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DENKSCHRIFTEN
DER
KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
FÜNFUNDZWANZIGSTER BAND.
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AVIEN, LS7().
IX CO EMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN
BUCHHÄXDLER DER KAIS. AKADESriE DER WISSENSCHAFTEN.
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Dnu-k \oii Adolf Uolzliaxisen in Wieu
k. k. l'nivfi-«itiUs-»TK-lKU-iickfri;i.
INHALT.
Seite
Miklosich: Ueber die Mundarten und die AVanderungen der Zigeuner Europa's. V. 1
Werner: Der Entwickelungsgang der mittelalterlieben Psychologie von Alcuin bis
Albertus Magnus . 6Ü
Mussaßa: Die catalanisclie metrische Version der sieben weisen Meister . . . . 151
Pßzmaier: Der Feldzug der Japaner gegen Corea im Jahre 1597 235
Höficr: Zur Kritik und Quellenkunde der ersten Regierungsjahre K. Karls V. . 291
ÜBER DIE
MUNDARTEN UND DIE WANDERUNGEN
DER
ZIGEUNER EUROPAS. Y.
D^ FRANZ MIKLOSICH,
WIHKI.. MITGLIEDS DHU KAIS. AKADKMIE DEU WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DEll SITZUNG AM 21. .lULI 1875.
Märchen und Lieder der Zigeuner der Bukowina.
2jAveiter Theil.
Glossar.
Die Abhandlung enthält alle Wörter, welche in den in IV. veröffentlichten und in
einigen nocli nicht bekannt gemachten Märchen vorkommen, so wie eine allerdings nicht
beträchtliche Anzahl von, dem Verfasser sonst mitgetheilten Ausdrücken.
Aufgenommen wurden nicht blos die eigentlichen zigeunerischen, sondern aucli die
aus dem Kleinrussischen, vor allem aber aus dem Rumunischen entlehnten Wörter. Es
2-eschah diess aus dem Grunde, dass diese Lehnwörter theils durch die an denselben
hervortretenden Lautgesetze, theils durch eine Modification der Bedeutung von wissen-
schaftlichem Interesse sind.
Die Nachweisung der eigentlich zigeunerischen Wörter im indoeuropäischen Sprach-
schatze ist nur selten versucht worden, da ich diesselbc in der längst vorbereiteten Probe
eines W^örterbuches der sämmtlichen zigeunerischen Mundarten zu geben gedenke. Dagegen
ist bei den entlehnten Wörtern der LTrsprung derselben liberall angemerkt, wo er mit
einiger Sicherheit festgestellt werden konnte.
Besondere Sorgfalt wurde der Formenlehre zugewendet, indem alle in den angegebenen
Quellen vorkommenden Nominal- und Verbalformen aufgeführt werden.
Nicht uninteressant erschien die Behandlung der meist aus dem Rumunischen ent-
lehnten Verba. Diese haben nämlich im Zigeunerischen je zwei Formen, von denen
sich die eine an die Form der fremden Sprache anschliesst, wälirend die andere mit
einem dem Zigeunerischen eigenthümlichen Suffixe verseilen wird: so findet man das
rumunische Upi agglutinare im Zigeunerischen in der Doppelform lipf und lipisdr. daiier
lipiü und Jipisaräv agglutino, wobei bemerkt zu werden verdient, dass das auf dem
Denkscliriftcn lier phil.-hist. Cl. XXV Bd. 1
2 Fkanz Miklosich.
partic. pract. pass. beruhende praeteritum nur von der letzteren Form gebildet werden
kann, daher nur UiHsardom agglutinavi.
Sehwierig ist die Erklärung des praeteritum passivum, wie llplsdjTom agglutinatus
suni, das ieh nun uul" i'ine unnachweisbare Form lipisdrdiTom glaube zurückführen zu
sollen, wornacJi j an die Stelle von rd getreten wäre. Dariuicli würde lipisdjTom aus
folgenden Elementen bestehen: 1. Thema Upi; 2. das s des g]-iecldschen Aorists, wie
diess in der Abhandlung: ,Albanisc]ie Forschungen III.' für das Albanische, Bulgarische
und Serbische nachgewiesen worden ist: Vergleichende (irammatik IL Seite 47 H — 480;
3. das zigeunerische Verbalsuffix ar; 4. das Suffix des partic. praet. jaass. c/o, aind. ta;
5. isoni (sum), dessen Aidaut in dem erweichten d steckt und dessen s ausgefallen ist:
0 ist ein Blndevocal und m das Personalsuffix der I. Singularis. Dieses praeteritum
passivum ist der Sprache der griechisclien Zigeuner nicht fremd: es ist jedocli, wie es
scheint, von Paspati nicht behandelt worden, cholasäjlo tar o dzut le juif s'enragea 319.
von einem bei Paspati fehlenden Verbum *cholasardva in Wuth, in Zorn bringen, griech,
^oXtdCco ärgern, hirniasdjle tar o kagnid les poules se sont perchees o(J0. von '■'hirniasardva,
griech. ■x.o'jpvidC» aufsitzen, von Vögeln. 7idna lipisdjTan mdjigef ne m'as-tu pas regrette?
eig. Hast du dich nicht meinetwegen betrübt? 337. von Upisardva betrüben, griech. Ä'jtw,
i)Jj-K-(prj.. pagltosdjlom se geler 399. 641, richtig: je suis gele. katdr k' o but Sil jjagho-
sdjle tar o paiid par le grand froid les eaux sont gelees 399. von '^'pagliosardva^ griech.
irayo^vco. zllepsdjll tar i cori raklorid eile envia la pauvre petite fille 455. von '^züepsarava,
griech. !!,'f).^öm, k^iiXz'JO'J., i!li^Kz.<^rj,. Man vergleiche molisardra 366. te molisares e rajes
que tu pries le magnat 54. mollsardom 367.
Eine Darstellung der Declination im Zigeunerischen kann nicht Gegenstand dieser
kurzen Einleitung sein: was hier mitgetheilt wird, ist jedoch hinreichend um die Bezeichnung-
bestimmter Casus als Accusativ, Genetiv imd Dativ in der Sprache der Zigeuner der
Bukowina klar zu machen. Das Zigeunerische hat eigentlich drei Casus: Nominativ,
Vocativ und Accusativ: die übrigen Casus werden durch Partikeln bezeichnet, welche
dem Accusativ vorangehen oder nachfolgen. Man vergleiche aus der Sprache der
griechischen Zigeuner masc. Sing. nom. raklö Knabe, acc. rakles, voc. rakleja; Plur.
nom. rakU, acc. raklen, voc. rakldle; fem. Sing. nom. rakli puella, acc. rakld, voc. raklte;
Plur. nom. rakld, acc. raklen, voc. rakldle. Indem man an den Accusativ die Partikeln
te, ke, sa, tar anfügt, erliält maii Foi'men, welche jene Beziehungen bezeichnen, die in
anderen Sprachen durch den Dativ (te, ke), den Instrumental fsaj und den Ablativ (tarj
ausgedrückt werden: masc. Sing. dat. 1. rakleste, 2. rakleske. Instr. raklesa aus raklessa.
Abi. raklestar; Plur. dat. 1. raklende, 2. raklenge aus raklente. raklenke, instr. raklendza
aus raklensa, abl. raklendar aus raklentar. Fem. Sing. dat. 1. rakldte^ 2. rakldke, instr.
rakldsa^ abl. rakJdtar; Plur. dat. 1. rakTende^ 2. raklenge^ instr. raklendza^ abl. raklendar.
Der Unterschied zwischen dat. 1. und dat. 2. scheint darin zu bestehen, dass der erstere
meist einem Casus mit einer Praeposition gegenübersteht, während der letztere dem
einfachen dat. entspricht: me sen'ste in meo capite und pcndds pe manusenge dixit suis
hominibus. Die dativischen Postpositionen te, ke können aucli Praepositionen werden,
die das Verhältniss klarer und energischer ausdrücken: pe romiste suo marito wnä. gel6 tar
fo marihe abiit in pugnam. rakleske puero und alö k' o dakär venit ad regem. Dagegen
sind sa und tar stets Postpositionen. Ein eigenes Bewandtniss hat es mit dem Genetiv,
dessen Suffix koro ist, das wie te^ ke, sa, tar an den Accusativ antritt: masc. Sing, rakleskoro
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa'S. v. 3
pueri. Plui-. rakUngoro puerorum: fem. Sing. rakTdkoro puellae, Plur. rakFengoro puellarum.
Diese Formen sind Adjective und stimmen daher mit ihrem Substantiv im Genus, Numerus
und Casus überein: dakareskoi^o cavö regis (eigentlich regius) filius. hrisindeskoro vidsek
pluviae (eigentlich pluviosus) mensis. halameskeri romni graeci uxor. Mahnudieskere
musid Mahmudi brachia: auslautendes /, e bewirkt die Verwandlung des o der ersten
Silbe in e, dalier keri, kere. So in der Sprache der gi'iechischen Zigeuner, von der bei
den Untersuchungen über jede einzelne zigeunerische Mundart ausgegangen werden
muss. Dass das Genetiv-Suftix koro das aind. kara, kara bewirkend sei, ist nicht wahr-
scheinlich, was schon aus dem Umstände hervorgeht, dass in anderen Mundarten das
Suffix auch ko lautet, ohne dass man einen Abfall von ro nachzuweisen vermöchte. Mir
scheint, das ursprüngliche Genetiv-Suffix sei ko, an welches ein weiteres Suffix ro antrat.
Für diese Ansicht jedoch aind. muska testiculus und muskara testiculatus anfüliren, ist
allerdings imrichtig. Der Zigeuner der Bukowina sagt Usko dad, der gi'iechische leskoro
dad eins (masc.) pater. koj pesko dad ad suum patrem. o pdto le rdsko lectus domini,
wörtlich Y^ xXiVTj Torj xopio'j. and nj zorl le desssko bei Anbruch des Tages. dikTds la o
raklö le dmparatosko vidit eam filius imperatoris. ol strdje le rdska die Kleider des Herrn.
vi phakd la rakldkö alae puellae. asunna ul raklt le umparatonmgd andient filii imperatorum.
0 pral le zmöimingo der Bruder der Drachen. Doch findet man auch koro: na dikTöm
ekhd rakle smparatösktüre non vidi (unam) filiam imperatoris. sej hhari romendiri, tufa
katunengeri virgo cingarorum (e gente cingarica ein ehrendes Beiwort), flos tentoriorum.
An die Stelle von ko tritt häufig Aö, ka, wie schon oben in smparatomngs statt mipara-
toninqo, und in rdska statt rdsko. Der Gen. nimmt die Bedeutung des Dat. an : pendds
e rdskü dixit domino. pendds peskö rakleskö dixit suo filio. kado j lasn rszmcako das
(dieser Stein) ist gut zu einem MiUilstein.
Selten ersetzt der Gen. den Acc: mardds le zimuosks and o cikdt er schlug den Drachen
auf die Stirne, neben mudardds le zmöos er tödtete den Drachen.
Wie der Gen. an die Stelle des Dat., so kann auch der Dat. an die Stelle des
Gen. treten: avucfja le zmöuoste der Reiclithum des Drachen, tdla j tdlpa le khsreste
unter dem Grundbalken des Hauses, stinka hartste Steinfels, ek rakli miparatöste eine
Kaisertochter. Es kann ferner der Acc. den Dat. bezeichnen, jedoch, wie ich bemerkt
zu haben glaube, nur dann, wenn auf dem Worte kein Nachdruck ruht: de pai morß
grastes da aquam meo equo. das la rakle lovi dedit puellae pecuniam. le nmparatös
sas ek rakli imperatori erat filia. das le rakles peskz papua dedit filio suos calceos.
Ebenso: la sas la ek raklo erat ei (fem.) filius. Der Grund der Vermengung des Gen.
und Dat. ist im ßumunischen zu suchen, wo man krajul aü dat ledzi noroduluj rex
dedit legis populo neben lumina soareluj lux solis findet. Diez 2. 48. Doch reicht das
Rumunische zur Erklärung aller Vermengungen nicht aus, man muss auf das Neugrie-
chische zurückgehen.
Bemerkenswerth sind einige abweichende Casus, so der als Instrumental angewandte
auf e; te dade cum tuo patre. as deuU mane cum deo. na pclurd ma le ddd>U le kozne
ne duc me sudario (ligatum). te pjraU cum tuo fratre. the laalds la la rovle percute
eam virga, vo maladds le vaste percussit manu, doü le tovere percussit securi. aviTds
o ztnßu la wjorfe venit draco cum pelle: Vergl. thodds pie avre paisa lavit se alia aqua. Dieser
•Casus auf ^ scheint ursprünglich ein Sing. loc. gewesen zu sein: vgl. vende im Winter.
dise während des Tages, andre innen, opre oben, tele unten u. s. w. Paspati 57. djesf>
4 FkaNZ MlKLOSICH.
interdiu. Der Sing. Instr. kann ;uich auf d und 6 auslauten: malaciäs la palmd percussit
palina. i))aladds le hiaduganö poi'cussit clava. nialndöiu les le biizd?'f/anu percussi cum
clava neben sdden le buzduganösa iauient clavam, ein Beispiel, in deni der Instr. dem
Acc. gegenübersteht. Vergl. Grammatik IV. Seite 695 — 700.
Auch hier l'iihlr ich niirli verpflichtet dankbar des inio'niiUUiclien Förderers dieser
Studien, des Herrn Professors Leon Kirilowi(;z in (Jzernowltz, zu gedenken.
A.
a eoni. und. — klruss. a. Vgl. aj.
abe/i subst. m. Hochzeit, sei'b. bijav. griecli. bidv. liind. bjäh aus aind. vivaha.
abgin, ahdin, subst. f. Honig, sg. instr. abgindsa mit Honig, slavon. abdzin. griech.
avgin m. kui'd, iiingiv Lej'ch. enyivin Garz.
abje: de abje kaum. — rum. abie.
dburu subst. m. Hauch, Athem. — rum. aboi-e Dampf, Dunst.
ac5c vb. anzünden, acftcd e jag er zündet das Feuer an. — i-um. acic.
adam subst. ni. Adam, daü l Adamöske er gab sie (eam) Adam.
ddekö adv. nämlich. — rum. adeki.
ades adv. heute, jetzt, griech. aodives.
adeveri vb. bezeugen, bestätigen, praes. sg. 1. adeveriü. — rum. adeveri. Vgl. adeverisar.
adeveinsar vb. bezeugen, bestätigen, praet. sg. 1. adeverisardöm. Vgl. adeveri.
adics, adics, adica adi. öste adicö ein so grosses Heer, adicd, adica lovi so viel Geld.
adecsrß pl. — rum. at'Bta, at'Bca.
adjamdnto subst. m. Diamant, sg. gen. djamantosko. instr. djamantösa.
adßnko, adßnku adi. tief, de adßnku in der Tiefe. — rum. adünk.
afli vb. finden, praes. sg. 3 afil pe für aßü pe es findet sich. — rum. afiu.
afurisimi adi. excommunicirt: kodo förn sas afurisimi jene Stadt war excommunicirt.
— rum. afui'isi.
agalü subst. Flasche. — ngriecli. üaXt, sonst valfn u. s. w.
agonisi vb. verdienen, praes. sg. 1. agonism. 3. agonisd. pe. — i'um. agonisi.
aj coni. aber, sondern, und. Vgl. a.
aj interi. ach.
aka adv. jetzt. Vgl. akand.
akand adv. jetzt, akands sogleich. S'akand bis jetzt. Vgl. aka.
akhar vb. rufen, praes. sg. 3. akhurü, akhdrla. impt. sg. 2. akhdr, akdr. pl. 2. akharßn,
akarm. akarsl le für akartn le. partic. akhardö, akardo. praes. sg. 3. akhardöü, akardöü.
akhardds, akardds. pl. 3. akharde. Vgl. griech. akardva, akerdva, acardva seufzen, böhm.
kcharav.
akurdt adv. genau.
akus vb. schauen, and o im/j akuM les ich werde ihm in's Antlitz scbauen, richtiger,
wie es scheint, ich. werde ihn in's Gesicht schimpfen. Vgl. kus.
dkd adv. sieh ecce. dkr,-td lo, aks-ta lo. fa ist, wie es scheint, eine den impt. ver-
stärkende Partikel. — rum. ak-B, jak-B, jakibte. Vgl. ta.
Über die Mundarten und diu Wanderungen der Zigeuner Europa's. v. 5
aldü subst. m. Wort, peskn dadesko aläü sui patris verbum. aläü morä ddko verbiim
meae matris. slavon. alau, alava. alavalo bex-edt, i-jecit. serb. altv. engl. lav. griecli. lav.
die adv. «/e, die täkr, nimm, da liast du, slav. na. dien tumengn nehmet. Vgl. lav.
alimdnu subst. m. Personenname.
alosar vb. aussuchen, impt. sg. 2. alosdr. praet. sg. 3. alosardds. — rum. ales aus-
erwählt, aleg auswählen.
amdl subst. m. Gespiele, pl. amdl. griech. amdl, mal. — Vgl. osset. ämbal camerad.
amaro, amaröü, amarü pron. unser, amard stdpmd unsere Herrin, gi-iech. amarö.
amdro adi. bitter. — rum. amar.
amhldl subst. m. Feuerbrand, klruss. lioiovAa. griech. ontbidl.
ambriU subst. Birne, griech. ambröl. türk. emrud, volksthUmlich armud. kurd. meröe.
zaz. Lerch 211.
ambruUn subst. f. Birnbaum. Vgl. ambrül.
anie pron. wir. nom. ante sam wird sind. 'me. acc. amen, 'men. amin, ami. dat. aniinde,
ammde ad nos, apud nos. na j arnmde non est apud nos. ameng?.. instr. aminca mit uns.
griech. amen.
an ob. holen, bringen, praes. sg. 1. anaü, anö. 2. am's, ane. 3. anel, anela und drda.
pl. 1. andsa. impt. sg. 2. an. pl. 2. anen. impf. sg. 3. anlas, praet. .sg. 1. andöm: me an-
döm mdnga a minte ich erinnerte mich. rum. mi am adus a mintea. 2. anddn. 3. andoü,
andds. pl. 3. ande., andL griech. andva. kurd. ana ich bringe, zaz. ani brachte; Lerch 82. 191.
an s. andre.
andü subst. m. Name, and o andü le deuUsko in Gottes Namen, griech. nav. asiat. nam.
and, dnda, andrd, dndz s. a7idrdl.
andrdl adv. innen, inwendig, eig. von innen, aus. Für ändra la, dndra Idte aus ihr. dndra
leste aus ihm wird richtiger dndral la, dndral Idte, dndral leste zu schreiben sein. Mit
andrdl wird auch andrd, dnda, and zusammenhangen: andrd tuti aus dir. dnda o vos aus
dem Walde, and o vast aus der Hand, dnda Idks vast aus ihrer Hand, griech. andrdl.
andre, andrd, dndrs adv. hinein, praep. in. andd, dnda, dndö praep. in, auf, für, ent-
gegen, durch, dnda trin des in drei Tagen, anda kode dafüi-. andd leste ihm entgegen, an
u pdtu in dem Bette, 'w o V5s in den Wald, griech. andre', ande, ane.
angdle., angdli subst. Arme, e angdle. las and e angdll er umarmte. angaFdsa mit beiden
Armen, griech. angdli rj.-^xrjXi].
angdr subst. m. Kohle.
angldl adv. vorne, früher, praep. vor, entgegen, de angldl von früher, maj rf' angldl
früher. Aus angldl scheint angld., dngla entstanden zu sein: angld leste ihm entgegen. mkUstöü
angld leste er ging ihm entgegen, angld turninde vor euch, dngla rna, dngla, angld mdndi
vor mir. dngla lende vor sie. griech. angldl.
angli adv. vorne, maj angli vorwärts, weiter vorne, gölds angli er ging voraus, griech. angle.
anglnnu adi. erster, griech. anglnnö.
angrusti, sngrusti subst. f. Ring, griecli. angrusti, angustri.
anru subst. m. Ei. sg. instr. anrßsa: kadale awBsa mit diesem Ei. griech. vandö. slavon.
anro. andre, antru bei Dorph. asiat. ani.
antue s. atunc.
apöj adv. dann. conj. so, im Naclisatz der hypothetischen Periode. — rum. apoj.
aprir subst. m. April. — rum. aprilie.
ß FkANZ MlKLOSlCH.
apsfhi subst. m. Abschied.
arak vb. finden, praes. sg. 1. arakho, arakö. arakdü. 2. arakr. 3. arakil, araküa.
iil. 1. arakdsa. 3. arakin. praet. sg. 1. araklom. 2. arakTdn. 3. arakTöü, arakJ'ds, arakUs.
pl. 1. avakTdm. 2. arakTdn. 3. arakle. plqpft. sg. 1. arakTomas invenissem. griech. arakdva.
arakadov aus arakavdov vb. gefunden werden, praes. pl. 1. arakddnvas aus arakav-
dovas. griecii. ardkTovava von arakdva: das pass. von arakavdva würde arakdvdovava lauten.
aravav vb. niedcrrcissen. praes. sg. 3. ardlla (aräla) wolil aus aravella (araveJa): ardlla
i katuni er reisst das Zelt nieder. V^gl. impf. sg. 3. aravSlas beugte sich. Fehlt griech.
Das Wort ist mir dunkel.
a7'c(c subst. m. Blei, griech. arkici, arcici, artici Zinn, bessarab. arUc u. s. w.
aH vb. ackern, praes. sg. 1. ariü. 2. arts. 3. arüa. impf. pl. 3. arinas. rum. ar. Vgl. arisar.
drie subst. f. Tenne. — rum. arie.
arisar vb. ackern, praet. sg. 3. arisardds. slavon. orisarel er ackert aus dem slov. orati.
Vgl. ari.
arisardoi^ vb. geackert werden, praet. sg. 3. arisdjToü aus arisdrdiloü.
ariste subst. Arrest.
armaje: das les armaje er verfluchte ihn. griech. armdn ddva, armanid ddva: arinaje
entspricht dem griech. armanid. Vgl. slavon. me da ma romaja ich beschwöre.
armdnu, harrndnu. ormdnu subst. m. Armenier, sg. acc. armanös.
armdsu subst. m. Personenname.
arö subst. m. Mehl, slavon. aro, aro. ardlo mehlig, griech. varö. serb. varo. — kurd.
ar. zaz. Lerch 192.
ards vb. erreichen, einholen, ankommen, gelangen, genügen, praes. sg. 1. rssdü. rsso.
2. ardse. 3. r^sü. pl. 1. arzsds, rssdsa, arssdsa. 2. arssm. impf. sg. 3. rnsüas. praet. sg. 3.
arssTöü, rssTöü, rosTöü, resJoü, arssTus, rssTds. pl. 1. rzsTdin. 3. n^sle, arssli, rnsli. griech. resdva.
ptc. restö.
ardti'ira subst. f. Ackerfeld. — rum. arBturt Ackern.
asa vb. lachen, praes. sg. 3. asdl, asdla. pl. 3. asd7i. impt. pl. 2. asdn. impft, sg. 3.
asdlas. pl. 3. asänas. praet. sg. 3. asajöü aus asanöü. pl. 3. asaji. griech. asdva. partic. asanö.
asdn subst. f. Schleifstein. — arm. jesan. aind. ^äna, ^äna, ^äni. Zig. ä für aind. ^ be-
weist die Entlehnung aus dem arm.
asdü subst. m. Mühle, o bar le asavesko Mühlstein, pl. jeft' asavd. griech. vasiav.
slavon. asav. kurd. as Lerch 82. äs ßhea. hind. äsijä.
asfd subst. pl. Thränen. instr. asvßnca. griech. dsfa, dsva, dspa pl.
askucumt adi. zugespitzt. — rum. jiskuc.
askucssarav vb. schärfen, praet. sg. 3. askucssardoü. — rum. askuc.
astarav vb. ergreifen, anfangen, praet. sg. 3. astardoü., astardds. griech. astardva.
astupi vb. verstopfen, praes. pl. 3. astup6n. — rum. astup.
öS vb. sich stellen, stehen bleiben, sich legen (vom Sturm), warten, bleiben, werden,
sein, praes. sg. 1. aSö. 2. a^ss. 3. asel, asrla. impt. sg. 2. as warte, halt, as deulesa adieu
(bleibe mit Gott), pl. 2. asßn. partic. asilo. praet. sg. 3. asiJüü, asifds, asiles. pl. 3. asile,
asiU. griech. acdva. partic. acilö.
asti vb. vermögen, praes. sg. 1. n astm bin schwach, krank. 2. u' astis. 3. n' astil er
kann nicht, astü te avel es kann sein. impf. sg. 3. n astilas. Man merke: me n astik non
possum. ■»' astik ihe mudardr les non pt)tuerunt occidere cum. ?i' astik sindü les ich kann
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. v. 7
ihn nicht tödten. n astik huTütoni ich konnte nicht herabsteigen, engl, astis possible.
Man vergl. aind. asti Erreichung von a^ erreichen, vermögen. Vgl. aStism\
astisar vb. vermögen, praes. sg. 1. astisaräü, astisarö. 2. astisares, astisarjds, asfisare.
pl. 1. ?i' astisaras. impf. sg. 1. aUisards (richtig astisarös). praet. sg. 1. astisardom. 3.
astisarclöü, astisardds. pl. 3. astlsardi. Vgl. asti.
asim vb. hören, praes. sg. 1. asundü. 2. asunes. 3. asunel, asünla. pl. 1. mndsa. 3.
asiinna andient, impt. sg. 2. asnn. impf. sg. 3. sdnlas. praet. sg. 1. asundöm. 3. asundöu,
asundds. pl. 3. asnnde, asundi.. griech. sundva.
asundov vb. gehört werden, praes. sg. 3. ah'mdol, sundöl. griech. sändovava, Mndovava.
asvdr subst. Halfter, asvare, asfare Zügel, griech. usvdr, suvdr m. Vgl. scdavdr.
atlxi adv. hier, griech. atid.
ati'mc, ahlnch, atimce adv. damals. Entstellt anti'ic. — rum. atunci. ■
aülin subst. f. Schloss, Palast, Burg, Saal. aüKndko Schloss — . pl. aülind, avlind in
der Bedeutung des sing. Vgl. serb. dvori.
av vb. kommen, werden, sein, praes. sg. 1. avdü (me 'vaüj, avo veniam, ero. 2. av4s,
ave venies, eris. 3. avel, avela venit, veniet, erit. dla aus avela. al aus avel. pl. 1. avAsa.
3. aven, avena. an aus aven. impt. sg. 2. aü. ap ta für av ta. pl. 2. aven. an ta venite.
impf. sg. 3. avelas. pl. o. avenas. praet. sg. 1. aviTöm, avilim. 2. avüdn. 3. aviTöü, avilds.
aviTdch Uste dej venit eius mater. pl. 1. aviTdm. 2. avüdn. 3. aviU, avilt. plusqpft. avilömas.
griech. avava. Die Verba avdva venire und uvdva fieri, die die griech. Zigeuner streng
auseinanderhalten, Paspati 80, werden in den Mundarten der übrigen Zigeuner vermengt.
aver adi. ein anderer, zweiter, aver gaü alius vicus. aver ddta ein anderes Mal. pe
avir bsrs im nächsten Jahre, sg. acc. avrss. avrs grastes alium equum. jek avres alius alium.
avre rakle aliam puellam. dat. avrßste. instr. avrßsa. o aver der andere: o aver gaü das
andere Dorf, griech. javSr. Vgl. die mir dunklen Redensarten p' o tever liime, p o tar
Mme in die andere Welt und slavon, overthara übermorgen.
avere subst. f. Vermögen. — rum. avere.
avri adv. draussen. griech. avri.
avrjdl adv. von aussen, draussen, auswendig, griech. avridl.
avuctje, avucija subst. f. Vermögen. — rum. avucie.
azakar vb. warten, praes. sg. 1. azakardü, azakarö. 3. aiakarü. impt. sg. 2. azdkar,
azdknr. impf. pl. 3. azakdrnach aus a^akdrnas. praet. sg. 3. azakardöü, aSakardds, azakar des
aus azakardds. pl. 3. aiakarde. griech. udzakeräva. slavon. azucar impt. sg. 2.
azuti vb. helfen, praes. sg. 2. azutis. 3. aiutil: the azutü tdks dil helfe dir Grott. —
rum azut. Vgl. azutisar.
azutisar vb. helfen, praet. sg. 3. azutisardds. Vgl. ahdl.
ha interi. nein. — Es ist russ. ba, das Erstaunen ausdrückt.
hädii, subst. m. Anrede des jüngeren an den älteren j\Iann. — rum. bade, b^bdic'B,
b'Bduk'B, Vgl. hnnukd.
hdhna subst. f. Sumpf. — klruss. bahno.
hackt subst. f. Glück, and e leste hackt in seinem Glücke, griech. hackt.
C FkaNZ MlKLOSlClI.
hakri subst. f. Schaf, falsch: Ziege, sg. acc. ekhd hakre. pl. bakre, bakrs. des hakrß
zehn Schafe, pl acc. bakri». hakrn. instr. bakrmca. griccli. bakrö.
bakris>'> subst. m. Lamm, demiii. von bakrö. pl. bakriSi. acC. bakrism. slavon. bakhrico.
baksu subst. m. Ortsname.
bal subst. m. Haar. sg. instr. balesa. pl. ?^a/. instr. more baUnca mit meinem Haar.
piska balinca, balenca mit seinem (suus) Haar, gricch. bal.
bal subst. m. Ball: Atw 6«/// i^um Ball. — rum. bal. Aus dem Deutschen.
balajt subst. f. Trog. grieeJi. bcldni, beläi. slavon. balai.
balanrit. baldunt, balaurö subst. m. Drache, sg. acc. balaurös. — rum. btlaur.
bali subst. f. Sau, Schwein, .sg. acc. bale pl. bale^ ball acc. balen, bal?n, bale.
e mdtka Je balinde Mutterschwein, das grösste Schwein, e kotecu le balmgo der Schweine-
stall, bali c sdbdtiko Wildschwein, griech. bali.
baiist subst. f. Frischling, demin. von bali. pl. acc. balisin, instr. balisinca.
balis'ö subst. m. Ferkel, demin. von balö. sg. acc. balists.
balisoro subst. m. Ferkel, sg. acc. balisorSs.
balö subst. m. Schwein, griech. balö.
bdita subst. f. Sumpf. — i'um. balt-B.
balvka subst. f. Fässchen. — klruss. baryJka.
balvdl subst. f. Wind. dat. balvalete, balvaUti. griech. balvdl, palvdl.
bandar vb. beugen, wenden, lenken, praes. sg. 1. bandardü, bandarö. impt. sg.
2. banddr. Man beachte banddrna ma sie werden mich begrüssen, eig. sie werden sich
vor mir beugen, weswegen man banddrna pe erwartet, bandardü-ol-kast ist ein Compositum,
etwa: Beugebaum, bandur beruht auf bangjar, das von bangö, bei Paspati 406 auch j^angö,
boiteux, defectueux, estropie, tortu, casse, stammt, bangö^ pangö beruht auf aind. bhang
brechen: die Aspiration hat eine Spur im Griech. b neben p zurückgelassen: griech.
pangdva, bangdva brechen, bdndilom je me suis penche. pangö, bangö, unter Anderem de
travers: pange-möskoro qui a la bouche de travers. Vgl. jjhadov.
bandirnds subst. Ungerechtigkeit, eigentlich Krümmung, sg. instr. bandimdsa, von bangö.
bandov vb. sich beugen, verzerren, praes. pl. 3. bandön aus bandoven. bandov hat
zum Thema bangö.
bangö adi. krumm.
bdnica subst. f. Viertel als Maass. — rum. banicB.
bar, baf subst. m. Stein, ba^^äsks von Stein. barMe Stein-, pl. bar. griech. bar.
haf, bar subst. Zaun, pe bar., kaj bar am Zaune, griech. bart f.
bdrda subst. f. Hacke. — rum. bard-B. klruss. barda,
barjov s, bharjov.
barvalö, barvalu adi. reich, griech. baravalö.
bas vb. schallen, krähen, bellen, praes. sg. 3. basila. bashl. pl. 3. basin. impf. pl.
3. basmas. praet, sg. 3. basTöü. pl. 3. basU. griech. baSdva. Vgl,, basav.
b'asav vb, klirren, impf. sg. 3. basavelas: basavÜas ol sdstra er kliiTte mit dem Eisen,
eig. er machte das Eisen klirren. Vgl. ba^.
bafalijö, batalija, bataMje, b-otdlija subst. f. Krieg, kaj batalfja in den Krieg, katd j ba-
talijs aus dem Krieg. — rum. bitilijc.
baznö subst. m. Hahn. pl. bazni. von bas vb., daher griech. basnö, basnö.
befelu subst. m. Befehl. — Das deutsche Befehl mit cech, Betonung aufgenommen.
Übee die Mundarten und die Wandkrüngen der Zigeuner Eurota'S. v. 9
bell, hilt subst. f. Säule: pald j hiU hinter der Säule, griech. hell.
beng subst. m. Teufel, sg. gen. bengnskn. instr. bengnsa. ek raklt le bengisti eine Toch-
ter des Teufels, pl. beng. acc. bengsn. o khdr le bengmgo das Haus der Teufel, griech. beng.
bej'becicsks adv. wie Widder. — Vom rum. berbjace durch das suff. kskä.
berezniku, berezniko subst. m. Waldheger. — klruss. pobereznyk.
bes vb. sitzen, wohnen, sich setzen, stehen bleiben, bleiben, warten, leben, praes.
sg. 1. besdü, besö. 2. besss, bese. 3. bes6l, besel. pl. 1. besdsa sedebimus. 3. besf/n. bsMn, besena.
impt. sg. 2. beS. pl. 2. bes6n. impf. sg. 3. beUlas. pl. 3. bssinas. praet. sg. 1. besTum. 3.
besToil, besTds. pl. 3. besle. griech. besdva. aind. vi.4 sich niederlassen, hineingehen.
bezech subst. Sünde, pl. bczechd. knrde bezechd. S5 bezechd bliarn ist eine grosse Sünde.
Schade: bezech le grastesthar Schade um das Pferd, griech. bezeh.
beMn subst. m. Personenname, sg. voe. bezdne.
bharjar vb. gross ziehen, praet. sg. 1. bharjardöm. von bharo. griech. barjardva.
bharjov vb. gross werden, wachsen, praes. pl. 1. baruvas sie wachsen, eig. wir wach-
sen. 3. barjuna. praet. sg. 3. bariJds. hharUoü bharo. pl. 3. bharile, harile, barili, barlTi.
bltarlU bhavi. griech. bdriovava.
bharo, jjharu adi. gross, alt, hoch, schwer, schwanger, raj bharo grosser Herr, o des
0 bharo le grand jour. plaj bharo hoher Berg, brro bharo schwerer Tribut, bhari Imdri
schwerer Schlaf, e fiiga j bhari der grösste (schnellste) Lauf, and c kaiU bhari lilme in
dieser weiten Welt, voj göTi bhari sie wurde schwanger, ek jag bhari ein grosses Feuer.
sej bhari Jungfrau: rum. fkia mare. pha7'0 j tüko es ist dir schwer, bharn, phari f. schwan-
ger. aUTds^ gsTds phari sie ward schwanger, griech. barö, paro. slavon. pharo schwer,
böhm. pcharo. russ. pcharö.
bharss: pharss adv. schwer.
bi j)raep. ohne, aus. bi mori jakhtngo aus meinen Augen, bi Ü jakhßngo aus deinen
Augen, bi la kuskdko ohne das Bauer, bimuro ohne micli. hiSorStigo bartlos, bitirö ohne
dich. 6* le znjdko ohne den Sattel, griech. bi: bisereskoro kopflos, bimdngoro^ bi mdndza
ohne mich, bisereskoro ist die Composition der Praep. bi mit einem Nomen. Vgl. über
die Composita von bezij und Nomen in meiner Grammatik IL Seite 402.
bihol subst. m. Büifel. dat. biholeste Büffel-. — rum. bivol.
bila vb. fliessen. praes. sg. 3. bildl fliesst. In der Mundart der slavonischen Zigeuner:
vosko p 0 kliarii. bilal das Wachs schmilzt an der Sonne, bilavel schmelzen trans. griech.
bilanö geschmolzen.
biladov, vielleicht für bilavdov., vb. schmelzen neutr. praet. sg. 3. bjelajToü aus
bilavdiToü. Vgl. hila.
biro subst. m. Tribut, le biröstar na potindds pe w^ijrtlich: vom Tribut luxt er sich niclit
losgezahlt. Vgl. iiotin. — rum. biru. magy. ber Sold.
biridi subst. Biene, griech. hurli.
bist er vb. vergessen, praes. sg. 3. bistrü, bistrüa. praet. sg. L bisfördöm. 3. bisterdds,
bistardds. griech. bistrdva. hind. bisarnä aus vi smr.
bis num. zwanzig, bis-thaj-stdr vierundzwanzig, bis-thaj-pdnzto fünfundzwanzigster, ek
raklt bisöbsrsinde ein zwanzigjähriges Mädchen. bisdbörUtigo zwanzigjährig, griech. bis.
bitin vb. verkaufen, praes. sg. L bitinäii, bithindü, bitindü^ hitino, falsch: bitandii.
2. bitines, bitines. 3. bitinel. pl. L bitijids. impt. sg. 2. hitin, bitin. h/ien. pl. 2. bithinen.
impf. sg. 3. hitinlas. praet. sg. L bitindom. 2. bitindän. 3. bitindöü, bitindoü, bithindoü,
Denkschriften der pliü.-hist. Cl. XXV. Bd. 2
10 Franz Miklosich.
h'dindns. bilinJäs. griecli. bikiiäca. aliid. vikn med. Ivniuto kaufen und verkaufen, liandeln.
sindli. vikinauu vei'kaufen. ]\lan bivielite verkiniev hei den dcutsclien Zigeunern.
hitinamds subst. Verkauf, oen. bUinamdsko zum \crkaufe. Vgl. hifin.
hlagoslovisar vb. segnen, \n-i\ot. sg. 8. hlagoslovisardon. — slov. blagosloviti.
bhstsmdfo adi. luclilos. — ruin. bliistoimat.
boc subst. m. Klumpen, pl. bikurl. — rum. boc, pl. bocuri.
b6Iidax>r6.'<te vergelte Grott. — slav. bogi, da ])rostit'5, eigentlich: verzeihe Gott (dii-
deine Sünden für dein Almosen).
bojko subst. m. Personenname, sg. acc. bnjkös. gen. bojkoskö. voc. bojku-le.
hokh subst. f. Hunger, sg. abl. bokhdtar. griecli. bok.
bokhalö adi. liungrig. griech. bokalo.
bokhaJ'ov vb. hungi-ig werden, praet. sg. o. bokhdjbni, bakhdjTas aus bak/id/'il'ou. griecli.
bvkdliovava. bokdlilo.
bokolt bohdi. bokide, bukoüU subst. Honigkuchen, Lebzelten, griecli. hokoii.
bot vb. taufen, praes. sg. 1. bold (für boldd) lua. 2. boles. impt. sg. 2. bol. praet. sg.
o. boldim, bohlds pe. pl. o. bolde. griech. boldva eintauchen, taufen.
bold vb. umkeliren, zurückkehren meist reflexiv, praes. sg. 1. bölda (für boldan) ma.
2. boldes tu. o. boldela ei- wird umkehren, impt. sg. 2. bulle fit. praet. sg. 3. boldds j)'',
buldas IM. boldes jye. pl. 2. balddn turne, boldan pdlpaVi. 3. bolde pe. griech. boldava
wenden, drelien.
boldino adi. kraus, eigentlich gedreht, partic. von buhl, griecli. boldinö als subst.
Steuer, das gedrelit wird; Mühle, dei-en Bilder sich drehen.
boldov vb. getauft Averden. impf. sg. 3. boldnlas aus boldovelas. griech. boldovava.
boü subst. m. Ofen, Backofen, pl. buvd, bod. gi-iech. bov. '
bradok subst. m. Tanne. Vgl. brad{. — rum bi-ad.
bradi subst. f. Kanne, pl. brade. bühm. brädi f. slavon. brddji Wassereimer.
bradt subst. f. Tanne, pl. braz, brazi, brdzr,. — i-um. brad. Vgl. bradok.
bruma subst. f. Tlio]-. — kli-uss. brama.
br^anisar vb. vertheidigen. praes. sg. 2. branisares. — slav. braniti.
branisardov vb. sicli vei-theidigen. pi-aet. pl. 3. branisdlje aus branimjl'e und dieses
aus branisdrdiTe. Vgl. hranisar.
brasovdskü adi. von Kronstadt. — rum. brasov.
briclndr subst. m. Unterliosenband. araklds jekhss naiifj/i le bricmarS ^rnnglö kuM'fk^
wörtlich: er fand einen Nackten, dessen Gürtel mit einem Unterhosenband gebunden
war. — rum. brLcinarJti. slavon. gacniko aus dem scrb. Vgl. nckurocsk'ij.
bricka sulist. f. Ai't Wagen, sg. insti-. la brickdsa. — russ bricka. pol. bryczka,
d.Miiin. von bryka leichter Keisewagen.
brjdzii adi. weissgefleckt. — i-um. brez vom slav. bi'eza Birke.
bröaska subst. f. Schloss (an dei- Thür). — rum broasks.
bröska. Imisks subst. f. Froscli sg. acc. brofkd. Identisch mit dem Vorhergehenden.
— rum. broaski).
brnssnd.! brss3)i subst. m. Regen, sg. gen. brssmdesko liegen-, del brz.ssn es i-egnet. das
bresmd es hat geregnet, pl. brdsmda. griech. briMn, burstn. serb. brsim.
buburnzo subst. m. KothknoUen.
Über die Mundarten und dje Wanderungen der Zigeuner Europa's. v. 11
huci SLibst. AVerg. Vgl. griech. vus Lein.
bucmf vb. blasen, praes. sg. 2. b>tcimts. 3. huchaU. — rum. hiicin blasen, lieulen.
bucdni subst. Tj-ompete, luv huchn. — rum. hucin Blaseliorn.
hxtdka subst. f. Wagen. — Vgl. russ. biula Bude.
huhlö adl. weit, ausgedehnt, grieeh. hngldö (wolil biujh'i).
buicind patic. tobend. — Vgl. rum. bujak Avild, nuithwillig. slav. buj.
bujestru subst. m. Trab. ö)i bu-jostru im Trab. — rum. bujestru Trab, Trott.
bukd: doli les hukd. b/Jca er verschlang ihn. — rum. buki. Backe.
bukatdr, hnkutdri. bukafdf subst. m. Koch. — rum. bukT,tarju.
bukaterfje subst. f. Ktlclie. — rum. bulcBt^rlje.
biikovina subst. f. Bukowina.
bukarisardov vb. sich freuen, praet. sg. 3. bukurisdjToü^ bukurisdjTas. pl. o. bukurisäjli.
— rum. bukur sich freuen.
bukdUrica subst. f. Köchinn. pl. bukdtör'ice le.
bul subst. f. Aveibliche Scham, After, sg. loc. buU: del bnli piska da futuat suam matrem.
instr. la buJ'dsa. griech. hd, vid. vuU ddva. ddva vuM pecher contre natiu-e. da bull ti odhi.
btddva subst. f. Keule, sg. instr. bulaväsa. — kli-uss. buJava.
bur subst. pl. Unkraut. — rum. buruen.
burdej subst. m. Erdliöhle. — rum. burdeju.
burdühu subst. m. Sack. pl. burdühurl. — rum. burduhan Bauchfell.
buri subst. f. Schwiegertochter, griech. bort die Verlobte, die junge Frau, Schwieger-
tochter, Schwägerinn. Vgl. ngriech. VJjX'fYj und serb. nevjesta.
burtku subst. m. Nabel. — rum. burik.
burkdn subst. m. Krug.
burldhi subst. m. Fi-emdling. — klruss. burJak.
bust subst. Bratspiess. gi-iech. bust f.
bics vb. heissen nominari. praes. sg. '2. busss, busos. 3. busoL impf. sg. 3. busölas,
busulas. Bei Vaill. 80. bmel pf, busel.
biet adi. adv. viel, maj bat inehr. biit vvkiie lange Zeit, griech. bat.
buU, buti, bhuti subst. Arbeit, knrla buti er arbeitet. Ding, griech. buH, puti, bukf.
butüci subst. pl. Achsen. — rum. butuk.
bnta subst. f. Fass. pl. buts: tr'm buts. — rum. büte, pl. buci.
butar vb. arbeiten, sich plagen, praes. sg. 3. bntarU vom Thema buti.
buzdufidnu subst. m. Knüttel, sg. acc. buzdugavös. instr. buzduganösa. buzdjigaiw. \)\.
buzdugdi Klumpen. — rum. buzdugan Streitkolben.
buzechd subst. pl. Sporen.
bdtdgib subst. m. Hackenstiel. — Vgl. magy. balta Hacke.
bünui vb. bedauern, sg. 2. the na bünns (für bsmois) nimm es nicht übel. — rum. b'}>nui,
bijnuesk. klruss. mhi banno. magy. bän.
bmwkn subst. Anrede: lieber Mann. — rum. btnüki,, älterer Bruder, allgemein ältere
Person. Vgl. bddn.
bork subst. m. Busen, griech. In'ek. engl. burk.
bnrs subst. m. Jahr, ek pa.s börs ein halbes Jahr. pl. bür-i: jeftd bsrs sieben .Jahre.
uk mtja bsrs tausend Jahre, gen. Ijdrsirujn.. enabsr-srngo neunjährig, griech. bers, bres.
shivon. br.i. engl. bes.
J2 FkANZ MlKLOSICK.
hsrmro subst. in. Jalir, demin. von fis?'«. Im'ssrösko einjährig.
hnsmäoa subst. 1". Tücliel. — rum. basniö.
bötdtura subst. f. Gewebe subtemen. — rum. biti)tur'b iilinschlag.
c.
rdp/i subst. in. Bock. — rum. cap.
cüha subst. f. Kleid, Unterrock. — serb. coiui.
colachar vb. schwören, praes. sg. 1. colacharö. 2. colacharss. '6. colacharU. pl. 1. cola-
chards. impt. sg. 2. colachar. pl. 2. colacharm. praet. sg. 1. colachardom. 2. colacharddn.
3. coJachardoü, colachardds. pl. 3. colachardf. colachare für colacharde. Vgl. engl, sovahall.
cuJu subst. m. grobes Gewebe. — rum. colti.
cygyrij subst. Zelt. Vgl. cdhra und griech. cer^a.
cögndri subst. m. Centner. — klruss. sotnar.
csgnö adi. klein, sg. acc. m. csgnes. f. csgne. o naj o csgnö der kleine Finger, griech.
tiknö. serb. cikno. slavon. ckiio. engl, fikno.
cdhra subst. f. Zelt. Vgl. cygyry.
cznko subst. m. Hündchen, sg. acc. cmikos.
csnono, cdnunü, csnömt, adi. klein. Vgl. Cögnö. slavon. cnoro.
csnunorö adi. ganz klein, demin. csnunoH f.
csntosar vb. annageln, praet. sg. 3. csntosardöü, csntosardds. — rum. CEntt Nagel,
c&ntui mit Nägeln beschlagen.
csntumf, adi. angenagelt, sas cdntumi er war angenagelt. Vgl. csritosar.
csniito, C57ititu subst. m. Land. — rum. cinut.
Cdpt vb. weinen, winseln, praes. sg. 3. csjjü. impf. sg. 3. cspüas. pl. 3. cdpinas.
— rum. cip, cipoti heulen.
csra, cdrd, cßrs subst. ein wenig, cnrs^ ek csrö. po 'k cira distributiv: jedes Mal ein
wenig, slavon. cra — rum. CBr^, o ci.r:B.
cm'd vb. ziehen, zerren, praes. sg. 1. csrdap (aus csrdav) tu. cirdo. 2. cörde. 3. cirdel.
pl. 3. cirdena. ctrden. impt. sg. 2. cßrde. cnrde tu reisse dich los. pl. 2. csrden. impf,
sg. 3. cirdelas. cz7'dilas. pl. 3. ch'denas. praet. sg. 3. csrdöü, csrdds, cdrddch la. cdrdds
the merel rum. tradze de morte. pl. 3. czrde. cSrden ol klopjoci sie läuten, slavon. crdav,
crdel ziehen, melken, crdinisajlo wird durch oblak Wolke übersetzt, es wird jedoch, wohl:
es hat sich umzogen, bedeuten, serb. crdav. Vgl. griecb. cidava. ungr. ciden.
cal vb. gefallen. j)raes. sg. 3. calil caTül. praet. sg. 3. 'caJoa la gefiel ihr. Bei
Vaillant 125. saleol (wohl: saTol) ma il me plait. salimas plaisir. Bei Mezzofanti caUl
place. Richtig vielleicht mfoi;, so dass caTiU, calil für caTovel^ caTol^ caTöü für caliFoü stünde.
calmdva subst. f. Turban. — russ. calma. cagat. cälma.
calu adi. satt, griech. calö.
camh vb. abnagen, praes. sg. 3. cambela. praet. sg. 1. camhTum. Vgl. griech. camke-
rdva, camukerdva kauen, cam f. Wange, Brot.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa-s. v. 13
cancj subst. f. Knie. pl. canfja. pc luks cangci zu ihren Füssen, instr. canrjmca.
griecli. cang.
car vb. lecken, impf, pl. 3. cärnas. griech. cardva.
aar, cur subst. f. Gras, griech, car. engl, chaw.
caro subst. m. Schüssel, pl. cari. griech. caro.
cas subst. m. Stunde. Mit dem rum. Artikel: cctsul. pl. cdsuri. sü-de cäsurif wie viel
Uhr? k' ol des cdsnri um zehn Uhr. sdsu in ßessarabien, — rum. cjas.
casörniku subst. m. Uhr. — rum. resornik.
cdtara subst. f. Geige. — rum. cjater-B.
ce pron. was für ein? dnda ce filuf in welcher Art? ce jagl was für ein Feuer?
din ce — din ce je mehr — desto mehr: din ce marü je mehr er (der Wind) weht. — rum. ce.
cecepi, cecipi subst. m. Recht, Gereclitigkeit. p' o cecepi nach Gerechtigkeit, griecli.
cacipe Wahrheit, cacipano, cacunö wahr.
ceces adv. wahr, na j ceces es ist nicht wahr, ceces sj. rum. drept T>j es ist wahr.
cecimds subst. m. Gerechtigkeit, sdnas manga cecimdsa ihr wart mir (gegen micli)
gerecht (mit Gerechtigkeit).
cecn.^ cecH adi. wahr; recht (dexter). o vast o cec6 die rechte Hand, moro kamt o cecu
mein rechtes Ohr. griech. caciino.^ cacipe. ungr. caco.
ceTov vb. satt sein, praet. sg. 3. celüds von calö.
cerho subst. m. Hirsch, sg. acc. cerhns. — rum. cerbu. Vgl. cerv.
cerceln. subst. m. Ohrring. — rum. cercel.
ceres subst. m. Kirsche, Kirschbaum, cerisoste. pl. ceresi. griech. kerds. — rum. cires.
cerhdje, cerhaje subst. pl. Sterne, pl. instr. cerhajenca. griech. cerchdn f.
ceri, cert subst. m. Himmel, and o ceri, cerz, cef im Himmel, ceresko Himmels-.
— rum. cerjü.
cerikli subst. f. Vogel, Sperling, sg. acc. cerikU. instr. cerikTdsa. pl. cerikle.^ ceriklt.
acc. cerikTdn. abl. cerikTdndar. griech. ciriklo, cirikU.
cerko, cerku subst. m. Reif.
cerv subst. m, Hirsch, sg. gen. cervöska. — rum. cerbu. Vgl. cerbo.
cik subst. Lehm, griech. cik f.
cikdt subst. m. Stirn, o, e cikdt. griech. cikdt.
cikm subst. Butter, cikanesa mit Fett.
cimechko v. fem.
cingdr^ cingdf, civgdri subst. m. Schrei, doü cingcir, das cingdr er schrie auf, er stiess
einen Schrei aus.
cingar vb. schreien, praes. sg. 2. cingaris 3. cingarü. impf. pl. 3. cingarmas. praet.
sg. 3. cingardoü.! cingardds. pl. 3. ci7igard{., cingarde.
cirjdda subst. f. Heerde. cirjdda gurü Heerde Ochsen, pl. ciredz. — rum. ciräd:B.
citisar vb. lesen, praet. sg. 3. citisardoü. — rum. ceti, citi.
cizma subst. f. Schuli. — niagy. csizma.
cohdn m. Schafhirt, pl. cohaje. — serb. coban.
cohotdri subst. m. Schuster. — rum. cibott Stiefel.
cochai subst. f. Hexe, griech. covechano m. covecham f. ungr. cohdni. engl, chovahano.,
chohawno Hexenmeister, chovahani, chohawni Hexe.
cokdn, cokdnos subst. m. Hammer, pl. rokdje. instr. cokainca. — rum. cokan.
J4 FbaN/, MlKLOSUil.
cokanum subst. in. Hammor. Vgl. cokän.
coplisar vb. beliauen. praot. sg. 1. copUsardöm — runi. ropli.
cor vb. scl)ütteii, giessen. praes. pl. ;>. sortn. impf. pl. ;5. sornas. pract. sg. 1. sordvnt.
3. conf6üj Sordön., siirdön. pl. ;'>. surdr. griech. cordva.
cor vb. stehlen, pi'aes. yg. o. corla. pl. 3. airf,ii. impf. sg. 3. cörlas. praet. sg. 1.
cordöm. 2. corddii. ;>. rordöü. cordds. pl. 1. corddni. 3. corde, cordf. griech. cordva.
cor, cur subst. m. IJieb. pl. cof; cord. cormgo Diebs-, griech. cor.
coranov vb. arm werden, praet. sg. 3. coräjfas füi- corduifas von einem adi. coranöy
wie daiyijfas von daronn. Vgl. griceli. cöriovava vom Thema coro.
cordov: sordov vb. rollen, eig. geschüttet werden, pi-act. sg. 3. sördiTas.
corhnas subst. m. Stehlen, sg. abl. corlmdstar.
corjdl adv. heimlich, griech. coriäl.
coro, cord adi. arm. sg. gen. corßsks. griech. coro.
cörs subst. f. Rabe, tu coro kalt! du scliwarzer Eabe! pl. cörc. — nun. coai'ij Krähe.
CUC9, clci subst. f. weibliche Bi'ust. pc te cuce auf deiner Brust, the des ma cuci gil)
mir die Brust, instr. ia cucjdsa mit deiner Milch, griech. cuci.
cudö f. Ary-er. sg. instr. cuddtar vor Arger. — rum. cud'ß Arger, cudat wunderlich,
slav. cudo.
cumdgö subst. f. Kniittel. — rum. cumjag m.
cumid vb. küssen, praet. sg. 1. cumidum aus cumidinöm. 2. cumiddn. 3. cuinidd-<.
pl. 3. cumide pe sie küssten sieh (einander), slavon. praes. sg. 1. cumkldu. griech. cwmi ddva.
cumdgi'icö, cum5gti.ca subst. f. Knüttel, sg. gen. citmsgucdko. Demin. von cumdgs.
mrund vb. mit dem Schnabel hacken, praes. pl. 3. curunden. Vgl. slavon. cundruda?.
cutÜla, cnntüla subst. m. Personenname, eigentlich Krüppel, sg. acc. aitlüäs. — i-um.
cunt, cut ungehürnt.
D.
da vb. geben, tiiun, gerathen, fallen, praes. sg. 1. daü. dap (aus dav) tu, tunn. do.
2. des^ da. 3. del, dela. pl. 2. den, dma. impt. sg. 2. de: de-iiia gib mii-. de me, de m, dr,
i/i. pl. 2. den. impf. sg. 1. dos. 3. de/as, delach les dabat ei. pl. 3. denas. praet. sg. 1.
ilom aus dinöm. 2. dan. 3. dou. das, dach les dedit ei. pl. 1. dam. 2. dan. 3. dine, dim.
Redensarten: das cingdf- er schrie auf. das sol that einen Bfiif. dine pe sie stürzten sich.
doü les puskß er erschoss ihn. pusH-dinu erschossen, na de ma pnski erschiesse mich nicht.
dine le jag sie legten Feuer, mc do jag e kdmärr, icii werde die Stube anzünden, das
(>. jag ol sulihn das Stroh fieng Feuer, das Idko drum er Hess sie laufen, delas duma er
i-edete. dine pe duma sie besprachen sich, das de stire er gab zu wissen, das les and o
söro er schlug ihn auf den Kopf, das pe p o ssrö er machte einen Burzelbaum. das ma
l'uU futuit me. das hresind es regnete, tmi dine hram sie schrieben auf. das p' ol aulind
stieÄs auf die Bui-gen. del jiu es sclmeit. das ma avri er verrietJi mich, slavisireml. pald
kodn dein- Ict dem Avii-d er sie zur Frau geben, slavisirend. das pe kaj skoala er gab sich
in die Sclude. das pe er fing an. ro das pre a Icnde er stiess auf sie (eos). das pi- öh
drdgoste er heng eine Liebschaft an. dine tele sie warfen herab, na dm les de gol sie stellte
ihn nicht bloss: run). a da de gol. na delas er wollte niclit geben: klruss. ne davai'. gi-ieeh.
ilava. partic. dino.
Über die Mundarten unh t>ik Wanükhungen der Zigeunkk Euhopa's. v. 15
da subst. f. Mutter, sg. acc. da. nom. dej aus daj, dtj aus dej, d'ij aus dij. voc. ddle,
ddli. gen. däliü, ddko, ddka. dat. ddkij, dal: morä ddtej cuci meae matris niamma. iusti-.
ddsa. griech. ddi, dei. sg. voc. däh, döle.
dah subst. Schlag, Hieb, Streich, and ek dab auf einen Streich, böhni. dab.
dad subst. m. Vater, sg. gen. dadesko: o than peskd dadesko das Land seines Vaters.
peskö dadcsks seinem Vater, instr. dadesa. voc. däde, dddi. te dade mit deinem Vater, peskr,
dadesa cum suo patre. griech. dad.
damasktn subst. m. Personenname, sg. voc. damaskzne.
dand subst. Zahn. pl. dand. griech. dant m.
dap^rdi adv. dorthin sclieint mit rum. parte zusammenzuhängen.
dar subst. f. Furcht, sg. abL gnlds daräfar er gieng aus Furcht, gi-iech. dar f.
dura vb. fürchten, praes. sg. 1. dardu. 2. dards. pl. 1. dards. impt. sg. 2. f?«?'«, selten
ddra. pl. 2. dardn. impf. pl. 'r>. dardnas. Mit dem abl.: me tütar dardü ich fürchte mich
vor dir. griech. dardva. praes. sg. 3. dardla, darela. impt. dar.
darafiov vb. fürchten, praet. sg. 3. dardjJoü, dardjTa:^ vom Thema darano furclitsam.
pl. 3. dardjlL griech. dardniovava.
ddro subst. m. Geschenk. — • rum. daru.
ddrzi coni. aber. — rum. dar, dart.
ddskalu subst. m. Kii'chenscänger. — rum. daskal.
ddts, data subst. Mal. el: data einmal, aver ddta ein anderes Mal. d)i dato sogleich.
— rum. dat'B: o datt einmal.
davfdu subst. m. David, davidösko.
de praep. von. de and e phu von der Erde, de angidl von frülier. de biikurija vor
Freude, kade de bhari (f.) so gross, de sar seit, de sukdr kaj sas so schön sie war: rum.
de frumos. stjopdko de bharö eine Spanne gross, de niidt seit Langem, de a örtha gerades
"Weges, dela o vreme nacli einiger Zeit, dela vdndt von der Jagd, dela vreme zu einer Zeit.
— rum. de, dela.
dekmd coni. seit. — j-um. delcBnd.
dekM adv. als; jedesfalls. dekst the damit. — rum. deki,t.
del s. devel.
delab vb. singen, krähen, spielen, praes. sg. 1. deldbo. 3. deldbel. pl. 3. deldben. impf,
so-. 3. deldbclas. pl. 3. deldbenas. praet. sg. 3. delabajöu für delahaloü. pl. 3. delabaji. partic.
dilahanddj. slavon. dzili Lied, dzdaban ich singe, dulabes du singst, dzilahel er singt,
serb. gU'abel er singt, engl. (lilU tune.
deU adi. grün.
delivanu, dillvano, ddiuanö adi. dumm, griech denilo, diailo. Vgl. dilu.
derdefa subst. m. Stickrahmen. — serb. djerdjef aus dem Türk.
des, des subst. m. Tag. and ol zöri le desesks, desdsko bei Tagesanbruch, desd bei Tage.
jjI. des: trin des. griech. dires, dives. dise bei Tage.
desparcisardov vb. getrennt werden, praet. sg. 3. despsrcisdß'od. pl. L despsrcosdjTan,
richtig despörcosdjTam. 3. ddspörcosajle. — j-um. dispBrcesk.
dessuv vb. das Genähte auftrennen, praes. sg. 3. dessuvel. — Der erste Theil ist i-um.
des, lat. dis: desking losgUrten. Der zweite Theil: sno ist zig. Vgl. engl, furdel to
forgive.
dextvl, destuT adv. genug. — rum. destul.
■i.j Franz Miki.osich.
desl'ubiiisar vb. lossrliraubeii. pmot. sg. ,H. (IcinibiümnltL^. — klrusü. sruba aus dem
Deutschen.
devei, del subst. m. Oott. sg. voc. <leala. gen. deidesho, deidesks. dat. dculeste: vi me sum le
denUste auch ich bin Gottes, acc. (/e«/Ä. instr. deuleaa und r/c«./r abl. dcnUstar. Der sg.
noni. lautet stets o del, o dil. o dil o sfsiito der hellige Gott, griech. devä (jutt, Himmel.
di, di subst. m. Seele. Vgl. odiu.
dijecica subst. f. des Kirchensängers Frau. — i-um. fem. von diak.
di/c vb. sehen, praes. sg. 1. dikdit, diko^ dekdü. 2. dikzs, dikich In. dike. 3. dikil, diküa.
pl. 1. dikds, dikäch /es. ?>. dikßna. impt. sg. 2. dik. dik-ta. pl. 2. dikm., dikäna. impf. sg. 3.
dikölas. praet. sg. 1. dikTöm. 2. d/'klau. 3. diklufi. dikTds, dlkldch le. pl. 3. dikle, diklf. dikl'ds
sonv. er träumte, griech. dikdva, diklidva^ didva.
dikjov vb. gesehen, sichtbar werden, praes. sg. .">. dikjöl (ditol): the na dikjöl kanc ne
videatur quidquam. pl. 3. dekjon: ol phakd dekjun die Flügel werden sichtbar, impf, di-
kjölas. griech. dikiovava.
diklö subst. m. Hand-, Kopftuch, sg. instr. dikle.
dil V. devel.
dintrig: pe dinireg ganz. Vgl. nntregu, mtegomi — rum. i,ntreg.
dintunö adi. früherer, dintum f. — rum. d' 'Bnt'BJ.
dinUj adi. erster. — rum. d' i>nt'bj.
döha subst. f. Trommel. — rum. dob:B.
dohe subst. Tag und Nacht. — klruss. doba.
dodom subst. Kürbiss. pl. dodomd. griech. duddm m.
doftoriceka adi. Doctor-: sträji doftoriceka Tracht eines Arztes.
doftortja subst. f. Arzenei. pl. doftorij.
döftoriL sulbst. m. Arzt. sg. acc. doftorös. pl. ol döftori. — rum. doftoru.
doJögn subst. m.: Die Bedeutung konnte nicht festgestellt werden: tide le grastes and
ck dolugu wird übersetzt: fasse das Pferd kurz.
dövmu subst. m. Herr. — rum. domnu.
dorohyj kilpec subst. m. Personenname. — klruss. dorohyj theuer, kupec Kaufmann.
döru subst. m. Sehnsucht, sg. gen. dorosku. — rum. doru.
dösta adv. genug. — serb. dosta. Vgl. klruss. dosyf.
dos subst. f. Schuld culpa. mor6 dos meine Schuld. Fehlt griech.; rum. dos Fehler
Vaill. 57. pol. dos pernicies. engl, dus übel. span. doch (dojj. aind. dösa Fehler, Schuld.
dosalö adi. schuldig, sg. acc. m. dosales. Von dos.
doü num. zwei ftlr duj. — rum. doj.
drah^ drjah susbt. m. Tabak, le drahe mit Tabak, griech. drah Kraut, Wurzel,
Arzenei.
drahar vb. lesen, praes. sg. 3. drabarü. impf. sg. 3. drahürlas. praet. sg. 3. drahardds.
Das "Wort findet sich auch in der Sprache der skandinavischen Zigeuner: drabbra lesen.
drabbranö gelehrt.
drag subst. m. Liebe, ku drag mit Liebe. — rum. drag.
drdgo, dragu adi. lieb, maj drdgo lieber. — rum. drag.
drdgoste subst. f. Liebschaft. — rum. dragost'B.
dremezgf vb. zart thun, zärteln. impf. sg. 3. dremezdflas pe. Das ^^'ort hängt mit
russ. drebezgi. kleine Stücke zusammen. Der Bedeutungsübergang wie bei zart, zärteln.
Übek die Mundarten und die Wandebungen dek Zigeunek Eueopa-s. v. 17
druk, dr/iku subst. m. Knüttel, Stange, pl. druci. instr. drukunmca mit Knütteln.
— rum., klruss. druk. Vgl. asl. dragt.
drum subst. m. Weg. pl. drumd. drum das Hess laufen, pea drum unterwegs, griecli. drom..
drns subst. Bündel, Büschel.
dugjdna subst. f. Laden, griech. dujeni.
ducho subst. m. Geist, o ducho (o) sßnio der heilige (je ist. — klruss. duch.
duj num. zwei, li-diij, duj-zeni beide, ol du] die zwei. pl. acc. dun, don. pusTds le
dun er fragte die zwei, muri don pralen meos duos fratres. griecli. duL
dujto num. zweiter, p o dujto zweitens, ditjto des le lendemain. dujtu gaü das zweite
Dorf: ohne Artikel.
duk vb. schmei-zen. pi-aes. sg. 3. dukdl. griech. dukdva.
duldma subst. f. Kleid. — serb. dolamu.
düma subst. f. Rede, das duma er redete, gab Antwort. — bulg. duirn,.
dumbrdva subst. f. Wald. — rum. dumbravB Eichenwald.
dumük subst. f. Faust, la dumukä mit der Faust, griech. domuk.
duncila subt. m. Personenname, sg. acc. doncüas. dat. duncilästi. — bulg. dojcin.
dunere subst. f. Donau, dunerja mit dem rum. Artikel, sg. gen. dunerjdko. — rum.
dun'Bre.
dünga subst. pl. Streifen. — rum. dung-B.
dior adv. weit, maj dur weiter, griech. dur. kurd. dür Lerch 131.
dural adv. von weitem, griech. dural.
durjov vb. sich, entfernen, praet. pl. 3. durd.le. griech. duriovava.
duruU subst. f. Fass. sg. instr. collect. duruTdsa mit Fässern, serb. durulo neben hari
duruU grosses Fass.
dus vb. melken, praes. sg. 1. duso. 2. dusns. 3. dusil. impt. sg. 2. dus. impf. sg. 3.
dusüas. praet. sg. 3. dusloü. griech. dosdva. kurd. düsim ich melke. Lerch 131.
düvar num. zweimal aus diij und var.
ddlgo adi. breit. — bulg. dl-Bg lang.
dsndal vb. beissen. praes. sg. 3. dendalel. pl. 3. dsndalen. praet. sg. 3. ddndaldöü,
dmdaldds. griech. danteläva. Vgl. dand.
dsrui vb. schenken, praes. sg. 1. d-orujw, dsräj, diruj, dsruu. Vgl. dsruisar. —
rum. d'Bruesk.
döruisar vb. schenken, praes. sg. 1. dnrusarö, dsrusaräu. impt. sg. 2. ddrusur. praet.
sg. 1. dsriisardöm. 3. dsruisardöü, dsrusardöü, dsrusardds. Vgl. dsrui.
dnrumas subst. m. Schenken, sg. gen. dsrumdsko zum Schenken. Man erwartet dsruimas.
des num. zehn, demjek eilf. desudüj, de.sudöü zwölf, acc. demdün, desupdnz fünfzehn,
griech. des.
desto: desto num. zehnter.
ddü, gih'i adi. dumm. Vgl. delivanö.
dil'ovYh. wahnsinnig werden, praet. sg. 3. güeles für diW'as. griech. deniliovava
von dendo.
diu subst. m. Weizen, griech. giv, iv. Vgl. kurd. genim Weizen, Getreide Lerch 106.
Denkschriften der phiL-hist. Cl. XXV. Bd.
Ig Franz Miklosich.
E.
e avt. f. s. ".
e, ej intcri. ei.
ek, jek lumi. ein, ein gewisser (quidam), unbestimmter Artikel, sg. aan. jekhes^ jekhss :
jekhss ekhri rakUs^ raklorßs, guruvis^ mannsts-^ ekhts saordx. jekhi negucstoresko. ekhd romne.
ekhd svardm mit einer Sclinur. dnda jek auf einmal, kajthdn zusammen scheint aus kaj
ek than entstanden, griech. jek; ekefane^ ketane zusammen.
enä num. neun, o ene khsrd die neun Zimmer, o end Idncurl die neun Ketten, wohl
fiii- ol eiie, end.
endto num. neunter.
Sta interi. ccce. — rum. uit'b.
fa vb. täuschen, ma fal man es täuscht mich, fal es scheint, praet. sg. 3. faToü: les
faföü les greaca es ekelte ihn: vgl. rum. i>m pare gi-eaca. Bei Vaillant 104. _/a.o je parais.
fal ma il me parait.
fdca subst. f. Gesicht. — rum. facB.
fdgu subst. m. Buche. — rum. fagü.
fdnu subst. m. Fahne. — deutsch Fahne.
fecfrumos subst. m. Mannsname. — rum. fec-lrumos (kuperul de aur.)
feeörs, fecjörs subst. f. Jungfrau. — rum. fecoart.
/e/«, felo subst. m. Art. sekom felo jede Art. fei de fei allerhand. — rum. feljü. feljü
de feljü.
fenici subst. pl. Rathgeber. — aslov. s-bvetbnikt.
feniku subst. m. Pfennig.
ferestüjka subst. f. Fensterchen, von ferjdsta. — rum. ferestujlcB.
ferisardov vb. sich hüten, impt. sg. 2. ferisnü nuindar hüte dich vor mir: ferisdü "aus
ferisardov. — rum. feri behüten, sich hüten. Vgl. engl, ferin man help me. Bor. zinc. 9.
ferjdsta subst. f. Fenster, pl. ferestt. slavon. feTastro. — rum. ferjastt, ferjastrt.
feso subst. m. Fes.
fiesavo pron. jeder, sg. gen. fiesavesko, fiesavesks. — rum. he es mag sein und zig.
savö: vgl. rum. fie karele wer immer.
fighiri subst. pl. Spässe. — russ. figli. pol. ligle.
ßnu subst. m. Täufling, Verwandter, sg. gen. fiösko. voc. ßne. Neben finu findet man
Mm/. — rum. finu.
flekuisar vb. zerfleischen, praet. pl. 3. ßekuisarde. — rum. fleakui, subst. fleak. pol.
flak. klruss. fl'ak. deutsch Fleck.
ßuerds subst. m. Flötenspieler. — rum. ttueras.
ßi'ieru subst. m. Flöte. — rum. fluerii.
folosssar vb. nützen, praes. sg. 1. folosssarö. 2. folosssare. Man erwartet folosisar. —
rum. folosi.
Über die Mundarten und diu Wanderungen der Zigeuner Europa's. v. 19
foro, foru subst. m. Stadt, pl. foruri. griech. foros. — mgr. cpöpo?. biilg. na foroseh-b
auf den Märkten, aruss. foros-B torg-B. op. 2. 3. 23.
fortdcie subst. f. Befestigung.
fortüna subst. f. Sturm. — rum. fortun^B. ngriech. (pofjpxouva.
furuUj subst. m. pl. Städter. Das Wort setzt ein slav. foi-usanint. pl. forusani voraus.
Vgl. foro.
fostj subst. pl. Fisolen. — rum. fasolt sing.
frdsu subst. m. Bügeleisen. — rum. frasü statt prasu. pol. prasowac. klruss. prasovaty.
deutsch pressen.
fvndu subst. m. Grund, Hintergrund, Tiefe, Boden: o fündu la kakaveko der Boden
des Kessels. — rum. fundu.
funezija subst. f. Russ. sg. instr. funezijdsa. — rum. funindzine.
fürka subst. f. Spindel. — rum. furk-B.
fiurkulicn subst. f. Gabel. — rum. furkulicü.
ßkdecu subst. m. Nudelwalker, Walze. — rum. ftk'Blecü.
fwso vb. beenden, zu Ende gehen, praes. pl. 3. na ßrsöna pi es wird nicht aus-
gehen, impf. pl. 3. fersonas. slavon. vsrsi. — rum. sftrSi.
ßrsusardov vb. vollendet, ganz verbraucht werden, praet. sg. 3. ßrsosdßas ging zu
Ende. Vgl. /srso.
forim subst. Stück. — rum. i'hvhva.'b f.
G.
gddo, gad subst. m. Hemd. pl. gadd. griech. gad.
gajni s. kajni.
galdc subst. Ortsname.
galav subst m. Sack. pl. galavi.^ godave. griech. gälavos Kopfkissen.
gdlbsmi subst. m. Ducaten. pl. gdlbeni, gdlben, gdlbej. instr. galbmiinca. slavon. galveno
gelb, galbe.n Gold. — rum. galbin.
garav vb. verbergen, verwahren, praes. sg. 1. gardu. 2. garaves. 3. garavel. pl. 1.
garavdsa. praet. sg. 3. garaduü., garadäs imd garudoü, garudäs. griech. geravdva.
garudov vb. sich verbergen, praes. sg. 1. ganklivo aus garddovav. 3. garddola.
pl. 1. guriiduvds. 3. garddon. impt. sg. 2. gardduü, gariiduü. praet. sg. 3. gari'idiTas.
pl. 3. garndili. griech. gerdvdovava.
gdta adi. fertig, bereit. — rum. gata.
gaü subst. m. Dorf. pl. gard. griech. gav.
gdzda subst. m. Hausherr. — rum. gazdi>.
gazi subst. f. Frau, Wirthinn, Weib. sg. gen. la gazdko des Weibes, griech. gadzi.
gazö, gazii subst. m. Mann, Hausherr, Wirth, Rumune. sg. acc. gazes, gazss. peskr,
gazdsks suo hero. pl. instr. gazfnca. griech. gadiö.
generdri, generdf subst. m. General.
gileles v. dÜ'ov.
gil6u subst. m. Räuberhauptmann.
glas, gldsn subst. m. Stimme, pl. gldsuri. — rum. glas.
3*
20 FkANZ MlKLOSlCH.
glödu subst. in. Koth, Sumpf. — rum. glod.
gode pn>n. das. slavon. godau roni- dieses Kind. Vt^'l. kod/i.
godf subst. f. \' erstand, serb. godi Hirn.
godavSr, godavSr adi. khig. slavon. godjaver, godzaver.
qonö, gonii stibst. m. Saek, Netz, griech. go)i6.
gospoddf subst. m. Hausherr. — runi. ehospodarjü.
grdfu subst. m. Graf.
grast subst. lu. Pfertl. sg. voc. grastd. grdsta. tu nwro grast! gen. graatcsko, grasteskd.
so ksrö le graste? was fange ich mit dem Pferch» an? acc. grastes. abl. hez<^ch le grastesthar
Schade um (bis Pferd, instr. grastesa. pl. grast: trin grast, acc. grasten, grastin. instr. gra-
stenca, grastmca. gen. grastengo, grastengs. dat. grastnide, grastind'e. griech. grast^ gras, gra.
grdure, grduri subst. pl. Specht. — rum. graur.
graznt subst. f. Stute, sg. acc. grazne. gen. graz'hdko. pl. nom. grazne. acc. grazndn.
gen. grazndngs. dat. graznende. griech. grastni, grasni.^ gram.
grdido, grasto subst. m. Stall. — rum. gra2du.
gresisar vb. sündigen, praet. pl. 1. gresisarddm. — - rum. gresi.
greUsardov vb. etwa: sich versündigen, praet. pl. 1. gresisdjTam aus gresisdrdiTam.
Vgl. gresisar.
greu subst. m. Schweres, Bedrängniss. — rum. greü.
grijcdr subst. m. Kreuzer, pl. grijcdri. dat. grijcarinde. — rum. krejcarjü.
grfnda subst. f. Zimmerdecke, griech. ghrenda Balken. — rum. grindt.
grizi vb. sorgen, praes. sg. 3. grizüla, richtig grizila, und grizil pe er sorgt. —
rum. grizi.
grizisardov vb. sorgen, impt. sg. 2. grizisaü ans grizisardoti . Vgl. grizi.
gr'izs subst. f. Sorge, pjeravel f/'ikr, de grfzs er sorgt für dich. — rum. grizTb.
grmpa subst. f. Grube. — rum. groapi.
grsmuda, grömddo subst. f. Plaufen. pl. gröintdz, gromtdz, grömsz. gramdda love eine
Menge Geld, slavon. grmada. — rum. gn^mad-b.
grnpi vb. eggen, praes. sg. 1. grdptü. 8. grnpil. — rum. grap.
grs?'mc5 subst. f. Getreidekorn. — rum. grtuncu von grtii, grtnu.
guglö adi. süss. g/Ue ddde! süsser Vater! mord gnl'a da! meine süsse Mutter! griech.
guglö^ gudlü.
gimöj subst. m. Mist, Misthaufen, griech. gonöi, konoi. — rum. gunoj.
gurü,, gurüü subst. m. Ochs. sg. gen. guruvesku. instr. guruvesa. pl. gurn. ek zictö
guru ein Joch Ochsen, acc. guriwen. instr. gnruvenca, gurmnca. griech. gurüv, guri.
gurumnt, gruium subst. f. Kuli. pl. acc. guriminin.i gurumne, gurumiidn. griech.
gurumni, gunivriL
giita subst. f. Tropfen, gvta paj ein Tropfen Wasser. — rum. gutt.
guzanonen pl. acc. Ratten. — rum. guzanu.
gsci vb. rathen, errathen. praes. sg. 1. gnciu. 3. gscila. the gzcin zu errathen. impt.
pl. 2. gzciu. — Vgl. rum. giisi finden.
gdcisar vb. errathen. pi-aes. sg. 2. gdcisare. impt. sg. 2. gscisdr. praet. sg. 1. gacisarddm
für gncisardom. 3. gacisardöu. pl. 3. gzcisarde., göeisardt. Vgl. gsci.
gscitoare: kaj gscituare zum errathen. Vgl. gsci.
güTü7n s. za.
Übke die Mündarten und die Wandekungen der Zigeuner Europa'S. v. 21
gdncli vb. denken, praes. sg. 1. gmdiü. 2. gmidis. 3. cöndü. impf. sg. 3. cpmUla-f.
pl. 2. 3. gmulmas. slavon. gandis. — rum. g-Bndi.
göndisar vb. denken, impt. sg. 2. gsndisär. praet. sg. 1. gdndisardöm. 3. gdndisardöü,
gsndisardds. Vgl. (/37«<i«. ungr. gondolinav.
gmidib subst. m. Gedanke, Vernunft, pl. gmduri. — rum. gindü.
ginzit subst. m. Flechtruthe. russ. uzevka. — rum. gx.nzu.
götosar vb. beenden, praet. sg. 1. gstosardöm. 2. gstosardän. 3. gstosardöü. Man erwartet
gdtisar oder gstssar. — rum. g"&ti.
güosardov vb. sich richten, praet. sg. 3. götosäjTas aus gstosdrdilas.
H.
/^o interi. ha.
haind adi. tüchtig. — rum. hai'n.
haj, he coni. und.
haj interi. auf. Vgl. /»', hüj.
häjda interi. komm! hajda far! auf! pl. hdjdam eamus! hdjdanl kommt! hdjdan thar!
kurd. hä'ide Lerch 92. Das Wort findet sich in allen südöstlichen Sprachen Europas.
hajdamdk, hajdamdcho subst. m. Räuber, pl. hajdamdci. — russ. hajdamak^B.
hajsdno, hajsdnu, hajsdn subst. m. Personenname.
haliU interi. auf.
hardmniko, hardmnihi subst. m. Peitsche, sg. instr. haramnikos. — russ. arapnik^b.
hardpu subst. m. Araber, sg. acc. harapös. — rum. arap.
haravl subst. Riemen, pl. instr. haraidenca.
hargdt, hargdto, hargdtu subst. m. Diener, Knecht. Der sg, nom. lautet auch hargatos.
acc. hargatos. dat. hargatöskd. instr. hargatosa. pl. nom. hargdti, hargdti, hargdci, hargdr,
minder genau hargdcij. acc. hargacm. — rum. argat.
hargdta subst. f. Magd. Vgl. hargdt.
hdrniko, hdrniku adi. fähig, pl. hdrnic, harnic. — rum. charnik.
he interi. he. Vgl. haj, hsj.
hegedvs adi. wahnsinnig. Vgl. hsgeddri.
hercvitdz subst. m. Erzheld. sg. acc. hercvitezös.
herdeleziu subst. m. Pferdehtiter. Vgl. hsrdüfja. — Vgl. rum. ch'Brg'Lliciü.
herdilija, hergelija subst. f. Heerde. Vgl. hardiUja. — rum. ch^brgelie.
hodini vb. ausi'uhen. praes. sg. 1. hodinlü. 3. hodinil. pl. 3. hodimn. — rum. chodini
aus odichni.
hodinisar vb. ausruhen, impt. sg. hodhiisdr. Vgl. hodini.
hodini sardov vb. ausruhen, praet. sg. 3. hodinisdjToü aus hodinisdrdiloü.
hohö interi. hoho.
holub subst. m. Taube, pl. hohlhur.
holubyj subst. m. Personenname.
höpa interi. hopp.
horba subst. f. Wort. tri7i horhe drei Worte. — rum. vorbt.
hormb subst. m. Heerd, Heerdkappe. — Vgl. rum. chornecB. russ. gornt.
hosdöpa subst. f. Korbgeflecht. — Weder rum. noch slav.
•»o Kran/. Miki.oshu
hon intt'ri. Iialt.
hram: t'on din( hram sio scIirioluMi aut". — \ ü1. yiircli. '•y'i^^i.^irx.
hraiimiuf luii. jreat'hriohen. .ins liramumi «'s war l''«'s*'1ii i<'l'<''i- \ \^\- lir<iin.
lii'diin subst. r. Nahrung. — nun. »•Iinim..
hrnninti vb. wiolu'rn. prac". .•<>{;. 2. hrfiuintis. inipl'. sg. W. hrrmindlirs. — iri-i(!cli. •/r/c|ict'.,(t).
Iireuiindsar vl>. wioliorn. pniet. s«j. 2. /ireiiiintisnnfon, fin'miitfisnnfnii. '.\. Iiriuinifexardüa,
h !'•}» iittisartföii . h rrm in fisa rtfd.t.
firfika sub.-^t. t'. IKmiIou. — klnis.>;. Incrka.
/irsiif vb. näliron. filttorn. jiraes. sg. 2. /irr.nfs. [). /irnnf/, hraiiUa. impl". sg. ,'5. lirnnÜaR
pr. t/n' hrsn((n) ma niicli zu nJihren. — run». clin.ni.
hrsnisar vb. füttern. ]iracs. .sg, 1. hrriui.<ar.'<. jmmci. sg. 2. /in-.iiisarifäii. 3. hrr,ni.iai'([()U,
/irant'snrJos. ^ gl. /irniii.
liH^'i'il subst. ni. lluzulo. j>l. nmu. (Inj Iinraj. acc. hucunin.
hnlar vb. herablassen deinittere. praot. pl. .'5. Iiularch'. Vgl. Inili.
hulav vb. kämmen, praos. ]il. .'>. hulavfn, Imlacdna. Vgl. slavon. fnlihi Ich wcnlc
kämmen, fitlav^l.
Jtitll vb. herabsteigen, praes. sg. 3. huh'^l: hah'l o khmu. tch' die Sonne geht unter,
imin. sg. 2. hol!, praet. sg. 1. Judistom. 3. huUsfiU. Vgl. griech. ngldidvc paitic ng/distö.
/iiilpe subst. t'. Fuchs, sg. aee. hidpL — runi. vulpo.
hüUnru subst. m. Geier. — rum. vultur.
hunav vb. jäten, wühlen, praes. sg. 1. hmdii, linnavö. impf. sg. 3. ImnavMas. hnndlas.
praet. sg. 1. hunadtun ma ich grub mich heraus. 3. hunadöü. pl. 3. hunade. Vgl. slavon.
hanavel er gräbt.
hüjiak subst. m. Personenname.
hsgedäri adi. blöde. Vgl. hegcdi'is.
höj interi. auf. ei. Vgl. haj. he.
liüjdamacije subst. f. Räuberhandwerk. \ gl. hajdamdk.
hsrdiUja, hördüije subst. f. Heerde. pl. hrödiMj. Vgl. herddija. — rum. chtrgelie.
hzrUcu subst. m. Grabschaufel. — rum. ch-brlec.
ksrt{J5 subst. f. Papier. — rum. ch^rtie.
CH.
cha vb. essen, fressen, beissen. praes. sg. 1. chaü, cho. 2. chas^ selten che. 3. chal,
chdla. ungenau chdila. pl. 1. chdsa, chas. 3. rhan. impt. sg. 2. rha. che. pl. 2. chan. impf,
sg. 3. chdlas; chdlas pe stritt, pl. 3. cMjz««, unrichtig chdnlas. praet. sg. 1. chaTöm. 2. chaTdn,
chaUn. 3. chaTöü, chaTds. pl. 3. c/m/e, chali. Für den Inf. te chal, te chan., the chas: de me the
chas gib mir zu essen, griech. chdva.
chahe. chabi subst. m. Sjjeise. chahe p' o chahe Speise auf Speise, pl. chabendta.
griech. chahe.
chajing. chaing subst. f. Brunnen, pasd j chaing bei dem Brunnen, pl. chainga. griech.
chamng, chaing.
chaladov vb. gewaschen werden, praes. sg. 3. chalddol lavabitui-. na chalädol lässt
sich nicht waschen, praet. pl. 3. chalddili.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eukopa's. v. 23
chalav vb. waschen, praes. sg. 1. cltalavu^ chalavdu: clialdü aus chalavdn. 3, elialavel.
pl. 1. chalavds. 3. chalaveri. impf, p], 3. chalavenas. praet. sg. 3. chaladäs^ cltaladöü. pl.
3. chalade.
chaldzi subst. Messing. — griech. ya/,'/.rjz.
chdltodad Liebling des A^aters wird erklärt als chal tu o dad edit te pater, etwa
der Vater frisst dich, hat dich zum Fressen gern. Vgl. chditnjdij.
chdltojdij Liebling der Mutter: dial tu e dij. Vgl. chdltodad.
chanro subst. m. Säbel, pl. instr. chanrdnca: lüden le chanrmca werfet die Säbel,
griech. chandö.
char subst. Thal. pl. chare.
chdrkom subst. nr. Kupfer. — griech. "/d/.xcojjia.
charkimö adi. kupfern, ehern, kaj mestli charkum zum ehernen Tisch. Vgl. chdrkom.
charun vb. kratzen, praet. sg. 3. charundds. kurd. yorinim ich kratze, yoriänd
kratzte. Lerch 114.
chasar vb. verlieren, praes. sg. 1. chasarö, chasardü. 2. chasaris, chasare. 3. chasdrlo,
chasarü. praet. sg. 1. chasardom. 2. chasarddn. 3. chasardds. slavon. hasarau. khasardem
msndre love ich habe mein Geld verloren. — griech. /dvoj.
chasardov vb. zu Grunde gehen, verschwinden, praes. sg. 1. chasdjvo aus chasdrdovav.
3. chasdjvel. praet. sg. 1. chasdjl'om. 3. chasdjTas, chasdjioü. pl. 3. chasdjle., chasdjli.
chli vb. kacken, impt. sg. 2. chli. praet. sg. 3. chsndds. chle cacavit ist mir dunkel,
partic. chsndi bekackt, griech. chlidva, chidua^ chindva, chsnddva. partic. chlendo.
chochamnö subst. m. Lügner, Betrüger, sg. acc. chochamnes. gen. chochamneskd.
chochav vb. locken, betrügen, praes. sg. 1. chochavö. 2. ckochctves. impf. sg. 3. clio-
cliavelas. praet. sg. 2. chochaddn, unrichtig chocharddn. 3. chochadöu. griech. chockavdva.
cholerniku adi. zornig. Vgl. clioli Zorn.
choU subst, f. Zorn. sg. abl. cltolindtar pendöm ich spi-ach aus Zorn, griech. choUn
Galle, Zorn.
choTar vb. erzürnen, pi-aet. sg. 3. choTardds.
choTardov vb. zornig werden, praes. sg. 1. choTdu aus choTdrdovaü. 3. cholevela aus
choTdrdovela. praet. sg. 3. cholejj'oii aus choTdrdlloü. choleßas; f. choMjli. Vgl. griech. cholasdilo
er ward zornig, slavon. na choTau te mandi werde niclit böse auf mich,
choroisar vb. schnauben, praet. sg. 3. choroisürdoa. — rum. chor^i.
chotdr (liotdr) subst, Strasse, — rum. chotar Grenze, Gebiet.
christos subst. m. Christus. — rum. Christos.
chumer, choraer subst. m. Teig. sg. instr. chomerfsa. griech. chomcr.
churdo adi. klein, churdö bar kleine Steine, griech. churdö.
chuiil, chotil vb. ergreifen, fangen, packen, rauben, praes. sg. 1. chutilo. 2. chutdea,
chutües. 3. chutilel, chutiUa. pl. 1. clmtilas, chatildsa: the chiitila[s] ame prcd machen wir Bruder-
schaft, wörtlich: ergreifen wii- uns als Brüder. 3. chutlUn. impt. sg. 2. eMail, chutil tu
halte dich, praet. sg. 1. chutildöm, chotildöm. 2. chutilddn. chotilddn, unrichtig cJiudilddn.
3. chutildöü, chotildöü, chutildds. pl. 1. rhntilddm. 3. chultilde: chutilde pe pral sie machten
Bruderschaft, chutilde pe sie umarten sicli. chutilö tükö ich werde dir dienen. Vgl. böhm.
chudov ergreifen.
chut vb. sich rühren, springen, aufgehen, fallen, praes. sg. 1. cJiuidil. 2. chiites. 3. chut/l.
pl. 1. chufds. impt. sg. 2. chüte: vgl. clut tu. impf. sg. 3. chutüus. praet. sg. 1. chvkTöin.
24 FkANZ MlKLdSlCH.
3. chukTöu, chukTds. clmklus o kam die Sonne gieng auf. i-huklas pc lesfe er warf sicli auf
ihn. pl. 3. cJmkU. slavon. hdel. böhm. c/mtav.
chvardo: chvardf f. locherig. Vgl. clim.
chnics subst. f. Mamaliga. Bei Vaillant 8(5. i ki'ica polenta.
chsndf s. chli.
chöü subst. f. Loeli, Öffnung, grieclu chev.
iköna subst. f. Bild. pl. ikom. slavon. ikuna. — rum. ikoan-b.
ikrd, ikra subst. f. Kaviar. — rum. ikre.
ITäna subst. f. Helena.
inte: maj infe adv. früher. — rum. 'bnainte.
irimije subst. m. Jeremias.
is vb. sein, praes. sg. 1. som. 2. san. 3. ssn, ss. kaj s' o balisuf wo ist das Ferkel?
die III. sg. ssn^ sa wird auch durch das rum. ? ersetzt: so j ti'iknf was ist dir? na j so
daü non est quod dem. pl. 1. sam. 3. ssn, ss. impf. sg. 1. sömas. 2. sdnas. 3. sas, sack
les. nas unzweifelhaft aus na sas. ]j1. 1. sdmas. 2. sä7ias. 3. sas. griech. iso7n. slavon. praes.
ssm, san, si. sam, san, si. impf, samas, senas. sas. samas, senas, sas. Redensarten: S5)t
ma est mihi, sdn tu est tibi, ssn ame est nobis. ss les, ss lesti est ei m. .sas la erat ei
f. mände ss mihi sunt, na j mänga non est mihi, kan sas tilks romestar wenn es dir um
einen Mann zu thun war. 53 the arifi ich habe zu ackern, ich werde ackern d. i. est
ut arem. ss the rnarsi er wird schlagen.
(skslisardov vb. unterschreiben, eig. sich unterschreiben, impt. sg. 2. iskalisdü. praet.
sg. 3. iskslisdjToti. — rum. isktli.
isprsvisar vb. vollbringen, praet. sg. 2. isprsvisarddn. 3. isprsvisardds. — rum. ispz'avi.
ispssi vb. verzeihen, praes. sg. 3. für die pl. 3. ispssßla pe remittentur: ispsssla pe
te bezechu remittentur peccata tua. — rum. spi>si erretten, befreien.
ivdno, ivdnu subst. m. Johann, sg. voc. ivdne. acc. le ivanös.
ivend subst. Winter, griech. vend^ m. slavon. evende im AVinter.
izhsvisar vb. erlösen, impt. sg. 2. izbovisdr. — rum. izb:5vi.
izdra vb. zittern, praes. sg. 3. izdrdla tremet. praet. sg. 3. izdrajoü aus izdranöü.
griech. lizdrdva. partic. lizdranö.
izvoru, izvor subst. m. Quelle, sg. dat. izvorsste. — rum. izvor.
jddo, jddu subst. m. Hölle. — rum. jad.
jag subst. f. Feuer, pe (d. i. p' e) jag auf das Feuer, sg. gen. jagdkii Feuer-, instr.
jagdsa. ek zari jagati ein Feuerschein, the ksrss jag mache Feuer, griech. jag.
jak subst. m. Auge. pl. nom. jakhd. instr. jakhsnca. hi mors jakhsngo aus meinen
Augen, bi fi jakhsngo aus deinen Augen, griech. jak.
jdlovica subst. f. junge Kuh. gen. jalovicdko. pl. jdlovice. — rum. jalovicB, aus dem Slav.
Über die Mundarten und we Wanderunoen der Zigeuner Europa-s. v. 25
jarmarök subst. m. Jahrmarkt. — klruss. jarmarok.
järö adv, abermals. — rum. jari..
jdzeru subst. m. Lache. — rum. jazer.
jdzo, jdzu subst. m. Teich, See. — rum. jaz.
jSdo subst. m. Zicklein. — rum. jedu.
jeßd num. sieben, jeftävar-de» siebenzig. jeftd-ssla siebenlumdert. griech. eftd.
jek s. ek.
jepa subst. f. Stute, o sfu jepej der Sohn der Stute. — rum. japi,, cp-B.
jere subst. pl. Nägel.
jerti vb. vergeben, praes. sg. 1. jertm. me jertip tu ich vergebe dir. 3. jertiL jertüa.
— rum. jert aus lat. *libertare.
jertwii adi. begnadigt. Vgl. jerti.
jertisar vb. vergeben, praes. sg. 1. jertisaru. pl. 1. jertisaräs. impt. sg. 2. jertisdr.
praet. sg. 3. jertisardoü. Vgl. jerti.
jeva subst. f. Ewa.
jezunie subst. f. Höhle. — rum. vizuin'b.
jic adv. gestern, griech. ic, jic.
jikdr s. unkür.
jil6, jilü subst. m. Herz, slavon. jilo.
jiv subst. Schnee, griech. viv m. slavon. jiv. serb. iv. ivdskere schneeig, aind. hima.
jive, jive adv. vergebens. Vgl. ungr. hijäba. böhm. hijaba.
judisar vb. verführen, praes. sg. \. judisarö. praet. sg. 3. judisardds. — rum. judi
anstiften, klruss. judyty.
juon subst. m. Johann, sg. acc. juonus. voc. juone.
K.
kacdm pron. einige. (' kacüm manns einige Menschen. Vgl. rum. k-Bc'iva emige.
kade adv. so : kade j mistö so ist es gut. Vgl. kado.
kadö m. kade f. pron. dieser, kado p>olub6ku dieses Fass. kad! ailKn dieser Palast.
kade rati diese Nacht, kade h&rba dieses Wort. sg. acc. m. kadales saves hunc puerum.
kadale (für kadales) grastes dieses Pferd, f. kadald rakle hanc puellam. abl. m. kadalesthar.
pl. kadöl bras diese Tannen, kaddl pirösti diese Kuchen, kadv ist die Verbindung eines
Adverbs kada mit dem Pronomen o, e, im acc. m. les u. s. w. griech. kadavd m. kadajd
f. kadald, kadale pl. Vgl. kakö, kukö.
kdhla subst. f. ßauchfang. — rum. und klruss. Mündung des Rauchloches, namentlich
bei kaminlosen Häusern.
kaj a) adv. wo, wohin, fragend und relativ, kaj (kaj i) o halisö? wo ist das
Ferkel? oias, kaj sovel non erat, ubi dormiret. b) kaj vertritt, wie ngriech. Tioo, das
relative Pronomen: grast, kaj pcherös das Pferd, das (auf dem) ich ritt, kodo raklo, kaj
Toü les paldl der Knabe, den er fortjagte. Meine Syntax 92, 93. c) praep. zu, in, an:
kaj ek raj zu einem Herrn, kaj sköala in die Schule, kaj o S57^6 zum Kopfe. Nach kaj
fällt der Artikel f. e aus: kaj kor, kort an dem Hals, von: chuMds tele kaj brtcka er
sprang herab vom Wagen. Für kaj o wird meist k' o oder koa gesagt: k' o abeü zur Hoch-
Denkschriften Jer phil.-hist. Cl. XXV. Bd. ■*
26 Franz Miklosich.
zeit, koa nm zum Wulf. ktHi raj /.um IFcn-n. /.' ol hali zu den Scliweinen. griech. kaj
PaspatI 74.
kajnU kaji'u, gajiii, gajni subst. 1". Henne, sg. acc. kaj»/, kajni. iiistr. kajmsa. pl. oZ
yl-c7/?u'. acc. /e kajndn. pl. gen. gajndngu. griecli. kaghm, kafni, ka/mi, ka'mf. slavon. kdJ7ii.
kanako mas Hühnerfleiscli. sci-b. kanl.
käjre subst. pl. Spinni-ocken. ti-'m kdjre.
kajthdn s. tha)i. '
kak subst. m. Onkel, sg. gen. kakßsko. griecli. kak.
kak. k/iak subst. f. Üclise. tald j k/ik, tald e kliak unter dem Arm. griecli. kak.
kakavf, kakdvi subst. f. Kessel, pl. kakdve^ kdkave. and o ft'mdu la kakaveko auf dem
Boden des Kessels, griech. kakkavt, kakkdvi. pl. kakkavid.
kaklt subst. f. Spindel, sg. instr. kakTdsa. griech. katU. Vgl. kat spinnen.
kahö pron. dieser, kako bar dieser Stein, kako vast diese Hand. sg. acc. kakales
khuforä dieses Fidlen, kakale manusSskö. kakdl grsdncö dieses Getreide, kakn ist die Ver-
bindung eines Adverbs kaka mit dem Pronomen o, e. Vgl. kado.
kalareca subst. pl. ßeiter. — rum. kiJ-brec.
kdle subst. £. Weg. — rum. kale.
kdlfa subst. Anführer, e kdlfa. — rum. kalfi) Geselle.
kaUko, kaliku subst. m. Krüppel, sg. acc. kalikos. abl. kalikosthar. pl. kaltce, kalici.
— rum. kalik.
kaliköjka subst. Krüppel. — russ. kaleka Krüppel, rum. kalik.
kalo adi. schwarz, kale jakhä schwarze Augen, ol plajin(d) ol kali. griech. kalo.
kaut. vb. wollen, lieben, schulden; reflexiv: eine Liebschaft haben, praes. sg. 1.
kamdü. kamdp (aus kamdv) the lap tu tut volo ut ducam te ' d. i. volo ducere te. kamö
mu kha, kamd ma Idsa ich werde mit ihr eine Liebschaft haben. 2. kames. the käme tu
Idsa wenn du mit ihr eine Liebschaft hast. 3. kamel. kamila pe. pl. 2. kamin. impf,
sg. 3. kamelas. kamelas pe Idsa. praet. sg. 1. kaviTom. 2. kamTdn tu (acc.) Idsa. 3. kaniTöti.
kamloü pe Idsa. kamJds. kamJds pe avrssa sie hatte mit einem Anderen eine Liebschaft,
pl. 3. kamle. praes. sg. 3. kamela aiitengö er schuldet uns. griech. kamdma.
kanmi adl. f. trächtig, griech. kabni.
kan.^ khan subst. Ohr. pl. kan. griech. kann m.
kand, kdna adv. coni. wann, als, Avenn. man nas ma kdna milii non erat quando
d. Ji. ich hatte keine Zeit. serb. nisam imao kada. griech. kdnna.
kana\ kanc pron. irgend etwas, Avie lat. quidquam, mit na nihil, uoj na pendöü kanc
sie sagte nichts illa non dixit quidquam. na j kanc es ist nichts. Bei Vaillant kans.
slavon. na j ma klidncl osim mdnro non est mihi quidquam praeter panem.
kand vb. riechen, praes. sg. 3. kdndel. griech. kdndava.
kand vb. gehorchen, eigentlicli: hören, praes. sg. 1. kdndo. 2. kdndes. 3. kdndel.
pl. 1. kdndas ame wir werden uns bedienen, mit dem instr. des Objectes. impf. sg. 3.
kdndelas. griech. karuMzava.
kandinü subst. m. Aufseher. Von kand in der Bedeutung hören.
kangsri, kangari., ksngsri subst. f. Kirche, sg. dat. kangsrete. griech. kanger^ kangirf.
kargiri^ kangtri., kangli. slavon. kliandiri.1 kliandziri.
kawuw, subst. m. ßecht, Gerechtigkeit: the knrdü Idkd kanonu dass ich ihr den
Garaus mache. — i-um. kanon.
Über die Mundarten und die "Wanderungen der Zigeuner Europa'S. v. 27
kanrn subst. pl. Disteln, griecli. kandu, kanro Dorn, Stachel, slavon. o kandrö, kam'ö
Dorn, Weissdorn.
kapeläcie subst. f. Capitulation. pl. kapeldcii.
kapitdno, kajntänu, kspitdnu subst. m. Hauptmann, sg. aco. kapitanös. voc. kapitdne.
— rum. ktpitan.
kaprd, kdpra subst. f. Ziege. — rum. kaprt.
kardbija s. kordbija.
karßn subst. Nagel, griecb. kdrßa pl. böhm. karjin f.
karing, karin 1) adv. wohin. 2) praep. gegen: karin tu gegen dich, in deiner Nähe.
zi kareng o des bis gegen Tagesanbruch, griech. akarhig, akarhi, akari. slavon. karmg
wohin.
karsusa subst. pl. Fuhrleute. — rum. k'&i-'Bus.
kas subst. Heu. sg. dat. kassste. griech. kas. slavon. khas, kas.
kdsko u. s. w. s. kon.
käst subst. m. Holz, Scheit, Balken, pl. gen. kastengs: gdS kast6ngd sie giengen um
Holz, instr. trine kastenca aus di-ei Balken, griech. kasf, kas.
kastunö adi. hölzern, griech. kastunnnö.
kat vb. spinnen, impf. sg. 3. kdtelas. praet. sg. 3. knkJds aus katTds. klaklöü für
kaklöü aus katTöu. griech. katdva. slavon. katdu. katipe Gespinnst, aind. krt (krnatti)
hind. kat-nä.
katd, kat praep. von: katd j raji von der Frau, katd j batalip von der Schlacht.
kat 0 vsnätu von der Jagd, kat o klisr am Plause vorüber, katekd von hier ist mir nicht
klar. Vgl. katdr.
katdn subst. m. Soldat, pl. katdni, katdne. k' ol katdne bei den Soldaten. — rum. IcBtan-b.
katdr, kathdr 1) adv. woher; wohin; von hier; hac, hier durch; hier, nas kathdr
the del les {ek feniku) non erat unde daret eum (nummum). 2) praep. von: kathdr Idko
S3r6 von ihrem Haupte, katdr pesko raj von seinem (suus) Herrn, katdr kode aülin von
jener Burg, griech. kdtar woher, kaidr mit ke, te von: katdr f o bar ka-nikllol il se levei-a
de la pierre. Vgl. katd.
katM, katln, kate, kat/, kathe, kake adv. hier, hierher, kat ol rakl6r(s) hier sind die
Kinder. Man merke kate diese: kate bokoli dieser Kuchen, kate mesüe dieser Tisch, kate
sMznika diese Magd, kati so.
katinde, kathinde adv. irgendwo, voj katJnnde na diküa tu nuspiam te videt.
katrinca subst. f. Frauenrock. — rum. katrinca, klruss. horbotka genannt.
kati'ma subst. f. Zelt, katunengeri Zelt-, griech. katuna. — rum. kttun.
kdva subst. f. Kaffee, griech kaves.
kej subst. pl. Schlüssel. — rum. keja sg., kej pl.
keltujdlö subst. f. Auslagen. — ■ rum. keltueli.
keltusar vb. ausgeben, praet. sg. 3. keltusardds. — rum. ki>ltui.
keltusardov vb. ausgeben, richtig: ausgegeben werden, praet. sg. 3. keltusdJJ'oü.
keptdre subst. f. Pelz, Brustpelz. — rum. peptarju.
keimov vb. faulen, praet. pl. 3. kernili verfaulten, griech. keimo.
kham subst. m. Sonne, sg. instr. khamesa, kJiame. griecli. kam. Vgl. slavon. kham, kam
Sonne, serb. kamKpen Schweiss.
4*
28
FhaNZ MlKLOSlCH.
khuro, kiiriK knrii subst. m. Füllen, sg. acc. k/aov.s, kxrss. kitrorn, kurörü demin. gi-iecb.
kharo, kfurö, kurö. büluii. kchitrdo. ficlitig kvhuro. riiss. kchurö.
khör subst. m. Plans, Ziiumor. khari, khir?, zu Hause, nach Hause, khnrdl vom Hause,
so- dat. khsrßstc. insti-. k/inrim. i»l. k/tr,f: kliörä. instr. te khnrtnca mit deinem Hause, griech.
kher, kyer, ker, her. slavon. cere zu Hause, reral vom Hause.
khsr vb. rufen: heisson nominai-i. praes. sg. 1. kardü. praet. sg. o. khürdvit. khördds.
A ül. akliar. bülim. kcharac.
khdre, ksri subst. pl. Schuhe, pl. instr. U khsrjdnca mit den Schuhen, slavon. rerja
Schuh.
khsrorö subst. m. Häuschen, Zimmerchen, demin. von khm\
küTöm: praet. sg. 1. ich schwitze, vielleicht für kirü'öm aus k/rdov^ eig. ich sott neutr.
kiliücü subst. f. Zelle. — rum. kiliuci).
kipe7% kiperi subst. m. I'feffer, Pfefferstrauch, kiperesko. Vgl. f/psrds. — rum. piperjü.
kipu subst. m. Gestalt, falsch: e k?pu. — rum. kipu.
kiraji subst. m. König. — magy. kiraly. Vgl. krdju, kräht.
kirav vb. kochen, praes. sg. 1. th^dü aus tiravdiü. impt. pl. 2. Üraren. partic. kwado.
praet. sg. 3. tiradds. pl. 3. kiradi. bessar. kirjaäü. slavon. ciravel kocht, ciraiin Gekochtes.
cirado gekocht.
kirdov vb. sieden neutr. praes. sg. 3. tirjul, tlrjul, tirol aus kirdovel. praet. sg. 3. tiriföü
aus tirdiJöü. ungr. kerdol es siedet.
kirfje subst. AVaaren. — serb. kirija Miethe, Fracht.
kledin subst. m. Schüssel. Bei Vaillant 113. klidi. — ngriech. '/.'kzi^L
klitka subst. f. Vogelbauer. — klruss. klitka. magy. kalitka.
klocisar vb. brüten, praet. sg. 3. klocisardoü. — rum. kloci.
Mopoto, klopoUi subst. m. Glocke, pl. klöpoc. — rum. klopot.
klöska subst. f. Gluckhenne. — klruss. kvocka.
khtisar vb. schütteln, praet. sg. 3. khtisardds. Vgl. kütisar. — rum. kltti.
khtisardov vb. sich schütteln, praes. sg. 1. khtisdjvo aus khtisdrdovav vrerde mich
schütteln, praet. sg. 3. khtisdjToü.
koama subst. f. Mähne, sff. abl. koamdtar. komdtar. russ. köma. — rum. koamt.
kodö m. kode f., selten (jode, pron. dieser, jener, kodö raklo dieser Knabe, and o kodö
föru in dieser Stadt, kode plmri dieses alte Weib, kaj kode avlfn zu diesem Schlosse, sg.
acc. m. kodoUs. kodoU grastes dieses Pferd. kodoJe gazes diesen Wirth. kodoU paesa mit
diesem Wasser, sg:. gen. m. kodolesko. dat. kodoleste. acc. f. kodold rakle dieses Mädchen,
pl. kodöl: kodöl duj raklori diese zwei Knaben, acc. kodolen. dnda kode dafür, ko steht
für kodö, koj für kode', kolles^ koles für kodoles. kole raklorss diesen Knaben. Vgl. slavon.
koles. kolesko. In kodo steckt ein Adverb kodo und das pron. <>. e.
kochaisar vb. pflegen, praet. pl. 1. kocliaisarddiii. — pol. kochac, zuweilen auch
klruss. kochaty.
kokalo subst. m. Knochen, pl. k(5k(da. griech. kokkcdo. — griech. xöy.aXov.
kokos subst. m. Hahn, kokosoko Hahn-. — rum. kokos.
koldci, kolacej, kolocej subst. pl. Kuchen. — rum. kolak.
koliba subst. f. Zelt, Hütte, griech. koh/het (koliha). — rum. kolibij.
kolibvcü subst. f. Hüttchen, demin. Vgl. koliba.
koUn subst. m. Brust, sy. abl. koloie.'^lar. o;riech. kolin.
Über die Mundarten und die Wandehungen der Zigkuner Europa'S. v. 29
kon pron. wer, fragend und relativ, sg. acc. kas. rare kas. gen. käsko^ kdskn^ kask:
kdsko sdrö wessen Kopf, pe kdsks khzre auf wessen Schuhe, dat. kdste^ kdsti. abl. kdstar^
kdsthar: vdre kdsthar. griech. ko)i. slavon. ace. kas. gen. kask. dat. kaske. rodau nikas icli
suche jemand.
konik pron. quisquam irgend wer, mit iia, ntci nemo niemand, tia j könik es ist nie-
mand, na zal kunik pdla ma niemand heirathet mich., nici aviTöü konik es kam niemand.
kanikds na mekTäs er Hess niemand, the na des e vast kanikdsa ne de manum cuiquam :
der instr. ist in ungewöhnlicher Art angewendet.
konstantinu, kostantin subst. m. Personenname, sg. voc. konstantine.
konträto, kontrdtu subst. m. Vertrag. — i-um. kontrakt.
kopdc, kopdci, kopaci subst. m. Baum. sg. dat. kopaceste. pl. kopdce, kopdcij kopdci.
— rum. kopac.
kor subst. f. Hals. sg. abl. kordtar. kaj kori, am Halse, vo Tas les kordtar er nahm
ihn beim Halse, griech. kori, korm f.
kordbija, kordbije^ kardhija. subst. f. 8chiif. sg. insti". korabidsa. pl. kordbii. — rum.
korabije.
koranov vb. blind werden, praet. sg. 3. kordjToü, minder genau kordjloü, aus koranUoü
von einem Thema korano: vgl. coranov und koro.
körbt subst. pl. Raben. — rum. korbu.
korec, kortcti subst. m. Korez (Getreidemaass). — rum. korecu.
körkoro, korkorö pron. m. f. selbst, allein. Ohne Motion, körkoro kudö gerade jenei'.
griech. körkoro, kölkoro. Vgl. körko gal. I.
korö.1 kor6 adi. blind. siMs (asiJds) korö er ward blind, sg. acc. le korös. griech. ko7'ö.
arm. koir, kuir. kurd. kor, kör, knri.
korüna, kurnna subst. f. Krone. — klruss. koruna. rum. koroMi.
kos vb. wischen, praes. sg. 3. kossl pe er wischt sich. kss6l. praet. sg. 1. kosTöm ma
ich wischte mich. 3. kosl'ds. griech. kosava, kosdva, f/osdva. slavon. khos. koslo glatt.
kosnu, koznö, koznu subst. m. Tuch, Tüchel. sg. instr. le kozne. griech. kosnö, koztiö.
slavon. koslo. Vgl. kos.
kossnzdna subst. f. Personenname.
kotecu subst. m. Stall : e kotecu le balmgo der Schweinestall. — rum. kotec.
kothdr adv. von hier, dort.
kothe^ kothi, kofi, koce.^ koci adv. hier, hieher. and e kate kdmdra in. diese Kammer.
kdte steht wohl für kdke. Vgl. kukö.
kotör subst. m. Stück, p' o kotör mas einzelne Stücke Fleisch, pl. kotord. griech. kotör.
kotoricd subst. pl. Stückchen, kotör kotoriceste (koioricdtej Stück für Stück. Vgl. kotör.
kötu subst. m. Winkel. — rum. kot.
kovdTuj kovdT, kovdll subst. m. Schmied, sg. acc. kovales. pl. kovdle. — klruss. koval.
kovdri subst. Knäuel.
kozdko subst. m. Kosak, sg. acc. kozakos. voc. kozdkuna. — klruss. kozak.
közma subst. m. Personenname.
krdju subst. m. König. Vgl. kiraji, krnlu. — rum. ki-aju.
kreco adi. kraus. — rum. krec.
krig: snkru/ auf die Seite, russ. krigo, krig fort. Vgl. rig.
>igs, krjdnga subst. f. Ast. pl. krhizi. serb. krango. — rum. krengt, kleng^b.
OA FkANZ MlKLOSlCH.
kroji vb. zuschneiden, praes. pl. 3. h-ofn. — runi. kroi.
krojl-'^ar vb. zuschneiden, praet. pl. M. krojüardi. Vgl. kvuji.
krojitüi-i, kroitöru subst. ni. Schneider. — rum. kroitorjti.
kridevic subst. m. Königssohn. Vgl. kridu.
krvlu^ krilTn subst. m. König. Vgl. kiraji, krdju.
ku praep. mit. ku sc mit allem, ganz, k'o s^rö mit dem Kopfe. — rum. ku.
kuc adi. theuer. böhm. kuc.
kncma, kvlma subst. f. Mütze, pl. küzme. — rum. kucm-b.
kufundi vb. untertauchen, praes. sg. 2. kufimdis tu du sinkst unter. — rum. kufund.
kufundisardov vb. versinken, praet. sg. 3. kvßmdisäjl'oü, kufundhdjTas. Vgl. hißindi.
kucharica subst. f. Köchin, sg. acc. kucharicd. gen. kucharicdkö. — klruss. kucharica.
kuchdrka subst. f. Köchin. — klruss. kucharka.
kiij subst. Ellbogen, kuj hißte Arm an Arm. 2)1. kf/Je. instr. kujdnca. griech. kuni,
ktmik f.
kujdks adi. ellenlang.
" kujhx subst. m. Nest. — rum. kujbu.
kuko, kskö pron. dieser, jener, kuke f. hikö rakloru dieser Knabe, kuko 'ver dieser
andere, sg. acc. m. knkoles , knkides. pl. knkold^ kukole^ kuköl. gen. kukoUngs. Hieher
gehört kute aus kuh': anda kvte dafür, kuko ist die Verbindung eines Adverbs kuko und
des Pronomen o, e.
kukurAzo, kukuruzii subst. m. Mais. — rum. kukuruzu.
kul subst. m. Koth. sg. instr. kulesa. griech. /«(/, kfid^ fid. ungr. khid. böhm. kul.
i'uss. kfui u. s. w.
kumndta subst. f. Schwägerin, pl. kumnäte. — rum. kumnat^b.
kumndto, kumnät subst. m. Schwager, sg. voc. kumndte. — rum. kumnat.
kumjydnia subst. f. Gesellschaft. — rum. kompanie.
kununi vb. trauen, impf. sg. 3. kununüas pl er Hess sich trauen. — rum. kunun.
kunumja, kunumje subst. f. Trauung, Hochzeit. — rum. kununie.
kununisar vb. trauen, praet. sg. 3. kununisardoü, kununisardds. Vgl. kununi.
kununisardov vb. getraut werden, praes. sg. 2. kununisdjve aus kununisar dov es. pl. 1.
kununisajivas. praet. sg. 3. kununisäjToü . kununisdjTas . pl. 3. kununisdjle, kununisdjH.
A^gl. kununi.
kitpec subst. m. Personenname. Vgl. dorolujj.
kuprtnz vb. fassen, praes. pl. 3. kuprinzin. — nun. kuprind und kuprinzetorjti.
kur vb. futuere. praes. sg. 1. kurdü: kurdp (aus kurdv) fa da futuam tuam matrem.
griech. k?j.rdva schlagen.
kurdt adi. genau, rein, me silim (für asiJöm) kurat ich bin rein geworden. — rum. kin-at.
kurkö, kurki subst. m. Sonntag, pl. kurki. griech. kurkö.
kürva subst. f. Hui-e. — rum. kurvT).
kus vb. schälen, schinden, schelten, schimpfen, fluchen, praes. sg. 1. kuso. 2. kuse.
3. akusü. pl. 1. kusdsa wir werden schälen. 3. kussn. praet. sg. 3. kuSTöä^ kusTds. Vgl. akus.
griech. kusdva schimpfen, kosav fluchen, slavon. kusla raufen. Vgl. aind. äkrö^ana Fluch.
kuska subst. f. Voo-elbauer. bi la kuskdko ohne das Bauer. — rum. kuca elende Hütte,
Schweinestall, daraus das demln. kuska ^ ogelbauer.
kuMik subst. f. Güi-tel. gi-iech. kiustyk. slavon. kustik.
Über die Mundarten und die Wandebungen der Zigeuner EuRorA-s. v. 31
kiitdre, kntdr pron. der und der. o kutdre than der und der (3rt. — rum. kutare jener.
kutizisar vb. sich unterstellen, praet. sg. 3. kutizisardöu.. — rum. kutez.
kutalo subst. m. Mais.
kitzma s. kucma.
kz, coni. dass, denn, weil; oft unübersetzt zu lassen, ke: akand ke u. s. w. jetzt,
da u. s. w., als pron. relat. griech. ka. Paspati 74.
kdl vb. spielen, tanzen, tummeln (ein Pferd, mit dem instr.). praes. sg. 1. ksldu, kdö.
2. köles, küe, kalc. 3. khölel, kzUl, killa. pl. 1. kalds. impt. sg. 2. kd. impf. sg. 1. kdös.
3. kßllas aus kddas. pl. 3. kdlnas pe sie spielten, praet. sg. 3. kdkUs, kddoft. pl. 3. kakle,
kohle, kdlas pisks er spielte ludebat sibi. kdös Usa (le (jrastisa) ich würde das Pferd
tummeln: serb. igrati. griech. keldva.
kdtisar vb. rühren, praes. sg. 1. kdtisaro. Vgl. khtlsar.
kdügsru subst. m. Mönch. — rum. ki>lug'br.
knmdrh, ksmdra subst. f. Kammer. — rum. kümari^.
kdmarüca subst. f. Kammer. Doch o trito kamsritca die dritte Kammer. Demin. von
kömdrs.
kdncdsrije subst. f. Kanzlei. — rum. k'&ncel'brije.
kmfdre subst. m. Wage. — rum. k-üntarju.
kmtsri vb. wägen, impf. sg. 3. kmUrüas. — rum. k-buti-ri.
kdpdcnna subst. f. Kopf, ek köpscma sack, e kspöcma le sadiMe.. — rum. küp-Bcini,.
k-or vb. tragen, fahren, praes. sg. 1. km^dn veho. 2. kzrü. 3. kr,rd. ktrla. impf. sg. 3.
ksrdas, kirlas. — rum. kar, k'Brat.
knr, kar, minder genau khsr, vb. machen, thun, bauen, gebären, legen (Eier), praes.
sg. 1. kdrdü, kardp (aus kardv) tnkn, kardü, ksrö. 2. köHs, ksres, ksre. .3. kdrsl, kirla. pl. 1.
kr,rds, kards, kardsa. 2. karm. 3. Mrna, ksriv. ksrdm pe sie stellen sich. impt. sg. 2. ksr.
kör misto sei so gut. rum. H bine. pl. 2. kdrin. impf. sg. 3. kirlas, ungenau ksrlds. pl. 3.
kirnas. partic. knrdv gemacht, praet. sg. 1. kördöm. 2. knrddn. 3. ksrdöiX knrdds, ksrddch la.
kdrdds pe es entstand, pl. 1. ksrddm. 3. kr.rd<\ körde pe sie stellten sich. Redensarten:
kdrdds bitti er arbeitete, me kardü hidekdta ich werde richten, me kardu le rakloros ich
o-ebäre das Kind, me ksrdöm ma tdrku ich habe micli zum Türken gemacht, ksrdds pe
er stellte sich, verwandelte sich, griech. kerdva.
kzrdre subst. f. Fusssteig. — rum. k-Brare.
Hrcma, kszma subst. f. Schenke, pl. kszme. engl, kitchema (kicema).
ksrdov vb. werden iieri. praes. sg. 1. knrduvo, ksrduvö: die xVecentuation ksrduvn
ist die ursprüngliche. 2. Urdave. 3. ktrdola, knrdöl, kßrdel aus Hrdovel. impt. sg. 2. kirdiiü
mache dich. impf. sg. kßrdidas nascebatur. praet. sg. 3. ksräiloü, ksrdil'as^ selten ksrdüas.
kzrdirach ruü er ward ein Wolf. pl. 3. ksrdile, ksrdde, k-yrdfle. griech. kerdovava.
kdrko adi. bitter, kdva ksrtt (aus ksrM). griech. kerkö. serb. kerko. slavon. cerko.
ksrlig, ksrligii subst. m. Haken, pl. ksrlfdze. — rum. IcBrlig.
ksrnisar vb. schieben, praet. sg. 3. kdrnisardoü. — rum. k-Brni drehen.
ktrpa subst. f. Kopfputz. — rum. k-Erp-B.
kdrik-a subst. f. Wagen. — rum. k'Bruc'B.
körsmids subst. f. Ziegel. — rum, kiirtmidi..
korösar vb. tragen, schleppen, praet. sg. 2. ksrssarddn. 3. ksrssardds. Vgl. kdr.
kösui vb. cassiren. praes. sg. 1. kdsutv. — rum. kasui.
y9 FHANZ MlKLÜSlCH.
kösuisar vb. cassiren. praet, sg. 3. kü.^f/äsanfds. Vgl. kssui.
köMlgösar vb. verdienen, praet. pl. 8. ksstlgssardf. — rum. ki>stig.
köt adv. köf de hharo nt)ch so gross, kst dj Inme so lang die Welt steht: der Artikel
ist nach oj. d. i. est, ausgefallen. — y\\\n. k'it.
kizma s. kirana.
L.
la vb. nehmen, erreichen, praes. sg. 1. lait, lo. lap tu ich nehme dich. 2. /es, Ta, le.
3. leL Ula. pl. 1. las. 3. /en. impt. sg. 2. /e, /«. selten la. pl. 2. Zen. praet. sg. 1. Tom,
selten Hnim aus /zn(5???. 2. ra?i, len. 3. /"om, /'a?*, fas. Tach la slüznika nahm (heiratete) die Magd.
les aus Tas. pl. 3. line. plusqpft. sg. 1. Tomas. 3. Tdsas. Redensarten: lau o drum ich nehme
den Weg. the na lo la wenn ich sie nicht nehme (heirate). Tas les j^aldl jagte ihn fort.
Tas les i^este nahm ihn zu sich. Tas sdma gab Acht. Tas pe brach auf. line pe brachen auf.
Tas rnnsnra nahm die Maass. Tas la e lindri der Schlaf libermannte sie. les j)'' Idtar er
ergriif sie.: asl. j§t^ s§ jej?. griech. Idva. partic. Uno.
la praep. zu. la chaing zum Brunnen für la e chaing. voj sas la desupdnz bsrs sie
war fünfundzwanzig Jahre alt. — rum. la.
Idda subst. f. Lade. — rum. ladt.
ladicö subst. f. Kästchen, demin.
Idicn, Idjca subst. f. Bank, tdla j Idjra unter die Bank. — rum. lavici.
ld7ico, Idncu subst. m. Kette, sg. instr. lancosa. abl. lancöstar: Toü les lancöstar er
nahm ihn bei der Kette, pl. Idncuri. instr. lancunenca. — rum. lanc.
lang adi. lahm, hinkend, c beng o layig der hinkende Teufel, lang Vaillant 114.
böhm. lang u. s. w. aind. langa lahm.
Idnu subst. m. Ackerfeld. — klruss. i'an.
lasar vb. eigentlich: gut machen, mit po^o verbunden: betten, impt. sg. 2. laser
pdtu. praet. sg. 1. lasardovi o pdfo. 3. lasardöü. Vgl. laso.
lasipi subst. m. Güte.
laso adi. gut, fromm, chahe laso gutes Essen. Ias6 j tu des, laso tu des, lasö des guten
Tag. laso j tumaro des, laso turne des. lasi rati guten Abend, maj laso besser, griech. lacö.
lazao, lazdo subst. m. Schande, mangd lazcto für mangä j lazdo ich schäme mich.
lazavesko te aves du sollst dich schämen, griech. ladS. slavon. ladzao, ladzau mandz
pudor mihi. engl, aladge ashamed. liind. lädz Bescheidenheit, eig. etwa Scham.
legsni vb. schaukeln, wiegen, impf. sg. 3. legsnflas. pl. 3. legnnmas. — rum. leg-bn.
Im subst. m. Gulden, pl. lej, lij. — rum. leu Löwe, Piaster.
li: li-duj beide, acc. U-dun. U-trin, li-trinen alle drei. acc. li-star alle vier. Vgl. lo.
licar, litar vb. stossen, behauen, spalten, zachdru licardo gestossener Zucker, praes.
sg. ^..litarü er behaut, impt. sg. 2. lifdr, wie licdr gesprochen, impf. sg. 3. litdrlas bar er
bearbeitete Steine, praet. sg. 3. Ucardds.
lil subst. m. Schrift, Brief, Buch, Karte, pl. lila Karten, griech. lil, lir.
MmpeeJe adi. klar, paz Ifmpede klares Wasser. — rum. limpede.
lindraU) adi. einschläfernd: chahe lindralö.
lindri, indri subst. f. Schlaf, griech. lindr f.
Über die Mundarten und dik Wandkkungen dkr Zigeunek Eueopa-s. v. !33
linu adi. leicht, lieblich. — rum. lin.
Uns subst. f. Personenname.
lipi vb. kleben trans. praes. sg. 3. lipil pe, auch llpil, berührt ni(;lit. pl. 3. U}ihii. pe
sie weixlen sicli ankleben. — nun. lipi.
lipime adi. angeklebt. Vgl. lipi.
lipismxJov vb. ankleben, praet. sg. 3. UpisdjTas. pl. 3. Upisäjle. Vgl. lipi.
lipsisar vb. fortjagen, praet. sg. 3. Upsisnrdoü. — rum. lipsi.
lo, la pron. er, sie. Nur in den Casus obliqui vorkommend; der nom. lautet vo m.
voj i. sg. von pl. sg. acc. m. les.: les steht auch ftir den dat.: sarh fe erat ei. gen. m. Icsko,
Usku, das ebenso oft für den dat. auftritt, dat. m. Uste, Usti, das aiudi für den gen. steht:
Uste romni, zuvlt seine Frau, instr. lesa. sg. acc. f. /?«, das auch für den dat. fungiert:
sö la ek chaincj est ei puteus. sg. gen. f. läko, Idkö, das auch die Bedeutimg des dat. hat. sg.
dat. f. läte, Idfe, Idfi, das auch den gen. vertritt: Idfi raklt ihre Tochter, sg. instr. f.
Idsa. abl. Idtai-. pl. acc. len, le. gen. lengo, lengö: lengo dad ilir (eorum) Vater, dat. UiKh.^
lendi, lendi: Undi dij ihre (eorum) Mutter. Instr. lenca, Ihu-a. Das Pi'onomen /"^ In, fungiert
in den Casus obliqui als Artikel, und zwar so, dass le dem m., la dem f., Ic endlicli
dem pl. ohne Unterschied des Genus dient: sg. m. le: rodas le firastes h 'mparatosko wir
suchen das Pferd des Kaisers, o raklö le dmparatösko der Sohn des Kaisers, le paesa mit
dem Wasser, dngnr ma khdrf, le vurdonha Jahre mich heim mit dem Wagen, sg. la: le la
rakle nimm die Tochtei-. ol püi la j^ctSordkz die Jungen des Adlers. Ausnahmsweise und
wohl unrichtig: le ömparatdsa mit der Kaiserin, jekhn plmre sack le trin raklt cuidam
vetulae erant (ei) tres filii. pl. le: pusTds le dun sie fragte die zwei, le r/rastm san le the
chan equis est (eis) ut edant die Pferde haben zu essen, le phaktnca. mit den Flügeln.
logodi vb. freien, mit dem acc. praes. sg. 1. logodrii.. pl. 3. logodm. — rum. logodi.
logodisar vb. fi'eien. praes. pl. 1. logodisaräs. impt. sg. 2. logodisdr. praet. sg. 3.
logodisardöü., logodisardds. inf. the logodisaräs tu. Vgl. logodi.
logodna subst. f. Verlobung. — rum. logodii-B.
logofece, logofec subst. pl. Logotheten. — rum. logofet.
lok subst. Ort. avelas la lok kam in Ordnung. — rum. lok.
loko, p' 0 loko adv. langsam, griech. loko. slavon. loko leicht.
lokoricts adv. sachte, demin.
loMs, lokös adv. langsam.
lolö adi. roth. griech. lolö.
loTov vb. roth werden, praet. sg. 3. loliJou. griech. Jöliovava.
Ion subst. m. Salz, lün mit einem zwischen o und u liegenden Laut. sg. instr. lo/iesa.
griech. lo7i.
lopdta subst. f. Schaufel. — rum. lopato.
lopöHZosardov vb. sich verstricken, praet. sg. 3. lopönzosdjTas. Das entsprecliende
rum. ^ erbum ist unnachweisbar.
lov subst. Pfennig, love, lovi pl. Pfennige, Greld. Meist nur im pl. gebi-äuchH(di.
instr. lovenca, lovinca. griech. lov6 Münze, love Geld.
h'dm subst. m. Schlucht. — klruss. i'uh.
Mje, hbj subst. f. Montag, luine Montags. — rum. luni.
luhidi, lulugi subst. f. Blume, griech. luludf.
lurne subst. f. Welt, mord Ixme in meiner Welt. gen. himjdks. — rum. luine.
DenlvBchiiften der pbil.-hist. Cl. XST. Bil. 5
OA Franz Miklosiuh.
b'nic/o subst. ni. J^ilnge. — rum. lungu.
l/nih'e sulist. f. Kahn. sg. instr. lunlrjdsa. — rum. luritre.
lupds subst. m. Porsoncnname. /e lupasixkö, le lupasSste, k lupasss.
li'(ska subst. f. Bett. — klruss. Jözko.
Izice subst. f. Lüffel: zweisilbig. — klruss. i'o2ka.
hiMca subst. f. Kästchen. Minder genau ladtcö. \'gl. lada.
lutare subst. \A. Seiten. — rum. lature.
htüri subst. pl. Spülicht. — rum. Itturi pl-
löudi vb. loben, praes. sg. 3. hadila j^i er lobt sich. — rum. huul, liiidat.
hudisardov vb. sicli loben, praet. sg. 1. hudüdjlom ich habe micli gelobt, geprahlt.
2. ImdisdjTan. 3. hudisujloü, hudisdjl'as. Vgl. hudi.
Tägsno, Täfföna subst. m. Wiege. — rum. leg'Bn.
Tdva subst. f. Pfeife, bessar. hiTdoä. ungr. TiiJava. — Vgl. rum. lull), lule.
Tokaj, Tokäj, lökaji, Tokdji, Tökaju, Tökajos subst. m. Lakai, sg. gen. I'okajesko.
M.
magdri sub«t. m. Esel, bessar. magari. — rum. migarju.
maganca subst. f. Eselin. Vgl. magdri.
magazviu, magazmu subst. m. Magazin. — rum. migazin.
mdgda subst. f. Personenname.
magdaltna subst. f. Personenname.
mahrivn adi. unrein. — Vgl. russ. maratb beschmutzen.
maj subst. m. Mai. majuskd Mai-(Regen). — rum. maju.
maj adv. noch, na maj nicht mehr, o maj bharo der grössere, grosste. maj de angldl
früher. — rum. inaj.
mdjka subst. f. Mutter. — rum. majlcB.
majuru subst. m. Major.
muk subst. f. Fliege, pl. mate. acc. matdn. griech. maki. böhm. niafhin.
mak vb. schmieren, praes. sg. 2. makss. 3. maküa. impt. sg. 2. mak. praet. sg. 3.
makTuü, makhU. pl. 3. mäkle, griech. makdva. böhm. makchav.
makdr, mskdr eoni. wenn auch, wenigstens. — rum. makar.
mdko, mdku subst. m. Mohn. — rum. mak.
mal, mdlo, mdlu m. Wiese, Feld, Ufer, and e (o) mal auf das Feld, auf dem Felde.
pe kode mal auf diese Wiese, mal Hügel. Vaill. 116. ma^l. Steppe. Tag. slavon. e nmal
Feld. — rum. mal.
maladov vb. zu einander passen, einandei- begegnen, praes. sg. 3. malddol, malddola
aus malddovel u. s. w. pl. 3. malddona. praet. sg. 3. malddil'as: unrichtig malddoTou für
malddiToü. pl. 3. malddili.
malav vb. schlagen, hauen, werfei), treffen, praes. sg. 2. malds. 3. maldl aus malavel.
impf. sg. 3. malav^las^ maldlas. praet. sg. 1. maladöin. 3. maladSü, maladds. pl. 3. maladen
statt malade. Vgl. griech. vtardva.
mdmkd subst. f. Amme, o-riech. mamt Hebamme. — rum. mam-B Mutter.
Übee die Mundarten und die Wanderungen der Zioeuner Europa's. v. 35
man, ma sing. acc. der 1. pers. sing, man sd mihi est. manfjö, mdn(/a. iiidnde, riuuidi
mir, zu mir, bei mir. niände avildn du kamst mir. pum mdndß bei mir. pe mdnde auf
mir. instr. mdnca. abl. mdndar. Befremdend: na j mdndar ist nicht für inieh. Der sg.
acc. ma steht neben man: the les ma man nimm mich, griecli. man u. s. w.
indndin subst. Vermögen, griech. mangin.
mang vb. verlangen, wollen, bitten, werben, freien (mit dem acc.) praes. sg. 1.
mangdu. 2. mangis. 3. mdngd^ mancjtla. pl. 3. mangßn. impf. sg. 3. rn.angslas. pl. 3. mancjonas.
praet. sg. 2. mangldn. 3. mangl'öu^ manghts. pl. 3. mangle, griech. mangdva.
mangav vb. freien, prues. pl. 3. mangavenu für mangaven. Vgl. mang.
manru, manrß subst. m. Brot, ekhd manHsa mit ein(3m Brote, griech. mxtnro, marno,
maro, mando, marly. aind. manda.
mantdo subst. f. INJantel. — rum. mantao.
manvs, selten manuso, subst. m. Mann, Mensch. mannSSsko menschlich, sg. voc. mannkf.
pl. maniis. acc. manuUn. voc. mamiMle. ode manussnga, manustngn Menschenseelen, instr.
manussnca. griech. manns.
manusni subst. f. Weib. Vgl. mam'is.
mar vb. schlagen, strafen, betäuben, laden (eine Pistole); reflexiv: sich schlagen,
kämpfen, praes. sg. 1. mardü. mardp (aus mardv) tu. maro. 2. m,arn.<^. 3. marü^ mdrla. pl.
1. mardsa.^ mards. 3. martn; marmi pe. impt. sg. 1. mar. pl. 2. marm. impf. sg. 3. mdrlas,
marlds. pl. 3. mdrnas. partic. mardö. praet. sg. 1. mardum. 2. marddn. 3. mardöil., mardds,
marjd aus ma,rdd, mardds. pl. 3. marde., mardf. inf. the marel^ the marm.^ the rn.ardm (aus
marm) ma. griech. mardva.
maramttrds subst. m. Marmarosch.
marc subst. m. Dienstag. — rum. marcl.
mdrdzina subst. f. Grenze, Ufer. — rum. mardzine.
radrfa subst. f. Waare. sg. instr. marfdsa. — rum. marfi).
maript subst. m. Kampf, griech. marihe.
martin subst. m. Personenname.
mas subst. m. Fleisch, sg. instr. masfisa. pl, masd. griech. mas. kurd. mas.
m.askdr a) subst. m. Mitte, and o maskdr in die Mitte, Taille, sing, instr. maskarssa.
b) praep. zwischen: maskdr aminde zwischen uns. mdskar lende zwischen sie. maskdr n khör
mitten in's Zimmer, griech. maskar4.
maJkardl adv. in der Mitte, mitten durch, ursprünglich: aus der Mitte, griech. ynaskardl.
masö subst. m. Fisch, sg. acc. masts. pl. masi. acc. masSn. nrnpardtn, le masfmgo Kaiser
der Fische, griech. macö. pl. mace.
■mdstehz subst. f. Stiefmutter. — bidg. masteh'B.
materie subst. f. Stoff. — rum. materie.
mdtka subst. f. Mutter, Mutterstute, e mdtka le haUnde Mutterschwein, mdtka i'eine
d'abeilles. Vaillant 116. sg. acc. viatkd. — rum. matk^b Weisel.
mato adi. berauscht, griech. matto.
matar vb. berauschen, praet. sg. 3. matardou. matardds. griech. rnnffiardvn.
matarno adi. betrunken. Vgl. matö.
niatov vb. berauscht werden, praes. sg. 1. mativdü aus matovdü. 3. rnaiola aus matovela.
praet. sg. 3. maUfns. griech. mdttiovava.
mdzere subst. Erbse. — i"um. mazere.
3(] Franz Miklüsicu.
-nie, mi pron. ich. griecli. vie.
medzijes subst. ni. Nachbar, eig. (Jroiiziuichbai-. — \ gl. asl. mezda.
mek vb. lassen, loslassen, zurücklassen, hinablassen, fallen lassen, praes. sg. 1. viekö,
meka, mekdp tu. 2. raeHs. 3. vickth meküa. pl. 3. mekin, laekfma. impt. sg. 2. riK-k. lueg ma.
me li lasse sie. mek tu tele lass dich hinab, pl. '2. uieksn. impf. sg. o. meküas. praet. sg. 1.
■mekTont. 2. mekTdn. 3. mekJ'oü, meklds, meklen, vnkMs. pl. 3. virkle, meklL plsqpft. sg. 2.
■mekTdnas: mekTänas the merel moro rakJo du hättest meinen Sohn sterben lassen sollen.
viekle pe corimdstar sie Hessen ab vom Stehlen. In meklea (mekTd) via lass mich fungiert
das praet. als impt. J)ie 2. sg. inipt. wird /.ur Umschreibung des impt. verwendet: mek
avel cznonö er möge klein sein, mek theal er sei, lass sein. )iiek meinetwegen. Das erste
ß in mekle soll an ii anklingen. Vgl. griech. mnkdva.
melalö adi. scliwarz. griech. mel Schmutz.
meUje subst. f. Brot.
melincasar vb. schwingen, praet. sg. 3. melincasardöü. Das entsprechende rum. ^^erbum
ist unnachweisbar.
mer vb. sterben, praes. sg. 1. merdü, merö, viardü. 2. meres, mere. 3. merel, mfrla.
pl. 2. meren. impf. sg. 3. mtrlas, mjerlas. pl. 3. mernas. Vgl. viulo. griech. merdva. partic.
merdö, midö.
merinde subst, Nahrung. — klruss. im Gebirge: merendja. rum. merinde.
meripf subst. m. Tod. griech. meribe. Man beachte engl, ineriben, viiraben Leben.
mertiko subst. m. Massel. — rum. mertik.
mesele, mesiili subst. f. Tisch, pl. rneseie. griech. mesdli f. Handtuch, Serviette.
mestero, mesteru subst. m. Meister, pl. mestere Zimmerleute, griech, master. — rum.
mesteru.
metropoUje subst. f. Hauptstadt. — rum. mitrupolie.
mezmeri, mesmeri subst. m. Mittag, zt Ko mezmerl bis Mittag. — ngriech. jXc3Y;(j.£pi.
mija, mije num. tausend, e/c mvje, viija lej tausend Gulden, panz mij lij fünf tausend
Gulden, griech. müia. — rum. mie.
müa: ks j vidiiya mfla mir ist leid, n al titks nnlo es sei dir niclit leid. — rum. mil^.
rnüa} subst. m. Sommer. pomUoj (p' o milaj) Fi-iÜijahr. griech. nihu. ungr. linaj, nilaj.
böhm. linaj. engl, nilei.
miTa subst. f. Meile. — rum. mili..
mimstru subst. m. Minister, pl. mimstrui, mimstruri, ministridi. acc. ministrunen.
mtnte subst. Sinn, das phke a rnmte er ei'inncii-te sich, me andöm mdnga a minte icii
ei'innerte mich. — rum. minte.
mirelo, mirito subst. m. Bräutigam, sg. acc. mirolos. — rum. mire.
miri vb. sich wundern, reflexiv, praes. pl. 3. mirlm p)e. impf. pl. 3. mirinas pe:
mirinas pe Idtar sie wunderten sieh über sie (eam). — rum. mir.
mirisardov vb. sicli wundern, impt. sg. "2. utirimn aus mirisardov. praet. sg. 3. miri-
sdjTuü, mirisdjfas aus mirisdrdiTas. Vgl. miri.
mirjdsa subst. f. ]3raut. — rum. mires-b.
miro.n' subst. m. Geruch. — rum.- mii-osu.
mistesardov vb. berühren, praet. sg. 3. m-istesdjTaü. ^"gl. misldm bessar. Vgl. misfi.
mis'ti vb. rütteln, praes. sg. 3. mistil. slavon. inisko ma ich i'ühre mich. — i'um. misk.
mistipi subst. m. gute That.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's v. 37
mistö, mistöü adv. gut. maj mistoü besser, korclom tnkü viistn ieli liabc dir Gutes ge-
than. griech. misto.
mizlocto, mizlocio, mizloct adi. mittler, o, c mizlocio, mizluci. sg. aco. m. mizlociunös. f.
mizlociond. — rum. mizlociu, mizlok.
mjdzs, mjäza, mjddza subst. f. Mittag, la mjdzs, mjdza zu Mittag. — ruin. mezT>.
mo pron. mein, selten: ustf, ndne, vMi, mu stehe auf, lieber Mann, stehe auf, mein.
Vgl. morö und das folgende Wort.
7)10 interi. Anruf. — russ. moj. runi. mtj.
moasa subst. f. Hebamme. — rum. moas'B.
muksiceko adi. Mokanen-(Pferd). — rum. mokan Bergbewohner.
rnölkom adv. ruhig. asUYis molkom er blieb ruhig. — asl. ml'&komi,.
mordri, mordf subst. m. Müller. — rum. morarjü.
mormikh), innmiklö subst. m. Perle, sg. voc. morönkU. movdnklo nazdrsvnnu Zauberperh;,
grieeh. minriklö Rosenkranz, Geschmeide, bölim. miliklo Koralle.
mormmtu subst. m. Grab. — rum. mormtint.
mor(5, mnrö pron. mein, morö raj mein Herr, mors vajt meine Frau, mori sakar
mein Liebchen, sg. acc. mors grastes mein Pferd, morö praUs meinen Bruder, mord
romn4 meine Frau, mord cerikU meinen Vogel, pl. riiort avlind mein Schloss. morn pralen
meine Brüder, .de morö dnim lasse mich los. bi murö ohne mich, griech. mhirö, mindö,
mo. Vgl. slavon. mnndro, mnro d. i. msnro. engl. miro.
mörte, moarie subst. f. Tod. trin morc drei Todesstrafen. — rum. moarte.
morti, murte, riiurfi, murci subst. f. Haut, Fell, morcdka von Fell. sg. instr. morte mit
einer Haut. pl. morte. griech. morti. slavon. m-orci, morci.
mosys, moMja, moMje subst. f. Gut. — rum. mosije.
mozüa, muzila subst. f. Hügel, Berg. — rum. mogilt, movil-b.
mncuisardov vb. probieren, eig. wohl sich anstrengen, praet. sg. 3. macidsdjToü er
probierte. — klruss. mocovaty fest machen, probieren, ob etwas fest ist.
mudar vb. tödten, auslöschen, praes. sg. 1. mudardn, mudardp (aus mudaräv) tu,
mudarö. 2. mvdare. 3. mtidarhl, mudärla. pl. 1. mvdardsa, mudards. 3. mudarin. impt.
sg. 2. mvddr. pl. 2. mudarßn. impf. pl. 3. mnddrnas occidebant. praet. sg. 1. mudardöm.
2. mudarddn. 3. mudardöü. mudardds. pl. 3. mudarde, mudards. griech. murdardva.
mudardüv vb. ausgelöscht werden, praes. sg. 3. muddrdol.
muj subst. m. Mund, Gesicht, and o mvj aus vollem Halse, and o m/ija mit dem
Munde, instr. mösa. oprn mosa mit dem Gesicht vorwärts (fallen), gi-iech. mdi. mos mosa'
von Angesicht zu Angesicht.
mid subst. f. Wein, Schnaps, sg. instr. muJ'dsa. mul pahnrd? Brantwein. griech. nioL
midcsm/ adi. zufrieden. — rum. mulci.
7nHlö adj. todt. partic. sg. acc. mvMs. pai malö. pl. muh', praet. sg, 3. mraJöü. vviTds.
e rakli muTöii das Mädchen starb, voj midi sie starb, pl. 3. imdL Vgl. mer. siiidh. muo.
aind. mrta.
midt: de midf seit langem. — rum. de mult.
midurö adi. todt. Vgl. mulö.
mum subst. Wachs, griech. mom.
mumcU subst. f. Licht, sg. abl. mumelatar. instr. mnmeTdsa. pl. mvmele. griecii. movi.
Wachs, momeli, mumeli Wachskerze.
„,, ■ FUAJJZ MlKLOäliJU.
ob
munä vb. martern, praes. pl. 3. mumm. — i-uiii. luunci.
„iursökanu adl. Manns-, griech. mitrSikanö. slavon. murS.
mnsa mit l von is: es ist nothwendig, es muss sein. w4so. j the za.^ du musst gehen.
müsa j the anSs du musst bringen. — klruss. musity.
musar vb. schaden, vergällen, kränken, verderben, auflieben, praes. sg. 1. mnsardü,
nuisarö. 3. musaväl. im^t. sg. 2. musd,: praet. sg. 3. mnsardoa für mudarcm er tödtete.
musardds: rausartUs kode nnnta er hob diese Hochzeit auf. pl. 3. »msctrdi. slavon. musarau
ich beschädige.
mmar vb. müssen, praes. sg. 1. mnmrn. praet. sg. 1. „lüsardom. Vgl. mnsa.
mustrusar vi), uuistern. praet. sg. o. mastnisardöu. — rum. mustru.
musimoj subst. m. Ameisenhaufen. — arm. mrßjün, mroimtn Ameise. Man beachte
die Ersetzung des vocalischen r durch u nach )//: s steht tür c.
mnca, mScö subst. f. Katze, sg. acc. mörd. mmdkö Katzen-, mßca bessar. — rum. m:sc^.
mscssöra, mscssuars subst.' f. Kätzchen, demin. — rum. mi,cisoare.
m3cini vb. nuilen. impf. pl. 3. mzcirdnas. — rum. macin.
niöcmisa,' vb. malen, impt. sg. 2. niöchiisar. praet. sg. 3. möanism-dou. Vgl. möcini.
mulnha subst. f. Mark. — rum. mtduhi,.
mömdiga subst. f. Mamaliga. mömöUfjd von der Mamaliga. — rum. m-bm-bligi,.
mmdrjdca subst. f. Pracht. Vgl. mindru.
mmdru adi. schön, prächtig. — rum. mtndru.
möudötdri subst. m. Mandatar.
omnrjöi vb. sich freuen, reflexiv, praes. sg. 3. niöngöil pe. — rum. m-bngti.
mmmtire subst. f. Kloster, Thurm. — ruiii. m:&nistire.
mövgzritdf subst. m. Perle, pl. niörgdritdr, mörgsritdri. — rum. mirgtritorju.
msriti vb. verheiraten, praes. sg. 1. tuöritm, imriti 3. uiöritU pe er verheiratet sich.
— rum. m'Brit.
möriüsardov vb. heiraten nubere. praet. sg. 3. imritisdjloü. Vgl. imriti.
mssa subst. f. Mutter. — rum. mtsa.
müsi'ira subst. f. Maass. — rum. mi.suri>.
imsurlsar vb. messen. Für den inf. the mdsarisards. impt. sg. 2. nmurisar. — rum.
misur.
ViöZöi-dfe subst. Erbsenkind. eig. dat. von vidzere Erbse.
N.
■ na adv. nicht, na steht in dieser Mundart auch für v/n: na pns noli interrogare.
na muddr ma tüdte mich nicht, rödo, zi kaj »' arakö les ich werde suclien, bis ich ihn
finde, griech. na.
nah Dank, nais tukn danke dir. iio'ik tumengn danke euch, nah le derlesk Gott
sei Dank.
naj subst. Finger, pl. naj<t, naß. griech. naj f.
najar vb. baden trans. pi-aes. sg. 1. na.jerd. 3. najarü. impt. sg. 2. /«ye/-. praer.
sg. 3. najardoä. Vgl. ung. nandav ich bade, najar ist wohl nandar. das erklärbar ist,
wenn nand intransitive Bedeutung hat.
Über die Mundakten und die Wanderunhen dee Zigeuner Europa-s. v. 39
najardov vb. sicli baden, praes. sg. 1. najuvö aus najardovu. 2. najuve aus najardove,
najardoves. 3. najul aus iKijardovel. pl. 1. najuvas. 3. najon. impt. sg. 2. na ja aus najardov.
impf. sg. o. najölas aus najardouelas. pl. 3. najönas. praet. sg. o. vailüa. slavon. praes.
pl. 1. naivas aus najardovas.
najenpi. subst. m. Bad.
nak subst. Nase, u, e nak. griech. nak f.
nak vb. passieren, vorübergehen, sclii-eiten. praes. sg. 2. nakts. 3. nokf>l: nakil ek
pal er passiert ein Wasser, pl. 3. naktna. praet. sg. 1. nakTum. 2. nakfäu. 3. nakJov,
7iakTa.n. pl. 3. vJoAr^', ?mÄ.-/?. griech. nokdva. slavon. )iac.el passieren, nakavel passieren machen.
nakavav vb. übertreffen, einholen, praes. sg. 3. nakavela. praet. sg. 2. nakaddn.
3. nakadoü. nakaddn. A gl. »r/A\
.nandri subst. m. Kamm, zai o pal p> o nandri es fliesst das ^^ asser über den Kamm.
nands, nandsu subst. m. Pathe, Täufling, Beistand, sg. acc. nanasns. — rum. ntnas.
ndne subst. m. lieber Mann. sg. voc. — Vgl. rum. nani. ältere Schwester, klruss.
neue Vater sg. voc.
7iany6, 'nangn adi. nackt, naudi f. griecli. navrio.
nas non erat aus na ,sas. \ gl. 2s.
nasfalo adi. schwach, krank, griech. nasfalo. slavon. nasvalo. engl, naflo. Vgl. nasul.
nasfal'ov vb. krank werden, praet. sg. 3. nasfdjTas aus nasfdTilas er ward krank.
nastdsa subst. f. Anastasia.
nasi'd adv. schlecht. Vgl. nasfalo.
nasidimas subst. m. Schlechtigkeit, via nasulimdstar von meiner Schlechtigkeit.
nasuUp} subst. m. Schlechtigkeit.
nas vb. fliehen, entfliehen, prajes. sg. 1. nasdu. 2. nas'ss. 3. nassl^ naUla. pl. 1. nasds.
3. nasin. impt. sg. 2. «a.s. impf. sg. 3. naUlds. praet. sg. 3. nasTöu, nasTds. pl. 3. näsle,
nasU. nas and o d7'im gehe aus dem Wege, griech. 'nasdva: engl, naser verlieren, weg-
schicken ist durch das Suffix ar transitiv gemacht.
naü V. anan.
nazdrövdnu, nszdrsvdnu subst. m. der Seher, pl. nazdrmdnuri. mornnklo nazdrsvdmi
Zauberperle.
negu subst. m. Warze. — ^ gl- rum. nedzel.
neguctoricT, subst. f. Kaufmannsfrau.
negucförv. neguctöri, negitcitor subst. m. Kaufmann, sg. dat. negucatoreste. — rum.
negocttorju.
negurd subst. Nebel. — rum. negurs.
nemerisar vb. treffen, praet. sg. 3, nemerisardds. — rum. nemeri.
nfci, nie adv. nicht, auch nicht, nicht einmal, mci zo ich werde nicht gehen, nie
t/ite na j ne tibi quidem est. nie vo na j katdr auch er ist nicht hier. tJte na chan nie
ek siru esset auch nicht ein Körnlein, nie — nie; nici na — ntci na weder — noch, griech.
ne — ne weder — noch, slavon. niei raziimisarau fuce ich verstehe dich nicht.
niste pron. indef. irgend ein. niste manüs. — rum. niste.
nivo adi. neu. griech. nev6.
no, nu interi. wohlan, nun.
norödu subst. m. Volk. — rum. norod.
niiviaj, nmndj, oiv.m adv. nur. — rum. numaj.
1 FkANZ MlKLOSlCIl.
m'msr, nnmero, numerö subst. m. Rechnung, Ziilil. — riim. numT,r.
nünta subst. f. IToohzeit. — nun. imnfb.
minUis subst. m. HocLzeitsgu^^v. [•!. nuntusa. — runi. uuntas.
nnsru subst. m. Wolke. — vuiu. luini.
■imleide subst. f. Hoffnung. — runi. nedezde.
riöfräma subst. f. — nun. ntfranit.
mjmi vb. dingen, pnies. sg. o. nöjm'da. — runi. ni>jmi.
rujmisar vb. dingen, praes. sg. 1. mjmisarö. impt. sg. 2. nöjralsar. praet. sg. 3.
mjmlsardüü, n-omlsardon, unjmisardds. pl. 3. mjmisarde. Vgl. nöjvii.
nymisardov vb. gedungen werden, praes. sg. 1. mjmisdjvo. praet. sg. 3. nyndsdjToü,
nsjmisdjTas.
mköz vb. sicJi plagen, praes. sg. 3. mk-ozü. — rum. neki/i.
mUi vb. geboren werden, reflex. praes. sg. 3. mstÜa pe er wird geboren.
nöslisardov vb. geboren werden, praet. sg. 3. mstisdjl'as. — rum. nask, ntskut.
mzsri vb. schimmern, reflexiv, praes. sg. 3. mzsrÜ pe. — rum. ntzri: ntz-breste un-
deutlicli 'Avie durch Strahlen wahrnehmen.
ndmuf subst. pl. Verwandte. — rum. nem, pl. nemuri.
o Artikel m. der. e f. die. o grast das Pferd, e, o werden häufig verwechselt. Die
obliquen Casus lauten le, la. griech. o. Vgl. lo.
0 num. f. eine, o hdnlca. — rum. o für una.
uare Partikel entspricht vor dem pron. kon, so dem Deutschen irgend : <tire so irgend
etwas. Vgl. vdre, vor. — rum. oare: oare kare jemand.
ohsördkii, osnrdku subst. m. Armer, voc. obssrdci. — rum. vgl. sT,rak.
ocendsu subst. m. Vaterunser. — asl. othce nash.
od/u, ocli m. ^Mutterleib, Herz, luorö odi. odhesko: raldö odMsko rum. kopil de suflet
Adoptivsohn, pl. ode, ude. griech. ogi m. f. Bauch, Seele, Herz, Muth, Wille. Vgl. di.
vodalo. serb. ogl Herz. engl, see Herz. arm. ogi, hogi Seele.
ögna subst. f. Bergwerk. — rum. okni..
ogöru subst. m. Saatfeld. — rum. ogoru Brachacker, serb. ugar.
ogrdda subst. f. Hof. — rum. ogradt.
6ka subst. Oka (türkisches Gewicht).
okdrn subst. f. Scham. — rum. okan^.
okjdna subst. f. die Oceana. sg. gen. okjandks.
okjdnu subst. ni. aVugenglas. — rum. oken.
ükolo subst. m. Umzäunung. — rum. okol.
okofe adv. doi-t. slavon. jokufe.
ol pl. des Artikels o: ol duj.
opräl a) adv. oben, hinauf, darüber, liocli. b) pracp. oberhalb: uprdl o gah oberhalb
des Dorfes, griech. oprdl.
opresko sul)st. in. Räuber. — klruss. oprysok.
I
ÜbEE die MuNDARl'EN UND Dil', WaNDEHUNGEN DBU ZiGEUNEB EuKOPA'S. V. 41
oprs, tqjrfj adv. hinauf, auf. opr6 iistlMs er stand auf, germanisii-end. oprä mösa mit
dem Gesieht naeh oben, grieeh. upr^.
or, uf', vor coni. oder, vur-cor entweder-oder. of'-of na.
orddl adv. dort, eigentlich: von hier. Vgl. orcU.
orde, urde, ordi adv. hieher. ah ordt, nrdi komme hieher.
67'tha, örta, vorta, vortlia adv. gerade aus. de a ortha, de örtha. — grieeh. opö-d.
Ortho vb. richten, lenken, impf. sg. 3. orthölas dirigirte. Vgl. ortha.
oslönu subst. m. Bank. — klruss. osJönok.
ospscie subst f. sn ospncte zu Gaste. — rum. ospiic.
oste, aaste subst. f. Heer. sg. gen. osttihkn. acc. jjeskd oste. — • rum. oastij.
osöbit: de ossbit adv. abgesondert. — rum. osebit.
otlidr adv. von dort, grieeh. otdr.
otlie, otM, oce, oct adv. doi't, dorthin, grieeh. ote.
päcks subst. f. Packet. — rum. paßki). klruss. pafka: deutsch Packet.
pahdro, pakdru subst. m. Becher, pl. pahära, pahdrn. — rum. p-bharu.
pai subst. m. Wasser, o p>ai, e pai. sg. gen. p>ojesko, pmjeskd: aviJds pajeskö kam um
Wasser, instr. p>aesa. pl. paje. gi-iech. pani, pl. panid. slavon. pajali Wassermelone lubenica.
pakdto subst. m. Sünde, pl. pakac, pizkici. — rum. ptkat.
pald, päla praep. hinter: tliola Ja pdia o kan er steckt sie (die Blume) hinter das
Ohr. pald j ritesele (er setzt sich) an den Tisch, eigentlich hinter den Tisch: slav. za stoli>.
ze pdla ma folge mir, eigentlich: gehe hinter mir. tu the chvtes pdla o kan springe hinter
dem Ohr hervor: slav. iz za, franz. de derriere. neben: pald Idti neben ihr, pal o uddr
neben der Thür. um: Tou les pald j kor nahm ihn um den Hals, umarmte ihn. gnTds tar
pald j mdrfa er gieng um die Waare. pald p>este phen (schickte) um seine Schwester,
nach, post: pml o ahm nach der Hochzeit. Slavisirend: za pdla mdnde heirate mich, do la
pald tvte ich werde sie dir zur Frau geben. Meine Syntax der slavischen Sprachen
Seite 410. 748. grieeh. paU.
paldl adv. hinteia, rückwärts, nach, eigentlich: von hinten, len les paläl werfet ihn
hinaus, grieeh. ijaldl.
palds subst. m. Säbel. — rum. palo§.
pdlma, pdlms subst. f. Handfläche, Spanne, sg. instr. ekhd jjahndsa mit einer Hand:
gleichbedeutend ist palmd. pl. instr. p>ahnmca. — rum. palmt.
p>alpale, p)alpali adv. rückwärts, zurück, wieder. Oft wii-d auch der Nebenaccent auf
der Anfangssilbe bezeichnet: pdlpale. grieeh. pdlpale.
pdltinu subst. m. Ahorn. — rum. paltin.
paTord subst. pl. Späne.
panaiti subst. m. Personenname.
pandav s. phandav.
pani num. fünf, grieeh. yaiic, pandz.
pdnzto num. fünfter, bis-thaj-pdnsio fünfundzwanzigster.
DenkschrifteQ der pliil.-hi?t. Cl. XXV. Bd. 6
42 FkaNZ MlKLOSIUH.
papin subst. f. Gans. sg. acc. papina. gen. papindko Gans-, instr. pdphi(Ua. pl. papirid.
griech. papin. slavon. papinako mas Gänsefleisch.
papuci, papncj subst. pl. Pantoffeln, selten papnk sg. — ruiu. pipuk, pl. pipuei.
pdra subst. f. Dampf. — klruss. para.
pardle subst. pl. Geld, eig. Para. — rum. pl. parale, sing, parao f.
paramici subst. Märchen, ungr. paramisi. — ngr. 7rapa[X'jv)-i.
parastuji, paraUni subst. Freitag, griecli. pnraskeoi. slavon. parasim. ungr. parasturi.
— ngr. irapaaxi'JTj.
parneli subst. Käse. Vgl. parnö.
parno adi. weiss, subst. Schimmel, griech. purnö.
parte subst. Theil, »Seite, trito pdrte ternesko der dritte Theil des Reiches, and ek
parte auf eine Seite, pl. pz7X'. — rum. parte, pl. p^rci.
puruclov aus paritvdov vb. sich verändern, praet. sg. 3. parudü'as.
paruv vb. wechseln, praet. sg. 3. parwids. griech. paruvdva, partic. paruvdö.
pas, pdsa Hälfte, halb, ek pas die Hälfte, ck pas hars ein halbes Jahr, ek jyas o (ein
das lialbe Reich, jjdsa fet Mitternacht, zi pe pdsa f-et bis gegen Mitternacht, slndds pas
er schnitt entzwei, griech. pas. jekpas, jekpds.
pasd, past praep. neben, bei, zu. pasd i rakli bei der Tochter, pasd kodö föru bei
jener Stadt, pas o pai am Wasser, pasd ma, pdsa mdnde bei mir. pdsa tu, pasd tu neben
dir. pdsa Idte neben ihr. p>asd peste, pdsa pesfe an sich, griech. pase.
pdsoka subst. halbe Oka.
pasov vb. sich nähern, praes. sg. 3. pasöl. praet. sg. 3. pasiTds. pl. 3. pasuli. gi-iech.
pds/ovava., partic. pdsilo.
pasvarü subst. m. Ribbe. griech. pasavru. serb. pasavro. aind. parsva. hind. pas. kurd.
pärsu. esset, fars.
pdto, putu subst. m. Bett, and o pjdtu, and e pdfu. — rum. patu.
patrin subst. f. Blatt, sg. instr. patrindsa^ patrinosa. pl. patrin. patre von patri. griech.
patrfn, pat?'?. patf, pat7' f.
pjata vb. glauben, praes. sg. 1. pafdü. 2. patds. pl. 2. pjatän. praet. sg. 3. patajöü
aus patanöü. griech. pakidva, partic. pakiano.
patu subst. Ehre, slavon. paciu.
patuvalo, patualö, pacualo adi. ehrlich, ehrenhaft, slavon. pacivalo.
pdvelo, pdvelu subst. m, Paul. sg. acc. pavlös.
pazurs subst. f. Adler, ek pdjo pahirdka ein Junges von einem Adler, o puj la pazordko.
— rum. pazuri.
pe praep. auf, bei, für, um. pe leste auf ihn. p' o pchiko auf die Schulter, p' o pni
auf dem Wasser, dorn pe trin hörbe ich gab für drei Worte, pe (d. i. p' e) niesele auf den
Tisch, zanen p o morö grast ihr wisset um mein Pferd, pe J Idicd auf die Bank, paj (d. i.
pe j) podeCia. auf der Brücke, paj (d. i. pe j) ferjdsta bei dem Fenster, p' o stdrto zum
vierten Mal. pe hat die Bedeutung: von, die sich nur aus der Bedeutung des Verbum
ergibt: vazdds p o sm-ö er hob vom Kopfe. iLsf/' // o pdto stehe vom Bette auf. pe e geht
in paj über: pa j dunere über die Donau. Gleichbedeutend mit pe scheint pe a: pe a
kodö drum auf diesem Wege, pe a bd/ma über den Sumpf, pe a läko naj von ihrem
Finger, pe a mesele vom Tische, jje a Idte von ihr. aswnde pe a Uste hörten von ihm. pe a
[ende, pe lendi auf sie. griech. opr^. Vgl.pre, woraus pe entstanden: vgl. auch i'um. pe und pre.
Übek die Mundarten und die Wanderungen der ZiftEUNUB Europa's. v. 43
pek vb. braten, praes. sg. 2. prkfi.f. pl. 1. pekäsa. 'i. pckin. praet. i^ekTöü. griecli.
