoptii>iien  d(>r  illtrigen 
Sinne  vermitteln  nur  Sinneseindrileke.  welelien  keine  Bilder,  sondern  Idoss  \  ors(ellunf:;en 
von  irewissen  Kinwirkungsarten  der  J)inge  entsprechen,  halier  lässi  sieli  niii-  ilioe  \'or- 
stellutiLf  im  Gedäehtniss  t'esthalten.  während  die  unmittelbare  sinnlic  he  Iiiijilindiing  als 
solehe.  nachdem  sie  ausgeklungen  hat.  sich  nicht  reprodueiren  lässt.  haiaiis  folgt  abei- siImhi, 
dass  der  Inhalt  der  sinnlichen  Em])Hndung  ein  körperlicher  Zustantl  ist,  der  .sich  der 
Seele  als  AtVeetion  und  Leiden  des  Körpers  o<ler  eines  körperlichen  (Jrganes  vernehmbar 
macht,  und  allerdings  auch  die  Seele  in  AJitleidcnschal't  zieht,  obschon  nicht  sie  es  ist, 
welche  riecht,  schmeckt,  die  betasteten  Körper  als  rauh  oder  glatt  fühlt  u.  s.  w.  Als 
Bilder  lassen  sich  bloss  die  durch  Gehör  und  Gesicht  vermittelten  Apperceptionen  fest- 
halten. Die  Fähigkeit  einer  Reproduction  dieser  Sinnenbilder  ist  aber  offenbar  durch 
die  Verbindung  der  Seele  mit  dem  Leibe  bedingt;  in  der  vom  Leibe  getrennten  Seele 
können  keine  Töne  nachklingen,  keine  Farbenbildei-  sich  reprodueiren.  iJas  sinnliche 
Vorstellungsbild  gehört  sonach  nicht  der  Seele  als  solcher  an;  der  Seele  kann  nur  der 
demselben  entsprechende  unsinnliche  Gedanke  angehören,  der  aus  Anlass  des  im  sinn- 
lichen Vorstellungsbilde  gebotenen  Vorhaltes  in  der  Seele  aufleuchtet.  Der  Seele  als 
solcher  gehört  in  der  intelleetiven  Apperception  sinnlicher  Tonbilder  nur  die  aus  ihrem 
selbsteiffenen  Wesen  heraus  sich  vollziehende  Apperception  der  in  den  Tonbildern  ver- 
lautbarenden  rhythmisch-musikalischen  Verhältnisse,  in  der  intelleetiven  Apperception  der 
Gesichtsbilder  die  Auffassung  der  unsinnlichen  Mass-  und  Formverhältnisse  des  sinnlich 
Geschauten  an;  der  sinnlich-materiale  Inhalt  der  sinnlichen  Vorstellungsbilder  liegt 
ausser  der  Seele,  geht  in  sie  nicht  ein.  Bcharrt  das  sinnliche  Vorstellungsbild  als  solches 
ausserhalb  der  Seele,  so  muss  es  in  ganz  anderem  Sinne,  als  diess  in  der  scotistischen 
Psvchologie  geschieht,  als  Coagens  der  intelleetiven  Seele  in  Erzeugung  des  intelleetiven 
Gedankens  eines  Sinnendinges  gefasst  werden;  es  ist  eigentlicli  nur  der  Veranlasser 
desselben,  der  einzige  Auswirker  ist  eben  nur  die  intellective  Seele  selber.  Diess  ist  die 
richtige  und  denkwahre  Auffassung  der  Sache  auf  dem  von  Duns  Scotus  angestrebten 
dualistisch-anthropologischen  Standpunkte,  welche  ihm  darum  entgeht,  weil  er  die  anima 
sensibilis  mit  der  anima  intellectiva  zusammenschweisst,  und  vom  relativen  Selbstleben 
des  mit  der  Seele  geeinigten  Leibes  nichts  weiss.  Diese  Zusammenschweissung  der  anima 
intellectiva  und  sensibilis  hat  aber  ihrerseits  darin  wieder  ihren  Grund,  dass  Duns  Scotus, 
festhaltend  an  dem  Axiom :  Kil  in  intellectu  quod  non  antea  fuerit  in  sensu,  bloss  einen 
empirischen  Realinhalt  der  menschliehen  Intellectionen  kennt;  an  jenem  Axiom  aber 
hält  er  fest,  weil  ihm  als  scholastischem  Peripatetiker  der  Vollbegriff  des  menschlichen 
Seelenwesens  abgeht,  der  zu  einem  entschiedenen  und  durchgreifenden  anthropologischen 
Dualismus  hindrängt,  aber  auch  die  Mittel  und  Bedingungen  zur  ßückvermittlung  der 
rückhaltlos  anerkannten  Dualität  des  Menschenwesens    in  die    geschlossene  Einheit  eines 


Die  Psychologie  und  Ebkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotüs.  385 

lebendigen  Totum  in  sich  scliliesst.  Der  Vollbegriff  der  menschliclien  Seele  bringt  es 
mit  sich,  in  derselben  ein  lebendiges  Totum  zu  erkennen,  welches  ein  ganzes  und  volles 
Leben  aus  sich  heraus  zu  entwickeln  fähig  ist,  und  demzufolge  auch  keine  andere  Union 
mit  der  sinnlichen  Leiblichkeit  verträgt  als  eine  solche,  in  welcher  diese,  je  weiter  die 
immanente  intellective  Lebensentwickiung  der  Seele  vorschreitet,  desto  mehr  zu  einer 
bloss  werkzeuglichen  Unterlage  der  intellectiven  Lebensentwicklung  herabgesetzt  wird. 
Umgekehrt  aber  muss  dieses  leiblich-sinnliche  Substrat  der  intellectiven  Selbstentwicklung 
der  Seele  ein  lebendiges  Substrat  sein,  da  die  Entwicklung  des  immanenten  Selbstlebens 
der  Seele  in  lebendiger  Wechselbeziehung  mit  seiner  sinnlich-leiblichen  Unterlage  vor 
sich  geht.  Diese  lebendige  "Wechselbeziehung  involvirt  eine  innigste  Einigung  beider, 
die  nicht  anders  denkbar  ist  als  so,  dass  die  intellective  Seele  ihr  leibliches  Substrat 
und  Wirkungsorgan  inneidich  gefasst  hält  und  geistig  umgreift,  während  sie  es  anderer- 
seits, um  sich  die  nöthige  Freiheit  ihrer  immanenten  Lebensentwicklung  zu  wahren  und 
jedes  störende  Eindrängen  des  sinnlich  Animalischen  in  ihr  intellectives  Selbstleben 
abzuwehren,  stets  unter  sich  gefasst  hält.  Diese  Wirksamkeiten  der  Seele  sind  Natur- 
wirksamkeiten derselben;  sie  treten  nicht  ins  unmittelbare  Bewusstsein  der  Seele,  gehören 
aber  zum  substantiellen  Sein  derselben,  und  sind  unabtrannbar  vom  Begriffe  der  Seele 
als  actuoser  Wesensform    des  menschlichen  Leibesgebildes. 

Der  Vollbegriff  der  Seele  als  einer  den  Leib  umschliessenden  und  unter  sich  gefasst 
haltenden  Macht  verträgt  sich  nicht  mit  der  Vorstellung  von  einem  Haften  der  Seele 
am  Leibe,  wozu  sich  der  Formbegriff'  unwillkürlich  degradirt,  wenn  die  Seele,  statt  als 
Continens,  vielmehr  als  ein  Contentum  in  corpore  aufgefasst  wird,  was  doch  nur  secundär 
und  in  gehöriger  Unterordnung  unter  die  primäre  Bestimmung  der  Seele  als  eines  Con- 
tinens  gelten  kann.  Das  einseitige  Vorwiegen  der  secundären  Bestimmung  in  der  peri- 
patetischen  Scholastik  bekundet  nur  zu  sehr,  dass  der  Begriff"  der  Seele  als  Substantial- 
form  nicht  in  seiner  Tiefe  erfasst  wurde,  und  hängt  aufs  Genaueste  mit  der  schon 
betonten  Unkunde  des  immanenten  Lebensgehaltes  der  Seele  zusammen.  Allerdings 
vergleichen  sowohl  Thomas  Aquinas'  als  auch  Duns  Scotus*  das  Verhältniss  der  mensch- 
lichen Seele  zu  dem  ihr  eignenden  Leibe  mit  dem  Verhältniss  Gottes  zur  Welt,  und 
sagen  Beide,  dass  die  Seele  im  Leibe,  wie  Gott  in  der  Welt  walte.  Da  nun  Gott  das 
die  Welt  absolut  continirende  Sein  ist,  so  sollte  man  erwarten,  dass  auch  die  Seele  in 
proportionaler  Weise  als  das  höhere,  ihrem  Begriffe  nach  die  sinnliche  Leiblichkeit 
umschliessende  Sein  gefasst  werde.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Beide,  Thomas  und  Duns  Scotus, 
sprechen  stets  nur  von  einem  Sein  der  Seele  im  Leibe,  ersterer  sogar  von  einem  Sein 
der  Seele  in  der  Materia, ^  so  dass  die  Seele  nur  durch  ihre  intellective  Thätigkeit  über 
dieses  ihr  Esse  in  materia  hinausgreift.  Da  nun  in  der  scholastisch-peripatetischen  Sprech- 
weise der  Thomistik  die  virtus  intellectiva  zur  Essenz  der  Seele  sich  als  Accidens  ver- 
hält, so  ist  jenes  Hinausgreifen  der  Seele  über  ihr  Esse  in  materia  etwas  Accidentelles. 
Derlei    kann    nun    allerdings  von  Duns  Scotus    nicht    zugegeben    werden ;     er    trennt    die 


'   1   qii.  93,  art.  3. 

^  Rer.  princip.  qii.    12,    art.  3. 

3  Ultima  fonnarum  natiiralium,  ad  quam  terminatur  consideratio  philosophi  naturalis,  seil,  anima  humana,  est  quidem  separata, 
3ed  tarnen  in  materia.   Separata  e.st  quidem  secundum  virtutem  intellectivam,   quia   virtus  intellectiva  non  est  virtus  alicujus 
organi  corporalis.  Sed  in  materia  est,  inquantum  ipsa  anima,  cujus  est  haec  virtus,  est  corporis  forma  et  terminus  generationis 
humanae.   1   qu.  76,    art.   1. 
Deukschriften  der  phil.-hist.  CI.  XXVI.   Bd.  49 


3v<6  Kaki.  Wkunkh. 

intolloftivo  I'otiMiz  nicht  in  jiMicr  \\  i'isc,  wie  'riioiuas,  vnni  W  i-son  lU-r  Sccir  ;il>,  luiiss 
also  mit  der  intolloi-tivon  TlüitigkiMt  ilor  Seele  aiuli  iliese  selUer,  soweit  sie  Imclleet  ist, 
über  das  Sein  im  Leibe  liinaiisrüeken,  so  dass  sie  als  iiiirllcri  niclii  walirlial'l  niui 
eiirentlieb,  sondern  nur  aecidentieller  \Veiso  im  Leibe  ist,"  olis,|i,iii  sie  als  Wesensfoiin 
«ranz  im  Leibe  ist.  Von  einem  Sein  der  Seele  in  Mateiia  kann  Ix'i  huns  Sculns  selioii 
ilesshalb  keine  Rede  sein,  weil  er  dem  Leibe  eine  besontlere  Wesensform  zuselireibt,  ili(> 
vom  seelischen  Formi>rincipe  des  Menschenwesens  untersohieden  ist;  er  kann  also  nur 
von  einem  Sein  der  Seele  in  eorpore  sjm-imIh'h.  I'iescs  Esse  in  eor]ii)ic  winl  alin-  von 
lUins  Seotiis,  soweit  es  sieh  auf  die  Seele  als  Snlisianiialfdiin  lic/irlit.  cIumi  so  entscliii-di'u. 
wie  von  Thomas  austjesagt.*  wie  es  nielit  anders  müglieh  ist,  wenn  die  aninia  scnsihills, 
die  an  siel»  nur  eine  begritVliehe  Abstraetion  ist,  als  eine  Realitäl  gciiummen,  und  iiiil 
der  anima  intellectiva  in  Ein  Wesen  zusammengetiossen  gedacht  wird.  So  schwankt  und 
oscillirt  also  bei  Duns  Scotus  die  Auffassung  des  Seelenwesens  zwischen  ciueni  Esse 
in  corpore  und  l'.sse  extra  corpus:  für  die  Seele  als  Intelh^'tivpotenz  ist  das  Esse  in 
corpore  etwas  Accidentelles,  für  die  Seele  als  Wesensform  etwas  so  Wesentliches,  dass 
sie  in  keinerlei  Weise  ausserhalb  des  Körpers  seiend  gedacht  werden  kann.  Kein  Zweifel, 
dass  hier  zwei  einander  widerstrebende  Auffassungen  des  Seelenwesens  mit  einander 
vereiniget  sind;  nach  der  einen  Seite  wird  es  mit  den  k^ngelwesen  in  Eine  Kategorie 
gestellt,  und  zu  einer  subordinirten  Species  derselben  gemacht,  nach  der  anderen  Seite 
aber,  wenn  auch  nicht  dem  Worte,  so  doch  der  Sache  nach  als  am  Leibe  haftend 
gedacht  —  ein  Beweis,  dass  das  richtige  und  wahre  Verhältniss  zwischen  Seele  uml 
Leib  nicht  gefunden  ist.  Der  unvermittelte  Gegensatz  zwischen  Esse  in  corpore  und 
Esse  extra  corpus  ist  in  dem  Gedanken  eines  Esse  supra  corpus  aufzuheben,  womit  sicli 
sodann  auch  die  Möglichkeit  eines  innigsten  Zusammenseins  mit  dem  Leibe  ergibt,  was 
sieh  analogischer  Weise  durch  das  Verhältniss  Gottes  zur  Welt  verdeutlichen  lässt,  der 
weil  absolut  über  den  Geschöpfen  seiend,  allen  innigst  nahe,  ja  das  Innerste  der 
Geschöpfe,  soweit  sie  wirklich  und  in  dem  Grade  als  sie  wirklich  sind  —  das  absolute 
Centrum  der  Welt  ist.  Wie  aber  Gott  nur  vermöge  der  absoluten  Fülle  seines  sclbst- 
eigenen  Seins  und  Lebens  schlechthin  über  der  Welt  ist,  und  zufolge  dieses  seines 
absoluten  Seins  über  Allem  auch  Allem  innigst  nahe  sein  kann,  so  muss  auch  im  Seelen- 
wesen eine  wenigstens  potentiell  enthaltene  Fülle  immanenten  Seins-  und  Lcbensgehaltes 
vorausgesetzt  werden,  welche  es  schlechthin  über  die  ihr  eignende  sinnliche  Leiblichkeit 
stellt  und  durchgreifend  von  derselben  scheidet,  aber  eben  desshalb  auch  zu  einer  in 
ihrer  Art  innerlichsten  Fassung  und  geistigen  Umgreifung  desselben  befähiget.  Dass 
der  Begriff  der  anima  sensibilis  nicht  das  geeignete  Mittelglied  zur  Anbahnung  eines 
richtigen  Verständnisses  des  Zusammenseins  und  relativen  Ineinanderseins  von  Geist  und 
Leib  abgibt,  hat  sich  uns  schon  sattsam  gezeigt;  was  in  den  Begriff  der  anima  sensibilis 


'  Auima  considerari  potest,  «t  habet  respectum  ad  Operationen!  intellectualem  seu  voluntariam;  et  tuuc  cum  ipso  respectu 
ipsa  substantia  animae  est  potentia  intellectira.  Accipiendo  animam  secundum  Ijanc  considerationem  iioii  est  per  se  nee  in 
tote'  corpore  nee  in  aliqua  parte,  est  tarnen  per  accidens  seil,  per  substantiam,  cum  fiua  realiter  ideni  est,  iu  toto  et  in 
qualibet  ejus  parte  ....  Ergo  eadem  res  simul  est  corpori  iinita  et  non  unita,  quia  cum  potentia  realiter  sit  idem  quod 
sabstantia  animae,  sicut  anima  quamdiu  est  in  corpore,  est  ei  nnita,  sie  potentia  realiter,  ut  est  res  absoluta,  semper  est 
corpori  nnita,  sed  secundum  quod  recipit  rationem  respectus  seu  potentiae  intellectivae,  ratione  illius  non  est  unita  corpori. 
Rer.  princip.  qu.   12,   art.  3. 

2  Anima  .  .  .  .  ut  nnitur  corpori  in  ratione  formae  substantialis,  dans  ei  esse  simpliciter,  est  tota  in  toto  et  in  qualibet  parte 
aequaliter  et  uniformiter  in  oninibus  partibus  tarn  organicis  quam  non  organicis.  Rer.  princip.  qu.   12,  art.   .3. 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scütüs.  387 

hineingelegt  wird,  vertheilt  sich  in  der  auf  das  Concrete  gehenden  Betrachtung  des 
Menschenwesens  derart  auf  die  Constituenten  desselben,  dass  in  dieser  Vertheilung  die 
anima  sensibilis  als  besonderes  Esse  völlig  disparirt. 

Duns  Scotus  lässt  die  Wesenheit  der  Seele  ganz  in  den  Leib  versenkt  sein,  und 
deducirt  diese  seine  Ansicht  merkwürdig  genug  aus  der  Einfachheit  der  Seele,*  die  er 
als  eine  entfernte  Aehnlichkeit  mit  der  Einfachheit  und  Einheit  des  göttlichen  Wesens 
auffasst,  jedoch  so,  dass  sie  unendlich  weit  von  derselben  absteht.^  Duns  Scotus  hat 
wohl  nicht  bedacht,  dass  die  abstract  negative  Bestimmung  des  Abstandes  der  Creatur 
von  Gott  als  eines  unendlichen  Abstandes  unter  der  Hand  in  ihr  Gegentheil  umschlägt, 
und  darum  unzureichend,  wo  nicht  völlig  unbrauchbar  ist.  Kein  wirklich  Seiendes  steht 
als  Seiendes  unendlich  weit  von  Gott  ab ;  welche  Bezeichnung  müsste  man  denn  für 
diesen  Fall  für  den  Abstand  des  Nichts  von  Gott  wählen,  aus  welchem  Gott  das,  was 
nicht  war,  zum  Sein  emporgezogen  hat?  Uebrigens  ist  diese  Verhältnissbestimmung  des 
Abstandes  der  Seele  von  Gott  für  die  scotistische  Auffassung  des  Seelenwesens  bezeich- 
nend genug,  und  zeigt  überhaupt,  bis  zu  welchem  Grade  sich  der  Formbegriif  der 
speculativen  Scholastik  sich  bei  ihm  bereits  abgeschwächt  hat.  Gemäss  seiner  Auf- 
fassungsweise umgreift  keine  geschöpfliche  Wesensform  dasjenige,  dessen  Form  sie  ist; 
also  ist  auch  keine  geschöpfliche  Form  eine  relative  Nachbildung  des  göttlichen  Seins  als 
des  allumgreifenden,  und  auch  die  intellective  Menschenseele  vermag  den  so  engen  Bereich, 
in  welchen  sie  als  Formprincip  des  sinnlich-leiblichen  Menschenwesens  gewiesen  ist,  nicht 
formmächtig  zu  umgreifen.  Also  haftet  sie  am  Leibe,  und  ist  in  Bezug  auf  ihre  immanente 
Lebensentfaltung  in  reinnatürlicher  Ordnung  ganz  und  gar  auf  die  stoffliche  Füllung  ihres 
intellectiven  Lebens  durch  die  sinnlich-irdische  Erfahrung  angewiesen;  an  die  Stelle  der 
seelischen  Innerlichkeit  tritt  die  Memoria  als  Aufbewahrungsort  der  von  der  Seele  recipirten 
Species  der  Sinnendinge.  Dass  die  Seele  als  absoluter,  d.  i.  höchster  und  abschliessender 
Actus  der  geformten  Materie  alle  Formen  derselben  wesenhaft  in  sich  aufgehoben  tragen 
und  demzufolge  auch  unter  den  entsprechenden  sollicitirenden  Anlässen  aus  sich  selbst  her- 
vorstellen können  müsse,  Hesse  sich  wohl  aus  dem  thomistischen  Seelenbegriffe  folgern,  kann 
aber  vom  Standpunkte  der  scotistischen  Doctrin  nicht  mehr  zugegeben  werden,  weil  sich 
dem  Denken  des  Duns  Scotus  ein  ganz  anderer  Begriff  der  Materia  prima  unterschob, 
welcher  eine  derartige  Folgerung  ausschliesst.  Die  scotistische  Materia  primo-prima  reci- 
pirt  nicht  Wesensbestimmungen,  sondern  Seinsbestimmungen ;  die  Materia  secundo-prima 
ist  bereits  etwas  so  Determinirtes,  dass  die  Seele  als  eine  von  ihr  verschiedene  Seins- 
und Wesensdetermination  nicht  mehr  in  jenes  Verhältniss  unmittelbarer  Einigung  mit 
ihr  treten  kann,  welches  sich  nach  thomistischer  Anschauung  in  der  Einigung  der  Seele 
mit  dem  Leibe  vollzieht.  Die  Seele  ist  nach  Duns  Scotus  nicht  mehr  unmittelbarer  Actus 
der  sinnlichen  Stofflichkeit,  kann  demnach  auch  nicht  alle  Formationen  und  Formabili- 
täten  derselben  unmittelbar  in  sich  selber  aufgehoben  tragen,  also  auch  nicht  denkend 
aus  sich  selbst  heraussetzen.     Sie    kann   die  Species  der  Dinge   nicht,    wie  Thomas  will, 


'  Anima  et  omnis  creatura  habet  limitatoa  et  determinatos  et  certos  liinites  substantiae,  intra  quos  habet  esse,  extra  quos  noii 
potest  esse.  Jam  enim  si  extra  limites  natiu-ae  suae  esset,  ibi  terminus  non  esset.  Nunc  autem  cum  anima  sit  simplex, 
dum  est  in  corpore,  necessario  est  ibi  tota;  ubi  autem  aliqua  res  est  tota,  uecessario  sunt  ibi  termiui.  Ergo  anima  cum  suis 
terminis  necessario  intra  corpus  continetur.     Rer.  princip.  qu.   12,  art.   1. 

2  Simplicitas  animae  est  simplicitas  cujusdam  actualitatis  secundum  quamdam  similitudinem  ac  actualitatem  divinam,  quamvis 
distet  in  infinitum.     Eer.  princip.  qu.   12,   art.  3. 

49* 


•js<j>  Kaui.  Wkiinki! 

. lenkend    in   sii-h    aotiviron,     su-    kann    iliosolln-n    rinr.uli    nur   i((i|.ii-.'H ;    der    Inicll<'(-|    al.- 
Ki>»ii>ii>nt   uiul   lunvaliror   jener  Spoeics  —  das   i.-^l    dun   ili<'    Mciinnia. 

lUins  Sootus  liebt  es,  sieh  auf  .lif  A  u.-l(.ritäl  <li's  lu-ili-reii  Aii>;usilniis  zu  stilt/.t>ii. 
und  sieht  sieh,  Tiionms  und  anderen  von  iluu  liekänii.ften  (Je^niern  {regeniüter  als  ilen- 
jeniii-en  an,  welelier  dieser  Aucti>rität  am  iiiirhsten  stelle.  So  auch  in  ilt>r  Fraf^c  (ll)er 
das  Wesen  der  Memoria.  J>a  er  aber  in  der  naeli  AiiHUstins  Vorgänge  angenommenen 
Preiiieit  der  intelleetiven  Scelenvermögen :  .Memoria.  I  ntcilectus,  Voluntas,  eine  Nacli- 
bildun"-  der   «rüttliehen  Ureioinheit   im    mensehliehcM  Scclenwescn    cililiekt,   .so   ist   liicr  cm 

•  '1*1 

liliek    auf   seine   Auffassung   des    trinitarisehen   Proeesses   in   CJutt  zu    werien,    dir    m    .l,i 
Kntfaltunty  der   Vermr.gensdreiheit  der   intelleetiven    Meiischenseele  sein   Na»-hl>iltl    liaben. 
und  .si»eoiell  die  Bedeutung  der   intelleetiven  Memoria  des  Menschen  ans  Lieht  stellen  soll. 
Da  ist  nun  vor  Allem  zu  erinnern,  dass  die  ternare  Selbstcntfaltung  des  göttlichen  Wesens 
t"ilr  Duns  Seotus  zuniichst  nur  Gegenstand  des  gläubigen  Wissens  ist,   und   das  natürliche 
Vernunftdenken  naehträglieh,  unter  Verzieht  auf  einen  Einbli.  k   in   das  innere  Wesen  der 
Sache,    nur  daran  gehen   könne,    die  Denkmögliehkeit  des  (icghuihtcn  zu  .-rweisen.      Die 
Anknüpfungspunkte    hiefür  bieten    sieh    im   JlegrilVe    der    göttlichen   Wesenheit   als    einer 
denkenden   und   wollenden  Substanz,  ferner  im  Begriffe  derselben  als  einer  mittheilsamen 
Wesenheit.  Die  absolute  Selbstmittheilung  Gottes  kann  nur  innerhalb  der  göttliclicn  Wesen- 
heit   .selber   statthaben,    und    involvirt   eine  Unterschiedenheit    zwischen    l'rincii>iireiidem 
und  Principiirtem:   zufolge  der  Zweiheit  der  geistigen  Lebensacte :    Krkonncn  und  Wollen, 
kann   dieses  Verhältniss  zwischen  Principiirendem  und  Principiirtem   zweifach   in  Gott  vor- 
kommen.'    Die   erste  Principiation  wird   die  Originirung    oder   Hervorstellung    des    gött- 
lichen Selbstgedankens,   die  zweite  die  Selbsthervorstellung   der  absoluten  Liebe  Gottes 
zu   sich    selbst    als   Product   setzen.     Der    Selbstgedanke    Gottes,    der   einen    sich   selber 
Denkenden  als  erstes  Suppositum  involvirt,  tritt  demselben   in  einem  zweiten  Suppositum 
als  die  absolute  Wirklichkeit  des  Gedachten  gegenüber,  und  eben  so  die  in  Beiden  essen- 
tiell präsente  absolute  Liebe  Gottes  zu  sich  selbst  beiden  Suppositis  als  ein  Drittes,  das 
die   absolute   göttliche  Wirklichkeit  dieser  Liebe   ist.     Den    drei  Suppositis,    in   welchen 
das  denkende  und  wollende  göttliche  Sein  west,    entsprechen  in  der  menschlichen  Seele 
nach  Augustinus:  Mens,  Notitia,  Amor  —  oder  auch  Memoria,  Intelligentla,   Amor.    Das 
erste  der  drei  Momente:  Mens  oder  Memoria  verhält  slcii  als  perfecter  Actus  primus  zu 
den    in    den  beiden    folgenden    Momenten    dargestellten    actibus    secundis    oder    actuellen 
Bethätigungen  der  in  der  Mens  oder  Memoria  gegebenen  Vermöglichkeit,  und  bildet  in 
dieser  Beziehung  die  göttliche  Foecunditas  ad  gignendum  et  spirandum  (die  zur  Hervor- 
brino-ung  des  Sohnes  imd  Geistes   disponirte  Lebensfülle  Gottes)  nach.    Hiebel    ist   noch 
zu  bemerken,    dass  der  erste  der  beiden  psychologischen  Ternare:    Mens,   Notltia,  Amor 
das  dreieine    göttliche  Sein    vorherrschend    unter    dem  Gesichtspunkte    der  Dreiheit,    der 
z-weite  Temar:  Memoria,  Intelligentla,  Amor  vorwiegend  unter  dem  Gesichtspunkte  der 
Einheit    nachbildet.     Denn    Memoria,    Intelligentla,    Amor    sind    Perfectionen    der    Einen 
intelleetiven  Seele,"   die,    soweit    sie   das   zu   erkennende  Object    als   intelllgibles    In    sIcli 
hegt  uiid  dadurch  zum  actuellen  Erkennen  disponirt  Ist,  Memoria  heisst,  und  zwar  Memoria 
perfecta,  weil  sie  als  memoria  in  acta  primo  perfecta  sowohl  den  Intellect  als  auch  das 

'  In   divinis   egt   aliqnid    plene    fecnndHm  ....  et    lioc   Ijabet   duo    principia   qnantiiin   ad    notitiam    prodnceudam   et  amorcm. 

1  diät.  3,  qn.  7   (Dp.  Paris.;. 
-  1   dist.  3,  qu.  9. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotus.  389 

Bild  des  zu  verstehenden  Gegenstandes  in  sich  fasst.  Dieselbe  Eine  Seele  heisst  weiter 
Intelligentia,  sofern  sie  die  in  ihr  erzeugte  Erkenntniss  in  sich  recipirt,  und  Intelligentia 
perfecta,  sofern  sie  in  die  Erkenntniss  actuell  ganz  vertieft  ist.  Sie  ist  und  heisst  end- 
lich auch  Voluntas  oder  Amor  als  actuell  wollende,  und  vollkommener  Wille  sub  actu 
perfecto  volendi.  Obschon  Duns  Scotus  in  dem  Ternar  Mens,  Notitia,  Amor  eine  deut- 
lichere Nachbildung  derDreiheit  in  der  göttlichen  Einheit  findet,  entscheidet  er  sich  doch  auf 
Augustins  Ansehen  hin  dafür,  in  dem  zweiten  Ternar:  Memoi-ia,  Intellectus,  Voluntas  ein 
der  Sache  näher  kommendes,  so  zu  sagen  innerlicheres  und  realeres  Bild  der  o-öttlichen 
Dreieinheit  zu  sehen,  was  ihn  aber  freilich  nur  dahin  führt,  sich  in  seiner  Ansicht  von 
der  Inadäquatheit  unseres  zeitlichen  Yernunfterkennens  in  Bezug  auf  die  dem  gläubigen 
Denken  angehörigen  Dinge  zu  bestärken.  Denn  die  innerlicher  gefasste  Nachbildung  der 
göttlichen  Dreieinheit  bringe  gerade  den  Grundgedanken  der  göttlichen  Dreieinheit,  die 
Foecunditas  ad  gignendum  et  spirandum,  in  defecterer  Weise  zum  Ausdruck ;  wenn  man 
von  der  Mens  sagen  könne,  sie  sei  zur  Production  der  Intellection  und  Wollung  disponirt, 
so  lasse  sich  die  Memoria  nur  als  Erzeugerin  der  Intellection  auffassen,  und  bloss  die 
Ordnung  in  der  Aufeinanderfolge  von  Memoria,  Intellectus  und  Amor  entspreche  noch 
dem  im  kirchlichen  Symbolum  ausgesprochenen  Aufeinander  der  drei  göttlichen  Personen. 
Hier  muss  nun  wohl  erinnert  werden,  dass  eine  tiefere  Fassung  der  menschlichen  Memoria 
lahin  führen  möchte,  nicht  bloss  die  Aufeinanderfolge  der  drei  Hypostasen  des  göttlichen 


Seins,  sondern  auch  das  Ordnungsverhältniss  der  immanenten  Hervorgänge  des  göttlichen 
Lebens  im  menschliehen  Seelenwesen  nachgebildet  zu  sehen.  Die  menschliche  Innerlich- 
keit in  ihrer  unmittelbaren,  noch  nicht  entwickelten  Gegebenheit  ist  als  Herz  zu  fassen, 
Avelchem  als  Grundansatz  der  Selbstigkeit  und  Persönlichkeit  des  seelischen  Geistmenschen 
bereits  ein  Denken  und  Wollen  zukommt;  wie  nun  diesem  inneren  Kerne  der  Persön- 
lichkeit das  selbstige  Geistleben  als  eine  von  der  Sphäre  des  unmittelbaren  Gemüth- 
lebens  sich  sondernde  Sphäre  entsteigt,  so  entwickelt  sich  aus  beiden  heraus  als  eine 
gesonderte  und  in  sich  geschlossene  dritte  Sphäre  jene  der  menschlichen  Willens thätig- 
keit,  die  naturgemäss  gleich  sehr  durch  Herz  und  Geist  beeinflusst  und  bestimmt  ist,  und 
die  im  Geistleben  aufgeschlossene  und  entfaltete  Innerlichkeit  des  Menschen  wieder  in 
den  urhaften  selbstigen  Grund  des  menschlichen  Denkens  und  Wollens  zurückvermittelt. 
So  haben  wir  in  dem  dreieinen  Innenleben  des  Menschen  in  der  That  eine  anthropolo- 
gische Nachbildung  der  durch  den  christlichen  Glauben  gelehrten  immanenten  Wesens- 
und Lebensverhältnisse  Gottes,  nur  freilich  in  der  Art,  dass  in  der  geschöpf liehen 
Nachbildung  sich  zugleich  die  gerade  im  Menschenwesen  zum  specifischen  Ausdrucke 
gekommene  Gegenbildlichkeit  des  göttlichen  Seins  darstellt,  indem  die  das  dreieine  Sein 
und  Leben  nachahmende  Selbstformation  des  inneren  Seelenmenschen  aus  einem  ursprüng- 
lich unentwickelten  Lebensansatze  heraus  sich  vollführt,  während  die  immanente  Lebens- 
entfaltung Gottes  aus  dem  Lebensgrunde  der  absoluten  Geistigkeit  heraus  sich  vollzieht, 
also  nur  den  Selbstaufschluss  und  die  Selbstvermittelung  des  sich  selber  absolut  lichten 
und  absolut  vollendeten  Seins  bedeuten  kann.  Wir  würden  also  hier  auf  die  im  Geiste 
des  thomistischen  Gottesbegriffes  gelegene  Auffassung  des  trinitarischen  Processes  als 
absoluter  Selbstformirung  des  göttlichen  Seins,  das  seiner  Idee  nach  die  absolute  Form 
und  Urform  der  Dinge  ist,  hingeführt,  und  es  erschiene  hiemit  der  Begriff'  der  in  sich 
subsistirenden  Form,  die  ihrer  Natur  nach  etwas  Actuoses  und  Lebendiges  ist,  aus  der 
Kategorie    der  Substantialität    in    jene    der    activen    Lebendigkeit    umgesetzt,    und    der 


3ttU 


Kakl  Wkkskr. 


sri.ttliilio   Tornar    als    ilio    absoluta    LohensfiTin    <los   giUtlirlioii   IrstMiis.    .Ici.ii    naliiMc    Hi> 
stiinmuiiiriMi    aber    fivilicli    orstlicli    nofh   weiter    mit    (Irr    M.c   (i..iiivs    als    dci     aWsoliiU-n 
W  irklichkeit   und   als   .I.t  absoluten  (Seistigkeit    nali.-r   zu    vciniittcln   waren,    um    eine   <lcin 
Geiste    des    kiivhlielien    Üekenntuisses    congnient<>    .-lu-iulativc    Kikliliun^    des    Mysteriums 
der   ijöttlieluMi    Pieieinhoit   an/uliahnon. 

Ilievoii    jedoeh   soll    und    kann    an   die>ei-  Stelle    iiielii    die    Ke.le   sein.      Ihe    l''ia«4(>    ist. 
vielmehr    nur    diese:      Hat     Uuns    Seotus    <len      l'iel'-     und    V.dl-.diall     ^ry    Augustiniselien 
Memoria    ersehüpft .     iuit     er    illu-rlnuipt    einen     adii.iuaten    liegritV    derselben     aus    Lidit 
gestelitV  Sein  Strauben'   gegen   eine    Identiiieation    der   .Menu.ria    mit  der   Mens,    dem    ihr 
entsprechenden  Correlate   in   dem   ersten   der  angerührten    beiden   j)syclu.logisehen  Ternare 
AuiTUstins   gibt    zu    erkennen,    dass    er   den    in    der   Augustiuiselieu    .Memoria    enthaltenen 
V.dlbe'M-itV  der  mensehliehen  Innerlichkeit   niehi    hat;   er   liudei    ihn   d.'ssiialh  auch    lu   der 
Mens  nicht  enthalten,  sofern   er  «liese   nur  von  Seite  eines  rein  gegenständlichen  Ijk.unens 
und   \Vollens   ins   Auge   fasst,    daher    er    dann    auch    die  (Jottesbildlichkelt    d<'r  Seele  von 
geirenstiindliehen  Beziehungen   abhängig  zvi   machen   sieh  bewogen   fühlt.     l>ie  Seele  kann 
sich   selbst,  oder  das  was  unter  ihr  ist,  oder  eudlieh    was   über   ihr   ist.   ii;uiilleh  Gott  zum 
Gegenstande  ihres  Denkens  und  Wollens  haben.     Im  J)enkeii  un.l  W.dleu  der  Sinuendingc 
trit't  gar  keine  Gottesbildlichkeit    der  Seele   hervor,    vollkommen    tritt   sie  hervor  in  der 
Richtung  des  Denkens  und  ^Vollens  der  Seele  auf  Gott,  weil  da  Intellect  und  ^VilI(^  sieh 
actviell  Gott   conformiren.      So   weit  Gedanke   und   Wille    die    eigene   Seele    zum  Übject(> 
haben,    kann  von   einer  Nachbildung   des   güttliciien   Seins  die  Hede   sein,    weil  da  Gott, 
obschon  nicht  unmittelbares  Object,    so  doch  mittelbar  Object  ist,    sofern  er  nämlieli    in 
der  Seele  wie  in  seinem  Bilde  erkannt  wird,     liier  fliesst  augenscheinlich    der  (ledanke 
der  actuellen  Verähnlichung  mit  Gott  zusammen  mit  dem  Gedanken  der  Gottesbildlich- 
keit,   die    unmittelbar    mit    dem  Wesen    der  Seele    gegeben    ist;    und   wir   müssen    wcdil 
annehmen,    dass  Duns  Seotus    auf   letztere    absiclitlich    nicht   reflectirt,    weil   für    ihn  die 
Gottesbildlichkeit    der  Menschenseele  als  Yernunftwahrheit    nicht    strenge    erweislich    ist 
imd  demzufolge    nur    als  Glaubenswahrheit  Geltung  hat.     Sie  kann   aber   auch  als   Ver- 
nunftwahrheit für  ihn    keine  Bedeutung  haben,   weil  ihm  der  vollinhaltliche  Begriff  des 
Seelenwesens  fehlt,  aus  welchem  der  Gedanke  der  mit  dem  "Wesen  der  Seele  selber  schon 
gegebenen  Gottesbildlichkeit  sich  zu  bewahrheiten  hat.     Er  bemerkt  wohl  gegen  Tliomas, 
dass  Gott  auch  abgesehen  von  seiner  Dreipersönlichkeit  als  Gott,  d.  i.  als  Welturheber, 
gedacht  werden  müsse;*    er  lässt  aber  umgekehrt  von   der  Seele  nicht  gelten,   dass   ihre 
GottesbÜdlichkeit  ohne  Beziehung  auf  die  göttliche  Dreieinheit  gedacht  Averden  könne,' 
obschon  sie  ihm,    wie   er  weiter  hervorhebt,    mehr   die  Einheit    in    der  Dreiheit,    als  die 
Dreiheit  in  der  Einheit  nachgebildet  erscheinen  lässt."    Seine  Ablehnung  des  .speculativen 
Formbegriffes  machte  ihm  eine  vom  christlichen  Glaubenshewusstsein  unabhängige  Aner- 
kennung der  Gottesbildlichkeit  der  Seele  unmöglich ;   so  wie  für  ihn  der  Gedanke  Gottes 
als  der  absoluten  Form  der  Dinge  keine  Wahrheit  hatte,  konnte  füi-  ihn  auch  der  Gedanke 


'  Vgl.  1  dist.  3,  qu.  9,  n.  5.  i-       , 

I  Deitas  prins  est  in  se  aliquo  modo,  quam  intelligatur  esse  in  persona,  quia  Deitas  ut  Deitas  est  per  se  esse,  l  dist.  7. 
3  Ratio  imaginis,  qnan,  nos  concipimus,  ftindatnr  in  anima  in  respectu  ad  Denn.,  ut  est  trinus,  et  ideo  non  cognoscitur  natura- 


liter.    1  dist.  1,  qn.  1. 


Uter.    1   aisr.   i,  qu.   i.  . 