Ijckdva, i)ekl6^ peku. Vgl. pcko.
pekjoo vb. gebraten werden, praet. sg. o. pekjUas. griech. pekiovava.
peku adi. gebraten, griech. pekii. A^gl. pek.
pene subst. pl. Keile. — mm. panT>.
per vb. fallen, sich legen, praes. sg. 1. perö. 3. perJa, perlä, jjeUl. pl. o. perna. inipt.
sg. 2. per. impf. sg. 3. pjerlas. praet. sg. 3. i^^^oü, peT(1.s, peles. pl. 3. peU, pdi. gi-iecli.
perdva, partic. pelö. bind, par-nä. aind. pat.
jyerina subst. f. Polster. — runi. perin-b.
peritvra subst. f. Krüppel. — ^ gl- i'um. peritorjü m. peritoare f.
petre, petri subst. m. Petrus, o ssn petre.i ^jei^r?'. sg. voc. petre. acc. petres, pc.trös.
petreci vb. begleiten, praes. sg. 3. petrecü. — rum. petrek.
petrlcisar vb. begleiten, praet. sg. 3. peAricisardön. Vgl. petreci.
phahdj subst. f. Apfel, selten hhahdj. pl. phahd.. o mirosv le phabmgo. griech. pahdi,
papdi, khapdi (d. i. chapdi). -^\. ptliahd. slavon. hahqj neben jj/tabali}!. un gr. p//al)ha. bülim.
jjchabaj.
phahar vb. brennen, verbrennen, anzünden, praes. sg. 1. phahnru, p>hahardü. 2. pha-
harss. 3. pliabarth pl. 2. phabarin. impt. sg. 2. pliabär. praet. sg. 1. pliabarJom. pl. 3.
für die 3. sg. phaharde, pJiabardl. nnd pliabardi Brantwein, wörtlich: gebrannter Wein.
phabardov vb. brennen neutr. praes. sg. 3. pliabdrdol,
phahelr)i subst. f. Apfelbaum. rovU pabelhmtor . griech. pahalin^ papaltn f.
phabov vb. brennen neutr. praes. sg. 3. pJtabuI. impf. sg. 3. p>]iab6las. praet. sg. 3.
phabiJöü, jjliabidds. pl. 3. phabuU. Man merke: na pliabö les ich verbrenne es nicht, slavon.
pahol brennen neutr. e jag pabol. Vgl. pliabar.
phadov vb. brechen neutr. Thema phagu gebrochen, praes. sg. 3. padol. praet, sg. 3.
padiToü wie pagiTöü. pagili: pagili e röata das Rad brach. Vgl. bandar^ bango und griech.
pdndovava, j^angFovava.
■pliag vb. brechen, verdei'ben trans. praes. sg. 1. phagdü. 2. p)hage. praet. sg. 2. pag-
Tun. 3. pagTüü, j^^x^g^'^s^ p)agJäs. griech. pang''iva, bangdva, pai'tic. po??r/(?o, banglö, bangö.
slavon. p)haclzel brechen.
pliago adi. gebrochen. p)}iadi lesti pltak gebrochen sind seine Flügel: phadi aus pJiagi-
Vgl. griecli. iJcingö, banqo.
phak subst. f. Flügel, pl. pliakd, pJiak. instr. phakmca. griech. pak., pl- pakd.
pliand vb. binden, praes. sg. 1. pdndaü. 2. pdndes, pliandes. pl. 3. pdnde.l le &\ifi pdn-
den le. impt. sg. 2. pltdnde, pdnde. impf. sg. 1. pandös. 3. pdndelas. partic. panglö. praet.
sg. 2. pxingTdn. 3. 2^'^^ngT6n, panglds. pl. 3. pangle. griech. panddva, banddva.
pliandadov : pandadov vb. gebunden, geschlossen werden, praes. sg. 3. pandddol. praet.
sg. 3. i^CLndagU'on er zog sich zusammen aus pandadiloü.
p)handaipi subst. m. Gefängniss. pandaipi von j)anda>\ griech. ba'dipe. slavon. johan-
dipe von phand.
pliandav: pandav vb. binden, verschliessen , einsperren, verstopfen, praes, sg, 1.
pandavdn, panda&ü. panddü. partic. p)andad<5. praet. sg. 3. pmidadoü, pandadds. pl. 3.
jjaiidadiU pandadh pandadl o pcd sie sperrten das Wasser ab. Für den inf. fhe pandan.
griech. pandäva, banddva. slavon. pandil bindet, pondavel graditi. Vgl. pltand.
^^ FkaN/, MlKLOSICH.
pharav vb. spalten, zerschlagen, zerstossen. praes. sg. 3. paravel In parauel-kast. impt.
sg. 2. parciü in paräü-ol-hav etwa Spaltestein, pardfi-kast Spaltebaum. impf. sg. 3. phara-
vclas er erschrak, praet. sg. 2. paraddn. 3. phamdöü, paraduü, paradds, pharadäs. pl. 3.
pharadS, p/iaradf. Unrichtig: pharnl rumpitur. griech. paravdva. slavon. paravel spalten,
pflügen. In paradiü Ja korahie er zerstörte «las Schiff scheint paradiü für paradoii zu stehen.
pharjov vb. platzen, bersten, praes. pl. l.pjharüvas aus pharjovas. pl. 3. pharom i\\v pharon
aus y?a?7ü?i. Impt. sg. 2. pharo aus pltarjov. praet. sg. 3. phariTou, pchandoü. griech. pdriovava.
pharö s,. hharö.
phen vb. sagen, praes. sg. 1. phendü, phenö. 2. phenes, phem, penes, pene. 3. phenel,
phenla, penel, penla. pl. 1. phenas. 3. phenen, pMnna. Impt. sg. 2. phe. pl. 2. phew'a. Impf,
sg. 3. penla><. pl. 3. phennas, pennas. praet. sg. 1. pendörn. 2. penddu. o. pendht, pendäs.
penddch Usko. pl. 3. ^j^nr//, penJf. ^encff, pliendi griech. pendva, bendva.
phen subst. f. Schwester, sg. voc. phme. acc. phe. pl. jjÄe/e, ^/«)>'. 2>^"^n. pl. p-henid
Mezz. griech. jo^», 6e», pl. penid.
phenori subst. f. Schwesterchen, demln.
js/ier vb. füllen, praes. sg. 1. phjerdü, phjero, perdü. 2. phere, pjere^ peres. 3. pherla.
pherl aus pAerel. pl. 3. pAervi aus pherin. impt. pl. 2. pere«. impf. pl. 3. pchjernas. praet.
sg. 2. pcherddn. 3. pherdöü, pherdds, pcherdd-^, pjerdds, perdoü, perdds. Le verbe bhar (bhr)
n a -plus d'autre sens dans les langues modernes que celul de „etre plein et rempllr-', il
en etait dejii de meme en mähärästri. Journal asiati«|ue VI. Serie. XX. 213. pnlkr. bhar.
sindh. bharanu. Trumpp Seite V. griech. perdva, partic. perdo.
pher vb. gehen, herumgehen ambulare. praes. sg. l. phjerdu, pjerdü. 1. pcMres, phjerts.^
pchjeres, pjercs, pjedes. 2>. phjerel, pchirü, psldel. pl. 1. phjerds, pcherdsa. 2. phjerm. o.pü'in.
impt. sg. 2. p)chjer, phjer, pchir. pl. 2. pchiren. impf. sg. 1. pcherös. 3. pchirlas^ pcUrlas^
pchjerlas. phjerTds für phjMas, pSrlas. praet. sg. 1. pchjerdöm, phjerdum, perdöm, pjerdom.
2, phjerddn. 3. phjerdöü, pherdöü, pcherdöü, pchjerdds, phjerdd.% pchjerdds. perdds. pirdds.
pl. 3. pkjerde, pcherde. partic. praes. pjerindöj. griech. pirdva, partic. i>/r(?o. slavon. pirau
herum o-ehen hodati. raAij ma ce phireimaski Ich freue mich über deinen Besuch, slavisirend.
e blähe phirnlmastar von vielem Gehen, böhm. pcMrav. engl, p'trel er geht hei-um.
pherav vb. führen, tragen, sg. 1. phjeravö, pchjeravdü. 2. phjeraves, pchjeraves. 3.
pjeravel, pjerdl: p>jeravel tük'o de grün gerit tui curam. phjeravela: kon phjeravela mord sabiesa
wer meinen Säbel schwingen wird. pl. 3. phjerdl U für phjerdn IL impt. sg. 2. pjerdu,
ptchird. Impf. sg. 3. phjeravelas e ihte er befehligte das Heer, praet. sg. 2. pjeraddii, pchi-
raddn. 3. pjeradds, pchjeradoü. griech. piravdva gehen machen, wegschicken, pherav ist
das Causale von p)her.
pherdö, pherdo, pcMrdo, perdo adv. voll, grlecli. perdö. slavon. pherdo, perdo.
pherdov vb. sich füllen, praes. sg. 3. perdul. praet. sg. 3. phcrddoü, pcMrdiTou, phjer-
dilöü, phjerdiTas, pchjerdiTas. griech. perdovava.
phinli subst. f. Witwe, rryz phiidi. sg. acc. phkde. griech. pivlO. böhm. pchivlo. engl.
pivlo, ' pivli.
pha subst. f. Erde, pbydks. la pjhuSti. Man merke phue: pe ne phue in das neunte
Land, tr/to phn. griech. puv, phuv, pfu'v, pu. slavon. phu, phujdko.
phnrd vb. blasen, praes. sg. 1. phurdö. impt. sg. 2. phürde. Impf. sg. 3. pnrdilas.
praet. sg. 3. pfirdon, phiirdds. griech. pdrdava, phiidava, pfi'tdava, püdava. slavon. phurdes
und purdau. phurdini Dudelsack.
Über dik Mundarten und die Wanderungen deh Zigeuneu Eurcpa'S, v. 45
phurd subst. Brücke, griecli. purt f. engl, pndge. kiinl pir. Lercli 152. Justi 28.
pira ßhea. pird zaz. Lerch 208. abktr. poretu.
phuri subst. f. Alte. sg. acc. plmre. gen. pharjdka. voe. phurr, pimri.
plmrimäta: puriindta subst. pl. Alter, k' ol purimdta im Alter. Vgl. griech. pu.rUx'.
phurö, phur/i subst. m. Greis, sg. acc. pliuris. gen. jikurnskö. griech. plmvd, puro. pßtro.
slavon. phnru.. jntripe Alter. Vgl. purane lovc- alte Münzen, engl, pnre.no ancient, old.
pch/kö, psikö, psikn subst. m. Schulter, pl. pchikL griec-li. />ik6, viko. liind. pith Rficken.
sind, puthi. kurd. pist. aind. prstha.
pl vb. trinken, saugen, praes. sg. 1. peit aus pij'to. 2. pes aus pijex. 3. pel^ p<Ua aus
pijel. pl. 1. ^jesY^ 2. ^^eji. 3. pen. impt. sg. 2. pl. pl. 2. /te». impf. pl. 3. ptaa-'^. praet. sg. 1.
piTöm. 3. piTöü, piMs. pl. 3. piU, piU. p/Fds äoci er trank die Brust, griech. pidva. slavon.
pijel, pd.
pimdta. subst. pl. Getränke. ^ gl. gi'iech. pibc.
pipl vb. tasten, impf. sg. 3. pip'ilas. — rum. pipti.
pipisar vb. tasten, praet. sg. 3. plphardöu, pipisardds. V^gl. pipi.
piramnt subst. f. Gellebte. Vgl. p/'ramnö.
piramnö subst. m. Liebhaber, sg. acc. piramnes. Vgl. griech. pirlavdva verführen,
engl, pirriinn Lei. 215. pireno.
piri subst. f. Topf. pl. jnre. griech. p'nd.
piroska subst. f. Piroge. pl. pirostl. — russ. piirog'B.
pistöla subst. m. Pistole. — i-um. pistol.
pisom, pisÖH subst. Floh, griech. pnmm m.
piv subst. f. Stampfe, o hro la pivdko Kopf der Stampfmaschine.
pnvnica subst. f. Keller. — rum. pivnicB. ungr. pinca.
plaj subst. m. Berg, plajesko Berg-, pl. plaje, pldje. pe bhare pldje übei- grosse Berge.
Vgl. pl. plajind. — rum. plaj.
plevje subst. Spreu. — rum. plevB.
plezni vb. bersten, praes. sg. 3. plezml. praet. sg. 3. pUmds o cerku, es barst der
Reif: eine abweichende Art der Bildung des praet. — rum. plesni.
plopu subst. m. Pappel. — rum. plop.
plügu subst. m. Pflug. — rum. plug.
pbtmb/i, pdiimb subst. m. Blei. sg. instr. plumbösa. — rum. plumbu.
pA'dntro, pTontro subst. m. Stockwerk, pl. pTihituri^ pTvntuf'. — kli'uss. pToiitro aus pol.
piatro, pitjtro.
po pron. sich. Im nom. nicht vorkommend, sg. gen. pt'sko, peskd, peska: aviTds kaj
pesko khüv er kam zu seinem Hause, kaj o pesko grast zu seinem Pferde, pp.skö dadeskd
seinem Vater, o sBrö peska rakUsko das Haupt seines Sohnes, acc. peska rakle seine Toch-
tei-. dat. peska ddks seiner Mutter, peska ddsa mit seiner Mutter, sg. dat. peste, pesti zu
sich, kaj peste aidin in seinem P'alast. kaj pesti phen zu seiner Schwester, sg. instr. pesa
mit sich. pl. gen. pengo, pengn: line pengz, sie nahmen sich, für sich, kzrde pengn jag sie
machten sich ein Feuer an. r/sZf kaj pengo dad sie giengen zu ihrem (suus) Vater, gde
tar pengö sie giengen fort, po suus als sg. acc. findet sich slavon.: the vazdel po telo ut
reficiat suum corpus. Daselbst kommt der sg. acc. pes se vor: brijel pes tondet se neben
mesü pe miscet se: letzteres ist die gewöhnliche Form.
46 FbANZ MlKLOSICH.
po praep. distributiv, po 2>o»c je fünf, /in 7.' grast je ein I'ford. po 'k cnra jedesmal
ein wenig, po ck su'u jedesmal ein Kiindcin. — slav. po.
piJatc adv. vielleicht. — mun. poate.
podä)i subst. m. Untertlian. — klriiss. ])dddanyj.
pöde snbst. pl. Schösse. — runi. jkmIu.
podeüa subst. Fussboden. pl. podele. — rum. podu.
2)odi.'>ar vb. Schuhe anziehen, praes. sg. 2. podisai'e. praet. sg. 3. pndi-mrdov. —
ü'i'ieoh. ÜTto^so).
podisardov vb. sich beschuhen, impt. sg. ^.podisdv aus pudixarduv. j^raet. sg. ?>. podisdjTas.
pödu subst. m. Boden. Brücke, o ssro le podösko der Brückenkopf. — - rum. podu.
poßi vb. bitten, praes. sg. 1. j/offm, Jiofti. 3. poftilu. — rum. pofti.
poftisar vb. bitten, praes. sg. 1. poftisai-äp (aus poftisardv) tu. impt. sg. 2. poftisdr.
praet. sg. 3. poftisardus. \ gl. poftl.
pojäna subst; f. Wiese, Wäldchen, Gestrüpp. — rum. poen'L.
pojanvcs subst. f. Wiese, demin. ^ gl. pojdna.
pokojöva, pokojovd subst. f. Stubeinnädchen. — pol. pokojoAva. klruss. pokojovka.
pokida subst. f. Busse. — klruss. pokuta.
pokutujl vb. büssen. praes. sg. 1. pokutitjin. — klruss. pokiituju.
pjoleim'i adi. poliert, blank, poleim? somnakdsa. — rum. polei.
polonikv. subst. m. Scliöpflöffel. pl. pKilonici. — rum. poloniku. klruss. pol'onyk.
pohibökf/ subst. m. Fass. e pohd)<5kii. pl. poluboci. — rum. polubok.
pi>}vmesko subst m. Scliüssel. — klruss. poJumysok.
poTuvdne subst. Jagd. — klruss. pol'ovane.
pomdnn subst. f. Almosen. — rum. pomanT>.
pomcni vb. gedenken, praes. sg. 3. pnmenila, pomtnÜ. — rum. pomeni.
pomenisar vb. gedenken, erwähnen, praes. sg. 2. pomenisare. Vgl. pomeni.
2)ömv subst. m. Obstbaum. — rum. pomu.
2)om6tu subst. m. Obstgarten. — rum. pomet.
jwnrö, pjnmö subst. m. Fuss. sg. instr. psnrßsa, 2)5>if)rssa. abl. psnrsstar. pl. 2}ö]>rs.^ selten
ponr6. instr. pöiirrincn. abl. pönr6)idnr. griech. pinrö^ pirno, piro, pindo. slavon. pondro,
piiro. serb. j)ir(' pl. engl, piro, pl. p/;7% ^j/ro.v. aiud. pada.
2)62)a subst. m. Pfaffe. — rum. popt.
jjo2)dsu subst. m. Abfütterung. — rum. popas Raststation.
popasdsar vb. rasten, praet. pl. 3. 2'opos3.tarJi. Vgl. 2iopdsu.
popri vb. aufhalten, sperren, verbieten, praes. sg. 1. popriu. — rum. popri.
poprimi adi. gesperrt (vom \^'asser). Vgl. jKqyri.
2)02yrisor vb. aufhalten, sperren, verbieten, praet. sg. 3. jjoprisardöf'f. pl. 3. poprisarde.
Vgl. jjipri.
poravdö adi. offen, gi-iech. pxiravdo, partic. von p>oravdva. und jj/?/ro.
por^ subst. Schweif, sg. insti-. puresa. lap tu- 2)orjetar ich nehme dich beim Schweife.
griech. poi-/ f.
p)orf subst. f. Feder, o por. sg. abl. porjdtar: Indildds la porjdtar er ergritt' sie bei
der Fedei'. kurd. per.
porik subst. Zwetschke, griech. por/k m. getrocknete Weinbeere. — ngriech. "(opixov.
porizmi subst. m. Reiter, slav. reseto. griech. ^-'O'mew.
Über diu Mundarten und die Wandekungen der Zigeuner Eukopa'S. v. 47
porkdr, purkär subst. m. Schweinehirt. — rum. purkarjü.
pornisardoü vb. sich erheben, sich auf den Weg begeben, aufbrechen, sich anschicken,
praet. sg. 3. pornisäjToü, pornisdjTas. — rum. porni bewegen.
porönka, pormika subst. f. BefeliL ■ — rum. porunki,.
porta, poarta subst. f. Thor. — rum. pcartia.
portica subst. f. Pförtchen, deniin.
porunci vb. befehlen, praes. sg. 2. poriuicis. — rum. porunci.
poruncisar vb. befehlen, praet. sg. 3. poruncisardöü, porimcisardäs. Vgl. porunci.
posÖDi subst. Wolle, pl. poSom/r. griech. posöin f., pl. posomd. slavon. o posom. poso-
mdlo wollig.
post subst. f. Meile. — rum. postt.
postin subst. Pelz, griech. postin m. Jiind. postin.
potikmsa7'dov vb. stolpern, praet. sg. 2. potiknisdjFan. 3. potiknisdjToü. — rum. potikni.
potin vb. zahlen, praes. sg. 1. potino. praet. sg. 2. potinddn. 3. potindoü, potindäs.
Reflexiv: sich von einer Schuld befreien, slavon. poclnau, pocin. — Vgl. rum. plijti.
potöpu subst. m. Sündfluth. — rum. potopu.
potrdvka subst. f. Eingemachtes. — - klruss. potravka.
potrivisar vb. besiegen, praes. sg. 1. potrivisaro. — rum. potrivi.
povecUnka subst. f. Sprichwort. — Aus dem Slav. povedati.
prdgo, prdgu subst. m. Schwelle. — rum. pragu.
pracho vb. vergraben, praes. sg. 2. prachös. ■ — Vgl. griech. )(0)vvüvat.
prachome adi. begraben. Vgl. pracho.
prachosar vb. begraben, praes. sg. 1. prachosaro. praet. sg. 1. prachosardöm. 3. pra-
chosardöü, prachosardds . pl. 3. prachosarde. Vgl. pracho.
prachosardov vb. begraben werden, versinken, praet. sg. 3. prachosdjToü.
pral subst. m. Bruder, sg. voc. prdla, selten prald, acc. praUs. gen. praUsko. instr.
prale. pl. pr^al. acc. praUn. instr. phralenca. voc. praldle. griech. pral. plal. slavon. phrala,
pral. engl, pal, pl. pah.
prasta vb. laufen, eilen, reiten, praes. sg. 1. prasfö, prdsto. impt. sg. 2. prdste. impf,
pl. o. prastenlas, richtig p>rastenas. praet. sg. \. prastajöra. 3. prastaFöu, prastajöü, prastajds.
griech. prastav. slavon. prastal. böhm. prastav, praet. prastandiTom.
prdzinkn subst. m. Todtenmahl, Mahlzeit. — rum. praznik Fest.
pre praep. auf. snkli pre mändi steige auf mich, pre man auf micli. fas la pi'e pesfe
nahm sie auf sich, pre ma über mich, von: pre tdte, tüte pre tu, von dir. pre a: pre a
mdnde auf mich, pre a peste auf sich, von sich, pj'e a Idte von ihr. griech. opre. slavon.
tho vas pre lest lege die Hand auf ihn. Vgl. pe.
pre adv. sehr, zu sehr, slavon. preja. — slav. pre, auch im rum. prelarg u. s. w.
prekrdsna adi. die sehr schöne. — asl. pi'ekrasbn-B.
premintdn adi. frisch. — Vgl. nun. premeni die Kleider wechseln.
prepeTdko subst. m. kleiderstockähnliche Vorrichtung. — klruss. prypylaka Krahn-
balken.
preiimbldre subst. f. Spaziergang. — rum. umbiu, "bmblu.
priincn subst. f. Treue. — rum. priincB vom aslov. prijati.
prijmi vb. aufnehmen, praes. sg. 1. prijmtp (prijrniv) tiimi excipiam vos. 3. pi'ijmüa,
primüa. impt. pl. 2. prijmma ma nehmet mich. impf. sg. 3. prijmüas. — rum. primi.
^o Franz Miklosich.
prijmisar vb. aufnehmen, praes. sg. prijmisaro. 2. prijmisare. impt; sg. 2. prijmisdr.
praet. sg. 3. prijmi.-^ardöü, prijmisar das. pl. 3. prijmisarcJe. Vgl. /jrijn/.
prinzan, prindzan vb. erkennen, praes. sg. 1. prinzandü, prinznno. '2. prinianes,
prinzane, prindzenes. 3. prinzanel. impt. .sg. 2. printan, prindzan. impf. sg. 1. prinzanös.
2. prinzaiids. o. prinzanelas. praet. sg. 3. prinzandöü, prindiandds. pl. 3. ];)rindM.nde,
prinzarde. griecli. pindzardva, pincardva. slavon. pindSari du kennst.
prinzandov vb. erkannt werden, praes. sg. 3. prinzendöl. impf. sg. 3. prinzendulas.
priponisar vb. anbinden, praet. sg. 3. priponisardds. pl. 3. j^riponimrde. — rum. priponi.
prispa subst. f. Wall. — rus.s. prispa.
pristinisar vb. einwilligen, praet. sg. 3. pnstinisardoü, pristinisarddH. — Vgl. pristsni.
pristmi vb. zustehen, praes. sg. 3. imstsniL — asl. pristanij,.
prohdusar vb. versuchen, praes. sg. 1. pi7^öboIusarn, p)robdusar6. pl. 1. p>röh5hisards.
impt. sg. 2. xjrzhdtisdr, prsbulosdr. — rum. prob-blui.
pronddri subst. m. Bett des Baches. — rum. prund Sand.
propsdimi adi. zu Grande gerichtet. — rum. priptdi.
propsdisardov vb. zu Grunde gehen, praet. sg. 3. propödiwjTuü. — rum. pr'bp'&di.
prösjistti adi. frisch. — i'um. proaspet.
prost adi. gemein, strdjuri ol prost gemeine Kleider. — i-um. prost.
prnha subst. f. Probe. — rum. probi..
lirösi vb. jäten, häundeln d. i. mit der Haue das Unkraut entfernen, praes. sg. 3.
prdsfjl. — Vgl. nsl. praSiti das Feld brachen.
p7'dsisar vb. jäten, praet. sg. 3. prösisardds. Vgl. prssi.
prazina subst. f. Ruthe. la prszünd mit der Ruthe. — rum. pr^dzint.
pucui vb. putzen, praes. sg. 3. pucuüa. — Auf das deutsche putzen zurückzuführen.
pucuisar vb. putzen, praet. sg. 3. pucuisardöu, pucuisardds. Vgl. pucui.
ptlchu subst. m. Dunst. — klruss. puch.
piij, jj/ijo, pdju subst. m. Junges, sg. instr. le pujosa. pl. pdii. jjui. acc. pujnvfn.
— rum. puj.
pujsor subst. m. Küchlein, demin. — rum. puisoru.
pursukd subst. pl. Brosamen. — arm. phsrankh pl. Brosamen, psrel zerstossen.
pusMje subst. f. Leerheit. — rum. pustie.
pnstfßi adi. leer mit anlm. o k]iT,r o pust/o. — rum. pustiu.
pusöf!, jJuseff subst. f. Tasche, Schooss. böhm. positi. slavon. e poski.
pus vb. fragen, verlangen, praes. sg. 1. pusdü, pus'6. 2. /msg*-. 3. j:)?<55/a, pussl.
pl. 3. pnsena, jmsma, pusm. impt. sg. 2. pn.s. impf. sg. 3. pmsßlas. praet. sg. 1. pusTöm.
2. ptisFun. 3. pusloü, pusTds. ptisTdeh h's. pl. 3. pn.^e^ jvisien. griech. pucdva., pacdva.
slavon. p/iuces du fragst, pticel.
jmska, piisks, pusks subst. f. Flinte, sg. acc. puskd. das la pnsks la graznc er erschoss
die Stute, na de ma puskS erschiesse mich nicht, griech. pnski. — rum. pusk-B.
'puskdsu.1 p)uskds subst. m. Schütze, pl. puskdsa. — rum. puskas.
2^ntrr vb. öffnen, losbinden, impt. sg. 2. püter. impf. sg. 3. putrüas. praet. sg. 3.
puterdun, ptiterdds. pl. ;). jtnterde, puterdi. griecii. pnträva. partic. putcrdö. slavon. pvta-
rav, putrait.
■ pnterdov vb. sich öffnen, praes. sg. 3. puterdol. pl. o. puterdon aus putSrdon, puterdoven.
praet. sg. 3. puterdeToü, puotordeJoü, putsrdelu.
Ubkr die Mundarten und dik Wanderungen der Zigeuner Btjropa's. y. 49
putere subst. f. Kraft. — rum. putere.
jjscssar vb. leiden, praet. sg. 1. pscdsardöm. 2. pnoisardds. pl. 3. pBcssardf. — rum. pici.
pnd'urjdca, padurecd^ psdiirtco subst, f. wilder Apfel, pl. paditrecs, psdm'ec. — rum.
p'hdurec m. ptdurecL f. adi.
p)ögdi subst. pl. Menschenfresser. — rum. p:&g'Bn Heide.
pskla subst. Hülle. — asl. ptklt: rum. ist ptkli) Dampf.
jyskstui vb. büssen. praes. sg. 2. pskötuLs. — rum. ptlcbtui sündigen.
psnzdjimi adi. trübe, eigentlicli: mit Spinnewebe umzogen, — Vgl. rum. paindzint
Spinne aus aslov. pajacina.
pzpörüga subst. f, Schmetterling. — bulg. piperugi).
p5r, por subst. Darm, Baucli. pl. pord. griech. pei\ por, pol, bor m. slavon. por Bauch,
bühm. ^jer.
pzrete, parete, jparite subst. Wand, o, e p^rete. pl. j}üreci. — rum, pOjrete,
psrete subst. Paar, — rum, ptrek'b, pl. ptreki.
2)dri vb. klagen, praes. sg. 1. pzriü. — rum. pi)ri>.
imrlogu subst. m. Die Bedeutung konnte nicht genau festgestellt werden: es scheint
, Sprung' zu bedeuten.
pjörm, psrdo subst, m. Bach, bessar. pyryu. slavon. prrovo. — rum. pijrBu.
pös vb. sich kümmern, mdngs na posßl es kümmert mich niclit. so pssßl tükof was
kümmert es dich? — rum. ^asi, impers.
psssladj m. Deutscher. Dunklen Ursprungs.
2)ssti vb. weiden, hüten, praes, sg, 2, pdstis. 3, postil. impf, sg, 3. pnstilas (le haltn).
pdstiTach (richtig: pmtüacli) (le balenj, pl. 3. pdstinas pascebantur. inf. abweichend: gnfoü
postin er gieng weiden. — rum. pasku, pastere.
psstisar vb. weiden, hüten, praes. sg. 2, pdstisare. impt. sg, 2, psstisdr. Vgl. pssti.
pszi vb, hüten, praes. sg. 3. j^özüa, pmzfd. — rum. piizi.
p)5Z5sar vb. hüten, praes. sg, 1, p^zssarö. 2. pöZösare. impt. sg. 2. pözssdr. praet. sg.
2. j)öZ3sardän. 3, pazssardds, j^szssardöü. pl, 3. pszösavdL Vgl. püzi.
R.
räca subst. f, Ente. — rum, ract,
raj subst, m, Paradies. ^ rum, raju.
raj, rdju subst. m, Herr, sg, voe. rdja^ ''"(i-j^, f'^j^i '>'tiji- ace. 7-as. gen. rdsk5. instr.
rdsa. pl. J'ajY, raj. voc. rdle. acc. ran. griech. raj, pl. rajd.
raji subst. f. Frau. sg. voc. rajt. acc. rdje, raje: las raje nahm eine Frau. gen.
rajdkd. instr. rajdsa. griech. rdnni.
rajikanö adi. herrschaftlich.
rajimds subst. m. Herrlichkeit, te rajimds deine Herrlichkeit, na^s te rajimdsks Dank
dir, eig. Dank deiner Herrlichkeit, wie im Rum.
rajorö subst. m. Herrchen, demin. von r«;'.
rak s. arak.
raktje, racije subst. f. Schnaps. — rum. rakie.
raklt subst. f. Mädchen, Tochter, Magd. sg. voc, rakle. acc. rakle. gen. rakTdkd. instr.
rakldsa. j)l. rakle. acc. rakldn. gen. rakl'dngo. griech. rak//.
Denkschriften Jer pliil -lü-t. Cl. XXV. fed. 7
50
FkaNZ MlKI.OSICH.
raJdo subst. in. Knabe, Sohn, Bursche, Räuber: serb. junak. acc. raklos, rakUs. gen.
raklhkn. voc. rakle. pl. rakl6, raklt. voc. rakldle. griech. raklö.
raklorö subst. m. Knabe, Sohn, Kind. sg. acc. raklorös^ raklorss. gen. raklorisks, raklorssko.
dat. raklor6f!tt'. pl. raklorö^ raklorn. raklön. voc. raklordle. acc. raklorsn. griech. raklorö.
raklori subst. f. Mädchen, sg. acc. kodolä raklord dieses Mädchen, griech. raklori.
rdko, rak subst. m. Krebs, sg. acc. rakös. pl. rrf«, rac;'. acc. racm. — runi. rak.
ran subst. Pfeifenrohr, grieoh. ran Stab m. engl, ran., pl. ranior.
rax>örto subst. m. Rapport.
m,?q;' subst. m. Priester, sg. acc. rasds. instr. rasdsa. griech. rasdj.
rat subst. m. Blut. sg. abl. ratestar. griech. ratt.
rafalö adl. blutig, griech. raftralö. .
ratar vb. tibernachten, praes. sg. 1. rataräü. pl. 1. rafards. 3. ratarnn. impt. sg. 2.
rafdr. praet. sg. 1. ratardöni. 3. rntardoü, ratardds. pl. 3. ratardi^ ratardi. Vgl ?^e«.
ratardov vb. übernachten, praet. sg. 3. ratiTöü, ratifds, ratiles. Vgl. ^e/.
regmani subst. m. pl. Ein dunkles Wort. In dem Märchen v^^ird erzählt: Ein Vogel
findet zwei Weizenähren, setzt sich auf einen Acker nieder, eine Maus entreisst ihm eine
Ähre, worauf der Vogel sagt: Warum hast du mir eine Ähre genommen? Ich habe
sie von weiter Ferne gebracht und soll sie mitten in die Wasser tragen und sie bei
den Reo-manen niederlassen: the mekdu les k' ol regmani, denn ich bin verpflichtet all-
jährlich zwei Ähren zu bringen. Man denkt dabei an russ. rachmannyj friedlich, das
auch im klruss. vorkömmt. Einige bringen rachmannyj mit den Brahmanen in Verbin-
duno-. Mau vgl. das klruss. Sprichwort: na Jura-Ivana, na rachmanSkyj veJykden.
repedüs adv. schnell. — rum. repede adv.
rig: mkrfg adv. abgesondert. Vgl. griech. rik m. Seite, böhm. rik f., pl. rikd. russ.
odorik hieher, dorthin. Vgl. krig.
risö svibst. m. Bär. sg. acc. riMs. Vgl. griech. ricini f.
rizni subst. f. Bärin, sg. acc. rizne. griech. ricini. engl, icicl. osset. ars Bär. kurd.
hirc. herc Rhea. 1/irc Lerch 91. arm. arg. liind. rieh, sindh, richu. aind. rksa.
riMta, rata subst. f. Rad. slavon. hrota, rota. — rum. i-oatt.
roho, robu subst. m. Sklave, Knecht. — i'um. robu.
rod vb. schauen, suchen, praes. sg. 1. roddü, rodo. 2. nkles., rodes. 3. rödel. pl. 1.
rndas, roddsa. 2. roden. 3. rödeji, roden, impt. sg. rode, rödi. praet. sg. 1. rodom. 2. roddn.
3. rudöu, rodds. pl. 3. rodi, rode, griech. rödava, partic. rodino. serb. roddv. slavon. 7^oddu.
engl, rodra.
roj subst. Löffel, pl. roje. griech. roj f., pl. rrijd. slavon. e 7'oji. serb. roji.
rökija, röklje subst. f. Unterrock, Kleid. — rum. rokie.
rom subst. m. Mann, Gatte, sg. acc. rome's. voc. roma, romd. griech. ro?«, pl. romd.
Vel. kurd. romi ein Kurdenstamm. Lerch 148.
romanes adv. zigeunerisch, griech. romanes.
römano subst. m. Kamille. — rum. i-oman.
romano subst. m. Ortsname.
romendiri adi. Zigeuner—. gi-i<M'h. etwa romengoro. pl. romengere.
romni subst. f. Weib. sg. acc. romne. voc. 7'ovmi, romne. gen. romndkd. griech. romni.
romuro subst. m. Männchen, demin. von rom.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eüropa'S. v. 51
rov vb. weinen, praes. sg. 1. roväü, rovu. 2. roves. 3. rovel. pl. 3. 7'oven. impf. sg. 3.
rovelas. praet. sg. 3. rujöü, rujaü. partic. praes. rovindöj. inf. astardoü the rovel er fing
an zu weinen. griecJi. rovdva, partic. ruvno, riimnö.
rovU, roüU subst. f. Stock, Ruthe. sg. aec. rovle. instr. rovlesa. rovle. pl. r?(.vlr.
griech. ruvU.
ru, ruü subst. m. Wolf. sg. acc. ruves. griech. ruv, pl. ruvä. serb. ruf. siavon. ruv, rii.
rudi vb. bitten, reflexiv, praes. sg. 1. rndi ma tvkn ich bitte dich. asl. moljfi ti s§.
Dieselbe Verbindung im Rum. pl. 3. rudm pe. — rum. reg, rugare.
rudisar vb. bitten, impt. sg. 2. rudisar. praet. sg. 1. rudisardöm. 3. rudisardds. Vgl. rudi.
rudisardov vb. bitten, praet. sg. 3. rudisdjhü, riidisdjTas. pl. 3. rudisajle. Das pass.
erklärt sich aus dem reflexiven rum. rog. Das Verbum wird mit dem dat. construirt:
riidisdjTas lengs ■ er bat sie.
rup subst. Silber, griech. rnp ni.
rupunu.^ rupunü adi. silbern, griech. rupovanö.
rusvh. böse werden, impf. pl. 3. rusmlas für ruUnas: ol huti mi rusmlas die Arbeiter
(eig. Arbeiten) wurden böse: 'm^ ist mir dunkel, ungr. rusel er zürnt, rusto erzürnt, böhm.
man rusav ich zürne, skand. rosto zornig, aind. rus, ru^ zürnen, rusta zornig.
rida-mdko subst. m. Mohnblüthe: ein Compositum, in dem man die umgekehrte
Ordnung der Glieder erwartet.
riizinimi adi. verrostet. — rum. rudzini.
rsbdi vb. dulden, praes. sg. 2. rshdis. impf. sg. 3. röbdüas. — rum. i-tbd.
rdbdisar vb. dulden, impt. sg. 2. rshdisdr. siavon. rdisdro geduldig. Vgl. rnhdi.
rnhdisardov vb. ertragen, praet. sg.3. rshdisdjToü. Vgl. rdhdi.
röbui vb. rauben, praes. pl. 3. röbum. — rum. ri.bui. klruss. rabovaty vom
deutschen rauben.
Töcij subst. f. Pech, smpardtu la, le rscrjdko der Kaiser des Pechs. — Vgl. rum. risin'B.
rsdscina subst. f. Wurzel. — rum. r^dtcin^B.
röMfa, roMta^ rstita subst. f. Weide, sg. gen. rnkitdko. — rum. ri.kit'b, rokita.
rökuare subst. Irische Luft. — rum. rtkoare f.
röl subst. Furz, das ml er furzte, griech. 7"äl, rür^ ül. är f. böhm. ril f.
römssdgu subst. m. Wette. — rum. r-Bm-bsag.
7'snd, rfmdu subst. m. Reihe, ^je rönd, de a rmidu der Reihe nach. pl. rßudnrL — rum. ri,nd.
rnpnzi vb. vorwärts gehen, impf. sg. 3. rqjszüas o vurdon. — rum. r'Bped, ri-pezire.
rspszssardov vb. sich aufrafi'en. praet. sg. 3. ropunsdjTou. Vgl. *röpözösar. rsj)5zi.
rds s. ar^s.
rsstinisar vb. kreuzigen, praet. pl. 3. röstinisarde. — rum. rtstigni.
rdS5p»i vb. zerstören, praes. pl. 3. rösspina pi sie zerfallen. — rum. rtsipi.
rdsspisardov vb. sich zerbröckeln, praet. sg. 3. rzsqnsdßas. Vgl. rasüpL
rstöcisardov vb. sich verirren, praet. sg. 1. rstncisdjTom. 3. rntöcisdjfox. pl. o. röiücisdjli.
— rum. a s'B rtttci.
rtzböjniko, rnzbojniku subst. m. Räuber, ^l. rszböjnici. — rum. r'Bzbujniku.
riznica subst. f. Mühlstein, sg. gen. rdznicako. — klruss. zorno.
fet. ret subst. f. Nacht, rafdks, rafdko, rafdka Nachts, Abends. ratU e rati, a rati.
a fet Nachts, Abends, zi rati bis Abends, and ek rafi in einer Nacht, last rati guten
Abend, pl. rate, griech. ratt; aratt'i des Nachts, siavon. rjat. araci gestern, hind. rat. t.
RO Franz Miklosich.
s.
sdbija, säbie, sdbdija, sdbdic, mbdie subst. f. Säbel, sg. instr. sab/f'sa. — riim. sabie.
sahärio, zahdru subst. in. Zucker. — rum. z-bhar.
sokörskij subst. m. Personenname. — Vom rum. sak, daher etwa saccularius.
salavdr subst. m. Zügel, sg. abl. salavarestar. griech, sulivdri, suvdr, mvär. slavon,
pl. salivarja. Vgl. asvc'tr.
sdma subst. f. Rechenschaft, Acht, vie da sdnia icli werde es verantworten. Mi sdma
er gab Acht, bemerkte, ihe les sdma gib Acht, säma na ilwven sie geben nicht Aclit. Tas
pe sdma sie versicherte sich durch Umschauen. — rum. sam^B. magy. szilm.
sano7'6 adi. dünn. sg. instr. sanoHsa, demin. griech. sanno. slavon. sano.
saorö, sanrö, sdüro, sorö pron. aller, ganz. saür6, soro des den ganzen Tag. sorö fet die
o-anze Nacht, pl. saürn, sdürs. sdwn khsr alle Häuser, acc. saurtn. saordng^ unter alle,
o-riech. sdvore, sdore, sarö u. s. w. sindh. sabhu. bind. sab. aind. sarva. vgl. se.
sap subst. m. Schlange, sapesfe. pl. mp. griech. sap.
sdpa subst. f. Haue. — rum. sapt.
sapuj('sa m. Seife, sg. instr. — rum. soponü.
sajmnf') adi. Schlangen-, ol murte ol sapuni Schlangenhäute.
sar adv. wie, als: interrogativ und relativ, de sar coni. seit. Nach Comparativen: quam,
wofür auch de sar und dekdt steht, griech. sar.
sasoi, sasid subst. f. Schwiegermutter, sg. acc. sasuje. griech. sasi'il, sasüi, sasüi.
sdster, sastri, sdstri subst. m. Eisen, Ketten, Fussfesseln der Pferde, pl. sdstra. griech.
sasM, sastir, saster, sastir m.
sastö: saste vestö gesund, griech. sastö, sastö.
sdsfro subst. m. Schwiegervater, sg. acc. sastrns. griech. sastro, sasrö.
sastrunö adi. eisern, koa kliör o sastruni zum eisernen Haus.
sasfar vb. heilen, praet. sg. 1. sastardöm. Thema: sastö.
sastov vb. gesund, geheilt werden, praet. sg. 3. sastUoü. griech. sdstovava.
sdvato subst. m. Samstag. Vgl. smibsts.
savo pron. welcher, savö cjurd welcher Ochs, pe savö drum welches Weges, fiesavö
jeder, wer immer: rum. fie es mag sein, vörsavo jeder, griech. savö.
se, selten sa, adi. aller, ganz, se j öste das ganze Heer, se j Bukovina ganz Bukowina.
se j Urne die ganze Welt, se o föro die ganze Stadt, adv. immer, se de jek rum. tot
de una. Vgl. saorö.
.seceri vb. schneiden. Für den inf. the secerin zu schneiden. — rum. secer.
sedzetesar vb. mit dem Pfeile treffen, praet. sg. 3. sedzetesardds. — rum. s-Bdzet vb.
sedzjdta subst. f. Pfeil, pl. sedzets. griech. saifa. bessar. syzaty. — rum. si-dzetT..
sekav vb. zeigen, lehren, gewöhnen, praes. sg. 1. sekdü, sökavdü, sekavdü. sekavdp
(aus- sekavdv) tukö ich zeige dir. 2. sekaves. pl. 3. sekarcn. impt. sg. 2. sökd. partic. sekadö:
na j sekadi sie ist nicht gewohnt, bisekadö ungezähmt. praet. sg. 3. sekadds. pl. 3. sekadi.
gi-iech. sikdva, sikardva. slavon. sikavau lehren. Vgl. sdov.
sekom adi. jeder, and e sekom fet in jeder Nacht, s^kom felu allerlei, sekon des täg-
lich, ungr. böhm. sako.
sekrij subst. m. Kasten, Sarg. — rum. sikriu.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eueopa's. v. 53
sekrijes subst. Kästchen, demin. von sekrlj.
semeni vb. säen, praes. sg. 2. semenis. impt. pl. 2. sememn. — rum. semi.n.
semenisar vb. säen, praes. pl. 1. semenisards: the semerüsardch les. impf. sg. 1. semeni-
farös. praet. sg. 3. semenisardoü^ semenisardds. pl. 3. semenisar de. Vgl. semeni.
semenisardov vb. gesäet werden, praet. sg. 3. semenisdjTas. Vgl. semeni.
semnu subst. m. Zeichen, pl. semne. — riim. semnii.
sen adi. heilig. S3n, sem pStri der heilige Petrus. Vgl. ssn und magy. szent.
sefov vb. lernen, praes. sg. 3. setol. praet. sg. 3. sitiloü., sicihm, sitiras, setihis aus
sikfiTöü u. s. w. griech. sikfovava. slavon. sicijas lernen, wohl: er lernte. Vgl. sekav.
sfec subst. Heilige, pl. — rum. s&nt.
sferdelu subst. m. Bohrer. — klruss. sverdel.
sfinci vb. heiligen, praes. sg. 3. sfincü pi. — rum. sttnci. Vgl. sßnto.
sßnci vb. leucliten. impf. sg. 3. sfincüas. — Vgl. asl. svetiti, das mit rum. sf-bnci
vermengt ward.
sfincimi adi. geweiht, pai sfincimi Weihwasser.
sßnto^ sßnhb, sßntu adi. heilig, o dil 0 sßnto der Jieilige Gott. voc. dMla sßntona.
pl. sßncij. — rum. sftnt.
sitov s. setov.
skAm,ena subst. pl. Bänke. — ngriecli. axajxvt.
sklincop subst. m. Galgen. — rum. skr'&ncjub Schaukel.
sköpu subst. m. Zweck. — rum. skop.
skorcdri subst. m. Kotzen. — rum. skoarcB Teppich.
skrii vb. schreiben, praes. sg. 3. skriU. impf. sg. 3. skriilus. — rum. skri: skriu ich
schreibe.
skriimi adi. geschrieben. Vgl. skrii.
skriisar vb. schreiben, praet. sg. 1. skriisardöm. 3. skriiscmlöü, skrisardöü, skriisardas.'
Vgl. skrii.
skriisardov vb. sich verschreiben, impt. sg. 2. skriisdü. praet. sg. 3. skriisdjroü.
skripkdr, skrip>kdri subst. m. Geiger, pl. skripkdri, skripkdre. instr. skripkarenca, skrip-
karinca. — rum. sliiipkar. klruss. skrypnyk.
skrip>kards subst. m. Geiger. Vgl. skripkdr.
skurt adi. kurz. — rum. skurt.
skuturisar vb. schütteln, praes. sg. 1. skuturisarö. impt. sg. 2. skuturisar. praet. sg. 3.
skuturisardöü. — rum. skutur.
skuturisardov vb. sich schütteln, praet. sg. 3. skuturisdjTou.
skdduska, skakhlska subst. f. Bad. — Vgl. rum. sktldus.
sMndu7'i subst. pl. Bretter. — rum. sk-Bndur^B.
skmte subst. f. Funke, pl. skönteji, skmtej. — rum. ski-nfb, sk^Bnteje.
sk5pi vb. los werden, praes. sg. 2. skspis mdndar du wirst mich los. — inim. skap,
slcbpare.
sköpisar vb. entwischen, praes. pl. 1. skspisardsa. praet. sg. 1. skspisardövi ich Hess
entgleiten. 3. sköpisardds, skspisardöü. sknpisardöü jag er schlug Feuer. Vgl. skspi.
skapisardov vb. entfahren, durchgehen, praet. sg. 3. skdpisdjlbü. pl. 3. skspisdße. Bei
Vaillant 74. skapisdilem ich bin gerettet.
skf,rb^ subst. f. Gram. sg. abl. skörbdtar vor Gram. — ruiu. sk^rbi..
r j Fkanz Miklosich.
skSri subst. pl. Steigbügel, sksri, ol skiri le. griech. skdla Treppe. — nim. skar-j,,
pl. ski>ri Steigbügel.
sksz vb. fallen, praes. sg. 3. sknzol: sköznl o jiai das Wasser fallt. — i-um. skaz, skad, sktzut.
sldho adi. schwacli. — ruiu. slab.
slobozfe subst. f. Ortsname.
sbiga subst. m. Diener. — rum. slugT>.
sltihi subst. pl. Didier. — klj-uss. ni'ulia. ruiii. slugi).
slüzba subst. f. Dienst. — rum. sluzb:B.
sluzi vb. dienen, praes. sg. 1. .shizsii.. 3. sluzila. impf. sg. 3. sluzilas. Für den inf.
ihc slnzfyn. slavon. sluzil. — rum. sluzi.
sluzina subst. Dienst. Aus dem Slav. gebildet.
sluzisar vb. dienen, praes. pl. 1. für den inf. fhe slnzisards. praet. sg. 3. shdisardds,
sluzisardoü. Vgl. sluzi.
sl/iz)äk5, slüznika subst. f. Dienerin, sg. instr. duSnikdm. — rum. sluznik-b.
so, soü pron. was: interrogativ und relativ, sg. gen. sösko wozu. dat. sustc warum,
abl. söstar warum, wozu, vdre so, uäre so irgend etwas, griech. so. söske- sostar ngriech.
O'.art und sostdr ngriech. Qiözi.
soden, soden, söde, södi, siide wieviel, wieviele, wie lange: interrogativ und relativ.
Avie gross auch, süde cdsnrif wie viel UhrV sodl ydt so weit sie giengen. Einmal finde
ich seh: seh hve so viel Geld. Vgl. so: de mag ursprünglich zum nachfolgenden Nomoi
gehört haben.
somnakdj subst. m. Gold. sg. instr. somnakdsa. griech. somnakdj, sovnakdj.
somnakimo, soimiakunü adi. golden, pl. somnakime, somnakuni. griech. sovnakunö.
sonit, sonu subst. m. Traum. dikTäs sonu er träumte, griech. snrmö. slavon. suno.
sorhu subst. m. der aufwidilt. — rum. sorb.
sorokovec subst. Zwanziger, pl. sorokovece. instr. sorokovdcmca. — rum. sorokovec.
soste subst. pl. Unterhosen, gi-iech. sosten. pl. sostenid.
soiddr vb. einschlafern. praet. sg. 3. soulardöü, soühirdds. griech. sovJ'ardva, sovjardva,
sovardva.
sov vb. schlafen, praes. sg. 1. sovdh., sovo. 2. soves, savts. 3. sovel, sovela. pl. 1. sovdsa.
sovds. 3. soven. impt. sg. 2. soü. impf. sg. 1. sovos. 3. sovekis. praet. sg. 1. sidöm. 2. siddn.
3. sutoü, sufhoü, sucoü, sutds, siicäs. pl. 3. sute, suti. plusqpft. sg. 2. sntdnas: satdnas de vecl.
the na 'viTomas mi du wärest auf ewig eingeschlafen, wenn ich nicht gekommen wäre,
partic. praes. sovindöj. griech. sovdva, partic. sutto. so>:l6. slavon. me sovava, tu sovea., von
.wveln u. s. w. sovdvas ich würde schlafen, vou sufo er schlief, von sute sie schliefen, serb.
na Sovel pe mandje non dormitur mihi ne spava mi se. engl, sutto sleep, asleep.
spaciru, spaciri, spacir subst. m. Spaziergang, koa (d. i. koj o) spatüri.
spid vb. pressen, stossen. impf. pl. 3. spidinas. spidinach ks. praet. sg. 3. spkiöü.
spiko, sinku subst. m. Ähre. pl. spikuri: sjnkuri diu Weizenähren. — rum. spiku.
■ sjjin subst. m. Stahl, griech. abcin. osset. afsejnag, äfsejnag Eisen.
sjMvedisar vb. beichten, praes. sg. 1. spovedisarö. impt. sg. 2. spovedisdr: spovedisdr
ma. — klruss. spovidaty sa.
spremhldre subst. f. Spaziergang. — rum. pretmblare.
sprincene subst. pl. Augenbrauen. — rum. spr-Bnceni.
sprüonisar vb. aufhalten, praet. sg. 3. sprizonisardds. — rum. sprizini.
Übkr die Mundarten und die Wandekungen dek Zigeuner Europa's. v. 55
spüma subst. f. Schaum. — rum. spumt.
Stadt subst. m. Mütze. — ngriech. axidoi.
stäncia^ stände subst. f. Zimmer. — pol. stancya.
stekla subst. f. Glas, stekldko gläsern, p' o khsr la stekldko auf das gläserne Haus,
griech. stegla.
steMri subst. m. Eiche. — rum. stezei-ju.
stjagii, subst. m. Fahne. — rum. stegu.
stogti subst. m. Schober. — rum. stog.
sträje., Straß subst. jjI. Kleider, pl. strdjuri, sträje, strdji. instr. strajuninca. — rum. stj-aju.
straSi: dp len stras gib ilim Schrecken, schrecke ihn. — klruss. strach.
strasnicije subst. f. Grossartigkeit. Vgl. stras.
strdza, strizs subst. f. Wache, sg. acc. strazd. — rum. straze.
stroin vb. besprengen, impf. sg. 3. stropilas. — rum. stropi.
stropisar vb. besprengen, praet. sg. 3. stropisardoh, stropisardds. Vgl. stropi.
stmgo adi. link, o vast o stmgo die linke Hand. — rum. sto^ng.
stmka subst. stsnka bar, stnnka barß.ste Fels von Stein, pl. stniice. — Vgl. rum. stanü
Fels. serb. stanac saxum immotum.
stsncinu subst. m. Klafter, stdnzsnöskr,, stmzünuste klafterhxng. pl. stinzuie, .stSrizim. —
rum. sttndzenu.
stdpm, stspänu subst. m. Heri-. voc. stnpnne. amari stspsnösko, stspsnösks unseres Herrn.
— rum. st'bpi>n.
stöpmr, subst. f. Herrin, sg. acc. stöpdnd.
siici vb. plagen, praes. pl. 3. sucina. — rum. suci.
sucisar vb. plagen, praet. pl. 3. sucisarde. Vgl. snci.
sudisar vb. zuerkennen, praet. pl. 2. sudisarddn. — klruss. sudyty.
sulum subst. Stroh, pl. suhriii.
su,p>erimi, supdromi adi. gekränkt. — rum. suptr.
superisardov vb. sich betrüben, impt. sg. 2. superisaü. praet. sg. 3. suparuaülaj für
supörisdjToü. — rum. supi^r.
siiro adi. grau. — Vgl. bulg. suri jelen.
suv vb. sticken, eig. nähen, praes. sg. 1. suvdü, suvö. 2. suves. 3. suveJ. praet. sg. 3.
sudöü, sudds. griech. sivdva. partic. sivdo. slavon. suv Nadel.
svdtosardov vb. sich berathen. praet. pl. 3. svstosdjli. — Vgl. mm. sfT>tui.
sö interi. nimm.
ssgo, sign, .sögu^ segn adv. schnell, früh, griech. sigo, .üngo. slavon. sigo.
sdhdtiko adi. wild. baU sdlbdtiko Wildschwein. — rum. soblbatik.
söhvästru^ salavistm subst. m. Silvester, sg. voc. sdhvestre. abl. sdhimströstar.
.ssn heilig: o sr/in petri der heilige Petrus, le smi petrus. instr. le smn p>etr6sa. Vgl. .se».
sirma subst. f. Dralit. — rum. s^rmt.
s.
sad vb. sich erbrechen vomere. praes. sg. 1. sjddo avrl evoinam. 3. sedel. pl. 3. seden.
praet. sg. 3. sagTöü^ sagMs aus sadTöü, Sadl'ds. griech. cattdva, partic. catlö, cadlö. sadaa
bei Vaill. 57. 125. böhm. candav.
56 FkANZ MlKI.ÜSlrll.
sach subst. Kraut, Kohl, griech. sak/i (sack) in.
mj können, saj the hesfil er kann sitzcMi. me. tu. mr; amen, turnen, ?'o?/ saj ich kann
11. s. w. unor. saj. Vgl. hind. saj Ding. kurd. San to be able Khea. Sajastan können.
West, Gramm, in Mainyö-i-khard. Stuttgart 1871. Jolly, Inf. 144.
saorö, sanrö subst. m. Kind. sg. acc. ^a/frf,s, sno7'f,^. instr. sanrnsa. pl. iauri. acc. saorin.
instr. saormca. griech. cavurö,
sar subst. m. Asche, asiat. vor.
sdra subst. Wild. — rum. sari> neben hart.
savo, Sao subst. m. Kind, Sohn. sg. acc. save-'i. pl. save. griech. cavö., caö.
scüka subst. f. Hecht. — klruss. scuka. rum. Stijuki,.
%', Uj subst. f. Mädchen, Tochtei-. sej hitari Jungfrau: rum. fata mare. griech. cai,
cei aus cavi.
sib subst. f. Zunge, Sprache, pl. sibd. hisfbaka ohne Zu)ige. griech. cib.
sin vb. schneiden, schlachten, backen, fällen, erstechen, spalten, pi-aes. sg. 1. siiidü,
sino. sinäp H kor. H. Unes, sine. 3. Unel, sinela, sinla. pl. 1. sinäsa. impt. sg. 2. sin. pl. 2.
.iinen. impf. sg. 1. sinös. 3. sinlas. partic. Undö. praet. sg. 1. sindom. 2. sinddn. 3. siwiöü,
.iindds. sinddch leste kor. pl. 3. srnde. sindf. griech. cindva. serb. engl. ein.
sindov vb. abgerissen werden, praet. sg. 3. sindeMs er hat sich abgerissen. Vgl. sin.
singar vb. schneiden, hacken, impt. sg. 2. srngsr. pl. 2. singarin. praet. sg. 3. Ungar-
dds, singardoü. griech. cingeräva.
stnu subst. m. Täufling. — rum. finu.
sijm, sßpu, sop subst. m. Flasche, pl. Upuvi. Vgl. söjmsörti.
siru subst. m. Kern, Körnlein, po ek siru je ein Körnlein.
siu subst. m. Sohn, o »lu jepej der Sohn der Stute. — rum. fiju.
sköala, .sköla subst. f. Schule. — rum. .skoalii.
snii7'U subst. m. Schnui".
sol subst. Pfiff, doü, das so/ er that einen VM. griech. son m. sondava pfeifen, engl, shell.
son, sün, sun subst. m. Mond, Monat, simesa, sune mit dem Monde: u nähert sich dem
o. griech. con, comiit.
sojisrh' subst. pl. Kidechsen. — rum. sop-Brlt.
sor s. cor vb.
sor subst. Bart. pl. sor. Jhü les sormdar nahm ihn beim Barte, instr. .sorSnca. bi.sormgo
bartlos, griech. cor, dzor.
söreku, sörik., sodreku subst. m. Maus. sg. acc. sorekös. pl. sörici, soric, söreci, sörec.
soarece. acc. saorectn, sorscsn. — j-um. soareee.
s'osöj subst. m. Hase. sg. ace. so.<-ojes, sosujes. griech. sosöj, sosöj.
söüto num. sechster.
sov, soü num. sechs, griech. so, s'oi'.
srübo, srnbu subst. m. Schraube. — i-um. sröfu, sor6fu.
• srubui vb. schrauben, praes. sg. 2. srubms. 3. sriibull. — Mittelbar aus dem deutschen
Schrauben.
srnlwisar vb. schrauben, praet. sg. 3. srnbnisardou, srnbuisardds. Vgl. srubui.
staclieturi subst. pl. Staketten.
Star num. vier, griech. star, star, istdr.
ätdrto num. vierter. ]/ o litdrto zum vierten Mal.
Über die Mundaktkn und diu Wanderungen der Zigeu.ner EuBorA'.s. v. 57
sti vb. können, me na stiü ich kann nicht. — riim. 5ti scire, stlu scio.
stire: ifas de stire gab zu wissen, de de stire gib zu wissen. — rwm. stire.
stjopäko adi. eine Spanne lang, sfjojidko de hharö eine Spanne lang. — i-um. skiopi.
Spanne.
svd vb. werfen, verlassen, fehlgebären; reflexiv: sich legen, praes. sg. 1. siidö.
2. süde-^, süde neben siide. 3. südel^ südela. pl. 3. suden^ sAdena. inipt. sg. 2. siide. pl. 2.
Süden, impf. sg. 3. sildelach leskü warf ihm. praet. sg. 1. sudom. 3. s/idöü, sudds, s/iddch.
Sude er warf, wohl aus sudes für sudds. pl. 3. sude und sudine. Das Verbum su,d ist ein
zusammengesetztes. Paspati 93. Es hat sich, wie es scheint, mit sitv vielfach vermengt,
slavon. ru,dav ich Averfe. griech. cide wirf. Paspati 224.
suffdda subst. f. Schublade.
sujerisar vb. pfeifen, praet. sg. 3. sujer/'sardöü. suirisardüs. Vgl. sol.
sukdr adi. schön, gut, selten sukdrö, suJidra f., pl. sakdf. mors sukdr mein Liebchen.
nas pe hime sukdr sar voj non erat in mundo pulchra ut illa. griech. sukdr, sukdr.
sukdr adv. scliön, gut.
suklö adi. sauer, griech. sutlö^ sutlo.
sukö adi. trocken, suff f. aus sukji. griech. suko. serb. slavon. suko.
sun s. asun.
sunfjar vb. spucken, praet. sg. 3. sungardoü. grierli. cungardca.
sur s. cor.
siira subst. f. Scheuer. — rimi. suri).
suri subst. f. Messei". sg. acc. iure, nas mr4 es ist kein Messer da. pl. sure. griech. curi.
sufar vb. trocknen, prae.«. sg. 1. sufaräü. 2. .mtarts. griech. sukiardva. slavon. sucarau.
s'uJov vb. trocken werden, praet. sg. 3. sntiloü. griech. sükiovai-a.
suv vb. stecken, stellen, legen, laden, schieben, auch werfen, fehlgebären, giessen;
reflexiv: eintreten, schlüpfen, schleichen, praes. sg. 1. so. mvo. me so ma ich krieche.
2. sos; tu the sos tu. 3. sol. sola pe er wird sich stecken, (sol Vaillant 81). pl. 3. sona.
impt. sg. 2. siiü, Sit aus suv. m tu stecke dich, sup tu tti krieche, aus .vw tu tu. su tim
ist imgenaue Schreibung für su tu. pl. 1. sos. 2. s'on. impf. sg. 3. sölas pe. pl. 1. ungenau:
SOS aini immitteremus nos. praet. sg. 1. suühn. 3. sutöü^ sutds, sutdch la^ sucjds und mit
unorganischer Aspiration sutlioü., suthdü.^ suthi. pl. 3. -«/fe, suti, sute. Man vgl. engl, ehiv
rJnva, chuva to cast, fiing, throw, place, put. griech. civdva, cuvdva.
sül, ssl subst. pl. Fieber, rum. friguri. griech. sil m. Kälte.
svdra subst. f. Schnur, sg. instr. svardsa. Vgl. asvdr.
söcui vb. schätzen. — Mittelbar aus dem deutschen.
söf/uisar vb. scherzen, impt. sg. 2. ssguisdr. — bulg. seguvam si> ich scherze.
sdl num. hundert, sk-ssl: ek-sü katdni hundert Soldaten, duj ssld. seid, sola, trin sdä.
jeftd sda. griech. sei, sil. sevel. slavon. jek-sel. diä sela.
süav vb. kehren, auskehren, impf. sg. 3. süavelas. griech. sulavava.
Ulö, solö^ sdllö subst. m. Strick, ekhi sole mit einem Strick, le süe mit den Stricken,
i'ichtig: mit dem Strick, pl. seit, griech. selö, solo, slavon. solo. engl, shello.
hng subst. Hörn. pl. smigd. griech. sing m. pl. sing, sin.ga. aind. i^rnga. hind. sfg.
smigalo subst. m. Ochs, eig. cornutus. pl. szngale.
snpusoru subst. m. Fläschchen. Vgl. sipu.
snrdnd subst. m. Polster, griech. serdn. serb. slavon. serand. Vgl. sdro.
Denküchrifttn der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 8
58 FkANZ MlKLOSlLH
ssrö, serö, ssr/t subst. m. Kopf. sg. instr. le söHso. U sT,re mit dem Kopfe, ahl.
.^s7'5Sfar. pl. S3r<l instr. .sm's ssrmca mit sechs Köpfen, «jc rio ma p <> s^rö icli maithe
einen Burzelbaum. griech. serö, fsero. .ser. sei-b. saro. slavon. soro.
sszstoare subst. Arbeit. — nini. sezeloare f. Spinngesellscluift. klruss. Waka.
T.
ta Partikel. Wird dem impt. angehängt: dk-ta sieh, dn-la bringe, dp (aus av) -fa
komme, an (a\is ave7i): dn-ta, av4n-ta kommet, bes-ta tele setze diuii nieder, dik-ta sieli.
inls-ta frage, zd-ta gehe.
fachtdj subst. m. Glas, griech. tachtdj.
tdla., tald, taJ praep. unter, gegen, tdla j plaj unter den Berg, iald j Idte lülka unter
ihrem Bette, tald j fet gegen Abend, tald mdnde unter mir. tald Uste unter ihm. \gl.
teU. griech. teU, feie.
tälpa subst. f. tdlpa le khdreste Grundbalken des Hauses. — runi. talp'b.
ta.ng adi. enge, griech. taug. bind. afgh. tang.
tar, thar Partikel, die den Verben des Gehens angehängt wird: zdp (aus zavytar
ich gehe, zdl-tar er geht, zds-ta?- Avir gehen, impt. sg. 2. zd-tar^ zd-thar, ze-tar gehe,
pl. 1. the MS'thar lasst uns gehen, impf. sg. 3. zdlas-tar ibat. praet. sg. ?>. gdö-thar er
gieng. griech. tar. Vgl. afgh. tar von, aus Trumpp 289. und franz. en: s'en aller.
tasav vb. ertränken, praes. sg. 3. iasavel. praet. sg. 1. tasadom. pl. 3. tasridi;. griech.
tasavdva. slavon. tasavau ersticke trans.
tasjov aus tusFov vb. ertrinken, praes. sg. 3. tasol, tasöla.' -praet. sg. 'i.tasuTou^ tasulds
aus tasTiJoü, tasUTds, welches auch vorkömmt, griech. scheint kein tÄsTovaüa von tas
vorzukommen, dafür ist tasdvdovava von tasav nachweisbar.
tatö adi. warm, lau. griech. tatto, richtig tato. ungr. tliäd • gekocht, böhm. tddo.
engl, tatto imnui, tatti panni. slavon. tativau ich wärme mich. Dagegen: slavon. thavdi
Brantwein. serb. tavto von tavdva.
tdtn subst. m. Vater. — rum. tat'S.
tatar vb. wärmen, praes. pl. 3. tatarfm. griech. tattiardva.
tatov vb. erwärmt werden, praes. sg. 3. tatol. impt. sg. 2. tafnu, griech. tdttiovava.
\'erschieden ist tdvdiovava von tavdva.
tehdra subst. f. Morgen, tehard., tehardka , tehardkö adv. früh, des Morgens, am
folgenden Tage, de t/hdra vom Morgen, früh, zorss de tehdra sehr früh, griech. tachidra,
fachdra. Vgl. serb. tcserin morgen cras. slavon. de thara diesen Morgen, theara morgen
cras. e thara morgens, engl, tasarla, tosurlo cras.
tehe adv. morgen. Vgl. tehdra.
techo adv. ruhig. — klruss. tycho.
■ tej subst. m. Linde. A^gl. fepi. kjejn. — rum. teju.
teldi adv. unten, eig. von unten, griech. tehil.
tele, teil tiU adv. unten, hinab, nieder. heJTds teU er setzte sicli nieder, griech.
tele, feie. Vgl. tdla.
telegdre subst. pl. Zugpfei-de. — nini. telegarju.
temönture pl. Handstümmeln.
ÜbEK die MuNUAhTEN UND DIE WANDERUNGEN DEK ZlUEUNEK EuHOPA'S, V. 59
tetrdrl, teti'ddi subst. f. Mittwoch, sg. aoc. tetrdde. slavon. tatradj.
tever s. aver.
tez, tes, tez subst. in. Seide, tezesko, t'ezeste seiden, griecb. kes m.
telalunn adi. seiden, griech. kesulano.
t/ta, thaj coni. und. griech. fa. slavon. thai. the, tni und, aber.
tlialik subst. Kock, Kleid, pl. thalikä. serb. iaTi(j. ungr. böhm. tlialik. — arm. thajikh.
than subst. m. Ort, Stelle, Bauplatz, Land; Bett. sg. dat. thaneste. kaj ek than,
zusammenge/.ogen kajthdn: andeptan. andiktdn, and ek than zusammen, dnda moro than
an meiner Stelle, griech. tan. engl, tan Ort, Zelt, Haus. hind. than a stall for cattle.
thar s. tar.
tliar subst. f. Zahnfleisch, pe tliar auf dem Zahnfleische, griech. tar.
tliau, tau subst. Faden, collectiv: Fäden, Zwirn, sg. instr. thai^esa. griech. tav f.
the coni. wenn, damit, the na damit nicht, me zandü, karmg the znn icJi weiss, wohin
ich gehen soll, griech. te.
thid s. khid..
thindar vb. benetzen, impt. sg. 2. fhinddr. praet. sg. o. fhindardoü. Vgl. arm. thimal,
thanal anfeuchten, aind. stim, tim feucht sein.
tho vb. stellen, setzen, stecken, legen, thun, machen; reflexiv: sich legen, setzen, praes.
sg. 1. thovö, thüü^ tho. 2. thos. thoch leg. 3. thol, thoü für thol, thöla. pl. 3. thon. impt. sg.
2. tho^ thoü. pl. 2. thon. impf. sg. 3. thölas. pl. 3. thönas. tonadt les. praet. sg. 1. thodom.
3. thodöü, thodds. thoddch le zitklordn. tlindds pe er setzte sich. pl. 3. thode. thode pe imnhladi
für thode, pe pe urnhladi sie setzten sich auf den Galgen, tlie (richtig: thode) les sie setzten
ihn. tho ma hargdto ich verdinge mich als Kneclit. thoddch leskn andü er gab ihm einen
Namen, thodöü les majoru man (ei-) machte ihn zum Major, thovö tükn than ich werde dir
dein Bett bereiten, thol and e mesele sie deckt den Tisch rum. s'b pue pe masa. griech.
tovdva, partic. tovdö, todö. bohm. tchovav.
thov vb. waschen, praes. sg. 3. tlmrel, thovela. pl. 3. fhovcna. impf. sg. 3. thovelas pe.
thölas 2}e ei' wusch sich, praet. sg. 1. thodöm ma. 3. thodds pe, thodes pe. griech. tovdva.
slavon. tovaa. engl. tov. hind. dhonä. aind. dhäv reinigen.
thu subst. Rauch, griech. titv m. böhm. tclmv.
thualön subst. m. Tabak, böhm. tchuvälo.
thud subst. m. Milch, tud suklö saure Milch, instr. thndha. griech. tud. tudalo milchig,
böhm. tchud.
thulö, tulö adi. dick, schwanger, griech. thulö. slavon. thulo dick.
tilele subst. pl. Teller. — rum. tareli, taleri.
timili subst. pl. Fundamente. — rum. temelie, temeju.
tmda subst. f. Vorhaus. — rum. tind^B.
if?ro, tiro pron. dein. pl. tird. hi-tirö ohne dich. Vgl. to. griech. tlnrö, tindö, tro, to.
slavon. ctro. serb. tloi, tloijt: vol'a tloiji dein Wille.
t/)ka subst. f. Klopfbrett OYjfxavtpov. — rum. toaki.
töplica subst. f. Bad. Vgl. skdlduska.
toporeste subst. Hackenstiel. — klruss. toporysce.
tovartUca subst. f. Gefährtin, sg. gen. tovarösicdks, tovarssicdka. — r-um. tovaros m.
tovdrsska subst. f. Gesellschafterin.
prv FkANZ MlKI.IlSICH.
tover, tuvsv subst. in. Hacke, Axt. sg. instr. le toveresa, le tovere mit der Axt. griecli.
tov4r, tovel. serb. sluvon. engl, fover. kurd. taver. pers. bind, tabar. arm. tapar.
trad vb. schicken, tragen, filhren, treiben, jagen, pracs. sg. 1. traddü, trddo. 2. trddex.
3. trddel. impt. sg. 2. irdde. impf. sg. o. trddeJ'as, richtig trddelas. trddelach les. pL 3.
trddenas. praet. sg. 2. ^rarTcf^*. 3. fracfo'/c, /rrtdfe. griecli. frddava, partic. fradhw. slavon.
i?'(£y"5fa subst. f. Handsack. — rum. ti-aist-b.
irakteriia, trakterne subst. f. Gasthaus.
trehu vb. nöthig sein, praes. sg. 2. tr<ihus, treb/is. 3. trebul, treb/'d, trebida. so frebnl
tu? was brauflist du? pl. 3. frebiln. slavon. truhHl. — rum. trebue.
trimhice subst. pl. Trompeten. — rum. trimbicb.
trin num. drei. trui<' fp^ijcarmdc raktjc um drei Kreu/er Schnaps, trine guruoen acc.
drei Ochsen, griech. frin.
trifo num. dritter, p o tnto zum dritten Mal. trito siaparadje der dritte Theil des
Reiches, ti-ito ijlm das dritte Land.
trivar adv. dreimal.
trizlsarduv vb. ei'wachen. praet. sg. 3. irizisdjToü. Vgl. trszosardov. — rum. ti-ozi.
trjdba subst. f. Recht, Notlnvendigkeit. na j le trjdba non est ei ius. — rum. treb-B.
tröpsmi, tröpsen subst. m. Personenname, sg. acc. tropsis.
trudimf adi. müde. — rum. trudi.
tri'qni' subst. m. Körper. — rum. trup.
tTKS subst. Durst, sas mdiKjd irus erat mihi sitis. griech. trus, turs f.
trusM, tros/d subst. m. Kreuz, sg. gen. trasulesk, trusuleshc Kreuzes-. i»-aZ trusulesku
russ. krestovyj bratB. griech. truml, tnrs/d.
trmta subst. f. das Ringen. — rum. trinti vb.
trmtisardov vb. boxen, pi-aes. pl. 1. trnidüdjvasa, trmiisdjras aus tröntisdrdovasa. —
rum. tribnti sich balgen, ringen.
fristij subst. f. Schilfdickicht. — rum. trestie.
trnzosardov vb. erwachen, praet. sg. 3. trnzosdjl'oii.. Vgl. trizisardov.
tu pron. du. tu vertritt enklitisch den sg. acc. gen. tiiko, tükn, tvka. h Us tükd nimm
ilin dir. dat. tufe, tuti, tnte zu dii-. acc. t/U, tu. instr. tusa. abl. tiltar. griech. tu.
tudor subst. m. Theodor, acc. fudorns: sas le tudorös eras Theodoro.
tudorel subst. m. Theodor, demin.
tufa subst. f. lilume, Sumpfblume, Tulpe, sg. abl. tafdtar. — rum. tufs.
tumaru pron. euer, griech. tumarö.
turne, turnt pron. ihr. acc. tuiiien. tumin, turne, turnt, gen. tuminga, tumings, tumengö:
naü tmnenys danke euch. dat. turnende, tuminde bei euch, grieidi. turnen.
tuneriko subst. m. Dunkelheit. — rum. 'Bntunerek.
tunu subst. m. Donner. — rum. tun.
• turcicdka adv. türkisch.
turcicsko adi. türkisch.
türku subst. m. Türke, sg. mstr.-^lurkös. pl. türci. -- rum. turk.
turma subst. f. Heerde. turma bakr6 Heerde Schafe. — rum. turm'B.
tiirta subst. f. Torte. — rum. turtT,.
tnjstvrn subst. f. Schlachtbank. — rum. ti,eturi. Sclmitt.
ÜBER DIE Mundarten und we Wanderungen der Zigkunkr Europa's. v. 61
Umplu subst. m. Fels. — Vgl. runi. ttmplu Vorderseite des Altars.
fötnßjö subst. f. Weihrauch. — rum. t^mT.e.
turna/iär subst. m. Junggesell. Vgl. t<)rnu.
f37'nimdta^ tenihnäta subst. ]-il. Jugend.
töriw, ternö adi. jung, Bräutigam: russ. molodyj. de tdrne von Jungen Jahren an.
griech. ternö. slavon. terno. engl, fäno, tauno, tawno jung, klein.
tsrnorö^ ternuro adi. jung, demin. de ternoru von Jugend an.
fsrö/ vb. zerren. — rum. tT^rOji.
fr.far subst. m. Tatar, sg. acc. töiarü-s. dat. tötdroste, fötaruste Tataren-. — rum. fbtar.
tm subst. m. Teieli. — rum. ttu.
tsvdi vb. wälzen, impf. sg. '6. tdunUlas pe er wälzte sich. — rum. tijvtll, ti>v'blesk
aus tr-bvili, trtvtlesk: vgl. serb. strovaliti über den Haufen werfen.
Uvslisardov vb. sich wälzen, impt. sg. 2. tövslisdü. Vgl. töVöU.
lar s. aver.
teju, kjeju subst. m. Linde. Vgl. tcj. — rum. teju.
tem subst. m. Land, Reich, gen. temesko, clmechko für timesko. pl. tema, teiuä. griech.
tem m. slavon. them Welt.
termö, tirmu subst. m. Wurm. pl. tmni, ferme^ cerme. griecli. kermo, ghermo.
fid vb. sammeln, sparen, fassen, zurückziehen, abräumen, praes. sg. 1. tidaü. 2. üdes^
tkle. 3. lliidel. pl. 1. fklas. 2. tklen. 3. f luden wie khiden. thideyi. thklem pe, tidem pe, tidem
2)6. impt. sg. 2. tide: t/.de le grastes. tkle, tkle, fhkle, thide. pl. 2. tklen. praet. sg. 3. tid(ni.
tidöü, tklas, tkläs. pl. 3. tkle pe. tide pe. tklL griech. gt'dava, partic. gedino. slavon. cklau,
cklel sammeln, engl, kkhla to pluck.
tklvica subst. f. Hirnschale. — rum. tidvicb Ktirbis.
tijänn subst. m. Hammer. — Vgl. asl. kyj.
tilu subst. m. Pflock, griecii. kilo.
tin vb. kaufen, praes. sg. 1. tinäu, finö. 3. tinel. pl. 1. khids^ tinds. impt. so-. 2. tin,
tin. praet. sg. 1. tindom. 2. tinddn. 3. tindou, tinclds, tindd^. griech. kindva.
tinzo vb. decken, eig. wolil ausbreiten, praes. sg. 3. tivzöl pe. Vgl. mtinzosardov.
rum. tntind, iintins.
tinzosardov s. sntinzosardov.
tqjsnU subst. m. Pfefferkorn, sg. acc. tipsniMs. V^gl. kiper. — rum. piperjti, kijjer.
tira subst. f. Fräulein, sg. dat. tirdte: e dej la tirdte die Mutter des Fi-äuleins.
ngriech. x'jfa.
tire, tire subst. pl. Ameisen, griecli. kiri, pl. kirut.
tirit subst. m. Herr. — ngriech. %6p.
tirvl subst. f. Gevatterin, sg. acc. ftVve.
tirvö subst. m. Gevatter, sg. voc. tirve, th-ve. griech. kirvu, kirirö, kicro. slavon. cirvo.
tiso, kisn subst. f. Tabaksbeutel, griech. kis't.^ pl. kisies.
titi vb. nachdenken, klug erklären, praes. sg. 2. titis. — rum. kiti.
tttidds praet. sg. o. di-ückte: tltklds Usko vusf er drückte seine Hand. \ gl. bessar. kkleiu.
tititöri adi. klug. Vgl. titi.
to, ton, CO pron. dein, to raj dein Herr, to vast deine Hand. sg. acc. te grastes dein
Pterd. ti pral deine Brüder, ti romni deine Frau, le ta raje nimm deine Frau, ia vüa
dein Rind. sg. acc. ta romne. te bezechd deine Sünden. Vgl. tiro. griech. to, tinrö, tindö, tro.
(j2 Fkan/, MiKi.osic'ii.
u.
u colli, und, meist nur in dt'u zusamniengeseti^ten Nuineralia: desuduj u. s. w. griech.
desujek eilf. jek ?<■ javer der eine und der andere.
uckurosk/j sulist. m. erdichteter Personenname. — russ. uckur'B Unterhosenband. serb.
uckur. Vgl. briclndr.
itco adi. hoch, nci aidin hoho Burg, griech. vtocö.
uddr, vuddr subst. m. Thiir. pl. udard, vudard. griech. vudär, dar m. f.
idica subst. f. Gasse. — rum. ulic^B.
umbladi subst. t". Galgen, griech. umhlavdva aufhängen, slavon. umbla ma hänge niicli.
i'imh^a subst. f. Schatten. — rum. umbr'B.
nngi subst. pl. Nägel, la nnge mit den Nägeln. — rum. ungie.
ünguru subst. ni. Unger. sg. acc. ungurös.
iirde s. ordr.
urijes subst. ni. Riese, pl. nrjesa. — rum. urijas.
urj vb. fliegen, praes. sg. 1. rurjo. 2. urjds, vurjds, ures. 3. urjdl. pl. 3. vurjdn. impf,
pl. 3. urjdnas. praet. sg. 3. urejToü, vurejToü, urejMs, vnrejTas. pl. 3. vurejTi, vur^jli, urejle,
urejli. griech. urjdva. slavon. urial.
nrjav vb. kleiden, pi-aes. sg. 1. urjavdü, urjavö, vurjavö, vurauvö. 3. uravela. impt.
sg. 2. urjdp tu. kleide dich an. praet. sg. 3. tirjadöü, uradöü, urjadds, uradds. nrad^s pe.
pl. 3. urade. griech. urjdva. engl. idddo gekleidet.
vrldn, urldnü subst. m. Personenname, sg. voc. nrldne. .
urJ'ömniku subst. m. Urlauber. — klruss. urlopnyk.
ür7nö, ilrma subst. f. 8pur. mnj pe urms zuletzt, pl. Arme. — rum. urm'B.
ürsi subst. pl. Bären, pl. urti. — rum. urs.
urzi vb. beginnen, impf. sg. 3. urz6Ia.-i. — rum. urzi.
urzdsar vb. beginnen, praet. sg. 1. urzösardöm. Vgl. tirzi.
u,rtto adi. langweilig. — rum. uri>t.
usarav vb. decken, bedecken, praes. sg. 2. usaraves. 3. usaravel. pl. 1. usaravds.^
usaravdsa. impt. sg. 2. nsard. praet. sg. 1. usaradöm. 3. usaradöü. griech. ucardva. slavon.
■ihcardo, ucaripi Dach.
usöru adi. leicht. — rum. usoru.
ust subst. pl. Lippen, griech. ast, onst, vm. uust m. serb. vasta.
ustaUn, subst. m. Henker. Eigentlich labiosus von ust. Nach dem rum. buzatu.
iisti vb. aufstellen, praes. sg. 3. ustela. impt. sg. 2. itsti, nsti oprL pl. 2. ustdn. praet.
sg. 1. nstiJ'öm. 3. ustiTöü, ustilds. pl. 3. usfile. Vgl. griech. ustidva, uchkidva, ufkidva, uftidva,
ufcidva, partic. -kino.
ustar vb. treten, praes. sg. 2. ustares. praet. sg. 3. iistardds, ustardds.
ustav vb. wecken, eig. aufstehen machen, praes. sg. 1. ustavö. praet. sg. 2. nstaddn.
3. ustadöü, ustadds. Vgl. usti.
uzilo adi. verflucht, eig. schuldig, nie som uSiTi. Vgl. böhm. idlo schuldig, skand.
uschlo id.
uzos, ui subst. m. Schlange. — klruss. vuz.
Über die Mündakten und die Wanderungen der Zigeuner Europa'S. v. 6 3
vädra subst. f. Eimer, slavon. vedro. — rum. vadrB.
vddti. subst. m. Fuhrt. — rum. vad.
vaj interi. wehe, vaj de amindar wehe uns. vaj amart dadindar wehe unseren Vätern.
vdlure subst. pl. Wellen. — rum. val.
vandrivmko subst. m. Wanderer. — klruss. mandrovnyk.
vandrui vb. wandern, praes. sg. 1. vandrwiv. — klruss. mandruju.
vandrtdsar vb. wandern, praet. sg. 3. vandruisardas. Vgl. vandrui.
var mal. dnvar zweimal, trrvar dreiinal. jeftdvar-des siebenzig. gi-iech. far, var. huf
far oft. irin far des dreissig u. s. w. serb. sevar-des sechzig.
väre Partikel, entspricht vor dem pron. kon, so dem deutschen irgend. v<h^e so irgend
etwas, acc. vdreh'is. abl. vdre kdsthar. ungr. vare ko irgend wer. vare so irgend etwas. —
In bulg. Urkunden vare: vare kto. vare kolik-b u. s. w. Venelin 135. Vgl. vor, (xire.
vdrta subst. f. Wache. — rum. vard-B.
vdrö Partikel: ist es möglich? — rum. oare in Fragen.
vast subst. m. Hand, bl-vastesko adi. ohne Hand. sg. instr. le vasie mit der Iland. abl.
vastestar: las la vastestar ergrift' sie bei der Hand, dd vast mdnca gib niw (durch den
instr. ausgedrückt) die Hand. pl. vast. griech. vast.
vastdl adv. in der Pland.
vas praep. wegen, vas o saurö wegen des Knaben, vas te jakhd wegen deiner Augen.
vas mdngn wegen meiner. Vgl. arm. vasen wegen, abaktr. va^na Wille. Patk. 156.
vdskure subst. pl. Wagenschnur. — Vgl. klruss. vaski Wagsclialen.
vazd vb. heben, praes. sg. 1. vdzdo. 2. vdzde. 3. vdzdela. pl. 3. vdzden. impt. sg. 2.
vdzde. pl. 2. vdzden. praet. sg. 3. vazdoü, vazdds. pl. 3. vazd/^ vazde sie hoben, legton auf
(Ti-ibut). griech. Idzdava., partic. lazdinö. slavon. vazdau erhebe. va7xla pe erhob sicli. russ.
gazdes. kurd. varzen'a, varden'a ich erhebe micli. zaz. Lerch 214.
vaznelt subst. f. Ambos.
vaznalo subst. m. Hammer.
veci: de vec'i, mi vec auf ewig. — rum. Tjh veci.
ver subst. m. Vetter, sg. voc. vere. — rum. VBr.
veste subst. f. Kunde, Gerücht. — rum. vestc.
vesto: saste vestö gesund, griech. vesto: sastö vestö isom je suis sain et sauf.
vi, i coni. auch, vi-thaj vi sowohl-als auch: vi les thaj vi la sowohl ilni als auch sie.
vi vo vjol (aus vi ol) hakrö sowohl er als auch die Schafe. Für vi tritt / ein: de thaj i-man
gib auch mir. Vgl. präkr. via, vea. Zeitschrift der d. morgenl. Gesellschaft. XXVI. 741.
742. Journal asiatique VI. Serie. XX. 219.
vijacdku sg. gen. von *vijaca: o p6mu la vijacdku dei- Baum des Lebens. — i-iim. viact.
vimulo adi. unsterblich, vimulö pai das lebenmachende Wasser. Vgl. bi und mulö.
vita subst. f. Vieh. sg. acc. vitd. pl. vite, vite. acc. viten. gen. le vitengo. instr. vitenca.
— rum. vitb Rind.
vifazu subst. ni. Held. Vgl. hercvÜdz. — rum. vitez.
viziteii subst. m. Kutscher, sg. acc. viziteüos. gen. viziteuoskr,. — rum. vizitiu. aslov.
vozataj.
64
FkANZ MlKLOSICH.
vo proii. ni. er. voj f. sie. rn/f pl. Die obliquen Casus fe. h'sl'o u. s. w. griech. ov m.
q; f. o pl. (>ngi. /(W, _y«i; (yov, ynv).
voda subst. m. Fürst, griecli. vojvoda.'^. \'gl. vojevöda. — i-iiui. vod'r,, vojvod.
vodalö adi. luutliig. Vgl. ot/Af.
ro;"a, vöje subst. f. Wille. — nun. voie.
vojevöda subst. ni. Füi'st. Vgl. coda.
vojniko, vojniku subst. m. Held, Sieger, Riiuber; adi. muthig, der im Stande ist
etwas zu thun. vojmko inam'ts. sg. acc. vojnikös. abl. vojnikösthar. pl. vojnici.
vojti pc vb. jammern, praes. sg. 3. vo'fiil pe. — rum. vaita weh rufen.
V07'- coni. oder. — rum. vor.
vor Partikel, entspricht vor dem pi-on. kon. so. savn dem deutschen: irgend: r6rsavu
irgend etwas. Vgl. väre, oare.
vos. vom, V5S, vnrs subst. m. AVald. sg. gen. vnsnsktt, vosnskn. pl. rum. griecli. ces. res.
vest, vesid, vos m. f.
vreme subst. f. Zeit, de la creme zu einer Zeit. — rum. vreme, vreme.
vurdön, urdon, vordon. subst. m. Wagen, sg. gen. vurdonesko. instr, vurdon^sa. pl. car-
dond. griech. vordon, ordön, hordön. slavon. vordon. osset. uordon, ordon. kurd. gerdun Rhea.
vurdonudro subst. m. Wäglein, demin. von vardön.
vondt subst. m. Jagd. — rum. vbnatu.
vmturl vb. schwingen, praes. sg. 3. vnnturU. — rum. vtntur worfeln.
vmturisar vb. schwingen, impf. sg. 1. vnnturisarös ich würde schwingen, praet. sg. 3.
vmiturisardou mit dem instr. des Objectes. Vgl. vsnfiiri.
vnnötit adi. blau, slavon. vünato grün, bleich. — rum. y^n-bt.
Vürtisardov vb. sich drehen, praet. sg. 3. vsrtisäjToü. — rum. tnvbrti.
vsrvu, vtrvnl subst. m. Wipfel. — rum. vbrvu.
zahavi vb. unterhalten, praes. pl. o. zahavrn. — rum. z-bb-Evi.
zahdrii s. sahäru.
zalisar vb. betäuben, praet. sg. 3. zalisardim. — ngriech. C''^>^^C('>.
zdimsta subst. f. Wildniss. — Aus dem. Slav.
zdre, zari subst. f. Schein. — rum. zare.
zelino adi. grün, slavon. zelen — aslov. zelen'B.
zgrebla, zgrjdhla subst. f. Pferdekamm. — klruss. zhrebJo, skrebio.
zidi vb. mauern, impf. sg. 3. zidÜas pe. — rum. zidi.
zmnrdavo adi. schmutzig. — rum. zmijrdav.
zimu, zmij subst. m. Drache, sg. voc. zmsxMa. acc. zmmos. gen. zmsuösko, znisüösks,
zimüesko. dat. zmmöste. instr. zmmösa. pl. zyniji, zimi. acc. zmmnin. gen. zmminingd. —
i'iim. smeü.
zmsuöjkd subst. f. Dracliin.
zöre pl. Morgenröthe. zi and ol zöre bis zum (d. i. vor) Tagesanbrucli. and ol zöri le
dssesks bei Tagesanbruch. Vgl. zdre.
zorss, Zdrös adv. stark, sehr, griech. zor Gewalt. Vgl. :'n\
Über du: Mundarten und die Wanderungeji der Zujeuneu Eueopa-s. v. 65
zugrdmi adi. mit Arabesken verziert. — riim. /ugi-Bvi.
zumt subst. f. Suppe. — ngriech. C^'J[j.t.
zur subst. Kraft, griech. zur m.
zuralö adi. kräftig, gesund, griech. zuralö. slavon. ziiralo.
ztiral'ov vb. stark werden, praes. sg. 1. zuräjvo aus znrdJ'ovac. Thema zuralö.
zuruisar vb. schwimmen, vielleicht: sichtbar werden, praet. pl. .'). znniisardi. Vgl. zöre.
znbdvlsar vb. verweilen, praet. sg. ?). znhdvisardon. Vgl. zahavl.
zidii. subst. m. flauer. — rum. zidii.
Z571 subst. f. Sattel, l'ferdegeschirr. hi le zöjdko ohne den Sattel, pl. zßje Pferdegeschii-r.
griech. znn f. kurd. zin. zaz. zieii. Lcrch 144, 206.
zmc subst. pl. Zenen, böse weibliche Genien.
zöplädo subst. m. l'lanke. — rum. zaplazti. klruss. zaplaz.
zwisar vb. flimmern, praet. sg. 3. zürii^ardds. Vgl. zäre.
za vb. gehen, praes. sg. 1. zaü, Mp (aus zav) -tar, zo. 2. zas, ze. na las ne i. 3. lal,
zdla. pl. 1. zas, zdsa. 3. zan. impt. sg. 2. za, Ic, zd-tar. pl. 2. zan. impf. 3. zdlas. pl. 3.
dSdnas, Mnas. zal o pal das Wasser fliegst, za pdla mdnde heirate micli: slavisirend.
zal dnköstö er reitet, partlc. landqj. praet. sg. 1. gölöm, geUm. 2. gdldn. 3. gnTöu. gnlö,
ijöJ'ds. gsTds-tar, gsles-tar. pl. 2. cßTan. 3. gde, gdr. voj gnU hhari sie wurde (eig. gieng)
schwanger. Vgl, serb. ne bi T Ijuba triidna zahodila. Falsch: the gzh'is du sollst gehen,
griech. dzdva, partic. yelo.
laimitro subst. m. Schwiegersohn, sg. voc. zamutre. griech. dzurnotro yajxßoö^.
zan vb. wissen, praes. sg. 1. zandü. 2. zanes. 3. zanel. pl. 1. za/ids. 2. zanen. impf.
sg. 3. zdnlas. praet. sg. 2. zangTdn. 3. zangTon, zangMs. plusqpft. sg. 1. zangiomas.
griech. dzandva.
zdro subst. m. glühende Kohle. — rum. zaru.
lele subst. Sclimerz, Herzleid, mdngr. zele pald Ustl mir ist leid um ihn. — rum. zele.
zem vb. ächzen, partic. zemmd. — rum. dzem.
zme subst. pl. Wimpei-n. — rum. dzant, pl. dzene.
zeni: ddj-zeni beide. Mar zent alle vier, trin zene alle dj-ei. griech. dzcnö Person.
z^ru subst. m. Frost. — i-imi. dzer.
I^ adv. bis. z akand bis jetzt, zi ek pas bis zur Hälfte, zi klm'i bis nach Hause.
zi rati bis Abends, li km (kaj o) raj bis zum Herrn, zi and e hisffk bis ziim Gürtel.
:/ and o des vor Tagesanbruch, zl kaj coni. bis. zi kand bis wann, griech. dzi, dzin; ci, ein,
zicel subst. m. Kalb. — rum. vicel.
iidöüka subst. f. Jildin. Vgl. zidovu.
zidovu, zidos subst. m. Jude. sg. acc. Indovis. pl. zidozi aus und neben zidovi. gen.
zndtweningn. — rum. zidov.
ioj subst. m, Donnerstag. — rum. zoj.
z6u subst. m. Gerste, sg. dat. zoudte. griech. dzov.
zuba subst. f. Pelz. — klruss. suba.
Denkschriften rler phil.-hist. (Jl. XXV. liil. 9
66
FifANZ M[KLOSICU.
zudekdta subst. f. Gericht, Recht, Gerechtigkeit, me karäü zudekdta ich wei-do richten.
— rum. zudikatii.
zudiki vi), rathoii. ]^)racs. sg. 1. hidikitt. pl. o. zudikin. — rum. /iidck.
zudikimv vb. rathen. iiiipt. sg. 2. zitdikiMr. praet. sg. 2. zudiklsanfäii. pl. o. zudikdsard't .
Vgl. zudiki.
zudö adi. lebendig, pa./' zudo leben machendes Wassers, pl. acc. zudSn. griech. dzivdö.
iudov vb. lebendig werden, praet. sg. 1. zudilom. 3. zudiföü, zudiTds. griech. dzivdovava.
zukloro, zukforö siil)st. m. Hündchen, sg. acc. zvMorts. pl. acc. znklnrm, znkTorin.
zukJors. Demin. von ziikil.
zuksl, zuköl subst. m. Hund. sg. acc. zukles. instr. zukUsa. voc. zukola, zukÜa. pl.
zukü, zuköl, zuköL acc. zuklfn. gen. znklengo Hunde-. zukUshi liündisch. ziiklefi gescheidt.
griech. cuMl, dzukSl. serb. dzukel,
iungales adv. schlecht.
zungalS adi. schlecht, and e zungales (richtig: -h') thanestp an einem schlechten Ort.
zungalt vreme schlechtes Wetter, griccli. cungalo, dzungalo.
zunganimos subst. m. Übel.
zimkdje subst. m. pl. Öclislein. — rum. dzunkanu, pl. dzunkani.
zunkid subst. m. ()chslein. zunkule. — j'um. dzunku.
htpundsa subst. f. Frau niederen »Standes. — i-um. zupi.nesi).
S,uruimi adi. geschworen luxbend. makdr kw hc.ng thc acdü zuruhiii wenn ich aucli
dem Teufel verschrieben sein werde.
zuruisar vb. schwören, praet. sg. 1. zurmsardom. o. zundsardds. — i-um. zur.
zutö subst. m. Paar, Joch Ochsen. Vgl. kurd. dzöt Paar, Joch. Lerch 119.
mv vb. leben, praes. sg. 1. zuv6, ziiväü. 2. Ziive. o. zuvel. pl. 1. zuvasa. o. zicven,
Mven. impt. sg. 2. z)ut aus zuv, zu. giiech. dzivdva.
£uv/i, zulf subst. f. Weib, griech. dzuvel adi., dzuvli subst.
zdtd subst. Geld, Vermögen. Idti pode zdtd pchjernas eins (f.) sinum pecunia implebant.
zdusardov vb. sicli beklagen, praet. sg. 3. zdvsäjTa.-«. Vgl. zrle. — rum. zelui.
ömhlöti vb. dreschen, praes. pl. 3. mit the füi- den inf. tlu^ "mbhtin. impf. pl. 3.
mnhhtinas. — rum. T^mbltti.
amjjaranja, dmp)aractjc, Binpöröcye, mnjjnrsde subst. f. ßeich. — rum. '&mpT.rT)cie.
smpjaraticeka, mijjsrsficeka adv., ungenau: ömpjaraticeka, kaiserlich.
dmparatjdsa subst. f. Kaiserin, sg. gen. ümparatasd.kö. — rum. 'Bmp'bratesa.
övipardto. mip>a,rdtu subst. m. Kaiser, sg. voc. ömpardte. ömpardfe. mnpavdti. acc.
nmp)arat6s. gen. miipnratösko. nmparatvskd ; önip>aratnskr,rr,, nmparaiöskr,re. dat. ümparatöste.
smparafösti. pl. mnpardci. gen, smparatonmgs. — i-um. i^mpiiratu.
öiuprezur adv. praep. ringsum, um. ömprezirr <> plaj um iK^n Berg lierum. mnprezür
le graznängo um die Stutei:. — rum. -bnipi-ezur.
dmprazurixar vb. umgeben, praet. sg. 3. ünqji'sznrisardöü. pL 3. r>)iiprszurisard<\ —
rum. Tjmprezur vb.
ÜBER DIE Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa'S. v. 67
smpr'urmitl vb. lellien. sieh ausleihen, praes. sg. 3. mnprumutü. pl. 3. zmprumutin.
— rum. Tjiiiprumiit.
öuiprumiitLtar vi), leihen, impt. sg. 2. ümprumutisdi'. praet. sg. 3. smprumutisardäs.
Vgl. üinpraiimti.
ömpusti vb. sehiesseii. jiraes. sg. 1. dmpusttü. 3. mapustü. impf. sg. 3. ^mpuHilas.
— rum. ^mpusk.
öinpustlsar vb. schiessen, impt. sg. 2. smpnsfisdr. Vgl. ömpusti.
smpsrco vb. theilen. praes. pl. 3. ~>mpörc6m pe sie theilen sich. — rum. imp:&rc.
ömpnrcosardov vb. sich theilen. pi'aos. pl. 1. dmpdrcosdjvas. praet. pl. 3. smpsrcosäjle,
mHpsrcosdjli.
ömpnrcnsur vb. tlieilen. praes. sg. 1. ümpdrcssarö. praet. sg. 3. smpsrmsarcMs .
ön s. and.
önddtü. üuddta adv. sogleich. — rum. T>ndati.
öndragostisardov vb. einander lieb liaben. praet. pl. 3. sndragostisdjl'oii, für -le. —
rum. iindr:Bgosti.
sndzerii. nndzei^os subst. m. Engel. — rum. ündzer.
mifrunzl vb. grünen, praes. sg. 3. önfrunzsl. — rum. iinfrunzi.
öngrop)i vb. eingraben, praes. sg. 2. sngropu. — i-um. "Bngrop.
üngropisardov vb. stecken bleiben, praet. sg. 3. öngropisdjTds. Vgl. dngropi.
üngrozi vb. sich fürchten: reflexiv, praes. sg. 3. snqrozf,l pe. — rum. 'bngrozi.
öngyntst/ s. angrustt.
öiigör vb. tragen, bringen, führen, praes. sg. 1. nngürdu, sngnrö, mgardü, migaräü.
2. öngörns, öiigsrsz ma. 3. sugsHl. dngsrla. pl. 1. ongardsa. 3. üngzrm. impt. sg. 2. mgör. pl. 2.
ntigm'sn, angsrm. praet. sg. 1. angardöm. 2. öugsrddn. 3. sngsrdön, ziigardöä, angardoü,
angsrdön, sngdrdäs, öngardäs, angardds, angörddch les, angarddcli les. pl. 3. öugsrde, migarde,
angarde. gj-iech. andardva (anghiardva). slavon. indzaras. indjarel tragen. Vgl. mikdr.
anhömusardov vb. sich anspannen lassen, impt. sg. 2. -,nhmnusdii. inr uiihsmnsdrdov.
— rum. mcham anspannen.
önknlav vb. hinausführen, herausnehmen, ausstechen (die Augen), ausbrüten, be-
freien, zeigen, praes. sg. 1. dnkaldii, ankaldü, ankalavo, ankaldvo, ankalavdp (aus anka-
lavdv) tu, r,nkalavdpj tu, önlalavo, snkalavdü. 2. ankalds, ankalaves. r/akalave. 3. ankaldl.
rrnkaldl la andd e godt er überlistet sie. pl. 3. ^nkalaven, rvnkaldn, ankaldna. nnkaldl li aus
nnkaldn li. impt. sg. nnkdla für siikdlav. impf. sg. 3. ankaldlas brütete aus. praet. sg. 2.
nnkaladdu. ankaladdn. 3. ankaJadoü, onkaladds. ankaladds, önkaladöu, ankaladäch les, anka-
lades. pl. 3. ankalade, ankaladi. Vgl. önkli. slavon. ikal zielie Iiei'aus.
övkinisardov vb. sich verneigen, huldigen, sich fügen, praet. sg. 1. ünkinssdjJ'om.
.">. ünkinisdjTon. pl. 3. snkinisdjle. önldnisd.jli . — rum. 'bnkin.
önkli vb. herausgehen, herauskommen, aufsteigen, praes. sg. 1. nnkldu, mikTn, znHöu.
2. r.nkles, ünkU. 3. ünklel, snkleid. na 'nkldl avri. pl. 1. önkl'ds. 3. nnkh'na. impt. sg. 2.
önkli, ankli . impf. sg. 3. önklelas. pl. 3. önklinas. praet. sg. 1. öuklistöm, önkliMöiu, snkTistöm.
3. nnklistnü, önklistöü, önklisfds, anklistds, anklistds, anklisüm, anklistnit,, pl. 3. önkliste,
nnklisti, önklisti, ankliste. önklistoü n khani opre die Sonne gieng auf. snklistds ma er bestieg
mich, partic. nnköstn zu Pferde, reitend: zal önköstö er reitet, göle önkssti sie ritten, griech.
inklidv, niklavdva. Vgl. nnkalav.
ön.krig adv. abgesondert. Vgl. rig.
gg Fkanz Mikloskh. Über die Mundakten und iue Wanderungen der Zigeuner Europa-s. v.
snkimzuri vb. umgehen, praes. s^-. 1. nnkiaiziinii. 2. nnkimzurfi. iin])f. pl. o. ö»k>mziirinas.
— ruui. "bnkiindjoui-.
öiikiomirisar vl>. iiiureitcii. pi-;u't. sg. 3. önk/nizitrisa)yfäs. \gl. öiikiirtzuri.
snks, snks coni. noch, aiu-h. f,)ikr, )ia noch niclit. — nun. 'tnlcn,
snkspisar vb. stellen, unterbringen, praet. pl. 1. üiiköpisarddm. — i-uni. T,nkap.
anknr vb. halten, püegen. praes. sg. 1. mikardu, önköro. 2. r,nksr'6s. 3. öiikürsl, nnkirla.
pl. 2. önHrna, ankirna. 3. dnknrtn. impt. sg. 2. jiksr, önksrf,. impf. sg. 3. nnksrlas dioU.
praet. sg, 1. önk^rdim. 3. rmkznfoü. r.nkördds brachte. mikardU bewirtete, ankardds führte.
ankörddch pflegte, slavon. icarau ich lialte, icard er hält. Vgl. öngnr.
snndlto adi liocli. (vtd o ' iindlto in die Höhe. — rinn. i,nalt.
önnotdsa: la nnnotdsa mit dem Schwimmen. — rum. i^nnotu.
snnotisar vb. schwimmen, praet. sg. 3. annotisardds. — rum. 'Jjunot.
snsori vb. sich verheiraten, praes. sg. 1. me ■dnsorm ma. snsori ma. 3. ünsorü pe,. impt.
pl. 2. ünsorfn turne, impf. sg. 3. rnisoinlax })'■ — riim. i>nsor.
dnsorisardov, snsurisardov vb. heiraten, impt. sg. 2. rin.vtrisdn. praet. sg. 3. nnsorisdjToü,
snsorisdjTas. pl. 3. snsurisdjle. Vgl. önsori.
snhrö fe wird erklärt durch: komme hervor. — ^ gl. etwa i'um. -Busir in Keihe stellen.
tntru: mfru azutnrjü behilflich. — rum. i>ntrii und azutorju.
sntregit adi. ganz. — rum. T,ntreg. Vgl. dintreg.
snt6j num. erster. — rum. -Ent^EJu.
sntdl adv. jenseits, sntdl a pdrßu jenseits des Baches.
snfegomr, sntegomf adi. zusammengefügt, zusammenfügend, pa/ öntegomi das heilende
Wasser. — rum. tntreg.
snfegosardov vb. ganz werden, sich zusammenfügen, praet. sg. 3. önfegosäjlm, sntego-
sajToü. — rum. 'Bntreg.
sntinzosardov vb. sich ausstrecken, praes. pl. 1. finzosdjvas. impt. sg. 2. sufinzosdn^
tinzosdii aus antijizosdrdov. praet. sg. 3. 7,nfinzosdjTou. — rum. -Rntind, tntins ausstrecken.
'bntinz'Btorja Nudelwalker. Vgl. i'iiizo.
snverfi vb. drehen, praes. sg. 3. nnverttl pe. — rum. ^nvi.rti.
dnvoi vb. einwilligen, vergleichen, praes. sg. 1. rmvo/w. 2. önvots. pl. 3. önvoim pe
sie vergleichen sich, snvoina |>f-. — rum. i.nvoi.
diwohsardov vb. sich vergleichen, praes. pl. 1. r.nroisdjvas: nastik nnvoisdjvas wir
können vnis nicht vergleichen. Vgl. r,nvoi.
snvslmimf adi. scheu, eig. verschleiej-t. — rum. Tsiividi vb.
dnvslosar vb. einwickeln, praet. sg. 3. önvölosardds. — rum. tnvBlui.
snzar vb. reichen, praes. sg. 3. snzdrla. impt. sg. 2. niizar. praet. sg. 3. snzardöü.
öHzaTdds pe qy lag ausgestreckt. Vgl. r,)dirizosardov.
dnzngisar vb. einspannen, praet. sg. 3. nnzugisardi'm, mizugisardas. — ■ rum. ^Bnzug.
DER ENTWICKELUNGÖGANG
DEK
MITTELALTERLICHEN PSYCHOLOGIE
VON ALCUIN BIS ALBEKTÜS MAGNUS.
VON
PROF. D^ K. WERNER,
CORBESP. MnaLlKDE DKU KAIS. AKÄDEMIK DER WlSSEN'.SCHAl'TEN.
VORUKLEÜT IN DER SITZUNG AM l'u. APKIL 187.i.
Wir beabsiclitigen in dieser Abbandliuig den geistigen Entwickelungsprocess auf-
zuzeigen, mittelst dessen die auf christlichem Boden stehende psychologische Forschung-
in der aufsteigenden Linie des mittelalterlichen geistigen Entwickelungslebens zu einem
erstmaligen systematisclien Abschlüsse gelangte. Der erste bescheidene Ansatz zu den
Bemühungen um die Ausgestaltung christlich-psychologischer Anschauungen zu einer ratio-
nalen Lehrdisciplin ist durch Alcuins Schrift De ratione animae repräsentirt. Der weitere
Verlauf der hierauf gerichteten Bestrebungen veranschaulicht sich uns in den einschlägigen
Schriften des Hrabanus Maurus, Wilhelms von St. Thierry, Tsaaks von Stella, neben
welchen die auf eine breitere Grundlage gestellten Arbeiten des Hugo von St. Victor
und Wilhelm von Conches eingreifen. Das im Verlaufe dieser Schaffensepoche Geleistete
und Errungene, unter gleichzeitiger Herbeiziehung jener älteren Lehrauctoritäten, auf
welchen die ganze Entwickelung der bezeichneten Epoche steht, findet sich eklektiscli
zusammengestellt in der pseudo-augustinischen Schrift De spiritu et anima, abei- völlig
ohne Methode und systematischen Zusammenhang. Ein solcher wird einiger Massen von
dem bereits mit der Pliilosophie der arabischen Aristoteliker bekannt gewordenen Wilhelm
von Auvergne angestrebt, welchen wir in einer frrtlieren Abhandlung als unmittel-
baren Vorboten der peripatetischen Scholastik vorgeführt haben. Als die ersten wirklichen
Vertreter dieser begegnen luis in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhimderts der
theologische Summist Alexander von Haies und Albertus Magnus, In deren umfangreichen
Werken die bis dahin gTosstentheiJs lose und lemmatisch beliandelten Fragen und Themen
der Seelenkunde in das Bett einer methodisch geregelten Untersuchung geleitet erscheinen,
und der Gesammtinhalt der rationalen Psycliologie in streng umrissenen Formen und
breiter Ausführung zum vollständigen Ueberblicke gebracht wird. Diess gilt im Besonderen
von Albertus Magnus, mit dessen psychologischem Lehrsystem wir daher diese Abhandlung
abschliessen, wobei wir zugleicli In der Gegenüberstellung seiner Lehranschauungen und
jener Alexanders die innerhalb des scholastischen Peripatetismus gleicli Anfangs sich
auftliuenden Gegensätze bemerklich machen wollen.
70
K. Werner.
Die psychologische Literatur des christliclicn Mittelalters beginnt mit Alcuins Sclirift
he latione animac. Alcuin verfasste dieselbe auf den Wunscli einer vornehmen Jungfrau,
dvi- ilem Karolinglsclien Herrsclierhause angehörigen Gundrada, einer Tochter Berrduirds,
Oheims Karls des Grossen, und Schwester Adalhards, Abtes von Corbie. In dem bildungs-
frcundllchen Kreise, welchen Karl an seinem Hofe um sicli gesammelt hatte, und dessen
Genossen, um jede Mahnung an die Ungleichheit des Standes und der Lebensstellung
der einzelnen Glieder dieses Kreises fernezuhalten, unter fingirten vertraulichen Persons-
benennuno-en mit einander verkehrten, führte die Prinzessin Gundi-ada den Namen h]idalia;
daher die ihr gewidmete Schrift Liber ad Eulallam virginem betitelt Ist und sie selbst
im Eingange der Schrift unter diesem Namen angeredet Avli-d. Die Aufgabe, welche
Alcuin von seiner hochgestellten Freundin und Verehrerin gestellt wurde, betrifft gemein-
hin den Wesensbegrift' d^r menschlichen Seele; Gundrada wünschte eine rationale Aus-
einandersetzung dessen, was der (•hristllche Glaube übei' Wesen, Aufgabe und Bestimmung
der menschlichen Seele lehrt. Alcuin entlediget sicli dieser Aufgabe In einer Schrift
von vierzehn Capiteln, welcher zwei an die Bittstellerin gerichtete Gedichte desselben Li-
haltes, eines In heroischem, das andere In adonischem Yersmasse angeschlossen sind. Alcuins
Schrift macht nicht darauf Anspruch, für eine planmässige Erörterung und Durchführung
ihres Gegenstandes zu gelten; sie trägt vielmehr die Kennzeichen Ihres gelegentlichen
Ursprunges und ihrer besonderen Bestimmung deutlich an sich; zugleich aber lässt sich nicht
verkennen, dass Alcuin dem an ihn gestellten Begehren In möglichst bester Welse gerecht
werden, und so viel an Ihm war, In bündiger Kürze seinen Gegenstand erschöpfen wollte.
Und da tritt uns denn sofort die Wahi-nehmung entgegen, dass man Im Zeitalter Alcuins
zu einer methodischen selbstständigen Erörterung psychologischer Fragen und Probleme
noch nicht herangekommen war, sondern einfach auf dem Boden schriftstellerischer Ueber-
lieferuno- stand, In welcher man von den eben zur Zeit angesehensten Auctorltäten ab-
häno-Io- war. Für Alcuin waren diese Auctorltäten der heilige Augustinus und Cassianus;
aus ihnen Ist demzufolge auch seine kurze Schrift dem Hauptinhalte nach geschöpft.
Augustlnische Reminiscenzen widerklingen bereits in den ersten einleitenden Gedanken,
an welche die weitere Entwickelung angeknüpft wird. Alcuin will die Ihm zugemuthete
Aufgabe, das Wesen der Seele zu erklären, trotz des MIsstrauens, das er in seine Befähigung
liiefüi- setzt, darum nicht von sich ablehnen, well es Ihm unwürdig dünkt, dass der Mensch
sich selbst nicht verstehen soll. ^ Der daran sich schllessende Gedankengang ist nun ganz
augustinisch: Der lebendige Mensch ist Inbegriff von Seelischem und Leiblichem.^ Was
man imter dem Leiblichen zu verstehen habe, wissen Alle; das Wesen der Seele ver-
stehen kaum Wenige wahrhaft und tief. Und doch gibt es nichts, was zu erkennen der
Mensch im Leben dieser Zeit so dringend nöthig hätte, als Gott und die eigene Seele.'
Die Erkenntniss Gottes Ist durch die Liebe zu Gott bedingt, vom Grade der Liebe der
Grad der p]rkenntniss abhängig. Wenn es dem Menschen natürlich Ist, das Gute zu
lieben, so ist es Ihm auch natürlich, Gott zu Heben,* weil Gott das absolute Gut und
I
i Ex parte indigmim esse videtur, meipsum me nescii-e. Rat. !in., v. I.
2 Quid sum egn uisi nnima et earoV L. c. — Vgl. Aug. Enarr. in Psalm. Uö, u. 5: Nihil auiiiliiis iiiveiiiiuus in liouiino
((uam canieni et auiiuain; totus liunio hoc est, spiritn.'i et caro.
3 Vgl. Aug. Sulilijq. I. e. -' : A. Eeee oravi Demn. R. Quid ergo scire vis? A, Haec omnii quac oravi. R. lireviter ea recolligc.
A. Deum et auimaui scire cupio. R. Nihilne plus? A. Nihil omuino.
« R. E.xpliea. quoraodo tihi, si demonstretur Dens, possis dicere, s.it est? A. Nescio, qiiomodo mihi demonstrari debeat, ut
dieani, sat est; non euim eredo me scire aliquid .sie, qiiomodo scire Deum desidero. R. Quid ergo agimu.s? Nonne censes,
Dur EnTVVICKELUNUSUANü DEH MITTELALTEULICHEN PSYCHOLOGIE VON AlCUIN BIsi AuiEKTUS MaGNUS. 71
Urquell alles Guten ist. ' Die Liebe zu diesem absoluten Gute fordert zu ihrem Hegeorto
eine Seele, und das Vermögen einer solclien Liebe beo'ründet die eminente Rano-stelluno-
der menschlichen Seele.
Die menschliche Seele behauptet — tahi-t Alcuin weiter fort^ — jene hohe ßangstelluiiu-
in dem gottverwandten Theile ihres Wesens , welcher mens heisst. Die Unterscheidung
eines höheren und niederen Theiles der Seele, welche der Platonischen Unterscheidung
zwischen 'J^'j/t; k'jyiazixrj und 'lo■/'f^ Hyr^zr^ conform ist, ist nun allei-dings nicht melir
augustinisch, und wir werden später sehen, welche besondere Abweichungen Alcuins von
der Augustinischen Seelenlehre an diese aus Cassian herübergenommene Platonische Auf-
fassungsweise sich knüpfen. Es scheint jedoch nicht, dass der eklektisch verfahrende
Alcuin sich dieser inneren Differenz seiner beiden Gewährsmänner bewusst o-ewesen
wäre; jedenfalls glaubt er beide mit einander vereinbaren zu können, und entwickelt
das, was er über die Ploheit und gottverwandte Natur der mens safft, ganz in AuQ-usti-
nischer Weise und mit Augustins Worten. Mit Augustinus ^ bemerkt er, dass man zwischen
der Seele als Lebensgeist und zwischen der Seele als denkfähiger intellectiver Wesenheit
unterscheiden müsse.* Die Seele in letzterer Beziehung heisst mens; und von der Seele
als mens oder geistiger Innerlichkeit gilt die Aussage von der Gottvei'wandtheit und
Gottesbildliciikeit der menschlichen Seele. Diese ist nach ihrem gottverwandten Wesen
ein Abbild der göttlichen Dreieinigkeit, '" sofern die drei Vei-mögen oder Thätigkeiten
derselben: memoria, intellectus, voluntas nicht drei mentes sind, sondern die Eine mens
als una vita und una substantia jene Dreiheit in sich hegt, von deren integrirenden
Momenten keines substantiell (ad se), sondern jedes nur relativ (ad aliquid) ist.
Die hohe ßangstellung der Seele hängt auf's Engste mit ihrer Unkürperliclikeit
zusammen.^ Die menschliche Seele ist über alles Körperliche erhaben. Sie vermag sich
in innerer Sammlung ihrer selbst in das Denken der geistigsten und erhabensten Dinge
zu vertiefen; indem sie das thut, zieht sie sich von den Sinnen des Leibes in sich selbst
zurück, um durcli dieselben nicht gestört zu werden.' und vermag so tief in sicli selbst
prius tibi esse scieiiduni, qnomodo tibi Deuni scire satis sit, .juo cum perveneris, nun amplius (luaerasV A. -C'enseti quklem :
sed quo pacto fieii possit, non video. Quid enim Deo simile unquam intellexi, ut possim dic-ere, quomodo hoc intelliffo, sie
volo iiitelligere Deum? K. Qui nonduni Deum nosti, unde nosti nihil te nosse Deo simile V A. Quia, si aliquid Deo simile
scireni, sine dubio id araarem; nunc autem nihil aliud amo quam Deum et animam. <iuorum neutrum scio. Aug. L. i-.
' Aug. Soliloci. I, c. 1: Te invoco, Deus veritas, in quu et a quo et per quem vera sunt, quae vera sunt ouinia. Dens sapientia.
in quo et a quo et per quem sapiunt, quae sapinnt omnia. Deus vera et summa vita, in quo et a quo et per quem vivunt.
({uae vere sunnneque vivunt omnia. Dens beatitudo, in quo et a quo et per quem Iieata sunt, quae beata sunt omnia. Dens
bonum et pulerum, in quo et a quo et per quem bona et pulcra sunt, quae bona et jiulcra sunt omnia. Deus intellioibilis
lu.x, in quo et a quo et per quem intelligibiliter lucent, quae lucent omnia! ete.
2 Rat. an., c. ö.
■' De Trinitate I.ih. XIV, c. IG, n. 'Ji.
* Inter spiritum et animam ejusmodi potest ditfcrentia esse, quod omnis anima Spiritus est, nun tanien omnis Spiritus aiiinia.
Sed et lieatus apostolus Paulus niirabiliter discernit inter spiritum et mentem dicens: Psallam spiritu, psallam et mente
(1 Cor. I-J, l.')). Spiritu psallit, qui rerum significationes non intelligens ore profert; psallit mente, qui easdem significationts
mentis effieacia intelligit. Rat. ,an., c. 1!. Vgl. Aug. 1. o.
"^ Rat. an., c. 6. — Vgl. Aug. Trin. X, o. 11. n. 18.
•^ Rat. an., c. lä.
'' Si vel Deum vel seipsam vel spiritale aliquid considerare gestit, avertit so a sensibus carnis, ne Haut ei inipedimcnto. spiri-
tualia rimanti (Rat. an., c. 12). — Vgl. Aug. Gen. ad Ut. VII, c. 14: Cum liis (seil, rivulis iguium, siehe folg. Anm.) (juasi
nuntiis accipiat anima, quicquid eam corporalium non latet, ipsa vero usque adeo aliud quiddam sit, ut cum vult intelligere
vel divina, vel Deum vel omuino etiam seipsam suasque considerare virtutes, ut aliquid veri certique comprehendat, ab hac
ipsorum quoque oculorum luce se avertit, eamque ad hoc negotium non tantum nullo adjumento, verum etiam nunnullo
inipedimento esse sentiens, se in obtutum mentis attoUit quo nullus caniis sensus aspirat.
72 K' Wki:nei!.
zurückzugelien, dass keine siniiiielie Einwii-kung sie zu erreichen uder sich ilir fühlbar
zu machen vermag. Sie steht eben gleich Gott über allem Körperlichen, belierrscht und
regiert den ihr eignenden Leib, mit welchem sie durch das Medium Aev feinsten Körper-
lichkeiten, des Lichtes und dcv Luft, verkehrt.' Das Liciit vermittelt ihr die Wahrnehmung
aller sinnlichen Gestalten, welche sie speciticirt, und als specific! rte in sich aufnimmt. Die
Seele ist in die Mitleidenschaft mit den Störungen des körperlichen Wohlseins gezogen; die
seelische Empfindung diesei' Störungen lieisst Schmerz.* Man kann die Seele am besten
als Spiritus vitae bezeichnen;^ nur hat man hiebei nicht an das den vernunftlosen
Thieren eignende Leben zu denken. l)as Leben der Seele steht zwai- in dieser irdischen
Zeitlichkeit unter jenem der Engel, wiid aber für die zeitlicli bewährte Seele in der
jenseitigen Zukunft ein englisches Leben sein.''
Die hohe ßangstellung der menschlichen Seele wird von Alcuin weiter noch nach-
gewiesen aus der wunderbaren Schnelligkeit, mit welcher sich in ihr die durch die
Sinneseitidrücke hervorgerufenen Vorstellungen bilden, so wie aus dem noch wunder-
barerem Vermögen derselben, abwesende und sogar nie gesehene Gegenstände sich zu
imaginiren. Augustinus formt aus diesen psychologischen Thatsachen Beweise für die
Unsterblichkeit der Seele; Alcuin begnügt sich im Allgemeinen, die auszeichnenden
Vorzüge der menschlichen Seele daran ersichtlich zu machen, und zu zeigen, wie sehr
die Seele schon durch ihre natürliche Begabung der göttlichen Wesenheit sich annähere;
sie vermöge in Einem Momente weite Länder, Meere, den ganzen Himmelsraum im
Gedanken zu durcheilen, das Fernste sich geistig zu vergegenwärtigen, und sei von solcher
Beweglichkeit, dass sie auch nicht einmal dann, wenn sie in Schlaf versenkt ist, unthätig
ruhe. Allerdings zeigen sich auch Schranken ihres natürlichen Könnens; sie kann nicht
zwei Objecte zugleich in gesonderten Vorstellungen sich vergegenwärtigen, sondern nur
eines nach dem anderen, und unterscheidet sich dadurch von Gott, dem Alles zugleich
gegenwärtig ist. Aber die Allgegenwart Gottes in der Schöpfung wird dem menschlichen
Denken einiger Massen leichter denkbar gemacht durch die Thatsache, dass auch die
Seele nicht etwa durch die Schranken des Leibes an einen bestimmten Ort gebannt ist,
sondern im Fluge des Gedankens alle Räume zu durcheilen vermag.
Quae i'tiam per lucem et ai-reii), quae suut excellentiora inuiuli eoi'pora, corpus aduiiiiistrat suum. iRat. an., e. 12). — Vg-1.
Aug. Gen. ad. lit. VII, 1.5: Anima erassiorem corpori.s sui materiam h. e. humidam quamdaui terr.ani, quae in carnis versa
est qualitatem, per subtiliorem naturam corporis adniinistrat h. e. per lucem et acrein. Dieser Gedaulce wird von Augustinus
näher in foljjender Weise auseinander gesetzt: Si non est coutemnendum. quod medici non tantum dicuut, verum etiaiii
probare se affirmant, quamvis omnis caro terrenam soliditatem in promptu gerat, liabet tamen in se aeris aliquid, quod et
pulmonibus continetur, et a corde per venas, quas arterias vocant, diflfunditur; et ignis non solum fervidam qualitatem, cujus
.sedes in jecore est, verum etiam luculentam, (luain velut eliquari ac subvolare ostendunt in excelsum cerebri locum, tanquam
in coelum corporis nostri; unde et radii emicant oculorum, et de cujus medio velut centro quodara uon solum ad oculos sed
etiam ad sensus eeteros tenues tistulae deducuntur, ad aures seil., ad nares, ad iialatum, propter audiendum, olfaciendum et
gustandum; ipsunique tangendi seusuiu, qui per totum corpus est, ab eodem cerebro dirigi dicunt per meduUam cervicis, et
eam, quae continetur ossibus, quibus spiua dorsi conseritur, ut indo se tenuissinii quidam rivuli, qui tangendi sensum taciunt
per cuncta niembra diffundant. Gen. ad lit. VII, 13.
Cum afflictiones aliquae corpori eveniunt, ott'enditnr anima. dum teraperamentum faciendi quod vult deerit; et liaec ort'ensio
dolor vocatnr. Si autinii in tantum fraudatur membrorum admiiiistratione, ut non liabeat, quid operetur in eis, recedit, quasi
indignata habitationi suae (Hat. au., c. 12). — Vgl. Aug. Gen. ad lit. VII, c. li), n. 25: Anima, cum afflictiones corpori.s
moleste sentit, aetionem suam, quae illi regendo adest, turbato ejus temperaniento imjjediri ofifenditur, et haec offensio dolor
vocatur Denique dum liaec ejus miniateria (seil, ai^ris nervis infusi) vitio quolibet seu perturbatione omni modo
deficinnt, desistentibus nuntiis sentiendi et niinistris movcndi, tanquam non babens, cur .adsit, abscedit.
Mit Beziehung auf 1 Mos. 2, 7.
Die bezügliche Stelle bei Alcuin (Rat. an., c. 12) ist wortgetreu aus Aug. Gen. ad lit. VII, c. 21, n. 30 entlehnt.
Der ENTWlOKELUrvGSGANU DEU MITTELALTERLICHEN PSYCHOLOGIE VON AlcUIN BIS AlbERTUS MaGNÜS. 7,'{
Bis liielier sehen wir Alcuiri ganz in den Gleisen Augiistinisclier Gedanken sich
bewegen, obschon er bekennt, dass ihm mehz-ere der auf die Seelenlehre bezüglichen
Schriften Augustins : De tj[uantitate animae; De immortalitate animae; De duabus animabus;
De anima ejusque origine bisher nicht zugänglich gewesen seien ; daher er seine Freundin
bittet, dieselben, wenn sie in der kaiserlichen Bibliotliek sicli fänden, niclit blos selbst zu
lesen, sondern aucli ihm zur Leetüre zu senden. Nun abei' treffen wir auf einen schon
oben angedeuteten Puidct, der eine nicht unerhebliclie Abweichung Alcuins vom Geiste
der Augustinischen Anschauungsweise begründet. Alcuin, in seiner Jugend im Kloster
erzogen und in seinen späteren Lebensjahren nacli seinem Scheiden vom Hofe Karls des
Grossen Abt eines Klosters (in Tours), war ein fleissiger Leser der in den abendländischen
Mönchsklöstern allenthalben eifrig gelesenen Schriften (Jassians ; demzufolge ist es sehr
erklärlich, dass gewisse, die Moralpsychologie derselben betreffende Stellen seinem Denken
eben so geläufig geworden waren, wie die Grundanschauungen der Augustinischen
Seelenlehre. Indem er nun den christlichen Seelenbegriff nach der ethischen Seite hin
weiter entwickeln wollte, lehnte er sich an die in Cassians Büchern gegebenen Aus-
führungen an, die ihm eine wünschenswerthe und fruchtbare Weiterbildung der aus
Augustinus entlehnten Grundgedanken seiner Schrift darzubieten schienen. Einer der
Haupt- und Grundgedanken seiner Schrift ist, wie wir sahen, die Mittelstelluno- der
Seele zwischen Gott und der sichtbaren Wirklichkeit; die dieser Mittelstellung entspre-
chende Aufgabe der Seele ist, dass sie in Gott zum unsterblichen Freudenleben sich
vollendend auch der ihr eignenden Leiblichkeit zum Mitantheil an ihrem unsterblichen
Freudensein verhelfe. Diese über das Leben der irdischen Zeit hinausgreifende Be-
stimmung der Seele, mit der die christliche Auferstehungslehre im engsten Connexe
steht, reflectirt sich für das sterbliche Zeitleben in der ethisclien Forderung, dass die
Seele in ihrem bewussten selbstthätigen Leben sich nach Gott, den Leib aber nach sich
selbst d. h. ihrer höheren Würde gemäss bestimmen solle. Alcuin spricht nun da, wo
es sich um Vollendung des Seelischen in Gott, des Leiblichen im Seelischen handelt
wohl noch ganz in Augustinischer Weise ; ^ den entgegengesetzten Process aber, die
Entartung des von Gott abgewendeten seelischen Lebens und das Versinken der Seele
im Dasein der gottentfremdeten irdisch-sinnlichen Weltlichkeit beschreibt er in der Weise
der Cassianischen Bücher. Wir hörten schon zuvor, dass Alcuin an Cassians Ked
le-
weise sich anschliessend zwischen einem höheren und niederen Theile der Seele untei'-
scheidet, ^ welcher letztere abermals in das Irascibile und Concupiscibile (6'j[i.t%6v und
STCiO'jjrrjXt.ÄÖv) geschieden wird. Alcuin bekennt sich sonach mit Gassian zu einer Tricho-
tomie, die aus der Dichotomie von '^'j/yj /.oyta-otTj und '|y/Yj Hyr^zri hervorgeht, und nur
unter Voraussetzung der Wahrheit und Berechtigung dieser dichotomischen Scheidung
Geltung und Berechtigung ansprechen kann. Augustinus hatte sie trotz seiner sonstigen
Hochhaltung der Platonischen Philosophie abgeworfen; an der substantiellen und wesen-
haften Einheit des Seelenwesens festhaltend unterschied er eine Reihe von Thätierkeits-
stufen der Seele in aufsteigender Ordnung, das Begehren und Verabscheuen der Seele
' R;it. an., c. 9: Sieut corporis vita animus est, ita animae vita Dens est. DniTi anima <ieserit corpus, moritur corpus
nnimae vero mors est, dum eam Dens deserit dono suae gratiae etc.
- Ganz fremd ist diese Sprechweise auch Augustin nicht: Anima ex «juadani parte, (juam vocant mentem rationalem,
inliaerens Deo, jani et suspirans in illum, animadvertit <|uasdam suas inferiores i)arte.s perturbari motibus saecularibiis, et
cupiditate quadam terrenoruni desiderioruni ire in exteriora, relinquere interiorera Deum etc. Enarr. in Psalm. 145, n. 5.
HenkBchriftcn der phM.-hist. CL .XXV. Bd. 10
74
K. Wernkr.
aber wies er derselben als allgemeine Thätigkeitsformen zu, rücksichtlich welcher er
nur Object und Richtung derselben unterscliied, und das regelwidrige Begehren und Verab-
scheuen der Seele aus der Deteriorirung ihres Lebens durch die Macht der allen Adams-
kindern angeerbten sündlichen Concupiscenz erklärte. Diese letztere anerkannte nun
wohl auch Cassian; sie schien ilim aber eigentlich doch nur eine Vitiation der sinnlichen
Natur des Menschen zu sein, während sie bei Augustinus eine Vitiation des ganzen
inneren Seelenmenschen, soweit die Seele der sinnlichen Leiblichkeit eingesenkt ist, zu
bedeuten hat, obschon sie ihren Hauptherd auch nach Augustinus in sinnlich-tleisch-
lichen Gelüsten liat. Die Augustinische Anschauung geht unstreitig tiefer und ist die in
sich durchgebildetere ; es fehlt ihr aber in ihrer ausschliesslicli theologischen Fassung die
psychologisch-pragmatische Vermittelung, deren Mangel durch tiefsinnige Erörterungen
über den metaphysischen Charakter des Bösen sich keineswegs decken lässt. Eine prag-
matisch-anthropologische Reflexion würde zur Erläuterung der Augustinischen Theologie
des durch den Sündenfall gewirkten menschlichen Schuldverderbens ungefähr folgendes
beibringen : Die in Folge der Alteration des ursprünglichen, in einem liöheren Gnaden-
elemente vermittelten Verhältnisses von Geist und Leib ihrer ursprünglichen selbst-
mäclitigen Herrschaft über den I^eib und die Sinnenwelt beraubte Menschenseele ist
zufolü'e dieses ihres Schuldffeschickes in ein durchaus verändertes Verhältniss zu Zeit
und Welt gesetzt; jede Menschenseele, welche in Folge elterlicher Zeugung neu in's
irdische Dasein tritt, tritt hiemit zufolge ihrer Versenktheit in den sinnlichen Stoff in
eine Welt des Scheines und der Täuschung, über deren Eindrücke und Berückungen
sie sich in Kraft ihres allmälig sich entwickelnden geistig-ethischen Selbstlebens nur
allmälig erhebt, aus sich selbst aber, d. i. ohne Gott, nie erheben kann. Die täuschenden
und berückenden Einflüsse der zeitlich-irdischen Daseinswelt, die sich für sie in Folge
ihres verstellten Verhältnisses zu Zeit und Welt in eine Welt des Scheines und der
Täuschung verkehrt hat, wecken in ihr das begehrliche Gelüsten nach den Gütern des
Scheines, welche zu solchen für sie dadurch werden, dass sie von ihr als absolutes Gut
angesehen und betrachtet werden, während sie nur relative Güter sind. In diesem
Begehren nach den Gütern des Scheines d. h. in der Uebei'schätzung der blos relativen
(jüter des zeitlich-irdischen Weltdaseins gibt sich zunächst die Verdunkelung oder völlige
Erblindimg des tieferen Seelenblickes und die passive Abhängigkeit der Seele von einer
Wirklichkeit kund, über welche sie sclbstmächtig sich zu erheben, und deren Gütern sie die
richtige Beziehung auf das absolute Gut zu geben im Stande sein sollte. Diese Täuschung
und Verblendung in der Schätzung der Güter des irdisch-zeitlichen Weltdaseins ist nicht
blos Folge eines Schuldgeschickes, sondern schliesst selbst auch eine Schuld in sich ;
und diese Schuld ist jene der Egoität des gottentfremdeten Ich, welches den Werth der
Güter, statt ihn an seinem absoluten Massstabe zu messen, nach dem Masse und Grade
der Befriedigung des eigenen Selbst bemisst. Da nun dieses zufolge des durch die
menschliche Ursünde verstellten A^erhältnisses zwischen Seele und Leib tief in's Stofllich-
Sinnliche getaucht ist, so wird sich das Begehren nach den Gütern des sinnlichen Ge-
nusses als allgemeinstes und gemeinmenschliches in den Vordergrund stellen, und die
angeborne Concupiscenz sich vornehmlicli und primär auf die intensivste sinnliche Lust-
befriedigung, auf jene des rohsinnlichen geschlechtlichen Begehrens beziehen. Aber
dieser Egoismus der Sinnlichkeit ist nicht der einzige ; ausser dem Egoismus des Ge-
nusses gibt es auch einen Egoismus des Habens oder Habenwollens und einen Egoismus
Der Entwickelungsganü dek mittelaltermchen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 75
des Gelteiiwollens, deren jeder unter einem anderen Gesichtspunkt die Befriedigung des
eigenen Icli und seines Gelüstes zum Gegenstande oder Inhalte hat. Man muss es Cassian
zum Verdienste anrechnen, in seiner Ableitung der Capitallaster aus ihren primitiven
Wurzeln jenen dreifachen Egoismus des sündigen Ich als richtigen Eintheilungsgrund
der Capitallaster in ihrer Vielheit und Mannigfaltigkeit erahndet zu haben; nur berulit
die Ableitung selber auf einer falschen Psychologie, deren Fehler gewisser Massen nur
durch den Mangel jeder strengeren Vermittelung unschädlich werden, vmd das menscli-
lich Wahre zu seinem Kechte kommen lassen. Cassian leitet das Mannigfaltige der vitia
capitalia aus der sittlichen Verderbung der drei Theile des Seelenwesens, des Rationale,
Irascibile und Concupiscibile ab;' an ihn sich anschliessend leitet Alcuin ^ aus der Ver-
derbung des Rationale die Hoffahrt und eitle Ruhmsucht (cenodoxia), aus der Verderbung
und Abstumpfung des Irascibile die Verdrossenheit (tristitia) und Trägheit (acedia), aus
der Entartung des Concupiscibile die Völlerei, geschlechtliche Unzucht und Habgier
ab.^ Man sieht auf den ersten Blick, dass mit dem Concupiscibile und Irascibile kein
bestimmter, fester Begriff verbunden wird, indem beide theils als etwas der auima
rationalis Untergeordnetes, theils als Habitus dieser selbst genommen werden; offenbar
aber ist der Grundgedanke der, dass sie etwas der anima rationalis Untergeordnetes
bedeuten sollen, wobei das Concupiscibile am Tiefsten steht. Wenn aber das Concupisci-
bile das sinnliche Begehren bedeutet, so ist daraus nicht die philargyria abzuleiten, die
keine Leidenschaft des sinnlichen Begehrens, sondern gewiss eine Leidenschaft unmittel-
bar der Seele selber ist, die in ihrer unerleuchteten Begehrlichkeit sich über Werth und
Zweck der Güter des zeitlichen Besitzes denkende Rechenschaft zu geben versäumt. Mit
den Leidenschaften der Genusssucht hat die Habgier diess gemein, dass sie eine Hin-
wendung der vom Höheren abgewendeten Seele auf die untersten und niedersten Güter
des zeitlich-irdischen Daseins ist. Daraus folgt aber, dass das Concupiscibile als Kraft
des Begehrens unmittelbar eine Kraft der denkfähigen Seele selber ist, und demgemäss
von dieser nicht als etwas Besonderes abgetrennt werden kann; das Vorhandensein von
sinnlichen Begehrungen in der denkfähigen Seele beweist nur, dass sie sich Begehrungen
aufdringen Hess, die keine ursprünglichen Begehrungen der Seele als solcher sondern
ursprünglicli Begehrungen des in relativer Unabhängigkeit von ihr sich entwickelnden
sinnlichen Trieblebens sind, dessen Begehrungen für die der sinnlichen Leiblichkeit
eingesenkte Seele, wofern sie sich derselben nicht erwehrt, unmittelbar auch Begehrungen
der Seele selber werden. Noch unmittelbarer springt die Unabscheidbarkeit des Irascibile
oder der Entrüstungsfähigkeit vom Wesen der denkfähigen Seele in's Auge, obschon
zufolge der Verwachsenheit und geheimnissvollen Wechselwirkung zwischen Geistigkeit
und Sinnlichkeit im Menschen der erregte Zornmuth der Seele auch in den Lebens-
zuständen der sinnlichen Leiblichkeit sich mannigfach reflectirt, und theils anspannend,
theils abspannend auf dieselbe einwirkt, auch störend und zerstörend in sie eingreift.
Gewiss hatte also Augustinus Recht, die Platonische trichotomische Seelentheilung abzu-
Vgl. Cassian. Collat. Patr. XXIV, 15 und In.'ätitut. Coencib. Libli. V — XII, wnsell)St von den aclit Hauptlastern im Besonderen
geliandelt wird.
Rat. an., c. 4.
Alcuin substituirt der von Cassian angenommenen Aehtzalil eine Siebenzahl, indem er die von Cassian als besonderes Vitium
behandelte ira nicht mitzählt. Uebrigens dünkt Cassian aueli die Aclitzahl nicht erschöpfend zu sein, da er Collat. Patr.
XXIV, 1.5 eine viel reichlichere und in der That vollständigere Aufzählung- der mannigfaltigen ITauptleidenschaften gibt.
1(1'
76 -t- Wkknek.
werfen,' und aucli Ak'uin anerkennt die sittliche Zweckhezieluing des in der menschliciien
Seeleninnerliehkeit vorhandenen Irascibile imd Concupis(;ibile ; " er sieht aber dessunge-
aehtet in diesen beiden Vei-niöiicn nur /.wci IFilfskratte der Seele keineswegs aber zwei
vitale Thätigkeitsäusserungen, (li(> ilir gi-iind\vesentlicli eigen sind und so gewiss zu-
kommen müssen, als sIt' nicht blos Denkwesen, sonchMii zugleieli auch Strebewesen ist,
und demzufolge sich mit liezug auf den für die Art ihres Lebens und Strebens mass-
o-ebenden Gegensatz des Guten und Schlimmen, ßegehrenswerthen und Verabscheuungs-
würdigen zu bestimmen hat. Das Begehi-en nach dem, was die sehnende Seele befriedigen
und' ausfüllen soll, ist im Menschen vom Anfang lier vorhanden, die Erkenntniss dessen
aber, wodurch sie vollkommene Befriedigung erlangen kann und soll, reift nur allmälig,
und ist als lebendige Erkenntniss nur in Jenen vorhanden, die von der Macht des voll-
endet Guten selbst schon innerlich beridirt und ergriffen sind, die im Guten das Wahre
und das AVahre im Guten, in beidem Gott suchen. So dolmetscht Hugo von St. Victor
die der religiösen Anthropologie Augustins zu Grunde liegenden Grundgedanken;* seine
Lehre von der sündlichen Concupiscenz aber, die allen Sprossen des menschlichen Ge-
schlechtes anhaftend durch die elterliche Zeugung sich forterbt, und für jedes Menschen-
individuum den sittlichen Kampf zwischen dem irdisch-sinnlichen Weltmenschen und
höheren Geistmenschen bedingt, wird nach ihrem allgemein menschlichen Sinne, oder
soweit sich diess nicht speciell auf den Kampf zwischen Geist und Fleisch bezieht, so
viel besagen, dass alles irdisch-menschliche Streben mit der Schuld der irdisch-sinnlichen
Eo-oität behaftet ist, so lange es nicht in der Geistigkeit vollendeter, religiöser Sittlichkeit
o-eläutert und o-eklärt ist. in welcher der Mensch nicht mehr sich und seinen persönlichen
Interessen, sondern Avahrhaft Gott dient und angeliört. Der biblische Gegensatz vom
spirituellen und fleischlichen Menschen, dessen Erläuterung den Inhalt der Augustinischen
Hamartiologie und Charitologie ausmacht, bezieht sich auf den inneren Seelenmenschen,
je nachdem dieser in sinnlich-irdischen Strebungen sich zusehends vergröbert und mate-
rialisirt, oder in beliarrlichen Strebungen entgegengesetzter Art sich successiv vergeistiget
und klärt, und damit das ihm von Geburt an angethane Schuldgeschick in (irottes Kraft
überwindet. Cassian spricht * von einem Herabsinken der durch den Schmutz der Laster
verdichteten Seele in den fleischlichen Theil derselben; hiemit ist die Vorstellung von einer
mit der dichotomischen oder trichotomischen Theilung der Seele zusammengedachten Ma-
t<M-ialität der Seele involvirt, welcher gegeniiber von Augustinus die untheilbare Einheit und
Immaterialität des Seelenwesens aufrecht ei'halten wird. Freilich lässt Augustinus die ganze
' Er erklärt die Abtreuiimig des Irascibile und Conciiiiiscilnle vuii der ;iuinia ratioiialis ;uis der Walirneliimuig der Verderlnuig
des Seelenwesens, deren Gründe man niclit erkannt, und demzufolge die factische Zuständlichkeit für die ursprüngliche und
natürliche genommen habe: Uli philosoi)lii, qiü veritati propius accesserunt, iram atque libidinem vitiosas animi partes esse
confessi sunt, eo «[uod tiirbide ac inordinate moverentur ad ea etiam, quae sapientia perpetrari non vetat, ac per hoc opus
habere moderatrice mente atque ratione Hae tamen partes ante peceatum vitiosae non erant .... (^uod nuuo
ita moveutur, et ab iis, qui temperanter et juste et pie vivunt cohibendo et refrenando niodifioantur, non est utique
.sanitas e.K natura, sed languor ex culpa. Civ. Dei XIV, e. 19.
•' Cnncu])lscentia data est homini ad concui>iscenda quae sunt utilia, et quae sibi ad salutem proficiunt sempiternam
Ira data est ad vitia (■(diibenda, ne impiis i. e. iieccatis serviat homo. Bat. an., c. 4.
■' Auinuis corporeis passionibns consopitus et per sensibiles formas extra senietipsuni .-ibductus oblitus est (juid fuit. Kt (jula
nihil aliud se fuisse nieniinit, nihil praeter quod videtur, esae credit. Solo .sensu circa corpora et imaginatione circa corporum
similitudine.s et locorum versatur. et in eis sive vigilando, sive dormieudo distrahitur. Cum vero al) hac distraeticuie per
puram intelligentiam asccndens in unnni se coUigit, rationalis dicitur. Hugo Krud. didasc. 1. c. •_'.
> Collat. Patr. I, 17.
Der ENTWirKELDNGSGANG DER MITTELALTERLTCHEN PSYCHOLOGIE VON AlCÜIM BIS AlUERTI'S MaGNUS. 77
Seele des Menschen durch ihre P]insenkung in den Sinnenleib fleischlich werden, was natür-
lich in ethischem Sinne zu verstehen ist, und vornehmlich die Gebundenheit des vom sinn-
lichen und irdischen Lebensinteresse beherrschten sittlichen Willens, aber nicht blos
diese, sondern insgemein die Trübung und Verdunkelung des von der Macht der sinnlich-
irdischen Daseinswirklichkeit und vom sinnlichen Lustinteresse beherrschten seelischen
Lebens bedeutet. Wir erkennen in diesem Urtheile Augustins, welches wenigstens
erfahrungsmässig an einem grossen Theile des über den ganzen Erdball verbreiteten
menschlichen Geschlechtes sich bewahrheitet, das Correlat seiner Idee von der hohen
Rangstellung der menschlichen Seele, die unter dem Drucke der leiblichen und moralischen
Erdennoth allerdings in einem Stande der Erniedrigung sich befindet, welcher von der
idealen Höhe jenes Ranges scharf genug sich abhebt. Es wii-d sich, angesichts dieses
moralischen Nothstandes, nur darum handeln, die Idee der göttlichen Hilfe und Rettung
weit genug zu fassen, um nicht die ohne ihr persönliches Zuthun und Verschulden
demselben Anheimgefallenen schon als solche in ihrer Mehrheit als Verlorne zu erachten;
wie die Schuld, so ist auch die göttliche Rettung ein Geheimniss, das in den Segnungen
des christlichen Heilsglaubens wohl der Welt offenbar geworden ist, aber erst am Ablaufe
aller irdischen Zeit vollkommen enthüllt werden wird.
Der Nächste, der nach Alcuin den Begriff der Menschenseele erörterte, wai- Hrabanus
Maurus. Hatte Alcuin sich vornehmlich auf Augustinus gestützt, so benützte Hraban
vornehmlich Cassiodors Schrift De anima, aus welcher der grössere Theil seiner, dem
Könige Lothar gewidmeten, gleichnamigen Abhandlung entlehnt ist; nebstdem bekennt
er auch aus Prosper, unter welchem wohl der Verfasser des Liber de dogmatibus eecle-
siasticis, oder noch wahrscheinlicher Claudianus Mamertus, der ßestreiter des an die Lehren
der Stoa sich anlehnenden semipelaglanisclien Seelenbegriffes gemeint ist. Manches geschöpft
zu haben. Hraban beginnt seine Schrift mit dem Satze, dass man einzig dem Menschen,
nicht aber den Thieren eine Seele im eigentlichen Sinne des Wortes beilegen könne.' Die
Thiere haben Leben, dessen Geist in ihrem Blute ist. Verströmt das Blut des Thieres, so ist
ihr Leben verflogen. Nicht so verhält es sich mit dem Lebensprincip des Menschenleibes,
welches nach Verströmung des Blutes fortdauert, weil es ein vom Blute unabhängiges Sein
hat, wie auch schon das Wort anima (gleichsam avaqjta =: longe discreta a sanguine) anzu-
deuten scheint. Uebrigens ist durch das Wort anima eigentlich diess gesagt, dass die
Seele Belebungspi-inclp des Leibes sei; ICinige leiten das Wort anima vom griechischen
aV£[j.oc her. Die Lehrer der weltliehen Wissenschaften definiren die Seele als eine ein-
fache, von der Materie des Leibes unterschiedene Substanz, welche den Leib belebt und
seine Organe in Thätigkeit setzt. ^ Nach der von den christlichen Lehrern gegebenen
Begriffsbestimmung ist die menschliche Seele eine geschöpfliche, geistige, aber von den
Engelgeistern specifisch verschiedene Substanz, welche den Körper belebt, mit \ ernunft
begabt und unsterblich, zufolge ihres wahlfreien Willens aber des (Juten und Bösen
fähig ist. ^ Zufolge ihrer Geschöpf llchkeit kann die Seele kein Ausfluss oder Theil der
' Vgl. Cassiodor. de animn, e. 1. — Geiinad. i-crl. dog-ni., c. Ui : Solum hoiniiiem civdiTiins lialiero aiiimam .siibstantivani,
(jiiae exuta corpore vivit aniiiialiuiTi vero aniiiiae iion sunt sulistautivae, sfd iiim canie ipsa oarnis vivacitate
nascniitur, et cum carnis iiioite finüintHr.
2 Vgl. Cassi'odor an. c, i; Magistri saefulaiium literariiin .liuiit aniinam ease sulistantiam siinpliccm, speciem naturalem, di.itauteru
a materia corporis siii, Organum menibronim et virtiitem vitae Iraheiitem.
•' WiMtlich nach Caasiudor O. c, c. "2.
r>i^ K. Wkhner.
o-öttlldien Wesenlieit sein. Die (Tcistigkeit oder Unkürpcrlichkeit der Seele ergibt sieli
daraus, dass au ihr keiue raumliclieu Diiueusiouen walirzunolimeu sind, dass sie, obwohl
durcli den Körper beschwert, dennoch im Denken weit (iber den engen llauni des Körpers
lüjiausoreift dass sie in ihrer innerlichen Anschauung Unsichtbares erfasst, Himmlisches
denkt, ja selbst das Göttliche sieh denkbai- zu nuichen vermag. Ihr specifischer Unter-
schi ml von den Engelgeistern ergibt sicli daraus, dass eben nui- die Menschenseele, nicht
aber ein Engelgeist in die i\Iitleidenschaft au den Zuständen und Affectionen des Leibes
ü-ezogen werden kann d. li. sinnlicher Empfindungen fähig ist. Als Lebensprincip des
Leibes bekundet sich die Seele durch ihre Liebe zum Leibe, dessen Zustände gleichsan»
ihre eigenen Zustände sind; sie sieht das Leben des Leibes gewisser Massen als ihi-
eigenes Leben an und fürchtet den Tod, obwohl sie selbst nicht sterben kann. Die
Unsterblichkeit wird von den Philosophen auf mannigfache Art bewiesen; einer ihrer
Beweisgründe ist die Einfachheit und Unauflösbarkeit des Seelenwesens, ein anderes
Argument wird daraus geschöpft, dass die den Leib belebende Seele nicht wie der Leib
anderswoher, sondern aus sich selber lebt. Der christliche Beweis für die Seelenunsterb-
lichkeit ist die Grottesbildlichkeit der Seele; es ist undenkbar, dass die Seele Ihm, dessen
Wesen unsterbliches, unvergängliches Sein ist, ähnlich sein könnte, wenn sie vergänglich
wäre. Man könnte wohl fragen, wie es komme, dass die Gott ähnliche Seele nicht gleicli
Gott schaffen odej- anderes göttliches Thun nachahmen könne. Hraban antwortet hierauf
mit Cassiodor durch ein Gleichniss; das gemalte Bild eines Menschen kann seinem
lebendigen Originale vollkommen ähnlich sein, dessungeachtet ist es nicht im Stande, die
Handlungen seines Originales nachzuahmen.
Ueber die Entstehungsart der einzelnen Menschenseelen' will sich Hraban eben so
wenig als sein unmittelbarer Vorgänger Alcuin^ bestimmt entscheiden. Gewiss sei, dass
dem ersten Menschen die Seele unmittelbar von Gott eingehaucht wurde; dem ent-
sprechend glauben Einige, dass jedem Fötus, welcher sich bis zum vierzigsten Tage nach
der Zeugung im Mutterschoosse gebildet hat, die Seele unmittelbaj- von Gott eingeschaffen
werde. Andere glauben aber, dass mit den Leibern auch die Seelen von den elter-
lichen Erzeugern stammen, und dass auf diese Weise die Erbsünde am leichtesten sich
erklären lasse. Da indess über diesen I'unkt selbst Augustinus zu keiner entschieden
abschliessenden Ansicht gelangte, so ist es am Besten, von einem definitiven Urtheil
Abstand zu nehmen, und den Gegenstand der Frage als ein dem menschlichen Ver-
stände unergründliches Geheimniss anzusehen.
Man fragt weiter, ob die Seele eine Form habe.' Unter Form versteht man die
Eingrenzung eines Gegenstandes. Durch Linien und Flächen kann nur ein Körper ein-
gegrenzt werden. Da nun die Seele unkörperlich ist, so versteht es sich von selbst,
dass sie keine Form habeii könne. Wenn nun die Seele keine räumliche extensive
Grösse ist. so folgt daraus noch nicht, dass man sie von der Kategorie der Quantität
völlig eximire, da es auch geistige intensive Grössen gibt, rücksichtlich welcher dann
iminerhin die von Hraban in Bezug auf die Seele verneinte Frage aufgeworfen werden
' Vgl. (J;issii>dor O. c, c. 7.
2 Rat. an c. 13. — Alciiiu verweist seiue Freuudiu bezüglieh dieses Gegenstandes auf den beziiirliclioii Brief Auffustins au
Hieronynuis, welclieii er selbst bislier nieht zn erlangen verniocbt habe.
' Vgl. Ca.s.siudor O. c, f. -1.
Der Entwickelungsuang dei: mittei.alterlhhen P^^ychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 79
kann, ob sie eines Wachsthums und einei- Melu-ung fähig seien. Für Ilraban scheint
bei seiner Behauptung, dass den Seelen kein Wachsthiim zukomme, neben Cassiodor, ' aus
dem er die Motivirung seiner Behauptung entnimmt, auch das Ansehen des Glaudianus
Mamertus massgebend gewesen zu sein, welcher- die menschliche Seele von der Kate-
gorie der Quantität schlechthin eximirt, und mn- die Kategorie der Qualität unterstellt
sein lässt, nicht etwa in Bezug auf ihr substantielles AVesen, sondern blos hinsichtlich
der mutablen Affectionen desselben. Dass Claudianus neben den Affectionen nicht auf
die Kräfte der Seele advertirte, hat seinen Gi'und wold darin, dass er diese mit dem
Wesen der Seele selber identificirte, imd das substantielle Wesen als etwas nahm, das
weder Mehrung noch Minderung zulasse. Ans diesem Gesichtspunkte wird man sich
die Aeusserungen Cassiodors und Hrabans über die Unthunlichkeit der Annahme eines
Wachsens der Seele zu erklären liaben; auch beschränken sie die Frage hierüber auf
das Vernunftvermögen der Seele; die Frage in Bezug auf den ganzen inneren Seelen-
menschen zu beregen, liegt ihnen zufolge ihres abstract spiritualistischen Seelenbegriftes
ferne. Die Vernunft sei im Kinde und Manne, Jünglinge und Greise dieselbe; abei- im
Kinde ist die Vernunftthätigkeit durch die Scliwäche und Kleinheit des unentwickelten
Körpers niedcrgelialten, in den Jünglingen wird sie durch gewisse Ungleichmässigkeiten
des noch nicht völlig ausgebildeten Körpers gehemmt. Hraban erläutert mit Cassiodor
dieses Verhältniss der Vernunft im Kinde und Jüngling durch den Vergleich mit dem
Feuer, das im engen ßaume oder initer einem dicken, schweren und feuchten Körper
nicht aufwärts streben, nicht zu seinem natürlichen Orte empordringen kann.
Ueber den Sitz der Seele lehrt Hraban' mit ('assiodor, dass dieselbe zwar im
Körper all verbreitet, aber nicht in allen Theilen auf dieselbe Art gegenwärtig sei
und wirke. Einige suchten den Centralsitz der Seele im Herzen, wofür sich allerdings
plausible Gründe anführen lassen, die wenigstens so viel beweisen, dass die Seele an
diesem Orte auf eine eigenartige Weise gegenwärtig und wirksam sei. Man wird aber
gleichwohl Jenen zustimmen müssen, welche den Centralsitz der Seele ins Haupt verlegen.
Der nach Gottes Bilde geschatfenen Seele ziemt es, im Haupte zu thi-onen, wie Gott im
Himmel thront, und von da aus die bewusste, selbstthätige Leitung des Körpers zu
verwalten. Auch laufen alle Sinnesnerven im Haupte zusammen; nebstdem sind der
sprechende Ausdruck der Gesichtszüge, das Spiel der Mienen, der überwältigende Ein-
ilruck, welchen gewisse geistige Erregungen auf das Gehirn ausüben u. s. w., ein Beweis
dafür, dass die Seele vornehmlich im Haupte wohne. Man vermisst in diesen Erörterungen
die Vermittelung mit der vorausgehend erwähnten Eximirung der Seele von der Kategorie
der Quantität; diese Exemtion scheint doch jedenfalls die Unräumlichkeit und Illocalität
der Seele' zur Folge zu haben, wodurch dann freilich die Verbindung von Seele und
Leib zu einem schlechthin unlösbaren Räthsel gemacht würde. Es mochte Hraban dünken,
dass die von ihm adoptirten Erörterungen Cassiodors über den ,Sitz' der Seele grosse
Aelmlichkeit mit jenen Augustins liätten, die ihm zufolge seiner vielseitigen Vertrautheit
mit Augustins Schriften nicht unbekannt sein konnten; wenn sich ihm dessungeachtet nicht
die Wahrnehmung aufdrang, dass der Augustinische Seelenbegriflf, obschon noch nicht
Cassiodor O. c, c. ö.
Dp statu aniraae I, cap. 19, 20.
De .aiiiijia, c. 5. Vgl. Cassiodor 0. c, c. S.
QQ K. Weunek.
bis zum Beorirte eines activen. ruiiinuiiil'asscMuloii rrlncipes entwickelt, doch entschieden
über die Voi-stellung einer passiven Lücalisining der Secde, sei es im Gesammtleibe, sei
es in einer einzelnen bevorzugten Region desselben, im Haupte oder Herzen Linausgreife,
so beweist diess nur, dass man im Jalirhundert Hrabans mit methodischen Studien über
Seelenkunde sich zu befassen uucli niclit Zeit fand, sondern sidi eklektisch an einzelne
Gewährsmänner hielt, am liebsten an solche, welche eine beciueme leicht überschaubai-e
Zusammenstellung des überlieferten Vorrathes brauchbarer psychologischer Anschauungen
und Begritfe darboten. Vergleicht man den Umfang der aus zwölf Capiteln bestellenden
Schrift Hrabans De anima mit jenem der gleichnamigen Schiüft Cassiodors, so ersieht
man, dass es als Bedürfniss empfunden wurde, selbst so kurzgefasste Uebersichten tra-
ditioneller Lehranschauungen, wie jene Cassiodors, in einen noch engeren Raum zu-
sammenzudrängen. Und von da an unterblieb die Abfassung von Darstellungen der
Seelenlehre dui-ch länger als zwei Jahrhunderte ganz und gar; erst mit dem Beginn
des zwölften Jahrhunderts war man so weit voi-gerückt, an eine umfassendere, und zum
Theile doch auch schon etwas selbstständigere und eingehendere Behandlung der Seelenlehre
im Ganzen oder einzelnen Hauptpartien derselben zu denken. Vor Eintritt dieses
Zeitraumes erschöpfte die Pflege der sieben Künste so ziemlich den Gesammtinhalt dessen,
was neben den specifisch geistlichen und kirchlich-theologischen Studien für den welt-
lichen und philosophischen Wissenschaftsbetrieb geschah; für Hrabans Schüler Erman-
ricus von Ellwangen * fasst sich der Complex alles Wissenswiirdigen aus der Seelenkunde
in drei Hauptstellen aus Isidorus," Alcuin'' und Gennadius* zusammen, die allerdings
in ihrer Zusammenstellung einen succincten Inbegriff dessen, was nach damaliger An-
schauung in einer Seelenlehre abzuhandeln war, darbieten.
Dahin gehörte nach damaliger Anschauung auch eine Erörterung der vier Cardinal-
tugenden als der quatuor virtutes animae, die wir demzufolge bei Cassiodor," Alcuin"
und Hraban ' besprochen finden. Die Psychologie sollte nämlich, so weit sie über die
fundamentalen Erörterungen über Begriff und Wesen der Seele hinausging, wesentlich
Moralpsychologie sein; so forderten es die Bedürfnisse und die Organisation des da-
maligen Unterrichtes. Die Verbindung der Lehre von den virtutes mit den fundamentalen
Bestimmungen über das Wesen der Seele wäre eigentlich durch eine Auseinandersetzung
über die vires animae herzustellen gewesen. In der That findet sich ein Versuch
hiezu bei Alcuin, welcher zu diesem Behufe an die Dreitheilung von Ratio, Ira, Concu-
piscentia als gleichsam drei Vermögen der einen Seele anknüpft, und zugleich auch eine
1 SielK? desselben enulite E]ii.stola .ad Gniinaldinm arclücaiiellauum (ed. Duraler Halle 1873, 4»), S. 2 u. 3.
2 Differeutt. II, 30.
3 Rat. an., c. 11. — Die aus diesem t'apitel von Hermanrich entlehnte Stelle wird auch in der dem 12. Jahrhundert angeliörigen
Sanimelschrift de Spiritu et anima (c. 13) reprodueirt, auf welche wir unten des Näheren zurückkommen werden. Die bündige
Kürze der in jener Stelle gegebenen Erklärungen empfahl sie allerdings als trefi'enden Ausdruck einer gemeingiltigen An-
schauung: Anima secundnm officium operis sui variis nuncupatur nominibus. Anima est, dum vivificat; dum contemplatur,
Spiritus est; dum sentit, sensus est; dum sapit, animus est; dum intelligit, mens est; dum diseernit, ratio est; dum consentit,
voluntas est; dum recordatur, memoria est. Nee tamen haec ita dividentur in substantia, sicut in nominibus, quia haec omnia
una est anima. ^
* Dogm. eccl., cap|i. 17 — 20.
^ Cassiodor. O. c, u. 5.
6 Kat. an. capp. 3. 4.
" De anima. capp. li — H>.
Der Entwickelungsgang deu mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 81
Finalbezieliung dieser vier in der Charitas ' geeigneten Tugenden auf Ja.s liüchste und
absolute Grut zu gewinnen sucht. Es braucht indess kaum gesagt zu werden, dass ihm
bei dem völligen Mangel einer pragmatischen Auseinandersetzung und Detaillirung der
Seelenfunctionen oder vires animae eine innerliche Verknüpfung der Lehre von den
virtutes morales mit der Lehre vom Wesen und höchsten Ziele der »Seele nicht gelino-en
kann; es hat bei einigen durch kein inneres logisches Band mit einander verknüpften
lemmatischen Sätzen und Andeutungen sein Bewenden, die nur das ihm vorschwebende
Ziel einer christlich-rationalen Thelematologie errathen lassen-. Hraban, der nach Cassio-
dors und Alcuins Vorgang die Behandlung der quatuor virtutes in der Seelenlehre als
selbstverständlich ansieht, fügt ihre Besprechung dem Zusammenhange seiner Sclirift
ganz unvermittelt ein, ergeht sich aber in ihrer Darlegung sehr umständlich; diese
Umständlichkeit ist auf seinen königlichen Leser berechnet, dem er in der beredten
Schilderung der vier ,königlichen' Tugenden das Ideal eines vollkommenen ßegenten
vorhalten will.
Hrabans Erörterungen über die Cardinaltugenden trennen die letzten zwei Abschnitte
seiner Schrift^ von jenem über den Sitz der Seele, an welchen sie dem richtigen sach-
lichen Zusammenhang zufolge sich unmittelbar anzuschli essen hätten. Diess sind nämlicli
die somatologischen Erörterungen, in welchen zuerst von der Configuration des zur
Wohnung der unsterblichen gottesbildlichen Seele zubereiteten Leibes, sodann von den
Functionen der Sinnesorgane gehandelt wird. Als auszeichnender Vorzug der Menschen-
gestalt ist vor Allem die aufrechte Haltung derselben hervorzuheben; das Haupt als
Sitz der Seele nimmt die oberste Stelle des Körpers ein. Es ist aus sechs Knochen
zusammengefügt, deren Zahl die Zalil der Vollendung ausdrückt; die Rundung des
Hauptes ist eine Nachbildung der Wölbung des Himmels. Die beiden Augen, die unter
der Stirnwölbung hervorblicken, sind den zwei grossen Himmelslichtern Sonne und Mond
vergleichbar, oder um einen höher greifenden Vergleich in Anwendung zu bringen, den
beiden Testamenten Gottes. Den Augen sind in abwärts steigender Ordnung die übrigen
paarigen Organe und Theile des Leibes unterstellt: Ohren, Nasenöffnungen (nares),
Lippen, Arme, Hände, Seiten (rechte und linke), Schenkel, Füsse, und alle diese Paare
durch mittlere Einheiten verknüpft : Nase, Mund, Kehle, Brust, Bauch, Nabel, Zeugungs-
organ. Hieran schliessen sich dann noch kurze Bemerkungen über die zweckvolle
Organisation der menschlichen Sinnesorgane, Im sechsten Buche seines Werkes de
Universo gibt Hraban eine Aufzählung aller Glieder des menschlichen Leibes^ unter
Beigabe einer mystisch-allegorischen Deutung derselben, sowie des tropischen und figür-
lichen Sinnes ihrer Benennungen in der Sprache der Bibel; unter seinem Namen gehen
auch jene glossae latino-barbaricae de partibus corporis humani * d. i. Erläuterungen
und grossentheils auch Verdeutschungen lateinischer Benennungen von Gliedern und
Theilen des menschlichen Leibes. ^
' Was Alcuin Rat. an., c. 5 von den vier Objecten der Liebe und der rechten Ordnung in dieser vierfachen Liebe sagt, ist
auf Isidor Differentt. II, 37 zurückzuführen.