*  Anima  minus  est  repraesentativa  Trinitatis  personarum,  quam  unitatis  essentiae.   Unde  ut  in  potentiis  repraesentat  umtatem ; 
sed  ut  in  actibus  repraesentat  talem  distinctionem.    2  dist.   15  (Dp.  Paris.). 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehre  des  Johannes  Düns  Scotus.  391 

einer  geschöpfllchen  Nachbildung  dieser  Form  keine  Wahrheit  haben ;  der  Gedanke  von 
der  Seele  als  Formwesen  hat  in  seinem  Denken  eine  von  der    thomistischen  Auffassung 
völlig   verschiedene    Gestalt.     Von    einem    immanenten  Wesens-    und    Lebensgehalte   der 
intellectiven  Menschenseele   ist    allerdings    auch    in  der  Thomistik   nicht   die  Rede,    aber 
der    thomistische    Seelenbegriff    schliesst    die    Anerkennung    eines    solchen   Wesens-    und 
Lebensgehaltes    in   sich;    der    scotistische  Seelenbegriff   hingegen   schliesst   dieselbe    aus, 
*  Daher  muss  Duns  Scotus    das  Wesen    der    himmlischen  Seligkeit   der  Seele   specifisch  in 
die  Fruitio  setzen,  während  sie  Thomas  specifisch  und  primär  in  die  intellectuelle  Yisio 
setzt,   welche  echt  geistig    als   höchstgesteigerte    intellective  Thätigkeit  verstanden,    doch 
nur  in  der  continuirlichen  activen  ßeproduction    der    im  Lichte    der   göttlichen  Klarheit 
erkannten   Ideen   der   Dinge,    in  der  activen  geistigen  Reproduction    und    schöpferischen 
Nachbildung   alles   in  Gott  Erkannten  aus  der  innersten  Tiefe  der  in  Gott    eingerückten 
Seele    heraus  verstanden  werden    kann.     Was    aber    die    gottbeseligte  Seele   actuell    übt, 
muss  dem   Vermögen  nach  in   ihr  liegen;    sie  muss  demnach    eine  Tiefe,    und    in    dieser 
Tiefe  einen  Wesensgehalt  in  sich  schliessen,  der  sie  zur  intellectiven  Reproduction  alles 
Denkbaren  und  Wirklichen  aus  sich  heraus  befähiget ;  diess  ist  aber  nur  unter  der  Vor- 
aussetzung möglich,    dass  sie  gleich  Gott,    obschon  in  begränzter   Weise,    ein  lebendiges 
Totum,    oder  um  in   thomistischer  Weise   zu  sprechen,    eine    ihrer  Idee   nach   universelle 
Wesenheit  sei,  nur  dass  in  derselben  nicht  bloss,  wie  in  der  Thomistik  der  Fall  ist,  die 
intellective  Tendenz  zur  Apprehension  des  Universellen,  sondern  das  Universale  als  ein 
In  der  Seele  Wesendes  oder  die  Seele  als  wesendes  Universale,  d.  h.  der  Substanzo-ehalt 
der  Seele    ins  Auge  gefasst  werden    muss  —  ein  Gesichtspunkt,    welcher   sich   der  bloss 
auf    die    analytische    Zergliederung     der    Seelenvermögen    gerichteten    Betrachtung    der 
speculativen   Thomistik    völlig    entzogen    liTit.     Auch    hat    sie    die  ,Vermögen'    der    Seele 
nicht  aus  der  Idee   der  Seele    deducirt,    sondern    in  rein   empiristischer  AVeise   als   etwas 
an  der  Seele   Vorhandenes,   als  ,Accidenzen'  derselben   aufgewiesen,    wobei   es  selbstver- 
ständlich nicht  zu  einem  Eingehen  auf  das  Wesen    der  Seele  kommen   konnte,    vielmehr 
dieses  als  etwas  von  seinen  Accidenzen  Abgetrenntes   in  das  Dunkel   unerforschter  Ver- 
borgenheit zurücktrat.    Duns  Scotus,  welcher  , Vermögen'  und  ,Wesen'  der  Seele  in  eno-ere 
Verbindung   mit    einander  brachte,    schien    damit  wohl    auch    das   Ansichseiende    an   der 
Seele  näher  ans  Licht  ziehen  zu  wollen ;  aber  dieses  Ansichseiende  derselben  entzo»-  sich 
ihm  andererseits  wieder  durch  Abschwächung  des  geistigen  Gehaltes  des  Formcharakters 
der  Seele,    der    ihm    augenscheinlich    in    der  Thomistik  zu   naturalistisch  gefasst  zu  sein 
schien ;    indem    er    sie    zur  wahren  Selbstigkeit    ihres  Denkens  und  Wollens   zu  erheben 
trachtete,  beraubte    er  sie   des  von  ihm   nicht  geahnten  Yollgehaltes  dieser  Selbstigkeit, 
den  sie,  wie  Thomas  richtig  erkannte,    in  dieser  irdischen  Zeitlichkeit  allerdings  nur  in 
der  innigsten  Vereinigung  mit  der  ihr  eignenden  sinnlichen  Leiblichkeit.  d.  i.  als  plastisch 
bildendes  Formwesen,  zur  Erscheinung  bringen  kann.    Alle  Erscheinungen  auf  dem  Ge- 
biete  des  weltlichen  Culturlebens   geben   hiefür   Zeugniss;    Kunst,   Recht,    Staat,    sociale 
Bildungen  tragen  in  ihren  mannigfaltigst  modificirten  geschichtlichen  Erscheinungsarten  den 
Charakter  von  Verlelblichungen  ideeller  Seelenstrebungen  an  sich ;  die  irdisch-zeitlichen 
Culturideale   der  Menschheit    haben    ihre  Realität   nur   in    der,    der  geistig   appercipirten 
Idee    mehr   oder   weniger  congruirenden   Gestaltung    der  zeitlich- irdischen  Wirklichkeit, 
und  bekunden   hiemit    durch    sich   selber,    dass  das  absolute,   von  der  sinnlich  -  irdischen 
Erfahrungswelt  unabhängige  Ideal,  in  dessen  Verwirklichung  die  Seele  ihren  selbsteigenen 


oq.)  Kam.  Wkhneh. 

iinnuiiuMUOn    l.obeii!<golialt   vi.Ukoimuon   artualisiii.    .iusst>r   mi.l    illxr   .1<m-    /,.iili<lirii    Wirk 
lichkeit  liegt.   Has  soiiuT  Zrh  imiiiiiti>ll>ar   ikmIi    in   Aw   kiiclili.iu'n    riH'oli.oif  aulgoliondo 
mittelaltorliolio    l>i>nkt>n   kaimi.'   k.-in   aiuloivs  ( 'uliuii.l.Ml   al-   .lit>   siiili.li,-  Scil.stoostaltmi^- 
des    MtMischon    otlor    dio    l'.ililmig    d<>ssi'lb»Mi    /.um    ( 'liiistoii :     i;ing    iliiii    all.i     Id.'aloclialt, 
des    honkens    in    dt>r    auf    dio    Tdldimg   «los    MoiisiIkmi    /.mii    Cliiisti'n    gi'riilii.i<n     Tliiitig- 
koit    auf.    M)    konnten     ihm    die    ei>t    auf   (iruiul    d.r    diircligefillirten    idiristlirlicn    Sitli- 
gung  möglieh   goword«-nen   liildungsideale   nocli    ui.lii    Ins    l?o\vu.sstscin   treten;     als.,   ni.  In 
dasjeniirer    was    dor   Mi.gliehkeit    na.'li    in    drm    dunli     di.-    .Iirisili.h    liunianr    Sittigung 
umgebildeten   Mensi-h«>n   liegt.     Imgekidui   aber    niusste   das    sucrcssivc    1  lrr\nrtr((lcM    der 
auf  (-Jrund   dieser  Sittigung   vor  sich   gohondon  rulturthiUigkeit    notliwcndig   da/.u    liUiicn, 
auf  das   im   Menschen  «ler   Anlage    naeh   Liegende    zu    a.lvertiren,     und    sieh    auch    iler  in 
der  Culturarbeit    der   .Jahrhunderte   siidi    v.'rwirklichen.l.ii   Strel)e/i.le    als    angestaniMitcr 
Ziele     des     intellectivon     Mcnscidieltsdenkens     bewusst     zu     wenlen,     somit     auch     einen 
angestammten   Idealgehult  des   mcnschliehen   Denkens    anzuerkennen,    der    im   ^Vesen   .b-r 
menschliclien  Seele  als  subsistenter  lebendiger  ßildungsform   der  zeitlich-irdischen  Wirk- 
lichkeit  iiinterlegt  sein  muss,   weil  er  sich  sonst  im  Culturleben  der  gosittigten  Menschheit 
nicht    hätte    zum    Ausdruck    bringen    können,     in    <\\v>.t   Weise    also    nöthigte    die    fnrt- 
schreitende  Zeitbildung  zu  einer  tieferen  Fassung  des  aus  den  mittelalterlichen  Schulen 
überlieferten  Seelenbegriffes,  und  wir  nehmen  nicht  Anstand,   den   thoinistischen  Seel(>n- 
bcirriff   als    den    einer    solchen   Vertiefung    wirklich   fähigen    Begriff   zu    bezeichnen.     Lv 
wurde  in  seiner  Versetzung  mit  einem  empiristischen   Realismus  zum  Gegenstande  einer 
berechtigten  Kritik  durch  Duns  Scotus;  aber  diese  Kritik  hatte  zunächst  uml  unmittelbar 
nur  den   Werth  einer    berechtigten  Negation,    der  Andeutung    von  Mängeln    und   Unvoll- 
kommenheiten,  an    deren  Stelle  jedoch,    soweit   es   sich    um    tiefere  Fassung  des  Seelon- 
begriffes  handelte,  bei   Duns  Scotus  grössere   und  augenfälligere  traten. 

"^  Kehren  wir  zur  Memoria  zurück,  deren  völlig  unbefriedigende  Auffassung  von  Seite 
des  Duns  Scotus  wr  bereits  wiederholt  betont  haben.  Bei  Thomas  bedeutet  die  Memoria 
intelleetiva  äen  Intellectus  possibilis,  in  dessen  Gestalt  die  potentielle  Seeleninnerlichkeit 
wenigstens  einiger  Massen  zur  Anerkennung  gelangt.'  Duns  Scotus,  der  die  thomistische 
xVbscheidimg  des  Intellectus  possibilis  vom  Intellectus  agens  verwirft,  nimmt  die  intel- 
lective  Memoria  einfach  für  den  Intellect  selber;  und  da  dieser  zur  Erwerbung  von 
Erkenntnissen  der  concreten  Wirklichkeit  ausschliesslich  auf  die  Ei-fahrung  angewiesen 
ist,  so  ist  die  bei  Thomas  für  die  weitere  Fortbildung  seines  Seelenbegriftes  wenigstens 
als  möglich  offen  gelassene  Vertiefung  des  Seelenwesens  in  sich  selbst  zur  Erhebung 
eines  tiefer  dringenden  Verständnisses  der  gegenständlichen  AVirklichkeit  in  der  scoti- 
stischen  Doctrin  unbedingt  ausgeschlossen,  also  der  peripatetischo  Seelenbegriff  in 
speculativer  Beziehung  völlig  steril  gemacht.  Ohne  eine  vom  Intellecte  als  solchem 
imterschiedene  Memoria  der  Seele  gibt  es  keine  Vertiefung  des  Seelenwesens  in  sich 
selbst,  also  auch  keine  Erhebung  eines  tieferen  Verständnisses  der  Dinge  aus  der  Tiefe 
der  Seele.  Thomas  supplirt  den  in  dieser  Beziehung  zu  bemängelnden  Defect  seines 
Seelenbegriffes  dadurch,  dass  er  den  animis  separatis  Species  früher  ungekannter  Dinge 
durch  Gott  eingeströmt  werden  lässt;'  es  ist  diess  eine  Anschauungsweise,  die  später,  da 


'  Intellectus  possibilis  est,  quo  est  omnia  fieri.  1   qu.  79,  art.   7. 
»  1  qu.  89,  artt.  -1  n.  7. 


Die  Psychologie  und  Ekkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  iScotus.  393 

man  die  eigenartige  tliomistische  Auseinanderlialtung  diesseitigen  und  jenseitigen  Erkennens 
fallen  Hess,  in  die  Lelire  von  den  angebornen  Ideen  umgebildet  wurde.   Die  Opposition 
welche  Duns  Scotus  gegen  die  von  Thomas  als  möglich    zugelassene  Einströmung  neuer 
Species  in  die  vom  Leibe   geschiedenen  Seelen  erhebt,'    stützt  sich  auf   die  Verwert'uno- 
der  thomistischen  Auffassung    des  Intellectus    possibilis    oder  jener    potentiellen  Seelen- 

iunerlichkeit,   deren  productives  Bildungsvermögen  Thomas  freilich  noch  nicht  kennt  ■ 

und  überträgt  den  Empirismus  des  zeitlich-irdischen  Erkennens  aucJi  in  das  Sein  der 
vom  Leibe  abgeschiedenen  Seele."  Demzufolge  dürfen  wir  uns  nicht  wundern  wenn 
auch  der  Seligkeitsstand  der  Seele  nicht  als  ein  geistiges  Schöpfen  aus  der  Tiefe  Gottes 
oder  was  damit  gleichbedeutend  ist,  aus  der  innersten  Tiefe  der  in  Gott  eingerückten 
Seele  erkannt  wird.  Noch  weniger  erscheint  er,  worin  doch  eigentlich  das  Wesen  des 
seligen  Seins  gipfeln  muss,  als  ungehemmtes  geistiges  Nachbilden  des  freischöpferischen 
göttlichen  Wirkens  aus  der  Tiefe  eines  zum  absoluten  Freisein  erhobenen  Selbstseins. 
Dass  Duns  Scotus  trotz  seiner  Betonung  des  Freiseins  als  specifischer  Wesensform  des 
intellectiven  Seelenwesens  diesen  Gedanken  des  Seligseins  nicht  zu  erreichen  vermochte 
mag  eben  wieder  zum  Belege  dafür  dienen,  dass  ihm  der  Vollbegriff  des  activen  Seelen- 
wesens völlig  abging;  er  lässt  das  Seligsein  in  der  absoluten  Relation  zu  (iott  aufgehen, 
und  setzt  das  Wesen  desselben  in  den  Actus  fruitionis,  den  er  als  Act  des  reinsten  in 
Gott  vollkommen  geklärten  Liebewillens,  des  zum  reinsten  Wollen  vergeistigten  Seelen- 
begehrens fasst.  Damit  ist  aber  im  Grunde  nichts  anderes  gesagt,  als  dass  der  Seligkeits- 
stand unserem  Denken  und  Begreifen  vollkommen  entrückt  ist,  und  dass  wir  von  dem- 
selben keine  andere  Vorstellung,  als  jene  unserer  absoluten  übersittlichen  Vollendung 
haben.  Dass  dieser  übersittliche  Vollendungsstand  in  der  ungehemmten  activen  Heraus- 
setzung alles  Besten  und  Höchsten,  was  der  zeitliche  Erdenmensch  in  seinem  auf  das 
Ewige  gerichteten  Denken  und  Wollen  anstrebt,  bestehen  müsse,  dass  der  Act  dieser 
ungehemmten  Heraussetzung  auf  Alles,  was  der  Gesammtgeist  der  Menschheit  in  jedem 
Einzelnen  und  der  Einzelne  in  seiner  solidarischen  Verschlungenheit  mit  der  Gesammtheit 
als  Höchstes  anstrebt,  sich  beziehen  müsse,  ist  ein  dem  Duns  Scotus  fremder  Gedanke  und 
diess  um  so  mehr,  da  sein  Grundbegriff  von  Gott  als  dem  unendlichen  Sein  eine  absolute 
Ueberwältigung  des  menschlichen  Intellectes  in  der  Vereinigung  der  Seele  mit  Gott 
involvirt,  die  nur  das  entzückte  Gefühl  des  individuellen  Beglücktseins  übrig  lässt,  mög- 
licher Weise  aber  auch  ein  seliges  Ersterben  und  Untergehen  im  Unendlichen  bedeuten 
könnte.  In  der  That  ist  Duns  Scotus  redlich  genug  zu  bekennen,  dass  von  seinem  Denk- 
standpunkte aus  der  Gedanke  des  Seligseins  in  Gott  durch  si-ch  selber  nicht  auch  schon 
eine  ewige  Dauer  des  Seligseins  involvire;^  womit  wohl  nichts  anderes  gesagt  ist,  als 
dass  Duns  Scotus  zum  Gedanken  des  ewigen  Geistes  sich  nicht  erhoben  habe.  Von 
Thomas  darf  man  sagen,  dass  er  den  Gedanken  des  ewigen  Seins  in  Gott  erfasst  habe 
welches  er  die  Seele  in  der  intellectuellen  Apprehension  der  göttlichen  Wesenheit 
ergreifen  lässt;  gleichwohl  bringt  es  der  Charakter  seiner  vorwiegend  gegenständliclien 
Denkauffassung  mit  sich,    dass  auch  er   das  Wesen    des    Seligseins    nur    nach    dem    ver- 

'  2  dist.  2,  quaestt.   10  et  11   (Op.   Oxon.)  —  -i  dist.   45,  qu.  2   (Dp.  Paris.) 

-  Potest  intellectus  separatus  intuitivam  notitiam  acquirere  a  rebus  extra.  Non  est  minus  proportiouata  res  ut  existens  est 
intelleetui  separato  quam  sit  quidditas  ejus.  Unde  credo,  quod  oranium  illorum,  quae  sunt  sibi  propinqua  in  proportionata 
distantia,  potest  intelligere,  non  autem  illa,  quae  sunt  in  distantia  non  proportionata  intelleetui  separato.    4  dist.  45,  qu.   2. 

3  Unde    igitur   haec   perpetuitas?    Dico    quod    sola   causa  est  Toluntas  divina,  quae  sicut  disposuit   hominem    beatificare  ultima 
perfeetione  intensiva,  ita  et  ultima  perfectione  extensiva.   4  dist.   49,  qu.   .')   (Op.  Paris.). 
Denkschriften  der  phil.-Wst.  Cl.  XXVI.  Bd.  5q 


394  Kahl  Wkiiskk 

ui"sacliciuU'n  (u-'joMstiuitli'  ilfssellien   zu   bi-siiiiiimn   wci».    Kr  setzt   ilus   Wivscii   des  S(<liir- 
scins    in    <lii"    l'iMla     \isio.     dii'    cv    alU'nliiiü;.«*    als    Art    lU's   scliainiulin   Sul)'n'rtos   in   liiici 
liöchstgesieigortfu.  absolut   voUomloten   iiitelUH-tivoii    TliiilijrktMl  «lesscllicn    iKshlun    l;is>i. 
Abor    ilen    Inhalt    uiul   N'ullgi'lialt    ilicser    Tliätinkoit    weiss    er  cbcii    so    wcni-^   als    Itiins 
Scotus    unzUiTi'l»«'».     >">'l    zwar    aus    dein   («runde,     weil    er    das   Seiiffsein    iiiclil    wie   Duns 
Seotus    als    libersittlichen    Nidlenduuiisstand     tasst.     «lessen    Wesen     in     iler    aeliveii     uiil-c- 
lieunnttMi   l'roduction  alles   im   zeitlieh    uMvolleMd.ieii    Menscliensein  un';;osti<lniii  ivhdsli'n 
und    Höehsten    Itesteht.     Thoinas    i<;c\\\    .lavun    aus.     da--     dir    iiili'll.'.iivc   Seele   als    reines 
Formwescn    und    universelle   Kssenz    aul'    das   L'nivcrsidlste    •^elu",    und    nur   in   lebendiger 
Kr-rroit'unsr  d»>sselben   ihre  absolute   lJet"riedi<,ning    linden   könne.     Diess    ist    «^auz    liehlig. 
aber  es   ist   nicht  Alles:  sie  nuiss  als   lebendis^es  Sein   sich   sidbsi   in    jenetn   hö(disten   und 
universalsten   Sein   fassen    und   ergreifen,    und    in   «ler   |MMii('iuirlitli    a<'ilvi'ii    I  Icraussctzung 
des  durch    jene   Krgreifung  Errungenen   aus   der  Tiefe   ihres  Selbst   iiesiclii    ihr  Seli^sem, 
ilas  zufolge  ihrer  Kinrückung   in   ihren  absoluten  Lebi-nsgrund  endlos  und  ewig  sein  luuss. 
l>er   Meinuniisgegensatz  zwischen   Scotus   und  Thomas    in   DetrclV  der  Seligkeil    fidirl 
uns  auf  das  Ciebiet  der  Thcleiuatologle  hinüber.    Thonuis  sieht  das  absolute  Objcct  des 
menschlichen  Begehrens  schlechthin  ausserhalb  der  Seele;  es  ist   kein   geringeres  als  Gott 
selber.    Duns  Scotus  kann   diess   nicht    in    Abrede  stellen,  gibt  aixr   ni<ht  zu.   dass  dieses 
absolute  Ziel  im  intellectiven  Anschauen  ergrüYen  wird,  weil  es  ihm  unfassbar  ist,  dass 
hiedurch  Gott    der  Seele    sollte    zu    eigen    w-erden    können:    also  nuiss  das  absolute  Ziel 
mittelst  des  Willens  ergriffen  werden,  und  die  absolute  Erreichung  desselben  mus.s  sich 
in  einer  Weise  vollziehen,  zufolge  welcher  das  Object  des  Begehrens  der  Seele  innerli«  ii 
eio-en  wird.     Diess    ist   die  Charitas  als  absolute  Vollendung  des    sittlichen  Willens,    die 
zugleich    beweist,    dass    das    menschliche  Begehren    auch    ein    immanentes  höchstes  Ziel 
seiner  Strebethätigkeit   habe,    nämlich    seine    eigene  Vollkommenheit.     Diesen    Punkt    zu 
betonen,  liegt  vollkommen  im  Geiste  der  scotistischen  Doctrin;  je  weniger  Gott  in  seiner 
objectiven  unendlichen  Realität  der  Seele  zu  eigen  werden  kann,    desto    mehr   muss  die 
Befriedigung   in    dem  Besitze    der  höchsten   Willensvollkommenheit  gesucht  werden,    die 
mit    o-öttlicher  Hilfe    erreicht    werden    kann.     Unter    diesem    vollkommenen  Willen    kann 
selbstverständlich  nur  der  freie  sittliche  Wille  verstanden   werden,  der  sich  aber  frcilieli 
unter  der  Hand  in  einen  affectiven  Willen  umsetzt,  weil  er  nur  unter  dieser  Gestalt  und 
Fassung  die  Charitas    zur   lebendigen  Form    haben  kann.     Erleichtert  wird  Scotus  diese 
Umsetzung  dadurch,  dass  er  die  Vermögen  der  Seele  in  einen  engeren  Connex  mit  dem 
Wesen  der  Seele  bringt  als.  Thomas,  und  demnach  in  der  Charitas  die  Seele  selber  unter 
der  Formbestimmtheit  des  vollkommenen  sittlichen  Willens  erkennt.  Da  aber  der  Liebe- 
wille ein  freier  ^Ville  ist,  so  muss  er  durch  Gründe    bestimmt  sein:     als    solche  Gründe 
erkennt  Duns  Scotus  diese,    dass  Gott  an  sich  und  auch  für  uns    das    höchste    und    voll- 
kommenste Gut    ist.     Von    einem    angebornen    instinctiven  Zuge    der  menschlichen  Seele 
zu  Gott  als  ihrem    absoluten    Objecte    weiss   Duns  Scotus  nichts-,     er   kann    daher   auch 
das  Wesen  der  Seligkeit  nicht  mit  Thomas  in  die  beata  visio  als  solche  setzen,  die  ihm 
nur  die  causa  materialis  der  Seligkeit  ist,  stimmt  aber  mit  Thomas  darin  überein,    dass 
das  Seligsein  wesentlich  im  Thätigsein  bestehe,    sofern  die   Vereinigung  mit  dem  selig- 
machenden   absoluten   Gute    ohne    eine    solche  Thätigkeit    sich    nicht    vollziehen    lasse.' 

1  Quilibet  actas  primus   ordinatur   ad   attiiifreiidum  srnun  finem  Optimum   per  operationcm  tanquam  per  medium   finem,    et  sie 
sequitur,  quod  Ijeatitudo  sit  in  operatione,  sive  quod  sit  per  operationem.  4  dist.  49,  qu.  2   (Dp.  Paris.). 


Die  Psychologie  unu  Ekkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  395 

Nur  lässt  uns  Duns  Scotus  darüber  im  Unklaren,  wie  wir  uns  diese  Thätigkeit  denken 
sollen.  Die  Fruitio,  die  nach  ilim  das  förmliche  Esse  der  Seligkeit  constituirt,  ist  ihrem 
Wesen  nach  etwas  Affectives;  die  Affection  als  Innewerden  seliger  Befriedigung  setzt 
aber  die  Vereinigung  mit  dem  seligmachendcn  Objccte  als  etwas  bereits  Vollzogenes 
voraus,  und  ist  die  aus  dem  erlangten  Besitze  des  beseligenden  Objectes  resultirende 
Stimmung  oder  Disposition  des  Innern.  Das  Thätige  oder  AVirkende  in  Hervorbringung 
dieser  Disposition  kann  doch  nur  Gott  als  objectum  beatificum  sein.  Die  Thätigkeit  des 
Beseligten  aber  muss  sich  zur  seligmachenden  Thätigkeit  Gottes  als  etwas  Nachfolgendes 
verhalten,  und  kann  keinen  anderen  Inhalt,  als  den  einer  continuirlichen  lebendigen 
Auswirkung  des  durch  Gott  bewirkten  Seligkeitsstandes  haben.  Von  einem  derartigen 
Thätigsein  weiss  indess  Duns  Scotus  nichts;  er  weiss  nur  von  einer  Thätigkeit,  durch 
welche  die  Seligkeit  erworben  wird,  und  welche  nach  Erwerbung  derselben  allerdings 
fortgesetzt  wird,  aber  vor  und  nachher  nur  in  der  Auswirkung  einer  bestimmten  geistigen 
Lebensstimmung  und  "Willensdisposition  besteht,  die  den  Menschen  der  Vereinigung  mit 
dem  summum  bonum  werth  macht.  Aber  eben,  weil  sie  des  Seligseins  nur  werth  macht, 
setzt  sie  einen,  von  dem  des  Seligseins  Würdigen  verschiedenen  Verleiher  des  Seligseins 
voraus,  es  wäre  denn,  dass  Dims  Scotus  in  der  erworbenen  Güte  des  sittlichen  Willens 
selber  schon  den  absoluten  Lohn  desselben  erkennen  wollte,  was  er  aber  selbstverständlich 
nicht  zugibt  und  nicht  zugeben  kann.  Eine  active  Aneignung  des  durch  die  sittliche 
Willensffüte  verdienten  absoluten  Gutes  kann,  wie  Thomas  mit  Recht  hervorhebt,  nur 
durch  einen  intellectiven  Act  vollzogen  werden;'  und  er  ist  der  scotistischen  Doctrin 
gegenüber  absolut  im  Rechte,  wenn  er  die  intellective  Apprehension  Gottes  als  die  das 
Seligsein  begründende  Selbstthat  des  Menschen  bezeichnet.  Nur  macht  diese  That  nicht 
das  Seligsein  des  Menschen  selber  aus;  das  Seligsein  als  solches  besteht  im  ungehemmten 
Schäften  und  Wirken  der  durch  die  intellective  Apprehension  der  absoluten  Realität  in 
den  Mittelpunkt  ihres  Seins  und  Wirkens  versetzten  Seele.  Die  absolute  Innerung  des 
intellectiv  apprehendirten  Gutes,  worin  Thomas  das  Esse  der  Seligkeit  setzt,  begründet 
wohl  das  Seligsein,  macht  aber  nicht  das  Wesen  derselben  aus,  welches  doch  wohl  nur 
in  der  activen  Auswirkung  des  gottgesetzten  Seligkeitsstandes  bestehen  kann.  An  die 
Stelle  des  Thätigseins  also,  in  welchem  sowohl  Thomas  als  auch  Scotus  ein  wesentliches 
Moment  des  SeligkeitsbegriÜ'es  erkannten,  hat  das  Selbstwirken  als  charakteristische 
Begriftsbestimmung  des  Seligseins  zu  treten;  dieses  Selbstwirken  setzt  aber  einen 
immanenten  Wesensgehalt  der  Seele  voraus ,  der  bei  den  rein  gegenständlichen 
Beziehungen,  unter  welchen  die  peripatetische  Scholastik  die  intellectiven  Seelenthätig- 
keiten  auffasste,  nicht  zur  Geltung  gelangen  konnte.  Daraus  erklärt  sich  auch,  wesshalb 
Thomas  und  Duns  Scotus,  trotzdem  dass  Beide  das  Thätigsein  als  ein  wesentliches 
Moment  des  Seligseins  ansahen,  den  Seligkeitsstand  doch  thatsächlich  nur  von  Seite  des 
in  ihm  statthabenden  Empfangens  und  Erfahrens  darstellen,  sei  es,  dass  er  bei  Thomas 
als    der    Zustand    des    in    der    Anschauung    der    ewigen    Wahrheit    absolut    befriedigten 


Vgl.  Thom.  Aq.  'J,  1.  qu.  ä,  art.  4:  Oportet  aliiiuitl  aliud  esse  quam  actum  volmitatis,  per  quoj  tit  linis  ipse  praesens 
voluntati.  Et  hoc  manifeste  apparet  circa  fines  sensibiles.  Si  enim  consequi  pecuniam  esset  per  actum  voluntatis,  statim  a 
principio  cupidus  cousecutus  esset  pecuniam,  qnando  vult  eam  habere;  sed  a  principio  quidem  est  absens  ei,  consequitur 
autem  ipsam  per  hoc,  quod  manu  ipsam  apprehendit,  vel  aliquo  hujusmodi,  et  tunc  jam  delectatur  in  pecunia  habita.  Sic 
igitur  et  circa  intelligibilera  finem  contingit.  Die  augenfällige  Verwandtschaft  des  von  Thomas  gebrauchten  Argumentes  ad 
homiuem  mit  jenem,  welclies  Kant  in  seiner  Kritik  des  ontologischen  Beweises  für  Gottes  Dasein  in  Anwendung  brachte, 
braucht  nicht  erst  ausdrücklich  benicrklich  gemacht  zu   werden. 

50* 


Oq»J  l\»Ul.   WkliNKK. 

intc'lK'ftivfii   liogchioius,    i-ilcr   wii-    lu-i    1  »uns  Scotus  ;ils   icMiisti'   iiinl    ••fklartosto  (lOiiifUlis- 
uiul   WilK'iis/.ustiindlicIikoil  f^ofasst    wonlr.      Tliomas    liai    abor   vor  Scotus    voraus,     dass   or 
.las  8eli''siMn   als   reales   KrjfivilVn    .Icr  al>s..luu'n    W  irklii'iikcjit    /u    crwris.'ii     \cnna-:    nur 
ilass  CS   Ihm   iliiu   völlig  in   <1imi   ( ii>(laiik(>ii   tlos   KrgrilVonsiMus   von   ili-r  ahsniuicii  W  irkiiili- 
keit  uniscliliiirt.    hasjonigo.   w.i.lunli   «lit«  absolute   Wirklii-likeit   aetiv   im   henken   ergrilVen 
wird,   ist  tliM-  Cioist,  tlas  aetive  Denk-   un.l  \Villensj,rimi|>   im  Mensehen,  «l.r  .lie  im   intol- 
leetiven  Seliatien  apprehcmlirte  absolute  Wirklielikeil   .hulureh   sieh   /u   ei-^nsn   maeiil,  das« 
er  .len   LTesammten    Wescnsgehalt   der  Seele   in   di.-   dem   erreieliten  Siau.le   d.'r  \  .dhuduiii;- 
adii.juirto  Seins-    und    i.cbenst'onn    umbildet,     un.l    sieh    als    solbsl,iges    i'rin.ij.,    als    ^oU- 
nachalimenden    Sehöiiter    seiner    eigenen,     in    Gott    ergrilVenen    Dasoinswirkliehkoit    .setzt. 
Thomas    bleibt    beim    Sehauen    Gottes    stehen,    verfolgt    also    die    Kntwiekelung   des  sein 
absolutes    Ziel    anstrebenden    .Mensehen     nur    bis    dahin,     wo    der    M.mient    des     aclivcn 
Krii-reifens  der  absoluten    W  irkli.  hkeit   eintritt;   diesen     \.  i    lilsst  or  den(ieisl    iil.lit    nulii' 
vollziehen,  weil  er  .lie    Idee  *les  Geistes  selbst  noch  nicht  hat.  Uebrigens  stellt   cm-  einen 
in  seiner  Art  erhabensten   und  reinsten  ßegrit!'  des  Seligseins  uul",   Avenn  er  dasselbe  als 
absolute   BetVie.ligum,'-  des   instinctivcn   Urzuges  der  Seele  zum  Göttlichen  auffasst.    Duns 
Seotus  substituirt  diesem  Urzuge  ein  Dictamen  der  Syiideresis,  die  er  gleich  Thomas  als 
einen  der  Seele  ihrer  Natur  nach  eignenden  Habitus  princi]ii<>runi  ])taetieoruin    aulTasst. 
Die    unmittelbare    Evidenz    des  Dictamen    practicum:    Summuni    bonum    est    diJigcndum, 
macht  nach    scotistischer  Ansehaiunigsweise   jenen    instinctivcn   Urzug    ilbcrflüssig,    weist 
aber  zutolo-e  der  Nichtanerkennung  oder  Nichtbeachtung  desselben'   freilich  nur  aul'  die 
l'erfection  des  sittlichen  ^Villens  als  höchstes  Strebeziel  hin;  der  tiefwahre  Gedanke  der 
thomistischen  Anschauungsweise,    dass    eben    erst   in  Folge  der    intellectiven  Ergreifung 
des  Höchsten  in  seiner  vollendeten  Realität    auch    der  sittliche  Wille    in    seine    absolute 
Perfection  einrücken  könne,  kommt  da  nicht  zu  seinem  Rechte.  In  erkonntnisstheoretischcr 
Heziehuncr  hat  die  scotistische  Ablehnung  des  intellectiven  Zusammenschlusses  der  Seele 
mit  Gott  als  primären  Momentes  im  Acte  der  seelischen  Selbstvollendung  die  Bedeutung 
der  Zerreissung  des  letzten,  höchsten  Haltes  einer  speculativen  Erkennbarkeit  der  Dinge; 
Gott  wird  nicht  als  das  Urwahre,  sondern  als  das  urnothwendige  Beste  begehrt,  und   im 
Erlangen  dieses  findet  die  Seele  ihre  absolute  Befriedigung. 

Zufolge  seiner  Anerkennung  eines  instinctiven  Urzuges  der  Seele  zu  Gott  als  abso- 
lutem Complemente  ihrer  selbst  muss  Thomas  zwischen  einem  nothwendigen  und  freien 
Wollen  der  Seele  unterscheiden;  er  nennt  jenes  nothwendige  Wollen  das  natürliche 
Wollen  der  Seele,  als  dessen  Ziel  er  die  Seligkeit  bezeichnet.  Natürlich  meint  er  damit 
nur  das  bewusste  Ziel  des  natürlichen  Wollens;  denn  das  in  diesem  Wollen  eigentlich, 
obschon  unbewusster  Weise  begehrte  Ubject  ist  Gott  als  die  absolut  beglückende 
Realität.  Für  Thomas  tritt  dieses  unbcwusst  in  der  Seele  vorhandene  Begehren,  der 
instinctive  Urzug  der  Seele  in  dem  Grade  hinter  das  bewusste  naturnothwendige  Be- 
gehren der  Seele  zurück,  als  er  das  Wesen  der  Seele  hinter  die  Potenzen  derselben 
zurücktreten  lässt;    sonst  hätte  er  wohl  sagen  müssen,  dass  das  Object  des  intellectiven 


1  Dans  Scotus  spriclit  nicht  von  einem  Vr/Mg,  sondern  bloss  von  einer  Käliigkeit  ilcr  Seele,  Gott  zu  lieben,  ilie  ilim  aber 
nicht  Gegenstand  eines  natürlichen  Erkennensist:  Potentia  habendi  charitatem,  ut  est  dispositio  respectu  Dei  in  se  sub 
propria  ratione  amandi.  convenit  natnrae  hominis  secundum  rationem  specialem,  non  communcm  sibi  et  sensibilibus:  et  ideo 
non  est  illa  potentialitas  naturaliter  cognoscibilis  de  homine,  sicut  ncc  homo  cognoscitur  sub  illa  ratione,  sab  qua  est  ejus 
haec  potentia.  Op.  Oxon.  Prolog.,  qu.  1. 


ÜIE  PsYCUOLOGlE  UND  EkKENNTNISSLEHRE  DES  JoHANNES   DuNS  ScOTCS.  397 

Willens  der  Seele  Gott  sei,   und  dass  die  siuli   selbst  zutiefst   ergründende  Seele  ilm   als 
absolutes  Objeet  ihres  Begebrens  finde.     Dieses  Begehren  kann  aber  dann  weiter  wieder 
nur  als  Reflex  eines  der  Seele  immanenten  Urwillens  begriffen  werden,  kraft  dessen  sie 
sich  selbst,  ihr  eigenes  Sein  und  Leben  absolut  und  vollkommen  auswirken  will,  was  sie 
aber  nur  dann  vermag,  wenn  sie  in  ihren  absoluten  Ort  eingerückt  ist;   darum  postulirt 
sie  naturnothwendig  jenen  Ort,  und  der  instinctive  Urzug  zum  Göttlichen  ist  die  Form 
in    welcher    sich    dieses  Postulat    als    urhaftes    Begehren    der    Seele    vernehmlich    macht. 
Damit   werden  wir    nun    aus    der  Eegion    des  Erkennens    und  der    cognoscitiven  TJiätig- 
keiten,    in   welcher    sich    die    dem    absoluten   Ziele    der  Seele    zugewendete    thomistische 
Doctrin  bewegt,    auf  jene  des  Triebes  und  Willens  hinübergelenkt,    in  welcher   die   den 
intellectiven  Trieb    zurückdrängende    scotistische  Doctrin  Wurzel   zu  fassen  suchte,    ohne 
indess  den   Seelengrund,    aus   dessen  Tiefe  heraus  das  Streben   der  Seele   nach  absoluter 
'Vollendung  zu  begreifen  gewesen  wäre,    wirklich    zu   erreichen.     Es   gelingt    ihm   nicht, 
den  Urwillen  der  Seele  zu  erreichen;  und  da  er  das  von  Augustinus  und  Thomas  urgirte 
Begehren  nach  Seligkeit  oder  sogenannte  natürliche  Wollen  nicht  als  Wollen  im  eigent- 
lichen Sinne  oder  selbstiges  Wollen  gelten  lässt,'  so  bleibt  ihm  nur  das  sogenannte  freie 
Wollen  als  wahres  und  eigentliches  Wollen  übrig,  das  seine  Perfection  in  der  sittlichen  Güte 
findet,   und    aus  seinem  Yerhältniss  zum   sittlichen  Gewissen   des  Menschen  zu   beo-reifen 
ist.   Wenn  er  sich  dazu  versteht,  den  AVillen  im  weiteren  Sinne  zu  nehmen,  wornach  der- 
selbe auch  das  natürliche  Begehren  der  Seele  in  sich  schliesst,  so  geschieht  diess  zu  dem 
Ende,  seine  Doctrin  vom  Ens  in  communi  als  Objeet  der  intellectiven  Seele  auch  in  Bezug 
auf  die  intellective  Willenspotenz  in  Anwendung  zu  bringen,^  wodurch  der  Wille  im  Voraus 
schon  in  ein  freieres  Yerhältniss  zur  gegebenen  Wirklichkeit  gestellt  wird,^  als  es  da  der 
Fall  ist,  wo,  wie  in  der  thomistischen  Doctrin,  die  sinnlich-irdische  Wirklichkeit  als  das 
dem  menschlichen  Intellecte  appropriirte  Objeet  aufgefasst,  und  desshalb  die  Wahlfreiheit 
der  Sache  nach  von  dem  intellectiven  Vermögen  eines  abwägenden  Vergleichens  zwischen 
mehreren   das  Begehren  sollicitirenden  Objecten    abhängig   gemacht  wird.*     Die  Grund- 
betonung des  freien  Willens  in  der  scotistisclien  Doctrin  bringt  es  ferner  mit  sich    dass 
der  Seligkeitsstand    vornehmlich    von    der  Seite    eines  Freundschaftsverhältnisses    gefasst 
wird,  sofern  eben  die  Charitas  als  die  geklärte -und  vollendete  Form  des  freien  Wollens 
gefasst  wird.     Hiebei  kommt  er  aber  in  die  Lage,    die    reine  Liebe  zu  Gott    um   seiner 
selbst  willen  (amor  amicitiae)  mit  dem  unabweislichen  Begehren  Gottes  als  des  für  den 
Menschen  unentbehrlichen  höchsten  Gutes  (amor  concupiscentiae)  ausgleichen  zu  sollen.  Für 
Thomas,  der  das  Wesen  der  Seligkeit  in  eine  höchste  Befriedigung  des  Intellectes  setzt, 
ist  das  Bedüi-fniss  einer  solchen  Ausgleichung  nicht  vorhanden;  denn  das  eudämonistische 
Zweckprincip  ist  hier  schon  unmittelbar  mit  dem  Vollkommenheitsprincipe  ausgeglichen, 

» 

1  Nach  Duns  Scotus  muss  man  zwischen  Wollen  und  Begehreu  untersclielden :  Volunfas  tantum  ut  lil.era  Ojipratui-,  quia,  ut 
recipit,  nullum  actum  secundum  habet,  nee,  aliquem  actum  elicitum  potest  habere  ut  natura  h.  e.  ut  tantum  apj.etitus,  sed 
tantum  habet  inclinationem  naturalem,  et  non  ducit,  sed  ducitur.     2  dist.  39  (Op.  Paris.). 

2  Vg-1.  1  dist.  1,  qu.  1 :  Objectum  potentiae  fruentis  est  ens  ia  communi  ....  Potentia,  quac  inclinatur  ad  multa  objecta 
per  se,  non  quietatur  in  aliquo  perfecte,  nisi  iUud  includat  orauia  per  se  objecta,  quantum  possunt  iucludi  in  aliquo  uuo  ; 
sed  potentia  fruens  inclinatur  ad  omue  ens,  sicut  ad  per  se  objecta;  ergo  non  quietatur  in  aliquo  uno  ente,  nisi  illud  includat 
omnia  entia,  quantum  possunt  iucludi  in  aliquo  uno.     Possunt  autem  tantum  perfectissime  includi  in  uno  ente  infinito. 

3  Non  velle  negative  potest  habere  respectu  cujuscunque  objecti.     2  dist.  :i9  (Op.  Paris.1. 

■>  Vgl.  Thom.  Aq.  1  qu.  82,  art.  2 :  Vis  sensitiva  non  est  collativa  diversorum  sicut  ratio,  sed  simj.liciter  aliquid  unum  appre- 
hendit;  et  ideo  secundum  illud  unum  determinate  raovet  appetitum  sensitivum.  Sed  ratio  est  collativa  plurium:  et  ideo  ex 
pluribus  moveri  potest  appetitus  intelleetivus,  seil,  voluutas,  et  non  e.\  uno  e.t  necessitate. 