- De anima capp. 11. 12. Vgl. Cassiodor O. c, c. 9.
' Unter Benützung- von Isidor's Origg. Lib. XI.
* Abgedr. in Mignc's Patrologia latina Tom. CXII, p. 1575 S.
* Für derlei Erläuterungen und Namenserklärungen hatte Hraban eine Vorlage in Isidor's Differentt. II, 17 — 28.
Denk^cbriften der phil.-hist. Ol. XXV. Bd 11
82 K- Webner.
W"\v Iiaben bei einem andern Anlasse, in unserer Darlegung der Kosmologie und
NaturleJire des früheren Mittelalters/ die Bezugsquellen namhaft gemaeht, aus welchen
die Scriptoren dieses Zeitraumes die aus dem griechisch-römlsclien Alterthum überkom-
menen physikalischen und medicinischen Kenntnisse schöpften •, es wurde daselbst speciell
auf die Schriften des Constantiniis Africanus hingewiesen, welchen "Wilhelm von Conches
neben älteren ihm zugänglichen Autoren für den somatologischen Theil seiner anthropo-
logischen Lehren ganz vornehmlich benutzte.'^ Die von Wilhelm von Conches vor-
getragenen somatologischen und physiologischen Lehren waren, wie aus seines Zeit-
genossen "Wilhelm von Thierry Schrift de natura corpoj-is et animae^ zu ersehen,* da-
zumal schon Gemeingut der Schulen ; und wir mögen, wenn wir dasselbe mit dem
dürftigen Inhalte der somatologischen Angaben Hrabans vergleichen, daraus entnehmen,
wie bedeutend mittlerweile durch Vermittelung von Uebersetzungen aus dem Arabischen
die Naturkunde in den Schulen des chi-istlichen Abendlandes gefördert worden war.
Wilhelm will eine Naturlehre (Physica) des Menschen geben. Demzufolge theilt er seine
Schrift in eine Naturlehre der leiblichen und geistigen Hälfte des Menschen ; das erste
BucIj enthält die Physica humani corporis, das zweite die Physica animae. Wie Wilhelm
von Conches geht er von den Gi-undlehren des Hippokrates über die Zusammensetzung
des menschlichen Leibes aus. Dei- Leib des Menschen ist aus den vier Elementen gebildet
und schliesst deren Qualitäten in sich. Durch diese seine Zusammensetzung ist seine
Empfindungsfähigkeit bedingt ; er wäre empfindungslos, wenn er nur aus Einem Elemente
gebildet wäre. Die Passibilität des Leibes ist durch seine Auflöslichkeit, diese aber
durch seine Zusammengesetztheit bedingt. ° xVus der Mischung der in ihm vereinigten
vier Elemente erzeugen sich in Ihm die vier Humores, deren richtiges "Verhältniss zu
einander für Leben und Unversehrtlieit des Leibes dieselbe Bedeutung hat, wie das
richtige Mass und Yerhältniss der vier Elemente des Makrokosmos für den Bestand und
die "Wohlordnung desselben. Die Grundbedingung des Bestandes und Wohlseins des
Leibes ist die Eukrasie d. i. die rechte wechselseitige Temperirung des Kalten und
Warmen, Feuchten und Trockenen oder jener Qualitäten, deren Träger die Elejnente sind.
Die im menschlichen Leibe vorhandenen Humores erneuern sich durch die Zuflüsse aus
den im Magen verkochten Speisen; die essbaren Dinge enthalten jene vier Elementar-
qualitäten, aus welchen die Humores gewonnen werden, in den verschiedenartigsten
Mischungsverhältnissen , worüber der Liber Graduimi (Constantins des Africaners)
' Kosmologie und Naturlehre (Ie.s scholastischen Mittelalters mit speciellei' Beziehun«;- auf Wilhelm von Conches. (Sitznugs-
berichte Bd. LXXV, S. 309 ff.
••i Ebendas. S. 380 fl'. (Separatabdvuck S. T'.' tt'.i. Man nennt als denjenigen, der schon im U. Jahrhundert anf dem bezeich-
neten Wege sein naturknndiges Wissen erweitert habe, den Abt Willielm von Hirsan (f 1091); aber das unter seinem
Namen gedruckte Werk: Philosophicarum et astronomicarum institutionum libri tres (Basel, 1531 ; gedruckt von Henricus
Petrus) ist wortgetreu identisch mit Wilhelms von Conches vier Büchern r.ep\ SiSaEsMV, nur dass die zwei ersten Bücher
desselben im Basler Drucke in Ein Buch zu.sammengezogen sind; auch fehlt der Schluss des Werkes im Basler Drucke.
Nebstdem finden sich im ersten Buche bemerkenswertlie Varianten, sofern nämlich der Basier Druck an mehreren Stellen
den Constantinus Africanus, einmal auch den Joannitius i Honein) mit Namen aufführt, während in dem Werke -zpi oioicstov
diese Namen unterdrückt werden, und statt dessen unbestimmt auf das, was die [ihilosopln festgestellt haben, hingewiesen
wird. Auch wird das eine oder andere Mal ein schärferer, wider die Gegner philosojihisch-ijhysikalischer Studien gerichteter
Ausdruck gemildert oder getilgt, wahrscheinlich um keine Gegner wider den Verfasser der Schrift aufzustacheln.
3 De natura corporis et animae libri duo. Abgedr. in Migne's Patrolog. lat. Tom. CLXXX, p. 695 ff.
■• Vgl. auch die Schrift de Spiritu et anima capp. 20 ff.
'-• Non esset, unde doleret. unum existens. Sed terra lutificata efficitur aqua, a(iua rarefacta et calefacta et evaporata fit aer
conden.satus et coUectus aer efficitur aqua, et .sie de reliquis; et hoc modo efficitur corruptio. L. c, p. 696.
Der Entwickelung3gang dek mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 83
genaueren Aufschluss gibt. Die im Munde zerkauten Speisen werden dui-cli die Meris
in den Magen geleitet und für die Functionen desselben zubereitet. ' Der Magen übt
eine vierfache Thätigkeit durch die virtus appetitiva, contentiva, digestiva, expulsiva ;
diese vier Kräfte sind auch in einigen anderen Partien des menschlichen Leibes, besonders
in den Fundamentaltheilen desselben: Gehirn, Herz, Leber, Genitalien vorhanden.^ Das
im Magen V^erkochte wird durch einen der Därme unter dem Magen zum zweiten Male
verdaut, und das Reinere und Feinere davon zur Leber geführt, wo die dritte Verdauung
statthat. Das Feurige von dem daselbst Verarbeiteten kommt zur cholera rubea, das
Luftartige wird vom Blute assumirt, das Wässerige geht iu Phlegma über, das Grobe
laid Erdhafte setzt sich in die schwarze Galle ab. Die cholera rubea veii'einert das
Blut und befähigt dasselbe, den feineren Organen als Nahrung zugeführt zu wei"den.
Das Blut hingegen ermässiget durch seine Humidität die Trockenheit der cholera rubea,
das Phlegma durch seine Kälte die Hitze des Blutes, durch seine Humidität die Trocken-
heit der schwarzen Galle, Die cholera rubea, in mehreren Eichtimgen dui-ch den Körper
sich verbreitend, dringt aucli in den Magen ein und bewirkt daselbst Appetit und Ver-
dauung ; nacli abwärts gehend färbt sie die Excremente. Sie verbreitet sich in noch
andere Theile des Körpers ; ihre Reste nimmt die Galle in sich auf, welche die Bestim-
mung hat, das Blut von der cholera rubea zu reinigen, damit es nicht entzündet werde.
Das Blut tritt aus der Lel)er durch zwei Venen : Hohlader und Pfortatler, und vertheilt
sich nach allen Richtungen durch die Venen und Venengabeln (furculi venarum). Eine
der Venen geht in den Magen und führt die Speisen von da zur Leber. Eine andere
tritt in die Weite des Magens, und bringt dahin von der Leber Nahrung fiir den Magen.
Wieder eine andere geht zur Milz, und führt von der Leber die faeces sanguinis hinweg.
Bevor sie aber dahin kommt theilt sie sich in mehrere Aeste, um dem Fleische Nahrung
zuzuführen (= Panagras). Das Blut hat mit der Luft die Mutabilität gemein-, wenn es
dick und stürmisch ist, gibt es ein Uebermass von Hitze und Feuchtigkeit kund ; ist es
dünn und wässerig, so deutet es auf Kälte der Leber hin ; ist es dunkelrotli und faulig,
so deutet es eine Lifection der cholera rubea und seine eigene Fäulniss an : schaumartig
weist es auf Ventosität, gestockt und wässerig auf allzuviel Phlegma und auf ein Gebrechen
der virtus expulsiva hin. Das Phlegma ist halb verdaute Speise ; deshalb ist es kalt und
feucht. Das reine Phlegma ohne Beimischung ist geschmacklos und heisst das natürliche
Phlegma; die Beimischung von Blut macht es süss, die Beimischung von cholera rubea
salzig, die Beimischung von Schwarzgalle bitter, durch die Kälte wird es gestockt und
glasartig. Je nach Verschiedenheit seines Zustandes wirkt es verschieden auf den Magen
und Appetit. Nach den oberen Theilen und Organen des Körpers dringend unterliegen
die Humores daselbst, ihre Unreinigkeiten absetzend, einer natürlichen Reinigung, die
Cholera dxirch die Ohren, die Schwarzgalle durch die Augen, das Phlegma durch Nase
und Mund. Das Blut setzt seine Unreinigkeiten im Urin ab. Blut und Gialle haben, da
' Est autem ineris membrum longuin et rotunduiii et concavuni et intus villosum. Iial>ens introrsum ]iilos long'os, alios in
transversuni, alios snrsum ad os directos. Pili snrsuni directi natnraliter citnini attralinnt: qni vero in transversum stnniachi,
stringunt, et stringendo in succnra transmutant et paullatim in os stomaclü demittunt.
- Diese Vierheit findet sich bereits bei Cassiodor (De anima, c. 6) erwähnt, der nach Aufzählung der fünf virtutes naturales
der Seele: sensibilis, imperativa, principalis, vitalis, delectativa, unter letztere die vorerwähnte Vierheit siibsurairt: Ecce
iterum quadripartita subdiTisione ad susteutationem corporis pars ista refunditiir. Prima est attructiva rapiens de naturali
quod sibi necessarium sentit. Secunda retentoria assumta retinens donee ex bis utilis decoctio procuretur. Tertia translativa,
qwae accepta in aliud convertit atque transponit. Quarta expulsiva, quae ut natura tiat libera, sibi nocitura e.xpellit.
11*
Q j K. Wernek.
sio wogen iliror Menge und Humidität sich leichter bewegen und ihr Ueberschüssiges
ausstüssen, keine besonderen Reinigungsoi-gane, wie dergleiclien die cholera rubea an der
(lalle, die Schwarzgalle an der Milz haben, sondern führen sie durch die Nieren und
Harnblase ab. So viel über die Vertheilung der Säfte in Folge der dj-itten Verdauung.
Ihn-ili die Hitze der Digestion wii-d der Spiritus naturalis erzeugt, der seinen Sitz
in d.M- Leber hat und drei Kräfte in sich schliesst: die virtus generativa, die dem Sperma
einwolmt, die virtus pascitiva, die in der ^'egetation, die virtus nutritiva, die im Wachs-
thum des Körpers sich bekundet. Hie vegetative und nutritive Kraft wohnt dem T.lute
ein, welchem hinsichtlich dieses seines Wirkens Galle, Milz und Nieren dienstbar sind.
Hie Galle zieht die cholera rubea an sich, damit diese das Blut nicht entzünde; die
Milz zieht die Ueberschüssigkeiten des Blutes an sich, die Nieren vermitteln den Abfluss
der wässerigen Ueberscliüssigkeiten des Blutes in die Harnblase.
Wie der Spiritus naturalis in der Leber, so ist der Spiritus spiritualis im Herzen
basirt. Die Alimente dieses Spiritus sind die Lunge, die Häute (panniculi) und die Brust-
muskeln (lacerti pectoris) d. i. die mit Fleisch gemischten Nerven, durch deren Bewegung
Luft geschöpft und warme Dämpfe ausgestossen werden. Die Bewegung wird durch den
Spiritus naturalis mittelst Ausdehnung und Zusammenziehung des Herzens bewirkt. Die
Ausdehnung hat den Zweck, frische Luft aufzunehmen und die Hitze des Blutes zu
massigen, welches gleichfalls in seiner feinsten Durclibildung durch die Ausdehnung des
Herzens angezogen wird, und dem Herzen durch die in seine rechte Auricula mündende
Yene von der Leber her zugeführt wird. Das Herz ruht im Schoosse der Lunge, welche
gleichsam die Amme des Herzens ist, und ihm die Luft zuführt. Werden die Luftwege
verlegt, so sucht das Herz bei der Lunge Zuflucht, um die in derselben befindliche
Luft an sich zu ziehen; der Luft gänzlich entbehrend muss das Herz ersterben. Daher
der Gemeinspruch der Aerzte, dass der Mensch länger als sieben Tage ohne Speise, und
länger als sieben Stunden ohne Luft nicht leben könne. Um den Spiritus spiritualis
durch den ganzen Körper zu verbreiten, gehen von der linken Auricula des Herzens
Arterien nach dem ganzen Körper aus. Die Arterien sind von Innen und Aussen mit
Vliesshaaren besetzt. Die äusseren Vliesshaare sind in die Länge gestreckt, um aus dem
Grunde des Herzens die Wärme oder den Spiritus anzuziehen, und da dehnen skh die
Arterien aus; mittelst der inneren transvers gelegten Haare constringiren sie den Spiritus
imd stossen die dampfigen Superfluitäten aus. Diess ist die erste der drei Digestionen
des Spiritus spiritualis. Indem der Spiritus spiritualis durch die unterhalb des Gehirnes
netzartig sich ausbreitenden arterias juveniles ' ins Gehirn aufsteigt, unterliegt er einer
zweiten Digestion, aus welclier der Spiritus animalis erzeugt wird, gleichwie der Spiritus
spiritualis selber im Herzen sich erzeugt. Durch zwei über das Netz zurückgebogene
Arterien gelangt er sodann zur Kammer des Vordergehirns, wo er abermals geläutert
wird, und seine Abflüsse durch Gaumen und Nase wegschickt; diess ist seine dritte
Digestion. Er selbst geht zu den Höhlungen des Hintergehirns, und regt dort Gedächtniss
Zun, mihcro,, Verständnisse, dieses Ausdruckes ist Constantin. Afric. de commun. medico cognitu necessar. II, 13 zu
vergleiclien Ks heisst daselbst von den aus dem Herzen aufwärts steigenden Venen: Quae major est, ascendeus sarsuni, duarum
postea fit venarum; major tingit ad giugivas et ex transverso in dextra latera. Quae ad moUiorem aceedens carnem, quod
appelUant monglandem in tres dividitur. Duae sunt maxime procedentes in latera occultae arteriae, una dextrorsum, altera
«inistrorsun,. Has in colli sentimus lateribus, juvenilesque vocantur. Quae absconse se commiscentes et in ascensu crann
oncavitatem subeuntes muUifonnitor dividnntur, et jnnctae sicut rectae efficiuntur subter cerebrum se dilatantes, ut sp.ritns
aniinatus digeratur.
Deii Entwickelunüsgang dei: mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 85
und Bewegung an, wie im Vordergeliirn Sinn und Vorstellungsvermögen. Das Mittel-
gehirn ist Organ des Intellectes und Ratiocinationsvermögens.
Der Spiritus spiritualis wirkt Voi-stellen und Erinnern unmittelbar durch sicli selbst,
Sinneswahrnehmung und Bewegung durch seine dienstbai-en Organe. Vom Haupte gehen
sieben Paare Bewegungsnerven aus. die bis zum Zwerchfelle und in die Mitte der Ein-
geweide herab theils durch sich selbst, theils durch andere von ihnen ausgezweigte
Nerven sich erstrecken. Damit aber die Wirksamkeit der Nerven durcli den ganzen
Körper sich verbreiten könne, und rasch und schnell sich vollziehe, müssen sie eine
selbsteigene Kraft des Bewegens in sich haben. Wäre für jede Bewegung der Extremi-
täten eine vom Haupte ausgehende physische Veranlassung der Bewegung nötliig, so
würde diese sich sehr verlangsamen und höchst schwerfällig ausfallen. Auch ist es nicht
zulässig, . sich Nerven zu denken, die in ilirer Länge den ganzen Körper vom (lehirne
herab bis zu den Enden der Hände und Füsse durchziehen-, würden solche Nerven an
einer bestimmten Stelle geschädiget, so wäre die Verbindung zwischen dem Haupte und
den entlegenen Theilen des Körpers aufgehoben und Bewegung und Empfindung in
denselben unmöglich gemacht. Die Verlängerung des Gehirns im Rückenmarke, welches
selber gleichsam ein zweites Gehirn ist, ermöglichet das Vorhandensein kürzerer Nerven
und bezeugt auch zugleich die zuvor postulirte selbsteigene Bewegungskraft und Emj)fin-
dungsfähigkeit der Bewegungs- und Empfindungsnerven. Die Nerven der speciellen
Sinnesempfindungen gehören dem Vorderhaupte an, in deren Functionen sicli eine dritte
Seelenkraft, die virtus animalis bethätiget. Wilhelm gibt eine genaue Beschreibung von
den Organen der vier im Haupte locirten Sinne: Gesicht, Gehör, Geruch, Gesclimack.
Wir lassen diese Beschreibung bei Seite, und heben nur hervor, dass er dem Augennerv
einen speciellen Spiritus visivus zutheilt, der vom Gehirn ausgehend durch den optischen
Nerv bis zur tunica vitrea des Auges geleitet wird, und diese tunica erregend die
Krystalllinse erstrahlen macht. Durcli diese hindurchgehend und an die Aussengrenze
des Auges gelangend mischt sich der Spiritus visionis mit der taghellen Luft, recipirt
die Farben der Gegenstände, und theilt die durch diese Reception bewirkte Immutation
seiner selbst auch der Krystalllinse mit; sobald diese Immutation durch Vermittelung
des Spiritus visivus von der im Gehirne locirten Mens appercipirt worden ist, nimmt
diese die Färbungen der äusseren Objecto und damit auch die Gestaltung, Grösse und
Bewegung derselben wahr. Die Sinneswahrnehmung vermittelt sich insgemein durch
Immutation des wahrnehmenden Sinnes in das wahrgenommene Object. Diese Immutation
vollzieht sich für den Gesichtssinn in der Krystalllinse, für den Geruchsinn in den zwei
an die dura mater des Gehirnes angesetzten zitzenförmigen Knötchen, welche den von
riechenden Körpern ausströmenden und von den Nasenlöchern eingesogenen I >uft in sich
aufnehmen und sich assimiliren; für das Ohr in den durch die innere Ohrhöhlung sich
ausbreitenden und sie bedeckenden Endigungen des Gehörnervs, welches Apperceptions-
organ von Wilhelfia mit der Krystalllinse des Auges parallelisirt wird; für den Geschmack
in den in der Zunge sich verastenden Geschmacksnerven; füi- den Tastsinn in der ge-
sammten Hautoberfläche des Körpers.
Diese drei, in Leber, Herz und Haupt locirten virtutes — fährt Wilhelm im zweiten
Buche seiner Schrift (Physica animae) weiter — welche die gesammte sinnlich- leibliche
Lebensthätigkeit des Menschen vermitteln, sind virtutes animae, und bekunden durch sicIi
selbst, dass der menschliche Leib ein beseelter und in Kraft seiner Beseelung belebt sei.
86
K. Werner.
Der ia Kraft seiner Beseelung lebendige Mensch hat die virtus naturalis mit den Pflanzen,
die virtus spiritualis mit den Tlüeren gemeinhin, die virtus animalis aber nur mit einem
Theile derselben gemein; in vollkommener Ausbildung ist Vorstellungsvermögen und
Gedächtniss nur im veinunftbegabten Menschen vorhanden. Die dem Menschen ein-
wohnende Seele bethätiget sieh in den Artionen jener drei Yirtutes als Belebungsmacht,
deren ^Virken auf Dreierlei abzAveekt: vivcre, bene vivere, Befähigung zur Aneignung
des für Leben und Wohlsein Nothwendigen. Die zum Lebensbestande des Leibes absolut
nothwendigen Theile desselben sind Haupt, Brust, Leber in ihrem dreieinigen lebendigen
Zusammensein. Zum bene vivere gehören die Sinnes Werkzeuge, Bewegungs- und Clreif-
oro-ane, kurz Alles, dessen der menschliche Leib verlustig gehen kann, ohne dadurch
selber zerstört und dem Tode überantwortet zu werden. Zur dritten Classe von Organen,
welche die Aneignung des zur Erhaltung vmd Föi-derung des leiblichen Lebens Noth-
wendigen bezwecken, rechnet Wilhelm Magen und Lunge, die selber wieder viele ihnen
subordinii-te Organe und Theile des Körpers zur Unterstützung ihrer Functionen benützen.
Das durch das wundervolle Lieinandergreifen aller Theile, Organe und Kräfte vermittelte
Leben und Bestehen des Leibes lässt denselben als ein Werk erscheinen, in dessen
successiver Hervorbildung sich bereits der Adel und die Hoheit des ihm einwohnenden
Lebens- und Bildungsprincipes kundgibt, ehe dasselbe sich unmittelbar in seinem rein
geistio-en Wesen offenbart und bethätiget. Dem menschlichen Leibe wohnt eine Seele
ein, die nach Gottes Bild geschaffen ist; und das gottesbildliche Wesen der Seele soll
sich auch in der äusseren sichtbaren Gestaltung des Leibes abdrücken, tritt aber, wie
wir Menschen dermalen beschaffen sind, erst im vollkommen ausgebildeten Menschen
sichtlich hervor. Wir Menschen im Stande der gefallenen Natur werden wie Thiere
o-eboren, und erst nach langer Arbeit der untergeordneten und niederen Kräfte der Seele
wird der Körper jenem Stande der Reife und vollkommenen Ausbildung entgegengeführt,
zufolge welcher in seiner äusseren Erscheinung das gottesbildliche innere Wesen des
Menschen sich sichtbar auszudrücken vermag.
Wir haben Wilhelms Somatologie bis zu dem Punkte fortgeführt, wo sie bereits
in den zAveiten Theil seines Werkes, in die Physica animae hinübergreift, müssen aber
bei dem Letztentwickelten noch etwas näherbetrachtend verweilen, weil es uns Gelegenheit
gibt, Charakter und Beschaffenheit des Werkes Wilhelms und seine Stellung in der
Entwickelung der mittelalterlichen Psychologie zu beleuchten. Wilhelm tritt, indem er
die Gottesbildlichkeit der Seele als einen Hauptpunkt in der Erörterung des Wesens
der Seele hervorliebt und behandelt, ganz in die Fusstapfen seiner Vorgänger; führt
er doch die oben erwähnte Definition der menschlichen Seele, die nach Cassiodors
Erklärung jene der christlichen Lehrer ist, und in welche die Gottebenbildlichkeit als
constitutives Moment aufgenommen ist, wörtlich an, wie denn auch laut seiner eigenen
Erklärung das übrige von ihm Gebotene nur eine Zusammenstellung dessen ist, was er
in den bereits vorhandenen Schriften Anderer vorfand.' Bei einer derartigen schrift-
stellerischen Methode triffst es sich nun leicht, dass das aus verschiedenen Autoren
neben einander Gestellte sich nicht so innig aneinanderschliesst uftd auseinander hervor-
geht, als man behufs der nöthigen Klarheit wünschen möchte; und so kommt denn auch
' Scias autem — heisst es im Piologus des Werkes — quae legis nou mea esse, sed ex parte philosophorum vel pliysicorimi,
ex parte vero ecelesiastieornni doetorum, iiec tantum eorum sen,sa, »ed ipsa eorum, sicut ab eis edita sunt, dicta vel scripta,
quae excerpta ex eorum libris hie in unum rongessi.
Dek Entwickeldngsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 87
Wilhelm von der Beschreibung des menschlichen Ivcibes ziemlich überraschend auf das
gottebenbildliche Wesen des Mensclien hinüber, dessen Erörterung doch in ganz anderer
Weise unterbaut, und wohl selbst auch anders begründet sein müsste. Nach seiner Dar-
stellung bleibt es unbestimmt, ob die Gottebenbildlichkeit blos von der 8eele, oder vom
ganzen Menschen ausgesagt werden soll; wenn er ferner behauptet, erst in dem voll-
kommen ausgereiften Menschenkörper trete der Charakter dei- Gottesbildlichkeit sichtbar
am Menschen hervor, so hätte doch beigefügt werden müssen, dass diess specifisch nur vom
Manne als specifischem Träger und Repräsentanten des menschlichen Gattungscharakters
gelten könne. Ist aber nur der Mann und der Hen'scher specifisch Repräsentant Gottes,
so würde es sich weiter fragen, ob diese Repräsentation eine blosse Idee sei, oder ob
ihr auch die Wirklichkeit im menschlichen Zeitdasein entspreche, und /war derart, dass
der- Mann unmittelbar durch sich selbst den gottesbildlichen Herrscher und Gebieter
der Erdenwelt zum Ausdrucke bringe. Schon die Vielheit und Varietät der zeitlich
entfalteten Menschengattung spricht dagegen ; und so hätten wir jenen Einen der nur
als Einer das sichtbare Bild des Ewigen im Kreise des Lebendigen auf Erden darstellen
konnte imd diess nur in einem über das natürliche Sein und Können des Menschen
emporgehobenen Lebenszustande vermochte, vor der Entfaltung des Einen Menschen in
die Vielheit der Gattung und vor dem Heraussinken jenes Einen aus dem Stande über-
natürlicher Gehobenheit zu suchen. Wilhelm meint, weil in Folge des Falles die Menschen
als hilflose und schwache Geschöpfe geboren werden, die erst allmälig zur Reife und
Stärke des entwickelten Leibeslebens heranreifen, komme jener Charakter erst allmälich
zum Ausdrucke; man wird richtiger sagen, dass er, soweit er vom äusseren Menschen
überhaupt ausgesagt werden kann, nicht speciell an eine bestimmte Altersstufe gebunden
sei, aber immer nur höchst relativ nach Massgabe der durch Alter, Geschlecht, Natur-
artung bedingten Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der menschlichen Individualitäten
zum Ausdruck gelangen könne. Kommt der Charakter der Gottesbildlichkeit dem
Menschen als solchem zu, so wird er gewiss auch im Kinde und im Greise nicht zu
verkennen sein obschon beide, Kind und Greis, durch ihre Schwäche und Hilfsbediirftio--
keit daran mahnen, dass ein den Gesetzen und Bedingungen des irdisch-sterblichen
Zeitdaseins unterthan gewordenes Geschlecht für sein zeitlich-irdisches Naturdasein als
solches die Gottesbildlichkeit nicht in Anspruch nehmen könne. Gleichwohl wäre es
verfehlt, die Gottesbildlichkeit bei dem dermaligen Menschen auf sein seelisches Wesen
zu beschränken; so weit sich dieses in der äusseren Menschenerscheinung abdrückt
muss sich auch der gottesbildliche Charakter desselben in der äusseren Erscheinung
des Menschen reflectiren, so sehr immerhin dieser Reflex durch die den Unterschied
zwischen edlen und minder edlen Racen begründenden Ursachen und durch anderweitige
ethische und physische Einflüsse getrübt und verdunkelt, ja mitunter geradezu verzerrt ist.
Wilhelm setzt das gottesbildliche Wesen der Seele in die Rationalität derselben.
Diess ist nun an sich ganz richtig und selbstverständlich ; es handelt sich jedoch auch
darum, die Tiefe und den Vollgehalt dessen, was in der rationalen Begabung der Seele
liegt, zur Anschauung zu bringen, und damit den wii-klichen Erweis der behaupteten
Gottesbildliclikeit zu erbringen. Die denkfähige, vernunftbegabte Menschenseele wird
das göttliche AVesen wohl darin nachbilden, dass sie, während sie ein lichtes Geistleben
in sich selber lebt, zugleich auch die gesammte sichtbare Wirklichkeit denkend bewältigt
und sich geistig dienstbar macht. Dazu kommt dann weiter die ethische Selbstverähn-
yy K. Wkrnek.
licliiing der Seele niii (Jon. die sieh dadurch vollzieht, dass die Seele ihr gottesbildliclies
geistiges Sein iind Lrln'ii aucli ethisch bewahrheitet und die dem Ewigen nachgedachten
Gedanken in die \\ irkli(;lik(Mt lebendiger Tliaten umsetzt. Von einer derartigen Auf-
fassung dei' Gottesbildliclikeit der menschlicheii Seele ist nun bei Wilhelm nicht die
Rede. Er sieht die Bekundung des gottesbildlichen Wesens der Seele niciit etwa, worauf
es docli specifisch ankommt, in der Fähigkeit derselben, die Gedanken des Ewigen aus
sicli zu reproduciren. sondeiui lediglich im Denken als solchem, oder in demjenigen, was
die menschliche Seele, oder besser gesagt, der Mensch vor dem Thiere voi-aus liat, wobei
stillschweigend vorausgesetzt wird, dass dasjenige, was über das Thierische erhaben ist,
gottesbildlich sein müsse. Ist nun aucli diese Voraussetzung nicht unrichtig, so muss sie
doch erwiesen werden ; dei" Erweis fordert aber ein Eingehen in das tiefste Wesen der
Seele, imd ein Begreifen dei" Denkfähigkeit und Denkmächtigkeit der Seele aus dem
tiefstgefassten Wesen der Seele. Statt dieses Eingehens begnügt sich Wilhelm mit einer
überlieferten Definition der Seele, in welche neben anderen constitutiven Merkmalen
der Seele aucli die Gottesbildlichkeit derselben aufgenommen ist. Er fiilirt nun allerdings
auch Gründe für dieselbe an, aber eben nin- Gi'ünde. nicht den Einen, diese Gründe
selber wiedc]- begründenden eigentlichen Grund. Seine Gründe sind hergenommen von
der Rationalität der menschlichen Seele ; in Folge dessen gebietet die Seele den Sinnen
und urtheilt in Bezug auf das durch die Sinne ihr zugeführte Materiale der Sinnes-
wahrnehmung. Sie thront im Haupte gleichsam auf holiei' Warte in der Mitte der Stadt,
nimmt die Rapporte entgegen, die ihr von den Tlioren und Ausgängen dieser Stadt
d. ]i. von den Sinnespforten des Leibes her zugetragen werden, sie lässt in Folge der
du]-ch die Sinne zugetragenen Nachricliten den Bewegungsorganen Befehle zugehen u. s. w.,
kurz sie schaltet — muss man suppliren — als Herrscherin im Leibe, wie Gott als
Herrscher im Univei'sum. Auch die äussere Gestalt des Leibes, die aufrechte Haltung
desselben kündiget die königliche Herrscherwürde der dem Menschenleibe einwoh-
nenden vernünftigen Seele an. Der Vernunft kommt es zu, den H'j\xrjc und das
STUtO'jjXYjTaöv im Menschen niederzuhalten; unterlässt der Mensch, die Regungen dieser
Beiden durch das Gebot der Vernunft zu zügeln, so erniedriget er sich zum Thiere.
Aus allem Diesen ist zu entnehmen, dass Wilhelm das Gottesbildliche an der Menschen-
seele in die Gott nachahmende Herrscherthätigkeit setzt, und der Erweis der Gottes-
bildlichkeit ihm mit dem Erweise der Stellung des Menschen über dem Thiere zusammen-
fällt. Der Mensch soll die Natur in ihm und ausser ihm beherrsclien ; dazu ward ihm
Vernunft verliehen, dadurch unterscheidet er sich vom Thiere, welclies durch seine Natur
geleitet wird. Zorn, Lust, List, Fressgier sind beim Thiere die natürlichen Aeusserungen
und Functionen seiner Selbsterhaltungsthätigkeit. Wenn aber der Mensch durch die, ihm
mit dem Thiere gemeinsamen Regungen sicli beherrschen lässt. so erniedriget er sich zum
Thiere, und indem die Vernunft zum Mittel der Befriedigung thierischer Affecte und
Begierden missbraucht wird, geht eine reiche Saat von Lastern auf. Die Seele ist ihrem
ursprünglichen Wesen nach übei- tliierlsclie Rohheit unermesslich erhaben; der Mensch
soll eben diu'ch Vernunft lierrsehen und sein Machtvermögen, sein Imperium naturae
bethätigen. Darum ist er auch niclit von Natur aus mit derartigen Scluitzmitteln und
Waffen versehen, wie wir die Thiere ausgestattet sehen. Der Mensch wird nackt geboren,
und kann, sowie er aus dem Mutterschoosse an das irdische Tageslicht geboren wird,
nur weinen. Einzig Zoroaster, der Erfinder der magischen Künste, lachte dei- Natur
Der ENTWICKEHNGSCiANG DER MITTELALTERLICHEN PSYCHOLOGIE VON AlCUIN BIS ALBERTUS MaGNUS. 89
zuwider, als er geboren war, und gab durch diese unnatürliche Handlung ein Vorzeichen
seines nachmaligen Betriebes unnatürlicher Zauberkünste. Der Mensch ist geborner
Herrscher über die sinnliche Aussenwelt. Die Ausübung dieses Herrscherrechtes ist für
ihn eine Sache der Nothwendigkeit : er sieht sich darauf angewiesen, die Thiere in seinen
Dienst zu zwingen und den Zwecken seiner Arbeitsthätigkeit dienstbar zu machen. T)er
Schooss der Erde liefert ilim in den Metallen, dem Eisen namentlich, das Materiale zu
Werkzeugen und Waft'en, die weit vorzüglicher sind als die nattudichen Waifen und Werk-
zeuge der Thiere. Die gesammte irdische Creatur dient dem Menschen, trotzdem dass sein
physisches Kraftvermögen ein sehr beschränktes ist. Daran möge man erkennen, wie
hocli der Mensch durch seine unsterbliche, vernünftige Seele gestellt ist. Dejin vermöge
dieser kommt ihm jenes irdische Königthum zu; und in demselben bekundet sich das
gottesbildliche Wesen der Seele als Abbildes des göttlichen Allgebieters. Um aber diese
Gottesbildlichkeit vollkommen zu actualisiren, muss die Seele den geistigen Schmuck ihrer
Königswürde an sich nehmen, statt des Purpurs die Tugend, statt des Scepters die
Seligkeit des unsterblichen Lebens, statt des Königsdiadems die Krone der Gerechtigkeit.
Nach Gottesbilde geschaffen sein heisst so viel, als zur Theilnahme an allen Gütern
berufen sein. Die Fülle dieser Güter ist Gott, die Fähigkeit zum Theilhaben an dieser
Güterfülle ist mit Gottesbildlichkeit identisch. Jene holten Güter sind Tugend. Weisheit,
vollkommene geistige Freiheit und Macht. — Es lii-aucht nicht ausdrücklich hervor-
gehoben zu werden, wie unvermittelt diese letzteren Sätze christlich-ethischen und
christlich-theologischen Inhaltes an die vorausgegangene rationale Erweisung der Gottes-
bildlichkeit herantreten, und während sie den Begriff derselben tiefer fassen zit wollen
scheinen, doch nicht dazu kommen, einen klaren grundhaften Begriff' des Wesens der
Gottebenbildliclikeit aufzustellen. Um klar zu sprechen, hätte Wilhelm zwischen Gottes-
bildlichkeit und Gottebenbildlichkeit unterscheiden und sagen sollen, dass die Gottes-
bildlichkeit vom Menschen, die Gottebenbildlichkeit aber von der ihm einwohnenden
Seele ausgesagt werden wolle. Dies war aucli, wie aus dem Mitgetlieilten liervorgeht,
seine eigentliche Meinung, nur dass er dieselbe sich nicht ZTim klaren, bestimmten Bewusst-
sein zu erheben vermochte.
Die Gottebenbildlichkeit des Menschenwesens steht bei Wilhelm von St. Thierry im
engsten Connexe mit dem mikrokosmischen Charakter desselben, der in der That die
grundwesentliche Unterlage fiir jene bildet, obschon er mit Rücksicht auf den Menschen
als Ganzen durch sich direct nicht auf jenen der Gottebenbildlichkeit des Menschen,
sondern vielmehr des geschöpflichen Gegenbildes Gottes liinführt. Dieser Gedanke
hängt indess zu innig mit der neuzeitlichen speculativen Persönlichkeitsidee zusammen,
als dass er in der philosophischen Anthropologie jenes Zeitalters irgendwie auch nur
denkmöglich gewesen wäre. Den mikrokosmischen Charakter des Menschen erweist
Wilhelm mit Augustinus daraus, dass der Mensch alle Hauptstufen des geschöpflichen
Seins in sich fasst, indem er mit den Steinen das Esse, mit den Pflanzen das Vivere,
mit den Thieren die vita cum sensu, mit den Engeln die vita rationalis gemein hat,
deren Träger die menschliche Seele ist.. Zur gehörigen Durchbildung der Idee des
mikrokosmischen Charakters würde nun gehören, zu zeigen, wie die im Menschen geeinig-
ten creatürlichen Lebensstufen zu Einem in sich geschlossenen Ganzen sich zusammen-
fügen. Denn damit, dass alle vier Seinsstufen des Universums im Menschen sich abbildlich
wiederholen, ist denn jene Idee doch gewiss nicht schon erschöpft. Die centrale kosmische
Denkschriften der phü.-hist. CI. XXV. Bd. 12
90
K. Wehnek.
Bedeutung und Stellung des Mensehen involvirt auch eine centrale Einigung seines
AVesens in sicli selber, die in der central dureligreifenden Macht des Seelen wosens
begründet sein muss. Statt dessen fällt für Wilhelm das iMensclienwesen in zwei Hälften,
eine höhere und niedere auseinander, deren Einigung ihm schlechthin unbegreiflich ist
und unbegreiflicli bleiben muss, da, wie er ausdrücklich sagt, weder der Leib die Seele,
noch sie ihn umschliesst. Statt eines wechselseitigen Sichumfassens Beider negirt er
dieses Umfassungsverhältniss beiderseits, und hebt somit die gottgefügte Ehe zwischen
Seele und Leib auf; das Verhältniss zwischen beiden ist nur ein Hürigkeitsverhältniss,
die Seele bedient sich des Leibes als ihi-es Instrumentes. Uebrigens wiederholt er den
traditionellen Gedanken aller seiner Vorgänger seit Augustinus, dass die Seele tota in
toto sei; selbst von einer Localisirung der intellectiven Seelenkraft will er im Wider-
spruch mit dem. was er über das Haupt als Thron der intellectiven Thätigkeit gesagt
hat, nichts wissen. Jenen, Avelche den Sitz derselben im Herzen suchen, macht er bemerk-
lich, dass nach dem A\'orte der Bibel Grott nicht nur die Herzen, sondern auch die Nieren
durchforsche. Dieses Wort hätte wohl geistiger gefasst werden sollen, und wäre damit
auch psychologisch tiefer gefasst worden; in der That gibt es im Menschenwesen etwas,
was nicht unmittelbar durch das Gebot des sittlichen Willens bestimmt werden kann,
dessungeachtet aber die Bestimmtheit desselben an sich tragen soll, und in Folge der
ununterbrochen liehaupteten sittlichen Selbstherrschaft des Menschen auch wirklich
annimmt. Dieses dunkle, der unmittelbaren Bestimmung durch den sittlichen Willen
entzogene Gebiet sind die ,Nieren', die der Herr durchforscht, um zu priifen, ob der
Mensch ganz und vollkommen lauter und gerecht sei.
Ein Hauptsatz der Anthropologie AVilhelms von St. Thierry ist, dass nur der Mensch
eine Seele im eigentlichen Sinne des Wortes habe, während man den Thieren, und natürlich
noch mehr den Pflanzen eine solche absprechen müsse. Die Pflanzen haben Leben, dessen
Gesundheit auf der richtigen Temperirung des wechselseitigen Verhältnisses der im
Pflanzenkörper vereinigten vier Elemente : Erde, Feuer, Luft, Wasser beruht; das Leben
der Pflanze besteht im musikalisch-melodischen Zusammenklingen der im Pflanzenkörper
vereinigten vier Elementarkörper. Die Thiere stehen zufolge ihrer Begabung mit dem
Vermögen der Sinnesempfindung und willkürlichen Bewegung auf einer höheren Stufe
der Lebendigkeit, bringen es aber nicht zur Vollkommenheit eines denkhaften Lebens,
entbehren also jenes denkhaften Principes, das im Menschen wirkt und Seele heisst; sie
weisen in ihren Lebensäusserungen nur jene Thätigkeiten vor, welche dem menschlichen
Körper als solchem bereits bei seinem ersten Entstehen im Keime eingezeugt sind, nur
(hass dieselben beim Menschen unter die Herrschaft der Vernunft gestellt und damit an
ein Mass gebunden sind, welches das Thier nicht kennt. Die Thiere haben weder Ge-
dächtniss noch Vorstellungskraft, welche beide der denkfähigen Seele angehören; dafür
sind sie mit einer desto grösseren Kraft der Sinne und einer desto ausgebildeteren
instinctiven Begabung ausgerüstet, je weiter ihre sogenannten Seelen von der mensch-
lichen Seele abstehen. In dem Masse nun, als beim Menschen die natürliche Sinnesschärfe
gedämpft ist und das instinctive Vermögen zurücktritt, muss das seelische Princip ein-
greifen, um das dem Menschen mit dem Tliiere gemeinsame Thun in menschlicher \\ eise
zu actuiren. Die Seele ist zufolge ihrer Allgegenwart im Leibe an allen Lebensactionen,
die im Menschenwesen vor sich gehen, betheiliget; sie ist als tota in toto ganz in jeder
der Hauptoperationen des leiblichen Lebens: der operationes naturales, spirituales,
Der Entwickelungsganu dek mittelalteuliohen Psychologie von Alcuin bis Albertl's Magnus. 91
Ullimales. Da die Seele Vivificationsprineip ist, so legt Wilhelm den Hauptnachdruck
auf ihre Präsenz in den operationibns spiritualibus oder Functionen des Athmungs-
systemes;' die directe und unmittelbare Präsenz derselben in den operationes naturales
wird mehr als fraglich, wenn man Wilhelm anderwärts sagen hört, nicht die Seele,
sondern die Natur passe der Seele den Körper an, bereite ihr die Hand als Werkzeug
des Handelns, gestalte den Mund sprechfähig u. s. w. Endlich zeigt es insgemein von
der Unsicherheit seiner Auffassung des Verhältnisses zwiscJien Seele und Leib, wenn
er die drei virtutes, welche die Träger jener drei operationes sind, bald Kräfte, bald
Werkzeuge der Seele nennt.
Alle die menschliche Seele als solche betreffenden Untersuchungen sind nach Wilhelm
unter die drei Fragen Quid, Quare, Quomodo zu subsumiren. Die Frage, warum und avozu
die Seele da sei, bedarf keiner Antwort, indem derjenige, der diese nicht selbst sclion wüsste.
seines Daseins nicht werth wäre. Die Seele ist da, um vernunftgemäss zu leben und zu
wirken. Auf den entsprechenden Modus dieses vernunftgemässen Lebens und Wirkens
bezieht sich die dritte Frage oder das Quomodo est. Der Beantwortung dei-selben ist
der ganze noch übrige Theil der Schrift Wilhelms gewidmet. Wie dei- Körper vier
untergeordnete Elemente seines Bestandes in sich fasst, so ist auch das vernunftgemässc
Leben und Wirken der Seele durch das Zusammensein und die rechte wechselseitisre
Tenipei'irung der vier Grundtugenden Prudentia, Temperantia, Fortitudo, Justitia bedingt.
Wie die Seele in der Verwaltung des leiblichen Lebens des Dienstes der Kräftevierheit:
virtus appetitiva, contentiva, digestiva, expulsiva sich bedient, so vollzieht sich die Lenkung
des rationalen Lebens der Seele durch die vier Affecte : Hoffnung , Furcht , Freude,
Traurigkeit. Wie die leibliche Natur in drei Kräften thätig ist: virtus naturalis, spiritualis,
animalis, so entfaltet sich das seelisch-rationale Leben im Wirken der drei Potenzen :
nationale, Irascibile, Concupiscibile. Den drei Thätigkeiten jener drei leiblichen Lebens-
Icräfte : Nutritio, Vivificatio, Sensatio, entsprechen im geistig-seelischen Leben die Fides,
Spes, Charitas, durch welche dasselbe in Bezug auf die Rationalitas, Concupiscibilitas,
Irascibilitas geordnet und vollendet wird. Charitas und Irascibilitas scheinen wohl
einander entgegengesetzt zu sein; sie haben aber beide den Fervor gemein, der eben
in der Charitas zur lautersten, reinsten, heiligen Flamme sich läutern soll. Crleichwie
die drei in Hirn, Herz, Leber thätigen Kräfte durch Nachlassung oder Uebermass ihrer
Thätigkeiten Krankheiten erzeugen, so erzeugen sich auch aus der fehlerhaften Entartung
der ihnen entsprechenden seelischen Potenzen moralische Krankheiten; ki-ankhafte Aft'ec-
tionen der Rationalitas sind Vorurtheil, Irrglaube u. s. w. ; die Corrumpirung der
Concupiscibilitas stellt sich in der Begierlichkeit des Fleisches, der Augen und dei-
Hoffart des Lebens dar; die Corrumpirung der Irascibilitas in thierischem Zorne, trutziger
Härte und Gewaltsamkeit, Hass.
Die Seele hat ein doppeltes, ein animalisches und spirituelles Sinnenvermögen. In
beiden ist ihr Wirken wunderbar, fast nicht begreiflich. Der animalische Sinn in seiner
fünffachen Bethätigung ist ein Mittleres zwischen der unsichtbaren Seele und dem sicht-
baren Leibe; er ist ein Visibile incorporeum, eine Bezeichnung, die auch vom Ergebniss
' Auima iu uaturalibus operatur .suhtiliter, in aninialibu.s subtiliu.s, subtilissiine in .iiiiritualibus. C^uaedam pnim facit natuiab'ter,
quaedani actualiter et passibiliter i. e. auiinaliter, quaedam vero per .se ipsaiii et seeundnni ijisani i. e. sjiintualiter. Sive
igitur viitu3 naturalis, sive animalis, sive spiritualis: non sunt anima, sed anini.Te instrumenta.
1-2*
92 K- Werner.
seiner Tlüitigkeit, vom Produote dei- Sensation gilt. IHe y])irituelle Sensation unterscheidet
sich von der animalischen dadurch, dass sie alle besonderen Arten derselben gesammelt
in sich vereiniget. Sie ist eine sehende In der ^Yeisheit, eine hörende Im Vernehmen
vom AVahren oder Falschen ; sie ergötzt sich am ^Vohlgeruche des Edlen und (liereehten,
"Während sie durcli den entgegengesetzten Eindruck des Unedlen und Unreinen abgestossen
wird; sie empfindet die Freuden des geistigen Wohlgeschmackes und die Widrigkelten
des Gegenthelles; sie ist selig in Berührung und Umfassung der Weisheit, uiul hat die
entgegengesetzte Empfindung in der (Jesellschaft der Thorheit.
Wilhelm schliesst seine Schrift mit Erörterungen über die Verähnlichung der Seele
mit (iott, die ganz in Augustlnischem Geiste gehalten sind; die sieben Stufen des Auf-
steigens der Seele zu Gott sind wortgetreu nach Augustinus' wiedergegeben. Die Ver-
ähnlichung der Seele mit Gott vollzieht sich in der vollkommenen Actualisirung ihre)-
anerschaffenen Gottesbildlichkeit. Die Seele bildet in der Dreieinheit ihrer Thätigkeiten
als mens, cogitatio, voluntas das dreieine göttliche Wesen nach, womit ihr auch schon
das Ziel ihres Selbstvollendungsstrebens gewiesen ist, das kein anderes, denn ihre Selbst-
verähnlichung mit ilirem Urbilde sein kann. Diesem ihrem Urbilde hat sie sonach in
Liebe sich zuzuwenden; ihr selbsteigenes geistiges Erkennen weist sie auf diesen ewigen,
absoluten Gegenstand Ihrer Liebe hin. Zwischen Gott imd die Körperwelt gestellt, erkennt
sie Gott als dasjenige, was über ihr ist, während sie die Körper dem Range nach tief
unter sich, und sich ihrer Natur nach Gott näher als den Körpern gestellt sieht. Allerdings
erkennt sie sich gleich den Körpern als etwas Geschaffenes, d. i. als etwas, was nicht
aus Gott, sondern durch Gott ist; sie erkennt aber zugleich, dass sie ihrem Wesen nach
niclit den Körpern, sondern Gott ähnlich ist. Sie erkennt Ihren Schöpfer als himen
illuminans, sich selbst aber als lumen illuminabile, und damit zugleich auch, dass sie
nur In Gott vollkommen liclit und klar werden kann, dass Er als unermesslicher Licht-
ocean das wahre Element ihres Lebens ist. Indem sie Gott als ihr ewiges Urbild erfasst,
erkennt sie ihn als foi-ma formatrix ihrei- selbst, in dei-en Kraft sie die ihr anerschaftene
Gottesbildlichkeit vollkommen actuiren, d. i. zur vollendeten Schönheit gelangen soll.
Diese vollendete Schönheit ist aber die in Kraft der Gnade sich vollziehende vollendete
Selbstconformation mit der göttlichen urbildlichen Dreieinheit. ^ Was von der Seele gilt,
hat in seiner Weise vom ganzen Menschen zu gelten, der als Geschaffener durcli Gottes
Hand gebildet und gestaltet (formatus), die gottverliehene Gestaltung actuiren, oder aus
einem Formatus zu einem Formosus werden soll dadui'ch, dass er nicht den minus formatls
minusque formosis unter ihm, sondern der forma formatrix sich zukehrt.
Vgl. Aug. de qiumtitate aniniae e. 33. — Augustinus selber fasst in einem folgenden Capitel der citirten Schrift (c. 35)
die sieben Stufen der seelischen Entwickelung und des damit verbundenen Aufwärtssteigens der Seele in der Annäherung
zu Gott in folgender Weise zusammen: Ascendentibus snrsum versus primus actus dicitur auimatio. secundus sensus. tertius
ars, ([uartus virtus, qnintus tramjuillitas, sextus ingressio, septiraus contemplatio. Possunt et hoc modo appellari : De corpore,
per corpus, circa corpus, ad se ipsuni, in se ipsa, ad Denm, in Deo.
Hoc videns aniina in se esse (seil, triunam mentis, cogitatiouis et voluntatis vitam), imo hoc videus se es.se, audiensque
sibi Deum quodammodo loquentem, veritatem videt radiantem, Christum intendit praedicantem et dieentem; Ego et Pater
et Charitas non tres, sed unum sumus (vgl. Joh. 10, .■«)), unus Dens snmus, tu vero mens rationalis. cogitatio, dilcctio tua
UHUS es homo, ad similitudineni auctoris tui factus, non ad aequalitateni crcatiis, nempe non geuitus. formatus es, non ipse
formator. Recede ab bis, quae infra te sunt, minus formata minusque formosa, quam tu es; accede ad formam formatricem.
ut possis esse formosior, eidemque semper adjuugere, quia tanto ab illa specie amplius accipies, quanto te illi major
charitatis pondere impresseris. Ab illa enim obtinebis imaginis hu.jus innnutabilem statum, a quo sumsisti principium.
Dek Entwickeli'ngsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 95
Die Grundlage der Ausführungen Wilhelms über die kosmische Wesensstellung und
Verähnlichung der Seele mit Gott bilden gewisse ontologisch-metaphysische Wesens-
bestimmungen der Seele. Während Gott ilber alle Prädicamente dei* Körper schlechthin
erhaben ist, unterliegt die Seele wenigstens einzelnen derselben, so den Kategorien der
Qualität und der Bewegung; sie wird zwar nicht im Räume bewegt, aber durch die mittelst
des Leibes appercipirten Aöectionen in Bewegung gesetzt. Sie nimmt also eine mittlere
Stellung zwischen Gott und den Körpern ein. Zufolge ihrer Immaterialität aber sind
ihre \ erinöglichkeiten von ihrer Wesenheit unabtrennbar: Anima ipsa est sua potentia.
])araus wird das dreieine Ineinandersein' von Memoria, Intellectus, Voluntas, und die
darin begründete specifische Gottesbildlichkeit der Seele abgeleitet, deren weitere Con-
sequenzen hinsichtlich des letzten Vollendungszieles der Seele wir so eben an Wilhelms
Hand verfolgten. Eben dieselben ontologisch-metaphysischen Sätze über das Wesen der
Seele bilden auch die Unterlage der Schrift Isaaks von Stelle De anima, ' die sich mit
Beiseitelassung alles Somatologischen ausschliesslich auf den Seelenbegriff beschränkt,
aber in der Ausführung desselben das Geschick eines philosophisch geschulten Denkens
erkennen lässt. Isaak ist Platoniker, und gibt dieses sofort in den ersten einleitenden
Sätzen seiner Schrift zu erkennen. Drei Gegenstände der Forschimg — bemerkt er —
gibt es für uns: den Körper, die Seele, Gott-, er müsse jedoch bekennen, dass unter
diesen die Natur des Körpers für ihn das Dunkelste sei. Leichter sei für ihn zu verstehen,
was Gott, als was die Seele ist; und leichter wieder, das Wesen der Seele, als jenes
des Körpers zu verstehen. Da nun das Körperliche als solches das Dunkle ist, so können
selbstverständlich auch die körperlichen Sinne nur dunkel wahrnehmen; heller sielit der
auf die sinnliche Körperwelt gerichtete Verstand; im reinen Wahrheitslichte sonnt sich
die der Gottheit zugewendete Litelligenz. In Gott ist die Wahrheit aller Essenz; die
Seele ist ein begrenztes Bild des göttlichen Wesens, in den Körpern findet sich kaiun
eine Spur des Göttlichen. Gott ist eine absolut einfache Wesenheit, alles Körperliche ist
wesentlich zusammengesetzter Art; die Seele hält die Mitte zwischen Beiden, und ist
den Körpern gegenüber etwas Einfaches, der göttlichen Wesenheit gegenüber etwas
Zusammengesetztes, indem bei ihr Sein imd Haben, das in Gott zusammenfällt, ausein-
andertreten. Was Gott hat, ist er Alles selbst; der Körper kann nichts von dem sein,
was er hat, indem er das, was er hat, nicht selber ist. Gott hat weder Quantität noch
(Qualität; der Körper hat Beides als etwas von ihm als Körper Verschiedenes; die Seele
als Mittleres zwischen Gott und Körper hat zwar keine Quantität, wohl aber eine be-
stimmte Qualität. Man behandelt wohl auch die Seele in analogischem Sinne als Quantum,
wenn man von Ingenium, Ratio, Memoria als virtuellen oder 2:)0tentiellen Theilen der
Seele spricht. Aber diess sind keine wirklichen Theile, weil sonst die Eine Seele in drei
Seelen auseinanderfiele, gleichwie die Dreitheilung eines Körpers aus demselben drei
Körper macht. Sind die genannten Vermögen der Seele keine quantitativen Theile der
Seele, so muss in jedem derselben die ganze Seele, und diese somit selber jene Ver-
mögen sein.
Die erste grundhafte Dreiheit der Seele ist ihre Rationalitas, Concupiscibilitas, Ira-
scibilitas; diese drei Vermögen sind constitutive partes virtuales der Seele, die Seele als
AhjiCedr. in Migne's Patrolog. lat. Tora. 194, p. 1875 ff. — Isaak, ein g(!bürner Engländer. Ii:iin a. 11-17 nai-li Frankreich
und wurde Abt des Cisterzieuserklnsters Stella (L'Etoile) im Kircliensprengel von Poitiers.
94
K. Wernek.
solche ist rationalis, ccmoupiscibilis, irascibilis, und .stellt sieh durlii als eine Dreieinlieit
dar. Von den Kräften oder Vermögen (vires) der Seele sind abt'r ihre Vermöglichkeiten
(virtutes) zu unterscheiden; diese gehören nicht zum AVescn oder zur Natur der Seele,
sind vielmehr im Yerhältniss zu demselben etwas Accidentelles, obschon auch sie in der
Seele und die Seele selber sind, während der Körper weder seine Naturalia, noch seine
Accidentia, sondern von Beiden verschieden ist, Gott aber weder Naturalia, noch Acci-
dentia hat, sondern ganz nur er selbst ist.' Kraft ihrer Rationalität ist die Seele
erleuchtuno-sfähig, auf dass sie erkenne, kraft ihrer Concvipiscibilität und Ii-ascibilität aber
afficirbar zum Begehren oder Verabscheuen irgend eines Objectes. Aus der Rationabilität
der Seele entspringt alles Wahrnehmen der Seele, aus den beiden anderen Vermögen
alle Affectionen der Seele, die sich unter die Vierzalil der Hauptaffecte: Freude und
Schmerz. Hoffnung und Furcht subsumiren. Die hieran sicli schliessende Thelematologie
Isaaks ist etwas unklar und auch gar nicht weiter ausgebildet. Er lässt sich hiebei
offenbar von schematisirenden Tendenzen leiten, so zwar, dass ilim die aufgestellten
quaternären Schemata die Hauptsache, die psychologische Vermittelung ihres Inhaltes
aber Nebensache ist. Die vier Hauptaffecte sollen nämljch zu den vier Haupttugenden
ins Yerhältniss gesetzt werden-, eben so sollen die Acte der Concupiscibilitas und
Ii-ascibilitas in einer Vierheit von Momenten sich entfalten, indem aus der Concupiscibilitas
die Propensia, Titillatio, Delectatio, Dilectio, aus der Irascibilitas in entsprechender
Steigerung Zelus, Ira, Indignatio, Odium herauswachsen. Von den vier Hauptaflecten
sagt Isaak, dass sie gleichsam gewisse Ansätze und Elemente und der gemeinsame
Stoff der Tugenden und Laster seien; die rechte Richtung und der richtige Modus
ihrer Thätigkeit ertheile ihnen die Form von Tugenden, die verkehrte Richtung und
der Mangel an Mass mache sie in Laster entarten. Isaak unterlässt, die vier Hauptaffecte
zu den zwei Grunddispositionen Liebe und Hass ins Yerhältniss zu setzen, und sagt von
letzteren blos, dass, wenn sie die Form der vier Cardinaltugenden an sich haben, dann
wirklich die Seele tugendhaft sei: daraus folgt aber doch gewiss, dass die siibjectiv
psychologische Wurzel der Tugenden in den richtig geleiteten AVillensdispositionen, d. i.
in Liebe und Hass des GemUthes zu suchen sei, imd demnach nicht jene vier Aöecte,
die denn doch nur pathologische Affectionen des Gemüthes sind, die Ansätze oder Elemente
der Tugenden sein können. Isaak unterlässt, die Affecte aus beiden Grunddispositionen
Beo-ehren und Verabscheuen zu deduciren, und zeigt auch nicht, in welcher Weise sie als
Agentien zum Zustandekommen des tugendhaften Willensentschlusses concurriren können,
der denn schliesslich doch unabhängig von ihnen zu Stande kommen muss, wenn er ein
wirklicher Willens- und Tugendentschluss sein soll. Wir haben somit hier nur den
völligen Mangel aller moralpsychologischen Reflexion und Pragmatik zu constatiren,
welche wie wir hinzufügen müssen, erst durch die scholastisclien Peripatetiker in die
von ihren Vorgängern, den Piatonikern des früheren Mittelalters völlig vei-nachlässigte
Thelematologie eingeführt worden ist. Das einzige Gute, was wir hierin an Isaak zu
rühmen haben, ist diess, dass er die Dreiheit der Kräfte: Rationalitas, Concupiscibilitas,
1 Quod si putai-i debet, Dei quölle esse aliiiua naturalia, quoniam Pater naturaleiii lialiet Filium, et ille naturalem Patrem, et
uterque naturalem Ute pateruitatem et ille filiatioiiem, iu hoc tarnen ditiert comnnuiiter ab utroquc, i. e. corpore et auim.i,
quod accidentalia nirila habet; a corpore vero, quod naturalia sua est. ab anima autem, quod onmia sua est excepto quod
altera j)er9ona ad alteram relative dicitur. Anima quidem omuia sua nnllateiuis est, nee .sola relatioiie aut proprietate ab
.•iccidentalil)us suis diH'ert, sed opiiositioue essentiae.
Der Entwickelungsganc; der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. f)5
Irascibilitas auf eine grundhafte Zweiheit: Erkenntnisskraft und Strebekraft der mensch-
lichen Seele zurückzuführen einen Anlauf macht. Aber freilich hätte dieser Gegenstand
auch weiter verfolgt werden sollen ; es wäre an dem gewesen, zu fragen, in welchem
Verhältnisse jene beiden Grundthätigkeiten der Seele zu einander stehen, ob nicht eine
aus ihnen als eigentliche Grundkraft der Seele anzunehmen, und welche dafür zu nehmen sei.
Uns wenigstens besteht kein Zweifel darüber, dass man, um einen lebendigen Seelenbegriff
zu gewinnen, die Seele wesentlich als reale Strebekraft zu nehmen habe, deren Art und
Beschaffenheit durch die (Feistigkeit des Seelenwesens auf unterscheidende Weise bestimmt
ist. Durch ihren Charakter als Strebekraft ist ihr Unterscliied von dem in sicli selber
ruhenden und in sich vollendeten absoluten göttlichen Wesen, durch ihre Geistigkeit ihre
Gottverwandtschaft, durch beides zusammen ihre Angewiesenheit an Gott als absolutes Ziel
ihres Strebens angedeutet. Eine derartige Fassung und Bestimmung des Seelenwesens lag
unverkennbar im Sinne der zeitgenössischen psychologischen Mystik; nur Hess es die
Abhängigkeit von gewissen traditionellen schematischen Theilungen und (Gliederungen,
und der Mangel eines tieferen Eindringens in Natur und Wesen der Erkenntnissthätigkeit,
und Begreifens derselben aus dem Wesen der Seele zu keiner vollkommenen, durch-
gebildeten Vermittelung jener Fassung und Bestimmung des Seelenwesens kommen.
Isaak verfolgt vornehmlich die Erkenntnissthätigkeit der Seele, die er als Bethätigung
eines seelischen Sinnvermögens, als geistiges Sehen fasst. In diesem seelischen Sinnver-
mögen reflectirt sich ihm das dreieinige Wesen der Seele, das sich im Erkenntnissleben
der Seele, als Triplicität von Ratio, Memoria, Ingenium darstellt. Das Ingenium erforscht
Ungekanntes, die Eatio beurtheilt das Gefundene, die Memoria hinterlegt das Beurtheilte.
Die Memoria versenkt sich in's Vergangene, die Ratio hat es mit dem vor dem Geiste Gegen-
wärtigen zu thun, das Ingenium erahndet das dem Geiste noch nicht Gegenwärtige und
insofern für ihn Zukünftige. Das Ingenium ist ein Vermögen des geistigen Findens, Fassens
und Greifens, die Ratio sucht das Gefasste zu begreifen und geistig zu verarbeiten. Der
Mensch ist nicht vermögend, alles Gewusste auf einmal sich gegenwärtig zu halten, sondern
langt Eines nach dem Andei-en aus der Erinnerung hervor, und formt das Hervorgebrachte
innerlich zum Worte. Gott, für den es nichts Vergangenes oder Künftiges nach Menschen-
weise gibt, hat in seiner geistigen Anschauung Alles vor sich auf einmal gegenwärtig,
und diese absolute simultane Vergegenwärtigung alles Seienden vor Gottes geistiger An-
schauung heisst Gottes Wort, in welchem Gott mit sich selbst spricht.
Wie das geistige Wahrnehmungsvermögen des Menschen dadurch, dass er der Zeit
unterthan ist, mehrfältig modilicirt ist, so weist es in Bezug auf die successive zeitlich-
irdische Denkentwickelung des Menschen eine Reihe besonderer Vermögen und Actionen
vor, durch welche es stufenweise von der untersten Sinneserkenntniss bis zur höchsten
geistigsten Weisheit vordringt. Die ftinf Stufen der menschlichen Erkenntniss sind : Sensus,
Imaginatio. Ratio, Intellectus, Intelligentia. Isaak parallelisirt diese fünf Stufen des
menschlichen Erkennens mit den fünf Rangstufen des kosmischen Seins: ICrde, Wasser,
Luft, Aether, Empyreum, ' und reiht ihnen als weitere noch höher aufwärts führende
Stufen die vier Affecte an, sofern nämlich das bereits im Erkennen erfasste Höchste auch
' Sensus enim obtusus et gravis sicnt terra deorsiim jacet; quem ut aqua imaginatiü cireunifluitat; ai'ris vero subtilitati ratio
comparatur, inferiora omnia circuinplectens et penetrans et in abstractionis quodam pendulo perspicieiis. Firniamenti vero
Solidität! intellectus conferendus est, qui et ipse spiritualiiini natur;irnm realem statum pervidet. Ernpyreo autem soli
ig-neo acutissimo et subtilissimo conferenda videtur intelligentia.
96
K. WlihNUK.
artectiv ergriffen werden soll. I>ie Aöecte gehen zuhöchst in (len Flainmoii der Liebe
auf. in welchen die Seele für Gott ziun lebendigen Opfer wird.
In jenen fünf aufwärts führenden Stufen des Erkennens ist unmittcdbar .stets die
Eine Seele thätig, deren Vermögen mit ihrem Wesen identisch sind. In der Slnnes-
apperception nimmt sie Körper, in der imaginativen Thätigkeit die Bilder der Körper,
in der rationalen Thätigkeit die mathematischen Eigenschaften und das metaphysische
Wesen der Körper, oder insgemein dasjenige Unkörpei-liehe walii-, das ohne körperliches
Substrat niclit existiren kann; der Intellect percipirt die körperlosen Realitäten, die
Intelligenz die absolute reine Geistigkeit. Die Möglichkeit, dass die Seele, obschon eine
geistige Wesenheit, körperliche Objecte wahrnehmen könne, erklärt Isaak daraus, dass
sieh die Sinnesapperception mittelst des dem Menschen mit den Thieren gemeinsamen
Spiritus corporeus vollzieht. Das Phantasticum oder der einförmige Innere Sinn, der das
Unterste und Niederste an der Seele Ist, schliesst sich mit dem Spiritus corporeus, der
das Feinste Im körperlichen Organismus Ist, zusammen. Dieser Zusammenschluss der Seele
mit dem nächst Niederen unter ihr, Ist auf ähnliche Weise zu begreifen, wie der Zu-
sammenschluss der Intelligentia, des Höchsten in der Seele, mit Gott, dessen Bild und
Glelchniss die Intelligentia ist, gleichwie der zur Sensualltät vergeistigte Spiritus cor-
poris ein Bild und (ilelchniss der Seele ist. In der Yermittelung der Seele und des
Körpers durch die zwei Mittelglieder Phantasticum animae und Spiritus corporeus reflectirt
sich die Im Makrokosmos statthabende Vermittelung des obersten und untersten Elementes
durch zwei mittlere Elemente. Die Verwandtschaft der Sensualltas carnis und des Phan-
tasticum animae zeigt Isaak auf, indem er das Verhältniss Beider als jenes von Ignis
zu Igneus vigor bestimmt. Die Vereinigung des Igneus vigor der Seele mit dem gottes-
bildlichen Charakter dersellien scheint ihm durch den Vers des Dichters angedeutet:
I^-neus est Ulis vig-or, et coelestis origo.
^Aeneid. VI, 729.)
Die Knüpfung aber des Niedersten an das Höchste durch vermittelnde Zwischenglieder
Ist Ihm ein Gesetz der allgemeinen kosmischen Ordnung, das er In der Stelle der
Homerischen Ilias, in welcher von der durch Zeus gehaltenen, aus dem Himmel in die
Räume der Niederwelt herabreichenden Kette die Rede ist, ' bildlich veranschaulichet
findet, gleichwie er das successive Aufsteigen der Erkenntniss In den oben bezeichneten
fünf Stufen vom Niedersten bis zum Höchsten mit der Jakobsleiter vergleicht. In ihrer
Fähigkeit, Alles vom Niedersten bis zum Höchsten zu erkennen, ist die Seele ein Ab-
bild der göttlichen Allweisheit, und zufolge Ihrer Verwandtschaft mit Allem, was sie
zu erkennen fähig Ist, Ist sie von Weltweisen auch als simllltudo omnium definirt worden.
Auch vereiniget sie als existlrende, lebende, empfindende, ferner als Ratio. Intellectus
und Intelligentia alle Seinsstufen des Seienden in sich; die Existenz ist ihr mit Steinen
und Metallen, Lebendigkeit mit den Pflanzen, sinnliche Empfindungsfähigkeit mit den
Thieren gemein, die Ratio ist das speclfisch Menschliche an ihr, den Intellect hat sie
mit den Engeln, die Intelligenz mit Gott gemein.
Da die Seele alle ihre Kräfte ist. so sind Ihr dieselben unverlierbar eigen; auch
das Sensatlons- und Imaginationsvermögen sind ihr vom Körper unabhängig eigen und
1 Hiad. vm. nt.
Dek Bntwr'kelungsgang dkk mittklalteklichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 97
■verbleiben ihr nach ihrer Trennung vom Leibe. Sie bleibt im Leibe, so lange dieser
als ein wohlgeordnetes harmonisches Ganzes beharrt; so lange er diess ist, ist er für die
Seele ein passendes Toninstrument; wird dieses zerstört oder zertrümmert, so lässt sie
es als unnütz bei Seite liegen. Gleichwie aber der Bestand der Harmonie nicht vom
Instrument abhängt, so ist auch der Bestand der Seele nicht von jenem des Leibes ab-
liängio-. Die Harmonie hat ein vom Listrumente unabhängiges Sein. Wenn man zu vier
Steinchen drei andere legt, so veranschaulichet man damit die mathematische Wahrheit,
dass 4 -|- 3 = 7 ist; diese Wahrheit fährt aber auch dann fort zu gelten, wenn man jene
Steinclien, die gleichsam der Leib der Zahl sind, aus ihrer Ordnung rückt imd beseitiget.
Man könnte vielleicht einwenden, dass das Gesagte besser auf Gott als auf die Seele
passt; einzig Gott sei in Allem ganz in sich selbst, und darum einzig Er ein absolut
von Allem ausser ihm unabhängiges Sein. Diess soll nicht bestritten werden; aber die
nach Gottes Bild und Gleichniss geschaffene Seele muss eine gottähnliche Natur sein,
von welcher suo modo dasselbe, wie von der göttlichen Wesenheit selber gilt. Gott ist
überall In sich selber; die Seele aber, wo sie immer sein mag, auf gewisse Weise in
sich selber. Und darum ist sie dort, wo sie als wirkende im Leibe war, auch dann,
wenn der Leib nicht mehr ist, so wie Gott dort, wo er vor der Weltschöpfung war,
auch jetzt ist und sein würde, wenn die Welt zu sein aufhören würde. Gott ist unendlich
und unbegrenzt; darum ist er in sich selber allüberall. Die Seele ist wohl auch in sich
selbst, jedoch endlich und begrenzt, aber nicht durch den Raum, sondern durch ihre
natürliciien Vermögen und Kräfte, die indess mit ihrem Wesen identisch sind. Daraus
ergibt sich, dass sie nicht gleich Gott allvermögend sein kann. Sie ist jedoch unsichtbar
und unräumlich, und versichtbart sich dem Leibesauge durch den ihr eignenden Körper,
wie der Gedanke durch die Schrift. G'ott, der schlechthin unsichtbar ist, versichtbart
sich durch alle Creaturen Jenen, die Augen haben ihn zu sehen, obschon er vollkommen
erst in der verldärten Welt dem Geistesauge der Verklärten sichtbar sein wird. Denn
die gesammte Creatur ist gleichsam der Leib Gottes, die einzelnen Creaturen aber sind
die Glieder dieses Leibes. Wie nun Gott als Ganzer in jeder Creatur, zugleich aber
ganz in sich selber ist, so ist auch die Seele tota im ganzen Leibe und in allen ein-
zelnen Gliedern desselben, zugleich aber allüberall ganz in sich selbst, jedoch nicht in
absoluter Weise wie Gott, sondern nur auf eine der absoluten Existenz Gottes ähnliche
Art, die sich in Bezug auf den untersten Theil ihres Wesens imd Vermögens zu einem
fast räumlich begrenzten Sein abschwächt.
Wir brauclien diesen Ausführungen Isaaks unsererseits kaum etwas beizufügen; denn
das liegt offen da, dass sich hier ontologisch-abstractes und sinnlich imaginirendes Denken
mit einander derart verbinden, dass die sinnliche Imagination die Mängel des abstract-
ontologischen Denkens decken muss, weil die Verschmelzung und höhere Vermittelung
beider Arten cognoscitiver Thätigkeit im eigentlich speculativen Denken noch nicht
gefunden ist. Als Beleg hiefür können wir Isaaks Aeusserung anführen, dass das objectum
proprium des Intellectes, die geschöpfliche unkörperliche Natur, nicht Gegenstand einer
besonderen und selbstständigen Wissenschaft sei, sondern theils der Naturwissenschaft,
theils der Theologie anheimfalle. Die Erkenntniss der natüi-lichen Dinge weist er un-
mittelbar vorher dem sinnlichen und imaginirenden Denken, der Theologie hingegen die
Erkenntniss des Göttlichen zu; demzufolge wäre die Erkenntniss, die sich auf das ob-
jectum proprium des Intellectes bezieht, eine Erkenntniss, die sich aus den Functionen
■DenkEcliriflen Jer phil.-hiBt. Cl. XXV. Kd. 13
()g K. WUKNEK.
des sinnlich imaginireiiden uml tles ubgezogenstcn oiituloglsclicii 1 Denkens zusammen-
setzt. Damit stellt im Zusammenhange, dass isaak die uuicürpci'liche gesehüpl'liehc
Natur als das Aiittlerc zwischen Gott und den Ivürpcrn bezeichnet. FrUlici' aber hurten
wii- bereits, dass er die menschliche Seele als dieses Mittlere bezeichne. Damit wäre nun
die Wesensidentität der menschlichen Seele mit den angelischen Naturen ausgesprochen,
die von Isaak aucli ausdriicklieli asserirt wird, indem er den angelischen Wesen die
Stelluna' nicht über, sondern neben den Menschenseelen anweist. ' Diess stimmt nun
nicht ganz wohl damit, dass er die Eatio als die specitisch menschliche Erkenntnisskrat't
bezeiclmet, woraus doch folgen würde, dass die Seele, sofern die Ratio die ihr specifiscdi
eignende Erkenntnissweise ist, ihre kosmische Rangstellung unter den Engeln, als spe-
cifisch ilureh den Intellect erkennenden Wesen zu nehmen hätte. Freilich aber kann
Isaak von seinem platonischen Standpunct aus sich nicht dazu verstehen, dasjenige, was
er als objectum proprium der Ratio bezeichnet, als specifisches Erkenntnissobject der
menschlichen Seele anzuerkennen. Das objectum proprium der Ratio ist ihm das Un-
körperliche am Körperlichen, worunter er bald die mathematischen Eigenschaften der
Körper, bald das unkörperliche A^'esen der Körper versteht. Von diesem unkörperlichen
Wesen der Dinge behauxjtet er, dass es keine von den Körpern geschiedene selbsteigene
Existenz habe, sondern eben nur in den Körpern selber sich darstelle, worin er voll-
kommen Recht hat; nur sah er nicht, dass die Seele, indem sie die unkörperlichen Wesen-
heiten der Körper erfasse, etwas in seiner Art Höchstes, nämlich die in dei- Körperwelt
verwirklichten göttlichen Gedanken erfasse, deren Erkenntniss freilich nicht die höchste
der menschlichen Seele zugängliche Erkenntniss ist, aber eine in ihrer Art höchste, dem
gottesbildlichen Wesen der Seele congruirende Ei-kenntnissfähigkeit, die Fähigkeit des
Verstehens der Dinge aus ihren gottgedachten Ideen, bekundet. Hat die Seele dieses Ver-
mögen als wesentlich eigenes, so wird es sich nicht auf die Körperwelt beschränken, viel-
mehr wird das ideale Verständniss der sichtbaren Ersclieinungswelt zutiefst aus der Idee der
Gesammtwelt sich begründen, und im Verständniss dieser sich dui-chbilden und vollenden.
Damit wird aber überhaupt das Höchste, was für den Zeitmenschen erreichbar ist,
erstrebt sein. Die geistigen Wesenheiten der Dinge selber zu sehen, greift über das in
der irdischen Zeit Erreichbare hinaus; wir haben uns damit zu begnügen, die Dinge
aus ilu-en Ideen zu erkennen, die Ideen selbei- aber zu schauen, fällt mit dem Gott-
schauen zusammen, welches dem künftigen Beseligungsstande angehört, und das Erkennen
der englischen Wesen vom zeitlichen Menschenerkennen für immei- abscheidet.
Diesen Unterschied und überhaupt die specifische Weise des menschlichen Erkennens
im Unterschiede von jenem der reinen Geistei- scheint Isaak nicht beachtet zu haben,
wenn er in der Weise anderer mittelalterlicher Platoniker von der Rückwirkung des
Sündenfalles auf das menschliche Erkennen spricht. In der Weise des Scotus Erigena
sieht er in dem sündigenden ersten Menschenpaare die Hinwendung iler geistigen und
sinnlichen Natur des Menschen zum Bösen;- der Geist versah sich in der sichtbaren
Erscheinungswelt, die sinnliche Natur Hess sich von einem ungeordneten Gefallen an
Auima quae per se debuit Deum noscere supra se. peididit seipsani iioscere in se et auselum juxta se.
lUummatis tantuiumodo oculis concupiscentiae et apertis viri videlicet i. e. Spiritus ad curiositatein, et earuis i. e. muliens
ad voluptatem V»l. Scut. Erig. Divis. Natur. V, 23: Neque autiquus liostis ad viruiii animae, animum dien .<id
imaffiuem Dei factum .-iccessum liaberet, nisi prlus per insitara oorporeo seusui, qui est veluti qtiaedam mulier, aiüini delec-
tiitiouem, quasi per ()uenidani eolubruni ipsum corporeuni sensum seduoeret.
Dek Entwickelungsganü dek mittelalterlichen Psychologie vhn Alcüin bis Albeetüs Magnus. 99
derselben auf Kosten eines höheren geistigen Gefallens beschleichen. Damit wurde nun
die Sehkraft des sinnlichen AVahrnehmungsvermögens und der Imagination getrübt, die
Sehkraft der Ratio im höchsten Grade verdunkelt, jene des Intellectus und der Intelligentia
nahezu ausgelöscht. Wer sieht, wer erkennt Gott oder das göttliche Ebenbild in der
eigenen Seele? Die Seele, welche aus sich selbst Gott über ihr erkennen sollte, kam
darum, sich in sich selbst, und die englisclien Naturen neben sich zu erkennen. Die
Engel schauen sich gegenseitig und sehen unsere Seelen; wir aber können jene geistigen
Naturen nicht wahrnehmen, wenn sie sich uns niclit in körperlicher Umhüllung oder in
einer unserer Imagination angepassten bildlichen Erscheinung zeigen. Darum gibt es
für uns keine reine Intellectualerkenntniss. Isaak steht, wie aus allem bisher Gesagten
zu ersehen ist, auf dem Boden eines seelischen Sensismus, den wir an einem früheren
Orte auch an Wilhelm von Auvergne hervorzuheben Gelegenlieit fanden ; ^ wie denn
auch die Analogie in der Auffassung der Folgen des Sündenfalles für das menschliche
Erkenntnissleben nicht zu verkennen ist." Etwas anders stellt sich bei gleichen Voraus-
setzungen des christlich-gläubigen Bewusstseins rücksichtlich der Folgen des Sündenfalls
Isaaks Verhältniss zu dem Platoniker Wilhelm von Conches, ^ bei welchem die Betonung
des logistisch-rationalen Elementes im menschlichen I]rkennen vorwiegt, und welcher
desshalb zwischen Intellectus und Eatio nicht in jener Weise wie Isaak scheidet, sondern
im Intellect eben nur die entwickelte Ratio, in der Ratio den zur Entwickelung und
Ausgeburt strebenden Intellect erkennt. Bei Isaak hingegen sollen die sinnliche und
imaginative Erkenntniss in der rationalen Erkenntnissthätigkeit sich vollenden, und hie-
durch soll aus der Naturkunde eine Naturlehre werden.'
Durch das eben Gesagte gewinnt die obenangefülirte Aeusserung Isaaks, dass in die
Kenntniss dessen, was an sich eigentlich specihsches Erkenntnissobject des Intellectes
wäre, Naturkunde und Theologie sich theilen, eine etwas andere Seite, als es oben
erscheinen musste, ohne dass freilich die Gestalt der Sache wesentlich geändert würde.
Denn ob die auf natürlichem Wege d. h. durch selbsteigenes Denken zu erlangende
Erkenntniss von der Seele eine natürliche oder rationale Erkenntniss genannt werde,
ist von untergeordnetem Belange; man möchte sich etwa nur wundern, wesshalb die
Erkenntniss, dass die Seele ihre Kräfte sei, nicht für eine Intellectualkenntniss zu gelten
habe, da doch das Wesen einer unkörperlichen geschöpflichen Essenz ihr Gegenstand
und Inhalt ist. Die Hauptsache ist, dass Isaak die vom Wesen der Seele unabtrennbaren
Accidenzen derselben d. h. die Tugenden und Vorzüge der Seele, die nicht schon mit
dem Wesen der Seele gegeben sind, der Theologie als Erkenntnissobject zuweist, da
dieses der natui-wissenschaftlichen Betrachtung der Seele nicht eri-eiohbai- sei. Die justitia
animae ist ein göttliches Gnadengeschenk, imd besteht in einem Theilhaben der Seele
an Gott, der die Justitia in eigenster Wesenheit ist; iUe einzelnen Tugenden der Seele
sind nichts Anderes als singulare Modificationen dieser von Gott der Seele mitgetheilten
Justitia. Der Unterschied zwischen Gott und der Seele besteht daiin, dass die Justitia
in Gott mit dem Wesen Gottes identisch ist, während sie für die Seele etwas Accidentelles
Vgl. die Abhandhmg über Willielms v. Auvergne Verliältniss zu den Piatonikern des XII. Jalirli., .Sitzungsber. Bd. LXXIV,
S. 165 (Separatabdr. S. 47).
Vgl. P.sychologie Wilhelms v. Auvergne, Sitzungsber. Bd. LXXIIl, S. .508 f. (Separatabdr. S. 52).
Vgl. die Abhandlung über Wilhelm von Conches, Sitzungsber. Bd. LXXV, S. 400 ff. (Separatabdr. S. 92 ff.).
Sunt ergo rerum, circa quas percipiendas versantur et vigent sensus, imagiuatio, ratio, statns diversi, realis videlicet et
ratioualifl, seu naturalis ut quidam m.aluut. et doctrinalis.
13*
lOO K. Werner.
ist, was von Gott verlielien wird. Uebrigens ist diese Verleihung eine Mittheilung höchster
Art, welche drei andere zu ihren Vorstufen und Voraussetzungcni luit. Gott verleiht
Allem, was ist, das Sein; jedes Seiende hat ferner eine bestimmte Foi'm oder Gestalt,
oder einen bestimmten Charakter, und auch eine bestimmte natürliche Begabung. Diese
dreifache Besclienkung alles gescliöpflichen Seins weist andeutend aul' das dreieinige
Wesen der schöpferisclien Seinsursache zurück;' obschon an Allem sicli findend, was
nach Zahl, Mass und Gewicht geordnet ist, ti'itt sie doch in den aufwärts steigenden
Seinsstufen der belebten, beseelten und denkfähigen Wesen hervor, und manifestirt sich
auf eminente Art an dem obersten Tlieile der Seele, der das Bild und Gleichniss Gottes
ist. Die Seele, die alle geschöpflichen Wesensstufen in sich vereiniget, fasst sonach alle
Mittheilungen Gottes in sich, und tritt in ein Verhältniss der Gegenbildlicbkeit zu Gott,
sofern sie, gleichwie Gott capabilis omnibus ist, als omnium capax erscheint. Da die
Seele in eben jenem ihrem höchsten Theile an Gott grenzt, so ist es natürlich, dass sie
den zufolge desselben ihr zukommenden Vorzug der Gottesbildlichkeit nui' im Zusammen-
sclilusse und lebendiger Verbindung mit Gott, also nm- in Kraft der Gnade actuiren
kann. Die Fähigkeit zu erkennen und zu lieben ist ihr von Natur aus eigen; aber die
actuelle Erkenntniss dei' Wahrlieit und die rechte Ordnung in der Liebe, zufolge welcher
sie Jegliches nach seinem wirklichen Werthe schätzt und begehrt, wird ihr nur, soweit
sie in Gott lebt, zu Theil. Gleichwie Auge und Ohr des Leibes ohne Licht und Luft
nicht zur Wahrnehmung des Sehbaren und Hörbaren gelangen, so kann auch der rationale
Geist nicht zur Weisheit gelangen, und nicht die himmlische Charitas in sich hegen,
wenn er idcht von einem Strahle des inneren Lichtes durchdrungen und erwärmt ist.
Ausser dieser übernatürlichen Erleuchtung kennt Isaak aucli eine natürliche, die nach
Joh. 1, 9 jedem Menschen zu Theil wird, und in die untere Region des Geistlebens, in
die der Intelligentia und dem Intellectus subordinirte Ratio fällt, während die übei--
natürliche Erleuchtung der höheren Region, nämlich jener des Intellectus und der Intelli-
gentia angehört. Von dieser doppelten geistigen Erleuchtung unterscheidet er ferner
noch eine dritte, aus der Sinnenwelt in das sinnliche Vorstellungsvermögen (Phantasticum)
der Seele fallende Erleuchtung, die er als die von Aussen kommende Erhellung der
Seele bezeichnet, so dass demnach die Seele, soweit Phantasticum, Ratio und Intelligentia
zusammt dem Intellect erleuchtet werden, aus einer dreifachen Lichtquelle exterius, inferius
et superius zu einem dreifachen Sehen angeregt wird. Diese dreifache Anregung bildet
das Correlat zu der Unterscheidung der di'ei Realitäten: Körper, Seele, Gott, welche die
Unterlage jener gesammten psychologischen Betrachtungsweise, wie wir sie bei Isaak
fanden, und aller ihrer schematischen Gliederungen bildet. Wir lernen sie als solche
auch bei Hugo von St. Victor kennen, ^ und finden, dass überhaupt das christliche Denken
des früheren Mittelalters an sie sich anzulehnen liebt. Der dem 9. Jahrhundert ange-
hörige Ermanricus ' benützt eine ähnliclie Trilogie : Dens, Sanctus, Corpus als Unterlage
' Quae videlicet tria omni subsistenti insuut quasi quaedam vestigia summae esseiitiae, et iniagiuis et muneris i. e. Patris et
■ Filii et Spiritus Saneti. Aeternitas quippe est in Patre, species in imagine, usus in munere.
- Erant eiiim tria quaedam corpus et Spiritus et Dens; corpus quidem mundus erat, anima spiritus. Et ipsa anima quasi in
niedio quodam erat liabens extra se nuinduin, intra se Deum et acceperat oculum, quo extra se nnuidum videret et quae
in mundo erant, et hie erat oculus carnis. Aliuiu oculum acceperat, quo seipsam videret et ea quae in ipsa erant; lue est
oculus rationis. Alium rursus oculum acceperat, quo intra se Deum videret et quae in Deo erant. et hie est oculus contem-
plationis. Hugo Sacr. fid. christ. Lib. I, Pars 10, c. 2.
■■' In der am Schlüsse seiner oben erwähnten Epistola ad Grimoaldum angefügten kurzen Abhandlung: Ue vera essentia Dei-
tatis, cujus est soliu.s, totvim esse, quod est vere esse. S. 37 ft'.
Der Entwickelüngsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin ms Albertus Magnus. 101
eines Kategorienschema der christlichen Weltlehre, das wir als charakteristischen Aus-
druck der jenem Zeitalter geläufigen Denkunterscheidungen hier wiedergeben. Deus,
Sanctus, Corpus verhalten sich nach Ermanricufe zu einander als sumnium bonum, magnuni
bonum, bonum. Indem nun die Kategorie der bonitas mit jenen der Qualität, Quantität
und Bewegung, so wie mit dem Gedanken des der endgiltigen Vollendung der Dinge vor-
ausgehenden Gerichtes combinirt wird, ergibt sich für Gott als complete Bestimmung:
Summum bonum, absque qualitate, motus sine tempore, judicans et non judicatus ; für
die Heiligen: Magnum bonum, cum qualitate, motus in tempore sine loco, judicans et
judicatus ; für den Körper : Bonum, cum qualitate et quantitate, motus in tempore et
loco, nee judicans nee judicatum.
Derlei in Augustinischem Sinne gehaltene und an die Aristotelische Kategorien-
lehre angelehnte Erörterungen über die ontologischen Unterschiede zwischen Gott, Seele,
Körper bildeten die nöthigen rationalen Unterlagen für die in das Gebiet der kirchlichen
Glaubenslehre fallenden Erörterungen und Untersuchungen, und trugen überhaupt das
gesammte Gebäude der über dem Grunde des biblisch-kirchlichen Bekenntnisses und
Glaubens ruhenden christlichen Weltanschauung. Wir finden sie demnach auch bei Hugo
von St. Victor, dessen psychologische Lehren und Sätze sich mit jenen Isaaks von Stella
in mehrfacher Hinsicht nahe berühren, obschon es daneben auch an beachtenswerthen
Abweichungen nicht fehlt. ' Die Erörterungen über die ontologischen Unterschiede der
genannten drei Realitäten lehnt Hugo ^ an den Satz an, dass Gott schlechthin immutabel
ist, alles Geschaffene aber Aenderungen unterliegt, am meisten natürlich die Körper. Das
Körperliche imterliegt Mutationen in Bezug auf Zeit, Ort und Gestaltung (Forma). Die
Aenderungen in Bezug auf die Gestaltung oder Form sind : Augmentation, Diminution
und Alteration. Diese Aenderungen gehen im Räume vor sich, bewirken aber keine
Ortsveränderung des immutirten Objectes, indem nicht das Ganze, sondern nur die
Theile des Ganzen den Ort ändern. Beide Arten von Veränderungen aber gehen in der
Zeit vor sich, daher die Zeitveränderung als dritte Art von Mutation mit jenen beiden
anderen Mutationsarten des Körperliclien unzertrennlich verbunden ist. Die Veränderung
der Form ist eine sachliche Aenderung; dadurch unterscheidet sich dieselbe von der
Zeit- und Ortsveränderung, die für sich allein eine sachliche Aenderung des immutirten
Objectes nicht verursachen; sie sind blos mutationes circa rem, nicht mutationes rei oder
in re. In Bezug auf die geschöpflichen (ireistexistenzen steht fest, dass sie zufolge ihrer
Einfachheit, oder weil sie nicht aus Theilen zusammengesetzt sind, keiner A^ergrösserung
oder Verkleinerung unterliegen ; wohl aber hat in ihnen ein Wandel und Wechsel in
Bezug auf die Acte ihres Erkennens und in Bezug auf ihre Aft'ecte und Stimmungen
f^tatt, und dieser Wandel geht in der Zeit vor sich. Die Frage ist nur, ob sie auch
einem Ortswandel unterliegen. Hugo kann Jenen niclit beistimmen, welche die absolute
l nräumlichkeit der Seelen und Geister behaupten; allerdings nehme der geschöpfliche
<ieist keinen Raum ein wie die Körper, aber er ist an einen bestimmten Ort seines
Seins und Wii-kens gebunden, und hat in diesem Sinne ganz bestimmt ein locales Sein.
Hier wäre es nun wohl angezeigt gewesen, zwischen unräumlichen und überräumlichen
Sein zu unterscheiden, um die richtige Vermittelung zwischen den beiden entgegen-
' Vgl. hierüber Ritter Ge.sch. d. Philos. Bd. VII, S. 580 f.
2 Sacr. tid. elin.st. I, Pars 3, eapp. 14 ff.
j()2 ^- Werner.
&
gesetzroii Einseitigkeiten einer schlechthinnigen lläumlielikeit oder Unräumliehkeit der
Seele zu linden. Hie Idee der Seele als eines activen raumfassenden Principes war indess
jenem Zeitalter fremd; dazu kam bei Hugo und anderen platonisii-enden Psychologen
seiner Zeit die lahme Vorstellung vom Leibe als einem blossen Gehäuse der Seele, oder
überhaupt die zu lose Fassung des Verhältnisses von Seele und Leib, die auf ein blos
passives Enthaltensein der Seele im (jrte des Leibes hindrängte. Richtigeres fanden wir
in (lieser Beziehung oben bei Isaak, der primär das Sein der Seele in sich selber betont,
unil ihr Sein im Leibe als secundäres Moment fasst; obwohl er nicht zu dem Gedanken
vordringt, dass dieses Sein der Seele in sich selber die Vorbedingung und der Grund
ihres Vermögens einer activen Fassung und Umgreifung des ihr eignenden Leibes sei,
indem sie, da sie ihren eigenen Ort in sich selbst hat, auch den ihr eignenden Leib
wenigstens relativ in denselben hineinzunehmen vermag, und als etwas ihr Eignendes
relativ in denselben hineinnehmen muss.
Hugo von St. Victor sieht in Geist und Leib zwei Realitäten von durchaus gegen-
sätzlicher Beschaffenheit, und beschäftiget sich demzufolge ' mit Erörterung der Frage,
wie sich trotz dieser gegensätzlichen Beschaffenheit die Einigung Beider in der Person
des Menschen denkbar machen lasse. Hierin knüpft er nun an den Gedanken an, dass,
wie es eine abwärts steigende Reihe von Geistwesen, so auch eine aufwärts steigende
Reihe der körperlichen Realitäten gebe, deren oberste und mindest materielle immerhin
z\i einem Zusammenschlüsse mit der untersten der geistigen Realitäten geeignet sein
könne. Unter den Elementen, in welche die sichtbare Körperwelt sich zerlegen lässt, ist
nur das unterste, das Erdelement, eine starre Masse ohne selbsteigene Beweglichkeit; die
übrigen drei Eleinente sind ihrer Natur nach beweglich, und zwar so, dass die Bewegung
des Wassers sich fesseln lässt, während die beiden anderen Elemente Luft und Feuer
ungebunden walten. Die Luft lässt sich wenigstens durch Einscliliessung festhalten, so
dass ihre Bewegung auf einen bestimmten Raum beschränkt bleibt; beim Feuer ist nicht
einmal diese Einschränkung seiner Beweglichkeit möglich. Wasser und Luft können
noch, gleich der Erde, durch einen äusseren Impuls bewegt werden; das Feuer bewegt
sich einzig durch sich selbst, und folgt keiner anderen Bewegungsrichtung, als jener,
welche ihm seine eigene Natur gibt. Unter den vier Elementen entfernen sich die je
höheren mehr imd mehr von der Natur der crassen Körperlichkeit, und nähern sich
jenen der geistigen Wesenheiten an. Die Luft, welche wegen ihrer Tenuität nicht mehr
mit dem Auge wahrgenommen werden kann, und nur durch ihr hauchartiges Wehen
empfunden wird, heisst ebenfalls Spiritus, so dass schon ihre Benennung ihr dem
unkörperlichen Geiste verwandtes Wesen bezeichnet. Aber noch mehr als die Luft verdient
das Feuer Spiritus genannt zu werden, da es nicht äusserlich wie das Wehen der Luft
die Körper bewegt, sondern dieselben innerlich belebt, wie bei den Pflanzenkörpern
der Fall ist, oder sogar empfindungsfähig macht, wie die Thierkörper. Ja die höheren
Thierclassen sind nicht blos des Empfindens, sondern auch des Vorstellens fähig. Ist
die Sinnesempfindung eine Abschattung der rationalen Thätigkeit, so das Vorstellen eine
Abschattung des höheren Geistlebens (vitalis sapientia). Die sinnliche Imagination
bekundet den höchsten Verfeinerungsgrad der vis ignea. Die durch die Sehstrahlen
gefasste Form des Sinnendinges wird an's Auge gezogen und hiedurch zum Sehbilde
1 In der Abhaudlunif D'' iininnp corporis et Spiritus.
Der Entwickelüngsgang der uittelalterlioten Psychologie vun Alcuin bis Albertus Magnus. 103
gemaulit; durcli die sieben Hüllen und drei Humores des Auges hindurchgeliend und
damit abermals verfeinert gelangt das Sehbild zum Vordergehirn, und setzt sich da in
eine Vorstellung um ; vom Vordergehirn in's Mittelgeliirn hinübergeleitet, berührt und
excitirt die Voi'stellung unmittelbar die Substanz der rationalen Seele, durch welche die
sinnliche Vorstellung in einen rationalen Gedanken (discretio) umgesetzt vi^ird. Das
Vorstellungsbild verhält sich zur geistigen Seelensubstanz wie der Schatten zum Lichte :
die Umsetzung der Vorstellung in einen rationalen Gedanken ist Hellung des Schattens
im Lichte. Es kann allerdings auch das Entgegengesetzte eintreten, dass die Seele
statt das suggerirte liild ausser sich zu halten, und es blos wie ein Kleid um den
Gedanken zu legen, in die Imagination sich versenkt und gleichsam mit ihr verwächst.
So geschieht es, dass Seelen selbst nach ihrer Scheidung vom Leibe von sinnlichen
Leidenschaften gequält werden, weil sie von den Banden der Neigungen, duix-h welche
sie am Sinnlichen haften, noch nicht gelöst d. h. von der Verunreinigung durch sinnliche
Affectionen noch nicht gereiniget sind. Sinneswahrnehmung und Sinnesvorstellung gehört
noch dem Spiritus corporeus an; die affectio imaginaria ist eine durch die Sinnes vorstelluno-
bewirkte Immutation der Seele, gehört also bereits dieser an. Das unmittelbar Höhere
über der affectio imaginaria ist die auf die Imagination wirkende Ratio; das Höchste
die Ratio pura als oberer Gegenpol der cx-assen Körperlichkeit.
Diese Verhältnissbestimmung zwischen Geistigem und Leiblichem im Menschen
zeigt bereits, dass sein Denken nicht darauf gerichtet war, zu ermitteln und zu zeigen
wie das Leibliche im Geistigen gefasst sei; er begnügte sich damit, die Möglichkeit
einer Verbindung Beider ersichtlich zu machen, und allenfalls auch Congruenzgründe
für die Vereinigung von Geist und Leib im Menschen aufzufinden. Solche Gründe ' sind :
Gott wollte durch die harmonische Verbindung zweier so ungleicher Wesenheiten, wie
Geist und Körper, zunächst zeigen, dass es ihm nicht unmöglich sei, die rationale
Creatur, die noch ungleich weiter von Gott absteht, als der Leib vom Geiste, in die
beseligende Gemeinschaft mit sich selber aufzunehmen. Ferner sollten dem Menschen
die Freuden und Annehmlichkeiten des Erdenlebens, die durch die Bekleidung der
Seele mit einem vergänglichen Leibe bedingt sind, den Gedanken nahe legen, um wie
viel grösser die dereinstige Freude und Herrlichkeit der zum seligen Sein in Gott
aufgenommenen Creatur sein werde. Solche Argumente lassen nun noch immerhin das
Dasein des Menschen in der Welt als etwas ziemlich Zufälliges erscheinen: wenn ei'
ferner sagt,^ der Mensch sei bestimmt, die durch den Geisterfall in der Zahl der
seligen Himmelswesen verursachte Lücke auszufüllen, so ist damit abermals nur ein
solcher Grund für das Menschendasein angegeben, der nicht aus der Idee des Menschen-
wesens selber geschöpft ist, sondern zu dieser sich ganz äusserlich verhält. Allerdings
scheint die Idee der kosmischen Stellung des Menschen bei Hugo durchzubrechen in
der Aeusserung,^ die sichtbare Welt sei um des Menschen willen geschaffen, wie der
Mensch um Gottes willen; diese doppelseitige teleologische Auffassung des Menschen
erlangt aber einen ideellen Werth erst dann, wenn sie durch eine correlative ontologische
Auffassung gestützt ist, durch welche gezeigt werden soll, dass und warum der Mensch
' Vgl. Sacr. fid. <-hrist. I, Pars, c. 1.
2 Saor. fid. rlinst..!, Par.s 5, c. SO.
■' Saer. fid. elirist. I, Pars 2, c. 1.
Iy4 K. Werner
um .sciiKT selbst willcMi ist. Dazu Ist aber am allerwenigsten Hugo angethan, der fast nur
zu zeigen beiiii'ilit ist, dass es für den mciiscliliclien Geist kein Missgeschick war, mit der
irdischen Materie In eine Berührung treten zu müssen, die den angelischen Wesen erspart
blieb.' Dass dei' Menscli kosmisches Centi-alwcsen sei, und die gottesbildliche Menschen-
seele, obselion im kosmischen Range unter den reinen Geistern stehend, die Idee der
Gottesblldlielikeit auf eine specifische, nur ihr allein, nicht aber den reinen Geistern
mögliche Art verwirkliche, liegt Hugo's Denken um so ferner, da er überhaupt auf den
specifischen AVesensunterschled zwischen Engelgelstern imd Menschenseelen nicht advertirt.
Er sucht den Gedanken der Gottesbildlichkeit der Menschenseele nur in dem, was sie
mit den reinen Geistern gemein hat;^ wir glauben mit Grund behaupten zu dürfen, dass
Isaak von Stella dem Verständniss des specifischen Wesens der Menschenseele und
damit auch des specifischen Charakters ihrer Gottesbildlichkeit näher gekommen sei als
Hugo. Diesem sind die Menschenseelen eben mir die untersten in der abwärts steigenden
Reihe der Geistwesen, '' und stehen als unterste an der Gränze, wo die Begegnung und
Berührung zwischen der Geister- und Körperwelt, der unsichtbaren und sichtbaren
Wirklichkeit statthat. Im Menschen soll sich nämlich, wie wir oben hörten, das Unterste
der Geistwelt mit dem Obersten der Korperwelt verbinden und zur Einheit zusammen-
schliessen. So Avii-d aus der centralen Stellung, die dem Menschen als Schlussglied der
Schöpfung zukommt, eine Mittelstellung, zufolge welcher sich der Mensch als mittleres
Proportionsglied zwischen Geister- und Körperwelt einschiebt. Diese Auffassung macht
Hugo speciell ffir das menschliche Erkenntnissleben geltend ; * während der Engel rein
innerlich, das Thier aber rein äusserlich erkennt, vereiniget der Mensch beide Arten
von Erkenntniss, und zwar so, dass in seinem der sinnlichen Aussenwelt zugewendeten
Erkennen die blos sinnliche Erkenntniss des Thieres in's rationale Erkenntnissleben
emporgehoben wird, Avährend umgekehrt sein geistig innerliches Erkenntnissleben auf
dem Grunde des Glaubens zu jenem der seligen Geister emporstrebt.
Die Nothwendigkeit des Glaubens für die Unterstützimg und Vollendung des
menschlichen Erkenntnissstrebens begründet Hugo in folgender Weise : " Gott verlieh der
Seele des erstgeschafi^enen Menschen ein dreifaches Auge : ein Auge zur Wahrnehmung
der Sinnenwelt (oculus carnis), ein zweites, damit die Seele sich selber sähe (oculus
rationis), ein drittes, imi in ihrer in sich gesammelten Innerlichkeit Gott und die gött-
lichen Dinge zu schauen (oculus contemplationis). Durch die Verfinsterung der Seele
in Folge der Sünde wurde das Auge der Contemplation völlig ausgelöscht, so dass es
• Quia ergo in parte pro exemplo nniversitatis Immiliatus est rationalis Spiritus iisque ad eonsortiuiu terreni corporis, ne forte
hoc ipsum ad depressionem ejus pertinere videretur, adjunxit Providentia Dei, ut postmodum cum eodeni corpore glorificato
ad consortium illorum, qui in sua puritate perstiterant, sublimaretur, ut quod minus ex dispensatione creatoris sui acceperat
conditus, per gratiam ejusdem postmodum acciperet gloriBcandus. Sacr. 6d. clirist. I, Pars 0, c. 1.
2 Die rationale Creatur ist gottesliildlich aus folgendem Grunde: Hationali creaturae non uuum aliquid aut hoc ant illud in
ratione divina ])ro exemplari sufficcre potuit, ad cujus similitudinem formaretur, sed quasi totum assumsit Deum, ut ejus
ipsius imago fieret, et expressa est ad totum aemulans perfectionem ; ut sicut Dens Spiritus erat et unus erat, et in. ipso
totum erat secundura rationem et providentiam et praescientiam et causam, sie ipsa spiritualis esset capax in uno praescientiae
et providentiae et rationis et providentiae onmium. Sacr. fid. clirist. I, Pars ö, c. 3.
' Ueber die graduellen Unterschiede im Geisterreiche nach Analogie der graduellen Unterschiede in der Körperwelt: Sacr.
fid. clirist. I, Pars 5, c. il.
* Sacr. fid. Christ. I, Pars 6, c. .').
'■ Sacr. fid. chriat. I, Pars 10, c. i. Vgl. Oben S. UIO, Anm. '.!.
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 105
nichts sah, das Auge der Vernunfterkenntniss (oculus rationis) so gescliädiget, dass es
nur mehr eines sehr zweifelhaften Lichtes sich erfreut; nur das Sinnenauge der Seele
behielt seine ungetrübte Klarheit und seinen sicheren Blick. Dasjenige nun, was das
erblindete Auge der Contemplation durch sich selbst nicht mehr sehen kann, muss der
Seele durch die Glaubensoffenbarung nahegebracht werden, durch welche, muss man
ergänzend liinzufügen, auch dasjenige, was das ungeschwächte Vernunftauge nur mehr
unsicher erkennt, zu einej sicheren und richtigen Erkenntniss gemacht werden muss. '
Denn im Grunde ist ja das zweifache geistige Auge : oculus rationis und oculus con-
templationis, nur eine Zweispaltung jenes Einen auf's Innerliche gerichteten Seelensinnes,
den nach Hugo ^ die menschliche Seele mit dem Engel gemein hat. Die Seele sollte
zufolge ihrer ursj)rüngiichen Begabung nach Innen die Weisheit, nach Aussen (per sensum
carnis oder mittelst des oculus carnis) die Werke der Weisheit betrachten ; nach beiden
Seiten, nach Innen und Aussen, sollte sie in einem Buche der Weisheit lesen, und in
beiden Büchern lesend sollte sie von beiden Seiten mit Erkenntniss und Freude erfüllt,
zum Lobe und zur Liebe des Ewigen excitirt. erquickt und beseliget werden. Zufolge der
Verdunkelung des inneren Sinnes und zufolge des Unvermögens die Sapienz selber zu
verstehen, wurde der Seele auch das äussere Buch, das im opus sapientiae dargeboten
war, räthselhaft und unverständlich; darum wurde ihr in der gescliichtlichen Erscheinung
Ciiristi ein zweites von Innen und Aussen beschriebenes Doppelbuch gleichsam als Compen-
dium der gesammten Weisheitslehre dargeboten. Die Aussenschrift dieses neuen Buches war
die Menschheit Christi, die Innenschrift das göttliche Wesen Christi; erstere bot sich der
sichtbaren Anschauung dar, letzteres sollte geistig erschaut und verstanden werden. Die erstere
sollte Gegenstand der sittlichen Nachahmung, letzteres Gegenstand der Contemplation sein;
die sittliche Nachahmung Christi sollte zur moralischen Gesundung, die Contemplation
des im göttlichen Wesen Christi uns nahegerückten Himmels zur Freude und Seligkeit
hinführen. Der Sinn dieser Aeusserung ist, dass uns in der Offenbarung Christi die
himmlische Idealwelt, Gott und die göttlichen Dinge nahegerückt seien, imd der christliche
Glaube ein Mittel der Selbstverinnerlichung der Seele sei, die kraft desselben das ihr
abhanden gekommene Göttliche in der für ihr irdisches Zeitdasein erreichbaren Weise
wiedergewinnen soll. Es versteht sich hiebei, dass Hugo einen möglichsten Grad der
Verinnerlichung des historischen christlichen Glaubensbewusstseins anstrebt; diess war
überhaupt die Tendenz der mittelalterlichen christlichen Mystik. Dasjenige aber, wodurch
der Glaube die Selbstverinnerlichung der Seele wirkt, ist die Gnade, welche, ehe sie
als Licht der Erleuchtung im Erkennen aufgeht, im Aöecte oder Herzen sich wirksam
erweist. Und so erscheint der Glaube in dieser Art von Mystik zunächst als ein Act des
Gemüthes, und dieser Act als ein Aufschwung des inneren Menschen, der in der durch
die Kirche dargestellten lebendigen Glaubensgegenwart das dem Blicke des sterblichen Zeit-
menschen verhüllte unsichtbare Göttliche zu ergreifen strebt. Wenn Hugo der im Glauben
erneuerten und verinnerlichten Seele abermals ein Schauen beilegt, so kann diess nur
ein Erl^nnen im Lichte der Gnade bedeuten. Demzufolge spricht Hugo^ auch von einem
Schauen im Glauben, welches er dem zukünftigen contemplativen Schauen als einem
' Quantum ad ctimnhim felicitatis et perfectionem veritatis plus est praeseiitem viflere quam absentem eredere, sicut et jjhis
est fide Stare quam npiuione nutare.
2 Sacr. lid. christ. I, Pars 6, e. ö.
3 Sacr. fid. Christ. I. Pars 10, c. 9.
Deiitschriften der phil.-bist. Cl. XXV. Bd. 14
10\\ K. Wkuner
Schauen von Angesiclit /u Angesicht gegenüberstellt. Das Glauben ist ein Schauen (hii'cli
einen Spiegel in einem dunklen Wort (in aenigmate) ; wir sehen da nur das liild der
Sache, die wir dereinst schauen sollen. Das dunkle AVort ist das heilige Scliriftwort,
dessen durchgeistete Auft'assung jene Bilder der himmlischen Welt und der göttlichen
Dinge erscheinen lässt , die im Spiegel des gläubigen Herzens Widerscheinen und
den Himmel selber abspiegeln sollen. ^^ Cj- (Um (lihiuben nicht luit, sielit gar nichts
von dem. was der himmlischen V^ollendungswelt angeJiört; im .Glauben indess kann nicht
]\lehreres als jene Bilder, keineswegs aber die ihnen entsprechende Wirklichkeit geschaut
wei'den, obwohl die zukünftige Anschauung derselben durch den Glauben erwirkt werden
soll, und das Object der dereinstigen Anschauung geistig im Glauben selbst sclion
enthalten und vorausgenommen ist. '
Wir haben bei Erwähnung Wilhelms von Auvergne von einem seelischen Sensismus
gesprochen, und glauben diese Bezeichnung in ihrer Weise auch auf Hugo's Anschauungs-
weise übertragen zu dürfen, wozu uns seine eigenen Aussagen über den doppelten
Seelensinn, auf den seine ganze Erkenntnisslehre gebaut ist, vollkommen berechtigen.
Er ist das allgemeine Denkelement der christlich -theologischen Denker des zwölften
Jahrhunderts, die nach der einen Seite auf Plato, nach der anderen auf den heiligen
Augustinus sich stützten. Seine Apperceptionen müssen den Ersatz bieten für den spe-
culativen Gedanken, dessen Wesen im Gegensatze zu jenem seelischen Sensismus die
Bethätigung activer Selbstmacht des menschlichen Denkens in geistiger Bewältigung der
seinem A ermögen unterstellten Wirklichkeit ist. Unterstellt ist aber der menschlichen
Seele alles Wirkliche in so weit, als sie mit ihrer Denkkraft es in seinem Wesen zu
ergreifen und denkend zu umspannen vermag. Von einem solchen geistigen Umgreifen
und Umspannen der Dinge aus der Mitte ihres Wesens heraus ist nun bei jenem spe-
culativen Sensismus, wie wir Hugo's psychischen Sensismus im Unterschiede von jenem
des Auvergnaten immerhin nennen können, nicht die Rede, und seine Erkenntnisslehre
ist ein getreuer Reflex seiner Anthropologie, die eben gleichfalls nicht wahrhaft spe-
culativ ist, d. h. nicht bis dahin vordringt, die sinnliche Leiblichkeit des Menschen als
etwas von der Macht des seelischen Principes innerlich Gefasstes und Umgriifenes zu er-
fassen. Er schreibt der menschlichen Seele eine dreifache Grundkraft zu,* die vegetative,
die sensitive Kraft und die geistige Denkkraft. Das selbstmächtige Wesen der Seele im
Verhältniss zum Leibe und zu der sonstigen, ihrem geistigen Können unterstellten Wirk-
lichkeit kommt bei dieser Seelenauffassung nicht zum Ausdrucke. Die vegetative Thätig-
keit ist ein Wirken der Seele, sofern sie innerhalb des Leibes, oder dem Leibe ein- .
gesenkt ist; die Sinneswahrnehmung vollzieht sich durch Berührtwerden der Seele von
einem Sinneseindrucke ; die geistige Selbstthätigkeit der Seele aber bezieht sich nach
Hugo's Beschreibung auf lautci- i-ationale Functionen rein incjuisitiver Natur,' woraus
unausweiclilich folgt, dass die dui-ch diese P'unctionen rational zu begreifende sinnliche
' In diesem Sinne nennt Hugo den Glauben ein Sac-ranicnt: Fides iinag'ii est et sacramentum, rnntemplatio auteni fntnra res
et virtus Sacranicnti. L. c. ^
- Krnd. didascal. I, 4.
^ Aniniae vis intelligentiae motibns non caret, qnia in liis quatuor proprie vim ratiouis exercet: Aiit enim aliqnid, an sit. inqnivit.
aut si esse oonstiterit, quid sit, addubitat; quod si et.iani ntrinsqne scientiani ratione possidet, qnale sit niinniqiuidqne, ratione
investigat, atqno in co cetera aceidentiiim ninnionta pcnpiirit. Quibns cognitis. cur ita sit, qnaerit, et r,atii>ne niliiluniinus
invr'stigat. L. c.
i
Dek Entwickelüxgsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcdin bis Albertus Magnus. 107
oder geistige Wirklichkeit sich ihr durch das Mittel sinnlicher oder geistiger Erfahrung
naher ücken muss, und demnach für die Seele einfach et-was Gegebenes ist, wie der ihr
eignende Leib für sie einfach etwas Gegebenes ist. Von einem activen Erkennen d. i.
von einer activen Production der Erkenntniss aus der geistig erfasstert Idee des Dino-es
ist da keine Rede; es ist bezeichnend, dass Hugo überhaupt nicht so sehr von einem
Erkennen, sofern diess eine geistige Erfassung und Ergreifung der realen Vv'irklichkeit
ist, als vielmehr immer nur von einem Wissen spricht, wie er denn in der That von
seinem Standpunkte aus die Functionen der Ratio nur als ein Vordringen zum Wissen
und zur Gewissheit auffassen kann. Sein Denkhabitus ist also durchweo-s ein formal
logistischer; der reale Idealgehalt muss diesem Denken durch göttliche Irradiationen
und soweit er über den Bereich des natürlichen Erkennens hinausreicht, durch die Apper-
ceptionen des gläubigen Gemüthes und Bewusstseins zugeführt werden.' Auf welchem
Wege diese Apperceptionen gewonnen werden, haben wir im Vorausgehenden bereits
gesehen; die meditative Schriftforschung des vom kirchlichen Andachtsgeiste beseelten
und durchhauchten christlichen Seelenmenschen ist das Mittel der Erzeugung jener Vor-
stellungen und Anschauungen, in welchen das gläubig hoffende Gemüth bereits auf Erden
einen Vorgeschmack des seligen Himmelsglückes gewinnt.
Die Denkanschauungen Hugo's entbehren des speculativen Charakters darum und
insofern, als ihm der Begriff der lebendigen Form abgeht. Weder die Seele wird von
ihm als lebendiges Formprincip des Leibes erfasst, noch auch die Idee als lebendio-
durchgeistendes Formprincip der menschlichen Erkenntniss. Er kennt die göttlichen
Ideen als reale Urbildungen aller wirklichen Dinge; er weiss, dass diese Ideen in der
theilbaren Materie bloss einen particularisirten Ausdruck erhalten, und nur in den geisti-
gen Naturen sich total ausdrücken konnten. Wir verstehen hieraus, warum er das Insich-
gehen und die Selbstkenntniss der Seele, die eigentlich der Mensch selbst ist, als den
vorzüglichsten Weg der Gotteserkenntniss preist, welche letztere ihm das Ziel und die
Summe aller Erkenntniss ist. Gleichwohl bleibt er bei der blossen Versicheruno- der
Gottesbildlichkeit der Seele stehen, ohne etwa die Idee der gottesbildlichen Seele für
eine philosophische Vertiefung des Gottesgedankens auszubeuten. Isaak von Stella spricht
in dieser Hinsicht klarer, wenn er sagt, dass uns das vom rationalen verschiedene intel-
lective Verständniss der Seele abgeht, und dass wir vielmehr unsere Seele aus Gott als
Gott aus vmserer Seele zu verstehen haben. Hugo sagt diess nicht; was er aber als Inhalt
der Selbstkenntniss des noch nicht gefallenen Menschen angibt, geht doch eio-entlieh
nur auf eine richtige Erkenntniss der Stellung hinaus, die der Mensch in der Ordnuno-
der Dinge einnimmt, und welcher er in seinem freithätigen Thun zu entsprechen hat.^
' Für beide Arten von Erleuchtung-, für die natürliclie und übernatürliche, ist der Logos der Mittler. Wie das Leibesauge
im Lichte der sichtbaren Sonne, sieht das Seelenauge im Lichte des Logos, der allgemeinen Geistersonne: Unus est enim
sei, et omnis oculus per eum irradiatur, sed non omnes, qui per eum vident, agnosunt euni. Similiter lux vera, quae illu-
minat omuem hominem venientem in hnuc munduni, cunctis superfunditur, in omnes clarescit, universos illustrat; sed alius
per eam videt, alius eani videt. Mali illuminantnr ut cetera videant; ipsum, per quem vident, non vident, quia lux
tenebris lucet, et tenebrie eam non comprehenderunt. Boni vero illuminantur, ut eum videant, a quo et per quem vident,
ut ad eum, referant, et in eo ament omne quod vident, et eum ament super omne quod vident. Omnes ergo per eum illuminantnr
qui vident, sed excellentius qui eum vident. Per eum illuminantur qui vident, et ex eo illuminantur. quia ipse est lux a
quo illuminantur. Unde autem lux illuminaret, si ex semetipsa non ilhmiinaret? Unde illuminaret, si id quod ipsa est, pnr-
ticipandum non prjeberef? De sapientia animae Christi.
- Hoc siquidem erat somet agnoscerc, conditionem et ordinem et debitum suum sive supra se, sive in se, sive sub se non
ignorare; inteiligere, qualis faetns esset et qualiter incedere deberet, quid agere. quid cavcre similiter. Hoc totum erat semet
ipsum agnoacere. Sacr. fid. Christ. I, Pars 6, c. 15.
14*
m
10S K. WlCKNEK.
Eine solche Erkenntiiiss kann man ducli cigcntlifli nur eine ethisclie Erkenntniss nennen;
der absolute und eigentliche (Gegenstand des Erkcnnens war für den ursprünglicdien
Menschen Gott, der ihm in der Contemplation gegenwärtig, Gegenstand gnadenvollen
Schauens war. Die Erkenntniss Gottes und der göttlichen Dinge ist auch jeti^t und für
inuaci- das ])riniilre Object der menschlichen Erkenntniss. Die Erkenntniss der "Weltdinge
hat nur insoferne einen ideellen Werth, als sie uns den Schöpfer in seiner Weisheit,
JMacht und Güte erkennen lehrt;' die rechte Selbsterkenntniss aber, die ohne Gottes-
keuntniss gar nicht denkbar ist, kann nur darauf führen, in Gott das allgenügende ein-
zige Gut zu erkennen." Eine derartige Anschauungsweise ist nicht darnach angethan,
die Weltdinge um ihrer selbst willen zum Gegenstande der Erkenntniss zu machen; und
auch das Interesse an der Erkenntnis des Menschen wird sich in der Hauptsache auf
das Yerhältniss des JNIenschen zu Gott, nach welchem, für welchen und zu weichem der
Mensch geschaffen ist, beschränken. Die gesammte Denkauschauung Hugo's ist dem-
zufolge nach Tendenz und Charakter eine ethisch-religiöse. Diese Gesinnungsrichtung
muss sich auch in seiner Anthropologie und Seelenlehre reflectiren ; beide werden auf
Grund bestimmter allgemeiner metaphysisch- kosmologischer Anschauungen nur so weit
ausgebildet und entwickelt sein, als es Hugo's ethisch-religiöses Interesse mit sich brachte.
Wir glauben diess durch die vorausgegangenen Darlegungen und Ausführungen hinläng-
lich nachgewiesen zu haben, und wollen hier noch auf eine charakteristische Eigen-
thümlichkeit seines Denkverfahrens aufmerksam machen, die mit seinem Piatonismus
und dem damit combinirten psychischen Sensismus im vollkommenen p]inklange steht.
AVir haben schon erwähnt, dass er es liebt, Proportionsverhältnisse aufzuweisen, welche
die Unterlage seiner anthropologischen Ausfühi'ungen abzugeben haben. In Ermangelung
eines speculativen Verfahrens ist die Aufweisung congruenter Verhältnisse dasjenige,
worin die schöpferische W^eisheit, die Alles nach Zahl, Mass und Gewicht geordnet liat,
an ihren Wei'ken kenntlich zu machen ist. In Mass, Zahl und Gewicht besteht ja, wie
wir bereits hörten, die Schönheit der Dinge, die ein Reflex der ewigen Urschönheit ist,
so wie die Ordnungsverhältnisse des Schönen der ordnenden Weisheit des Schöpfers
Zeugniss geben. Die Seele ist ein Mittleres zwischen Gott und der Körperwelt, und
soll zu beiden in's richtige Verhältniss gesetzt wei-den. Wie das Verhältniss von Geist
und Körper vermittelt wird, haben wir oben gesehen; die Seele selber ist in ihrer
doppelseitigen Beziehung zu Gott und zur Körperwelt eine mittlere Proportionale
zwischen Beiden, was Hugo ausdrücklich bestätiget, wenn er sagt, dass die sichtbare
Welt wegen des Mensclien, der Mensch aber wegen Gott geschaflen sei. So erübriget
noch das durch Offenbarung und Glaube vermittelte Proportionsverhältniss zwischen Seele
und Gott oder Mensch und Gott, welches von Hugo ausdrücklich als höhere Analogie
des durch Mittelstufen und Mittelpotenzen hergestellten Proportionsverhältnisses zwischen
Geist und crasser Körperlichkeit dargestellt wird. W'ie letzteres einerseits durch subli-
mirende Verfeinerung des Körperlichen , andererseits durch Annäherung des tiefst
locirten Geistigen ans verfeinerte Körperliche erwirkt wird, so wird das Verhältniss
' Enul. didascal. VII, 16.
- Oiimium expetendiirum prima est Sapientia, in quo perfecti boni forma consisfit. Sapienti.i illnminat honiiuem, ut se ipsum
cognoscat, qiii cetoris siiiiili.s fiiit, cum se prae ceteris factum esse non intelle.xit. Imniurtalis quippe animus sapientia illu-
stratu.s respicit principium suum, et quam sit iudecorum, agiioscit, ut extra se quidquam qucrat, lui. quod ipsp est, satis
esse poterat. Erud. didascal. I, 2.
Der Entwickelungsgang dek mittelalterlichen Pstcüologie von Alcdin ms Albertus Magnus. 109
zwischen Gott und Seele einerseits durch Herablassung Gottes, andererseits durch Er-
hebung der Seele zum Göttlichen geknüpft:" Gott steigt in der Offenbarung unter sich
herab, die Seele steigt in der Contemplation aufwärts, um zum Göttlichen sich zu erheben.
Von einer nicht ganz glücklichen arithmetischen Spielerei, mittelst welcher das Wesen des
Seelischen an sich und in seinem Verhältniss zum Körperlichen durch die vierfacJie
Potenzirung der die Signatur der Seele ausdrückenden Dreizahl erläutert und veranschau-
lichet werden soll,'' wollen wir hier absehen, obschon auch sie zum Belege dient, dass
das zur Speculation sich nicht erschwingende ideale Denken mit der Erfassung rhyth-
mischer Verhältnisse sich begnügt, wie denn auch bei Plato die Mathematik zunäclist
an die reine Vernunfterkenntniss gränzte.
Hugo von St. Victor ist der Begründer der psychologischen Mystik, ilie auf den
von ihm angebahnten Wegen durch seinen Nachfolger Richard von St. Victor weiter
ausgebildet, und auch von Johannes Bonaventura gepflegt wurde. Der Grundo-edanke
dieser Art von Mystik ist die in der Abkehr vom Sinnlichen sich vollziehende Erhebung
der denkenden Seele zu Gott und zum Göttlichen; die Aufgabe der Theorie dieser
Mystik ist, die Stufen der denkenden Erhebung der Seele zum Göttlichen aufzuzeigen
und zu charakterisiren. Hugo gibt deren drei an: Cogitatio, meditatio und contemplatio
die sich mit der platonischen Dreiheit von 5öl;a, §tdvota, voOc parallelisiren lassen, aber
nicht bloss von Seite des denkenden Verhaltens der Seele, sondern auch der sie beo-lei-
tenden Affecte und Willensstimmungen der Seele ins Auge gefasst werden, so dass an
der Beschreibung und Schilderung dieses innerlichen Seelenweges im successiven Auf-
steigen zu Gott das ethische und religiöse Interesse mit dem rationalen auf das Innio-ste
verwoben, ja die eigentliche Seele des letzteren sind. Wir gelangen hier vom Gebiete
der rationalen Seelenlehre in jenes der auf religiös-ethische Seelenerfahrungen gebauten
Seelenkunde hinilber, dessen Charakteristik wir vom Plane dieser Arbeit ausschliessen.
Wir haben es mit der geschichtlichen Entwickelung der Psychologie als rationaler Doctrin,
mit der Geschichte der rationalen Entwickelung des Seelenbegriffes und der hiedurch
bedingten Gestaltung und Ausführung der Grundfragen und Hauptprobleme der lehr-
haften Psychologie zu thun.
In dieser Hinsicht nimmt, ehe wir auf die systemisirenden Arbeiten des dreizehnten
Jahrhunderts übergehen, noch eine dem zwölften Jahrhundert angehörige Sammelschrift:
De spiritu et anima betitelt, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Ihre Bedeutung beruht
darin, eine Zusammenstellung der Hau^Dtsätze und Lehren zu sein, die sich, in der Ent-
wickelung der Anthropologie und Psychologie von Augustinus angefangen bis ins zwölfte
Jahrhundert herab als Ergebniss abgesetzt haben, und zugleich ein charakteristisches
Bild der Gestaltung der Psychologie, des Umfanges und der Gränzen ihrer Ausbildung
zu geben. Sofern sie die Entwickelung der Psychologie auf Augustlnischer Grundlage
veranschauli(diet, konnte sie zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts für eine Arbeit
' Ascendit Moses in montem, et Dens desceiulit in niontem. Nisi ergo Moses ascemiisset et Dens deseemlisset, non con-
venissent in unum. Magna sunt in his omuibus sacrainenta. Ascendit corpus et descendit Dens. Quo ascendit corpus,
snperius est corpore, quo descendit Spiritus, inferius est spiritu. Rursum quo ascendit Spiritus, superius spiritu, et ([uo
descendit Dens, inferius Deo. Corpus sensu ascendit, Spiritus sensualitate descendit. Item Spiritus ascendit contenipla-
tione, Dens descendit revelatione. L. c.
- Ernd. didascal. II, cap. ö. 6. — Wie die Dreizalil die Zahl der Seele, so soll die Vierzalil die Signatur des dissolulilen
Körpers sein. Ibid.
22Q K. Wkunek.
Augustins gehalten werden, wie wir bei Alexander llalesius' ersehen und durch Albertus
IMaanus erfaliren.- Thomas Ati^uiiias^ bezeichnet den Verfasser als einen Cisterzienser-
niönuh ohne näher bestimmende Angaben •, Vincenz von Beauvais citirt das Buch wieder-
holt, sowohl in seinem Speculum naturale,' als aiicli im Speeuium historiale' und Spe-
cubim doctrinale" als Werk des Hugo von St. Mctor; in den Gesammtausgaben der AVerke
Hugo's erselieint es als zweites Buch eines Hugo zugeschriebenen Werkes De anima in vier
Büoliern. welches sicli aber nachgerade als eine Zusammenstellung von vier verschiedenen
Werken herausgestellt hat, von welchen nur etw^a das vierte: üe erectione mentis ad
Deum, auf Hugo's Namen gesetzt werden kann. Das sogenannte zweite Buch d. i. die
Schrift De anima et spiritu kann Hugo nicht angehören, weil Stellen aus verschiedenen
anderen seiner Schriften darin ausgehoben, also Hugo's Schriften darin eben so, wie
jene verschiedener anderer Autoren benutzt und wortgetreu copirt sind. Wenn es daher
noch Trithemius als Hugo's Arbeit gelten Hess, so haben doch die Herausgeber der
Bibllotheca Cisterciensis, sowie der Mauriner Ausgabe der Werke Augustins anders
gem-theilt, und es Jenem Alcher von Clairvaux zugeschrieben, an welchen Isaak's von
Stella Schrift De anima gerichtet ist, wofür sich auch Liebner in seiner Monographie
über Hugo von St. Victor' entscheidet. Den Charakter der Schrift als eines Cento aus
Stellen und Aussprüchen verschiedener Autoren hat bereits Erasmus hervorgehoben.*'
Ein gewisses System in der Anordnung der Materien lässt sich zwar im Allgemeinen
nicht verkennen; da aber der Zusammensteller von dem Inhalte der von ihm ausgehobenen
Stellen seiner Gewährsmänner abhängig ist, so kann es ihm schon aus diesem Grunde
nicht gelingen, ein wohlzusammenhängendes Ganzes herzustellen; er vermag nicht einmal
diess zu vermeiden, dass er wiederholt von vorne d. i. beim Begriffe der Seele anfängt,
von welcher natürlich nach Verschiedenheit der benützten Autoren verschiedene Defini-
tionen gebracht werden, und dass er die Mehrzahl der Materien wiederholt abhandelt.
Die am häufigsten angeführten Autoren sind Augustinus, Hugo und Isaak von Stella,
aus deren Anschauungen der Compilator vornehmlich das Gebäude seiner eigenen An-
schauungen aufführt; nebstdem sind Gennadius, Isidor von Sevilla, Cassiodor, Alcuin,
Hraban benützt, auch Beda wird gelegentlich angezogen, Lactantius (de opificio Dei)
nicht übersehen; für das psychologische Phänomen der Träume muss Macrobius (Somn.
Scip. I, c, o) die nöthigen Auskünfte bieten. Für die Partien mehr affectiven oder
moralisch-ascetischen Inhaltes liefern Anseimus und Bernardus, ferner die unter Augustin's
Namen gehenden Meditationes die entsprechenden Stellen, auch das erste und dritte
1 Summ, tlieol. II, qu. 51», mlir. 2.
- Siehe: Psychologie Williplm's von Auvergne S. 12, Auni. 2 (Sitzungsber. LXXII, S. 268). — Albert envälmt rieben der Schrift.
De anima et spiritu aucli niclit selten eine andere De differentia Spiritus et animae. als deren Verfasser er den Constabulus
bezeichnet. Dass man beide Schriften nicht identifieiren dürfe, geht schon daraus hervor, dass letztere, wie aus Albert's
Anführungen zu ersehen ist, sich ganz im Denkbereiche der arabischen Aristoteliker und Neuplatoniker bewegt. Zum
Ueberflusse werden in Albert's Summa de creatviris II, qu. 2, art. 1 beide Scliriften neben einander erwähnt, womit ihre
Unterschiedenlieit von einander absolut constatirt ist.
^ Quaest. un. de anima, art. 12, ad 2<l>>«i-
* Spec. nat. XXIII et XXV passim, ferner XXiy, I und XXVII, 7S.
'■> Spec. bist. XVIII, 55.
0 Spec. doctr. XVIII, fi2; XXIV, 6. 8. 14.
' Hugo V. St. Victor u. die theolog. Richtungen s. Zeit (Leipzig 1832), S. 405 fl'.
ä Erasmus sagt von dem Buche: Opus est hominis vaiiae uuiltaeque lectionis, in quo non aliquid artis videas aut ingenii. sed
quasi arenam sine calce.
Dm; Entwickei.ungsgang dek mittelalteklichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. Hl
Bucli des oben erwähnten angeblichen Werkes Hugo's De anima werden öfter benützt.
l)ie mehrfache Berücksichtigung der Schrift De anima et spiritu von Seite der hervor-
ragendsten Autoren des dreizehnten Jahrhunderts beweist, welche Verbreitung sie binnen
Kurzem gefunden und welche Geltung sie errungen hatte; sie vertrat die Stelle eines
Handbuches der Psychologie, in welchem geistliche Leser Alles zusammengestellt fanden
was für sie aus Gebiete der rationalen Seelenlehre und der religiös-moralischen Seelen-
kunde von Interesse sein konnte.
Fassen wir das, was wir über die Gestaltung der mittelalterlichen Psycholooie bis
zum Ende des zwölften Jahrhunderts beigebracht haben, kurz zusammen, so ergibt sich
uns als Resultat, dass die Seelenlehre des früheren Mittelalters, in ihren Anfäno-en
unscheinbar und dürftig, und zunächst nnr fragmentarische Reproduction des aus der
patristischen Epoche überlieferten Lehrstoffes, nach einer dreifachen Richtung eine suc-
cessive Erweiterung und Entwickelung ihres Lehrinhaltes anstrebte, indem sie zuerst
als Unterlage der natürlichen und christlichen Tugendlehre aufgefasst und behandelt,
sodann nach ihrem Verhältniss zur Somatologie ins Auge gefasst und entwickelt wurde,
und endlich drittens eine Vertiefung im Elemente religiös-mystischer und ascetischer
Beschaulichkeit anstrebte. Im Verfolge dieser letzteren Richtung stellte sie sich bei-eits
auf den Boden der lebendigen inneren Selbsterfahrung, die sich ihr als dreifache: gei-
stige, sittliche und religiöse Erfahrung gestaltete; je nach dem relativen Vorwalten des
einen oder des anderen Elementes der innerlichen Erfahrung modificirte sich sodann
weiter auch der specifische Ton und Charakter dieser Art von Seelenkunde, deren näJiere
Beleuchtung der Geschichte der christlichen Mystik anheimfällt. Dieser Richtung gegen-
über aber strebte die Scholastik eine lehrhafte Gestaltung und Durchbildung an, und
ei-rang sie, indem sie die durch arabische Vermittelung dem christlichen Abendlande
bekannt gewordene aristotelische Anthropologie und Psychologie in sich aufnahm. Schon
bei Wilhelm von Auvergne, der noch ganz auf dem Standpunkte der platonisch-augusti-
nischen Auffassungs- und Behandlungsweise der lehrhaften Psychologie stand und gegen
alles Peripatetische sich abwehrend verhielt, ist wenigstens in formeller Beziehung, in
Hinsicht auf die Sprech- und Ausdrucksweise der geistige p]influss des Peripatetismus
merkbar: Alexander von Haies steht bereits auf dem Boden desselben.
Alexander behandelt die Lehre über Begi-iff und Wesen, Vermögen und Kräfte der
menschlichen Seele im zweiten Tlieile seiner Summa theologiae, ' und zwar so. dass zuerst
von Begriff und ^^'esen der Seele gehandelt wird, sodann von den vier Ursachen der
Seele: causa materialis, formalis, efficiens und finalis: daran schliesst sich die Erörteruno-
über das, was die Seele an sich und im Verhältniss zum Körper ist; sodann wird von
den Kräften und Begabungen der Seele gehandelt, zuerst im Allgemeinen, sodann im
Besonderen: De sensibili exteriori et interiorl, de sensualitate, de vi cognitiva rationali,
de vi rationali motiva, riicksichtlich dieser letzteren wieder speciell de libero arbitrio,
de synteresi, de conscientia. Diese Reihenfolge der Materien für sich allein schon zeigt,
dass man hier zum ersten Male auf eine methodische und planmässig geordnete Behand-
lung des Gegenstandes stösst; der Complex der hierauf bezüglichen Erörterungen und
Untersuchungen bildet ein in sich geschlossenes Ganzes, welches von den später fol-
' Summ, tlipol. Pars II, qu. 59 — 74.
J12 ^- ^Vi;iiNER
gendeii Partien de vitii.s und de vlrtutibiis losgelöst, die sogenannte rationale Psychologie
vollkommen erschöpft. Aehnlicli hndon wir es bei Albertus Maginis In den hieher
gehörigen Tarticn seiner beiden Sianiuon, der Summa theologica und iler Summa de
creatm-is.
Die erste Frage betrifft bei Alexander die richtige Definition dei- menschlichen
Seele, die im Unterschiede von den Seelen der thierlschen Körper eine rationale Seele
ist. Alexander luln-t sieben Definitionen an, deren einige, jene Augustin's, Casslodor's,
Alcuin's, Isaak's von Stella, uns schon aus dem bisher Mitgetheilten bekannt sind. Eine
erste der von Alexander angeführten Definitionen lautet: Anima est deiforme sjjiraculuin
vitae. Alexander findet dieselbe insofern zutreffend, als sie das Wesen der Menschen-
seele im Unterschiede von dei' Thiex'seele und vom körperlosen Engel in schlagender
Kürze angibt. Auch die von Augustiiuis' gegebene Definition, welche Alexander aus
der Schrift de spiritu et anima (c. 1) kennt, billiget er: Anima ßst substantia quaedam
incorporea rationis particeps, regendo corpori accomodata. Indem die Seele als Substanz
bezeichnet wird, wird sie von den Accidenzen, als unkörperliche Wesenheit von den
Körpern, als vernunftbegabte von der Thierseele, als befähiget zur Leitung des Körpers von
den Engeln unterschieden; natürlich habe man bei letzterem Merkmal nicht an ein blosses
Bewegtwerden des Leibes, sondern an eine Belebung desselben durch die Seele zu denken.
Dieses Letztere sei es, was der menschlichen Seele im Unterschiede vom Engel specifisch
als Vermögen zukomme. Cassiodor definirt die Seele als substantia spiritualis a Deo
creata, propria sui corporis vivificatrix. Diese Definition ist gut, indem sie die Wesen-
heit der Seele von der göttlichen Substanz und von der crassen Stofflichkeit unter-
scheidet. Seneca definirt die Seele mit Bezug auf das ihr gewiesene Strebeziel als
Spiritus intellectualis ad beatitudinem in se et in corpore ordinatus." Diese Definition
charakterisirt die Menschenseele im Unterschiede vom leiblosen Engel, und lässt sich mit
Rücksicht auf das doppelseitige, geistig-sinnliche Wesen des Menschen vollkommen recht-
fertigen;^ sie ist sogar schön, wenn man sie unmittelbar auf die stola prima und secunda
des jenseitigen Yollendungstandes bezieht. Ueber die Definition Alcuin's, ^ die Alexander
aus der Schrift De spiritu et anima kennt und demzufolge von Augustinus herrührend
glaubt, bemerkt er, dass von ihren fünf Gliedern zwei auf die Erkenntnissthätigkeit, drei
auf die Bewegung der Seele sich bezögen. Die Intellectualität ist der Menschenseele
mit dem Engel gemein, die Rationalität specifisch ihr eigen. Das Merkmal: semper
' De quantitate aiiiniae, c. lö.
- Diese Definition riilirt nicht von Seueea lier, und ist weder der Denkweise nocli ancli der Sprechweise Seneca's gemäss.
Seneca sieht das Ziel des Menschen in der perfecta ratio: Qnod ergo in te honum est? Perfecta ratio; hanc tu ad suum
finem evoca, in quantuni potest pluriinum crescere. Tunc beatum se esse judica, cum tibi ex te onine gaudium nascetur,
cum in istis, quae homiues eripiunt, Optant, custodiunt, niliil inveneris, non dico, quid malis, sed quod velis. (Ep. 1 24). Indess
kommen doch bei Seneca Aeusserungen vor, die das Substrat zur obigen theologisch-teleologisehen Definition des Seeleu-
wesens dargeboten haben könnten. Vgl. Quaest. Natur III, 30: Omne ex integro animal generabitur, dabiturque terris honio
inscius scelerum et luelioribus auspiciis natus.
■• Alexander bezieht sicli hiebei auf Anselm, der die beatitudo als ein aus geistiger und leiblicher VoUkommenlioit zusammen-
gesetztes Ganzes auffasst. Es hätte sich auch auf Hugo von St. Victor verweisen lassen, welcher (Sacr. fid. christ. I, Pars (>,
c. G) den natürlichen Anspruch des Menschen auf leibliches Wohlsein sehr nachdriickllch betont: Quia homo ex duplici sub-
stantia compactus erat, ut totus beatificaretur, duo ejus illi bona conditor a principio praeparabat, iinum visibile, alterum
invisibile, unum corporale, alterum spirituale, unnm transitorium, alterum aeternum, utrumque plenum et utrumque in suo
genere perfectum; unum carui. alterum spiritui, ut in uno sensus earnis ad jucuuditatem foveretur, in altero sensus mentis
ad jucuuditatem repleretur.
■• Anima est Spiritus intellectualis, rationalis, semper vivens, semper in motu, bonac malaeque voluntatis capax. Eiit. an., c. ID.
i
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcüin bis Albertus Magnus. 113
vivens, bedeutet die fortwährende von Gott ausgehende Einströmung, dureli Avelche sie
lebendig erhalten d. i. ad motum disponirt wird; das Merkmal: semper in motu, bedeutet
ihre natürliche Lebendigkeit und Selbstbewegung, das letzte in der Definition enthaltene
Moment bezieht sich auf die willentliche Bewegung der Seele. Die Wesensbestimmung
der Seele als similitudo omnium bewahrheitet sich dadurch, dass die Seele fheils im
Sein, theils im Erkennen mit Allem, was ist, auf eine gewisse Weise zusammentrifft.
Endlich wird auch noch jene Wesensbestimmung der Seele, wornach sie einerseits als
einfache, unsterbliche Geistsubstanz, andererseit aber als passibel und mutabel bezeich-
net wird, aus ihrer Mittelstellung zwischen den Engelwesen und den sterblichen Erd-
wesen erklärt und als zutreffend erkannt.
Wie Alexander Halesius, nimmt auch Albertus Magnus in seinen Erörterungen über
das Wesen der Seele seinen Ausgang von den bereits vorhandenen Wesensbestimmungen
derselben von Seite der Theologen sowohl als der Philosophen. In seiner Summa theo-
logica' führt er unter der Rubrik: Theologische Definitionen (Definitiones Sanctorum)
gleich Alexander sieben Definitionen an, welche zum Theile dieselben, wie die von
Alexander angeführten, zum Theile aber andere sind. Er luit mit Alexander gemein
die aus Augustin (Quant, an., c. 13), Cassiodor, Alcuin und Seneca entlehnten Defini-
tionen-, die übrigen di-ei rühren von Remigius,^ Johannes Damascenus," Alexander
Aphrodisias ' her. Da nun letzterer, der mit Cognomen Nequam betheilt wird, so wie
Seneca nicht unter die christlichen Theologen gerechnet werden kann, so weist er Beiden
in der Summa de creaturis" einen gesonderten Platz neben den christlichen Auctoritäten
an, als welche daselbst'' Augustinus (quant. an. c. 13), Johannes Damascenus, Remigius
vmd Bernardus' angeführt werden. Albert sucht ebenso wie Alexander Halesius die
Angemessenheit aller dieser Definitionen zu zeigen, verfährt aber hiebei schon weit
mehr dialektisch als Jener, und gelangt auch zu anderen Erklärungen des Sinnes der
angeführten Definitionen. So bezieht er in der oben angeführten Definition Alcuin's
welche Albert mit Alexander für eine Definition Alcuin's hält, das Merkmal semper
vivens auf den belebenden Einfluss der Seele auf den Körper, versteht es also in activem.
1 Pars II, qii. 69.
2 Anima est substantia iiicorporea regens corpus.
^ Anima est .substantia vivens, simplex et incoi'porea, corporalibus oculis secundum propriam sui naturam luvisibilis, immor-
talis, rationalis, intellectualis, infigurabilis, organic-o utens corpore, et huic vitae, auguientatiouis et sensus et generatiunis
tributiva, nou aliud liabens praeter seipsani intellectum, sed ut partem sui purissimam (Fid. orthod. II, 12). Albert ver-
theidiget diese Definition gegen den Vorwurf pleonastischer Tautologie. Wenn die als geistig bezeichnete Seelensubstanz
nebenbei auch noch als invisibilis infigurabilis bezeichnet werde, so habe diess seinen Grund in der Rücksicht auf die
Stoiker Kleanth und Chrysipp, welche die Seele trotz ihrer Geistigkeit als Körjjer angesehen wissen wollten. Cleanthes et
Chrysippus et Stoici talem complicant syllogismuni t Non soluni similes genitoribus secundum corpus sumus, sed etiam
secundum animam passionibus, nioribns et dispositioiiibus. Corjjoris autem proprie est e.sse simile et non incoqiorei. Corpus
igitur est anima. Unde ad exprimendam et determiriandam incorporeitatem animae dicitur infigurabilis et corporeis oculis
invisibilis, ut intelligatur anima non esse virtus corporea. Summ, theol. II, qu. 69, mbr. 1.
* Anima est substantia incorporea, illuminationum, quae sunt a primo, ultima relatione perceptiva. Von dieser Definition, so
wie von jener Seneca's bemerkt Albert: quod datae sint de anima in comparatione ad Optimum; et quia hoc percipit sine
corpore, propter hoc non faciunt meutionem de corpore (Summ, de creat. II, Tract. 1, qu. 3, art. 2). Diese Bemerkung
erfährt freilich in Bezug auf Seneca's angebliche Definition eine nachträgliche Restriction, die darauf hinausläuft, dass
Seneca, wenn er von einer beatitudo animae in corpore spreclie, damit nicht die beatitudo patriae, sondern bloss die beatitudo
viae meinen könne, weldie nur uneigentlich beatitudo, richtiger felicitas genannt werde, gemäss dem Ausspruche des
Aristoteles: Felicitas est actus animae, qui est sceunduni virtulera perfectam.
^ Summ, creat. Pars II, qu. 2, art. 2.
^ L. c, art. 1.
' Anima est res incorporea, rationis capax, vivificando corpori aceomodata (Ep. ad Carthusiauos).
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. I5
j 1^4 ^- Wernek.
nicht wie Alexander in passivem Sinne. Das Merkmal semper in motu bedeutet ihm
die Einflössuno- lU-r Itir die Vitalvorriclitungen des Leibes nöthigen vis motiva. Da diese
Einflössung — bemerkt Albert weiter — dem Lebensumtrieb jegliches Lebendigen
anoemessen sein muss. so nennt Pythagoras die Seele eine sich selbst bewegende Zahl,
wobei er unter Zahl die Proportionalitat zu den Organen des Leibes versteht. In diesem
Sinne definire Plato die Seele als eine geistige Substanz, die sich aus sich selbst gemäss
der harmonischen Zahl bewege; allenthalben seien Bewegendes und Bewegtes nach har-
monischen Zahlenverhältnissen einander proportionirt.
Hier nun tritt sofort eine Differenz zwischen Alexander Halesius und Albert hervor,
die den schon vom Anfange her bestehenden relativen Gegensatz zwischen den beiden
Schulen der Franciscaner und Dominicaner beleuchtet. Alexander hatte, wie wir oben
sahen, das Merkmal semper in motu in platonischer Weise auf die Selbstbewegung der
Seele gedeutet. Albert will eine solche Selbstbewegung der Seele, wie sie immer ver-
standen werden möge, nicht zugeben,' und besteht auf dem Satze der aristotelischen
Schule, dass die Seele, selber unbewegt, ihrem "Wesen nach den Körper bewege, imd
nur per accidens durch die Bewegung des Körpers bewegt werde, sofern nämlich eine
körperliche Bewegung des ganzen Menschen auch ein Bewegtwerden der dem Menschen
einwohnenden Seele involvirt. Dadurch, dass die dem Leibe einwohnende Seele per
accidens in Folge der Bewegung des Leibes bewegt werde, unterscheide sie sich von
Gott, welcher dem Weltall einwohnend durch die Bewegungen desselben in keiner Weise
affieirt werde; wie die gottebenbildliche Seele in Allem von der göttlichen Vollkommen-
heit abweiche, so stehe auch ihre virtus motiva der göttlichen virtus motiva in der
bezeichneten Weise nach. Albert ergeht sich in einer umständlichen Widerlegung der
platonischen Ansicht und anderer ihr verwandter oder mit ihr combinirter Ansichten,
und bereitet sich damit den Weg zu einer eben so umständlichen Darlegung und Beleuch-
tung der von Aristoteles o-eg-ebenen Definitionen der Seele, ^ während Alexander den
peripatetischen Seelenbegriff im Allgemeinen adoptirt, ohne schärfere Abscheidung des-
selben vom platonischen. Wir werden daher nicht fehlen, wenn wir im Nachfolgenden
uns vornehmlich mit Albert's Seelenlehre beschäftigen und auf Alexander Halesius nur
insoweit Bezug nehmen, als wir eine relative Abweichung seiner Auffassungsweise von
jener Albert's bemerklich zu machen haben.
Bleiben wir vorerst bei seiner vorerwähnten Kritik des Platonischen Seelenbegriffes
stehen. Plato sagt, die Seele sei die Zahl gewisser Ideen, aus welchen sich eine Har-
monie zusammensetzt; daher ist ihr actives und passives Verhalten durch die Harmonie
der in ihr vereinigten Zahlen bestimmt. Gleichwie der Schöpfer anfangs den auf der
Weltaxe senkrecht stehenden Aequatorialkreis zog, und von diesem sodann den schiefen
Zodiakalkreis abschied, welchem sieben weitere, in der Richtung des Zodiakus sich
bewegende Kreise unterstellt wurden, so hat die aus dem Himmel von ihrem Schöpfer
herabsteigende Seele den ersten geraden Aspect ihrer Intelligenz in einen Kreis umge-
beugt, unter diesem ersten Kreise durch Theilung einen zweiten Bewegungskreis, unter
diesem zweiten sieben andere erhalten, gleichsam als ob die Bewegungen der Seele
Himmelsbewegungen wären; und nach diesen ilir zugetheilten Bewegungen bewegt sie
' Summ, creat. Pars II, qu .'i, art. 1.
2 Pniuin. creat. Pars II, (|ii. 4, artt. 1-
Der EiNTWlCKELUNGSGANG DKR MITTELALTEKLICHEN PSYCHOLOGIE VON AlCUIN BIS AlISERTUS MaGNUS. 115
selber wieder den Körper. Diese Auseinandersetzung Plato's kann nun entweder im
metaphorischen oder im eigentlichen Sinne verstanden werden. Soll sie metaphorisch
verstanden werden, so können die beiden ersten grossen Kreise auf die ßeweguno-en
welche die Erinnerungs- und Begehrungskraft vollzielien, bezogen werden; die dem
zweiten Kreise subordinirten weiteren Bewegungen den Bewegungen, welche sich in den
Sinnes thätigkeiten vollziehen. Im Erinnern geht nämlich die Thätigkeit auf den äusse-
ren Gegenstand zurück, der vorausgehend in der Erinnerungskraft das Gedächtniss seiner
selbst hinterlassen hatte. Der Vorgang des Begehrens aber macht eine Kreisbewegung-
voll, indem durch das begehrenswerthe Object angeregt der praktische Intellect oder
das Vorstellungs vermögen die Begehrungskraft, diese die ihr dienenden Kräfte in Bewe-
gung setzt, durch die Kräfte aber die (Jrgane des Leibes zu dem begehrten Objecte
hinbewegt werden. Eben so schliessen sich in den Thätigkeiten der fünf Sinne Kreis-
bewegungen ab, indem eine von der Seele ausgehende Kraft mit dem sinnlichen Wahr-
nehmungsobjecte sich berührt, und das Bild desselben in die Seele zurückbringt. Sollte
es aber zulässig sein, derartige Gedanken in metaphorischen Redeweisen vorzutragen?
Leidet nicht die rationale Bestimmtheit des Gedankens durch solche Einkleidungen, ja
ist überhaupt ein metaphorischer Ausdruck geeignet, den rationalen Begriff einer Sache
auszudrücken? Albert glaubt also die metaphorische Auslegung des von Plato über
die Seele Vorgetragenen zurückweisen- zu müssen,^ und diess um so mehr, da sie sich
an der Sinneswahrnehmung nicht bewahrheitet; bei der Sinneswahrnehmung lässt die
Seele nichts aus sich herausgehen, sondern nimmt nur in sich hinein. Will man aber
das von Plato über die Seele Gesagte nach seinem Wortsinne verstehen, so ist dagegen
Folgendes zu erinnern:^ Die Potenzen sind nach ihren Acten, diese nach ihren Objecten
zu bestimmen. Je nachdem das Object eines oder mehrere ist, werden auch Act und
Potenz ein Eines oder Mehreres sein. Ist das Object Eines, so muss es untheilbar wie
die Einheit sein; dasselbe wird dann auch von Act und Potenz gelten. Aber kein
Untheilbares ist ein kreisförmiges Continuum. Sind aber der Objecte mehrere, so sind sie
discrete Gi'össen; das Discrete ist jedoch eine Verneinung des Continuum, und so kann
abermals der Intellect keine kreisförmige Bewegung haben. Aber angenommen, er hätte
eine solche, so wäre weiter zu fragen, wie soll das Intelligible in den Intellect über-
gehen? Durch Berührung der Theile des Kreises? Diese Theile müssen entweder
unausgedehnte Punkte sein, ohne eine gewisse Grösse zu haben. Der Punkte aber sind
unendlich viele in der Kreislinie und in jedem Theile derselben; also würde für den
ersteren Fall das Intelligible selbst in einer unendlichen Zeit nicht in Intellect über-
gehen können. Sollen die Theile des Kreises eine Grösse haben, so müssen sie ent-
weder der Art oder der Grösse nach gleich sein. Der Art nach wären sie gleich als
unendlich theilbare;^ für diesen Fall würde es aus dem schon angegebenen Grunde zu
keiner Intellection kommen. Sind sie aber der Grösse nach gleich, so wird das Intelligible
vielmals die Theile des Intellectes berühren, und der Act der intellectuellen Erkenntniss,
der doch ein Einer und untheilbarer ist, als eine Zusammensetzung aus so viel Theilen,
• Albert erklärt sieh im Zusaramenliaiise damit überhaupt gegen alle Ideologie: Mentientes, qui, quod noii inest alicui, iuesse
dicunt, peccant; et qui extraneis nominibus res appellant, ut platanum liomineni; transgrediuiitur enim positam nominaticj-
nem, sicut Plato vocat hominem arboreni transversaui.
^ Vgl. Aristoteles de anima Lib. I, p. 407.
^ Vgl. Aristot. Coel. et Mund. Lib. I, p. 208: "Oaot ii'sv ouv oixipETOt tcüv tisysOtöv, zcc'i <jjv£/r5 Tajta.
15*
, 1 ,-. K. Wekner.
IIb
als der Kreis Tlieile hätte, hing-estellt.' Sagt man aber, es genüge die Berührung eines
einzigen Theiles, so ist ja die kreisförmige Bewegung überHüssig. Ueberdiess: Der berülirte
Theil des Kreises ist entweder theilbar oder untheilbar. Ist er theilbar, so kann er von
o-ewissen iintheilbaren Intelliglbilien nicht berührt werden; und umgekehrt kann er als
untheilbarer von theilbaren IntelHgibilien nicht berührt, d. h. zum Erkennen angeregt
werden. Man könnte dawider einwenden, nicht die Berührung, da ja eine solche im
eigentlichen, materiellen Sinne gar nicht statthabe, sondern der einer Kreisbewegung
ähnliche Umschwung verwirkliche den Intellectionsact; hierauf müsste abermals erinnert
werden, dass jener Umschwung des Intellectes keine Vergleichung mit der Kreisbe-
wegung zulasse, weil der Kreis weder Anfang noch Ende, jeder Intellectionsact aber
einen Ausgangs- und Endpunkt hat, und in letzterem gewissermassen ruht,' was das
directe Gegentheil des ruhelosen Kreisens ist. Ueberhaupt lässt sich keine im Wesen
der Seele gelegene Ursache ihres Bewegtwerdens denken, wie sich eine solche aus der
Beschaifenheit des Materiellen und Körperlichen eruiren lässt. Die Bewegung müsste
also der dem Leibe einwohnenden Seele gegen ihre Natur aufgenöthiget sein, woraus
folgen würde, dass sie ihres eigenen Leibes ledig zu werden trachten müsste, was offen-
bar falsch ist. Wenn man sagt, dass das Bewegtwerden der Seele nicht als Bewegung
im Räume verstanden werden wolle, so ist mit Avicenna zu erwidern, dass auf die Seele
auch jede andere Art natürlicher Bewegung, seien es jene der Generation und Corrup-
tion. öder der Vermehrung und Minderung, oder endlich der Alteration, nicht anwendbar
seien, weil sie auf lauter Ungereimtheiten führen würden, welche Avicenna im Einzelnen
aufzeigt. Wenn der Areopagite' von kreisförmigen, umbeugenden und geradlinigen Be-
wegungen der himmlischen Intelligenzen spricht, so ist klar, dass diess in figürlichem Sinne
ges^jrochen ist. Die geradlinigen Bewegungen bedeuten die von den oberen himmlischen
Intelligenzen ausgehenden Erleuchtungsthätigkeiten, welche abwärts auf die unter ihnen
stehenden Engel- und Menschengeister gerichtet sind; die umbeugenden Bewegungen
sind jene, welche an die abwärts beugende Erleuchtungsthätigkeit anknüpfend und die-
selbe continuirend , die erleuchteten Geister gleichsam zu sich selbst und zur Höhe
der eigenen Anschauung emporziehen. Diese eigene, dem Urschönen und Urguten
zugewendete Anschauung wird als ki-eisförmige Bewegung verbildlichet, weil die Erleuch-
tungen, durch welche diese Anschauungen causirt werden, vom Urschönen und Urguten
ausgehen, und zu demselben hinführen, somit eine in ihren Ausgangspunkt zurück-
kehrende Bewegung darstellen. Dionysius sagt diese dreifache Art der geistigen Bewe-
gung auch von den Menschenseelen aus, und versteht dann unter kreisförmiger Bewegung
das tiefst verinnerlichte, rein intellectuelle Denken, unter der umbeugenden Bewegung
jenes Denken, das zwar auch dem Göttlichen zugewendet ist, aber nicht im Bereiche
der reinen Intellectualität, sondern im ratiocinativen Elemente sich bewegt, und demnach
nur mittelbar durch Zurückbeziehung des Vielen auf's Eine gleichsam zum Göttlichen
umbeugt. Die geradlinige Bewegung bedeutet jenes Denken, in welchem die Seele aus
> Ponanuis - sagt Albert - quo,l illae partes sint decem, tunc in tactu unius deciraae intelligetur decima pars, in tactu
alterius altera decima, et sie de alüs, quod falsum est, quia totum simul intelligitur. Diess ist den, Texte und aucl>_ dev
Meinung des Aristoteles nicht ganz conform. Denn bei diesem heisst es De anima Lib. I, p. 407: ä SUa-« usysOoc, 7:o)./.«v;
■/.%: i-Eipäzi; vorjaöi to «Cito. •• i- i
^ Albert gibt diesem Ruhen des Intelleetes eine Beziehung auf den Seligkeitszusta.id der Seele, welche Beziehung natürlich
im Texte des Aristoteles sich niclit findet, wo es einfach heisst: =-i SV, «Vj,..? .loö|j.r|ae. rivl xai irtaticra v^tXo-^ l /..vr.aE:.
3 Pseudu-Dionys. de diviuis noniinibus, c. 4.
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin eis Aluertus Magnus. 117
sich selbst in die gegenständliche Welt austritt, um, statt innerlich durch Gott, von aussen
durch die Creaturen z-ur geistigen Contemplation im Aufsteigen vom Vielfachen zum
Einfachen, von der Zeichensprache der sichtbaren Ersclieinungswelt zur reinen Intellection
angeregt zu werden.
Albert's Polemik gegen den Platonischen Seelenbegriff zielt dem Gesagten zufolge
darauf ab, den Gedanken der Unkörperlichkeit der Seele klai- und rein zu fassen, und
von jeder Beimengung solcher Vorstellungen, die auf die körperliche Passivität hinweisen,
frei zu halten. Und in der That fehlt es dem Platonischen Seeleiibegriife an der rechten
metaphysischen Bestimmtheit; aus diesem Mangel an metaphysischer Bestimmtheit muss
man es sich erklären, dass Plato sich die menschliche Seele aus einem unsterblichen
und sterblichen Theile zusammengefiigt denken kann, wobei dann überdiess noch
der ontologische Charakter des abermals zweitheiligen sterblichen Theiles oder Elementes
der Seele völlig im Dunkien gelassen wird. Der idealistische Charakter des Platonischen
Seelenbegriffes brachte es ferner mit sich, dass das Verhältniss der Seele zum Leibe
nur in so weit, als die thatsächliche Einigung Beider im Menschen zur Adverti'rung "auf
dasselbe nöthigte, also jedenfalls nur ungenügend bestimmt und zu lose gefasst wurde.
Da Plato kein anderes Verhältniss der sichtbaren Wirklichkeit, als das mathematisch-
idealistische kannte, so konnte er auch das Verhältniss von Seele und Leib nur im Geiste
dieses Verständnisses fassen; der Gedanke vom Wesen der Seele als einer das Leibliche
greifenden und umgreifenden Macht, vom Leibe als der in den Ort der Seele hinein-
gerückten irdischen Stofflichkeit war ihm fremd. Diese Idee vom Vei-hältniss des Leib-
liclien und Seelischen zu einander kommt wohl auch in der Aristotelischen Anthropologie
nicht zu ihrem wahren und vollen Ausdrucke; jedenfalls wird aber in derselben das
Füreinander Beider entschiedenst ins Auge gefasst, und das Leibliche nach seinem
teleologischen Verhältniss zum Geistig-Seelischen begriffen. Wie das gesammte sichtbare
Universum auf Gott als seine Finalursache bezogen ist, so hat der Leib in der Seele
sein Vollendungsprincip, die Seele ist die Entelechie des Leibes, die perfectio propria
oder perfectio prima corporis physici, wie Albert sie mit Avicenna nacli lateinisch-
peripatetischen Sprachgebrauche bezeichnet. Damit wird nun allerdings die Seele in
ein engstes Verhältniss zum Leibe gesetzt, und überhaupt die ganze Betrachtungsweise
des Menschen umgestellt, indem sie der idealistischen Platonischen gegenüber zu einer
realistischen sich gestaltet, welche das Verständniss der sinnlichen Leiblichkeit des
Menschen zu ihi-er Unterlage hat, und darnach das Gesammtwesen des Menschen bestimmt.
Man kann freilich nicht sagen, dass Aristoteles sich zur Idee des Menschen erhebt,
indem er eben nur den diesseitigen vergänglichen Zeitmenschen ins Auge fasst, und
auf keine anderen, als die diesseitigen Zwecke der vernünftigen Lebensthätigkeit des-
selben reflectirt. Auch macht es der Zusammenhang seines Gesammtsystems mehr als
zweifelhaft, ob er eine jenseitige Bestimmung des irdischen Zeitmenschen gekannt und
zugegeben habe; jedenfalls steht sein gesammtes Denken so sehr und so entschieden
innerhalb dieser irdischen Zeitlichkeit, dass er vom Uebei-zeitlichen, Ueberweltlichen und
Ewigen nur als erklärenden letzten Ursachen der diesseitigen Zeitlichkeit weiss. Ferner
ergeben sich aus dem Zusammenhange des Aristotelischen Weltsystemes heraus nicht
unbeträchtliche Schwierigkeiten für eine durchgreifend einheitliche Fassung des Menschen-
wesens; das aristotelische Weltsystem steht auf dem Boden des vorchristlichen antiken
Dualismus, der sich auch in der Auffassung des Menschen reflectiren muss, und das
-.HO K. Weuner.
Verhältniss des höheren Geistmenscheu zum äusseren, der Krde angehörigcn Sinnen-
menschen zum mindesten im Unklaren lilsst, wie die Geschichte der Auslegung des
Aristoteles sattsam darthut. Nicht um den Menschen als concrete rersöidichkeit handelt
es sich im Aristotelischen Weltsysteme, sondern um das Menschenwesen als Complex
der Formen, die von der niedersten angefangen bis zur höclisten hinan im Menschen-
gebilde dem irdischen Stoffe aufgetragen sind, so zwar, dass jede niedere die nächst-
folgende je höhere, und alle zusammen in die höchste, in die Intellectualform des
Menschenwesens, aufgenommen sind. Wie nun aber das Verlüiltniss der höchsten Form
zu den ihr untergeordneten Formen aufzufassen sei, darüber bestand MeinungsverscMeden-
lieit und Streit unter den Auslegern von Alters her; auch die von Albert studii-ten
arabischen Ausleger: Avicenna und Averroes gingen Jiierin auseinander, und er ver-
mochte als gläubiger Christ keinem von Beiden zu folgen, sondern adoptirte die christ-
liche Deutung und Auslegung der Aristotelischen Lehre von drei einander eingefügten
Lebens- und Thätigkeitsstufen des seelischen Wesens, das sich unter Einem als Princip
der" vegetativen, sensitiven und intellectuellen Functionen im Menschen darstellt.
Albert hat, wie wir sahen, die Entwicklung seiner psychologischen Lehren und
Unterweisungen mit Prüfung und Beurtheilung verschiedener Definitionen des Seelen-
wesens begonnen, imd zwar so, dass er die christlich-theologischen vorausstellt, die
philosophischen nachfolgen lässt. Bei Cassiodor und Hraban sahen wir das Gegentheil;
diese stellten herkömmliche und vom christlichen Standpunkte annehmbare philosophische
Definitionen voi-aus, und Hessen zur Ergänzung und Vervollständigung derselben die
christlich-theologische nachfolgen, welche sie ihren weiteren Ausführungen zu Grunde
leo-ten. Die Umkehrung dieses Verfahrens bei Albert, der die überlieferten christlich-
theologischen Definitionen von Seite ihrer formellen Correctheit und Zulässigkeit prüft
und für seine eigenen methodischen Ausführungen eine philosophisch erweisbare und
philosophisch correcte Definition zum Ausgangspunkte nehmen will, ist immerhin von
Bedeutung, und besagt so viel, dass man jetzt zum erstenmale daran war, an eine
methodische Ausführung der rationalen Psychologie zu gehen. Die zu wählende Definition
ist für Albert natürlich die Aristotelische. Nur muss er freilich gegenüber den von
Gregorius Nyssenus' vorgebrachten Beanstandungen derselben wenigstens so viel zugeben,
dass sie nicht das Gesammtwesen der Seele erschöpft, sondern das Wesen der Seele mit
Rücksicht auf deren Verhältniss zum Leibe bestimmt. Daher denn auch Albertus aus-
drücklich erklärt, bezüglich dessen, was die Seele an sich sei, gleich Gregor (Nemesius)
vollkommen die Riclitigkeit der Platonischen Definition: Substantia incorporea semper vivens,
anzuerkennen.' Keineswegs könne er jedoch zugeben, dass die gegen die Aristotelische Auf-
fassung der Seele als Leibesentelechie erhobenen Einwendungen zutreflend seien. Keine
Entelechie, oder was damit identisch ist, keine Wesensform kann — sagt Gregor — ent-
gegengesetzte Bestimmtheiten in sich aufnehmen, von welchen die einen die anderen
ausschliessen; die Seele aber vermag es, weil sie tugendhaft und lasterhaft sein kann."'
' Eigentlich Nemesius, dessen W^erk De natura hominis Albert in lateinischer Uebersetzung- vor sich hatte und unter dem
Titel Liber de honiine citirt. Das aweite und dritte Capitel der Sclirift des Nemesius sind unter dem besonderen Titel
-£p\ 'l/u'/j); den Werken des Gregor v. Nyssa eingereiht.
2 Summ, theol. II, qu. ß'.l, mbr. '.', art. "2.
3 'II psv yäp a(o|xaTix^j ouala — lieisst es in der ol>euerwähnten Schrift, die Gregor zugeschrieben wird ~ -api as'po? -töv
EvavTi'wv Ictti SEXTixTi- r) 8k xoiT« To eTSo? oüSajAÜ;- zäv yip z»ri To sTSo? f, Siocyopi xociaXXay^, [ieta),Xaaa:Tai xa\ -'o rüov- (Ijats
ouy'i xctra to eISo; r) oüa(a Twv lvavi:(wv eoti Sextixr), äXXa xata tö Oj;oxei[i.£vov, xouT^aTiv f; atüij-aiixi^.
Der Entwickelungsgakg dek mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 119
Gregor übersieht, dass es zweierlei Arten von Entelechien gibt: solche, welche blosse
oüatai sind, und andere, welche waiai und o'jauoascc sind; was von ersteren gilt, lässt
sich nicht zugleich auch auf letztere ausdehnen. Gregor (Nemesius) tadelt ferner, dass
Aristoteles, indem er sie als die Actualität des dem Leibe potentiell zukommenden
Lebens bezeichne, die Seele zu einem blossen Vegetationsprincip erniedrige,' und dem
Leibe ein wenigstens potentielles Leben vor der Vereinigung mit der Seele zuschreibe.^
Auch diese Einwände sind verfehlt. Aristoteles hebt, indem er die Seele als Lebens-
princip bezeichnet, eben nur den generischen Charakter der Menschenseele, d. ■ h. das-
jenige, was sie mit den Thier- und Pflanzenseelen gemein hat, hervor. Eben diess ist
aber dasjenige, wodurch sie Wesensform des Leibes ist. Dass der Leib nach Aristoteles
dem Vermögen nach das Leben in sich selber habe, ist eine falsche Unterstellung;
der Ausdruck: Potentia vitam habens, soll eben nur den lebensfähigen Leib von solchen
Körpern unterscheiden, welche, wie die Steine und Mineralien, der Belebung nicht fähig
sind. Noch ein paar anderen Einwendungen Gregor's glaubt Albert begegnen zu müssen.
Wenn behauptet wird, der Aristotelische Seelenbegrift" komme der Ansicht jener bedenk-
lich nahe, welche die Seele ftir eine blosse Qualität des Leibes halten, so wird über-
sehen, dass die menschliche Seele o'jaia und vjauoaic ist; eine svspyeta, die dieses Beides
zugleich ist, kann niemals als blosse Qualität genommen werden. Der Einwand, dass
nach Aristoteles die Seele niemals ohne den Leib gedacht werden könne, widerlegt sich
durch das schon früher Gesagte. Wir entnehmen aus dieser Auseinandersetzung Albert's
mit dem altchristlichen Bestreiter des Aristotelischen Seelenbegrifi'es , dass die Idee der
Naturlebendigkeit den Piatonikern und Aristotelikern gleich sehr fremd war, und dem-
zufolge auch der von beiderlei Seiten festgehaltene Begriff der menschlichen Seele als
Lebensprincip des ihr eignenden Leibes weder von der einen noch von der anderen
der streitenden Parteien in das Licht seines wahren und vollen Verständnisses empor-
gehoben zu werden vermochte. Man dachte beiderseits das Leben als etwas zum Sein
Hinzukommendes; da blieb denn freilich kaum etwas anderes übrig, als die Seele sich
als Lebenseinströmerin zu denken, oder wofern man diesen Begriff unphilosophisch und
unfassbar fand, eine wahrhafte Lebendigkeit des Leibes überhaupt zu läugnen, und die
Lebensfunctionen desselben ausschliesslich aus den Gesetzen der exacten mechanischen
Physik zu erklären. In der von Albert vorgeführten Concertation zwisclien dem Plato-
niker und Aristoteliker kommt das Sonderbare vor, dass der erstere dem Aristoteles die
Anerkennung eines relativen Selbstlebens des Leibes zur Last legt, der Aristoteliker
aber diesen Vorwurf als unbegründet zurückweist. Das Wahre ist, dass die Idee eines
relativen Selbstlebens des Leibes beiden streitenden Theilen abging, die Aristoteliker
aber durch -die allgemeinen kosmologischen Voraussetzungen ihrer Anthropologie sich
wenigstens theilweise und beziehungsweise zur Anerkennung eines solclien Selbstlebens
hingedrängt fühlen mussten. Der Einfluss, welchen sie den Bewegungen des Himmels
auf das irdische Generationsleben beilegten.^ und welchen sie auch in der Generation
1 'AXXa xo [JLSV ^wci/.öv atoiia k'pyov xf]? >h\tyffi, '}u/r]V xocXeT, -/(upi^fov aüx^5 xb Xoyt/.ov. "l',S;i Ss TzäruM öaoj XaßsTv xrjv i'i<ipwr.au
•i-j/7]V, xa\ [XT] öiTzo [XE'poüg, /.a\ xauxa xoü aaO=V£<Jxaxou, 7C£ci xoü Tiavxd^ «TCOcpaivc^Oat.
- Aristoteles definirt die Seele (de anima 11, p. 412): ij/a-x^r) eoxiv hz^Xiyjia ij xponri a(ü[j,«xö? (p-jaixoü ouväiist (^(orjv j'/ovxo;. Dazu
wird nun von dem Kritiker des aristotelischen Seelenbegriffes bemerkt: Asyei xb aw[ia Suväfjiei ^tüTjv r/£iv h la-jxtii. Aei Se xb
awu.« xb 3'jvä(j.£i i^wrjv r/ov repbxEpov hzpyelcf aw|jia £fva'.' oO Suvctxai OE IvEpyEia aM|J.a £ivai r.po xoü S-'5«aOai xo eiSq;.
3 Astra habent vim et rationem signi super ea, quae sunt in materia transmutabili, et etiam super illa, quae sunt obligata ei.
Et dico, ea esse in materia, quae sunt generabilia et corruptibilia et niutabilia. Et dico illa obligata raatcriae, quae de
120 ^- Weknek.
des Menschen, soweit es sirli um die liei'vui'bringung des der aiilinu lutrllectualis tux-Ii
entbehrenden Sinnenmenschen handelt, zugestanden, legte den Gedanken eines relativen
Selbstlebens des Leibes unabweislleh nahe; und dieser Gedanke konnte nur insofern
nicht aufkommen, als überhaupt der Gedanke der Naturlebendigkeit fehlte. Daher floss
denn auch der Gedanke des Lebensprincipes immer witider mit Jenem der Wesensform
zusammen; die arglose Identification beider beweist, dass ein Bedürfniss beide auseinander-
zuhalten noch nicht vorhanden war, indem die Naturkunde eben noch ganz und gar
rationale Physik und Kosmologie, diese aber in Metaphysik und Ontologie versenkt war.
Somit musste das ideelle Verständniss der Seele als Lebensprincipes des von ihr beseelten
Leibes einer späteren Epoche der pJiilosophischen Denkentwickelung überlassen bleiben;
die peripatetische Scholastik blieb bei dem Gedanken stehen, dass die vernunftbegabte
Seele die Wesensform jenes lebendigen Gebildes sei, welches Mensch heisst, mid dass
in dieser Wesensform alle sinnlichen Wirlamgskräfte, die der Seele im A' erhältniss zum
Leibe und zufolge ihrer Verbindung mit demselben zukommen, aufgehoben seien. Dieses
Aufgehobenwerden der je niederen Lebensform in der nächst höheren, der vegetativen
Seele in der sensitiven, beider in der intellectiven Seele entspricht wohl vollkommen
dem Zusammenhange der Aristotelischen Kosmologie; die christlichen Scholastiker aber
hätten immerhin Ursache gehabt, zu fragen, ob die Menschenseele, welche die \ er-
möglichkeit zu vegetativen und sensuellen Functionen in sich trägt, nicht etwas von den
solcher Functionen nicht fähigen Engelgeistern specifisch verschiedenes Anderes sei,
das nicht bloss dem Grade, sondern dem Wesen nach von den einer Einleibung nicht
fähigen Geistwesen unterschieden werden müsse"? Diese Frage hätte sich insbesondere
Albert nahelegen sollen, der nicht ansteht zu behaupten, dass die intellective Menschen-
seele zusammt ihren sensuellen und vegetativen Vermöglichkeiten unmittelbar von Gott
geschaffen und dem durch die elterliche Zeugung hervorgebrachten Leibesgebilde ein-
gesenkt werde.' Denn damit ist ausgesprochen, dass die Menschenseele als solche etwas
anderes sei, als der Engelgeist, der mit jenen Vermögen nicht ausgestattet, und darum
nicht geeignet ist, Seele eines Sinnenleibes zu werden. Freilich ist jene Vorstellungs-
weise Albert's durch und durch unphilosophisch, und abermals ein Beleg für die Ab-
wesenheit der Idee der Naturlebendigkeit im philosophischen Denken seines Zeitalters.
Die Kraft der Vegetation muss das Naturgebilde des menschlichen Leibes in sich selber
haben; sonst ist derselbe eben kein lebendiges Gebilde, sondern ein Scheinlebendiges,
dessen Leben durch die Seele gemacht ist. Das Gemachte ist aber das pure Widerspiel
aller wahren und ächten Lebendigkeit, die wohl einen Erreger, und als continuiidiche
Lebendigkeit einen continuirlichen Erreger postulirt, aber aus selbsteigenem Grunde sich
entfalten muss. Jener vom menschlichen Leibesleben postulirte continuirliche Erreger
ist die Seele, und die ihr zugeschriebene potentia vegetativa wird wohl einzig nur in
dem Vermögen einer verborgenen, ihr selber nicht ins Bewusstsein tretenden Erregung
des Selbstlebens der sinnlichen Lebendigkeit des Menschen bestehen können, die von
der Macht der Seele innerlich gefasst und geistig umgriffen ist. Von einem solchen
innerlichen Fassen und geistigen Umgreifen weiss nun eben der scholastische Peripatetismus
necessitate sequuutur transmufatioiifm inateriae, sicut est aniina vegetabilis et sensibilis. Quaedam sunt, quae depeudentiain
habent ad raateriam et Obligationen! secnnduni quid et nun simpliciter, sicut animus liorainis. Summa de creat. Pars I,
qu. 18.
' Öiiinni. de creat. l'ars II, qu. Mi, art. o. — Vgl. dagegen Thomas Aq. 1 qu. 11«, art. 1.
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin ms Albertus Magnus. 121
nichts; dazu ist sein Formbegriff noch zu starr und zu wenig lebendig. Er fasst den
Forincharakter der Seele viel zu sehr als ein Haften der superinducirten Form am Subjecte
der Formation, statt als ein Getragensein des Gefassten und Umgriffenen durch die fassende
und umgreifende lebendige Form.' Darin liegt das Unbefriedigende seiner Auffassungs-
weise, dessen Gründe wir hier nicht weiter verfolgen wollen.
Der durch die peripatetische Fundirung der Anthropologie erzielte Fortschritt war
zunächst dieser, dass das doppelseitige geistig-sinnliche Wesen des Menschen als leben-
dige Einheit gedacht und begriffen wurde. Die Einigung zwischen Leib und Seele,
bemerkt Alexander Halesius," wird von dem christlichen Lehrer Bernardus' als eine
unio nativa bezeichnet; diese lässt sich aber nach Art des Verhältnisses der Materie zur
Form denkbar machen. Nur muss man dieses Yerhältniss in der richtigen Weise zur
Anwendung bringen. Die Seele ist nicht zu identificiren mit der Forma prima der
Materie; formae primae sind die Elementarformen, welche ihren Stoff derartig durch-
bilden, dass jeder Theil des Ganzen dasselbe ist wie das Ganze (z, B. jeder Theil des
Feuers ist wieder Feuer). Dieselbe gleichförmige Durchbildung des Ganzen wird durch
diejenigen formae naturales gewirkt, welche die formae primae der zusammengesetzten
Körper sind (z. B. jeder Theil eines Goldklumpens ist wieder Gold). Es gibt aber ferner
formae naturales, welche sowohl das Ganze als auch die Theile desselben durchbilden,
jedoch so, dass kein Theil des Ganzen den Namen des Ganzen haben kann, indem nämlich
kein Theil einer Pflanze oder eines Thieres selbst wieder Pflanze oder Thier ist. Jedoch
ist jeder Theil der Pflanze etwas Vegetabilisches, jeder Theil des Thieres etwas Anima-
lisches, so dass die Form des Ganzen auch actus oder perfectio des Theiles ist. Es gibt
aber noch eine dritte höchste Art der formae naturales, die das Ganze, dessen Form
eine derartige Form ist, so durchbilden, dass nicht nur kein Theil des Ganzen den
Namen des Ganzen haben kann, sondern auch nur das Ganze, kein Theil desselben,
nach der Form des Ganzen benannt werden kann. Der Mensch als ganzer kann nach
seiner Wesensform, der vernünftigen Seele, ein Yernunftwesen genannt werden; kein
Theil des durch die Seele informirten Gebildes aber kann mit dem Prädicate vernünftig
belegt werden. Die menschliche Seele ist nämlich nicht mehr im eigentlichen Sinne
actus materiae, sondern actus des in seiner forma naturalis schon vollständig gegebenen
Körpers, und daher von der forma naturalis, die auch forma corporalis genannt wird,
als zweite höhere Form zu unterscheiden. Wir sehen hier von Alexander denselben
Satz ausgesprochen, den später Duus Scotus im Gegensatze zur Thomistischen Anthro-
pologie betonte; das Gegensatzverhältniss zwischen der Franciscaner- und Dominicaner-
schule war also bereits im Beginne des Auftretens beider Schulen, in dem relativen
geistigen Gegensatze zwischen Alexander und Albertus Magnus vorhanden. Alexander
greift in philosophischen Dingen nicht selten auf die Anschauungen der christlichen
Lehrer des zwölften Jahrhunderts zurück, und webt ihre Gedanken seinen in peripate-
tischem Geiste gedachten Ausführungen ein; auch die eben erwähnte Auffassung des
' ^gl- Albert Summ, de creat. II, qu. 86: Anima est in corpore et non corpus in anima, sicut forma in niateria, et sicut
motor in mobili. Licet enün in corporalibus contentimi sit in continente, tamen in spiritualibus est e converso, seil, con-
tinens in contento. Et hujus ratio est, quia in istis continens est intrinseeum, in illis extrinsecum, et iterum in istis con-
tinens est ut forma, in illis autem ut locus.
2 Summ, theol. II, qu. 63, mbr. 4.
^ De cousideratione il, 9.
Denkschiiften der phil.-bibt. Cl. XXV. Bd. t6
J92 ^- Weknek.
Beo-riffos der Seele als Wesenst'oi-in dürfte als eine Nachwirkung der dem voraus-
o-egangenen Jahrhundert geläutigen liehandlung des mensehlichen Weyensdualisnius
anzusehen sein. Durch jene Auffassung ist aut-h die Behandlung der Frage nach dem
Modus der Gegenwart der Seele im Leibe bedingt.' Als Perfectio totius gehört die
Seele keinem Theile des Körpers an. Fasst man sie aber von Seite ihres Wirkens ins
Auge, so hat man zu unterscheiden zwischen jenen Actionen, welche bloss Actionen der
intellectiven Seele, und zwischen anderen, welche Actionen des ganzen Menschen sind.
Es gibt eine intellective Thätigkeit, welche vom Körper völlig unabhängig ist; hin-
sichtlich dieser Thätigkeit ist die Seele ganz ausserhalb des Körpers, so dass sie weder
im Gesammtkörper, noch in irgend einem Theile desselben jene Thätigkeit übend gedacht
werden kann. Das mit sinnlichem Vorstellen verbundene Denken aber hat seine Stätte
in der Mittelkammer des Gehirnes, so dass die Seele in Uebung dieser Thätigkeit an
einen bestimmten Theil des Körpers gebunden ist. Jene Actionen der Seele, welche
Actionen des Gesammtmenschen sind, fallen in das Gebiet der Bewegungen, deren es
dreierlei gibt: Affectionsbewegungen, Vitalbewegungen, Localbewegungen. In den
Affectionsbewegungen braucht die Seele nicht in einen bestimmten Theil des Körpers ein-
zugehen; in Ansehung der Vitalbewegungen ist sie primär im Herzen gegenwärtig; als
Macht localer Bewegung ist sie im ganzen Leibe gegenwärtig. Ihre Gegenwart im Leibe
muss als eine wesenhafte genommen, jedoch so, dass dieselbe nicht etwa unter das Mass
räumlicher Circumscription fällt, und sie selbst als räumliche Grösse je nach dem grösseren
oder geringeren Eaumumfang des Körpers, in dem sie gegenwärtig ist, grösser oder
kleiner wäre. Vergleichen wir diese Erklärung und Darlegung mit jener Albert's,^ so
springt sofort der Unterschied ins Auge, dass, während Alexander die Seele als Wesens-
form schlechthin über den Körper Mnausrückt, ' nach Albert die Seele als Wesensform
tota in toto corpore gegenwärtig ist.^ Li Bezug auf die Seele als Wirkungsprincip stimmt
er mit Alexander zusammen, sofern er seelische Potenzen, die au kein körperliches Organ
geknüpft sind, von anderen unterscheidet, die an ein solches geknüpft sind; und zwar
sind Kräfte und Organe in jedem Theile des Körpers andere. Eben so behauptet er
selbstverständlich mit Alexander die essentielle Gegenwart der Seele im Leibe, nur dass
sie bei Albert ganz und gar in den Ort des Leibes hineingerückt ist,'"* während nach
Alexander die Seele als Intellectualwesen über den Ort des Leibes schlechthin hinaus-
ragt." Die von Albert's strict peripatetischer Auffassung abweichende Art, in welcher
Alexander das Verhältniss der Seele als Wesensform zum Leibe auffasst, bringt mit sich,
dass er dieses Verhältniss sich vermittelter denkt als Albert. Freilich denkt Albert nur
1 Summ, theol. II, qu. lii.
J Summ, de creat. 11, qu. b6.
■' Si dicatur anima rationalis esse in loco, hoc non est per cii-cumscriptionem secundum se, cum non liabeat pates dimensivas.
Potest autem dici esse in loco diffinitive per accidens ratione corporis, cui unitur. Pi-aesentialiter autem, quia adest loco,
etiam cum est separata. Summ, theol. II, qu. 62, mbr. 4, art. 2.
* Si consideratur ut forma, tuno est iu toto tota; perfectio enim in qualibet parte adest perfectibili. Summ, de creat II. qu. .S6. —
Vgl. dagegen Ale.\ander: Si fiat sermo de anima rationali, prout est perfectio, dicendum est, quod ita est totius perfectio,
quod nullius patris. L. c.
5 .\lbert macht sich selbst den Einwurf, dass der Intellect nullius corporis actus sei. .\ber, antwortet er darauf: Intellectus,
qui nullius corporis est actus, est potentia animae, et non quamlihet poteutiam animae contiugit esse in toto totam, eo
quod anima rationalis talis est substantia, a qua tluunt potentiae organicae et uon organicae. L. c.
» Intelligere primo modo dictum (absque phantasmate) — sagt Alexander 1. c. — et velle quod respondet ei, etsi sint animae
rationalis existeutis per essentiam in corpore, non tamen hoc declarant, cum ipsius animae separatae sint hi actus, et forfasse
verius et perfectius.
Der Entwickklukgsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin ms Albertus Magnus. 123
an ein Medium zwischen Leib und Seele, während Alexander nacli den zwischen Geist
und Materie vermittelnden Medien fragt, deren nothwendig mehi-ere sein müssen. Aber
schon der Umstand, dass Alexander das Gegensatzverhältniss zwischen Seele und Leib
auf den erweiterten Gegensatz zwischen Geist und Materie zurückführt, bekundet eine
wesentlich andere Stellung zu dem fraglichen Probleme. Alexander braucht vier Medien,
um den Gegensatz zwischen Geist und Materie zu fiberbrücken; ' von Seite der Körper-
lichkeit des Menschen müssen die Elemente in den Humores, diese wieder im Spiritus
corporeus sublimirt werden, um die Vereinigung mit einer unkörperlichen Wesenheit
zu ermöglichen; die intellectuelle Seele muss dadui-ch, dass sie zugleich Sensations- und
Vegetationsprincip ist, dem ilu- zugewiesenen Körper insoAveit verähnlichet werden, dass
sie eine Vereinigung mit ihm eingehen kann. Albert braucht zur Vermittelung zwischen
Seele und Leib ein einziges Medium,^ den sinnlichen Lebensgeist, der, nach der Lehre
der Aerzte ein Mittleres zwischen Luft und Feuer, in dreifacher Gestalt als Spiritus
naturalis, vitalis und animalis existirt. Albert versteht sich also aus Rücksicht auf die
Autorität des Galenus dazu, dieses Medium anzuerkennen, welches dem Aristoteles un-
bekannt war, und auch gar nicht vom ontologisch- metaphysischen, sondern nur vom
physiologisch-pragmatischen Standpunkte aus gefordert ist. Denn vom ersteren Stand-
punkte aus steht es fest, dass die Seele unmittelbar und durch sich selber Form des
Leibes sei; zur Erklärung der Wirksamkeiten der Seele ist allei'dings die Annahme
eines solchen Mediums gefordert. Die Bewegung des dreigestaltigen sinnlichen. Lebens-
geistes ist mit der Bewegung der Himmelslichter zu vergleichen, daher Einige annahmen,
dass er von der Natur des fünften Körpers d. h. der superlunarischen Köperlichkeit sei, was
jedoch unrichtig ist;^ er ist vielmehr als Educt aus den dem menschlichen Körper imma-
nenten Elementen Luft und Feuer zu erklären. Alexander wäre nicht abgeneigt, eine
siderische Körperlichkeit als Medium zwischen Stoif und Form der irdischen Körper
anzuerkennen,* und erwähnt der Ansicht Solcher, welche dieses siderische Medium in
dreifacher Abstufung für die drei Arten irdischer Lebewesen: Mensch, Thier, Pflanze
postuliren; er meint jedoch, dass diess eine, wenn auch schöne, doch nicht strict erweis-
bare Idee sei.
Albert lehrt die substanzielle Einheit der anima vegetabilis, animalis und rationalis
im Menschen,^ und betrachtet die intellectuellen, sensuellen und vegetativen Vermöglich-
keiten der Seele als Ausflüsse der Einen Seelensubstanz, welche zwar von der Seelen-
substanz als solcher verschieden sind, aber zur Natur der Seele gehören, und ihr dess-
halb unverlierbar eignen. Allerdings ist die Bethätigung der animalischen und vegetativen
Vermöglichkeiten der Seele von der Verbindung der Seele mit dem Leibe abhängig
und an die für die Bethätigungen jener Vermögen dienlichen Organe gebunden, aber
das Vermögen als solches unabhängig vom Organe vorhanden, so dass mit der Zerstörung
des Organs nicht auch das durch dasselbe wirkende Vermögen erlöscht, vielmehr die
' Summ, theol. II, qii. 6.S, mbr. 3.
- El- lä.9st übrigens in Summ, theol. II, qu. 77, mbr. 2 auch die Annahme von vier Medien gelten, voi-ausgesetzt, dass die-
selbe von seinem Standpunkte aus zurechtgelegt werde.
3 Motus enim istorum spirituum (naturalis, vitalis et animalis) sunt ut luminarium propter hoc, quod sunt instrumenta animae.
Ab ipsa enim dirigitur Spiritus, ita quod fit subtilior aere; et cum sint calidi per naturam, sunt etiam calidiores, eo quod
lucidi sunt. Summ, de creat. II, qu. 8fi.
■" Summ, theol. II, qu. 63, mbr. 4.
'■• Summ, de creat. II, qu. 7, art. 1.
16'
•J24 J^- Wernek.
vom Leibe getrennte Seele alle jene Vermögen besitzt, welche sie iii ihrer Vereinigung
mit dem Leibe bethätiget. Diess Letztere ist nun allerdings riclitig; die Frage ist nur,
ob die Seele im Leibe wii-klich alle jene Functionen übt, welche ihr Albert zutheilt.
Wir haben in dieser Hinsicht zu prüfen, was Albert zunächst über die Functionen der
Seele als Principes der vegetativen Functionen sagt. Wie das Rationale, Animale und
Veo-etabile der menschlichen Seele nach Albert eine Entfaltung der Seele als Totum
potestativuni in ihre partes potestativas ist,' so fasst er weiter wieder die anima vegetabilis
als ein Totum potestativuni, welches sich in die Nutritiva, Augmentativa und Generativa
als ihre Theile entfaltet.^ Als Haupthilfskraft dieser drei Theilpotenzen bezeichnet er
die natürliche Wärme,' die er als werkzeugliches Medium der anima vegetabilis in drei
Bestandtheile zerlegt, in die elementarische, solare und animalische Wärme; die elemen-
tarische Wärme wirkt in Kraft des Feuers, die solare in Kraft der Sonne, die animalische
in Kraft der Seele, von der sie den Namen hat. Dem Subjecte nach sind diese drei
Arten der W^ärme Eins; aber in den verschiedenen Thätigkeiten dieser Einen Wärme
schlägt bald das eine, bald das andere Kraftprincip durch. So hat in den nutritiven
Verrichtungen der anima vegetabilis die elementarische Wärme die Scheidung der assi-
milationsfähigen Theile der genossenen Nahrung von den nicht assimilationsfähigen,
und die Expulsion der letzteren zu wirken, die solare Wärme den dem Leibe einzu-
verleibenden Theil der Nahrung belebend zu durchgeisten , die animalische Wärme das
Durchgeistete in Fleisch und Knochen zu verwandeln d. h. dem Leibe thatsächlich zu
assimiliren.* Demnach würde der Hei-gang des Ernährungsprocesses durch die Seele zum
Abschlüsse gebracht, und zwar so, dass sie gemäss ihrer Bedeutung als Formprincip
des Leibes sich als eigentliches Princip der Assimilationsthätigkeit ei'wiese. So gewiss
aber der Leib ein lebendiger ist, muss er im Ernährungsprocesse sich aus sich selbst
continuirlich erneuern können; und noch weniger wird man das Wachsthum desselben
auf die Causalität der Seele als grundhafte Ursache zurückführen können. In beiden
Processen kann die Seele nur als verborgen wirkende continuirliche Anregerin des aus
dem leiblichen Leben heraus sich entwickelnden Vorganges gedacht werden. ° Statt der
directen Verursachung beider Processe wird in einer von Albert aus Aristoteles'* citirten
Stelle der Seele eine Wirksamkeit anderer Art zugeschrieben, durch welche eigentlich
nur das wirkliche Zustandekommen des in demselben angestrebten Erfolges sichergestellt
' Summ, theol. II, qu. 70, mbr. 3.
' Snmm. de creat. II, qu. 8, art. 2.
3 Summ, flecreat. II, quaestt. l.'i. 15. 16 (art. 4).
* Das Calidum ist, wenu schon die Hauptlült'slvraft, doeli uiclit das einzige Hilfsmedium, sondern wirkt im Vereine mit den
übrigen ilim cooperirenden Qualitäten: Frigidum, Humidum, Siccum. Frigiditas, quae est in corpore liumano, ut dicit Avi-
cenna, obsequitur secundario, quaedam merabra coagulando; tVigiditatis enim proprium est coagulare liumidum, coutinendo
humidum intra. Et his duabus virtutibus obsequuntur duae virtutes passivae seil, humidum et siccum, et lioe duobus modis,
seil, ad substantiam membrorum et ad figuram et speciem eorundem. Ad substantiam: Humidum enim per actionem dige-
rentis caloris et frigidi continentis contiuuat siccum, siccum autem per actiouem eorundem terminat humidum. Ad figuram
vero et speciem membrorum, quia humidum eo, quod cedit imprimenti circumstando ipsum, receptivum est speciei et figurae,
sed uon retentivura; siccum autem receptivum male et bene retentivum est; et ideo commixtum ex humido et sicco bene
est receptivum propter humidum, et bene retentivura proptor siccum. Summ, de creat. II, qu. 1'2.
'• So vfird die Sache auch von Alexander Halesius gefasst: Sicut per appetitum anima in se vigoratur, sie per apiietitum in
corpore, quod vivificat, vitam operatur. Per appetitum enim corpori unitur, et per appetitum corpus variis motibus movct,
ut et ipsum percifiat, et ut vita etiam perficiatur Per appetitum- corpori unitur, et iuseparabiliter se tenet, nisi sit
defectus ex parte corporis. Summ, theol. II, qu. 87, mbr. 2, art. 2, §. 2.
•i De anima II, p. 416.
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 125
wird. Aristoteles beweist nämlich gegen Empedokles, dass die Seele als Continens das
Auseinanderstreben entgegengesetzter Elemente verhüten müsse. Damit ist denn doch
nicht mehr und nichts Anderes besagt als diess , dass die genannten Processe unter
Obmacht der mit dem Leibe vereinigten Seele vor sich gehen, und die zusammenhaltende
Macht der Seele das Umschlagen der Processe des leiblichen Bildungslebens in ihr
Widerspiel, in Auflösung und Zersetzung verhindern müsse. Es wäre jedoch wider-
sinnig, die Fassung des Leibes in der Seele als eine physisch zwingende Zusammen-
haltung des Leibes durch die Seele verstehen zu wollen; sondern, sofern er seine dem
Wesen der Seele congi-uirende Fassung in sich selbst hat, ist er auch dazu geeignet,
seine Fassung in der Seele, welcher er eignen soll, zu haben. Die Seele eignet sich
nicht den rohen unlebendigen Stoff, sondern das für ihre Zwecke zubereitete und in
ihre geistige Form hineingebildete lebensfähige organische Gebilde an, welches eben
in dieser seiner Fassung und Zubereitung zu einem für sie fassbaren und greif baren Objecte
wird, in welches sie eingeht, um es in sich selbst hineinzunehmen, ohne dass sie in ihm
aufginge oder es in sich aufgehen machte. Sie hält es vielmehr so weit ausser sich
und unter sich, als diess zur Walirung der Freiheit und Unabhängigkeit ihres immanenten
Selbstlebens nöthig ist; und eben so wenig verträgt es der Leib, ganz und schlechthin
in die Seele hineingenommen zu wex'den, da er als physische Realität seinen Oi't wenigstens
relativ ausserhalb der Seele haben muss. Er hat demzufolge seine eigenen Lebensvorgänge,
welche nicht durch die Seele gewirkt werden, und auch durch sie nicht gewirkt Averden
können, da sie kein animalisches oder vegetatives, sondern ein intellectives Willensprincip
ist, welches von der Leiblichkeit als etwas für die Seele Gegebenem, und nicht von der
Seele Gemachtem Besitz nimmt. Ist der Leib in die Form der Seele hineingebildet, so
wird er als lebendiger auch nur in der ihm als Menschenleib eignenden Form und
Gestalt sich entwickeln und continuirlich erneuern können; von einer Conciu-renz der
Seele zu den Functionen der leiblichen Nutrition und Augmentation wird demnach nur
in sehr entferntem imd mittelbarem Sinne die Rede sein können. Nicht anders verhält
es sich mit der Generationsfunction, die am meisten für die Kraft und Energie des
leiblichen Selbstlebens zeugt, wenn gleich die Qualität des Productes der elterlichen
Zeugung gar sehr von den seelischen Dispositionen der Zeugenden abhängig ist. In
diesem Sinne reicht dann allerdings auch der Einfluss der Seele in das Gebiet der
generativen Thätigkeit hinab, ohne dass jedoch hieraus die Berechtigung zur Annahme
einer virtus generativa als besonderer Seelenkraft und Ausflusses der Seelensubstanz
folgen möchte, wie Albert behauptet.^ Uebrigens beschränkt Albert die menschliclie
Zeugungsthätigkeit ausschliesslich auf die Hervorbringung eines rein stofflichen Gebildes,
dem das Leben erst durch die nachfolgende Infusion der gottgeschaffenen Seele zu
Theil wird.^ Er will sich nicht zu einer derartigen Theilung verstehen, vermöge welcher
die Seele als intellective Substanz von Gott herrühren, in Bezug auf ihre sensuellen
imd vegetabilischen Vermöglichkeiten aber aus der Substanz des Zeugungssamens educirt
wäre, weil hiedurch eine Mehrheit von Seelensubstanzen in Einem Menschen involvirt
wüx'de. Bei Thieren und Pflanzen fällt diese Consequenz hinweg; darum könneii die
' Summ, de creat. II, qu. 16. art. "2.
2 Nacli Alexander (Summ. theoL II, qu. 87, mbr. 3, art. 3) kommt dem Producte der eiterliehen Zeugung- vor der Animation
eine Lebendigkeit sensii latiori in Folge seines Lebenszusammenhanges mit der Mutter zu.
-inn K. WeiINEK.
Seelen dersell)iMi duivh Zeugung entstehen, und es werdou in ihnen die der Materie
eingescliaffenen rationes sominales educirt. Die ratio scmiiuilis des Menschenleibes aber
ist der Materie nicht eingeschaffen wurden; der erste Menschenleib wurde unmittelbar
durch Gott gebiklet, ' daher der Mensch in gewisser Weise auch dem Leibe nach Gottes Bild
darstellt. Als näher liegender innerlicherer Grund wili-e wohl diess anzugeben gewesen,
dass der äussere Mensch wenigstens der Idee nacli eine Verbildlichung des inneren
seelischen gottesbildlichen Menschen ist.
Von der vegetativen Seele auf die anima sensibilis übergehend, unterscheidet Albert
zunächst zwischen den ai^prehensiven Vermöglichkeiten und motorischen Kräften der-
selben. Die apprehensiven Vermöglichkeiten theilen sich in äusserliche und innerliche:
die äusserlichen sind die fünf besonderen Sinne zusammt dem sensus communis, als
Vermögen innerlicher Apprehension werden der Reihe nach behandelt: die Imaginativa,
Phantasia. Aestimativa, Memoria, Reminiscentia. Daran schliessen sich umständliche
Auseinandersetzungen über Wachen, Schlaf und Traum als Eigenzustände der anima
sensibilis. Die motorische Thätigkeit ist keine exclusive Eigenheit der anima sensibilis,
sondern derselben mit der anima rationalis gemein-, nur hat jede von beiden ihre eigen-
artigen Bewegungsantriebe, welche durch die beiderseitigen cognoscitiven Thätigkeiten
bedingt sind. Auch muss der innere Bewegvmgsdrang oder appetitus der sensiblen und
rationalen Seele unterscliieden werden von der instrumentalen leiblichen Bewegungs-
thätigkeit, die im Dienste der seelischen Begehrungs- imd Willensacte statt hat, und
Menschen und Thieren verliehen ist. Als natürliche Begehrungskräfte der anima sensibilis
bezeichnet Albert die vis concupiscibilis und vis irascibilis, deren Acte durch die Ein-
drücke und Wahrnehmungen der cognoscitiven Potenzen der anima sensibilis hervor-
gerufen werden. So viel zur allgemeinen Uebersicht über diese Partie der Psychologie
Albert's, die besonders in Bezug auf die cognoscitiven Thätigkeiten der anima sensibilis
sehr ausführlich gearbeitet ist. Er verwerthet hiebei seine eingehenden Studien über
die Bücher des Aristotel-es de anima und über die Parva Naturalia desselben, die er in
einer Reihe von Schriften conimentirt hatte." Uebrigens ist die gesammte Lehre Albert s
von der anima sensibilis auf's Engste mit der Lehre von der anima rationalis verschlungen,
und mit der Erörterung derselben durchsetzt. So schiebt sich zwischen die Auseinander-
setzung der apprehensiven vmd motorischen Thätigkeiten der anima sensibilis die Lehre
von den theoretischen Functionen des Intellectes und deren Zusammenhange mit den
cognoscitiven Thätigkeiten der anima sensibilis ein. Darauf folgt für den ersten Anschein
ziemlich unvermittelt eine Abhandlung de motu progressivo animalium als Uebergang
auf die Lehre von den bewegenden Kräften der Seele. Albert rechtfertiget diese Art,
die Lehre von den bewegenden Kräften der Seele einzuleiten, damit, dass die den motus
progressivus der Lebewesen verursaclienden Bewegungskräfte die principia motivae d. i.
diejenigen Kräfte sind, durch welche die Bewegung eigentlich hervorgebracht wird. Diess
sind die, die Bewegung gebietenden Kräfte, deren in der menschlichen Seele zwei sind:
der Intellectus practicus und die Phantasia. Diese beiden Kräfte werden zu Bewegungs-
' Summ, tlieol. II, <|U. TTi.
■^ Die hieher gehörigen Ausleguugsschriften Albeit's sind: De anima {drei Büclier), de sensu et sensato, de memoria et remiuis-
centia, de somno, vigilia, divinatioue et prophetia, de mutu animalium, de principio motus progressivi, de juventute et sene.-
tute, de .spiritu et respiratione, de morte et vita. de nutrimento et nutribili, de natura et origine animae, de nnitat.- intel-
lectus adveraus Averroistag.
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Alhektus Magnus. 127
Ursachen zufolge Ihrer Apprehensionen. Die von ihnen anbetblilenen Bewegungen müssen
aber ein Motiv haben; das Motiv liegt im Zuge des durch die Apprehensionen hervor-
gerufenen Begehrens, dessen Kraft wieder eine dreitheilige ist: nämlich von Seite der
anima rationalis der vernünftige Wille, von Seite der anima irrationalis die vis concupis-
cibilis und vis irascibilis. Alle drei Potenzen lassen sich auch unter dem Namen des
Willens zusammenfassen-, der Wille im engeren Sinne oder die voluntas rationalis scheidet
sich ab von dem sinnlichen Begehren und Verabscheuen, dessen habituelle Inclinationen
den Zustand der Sensualitas begründen. Durch das Vermögen des liberum arbitrium ist
es der Wahl des Menschen anheimgegeben, zu entscheiden, welchen Impulsen sein selbst-
thätiges Handeln folgen soll. Um in den Acten seiner Selbstentscheidung vom letzten
Zwecke des Menschen nicht abzuirren, bedarf das liberum arbitrium einer Orientirung
durch die Synderesis, weiche als besonderes Seelenvermögen den habitus principiorum
communium quoad actiones honestas bedeutet, d. h. das Wissen um die allgemeinen
Normen des sittlichen Handelns in sich fasst, und in seiner Application auf die speciellen
Fälle sittlicher Selbstentscheidung Gewissen (conscientia) genannt wird.
Wir entnehmen aus dieser Uebersicht, die wir nach dem in Albert's Summa de
creaturis am vollständigsten dargelegten Abrisse seiner psychologischen Lehren^ gegeben
haben, zunächst diess, dass sich das ursprüngliche Schema, nach welchem diese Psychologie
construirt ist, in der Ausführung ihres Lehrinhaltes niclit festhalten lässt. Albert wollte
nach einander die Functionen der anima vegetativa, sensibilis, rationalis abhandeln. Es
ist ihm gelungen, die Lehre von der anima vegetativa als einen in sich geschlossenen
selbstständigen Theil darzustellen; in der Durcharbeitung des zweiten Theiles aber, der
laut seiner Ankündigung die Functionen der anima sensibilis darlegen soll, ändert sich
ihm unter der Hand der Arbeitsplan, und schiebt sich ihm zufolge des Ineinanderspielens
der Actionen der anima sensibilis und rationalis ein anderes Schema unter, welchem
zufolge zuerst von den cognoscitiven Thätigkeiten der empfindungsfähigen , vernunft-
begabten Menschenseele, sodann von der durch die cognoscitiven Functionen hervor-
gerufenen Begehrungsthätigkeit der sensuell afficirbaren Vernunftseele, und endlich von
dem ihr immanenten Richtmasse ihres freithätigen Thuns die Rede sein soll. Der Grund
dieser Modification des aus der aristotelischen Psychologie adoptirten Schema's ist nicht
schwer zu erkennen. Die aristotelische Psychologie ist wesentlich eine Naturlehre der
menschlichen Seelenthätigkeiten, und schliesst die Strebethätigkeiten der menschlichen
Seele nur soweit in sich, als sie eben natürliche Thätigkeiten sind. Albert hingegen
ist durch seinen christlichen Standpunkt im Voraus darauf angewiesen, den ethischen
Charakter dieser Strebethätigkeiten in's Auge zu fassen; und wenn er auch die Gebiete
der Psychologie und der Ethik genau auseinanderhält, und die specifisch letzterer an-
gehörigen Materien aus dem Bereiche der Psychologie streng ausscheidet, so kann er
doch nicht umhin, in der Lehre von den Seelenvermögen selber den christlich-ethischen
Standpunkt zur Geltung zu bringen, indem er, wo er vom natürlichen Begehren und
Wollen der Seele spricht, von der unter die ethische ßeurtheilung fallenden Richtung
desselben nicht abstrahiren kann, und überhaupt die Anlage des Menschen zur Sittlich-
keit, soweit sie in die Gränzen einer psychologischen Erörterung fällt, zur Sprache bringen
muss. Aber auch die Behandlung der cognoscitiven Functionen der Seele ist bei Albert
Siimni. de creat. II, qu. 19—72.
128 ^- VVkrnek.
letztlieli duivh ein ihristru-li-tlieologisches Interesse bedingt, wie genau er sich aucli in
Erörterung derselben im die durch die aristotelische Philosopliic ihm gebotenen Auf-
schlüsse halten mag; denn die Wahl des Aristoteles als Gewährsmannes in diesem Punkte
war ja selber durch ein theologisches Interesse beeinflusst. Für Albert ist das letzte
Hauptinteresse nicht, zu ermitteln, wie viel die sensible Seele durch sich erkenne, und
was sie dem Intellecte zu erkennen überlassen müsse, sondern wie weit überhaupt die
natürlii'he Erkenntnissfahigkeit des Menschen reiche, und welche Schranken ihr dadurch
i>-ezo2'en seien, dass die Menschenseele nicht blosses Intellectualwesen, sondern zuo;leich
auch sensibles Wesen, eine in den Bereich des Sensationslebens getauchte Intelligenz
sei. Denn die Menschenseele als anima rationalis ist, wie Albert mit ßabbi Isaak sagt,
eine Substanz, die im Dämmeraufgang der reinen Intelligenz locirt ist.' Uebrigens ist
die schematisirende Auseinanderhaltung der anima intellectualis imd sensibilis wenigstens
ideell durchwegs sowohl in der iM'örterung des Erkeimtnisslebens auch des Begehrungs-
vermögens festgehalten, und zwar keineswegs zum Vortheile der Sache, da sie das per-
petuirliche Hinderniss einer centralen Fassung der menschlichen Seele in der inneren
Mitte ihres persönlichen Wesens ist. Handelt es sich doch für Albert als Peripatetiker
auch gar nicht um den Persönlichkeitscharakter der menschlichen Seele, sondern nur
um ihr substanzielles geistiges Wesen, und um eine thimlichst erschöpfende Classificirung
und Auseinandersetzung der Verrichtungen dieses substanziellen geistigen Wesens. Bei
der Dürftigkeit und Mangelhaftigkeit der seinen Arbeiten vorangegangenen Darstellungen
der rationalen Psychologie war es immerhin schon ein bedeutsamer Fortschritt, dass der
Gesannntinhalt der aristotelischen Seelenlehre in die christliche Seelenkunde aufgenommen,
und der Inhalt der letzteren nach dem in der aristotelischen Psychologie dargebotenen
Lehrschema geordnet und ausgeführt wurde. Allerdings brachte das schematisch ordnende
Denkverfahren des Aristoteles, soweit es einfach copirt wurde, bei Albert manche Un-
ebenheiten in die Gruppirung seines Lehrstoffes. So weiss er augenscheinlich die Lehre
von den Bewegungsthätigkeiten der Seele dem Zusammenhange seiner Lehrentwickelungen
nicht harmonisch einzufügen; es konnte auch kaum anders kommen, da unter dem Begrifl'e
der motorischen Thätigkeit ganz heterogene Begriffe: Bewegung des Leibes durch den
Willen der Seele, Bewegtwerden der Seele durch den Zug eines seelischen Begehrens,
selbstige Bewegung des Willens zusammengefasst waren. Ob der Zug der von den Gütern
des Scheines gefesselten Seele zum Irdisch-Sinnlichen und die Schwäche des seelischen
Willens gegenüber den Sollicitationen der Sinnlichkeit sich mit der aristotelischen Lehre
von der Seele als unbewegtem Beweger des Leibes sich so ganz vereinbaren lasse, unter-.
Hess Albert sich zu fragen, weil er eben den Dynamismus der Wechselwirkung zwischen
Seele und Leib nicht kannte, sondern in letzterem bloss ein passives Instrument der
Seele sah. Freilich handelt es sich in jenem seelischen Gezogenwerden durch die Macht
des sinnlichen Begehrens nicht um einen motus localis, wohl aber fällt jener Zug unter
die Species des motus altei-ationis, über welchen Aristoteles den ,von Aussenher her' in
das Menschengebilde eintretenden Intellect gleichfalls erhaben dachte. Gegen den Ein-
wand, dass die Ablenkung der Seele von dem natürlichen Ziele ihres Geistwillens und
ihres innerlichsten Begehrens keine physische Alteration sei noch sein könne, Hesse sich
' Dieit Isaac in libro de definitioiiibus, qiuid auüua ratioualis substantia est in umbra iutelligentiae creata. Et hoc est, quod
dicit Diouysius, qiiod supremum rationis attingit infimuiu iutelligeutiae. Summ, theol. II, qu. 69, mbr. 2, art. 2.
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcüin bis ÄLEERTrä Magnus. 129
erwidern, dass die Thatsaclie jener Ablenkung die Zugestehung einer von Aristoteles
nicht wahrgenommenen ethischen Alteration involvire. Lässt sich diese mit der aristo-
telischen Auffassung des menschlichen Seelenwesens nicht vereinbaren, so wäre dieselbe
eben keine zureichende Unterlage für die Erklärung der ethischen Geheimnisse des
zeitlichen Menschendaseins. Albert hielt sie für zureichend, weil er die vis concupis-
cibilis, in deren verkehi'te Richtung er das AVesen der sündlichen Concupiscenz setzte,
der anima sensibilis zutheilte. Aber in den Berückungen der Seele durch die Täusch-
gebilde des sündigen Wahnes ist der ganze innere Mensch dem Objeete seiner Leiden-
schaft zugeAvendet, und der von seinem wahren Ziele abgelenkte Urwille der Seele auf
dieses Object gerichtet. Es wird also unzulässig sein, die vis concupiscibilis und iras-
cibilis gleichsam als blosse Hilfskräfte des Geistwillens oder der voluntas rationalis der
anima sensibilis zuzutheilen; sie werden Lebenskräfte, oder vielmehr Lebensthätigkeiten
der Seele als solcher sein, die als eine vom leiblosen Geistwesen specifisch verschiedene
Wesenheit überhaupt nicht als eine blosse Zusammensetzung aus einer rationalen und
irrationalen anima behandelt, sondern als ein von Beiden specifisch verschiedenes Drittes
angesehen werden muss, dessen lebendige Einheit eine solche Abfachung nach Stock-
Averken, wie sie in der Unterscheidung von anima rationalis, sensibilis, vegetativa vor-
liegt, nicht zulässt, und eine nach dem Schema dieser Abfachung vorgenommene Zer-
gliederung der Seelenthätigkeiten als äusserlich, d. h. aus der Innerlichkeit der centralen
Fassung herausgerückt erscheinen lässt.
Albert scheidet die apprehensiven Kräfte der anima sensibilis in äussere und innere
Kräfte; erstere sind die Sinne, welche abermals in die fünf besonderen Sinne und in
den dieselben in höherer Allgemeinheit zusammenfassenden sensus communis getheilt
werden.' Die besonderen Sinne lassen sich in doppelter Ordnung reihen, so dass man
entweder den untersten, den Tastsinn, oder den obersten, den Gesichtssinn, als ersten
ansetzen kann, je nachdem man die Rücksicht auf das Sensitivum oder auf das Sensibile
in den Vordergrund stellt. Der Tastsinn ist das Grundhafte, sofern daa Tastvermögen zum
AVesen der Animalität gehört, so dass ein empfindungsfähiges Wesen (animal) ohne den
Tastsinn gar nicht gedacht werden, und derselbe nicht zerstört werden kann, ohne dass
das animal selber destruirt wird, während man die übrigen vier Sinne ohne Zerstörung
des Lebewesens, dem sie eignen, destruiren kann. Der Geschmacksinn fällt unter die-
selbe Kategorie wie der Tastsinn, soweit er seine Operation durch das Mittel der Tastung
zu vollziehen liat. Darum bezeiclinet Aristoteles diese beiden Sinne als jene, welche
zum Esse des animalischen Lebewesens geliören, während die drei anderen zum Bene
esse desselben gehören. Fasst man die Vollkommenheit des Objectes der Wahrnehmung
primär in's Auge, so steht der Gesichtssinn obenan; denn der Gesichtssinn ei'fasst das-
jenige, was allen Körpern, die incorruptiblen mit inbegriffen, gemein ist, Avährend die
Wahrnehmungen der übrigen Sinne sich auf die specifischen Eigenheiten der irdischen
Körperwelt beziehen und über den Bereich dieser nicht hinauszugreifen vermögen. Unter
den mit ihrer Wahrnehmungsfähigkeit auf den Bereich der irdischen Körperlichkeit ver-
wiesenen Sinnen reicht am weitesten jener des Gehöres, diesem folgt der Geruchsinn,
der nocli olme unmittelbare Berührung des Objectes dasselbe wahrzunehmen vermag,
während der Geschmacksinn bereits gleich dem Tastsinn eine unmittelbare Berührung
' Von fipii besonderen Sinnen wird gehandelt Summ, de creat. II, qu. 19 — 34; vom sensus communis ebendas. qq. ;)5. 36.
Denkschriften der phil.-hiBt. Gl. XXV. Bd. ; 17
seines Objeetes fonlci-r. Das Objcct des Gesichtssinnes sind Liciil iiiid Farl)c, Object
des Gehöi'ssinnes ist der Sciiall,' Object des Geruchsinnes das vaporativuni sicci ex
humido vaporoso,* Object des Gesclimackes der Sapnr, der im Unterschiede vom Odor
specilisch das Humidum als Vapurativ heischt/ obschon beide, Odor und Sapor so mit
einander zusammenhängen, dass geschmacklose Körper immei- aucdi geruchlos sind,'
weshalli dei- 0(h>r als eine Passio saporis bezeichnet \ver(hni kann.'' Als eigentliches
Object des Tastsinnes werden von Einigen die primae qualitates des Körperlichen:
Calidum, Humidum, Frigidum, 8iccum bezeichnet. Da aber diese Qualitäten nm- in so
weit fühlbar werden, als sie in den Köi'pern, an welchen sie durcli das (ietast Avahr-
genommen werden, nicht auf das vollkommenste gemischt und (hulurcli wechselseitig
neutralisirt sind, so können sie nicht schlechthin, sondern nur bczielumgsweise als Object
der Tastung bezeichnet werden, so weit sie nämlich zufolge der vollkommenen Aus-
gleichung'ihrer Contrarietäton in den aus den vier Elementen zusammengesetzten Körpern
fühlbar hervorti-eten. Die Unvollkommen heit der Ausgleichung hat aber auch noch andere,
gleichfalls durch das Getast wahrnehmbare Eigenschaften der Körper zur Folge: Härte
und Weichheit, Rauhheit und Glätte, iSchwere und Leichtigkeit. Der Menscli besitzt den
Vorzug des vollkommensten Getastes zufolge des Umstandes, dass in seiner leiblichen
Complexion die Gegensätze der Elementarkörper und der elementaren Qualitäten am
vollkommensten ausgeglichen sind, und ihm mithin die mindesten Abweichungen der
berührbaren Körper von der vollkommenen Ausgleichung der Elemente ihrer Composition
fiüilbar werden müssen. Dem Tastsinn gehört auch die Wahrnehmung von Lust und
Schmerz an-, ja er ist der einzige Sinn, der unmittelbar durch sich selbst Beides empfindet.
Der Geschmacksinn wirkt ein Lustgefühl nur in sofern unmittelbar durch sich selbst,
als er zugleich Tastsinn ist. Bei den Wahrnehmungen der drei übrigen Sinne aber ist
die mit der Sinneswahrnehmung verbundene Ergötzung eine seelische; darum machen
den Thieren Farben, Töne, Gerüche wenig Vergnügen. Obschon aber nur der Mensch
eines seelischen Vergnügens an den Gerüchen fähig zu sein scheint, so hat er doch
andererseits wieder ein schwächeres Geruchsorgan als die Thiere. Beweis dessen ist,
dass er fast nie von Gerüchen träumt, und wenn er von übel riechenden Dingen träumt,
nicht sonderlich unangenehm sich afficirt fühlt. Auch versteht sich der Mensch nicht
auf die feineren Unterschiede der Gerüche; er weiss im Gnnide nur zwischen Wohl-
o-eruch und Uebely-erueh zu unterscheiden. Der Grund dessen liegt in der kaltfeucliten
' Albert di'finirt denselben als qualifas senslbilis, proveniens ex fVactiuue motus aeris et ens cum illo. O. c. II, qn. 23, avt. 1.
- Dicebant quidani, qviod odor fumalis est evaporatio et fumiis et vapor terrae, et quod odor non resolvitiir nisi a terra, et
illis contrarium est, quod Aristoteles contra Heraclitmn dieit. O. c. II, qn. 28.
3 Generatio saporum est ut in subjecto in humido et aqueo, ut in efficiente autem in ealido, digerente, quod est calidum
ignis et aolis; in sicco autem terreo est sicut in passivo tcrminante humidum a(|ueum. O. c. II, qu. 30, art. 3, particula 1.
' Ex ilsdem prinüs qualitatibus constituuntur sapores et odores, licet non eodem modo complexis activis et passivis. Sapor
enim principaliter constituitur ex liumido et secundario ex sicco ealido commiseente sicu'uni cum humido. Odor autem prin-
cipaliter natura est ex sicco, et secnndario ex ealido humido faeiente evaporationeni. O. c. II, qu. 27, art. 3. — Der anffog'ebene
Unterschied zwischen Odor und Sapor erklärt sich aus dem Zwecke Beider: Sapor cousistit principaliter in humido, quia
habet intluere in partes nutriti; odor autem in sicco ealido, ut temperet frigiditateni et hnmiditatem cerebri.
5 Dicimus (|Uod odor quideni passio est saporis, et non accidentaliter, sed virtute |iriq)ria. Sed passio dicitur niultis modis
(Eelate ad praesentem qualitatem) passio dicitur id, quod non accidit nisi subjecto eidcm in quo est, cnjus est passio, et
geueratur a prineipiis ejus agentibus et patientibus, non tamen eodem modo se habentibus; et sie odor dicitur passio saporis,
quia uon accidit nisi cui accidit sapor et causatiir ,a prineipiis sajioris, non eodem modo se habentilius in odore et saporo.
O. c. II, qu. 27, art.
Dek EnTVVJCKELUNGSöANG der MITrELALTERLIClIEN PSYCHOLOGIE VON AlcUIN EIS AlBERTUS MaGNUS. 131
Bescliaflfenheit seines Gehirnes, welclies dem seiner Natur nach warnitrockenen Odor
nur in sehr o-erino'em Masse eine Einwirkuno- uuf sicli gestattet.
Bei den Sinnen, welche ilir Object nicht durcli unmittelbare Berülirung waiirnehmen
jnuss nach dem Medium zwischen Sinnesorgan und Sinnesobject gefragt werden. Als
solches Medium dienen für alle drei Sinne ((leruch, Gehör, Gesicht) Luft und AVasser,
jedoch nicht in gleicher Weise. Während für den Odor Luft und Wasser, iedes für sich.
Medium sein kann, ist das Wasser für den Schall nur insoferne Durchgangsmedium, als
es die durch den Schall in Bewegung gesetzte Luft durchlässt, daher eher ein llinderniss
als ein Mittler der Schallbewegung. Für das Licht aber können sowohl Luft als Wasser
nur insofern Medien sein, als sie durchsichtig d. h. vom Lichte durchdrungen sind. In
Beziehung auf die Erklärung des Sehactes ergeht sicli Albert in einer umständlichen
Wideidegung der Platonischen Theorie des Sehens,' Avelcher gegenüber er die aristote-
lische als die richtige vertritt. Der Gegensatz zwischen beiden Anschauungen betrifft
die Natur des Auges, das Object der Gesichtswahrnehmung und das Verhalten des
Sinnesorgannes in der xVpperception der Gesichtswahrnehmung. Das Auge ist nicht
feui'iger Natur, sondern ein wässeriger Körper; es sendet nicht Lichtstrahlen aus zur
activen Ergreifung der Objecto seiner Wahrnehmung, sondern lässt passiv auf sich wirken,
wie die Luft, Avelche ihm die Licht- und Farbeindrücke übermittelt; nicht die Umrisse
und Formen der Körper, sondern Licht und Farbe" sind das Object des Seliens. Hin-
sichtlich des Geschmacksinnes leln-t Albci-t auf Grundlage der ai-istotelischen Lehre,
dass dei'selbe als Organ der Geschmacksempfindung allerdings im Haupte locirt sei, als
Nahrungssinn aber sein Organ in der Herzgegend habe,^ indem die Nahrung von der
Wärme des Herzens digerirt werde. Dem widerspricht nicht, dass Galenus die Ver-
danung von der Wärme der Leber ableitet; denn die von Galenus gemeinte Wärme
wird einerseits von Aristoteles nicht geläugnet, reicht aber andererseits ohne Hinzutritt
der Herzenswärine niclit aus, das Aliment in Speise zu verwandeln. Auch beim Tastsinne
Juit man mit Rücksicht auf seine doppelte Bedeutung als judex tangibilium und specielle
A ollkommenheit des animalisclien Körpers ein doppeltes Organ zu unterscheiden. Das
Organ des Tastsinnes als perfectio corporis ist der ganze Körper in seinen empfindungs-
fähigen Theilen: Nerven, Fleisch und Haut. Als judex tangibilium aber hat er seinen
Sitz im Gehirne, obschon dieses selber nicht tastet. Wohl aber verbreitet sicli vom
Gehirne aus der Spiritus animalis durch den ganzen Leib mittelst der Nerven, die all-
wärts im Körper verbreitet sind; und der Nerv, der seine Kraft von Gehirn und Herz
empfängt, theilt dieselbe auch dem Fleische und der Haut mit, und macht sie damit
empfindungsfähig und fü]- Tastwalirnehmungen empfänglich. Die Infrigidation der vom
Herzen zum Haupte aufsteigenden Wärme durch das kalte Gehij-n schwächt die Belebung
der Sinnesnerven, zunächst des Tastnerven, in welchen die anderen Sinnesnerven im
Haupte einmünden, ab, und erzeugt so den periodisch wiederkehrenden Zustand des
Schlafes, der im Zurücktreten der virtutes animales unter gleichzeitige!' Intension der
virtutes luiturales bestellt.
r
' Nälieres darüber in der Aljhaiidliuig' über Wilhelm v. Conclies S. 82 tf. (Sitzuiigsber. LXXV, S. 390 ffi.
- Color seciiudum actum cum lumiiie quo agit uuuni visibile, sicut niateria et forma non faeiunt duo sed uuum. Et ideo cum
lunien illud sit ut forma, color autem ut niateria, erit ex illis duobus uuum visibile secunduni actum. O. c. II, q«. 20, art. 4.
•' Gustus sccuudum quod est sensus alimenti, .... est sensus comixti a calido et tVigido, buuiido et sicco ; et quoad
hoc iustrumentum suuin habet circa cor. O. c. II, qu. 30, art 3, particula ö.
17*
Ueber den fünf bcsoiuk'ren Sinnen stclil dcv Scnsus comnuinis, in dcssoti Appor-
ceptioncMi ;in den Objecten der sinnliclien Walinu-Iuuuni;- dasjenige aufgegriffen wii-d,
was durch keinen einzelnen besonderen Sinn aufgegi-iffen werden kann. Dahin gehört
die GesammtautTassung des Gegenstandes nach seiner Grösse und P'igur, die Unter-
scheidung einer Mehrlicit von Objecten derscdben Walirnelunung, .lie Wahrnehmung der
Zustände der Ruhe und Bewegung.' Das Organ des sensus communis ist im Vordergehirn,
in welchem die Nerven aller besonderen Sinne zusammenlaufen. Es Ist begreiflich, dass
die als naturwissenschaftliche Thatsache geltende Realität eines Sensorlum commune die
Annahme eines eigenen Sensus communis nach sich zog; die subordinirende Eingliederung
der besonderen äusseren Sinne unter einen allgemeinen äusseren Sinn entsprach der
peripatetischen Ontologie, die ja darauf ausgeht, die Besonderheiten jegliches Niederen
einem nächst Höheren derselben Art einzugliedern, um auf diesem Wege zu einem
letzten und höchsten Einem universalster Art zu gelangen. Wir begreifen jetzt ferner
auch, weshalb Aristoteles die Walirnehmungsfählgkelt des Auges ganz und gar auf das
Farbenphänomen beschränkte, und von einem activen Fassen der Gegenständlichkelten
de]- äusseren sinnlichen Welt durch die menschliche Sehkraft nichts wissen wollte. In
der That Ist es auch nicht das Auge als solches, sondern die wahrnehmende Seele, welche
in der durch Erfahrung und Uebung gelernten Comblnation der xVpprehensionen des
Sehsinnes und Tastsinnes die raumerfüUenden Gegenständlichkeiten der Sinnenwelt fasst
und greift; und dieser Act der Seele Ist eine höhere gedankenhafte Wiederholung jenes
perpetuirlichen Actes, mittelst dessen die Seele den ihr eignenden Sinnenleib fasst, greift
und umgreift. In den Acten jenes geistigen Fassens und Greifens der äusseren Dinge
wird der von ihr zuerst gefasste Leib zu einem Werkzeuge ihrer apprehensiven Functionen
herabgesetzt, und in diesem Sinne mögen dann allerdings die Sinne, wie Albert es thut,^
passive Vermöglichkeiten der Seele genannt werden, obschon dieser Ausdruck nur Insoweit
gereclitfertiget Ist, als die Sinne als Potenzen der von der intellectiven Seele im Gedanken
abgetrennten anima sensibllls gedacht werden, was indess bei der höchsten der mensch-
lichen Sinnesfunctionen, der Sehfunction, am wenigsten zulässig ist. Das menschliche
Sehen ist eben ein speclfisch anderes, als das bloss thierische Sehen; es vermittelt die
geistige Hineinnahme der sinnlichen Aussenwelt in eine seelische Innerlichkeit, die im
Thiere nicht vorhanden ist; es ist ein actives geistiges Greifen in die Aussenvpelt, dessen
das Thier nicht fähig ist. Es ist aber überhaupt nicht richtig, die Sinne Potenzen der
Seele zu nennen; sie sind nicht Potenzen, sondern die unentbehrlichen leiblichen Vehikel
der sinnlichen Wahrnehmungen der Seele, und als solche allei-dings ,passlve' Instrumente
der Seele. In dieser Beziehung träte demnacli die von der peripatetischen Scholastik
mit Recht bemängelte Platonische Definition des Menschen als einer von leiblichen Organen
bedienten Intelligenz In ilir relatives Wahrheitsrecht ein. Eine tiefer eingehende ideelle
Dicendum secundum Alpharabium et Avicennam, quod sensus commnniter ponitur propter comiiositionem et divisionem sen-
sibilium proprioruin ; et idcirue niultii)licaiitur objecta sensus communis secundum quud identitatem per ea potest ponere vel
diversitatem inter sensata propria. Haec autem identitas vel diversitas ponitur in sensibus consideratis secundum esse vel
secundum fieri. Et si consideretui- secundum «sse, aut ergo erit principium per quod ponitur diversitas, et sie erit numerus ;
aut per quod ponitur identitas, et hoc duobus modis, seil, communiter ad sensata intrinseca et extrinseca, et sie magnitudo
erit .... aut erit proprium quoad extrinseca, et sie est fig-ura Si vero Sensibile cogno.scitur, prout coguoscitur
in fieri item vel diversmn cum aliquo sensibili per sensatum commune, hoc erit duobus modis, seil, potentia vel actu; et si
potentia, sie est quies, si actu, tunc est motus. O. c. II, qu. 33, art. 4.
O. c. qu. 32, art. 1.
Dee Entwickelüngsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 133
Würdigung der hülieren Sinne: Auge und Ohr, wäre geeignet gewesen, in dem Verhält-
niss der erkennenden Seele zur äusseren Sinnenwelt eine erweiternde Naclibilduno- und
höhere Wiederholung des Verhältnisses des Seelischen zu der in ihm befassten Leiblich-
keit zu erkennen und dem liegriffe der Seele als lebendiger Wesensform des leibllchcT»
]\[enschengebildes eine erweiternde Anwendung zu geben. AVie nämlicli das durcli den
Sehsinn vermittelte Fassen und Grrcifen. der sichtbaren Wirklichkeit eine Nachbildung
der umgreifenden Fassung der sinnlichen Leiblichkeit durch die Seele ist, so ist die
durch den Ohrnerv vermittelte Innerung der Töne eine tiefste innigste Innerung der
dem sichtbaren Kosmos eingeschaffenen Harmonien, deren mikrokosmischer Complex der
in den Ort der Seele hineingerückte menschliche Leib ist. Daraus erklärt sich die Lmig-
keit der Beziehungen der Seele zum Leibe, der ilir nicht bloss das Mittel und (Jrgan
der sinnlichen Apperception jener Harmonien, sondern diese Harmonie selber ist, in
deren Apperception sie die rechte Stimmung ihrer selbst finden oder innewerden will,
um das, was der Mensch nach der Idee seines Wesens ist, in psychisch-ethischer Wirklich-
keit zu sein: animal temperatissimum, das bestharmonisirte Lebewesen. Das Mittel, jene
Stimmung zu gewinnen, ist freilich einzig die Conformation mit der ethischen Norm
des zeitlichen Menschendaseins, die Norm aber ihrerseits wieder das Mittel der Hervor-
bringung des ricihtigen Concentes zwischen Seele und Leib und der dadurch bedingten
Innewerdung jener Lebensstimmungen, in welchen der Mensch als geistig -leibliclies
AVesen seine innere Befriedigung finden soll. Der zukünftige Vollendungsstand des
Menschen wird als eine Ineinanderverschlingung der Harmonien des geistigen und sicht-
baren Universums im Wesen des beseligten Menschen zu denken sein.
Als innere Apprehensionskräfte der anima sensibilis werden von Albert aufgezählt:
Tmaginativa, Phantasia, Aestimativa, Memoria, Reminiscentia.* Die virtus imaginativa
wird vom sensus communis unterschieden als virtus retentiva, d. h. insofern sie die Kraft
hat, die sinnliche Vorstellung des wahrgenommenen Sinnenobjectes auch in Abwesenlieit
desselben festzuhalten. Die Pliantasia ist das Vermögen der willkürlichen Gestaltung
von Imaginationen durch die Operationen des Trennens und Verbindens, wodurch sie
sich bereits der Denkkraft verwandt zeigt. Von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit
dieser Ojperationen hängt es ab, ob die von der Phantasia gebildeten Vorstellungen
wahr oder falsch sind; die Möglichkeit des Irrens beginnt also für die menschliche Seele
; überhaupt da, wo die Functionen des Unterscheidens und Beziehens an den durch die
sinnliche Walirnehmung gelieferten Erkenntnissstoff applicirt werden. Als cogitatives
Vermögen fällt die Phantasia unter Eine Kategorie mit der Aestimativa, die aber von
ersterer dadurch sich unterscheidet, dass ihre Functionen nicht theoretische, sondern
praktische sind, indem in ilmen das Object der Vorstellung unter den Gesichtspunkt
des Nützlichen oder Schädlichen gestellt wird. In diesem Sinne reiht sicli die Aestimativa
gleich dem Intellecte unter die vires motivas der Seele ein; sie ist die der anima sen-
sibilis angeliorige vis motiva, welche z. B. das Schaf bestimmt, vor dem nahenden Wolfe
zu fliehen. Als cogitative Vermögen haben die Phantasia und Aestimativa ein besonderes,
von jenem der Imaginativa so wie auch des sensus communis verschiedenes Organ. Zwar
sind alle diese Vermögen im Vordergehirne locirt, jedoch so, dass der sensus communis
,, daiiin liegt, wo die Sinnesnerven convergiren, die Phantasia und Aestimativa aber das Hinter-
1 O. c. II, qu. 3ö — 41.
134 ^- Wekneu.
theil des \ oi-dergeliinics occupirt, während die Imaginativa in dei- Mitto zwischen diesen
beiden Gegenden liegt.' Die McMiiuria und Reminiscentia aber sind im niekseitigen Gehirne
locirt. Die speeifiselic l<\uiction der Menioi'ia ist die (Jontiiiuirung der von der Aestiniativa
a]tpi-eliendirten vinsiiniliflu'n Jiiteiitit)ncs (^(Tie(laid<.envui-.st(dlungen) der besondei'en Sinnes-
wahinehnningeii.'' Das liitelligible ist nicht an sieh, sondern nur ainndentellej- Weise
Gegenstand des Gedächtnisses, sofern es nämlich auf unsinnliche Gedankenvorstellungen
der Sinnendinge bezogen ist. ^ Diese in der 8ecle aufbewahrten unsinnliclien Voi'stcllungen
müssen aber ihrerseits selbst wieder der Seele dazu dienen, sieh mit Hilfe der Aestiniativa
und Phantasia die sinnliclien llilder zu vergegenwärtigen, auf deren Gegenstände das
Gedäehtniss sieh bezieht. J)ie Reminiscentia oder Kraft der Wiedererinnerung ist auf
einen actus i-ationis gestüzt, kraft dessen die Seele von gewissen genei-ellen Ui'sachen,
Gründen oder Voraussetzungen des ihrem Denken entscliAvun denen Objectes zur Wieder-
aufspürung desselben durch einen oder mehrere Mittelgedanken oder Zwischenglieder,
welche das zu erspüj-ende Object mit seinen allgemeinen \ oraussetzungen oder Gründen
verknüpfen, vorzudringen strebt. Deshalb wird der Vorgang des Wiedererinnenis von
Aristoteles mit einem Syllogismus verglichen.'' W^eil auf einen actus rationis sich stützend,
ist die Reminiscentia bloss den Menschen eigen und kommt den Thieren nicht zu; gleich-
wohl ist sie in der anima sensibilis basirt, und quoad subjectum mit der Memoria identisch,
also eine virtus corporea.
Albert's Lehre von der Memoria, die übrigens diux-h seinen Schüler Thomas Aquinas
wesentlich modificirt win-de,'' rückt wieder einmal das Missliche jenes schematisirenden
Formalismus , der in der beharrlichen Auseinanderhaltung der anima sensibilis und
intellectualis sich gefällt, in eine augenfällige Beleuchtung. Albert stellt alle fünf inneren
Apprehensivkräfte der anima sensibilis in die Kategorie der vii-tutes corporeae, woraus
denn fast nothwendig folgt, dass die des Leibes ledig gcAvordene Seele ihres gesammten,
im irdischen Zeitleben erworbenen sinnlichen Vorstellungsinhaltes verlustig geht. Die
Functionen der inneren Apprehensivkräfte der anima sensibilis sind sämmtlich auf jene
' Diuenduiu cum auetoribus (Gi'eg. Nyss., Damasc, Algazel, Aviceuiia etc.) quod in priraa parte cerebii est orgauum imagi-
nationis. Sed j)rima pars dividitur in tres partes, seil, in illani, quae propinquissinie conjungitnr organis seusuum, et ad
quam immediate recurrunt nervi sensibiles, et in illa est Organum sensus connnunis; et in illam partem, quae est post illam
in medio, quae non abundat sie bumido, sed est aliquautulum terminata per siecum; et in illa parte est Organum imagina-
tionis, cujus est retinere fornias re non praesente, et hoc virtute sicei, ternüiiantis bumiduni. In jiostrema vero j'arte pi-imae
partis Sita est phantasia et aestimativa. O. c. II, qu. 35, art. 3.
- Dicit Avicenna, (piod vis meniorialis est vis in coucavitate eerebri posteriori eontinuans quod appreliendit vis aestimationis
de inteutionibus non sensatis siugulariuni sensibilium (O. c. II, qu. 38, art. 1). Albert, der diese Definition zutreft'end findet,"
führt noch eine andere Begrift'serklärung von Algazel an: Dicit Algazel, quod memoria est conservatrix liarum intentionum,
quas appreheudit aestimativa, et ideo est arca intentionum, sicut imaginativa, conservatrix formarum, est arca t'orniarum. L. c.
^ Oportet aeire, quoniani intelligibilium suseeptio noi\ fit nisi ex discipliua vel naturali ingenio; non enim ex seusu. Nani sen-
siljilia quidem sccundum se quando menioriae connuendantur. Intelligibilium vero si quiequid didicimus, memoramur, sub-
stantiae vero eorum memoriam non habemus. Quod sie intelligitur: Onme, quod seit aliquis ))er intellectuni, seit ad'discens
ab aliquo per auditum, aut inveniens ex eousideratione rerum sensibilium. Kationes lamen sensibilium non sunt objecta sen-
suum, et idcireo per se non sunt niemoriae. Et cum illae rationes sint substantiae et quidditates rerum, substautiae rerum
Eon erunt in iiieuioria, nisi secundum quod ex sensu acceptae siut per discipllnam. L. e.
' Dicit Aristoteles, quod remini.scentia est ejus, quod quodammodo est in anima, et quodamniodo non. Quoad principia enim
est in anima, et quoad ultimo quaesita non est in anima, sed recessit in oblivionem (0. c. II, ipi. ."',>, art. I). — Dicit
Aristoteles quod reminisci est ut Syllogismus qiüdam ; (|uod eniiii prius honio vidit aut audivit, aut aiiquid liujusmodi passus
fuit, syllogizatur reminiscens. Hujus autem Signum est, quod illi, qui frequenter volunt esse in reminiscentia suorum ami-
corum, daiit eis nienioriale, a quo tauquam a jirini-i]jio determinato incipiat reminiscentia diseurrendo deli!)erativc et syllo-
gistice usque ad amieitiam et fidelitatem in praeterito tempore exhibitam (Il)idem).
^ Thomas Aq. 1 ([U. l'.\, art. ß; 3 dist. 26, qu. 1, ö, 4.
Der Entwickelukgsgang der mittelat.terliohen Psy(.:hologie von Alcüin bis Albertus Magnus. 135
der Tmaginativa, durch welche die Sinnenbilder festgehalten werden, gestfltzt; mit der
Zerstörung des Sinnenleibes durch den Tod geht die Seele des Vermögens der Imao-i-
nation der Sinnendinge und folgerichtig aucJi aller auf die Imagination basirten sen-
siblen Thätigkeiten verlustig. Man könnte dc7- Seele vielleicht durch Unterscheiduno-
zwischen Sinnenbild und Intentio (unsinnliche Vorstellung der Sinnenobjecte) ein Bewusst-
sein um die von ihr verlassene Sinnen weit retten wollen; aber die Intentiones können
nur in der Memoria hinterlegt sein, die, wie Albert lehrt, selbst schon während der
Dauer des Leibeslebens der Elanguescenz und Verfliiclitigung unterliegt, und bei einer
schlechten Complexion des Leibes selbst der auf die Thätigkeit der Ratio sich stützen-
den Reminiscentia es schwer macht, das verblasste und entschwundene (xedächtniss des
einst Erfahrenen wieder aufleben zu machen. Ist die Memoria eine ihrem Wesen nach
an die werkzeuglichc Mitwirkimg des Sinnenleibes gebundene Potenz,' so muss die des
Leibes ledige Seele ohne Gedächtniss um die Erfahrungen ihrer zeitlich-irdisclien Ver-
gangenheit sein. Nun gibt freilich Albert hinterher zu, dass es -per accidens auch ein
Gedächtniss des Intellectes gebe, sofern im Intellecte jede Reception eine bleibende,
also mit dem Recipiren auch das Gonserviren des Recipirten verbunden sei,^ so dass
sich also die Gedächtnisslosigkeit der vom Leibe geschiedenen Seele eigentlicli nur auf
ihr Unvermögen einer Wiedererweckung sinnlicher Anschauungen und Vorstellungen
beziehen würde.'' Damit wäre also ein dauerndes Aufgehobensein des W^eltbildes in der
Seele, soweit es geistig in dieselbe aufgenommen ist, als möglich dargethan. Uebrigens
scheint es sieh für Albert um die Rettung einer solchen Möglichkeit gar nicht zu handeln;
er sagt ausdrücklich, '^ dass bei der aus der irdischen Zeitlichkeit geschiedenen Seele an
die Stelle des aus der sinnlichen Erfahrung abstrahirten Erkennens ein unmittelbares
Eidcennen in der Kraft der dem menschlichen Seelenwesen concreirten Ideen trete. Er
muss wohl so sagen, weil sonst das aus der irdischen Zeitlichkeit gerettete Erkennen
der abgeschiedenen Seele nach den in Albert's Psychologie dargebotenen Voraussetzungen
ein gar zu dürftiges wäre. Von jenem Wissen und Bewusstsein, welches der Mensch als
nächsten und unmittelbaren Inhalt seines Denkens und Erkennens aus der irdischen
Zeitlichkeit mit sich nimmt, und in welchem, im Grunde genommen, das gesammte kos-
mische Wissen des Menschen wenigstens potentiell enthalten ist, vom geistig- sittlichen
Selbstbewusstsein des aus der irdischen Zeitlichkeit abscheidenden Menschen ist bei
Albert gar nicht die Rede. Er beschäftiget sich nur mit dem, was die Seele aus der
äusseren zeitlich -irdischen Erfahrung in sich aufnehme und bleibend in sich zurück-
behalten könne; und da ergibt sich als Denkinhalt der Seele kaum etwas anderes, als
eine Collection der aus den sinnlichen Repräsentationen der Dinge abgezogenen Gemein-
' Memoria orgamim habet in posteriori parte capitis. Coniplexio autem optima illins partis est, quia fit temperate sicca sic-
citate terminante Immitlum, iie sit lümis fluidnm, et temperate frigida. frig-iditate temiierate coag-ulaute forraarnm impressarum
figuras, ne rlissolvantur; et secunduin corruptionem illins complexionis effieinntur malae memoriae secnndum natiiram. In
frigidis enim humidis deest siccum terminans, et in calidis cnm calidum liquefaciat hnmidum et moveat, propter ve,locitateia
motus dissolvnntnr figurae formarum impressarnm. In senibns autem propter siccitatem nimis exsiccantem dissolvitur con-
tinuatio, sieut in rninosis aedificiis, et propter hoc decidnnt figurae formarum impressarum. O. c. II, qu. .'iS, art. ii.
~ O. c. II, qu. 55, art. 5.
2 Int.elleetus i)Ossibilis non corrnmpitnr ex corruptione mediae cellnlae nisi qnoad actum illnin, qui est ex pbantasm.ate. 0. c. II,
qu. 54, art. 4.
* Sine praejndio melioris sentcntiae dicimns, quod anima post mortem intelligit jjer formani ordinis iiniversi, sicut et intelli-
gcntia separata. O. c. II, cpi. 54, art. 5. — Die nähere Erläuterung dieser Art des Erkennens wird im ersten Tlieile der
Summa de creaturis qu. 24, art. ä gegeben.
23(; K. Weuneu.
begriffe, ein ubstractes Gedankenschema dei' zeitlichen Eii'ulirungswelt, das zinleju bei
der Beschränktheit der individnellcn zeitlich-sinnlichen Wcltcrfalirung des Kinzeluiensclien
iiüchst lückenhaft und dürftig ausfallen niüsste, so dass der Seele kaum viel Mehreres
verbliebe als das Hewusstsein, einmal einer Ordnung der Dinge angehört zu haben,
welche sie sich iiuniiiehr nii'ht weiter mehr vergegenwärtigen kann. Ist nun auch zu-
zugeben, dass die vom l^eibe geschiedene Seele keine sinnliche Anschauung und Yor-
stelluno- von der zeitlich-irdischen Wirklichkeit mehr haben könne, so ist docli anderer-
seits gewiss, dass ihr Wissen um dieselbe oder ihre Erinnerung an dieselbe auch keine
bloss schematisch abstracto sein könne , aus welcher alle individuellen Bezüge aus-
o-eschlossen wären. Wie die Seele während ihrer zeitlichen Gebundenheit an die irdische
o
Daseinssphäre in eine reiche lebendige Erfahrungswelt hineingetaucht ist, so drückt sich
diese auch in ihr ab in dem Grade, als sie lebendig von der Seele verinnerlichet wird;
sie träfft einen mit der Geschichte ihres Zeitdaseins unlöslich verwobenen Abdruck aller
in dieses ihr Zeitdasein hineinspielenden Bezüge zur irdischen Erfahrungswelt in sich,
und diese muss daher auch, soweit sie zur eigenen Geschichte der Seele in wesentlicher
Beziehung steht, gedankenhaft in ihrer Erinnerung vergegenwärtiget sein. Nur ist in
dieser Erinnerung Alles abgestreift, was zum sinnlichen Scheine im zeitlich- irdischen
Erfahrunffslebcn o-ehört; aber Alles, was in ihr vorhanden ist, ist nach seiner individuellen
TD o I ' '
Concretheit in ihr vorhanden, indem es eben nur in dieser Gestalt als lebendig Erlebtes
sich der Seele eingedrückt hat und ihi- eingezeichnet ist. Die abstracto Scheidung zwischen
der anima intellectualis und sensibilis hebt sich auf in dem Begriffe der Seele als einer
eognoscitiven Potenz, deren AVesen lebendige Inneriuig und Erinnerung ist. Im Mittel
der fortgesetzten Innerung vollzieht sich die geistige Selbstformation der Seele; das
Erinnern aber nach seiner ideellen Bedeutung ist Hervorholung des Geinnerten aus den
Tiefen des Seeleninneren, in welche es sich eingesenkt hat. Die an den Abschluss ihrer
zeitlichen Selbstformation gelangte Seele bedarf keiner Erinnerung mehr, weil das, was
sie geworden und was sie aus sich selbst gemacht hat, in lebendiger Gegenwart ihr vor
Augen steht. Die durch Zerstörung des Leibes der Sinnenwelt entrückte Seele ist die
vollkommen in sich gesammelte Seele, die durch nichts Aeusseres abgezogen ganz bei
sich ist und so zu sagen nui' sich selber sieht; aber eben deshalb steht mittelbar auch
alles dasjenige vor ihi-em Blicke, was zu der Gestaltung, die sie im Laufe ihrer zeitlichen
Lebensentwickelung erlangt hat, in wesentlicher Beziehung steht. AYas ihr in dieser
Beziehung äusserlich geblieben ist und keinen Einfluss auf die Gestaltung ihres inneren
\Yesens erlangt hat, ist ihr als etwas dem blossen zeitlichen Sinnengedächtniss Angehöriges .
allerdi]igs für immer entrückt, und in den (lirund der Vergessenheit versenkt. Das Sinnen-
gedächtniss der Seele ist eben nicht das wahre Gedächtniss der Seele, sondern ein blosses
Hilfsgedächtniss derselben für ihren zeitlich-irdischen Entwicklungsstand; auch besteht
es nicht im Festhalten der Sinnesbilder, sondern vielmehr im Vermögen der Wieder-
erweckung dei'selben, fällt also mit der Reminiscentia zusammen, von welcher Albert
sagt, dass sie nach ihrei- aetiven Seite der ßatio, oder wie wir von unserem Standpunkte
aus lieber sagen, der Seele angehört, während wir den stofflichen Inhalt des blossen
Sinnengedächtnisses für eine blosse Disposition des Gehirnes zur Reproduction bestimmter
sinnlicher Formen oder Lautgebilde halten.
Aber auch die Imaginatio, l'hantasia und Aestimativa können nicht so ausschliess-
lich, wie es von Albert's Seite geschieht, der anima sensibilis zugetheilt wei-den. A on
Der Entwickelungsgang der hittelalteklichen Psychologie von Alcuin ms Aluertds Magnus. 137
Leiden letzteren sagt er wohl selber, dass in ihnen, beim vernunftbegabten Menschen
wenigstens, etwas von der Ratio durclischeint. Was ihm aber zu beachten für seine
Zeit noch sehr ferne lag, ist der Zusammenhang jener drei Vermögen mit dem intuitiven
Vernunft- und Idealsinne der menschliclien Seele, wodurch sie zu Vehikeln der eigen-
artigen, dem sreistiffen Wesen der Seele anofemessenen Innerung der sinnlichen Welt-
Wirklichkeit werden. Die menschlichen Imaginationen sind im Unterschiede von jenen
der sinnlichen Lebewesen sinnige Imaginationen, in welchen etwas vom intuitiven Ver-
lumftsinne durchleuchtet; je entwickelter und gebildeter der intuitive Vernunftsinn des
sinnigen Menschen ist, desto mehr sind alle seine sinnlichen Apprehensionen von den
Lichtblicken jenes intuitiven Vernunftsinnes durchgeistet. Der Mensch sieht eben
die Welt mit einem anderen Auge an, als das blosse Sinnenwesen-, statt der sinnlichen
Schärfe des Falkenauges ist ihm der Lichtblick des Geistes verliehen, der in die Seele
des Sinnendinges schaut, d. h. die Idee desselben apprehendirt. Die Phantasia und Aesti-
mativa sind V^ermögen, deren höliere Zweckbezielmng in der Psychologie der peripate-
tischen Scholastik ganz aus den Augen verloren wird, weil diese nur auf die Erklärung
der menschlichen Denk- und Willensfunctionen ausgeht, und in ihrer abstract i-atio-
ualisirenden Tendenz die lebendige Innerungs- und Gestaltungsthätigkeit der mensch-
lichen Seele ausser Acht lässt. Die Phantasia als sinnliches Vermögen im Sinne der
Scholastiker ist die Unterlage des dichterischen Gestaltungsvermögens der menschlichen
Seele, die Aestimativa veredelt sich zu einem liöheren Seelenvermögen im Seelenblicke
der ästhetischen Anschauimg und Wahrnehmung. Die peripatetisclie Scholastik hat sich
aus Aristoteles den gedankentiefen Satz angeeignet: Anima est quodammodo omnia, und
erklärt daraus die Alles umfassende Wahrnehmungsfähigkeit der Seele; die ideelle Um-
bildung und Vergeistigung jener drei sinnlichen Vermögen macht ersichtlich, in welcher
Weise die menschliche Seele sich anschickt, alles ilir Wahrnehmbare in die lebendige
Form ihres eigenen Seins und Wesens hineinnehinend, umzusetzen und umzubilden.
In Folge des Gesagten nimmt nun die anima sensibilis, oder richtiger gesagt, die
Sensualität der menschlichen Seele eine ganz andere Bedeutung an, als sie in der peri-
patetischen Scholastik hat. Sie ist einfach nur die der Sinnenwelt zugekehrte Seite der
menschlichen Seele, und bedeutet die dem leiblosen Geistwesen fehlende eigenartige
Eindrucksfähigkeit derselben. Diese Eindrucksfähigkeit begrtindet den specifischen Unter-
schied der vernunftbegabten denkfähigen Menschenseele vom leiblosen Geistwesen und
die Eigenartigkeit ihres intellectiven Lebens im Unterschiede von jenem des leiblosen
Geistes. Zufolge ihrer Sensualität stellt sich die intellective Menschenseele als ein von
den leiblosen Intellectualwesen verschiedenes Drittes dar, dessen geistige Selbstinnerung
und Selbstgestaltung durch den Contact und Wechselverkehr mit der irdischen Sinnen-
welt bedingt und beeinflusst ist, jedoch so, dass der Seele die Sinnenwelt als solche
stets ein Aeusseres bleibt, und selbst die eigene leibliche Sinnlichkeit mit ihren imma-
nenten Trieben und Impulsen als ein Fremdes und Aeusseres gegenübersteht, welches
sie unter sich zu halten sich berufen fühlt, und schon im Progresse der natürlichen Ent-
wickelung ihres imanenten Selbstlebejis melir und mehr zu einem werkzeuglichen Unter-
grunde desselben herabsetzt. Im Kinde anfangs völlig in Sclilaf versenkt und vom Walten
der Leibesvegetation überwältiget, setzt sie, zum irdischen TagesbcAvusstsein aufgewacht,
den Sinnenleib bereits zum Instrumente willkürlicher Bewegungen herab, und lernt sich
in den Gebrauch desselben zu Zwecken willkürlicher Handlungen ein; der bis zu einem
DeukschriftcD der phil.-lust. Cl. XXV. l'.d. 18
■j^gg K. Webner.
bestimmten Grade erstarkte Siiiiienleib dient der Seele als Ständer und Halter des in
ihr sich aufschliessenden immanenten Selbstlebens, das sinnliche Wuiirnclimungsleben
wird zum Untergrunde, Medium und Vehikel der intellectiven Seclenfunctiunen, die auf
die geistige Aneignung und ßeproduction der in's denkhafte Selbstleben der Seele hincin-
genommenen sichtbaren Weltwirldichkeit abzwecken. llikdcsichtlirh dieses werkzeuglichen
Vi'rhaltens der sinnlichen Leiblichkeit zu den intellectiven Functionen des Seelenlebens
kann allerdings, wie schon erwähnt, der Mensch in platonischer Weise als eine von
den Organen der sinnlichen Leiblichkeit bediente Intelligenz detinirt werden; nur darf
hiebei die durch den Sinnengrund des menschlichen Intellectivlebens bedingte und beein-
flusste Art und Form desselben, die es specifisch von jenem der i-einen Intelligenzen
imterscheidet, nicht übersehen werden.
Je reicher und voller das immanente Selbstleben der Seele sich gestaltet, desto
bestimmter scheidet es sich vom sinnlichen Selbstleben des Leibes ab, das als solches
seinen eigenen Trieben und Begehrungen folgt und in einer relativen Unabhängigkeit
vom intellectiven Selbstleben der Seele sich entwickelt. Damit ist nun innerhalb der
Persons- und Wesenseinheit des Menschen eine Lebensdualität involvirt, die allerdings
dadurch, dass das sinnliche Selbstleben nur Unterlage des höheren immanenten Selbst-
lebens der Seele ist, und iiberdiess nur in Kraft der dem Leibe immanenten Seele sich
actuiren kann, keine Dualität zweier von einander unabhängiger Lebensprincipien be-
deutet, aber auch den Gredanken. als ob die Seele durch sich selber schon unmittelbar
das Leben des Leibes wäre, oder der Leib sein Leben in der Seele hätte, aussckliesst.
Die Scholastiker anerkennen natürlich die Thatsache der Lebendigkeit des Leibes, dringen
aber nicht zum Gedanken eines relativen Selbstlebens des Leibes vor, weil ihre Betrach-
tungsweise überhaupt nicht bis in die Reigion des sinnlichen Trieblebens herabstieg,
sondern bei der Reflexion auf das bewusste Begehren und Verabscheuen, welches als
solches, gleichviel ob es ein rationales oder sinnliches ist, immer ein Act der Seele ist,
stehen blieb. Dass im bewussten sinnlichen Begehren oder Verabscheuen die dem leib-
lichen Leben immanenten Triebe sich im seelischen Denken und Empfinden zur Geltung
bringen, wurde von ihnen nicht beachtet, sondei-n nur der Umstand wahrgenommen,
dass sie sich auf eine ungeordnete, für die gesollte unabhängige Selbstigkeit und
ungetrübte Reinheit des seelischen Lebens störende Ai-t zur Geltung bringen, und das
Begehren der Seele zu demjenigen hinziehen, was der Mensch nicht erlaubter Weise
begehren kann. Diesen ungeordneten Zug des Begehrens nannten sie sensualitas; Alexander
Halesius, der sie unter den Bewegungskräften der anima sensibilis zur Sprache bringt,'
bemerkt, die vorchristlichen und weltlichen Philosophen hätten in ihrer Analyse der vires
motivae der Seele diese Bewegungskraft übersehen, und überhaupt gar nicht als beson-
dere Potenz erkannt, weil sie um das peccatum originale nicht wussten, dessen Straffolge
die Sensualitas sei." Wie aber die Straffolge, d. h. die relative Emancipation der sinn-
lichen Leiblichkeit von der Herrschaft der vernunftbegabten Seele möglich war, erklärt
auch die peripatetische Scholastik nicht, weil sie eben um das relative Selbstleben der
sinnlichen Leiblichkeit niclit weiss, in welchem die Möglichkeit jener relativen Eman-
cipation begründet war. Uebi'igens würde die Ilerausi'ückung der sinnlichen Leiblieh-
1 Summ, theol. O. c. II, qu. 68.
2 Äelmlich Albert Summ, de creat. II, ü7
DliK EnTWICKELUNGSGANÖ der MITTELALTERLICHEN' PSYCHOLOGIE VON AlCUIN BIS ALBERTUS MaGNUS. 139
keit aus dem Orte der Seele für sich allein noch nicht das ordnungswidrige sinnliche
Begehren erklären, wenn jene Herausrückung nicht zufolge des zeitlich unzerreiss-
lichen Haftens des Leibes an der Seele zugleich aucli eine Hineinrückung der Seele in
den Ort des Leibes nach sich ziehen würde . wodurch es eben möglich und zugleich
auch veranlasst wird, dass sich ihr die Begehrungen des Leibes ungeordneter Weise
gewisser Massen als ihre eigenen aufdringen, weil sie nunmelir die Zustände ihres Leibes
gewisser Massen als ihre eigenen empfindet und ansielit. So geschieht es, dass das Con-
cupiscibile und Irascibile, welche von Alexander und Albert als Constituenten der Sen-
sualitas als vis motiva bezeichnet werden, als , Kräfte' in der Seele vorhanden sein können,
übschon sie, sofern sie der Seele eignend gedacht werden, primär als l'assiones (Leiden-
heitszustände und Leidenheitsmotionen) der Seele zu bezeichnen wären. Um dieser die
Seele beschwerenden und drückenden Leidenheitszustände willen konnte von den Plato-
nikern der zeitliche Sinnenleib als ein Kerker der Seele aufgefasst wei'den, was unter
einem bestimmten Gesichtspunkte auch wahr ist, sofern man nämlich das leibfi-eie Sein
der Seele nicht mit dem leiblosen Sein derselben identificirt, wodurch eben der Begriff
der Seele als Wesensform und Formprincip einfach aufgehoben' würde. Der schola-
stischen Ei'klärung der Sensualitas muss übrigens zugestanden werden, dass sie, obschon
nicht vom Standpunkte einer durchgebildeten anthropologischen Betrachtung gegeben,
um eine möglichst objective Beiirtheilung des gegebenen Sachverhaltes sich bemüht,
und unterlässt, dasjenige Sünde zu nennen, was nicht Sünde ist. Sie einiget in ihi'er
Erklärungsweise einen dreifachen Standpunkt: den sogenannten natürlichen, d. i. rein
empiristischen, den ethischen und den theologischen. Dieser dreifache Standpunkt gibt
sich kund in der Bemerkung Alexander's, dass die Sensualitas zunächt als etwas, was
der Mensch mit dem Thiere gemein hat, weiter aber nach ihrem A'erliältniss zur mensch-
lichen ßatio in Betracht komme, und dass endlich drittens zu fragen sei, ob und wie
ferne in den Regungen der Sinnliclikeit etwas Sündhaftes sei. Er stellt nicht in Abrede,
dass das Vorhandensein derselben ein sittliches Gebrechen sei, und ihr Auftauchen als
etwas Unreines unter den Begriff der Sünde falle; aber von einer Todsünde oder schweren
Verschuldung von Gott könne keine Rede sein, wenn die moralische Zustimmung zu
ihnen nicht vorlianden ist.
Die Erörterungen über das intellective Leben der Seele werden in der peripatetischen
Scholastik unter den doppelten Gegensatz des Intellectus possibilis und agens, Intellectus
speculativus und practicus subsumirt.^ Unter dem Intellectus possibilis versteht Albert die
Vermöglichkeit der menschlichen Seele zum intellectiven Erkennen; der Intellectus agens
ist die Kraft, mittelst welcher die Seele das ihr mögliche intellective Erkennen auswirkt.
Der Intellectus agens ist unmittelbar eine Kraft der Seele selber, und verhält sich zum
Intellectus possibilis, wie das Quo est der Seele zum Quod est derselben, oder Avie der
Actus zur Potenz. Hat die menschliche Seele nach ihrem Quod est die Vermöglichkeit
des intellectiven Erkennens, so setzt der Intellectus agens diese Möglichkeit und Vermög-
liclikeit des intellectiven Erkennens in die Wirklichkeit desselben über, er ist der der
menschlichen Seele eignende Auswirker der rationalen Erkenntniss. Er vollzieht die Aus-
wirkung durch Hervorziehung der Species intelligibilis aus der dem Intellectus possi-
bilis eingedrückten Species sensibilis des wahrgenommenen sinnlichen Objectes, und macht
' Siehe Albert Suiiiin. de creiit. II, qu. 54 ff.
18*
1 in K. Weuner.
hiedurcli das potentiell in der Seele vorhandene Intelligibile zu einem actu intelligibilo
oder Intellectuni. Setzen wir diese Terminologie in unsere heutige Sprechweise um, so
sagt Albert, dass sich das intollective, d. li. auf die Allgemeinbegriffe der Dinge bezügliche
Denken im intellectiven \\'csen der Seele vc^rmittelt, welche die Fähigkeit hat, die Ein-
drücke der Sinnendinge in der Form sinnlicher Vorstellungen in sicli aufzunehmen, und
krafr ihres intellectiven Wesens in intellective Gedanken umzusetzen. Die Thätigkeit des
Intellcctus beschränkt sich aber nicht auf die Hervorziehung der reinen Intelligibilien
aus den sinnlichen Vorstellungen, sondern schreitet dann weiter auch im Aneinander-
halten der actuirten Gedanken zu den logischen Functionen des Urtheilens und Schliessens
vor, um aus der intellectiven Erkenntniss des Einzelneu ein zusammenhängendes Wissen
zu erzeugen. Dieses Wissen muss, nach der Beschaffenheit der Grundlagen und Voraus-
setzungen der Erkenntnisslehre Albert's und der peripatetischen Scliolastik insgemein,
durchaus einen demonstrativen Charakter haben; das Wissensziel derselben ist eine auf
der Grundlage der zeitlichen Erfahrungserkenntniss des Menschen aufgebaute demon-
strative Vernunfterkenn tniss, deren geistige Hinterlage die durch den Intellectus agens
actuirten Gedanken der sinnlichen Einzeldinge sind. Sofern die zeitliche Sinnenwelt
durch sich selbst auf eine überzeitliclie und überweltliche Causalität ihres Daseins
hinweist, reicht allerdings diese demonstrative Erfahrungswissenschaft weit über die
empirische Wirklichkeit hinaus, und ist geeignet, das menschliche Denken in den
Zusammenhang einer geistig aufgegriffenen allgemeinen, und alles Seiende umfassenden
Ordnung hineinzuführen. Sofern in dieser Art des Denkvorgehens die höhere übersinn-
liche und unsichtbare Wirkliclikeit aus der sinnlichen, sichtbaren Wirklichkeit abstra-
hirt wird, muss sie nach Analogie der sichtbaren Weltordnung gedacht werden, und
erscheint als die höhere verallgemeinernde Fortsetzung der ihr eingegliederten sichtbaren
Ordnung, deren Umschluss und Abschluss sie bildet. Im mikrokosmischen Menschen-
gebilde ist diese ganze Ordnung in verjüngtem Massstabe nachgebildet; während seine
sichtbare leibliche Erscheinung den Gegensatz der sichtbaren Ober- und Niederwelt
darstellt und zur Einheit vermittelt, reproducirt seine seelische Innerlichkeit in ihrer
dreifachen Begabung als leibliches Vegetationsprincip, als Sensations- und Intellections-
princip die Reihe der Lebewesen vom niedersten irdischen Lebenskreise an bis zu den
leiblosen Intelligenzen hinan, mit deren Ordnung die menschliche Seele in der auf-
steigenden Reihe der Lebewesen zunächst sich berührt, und erfasst, über sie hmaus-
greifend, im Denken unmittelbar das Höchste, Göttliche selbe*-, dessen Ideen von den
Weltdingen ihr, wie Albert ausdrücklich sagt, concreirt sind, obwohl sie dieselben,
in der irdischen Zeitlichkeit nur durch das Mittel der sinnlichen Anschauung, und so
weit der Bereich dieser reicht, in sich zu actuiren vermag. Man sieht, dass Albert von
seinem Denkstandpunkt aus zu einer Universalanschauung der Dinge vorzudringen ver-
mag. Aber das Denken, durch welclies er sie erringt, ist ein relatives Aufgehen in der
Welt der Gegenständliclikeiten, in welche es versenkt ist; die Kraft der centralen Zusammen-
fassung des in seiner unermesslichen Ausbreitung erfassten Ganzen muss da fehlen, wo
die menschliche Seele noch nicht selber als die allgemeine geistige Fassung der Welt-
dinge erkannt worden ist, und die Functionen des Intelleetes sich auf die ideellen Appre-
hensionen der Einzeldinge beschränken. Alles Weitere, was sich an diese Apprehensionen
knüpft, ist bloss logische Denkfunction, die auf Grund eines dem Intellecte eignenden
Habitus prineipiorum vor sich geht; diese Principia selber sind rein formale Regulativ-
Der Entwickelungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Alueutüs Magnus. 141
principien des logischen und sittlichen Denkens, durch welche eine richtige Verbindung
und Verknüpfung der ideellen Apprehensionen des Intellectes, und die richtige Abfolge
der Conclusionen aus den intellectiven Apprehensionen sichergestellt ist, während sie
selber einfach als gegebene Thatsachen hingenommen werden. Sobald das scholastische
Denken vom Artbegrift" zum Genus aufsteigt, tritt es aus dem Bereiche der Idealappre-
hension heraus und auf den Boden des bloss formalen Denkens hinüber; dass die Älehr-
heit diflferenter Arten selbst wieder nur eine lebendige Explication der Idee eines bestimm-
ten gencrischen Seins sei, wird auf diesem Standpunkte eben so wenig erfasst, als die
lebendige Verschlingung der Genera unter einander und die in diese Verschlingung
aufgenommene Wechselbeziehung alles unter die Genera fallenden besonderen Seienden;
und so kann dann die Seele, welche als abschliessende höchste Form alles Sichtbaren den
intellectiven Begriff alles ihr subordinirten Seins in sich aufgehoben tragen muss, freilich
nicht dazu kommen, Idealapprehensionen aus sich zu erzeugen, die über die Species der
Einzeldinge hinausgingen. Dass jede Idee eines besonderen Dinges in einer höheren
Idee, diese in einer in ihrer Art höchsten aufgehoben sein müsse, und alles unter die-
selbe Befasste aus ihi- heraus erkannt werden müsse, dass ferner die Seele die Ideen
aus den Dingen nicht abziehe, vielmehr in sie hineinschaue, dass die gesammte der Seele
subjicirte Wirklichkeit in ihr gleichsam sich selbst licht und durchsichtig werde, wenn
schon dieses Licht im Vergleiche mit jenem der höchsten reinen Intelligenz ein schwaches
dämmei-ndes Licht ist, wii-d auf dem Standpunkte der peripatetisch - scholastischen Spe-
culation nicht erkannt. Gleichwohl vollzieht sie speculative Idealfunctionen, die über die
von ihr selbst den Idealapprehensionen gezogenen Gränzen hinausgehen; wenn sie jegliches
Sein einer niederen Art in dem allgemeineren einer nächst höheren Art, die Elemente
im leblosen corpus mixtum, dieses in der Pflanze, die Pflanze im Thiere u. s. w. auf-
gehoben sein lässt, so vollzieht sie Acte einer Idealapprehension, welche sie fälschlich
für blosse Aufweisungen erfahrungsmässiger Thatsächlichkeiten hält. Sie trägt also einen
speculativen Denkgehalt in sich, dessen sie sich selbst nicht als solchen bewusst ist, und
übt Haushaltung mit einem Gute, über dessen Werth und Bedeutung sie sich bei sich
selbst nicht vollkommen verständiget. So verhält es sich auch mit ihrer Anschauung von
der Seele als einer Quodammodo similitudo omnium; beschränkt sich der Begriff dieser
Omnia nicht auf die Einzeldinge als solche, rechnet man zur wahrhaft geistigen Erkennt-
niss ihre vielfältige Verschlingung und Wechselbeziehung, die Eines aus dem Anderen,
und Alles aus einem in ihnen sich explicirenden Höchsten bestimmter Art erklärt, fasst
man endlich die Omnia selbst als lebendige Einheit und Totalität, so muss die Seele
nicht bloss das A ermögen ideeller Einzelapprehensionen haben, sondern ihrem Wesen
nach die Kraft ideeller Durchdringung des sichtbaren Weltganzen in der Macht leben-
diger Erkenn tniss sein; sie muss die Welt als lebendiges Totum aus sich zu reproduciren
vermögen. Dann aber ist es unpassend zu sagen, dass die Ideen der Dinge der Seele
concreirt, also gewisser Massen ihrem eigenen Sein aufgesetzt seien; es gehört zu ihrem
intellectiven Wesen, diese Ideen aus sich selbst hervorzustellen, und die Berührungen mit
der äusseren AMrklichkeit sind für sie nur Anstösse und Sollicitationen, diese Ideen aus
sich selbst hervorzubringen, wobei unerörtert bleiben mag, wie viel und wie weit die
Erfahrung und erfahrungsmässige Wirklichkeit auf den inneren iMenschen einwirken muss,
um die Seele zu solchen intellectiven Bethätigungen- ihrer selbst zu vermögen.
J42 K. WmiNKR,
Die Seele ist ilirom AVescii nach cognoscitiv und intellectiv, und es ist demzufolge
unthunlicli und uiuuigeinesson, ihre Erkeniitnissfähigkeit von ihrem Wesen abzutrennen.
Sie ist nur nicht das Erkennen selber, so wenig das Auge das Sehen selber ist; sie ist
auch die Kraft des Erkcmnens nicht schlechthin, weil ihre Erkenntniss keine absolute,
sondern eine bedingte und begränzte ist, obschon sie eine Kraft des Erkennens per
eminentiam ist, weil eben das intellective Erkennen das wahre, eigentliche Erkennen
ist. Aber sie ist ihrer Natur nach intellectiv, und in diesem Sinne mag man von ihrer
Intellectivität wohl sagen, was Albert vom Intellectus possibilis sagt: Fluit ab ea, quod
(anima) est. Nur darf dieses Fluere nicht in jenem metaphysisch - realistischen Sinne
genommen werden, in welchem Albert es versteht, sondern bloss als die bildlich aus-
gedrückte Aussage einer denknothwendigen Folgerung aus dem Wesen der Seele, deren
unverlierbares Attribut eben aus ihrem Wesen fliesst. Freilich kann man nicht sagen,
dass ihre denknothwendige und von iJirem Sein unabtrennbare Intellectivität ihr ganzes
Sein und Wesen erschöpft. Sie ist ja nicht bloss ein denkhaftes, sondei'n auch ein
begehrendes Wesen; und der Grund ihres denkhaften und begehrenden Wesens ist nicht
selbst wieder Denken und Begehren, sondern der denknothwendige reale Träger beider
Functionen, die, wie sie von einander unterschieden sind, auch ein von Beiden unterschie-
denes Gi'undseiendes voraussetzen, das weder im Denken noch im Begehren aufgeht, ob-
schon letzteres dem Grunde der Seele noch näher ist, und das Wesen derselben von einer
allgemeinei'en Seite charakterisirt, als der von der Seelennatur unabtrennliche intellective
Charakter derselben. Das Begehren der unerfüllten Seele steigt aus dem, dem Selbst-
sehen der Seele entzogenen Grunde ihres AVesens auf, und weist instinctiv auf denjenigen
hin, in welchem sie die absolute Ausfüllung und Befriedigung ihrer selbst sucht; das
Begehren ist der Seele als Creatur eigen, die Intellectivität ist ihr eigen, sofern sie Geist
ist. Da sie aber nicht der absolute Geist, und demzufolge auch nicht absolut Geist ist,
so muss in ihr dasjenige, dessen Wesensqualität die Geistigkeit ist, als Substrat und
Träger derselben von der Wesensqualität selber unterschieden werden. Hieraus, dass in
der Seele dasjenige, quod substat, niciit in der Intellectivität als solcher aufgeht, erklärt
sich die Möglichkeit ihrer lleceptivität für Sinneseindrücke und ihrer Coalescenz mit
dem Sinnenleibe, dessen Empfindungszustände in gewissem Sinne ihre eigenen Zustände
sind. Die Cartesische Philosophie that demnach nicht wohl, die scholastische Unter-
scheidung zwischen Substanz und Kräften, Wesen und Vermöglichkeiten der Seele zu
verwerfen; nur dürfen freilich die , Vermögen' nicht, wie es in der etwas äusserlichen
Sprech- und Denkweise der peripatetischen Scholastik mitunter den Anschein hatte, als
etwas der Substanz Affigirtes, zu derselben Hinzugekommenes angeseben und behandelt
werden. Es wäre diess eben so ungehörig, als die oben erwähnte Vorstellung von einem
Ausfliessen oder Ilervorfliessen der intellectiveYi Potenzen aus der intellectiven Seelen-
substanz; die bildliche Ausdrucksweise ist da, wie Leibniz gelegentlich bemerkte, eigent-
lich nur eine Verlegenheitsphrase, welche die Stelle des rationalen Gedankens vertreten
soll. Indem wir in den geschaffenen Intelligenzen das Substans (id quod substat) von
der Qualität und Begabung des Intelligenzwesens abtrennen, dürfen wir weiter auch den
specifischen Unterschied zwischen den Substanzen des seelischen und englischen Wesens
nicht verkennen, deren erstere eine Wesensverbindung mit der sinnlichen Leiblichkeit
verträgt und fordert, während die- letztere sie ausschliesst. Ist die menschliche Seele
ihrer Natur nach sensibel, so bedarf es nicht der Annahme einer besonderen, gleichsam
Der Estwickklungsgang der mittelalterlichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 143
in der anima intellectiva aufgehobenen anima sensibilis, so wie weiter die natürliche
Lebendigkeit des Seelenwesens, die zufolge des höheren, die organische Leiblichkeit
weit tiberragenden Essentialitiitsgrades, der Belebungswirkung auf den Leib nicht bar
gedacht werden kann, die Annahme einer im intellectiven Seelenwesen gleichsam auf-
gehobenen anima vegetativa als überflüssig erscheinen lässt. Der Satz aber, dass die
menschliche Seele wesentlicli und ihrer Natur nach sensibel, also niclit rein Geist sei,
macht es möglich, die bereits von den mittelalterlichen Mystikern angestrebte Verleben-
digung des scholastischen Seelenbegriflfes anzubahnen, und den specifischen Ort für die
Memoria aufzufinden, rücksichtlich dessen Albertus, wie wir oben sahen, augenscheinlich
in einer gewissen Verlegenheit war. Der menschlichen Seele ist das Innern und Erinnern
wesentlich; die Stätte der Innerung und Erinnerung ist das Herz, dessen leibliche
Basirung und Locirung bereits anzeigt, welche Stellung ihm gegenüber dem im Haupte
tlironenden Willen und Verstände angewiesen ist. Zugleich aber ist das Herz als Gemüth
der Grundansatz der menschlichen Selbstigkeit, die als eine entwickelte imd ausgebildete
im intellectiven Elemente sich mit sich vermittelt und zur o-eistig-- sittlichen Geltung
bringt. Ist die Seele wesentlich sensibel, so begreift sich auch, weshalb die mensch-
liche Seele im Unterschiede von den intellectiven Engelnaturen wesentlich das Prädicat
Rationalis hat-, Rationalität und ]Moralität sind die specifischen Perfectionen des irdischen
Zcitlichkeitsstandes der Seele, welchem mit Rücksicht auf das geschichtliche Zeitdasein
des Menschen auch die Seelenvermögen der Memoria und Reminiscentia, von welchen
wir Albert oben sprechen liörten, als Zeitgedächtniss specifisch appro]3riirt sind.
Der Intellectus agens bedeutet als Auswirker des intellectiven Erkennens in der Sprech-
weise Albert's dasjenige, was wir Geist nennen würden; wenn er ihn von dem Quo est
oder Forniprincip der intellectiven Menschenseele ableitet, so will damit wohl nichts
anderes gesagt sein, als dass er das Activprincip der intellectiven menschlichen Erkennt-
niss ist, und die Intellectivität zur unabtrennlichen Wesensform der menschlichen Seele
gehöre, wie Albert gegen die emanationistisch-illuministische Anschauungsweise Avicenna's
zu betonen sich gedrungen fühlte. Der Intellectus agens ist die der menschlichen Seele
immanente und wesentlich eignende geistige Lichtkraft, in deren Macht das 'gesammte
immanente Selbstleben der Seele sich geistig hellen soll. Bei dieser Erweiterung und
Vertiefung seiner Bedeutung aber hört er auf, ein besonderes Vermögen zu sein, was
auch nothwendig ist, weil er als besonderes Vermögen im Organismus der Seelenkräfte
auf Kosten des sittlichen Willens die oberste Stelle einzunehmen hätte. Albert ist zwar
weit davon entfernt, die Vokmtarietät der menschlichen Handlungen oder die Wahlfreiheit
des menschlichen Willens in Abrede zu stellen, behandelt aber das Willensvermögen
doch ganz nur in Gefolge des Intellectionsvermögens, und kommt nicht dazu, es als
Vermögen der persönlichen Selbstbestimmung zu fassen. Er subsumirt den Willen unter
den allgemeinen Begriff des Begehrens, und definirt ihn als das Begehren der anima
rationalis. Das Begehren als solches ist auf das Gute gerichtet; das Begehren der anima
sensibilis geht auf das in die sinnlich -räumliche Gegenwart gerückte besondere Gut
(bonum sub hie et nunc), das Begehren der anima rationalis auf dasjenige, was unab-
hängig von solchen particularisirenden Beschränkungen gut, ein schlechthin Gutes ist.
Die Wahlfreiheit besteht im Vermögen, zwischen dem bonum in se und bonum sub hie
et nunc, so wie zwisclien dem bonum simpliciter und malum simpliciter eine Wahl treffen
und für eines von Beiden sich entscheiden zu können. Wer sieht nicht, dass dieses Vei'-
144 ^' Wehner.
inügcii der iVciiMi AN'alil imniitcn verschiedener und entgegengesetzter Begehrungsantriebe
(IrrANille im rio-entlichen Sinne des Wortes und demzufolge etwas seinem Begriffe nacli
vom Beo-eliren als solchem Verschiedenes ist? Man kann also mit ffutem Grunde sajj'en,
dass die Thelematologie Albert's nicht bloss ganz unl'ei'tig, sondern in einem sehr wesent-
lichen Punkte sogar mangelhaft, um nicht zu sagen, fehlerhaft ist. Der Grund dessen
liegt unzwcifelluvft durin, dass Albert nach dem Vorgange und Muster seines Lehrers
Aristoteles nur die Natur der Seele, d. i. die Seele nur als unpersönliches Substantial-
wcsen in's Auge fasste und zergliederte. Der Wille als Vermögen der Zwecksetzung
lieisst bei ilim Intellectus practicus; diess ist in soferne richtig gesagt, als der AVillc
dem Geiste angehört und der Geist, wie er Uenkkraft ist, so auch Kraft und Vermögen
der Selbstbestimmung ist. Aber der Intellectus als solcher ist doch immer nur ein
Habitus des Erkennens, der Intellectus practicus ein Habitus des Erkennens quoad agi-
bilia; somit ist nicht er der Handelnde oder zum Handeln Bestimmende, sondern er ist
nur der geistige Veranlasser des Handelns, und es ist schon zu viel gesagt, wenn ihn
Albert als Motor des Handelns oder des Willens bezeichnet. Der Intellect kann nie
Beweger, er kann nur Erreger des Willens sein; denn der menschliche Wille bewegt
sich aus sich selbst, er ist seinem Wesen und Begriffe nach das Vermögen persönlicher
Selbstbestimmung. Dieser Begriff des Willens, der mit der Idee der persönlichen Selbstig-
keit des Menschen aufs engste verwachsen ist, ist nun bei Albert offenbar nicht heraus-
gebildet, und jeder Anlauf dazu ist schon im Voraus durch die Bestimmungen
über den Intellectus pi-acticus niedergehalten, die er aus Avicenna in seinen eigenen
Denkzusammenhang herübernimmt. Denn in diesen Bestimmungen tritt der Intellectus
practicus wenigstens formell geradezu an die Stelle der persönlichen Selbstbestimmung.'
So weit er speciell auf das sittliche Handeln und Wirken bezogen ist, ist er mit der
sittlichen Vernunft identisch; denn als Habitus der obersten Grundsätze und Gebote
des sittlichen Handelns ist er ja mit der Synderesis identisch,^ und soweit er darauf
ausgeht, die rechte sittliche Ordnung im geistig - sinnlichen Wesen des Einzelmenschen
und in der menschlichen Societät zu schaffen und anzubahnen, fungirt er als werkthätige
sittliche Vernunft.'' Die sittliche Vernunft erscheint da als eine besondere Abtheiluno-
der allgemeinen praktischen Vernunft, oder wie Albert sicli ausdrückt, des Intellectus
practicus, dessen Aufgabe im Allgemeinen ist, die dem menschlichen Verstände unter-
thane Wirklichkeit schaffend und ordnend zu bilden und zu gestalten. Diess ist nun an
sich gewiss ein schöner und grosser Gedanke; nur wird er von Albert nicht nach der
' Dicit Avicenna, quod intellectus practicus est vis activa quae est principium movens corpus hominis ad aetioiies singulas,
quae sunt projiriae cojjitationis, secundum quod intentionibus convenit, quae ad j)lacitnm praeparantur ei ... . Diceiidum
quod diffinitio Avieennae bona est, et datur in conijiaratione ad ea, quae sunt ex intellecfu practico. Praxis enim idem est,
quod opus; omne auteni opiis Imniamim est per corpus, sive sit in luoribus liunianis per consuetudinem, sive sit per naturam
exterius in artibus meclianicis; et propter boc dieitur intellectus practicus movens corpus. Quia vero intellectus, ut dicit
Avicenna, niovet per suam scientiani, secundum quod est scientia dispositio opcrabilium, ideo dicit Avicenna, quod illud
principium est ad sinffulas actiones, quae sunt propriae cogitationis, secimdiim quod intentionibus convenit, quae pi'aeparantur
ei ad placitum. O. c. II, qu. Ol, art. 1.
- Intellectus practici — sagt Albert 1. c. — est ordinäre principia respicientia opus. Haec autem sunt in ojjere (siehe darüber
folg. Anni.), aut in ratione operis .... Si est in ratione operis, tunc est in pi-incipiis, quibus regitur intellectus in opere,
quae sunt acccjita nt jier so nota in operationibus, sicut quod nientiri est turpc, et quod uuicuique tradendum est, quod
suum est.
'■> Mit Beziehung auf die princii>ia in ratione operis (siehe vor. Anni.) bemerkt Albert: Sunt aut in ratione operis pertineutis
ad consnetmlinem (i. e. mores) .... ant vero pertinet opus ad naturam extra, sicut in artibus mechanieis. L. c.
Der Entwickelunüsgang der mittelalteklichen Psychologie von Alcuin bis Albertus Magnus. 145
ganzen Fülle seines Inhaltes gedacht, auch treten ihm die specifischen Unterschiede
dessen, was unter den Aufgaben des Intellectus practicus inbegriffen ist, nicht distinct
genug hervor. Wenn er neben den sittlichen Operationen des praktischen Intellectes
nur die mechanischen, d. i. die Künste und Handwerke oder alle auf den Nutzen und
die Annehmlichkeit des Lebens abzweckenden Thätigkeiten zu erwähnen weiss, so muss
man wohl annehmen, dass er alle anderen höheren Functionen des praktischen Intellectes
unmittelbar unter die sittlichen Operationen rechnen will, was gewiss an sich richtig
ist, dass Alles, was auf Staat, Recht, bürgerliche Gresellschaft sich bezieht, in die Kategorie
des sittlichen Culturdaseins der Menschheit einzubeziehen ist, also wesentlich der Wissen-
schaft der Ethik zur Würdigung anheimfällt. Albert denkt aber bei der Ethik zunächst
bestimmt nur an die Regeln für das Verhalten des sittlichen Einzelindividuiuns, oder
hat jedenfalls sein Nachdenken über die Gegenstände der Ethik nicht über das Gebiet
der persönlichen Moral des Einzelindividuums hinaus verfolgt. Indess eben diese Beschrän-
kuno- seiner moralischen Reflexion auf die Sittlichkeit des Einzelindividuums hätte es
ihm erleichtern sollen, den specifischen Unterschied zwischen den Operabilibus morali-
Inis und Operabilibus mere factlbilibus schärfer in's Auge zu fassen und in letzteren
ein ganz anderes Genus laborum zu erkennen, welches mit dem ersteren nur die Selbst-
anstrengung des Menschen oder des sittlichen Willens gemein hat, während Object, Inhalt
und Ziel der beiderseitigen Arbeit völlig verschieden sind. Die Aufgabe der sittlichen
Arbeit ist die sittliche Selbstvervollkommnung und Selbstvollendung des Menschen; diese
Aufgabe weist auf ein über den praktischen Weltverstand hinausliegendes Ziel hin, indem
sie die Vollendung des Menschen für die Ewigkeit vmd zum ewigen Sein in Gott im
Auge hat. Der praktische Intellect der aristotelischen Philosophie beschränkt aber seinen
Gesichtskreis lediglich auf die diesseitigen zeitlichen Angelegenheiten des Menschen, und
heisst eben darum der praktische Weltverstand. Albert hätte demnach erkennen sollen,
dass sich die sittlichen Operationen des Menschen nur sehr relativ unter die Gesichts-
punkte des Intellectus practicus als solchen luiterordnen lassen, und dass das Gebiet der
Operabilia moralia ein in sich geschlossenes Gebiet von Thätigkeiten ist, deren specifisches
Wesen die Selbstbestimmung des sittlichen Willens nach den Forderungen des Gewissens
ist. Allerdings muss in allem freithätigen Thun und Handeln des Menschen Sittlichkeit
sein; aber es fällt unter die Kategorie der sittlichen Beurtheilung nur insofern, als es
sich um ein unmittelbares Verhältniss des freithätigen Thuns und der persönlichen Selbst-
bestimmung zu den Forderungen des Gewissens handelt. Die Sittlichkeit ist eine speci-
fische Form des freithätigen menschlichen Handelns , und zwar die specifische Form
dieses Handelns als solchen, welches demzufolge auch ein specifisches Formprincip invol-
virt und einem selbsteigenen, specifisch nur ihm appropriirten Beurtheilungsprincipe unter-
liegt. Die specifische Form des sittlichen Willens ist die Gewissenhaftigkeit oder die
Bestimmtheit desselben nach den Forderungen des Gewissens, das Gewissen aber eine
im inneren Seelenmenschen vorhandene Macht des Gebietens und Verbietens, die als
solche vom Intellecte, dem theoretischen sowohl als dem praktischen, sicJi auf's Bestimm-
teste unterscheidet. Denn der praktische Intellect als solcher ist doch nur auf das Zweck-
mässige und Zweckdienliche als solches gerichtet, setzt also die Kenntniss des Zweckes
als solchen voraus, die ihm durch den theoretischen Intellect geboten sein muss; der
praktische Verstand ist, soweit er speciell auf das Sittliche gerichtet ist, ein Vermögen
der sittlichen Zwecksetzung, der Wille und Entschluss aber zu einer solchen Zweck-
Deiikschiiften der pLil.-liist. Cl. XXV. Jid. 19
14(j K. Werner.
Setzung ist nicht eine That des Intellectes als solchen, sondern des sittlich gestimmten
^Yillens, der sittlicJi gestimmte Wille jedoch ist eben mir durch die Macht des Gewissens
determinirter Wille. Das Gewissen als eine dem menschlichen Sceleninnern immanente
Macht des Gcbietens und ^ erbietens ist inchr als ein blossei- intellectiver Habitus prin-
cipioruni operabilium; es ist die im menschlichen Seeleninnci-n verlautende Ankündigung
und Vernehmbarmachung eines höchsten absoluten, über das Zeitdasein hinausgreifenden
Zweckes, um dessen willen der Mensch ist, lebt und wii-kt, die Selbstverlautbarung
der im freithätigen Leben, Thun und Wirken zu verwirklichenden sittlichen Idee, und
darin der Idee des eigenen gottgedachten Selbst des Menschen. Wenn Albert alle Ope-
rabilien des praktischen Intellectes, somit auch jene der sittlichen Vernunft unter die
Pafticularia verweist, weil alles menschliche Wirken als solches auf etwas bestimmtes
Besonderes geht,' so lässt sich diess allerdings insofern als wahr rechtfertigen, als alle
besonderen sittlichen Leistungen und Erfolge im Yerhältniss zur sittlichen Gesammt-
aufgabe nur Theilleistungen und Theilerfolge sind; es wird jedoch übersehen, dass jede
sittliche Handlung und Leistung als solche etwas ist, das um seiner selbst willen Werth.
und Geltung hat, somit ein ideales Gut ist, welches nur in seiner Erscheinung, nicht
aber seinem inneren Wesen und Gehalte nach der in den Bereich der j)articularisirenden
Yerendlichungen hineingezogenen sinnlich -irdischen Welt angehört. Dasselbe Hesse sieb
wohl auch von allen anderen irdischen Schatfensthiltigkeiten sagen , welche über die
blossen Nützlichkeitszwecke hinausreichend zur Veredlung und Verschönerung des zeit-
lichen Menschheitsdaseins dienen. Wir werden nunmehr auch begreifen, weshalb Albert,
der in der Einbildungskraft bloss ein Vermögen der anima sensibilis sah , von der
Phantasie als einer Vertiefung der sinnlichen Imagination im Elemente idealer Apper-
ceptionen nichts wusste.
Wir haben nunmehr noch einen vergleichenden Blick auf die nicht ganz unerheb-
lichen Differenzen zu werfen, welche sich bezüglich der Theorie der Seelenkräfte zwischen
Albert und Alexander Halesius hervorstellen. Alexander unterscheidet gleich Albert
zwischen Erkenntnisskräften und Bewegungskräften der anima sensibilis und anima ratio-
nalis, setzt sieb aber ungleich weniger als Albert mit Ai'istoteles und seinen arabischen
Commentatoren auseinander, daher schon aus diesem Grunde seine Darlegung sich über-
sichtlicher als jene Albert's gestaltet. Obschon bereits vollkommen auf dem Boden der
Peripatetik stehend, ist er doch noch entschieden vom Geiste der Mystik des zwölften
Jahi'hunderts angehaucht, was in seiner Lehre von den Erkenntnisskräften der mensch-
lichen Seele sichtlich hervortritt. Er subsumirt dieselben unter einen doppelten Seelen-,
sinn, den sinnlichen und geistigen Sensus animae.^ Den ersteren, welchen er der anima
sensibilis zutheilt, scheidet er in einen äusseren und inneren, jeden derselben als fünf-
fältiffes Vermögen nehmend. Die fünf Vermögdichkeiten des äusseren Sensus animalis
sind die fünf Sinne, die in dem bereits zum inneren Sensus sensibilis gehörigen Sensus
communis wurzelhaft geeiniget sind. Dass Alexander den Sensus communis bereits zum
inneren Sensus animalis zählt, dürfte wohl keine zufällige Abweichung von Albert sein,
sondern darin seinen Grund liaben, dass er, wie wir oben sahen, das Seelenwesen leib-
freier fasst als der in diesem Punkte streng peripatetische Albert. Die übrigen vier
' O. c. II, qu. Ol, art. 4.
- Sumni. theol. II. quaustt. 615. 07. 70.
Dee Entwickelungsgang dek mittelalteelicuen Psychologie von Aluüin bis Albertus Magnus. 147
Kräfte des fünffältigen innei-en Sensus sensibilis sind die Imaginativa, Excogitativa
Aestimativa, Memürativa. Unter dem Sensus spiritualis versteht er die Actualität der
Intellectivkraft der menschlichen Seele/ und will ihn nach Analogie der leiblichen
Sinne als eine niehrfältige Art der Ergreifung des Geistigen verstanden wissen/ Dass
diess auf das geistige Erkennen der Mystiker in der Weise Bernhard's Bezug habe, liegt
auf der Hand, wenn es Alexander auch nicht ausdrücklich selber sagen würde. Das
geistige Erkennen erscheint hier in's Geistliche transformirt, dem natürlichen philoso-
phischen Erkennen substituirt sich das erleuchtete christliche Erkennen. Von den Auf-
gaben des praktischen Weltvei'standes, welche für Albert zufolge seines Eingehens in
den Geist des Stagyriten so bedeutend in den Vordergrund treten, dass sie, wie wir
sahen, auch seine Schematisirung der Seelenvermögen beeinflussen, wendet sich Alexander
einfach ab. In Bezug auf den theoretischen Intellect betont er die Nothwendigkeit einer
dreifachen Unterscheidung desselben als intellectus matertalis , possibilis und agens;
ersterer kommt der Seele zu, sofern"* sie Formprincip des Leibes ist, der zweite, sofern sie
vom Leibe trennbar ist, der dritte, sofern sie eine vom Leibe verschiedene Wesenheit
ist.' Der Grund der Unterscheidung des Intellectus materialis vom possibilis scheint
wohl vornehmlich dieser gewesen zu sein, die Sensationsfahigkeit der intellectiven
Menschenseele zu betonen. Zufolge dieser Sensationsfähigkeit soll aber auch die in den
Intellectus materialis recipirte sinnliche Vorstellung fähig gemacht Averden , in einen
Intellectualgedanken umgesetzt zu werden; der Intellectus possibilis ist dazu da, den
aus dem Intellectus materialis durch den Intellectus agens educirten Lichtgedanken zu
appercipiren und retiniren. Als Bewegungskräfte der anima sensibilis werden von
Alexander die Phantasia, Aestimativa, Concupiscibilis, Irascibilis, und mit Augustinus
sodann noch speciell die Sensualitas aufgezählt,'' welche die Eigenschaften der vier
vorausgehenden vires motivae in sich vereiniget, indem sie theils zur Bewegung disponirt,
theils selber bewegend fortreisst. Die vires motivae der anima rationalis lassen sich
scheiden in gebietende, rathende und ziehende (affectivae). Gebietende Bewegungskräfte
sind die freie Selbstentschliessung (liberum arbitrium, sagt Alexander) und die Synteresis,
rathende Bewegungskräfte die höhere und niedere Ratio, affective Bewegungskräfte der
natürliche Wille (ÖsÄTjat?) und der überlegte Wille (ßo6XY;aic), welche beide sich zu
einander verhalten wie die Synteresis zum liberum arbitrium. Es gibt aber Bewegungs-
kräfte, die zugleich berathend und affectiv sind, und diese lassen sich wieder in solche
unterscheiden, die der Seele mit dem Engel gemein sind, und in andere, die der ratio-
nalen Seele als solcher eigen sind. Erstere sind der Intellectus practicus und die vis
uppetitiva, letztere sind das Rationale, Irascibile, Concupiscibile. Man sieht, dass diese
' Sensus spiritualis fuiKlatnr in natura spirituali, quia Spiritus est super mentem, seu secundum quod anima secundum intel-
lectura dicitur spiritns. Et non loquor de sensu spirituali, secundum quod in futuro saeculo sensus corporales fient sjiiri-
tuales, sed sicut dicitur Kom. li': Renovamini in novitate sen.sus vestri. O. c. II, qu. 70, mbr. I.
^ Flures dicuntur .sensus, non quod potentiae plures sint, sed projjter niodum coniprehendendi. Alius est enim modus com-
preheiidendi, cum dicitur: Iste videt, quam cum dicitur: Iste audit. Augustinus Lib. Confess. : Cum amo Deum meum, lucem
meam, odoreni, vocem, cibum, amplexum interioris liominis mei, ubi fulget animae meae, quod non capit locus, ubi sonat,
quod capit corpus, ubi ölet, quod non spargit flatus, ubi sapit, quod non minuit edaeitas, ubi haeret, quod non divellit
societas. L. c, mljr. 2.
' Intellectus possibilis animae se habet ut separabilis et conjung-ibilis ; et ideo suum intelligere proportionale medium est inter
intelligere speciem abstractam in pliantasmate et speciem omnino separatam. Et boc est intelligere speciem abstractam a.
phautasmate. O. c. II, qu. 69, mbr. 3, art. 2.
* O. c. II, qu. 68.
19*
148 K. Werner.
Unterscheidungen darauf angelegt sind, der Selbstbestiramungsmacht des sittliclien Willons
die ihm zukommende Bedeutung zu wahren, und dieselbe auch In klarer Erkennbarkeit
hervortreten zu lassen. Dem Probleme der Willensfreiheit wird eine sehr umständliclie
Erörterung gewidmet,' und die RealitiU <lers(dbc^n iuu;li allen Seiten beleuchtet und
erhärtet; es entspricht diess jener Richtung, die sich in der Theologie des Ordens, dem
Alexander angehörte, im Gegensatze zu der vorwiegenden Betonung des Intellectes in
der Dominikanerschule geltend machte. Die Synteresis wird als potentia habitualis
gefasst; die Frage, ob sie eine von Vernunft und Wille verschiedene Potenz sei, wird
dahin beantwortet, dass beide, Vernunft und Wille, in ihr thätig seien, und zwar so,
dass man sie als sittlichen Vernunfttrieb bezeichnen könne. ^ Der ihr immanente Wille
Avird nämlich von Alexander als voluntas naturalis im Gregensatze zur voluntas deliberata
genommen, und hat somit einen unmittelbaren gleichsam naturnothwendigen Trieb der
anima rationalis zu bedeuten, dessen Richtimg wie Alexander weiterhin erklärt, auf das
die Ratio judicativa beschäftigende Sittliche geht. Man wird zugestehen müssen, dass
diese Erklärung der Synteresis auf den Namen einer psychologischen Erklärung der
Gewissensanlag-e Anspruch hat; eine psychologisch -pragmatische Erklärung wird man
sie freilich nicht nennen können, weil die abstract rationale Verfahrungsweise einen
psychologischen Pragmatismus im eigentlichen Sinne des Wortes überhaupt nicht auf-
kommen liess. Auch lässt Alexander ein die zusammengesetzte Gewissensanlage wesent-
lich mitconstituirendes Element unbeachtet; die feine Wahrnehmungsfähigkeit und Empfind-
lichkeit des Gewissens und die damit verbundenen Leidenszustände und Peinen des
verwundeten, schuldbewussten Gewissens bleiben unerklärt, wenn man es bloss als Trieb,
und nicht zugleich auch als Sinn fasst. Das Gewissen ist, psychologisch gedeutet, die
sittliche Sensibilität der Seele, eine Sensibilität, die ihr um ihrer Geistigkeit und gott-
verwandten Natur willen zukommen muss, und diesen beiden Wesensqualitäten der Seele
Zeugniss gibt. Das W^ahrnehmungsobject dieser Sensibilität ist zunächst die Hoheit und
Gottverwandtschaft des gottgeschaffenen Seelen wesens , das rohe Versehrungen seiner
Würde und Hoheit nicht verträgt, und in welchem sich deshalb jede freigewollte Selbst-
entehrung mit den bittersten Peinen rächt, die aus dem Widerspruche dessen, was der
innere Seelenmensch aus sich selbst macht oder machen will, mit demjenigen, was die
Seele ihrer Idee nach ist, naturnothwendig entspringen. In diesen Empfindungen der
Seele macht sich aber weiter auch die hehre Hoheit jener über den Bereich der sinn-
lichen Erscheinungswelt erhabenen Ordnung vernehmbar, welcher die Seele, und mit ihr
der ganze Mensch seiner Natur und Bestimmung nach angehört. Und so ist als Wahr-
nehmungsobject jener Sensibilität weiter die Heiligkeit der sittlichen Ordnung und ihrer
unverletzlichen Satzungen zu bezeichnen, oder das Numen, das auf dieser Ordnung ruht
und über sie ausgebreitet ist. Demzufolge involviren die G ewissensapperceptionen einen
unmittelbaren Contact der Seele mit Gott; er ist in den Regungen, Mahnungen und
Urtheilen des Gewissens in ihre unmittelbare Nähe gerückt. Dieser in den Appercep-
tionen des Gewissens sich vollziehenden Bertdarung der Seele mit den heiligen Gesetzen
der sittlichen Ordnung gibt denn auch Albertus Magnus Ausdruck,^ wenn er ,unvor-
1 O. e. II, qu. 72.
2 O. c. II, qu. 7:i, iiibr. 1.
'■> Summ, de creat. 11, qu. tjy, art. 1.
Dek EnTWIC'KELUNGSGANG der MITTELALTEBLiniEN PSYCHOLOGIE VON AlCUIN EIS AlBERTUS MaGNUS. 149
greiflicli', wie er sagt, sich daftir entscheidet, die Synteresis zu definiren als eine spe-
cialis vis animae, in qua secundum Augustinum universalia juris descripta sunt.
Albert fiigt seinen psychologischen Auseinandersetzungen am Ende noch J']rörterun-
gen über den gottebenbildlichen Charakter des menschlichen Seelenwesens an.' Er unter-
scheidet drei Stufen der seelischen Gottebenbildlichkeit, die er als imas:o creata. imaa-o
recreata, imago similitudinis aufeinanderfolgen lässt. Rücksichtlich der imago creata
lehrt er, dass sie dem Menschen in einem specifischen Sinne zukomme, in welchem sie
vom Engel als leiblosen Geiste nicht ausgesagt werden könne. Gott konnte Mensch
werden, während eine Engelwerdung nicht möglich ist; das Walten der Seele in dem
ihr eignenden Leibe ist eine Nachbildung des Waltens Gottes im Universum; wie der
göttliche A''ater einen Sohn hat, ist der Erstgeschaffene der Menschen Vater eines ihm
entstammenden Hauptes geworden. Obschon alle diese Ideen einer genaueren Durch-
bildung bedürftig wären, und die letztere derselben, das Vaterschaftsverhältniss betreffend,
mit der Gottebenbildlichkeit der Seele als solcher gar nichts zu thun hat, so ist durch
dieselben doch ein specifischer Unterschied der menschlichen Seele vom Engel und auch
eine relative Bevorzugung des Menschen in Bezug auf Begabung und Begnadung vor
dem leiblosen Geistwesen constatirt, welche nur, wie Albert lehrt, durch den höheren
Intelligenzgrad der leiblosen Geistwesen compensirt wird. Als Träger der gotteben-
bildlichen Anlage bezeichnet er mit Augustinus die mens, unter welclier er jedoch nicht
wie Augustinus die menschliche Seeleninnerlichkeit als solche, sondern den Geist oder
die höhere Vei'nimftanlage des Menschen versteht. Die Beschränkung der Gottebenbild-
lichkeit auf eine pars superior animae wird wohl mit der Unthunlichkeit der Auseinander-
scheidung einer pars superior und pars inferior animae von selber hinfällig, und lässt
sich auch mit der vorerwähnten specifischen Nachbildung des göttlichen Waltens durch
die im Mikrokosmos des menschlichen Leibesgebildes waltende Seele nicht füglich ver-
einbaren. Richtig ist indess, dass die Gelstanlage der menschlichen Seele die Hinterlage
und den Grundhalter ihrer gottebenbildlichen Qualität constituirt; nur ist es abermals
nicht zulässig, die Geistanlage, oder wie Albert den Augustinus commentirend sagt, die
ratio als superior pars animae so schlechthin als den Gott zugewendeten Theil der Seele
zu bezeichnen, da die Seele ihren gottebenbildlichen Charakter doch gewiss eben so
sehr in der geistigen Beherrschung der ihrem intellectuellen Machtvermögen imterstellten
Weltdinge, als in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit und Empfänglichkeit für das Himmlische
und Göttliche bekundet. Beide Seiten ihres Wesens bedinaren sicli vielmelir Avechselseitig-
SO dass keine ohne die andere gedacht werden kann, somit die gottebenbildliche Qualität
in beiden zugleich gesucht werden muss. Die Betonung der letzteren Seite, das Licht-
werden der Seele in der Hinwendung zum Himmlischen und Göttlichen bezieht sich
nicht mehr auf die Gottebenbildlichkeit als Anlage, sondern auf die imago recreationis,
bei welcher es sich um eine Erneuerung und Reactivirung, nicht etwa der an sich unver-
lierbaren Anlage, sondern der vci-dunkelten oder völlig oblitcrirten lebendigen Actualität
dieser Anlage, um eine Reintegration, Reinigung und Klärung des verdunkelten, beschä-
digten und entstellten Gottesbildes im inneren Seelenmenschen handelt. Insgemein ist
zu ej-innern, dass in der oben angeführten dreifachen Auffassung der imago als imago
creationis, recreations und similitudinis eigentlich zwei verschiedene Eintlieilungsgründe
1 O. c. II, qu. 72.
150 K. Wernek. Dek Entwickelvngsganu heu hittelaltekl. Psychologie von AecuiiN bis Aluektus Magnus.
ineinanderfliessen, indem sicli jene di-eil'ache Unterscheidung auf den doppelten Gegen-
satz der ur.sprünglielien und der wiedererneuerten, der potentialen und der actualisirten
Gottebenbiklliclikeit bezieht. Die imago similitudinis bedeutet die vollkommen actuirte
Gottesbildlichkeit, die nach ihrem ächtpsychologischcn und rationalen Verständniss eben
nur die distincte Hervorbildung dei-selben iui inneren Seelenmenschen bedeuten kann.
Albert bezeichnet mit Augustinus Memoria,' Intellectus und Voluntas des in Gott geklärten
Menschen als die distincten einander integrirenden Actualitäten des seinem dreieinen gött-
lichen Urbilde actuell verähnlichten u-ottebenbildlicheu Menschenwesens. Wir ülauben,
dass auch hier wieder zwischen dem im natürlichen Entwickeluno-sleben des Menschen
von selbst sich vollziehenden Auseinandertreten der Triplicität von Herz, Geist und Wille
als einander integrirender Glieder und Spliären des immanenten Selbstlebens des inneren
Seelenmenschen, und zwischen der Klärung und Vollendung dieser drei Lebenssphären
im Elemente des Himmlischen und Göttlichen unterschieden, und demzufolge von einer
doppelten, einer natürlichen und einer ethischen Nachbildung der ui'bildlichen Dreiein-
heit gespj'ochen werden müsse. Audi liier geht abermals der gesammte innere Seelen-
mensch in der Dreiheit jener Sphären auf, in deren jeder er auf seine Weise als Ganzer
lebt, handelt und wirkt, so dass von einer Beschränkung der Nachbildung des göttlichen
Urbildes auf den höheren Seelentheil keine Rede sein kann, weil sich überhaupt nicht
zwischen einem höheren und niederen Theil der Seele unterscheiden lässt, vielmehr eine
solche Unterscheidung in der lebendig concreten Auffassung des inneren Seelenmenschen
sieh von selbst aufhebt. In dieser Auffassung vollzieht sich zugleich die concrete Ver-
lebendigung des scholastisch-peripatetischen Begriffes von der Seele als lebendiger Form
des Menschenwesens, die als solche keine andere, denn eine actuose sein kann, und auf
die lebendige Gestaltung und distincte Gliederung ihrer selbst angelegt sein muss, in
dieser Gestaltung und Gliederung ihrer selbst aber den inneren Seelenmenschen als
geistigen Prototyp und sublimirten Ausdruck der äusseren leiblichen Gestalt und Bildung
des Menschen zum Ausdruck bringen muss.
Memoria, aecundum quod est pars imaginis — heisst es Summ, de creat. II, q«. 72, art. 2, part. 2 — nihil aliud est nisi
thesaurus habitus natui-alis, qu! est cognitio veri et boni quod Deus est, et veri et boni quod anima sive mens est. Dieser
Schatz, von welchem Albert spricht, ist im menschlichen Herzen hinterlegt, und darum halten wir es für gcrechtfertiget,
der Memoria das Herz als das von Augustinus Gemeinte zu substituiren.
DIE
CATALANISCHE METRISCHE YERSION
DER
SIEBEN AYEISEN MEISTER.
VON
ADOLF MUSSAPIA,
WIRK!.. MITGLIEnK DER KAISERL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DEK SITZUNG AM 17. FEBEUAR 1875.
I. Die Handschrift.
Am Ende der Einleitung zu seinem Parnasse occitanien, Toulouse 1819, S. XLIX,
sagt Rochegude: ,En visitant les bibliotheques de plusieurs departements m6ridionaux,
nous avons trouve h, Celle de Carpenti-as deux volumes in-folio, manuscrits, sur papier,
d'une mauvaise ecriture, imparfaits et mouilles. Le premiei- volume contient le Breviari
d'amor, par Matfre Ermengaud Le second contient des fables et contes assez
longs et finit par des cliansons ;\ la Vierge Marie de quelques poetes du royaume de
Valence. Nous n'avons pas voulu les recueillir'. Im Journal des Savants vom Jahre 1842,
S. 52, sagt Libri: ,La bibliotheque de Carpentras est riebe en manuscrits en langue
romane. Dans un recueil en deux volumes, dont nous avons fait un releve exact, nous
avons rencontre une version en proven9al du Dolop-athos ou Roman des sept sages' et
une copie acepbale du Breviari d'Amor'. In seinem Essai sur l'bistorie de la litterature
catalane, Paris 1858, S. 35 und 41 — 45, kommt Cambouliu ebenfalls auf die Sammlung
zu sprechen; er hebt besonders die Sieben weisen Meister hervor und theilt die ersten
48 Verse mit. Eine ausführliche Beschreibung der Handschrift — welche die Zahl 377
trägt — findet sich im Catalogue descriptif et raisonne des manuscrits de la bibliothfeque
de Carpentras par C. G. A. Lambert, Carpentras 1862, I 197 — 211. Das uns angehende
Gedicht findet sich auf fol. 175 — 207. Lambert, welcher Cambouliu's Arbeit nicht gekannt
zu haben scheint, theilt 16 Verse aus dem Anfange mit. Auch Mihi y Fontauals ver-
zeichnet in seiner Studie über ,catalanische Dichter' in Ebert's Jahi'buche V 162 (der
Aufsatz ist von December 1862 datirt) unser Gedicht.
Durch die Güte des Herrn Prof. Dr. Wendelin Förster in den Besitz einer voll-
ständigen Abschrift des Gedichtes gelangt,^ entschloss ich mich zur Herausgabe desselben;
' Also provenzalisch statt catalanisch, und der Dolopathos mit den Sieben weisen Meistern identificirt; zwei Versehen, die dem
Verfasser, welcher kein Fachmann war und im J. 1842 schrieb, nicht hoch anzurechnen sind.
- Und zwar einer ül)eraus sorgfältigen, den Codex in allen Einzelheiten genau wiedergebenden Abschrift. Eine Reihe von
mir zweifelhaften Stellen wurde auf meine Bitte von Gaston Paris mit dem Codex coUationirt. Beiden verehrten Freunden
und C'ollegen spreche ich meinen innigsten Dank aus.
1 r p A. MUSSAHA.
eliunal ^^■ogvn dos Interesses, welches jede Version des so weit verbreiteten Erzählungs-
buches mit Hecht in Anspruch nimmt; dann um unsere noch so spärliclic Kunde des
altcatalanischen Scinnftthumes zu erweitern. Konnte noch neulich Konrad Hofmann, iih
er in den Denkscln-iften der Münchner Akademie, I. Cl. XII. Bd. 111. Abth., 1872,
einen Abschnitt aus Ramon LuU's Librc de maravoUes herausgab, mit einigem Bewusst-
sein hervorheben, dass diess der erste grössere catalanische Text sei, welcher in Deutsch-
land nach Handschriften erscheint, so wii'd die IMittheilung unserer gereimten Schrift
wo! kaum einer Rechtfertigung bedürfen.
Die Beschaffenheit der Ueberlieferung lässt Vieles zu wünschen übrig. Schon der
Umstand, dass sich unser Text in einem Sammelcodex findet, zeigt, dass wir es nicht
mit der Urschrift zu tluin haben; mehrere Lücken und manche Verderbnisse lassen dann
erkennen, dass der Text nicht schadlos durch die Hände der Copisten ging. Das Metrum
erscheint besonders verwahrlost, und es ist schwer zu entscheiden, wer da am meisten
verbrochen hat, der Dichter oder die Abschreiber.
In den folgenden Abschnitten sowie in den Anmerkungen und im lexikalischen Theile
beinühte ich mich, meinen Text mit allen jenen sprachlichen und metrischen Er-
läuteruno-en zu versehen, welche mir nöthig schienen;' denselben vom literar-historischen
Standpunkte zu erörtern, bleibt einer zweiten Abhandlung vorbehalten, welche hoffentlich
nicht lange auf sich warten lassen wird.
II. Zur Lautlehre.
Die wichtigsten Züge der catalanischen Lautlehre sind im ersten Bande der Gram-
matik von Diez, vornehmlich S. 113—115, dann an anderen passenden Stellen mit
gewohnter JMeisterschaft dargelegt worden. Auch IMilä y Fontanals hat sowol in den
Trovadores en Espana, S. 453 ff., als in gelegentlichen Anmerkungen zu seiner oben^
erwähnten Studie manche nützliche Bemerkungen mitgetheilt. Folgende Seiten werden
zahlreiche Belege zu den schon besprochenen Erscheinungen und einiges Neue bringen.'
Vor Allem ist zu bemerken, dass wie überhaupt in der ganzen altcatalanischen Literatur,
so auch in unserem Denkmale mannigfache Lautgestaltung der Wörter uns entgegentritt;
unter den concurrirenden Lauten sind einzelne, welche provenzalischem Einflüsse zuge-
schrieben werden können.
Ich ziehe zur Vergleichung einige ältere Texte und die jetzige Sprache herbei;
wenn keine Quelle angegeben ist, so ist die betreffende Form noch lebend; die benützten
Quellen bezeichne ich mit folgenden Abkürzungen:
Doc. Do'cumentos literarios en antigua lengua catalana (siglos XIV. y XV.) publicados
por Prospero de Bofarull y Mascaro. Barcelona 1857. (Bildet den XIII. Band der
Coleccion de documentos ineditos del archivo general de la Corona de Aragon.)
Est. Diccionario catalan - castellano - latino por Joaquin Esteve y Joseph Belvitges y
Antonio Jugla y Font. Barcelona 1803. (Sehr schätzenswerth, da es viele alte
1 Zwisrlipii der Zeit, da ich meine Arbeit der Akademie vorlegte und der Vollenduns des Druckes, liegt mehr als ein Jahr,
für micli ein Jahr schwerer Krankheit und langsam vorschreitender Recouvaicscenz; von den inzwischen erschienenen
Arbeiten konnte ich in den seltensten Fällen Kunde erhalten. (S. Remo, Januar 1876.)
= Dass ich keine vollständige Darstellung des Altcatalanischen beabsichtige, braucht kaum gesagt zu werdoi; ich beschränkte
mich auf die liesprechung jener Punkte, zu denen mein Text Anlass bot.
Die catalänische metrische Version der sieben weisen Meistee. 153
Formen und Ausdrücke enthält; andere catalan, Wörterbücher standen mir nicht zu
Verfügung. Ich bezeichne mit Est. die in diesem Wb. als veraltet angegebenen
Wörter).
Gen. Compendi historial de la biblia t[ue ab lo titol de Genesi de scriptura trelladä dal
proven^al a la llengua catalana Mossen Gullem Serra en l'any 1451 ed. Amer. Barce-
lona 1873.' (Erste Publication der Biblioteca catalana).
rif. Ein katalanisclies Thlerepos von Ramon Lull von Konrad Hofmann. München 1872.
(Aus den Abhandlungen der k. bayr. Akad. der Wiss. I. Cl. XII. 13d. III. Abtheilung.
Die Ziffer bezeichnet den Abschnitt).
J. Libre dels feyts esdevenguts en la vida del . . . rey en Jacme lo cou(|ueridor tret del
Ms. . . . acabat a 17 del nies de setembi'e 1343. (Zweite Publication der Biblioteca
catalana; icli benützte die ersten 15 Bogen).
Lull. Obras rimadas de Ramon Lull escritas en idioma catalan-provenzal publicadas
. . . por Geronimo Rossellö. Palma 1859.
Mihi. De los trovadores en Espana. Estudio de lengua y poesia provenzal por Manuel
Milä y Fontanals. Barcelona 1S61.
P. Crönica del rey de Aragon D. Pedro IV el ceremonioso escrita por el mismo monarca
ed. Antonio de Bofarull. Barcelona 1850. (Sie ist den Croniques de Espanya
des Pedro Miguel Carbonell, Barcelona 1546-7, entnommen; die alte Form ist im
Ganzen und Grossen gut bewahrt worden).
Rev. Revue des langues romanes publiee par la societe pour l'etude des langues romanes.
Montpellier 1870 ff. (Die 6 ersten Bände).
V o c a 1 e.
1. A für tonloses e in anlautender Silbe, ein bekannter gemeinromanischer Zug, ist
nirgends so häuhg wie im (katalanischen; die folgende Reihe von Beispielen enthält auch
solche "Wörter, welche wol ursprüngliches /, in den verwandten roman. Idiomen aber,
zum Theile im Catal. selbst, e aufweisen. Wenn die folgende Silbe a enthält, so könnte
man auch an Angleichung denken; indessen ist der Vorgang so allgemein, dass eine
Scheidung der Fälle im Hinblicke auf die Beschaffenheit des Vocals der folgenden Silbe
von keinem Belange ist. Fast überall begegnen (entweder schon in unserem Denkmale,
oder doch wenigstens in anderen) Nebenformen mit e.
an- 327. 960 u. s. av., artrir 755 (errat 575), axament 337 (exam. 149), aximplis 3240
{exemiyles 2), axit 193, hasant 2454 (5e.s-. 2468), brassol 623 [hres. 642), cramats 2225
(cremada 2876), farls 809, en-faylonit 2865, gasardo 2411, aretats 170 (Jicreter 209), ja-
quiren 620, labrer 646 (häufiger lehr.)^ lansol 1100, lavats 3208 (fey. 3186), manar 375
{incnats 2492), a-manassats 2771, mantir 572, marim 2834 [ineria 2918), Marli 2506
(Merli 2504), mateix (in der Hs. stets maix geschrieben), materen 1261 (inetats 1283),
maytat 2548, nabot 911, nagar (-^ necare) 532 (iiegada 1432), nagar {^^ negare) 947,
naguna 319, imlissa 1839, parit 1525, passegada {pecej.) 2759, patit 51, a-plagar 2447
(-e- 2474), plavis 55 (plevir 2916), ra- z. B. rador 2210 {derredor 1021) raques 2347
' Ob'Sena wirklich der Uebersetzer uncl nicht vielmehr der Abschreiber? In der Laurentiana zu Florenz findet sich wenigstens
eine Hs. dieses Werkes, welclies nach Einigen dem Anfange des XV., nach anderen selbst dem XIV. Jahrh. angehört.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 20
]^54 ^- MUSSAFIA,
rate (j2 (rete 152), 7'a2)fat 728 (reptaven 733), en-raqiiehits 2480 {enriqu. 2599), 5anto 1844
[assenta 2725), ^mso?- 1041 (^rezoj- 1183J, vagada 14()7, yar« G35 [enverinat 633), «aser 186
(rc'.>fc?' 619), vasscs ( - versässet) 1048. Dazu ma, /«, .<a, »za als Proclitica, z. 11 ma joorja
24GG, ta darem 2255, sa mio?'i 2855, Jia podets 2530.'
Weit seltener in der zweiten Silbe eines Wortes, und zwar zunächst, wenn schon
die erste Silbe a enthält: alagransa 2392 alagria 3212 [alegrers 614), wo das erste a
primär,- gasardo (s. o.) wo es secundär ist; in anderen Fällen des-eratat 1660 (vgl. ob.
aret.), pinalet 484 (-e- 491), soffarir 2393 (-e- 1323).
Dass unter dem Accente das e (oder i) seine Hechte behauptet ist selbstverständlich,
z. B. mene 2581, ajMguen 2473.
2. Auch für auslautendes -e pflegt -a einzutreten: a) bei Nomina: 1. Masc. alegra
604. 2386, altra 791, arhra 790 (-e 806), astra 2879, ^om^j^a 955, covra 2072, y/«.?i!m 2878
(-e 2696), /o?/ra 1199 (-e 443), nostra 959, jaa?/?'a 187 (-e 274), vostra 66; 2. Femin.: riiayra
188 (-e 1717), torra 2070; in letzterem Worte kann man auch Veränderung der Decli-
nation erblicken b) bei den Pronom. ma, ta, sa. na als Enclitica, z. B. diats ma, 936,
son sa 2503 c) bei Verbalfonnen; Infin. ensendra 1837, traura 1125; 1. Praes. Ind.
ejitra 1442; 1. 3. Praes. Conj. der I. Conjg. compra 2843, parla 269.' d) Indeclinabilia:
alra 1925. 2844," sempra 1854 (-e 2047).
3. Andererseits begegnet nicht selten e statt a in protonischer Silbe, u. zw. vor
combinirtem n: lensats 2802, menjas 1557; vor einfachem, ursprünglich aber combinirtem n:
comenafs 34 [-an- 23) demenar 919. Ilieher aucli ^e?2 (= tantum) zunächst vor Conson.
1192, dann auch vor Vocal 964 (nebst dem weit häufigeren tan)^ das als Procliticon
anzusehen ist. Vor w: tremeten 2115 (trameta 2879). Vor t: metats (,tödtet') 690 (inatar
2433). Vor g: pegats 1931 [pag. 2231). Vor g: assejats 1752, segeta 2074. Vor s (--r-^ c)
oder nach Abfall desselben vor Vocal: geser 1455 [Jas. 567) jese^s 2579, geyets 1425, /e?/0!
2315 [fahia 2709 /asm 1538), ^j/e?/a 606.^ Im Anlaute nur bei vorangehendem Procliticon,"
wo also der Vocal eigentlich inlautend ist: d'eyla 312, d'emagats 1207, d'equel 2516,
d'ermer 2894, d'ergent 1576, 2454; Zer^reri^ 1193; qu'eytal 3029.' Und da im V. 2842 der
' Der Vorgang ist so allgemein, dass es überflüssig wäre, aus anderen Denkmälern Beispiele anzuführen. Docli mögen noch
einige hier Platz finden: Aus Doc.: halea , Schönheit' 63, crasüandat. 21, fadtat 54, malor fmelioremj 52, palade (pil-ata
pelata) 10, j}aiil 455, rabut (i-ebnt aus reehtit) 68, sacrei 10, «oyto' 66, a-sa.jornatx 17, saladament {cel.) 13, ?ra»7 11, t:rtn«'64;
aus Gen.: faels 272, Fulip 282, vadell 202; atich ramor 183 (rumorevi, mit dem Zwischenstufen rtni. )-cni.)
- So a-paraylats J. 198; «poM Doc. 29, hatayat 13, papalo 29, Ilamantag ant 39 = -nientej-, also zweimal e zu a; die
meisten Verba auf -tcore = p/a»' erseheinen in älteren Schriften in der Form -oja>' [agar, ayar). Neigung zu Angleichung
ist in allen in dieser Anmerkung angeführten Beispielen nicht zu verkennen.
' Doc. regna 5.3, segla 9, templa 34; Gen. clergua 1G2, diacha 286; Doc. vench na 38; Doc. ausiura 24, j^endra 58. Hofmanu's
Emendation des handschr. ta jjortas 42 zu te p. war daher überflüssig.
^ al re ist demnach als ein Wort anzusehen; dalier mit vermittelndem (/, aldi-e im Drucke von J. und in proveuzalischen Texten.
^ Gen. spevenlals 277, de-vellä 227, Vespesiä 281, vessal 264. Doc, besonders häufig in der Hs. Eipoll 155: amegade 10,
aperaUat 12, heatit 23, caveles {-er.i) 12, exelaade 15, /e(/Jis 23, pelafrens 12, senade 15, trebalade 21, Iteydor 26.
•^ In enduy 1020, encara 394 ist Einfluss des Präfixes e?!- zu erblicken.
■^ Doc. /,'eu!"e 15, rieurets 55, it'ecorde bb, s'epelave 10. Auch ohne Procliticon: en« 15, eytentosl 19. Zahlreiche Belege für e
statt a aus der Hs. RipoU 183 führt Mili S. Gl, Anni. 12 an. Er sieht a .statt e als eine der Sprache wirklich eigenthüm-
liche Lautmndification an, während e statt a ihm nur als eine umgekehrte Lautentwicklung, znm Tlieile auch nur Schreibung,
zu gelten scheint. So spricht er i,a. a. O.) von einer ,reaccion contra la sustitiicion de la a ä la e, es decir la de la e A
la a'; ähnlich im Jahrb. V 147, Anm. 3: ,n tritt an die Stelle des e. .. Diess brachte Unsicherheit im Gebrauche des
a und des e hervor, und man sclirieb, in das entgegengesetzte Extrem verfallend, mitunter e wo man a setzen musste : perlit,
ehrich, eytal'. Auch provenz. Hss. zeigen diese Eigeuthümlichkeit ; so der Marcianiscbe Cod. des Guillem de Cerveira, des
Catalanen: liestada; Vesaut; ennr. Auch in der Kindheit Jesu: d'etbei-gar Chr. 384, 11; s'enet 387, 9 (Bartsch emendirt die
zweite StelleJ.
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister. 155
Cod. qb bietet, so nahm ich (trotz des in der Anmkg. zu V. IG Bemerkten) keinen An-
stand, auch qu'eb statt qu'ab zu lesen.'
Unter dem Accente fast immer das ursprüngliche a, z. B. assäge 1823; bei menjar
haftet jedoch das e auch in betonter Silbe.
4. Auslautendes a zu e ist in unserem Denkmale selten,^ und zunächst im Falle
der Inclination. 1. bei Nomina: done-s 189, atrobade-us 1431; pere 1099, truge 1026.
2. bei Pronomina: elle-m IGIO elle-s ;5060, le-m 3059 le-us 1G12. 11)91 le-y 1203.
3. bei Verba: 3. Praes. Ind. I. Conjg. saiude-l 545; mene 2581; 2. Imper. I. Conjg. leve-t
3211; assage 1823; 1. 3. Praes. Conj. II. III. Conjg. corre 1480, nodresque 42, vage 531,
vege G93; 1. 3. Impf, ciiydave-us 1793, gardave-l 2071; cuydave 1104, ere 1433, sagnave
1716; noch häufiger in der II. III. Conjg., wol (wie im Prov.) durch Einfluss des vor-
angehenden i: volles 605; dormie 621. Daher im Condit. porie-n 1032; endlich im Cond.
aus dem Plsqmpf. Ind. agre 1272, valgre 508. Diess sind übrigens nur sporadische Fälle,
neben welchen die Formen mit -a bei weitem zahlreicher sind ; die Neigung aber post-
tonisches a vor Consonanten abzuschwächen zeigt sich in manchen normalen Flexionen,
so: 1. im Plur. -es der Nomina auf -a (prov. -asY 2. in der Endung -es statt -as der
2. Praes. Ind. I. Conjg.: fornes Gen. 273, der 2. Praes. Conj. II. III. Conjg.: ocies
Gen. 261, seguesques Doc. 456; der 2. Impf. Ind. -ves o. in der Endung -em st. -am
(prov. dm = ämus) der 1. Plur. Impf. Ind.: esperavem J. 194, erem Gen. 284, haviem
J. 106 4. in der Endung -ets st. -äts (prov. dts = dtis) der 2. Plur. Impf. Indic.
estavets 2388, haviets J. 197 (doch aviats 169) 5. in der Endung -en st. an {= ant) der
3, Plur. Praes. Ind. I. Conjg. und Praes. Conj. II. III. Conjg., dann Impf. Indic: comensen
539; estaven 2444, eren 2811, dejjen 2831; doch serian 170.*
5. Betontes e zu i in ^^o^«'? 957, vari 635.
6. Betontes e wird nie zu ie diphthongirt; wol aber wird es gerne zu /, wenn die
folgende Silbe Hiatus-?' enthält oder auch nur enthielt (also dort wo im Provenz. ie od.
auch i vorkommt); so mig 503, fira 2083 neben /er« (dabrera) 1832. Auch wenn ein-
faches i folgt: ir 1965.*'^
7. E vor combinirtem Nasalis zu i in aximplis §. 1, und in gint 421 (aber auch
gent, reimend mit vestiment 367). Man kann hieher auch soviii 600 rechnen, da der
romanische Yocal doch e ist; prov. soven. Ausser dem Accente: mintrem 2850, tingues
1185. lieber e vor rt, §. 16.