39S  Kaiü.  Wkhskk. 

uiiil  tli'in  vim  l'lmmas  iimiiiiwuiiilcn  aus<;t«sj)ri)clu'Mfii  sitiliilicii  iMKlitiiiuiiisimis  iliin  h  di'ssi'ii 
absoluto  Vcrgeistig'uuij  joilor  Si-Iiatton  von  8i>lbstis»'lniii  \\ Cscn  al>«f('stifiri.  Iinns  Scotus 
rt'ttol  ilii'  iviiif  (ii'istigkrit  «los  S<'li<jkiMtsl»(«irrirtVs  (lailiiicli,  ihiss  ti-  das  \\  <s(ii  dci- S<liu- 
koit  in  den  Aiiu>r  amicitiao  st't/.t.  l>amit  lilsst  sirli  iiidoss  die  Tliatsm  lic  iiirlit  licst-itiircii. 
liass  in  der  Sfliirk<Mt  aiuli  iUm- Amor  «oin'ujiiscpntiao  soiiic  al>s<diilc  l'>(^^^i(•dif^■uIlir  (indct; 
und  eben  m>  wenig  die  l'\>lgeriini;'  abweisen,  dass,  wenn  tlor  Amur  aniicitiac  die  lalio 
fonnalis  dos  Soligsoins  eonstituiit.  iln-  im  Sidigsein  /iigbMeli  initbetViedigtc  Amm  cim- 
eupiscentiae  al.'«  die  eausa  inatorialis  des  a»'tus  beatitiidinis  mit/ndoidvon  isi.  I  >ims  Scotus 
sehoint  allenlings  »lein  Amor  eoiu-upiseentiae  jedes  Recht  auf  absohito  HelViedigung  /.u 
enf/ielien.  wenn  er  die  l*«>r|iettiitiit  als  nicht  zum  \Vesen  des  Seligseins  gediitrig  be/ciclmet; 
damit  ist  aber  nicht  der  l  instand  beseitiget,  dass,  so  lange  das  Scligsein  wiilirl.  in  (h.'in- 
selbon  der  Amor  coneupiscentiae  seine  höiiiste  Belriedigung  findet.  Diese  1k1  1  »uns  Scotus 
in  so  auftallender  ^Veise  hervortretende  Schwierigkeit,  beide  Allen  von  l.irlic  lianihuiisidi 
mit  einander  zu  vermitteln,  hat  ihren  (irund  primär  darin,  dass  ihm.  trotz  seiner  l>e- 
tonung  des  Willens,  die  Idee  der  mensehliidien  Sellistigkejt  abgelit.  aus  welehei-  die 
sittliche  ßerechtinung  des  der  menschlichen  Seele  untiltibai'  einiresenktcn  lietichreiis  nach 
Glückseligkeit  zu  deduciren  ist;  weiter  aber  in  der  ungebührlichen  Herabdniekung  (b-i- 
Bedeutung  des  theoretischen  Intellectes,  in  dessen  absoluter  Befriedigung,  wie  wir  saln  n. 
Thomas  das  Wesen  des  Seligseins  erkennt.  Duns  Scotus  setzt  sieh  mit  Thomas  umständ- 
lich auseinander  über  den  ^  oirang  des  Willens  vor  dem  Intellecte,'  gegenüber  dem  von 
Thomas"  behaupteten  Vorrange  des  Intellectes:  er  geht  aber  nicht  auf  den  Urwillen  der 
intellectiven  Seele  zurück,  die  Gott  als  das  absolute  Complenient  ihres  Seins  und  Lebens 
wollen  muss,  und  so  kann  es  ihm  denn  auch  nicht  gelingen,  weder  die  von  ihm  urgirte 
tiefstgehende  Bedeutung  des  intellectiven  Seelenwillens  zu  erweisen,  noch  auch  das  von 
Thomas  betonte  Moment  der  Intellectivität  in  allem  wahren  und  richtigen  Wollen  zu 
würdigen.  Es  ist  gewiss  sehr  wahr,  wenn  Duns  Scotus  urgirt,  dass  die  Seele  Gott  als 
das  absolute  Gut  um  seiner  selbst  willen  wollen  müsse,  und  dass  in  der  vollkommenen 
Actualität  dieses  AVollens  ihre  selbsteigene  sittliche  Vollendung  bestehe;  eben  so  wahr 
aber  ist  andererseits,  dass  Gott  das  absolute  Gut  der  Seele  in  Kraft  der  absoluten  Geistig- 
keit seines  Wesens  ist,  und  dass  die  Seele  nur  insofern  und  in  dem  Grade,  als  sie  ilir 
Dasein  und  Leben  im  Elemente  der  absoluten  Geistigkeit  gefasst  hat,  vollkommen  und 
selig  ist.  Die  Seele  will  grundhaft  Gott,  aber  sie  will  in  ihm  sich  selbst,  ihr  vollendetes 
Sein,  das  sich  nur  in  der  steten  Zurückbeziehung  auf  den  haltenden  und  tragenden  Grund 
ihrer  selbst,  also  in  activer  Ergreifung  dieses  lebendigen  Grundes  ihrer  selbst  zur  voll- 
endeten Ausgestaltung  bringen  lässt;  sie  kann  aber  Gott  nicht  insofern  ergreifen,  als  er 
der  Unendliche  ist.  sondern  nur  in  der  ihr  wesensverwandten  Geistigkeit  seines  Seins, 
in  deren  geistiger  f^rgreifung  sie  eben  zur  vollkommenen  Actualisirung  ihres  immanenten 
geistigen  Wesensgehaltes  vordringen  will.  Wenn  nun  das  Greifen  ein  x^^ct  des  Willens. 
das  geistige  Ergreifen  aber  intellective  Function  uiid  That  ist,  so  folgt  daraus,  dass  In- 
tellect  und  Wille  im  Grundwesen  Eins  sind,  der  Intellect  jedoch  den  "Willen  übergreift. 
weil  nur  der  im  Intellecte  gefasste  Wille  der  ächte  und  wahre  Seelenwillen  ist.  Der 
\\  ille  hat  also   den  Intellect  zu  seiner  lebendigen  Form,   er  hat  nur  in   ihm  sein  Sein  und 


'  4  dist.  +9,  qn.  2   lOp.  Paris.)  —  i  dist.  49,  qn.  4  (Op.  Oxon.). 
-  1   qn.  82,  art.  3. 


Die  Psvchologie  und  Eekenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotus.  399 

seine  Wahrheit.  Dasjenige  aber,  was  aus  dem  Intellecte  wollend  lierauswirkt,  ist  der 
Geist,  in  dessen  Macht  das  Sein  der  Seele  sich  in  sich  selbst  gefasst  hält,  und  zu  seiner 
absoluten  Selbstfassung  im  Elemente  des  Göttlichen  sich  erheben  soll.  Die  absolute  Selbst- 
fassuno-  der  Seele  im  Elemente  des  Göttlichen  coincidirt  mit  der  vollkommenen  Geist- 
werdung  der  Seele,  Avelche  die  conditio  praevia  der  vollkommenen  Actualisirung  des 
immanenten  "VVesensgehaltes  der  Seele  ist;  denn  in  Kraft  der  vollkommenen  geistigen 
Selbstfassung  der  Seele  geht  ihr  gesammter  Wesensgehalt  in  die  lebendige  Foi^m  ihres 
intellectiven  Selbstlebens  über,  so  dass  dieses  in  einer  continuirlichen  geistigen  ßepro- 
duction  dessen,  was  im  universalen  Wesen  der  Seele  Hegt,  begriffen  ist;  wir  stellen  da 
vor  dem  Gedanken  einer  unerschöpfliciien  geistigen  Selbstevolution  der  Seele,  die  aus 
der  Tiefe  des  seelischen  Inneren  heraus  sich  vollzieht,  und  alles  in  diese  Tiefe  Aufge- 
nommene aus  sich  lebendig  produclrt.  In  diesem  Produciren  gibt  sie  sich  selber  die  lebendige 
Form  des  wahrhaften  Geistdaseins,  und  setzt  aus  sich  selber  schaffend  die  ihr  in  Gott 
eigen  gewordene  Welt  heraus;  und  in  dieser  productiven  geistigen  Nachahmung  des 
absoluten  göttlichen  Schaffens  besteht  ihr  Seligsein.  Da  nun  aber  diese  lebendige  active 
Selbstreproduction  der  Seele,  in  der  Alles,  so, wie  sie  in  Allem  ist,  nur  in  Kraft  einer 
intellectiven  Apprehension  Gottes  durch  die  Seele  sich  vollziehen  kann,  so  ist  Thomas 
gegen  Scotus  im  Rechte,  wenn  er  die  Seele  nicht,  wie  Scotus  will,  in  ii'gend  einer  beson- 
deren Seelenpotenz,  sondern  in  ihrem  tiefsten  Wesen,  also  nach  Thomas  doch  vornehmlich 
im  Intellecte,  gefasst  werden  lässt;  weil  nur  auf  diese  Art  die  das  Seligsein  bedingende 
Klärung  und  vollkommene  Geistwerdung  oder  vollkommene  Hineinversetzung  der  Seele 
in  Gott  sich  begreifen  und  erklären  lässt.  Wenn  Duns  Scotus  statt  dessen  durch  die 
Gnade  vornehmlich,  ja  ausschliesslich  nur  die  Willenspotenz  ergriffen  werden  lässt,  ^  so 
hat  diess  seinen  Grund  darin,  dass  er  keine  andere  Vollendung  der  Seele,  als  die  sitt- 
liche kennt,  und  um  jene  Seeleninnerlichkeit,  aus  deren  Tiefe  heraus  das  ganze  Wesen 
der  Seele  in  deren  Vollendung  vei'geistiget  werden  soll,  nicht  weiss.  Eben  so  wenig  weiss 
er  um  jene  Formabilität  der  Seele,  die  freilich  auch  Thomas  nur  nach  ihrer  receptiven 
und  passiven  Seite  würdiget,  nicht  aber  als  lebendige  Selbstfoi'mation  der  Seele  in  deren 
successiver  Selbstgestaltung  und  absoluter  Selbstvollendung  fasst.  Duns  Scotus  weiss 
nicht  um  sie,  weil  er  überhaupt  mit  dem  Begriffe  der  Seele  als  subsistenten  Formwesens 
nichts  anzufangen  weiss.  Daher  kommt  es  bei  ihm  zu  dem  auffallenden,  aber  in  seinem 
Denkzusammenhange  ganz  wohl  erklärlichen  Satze,  dass  die  Essenz  der  intellectiven 
Seele  gegen  die  von  ihrer  Intellectiv-  und  Willenspotenz  angenommenen  Habitus  und  Ge- 
staltungen sich  indifferent  verhalte.^ 

Thomas  und  Duns  Scotus  sprechen  von  einer  Theologie  der  Seligen,  deren  An- 
schauungen nach  Thomas  das  Wesen  des  Seligseins  ausmachen.  In  der  Theologia  viatorum 
sieht  Thomas  eine  Subalternspecies  der  Theologia  beatorum,  und  erkennt  in  der  Pflege 
derselben  das  höchste  Weisheitsglück  auf  PJrden.  Diese  Weisheitslehre  ist  in  erster  Linie 
eine  speculative  Wissenschaft,  beziehungsweise  aber  auch  eine  praktische,  sofern  sie  die 
Anleitung  enthält,  zur  Anschauung  Gottes,  d.  i.  zur  Seligkeit,  zu  gelangen.  Dieses  zweite 
secundäre  Moment  fällt  natürlic]i  in  der  Visio  beata  hinweg.    Duns  Scotus  kennt  keinen 


'   2   dist.   "Jtj,   qu.   unic. 

-  Gratia  non  perficit  animam  qualitercuuqiie,    sed  sulum  ut  principium  actionis   meritoriae.     Sed  anima  quautum  ad  esaentiam 

est  indifl'erens  ad  meritoriam  opeiationem  et  demeritoriam.     Igitur  non,    ut  sie,    pertcitur  a  gratia   inimediate,    sicut  scieutia 

non  perficit  animam,  nisi  ut  est  principium  intellig-endi.     2  dist.  26   (Op.  Paris.). 


i.j.j  Kaki.  Wkkskk. 


speculativiMi  Habitus  sii|.u'i\iia.';    w.miii   «t  si-lion   i-iiu-u  sohlun  I  lal.iiu>  >a|.icnii;u«   /ai^i'bi'ii 
soll,  so   kann  or    ilm    mir  als   imiicii    jiraktiscIuMi   u:rli.u    lassen,   .li<-  wahre  W  «•islicil    licsh'lii 
iliiii    in   «l.-r  Cliaritas.     l>i«iiinarli   si'li.-int    iluii   auch    <\\c    Vln-oUn/w  <lic    von     rinunas    ihr   /.u- 
gesproclu'iif   NVünlo   uiul    lii.ln-it   als    hialisii-r   im.l    ..l>crsl.-r  Wisscnsi  hall    nur  .lur.h    ihren 
pi-aktiseluMi  Charakt.-r  behaupten   zu    küunen.'    Olmehin   j;elu«   es   nicht    an,    ilii   niil  Thomas 
oiueu  dopiu-lseiiigen,   /ugleieh    llieoretiseheu    un.l    praktiscluMi   Chaiakler   /.n/.uweisen ;     die 
UnterscIuMilung  zwiselion    theoretiseliem    un.l    prakti-ehem  Habitus    isi    eine  ( ;  nni.l  iheilniii;-. 
deren  GHctlor  sieh    weehsolsoitig  ausseliliesson.      Hie   TlieoK)gie    ist  aber    grun.lwesenlii.  Ii 
eine  praktisehe   Wissenseluift,    welelio   daraul'  ab/.weekt.    die  dem   liüehsten   und   absolul.-n 
Strebeziel    des    Mouselien    eutsproeheiidou    NVilieusilispusitionen    erzeugen    v.u    lielf.Mi.     be- 
ziehungsweise die  riehtige  KenniiMss  dieser  ^Ville^sdispositio^en  zu  leliren.    Piese  W  illens- 
disposilionen    zerfallen    dem   Huns  Scotus    in   noihwondige    und   .ontingento ;    nuthwondig 
sin.l    diejenigen,    deren    Gegentheil    absolut    unzulässig    ist,    contingent   Jene,    die    .lunh 
Anordnung    des    göttliclien  Villens    zum    sittliehen   (Jobote    für    den   iMensthenwillen    ge- 
worden sind.    Hemgemäss  seiieidet  sieh  ihm  die  Theologie  in  eine  Theologia  necessariorum 
und   in  eine  Theologia   eontingentium.     Hie  erstere   hat  Gott  als  das   unendliclie  Sein   und 
absolute  Gut    des  Menschen   zum   Übjeete;    die    d(>r    ßeschaffenheit    dieses  Objectes  ent- 
sprechende ^Villensdisposition  ist  die  Liebe  Gottes  über  Alles   und    um  seiner  selbst  willen. 
Die  Theologia  necessariorum  hat  als  Auseinandersetzung  der  IJesehalVenheit  jener  absoluten 
^Vesenheit.°die  als  solche  das  absolute  Ziel  des  zur  VoUeiulung  strebenden  Menschen   ist, 
allerdings    auch    einen    reichen    speculativen    Erkenntnissinhalt;     aber    dieser    lidialt    hat 
durchwegs  eine    innere  Zweckbeziehung   auf   das    rechte  Wollen,    und    <1I(^    theoretischen 
Auseinandersetzungen   der  Lehre  über  Gott  sind  als    solche    nlclu    theologische,    sondern 
metaphysische  Erörterungen.   Als  solche  metaphysisch-theoretische  Auseinandersetzungen 
sind  aber  keineswegs  die  eigentlichst  theologischen  Lehren    über    die  i)reipersöidichkeit 
Gottes    anzusehen,    die    eben    nur    das    Ubject    der    absoluten    und    absolut  nothwendigen 
Liebe  und  damit  implicite  auch  die  durch  dieses  Object  bestimmte  Gestaltung  der  absolut 
nothwendigen  Liebe  angeben.  =*    Duns  Scotus   stellt  nicht  an,    sogar  von  der  Möglichkeit 
einer  praktischen  Theologie    im    göttlichen  Henken    selber    mit    ßezlelmng    auf   das    von 
Gott  absolut  Gewollte  zu  sprechen,  was  eben  nur  er  selbst  sein  kann.  Indess  entscheidet 
er  dafür,    dass    das  von  Gott    absolut  Gewollte    nicht  Gegenstand   einer    praktischen   Er- 
kenntniss  sein  könne,  weil  eine  solche  Erkenntniss  die  Bedeutung  eines  Willensregulatives 
hat,  der  absolute  Wille  Gottes  aber,  möge  er  frei  oder  natürlich  wirken,  sich  einzig  nur 
aus'  und  durch  sich  selbst  bestimmen  kann.    Zufolge  dessen  kann  weiter  auch  der  Inhalt 
der  Theologia  eontingentium  für  das  göttliche  Henken  nur  Gegenstand  einer  speculativen 
oder  theoretischen  Erkenntniss  sein,    weil  Existenz   und  Beschaffenheit   des  Contingenten 
lediglich  vom  göttlichen  Willen  abhängt;  für  den  geschaffenen  Intellect  dagegen  hat  die 
Theologia  eontingentium  die  Bedeutung  einer  praktischen  Erkenntniss,  weil   ihr  Erkennt- 
nissinhalt eine  gottgewollte  Norm  für  den  sittlichen  Willen  in  sich  schliesst.    Hurch  diese 
ihre  eminent  praktische  Bedeutung  wird  die  Theologie    entschiedenst    aus   dem  Connexe 
mit    der    speculativen  Weltlehre    losgelöst,    als    deren    höchsten    Abschluss    Thomas    die 

'  Op.  Oxon.  Prolog.,  qu.  4.  ... 

:  \on  sufficit  ad  rectitudinem  actus,  quod  habeat  rationem  formalen,  convenientem  iu  objecto,  sed  etiara  requmtur,  quo.l 
habeat  objectum  convemens,  iu  quo  sit  talis  ratio  formalis.  Praeter  istam  igitur  notitiam  rectitudinia,  quam  includ.t  essen- 
tiale  in  actu  amandi  Deum,  personalia  includunt  propriam  notitiam  ulteriorem  rectitudinis  acquisitae.     L.  c. 


Die  Psychologie  und  EkkEnntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  401 

Theologie  ansieht.  80  wenig  sie  selber  in  einem  Subalternverhältniss  zu  irgend  einer 
anderen  Wissenschaft,  etwa  der  Metaphysik,  steht,  ^  so  wenig  subalterniren  ihr  andere 
Wissenschaften,  weil  sie  nicht  die  principiellen  Erklärungsgründe  des  specifischen  In- 
haltes derselben  in  sich  schliesst.^  Die  Idee  von  einem  architektonischen  Aufbau  der 
menschlichen  Gesammterkenntniss,  dessen  Kuppelabschluss  in  der  Theologie  gegeben 
wäre,  wird  somit  von  Duns  Scotus  bei  Seite  gesetzt,  und  wohl  auch  für  unausführbai- 
gehalten.  Aus  der  Aristotelischen  Kosmologie,  die  den  Unterbau  des  Ganzen  zu  bilden 
liätte,  hat  er  sich  schon  von  vorneherein  auf  das  Gebiet  der  Ontologie  und  Metaphysik 
zm-ückgezogen,  die  ihm  allein  auf  einem,  vom  contingenten  kosmischen  Sein  und  Ge- 
schehen unabhängigen  festen  Grunde  zu  fussen  scheint.  Da  die  kosmischen  Contingenzen 
ihren  absoluten  Grund  in  dem  nicht  weiter  zu  erklärenden  souveränen  göttlichen  Willen 
haben,  der  den  Hauptinhalt  der  Theologie  bildet,  so  hat  die  Metaphysik,  so  tief  sie 
immerhin  in  die  Theologie  hineinragt,  sich  auch  von  dieser  bestimmt  abzugränzen,  und 
nimmt  zur  Kosmologie  und  Theologie  eine  seitliche  Stellung,  den  natürlich  erkennbaren 
Vernunftgehalt  beider  in  sich  fassend,  in  Bezug  auf  den  concreten  Realgehalt  beider  an 
die  Empirie  der  sinnlichen  Erfahrung  und  des  Glaubens  angewiesen.  Während  Thomas 
das  Lehrgebäude  der  Theologie  direct  auf  dem  Grunde  der  natürlichen  Weltlehre  auf- 
führen, und  somit  die  Gesammtheit  alles  menschlichen  Realerkennens  zuhöchst  in  der 
Theologie  zusammenfassen  will,  sucht  Duns  Scotus  die  natürliche  Basis  der  Offenbarungs- 
theologie primär  in  dem  auf  sein  absolutes  Ziel  gerichteten  sittlichen  Willen,  uro-irt 
mit  grösserer  Schärfe  den  positiven  Charakter  des  theologischen  Erkennens,  imd  kommt, 
indem  er  die  strenge  philosophisch-theoretische  Erweisbarkeit  einzelner  Sätze  der  natür- 
liclien  Religion  und  J\Ioral  anstreitet,  von  selbst  dahin,  den  Glauben  im  Gegensatze  zu 
Thomas  als  einen  Habitus,  nicht  des  speculativen,  sondern  des  praktischen  Intellectes  zu 
bezeichnen.'  Demzufolge  kann  auch  die  Theologie  als  Glaubenswissenschaft  nur  als  ein 
Habitus  .practicae  scientiae  genommen  werden.  Man  sage  nicht,  dass  sie,  indem  ihr  der 
Charakter  einer  theoretischen  Wissenschaft  abgesprochen  wird,  im  Range  herabgesetzt 
werde;  sie  wird  vielmehr  im  Range  erhöht,  weil  der  Wille,  zu  dessen  sittlichen  Dispo- 
sitionen sie  ins  Verhältniss  gesetzt  wird,  im  Range  höher  steht  als  der  Intellect.  Indem 
sie  zu  den  sittlichen  Dispositionen  des  freien  Willens  in  ein  inneres  Verhältniss  gesetzt 
wird,  wird  sie  von  jener  Gebundenheit  befreit,  die  ihr  als  einer  ausschliesslich  oder 
vorwiegend  speculativen  Lehre  anhaften  müsste.  Man  darf  sich  nicht  auf  den  Meister 
Aristoteles  berufen,  der  eine  auf  den  absoluten  Willenszweck  bemessene  Wissenschaft 
nicht  gekannt  habe;  er  kannte  eine  solche  Wissenschaft  nicht,  weil  er  kein  freithätiges 
sittliches  Anstreben  eines  absoluten  Zweckes,  sondern  bloss  eine  natürliche  Beweguno- 
des  Willens  mit  Beziehung  auf  die  vom  JMenschen  begehrte  Glückseligkeit  kannte. 

Thomas    sah    im    theologischen    Weisheitserkennen    ein    erleuchtetes  Theilhaben    der 
menschlichen  Seele  am  göttlichen  Erkennen,    und    fasste  das  Verhältniss  der    weltlichen 


1  Dicetur  fors,  Deus  continetar  sub  eilte,  de  quo  est  Metapbysica.  Dieendum,  quod  subalternatio  non  attenditur  sccundum  per 
se  superius  et  inferius,  quia  scientia  snbalternata  est  de  ente  per  accidens,  non  autem  de  eo,  quod  per  se  et  essentialiter 
contiuetur  sub  superiori,  quoniam  de  generc  et  specie  est  eadem  scientia.   Dp.  Paris.  Prolog,  qu.  8,  art.  3,  quaestiunc.  4. 

2  .Si  ulteriusquaeritur,  an  theologia  sibi  subalternet  aliam?  Dieendum,  quod  non,  qma  non  dicit  propter  quid  respectu  aliarum ; 
quia  aliae  scientiae  resolvunt  suas   conclusiones  in  principia  immediata,   quae  primo  sunt  vera,   etsi  nihil  aliud  esset.    L.  c! 

3  Fides  non  est  babitus  speculativus,  nee  credere  est  actus  speculativus,  nee  visio  sequens  credere  est  visio  speculativa  sed 
practica.  Nata  est  enira  ista  visio  conformis  esse  fruitioni,  et  prius  naturaliter  baberi  in  intellectu  creato,  ut  fruitio  recta 
illi  confonniter  eliciatur.     Dp.  Oxon.  Prolog-.,  qu.  4. 

Dfltikechriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd. 


.01 


402 


Kahl  Wkhkkk. 


\Visseiiscliatlon   zur  Wissoiiscliaft    ilos  liüttliclicn    als    oiiicii    KcHcx    (U's    Vcilialtnissos    ilos 
weltlicluMi  Seins  zum   üborwoltlirlHMi   giMtliilicii  Sein.    \\i.(i..ii    .lic   alisoliitc  rirmiii   allrs 
Seienilon,    so    ist    d'w    In    »h-r  'riicolugio    iiiciU'rgoU'gto   Krkciuiliiiss    ilcr  göttlioluMi    Dingo 
ein    Abschluss    uiui    oine     Ivlarimg     iK's    gcsamniton     niensililiihou     lOrkcniuMis    in    «'incr 
luk-hston    lOrkonntniss;     wio  iJott    «lic    Welt    in    sieh    lasst.    so    l'asst    die    lOikcnntniss    der 
ijüttlielien    hinge  <iii>   Krkenntniss  aller    übrigen   Ding»«  nach   ihrer   He/.icliung    auf  das   in 
ihnen   inul  an   ihnen   geotYenbarte    lUiehste   und  (lüttliehe   in   sieh.     Kreilidi    ist   das    llic. 
logisehc  llrkennen,  je  höher  es  aufwärts  steigt,   desto  weniger  ein  sell)steigenes  ürkcnmn: 
aber  iiueh   das   llOehste.    was    in    den    Lehren   der    geidVenbarten   Weisheit    aufgeschlossen 
wird,    muss    noch    auf    irgend   eiin'   Weise  dem   inensehliidien   Inttdleeto   iassbar  sein.     Ist 
ihm    doeh.    wenigstens    implieite,    die    Idee    der    absoluten    Urform    i»riisent,    aus   welelier 
Alles,    was   in    den   Kreis    des    intelleetiven   Krkennens  fallt,    /u    begreifen    ist;     und    «-in 
intelleetives   Erkennen    ist    ja    aueh   das   gliuibigo  Erkenm^n.     ja    mit     lic/.icliinig    auf    die 
Hoheit  und    den   Kang    seiner  Objecte    ein  Erkennen    hühert'ii  Jianges,    als    das    aus   der 
selbsteigenen   Kraft  des  Intelleetes  geschöpfte  JCrkenneii..  In  der  theologischen  Woishoils- 
lehre    des    heiligen  Thomas  Ai[.    ist    somit    das    Verhältniss    des    weltlichen    Seins    zum 
Ueberweltlichen,  Göttlichen    das    massgebende    grundhafte    Verhältniss;    die  Erkcnntniss 
des  Wellliehen  um!   seiner   denknothweudigen   Voraussetzung    Im  «Uittlichen    gehört  dem 
Intclleete  als  solchem  an,  das  Ueberweltliche  hingegen  als  solches  muss  sich  durch  OtVen- 
barunir  seiner  selbst  kundthun  und  wird    ihm  in  der  Welt  des  Glaubens  aufgeschlossen. 
Bei   Duns  Seotus  tritt  an  die  Stelle  des  Uutei-schiedes  und  Gegensatzes    vom   Weltlichen 
und  Ueberweltlichen    der    Gegensatz    zwischen    Natürlichem    und  UebernatUrlichem,    der 
sich  nicht  auf  den  Unterschied  der  Realitäten,  sondern  auf  das  Verhältniss  des  Erkennenden 
zu  den  Gegenständen  der  Erkenntniss.  oder  zu  den  Wahrheiten  bezieht,  die  ins  mensch- 
liche Denken    aufgenommen    werden   sollen.     Duns    Seotus    unterscheidet    natürliche    und 
übernatürliche  Wahrheiten;    natürliche  Wahrheiten  sind  jene,    die    der    gefallene  Mensch 
noch  immer  aus  sich  selbst  zu  erkennen  vermag,  alle  übrigen  sind  für  ihn  übernatürliche 
Wahrheiten,  deren  er  sich  nur  durch  den  Glauben  vergewissern  kann.  Dieser  Gegensatz 
von  natürlichen  und  übernatürlichen  Walirheiten  kreuzt  sich  bei  ihm  mit  dem  Gegensatze 
von  nothwendigen  und  zufälligen  Wahrheiten,  da,  Avie  wir  bereits  wissen,  sowohl  in  der 
natürlichen    Ordnung    der    Dinge    als    auch    in    der    übernatürlichen    Heilsordnung    des 
Zufälligen  genug,  und  in  der  objectiven  Wirklichkeit  der  Dinge  Gott  allein  das  absolut 
Nothwendige,  und  als  solcher  auch  der  absolut  nothwendige  Gegenstand  seines  WoUens 
ist.    Ist    demzufolge    der  reale  Inhalt  unseres  Denkens  schon    insgemein    vom    göttlichen 
"Wollen    in    weitem    Umfange    abhängig,    so    dass  bei    einer    anderen  Beschaffenheit  und 
(Tcstaltung  der  Welt  auch  der  Realinhalt  unseres  Denkens  ein  ganz  anderer  sein  müsste, 
so  sind  wir    auch    in  Beziehung    auf  die  Erkenntniss  des  thatsächlich    gegebenen  "Wirk- 
lichen abermals  von  Vergewisserungen  durch  göttliche  W'illensmanifestationen    in  einem 
Grade  abhängig,   der  uns    die  Tiefe  unseres  Falles  in  ihrer    ganzen  Grösse    aufschliesst. 
Freilich    lässt    uns  Duns  Seotus    einiger  Massen    im  Zweifel,    ob    wir    den  Mangel    einer 
strengen  Erweislichkeit  gewisser  natürlicher  Wahrheiten  der  Religion  und  Moral  lediglich 
auf  Rechnung    unseres    durch    den  Sündenfall  geschwächten  Denkens  setzen  sollen.     Bei 
der  Unsterblichkeitsfrage  z.  B.  sahen  'wir,    dass  der  Grund   ihrer  Unerweislichkeit  nicht 
in    unserer  Denkschwäche,    sondern    in    objectiv    gegebenen  Verhältnissen    gelegen    ist. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Düns  Scotus.  403 

Wenn    er    aber    weitei-'    behauptet,    es    lasse    sicli    nicht    streng   erweisen,    dass  Gott  ein 
lebendiger  sei,  dass  ihm  Denken  und  Wollen  zukomme  u.  s.  w.,    so  scheint  damit  doch 
nur  unser  dermaliges  Unvermögen  eines  strengen  Erweises  gemeint  zu  sein.  Dass  übrigens 
diese    Sätze    nicht    etwa    als    bloss    disputable    Sätze    aufgestellt    wurden,    sondern    ganz 
ernstlich    gemeint    waren,    ist    gar    kein    Zweifel,    und    auch    ganz  wohl   erklärlich;     die 
Abwerfung    des    speculativen    Formbegriffes    beraubte    ihn    der    Möglichkeit    einer    spe- 
culativen    Deduction    jener    göttlichen    Attribute,     deren    streng    philosophische    Erweis- 
barkeit    er  in    Abrede   stellt.      Wenn    der  Begriff  Gottes    als    der    absoluten    Urform    in 
vorhinein  die    ganze  Weltbetrachtung  über  den  Standpunkt  eines  empiristischen  Natura- 
lismus   hinaushebt,     so    fusst    das    sogenannte    natürliche'  Denken    bei  Dans  Scotus  ganz 
entschieden    auf   diesem    Standpunkt,     wie    aus    mancherlei    dem    Gebiete    der    Anthro- 
pologie angehörigen  Sätzen  hervorleuchtet,  in  welchen  er  die  Discrepanz  zwischen  natür- 
lichem Denken    und    christlicher  Auffassung  der  betreffenden  Sache    hervorhebt.     Derlei 
Sätze    sind:*    Es    lasse  sich  nicht  erweisen,    dass    der  Mensch    für  eine  in  diesem  Leben 
nicJit  erreichbare  Seligkeit  geschaffen  sei,  dass  der  factisch  gegebene  dermalige  Zustand 
des  unvollkommenen  P^rdenmenschen    auf   einen  Stand  der  Verschuldung  liinweise,    dass 
der  Mensch  mit  einer  erblichen  Sünde  behaftet  geboren  werde,  dass  die  Unauflöslichkeit 
der  Ehe  von  unmittelbarer  naturrechtlicher  Evidenz  sei.   Einem  naturalistischen  Denken 
gehören  auch  die  Sätze  in  der  Gotteslehre  an:    es  lasse  sich  nicht  beweisen,    dass  Gott 
über  die  Kategorie  der  Quantität  absolut  hinausgestellt,  absolut  einfach  (omni  accidente 
carens),  intensiv  unendlich  sei.^  Wenn  nun  Duns  Scotus  dennoch  an  den  entgegengesetzten 
Ueberzeugungen  festhält,  so  hat  "diess  seinen  Grund  darin,  dass  er  sich  von  vorneherein 
auf  den  lebendigen  Boden  des  kirchlichen  Gemeinbewusstseins  stellt,    wie    er  sich  denn 
auch  aus  vollem  Herzen  den  Spruch  Augustins  aneignet:    Ego    nee   evangelio  crederem, 
nisi  ecclesiae  auctoritas  me  commoveret.     Er   macht  diesen  Standpunkt  auch  den  Sätzen 
der    kii-chlichen  Heilslehre    gegenüber    geltend,    da    ihm    die  weitaus    grössere  Mehrzalil 
derselben  niclit  auf  innerer  Nothwendigkeit,  sondern  auf  positiver  göttlicher  Bestimmung 
und  Anordnung  beruht.  Sein  Glaube   an  die  Lehre  der  Kirche    und    an  die  Sätze    ihrer 
Dogmatik    ist    also    durchwegs   freier  AVillensentschluss,    der   aus  dem  Bedürfniss  hervoi-- 
gelit,   sich    derjenigen  Auctorität  zu  unterwerfen,    der  man  ohne  Verzicht  auf  das  Hecht 
und  die  Ehre  des  freien  Willens  sich  imbedingt  unterwerfen  kann  und   auch  unterwerfen 
muss,    weil    sonst    alle  Ordnung    aufgehoben    würde;    und    diess    ist    eben    die    absolute 
Auctorität  des  göttlichen  Willens.  Es  liegt  etwas  ritterlich  Mannhaftes  und  ein  Zug  hoher 
ethischer  Schönheit  in  diesem  geistigen  Verhalten  des  Duns  Scotus,  der  unter  energischer 
Wahrung  der  freien  Selbstständigkeit  seines  Denkens  sich  unbedingt  derjenigen  Auctorität 
unterwirft,  die  ihn  sein  sittliches  Gefühl  als  die  absolut  massgebende  anerkennen  heisst. 
Seine  ganze  theologische  Docti-in    zweckt  auf  eine  Conformation    des    ethischen  Willens- 
habitus   mit    der    durch    den    absoluten,    höchsten    Willen    geschaffenen    und    normirten 
Ordnung  ab;     die  vollkommene  Einigung   des  selbsteigenen  Willens  mit  jenem  höchsten 
absoluten  Willen,  der  in  seiner  souveränen  Absolutheit  zugleich  auch  der  vollkommenste, 
weiseste    und    absolut    heilige  Wille    ist,    ist    das  Ideal    und    der  leuchtende  Stern  seiner 
Innern  Lebenswelt.    Es  ist  die  Idee  der  sittlichen  Persönlichkeit,  die  in  seinem  Denken 


'  Siehe  Scoti  Theoremata,  Theor.   14. 
2  Theor.   14. 
'  Theor.   16. 

51* 


404  Kaki.  Wkkskr 

aufgeht,  Uli«!  in  »Umi  \  onU»r>j;rim<l  tleüsclln'ii  sirli  siclli,  alti'i-  iVfllirli  imicr  \  civ.iilit  auf 
oino  Vermittolung  diosor  Idco  im  lllciufiito  tlci-  ifincn  Katiunalitiu.  l'.v  liriii<j;t  es  nii-lit 
(luliiii.  i\io  sittlicli  gostiinnito  I'orsönliclikoii  dein  UcicirlK-  der  Uusinisclicii  ( 'oiitiiigoii/.OM 
zu  eiitroisson:  sio  steht  iluu  /wur  hiWier  als  alle  ilhriiroii  kosmischen  Contiiiiroiizeii,  trehürt 
aber  ilciinoeli  gleielilalls  unter  sie.  <mii  wahrhatf  Hlciliendes  ist  sie  nicht  krall  ihres 
inneren  Wesens,  sondiMMi  ki*ai"(  des  iföttliehen  Willens.  <ler  ihren  e\vi;.'cii  ric-iaiid 
sieljcr  stellt. 

Die  Tenden/  der  speeulativen  Scholastik  des  M  itN  lalters  war  ein  ivin>r(>ii  naeh 
Concordirung  »1er  drei  ihr  zuhöchst  gelten<len  wissenschal'tliehen  Auctoritäten  eines 
Aristoteles.  Plato  uml  Augustinus.  Hieser  Tendeir/;  koinite,  sieh,  trotz  seiner  anlis|ieeula- 
tiven  Haltung.  l)uns  Seotus  schon  seiner  Zeitstellung  nach  sich  niclit  cntzieiien;  es  kommt 
nur  darauf  an.  wie  er  sich  zu  jeder  der  genannten  drei  Auctoritäten  zu  stellen  gedaelite. 
Nicht  ohne  (irund  durfte  er  glauben,  sich  mit  Augustinus  nielir  ideniilieirl  /.u  lialien. 
als  die  speculativen  Aristotcliker  der  Dojainicanerschulc;  obscinin  er  diesen  gegenüber 
von  Aristoteles  weiter  abkam,  als  er  selber  zuzugeben  bereit  war.  Auf  dem  Gebiete  der 
Antiiropologie  steht  er  unstreitig  Flato  näher  als  dem  Aristoteles,  trotzdem  dass  er  die 
wissenschaftliehe  Terminologie  der  scholastisch-aristotelischen  Anthropologie  ado])tirt. 
Auf  ilem  Gebiete  der  Ideenlehre  ist  er,  indem  er  eine  ursprüngliche  Vielheil  der  Ideen 
n  Gott  behauptet,  gleichfalls  weit  mehr  Platoniker,  als  die  speculativen  Theologen  der 
Dominicanerschule,  welche  diese  Vielheit  in  Abrede  stellen;  nur  will  er  freilich  diese 
Ideen  nicht  in  platonischer  ^Veise  als  Wesenheiten  verstanden  wissen,  Avcil  damit  der 
InteUectus  agens  iibertlüssig  gemacht  würde.'  Duns  Seotus  bestreitet  indess,  dass  Plato 
die  Ideen  als  aussergöttliche  Wesenheiten  gedacht  habe;  die  Ideen  in  Plato's  Sinne  sind 
nichts  anderes,  als  der  im  göttlichen  Denken  existente  mundus  intelligibilis  oder  die 
Quidditäten  der  Dinge  als  von  Gott  gedachte  und  erkannte.  Diese  Auffassung  der  Ideen 
ist  nach  Duns  Seotus  auch  jene  Augustins,  und  zu  dieser  will  er  sich  bekennen*  jenen 
gegenüber,  welche  die  göttlichen  Ideen  als  denkhafte  Selbstbeziehungen  der  göttlichen 
Wesenheit  auf  das  aussergöttliche  Sein  fassen.  Das  Hauptinteresse  des  Duns  Seotus  ist, 
die  Unabhängigkeit  des  göttlichen  Seins  und  Denkens  zu  wahren,  die  ihm  beeinträchtiget 
erscheint,  wenn  sich  das  göttliche  Denken  mit  Beziehung  auf  etwas  ausserhalb  derselben 
Seiendes  bestimmen  soll  müssen,  während  doch  umgekehrt  das  göttliche  Denken  die 
geschöpflichen  Dinge  mensurire.  Ob  sich  übrigens  die  scotistische  Anschauung  von  der 
Idee  mit  jener  Augustins  decke,  ist  mehr  als  fraglich;  wenn  auch  bei  Augustinus  von 
der  durch  Seotus  bekämpften  Auffassung  der  Idee  als  Relationsbestimmung  des  göttlichen 
Seins  zum  geschöpflichen  keine  Rede  ist,  so  ist  doch  andererseits  eben  so  gewiss,  dass 
der  göttliche  Gedanke  eines  Dinges  bei  Augustinus  nicht  unter  dem  Charakter  einer 
göttlichen  Willenssetzung  erscheint,  weil  diese  Auffassung  eben  nur  der  scotistischen 
Verhältnissbestimmung  zwischen  dem  göttlichen  Denken  und  W'ollen  eigen  ist. 


'  Si  esäentiae  rerum  essent  abstractae,  sicut  postiit  Plato,  non  indigeremus  sccundum  eum  intellectu  agente.  1  dist.  3, 
qn.  4  (Dp.  Pari.s.). 

^  Duns  Seotus  fasst  die  Augustinische  Erklärung  der  Ideen  in  folgende  Worte  zusammen :  Idea  est  ratio  aeterna  in  mente 
diviua,  secnndum  quam  aliquid  est  formabilc  extra,  ut  seeundum  propriam  rationem  ejus.  1  dist.  36,  qu.  2  (Op.  Paris.). 
—  Vgl.  damit  Augustin.  Quaestt.  83,  qa.  46:  Sunt  namque  ideae  principales  formae  quaedam  vel  rationes  rerum  stabile» 
et  incommutabiles,  quae  ipsae  formatae  non  sunt,  ac  per  hoc  aeternae  ac  semper  eodem  modo  sese  habentes,  quae  in  divina 
intelligentia  continentur.  Et  cum  ipsae  neque  oriantur.  neque  intereant,  seeundum  eos  formari  dicitur  omne,  quod  oriri  potest, 
et  omne  quod  interit  et  oritur. 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehee  des  Johannes  Düns  Scotos.  405 

Eine  Annäherung  vom  Peripatetismus  zu  Plato  und  Augustinus  scheint  sich  auf 
erkenntnisstheoretischem  Gebiete  bei  Duns  Scotus  zu  vollziehen,  wenn  man  ihn  die  sinnliche 
Apperceptlon  als  eine  blosse  Gelegenheitsursache  der  intellectiven  ErJcenntniss  erklären 
hört.'  Diess  läuft  aber  näher  besehen  nur  auf  Oonstatirung  einer  von  den  möo-lichen 
Täuschungen  der  Sinne  unabhängigen  Wahrheit  und  Sicherheit  der  rationalen  Denk- 
auffassung der  sinnlichen  Erfahrung  hinaus;  die  Correctur  einer  allenfallsigen  Sinnes- 
täuschung vollzieht  sich  auf  Grund  evidenter  Erfahrungssätze  oder  durch  formale  Denk- 
operationen, mittelst  welcher  auf  Grund  der  in  der  sinnlichen  Erfahrung  gegebenen 
Daten  der  täuschende  Schein  aufgeklärt  wird.  Duns  Scotus  ist  viel  zu  sehr  Empirist,  als 
dass  er  den  Boden  der  natürlichen  Erfahrung  irgendwie  zu  verlassen  gedächte;  die 
intellectiven  Realerkenntnisse  des  Menschen  ruhen  ihm  durchwegs  auf  dem  Grunde  der 
Erfahrung,  und  sind  aus  dieser  abzuleiten.  Er  erklärt  sich  demzufolge  auf  das  Ent- 
schiedenste gegen  Heinrich  von  Gent  (Goethals),  wenn  dieser^  unter  Berufung  auf  Augu- 
stinus die  Wahrheit  und  Sicherheit  der  sinnlichen  Erfahrung  bestreitet.^  Duns  Scotus 
erwiedert,^  der  von  Goethals  producirte  Spruch  über  die  Wandelbarkeit  der  Sinnendinge 
gehöre  gar  nicht  dem  Augustinus,  sondern  dem  Heraklit  oder  Cratylus  an,-'  und  beweise 
nicht,  dass  es  gar  keine  zuverlässige  Erkenntniss  des  Sinnlichen  gebe;  denn  jedenfalls 
wäre  die  unstete  Wandelbarkeit  des  Sinnlichen  selber  schon  ein  wahrer  und  gewisser 
Satz.  Das  wusste  nun  wohlauch  Augustinus  selber,  welcher  die  von  Scotus  auf  Rechnung 
des  Heraklit  gesetzte  Behauptung  wirklich  that;  nur  sagte  er  weiter,  und  Goethals  mit 
ihm,  dass  die  für  jeden  Fall  übrig  bleibende  sichere  und  gewisse  Erkenntniss  der 
unsteten  Wandelbarkeit  der  Sinnendinge  im  Lichte  der  unwandelbaren  Wahrheit  geschaut 
werde.  Duns  Scotus  verzichtet  darauf,  die  in  Augustins  Schriften  unläugbar  vorhandenen 
Stellen,  in  welchen  der  Ueberzeugung  von  einem  Erkennen  der  Dinge  in  Gott  oder 
Schauen  der  Wahrheit  im  Lichte  Gottes  Ausdruck  gegeben  wird,  einer  Besprechung  zu 
unterziehen,  um  etwa  zu  zeigen,  dass  sich  Goethals  mit  Ungrund  auf  sie  berufe;  er 
begnügt  sich  zu  erhärten,  dass  die  in  den  späteren  Werken  Augustins  enthaltenen  ein- 
schlägigen Aeusserungen,  aus  ihrer  bildlichen  Ausdrucksweise  in  ihren  bildlosen  Gedanken- 
gehalt umgesetzt,  mit  den  erkenntnisstheoretischen  Anschauungen  der  scotistischen  Theorie 
sich  ganz  wohl  vereinbaren  lassen.  Wenn  der  Kirchenlehrer  Augustinus  sagt,  dass  die 
untrügliche  Wahrheit  im  Lichte  Gottes  erkannt  werde,  so  darf  ihm  allerdings  nicht 
widersprochen  werden."  Es  fragt  sich  nur,  wie  jenes  Erkennen  des  menschlichen  Intel- 
lectes  im  göttlichen  Lichte  verstanden  werden  soll.  Die  intellectiven  Gedanken  der  Seele 
von  den  Dingen  können  Lichtgedanken  heissen,  sofern  sie  den  göttlichen  Gedanken  von 
denselben  conform  sind;    es  ist  ferner  zuzugeben,  dass  ihre  geistige  Apperception  unter 

>   1   dist.   3,   qu.  4. 