' In einem bei Torres Amat abgedruckten Liede aus dem Pariser Liederbuelie (ich vergass die Stelle anzumerken) kommt
die gleiche Form vor.
2 Häufiger in jenen, welche auch protonisclics e st. a vorziehen; siehe die in der Anmerkung 5 der vorangehenden .Seite
angeführten Beispiele aus Doc. und die in der Anmerkung 7 citirte Stelle bei Milä.
3 Für das Nomen gibt Diez III 45 einen flc.xivischen Grund an: ,Die Sprache scheint das schwere a mit einem leichteren
Vocal vei-tauscht'zu haben, da der Numerus schon durcli den Consonanten gesichert war'.
* Die moderne Grammatik hat überall a: donas; amas; temas cumplas, amavas, lemlam temiau (= -ats); aman teman amavan.
Ist es etymologische, gelehrte Restitution, oder machte .sich .spanischer Einfluss geltend?
5 ennll (= specuJum) Est., mil mils (= melius) Est., tibi nb. tehi {tepidus). Auch Posit.-e und selbst langes e zeigen die
gleiche Neigung: hütia Est. nb. beslia, nirvi (= mrv-i-us); ciri {cereus), sipia (sepia), End. -erium .- hatesliri Est. jetzt
baptisteri, caltiri Est. jetzt cauteri, cenieniiri, cristiri jetzt crisleii, saltiri. Vgl. auch im Glossar vapith: Eben so dürften
fira (feria), monasi;»' zu beurtheilen sein; denn wenn auch liier Metathese des i erblickt werden könnte, so dass i sich erst
aus ie oder aus ei (vgl. §. 16) entwickelt hätte, so sind beide Vorgänge unwahrscheinlich, da ie, wie gesagt, überhaupt im
Catal. nicht vorkommt und ei zu i in Bezug auf das Catal. (auch Ital. l ein specifischer auf die blosse Formel ec beschränkter
Vorgang zu sein scheint.
20*
"156 -f^- MuSSAFIA.
8. Tonloses /, selbst langes, wird gerne 7a\ e^ wenn die folgende Silbe betontes ^
enthält. Aus virinns^ vehi;^ am liiuitigstoii in der t 'onjugatioji: deijm 2423 entspricht einem
lat. dlc-imus, deyts 418 einem lat. dic-Üis^ wälircnd dicts U42 die Endung der zweiten
Conjug. bewahrt = dic-etis. Ebenso desia Gen. 171 [disia 2318 ist mir aus diesem
Grunde vei-dächtig) deiia J. 205. Ferner ncei/ts {occid-ttis) 758 aber ocies 517."
9. /nach Vc)calen Avird y geschrieben, und zwar sowol in Diphthongen, als im Hiatus.
In letzterem Falle conciu-rirt y mit Jd: fafjem 1!)3 faliia 2709. In der seltenen Schreibung
vya7jre 2704 erscheint y vor Vocal. Y in consonantischer Geltung concurrii't mit j^ §. f)9.
F dient endlich zur Bezeichnung der Mouillirung von l (§. 20) und n (§. 30); mit letzterer
Graphic hängt der Gebrauch von y statt / aucli nacli einem Consonanten zusammen
in fy II 11, mylor 1943. Myrall 2117 ist eine anomale Schreibung, sonst immer mir.
10. Betontes n wird eben so wenig wie e diphthongirt, und wie e zu ^, so wird
jedes 0 gerne zu v vor z-hältigen Lauten (also dort, wo das Pi-ov. ue oder auch «t gerne
ansetzt). Am häufigsten ö: vmyr 329, uylls 2477, nymes 752, vidi 32; aber auch trüge
(tröja) 1026; vgl. prov. triieia:^ luny 2853.'' Nur aiis tonloser Silbe bietet unser Denkmal
Beispiele In cuylides 796 (docli coylida 812), cuytar 8G7, muylada 1845, pioyar 495, despuyla
1341, aber auch die betonten Formen dieser Verba weisen n auf. Doch solada 1S46
(das J ist jedenfalls mouillirt), frz. souillee, prov. sidhada nb. Sbst. solh.
11. Langes o zu u in fe?-, das aber als Encliticon tonlos ist. Sonst ist tonloses o
zu u in unserem Denkmale selten: j«^a^.9 2356; turmentar '3'3A • pinrats 1438.
12. 0 zu e in cnnexer 873; das e bleibt auch unter dem Accente: conech 1151.
Volenter 997 ist ein viel verbreitetes Beispiel, in welchem Elniiuss des Partie. Praes.
nicht zu verkennen ist.''
13. Tonloses ü zu o in destrohida 3142, fogir 801 ; fi in urhia 923, ponir 1651. Ist
es ein Zufall, dass es sich immer um die Formel u-i handelt'?^
14. Anlautendes ?m- zu e/i-, etwa durch Einmischung des Präfixes in: enguents 1122.
15. tt vor Vocal zu v consonantirt in minvave 2065 minvat 2610."
16. Diphthonge sind im Catal. selten; steigende' — ie, uo ue — gibt es nicht; mit
den fallenden verhält es sich folgendermassen:
AI AUS a-\-'i bleibt manchmal; so aydat 2360; nyga 1558 (* aus der verbliebenen
Gutturalis entwickelt); ayssi ,hier' 899 (neben assi 29), eyla (= ayla) 312, ayco 988 (nb. ago
952), aytal 1G07, aytant 14 [i vertritt die verschwundene Gutturalis); meist aber wird
es zu e, wahrscheinlich nach Durchgang durch ei; es findet sich in der That neben
fayt 222.S und /e^ 197 auch /e?/i 2826.'* Beispiele wären: Suff, arm-s, friiyter 787, lehrer .
G07, manera 1077; (auch -ar : fogar 2529; nb. senglar 776, sengler 787; die erste Form
' Vgl. frz. veiain, wo iz = g, dann voUin.
2 Damit steht im Zusammenhange, dass die Veränderung eines tonlosen e zu i durch das Nachfolgen eines betonten i behin-
dert wird. So ist e der normale Stammvocal von pomitere poenetere, 7.. B. penet := ^joeju/e^; ausser dem Aecente wird e, wenn
möglich, gerne zu i: penidats 1168 2'enidrets 159i aber tmr penedir Uö-l. Dalier ist mir penidria 767 einigermassen verdächtig.
■' cuyr, fidl fulla, miig (mödius) Rev. V 312, putx (pödium), escull Est. (scöpulus); Bolunya, Gascunya; ctixa, htdl (tormlnm
troclnm).
* Eben so volenUU ,J. 17. Mau bemerke aucli fpnevol Est. neb. fon. fiin. { fundihulum); Arigleichung.
^ Hf. .5 homiU. 38 jjodia {putehat).
^ Auch mirvat. Eben so nach dem Äcconte.
'. Ich bediene mich der von Tobler vorgeschlagenen Bezeichnungen; , steigende' Diphtb. := ,raccolti' der Italiener = .starke'
nach G. Paris; , fallende' = ,distesi' = , schwache'.
'^ Vgl. contreyf. Est., leyt Doc. 407, phyl J. 49.
Die cATALANiscnE iiETRiscnE Version dee sieben weisen Meistee. 157
kann aber aus singularis:^ die zweite aus singularius sein); hesa 356, destret G82, fretura
2136, ht [lade) 598, lexa 1454;' conuurrirend mit a//: ausser dem schon angeführten
Parte, von facere auch fer 127 afer 18 nohcn fayre 359 (auch afar 1445, im Fut. und Cond.
nur y«?"-, z. B. 15) Jte 19 neben -ay in manchen Fut. z. B. 898; mes 975 und mays 976,
james 692 und jumay 691 (in der Bedeutung ,aber' nur mas 1144); se 779 und say 2288.
Nur yayre 898. Ferner findet sich ay in aymador 213. 385. aiimia 1440^ (gegen äma 674
amor 1691), in dem auf romanischem Gebiete weit verbreiteten mayti S62 [mati 1721)
und in paytits 218 {patit 51), das mir sonst unbekannt ist. — Auch e -\- i bleibt selten;
im Auslaute rey 1616; im Inlaute "entweder e: drei 495, oder /: delit 1601, lit 300, pit-s
1850. — Nach o, u pflegt / zu bleiben: cuytats 1616, fniyf 795, 7mi,yr 329; neben nuyt
1329 die specifiseh catalanische Form nit 1325.^ Ptq/s als Adverbium 437 (nur einmal
. 2)us 2386), p?t5 que als Conjunction 1385.
17. Lat. all wird in der Regel zu o; dos 144, goig 323, lo7- 298, oreylles 151, re/jos
145, tresor 168; auccyll 2382 luid oc. 611, a?tÄM- 288 und o«/?* 735, pauc 475 und jjoc 487,
lauzor 860 und /or/?' 1173; in unserem Denkmale nur nur 1647, sonst or. Ueberall nur
paranla 84.* Au (= lat. au od. lat. « -}~ Cons.) kann zu al werden: malalt 914.'*
18. Au aus 0 in dem bekannten Beispiele aucis 2948 nb. ocir 2328."
Zeigt sich nun die Sprache zum lat. Diphthonge au wenig geneigt, so hat sie
andererseits eine entschiedene Vorliebe für die diphthongische Formel Vocü' in welcher
das n. lat. v (§. 40), d (§. 45), tj (§. 50), ts (§. 51), c (§. 58) entspricht.
19. Einfluss von Labialen auf den vorangehenden tonlosen Vocal in Octovia 1179,
omplir 1120 umplides 797 (auch prov.), roiiian 2773 (prov. nordit.).'' Auf den nachfolgen-
den Vocal etwa in polvores 1123 (es ist wohl so zu betonen? die gleiche Form im »Span.);*
es kann hier aber auch Angleicliung stattgefunden haben. ^ Die Formel GüVoc ergibt
go. In dem Nexus GÜA: gor/t 982 = guarit\^" in dem Nexus GUI (GUE): ensango-
' era {area), quera (caries), quex {= prov. cais) quexal nb. caxal 808.
2 Oft in den Volksliedern. Nach Mili nur noch anf dem -Lande lebend. Ich finde e.s aber häufig' bei modernen Schriftstellern.
' Nnyt auch in J. 12. Alart (Rev. V 287) belegt e.s aus Texten von den Jahren 1296 — 1323; daneben mit, also mit der
beliebten Veroinfachnu"- des Diphthongs, Al.irt meint, er habe nit vor 1330 nicht finden können; daraus folgt wol nielit,
dass die Form niclit älter sein könne.
* au ausser dem Aeeente wird auch zu a; so iu jetzigem Uahor, im alten jair nb. jansir (jetzt gaudir), agur Est.
■' ditrejar Est. = pror. uutrejar, calliri (Anni. zu §. fi), galta = gavHa gauta; alciure Hf. 12 zu vgl. mit aucis, §. 18. Auch
gual, dem altes gnav = vaclum zur Seite steht, gehört wol hieher. Vgl. noch dehne, einst deuma, letzte Anm. zu g. 58.
^ aurifany Hf. b. — Nb. anc. und oc. bietet Hf. 4 aucli die Form ouciure.
' hastomar Est. nb. tilasphemar, dexupUna.
* moyü Est. = mitji'i {med.ianus).
' So fonoll Est, nb. fenoU, wo / eingewirkt haben mag, zugleich aber auch Angleichung sich tliätig zeigte, wie in jonoU
nb. yenoll, ronyo, aogoiis Doe. 71, toxo , Dachs', ostol Est. neben estol, rostoll nb. resl., wolil re-stijjzda (stupla); vgl. bei u:
contumiar Doc. 181, nugü Doe. 178.
'^ So gonyal J. 198 neben goanyat .T. lö, guoanyar Doc. 193, Brev. 17 goayaran (y = ny, §. 30) und in einer anderen Hs.
goiiyeran; gordonar und gonrdonar beide Formen in J. ; gordasses Doc. 25 esgordar Est.; gornimens J. 89 desgornir Est.,
agoytar Est. nb. agnaytar. Alle bisherigen Fälle gehen auf deutsches w zurück; dazu gostase Doc. 36 degoslar Brev. 22
(vastare) und bei gua ans qua agolejar golagar als Nebenformen des ebenfalls veralteten ugualayar = lequal-icare. Provenza-
lische Mundarten werden gewiss ähnliche Formen bieten; ich begnüge micli aus Arcli. glott. III 76 gordä in der Mundart
von Sarlat anzuführen. Auch in einem von Bartsch in der Riv. di filol. rom. herausgegebenen altital. Gedichte gurdar. Nicht
anders bei qua (cua) u. zw. bei Ableitungen von den Stämmen quadr- quart-: coranta, coresma, escodto; codei-n coern;
Carter cortel, escorterar, theils veraltete theils noch lebende Formen, denen meist Nebenformen mit qua cua- zur Seite stellen.
Vgl. Sehuch. I 173, II 510 Anmkg. und III 310, welcher codrantem für quadrantem bei Isidor, altfr. coresme, ital. mund.
cutrino, churw. cutier (== curt.) curtauna quronta, ancugliar {in-coagiüare cuag.), dann für gu: gudoign, urdar (= gurdar)
vurdar anfülirt. Schnell, sagt II 510: , Merkwürdig, djiss dieser schwache Laut (das u nach g, q), halb Vocal halb Conso-
nant, den klangreichsten Vocal (a), sogar wenn derselbe lang ist, zu verschlingen vermochte.' Auch in seiner Abhandlung
J58 -^ Ml'SSAFIA.
nats 650,' wo ucbst ilein Einflüsse des gu auch die liio und da wahrnehmbare Nei-
gung gewirkt luiben mag, denl^exus Liqu. Muta IN (-EN) unmittelbar vor der betonten
.Silbe zu -TW werden zu lassen; so z. B. alteat. altfz. cardonal, altcat. frz. ordonar, -nnerJ
Vielleiclit wii-kt die gleielie Neigung auch bei der eintaclien Formel Cons IN. V. 651
kommt environats vor; der Sinn J'oi'dert enverinats-^ darin ohne wcuteres einen Schreib-
fehlei' zu erblieken ruul zu emendireu. hielt ich micli nicht Tür bereclitigt; ich bewahrte
die Form und vergleiche damit altcat. sajonar neben dem üblichen saginar ,mästen'.^
C o n s o n a n t e n.
20. Mouillirtes l erscheint in vielerlei Grestalten: ylL ///, //, und selbst l: fiyll 8,
fiyla 172, fill 579 (,/}///, g. i»); htyll 147, heyl 786, hell 130, hda 59.".; eylla 2331, dla 1503,
da 205.
21. Mouillirtes l entwickelt sich nicht bloss aus Ij, sondern gibt in der ßegel
geminirtes / w^ieder: apeylat 473, coli 2075, conseylat 85, crestayü 2101, foyl 1505, affoyll
1866, yayll 1081, nidl 141, assadoyla S40, devayla 504; Suff, -ellus : donseyla 175, pindl
463, puncela 394. Aus einfachem /; cayles 344, Suff, -alis : corall 1874. Die catalanische
Mouillirimg des anlautenden l findet sich in Handschriften überaus selten angedeutet;
da aber einfaches l zur Bezeichnung von l genügte, so ist es möglich, dass der mouillirte
Laut schon damals gehört wurde.
22. Mouill. l mit y concurrirend in paj)agay 2289; bei dem idcht sicheren Ursprünge
des Wortes ist es hiei' schwer, h]rweicliung des l zu y entschieden anzunehmen; eine
solche kommt aber in der Sprache vielfach vor', und nach i kann dann y wegfallen:
fiastra 2878 nb. filastre 2696.
,Ueber einige Fälle bedingten Lautwandels etc.' S. 27 — 28 kommt er auf diese Erscheinung zu sprechen. Er geht hier von
den clmrw. Fällen aus, in denen deutsches ?r als v erscheint, welches auf den folgenden Vocal Einfluss übt und ihn zu u
werden lässt; dieselbe Form finde sich dann auch, wenn deutsches t« durch churw. gu ersetzt wird, und nicht anders ver-
binde sich lat. qu mit dem folgenden Vocal (als weitere Beispiele werden angeführt guli/ = aiqualivus, cuscheu Partie, von
quescher =■ quiescere, grödn. cudria = quadriga). Ich ziehe die erste Darstellungsweise vor, weil sie allgemeiner und auch
auf jene Idiome anwendbar ist, die deutsches w nicht bewahren: die Formeln CUA, GÜA, möge w.as immer ihr Ursprung
sein, haben vielfach die Neigung zu CO, GO {CU, QU) zu werden. Dass die labiale Aussprache von cu, gu (cu, g«) den
Anstoss zum ganzen Vorgange gibt ist klar; dem vorangehenden ?< ist a assimilirt (Seh. I 173), wobei noch hinzukommt, dass
u in dieser .Stellung leicht zu o wird (Seh. II 162); die catalanischen Schreibungen guoa, goa, guo (mir schwebt vor, auch
goo begegnet zu sein), go zeigen in anziehender Weise das allmällge .Siegen des labialen Vocales (so hatte der Schreiber
des Cod. Est., wahrscheinlich seiner Vorlage folgend, in dem Gedichte des Guillem de Cabrera, des Catalanen, Goanelon
geschrieben; ein Purist bat dann das o ausradirt). Die bisher besprochene Lautmodification geht zunächst in tonloser Silbe
vor sich; dann durch Analogie, besonders in Verbalformen, auch unter dem Accente: guorda Gen. 12, in einem Volks-'
liede bei Briz gordi (i. Praes. Conj.). Ist gotlla, veraltete Nebenform für guallla, nicht = it. quaglia (tU = mouill. /, wie in
hatlle, veülar)'! Schliesslich ben\erke ich, dass auch Asc. St. lad. S. 40 und 40 den Gegenstand berührt hat und weitere
Erörterungen in Aussicht stellt.
' Eben so angonal , inguinale'; in ital. Mundarten sangoiiar, angonaja (auch -gun-) für - guin-. So verhält es sich mit afz.
ß-egunder = fi-equentare ; que gut zu gu; vielleicht hat das Folgen von NCons. einigen Antheil an dem Vorgang gehabt.
Schuidi. III 257 rechnet angunaja ohne Weiteres zu den Fällen von gii (go) aus giii (gne); so prov. giii-pir = guerpir
(auch unt. d. Acc. gurp), c.oreJhar = quer.; ital. Mund, custion u. s. w.
^ Diez vermuthet in ordonnev Einfluss der Plirase donner Vordre.
^ Neben orenela findet sieb auch oronela. Diez erklart crsteres aus hurind-, Umstellung von hirund-; verhält es sich auf
diese Art, so l)aben wir wieder rin ren zu ron. Man kann aber auch hirund- behalten; iron- wird einerseits zu oron durch
Angleichung, andrerseits zu aron- in nrondela Est. durch Vorliebe für o. Oron- wäre dann zu oren- durch Abschwächinig
des 0 geworden, wie etwa in fenevol, Aura, zu §. 12. Liesse sicli das Primitivum nacliweisen. so würde dessen Form die
Sache aufhellen.
•• cojiwy Doc. 15, trehays Doc. 410. Zahlreiche Beispiele bei E.steve: so hadeyar hed. nb. hadallar, harayar nb. harallar , streiten',
bayerola nb. ahellerol ,apiaster', muyar nb. mullar, po>i nb. i^oll (sowohl j^educulus als j>opulus), rovey roeg rohoyar nb. rovell
Die catalanische jieteische Version der sieben weisen Meister. 159
23. L vor c zu n in puncela 394; so aucli im Altspan, und in norditalienisclien,
besondei'S älteren, Mundarten.
24. Silbeschliesscndes l bleibt in der Regel unvei'selrrt ; ' Senescaut 1529 nb. sene-
scal 1532 ist eine altfrz. Form. Bemerkenswerth ist aul in sart^ 1530, eine Form, welche
sowol für salve-m^ f wie für salines in alteren catal. Schriften häufig ist. Haben wir da a"^,
oder lässt sich dem v einiger Antheil an der Entwicklung des u zuweisen?^
25. Elison von / in der PVirmel pl in ])us; It zu t In atressi 1090, atretal 849, atre-
iant 759, aber nur ältre.
2G. Wortschllessendes in wird leicht zu n- con — qitomodo ist mehrfacli ausgeschrie-
ben; wenn nur das 7i-Zeichen sich findet, erlaubte ich mir, m anzusetzen.
27. MBU statt MR (lat. ni'r u. mii) ausser in camhra 376, fembra 1563°' noch in
temhra (fim-r-habet) 2333.
28. MA^, MT zu i/PiV, MPT: dompna 230 (aber dona 183), sompni 2453; compta
(comitem) 955.* Ist das p bloss ein grapliisches Zeichen oder wurde es ausgesprochen?
29. N-n zu r-\_n\ in vari (venenmn) 635; n'm zu rm in «nwa 3029.
30. Mouillirtes n wird in der ßegel ny geschrieben; gewöhnlich durch blosses y
imd den ?i-Strich. Die Stellung des Striches würde manchmal elier zu Gunsten der
Schreibimg yn sprechen;^ auch steht V. 91 afayn ausgeschrieben; im Falle der Abkür-
zung druckte ich immer ny. An ein paar Stellen — compiayo 1142 compayons 2082,
leya 1764 — bloss ?/, eine Gepflogenheit mehrerer altcatal. Handschriften." Man wäre
geneigt, darin, bloss eine graphische Nachlässigkeit zu erblicken; auch Alart, ßev. V
311, ist derselben Ansicht; ebenso Hofmann, Absclmitt 27: ^compaya (lies com2Janyay.
Milä, S. 457, gibt die Möglichkeit zu, dass diese Schreibung eine phonetische Modlfica-
tlon bezeichne;' P. Meyer sagt entschieden, ßomania III 419: ,11 s'agit d'un falt de
prononciatlon qui consiste en ceci que dans la region des Pyrenees le son h se reduit
a la semi-voyelle i oii ?/'. Also analog mit I zu y. Ich möchte vom Standpunkte unserer
Hs. nur bemerken, dass dieselbe das Verb um pmyar stets mit mi schreibt, während doch
eine Form punyar unmöglich ist, und dass sie andererseits an mehr als einer Stelle das
11 unbezeichnet lässt (siehe die Anmkg. zu V. 24), Beides aber auf eine etwas will-
kürliche Anwendung des n-Zeichens zu deuten scheint. Ich habe bei puyar stets still-
schweigend gebessert, während y für 7iy, um der Entscheidung nicht vorzugreifen, im
Texte beibehalten wui'de. Auch gn kommt vor; zunächst in lateinischen Fällen : empregna
966, magnats 366, rcgnat 1536, dann auch sagna 1702 (lat. ng).
rovellar, veya nb. vdla u. s. w. Die Formen mit ;j werden inei.st als alt oder bäueri-sch bezeichnet; auch Milä, S. 465
Anm. 14, bemerkt das.s das Volk häufig // statt l gebraucht. Aus lolium dagegen wird jui/ als die üblielie, jull als die ver-
altete Form bezeichnet.
> Esteve verzeichnet ßdeti, = fidel, haleu = halell (also u = gemin. l oder l) an. Doe. .58 caugats (collocatos, franz. couchis)
st. coug. Milä bezeichnet u für l als volksthümlich (vulgär).
2 Alte Denkmäler haben aucli sal und sau; Letzteres durch l zu u oder aus s<i[ljv zu deuten; vergl. die zweite Anm. zu g. 4ö.
^ comhregar, nemhrar.
' dampnage, fempla = iv/.. fiente. Ebenso MS zu MPS: prempsa ,Druck'; Briz III 159 bietet die Form pvimpceta ; hat er das
Wort so dem Munde des Volkes entnommen? Provenzalische Hss. kennen ebenfalls vielfach solche Einschiebuug des p-,
siehe z. B. Sardou's Ausgabe des Honorat.
'■• So liynuge J. 18, playn Doc. 194, bayn Est.
<> Rev. V ayels 85, leya 87, estrayes 91, ay 92, seyar 94; Doc. Älamaij (52, compayes 10, enseia/s 13, guayen 231, meys 250,
vergoyosament 196; Est. empayorur , verpfänden', i}estaya, scaluya u. s. w.
■" ,A veces lialUimos suprimida la n por olvido del tilde correspondiente 6 acaso poi- la naturaleza de la palabra 6 pronuncia-
cion local; vcrgoya'-. Wenn Milä dieses Beispiel zwischen cove, eff'an und cossi anführt, so ist diess nicht zu billigen, denn
in letzteren Beispielen wird Niemand Vernachlässigung des n-Zeichens erblicken.
^60 A. MUSSAFIA.
31. Mouillirtcs )i auch aus im: awj 92; afanji Dl zu vergleichen mit it. affanno^
span. qfano (921 afanat; n - h wie l-=l^ oder Nebent'onu mit reinem »?) seny 60,
vgl. it. senno. Mcwj.^ 506 Avic im Prov. ; n aiigebildet an l von niilhs\ Diez 11 7ö Anm.
32. Eingeschobenes n vor .v' in lensenger 430. 2270; die erste Silbe klingt an die
zweite an.^
33. Auslautendes ?i, das ursprünglich sich zwischen zwei Vocalen l'and, wird meist
abgeworfen: Cato 63, deina 857, do (donem) 2470 (donet) 872, ß 2167, jarcZ« 519, 7nai/ti
1098, ^i 468, ?'c 778. Doch son (sonet) 269. Un und cascun bewahren stets ihr n (nur 3175
cascu)'^ eben so die Praepos. en. Be und 6o, wenn in selbstständiger Stellung, z. B. 26
und 873 (doch hon 3193); in mehr pi'oclitischer Stellung meist hen und öon; vor Con-
sonanten, wo n nicht zwischen zwei Vocalen steht: hen tost 774, hon mayü 1098 (vgl.
1132. 1142. 2505); vor Vocalen, etwa zur Vermeidung des Hiatus: hen apres 93 {be
apresa 174), hon ardit 902 (vgl. 1063. 2167). Bei folgendem s erscheint das n wieder:
buro 64 und barons 109, ca 643 und cans 1842, ve (venit) 793 und ve7}s; eben so in ton-
loser Silbe Äo?ue?«s 2823, ' nur einmal honies 346, das emendirt werden könnte.
34. NR zu NDR in romdndre 1900 und im Fut. von venire u. teuere, §. 106; doch
ist auch nr zulässig; z. B. encjenraf 930, honrat 1463.^
35. RJ zu ir in 9?z?«3/r 329.''
36. RS zu S5 in vasses (§. 1), lensenges 2270, volentes 1011. Ä vor s, besonders
in Endungen, muss kaum hörbar gewesen sein, wie mannigfache Schreibungen" und Reime
beweisen; vgl. Diez I 400 Anm., Bartsch LB. 238, Dkm. zu 298, 10, Meyer zu Flam.
5014, Tobler GGA. 1868, S. 994.
37. Abfall von r in den Formen \on prehendere, die ein anderes r enthalten: jjertc/re
391 aber pren 325. Metathese in pernen 338, das in der Hs. ausgeschrieben ist; ist die
Form richtig?
38. Inlautendem b entspricht auslaut. p: sap 560 von saber (freilich auch sab vor d
1798, vor / 2376); trop 1766 von trubar.
39. BJ ergibt §, §. 92.
40. Silbeschliessendes v {^^^ lat. b, v) wird it: aure 37, beure 1191, liurets 81, taula
1912; ciutat 126, deu 340, greu 641, leu 2560, mou 2321, suau 832, viu 526 wiMre.
41. V prosthetisch vor anlaut. ug: de vuy 1968, e vugmes 1895, vgl. 3035. Verwächst
ein elidii'tes Proclitikon mit uy zu einem Worte, so entfällt natürlich die Möglichkeit
einer solchen Prosthesis: d'uymes 752.
42. Die Schreibung ff, im Anlaute, welche den meisten catalan. Hss. eigen, findet
sich auch in der unseren. Ich Hess einfaches _/ drucken.
43. F ist abgefallen und der Hiatus wurde durch y aufgehoben in preyon 1387.'
' Manaeylla, ponsovya; vor t: penthiar.
2 Vgl. in der altnordit. Katliarinenlefjeudo (Sitzgsber. LXXV ii'J) alonsenija, das aber dort anders gedeutet werden konnte.
Besser stimmt laindengier im Aiibery ed. Tobler.
** ase asens^ cove covens icophinus)^ orfe orfens.
* liondrar in einem iilteren Denkmale, das iili nicht näher angemerkt habe; eben so im Prov.
5 alniir Est. = aur/urium; daher henahuit-at malauirat, das einzelne Heransgeber, wol mit Unreclit, -avirat drucken; cuijr.
^ Aus den vielen Beisjjielen nur ein Paar aus Doc. lavos 5i, jiUglas 67, ples {=: plers, piaers) 63. melos (meylors) 57; no plos
{plors = lat. plores) 10. So bei Hf. pexcados 21, partes 29, wo der Uerausg. unnöthigerwcise -ora, -ers emendirt, während
justicies 29 unberülirt gelassen wurde. — Es gibt auch umgekehrte Schreibungen : mors für mos , meine', dors für dos; selbst
in tonloser Silbe ; cossors Gen. für cossos , Körper'.
^ Sonst pretjon.
Die catalanische metbische Version der sieben weisen Meister. 161
44. Primäres d zwischen Vocalen bleibt als d oder Sibilans (meist 5 geschrieben, doch
auch z) oder es fällt weg; in letzterem Falle kann Contraction der auf einander s tossen-
den Vocale stattfinden.' Concurriren von zwei Formen ist häufig. Gasanyar A.'62 und g an i/ar
(aus gaanyar) 1190, gasardo 108 (-z- 24) und gardo J. 184, ausir und oyr^ lauzor und loar
(§. 17). Neben veser 1924 (^vas. 186) veer 2497; und so wechselt in allen Formen, die nicht
auslautendes d haben (§. 45) der Stamm ves- (wenn tonlos, auch vas-) mit dem Stamme
i-e- (va-) ab: vezen 1444 und veem 3073; durch veets (videtis) vets 2597; vesia 1407 (-z- 2589)
und vegets 2528; vases (yidisset) 614 und vaes 225, contrahirt ves 2306. Nicht anders bei
den anderen Verben mit dem Cliarakteristikon d nach Vocal: caser (cad-ere) 1410 u.
caen 3207;^ casut 2236 und ^«»7 2229; sezla 1111 und selda 2707. Von credere bietet unser
Denkmal zufällig nur Formen mit abgefallenem (/, z. B. creets 2418, contrahirt crets 852.
45. Auslautendem d nach ursprünglichem^ Vocal entspricht u: hrou (ahd. hrod) 1033,
eonreii (Stamm red-) 2709, peii 299,* auch bei Suff, -idus^ also (wenn keine Versetzung
des Accentes stattfand) auch in tonloser Silbe: regen (rigidus)' 657;'' Verbalformen:
creib (credo) 1986, (credit) 456, ou {audit) 455, veu {videt) 2478, vm (vidit) 622. 964. 1853
(nb. vi : pi 469, estremi 1847).^ Das ii, verbleibt auch bei folgendem s: im Plur. peus
49 und in der 2. Person Praes. Ind. od. Conj. von Verben auf VocD-^ von solchen
Verbalformen bietet unser Denkmal zufällig kein Beispiel; solche wären: creus (credis)^
ous (audis)^ vens (vides); lous (laude.i).''
46. Der schon lateinische Nexus dr (= tr, dr) bleibt meist rfr; hie und da vereinfacht
es sich zu r (Abfall von d, oder ist Assimilation zu rr vorangegangen?); daneben kommt
auch die provenzalische Darstellung durch ir vor:* emperadriu 2641 und emperayre 65,
welches letzteres indessen nur eine pi'ovenzalische Reminiscenz ist; nodrir 192 und noyrits
2788; iiiayra 188 und mara 13; payra 187 und para 3012; nur layre 4:A2>\ pere 1099.'
47. Der Nexus dr dagegen, welches lat. d'r entspricht wird zu ?«?-. So weit ich es
übersehe, findet sich diese Formel nur bei einem Worte, das kein Verbum wäre, nämlich
bei hed^ra, welches cat. in der Tliat eara lautet. Alle andern Beispiele betreffen Infinitive,
' So 'i. B. neben ßdel, fasel bei Lnll, feel, fael, endlich fei Doc. 227.
2 Nach dem Aceente scheint überhaupt Abfall des Consonanten beliebt zu sein; ich Iconnte nämlicli kein cdsen finden. (Dass
nur öen 2897 vorkommt ist selbstverständlich, da bei diesem Verbum die zwei Verhaltungsweisen von au und von d immer
Hand in Hand gehen; kein rni^a z. B. und kein osia). Vgl. auch §. 57 in Bezug auf 5 in *diqent.
3 Nach ursprünglichem, denn z. B. frig'dus ergibt nicht etwa /?'«t .sondern /red, d. h. fret 1790.
■■ cruu Est. (jetzt o-u), Daviii, grau, hereu, mou Lull 491, nm, miu (nud-um) Doc. 207 (jetzt nu; nu bedeutet auch nodus,
und man darf auch hier ein früheres nuu voraussetzen), seti (sed-em ,Bisthum'); /rna steht wol {är frauu. Auch secundärem
d entspricht manchmal u: dau {datum , Würfel'), freu de mar J. 78. Die Verbindung Id ergibt ;/ in sou {sol'dus), dann in
arau , Herold' Est. Ärnau, Guerau (-aldiis); ist hier u aus l (was, wie wir §. 24 sahen, nicljt allgemein catalanisch ist) und
ausl. d (t) abgefallen, oder trat l aus (wie vor ?h; om nb. olm = ulmus, pani nb. palm; vor p: cop nb. colp, pop nb.
polp = polypus) imd geht das u auf d zurück?
5 coheu Doc. 194 (neben cohes Est.; s = d), nedeu Est. (jetzt net), sulzeu bei Aus. March. (aucli siUse Est.), teheu Doc. 446
(Fem. lehea u. febesa).
^ cau (cadit), clou (claudit), lou (laud-o, em, et), rou (rodit) Doc. 467, neu (sedel).
'' Die moderne Sprache bildet aucli die 3. Plural nach dem Mustor der S. Singular; daher cauen, creuen, veuen; ein auf Analogie
sich gründender Vorgang, welcher jedoch den Organismus der Sprache stört, denn d zwischen Vocalen kann nicht zu u werden.
8 Man könnte auch sagen, dr wird ir wie im Piov. das durch die eatalanische Abneigung vor Diphthongen das i abstösst
und blosses )• ergibt. Einigermassen würde diese Ansicht durch die Formen peyra, meyra, welche Briz (III 111) aus Volks-
liedern anführt; ay zu ey. Nur bliebe es iinverständlich, warum ein solches ai nicht wie sonst (§. 16| zu e geworden sei;
Formen wie pere, mere bin ich bisher nicht begegnet.
' Vgl. podrit und poyrit in verschiedenen Hss. desselben Liedes Jahrb. V 1.54. Zu den Formen unseres Textes vgl. dann
ladre Doc. 24:9, pedra Doc. 191; dann ladrava Hf. 13. In der jetzigen Sprache ist dr fast ausschliesslich; nur ^«ice, mare
und cayro , viereckiger Ziegel' machen eine Ausnahme Cadira ist ein eigen geartetes Beispiel.
Denkschriften der phil.-hist. Cl, XXV. Bil . 21
162 A. MUSSAFIA.
Fut. und Cond. und zwar zuerst von Verben der lat. III. Conj.: creure 1273, ociure 816, dann
auch der II.: caure (roman. cadere) 2212, canras 1239, seurets 1U83, veure 21G9, veurets 98.
Für letztere kann man im Infin. entweder eine mit der ursprünglichen Endung -ere (Formen
auf -er sahen wir schon im §. 44) concurrirende E^ndung -ere annehmen,' oder den Infinitiv
durch Einfluss des Futurum und Cond. (vielleicht auch des Sing, des Praes. Ind.) erklären;
aus veitre = vid'r-liaheo wäre vhire erschlossen." — Unser Text bietet übrigens ein Paar
Nebenformen mit provenzalischer Behandlung von dW\ creyra 1551, Fut. creyre 2931, ocir
1675 (id'rej ?ire, ire^ das als Endung der lat. IV. aufgefasst wurde und sein End-e verlor).'
48. Inlautendem d entspricht im Auslaute t: gart 90 von gardar, pot 2482 von poder.
Wenn reddere zu retre wird, so mag diese ungewöhnliche Verhärtung der Muta durch
Einfluss der 3. Person ret 1300 herbeigeführt worden sein.
49. ND vor Vocal wird zu n:* comanats 23, demenar 919, foneren 2250 (doch con-
fonduda 1381), prenen 1209 und so bei allen Formen der Verba, deren Infinitiv auf
-ndre ausgeht.^ Im Auslaute fällt ebenfalls d (das, wenn erhalten, selbstverständlich t
lauten würde) weg: gran^^ en (inde) 1168, on [unde) 130, sovin (§. 7); 3. Praes. Ind.
der Verba auf -ndre: pren 325, resi^on 1469. Ursprüngliches t in gleicher Stellung fällt
ebenfalls manchmal weg, z. ß. in ten (§. 3) tan 1A:\ nb. tant; in der Regel jedoch
bleibt es, z. B. infant 13, Adverbia auf ment. Partie. Praes. erscheinen am häufigsten
mit -t: pensant 253, bevent 2255, dient 2254; doch fehlt es nicht an Fällen mit blossem -n:
acordan 2131; jähen 2357; vielleicht deserven^ siehe Anmkg. zu V. 333 ff.
50. TJ nach Consonanten ergibt ss: cassar 1785, lansol 1100. Zwischen Vocalen,
vermuthlich durch sj (§. 65) gehend, wird es zu is od. y\ die vorwiegende catalanische
Darstellung ist jedoch gänzlicher Abfall:' rayso 1141 rayo 3183 rao 1710; in unserem
Texte bloss sayso 1595, doch sao J. 18 und so noch jetzt; falio {*falUtionem) 1361. So wird
das Suffix -itia zu ea: peguea 1866, doch daneben riquesa 1865 (-za 2263). Auch in
avesar 1978, solassar 1927 finden wir tj zwischen Vocalen zu ss.^ Im Auslaute wird tj
zu u: palan 365, pou i^püteus) 1386.^ Doch solas 1928.
51. Auch ts = lat. t's in der Endung der 2. Pluralis ergibt catal. u-^ doch zeigt
sich dieser Vorgang in ältex'en Denkmälern nur sporadisch,*" in unserem Texte : descobrau
952, estiguesseu 1367, tornareu 1708.
' So cloure, roure Est.; raure, riure, welche, da kein raei; riir vorkommt, als Verba der III. anzusehen sind.
2 Das Neucat. kennt nur die Formen mit -eure, d. h. -eurer, mit dem dieser Sprache eigentliümlichen Zusatz von r; Diez II,
223. Ueberhaujjt hat das Neucat. eine entschiedene Neigung für Infin. auf -ere : so diurer, döldrer, vdldrer; habere wird
von manchen Grammatiken durch haber, von anderen durch h^urer statt hdurer wiedergegeben.
■* Da occidere manche Formen auch nach der lat. IV. aufwei-st, könnte man auch der Form ocir ein *occidire zu Grunde legen.
Dieses ergäbe jedoch zunächst ocezir oceir, die erst belegt werden sollten; auch ist die Contraction von e-i zu i nicht gerade
leicht anzunehmen.
* Von dem Seitenstücke dazu — 7nb zu m — kommt in un.serem Texte kein Beispiel vor : solche wären colom, llom (lumhvs),
melic {unihilicua), paloma, plom.
5 barena,brena (merenda; das anlaut. b zu bemerken; m'r, mbr, br dann bar mit epenth, e, a), fona {funda), ona {unda); estona
(dtsch. Stunde). Au.s vindemia, *venema (dann 71-711 zu ?'-ot, vereTiia, auch bre7na). Aus *lendine7n zuerst *lle7tena (dann lleme7\a).
•* 711071 [nutndus), pregon Fem. prego7ia, segon Fem. sego7}a. In einzelnen Fällen wird ein solches -71 aus -7id wie -n zwischen
Vocalen behandelt und fällt demnach weg. Einfluss der Femininform ist unverkennbar; bla Fem. bla7ia {bland-us, a), rodo
Fem. 7-odona wie sa sana, bo hntia.
'' prear (preti-a7-e), Ho {titio7ieni) atiar.
" plassa (platea); avestrus.
' Dalmau (Dalmalms), preu {j>reHu7n). So in der Conjugation von prear: yo preu (Ind. u. Conjunctiv), qne el preu. Ebenso
bei folgendem -s (vgl. g. 45) ; also preus ,die Preise, du preisest'.
"' Alart, Rev. V 282 u. VI .363, meint, er habe dieses 71 in catal. Urkunden des XIII. und beinahe des ganzen XIV. Jahrh.
nie gefunden; die ältesten Beispiele kenne er aus Briefen von 1390. Indessen bietet die von 1343 datirte Handschrift der
Die catal ANISCHE metkische Version der sieben weisen Meistee. 163
52. DJ wird g: verger 146; goig 323, mig 2088; nach Vocalen auct y: puyar 495.
Ueber Verbalformen siehe §. 92. In ordi 1556 verblieb di.^
53. Gutturales c wird sehr oft im Auslaute ch geschrieben: amich 391, jach. 393 u. s. w.;
ach 10 hac 136, anch 665 anc 387, poch 488 poc 495. — Von Erweichung von c zwi-
schen Vocalen bedarf es keiner Belege; es genüge zu bemerken regonech 1629 gegen
conexer.
54. Gutturales g^ welches zwischen i und Vocal wegfällt bedarf ebenfalls keiner
Belege; manchmal ein Schwanken: castiats 2710 und castigats 2770.
55. Inlautendem g entspricht auslaut. c: trich (3. Praes. Conj. von trigar) 1706.
56. Prosthetisches gutturales g in gossava 785.
57. Sibilantes c (=^ lat. c vor e, i) zwischen Vocalen fällt in der Regel weg:
cuynar 2069 [qu = c), vehi.^ Es kann aber auch als s (selten mit z bezeichnet) ver-
bleiben: rezebe 637;' concurrirende Formen: plaser 589 und (durch piaer) despler 1452;
daher in der Conjugation der Verba mit lat. Charakterist. VocC der Stamm bald durch
VocS- bald durch blossen Voc. dargestellt: dien 1867;* desia 2318 und deyets 1422,
fasia 1538 (-2-1326) und fahia 2709 feya 1362, gesia 376 und geya 1424, jaser 567 und
jähen 2357.
58. C im Auslaute entspricht u: imperadriu 2641, veu (yic-em) 1619, veu statt vou
1419.^ Verbalformen: dm (dicit) 419, fiu (feci) 1771, feii 775, jati (jacet) 648, plau
(placet) 33" auch pleii 2624.' Auch hier wie beim d (§. 47) findet sich u ^=r: c auch im
Inlaute, und zwar zunächst in Verbalformen: noura 1198, plauria 2269.* Doch ist unse-
rem Denkmale auch die zu ts = prov. tz geschärfte Sibilans nicht fremd; dits 2641,
emperadrits 367. 383. 3178. 3221, meist durch den Reim gesichert, plats 1429, vets 1824,
1884. Eine dritte (beziehimgsweise vierte) Form ^ot\. placet ist p>lay 586, ebenfalls prov. —
Schliesslich zu erwähnen sind lat. facere, dicere und ducere^ welche far^ dir und dur
ergeben.
59. Hier sei noch erwähnt traure 2186, Fut. iraurem 1202, mit den Formen trau ^=
trahit und traus = trahis.
Chronik d' En Jacme einige Beispiele; so zwei auf S. 139 peneclir vos neu ii. torneti; das Glossar zu Lull führt /est (= sp. haced,)
und forau au; leider aber wird nicht gesagt, ob diese Wörter im Reime sich finden, und auch über das Älter der benützten
Hss. liegt keine bestimmte Angabe vor. — Milä Anm. 3 zu S. 456 ist der Ansicht, dass wenn auch bis zum XV. Jahrh.
die Literatur vorwiegend -ts gebrauchte, es doch gestattet sei, die Form -u als schon längst gesprochen anzusehen. Er
beruft sich auf P. Vidal's tornau, das aber nach de^j neuesten Untersuchungen P. Meyer's nicht mehr in Betracht kommt,
und auf das Alter der Formen plau, pau, ein ebenfalls nicht durcljaus beweisendes Argument, da es sich hier um -u =: ^
handelt. — Ich bin allerdings auch der Ansicht, dass eine solche Modification des Lautes nicht allzu jung sein kann; in-
dessen bleibt es bemerkenswerth, dass es derselben, im Gegensatze zu )i = f, so spät gelungen sei, sich in der Schrift-
sprache Eingang zu verschallen.
' joy Est., 01/ hoy Est. (odium, jetzt odi), remey.
2 deevibre Est. (jetzt des.) dei (jetzt deai), llnir, lluerno, mahel Rev. V 9ö nb. maael V 99 (macellum), renlar {recentare),
Sarray. Homey Doc. 199 ist *home[cJedium, wo dj = y; jetzt homicidi.
3 reseb Doc. 454 reebre J. .36, coutrahii't zu rebre, jetzt rebrer.
■> disen, jäsen u. a. w. scheinen nicht vorzukommen, vgl. Aimi. 2 zu §. 44.
5 creu st. crou, den {decernj, feu Est. (faecem), Feliu, luu (lucem) Gen. 1, nou (nucem), pau (pacem), perdiu. Ueber den Diphthong
eu statt ou (durch welchen Umstand wurde die Veränderung herbeigeführt? und warum nie neu = nucem?) ist zu bemer-
ken, dass ältere Denkmäler auch ou aufweisen: so vou J. 130 nb. veu 126, crou J. 129.
* In der modernen Sprache wieder (vgl. die letzte Anm. zu §. 45) diuen (diuhen), plauen u. s. w.
' pleure auch in der Flamenca. Treurer ist catal. Nbform für fraurer.
8 courer, jaurer, Ueurer {Heere), nourer, plaurer; bis auf das erste lauter Verba der II., welche ihren Infinitiv nach der lat.
III. betonen. — An Sulistantiven wären anzuführen deume (dann delme), ciuru , Kichererbse'. Eher aus dec^ma, cig'ronem
als aus dekma, cikronem; gutturales c zu M wie in Jaume (nb. Jacme).
21*
164 A. MUSSAFIA.
60. CJ ergibt ss: ahrassar 3(j9, lassades 1922, menassar 2006; auch im Aus-
laute: fas (facio) 100.' Behält aber i seine vocalische Geltung, so wird c wie im In-
laute behandelt und fällt weg. Lat. j?t [d /icium ergibt zuerst juici; dann j?tü (geschrie-
ben ßihii Doc. 3G1 juhiy J. 76); durch Verschmelzung der zwei / schliesslich juy 6
juhy Gen. 193.^
61. CT. Abgesehen von gelehrten Bildungen, in denen et bleibt — adoctrinar 135,
dicta 987, tractava 205 — löst sich c zu i auf; über die Schicksale dieses i nach den
verschiedenen Yocalen, §. 16.'
62. Die Schreibung sowol von weichem als von hartem *■ schwankt zwischen s
und z: tresor 1249 trezor 1183, donseyla 175 donz. 395; vgl. §§. 44. 50. 57. 65. Häufig
ist das Schwanken in der Bezeichnung von hartem s zwischen s und c, und zwar so,
dass an die Stelle des etymologischen c vielfach s geschrieben wird (viele concurrirende
Schreibungen: ayci 1082 aysi 899, encegat 2596 ens. 2477, cer^ 209 sertes 524, co 52 so
552), während der umgekehrte Fall äusserst selten stattfindet; einmal cempre 3199;
faicia 875 (^-sia 1112) auch in anderen Hss.
63. Gossava 785 und gosam 2868, cossas 1172 und cosa 1499; in beiden Fällen handelt
es sich um die Formel ausVoc.
64. Bei der Anlehnung eines Proclitikons an anlautendes s wird dieses oft geminirt.
So bei de: de ssa (de sua) 11, de ssa (cd) 312, de ssi 27, de sso 683; bei a: a ssa 1993,
a ssegna7' 1942; bei e: e ssapiats 392, e ssi 1987; bei tro: tro ssi 1109. Per sso 754.*
Eben so wird das anlautende 5 eines Enclitikons nach betontem Yocale verdoppelt :
ana ssen 350, va ssen 700.^
65. SJ zu is: besä 356 bezar 396; zu y: esgleya 1721.^
66. SN wird zu yn: maynada 2413.'
67. Anlautendes s impurum wird, wie in den meisten catal. Hss., ohne prosthe-
tisches e geschrieben; meistens aber zeigt das Metrum, dass ein solches ausgesprochen
wurde. In einzelnen Fällen freilich (z. B. 1280. 1980) gebietet das Metrum, falls man
nicht tiefeingreifende Emendationen vornehmen will, den harten Nexus beizubehalten.
Ich habe überall, wo das Metrum es forderte und kein vocalisch auslautendes Wort
voranging, das e in Cursiv-Schrift hinzugefügt.
68. X (in der betonten Sylbe von Oxytonis gerne ix geschrieben) ist häufig ange-
wandt: 1) für lat. x: uxor 1650; im Perf. von dicere, §. 104; dann in Icxa 1454, wo
eigentlich dem lat. x cat. ix entspricht; axits 38>2; 2) für lat. ss: abaxat 318, engruxada
1950, pux 816 u. and. Formen dieses Verbums; 3) für lat. stj: angoxava 170^ cong. 634.
4) für lat. p.s; caxes 2137, exomenf 149 aquexa 1421 mateix 53; 5) für lat. sc. vor e, i:
conexem 256 coneix 266, dann in den Inchoativformen der IV. Conjug. : traex 259 -eix 244.
' fas (fadem), llas (laqueus).
2 Hieher gehört auch aerviimm, spatnmi, wo man servm oder, da i in Position steht, .lervev, espau erwarten würde ; classiscliem
tj entspricht jedoch vulgäres cj, daher servey (alt auch serviy), espay neben den gelehrten Formen servici, espaci.
s Wenn direclum drei ergibt, so kann da ey zu e, aber auch et (durch tt?) zu t erblickt werden. So entspricht cotar ,mit den
Hörnern stoasen' einem lat. coict-are (wodurch Diez' Deutung von cozzare u. s. w. aus coict-i-are unzweifelhaft wird). Cotar
auch im Prov., Flamenca V. 7882, wie Tobler (GGA. ISBli. S. 1789) richtig bemerkte.
' Zu vergleiclien mit den häufigen Schreibungen von .is nacli Ji, »•.■ consseyl, forssa.
'' Zusammenschreiben in Einern Worte ist wol das Richtigste in solchen Fällen; ich trennte bloss der Deutlichkeit halber.
6 Blay =: Blasius.
"> almoyna. Auch »m = ym .■ rayma = it. risma, span. resma. Vgl. prov. emhaymar {basm- aus bals^n-), asseyiiialz bei R. Vidal.
Die catala NISCHE metbische Version der sieben weisen Meister. 165
Die Aussprache ist wol überall (etwa mit Ausnahme von tixor^ das ein Latinismus sein
kann) s. Zu bemerken ist auch die hie und da vorkommende Schreibung ?/.• coneyetes
239, engruyat 667 neben dem so eben angeführten Formen mit x. Diese eigenthümliche
Graphie (an eine Lautmodification ist schwer zu denken) begegnet auch anderswo.' — •
Ueberdiess concurrirt x mit c in dexelat 2819 nb. celats 380 (die Stellung zwischen
zwei Yocalen kann den Laut modificirt haben; oder handelt es sich um dis-cel., wo
dann sce regelrecht xe ergab?), axo 1767 nb. aco 226; (mit s: dexinßat 1561; vgl.
desonor 734); mit y: xitats 1124 nb. gitats 2573.
69. ./ verbleibt mit der Aussprache j (geschr. y) odei- wird zu y (geschr. j vor
a, 0, n und y vor e, ^). Manchmal kann man schwanken über die Geltung der Schrift-
zeichen. Die Handschr. schreibt z. B. viaior 160 und mayors 218. Ich schreibe im ersten
Falle hiajor (sprich mayor aus) und erblicke in den zwei Formen ein Concurriren der
Laute y und /. Man könnte aber der Meinung sein, dass nur die Aussprache major
richtig sei und das daher (mit einer kleinen Abweichung von der Gepflogenheit, i nach
Vocal durch y zu bezeichnen) maior geschrieben werden müsse. Oder man könnte
andererseits glauben, dass da // manchmal ^ bezeichnet, beide Schreibungen des Wortes
nur die eine Aussprache mayor darstellen. Gewissheit ist hier schwer zu erreichen; das
Beste, wiederhole ich, scheint mir doppelte Lautgestaltung anzunehmen. ^
Bei dieser Gelegenheit nützt es, die verschiedenen Schreibungen von y zusammen-
zufassen: 1) y, y wie oben: ja jutge^ yitar] 2) iy in der betonten Sylbe von Oxytonis:
deig^ ve/'y (§. 92); 3) wenn das lat. Etymon lat. t oder d enthielt und Vocal voran-
geht, tj beziehungsweise ty : jutye (bezüglich der 2, Silbe), linatge 2793 (1733 — 34 -aige,
durch französischen Einfluss?), metge 909; zugleich aber auch vor allen Vocalen tyr
jatyat 1500, missntyer 232. Endlich ist zu bemerken, dass die Unterscheidung zwischen
j und g nicht genau beobachtet wird: mehrfach findet sich y vor a, o, u, mit der Geltung
von y: aga 1318, fuyam 668, passeyada (== pecejada ,in Stücke zerhaut') 2759. Bei tg
ging das noch leichter an, weil das t schon die palatale Aussprache andeutet: jutgat
565, metgas 917.
70. Ein Fall von _;', das _;' lautete und in das vorangehende / aufging, ist piurats
1483 st. piyurats ; vgl. §. ^2,2 finstre ^= fiy. ^ fill.
71. Der Laut c begegnet in unserem Texte nur in empatxat 114 (meine Abschrift
lässt mich in Zweifel, ob der Cod. nicht -tyat biete).
72. Der Gebrauch von h ist wenig beständig; für fast jeden Fall kommen Schrei-
bungen mit und ohne h. Im Anlaute, zunächst in lateinischen Fällen: in den einsilbigen
Formen von habere; ho = Aoc, häutiger o; fast immer hom homens\ hie nb. ych-^^ einmal
1 Rev. V 311 vayel st. vaxel, wozu Alart: ,L'«/ tut souvent employe avec la valeur de la lettre x par les auciens scribes
catalans'. Ayud'e Est. nb. axada (= spaii. azada), halay hastay für -ax, cuyera nb. cuxera (sp. quixofe).
2 Die Hs. schreibt gewohnlich aja ajats u. .s. w. 9(16. 1314; doch aiats 966. Ich nahm aucli in letzterem Falle die Aus.sprache
y an und schrieb ajats; aya- würde ich 3ell)stTerständlich respectirt haben; die zwei Formen würden sicli dann mit ital. aggia
und haja bei Dante genau decken. — Neben yo kommt in unserer Hs. ein Paar Mal aucli jo vor (in einzelnen Texten
ist diese die einzige Schreibung); ist damit go gemeint, oder hat hier j lateinische Geltung? |Wol eher das Letztere. Nach
D. Antonio de Bofarull, Estudios etc., spricht man auch jetzt y aus und schreibt j. Er sagt S. 83 : ,/o, en todos los escritos
(nicht in Allen) anteriores al siglo XVI, era yo, y actualraente se marca la y en la pronunciacion comun, pero el uso lia
hecho que sea indispensable escribirlo con _/.'
5 In que ych 1445, 2390, no ych 1768 sah ich ych als Encliticon an und druckte in Äineni Worte. Es könnte auch Apocope
angenommen werden; also qu' ich, n ich'{i, nicht y, vgl. m'icli 1444).
JßO A. MusSAFIA
he (^^ e^), Anm. zu V. 84. Wenn jedoch ein elidirtes Proclitikon vorangeht, so dass die
zwei Wörter gleichsam zu einem einzigen werden, da ist für h kein Platz mehr. In
unlateinischen Fällen, z. B. hoyra 123, hoijr 735, hanc 469, Jii nb. ij.^ Neben avol 2314
auch hmd 2792. Im Inlaute zwischen Vocalen als Zeichen des Hiatus: ahontats 401
(aont. 411), grahir 101, pahis 957, trahir 413, vgl. §. 9.
III. Zur Formenlehre.
73. Die zwei-Casus-Decllnation ist dem eigentlichen Altcatalanischen fremd ; Spuren
provenzalischer Nominativformen kommen vor, ohne jedoch ihre grammatische Geltung
überall zu behaupten. Selten im Plural. Die Formel twjt li major kommt zwei Mal vor,
IGO und 2105 (an zweiter Stelle mit der Variante tot). Tuyt begegnet überdiess mehr-
fach, meist als Subjeet (247. 249), aber auch als Object (1121. 20ß6).' Enduy
1020, abduy 2357 als Subj. (nb. dos, abdos als Subj. 79. 2677). Im Singular. Neben
emperador auch emperayre^ als Vocativ 65 und als Object 868. 870. 2404. 2961. Neben
senyor auch senyer.^ und zwar wechseln die zwei Formen in dem so oft vorkommenden
Vocativ beständig mit einander ab. Hom ist sehr häufig, auch als Object z. B. 84. 387.
1218. 2516. 2948. 3023-, seltener home^ auch als Subjeet 253. 2537. Die Beispiele für
Flexions-.<f sind innerhalb des Verses selten. Deihs oft als Subjeet (90. 229 u. s. w., meist
in stehenden Foi-meln) od. Vocativ (1036), doch auch als Obj. 1881. 2912. Einmal der
Vocativ nahots 1010 (gegen nahet 1008). Pits als Object 1850 ist kein ganz sicheres
Beispiel, da im Provenz. das s als stammhaft gilt; im Catal. lautet allerdings das Wort
pit. Stets prous als Subj. und Obj., aber auch hier ist das ursprünglich flexivisehe -s zum
Stamme gezogen worden. Durch prous herbeigeführt kommt leyals als Subjeet inner-
halb des Verses 1369 vor. Ebenso prous vmylers 1655, das einzige Beispiel eines
Femininums mit flexivischem -s.^
74. Die Reimwörter dagegen bieten eine grosse Menge von Nomina Singularia mit
flexivischem -s, u. zw. nicht bloss als Subjeet, sondeim auch im obliquen Verhältnisse.
Zuerst sind die Fälle aufzuzählen, in denen das betreffende ßeimwort mit -s auslautet.
a) Auf ein Nomen im Plural reimt ein Singular auf -s. Subjeet, z. B. 232 Lo missa-
tyer hi es anats^ Eis savis se so7i acordats; 345. 644. 870. 1090. 1231. 1242. 1267.
1907. 2229. 2435. 2537. 2639. 2788. 2791. Nur ein Fall, wo das Subjeet ohne s erschiene,
2715; 749 ist traydor nach coma als Objectform aufzufassen; ebenso kann 1264 in
^'es nafrat das Partie, als Accus, angesehen werden. — Object, z. B. 1124 dins cn la hota
ho a xitats, Sempre feu ne traura los taps; 59. 220. 615. 847. 999. 1305. 1936. 2144.
2225. 2228. 2232. 2473. 2502. 2574. 3185. An mehr als einer Stelle aber bleibt
das Object ohne -s; so in den oben angeführten VV. 749. 1264, dann 219.' 1921. 2465.^
297 7. 3023. 3094.
' Als Enclitikon natürlich nur >j; nach apocopirtem Proclitikon nur i.
' So Hf. 38 hastara a tuyt\ die Eraendation zu tols war demnach unnöthig.
^ Von pronominalem res abgesehen (z. B. en res noy falirets 82, no sabra res 94, per res que s'esdevenya 281, no parla re
419 u. s. w.) neben re (conexels per re 260, nom creets de re 778 u. s. w., meistens im Reime).
■* los majors (Nomin. Plur.): emperador, in welchem Falle, wenn er vereinzelt wäre, man sich versucht fühlen würde, die
zweimal g^ebrauehte Formel major (s. oben) anzusetzen.
5 2b37 — 8 seiies eng ans : dan rechne ich nicht hiezu, da hier besser der Singular engan passt.
Die catalanische metbische Version dee sieben weisen Meister. 167
b) Auf ein Verbuni in der 2. Plur. reimt ein Singular auf -s. Subject oder Vocativ,
z. B. 69 si aquest infant me comenats Yo sere tostemps honrats; 49. 401. 763. 968. 1585.
1616. 1622. 2354. 2596. 2711. 2765. 2929. 3072. — Object, z. B. 23 sl vostre fill ma
comanats tot nio aureis gazardonats; 119. 1302. 1867. 2485; vielleicht auch 2800. Object
ohne -5.- 3093 conseylats: cap.
c) Auf es (lat. est) reimen p)er ma fes 945, per hes 1802.
d) Kni plats reimt ein Singular auf -s. Subject: 1428. 2287. 3082; Object: 835.
e) Auf pres (Perf. von prendre) reimt vers als Obj. Sing. 2439.
f) Auf assats reimt Subj. Sing, mit -s: 974. 2188. 2625. 3129.
g) Auf abans reimen die Subj. Sing, engans 1067 und sans 1146.
In den bisher aufgezählten Fällen könnte man das -s auf Rechnung des Reimes
setzen; da aber unser Text nichts weniger als Reimreinheit anstrebt und sich sonst oft
mit noch weit freieren Reimen begnügt, so muss ein anderes Moment zugleich, eigent-
lich noch stärker, mitgewirkt haben, und dieses ist eben die Reminiscenz an die proven-
zalische Declination. Der Anstoss wird selbstverständlich vom Subjecte ausgegangen
sein. Zahlreich sind in der That die Fälle
h) in denen zwei Subjecte mit einander reimen und beide gegen den catalanischen
Sprachgebrauch ohne jeden Reimzwang -s ansetzen; 862. 977. 1670. 1693. 2219. 2774.
3126. 3152. 3208. Vereinzelt steht 353 venguts: mut; ein Subject mit -s, das andere ohne
dasselbe.
Hatte sich einmal -s des Subj. bemächtigt, so ergriff es leicht auch das Object,
sehr oft begegnen wir' den Fall
i) wo auf Subj.-s Obj.-s reimt: 217. 557. 584. 613. 765. 964. 1314. 1504. 2231.
2356. 2686. 2695. 3012. 3187. 3203. Auf Subj.-*- Obj. ohne -s: 585. 1487.
Ohne Anstoss von Seite des anderen Verses erscheint Object -s im Reime äusserst
selten: so 2605, wo zwei mit einander reimende Objecte -s aufweisen, dann 380. 1207,
wo eines der zwei Objecte in einem adverbiellen Ausdrucke — de celats, demagats —
enthalten ist. Soll man da das adverbielle -s erblicken? Zu bemerken sind noch 226.
1725, wo von zwei Objecten das eine mit -s, das andere ohne dasselbe erscheint.
Zu erwähnen wäre schliesslich 1619, wo auf Subj. venguts selbst der Conjunctiv ajuts
reimt; höchst wahrscheinlich ein Versehen des Abschreibers; da es aber auch das Ver-
fahren des Dichters bezeugen kaim, welcher, sonst nachlässig in seinen Reimen, gerade beim
flexivischen -.f nach Reimreinheit ringt, hielt ich mich zu keiner Emendation berechtigt.
75. Artikel. Masc. lo /,' los Is (über Nom. Plur. U, §. 73); Femin. la /', les Is (eis
nodrisses 618). Der catalanische Gebrauch von la vor dem Masculinum im findet sich
1188. 2161 und noch öfters. Verbindung von Präpositionen und Artikel Msc. : del dels,
al als^ pel pels. Auch mit Femin. Plur.: oh presons 1459 nb. a les 'pr. 1477. Mit
en hie und da in alten Schriften als Provenzalismus (Diez II 44 ; Milä 457) ; in unserem
' Soll man auch el annehmen? lu eatal. Texten kommt es hie und da vor; selten ganz sicher, da in zahlreichen Fällen e-l
gedeutet werden kann. So auch el cavaller 2757, el rieh 2959. V. 318 liest der Cod. o al traginat es ahaxal; ich emendirte ol,
nicht so sehr dem Metrum zu liebe, denn o al könnte in unserem Gedichte als einsilbig gelten, sondern weil ich mich
nicht entschliessen konnte einen Artikel al anzunehmen. Indessen lässt sich aus Doc. 62 al conle, 65 als cavalers anführen.
Diese Beispiele besagen nicht viel, denn es könnte e-l, e-ls gemeint sein; tonloses e zu a. Aber Doc. 184 liest man: Vom
franch no pot aver mala vida ni al vartader no pot esset- denostat ni al masural, malat. Auf derselben Seite: los millors
dels homens son aquells (/ui son Verladers e al miliar adoctrinador es lo savi. An einer anderen Stelle endlich: e al milor
trasor es la obra.
, p Q A. MUSSAFIA.
Texte fast immer getrennt, z. H. 1535. 1755. 2110; nur einmal el paläu 959. El vespre 460
kann aucli e lo v. (Accus, teniporis, wie 2998) entsprechen; wenn niclit wie 772. 1176.
1523 al V. zu lesen ist. Doch vgl. en lo mati 1443, en la nmjt 2221.
76. Nomina. Der Plural aller Nomina wird dui-ch Zusatz von -.s- gebildet, nur
auslautendes -a wird zu -es. Nur einmal cossas 1172, gegen coses 1758. Geht der Singular
auf -.^ oder -x, so müsste der Plural dieselbe Form behalten, doch wird in diesem Falle
wie im späteren Provenz. -es hinzugefügt: hrasses 1979, preses 1272, mateixes 3064;
unsere Handschrift bietet auch ein Beispiel von -os: falsos 845, wie denn frühzeitig in
catalanischen Denkmälern sich manches -o, os zeigt.
Gran bleibt Im Femln. unverändert; daher auch im Plural grans für beide Genera.
77. Pronomina, Personalia. Gewöhnlich yo, hie und da provenz. eii, z. B. 67, tu,
eil ella, ms, vos, ells elles. In den Casus obl. als absolute Formen mi, ti, si z. B. 30. 53.
77, doch devant me 693, a me 1773, de me 2972, immer im Reime.
Tonlose Formen : I. II. Person, Dat. Acc. me te sc und m t s, doch mehrfach auch
mi u. s. w.; 7ios vos und ns ns ; III. Person: Dat. li II (~l), los' Is; Acc. lo l, los Is; la l\
les Is. Geht lo oder la voran, so erscheint der Dat. li In der Form ?/,•* nur nimmt in
diesem Falle auch lo die Form le gerne an; so 993. 2455. 3070. Im V. 456 scheint noy
ebenfalls für no li ,Ihr, der Frau' zu stehen; Indessen kann zur Noth auch y als Adver-
bium angesehen werden. Als Neutrum wird o gebraucht, das an Vocal Inclinirend als ti
erscheint'^' z. B. areu 1780, axiu 3018, beu 2317, nou 943, queii 445, qum 3025, twu 1314.
Zu den Pronomina ist noch zu erwähnen ne; die Nebenform en ist in unserem Texte
ausnahmslos auf den Fall beschränkt, dass tonloses obliques nos oder vos (in voller oder
enclitischer Form) vorangeht: nos en donets 2150, loar vos en puscats 1173, vos podets
vos en qardar 1512, con penedir vos en volrets 1514, vos vos en penidrets 1594. 1678. 1810.
1959. 3096, porets vos en lexar 1999, vos en dare 2152. 2806, cartatts en fare 1086, yous
en dire lo ver 2291, qu'eus en creiire 2300, leits en manerets 1618, anat vos en serets 3015,
axms eniiendra 1178. 1308. 2946, noiis en penidats 1168. 2668. si nous en volets aydar 1703,
nous en prenga mal 2656, nous en curets 2713, nous en mintrem 2850. Doch selbst in
diesem Falle ne, wenn auf die Partikel kein Verbum folgt: pendraus ne axi 511. 2036'
oder vor Vocal: loar vos nets 1677; nom nestare 1228, nos nestaria 2015.
78. Eine Bemerkung über die Art, wie ich Enclltica in jenen Fällen behandelt
habe, in welchen das folgende Wort vocallsch anlautet, wo sie also auch als Proclltlca
angesehen werden können. Man kann nämlich in solchen Fällen schwanken, und die
Herausgeber stimmen in der That in ihrem Verfahren nicht mit einander überein. Soll,
man z. B. quem avets oder que m'avets drucken? Ich habe mir die Mühe genommen,
die Handschrift nach dieser Richtung hin zu untersuchen, und habe mich (leider zu
spät) überzeugt, dass sie die Enclisls bei weitem vorzieht, während ich systematisch
Proclisls anwendete. Nur ist die Inclination auf die Fälle beschränkt, in denen dem
Encllticon ein grammatisches fast immer einsilbiges tonloses AVort vorangeht, während
nacb Begriffswörtern Proclisls angewandt wird. Man könnte z. B. hal fiyll finden, aber
es wird nicht hal aver sondern ha Vaver 1783 geschrieben. Vgl. Dona, -l meu 1791,
1 So auch vielfach bei R. Vidal; vgl. Bartsch Tnw. Denkm. Ämukg. zu 173, 4, wo al.or niclit von einer dem Dichter eigeu-
thümlichen Construction (Accus, statt Dativ), sondern von einer im Provenz. unüblichen Knrm die Rede sein musste.
2 Doch auch li: la li feu espoaar 3030.
3 Vgl. veus nc altra 1003.
Die CATALANiscuE METKiscHE Version DER SIEBEN WEISEN Meister. 169
wo vor Consonant Inclination trotz der starken Interpiinction möglich ist , aber
Dona, Varbre 1877/
Inclination findet vor Vocal also statt :
a) Beim Artikel: nacli de und a olme Ausnahme; nach e fast immer, z. B. el
emjjeradw 14; aber doch e Vernix 1159. 1300; nach qioe, z. B. quel Infant an zahlreichen
Stellen, z. B. 455, aber doch zwei Mal que Vinfant 112. 2431; nach si Proclisis 122.
560. 766. 2541.
b) Me; nur Enclisis nach que: quem avets 1372 (noch zwei Mal), nach si: sim acor-
das 1145; nach axi: axini aconseylas 16Sd. Nach qui schwankt es: neben quim ha 2652,
qui ma 417 qui mes 1084.
c) Von te zufällig keine Beispiele.
d) Se; nach lo: los ha 666, los agra 717; nach no: nos atihra 1037; nach que nb.
ques acordes 1156, que sesdevenga 363; zwei Beispiele von si (sie) und diese zeigen Pro-
clisis 1522. 2695.
e) Lo als Pronomen: Immer Enclisis, und zwar: nach no, z. B. 716, nach qui 2675,
nach qiie, z. B. 1014, nach si 2933, nach axi 1305. 2346. Nur einmal Proclisis; nb.
>lol ociure 2395, yo lamava 2786.
f) Li; nur ein Fall: quell an 2232.
Ich hätte demnach entweder die Schreibung der Hs. überall beibehalten sollen
oder, um Inconsequenz zu vermeiden, die wenigen Fälle der Proclisis nach den vielen
der Enclisis verändern. Mein Verfahren zog mit sich den Uebelstand , dass nun in
meinem Texte Schreibungen wie a Vhome 2520, qui vilia 2652, lo s'ha 666, que Vha 1014,
axi Vhe 1305 erscheinen, welche gegen den Gebrauch der mittelalterlichen Schreiber
Verstössen.
Bei der pronominalen Partikel, welche von lat. inde stammt, gab es drei mögliche
Behandlungsweisen; eine, welche die Form en, zwei, welche die Form ne betreffen: li 'n
ohlida; lin ohlida und li nohlida. Ich habe die erste, von fast allen Herausgebern pro-
venzalischer Texte gewählte Form nicht angenommen, weil ich, wie oben gesagt, die
Bemerkung gemacht habe, dass, wo unser Text volle Formen anwendet, er bis auf einen
genau bestimmten Fall immer ne bietet; diese Form musste mii- also als die normale
gelten. Das seines e beraubte ne nun behandelte ich vor Vocalen, dem angenommenen
Systeme nach, stets als Procliticon, während der Cod. es ausnahmlos an die oben ange-
führten Wörtchen anlehnt.^ So nach me: men ets 1593, nach li: lin ohlida 153, nach
no: non axia 1127, nach que: quen ha 645, nach se: sen es 803, nach si: sin atrobes 2152.
Auch hier habe ich zu beklagen, dass nunmehr mein Text die unzulässigen Schreibungen
//o nha 2475, se nha 797, si nhe 214 bietet.
79. Possessiva. Kürzere tonlosere Formen, welche nur unmittelbar vor dem Nomen
stehen dürfen und kein näher bestimmendes Wort vor sich zulassen, sind: mo7i ton son,
ma tu sa; mos tos sos, mes tes ses. In allen anderen Fällen, also nach Artikel, Demon-
' Hier eine Reihe von Beispielen: femhra ta inort 1062, tota maviets 1806; cUa ses 1939 ella la (illam habet) 1043, en que
(Relat.) Imfant 660; veui-e laver 2540, fo lemperador 9, va Linfant 369, fiu larbre 1800, levd lemperador 1293; ab que
linfant 582, per que linfant 627, ara ses 307, he lantendrets 1712.
2 Und zwar, wiederholen wir es, nur an diese; daher ^e»' que natira 1644, prou naura 62, regne nauia 1535. Eine Ausnahme
macht selbstverständlich dei- Fall, wo ne seinem Verbum nacligeset/.t wird; a ne aul wird zu an aut 1015 und so druckte ich
auch; a n^aut hätte keinen Sinn. Eben so e soffreren aytant 91; porien estorgre 1032.
Denkschrifton der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 22
170 A. MussAPiA.
strativum u. s. w,, nacli dem Nomen, selbstständig stelieml in 2)ronorainaler Geltung oder
als Prädicat, kommen vollere Formen in Anwendung: meu teu seu, mia tua sua u. s. w.
Nostre vostre und das indoelinabile luv kennen diesen Formunterschied nicht.
80. Aus den Demonstrativa wäre zu bemerken: Die mit eccum gebildeten haben die
Form aqu- und ayc- c-: aquell 790, aycel 2153, cell 208; neben esta 1787, aquest 34, cest 957.
Kein aquo; nur ayco 891, aco 901 {axo 1767)', co 765 {so 779).^ fyse ergibt ex, das ohne
Präfix nur im Adv. exament (§. 1) vorkommt; mit ecce in aquex 2526, aqiiexa^ mateix (§. 68).
81. Das Subject des Relativums schwankt zwischen qioi und que.
82. Für qualis^ quäl 16 und quin 2804.
83. Für aliud sowol als 2482 als alre (-a, §. 2).
Verbalflexion.
84. Infinitiv. Der Infinitiv der ersten Conjugation geht vielfach, aber nur in Reim-
wörtern, auf -er statt -ar aus. Die Beispiele sind folgende: deporter 137 cliner 491 mescler
1597 {:vergei'), dupter 214 {:hereter), ahonter 416 {:putaner), deporter 605 comp)ter 2684 (.-ca-
valler)^ menjer 1150 ^e^er 1507 magteer 2889 {:mulJer)^ cortejer 1742 {:mercader)^ casser 1763
derroquer 2128 ?ria^er 2980 (.-/e?-), to;;//er 1800 (.-awe?-), parZer 1996 (.-vese?-), sa^jier 2020
{: Malquider), caver 2214 (.-wer), naguer 2913 Qplaser)^ clamer 3167 [:poder). Ein französisches
Original zu vermuthen, dessen Keime beibehalten wurden, geht nicht an, denn, abgesehen
von anderen Reimen, welche eine unmittelbare französische Vorlage ausschliessen, so würde
beinahe keines der angeführten "Wortpaare einen guten französischen Reim ergeben.
Und selbst mit der gezwungenen Annahme, dass die Vorlage eines jener in England
entstandenen altfranzösischen Gedichte gewesen sei, welche zwischen e imd ie nicht unter-
scheiden und e ■= lat. e mit e = a reimen lassen, wären nicht alle Fälle erledigt.
Man muss demnach eine mundartliche Nebenform auf -er für Verba der I. Conjug. im
Catal. annehmen, wenn auch von einer solchen, so weit wenigstens ich es übersehe, sich
nur äusserst seltene Spuren auffinden lassen. Bei Ramon Vidal, dem Catalanen, finden
wir troher (.-/er) LB. 33, 1; alonger ijsender) bei Lull 533;^ in Volksliedern z. B. Briz
III 221 begegnen wir Infinitiven wie ane, passe^ sope.
Das Futurum bietet auch einige Beispiele von e statt a; so mostreray 78, manerets
1618, errerets 2297, und auch anderen Denkmälern sind solche Formen nicht ganz fremd;^
die Veränderung eines tonlosen a zu e hat jedoch nichts Auffallendes, und es wäre ebenso
unberechtigt, diese Formen als Beweis für das Vorhandensein von Infinitiven auf -er
gelten lassen zu wollen, als wenn man diess für das Italienische wegen mostrerb, menerb
thun wollte. Auch ein Partie. Perfc. donet 1166 kommt vor, und das Versmass scheint es
zu schützen; indessen lässt sich bei der geringen Sicherheit metrischer Anhaltspunkte
in unserem Denkmale dieser vereinzelte Fall leicht beseitigen. Ich nenne den Fall vei"-
einzelt, weil sangonets 677 doch nur für sangonents (Suff, -entus; das Wort findet sich als
alt bezeichnet bei Esteve, jetzt sangrent) steht.
' Sollte in axo ein ips-hoc erblickt werden? Schwerlich, da nirgends exo zu treffen ist.
^ Vgl. das Adverbium ecce hie : aqui 139, qui 194; ayci 201, assi 29, st 27.
^ Der böse Engel überzieht das Uebel mit einigem Scheine des Guten ,21er qo qu'ab el te meta avant \ A lo vial far sens
alonger'. Ich führe die Stelle an, weil es am Ende doch möglich wäre, dass alonger eine der bekannten Bildungen mittels
-arius wäre.
'' pescheran Kev. V. 97, velleria J. 27, vengeri Doc. 12, menjeras Gen. 7, preguerets 194.
(
Die catalanischb metrische Version der sieben weisen Meistee. 171
85. Ueber das Schwanken einzelner Infinitive zwischen der lat. II. und III. ist §. 47
und 58 berichtet worden. Dieses Schwanken hat selbstverständlicli auf die Flexion der
Tempora finita keinen Einfluss. Anders das Concurriren von Formen der lat. II. III.
(E-Conjug.) mit der lat. IV. (I-Conjug.).
^-Verba, welche auch /-Flexionen aufweisen, wären: romandre und romanir 1749,
tener 2767 und tenir 780 tenits 2484. Von dicere und occidere^ welche (wol durch Ein-
fluss der Infin. dir, ocir) auch nach der lat. IV. flectiren, war schon §. 8 die ßede.
Wir bemerken nocli Imper. treyts 2870, und vivits 1288,' von dem es nicht ganz deutlich
ist , ob es Indic. oder Imper. ist. Imper. vullits 3084 ist sehr seltsam und daher ver-
dächtig, denn einmal hat velle keine eigene Imperativform, und zweitens weist das
mouillirte / auf den Conjunctiv hin; der Imper., wenn vorhanden, würde volets^ höchstens
volits, lauten. Will man nicht gerade bei diesem Verbum eine Verquickung der zwei
Formen annehmen, so wird man vullats lesen. Weit seltener sind die Fälle von Verben
der I-Conjug. mit Formen der E-Conjugation ; ^ nb. morir 1853, «torrer 1597; vene 2181,
das ich nach einigem Zögern doch zu behalten mich entschloss.^
Praesens.
86. Indic. I + es a am ats an
II + s + em ets en
Hl' -|- s -\- im its en
IIP esch e.rs ex im its exen
87. Conj. I + ^ -\- em ets en
II. III\ III\ f-esc-, -isc-J a es a am ats en
88. Der Imperativ hat in der 2. Sing, der I. -«, der anderen Conjug. keine Flexions-
endung; 1. 2. Flur, nach dem Ind., 3. Sing. Plur. nach dem Conj. Der Gebrauch des
Imperativischen Conjunctivs ist, auch in affirmativen Heischesätzen, häufig: flixem
1227, pensem 2894; diats 2845.
89. Die Formen ohne Flexionsendung fügen, wenn der Stamm mit unhaltbarem
Consonantennexus ausgeht, vmterstützendes e hinzu, welches (§. 2) auch durch -a dar-
gestellt sein kann; einmal -i: Imper. ohri 2753.*
90. Ein Paar Beispiele von -is in der 2. Plur. statt -ts in den ersten 200 Versen:
(jasardoneis 21, aureis 24. 188. /eis 41; spanischer Einfluss ist kaum anzunehmen, da zur Zeit
der Abfassung unseres Gedichtes die Formen auf -des im Spanischen herrschten ; ein wieder-
holter Schreibfehler wird es auch nicht sein ; vielleicht lässt sich in diesen Formen eine
Uebergangsstufe zwischen ts und u, wovon §. 51 die Hede war; -ts^ -is, -us, -u.^
91. Eine andere Variante von -ts ist -t (auch im Provenz. nicht unbekannt), zunächst
im Imper. : obrit 1384, aber auch Fut. faret 1085."
vivUs auch Doc. 479.
seyuets 2164 ist iiielit hieher zu rechnen, denn von Hans aus gehört das Verbum zur E-Conjug.; im Tiran finden wir
segues, segne. Uebrigens kommt in uu.ierer Stelle die Form seguits (: anitsj dem Reime zu statten.
Ich kann es zwar im Augenblicke nicht aus anderen Texten belegen; doch vgl. feni J. 117 f=ßnii}it).
2292 lorn ayci; ich hielt den Apostroph als überflüssig, da auslautendes rn im Catal. ganz zulässig ist.
Es möge hier bemerkt werden, da.ss für das Adv. ecce nicht bloss vec vos 799 und veus 100.3, sondern auch veis 836 vor-
kommt. Hier also i statt ii.
ajudat J. 193, parlat 124; alegrat Doc. 37, fet 61; immer im Imperativ.
22*
^•^2 A. MUSSAFIA.
92. Der Ableitungsvocal maclit sicili violfacli geltend, wobei zunächst die allgemeinen
Lautgesetze ihre Anwendung finden:
LJ wird zunächst L: vidi 32; vulla 345, iW/a»u 2451, vidlats 453. Zugleich l(j (im
Ausl. /(■) in dem unlateinischen Falle tolgues 1240, tolga 346.
NJ wird nie zu ?i, sondern zu ^t^r (-nc) : tenck 1726, vencli 2286; venga 906. — Durch
Analoo'ie: prcnch (prehen[dJ-i-o) 908; 2:>renga 2656, prengam 2825 (neben den organischen
Formen prena 3159, prenats 3171).
EJ zu M": «2W?/r (§. 35), muyra 1292; über ^?'a vgl. §. 6.
CJ wird zu .«.-/as (§. <60); fassa "22,2%, fasses ISdl , fassa lOA^i, fassats 440.
5 J ergibt ^.- f% 1426 deig 779; de^e \deheat) 2425 — aja 906. 1314, a^e 3002,
ajam 2542, ajaf« 584. — Zugleich kann hj blosses i ergeben wie in ai he (§. 16).
Ueber die Möglichkeit von aia (auszuspr. wie it. liaja) siehe Anmk. zu §. 69.
PJ bleibt unversehrt: sap^a 574, sajyiats 2680 {sabiats 2501), sapien 2907. — Ueber
p)j hj zu i in sai se, §. 16.
De/ wird zu §: veig 2279 ; veja 2804 veje 693, vejam 591, vejats 1002. Im Auslaute auch 3/;
vey 22. — Durch Analogie crey (=cred-io) 2645, das übrigens auch durch den Infinitiv
creyre erklärt werden könnte; daneben cretc (cred-o), §. 45. — vages 1898, va,ia 559 (vad-i-).
93. Das -ch und -g-^ welches in der 1. Indic, und im Conjunctiv aus j nach Liquiden
(überdiess aus lat. c und g, z. B. dich 945 digats 1155,* planch 2653) sich entwickelte,
gewann dann im Catalanischen eine grosse Verbreitung. Es findet sich bei Verba auf
hj: dech 1700; auf dj: cregats 1172 (nb. creats 530. 1169 = crefdjatis)^ vagues 732;
auf cj: jaga 1587, jagats 1580 und überhaupt in einer grossen Anzahl anderer Verba,
worunter wir aus unserem Gedichte nur noch conech 239. 277. 2973, conegats 875 und
■mogats 2828 zu erwähnen haben. Zu dieser Erscheinung wird gewiss auch das eben-
falls weit verbreitete Perfect mit -c {-g-) beigetragen haben.
94. An einzelnen Praesens-Formen sind noch zu erwähnen: Habere: 2. as 731, 3. o,
6_ (in, — Esse: son 763 so 411 nb. suy 1129. 2354, est 724, e«, som 673, sots 195, son
44- sia u. s. w. — Stare: stia 2688, estlen 139. — Anar: va 981, van 866. — Facere:
fem 2849, fets Ind. 851, Imper. 852. — Posse: Ind. 1. pux 816; Conj. 3. puxa 920,
puxam 131, puxats 134, puxen 2447; daneben puscats 1173 und mit o; posquem 2844.* —
Exire: Ind. 3. ix 1413, 6. ixen 2898, Conj. 1. isque 1134.
I m p e r f e c t.
' (X, es, a, am (era), äts iets). en.
IL IIL i- ' ' ' ^ ^' ^ ^'
Ausser den in den Lautgesetzen besprochenen Modificationen der Stämme' ist keine
besondere Erscheinung zu verzeichnen. Esse hat era 3101 u. s. w.
Schwaches Perfect.
■ 96. ' ■
I.
-e, -?',
-isf^i
-ü.
-am.
-as.
-aren
IL
-h
-ist,
-e-,
-e??i.
-es.
-eren
III.
-h
-ist,
-i,
-im.
-is.
-iren
' Auch diata, wie casligats und casliats, §. 54.
2 Mit indicativer Bedeutung.
3 Zu denselben, und zwar zu §. 41, füge mau liinzu plovia 23()G mit hiatustilgendem v neben plohia 2358.
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister. 173
97, Die 1. Sing, der I. Conjug. schwankt zwischen -e und -t; letztere Form ist
häufiger: cuijde 1960. 1963. 1992 {ciuydl 2365), gose 3034 — comani 880, conseyli 1641,
mati 1137, pensi 3181, portl 1788, ^ro6< 988 atrohilldQ, tayli {:aqui) 1795. Die 2. Sing,
kommt nur einmal vor und zwar mit der Endung -ist-^ donist 984.' Die 3. weist nb.
dem catal. -d mehrfach auch prov. et: donet 1150, ligziet (:asseck) 1913, parlet 63. 64.
83. 1215, |je7is< 3203. Die 2. Plur. neben dem regelrechten -as (554. 2527) einmal
-ats (2771), die Stelle ist aber nicht sicher und möglicherweise ist das Verbum als
Imperfect aufzufassen. Acordaran (st. -aren) 2203 ist eine orthographische Variante, die
emendirt werden durfte. Wie in der 3. Singul. so kommt auch in der 3. Plur. die prov.
Form vor; crideren {:hagueren) 2893; dieselbe könnte man für assejaren [:preseren) 297
in Anspruch nehmen. Eben so Hesse sich 2250 doneren [.-foneren) statt donen lesen.
Plu squamp erf ec t Ind. als Condi tionale.
98. Es sind zufällig nur Formen der 1. und 3. Sing, zu belegen. I. Conjug. -ara^
IL -era, III. -ira: ahontara 423 (vgl. 217. 425. 563. 1139), estorcera 1339, trahira 1634.
Imperfect.
99. Conj. I. a j
II. f ) -s, -.9565, -5, -ssem, -ssets, -ssen.
III. / I
In der I. Conjug. geht die 3. Sing, oft auf -es, wie im Prov. Neben anas (:Ypocras)
916, enganas {:2Jas) 2346, acordas 2407, lexas 305 findet man acordes (rmes) 1156,
anes {:faes) 2185 broques {.-pogues) 2628, Castles (:mes) 3050, demanes {:posques) 1554
(:res) 2443, gardes (jdegues) 2955, penses {:mes) 2259, tornes {:agues) 1713, vasses {:ges) 1048.
Also immer im Reime. Zu bemerken ist noch anantessets 2777, das auch in der Betonung
provenzalisch ist.
Starke Perfecttempora.
Aus der ersten Classe sind nur die zwei bekannten Perfecta — feci und vidi —
geblieben.
100. Feci lautet, wie schon §. 58 gesagt, ßM 7 18, fecit lautet/e?i 463. Die Diiferenzirung
des Stamm vocals ist zu bemerken; auch bei anderen starken Verben findet sich gerne in
der 1. Sing, i ein." An flexionsbetonten Formen bietet unser Gedicht 2. Plur. Perf.
faes =^ fag-istis 1655; dann 3. Impf. Conj. /aes = fag-isset 1654; entschieden schwache
Formen. Zugleich für das zweite /aes auch /es 1734, dann fessets 2778. Man kann da
fragen, ob e aus ae oder aus ee (von fe[c]isset) contrahirt sei. Ich dächte eher das Erste.*
Die 3. Plur. Perf. lautet /eren 2920; ob stark? aber fecrunt hätte eher fettren ergeben;
' In anderen Denkmälern sowol -ist als -esl.
2 Vgl. unten §. 104 pris und pres; mis und mes.
3 Vgl. faem J. 201 und fem J. 203, faesaen J. 204 und /essen Doc. 31.
174
A. MuSSAFU.
vielleicht aus fafcjerimt, mit tonlosem a zu e/ So wird aucli desfe 2059, eher als aus
fe[eit], aus fae (fac-evit) oder fee (fec-evit) gedeutet werden. Niclit anders Cond. 1. fera
1651, 3. fera 2442; denn faeres Hf. 42 gestattet, /aera /eera /er« anzunehmen.
101. Vidi und vidit ergeben vm (§. 45), im-en 1022. 2511. 2512. Auch schwache
Formen: vaS 2633 statt vee'' und veren 235. 659. 2621, das nur Contraction von veeren
sein kann. Impf. Conj. mit schwacher Form 3. vases 614 vaes 225 und contrahirt ves
2306. Part, visf 1350.
102. Die auf lat. -n,i sich grundenden Perfectbildungen mit -g- sind im Catal. be-
sonders zahlreich. Das g bleibt in allen Formen. Die 1., 3. Sing, und 3. Plur. können
stammbetont, also vollkommen stark sein; am liäufigsten ist es die 3. Sing, {-ch, d. h.
auslautendes g)] die 1. Sing, zieht gui, die 3. Plur. gueren vor, eine Verquickung starker
und schwacher Form, die man halbstark nennen kann. Cond. kann in der 1. 3. Sing.,
3. Plur.^ stammbetont, stark sein: -grä u. s. w. ; aber daneben kommt die halbstarke
Form -guera u. s. w. vielfach vor. Impf. Conj. betont selbstverständlich immer die
Endung. Das Part, auf gut, selten iit.
103. Die von unserem Denkmale gebotenen Formen sind folgende:
Volui: Pfct. 3. volc 626, 6. volgren 293; 2. volguist 2254. — Cond. 3. volgra 2398.—
Impf. Conj. 3. volgues 567, 5. volgtiessets 2965. — Part, volgiit 413.
Valui: Pfct. 3. valc 2020; Q. valguiren 21%d. — Cond. 3. valgra 521 (-e 508) und
sonst oft, 6. valgueren 2789.
Tenui: Pfct. 3. tench 806. — Impf. Conj. 3. tingues 1185, 6. tinguessen 1931. —
Part, tengict 887.
Debui: Cond. 3. degra 1486. — Impf. Conj. degues 1105.
Hahui. Siehe die Anmerkung zum vorangehenden §.
Jacui: Pfct. 3. jac 886. — Impf. Conj. 3. jagtces 1563. — Part, jagut 1564.
Potui: Pfct. 3. poch 488. — Cond. 3. pogra 1969. — Das Impf. Conj. erscheint
in unserem Denkmale nicht bloss als pogues 1154, sondern auch als posques 1543 und
poxes 1634. Einfluss des Praesens ist nicht zu verkennen. — Part, poscut 1925 (in an-
deren Texten auch iwgut.)
Aus anderen lateinischen Classen :
*Toll-: Pfct. 3. tolc 1275." — Impf. Conj. 3. tolgues 1235. — Part, tolta 547.
veni: Pfct. 3. vench 864, 6. vengren 161 neben vengueren 252. — Impf. Conj. 3.
vengues 1328. — Part, vengut 870.
hihi: Impf. Conj. 3. hegues 1558.
pln.i: Imp. Conj. 3. 2^^ogues 2344. — Part, plogut 2363.
' fei imdet sieh in der Tliat J. VM; in mciuen Colloetaneen liabe ich aucli fac (fahe gesehr.), ich habe aber vergessen, die
Belegstelle anzumerken.
2 vei Gen. 283, veai Doc. 56.
' ^ Das Schema aller möglichen Formen dieser Verba wäre demnacli folgendes :
Perfect: hac — hac 11 — — agren 323
„ agui G. 270 agnist agui F. 102 aguim 2391 aguis 1787 agtiiven 2892
Cond. agra 1521 agres agra 1521 u. s. w.
„ aguera agueres aguera 6. 2fi5 u. s. w.
Impf. Conj. agues 3032 agtiesses agues 1270 aguessen agiiesse/s 1800 agueaaen.
Partie. agul und mit 1015
* Oder toU schwach; vgl. Anmkg. zu diesem Ver.se.
Die CATALANISCHE METRISCHE VeESION DER SIEBEN WEISEN MeISTER. 175
cognovi: Pfct. 3. conech 929 u. conoc 801; 6. nur conegueren 2513. — Impf. Conj.
3. conegues 1934, 5. coneguessets 1370. — Part, conegut 1201.
movi: Part, mogut 2237.
credidi: Pfct. 1. nur cregid 1149, 3. crecli 1310. — Impf. Conj. 3. cregues 1153.
— Part, cregut 1270.
sedi: Pfct. 3. assech 826. — Part, segut 1107.
steti: Pfct. 3. estech 649. — Impf. Conj. 5. estiguesseu 1367 (das i zu bemerken).
planxi: Pfct. 3. plangues 1256.
Eine eigenthümliche Erweiterung erfahren wir im Provenzalischen :
parui: Pfct. 3. aparech 809 (kein aparch).
cucurri: Pfct. 3. correch 681. — Impf. Conj. 3. corregues 1337. — F&rt. corregut 1491.
104. Die sigmatische Flexion findet ebenfalls ihre Anwendung in allen Perfect-
tempora. Im Perfect hat die 1. Person den Ton bald auf dem Stamme, bald auf der
Endung; die 3. Sing, zunächst auf dem Stamme; alle andern Personen (auch die 3. Plur.)
auf der Endung. Das Conditionale ist in allen Personen flexionsbetont. Die meisten
Verba, welche sigmatisch flectiren, haben Nebenformen mit -g-^ und diese sind dann in
der Hegel alle flexionsbetont.* Unser Gedicht bietet folgende Formen:
dixi: Pfct. 1. dixi 1820, 3. dix 14, 5. dixes 1653, 6. dixeren 5. — Cond. 1. diguera
3031. — Impf. Conj. 1. dixes 965, 3. dixes 224. — Part, dit 52.
mansi: Pfct. 3. romas 3237. — Impf. Conj. 3. romangues 518. — Part, romas 676.
misi: Pfct. 1. mis 1964, 3. mes 1217. — Part, promes 106. — Zugleich schwach
5. prometes 881, materen 1261.
quaesivi^ gleichs. quaesi: Pfct. 3. raqites 2347.
traxi: Pfct. 3. trasch (st. tracs) 1348. — Impf. Conj. 3. retragues 993.
vixi: Impf. Conj. 5. visques (st. vicses) 563.
Aus anderen latein. Classen :
incendi: Pfct. 3. enses 2062.
occidi: Pfct. 1. oc/s 1142, 3. om 578 aiocis 2dA8. Flexionsbetonte Formen schwach:
Pfct. 6. öderen 2921, Impf. Conj. 3. ocies 1157.
intendi: Pfct. 3. entes 990. — Part, entes 99.
prehendi: Pfct. 1. pris 985 (nb. pres 390. 719) 3. pi'''^^ 181, 5. aprengues 196,
6. preseren 298. — Impf. Conj. 3. preses 1257 u. prengues 1336. — Part, pres 1126.
respondi: Pfct. 3. respos 17.
105. Wie trasch^ so auch nasch; daneben nasque 471, nasques 2057; Part, nat 387.
Zu bemerken ist auch exii^e; neben der regelrechten Form exi axi (1363) bildet dieses
Verbum sein Perf. auch nach der ^-Conj., wobei es sein .r zu .sä.- umkehrt: isqiie 352. Da-
durch gewinnt es einigermassen das Aussehen eines halbstarken sigmatischen Perfects.
' Es ergibt sich demnach folgendes Scliema :
Perf.
sigm. stammb.
dix
—
dix
—
—
—
V
„ flexionsb.
dixi
dixlat
—
dixem
dixis
dixiren
-g- flexionsb.
digui
diguist
digui
diguim
digues
digidren
Cond.
sigm. . .
dixira
u. s. w.
„
-ffU-
diguera
u. s. w.
Impf.
C'onj. sigm. .
dixh
u. s. w.
-
r -gu- .
digues
11. s. w.
176 -^- MUSSAFIA.
Perfectformen von esse: 1. fuy G. 270, fuist 1294, fo 2304, fom J. 200, fots, foren
1294. — Cond. 1. fora 1146, 3. /om 911, 5. forets 1671. — Imi^f. Conj. 1. /o.s 424,
'6. fos 2324, 5. /oÄse^- 1369, 6. /ow«? 2G38. — Part, stat 3180.
An starken l'articipien wären noch zu erwalinen : dos 144, desjMs 1194; mort 528;
rescost (in der adverbiellen Locution en r.) 1449, post 1176; ttberta 2750.
Lateinische starke Verba, die schwacli flcctiren, wären : foneren 2250 confondut
553, leg') 2080 %?:if 2081, percU 792, saiiT 965 sahut 1200, <W5e 492 estorceren 6, Part,
aber stark esfort 768.
Futurum und 11. C ond i ti o n al e.
106, Die Endungen ergeben sich aus habere. Im Futurum erscheint m.elir£ach der
Infinitiv von dem Auxiliare getrennt; die flexionsbetonten Formen des Letzteren erscheinen
in diesem Falle zu em, ets abgekiii-zt: dir vos he 1061, dir o ay 898, donar li a 918,
trobar Fem 2149, forsar me 7iets 1593, maridar man 1667. In Bezug auf den Stamm
wäre zu bemerken : 1) Stämme auf d und c erscheinen nur in der contrahirten Form :
nicht vesere lüasera sondern nur veure plaura. 2) Auch Infin. die bloss auf -^r ausgehen
büssen ihr e ein: aureis 24, deurien 484, sabra 28; valra 1316, volriets 1165; tindrem
1205 retendria 125; tembra 2333; aparria 2842. Non poder: poran 3. 3) das i des Infinitivs
fällt ebenfalls manchmal weg: vendra 2998, somonria 3040 (könnte auch zu 2 gehören),
farria 2077, garra 1559 [garira 1550), morrets 1286 '[morirem 2677), sofferran 249 (da-
neben soffrere 91, nach der ^-Conjug.), mintrem 2850; penidria 767. 4) Uass -ar- ab
und zu zu -er- wird, ist schon §. 84 bemerkt worden; anar bildet anire 1230, etwa
durch. Einmischung von zVe, das ebenfalls gebräuchlich, z. B. 3201. 5) Esse hat sere 817.
IV. Reime.
D^'e Reime sind häufig unrein, bloss assonirend.
A. Männliche Heime:
Der Consonant oder die Consonanten, welche auf den betonten Vocal folgen, sind
verschieden. Auch kann VocCons. mit VöcVoc. (fallender Diphthong) assoniren.
l-u; pilau: mal 87. 1683. 2655. 2833, «irete/ 388 ayfal 3134, destral 520, leyal 3156;
suau: mal 826, pedral 832, senescal 1532. 1566, desleyal 2886; — Deu-.cel 43. 1024.
l-u; platt: gayll 1080. consell: veu 2551.
l-y; trabayll: papagay 2321. 2384. 2390. 2408 — conseyll: rey 933.
l-r; fiyll: dir 2030. Vgl. Anm. zu 883. 1596.
m-n; hom: Nayron 83, res2)on 171. 1159.
n-n-^ preiidrien: seny 1378. Mit folgendem s; tans: anys 27.
n~u; preyon: pou 1386.
n- l; pertany: leyal 189.
• p-t; capj: estat 357, grat 814, nafrat 834, ajyeylat 1234:, justiciat 1240. 1275, trobat
1250, ahontat 3100 — ajjercejj: drei 883. Mit folgendem s;taps: xitats 1124, macips: adormits
2221. Mit vorangehender Nasalis; camp>: avant 300. 3212, infant 700. Mit Nasalis und -s;
lamps: cremants 2339 — temps: gents 156. Dazu Ip: rt; colp: mort 806.
p-c; prop: foc 1765. 1837. 2070. poc 1851; trop: loc 2803.
?' ' ß >' prop : goig 1 084.
Die catalänische meteische Version der sieben weisen Meister. 17 7
c-t; hac:gardaf 215G — assec: liguet 1912; nee: f et 2841 — amich: marit 390. 2977,
adormit 1342, ardit 1821, nit 2331, servit 3228; die: escrit 2075; rieh :fornit2\dh, marit 3047.
Mit -s; amichs, noyrits 2788. Mit Nasalis; anc: Infant 2691, planch: taut 2653, saneh:
infanf 658, anant 1967 — avench: verament 768. — sc-s!^/ bosch: tost IIA. 816.
c-s; conech: raques 2347.
c-g; goig: poe 2634, foe 3188.
?-r; ahontat : negar 2778, ajiistat: arrenar 2597, termenat : mandar 842 — axji: nodrir
192, HianV; mom- 1044. Vgl. Anm. zu V. 2800. — Ueber t-s vgl. Anm. zu V. 1214.
s-r; volentes: fer 1775, aver 2168.
«■-s; mateix: poxes 1633.
Vocal mit Diphthong in emperi : diit 2496('?); Vocal Consonant mit Diphthong Conson.
in mal: sdid (§. 24) 1530 und vos: prous 1731 (vgl. vos: pros 1368).
Einfacher Vocal assonirt mit Vocal, dem ein Consonant folgt:
d-an; p)artira: portaran (wahrscheinlich jedoch -a) 2456.
d-ar; comprara: segnar 2007.
d-at; crema: apagat 2089. Vgl. auch Glossar s. v. esdecantar und Anm. zu V. 1206.
e-ec; fare : conech 3013.
e-ep; be: Josep 2671.
e-er; mostrare: ver 2577.
i-it; vgl. Anm. zu V. 2855.
o-on; so (ecce hoc): son (sum) 710. Vgl. jedoch 411. Eher ist dazu 3192 son (sunt):
bon (bonus)^ also eigentlich bo (§. 33) zu rechnen.
Ein Consonant assonirt mit zwei ; und zwar sind die auslaut. Conson. gleich oder
so nahe verwandt, dass sie mit einander assonieren; der vorletzte ist n, r, l, (vor Mutae
und Sibilans), s (vor c, t), c, j), t (vor s).
ns-s; espessas: mans 1963 — vos: barons 109. 756; protis: barons 198. Ein wenig-
wichtiger Fall, da es sich um indifferentes n handelt.
7it-t; aytant : 2)assat 2630, infant: escapat 2936 tanf: grat 2967. — deliurament: ret 1299.
Mit -s: infants: aretats 169. Und da t mit c assonirt, so kann man hier auch nt-c ver-
zeichnen : verament : pech 2025.
rs-s; ebenfalls von geringem Belange, da r vor .s kaum hörbar war (§. 36). Beispiele:
escars: largas 1188, menjars: solas 1928 — deners: agues 1271, afers: burges 1319,
vers: pres 2438 — respos: honors 40, vos: -dors 844. 2488.
rt-t; 2)art: Partie, auf -at 632. 1372. 1523. 2541; art: encegat 2645. Mit -s:
parts: irats 644; arts: perpensats 22()\ siehe Anm. zu V. 234. Vgl. auch tots: mort 2714.
rn-n; jorn: son 1134.
Ip-p kommt nicht vor; da aber j:) mit c assonirt so gehört hieher Ip-c; colp:foc 2087.
sc-c: estremesc: conec 239 und da c mit t assonirt, so auch st-c: vist: amich 1350.
st-t: es kommen nur Fälle mit folgendem -s: contrasts : nats 1090 — aquests : conexets 2643.'
1 Auch ist zu bemerken, dass der Nexus als mehrfach zu ts vereinfacht erscheint; so trits Gen. 170, aquets mehrfach in Doc,
gets Hf. 24 (das nicht zu gests emendirt zu werden brauchte).
Denkschriften rler pliil.-hist. Cl. XXV. Bd. 23
178 A. MussAFu.
cs-s; amics: jaquis 3057,
ps-s; draps: rrfresca.i 599.
ts-s; gardafs: }'pi>rras 895, «'«•< 2036; nssnts: was 1781 — 2. i'Iiir ;uil" ets: entea 194
ades 690, 62(7-,5fe.s' 2034, es 2428, me.s 2776, ates 3015 — ^em'fc; t;?s 2571. 2593. Hiolier
kann auch gerechnet werden ts-ns (=^ indift'. ?i + .';) : heretets: bcns 1070.
In zwei Consonantenpaaren sind die auslautenden Consonanten gleich oder nahe ver-
wandt, die vorletzten aber verschieden. Ein nicht häufiger Fall.
Ip-rp kommt nicht vor; wol Ip-rt; colp: mort 806.
rc-sc; porc: bosc 782.
rt-st kommt nicht vor; wol rf-sc; mort: bosch 836.
rc-nc ebenfalls niclit vorhanden; wol rc-nt; alberch: exament 148.
Consonant (auch Consonantennexus), welcher auf dem betonten Vocal folgt, ist in
beiden Wörtern gleich; in einem ßeimworte aber kömmt noch ein Consonant liinzu.
Nur ein paar Fälle u. zw. von geringem Belange.
Ueber Cons: Cons + s siehe §. 74.
nt-n; Infant: eng an 594.
Drei Consonanten mit einem assoniren bei nts-s; gents:ades 732, encantaments :
nasques 2056, und wol auch sangonefnjts : ges 676. Eine Combination der zwei Formeln
ts-s und ns-s. Plorants: ??^rm.s 3154, gents : bens 126 sind wol eher hieher als zur Formel
nt - n zu rechnen.
B. Weibliche Reime.
Verschiedener Consonant zwischen zwei Vocalen:
l-l; vila: fiyla 2949. r-v; puyaren: bornaven 618.
l-r; vila: ira 2494. d-v; maynada: gardava 2412.
l-n; vila: azina 128. d-g; venguda: desastruga 2370.
l-d; vila: partida 2553. d-ss-^ amada: bagassa 1434.
l-s: fiyla: guisa 3065. t-s-^ caxeta: mesa 2718.
r-n: hora: dona 1607. g-s; vages: fasses 1897.
r-d; clara: estancada 1130. s-l; puxa: vulla 2129.
In einem Verse ein Consonant zwischen Vocalen; in dem anderen kein Consonant:
^--f; vila: dia 20(i2. 2349 und Impf. ^--f-," desliga: Maria 408, diga: falcia
auf -ia 2062. 2304. 2440. 1088.
l - -\- ; fiyla : faylia 1891, dia 2953. .!/-+» desija (geschr. -ige): dia 3073.
n-~\- : orina: gesia 923, nina: avia 1321. «--J-; gidsa: gesia 1540.
d--\-; oblida: via 152. «(äs)--)-; riguesa : peguea 1865.
Von zwei Consonanten ist der zweite ungleich, aber doch nahe verwandt:
rg - rd : falorga (geschr. -e): corda 530.
• rf-rd: morta: recorda 702.
Freiere Assonanzen sind:
ayga: fa.yla 1558. arbra: altra 790.
mayra: altra 2693. metge: segle 909. 994.
Manchmal sind die tonlosen Vocale verschieden; es handelt sich aber immer um e-a,
von denen der eine oder der andere Vocal secundär ist, so dass Angleichung sehr leicht ist.
Die CATALANISCHE METKISCHE VeKSION DER SIEBEN WEISEN MeISTEK. 179
a statt urspr. e; payra: viayre 258. 2703, gayre: layra 11 1)8, mayra: afayre 1813.
e statt urspr. a; e>idevengue: letiga 281 (362 -a: -«); assaje: aja 2042, /«r?'e; jyrenia
158, stava: sagnave 1715. So auch aviats: deyets 1422, wo a wol ursprünglich, die nor-
male Form für beide Wörter aber -iets wäre.
Eine sehr freie Assonanz ist vestida: erminis 1839.
In allen bisher besprochenen Fällen waren die zwei betonten Vocale identisch ; es
kommen auch Verspaare vor, in welchen dieselben verschieden sind.
e-i; auszuschliessen sind Fälle wie serets: deyts 2847, da diets vorkommt (§.8); comeni:
e 1303, da die 1. Pers. Perf. der I. Conj. zwischen -{ und -e schwankt (§. 97); seguets:
anits 21G4, wo seguits die gewöhnliche Form ist (§. 85). Umgekehrt kommt morrets: jaqaits
1094 vor, wo morits leicht zu emendiren ist. Dins: gens 1126-, ob giiis möglich? Co7ie-
gueren: viren 2512; die schwache Form vercn (contrahirt von veeren) kann ohne Bedenken
angesetzt werden. Garis: pref^ 984; venir: cavaller 590. Vielleicht sind auch hier Formen
der E-Conjug. statt der normalen nach der I-Conjug. anzunehmen; vgl. §. 85.
o:u; mot: mut 268; mots: venguts 870; escura: fora (för'is) 1329.
ou-eto in brou: creu 1054; pou: veu 1418 (über p)ou: creu 1407 kann man zweifeln).
Veu = vocem könnte etwa zu vou (§. 58) geändert werden. Ist b7^eu (d. h. oit aus od
behandelt wie o?(, aus oc) zu belegen? Oder crozo für creu (d. h. wie ou zu eu, so eu zu
02«.^; boure ist aus Doc. 68, vonreis = veurets aus Doc. 75 zu belegen).
a-e; car: muyler 1639 gegen quer: muyler 2675 (siehe auch Anmkg. zu 886). Clara:
hbrera 1961; etwa clera.
Offenbare Fehler, welche durch Emendation oder durcli Annahme eines Ausfalles
von mittleren Versen zu beseitigen wären, kommen vor 297 (vgl. §. 97). 602. 1560.
2107. 2430. 2602. 2794. 2827. 2835; siehe auch Anm. zu 2496.
Nicht selten assonirt ein Oxytonon mit Paroxytonon, und zwar durcli Accentver-
setzung bei letzterem Worte; also wie bei Peire Cardinal, Matfre Ermengau und wol ande-
ren besonders späteren provenzalischen Dichtern.' Die vorkommenden Fälle sind folgende:
aura: altrd 347. poder: destrenyer 3162.
gitara: entrd 1388. res: gitardies 1460.
fara: pjerä (= petra) 2085. pres: Herodes 2437,
esta: deyä 3067. sabrem: fugen {=^ fugmnt) 2825.
ha: querd Praes. Conj. 3078. seny: p^rendrien 1378.
pora: vajd (geschr. -gc) 3164. jardi: emperi 518; diu: emp)eri 2496 (?)
cavaller: senyer (Cod. senyor) 742. basti: Virgili 2098.
aver: esser 2535. Merli: savi 2636.
Dazu wol auch romana: gardd 1184; comana könnte aber imNothfalle auch als Praesens
angesehen werden, wo man dann die Assonanz ?7 (^ — nd): rd erhielten. Eben so rechne ich
1 An catalainsclieii Dicliteni vermag ich in Be/ng auf Reim und Versmass nur Ramon Lull zu vergleichen; denn die Dichter
der Liederbücher zu Paris und Sarragofa ricliten sich zu genau nach den Lehren der Schule, als dass sie sich Freiheiten
gestatteten. Lull bietet nun, wenn auch selten, Beispiele der oben besprochenen Erscheinung. So S. 538 — 9 V enteniment
car pres esta Solz lo voler qui afemia ; zu betonen afeiind. S. 490 Ah leyaltal ! lan mal mi va Car tan patich vos he amn(fd.
S. 643 Ävaricia es ami Per qiii hom va a viala ß, Si ella es al consili etc. S. 515 Que Christ duas naturas ha (Jo es,
divina e huvianä ; S. 516 Si dins que Deus jutg' animä Del mal o hex que Jet aura.
Doc. 220 wird das Distichon citirt: Säenc'ia jovent e riqueses | tollen al hom conexer eil qui es.
2.3»
180 A. Mi'ssAPiA.
liielier 1756, wo ich ama assonirend mit ha als Praes. ansehe; da indessen es auch
möglich ist, darin ein Perfect zu erblicken, so sonderte ich diesen Fall. Vgl. aucli die
Anmerk. zu 191. 1223. 1460. 1469. 1470. 1491. 1545. 2065. 2338. 3142.
Nur ein Fall kommt vor, in welchem beide Reimwürter weiblich sind, der Reim
aber nur ilurch Versetzung des Accentes in beiden erhalten wird: sid: degastd 3045.'
Identische Reime kommen vor: 185. 1226. 1305. 1430. 1486. 1588. 1625. 2135.
2190. 2817. 2862. 2947.
Zwei oder drei, selbst vier (4.S0 — 487), auf einander folgende Verspaare mit dem-
selben Reimworte kommen nicht selten vor. Es fehlt aber auch nicht an Stellen (gegen
20), in denen drei, auch (5 bis 6 Mal) fünf Verse gleichen Reim oder gleiche Asso-
nanz haben, ohne dass der Sinn irgend eine Lücke fühlen lasse. Es ist nicht leicht
zu entscheiden, ob ein Vers fehlt oder sich der Dichter, welcher jedenfalls kein sehr
geschickter Verskünstler war, diese Freiheit erlaubt habe. Es begegnen auch ziemlich
viele (gegen 40) reimlose Verse; wenn man auch in der Regel nichts vermisst, so kann
man doch eine so weit gehende Nachlässigkeit dem Dichter nicht zuschreiben; es muss
Ausfall eines Verses angenommen werden ; wenn man zugibt, dass eine ungei'ade Anzahl
von Versen den gleichen Ausgang haben könne, so lassen sich diese reimlosen Verse
diu-ch Veränderung- des letzten Wortes mit dem vorangehenden oder nachfolgenden
Verspaare vereinigen. Noch mehr empfiehlt sich dieses Verfahren, für die wenigen
Stellen, in denen der reimlose Vers einer Gruppe von drei oder fünf Versen vorangeht
oder nachfolgt. Die Anmerkungen erwähnen alle einzelnen Fälle , in denen von dem
Grundsatze der Reimpaare abgewichen wird.
V. Versmass.
Das angestrebte Versmass ist das achtsilbige ; bei Anwendung aber der allgemein
giltigen metrischen Regeln ergibt sich, dass mehr als ein Dritttheil der Verse unrichtig
gemessen ist, und zwar überwiegt die Anzahl der zu kurzen Verse jene der zu langen
um ein Beträchtliches. Indessen kann das Zugeständniss mehrer Freiheiten, von denen
manche bei späteren provenzalischen Dichtern nachzuweisen sind , die Anzahl der
unrichtigen Verse bedeutend verringern. In erster Linie ist hier die Behandlung der
Vocalnexus zu erwähnen, bei welcher unserem Gedichte die grösste Freiheit eingeräumt
werden muss.
1. Innerhalb eines Wortes. Der Nexus ta (ie) zählt sehr oft für zwei Silben; viel-
fach jedoch wird es als einsilbig gebraucht. Es genügt, von letzterem Vorgange Bei-
spiele zu bringen: sia 873. 2009, e-stien 139; Impf, der IL III. Conjug. a-via 721. 1632,
ple-ya 606; a-viets 1806, fe-yets 1434. 1951, ge-yets 1425; de-yen 2831, fe-yen 180, Condit.
aller Conjug.: estorc-riets 2271, se-rla 1624 u. s. w. ^
Nexus iVöc ist meist zweisilbig; manchmal scheint es für eine Silbe zu gelten.
Diahle: 412 ist zweifelhaft, da que elidirt werden kann; auch 433 e an vos tm diahle
' Bei Lull reimen ziemlich oft Abstracta auf -ia. mit -ia; z. B. 484 La virtut qu' es prndencia Es 50 qui fa que hom sia, zu
betonen prudenciä und sid.
- Wir führen nur solclio Beispiele au, welche keinen Zweifel zulassen; würden bloss Verse wie 1362 mas lo venire mi feya
mal od. 14'24 en lo lit geya yo, na lassa vorkommen, so könnte man fragen, ob nicht dort ventrem, liier e^ lit zu lesen sei.
So auch 359 e V Infant humilia lo cap; statt -lia liesse sich li-al lesen. 2159 Senyor, com vendra lo diu dar; mau könnte
vendral di-a vorschlagen.
Die catalanische metkische Version der sieben weisen Meister. 181
donat ist nicht ganz sicliei-, da einsilb. e an denkbar ist. Justiciat ist fast immer vier-
silbig (1241. 2302. 2848); 1276. 2094 he (od. qid) degra esser j. wird man eher (/r'ßs. als
-cid- annehmen; 763 que Vinfant da j. kann man zweifeln, ob die Verschleifung in sia
od. -cid- annehmen solle. Entschieden dreis. ist das Wort 2425. So auch wenn i in
einer der Consonantirung günstigen Stellung sich findet; fast immer sapi-ats (z. B. 392.
1724. 2010. 2053 u. s. w.), selten pia (pja) 2501. 2680; 2764 ist zweifelhaft, da no o
oft eins. ist. Neben so?)«'-«? 2165. 2171. 2182, so-miat 2524 so-niias 2527; auch sompnat
2519. Comi-at 325.
Der posttonische Nexus ia (i'e) gilt auch für zwei Silben in sapi-a 574. 919, sapien
2907, vgl. auch 950. 2805. Auch 784 hat nur dann das nöthige Mass, wenn hestia
dreis, ist. Desgleichen 2849 in Bezug auf gracia. "
Voc i zählt für zwei Silben. Wenn überall la-yns^ so muss wol 1232 layns en Ia
Caldera dond als ein schlecht gemessener Vers angesehen werden. Wird aber ein solcher
Nexus vom Accente verlassen, so ist Vereinigung der zwei Vocale zu einer Silbe
leicht statthaft; trayt muss zweisilbig sein; ay in traydor kann zwei oder eine Silbe
ausmachen: a-y 437. 735. 739. 859 u. s. w.; ay 845. 912. 1420. 1635. 1652 u. s. w.
Einige Fälle sind zweifelhaft: 412. 854. 2399. 2651. Hieher gehört auch cuy-nar 2069.
cuyna müsste wol dreis. sein, es wäre denn dass ßeti'action des Accentes einträte.
Eine solche müsste in /?/?/ (st. juy^ §. 60) angenommen werden, wenn dieses Wort,
wie im V. 3180 der Fall zu sein scheint, als eins gelten soll; sonst ist es immer zwei-
silbig, z. B. 6. .
Voc i als fallender Diphthong ist in der Regel einsilbig. Schwerlich wird man
cu-ydats 1584 zugeben, da uycl doch eher aus og'd als aus o[y/id sich entwickelte.
V. 28 u. 1427 enthalten das Wort aytals und sind nur siebensilbig, sollte sich unser
Dichter a-yt erlaubt haben? Vgl, auch 918 in Bezug auf aytant , 2583 in Bezug auf
ayci^ 230 über eyla. Wie ist die Interjection ay zu betonen? Wenn ay^ so zählt sie
für zwei Silben, wie fast immer im Altfrz. und in unserem Denkmale 2361. 2370.
3013. Im Prov. gilt sie gewöhnlich als einsilbig und ist wol dy auszusprechen; so 2766.
2. Zwischen zwei Wörtern. Auslautendes a und e in melirsilbigen AVörtern können
vor anlautendem Vocal nach Belieben elidirt wei-den oder Hiatus bilden; Beispiele
anzuführen ist überflüssig; nur kann man auch hier bemerken, dass die Fälle des Hiatus
bei weitem zahlreicher sind.
Einsilbige grammatische Wörter verhalten sich folgendermassen :
si und que werden (wie im Provenz.) bald apocopirt, bald nicht: si aquest 210 und
s' aquest 69 ; que avets 2281 und qu' avets 2524.
Manche Proclitica, die im Provenz. entweder immer oder mit seltenen Ausnahmen
vor Vocal apocopirt erscheinen , bewahren in unserem Texte ihren Vocal und bilden
eine selbstständige Silbe:
Ia als Artikel (im Provenz. ziemlich selten): Ia amor 1370. 1421, Ia Jionor 2247,
Ia ola 1047. 1056, Ia orina 923.^ — Als Pronomen (ob je im Provenz.?^): Ia an 176,
Ia ayues 1271, Ia aureU 1711, Ia amagas 2760,
' Vgl. bei Lull: S. 48.3 Juslicia es 50 qui fa; 529 diligtncia a menjar.
2 Masc. Ia un zählt bald für zwei Silben bald für eine 2539.
3 Ia enquer LB 82, 59 wird durcli Tobler's Emendation bei Philipson, der Mönch von Montaudon, Anm. zu XIX 43 beseitigt.
182
A. MUSSAFIA.
me, te, se, ne (kuinn im l'rovcnz.'): me acets 1879. 3019, se asscnfa 1099, ,se acordas 2407,
9ie aurian 1383, ne avets 1435.
// (mancho Beispiele im J'rovenz.): last immer olnio Apocopo : li ha 2948 // an 2228.
2240, // ambla 2717, aber ll'aja 2401.
de (äusserst selten im Provenz.-): de aqucll 503. 2542, de aco 991, de ayga 1120,
de altres 1172, de aver 2138. 2535, de aycel 2153; </r Ijwras 907-, de hörnern 2935.
/o als Artikel und ['nniomen (wol nie im Pi'ovenz.) : lo arhre 2024, lo aver 2169;
lo escoltar 33, lo Infant 72. — lo han 448, /o apenlava 2309, /o asscjara 2334, /o asseja 2335,
Zo owels 2654; lo ocies 992.
Soll man diese Hiatus anerkennen, oder überall Verderbniss annehmen? Bei der
grossen Anzalil von Fällen erscheint das Erste rathsamcr. Und wenn man einmal den
Hiatus als zulässig erklärt,' lässt sich nicht Versen wie 171 renqjcrador los re&pon, 2045
que Vinfant es escapat oder 647 lo brassol ses abocat dadurch zu Hilfe kommen, dass man
gegen die Handschrift lo, se liest? Solche Verse wären noch 312. 705. 713. 1233.
2301. 2822. 2948.
Andrerseits werden Fälle der Apocope geduldet, die im Provenz. selten oder kaum
vorkommen. No, das im Prov. meist unapocopirt bleibt, wird in unserem Texte öfters
zu n: no ha 2360, no axi 1376, no avem 1764; no he 86. 1925, no cm. 609. No o {= non hoc),
wenn einsilbig, z. B. 2763, kann als no, wie die Hs. im V. 1582 bietet, oder als noti,
wie 1897, aufgefasst werden.
Ein anderei- noch seltenerer Fall der Apocope wäre folgender. 'NVenn einem Verbum me,
te, sa, ne, lo, la, li folgen , so sollten diese mit dem Verbum innig zusammenhängende
Wörtchen durch den folgenden Vocal keine Apocope erleiden; unser Text indessen er-
laubt sich manchmal eine solche. Neben 594 e ach ne un 'patit infant, 821 e tench se ab
la una ma, 2559 menen lo a rcmpei^ador finden wir 1805 e son na axi ben castigada,
2511 e viren lo ab infants jugar , 2984 e vos porets ne esser prohomj Daher konnte icli
mir erlauben 2904 En aco eylls se son acostats (eylls ist unentbehrlich) zu son sac zu
verändern.
Vei-schleifungen von Vocalen, die zwei Wörtern angehören, zu einer Silbe finden
ebenfalls, der allgemeinen Neigung zu Hiatus entgegen, nicht selten statt. So zwischen
t (= ia) und anlautendem Vocale. Und so kann es sein, dass eine solche Formel bald
drei, bald zwei, bald eine Silbe darstellt. Neben si-a-as-si 39, si as-si 29; a-vi-a-un
467 und a-vi -un {of^Qv a-via-im) 468; a-vta-magada 2860. Andere Beispiele der p]insilbig-
keit wären te-nia en 2073, a-via ho-mens 2123, se-ria he-retat 2699.
Qu.i mit folgendem Vocale bildet nicht selten nur eine Silbe, entweder durch Ver-
schiffung, oder dadurch dass man die eben so berechtigte der Elision fähige Form cpie
annimmt; vor en, c? lässt sich Aphäresis des e erblicken; quial cor oder (/«'a/ cor, eben so
846. 2852; 557 und 661 entweder quien oder qiocn wie 887 oder endlich g?«Vi wie 439.
Andere Fälle der A^erschleifung wären: ct-a: va a 544 (unsicherer Fall, da empe-
rador im Verse vorkommt), e and axi 740 (wenn nicht e a- eins.), dond a 806, volrd anar
2556 ■_ a-u: a an 2458 — t-a: mor'i a 3236. — l-a: savi a 1211. 2549, hi aura 1565
1 me nfi-i bei R. Vidal, Dkm. 146, 29.
- de Äimol, de Atyus Ixü G. de Cabreij-a, Dkm. y2, 25 uiul ',»(!, IC).
3 2503 eis mvis son sa acordats n. 2.'538 e Us savis son se acordats; ich habe an letzterer Stelle keine metrisclie Bemer-
kung gemacht, weil s'ac. möglich ist; einfacher wäre eis. Ein drittes Mal, 232, findet sich eis s. se son ac.
Die katalanische metrische Version der sieben weisen Meistek. X83
(od. coyl:) — o-a: fo ab 460, /o a 1500, do [= dort) aquell 1436 (jedoch l^esser do re.yll)^
0 ach 2864. Ist aiieli /*«* ab 1601 zulässig?
Oft ergibt die Conjunction e um eine Silbe zu viel und nicht immer lilsst sie sich
leicht streichen; es fragt sich ob, wenn A^ocal folgt, Verschleifung angenommen werden
kann; so 184. 311. 1!)08. 2158. 2340. 2560. 2900. 3010. 3039.
Das bisher über die Vocalnexus Gesagte lässt sich dahin zusammenfassen, dass
Hiatus vorwiegend ist und vielfach bei Proclitica in ganz ungewöhnlicher Weise vor-
kommt , dass aber andererseits auch manche harte Vocalverschleifungen anerkannt
werden können.
Wenden wir uns nun zu den anders gearteten unregelmässigen Versen, so bemerken
wir auch hier, dass die hypercatalectischen in geringerer Anzahl als die acatalectischen
sind. Faiigen wir mit jenen an. Eines der leichtesten Mittel , manche derselben in
Ordnung zu bringen, besteht in der Anwendung von Encliticis statt der volleren Formen.
Enclisis an vergleichendes co = com con kommt 109 cos tany vor; 2785, wo com aus-
rufend ist, dürfte man ebenfalls cos st. com se lesen. Wie steht es mit temporalem
com? Lässt sich 579 coli {== c. U)^ 643 col (c. /o), 2770 cous (c. vos) ansetzen? vgl. auch
die metrische Anm. zu 2330. 2707. Enclisis an die 3. Pluralis, die im Catalan. immer
ihr -n bewahrt, begegnet nicht in unserem Gedichte; wäre sie, wie im Prov. gestattet,
so käme sie manchen Versen zu statten: 160. 315. 662. 2462. 2572. 2619.
Manche Verse, welche die Praeposition c/e vor Consonant enthalten, sind um eine
Silbe zu lang; so 368. 730. 828. 1187. 2570. 2690. Lässt sich da d' annehmen? Und
wenn nicht überall, wenigstens dort, wo d sich leicht an den folgenden Artikel V oder
la anschmiegt, wie 208. 648. 1204.
Unterdrückung eines leicht entbehrlichen Wortes, Ansetzen einer einsilbigen Form
an die Stelle einer zweisilbigen u. s. w. geben ferner das Mittel, zu lange Verse ohne
besondere Gewalt auf das richtige Mass zurückzuführen. Trotzdem bleibt noch eine
gewisse Anzahl von Versen, welchen in so leichter Weise nicht beizukommen ist. Man
kann bemerken, dass besonders solche Verse das Mass überschreiten, in denen das im
ganzen Gedichte stets wiederkehrende Wort emperador, seltener emperayre, vorkommt (so
14. 212. 219. 236. 243. 446. 590. 750. 1179. 1508. 1516. 1679. 2022. 2143. 2195.
2239. 2248. 2300 u. s. w.), dann in den einzelnen Erzählungen jene, welche die Be-
zeichnung der Plauptperson enthalten, z. ß. cavaller 517. 591. 612, biirges 1308. 1702. 1716.
1853 u. s. w. Liesse sich auch einzelnen solchen Versen mit den gewöhnlichen Mitteln
abhelfen, so geht diess bei weitem nicht überall an; und da drängt sich die Vermuthung
auf, dass in solchen Fällen die Unregelmässigkeit nicht durch Abschreiber verschuldet,
sondern ursprünglich sei; der Reimer kam da besonders oft in's Gedränge.
Zu kurze Verse lassen sich Avieder zum Theile durch Auflösung von Encliticis,
Anwendung von umfangreichen Formen, Ergänzung einzelner Wörter leicht bessern; die
Anzahl der bloss siebensilbigen A'^erse ist aber so gross, dass der Gedanke aufkommen
kann, der Dichter habe sich oft mit solchen begnügen wollen. Dass bei femininem Aus-
gange der Reimwörter, wo also wenigstens für das Auge acht Silben vorhanden waren,
solche Verse mit trochäischem (iange von manchem provenzalischen Dichter gebraucht
wurden, ist wol bekannt;' es ist nur die Frage, ob man erstens dem Gedichte die Frei-
' Uli erlaube mir, auf meine Erörterungen in den Sitzungsber. der Wien. Akad. Bd. XLVI liinzuweiaen.
J84 ^- MUSSAFIA.
heit zuerkennen kann, feiiiininc Verspaare von jambischem Gange niiit solchen von tro-
chäischem Gange (wie z. li. 150-1, 173-4, 175-6, 186-6, 265-7, 275-6) abwechseln zu
lassen;^ zweitens ob der trochäische Gang auch für einzelne masculino Verspaare in
Anspruch genommen werden könne (z. B. 26-7, 105-6, 164-5, lt)'J-200, 277-78). Fiele
die Antwort bejahend aus, so würde, wenn ein Verspaar aus einem acht- und einem
siebensilbigen Verse besteht, gestattet sein, beide entweder nach der einen oder nach
der anderen Richtung auf gleiches Mass zu bringen.
In den Anmerkungen am Fusse des Textes ist eine Emendation in Hinsicht auf
das jMetrum versucht worden. Die oben erörterten Freiheiten bezüglich Zulassung des
Hiatus oder starker Verschleifungen werden als ursprünglich verausgesetzt vmd die be-
treffenden Verse unberührt gelassen, so leicht es auch oft anginge, durch kleine Modi-
ficationen regelrechteres Mass zu eidangen. Der Kürze wegen schloss ich in runden
Klammern Wörter, die zu tilgen wären; die viereckigen Klammern aber wählte ich, um
jene Emendationen zu bezeichnen, welche sich als unnöthig erweisen würden, sobald man
sich entschlösse, dem betreffenden Verspaar trochäisches Mass zuzuweisen. Ich gestehe,
dass ich nur mit einigem Zögern mich zu diesen Anmerkungen entschloss; ich fragte
mich oft, ob es von irgend einem Nutzen wäre, überall zu sagen, dass z. B. sius in si
tws aufzvilösen oder si vos zu sius zu vereinigen sei, und überall ein bestimmtes Flick-
wort vorzuschlagen, wo jeder Leser dasselbe oder ein anderes beliebiges ei'gänzen kann;
wenn ich trotzdem mich dieser einerseits leichten, andererseits misslichen, weil allerhand
Einwendungen ausgesetzten Arbeit unterzog, so wird man es mir nicht zum Vorwurf
anrechnen wollen.
i Vgl. bei Lull
S. 493 Per gtii sia altra vtda Qui de he sia complida
S. 496 E nuylla causa creada Pol esser infinilada
S. 501 Qtd son en una natura Vistinclas senes viesura.
daneben in demselben Gedichte:
S. 502 Elernalmenl e inßnida Perque no pol esser complida
S. 511 Fa que Deus de niantes naturas Qui eslan en las creaturas.
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister,
185
Senyors, si entendre volets,
molts bons exemples ausirets,
e tals queus poran profitar,
si be los volets tscoltar;
5 car los .vij. savis quels dixereu
del juy de mort estorceren
eis tots .vij. e lur seiiyor,
lo fiyll de r omperador.
De Koma f'o 1' emperador
10 e ach muyllur de gran valor ;
de ssa muyler hac .i. fyll,
(|ui apres sofri g-rau perill.
Mori la inara de 1' iufant,
e r emperador dix ab aytant
15 a .vij. savis que faria
e soll fyll quäl li nodriria.
Bencills respos tot primer,
qui era hom de gran afer :
,Senyor, luucli temps vos he amat
20 e molt bou . couseyll vos he dat ;
prech vos qiie m' o gasardoneis,
car vey que prest o avets;
si vostre fyll ma comanats,
tot m' ü aureis gazardonats;
25 e yo proin et vos per ma fe
que li mostrare axi be
que de ssi tro a .vij. anys
eil sabra aytals .vij. tans
que yo ne savi qui sia assi,
30 e prech vos que sia ab mi.'
Encilles, hom de gran poder,
dix : ,Senyor, yous vull parlar
si a vos plau lo escoltar ;
comeuats me aquest infaiit,
35 e yo promet vos be aytant,
que ans sien .vj. anys passats
yo li aure mostrat assats,
que eil sabra pus que mi
ne alguu qui sia assi.'
40 Lentules apres respos
e dix: ,Feis me tantes honors
que yo nodresque mon senyor,
e yo promet vos per Deu
e per los sauts que sou al cel
176" 45 que li mostrare mos escrits,
que de ssi a .v. anys complits
r infant aura apres assats,
mes que savi que vos ajats.'
Melquider s' es eii peus levats
50 e dix: , Senyor, er m' escoltats,
que vull parlar un patit 176°
de CO que vos nos avets dit.
De mi mateix vos die aytant,
que no se lo cor de 1' infant,
55 que yo lo plavis a vos
qu' el fos pus savi que tots nos ;
mas sil me comeuats,
ans que sien .iiij. anys passats,
yo li aure be ensenyats
60 de bon seny e de grans bontats;
mostrat li aure tant de be
que prou n' aura si o rate.'
Apres parlet Cato,
parlet coma savi baro :
65 jEmperayre de gran valor,
honrats un vustra servidor,
per so com eu vos e amat
be de cor e de voluntat;
si aquest infant me comeuats,
70 yo sere tostemps honrats;
176" anans que veugut los anys tres,
lo infant aura tant apres
que en tota part sera conegut,
per bo e per savi tengut.'
75 Josep fo hom ensenyat 176''
e dix : , Senyor, per caritat
vostra fyll a mil comeuats;
que eu li mostreray assats,
ans que dos anys sien complits,
80 qui entre mi e mos escrits ;
prech vos que a nul nel liurets,
car ja en res noy falirets.'
Apres parlet Nayron
e dix paraula de prohom :
85 , Senyor, tots vos an conseylat
e yo no he encara parlat,
e vull parlar, s' a vos plau,
e nom sia tengut a mal ;
vos me comanats vostra tili.
[7 e eis 8?] 11 hac eil [oder unveräncl. und 12 qni a- eins.] 15 que eil [od. 16 (£uill] 17 li r. [od. 18 er' liom]
22 vos o [27 entro 28 s. be od. a-yt.?] [32 yo vos 33 lo sc] 38 be pus [od. 30 sia assi dreh.] 41 li i:, v;/l. 17
43 eine Silbe zu ergänzen [od. 44 pels] 51 que vos od. que yo 55 qu' ara 57 si vos lo 63 siehe Anm. 70 ne sere od.
bonorats 73 que per tot? 75 be ens. 83 lo bo od. lo veyll N. 87 si a
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 24
186
90 si Dens vos gart de tot perill,
e softreren aytant d' af'ayn
iiue de a([ui tro a .i. aiiy
sera savi e beu apres
e de nul mal iio sabra res ;
95 o si roman en mon poder,
so que jons dich be sera vor;
e vos, seuyor, no y duptets,
car, si a Den plau, vos o veurets.'
L'eniperador lio a entes
100 e dix : ,A tots fas g-raus merces,
que molt vos he (j^ue grahir,
car tan be me volets servir;
plau me quem serviscats,
a tots .vij. sia comenats,
105 e mostrar li ets axi
con avets promes a mi;
e si axi li ensenyats,
bon gasardo n' aurets assats
axi cos tany de prous barons,
110 car axi o merexets vos."
Dix .i. savi : ,E com sera?
que r infant tant no apendra
com cascun li mostrara,
per que cascun empatxat sera,
115 e eil no pora retenir
so que cascun li volra dir.'
L' emperador los dix axi :
, Barons, so que comensats
mantenets e aureus no grats.'
120 E dix Cato : ,Si farem,
mas assi estar no porem,
car si r infant esta assi,
hoyra qualque mayti
dir alguna vilania,
125 e forsa eil o retendria ;
car en la ciutat sou moltes gents
qui no sahen dir ne fer bens,
e nos starem fora la vila,
la on trobarem bon' azina,
130 on vos farets .i. bell estar,
on eil e nos puxam posar.'
Dix r emperador: ,Volenter
fare so que avets mester,
per que li puxats ensenyar
135 e en tots bens adoctrinar.'
A. MUSSAFIA.
Apres de Kuma hac un vcrger
qui era bell per deporter,
e als dit lo emperador
qu' ostien aqui per lur sabor,
140 e eil tancar los ha en gir,
([ue null hum noy puxa venir,
si no aquells <|uc ells volran
e per la porta entrarau.
Aquest verger es fort be clos
177" 145 e hac layns molt bei repos ;
al verger hac .i. bell estar,
a merveyhi fo beyll e dar;
tots estan en aquest alberch,
r infant eis savis exament. 177°
150 L' infant apres a merveyles ;
tot quant ou de ses oreyles
rate ab si tota via,
que sol un mot no li n' oblida ;
molt apres be 1' infant,
155 e lexem lo star ab aytant.
E apres gran temps
sis pensaren les gents
de r emperador que farie
e per que muller no prenia;
160 ajustaren se tuyt li major
e vengren a 1' emperador :
,Emperayre de grans bontats,
nos estam fort mereveylats
com vos no prenets muyller,
165 car be 1' auriets mester
e estariets leyalment
e senes pecat axament ;
car vos avets molt tresor,
que si aviats tres infants,
177'' 170 tots ne serian aretats.'
L' emperador los respon :
,Sercats me fiyla de prohom,
tal qui sia be cortesa 177*
e en tots aps be apresa.'
175 La donseyla an sercada
entro que la au trobada,
de prohomens fo verament
e sabia molt exament ;
amenen la a lur senyor
180 e feyen li molt gran honor,
e eyll pres la per muyller,
f
I
101 yo vos [od. 2 bem] 3 qiip tots me [od. que me u. 4 sia eins.] [5 enaxi 6 con vos] 13 ne m. od. dem. 14 siehe
Amn. 18 qu' avets com. [od. 10 e a\i- eins.] 20 Nos si [od. 2i star] 23 eil oyra 24? [od. 2.5 fors' eil] 26 (car) od. qu' en
[50 mereveyles 51 eil ou] 52 eil r. 54 aquell iuf. [od. lo inf. u. 65 (e)] 56 passat un g-ran 57 totes les [od. ap. passat gr.,
auch ap. un molt gr. si sc] 60 (tuyt) [64? 65 molt be] 68 gran tr. [73 e tal 74 molt be] [75 ells au 76 ells la]
81 sa IM.
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
axi com Roma volch ni quer.
E com la dona hac .i. teinps stat
prega son senyor e as pensat:
185 , Senyor, pregar vos volria
que vostra iiyll vaser volria,
que axi com vos sots payra,
si deig- yo esser sa mayra ;
qua a tota dones pertany
190 per bona amor leyal
que am so quel marit ama.
E yo fer 1' e axi nodrir
con si del meii cors era axit,
e vos qui li mostrarets
19Ö qui sots savi e bou entes.
e ges vos no aprengues taut
com a fet aquest vostra iutant,
e sots tan savi e prous
e en grat de tots los bons ;
200 e vos, senj'er, sius plan, enviats lii
e que tantost sia aj'ci.'
Kespos lo emperador :
,Yol fare venir per vostra honor.'
Aycela dona sa pensava
205 e cascun jorü ela tractava :
,Si yo he fiyll de mon senyor,
eil no sera emperador,
car cell de la premera muyler
sera de cert hereter;
210 inas si aquest int'aut tos mort,
yo poria fer bon acort ;
e si no he tili de 1' emperador,
fare cortes et aymador,
e si n' he üy\, senes dupter
215 aquell sera hereter;
pus aquest altre fos tudats,
lo meu guanyara la heretats,
que los paytits e los mayors
diran qu' es fiyll de 1' emperador.'
220 E cant tot o hac perpensats,
ella regarda ses arts
que poria fer ni dir,
per quel faes sempre morir
al premer mot que eil dixes,
225 sempre quel payre lo vaes;
e cant aco hac endressat,
si a son marit apeylats:
Senyor, a 1' infaut enviats.
178'
178"
si Deus vos gart de tots peccats.'
230 jDompna, yo li euviare a dir axi
que sia ayci bon mayti.'
Lo missatyer hi es anats^
eis savis se son acordats
6 regarda cascun ses arts,
285 e veren 1' engan e la dolor
de la muyller de 1' emperador.
Cato parla e dix axi:
,Vos altres entendets mi
e coneyets so que yo conech
240 car en mon cor men estremesch,
car DOS morrem tots malament,
e aquest Infant verament;
que la muyller de 1' emperador
nos traeix per sa foylor.'
245 E tots los altres an parkt:
.Certes axi es veritat';
e ploren tuyt de gian dolor,
car per be servir liu- senyor
soferran tuyt gran dolor, 178=
250 e no trobaii que .i. n' estorca,
car axi eove per fiua forca;
e vengueren sen a 1' Infant,
quels dix : ,Que anats pensant,
barons, ni de queus trabaylats?
255 per Deu, Verität me diats.'
, Certes' dixeren ells ,conexem
que vos e nos en breu morrem,
e la muller de vostra payra
nos traex al nostre vyayre.'
260 Dix r Infant: ,Conexets per re
aquest mal si tornara 'n be '?'
E ells dixeren que cert no,
ans cove pendreis pacio.
L' Infant esgarda sos senyals
265 e atrobels bons e leyals,
coneix que estorcre poria,
si cascun d' eis se volia
que eil sia .vij. jorns mut
e que no parla ne son mot;
270 e dix als savis: ,E que sera,
porets me voö estor9re ja,
si yo no parla en la cort,
quem puxats estorcre de mort
si mon payre mi vol ociure,
275 ([ue ab vostra parlaria 178''
185 yo vos [oA *e ver] [87 3011 p. «8 axi] 90 e 1. [o(i. «.9 qu'a] ^l qne \o m.; v,,l. mu'h die Anm. 94 aqiii [orf. <?5
-VI e eins.] 98 [e tan pr. 99?)
200 (e vos) od. (senyor) 2 R. li o.l. Lavora r. 1' emp. 3 Farel? 9 son h. 15 sou h. 21 a ses; vgl. S2I) 22 fayre
'. 2.1 fes] 30 (Donina) od. (axi) 35 (e) ver. :i8 a mi 39 qu' eu 44 atr. od. la sna f. 49 molt gr. 51 qu' axi 53 qui
^ od. an. vos 55 Cert od. (ells) «7 de ells [od. CG qu' est.] 68 estia 70 (ej [75 que vos od. qu' ab v. bona p.
24*
188
A. MUSSAFIA.
nie storsats cascun \u\ dia'?
e die vos que conech be
que yo de raort estoryre ;
Stare .vij. dies de parlar
280 com hom nie sabes matar ;
e per res que s' esdeveiigue
no axira mut de ma luiiga,
e cant .vij. jorus seran passats
trestots serem escapats.'
285 Dix .i. savi: ,Senes falia
vos die queus estorgre .i. dia
ab vostra payre de inorir,
si el ma volra ausir' ;
eis altres dixeren verament
290 que 1' (;stor9ran certanaraent
cascun per si mateix .i. dia;
en a90 no ag'a faylia.
Los savis volg-ren assajar
sis porien en eil iiar,
295 que lur senyor los ha mostrat,
ne si trobaran en eil certanitat.
Dir vos he com lo assejareu :
.xvj. fuyles de lor preseren
e meten ne .iij. en cascun peu
300 del lit qui era seu,
en que posava e dormia
pus fo aqui per tota dia,
,e si eil es tan aprimat
com a nos altres ha mostrat,
305 ans que sia lo sol axit,
eyll aura a nos tots dit.'
Ära s' es 1' Infant adormit
axi com se sol en son lit,
que mot nols n' a sonat
310 ne de res nols n' a parlat;
e al mayti com se desperta,
garda de ssa e d' eyla,
garda en terra e al traginat
e dix: ,Be son mereveylat.'
315 Dixeren los savis: ,E de que'?'
,Per cert, barons, yuus o dire;
aquest meu lit s' es alsat,
ol traginat s' es abaxat,
0 yo no se naguna re
320 ne a mos arts no gardare,
si ay^o no es Verität,
179*
e vull be que sia provat.'
K los savis agren grau goig
c (lixeren: ,l)o es Verität.'
325 Ära pren 1' Infant eomiat
de aquells qui li an ensenyat,
e als dit tot anaxi :
jBarons, sius play, membreus de mi, 179"
car si yo muyr malament,
330 sius farets vos axainent;
si yo estor9, sius farets vos,
e per a^o membreus de nos;
qvie tot hom deu serquar
com veu son prohisme turmentar
335 ne fer forsa ne sobraria
de nuyla re qui lege sia
— e sis deserven axament —
pernen lur dret planament;
e es cosa qui plau a Deu
340 cant hom ama so que amar deu;
senyor deu hom per dret amar
e deu li be son dret dunar;
e puys si li demana mes,
pregar 1' a que sen cayles
345 e no vulla errar vers Deus
e que no tolga als hom es seus,
que si o fa, pecat n' aura
en aquest segle o en 1' altra.'
L' infant se part de son repayre
350 e ana ssen devers son payre.
Lo payre sabent que venia
cavalcant isque li a via:
,Mon hll, ben siats venguts' ;
e el cayla cou si fos mut 179°
355 que anch mot ne li sona,
empero besä li la ma.
,Mon tiyll, com avets estat'?'
e r infant humilia lo cap.
Dixeren tots : ,Com se pot fayre
360 que eil no parla a son payre ?'
E r emperayre dix axi:
,E11 ha parlat .vij. anys lati,
per que crey que s' esdevenga
que no sap parlar nostra longa.'
365 AI palau sen son intrats
lo fijl el payre eis magnats,
van a 1' einperadrits molt gent
80V [od. 70 dies eins.] 81 e j.a \o<l. 82 ii" ax.] 84 s. uos
276 me est. od. vo9 m' est.] [77 die yo 78 cert est.]
88? 89? 96 (np) s' i tr. (en eil) c. 99 (e) od. (ne)
300? 6 o aui-a [od. 5 sia eins.] 9 nuyl m. no los 10 no los [od. .9 nuyl m. v. 10 nnrei-.] 12 de ayla od. e-y?
15 (E) 17 o aqu. 24 vertat 27 a los [29 er mal. m si vos?] 33 tostemps s. 38 tot pl. 44 se ne 53 siats vos
[od. 54 e el eiii,?.] 55 niiyl mot od. [Sß besall] 57 er com od. avets vos [od. -lial eins.] fiS yo er. od. se esd. 65 se ne
[od. 66 payr' eis]
Die cätalanische metrische Version der sieben weisen Meisteu.
189
vestida de nobla vestiment,
e va r Infant abrassar
370 e eil lo cap inclinar.
,Mon fill, com estats vos'?'
e eil mot no li respos,
e feu coma savi e pros.
,Mon fill, yo vull ab vos parlar',
375 e comensel sen a manar
en la cambra un gesia
ab molts gents que la seguia.
Con foren en la cambra intrats,
la dona dix: jAiHus lexats,
380 que vull parlar de celats
ab aquest savi ensenyats.'
E com foren tots axits,
si parla 1' emperadrits :
jSenyor, la vostra gran valor,
385 prech vos siats mon aymador,
car yo vos he lonch temps amat
mes que nul hom que anc fos nat;
e vos, senyer, si a vos plau,
farets de mi atretal;
390 vostra payre prcs per marit,
c' a vos vull pendre per amicb,
e ssapiats certanament
que ab mi no jach carnalment,
ans son encara puucela
395 axi com deu esser donzela.'
E axi eylla lo vol bezar,
cell lo cap a inclinar.
,Senyor' dix ella ,qu' es acoV
volets me dir d' ayco de no?
400 per bona fe, si no parlats,
vos ne serets be ahontats,
que yo cridare tan fort
que tots g'ents n' aura en la cort
trestots los hie fare intrar
405 per vostra cors a turmentar.'
E r Infant mot no li sona,
e ela tota se tensona ;
apres ella sou vel desliga
e crida fort: , Santa IMaria!
410 acorrets me tuyt d' espero ;
si no, lassa! aontada so,
que aquest diabla traydor
ha volgut trahir mon senyor.-
L' emperador vengut fo
415 e dix: ,Dona, que es ayoV
,Monsenyor, aquest putaner
qui m' a volguda ahonte[r] ;
e deyts que vostra fyll es,
e no parla ne diu res,
420 e vos deyets que parlava
e que molt gint se raysonava;
si aquest vostra fyll fos,
no ahontara mi ni vos;
si yo lassa ! fos ahontada,
425 mes amara esser cremada ;
ITO*" si no fossots tantost vengut,
ja era tot mon fet perdut :
per queus die en Verität
qu' eil nfi fo per vos engenrat,
430 e no cregats null lensenger 180''
qu.e fos fyll de vostra muyllor;
aquest es mort quels fo liurat
e an vos .i. diable donat,
e deurien o coniprar car,
435 car vos an volgut ahontar;
e qui vol ahontar son senyor
deu. pendre mort de traydor;
aquest deu esser confondut
e ceylls qui 'n poder 1' an tengut ;
440 e prech vos quel fassats rodar,
si a mi volets amar.'
Tantost dix 1' emperayre:
,Lo fare penjar coma layre.'
, Senyor, a Deu sia graliit
445 com conexets queu ha servit.'
L' emperador penjar lo mana,
e tota la gent se ajusta,
e los barons lo han pregat
que no sia justiciat
450 aquell dia tro 1' endema,
per que eil s' i acorda
ISO' e dix: ,Plau me assats
tot anaxi com vos vullats.'
La dona gran dolor ha
455 cant ou que 1' Infant no morra ;
ja may noy avendra, so creu, 180"
tan bela rao com ara feu ;
per que fortment es irada
e del tot desconortada.
460 El vespre com fo ab lo senyor,
ela plora de gran dolor
[369 ella va od. lo inf. 70 a incl. ; vgl. 307] 71 ara com 72 miyll mot [od. 71 er com n. 72 unver.] [76 ceylla c
od. cambr' ou eylla 77 moltes] 80 que yo [od. ,S7 -vi en- eins.] {82 eylls f. 83 li p. od, la emp.] 89 tot atr. [od. SS
s' a| 94 son yo [od. .95 si com] 97 e cell od. e eil
402 aytan [od. .3 -ra n] 14 hie fo 19 e eil 22 ver f. [od. 23 n' all.) 28 que vos 36 (e) 41 si vos [od.. 40
e 2« tilgen] 42 axi dix öl eil be [od. 50 dia eins.] b'i Senyor, pl. 54 ne ha 57 er [58 ne es 59 molt d.]
190
A. MuSSAFU.
e dix (jue axin peudra a <;11
con teu al \>i de sou pinoll.
,Dona' lux dl .com f'o al j)lV'
465 .Senyer, com oyrets ayei.
hjn Uuiiia liac uu incrcader
e avia uu beyll verger ;
en lo vergor avia uu pi,
lo pus bell que hane lioni vi :
470 e al peu del pi tan beyll
uas([uo un fort bell pinell,
c eant eil viu lo pinoll nat,
son ortiila ha apeylat
e diu li : ,Per amor do nii
475 tu pensa be d' aquest i)aue pi,
car sera pus alt c pus bell
quo no aquest qui ja es veyll ;
e ja quo sia major,
aquest valra major tresor.'
480 L'ortola diu quen peusara
e qua molt be lo cavara.
Lo senyor gasanyar ana,
estech g-ran temps quo no torna.
Lo pinalet tot dret puya
485 e tro a les branques toea
del pi que dessus li esta,
e puys un poe s' esdecanta;
no pucli per les branques passar
e liac lo eap inclinar.
490 Lo senyor veno al verg-er
e viu lo pinelot cliner ;
dix : , Aquest pi per ques turse '?'
,Per cert, senyor, yous o dire ;
en les branques toea del pi
495 e no poc puyar dret axi
tot dret com era puyat,
e per aco s' es decantat.'
De les branques li feu taylar,
si quel pinell posqües puyar
500 tot dret assats que nos torses,
e quel pi major no plagues.
Lo sol entra de qui 'n avall
sus per mig de aquell gran tayll,
tro la rayll li devayla,
505 per ([ue lo gran pi morra;
e val ne menys tot lo vergor
per cobeza del pi tenrrcr.
Mos valgro lo pinell fos fort
que com lo pi tau bell es uiort.
510 Senyer, vos sots lo pi major
c lo pinell es lo traytior ;
a([uell qui mi volo aontar,
ARBOR aquell volia a vos taylar,
e com me toea les anques
516 lavors taylava el les braucjues ;
e com taylades les agues,
apres que eil vos ocies
e que li romangues 1' emperi
axi com feu al pinell lo jardi.
520 Diats, senyer, si a vos plau,
no valgra mes que la destral
agues taylat lo pinell
que com es mort lo pi tan bell"?'
jSertes, dona, be valgre mes
Ö25 quel pi tau bell romangues.'
130'' , Senyor, mentre vos siats viu
val mes tot vostre senyoriu;
mes val qu' el sia per dret mort
que si vos moriets a tort,
530 e no creats nuyla falorge,
mas vage lo bocb en la corda.'
,Dona, yol fare nagar
abans que sia dia dar.'
,vSenyor, a Deu sia grahit
535 com conexets queu ha servit.' —
Boncills puya en son destrer
e encontra eu un carrer
r infant que mauaven nagar
0 comeuseu Ion a pregar :
540 ,8euyer, sius plau, siats curos
d' est Infant que nodriets vos.'
,Per cert, dix eil, que si faro,
si plau a Deu, que 1' estorcre.'
Ära sen va a 1' emperador,
545 saludel coma son senyor.
,Nous salut' dix 1' emperador
,que tolta m' avets ma houor,
mon fyll ([ue yo amava mes
que nuyla re que auc nasques,
550 o dixos quel nodririets
isi' 0 quo molt be li mostrariets ;
so (|ue abans li avets mostrat,
li avets lo parlar lovat,
181"
4ß9 nuyll l,om [od. 6S -vi' im ein,.\ [70 d' a.iuell 71 e b.V] 78 quol vejll [od. 10 est] 89 a iacl. 90 al seu [od
91 viul] 9(5 com eil od. er" al)ans
505 ne m. [od. 4 rayll ein*.; vijl. Glossar] 14 tocava od. eil me [od. 15 -av' el] Ib quell 19 (axi) 22 lo jimic
25 que lo od. viu r. [od. 24 Cert] 32 yo lo [od. 33 dia eins.] 50 que lo [od. 51 que zu tilgen od. bell zu lesen]
k
Die catalaniscee meteische Version dee sieben weisen Meister.
191
e apres li mostras
555 que ma iiniyler ahontas,
per que eil sera confonduts
e ceylls qiii en poder 1' an teng-uts.
Respos lü savi e dix li :
,Seiiyor, no vaja axi ;
560 si r Infant no sap parlar,
mes de be li devets vos far;
que si eil parlar sabes,
be sercara de qne visques ;
e per aco no merex iiiort
505 ne que sia jutg-at a tort ;
si la dona diu que fo ver
que ab ella volgues jaser,
vos, senyor, sots aqui posat
per mantener la Verität,
570 e vos, senyor, ensercats o
quäl ha lo tort ne quäl no.
Si una persona vol mantir,
per so no deu hom altra ocir
tro sapia la Verität
575 quäl es aquell qui ha errat,
e si als hi volets fer,
pendraus ne axi com al ca valier,
qui ocis lo lebrer a tort,
con li restaura son tili de mort.'
580 Dix r emperayre: ,Com li pres?'
,Axi com oyrets ad es,
ab que r Infant fassats venir
e axi nol fassats morir,
entro m' ajats be escoltat
585 e puys serets be acordats ;
sius play so queus aure comptat,
r Infant sera doncs escapat ;
e si als hi volets fer,
sera tot al vostre plaser.'
590 Dix 1' emperayre : ,Fets lo venir,
e vejam com pres al cavaller.'
,U esta vila fo lo cavaller,
e avia fort bela muyller,
e ach ne un patit Infant
595 que amava scs tot engan ;
tres fembres tenia ab si,
qui pensassen be del fadri;
la una li dava la let,
r altra lavava los draps
600 ab que sovin lo refrescas,
isr la ter9a lo porta per delit.
Tots diemenges per alegria
anaven cavallers bornar ;
alegra era lo cavaller 182*
605 e volies molt deporter,
cassar li pleya volentei-
e avia un beyll lebrer,
la meylor que anc agues;
no era cassa que no preses,
610 ela prenia tot cassant
los oceylls que anaven volant.
Lo cavaller a bornar es anats;
la dona munta al terrats
que vases los alegrers,
615 car tota dona ha bon sabi-ers,
con veu cavallers bornar
e cant veu homens deportar.
Eis nodrisses al inur puyaren
per veser ceyls qui bornaven;
620 jaquiren 1' infant al peu de la tor,
qui dormie a lur sabur.
Lo lebrer viu 1' infant tot sol
e gitas al peu del brassol.
E aqui vench una serpent,
181"" 625 qui era grossa verament,
6 volc al brezol puyar,
per que 1' Infant posques menjar.
IjO lebrer viu la serpent
e non feu res aparvent ;
630 va la pendre cant fo levat,
e la serpent 1' ach fort siblat 182''
e gita la a una part;
e lo lebrer enverinat,
axi que fort congoxava
635 per lo vari qui al cor li entrava;
e la serp al bres turna,
e lo lebrer rezebe la,
e morde la verament;
CANIS la serp lo sibla axament.
640 Montre lo lebrer se fo-lunyat,
per so com era greu siblat,
la serp sen puya al bressol.
Com lo ca o viu, si n' hac gran dol
6 torna vers la serp irats,
645 si que n' ha fetes .iiij. parts.
Mentre quel labrer ha tirat,
62?
554 ap. ayijo 55 eyll ah. [od. 54 ap. so «. 55 nnver.] 59 enaxi [od. 5f^ -vi e ein.i.] CO car si od. lo inf.
71 quäl d' eylls 76 si vos als 77 (axi) 70 coli od. quill 88=.T76' 92 fol 99 e 1'
601 tei-fal 8 que eyll 14 ([ue hie IG kanm los c, da homens artikellos ist 19 aycels 20 ? 26 v. sen [28 E lo
Hl. ceylla s. 29 no y] 33 el 1. es env. 34 que eil [od. 35 pel] 3i; serpent od. bressol 38 e eyll? \nd. .HB -bla a- fxns.\
10 Mentrel 43 Col od. (Com) od. (si); we«. auch ca-u eins.
192
A. MUSSAFIA.
li) hiassol s' es abocat,
0 jau r infant ilc la part dujus
e lo brassol estccli dessus;
650 los (haps l'oion ensangonats,
e de la serp enviionats
tot so qiii de tora ßstava,
mas dedins g-ciis iio intrava.
L' infant tota via donni,
C5Ö DOS desperta ue res seiiti.
Lo lebrer es fort inflat
e es se reg-eii trabalat.
Las dides veuen a V iiil'aiit,
e veren aqui niolta saucli
660 e los draps cn quo Finfaut gesia
e lo lebrer qiii en gir curria,
e veren lo brassol abocat ;
dixereu : ,L' infant es nienjut ;
veus lo lebrer com es gros,
66ö auch no u' a lexat sol uu os,
ans lo s' ha tot menjat,
per so es tan eng-ruyat;
fugam e uons hie anirem,
que si no, totes .iij. niorreni.'
670 E van sen ab cara morta,
troben la dona a la porta,
e dix: ,Com sots color-mudades!'
,Madona, fort soin malfadades;
quel lebrer quel senyor ania taut
675 ha menjat tot lo nostre infant
e uo u' i a ronias sol ges;
trobats sou los draps sangouets.'
Los cavallers sou partits dcl boruar
eu son albereh descavalcar,
680 lo lebrer qiiil senti ivas
correch que li ajudas,
que molt es fort destret
de SSO que la serp li ha fet.
Com la doua viu lo senyor intrar,
685 comensa fort a cridar,
e eil dix: ,Per que ploratsV
,Aquell infant que. taut amats
a menjat lo lebrer,
que sol uu os non volc lexer;
690 si vos nol metats ad es,
ja may eu mi vos nous fiets,
ja lues alegra no sere,
ijue aquell vege devant nie.'
Lo cavaller fo fort irat,
695 al li;bror ha lo cap taylat;
ara es lo lebrer mort,
el cavaller hac son acort
que anas veser on 1' a menjat
ne eu quäl loch lo ha trobat,
700 e va ssen devers 1' infant
e atroba eu mig del camp
un tros de la serp que fo morta
e puj'S ab si eyll se recorda,
182" e com hac un patit anat,
705 altre tros n' a atrobat.
Cant lo brassol hac dressat,
son tiyll ha dejus trobat,
qui uo hac null mal sobre si,
e lo cavaller se penedi
710 e dix: ,rort malestruc son,
car ma muyller cregui de sso,
quel lebrer fos tan malanat
que r infant agues tocat ;
enans fo certament
715 que r estorce de la serpent,
e si no 1' agues defensat,
la serp lo s' agra menjat;
be malament tiu mon afer,
com pres conseyll de ma muller
720 e he mort ceyll i[u" avia uodrit
6 qui tant be m' avia servit,
tro que yo ag-ues provat
si avia 1' infant menjat;
donques tu est traydor,
725 car ceyll que per la sua amor
se combate ab la serpent,
e tu as lo mort oruelment;
per dret ue deus esser raptat,
182'' car tau foylament as errat,
730 car ton fiyll restaura de mort
e tu as lo mort a tort ;
nies val que teu vagues ades
que si teu reptaven les gents;
mes val anar a desouor
735 que hoyr nom de traydor.'
Lo cavaller jaqui lo seu
183'
647 se es od. tut ali. 4» ii-enn idcitt iV la, so (e) 1' inf. jau 53 ne intr. [od. 52 stava] 56 es ne [od. 57 e es eins.]
60 eis 62 lo lires, wenn nicht vercl 64 oll es 66 eertes tot 67 es eil [od. GG ha eil M. 07 unver.] 70 se ne [od. 71
don' a] 74? 78 Lo cavaller ve del h. 81 c. a li <iiie U' a. 82 se. sent eil f. 84 (Com) u. viul 85 e c. 86 li dix
[od. .V7 Ceyll] 8S lo vostre 90 no lo 96 lo boV
700 ya se ue [od. 701 -b' en] 5 no ha od. ha oll |6 E cant od. sus dr. 7 atr.] 9 el c. 10 yo son od. son yo
13 lo inf. od. mon inf. 14 fo eil ccrtauaniont 17 ser])ent od. aguera 22 entro [od. 2ä avia ziceia.] 24 ver tr. 3 t a grau
[od. äO car eu tilfjtn]
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meistee.
193
e va ssen tot sol a peu
en loch on ho in nol coneg^ues ISS*"
e traydor no li dixes,
740 e ana axi deseonsolat,
car tan fort avia errat.
Sius plau, diats me, senyor,
no valgre ines al cavaller
que auas veser son infant,
745 anans que ag-ues errat tant,
que com ha mort son lebrer
e ha jaquit tot son afer
e ha lexades totes ses honors
e va per lo mon coma traydor.'
750 Dix r emperador: ,Be valgre nies
que de primer se conseyles,
car d' uymes no y ha conseyll
qui li sia bo ni beyll.'
,Per SSO se den hoin conseylar
755 ans que del tot puxa arrar,
e vos, seuyer, conseyllats vos
ab lof; savis e barons,
que si oceyts aquest infant,
a vos valra be atretant
700 con feu ladoncs al cavaller
con ocis lo seu lebrer;
nuyla persona no cregats
que r infant sia justiciats.'
Lo senyor dix : ,Fort son pagats
7(35 de 90 que vos in' avets comptats, 183°
car, si 1' infant moria,
forsa yo me penidria.'
Estort es 1' infant verament;
er ausirets com li avench.
770 La dona fort angoxava
com ou que 1' infant nos matava ;
al vespre, com fo al lit.
ela si dix a son marit :
,Axin pendra a vos ben tost
775 com feu al senglar de son bosch.'
,Dona, com pres al senglar?'
jSenyer, yous 0 sabre comptar;
si be nom creets de re,
sius deig dir so que se,
780 e a vos pora prou tenir,
car be vey queus volen ocir.
"res d' esta vila hac un bosch
e si y avia un bell porch ;
nula bestia hi eutrava
785 ne nul hoin eutrar hi gossava.
En lo bosch ha molt beyl fruyter,
de que menjava lo sengler;
tots Jörns com eil vol menjar
en altre loch no cal anar,
790 (jue de la fruyta d' aquel arbra
viuria eil e un altra.
Un pastor una bestia perde,
en aquell bosch sercar la ve,
a r arbre venc tot en descu^yt
795 e atroba aquell bell fruyt;
de aquelles fruytes ha cuylides
e les faldes se n' ha umplides,
e apres com seil volc anar
vec vos veuir lo sanglar;
800 lo pastor, cant lo viu venir,
be conoc que no pot fogir,
e puys es se acordat
e en 1' arbre se n' es puyat.
Lo sanglar la fruyta menjava,
805 aquella que dejus trobava ;
apres dona a 1' arbre gi'an colp,
si quel pastor se tench per mort;
tal li dona de son caxal,
aparech quey faris destral;
810 lo pastor acordat se fo,
dona li fruyta a bando,
de ceyla qua coylida avia,
si anganar lo poria.
Dix lo pastor : ,Per que nol grat,
815 que poder auren lo cap?
que si yol pux oeiure tost,
apres sere senyor del bosch ;
cert bou aventurar mi fa
que bona pastura hie ha.'
820 Per les branques avall se penja
e tench se ab la una ma,
e baxa 1' altra per gratar
les espatles del porch senglar.
Lo senglar hac molt menjat
825 e venc li lo gratar de grat,
e assecli se gi[n]t e suau,
no pensant li vengues mal.
Lo pastor lo grata de vigor
APER
183"
184'
737 va se ne [od. HR jaquü] 42 Si vos 46 lo seu 1. \od. 47 e ha eins.] 48 (totes) 49 pel 53 ui bo
i'.l eil o. C6 si ara 67 me ne {od. 66 lo inf. m. 67 unmr.\ 70 se aug. 72 foren 76 a est s. 78 no me
11. yo se {od. TSunver. u. 7.9 si vos] 84 n. altra? 88 volia? 91 e eil [wenn nicht 00 d'la] 92 'na? 99 y v.
802 eil es 13 eil lo 15 aure ne 20 Pels 24 avia? 27 nuyll m. [od. 26 e a- eins.] 28 p. gratal?
57 e los
79 si vos
DenkschriltoM der phil.-liist. Cl. XXV. B.l.
194
A. MuSSATU.
e lo porch sen doua sabor,
g30 es se decautat .i. patit
e sempre fo adorinit;
lo pastoi- devayla suau
e tench al coli .i. grau pedral,
e faril sobre lo cap
835 e al fort malament nafrat;
e veis lo porch qui jac niort,
el pastor fo senyor del bosch.
Senyer, diats me per Den,
avets entes com ab lo seu
840 assadoyla lo porcli senglar,
per so quel pos([nes matar,
e qu' eil agiles a son niaudar
lo büsch e tot lo termenat '?
Atrestal volen fer de vos
845 aqiiests barons falsos traydors,
qui ab vostre fiyll se son levats
6 an vos ja avirats;
vos no conexets ([uiiis fa mal
ne qiiius fa be atretal ;
850 mes creets ceyls de mantir
que no fets a mi del ver dir,
crets me e fets lo matar;
si no, porets vos hi tardar;
mes val "que muyra .i. traydor
855 que si mor .i. lionrat senyor.'
jDona' dix 1' emperador
,dema morra a gran dolor;
cremar lo fare verament
coma traydor menyscreent.'
860 , Senyor, a Deu ne fas lauzor,
com conexets vostra error.'
Lo mayti com se fo levats
mana que son fiyll fos cremats.
Encilles vencb molt gint e be
865 cavalcant en son palafre,
troba ceylls que van cremar
r Infant e dix los: ,No cuytar,
que parlare ab 1' emperayre,
que no passara lo foch gayre.'
870 A r emperayre es venguts
e saludal ab breus mots:
, Senyor, nostre Senyor vos do
conexer conseyll qui sia bo,
e yo prech ne santa Maria
875 que conegats quius diu falcia.'
184"
184'
880
Dix r emjicrador: , Diats me,
mas yo nous salut en re.'
Dix lo savi: ,E per quo no?'
,Car sots me anat a tracio,
car comanius .i. meu fiyll,
e prometes me sens perill
aquell fariets be nodrir.
e no parla tort ni drct,
mas a tots los apercep,
885 ahontar ma volc ma muyller,
mas eil o comprara be ver,
e ceylls qu' en poder 1' an tengut,
car fort mal lii an avengut.'
, Senyor, «scoltats me .i. patit;
890 si aquest Infant no es nodrit,
den eil per ay^'O morir"?
certes null hom no o deu dir.
Irat ne son dins en mon cor,
car vos vey en tanta error;
895 axius pendra, si nous gardats,
con feil al metge Ypocras.'
,Com li pres?' dix 1' emperayre.
, Senyor, dir o ay ses tardar gayre;
fets venir vostre fiyll aysi,
900 e puys vos entendrets a mi;
com yous aiire aco dit,
vos, senyor, aurets bon ardit,
e vos mateix conexerets
que gran mal estar hi farets.'
905 E r emperayre li ha dit:
,Venga, tro you aja ausit
de Ypocras com li avench;
car si bo es, conseyll ne prench.'
184''
,JL poeras fo lo inylor metge,
910 que anc fos en tot lo segle,
e lo nabot fora mylor,
mas eil lo ocis coma traydor.
Lo rey de Poyla .i. fiyll avia,
qui greument malalt gesia,
915 e envia per Ypocras
en totes guises quey anas
e li metgas aquell Infant,
e donar li a aytant
com li sapia demenar,
920 ab que son fill puxa scapar.
Ypocras fo afanat,
a li son nabot enviat ;
MEDICUS
185"
831 eil ad. 34 fari lo [od. 35 e al eins.] 36 lo sanglar qui 38 er diats 41 que lo 47 siehe Anm. 49 qui vos
50 a ceyls 52 creets 56 li dix 66 aceylls 71 s. lo [od. W -ayr' es] 77 no vos 80 c. vos [83 ni t. 84V] 91 er
deu [od. ;i2 nou] 97 li dix 98 dire-u?
901 yo TOS 10 anc mes [od. 9 fol] 14 molt gr. 18 e eU d. 21 greu .af. [od. 22 enviat ziceU.]
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
195
lo nabot garda la urina
de r Infant [qui malalt] gesia,
925 e volcli vaser ceyla del payre
e apres ceyla de la mayre,
e cant be les hac g-ardades,
viu les natures fort mesclades,
e conecli la Verität
930 (]uel rey no 1' avia engenrat,
car eil fürt be u coneix,
la natura o departex,
e enten eu son cunseyll
que aquell no es fyll del rey,
935 e dix : , Regina, si vos plats,
diats ma la veritats,
car eu fort be nia gardare
que d' ago nous descobrire;
aquest Infant de qui fo fiyll,
940 si Deus vos gart de tot perill?
car eil no es fyll del rey.'
,A! senyer, per que o diets?'
,Dona, si dir nou volets,
per ml forsada non serets.'
945 , Senyer, eu vos dich per ma fes
que aquest tili del rey es.'
,Dona, pus m' o volets nagar,
ades me n' aure a tornar,
que ges non parlare
950 tro sapla per que.'
, Senyer, prech vos, slus plau,
que d' a90 nom descobrau,
que axi es Verität
com vos avets recomptat,
955 que un compta de gran valor
passava per aquesta honor ;
en cest pahis se reposa,
el senyor rey lo convida,
el nostra palau es intrat,
960 feil se de ml anainorat,
e pregani per sa lionor
que fos mon gay aymador.
Lo rey a cassar es anats,
e viu aquest ten ensenyats,
1*65 nom sabi que II dixes,
e empregnam d' aquest Infant;
ara, sius play, cura ajats.'
185"
,Dona, eil sera be peusats.'
E dix que hom 11 adobas
970 carn de bou e quen menjas,
car eil coneix ses faylir
que ab carn de bou deu garir; 185°
de la carn 11 donen assats
e r Infant es mj'lorats,
975 car son para ne menjava mes,
mays que d' altra (jue agues.
L' Infant es fort be mylorats,
e lo metge es be pagats,
a son oncle es tornats.
980 E Ypocras II demana :
, Aquell Infant com 11 va?
crey que sla be gorlt.'
,Hoc, senyer, a Deu sia grahit.'
,Que 11 donist per que garls"?'
985 , Senyer, eu carn de bou pris,
e de aqiiella proii menja,
que natura II o dicta,
e trobi que d' ayyo myloras
mes que d' altra cosa que menjas.'
990 Ypocras, com ho entes,
de ago gran onta pres,
e pensa com lo ocles,
e niiyll hom no ley retragues
ne fos estat tan bon metge
995 com eil en tot lo segle.
Dix 11 : ,VenIts ne al verger.'
Dix lo nabot: ,Molt volenter.' 185<'
E layns son Intrats,
de bones erbes an trobats.
1000 Ypocras la terra garda,
iina bona erba troba :
,Vejats erba de gran valor.'
, Senyer, veus ne altra mylor.'
Ypocras com o aiisi
1006 tot lo cor 11 freml,
altra erba ha troba[da]
de la terra 1' a arrancada :
, Nabot, veus aquesta beyla flor.'
, Senyer, mas aquesta es mylor.'
1010 ,Nabots, donques coylits ne.'
,Volentes, senyer, per ma fe.'
E cant se fo incllnat,
927 eil be 29 e tost 31? [od. 32 natura-u] 33 ent. be [od. 34 qu' aqu.] 36 er d. 41 cert no 43 si
'S od. uo o; vyl. 892, 1160, 1223 4« qu' aquest infant [od. 45 yous] 49 que yo plus ges 50 entro que s. 51 yo pr. v. si
^.13 plau 52 no me [od. in SI nur eine Sylhe ert/änzen und 52 unver.] [53 enaxi od. la v. 54 er av. od. o av.] [61 prega
ine 62 que eil] 65 no me 70 que ne [od. ßa qu' hom] 71 senes [od. 12 qu' ab] 74 es ne 75 pareu od. par' en
76 eil ag. od. de nuyll' al. qu' ag. 79 es ne 81 er com 82 yo crey 85 Monsenyor? 88 (e) 89 de cosa [90 com
Im. hac 91 d' a(;o gran ont' en sou cor pres] 94 que ne 95 eil era [od. 94 unver. u. 93 eil fo] 98 enduy int.
1004 E Yp. 5 dedins li [od. 4 unver. u. 5 dins li] 6 ha eil [od. 7 a ar- ems.] 8 esta 10 er d.
196
eil li ac fiel coltell donat,
en tal g-uisa <iiie 1' ha mort,
101 ä e an aut fort mal aeort.
Lexem lo naliot, pus mort es,
vajain Ypucras com li prcs.
Ypucras avia miiller,
era fembra de mal ater;
1020 enduy eren al mirador
e miraven a dcrredur,
e viren dels porchs assats
e viren tnig'es ab Verrats.
Dix Ypocras : ,Dona, per Deu,
10-2Ö no es mill hom jus lo cel
qui d' aqiiella trüge menjas,
que BD fos mort tost e yvas;
lo .viiij. Jörn senes falensa
seria mort per corrensa.'
1030 Dix ella: .Per Den, no ho diats
que tremolen sen mos costats ;
porien estorcre per res?'
,Hoc, dona, si del brou agues;
si del brou aver no podia,
1035 seria mort lo .ix. dia.'
,0 Deus' dix ella ,fort Ventura!'
Ab tant sen va e no s' atura,
e ha sercats homens malvats :
, Barons, la trüge me amenats,
1040 aquella qui es en amor,
car yous dare de mon trasor.'
I^a trüge li an amenada,
ella r a molt be adobada,
donen raenjar a son marit,
1045 per so quel fassa tost morir;
la serventa ha castigada
que la ola sia trencada,
e en tal loch lo brou vasses
que per res no sen trobas ges.
1050 La serventa o ha acabat
axi com li fo conseylat,
e com Ypocras ha menjat,
tantost fo color-mudat
e dix : ,Portats me del brou.'
1055 ,Senyer, no n' i a ges, so creu,
que la ola es trencada,
e yo e la de fors gitada.'
Ypocras conech mantinent
que enganat es malament;
A. MUSSAFIA.
186°
186"
1060
1065
1070
1075
1080
1085
1090
1095
1100
1105
mas de ayo no parla,
e dir vos he ques perpensa:
,Pus aquesta fembra t' a mort,
per que tu no fas bon acort
e que r aver te romangues
e nul altre no V agues,
e que ella moris abans,
e res no li prolit engans?'
E dix : ,Tostemps vos he amada
mes que fembra qui auch fos nada,
e plau me que vos heretets
e que vos ajats tots mos bens,
e vos, sius plau, de mi pensats
dementre <{ue viu ma vejats,
e dich vos certanament
quel .ix. jorn morre breument.'
Dix la dona : ,Volentera
ne pensare en tal manera
tot axi com vos volrets
e a mi vos o manarets.'
,Dona' dix eil ,si a vos plau,
.... aja cantat lo gayll,
venits vos en sus ayci,
e seurets vos de prop mi
en ceyll marbre qui m' es de prop
e aquim faret molt gran goig ;
cartaus en fare certament
de tot quant he verament,
per so que hom no diga
qu' en la carta aja falcia,
e atressi que nul hom nats
no y poxes metre contrasts;
e vos ne farets altra a mi
qui dira tot anaxi,
que, si vos abans mi morrets,
que tot quant avets ma jaquits.'
,Senyer' dix ella ,plau ma assats
tot axi com vos vullats.'
La dona bon mayti se leva,
en la pere se assenta,
posa dejus la pere .i. lansol
axi com lo seu marit vol ;
mas ella nos pensava ges
que axi li esdevengues,
car bes cuydave ses faylir
que eil degues anans morir.
Cant .iiij. jorns o hac tengut
IHG'
186"
I
1012 eil se od. jus ine. [nd. 13 W ac] 14 tost m. [od. 15 e an eins.] 22 y v. 25 dejus 29 eil s. [od. 28 ses]
eil 54 me tost 56 tot tr. od. oF es tota 60 ges no [od. Gl e direus] 65 ja no 74 yo dich 76 Be vol. [od. 77 'n]
[od. 79 e a eins.] [82? 83?] 87 yo he 88 null hom may [od. nuv eine Silhe ergämm u. 8!) -t' aja] 93 me d.
98 inaytis 1.
1100 jus (sus?) la p.
53 fo
78 anaxi
97 anaxi
I
Die oätalanische metrische Veksion dee sieben weisen Meister.
197
e sobre lo marbre hac segut,
la fredor devayll li entra,
tro ssi al cerveyll li puya,
1110 car sobra la pere no tenia
cor .i. lansol en que sezia ;
ella fo inorta ses falsia.
E Ypocras es malalt fort
e coneix be que eil es mort,
1115 e demana de sos parents
dels savis e dels conexents;
una bota feu foradar,
nies de mil forats hi feu far,
e apres tots tancar los feu
1120 e feu la de ayga omplir,
per so que denaiit tuyt posques dir.
Ypocras pres de sos enguents,
de les polvores examents, 187"
dins en la bota ho a xitats,
u-25 sempre feu ne traura los taps,
e r ayg-a esta presa dins
e de fors no n' axia geus,
e dix : ,Ara podets conexer
qua eu suy mort de ver en ver,
1130 car r ayga "qui era clara
ab enguents 1' e estancada,
e mi no pux estancar
ue per res bon conseyll trobar
que .c. veus no isque lo jorn ;
1135 be pux conexer que mort son,
aytant mal conseyll atrobi
con lo mea nabot mati;
e si ara fos viu aquell,
eil me donara conseyll,
1140 car era metge molt bo.
O Deus! per quäl rayso
ocis tan bon compayo?
ara m' o he acordat ;
mas al conseyll me son tardat ;
1145 mas si m' acordas abans,
yo que son mort fora be sans;
per Deu ! fort se deu acordar
om qui vol altra matar;
e quant eu cregui ma muyller, 187''
iiöo quim donet la trüge menjer,
atressi conech verament
que nos deu creure la on nient,
mas del dir honi la cregues,
don penedir nos pogues.'
1155 Digats, senyer, no valgre mes
a Ypocras que s' acordes,
ans que son nabot ocies,
que com eil mori apres?'
E r emperador li respon :
1160 ,No 0 feu cert coma prous hom,
pus son nabot ocis a tort ;
fort esta be eil sia mort.'
,Senyor, si aquest es cremat,
axi serets vos enganat,
1165 e noii volriets aver fet
per tot quant Deus vos ha donet ;
e crets me e no 1' ociats,
per CO que nous en penidats,
e no creats vostra muyller,
1170 axi com Ypocras quen mori,
car sius farets vos atressi ;
de altres cossas la cregats,
per que loar vos en puscats.'
Dix eil : ,No len creure pas,
1175 que mal ne pres a Ypocras.'
AI vespi-e cant fo post lo sol,
la dona si mena gran dol
e dix : , Senyer, axius en pendra
con a r emperador Octovia.'
1180 ,Con ne pres a 1' emperador?'
,,Jous 0 dire, mon senyor.
VJctovia r emperador
avia molt gran trezor ;
a .i. savi lo comana,
1185 quil tingues en sa garda.
L' emperador .ij. savis te
ab ques conseyla de tota re;
e la .i. es fort escars
e r altre es prous e largas,
1190 e tot quant eil pot ganyar
ho dona en beure e menjar;
a r altre savi ten tinent
fo comanat tot 1' ergent ;
r altra savi ha despes
1195 tot quant ha e no ha res,
dix a son fjdl : ,D' aquell trezor
187'
GAZA
1110 sus la 21 per que 'JS Er [30 la a. ml. est' a. 31 yo 1' e] 32 ges est. 37 yo m. [od. 36 tan mal od. trobi]
.'.'.i bon c. [od. .38 s' ara] 40 eil era 41 mala r. 42 oc. yo [od. 41 e per !«. 40, allenfalls auch 42 unver.] 43 be a<-. 45 me
ac. od. men ac. [od. 46 be km tilgen] 48 nn al. [53? 54 no se| 58 ne m. 70 (axi) v. que ne 74 Yo no od. la ne
TM (e) 81 Yo vos 83 un m.? [od. 82 Octovia dreis.] 85 qui lo \nd. 84 a un eins.] 87 en t, wenn nicht d' 88 la .!•
'V ella [od. 89 altr' ee] 90 gasanyar [od. Hl don' en beur' e] 93 lo arg. od. ceyll arg. |94 e 1' 95 eil ha (hac?)]
198
A. MüSSAFIA.
del senyor einperador
si n' avem, no li noura gayre,
cuydara o aja fet layra.'
1200 jMonsenyer, si era sabut?'
,]\Ioii fiyll, no sera conegut;
sol Ulla pere ne traui-ein
e apres tornar ley ein,
e com de 1' aver assats auiem,
1205 nos maiiera hi tindrein,
ear per res uos conexera.'
E van seil tost d' emagats
axi com so an pensats;
0 de r aver preneu assats
1210 e despenen lo volentes.
Lo savi, a r[ixi es comenat,
es dins en la tor muntat,
e coneix be per Verität
que de 1' aver era levat
1215 e de aco res no parlet,
mas una g-ran caldera pres
e del visch assats layns mes,
tant que tot hom retingues,
qui de 1' aver levar volgues.
1220 E r altre ach 1' aver despes,
e diu que tornar hi a;
e la muyller li conseyla
que per res no o fassa
,que si res vos esdeveuia,
1225 ja may alegra no seria;
e noy anets per nuyla res,
flixem nos ab poca res.'
,Dona' dix eil ,nom n' estare,
ans vos dich que y anire.'
1230 A la tor sen son auats
e lo payre premer intrats;
layns en la caldera doua,
per cert eil no n' axira,
e ha son fiyll apeylat,
1235 dix li (jue li tolgues lo cap.
jPare' dix eil ,yo nou fare,
car, si yo pux, vos en traure.'
, Fiyll' dix eil ,nu poras,
ans per Ventura hie cauras;
1240 mes val quem tolgues lo cap
que si era justiciat,
car si yo era coneguts,
187''
188»
tots vos altres sercts perduts,
e val ne mes certanameuts
1245 que envergonyir los parents.'
Lo fiyll li ha lo cap taylat
e a casa se n' es tornat.
L' altra savi venc a la tor
per i-egardar aquell tresor ;
1250 en la caldei-a ha trobat 188"
lo cors qui era menys de caji
e nol conech; as perpensat
per la vila fos rossegat ;
los parents quil veuran tirar
1255 no poran estar de plorar,
e ceyll qui pluras nis plangues
sempre que hom lo preses.
Lo cors per la vila tiraren,
devant la casa lo passareu;
1260 la tiyla e la muyller
luateren mans per dol a i'er.
Lo fiyll cant ho hac oyt,
ab lo colteil eil s' es farit
e es se fortment nafrat,
1265 e los saigs hi son intrats,
dien los: ,Per que plorats?'
,Senyer, mon fiyll que s' es nafFrats' ;
pei' que tuyt foren escapats.
Diats, senyer, si es ver
1270 que agues creguda sa muller ;
car si creguda la agues,
no agre preses los deners;
no la volch creure verament,
e per so muri malament;
1275 e com son fiyll li tolc lo cap
be degra esser justiciat.
Ha senyer, com se poch sofrir 188°
quel fiU volgues lo payre ocir,
ne com lin venc voluntat
1280 quel payre fos per lo fiyll scapsat?
Senyer, yous vull pregar
que d' ayous vullats gardar,
que nous metats a tal perill
com feu aquest que ocis son fill ;
1285 e si vos a mi no creets,
certes en tal mort morrets ;
que niius ocia lo desleyal,
1203 la hi [od. 2 pere -n] 4 (e), wenn nicht d' 1' 5 tal m., so class (i que iier z« le.ien wäre [7 so ne 8 anaxi
od. ells au] 12 dedins 18 eil r. 21 retornar 23 nuylla res [od. que ja] 27 er fl. 30 se ne od. ells sen 32 dins en?
33 eil ims 34 lo seu [od. 35 quell] 38 ay(?o no [od. uo o n. 39 -ra liic eins.] 40 quo me [od. 41 s' era
62 E lo od. tost cant [od. (!3 eil zu tilgen] |64 molt f. 65 tost hi 66 e d. od. E per] 69 Siehe Anw.
81 Mons. yo vos 82 a90 vos [od. 81 S. yo vos u. 82 miver.] 86 c. vos [od. «5 crets]
57? 60 c la f.
70 li ne 80 pel f.
Die cätalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
199
mas vos vivits coma leyal/
,Dona, 110 men pemlra axi,
1290 fer r e rüssegar pel maj'ti.'
,8enyer, Dens vos ho meta al cor
qiie el niuyra a gran dolor.'
Maytis leva 1' eraperador,
e foren aqui sos servidors;
1295 e dix los: ,En Verität
vull mon fiyll sia tirassat.'
Lentules veneh be abrivat,
a r emperadür es intrat,
saluda lo deliurament,
1300 e r emperador no les li ret:
,Senyer, per qiie no sahidats?'
jSenyer, vos m' avets eng-auats
de mon rill qneus comene,
c' ara veig- que perdut 1' e,
1305 e pus que axi 1' he perduts,
vos altres aiirets los caps perduts.'
,Senyer, be veig- Verität es :
axius en pendra com al burges,
qui fortment fo aontat
1310 con crech sa muyler de viltat.'
,Doncs, com li pres al burges?'
jSenyer, dir o ay volentes,
ab que sia restaurats
vostra fiyll trou aja comptats;
1315 savi sots e gint apres,
conexerets quäl valra mes.'
E dix : ,Plau ma sia estort
tro aga oyt vostra acort.'
,htn esta vila hac .i. burges,
1320 qui era hom ric de grans afers ;
veyll era, molts dies avia,
e pres per mujdler una nina.
Aquesta nou poch soferir,
drut feu, uo sen poc abstenir;
1325 e una nit que plohia
e fort escura nit fazia,
a son amich envia a dir
que vengues senes faylir,
que la nuyt era fort escura,
1330 cella axiria de fora
sempre qnel marit fos eolgat.
Pus quel seny agues tocat.
PUTEUS
189°
en Roma era aeostumat
que no era nul hom nat,
1335 pus lo seny sonat agues,
si hom de fora lo prengues,
que la vila eil corregues,
axi com costuma ei'a,
e per precs no estoi-cera.
1340 Lo biu-ges al lit se gita,
e la dona se despuyla;
e cant eil fo adormit,
remembra li de son amic;
devers la porta se n' ana
1345 e son amich aqui ti-oba.
Lo marit len senti anar,
e sempre de! lit se va levar,
e trasch lo cap al finestral
qui era sobia lo portal,
1350 e mantinent eil ha vist
la muyler ab .son amich,
e conech be certament
que enganat es malament,
e a la porta devayla,
1355 de continent eil la tanca;
a la tinestra es tornat,
e ves lo drut si se n' es anat;
la dona a la porta toea,
e lo marit la desonra.
1360 Dix ella: , Lassa! e qu' es a§o"?
que no he feta falio ;
mas lo ventre mi feya mal,
per que axi fora lo portal :
monsenyer, sius play, obrits me.'
1365 jCertes, dona, no fare,
car yoni cuydava verament
que estiguesseu leyalment,
em pensava be de vos
que fossets leyals e pros
1370 e coneguessets la amor
que yous avia al cor ;
er veig que m' avets enganat
e aurets na vostra part.'
, Monsenyer, per amor de Deu
1375 obrits me, nous sia greu,
que yo no axi ])er als defors
si no pel mal que avia al cors.
Monsenyor, si sonal seny
189"
1294 (e) od. f. liic 95 e eil [od. 96 sia eins.]
[1303 que V09 4 que ara od. yo 1' e] 6 vos aurets ne, %oenn nicht aureuls 8 (axi) n. vos en 9 qui tan? 11 Donques
\od. 42 direu] 13 sol ab? 15 fort g.; vgl. 1464 25V [od. 26 scura od. (fort)J 28 qu' a li [od. -via a eins.] 32 que lo
34 no hi 35 pus que? [od. .?C si hom eins.] [38 la e. od. aeostumat 39 nuyll no od. nuyll hom no st.] 42 se fo 47 (e)
[50 y ha 51 lo seu a.] 52 certanament [od. 53 qu' eng.] 57 (e) od. (si) 63 foral 65 no o [68 e me C9 e 1.]
71 yo vos od. avia tostemps al cor [od. 70 V am.] 73 la v. 75 no vos [78 sona lo 79 cert me]
200
A. MüSSAFlA.
les g'aytes me preiiHrieu;
1380 serc per vila correguda,
mes valria esser confondiula-,
que caut mos jmrents o [aiisiau], 189"
per cert g-ran dolor ne aurian ;
luonseuyor, obrit me.'
1385 ,Certes, domi, non fare rc'
Denaut la porta ha .i. j)Ou,
qui era de cert iiiolt preyun,
diu que layns se g-itara
e diu: .Senyer, volets que aqui entraV
1390 si HO, al pou me trobarets
c certes ja may nom veurets,
car mes am esser nagada
que si era aliontada.'
,Dona, be podets nagar,
139Ö que assi vos no podets intrar.'
,Ay, monsenyor, e per que noV'
,Car m' avets feta traeio.'
Ära oyrets que tara;
prop la porta ima gran pere ha
1400 sus al coli la ss' a levada,
denant lo pou se n' es anada.
, Senyer, pus obrir nom volets,
layns al pou ma trobarets;
diran que vos o avets fet
1405 e serets ne fort be destret.'
,Dona, pagat ne seria
si aqui neg-adaus vesia.' 189
E dix : ,Ay Deus ! que morta son, so creu',
e gita la pere al pou.
1410 Lo senyer senti la pere caser
e cuydas o dixes per ver,
e erida sempre : ,Deus, ajuda!'
E eylla fo a la porta venguda,
eil ix de fors deliurament;
1415 eyla se n' entra mautinent,
sempre la porta ha tancada,
en la tinestra es puyada.
Lo marit fo sobre lij pou
e crida la en alta veu;
1420 ela respon: ,No, don traydor;
aquexa era la amor
que vos tots jorus deycts,
e que tan g-ran amor nie aviats?
. en lo lit geya yo, ua lassa!
1430
1435
1440
1445
1425 e vos geyets ab la bagassa ;
ay lassa! be deg aver falonia,
car per aytal ma cambia ;
yo so nina, eil veyll ruats.'
Dix oll : jMadoua, sius plats,
obrits me, que gran goig he
per so com atrobadeus he
e vcig que no sots negada;
tota la color m' ere mudada.'
,Mes o feyets per la bagassa, 190'
que vos ne avets amada ;
iiostre Senyoi- vos do aquell be
que vos volriets per nie.'
,Doiia, obrits me la porta."
,Anats sercar aquexa morta
e aquella vostra aymia,
que deyts que al pou gesia.'
,Dona, si no entra aqui,
escobat sere en lo mati;
si les gardes m' ich vezen star,
diran queych son per mal afar;
e si pendre me poran,
la vila correr me faran.'
Les gaytes venen fort tost
e prenen lo veyll en rescost,
1450 e si an a la dona dit:
,Per que cridats? que avets ausit?'
,A Deus! no es a eil despler
que aquest sia putaner,
lexa eu casa sa muller
1455 e va ab putanes geser.'
Lo burges se vol raysonar,
ella comensa a cridar
e prega a tots los barons
que r amenen als presons.
14G0 Dixeren les guardies:
,Anc no sabem per nuyla res 190''
que vostra marit fes res
si no axi com honrat burges,
savi hom e fort gint apres;
1465 encara no ha lo seny cäylat,
obrits li, sia li perdonat;
car es la premera vagada,
just es li sia perdonada.'
Respon ella e dix : , Certes
1470 vos acusats ne serets,
1384 m., vos prech, ob. 80 (Senyer) [92 yo am od. molt mes 93 tan ah.] 94 vos p.
1400 desus? 6 fort p. od. yo ne [od. 7 .i' aqui] 8 (E Aixi od. (so creu) 10 Ell s. 13 sl. fo a eins, vielleicht Eyll'
a la p. fo V. 22 aver d.? [od. me d. u. 23 e zu tilgen] 26 (lassa) 27 wenn nicht a-yt., so eil ma 29 si vos 30 yo be
[od. 67 trob.] 32 que ja 33 (la)? [od. 32 unver. u. 33 tota zu tilgen] 35 tau am. 37 aviets volgut? 38 er obr. 43 'u
od. el 46 ells me 48 y v. 59 a les; vyl. 1477 [od. 58 preg' a] 60 D. li 62 faes 63 (axi) u. coma 70 vos tuyt
Die catalanische metrische Veksion dek sieben weisen Meister.
201
car la costuma trencats;
you dire a 1' emperador
que vos aminvats sa honor,
qii' eil vül los raals castigar 1520
1475 e vos o volets celar.'
Ells no 0 g'osaren mudar,
a les presons lo van menar.
AI mayti dien tuyt : ,Que es?
aytal bvu-ges an anit pres; 1525
1480 corre la vila mantinent,
e veg-e ho tota la gent,
quels savis e hoinens honrats
per so no sien piurats;
e per Den be sercava mal, 1530
1485 car eil avia inuyller tal
que sen degra tenir pagats,
ans que en tal fet agues arrat;
6 molt hom blasma sa muller,
ara gardats que sen deu. fer.' 190°
1490 E dien tuyt: ,Fort be esta 1535
que la vila eil corregut.'
Lo burges si vol parlar
e nol volen escoltar,
per que an fortment arrat
1495 ceylls qui lo juy an donat, 1540
per ques deu saber la Verität
ans que lo juy sia donat;
e fassa lo senyor so que deu,
car cosa es qui plan a Deu.
1545
1500 8enyor, aquest fo a tort jutyat.'
Dix r emperayre : ,Es Verität;
be degra hom saber
quäl era ella ni si era ver.'
, Senyor, vos deyts veritats; 1550
1505 per que eil fo foyl e orats,
per so com eil crec sa muyler
ques volgues al pou giter.'
Dix r emperador: ,Mala la crech;
per so la vilä correcli.' 1555
1510 , Senyor, si vostra muyller creets,
tot atrestal conseyll aurets,
e vos podets vos en gardar,
per que no vullats tant arrar;
con penedir vos en volrets, 1560
1515 eertes vos die que no porets.' 190"
Dix r emperayre : ,No la creure.
car malament hi errere,
que mes val creure bon consejdl
que no venir contra aquell;
si aquest Infant raort agues
mal conseyll agra pres.'
La dona si s' a acordat,
al vespre, com la cort se [>art,
que pora dir a son marit
e que 1' Infant sia parit:
, Senyor, vos creets quius vol niatar
e no creets quius vol gardar,
e veig- que tot gint e asaut
vos pendra com al senescaut.'
,Com lin pres, si Deus vos saul'?'
,Dir 0 ay, sius gart Deus de mal.
Ue Poyla era lo senescal
e estava gint e suau,
totes les rendes el prenia
quantes en lo regne n' avia,
e anava tot lo regnat
a trestota sa voluntat, .
e lo rey nula re fasia
si no axi com eil volia.
Lo rey fort malalt gesia
e es inflat de tal guisa
que null hom pensar nos poria
que eil escapar ne posques,
car nid hom per nuyla res
li pot vaser son membra,
per que dien tuyt que morra
e ja per res no estorgra.
Un metge vench en lo regnat
e a li dita Verität,
que certament el garira,
sil rey creyra lo volra.
Lo rey li diu certament
que li dara de son argent
aytant com eil ne demanes,
ab que garir lo posques.
Pa d' ordi dix c' om li donas
e de aquell sovin menjas,
atressi begues de 1' ayga
6 axi garra senes fayla.
Cant per .v. jorns o hac tengut,
lo rey fo fort dexinflat ;
lo metge li dix que agues
SENESCALCUS
191»
1471 vos tr. [74 que eil 75?] [92 los vol 93 uo lo] 94 molt f. [od. 95 juy eins.f] 96 vertat 98 fassal
1502 per que be od. cascun hom 7 que se [od. 6 com crec] 9 e per 10 erets 21 trop m. c. ag. yo [od. 20 s' aq.
«. 21 nur eine Sylhe ergänzen] 26 crets 30 li ne [od. 31 Direus] [40 sen g. 41 aytal] 44 hom nat [od. 43 eil sc] 45?
51 si lo [od. 50 per cert] 52 certanament [od. 53 quell] 55 sol ab? vgl. 1313 58 e atr. [od. 59 e a- eins. od. ses] 61 ue fo
Donksehiiftcn Jo- jjliil -liist. Ol, XXV. BJ.
26
202
1565
A. MoSSAflA.
1570
1575
1580
1585
1590
1595
1600
1605
una fembra ab que ja^ucs-;
con hi aura jagut una iiit,
lo rey sera tautost g;arit.
Lo rey preg'a lo senescal
que li sercas giut e suau,
e li menas una fembra de jovent
e dar li a .xx. marchs «T argent,
e si jier .xx. no la atrobas
que tro a .xxx. lin donas.
Lo senescal la va sercar
e dix : ,Cert be la deig trobar.'
Lo senescal vencli a ssa muller,
dix li : ,Vos podets gasanyar breument
en esta nuyt .xx. marcbs d' ergent,*
que sils auria altra fembra.'
,Ha senyer. e en queV
jCertes, dona, yous o dire:
que jagats anit ab monsenyor,
e fer vos ha molt gran honor.'
jCertes, senyer, n o fare pas
per null aver qu' el me donas.'
,Dona' dix eil ,vos cuydats
quel rey sia del tot inflats.'
,Certes tant eil no sera garit
que ab mi jaga en .i. lit;
av lassa! e que pot esser
que vos cogus volets esser !
anans fos yo al foch cremada
ans que fer tan gran errada.'
Dix eil : ,A fer cove que y anets.'
, Monsenyor, e forsar me n' ets?
siu fets, vos vos en penidrets
tal sayso que fer no porets
pendra conseyll quius sia beylL'
,Dona, yo fare lo lum morrer
que eil nous puxa conexer.'
E lavors pi-en la per la ma,
a la cambra la sen mena;
lo rey feu ab ella son delit,
ab la dona que tencli al lit.
Lo senescal man se leva,
dins en la cambra se n' intra,
e lo rey quil senti venir
sempre li comensa a dir :
,Com venits aytal horaV'
, Senyer, quem liurets la dona.'
,Encara no leus liurare,
litr
lor
1610
1615
1620
1625
1630
1635
1640
1645
1650
1655
que ab cUem deportare;
tornats liic doncs ades,
e liurar leus he volentes.'
Cant un patit hac ßstat,
sem[ire eil hi es tornat:
, Senyer, la dona mi liurats.'
Dix lo rey: ,Be sots cuytats;
apres un poch vos hie vendrets
e lavors leus en manerets.'
E altra veu hi es venguts.
, Senyer' dix el ,si Deus vos ajuts,
aquexa dona mi liurats
anans que sia dexelats,
car ella es de gran afer,
e per res nom seria mester.'
Dix lo rey: ,De quals gents es?'
, Senyer' dix eil ,ma muyller es.'
Dix lo rey: ,Es ta muyller V'
,Certes, senyer, ben es ver.'
Lo rey tantost regonech la
e fortment sen mereveyla
e dix : ,Aquest es traydor
mes que si avia mort son senyor,
qui per aver ha trahit si mateix;
bem trahira, si poxes,
aquest traydor qui per aver
m' a liurada sa muyler;
be son yo foyll e orat
que ab eil ma son fiat-,
certes eil o comprara molt car,
car ha trahida sa muyler.'
, Monsenyor, yo li conseyli be
que no erras per nula re,
e sol nom volch tscoltar;
per que n' aura dan, som par.'
,Doua, die vos, coma traydor
lo gitare de ma honor,
e no sen dura aur ni argent
mas so qvie vest mesquinament,
e fas li yo tanta d' onor
per so com vos sots sa uxor,
que si no, feral ponir,
car coma traydor den morir;
e vos, dona, qui li dixes
que a§o per res no faes,
faes coma prous muylers
e com r aconsevlas leyalraent.'
191"
192'
78 mons. e yo 80 (que)
1564 eoy od. hi au- eins. od. 'na 08 eil men. fembra 74? 75 (dix li) od. (vos) p. ganyav
86 Gert od. (eil) 91 faes? 92 (Dix eil) 97 (yo) od. farel
1601 ivenv nicht feu ab eins., ™ e lo rey feu lo seu d. 7 t. vos a ay. 8 que me [od. unver. u. in 7 nur eine Silhe zu erga„2en\
lld unpocapres?^. «/7 [13 eyll hac 14 ret.] 16 Dix li 20 (el) 25 E de [27 Dix li 28 mon...] 33 (qui) p. a. trah. ;^4 be
me 36mea [37? .38?] 39 cert od (eil) 41 yoll [43 no me 44 so me] 47 (e) 51 yo f. o</, f. lo 55 vos f. 56 (com)
Die catalanische meteische Version deb sieben weisen Meister.
203
Senyor, dix ella, valgre mes
al senescal cregut agues
lo conseyll que la miiyller li ha dat
1660 que ara com es deseratat.'
,Be valg-ra mes' dix 1' emperayre
,qiie ara com va a desayre;
senyor era del regnat
e ara es traydor provat/
1665 , Senyor, si a mi no creets
que aquests vos ociuran, -■
e mos amics maridar m' an,
c aiu'e marit quim creiu'a
e ja en re noy faylira ;
1670 mas si aquest fos tudats,
vos forets be aconseylats,
car yo vos he be mostrat 192"
en que porets avenir
e en que porets faylir.'
1675 jDoua, yol fare ocir'
dix r emperayre ,ses faylir/
,Seuyer, si o fets, loar vos n' ets;
si no, vos vos en penidrets.'
AI mayti 1' emperador hac son acort
1680 e mana que son t'yll fos mort.
Melquider vench enaxi
a r emperayre e dix li :
,Monsenyor, si a vos plau,
saludats me, mmi vullats mal,'
1685 Dix r emperayre : ,Nous salut,
anans fets compte de perdut
axi coma desleyals,
car be sots vosaltres aytals,
qui axi m' aconseylas
1600 que mon fyll vos comenas,
emparas lo de bona amor
e mostras li que fos traydor,
e ma muyller qu' es prous e leyals
conech be que era aytals ;
1695 e car no la poc aontar
axi com eil cuy-<lava far,
encara ques depeny mut
per que no sia conegut; 192°
mas yo vuymes tots vos conech
1700 e fer n' e so que fer ne dech.'
Melquider dix: ,Axius pendra
con al burges qui sa muyler sagna,
si nous en volets aydar
axi com el qui la feu segnar.'
1705 ,Con li pres?' dix 1' emperayre.
,Dir u ay, que nos trieb gayre,
e per quin afer segnar la feu,
mas vostra fiyll assi tornareu,
tro que yous aja comptada
1710 la rao per que fo segnada,
e quant ausida la aurets,
tan savi sots be 1' autendrets.'
L' emperayre dix que tornes,
tro la rayso ausida agues.
1715 ,iiiu la ciutat de Roma stava TENTAMINA
lo burges qui sa muller sagnave,
e la mayre de la muyller
era dona de gran afer,
bona e prous avia stat
1720 e manteuguda castedat;
a r esgleya van un mati,
e la mayra dix li axi :
,Fiyla, com be estats?'
,Madona, be queu sapiats ; 192*
1725 de tots bens he bastameuts,
mas trestot m' 0 tenc a nient,
e vuU be certanauient
amich qui sia coviueut,
car no men poria estar .
1730 e dich vos que mi vull cuytar.'
,A! ma tiylla, e que dej'ts vos,
e ja avets marit tan prous!
Ma fiyla, anch en mon linaige
no fo fembra qui fes oltraige,
1735 e si vos ara fets drut,
tostemps aurem lo cap perdut ;
e per res no 0 fassats,
car malament hi arrats.'
,Madona, no men pux estar.'
1740 ,Ma tiyla, qui volets amar?'
, Mayre, si am cavaller,
nom fara mas cortejer ;
e si amava mercader,
uol veuria d' un any poder;
17-15 si hom de vila amava
e tot jorn devant mi passava,
conexer s' i a 1' endema,
1659 qu' ella li? 63 eyll era [od. H4 ar' es vnd traydor zwei».] 66 yous dich qu' aq. 70 s' aquost iufant 72 fort be
^73 vos p. od. be av. 74 vos p.] 75 yo lo 81 hi vench 83? 87 fols d. [$9 euaxi 90 acom.] 93 (e) od. prous, 1.
97 depenya
1702? 4? [od. 3 ayd. ziceis. u. 4 axi zu tilgen] [5 Er com 6 no se] 7 (e) 8 f. qui t. 9 yo vos 16? 23 Ma
f., er c. 25 he yo 27 e yo [od. 28 sia ein.9.] 35 vos f.? [37 e ja od. per nuyla res nou f. 38 vos hi] [41 Ma m. od,
«i yo 42 no me] 45 yo am.
26-
204
A. MUSSAFIA.
per qu' eu villi amar capella.'
,I\Ia fila, pot per res ronianir?'
1750 ,Mayre, no men pux abstenii'.'
,Ma iiyla, fets .i. aidit,
assejats vostra niarit.'
,Hoc, madona, volentera
e dir vos he en qiiai manera:
175Ö en lo verger .i. pomer lia,
lo qiial el molt ama
e de aquell fare foch fer,
car totes coses nie sofer/
E com la niissa to cantada
1760 cascuua es a casa anada;
aquesta al verger iutra
e apeyla son ortola,
dix: ,Lo senyer es anat casser,
e no avem leya per foch a fer;
1765 tayla est arbra assi prop,
com eil vendra, que trop bou focli.'
jCertes, axo no fare pas,
que noych se arbre tant amas
mes que nul altra qui hie sia,
1770 e ab mi se baraylaria.'
,Digats que yol fiu taylar.'
,Ay§o. dona, no m' ha que far.'
,Dona la destral tu a me,
e yo mateixa taylar 1' e.'
1775 ,[Dona,] (,'0 fare. volentes,
e veurem que sabrets fer.'
La dona pres la destral
e afaytes de son mal
e cant .x. colps hi a donats,
1780 dix r ortola: ,Areu lexats,
que yol taylare ivas
e aurets lenya assats.*
L' ortola ha 1' arbra taylat,
e la dona al sen portat.
1785 Cant lo senyor venc de cassar
e viu al foch 1' arbre cremar,
dix: ,Esta, lenya don la agues'?'
, Senyer, fle 1' ort la purti ades,
car sabia que vos vendriets
1790 ab grau fret e queus scalfariets.'
,Dona, -1 meu arbre avets taylat
e son na fort despagat.'
, Senyer, nom cuydaveus fjs greu;
perdonats per amor de Deu;
li»3" 1795 per amor vostra la tayli,
per que fucli trobassets aqui;
yo, senyer, la merce de Deu,
vestida son be, o sab Don,
per que fret no pux aver,
1800 mas per vos hu 1' arbre tayler ;
mas ara conech que vertat es 193"
que so c' om cuyda fer per bes
torna a mal a vagades,
per que no deu hom gardar arrades,
1805 e son na axi be castigada
com si tota m' aviets tastada.'
,Dona, ayso vos perdo,
mas gardats vos altra sayso
que vos tan fort no arrets,
1810 car cert vos en penidrets.'
E cant venc a 1' endema,
la dona a la sgleya ana
e troba aqui sa mayra,
demana la de son afayre :
1815 ,Fiyla, as tu 1' arbre taylat?'
, Madona, hoc en Verität,
e preguil que nos trabaylas,
car per so o fiu ques escalfas,
e eil sempre perdona mi,
1820 con li dixi per quel tayli.'
193'' jFiyla, quin es ton ardit?'
,Madona, que fare amich.'
,Ma fiyla, assage ton marit
altra vets; faras bon ardit.'
1825 ,Volenter lo assejare
e dir vos he con o fare: lOS*"
eil ha fort bona lebrera
e amala en tal manera
que nul hom la gosa tocar,
1830 si ab eil nos vol baraylar,
e yo ociure la labrera,
e si m' 0 sofer e que nom fera,
be pore fer ma voluntat,
car de tot lo fare pagat.'
1835 Devers la casa se n' ana
e garda lo senyor com vendra,
e feu ensendra bon foc
e es se asseguda de prop;
una palissa s' a vestida
17-19 (Ma) [öl un liel a. 52 er as.] 63 yo vol. [od. 54 e eu tilgen] 56 fortment ama 63 (dLx) 64 (e) od. (a)
71 yo lo 76 vos s. [od. 75 »»«• eine Silbe ergänzen] [77 E la 78 afayta .se] [81 yo lo 82 vos aur. od. aiir. nc] 88 dT
od. (Senyer) u. yo la 92 e yo od. fortment 99 yo fr.
1801 er od. (mas) 3 torn' a m. a moltes v. 4 Siehe Anm. 7 yo vos [9 fortment 10 vos vos; vgl. 1594. 10 78]
11 eil V. [od. 12 -ya a- eins.] 13 la sua m.? 18 so-u 21 Ma f. od. lo teu 27 ha una bona, mich f. b., xoenn man ha u-
eins. od. 'na liest [od. 28 -V en, la 'n] 32 (e) si od. (e) que 36 gardal 37 un b.
Die cätälanische metkische Veksion dee sieben weisen Meister.
205
1840 tota d' esquirols e d' erminis ;
e lo burges veüch de cassar;
los cans se venen escalfar;
la labrera a ella se acosta,
sobra la palissa se Santa;
1845 la lebrera era niuylada,
tota la palissa li ha solada,
e la dona com o vi,
tot lo cor li estremi,
pres un coltel d' ua servicial,
1850 per mig- lo pits li dona tal
que morta li estecli de prop,
que ancli d' aqui levar nos poch.
Lo biirges viu la labrera morir
e comensa seinpra a dir :
1855 ,Certes, dona, mal o faes
com la labrera ocies,
car aquella amava mes
que alg'una que yo agues ;
per cert vos die que pesani fort
1860 mes que sil caval aguessets mort;
tan bona non trobare pas,
yo trobare cavall ivas.'
,Senyer, vejats com m' a dobada
aquesta palissa tant honrada,
1865 qui Tai molt gran riquesa
e que la affoyll per ma peguea ;
de vos dien per veritats
qu' en totes guises me amats,
e per so porian dir
1870 que yo afoyll tot mon vestir ;
pus vos me tenits hourada,
no deig esser mal ensenyada,
que agnes morta la labrera,
si sabes tan corall vos era,
1875 mas yo non sabia re,
car anch cassar no ane.'
,Dona, r arbre mi taylas,
apres la lebrera matas ;
grans desplers me avets fets ;
1880 sius play, ja nous hi tornets.'
jvSenj'er, aus preeh Dens que m' ocia
si fas res que pesar vos sia;
monsenyor, si a vos plats,
aquesta vets mi perdonats.'
1885 Dix lo burges : ,Plau me assats ;
d' aqui avant vos hi gardats.'
AI mayti, com i'o dia dar,
la dona ana missa scoltar;
sa mayra aqui troba
1890 e tantüst ella li demana:
,As morta la lebi-era, ma tiylaV'
,Mayre, hoc senes faylia.'
,Ma tiyla, fo greu al senyorr"
,Hoc, mas yol torni en amor,
1895 e vuymes no men cal duptar,
car abrivadament pux amar.'
,Ma fiylla, prech te que nou fasses;
tem que enganada non vages.'
,Mayre, d' ayo nous creure,
194" 1900 que no pot romandre per re.''
,Ma liylla, no sies orada,
assagel altra vagada.'
jMadona, plau me assats,
e fare so queus vullats.
1905 Dema es festa de nadal,
assejar 1' e per cominal.' 194°
Lo burges es hom ensenyats
e ha molts ciutadans convidats,
cavallers e homens honrats ;
1910 cant a taula foren seguts
e los menjars foren venguts,
la dona al cap de taida assech
e les claiis ab les tovayles liguet,
e puys levas deliurament,
1915 vessals menjars sobra la gent.
Dix lo burges: ,Per queus levas?'
,Senyer, per so queus aportas
aquell vostra coltell taidar,
de queus solets tant altar.'
1920 ,Dona, los menjars avets vessats.'
,Senyer, vajats per caritat
les tovayles quis son lassades
ab aquestes claus malfadades ;
senyer, be podets veser
1925 que yo no he poscut alra fer.'
194'' E eil mes mans per alegrar
eis convidats a solassar,
e mentre eil los tench [a] solas
feu adobar altres menjars,
1930 que menjassen los ciutadans 194'^
e ques tinguessen per pegats
del burges e de ses bontats,
mas noy ac algun tan privat
1843 lab. li.s' ac. 44 palissa.? 46 (tota) orf. paliss' hall .s. [47? 48?] 53? 60 aviets? 64 esta 65? 69? 71 tan h.
[75 no ne 76 yo no] 77 lo ar. od. vos me [79 desplaer.s od. vos me SO .si vo.s] 83? vgl 1G83 [od. 14 esta] 89 e sa
90 (e) od. ellall 91 (ma) 92 hoc yo 96 (car) 99 no vos
1902 un' a. [od. 1 sies ems.] [3 hoc pl. 4 que vos] 13 eis cl. als t.? 19 que vos 20 Donais; vgL 1791 24 Mons.
od. vos be [od. 25 que zu tilgen]
206
A. MUSSAFIA.
qui coneg-ues que fos irat.
1935 AI vespre, com foren partits,
gitas la dona ab sdii inarits,
o lo Intrg^es no teil seinhlant
que agiles ab si mal talaut.
AI mayti ela s' es levada;
1940 el li (lix: ,E que volets tarV
,Senyer, a la sg-leya vull anar.'
,No farets, obs vos avets a ssegnar,
car esta es la mylor segnia
qui en tot V auy per cert sia,
1945 e yo fer vos he segiiui-;
obs 0 avets, seg-ons quem par.'
,Senyer' dix ella ,may uoin segne
e per ma fe uom seg-nare.'
,Doiia, ear uous sots segnada,
1950 vos es la sauch fort engruxada ;
e per que nous feyets segnar
araiis poria profitar,
per que se den pendre conseyll
al mal anans que sia veyll,
1955 que sil lexava hom puyar,
uo s' i poria conseyll dar.
Com taj'las 1' arbra del verger,
la vostia sanc se va inescler,
e com vos en penedis,
1960 cuydem quel mal de vos partis ;
e com ocies la labrera,
la vostra sanc no era clara,
e cuydem queus espessas
e per ago noy mis les mans;
1965 ir com avia convidats,
tots los menjars foren vessats,
lavors sobra la vostra sanch;
que si passas de vuy anant,
ja mes s' i pogra conseyll dar
1970 e pog-ra s' i massa trigar,
per que val mes siats segnada
que si del tot erets ahontada.'
E prop lo foch la feu seer
e puys feu venir lo barber :
1975 ,8enyer, ma miiyler me segnats.'
Dix ella : ,8enyer, no fassats,
que no son vesada de segnar.'
Dix eil: ,Yous lii vuyll avesar.'
De dus brasses la feu segnar,
1980 mereveyla fo com poc scapar;
tanta sanch li n' a feta axir 19.5''
qu' ela no pot mot sonar ui dir,
e puys cl la fort be pensada
axi com fembra qu' es segnada.
1985 ,Dona, la mala sanc n' es axiila
6 creu que serets tost garida,
e ssius torna la malaltia,
yo mateix vos segnaria,
ear be conec on vos esta
1990 aquella sanc que mal vos fa,
que no leus lexare puyar,
car massa mi cu.yde tardar.'
La dona a ssa mara envia
que venga, que mal li va.
1995 La mayra la vench veser
e a penes li poc pailer.
,Ma fyla, e vos amarets?'
,Madona, no men parlets.'
,Ma fiyla, porets vos en lexarV'
2000 jMadona, lexats me estar
e no men parlats en re,
que ja maj' cura no n' aure.'
195' , Fiyla, a Den sia grabit
com vos segna vostra marit.'
2005 A SOS amics o van comptar,
comensen fort a menassar
al marit qui la feu segnar, 195°
e que molt car o comprara.
Dix la mayra : ,No sia jiarlat,
2010 tro sapiats la Verität,
que so quel marit ha fet
eil ho a fet ab molt bon dret,
car si no la fes seg-uar
ella vos volia ontar,
2015 e dix que per mi nos n' estaria,
ans dix que aymador faria.'
Dixeren tots : ,Fort be fsta
de la sanc que i)erduda ha.'
,Diats, senyer' dix Melqiiider
»Q.iQ ,no valc mes com la feu sagner
que si fos cog'us provat?'
Dix r emperayre: ,Hoc en Verität,
car massa avia tardat;
com l(j arbre li ac taylat,
2025 lavors la devia segnar verament,
e non fora tengiit per pech.'
1941 (villi) od. vull a la sgley' au. 42? 44 certament sia 45? 47 S., ja niay no mes. 49 uo tos 59 vos vos;
vgl. 1810 63 que vos 72 .s' er. d. tot 77 (que) 80 merv. 82 que no 85 (Doua) n. vos n es 88 e yo od. yo m.,
dona, -US s.? 94 veng' a li 95 tost la [od. 96 e a eins] 98 me ne [od. <.)7 fiyl', e] 99 (Ma)
2001 mene 11 que lo od. li ha [oc^. ^2 ho a eins.] 13 faes 15 (e) 21 ellf. 25? nW/. 2^^ lavors com 1' ar. 11' .ac t. w. M (lavor-s)
Die catalanische metrische Veksion dek sieben weisen Meister.
207
,Senyer, vos diets Verität;
per que nous vullats tanlar
de vostra niiiyller a segnar,
2030 qui vol fer ociure vostre fiyll;
beus assage per ver a dir.
Si no la fets ara segnar,
beus hi poriets tai-dar,
iiias vos, senyur, nun conexets
2035 anaxi com feix lo burges;
e pendraus ne axi ivas
com f'eu a eil, si nous gardats;
vostra fiyll nu vullats oeir ;
si DO, axius pendra ses mentir.'
2040 Dix r emperayre : ,No inorra,
anans vos die que eil viura ;
be enten que ella me assage,
per que d' ayyo poder no aja.'
Cant a la dona ho an comptat
•-'045 que r Infant es escapat,
tal ira sen dona al cor
que per .i. poc sempre no mor.
Denant 1' emperayre plora
e dix que axi lin pendra
■2050 com feu a .i. emperador,
qui cobejava fort tresor.
,Com li pres"? aram diats.'
,Senyer, plau me o sapiats.
Hin esta vila hac .i. prohom,
2055 Virgili lo apeylava liom,
6 sabia d' encantaments
mes que nul hom qui anc nasques;
en esta vila feu gran be,
mas r emperador lo desfe
-■060 per cobina de tresor,
e puys mori a gran dolor.
Virgili enses .i. focli en esta vila
qui cremava nuyt e dia,
e nuyll hom lenya noy metia,
2065 e lo foch sei no minvave,
ans feya a tuyt gran be,
que s' i calfava molta gent,
e ceylls qui lenya no avian
en aquell loch cuynar fazian ;
2070 una torra li feu de prop
e un hom qui gardavel foch;
r om era de covra format,
tenia en la ma .i. arch parat;
en r arch tenia una segeta
2075 e al coli tenia un escrit
e deya axi com vos dich:
,Quim farria, yo tiraria
e lo foch apagaria.'
Aquin passa un hom foyll
2080 qui legi lo escrit del coli ;
195'' com lo escrit hac legit,
si ha als compayons dit :
,Vos altres volets quel firaV
e vejam sil pendra ira;
2085 yo li dare ab una pera
e apres veurem que fara.'
Aquell li dona un gran colp
e eil tira en mig del foch,
si que del tot 1' a apagat, 196"
2090 si qu.e anc puys no crema ;
ara es lo foc apagat,
e aquell noy ha res guanyat.
L' emperador li ha perdonat,
qui degra esser justiciat.
2095 Altra cosa major sofri
per que V emperador mori.
Nul hom fo qui tant de be
fes en Roma com Virgili,
car eil lo mirador basti ;
2100 dins un marbre mes un mirayll,
VIRGILIUS qui era pus beyll que crestayll,
e de sobra .i. pilar
quatre Colones hi feu far,
en quel mirador pogues star.
2105 Cascun mayti tot li major
venien al mirador,
e si null hom lus intrava
en Roma e en lo termenat
196" e aqui volia mal fer,
2110 sempre o poden en lo mirayll veser,
e conexen ho be al mirayll
quins homens son ni de quin tayll,
ne que vest ne que porta ab si
ne on va ne per quäl cami,
2115 e tantost tremeten hi
e troben o tot anaxi 196°
com ells an vist en lo myrall
que be es aquest de tal tayll ;
prenen lo, diga Verität,
2028 DO vos 30 ocir; V(/i. 2038 33 be vos 45 lo Inf. 52 ara me [od. 53 sapiats swet«.] 60 siehe Qloas. s. v. co-
bina 62? 63 e n. 78 e tost [od. 77 farria 2»v«.] 70 Aqui ne passa [od. SO V es.] [81 eil hac 82 a lo.s] |83 que lo
84 si li] 85 yoll 90 quel foc p. [od. 89 V apaga] 97 fo anc
2102 un gran p. 6 a ceyll 7 er' intrat 10 (sempre) o p. el in. 11 (e) od. (ho) 15 eylJs tr. [od. 10 axi]
208
2120
A. MUSSAFIA.
2125
2130
2135
2140
2145
2150
2155
2160
2165
troben que es certanitat;
de tots aqviells que preuieu
sempro justicia ue feyen.
Lo rey de Poyla avia homens grans
qui per Roma anava rübans,
perdia gents de sa honor
per aquell tan bell mirador,
e dix que y pora fer
que eil lo puxa derroquer
e tot liom qui aydar ii puxa
data dt,' 1' aur iiientre quen vi'.lla.
Tres niacips se van acordan
e dien quel derrucarau,
e que lo rey los bast d' aver
aytant com n' auran mester,
e diu lo rey que u fara,
e am- fretura nols fara.
Tantost .iij. caxes fan fer
e fan les omplir de aver.
Prop Roma les an portades
e aqui les an amagades,
easeuna ineteu en son logar;
e lo mayti, eant dia par,
denant F emperadur son iutrats
e tan gint 1' an saludats;
e dix los: ,Que volets ferV
,Senyor, devinam e trobam aver,
e en esta vostra ciutat
lia miilt grau aver amag-at,
e trobar 1' em si o volets,
e que bona part nus en donets.'
Dix r emperayre : ,Volentes
vus en dare, si n' atrobes,
de aycel que trobar puxats,
e ja non serets enganats.'
,E nos lo sabrem be trubar,
ab que ab vos nos puxan) tiar.'
Dix '1 emperador: ,8i farets
e ab mi Verität atrobarets.'
,Senyur, com vendra lo dia dar,
vos veurets que sabrem far.'
Dix la nus: ,Yu he lo aver trubaf
en lo loch ou 1' a amagat.
Tantost vench a 1' emperadur
e dix li: ,Senyer, siin seg-uets;
que yo he soniiat anits
l'JG"
197"
2170
2175
2180
2185
2190
2195
2200
2205
2210
quo prop, no mult luny de ssi,
atrobarem de boii aur ti.'
Dix r emiierador: ,Volentes.'
Ära van veure lo aver,
per saber si es Verität
so que aquest ha somiat.
Dcvers aquell loch se u' ana
ou la sua caxa amag-a
e dix : ,Ayci fets ben cavar,
que aver hie devem troljar.'
Aqui caven de gran poder,
troben la caxa ab 1' aver.
L' emperador fo fort pagat
de r aver que au trobat,
e diu que be es Verität.
E com vene 1' endema,
r altre diu que somiat ha
e diu que trobara aver,
e mostrar ho ha be per ver;
prega 1' emperador quey anes
e que 1' aver traure faes.
Dix r emperador : .Flau ma assats,
e vejats si es veritats.'
E lo macip se u' es anat
la on r aver ha amagat,
a los dit: ,Cavats be ayci
e trobarets 1' aver aqui.'
E comensaren a cavar
e tantost van 1' aver trobar.
Dix r emperayre: ,Be son fornit,
car a tot mon temps sere ben rieh.'
Com vench 1' altre mayti, li'T'
V altre dix atressi
que aver ha somiat
la on r avia amagat,
e que val mes que un regnat.
E com vench 1' altre dia,
eis s' acordaran gran falcia,
e dien a 1' emperador
que ells sabeu molt tresor.
,Con es?' dix 1' emperador
jDessots lo peu del mirador.'
L' emperador dix que hom hi anas
e que 1' aver hom ne gitas,
e que 1' apuntalen de rador
e gardeu com lo poran traure,
2121 e de [od. 22 justieinu] 27 ,ue eylL.,["<^. ^* ^u' eil] 34 com eylls H- o^ quel] 3- eyll, - H-^^ -1
39 eylls les [od. 40 e a- ein.] 41 ,ueteu casoW eu 44 eylls .. 45 hie fer 46 (Seuyor, 50 (e o& ^^'^-^'fj'^^
60 que nos od. .5. vendral] 66 de ayci 79 atr. [od. SO vertat] 81 a T end ,,,. m^ s.k ''-'' j ^^ ;/:/;^ ^^ ^
.^2.[ .6 (ear) od. ,beu) 97 E co.u v. a od. Hroa E c. vene 98 lo al. li d. [od. ,n he^de,^ 1 ersen nnr e.ne SUhe .u n.amen}
99 que eyll
2202 eil V. a; v.ji. 2191 5 grau tr. [nd. I dien einn.] 6 los d. 10 (e) od. (que)
Die catalanische metrische Veesion der sieben weisen Meister.
209
e quel pilar uo posques caure.
jSenyor, no n' axir<a per ver,
si volets quel puxam caver/
2215 ,Si vull be' (lix 1' emperador
,per so que ajain lo tresor.'
Dejiis lo pilar fa cavar
e feu lo fort escalonar,
e com lo sol fo colgats,
2220 lo pilar fo del tot taylats.
En la imj't, cant son adormits,
vengueren los .iij. inaeips,
e nieten foc al bastiment,
caen les voltes exament ;
2225 e cant ho agren be cramats, 197°
tautest ells scu son anats ;
al rey de Poyla son tornats
e tot lo fayt li an comptats,
e com lo pilar es cauts
J230 e ells com s' i son auts.
Lo rey es estat fort pagats
de CO que 11' an comptats.
Lo mayti coni fo dia dar,
los de Roma venen mirar
2235 lo pilar, en ques solen mirar,
e viren lo del tot casvit-,
antra ells g-ran dol s' es mogiit,
6 dien: ,Qui Iia cremat lo mirador?'
Dix la .i. a 1' altra: ,L' emperador;
2210 car .iij. macips li an comptat
que dejns avia tresor amagat,
e per cobina del trezor
ha fet cremar lo mirador ;
ara d'uymes cascun pora
2245 fer taut de mal com se volra,
que nos veui-a en lo mirador
qui fara mal en la honor;
mas r emperador qui tant ha cobejat
trezor, per quo no li n' es dat?'
2250 L' aur prenen e sil foneren 197''
c' assats a beure liu denen,
tant tro que fo mort,
car les avia fet grau tort,
dient : , Aur volguist e aur beuras ;
2255 aur ta darem, bevent morras.'
Ara es mort 1' emperador
per cobina de trezor.
Senyer' dix ella ,no valgra mes
a r emperador que penses
2260 que assats avia tresor
que com crema lo mirador?'
Dix r emperador: ,E1 volia
la riqueza que mal queria,
e pus aver amava tant,
2265 mes val sia mort ab aytant.'
,Senyer, si vos no creets mi,
vos morrets tot auaxi,
car pus vos parlen del traydor,
mes vos plauria del trezor,
2270 car pus vos creets lensenges, -
axils estoryriets per deners;
e si vos a mi no creets,
per cert aytal mort farets.'
jCertes, dona, si creure be;
2275 lo mayti ociurel fare.'
,Certes, senyer, vos neu farets,
qne aquells legeters creurets.'
,Dona, d' uymay nels creure,
car be veig que errat hi e.'
2280 , Senyer, a Deu sia grahit,
si es ver so que avets dit.'
AI mayti mana 1' emperador
que son fiyl moris a dolor.
A r empera<ler ve Gate
2285 e parla coina prous baro :
, Senyer, yo vench a vos, sius plats,
car vey que fort sots euganats,
car axius peudra, so say,
con al mercader de son papagay.'
2290 ,Cou li pres al mercader?'
, Senyer, yous en dire lo ver,
ab que vostra Hyll torn ayci
e que estia devant mi,
e ju.sticiar nel fassats
2295 tro a90 oyt ajats;
e si vos d' aconi creets,
certes en res ney errerets ;
e si nom crets exament,
errar hi ets fort malament.'
2300 Dix r emperador: ,Qu' eus en creure
e r Infant venir fara,
e uo sera justiciat,
tro que vos o ajats comptat.'
198"
2219 jus c. 22 V. aycells .iij. [od. 21 En am tÄlgm] 26 se ne 30 se In [ml. 20 col] 3S que eylls li an 35 ?
:is (e dien) 40 quey av. 46 el m. 50 — 51 siehe A^im. 52 entro quo eyll ne [od. mir zwei Sylben ergänzen u. .5.i' avia zwfis.]
.")7 := 2060 58 (no) und der Salz adfirmativ 67 morirets 73 vos f. [od. 72 crets] 78 no los [od. 79 qu' er.] 88 axi vos
s',i 1 99 Er oom 95 entro [od. 94 -ciar eins.'\ 96 afo me 98 creets
2301 lo inf.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 27
210
2305
A. MUSSAFIA.
2310
2315
2320
2325
2330
2335
2340
2345
2350
,Lo mercader fo d' esta vila, AVIS i;»8
im fort beyll papag-ay avia,
lo mylor qiic hane lioin ves;
res no era qu' el no dixes;
tot hüiii qui eu la casa entrava
per sou 110111 lo apeylava,
pus oyt r agues nomenar,
e sabia be devinar,
e nol podieu enganar.
La muyller del iiiercader
avia fort avol mester, .
car so feya volentera
les liores qiiel iiuuit iioy era.
Lo papagay beu conexia
e al seuyor tot o disia.
Lo mercader ira sen dona
e la muyler ne manassa ;
la dona iiiou g-ran trabayll
de SSO que diu lo papagay
6 pensa com lo fass' aucir
e ella non fos en raptir,
e puys a ssa guisa faria,
e lo iiiarit res non sabria.
,A Dens! que pore far ni dir,
que a mon marit lo fassa ocir?'
Araus dire en quäl inauera
r assaja. Com son marit nuy era,
eylla envia per son am ich
e que veng-ues aquella nit,
que del papagay nos tembra,
car ella lo assejara;
e direus com lo asseja.
Tot lo terrat forada,
pres una massa ab que pica
sobral terrat, par que trona;
e pels forats gita candeles cremants
e aparech que fos foc e lamps,
puys gita ayga pel terrat-,
lo papagay es tot muylat
e cuydas certanament
que plogues fort regeument;
lo papagay nos pensa pas
que la duna axi 1' enganas.
En ago la dona 1' amich raques,
el papagay fort be o conech,
e com vench V altra dia,
lo senyor vench fora la vila,
e com eil per la casa intra,
igs"
lo papagay no li parla.
,L (pi' es, amich, que no parlats?'
,No, senyer, que fort suy irats,
2355 que en G™ hie es intrats
e ab la dona ha jugats;
abduy jähen tota la nuyt
anit que tan fortineut pluhia,
a mi ajudar no volia
2360 e anch a mi no ha aydat;
ay las! tan fort son banyat!'
, Amich, e que avets aiit,
que anit no ha plogut'r"
, Senyer, e com o podets dir,
2365 que yo ayci cuydi morir?
e plovia e tronava,
paria la terra se n' intrava.'
La dona, cant ho ac ausit,
plora e gita un gran crit:
2370 ,Ay na lassa desastruga!
a tan mal juy son venguda,
car per inantides a dir
he poscut tant de mal sofrir;
eil es del tot cregut,
2375 diu que anit ha tant plogut;
pero bes sab la Verität,
si a plogut 0 ser[e] stat;
si no mor esta vagada,
nul temps yo sere pagada,
2380 car d' uymay podets conexer
si ment eil o si diu ver-,
auceyll te hom per alegrar,
mas no per traball a donar.
Senyer, muyre lo papagay,
2385 quins hie dona tan gran trabayll,
e pus serets alegra e pagat
e viurets com hom honrat,
car vos estavets leyalnient
e senes trabayll exament;
2390 apres queych to lo papagay,
anch no aguem si no trabayll;
mes val estar ab alagransa
que soffarir mal ni pesansa.'
Dix eil: , Verität es,
2395 per cert yo 1' ociure ades.'
Lo mercader lo papagay lia mort
e 110 y foii ges bon acort,
nou volgra aver t'et per nid tresor,
coiieix e diu que es traydor;
198''
199"
2306 veses od. vees, vaea 9 lo seu n. od. eyll lo 13 d' aquost in. 19 iras (1. 21 fort gr. 30 Co-1 m.? 36 afor
39 (pels forats) [43 cuyda se 44 e reg.] 47 (En a^-o) n. son am. 49 = 2202 61 ges pl. [od. 62 qu' av.] 66 e tan pl.
e tan tr. 72 sol per 74 est auceyll es [od. aquest es «. 75 qu' ha] [78 si eyll 79 yo ne] 81 lo ver 86 (e) 87 coma
94 el mercader: 'Vertat es 98 (nul)?
Die c'atalanische metkische Version der sieben weisen Meister.
211
2400 de la terra s' es axit;
ans que null hom li aja res riit
que eil fos traydor provat,
mes val jaquir tot lo reg-nat.'
Cant ho ac dit a 1' emperayre
2405 jDiats ine, senyer debonayre,
no valg-ra mes al mercader
que el! se acordas premer,
ans que ocies lo papagay,
que ara com ha gran ti-aball?'
2410 Dix r emperador: ,Per Verität,
assats n' a gasardo trobat \d9^
lo papag-ay, qui li gardava
la muylcr e tota sa maynada,
esta fort be en Verität
2415 qu' el ne sia be enganat.'
,Senyor, vos de so creets mi,
car enganat sots atressi,
si vos creets vostra muyller,
axi com feu lo mercader,
2420 per que vos no o fassats
e vostra fiyll restaurats,
qu' en breu aurcts certanitat
si so que deym es Verität,
si la dona diu Icyaltat,
2425 per que dege esser jnsticiat;
e sil fiyll se vol escondir,
certes, senyor, no deu morir.'
Dix r emperador: , Verität es,
e dich vos que estort 1' avets.'
2430 La dona fortment plora,
cant ou que 1' Infant es estort,
penses que pora dir ni far
quels .vij. savis fes matar;
si los savis son escapsats,
2435 aquell tantost sera tiidats,
e dix : , Senyer, axius es pres
con a r emperador Herodes.'
Dix r emperador: ,(_'om li pres?' 199°
, Senyer, eu vos dire lo vers.
2440 L' emperador fo d' esta vila VIT. SAPIENTES
e .vij. savis ab si tenia,
e no fera nuyia res
que a ells conseyll no demanes.
Aquests estaven en la cort
2445 e agren tots .vij. acort.
2400 se es 10 vertat 13 e la sua [20 vos may
33 que los od. faes 42 anch ii. 45 agueren [4fi eylls p.
u. vertat; a im eins. 62 Er son 68; vgl. 2060. 2257 [74
80 (e) od. eis 92 hie m.
e pensen que poran far
que aui- puxen aplagar;
e dix la .i. : ,Si nos volem,
molt gran tresor ajustarem ;
2450 dir vos he com o porem far,
que vullam sompnis arrenar;
e ceylls que a nos vendran
e lur sompni saber volran,
e aport .i. basant d' ergent,
2455 dir ley em certanament,
e tot r aver que portaran
entre tots se partira;
e pus a .i. aurem dita Verität,'
tuyt hi vendran de voluntat.'
2460 E los altres tantost an dit
que aquell ha dit bon ardit.
Ara son los savis acordats
e los sompnis an arrenats, 199''
e tots ceylls que hi son anats
2465 dien: ,Tan be o an dictat;
molt ma poria mes valer,
en pore trobar gran aver;
per cobina d' un besant
certes yo no vnll perdre tant,
2470 que mes val aquest besant do
per recobrar bon gasardo.'
E tot jorn venien les gents
eis savis apleguen 1' ergents,
e mes n' an ells aplegat
2475 que no n' ha en lo regnat.
L' emperador per aquest pecat
es de SOS uylls ensegat;
dins la vila eil veu fort be,
mas de fora no veu re ;
2480 e los savis son enraquehits
e los altres fort empobrits.
L' emperador noy pot als fer,
e dix li aytant sa muyler:
, Aquests savis que vos tenits
2485 per que nous an dels uylls garits,
axi com ells an gran saber
e apleguen tan gran aver
e son se fets devinadors,
con no denen consell a vos?' 200'
2490 Dix r emperador: ,Per ver a dir
yo veure sim sabi-an garir.'
Los savis li an menats.
, Barons' dix eil , conseyll me dats,
21 lo V.] 23 vertat 28 Vertat 30 ne plora molt fort, vgl. 2701
f. 47 que molt] 52 aceylls 55 nos c. 57 nos tots 58 (e)
ne lian 75 tot lo r.] 77 tot enc. 79 eil no [nd. 78 vil' eil]
27*
212
2495
2500
2505
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2525
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car yo no veig- fora la vila;
de quo port en mou cor gnin iia,
e villi auar per 1' emperi
per veer so quc hom nia diu.'
Dien los savis: ,Uii dia nos donats
e que nos siam acordats;
e si nos ter o podem,
sabiats que couseyll vos darem.'
Lo dia los ha donats,
eis savis son sa acordats
que ells que serquen Merli,
lo quäl dien que es bon devi.
Marli fo fiyll de bona niayre,
mas no sap hom que agues payre;
e la dona per null aver
ab nul liome no volc jaser.
Los savis lo van serear
e viren lo ab infants jugar,
e los savis cant lo viren
tantost lo conegueren.
Ab tant .i. hom veoch per lo cami
e sempre ha los dit Merli:
,D' equel hom vos dich per Verität
que eil sen va a la ciutat,
e porta .i. besant en la ma
per un sompni que sompnat ha.'
Apres a 1' home s' acosta
e sempre lo saluda,
e dix li: ,Yo se per ver
per que anats ni per quäl afer:
per .i. sompni que avets somiat,
e sera fort be arrenat,
e dar m' ets aquex besant,
dir vos que somias ab aytant
que uua tont beyla veyets
sots lo fogar on foch feyets,
e r ayga qui era layus' *
Dix r ome: ,Be es Verität
tot so que m' avets comptat.'
Dix Merli: ,Araus en tornats,
e jus al fogar vos cavats,
e trobarets tant de aver
que rieh hom na podets esser.'
Ij ome sempre se n' es tornats,
e los savis son se acordats,
e que la .i. d' eylls que vaja la
A. MUSSAFIA.
2540
200''
2545
2550
2555
2560
2565
2570
2575
2580
2585
per veiire 1' aver sil trobara
,e si r aver es atrobat,
de aquell ajam nostra part;
los altres romandran ayci 200°
e veuran que fara Merli.'
1^' om es a casa tornat
e cavant ha 1' aver trobat,
e lo savi quey fo enviat
si ac de 1' aver la maytat.
Lo savi a Merli es tornat,
e Merli han demanat:
, Merli, dar nos ets consell.
A r emperador qui nos veu,
— cant es axit fora la vila
no pot veiire nula partida —
vos porets li conseyll donar
e que vege com volra auar.'
Dix Merli: ,Hoc certament
lo fare veure mantinent.'
Menen lo a 1' emperador,
e ha goig que li leii la dolor,
e com r emperador lo viu venir
dix: , Porets me bonos noves dir?'
,Hoc, senyer, que veus ayci
un savi qui ha nom Älerli,
e diu senes faylir
que eil vos vol dels ulls garir.'
, Merli' dix 1' emperador
, porets me levar la dolor?'
,Hoc, senyer, siiis volets
e de mon conseyll me creurets,
car en vostra cort tenits 200''
.vij. demonis quius tolen lo vis,
e com los aurets gitats,
vos aurets tost lo vis cobrats.'
Dix r emperador: ,Pora esser ver?
e porem o nos veser?'
,Hoc certes, senyer, per ver
e trestot vos o mostrare;
deyts me, senyer, vos on jesets?'
, Merli, vos ades o veurets.'
L' emperador lo mene al lit
e Merli li ha tantost dit:
, Senyer, fets ayci cavar
e veurets queiis hi vull mostrar.'
Cant un poch agren cavat.
2498 (loa savis) od. dien eins. u. dia-ns eins.
2500?. 2 ha eyll [od. .5 s' ac] 4 ells vajaii serear [od- 5 dien eins.] 10 van tost od. 1' anaren 12 veseren, veeren
13 eylls lo regon. [od. nur eine Sylbe ergänzen u. 12 eis od. veren] 14 pel c
,Amich, yo 26 e si 27 direus 32 que vos [od. 31 vertat] 40 (per)
-r4 a- eins. 57 certanament 62 (dix) 63 vec vos 65 diu per ver
73 t'ors g.
16 vertat 21 e eyll od. gint lo 22 (e) «.
45 se n' es 50 a M. 51 vos dar 56 (e) od.
67 li dLx 69 si vos o v. 70 d' ? 71 la v. 72 tolelf
76 tost V. 77 mons. 79 (me) od.. (vos) 83 er f. 85 eylls un od. agueren [od. S6 sempr' au]
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
213
aqiii sempre an atrobat
ima Caldera qui bolia
e .vij. bulls de foeh fazia,
e ges de focli lioni noy vezia,
2590 e la Caldera fort liolia.
jSenyer, conexets aco que es?'
Dix r cmperador: ,Oert. nu ges.*
,Aquests buylls vos tuleu lo vis,
6 los .vij. savis que vos tenits;
2595 e tant com eii eylls vos liats,
sots vos dels iiylls encegats;
no vets quant aver an ajustat
per los sompnis arrenar,
e son ne be enriquehits
2600 eis altres ne son apobrits,
6 vos, senyer, no o sabets,
que vos de fora no anats.
Senyor, vos axi o l'arets:
la .i. dels savis pendrets;
■2605 com li ajats lo cap taylats,
la Caldera ha .i. buyll minvats;
senyor, si no es veritat,
de mi fets a vostra voluntat/
A la .i. dels savis ha lo cap taylat,
2610 e la calder' a .i. buyll minvat.
L' emperador ho a gardat
e coneix que es veritat.
, Senyor, dels altres fets atretal,
yous 0 dich per conseyll leyal,
2615 e vos, senyor, o veurets,
en la caldera o sabrets.'
L' emperador ho a manat
axi com li fo conseylat,
e com tots agren lo cap taylat,
■2620 en la caldera an gardat
e no hi veren nuyla res.
Dix Merli : ,Volets anar
de fores per deportar?'
Dix r emperador: ,Pleu me assats
■2625 veure si son desencantats.'
A la porta vench ab son destrer
e Merli axi tot primer,
dix a r emperayre que broques
axi com lo caval poi'tar pogues.
J630 L' emperador broca ab aytant,
sempre lo portal hac passat;
e com fo for' a la carrera
eil vae tota la terra,
e ha aut lo major goig
2635 que auch nul hom aver no poc;
e diu que tindra Merli
axi com .i. bon savi.
Sils savis no fosseu scapsats,
tostemps r emperador fora encegats,
2640 e ara coneix 1' engan.
Senyer' so dits 1' emperadriu,
,escoltats so que hom vos diu,
car vos ges no conexets
201' lo gran mal queus fan aquests
2645 e crey be queus au encegat
per encantament e per art,
per que conexer no puscats
los greus mals que avets passats.
Si vos, senyor, a mi creets, 201°
2650 aquests .vij. savis scapsarets,
e muyra ab ells lo traydor,
qui m' ha mesa en tan gran error.
Yo, mon senyor, a vos ne planch
com lo avets sofarit tant,
2655 e muyren tots, si a vos plan,
abans que nous en preuga mal.'
Dix r emperador: ,Per veritat
qu' eil sera al mayti scapsat,
e puys aure mon acort
2660 dels .vij. savis, si merexeu mort.'
, Senyor, nous o cal acordar,
tantost los fets tots escapsar.'
,Dona' dix eil ,queu fare
e ja altra acort no n' aure.'
2665 , Senyor, a Deu sia grahit
com tan be o avets dit,
ab que tan be o fassats
e que ges nous en penidats.'
201'' AI mayti, com eil fo levat,
2670 mana que son tili sia scapsat.
Ara es veugut Jusep
e parla altament e be.
e dix: , Senyor, axit pendra d' aquest tili teu
com al cavaller feu del seu,
2675 qui r ocis per conseyll de sa muyler, 201""
de que o compra be quer;
enqu^er morirem abdos,
e se be que axiu pendra a vos;
2588 e qui 94 eis 96 tot enc. 97 V aver qu' an 98 sol per
2604 p. vos [od. 3 axiu] 8 (a) 9 Laun d. s. lial c. t. 10 (e) 13 aytal 15 dar v. [od. 10 ealder' o] 19 (e) od.
ag-rel '? [22 Er v. 23 vos A.] 26 Vench a la port' ab? 29 (axi) 33 y vae [36 que eyll 37 enaxi] 40 c. eyll [43 ?
44 que vos] 57 = 2410 59 lo meu ae. 60 (vij) 63 Ma dona od. que o; vyl. 2971 66 com vo.s [od. 65 sia eins.] 67 vos o
71 hi es [od. 72 14 al- eins.] 73 (e dix: ,SeDyor) 75?; viell. (1" ocis) u. 76 l'ocis, de queu c. b. 77 m. nos
214
A. MuSSAFIA.
e a vos, dona, quil consoylats,
2680 sapiats quo mal conseyll li dats,
e porets o axi comprer
com la mnyller del cavaller.'
Dix r emperador: ,Com ii' a pres al cavaller?'
jSenyor, yoiis o sabre compter;
2685 mas r infaut no sia scapsats
tro queiis o aja comptats/
,1'lau me' dix 1' emperador
,e stia assi a la rador.'
D' esta vila tb lo cavaller NOVERCA
2690 e de forts prühomens pres iiiuyller,
e ac ue un bell Infant,
lo pus beyll qua nasques auc.
Romas lo fiyll, mori la mayra,
e lo cavaller pres ne altra;
2695 e la madastra si s' a pensats
que lo filastre fos tudats;
que si ella Infant avia,
lo cavaller lo primer tili lieretaria,
e lo seu no seria heretat,
2700 car sou payra 1' a fort amat;
per que pensa molt fort
que aquell infaut fus mort, 202'
,e sil fas ociure a son payra,
be sera fet al meu vyayre.'
2705 Lo cavaller fort beyla copa avia,
qui molt gran tresor valia,
en taula la te com Li sehia.
E la dona diu cascvin dia
que r Infant mal conreu fahia.
2710 ,8enyer, ijerque nol castiats?
creu que eil sera penjats.'
jDona, yol castigare,
e vos nous eu curets de re;
car de cert dien tots
2715 que vos querriets que fos mort.'
L' Infant uua caxeta lia,
ela la clau li ambla,
e (lins en la caxeta
ela ha la copa mesa,
2720 e puys la clau ha tornada
en lo loc on 1' a atrobada.
L' Infant dormia en son lit
e d' ago res no ha sentit.
Com vench 1' endenia,
2725 lo senyor en taula se assenta
e demana la copa on es.
,Per Deu, senyer, non trobam ges.'
,A5o' dix eil ,no pot estar,
a fer ave de trobar,
2730 e no sera tant amagada
que ella no sia atrobada;
si no, tal cosa faria
que tota res ne parlaria.'
La copa au per tot sercada,
2735 mas no 1' an atrobada.
Dix la muyler del cavaller:
, Senyer, sius ve de plaser,
a vostra fiyll la demanats,
en la sua caxa la sercats,
2740 si vos trobar la volets,
e axi la cobrarets.*
jDona, com o podets dir?
qu' el se lexaria ans morir
que la copa agues tocada
2745
e tal cosa agues assejada.
, Senyer, si vos a mi no crets,
senyer, vos o g-ardarets,
e vos aqui la gardats,
que si aqui no la trobats,
2750 fer r em en altra part sorcar
tant tro que la puxam trobar.'
E lo para dix a 1' Infant:
,Obri ta caxa ab aytant.'
, Senyer, hoc molt volenter,
2755 0 fare a vostra plaser.'
E cant la caxa uberta hac
el cavaller ha dins gardat,
la cojia layns ha trobada
tota trencada e passegada.
2760 ,Don fals, per que la amagas?'
,Sertes, senyer, no o fiu pas.'
,E donchs qui la ha mesa ayci?'
,No o se, si Deus ajut a mi.'
,Com pot esser no o sapiats,
2765 en traydor fals renegats?'
,Ay na lassa!' diu la muyller
,e com 0 pot negat teuer?
Senyer, vos no creets en re me.
202''
202'
e yo
sabia ho fort be.
2679 (a) 83 (Dix 1' emp.) u. a est 86 que vos [od. 85 sia eins.] 87 li d. [od. stia aa- eins.] 89 fol; vgl. 592 90 (e)
luenn nicht d' od. promcns [91 molt b. od. un patit inf., wie 594 92?] 95 (e) od. (si) 98 (lo cavaller)
2701 ella \), 2 tost m. [od. unver. u. 1 nur eine Sylhe ergänzen] 6 qui un? 7 co-y? 11 yo creu 12 yo lo
14 car certanament 17 e ella [od. K! caxet' ha] 18 en aquella 19 el' ha la heylla c. [od. 18 en ceylla] 20 eil' a [od. 21
el loc] 24 E com oll v. a 1' end. ; vgl. 218 1 25 ? 29 la tr. [od. 28 star] 32 yo f. .'tö la lian ges atr. [od. 34 cop" au.]
37 si vos [40 atr. 41 vos la] 42 vos dir 47? 48? 54 Mons. 68 crets
Die c'atalanische metrische Version der sieben weisen Meistee.
215
2770
2775
2780
■-'785
2790
■J795
liSOO
2805
2810
JS15
com vos deya perque nol castigats,
\"us, senyer, m' amanassats ;
ara vos n' aurets desonor,
vüstra liyll iie romaii traydor;
e si aquest es penjats, 2820
vos ne serets fort ahontats;
certes a vos valiia mes,
eiians queus hi anantessets,
quel fessets tost ivas negar
que si fort ne sots aontat; 2825
tal cosa pora assejar e fer
que verg'onyaus fara parer.'
, Certes, dona, Verität es
e yo fer 1' e nagar ades.'
La dona mes mans a plurar: 2830
, Lassa! com se den hom porpensar, 202'^
que yo V amava axi
com si fos axit de ini;
si aquest Infant fos be noyrits,
mes ne valgueren sos amics, 2835
car eil es d' omens honrats;
ara veig que sera nagats;
mas mes val .i. Iiaul morir
quel linatg-e envergonyir;
si aquest no fos desastruch, 2840
tot son linatge fora fornits.'
Lo cavaller ha apeylats
tres macips qui s' i son logats,
e als dit tot anaxi :
,Vos manats aquest fadri 2845
de qui 'n aval per riba de la niars;
una pere al coli li ligats
e jus en 1' ayga lo lensats
en tal loch que hom nol trop
e no veja hom en quin loc; 2850
nul hom non sapia re
e gran aver vos en dare.'
E los macips 1' an anagat
axi com los fo manat.
Cant agren nagat lo fadri, 2855
cavallers venen pel cami;
eren avoncles del fadri,
de la mayra eren germans;
e nos cuyden que ges axi 203°
sia apres al fadri. 2860
Los macips quils viren venir
comensen sempre de fogir
e dixeren: ,Que farem nos
de aquests qui venen detras nosV
mas Deus vol sia dexelat
e que sia castigat.
Los cavallers quels viren desar
los comensen d" encalscar.
, Aquests homens qui tan fort fugen
certes nostres mals vole[n]ts son;
prengam los e puys o sabrem
que an feyt ne per que fugen.'
E cant los agren ateses.
dixeren : ,Traydors, nous mogats,
que certament o comprarets,
aquell mal que fet avets.'
Eylls 0 deyen per assejar,
e eis comensen a pregar:
jSenyors, si a vos plau,
sapiats que noy marim mal,
car ab eil estam a soldada,
ab ceyll quens hie ha enviats,
e sapiats senes engans
que no volriam vostra dau
e nous volem nagat tener,
que del tot vos direm lo ver; 203''
car sius o teniem nech,
aparria qu' eb conseyll nostre fos fet,
e compra o qui mal hi mer,
que nos noy posquem alra fer.'
,Arans diats la Verität
con es ni com es anat;
que si la Verität nos deyts,
justiciats vos no serets.'
,Senyors, grans gracias vos fem
e ja de res nous en mintrem;
nos estam ab tal cavaller
qui hac de fort prohomens muyller,
e son hie luny d' est' ancontrada
mes de una jornada;
e com la muyller sa mori,
si li romas .i. tili patit
qui era fort engalardit,
era fort be ensenyats,
e a son par' a amblada
una copa que avia amagada
dins en una sua caxa,
2770 etwa cous d. ,que n. c' 71 amanassaväts mit provenz. Betomingf 74 sera p. 80 ? 84 cos den [85 enaxi
s6 si eyll] 90 de h. od. honorats; vgl. 2934 92 avol [od. 93 -tg' env.] 93 (tot)? [98 a los 99 aul f.V]
2800 ? 3 no lo [od. 4 vej' hom] 5 uo ne 8 euaxi [od. 7 nagat] 14 a ceyll f. 20 quel mesfet? [od. unoer. u. 19
sia eins.] 21 ven d. 22 de enc. 30 vos f. [od. 29 per cert] 33 dien: ,S. 41 si vos 42 ? 46 com hoc [od. 45 vertatj
17 vertat 54 ? 58 e era 59 pare a Ol ?
216
e la niadastre conech o
e a son marit compta ho.
Lo ca valier, quant o hac oyt,
2865 fort nc fo enfayloiiit,
(lis: ,Mon linatge es desonrat'
e aina ines qiie tos luigat,
e nos nol g-osain desnienar
e inenam lo assi negar.'
2870 ,Ara treyts Ion sus ades.'
,Hoc, seiiyors, molt volentes/
E cant viron liir nabot mort
si an aut lur acort
que ocien lo cavaller,
2875 e la falsa de sa muyller
sia apres cremada,
qui la copa avia amagada,
per so que moris son fiastra,
,si Dens li trameta mal astra,
2880 car lo nostra nabot ha mort
e fet ociure a g-ran tort.'
Los homens an fort be ligats
e an los escudera lexats,
per mig- la vila son intrats
2885 ab lurs cavals e cors armats,
e van sen gint e suau
a la casa del desleyal,
qui per eonseyll de sa muyller
avia fet son fiyll nag-uer;
2890 a la porta 1' an atrobat
e aqui 1' an alensejat,
e tant alensajat 1' ag-ueren,
la gent de la vila crideren:
, Pensem nos tuyt ivas d' ermer,
2895 qu' estranys an mort .i. cavaller.'
Aquests son de fors axits
e oen de dius g-rans crits;
aquells de la vila ixen de fors
e criden los: , Barons traydors';
2900 e aquells qui be eren armats
si los an de fors esperats,
dixeren: ,Ayci vos sperarcm
e nostra rayso vos comptarem.'
En aco eylls se son acostats,
2905 e dien: ,Plau nos assats',
e dien que fort es bo
que sapien la lur rayso.
,Senyors, so que nos avcm fet
A. MUSSAFIA.
avem fet a fort bo drct,
2910 e aquest que nos avcjiii mort
ocis nostre nabot a tort,
e deuria a Deus plascr,
com eil ha fet son tili naguer
per eonseyll de sa muyller,
203° 2915 e a^o metrem nos cu ver;
e sil fiyll del payre se vol i>levir,
ges per ayoo no den morir,
e aquest nul mal no meria,
mas la madastro son falcia.'
2920 \j' emperador dix que dret feren
ceylls qui lo cavaller ociercn;
e ceylls qui la muyler an cremada, 204"
cregats que noy an feta errada.
,8enyor, si vostra muyler creets,
2925 e que aquest infant matets,
axius en pendra poder
com feu en aycell cavaller;
e vos, senyor, no la cregats,
que seriets ne enganats.'
2930 Dix r emperador: ,No la creyre
ne so que diu ja no fare;
car si 1' oceya a tort,
yon poria pendre la mort,
car eil es de liomens lionrats
2935 c seriem be demauats.'
Cant ou la dona que 1' infant
no mor, ans es escapat:
,Ay lassa! e tan mala fe
que yo cregu.da no sere;
2940 de SSO que cviydava per mi,
203" tem me que no sia axü'
La dona se pensa que fara
e denant lo marit grau dol fa
e dix a 1' emperador:
2945 , Axius en pendra a vos, senyor,
com al rieh qui no repres sa fyla.'
,Com li ha pres al rieh hom?'
,Senyer, a mala mort 1' aucis hom.
Un rieh hom hac en esta vila, FILIA 204"
2950 qvii avia fort beyla fiyla-,
molts macips la cortejaven
qui del payre nos gardaven,
e anch lo payre sol .i. dia
I
2864 o hac eins. od. quiu 65 fortment 71? 73 lo lur 76 en foc er. 86 se ne [96 fora 97 molt gr.] 98 ceylls de
2902 di.x; ,Ayciu3 3 (e) od. raysous 4 son s' ac. 5 dien los 6 los es [od. 7 .saiiien zweis.] 9 nos av. 14 per
lo 0(1. de la sua [od. //> e a- ems.] 16 (e) u. payres 21 qnil 22 e cant la 24 crets 26 axi vos 37 es eil 42 donas
43 (e), 46 ? 47 Er com 48 (Senyer) u. lo auc. [51 e molta 52 no se]
Die cATALANiscHE METRISCHE Version der sieben weisen Meister.
217
HO volch castigar sa fivla
•-'Oöö ne li dix ques g-ardes,
ne fes so quo fer no deg-ues;
mas dicli vos per vuritat
que feya a ssa voluutat.
El rieh ora conseylador
•Jii6(» de mouscnyor 1' emperador,
iios partia de 1' empei'ayre
tro soDava lo seny del layre,
e .i. inacip si dix un dia
a la donseyla: ,Jous pregaria
.",1(55 tl^e vos nie volguessets amar,
que certes inolt vos tenc en ear.'
Dix ella: ,Yous amare taut
e fare sius vo de grat,
ab que vos o vullats fer,
■j;i70 so que yuus vull conseyller.'
jMadoua' dix eil ,que o fare,
tot so que vos vullats de nie.'
,Amich, yo couech be per ver
que vos noui poriets aver
■-".175 axi com a vos pertenyeria
ne com a mi mester seria;
e sius demanava per marit,
uo 0 volrien mos amics,
mas yous dire que porets fer:
■-".ISO vos porets mon payre mater
e roiuandra a nos 1' aver,
que uoy lia altre hei-eter,
e mon payre es rieh lioin,
e vos porets ue esser prohom ;
_".i85 eu tal guisa o eudressare
que ja iiul hom iiou sabra re;
e apres com eil sera mort,
yo aure fet bon acort
que a tots mos amics diria
1^,190 qua ab vos esposada m' avia
mon payra, e tots o creyi-an
que res d' ayo nos peusaran,
e vos tindrets alberch honrat
de §0 que mon payra ha gasauyat.'
•.;'.i'J5 ,Dona, plau ine que axi sia;
mas axo com u fariaV'
,.Senyer, yous dire com sera;
lo vespre com mon payra veiidra
de la cort de 1' emperador,
:;ii0ü vos estarets en esta tor
de sobra lo portal,
nos pensara quey age mal,
e com eil entrar volra,
a la porta el eridara, 204''
3005 0 dich vos be senes faylir
que li devaylare obrir,
e lavors com entrara
vos tenits lo colteil en la ma,
e fort regeuraent lo farits,
3010 e apres yo gitare greus crits:
,Qual es aquell qui es passats
qui mon payra m' a nafratsV
ay na lassa! quem fare
que no se qui es nel conech';
3015 e vos anat vos en serets,
ans que nul hom hi sia ates.'
,Dona'' dix eil ,quel matare
e eertament axiu fare
com vos me avets conseylat,
3020 e nom sera ges oblidat.'
Axi com 0 an perpensat
si u an fort be acabat,
e lo bon rieh hom an matat
i^04' e eis son fort be eretats,
:i0'25 e nul hom no sap quiu ha fet
e niül dels parents so ponset,
e ella a sos amics ha dit
qu' eytal maeip es son marit
que r arma de son payre, Deus 1' empai-,
3030 la li feu sertes esposar
,e ja yo non diguera res
si esposat no 1' agues, 205'
mas pus inon payra lom volc dar,
yo nol gose desmenar.
3035 Ära vuymes yo que fare?
ear ab aquest estar aure ;
e si nou fas, fer m' a vedar;
en esglej'a nom cal intrar,
e altre marit no trobaria,
3040 ear aquest ma somonria/
E SOS parents si li an dit:
,Pus aquest es vostra mai'it,
fets ne so que fer ne devets,
ans que del vostre menyscabets;
3045 eu casa on hom no sia
molt s' i pert e s' i degasta.
Ära es mort lo prohoin tan ricli,
2954 la 311,1 f. [oiL 53 e aucli em*.] 56 ain/li
si vos [(i9 sol all 70 yo vos] 75 si com
yo o [od. 9ö qu' axi] 98 (com ) ?
3001? 3 lii V. 7 eil en. 8 (vosj 12 nie a [nd. 11 qui '.■<] 29 que lo .seu |j.? 32 lo ag.
Denkschrifteii der phil.-hist. Cl. XXV. Bd.
i d. que se 57 yo dieli [od. 58 -ya a eins.\ G4 la fiyla?
(e) 83 niolt ricIi 88 tal bon [od. S7 e a- ems.'\ 94 ganyat
3J no lo 40 me ne?
218
A. MUSSAFIA.
e ela pren o macip per marit.
Diats, senyer, no valgia nies
3050 al rieh lioiu que la casties
e no la lexas cortejar
nels inacips en casa intrar
que ara eom 1' an inort
per aver lo seu a g-raii tort?'
3055 Dix r emperador: ,Be valgra nies
que castigada la ag-ues.'
,vSenyer, com li dixeren los aniiclis
que cortejar no la jaquis,
dix: ,I>exats lern estar 205"
3060 que elles sabra molt be gardar
ne fara res que mal li stia
ne que vergonya li sia.'
,Ab taut, senyer, vos gardats.'
, Barons, de vos mateixes pensats,
3065 e lexats estar nia tiyla
que vul c[ue fassa a ma guisa.'
Dix r emperayre: ,Fürt be sta
que sia mort, pus axi o deya
e castigar no la volg-ues
3070 per nul hom qui ley dixes.'
, Senyer, si aquest fals no castigats,
anaxi serets vos niatats;
car be veeni tot dia
lo fiyll la mort del payra desige,
3075 car li fa goig la heretat
de SSO quel para ha guasanyat;
e sil para res no ha
niuyra sis vol com se quera,
quel fiyll no estara ab eyll
3080 ne gayra a son conseyll.
Mousenyor, si a vos plats
gai'dats no siats enganats;
vuymes no he res que niostrar;
sius play, vullits vos gardar;
3085 car mentre que viva sere,
de nuyla re vos pregare. 205'
De vostra prou vos he pregat
e veig que no me n' avets grat,
per mon grat res nous dire,
3090 per mal queus ne sdevenga
no axira mot de ma lenga.'
jDona, molt vos he que grahir,
car vos be ma conseylats;
cert al mayti perdra lo eap.'
3095 ,'Scnyer, be vos en penidrets
tot anaxi com fer solets.'
,Encaraus dich seues t'aylir
que nul hom men pora res dir
quel mayti nol fassa morir;
3100 mes am que eil perda lo cap
que si yo era ahontat,
si eil feya a mi morir
con la fiyla quil payre feu ocir;
e yo am mes qu' el sia mort
3105 e yo sia ab honor estort,
car si aquest estorcia
cert yo creu que morria.'
, Senyer, a Deu gracia sia
con conexets lo mal el be/
3110 AI mayti 1' emperador ha nianat
que son fiyll sia escapsat.
Aron vench ab gran alagria
e dix: ,Per Deu, senyor, no sia;
car gran goig- devets aver
3115 de 90 que yous dire lo ver,
car he gardat en les «steles
e hi vistes grans mereveyles,
e conech per Verität
que vostra fill ha lo parlar cobrat.
3120 Dema vos dich que deu parlar
e deu son seny demostrar;
e si nom creets d' ayco,
vos metets mi en preso;
e si dema no parla assats
3125 abdos siam justiciats.
Senyor, be deu esser sperats;
tostemps ne forets ahontats.'
Dix r emperador: ,Plau ma assats;
tro r endema sia sperats
3130 e sobra aquest covinent,
si no parla de mantineut,
que abduy los caps perdrets
e per res no estor§rets.'
, Senyor, d' aquest peccat aytal
3135 me gardare, si a Deu plan.'
L' empcradriu ha tal dolor
que per pauc d' ira no mor,
e conech be senes t'alir
205'^
3048 er ha lo m.? 53 aycoUs 1' an 57 (Senyor) 59 Ara 1. 62 gcs li 63 aytant 64 ^barons) ». vos p.
65 la mia f. [od. 66 fass' a] 70 home 71 ^Senyer) od. s' est 73 v. nos a 74 ? 77 si lo [od. 7S cos] 80 lo seu c.
81 si hoc [od. ft2 siats eim.] 84 si vos 89 uo vos 90 per uuyll n,al que vos [od. 91 n' ax. und ÖO nur eine Sdbe erganzen;
vgl. 281--J] 93 me ac. [od. 94 perdral]
3103 ? 6 s- aqu-infant 7 certes yo er. que yo m. [od. nur eine Silbe ergänzen >,. 6 unva:] 14 vos d. [od. Ib direlj
18 e yo 19 que 1' Infant lial 22 lo seu s. [23 uo me 24 ar' en] [32 abd. vos 33 (e) per nuyla r]
Die catalanische siktrische Version der sieben weisen Meister.
219
lo mal qui li pot sdevenir 206° 3185
3140 que ,r Infant com parlara
tot so que yo he fet dii-a'
e tench se per destroliida;
no gosa per 1' emperador
fer null semblant de tristor. 3190
3145 L' emperador a ssa cort mana
que tuyt hi sien 1' endema,
per so que tuyt jjuxen ausir
so que son fiyll volra dir,
car eil deu dema parlar; 3195
.U50 ,per so ma cort fas ajustar.'
Tuyt lii son venguts volentes.
L' Infant es per la cort intrats
e vench coma Lome honrats,
e estech ab sos uylls plorants, 32oo
3155 e besä a son payra les mans
e dix: , Payra, si a vos plan,
prech vos me fassats ihet leyal
e prech tots ceylls qui son on cort
que yo no prena nagun tort, 3205
3160 e que trestuyt me fassats dret,
con aurets oyt aquest fet,
6 met me en vostra poder,
e que men puxats destrenyer;
si aver bastar noy pora 3210
3165 que la persona hi vag-e; 206''
e prenets axi en poder
aquells de que J^om vull clanier.'
L' emperador respon pi'cincr
e dix quo fort volenter 3215
3170 li plau; jVostre dret ajats
e de re tort no prenats.'
E tots ceylls qui o an oyt
dien: ,Senyor, be avets dit
e devets o axi fer 5 3220
3175 que cascu aja son dret pleuer.'
,Mon fiyll, e vos de quius clamats?'
,Yous 0 dire, si a vos plats;
yom clam de la emperadrits,
per so com n' e mal soferits, 3225
3180 e son ne stat en juy de mort,
.vij. dies pensi que fos mort;
e so que mon payre foya fer
certes en rayo mal noy raer;
e vull al camp sien intrats 3230
dos cavallcrs per saber veritats
e cant lo camp sera levats,
ceyll qui dira veritats
sera estort ab molt gran goig,
e r altra ira dins lo foch;
e no dich dels cavallers garnits,
mas de mi e de la emperadrits.' 206"
E tots ceylls qui en la cort son
dien: ,Ayyo es molt bon.'
E r emperador dix aquella batayla
sera ades sens tota fayla;
,anans que no menjarem,
6 sabrem aquell que creinarem,
e ceyll qui sera vensut
cempre sera confondut',
e que ja amor uon aura,
mas layns al foch ira,
e aqui sera cremats
ceyll qui penset la falcedats.
Los cavallers foren armats
e dins lo camp son intrats,
e van se farir fortment;
abdos caen verament,
ceyll de 1' Infant se fo lavats
e es en lo cavall puyats,
e va ssen vers lo cavaller :
,Sus levet, si n' as poder.'
Ceyll de la dona jau al camp
e no va atras ni avant
e diu quel vis a pordut,
no troba lansa ni escut,
e nos pot defendre per res, 206''
car cert diu que vensut es;
e pus aquest es vensut,
la dona fa compte de perdut.
Los cavallers se son desgarnits,
meten al foch 1' emperadrits,
dien: ,Provada es la falcia
e par be que Verität sia,
qui mal sercava 1' a trobat,
car ella 1' avia sercat;
per que tot hom se deu gardar
que no deu a alti'e mal sercar,
si doncs no ley ha be servit
a eil 0 altra son amieh;
e ceyll quil serca primer.
3137 elbi, 110 40 lu iiif. [12 elbi, t,] 41 sa tr.V 48 lo sen f. 49 1' endema 69 qu' ayijo [70 lo v. 71 no hi]
[4 enaxi 75 (qiie1 82 (ei 85 ? 87 ac. od. la v. 90 (e) 91 d' 1' emp.? 93 nos es? [od. 92 qui 'd] 96 nos no 97 (e)
798 hi sera 99 tot c]
3201 se n' ira 2 tost er. ö sen son [6 molt f 7 y caen) 11 leva te 14 que lo [od. /.5 ni scut] 17 per cert
18 ? 19 ? 20 (.se) 30 qui lo
28*
220
A. MuSSAFIA.
3235
aquell apar be que mal ([uer;
si r altra sen sap ijai-dar,
nol den hom pas jiits^ar,
ans li (lou esser perdonat,
pus altre ho [ha] pi-iiuor sercat.
La doiia mori a grau dolor,
el fiyll romas ab 1' emperador,
estech iriolt ensenyadanient,
3232 se ne 33 ja no In den.
an na g'ran goig- tota la gent.
3240 l^os axiinplis son acabats
e sils avets bu escoltats
be hi podets aver apres;
aqui porcts be profitar
si \n'. los volets escoltar.
I
ANMERKUNGEN.
1. Cod. entende.
16. Cod. ql, also eigentlich quel, so auch 2.523.
Bei der Leichtigkeit, die Abkürzungszeichen unter ein-
ander zu verwechseln, und da sonst immer quäl ausge-
schrieben steht (571. ö75 u. s. w.), so setzte ich diese
Form an. Auch Cambonliu und Lambert lasen quäl.
Vgl. Aum. zn 377. — An unserer Stelle könnte auch
qui lli gemeint sein.
17. Vielleicht Benci'Hes, vgl. Anm. zu 31 und 40;
V. 536 wäre dann puya 'n zu lesen.
24. Cod. gazardoats, wol kaum eine berechtigte Form ;
das n-Zeichen wird vernachlässigt sein, wie 826 git, 2824
volets; vgl. auch über sangonets §. 84 der Einleitung.
31. Cod. Enalls ; vgl. 864; ci wurde als a gedeutet
und das Abkürzungs-Zeichen für e ist übersehen wor-
den, vgl. die Anmerkungen zu 40. 298. 37 7. 645.
Nach 31 fehlt ein Vers, es wäre denn dass man
32. 33 parier, escolter lesen wollte, in welchem Falle
man drei Verse mit gleichem Aiisgange erhielte.
40. Cod. Bentals, zu bessern nach 1297. Die Vor-
lage wird lentules mit kleinem anlautendem l gehabt
haben ; dieses konnte leicht als b gelesen werden ; dann
wurde u als a angesehen und in Is wurde das e-Zeichen
übersehen.
42. Meine Abschrift, welche hier den Sohriftzügen
des Cod. genau nachahmt, würde eher nodreshe fordern;
eben so nashe 471, ishe 352. 1134. Ucberall findet sich
nämlich sh und der zweite Strich des h ist nach unten
gezogen. Da indessen dieser Buchstabe im Cod. möglicher
Weise ein q ist, und da der Grammatik der gutturale
Laut weit besser zusagt, so druckte ich an allen vier
Stellen que.
40 — 42. drei Verse mit gleicher Assonanz; os, ors, or.
43. Cod. promot.
49. Cod. Melguider: ich setzte auch hier die vom
V. 1681 und von den meisten anderen Versionen ge-
botene Form. Vgl. Anm. zu 377 und 2836.
63. Es sind nur sechs Silben. Man könnte ver-
sucht sein, parlel als aus dem folgenden Verse anticipirt
anzusehen, und etwa n,ach dem Muster von V. 49
Apres levas en peits Cato zu lesen. Indessen scheinen
solche Wiederholungen desselben oder eines ähnlichen
Wortes in zwei auf einander folgenden Versen gerade
im Stile vmseres Dichters zu liegen: 975 son para
ne menjava mes, mays que d'altra que agues; 495 e no
poch puyar dret a.ri, tot dret com era puyat (hier ist
allerdings die Wiederholung sehr hart; man wäre ver-
siioht, mes axi zu lesen); 1601 lo rey feu ab ella son
deüt, ab la dona que tench al lit; 2835 ab eil estam a
soldada, ab ceyll quins hie ha enviats. Aehnlich ist die
Ankündigung des Objectes durch ein Pronomen Ifeutrum:
2829 certament o comprarels, aquell mal que fet avets;
2969 ab que vos o vullats fer, so que yous vidi conseyller;
vgl. 2971. — Mau wird demnach parlet schonen und
wie im V. 83 lo bo oder den Artikel mit einem anderen
einsilbigen Adjective ergänzen.
71. Ob die Auslassung des Auxiliare in der Fü-
gung anans que vengut los ans tres zulässig? Jedenfalls
wäre venguts zu lesen. Nach V. 58 Hesse sich ans que
sien venguts vorschlagen.
80. qui ist sehr verdächtig; das Adverbium ,hicr'
ist an dieser Stelle ganz unpassend. — lihire . . . e
hat wol die Bedeutung ,theils . . . theils'; Diez IJI 408
Anm. — Auch sei bemerkt dass meine Abschrift seats
bietet, das ich scj-its deutete.
Die catalanische metrische Veesion der sieben weisen Meister.
221
81. Cod. a nul llurats. Die Ergiinznng nol (nel int
ein Druckfehler) bot .sich von selb.st. Der Schreiber hat
eines der zwei so ähnlichen Wörter weggelas.sen.
84. Cod. he, eine Schreibung, die übrigens hie
und da auch in anderen Hss. vorkommt und die ich
dcsshalb hätte beibehalten können.
115. Cod. retenre. 115 — 1 1 7 drei assonircnde Verse.
112 — llß. ,Dcr Knabe wird nicht Alles lernen,
was jeder Einzelne ihm vortragcii wird; dadurch wird
aber jeder Lehrer (oder .Teder, sowol Lehrer als Schüler?)
behindert werden, und er wird nicht Alles behalten
können, was ihm jeder einzelne Lehrer wird sagen
wollen'. Nicht gerade undeutlich, aber ziemlich ver-
schroben ausgedrückt. Indessen könnte V. 112 no für
ne od. na stehen (^V. 119 mnss man dieses annehmen),
woraus sich der Sinn ergäbe: ,der Knabe wird wol
alles lernen (studieren), aber nicht Alles behalten';
auch wird während der Studienzeit die grosse Anzahl
der Lehrer hinderlich sein. — Ich wage noch eine Ver-
muthung. Cascu ist vielleicht in dem überlangen V. 114
irrig und durch das Vorkommen desselben Wortes in 113
xmd 116 herbeigeführt w-orden. In diesem Falle wäre per
qiie eil empafxat sera od. ^jer que emp. ne sera zu losen.
117. Cod. los- emp., und s durchgestrichen.
115 — 117. Wenn nicht, wie leicht möglich, vor
oder nach 117 ein Vers au.sgefallen ist, .so haben wir
hier drei Verse mit gleicher Assonanz: ir ir, i.
119. Wie zu V. 112 — llß gesagt, muss no lat.
inde entsprechen; es ist darin eher ein Schreibfehler
als eine Formvariantc zu erblicken.
158. farien und n durchgestrichen.
160. Cod. ajustaxe.
Nach 168 fehlt jedenfalls ein Vers.
191 ist reimlos. Wenn auch der Sinn keine Lücke
fühlen lässt, so darf man doch xVusfall einer Zeile an-
nehmen. Amü. zu betonen und hier drei assonirende
Verse (a«, cd, a) zu erblicken, wäre gewagt.
226. In meiner Abschrift würde man eher tant lesen.
Fehlt nach 234 ein Vers oder haben wir hier
drei Verse mit gleicher Assonanz (als als, arts)}
237. Cod. Can.
247 — 49. Drei Verse mit gleichem Reime.
267. se ist Dativus ethicus. Ein solcher kommt
in unserem Texte nicht selten vor; z. B. 330 Si yo
muyr, sius farels vos: vgl. 1171 ; 2552 nos veu ; 2569 sius
volets; 2245 se volra; 3078 muyra sis vol ; 2992 nos
pensaran vgl. 2003; 3013 quem fare.
jSTach 274 muss ein Vers fehlen.
280. , selbst wenn man mich tödten sollte' ; der
Gebrauch von saber ist hier zu bemerken. Vgl. P. 65
noy mudariem, si a mi sabieis tolre lo cap del coli ne siy
sabiets a tots matar.
295. Cod. mostrar.
298. Cod. fuyls; Vgl. Anm. zu V. 31.
318. Cod. 0 al tr.
319. Cod. re.
319 — 22. , Entweder eine dieser zwei Erschei-
nungen (sich Erheben des Bettes, sich Niedersenken der
Himmeldecke) ist eingetreten, oder, wenn diess nicht
wahr ist, so verstehe ich nichts und werde auf meine
Kunst nichts halten; ich will dass die Sache klar dar-
gelegt werde'. Man könnte auch nach 320 stärker inter-
pungireu, 321 und 322 umstellen und erklären: .Ent-
weder ist hier etwas geschehen oder ich verstehe Nichts
und werde u. s. w.; ich will dass man sich überzeuge,
ob das was ich sagte (in Bezug auf die zwei Erschei-
nungen) richtig ist'.
323 ist reimlos; man fühlt keine Lücke und es
folgen drei Verso auf -fd. Ob nicht 323 ursprünglich
gleichen Reim hatte?
333 ff. serquar fordert nach sich ein Verbum ent-
weder im Infinitiv oder in einem tempus finitura; durch
die Zwischensätze beirrt, vergass der Dichter daran
und wandte die C!onstruction mit dem Gerundium prenen
an. Auch ging er vom Singulare proisme zum Plurale
de-iih-ven und lur über. Der Sinn der nicht gerade deut-
lichen Stelle scheint mir folgender zu sein : Der Mensch
muss, wenn er seinen Nächsten I und zwar im prägnanten
Sinne , Einen der ihm nahe steht') Ungemach erdulden
sieht, selbst wenn Letzterer solches Leiden verdient,
sich desselben annehmen. Die Wörter son proisme wären
im V. 334 als Accusativ, 335 aber als Dativ aufzu-
fassen. In sis ist -s Dativus ethicus. Es Hesse sich viel-
leicht auch si es (si 's) deservin annehmen, nur wäre
dann der Plural hir sehr hart. Schliesslich will ich nicht
unterlassen zu bemerken, dass das Wort deserven aus
Förster's Abschrift, welche hier die Schriftzüge des
Cod. genau nachzeichnet, kaum zu entnehmen war;
die Lesung wurde mir von G. Paris raitgetheilt, welcher
sie aber mit einem Fragezeichen vorsieht.
341 — 348. Diese Verse setzen eine weitere Lehre
auseinander, wie man nämlich in allen gerechten Dingen
seinem Herrn Gehorsam leisten, wenn er aber Unziem-
liches verlangt, ihn davon abbringen müsse. Diese Verse
beziehen sich wol auf den Kaiser ; den Weisen liegt ob,
einerseits ihren Zögling vor Gefahren zu retten, andrer-
seits ihren Herrn vor ungerechten Handlungen warnen.
344. Das Imperf. Conj. cayles nach Praes. im
Hauptsatze ist recht störend, besonders da vuUa und
tolga unmittelbar nachfolgen.
371- — 3. Drei Verse auf -os.
377. Man setze ohne weiteres malte s in den Text;
das Metrum fordert es und das Zeichen für e vor s ist
im Cod. mehr als einmal vernachlässigt worden (vgl.
222
A. MUSSAKIA.
Aiimrikg. zu V. 31). Ich liabi> einen Augenblick an
(iie Möglichkeit eines mascnlinen ffents geglaubt, weil
ich 403 tots (/pii/s zu finden glaubte. Indessen sehe ich
dass das ipih uieincv Abschrift eigentlich ipiti darstellt
(vgl. Aumk. zu V. 49^ und q nicht que sondern qua
(vgl. Aumk. zu V. 16) bezeichnet; es ist demnach tols
quaiits zu lesen.
391. c' ist verdächtig, man wird e vorziehen; e a
zählen, wie sonst oft, ftir eine Silbe.
475. Aus meiner Abschrift ersehe ich nicht deut-
lich, ob der Cod. pauc od. patit bietet; wenn letzteres,
so wird man des Metrums halber tu tilgen.
483. Cod. siech. 488. Cod. per nn poch per.
491. Cod. viu pinelet.
498. U bezieht sich wol auf die grosse Fichte.
501. Cod. plangues mit ausgeschriebenem n. Da
das Verbura pJamjer hier keinen befriedigenden Sinn
gibt, hielt ich mich für berechtigt, plagues zu emen-
diren, .verwundete', in gemildeter Bedeutung , träfe'.
502. deqn, also eigentlich dequen; da aber 2800
der Cod. deq'n bietet, so glich ich die zwei Formen
aus. Ich deutete quin als qui (=: eccu hie) und en ('n) ;
muss jedoch bemerken dass im Altcat. ein Adverbium
aquen vorhanden gewesen sein muss. So P. (die Seiten-
zahl vergass ich anzumerken"! foren gitats d' aquen alyu-ns;
auch S. 32 de aquen, e lo rey u. s. w. Also beide Male
mit vorangehendem de; auch Esteve, der kein aquen
kennt, verzeichnet als veraltet daquen ,de aqui, de ahi,
de esto', lat. ,hino' (auch im iAltiiortug. d'aquen) V. 2079
kommt aquin vor, wahrscheinlich := aquen. Ich hätte
also an beiden Stellen d'equ. (== d'aq. §. 3 der Einl.)
drucken können.
503. sus dürfte zw jus zu cmendiren sein: vgl. den
umgekehrten Fall, V. 1100. Da indessen zur Noth auch sus
angehen könnte, getraue ich mich nicht etwas zu verändern.
502 — 505. Der Sinn dieser Verse ist mir nicht
recht deutlich. ,Die Sonne trat mitten durch diesen
grossen Schnitt (^der abgehauenen Aeste des grossen
Baumes") ein und .stieg herab bis zu dessen (des kleinen
Baumes) Wurzel, wodurch der grosse Baum absterben
wird'. Es scheint zu bedeuten, dass die kleine Fichte,
durch die Kraft der Sonnenstrahlen, die ihr nun unge-
hindert zu gute kamen, sich immer mehr entwickelte
und den Tod der grossen herbeiführte. Mau kann ver-
gleichen in der Historia: .Altitudo arboris solem et
pluviam impedit, per ipac duo pinella crescere deberct'.
517. Von welchem Verbum hängt que eil vos ocies
ab? Schwerlich von voUa im V. 513. Wenn man queus oc.
läse, wäre Platz für ein zweisilbiges Verbum gewonnen.
539. Das Subjcot von comensen ist ,die Diener,
welche den Knaben zum Tode führten' oder ,dic Leute,
welche herum standen'.
5S0. Cod. em^ayr.
GOl. Cod. la tra; ich zog la ter^a der anderen
möglichen Lesung V nllra vor. 598 und fiOl sind reim-
los, und es ist schwer, Wegfall von je einem Verse
anzunehmen. Man könnte 601 doch V altra lesen und
diesen Vers nach 598 einrücken; da wir aber dadurch
den Reim Ict : delit. und die nicht sehr ansprechende
Ausdi'uckswcise la una, V altra, V altra erhielten, so ent-
schloss ich mich, die Reihenfolge der Verse, wie sie der
Cod. bietet, beizubehalten.
602. Wol per alegrar.
608. un heyll Irbrer, la meylor . . . und V. 610
ela prenia, während sonst in dieser Erzählung nur das
Masculiuum gebraucht wird. Darf man an eine Unacht-
samkeit des Dichters denken (welche an ersterer Stelle
kaum denkbar wäre) oder verschuldete diess der Schrei-
ber? V. 610 wäre des Metrums wegen e eil zu lesen.
Vgl. auch Anmkg. zu V. 632.
621. Ist lur richtig? Es müsste bedeuten, dass
der Knabe ihrem (der Amu\en) Wunsche gemäss schlief.
Einfacher wäre wol n son.
628. Cod. via.
629. ,Dcr Windhund liess nichts davon merken,
dass er die Schlange gesehen hatte'.
632. Welches ist das Subject von gita? Man sollte
meinen la serpenf, dann würde sich la wieder auf den
Windhund beziehen und müsste zu lo verändert werden ;
vgl. Anm. zu 608.
633. Es fehlt das Verbum; ich schlug daher schon
am Fusse der Seite cl lehrer es env. vor.
635. Cod. ab brezol.
645. Cod. fets zu fetes (^Vernachlässigung des e-Zei-
chens, Anmerkg. zu V. 3l\ und nicht etwa zu fet,
im Texte gebessert, weniger der Metrik als der Gram-
matik zu liebe. Denn wie das ältere Catalanischc über-
haupt, so lässt unser Text beständig das mit habere
construirte Participium mit dem Objecte congruiren.
Auch wenn es sich um das Participium eines Modal-
verbnms handelt, dem Infinitiv folgt: 417 qid m'a
volguda ahonter, 1981 tanta sa7ich li na feta axir; vgl.
Doc. 39 7 no m'an poscudes tolre les mies seiendes. Selbst
nach partitivem Genitive kann Congruenz eintreten.
797 de aquelles fruytes ha cuylides; dagegen 999 de bones
erbes an trobal(s).
658. Cod. venc.
Zwischen 678 und 6 79 ist möglicherweise etwas
ausgefallen. Dann würde auch die metrische Emendation
sich anders gestalten müssen.
815. poder aure statt pore aver. So 1744 not vcuria
poder für nol poria veser ; 2926 axius en peiidra poder
= pora pendre. Bartsch, S. Agnes S. 68, erinnert an
das in Süddeutschlaud verbreitete ,ich trage ihm helfen,
Die catalaniscue metrische Vebsion dek sieben weisen Meister.
223
statt ,icli helfe ihm tragen'. Er rechnet dazu das be-
kannte son ayut für ai estal, das aber (wie ich noch
immer meine) nicht genau derselbe Fall ist.
847. Cod. nicht deutlich ob auirats od. aiuraU.
Ich weiss nicht was ich mit dem Worte anfangen soll.
Ob ad-ehriatum in der Bedeutung von , bethört, ver-
blendet' gemeint sei?
867. Imperativ durch den Infinitiv ausgedrückt
auch in der zweiten Pluralis.
Fehlt nach 882 ein Vers oder liegen da drei
assonirende Verse (il il, ir) vor?
884. Vgl. Glossar unter npercebre.
880. Vergleicht man 1G39 und 2675-G und be-
denkt man die formelhafte Verbindung comprar car, so
fühlt man sich geneigt, auch hier qicer zu lesen.
Nach 941 dürfte eiu Vers fehlen; das ßeirawort
wird vey gewesen sein. Da andererseits drei Verse auf
-eis folgen, so wäre es immerhin niüglich, dass 941 mit
ihnen assonirte.
Sowol 965 als 966 sind reimlos. Soll man Aus-
fall von zwei Versen annehmen oder nach irgend einer
Emendation sich umsehen , durch welche diese zwei
Verse mit einander reimten?
977 — 979. Drei Verse mit gleichem Ausgange.
983. Cod. garit. 1010. Cod. na.
1073. Cod. dementer ausgeschrieben.
1081. Cod. stny aja. Da ich das erste Wort nicht
zu deuten wusste, liess ich eine Lücke im Texte. Ob
die Partikel sus darin steckt ? Das Altcatalanische Ge-
brauchte nämlich sus (Estevo hat surs; eine der um-
gekehrten Sehreibungen, worüber die Anm. zu §. 3G be-
richtet) oft in Verbindung mit tru, entro (z. B. P. 28 — 29
chtro sus quc fv), in der Bedeutung ,bis', manchmal
auch für ,uahe an der Zeit da' o. , sobald als' z. B. J. 233
sus quant nos fom endret Almenara . . . facren nos he .v. o
.vj. aUimares (^ lluminarias). ,^vie wir bald' oder , sobald
wir waren'. Die Art wie sus (sursum, sitper) diese Neben-
bedeutung annahm erklärt sich aus J. e quan vench a
la nuyt que fo sus ora d' alba ; vgl. ital. suW alba, sojjra
sera , gegen Abend'. Dem Buchstaben der Hs. zunächst
käme Sus que aja cantat lo c/ayll.
1100. Aus 1110 erhellt, dass das Leintuch auf
dem Steine ausgebreitet war; es ist demnach sus la
pere zu lesen.
1110 — 13. Drei Verse mit gleichem Ausgange.
1119 ist reimlos. Ein Vers fehlt, es wäre denn
dass man los feu tancar lesen wollte, in welchem Falle drei
Verse mit gleichem Reime auf einander folgen würden.
1136. Cod. aylans. Ich konnte mich nicht ent-
schliessen hier advcrbielles « anzunehmen, und emen-
dirte zu aytant.
1140 — 42. Drei Verse mit gleichem Reime.
1149 — 1154 sind uicht recht deutlich. Nachdem
Hippocrates sagte: ,Man muss es lange überlegen bevor
man einen Menschen tödtet', fügt er hinzu: ,Und da
ich meiner Gattin traute, die mich dann verricth, er-
kenne ich diesen zweiten Satz an, dass mau dem Weibe
nicht Glauben schenken darf dort wo sie lün-f; die
zwei letzten Verse endlich scheinen zu sagen : ,Nur
betreffs solcher Dinge kann man den Frauen glauben
die man später zu bereuen keine Gelegenheit habe'
oder, wenn man die Conjectur del ver dir billigt: ,Wol
aber kann man den Frauen trauen, wenn sie die Wahr-
heit sagen und so Einem keinen Anlass zu späterer
Reue geben'. Beide Gedanken sind zwar an vorliegender
Stelle nicht gerade passend, indessen sind 1169 und
1172 zu erwägen, in welchen die gleiche Unterschei-
dung zwischen den Dingen gemacht wird, in Bezug
welcher den Eathschlägeu der Frau Folge zu verwei"-ern
oder zu leisten ist. In beiden Fällen ist die Construc-
tion ungemein hart und nur dadurch eiuigermassen zu
erklären, dass das Impf. Conj. creyues als von conech
abhängig ansehe ; que wäre unterdrückt.
1169 ist reimlos; vielleicht fehlt ein Vers, worin
gesagt wurde, in Bezug auf welche Dinge der Kaiser
seiner Frau keinen Glauben schenken darf. Indessen ist
dieser Zusatz nicht unentbehrlich: es könnte e voslra
muyller no creats gelesen werden, wodurch mau drei
Verse mit gleichem Reime erhielte.
1206. Ich schlug que statt car vor, um eiu Cor-
rclativ zu dem wieder von mir vermutheteu tal im vor-
angehenden Averse zu erhalten. Die Emendation kann
aber auch anders ausfallen, wenn man 1206 als reimlos
ansieht und Ausfall eines Verses annimmt. Ich o-inn-
um mit dem was vorhanden ist auszukommen, von der
Voraussetzung aus, dass conexerd mit mayals, pensals
(die eigentlich -at darstellen) assoniren. 1209 könnte
dann mit 1210 assonireu, sei es dass man e preuen
assats de Vaver oder e despenen lo de lur yral läse oder
durch Umstellung den Reim preneii : despenen erhielte.
1215. parlet kann mit 2»'es assoniren; durch Um-
stellung von res Hesse sich ein reinerer Reim erreichen.
1223 ist reimlos, es wäre denn dass man fassd
betonte : dann wären drei Verse auf -d vorhanden.
1231. Es fehlt das Auxiliare es, welches indessen
in dem son des vorangehenden Verses virtuell enthalten
ist und nicht ergänzt zu werden braucht.
1242. Cod. erra.
1243. Streng grammatisch w^äre seriels am Platze.
1248. Es ist mir aus meiner Abschrift nicht ganz
deutlich ob der Cod. veno oder veni hat; im Zweifel
gab ich der starken Form, welche hier auch dem Metrum
besser zusagt, den Vorzug. V. 2180 findet sich deutlich
vene, worüber §. 85 der Einleitung. Vgl. Aumkg. zu 1275.
224
A. MussAi'u.
1264 — 68. Fünf Verse auf -ats f-al).
1267. Eine schöne volkstliümliclie Construetion ; ^ue
ist als Pronomen rolativum aufzufassen, vgl. 416 — 17.
1269 — ^70. Es nüisste erklärt werden: , saget ob
es (nicht) wahr ist (_dass es besser gewesen wäre),
dass (= wenn) er u. s. w.' So starke Ergänzungen
sind aber durchaus unzulässig. Si es ver gehört dem
Schreiber, welcher dann um einen Heim zu erhalten
im folgenden Verse die Worte Timstellte. Vergleicht
man 1155 — 56. 2258 — 59. 3049 — 50, so unterliegt es
kaum einen\ Zweifel, dass folgendermassen zu lesen ist:
Dials, senyor, no vahjra mes que sa muller creguda agues.
1275. Hier gibt meine Abschrift recht deutlich
lole; mau wird mich nicht tadeln, wenn ich dieser nicht
geradezu abzulehnenden, aber jedenfalls seltenen Form,
das starke tolc vorzog. Will man aber dem Cod. (falls
er wirklich tole liest) folgen, so ist des Metrums wegen
lolel cap anzusetzen.
Nach 1286 dürfte ein Verspaar ausgefallen sein;
jetzt schwebt der Coujunctiv que noiis ocia in der Luft.
1294. Cod. so servidor.
1.300. les bezieht sich auf ,Grüssc', das virtuell
im A'erbum saluda enthalten ist. Oder wäre es gestattet,
das Wörtchen zu streichen .''
1303. Im Cod. ist der letzte Buchstabe von comen.
entweder ein e aus einem j corrigirt oder umgekehrt
ein,/ aus einem e. Beide Formen sind zulässig; ich
wählte jene, welche dem Reime besser zusagt.
1330. Die Anwendung des Pronomens cella ist
hier wenig passend ; wahrscheinlich ist e ella gemeint ;
vgl. Anmkg. zu V. 391. — Cod. axirria; bei der Be-
liebtheit von n- im Fut. u. Condit. hätte ich die Schrei-
bung beibehalten können.
133.0 — 37. Drei Averse auf -es.
1337. Der Zusammenhang fordert eil no corregues;
den Text ohne weiteres zu corrigiren hielt mich die
Erwägung ab, dass bei den vielen Anakoluthien unseres
(jedichtes es immerhin möglich ist, dass der Verfasser
die begonnene Wendung verlassen habe und dem Ge-
danken gefolgt sei: ,es war der Brauch, dass wer immer
nach dem Glockenzeichen aufgegriffen ward durch die
Stadt geschleppt wurde'. Der Conjunctiv corregues ist
wol auch in der affirmativen Endung zulässig.
1386. A'ielleicht hac.
1420. Auf was bezieht sich no} Etwa , Nichts da,
Aerrätherr' A'gl. 2354; der Kaufmann fragt den Papagei :
, Warum sprichst du nicht ?' Die Autwort lautet : ,No,
senyer , que fort suy irats'. Ist zu übersetzen: ,loh
spreche nicht, weil u. s. w.'?
Der Umstand dass
beide Male das Wort .Herr' folgt, könnte die A^ermu-
thung rechtfertigen, dass No = dominus, expletiv ge-
Ijraucht, sei. Das Komma fiele dann nach No weg.
1452. Es dürfte eher a eylls zu lesen sein.
1460. AVenn mau guardics betont, so haben wir
1460 — 64 fünf Verse auf -es.
1469 — 70 können mil einander reimen, nur muss
man certcs betonen, 1471 ist reimlos. Liest man 1470
vos ne serets tots acusats, so bilden 1470 — 71 ein Reim-
paar, und 1469 bleibt ohne Reim. Durch Annahme von
1469 Respon ella: ,En Verität würde man endlich drei
Averse auf -at (ats) erhalten.
1488 — 89. Der Sinn der zwei A'erse ist nicht
sehr deutlich. Sie können noch zur Rede des A''olkes
gehören : , Dieser da hatte eine Frau, mit der er sich
wol hätte begnügen können. Freilich verschmäht mancher
Ehemann seine Gattin, nun sehet was daraus folgt'.
Man könnte aber auch mit 1487 die erste Rede schlies-
scn, und 148iS — 89 dem Erzähler zuweisen: ,(Die meisten
geben dem Manne Unrecht), mancher aber tadelt die
Frau ; nun sieh, was daraus wird'. Dem steht aber ent-
gegen, dass es V. 1478 und A^ 1490 heisst, Alle hätten
gegen den Mann gesprochen; auch wird 1492 — 93 her-
vorgehoben, dass sie den Mann, der sich entschuldigen
wollte, nicht zu Wort kommen Hessen. Ich musste daher
nach der ersten Deutung interpungiren.
1491 reimt nicht mit dem vorhergehenden. Da
aber der Vers offenbar lückenhaft ist, so lässt sich das
Reimwort ergänzen. Entweder: la vila corregud' ajd oder
2)er la vila corregut siä, in beiden Fällen mit unter-
drücktem que.
1506 Cod. eil cregut über der Zeile zwischen com
und sa; nach muyler noch einmal cregut, aber aus-
gesti'ichen.
1515 Cod. dit.
1538 — 42. Fünf Verse mit gleicher Assonanz.
1545. Sechssilbig und reimlos. Betont man memhrä,
so kann der A''ers zum folgenden Reimpaare gezogen
werden, und er ist siebeiisilbig. Liest man lo seu, so |
erhalten wir acht Silben; es wäre denn, dass in 1546
dien als eins, aufgefasst und 1547 n'estorgra od. no st.
gelesen werde.
Zwischen 1560 und 1561 dürften zwei Verse
ausgefallen sein ; das Reimwort des ersten wird begut,
das des zweiten menjat gewesen sein
1573. Vielleicht auch bela i^^ beylla): ,ioh muss
eine schöne Frau finden'.
1574 ist reimlos. Oder darf man in 1572 — 73
-er statt -ar ansetzen, so dass drei A'erse mit gleichem
Reime aufeinander folgten?
Nach 157(; fehlt gewiss ein oder mehrere A'erse;
der Vordersatz : ,Es wäre besser, dass du das Geld
gewännest . . .' ist zu ergänzen.
Nach 1595 dürfte ein Vers ausgefallen sein; in-
dessen kann -eyll mit -er assoniren.
Die CATAIiiNISCHE METEISCHE VeESION DER SIEBEN WEISEN MeISTEE.
225
1656. Die vorgeschlagene Streichung des com
sucht auf kurzem Wege den Sinn Islar zu machen. Ist
dann muylers als assonirend mit leyahnent anzusehen,
uder assonirt 1G55 mit 53 — 54, so dass 56 reimlos
blieber Unmöglich wäre es auch nicht, dass zwischen
55 und 56 etwas verloren gegangen sei.
1658. Cod. creguda V agues.
Nach 1665 fehlt jedenfalls ein Vers.
1670 — 73. Drei Verse mit gleichem Reime.
1695 — 99 enthalten zwei Kebensätze (e aar . . .
und encara que . . . \ welche bei dem Mangel eines
Hauptsatzes in der Luft hangen ; möglich dass nach 96
etwas fehle, es kann aber eine der nicht seltenen ."Vna-
kuluthien unseres Textes sein.
1697. Die Anmerkung am Fusse der Seite ist
weniger metrisch als grammatisch, da encara que den
Conjuuctiv fordert. Statt depenya wäre noch genauer die
nach §. 4 der Einl. mögliche Form depenye anzusetzen, da
der Schreiber leichter das Abkürzungszeichen für e als
den Buchstaben a vernachlässigen konnte.
1719 — 2Ü. Avia ist im ersten Verse Auxiliaro zum
Neutrum slar, im zweiten zum Transitiv mantenir. Vgl.
jjor vos ai esti de mort pres | Et de trauail soff'ert gi-a7i
fes. Fl. et Bl.
1804. Das auch gegen das Metrum verstossende
HO ist entschieden zu tilgen, da der Sinn nur sein kann
.daher muss man sich vor Irrthum hüten'.
1865 — 66. Trotzdem riquesa mit peguea gut asso-
niren können (man könnte selbst beide Endungen voll-
ständig gleich machen, da nur ein Suffi.x -itia zu Grunde
liegt), muss zwischen dem einen und dem anderen
A'erse etwas ausgefallen sein. Es ist der Gedanke zu
ergänzen: .Die Leute werden meinen, dass ich eines so
kostbaren Kleides nicht achte und u. s. w.'; ein Ge-
danke, welcher 1867 — 70 weiter entwickelt wird.
1871 ff. Mit 1870 könnte die Rede bezüglich
der Kleider zu Ende sein, und mit 1871 eine neue
Erörterung beginnen, deren Sinn folgender wäre : ,da
ihi mich so hoch in Ehre hältst, durfte ich nicht (so)
unverständig sein , dass ich dein Windspiel getödtet
liättc, wenn ich gewusst hätte, dass es dir so sehr am
ILerzen lag; ich wusste es aber nicht" u. s. w. Einige
Schwierigkeit macht dabei deig esser statt degra oder
wenigstens deck esser. Auch ist die Stelle, wenn auch
nicht gerade undeutlich, doch nicht frei von Härte.
Mau fühlt sich daher zu anderen Vermuthungen geneigt.
\"ielleicht ist nach 1872 wieder etwas ausgefallen.
Wie viel, hängt von der Bedeutung des Wortes ensenyada
ab. Fasst man es im gewöhnlichen Sinne auf, so muss
erstens zur Vervollständigung des Gedanken ,ieh darf
nicht so unverständig sein' ein Satz folgen, welcher
sagt ,dass ich meine Kleider zu Grunde richte'. (Mög-
Denkschriften der pliil.-liisf. C'l. XXV. Bd.
lieber Weise könnte als zweiter der hier zu ergänzen-
den Verse 1866 gelten, welcher an unrechter Stelle
eingerückt worden wäre); zweitens ein Verspaar, welches
einen das que agues u. s. w. regierenden Hauptsatz
enthielte. Liesse sich dagegen dem Verbum ensenyar,
(was ich nicht bestimmt weiss) die Bedeutung , zeigen,
mit Fingern zeigen' zuweisen, so würden 1871 — 72 einen
vollstäijdigen Sinn ergeben: , gerade weil du mich ehrst,
darf man auf mich nicht mit Fingern zeigen'; und es
wäre uur die zweite Ergänzung vorzunehmen.
1879. Besser empfiehle sich die metrische Emen-
dation dos gratis.
1892. Cod. senes faylir. 1901. Cod. sie.
Entweder nach 1906 oder nach 1909 fehlt wahr-
scheinlich eine etwas grössere Reihe von Versen. Denn
wie bei den zwei ersten Proben, so dürfte auch hier
zuerst die Tochter der Mutter erklären, was sie zu
thun gesonnen ist, und erst dann die entsprechende
Erzählung folgen. Wahrscheinlich waren an zweiter
Stelle ein Paar Verse aus der Rede der Tochter be-
nützt und das Auge des Schreibers sprang von dem
ersten Verse zu dem ähnlichen zweiten.
1928 — 30 drei Verse mit gleicher Assonanz
(as, ars, ans).
Nach dem reimlosen V. 1939 muss ein Vers aus-
gefallen sein, in welchem etwa gesagt wurde, dass die
Frau sich auszugehen anschickte ; denn auf das blosse
Aufstehen hin, würde der Manu uicht fragen: ,Wa8
willst du da thun ?'
1940 — 42. Drei Verse auf -ar.
1950. Cod. la carn.
2007 — 8 sind reimlos. Durch Umstellung e que
ho comprara molt car ist Alles in Ordnung.
2027 — 29. Drei Verse mit gleicher Assonanz
(at. ar ar).
2062 — 64. Drei Verse mit gleicher Assonanz
(ila, ia ia).
2065 ist reimlos; man wird kaum an die Be-
tonung mitwavi denken dürfen.
Nach 2074 ist ein Vers ausgefallen.
2097 ist reimlos; denn die im Abschnitte IV. der
Einleitung aufgezählten Fälle von e : i lassen sich alle
einigennassen erklären ; he aber assonirend mit mori,
sofri od. basti erregt grosses Bedenken. Oder soll man
more, sofre annehmen ? Wahrscheinlicher ist mir eine
Lücke zwischen 2096 und 2097.
2102 — 4. Drei Verse auf -ar.
2107. los ist wol als Dativus ethicus aufzufassen.
2112. Zu bemerken ist der Plural homens, wäh-
rend vorher und nachher der Singular gebraucht ist.
Eine Emendation zu versuchen — etwa quin hom eyll
es — ist indessen durchaus überflüssig.
29
22G
A. MUSSAFIA.
21 Gl — 62. Eigcnthümlicli is( hier der Tebergang I
von der dirccten zur indirectcn Rede: ,Ieli habe das
Geld gefunden' in dem Orte, wo er es versteckt hatte:
gleichsam: ,und meinte damit den Ort' u. s. w. Auch
ist nicht klar, wann diese erste Aussage (eine zweite [
Rede des ersten Betrügers ist 2164 — 67 enthalten) ge-
halten worden sei; am Tage der ersten Vorstellung i
wol kaum, denn sie sagten so eben dem Kaiser, sie
würden erst am folgenden Tage ihre Kunst im Auf-
findeu von Schätzen zeigen.
2163 ist reimlos: sehr wahrscheinlich fehlt vor-
her ein Vers, welcher wie 2181. 2197. 2202 sagte:
,Und wie der folgende Tag anbrach'.
2165. In meiner Abschrift ist nicht deutlich, ob
der Cod. anits oder itnits (de nits) liest.
2178 — 80. Drei Verse auf -at.
2199 — 201. Desgleichen.
Nach 2201 sollte, streng genommen, wenigstens
ein Vers folgen, in welchem es hiesse, auch dieses
Mal wäre der Schatz gefunden worden. Würde dieser
Vers etwa E eylls Vaver hi han trobat lauten, so würde
die Anmkg. über 2199 — 201 gegenstandslos werden.
Indessen ist es leicht möglich, dass der Erzähler das
Auffinden der dritten Goldkiste, als selbstverständlich,
verschwiegen habe.
2203. Wol aeordaren.
2207. con ist sehr verdächtig. Wol e on, vgl. Aum.
zu V. 391. 1330. Demnach wäre die metr. Emend. über-
Äüssig.
2210 ist reimlos.
2224. Cod. carn.
2225. Cod. cramars.
2229. Ich muss bemerken, dass meine Abschrift
statt com eine Abkürzung bietet, die als ver oder ves
zu deuten wäre. Das zweite Wort würde in directer
Rede wol am Platze sein. Ich folgte der Construction
von 2230.
2233 — 35. Drei Verse auf -ar.
2238. Cod. die.
" • 2250 — 51. Der Reim fehlt. Entweder wählt man
das Praesens für alle drei Verba und man liest Aquell
aur prenen e sil fönen que assatz a beure lin donen (oder
mit trochäischem Rhythmus L' a.pr. e si lo f. c'as. u.s. w.);
oder auf das Praesens prenen folgen zwei Perfecta: L'a.
pr. e si lo foneren C'as. sats a beure lin doneren. Für die
Form doneren st. donaren vgl. §.97 der Einl.
Der Sinn der VV. 2268 — 71 ist nicht sehr deutlich.
2277. Cod. lelegoters.
2300. Die Einleitung einer directen Rede mit
que kommt noch 2663. 2971. 3017 vor.
2310 — 12. Drei Verse auf -ar.
2338. AVenn frona Praesens ist, wie das voran-
gehende par zu fordern scheint, so ist trond zu betonen.
2350. Wie ist /ora la vila zu verstehen? Der Herr
kommt ja von aussen her in die Stadt. Vielleicht de
fora villi, ein Ausdruck, der auch sonst zu belegen ist.
2357 ist reimlos, und das Gerundium Ja/iCJi schwebt
in der Luft; es fehlt jedenfalls ein Vers, etwa se donaren
molt gran delit.
Nach 2395 muss eine Reihe von Versen fehlen,
in denen erzählt wird, dass der Kaufmann auf den
Dachboden gestiegen, den Betrug der Frau erkannte.
2430. Cod. dena.
2452 ff. Auch hier (vgl. zu 2112) Vermischung
der zwei Numeri: 52 — 53 Plur., 54—55 Sing., 56 Plur.,
während endlich das a un des V. 58 auf Erwähnung
nur eines Individuums, als Vertreters der Gattung, hin-
weist. Diesem auffälligen Schwanken wird abgeholfen,
wenn man V. 56 portara liest und zwischen 53 und
54 eine Lücke annimmt.
2496. Cod. emperayre; entschieden falsch. Ich setzte
in den Text emperi, das mit dem Acoente auf der letzten
Silbe zur Noth mit diu assonireu kann.
2504. que ells que serquen; so auch 2539 que la
un d' eylls que vaja; diese Wiederholung des que unmittel-
bar nach dem Subjecte ist in catalan. Prosaschriften
sehr häufig; so z. B. J. 29 conseylaren 7ios que nos que
prenguessem. Wenn Hofmann in der Stelle que ab la
serpent que tractas das zweite que. tilgen will, so verwischt
er da einen Catalanismus. Drei que hart aneinander in
J. 32 pregal que en tot cas que eil que la prengues.
Wenn ich an dieser Stelle eine andere Lesung vor-
schlage, so geschieht es nur dem Versmasse zu Liebe.
2523. Cod. ql; vgl. Anmkg. zu 16.
Nach 2530 fehlt wenigstens ein Vers, dessen Sinn,
nach dem franz. Texte zu urtheilen, wäre : .diente zum
Trünke allen deinen Nachbarn'. Das Reimwort war
jedenfalls vehins.
2602. Der fehlende Reim wird am leichtesten
erhalten, wenn man das Pfct. anes ansetzt.
2621 ist reimlos.
2705 — 9. Fünf Verse auf -in.
2792. Cod. mel ual.
2794 — 95 reimen nicht mit einander; Ausfall
etwa von einem Verspaare in der Mitte ist ganz un-
wahrscheinlich; es muss in den Reimwörtern Verderb-
niss stecken. Ich vermuthe im ersten Verse destrohits
(in ähnlicher Bedeutung 3142); dann weiss ich nicht
ob es gestattet ist, dem Worte /on»7, die ital. Bedeutung
von , beendigt' zuzuweisen: ,wird der junge Mann nicht
aus dem Wege geschafft, so ist es mit seinem ganzen
Geschlechte zu Ende'; eine Interpretation, die in den
Zusammenhang am Besten passt und sich enge an die
Die catalanische meteische Version der sieben weisen Meister.
227
zwei vorangehenden Verse anschliesst. Liesse sich fornit
in solchem Sinne nicht auffassen, so wäre auch dieses
Wort zu emeudiren und etwa honit zu lesen. Das
Metrum würde dadurch hergestellt werden; auch ist
leicht zu verstehen, -wie aus for'onits der Fehler fora
fornits sich ergeben habe.
2800 ist zehnsilbig und reimlos, wenn es nicht
mit seinem Endworte mars zu den zwei folgenden Versen
auf -als gehalten wird. Möglich, dass etwas ausgefallen sei.
2801. Das ./ von jus ist in der Abschrift so lange
nach aufwärts gestreckt, dass es wie ein s aussieht.
Der Cod. hat demnach wahrscheinlich sus; die übliche
Verwechslung. Vgl. zu 503. 1100.
2807. Cod. früher anganat, dann das erste a durch-
gestrichen und über der Zeile zwischen n und g ein a
geschrieben : diess ergibt naganat. Ich hatte die Wahl
zwischen Van anagat und lo an nagat.
280t) — 11 drei Verse auf -i.
2812 ist reimlos; es fehlt wol ein Vers, der
etwa sagte, dass die Oheime des Knaben in der Ferne
wohnten, oder von der Ferne kamen.
2818. Cod. aquest.
2822. Cod. encalscar.
2823 — 24 reimen nicht mit einander. Etwa Ests
hom. qui t. f. fugen certes son nostres mal volents? Muss
doch auch 2726 fugen bctout werden.
2827. Um den Reim zu erhalten, müsste an die
Stelle von aleses ein dreisilbiges (^oder zweisilbiges, wenn
man agtieren liest! Partie, der I. Conjug. treten. —
Was kann überhaupt ateses bedeuten? Der Zusammen-
hang forderte , erreicht, eingeholt'; also Vb. atanyer.
Ates kann aber nur Partie, von atendre sein : wie passt
nun dieses Verbum hieher?
283.5 — 36. Der dritte Fall innerhalb weniger Verse,
wo der Reim gestört ist. Ich getraute mir nicht, statt
a soldada, asoldats zu lesen.
2836. Cod. gns. wieder ein Fall von g statt q;
vgl. Anm. zu V. 49.
2855 ist reimlos, wenn nicht 55 — 57 als gleich
assonirend (i, it it) angenommen werden.
2858 ist reimlos; es fehlt jedenfalls etwas, da
zwischen dem Aiisspruche ,er war wolerzogen' und der
Erzählung ,und er hat seinem Vater einen Becher ge-
stohlen' eine Vermittlung doch vorhanden sein muss.
2861 ist reimlos.
2912 — ff. sind nicht ganz deutlich ; ich suche mir
den Sinn folgeudermassen zti erklären: ,Dass wir Diesen
getödtet haben, wie er auf den Rath seiner Frau seinen
eigenen Sohn tödtete, sollte als ein gottgefälliges Werk
angesehen werden. Diess wollen wir als wahr behaupten;
denn wenn der Sohn sich seines Vaters bedienen will
(d. h. dessen Sachen benützen will, wie der junge Mann,
wenn er auch wirklich den Becher seines Vaters genommen
hätte), so verdient er deshalb doch nicht den Tod'.
2927. Sonst wird immer das unpersönl. prendre
mit der Präposition a construirt ; hier mit en.
3089 ist reimlos.
2092. Dessgleichen.
3097 — 99. Drei Verse auf -ir.
3106 — 8. Drei Verse auf -ia und 3108 reimlos.
3142 ist reimlos, es wird ein Vers fehlen. Denn
man wird kaum destrohidd lesen, so dass 40 — 42 mit
einander reimten.
3151 ist reimlos. Auch hier kann man mit ziem-
licher Bestimmtheit Ausfall wenigstens eines Verses
annehmen.
3194. Das Pronomen aquella macht unmöglich,
schon nach dix directe Rede anzunehmen. Man könnte
dix: ,Que IIa batayla' mit der in der Anm. zu V. 2300
nachgewiesenen Anwendung von Que zur Einleitung
einer dircctcn Rede annehmen. L'emperador dix: ,La
bat.' wäre freilich das einfachste.
3242 ist reimlos.
29*
228
A. MUSSAFIA.
ZUM LEXIKON.
acordar; ein sehr beliebter Ausdruck unseres Gedichtes.
Es erscheint als Intrans. refl. z. B. «i m'rtcorda«
abans 1145, oder als Trans, mit dem Reflexiv-
pronomen im Dativ: ara m'o he acordat 1143; so
auch 2203, 2601. Die Bedeutungen sind: ,sich
überlegen ; Etwas ausdenken ; sich zu Etwas ent-
schliessen'; recorda 703. Wenn das Subjcct im
Plurale steht, so kann auch die Bedeutung .über-
einkommen, zusammen beschlicssen' angenommen
werden; so 233 (= 2503. 2538). In der Conjngatio
periphrastica auch ohne Reflcxivpron. ; 2462.
2499. — Vgl. das folgende Wort.
aCOrt in Verbindung mit aver und /er; aver ac. mit
dem Possessivum = se acordar: 696 ara es lo lebrer
mort, el cavaller hac son acort que anas veser on V
(y Infant) a menjat; der Kaiser sagt 2659 puys aure
mon acort dels .vij. savis si merexen mort; die
Oheime des ertränkten jungen Mannes an aut lur
acort que ocien lo cavaller 2873; die sieben Weisen
estaven en la cort e ngren tots .vij. acort e pensenn. s. w.
2445 (die metrische Emendation lur ac. empfichle
sich besser als agueren). Mit einem Adjoctiv der
Eigenschaft: ,ich werde die Meister tödten', sagt
der Kaiser, e ja altra acort no n'aure 26G4; Hippo-
crates tödtete seinen Neffen e an aut fort mal acort
1015 ,und da war er übel berathen, und sein
Entschluss brachte ihm Schaden'; eben so 2396
lo mercader lo papagay ha mort e noy feu ges hon
acort. Auch in den anderen Stellen, wo fer ac.
vorkommt, findet sich stets das Adjectivum bon:
die Kaiserin sagt 210 si aquest Infant fos mort, yo
poria fer bon acort; und das Mädchen, welches
den eigenen Vater tödten lässt, meint com eil sera
mort yo aure fet bon acort que a tots mos amics
diria u. s. w. 2987. Hippocrates von seiner Frau
verrathen, sagt: 1062 pus aquesta fembra t'a mort,
per que tu no fas bon acort . . . que ella moris abans f
Vgl. auch ardit.
adobar .zubereiten' von Speisen 969. 1043. 1929;
, zurichten' ironisch gemeint, also .arg zurichten'
von einem Pelze ^^hier in der Form dobar) 1863.
afaytar, S'; afaytes de son mal 1778 , bemüht sich um
Etwas, das ihr Unheil bringen wird'.
alansejar 2891, alens. 2890 ,mit der Lanze verwun-
den, durchbohren'; bei Rochegudc, Est. alancejar;
span. alancear.
altar, se; , Gefallen an etwas finden': vostra coltell, de
queus solels tant altar 1919. Dem prov. se azautar
entsprechend. Das einfache altar ist in catal.
Schriften häufig; so z. B. in Gen. (das Glossar
erklärt richtig das Wort: ,agradarse de, compla-
cerse en'); auch Esteve führt es, aber als ver-
altet an. Hofmann brauchte demnach nicht zu
dem se allaven seines Textes (Abschn. 22) ,lie8
se asaltaven' zu bemerken.
aniagat, d' in der Form d'emagat 1207 ,in Geheim',
noch lebend neben d'amagatotis, einst auch d'amaga-
tons, prov. amagatadamen. Vom prov. cat. Verbum
amagar .verbergen', das Diez II 94 erwähnt, ohne
es zu deuten. Salvä führt span. amagar als pro-
vinoiell für agacharse ,sich ki'ümmen' oder , ducken
während der Gefahr, eine bessere Zeit abwartend'.
anailtar 27 75 , entehren'; Rayn. II 82 verzeichnet
enantar.
anar als .Vuxiliare des Perfectes, wie im späteren Ca-
talanischen, ist in unserem Gedichte sehr selten;
se va mescler ^= se mescla 1958; tantost van Vaver
trobar 2194.*
angoxar absolut gebraucht in reflexiver Bedeutung
770; vgl. congoxar.
apagar .auslöschen' 2078. 2089. 2091; bei Rocheg.,
noch cat. u. span.
apercebre von Rochogude durch .avertir, donner avis'
übersetzt, hat noch im Catal. und im Span, (in
der Form apercebir) die Bedeutung , ermahnen, war-
nen, unter Strafandrohung verwarnen'. Die nicht
o-anz deutliche Stelle V. 884 ist demnach viel-
leicht mas a tots vos yo apercep zu lesen und ,ich
sage jedoch euch Folgendes' zu übersetzen.
aplegar (ausser dem Accente auch aplagar) .sammeln'
2447. 2473. 2474. 2487 ; so noch im Cat. neben
arreplegar; span. allegar, port. achegar.
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
229
apniltalar ,dnrch Balken stützen' 2210; noch oat. und
apan. ; it. cippunlellKre.
ardit kommt mehrfach vor. Encille.s .sagt dem Kaiser:
Bevor ich dir meine Mähre erzahle, la.ss deinen
Sohn hicher kommen; com yous aure a(;o dit, vos
aureus hon iirdit e conexerets u. s. w. 901. — Die
Mutter rilth der liebesbedürftigen Tochter: fets
un ardifj assejats vostrn marit 1751; assaja altra
veU ton marit; faras bon a.rdit 1824. Und als die
Tochter erzählt, dass sie ihren Mann mit gutem
Erfolge auf die Probe gestellt hat, fragt die
Mutter: Quin es Ion ardit? 1821. — I<]iner der
geldgierigen Weisen setzt den Gefährten ausein-
ander, wie sie durch Traumdeuterei sich bereichern
können, e los altres han dit que aquell ha dit hon
ardit 2460. Die Bedeutung berührt sich also viel-
fach mit der von acort; ,Rathschlag, Meinung,
Entschluss', hie und da, besonders 1751, mit der
Nuance , listiger Rathschlag' u. s. w. Im Neucat.
finden wir noch ardit ,List, Kriegslist', dem span.
port. ardid entsjjrechen, über dessen vermuthlichen
Ursprung Diez I 30 nachzusehen ist. Vgl. auch
prov. ardit in der C'h. des Albigeois, besonders
V. 8834. — Noch zu bemerken ist, dass ältere
catal. Schriften das Wort auch in der Bedeutung
von jNaohricht, Neuigkeit' gebrauchen; so P. 53
hac ardit ,er erfuhr'; Mihi im Jahrb. V 152. So
auch Hf. 7 li fes a saher tots los ardits de QO quel
rey feya en sa terra contrc lo compte ,alle Nach-
richten'; würde de. fo fehlen, so könnte es , listige
Anschläge' bedeuten.
arrenar sompnis , deuten'; kommt mehrfach vor, 2451.
2463. 2525. 2598, so dass an einen Fehler kaum
zu denken ist. Im Provenz. narrar, enarrar. Liegt
eine Metathesis vor, so ist sie jedenfalls ganz un-
gewöhnlich.
art als Femin. 221. 234, als Masc. 320.
assajar hat in der Erzählung tentamina die Bedeutung
,auf die Probe .stellen'. V. 2745 u. 2780 bedeutet
es , versuchen etwas Unrechtes zu thun, wagen'.
In der Erzählung avis sinnt die Frau auf Mittel,
sich dos unbequemen Papageis zu entledigen : araus
dire en quäl manera l'assaja 2330 ; sie meldet dem
Buhlen, er solle nur kommen, del papagay nos
tembra, car ella lo assejara, e direus com lo asseja
2334 — 5, worauf die angewandte List erzählt
wird. Da das Pronomen lo sich nur auf den Vogel
beziehen kann, so erscheint hier das Verbum
assejar in einer ungewöhnlichen Bedeutung.
ilturar, s' ,3ich aufhalten, zögern' 1037; noch cat.
avenir persönlich gebraucht und mit Bezug auf eine
Person; der Kaiser sagt: Mein Sohn und dessen
Lehrer werden es theucr büssen, ear fort mal hi
an avengut 888; wol zu übersetzen , schlecht hat
es ihnen bekommen'. In folgender Stelle yo vos
he he mostrat en que porets avenir e en que porets
faylir 16 72 scheint das absolute Verbum, wie
sonst oft, optimistischen Sinn zu haben ,wie ihr
zu gutem Ziele gelangen könnet'; indessen ist
vielleicht, wie schon in den metrischen Emen-
dationen angedeutet wurde, be zu ergänzen. —
Ueber ave vgl. fer, a.
aver; com (ells) s'i son aiits 2230 ,wie sie sich da ver-
halten haben'. Ist hier eine besondere Bedeutung
von aver als Reüexivum zu erkennen ; oder ist
esse hier in prägnanter Bedeutung gebraucht, so
dass «0)1 aiits für an estat stünde? «' wüi'de in
diesem Falle expletiver Dativ sein.
bastar; quo. lo rey los hast d'aver 2133 ,sie mit Geld
versehe'; wie bei Rayn. II 192 d'aver sui bastats.
bOCh; die Kaiserin ermahnt ihren Gemal den Ein-
flüsterungen der Weisen kein Gehör zu geben und
den Sohn zu tödten, no creats nuyla fidorqe. mas
vage lo hoch en la corda 531. Eine ähnliche sprich-
wörtliche Locution im Castia-gilos des Eamon
Vidal. Die Frau, welche den eifersüchtigen Gemal
zuerst geschlagen, dann eingesperrt hat, sagt dem
Buhlen: araus don so c'avets tostemps dezirat, c'amors
0 vol e m 0 acordn e laissem lo hoch en la- corda.
Der Sinn dürfte demnach sein : ,Wer Einem Uebles
thun wollte, der möge es selbst erdulden' oder
,Wer Strafe verdient, der möge sie büssen'.
boriiar 603, prov. beordar, fr. hehourder u. s. w. Die
Form mit n auch bei Bernart d'Esclot, in Bezug
auf welche Stelle Diez fragt, ob nicht bornaren zu
bordaren zu emendiren sei. Das Vorkommen des
Wortes auch in unserem Texte spricht zu Gunsten
derselben. Esteve führt als veraltetes hornar an,
das er ,dar voltas, torns' lat. ,gyrare' erklärt. Also
begritflich mit beordar innig verwandt; vgl. tor-
neo u. s. w. Ob aber auch formell identisch so
dass d zu n übergangen wäre, ist mehr wie zweifel-
haft. Mit cat. hornar ist das dunkle span. hornear
, krümmen, ausweichen' (Diez I 76); port. hornear
a pega (in der Artilleriekunst) ,voltd-la segundo
a pontaria que se (juer farer'; borneio ,movimento
oon direcqao circular, em gyro' zu vergleichen.
Ferner ist an span. borne, port. borneio ,extremo
de la lanza con que se justaba' zu erinnern.
CObina; per e. de tresor 2060. 2257, ein siebensilbiger
Vers; 2242 e per c. de tresor hat acht Silben;
per c. d'un besant 2468 ist wieder siebensilbig.
Da die Bildimg des Wortes schwer zu erklären
ist und da n im Cod. mit ti oder ei leicht zu
230
A. MUSSAFIA.
verwechseln ist, so lässt sich fragen ob nicht
cohitia (so in der Noblu Leyczon) od. cobicia (altspan.)
<i'craeinf ist.
COlor-inudat t;7'2. 1053. .verlÜrbt, eiblasst'. Ein Compo-
situm aus einem Verbum (hier im Participium)
und einem Substantive in obliquem Verhältnisse;
v>t1. Darraestetev, Mots composcs, 139 ff.
«Oniillill, per. Die Frau will die Geduld ihres Mannes
zum dritten Male dadurch prüfen, dass sie das
Gastmahl, bei welchem viele Eingeladene ver-
sammelt waren, stört; sie kündigt es durch die
Worte assejar l'e per com. 1906 an. Der Ausdruck
bedeutet im Prov. .zusammen', hier etwas ver-
schieden ,mit Anderen zusammen, öffentlich'.
COnipte; fets campte de pcrdut 1686 .betrachtet euch
als verloren' auf mehre Personen bezogen ; eben
so la dona fa c. de perdui 3219; also gleichsam
,die Kechnung eines Verlorenen machen, seine
Lage so ansehen, wie ein Verlorener es thut';
daher stets perdut.
COUH'OXar absolut gebraucht mit reflexiver Bedeutung
634. So noch im Span.; Est. kennt nur das Ke-
flexivum. Vgl. angoxar.
COnreil, fahia mal , führte sich schlecht auf 2709.
COrall ,ans Herz gewachsen' 1874.
«Orrer: zu bemerken die doppelte Construction correr
la vila 1337. 1447. 1480. 1509 und esser corregut
per (la) vila 1380. Vgl. auch Anmkg. zu 1491.
So im Mittellatein : für currat villam (auch per
villam) und currant cum per villam. Die Bedeutung
erklärt DC. ,currere dicebantur qiii ob crimen
aliquod per urbem traducebantur' ; vgl. auch die
Stellen unter trotari (trotabuntur per villam). Zu
der schimpflichen Schau werden sich wol oft auch
Schläge gesellt haben; vgl. V. 1443 escobat sere;
Esteve erklärt das veraltete corregut geradezu mit
,assotat publicament'.