-  Vgl.  Goethals'  Summa  theologiae,  art.  1,  qu.  2. 

3  Goethals  beruft  sicli  auf  Augustiu.  Quaestt.  LXXXIII,  qu.  U:  Omue  quod  corporeus  seusus  attiugit,  (juod  et  sensibile  dicitur, 
sine  Ulla  intermissione  temporis  commutatur  ....  Quod  autem  non  manet,  percipi  non  potest;  illud  enim  percipitur,  quod 
scientia  comprebenditur  ....  Non  est  igitui-   exspectanda  sinceritas  veritatis  a  sensibus  corporis  etc. 

■>   1   dist.  3,  qu.   4. 

'-  Qui  nolebant  loqui  sed  movebant  digitum  —  sagt  Duns  .Scotus  vou  Heraklit  und  Cratylus  unter  Anspielung  auf  Aristot. 
Metaph.  III,  p.  1010.  a,  lin.  10  ff.:  'Ez  yic  TaJTr,;  Tr,c  'j-.olr^'liu^i  (steter  Fluss  der  Dinge)  i^^^tsvl  ^  ä/.poTäTr,  oö;a  -Sv 
i'.pr,[j.£viiv,  Tj  -S>M  !paa/.dv-t,jv  fipuylti-iCnv,  zat  otav  lipaTuAo;  eTj^^ev,  05  m  TEXe-j-aTov  oüOsv  weto  osiv  X^feiv,  iXkk  xov  oä/.xuXov  hhzi 
[xoio'i,  y.ctX  HpaüXEtTü)  £j:iT(jj.a  dr.ov::  oti  o'i?  tG>  «Ütw  ;:o-a(j.to  oux  kaiiv  I|j.ß7)va!  •   auTo;  jap  dkm  ou3'  aTta?. 

6  Ad  quaestionem  igitui-  dieo,  propter  verba  Augustini  oportet  coucedere,  quod  veritates  infallibiles  videntur  in  regulis  aeternis. 
1   dist.  3,  qu.  4. 


401J 


K.VHl.  Wkknkk. 


o 


Vrnnittohmt;;  oiiu's  Contaetos  di-f   luciisclilii-lion  liilollocti's   iiiii   «Iciii   üiUllidifii  liciiLcii  /.u 
Stiuulo   kommt.     Aber  »lioscr  Contart    iKMleutet   iiitht    luolir    mi«l    ni.  Iit-    Aiulcics.    als    tlii- 
irenerello   Assistenz  utlt'i-  .Mitwirkunji^  Gottes   in   Auswirkmii;-  der  ( icilaiiLcn   mlci    liegiiHe 
der  appereijurliM»    hinge,   luul   ist   aueli   in  dieser   l>e/.ielnnij>;  auf  di<i  },M'»tilii  lic  ( 'uiifurrenz 
in    Aetivirung-    der    dein    mensthliclu'n    Intellerte    liaMluellen    all;,n'niciiit'M    I  »cnUniaxinien 
otler   rriniii>ia   per  se   nota   zu    besrliriiidcen,    mittelst    wclclier    d(>r    (h'iilouidiw  iii(lii;(>   Zu- 
sammeniiang    /wiselien    Subjeet    und    l'rädieat    einer    iiittlltctivfii    A  |i|Mflniisi(iii    erkannt 
wird.     l>enn   in   liezieliun'r  auf   dii^   ()i>jerte    der    naiihliclicn    Mriahrung-   liej-t    Ja   der  Zu- 
sammenliang   von  Subjert   und   l'rjulieut  oder  8ubjeet  und  Kigenseiiaft  (xler  lU'scIialVfMli.ii 
eines  Uintres  als  etwas  natilrlich  (ie>jobenes  vor,   und  ist  sonaeh  (iegenstaiul  iMiur  unmittel- 
baren   natürliehen    Kviilen/..     l)ass    aber    derlei    Trineipia   per  so  nota,  /.   i>.   <  >mni«   totum 
est  nuijus  sua  parte,    selbst   wieder    erst    in  Kraft    einer   göttlichen  Erleuchtung    erkannt 
werden  könnten,  und  dieses  Erkennen  das  von  Augustinus  geraeinte  Scliatien  iintrilglidier 
Wahrheiten   in  Regulis  aeternis  wäre,   glaubt  Duns  Scotus  aus  den   selbstcigensten  Worten 
Augustins  widerlegen   zu   können.   l)enn   wenn  Augustinus  sagi;,   dass  nin-  Wenige  in  ihrem 
l)enken  die  rationes  aeternas    oder    rationes  intelligibiles   erfassen,    wenn  ii-  andererseits 
hervorhebe,  dass  die  Philosophen  ohne  Glaube  die  Wahrheit  in  Regulis  aeternis  erkannt 
haben,    so  folge  daraus  unabweislich,    dass    die  Erfassung  der  Rationes  aeternae  als  die 
von    aller    sinnliehen    Beimischung    losgelöste    geistige  Erkenntnis«    im    natiirlichen    Ver- 
mögen  des  Menschen  liege,  aber   nui-  bei   glüeklidicr   natürlielici-   Anlage   und    llegabung 
vollkommen   entwickelt  werde.' 

Iteckt  sich  diese  von  Duns  Scotus  gegebene  P^rklärung  vom  Erkennen  der  Dinge 
im  Lichte  der  göttlichen  Wahrheit  mit  jener  Augustins?  Zunächst  ist  einmal  zu  eon- 
statiren,  dass  bei  Duns  Scotus  die  Frage  vom  Gebiete  «Icr  Wahrheitslehre,  auf  deren 
Boden  sich  bei  Augustinus  die  Erörterung  bew^egt,  auf  jenes  der  Gewissheitslehre  hinüber- 
gelenkt  ist.  und  demzufolge  ein  anderes  Aussehen  bekommen  muss,  als  sie  bei  Augustinus 
hat.  Augustinus  lehrt,  dass  die  Wahrheit  der  Dinge  ihren  Bestand  in  Gott,  nämlich  in 
den  unveränderlichen  und  ewigen  Gedanken  Gottes  von  den  Dingen  habe,  woraus  von 
selber  folgt,  dass  das  Sein  und  Wesen  der  Dinge  wahrhaft  nur  in  (iott  oder  im  Lichte 
der  göttlichen  Wahrheit  erkannt  werden  könne.  Da  nun  aber  die  Wahrheit  der  Dinge 
in  Gott,  näher  im  ewigen  Worte  Gottes  oder  im  Logos  aufgehoben  ist,  andererseits  aber 
thatsächlich  ein  wirkliches  Walirheitserkennen  im  zeitlichen  Menschendasein  statt  hat,  so 
postulirt  und  supponirt  Augustinus  im  Vorhinein  eine  innere  geheimnissvolle  Einigung 
der  Seele  mit  dem  Logos,  in  welcher  er  den  absoluten  Möglichkeits-  und  Wirklichkeits- 
grund alles  höheren  übersinnlichen  Erkennens  des  irdischen  Zeitmenschen  erkennt.  Soweit 
nun  der  Gegenstand  dieses  Erkennens  überhaupt  nur  das  im  begrifflichen  Denken  ver- 
deutlichte Uebersinnliclie  oder  Metaphysische  als  solches  ist,  kann  allerdings  Duns  Scotus 
sich  einer  gewissen  Denkverwandtschaft  mit  Augustinus  rühmen ;  er  ist  ferner  auch  gegen 
Goetbals  im  Rechte,  wenn  er  dessen  Berufung  auf  Augustins  Auctorität,  soweit  diese 
speeiell  nur  für  die   im  Lichte  der  göttlichen  Wahrheit   feststehende  Gewissheit   unserer 


'  P.incornm  est  pertingere  ad  rationes  aeternas,  quia  pancorum  est  hatiere  intellectirmes  per  se  {■/..  B.  des  Satzes  totiiin  inajus 
sua  parte),  et  mnltomm  est  Iiabere  conceptiis  fales  per  accidens;  sed  isti  conceptus  non  dicuntur  distingni  ab  aliis  per 
specialem  illustrationem,  sed  per  meliora  naturalia,  qnia  habent  intellectnm  niagis  abstralieiitera  et  perspicaciorem ;  vel 
propter  majorem  inquisitionem,  per  quam  aeque  ingeniosus  pervenit  ad  cognoscendum  illas  quidditates,  qua»  alius  non 
inqnirens  non  cognovit.     L.  c. 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehee  des  Johannes  Ddns  Scotds.  407 

■Erkenntnisse  zeugen  soll,  als  nicht  ^utreifend  abweist.  Denn  die  Gewissheitsfrage  fällt 
bei  Augustinus  mit  der  Wahrheitsfrage  zusammen,  und  zwar  so,  dass  auf  letztere  der 
Hauptaccent  fällt;  denn  über  die  Gewissheit  der  im  Lichte  der  göttlichen  Wahrheit 
erhobenen  Erkenntnisse  konnte  für  Augustinus  ohnediess  kein  vernünftiger  Zweifel  be- 
stehen. Aber  eben  desshalb  beweisen  auch  die  gegen  Goethals  gerichteten  Ausführungen 
des  Scotus  nicht  das,  was  sie  beweisen  zu  wollen  scheinen,  nämlich,  dass  sich  seine 
Ansicht  vom  menschlichen  Wahrheitserkennen  mit  jener  Augustins  decke ;  der  von  Duns 
Scotus  statuirte  Unterschied  zwischen  natürlicher  und  übernatürlicher  Wahrheit  in  dem 
von  Scotus  gemeinten  Sinne  ist  Augustinus  fremd,  da  Augustinus  ein  bloss  empirisch- 
sinnliclies  Wahrheitserkennen  nicht  kennt,  alles  höhere  öder  metaphysische  Wahrheits- 
erkennen aber  ohne  Unterschied  aus  göttlicher  Erleuchtung  erklärt,  obschon  er  da  speciell 
wieder  zwischen  natürlicher  und  übernatürlicher  Erleuchtung  unterscheidet.  An  die  Stelle 
dieses  von  Augustinus  gemachten  Unterschiedes  zwischen  natürlicher  und  übernatürlicher 
Erleuchtung  tritt  bei  Duns  Scotus  der  Unterschied  zwischen  natürlicher  und  übernatür- 
licher AYahrheit,  der  sich  nicht  nach  der  principalen  Wirkungsursache,  sondern  nach 
dem  Objecte  der  Erkenntniss  bestimmt;  in  Bezug  auf  die  Ubjecte  der  natürlichen  Er- 
kenntniss  aber  ist  eine  unmittelbare  Erleuchtung  des  Intellectes  nur  insoweit  nothwendig, 
als  die  natürliche  Evidenz  der  sinnlich-empiristischen  Apperception  nicht  ausreicht.  Eher 
Hesse  sich  von  einem  Hineinleuchten  des  im  Sinnendinge  ausgedrückten  Wesensbegriflfes 
in  den  Intellect,  von  einem  geistigen  Wiederscheinen  des  Dinges  im  Intellecte  sprechen, 
wobei  aber  dann  der  aus  dem  göttlichen  Intellecte  ausgehende  Lichtsti-ahl  nur  mittelbar, 
nämlich  durch  das  Sinnending  in  den  menschlichen  Intellect  geleitet  wird. 

Diess  führt  uns  auf  einen  weiteren  Controverspunkt  in  der  Polemik  des  Duns  Scotus 
gegen  Goethals.  Nach  Goethals*  fällt  im  Erkennen  ausschliesslicli  alles  Licht  aus  der 
Seele  auf  das  zu  erkennende  sinnliche  Object,  der  Reflex  des  Objectes  in  der  Imagination 
ist  nur  eine  Incitation  für  den  Intellect,  die  Intellection  des  sinnlich  appercipirten 
Objectes  in  sich  selber  aufleuchten  zu  lassen.  Die  Intellection  vollzieht  sich  durch  die 
intellective  Apprehension  des  göttlichen  Urbildes  des  sinnlich  appercipirten  Objectes: 
auf  diese  Art  wird  also  das  den  sinnlichen  Gegenstand  geistig  erhellende  Licht  aus  der 
göttlichen  Intelligenz  durch  die  Seele  auf  den  Gegenstand  geleitet,  und  hiemit  der 
Abdruck  oder  Wiederschein  der  göttlichen  Idee  in  dem  entsprechenden  Sinnendinge 
erkannt.  Dieser  Auffassung  liegt  die  Voraussetzung  zu  Grunde,  dass  das  Sinnending 
nicht  schon  als  solches  den  Allgemeingedanken  desselben  darstelle,  sondern  nur  den 
Anstoss  zur  Apperception  des  Allgemeingedankens  im  Lichte  der  göttlichen  Wahrheit 
zu  geben  vermöge.  Diese  Anschauungsweise  wird  freilich  von  Goethals  nicht  constant 
festgehalten,  indem  er  nebenbei  doch  auch  wieder  durch  das  Sinnenobject  selber  schon 
eine  intellectio  confusa  in  der  appercipirenden  Seele  hervorgebracht  werden  lässt,  welche 
sodann  durch  den  Intellectus  agens  in  einen,  den  Allgemeingedanken  des  Dinges  bestimmt 
Aviedergebenden  rationalen  Begriff  umgesetzt  werde.  Indess  bleibt  auch  hier  die  Grund- 
vorstellung bestehen,  dass  die  Operation  des  Intellectus  agens  im  Lichte  der  göttlichen 
Wahrheit  sich  vollziehe,  und  durch  diese  Thätigkeit  die  Erkenntniss  des  Dinges  aus  der 
Region  des  ungewissen  Scheinens  in  jene  des  wahren  und  wirklichen  Erkennens  empor- 
gehoben werde.    Für  jeden  Fall  aber  will  Goethals  auf  dem  Grunde  der  augustinischen 


Siehe  Goethals'   Quodlibeta  III,  qn.  4;   IV,  ijn    7;  V,  qn.   14. 


4(^)«>l  Kakl  Wkknkk. 

Lfliri'  stohon,  \n\d  nWn  dcsslialli  aiicli  iUt  iM-stcicii  Aiisirlii,  dii'  cl.is  Simuinil» jcct  als 
blosses  Krrt'irunirsinittfl  tliM-  iiitollei-tivou  Krkomitniss  ansiclii,  ilcn  \ Hi/iii;.  iMr  l-'i-atic  ist 
ult   or  mit    volloin  Cininde  sicli   auf  Auy'ustinus   hfiuliMi   UiHmc,   uilci    dl»    |iiiii>.  Sroiiis 


nun. 


"n 


ilini  diese  von  iliiu  anjyerurene  Aiu-torität  mit  Jieclit  stitMtifj;  murhcii  kiimic.  (Joctiials 
berutt  sich  aul  Stellen  auiriistiiiisclier  SrlirilUMi, '  in  welchen  oc.sa<jft  wird,  duss  di»'  Seele 
die  sinnliehen  und  geistigen  iJilder  der  vnn  iiir  ainiercijtirtcn  hinge  in  sich  und  ans 
sich  tonne.  Duns  Seotus  erwiederi  hicraut  ,  dass  diese  Acussorungcn  Aiignsiins  nur 
beziehuniTsweise  zu  verstehen  seien,  da  ci-  anderweitig'  Ulai'  und  beslinuni  ihn  erkannten 
Gegenstand  als  eine  miterzeugende  Ursache  der  in  der  Seele  vorhandenen  lli  kenntniss 
bezeichne.  Man  hat  diese  Instanz  des  l)uns  Seotus  als  begrilndet  anzuerkennen;  sie 
beweist  aber  nur.  dass  die  jisyiludogischen  und  erkenntnissllH'oretischen  Ans(  hammgen 
Augustins  nicht  vollkommen  ineinander  greifen,  indem  er  in  den  Kntwickelungen  seiner 
erkenntnisstheorotischen  Anschauungen  augenscheinli(  I:  den  aus  dei-  platonlx  hin  l'liilo- 
sophie  geschupften  Anregungen  folgte,  während  er  auf  psycln)logisch-anthropologischem 
(«ebiete  primär  den  in  der  Wirklichkeit  gegebenen  iMensehen  vor  Augen  hatte,  dessen 
Abhängigkeit  von  dem  im  zeitlichen  Menschendasein  gegebenen  äusseren  iJedingungen 
seines  Lebens,  Schaffens  und  AVirkens  ihn  nöthigte,  der  sinnlichen  Wirklichkeit  eine 
grössere  Bedeutung  zuzuerkennen,  als  ihr  im  platonischen  Idealismus  zugestanden  wii-d. 
Wenn  er  nun  auch  die  in  diesem  errungene  Denkhöhe,  der  Betrachtung  der  Dinge  niclit 
mehr  aufgeben  wollte,  vielmehr  das  Uedürfniss  empfand,  die  sich  nebenher  ihm  auf- 
drängende Bedeutung;  der  realen  Wirklichkeit  in  einem,  seinen  feststelicn<lcii  erkenntniss- 
theoretischen  Anschauungen  entsprechenden  Grade  zu  vertiefen,  so  kam  er,  von  ilen 
ursprünglichen  Gegenständen  und  Zielen  seiner  philosophischen  Meditation  immer  mehr 
auf  die  geistige  Ergründung  des  in  der  psychischen  Selbsterfahrung  Gegebenen  abge- 
lenkt, doch  nicht  mehr  dazu,  die  Ergebnisse  dieser  seiner  späteren  P\)rschung  mit  seinen 
ursprünglichen  Anschauungen  zu  vermitteln;  sie  bedeuteten  für  ihn  nur  die  Errungen- 
schaften eines  neuen  Entwickelungsstadiums,  in  welches  er  nach  einem  relativen  Abschlüsse 
seiner  anfänglichen  erkenntnisstheoretischen  Forschung  übergetreten  war  •,  er  vertiefte  sich 
auf  diesem  seinem  zweiten  Wege  in  das  gegenständliche  Wesen  der  Seele,  in  welcher  er  den 
nach  Gott  höchsten  Gegenstand  des  Forschens  erkannte,  und  deren  Leben  ^md  Tliätig- 
sein  in  der  doppelten  Richtung  derselben  auf  Gott  über  ihr  und  auf  die  W^eltdingc  unter 
ihr  er  zu  ergründen  strebte.  Die  aus  der  Mittelstellung  der  Seele  zwischen  Gott  und 
Köi-perwelt  erschlossene  metaphysische  W'esensqualität  der  Seele  als  eines  zwar  einfachen, 
zugleich  aber  auch  mutablen  Seins  steht  wohl  in  vollkommenem  Einklänge  mit  der  auf 
erkenntnisstheoretischem  Gebiete  behaupteten  Einigung  der  Seele  mit  dem  Logos,  lässt 
aber  zugleich  den  metaphysisch  abstracten  und  mehrdeutigen  Charakter  des  augustinischen 
Seelenbegriffes  erkennen,  der  eben  erst  im  Eingehen  in  die  concreto  Selbstgestaltung 
der  psychischen  Innerlichkeit  Gestalt  und  Leben  gewinnt,  hiebei  jedoch  die  metaphysisch 
absti-acten  Bestimmungen  des  Seelenwesens  in  etwas  von  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung 
theilweise  Abweichendes  umgesetzt  erscheinen  lässt.  Bei  dieser  Mehrdeutigkeit  und  zu- 
gleich auch  Mehrseitigkeit  der  augustinischen  Auffassung  des  seelischen  Denkwesens  und 
denkhaften  Seelenwesens  erklärt  es  sich,  dass  diflercnte  Denkanschauungen  sich  genieinsam 
auf  Augustinus  zurückbeziehen,    und  rücksichtlicli   der  in  Rede  stehenden  Frage,   ol)  die 

'  Gen.  ad  lit.  XU,  c.  16  —  Trin.  X,  c.  ö. 
-  Trin.  IX,  c.  nlt.:  XV.  c.   10  und  24. 


Die  Psychologie  und  Ekkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotüs.  409 

Seele  die  Dinge  ausschliesslich  aus  sich  selbst  erkenne  oder  nicht,  sowohl  Groethals  als 
auch  Duns  Scotus  sich  auf  Augustins  Zustimmung  berufen  konnten.  Ist  die  Seele  wesent- 
lich Mens  oder  Innerungsprincip,  so  ist  es  ihr  eben  so  wesentlich,  die  Dinge  geistig  in 
sich  aufzunehmen,  als  auch,  das  geistige  Verständniss  derselben  aus  sich  selbst  liervor- 
zustellen ;  und  wenn  man  voraussetzen  muss,  dass  sie  das  Eine  wie  das  Andere  ganz 
und  vollkommen  thue,  so  folgt  daraus,  dass  es  unthunlich  ist,  mit  Scotus  von  einer  bloss 
partiellen  Concurrenz  der  Sinnendinge  zur  Erzeugung  der  Intellection  derselben  zu 
sprechen,  da  bei  solcher  Auffassungsweise  beide  zur  Hervorbringung  der  Intellection 
concurrii-enden  Ursächlichkeiten  verkürzt  werden,  und  überdiess  dem  sinnlichen  Objecte 
eine  Activität  zuerkannt  wird,  die  ihm  nicht  zukommt.  Goethals  ist  wirklich  im  Hechte, 
wenn  er  den  activen  Antheil  des  sinnlichen  Objectes  darauf  beschränkt,  blosser  Anlass 
zur  Entstehung  der  Intellection  zu  sein,  die  als  Selbstact  der  Seele  ganz  und  vollkommen 
aus  der  Seele  hervorgestellt,  also  lediglich  durch  sie  gewirkt  werden  muss;  imd  es  über- 
rascht, wenn  man  ihn  hiefür  auf  den  Begriff  der  Seele  als  activen  Formwesens  sich 
berufen  hört,  welches  als  die  actuellste  aller  Formen  auch  die  activste  sein  müsse.  Es 
gewinnt  hier  fast  den  Anschein  eines  Anlaufes  zur  Vertiefung  und  Verlebendigung  des 
abstract  metaphysischen  augustinischen  Seelenbegriffes  in  jenem  der  lebendigen  Form. 
Man  sieht  sich  alsbald  enttäuscht,  wenn  man  ihn  erklären  hört,  dass  die  Seele  das  sinn- 
liche Vorstellungsbild  in  sich  hineinnehme,  um  sich  gleichsam  von  ihm  durchdringen  zu 
lassen,  und  es  ihrerseits  wieder  zu  durchgeisten,  was  denn  nach  anderweitigen  schon 
bekannten  Erklärungen  Goethals'  nur  unter  Hinwendung  der  Seele  auf  das  geistige  Ur- 
bild des  Objectes  oder  im  Lichte  des  Logos  vor  sich  gehen  kann.  Hier  liegt  in  der 
That  die  unklarste  Fusion  des  aristotelischen  und  augustinischen  Seelenbegriffes  vor,  in 
welcher  keiner  von  beiden  zu  seinem  Rechte  kommt,  sondern  jeder  von  beiden  durch 
seine  Versetzung  mit  einem  heterogenen  Elemente  getrübt  und  geschädigt  wird.  Der 
aristotelische  Seelenbegrifl'  schliesst  seiner  Natur  nach  jede  illuministische  Erklärung 
des  intellectiven  Erkennens  aus ;  er  hat  vielmehr,  wenn  er  ganz  und  vollkommen  ent- 
wickelt werden  soll,  den  abstract  metaphysischen  augustinischen  Seelenbegriff  dergestalt 
in  sich  aufzunehmen,  dass  er  denselben  in  jenen  eines  activen  lebendigen  Formprincipes 
und  Formwesens  umsetzt,  welches,  die  "Wesensformen  der  gesammten  sichtbaren  \\irk- 
lichkeit  in  sich  aufgehoben  tragend,  jede  derselben  bei  gegebenem  Anstosse  von  Aussen 
her  activ  aus  sich  hervorzustellen  vermag.  Diese  Auffassung  hat  aber  eine  gründliche 
Auseinanderscheidung  des  erkennenden  Subjectes  und  des  Objectes  der  Erkenntniss  zu 
seiner  denknothwendigen  Voraussetzung ;  die  von  der  Einwirkung  des  sinnlichen  Objectes 
erreichte  und  berührte  Seele  hält  das  in  sie  hineinleuchtende  Sinnenbild  desselben  ausser 
sich,  und  gestaltet  den  ihm  entsprechenden  (leistgedanken  desselben  durch  sich  selber, 
und  stellt  ihn  als  etwas  in  ihr  selber  Erzeugtes  aus  sich  hervor.  Demzufolge  ist  wirk- 
lich, wie  Goethals  in  der  von  Duns  Scotus  angezogenen  Stelle  (aus  Quodlib.  4,  qu.  7) 
behauptet,  ganz  nur  die  Seele  allein  Hervorbringerin  des  intellectiven  Gedankens  des 
Sinnenobjectes,  nur  dass  dieser,  um  wahrhafter  Geistgedanke  zu  sein,  in  der  Idee  des 
Objectes,  d.  i.  im  gottgedachten  'Gedanken  des  Objectes,  vertieft  werden  muss.  Der  Ein- 
wand des  Duns  Scotus,  dass  die  Seele  als  ausschliessliches  Activprincip  des  Intellectiv- 
gedankens  eines  Sinnendinges    stets    im  Stande    actualer  Intellection     sein   müsste,^    triff't 

'   Si  aainia  est  totalis  causa  activa  notitiae  genitae    et   ipsa    est  materia  disposita   sive  siibjectum    receptivum  vel  susceptiTum 
respectu  ejusdeni,    et   ipsa  est  semper   actu  praesens,    cum    sit  causa   naturalis,    semper   erit  achialis  intellectin  in  ea,    cujus 
Denksclirifton  iei  pbil.-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  ö'Ji 


.  i^-)  Karl  Wkrskr. 

nicht   /u,    uiitl    liat    nur  v..in  ;il>str;nIiniMai«hYsisi-licn  StaiHljumklc  des  sootistist-hcn   I>ciiluni8 
aus  Berochtigung.    Puns  Scotus   l»rin<;t    lii(>r  nanili»  li    Air   Untorsrlioi«lmig   der   vi(>i    aiisto- 
tolisflien   UrsaoluMi    in    Aiiw.Mulun.ü:.    weh  li.',    wie   er   sa>;t,    von   (Juotimls   silmnitlicli    in   dio 
Seele  selber   hineinverlo};!    würden.      (Joetlials   nia.  lio    die   Seele   zur    causa   niaterialls   und 
causa   et"ti>iens    <les    Intellectivvrcdankens,    die    beiden    anderen    llrsa<li(>n  :     causa    tornialis 
und    tinalis    des    Inteliectivgedaniiens    seien    selbstverständlidi     mit    <\,-i-    I  Icrvorlu  inj^ung 
desselben   gegeben;   da    lum    mit    diesen   vier  t'r.-a.  Iicu    alles   zur   llervorbrin^unjr  des  (Jc- 
dankens  Nothwendige  gegeben  sei,'   st.   lalle  die  Kinwirkung  des  Ohjectes  als   überfldssig 
hinwei'.      Duns   Scotus    iibersieiit,    .lass    es    sich    hier    h'dlglich    um     llervorhringung    des 
Intellectiviredankens  der  Seele,   nicht   al)er  um   die  Erwerbung  der  Kenntniss  vom  Objecle 
als  solchem   handle,   welciies  sich   allerdings  der  Seele   vernehmlich   machen   muss,    damit 
diese  den  Intellectivgedanken  desselben  aus  sich  hervorzustellen   veranlasst  werde.    W  enn 
Duns  Seotus   für  die  .Materialursache  des  Gedankens  von   einem  Sinnendinge  dii^  sinnliche 
Vorstellung    von    demselben    hält,     so    ist    diess  allerdings   wahr;    man    wird    noch   mehr 
.sairen   müssen,    und    den    im  Sinnenbilde  erscheinenden   (legenstand    als  <lie   Kcalursache, 
Jamals  die    causa  totalis    des  Vorhandenseins    eines  Gedankens    vom  Gegenstan.le    In    der 
Seele  bezeichnen  miJssen,  weil   ohne  das  Berilhrtwerden  der  Seele  vom  Gegenstamlc  d(>r 
Gedanke  von  demselben   in  der  Seele  nicht  vorlianden  wäre.    Aber  der  von  der  Aussen- 
welt    in    die  Seele    hineingeworfene  Keflex    der   Dinge    ist    nicht    der    Tntelloctivgedanke 
derselben,  welchen  die  Seele  nur  aus  sich  .selbst  hervorstellen  kann,  und  dessen  Material- 
ffrund  nur  sie   selber  als  Quodammodo  omnia  ens  sein  kann.     Nur  bringt   die  Seele  zu- 
folo-e    ihrer  Gebundenheit    an    die    sinnliche    Leiblichkeit    in    ihrer    Berührung    mit    dem 
äusseren  Sinnendinge  nicht  sofort  unmittelbar  den  wahrhaften  Geistgedanken  des  Dinges 
aus  sich  hervor:  ihr  AVirkungsvermögen  ist  gehemmt  und  verengert  sich  in  ihrem  nächsten 
und  unmittelbaren  Bestreben,  das  Ding  nach  seiner  sinnlichen  Erscheinung  in  sich  auf- 
zunehmen  und  in  eine  geistige  Denkvorstellung  umzusetzen.    Aber  eben  in  dieser  sinn- 
lichen Erscheinung  bleibt  ihr  das  Ding   immerfort  ein  Aeusseres  und  Fremdes,    und  sie 
muss.    wahrhaft    auf   sich    selbst    sich  besinnend,    sich  sagen,    dass  sie,   bei  dem  sinnlich 
Erseheinenden  stehen  bleibend,    in    einer  ^Velt    des  Scheins   sich  befinde,    dessen  Imagi- 
nationen auf  ihren  wahrhaften  Grund  zurückzuführen,  sie  als  die  absolute  Aufgabe  ihres 
kosmischen  Denkens  ansehen  muss.  ^VaJlrllaft  auf  sich  selbst  zurückgehend,  kann  sie  die 
äussere  Erscheinung  eines  Sinnendinges  nur  als  den  sinnlichen  ^Viderschein  des  aus  ihr 
selbst  herausgesetzten  Geistgedankens  jenes  Dinges  erkennen,  nur  dass  sie  im  Bewusstsein 
dessen,    keine    ereative  Potenz  zu  sein,   ein  von  ihrem  Willen   und  Zuthun  unabhängiges 
Sein  als  Substrat  und  Träger    der    in    ihr    sich    reflectirenden  Ersclieinung   des    äusseren 
Dinges    anerkennen    muss.     Der  Umstand    aber,    dass    sie    sich    mit    dem  Dinge    in  einer 
ihrem  immanenten  Selbstleben  subjicirten  Region,  in  der  Region  der  Sensation   und  sinn- 
lichen Vorstelhmg  begegnet,  nöthiget  sie,  das  Sein  des  in  dieser  Region   Ihr  erscheinen- 
den Dinges  als  ein  ihrem  eigenen  Sein  und  "Wesen  unterstelltes  Sein  anzusehen,    dessen 


ipsa  est  causa,    et   cujus   ipsa   est   causa   de   se,   vel    saltem   aliqua,    in    quam    ijisa   potissime   potest.     Non  enim  potest  poni 
imperfectio  alicujus  causae  in   se  retenta  prima   hypothesi,    uec   non  approximatio,    ncc   impeditio,  quia   nihil  videlur  tunc 

impediens.  1  dist.  3,  qu.  7. 
i  Fngere  ad  causam  sine  qua  non,  quae  requiritur- ad  hoc,  ut  notitia  gignatur,  hoc  est  dicere,  quod  omnes  per  se  causae  non 
sunt   sufficientcä    causae.    sed   requiritur   aliquid   aliud,    a  quo   res   causand.i   dependet   essentialiter;    ergo   non  erunt  tantum 
quahior    causae    sive  quatuor  genera  causarum    sed   plura;    vel    aliquid    dependebit   essentialiter   ab  eo,    quod  non  est  causa 
ejus.     Ibid. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotus.  411 

Wahrheit  nicht  in  ihm  selbst,  sondern  in  dem  Gedanken  liegt,  der  in  ihm  verwirklichet 
erscheint.  Ohne  noch  eine  bestimmte  und  sichere  Erkenntniss  von  dem  Stoffe  zu  haben, 
worin  dieser  Gedanke  verwirklichet  ist,  wird  sie  auf  die  Erkenntniss  einer  stoffbildenden 
Macht  des  Denkens  hingeführt,  in  welcher  sie  das  objective  Correlat  ihi-es  selbsteigenen 
denkmiichtigen  Ergreif ens  der  Dinge  erkennt.  Dieses  objective  Correlat  kann  nichts 
anderes  als  der  schöpferische  Intellect  der  Dinge  sein,  auf  welchen  die  Seele  selber 
sich  zurückbezieht,  wenn  sie  den  Intellectivgedanken  des  in  der  sichtbaren  Wirklichkeit 
appercipirten  Dinges  aus  sich  hervorstellt.  Die  Selbstzurückbeziehung  der  Seele  auf  den 
schöpferischen  Intellect  der  Dinge  fällt  zusammen  mit  ihrem  Zurückgehen  auf  sich  selbst, 
da  sie  den  Wesensgedankeu  des  Dinges  eben  aus  sich  selbst  hervorstellt;  ob  sich  dieses 
Hervorstellen  etwa  unter  Hinblick  auf  die  der  Seele  präsenten  göttlichen  Urbilder  der 
sinnlich  appercipirten  Dinge  vollziehe ,  oder  ob  die  Wesensgedanken  der  Dinge  der 
Seele  concreirt  seien,  konnte  eine  Streitfrage  abgeben,  so  lange  die  Seefe  nicht  wahrhaft 
als  die  centrale  geistige  Fassung  der  Weltdinge  begriffen  war.  Ist  sie  ihrem  Wesen  und 
ihrer  Natur  nach  die  active  Fassung  der  Dinge,  so  muss  sie  auch  das  Vermögen  einer 
denkhaften  Actuirung  der  Wesensgedanken  der  Dinge  aus  sich  selber  haben.  Nur  werden 
diese  Gedanken  weit  hinter  die  sinnliche  Erscheinung  der  Dinge  zurückgreifen  —  um 
so  weiter,  je  schärfer  und  bestimmter  sich  die  wahrhafte  Beschaffenheit  der  Dinge  von 
ihrer  sinnlichen  Erscheinung  abhebt;  die  intellectiven  Wesensgedanken  der  Seele  werden 
jene  sein,  in  welchen  die  den  sinnlichen  Stoff'  gestaltenden  Gedankenmächte  ergriffen 
werden,  um  aus  ihnen  heraus  die  wandelbaren  und  vergänglichen  Formationen  des  Stoffes 
zu  verstehen,  als  dessen  absolute  Form  die  Seele  eben  sich  selber  zu  erfassen  hat.  Die 
Frage,  was  der  Stoff'  an  sich  sei,  mag  hier  auf  sich  beruhen  bleiben;  sicher  ist,  dass  er 
in  seinen  Gestaltungen  und  Wandlungen  vollkommen  aufgeht,  und  dass  er  einzig  die 
Bestimmung  hat,  die  aussergöttliche  Darstellung  des  denkhaften  Inhaltes  der  ihn  gestal- 
tenden Gedankenmächte  zu  ermöglichen.  Eben  so  sicher  ist,  dass  sich  in  allen  möglichen 
Formen  und  Wandlungen  desselben  nichts  zum  Ausdrucke  bringen  kann,  was  nicht  im 
Wesen  der  Seele  als  Form  aller  Formen  der  Sichtbarkeit  enthalten  läge;  nur  dass  das 
in  der  siclitbaren  Wirklichkeit  in  eine  unermessliche  Vielheit  wandelbarer  Gestaltungen 
Auseinandergegangene  im  Sein  des  Seelenwesens  in  eine  concrete  Einheit  zusammen- 
genommen ist,  welche  gleichsam  den  Materialgrund  des  selbstigen  Seelenwesens  bildet. 
Aus  diesem  Materialgrunde  des  Seelenwesens  setzt  sich  die  gesammte  intellective 
Gedankenwelt  der  Seele  als  selbsterzeugte,  selbstgeschaffene  innere  Welt  des  Geistes 
heraus,  die  vollständig  entwickelt  das  Universum  in  der  Gesammtheit  seiner  Erscheinungen 
in  sich  reflectiren  muss. 