€0rtes als Subst. ,TIofmacher' 213.
decailtar , neigen, biegen' rcfl. gebraucht 497. 830;
lebt noch im Cat. Span. ; als technischer Ausdruck
im it. decantare, frz. decanter. Vgl. esdecantar.
depenyer, Se ; encara ques depenye mut ,obwol er sich
stumm stellt' 1697; vgl. bei Kayn. bes deu gardar
qui a drutz se depeis, die Uebersctzung ,se dessiue'
ist nicht ganz befriedigend.
desar: Die Knechte, welche den unschuldigen Jüngling
ertränkt hatten, sehen dessen Oheim und be-
ginnen zu fliehen, loa cavallers quils viren desar
los comensen d'encalsar 2820. Esteve führt dieses
Verbum an und erklärt es ,alzar, guardar; abdere,
reconderc'. Soll man also se dexar (das Pronomen
Eeflexivum ist in unserer Stelle vor dem lufiu.
nach viren unterdrückt) ,Bich verstecken, sich dem
Blicke entziehen' übersetzen? Saura'a oatal. Wb.
übersetzt desar wie Esteve, ferner durch ,reservar,
retirar'; ,sich zurückziehen' würde ebenfalls gut
zu unserer Stelle stimmen.
desayre 1662. Das Subst. hat oder hatte wenigstens
in allen Sprachen die das Wort besitzen (prov.
cat. span. port.) die zwei sich vielfach berühren-
den Bedeutungen .Unglück' (auch .Mangel'. .Un-
gemach'1 und .Schimpf. Beide würden in unserer
Stelle passen ; besser die zweite.
deSCUJ't, en 794. Die Lesung des Wortes ist nicht
ganz sicher; in Förster's Abschrift Hesse sich
auch destuyt erblicken; Paris theilte mir desruyt
mit. Ich zog deseuyt vor und erkläre .unversehens,
unüberlegt'; von dis-cogit-,
desnienar .verweigern' 2868. 3034; prov. desmandar.
dida ,Ammc' 658 ; noch cat.
dobar: siehe adohar.
eiuparar; emparas lo de bona amor e mostras li u. s. w.
1691; wol , lehren' ; prov. und altcat. bedeutet
es , lernen'; die zwei Begriffe werden oft ver-
wechselt; vgl. apprendre. — V. 3029 hat das
Verbum die noch im Cat. lebende Bedeutung von
, schützen, in seinen Schutz nehmen'.
endreSSar .einrichten, die zur Ausführung eines Vor-
habens nöthigen Vorkehrungen treft'en'. Die Kai-
serin sinnt wie sie den Stiefsohn in's Verderben
stürzen könne e cant ago hac eiidressat si a son
marit apeylat 226. Die Tochter, welche den Tod
des Vaters vorbereitet, sagt: en tal guisa o endressare
que ja nul hom non sabra re 2985.
euriquellir ,bereichern' 2599, enraqu. 2480. Die Bil-
dung ist zu bemerken; aus rieh wäre zu erwarten
enriquir [-requ-, -raqu-) wie im Prov. und Neucat.
Viele ähnliche Bildungen verzeichnet Esteve; alle
mit der Bezeichnung ,vcraltet' und mit Angabe
der neueren kürzeren Form; statt -elr vielfach
-air. So aiidiirair nb. endurir, anflaquair nb. aflaquir,
anglotair nb. englulir. (tiifristair nb. aitristir, anvanair,
anvilayrnh. envilir, sclarair nb. esclarir, scurair u. s. w.
Ich verrauthe, dass diese Verba nicht aus dem
Adjective unmittelbar, sondern aus dem mittels
des Suö". itia = cat. ea abgeleiteten Abstracta
gebildet wurden; also z. B. aus tristea, entristair
= in-trisi'iti-ire.
escalonar 2218 scheint dieselbe Bedeutung zu haben
wie apuntalar (s. o.). Ist aber das Wort richtig
gelesen'? Und womit hängt es zusammen? Mau
vergleiche folgende Stelle aus J. 117; los cavadors
passaren ab pichs e guamits tro a les torres, e
comengaren de cavar a pcsar dds Sarrains qui nou
Die cätalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
231
podien deffcndre, e meieren priinerament unii torra en
estolonS, e quan aquela torra fo mesa en estolons,
meieren fach als eslolons, tanl tro que la lorre se/ene.
Die Situation scheint dieselbe zu sein wie in
unserer Stelle; und jedenfalls liegt dasselbe Wort
Tor. Was bedeutet aber estolon?
esdecautar, s\ esdecanlarse 487. Wenn keine andere
Belege für dieses Compositum zu finden sind, so
lässt sich auch an der betreffenden Stelle s'es
decantnt lesen ; unser Gedicht erlaubt sich die
Assonanz a, -at.
fadl'i ,Kind' 597; Noch im Cat. ; auch im alt. Span.
fillorge 530 .Fabel, Lüge, Posse'; neucat. falornia,
bei Borao, diccionario de voces arragonesas, fcdordia,
bei Fuster, Vocab. valenciano, /nZoria, altfr. /a^orda,
ven. fiilopa Tind wol in vielen anderen Idiomen;
Alles mit gleicher Bedeutung.
flixai', se ; flixem nos ab poca res 1227 .begnügen wir
uns'. So in den Gramm, prov. S. 45 fleis ,fit
[l. siO) contentus'. — In Doc. 189 etwas anderes:
Flixet de ta volental que faries contra ton seny si
la complies , enthalte dich' ; ähnlich Folquet de
Lunel ed. Eichelkraut V V. 53 tro que del mal
dir se fleis.
fer; so feya 2315 von einer Frau euphemistisch ge-
braucht für , ihrer Lust fröhuen'; sonst gewöhn-
lich nur vom Manne.
fer; « fer cove que y anels 1592; a fer ave de trobar
2729. Eben so bei Jacme a fer ave que s'a a
complir: Doc. 142 si ave a fer de morir, placius
quem auciats ab el. Auch in einem launigen Ge-
spräche zwischen En Buch und seinem Pferde,
das Förster bald herausgeben wird, findet sich
dieselbe Locution. .4 fer ist pleonastisch, das fol-
gende Verbum gleichsam ankündigend ; vgl. kd
sayso que fer no porels pendra conseyU 1595. —
Wie man sieht, ist hier das unpers. avenir mit
covenir gleichbedeutend. Eben so verhielt es sich
vielfach mit dem persönlich gebrauchten avenir
im Altcat.
fretlira, far ,fehlen, mangeln' 2136; .so noch cat.
gitar, se ,Rich in's Bett legen' 1936; so spau. eeharse.
layre, seny (lel 2962 muss eine Abendglooke bezeichnen.
intrai"; paria la terra se n'intrava 2307 ,die Erde, die
Welt schien zu versinken'. Esteve führt an: en-
trarsen ,ruere, corrueri', entrarsen tot ab aygua
jCffusissimum imbrem ruere', und zwar ohne irgend
eine Beschränkung, so dass der Ausdruck noch
zu leben scheint. Allgemein gebräuchlich dürfte
es aber doch nicht sein, denn sonst hätte Mild,
der gelehrte Catalanc, nicht bei der Stelle (S. 472
Anra.) com (lo jutglar) fo IIa on lo castel era, tot
fo aytant pla com la palma, que sen fo entrat ,denn
es war versunken' das letzte Wort mit einem
Fragezeichen verschen.
ivas. Das Wort kommt vielfach vor: 680. 1027. 1781.
1862. 2036. 2778. 2994. Trotz der Schreibung
yuas (1027), welche die Lesung iu oder iv ge-
währleistet, wäre man versucht vias = prov. viatz
zu lesen. Indessen bieten Gen. 250 iuas, J. 39
yuas, Est. führt als veraltet iuas an (das er un-
richtig unter Jod anführt, als ob yuas gemeint
wäre); ferner Gen. 155 iuassosament, P. 53 -wol
durch einen Schreib- oder Druckfehler ivarcosament
(eine absonderliche Ableitung; das Prov. hat vias-
sament). Die Lesung des Wortes dürfte demnach
nicht anzufechten sein. Ein eigenes Etymon wird
man jedoch nicht suchen; es muss ein proven-
zalisches Lehnwort sein , auf gelehrtem Wce
eingeführt. Eine falsche Lesung erbte sich durch
literarische Tradition fort. Wenn dem so ist, so
haben wir da eine ihrer Seltenheit halber sehr
merkwürdige Erscheinung. — Auch in dem prov.
Margaretenleben ed. Noulet V. 196 yuas (Romania
IV 486).
largas, Augmentativ von lary in der Bedeutung von
, freigebig' 1189. Est. llargas ,valde longus.'
legoter ,Schmeicliler' 2277; statt lag., wie in anderen
cat. Schriften, im Prov. und Span.; Diez II 355.
malanat , schlecht' 712; ursprünglich wol , unglücklich.'
lualfadat , unglücklich' 673, , unglückselig' 1923.
inans, ineter mit präpositionellem Infinitiv , beginnen'.
Die Präpos. ist entweder a: la dona mes mans a
plorar 2784, oder per, dem, wie sonst oft, noch a
hinzugefügt werden kann : materen mans per dol a
fer 1261. Ferner eil mes mans per alegrar eis convi-
da.ts a solassar 1926 — 7, wo beide Präpos. neben
einander vorkommen. Auch mit dem Sing, ma;
J. 110 meieren ma, a plorar.
niinvai* als intrans. lo fach no minvave 2065 ,nahm
nicht ab'. In der Stolle la caldera ha im buyll
minvat 2606. 2610 kann ha selbstständige Bedeu-
tung haben und minvat prädicativer Accusativ zu
buyll sein, oder ha minvat ist periphrastisches
Perfect = minva. In beiden Fällen ist der Ge-
brauch des Wortes bemerkenswerth ,die Anzahl
der siedenden Stellen im Kessel hatten um eine
abgenommen'. — 1473 kommt trans. aminvar vor.
mirador , Warte' 1020; so noch cat. (Esteve: ,lloc alt
desde ahont se mira), span. (Salvä: ,balcon cu-
' Diese Emendation rührt von Tobler her, der mir bei diesem und manch anderem Worte dankenswerthe Winke gab.
232
A. MUSSAFIA.
bierto con sii ti'jadillo, y i'üdcadci de vidricnvs, quc
suclc habor cu las casas, para mirar lo quo pasa
sin padccer la molcstia de los tcinpuralcs') aucb
miradero; port. (Moracs: lugav alfo da casa, d'ondc
se descortina uu largo liorizoutc), auch mirante.
Vgl. miranda bei DC. — Iii der Erzählung Vir-
gilius hat das Wort die Bedeutung .Spiegel'.
lUOrir; /"'■ morrer la hun Ififl? notdi jetzt oat. morirsc
, erlöschen'; nach far wird im Tufinitiv das pro-
nomen personale unterdrückt ; daher , erlöschen
lassen' = .auslöschen'. Vgl. it. smorzare, prov.
aniortar ainortir u. s. w.
IHOVer: la dona mou grau frabayll ,ist und geberdet sich
sehr betrübt, erzürnt'.
liech; car sius o (eniam neck 2841 ,weuu wir euch diess
verborgen hielten'. Auch Esteve führt nech als
veraltet au und erklärt es durch ,ocult, amagat'.
Ueber prov. tener nee .verheimlichen' siehe Phi-
lipson, der Mönch von Moutaudon, Anm. XI 27.
— Nicht zu übersehen ist, dass zwei Verse vor-
her derselbe Begriff durch
negat, teuer ausgedrückt ist. .Etwas Wahres läuguen'
und ,dio Wahrheit verheimlichen' sind zwei Be-
griffe, die sich sehr nahe berühren. Negar ist wol
das lat. Verbum, nicht etwa eine Ableitung von
neeh. Aber auch nee in dieser Bedeutung wird
kaum als eine Ableitung von negar anzusehen sein.
Solleu also die zwei Stämme ganz verschieden
sein und die Lautähnlichkeit nebst identischer
Bedeutung in der Locution tener n. rein zufällig
sein? — V. 2767 bedeutet tener negat , läuguen'
Ilina , Mädchen' 142.S, wie im Span. Im Neucat. nur
, Puppe' und .Augapfel'.
nodrit in figürlicher Bedeutung , erzogen' 8'JO; vgl.
prov. noirimens, noiridura; af'r. nourreture.
Orat ,thöricht' 1505. 1637. 1901 (in den zwei ersten
Stellen in der Verbindung foyll e or.) Span, orate.
pedral 833, das Werkzeug, womit der Hirt iu der
Erzählung aper den Eber niederschlug. Ich ver-
stehe das Wort nicht.
plevir als ReÜexivum .sich bedienen, benutzen' 2916.
So auch bei Esteve, welcher das Verbum als
veraltet bezeichnet.
rador, de oder in einem Worte derador; e que l'apun-
talen de r. 2210 .ringsum'. Mit vorangehendem n ;
miraven a derredor 1021 mit gleicher Bedeutung.
— Zu bemerken ist e slia assi a la rador 2688.
Der Cod. schreibt die Locution in drei getrennten
Worten und ich folgte ihm ; das feminine Genus
macht jedoch Schwierigkeiten (vgl. port. ao j-edor) ;
will man nicht darin Analogie der Nomina auf
-or, oris erblicken, so wird man a l' (od. af) arador
(= n -\- redor), dem Span, al deredor (rededor) ent-
sprechend, vorziehen. l)iez bespricht den Ausdruck
an zwei Stellen: Gramm. II 469- — 70, wo er ihn
aus loriin deutet, dann EW. 11 172, wo er fragt,
ob redor für ruedor ruedol = lat. rotalus ,Rad"
stehe. Die erstere Ansiciht ist weit ansprechender.
Morel-Fatio (RomanialV 39) erwähnt nurdie Deu-
tung des EW. und gibt sich mit Kccht nicht damit
zufrieden, bringt jedoch keine eigene Erklärung vor.
raptir; non fos enr. 2324 .nicht beschuldigt würde'. Es
ist ein Substantiv aus dem Verbum raplar, mittelst
-erium gebildet, wie afr. desirier, encomhncr u. s. w. ;
-erium zu iri (Anm. zu §. 6 der Einleitung), dann
(V. A^gl. bei Borao repterio ,reto, accusacion'.
rayll , Wurzel' 504. Es ist in unserem Texte wol zwei-
silbig und rayll zu betonen ; ist darin radieula
mit verändertem Genus zu erblicken? Doc. 203
begegnet die Form rael, Gen. 14 zu reis contrahirt ;
neucat. arrel; welche Formen noch schwerer zu
erklären sind.
rezeber; im Kampfe zwischen Schlange und Windhund
la serii al bres torna c lo lebrer rezebe la e morde la
637. Man kann diese speoielle Bedeutung des
Verbums bemerken; ,nahm den Kampf auf, leistete
Widerstand u. s. w.' Vgl. P. 47 la davantera feri
en los enernichs . . . e ells los reeberen taut fortment
que etc. von Bofarull übersetzt ,fue' tal la pu-
janza con que cstos resistieron el ataque'.
rossegar; as perpensat (que lo cor s) per la vila fos rossegat
1253 .geschleift'; vgl. 1258 lo cors per la vila
tiraren. Ebenso fer l'e rossegar pel mayti 1290 und
vull mon fiyll sia tirassat 1296. Kaynouard hatte
also Unrecht, als er in der von ihm augeführten
Stelle aus K. Vidal's Castiagilos das Verbum durch
frz. rosser erklärte. Ihm folgte Bartsch im Glossar
zum LB. (im Texte liest B. rosseguat, im Glossar
rons.; wie hat die lls. ?). So erklärt Esteve das
noch lebende rossegar und arrossegar ä algu 6 al-
guna cosa durch span. arrastrar , schleifen, schleppen';
auch als intrans. lo vestit arrossega, daraus rosseg
rossegal , Kleidersohleppc', auch figürlich ,wer Einem
beständig nachfolgt' und Aehnliches. Esteve kennt
auch eine alte Form roagar (^ roegar); könnte
der Abfall der Sibilaus, welches gewöhnlich nur
dann stattfinden kann, wenn diese auf <;, cj oder
tj sich gründet, den Weg zum Etymon weisen?
Saig ,Gerichtsdieuer, Scherge' 1265; von Est. als ver-
altet angeführt, altspan. sayon, altport saiab, DC.
s. v. saiones vel sagiones \ üiez II 178.
si Pronomen reflexivum nicht auf das Subject des
Satzes bezogen : lo burges no fett semblant que
agues ab si (gegen die Frau) mal talant 1938.
Die catalanische metrische Version der sieben weisen Meister.
233
siblar. Die Schlange greift den Windhund an, l'aclt
fort siblat e lo lebrer '. . . congoxava per lo vai-i qui
al cor U entrava 631 ; dann, vom Windhunde ge-
bissen, la, serp lo sihla axament 639. Der Wind-
hund entfernt sich per so com era greu siblat 641.
Das Verbum kann nur .durch Biss oder Stich
verwundet' bedeuten. Kann man da siblar als
activ gebraucht annehmen, ursprünglich bloss
, anzischen', dann , zischend angreifen, verwunden'?
Schwerlich. Im Catal. hat man fiblar, mit der
fibla durchstechen ,aculeo fcrire' und diess würde
genau passen. Deshalb aber si zu fi zu emendiren,
wäre nicht rathsam : lebt doch noch im catal. sivella
= span. hebilla, lat. fib-eUa. (^Janer's Lesung im
.span. Alexandre ist daher nicht unbedingt zu ver-
werfen; vgl. Komania IV 5ü). Die Möglichlieit
eines Uebcrganges von anlaut. / zu « ist in neue-
rer Zeit von mehr als einer Seite zugegeben
worden.
tastar .prügeln' 180G. Die Entwickelung der Bedeu-
tung ist leicht zu erklären. Es ist nicht nöthig,
an prov. tuslar , klopfen' zu denken.
taular Adj. zu collM ,Tischme.s.ser' 1918.
teni'rer als Adj. zu pi in der Bedeutung ,jung, jünger'
.507. Ich verstehe nicht recht das Wort, welches
wol kaum der organische Comparativ von tenerus ist.
toruieiiat ,die innerhalb gesteckter Gränze enthaltene
Gegend' 843. 2108.
terrat , Altane'. So in der Erzählung canis V. 613:
la dona munta al lerrat-s um das Turnier zu sehen ;
und in Avis, VV. 2336. 2338. 2341, muss das
terrat, welches durchlöchert wird, um die Flammen
und das Wasser durchzulassen, und auf welches
geklopft wird, ein flaches Dach sein. Noch catal.
terrat, span. terrado ; it. aber terrazza.
traciö 1397. Ich verzeichne diese auch prov. Form.,
um auf die Eigenthümlichkeit der Bildung auf-
merksam zu machen. Sie kann nur auf tractionem
zurückgehen ; die bekannte Vermischung von trahere
und tradere. Daneben prov. und cat. auch traicid.
traginat ,Decke des Zimmers' 313. 318; Doc. 245,
ganz wie au orsterer Stelle, der ungeschickte
Redner garda el iaguinat; Esteve kennt ein ver-
altetes traginat ,especie d'adorno en eis sostres,
lat. laquear, lacunar'. A'icht . anders Fuster : tag.
,zaquisami ci cobertizo de madera labrada'. Also
immer ohne r; im Mallorquinischeu jedoch traginado
,techo'. Sind es zwei Wörter oder nur eines?
Und wenn letzteres der Fall ist, welche Form
ist die ursprüngliche ?
tudar ,tödten' 2435. Die wenigen prov. Belege, die
ich kenne, bieten nur die Form tuar.
via, a mit Dativ der Person; isque li a via ,ging ihm
entgegen' 352; vgl. o carrera; la abadesa hisque
a c. al comte Doc. 77.
Tis , Sehkraft' 2574. 3214. So im älteren Span.
vedar in einer alten Chronik (ich weiss nicht ob J.
oder P.) kommt das Wort in der Bedeutung ,in
Kirchenbann setzen' vor: nos deviem nos cornnar
e nou poguem fer car nos erem vedats. Ob eben so
V. 3037? Die ganze Stelle genau zu erklären
(bedeutet nom cal ,ioh darf nicht'?) wären einige
Kenntnisse im kirchlichen Eherechte nothwendig,
die mir vollständig abgehen.
Denkschriften 'ier pliil.-hist. Cl. XXV. Bd.
30
DER
FELDZÜG DER JAPANER GEGEN COREA
IM JAHRE 1597.
VON
D^ A. PPIZMAIER,
WIRKLICHEM MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSTIIAFTEN.
(SCHLUSS.)
San-dai-sib me-ivo mi-awasete imada fen-to-mo na-kari-si-ni o-o-gawutsi kiku-ja ina-ja
sore gim-sib ki-katsü-wo gim-si-to tomo-ni si-tamb koto inisi-je-jori-no mitsi-zo kasi. Sika-mo
kono ro-ziu-to mosü-wa toivoku nippon-no tsi-tvo fanare tai-min-no seme-wo ukete inotsi-wo osi-
si-to ohosi-mesu jo-ja aim-heki nippon-to iü-to-mo nmvo fadzü-hesi iwan-ja ta-koku-ni oi-te-
ivo-ja. Tatoi inotsi-ioo tasiikari-tamb-to-ino nan-no men-boku atte fito-ni mamije-tamb-beki
tatoje-ha si-sotsü-no ^ -p^ sin-mei-ni tai-sib-wa kaje-tamb-to-mo tai-sib-no on-inotsi-ni si-
sotsü-iüo-ha kaje-tamb-he-karazü. Kakaru fu-gi-naru mbsi- f^ zib-iva 07i-mimi-ni ire-tamb-be-
karazü |^ -^ ziu-si kakic-no sni-san soko tatsi-noku-hesi-to sa-mo arake-naku i-i-kere-ha san-
tai-sib itsi-do-ni o-o-gaivutsi-ga ko-zib motto-mo si-goku seri-to ^ do-serare-si-ka-ha fu-gi-no
nei-zin te-wo usinai omote-wo akamete tai-srhssü. O-o-gawutsi za-ioo tatsi-te uma aru-ni jotte
ka-jb-no nei-zin ide-kitaru tote dai-ioon-ni toneri-tvo mesi tai-sib-tatsi-no on-uma fiki-idase-to
iü mama-ni kosi-no katana-wo fiki-nui-te itsi-itsi hibi-ivo fane-tari-keru.
Während die drei Heerführer einander anblickten und noch keine Antwort erfolgte,
sagte O-o-gawutsi: Höret man es oder nicht? Dass ein Heerführer Hunger und Durst
zugleich mit den Kriegsmännern des Heeres leidet, sind wohl die Wege von Alters her.
Jedoch in Bezug auf diese belagerte Feste, weit von dem Lande Nij)pon getrennt und
von dem grossen Ming angegriffen, kann man irgend daran denken, das Leben zu
schonen? Selbst in Nippon müsste man sich noch schämen, um wie viel mehr in einem
anderen Reiche ! Gesetzt, ihr rettet das Leben, welche Ehre hättet ihr davon, dass ihr
vor den Menschen erscheinen könntet? Gesetzt, die Heerfiihrer tauschen ihr Leben für
dasjenige ihrer Kriegsmänner und gemeinen Streiter ein, die Heerführer können für ihr
Leben dasjenige ihrer Kriegsmänner und gemeinen Streiter nicht eintauschen. Solchen
ungeheuerlichen Reden dürfet ihr nicht das Ohr leihen. Ein junger Sohn muss solche
Zumuthungen gründlich von sich weisen. — So sagte er mit Strenge. Die drei Heer-
führer sagten auf einmal einstimmig: Die Darlegung 0-o-gawutsi's liat im höchsten
Grade Recht. — Der ungerechte Schmeichler verlor den Haltpunkt und trat mit ge-
röthetem Angesicht zurück.
30*
'23() Pfizmaier.
0-0-gawutsi stand von dem Sitze auf und sagte: Well Pferde vorhanden sind, Ist
ein solcher Schmeichler gekommen. — Er rlei" mit laut(M- Stimme die Stallknechte
herbei und sagte: Führet die Pferde der Heerführer heraus! — In diesem Augenblicke
zog er das Schwert an seinen Lenden und schlug jedon Pferde das Haupt ab.
Säte zib-nai-no gun-si zi-hun-ioo fakari-te jo-utsi-ni idzüru. Ickl ^ z to-do-no jo-ufsi-ni
te-tvo jaki-te ^p :^ fei-sia-ni siki-gawa-ivo siki kahuto-no uje-ni simo-wo uke me-ivo jasttmezü-
site teppo-ni ß-nawa-tvo kake jumi-ni ja-wo tori-soje jari-no siwo-kubi-wo nigiri-te tasika-ni
dzin-tco katame-tci-keru fokoro-je rö-feo ni-te-ni ivakare usi-narunde sa-jü-je dotto utsi-kakari
san-zan-ni tatakai-te smogi-wo kedzüri tsüha-wo waru-to ije-domo tai-koku-no gun-fb si-oki
tadasi-ki-ni jotte o-o-kudzare mi-kata utsi-se-mazi-ki-ga tame-ni tonari-dzin katsüte ka-sei-sezu
juje-ni ^ ^ ko-zei-no rö-feö nozomi-no mmna-ni teki-no itsi-dzin utsi-tsirasl mi-kata-iva
itsi-nin-mo iitarezü fiki-tori-si-ga kajeru sa-ni-wa jari-wo tsüje-ni tsüki joro-joro-to-zo kajcri-
ke.ru. 0-o-gawutsi-wa itsü-mo mon-ivo jaku-sio-to site wi-tari-kere-ha mai-nitsi ni-do san-do
kitte idzürii-ni-mo itsi-do-mo fito-ni saki-wo se-sasezari-si-ka-ha juki-naga-no gun-si-domo nani-
to-zo site o-o-gawutsi-ga saki-ni iden-to tagai-ni kokoro-wa fagemasi-kere-ba ki-katsü-no ku-rö-
mo icasüre-keri. Jil-si-no kokoro-zasi-wa |^ ^ tesseki-jori-mo kata-kari-keri-to me-ivo loodorokasü
bakari nari.
Plierauf berechneten die Kriegsmänner in der Feste die Zeit und zogen zu dem
nächtlichen Ueberfalle aus. Der Feind, der sich bei mehrmaligen nächtlichen Ueberfällen
die Hände verbrannte, breitete über den flachen Sand Sitzfelle, empfing auf den Hel-
men ßeiffrost. Dem Auge keine Ruhe gönnend, hängte er an die Flinten die Lunte,
legte auf den Bogen den Pfeil, erfasste den Hals der Lanzen und bewahrte sorgfältig
das Lager. Lidessen theilten sich die Belagerten in zwei Abtheilungen, stellten sich in
Reihen und schlugen nach rechts und links unter Lärmen los. Ob man auch im heftigen
Kampfe die Zierathen der Klinge abschabte, den Schwertgriflf spaltete, da die Ivriegs-
kunst des grossen Reiches richtiggestellt war und die Unserigen, gänzlich gebrochen,
nicht erschlagen werden durften, leisteten die benachbarten Lager durchaus keine Hilfe.
Desswegen zerstreute die kleine Macht der Belagerten, ihrem Wunsche gemäss, ein
ganzes feindliches Lager und die Unserigen traten , • ohne dass ein einziger Mann
erschlagen worden wäre, den Rückzug an. Heimkehrend stiessen sie die Lanzen gleich
Stäben in den Boden und kehrten auf diese Weise schwankend heim.
Da 0-o-gawutsi beständig das Thor zu seinem Dienstplatze machte, trat er jeden
Tag zwei- bis dreimal mit Entschlossenheit heraus und liess kein einziges Mal einen
anderen Menschen voraustreten. Da die Kriegsmänner Juki-naga's Anstrengungen mach-
ten, um auf irgend welche Weise vor 0-o-gawutsi herauszutreten, vergass man auf die
Qualen des Hungers und Durstes. Dass der Sinn der muthigen Kriegsmänner härter
als Eisen und Stein gewesen, kann nur mit Staunen erfüllen
Ni-ziu-sitsi-nitsi sb-ten-jori mata tai-teki un-ka-no gotoku seme-agaru. Rö-feo sü-zitsu tsiü-
ja-no seme-nm'e-tare-ba nani-ka-iim wodoroku-beki tsüki-korosi fane-otosi fusegi-tatakai fei-ura
ken-go nare tatsn-no koku bakari-ni koto-gotokto fiki-si-ka-ba mi-kata-mo iki-ioo-zo jaswme-keru.
Am sieben und zwanzigsten Tage, seit dem frühesten Morgen, stieg der mächtige
Feind wieder gleich Wolken und Wolkendunst angreifend herauf. Da die Belagerten
durch mehrere Tage an Angriffe bei Tag und Nacht gewöhnt waren, konnten sie auf
Der Feldzug der Japaner gegen Corea. 237
keine Weise erschrocken sein. Erstechend und niederhauend führten sie den Vertheidiö'unafs-
kämpf, und die innere Seite des Erdwalls war wohl fest. Da der Feind um die fünfte
StLintle' vollständig sich zurückzog, kamen auch die Unserigen wieder zu Athem.
Sikaru tokoro-ni tsiku-zen kuo-mon fide-aki-kö go-ka-rb jjj P jama-gutsi gen-ba-no zeö-wo
mesi-te urii-san-no ro-zib nan-gi-ni ojohu-no rö-feö niu-ge-ni süte-korosü-heki-ni arazü isogl
ka-sei-iüo su-besi. Tadasi "^ ^ tb-zib ju-san-kai-wa nippon-no un-sö zi-jü dai-itsi-no minato
nare-ba tai-min-zhn uru-san-no nin-kazü-ivo wakete tb-zib-ivo seniezü-to iü koto arii^be-karazü.
Sa-aran-ni ui-te-wa -p jo ziaku-nen-ni site rö-zib-no te-date-ivo sirazü mata no-oi-no fataraki-
wa jb-sü-ico mi-fakarai-te züi-bun tsi-riaku-ivo megurasü-besi. Nandzi-tu tera-zaioa si-ma-no
kaiid-wa kuku-nl ari-te kataku siro-wo mamoru-besi-to no-tamaje-ba gen-ba-no zeö _t. zib-sib-
gun-no on-mi-nite inottai-naki un-koto-to ^\ sei-si-tate-matsüri-kere-domo go-siö-in-naku site ni-
ziü-roku-nitsi fu-san-kai-too gu-slutsü-ba nasare ni-ziü-fatsi-ri-no sono mitsi-ivo itsi-nitsi itsi-
ja-ni go-tsiaka keu-no tatsü-nu koku bakari-ni uru-san kin-sio-no j^, jjj marn-jama-ni un-
sunaje-tvu taterararit-to fitusl-ka kake-fi idzümi-no kami ka-to sa-ma-no süke mo-ri i-ki-no
kami-wo mesi-idasare ^ j^ kon-kib ^ jo-ni magirete tai-teki-no kakomi-wo nori-jaburi uru-
san-ni irih-besi-tü o-use ari.
Unterdessen berief der mittlere Rath von Tsiku-zen, Fürst Fide-aki, seinen Haus-
ältesten Jama-gutsi, Zugetheilten des Angestellten für den Empfang der Gäste, zu sich
und sprach : Die in Gefahr schwebende Besatzung der belagerten Feste Uru-san darf
man nicht rücksichtslos opfern. Man muss schnell eine liilfsmacht bilden. Da aber
diese Feste Fu-san^kai das erste Wasserthor ist, zu welchem Nippon frei hinüberschafft,
so kann es nicht anders geschehen, als dass die Menschen des grossen Ming ihre Leute
vor Uru-san theilen und diese unsere Feste angreifen. Bei einem solchen Ereignisse
kenne ich als Jüngling nicht die Kunst, sich in Festen einzuschliessen. Was ferner die
Unternehmungen im freien Felde betrifft, so werde ich deren Bescliaffenheit erwägen
und die Entwürfe sorgfältig herumgehen lassen. Du und Tera-zawa, Statthalter von
Si-ma, befindet euch hier und bewachet streng die Feste. — Der Zugetheilte des An-
gestellten für den Empfang der Gäste warnte ihn und sagte : Es ist eine Sache, bei
welcher der oberste Heerführer mit seinem Leibe nicht einstehen darf. — Doch Jener
willigte nicht ein. Er ritt am sechs und zwanzigsten Tage von Fu-san-kai weg, legte
einen Weg von acht und zwanzig ßi in einem Tag und einer Nacht zurück und stellte
um die fünfte Stunde des heutigen Tages^ auf dem runden Berge in der Nähe von
Uru-san seine Schlachtreihen auf. Zugleich rief er Kake-fi, Statthalter von Idzumo,
Ka-to, Gehilfen des Vorstehers der Pferde zur Linken und M6-ri, Stattlialter von I-ki,
hei'bei und sagte : Heute Morgen, von der Nacht verworren, werden wir die Einschliessung
des mächtigen Feindes brechen und in Uru-san einziehen.
San-nin tsussinde gooi-zib-tsükamatsüru-wa ni-ziü-go-nitsi i-rai sono omomuki-ioo iro-iro-to
sb-dan-tsükamatsürl-sbrbje-domo tsüne tai-tei-no teki-ni sbrawane-ba tsikara-waza-ni-mo fakari-
goto-ni-mo ojobi-gataku sbrb sükosi zi-setsü-^oo on-matsi-asobasasü-beku josi mbsi-aguru. Säte
kuro-foro-no on-tsükai-han rib-nhi mesi-te go-ko-zib-no dan-dan o-ose-tsükerare rö-zib-no san-
sib-je tsukawasaru uma-no koku bakari-ni urH-san mukb-no iri-umi-no kisi-je kuro-foro-no
mu-sia ni-ki kitatte bgi-wo agete siro-wo maneku. Rö-feb nan-hb-no fei-no vje-ni tobi-agari
' Von 5 bis 9 Uhr Morgens.
2 Von 5 bis 9 Ulir Morgens.
238 Pfizmaiee.
nani-goto jaran-to toi-kere-ha zw-nai-no san-sio \k gun-si-doxio [i& nari-wo sidzümete zib-
i-no sina-zina uke-tamaware-to dai-won agete johawari-kerii. Fi-da-no kmni kazüje-no kami
sa-kib-dat-fu ■men-men-no uma-zirusi-ivo usim-nl täte kahuto-ioo nuki fel-no kasa-gi-ni te-ivo
kake sono foka rö-feo-dumo fei-no si-mai-ni sikori-kakarl uke-tamawaru-tü ari-kere-ba kore-iva
tai-sib-gun-no zib-i nari ren-zitsü ro-zib-no ku-rö y|t ^ bei-süi-naku site ken-go-ni siro-wo
fusegi sü-do-no hii-jü-wo fiirii koto go-kan-etsü naname-narazii. Zib-nai ika-ni-mo kokoro-
dzüjoku omo-besi ika-fodo-no tai-gun nari-to-mo soku-zi-ni kiri-kuzüsi tatsi-motsi j^ un-iüo
firakasü-besi-to jobawari-tari. Fi-da-no kami dai-won-wo motte go- h -ffi zib-si.-je mbsi-aguru-
nite sbrb makoto-ni ari-gatakl zib-i-ico uke-tamatvari ßaku-man-gi-no ka-sei-jmH-mo zib-nai kisoi-te
sbrb go-zen sikaru-beki jb go-ß-rö adzükaru-besi-to kotaje-kere-ba zib-si süde-ni nori-kajeri-keru.
Die drei Miinner meldeten ehrerbietig, dass sie seit dem fünf und zwanzigsten Tage
sich auf verschiedene Weise über diesen Gegenstand besprochen, doch, da es kein ge-
wöhnlicher Feind von grosser Masse sei, könne man durch Stärke und durch List ihm
nicht beikommen. Der Heerführer möge eine kurze Zeit zuwarten. Man berief jetzt
zwei mit schwarzen Rückenpanzern bekleidete Herolde, trug ihnen die Rede in ihren Einzeln-
heiten auf und schickte sie zu den drei Heerführern der belagerten Feste. Um die siebente
Stunde ' kamen zu der Uferhöhe des Meerbusens gegenüber Uru-san zwei mit schwarzen
Rückenpanzeim bekleidete berittene Krieger, erhoben die Fächer und winkten der Feste.
Die Belagerten stiegen flugs auf den Erdwall der Südseite imd fragten, was es gebe.
Die drei Heerführer innerhalb der Feste, ingleichen die Kriegsmänner machten das
Geräusch verstummen vmd riefen mit lauter Stimme, dass sie Aeusserungen des hohen
Willens in Empfang nehmen würden. Der Statthalter von Fi-da, das Haupt der Rech-
nungen und der Grosse der Hauptstadt zur Linken stellten jeder hinter sich die Feld-
herrnfahne auf, nahmen den Helm ab und legten die Hand an die Querhölzer des
Erdwalls. Ausserdem hielten sich die Belagerten an das Geländer des Erdwalls und
sagten, dass sie ganz Ohr seien. Der Abgesandte rief: Es ist der hohe Wille des obersten
Heerführers. Dass durch fortgesetzte Tage die belagerte Feste Ungemach ertragen, ohne
Reis und ohne Wasser entschlossen sich vertheidigt ynd mehrmals kriegerischen Muth
bekundet hat, seine Freude darüber ist unverholen. Wie starkgeistig muss man in der
Feste denken ! Welch' ein grosses Heer es auch sei, er wird es allsogleich niederwerfen
und plötzlich das Loos erschliessen.
Der Statthalter von Fi-da antwortete mit lauter Stimme : Ich melde es den hohen Abge-
sandten. Wir haben den hohen Willen in Empfang genommen. Weil eine Hilfsmacht von
hunderttausend Reitern ist, wetteifert man in der Feste. Möge der hohe Heerführer auf ge-
ziemende Weise es vorläufig bekannt machen. — Hierauf ritten die Abgesandten zurück.
Zib-nai-no zib-ge zib-i-wo kiku-jori o-oi-ni tsikara-wo jete itsi-do-ni kan-zi-tate-matsüri
sastiga-ni den-ka-no ken-soku-to iü-beki go-ki-rib nari. Tb-nen ziü-roku-sai-ni koso narase-
tamb J^ ^ son-go-ga ^jjj ^ sei-kan-jori ^ Mj riü-siussi-tamajeru ^ ^ son-sib kana si-
koku -h Ig kifi-goku-no dai-sib-mib go-ziü roku-ziu-ni ojobi-te sono na ßsasi-ku ßto-ni tona-
jerarurii fai-sib iku-ßto-ga ari-keru-ga kono kotoba-wa ojobazü ziü-roku-no rb-wd roku-ziun-no
■sib-nen kana-fo fome-tsü sosiri-tsti, ivarai-keri.
Seit die Höheren und Niederen in der Feste den hohen Willen gehört, gewannen
sie sehr an Kraft und waren zugleicli gerührt. Es ist in der That ein Geist, von dem
1 Von 11 Uhr Früh bia 1 Uhr Nachmittags.
Dek Feldzug deu Japaner gegen Corea. 239
man sagen kann, es ist derjenige eines weisen Sohnes des Feldherrnhauses. Ein geehrter
Anführer, der in diesem Jahre sechzehn Jahre alt wurde, der aus der Lunge und Leber
Sün's und U's ' hervorgekommen. Sein Name, zu fünfzig und sechzig grossen und kleinen
Fürsten der vier Reiche, der neun Reiche sich erstreckend, wird lange Zeit von den
Menschen besungen. Wie viele grosse Anführer gab es, und diese Worte gebühren
ihnen nicht! Ein Greis von sechzehn Jahren, ein Jüngling von sechs Decaden! — Mit
solchen Worten äusserte man bald Lob, bald Tadel und lachte.
Kadzü-josi-ga ka-tsiü-nite -|g ^^h rib-tsi-no taka-wo turi-bito-gai'a sen-nin-ni-mo sügure-
taru wotoko-mo motte-no foka kosl-nukcte koko-kasiko sio-sio-ni kagami-ioi-taric jatstt-bara ziü-
nin amari-mo ari-si-ga siu-gun-kö-no 07i-kotoha-iüo utsütsü-ni ki-ite faja ru-zib-mo firaku kotu-
to omoi-keru. Ke-siki-nite joro-juro joioa-jowa-to clete samajoi-meguri-kere-ba katca-viura ziü
süke o-o-gaivutsi rau sa-je-mon zeo sasi-tsükete sate-sate tai-sib-no on-kotoba-wa oku-bib-mono-
110 jip ^ miü-jaku-to mije-tari. Ni-ziü-rd-nitsi-no fai-gun-jori me-ni-mo mijezaru jatsü-bara-
ga jorol-joroboi-ariku wokasi-kere ika-ni onore-ra mata teki-ga semu-besi sa-ara-ba me-ico
mawasi tatsi-tokoro-ni si-sü best. Fei-ura-no jaku-ni-wa tatazü sb-sb ja-gura-je Juki mimi-no
trna-je isi-wo komi-te siaga me-to-zo i-l-keru. Kano ziü-jo-nm-no mono -domo mono-ico-mo
iiüazü kasira-ivo sage neri-mawaru. Kadzu-josi kijo-masa ori-si-mo toioori-keru-ga asi-ivo
todomete kore-wo ki-ite kijo-masa i-i-keru-iva nin-gen-no i^ ^ kib-ziaku-iva ka-fodo-ni-mo
kaivaru mono kana are-ra-ni kure-tamb ^ ^ tsi-gib-wa l(| kawa nari-to-zo iware-keru.
Joki tsüi-de-to omoi-keru-ni-ja kijo-masa juki-naga-ni mukai-te go-fen-no sabin'ai ki-mata fiko
saburö tsiü-ja-no furi-ivo mivu-ni fi-rui-naku mi-ojobi-sbrb. Man-ni ßto-tsü-mo un-ioo firaki-
mbsi-sbrawa-ba kua-bun-no ka-zö-si-tamb-besi. Mata go-fen-no ije-nite reki-reki-to mije-taru
lüotoko ni-nin saku-zitsü-no o-o-zeme-no utsi-ni fataraku koto-wa omoi-mo jorazü. Issiuku-iüa
nugi-sütete ^j; ^ kö-je-no katabami-no |^ mon ai^u o-o-jo-gi-wo kakaje murasaki-no utsi-
gai-wo kaburi me-ni fotoke-mo naki tei-nite buratsüki ariki-kei^u. Go-fen-wa imada waka-kere-
ba osi-nokete kano jatsü-bara-ga ka-tsiit-no sasi-fiki-sü-beki tokoro-ni o-oki-uam kosi-nnke nari
ujß-furui-te si-si-ta7-a-ba saiivai mosi-mo nagaraje-ara-ba kiü-ni kubi-wo fane-tamaje-to-zo
ijeri-keru.
In dem Hause Kadzu-josi's Avaren über zehn in der Hohe des Fruchtgenusses des
Bodens vor tausend in Empfang nehmenden Menschen ausgezeichnete, unwürdige Männer,
welche in den Füssen ungewöhnlich lahm, hier und dort an verschiedenen Orten sich
krümmten. Dieselben hörten deutlich die Worte des Heerführers und glaubten, dass die
Belagerung bald aufgehoben sein werde. Von Aussehen haltlos und schwach, kamen sie
hervor und schwankten umher. Kawa-mura Ziü-suke und 0-o-gawutsi-mo, Zugeseilter des
Thores der Leibwache zur Linken, redeten sie an und sagten : Die Worte der Heerführer
scheinen eine wundervolle Arzenei für Feiglinge zu sein. Dass Kerle, die man seit der
Niederlage des zwei und zwanzigsten Tages mit keinem Auge gesehen hat, gepanzert
und haltlos einhergehen, mag lächerlich sein. Höret! Wenn der Feind wieder an-
greifen sollte, werdet ihr schwindelig sein und auf der Stelle sterben, Ihr, die ihr für
den Dienst innerhalb des Erdwalls nicht tauget, frühzeitig zu den Thürmen gehet
und in eure Ohrlöcher Steine stopfet! — Jene zehn Menschen senkten, ohne ein Wort
zu sagen, die Häupter und schlichen umher.
' Die chinesischen Heerführer Siin-tse und U-tse-siü.
240 Pkizmmek.
Kadzu-josi und Kijo-masa gingen um die Zeit hindurch. Sie standen still, und als
sie dieses hörten, sagte Kijo-niasa : O dass die Stärke und Schwäche der Älenschen so
sehr wechselt! Der Boden, dessen Fruclitgenuss du ihnen gibst, ist ein Fluss.
Kijo-masa, dieses wohl für eine gute Cxelegenheit haltend, sprach zu Juki-naga: Wenn
man sieht, wie dein Kriegsmann Ki-mata Fiko Sabui-o bei Tag und Nacht sich benimmt,
so erscheint er unvergleichlich. Wenn wii- wie Eins zu Zehntausend das Loos erschliessen,
niusst du überaus grosse Zugaben luid Vei'mehrungen zu Wege bringen. Ferner sind
in deinem Hause zwei Männer, welche anständige Männer zu sein scheinen. Während
des gesterigen Angriffes war deren Thun ganz unerwartet. Sie warfen den Panzer weg,
hängten ein rothgesticktes , mit Streifen von Sauerampfer versehenes Nachtkleid an,
deckten über das Haujit einen purpurnen Sack ohne Boden und gingen, mit den Augen
auf eine gottlose Weise nickend, einhei'. Da du noch jung bist, sind sie in dem Augen-
blicke, wo man sie wegjagen, von jenen Kerlen das Haus säubern sollte, grosse lahme
Menschen. Wenn sie vor Hunger und Frost gestorben sind, wäre es ein Glück. Wenn
sie am Leben sind, haue ihnen schnell das Haupt ab.
Ni-zm-fatsi-nitsi tai-min-zin tai-gun nare-ba uru-san yJ^ Wj siu-tsi-to i-i ko-zei-to i-i kata-
gata kibisü-wo megurasü-be-karazü-to ta7ia-gokoro-ni nigiri nin-ba kosi-feo-ro bakari-nite tori-
ide-taru tokoryj-ni siro motte-no foka-iii kata-kari-si-ka-ba teki-mo siro-to fitosi-ku nje-tari-keri.
Sikai'e-doriw sü-man-ki-no tai-gun fadzüka-no ko-siro ßto-tsü seme-otosazü-site ivo-me-wo-me-to
fiki-toru-beki koto tai-min-no tsi-zioku-to omoi-kere-ba inisl-je kazuje-no kami-ni tsnkaje-si
jgl 2fcC tcoka-moto jetsi-go-no kami-to iü mono saru si-sai ari-te nippon-wo siwppon-si tosi-
goro tai-min-ni dziü-site kon-do itru-san-ni vmkai-te fatsi-sen-gi-7io tai-sib-nite kitari-keru-ga
kare-ioo rib-nin-no wb-no -j^ 'fiB tai-si-to site kon-nitsi mi-no koku bakari-ni atsukai-ioo irete
i-i-keru-wa zib-nai sü-zitsü-no jü-riki fi-rid-naki si-dai nari kuno uje-ioa siro-tco ake-watasi-te
sin-mei-wo tasiikari nippen dai-wb-je tsiü-setsü are-kasi-to arH.
Acht und zwanzigster Tag. Da die Menschen des grossen Ming ein grosses Kriegs-
heer waren, hielt man Uru-san für ein kleines Gebiet, seine Kriegsmacht für klein. Ohne
an den Seiten die Ferse drehen zu können, griff man mi't flacher Hand zu und nahm bloss
die tragbaren Mundvorräthe für Menschen und Pferde mit. Da indessen die Feste ausser-
ordentlich stark war, litt der Feind zugleich mit der Feste Hunger. Man hielt es jedoch
für eine Schande für das grosse Ming, wenn man, mit einem grossen Kriegsheere von
mehreren zehntausend Reitern die unbedeutende, kleine Feste nicht durch einen einzigen
Angriff" zum Falle bringe und behutsam sich zurückziehen würde.
Ein Mann, Woka-nioto, Statthalter von Jetsi-go genannt, der ehemals als Haupt
der Rechnungen diente, war, indem er hierzu Ursache hatte, aus Nippon geflohen und
wohnte seit Jahren in dem grossen Ming. Derselbe stand jetzt als Anführer von acht-
tausend Reitern vor Uru-san, und die zwei Könige bestimmten ihn zum grossen Abge-
sandten. Er leitete heute um die sechste Stunde ' Unterhandlungen ein und sprach: Der
Muth und die Kraft, welche die Feste seit einigen Tagen bekundet, sind unvergleich-
lich. Möge man nebstdem die Feste übergeben, das eigene Leben retten und gegen
den grossen König von Nippon Redlichkeit zeigen.
Zib-nai-jori ta-naka o-gaivufsi k?i-t.m-mi san-nin idete jetsi-go-no knmi-je tagai-ni na-nori-
ai-te migi-no kö-zib-wo kiki o-o-gaivutsi tsükai-ban nare-ba juki-te san-sib-je mbsü-besi-to
' Von 9 bis 11 Uhr Morgens.
Dek Feldzug der Japaner gegen Corea. 241
ta-)inka ku-tsü-mi i-i-keru-ivo o-o-gawutsi wuka-vioto-ni mukatte ika-ni jetsi-go dono go-fen-mo
nippo)i-no fito tari-si-ga so-mo-so-mo-ja inotsi-ga osi-ki tote teki-ni siro-wo watasi-te nige-noku
1^ fo-ja aru-beki kara-kuni-wa iza sirazü waga teo-ni oi-te-wa kono -ffilj 7-ei-wo kikazü. Sono
mune tai-sib-je mbsi-tara-ha ono-ga sin-mei tasükari-ta-sa-ni tt. fo-naki koto-ioo mbsü tote
ikarn-beki-wa — • ^ itsi-deo nari. Sa-no gotoku naru oku-bio sa-ta tai-sib-je mbsü koto
kaku-go-ni ojobazü-sbrb. Zib-nai midzü feo-rö sitkosi-mo naku tama-kusüri saje fadzüka-ni
nare-ba tai-gim-wo motte semeraren-ni nam-fodo-no koto-ga sbrh-beki tada toku-toku semeraru-
besi si-kaba7ie-wo uru-san-ni udzümi-te ^ ig gi-mei-ioo kö-sei-ni sadzüken-to-zo i-i-kerii.
Ta-naka, O-o-gawutsi und Ku-tsu-mi traten aus der Feste heraus, sagten dem Statt-
halter von Jetsi-go gegenseitig den Namen und hörten die obigen Worte. Da O-o-
gawutsi der Unterhändler war, sagten Ta-naka und Ku-tsu-mi, er möge hingehen und
es den drei Heerführern melden. O-o-gawutsi sprach zu Woka-moto: Herr Jetsi-go!
Du warst auch ein Mensch von Nipjjon. Mag es wohl eine Vorschrift geben, der gemäss
man, aus Liebe zum Leben, dem Feinde Festen übergibt und hinwegflieht. In dem
chinesischen Reiche kennt man dieses nicht, in unserem Lande hört man davon kein
Beispiel. Wenn Avir dieses den Heerführern melden, werden sie gewiss zürnen, weil
wir, bei dem Wunsche, das eigene Leben zu retten, etwas Vorschriftwidriges melden.
Die Darlegung einer Feigheit solcher Art kann man für die Heerführer nicht bereit
halten. Da in der Feste Wasser und Lebensmittel auch in der kleinsten Menge nicht
vorhanden, Kugeln und Pulver es ganz imbedeutend sind, wie viel kann es da bedeuten,
wenn wir von dem grossen Heere angegriffen werden? Mögen wir nur sehr schnell
angegriffen werden. Wir werden die Leichname in Uru-san begraben und den Namen
der Gerechtigkeit späteren Geschlechtsaltern mittheilen.
Jetsi-go-no karni sore-wo kiki-te ze-fi-naku fon-dzin-je kajeri-si-ga mata nori-kitari san-
nin-wo maneki-dasi o-o-gawutsi-je mukatte go-fen go-sio-zon-nite go-fen-to rib-wb-je mbsi-kere-ba
motte-no foka o-oi-ni kan-zi rib-wb-no kotoba ajamari nari-to kö-kuai-seri. Kan-ten-to i-i tai-
gun-ni kakomare midzü-ni kassi sioku-ni uje-taru rö-fei jü-si-no mitsi-tvo tatete tai-sib-no
mimi-ni daiii irezü-to iü koto motto-mo kan-züru-ni taje-tari. Sono fito-no na '^ ^ mib-zi-
■100 kaki-tomu-besi-to rib-iob sünaivatsi go-fen-no on-na-wo kaki-tome-tari . Sikara-ba tai-min
ni-nin-no icb-to zib-nai san-nin-no tai-sib-to tagai-ni ko-zei-nite fan-to-ni ide-ai kiiai-
mei-si sono uje ^ ^ i-gi-naku ßki-tori tagai-ni ki-katsü-no Ä ^ rd-fei-ico jasumu-
besi-to ari.
Der Statthalter von Jetsi-go, dieses hörend, wusste nichts zu erwiedern und kehrte
in sein Lager zurück. Er kam hierauf noch einmal herangeritten, winkte die drei
Männer herbei und sprach zu O-o-gawutsi: Als ich nach deinem Sinne die Antwort den
beiden Königen hinterbrachte, zollten sie imgewöhnlich grosse Anerkennung, und sie
bereuten die Unrichtigkeit ihrer Worte. Dass die Belagerten, bei kaltem Wetter, von
einem grossen Heere umzingelt, dürstend und hungernd, den Weg muthiger Kriegs-
männer begründen und den Heerführern es nicht einmal zu Ohren bringen, ist überaus
der Anerkennimg würdig. Sie sagten, man mtisse den Namen und den Geschlechtsnamen
dieses Menschen aufschreiben. Die beiden Könige schrieben dann deinen Namen nieder.
Da es sich so verhält, müssen die zwei Könige des grossen Ming und die drei Heer-
führer in der Feste gegenseitig mit einer kleinen Kriegsmacht auf halbem Wege zusammen-
treffen, einen Vertrag beschwören, ausserdem ohne Widerrede sich zurückziehen und die
hungernden und dürstenden, ermüdeten Krieger ausruhen lassen.
Denkschriften doi- phil.-hist. Ol. XSV. Bei. 31
242 Pfizmaier.
0-0-gaioutsi sojio kö-zib-wo san-sib-je fi-ro-sü. San-sib gun-beö-wo mesi-atsüme men-men-
no sio-zon nokorazü mbsi-hesi-to ari-kere-ha ^ p i-ku do-sin-ni mbsi-keru-ioa tote-mo kono
sirn-no tei-tarakn. itsu-ka mi-ka-tvo idezü-site kotu-gotoku uje-si-sü-besi sa-aran-ni oi-te-iva
nippou sio-zei-iiü joivari nomi-iü. arazü ja-tsü-no siro-z/ro-mo tsikara-iüo usinai teu-sen-to
— ■ ^ ikkua-no jakara-mo sbrbje-ha to-ni-mo kaku-ni-mu sir'o-wo seme-otosarezü-site tai-teki-wo
nabike-taru kono zib-nai si-goku-no sio-ri-taru-besi. Flto-zitsi-wo tor'i-kaiva.n ken-jaku tadasi-ku
go-tai-men-ni oi-te-iva sikaru-beki on-koto-to kotoba-ico tsi^ltsiimazü mbsi-kere-ba san-tai-sib ware-
ivare-mo sa-koso omoje-to zib-ge itsi-du-ni kessi san-sib-jori fen-to-ni rib-gun ßto-zHsi-wo tori-
kaivasi tai-men i-go i-gi-naku uma-ico ireraru-nl oi-fe-wa rib-tob nozomi-ni makasü-hesi-to ari.
0-o-gawutsi gab diese Rede den drei Heerführern bekannt. Die drei Heerführer
beriefen die Krieger des Heeres zusammen und sagten, dass ein Jeder ohne Ausnahme
seine Meinung aussprechen könne. Mit verschiedenen Worten, jedoch einmüthig sagte
man: Wie diese Feste beschaffen ist, müssen wir, ehe noch fünf Tage, drei Tage vor-
über sind, insgesammt Hungers sterben. Dann sind die Streitkräfte von Nippon nicht
allein schwach , auch die acht Festen verlieren ihre Kraft. Wenn wir mit Teö-sen in
Eintracht ein Geschlecht bilden, wird jedenfalls die Feste nicht erstürmt, und es muss
für das Innere dieser Feste, welche den mächtigen Feind gebeugt hat, der höchste Sieg
sein. Es ist eine angemessene Sache, dass man gegenseitig Geiseln stelle, redlich bei
dem Versprechen sei und von xVngesicht zusammentreffe. — Als man dieses unumwunden
dargelegt hatte, sagten die drei Heerführer : Wir denken ebenfalls so. — Man fasste
zugleich den Entschluss, und von Seite der drei Heerführer sagte man in der Antwort:
Nachdem die beiden Heere gegenseitig Geiseln gestellt haben und man von Angesicht zu-
sammen getroffen ist, kann man es dem Willen der beiden Könige überlassen, dass
die Pferde hereingebracht wei-den.
0-o-gawutsi sono mune jetsi-go-no kami-ni i-i-watasü. Sükosi toki-wo fete mata jetsi-go-
110 kami kitari-te hvaku ßto-zitsi-no nozomi motto-mo si-goku-ni sbraje-domo sari-nagara zib-
tsiü-no san-dai-sib-no utsi jj^ J^ sib-nin-to site itsi-nin kono fb-je siiitsü-zib-mo aru-mazi-ku
sbrb. Mata tai-inin tai-kub-tei-no mib-dai nare-ba kono fb •rib-tvb-no utsi itsi-nin 71 iKg niu-
zib-mo nari-gatasi. Sikara-ba i-ge-7io ßto-zitsi-wa sen-nasi sono uje tai-koku-ni itsüu-ari-naki-
no -^ deo. Sib-guatsü mi-ka uma-no toki-ni kuai-mei-to ari-kere-ba siro-jori-mo motto-mo-to
fen-zi-site sono omomuki-ni kiwamari tsükai-wa süde-ni kajeri-nu.
0-o-gawutsi überbrachte diesen Beschluss dem Statthalter von Jetsi-go. Nachdem
eine geringe Zeit verflossen, kam der Statthalter von Jetsi-go nochmals und sprach :
Der Wunsch nach Geiseln ist zwar äusserst bereclitigt, jedoch das Haus der drei Heer-
führer in der Feste besteht aus rechtlichen Menschen, und es darf kein Einziger zu uns
aus der Feste treten. Auch kann es unmöglich geschehen, dass aus dem Hause unserer
beiden Könige, da sie Stellvertreter des grossen Kaisers, des grossen Ming sind, ein
einziger Mensch in die Feste tritt. Unter solchen Umständen sind Geiseln hinfort
unnütz. Ueberdies sind in dem grossen Reiche die Tunkte des Uebereinkommens ohne
Falschheit. Am dritten Tage des ersten Monates des Jahres, um die siebente Stunde '
wird der Vertrag beschworen. — Aus der Feste antwortete man, dass dieses Recht
sei. Es wurden über den Gegenstand Bestimmungen getroffen und die Abgesandten
kehrten zurück.
' Von 11 Ulir Morgens bis 1 Ulir Nachmittags.
Der Feldzug der Japaner gegen Corea. 243
Teki mi-kata ja-ivo todome-te-kere-dovio zib-nai-ni-wa sükosi-mo kokoro-wo jurusazü-site
fei-ura-icu kataku mamori-keru,. Sikaru tokoro-ni o-o-gatvutsi sime-ate-wa jamete kia-fan-ioo
fagi-wi-keru-ga kia-fan-no wo-mo tokezü-site asi-kubi-je sagari-tari. Kind-nto sagarl-si-ioo fiki-
agarasime nuisühi-oki-si-ni mata sagari-tare-ha sore-nite kokoro-tsüki süne-niku otsi-te koso-to
omoi kia-fan-ioo tori-te mire-ha tada take-iio tsütsü-too tate-taru gutoku-nite fukura-no niku-
wa sükosi-mo naku-te fone-ni kawa-no kakaru bakai'i nari. Fh-fai-ni jama-gaioa -M naga
fei-je-zeo-to iü mono ara-arasi-ki umare-tsüki-nite tsüne-ni fowo-bone arete me-mo o-oi-ni kutsi
firoki wofoko nare-ha tsitra-wo mi-ha-ja-to onioi o-o-gawutsi jama-gaiva-ai inukai go-fen kahuto-
wo nui-te foico-afe-v:o totte omote-ivo mise-jo-to i-i-kere-ba jama-gawa kotajete teki nitvaka-ni
seme-ba kabuto-ico kiru fima aru-mazl-ki-to i-i-sl-ivo mu-ri-ni nugasete mire-ba makotu-ni nani-
ni tatö-beki jb-mo naki ^ 'äik men-tai tada ^ e-ni kakeru ga-ki-ni koto-narazü. Sio-gun-
beo kore-wo mite itsi-do-ni te-iuo utte taka-ivarai-si »lata rnku-rt/i-süru-m.o a,ri.
Obgleich der Feind und die Unserigen ihre Pfeile zurückhielten, war man in der
Feste niclit im Geringsten sorglos und bewachte streng die innere Seite des Erdwalls.
Als indessen 0-o-gawutsi sich der Beinharnische entledigte und eben die iStrümpfe aus-
zog, waren die Strumpfbänder, olme dass sie sich gelöst hätten, zu dem Halse des
Fusses herabgesunken. Auch gestern waren sie herabgesunken, und er iiatte sie höiier
heraufgezogen und angebunden. Da sie wieder herabgesunken waren, wurde er auf-
merksam, und er glaubte, dass das Fleisch der Beine eingefallen sei. Als er die Strümpfe
wegnahm und hinsah, war es, als ob Bambusrohre hingestellt wären. Das Fleisch der
Waden war gar nicht vorhanden, und die Haut hing nur an den Knochen.
Unter seinen Genossen war Einer, der sich Jama-gawa Naga, Zugesellter der be-
waffneten Leibwache, nannte. Da derselbe ein Mann war, der bei einer groben Ivörper-
beschaffenheit immer grobe Gesiclitsknochen, grosse Augen und einen breiten Mund
hatte, so wünschte Ü-o-gawutsi dessen Gesiclit zu sehen. Er sprach dahei- zu Jama-
gama : Lege den Helm ab, nimm den Helmsturz weg und zeige dein Angesicht. —
Jama-gama erwiederte: Wenn der Feind plötzlich angreift, wird keine Zeit sein, den
Helm aufzusetzen. — Jener nöthigte ihn, den Helm abzulegen. Als man Jama-gawa
ansah, wusste man wirklich nicht, womit man ihn vergleichen solle. Seine Gesichts-
bildung war von derjenigen eines hungrigen Dämons, dei' nur auf Gemälden gemalt
wird, nicht verschieden. Die Krieger des Heeres, welche dieses sahen, schlugen zugleich
in die Hände und lachten laut. Es gab deren auch, welclie Thränen vergossen.
0-o-gawutsi i-i-keru-ioa kono 7^ siki - nite - iva teki itsi-nin ai-te-ni süru koto nari-
gata-kant-besi. Ware uzi-gami dai-bo-satsü-wo ^ sin-zi-tate-matsw'e-ba jo-tsü asi-wo kataku
^ kin-zi-keru-ga kono toki-no koto )iai'e-ba tote si-si-taru um.a-no vwmo-ivo kiri-totte ja-no
ne-ni tstirauuki i-komi-si ja-domo-iw taki-gi-to si jai-te sioku-si-keru. Sio-nin kore-ivo mite
ika-ni o-o-gaioutsi azl joki-ja-to tö. Kotajete ware-ioa azi-ni-wa kamaumzü tsikara-ni saje nara-
ba isi nari-to-mo nonde t^ A tö-zin fitori ai-te-ni sen tarne nari-to i-i-kere-ba ware-mo fito-mo
motto-mo tote sioku-si-keru fodo-ni si-go-fiki-no uma-no asi fodo-naku mina-ni si-tare-domo
tai-zei-no koto nare-ba nodo-ioo nurasü fodo-mo na-kari-keri.
0-o-gawutsi sprach : Auf diese Art kann es unmöglich geschehen, dass wir mit
einem einzigen Feinde handgemein werden. Als ich an den Gott der Geschlechtsnamen,
den grossen Bosats glaubte, verbot man streng die Vierfüssler. Doch es handelt sich
um die Gegenwart. — Hiermit hieb er einem todten Pferde den Schenkel ab, steckte
ihn an einen Pfeilschaft, gebrauchte hereingeschossene Pfeile als Brennholz, briet ihn
31*
244 Pfizmaier.
und uss ihn. Die Leute, welche dieses sahen, fragten ilui : 0-o-gawutsi ! Schmeckt es
gut? — Er antwortete: Ich kümmere mich nicht um den Geschmack. Wenn es nur für
die Kraft ist, so mögen es Steine sein, ich verschlucke sie. Es ist, um mit den Menschen
von Thang für mich allein handgemein zu werden. — Weil er und Andere sagten, dass
es Recht sei und assen, vertilgte man unverzüglich die Schenkel von vier bis fünf
Pferden. Da es sich aber um eine grosse Streitmacht handelte, war es nicht so viel,
um die Kehle zu befeuchten.
Ni-ziu-ku-nitsi teki mi-kata tagai-ni mono-sidzüka nari. Sare-domo zio-nai-ni-wa tsiü-ja
me-ico awasezü katame-keru. Zib-nai koko-kasiko-no ja-gura sita mitsi-waki-no fi-omote-ni-wa
sahurai asi-garu nin-ha-ra-ni kagirazü ki-katsü-no uje-no ^ ||^ kan-nan-ni itami go-ziü-nin
san-ziü-nin-dzütsü tisiro-je motare mata sono usiro-je motarete kbbe-ivo tare fusi-ivi-keru-toa
kazü-ivo sirazii. Faja ni-san-nitsi-mo mi-wo igoki-vio sezare-ha fei-ura mawaru-gtm-si jari-wo
mi-dzükara katagctc mawari-si'7ii ikka-mo ivgokazari-si-ka-ba jari-no isi-dzüki-tvo motte fane-
tawosi mire-ba koto-gotoku tvi-sükumi-ni nari arui-ioa koivori-ni todzirare .n-si-wi-tari-keri.
Aware-to-mo gon-zetsü-ni-ica nobe-gataki ro-zih nari.
Am neun und zwanzigsten Tage verhielten sich der Feind und die Unserigen
gegenseitig ruhig. Jedoch in der Feste schloss man Tag und Nacht kein Auge und
wachte. In der Feste lehnten unter den hier und dort befindlichen Tliürmen, an der
Sonnenseite der Theilungen der Wege, Kriegsmänner, nicht bloss Fussgänger und
Arbeiter, zu Hunger und Durst noch von Kälte leidend, zu Fünfzigen und Dreissigen nach
rückwärts. Die Zahl derjenigen, welche, sich nach rückwärts lehnend, dazu den Kopf sinken
Hessen und liegen blieben , ist nicht bekannt. Als sie bereits zwei bis drei Tage sich
nicht rührten, stiessen die innerhalb der Mauern umhergehenden Krieger, indem sie, die
Lanze auf der Schulter tragend, umhergingen, als jene durch mehrere Tage sich nicht
rührten, sie mit dem stumpfen Ende der Lanze zu Boden. Als sie hinsahen, waren die
Menschen sämmtlich zusammengeschrumpft, einige von Eis verschlossen, und waren
todt. Es war eine traurige und durch Worte nicht zu beschreibende Belagerung.
Kaku-te ima teki seme-ivo jurusi kiü-soku-no ßma ari-kere-ba kijo-masa ka-tö-jo-fei-dzi-
wo mesi 0 gu-si fon-maru kadzü-josi-no moto-je kite o-o-gawutsi mo-sa-je-mon-deo-wo tsika-
dzüke ni-ziü-san-nitsi sd-kamaje -4^ l^ tni-fai-no ^J koku go-fen fi.-rui-nakl singain-no ßto-
fiiri ja-gura-jori fogaraka-ni itsi-ran-sü. 0-o-te-no p^ mon-no singari-wa go-fen karame-te-
no mon-no shigari-um jo-fei-dzi nari-to ijeri. 0-o-gaivutsi kata-zi-ke-naki o-kotoba-wo uke-
tamawari-shrb-je-doyno soregasi-wa katsüte singari-nite-iva sbrawazü. Ni-ziü-ni-nitsi-no tai-Jai--
gun-ni uma sü-ka-sio irare-sbrb-je-ba katsi-datsi-no si-awase-taru-ni jotte ono-dzükara osoku
tori-iri-te-sbrb isasaka motte singari-tsükamatsürti-beki sio-zon mö-tö sbraivazü. 0-ije-no jo-fei-
dzi-dono koso kokoro-wo kake sa-kib dai-bu-dono-wo saki-ni tatete sono tije itma-zirusi-ni |^
wa-wo kake teki-ni utasezü-site tori-iri-sbrb koto köre ko-kon bu-s6-no na-takaki singari-nite
sbrb-to kotaje-kere-ba kijo-masa tai-jetsü-no ke-siki-nite o-oi-ni ivarai go-fen sib-zik/ sügi-taru
fito kana kokoro-gake-naki tote-mo ato-ni sirizoki-taru-mono-wo .nngari-to-ioa iü nari-fote
sünawatsi sono fi-no rib-nin-ivo singari-fo nioku-roku-ni kaki-nose-tari . Sazo ^ "J^ zib-ka-
100 mire-ba zib-nai-je teki-jori i-keru ja-saki isi-gaki-ni atari otsi-tsümori-si-ni fatsi-ken-no
isi-gaki ni-ken-jo-iva koto-gotoku ja-ni umari-keru.
Als somit der Feind jetzt in seinen Angriffen nachliess und eine Weile Ruhe war,
berief Kijo-masa den Kx'iegsmann Ka-to-fei-jo-dzi zu sich. Er zog 0-o-gawutsi-mo,
Dee Feldzüg der Japaner gegen Cobea. 245
Zugesellten des Thores der Leibwache zur Linken, der in dem ursprünglichen Rund zu
Kadzii-josi kam, in seine Nähe und sprach : Am drei und zwanzigsten Tage, zur Zeit
als die allgemeine Umschliessung vollständig gebrochen wurde, beobachtete ich von
dem Thurme genau die unvergleichliche Weise deiner Deckung des Rückzuges. Den
Rückzug zu dem Thore der vorderen Seite hast du gedeckt. Den Rückzug zu dem
Thore der rückwärtigen Seite hat Jo-fei-dzi gedeckt. — Als 0-o-gawutsi diese verbind-
lichen Worte erhielt, erwiederte er: Ich habe den Rückzug nicht gedeckt. Da bei der
grossen Niederlage des ein und zwanzigsten Tages mein Pferd an mehreren Stellen
angeschossen wurde, musste ich zu Fusse gehen, und ich rückte desswegen spät ein.
Ich hatte nicht im Geringsten den Gedanken , dass ich den Rückzug decken könne.
Der Herr Jo-fei-dzi aus deinem Hause richtete hierauf sein Augenmerk. Den Herrn
Grossen der Hauptstadt zur Linken voranstellend, hängte er überdiess an die Feldherrn-
fahne das Rad und rückte, den Feind nicht zum Schlagen kommen lassend, ein. Dieses
ist eine ausgezeichnete Deckung des Rückzuges, die in dem Alterthum und in der
Gegenwart ihres G] eichen nicht hat. — Kijo-masa, in seinem Angesichte grosses AVohl-
gefallen zeigend, lachte laut und sprach: Du bist ein überaus ehrlicher Mann! Denjenigen,
der, obgleich gedankenlos, zurückgewichen ist, nennt man den Decker des Rückzuges. — Man
trug dann die zwei Männer jenes Tages als Decker des Rückzuges in die Verzeichnisse ein.
Als man den Fuss der Feste betrachtete , hatten sich daselbst die von Seite des
Feindes in die Feste geschossenen Pfeilspitzen, indem sie die Steinmauer trafen, im
Fallen gehäuft, und von der acht Ken in der Höhe messenden Steinmauer waren über
zwei Ken gänzlich unter Pfeilen begraben.
Zusätze des Fürsten Kijo-masa :
Oku-goku-tsiü osi-fataraki-no •mitsl-siizi-nite sio-7iin o-oi-ni ran-hb-sü. Fide-moto-mo nippon
ki-teö-no mijage-to omoi-te aja nisiki kin-ran siu-sü fl[E ^ niu-riö don-sü iro-iro-no maki-
rnono fi-hi jerami-te kon-nitsi totte mata mib-nitsi-wo mite-wa maje-ni tottai'u sükosi-mo otoreru-
wa jaki-sütete *|[ rui-sükunaki bakari-iuo süguri-tori san-fiaku sitsi-ziü ^ kuan tori-to.ri.
Sio-nin koto-gotoku kokoro-ni makase-tottario ato-nite-wa o-oi-naru kura-mo mina jaki-tsirasi-te
toioori-keru. Flde-inoto fawa M^ ^ mio-gen-in-je mijage-ni-to kokoro-zasi-taru in-sü-no sia-
ka ^t}- 1^ kon-si ^ ^M kln-dei-no tagui-naki nd-fitsü-no ^ ^ ^- fo-ke-kiu sono foka
jumi-ja si-ko tsia-wan suzüri i-ge iro-iro sama-zama-no teo-sen do-gu-wo tori usi ni-fiki-ni
tsükete uru-san-no ko-ja made tsütsüga-naku motsi-kitari-si-nifatsi-ziü-man- ^ ki-ni oi-komare
i/ma nado fumi-korosi-taru tei nare-ba ko-ja nite nokorazü siu-sissü. Sore nomi narazü
tai-kh den-ka-jori fai-rib-se-si on-fa-wori tob-gon fide-moto dziü-dai bi-zen ^ -^ kane-
mitsü-ga ivaki-zasi-ni itaru made koto-gotoku ^ h en-zib-si-tari-ki.
Auf den Wegen der Unternehmungen im Inneren des Reiches machten alle Krieger
i-eiche Beute. Auch Fide-moto glaubte, dass die Gegenstände bei der Rückkehr nach
Nippon sich zu Geschenken eignen würden. Er suchte jeden Tag Damast, ßrocat, Gold-
brocat, Atlas, Seidendamast und allerlei Gemälde aus. Indem er die Gegenstände heute
nahm und morgen wieder betrachtete, verbrannte er dasjenige, welches dem früher Genom-
menen etwas nachstand, wählte nur das in seiner Art Seltene und nahm dreihundert sieb-
zig Rollen (Gemälde). Nachdem die Leute ganz nach ihrem Gutdünken genommen hatten,
verbrannten sie alle grossen Vorrathhäuser und zogen weiter. Fide-moto nahm die
24ß Pfizmaiek.
verschiedenen Grerätlie von Teö-sen, welclic er dem Tempel Mio-gen , dem Tempel
seiner Mutter zum Geschenke zu machen beabsiclitigte, die auf gesiegeltem blauem
Papier mit Goldtinte von einem unvergleichlich geschickten Schreiber geschriebenen
Bücher der Secte Fo-ke, ausserdem Bogen und Pfeile, Pfeilkürbe, Theeschalen, Tinten-
steine und noch Mehreres,' lud es auf zwei Rinder und war damit ohne Unfall bis zu
den Hütten von Uru-san gekommen. Als indessen das Eindringen der achtzigtausend
Heiter und Ertreten durch die Pferde stattfand, verbrannten alle diese Gegenstände in
den Hütten. Nicht nur dieses, auch der Mantel und das Gold, das er von dem grossen
Seitenthore (Fide-josi) und den Menschen unter der Vorhalle zum Geschenke erhalten,
selbst das Erbstück des Geschlechtes Fide-moto, das kurze Schwert von Kane-mitsu aus
Bi-zen, Alles wurde ein Raub der Flammen.
Kadzü-josi kijo-masa ^ 2/ -\^ 2^ to -in tokoro-ni tö-riu-no utsi pj^ ^ rih-ke-no gun-
zei-too motte jama-wo tori-maki tora-gari-se-si-7ii tora sikari-kakaru mukb tüi-tani, kijo-masa-
ga gnn-si kabuto-gurumi-ni kasira-wo kurai-ßsigare ko-te-gurumi-ni vde-iüo kurai-ßsigaretc
tatsi-matsi-ni si-si-tari-kere-ha dai-zi-no ikusa-wo kakajete sio-sen irazaru koto-tote fora-gari-
wo jame-fari. Sare-ha teo-sen-nite-mo tora-gari-no i^j ku-ioo koto-ni tai-jä-to sadamuru nari.
Mata yh ly ^ tv-m tokoro-ni idete osi-keru-ni ^ ~p amari-no jg -^ ta-kire ari-te
vvia-no fufo-vioiiio-too seinuru fodo nare-ba doro-ivo konete norl-watasu koto nari-gatasi. Ika-
ga-su-beki-to in tokoro-ni o-oki-naru kura ari. Utsi-jaburi mire-ba ||| tö-mo-men-wo tsume-
okl-tari. Saitvai-to tori-idasi ^ ~y jo-no faka-doro-ivo mo-men-ivo motte koto-gotoku umete
nin-ba-wo towosi-tari. Ge-ge nin-bn-no warazi uma-no kutsü-ni itario made mina tö-mo-men-
wo ßki-saki tsükuri-te motsi-i-tari. iffl |^ Osi-dzin-no utsi-wa nin-bu-ra made fu-dan tsüru
faku-te.6-wo fazimete j^ ^ teö-rui ^ ||g gijo-rui jorodzü-no ||. -^ kua-si-ni itaru made
nippon-nite tada fosi-na-wo m,otsijufn(,-jori nawo takio-san-ni ^ fuku-si-keri. Fide-moto fatsi-
man-gü-wo sin-go-si-tate-matsure-ba jo-tsu asi-ivo motsi-i-zu-to ije-domo i-koku to-kai-no mei-
jo-no tame-ni tora-wo ^ß fuku-si mata kon-zi-teö-wo-mo i^ sioku-si-keru. Ban-zi jü-ran-ni
o-oki-naru koto motto-mo atejaka-naru tokoro-gara nippon-ni tatö-beki jb nasi ;^ ^ wb-kb-
no mitsi firoki-wa san-ziü-go-ken ni-zin-go-ken-jori semaki-iva nasi. Itsi-rl-no sakai kuni-zakai-
ni-tva o-o-isi-tüo motte /\ -^ fakkaku-ni kiri-te dai-mon-zi-ni ^ mei-ivo kiri-tsüke-tatete ari.
Während Kadzu-josi und Kijo-masa sich in Tsin-sen aufhielten, umringten sie mit
ihrer Kriegsmacht das Gebirge und jagten Tiger. Ein Tiger brüllte, und einen ihm
gegenüber befindlichen Krieger aus dem Heere Kijo-masa's wairde an dem Helmknopfe*
das Haupt, an dem Knopfe der Armschiene der Arm entzwei gebissen, so dass er plötz-
lich todt blieb. Man zog das wichtige Kriegsheer an sich und stand endlich von der
Tifferiaffd als einer unnöthiffen Sache ab. Indessen bestimmt man aucli in Teo-sen, dass
Thaten auf der Tigerjagd besonders grosse Tapferkeit sind.
Als man feimer zu einem Orte Namens Fo-siki^ vorrückte, befand sich daselbst ein
über zwei Strassenlängen messendes Stück Acker. Die Pferde kneteten den Schlamm,
der so tief war, dass er ihre Schenkel bedrängte, und es w^ar unmöglich, hinüber zu
' Kabuto-gunirai, wörtlich ,Walliniss des Helmes', fehlt sowohl in den Wörterhüi-liern als in den Zeichnungen. Dasselbe ist
auch bei Ko-te-gurunii der Fall.
2 Nach einer anderen Lesart ^J^ it 3^ fokin.
Der Feldzug der Japaner gegen Corea. 247
reiten. Während man keinen Ratli wusste, fand sich in der Nähe ein grosses Voi-raths-
liaus. Als man es einbrach und hinsah, war daselbst chinesisches Baumwolltuch angehäuft.
Man nahm dieses glücklicher AVeise hervor, füllte den zwei Strassenlängen messenden
tiefen Schlamm mit dem Baumwolltuche gänzlich aus und brachte Menschen und I'ferde
hinüber. Die Strohschuhe der untersten Arbeiter, selbst die Hufeisen der Pferde Alles
zog und zerriss chinesisches Baumwolltuch. Man machte es zurecht und verwendete es.
In dem vorgeschobenen Lager assen selbst die Arbeiter, von Kranichen und Schwänen
jmgefangen , unaufhörlich Vögel , Fische , endlich zehntausend Arten von Frücliten
mehr als man in Nippon nur trockenes Gemüse gebraucht.
Da Fide-moto den Tempel Fatsi-man verehrte, verwendete er keine vierfüssio-en
Thiere, doch wegen des Ruhmes, nach den fremden Reichen das Meer übersetzt zu
haben, gebrauchte er Tiger als Speise und ass auch den Vogel der goldenen Schwino-en.
Die Grösse der zehntausend Dinge beim Lustwandeln, die äusserst zierliche Beschaffen-
heit der Orte haben nichts von der Art, das man in Nippon damit vergleichen könnte.
Die Breite der Wege, auf denen man wandelt, beträgt fünf und dreissig Ken. Schmäler
als fünf und zwanzig Ken gibt es keine. An der Gränze einer Weglänge und an den
Reichsgränzen schneidet man grosse Steine achteckig, gräbt Lischriften in orossen
Schriftzeichen in sie und stellt sie auf.
Fortsetzung des Tagebuches.
Kei-teo san-nen tsütsi-no je inu sib~guatsu fiitsü-ka ne-no kokte hakarl-ni mon-guai-no
saka-sita-ni mono-ivoto kasüka-ni kikoju. 0-o-r/aivutsi-mo sa-je-mon deö sio-fb-bai-ni mukai-te
aisükai-ni kofo-jose ju-dan-no utsi-ni ika-naru ^ ^ fev-ri-no te-date-ivo megurasu-heki-mo
sirezu. Sadamete teki sinohi-jose-keru-to koso omoje tvare fisoka-ni idete saguri-klku-besi.
Mosi-mo tal-gun tsikaku fase-jori-te tori-iri-gataki-ni oite-wa sono mmie-wo johaivaru-hesi.
Kanarazü kugwi-wo firaku-he-karazib soregasi fitori-ivo-ha sute-korod ken-go-nl fusegi-soraje-
to ken-jaku-si mon-guai-ni idete siro-saka fito-tsu ori kiku-}d woka-moto jetsi-go-no kamifitori-
no ko-e-nite sidzüka-ni go-zib-nai-je mbsi-shrb-to iil. 0-o-gawutsi woka-moto-dono-nite sbrb
kana-to iü. Jetsi-go-no kami ono-ono go-rib-san-nin-je mbsi-taki si-sai atte kitari-to kotaju.
0-o-gawutsi sore-wo kiki-te köre viade nori- agari-tamaje tote ta-naka ku-tsü-mi-ivo-mo
johi-idasü. •
Am zweiten Tage (35) des ersten Monates des Zeitraumes Kei-teo (1598 n. Chr.),
um die erste Stunde,' hörte man unter der vor dem Thore befindlichen Bergtreppe
undeutlich ein Getöse. O-o-gawntsi-mo , Zugeseilter des Thores der Leibwache zur
Linken, wendete sich zu seinen Gefährten und sprach: Was für zweideutige Künste man
unter dem Vorwande der Unterhandlung, während unserer Sorglosigkeit, in Anwendung
bringen mag, ist nicht bekannt. Man sollte denken: wahrscheinlich hat sich der Feind
herangeschlichen. Ich werde heimlich hinaustreten und horchen. Wenn das grosse
Kriegsheer nahe heranstürmt, und es unmöglich sein sollte, Eintritt zu erhalten, werde
ich mit lauter Stimme rufen, dass es sich so verhält. Ihr dürfet die Schlupfpforte nicht
erweitern. Möget ihr mich, den Einzelnen, opfern und euch tapfer vertheidigen. — Er
traf das Uebereinkommen und trat vor das Thor hinaus. Als er über eine Bergtreppe
' Von 11 Uhr Abends liis 1 Ulir Morgens.
248 Pfizmaieh.
(I(M- Feste hinabstieg und liorelite, sagte eine einzelne Stimme, diejenige Woka-moto's,
Statthalters von Jctsi-go, leise: Ich melde mich zum antritt in die Feste. — 0-o-gawutsi
sagte: Es ist der Herr Woka-moto! — Der Statthalter von Jetsi-go erwiederte : Ich bin
aus dem Grunde gekommen, weil ich zwei oder drei Menschen etwas melden möchte. —
Als 0-o-gawutsI dieses horte, sagte er: Geruhe, hier heraufzureiten. — Dabei rief er
Ta-naka und Ku-tsu-mi heraus.
San-))tu koto-no jb-sü-wo tö tokoro-ni jetsi-go- no kami i-i-keru-wa wäre fu-sib-no mi nari-
to ije-domo i-koku fon-teo-no tsü-zi nari-te 07i-atsükai-wo mbsi-kiroamuru-to iü koto tai-min
kb-rai nippon san-goku-7ii sono kakure ari-gatasi. Tsüra-tsüra kore-wo an-süru-ni hu-si-taru
mono-no ^ toku-ni arazün-ba aru-beki-ka-to ki-jetsü-no omoi mi-ni amai'i-keru-ni fii-si-gi-no
=2^ ^ fi'ö-deu-ivo kiki-nn. Soregasi kono goro tai-mln-ni ^ ziü-site ^ -{^ ki-si fassen-no
•jS. sib-to naru sono H tvon-ivo fakarn-ni Jama-jori-mo takaku umi-jori-mo fukasi. Fone-ico
j^ ko-ni sl mi-ico fisi-bi-siico-ni site-mo 4ß fö-züru-ni tarazü. Tsütaje-kiku ^ ^ ^ gaku-
sib-koku-ica kiü-wun-wo omoi-te ^J^ ^ sin-jen-wo wasüre J^ en-um ^^ iitau koto-a-o fossezü.
Koko-ni sib-nai-wo mi-tate-mafsure-ha kijo-masa-no on-fata ari. Ware itsi-do go-fu-sin-iuo
kbmuri kaku jen-goku-nl fadreru mi nari-to ije-domo kun-sin-tari-si ^ gi wasüre- gataku
tsur/i-ni-ira. soregasi itsüwaru tokoro-no |S ig aku-mib-im ukuru-mo mu-nen nari juje-ni kö-
nan-tüo kajeri-mizü tsiü-setsü mbsi-nite sbrb. Meo-nitsi-no go-kuai-mei kanarazü on-ide aru-hc-
karazü. Sono jiije-wa tai-koku itsmoari-ivo konomazu-to ije-domo _& fei-wa =^ ^ ki-db
nare-ha rib-tcb-no fakari-goto-ni fatsi-ziü-man-ki-no naka-nite dai-riki-no mono-wo nnki-süguri
kuai-mei-no Jg Jh dan-zib-ni -4^ ^ tai-sib-wo saki-to si koto-gotohi ike-tori-te 1^ |g 7'o-
kuaii-no M\ rei-ni makasu-besi-to s| gi-süru-no aida kanarazü on-ide o.ru-be-karazü-to makoto-
ni futa-gokoro-na-ge-ni-zo tsüge-tari-keru.
Als die Drei fragten, um was es sich handle, sprach der Statthalter von Jetsi-go:
Dass ich, obgleich ein Entarteter, der Dolmetsch zwischen dem fremden Reiche und
dem eigenen Hofe war und die Unterhandlungen zum Abschluss brachte, dieses vor den
drei Reichen, vor dem grossen Ming, Kö-rai und Nippon, zu verbergen, hält schwer.
Indem ich dieses ernstlich betrachte, überwallt in mir "der freudige Gedanke, ob wohl,
wenn die Tugend der als Krieger auftretenden Männer nicht wäre, es sein könnte, und
dabei hörte ich eine unerwartete Entscheidung. Ich wohnte um diese Zeit in dem grossen
Ming und wurde Anführer von achttausend Reitei-n. Wenn ich diese Gnade ermesse,
ist sie höher als Berge, tiefer als das Meer. Machte ich auch die Knochen zu Mehl, den
Leib zu eingetrocknetem Saft der Wasserlinsen, es genügte nicht, es zu vergelten. Yo-
tschang-kue, von dem man in der Ueberlieferung hört, gedachte der alten Gnade und
vergass den neuen Groll, er wünschte nicht, dass man Yen angreife. Als ich hier das
Innere der Feste sah, befand sich in ihr die Fahne Kijo-masa's. Obgleich ich einmal
in Verdacht gerieth und in ein so fernes Reich flüchtete, kann ich nicht vergessen, dass
das Verhältniss zwischen Gebieter und Diener bestand. Dann auch wäre es schmerzlich,
einen schlechten Namen, weil gelogen wurde, zu erhalten. Desswegen nehme ich keine
Rücksicht auf das spätere Uebel , und das sind Worte der Redlichkeit. Ihr dürfet
:i^ur Yertragsschliessung des morgigen Tages nicht herauskommen. Die Ursache ist: Das
grosse Reich ist zwar kein Freund der Lüge, jedoch das Kriegshandwerk belügt den
Weg. Desshalb hat man nach dem Plane der beiden Könige unter den achtzigmal
zehntausend Reitern Leute von grosser Stärke ausgewälilt. Auf dem Altare der Yer-
tragsschliessung wird man, mit den Heerführern beginnend, alle gefangen nehmen und
Der Feldzüg dee Japaner gegen Corea. 249
nacli dem Beispiele Lu-lioan's sie zur A^ei-fügung stellen. So lange diese Berathimg
besteht, dürfet ihr nicht herauskommen. — So meldete er auf eine Weise, die in der
That nicht doppelherzig war.
0-o-gawutsi san-dai-sib-no maje-ni jukl-te kono josi-ivo mosl-kere-ba san-sih te-wo utte
sate-nio o-oki-naru fakari-goio kana-to odorokeri. Fi-da-no kami kadzu-josi fen-tu-ni iioaku
sit-do mon-guai-ni itatte ^ ^ to-sib ari-to ije-domo tsüi-ni tai-men-ni atatvazü koto-sara
-^ ^ kon-scki-no gi ^ isiü-sin sari-tote-wa fi-rui-naki koto gon-go-ni nohe-gatasi. Tada-
ima 'g -^ fu-ki-no ja J^ ku-ivon-too kajeri-mizü kun-sin-no gi-wo mamori -|- si-no mitsi-ioo
tateraru koto jjj(p ^ sin-vdo-no itari ^ kan-ztiru-ni taje-tari. Sio-nal-nomi-no tsiü-sin-ni
arazü nippon tai-ich-je-no tsiü-setsü nari. Tada-ima tatst iivM-no fö-hl-ni-mo ojohu-he-kere-
domo u-on-mitsu-no koto nare-ha f^ ^ zi-san-mo ikaga-to en-in-sü. G'o-fen kazüje-no kami-
ga hakka-wo tatsi-sa7'i-te notsi juku-je sirezaru tokoro sono fo-no ^ -f' sai-si-im ^& 2(S
kuma-moto-no ni-no maru-7ii komete kcn-go-ni ban-wo tsidie-oki-tari. Mosi !M man-ni — ■
fito-tsü-mo kono siro-un-ico ßrakl ^ ^ lä-teo-no mi-to nari-ie kaku-no tsiü-setsü -^ ^ so-sh
V 1^ zih-him tassü-besi. Mata go-fen ^ ^ tslaku-si-u-o simaivatsi ctsi-go-no kami-ni
^ -fl ziju-7'ib-si :^ ^ fon-tsi ^ ^ se?i-goku-wo ^ ^ ^ san-sen-goku-ni ka-zö-si ato-
n-o tsügasimu-besi. ^ -^ Nio-si ßtori-ica kazüje-no kami-ga musäme-to si sikaru-beki kata-
/e 5[|; ka-sü-besi. Mosi kono omomuki kaznje-no kami"^dd-sln-sezaru-nl oi-te-wa ^ ~)j kn-
bb-je gon-zib-tate-matsüri tsiaku-si-ica J^ kami-je idasü-besi. Nio-si-ica soregasi-qa J§ ^
kio-sib fo-siü usü-ki-je jobi-totte -^ jo-ga nmsüme-to nasü-besi. Nippon koku-tsiil -^ /\\ tai-
sib-no jji^ i^^ zin-gi-no batsü-ivo tsikatte itsüwari sara-ni aru-be-karazü. Kore-ico fo-bi-to
omoi-iamaje-to ari-kere-ba o-o-gaimtsi uke-tori-te koma-goma-to i-i-tvatasü.
Als 0-o-gawutsi zu den drei Heerführern ging und diese Sache aneldete, schlugen
die Heerführer in die Hände und riefen erschrocken : O, ein grosser Anschlag ! —
Kadzu-josi, Statthalter von Fi-da, sagte in der Antwort: Icli kam mehrere Male vor die
Thore und erstieg die Mauer, doch eine Begegnung war niemals möglich. Es war
insonderheit die Nachricht des heutigen Abends. Demungeachtet kann man diese unvei--
gleichliche Sache mit Worten nicht sagen. Dass man, auf die grosse Wohlthat des
Keichthums und des vornehmen Standes nicht Rücksicht nehmend, die Weise des
Gebieters und Dieners bewahrte und den Weg des Kriegsmannes begründete, dieses ist
das Höchste der göttlichen Vortrefflichkeit und würdig der Bewunderung. Es ist niclit
allein Eedlichkeit und Treue gegen die Feste, es ist Redlichkeit gegen den grossen
König von Nippon. Man kann zwar eben jetzt zu Belohnung durch Schwert und Pferd
nicht kommen, doch da es eine verborgene Sache ist, zieht sich auch das Mitnehmen
ungewiss in die Länge. Nachdem du das Zelt des Hauptes der Rechnungen verlassen
hattest, wusste man nicht, wohin du gegangen. Man schloss deine Gattin und deine
Kinder in das zweite Rund von Kuma-moto und bewachte sie streng. Wenn als eins zu
zehntausend das Loos der Feste sich eröffnet und wir an den Hof zurückkehren, werden
wir eine solche Redlichkeit schnellstens nach oben zu Ohren bringen. Ferner wird man
deinen ältesten Sohn sogleich zum Statthalter von Jetsi-go einsetzen, den ursprünglichen
Gehalt von tausend Scheffeln bis zu dreitausend Scheffeln vermehren und die Nachfolo-e
bestehen lassen. Deine Tochter wird man zur Tochter des Hauptes der Rechnungen
machen und sie nach einer angemessenen Seite vermalen. Sollte mit diesem Vorgehen
das Haupt der Rechnungen nicht einverstanden sein, so wird man es dem Fürsten vor-
tragen, und der älteste Sohn wird zu dem Oberen hinaustreten. Die Tochter werde icii
Denkschriften der phil.-hist. C'l. XXT. Bil. 32
250 Pl'IZJIAIER.
nach meiiipr Wohnfeste Usu-ki in Fo-siu ruicn inul sie zu meiner Tochter machen.
Indem ich bei den grossen und kleinen Göttern in dem Reiche Nippon schwöre, kann
es durchaus keine Lüge sein. Geruhe, dieses für die Belolmung zu halten. — 0-o-gavvutsi
nahm diese Antwort in Empfang und hinterbrachte sie in ihren Einzelnheiten.
Etsi-go-no kami kore-wo kiki-te sikiri-ni namida-tco nagasi siliasi mono-ico-mo i-i-je-gata-
kari-si-ga nagaruru ki-jetsü-ivo osajete i-i-keru-u-a icare fj^ ^'|'| min-siü-je ivatari kaku fito-
to nari-te kono |^ J^ sen-ziv-je kitaru-to ije-domn ko-kih-ni sute-oku tsuma-ko-ga koio-wo
tcasüru fima-wa sorav:azü. |X| */$ Son-kai ^ ^ han-ri-ico fedate-tare-ha ^ '^ tsitgi-
kit.ru kaze-no tajori-ino kikojezv ^ ^ sih-si-no ari-sama to-ja am kaku- ja aramasi-to nitsi-
ja teu-ho kokoro-uv tsükusü-ni sen-naku kanasi-i kana. Jume-ni-ica foka-ni ni-miru koto-mo
kanaivazaru-ni oi-te-wa imada nagarajete ari-soro-ja kadzü-josi-kö kono ari-gataki o-kotoba
^J® i^ sö-kai-mo siit-ini-sen-to-mo masari-te mbsi-aguni-beki ju shratcazü. Kijo-masa-ko-no
o-namkc-wo motte kare-ra ima-made nagaraje tsiü-ja-no tatakai naka-datsi-to natte ^ -^
sai-si-ga juku-süje made uke-toriiaicari-si koto-ni iku-je-ni-mo go-zen-je sikarii-beki jo-ni on-
tori-nasi fito-je-ni tanomi-tate-matsüru-tote te-ico aivase kure-gure-to i-i-oki kono uje-wa mosi-
mo kono kofo more-kikoje kuruma-zaki-no ~)^ J|| tai-nan-to ije-domo 5}S ^ fon-mö nari.
[n] -^ kh-go 011- § me-ni kakaru-mazi tote namida-to tomo-ni fon-dzin-je-zo kajeri-keru.
Als der Statthalter von Jetsi-go dieses hörte , vergoss er sogleich Thränen. Eine
Weile unfähig, ein Wort hervorzubringen, unterdrückte er die entfesselte Freude und
sprach : Obgleich ich nach Ming übersetzte, so ein Mensch wurde und zu diesem Kampf-
platze kam, vergass ich keinen Augenblick die Gattin und die Kinder, die ich in der
Heimath zurückgelassen. Da ich durch zehntausend Weglängen Berge und Meer
abgeschlossen war, wurde auch eine Nachricht des zunäclistkommenden Windes nicht
gehört. Ob die Umstände ihres Lebens oder Todes so oder so beschaffen sein werden,
Tag und Nacht, am Morgen und am Abend richtete ich darauf alle meine Gedanken,
vergeblich trauerte ich! Im Traume vermochte ich nicht etwas anderes zu sehen. Daher
dieses kostbare Wort des Fürsten Kadzu-josi, dass sie wohl noch leben, das gesammte
Meer mit dem Berge Siju-mi,' sie können auf keine* Weise mehr sagen. Indem sie
durch die Güte des Fürsten Kijo-masa bis jetzt am Leben sind und ich, bei dem Tag
und Nacht währenden Kampfe der Vermittler gcAvorden, die Zidamft der Gattin und
der Kinder gehört habe, bitte ich inständig und einzig um eure, in einer Weise, die
für euch angemessen sein wird, zu geschehende Dazwischenkunft. — Liier legte er die
Hände zusammen, gab immer wieder Weisungen und sagte überdiess : Wenn diese Sache
ruchbar wird und das grosse Unglück des Zerreissens durch AVagen auch erfolgt, es ist
mein eigener Wunsch. Von nun an sehe ich euch nicht wieder. — Hiermit kehrte er
unter Thränen in sein Lager zurück.
Siu-gnatsü vti-ka tatsh-no koku rio-icb-no ^ "^ fai-si-to site kore-mo nippon-koku-zin-to
ohosi-ki Samurai ^ "f^ sih-ka-ni kitari-te ^ J^ si-ki-ivo motte siro-tvo maneku. Ta-naka
ko sa-je-mon deö o-o-gawutsi mo sa-je-mon deö ku-tsü-vn -^ ^ feu-zo ide-h tnkoro-ni kore-
iva rio-tvu-no tai-si nari. Uma-no koku-mo jojaku nare-ha go-jö-i afte go- {i{ ^ siiltsü-zib
sbrb-besi. Fan-to-ni oi-te tai-mcn-ioo toge ^ ||| i-gi-naku uma-tco ire-sbrb-besi-to nari.
' Der licrg Siju-iiü liog-t in dem grossen Meere und stützt sioli .auf diia goldene Rad (auf die unterste Gränzc der Erde).
Der Feldzug der Japaner gegen Corea, 251
0-u-gaioutsi 0pj ^ sib-mon-sl siro-ni itte san-dai-sib-je fi-rö-sü. Fl-da-no kami fen-to-ni iwaku
kon-nitsi tai-men-no ^ ^^ ken-jaku iuotto-mo itsuioari-ni arazh-tn ije-domo kono ni-san-nitsi
seme-ivu jurusare-sbru-je-ha gnn-heu kisoi-wo nukasi kaze-wo fikl-te koto-gotoku, jamai-ni fusi
so)iu uje rib-nin-no tai-sib-no ^ ^ ki-rb-ni javä-sbrb-je-ba itsi-nin idete tai-men-mo ika-ni
sbrb aida sükosi ai-noheraru,-hesi-to ijeri.
Am dritten Tage des ersten Monats, um die fünfte Stunde, * kam ein Kriegsmann,
den die beiden Könige zum grossen Abgesandten machten und den man ebenfalls für
einen Menschen des Reiches Nippon hielt, an den Fuss der Mauer und Avinkte der Feste
mit einer Zeichenfahne. Als Ta-naka Ko, Zugesellter des Thores dei- Leibwache zur
Linken, 0-o-gaAvutsi Mo, Zugesellter des Thores der Leibwache zur Linken, und Ku-
tsu-mi, Mann der Waffenkammer, zu ihm liinaustraten, war es der o-rosse Abaresandte
der beiden Könige. Da es nahe an der siebenten Stunde^ war, sollte man sich vor-
bereiten und aus der Feste ziehen. Nachdem man auf halbem Wege die Begegnung
bewerkstelligt, sollte man ohne Widerrede die Pferde Jiereinbringen, 0-o-gawutsi liörte
dieses an, trat in die Feste und eröffnete es den drei Heerführern. Der Statthalter von
Fi-da sagte in der Antwort : Das Versprechen, heute von Angesicht zusammenzutreffen,
ist zwar durchaus keine Lüge, doch da man Avährend dieser zwei oder drei Tage vom
Angriffe abgelassen hat , sind die Krieger des Heeres von dem Kampfe entwöhnt, sie
liaben sich erkältet und liegen insgesammt krank darnieder. Da tiberdiess auch die
beiden Heerführer von der Anstrengung erkrankt sind, wie könnte da der Eine heraus-
treten und von Angesicht zusammentreffen? Der Zeitraum muss ein wenig ver-
längert werden.
Tsükai knjeru-to ßtosi-ku i'ib-icb o-olä-ni fuku-riü-si kono aida-no seme-ivo nusümi-tari-to
iü mama-ni faja-kane-u:o sikiri-nl tsuki ^^ ^ sö-gun iro-meki-ivatari-te tai-ko-iüo seme-kai-
■ico tafete — ■ -^ itte-itte-no gun-tsiü-ni fan-guan sib-gun utsi-fa-wo totte gun-si-ivo süsüme
itsi-gun siro-wo maki-te sa-jü-no te-aioase-süru-to fitosi-ku momi-ni nionde seme-noboru,. Sib-
nai-iiio koko-ico sen-do-to fusegi-kere-ha itsi-gun seme-inc koto-tvo jezii fon-dzin-je fiki-sirizoke-
ha mata itsi-gun seme-kakaru. Semete-ica fiki fiki-te-ica seine tsiü-ja-no sakai-mo naku ara-
tc-iro ire-kaje-kajete fito-iki-mo tsügasezü. Mi-ka-no uma-no koku-jori itsü-ka-no fitsuzi-no
kokn-no oivari made momi-ni monde seme-tari-keri. Tai-gun-no ja-sakehi toki-no ko-e-wa ko-
fama-wo azamuki to.takai-no ken-geki-no ßkari-ira B^ -^ sei-kiib-no fosi-jori-mo o-oku teppö-
no kefuri uma fokori-ioa kuro-kumo-no gotohi uzümaki-agari-te faku-zitsü-ivo ^^ ^ kaku-
ri-si sv-gun^7io J^ ^ sei-ki ten-wo kasüme 'j^ ^ kna-fu-iva fei-tsi-ni Yf ^ tsiku-i-too ^
seö-si ja-ziri ama-asi-jori-mo sige-kari-keri.
Bei der Rückkehr des Abgesandten geriethen die beiden Könige in heftigen Zorn
und riefen: Man hat den Angriff dieser Zwischenzeit gestohlen! — Unterdessen schlug
man unaufhörlich die Lärmglocke, das gesammte Kriegsheer kam in kriegerischer
Haltung herüber, stellte die grossen Trommeln, die Angriffsmuscheln auf, und in dem
aus einzelnen Abtheilungen bestehenden Heere ergriffen die richtenden Obrigkeiten, die
Heerführer den Fächer und führten die Kriegsmänner vorwärts. Ein Kriegsheer um-
ringte die Feste, und sobald man rechts und links handgemein geworden, stieg es in
voller Thätigkeit zum Angriffe empor. In der Feste vertheidigte man sich mit Hart-
' Von 7 bis 9 Ulir Morgens.
- Von 11 Uhr Morgens bis 1 Uhr Nachmittags.
30*
252 Pfizmaieh.
näckiffkeit. Wenn ein Ivricö'sluH'r nicht eindringen kennle imd sieli in das Lao-or zurück-
zog, kam wieder ein Kriegsheer zum Angriffe heran. Angreifend und si(di zurückziehend,
sich zurückziehend und angreifend, Hess man, oline B(igränzung durcJi Tag und Nacht,
immer abwechselnd neue Abtheilungen eintreten und Hess keinen Augenblick Athem
schöpfen. Von der siebenten Stunde* des dritten Tages bis zu dem Endo der achten
Stunde* des fünften Tages griff' man in voller Tliätigkcit an. Das Sclnvirren der l'feile
des grossen Heeres, das Kriegsgeschrei spottete des Echos, die Lichter der Schwerter
und flakenlanzen des Kampfes waren zahlreicher als die glänzenden Sterne, der Rauch
der Flinten, der Staub der Pferde, gleich schwarzen Wolken aufwirbelnd, schloss den
hellen Tag ab, die Fahnen des gesammten Kriegsheeres verdeckten den Himmel, die
Lanzen machten auf flachem Boden Bambus und Schilfrohr wachsen, die Pfeilspitzen
waren dichter als ßegenfüsse.^
Kaku-ie itsü-ka-no joi-no ma-no tsüki ^ ^] sei-zan-ni kakuru made tekl katsü-te seme-
zari'si-ka-ba sio-nai-ni-mo sadamete teki tsükarete semezaru-ran-to iü tokoro-ni ne-no koku
fazime-no koto naru-ni tai-teki ko-e-ioo-mo tatezü seme-jose isi-gaki naka-ba nohori do-^oon-ni
foki-u'o age ja-iro i-komi o-o-dzütsü isi-bi-ja-ioo utsi-kake seme-noboru. Mi-kata fajakit tori-
aivase tsäki-otosi fane-taicosu. Teki-mo mi-kata-mo fagai-ni jü-riki-u-o furutte ^j^ fi "^ midzü-
ni nari-te-zo tatakai-keru. Tai-gun-no ko-e-no vtsi-ni-ira zirio-san-no fataraku koto o-o-dzi-
sin-jori-mo ohitadasi. ^ -^ R6-fe6 kaurtru mi-kata-tva nasi jari-tvo tsüki-fiku fima-mo naku
ude-no tsikara-mo obojezü nagaruru ^ f^ neitefsü-no ase-nite kattsiü-wa jake-namari. Mi-
toki bakari-no jo-no akuru-ioa san-ncn-ioo oknru-jori oso-kari-kcri.
Da der Feind, bis der Mond am Abende des fünften Tages hinter den westlichen
Bergen sich verbarg, nicht angegriffen hatte, sagte man in der Feste, Avalirscheinlich
werde der Feind ermüdet sein und nicht angreifen. Als es aber um den Anfana: der
ersten Stunde^ war, drang der gewaltige Feind, ohne einen Laut von sich zu geben,
heran und erstieg die Hälfte der Steinmauer. Er erhob einstimmig ein Kriegsgeschrei,
schoss mit Pfeilen herein, begann aus grossen Feuerröliren luid Feuerschlünden zu
schiessen und stieg zum Angriffe empor. Die Unserigen traten schnell dazwischen,
stiessen herab und warfen abhauend zu Boden. Indess der Feind und die Unserio-en
gegenseitig Muth und Kraft entfalteten, führten sie, Feuer und Wasser geworden, den
Kampf. Bei dem Geschrei des grossen Kriegsheeres war die Arbeit von Uru-san schreck-
licher als ein grosses Erdbeben. Die Belagerten hatten keine Streitkräfte zum AVechseln.
Olme Zeit zu haben, die Lanzen nach dem Stosse zurückzuziehen, bemerkten sie nicht
die Kraft der Arme. Yon dem fliessenden Seh weisse des glühenden Eisens waren die
Rüstungen verbranntes Blei. ^ Das Morgengrauen in einer Nacht von drei Stunden " war
langsamer als das Verbringen dreier Jahre.
Jojaku sino-no me-no sora-mo ake-gata-ni nari-kere-ba teki-no tai-sio kin-ko-no ge-dzi-ni
sitagatte seme-te-no ^ sei-wa koto-gotoku makl-fogusi-ka-ba mu-ka-ioa nana-ka-iva-ni sonaje-
wo tatete ßkl-tori-keri. Rd-feu kore-ivo mite faja-kane-wo tsüki tai-ko-ivo seme ^ H$ oi-doki
' Von 11 Uhr Morgens bis 1 Uhr N.acliniittags.
2 Von 1 bis 3 Uhr Nachmittags.
' Der fadonartig fallende Regen.
■* Von 11 Uhr Abends bis 1 Uhr Morgens.
^ Der Satz schliesst hier im .Japanischen olnic llauptzeitwort.
'^ Seclis europäische Stunden,
Dkr Feldzug der Japaner gegen Cokea. 253
san-do age-kere-ha kitte idzüru-to kokoro-jete sonaje-wo sicjekio tsi-dori-ni täte ato-ivo fiki-te-iva
saki-ni täte j6-zin-no tei-ni mije-si-ka-ba rö-feö itsi-dö-ni "^ itsü-im kagiri-id fusegu-beki
ihiada fe asi-no kano toki-si-ja kitte ide utsi-zini-si gen-ze-7io fima-ivo ake-nan tote o-o-te-no
P^ Dion-wo osi-firaku tokoro-ni kadzü-josl juki-naga kake-ide luon-no maje-ni tatsi-fusagari
jari naginata-wo jokotaje are koso fiku teki naru-ni mono-ni kurä-ka ono-ono-to motte-no
foka-ni ikari-te mon-no to-hira-wo osi-tate mi-dzükara J^ -^ ebi-wo-zo orosi-ker'u. Ro-feb ze-
ß-naku site fei-no utsi fasiri-no ita-ni tori-agari kiri-no fima-jori j^ ^ ziun-ken-süru-ni
makoto-ni fiki-iru-to mijete sasüga i-kokii-no mu-sija-dzükai faiiajaka-iiari-si koto-domo 7iari.
Als endlich der Himmel der fünften Nachtwaclie die Morgendämmerung wurde,
entrollte sich, der Weisung der ehernen Trommel der feindliclien Heerführer gehorchend,
die Macht der Angriffskörper insgesammt, stellte, etwa in der Zahl von sechs bis sieben,
Schlachtordnungen auf und zog sicli zurück. Die Belagerten, welche dieses sahen,
schlugen die Lärmglocke, rührten die Trommel und erhoben dreimal ein Kriegsgeschrei
der A^ erfolgung. Der Feind, bemerkend, dass man durcluius herauskomme, stellte die
Schlachtordnungen kreuzweise nach Brachvogelart. Als sie lange zurückblieben, stellte
er sie nach vorn und schien auf seiner Hut zu sein. Die Belagerten, die sich alle
zusammen bis zum äussersten Zeitpunkte vertheidigen konnten, wollten, so lange Hände
und Füsse noch tüchtig waren, entschieden herausrücken, in dem Kampfe fallen und
die Zwischenzeit der sichtbaren Welt benutzen. Als sie das Thor der A^orderseite
öffneten, sprengten Kadzu-josi und Juki-naga heraus. Vor dem Thore abgeschlossen,
legten sie die Lanze und das' lange Messer quer und riefen überaus zoi-nig: Dort ist
der Feind, der sich zurückzieht. Seid ihr alle wahnsinnig? — Sie stellten die Flüo-el
des Thores auf und nahmen eigenhändig den Schlüssel herunter. Die Belagerten, nichts
zu erwiedern wissend, stiegen auf die Laufbretter innerhalb des Erdwalls, und als sie
durch die ausgeschnittenen Lücken im Umherwandeln spähten, schien der Feind wirklicli
in sein Lager zu ziehen, und die Verwendung der Krieger des fremden Reiches gehörte
schliesslich zu den zur Schau y-estellten Dinoen.
Kaku-te mu-ka-no sb-ten kuga-te-no osaje ziü-mau-gi singari-site sirizoku tokoro-wo tai-
sib-gun fide-aki-ko itsi-dzin-ni süsümase-tamo. Ka-to sa-ma-no süke mo-ri i-ki-no kavii viakari-
dete mbsi-keru on- [§^ dziki-no go- -^ |^ sen-dzin-to aru koto moitai-naki on-koto nari.
Rib-nin-ni on-saki-te o-ose-tmkerare-sbrb-besi-to gnii-zib-sü. Fide-aki-ku o-ase kem-wa -f' jo
to-kai-sü-to ije-donio fu-san-kai-no ^ ^ ziu-dai-ni o-ose-tsukeraritru-ni jotte nan-no sirusi-
mo nakii mu-nen-no mi-ni kurasi-keri. Kono omote-no oi-ntsi neqb tokoro-no saitvai nari.
Nandzi-ra-ga fataraki-iva medzürasi-karazü. To-kaku keu-no ^ ^ sen-zib-iva -y* jo-ga
kokoro-ni makasü-besi. Fitori-mo saki-je idzü-be-karazü-to kataku o-ose-tsükerare ziü-man-gi-
110 sonaje-no naka-je itsi-mon-zi-ni nori-iri-tamb.
Als somit am frühen Morgen des sechsten Tages die Nachhut der Abtheilung des
festen Landes, zehnmal zehntausend Reiter, den Rückzug antrat, rückte der oberste
Heerführer, Fürst Fide-aki, mit dem ganzen Lager vorwärts. Ka-to, Gehilfe des A^or-
stehers der Pferde zur Linken, und ALVri, Statthalter von I-ki, hatten beim Fortzuge
eine Meldung gemacht. Sie sagten: Dass du gerade bei dem A'"ordertreffen bist,
ist eine unstatthafte Sache. Es sollte uns Beiden der Vortrab zugewiesen werden.
— Fürst Fide-aki sprach: Ich habe zwar das Meer übersetzt, doch weil icli zum
Stellvertreter in der Feste Fu-san-kai bestimmt wurde, verbrachte ich ohne irgend eine
Auszeichnung trauervoll die Tage. Das Verfolgen und Tödten dieser A'orderseite ist ein
254 Pfizmmek.
Glück, um welches icli bitte. Euer Vorgelien ist uiclit seliätzenswertli. Jedenfalls soll
man mir den heutigen Kampfplatz nach meinem Sinne ilberlassen. Kein Einziger darf
mir vorangclien. — Er sagte dieses mit Festigkeit vind ritt geraden AVcgs mitten In die
Aufstelluno- der zehnmal zehntausend Kelter.
On-tsukai-han-no knro-foro Zl ,^ lä-gi uru-san-no fimioio-je kudasara zih-nai-no ^ *|^
san-sib-ico fazimete gim-si makoto-ni tatojete-mo tsüki-gataki tai-gun-no ieki-wo ukete tsütsüga-
naku si7^o-iro motsi-silmasi-taru-to iü koto ame-ga s/'ta-ni sügure-tarii mei-jo taru-besi. Tada-
ima siü-gun oi-utsi-nasar^uru ro-feu asi te-no tsikara jowa-karu-ran-ni fitoin-mo idezü-site mon-
ivo kataku utsi-te fei-no uje-jori nemuri-zamasi-ni ken-hussü-hcsi-to o-ose-kudasaruru. Mata
sono tsügi-ni kake-fi idzümi-no kami i|)g ^ faha-maze-no /]^ '{^ ko-sio foro ni-ki kosi-te
go-rö-zib-no go-ku-ro mosi-tsükusi-gatasL Tada-ima tai-sib-gn.n-ku on-tomo-si-tatc-matsüru go-
ken-hutsü-sbraje-to i-i-watasi tsükai-wa isogi gun-tsiü-je nori-juki-kerih. Zib-nai-no rö-fed-iva
fei-no vje-ni nohori teki-no mu-sia-dzükai mi-kata-no oi-vtsi-tro ken-hiiyssite-zo i-tari-keru.
Es wurde (hinsichtlich Uru-san) befohlen : Die abgesandten Wachen, die zwei in
schwarze Baumwollpanzer gekleideten Reiter stiegen zu dem Fusse des Bergs von
Uru-san herab und sagten, dass man, von den drei Heerführern der Feste angefangen,
wirklich den Feind, ein völlig unvei-gleichliches, grosses Kriegsheer, auf sich genommen
und die Feste, ohne Schaden zu leiden, behauptet habe. Dieses wird ein den Erdkreis
überi'agender ßuhm sein. Eben jetzt setzen die Heerführer Verfolgung und Tüdtung
in's Werk. Da bei den Belagerten die Kraft der Hände und Füsse ermattet sein wird,
mögen sie, ohne dass ein Einziger heraustritt, die Thore fest verschliessen und von der
Hölie des Erdwalls, aus dem Schlafe erwacliend, zusehen. — Zunächst kamen noch die
durch die Mengung der Leinwandbreite gekennzeichneten Begleiter Kake-fi's, Statt-
halters von Idzumi, zwei in Baumwollpanzer gekleidete Reiter, herüber und hintei'-
brachten die Worte : Die Leiden der Feste lassen sich nicht ganz durch Woi'te sagen.
Wir begleiten eben jetzt den Fürsten, den obersten Ileerführer. Möget ihr zusehen.
— Die Abgesandten ritten hiermit eilig zu dem Kriegsheere. Die Besatzung der Feste
stieg auf den Erdwall und sah zu, Avie der Feind die Krieger verwendete und wie
die Unserigen verfolgten und tödteten.
Ten-dziku sin-dan-wa isa-sirazü nippon kai-biaku-jori kono kata imada kakaru koto-wo
kikazü si-gafa-kari-keru ro-zib nari. Sikaru-ni fide-aki-ko teki zm-inan-gi-ga sono naka-ivo
/\ ~^ fappö-ni no7'i-tsigaje ziü-mon-zi-ni nori-jabatte bi-zen ^ ^ kanc-mitsü '^ nami-
ojogi-to iü on-kosi-no mono-wo nuki-motsi kata-te-utsi moro-te-giri kabuto-gurumi ko-te-gurumi
'iima-nn kasira fira-kubl atarii-tvo saiwai "f" ^ ,^ ziü-san-ki zi-sin un-te-ni kake-tamb. Sa-
ma-no siike i-ki-no kami idzümi-no kami-wo saki-io site mö-ri bu-zen-no kami sima-dzü mata
sitsi-ro aki-dzüki saburö taka-fasi ku-rö sagara sa-feo-je-no süke osi-tsüdzuki-tate-maUüri on-
fataraki-ivo miru-jori inotsi-wo osimazü fase-iri-fe o-uki-ni teki-wo utsi-tori-nn.
In Indien und China unbekannt, etwas, dergleichen man seit der Entstellung von
Nippon noch nicht gehört hat, war die schwer auszuführende Einschliessung in der
Feste gewesen. Indessen ritt Fürst Fide-aki von allen acht Seiten mitten unter die zehn-
mal zelmtausend feindlichen Reiter, sprengte sie im Ritte mid das mit Namen ,auf den
Wellen von Kane-mitsu schwimmend' genannte Schwert von Bi-zen ziehend und es fest-
haltend, schlug er mit der einen Hand, schnitt mit beiden Händen, und indem der Helm-
knopf, der Kopf der Armschiene das Haupt und den flachen Hals des Pferdes berührten,
Der Feldzug der Japaner gegen Corea. 255
nahm er glücldiclier Weise dreizelin Reiter in eigener Person auf sicli. Von dem Gehilfen
des Vorstehers der Pferde zur Linken, dem Statthalter von I-ki und dem Statthalter
von Idzumi angefangen, folgten ihm M6-ri, Statthalter von Bu-zen, Sima-dzu Mata Sitsi-ro,
Aki-dzuki Saburo, Taka-fasi Ku-rö und Sagara, Grehilfe der bewaffneten Leibwache zur
Linken, mit Gewalt nach. Indem sie seine Thaten sahen, sprengten sie, ihr Leben nicht
schonend, hinein und erlegten in grossem Masse die Feinde.
Koko-ni ^M ^^ ^ ^ de-wa-no kami-to iil jü-si ari. Tan-ha-no kuni si-u-tsi-no ^ ^ zin-
siu tarl-si-ga fa-siba 'j^ ^ siu-siu fide-fisa-kio tan-ha-no koku-siü-to nari-tamajeru-jori ko-
kib-ico safte i-ki-no kam-ni tsükaje mu-ri jo e-mon-zeu-to na-nori-te kono sen-zib-je kitari-si-
(ja sa-ma-no süke teki-ni uma-ivo kirarete katsi-datsi-ni nari-te aja-^bki-wo mite mo-ri fase-
kitari sa-ma-no süke-ni mukai-si teki-ivo si-fh-ni ottsirasi isogi mna-jori tohi-ori-te sa-ma-no
süke-wo kaki-nosete tcare-mo mata nori-gaje-ni utsi-nori-te zippo fito-manako-too kubari-te
kubi kazü-amata idsi-tori-keru.
Es war hier ein muthiger Kriegsmann, Namens Si-u-tsi, Statthalter von De-wa.
Derselbe war Herr der Feste Si-u-tsi in dem Eeiche Tan-ba gewesen. Weil Fide-fisa,
kleiner Anführer von Fa-siba, der Vorsteher des Reiches Tan-ba wurde, verliess Jener
seine Heimat und diente dem Statthalter von Lki. Er fulirte den Namen Mö-ri Jo
Zugesellter der bewaffneten Leibwache, und kam auf diesen Kampfplatz. Dem Gehilfen
des Vorstehers der Pferde zur Linken wurde von dem Feinde das Pferd niedergehauen.
Er kämpfte zu Fusse und schwebte in Gefahr. Mö-ri, der dieses sah, sprengte herbei,
zerstreute die dem Vorsteher der Pferde zur Linken gegenüberstehenden Feinde nach
allen vier Seiten, flog eilig vom Pferde herab und setzte darauf den Vorsteher der
Pferde zur Linken. Er selbst, auf einem gewechselten Pferde wieder daherreitcnd, warf
den Blick nach allen zehn Seiten und erbeutete zahlreiche Köpfe.
Teki o-oki-ni %\\ ri-wo usinai ^ fai-se-si-wo mi-kata ijo-ijo katsü-ni nori go-ix)ku-te6-ga
sono aida süki-ivo arasezü utsi-tsirasü. Teki tai-gun te-oi-ivo-mo tasnkezü jowaki tomo-wo-mo
kakoi-jezü-site firoki kare-no-no fagi-wara-je ran-niu-se-si-ka-ba tai-sib-gun on-uma-zirusi-wo
taterare ^ |^ sio-ko-no on-ge-dzi-ioo motte oi-juku gun-beo-wo todome katsi-doki-ivo agesase
idzümi-no kami sa-ma-no süke i-ki-no kami-ivo mesi-te no-tamai-keru-wa kono fagi-tcara to-
zai-je nagaku nan-boku-je firoku sigeri-tare-ba tai-teki kanarazü ^ fuku-ico oku-besi. Mi-
kata /\\ ^ ko-zei-nite katsü-ni ^ zib-zi naga-oi-si mosi fa-kaku-mo si-dasa-ha kon-teö-no
fataraki munasi-ku nani-besi-to omoi-te nori-todome-taru-tva fide-aki-ga fikaje fun-betsü-ni 7ii-
fari-ja ika-ni-jo.-to no-tamb.
Der Feind, in grossem Masse seines Vortheils verlustig, wurde geschlagen. Die
Unserigen, ihren Sieg sich zu Nutzen machend und auf einer Strecke von fünf bis
sechs Strassenlängen keinen Zwischenraum lassend, zerstreuten ihn. Das grosse feind-
liche Kriegsheer, welches den Verwundeten keine LEilfe leistete und die schwachen
Gefährten nicht umschliessen konnte, drang in Unordnung in die AVeiderichgebüsche
des weiten, verdorrten Feldes. Der oberste Heerführer stellte die Feldherrnfahne auf,
hielt durch die Weisung der Glocken und Trommeln die auf die Verfolgung ausgehenden
Krieger des Heeres zurück und Hess ein Siegeslied anstimmen. Er berief den Statt-
halter von Idzumi, den Gehilfen des Vorstehers der Pferde zur Linken, und den Statt-
halter von I-ki zu sich und sj-.rach : Da dieses Weiderichgebüsch von Osten nach Westen
lang, von Süden nach Noi'den breit und dicht ist, wird der gewaltige Feind o-ewiss
einen Hinterhalt legen. Die Unserigen mit ihrer kleinen Macht machen sich den Sieg
25G Pfizmaier.
zu Nutzen und leiten eine lange Verfolgung ein. Ich ilaclite, wenn sie einen Unfall
iierbeiführen, würden die Thaten des heutigen Morgens vergeblieh sein, und ich hemmte
iliren Ritt. Die Zurückhaltung FIde-aki's hat wohl mit lunsieht Aehnlichkeit : Was
meinet ihr?
Mi-tari uke-tamaivari konu iahi fazime-ie-no gv- |JjjC dzin-ni go- ^ % zi-sin go-sen-
dzin-no on-ge-dzi-wo motte kono gotoku-no on-ie-gara ^ fl^ zettu-ni tsükusi-gataku zon-zi-tate-
matsüru tokoro-ni tada-ima on-uma-zirusi-wo todovie-saserare-surb on-te-date dai-so-koku-ko
on-ge-dzi-ni-ioa ^ viada ^ mi-kasa-mo masari-shro-to osore-nagara kan-zi-si-tate-matsürv-
no mune gon-zio-sh. Fide-aki-ku go-man-etsü-no go-ki-geu-nite keu-no kb-miu zikken-si tsiü-mon-
ni sirusü-hesi-to o-osete kake-fi idzümi-no kami sen-saku-wo togete go-jü-ßtsü ^ "jjf ka-ko
bu-zen-no kami. moku-rokri-ni-zo sirusi-keru gon-ziu kh-rai-koku ^ }\\ gi-sen kawara gassen
kei-teö san-nen siu-guatsü muju-ka tatsü-no koku ko-inib nikki.
Die drei Männer hörten dieses und wagten es, ihre Bewunderung auszusprechen,
indem sie ihm meldeten : Während wir erkennen, dass über eine solche That, diessmal
bei dem ersten Treffen durch die Weisung für das Vordertreffen persönlich vollbracht,
mit der Zunge unmöglich Alles sich sagen lässt, übertrifft eben jetzt die Veranstaltung,
dass die Feldherrnfahne zurückgehalten werde, die Weisungen des Fürsten, des grossen
Reichsgehilfen, noch um den Berg der drei Hüte.^
Fürst Fide-aki, in freudiger Stimmung, befahl, dass man die Ruhmeszeiehen des
heutigen Tages prüfen und in die Bücher eintragen möge. Als Kake-fi, Statthalter von
Idzumi, die Untersuchung beendet hatte, trug sie (die Ruhmeszeichen) der als Schreiber
zur Seite stehende Ka-ko, Statthalter von Bu-zen, in die Verzeichnisse ein.
Das Tagebuch über die in der Schlacht auf der Flussebene Gi-sen, in dem Reiche
Kö-rai, am sechsten Tage des ersten Monats, des dritten Jahres des Zeitraumes Kei-teö
(1598 n. Chr.), um die fünfte Stunde" gewonnenen Ruhmeszeichen.
Die Zahl der unter dem obersten Heerführer, Fürsten Fide-aki,
erbeuteten Köpfe: •
Siebentausend einhundert zwanzig: Sugi-wara, Statthalter von Simo-tsuke;
Fünfhundert fünf und dreissig : Ka-to, Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken ;
Dreihundert zwei und siebzig: Kake-fi, Statthalter von Idzumi;
Eintausend zweihundert ellf: Mö-ri, Statthalter von I-ki •,
Fünfhundert dreissig: M6-ri, Statthalter von Bu-zen-,
Vierhundert siebzig: Sagami, Gehilfe der bewaffneten Leibwache zur Linken;
Siebenhundert acht und dreissig: Sima-dzu Mata Sitsi-rö ;
Sechshundert zwei und siebzig: Aki-dzuki Saburo ;
Sechshundert: Taka-fasi Ku-rö.
Zusammen dreizehntausend zweihundert acht und dreissig Köpfe.
(Siegel der Oboraufseher.)
Von den Unserlgen gefallen : Ueber zAveltausend achthundert.
* Um die Hölie des Berges der drei Hüte.
- Vi>n 7 bis '.) Uhr Morgens.
Der Feldzug der Japaner gegen Cokea. 257
Fide-aki-ko sono omote-no jh-dai tsüviabiraka-ni on-sirusi atte gon-zib asobasi-keru-ga on-
kokoro-jo-ge-nite ono-ono uke-tamaicare. Mi-kata fadzüka-ni itsi-man /V ^ fassen-
jo-no ^ sel-wo motte ziü-man-ki-no teki-wo oi kaku 'jh^ %\] tai-ri-wo uru-to iü koto nippon-
no ^ ^ kitsi-zi fanafada-motte man-zoku-no itari nari. Tai-teki -^ i^ km-to-jori uje-
uje-tsükare-taru juje soko-baku-no gun-zei-wo utarete fiki-irl-mt-to-zo o-ose-keru. Kaku-te idzümi-
no kami go-ka-ro simo-tsnke-no kami-ni mukatte i-i-keru-wa kon-do tai-sib-gun-ku go-gu-soku
fazime-no gassen-ni ^ ^ saa-goku bu-sh-no on-ge-dzi-ivo motte utsi-tottaru kubi-kazü-ioo
fana-wo kaki-tare-ba tote kono kusa-fukakl tokoro-nite süte-oku-beki-ni arazü. Fii-san-kai-no
o-o-mina-to-je idasi go- ^ ~l\ zio-ka-je kake-oki ||jt _\ sü-nin-ni sarasü-besi-to-zo i-i-keru.
Fürst Fide-aki verzeichnete umständlich diese Vorgänge und brachte sie nach oben
zur Kenntniss. Mit Freude mochte sie Jedermann hören. Dass die Unserigen mit einer
Macht von kaum achtzehntausend Menschen den zehnmal zehntausend Heiter starken
Feind verjagten und so grossen Vortheil davon trugen, war für Nippon ein überaus
glückliches Ei-eigniss, die höchste Genugthuung. Man verkündete, dass der gewaltige
Feind, weil er seit dem Winter des alten Jahres von Hunger erschöpft war und eine
so grosse Heeresmenge getödtet wurde, abgezogen sei. Da sprach der Statthalter von
Idzumi, der hohe Hausverwalter, zu dem Statthalter von Simo-tsuke: Da man den in
Folge der in den drei ßeichen unvergleichlichen Weisungen, welche diessmal der oberste
Heerführer, mit seiner Rüstung angethan, in dem ersten Treffen gegeben, erbeuteten
Köpfen die Nasen abgeschnitten hat, so sollte man sie an diesem mit dichtem Grase
bewachsenen Orte nicht wegwerfen. Man soll sie zu dem grossen Fahrwasser von Fu-
san-kai hinausbringen, sie an dem Fusse der Stadtmauern aufhängen und den Menschen
zur Schau stellen.
Kakari-keru tokoro-ni bi-zen mima-suka-no rib- ^ ^ koku-siu uki-da tsiü-na-gon sü-wb-
no koku-siü mo-ri -^ i^ sai-sib a-wa-no koku-siü futsi-sü-ka a-wa-no kamt sanu-ki-no koku-
siü i-koma uta-no kami onazi-ku sanu-ki-no kami i-ki-no koku-siu matsüra fi-zen-no kami to-
sa-no koku-siü teö-so-ga-be to-sa-no kami satsü-ma-no koku-siü sima-dzü feö-ko-no kami nabe-
sima sina-no-no kami ko-dera ka-i-no kami to-db sa-do-no kami naka-gaiva \^ ^§. siü-ri-no
tai-fu-ra-ioo fazimete sono foka ono-ono ikusa ^ san-zife ^ )\\ j^ gi-sen-gen-no sen-zib-ni
kitari siba-i-je tsükubai-narande sügi-wara simo-tsüke-no kami-wo motte go-te-gara-no omomuki
mbsi-aguric.
Unter solchen Umständen kamen vorerst der mittlere ßath Uki-da, Vorsteher der
beiden Reiche Bi-zen und Mima-saka, Mo-ri, Vorgesetzter und Reichsgehilfe, Reichsvor-
steher von Su-w6, Fatsi-su-ga, Reichsvorsteher von A-wa, Statthalter von A-wa, I-koma,
Reichsvorsteher von Sanu-ki, Haupt der grossen Musik, der denselben Geschlechtsnamen
führende Statthalter von Sanu-ki, Matsura, Reichsvorsteher von I-ki, Statthalter von Fi-
zen, Teo-so-ga-be, Reichsvorsteher von To-sa, Statthalter von To-sa, Sima-dzu, Reichs-
vorsteher von Satsu-ma, Haupt der Rüstkammer, Nabe-sima, Statthalter von Sina-no, Ko-
dera, Statthalter von Ka-i, Tö-dö, Statthalter von Sa-do, und Naka-gawa, der die Grund-
sätze ordnende Grosse, ausserdem die einzelnen zerstreuten Kriegshaufen zu dem Kampf-
platze der Ebene des Flusses Gi-sen, kauerten auf der Schaubühne und meldeten durch
Sugi-wara, Statthalter von Simo-tsuke, das Nähere über die That.
Fide-aki-kö go-ran atte ika-ni nandzi-ra kua-bim-no kokii-gun-wo kudasi-okaruru-wa go-
jö-ni tateraru-beki on-tame naru-ni kono sen-dai mi-mon-no ro-zib-wo kiki-nagara sono fb-ra
itin-ba-wo-mo tate-kosazü-site go-tsüme-mo ka-sei-mo naru-beki-ja. Ziü-ni-guatsü ni-ziü-go-roku-
Denischriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bil 33
258 Pfumaif.k.
nitsi-no koro-jorl men-men-ga '^ )^ zev-sen bakari-nite ^>L iJj itnru,-jama-iw mina-to-nite
juraje nan-no ^ sen-ga aru-beki mata gaasen-no koto sügi-te kono ümote-je jiondzüje-ni sügari-
idete tai-teki mosi-mo tofte kajesi ZL ni-no § me-no gassen tori-miisühn, koto ara-ha ikn-ga
fatarakii-heki-no f'J\ ^ sio-zon-zo-ja-to o-oki-ni ikarase-tamu. Sio-tal-slo makoto-ni ajamari-
kere-ha go-fen-to-ivo-mo mbsi-age-jezü kasira-wo i^J tsi-ni tsüke-wi-tmn-keru. Sio-gun-zei kore-
tco kiki-ie sate-mo mu-rid-no tai-sib kana imada ziil-sitsi-sai-ni koso narase-tamaje on-fataraki-
no o-o-ioaza on-kotoba-iio ju-ju-si-sa-jo-to J^ ~P zib-ge ^ ^ zi-moku-wo odorokasi-keru.
Fürst Fide-ald sali die Meldung und sprach in grossem Zorne : Ihr, denen nach
der Unterwerfung von mehr als der Hälfte der Keiche und Kreise Alles, was ihr brauchen
konntet, zu Gebote stand, als man von dieser in früheren Zeitaltern unerhörten Be-
lagerung Kunde erhielt, setztet ihr keine Menschen und Pferde hinüber: Konntet ihr
da die Theilnehmer, die Hilfsmacht sein? Seit dem fünf oder sechs und zwanzigsten
Tag-e des zwölften Monats schaukeltet ihr Alle zu Schüfe in dem Fahrwasser von Maru-
jama: Was kann hieran Besonderes sein? Als ferner die Schlacht vorüber war, ginget
ihr, auf die Bogen gestützt, zu jener Fläche hinaus. Wenn der gewaltige Feind zurück-
kehren und in eine zweite Schlacht sich einlassen sollte, wie steht es da mit dem
Gedanken, dass ihr etwas leisten könnet? — Da die Heerführer wirklich gefehlt hatten,
konnten sie keine Antwort vorbringen und legten die Häupter an den Boden an. Als die
Heeresmenge dieses hörte, waren Höhere und Niedere in ihrem Staunen Auge und Ohr
und sagten : 0 , ein unvergleichlicher Heerführer ! Er mag erst siebzehn Jahre alt
werden. 0, die Grösse seiner Werke! O, die Hochherzigkeit seiner Worte!
Sore-jori fide-aki-kö martc-jama-je on-sonaje-ivo Ircraru mata kuro-foro ni-ki uru~san-no
siro-je kudasare ru-zib-no tei-wo dziü-dziü go-kan-nasare se-zü-kai-ni ari-si kaznje-no kami-ga
gun-beö-ioo sb-sb uru-san-je ire-kaje-si ^ i rö-si-wo se-zü-kai-no siro-je utsüsi itsi-nin-ni
go-nin maje-no fu-tsi-wo ki-teo-ni itaru made ke-dai-naku tsükawasi naga-naga-no ku-vo kiü-
soku-sase-hesi. Mata kin-tu ni-zm-ni-nitd-jorl kon-nitsi-ni itaru made sono aida ziü-jokka
TJt Ü^ hei-süi-wo tatete fi-hi-no tai-jü tsümahiraka-ni sirusi ß-da-ito kamt — ■ ^ij ippan-ic
motte gon-zib-tsukama,tsüru-beki m.une o-ose-kiidasarii san-täi-sib on-uke-mbsi-age ^ '^ rib-si-
ica kajeri-keru.
Hierauf legte Fürst Fide-aki seine Aufstellungen nach Maru-jama. Ferner sandte
er zwei in schwarze Baumwollpanzer gekleidete ßeiter zu der Feste von Uru - san
herab und Hess sich den Zustand der Besatzung sehr angelegen sein. Die von dem
Haupte der Rechnungen befehligten Kriegsleute, die sich in Se-zu-kai befunden hatten,
wollte er schnell wechseln und nach Uru-san legen, die daselbst eingesclüossenen Kriegs-
männer nach der Feste von Se-zu-kai überführen^ jedem Einzelnen bis zur Rückkehr
an den Hof unablässig die für fünf Menschen bestimmte Unterstützung schicken und sie
für immer von ihren Mühen ausruhen lassen. Ferner befahl er, dass man umständlich
niederschreiben und unter dem Siegel des Statthalters von Fi-da über die grosse Tapfer-
keit, durch welche im Winter des vorigen Jahres, in der Zeit vom zwei und zwanzigsten
Tage des Monats bis zu dem heutigen Tage, durch vierzehn Tage ohne Reis und Wasser,
die Besatzung Tag für Tag sicli auszeichnete, berichten möge. Die drei Heerführer
meldeten es in einer Schrift, und die zwei Abgesandten kehrten zurück.
Sika7'u-ni min-siü-no tai-gun koto-gotoku fiki-drizoki-tari-to ije-domo zib-nai-ni-wa katmte
ju-dan-sezä. San-koku-no aida-jori mata teki idzüru koto aru-hesi-tote zib-ge sidzumari
kajette i-tari-si-ni y^ Jt, kai-zib H^ ^ sü-sen nori-ukabe-taru -^ jKJ feö-sen-domo wäre
0
I
DeE FliLDZUG DER JaPANER GEGKN CoREA. 259
saki-ni-to osi-iru. ^ fJi Zlu-tsiü-jori kore-tco mite iru-be-karazü-to ai-chü-no faja-kane-wo
■seme-semere-ba sore-ico kiki-uke mina-mina ^^ _t. fa-zib-ni juraje-keru-ga sio-nin amari-ni
taje-kanete fune-wo mina-to-ni osi-tsüke sa7'u-no koku hakari-nl uru-san-je fase-nohori sirn-mo
si7'aza7'u-ino rv-feö ^ ^ ga-ki-no jb naru. Te-ivo totte kabuto-iio ^ te-tsü ^ fon-je sasi-
itadakl safe-mo urajamasi-ki go-rö-zib kann. Mala kon-ja-tslü-no seme-no utsi isi-bi-ja u-o-
dzütsü-iva kagiri-naku-mo utsi-dasi-tamai-tari. San-no maru-no fei-no uje-ni-ica ZL ^^ ni-
ken-jo-no o-o-dai-matsü süki-ma-nahi sasi-dasi-tamb koto kono tai-nan-no ru-zib-ni fi-rui-naki
on-koto kana. Kaza-kazü naga-tai-matsü-no fikari-nite siro-no fotori-wa tada faku-tsiil-ni
koto-narazü. Ni-no san-no fon-mcLru-iva kuro-kumo-ni tsütsümare-tario ju-ni mije-si-ga fito-
seme-semuru tabi-goto-ni kono siro-ica 3l |S3 go-ken -{^ 59 sitsi-ken-tsütsü mai-agari-si-ka-ba
faruka kumo-i-ni takaku nari-te utsi-dasü tsütsü-icoto-mo ^ f|^ un-tsm-ni kikoje-kere-ba nii-
no ke-mo jodaisü bakari-to kataru.
Obgieicli das grosse Kriegsheer des Landes Ming gilnzlicli sich zurückgezogen hatte,
war man in der Feste durchaus nicht sorglos. AVährend, in der Meinung, dass der Feind
noch aus den Gebirgsthälern hervorbrechen könne, Höhere und Niedere das Gegentheil
von Beruhigung hatten, liefen auf tlem Meere mehrere tausend bemannte Kriegsschiffe im
Wetteifer ein. Als man dieses aus der Feste sah, sclilug man zum Zeichen, dass sie
niclit einlaufen dürfen, fortwährend die Lärmglocke, und die Schiffe, auf denen man es
hörte, schaukelten in Gesammtheit auf den Wellen. Die Leute, welche nicht länger
aushalten konnten, legten die Scliiff'e in dem Hafen an, und um die neunte Stunde'
sprengten sie nach Uru-san hinauf. Die Krieger der Besatzung, die bekannten und
unbekannten, waren gleich liungerigen Dämonen. Jene ergriffen die Hände, erhoben
sie zu der KuppeP des Helmes und riefen: O, eine beneidenswerthe Besatzung! — Sie
erzählten ferner: Während des Angriffes der heutigen Nacht schösset ihr mit Feuer-
schlünden und grossen Feuerröhren ohne Ende heraus, lieber dem Erdwalle des dritten
ßunds stelltet ilir grosse Fackeln von dei- Höhe zweier Ken, ohne einen Zwischenraum
zu lassen, hinaus : Welch' eine unvergleichliche Sache bei dieser in grosser Gefahr
schwebenden Besatzung! Bei dem Lichte der zahlreichen langen Fackeln waren die
Umgebungen der Feste nicht anders als am hellen Tage. Das zweite, dritte und das
ursprüngliche Eund erschienen wie in schAvarze Wolken gehüllt. So oft ein Angriff
erfolgte, stieg diese Feste zu je fünf Ken, sieben Ken tanzend empor. Sie wurde fern
als AVolkensitz hoch, und als der Ton der abo-efeuerten Röhre in den Wolken erklang
standen die Haare zu lierge.
Rö-feo kore-ico klki-te kimo-wo kesi i-i-keric-vja fei-ura kaicaru gun-beö saje na-kere-ba
tai-matsu nado idasü koto kaku-go-ni-mo ojobazü teppö-tva tama-mo kusuri-mo taje-fate tsiitsü-
wo te-ni toru mono-mo nasi. Sono sib-ko-ni-ioa tsütsü-mo kin-sio-ni aru-be-karazü. Mata
tai-matsü-no moje-ato-mo ßto-tsü-mo nasi-to kotaje-kere-ba sio-nin te-tvo täte dai-itsi tai-kun-no
go- 1^ ^ sei-un ten-tsi-jori-mo atsüku fukakn, juje-ni nippon-no ku-man fassen-no ^ )jj^
gun-zin tate-komori-te kata-zi-ke-naku-mo ^ gi-wo mamoru jil-si-ni tsikara-ico aicase-tamai-si-
to mije-tari. Taga ff( ^ sio-i-to-mo sirazü-site kaku-no gotoki fu-si-gi-naru jjjlp ^ zin-sio-
no fodo koso ari-gata-kere. Tsüfaje-kiku 0 ß-iva ^ (^ ro-jb-no tame-ni ^ ^ san-sia-
' Von 'i bis ö Uhr Nachmittags.
2 Te-tsu fen ,das Zuriickkeliren der Hand' ist so viel als te-fen, der oberste knopftorraige Theil des Helmes. Dieser Thcil
des Helmes heisst auch ^p jr\ ten-kü.
33*
2(;o l'rizMAiER.
iro sirizoJci iwawo-tva J^ ^j|j zi-d-ga tame-ni ^ ^ fi-sen-tvo idam-mo makoto-nam-hesi-to
^ ^ ki-i-no omoi-tvo-zo ncui-tari-kern.
Als die Krieger der Besatzung dieses hörten, waren sie vor Staunen ausser sich
vind sagten : Da es innerhalb des Erdwalls keine wechselnden Krieger gab, konnte man
nicht daran denken, Fackeln hinauszustellen. Für die Flinten waren Kugeln und Pulver
zu Ende gegangen, und Niemand war, der ein Feuerrohr in die Hand genommen hätte.
Ein Beweis dessen ist, dass sich in der Nähe keine Feuerröhre befinden können. Auch
ist kein einzio-er Stumpf einer abgebrannten Fackel vorhanden. — Bei dieser Antwort
schlugen die Leute die Hände zusammen und riefen: Weil das heilige Loos des ersten
grossen Gebieters gewaltiger und tiefer als Himmel imd Erde ist, haben sich die neun-
mal zehntausend und achttausend Kriegsgötter Nippons in die Feste gelegt. Dass sie
mit den dankbar an der Gerechtigkeit festhaltenden tapferen Kriegsmännern ihre Kraft
vereinigt haben, ist offenbar. Ohne zu wissen, wessen Werk es ist, mag man für eine so
wunderbare göttliche Hilfe dankbar sein. Wovon man in der Ueberlieferung hört, dass
die Sonne wegen Lu-yung um drei Tagereisen zurückgewichen, dass der Fels wegen
Ni-sse eine fliessende Quelle hervorgesendet, es kann wahr sein. — Sie dachten dabei
an ein Wunder.
San-tai-sib ka-tu sa-ma-no süke-ga fima-tai-sib-no =z Jl mi-kami ^ ^ rohi,-no ^
zeo-wo jobi-te sono sina tsühusa-nl klki fi-da-no kami kadzü-josi i-i-kerit-wa s6-zite to-kai i-rai-
1X0 ® Pb gun-tsiü \ ßto-waza-ni-ira arazü-to uhoje-tari. Kotn-sara kono siro-no tei-ico an-
züru-ni mattaku nin-gen-no fataraki nomi-ni arazü. Teki-jori nfsi-si o-o-dzutsu isi-hi-ja o-o-
jumi-ua ame-jori-mo sige-kari-si-ni zib-nai (tsi-niii-mo atari-fe ^ si-taru-to in mono nasi.
Sono uje kono || jjjiü^ zin-fi fito-je-ni fide-josi-ko % ^ seki-zen-vo on- ,^ |J zi-ß-jori ide-
taru koto-to oboju. Sore-tco ika-ni-to iü-ni nippon-koku-tml-no jjj$ fi zin-zija ^ ^ bukkaku
-hr jifi: tai-sija /]"» jjÜ sib-sija-ni kagirazü ni-fiaku-nen san-fiaku-nen kutsi-fate-taru-ico ^ff ^
sio-sio-no ^ |E kin-ki-too motte koto-gotoku jg; ^ su-jei o-oae-tsnkerare arui-tca '^ ^ ^
ko-mei-zib ^ ^ sen-si-no kiü-seki-to taje-taru-im aratame sütare-tarit-ico tmgase sono ßtka
fi-jei-san-no "f ]^ bo-sio-to nari-si-wo arntame-tamb nomi narazü. ^ ifß Toß. ^ ^ jen-
kib-no ban-min sidzh-jama-katm ^ ^ ro-do san-rin-no ^ \ ßn-zln-ra-ni 'itarn made
amamku to-sei an-do-no on-megum.i D| ^ so-ten If, '/$ sn-kai-ni mitsi-te makoto-ni 0 ^
zitsü-qetsü-no kusa-ki-wo terasi |^ ^ ga-u-x-no koku-do-wo uruwosu-ga gotosi. Jitje-ni
iM "^ zin-butsü-no i-riki-mo tsnjoku-site kami-kaze arata-ni tai-giin-no kakomi-tvo fuki-jahn,ri
fadzüka-no rö-ßeö kare-ki-ni fana-no saki-taru-to jaran-no ^ i|| ki-7m-wo ßrnki-si koto-no
arl-gatasa-jo-to-zo ücare-keru.
Die drei Heerfahrer riefen die drei Höheren und die sechs Zugesellten des von
Ka-to Gehilfen des Vorstehers der Pferde zur Linken, abhängigen Heerführers der
Schiffe und als sie diese Sache in ihren Einzelnheiten hörten, sprach Kadzu-josi, Statt-
halter von Fi-da: Ueberhaupt hat man bemerkt, dass in dem Ki'iegsheere, seit es das
Meer übersetzt hat, nicht das Walten der Menschen stattfindet. Besonders wenn man
das Wesen dieser Feste betrachtet, so ist es in seiner Vollständigkeit nicht bloss das
Werk von Menschen. Während die von dem Feinde aus grossen Röhren, Feuerschlünden
und Steinschleudern entsendeten Geschosse dichter als Eegen waren, war Niemand, der
gesagt hätte, dass in der Feste auch nur ein Einziger getroffen worden und gestorben
sei. Ueberdiess erkennt man, dass dieses göttliche Geheimniss einzig aus dem das Gute
häufenden Mitleide des Fürsten Fide-josi hervorgegangen. Fragt man, wie dieses
Der Feldzüg der Japaner gegen Corea. 261
geschieht, so hat er sich auf die göttlichen Altäre, die Buddhatempel, die o-rossen Altäre
die kleinen Altäre in dem Reiche Nippon nicht beschränkt. Was zweiliundert Jahre
dreihundert Jahre verfallen war, wurde mit Hilfe alter Berichte der verschiedenen Orte
auf seinen Befehl gänzlich aufgebaut. Bisweilen erneuerte er, was von den alten
Spuren in dem Kampfe gefallener alter berühmter Heerführer verwischt war füo-te
zusammen, was verworfen war. Ausserdem erneuerte er, was zu Grunde gegangene
Stellen des Berges Fi-jei geworden. Dieses ist es nicht allein. Die zehntausend
Menschen des Volkes der Landstädte, der fernen Gränzen, selbst die o-emeinen Berg-
bewohner, die armen Menschen der Wege und Strassen, der Berge und Wälder die
Gnade, mit der er ihnen den Unterhalt des Lebens, Ruhe verschaffte, sie erfüllt den
gesammten Himmel, das gesammte Meer, sie ist in Wahrheit gleich Sonne und Mond
welche Pflanzen und Bäume beleuchten, gleich dem fallenden Regen, der die Erde
des Reiches befeuchtet. Dass desswegen die Kraft der Götter und Budha's crewaltio-
war, der Götterwind von Neuem die Umschliessung des grossen Kriegsheeres zerblies
und bei einer geringfügigen Besatzung das Loos der Gefahr, welches so beschaffen war,
als ob auf verdorrten Bäumen Blüthen keimen sollten, eröffnete, ist eine seltene Gnade.
Saru fodo-ni kazüje-no kamt kijo-masa-ga kio-zio se-zu-kai-no gun-hev ka-tö u-ma-no
zeö-iüa nokosi-oki ka-to momo-süke ^ sih fajasi faja-to-no süke ^ mo7'i ^ ^ moto-qi tai-
fa isogi-kite urii-san-zib-ni iri-kaivaru. Fi-da-no kami kadzü-josi saki-datte HJ ÖJt siiitsü-zib-
sii ni-ban sa-kih-no dai-fu juki-naga san-ban kazüje-no kami kijo-masa siro-tvo idzüru. Kawari-
no gun-si fata msi-mono idzüre-mo fanajaka-ni siro-je kazari midzü fib-ro fatua kusürl faki-
gl ^ P^ jen-so nahe kama-to-ni itaru made ziu-nai-je tori-ire-kere-ba san-dai-sih-zoo fazimete
rO-si sio-guatsu muju-ka-no ^ jo-ni iri-te fime-ni tori-norl ^ ^ so-sei-si-tariü kokotsi-site
mono-no gu-wo nugu-to fitod-ku kosi-iva süde-ni fisi-to nuki-te tatsi-i-mo kanaioazü. Osi-dzin-
no zi-setsit saje sio-nin-mo fan-tokl-to-mo tsid-ni manako-wo awazaru-ni masi-te kiü-to ni-ziü-
ni-nitsi-jori ima muju-ka-ni Hatte katsüte manako-wo mazijezü. Midzü-ni kassi sioku-ni uje
fi-bi \f^ sün-no ßma-naku mi-bone-ivo kudaki-te fataraki-kere-ba faja tawai-mo naku neburi-
si-ka-ba tai-gun-no seme-ivo jume-ni mite katana-no tsüka-ni te-wo kake gappa-to oki-te me-wo
samasü. Ru-feö zio-ge-nl kaglrazü sükosi raadoromu sono aida-ni-wa u-o-seme-no jume-zvo
miru koto san-nen amari-ica javiazari-keri.
Die Kriegsmacht von Se-zu-kai, der Wohnfeste Kijo-masa's, Hauptes der Rechnungen,
bei Ka-to, Zugeseiltem des Vorstehers der Pferde zur Rechten, zurückgelassen, kam unter
Ka-tö momo-suke Siö, Fajasi. Gehilfen der Thorwache, und dem Grossen Mori Moto-gi
in Eile und zog zum Wechsel in die Feste von Uru-san. Kadzu-josi, Statthalter von
Fi-da, verliess die Feste zuerst. Als Zweiter trat Juki-naga, Grosser der Hauptstadt
zm- Linken, als Dritter Kijo-masa, Haupt der Rechnungen, aus der Feste. Die wech-
selnden Kriegsmänner schmückten die Feste prachtvoll mit allen Fahnen imd Wimpeln,
und nachdem man Wasser, Mundvorräthe, Kugeln, Pulver, Brennholz, selbst Salz und
Essig, Pfannen und Kessel in die Feste gebracht hatte, stieg die Besatzung, die drei
Heerführer voran, beim Anbruch der Nacht des sechsten Tages des ersten Monats in
die Schiffe. In dem Augenblicke, als sie mit einem Gefühle, als ob sie von den Todten
auferstanden wären, die Rüstung auszogen, waren ihre Lenden ganz lahm geworden,
und sie waren nicht fähig, zu stehen oder zu sitzen. Zur Zeit der Vorrückung schlössen
die Leute nicht einmal eine halbe Stunde ein Auge, um wie viel weniger hatten sie
^eit dem zwei und zwanzigsten Tage des Winters des alten Jahres bis zu dem heutigen
262 Ill/MAIKl;.
sechsten Tage ein Auge geschlossen. Sie hatten, dürstend naeh AVasser, hungernd nach
Speise, Tag für Tag ohne einen Augenblick Masse, bis zum Zermalmen der Knochen
sich abgemüht, und als sie bald, ihrer selbst nicht machtig, einschliefen, träumten sie
von dem Angrift'e des grossen Heeres. Sie legten die Hand an den Grift" des Schwertes,
erhoben sich rasch und erwachten. Dass die Krieger der Besatzung, gleichviel ob
Höhere oder Niedere, wenn sie nur ein wenig schlummerten, von dem grossen Angrifi'e
träumten, hörte durch mehr als drei Jahre nicht auf.
Koko-ni o-o-gairutsi-ga fune-no sen-do go-ro-ii-je-inon-to iü mono omo-ju-ivo naka-wan
^ /j>P san-hai atajete notsi itsi-do-mo atajezari-kere-ha o-o-gaioutsi go-ro-u-je-mon-wo mesi-te
kaju-wo kure-jo-to semurit-to ije-domo ziü-jo-nitsi-ga akla uje-tarit koto nare-ha sono sama-
wo kangami-te kaju-ivo ataje-zari-keru-wo motte-no foka-ni nikusi-to omoi tada go-i'o-u-je-mon-
wo kiri-korosi sioku-zi-wo kokoro-mama-ni makasü-hesi-to omoi-te kosi-ioa tatazü sikiri-ni jobi-
kere-ba go-ro-u-je-mon idete o-o-gaw?itsi-ga men-sioku-ivo mi-uke ma-doivo-ni ari-te i-i-keru-wa
go-ke-siki-wo mi-tate-matsüre-ba go-te-utsi-ni nasaru-heki tei-ni sbrb. Go-fuku-riil'ioa go-motto-
mo si-goku-motte sbrbje-domo madzü go-si-an-si-nasare-sbraje. Sen-dai mi-mon tamesi-goto-naki
tai-teki-no utsi-no go-ru-zib tote-mo on-inotsi aru-hcki-ni arazam tokoro-ni man-man ^ si
— ■ ^ issib-no on-inotsi-wo ßrowase-tamb koto makoto-ni u-don-ge-to zon-zi kono uje-wa
araki kaze-ico-mo ikoi joku-joku ju-iku si-tate-matsüru-beki-to zon-ze-si-ni go-san-nitsi-ga aida
taje-gataku obosi-mesi sioku-zi on-kokoro-ni makase-tamawa-ba tatsi-matsi-ni on-inotsi-zca sbru-
mazi. Dai-zi-no on-inotsi-ico munasi-kii ^ Pfl sen-tsiü-nite säte-sase-tamawan koto katsü-ira
go- i:\^ ^ fi-kib-ni shrb. Inia go-san-nitsi-ga aida-iva go-rö-zib-to obosi-mesi-sbraje. Watakusi
inotsi-kagiri-ua go-nitsi-ga aida-wa f^P ^ gijo-i-ni inakase-sbrb-mazi-to namida-ivo nagasi-te
kotaje-keru. 0-o-gawutsi sasi-ataru ^ ri-ni tsümerarete kotoba-mo naku tada — • S>J fito-
iitsi-ni-to omoi-si kokoro-mo jowari-te fadzukasi-ku utsutsü-no gotoku-zo fusi-m-keri.
Der Befehlshaber des Schiffes, auf welchem 0-o-gawutsi sich befand, ein xMann
Namens Go-j-o-u-je-mon, nachdem er ihm Reisbrühe, mitten in eine Schale drei Löffel
voll, gegeben hatte, gab es ihm später nicht Ein Mal. 0-o-gawutsi rief ihn herbei und
sagte zu ihm gebieterisch: Gib mir Reisgrütze! — Doch in Betracht, dass wir vierzehn
Tao-e o-ehuno-ert hatten, o-ab Jener die Reisgrütze nicht. 0-o-gawutsi war ausserordent-
lieh aufgebracht. Er gedachte, Go-ro-u-je-mon niederzuhauen und nach Belieben zu essen.
Während seine Lenden lalim waren, rief er ilm unaufhörlich. Als Go-ro-u-je-mon her-
vortrat, erblickte er die Züge 0-o-gawutsi's. Er blieb in weiter Entfernung stehen und
sprach: Wenn ich deine Züge betrachte, so thust du, als ob du mit der Hand zuhauen
Avolltest. Dein Zorn steigt mit Recht auf das Aeusserste, aber denke früher nach. Dass
ungeachtet der in früheren Zeitaltern unerhörten, beispiellosen Belagerung durch den
gewaltigen Feind, als dein Lebensloos keineswegs Bestand haben konnte, du dein
Lebensloos, bei welchem zehnmal Zehntausend der Tod, ein Einziges das Leben, auf-
lasest, hieran erkenne ich wirklich die Blume U-don-ge. ' Während ich zudem denke,
dass ich vor dem rauhen Winde Ruhe verschaffen, nach besten Kräften Pflege angedeihen
lassen solle, glaubst du, durch fünf oder drei Tage entbeliren, sei unmöglich. Wenn
du nach Belieben issest, wird dein Leben plötzlich nicht bestehen. Dass du dein
theures Leben unnützer Weise in dem Schiffe wegwerfen willst, ist überdiess Vermessen-
heit. Denke, ihr werdet jetzt durch fünf oder drei Tage belagert. Du wirst die
1 In Cliina die fjrüncn I'Iiitlicn flcr Wassorlilio, in Japan die Banancnbliithe.
Dek Feldzuii der Japaner gegen Cop.ea. 263
Begränzung des eigenen Lebens durcli fünf Tage nicht deinem Willen überlassen. — So
entgegnete er unter Thränen. 0-o-gawutsi war von den zutreffenden Gründen überführt.
Ohne ein Wort zu sprechen und sein Herz, in welchem er es mit einem einzigen Schlage
abzuthun gedachte, erweichend, schämte er sich und legte sich, wie zu sich ge-
kommen, nieder.
Kio-nen sitsi-guatsu nanu-ka-ni Id-fazime-si gu-soJcu-7io uioa-ohi ^ ^ kon-seki sen-tsiü-
nite tokl-tari. Kaku-te tai-sib-no moto-fune-ioo fazimete ibru-san-no tsi-jori san-teo-ga aida
7^ '^ niü-kal-iüo fedatete asi-iüara-zima-no sü-saki-ni furi-kakaiH-ni tsünagi-te jo-wo akasi-
keru. Kon-nitsi fide-aki-kv gi-sen-gen-no on-fataraki-ni on-tomo-si ^ ^ tai-kö-wo tate-si
go-fö-hi-to Site ^ ^ ^ sa-7no-zi-no on-kosi-iibono kai-gu-no on-uma ka-td sa-ma-no süke-ni
kudasant 3fe ^ mitsü-tada-no on-kosi-mono on-uma kake-fi idzmü-no kami ^ ^ en-ziii-
no on-kosi-muno on-vmia mö-ri i-ki-no kami fai-rib-sü. Mu-ri hu-ze7i-no kami sima-dzü mata
sitsi-ro aki-dzüki sahuru taka-fasi ku-rö sa.gara sa-je-mon süke migi-no itsü-tari-no m.en-men-
wa kai-gu-no on-uma fai-rib ono-ono men-hoku mi-ni amari-te-zo mije-ni-keru.
Der äussere Gürtel der Rüstung, die man am siebenten Tage des siebenten Monates
des vergangenen Jahres zum ersten Male angezogen hatte, wurde heute Abend in den
Schiffen gelöst.
Die Schiffe, voran diejenigen der drei Heerführer, nachdem sie so weit in das Meer
gegangen, dass sie von dem Gebiete von Uru-san drei Strassenlängen Weges getrennt
waren, stiessen an die Sandbank der Insel der Schilfebene, ankerten daselbst und ver-
blieben über Nacht.
An demselben Tage bestimmte Fürst Fide-aki die Belohnungen für das Verdienst,
an den Unternehmungen auf der Ebene von Gi-sen theilgenommen zu haben. Ein Schwert
Sa-mo-zi und ein Pferd mit vollständigem Geschirre ward Ka-to, dem Gehilfen des
Vorstehers der Pferde zur Linken, verliehen. Ein Schwert Mitsu-tada und ein Pferd
erhielt Kake-fi, Statthalter von Idzumi, ein Schwert der Lebensverlängerung und ein
Schwert erhielt Mö-ri, Statthalter von I-ki. Fünf Männer: M6-ri, Statthalter von Bu-
zen, Sima-dzu Mata Sitsi-ro, Aki-dzuki Saburo, Taka-fasi Ku-ro und Sagara, Gehilfe des
Thores der Leibwache zur Linken, erhielten ein Pferd mit vollständigem Geschirre. Es
zeigte sich, dass Allen Ehre im Ueberflusse zu Theil ward.
Nanu-ka-no -^ ^ sb-ten san-tai-sib-no moto-fune-ioo mata uru-san-no mina-to-je osi-ire
ka-tö momo-süke sib fajasi faja-to-no siike m.ori moto-gi tai-fio-wo mesi-te siro kin-fen teki-no
utsi-zini-ivo sirusi-hesi-to ari-si-ni ziru-san ni-san-teo-ga ^Usi soto-nite titsi-zini-taru teki-no
si-gai itsi-man go-sen sitsi-ßaku go-ziü-si-nin nari. Ro-zib-nite uje-kogoje ^ si-si-taru mono
fappiaku ku-ziü-roku-nin ari-si-ivo m.oku-roku-ni sirusi-keru. Sore-jorl san-dai-sib gun-si
nokorazü inu-no koku hakari-ni se-zu-kai-ni JA. *^ niit-sin-site -^ ^ dai-rö-tuo jasüme-keru.
Am frühen Morgen des siebenten Tages liess man die Schiffe der drei Heerfülirer
wieder in den Hafen von Uru-san einlaufen. Man rief Ka-to Momo-suke Siö, Fajasi,
den Gehilfen der Thorwache, und den Grossen Mori Moto-gi herbei und sagte ihnen,
dass sie die in der Umgebung der Feste auf feindlicher Seite Gefallenen verzeichnen
mögen. Die Leichen der vor Uru-san innei-halb einer Strecke von zwei bis drei Strassen-
längen gefallenen Feinde waren fünfzehntausend siebenhundert vier und fünfzig. Ver-
hungert oder erfroren waren auf Seite der Belagerten achthundert sechs und neunzig
Menschen, die man in die Verzeichnisse eintrug. Hierauf liefen die drei Heer-
2(34 Pfizmaier.
fUlirer und ihre sämmtlichen Krieger um die eilfte Stunde' in den Haien von Sc-zu-
kai ein, und man liess sie von ihren grossen Mühen ausruhen.
Ja-fan-no koro uru-san-no kata-ni atatte isi-bi-ja-to-vw o-o-dzüfsü-io-mo fatojete i-i-gataki
o-oki-naru mono-woto rih-do dzisin-ni-mo arazü-site |i| '{^ san-kai ^ j$Sl, fni-dzi-mo jurugi-
tatsi zio-nai matsi-ja-no to sib-zi-mo koto-gotoku fadzüre-tari. Mata Ü J^ go-ko-no aka-
tsüki-ni itari-te tai-min-zin ni-ki fase-kitari i-l-keru-ira ivare futari siutsü-dzm-no ^j koku-
jori teppd-no kusürl ataka-mn ^ \i\ tai-san-no gotoku adzükaru tokoro-ni fu-si-gi-no ^ j/C
fen-kua-iro motte kore-wo sib-sissü. Gun-si-mo o-oku jake-sini-kere-ba u^are-ra fidarl-mo ^^
ija ^ 4* kua-tsiü-ni munasi-ku naru-to-no |^ setsü-av fonoka-ni kiki-tare-ba ko-kib-ni
nokori-si ^ -^ sai-si-ga — ■ •^ itsi-mei-ivo nobu-beki tame-ni fisoka-ni koko-je tsiku-ten-sü.