In  dieser  Weise  wird  nun  freilich  die  Sache  von  Goethals  nicht  verstanden.  Er  und 
die  Scholastiker  insgemein  denken  stets  nur  an  die  intellective  Erkenntniss  der  Einzel- 
dinge als  solcher,  die  sich  natürlich  nur  auf  das  sinnlich  Erscheinende  in  seiner  unmittel- 
bai-en  Gegebenheit  bezieht.  Die  Artbegriffe  der  in  ihrer  unmittelbaren  sinnlichen 
Erscheinung  aufgefassten  Dinge  werden  unmittelbar  auf  göttliche  Gedanken  oder  Muster- 
bilder dieser  Dinge  zurückbezogen,  und  diese  hiemit  zu  Garanten  der  Wahi-heit  des 
sinnlich  empirischen  Bewusstseins  gemacht.  Der  an  sich  richtige  Satz,  dass  die  Sinne  als 
solche  nicht  täuschen,  d.  li.  uns  kein  falsches  Bild  des  sinnlich  Erscheinenden  als  solchen 
unterschieben,  wurde  dahin  verstanden,  dass  es  gar  keiner  Umsetzung  des  sinnliehen 
Scheines  in  die  richtige  gedankenhafte  Auffassung  des  Erscheinenden  und  keiner  Zurück- 


j  1  •)  Kahi.  WunsBii. 

l'uhruiii;   lies  Schoinos   aut'  «lio  ilni  voranhissiMultMi  l  rsarlu-n  licilln  rc.    weil  die  iinmliiclliaic 
sinnliche   AulYassung   unuiitteUiar    amli   srlion    .!!.•    waliic    .s<'i.      I  >(>iiiziirt)l}4i»    bcgrin     nian 
auch   nii'lit   ilic  rntliiniliohki'it    t-iiifi-    iinmllli'll>ai<'ii  Kf/.iclmn'r  des  sinnlhli    lOrsrlK'iiii'nilcii 
als   SüloluM»    auf  irüttliclic    IiIcimi,     uiKt    vollcntls    «Irr    Xiclliclt    «Ics   siiniliili    llrscIu'iiH'iKlcii 
auf  oim«  »>nts|imlu'U(li>   \  ii'lln'it   «lor  gitttliflicn    lilccii.    als   oh   nii-lit    in   il«'i-  (ii'saninillu'it 
lies  sinniicli  Kisoln.Mni'n(li'ii   flton   nur  Eine  Mcf  sirli   cxplirirtc,   (Um-imi  .M(iin(Mito  allcidiiiHfH 
im  i'öttlii'lien  Denken  in   distinetester  Weise   sitli    ausciiianderlefj^en    nitlsson,    alu-i     ni.  Iii 
selbst   wieder  Ideen  otliM-  W  t-sensgetlanken   sein    ki.muMi.   wolern   es   walir   ist.   dass   in   der 
Gesanuntlieit  des  sichtbar   l-^rscheinenden   elicn   nur  das   Mine  (iruiidwcscn   der  Natur  sich 
explieire  und   entwickele.   Ks  war  also   in   der  That   (unc   Sclbsttiuiscliung,    wenn  ( JcnUliais 
uiul    ähnlich   Gesinnte    im   Liditc    der    güttlichcu   J.lec   die    WesensbegrilVe   der    einzelnen 
Sinnendinge  zu  erkennen    glaubten;    alle    Scholastiker    olmo  Unterschied    aber.    ol.    l'la- 
toidker.   ob  .\ristoteliker,   verkannten,   wie  sehr  d(>r   mciiscidichc  Inicllni.   \nu   /um  (Jcist- 
iredanken   der  sinnlich   erscheinenden  Dinge  zu  gelangen,   dirscllii'n   ausser  sicii   zu  hallen 
habe,   ilainit   nicht  der  sinulit-he  Schein   derselben   sich  stöiou.l    und    beirrtuid  in  die   iutel- 
lective  Auffassung  des   Dinges  dränge,    und    dieser    als    das  wahrhafte  Sein    des    Dinges 
sich    unterschiebe.     Die    scholastische  Speculation    l)ezug    sich     in    ilircni    erkenntnissthoo- 
retischen  Anschauungen  auf  Aristoteles    und  Tlato   zurück;     aber  Aristoteles    sowohl   als 
l'lato  fasste  das  sinnliche  Ding    bloss  nach  seiner  unmittelbaren  Gegebenheit  ins  Auge, 
und  ffingen  nur  in  der  Frage  auseinander,  ob  man  das  Wesen  des  J)inges  in  dem  Dinge 
selber  oder  ausser  und  über  demselben  in  der  überzeitlichen  Idee  des  Dinges  zu  suchen 
habe.  Nachdem  man  nun  bereits  mit  Aristoteles  die  menschliche  Seele  als  die  \'\>rin  der 
Formen,    als    die    höhere    wahrhafte  Zusammenfassung    aller    sinnlichen  Formen    erkannt 
hatte,  so  hätte  man  immerhin  erkennen  sollen,    dass  man  die  Wesensform  des  einzelnen 
Sinnendinges  nicht  mehr  auf  ein  Höheres  über  der  menschlichen  Seele    zurQckbeziehen, 
sondern  in  der  sichtbaren  Wirklichkeit,  wie  sie  uns  3Ienschen  sich  darstellt,  nur  die  dem 
Wesen  der  menschlichen  Seele  eongruente  Erscheinungs-  und  Darstellungsform  des  gött- 
lichen Weltgedankens  zu  erkennen  habe,  dessen  Greistinhalt  die  Seele  eben  nur  aus  der 
Tiefe  ihrer  selbst  schöpfen  und  hervorstellen  kann.  Die  scholastische  Erkenntnisstheorie 
aber  bewegte  sich  ausschliesslich  auf  der  Berührungslinie,  in  welcher  die  wahrnehmende 
Seele  mit  den  sinnlichen  Erscheinungen  der  Dinge  zusammentrifft,  und  beschränkte  sich  auf 
die  Denkbeziehungen  der  wahrnehmenden  Seele  auf  die  sinnliche  Erscheinung  der  Einzel- 
objecte.  Sofern  nun  diese  von  der  unmittelbaren  sinnlichen  Erscheinung  abhängig  gemachte 
iutellective  Auffassung    der    sichtbaren    Wirklichkeit    auf   das    göttliche  Denken    zurück- 
bezogen wird,  erwächst  für  die  scholastische  Speculation  das  Dilemma,  auf  eine  Erklärung 
der  im  Artbegriff  enthaltenen  Individualexistenzen    als    solcher    aus  der    göttlichen  Idee 
verzichten  zu  müssen,    oder  umgekehrt  unmittelbar  alle  Sonderdinge  sammt    ihren  Con- 
stituenten  ins  göttliche  Denken  zu  verlegen,  wie  wir  es  bei  Duns  Scotus  gesehen  haben. 
Das  Eine  wie  das  Andere  hängt  mit  einer  unrichtigen  Fassung  des  menschlichen  Wesens- 
dualismus   zusammen.    Wird    die    Seele    so    tief    in    die    sinnliche    Leiblichkeit    versenkt 
gedacht,  dass,  wie  bei  Thomas,  der  Intellect  als  passiver  liecipient  der  Formen  der  Dinge 
erscheint,    so    geht  er  auch  in   der  Apprehension  dieser  Formen  auf,    und  das  singulare 
Ding  hat  für    ihn    keine    andere    ideelle  Bedeutung    als   jene,    Mittler    der  Apperception 
jener  Formen  zu  sein.  Duns  Scotus  ist  wohl  bemüht,  die  Seele  leibfreier  zu  fassen ;  aber 
es  ist  nur  die  leibliche  Stofflichkeit,  welche  nach  seiner  Auffassung  von  der  Seele  ausser 


Die  Psychologie  und  Erkenntnissleuke  des  Johannes  Duns  Scotus.  413 

sich    gehalten    wird;    daher    dann    das    Ding  allerdings    nach    seiner    sinnlich-stofflichen 
Singularität  ihm  bedeutsamer  gegenübertritt,  aber  olme  tiefere  Fassung  seines  concreten 
Seins,  das  eben  einfach  nur  aus  einer  göttlichen  Gredankensetzung  erklärt  wird.     Dieses 
concrete  Ding  lässt  er  nach  der  unmittelbaren  empirischen  Gegebenheit  desselben  in  die 
Seele  derart  hineingenommen   werden,   dass  es  nach  seiner  sinnlichen  Erscheinung  in  der 
sensitiven  Seele,  nach  seinem  Wesensbegriffe  in  der  intellectiven  Seele  vorhanden,    also 
die  Seele  ganz  imd  vollkommen  von  der  Gegenwart  des  empirischen  Dinges  so  zu  sagen 
in  Besitz  genommen  ist.    So    sehr  demnach    auch  Duns  Scotus    gegen  die  Passivität    des 
thomistischen  Intellectes  polemisirt,    so    ist    doch    auch    er    selbst    völlig  ohne  Kenntniss 
von  dem  aus  der  Seele  selbst    herausgesetzten  Gedankeni  des  Dinges,    er   weiss    nur  um 
den  durch  die  sinnliche  Erfahrung  ihr  aufgedrungenen  Gedanken  und  Begriff  desselben. 
Dass    die  Seele,    um    sich    auf   das  aus   der  Tiefe  ihres   selbsteigenen  Wesens  geschöpfte 
Verständniss  der  durch  die   sinnliche  Erfahrung  ihr  vermittelten  Kenntniss    der  Aussen- 
welt  besinnen  zu  können,  mit  der  stofflichen  Leiblichkeit  auch  den  durch  Vermittelung 
derselben    erlangten    sinnlichen    Vorstellungsinhalt    ausser    sich    halten    müsse,    um    den 
nöthigen  Raum  und  die  nöthige  Freiheit  zur  geistigen  Hervorstellung  des  in  sie  hinein- 
geworfenen sinnlich-empirischen  Weltbildes   zu    gewinnen,    war    ein    der    peripatetischen 
Scholastik  völlig  fremder  Gedanke;     die  Auseinanderscheidung  des  denkenden  Subjectes 
von  dem  geistig  zu  denkenden  und  intellectiv    zu   erfassenden  Objecte    hatte    sich    noch 
nicht    vollzogen    —    die  Tiefen    des  Selbstdenkens    waren    auf   ihrem   Standpunkte    noch 
nicht  aufgeschlossen.  Der  Grund  dessen  ist  wohl  kein  anderer  als  dieser,  dass,  nachdem 
man  von  der  ontologisch-metaphysischen  Auffassung  des  Seelen wesens  durch  Augustinus 
zur  Fassung  desselben  als  Wesensform  des  Leibes  fortgeschritten  war,  die  Lebensthätigkeit 
der  Seele  nur  nach  der  von  der  sinnlichen  Leiblichkeit  beeinflussten  Seite  ihres  Lebens 
und    Thätigseins    ins   Auge    gefasst    wurde.    Hatte    Augustinus    die    Seele    wegen    ihrer 
Geistigkeit  für  eine  Gott  nächststehende  Wesenheit  erklärt,  so  sahen  die  peripatetischen 
Scholastiker  in  ihr  als  Wesensform  des  Leibes  das  unterste,  an  die  Stoffwelt  angränzende 
und  mit  derselben  sich  berührende  Geistwesen,  dessen  Leben  und  Thätigsein  ausschliess- 
lich in  der  AVechselwirkung  mit  der  sinnlich-irdischen  Daseinswelt  vor  sich  gehe.  Wenn 
Duns  Scotus  dadurch,    dass  er  dem  stofflichen  Leibe  eine  besondere  von  der  Seele  ver- 
schiedene   Wesensform    zuschrieb,    dem    seelischen    Wesen     einen    grösseren    Grad    von 
Selbstigkeit  und  Unabhängigkeit  vindiciren  zu  wollen  schien,  so  bedeutete  diess,  wenig- 
stens zunächst    imd   unmittelbar,    durchaus  nicht  den  Durchgang  zu  einer  vermitteiteren 
Auffassung  des  Verhältnisses  zwischen  dem  denkenden  Subjecte  und  der  ihm  gegenüber- 
stehenden   objectiven   Wirklichkeit,    sondern    eher    einen    theilweisen    Rückgang    auf   die 
augustinische  Anscliauung  vom  Seelenwesen,  welcher  sich  noch  entschiedener  bei  Goethals 
vollzog.  Gleich  Scotus  schrieb  auch  Goethals  dem  stofflichen  Leibe  eine  vom  Seelenwesen 
unterschiedene  Wesensform  seines  körperlichen  Seins  zu;  er  kam  aber  zu  keiner  Klarheit 
darüber,  ob  er  die  intellective  Seele  vom  Körper  desshalb.  bestimmter  abscheiden  solle, 
weil  sie  Gott  ungleich  näher  stehe  als  das  Körperliclie,    oder    desshalb,    weil    sie  einen 
geistigen  Wesensgehalt  in  sich  schliesse,    zu  dessen  Entfaltung  ihr  eine    grössere  Unab- 
hängigkeit   von    den    durch    die    sinnliche    Leiblichkeit    vermittelten    Einwirkungen    der 
sinnlichen  Aussenwelt   zugestanden    werden   müsse.    Das  Erstere    Hesse    sich    vermuthen, 
wenn  Goethals  unter  Verwerfung  der  Species  intelligibiles,    welche  Thomas  und  Scotus 
durch    die  Einwirkung    der    Sinnendinge    in    der  Seele    entstehen    lassen,    die  Dinge    im 


41-1  K'ahi.   Wkkm.k 

Liolit«'  iUt  giiltlii'lu'ii  Waliilu'it  «'ikaiiiil  weiden  l;i>>I  :  «las  Lei/.ieii'  Hesse  sii  li  aimelmieii. 
wenn  man  ilin  zeilweiliiT  an  die  l^elire  von  ani^eliornen  \\  esiMishofii  illcn  ilii  l'iiifre 
anstreifen  sieht.  Aul  »lie  Annalune  von  an<jebi'nii  ii  N\  esensi^eilankcii  ilr  l'iii^e  sind  wie 
an  einem  tVülioren  Orte  '  selion  bei  Albertus  Majjnus  «jestussen  ;  im  Zusammenlianire  alter 
mit  tler  jdatunisiii'iiden  Aullassuntr  des  \  erliiiltnisses  der  Seide  y,um  heilte  und  luil  einer 
augustinistdi  |dalonisirenden  Ij-kenntuisslIuMric,  wie  sie  bei  (Joellials  vorlicj;!,  ^ridlt. 
lioothals  Hinwendung  aut'  die  L«dire  vun  aMücboriHii  Ideen  ileni  rartesiaiusmus  vor, 
dessen  s|>iritualistiscli-idoalistiselie  Krkenniuissthenrie  sitli  ja  ans  dem  Ix-wusslen  (togen- 
sutze  zu  dem   abgeworfenen  sjieeulativen   l'erijiateiismus   heraiisbildelc 

Puns  Seotus  stellt  der  Berufung  des  (ioetlials  auf  den  IMatouiker  Augustinus  die 
Berufung  auf  den  Tlieologen  Augustinus  oder  den  Augustinus  der  s])ät(Men  l*]])o(die  ent- 
gegen, und  diess  nielit  unbefugt,  wenn  er  gegen  Goethals  dl«'  ricdciiinng  der-  .Memoria 
als  eines  Vermögens  der  intelleetiven  Seele  /n  erliärten  sueiit.  Im  I  lluminisnuis  des 
Goetlials  fällt  die  .Memoria  als  ilberliiissig  hinweg,  (ioethals  weiss  von  keiner  Speeies 
intelligibilis  als  lu-tiex  des  Sinnendinges  im  Intelleete."  katm  demzufolge  am  h  nieht  von 
einer  Aufbewahrung  der  Speeies  impressa  im  Intelleete,  d.  h.  von  keiner  Memoria  intel- 
lectiva.  spreehen.  Seotus  missbilliget  aber  aueh  den  von  Thomas'  angegebenen  Giund  fiir 
das  Statthaben  einer  sokdien  .Vufbewahrung.  Thomas  begründet  nändic  h  dasselbe  .lutili 
einen  Schluss  a  minori  ad  majus ;  wenn  die  sensitiven  Potenzen  filhig  seien,  die  ilurch 
die  Sinneseindriieke  recijdrten  Sinnesbilder  der  Dinge  zurüekzubehalten,  so  milsse  die 
intelleetive  Potenz,  die  im  Hange  ungleich  liöher  steht,  um  so  mehr  die  Species  intelli- 
gibiles  zu  retiuiren  vermögen.  Duns  Seotus  spricht  zufolge  seiner  antispeculativen  Ansicht 
von  der  Univocität  alles  Seins  diesem  Schlüsse  a  minori  ad  majus  die  zwingende  Be- 
weiskraft ab:*  und  gesteht  bloss  soviel  zu,  dass  eine  Vollkommenheit,  die  der  sensitiven 
oder  imagiiuitlven  Potenz  zukommt,  auch  dem  Intelleete  nicht  abgehen  könne,  und  diess 
um  so  weniger,  da  sich  keine  Gründe  eruiren  lassen,  aus  welchen  das  Fehlen  einer 
solchen  Vollkommenheit  zu  erweisen  wäre.  Nichts  ist  mehr  zum  Wirken  disponirt,  als 
das  Principiuni  formale  agendi,  und  doch  muss  es  nicht  ein  stets  wirkendes  sein,  sondern 
kann  einem  Wirkenden  auch  nach  Vorübergang  der  actuellen  Bethätigung  ruliend  inne- 
wohnen:  gesetzt  also,  die  dem  Intelleete  im])rimirte  Species  sei  das  Principium  formale 
des  Intellectionsactes,  so  kann  sie  doch  ohne  actuelle  Intellection  im  Intelleete  vorhanden 
sein.  Die  Species  kann  natürliche  Ursache  des  Intellectionsactes  sein,  ohne  desshalb 
nothigende  Ursache  desselben  sein  zu  müssen :  und  letzteres  ist  sie,  weil  der  A<"t  der 
Intellection  nicht  mit  physischer  Nöthigung  vor  sich  geht.  Ein  habituelles  Vorhanden- 
sein der  Species  im  Intelleete  kann  man  demselben  auch  darum  nicht  absprechen,  weil 
es  neben    der    actuellen  Intellection    auch    eine    essentielle  Vermöglichkeit    zu    derselben 


'  Denkschriften  d.  kais.  Äkad.  d.  Wiss.  l!d.  XXV,  S.  141   (Separatabdi-.  S.  73). 

-  Dasselbe  gUt  von  Gottfried  von  Foutaines,  dalier  Duns  Seotus  (I  dist.  3,  qu.  4;  Dp.  Paris.)  Beide:  fioetlial«  und  Gott- 
fried, unter  Einem  bekämpft.  Danach  ist  das  von  Prantl  (Gesch.  d.  Log.  III,  S.  197  f.)  über  den  Thomismus  Gottfrieds 
Beigebrachte  einiger  Massen  zu  modificiren.  Est  opinio  duorum  doctorum  —  bemerkt  Duns  Seotus  I.  c.  —  negantium 
speciem  impressam,  ponendo  tontnm  actum  intelligendi  iraprimi  ab  objecto,  quia  relucet  in  phantasmate.  In  Bezug  auf  Gott- 
fried werden  1.  c.  dessen  Qnodlibetica  IX,  qu.   19  citirt. 

3  1   qn.   79,  art.  6. 

*  Haec  ratio,  quamvis  sit  quaedam  convenieutia,  non  tamen  necessario  concludit;  quia  intelligere  non  est  firmius  manens  in 
intellectu,  nee  velle  in  voluntate,  quam  sentire  in  sensu,  quamvis  sint  potentiae  iiobiliores  et  perfectiores,  et  nobiliori  modo 
habentes  snos  actus  secnndos.     1  dist.  3,  qu.  5.  (Dp.  Paris.). 


i 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotüs.  415 

gibt,    in    deren  Stand  der  Intellect  durcli  Conservirung    der   imprimirten  Species    in  der 
Memoria  versetzt  wird. 

Die  Lehre  vom  Gedächtniss  unterlag  in  der  Entwickelung  der  mittelalterlichen 
Psychologie  mancheidei  Wandlungen.  Augustinus  hatte  in  der  Memoria  eines  der  drei 
Grundvermögen  der  Seele  als  solcher  erkannt;  die  aristotelische  Psychologie  wies  das 
Gedächtniss  der  Sinnenseele  zu,  und  beschränkte  die  intellective  Thätigkeit  auf  das  Er- 
kennen und  Wollen.  Wollte  man  nun  Aristoteles  mit  Augustinus  concordiren,  so  konnte 
diess  formell  nur  dadurch  geschehen,  dass  man,  wie  es  die  peripatetischen  Scholastiker 
insgemein  thaten,  die  Lehre  von  der  intellectiven  Memoria,  die  Aristoteles  nicht  kennt, 
als  eine  Abtheilung  der  Lehre  vom  intellectiven  Erkennen  behandelte.  Wir  haben  aber 
an  einem  anderen  Orte '  gesehen,  dass  Albert,  welcher  der  erste  entschieden  auf  der 
peripatetischen  Philosophie  fusste,  neben  dem  Sinnengedächtniss  auch  ein  intellectives 
Gedächtniss  zugab,  während  Wilhelm  von  Auvergne,  der  gleichfalls  schon  vielfach  mit 
aristotelischer  Psychologie  sich  befasst  hatte,  durch  Ablehnung  der  peripatetischen 
Abscheidung  der  Seelenvermögen  vom  SeeleuAvesen  die  für  Albert  sich  ergebenden 
Schwierigkeiten  in  Zulassung  eines  Intellectivgedächtnisses  beseitigte.  Gegen  die  aristo- 
telische Lehre  vom  Sinnengedächtniss  hatte  Wilhelm  nichts  einzuwenden,  da  dieselbe  auch 
bei  Augustinus  sich  vorfand ;  nur  betrachtete  er  das  bloss  ins  Sinnengedächtniss  Auf- 
genommene nicht  als  ein  eigentliches  Eigenthum  der  Seele,  sondern  er  sah  es  für  etwas 
bloss  im  menschlichen  Gehirne  Hinterlegtes  an.'^  Daraus  folgt  indess,  dass  das  selbst- 
eigene Gedächtniss  der  Seele  doch  nur  ein  intellectives  sei,  indem  nur  das  Gedachte  ihr 
geistig  zu  eigen  wird.  Auf  diesem  Standpunkt  steht  auch  Duns  Scotus,  der  sonach  auch 
bezüglich  dieses  Punktes  sich  rühmen  kann ,  von  seinem  Standpunkte  eine  Rückver- 
mittelung des  Peripatetismus  in  den  Augustinismus  vollzogen  zu  haben.  So  sehr  betont 
er  die  Intellectivität  des  Gedächtnisses,  dass  er  sogar  zweifelt,  ob  man  den  Thieren  ein 
Gedächtniss  zugestehen  könne  5  was  bei  Thomas  noch  als  Function  des  sinnlichen  Ge- 
dächtnisses genommen  wird,  erklärt  Duns  Scotus  bereits  als  intellective  Function.  Thomas 
lehrt,^  dass  die  Memoria  als  Bewahrerin  der  Species  allerdings  dem  intellectiven  Theile 
der  Seele,  das  Gedächtniss  des  Vergangenen  als  Vergangenen  aber  der  sensitiven  Seele 
angehöre.  Für  Duns  Scotus  ist  das  Vergangene  als  Vergangenes  das  Wesentliche  der 
Gedächtnissfunction  des  Sich-Erinnerns  (Recordatio)  —  aber  nicht  jedes  Vergangene, 
sondern  speciell  ein  der  Vergiingenheit  angehöriger  Act  dessen,  der  sich  erinnert.  ^  Daraus 
folgt,    dass    die  Erinnerung    in    der  Zeit  vor  sich    geht    und    mit   der  Wahrnehmung  der 


'  Denkschr,  XXV  (siehe  vor.  Seite,  Anm.   1)   S.   13ö  (Separatabdr.  S.  67). 

-  Dico  igitur  in  hoc,  qiiod  possibile  est  et  forte  necesse,  ut  memoriae  multae  pereant,  praesertim  reniiii  ijarticnlariuni  et  sen- 
sibilium,  qiiae  sunt  oeculto  in  thesauro  meniorativae,  quae  sunt  in  anima,  quod  dico  propter  hoc,  quod  memoriae,  quae  sunt 
in  anima  h.  e.  quarum  signa  in  ipsa  anima  impressa  sunt,  non  est  necesse,  ut  abradantur  ab  ea  per  mortem  corporis  ;  illa 
vero  quae  in  antedicta  cellula  capitis  solummodo  impressa  sunt,  in  ea  tanquam  in  thesauro  reposita,  revera  non  solum  per 
mortem  corporis,  sed  per  vulnerationem  interdum  ipsius  cellulae  amittuntur.  Hujus  autem  esemplum  est  in  eo,  qui  seit 
utique  legere  et  intelligere  in  libro  suo,  cum  illum  inspicit  solummodo ;  quam  cito  autem  ei  subtrahatur,  subtrahitur  ill  i 
scientia  illorum,    quae  legebat  et  intelligebat  in  eo;     causa  autem  in   hoc  est,    quoniam    de    lectis    et   intellectis    nihil  apud 

animam    suam    thesaurizavit Pliantasmata   igitur   quae    extra  animam  sunt,    videlicet   in    quacunque  ex  tribus  cellulis 

capitis  liumani,  non  est  mirum,  si  sublato  capite  toto  vel  vulnerato  aliquae  illarum  vel  in  toto  vel  in  parte  amittuntur;  ea 
vero,  quae  in  ipsa  animae  essentia  jam  coUoeata  et  fixa,  non  est  necesse  amitti.  Gulielm.  Alvern.  De  anim.  Cap.  VII, 
Pars   15. 

3   1   qu.   79,  art.  G. 

•*  Non  quodcunque  objectum  praeteritum  est  objectum  memoriae  sive  actus  recordativi,  sed  tantum  actus  praeteritus  recor- 
dantis,   inquantum  praeteritus  est,  dicitur  principium  et  immediatum  objectum  memoriae.  4  dist.  45,  qu.  3   (Op.  Paris.). 


Zeil    vorbuiulon    ist,    tluss    iVnuT    .his   Ul.jtu-t    .Icr    Kiiinicniii^-    iii.lit    scIImt,     wohl    ahcr   in 
seinem    InUlc    oder    in    seiner  Sj.eiies    gegenwärtig-    sei.'      I».u;ius   winl     \v<ii<T    goroljrort, 
ilass,  niiin  mag  tlie  l'otentia  reionliUivu  uls  einlarlie  oder  /usun>iiien<4e.sei/.te  Toten/,  Tassen, 
jcdonralls    der  Aet    der   .Menu>ria    niilit    ohne    Mitwirkung;    des    liitellertes    und    iler   Kiu- 
bildungskraft  (Thantasia)   vor  siili   gelu'u   könne,    her    Intel le.t    iniiss  der  Krinnerung  das 
in   ilun   aufbewalirte  lUld   darbieten,  das  seinerseits  wieder   ni.  In    .•Ime   iie/.iehung  auf  <Uis 
SinnenbiUl    sieh    repriisentiren    k;uin.      l>as>    das     Ijinnern     uls    sidehes    durchaus    in    i\>'r 
intelleetiven   Sphäre   vor  sieh   gelit,    begrilndet    huns   Seotus    speeiell    daraus,    dass   es   mit 
der  WahrnelnnuniT  des  Zeitunterschiedes   verbunden    ist,   und   dass   die  Totentia  reeonhitiva 
eine    Inunutation    durch   den   .\et   der  Kecordatiou   erb'i.let.   während   die   sensitive   Potenz 
nicht   von   einem   Acte   ilires   Krinnerns,    sondern   bK)ss   von    d(Mn   Objeete   der    1  ;iuirieiung 
eine    Inunutation   erfälirt.*     Das  menschliche  Gedächtniss   erweist   sieh   seli.M.   diinli   s.in.n 
inneren    Zusammenhang    mit    den    Tugenden     der    IvlugluMt    und     (Jere.lili^keit    als    ein 
specitisch   intellectives   Vermögen.''    während   es  zwei  fei  halt    ist,    <d»   man   den   'l'hiercn   (un 
Gedächtniss  zuschreiben   soll.      Denn  die  Acte  der  Thicre,   aus   welchen   juan   auf  ein  Ge- 
dächtniss derselben  schliesst,    z.  B.  der  Ameise,  die  zu  dem  Orte,    von    weh  licm   sie  ein 
erstes   Korn   weggetragLMi    hatte,    wiederkommend    ein   zweites,    drittes   lioli.   die    Erkennt- 
lichkeit  der  Thiere  oder  ihr  Nachtragen   erlittener  Beleidigungen,  die  Dressur  gezähmter 
Thiere,  lassen  sich  ohne  Gedächtniss  aus  den  ihnen  eingedrückten  Sinnenbildern  erklären. 
Dem  steht  mm    allerdings  die  Aiictorität  des  Aristoteles   entgegen,  der  die  ( Jedächtniss- 
function    der  Sinnenseele  zuweist.     Duns  Seotus    will    die    von  Aristoteles    gegebene  Be- 
gründung  nicht    eben  verwerfen,    kommt  jedoch  zu  dem  ResiJtate,    dass,    wenn  sich   cm 
Erinnern  des  Thieres  auf  einen  selbsteigenen  Act  ohne  Annahme  einer  Reflexion  '   nicht 
denkbar  machen  lassen  sollte,  dem  Thiere  das  Gedächtniss  abgesprochen  werden  müsste. 
Daraus,    dass    man    dem  Thiere    das  Gedächtniss    abspricht,    folgt    freilich  noch   nicht  — 
fährt  1  )uns  Seotus  weiter  —  dass  es  in  uns  der  intelleetiven  Seele  eignen  müsse ;    indess 
könne    man    sich    immerhin    auch    auf  Aristoteles  berufen.     Kr  sagt  in  seiner  Schrift  de 
Memoria  et  Reminiscentia,  in  welcher  er  das  Gedächtniss  ausschliesslich  der  Sinnenseele 
zuweist,  dass  sich  das  Gedächtniss  intelligibler  Acte,  z.  B.  der  erlernten   Wahrheit,  das» 
das  Dreieck  drei  Winkel  habe,  erinnern  könne.     Dieser  Ei-innerungsact   kann  abei-  docii 
gewiss  nur  ein  Act  des    Intellectes    sein,    weil    auch    das    erste    Denken   jener    Wahrheit 
ein   Act    des  Intellectes    war.     Es  steht  ferner  fest,  dass  die  Reminiscentia  ein  Act  der- 
selben Potenz  sein  müsse,  welcher  die  Recordatio  angehört.  Wenn  nun  das  Reminisci  al- 


'  Sic  igitur  patet,  qnod  potentia  recordativa  est  ipsius  speciei  primo,  dein  ipsins  actus,  tertio  ipsius  objecti,  ad  quod  terminatur 

illc  actus.     L.  c. 
-  Licet  enim  sensns  superior  possit  recordari  de  actu  sensus  inferioris,  noii  tarnen  potest  recordari  de  actu  suo  dum  est;    ntc 

sensus  essentialiter  superior,  nee  inferior  potest  recordari  de  aliquo  actu  sive  sui  sivc  alterins,  ut  actus  praeteritus  est,  quia 

uullus  actus  potentiae  sensitivae  est  reflexivus  super  se,  nee  superior  sensus  lioc  potest,  quia  superior  quinque  sensibiis;  quia 

visio,  qnae  actu  est  colorati,  non  est  i-isibilis;  et  ita  est  de  actibus  aliorum.  sensuum.     L.  c. 
3  Experimur  intellectionem  praeteritornm  in  nobis,   non  solum  eorum,  quae  sunt  praetcrita,  imo  üiquantuni  jiraetcrita,  alioriuin 

intellpctio    sire    memoria    praeteritorum    non    esset  pars  prudentiae   contra  TuUium   libr.  2  de  inventione.     SimiUter  ex  hoc 

sequitur,    quod  non  esset  jnstitia  in  parte  intellectiva,    quia  nuUa  esset  recordatio  de  ineritis,  nee  de  peccatis  commissis,  et 

sie  nnllus  posset  juste  pracmiari  nee  juste  puniri.    L.  c. 
■»  Dico  quod  phantasroa  in  brutis  recordatur  actus  proprii  dum  est,   non  per  reflexionem,  sed  pro  quanto  actus  suus  reducitur 

aliquo  modo  ad  subjectum  suum,   non   per  alium  actum,   sicut  visio  aliquo  modo  dicitur  colorata  et  ideo  quodammodo  visi- 

bilis,  et  inquantum  videt  se  yidere Vel  si  hoc  non  placet,  oportet  dicere,  quod  in  brutis  non  est  virtus  vel  potentia 

recordativa.     L.  c. 


Die  Psychologie  und  Erkesntnisslehke  des  Johannes  Duns  Scotus.  417 

discursive  Tliätigkeit'  sichei'  dem  Intellecte  angehört,  so  muss  dasselbe  auch  von  der 
Kecordatio  gelten.  Freilich  folgt  daraus  noch  nicht,  dass  es  nicht  auch  eine  Erinnerung 
der  sensitiven  Potenzen  gebe.  Aber  die  Erinnerung  an  Acte  des  Jntellectes  und  AVilleus 
gehört  gewiss  nur  dem  Intellecte  an-,  und  bei  intellectiven  Erinnerungen  an  sinneniYdlige 
Dina'e  dienen  die  sensitiven  Potenzen  nur  als  Hülfskräfte. 

Duns  Scotus  behandelt,  wie  aus  dem  Gesagten  hervorleuchtet,  das  Erinnern  durch- 
wegs nur  als  einen  freien,  selbstthätigen  Act  der  Seele,  woraus  dann  freilich  mit  Noth- 
wendigkeit  folgt,  dass  es  eine  intellective  Thätigkeit  sei  und  den  Thieren  abgesprochen 
werden  müsse.  Man  kann  seine  Erklärungsweise  im  Gegensatze  zu  jener  anderer 
Scholastiker,  welche  an  der  aristotelischen  Grundauffassüng  festhielten,  die  intellectua- 
listische  Erklärungsweise  nennen,  die  von  einer  pragmatisch-psychologischen  Auffassuiig 
und  Beleuchtung  des  Vorganges  des  Erinnerns  wohl  am  allerweitesten  entfernt  ist.  Dass 
es  ausser  der  selbstthätig  gewollten  Wiedererinnerung  auch  eine  unfreiwillige  und  unwill- 
kürliche Erinnerung  gebe,  und  dass  diese  nach  gewissen  Gesetzen  vor  sich  gehe,  lag 
völlig  ausser  dem  Bereiche  seiner  Beachtung.  Die  philosophische  Lehre  vom  Gedächtniss 
beginnt  geschichtlich  mit  der  platonischen  Lehre  von  der  Wiedererinnerung,  welche  man 
sofort  auch  als  einen  ahnungsvollen  Griif  in  die  tiefste  Mitte  der  Sache,  als  Versuch 
einer  tiefsten  speculativen  Fassung  der  Idee  des  menschlichen  Gedächtnisses  ansehen  darf. 
Das  Gedächtniss  erscheint  hier  als  Besinnung  der  Seele  auf  sich  selbst,  auf  ihr  tiefstes 
Wesen,  und  auf  all  das  Hohe  und  Tiefe,  was  in  der  Idee  desselben  liegt.  Aber  freilich 
wird  diese  Selbstbesinnung  der  Seele  noch  nicht  nach  ihrer  vollen,  wahrhaften  Tiefe 
gefasst;  Plato  verlegt  den  Gegenstand  der  Seelenerinnerung  ausser  die  Seele,  und  so 
beschränkt  sich  die  Erinnerung  nach  ihrem  eigentlichen  Gedankengehalte  nui-  auf  den 
himmlischen  Ursprung  und  Adel  der  Seele,  ohne  Erkenntniss  dessen,  was  im  AVesen  der 
Seele  als  solcher  liegt.  Diese  einseitig  idealistische  Auffassung  der  Seelenerinnerung  rief 
als  ihren  Gegensatz  die  vorwiegend  empiristische  aristotelische  Auffassung  des  Gedächt- 
nisses hervor-,  der  Erinnerung  an  das  vorzeitliche  Sein  wird  die  Erinnerung  an  das  zeitlich 
Vorhergegangene  substituirt,  und  der  Sitz  derselben  in  das  sinnliche  A'orstellungsleben 
verlegt.  Das  eigentliche  Gegenbild  der  platonischen  Wiedererinnerung  ist  bei  Aristoteles 
die  vom  Gedächtniss  {\vrf^[vq)  unterschiedene  Reminiscentia  (avdjjiVY^jii:)  oder  das  Besinnen 
auf  das  im  Schatze  des  Gedächtnisses  Hinterlegte.  Die  Wiedererinnerinig  erfolgt  durch 
eine  Reihe  von  Bewegungen,  durch  welche  wir  der  dem  gesuchten  Objecte  der  Wieder- 
erinnerung nächstliegenden  Vorstellung  nahezukommen  streben,  in  der  Ei"wartung,  dass 
durch  diese  die  gesuchte  Vorstellung  aufgeweckt  werde.  Gelingt  es  uns,  von  dem  Aus- 
gangspunkte unseres  Suchens  durch  uns  selber,  d.  h.  durch  eine  wenigstens  theilweise 
Keproduction  jener  Bewegungen,  in  deren  Abfolge  wir  zuerst  auf  die  gesuchte  Vorstel- 
lung hingeführt  wurden,  dieselbe  zu  erreichen,  so  hat  die  Wiedererinnerung  statt;  im 
entgegengesetzten  Falle  sind  wir  an  das  Neu-Lernen  des  Gesuchten  durch  Hilfe  eines 
Anderen  angewiesen.  Dem  gegenüber  heisst  es  in  Plato's  Menon,^  dass  alles  Forschen 
und    Lernen    Wiedererinnerung    sei.     Bei    Augustinus    verwandelte     sich    dieses     durch 

'  Reminisci  est  quidam  discursus  uon  syllogisticus,  ut  docetur  in  libro  de  Memoria  et  Reminiscentia.  Reminisci  est  ex  qui- 
busdam  consequentiis  prioribna  secundum  tempus,  ex  quibus  potest  recuperare  perfectam  raemoriam  ejus,  cujus  prius  babuit 
imperfectam  vel  imperfecte.  Quandoque  tarnen  potest  esse  iste  discursus  reminiscentiae  vel  recordationis  actus  syllogisticus, 
ut  quando  prius  oecurrunt  memoriae  nostrae  principia  quam  conclusiones,  et  deducendo  prineipia  reminiscitur  conclusionum 
et  reeordatur.  L.  c. 

'  Menon   p.  81. 
Denkacliriften  der  phil.-hiüt.  Cl.  XXVI.  Bd.  Ö3 


4  IS  K»l!l.  Wku.vkk 

inonschliiluMi  l  iitiMiirlit  ari^cicy ti'  W  iodcii'riiiiH'iu  l'lutu  .s  in  ein  lirkcmicu  im  Liclilc 
dor  güttlii'luMi  Walirlioit,'  ilosson  lIüluMJsijrud  Aiijjjfustimis  von  tU'r  clliisvlioü  DisjiDsilion 
»les  MonscIuMj  abhiiiiifig  nwu-lit.  Mit  clifv,i-  aii>>;>istiiiisclu'n  Aiiscliauuu^  liesa  sirli  i<rli( 
wohl  ilio  aristotelische  Autl'ussuiiif  des  ( ii'darhtnisses  vonMuliaicii,  dalicr  (iocthals"  im 
l'.iiiklangi-  mit  Aristotolfs  das  (»iMliuditniss  der  IMiantasia.  <1.  h.  dem  .siiiiili(  Iumi  Vorstid- 
luM2:svi«rmüi;tMi  /uwii's.  in  dossiMi  Kraft  ilci-  liitolliHt  sicli  «'liiincrt'.  J)ic  Krwidcninj''  '\^'^ 
Sootus,  dass  uarh  Aristottdos  amdi  das  iiittdlortivo  hiMikoii  iiiidit  ohne  Hiiiiiiiidics  \  nr 
Stollen  statthabe,  beweist  nirhl,  <ias~.  (ioethals  mit  Ungniiiij  auf  Aristoteles  sich  IkmuIc: 
im  t^egentheile  dtlrfte  Uoethals'  Heliaujttung,  dass  der  Intelloet  dif  iiiiinu'nin^-  in  Krall 
lies  sinnliidien  ^  orstelliingsvermöirens  vollziehe,  die  aristotelisciie  Lidire  vnin  l'.riMin'rii 
u«d  W  iedereriuneru  zienUieh  genan  wiedergeben.  Duiis  Scotiis  nrgirt,  wie  wir  liürlen, 
dass  Krinneriing  und  Wiedererinnening  derselben  Potenz  angehören  milssen,  di(^  AVieiler- 
erinnerung  aber  von  Aristoteles  selber  ausdi  iicLIicIi  ilcm  lutolleete  /.uerkannt  werde. 
Diess  Letztere  ist  jedoch  nur  mit  ICinsehränkiing  zuzugeben;  Aristoteles  sagt,  dass  die 
WiedererinneruJig  dem  Mensehen  zukomme,  weil  er  zu  schliesseii  un<l  zu  ilberlogen  v<m- 
müge  und  die  ^Viedererinneruug  eine  Art  vou  .Sehlussvei-t'ahren  sei.  Daraus  lolgt  aber 
bloss  so  viel,  dass  das  AViedereriiineru  ein  unter  Obnuicht  des  Denkens  in  der  »Seele  zu 
Staude  kommender  Vorgang  sei:  dieser  erscheint  zugleich  auch  als  Naturvorgaug,  wenn 
mau  Aristoteles  sageu  hört,  dass  man  behufs  Wiedergewinnung  einer  bestimmten  Erinne- 
rung von  etwas  ausgehe,  was  ilemselben  nahe,  ähnlich  oder  auch  entgegengesetzt  sei. 
Denn  da  handelt  es  sich  doch  gewiss  nicht  um  eine  logische  Verkettung  zwisclien  dem 
Ausgangspunkte  uud  dem  aufzuspürenden  Objecte  ilcr  Wiedererinnerung,  sondern  um 
Erwirkung  einer  nach  den  Gesetzen  der  Ideenassociation  erfolgenden  Ilesuscitation  der 
Vorstellung  oder  des  Objectes,  dessen  man  sich  entsinnen  will.  Man  miiss  sich  wundern, 
dass  Duns  Scotus,  der  den  AVillen  so  sehr  betont,  nicht  darauf  kam,  die  lleminiscenz, 
soweit  sie  die  active  Resuscitation  einer  aus  der  Erinnerung  geschwundenen  A'^orstcllung 
bedeuten  soll,  als  einen  durch  einen  AVillensact  bedingten  Vorgang  im  Seelenleben  zu 
fassen.  Freilich  hätte  dann  dasselbe  auch  vom  activen  Erinnern  an  eine  noch  nicht 
aus  dem  Gedächtniss  geschwundene  Vorstellung  gesagt  werden  müssen,  und  es  hätte 
insgemein  zwischen  willentlicher  und  unwillktirlieher  P^rinnerung  und  Wiedererinnerung 
unterschieden  werden  müssen.  In  beiden  Fällen  aber  ist  das  Erinnern  als  ein  Natur- 
vorgang in  der  Seele  zu  fassen,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  derselbe  entweder  von 
selbst  erfolgt  oder  durch  den  selbstthätigen  Willen  des  Menschen  sollicitirt  wird.  Die 
Unterscheidung  zwischen  bewusster,  absichtlicher  Erinnerung  und  unwillkürlichem  Auf- 
leben gehabter  Vorstellungen  würde  dem  Scotus  zum  Theile  vielleicht  auch  über  seine 
Bedenken  gegen  ein  thierisches  Gedächtniss  hinweggeholfen  haben,  obschon  es  richtig 
ist.  dass  in  Avahrhaftem  Sinne  nur  dem  Menschen  das  Erinnern  zukommen  könne,  weil 
nur  er  eine  wahrhafte  Innerlichkeit  hat.  Daraus  folgt  aber,  dass  das  wahrhafteste,  tiefste 
Erinnern  des  Menschen  Selbsterinnerung,  Besinnung  auf  sich  selbst,  auf  sein  eigenstes 
^  esen  sei,  Besinnung  auf  das,  was  in  den  Tiefen  seines  Wesens  ruht.   Duns  Scotus,  der 


'  Vgl.  Augustin.  de  Magistro  c.  11:  De  uiiiversls,  cjuae  iiituliigiinus,  noii  loquentem,  qui  personal  foris,  sed  intus  ipsi  menti 
praesidentem  cousulimuä  veritatcm,  verbis  fortasse,  ut  con.iulamus  admoniti.  Illuin  autem  qui  consulit,  docet  qui  in  interiori 
bomine  babitare  dictus  est  Christus  i.  e.  incoiumutabilis  Dei  .itque  sempiterua  sapientia,  quam  quideni  omnis  rationalis  aninia 
consulit,  sed  tantum  cuique  panditur,  quantura  capero  propter  propriam  sive  nialam  sive  bonani  voluntatem  ])otest. 

'  Qaodlib.  XIII,  qu    7. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehkk  des  Johannes  Düns  Scotcs.  419 

die  geistige  Vergegenwärtigung  vorausgegangener  Acte  und  Ertalirungserlebrdsse  des 
sich  Erinnernden  als  das  eigentliche  Wesen  der  Erinnerung  ansieht,  hält  sich  an  die 
rein  empirische  Seite  des  Gedächtnisses,  und  bekundet  hiemit,  dass  ihm  der  speculative 
Begriff  desselben  fremd  ist.  Thomas  Aquinas^  streift  gelegentlich  einmal  an  den  Versuch 
an,  das  intellective  Gedächtniss  der  Seele  aus  dem  Wesen  derselben  zu  erklären;  es 
handelt  sich  nämlich  für  ihn  darum,  die  Ansicht  des  Avicenna  zurückzuweisen,  welcher 
das  intellective  Gedächtniss  der  menschlichen  Seele  durch  die  Erleuchtungen  des  ausser- 
halb unil  überhalb  der  Seele  wesenden  Intellectus  agens  ersetzen  will.  Allein  im  Gegen- 
satze zu  dieser  Anschauiingsweise  kommt  Thomas  bloss  dazu,  eine  Retentionskraft  der 
intellectiven  Seele  zu  erweisen;  wenn  bereits  i-ein  leibliche  Wesen  wie  die  Thiere, 
empfangene  sinnliche  Eindrücke  in  sich  zurückbehalten  können,  so  müsse  die  intellective 
Seele,  die  ungleich  höher  stehe,  um  so  melir  vermögend  sein,  die  in  sich  aufgenommenen 
Eindrücke  zurückzubelialten.  Thomas  begründet  diese  seine  Argumentation  aus  dem 
höheren  Grade  der  Immobilität  und  Stabilität,  welcher  der  intellectiven  Seele  als 
immaterieller  Wesenheit  im  Gegensatze  zum  rein  materiellen  Wesen  des  Thieres 
zukommen  müsse.  ^  Dieser  Auffassung  liegt  ohne  Zweifel  die  Ansicht  zu  Grunde,  dass  die 
Seele  als  universale  Wesenheit  in  höherer  Weise  alles  dasjenige  sei,  was  in  der  Gesammtheit 
aller  besonderen  Sinnendinge  sich  darstelle;  woraus  dann  allerdings  von  selbst  folgt, 
dass  die  in  ihr  suscitirten  Gedanken  der  Sinnendinge  dauernd  in  ihr  aufgehoben  bleiben 
müssen,  wenn  sie  aucli  die  Gedanken  der  einzelnen  geistig  appercipirten  Dinge  nicht 
jederzeit  actuell  sich  vergegenwärtiget.''  Diess  kann  indess  doch  nur  von  den  Ideen  der 
Dinge  gelten,  die  etwas  von  den  empirischen  Apperceptionen  der  anschaubaren  Wirklich- 
keit durchgreifend  Verschiedenes  sind,  und  auf  den  gedankenhaften  Gehalt '  der  Sinnen- 
dinge gehen,  der  eben  in  diesen  niclit  aus  ihnen  hervorgezogen,  sondern  in  sie  hinein- 
geschaut wird,  indem  er  auf  die  in  ihnen  verwirklichte  und  darum  ihnen  zu  ixnterlegende 
Idee  geht.  Die  Ideen  der  Dinge  aber  kann  die  Seele  nur  aus  sicli  selbst  schöpfen;  und 
nur  diese  Ideen  sind  ihr  unveidierbar  eigen.  Demnacli  kann  auch  die  Memoria,  im  specu- 
lativen  Sinne  und  als  ein  der  Intelligentia  und  dem  intellectiven  Seelenwillen  ebenbür- 
tiges Vermögen  verstanden,  nur  die  lebendige  Selbstinnerung  und  geistige  Selbstbesin- 
nung der  Seele  bedeuten,  aus  welcher  sich  das  ideelle  Verständniss  ihrer  selbst  und  der 
denknothwendigen  Uoj-relate  ihres  selbsteigenen  Wesens  herauszusetzen  hat.  Die  Seele  kann 
nicht  mehr  und  nichts  Anderes  bleibend  in  sich  aufnehmen,  als  was  sie  selbst  ist,  und 
alles  in  sie  (hauernd  Aufgenommene  muss  die  Form  ihres  eigenen  Wesens  annehmen,  aus 
welchem  sie  das  in  sich  Aufgenommene  in  lebendiger  Erinnerung  oder  Selbstergründung 
wieder  hervorstellt,  run  es  sich  actuell  zu  vei-gegenwärtigen.  Wie  sie  die  Welt  geistig 
in  sich  hineinnimmt,  so  geht  auch  Gott  in  sie  ein;  und  wie  sie  für  die  ßeception  Beider 
als  der  denknothwendigen  Correlate  ihres  selbsteigenen  Seins  geschaffen  ist,  so  stellt  sie 
auch  die  Gedanken  Beider  aus  sich  selbst  hervor,  und  wirkt  in  der  continuirlichen  Selbst- 
hervorstellung Beider  den  absoluten  Inhalt  ihres  Lebens  aus.  Jede  Seele  ist  ein  geistiges 
Weltcentrum;    darin,    dass    die  Seele    als    ein   solches  Centrum  in  lebendiger  Weise  und 

1  1  qu.    (11,  art.  G. 

2  Quod  enim  recipitur  in  aliquo,  i-ecipitiir  in  eo  seciindum  moilura  recipientis.  Intellectus  autem  est  magis  stabilis  naturae  et 
inimobilis,  quam  materia  corjjoralis.   L.  c. 

'  Thomas  beruft  sich  hiefür  auf  die  Auctorität  dgs  Aristoteles  Anim.  III,  p.  4211.  a,  1.  27:  Kx'i  £Ü  ot)  o'i  ),^-covt£s  "V'  '{'■-''/.V 
i-Tv«'.  TOTjov  EtSüJv,  ;:Xrjv  Sti  o'jt:  öXri  iX),^  r,  '/or,Tizrj,  oiliE  l'nzkf/dcf  iXka  3uvc<|j.£i  Ta  e'Sr).  Zu  den  Worten:  Tono?  eJoüv  bemerkt 
Thomas  (Comm.  in  libros  de  Aninia  III,  lect.   7):   Quod  per  similitudinem  dicitur,  eo  quod  est  specierum  receptiva. 

53* 


,.).)  K\ltl.  W'KltSKlt 

fontimiirluluT    Aitivitat     m.I.     lu-kun-lrt.     l..-slrln    .las    Wi's.mi   .I(M-   iiacli    iliror    si..',iiliUiv,'ii 
lu'iliHitUUg   gofusstoii    .McaiMi-ia   als   .'iiics   dtMii    iut<'lK«»-tiv.Mi    DciiLcn    uipI    W.illni    Acv   Sccl<> 
OüUsyoniiikMi    Vcrniügons.     Die   Sivl<«    ist    als   j;oistigfs    W  .•li.culnmi    ein    Irl.riiilii^vr  S|m.-o-o1 
ilosVinvcrsums;  joilo  Soelo  ein  Sjiiou-.'l.   in   woKlitMu   allt>  Stralilcii   <1it   Icu.liicii.l.'n  Wiik- 
lii-hkoit  «».nvoririivii.  uulMass   in  jo.lor  SocU-  als  SumliMctMitniiM   auf  cif^oMiarlij^c  Weise   ilas 
tro.sammto  Uoltl.iM   sich    lioraussot/o  friMuäss  .loin  S|.niel..> :   riiivcrsiini  in  .[uulil).»!   .livcrsc. 
J>ie  uu>nistiuisfho    Loliiv    von   .Icr    Memoria    ist    ui.lii    villUoinnini     in    sieli    vei millelt, 
»He  oinpirisi-lio   \ni<l   si.orulativo   Auffassung    dersell.en    clunlnliin-cii    sieh     iiirlii     we,  jisoi- 
soitiij.   o.ler   vielinelir,    Augvistins  Slrobon   naeli    einer   tieferen  Fassung   der  Memoria   dringt 
uiohl  bis  /um   si.eeulativen  MegrilVe  der  Memoria  vor.   (uund   dessen   ist  sein  metapliysisidi 
abstrai-tor  (JrundbegritV  vom   Soeb>n\vesen.   welelieu   er  allerdings  in   der  si)ilteren  i:].o.he 
seines  ausgereiften  geistigen  SchatVens  /.u   verlebendigen  strebte,  .d.ne  jediKdi   das  Scelou- 
weseu    im''tiefsten  (irumle   seiner   Vitalität    /.u    ergreifen.     Denn    seine    i'rilogie    Menmria, 
liitelleetus.    Voluntas    betrilVt    doeh    nur    ilas    bewusste    intelleetive    Deiddeben    der   Seele, 
abstrahirt  aber'   von  dem,   diesen  drei  Uauptthatigkeiten  /uCJrmide   liegenden  inlclleetivcu 
ijruudtriebe    des    Seelenwesens,    dessen    Beriieksiehtigung    ilm    wohl     hätte    dazu    fülirca 
müsseu.  die  Memoria  noch  tiefer  zu  fassen,  als  er  sie  in  der    l'hat  fasst,   wenn  er  sie  als 
Selbstbewusstsein  <ler  Seele  versteht.  Dieser  Auffassung  ist  in  unvermittelter  Aeus.serlich- 
keit  die  empirische  Auffassung  der  Memoria  als  (^cdächtniss  im  gewOhuliehen  Sinne  des 
^Vortes  angefügt,    und    hiemit    schon   angezeigt,    dass  jenes  Dritte,    in    welchem    als    der 
lebendigen"  Memoria  Selbstgedaukc    und    habituelles  Wissen    imi  Anderes  Eins    sind,    im 
Denken'^ uoch  uicht  ergriffen  ist,  obschon  es  bei  Augustinus  nicht  an  Aeusserungcn  fehlt, 
itt  welchen  die  Coincideuz  der  Erfassung  des  ausser  der  Seele  Seienden   mit    der    hdjen- 
digen  Selbsterfassung  der  Seele  und  des  Mensclien  durchklingt,  aber  freilich  uicht  durch- 
dringt.    Er    ist  eben,    selbst  in    seiner  vorgerücktesten  Lebensepoche,    noch  zu  sehr  von 
platonischen  Reminiscenzen  abhängig,  als  dass  er  den  von  ihm  schon  frühzeitig  betonten 
Selbstijedankeu    des   Geistes    mit    der    Idee    der    Seele    als    Ortes    der  Intelligibilien  har- 
monisch   zu    vermitteln   gewusst    hätte.    Der  Selbstgedanke    der  Seele    bedeutet   bei  ihm 
nicht    Ergreifen    der    Seele    im    Grunde    ihres    AVesens,    sondern    eben  nur  Reflexion  der 
Seele  auf  sieh  selbst,    und  diese  Reflexion  bringt  es  nicht  weiter,    als    zur  Apperception 
des  unmittelbaren  Beisichseins  der  Seele,  steigt  also  nicht  in  die  Tiefen  des  Vitalgrundes 
der  Seele  als  lebendigen  Agens  hinab,   dessen  innerstes  Wesen  Schaffens-  und  AN'irkens- 
cb-ang  ist;    eben  so   wenig    lässt   sein   platonischer   Spiritualismus  es  zu,    den   plastischen 
Grundtrieb   der   Seele    zu   erfassen,    der   iu   Verbindung   mit  dem  Begriffe  der  Seele  als 
eines  lebendigen  Totum  die  Unterlage  für  die  Erklärung  der  unbewusstcn  und  bewussten 
Thätigkeiten    der    Seele,    für  Wesen,  Grund  und  Ziel  ihres    naturnothwendigen  Scliaffens 
und    Wirkens    darzubieten    hat.     Indem  er  bei  der  zuerst  von  ihm   vollwichtig    betonten 
Spiritualität  des  Seelenwesens  stehen  bleibt,  kommt  er  nicht  dahin,  auch  die  Allgemein- 
heit und  reale  Concretheit  desselben  zum  expliciten  Ausdrucke  zu  bringen-,  es  ringt  sich 
also  bei  ihm  noch  nicht  der  Gedanke    eines  Wesens    hervor,    das    als    volle    Monas    dem 
Vermögen  nach  eine  ganze  Welt  iu  sich  fasst,  und  dieselbe  im  lebendigen  Schaffen  und 
Gestalten  aus  sich  selbst  hervorstellen,    in   dieser   Hervorstellung  aber  ihr   selbsteigcnes 
grundhaftes  Wesen  vollkommen  actuaKsiren  soll.     Die  Nichtvermittelung    seines   psycho- 

^  V „'.  Trin.  X,  11  :    Remotis    paullisper    ceteris,    quorum   mens  de  se  certa  est,    Iria  haec  potissimum  considerata  trae- 

temas :  memoriam,  intelligentiam,  voluntatem  .  .  . 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotus.  421 

logisclien  Spiritualismus  mit  der  Idee  der  8eele  als  eines  lebendigen  concreten  Totum  ist 
der  Grund,  wesslialb  er  das  Lernen  als  P:rinnern  fasst/  womit  er  vom  Gedanken  eines 
actiyen  geistigen  Producirens  auf  die  Lehre  von  angeborneu  Ideen  abgleitet.^  Eben  dieser 
spiritualistiscbe  Idealismus  rief  als  Gegenwirkung  den  realistischen  Empirismus  hervor, 
Avelchen  wir  in  der  peripatetischen  Scholastik  fast  ausnahmslos  vorwalten  sehen,  und  der 
daher  auch  bei  Duns  Scotus  trotz  seiner,  mit  einer  gewissen  Vorliebe  hervorgestellten  Zurück- 
beziehung  auf  Augustinus  die  Scheidewand  zwischen  ihm  und  Augustinus  bildet.  In  dem, 
was  wir  Duns  Scotus  über  die  Memoria,  ßecordatio,  Reminiscentia  sagen  hörten,  liegen 
unverkennbar  Anklänge  an  augustinische  Ideen  vor,  aber  mit  den  entschiedensten  Eeduc- 
tionen  und  Einschränkungen;  an  die  Stelle  des  augustinischen  Spiritualismus  ist  bei  ihm 
ein  empiristischer  Intellectualismus  getreten,  der  an  jenen  zeitweilig  anstreift,  niemals 
aber  mit  ihm   sich  deckt. 

Der  metaphysisch  abstracte  Seelenbegriff  Augustins  ist  mit  einem  erkenntnisstheore- 
tischen Apriorismus  vergesellscliaftet,  der  sich  freilich  auf  die  Behauptung  der  Immanenz 
der  göttlichen  Wahrheit  im  menschlichen  Geistdenken  beschränkt,  und  zufolge  der  be- 
stimmten Unterscheidung  zwischen  dem  mutablen  Wesen  der  geschaffenen  Seele  und 
dem  immutablen  Wesen  der  umgeschaffenen  Wahrlieit,  welche  Gott  ist,  keine  andere 
Consequenz  zulässt,  als  diese,  dass  die  unveränderlichen  Begriffe  der  Dinge  im  Lichte 
der  ewigen  Wahrheit  erkannt  werden,  und  Gottes  Sein  uns  unmittelbar  durch  sich  selbst 
gewiss  sei,  weil  es  die  absolute  Voraussetzung  unseres  geistigen  Erkennens  ist.  Gott  als 
die  absolute  Vernunft  ist  somit  ein  denknothwendiger  apriorischer  Gedanke  der  Seele, 
oder  wie  wir  heute  sagen  würden,  eine  denknothwendige  Vernunftidee,  die  ihre  Wahr- 
heit unmittelbar  in  sich  selbst  trägt.  Von  diesem  Vernunftapriorismus  abgekommen  zu 
sein,^  kann  man  keineswegs  als  einen  Fortschritt  der  Scholastik  über  Augustinus  hinaus 
bezeichnen,  sondern  weit  eher  als  einen  ßückschritt  hinter  ihn;  wir  begreifen  aber  auch, 
wie  es  kam,  dass  sie  in  der  entschiedeneren  Hinwendung  auf  das  in  der  Erfahrung 
Gegebene  hinter  ihn  zurückging.  Augustinus  hatte  die  göttlichen  Ideen  als  die  letzten 
Erkenntnissgründe  der  Dinge  aufgefunden,  war  aber  nicht  dahin  gekommen,  sie  als  die 
absoluten  Wirkungsgründe  der  Dinge  zu  erfassen.  Dazu  hätte  gehört,  die"  Ideen  als  etwas 
von  den  Begriffen  der  Dinge  specilisch  Verschiedenes  zu  erkennen;  die  Ideen  sind 
schöpferische  Conceptionen  des  göttlichen  Denkens,  deren  jede  eine  ganze  AVeit  von 
Begriffen  in  sich  schliesst;  sie  sind  ferner  in  ihrer  Vielheit  organische  Glieder  eines 
schöpferischen  Universalgedankens,  dessen  Inhalt  eine  organisch  gegliederte  Totalität  in 
lebendiger,  unerschöpflicher  Fülle  darstellt.  Allerdings  spricht  Augustinus  auch  von  einer 
ars  aeterna  des  göttlichen  Denkens  ;ä  da  ihm  aber  der  Gedanke  organischer  Relationen 
fremd  ist,  so  vermag  er  auch  den  göttlichen  Weltgedanken  nicht  als  organisch  geglie- 
dertes Relativum  des  göttlichen  Selbstgedankens  zu  fassen,  sondern  bleibt  in  jenem 
abstracten  Ontologismus  stecken,  welcher  der  gesammten  mittelalterlichen  Scholastik  zu 
Grunde    liegt,    und    dieser    die    Nothwendigkeit    auferlegte,    die    Füllung    desselben    mit 

'  Quo.'irca  iiwenimus,  nihil  esse  aliud  discere  Ista,  quorum  nou  per  sensus  haurimus  imagines,  sed  sine  imaginibus  sicuti  per 
se  ipsa  cernimus,  nisi  ea,  quae  passim  atque  indisposite  memoria  contiuebat,  cogitaudo  quasi  colligere  atque  animadvertendo 
curare,  ut  tauquam  ad  manum  posita  in  ipsa  memoria.  Confess.  X,   11. 

2  Mihi  omnes  artes  secum  attulisse  videtur  auima,  nee  aliud  quidquam  esse  id,  quod  dieitur  discere,  quam  remiuisci  et  recor- 
dari.     De  quant.  anim.,   c.   20. 

=  Ver.  Relig.,  c.  31. 


422  Kaiil  Wkkskh. 

cmuTt'tciu  liilialtc  in  ciinMii    «'iii|>iristisi'li»Mi  Kosiuisimis  !ur/.iis(i-i>li('ii.    «Icc  «las   uiialiw  i-i^licln'. 
CoiTi'lat  oiiior  tloii   spooulutivoi»   (.«<>i!aiiktM»   uicilcrlialttMnliMi   ahsiiailrn   Ontoldoic   jsi. 

hi<»  porijnitotisi'lu'  Solu>liistik  voll/ui^  die  Aliwcisuni;-  iIcs  uujriistiuisi'licii  \  (riimirt- 
apriurisiiius  in  der  austfosjuHu-lKMistiMi  Weise  diircli  die  Aldidiiiuii}:^  dos  oiitoluirisiluMi 
(iKttesbeweisos  Ansoliiis  von  C"ant(M'liui  y.  Wenn  Aii«justiiius  saj^t.  (Jott  sei  <len  Menselien 
dasjeniije.  was  sie  allem  AmlenMi  vur/ielien.'  so  nimmt  er  die  l'.xisten/  (Jdttes  als  des 
absiduten  Ideales  f'i'lr  eine  unmittelliaie  denknutli wendige  Walirlicii.  die  ilmi  idculiio-istdi 
teststeht.  Indem  Anseliii  das  ideologiseli  Keststehemle  in  eine  ontoUiiiiseli  {>;eltende  Wiiiirlieit 
umsetzen  wollte,  gab  er  «len  Anlass.  dass  di(>  ii(Mi{)atetiselM*  Seliolastik  (ii<'  aprioris<dn' 
(lOwisslieit  der  Mxisten/  (lottes  selilei  litliin  in  Alired(>  st(>!lte.  hiess  geseliah  «dVenhar 
einem  nnbereehtigten  Kmpirismns  /n  l^iebe;  aiieli  kann  man  ille  W  iderh'giing  iles  in 
seiner  Art  allerdings  nielit  riehtig  ausgeführten  Argumentes  Ansei  ms  nielit  selilagenil 
nennen.  Thomas  Atpiinas''  maeht  gegen  dasselbe  geltend,  ilass  es  dem  Menschen  nniLilieli 
sei.  /.u  denken,  liott  existire  uieht.  l'iese  Mrigliehkeit  ist  jeiloeh  eine,  sehleehte  Möglieli- 
keit.  die  mit  der  Wahrheit,  mit  der  henknothwendigkeit  des  giUtliehen  Seins  niehts  /n 
thuu  hat.  Kr  sagt  ferner,  die  Verbind\uig  von  Subjeet  un<l  Prildieut  in  dem  Satze:  .Gutt 
ist'  sei  nicht  so  unmittelbar  evitleut,  wie  z.  B.  der  Satz :  .Has  Ganze  ist  grösser  als  seine 
Theile*.  Aber  dieser  Mangel  an  l-]videnz  liat  iloeh  um-  liei  dei-.  siidi  aiil"  sich  scilist  nicht 
besinnenden  Vernunft  statt,  deren  Denken  eben  noeh  nicht  bis  zu  dem  llölieiigrade 
gesteigert  ist.  auf  welchem  die  Denknothwendigkeit  des  göttlichen  Seins  als  unmittel baie 
Vernunftapperception  einleuchtet.  J)icjenige  Vernunft,  welche  einmal  die  Idee  des  abso- 
luten Seins  ergriti'en  hat,  fragt  nicht  mehr  nach  Beweisen,  mittelst  welcher  das  etwa  an 
sich  noch  ungewisse  Sein  Gottes  gewiss  gemacht  werden  sollte:  t'iir  sie  gibt  es  nur  ver- 
schiedenartige aposteriorische  Nacliweisungen  und  nähere  Bestimmungen  Aov  in  ihrer 
ursprünglichen  Erfassung  noch  unbestimmten,  aber  denknothwendigen  Idee  des  göttlichen 
Seins,  und  diese  Nachweisungen  gestalten  sich  In  Ihrer  vollständigen  Vorführung  zu  einer 
Zurückbeziehimg  des  gesammten  menschlichen  Erfahnmgsbewusstselns  auf  die  denknoth- 
wendige  Idee  des  absoluten  Seins,  woran  sieh  als  Kehrseite  die  Beleuchtung  und  Erklä- 
rung des  Gesammtlnhaltes  des  menschlichen  Erfahrungsbewusstselns  aus  der  Idee  des 
Absoluten  auschliesst.  So  tritt  also  an  die  Stelle  der  demonstrativen  Aufweisung  des  gött- 
lichen Seins  das  auf  ideelle  Apprehensionen  gegründete  Doppel  verfahren  der  In<luctIon 
und  Deduction,  wodurch  natürlich  ein  ganz  anderer  philosophischer  Denkmodus  an  die 
Stelle  des  scholastischen  gesetzt  wird.  Uebrigens  tritt  in  der  Kritik  des  ontologischen 
Gottesbeweises  wieder  der  charakteristische  Unterschied  zwischen  Thomas  und  Duns 
Scotus  hervor.  Thomas  unterscheidet  zwischen  dem  notum  in  se  und  notum  rpioad  nos, 
womit  er  andeutet,  dass  dasjenige,  was  einer  höheren  Intelligenz  unmittelbar  einleuchtet, 
doch  für  uns  Erdenmenschen,  ehe  es  einleuchtet,  einer  Vermittelung  im  Denken  bedürfe. 
Duns  Scotus  verwirft  diese  Unterscheidung,*  weil  die  Evidenz  einer  Aussage  nicht  von 
der  zufälligen  Beschaffenheit  der  Intellecte  abhängig  gemacht  werden  könne.  Ein  Satz 
leuchtet  unmittelbar  ein,  wenn  die  Termini  desselben:  Subjeet  und  Pi-ädicat,  distlnet 
erkannt    sind;    die    distincte    Erkenntnlss   ist  aber  mit  dem  Begriffe  des  Dinges  gegeben. 


I  Omnes  certatim  pro  excellentia  Dei  dimicant,  neö  quisqiiam  inveniri  potest,    qui  lior  Derim  credat  esse,   quo  meliuB  aliquid 

est.     Itaqne  hoc  omnes  Deam  consentinut  esse,  quod  ceteris  rebus  omnilms  anteponunt.     Doftr.  christ.  I,   7. 
3  1  qn.  2,  art.   1.  .  , 

^  Non  est  distinquere  inter  propositionem  esse  per  se  notam  et  per  se  iioscibilem,  quia  idcm  sunt.     1   dist.   '2,  qu.   '-'. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnissleiike  des  Johannes  Duns  Scotus.  423 

Wenn  es  also  erst  einer  Definition  der  beiden  Termini  oder  eines  derselben  bedarf,  um 
den  im  Satze  ausgesprocbenen  Zusammenhang  von  Subject  und  Prädicat  einzusehen,  so 
ist  eine  Proj^ositio  per  se  non  nota  vorhanden.'  Dims  Scotus  lässt  demnach  an  die  Stelle 
des  Unterschiedes  zwischen  dem  Cognitum  in  se  und  dem  Nobis  cognitum  den  Unter- 
schied zwischen  Non  actu  cognitum  und  Actu  cognitum  treten,  und  wendet  diesen  Unter- 
schied auf  den  Satz:  ,Gott  ist'  an;  dieser  Satz  ist  eine  Propositio  per  se  nota,  und  zwar 
per  se  nota  primo  modo,-  weil  der  Zusammenhang  des  Subjectes  und  Prädicates  unmittel- 
bar einleuchtet;  denn  so  viel  ist  unmittelbar  gewiss,^  dass  mit  dem  Gedanken  Gottes  der 
Gedanke  eines  Seienden  verbunden  ist.  Wenn  es  sich  aber  um  die  Frage  handelt,  ob  das 
Prädicat  Esse  auch  von  dem  genauer  und  im  Unterschiede  von  allem  übrigen  Seienden 
bestimmten  Wesen  Gottes  auszusagen  sei  —  mit  anderen  AVorten,  wenn  gefragt  wird,  ob 
dem  ausgebildeten  Begriffe  von  Gott  als  necessario  ens,  als  ens  infinitum  und  summum 
bonum  objective  Realität  zuzuschreiben  sei,  so  stellt  sich  die  Sache  anders.  Der  Satz: 
,ein  unendliches  Wesen  existirt'  leuchtet  nicht,  wie  der  Satz:  .Gott  ist'  unmittelbar 
durch  die  in  ihm  enthaltenen  Termini  ein;  denn  wir  müssen  uns  zuerst  über  den  Ter- 
minus , unendliches  Wesen'  verständigen ,  und  dann  uns ,  sei  es  auf  dem  Wege  des 
Glaubens  oder  der  Demonstration,  vergewissern,  dass  ein  solches  Wesen  wirklich  existirt. 
Die  von  Gott  im  Unterschiede  von  den  Creaturen  ausgesagten  Bestimmungen:  unend- 
liches Sein,  nothwendiges  Sein,  höchstes  Sein,  sind  keine  absolut  einfachen  Notionen. 
Von  zusammengesetzten  Notionen  kann  aber  nur  dann  etwas  als  per  se  notum  gelten, 
Avenn  die  Verbindung  der  constitutiven  Momente  der  comj^lexen  Notion  ein  Notum  per 
se  ist.  Diess  ist.  jedoch  bei  quidditativen  Prädicationen  nicht  der  Fall,  weil  da  immer  erst 
gefragt  werden  muss,  ob  der  eine  Bestandtheil  der  quidditativen  Prädication  den  anderen 
formaliter  involvire ;  es  ist  auch  nicht  der  Fall  in  Sätzen,  in  welchen  das  Sein-  von  einer 
complexen  Notion  ausgesagt  wird  (z.  B.  Homo  albus  est),  wo  vorerst  die  Wirklichkeit 
der  Vereinigung  der  Bestandtheile  des  Subjectes  (homo,  albus)  ermittelt  werden  muss. 
Dasselbe  gilt  denn  auch  von  den  complexen  Subjectnotionen :  unendliches  Sein,  noth- 
wendig  Seiendes,  höchstes  Sein.  Der  Satz  Anselms :  Quo  majiis  cogitari  nequit,  est,  wird 
von  seinem  Urheber  keineswegs  als  eine  propositio  per  se  nota  ausgegeben ;  denn  er 
selber  deritet  an,  dass  der  Zusammenhang  des  complexen  Subjectivtei'minus  mit  dem 
Prädicate  Esse  zum  mindesten  durch  zwei  Syllogismen  vermittelt  sei.  Von  diesen  beiden 
Syllogismen  lautet  der  erste:  Omni  non  ente  ens  est  majus;  summo  nihil  est  majus ; 
ergo  nullum  summum  ens  est  non  ens.  Der  andere  Syllogismus  lautet :  Quod  non  est 
non  ens,  est  ens ;  summum  non  est  non  ens ;  ergo  est  ens.  Der  eigentliche  Geistgehalt  des 
Anselm'schen  Gottesbeweises  erprobt  sich  dem  Duns  Scotus  in  Erweisung  der  Unendlich- 
keit des  göttlichen  Seins.^   Mit  Beziehung  auf  das  unendliclie  Sein  als  höchstes  Denkideal  ^ 


'  Est  igitur  omiiis  et  sola  illa  propositio  per  se  uota,  quae  ex  tenniuis  sie  conceptis,  ut  sunt  ejus  termini,  uata  est  habere 
evidentem  veritatem  complexiouis.     L.  c. 

-  Im  Unterschiede  zum  per  se  notum  seeundo  modo,  quasi  praedicatum  sit  extra  rationem  subjecti.     Ibid. 

•*  Propositio  illa  .  .  .  est  nota  per  se  primo  modo  et  imraediata  et  ex  terminis  evidens,  quia  est  immcdiatissima,  ad  quam 
resolvuntur  omnes  propositiones  enunciantes  aliquid  de  Deo  qualitercuuque  coneepto.     Ibid. 

*  L.  c,  n.  32. 

^  Als  solches  haben  wir  den  Gedanken  des  unendlichen  Seins  bei  Duns  Scotus  im  Vorausgehenden  sattsam  kennen  gelernt. 
Quare  intellectus,  cujus  objectum  est  ens  —  heisst  es  1.  c.  —  nullam  iuvenit  repugnantiam  intelligendo  aliquod  infinitum? 
Imo  videtur  perfectissimum  intelligibile.  Mirum  est  autem,  si  nulli  intellectui  talis  coutradictio  pateiis  fiat  circa  ejus  primum 
objectum,  cum  discordia  in  sono  ita  faciliter  offendat  auditum.  Si  enim  est  discouveniens,  statim  percipitur  et  oft'endit;  cur 
nulhis  intellectus  ab  intelligibilP  iufiuito  naturaliter  refugit,  sii'Ut  a  non  conveniente,  imo  suum  objectum  primum    destruente? 


4'j.|  Kaki.  Wkknkh. 

tonnt   sirli   das  Aiisohn'sflu'  Ai"<4;iiiiu'iit    also:   (iott   ist   ilasjoui';!',    iilici-  wcldics  lilnaus  dlnic 

\VitUM-sju-u«-li   nii-iits  Grüsseros  gedarlit   worcloii    kann,   weil   Holt   simikmii  l^'iiiilVc   natli   Ahh 

llöchsto   ist.      hieses    llüi-listo    des    ( itMlankciis    kann   olmc    W  iilcisjumli    als   lin    Wlikllrli- 

Soiomles  »roilarht    wohUmi.    l)t^nn  das  tii-ös.sto,   ilbiM-   wchlnvs   liinans   nichts  (ini.ss«M"«^s  denk- 

bar   ist.    ist   als   i|nidditativ»\s  Soin   dasjouijro.    worin   der    (u'dankt>   ztdiiudist    nilit;    t>s    liat 

also   im   hüi-liston   Cirado    iKmi    riniraktfr    dos    olijo<tiMn    prinnnn    dos    Intidlcctcs    an    si(di. 

iiuloiu    OS    das    Soin,    das    (»bjootnin    ]>rimnin    dossolbon.    in    al>solntostcni    SIihk»    daistiill. 

Dioses  absolut  grüssto  Soin  ist  abor   niclit    bloss    idmo    W  iili"is|irii(li    als    wiiklidi    soiond 

donkbar:  es  muss  sogar  als   wirklioli   soiond   godaolit  worden.     l>onn   (>s   liegt   im    liogritVc 

«los   absolut   (irösston.    dass  os  ilunli   niolits   Anderes   vonirsatdit    ist:    als    bloss    (iodaelites 

abor  wäre  os  vom   donkoiulon  Intolle»-to  abhängig,   der  os  denken   nnd   auch    nicht  denken 

kann.    In  der  That   ist  also  ilas   wirklioh   seiende  Denkbare  grösser  als   das   bloss  gedat  hto 

Oenkbare.   I)iess  ist   aber   nicht   so   zti   vorstellen,   als  ob  das  (lodaehte  <l\ii-cli  sein  Wiiklicli- 

soin  einen  Zuwachs  erhielte,    sondern    so,   dass  das   in    Wirklichkeit  existirende    Denkbare 

srrösser  ist  als  Alles,  was  bloss  im  !  lenken  vorhamlen  ist.  Aneli  ist  das  in  \\  irkli(dikeit 
o 

Kxistirende  als  das  Anschaubare  erkennbarer  nnd  somit  majus  cogitabile  als  das  bloss 
abstraetiv  Erkennbare:  somit  nuiss  das  vollkommenst  Erkennbare  eine  existente  \\  itk- 
liohkeit  sein. 

Diese  letzte  Wendung  ist  üborra.scliend,  und  lässt  in  Duns  Scotus  den  geborneu 
.Metaphvsiker  erkennen,  zugleich  aber  auch  den  Widersacher  aller  Ideologie,  sofern  diese 
in  etwas  Anderem  als  in  der  Analyse  und  näheren  Bestimmung  des  angeboruen  Seins- 
geilankons  bestehen  .sollte.  Von  einer  auf  das  schöpferisclie  Idealvermögen  der  denkenden 
Seele  gegründeten  Auseinanderseheidiuig  zwischen  dem  denkenden  Subjecte  und  ilor 
objectiven  "Wirklichkeit  weiss  und  will  Duns  Scotus  nichts  wissen;  sein  empiristischer 
Realismus  bringt  sieh  auch  in  der  vorerwälinten  Aeussei-ung,  dass  das  in  Wirklichkeit 
Seiende  als  das  Ansehaubare  das  majus  cogitabile  sei,  zur  vollkommenen  (Geltung.  .Mit 
Anseimus  berührt  er  sieh,  solern  ihm  der  Gedanke  Anselms  von  dem  absolut  Grös.sten 
mit  seiner  eitreuen  Idee  des  unendlichen  Seins  zusammenfällt.  Von  der  Unmittelbarkeit 
einer  solchen  Idee  aber  will  er  entschieden  nichts  wissen,'  und  er  erklärt  sich  auch  aus- 
drücklich gegen  jene  realLstische  Auffassung  der  Wahrheitsidee,  die  mit  derselben 
immittelbar  auch  schon  die  Existenz  des  ab.soluten  göttlichen  Seins  gegeben  glaubt;  er 
stimmt  hierin  relativ  mit  Thomas"  zusammen,  geht  aber  über  denselben  insofern  hinaus, 
als  er,  wie  wir  bereits  wissen,'  den  <|uidditativen  Charakter  des  Verum  als  ontologischer 
Qualität  möglichst  extenuirt,  daher  er  auch  nicht  einmal  zugeben  will,  dass  die  Ablehnung 
der  realistischen  Auffas.sung  der  Wahrheitsidee  das  Nichtsein  Gottes  zur  stricten  logischen 
Folge  habe.^    Hiemit  tritt  er  nun  aucli  in  einen  entschiedenen  (jregen.satz  nicht  bloss  zu 


'  Propositio  isla:  ,Ens  infinitum  est  in  intellectu  nostio'  noii  nata  est  liabere  evidentiam  ex  terminis;  sed  bene  ista:  ,Omne 
totum  est  majns  sua  parte'  vel  alicjua  consimilis  in  quacnnque  intellectu  coneipiente  terminos  nata  est  habere  talem  evi- 
dentiam ex  terminis,  quia  ex  terminis  est  evidens,  quod  ista  coniplexio  ex  conformis  liabitudini  et  rationibus  terminorum, 
qualecunque  esse  tcrraini  habeant.  L.  c,  n.  9. 

2  Bei  Thoraas  heisst  es  1  qu.  2,  art.  1:  Veritatem  esse  in  communi  est  per  se  notum;  sed  primara  veritatera  esse,  hoc  non  est 
notnm  quoad  nos.  —  Duns  .Scotus  sagt:  Veritatem  in  communi  esse,  est  per  se  notum.  ,Ergo  Deum  esse'  non  seqnitur, 
sed  est  fallacia  conseqnentis. 

3  Vgl.  oben  S.  .S79.  Anm.  2. 

•  Cum  probatur:  ,Si  nnlla  veritas  est,  ergo  nnllam  veritatem  esse  est  verum',  consequentia  non  valet,  quia  veritas  aut  acei- 
pitnr  pro  fandamento  veritatis  in  se,  aut  pro  veritate  in  actu  intellectus  componente  aut  dividente.  .Si  autem  nuUa  veritas 
est,  nee  venim  est,  aliquam  veritatem  ess«':  quia  nee  veritatem  rei,  quia  res  nuUa  est7  nee  veritatem  intellectus  componentis 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehee  des  Johannes  Duns  Scotus.  425 

Augustinus,  sondern  auch  zu  Anseimus/  mit  welchem  sich  in  Uebereinstimmung  zu 
wissen,  er  sonst  mehrfach  betont.  Aegydius  Romanus,  ein  Zeitgenosse  des  Dims  Scotus, 
liatte  unter  ausdrücklicher  Beziehung  auf  Anselm  das  Walirsein  des  Seienden  als  das 
primuni  objectum  des  menschlichen  Intellectes  bezeichnet;'"  das  AVahrsein  des  Dinges  sei 
dasjenige,  wodurch  das  Ding  eine  formelle  Beziehung  auf  den  Intellect  habe.^  Scotus 
erwidert  hierauf,*  dass  dasjenige,  wodurch  das  Ding  den  Intellect  in  Bewegung  setzt, 
die  Form  oder  Essenz  des  Dinges  sei;  demzufolge  kann  nicht  das  von  der  Essenz  des 
Dinges  zu  imterscheidende  Bezogensein  des  Dinges  auf  den  Intellect  die  formelle 
Bewegungsursache  des  Intellectes  sein,  gerade  so  wie  im  Bereiclie  der  Sinneswahr- 
nehmung nicht  die  allgemeine  Eigenschaft,  wodurch  etwas  auf  einen  bestimmten  Sinn 
bezogen  ist,  sondern  dieses  Etwas  selber,  welches  der  Träger  jener  Eigenschaft  ist,  den 
Sinn  in  Bewegung   setzt.'' 

Duns  Scotus  substituirt  der  angebornen  Gottesidee  den  angebornen  Seinsgedanken, 
und  erkläi't  den  Inlialt  desselben,  das  Sein  als  solches,  sofern  es  das  dem  menschlichen 
Intellecte  adäquate  Object  des  Denkens  und  Erkennens  ist,  zugleich  als  das  primum 
objectum  des  Intellectes.  Ausser  dem  bezeichneten  Gesichtspunkte  gibt  es  aber  noch 
andere,  unter  welchen  sich  bestimmen  lässt,  was  als  objectum  primum  des  menschlichen 
Intellectes  anzusehen  sei,  sofern  nämlich  einerseits  die  Entwickelung  des  menschlichen 
Erkennens  aus  seinen  ersten  Anfängen,  anderei-seits  das  vollendete  menschliche  Erkennen 
ins  Auge  gefasst  wird.  Es  gibt  also  einen  dreifachen  Gesichtspunkt,  unter  welcliem  sich 
das  objectum  primum  des  Intellectes  bestimmen  lässt:  den  ordo  originis,  ordo  perfectionis, 
ordo  adaequationis. '*  Dass  in  ordine  perfectionis  Gott  das  objectum  primum  sei,  ist  selbst- 
verständlich, und  bedarf  keiner  näheren  Erörterung.  In  Rücksicht  auf  die  ratio  originis 
hat  man  zwischen  der  indistincten  und  distincten  Erkenntniss  (cognitio  confiisa  et  distincta) 
zu  unterscheiden.  Es  gibt  aber  ein  doppeltes  Ungeschiedensein  im  Hinblick  auf  ein 
doppeltes  Object  der  cognitio  confusa,  Avelches  entweder  ein  Totiun  essentiale  ist,  dessen 
Partes  essentiales  noch  niclit  unterschieden  sind,  oder  ein  Totum  universale,  dessen  Partes 
subjectivae  noch  nicht  unterschieden  sind.  Jedes  derartige  indistincte  Totum  nennt  man 
ein  Confusum.  Das  subjective  Verlialten  des  Erkennenden  betreffend  unterscheidet  man 
gleichfalls  zwischen  einem  Confuse  concipere   und  Distincte  concipere;     das    erstere    hält 


et  dividentis,  nuia  luillus  est.  Beiie  tarnen  seqnitur:  ,Si  nulla  veritas  est,  ergo  iion  est  verum  aliqnani  veritateni  esse'  quia 
nuUa  est.  Sed  non  sequitur  ultra:  ,Ergo  verum  est,  aliquam  veritatem  iion  esse'  (mit  Beziehung  auf  den  Satz:  Dens  veritas 
est).  Est  enim  fallaeia  consequentis  a  negativa  habeute  duas  causas  veritatis  ad  affirmativam,  quae  est  uua  illaruni. 
1    dist.   ä,  qu.   2,  n.   8. 

'  Vgl.  Anselm.  Monolog.,  c.  18:  Si  illa  summa  natura  iinem  habet  vel  priucipium,  non  est  vera  aeternitas.  Dein  cogitet,  qui 
potest,  quando  incepit  aut  quando  non  fuit  hoc  verum,  seil,  quia  futurum  erat  aliquid,  aut  quando  desinet  et  non  erit  hoc 
verum  seil,  quia  praeteritum  erit  aliquid.  Quod  si  neutrum  liorum  cogitari  potest,  et  utrumque  hoc  sine  veritate  esse  uon 
potest,  impossibile  est  vel  cogitare,  quod  veritas  principium  vel  ßuem  liabeat.  Denique  si  veritas  habuit  priucipium  vel 
habebit  finem,  antequam  ipsa  inciperet,  verum  erat  tunc  quia  non  erat  veritas,  et  postquam  finita  erit,  quia  non  erit.  Atqui 
verum  non  potest  esse  sine  veritate;  erat  igitur  veritas,  antequam  esset  veritas;  et  erit  veritas,  postquam  finita  erit 
veritas  ....  Nullo  igitur  claudi  potest  veritas  principio  vel  fine,  quare  idem  sequitur  de  summa  natura,  quia  ipsa  summa 
veritas  est. 

2  Aegyd.  Quodlibet.  IV,    qu.    10. 

■*  Aegydius  citirt  hiefür  den  Sprucli   Anselms  de  Veritate  c.   11:  Veritas  est  rectitudo  sola  mente  perceptibilis. 

■»   1  dist.  3,  qu.  3,  n.  23. 

'^  Si  formalis  ratio  objecti  potentiae   esset  respectus    ad  talem  potentiam,    tunc    objectum    prinnmi    visus    esset   visibile   per    se 

primo   modo et    tunc   facile   esset   assignare   objecta   prima  ....  puta    visus   visibile,    auditus   audibile,    quo    modo 

Philosophus  non  assignavit  prima  objecta  potentiarum,  sed  sicut  aliqua  absoluta,  puta:  visus  colorem,  auditus  sonum  etc.  L.  c. 

<■'  1  dist.  3,  qu.   2,  n.   12   ff. 
Denkschriften  der  phil.-hist.  Cl.  XXYI.  Bd.  54 


42li  Kaki.  Wkknku, 

sii'li  oiutarli  an  ilii'  lU'ueiimiiig  ilor  Sai-Iu«.  «la>  atiilirc  an  ili«'  l'x-^rilV.slu'.slimmiiiii;  ilci- 
liouanntpn  Sache.  Ihisji'iiig'i*  nun,  was  im  actni'Ucii  r.rlvcnm'n  rnulusc  als  l-iTstrs  crLaiini 
wird,  ist  ilit«  Species  spoi-ialissiina,  »K'ron  sinirularisirtt'r  Aus<lrn»'k  «las  ni<  nscliliclif  Scn 
satiousvonuögon  ü^loii-li  antanjys  nnu-litiifor  alliriil.  In  tlirsiMn  Sinncscinilnnkc  <f(>winnt 
also  «lio  Set'lo  primitiv  die  i'oü;nitio  i-ontiisa  ilt'r  Spccics  dos  bcsundcrcn  Sinnciidiniics. 
rirnjokehrt  vcrhiilt  es  sii-li  in  ilor  uctuellen  lirkonntniss  dos  distinri  lio^n-itVcnrn  ;  iIimui 
da  ist  das  erste  geistii»:  KrgritVeue  das  Allü^emeiuste.  beim  liesoiiilcrstcn  iiinl  I  Hirrslcn 
lanirt  das  distiuete  aetuelle  Erkennen  am  Ict/tcn  an.'  Im  lynilJauLic  liicmil  Iflni  Avi 
eeiiua.  tluss  im  InM-eiehe  des  distincten  Wissens  die  Mi-tapliysik  das  Allem  vorlierj^cliemle 
l'rius  eoustituirt ;  sie  enthält  ili(>  distinete  Erkenntuiss  der  ( Jrunilbe{j;rilVe  der-  ihr  snb- 
urdinirteu  Speeiahvisseuseharten ,  welche  sieh  mit  einer  eugnitin  eunfusa  dir  Icrmini 
ihrer  Priueii»ia  per  sc  uota.  von  welchen  sie  ausgehen,  begnügen."  Ha  alui-  d<T  /eil  nacli 
das  iudistiucte  Erkennen  dem  distiucteu  voraiisgoht.  so  ist  «las  Siiii|ili(ii(  r  pilimini.  <l.  h. 
dasjenige,  was  sich  nicht  in  mehrere  Coacepte  aut'Iüseu  lässt,^  oder  das  Singulare  als  solches 
.das  Erste  in  der  /.eltlichen  Ordnung  unseres  Erkennens.  Dem  aus  Aristoteles  geschöpften 
Einwände,  dass  au  den  ])ingeu  das  Allgemeinere  rriiher  erkannt  werde  als  ihr  imlivi- 
duelles  ^Vesen.*  begegnet  Duns  Scotus  mit  dei-  Verweisung  auf  den  oben  erwähnten 
Unterschied  zwischen  dem  Totum  essentiale  und  Totum  uuivci^ale.  von  wrlclicn  Ixlden 
Tütis  eben  nur  das  erstere  das  Prinuim  in  ordiue  conluse  cognoscendi  sei,  und  als  (icgcn- 
stand  einer  indistincten  Erkenntniss  den  unvollkommensten  Anfang  des  Erkennens  con- 
stituire.'  Denn  das  Totum  essentiale  ist.  je  indistiucter  es  aufgcfasst  wird,  in  domsclben 
Cirade  auch  ein  minus  universale. 

Duns  Scotus  stutzt  sich  in  der  Bestreitung  der  von  Thomas  behaupteten  Präcedenz 
des  imbestimmten  allgemeinen  Erkennens  vor  dem  bestimmten  besonderen  Erkennen  auf 
den  Unterschied  zwischen  der  genorischen  und  specittschen  Allgemeinheit.  Allerdings 
beachtet  auch  Thomas  diesen  Unterschied;  aber  er  gibt  ihm  eine  andere  Jieziciiuug  als 
Duas  Scotus.    weil  ihm  im  Unterschiede  von  Dims  Scotus  nicht  die  Production  des  Indi- 


■  Was  von  der  (listiiicten  cognitio  aotualis  gilt,  hat  auch  in  der  liabitiiclleii  und  virtuellen  Erkenntniss  statt:  Qiimituni  ad 
notitiam  habitualcm  sive  virtualcm   dicQ,  quod  eommnniora  sunt  prius  nota  via  originis  sive  generationis.    1  dist.  3,  <ju.  '2,  n.  28. 

-  ExempUim  :  Geometer  inquantum  geomcter  uon  iititur  pro  prineipiis  per  sc  notis  nisi  Ulis,  quae  statim  sunt  evideutia  ex 
confaso  conceptu  terminorum,  qualis  occurrit  primo  e.\  sensibilibus,  puta  :  ,linea  est  lougitudo  etc.'  non  eurans,  ad  quod 
genns  pertineat  linea,  puta,  utrum  sit  substantia,  an  quantitas.     L.  c,  n.  25. 

'  Alins  est  coneeptus  simpliciter  siroplex,  et  alias  est  conceptus  simplex  qui  non  est  simpliciter  siuiplcx.  Conceptum  simpli- 
citer  simplioem  voco,  qui  non  est  resolubilis  in  pUircs  conceptus  ut  conceptus  entis  vel  ultimae  differentiae.  Conceiitu»  sini- 
idex,  sed  tarnen  non  simpliciter  simplex  est,  quicunque  potest  concipi  ab  intelleclu  simplicis  intelligentiae,  licet  possit  resolvi 
in  plures  conceptus  scorsim  conceptibiles,  sicut  est  conceptus  definiti  vel   speciei.     L.  c,  n.  21. 

*  Objicitur,  quia  1  Physic.  (Physic.  Auscult.  I,  p.  184.  b,  lin.  11  fT.)  dicitur,  quod  confusa  i.  e,  mag!»  universalia  sunt  prius 
nota  nobis.  Quod  probat  Philoaophns,  quia  pueri  primo  appellant  omnes  lioraines  patres  et  omnes  foeminas  matrcs,  postea 
vero  disecrnunt  utrumqne:  ergo  prius  cognoscunt  patrem  sub  ratione  hominis  quam  hujus  hominis  Ii.  e.  actualitcr  concipi 
conceptus  priores  sen  communiores.     L.  c  ,  n.  26. 

5  Mit  Beziehung  hierauf  widerlegt  Duns  Scotus  das  in  vor.  Anm.  angeführte  IJeispiel  :  Quod  dicit  de  puero,  conocdo,  quod 
species  praeintelligitur  inter  singulare,  quia  dixi,  quod  species  est  primum  intelligibile;  sed  ratio  non  concludit  de  gi-nere 
sed  de  specie.  Prius  enim  naturaliter  actualiter  concipitur  albedo  quam  color  in  ordine  cognitionis  confusae,  quia  color  sub 
ratione  coloris  non  cognoscitur  nisi  sub  majori  abstractione  quam  sit  abstractio  albedinia  ab  hac  albedine  vel  illa.  L.  c, 
n.  27.  —  Vgl.  hiezu  Rer.  princip.  qu.  13,  art.  3:  Prius  cognoscit  intellectus  singulare  quam  universale.  Impossibile  est 
enim,  qnod  rationem  universalis  ab  aliquo  abstrahat,  nisi  id,  videlicet  a  quo  abstrahit,  praecognosat.  Unde  cognitio  actuali- 
tatis  existentis  praecedit  oranem  aliam  rationem'  et  loco  et  tempore.  Loco,  quia  cum  vidco  aliquid  a  rcmotis,  et  nescio 
ntmra  sit  hos  vel  asinus,  primum  quod  cognosco,  est:  illud  quod  video,  aliquid  estactu;  postea  cognosco,  quod  est  animal. 
Tempore,  patet  idem;  quia  puer  non  vocaret  hunc  vel  illum  patrem,  nisi  prius  perciperet,  quemlibet  actu  esse;  unde  funda- 
mentnm  originale,  a  quo  movetur  omnis  cognitio  (dico  radicaliter)  est  esse  actuale. 


Die  Psychologie  und  Erkknntnisslehre  des  Johannes  Ddns  Scotus.  427 

viduums,  sondern  der  Species  die  Hauptsaclie  ist,'  während  Duns  Scotus  prinüli-  die  durch 
die  gestaltende  Form  bewirkte  Actualität  des  Singulären  im  Auge  hat.''  An  die  Stelle 
des  Gegensatzes  zwisclien  Allgemeinem  und  Besonderem,  der  für  Thomas  das  Schema 
für  die  rationale  Erkenntniss  des  Wirklichen  darbietet,  tritt  bei  Duns  Scotus  das  Ver- 
hältuiso  zwischen  Universellem  und  Singuläreni,  welches  letztere  als  solclies  der  materiale 
Träger  des  Formcharaktei's  und  die  Ursache  dei-  Individuation  dei'  Form  ist.  Der  (irund 
der  Individuation  ist  demnach  nicht  mit  Thomas  in  der  Materie  zu  suchen ; '  denn  diese 
verhält  sich  indifferent  zum  Hocce  eines  bestimmten  Dinges.*  Damit  entfällt  für  Duns 
Scotus  anch  der  Grund,  das  Singulare  als  solches  für  das  Unerkennbare  zu  halten,  sofern 
nämlicii  die  Ursache  der  Unerkeunbarkeit  in  der  Materialität  des  indlviiluirten  Sinnen- 
dinges gelegen  sein  soll ;  denn  obschon  die  Materie  Ursache  der  Contraction  des  Seienden 
ist,  so  ist  sie  doch  niclit  zugleich  auch  Ursache  der  Individuirung  der  Species,  (hnnzu- 
folge  kann  aus  der  von  Aristoteles  gelehrten  Unerkennbarkeit  der  Materie  niclit  die 
Unerkennbarkeit  des  Singulären  und  Individuellen  als  solclien  abgeleitet  werden.  Alles 
Entitative  ist  als  solches  Intel  ligibel ;  das  Singulare  schliesst  die  gesammte  quidditative 
Entität  des  Allgemeinen  in  sicli,  unter  Hinzufügung  der  Erhebung  desselben  zur  Stufe 
der  höchsten  Actualität  und  Einheit,  die  als  Zugabe  zur  Entität  aucli  Zugabe  zui*  Intelli- 
gibilität  sein  muss.^  Widrigenfalls  könnten  ja  Gott  und  die  Engel,  die  als  singadäre 
Wesen  existiren,  niclit  Per  se  intelligibilia  sein.  Das  Singulare  ist  ein  Primuni  iutellectum, 
in  welchem  implicite  die  Erkenntniss  des  in  ihm  individidrten  Seins  enthalten  ist,  während 
man  nicht  sagen  kann,  dass  die  Erkenntniss  des  Allgemeinen  bereits  die  Erkenntniss  des 
Singulären  als  solchen  in  sich  schliesse.''  Dessungeachtet  kann  Duns  Scotus  nicht  umhin, 
das  Geständniss  abzulegen,  dass  es  für  uns  in  diesem  Zeitleben  eine  distincte  Erkenntniss 
des  Singulären,  die  ihm  als  die  höchste  und  vollkommenste  gilt,'  nicht  gebe.  Eine 
distincte  Erkenntniss  des  Singulären  kommt  weder  unserem  intellectiven,  noch  unsei-em 
sinnlichen  Erkennen  zu ;  beseitiget  man  bei  zwei  Dingen  derselben  Art  Alles,  woran 
wir  uns  zu  halten  pflegen,  um  sie  von  einander  zu  unterscheiden,  so  fliessen  sie  uns 
ununterscheidbar  in  Eins  zusammen.  Es  gibt  also  füi'  uns  in  diesem  Zeitleben  nur  ein 
Confuse  cognoscere  des  Singulären;  und  das  intellective  Erkennen  desselben  lässt  sich 
ohne    Zurückbeugung    des    Intcllectes   auf  das  Sinnenbild   nicht  vollziehen.*     Fragt  man 


'   Ultima  uatm-ae  iuteutio  est  ad  specieni,  nun  aiitem  ad  individiium  aut  ad  genns;    quia  forma  est  fini.s    geueratioiiis,    materia 

vei'o  est  proptei"  forinam.     1    qu.   8ö,   art.  3. 
^  Natura,    quae  in  hoc  primo  generatur,    iion  est  sinipliciter  uniTersalis,    sed  est  simpliciter  singiilaris ;    est   tarnen   universalis 

secundum  quid,  quia  neu  concipitur  inquantuni  lioc  positive.     Quaest.  sup.  Analyt.  Post.  I,  3G. 
•"  Einer  der  Gründe  des  Duns  Scotus  dawider,    die  Anthropologie  berührend,  lautet:    Materia  est  pars   quidditatis,    quia  honio 

iion  est  tantum  anima.     Igitur  necesse  est  invenire  indifierentiani  in  materia  proportionalem  inditi'erentiae  quidditatis;   igitur 

materia  de  se  non  individuat.     2  dist.   12,  qu.  4  (Op.  Paris.). 
^  Intelligo    per    individuationem    sive    unitatem    numeralem    sive    per    singularitatem    non    qnidem    uuitatem     indeterminatam, 

secundum  quam  quodlibet  in  specie  dieitnr  ununi  numero,  sed  unitatem  signatam  ut  hanc.   -'  dist.   .'!,  qu.   4. 
5  Metaphys.  Quaestt.  Lib.  VII,  qu.   15. 
"  Quodcunque  aliud  a  singulari  intelligitur,  iucludit  incomplete  singulare  quantum  ad  quidquid  intelligibilitatis  est  in  eo,  quia 

nee  includit  gradum,  quo  singulare  est  singulare;  singulare  autem  complete  includit  quidquid  est  intelligibilitatis  in  superiori. 

Non  est  ergo  natum  intelligi  singulare  ut  pars  inclusa  in  primo  intellecto,    sed   tantum    ut   primum   iutellectum,    in  quo  alia 

quaecuuque  superiora  per  se  intelliguutur.     L.  c. 
''  Ideae  divinae  maxime  erunt  singularium,   quia  distincte  repraesentant  omnia  alia  intelligibilia  a  Deo.     Ibid. 
*  In  phantasia  confusum    est  substantia  cum  accidentibus,  vel  multa  accidenfia  mutuo  se  contralientia.  Intellectus  intelligendo 

universale  abstrahlt  quodcunque  illorum;  intelligendo  tandem,  ut  intelligat  singulare  secundum  naturam,  quae  est  haec,  non 

inquantum  haec  sed   cum   accidentibus  propriis,     huic    componit    subjectum   cum    accidentibus;    et  ita  terminus  a  quo  et  ad 

quem  reflexionis  est  confusum,  et  in  medio  est  distinctum.     Ibid. 

54* 


428  Karl  WtKNKK. 

miJi,  wudurcli  sit-li  der  scotistisclio  lio'jiilV  «Icr  Ki-Ilcxio  von  dfiii  lliuiui.stisi'lHii  unter 
scheid«»,  so  gibt  uns  huus  Scotus  hioraur  Antwoil.  wenn  <'r  auscinandcisotzt,  diiss  die 
menscliliche  lutoliiH-tiou  dos  AllgouuMiion.  dus  im  Sinurndingo  diirgostidll  ist,  vcrlmiidtn 
sei  mit  iler  siunlielieii  \\>rstellunir  «lor  sin^ndären  Darstellung  d(>s  Allgemeinen  im  lieson 
deren  .Siunendiuge,  so  dass  beide  A|i|ieriejitionen.  dit»  sinnlielie  und  die  inlellectucllc. 
eiu  un/ertreimliehes  (nm/.es  bilden,  dessen  t  Utjeet  das  im  Sinnendinge  singnlarisirh'  All 
gemeine  ist.  lHMn/.ul\dge  kann  nielit  mit  llioma'^  \on  cinc-m  l)l(iss  indirectcn  und  millid- 
baren  Krgreifeu  des  Siugulären  in  der  geistigen  Ajipreliensitm  der  Sinnendinge  die  Rede 
sein,'  vielmehr  wird  zuerst  und  diret-t  ilas  Singulare  als  soU-lies  geistig  ergrIlVen.  dann 
winl  naehlolgeml  aus  dem  AUgemeinbegrilVe  des  Dinges  das  Wesen  desselben  begrilVen. 
Das  direete  Krgreifeu  vollzieht  sich  vornehmlich  mittelst  des  Sinnes,  die  actio  rcHexiva 
aber  beileutet  das  die  Intelloction  begleitende  Bewusstsoin  um  die  liezogcniiell  derselben 
auf  das  in  actualer  singuUirer  Wirklichkeit  appercipirte  Object.  Der  actit»  retlexiva  folgt 
als  tlritte  die  actio  collativa,  mittelst  welcher  das  im  J)enken  ergrilVene  ^\  irklii  lie  aid" 
den  Alliremeinüredanken  desselben  bezooeu  wird.  Duns  Scotus  könnt  wühl  neben  der 
eben  erwähnten  Art  der  lleflexion,  iu  w'clcher  sieh  das  Bcwusstsein  des  Approhendironden 
direct  auf  das  apprehendirte  Objeet  bezieht,  auch  eine  andere,  welche,  wie  wie  oben 
hörten,  in  der  Zuriickbeuguug  des  Intellectes  auf  die  sinnliehe  Vorstellung  besteht,  und 
der  Sache  nach  mit  iler  thomistischen  Ketiexion  zusammenfallt.  Aber  diese  zweite  Art 
von  Keriexiou  tritt,  wie  wir  gleichfalls  hörten,  erst  ein,  wo  es  sich  um  (iewinnung  des 
Begriffes  der  Natur  des  singuläreu  Objectes  handelt;  und  der  Irrthum  der  thomistischen 
Doctriu  besteht  darin,  dass  sie  mit  Ausserachtlassung  des  absolut  ersten  Actes,  duidi 
welchen  das  Singulare  direct  ergriffen  wird,  die  Erklärung  des  intellectiven  Erkenntniss- 
processes  ausschliesslich  auf  den  Act  ilei-  zweiten  oder  indirecten  Reflexion  stützt. 

Die  drei  Acte  der  actio  intuitiva.  reflexiva  und  collativa  reflectiren  in  Jiöherei-  Urcl- 
uung  weiterfidirend  den  Vergeistigungsprocess,  dem  das  singulare  Sinnenobject  bereits 
im  Bereiche  der  sinnlichen  AVahrnehmung  unterworfen  ist,  um  intclligibel  werden  zu 
können.  Die  Species  sensibilis  —  sagt  Duns  Scotus^  —  hat  ein  dreifaches  Sein,  ein 
materielles  Sein  in  dem  äusseren  Objecto,  ein  schon  mehr  vergeistigtes  Sein  im  Medium, 
dui"ch  welches  es  der  Sinnesapj)erception  vermittelt  wird,  ein  noch  immaterielleres  im 
Organ  der  .Sinneswahrnehmung.  In  dieser  Vergeistigung  ist  nun  das  Object  zubereitet,  um 
sofort  vom  Intellect  ergriffen  zu  werden,  der  in  den  Sinnesapperceptionen  activ  und 
substantiell  gegenw'ärtig  ist,  und  das  AVerk  der  Vergeistigung  weiterführt.*  Das  Gesammt- 
gebäude  der  menschlichen  Wissenschaft  ist  auf  diesen  successiven  Vergeistigungsprocess 
der  primitiven  Apprehensionen  der  sinnlichen  Wirklichkeit  gegründet.'  Duns  Scotus 
entnimmt  aus  dieser  unzerroissbaren  Contiuuität  des  successiven  Vergcistigungsprocesses  der 


'   1   qu.  86,  art   1. 

-  Eer.  priucip.  qu.   14,  arl.  2. 

'  Intellcctas  ]>raeseii9  est  oiniiibus  sensiljiis  i:t  or^'aiii?  curuin  {jcr  iuflucnliain,  jicr  siilistaiitiaiii  et  etiam  iu  ratiouc  jierficientis 
snb  ratione  cogiiitivi,  sicut  sol  attingit  omnem  actionem  inferiorum  .igentiuni,  et  intiinius  et  jiraesentialius.  Ergo,  cum  senaus 
cognuscendo  attiugat  existentiam  actualem  rei  excini)laris,  iutellectus  necessario  attingit  eam  etc.  Rer.  princip.  qu.  13,  art.  3. 

'  Omnis  cognitio  scieutifica  fundatur  in  actuali  existentia  rei  extra;  deficiente  cnim  seusu  deficit  scientia,  quae  secundum 
eit  L.  c.  —  Cognitio  intellectiva  uon  praecedit  seusitivam,  sed  sensitiva  conimunior  est,  cum  sit  in  brutis,  et  idco  prior, 
tum  quja  intellectiva  ccrtior  est,  actualior,  perfecti'ir,  t,ale  autem  est  naturalitcr  posterius ;  sed  in  talibus  impcrfectum  est 
radix,  origo  et  seminarium  respectu  perfecti,  ut  paUJt  iu  semine  rcspectu  raembrorum  corporis;  igitur  sie  erit  sensitiva 
respectn  omnis  coguitionis.  Rer.  princip.  qu.   13,  art.   1,  sect.  8. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehee  des  Johannes  Ddns  Scotus.  429 

primitiven  sinnliclien  Apperception.  einen  Beweisgrund  für  die  von  Gottfried  von  Fontaines* 
und  Goetlials-  geläugnete  Notliwendigkeit  der  Species  impressae  als  notliwendiger  Mittel- 
glieder zwischen  der  sinnliclien  Vorstellung  und  dem  reinen  Allgemeingedanken  des 
Dinges.^  Uebrigeus  darf  der  Träger  der  Species  impressae,  der  Intellectus  possibilis  nicht 
etwa  als  eine  Mittelkraft  zwischen  Einbildungskraft  und  reinem  Intellect  eingeschoben 
werden.  Intellectus  agens  und  Intellectus  possibilis  sind  der  eine  und  selbe  Intellect  als 
virtus  cognitiva  unter  zwei  verschiedenen  Beziehungen;  und  diese  virtus  cognitiva  steht 
als  virtus  n,on  organica  der  Einbildungskraft  als  virtus  organica  gegenüber;  ein  Mittleres 
zwischen  Affirmation  und  Negation,  virtus  organica  und  non  organica  ist  nicht  denkbar. 

Der  Intellectus  possibilis  fungirt  als  Bewahrer  der  von  ihm  recipirten  Species 
impressae.  Duns  Scotus  lehrt  mit  Thomas  Aq.,  dass  der  Intellect  zur  ßeactivirung  der 
in  ihm  aufbewahrten  Species  sich  den  sinnlichen  Vorstellungen  der  ihnen  entsprechenden 
Objecte  zuwenden  müsse,  missbilliget  aber  die  Gründe,  aus  welchen  Thomas  diess  für 
uöthig  hält.  Nach  Thomas  müsste  sicli  der  Intellect  im  Acte  der  Erinnerimg  dem  Sinnen- 
bilde desshalb  zuwenden,  weil  das  Object  des  menschlichen  Intellectes  das  Quodquidest 
des  Sinnendinges  sei,  und  es  zum  Begriffe  dieses  Quodquidest  gehöre,  in  einem  bestimmten 
Individuum  zu  existiren.  pvms  Scotus  bemerkt  hiezu,*  dass  die  Existenz  der  matei'iellen 
Quiddität  in  einem  singulären  individuirten  Sein  zwar  thatsächlich  statthabe,  jedoch  nicht 
so,  dass  diese  Existenzweise  zum  Begriffe  jener  Quiddität  gehörte,  indem  der  Intellectus 
abstractus  sie  auch  ohne  Beziehung  auf  das  Existere  in  aliquo  singulari  denken  könne. 
Der  Grund  der  Hinwendung  des  Intellectes  zum  Sinnenbilde  liegt  vielmehr  darin,  dass 
dieses  zur  Verlebendigung  oder  Intension  der  im  Intellectus  possibilis  aufbewahrten 
Species  thätig  sein  muss;  und  diess  darum,  weil  der  menschliche  Intellect,  vielleicht  in 
Folge  des  Sündenfalles,  die  Zurückbeugung  auf  sich  selber  ohne  Intervention  des  sinn- 
lichen Vorstellens  durchzuführen  nicht  fähig  ist.'' 

Die  eben  angeführten  Gegenbemerkungen  des  Dims  Scotus  wider  Thomas  sind  in 
dem  bereits  vielseitigst  aufgewiesenen  Gegensatzverhältniss  zwischen  Beiden  begründet, 
und  hängen  auch  mit  der  Polemik  des  Duns  Scotus  gegen  die  thomistische  Lehre  von  der 
Materia  als  Principium  individuationis  zusammen.  Ist  die  Materie,  wie  Thomas  lehrt,  der  Grund 
der  Individuirung  imd  Plurification  der  Species,  so  muss.  man  sich  allerdings,  da  die  Species 
kein  von  den  Individuen  unterschiedenes  substantielles  Sein  hat,  die  (Quiddität  oder  das 
specifische  Wesen  des  Sinnendinges  so  in  die  materielle  Existenz  des  Sinnendinges  ver- 
senkt denken,  dass  sich  der  Gedanke  derselben  gar  nicht  ohne  Beziehung  auf  den  Stoff, 
in  welchem,  sie  sich  darstellt,  fassen  lässt.  In  dei-  That  ist  es  schwer,  oder  eigentlich 
unmöglich,  sich  das  einzelne  Sinnending  anders,  denn  als  Product  der  dasselbe  causirenden 
materiellen    Individuationsbedingungen    zu    denken,    und    es    ist    nicht    abzusehen,    worin 


1  Quodlibet  IX,   qu.   l'J. 

2  QuodUbet  IV,  qq.  7.  8.   21;  V,  qu.   14. 

ä  Sicut  dictum  est  de  sensu  (s.  vor.  Seite,  Anm.  4),  sie  in  intellectu  uou  potest  deveniri  ab  extremo  seil,  a  phantasmate  in 
extremum  seil,  in  intellectum  seu  in  actum  intelligendi,  qui  est  pure  spiritualis,  nisi  per  medium  iiiter  spirituale  et  corporale; 
hujus  modi  autem  medium  est  species  iutelligibilis,  quae  non  habet  esse  adeo  materiale  sicut  phantasma,  nee  adeo  spirituale 
sicut  intellectus.  Ker.  princip    qu.   14,  art.   2. 

'   1    dist.   3,    qu.  5. 

=  Multiplei  est  causa,  quare  intellectus  conjunctus  corpori,  maxime  corruptibili  (quia  forte  in  statu  innocentiae  esset  aliud), 
non  potest  reflexione  integra   et  simplici   et  aperta   super  se    reflectere,    et  per  cousequeus  super  species,    quae  sunt  in  eo, 

nisi  quodammodo  reptando  per  sensus  et  per  imaginationem Et  haue  causam  tangit  Sapiens  in  libro  Sapientiae  (9,  16), 

cum  dicit:  Corpus  quod  corrumpitur,  aggravat  animam.  Ker.  princip.  qu.   14,  art.  2. 


430  Kahi.  Wkknek 

iiinItM's.  als  in  iliT  ilirci-  Natur  iiai-li  üCiuTalivcii  Ifltfinli^cii  Mati-rit'  i|iT(irimil  ilcr  l'liin 
tii'iitictii  iltM'  liiilivliliiiMi  oiiitM"  S|n«i'ios  ^osiu'lit  \V('r<ltMi  s^illti'.  Pif  l>l•^|•llV  ("luci-  li('>iiiiniiicu 
besitmlcron  Sj«>cios  shmlirlMM"  Mxistoiizon  ist  <lii  ciufs  |iailiciilati.siiicu  l''iinii|iiiiici|u\s, 
\YoK'lu«s  sii'li  im  StolVo  darlobt.  und  /ufolgc  ilcr  7.(Mi«^uiioskriitn<;('U  licluMidi^iluMt  dt'.ss(dl)i'M 
insoweit  sirli  plurilirirt,  als  i»s  dii>  i-tmnvttMi  ICxisttMizbcdinmin^^cn  der  iudividuatioiicu 
eiutM*  bostininittM»  Spoi-ios  /ulasson.  iMms  Scotus  {glaubt  iVcdlifli  /.wiscIuMi  dem  hisse 
easentiao  iiml  dem  Ksso  existen-  diT  individuiitiMi  |-]ssimi/,  uiitiM'scIiridcii  /u  stdlcii: '  liii- 
iltMijoniiTiMi  abtM\  der  ilii"  l  obiMV.ouiruuii'  hat.  das>  dci-  ArtbcmrilV  des  Siiim'iiiliuf^cs  Im 
StcitVi>  wt'st,  nntl  aussorlialb  dt'ss(dbt>n  iiui"  ciiu'  ift'danlvt'nliafti'  lioalitäl  lial.  kann  ilicsd 
Abtionnunij  koint'  sachlirlii'  ItotUMitunj^'  liabcn,  die  n\an  ihr  nur  daiiii  zuweisen  k<innU', 
wonn  die  seheniatiseli-b(>grilVIielie  AutYawsnng  der  Objeete  ib'r  SinncMiwell  \viikli(  li  das 
Wcseu  derselben  ert'asste.  l>ie  von  l'uns  Scotus  bezweckte  ilrhobung  des  l>eiik(ii>.  über 
die  siuuetallige  Wirklielikeit  ist  ani"  dem  Standpunkte  eines  hciikeiis.  das  an  dem  nui 
logisch  aualvsirten  Krscheinungsleben  der  Natur  hattet,  nicht  niügliidi;  und  sein  enipi- 
ristischer  Individualismus  bcHndet  sich  in  einem  inneren  Widerstreite  mit  der  von  ihm 
testgelniltenen  lUterscIuddung  einer  geistigen  und  sinnlieheu  Wirklichkeil.  I  »er  ( «edaidve 
des  Thonuvs  Aquinas.  ilass  jede  Forma  separata  für  sicli  selbst  eine  Species  repriisentire, 
steht  dem  echten  und  speculativen  Individualismus  viel  nilhei-,  als  die  auf  geistige  un<l 
sinnliche  Sondere.xistcnzeu  unterschieiUos  augew-endete  scotistische  iiäcceität. 

Wir  haben  schliesslich  noch  die  Würdigung  zu  berücksichtigen,  welche  l)uns  Scotus 
iu  seiner  Erkenntnisslehre  dem  sprachlichen  Momente  angeileihen  lässt.  Das  Conl'use 
concipere  —  hörten  wir  oben  —  hält  sich  einfach  an  die  Benennung  der  Sache,  das 
Distincte  concipere  au  die  ßegrittsbestimmung  derselben.  Die  Benennung  ist  Bezeichnung 
und  Ausdruck  des  Gedankens,  mittelst  dessen  die  Seele  das  Quodquidest  eines  Dinges 
geistig  ergreift.  Demzufolge  bezieht  sich  die  Benennung  oder  das  Wort  primär  auf  das 
Objectum  primnm  iles  actuellen  Confuse  cognoscere,  und  das  Wort  bedeutet  die  durch 
die  Einwirkung  des  Objectes  bew^irkte  Passio  animae, **  d.  h.  die  Sache  als  Gegenstand 
der  intellectuellen  Appereeption.''  Duns  Scotus  erklärt  sich  daher  Im  Einklänge  mit 
seinen  schon  entwickelten  erkenntnisstheoretischen  Anschauungen  gegen  jene  Commen- 
tatoren  des  Aristoteles,  welche,  wie  Albert,  Thomas  u.  A.'  dem  Worte  nur  eine  mittel- 
bare und  nachfolgende  Beziehung  auf  das  dem  Gedanken  entsprechende  reale  Ubject 
zugestehen.*    Leber    die   bloss  conventioneile  Giltigkeit    der  Sprachbezeichnungen    ist    er 


'  £sse  quod  est  actn.llitcr  eiitis.  iiou  (!.st  de  esseiitia,  »irut  nee  esse  existere.  Isla  tainen  duo  ease  sunt  distiiifta,  (jiiia  essf, 
qaod  est  actualiter  eutis,  iirimo  eonsequitur  essentiain,  et  est  proprium  ipsius  essentiae,  sed  esse  existere  prinio  conseqiiitur 
iudividuum.   Analyt.  Poster.  II,  6. 

-  \'gl.  .\ristot.  Periherm.  (p.   1.  a,  lin.  3):    Ev  fiovaT;  Töiv  iv  ttj  •]<.>/»)  -«Orjjiärtov  aüiißo).«. 

'  Nomen  si^ificat  passionem  animae  i.  e.  rem  ut  coiicipitur.  Op.  II  in  libnim  I'erilierm.,  qu.   1. 

'  Vgl.  Thom.  Aq.  Periherm.  lect.  2:  Non  potest  esse,  quod  voces  significent  immedi<ate  ips.as  res,  ut  ex  ipso  modo  siguificaudi 
apparet;  significat  enim  hoc  nomen  ,homo'  naturam  humauam  in  abstractioue  a  singularibus.  Unde  non  potest  esse  quod 
sigiiificet  hominem  immediate  ut  Platonici  posuerunt,  quod  significaret  ipsani  ideam  honjinis  separatam.  Sed  quia  haec  secun- 
dum  abstractionem  saam  non  snbsistit  realiter  secundum  senteutiam  Aristotelis,  sed  est  in  solo  intcUcctu,  ideo  necesse  fuit 
Aristoteli  dicere,  quod  voces  significint  intellcctus  conceptiones  immediate  et  eis  mediantibus  res.  —  Anders  Duns  Scotus, 
welcher  die  unmittelbare  .Simultanbezieliung  des  Wortes  auf  Gedanke  und  Sache  festhaltend  (vgl.  vor.  Anm.)  die  Platonische 
Auffassung  des  Wortes  aus  einem  anderen  Grunde  .abweist:  PUato  libro  de  recta  nominum  ratione  posuit  nomen  significare 
rem  ut  existit  falso  nicht:  ut  concipitnr),  quia  dixit  rem  eodem  modo  existere,  quo  intelligitur.  Aristoteles  autem  aliter 
posnit.  L.  c. 

'^  Duns  Scotus  glaubt  diese  Ansieht  geradezu  ad  absurdum  führen  zu  können :  Si  nomina  primo  significant  passiones  in  anima, 
sequitur  quod  .significatio  cujuslibet  realLs  orationis  pst  falsa.  Nam  dicendo:  ,homo  est  animal'  idem  est  dicere,  quod  ,haec 
passio  est  illa."  L.  c.   —   Ueber  die  wahre  Bedeutung  der  Aussage  in  dem  angeführten  Urtheil  fügt  Scotus  berichtigend  bei : 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Dun.s  Scotus.  431 

mit  deu  übrigen  Peripatetikern  ganz  einverstanden-,  demzufolge  kann  das  Wort  die  in 
der  Passio  animae  ausgeprägte  similitudo  rei  nicht  in  eigentlichem  Sinne  wiedergeben, 
sondern  nur  bedeuten.  Das  Wort  als  solches  haftet  an  der  Intentio  prima,  imd  erst  in 
der  Satzbildung  kommt  es  zur  spraclilichen  Verdeutlichung  der  Intentiones  secundae. 
Der  den  Worten  eignende  Modus  signihcandi  zerfallt  in  einen  modus  activus  und  pas- 
sivus; der  erstere  drückt  das  aus,  was  der  Intellect  in  das  Wort  hineinlegt,'  der  Modus 
passivus  bezieht  sich  auf  die  durch  das  Wort  ausgedrückte  Eigenheit  der  Sache.  ^  In 
diesem  dopjielten  Modus  des  Verhaltens  drückt  sich  übrigens  auch  ein  entsprechendes 
doppeltes  Veidialten  des  Modus  intelligendi  ab,^  welcher  als  solcher  dem  Gebiete  der 
Intentio  secunda  zugekehrt  ist.  Die  Grammatik  hat  es  ilur  mit  dem  Modus  signihcandi 
activus  zu  thun,  und  unterscheidet  zwischen  Modus  signihcandi  essentialis  und  acciden- 
talis,  deren  ersterer  auf  das  essentielle  Wesen  des  Redetheiies,  der  letztere  auf  das  zu 
diesem  Wesen  Hinzukommende  sich  bezieht.^  Der  Modus  signihcandi  essentialis  zerfällt 
in  einen  modus  generalissimus,  subalternus  und  specialissimus  je  nach  dem  weiteren 
oder  begränzteren  logischen  Umfange  des  sprachlichen  Terminus;  der  Modus  signihcandi 
accidentalis  zerfällt  in  einen  modus  absolutus  und  respectivus,  je  nachdem  das  durch  ein 
bestimmtes  Redeglied  Ausgesagte  entweder  für  sich  oder  nach  seinem  Bedingungs- 
verhältniss  zu  dem  durch  ein  anderes  Redeglied  Ausgesagten  ins  Auge  gefasst  wird. 
Indem  nun  diese  Unterscheidungen  auf  die  einzelnen  Redetheile  angewendet  werden, 
entwickelt  Duns  Scotus  in  seiner  Grammatica  speculativa  eine  Art  Spraclilogik,  deren 
Zweck  ist,  die  Ausprägung  der  Kategorien  und  Modi  der  Sprachbildung  aufzuzeigen. 
Das  Verhältniss  der  Sprachbezeichnungen  zur  objectiven  Beschaffenheit  der  Dinge  betref- 
fend, bemerkt  Duns  Scotus,'^  dass  sie  auch  auf  die  in  ihrer  ratio  propria  nicht  erkannten 
Substanzen  anwendbar  und  giltig  seien;  es  muss  Namen  geben,  welche  geeignet  sind, 
eine  Substanz  auch  nach  einer  von  uns  nicht  erkannten  Seite  oiler  Beziehung  ihres  Seins 
zu  bezeiclmen."  Man  kann  auch  eine  Sache,  deren  substantielles  Wesen  man  nicJit 
erkannt  liat,  deutlich  bezeichnen.'  Daraus  folgert  Duns  Scotus,  dass  man  auch  von  Gott 
in  Ausdrücken  sprechen  könne,  welche  sein  AVesen,  wie  es  an  sich  ist,  bezeichnen.  Als 
solche,  das  göttliche  Wesen  distinct  bezeichnende  Namen  sind  uns  aus  dem  alten  Testa- 
mente die  (jiottesnamen  Adonai  und  Jehova  überliefert,  und  es  ist  nicht  anzunehmen, 
dass  uns  die  neutestamentliche  Offenbarung  keine  gleichwerthigen  (Tottesnamen  zugemittelt 
hätte.  Duns  Scotus    ist  also   nicht    gewillt,    gleich  Thomas  xVip  den  Wertli    der  jDOsitiven 


Affirmatur,  cjuoJ    ijrimu    iutelligitui'   per   unuiii    iiomen   (lici   de    illo,    quod  primo  intelligitur  de  jilio,    ijuae  tuiic  intelliguntur 
mediautibus  illis   speeiebus. 
'  Modus  siguificaudi  activus  est  modus  sive  proprietas  vocis    ab  intellectu  silii   concessa,    luediaute    qua   vox    projjrietatem    rei 
siguifieat.  Gramm,  speculat.  c.   1. 

2  Modus  significandi  passivus  est  modus  sive  proprietas  rei,  prout  est  per  vocem   signiöcata.    Ibid. 

3  O.   e.,    c.  3. 

*  Modus  significandi  essentialis  est,  per  quem  pars  orationis  simpliciter  iiabet  esse  vet  secuudum  geuus  vel  secundum  speciem. 

Modus  significandi  accidentalis  est,    qui   advenit   parte  post  esse  completum,    non  dans  esse  simpliciter  parti,    nee  secuudum 

genus  nee  secundum  speciem.   O.  c,  c.   7. 
■'  1   dist.   22,  qu.  unic.   (Dp.  Paris.). 
^  Non  intellectus  viatoris  cognoscit  quidditatem  substantiae,  et  tamen  aliquod  nomen  impositum  a  viatore  significat  substantiam 

secundum  rationem  substantiae  propriam.    Aliter  enim  omnes  praedicationes  essent  accidentis  de  accidente.    L.   c. 
■>  Non  concipimus  substantiam  in  se,  nee  quomodo  una  substantia  specie  distinguatur  ab  alia,    et  tamen   utiinur  nomine  signi- 

ficante    esseutiam    substantiae    unius,    prout   ab   alia    specie   distinguitur  ....   Aliquis   non    apprehendens    lianc    substantiam 

hominis,  cui  etiam  forte  non  sunt  accidentia  ejus  nota,  quia  nunqnam  fueruut  in  phantasia  ejus,  imponit  sibi  nomen  distincte 

siguificans  illam  substantiam.    Ibid. 


^•«.)  Kai;i   NViMiSKii 

Wcsonsbo/.oii'hiiUMi'-ou  iJottos  vnn  «It-m  (ira'lc  uiis(>n's  iiiti'lli'tliifll.'ii  \  (Msiainliiisscs 
;ibluin»Mir  /u  marlion,'  wofilr  \vii-  .I<-m  (iiiiiul  tlicils  in  .Icr  von  iliiii  ln-liaupItMcii  \  iil- 
vooitiit  alles  Soieiulon,  tlioils  in  «Icr  ultcii  luM-dhitiMi  nniiiittol  baren  lie/,itliiin>i  der  S|iraelie 
auf  ilie  (legeiisläiulliehkeit  als  solelie  /n  eikemien  haben,  hiese  AnlTassnii"-  <l(>s  Spraeli- 
lieheii  hän>rt  mit  .leni  kiivlilielieii  l'ositivismus  des  hniis  St-olns  zusannnen,  und  <>ilcliirt 
mis  den  von  «ler  tluH)lo'::iselien  Suninio  dos  'Plioinas  Aq.  si»  sehr  sitdi  untorselieidcmleu 
Lolirtou  des  Duns  Scotus  in  d.-r  Ueliandluii'j  drr  .hristlieli  tlieolof^isilieii  ( iotlesleiire.  ilie 
nuter  irnmdsät/.lielieni  Verzieht  Jiuf  eine  speeulative  Krj^rUnduno-  dos  christliehen  (ioltos- 
bejrritVes  dnrehwe>xs  auf  eine  theolojriseh-schulastische  Ausoinanderset/unj--  .1er  ili)erlieterten 
Tenuiui  der  ehristlieh-kirehlieheu  (iutteslehre  ab/weikt.  Der  vou  Duns  Scotus  in  der 
Thcoloirie  luigesehlageue  Ton  wurde  von  dem  iu  «ler  seotistiselieu  Scliub'  ^robildeten 
Oeeaiu  tuif  das  (iebiot  der  wisscnschaftlielieu  Forsehuu'c  im  A  llu-emeinen  iil>(Mtraf;:oii  ; 
indem  er  den  von  Duus  Seotus  festgelialteucu  Realismus  Preis  gab,  lehrte  er,'  dass  die 
Wissenschaft  nur  eine  Wissenschaft  vou  Sätzen  sei,  bei  Aon  Siitzon  es  aljer  darauf 
ankomme,   die   Worte   riehtig  ihrer  ücdeutung   nach  mit  einandci-    /.\i   veibluflen. 

Vou  dem  tönenden  Worte  oder  verbum  voealc  ist  das  innere  Wort,  das  vei  l.uin 
mentale  zu  uaterscheiden,  als  welches  Duns  Scotus  gemeiniiin  die  iu  der  Seele  a.tucll 
vorhandene  Cogitatio  nimmt,  so  weit  dieselbe  unter  dem  (Jesielitspunkte  eines  Erzeug- 
nisses ins  Auge  geiasst  wird.'  Er  entwickelt  seine  Lehre  vom  verbum  mentale  im  An- 
schluss  an  Augustinus,  dessen  Worten  folgend  er  das  Wort  der  Seele  als  eine  proles 
memoriae  fasst,  iu  welcher  der  (iedanke  einer  Sache  innerlicli  zu  Tage  tritt.  AN  eil  aus 
der  Memoria  geboren,  wird  es  vou  ihm  auch  Verbum  imaginabile  genannt;  es  ist  ihm 
mit  der  vorerwähuten  Passio  aniniae,  dem  in  der  Seele  gewirkten  Zeichen  des  apj.er- 
eipii-teu  Übjectes  identisch.  Seiner  Unterscheidung  zwischen  der  notitia  confusa  und 
distincta  entsprechend  unterscheidet  Duns  Scotus  zwischen  einem  verbum  imperfectum 
imd  perfectum;  er  verwirft  demzufolge  die  thomistische  Ansicht,  welche  nur  den  auf  die 
inquisitive  und  ratiocinative  Thätigkeit  folgenden  Abschluss  des  Erkenntnissactes  als  das 
Verbum  mentis  gelten  lassen  will.'  Der  thomistischeu  Ansicht  gemäss  —  replicirt  Duns 
Scotus  —  müssten  Gott,  die  Engel  und  die  Seligen  mit  der  Ratiociuation  auch  des 
Wortes  entbehren:  er  lässt  an  der  widerlegten  Ansicht  nur  so  viel  als  wahr  gelten, 
dass  einzig  das  Verbum  perfectum  eine  Repräsentation  des  Verbum  aeternum  sei.  Der 
Unterschied  zwischen  Thomas  und  Duns  Scotus  in  der  Auffassung  des  inneren  Wortes 
reducirt  sich  darauf,  dass  Thomas  es  als  den  fertigen  Gedanken  der  Seele,  Duns  Scotus 
aber  primär  als  inneres  psychisches  Bild  der  Sache  nimmt,  rücksichtUch  deren  er  ein 
ant^ingliches  rein  empirisches  Aufgreifen  imd  ein  nachfolgendes  begriffliches  Durch- 
dringen derselben  unterscheidet.  Duns  Scotus  setzt  ferner  das  innere  Wort  in  eine  viel 
innigere  Beziehung  zum  äusserlich  vernehmbaren  Worte  als  Thomas,  und  beleuchtet 
demzufolge  die  Genesis  des  Erkenntnissprocesses  mit  specifischer  Beziehung  auf  den 
sprechfähigen  und  zum  Gebrauche  der  Sprache  erzogenen  Menschen,  während  Thomas 
hievon   absehend    den   Erkenntnissprocess  nur  als  Vorgang    im   Innern    der    denkfähigen 

<  Vgl.  Thom.  Aq.  1  qn.   13,  art.  2:  Praeaicta  noraina    sapiens,  bonus  etc.)  divinam  sub.stantiam  significant,   imperfecte  tarnen, 

sicut  et  creaturae  imperfecte   eam  reprae.sentant. 
'  Occam.  Sentt.  1  dist.  2,  qu.  4. 
'  1   dist.  27,  qn.  2  n.  qu.  3. 
*  Vgl.  Thom.  Aq.  Opusc.  de  differentia  verbi  div.  et  lium..:   Verbum  nostrum  est  prius   formabile  qnam  formatum.    Nam   cum 

volo  concipere  rationem  lapidis,  oportet  quod  ad  ipsum  ratiocinando  perveniam. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehee  des  Johannes  Düns  Scotus.  433 

Seele  ins  Auge  fasst.   Daraus  erklärt  sich  weiter  die   Verbindung,  in  welche  Dans  Scotus 
die  Lehre  vum  verbum  mentis  mit  der  Memoria  setzt,'   in   welcher    zusammt   dem   Bilde 
der  Sache  auch  das  sie  benennende  Wort    aufgehoben    ist    und   als   Vehikel  der  Wieder- 
erweckung   des    in   der    Memoria    recipirten    Bildes    dient.     Zugleich   dient   das  Wort  als 
Mittel  der  Festhaltung  einer  noch  nicht   geistig    durchdrungenen  Saclie  im  mensclilichen 
Denken,  und  ist  in  seiner  unmittelbaren  Gegebenheit  der  passende  Ausdruck  für  die  notio 
confusa,    während  es  für  das    rationell    verständigte  Denken   das  Zeichen   seiner   cognitio 
distincta   ist.     Wir    selien    also    hier    das    Wort    nach    seiner  Bedeutxmg    als   Vehikel    des 
empirischen  und  rationalen  Denkens  in  der  intellectuellen  Apprehension  natürlicher  und 
übernatürlicher  Dinge  gewürdiget;  gleicliwie  aber  das  ideale   Vernunftdenken  überliaupt 
dem    Intellectualismus    des   Duns    Scotus    ferne    liegt,    so  im  Besonderen  aucli  die  ideelle 
Bedeutung  des  Wortes  als  Vehikels  der  Ergreifung  des  Erkannten  in  der  Mitte  und  Tiefe 
seines  Wesens.  Thomas  erfasst  die  Idee  des  inneren  Wortes  in  dem  Grade,  als  bei  ihm  ins- 
gemein das  Idealdenken  zu  seinem  Rechte  kommt ;  da  er  nun  das  Idealdenken  überhaupt  als 
Denken  der  Wesensformen  erfasst,  so  wird  ihm  auch  die  Bedeutung  des  inneren  Sprechens  in 
der  Idee  des  geistigen  Formens  und  Bildens  sich  erschliessen.-     Da  die  Idee  immittelbar 
appercipirt  Avird,  das  innere  Wort  aber  nacli  Thomas  der  fertige  Gedanke  der  intellectiven- 
Seele  ist,  so  kann  es  schon  an  sich  höchstens  nur  die  Bedeutung  der  im  inneren  Denken 
objectivii-ten  Idee    haben,    wird   aber  überhaupt  mehr  vom  Begriffe  als  von  der  Idee  an 
sich  haben-,    das  innere  Wort  ist  nach  seiner  wahren  Bedeutung  bei  Thomas  der  fertige 
geistige  Concept   der  Sache,    die    der    Species    impressa    entsprechende   Species    expressa, 
die    der    Intellect    denkend    aus    sich    hervorstellt.     Desshalb    betrachtet  er  das  Wort  als 
Proles  intellectus  im  Gegensatze  zu  Duns  Scotus,    der  es  als  proles  memoriae  angesehen 
wissen  will.  Der  Gegensatz  dieser  Anscliauungen  ist  auf  den  oben  beleuchteten  Ge'gensatz 
der  Ansichten  über  das  objectum  primum  coguitionis  zurückzuführen.     Thomas  lässt  das 
Wort  aus  dem   anfänglich   unbestimmten  Allgemeiugedanken    des    Dinges    herausgeboren 
werden,  für  Duns  Scotus  hat  es  die  Bedeutung  des  aus  dem  Intellectus  possibilis  heraus- 
gesetzten   actuirten    Gedankens,    oder    der    zum    actuellen    Gedanken    gewordenen    Passio 
animae.     An  die  Stelle  des  von  Thomas   cultivirten   Wahrdenkens   tritt   bei  Duns  Scotus 
das  Wissen  um  die  Dinge ;  das  Wort  ist  ihm  nicht  die  Ausprägimg  des  Wahrgedankens, 
sondern  das  Zeugniss  des  in  der  Seele  vorhandenen  Wissens  vom  Objecto.  Diese  Differenz 
in  der  Auffassung  des  Wortes  reflectirt  sich  auch  nocli  in  der  beiderseitigen  Auffassung 
des    ewigen    Gotteswortes,    welches    nach    Thomas    der    Selbstausdruck    der    intellectiveS 
göttlichen  Wesenheit,  nach  Duns  Scotus  aber  das  absolute  Product  der  göttlichen  Selbst- 
besinnung   ist.-^     Demzufolge    fasst    aucli    Duns    Scotus    das  Wort   des  Ewigen  primär  als 

I  Si  intellectus  posset  statin,  notificare  alteri  absque  memoria,  non  assumeret  Signum.  Seil  assumere  si-m.m  nou  est  emissio 
anhelitus  sie  vel  sie,  sed  iste  sonus  sie  articulatus  est  verbum  vocale,  et  sie  verbum  ima^inal)ile,  quocl  sibi  eorrespondet, 
est  verbum  mentale,  quod   est  quoddam  formatum  in  actu  a  memoria.     1   dist.   27,  qu.   2  (Dp.   Paris.). 

'-  lUud  proprie  dieitur  verbum  interius,  quod  intelligens  intelligendo  format  .  .  .  Quanuliu  intellectus  ratiocinando  discurrit 
necdum  formatio  perfecta  est,  nisi  quando  ipsam  rationem  rei  perfeete  conceperit:  et  tunc  primo  habet  rationem  verbi.' 
Et  inde  est,  quod  in  anima  nostra  est  etiam  cogitatio,  per  quam  signifioatur  ipse  discursus  inquisitionis;  et  verbum  quod 
est  jam  formatum  per  perfeetam  contemplationem  veritatis.  Ideo  perfecta  contemiilatio  veritatis  dieitur  verbum.  Opusc.  de 
diti'.  verb.  div.   et  bum. 

3  Während  demnach  Thomas  Aq.    das    göttliche  Erkennen  und  Lieben    als  Principien  der  immanenten  Hervorgänge  des  gött- 
lichen   Lebens    bezeichnet,    nimmt    Duns    Scotus    die  Memoria    und    die  Voluntas   als  die  zwei  Principien   der   immanenten 
Production  in  Gott :    Sicut  memoria  perfecta  in  aliquo  supposito  divino  est  principium  producendi  notitiam  sibi  adaequatam. 
ita  voluntas  amorem  sibi  adaequatum  et  sie  amorem  infinitum,  et  per  consequens  intrinsece  in  natura  divina  habeutem  esse. 
Deulischriften  der  phil-hist.  Cl.  XXVI.  Bd.  ^ ,  ' 


434  ''^*'''  ^Vkkvhk 

S«>ll)stYiM"g«\ii^tMnviiilij;uii^  lUvs  ijiittliclu'ii  \  atoi-s  in  ilciii  iius  ilnii  lici  \  iti<>t'^;iii<rt'ii('ii  Solitu«, 
und  liisst  iloii  im  fjöttlioliiMi  Woi-tt»  ausiji's|iri»flu'iu'ii  uültlitlicn  ( icilaiikcii  der  <it>alili- 
liohoii  |-!xistonz«'n  mir  als  sfruiuliii'«'  uml  inmiotaiivc  l><>/.i(>lmnf^  «Icr  hmH  |l,||i>,i  Scilist 
ausspniclio  golto»,'  wäliiviul  riumias  von  ilcm  ( iivlaiilvi'n  <'iiiff  Sfllistaiiss|iratlM'  <\rv  j^ött- 
licluMi  luttdli^iMiz  ausüftduMnl.  von  (Jott  in  seinem  lüncn  aUsoInten  \\ Drle  sii-li  scilist  nn<l 
ilio  l'ivatnron  aus^josproelien  wtM-ilen  lässt.^  l)(>r  (irunti  (|<'r  scliäiicicn  St'lbstabH(li('iiliiii<; 
lies  güttlirluMi  Selhstj^oilankons  vnm  ii;iittlirl>on  (Jeilankon  ili-r  ("n-aiur  licift  hei  Duns 
Scotus  in  iler  scliarfereu  BctiMiun^  der  ( '»intlnijen/  '\rv  Weh.  welrlie  hei  ilnn  an  ilie 
Stolle  «ier  spceulativen  thoniistiseluMi  Jdee  von  der  Sidbstdarstcdimif;  (Juttes  im  I  nivcisum 
tritt.  Aueli  hebt  er  entseliiedenst  liervor,  dass  die  Lo<foslelire  ansseliliesslitli  ih'r  posiiiven 
rheidoüfie  anireliöre:  die  ljoy;osi<iee  sei  kiMiie  viM'nnnttiiotliwendiffe  Itlee.  die  natili  lielie 
Veruuntt  könne  ^Yeder  das  \\  irkh"elis(Mn  noeli  «las  L  nnui^lielis(Mii  dessen,  was  die  kindi- 
liche  Gotteslehre  unter  dem  ewi<jf<'n  (iottesworte  versteht,  beweisen.'  Wir  ersrhcn  hieraus. 
<las3  die  theolugisehe  Ausdeutuufi^.  weKdie  Scotns  der  Augustinisehen  Lehre  von  ih-r 
Memoria  gibt,  ihn  daliin  fidirt.  die  von  A<igustinus  ges<diart'enen.  und  von  Anseimus' 
cultivirten  Unterlagen  einer  sjteeulativen  Theologie  völlig  aufzuheben.  Clleiehwohl  wäre 
es  vertehlt,  seiner  theologisehen  L\uistruetion  der  göttliehen  'i'rinität  eine  tiefer  greifi^nde 
Bedeutung  für  ili>'  religiöse  Speeulation  vollkommen  abspreelieu  zu  wollen;  sie  ist  zwar 
ein  getreuer  Reflex  seiner  psyehologiscdv-erkenutnisstheoretisehen  Anschauungen,  strebt 
aber  entsehieden  eine  von  den  Construetionen  alexandriniseh-neujjlatoniseher  Speculatimi 
unabhängige  Gestaltung  imd  Durehbiklung  an.  die  der  Llee  der  göttlichen  Absoluthelt 
zu  ihrem  vollen  Ixechte  verhelfen  will,  und  eine  Art  Vorahnung  einer  neuzeitlichen,  auf 
das  eliristliche  Trinitätsdogma  gestützten  speculativen  Creationstheorie  in  sich  schliesst. 
Die  von  ihm  speciell  berücksichtigten  speculativen  Erklärungen  des  Trinitätsdogma  von 
Anselm.  Thomas  Aqiiinas,  Goethals,  Gottfried  von  Fontaines  scheinen  ihm  sämmtlich  zu 
naturalistisch  gehalten  zu  sein.  Die  Hervorgänge  des  Sohnes  und  des  Geistes  aus  dem  Vater 
mit  dem  Hervorgehen  des  Intelligere  und  Velle  aus  dem  Seelengrunde  zu  parallclisiren, 
erscheint  ihm  schon  dai'um  unzulässig,  weil  damit  der  Hervorgang  des  Sohnes  zu  einem 
actus  mere  naturalis  herabgedrückt  w-erde,  an  Avelchem  das  Wollen  keinen  mitbestim- 
menden Antheil  habe.""  Es  erscheint  ihm  ferner  als  völlig  unrichtig,  dass  durcli  die 
Production  des  Wortes  das  Intelligere  des  Vaters  erst  zum  Abschlüsse  gebracht  werden 
sollte,  wie  Gottfried  meint:    das    Dicere    ist    eben    etwas   vom   Intelligere    Verschiedenes, 


Igitur    voluntas   et   memoria    fecunda    SHb    propriis    ratiouibiis    suis    principiandi  .ilterius    rationis    maneiit   in   Deo   ad   intra. 

1  dist.  2,  qn.  6  (Op.  Paris.). 
'  Si  qnaerahir  de  nomine  verbi,  an  in  sigiiificato  nominis  iucluditur  respectus  ad  extra V   Diccndum  quod  respectus  expressivi 

a  memoria  paterna  et  respectus  declarativi  duo  sunt,  et  primus  est  realis,  et  secundus  est  rationis.  Si  dicatur,  quod  uterquc 

respectus  significetur  per  nomen  verbi,  tunc  nomen  est  aequivocum  ...    Si  autom  alter  respectus  significetur  i)er  nomen  et 

^us  respectus  connotetur  .  .  .  videtur  verius,  quod  respectus  realis  significetur  et  respectus  rationis  connotetur.     1   dist.  27, 

qu.   1   (Op.  Paris.). 
-  Cum  Dens  iutelligat  se  ipsum  et  quidquid  intelligit,    per    csscntiam    suam,    uno    actu  unicum  verbum  divinum  expressivum 

est  totius  quod  in  Deo  est,  non  solum  Patris  scd  etiam  creaturaruni ;   aliter  enini   esset   iniperfectum.     Opusc.  de  difl".  vcrb. 

div.  et  hnm. 
3  1   dist.  27,  qu.  6  (Op.  Paris.). 
*  Siehe  Anselm.  Monolog,  capp.   29.  sqq. 
'••  Dicendam,    quod   proprie  Pater   volens  genoit  filium,    non   tantum  concomitanter,    ita  quod  productio  Filii  sibi  ]>laceat,    sed 

voluntate    quodammodo    antecedente.     Quia  licet  intelligere  Patris   praecedat   velle,    velle   tamen   praecedit   dicere,    .sicut  et 

intelligere;    quia    dicere    non    est    intelligere,    sicut    spirare    non    est    velle:    tamen    sequitur   ipsum    dicere.     1   dist.   ß,  qu.  2 

(Op.  Paris.). 


Die  Psychologie  und  Eekenntnisslehre  des  Johannes  Düns  Scotus.  435 

lind  das  Intelligere  als  solches  ist  kein  productiver  Act.'  Noch,  tiefer  in  naturalistisches 
Denken  hineingezogen  erscheint  dem  Duns  Scotus  die  Ansicht  des  Goethals,  ^  welcher  von 
der  Substantialitas  Patris  als  Quasi-materia  des  Sohnes  spi'icht,  da  die  göttliche  Essenz 
als  formaliter  infinita  doch  vielmehr  für  den  Terminus  formalis  der  (Generation  des  Sohnes 
zu  gelten  habe.^  Der  göttlichen  Essenz  kann  nur  Solches  zugeschrieben  werden,  was 
der  Form  eigen  ist,  nichts  von  dem,  was  der  Materie  zukommt ;  es  würde  sich  sonst  die 
Nothwendigkeit  ergeben,  eine  und  dieselbe  Materia  unter  zwei  letzten,  höchsten  Formen, 
sub  forma  generantis  imd  geniti  sich  zu  denken,  was  widersinnig  ist,  während  es  sicli 
ganz  wohl  denken  lässt,  dass  eine  und  dieselbe  Form  zwei  Materien  zugleich  oder  nach- 
einander informiren  kann ;  daher  auch  die  göttliche  Essisnz  zwei  Terminis  das  Esse  ver- 
leihen kann/  Wenn  Duns  Scotus  hier  gelegentlich  den  Charakter  der  göttlichen  Essenz 
als  reiner  absoluter  Form  geltend  macht,  so  hat  diess  einfach  nur  auf  die  Immaterialität 
und  Unendlichkeit  des  göttlichen  Wesens  Bezvig,  ohne  die  Absicht,  den  Gedanken  der 
absoluten  Form  irgendwie  speculativ  verwerthen  zu  wollen ;  ein  speculativer  Begriff 
derselben  ist  ihm,  wie  wir  sattsam  sahen,  völlig  fremd,  fremd  daher  auch  die  Idee  einer 
in  der  göttlichen  Dreieinheit  sicli  vollziehenden  Selbstformirung  der  göttlichen  Essenz 
als  absoluter  Form  und  lebendiger  Urform  alles  Seienden.  Ihm  ist  einzig  um  die  Wahrung 
der  in  den  rein  negativen  Bestimmungen  der  Immaterialität  imd  Unendlichkeit  erfassten 
reinen  Geistigkeit  des  göttlichen  Wesens  zu  thun;  daher  seine  Abwehr  aller  .jener  Auf- 
stellungen, durch  welche  die  in  diesem  Sinne  gefasste  Geistigkeit  des  göttlichen  Wesens 
irgendwie  gefährdet  schien.  Dahin  geliören  die  Sätze  bei  Goethals,  dass  Gott  in  genere 
sei,  dass  die  göttliche  Potentia  generandi  durch  die  Beziehung  auf  den  Sohn  determinirt 
sei ;  ^  womit  die  eigenthümliche  Erklärung  zusammenhängt ,  welche  Goethals  seinen 
allgemeinen  erkenntnisstheoretischen  Anschauungen  gemäss  von  der  Erzeugung  des 
ewigen  Wortes  in  Gott  gibt.''  Goethals  lehrt:  Es  gebe  bloss  zwei  immanente  Actionen 
des  göttlichen  A\'esens,  das  Erkennen  und  das  Wollen.  Intellect  und  Wille  unterscheiden 
sich  dadurcli  von  einander,  dass  sich  ihren  beiderseitigen  Objecten  gegenüber  der  Intellect 
passiv,  der  Wille  activ  verhält,  und  demzufolge  der  Intellect  imprimendo,  dei-  Wille 
exprimendo  informirt  wird.  Daraus  erklärt  sich  die  von  Duns  Scotiis'  bekämjafte 
Behauptung  des  Goethals,  dass  dem  Worte  kein  expressiver  Charakter,  sondern  bloss 
die  Bedeutung  einer  Notitia  declarativa  zukomme,  wodurch  die  von  Schrift  und  Kirche 
gelehrte  Zeugung  des  Wortes  aus  Gott  undenkbar  gemacht  werde.*   Jedenfalls  stehe  das 


'  Nuuquam  intelligere  perficitur  per  a.liquod  productum,  quia  non  est  actus  productivus.  Verum  tarnen  est,  quod  actio  de 
genere  actiouis  non  perficitur  nisi  aliquo  producto,  et  ideo  Dicere  neu  est  perfectum  nisi  Verbo  producto.     Ibid. 

^  Summ.  Art.   54,  iju.   3.  —  Quodlib.   VIII,  qu.  9. 

^  NuUa  entitas  simple.K  habetur  per  productionem,  uisi  sit  terminus  formali.s  illius  productioni.s  aut  contenla  in  tenuino  t"or- 
raali.  Sed  essentia,  si  non  sit  formalis  terminus,  non  est  contenta  in  termino  formali,  quia  relatio  non  continet  per  identi- 
tatem  essentiam,  quia  non  est  formaliter  infinita,  essentia  vero  divina  est  formaliter  infinita.  Ig'itur  cum  essentia  non  possit 
contineri  in  relatione  ut  termino  formali,  sequitur  quod   ipsa  sit  formalis  terminus.      1   dist.  5,  qu.  2   (Dp.  Paris.).      \ 

*  Forma  potest  dare  esse  duabus  materiis  simul  ,sive  uni  materiae,  quam  prius  non  informabat,  ut  patet  in  augmentatione  .  .  . 
igitur  e\  hoc,  quod  essentia  est  sub  forma  relativa  in  Patre  et  Filio,  non  sequitur,  quod  sit  sub  utroque  termino,  sed  potius 
sequitur,  quod  forma  eadem  dat  esse  duobus  terminis.     Ibid. 

*  Quodlib.   III,   qu.   3;   Summ.   art.   57,  qu.    7. 
ö  Quodlib.  VI,  qu.   ] ;  Summ.  art.  54,  qu.   10. 

'   1   dist.  27,  qq.  2  et  3  (Dp.  Paris  ).  —  Vgl.  auch  Op.  Oxon.     1   dist,   2,  qu.   7. 

8  De  ratione  verbi  e.st,  quod  sit  notitia  genita  seeundum  Aug.  Trin.  IX,  c.  ult.,  igitnr  verbum  includit  rationem  producti;  sed 
esse  declarativum  non  dielt  rationem  producti.  Non  enim  dicit,  nisi  relationem  rationis,  quia  seeundum  Aug.  Triu.  VII,  c.  1. 
Verbum  dicit  se  et  declarat  se,  et  similiter  (ibid.  c.  11)  Pater  dicit  se.  Relatio  autem  ejusdem  personae  .ad  se  non  est  reUatio 
realis;  igitur  esse  declarativum  non  dicit  relationem  propriam  verbo.     1   dist.  27,  qu.  3   (Op.  Paris.). 

55* 


43G 


Kaki.  Wkiinkk 


.Mvstorium  der  vwigvn  Zouj^uiig  in  Hott  iinvi-niiillclt  nclx-ii  ilcn  von  (luctlial.s  M»r- 
iTetniifencn  allgoiiu'inoii  Siit/.on  soinor  llrkt'imtriissthi'oiic :  it  iuuss,  um  jciif  /.ii  cikliii  rn, 
eine  ivln  iuitui\ilistist-lu'  Austli'iminij;  ilorscllM'ii  zu  llillV  lulmirn,  ciiicn  vom  liikcinicii 
bogleitoteu  Natunlraui,^  «los  Zt>ugiMis.  wcsshallt  aurli  clas  ,  lOr/.i'Ujilc  clicr  Solm  als  Wort 
zu  lioissou  liab(\  wahiviul  dofli  nm<::ok(>lirt  ilif  H«MM'Miiini>r  .Wtui'  ilcii  n-iii  j^fisli^oii 
Chai'akttM*  lios  \ \>r>;uni;os  (larlt\irt.  iiii<l  <ltM'  riiatsailic  /i'Uiriiiss  }^il)l.  ilass  es  sicli  hici' 
nicht  um  oiu  doii  liitoUoiM  ilott'rniinirLMuU's  ^\  irlvcii  iln-  Natur,  sumliMii  um  ein  ilcr  jriitt- 
HohiMi  Natur  »Mitsprorliomlos  \\  irkmi  dos  götilielicu  luid  lc(ii'>  haiKlIc.  Nach  (iucilials 
wRro  für  liott  ilio  (it'diiukeubtv.ioluiuu:  auf  den  natuniotliwcudifr  zu  zoujifcuiilou  Scdni  der 
(trund  ilor  wirklirluMi  Krzouiruut!:  dossolbou:  J<mii>  ( ii'daukcubozitdiuufj^  (Mits|iii«  lil  der 
Notitia  simplox.  \on  wtdtduT  iufurniirt  dtM-  Jutollort  uaidi  (Joctluils  ilas  dtNlaialivc  Wml 
aus  sich  hiM-vorstollt. '  Aber  die  Bildung  ilieses  decdarativen  M'ortps  ist  «'in  iiii|ii(idu(livci- 
Act.  und  die  von  (Joothals  augouonimonc  ilinwiMidung  dos  Intel Icctus  nudus  aiil'  die  zum 
Zeugen  disponirte  Natur  eine  rein  iibcrHüssige  Annahme."  Das  vun  (Mictlial.s  augciKunmciie 
deelarative  ^Vort  setzt  den  Sohn  oder  den  bezeugten  als  bereits  vorhanden  voraus;  aus 
seiner  l'heorie  würde  sonach  folgen,  dass  das  ^Vort  zweimal  voriuuidcn  sei.''  J)ei-  natu- 
ralistischen Vorstelluugsweise  lässt  sich  das  Mysterium  der  Zeugung  des  ewigen  \\ Orles 
nur  dadurch  entreissen,  dass  der  Act  dieser  Zeugung,  statt  als  der  einen  reinen  Nat\ir- 
vorgang  begleitende  Intellectiunsact.  vielmehr  als  Act  der  Selbstbesinnung  gefasst  Avird, 
mittelst  welcher  der  göttliche  Vater  das.  was  er  seinem  göttlichen  Wesen  nacdi  ist.  aus 
der  Tiet'e  seines  Wesens  hervorholt,  um  es  als  Ausdruck  desselben  aus  sich  liervor- 
zustellen.  Gott  kann  als  Selbstbesinnender  nur  sein  eigenes  Wesen  zum  Ausdiuck 
bringen,  und  wird  es  so  gewiss  zum  Ausdruck  bringen,  als  es  Object  seiner  Memoilu 
ist:*  in  diese  Memoria  nicht  aufgenommen,  kann  die  göttliche  Essenz  nicht  /.um 
Gegenstände  einer  Selbstdeclaration  werden.'''  daher  die  auf  das  blosse  Intelligere  als 
solches  sich  stützende  Hrklärungsart  sich  als  schlechthin  unzureichend  erweist.  Wollte 
mau  der  productiven  Selbstbesinnung  des  Vaters  etw-a  den  göttlichen  Intellectus 
iafinitiis  als  Erklärungsprincip  des  ewigen  Gotteswortes  sixbstituiren,  so  würde  dieses 
Wort  nicht  specifisch  eine  Selbstdeclaration  des  göttlichen  Wesens,  sondern  unter- 
schiedlos    eine   Aussprache    alles    Seienden,    auch    des    niedersten    bedeuten:"    und    diese 

'  Der  nach  Goetlials'  Annahme  stattliabcnde  erkenntnisstheoretische  Hergang  wird  von  Duns  Scotus  (1  dist.  2,  fju.  6,  Op.  Paris.) 

in  folgender  Weise  wiedergegeben:    In   primo  instant!  intellectus  est  tantum  intellectus.    In  sec.undo  instanti  dicitiir  natura, 

et  est  ibi  simples  notitia.  In  tertio  instanti  intellectus  nudus  convertlt  se  ad  ho'c  totum.  In  quarto  instanti  imprimitur  notitia 

declarativa. 
-    Probatnr,  quia  intellectus  cum  objecto  est  principium  per  modum  naturae;  ergo  non  requirit  .actum  rcflexum  siii  vel  alteriu». 

—    Item,    nihil  intclligitnr,    quod  non  esset,    si  isla  convcrsio  non    esset,    quia  praesentia  objecti  non  est  per  hoc  sed  prius; 

neque  perfectio  potentiae  ad  agendum  et  quidquid  convcnit  per  vim  activam  aliciii,  est  actio  vel  ,ili(|ni(l  ejus;  sed  conversio 

nee  est  actio  nee  aliqnid  ejus.  1  dist.  2,  qu.  6  (Op.  Paris.). 
'  Xotitia  essentialis  in  Patre  non  est  ratio  gignendi  verbnm Si  ita  esset,  ergo  «M.icnt  ibi  dno  verba,  quia  verbum   expres- 
sive declarat  illnd  objectum,    quod  est  exi)res3ivum  vel  exprimens  ipsura.    Sed  per  intcUectionem  actualem    est  essentia    nat.i 

esse  dcclarata:  ergo  prius  est  declarata  ante  intellectionem  actualem.  Ibid. 
*  Essentia  est  aliqnid  paternae  memoriae,  quia  est  primum  dcclarabile  et  ideo  ex])ressiva  notitiae    declarativae    tanquam    |jrin- 

cipitun  formale  exprimendi;    unde  essentia  ut  e8.sentia  vel  est   memoria   vel   aliquid    memoriae,    quia  memoria  est  intfllectus 

h.abens  objectum  vel  essentiam  sibi  praesens.  Ibid. 
5  Essentia.  ut  distingiütur  a  memoria.  nuUam   actionem  habet,    quia  primam   actionem  habet  ut  est   memoria,    et  universaliter 

omnis  natnrae  intcllectualls  prima  operatio  est  ejus  ut  habet   meraoriam;    quia   prima    operatio    talis    naturae   est   intelligere, 

qnod  est  a  memoria.  Ibid. 
'■  Qnod  essentia  concurrat  ad  completam  rationem  memoriae,  et  non  solum  intellectus  infinitus  patet  ex  hoc,  quia  alias  verbum 

divinum  esset  verbum    lajiidis    sicut  verbum  esscntiae;    quia   intellectus    divimis    inBnitus   intelligit    lapidem,    sicut    intelligit 

essentiam  suam.   Ibid. 


Die  Psychologie  und  Erkenntnisslehre  des  Johannes  Duns  Scotüs.  437 

Aussprache  wäre  als  blosses  Erkennen  natürlich  iinpruductiv.  Umgekehrt  vertritt  Duns 
Scotus  gegen  Goethals  die  Sufficienz  des  göttlichen  AVillens  als  einer  Voluntas  infinita  zur 
Production  des  heiligen  Geistes  ohne  die  von  Goethals  geforderte  Concomitanz  der  göttlichen 
Essenz  als  Productionsprincipes/  und  erklärt  sich  insgemein  dagegen,  die  immanenten 
Productionen  des  göttlichen  Wesens  aus  der  Essenz  als  solcher,  statt  aus  den  Proprietäten 
der  Essenz  als  absoluter  geistiger  Wesenheit  erklären  zu  wollen."  Dieser  liecurs  auf  die 
Essenz  allein  als  Productionsprincip  erscheint  ihm  als  jene  naturalistische  ßehandlvmgsart 
der  Gotteslehre,  gegen  welche  er  in  jeder  Weise  principiell  ankämpft.  Duns  Scotus  glaubt 
weiter  noch  es  als  eine  unzulängliche,  nicht  ins  Wesen  der  Sache  dringende  Auf- 
fassungsweise an  Goethals  bemängeln  zu  müssen,  wenn' derselbe  die  von  ihm  behauptete 
Voluntarietät  in  der  Production  des  heiligen  Geistes  schon  damit  erhärtet  zu  haben  meint, 
dass  dieser  im  Gegensatze  zum  Modus  agendi  impressivus,  mittelst  dessen  das  Sein  des 
Sohnes  causirt  werde,  durch  einen  Modus  agendi  expressivus  producirt  werde.  Dass  Duns 
Scotus  diese  Weise,  den  Unterschied  zwischen  natürlicher  und  willentlicher  Hervor- 
bringung in  Gottes  immanentem  Leben  zu  erklären,  unzulässig  finde,  haben  wir  oben 
vernommen;  hier  erübriget  noch  zu  sagen,  dass  der  von  Goethals  für  die  Production 
des  heiligen  Geistes  beanspruchte  Modus  agendi  expressivus  durchaus  nicht  die  Volun- 
tarietät dieser  Production  charakterisire,  da  die  Voluntarietät  nicht  etwa  schon  durch  die 
Abwesenheit  einer  ausser  dem  Agens  gelegenen  Bestimmungsursache  erhärtet  sei,  son- 
dern in  der  specifischen  Art  der  Bethätigung  des  Actionsprincipes  sich  zu  bekunden 
habe.''  Das  Wesen  des  Willentlichen  besteht  darin,  etwas  Gewolltes  zu  sein,  und  in 
diesem  Willen  seinen  unmittelbaren  Grund  zu  haben,  gleichviel  ob  der  Wille  ein  noth- 
wendiger  oder  zufälliger  Wille  sei.  Ein  solcher  nothwendiger  Wille  ist  in  Gott  luu-h  für 
die  Erzeugung  des  Sohnes  vorauszusetzen,  und  erhebt  dieselbe  über  den  Charakter  eines 
Vorganges  aus  blosser  Naturnothwendigkeit,*  welchen  sie  bei  Goethals'  hat,  wenn  er  den 
Sohn  aus  dem  Vater  wie  Feuer  aus  dem  Feuer  hervorgehen  lässt.  Aber  auch  die  noth- 
wendige  Liebe  Gottes  zu  sich  selber  will  Duns  Scotus  übei-  den  Charakter  einer  blossen 


'  Voluntas  diviua  habeus  casentiam  divinam  summe  sibi  praesentatam  et  .Hiigibilen,  est  pniicipium  j.ru.luceiidi  amorem  adaequa- 
tum  sibi  et  illi  objectu.  Potest  amare  illud  ubjectum  amore  infiiiitu,  quia  objeetuin  est  infinitniii  et  voluntas  siiniliter  est 
infinita.  Est  i^tur  jjrincipium  communicandi  amorem  infinitum  et  per  cousequens  essentiam  divinam,  quia  nihil  formaliter 
est  infinitum,  nisi  illud  quod  est  idem  essentiae  divinae  formaliter.   1   dist   10,  qu.   I    (Op.  Paris.). 

2  Auf  den  Einwand,  wessbalb  Denken  und  Wollen  in  geschaftenen  Geistwesen  nicht  productiv  seien,  wird  erwiedert:  In 
creaturis  ideo  proprietas  non  est  principium  communicandi  naturam,  quia  est  imperfeetior  natura  ipsa,  quae  communicatur. 
nee  natura  dat  proprietati  rationem  principiandi.     Sed  si    eadem   natura  daret  proprietatibus  perfectam    rationem   operandi  et 

agendi,  tunc  proprietates  haberent  rationes  principiandi In  creaturis  intellectiis   et   voluntas  sunt   quidem   idem   cum 

essentia  animae  ....  non  tarnen  sunt  aeque  perfectae  cum  essentia  in  operando  et  agendo.  Unde  essentia  non  dat  eis 
perfectam  rationem  jirincipiandi,  quia  operatio  et  actio  eorum  est  accidentalis,  quia  est  operatio  immanens,  et  ideo  actio 
eorum  non  terminatur  ad  naturam  communicatam.  Sed  proprietate.s  divinae  sunt  aeque  perfectae  in  essendo  et  operando, 
cum  essentia  et  productioues  earum  sint  eis  consubstantiales;  et  ideo  po.ssunt  termiuuni  aeque  perfecte  communicare. 
1  dist.  2,  qu.  6   (Op.  Paris.). 

3  Modus  agendi  uaturae  non  distinguitur  a  modo  agendi  voluntatis,  quod  agens  naturale  agat  per  impressionem,  voluntas  non; 

quia   tunc,    modus   agendi   naturae   non   distingueretur   a   modo   agendi    voluntatis Non  enim  quaeritur    de    priucipio 

activo  comparatione  ad  passum,  sed  per  comparationem  ad  suam  actionem.  Igitur  dato,  quod  natura  ageret  per  impressionem, 
vel  uon,  adluic  restaret  quaerere  modum  suum  agendi  proprium,  quo  distinguitur  ab  ente  libero.   1  dist.  10,  qu.  3  (Op.  Paris.)! 

>  Pater  volendo  produeit  Filium  ....  voluntate  antecedeute.  quoniam  Pater  praecedit  Filium  et  generationem  ejus  prioritate 
originis.  In  illo  priori  est  beatus,  non  tarnen  generatione  Filii  est  beatus,  nee  exspectat  generationem  Filii,  ut  sit  beatus, 
ergo  ante  generationem  Filii  est  beatus.  Sed  non  est  beatus  nisi  intelligendo  et  volendo  essentiam  suam;  ergo  ante  genera- 
tionem Filii  vult  et  intelligit  essentiem  suam,  sed  non  solum  ut  essentia  est,  sed  ut  commuaicanda  Filio.  Aliter  enim  nou 
omni  modo  perfectionis  eam  intelligeret.   1   dist.  6,  qu.  •>  (Op.  Paris.). 

'  Summ.   art.   bS,  qu.  2. 


^■^^  Kaki.  VVkknkk    Um  PsYtHüi.onii;  ink  Kkkknmnisslkhrk  oks  .Iohannks  Dins  Sivti'h. 

^atunloTll^v<■u.li^k,•il  ,«rli..lu-ii  w  isst-ii.  uii.l  Ix-kanipli  .U«»l.all.  al.cniials  ,li,'  licliauplim-. 
(los  lii)t>tluüs.  .liiss  ,V\v  Nutliwfiuliirk.'it.  .lir  im  WCIKmi  «K-s  absolutcMi  (iul.-s  li.>o(..  liir 
liott  mit  «Miier  '/wtMti'ii  Ni)tli\vtMi<li>rk.«it  siili  \  .Tiiosollsrliarif  in  j.  iicm  iminaniiiicn 
Lt4)tMisju-t«\  in  woU-lu'iM  sirli  .li.'  Lielu>  (Jottos  /u  sii-li  selbst  aU  al>solutom  (Jiiti'  bozoiigt 
)m<l  aus.lrik-kt.  d.  i.  in  tliT  IVo.lm-tiou  .Ics  li.Mliircii  (icistivs.'  huus  Si-otiis  bivstivitot  das 
Substrat  -licsiM-  Hehauptung.  niimlirli  «lio  Naturnotliwcmligkcit  <\cv  Liobo  /.um  al.solut<Mi 
(Jvit(\=  und  bogrUiidot  .lit>  Notliwi-iidigkoit  der  absoluten  Li«>b.>  (iutlcs  /ii  sich  «olbsl  aus 
der  absoluten  VoUkommeidieit  .les  göttlieliei.  \Vill,M.>.  d.M  als  absolut  vollkommenster 
das  absolut  Heste  li<>beu  muss.  Ob  aber  dieses  absohit  nothwendige  Widleii  (Jottes  iii.ht 
irleiehtalls  ein  naturnotlnvemliges  ^Vollen  sei,  ob  ni.l.t  (iberl.auvt  .i«>de  s])eeulaiiw. 
Heleuetitunir  der  Lebensvi)rirünire  in  (Jott  etwas  von  d.-m.  \vas  J)uns  Seotus  als  Naturalis- 
mus i.erh..r"reseirt,  an  sieh  iiaben  müsse,  ist  eine  andere  Frage,  auf  welche  die  Antwort 
in.  Voraus  für  .leden  feststeht,  <lcr  da  weiss,  dass  das  göttliehe  S.'in  und  Wesen  dir  in. 
ereatürliehen  Sein  und  Leben  auseinandergegangenen  (legensiit/.e  von  (Joist  und  Natur, 
Freiheit  un.l  Nothwendigkeit  in  sieh  aufgeln)ben  trägt  und  -lie  absolute  Finignng  der- 
selben  in   sieh   darstellt. 

'   1  dist    JO,  qn.  2   (Oy.  Paris.). 

'  Vgl.  nach  Op.  Oxon.:    I    di»t.   1.  i|ii.  4. 


I 


Zu  der  in  Bd.   XXV  der  Denksclirifteii  enthaltenen   Abhandlung  über  den  Entwickelungsgiing;   der    mittel- 
alterlichen  Psychologie   sind   folgende  Berichtigungen   nachzutragen: 

Seite   84,   Anm.    1,   letzte  Zeile  rete   statt  recte ; 
„       117,  Zeile   17  von  oben  Verständniss  statt   Verhältniss ; 
„       143,       ,       19   von   unten   emanatianistisch   statt   emanationistisch; 
„       145,       „         Bindern  statt  dass. 
(_Die  entsprechenden  Seitenzahlen  im  Separatabdrucke  sind  SS.   Iti,   49,   75,   77.) 


t 


0 


^gmOiWG  SECT.    j  üL  2  5  1977^ 


AS  Akademie  der  Wissenschaften, 
-L4<:  Vienna.  Philosophisch- 
es Historische  Klasse 
Bd. 25-26     Denkschriften 

7 


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