Inotsi-ico tasüke-tamaje-tote ko-san-ni ojobu.
Um Mitternacht erzitterten bei einem gewaltigen Tone, der in der Gegend von
Uru-san erscholl und den man weder mit demjenigen der FeuerschlUnde, noch dem-
jenigen der grossen Feuerröhre vergleichen konnte, zweimal, ohne dass sich ein Erd-
beben ereignet hätte, Berge und Meer sowie der ganze Erboden. In der Feste gingen
die Thüren und Scheidewände in den Häusern der Strassen gänzlich auseinander. Ferner
kamen, als man um die Zeit der fünften Nachtwache den Tagesanbruch erreichte, zwei
Reiter. Menschen von Ming, herangesprengt und sagten: Als man um die Zeit, wo wir
Beide das Lager verliessen, Pulver für Flinten eben gleich grossen Bergen in Ver-
wahrung nahm, wurde dieses durch wunderbares Himmelsfeuer verbrannt. Auch viele
Krieger verbrannten, und da wir ein unbestimmtes Gerücht hörten, dass auch wir
Beide in dem Feuer zu Grunde gegangen seien, so entflohen wir, um das Leben unserer
in der Heimath zurückgelassenen Frauen und Kinder verlängern zu können, heimlich
hierher. Schenket uns das Leben! — Mit diesen Worten ergaben sie sich.
Kadzü-josi kiki-te negb tokoro-no saiwai nari-tote kijo-masa juki-naga-je tsükai-wo motte
maneki min-ßto-ivo mesi-te rib-koku-no jb-dai-ico tadzüne min-bito iwaku kon-do rib-wb ka-sei-
to site tai-gun-ivo mesi- ^ gii-si faru-baru kitari-si ka-i-naku uru-san-no /]> ^ sed-zib
ßto-tsü seme-otosi-jezü amassaje soko-baku-no gun-beo-ivo korosi nani-7io men-boka ari-te tai-
min-je kajeru-beki kin-sio-ni ^ |^ zai-dzin-site itsi-do uru-san-ivo utsi-tsübusit-besi-to ^ ^
gi-deo-si urn-san-jori H 0 ^ san-nitsi-ro fedatete ^ ^ tai-zai-no tokoro-ni omoi-no
foka-naru ten-kua-nite gun-si amata ^ si-si-keru tai-kokic-no ßi-uu nari. San-nitsi-ro- ga
aida-no mitsi-sügara te-oi ^ X si-nin-7io ßisi-taru-iva iku-sen-man-to iü kazü-wo sirazü-to-
zo katari-keru.
Kadzu-josi hörte dieses und sprach: Die Bitte ist für uns ein Glück. — Er liess
Kijo-masa und Juki-naga durch einen Abgesandten einladen, rief die Menschen von
Ming und befragte sie um die Verhältnisse der beiden Reiche. Die Menschen von Ming
sagten: In Erwägung, dass man diessmal, mit den beiden Königen als Hilfsmacht, ein
grosses Kriegsheer an sich gezogen, aus weiter Ferne gekommen, im Angriffe die einzige
kleine Feste Uru-san nicht erobern konnte, überdiess eine Menge Krieger geopfert hatte,
frao-te man, welche Ehre man gewinne und wollte nach dem grossen Ming zurückkehren.
Indem man in der Nähe sich in dem Lager befand, beschloss man in dem Rathe, ge-
meinschaftlich Uru-san zu erdrücken. Als man, von Uru-san durch den Weg dreier
Tage getrennt, stehen blieb, fanden durch das unerwartete Himmelsfeuer viele Krieger
1 Von 7 1iis 9 Uhr Aliends.
Der Peldzüg deh Japaner gegen Corea. 265
den Tod. Es war das Missgeschick des grossen Reiches. Auf dem Wege, einem Wege
dreier Tage, liegen Verwundete und Todte, man weiss nicht, wie viele Tausende oder
Zehntausende an der Zahl es sind. — Dieses waren ihre Worte.
Sio-tai-sib se-zu-kai-ni atsümari-te feo-deo-si-keru-wa so-mo-so-mo kon-do tiru-san-no ro-
zih-ni feo-ro-wo ireru koto-wo jezü mata tai-teki-no kakomi-ivo je-taru koto saki-te-no siro-to
i-i-nagara amari-ni de-sügi-taru juje nari. Onaziku-wa uru-san )I|§ ^ siun-ten-wo jahuri-
siitete ßgasi-wa se-zü-kai-wo motte saki-te-to si nisi-wa ^ j^ nan-kai-wo motte saki-te-to
nasi sikaru-besi-to ari-kere-ba ono-ono motto-mo-to onazi-site ren-sio-no ^ deö-wo gon-zio-sen-to sü.
Die Heerführer versammelten sich in Se-zu-kai und fassten einen Beschluss, der
lautete: Es gelang uns diessmal nicht, in die belagerte Feste von Uru-san Mundvor-
räthe zu bringen. Dass die Feste ferner die Einschliessung durch den gewaltigen Feind
erfahren hat, es ist desswegen, weil sie, obgleich eine Feste des Vorderzuges genannt,
zu weit hinausliegt. Man soll sowohl Uru-san als Siun-ten, nachdem man sie zerstört,
auflassen und im Osten Se-zu-kai, im Westen Nan-kai zu Festen des Vorderzuges
machen. — Alle hielten dieses für Recht und wollten das zusammenhängende Schreiben
nach oben reichen.
0-o-fa fi-da-no kami i-i-keru-wa migi-no p^ ^ rib-zib-iva kiä-fo ßde-aki-ko o-ose-nite
torl-tate sika-mo uru-san-uia nanigasi bu-gio-to nari-te zib-ziu-sesime-si siro nare-ba kore-wo
jabutte sikaru-besi-to nru koto madzü-wa fide-aki-kö-wo karon-zi-tate-matsüri ~fC sita-ni-wa bu-
gib-no muno-wo nni-ga siro-ni si-tamb sio-zon nanigasi-ga fun-betsü-ni-wa kanai-gatasi. Sikari-
to ije-domo mono-koto o-oku-no ko-zib-ni makasete ai-kiwamu-beki _t ^ zib-i kio-nen fusi-
mi-wo |i} ^ siussen-no kizami o-ose-tsükerarc-kere-ba ono-ono zon-bmi-no towori ^ J^. gon-
zib aru-besi-to nari.
0-o-ta, Statthalter von Fi-da , spi-ach: Die genannten zwei Festen hat man im
vorigen Winter auf Befehl des Fürsten Fide-aki errichtet, jedoch Uru-san ist die Feste,
die ich, Oberaufseher geworden, ausbauen Hess. Wenn man daher sagt, dass man sie
zerstören solle, so schätzt man vor Allem den Fürsten Fide-aki gering, in zweiter Reihe
achtet man einen Mann, der Oberaufseher ist, für nichts. Einen solchen Gedanken
kann ich nach meinem Verstände nicht fassen. Da aber bei alledem zur Zeit, als wir
im vorigen Jahre Fusi-mi zu Schiffe verliessen, der hohe Wille geäussert wurde, dass
man viele Dinge mündlich vorbringen und bestimmen könne, so möge ein Jeder, was
seine Meinung ist, nach oben berichten.
Take-naka i-dzü-no kami mo-ri min-bu-no ta-jü i-i-keru-wa teki-no siro-ivo mi-kata-ga
seme mi-kata-no siro-wo teki-jori semuru koto medzürasi-ki-ni arazu. Mata feö-ro-wo iruru-
beki-mo maje-kata sirazuru koto nare-ba kore-wo motte siro de-sügi-te fed-ro ire-gataki-
ni arazü. Go-ziaku-nen-no sib-gun-ko o-ose-tsükeraruru-to iü fatsi-ziü-man-ki-no sei-wo motte
seme-jezü-site sükunaki rö-feö 2|j ,^ fon-i-wo toge-si siro-wo fiki-irurii-beki-to-no sb-dan-wa
ono-ono ajamari-taru-besi. Migi-no rib-zib-ni tai-si idzüre-mo ika-naru ku-ro mi-ni tsümori
jaburi-sütsüru-beki-no go- ^ 0f: so-sib-ica fu-ka nari-to-zo i-i-keru.
Take-naka, Statthalter von I-dzu, und Mö-ri, grosser Stützender der Abtheilung des
Volkes, sprachen: Dass die Unserigen eine Feste des Feindes angreifen, eine Feste
der Unserigen von dem Feinde angegriffen wird, ist nichts Seltenes. Wenn man ferner
Mundvorräthe hereinbringen soll und dieses früher nicht weiss, so ist es desswegen
nicht der Fall, dass die Feste zu weit hinaus liegt und Mundvorräthe hereinzubringen
DenkBchriften der phil.-liist, Cl. XXVI. Bd. 34
2CiG Pkizbiaiku.
uiiniögiich ist. Die Reden, in welchen ein Befelil des Fürsten, des jugendlichen Heer-
führers genannt wird, dass man die Feste, die man mit einer Macht von achtmal zehn-
tausend Reitern niclit erstürmen konnte, deren geringe Besatzung ihre Absicht erreichte,
hereinziehen solle, müssen alle ein Irrthum sein. Welche Mühen sollten uns Allen, den
genannten zwei Festen gegenüber, erwachsen? Die Anzeige, dass man sie zerstören und
auflassen müsse, ist unstatthaft.
Sikare-domo sio-tai-sib to-kaku gon-zih sikaru-hesi-to fev-gi-sü. Koko-ni ka-tu sa-ma-no
süke ^J fan-wo kuioajezü i-koma uta-no kami mo-ri i-ki-no kami JljJJ ^ij ka-fan-serare-sbraje-
to sama-zama süsüme-kere-ba sa-ma-no süke kotajete ono-ono ^g ^ reki-reki ren-ban-no gon-
zib-ni nanigasi gotoki fan-zib-itasü-ni ojubazü tote katsüte tori-awazü.
Die Heerführer beschlossen jedoch, dass es angemessen sei, den Bericht zu erstatten.
Ka-to, Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken, setzte sein Siegel nicht hinzu.
I-koma, Vorsteher der Musik, und M6-ri, Statthalter von I-ki, drangen in ihn auf
allerlei Weise, dass er das Siegel hinzusetze. Der Gehilfe des Vorstehers der Pferde
zur Linken entgegnete : Bei dem mit den fortlaufenden Siegeln sämmtlicher aus-
gezeichneter Männer versehenen Berichte ist es nicht nöthig , dass Jemand meines
Gleichen das Siegel aufdrückt. — Er nahm niemals daran Theil.
Sio-dai-mib itsi-dö-ni fi-da-dono kazüje-dono go-fen-wo sü-nin mu-sia fasira-to tanoniu
tokoro-ni ono-ono to-ja kaku-to iwaruru koto _t. itje-no on-tame oroka-naru-ni ni-tari-to i-i-
si-ka-ba sa-ma-no süke ^ ^ sio-sib-ni mukatte iivaku kon-do-no uru-san ro-zib ten-dziku
sin-dan-ni-mo imada kono tamesi-ivo kikazü üvan-ja icaga teu-ni oi-te-iüo-ja. Kai-biaku i-rai-
no ^ ^ dzin-zi 7iip2}on-no bu-jtl-tco ame-ga sita-ni arawasü koto ani kono siro-ni joru-ni
arazü-ja. Katsü-ivd itsi-do tori-idasi-taru saki-te-no siro fiki-noku nomi arazü kore-fodo ^ 7^
ki-tai-no ^ ^ mei-ziu-tvo jaburu-to iü koto ^ "{tt^ ko-sei-no teö-7'd waga teö-no ka-kin-to
zon-zü. Ono-ono-no kotoba-ni ^ dziö-si ^ ^ gu-sia ^ ^ süi-san ~f^ simo-to-site _t.
kami-ivo fakari ^ osore-tco ^ kumu-ni ai-ni-tari-to ije-domo den-ka-no on-kokoro-nite-wa
jawaka jaburi-süte-jo-to-wa _t, j^ zib-i aru-mazi-si-to zon-züru nare-ba sa-ma-no süke-ni oi-
te-wa ka-fan mattaku itasü-mazi. Mosi ono-ono-no go-so-sib -]" ^ ziü-bun-nl kaiiai-si h
nje-zva den-ka-no on-togame-ico kbfuri-tate-matsüy^i-sorb-beki koto tana-gokoro-wo sasi-te kore-wo
siru sikari-to ije-domo nanigasi-ga zov-bim-wa kaku-no gotoku sorb-tote tsüi-ni ka-fan-sezari-
keri. Fi-da-no kami migi-no ^ ^ siü-i-nl tsükete go-bu-gib fJJ ^i] tsia-fan-naku itru-san-
wa kazüje-no kami kio-zib-taru koto juje kijo-masa-mo fan-sezü. Nokori san-ziü-jo-nin ren-
ban-si sono omomuki i-sai-ni kaki-tsüke gon-zib-ni kiwamari-keru.
Die Fürsten sagten insgesammt: Indem der Herr Fi -da und das Haupt der
Rechnungen sich auf dich als den Pfeiler mehrerer Krieger verlassen, hat die Sache,
die von jedem Einzelnen auf verschiedene Weise besprochen wird, für den Hohen mit
etwas Thörichtem Aehnlichkeit. — Der Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken
wendete sich zu den Heerführern und sprach : A'on einer Belagerung, wie diejenige von
Uru-san diessmal war, hat man in Indien und China noch kein Beispiel gehört, um wie
viel weniger an unserem Hofe ! Das Kostbarste seit der Entstehung der Dinge , den
kriegerischen Muth von Nippon der ganzen Welt darthun, wie könnte es nicht in Bezug
auf diese Feste geschehen? Zudem ist es nicht bloss der Fall, dass man die Feste des
einmal herausgenommenen Vorderzuges wegzieht. Eine so merkwürdige, berülnnte Feste
zerstören, erkenne ich als einen Gegenstand des Spottes späterer Geschlechtsalter, als
einen Flecken unseres Hofes. Obgleich die Worte jedes Einzelnen sich zu Nutzen
Deu Feldzug der Japaner gegen Corea. 267
machen , das Hereindrängen des Tliörichten hintansetzen und das Höhere ermessen,
Aehnlichkeit mit Furcht hat, erkenne ich nach dem Sinne der Menschen unter der Vor-
halle,' dass der Befehl zu Zerstörung und Auflassung schwerlich der hohe Wille sein
wird. Daher wird der Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken das Siegel gar
nicht hinzusetzen. Dass ich, wenn man auf die Meldung jedes Einzelnen in allen ihren
Theilen eingeht, überdiess von Seite der Menschen unter der Vorhalle Anschuldigungen
erfahren werde, ich zeige darauf mit den Handflächen, ich weiss es. Dessen ungeachtet
ist meine Meinung so, wie ich sagte. — Er setzte durchaus nicht sein Siegel hinzu.
Der Statthalter von Fi-da schloss sich dem obigen Gutachten an, ohne das Siegel
des Oberaufsehers beizudrücken. Weil Uru-san die Wohnfeste des Hauptes der Rech-
nungen war, setzte auch Kijo-masa sein Siegel nicht hinzu. Die übrigen dreissig Männer
setzten die fortlaufenden Siegel. Sie schrieben die Begründung ausführlich hinzu und
bestimmten die Schrift für die Meldung.
Sono josi ßde-aki'ku kikosi-mesi o-okl-ni faku-riü atte kakaru kitsl-zi-no ^ ^ mei-zib
fiki-iruru-heki gon-zib sa-ta-no kagiri gon-go-ni tqje-tari-to ije-domo ^ ^ zio-zi ta-bun-no
kö-zio-ni kiwamu-heki viune o-ose-idasarure-ba kore-tvo gon-ziu-sezarn. koto kajette zio-i-wo
somuku-ni ai-ni-tari. Isogi gon-zib-sü-besi sari-nagara siro kin-jyen san-ziü-jo-teö PI) ^
si-men-no \\\ '/$ san-kai ^^ }\\ dei-sen-no ^ fi)f zen-sio ^ J^ aku-sio-tvo kuioasi-ku
e-dzü-ni utsüsi zib-nai-no an-nai joku sittaru ben-zctsü-joki sahurai si-go-nin i-i-tsüke ka-ko
-^ ^ tai-zei-nite tatsi-kajeri fü-fa-no zen-aku-tvo iwazü to-kai-si sb-sb zlb-i-no go-fen-zi ^ ^
ki-tsiaku-süru jb-ni mbsi-tsüke-beki josi kake-fi idzümi-no kami kuma-gaje kara-no zed-ni o-ose-
tsükeraru.
Als Fürst Fide-aki diese Umstände erfuhr, gerieth er in grossen Zorn. Die Meldung,
dass man eine so glückliche, berühmte Feste einziehen solle, war zwar das Aeusserste
der Mittheilungen und nicht in Worte zu fassen, da jedoch der Befehl ergangen war,
dass man alle Dinge im Ganzen mündlich festsetzen möge, hätte es im Gegentheil,
Avenn man es nicht gemeldet hätte, mit Auflehnung gegen den hohen Willen Aehnlich-
keit gehabt. Man sollte es in Eile melden. Indessen wurde Kake-fi, Statthalter von
Idzumi , und Kuma-gaje, Zugetheiltem der Kammer, befohlen , dass sie in den Um-
gebungen der Feste, dreissig Strassenlängen weit die guten und schlechten Orte der
Berge und des Meeres, der Moräste und Flüsse aller vier Seiten in Abbildungen genau
zeichnen, dass vier bis fünf die Einrichtungen der Feste gut kennende, wohlberedte
Männer in ihrem Auftrage mit einer grossen Menge Matrosen zurtickkehren, ohne zu
fragen, ob Wind und Wellen gut oder böse sind, das Meer übersetzen und schnellstens die
Antwort, dem hohen Willen gemäss, als ob sie in der Heimath ankämen, überbringen mögen.
Kasanete riü-nin-ni no-tamai-keru-wa zi-zen man-man ßto-tsü-mo kono rib-zib jaburu-
besi-to zib-i ara-ba -^ jo-tua iiru-san-ni ^ ^ zai-zib-si zimi-ten-ni-wa jama-gutsi gen-ba-no
zeö-tco kome-oku-besi. Kono si-aicase zib-i-ni somuki ^ J[^ rv.-nin-to natte ^ j^ kld-gen-iii
kabane-ico sarasü-to iü-to-mo nippon-je ki-teo-iva kaku-go-ni ojobazü-to no-ta-mb. Jama-gutsi
gen-ba-zeo-vjo mesi-te nandzi ziün-ten-je to-kai-si siro maivari e-dzü- ^ men-ico sirusi isogi
ki-tsiaku-sü-besi-to o-ose-ni jotte on-mesi-no ko-süzüme-maru-to iü faja-btme-ni nori-te tsiü-ja-
710 sakai-mo yiaku isogi-keru.
Den-ka ,unter der Vorlialle' sind in China der Nachfolger und die Könige. In Japan bedeutet es das Haus des
Kuan-baku.
34*
2(5)^ l 1TZMAIEH.
lOr sagte wiedi-rliDlt /,ii den Beiden: Wenn es viclleiclit, wie Zolintausende zu Eins,
der hohe Wille ist, dass man die zwei Festen zerstöre, so werde ich in der Feste von
Uru-san wohnen, und nach Zlun-ten werde ich Jama-gutsi, Zugetheilten des Gen-ba, '
setzen. Durch dieses Verhalten dem hoiien Willen den Rücken kehrend, mag ich auch
ein Verbannter werden, auf den neun Ebenen den Leichnam zur Scluui stellen, um die
Rückkehr an den Hof von Nippon brauche ich mich nicht zu kümmern. — Er rief
Jama-gutsi, Zugetheilten des Gen-ba, zu sich und befahl ihm : Du sollst nach Ziun-ten
über das Meer schiften, die Feste umwandeln, die Umrisse der Abbildung zeichnen und
eilig zurückkehren. — Demgemiiss bestieg Jener das schnelle Schift" des Fürsten, das
Rund des kleinen Sperlings, und war. ohne Gränze zwischen Tag und Nacht, eilig.
Take-siniani) ^ ^ zio-sln nabe-sima sina-nu-no kamt ^ 3E ten-si-ä-ni l-tarii munu-
mi-no it sl |i| P jaiiia-guLsi-ga uma-zirnsi-wo ^ mi-jori fajaku ^ f^ feo-sen ^ ~h ®
sü-zissö-ni fed-git-wo Ire ^ ^ ko-fei-ivu nose _t. "^ zib-si mukai-to xite idasi sono tsügl
0 "V '^ lU ri.jaku-sait-no .vro made okiirii. liiaku-san-jori i)tiikal-iiu feo-sen idete mata
^ ^ ^ p ko-dzija-u-no siro-je oknri y iz ^ so-sen-no siro nan-kal-no siro si-dai-
.n-dai-ni okuri-te ziün-ten-je tsiaku-si gen-han-no zeo e-dzü-wo totonoje mata siro-ziro-jori okuri-
U fu-san-kai-je nori-modori-kere-ha sünawatsi -{^ \ sifsi-nin-no go-bu-gib- ^ t.mi-je o-ose-
taükerare sb-sb gon-zib ari-keru.
Sobald die in Thien-tschü weilenden ausspähenden Kriegsmänner des Vorstehers der
Feste der Bambusinsel, Nabe-sima's, Statthalters von Sina-no, die Feldherrnfahne Jama-
gutsi's erblickten, brachten sie schnell in mehrere Zehende von Kriegsschiffen Kriegsgeräthe,
luden Panzer und Angriffswaffen auf und schift'ten, dem hohen Abgesandten entgegen-
kommend, heraus. Zunächst begleiteten sie ihn bis zu der Feste Rijaku-san.* Aus
Rijaku-san liefen entgegenkommende Kriegsschifte aus und begleiteten ihn wieder bis
zu der Feste Ko-dzija-u. Indem die Festen So-sen und Nan-kai nach der Ordnung das
Geleite gaben, gelangte man nach Schün-thien. Der Zugetheilte des Gen-ba besorgte
die Abbildung, und indem man ihn wieder von Seite der verschiedenen Festen be-
o-leitete, schift'te er nach Fu-san-kai zurück. Hierauf erfolgte der Auftrag an die sieben
Oberaufseher, und man brachte eilig die Meldung.
Si-sia sib-guatsü ziA-go-niti^i tora-no — ■ ^ itfen-ni teo-.ten-ivo nori-idasi tmi-ja tomo-nl
isogu fodo-ni ni-ziü-jokka fiisi-vii-nu on-siro-je ^ |frp tsiaku-fu-sü. Sünaic.atsi S. go-bii-gib-
X^ f.-iü ß-ru-no tokoro-ni tai-kb den-ka go-ki-gen naname-narazü. Si-sia-wo go-zen-
je mesi'idasay-e ro-zib-no sina-zhia tsubasa-ni kikosi-me.n-agerare o-oki-ni jorokobase-tamb. Je-
do nai-dai-zin ^ J^ ije-jasü-ku je-do tsiü-na-gon ^ ^ fide-tada-kib ka-ga doi-na-gon
%\\ ^ fosi-ije-kib ai-dzu tsm-na-gon ^ ^ kage-katsü ike-da sa-je-mon-zeu ^^, ^ teru-
vi.asa sa-take u-kib-dai-bii ^ ^ josi-nub/i ^ ^ da-te etsi-zen-no kami jE ^ masa-mione
sima-dzü siu-ri-no dai-hi. ^ ^ josi-ßsa-ra-tvo fazivie-to site ^ zai-fml-mi-no dai-sib-mib
knto-gofuku ^ ^ to zib-si sono sina-zina ki-i-te ßto-je-ni -^ ko-no go-bu-jü ||! ^ S(%ten-
jiiri-mo kub-dai-naru, juje nari-fo ono-ono kan-zi-tate-matsüru.
Die Abgesandten schifften am fünfzehnten Tage des ersten Monats, um die dritte
Stunde' von Teo-sen ab. Da sie sowohl bei Tage als bei Nacht eilten, kamen sie am
vier und zwanzigsten Tage in dem Sammelhause von Fusi-mi an. Als hierauf die fünf
' Ein hoher Angestellter, der sich mit den Gästen befasste.
2 Sonst V^; 1 1 1 Li;uig-schan geschrieben.
■' Von :S bis b Uhr Murgens.
Dkr Feldzug der Japaner gegen Corea. 269
Oberaufseher die Sache eröffneten, war das Wohlgefallen des grossen Seitenthores' und
der Menschen unter der Vorhalle kein geringes. Die Abgesandten wurden in die hohe
Gegenwart berufen. Daselbst hörte man genau alle Umstände der Belagerung und
freute sich sehr. Von dem Fürsten Je-do Ije-jasu, grossem Diener des Inneren, dem
Reichsminister Je-do Fide-tada, mittlerem Rathe, dem Reichsminister Ka-ga Tosi-ije,
grossem Rathe, Ai-dzu Kage-katsu, mittlerem Rathe, Ike-da Teru-masa, Zugeseiltem des
Thores der Leibwache zur Linken, Sa-take Josi-nobu, Grossem der Hauptstadt zur
Rechten, Da-te Masa-mune, Statthalter von Jetsl-zen, und Sima-dzu Josi-fisa, dem die
Grundsätze ordnenden Grossen, angefangen, kamen die in Fusi-mi anwesenden grossen
und kleinen Fürsten insgesammt in die Feste und hörten diese Umstände. Alle drückten
ihre Bewunderung aus , indem sie sagten : Es ist einzig , weil der Kriegsmuth des
Fürsten gewaltiger und grösser als der gesammte Himmel ist.
Sikaru tokoro-ni go-hu-gib-no ^ B9 isi-da dzi-bu sib-fu H. ffl mi-tsü-nari tsnne-dzüne
^ ^Ci' giaku-sin-no kokoro-zasi aru-ni jotte ararenu. Tsi-riaku-wo megurasi-te -^ go-kuan-
baku — " tSp ippon tai-zib-dai-sin ^ ^ ßde-tsügu-kd-tvo ^ zan-si-tate-matsüri-te nsinai-tate-
matsurl-te mata fide-aki-ko-ioo-mo nani-to-zo-to ^ 1^ zia-sin-wo sasi-fasami ^ kö-nu go-zen-ni
oi-te vfibsi-agerii-wa fide-aki-kö go-mib-dai-nite go-to-kai-no tokoro-ni go-ziaku-nen-taru jtije karu-
garu-siku go- [ij ^ siutsü-zib j^ q»)' txüi-tö-asohasarurit on-koto aja-uki si-dai-ni sbrb. Mosi tai-
fekl idete fn-san-kai-wo seme-tori teki ^ ^ zai-zib sbrawa-ba n'qjpon 5^ tsü-zi-no mina-to-ivo
fusagare ^ ^ sio-zei nan-gi-ni ojobu-besi-to gon-zib-si-kere-ba -^ kö-nio fito-madzü ge-ni-mo-
to obosi-mesare-keru.
Indessen war einer der fünf Oberaufseher, Isi-da Mi-tsu-nari, kleiner Stützender der
Abtheilung der Gebräuche, weil er immerfort einen widersetzlichen Sinn hatte, niöht
dabei. Indem er seine Anschläge in's Werk setzte, verleumdete er den späteren Kuan-
baku, den zur ersten Classe gehörenden grossen Diener der grossen Lenkung, Fürsten
Fide-tsugu^ und brachte ihm den Untergang. Auch gegen den Fürsten Fide-aki hatte
er aus irgend einer Ursache ein falsches Herz, und er stellte dem Fürsten' vor: Dass
Fürst Fide-aki, nachdem er als Stellvertreter das Meer übersetzt hat, seiner jungen
Jahre wegen leichtfertig, aus der Feste zieht, verfolgt und schlägt, ist ein gefährliches
Beginnen. Wenn der gewaltige Feind hervorkommt, Fu-san-kai erstürmt rmd der Feind
sich dann in der Feste befindet, so wird der für den Verkehr mit Nippon dienende
Hafen verschlossen werden und die Streitmacht in Unglück gerathen. — Auf diese
Meldung dachte auch der Fürst vor Allem, dass es wahr sei.
Kaku-te uru-san ziun-ten jaburi-te sikaru-beJci-to-no ren-ban-no gon-zib-wo zib-ran atte
motte-no foka ikarase-tamai so-mo-so-mo kono uru-san-wa ten-ka-bu-s6-no mei-zib nare-ba san-
ziü-jo-nin ren-ban-no mono-domo-nl uru-san-no H. -^ ni-zi-wo kal-te mamori-to sü-besi-to
mbsi-tsükawasü-beki josi zib-i ari. Säte ^ ^ 7'ib-zib-7io e-dzü-tco zib-ran atte on-sasi-dzü
ose-kudasaruru-ni-tva uru-san-no siro fon-maru-jori i{]^ ~)j fopiM-ni tori-tam ni-san-no
maru-wo tori-kitte fon-maru-no minami-ni tmke p|^ rib-waki-ito isi-gaki fakasa, ziü-ken-ni
tsüki-age sio-sio-ni masü-gata-wo totte ni-no marii san-no maru-ni f^ riinn-ivo ZL -^ ^)\ ni-
ka-sio-ni ire-tsigajete tatsü-besi. Ni-san-fon-maru-no ^ sö-mawari ^ ^ dai-gi-ivo fane-
o
' Tai-kö ,das g^rosse Seitenthor' ist ein ehemalig'er Kuan-baku, dessen Sohn wieder ein Kuan-bakn geworden ist. Hier
ist es Fide-josi.
- Fiile-tsugu, der Pflegesohn Fide-josi's, war von diesem znm Nachfidger in dem Amte des Kuan-Iiakii ernannt worden,
•ä Dem Fürsten Fide-josi.
270 PriZMAlKlJ.
dasi naga-ja-ico tate-mawasi kaivara-wo motte fioku-hesi. Siro-jori sügu-ni minami-no -Ir j^
dai-kai-je sasi-iratasi joko go-teo-jo-ni mukb-no asi-wara-ico fori-wari ^r J^ sin-tsi-no funa-
iri-to Site nippon fune-no dziki-ni siro-je nori-iru jb-ni S7i-besi. Snnawatsi fu-sin-xoa ren-han-
no mono-je mbsi-tsiike mosi sükosi-nite-ino te-maje okurete ^ Ep ^ fu-ga-i-naki mono-ica
-f-" J^ z'tü-nin-nite Zl ~p ^ ni-ziü-nin-nite-mo J!|P ^ ka-han-ni nokosi-uku-hcsi. Fu-sin
siuttai'Se-ba ßde-aki-wo saki-tu site ^ ^ zib-siii-no foka-ioa iidna-mina ki-teo-itasü-heki
josi zib-i ari. Sono utsi yX, ^ dni-tsiü-no men-men-je-ica go- ^ ijj^ kan - deu - wo - zo
kudasare-keru.
Als er die mit fortlaufenden Siegeln versehene Meldung, in welcher es hiess, dass
die Zerstörung von Uru-san und Ziun-ten angemessen sei, zu Gesicht bekam, ward er
überaus zornig. Da übrigens dieses Uru-san eine berühmte Feste war, die in der ganzen
Welt ihres Gleichen nicht hatte, war es der hohe Wille, dass man den dreissig Inhabern
der fortlaufenden Siegel das Bedeuten schicke, sie möchten die zwei Zeichen ,Uru-san'
niederschreiben und daraus Talismane machen. Als er die Abbildung der beiden Festen
sah, befahl er das in der Feste Uru-san nördlich von dem ursprünglichen Rund erbaute
zweite und dritte Rund wegzunehmen imd im Süden des ursprünglichen Runds anzu-
bringen, die Steinmauer der beiden Seiten bis zu zehn Ken zu erhöhen, an verschiedenen
Orten Sammelplätze zu bauen und bei dem zweiten und dritten Rund Thore an zwei
Stellen einander schräg gegenüber aufzustellen. Die allgemein umschliessenden Ter-
rassenbäume des zweiten und dritten Runds sollte man wegschneiden, rings umher lange
Häuser errichten und diese mit Ziegeln decken. Die Schilfebene, welche dem gerade
im Süden befindlichen grossen Meere gegenüber, schräg in einer Ausdehnung von fünf
Strassenlängen im Durchmesser, liegt, sollte man durchgraben, daraus einen Eingang
für die Schiffe auf neuem Boden bilden und es so einrichten, dass die Schiffe von
Nippon gerade in die Feste einlaufen. Hinsichtlich des Baues trug man dann den
Inhabern der fortlaufenden Siegel auf: Wenn die Arbeit nur im Geringsten sich ver-
zögert, soll man Menschen, welche nicht untüchtig sind, zehn, aucli zwanzig, als
zugetheilte Wache zurücklassen. Wenn der Bau vollendet sein würde, sollten, von
Fide-aki angefangen, die Vorsteher der Festen ausgenommen, Alle an den Hof zurück-
kehren. Dieses war der hohe Wille. Unterdessen gelangte an Jeden , der grosse
Redlichkeit bekundet hatte, ein Schreiben der Anerkennung herab.
Das Schreiben an 0-o-ta, Statthalter von Fi-da.
Sono fb fatarakl ima-ni kagtrazü ten-sib-no ziü-nen go-guatsü hittsiü-no kuni ^ ^
sü-kumo-jama ^ ^ zib-siu ^ 03 matsü-da i^ jßl sa-kon ^ ^ sib-gen-ico utsi-tori |^
onazi ziu-fatsi-nen-no roku-guatsü musasi-no kuni /V ^ ^ fatsi-wb-zi-no siro itsi-han nori-
tsükamatsiirl-ni jotte bnn-go-no kuni j^ ^ usü-gi ^ j^ siro-dzüki san-man-go-sen-goku go-
^ fX tsi-gib kudasare ziii-man-goku-no on- ^ *^ dai-kuan-no itjl tsi-wo o-ose-tsidcerare
sono ^ qo-kei-teo ni-nen sitsi-gaatsü kb-rai kara-sima omote kai-zib-ni nozovii-te utsi-fa-wo
totte ^ ^ sio-gun-vüo süsiime funa-ikiisa-ni sib-ri-ico je soko-haku-no "^ ^ tai-sen-ioo
jaki-jahuri 3^ joku fatsi-guatsü nan-on-no siro itsi-ba)i nori-tsukamatsüri keku-siü fan-guan
ni-ban-gi-no tai-sib-wo utsi-tori koku-tsiü-no fataraki sü-do no-ai-no kassen kiri-katsi ziü-ni-
guatsü uru-san omote-no "^ ^ '^ dai-fai-gun singari-itasi sio-gun-wo tasüke onazi-ku ni-
ziü-jokka fon-maru o-o-te-no mon-gnai-ni kiri-ide kubi-kazü kokono-tsü yj> ^ sib-sin-taru-to
Dkr Feldzug dkr Japaner gegen Corea. 271
ije-domo ziü-roku-man-gi-no gun-tsiü dai-itsi-katsi sü-do mn-rui-no fatarakl 1((m i^ go-kan
naname-narazü. Sore-7vi jotte te-maje o- ^ '^ fff tai-kuansio-no utsi si-man-goku go-ka-
zö-nasare 2(j ^ fon-td san-man-go-sen-goht tm-gu sitsi-man-go-sen-goku pq utsi itsi-man-
goku f^ ^ mu-jaku nokori-te roku-man-go-sen-goku ^ ^ gun-jaku tsükamatsüru-beku surb.
Naiüo 1^ # 1^ toku-zen-in asa-no ^ IE dan-zib-no ^ ^05 sib-fitsü masi-ta u-je-mon-zeö
^ ^ na-tsüka o-o-kura-no tai-fu mbsü-beki nari.
Kei-teo san-nen.
Sib-gi(atsü ni-ziü-roku-nitsi fide-josi go-siu-in.
0-o-ta fi-da-no kami tono-je.
Deine Thaten beschränken sich nicht auf jetzt. Im fünften Monate des zehnten
Jahres des Zeitraumes Ten-siö^ erlegtest du Matsu-da, die richtende Obrigkeit der nahen
Leibwache zur Linken, Vorsteher der Feste des Berges Su-kumo in dem Reiche Bittsiü.
Im sechsten Monate des achtzehnten Jahres desselben Zeitraumes^ erstiegest du der
Erste die Feste des Klosters der acht Könige in dem Reiche Musasi, Desswegen
gewährte man einen zu der Feste Usu-gi in dem Reiche Bun-go gehörenden Besitzstand
von fünf und dreissigtausend Scheffeln und gab Auftrag hinsichtlich des Bodens eines
Verwesers für zehnmal zehntausend Scheffel. Später im siebenten Monate des zweiten
Jahres des Zeitraumes Kei-teo,'* blicktest du auf der chinesischen Insel in Kö-rai auf
das Meer herab, ergriffest den Fächer, führtest die Kriegsheere vorwärts und erlangtest
in der Seeschlacht den Sieg. Du verbranntest eine Menge grosser Schiffe. Im nächsten
achten Monate erstiegest du der Erste die Feste Nan-on, erlegtest den Heerführer von
zwanzigtausend Reitern, die richtende Obrigkeit von Keku-siü. Deine Thaten im Inneren
des Reiches waren mehrmals Kämpfe auf offenem Felde, Niedermachungen und Siege.
Im zwölften Monate, bei der grossen Niederlage von Uru-san, bewerkstelligtest du den
Rückzug, rettetest die Kriegsheere. Am vier und zwanzigsten Tage desselben Monates
tratest du vor das Thor der Vorderseite des ursprünglichen Runds hinaus und erbeutetest
neun Köpfe. Bist du auch klein von Körper, in dem Heere der sechzigtausend Reiter
bist du der Erste Sieghafte. Die Bewunderung deiner mehrmaligen unvergleichlichen
Thaten ist keine geringe. Desswegen erfolgt an dem Wohnsitze deines Verwesers die
Vermehrung um vierzigtausend Scheffel. Der ursprüngliche Besitzstand betrug fünf und
dreissigtausend Scheffel. Es sind zusammen fünf und siebzigtausend Scheffel. Darunter
bleiben zehntausend Scheffel für die dienstlose Zeit übrig, und es mögen fünf und
sechzigtausend Scheffel für die Dienste in dem Kriegsheere sein. Mehreres mögen in
dem Palaste Toku-zen die Männer Asa-no, kleiner Stützender des kaiserlichen Ver-
merkers, Masi-ta, Zugesellter des Thores der Leibwache zur Rechten, und Na-tsuka,
grosser Stutzender der grossen Kammer, sagen.
Kei-teo, drittes Jahr.
, Erster Monat, sechs und zwanzigster Tag. Das rothe Siegel Fide-josi's.
Herrn 0-o-ta, Statthalter von Fi-da,
' 158-2 n. Chr.
2 1590 n. Chr.
3 1597 n. Chr.
9 72 Pfizmaieh
Naclischri ft.
Nawo-motte ki-teo sbrawa-ba sügu kono fu-je madzü makari-noboru-beht go-tai-men-
nasare o-dziki-ni o-ose-kikerare jaga-fe hmi-rn fsükau-asaru-beki nari.
Noch mehr: Wenn du an den Hof zurückkehrst, sollst du geraden Weges früher
zu mir emporsteigen. Das Zusammentreffen von Angesicht zu Angesicht wird statt-
finden der Befehl soll unmittelbar gehört und sogleich in das Reich geschickt werden.
Das Sclireiben an Sa-tö, Zugesellten des Vorstehers der Pferde zur Linken.
Sono fo koto sen-nen '/x ^t ko-foku-ni oi-te ^ ^ siba-ta kassen-no kizami itsi-ban
jari-ioo tsükamatsüri-sbrb. Tsiikerarete go-fo-bi-to .fite go-tsi-glo ikkado go-ka-zo-nasare-sbru.
Sono i-go teo-sen-ni oi-te sü-do ^ ^ ban-sen-wo kiri-tori fi-rui-naM te-gara-no dän agete
fakaru-be-karazü-sbrb. Koto-ni kon-do ziun-ten uru-san rib-zib ßki-iru-beki mune ono-ono ren-
ban-tsükamatsüri-sbrb tokoro ka-fan-itasazü jjjl^ ^j/ sin-mib-no kaku-go ft|] J§ go-kan naname-
narazü. Sore-ni jofte te-maje on-dai-kuan-sio ari-si-dai san-man sitsi-sen ßakii-goku go-ka-z6-
site kndasare-sbrh. Fon-tsi roku-maji ni-sen-goku tsü-gb ziü-man-goku utsi itsi-man-goku mu-
jaku hi-vian-goku gun-jaku tsükamatsüm-beku-sbrb. Mosi kuni-motsi-ni okn-bib-mono köre
ara-ba an- ^ fj\ kessio-nasare nawo-mata ^ ^ koku-siu o-ose-tsükeraru-beku sbrb. Kaku-
no qotoku o-ose-idasaru-iva inotsi-wo mattaku tsükamatsüri tsiü-setsü-itasü-beku sbrb. Si-zen
pM %. teo-gi-ni ^ zio-si '^ j^ rio-zi-no fataraki tsükamatsürazü otsi-do-naki jb-ni kaku-
go-sesimu-beku sbrb. JSfawo toku-zen-in asa-no dan-zib sib-fitsü masi-ta u-je-mon-zeo na-tsüka
o-o-kura-no tai-fu mbsü-beki nari.
Kai-ted san-nen.
Sib-gnatsü ni-ziü-roku nitsi fide-josi go-siü-in.
Ka-tö sa-ma-no süke tono-je.
Du hast in früheren Jahren in dem Norden des Stromes, zur Zeit des Kampfes von
Siba-ta, der Erste von der Lanze Gebrauch gemacht. Es wurde eingetragen und zur
Belohnung dein Besitzstand ansehnlich vermehrt. Später erbeutetest du in Teo-sen
mehrmals Wachschiffe, deine imvergleichlichen Thaten lassen sich nicht ermessen. Be-
sonders diessmal, als Alle zu der Meldung, dass man die beiden Festen Ziun-ten und
Uru-san einziehen solle, die fortlaufenden Siegel setzten, setztest du dein Siegel nicht
hinzu. Die Bewunderung deiner merkwürdigen Besonnenheit ist keine geringe. Dess-
wegen erfolgt, gemäss dem Wohnsitze deines Verwesers, die Vermehrung um sieben
und dreissigtausend einhundert Scheffel. Der ursprüngliche Besitzstand ist zwei und
sechzigtausend Scheffel, es sind zusammen zehnmal zehntausend Scheffel. Darunter
mögen zehntausend Scheffel für die dienstlose Zeit, neunzigtausend Scheffel für die
Dienste in dem Kriegsheere sein. Wenn es unter der Reichsgewalt Feiglinge g'eben
sollte, so verhänge man die Einziehung der Güter, und überdiess kann der Vorsteher
des Reiches es anordnen. Wenn auf diese Weise die Befehle ergehen, wird man das
Leben vollständig bieten und Redlichkeit bekunden. Man soll die von selbst sich
ergebende Berathung sich zu Nutzen machen und Anstalten treffen lassen, als ob man
leichthin Thätigkeit nicht entfaltete und kein Vergehen vorfiele. Mehreres mögen in
dem Palaste Toku-zen die Männer Asa-no, kleiner Stützender des kaiserlichen Vermerkers,
Der Fki.dzug der Japanek gegen Cobea. 273
Masi-ta, Zugesellter des Thores der Leibwache zur Rechten, und Na-tsuka, grosser
Stutzender der grossen Kammer, sagen.
Kei-teO, drittes Jahr.
Erster Monat, sechs und zwanzigster Tag. Das rothe Siegel Fide-josi's.
Herrn Sa-tö, Zugesellten des Vorstehers der Pferde zur Linken.
To-zo kudasare-kern. Kake-fi idzümi-no kami sima-dzü mata sitsi-rö-ni-mu go-kan-deö
go-fö-bi-wo kudasare '^ ^ si-sia-mo tvö-gon go-fuku fai-reo-si go-siu-in-no fako-wo uke-tori-
te sünav:atsi ni-zm-roku-nitsi fnsi-mi-wo nori-idasi-te-jori mitsi-no mina-to-iii kakarazü siwo-
toki-ico vicdazü kako tatsi-kawari-te tsm-ja tomo-7ii isogi-kere-ba nl-guatsü fatsrl-ka tori-no
koku issiü kaza-moto-no mina-to-ni nori-ire funa-bito-wo jobi-dasi kore-wa dai-zi-no go-siu-in
fune nari tai-siü to-kai-no fi-jori ika-ga-to iü. Funa-bito kasikomatte nippon — ■ itsi-no
ß-jori-nite sorb. On-fane-no sen-dö kore-jori sügu-ni ku-rai-je to-kai-no jo-sü obotsüka-naku
sbratca-ba on-fune-no kadzi-wo toru-beki-ni-ja-to iü.
So lauteten die Schreiben. Auch an Kake-fi, Statthalter von Idzumi, und an Sima-
dzu Mata Sitsi-ro gelangten Schreiben der Anerkennung und Belohnungen herab. Ebenso
erlüelten die Abgesandten Gold und Kleidungsstücke. Sie nahmen die Kiste mit dem
rothen Siegel in Empfang und schifften am sechs und zwanzigsten Tage von Fusi-mi
ab. Ohne hierauf in den Häfen unterwegs zu landen oder auf die Fluthzeit zu warten,
wechselten sie sofort die Matrosen und liefen, da sie Tag und Nacht hindurch eilten,
am zweiten Tage des zweiten Monats, um die zehnte Stunde ' in den Hafen von Kaza-
moto in Issiü ein. Sie riefen die Schiff leute heraus und sagten : Dieses ist ein wichtiges
Schiff' mit dem rothen Siegel. Wie ist das Wetter für die Fahrt über das Meer nach
Tai-siü? - — Die Schiffleute erwiederten ehrerbietig: Es ist das vorzüglichste Wetter von
Nij^pon. Wird der Befehlsliaber eures Schiffes, wenn die Beschaffenheit der geraden
Fahrt über das Meer von hier nach Kö-rai zweifelhaft ist , vielleicht das Steuer-
ruder erfassen?
Si-sia kore-wo kiki-te ura-bito itsi-nin tori-noru-hesi-to i-i-si-ka-ba j^ ^p tai-ru sa-je-
mon-to iü mono fune-ni nori-keru-ga kono ja-fata-jama-no dake-ni kagari-ioo futuku taku-besi-
to i-i-oi-te inu-no koku bakari-ni nori-dasi ta-ro sa-je-mon kadzi-dzüka-wo totte norosi-iro sirn-
be-ni jami-jo-tvo fasiri-kere-ba ki-sara-gi-no mizika-jo-mo ake-fanare ziun-fa-ivo [J ^'\~JM.
tada-tomo-ni zdcete mi-ka-no jü-gure-ni tai-siü tojo-saki-no ura-ivo tori-kadzi-ni mite nori-süguru.
Joi-no ma-no mi-ka-dzüki-mo fodo-naku ^ jjj sei-zan-ni kakari-tamaje-ba knraki i)x _t
fa-zio-wo maknra-to site si-ziü-fatsi-ri-no kai-zib-wo ziö-i-wo omoka fasiri-keru.
Als die Abgesandten dieses hörten, sagten sie : Wir können einen Küstenbewohner
an Bord nehmen. — Ein Mann, Namens Tai-rö Sa-je-mon bestieg jetzt das Schiff". Sie
hinterliessen den Auftrag, dass man auf der Hölic des hier sich erhebenden Berges der
acht Fahnen ein starkes Leuchtfeuer anzünden möo-e und schifften um die eilfte Stunde^
ab. Ta-ro Sa-je-mon ergriff' den Stiel des Steuerruders, und als man unter Feuerzeichen
durch die finstere Nacht hinlief, ging die kurze Nacht des zweiten Monats in den Morgen
über. Den günstigen Wind in das gerade liintertheil des Schiffes aufnehmend, bekam
' Von 5 bis 7 Uhr Naclimitt.'iga.
- Vou 7 bis 9 Uhr Abends.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Ed. -^ij
274 Pl-IZMAIEK.
iiuin in der Abenddümnu'fuiig dr.s dritten Tages die Iniclit von Tojo-saki In Tal-siA an
dem SteueiTuder zu Gesichte und schiffte vorüber. Als In der Nacht der IVIond des
dritten Tages unverwellt an die westlichen iJerge sich legte, machte man die finsteren
Wellen zu einem Polster und lief auf einer Seetläche von aciit und vierzig Weglängen,
den hohen AVillen für wichtig haltend, einher.
Sen-tsiü-no z/b-f/e H ^ ui-ja itsi-nitsi-no fasiri-ni tsükare '^J ^ zcn-i/u-ico ]^ bu-
zite fire-fusi 5£ M go-kö-no akatsüki-wo wakimajezü. Sarc-do^iio tai-rö sa-je-mon tsüi-ni me-
■wo jfJ,sümezü tsiü-ja kadzi-dzüka-wo irigiri-te jii-dan-sezü. ^ 'Jj Tö-bu-no joko-ffumo fannbiki
ko-rai-koku-no "^ jjj ku-mn-nio fonoka-ni mije-ioata.ru: Zio-ge tsikara-wo jäte makuto-ni ban-
ri-wo fedate-iaru. |^ ^ taki-koku nari-to ije-domu ko-kib tsiaku-sürü kokotsi-site fodo-naku
jn-ka uma-no koku se-zü-kai-nl nori-iri-kcru.
Die Menschen in dem Schiffe, Höhere und Niedere, von dem Laufe durch zwei
Nächte und einen Tag ermüdet, vergassen Früheres und Späteres und lagen darnieder.
Sie unterschieden nicht den Tagesanbruch um die fünfte Nachtwache. Indessen schloss
Tai-rö Sa-je-mon niemals ein Auge. Tag und Nacht den Stiel des Steuerruders fest-
haltend, war er nicht sorglos. Jetzt breiteten sich schräge Wolken der östlichen
Gegend, und die hohen Berge des Reiches Kö-rai kamen vor dem Blicke undeutlich
herüber. Höhere und Niedere erlangten Kraft, und obgleich es in Wirklichkeit ein
zehntausend AVeglängen entferntes feindliches Reich war, hatte man ein Gefühl, als ob
man in die Heimath gelangte und lief unverweilt um die siebente Stunde' des vierten
Tages in Se-zu-kai ein.
Fi-da-no kami-ga fon-dzin-je go-bu-gw-atsümari ^ fu-ico firaki fai-ken-sü. Fide-aki-ko
go-ran-no tarne kake-fi idzümi-na kami fu-san-kai-je dzi-san-seri. Kaka-te go-bu-gib-tsiü ura-
bito tai-rö sa-je-mon-ivo mesi-idasi-te fö-bi-to site faku-gin san-ziü-go-mai kaznje-no kami sai-
kib dai-bu-jori ziü-mai ~f^ fr ge-gib-sü. Ura-bito ^ '1*^ keö-jetsü-no maju-wo-zo ßraki-keru.
In dem Lager des Statthalters von Fi -da versammelten sich die Oberaufseher,
erbrachen das Siegel und sahen das Schreiben. Damit F.ürst Fide-aki es sehe, brachte es
Kake-li, Statthalter von Idzumi, nach Fu-san-kai. Die Oberaufseher riefen den Küsten-
bewohner Tai-ro Sa-je-mon hervor und schenkten ihm fünf und dreissig Stücke Silber. Von
dem Haupte der Rechnungen und dem Grossen der Hauptstadt zur Linken erhielt er
zehn Stücke. Der Küstenbewohner spannte die Augenbrauen vor Furcht und Freude.
Fide-aki-ku teö-sen kokuno-fsn.-no tsüke-siro-ni ^ -^ zib-siü-ivo o-ose-tsükeraruru. Figasir
no saki-te keku-siaku-tai uru-san-no siro ka-io kazuje-no kami ^ [^ dö-koku se-zü-kai-no
siro mö-ri i-ki-no kami do-kuku fu-san-kai-no siro tera-zawa si-ma-no kami dö-koku take-zima-
no siro nabe-sima sina-iio-no kami dö-koku 'j "^ ^ rijaku- jJj san-no siro ko-dera ka-
i-Jio kami dö-kokit, 17 ^ "^ ^ ko-tsija-u-no siro tafsi-bana sa-kon tai-fu tsiku-siaku-tai
>Ä jll si-sen-no siru sima-dzü feö-ko-no kami dö-koku nan-kai-no siro ^ so tsüsi-ma-no kami
nisi-no saki-te dö-koku ziim-ten-no siro ko-nisi tsü-no kami-to sadameraru.
Fürst Fide-aki setzte in den neun zugetheilten Festen von Kö-rai Vorsteher ein.
Für die Feste des östlichen Vorderzuges : Uru-san in Kaku-siaku wurde Ka-to, Haupt
der Rechnungen, für die Feste Se-zu-kai In demselben Reiche Avurde M6-ri Statthalter
Vou 11 Uhr Morgens bis 1 Ulir Nncluiiittags.
Dek Fkldzug der Japaner gegen Corea. 275
von I-ki, für die Feste Fu-san-kai in demselben Eeiche wurde Tera-zawa Statthalter von
Sima, für die Feste der Bambusinsel in demselben Reiche wurde Nabe-sima, Statthalter
von Sima-no, für die Feste Eijaku-san in demselben Reiche wurde Ko-dera Statthalter
von Ka-i, für die Feste Ko-tsija-u in demselben Reiche wurde Tatsi-bana, Grosser
der nahen Leibwache zur Linken, für die Feste Si-sen in Tslku-siaku-tai wurde Sima-
dzu, Haupt der Rüstkammer, für die Feste Nan-kai in demselben Reiche wurde So/
Statthalter von Tsusi-ma, für die Feste des westlichen Vorderzuges: Ziun-ten in dem-
selben Reiche wurde Ko-nisi, Statthalter von Setsu, bestimmt.
Sono foka ni-ziü-jo-nin-no ^ /Jn ^ tai-sio-mib roku-man ni-sen-jo-nm-no \ ^ nin-
zih-ico motte zw-i-no gotoku uru-san-zio tori-tsüke-nawosi fu-sin isogu-hekl jo.n sügl-tvara slmo-
tsüke-no kami jama-gutsi gen-ha-no zeo-ioo viotte o-ose-tsükerare-kere-ba ni-guatsü muju-ka-jori
tori-kakaru. Flde-aki-ku ka-tö sa-ma-no süke-ivo mesi-te sono fb kono tahl ^ ^ij ka-fan-
sezaru koto fi-rui naki obosi-mesi jotte sitsi-nin-no hu-gih do-zen ttra-sait fu-sUi-no hu-gio
o-ose-tsükeraru. Sa-ma-no süke kan-rui-wo nagasi te-maje ^ jaku-wo sia-men-nasare hu-gio-
ni o-ose-tsüke7'aruni koto makoto-ni ari-gataki si-dai tote on-idce mbsi-age go-zen-ivo sirizoki-keri.
Ausserdem machte man sich mit Hilfe der zwei und sechzigtausend Menschen der
grossen und kleinen Fürsten, dem hohen Willen gemäss, an die Wiederherstellung der
Feste von Uru-san. Da man durch Sugi-wara, Statthalter von Simo-tsuke, und Jama-gutsi,
Zugesellten des Gen-ba, den Auftrag gegeben hatte, dass man den Bau beschleunigen
möffe, besann man damit am sechsten Tae-e des zweiten Monats. Fürst Fide-aki berief
Ka-to, Gehilfen des Vorstehers der Pferde zur Linken, zu sich und sagte: Dass du
diessmal das Siegel nicht beigesetzt hast, halte ich für unvergleichlich. Desswegen bist
du, mit den sieben Oberaufsehern gleich, zum Oberaufseher des Baues von üni-san
ernannt. — Der Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken vergoss Freudenthränen
und spi-acli: Dass ich von dem Dienste befreit und zum Oberaufseher ernannt werde,
dafür bin ich wii-klich dankbar. — LTiermit meldete er die Annahme und zog sich zurück.
San-guatsü ziu-san-nitsi-ni koto-gotoku fu-sin siuttai-sü. Nana-kasira-no bu-gib- Fp dzifi
narabi-ni ka-tö sa-ma-no süke kono omomuki tai-sw-gun-je gon-zih-sl kere-ba go- j^ ^
siakic-tsiaku-ni obosi-mesi sa-ara-ba ziü-sitsi-nitsi go-kl-teo-no go- pj ^ siüssen aru-beki
mune o-ose-idasaru. Juje-ni sio-tai-sib on-toino-no ^ ^ jö-i-si fata sasi-mono-wo motte
fune-ico kazari sa-nagara teki-ni mukb-ga gotoku jumi jari naglnata-wo osi-tate ziü-rokv-nitsi-
ni nokorazü go- ^ ~fC zib-ka fu-san-kai omote-no kai-zib-ni nori-ukabe-keru.
Am dreizehnten Tage des dritten Monats war der Bau gänzlich vollendet. Als
die sieben Oberaufseher, nebstdem Ka-tö, Gehilfe des Vorstehers der' Pferde zur
Linken, diese Thatsache dem obersten Heerführer meldeten, dachte dieser an das Ein-
treffen bei dem Feste. Es ward somit anbefohlen, dass man am siebzehnten Tage zur
Rückkehr an den Hof abschiffen werde. Desswegen trafen die Heerführer Vorbereitungen
für die Theilnahme. Sie sclimückten die Schiffe mit Fahnen und Flaggen und stellten,
gerade als ob sie dem Feinde entgegen gingen. Bogen, Lanzen und lange Messer auf.
Am sechzehnten Tage schwammen alle ohne Ausnahme auf dem Meere an dem Fusse
der Feste Fu-san-kai.
' Nacli einer anderen Lesart Janag^i-^awa.
35*
276 Pkizmaieu.
Zm-sitsi-nitsi-no ^ 1^ mi-mei fide-aki-hv luesl-no fon-maru-no o-o-hime itsü-tsü kiri-ko-
ni yC fi-i-i-'o tatete osi-idasü. Sio-sib koto-gotoku osi-tsüdzüki-tate-matsüri siüssen-sü. Si-guatsu
jo-ka ßde-aki-kö o-o-zaka-ni go-t^iaku-sen o-ja-kata-ni irase-tamb. Sio-tai-sib-mo nokorazn on-
tomo-site tsiaku-gan-sü. On-tsükai-ban-no Jt si-wo mesi-te »b-sb fusl-mi-je nuhori ^ Pfl
matsi-dziü-ni on-ije ^ Jt sio-si-nu ^ :^L siuku-fuda-wo utsü-besi. B^ Mev Itsu-ka-ni-wa
kanarazü go- _t. V^ zib-raku-to o-ose-tsükeraru,.
Noch vor Anbruch des siebzehnten Tages lief das grosse Schiff, das ursprüngliche
Eund des Fürsten Fide-aki, nachdem man in fünf geschnittene Laternen Feuer gestellt,
aus. Die Heerführer schlössen sich insgesammt an und fuhren ab. Am vierten Tage
des vierten Monats gelangte Fürst Fide-aki zu Schiffe nach 0-o-zaka und bezog eine
Behausung. Sämmtliche Heerführer stiegen mit ilim ans Ufer. Man berief die Kriegs-
männer der abgesandten Wachen, damit sie sclmell nach Fusi-mi hinaufgehen und in
den Strassen die Einkehrtafeln der Kriegsmänner für die Häuser auswerfen. Es wurde
angeordnet, dass mau am anderen Tage, dem fünften des ]\lonats, nach der Hauptstadt
ziehen müsse.
It.iu-ka sb-ten o-o-zaka-ico siutsü-gio on-saki-te sügi-wara simo-tsüke-no kami Hl ^^ ni-
sonaje jama-gutsi gen-ha-no zcö fata jumi teppo jari ^ j^ deö-siki-no gotoku-nite oit-saki-
te-to go-fon-dzin sono aida i2jpiaku-jo-ted-'WO fedatete on-fata-saki asi-garu san-fiaku on-fata
hu-gib ^ yH naka-se ^ y) tatsi-faki fon-dzin-no oti-saki-te saka-saki idzümo-no kami on-
taka-zib-no men-men sasi-kuwawari on-fata-moto-ni-wa on-tsükai-ban go-kin-ziu-no i si
fJt ^ gu-hzi-si on-ato-sonaje-no tai-sib ^ |^ matsü-no siu-me-no kbto ^T' ^ gib-gi tadasi-
ku moro-moro-no db-gu-wo soroje sidzü-sidzü-to fnsi-mi-je irase-tamb.
Am fünften Tage, in früher Stunde erfolgte der Auszug aus 0-o-zaka. Den Vorder-
zug bildete Sugi-wara, .Statthalter von Simo-tsuke, mit zwei Aufstellungen und Jama-
gutsi, Zugesellter des Gen-ba, mit den Fahnen, Bogen, Flinten und Lanzen nach der
bestimmten Regel. Die ursprüngliche Schlachtordnung war von dem A'orderzuge durch
einen Raum von hundert Strassenlängen getrennt. Dasplbst befanden sich dreihundert
den Fahnen vorangehende Fussgänger und der Oberaufseher der Fahnen Naka-se, mit
dem Schwerte umgürtet. Den Vorderzug der ursprünglichen Schlachtordnung bildete
Saka-saki. Statthalter von Idzumo. Alle Falkner waren zugesellt, und als Krieger unter
den Fahnen gaben die abgesandten Wachen und die nahestehenden Männer das Geleite.
Der Heerführer der letzten Aufstellung: Matsu-no, Haupt des Vorgesetzten der Pferde,
brachte mit richtigem Anstand die Geräthe zurecht. So zog man langsam in Fusi-mi ein.
^ iiß 2o-/t en-kib-no rib-zin-tö-ni itaru made iku-sen-man-no kagiri-nakii, i-narahi-te-
ken-hussü. Nana-kasira-no go-h?i-gib-tvo fazimete ki-teo-no tai-sib-mib mina-mina gu-hu-si
nohori-keru. Tai-sib-gun-ku go- ^ ^ to-zib-ni joitc. nai-dai-zin ije-jasü-ku jÜS -^ fuku-sima
sa-jc-mun tai-fu JE M'J niasa-7io7^i-kib ka-ga dai-na-gon. ^ij ^ tosi-ije-kib onazi tsiaku-si
fi-zen-no kami awo-ki ki-nu kami kib-goku -^ ^ sio-sib ta-de 'f^ ^ zi-zijü ai-dzü tsiü-na-
gon jama-gata de-wa-7t.o kami naga-woka ettsiü-no kami jü-ki tsiü-na-gon ^ ^ fide-jasü-
kib-wo fazime-to site go-kin-zih ;^j> ^ to-zama-no tai-sib-mib nokorazü 'fp] -^ si-ku-no tokoro-
vi 3^ ij[Q ^ tai-so-koku-kö |ij fdp siutsu-gio tai-sib-gun-je go-tai-gan on-kotoba-tco kakerare
sitsi-nin-no bu-gib sa-ma-no süke ku-rö-tstdiamatsüri-taru-to zib-i ari o-o-ta fi-da-no kami uru-
san-uo sii'o zib-i-iro motte tori-naicosi-taru.
Die Menschen der Hauptstadt und der Landstädte, selbst die Reisenden von den
fernen Gränzen — wie viel Tausende oder Zehntausende es waren, liess sich nicht
Der Feldzug der Japaner gegen Corea. 277
bestimmen — standen in Reihen und sahen das Schausjnel. Von den sieben Oberauf-
sehern angefangen, gaben alle heimkehrenden grossen und kleinen Fürsten das Geleite und
zogen hinauf. Weil der Fürst, der oberste Heerführer in die Feste kam, machten, von
dem Fürsten Ije-jasu, grossem Diener des Inneren, dem Reichsminister Fuku-sima, Masa-
nori. Grossem des Thores der Leibwache zur Linken, dem grossen Rathe, Reichsminister
Ka-ga Tosi-ije, seinem denselben Geschlechtsnamen führenden rechtmässigen Sohne,
Statthalter von Fi-zen, Awo-ki, Statthalter von Ki-i, Kiö-goku, kleinem Anführer, Ta-de,
Aufwartendem und Folgendem, Ai-dzu, mittlerem Rathe, Jama-gata, Statthalter von I)e-wa,
Naga-woka, Statthalter von Jettsiü, und dem mittleren Rathe Fürsten Jü-ki Fide-jasu
angefangen, die nahestehenden und fernstehenden grossen und kleinen Fürsten ins-
gesammt ihre Aufwartung. Der Fürst, der grosse Reichsgehilfe trat heraus, sah den
obersten Heerführer von Angesicht und richtete an ihn Worte. Es war der hohe Wille,
dass dies sieben Oberaufseher und der Gehilfe des Vorstehers der Pferde sich aba-emüht
hatten. 0-o-ta, Statthalter von. Fi-da, hatte nach dem hohen Willen die Feste von Uru-
san wieder hergestellt.
E-dzü dzi-san-si zib-ran-ni ire-tate-matsüri-kere-ba ^ ^ san-r/okn h^i-su-no siro-taru-
ran-to go-ki-gen asa-karazü-site f^ \^ go-deo ari-keru-wa ikusa-ni katte :^ kö-ivo ^ j^
kö-se-ni simesü-wa ko-kon-no j^ j^J tsü-rei-zo kasi iwan-ja kore-wa fide-josi '/p Üt dzi-sei-
no aida-ni teo-sen-nu fiE ^ sei-fasseru ^ j^ ki-tai-no koto nare-ha iva-kan pj^ ^ rio-teö
Tj^ 1^ matsü-dai-no mei-jo-ni sonb-hesi-to o-usete nip2Jon-no gun-zei zm-ruku-man-ki-ga uttaru
tc6-sen-bito-no kubi-kazü ziü-fatsi-man go-sen sitsi-fiaku san-zlü-fatsi tai-min-hito-no kuhi-kazü
ni-man ku-sen ziü-si sühete ni-zm-itsi-man si-sen sitsi-fiaku gu-zid-ni. Fei-an- ^ ziu-no figasi-
naru hutsü-den- ^ fen-ni ^ FJl do-tsiü-ni tsüki-kome ^ ^ seki-tb-ioo tatete ^ ^ ki-
sen ima-ni kore-wo miru. Gun-tsiü-no tei-taraku ^ ^ tsiü-ku-no mono-no fataraki nado
i-sai nikki-ni kaki-tsükete ^ ^ sio-zi ^ jjti: sio-sia-ni fö-no-si tamb-beki nando sa-ta-si
ajeri - keri.
Als man die Abbildung brachte und sie dem hohen Blicke ausstellte, war das
Wohlgefallen daran, dass es eine unvergleichliche Feste der drei Reiche sein werde,
kein geringes. Der Beschluss lautete: Dass man die Verdienste des siegreichen Feld-
zuges den späteren Geschlechtsaltern bekannt gebe, sollte der allgemeine Brauch des
Alterthums und der Gegenwart sein. Um so mehr sollte dieses, da es das merkwürdige
Ereigniss des Angriifes auf Teo-sen zur Zeit der Lenkung Fide-josi's ist, als ein Gegen-
stand der Lobpreisung für die letzten Zeitalter der Höfe von Nippon und Hau dar-
gelegt werden. — Die Zahl der Köpfe von Menschen von Teo-sen, welche die aus
.sechzigtausend Reitern bestehende Heeresmacht Nippons abschlug , betrug einhundert
ftlnf und achtzigtausend siebenhundert aclit und dreissig. Die Zahl der Köpfe von
Menschen des grossen Ming betrug neun und zwanzigtausend vierzehn. Es waren im
Ganzen zweihundert vierzehntausend siebenhundert zwei und fünfzig Köpfe. Man mauerte
sie zur Seite des im Osten der Stadtmauer von Fei-an ' befindlichen Buddhatempels in
die Erde ein, setzte einen Grabstein, welchen Vornehme und Gemeine in der jetzigen
Zeit sehen. Es wurde angeordnet, dass man die Beschaffenheit des Heeres und die
Thaten der redlichen und verdienstvollen Männer genau in Tagebücher eintragen und
diese den Tempeln und Altären darreichen möge.
Fei-au ist der eigentliche Name von Mijako.
278 Pl-IZMAIEK.
^ Ko on-kokoro-jo-ge-narn-ico .^aiirai-fo o-o-ta ß-(la-)io kaml tsütsüsinde gon-zib-
tsükamatsüru-wa hm-do fide-aki-ko mn-rul-narn go-ge-dzi-no kage-ni jori ro-fed-no iin-mei-mo
tasnkari sio-gmi-zei o-oki-ni %\\ ri-ico je-suru koto go-ziak?(.-)ieii-fo-n-a musarezü sorb. Ko-kon
imi-s6-nu !^ ^ son-sib imsore-nagara kimi-no go- le ^ sei-jn-ni sukosi-mo tslgaioase-tamb-
be-karazü-to musi-agurii.
Bei der günstigen Gelegenheit, wo der Fürst gut aufgelegt war, meldete ihm 0-o-ta,
Statthalter von Fi-da. in Ehrfurcht: Dass diessmal durch den Schatten der unvergleich-
lichen Weisung des Fürsten Fide-aki das Schicksal der Belagerten abgewendet wurde
und die gesammte Streitmacht in grossem Masse Vortheil erlangte, wird nicht den jungen
Jahren zugeschrieben. Der geehrte Anführer, der in dem Alterthum und in der Gegen-
wart seines Gleichen nicht hat, wird — ich spreche es mit Schüchternheit aus — von
dem weisen und muthigen Gebieter nicht im Geringsten vei'schieden sein.
Den-ka zib-bun afte mqje-kado isi-da mi-tsü-nari-ga zmi-gen-si-tate-matsür/si juje zib-i
ari-keru-wa tai-sih-gun-no ml-dzakara jmni-ja-wo tom-to iü koto nasi. Kono tahi fide-aki-wo
mib-dai-to site tanomi '^ )^ sm-en-ni nozonii ^ ^J'C faku-fib-wo fwmtt-to jaran go-kd-
kuai-ni ohosi-mesi-tari-to ari-kere-ba zib-i-no _t. sita-jori ßde-aki-ko no-tamai-keru-tva ß-da-no
kamt sa-iiia-?io süke jokit uke-tamcnrare jo-no tsnne-7io go-mib-dai-to ara-ba go-so-sib-no sio-
zon-mo arv-be-kere-domo gun-dzin-no go-mib-dai naru ßije ziakn-fai nari-to ije-domo on uke-
mbsi to-kai-si-tari kana. Tada-hna go-ko-kuai-no zib-i |ij ji: siussi-no mono-domo sü-nin-no
^ g zi-rnoku-mo ßadzükasi-ku ^ ^ sib-kai-no ^ sen-nasi. -f' Jo ßu-kaku aru-ni oi-te-
wa bu-gib-no mono-domo akir'aka-ni gon-zib-itasi ßde-aki-ga kbbe-tvo ßanerare go-ko-kuai-no
nadamerare-sbrb jb-ni ß-da-no kami sa-ma-no siike mbsi-oge-jo-to.
Als die Menschen unter der Vorhalle dieses zu Ohren brachten, lautete, weil schon
früher Isi-da Mi-tsu-nari Worte der Verleumdung gesprochen hatte, die hohe Willens-
äusserung : Der oberste Heerführer ergreift nicht eigenhändig Bogen und Pfeil. Diessmal
Fide-aki zum Stellvertreter ernennen und sicli auf ihn verlassen, hierbei steht man an
dem tiefen Wirbel, tritt auf das dünne Eis. Man hat mit Reue daran gedacht. — Sobald
der hohe Wille bekannt gegeben war, sprach Fürst Fide-aki: Der Statthalter von Fi-da
und der Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken mögen es gut hören. Wenn es
sich um einen gewöhnlichen Stellvertreter handelte, hätte man auch denken können,
dass eine Anklage stattfinden werde. Da es aber eine Stellvertretung in dem Kriegs-
lager war, erklärte ich micli, obgleich ein Jüngling, zur Annahme bereit und setzte über
das Meer. Durch die hohe Willensäusserung, in welcher eben jetzt von ßeue die ßede
ist, sind Auge und Ohr mehrerer zum Dienste hervortretender Männer beschämt und
diese Welt ist vei-gebens. Sollte ich eine Unachtsamkeit begangen haben, so mögen die
Oberaufseher es offen nach oben aussprechen, mögen der Statthalter von Fi-da und der
Gehilfe des Vorstehers der Pferde zur Linken auf eine Weise, dass das Haupt Fide-aki's
abgeschlagen und die ßene herabgestimmt werde, es melden.
Kuri-kajesi on-ko-e-fakaku /j ^ ban-si-no on-ke-siki-to mijete go-zen-ni ßabakari-mo
naku sikiri-ni no-tamai-si-ka-ba ^ kö go-za-ivo tatase-tamai go-ka-rö-no siigi-wara simo-fshke-
no kami jama-gutsi gen-ba-no zeö-ni ku-rö-tsükamatsüri-taru-to on-kofoba-wo kakerare ^ Pp
ren-tsin-je irase-famai-keric tokoro-ni {je-jasn-ku ßde-aki-ko on-soba-tsikaku, jori-tamai säte
süzüsiku-mo o-oserare-sbrb mono kana go-matto-mo si-goka nari. Go- ^C j fu-si-sama-no
on-naka nan-no go-si-sai sbrb-beki-to sama-zama isame-tamaje-ba ^ Fp den-tsiä 'fp] -^ .s?-
ko-no sio-dai-mib itsi-do-ni ßome-tato-matsari-si naka-ni isi-da dzi-bu sib-ßu simo-tsüke-no kami
Der Feldzug der Japaner gegen Cükea. 279
gen-ha-no zeo-ni tsikadzv,i-te i-i-keru-iva tada-ima araki. on-feu-to-ni. jufte kiiiii go-ki-gen asikic
mtje-sase-tamo. Madzü on-ja-kata-je on-tomo aru-hekt raune sasajaki-keru.. Fide-aki-ko fonoka-
ni kikosi-mesi-te tada fito-utsi-ni-to obosi-mesü tei-nite on-kosl-monu-wu ottori-tatase-tamo tokoro-
id ije-jasu-ko idaki-tomerare dzi-hu-no sih-fu sui-san-wo mbsü makari-tatsi-hesl-to ikarl-
tamai-keriij.
Als er dieses immei' wieder mit lauter Stimme, scheinbar zelintausendmal den Tod
in dem Angesichte und ohne sich in der hohen Gegenwart zu fürchten, mit Heftigkeit
sprach, erhob sich der Fürst von seinem Sitze, richtete an den Hausverweser Sugi-wara,
Statthalter von Simo-tsuke, und an Jama-gutsi, Zugesellten des Gen-ba, Worte über die
Mühsal, welche sie erduldet, und trat hinter die ThUrmatte. Fürst Ije-jasu rückte nahe
an den Fürsten Fide-aki heran, und sprach : Wie kühl wurden die Worte gesagt ! Du
bist im höchsten Rechte. Das Einvernehmen zwischen Vater und Sohn, welche Bewandt-
niss könnte es mit ihm haben? — Er beruhigte ihn auf verschiedene Weise. Während
die in der Vorhalle aufwartenden grossen Fürsten gleichzeitig Lob spendeten, näherte
sich Isi-da, kleiner Stützender der Abtheilung der Gebräuche, dem Statthalter von Simo-
tsuke und dem Zugesellten des Gen-ba mit den Worten : Wegen der rauhen Antwort,
die er jetzt eben erhielt, scheint der Gebieter in übler Laune zu sein. — Früher flüsterte
er, dass sie ihn in seine Behausung begleiten möchten. Fürst Fide-aki hörte dieses
undeutlich. In dem Gedanken an einen einzigen Hieb schickte er sich an, das Schwert
zu ergreifen, doch Fürst Ije-jasu umfasste ihn und hielt ihn zurück. Der kleine
Stützende der Abtheilung der Gebräuche nannte sich zudringlich und sagte zornig, dass
er fortgehen werde.
Säte ije-jasu-ko fide-aki-ko-no on-te-ivo fikare go- |i{ ^ sihtm-zib on-ja-kata-nl Hatte
on-tomo-nasare jawarage-tamu tokorO'-ni tai-sö-koku-ka _t "^ zib-si-to s'de 'Jj ^ V'' ^ X
ka-u-zo-usü-to iü ^ Fp zio-tsiü kitare zib-i-no omomuki mbsare-keru-wa kono tahi kb-rai-no
on-fataraki karn-garu-siku ohosi-mesü uje-ni tada ima-no on-kotoha tsujoku o-ose-agerare-tsuru.
(to- ^ ;g, kua-tai-to site etsi-zen-no kuni-je on-kuni-gaje-to o-ose-idasare-sbrb josi mbsi-
agerare-kere-ha ßde-aki-kö o-oki-ni go-fuku-rm ari-te hi-ku-ni-no utsüke-taru koto iü kana-to
san-zan ikari-tamb. tl ^ ^ t7 ^ Ka-u-zo-usn mei-waku-si zw-sl-no mi-nite sbrbje-ha
zib-i-no omomuki-wo mbsi-aguru-nite sbrb. Watakusi ika-de-ka tstikuroi-tate-matsuru-beki-to
ari-kere-ha fide-aki-ko go-kua-tai uku-beki on-togame-ioo obojezü tada kbbe-wo faner aru-besi.
Inotsi aran kagiri-wa kimi-gaje-iva tsükamatsüru-mazi-ki josi mbsi-age-jo-to-zo o-ose-keru.
Fürst Ije-jasu zog den Fürsten Fide-aki bei der Hand, verliess mit ihm die Feste
und begleitete ihn zu dessen Wohngebäude. Während er ihn besänftigte, kam eine
von dem Fürsten, dem grossen ßeichsgehilfen zur hohen Abgesandten ernannte Frau
Namens Kö-z6-su und verkündete als den hohen Willen, dass man diessmal auf die
Thaten in Kö-rai in geringem Masse Bedacht nehme und dass überdiess eben jetzt
heftige Worte gefallen seien. Zur Strafe dafür sei der Befehl ergangen, das Reich
gegen das Reich Jetsi-zen zu wechseln. Bei dieser Meldung ergrimmte Fürst Fide-aki
gewaltig und rief im äussersten Zorne: Blödsinn einer Nonne! — Kö-z6-su war bestürzt
und sagte : Da ich die hohe Abgesandte bin, melde ich den hohen Willen. Wie könnte
ich etwas daran ausbessern ? — Fürst Fide-aki sprach : Icli erinnere mich auf keine
Schuld, um derenwillen mir Strafe zu Theil werden sollte. Man möge mir nur das Haupt
abschlagen. Melde, dass ich, so lange mir das Leben bleibt, das Reich nicht wech-
seln werde.
Oi^A PlIZMAIKK.
Ije-jasiir-kö 'Jj t7 ^P 7^ ka-v-zo-u-sü-ico ßki-noke-tamai-te ßde-aki-ko ^ '1*^ keo-
jetsü-ni ohusi-mesü josi go-zen sikaru-beö o-osc-agerare-sbraje-to 7io-tamu. ^J t? y^ P 7\
Ka-u-zo-u-sü kotajcte go-motto-mo-ni ko.^o suraje joku-joku go-i-ken tanomi-ma-irase-suro. On-
tori-motsi-no .n-dni man-dokoro-no fdp ^ ^ mi-dai-cn-je kuwasi-ku mosi-aguru-hesi-tote kajereri.
Fürst Ije-jasu zog Kö-zo-su bei Seite und spi-ach : Mögest du auf geziemende Weise
melden, dass Fürst Fide-aki mit Furcht und Freude daran denkt. — Kö-z6-su erwiederte:
Du magst recht haben. Ich halte mich streng an deinen Ratli. Zur Zeit der Vor-
stelluno- werde ich es in dem Gange des Gerichtssaales ausführlich melden. — Hiermit
kehrte sie zuriU-k.
Kaku-te ^ ^ nai-fu, iro-iro-to go-i-ken fito-madzü etsi-zen-je TV H niü-kokn sornje-
to no-tamaje-dumu fide aki-ku katsüte on-tori-fiki-si-tamaioazü. Nai-fu aviari-ni kotoba-ivo
tsükusi-tamai-kere-ba ßde-oki-kö sakasi-ki mei-sib nare-ba dzi-bu-no sib-ßi-ga zan-gen-to kitto
obosi-mesißukumase-tamb. Go-ßen-to-ni ivare inotsi-no kagiri-tva etsi-zen-je niü-koku omoi-mo
jorazu-to ije-domo amari-ni ZI li^ ni-sin- naku i-ken-si-tamb aida sa-ara-ba ^ Pf ro-tsnl
den-tsiü-ni kagirazu dzi-bu.-no sib-ßu-me-wo mi-aioase si-dai utsi-kiri sono noisi ßun-besscsimu-
beki o-oseßanasare ^ ^ u-mu-ni on-do-sin na-kere-ba ije-jasü-kö sügi-icara sivio-tsnke-no
kami jama-gutsi gen-ba-no zed-je mitsü-mitsü - sa ^ ^ nai-dan äffe o-ije-no i si sib-sib
etsi-zen-je sasi-kudasi jado-ja-ni oki-tamb-besi. Madzü-wa -^ ^ fai-kun on-ßara-ise-no tarne
nari-to no-faviai-fe fide-aki-ko-je-wa |§ ^ on-missi fo-zama-no J: si sib-sib etsi-zen-je
kudasi-tamb.
Der grosse Diener des Inneren' war auf verschiedene Weise berathen und ver-
kündete, dass vor Allem der Eintritt in das ßeich Jetsi-zen stattfinden müsse, allein
Fürst Fide-aki zog sich niemals zurück. Der grosse Diener des Inneren erschöpfte sich
in Worten. Da Fürst Fide-aki ein verständiger berühmter Heerführer war, hatte er die
volle Ueberzeugung, dass der kleine Stützende der Abtheilung der Gebräuche ihn ver-
leumde. Sagte er auch wider Erwarten in seiner Antwort, dass er, so lange ihm das
Leben bleibt, nicht in das Reich Jetsi-zen gehen werde, war er doch in seiner Be-
rathung überaus frei von Falschheit. Unterdessen sagte er offen, dass er, wenn er unter
solchen Umständen, gleichviel ob auf dem Wege oder in der A^orhalle, den schändlichen
kleinen Stützenden der Abtheilung der Gebräuche erblicken würde, ihn niederhauen
und es dann beurtheilen lassen würde. Da über das Thatsächliche keine Ueberein-
stimmung stattfand, hatte Fürst Ije-jasu mit Sugi-wara, Statthalter von Simo-tsuke, und
Jama-gutsi, Zugesellten des Gen-ba, insgeheim darüber eine vertraute Besprechung und
sagte : Man muss die Kriegsmänner seines Hauses allmälig nach Jetsi-zen herabgelangen
lassen und sie in Einkehrhäuser setzen. Es ist, um vorläufig den Zorn des grossen
Gebieters zu beschwichtigen. — Dem Fürsten Fide-aki verheimlichte er es und liess
die fernstehenden Kriegsmänner allmälig nach Jetsi-zen gelangen.
Sikam-ni ije-jasü-kö maje-da dai-na-gon tosi-ije on-sasoi ari-kere-doiao tosi-ije nakl-ni
jotte nai-ßih tada on-ßtori ß-bi ja-ja-ni go-tö-zib-si-tamb. Dai-so-koku o-ose-keru-iva ije-jasu
kono ßodo-iva kofo-nu ßoka-ni ßö-ko-biiri agari-fari-to iw-famb sono on-kotoba-ico fane-to säe
ije-jasu gon-zib-ni iumku ßde-aki-kö teö-sen-nite-no un-ßataraki on-karu-garu-siku obosi-mesn
juje-ni on-hiiij-gaje-to o-use-idosore-sbrb. Ogi-ncgawnku-ica go-ßon-goku-je gn- ^ ^ k/-kokn-
Eigentlich .das innere Sammelh.'ius,' was so vIpI als iini-dai-ziii ,il('r Efi-osse Diener des Inneren' ist. Derselbe war Fide-josi.
Deb Feldzcg der Japaner gegen Corea. 281
no 071-wabi-kotu mbsi-age-taku zonzi-tate-matsüri-sörbje-domo go-ki-gen-ico osorete mbsi-age-jezü-
to no-tamai-agerarunt. Sore-jori ijo-ijo utsi-tsüdzüki go-to-zib ari-kere-ba ^ ku nn-kokorn-jo-
ge-ni mala fd-ko agari-keru-to o-osü.
Unter solclien umständen hatte Fürst Ije-jasu den grossen Ratli Maje-da Tusi-ijo
an sich gezogen. ^Yei] aber Tosi-ije starb, kam der grosse Diener des Inneren ganz
allein jeden Tag und jede Nacht in die Feste. Der grosse Reichsgehilfe sjirach: Die
Weise des Dienstes Ije-jasu's hat sich um diese Zeit ausserordentlich gehoben. — Auf
diese Worte baute Ije-jasu und sagte in einer Meldung: Weil man auf die Thaten des
Fürsten Fide-aki, die er in Teö-sen verrichtete, in geringem Masse Bedacht nimmt, sagt
er, dass er das Reich wechseln werde. Ich denke zwar, dass er sehnlich wünscht, wegen
seiner Rückkehr in das eigene Reicli um Verzeihung zu bitten, doch da er die hohe
Laune fürchtet, kann er es nicht sagen. — Da man seitdem in immer öfterer Folge in
die Feste kam war der Fürst frohen Muthes und sagte, dass der Dienst sich wieder
gehoben habe.
Ije-jasü-kö nani-to-zo fide-aki-kö on-koto-wo on-wabi-koto mosi-age-faku'Sbrbje-domo go-ki-
gen ika-ga-to mbsi-age-jezü-sbrb-to bakari ßta-mono no-tamai-si-ka-ba -^ ko go-ki-etsn-no tei-
nite sono fb sa-fodo-ni omoi-tammva-ba ije-jasu si-dai-to o-ose-idasaruru. Ije-jasn-kd go-zen-
nite kan-rui-wo sode-ni Jiurasi go-kev-etsü atte makoto-ni ari-gataki ziu-i-ioo nke-tamawarl-
sbrb tute den-tslü-wo on-tatsi sb-sb fide-aki-kö on-ja-kata-je iri-tamai p|^ A rib-nin-no go-ka-
ru-ni mukatte etsi-ze7i-je tsükawasi-taru go- ^ A ke-nin sassoku jobi-nobose go-fon-goku
tsiku-zen-je kud,asi-tamaje-to no-tamai säte fide-aki-kö on-tomo-nite roku-guatsü futsü-ka to-
zib a7n-keru.
Als Fürst Fide-jasu auf irgend eine Weise eindringlich sagte, dass er, obgleich
Fürst Fide-aki wegen seiner Sache um Verzeihung bitten wolle, ihm nicht sagen könne,
von welcher Art die hohe Laune sei, sagte der Fürst freudig heraus: Wenn du so sehr
dich sehnst, so geschehe es nach dem Willen Ije-jasu's. — Ije-jasu benetzte in der
hohen Gegenwart mit Thränen der Rührung den Aermel und sprach voll Furcht und
Freude : Ich empfange in Wahrheit den kostbaren liohen AVillen. — Er verliess die
Vorhalle und trat eilig in das Wohngebäude Fide-aki's. Er sagte zu dessen beiden
Hausverwesern: Rufet schleunigst die Hausgenossen, die man nach Jetsi-zen geschickt
hat, herauf und lasset sie in das eigene Reich, nach Tsiku-zen hinabsteigen. — Somit
kam er mit dem Fürsten Fide-aki am zweiten Tage des sechsten Monats in die Feste.
^ Kö go-tai-men go-ki-gen joku-site fide-aki-kö-je teö-sen kit-rö-no go-fö-bi-to o-osete
■^ tl ^ takaki ^ ^ sada-mune-no on-tatsi ^ 3fe josi-mitsü-no on-idsi-gatana A Wi
tai-fan /§" ^ -f" nija-süte-ko-no on-tsübo fitta.-tsa go- ^ ^M^ Jl tsia-db-git on-taka futa-
moto on-uma ni-fiki wb-gon sen-mai ^ sin-zeraruru. Ije-jasü-kö -je yf^ ;g. mitsit-tada-no
on-kosi-mono ^ij ^ ban-kin san-fiaku-mai kiidasi-okare on-fiurmnai sama-zaiua-nn go- ^% ^
tsi-sö-nite pj^ ^ rib-sib ja-kata-je kajerase-tamb. Fide-aki-kö on-tsitkai-ban -^ iml iiaga-
zaki i-dzü-no kaini-ivo mesi-te ije-jasü-kö-je tsükawasaru on-kotoba-ni itvaku kon-do on-tori-
motsi-wo motte fon-goku-je ^ ^ ki-koku sono uje iro-iro -fiSp ^ go-kon-ni sbrb zi-bun-wo
motte go-rei mbsü-besi-to-zo o-ose-irer'are-keru.
Der Fürst war bei der Zusammenkunft gut gelaunt und befahl, dass dem Fürsten
Fide-aki für dessen Mühen in Teo-sen Belohnung zu Theil werde. Derselbe erhielt ein
Schwert von Takaki Sada-mune, einen Säbel von Josi-mitsu, zwei Töpfe von Tai-fan
I Denksclriften d. phil.-hist. Cl. XXV. B.l. 31)
282 Pfizmaier.
Nija-sute-ko, einen Theeaufsatz, zwei Pferde, zwei Falken und tausend Stücke Goldes zum
Geschenke. Für den Fürsten Ije-jasu gelangten ein Schwert von Mitsu-tada und drei-
hundert Stücke gestempelten Goldes herab. Unter Festlichkeiten und allerlei Belustigungen
kehrten die beiden Anführer in ihr AVohngebüude zurück. Fürst Fide-aki berief seine
abgesandte Wache Naga-zaki, Statthalter von I-dzu, zu sich und sagte in den Worten,
die er dem Fürsten Ije-jasu übersandte : Durcli deine diessmalige Anempfehlung kehre
ich in das eigene Reich zurück, und überdiess findet allerlei Freundlichkeit statt. Ich
werde dir zu seiner Zeit meine Erkenntlichkeit bezeigen.
Sitsi-guatsü zib-ziun-no koro-jori dai-so-koku ko nani-to-naku go-i-rei-to fü-hun-su. Makoto-
ni me-de-taki fip 'f^ mi-jo-no ^ ^ i-fä kub-dai mu-fen-ni sitc [51 lf$ si-kai nami sidzüka-
ni osamari ^ fJfP jo-riü-no kaze jeda-wo narasazn ^ ^ ri-kua-no ame tsütsi-kure-wo
jaburazü-to jaran faru-wa josi-no §|^ @^ dai-go-no on-fana-mi natsu-wa u-dzüki-no den-
tsiu-ni akasi kurasi-tamai u-dzi-gaiDa-ao un-kari aki-iva mi-no ivo-ivari mi-kaiva totomi-ni
on-taka-no asobasare "fö; jo-ni otsi-udo-ni-wa go- ^ ^ tsi-g?b-wo kudasare siukke go-ke-nin-
tu-no wabi-mono-ni kin-gin ^ft ^ bei-sen-ivo kudasare ^ fl^ ro-tö san-rin ^ sidzil i-ga
made-mu ije ja-siki kiulasarete amaneku go-zi-fi-no on-megumi jo-mo-ni mitsi-kuwawari-te
nippon-gokiij-tsiü koto-gotoku ^^ J^ ken-tsi o-ose-tsükerare ^ koku-tsümori-ni kiwamari ika-
nai'u siukke sia-mon ama bi-ku-)ii-td-mo kokoro-jasüku pjif ^ sib-mu-wo nasi man-man-zai
möde negai-tate-matsüru koto nare-ba go-fn-rei-to kiki-te ten-ka-no sib-si köre nari-fo zib-ge
kanasimazaru-to iü mono nasi. Saru fodo-ni fatsi-tsüki zib-ziiin sore-sore-je-no-go- ^ ^
jui-mei ari-te on-kata-mi iro-iro-ivo sib-dai-mib-je kudasare-keru.
Seit der ersten Decade des siebenten Monats verbreitete sich das Gerücht, dass der
Fürst, der grosse ßeichsgehilfe ohne allen Anlass unwohl sei. Da in der That bei der un-
ermesslichen Grösse der Macht des hohen Zeitalters die Wellen der vier Meere ruhig sich
gelegt hatten, der.AVind der Weidenbäume die Zweige nicht ertönen machte, der ßegen der
Birnblüthen die Scholle nicht zerstörte, da im Frühlinge die Blumenschau von Josi-no
und Dai-o-o, im Sommer das Verbring-en der Zeit bis zum Moro-en und Abend in der
Vorhalle des vierten Monats, die Jagd an dem Flusse U-dzi, im Herbst die Lustbarkeit
des Falkenfeldes- in Mi-no, Wo-wari, Mi-kawa und Tötomi stattfand, den gesunkenen
Menschen in der Welt ein Besitzstand, den unglücklichen Mönchen und Witwen Gold
und Silber, lieis und Münzstücke, selbst den gemeinen Menschen zur Seite der Wege,
den Menschen der Berge und Wälder und noch Niedrigeren Häuser und Grund verliehen,
die "wohlwollende Güte, die vier Gegenden erfüllend, sich hinzugesellte, in dem Reiche
Nippon die Untersuchung alles Bodens angeordnet, für die Häufung der Scheffel Be-
stimmungen getroffen wurden, Mönche und Nonnen, von welcher Art sie auch waren,
ruhig ihre Beschäftigung trieben und in den Tempeln die Bitten um Zehntausende von
Jahren geschahen, so war es, als man von seinem Unwohlsein hörte, ein Schmerz für
die Welt und Keiner unter den Höheren und Niederen war, der nicht trauerte. In der
ersten Decade des achten Monats ward über dieses und jenes sein letzter W^ille ausge-
sprochen und gelangten allerlei zu hinterlassende Angedenken an die grossen und
kleinen Fürsten herab.
I
Der Feldzug der Japaner gegen Couea. 283
Kakti-te ziü-go-nitsi-no asa "fj 5^ V !$? X ka-u-zo-u-sü-wo mesi-ie on-süzüri ^^\ j^
TiO-si-wo koi-tamai on-fude-xoo some-tnmb.
Am Morgen des fünfzehnten Tages berief er Kb-z6-su' zu sich und bat um seinen
Tintenstein und um Papier. Er tunkte den Pinsel ein und schrieb :
— • (Fito-tsü). Joku-ico fanaru-beki ^ (koto).
Eines. Man soll sich von Begierden lossagen.^
— ■ [Fito-tsn). Onna-ni ii^ [kokoro-) jurusü-na-no ^ (koto).
Vertraue keinem Weibe.
— • (Fito-tsü). -^ (O-oki-) sa-ni süru-na-no ^ (koto).
Eines. Reibe nicht an der Grösse.
— • (Fito-tsü). Asa-ne-süru-na-no ^ [koto).
Eines. Schlafe nicht am Morgen.
— • (Fito-tsü). (Fito-) ni i|^ (mono-) arasö-na-no ^ [koto).
Eines. Streite nicht mit den Menschen.
— • (Fito-tsü). ^ Mi-no juku-e tsüssimu-heki ^ (koto).
Eines. Man beachte, wohin man geht.
— • (Fito-tsü). )\\ (Kaiva-) ni odzi-beki ^ (koto).
Eines. Man soll sich vor dem Flusse fürchten.
— ■ (Fito-tsü). ^ Teki-ni odzi-beki ^ (koto).
Eines. Man soll sich vor dem Feinde fürchten.
— • (Fito-tsü.) p^ (Utsi-J no mono-ni nasake-aru-beki ^ (koto).
Eines. Man sei gütig gegen die Leute in dem Hause.
— • (Fito-tsü). ^ ^ (Nani-goto-) mo \ (fito-) nami-no ^ (koto).
Eines. Etwas ist auch der Brauch der Menschen.
— • (Fito-tsü). ^ (Mono-) ni tai-kussüru-na-no ^ (koto).
Eines. Sei einer Sache nicht überdrüssig.
— • (Fito-tsit). '^ ^ (Nani-goto-) mo tsüka-dzüku ^ (mono-) ivo fi-ge-sü-beki ^ (koto).
Eines. Tliut man etwas ernstlich, soll man die Sache herabsetzen.
— • (Fito-tsü). '(Bf ^ (Nani-goto-) mo:
Eines. Noch etwas. Verse :
^ (Tsäju-J no fyt (jo-ni) \ tsüju-to kije-ni-si \ ^ ^ (icaga-mi) kana \ tada nani-goto-
mo 1 jume-no mata jume.
Der in des Thaues Welt | als Thau geschmolzen ist, | ach mein Leib ! | Es ist nur,
wie es aucli sei, | von dem Traume wieder der Traum.
To-zo asobasi-keru. Sare-ba go-nb-zitsü-tvo otte tanomosi-ge-naku mije-sase-tamo. Ten-
ka-no mei-jo kazü-im tsükusi-te atsümari ki-faht kub-tei-no ^» g fi-si-ivo ^ an-zi fp^ fjQ
ka-kan ^ ^ tan-kei-ga jtp ~^ mib-fb-wo kizamasi-kere-domo sara-ni sirusi-mo masi-masazü.
' Die oben (S. 279) erwähnte Nonne.
2 Die in diesem und den folgenden Sätzen vorkommenden chinesischen Zeichen wurden in der Umschreibung sämmtlicli bei-
belialten. Wo bloss Sylbeuschrift steht, enthält auch das Original bloss Sylbenschrift.
31)*
2g4 Pfizmaiek.
Jasiro-jasiro-no ^ ^jf- fö-fei tera-dera-no '^ jj^ kon-lci tsuki-matsi fi-matsi fosi-matsüri tai-
san fu-kun mach niatsüri-kere-domo ^ ^ c/eu-f/ö nare-ha ka-i-mo nasi. y^ :^v& Jodo-matsh-
no mi-dai-dokoro-ica ^ mbsü-ni ojohaza den-tsiä zib-ge-no nib-hö-tatsi ijo-ijo isikai'a-wo usinai
to-ja aran kakn-ja icatarase-tamu-ran-to ^ an-zi-wadzhrh. Ori-f/m PJI naka-no ^^ maru-no
go- ^ 1^ siü-do), ki-mura ^ -g- so-ki-ga tate-tari-si to-basira siki-i kanio-i io ori-iri-no
ten-zib made-mo -^ kin-no kaiia- ^ gu-no faka-maki-e-nite fusüma sib-si fari-tsüke-iva ka-no
fase-gaica-ga fude-ioo tsükusi-te kaki-si kara-ko-7io \ ^ nin-e ZL Jf} ni-man-mo m ^
san-man-mo kazü-ivo sirazü ari-si-ni omowazaru-ni kore-tco mire-ba J^ tsi-no naniida ari fu-
si-gi-io omoi kmcasi-ku mire-ba iku-sen-mnn-mo koto-gotoku me-no kiwa-jori fuwo-saki made
usüku-mo nakii koku-mo nakl tsi-no namida itsi-dij-ni tsükete ari-kere-ba sio-nin kore-tvo mite
ki-mo tamasi-i-mo use-fatete naki-kogare-tcnnai namida-ni musebu bukari nari.
Indessen schien er schon seit den letzten Tagen hoffnungslos zu sein. Obgleich
die Berühmtheiten der ganzen Welt in erschöpfender Zahl sich versammelten, die
geheimen Bedeutungen Khi-pe's und des gelben Kaisers untersuchten, die wundervollen
Heilmittel von Ho-kien und Tan-khi zerschneiden Hessen, es hatte durchaus keine
^Yirkung. Obgleich man an den Altaren Handopfer reichte, in den Tempeln inbrünstig
betete, den Mond verehrte, die Sonne verehrte, den Sternen opferte, selbst dem Ge-
bieter des Sammelhauses des Tai-schan opferte, da es Schicksal war, nützte es nichts. Von
den vornehmen B^rauen von Jodo-matsu nicht zu sprechen, erschöpften in der Vorhalle die
Frauen der Höheren und Niederen immer mehr ihre Kraft, ängstlich forschend, ob er sich
so befinde, ob er sich andei's befinden möge. Um die Zeit standen in der vorgesetzten
Vorhalle des mittleren Eunds, an den von Ki-mura und SO-ki aufgestellten Thüi'pfosten,
Ober- und Unterschwellen bis zu der gebrochen hereindringenden Himmelsfeste mit
goldenen Metallringen und hohen Goldlackgemälden Schiebewände. Auf den Uebei'-
spannungen waren mit Erschöpfung des Pinsels von Ka-no und Fase-gawa gemalte
Menschenbilder chinesischer Söhne zweimal zehntausend, dreimal zehntausend — ihre
Zahl kennt man niclit — angebracht. Wenn man diese* gedankenlos betrachtete, hatten
sie blutige Thränen, man hielt es iur ein Wunder. Wenn man sie genau betrachtete,
waren allen, mehreren Zehntausenden, von der Gränze der Augen bis zu dem Vorsprung
der AVano-en, Thränen von Blut, das dünn nicht vorhanden war. dick nicht vorhanden war,
zu gleicher Zeit hinzugefügt. Als die Menschen dieses sahen, gingen ihnen Geist und Seele
verloren. Sie weinten, härmten sich und schluchzten nur unter Thränen.
Zin-sitsi-iiifsi-no tatsü-no koku -^ kö 0-0-110 siu-ri-no tai-fu faja-mi ka-i-no karni kata--
qiri ^ r{l to-it.n-no jE kami-ivo go-za-no on- ^ ^ siü-den-je mesare on-sakadzüki-wo
kudasare ^ ^ fide-jori-ivo mori-tate-beki josi zib-i ari 3C mnfa go- j|| bib-iüci figasi-jama-
no ßimoio-ni kamaje sib-ifsi-i ^ g fö-koku -^ B^ filjl dai-mib-zin-to arawasi-tate-matsüru-
beki mune o-oseraruru-ni san-niii uke-famaivari-te ß-rui-wo sode-ni tiruwosi go-zen-wo makari-
tatsi-ni-keru. Sikaru-ni kono kimi ten-bun go-7ien saru fatsi-guatsü ziu-fatsi-nitsi tatsü-no koku go-
tan-sib nari-si-ni kei-ted san-nen inu fatsi-guatsü zifi-fatsi-nitsi tatsü-no koku on-tosi roku-ziu-san-
sai-nite ^ ^^ rio-ei-no jmne-zo same-iamb. Dai-mib "^ ^ kb-ke-no ^» Jp on-taku-ni ju-
a.mi-se-si mono-wa iü-ni ojobazü. T6n-ka-no ki-scn nan-nio ^ -^ rö-sib made-mo % ^4
kb-ß-ini ^ s6-sürri-ni nawo koje-tari-keri. |^ ^ Tö-gib so-rakn-si-tamai ^ */$ .•<i-kai
A ^ fatsi-in-iro todomu-to-ka-ja sorc-ica _h '^ zib-ko-no 1^ *^ sei-tei kore-ira ^ j^
matsü-sc-no ^ ^% viei-sib toki fedatari ^ jo kotonari-to ije-domo ^ f^ ßc-setsü-wo
Der Feldzüg der Japaner gegen Corei. 2(S5
awasüru-ga gotoku nari. Ari-gata-kari-si mei-sio nari. Ima-iva-uo khoa-no qo- l^-^ ;}ig tei-so
makoto-ni fito-ni sügure-tamajeri-ki. '^ '^ Kei-ran-ioa jabure-jasüku ^ 3E rih-gioku-iva
kata-karazü. Uki-jo-wa tada jame-no gotosi. Jorokohu koto iku-baku-zo-jaAo-wa ima-sara
omoi-sirare-tari.
Um die fünfte Stunde' des siebzehnten Tages berief der Fürst die Männer 0-o-no
Grossen der geordneten Grundsätze, Faja-mi, Statthalter von Ka-i, und Kata-giri, Rich-
tigen des östlichen Marktes, in die vorgesetzte Vorhalle seines Saales und reichte ilmen
seinen Weinbecher. Der hohe Wille war, dass man Fide-jori beschützen und einsetzen^
möge. Ferner befahl er, dass man ihn in seinem Ahnentempel, in der UmSchliessung
an dem Fusse des östlichen Berges, zu dem zu der ersten riclitigen Rangstufe gehörenden
grossen glänzenden Gotte von Fö-koku^ erklären möge. Als die drei Männer dieses
hörten, befeuchteten Thränen des Schmerzes ihre Aermel, und sie schieden aus der
liolien Gegenwart. Dieser Gebieter war im fünften Jahre des Zeitraumes Ten-bun
(153G n. Chr.), Saru (33), am vierten Tage des achten Monats, um die fünfte Stunde *
geboren. Im dritten Jahre des Zeitraumes Kei-teo (1598 n. Chr.), Inu (35), am acht-
zehnten Tage des achten Monats, um die fünfte Stunde, im drei und sechzigsten Jahre
seines Lebens, erwachte er von dem Traume der beiden Dachfirsten. Von den o-rossen
Fürsten, den hohen Häusern, die mit dem Regen seiner Gnade er badete, braucht man
nicht zu sprechen. In der ganzen Welt gingen Vornehme und Geringe, Männer und
Weiber, Alte und Junge über die Trauer, die man um den todten Vater, um die todte
Mutter hat, noch hinaus. Wenn bei dem Tode Yao's von Thang die Länder der vier
Meere mit den acht Tönen innehielten, so war es dort ein höchstweiser Kaiser des
hohen Alterthums, hier ist es ein berühmter Heerführer der letzten Geschlechtsalter.
Durch die Zeit sind sie getrennt, durch das Geschlechtsalter verschieden, doch es ist
als ob. sie die Abschnittsröhre zusammenfügten. Es ist ein berühmter Heerführer der
Avundervoll gewesen. Sein Aussehen und seine Gestalt in der Todesstunde zeichneten
in der That vor den JMenschen sich aus." Die Luftblume ist leicht zu zerstören der
treffliche Edelstein ist nicht hart." Die vergängliche Welt ist nur gleich einem Traume.
Wie viele der Freuden seien, wurde jetzt wieder in Gedanken erkannt.
Go-hu-giu nari-si isi-da zi-hu-sw-fu mi-tsü nari asa-no dan-sib sib-fitsü naga-masa masi-
ta u-je-mon-zeö ^ ^ naga-mori naga-tsüka o-o-kura tai-fu jE ^ masa-ije kata-giri. tö-
itsi-no kami onazi ^ g§ siu-zen-no IE kami o-o-no siü-ri tai-fu sb-dan-si go- -fjg, ^ ta-kai-
■wo sibaraku on-missi-tate-matsüran-to fossi-tc go- ^ f | sl-tal-tvo kana-gu maki-e-no on-fako-
ni osame-tate-matsüri-keru. Sika-to ije-domo go-ta-kai fü: jo-ni kakure-naki-ni jotte naga-
tsüki-no zib-ziim mijako-no figasi-ni atatte a-mi-da-ga mine-ni on-fako-wo osaiae-tatematsüri-keru.
Isi-da Mi-tsu nari, kleiner Stützender der Abtheilung der Gebräuche, Asa-no Naga-
masa, kleiner Stützender des kaisei'lichen Vermerkers, Masi-ta Naga-mori, Zugesellter
' Von 7 bis 9 Uhr Morgens.
- Zum Kuan-baku.
3 Fide-josi erhielt nach seinem Tode den Namen Ä [g Fö-koku ,das gedeihende Reich'. Mau nennt ihn sonst auch
Ä ^ F6-k6 ,Fürst von Fö'. Früher hatte er den Geschleclitsnamen M^ W Tnjo-torni erlialteu.
•* Von 7 bis 9 Uhr Morgens.
'•' Das Näliere hierüber i.st in dem unten folgenden Zusätze des Fürsten Kijo-niasa entlialten.
* Hier ist der gewöhnliche weisse Edelstein gemeint.
286
Pfizmaikr.
des Thores der Leibwache zur Rechten, Naga-tsuka Masa-ijc, grosser Stützender der
grossen Kammer, Kata-giri, Riclitiger des östlichen ]\Iarktes, der denselben Geschlechts-
namen führende richtige Vorgesetzte der Speisen und Ü-o-no, Grosser der geordneten
Grundsätze, welche Oberaufseher gewesen, besprachen sich. Sie wünschten den Tod
des Fürsten eine Zeitlang zu verheimlichen und legten den Leichnam in eine mit
o-oldenen Ringen und Goldlackgemälden verzierte Kiste. Da dessen ungeachtet der
Tod des Fürsten in der Welt kein Gelieimniss war, verbargen sie in der ersten Decade
des neunten Monats, östlich von der Hauptstadt, auf dem Berggipfel von Araida
die Kiste.
Zusatz des Fürsten Kijo-masa.
Fide-moto ^ ^ ki7i-go ^ P^ kub-mon ßde-aki-ko-ni tsükaje-matsüri-si koro man-
dokoro- ^ en-je on-tsükai-to site ma-iri-si toki juru-juru-to go-fen-zi-tvo matsi-keru aida-ni
T!/ $? y ^ X ka-u-zo-u-sü-ni ide-ai jo-mo-jama-no mono-gatari-no tsü-ide-ni fide-moto
i-i-kerio-wa dai-mio kb-ke-no mi-no ?ije-ni saje fito-ni jori medzürasi-ki koto-mo sbrb-to uke-
tamawaru. Masi-te tai-kim go- ^ lä zai-se-no on-toki ^ ^ ki-i-naru on-koto-mo sbrai-
tsüru-ja-to tadzüne-kere-ba tl V ^/ V 7\ ka-u-zo-u-sü kotajete sasi-te amari-ni kaivari-
taru go-jb-dai-wa sbrawazaru-ga ori-ori firu-no koro m.adoromase-tamb-tote-wa on-me same-
sbrb made okosi-tate-matsüru-he-karazü mata fito-mo kitaru-be-karazü-to o-osete tada on-fitori
go-za-siki-je irase utsi-jori kake-gane-tuo kake-tamai-te madoromase-tamh-ni amari-ni fisasi-ku
on-me samezaru ori-kara-wa soregasi #|* fari-wo motsi-te juki-te sib-zi-ni sükosi-ki ana-wo
akete fisoka-ni mi-tate-matsüre-ba "h :fe fi: zvii-deo-ziki arui-wa — Zl # itsi-ni-deö go-
za-siki ippai-ni o-oki-ni narase-tamb. On-sügata iku-tabi-mo ari mata tsüne-no on-sügata-no
toki-mo sbrai-tsüru o-oki-ni narase-tamai-si on-katatsi-wo mi-tsüru toki-wa mi-no ke-mo jodatsü
bakari nari-ki. To-kaku tsüne-no go- \ f| nin-tai-nite-w'a na-kari-keri-to-zo katarare-keru.
Zur Zeit als Fide-moto in den Diensten des Fürsten Fide-aki, mittleren Rathes'
von dem Sammelhause des Thores der Leibwachen,- stand, wurde er als Abgesandter
in den Gang des Ortes der Lenkung geschickt. Als er hinkam und mit Müsse auf die
Antwort wartete, begegnete er Kö-z6-su. Er fragte sie: In der Einleitung zu der Ge-
schichte des Berges Jo-mo sagte Fide-moto:' ,Dass über dem Leibe der grossen Fürsten,
der hohen Häuser, von den Menschen nur abhängend, auch ausserordentliche Dinge sich,
befinden, hört man'. Sind es nicht um so mehr, zur Zeit als der grosse Gebieter lebte,
auch wunderbare Dinge gewesen? — Kö-z6-su antwortete: Ein besonders und über-
mässig veränderter Zustand war es nicht. Damit er manchmal um die Mittagszeit
schlummern könne, befahl er, dass man ihn, bis er erwaclit sein würde, nicht aufwecken
dürfe, ferner das Niemand zu ihm kommen dürfe. Er trat ganz allein in die Halle,
hängte von innen den Schlosshaken an und schlummerte. Als er zu lange nicht
erwtchte, nahm ich eine Nadel, ging liin und stach in die Schiebewand eine kleine
< Kuö-mon ,aas gelbe Thor' ist der chinesische Name für tsiil-ua-gon ,niittlerer Ratli'.
2 Kin-go ist iler chinesische Name für sa-u-je-mon fu ,Saiiimelliaus des Thores der Leibwaclie zur Linlien und Rechten'.
3 Der früher genannte Fide-moto ist 0-o-gawutsi. Ob Fide-moto in der angeführten Stelle des Buches ebenfalls O-o-gawuts.
oder ein Anderer sei, lässt sicli nicht bestimmen.
Dek Feldzüg der Japaner gegen Couea. 287
Oeffnung. Als ich heimlich hindurchsah, war von zehn Matten die vielleicht eine oder
zwei Matten enthaltende Halle ganz voll und gross geworden. Seine Gestalt war mehr-
mals voi-handen und war auch grösser geworden als sie es zur Zeit seiner gewühnlichen
Gestalt gewesen. Als ich seine Gestalt sah, war sie so, dass mir die Haare zu Berge
standen. Jedenfalls war es nicht die gewöhnliche menschliche Gestalt.
Schluss des Tagebuches.
Ziü-itsi-guatsü tsüitatsi-no mi-mei-jori f^ j|| go-hw-no ^ijß^ ^ dzi-geö-wo narasi isi-
gaki-ioo tsüki 2J5C jjtt fon-sia ^ |^ kiä-den ^ j|j| kuai-rö ^ |^ fai-den LU P^ san-
mon-tö on-uma-ja-ni itaru made go- j§; ^ sd-jei-wo isogi-keru fodo-ni nami-ki-no sakura
isi-dü-ro i-ge made-mo koto-gotoku kei-teu jo-nen i san-guatsü tsiü-ziun-ni siutsü-rai-sü. Si-
guatsii zm-fatsi-nitsi on-mija utsüsi ari-keru. Kakari-keru tokoro-ni raku-tdu raku-guai-no
matsi-nin akindo jori-ai-te f^P 'f^ mi-jo-no kagami-no akiraka-naru jnje-ni kokoro-ni makase
jutaka-ni S^ ^ nen-getsü to-sei-wo okuru-to iü koto fito-je-ni go- ^ ^ dziu-ivon-ni arazü-
ja semete odori-wo age Jt ^ "^ zib-sen-kü-wo süzüsime-tate~matsüru-hesi-to itsi-do-site kin- ,
gin tsükusü koto-wo itowazü, Karu-san ta-hifukuro kija-fan kosi-mino-ni kin-sia ^^ra-^ kin-
ra-sia seo-seö-fi kin-ran aja ni-si-ki siu-sü mu-rib-uio tatsi-kudaki j^J! ^^ kn-si-nite tvaranzi-wo
tsukuri men-men faki-te kasira-ni-wa fana-oke fana-kago ^f rih J^ fusi ^ zo tora ki-rin
kara-si-sl ku-ziaku fö-ioh arui-wa tai-sib-no -^ Wji kin-ziü ^ '^ tai-gijo inusi kera-ni itaru
made jb-jb-no tsükuri-mono mitsi-sügara go- ^ '^ fo-zen-nite odorii :j^ -^ fio-si-ni josi-no-
zakura-no tsiru-ga gotosi. Ziu-ni kasira-no sirusi-ni-ioa slro-aja siro-fa-huta-je-wo motte ziu-
nl faba-no ori-kake ziü-rokii faha-no siro-foro ziü-ni faba-no fuki-nuki arui-ica kin-ran ||^
fi-don-sü-nite o-o-fata.-iüo täte itte-itte-ni osi-tate kai kane iai-ko fuje tsüdzmni raku-tsiü-wo
fibikasi-keru. Dai-mib-zin-no ^ Fp kiü-tsin go-nion-guai-wa in-ni ojobazü. Raku-tsiii-ioa
III ina kin-gin-no süna-wo. siki-tari-ki . ^ g] I-koku-no koto-tva iza-sirazü nippon-ni oi-te
kai-hiaku-jori i-rai tamesi-süktmaki koto nari-keri.
Seit der Zeit vor dem iVnbruch des ersten Tages des eilften Monats ebnete man
den Grund des Ahnentempels, führte die Steinmauer auf und indem man sich mit dem
Baue des eigenen Altares, des Palastes, des Kreisganges, des Bethauses, des Bergthores,
selbst des Pferdestalles beeilte, waren die Baumgänge von Kirschbäumen, die Stein-
lampen und Anderes in der mittleren Decade des dritten Monates des vierten Jahres
I (36) des Zeitraumes Kai-teö (1599 n. Chr.) gänzlich vollendet. Am achtzehnten Tage
des vierten Monats fand der Umzug nach dem Palaste statt. Als dieses geschah, ver-
sammelten sich die in- und ausserhalb der Hauptstadt befindlichen Strassenbewohner
und Kauf leute. Sie sagten : weil der Spiegel des hohen Zeitalters hell ist, überlasse
man die Sache ihrem \Yillen. Dass sie Jahre und Monate im Ueberflusse verbringen,
sei dieses nicht einzig seine mehrfache Gnade? Man möge wenigstens Tänze aufführen
und den Palast, zu dem er übersiedelt, erfrischen. Zu gleicher Zeit verdross es sie
nicht, Gold und Silber gänzlich zu verausgaben. Zu Fischerkleidern, Socken, Säcken,
Strümpfen und Lendenmänteln zerstückelten sie Goldflor, Flor, goldgesticktes Wolltuch,
scharlachrothen Goldbrocat, geblümte Stoffe, Brocat, Atlas und fiinffädige Stoffe. Sie
verfertigten aus rothen Seidenfäden Schuhe nach Art der Strohschulie und trugen sie
f)oQ PriZMAlEl!,
inso-esammt an den Füssen. Auf ihrcM. Häuptern tanzten verschiedenartige naclagemachte
Ding-e: Blumentöpfe, Blumenkürbe, Drachen, Sternbilder, Elephanton, Tiger, Einhörner,
chin'esische Löwen, Flaue, Paradiesvögel, mitunter grosse und kleine Vögel und vier-
füssige Thiere, grosse Fische, selbst Insecten und Grillen, unterwegs vor den Tempeln.
Nach der Tonweise war es, als ob die Kirschblüthen von Josi-no sich zerstreuten. Bei
den zwölf Abzeichen stellte man vermittelst weissen geblümten Stoffes und weisser
zweifacher Flügel gebrochen Angehängtes von zAvölf Leinwandbreiten, weisse Baum-
wollkleider von sechzehn Leinwandbreiten, Durchgeblasenes von zwölf Leinwandbreiten,
mitunter grosse Fahnen aus Goldbrocat und mennigrothem Seidendamaste auf und Hess von
den in den einzelnen Abtheilungen stehenden Muscheln, Glocken, grossen Trommeln,
Flöten und kleinen Trommeln die Hauptstadt wiederhallen. Wie es sich vor dem Thore
des Palastes des grossen glänzenden Gottes verhielt, braucht nicht gesagt zu werden.
In der Hauptstadt war überall Gold- und Silbersand gebreitet. Wie es sich in fremden
Reichen verhält, weiss man nicht. In Nippen war es etwas, wovon seit der Entstehung
der Dinge wenige Beispiele vorgekommen sind.
Der Feldzug der Japaner gegen Cokea. 289
Schlussbemerkung.
igi kono § sio-ivu miru fito-ioa ^p ^ ai-ziü tada o-o-gotvidiii ^ ~'''-^« ^ ^ fjun-
ko-wo agnru-ni ni-tc fi-gurasi-no mama-ni sore knre-to nakn, jod-nasi- ^ hito-ivo kakl-tsnke-
faheri-tarl-kere-tu i-l-ken sikari-to ijc-domo sono kaknre-taru-wo saguru-ni ojoso i si tarn,
mono iiii-<hükara naka-datsl-site ^ ^ fu-zio-no okoriai-wo nasü koto aran-ja. ^ (J-iro
fome ;^ ^ mo-dfin-iro ^ sio-süru koto-ico kol-negb-hesi. Kami-ni-wa den-ka-no ^ ^
i-hu-ivo araiL-atil ^ ^ siu-sotsü-no tsii)-gi-wo age simo-ni-wa ^ ^ ko-jei-tvo fagemasan-to
fossiii'H varan. Sika-mo kurio sio-no utsi-ni y^ ^ dai-do i(^ )ff miu-ju ari jE ^ sei-hn
ari ^ %\ ki-kei ari anl it si-turu mono-no B^ ^ mei-kih ^ j^ kö-kai-ni arazaru. koto-
ico jen-zo. ^ ^ Bun-zi-ni ^ ^ san-si ^ ^% sihn-zin -^ ü^ kl-ßtsü ari iva-ka-ui ^^^^ ^
gen-zl ^ ^ san-dai-no '^ ^-^ ka-saku ari ^o)io f^ ^ tokit-zitsü-wo firawazü idzükun-zo
hun-zi-no sakan-narazaru-wo loarawan. ^ ^ Bö-jtu-wo tsnma-ba nan-zo ^ ^ gon-ku-
ito -^ ki-narazaru kuio-iöo msiran. ^ ^ Kö-ran-no ^ -^ kun-si sono ^ ^ zi-ku-no
ijasi-ki-tvo motte ^"^ ^ si-ke-rasi-sa-no mama-ni sono ^ ^ ba-ba-no 7iikki-ni xitagatte kore-ico
"J^ ku-si kore-wo tadasi tatoi ]^ teki-no süje-no ^ fa nari-to-mo nan-zo ari-te ^ nasi-to
si naki-ivo ari-to sen-ja. Koko-ni oi-te nvppon-koku-tsiu y^ /J> dai-siö-no jjltj} JÜSi zin-gi koto-
ni-iva uzi-kami fatsi-man ^ ffi san-sio-ni tsikai-te — • ^ itsi-gon-no §^ f^ so-gi-naki
küto-iro arawasü mono nari.
Diejenigen, welche dieses Buch sahen, werden gesagt haben, dass es vom Anfang
bis zum Ende bloss die kriegei'ischen Verdienste 0-o-gawutsi's hervorzuheben scheint
und dass in ihm wohl grundlose Worte wie das Läugnen des Abends, wenn die Sonne
untergeht, niedergeschrieben wurden. Wenn man aber das in ihm Verborgene aufsucht,
wird es da der Fall sein, dass der Kriegsmann, der sein eigener Mittelsmann ist, die
Handlung des Weibes begeht? Wer Yü preist, muss bitten, Meng-tien nennen zu dürfen.
Es wird sein, dass man nach oben die Macht und den Kriegsmuth der Menschen unter
dei' A orhalle darzulegen, die Redlichkeit der Anführer und gemeinen Streiter hervor-
zuheben, nach unten die späteren Nachkommen anzuregen wünscht. Ueberdiess findet
sich in diesem Buche der grosse Weg, die treffliche Anwendung. Es finden sich in
ihm richtige Entwürfe, wundervolle Berathungen. Wie sollte es der glänzende Spiegel
des Ivriegsmannes, die spätere Warnung für ihn nicht sein können? Unter den Worten
der Schrift finden sich die drei Geschiclitsschreiber, der wundervoll' Pinsel des Früh-
lings und Herbstes. Unter den japanischen Gedichten finden sich die vortrefflichen
AVerke: das Geschlecht Gen und die drei Zeitalter. Wenn man das Gediegene solcher
Eigenschaften nicht aufliest, wer kann bei den Worten der Schrift über den Mangel
an Fülle lachen? Wenn man die Blätter der Entwürfe pflückt, wie kann man bei den
Abschnitten der Rede über den Mangel an wundervoller Eigenschaft spotten? Die später
überblickenden vorztiglichen Männer, welche bei diesen niedrigen Abschnitten der Rede
Denkschriften d. phil.-hise. Cl. Bd. XXV. 37
oQQ Pfizmaiek. Der Feldzuo der Japaner gegen Corea.
o-anz nach Gutdünken und nacli den Tagebüchern jener Zeiten, dieses untersuchen, dieses
zurechtstellen, sollten sie auch Abkömndinge der Feinde sein, werden sie bewirken, dass
etwas Geschehenes nicht geschehen, Nichtgeschehenes geschehen ist? Demnach schwört
man bei den (^rossen und kleinen Göttern des Nipponroiches, insbesondere bei den drei
Sitzen Fatsi-man's, Gottes der Geschlechtsnamen, dass man etwas, worin nicht ein einziges
Wort Unwahrheit enthalten ist, veröffentlicht.*
Kuan-bun, zweites Jahr,* achter Monat, glücklicher Tag.
Der zu dem unteren Theile der nachfolgenden fünften Rangstufe gehörende Grosse
Ü?> ^ 7C ^lina-moto Fide-moto.
Miyi kono ^ ^ riu-kuan-iva ^ ^ v-fu ko-rai-kuku-je to-kai-se-si tuki-no nikki-wo
atsümete motte teu-se)i-mono-gatari-to na-dzuku. Zi-fitsü-no fan-fjio-wo motte -p jo-ni sh-den-
no tokoro nari. Sikarii-ni fatsi-man \\] ~p saii-gc •^ ^ den-jo ± X sib-nin-jori kore-
wo tanomaruru tsitsi-no bo-dai- ff( sio nari-kere-ba sam-ai-to ■ kore-wo osame-tate-matsüru
mono nari.
AVas die obigen zwei Bücher' betrifft, so hat mein Vater zur Zeit als er über das
Meer nach dem Reiche Kö-rai setzte, ein Tagebuch zusammengestellt und ihm den
Namen , Geschichte von Teo-sen' gegeben. Es ist dasselbe, welches er, mit seiner Unter-
schrift und seinem Siegel versehen, mir überlieferte. Indessen wurde ich von dem
hochwürdigen* Den-jo an dem Fusse des Berges Fatsi-man darum gebeten. Da es der
Ort für das Seelenheil des Vaters gewesen, gab ich es ihm glücklicher Weise in
Verwahrung.
Kuan-bun, zwölftes Jahr,'* erster Monat, glücklicher Tag.
0-o-gawutsi, Zugetheilter des Vorstehers des Weines, Namens ^ 5I Fide-tsura,
' Hier folgt ein Stammbaum, aus welcliem zu ersehen, dass O-o-gawutsi in sechsuudzwanzigstcr Linie von dem Kaiser Sei-wa
(859 bis 876 n. Chr.) abstammt. Es schien nicht angemessen, diesen Stammbaum wiederzugeben.
2 1662 n. Chr. 0-o-gawntsi nahm als sehr junger Mann an dem Feldzuge gegen Corea Theil. Wie aus der angeführten
Jahreszalil hervorgeht, erreichte er ein bedeutend hohes Alter.
'■> Die Abtlieiluug in zwei Kuan (Bücher oder Capitel) findet in dem gedruckten Werke nicht statt.
i H A Sio-iiin ,oherer Mensch' bezeichnet einen Bonzen. J^ Siö hat zum Unterschiede in diesem Worte nicht den
trüben Laut ziö.
» 1672 n. Chr.
ZUR KMTIK UND QUELLENKUNDE
DER
ERSTEN REGIERÜNGSJAHRE K. KARLS V.
VON
D" CONST ANTIN von HÖFLER,
WIRKLICHEM UITaLIEDE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 22. DECEMBER 1875.
Vorwort.
J_/ie Gescliiclite des Hauses Habsburg nimmt eigentlich erst unter Kaiser Karl V,
einen universalhistorischen Charakter an. Zwar hat sie bereits unter Maximilian I. sich
den steten Streitigkeiten mit Böhmen imd Ungarn entzogen und an den Niederlanden,
durch Gewinnung einer festen Stellung in Westeuropa ein Aequivalent für den Verlust
der beiden Königreiche erlangt. Aber erst unter Maximilians Enkel findet die Um-
schliessung Frankreichs durch habsburgische Territorien, die beinahe völlige Beherr-
schung Italiens und eine Concentration von Landschaften statt, die weder vorher noch
nachher unter Einem Scepter vereinigt waren. Hat dieses auch nur wenige Jahrzehnte
angehalten, so gab es doch eine Zeit, in welcher Oesterreich und die spanisch-
italischen Königreiche unter Einem Scepter standen, beide Theile des grossen habs-
burgischen Gesammtreiches Einen Fürsten, eine gemeinsame Geschichte hatten.
Dieser Periode gehören die nachfolgenden Untersuchungen an.
Sie beziehen sich zum Theile auf bisher ganz unbekannte und somit bisher unbe-
nutzte handschriftliche Quellen aus Madrid und Simancas, zum Theile auf gleichzeitige
Schriftsteller, denen man blindlings zu folgen sich gewöhnt hatte, sowie auf Briefsamm-
lungen, deren reicher Inhalt entweder gar nicht gekannt oder nicht genügend unter-
sucht wurde.
Schon spanische Geschichtschreiber haben sich mit Recht über die Angaben Ulloa's
in seinem Leben K. Karls V. lustig gemacht. Wenn sie aber dem königlichen Historio-
und Epistolographen Don Antonio de Guevara Glauben schenkten, ohne zu beachten,
dass seine Briefe offenbar später überarbeitet, falsch datirt wurden und dergleichen, so
verstrickten sie sich in nicht geringere Irrthümer. Wer hat bisher bemerkt, dass so
mancher von dem fleissigen und genauen Gachard citirte Brief des königlichen Gober-
nadors von Castillien sich aus dem Grunde nicht im Archive von Simancas vorfinden
kann, weil er von diesem zu der von Gachard angeführten Zeit gar nicht geschrieben
37*
292
HOl'I.KU.
ward nicht gesclirieben wei-den konnte?! Andererseits freut man sieb zu sclien, dass
Angaben officieller Erlasse bei Lang auf noch vorhandenen Berichten beruluMi, die an
den Kaiser gerichtet worden waren!
Es ochört leider zu den schweren Ei>>enthiimlichkeiten der österreichischen Geschichte,
dass sie in Folge der geschichtlichen Zusammensetzung der Monarchie aus so ganz
heterogenen Bestandtheilen von Zeit zu Zeit wie von Vorne beginnen muss, plötzlich
an einem vollständigen Bruche mit der Vergangenheit gearbeitet wird, eine förmliche
Zerreissung des historisch Gewordenen versucht wird, worauf dann regelmässig mit Schweiss
und Blut wieder zusammengeleimt werden muss, was sich erst mühsam als ein organisches
Ganzes zu fühlen begonnen hat. Beinahe ohne dass man sich davon hinlänglich Rechen-
schaft zu geben vermöchte, entsteht ein wilder Aufruhr, der den Bestand des Ganzen
auf das Aeusserste gefährdet. Das aber war nicht blos in den Tagen Rudolfs IL, der
Kaiser J\Lxthias und Ferdinands IL der Fall, sondern ganz besonders in jener Periode,
welche als der Eintritt des Hauses Habsburg in die weltgeschichtliche Action zu bezeichnen
ist. Die Gährung hatte die eigentlichen österreichischen Lande ergriffen, Sieilien wie
Valencia waren im Zustnnde der Revolution, Castillien bot, wie trotz des künstlichen Ver-
schweigens der Spanier nicht bezweifelt werden kann, seine Krone im Osten wie im
Westen aus, und während der Erzherzog-König das Kaiserthum erlangte, schien der
Verlust seiner Erb- und Stammländer unaufhaltsam einzutreten.
Diesen verhängnissvollsten Moment der habsburgischen Geschichte kritisch zu
beleuchten und durch Wfirdigung der Quellen einen festen historischen Boden zu gewinnen,
ist der Endzweck der vorliegenden Schrift, welche, wenn sie sich auch vorzüglich mit
den Avichtigsten Ereignissen des castillianischen Theiles der Monarchie K. Karl's Y.
beschäftigt, dadurch nicht blos den wunden Fleck zeigt, der Franz 1. wie Soliman an-
reizte, sich gegen K. Karl die Hände zu reichen, sondern auch die welthistorische Kata-
strophe, durch welche es diesem thätigen Fürsten gelang, sich im Besitze seiner spanisch-
burgundischen Erbländer zu erhalten, während er aber auch in die Nothwendigkeit sich
versetzt sah, die österreichischen Erblande in einen Secundogeniturbesitz umzuwandeln.
Prag, 29. September 1875.
Zur Kritik und Quellenkunde der Besten Regierungsjahke K. Kabls V.
293
INHALTSVERZEICHNISS.
A. Die Constitutions- und Uniunsversuche In der Zeit des Auf-
standes der Comuneros.
B. Kritik der Schriftsteller über den Aufstand.
1. Pedro de Alcofer, relacion de algunas cosas qiie pasarou
en estos reinos.
Mit einem Apendice von D. Martin Gamero. Sevilla 1873.
2. Juan de Chaves Areayos nueva relacion sobra las comu-
nidades de Toledo.
(Bei Gamero.)
3. Relacion de las comnnidades. Ms.
4. Tratado de lavenida del Emperador Carlos V. enEspafla. Ms.
5. Diego Hernan Hortiz (Ortiz) memoria de las eomunidades. Ms.
6. Pero Mejia relation de las eomunidades de Castilla (Biblioteea
de autores Espaiioles T. XXI.).
7. Don Ju.in Maldonado, el movimiento de Espana, traducida
al castillan e illustrada con algunas notas y doeumentos por
el presbitero D. Jose Quevedo. Madrid 1840. 4".
8. Thoniae Rochae bistoria eonnn quae gesta fuere in Hispania
ulteriori tempore quo vulgus comnnitatcm obtabat (opta-
bat). Ms.
9. Relacion de las eomunidades de Vizcaya. Ms.
10. Lorenzo Galindez Carvajal, anales breves del reinado de
los reyes catolicos D. Fernando y Dofia Isabel. (Doeumentos
T. XVIII.)
11. Lea memoires de Messire Martin du Bellay (Collection
Michand T. V.l.
12. Don Fr.ay Prudencio de Sandoval bistoria della vida y
beclios del Emperador Carlos V. En Pampelona lfi.34 f.
13. Dr. Bartbolome Leonardo de Argensola anales de Aragon.
En Q.aragoca 1630 f.
14. Jonnnis Genesii Sepulvedae, de rebus gestis Caroli Y Ira-
peratoris libri XV. Madrid 1780. Opera I. 4».
15. Altbnso UUoa, vita dell' invitissimo Imperator Carlo V. In
Venezia 166?. 4".
16. Ferrer del Rio. Decadencia de E.spaiia. Primera parte.
Historia del levantamiento de las coipunidades de Castilla.
Madrid 1850.
17. Carramolino, Juan Martin, historia de Avila, su provincia
y obispado. Madrid 1872/3 T. III.
18. Anales o historia de Tortosa desde sa fondacion hasta
nuestros dias por D. Daniel Fernandez y Domingo. Barce-
lona 1867.
19. D. Modestü Lafuente, historia general de Espana. Madrid
1853. T. XI, XII.
20. Ginseppe de Leva, storia docunientata di Carlo V in corre-
lazione d'Italia. Venezia 18G1. 1. 2.
21. Alex. Henne, bistoire du regne de Charles-Quint en Bel-
gique, T. 1. 2.
22. Ad. F.bert, Quellenfor.schungen aus der Geschichte Spaniens.
Kassel 1849. — Hefele, Havemann, Rö.sler, Winning,
L. von Ranke.
23. Alvar Gomez. Flecbier. Arnao. D. Diego Clemencin, elogio
de Doiia Isabel. Fr. Liciniano Sabez.
\ 24
25
26.
27.
C.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
10
11
16.
Hieronymus Osorius, historia de rebus Emannuelis Lusi-
taniae Regis gestis libri XII. Col. Agripp. 1681.
Isabella von Castillien und Ferdinand von Aragonien. Von
Reinhold Baumstark. Freiburg 1874. Wilhelm H. Prescott,
Geschichte der Regierung Ferdinands und Isabellens der
Katholischen von Spanien. Aus dem Englischen übersetzt.
Leipzig 1842. 2 Bde. — Will. Robertson, tlie liistory of the
reign of Charles V. Hasel 1788. 4 Vol.
Boehmer Edward. Bibliotheca Wiffoniana. Spanish refor-
mers of two centuries from löiO. 1 Vol. Stras.sburg-London
l.'^74. Bauer, Dr. Heinrich, Hadrian VI. Heidelberg 1875.
Llorente, Job. Anton, kritische Geschichte der spanischen
Inquisition. Deutsch von J. K. Hock. 4 Bde. Gmünd 1819.
Briefe und Urkundensammlungen.
D. Pascual Gajangos y D. Vincente de la Fucnte. cartas
del Cardinal. D. Fray Francisco Jinienez de Cisneros diri-
gidas h D. Diego Lopez de Ayala. Madrid 1S(;7.
Colecrion de doeumentos ineditos para la bistoria de
Espafia. 58 Bde.
, D. Antonio de Guevara epistolas familiäres. 1 544 f. ( .4iivers. S".)
Lanz, Actenstücke und Briefe zur Gescliiclite K. Karls V.
Wien 1853.
Lanz, Correspondenz K. Karls V. 3 Bde. Leipzig 1844—46.
Gachard, correspondance de Charles-Quint et d'Adrian VI.
Bruxelles 1859.
Indice y estratos de los papeles relativos a las eomunidades
de Castilla que se eonservan en la Real Academia de la
historia de Madrid y son copia de los origin.ales en el
archivio de Simancas. T. I. 1520. T. 11. 1521. Ms.
Guerra de Navarra. Estractos de Simancas. Ms.
Despachos del Almirante de Castilla D. Enrique sobra el
succeso de las eomunidades y otrosde los anos 1520 — 1521. E.k-
tractos de nn Ms. de la biblioteea nacional de M,adrid. Ms.
,T. S. Brewcr, letters and papers foreign and domestic of
the reign of Henry VIII. Vol. II, P. 11. Vol. III P. I, II, III.
London. 4°.
Bergenroth, calendar of letters, despaclies, and State papers,
relating to the negotiations between England and Spain,
preserved in the archives of Simancas and elsewhere. Vol. I. II.
London 1866 f.
Bergenroth, Supplement toVol. I and II of letters. London 1868.
Rawdon Brovpn, calendar of State papers and maunsci-ipts
existing in the archives and coUections of Venise and ih
other libraries of northern Italy. Vol. III. 1520-1526.
London 1865. 4".
Opus epistolarnm Petri Martyris Anglerii. Amstelod. f. 1670.
Pieees historiques. Ms. des k. k. geh. Haus-, Hof- und
Staatsarchives.
Der Reichstag zu Worms im Jahre 1.t21. Nach den Briefen
des päpstlichen Nuntius Hieronymus Aleander. Von Jos.
Friedrich (Abhandl. der K. B. Akad. d. W. München 1871.)
Conclave des Cardlnal-Gobernadors von Spanien, Adrian von
Tortosa (Adrian's VI.).
294 HöFLEH.
A. Die Constitutions- und Unionsversuche in der Zeit des Aufstandes der
Comuneros.
Will man der grossen Verwiri'ung entgehen, welche in Betreff der Ursachen des
Aufstandes der Comunidades herrscht, so muss man die mannigfaltigen Bestrebungen
nach Erneuerung altcastillianischen Herkommens und altcastillianischer Gesetze von dem
eigentlich revolutionären Treiben unterscheiden. Und aucli letzteres ist — den künst-
lich erzeugten Aufstand Toledos ausgenommen — wesentlich aus der Ueberzeugung hervor-
gegangen, dass auf dem gewöhnlichen Wege den gegründeten Beschwerden Castilliens
nicht abgeholfen werden könne. Dasjenige, was den rechtlichen Zustand Castilliens am
allermeisten verändert hatte, war aber die Adelsmacht, welche sich auf Kosten der Krone,
ihrer Rechte, Güter, Einkünfte breit gemacht hatte, und an deren Beschränkung mittelst
eines Bürgerheeres mit vollstem Bewusstsein der Cardinal Jimenes gearbeitet hatte. Eine
Restauration des Reiches auf alterthümlichen Grundlagen tliat nach der langen Regent-
schaft seit 1506 noth und daran arbeiteten die Cortes zu Valladolid 1518, als sie, den
nachher von den Comuneros geächteten Dr. Zumel an der Spitze dem jugendlichen Könige
Don Carlos, dessen Erscheinen mit niederländischen Begleitern die Dauer der Regent-
schaft eher vermehrte als minderte, ihre Gravamina, 88 Petitionen überreichten.
Man kann sie mindestens mit dem gleichen Rechte als Ausgangspunkt des grossen
spanischen Verfassungsstreites ansehen, mit welchem spanische Geschichtschreiber die in
la Coruua 1520 K. Karl übergebenen Petitionen als solchen bezeichnen. Die einen wie
die andern, aber zumal die ersteren wai-en weit entfernt ein revolutionäres Ziel zu ver-
folgen. Sie bezogen sich zum Theile darauf, dass der König spanisch sprechen, den Mon-
teros de Espinosa als königlichen Guarden seine Person anvertrauen möge und dergleichen
ziemlich unverfängliche Bitten. Zwischen diesen vom Februar 1518 und denen vom April
und Mai 1520 liegen freilich jene zwei verhängnissvollen Jahre der Regierung des Herrn
von Chievres, welche Karl um die Liebe seiner castillianischen Unterthanen brachten.
Ehe er abreiste, um erst 1522 wiederzukommen, übergaben ihm die Granden Avie Argensolä
in den Annalen von Aragon sagt, eine neue Anzahl von Bitten, von welchen der arago-
nesische Geschichtschreiber behauptet, der Unterschied von ihnen und dem nachherigen
Verlangen der Comuneros habe nur darin bestanden, dass die Granden baten, die Comu-
neros mit Trotz begeln-ten. Allein diese Auffassung ist ebenso irrig, als wenn er sagt,
Karl habe sich geweigci-t auf die in la Coruua an ihn gerichteten Bitten einzugehen,
wälirend der König die wichtigsten Bitten gewährte, ehe er Spanien den Rücken kehrte,
luir nicht das thörichte Verlangen als Kaiser nicht nach Deutschland zu gehen und
ebenso wenig das innerlich gegründete, einen Einheimischen, einen Granden, den Con-
destable, zum Regenten zu erlieben. Die grosse Unzufriedenheit der Granden beruhte
auf ihrer persönlichen Zurücksetzung durch Karl, welcher sich als rey asoluto betraclitete;
die Unzufriedenheit der Städte auf die Bewilligung eines neuen servicio (Steuer), ehe
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 295
noch die alte erhoben war. Zur Empörung kam es aber erst durch das systematische
Schüren der Toledaner, welche schon im vollen Aufstande begriffen waren, als K. Karl
Spanien verliess.
Als es aber in der nächsten Zeit zu der santa Junta der aufrührerischen Städte und
ihrer Begründung kam, begannen die eigentlichen A^erfassungsentwQrfe, so von Martin
Mufioz de las Fosadas aus, von dem bachiller Densiso und der von Avila selbst, welcher
in den documentos ineditos I p. 272 abgedruckt ist. Das ist derselbe von welchen der
Cardinalgobernador an K. Karl am 4. September 1520 schrieb, die Junta von Avila
beabsichtigte Karl als Usurpator zu bezeichnen und gestützt auf die siete partidas
K. Alfonso's zum Wahlgang zu schreiten.
Der Entwurf von Avila enthielt so ziemlich den Rahmen aller nachherigen Ver-
fassungsentwürfe: sucesion, consejo, procuradores, gobernador, justicia, oficios, beneficios,
encomiendas, oficio real un oficio, edades, encabezamiento, moneda, saca de pan y de
carne, enagenacion, restitucion, armas, posadas, caballos, revocacion de oficios, ordinacion
de gente de guerra, bulas, juramento.
Die weibliche Erbfolge wird abgeschafft, König muss ein geborner Castillianer sein,
was K. Karl nicht war. Zu Procuratoren der Cortes sollten ein Hidalgo, ein Labrador
(Bauer), ein Cleriker, zwei Caballeros, ein Franciscaner und ein Dominicaner gewählt
werden, was hinlänglich bewies, wer dabei seine Hand im Spiele habe. Das Herberge-
recht des Hofes solle auf drei Tage beschränkt, die der Krone durch die Granden entzogenen
Ländereien zurückgegeben werden, was denn doch die Granden in la Corufia nicht be-
gehrten noch begehren konnten. Die Steuern sollten auf den Bestand in den Tagen der
Königin Lsabel reducirt, allgemeine Bewaffnung erlaubt, Ausländer von Aemtern und
Pfründen ausgeschlossen werden.
Man sprach in den Flitterwoclien der heiligen Junta von Avila von allgemeiner
Gleichheit der Castillianer, man wollte den castillianischen Städten einen Rechtsstand
verschaffen, wie ilm die italienischen Freistaaten besassen, die Granden zwingen die der
Krone entfremdeten Ländereien zurückzugeben. Gutes und Schlimmes, Heilsames und
was zum grössten Kampf führen musste, schwirrten unter einander. Es blieb aber als
leitender Gedanke der einer restitutio in integrum, das Zeitalter der Königin Isabel,
welche wenig betrauert gestorben war, als den allgemeinen Maassstab zu betrachten, bis
zu welchem die Dinge zurückgeführt werden sollten, im Ganzen mehr ein Rückgang,
als ein Fortschritt, wie wir uns Verfassungsveränderungen im XIX. Jahrhundert vorzu-
stellen gewohnt haben. Ich bemerke übrigens, dass die Angaben Sepulveda's IL c. 2,
mit diesen articulos niclit völlig übereinstimmen.
Es handelte sich offenbar um mehrere Entwiirfe, welche erst später zu einem Ganzen,
einem authentischen Verfassungsentwurfe redigirt wurden.
Dies ist die Verfassung von Tordesillas vom 20. October 1520, welche uns Sandoval
aufbewahrte, und die zu den interessantesten politischen Documenten des XVI. Jahr-
hundertes gehört, die Möglichkeit einer politischen Regeneration Spaniens in sich schloss;
ich möchte sie das eigenthümliche Reformationswerk Spaniens nennen.
Der Entwurf, besser einer petition of rights als einer Verfassung bezog sich, 1. en
lo que toca a las personas reales, wobei der Satz ausgesprochen war, wenn der Kaiser
nach Castillien käme und dort verweile, werde er die Welt beherrschen; 2. en lo que
toca a la casa real. Hiebei wurde verlangt, dass kein Grande ein Amt bekommen solle,
29 G Höi'-LKR.
welches sich auf d\c Hazienda y patrimonio real beziehe; 3. Govcrnadores, diese müssten
Eingeborne von Castillien und Leon sein und mit Zustimminig- des Königreichs gewählt
Averden. 4. Huospedes, Beschränkung des königlichen Quartiers auf sechs Tage. 5. Alcavalas
y rentas reales y encabezamiento, Beschränkung der Alcabala auf das Maass unter der
Königin Isabel und Bestimmung der Einhebung. 6. Procuratores de Cortes, servicios,
Beseitigung des servicio von la Coruua und freies Versammlung-srecht der Cortes, freie
Vollmacliten für sie und Verbot der Annahme iro-end einer Gnadenbezei2:uno; für die
Procuratoren. Letztere könnten letrados oder letrados de cortes sich wählen, welche
von den Städten eine Besoldung empfingen. Die Cortes sollten sich von drei zu drei
Jahren versammeln und die Procuratoren verpflichtet sein, nach längstens vierzig Tagen
iliren Städten Rechenschaft abzulegen. 7. Moneda — Verbot der Ausfuhr. Die Münze
solle (en ley y valoi-) anders sein als die Münze der benachbarten Staaten. 8. Plata.
Die Mai-k Silber soll 2250 Maradevis gelten. 9. Bellon. Neue Prägung von Kupfer-
münze. 10. Sacos de pan cueros y ganados y lanas. Ausfuhrverbot für Brot, Häute
(Leder) von Sevilla, Vieh (geschlachtete oder lebende Schweine) und Wolle. 11. Lo
([ue toca al consejo, audiencias, justicias. Entlassung des gegenwärtigen Consejos, regel-
mässige Visitation der audiencias und chancellerias, Ertheilung solcher Aemter an die
Würdigen, Ernennung eines Veedor bei jeder audiencia und chancillaria, welcher auf
gehörige Residenz der Beamten halten. Die Oydores und Alcalden sollen sich nicht für
Hei-ren ihrer Aemter noch für beeinträchtigt ansehen, wenn andere an ihre Stelle treten,
12. Consejo y audiencias. Ausschluss der Fremden und \ ernichtung der ertheilten
Naturalisation, Beschränkung auf Ein Amt, Reform der Geschäftsgebahrung, Appellation
von den Criminalsentenzen, Reform der Corregidores und Alcalden, Einfülirung besoldeter
Stadtrichter. 13. Encomiendas y consejo de las ordenes (der drei Ritterorden). Einführung-
grösserer Ordnung in der Verwaltung. 14. Bullas y cruzadas y com^^osicion. Fest-
stellung einer bestimmten Ordnung in Betreif der Verktlndigung von Ablassbullen durch
<lie Cortes, Verwendung dieser Gelder für den Kampf mit den Moren. 15. Indias, Islas
y teri'a firma. Widerruf aller Gnadenbezeugungen zu Gunsten Einzelner, wodurch
die Indier (siendo como son christianos) als Ungläubige und Sclaven behandelt wurden.
Die casa de la contratacion solle in Sevilla bleiben. Ki. Mercedes. Keine Verleihung-
confiscirter Güter, noch an Richter statt der Besoldung, ebenso wenig von Perlen und Gelder
(Gold und Silber), was sich auf die Gunstbezeugungen an die Flamänder bezog), ebenso
wenig A-'erleiliung von Gütern der königlichen Krone, Restituirung aller seit 1504 ver-
liehenen Städte, Orte, Jurisdictionen, Salinen, Silber-, Gold- und anderer l^ergwerke, der
Briefe vmd Privilegien von Ilidalguias, Ex^iectatlven auf Aemter und AVürden lebender
Personen. Entlassung der sclilechten Beamten der casa real, die sich grosses Vermögen
erwarben. Aufhören aller Aemterverkäufe und Erledigung aller solcher erkauften
Aemter, Aufhören aller Cumulation, Todesstrafe für diejenigen, welche von den seit
1516 erkauften Aemtern Gebi-aucii machten. 17. Residencias. Innerhalb dreissig Tage
nach Bestätigung dieser „capitulos y leyes" solle der König Commissäre ernennen, denen
die Beamten des patrimonio real Rechensciiaft abzulegen hätten seit der Zeit, dass
K. Ferdinand V. diese Königreiche verwaltete; ;iber auch diejenigen, welche die Einnahmen
der cruzadas, dann von Indien, zu verwalten liiUten. 18. Perlados e cosas particulares.
Kirchliche Pfründen könnten nur an Einheiini>clie vergeben werden, namentlich das Erz-
bisthum Toledo nicht an den Vetter des Hrn. v. Chievres, welcher anderwärts entschädigt
ZuK Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegierüngsjahrk K. Karls V. 297
werden solle. Alle Naturalisationen sollen zurückgenommen werden, die Prälaten den
grössern Theil des Jahres auf ihren Pfründen zubringen und dazu binnen eines Jahres
eine papstliche Bulle veranlasst werden. 19. Eegidores. Diese, die 24 jurados und die
andern Mitglieder des consejo der Städte sollten keine Licenzen als Seüores erhalten
noch Advocaten sein. 20. Enagenacion de bienes de la corona Real e juros. Alle Ver-
äusserungen, welche von Orten, Festungen gegen das Testament der Königin Isabel
stattgefunden, sollten aufgehoben sein. 21. Fortalezas y Alcaldias. Feste Plätze und
Alcaldien sollten nur an Eingeborne verliehen und die Verleihungen an Fremde und
Naturalisirte zurückgenommen werden. Antonio de Fonseca, der vom Könige ernannte
Generalcapitän, solle seine tenencias und oiicios verlieren, Festungen und Alcaldien an
kein senores de titulo, de estado noch an einen gran senor verliehen werden. Die
Grenzfestungen sollen von zwei zu zwei Jahren visitirt werden. 22. Panos. Die fremden
Tücher sollten nach der Px-agmatik sein, die darüber erlassen war. 23. Contribucion. Diese
bezog sich auf die Verpflichtungen derer, Avelche früher zu den Stadtmarken gehörten,
nie aber unter senores standen. 24. Generales. Unter diesem Titel kam noch eine Reihe
von Bitten und namentlich Rechtfertigung des bisherigen Verfahrens der Städte. Auch
dass der König in Ausführung bringe, was Gutes zu Valladolid und in la Coruüa (!)
von den Cortes beschlossen worden sei. Sie stellten das Begehren eines allgemeinen
Pardon, Zurücknahme der Processe des Consejo und des Alcalde Ronquillo; der König
möge befehlen, dass diese capitulos als unveränderliche Gesetze gehalten würden, weshalb
denn aucli die (eventuelle) Genehmigung imd Ausfertigung (por via de contrato hecho
e contraydo entre nos e los dechos nuestros reynos de Castilla e de Leon e de pro-
curadores dellos e con las comunidades e vezinos e moi-adores dellos) hinzugefügt wurde,
gleich als sei dies Alles proprio motu erfolgt, mit dem Befehle an den Consejo, die
audiencias oder chancilliarias, für die Ausführung Sorge zu tragen, als unveidetzliche
Gesetze des Reiches por via de contrato.'
Man sieht, an die Stelle der bisherigen Verschwommenheit und Unklarheit, wie sie
bei der Junta von Avila hervorgetreten, war eine grosse Bestimmtheit und Klarheit des
Begehrens, sowie das auf grosser Kenntniss der sachlichen Verhältnisse des Königreichs
beruhende Verlangen getreten, mit dem Könige einen beide Theile für ewige Zeiten
bindenden Vertrag einzugehen, der Castillien und Leon innere Ordnung und also jene
Macht verlieh, die zu ihrer Voraussetzung, Aufrichtung eines Rechtszustandes bedurfte.
Der Entwurf war zwar kein modernes Verfassungselaborat in allgemeinen Sätzen, sondern
beruhte auf einer tiefen Kenntniss castillianischer Zustände, der Rechtsverhältnisse und
der socialen Veränderungen, die in Folge der Verwahrlosung von Seite der Regierung
und systematischer Ausbeutung des Volkes durch die Granden eingetreten Avaren. Es ist
zu bedauern, dass die spanischen Geschichtschreiber so rasch darüber hinweggleiten,
während die Beschwerden erst den factischen Zustand und wohin es mit Castillien
gekommen war, aufdecken; die Einzelnheiten, welche sich auf die Rechtspflege, die
Administration beziehen, vollständig zu verstehen, ist weniger die Sache eines Nicht-
spaniers als eines Einheimischen. Ich möchte nicht zweifeln, dass Don Pedro Laso de
1 Samloval I, pag. 33S. Wie K. Karl in der Achtserklärung sagt, war die carta signada de Lope de Pallares escrivan.i
Argensüla p. 1122. Die kaiserliche Erklärung ist vom Jahre 1520, als Karl noch nicht wusste, dass Turdcsillas den Rebellen
abgenommen war.
Denkschriften der pliU.-hist. Cl. .XXV. lid. 38
9qö Höl'LKR.
la ^'eo•a, welcher nachher 118 capitulos als Grundlage der Unterhandkmgen mit den
Gi-anden /Aisammenstellte, der Verfasser des Entwurfes war. Es ist gewiss, dass der
contrato uno-emein viel Treffliches, Richtiges und Wünschenswerthes enthielt und von
der Durchführung des Einzelnen wirklich die Besserung der sj)anischen Verhältnisse
bedino-t war. Allein ebenso gewiss war, dass K. Karl ohne geradezu sich selbst aufzu-
geben, auf viele Forderungen nicht eingehen konnte, nicht eingehen durfte und zwar
o-ilt dies ebenso von der Bestimmung in Betreff der Succession als in Bezug auf den
consejo, den Gobernador und die Bestrafung Fonseca's, der nur im Auftrage des consejo
und Governador gehandelt hatte. Wie konnte man glauben, dass der Kaiser ohne durch
eine verlorene Schlacht dazu gezwungen zu sein, sich durch den contrato die Hände
für immei- werde binden lassen? Nun liatte aber der Kaiser bereits gesprochen, seine
Nacho-iebigkeit in gewissen Dingen gezeigt, aber gerade dadurch auch positiv zu erkennen
o-egeben, dass er einen weiteren Schritt nicht zu thun gedenke, ja jede Zumuthung per-
horrescire. Es war ferner die Frage berechtigt, ob die Uebelstände Spaniens nicht tiefer
lao-en, als dass sie durch einen Contract zwischen dem König und den Comunidades
oehoben werden konnten, der so grosse sociale Uebelstände unberührt Hess, an den
Bauern (labradores) vorüberging und das Grundübel Spaniens, den deshonor del trabajo
nicht in eine ehrenvolle Stellung der Arbeit und der Arbeiter umwandelte. Andererseits
war auch gewiss, dass so wie einmal die Parteien einander gegenüber standen, der con-
trato vom Könige zurückgewiesen wurde, von den Comunidades nur mit Gewalt der Waffen
durchgesetzt werden konnte. Siegten aber die Comunidades mit Hülfe der Granden
oder ohne diese über den König, so war wieder keine Bürgschaft vorhanden, dass die
siegende Partei bei dem contrato stehen bleiben werde, sondern selbst mehr als wahr-
scheinlich, dass mit dem Siege die extreme Partei unter den Comunidades zum Siege
kommen werde, vor der Hand die Partei Padillas, welcher nach dem Grossmeistertliume griff;
an sich, an den eigenen Nutzen und niclit an das dachte, was dem Königreiche frommte.
Von diesem Verfassungsentwurfe, welcher auf dem Papiere blieb und nur eine
historische (antiquarische) Bedeutung erlangte, gehen nun zwei Richtungen aus, die sich
aber in gleicher Weise in den Sand veidaufen. In dem Augenblicke, in welchem der
Almirante die Unterhandlungen in seine Hand nimmt, erhalten diese das Ziel, die Feind-
schaft der Comuneros gegen die Granden möglichst abzuschwächen und es nicht zu
einem Kampfe auf Leben und Tod zwischen den beiden Ständen kommen zu lassen.
Und als dann Don Pedro Laso den Faden der Unterhandlungen wieder aufnimmt, ist es
ganz besonders der Gedanke, den Cardinalgobernador für eine Concordia und zwar
durch Preisgebung der einen oder anderen extremen Forderung zu gewinnen. Bei beiden
Richtungen aber tritt, wenn sie auch ihr Ziel verfehlen, doch das sehr achtbare hervor,
womöglicli mit Vermeidung des Blutvergiessens, mit Beseitigung des Bürgerkrieges zu
einem gegenseitigen Verständnisse — Concordia zu gelangen.
Zu den ersteren gehören die von Quevedo p. 316—319 publicirten Artikel des
Almirante, Versprechungen, die dieser der Junta machte, wenn sie die Königin frei imd
dem Könige die von ihnen usurpirte Regierung zurückgeben wollten. Diese Artikel
zweifelsohne vonTorreLobatonvom 19. November 1520, hatten aber keine andere Bedeutung
als die Meinungsäusserung eines hochgestellten Mannes, der zu diesen Versprechungen
nicht autorisirt war und da sie gerade in die Zeit der Absendung des Verfassungs-
entwurfes fielen, so brauchten sich die Junteros um sie eigentlich gar nicht zu kümmern.
Zur Kkitik und Quellenkunde der Ersten Eegierungsjaiire K. Karls V. 299
Sie erwarteten Abhilfe von der Annahme des Contrato von Seite des Königs und nicht
von dem Almirante.
Ein gleiches Schicksal hatten die Capitulos, welche Don Antonio de Guevara als
angebliches Ultimatum von Seiten der Gobernadoren an Don Pedro Giron in Villabraxima
überbrachte und die in den epistolas familiäres enthalten sind. Sie wurden einfach ab-
gewiesen. Der Contrato war wie die Mosisschlange, welche die kleinen Schlangen auffrass.
Aber auch, als von Tordesillas, Frühling 1521, von Don Pedro Laso und dem Bachiller von
Guadalajara die Unterhandlungen über 118 Capitulos — d. h. die einzelnen Sätze des
Contrato stattfanden, führten diese zu keinem Resultate. Da Juan de Padilla auf die
Entscheidung durch das Schwert drang und dann doch nicht ihr die gewünschte Wir-
kung zu geben wusste, zerhieb das Schwert von Villalar aucli alle Unterhandlungen und
es gab nur mehr — Ergebung an den Sieger.
Ich theile hier zuerst die Capitel mit, welche Guevara als Ultimatum übergab und
von denen Quevedo (p. 319) mit Recht sagt, sie seien, wenn auch nicht der Ordnung
nach, doch dem Wesen nach dieselben, die ich als die von Torre Lobadon bezeichnete.
Villabraxima: Anträge des Fray Antonio de Guevara, November 1520.
1. Ninguna vez que saliera el monarco del reino se pondria gobernador quo no
fuese castellano.
2. Todas las dignidades tenencias encomiendas y oficios del reino y la corte se
darian a naturales.
3. Se encabezian las rentas en un honesto y mediane arrendamiento.
4. Si en el consejo real se hallara alguno oidor 6 fiscal ü otro oficial, incluso el
presidente, que no fuera cuerdo para gobernar, para sentenciar docto y en vivir honesto,
le absolveria el rey del oficio y le daria a comer en otro cabo.
5. En adel-ante mandaria sa Magestad d los alcaldes de corte y chancellarias que
no mostraran en lo que proveian tan absolutes, ni en lo que castigaban tan rigoroses.
6. Reformaria el rey su casa y cercenaria los eccesivos gastos de su dispensa.
7. Per estrema necessitad que tuviese no secaria ningun dinero para llevar ä Ale-
mania, ni 4 Flandes, ni a Italia.
8. Ni permitiria que se cargasen en naos estrangeras hierro de Viscaya, alumbres
de Murcia, vituallas de Andalucia y sacas de Burgos.
9. Tampoco daria fortaleza, castillo, roquas, casa, fuerte, puente, puerta, torre, sino
fuere (i hijosdalgo, llanos y abonados, y no a caballeros poderosos.
10. Se abstendria de otorgar cedulas para llevar ä Portugal pan de tierra de campos
y de la Mancha ä Valencia.
11. Con toda brevitad se versian los litigiös entre el conde de Benalcazar y Toledo,
Don Fernando Chacon y Segovia, la ciudad de Jaen y la villa de Martos, Valladolid y
Simancas, don Pedro Giron y el duque de Medina Sidonia.
12. En fin mandaria su Magestad reformar los träges, tasar los casamientos, dar ley
A los convites, reformar los monasterios, visitar las chancillarias, reparar las fortalizas
y fortificar las fronteras todas.
Ferrer p. 145.
Nun muss man aber mit diesem Ultimatum vergleichen, was der Almirante gleich
anfänglich der Junta verhiess, wenn sie die von ihm gestellten Bedingungen annehmen
wolle :
38*
;300 ^''"'^="-
l'romoto en iiombre ilcl Rey' i|ue sii Magestad
1. encabezarä las rentas coiü'onue a la clausula del testamento de la catolica Reina
(Isabel) ;
2. quitai-a el Servicio quo ecbu en la Coruna 6 i^ue de Miui adelante, cuando los
pecharen, sertl con voto de las cibdades, e por cosa que inanifies tarnen te vean que con-
viene e con voluntad de ellas; e que quedaren llbres pro siempre los procuradores con
poder de consultar, 6 como ellos quisieron; y que el servicio este depositado en nombre
de las cibdadas, porque non pueda ser gastado en otra cosa si no en aquello por que
serä demandado e otorgado, y esto viendo la manifesta nccessidad 6 aun en ella non
habra fuerzas sinon con su voluntad-,
3. otorgarä su Alteza que ninguna dignidad ni beneficio ni oficio, ni encomienda ni
tenencia non pueda ser dada a estrangeros;
4. que no se sacara ninguna moneda de Castilla 6 que para esto se darä toda la
orden e siguridad necessaria;
5. que en el derecho de las balas se terna la forma que en las cibdades de Italia
sin hacer vejaciones ni descomuniones como en las cibdades se tiene;
6. quitai-ä todas las posadas del reino, que jamas se aposenten sinon por dineros;
7. revocartl las naturalezas que ha dado en el reino;
8. no se encargera en naos estrangeras si non las del reino;
9. dara los corregimientos conforme ä las leyes del reino y no erd, contra ellas;
10. guardara todas las leyes del reino como lo ba jurado y las provecliosas al reino
aunque no se hayan usado;
11. que si han puesto algunas imposiciones o becbo cuerpo de rentas en alguna
manera que ne fue acostumbrada que se revocarä;
12. que ningun oficial del reino ternä mas de un oficio y que los oficiales de la
casa real seran castellanos y no estrangeros e que la casa real estara en pie con todos
los Caballeros e continuos que solian teuer los pasados;.
13. que todos los oficios que vacaren serän proveidos en Castella, e non fuera del
reino, e que asi sera lo de las renunciaciones;
14. que el consejo i cbancellaria se porna de personas de ciencia e de conciencia y
tales que el reino no pueda de ellos teuer sospecha, i y que su Magestad mandarä tomarles
residencia de 3 en 3 afxos e a sus presidentes e alcaldes del consejo e cbancellaria e de
la Corte;
15. que se tomarä estrecba cuenta a los oficiales reales para saber de las rentas
del rey que se ban becbo;
16. que se veran los cambios y logros que se ban pasado y que se barä restituir
todo lo mal levado;
17. que se bara perdon general a todo el reino de todas las cosas pasadas, ansi
para perlados como para caballeros como para las comunidades y pueblos de todo el
reino y que su Magestad dard forma para que se satisfaga el dailo que se bizo en la
Villa de Medina del Campo en la guerna e por los otros danos que se ban becbo en
el reino.
1 Dieses war von Anfang eine Unwahrheit. Der Klinig daclite gar nicht daran, derartige Versprechungen zu machen,
geschweige sie zu lullten.
ZUK KliiniC UND QUELI.KNKONÜE DER EkSTEN ReGIERUNGSJAHRE K. KaRLS V. 301
18. que la gente de arma serä pagada de cuatro en cuatro meses de manera que
no pueden comer en los aposentos ä costa de los pueblos;
19. que los fortalezas que tienen agora tomadas las tengan asi hasta que esto se
firme e cumpla con tal que seyendo firmado los dejen como antes estaban. (Ms.)
Das Alles aber sollte nach der Meinung des Almirante von K. Karl binnen drei
Monaten bekräftigt werden. Man musste aber K. Karl gar niclit kennen, wenn man
glaubte, er werde hierauf eingehen. Offenbar dachte der Almirante daran, den König
mit Hilfe der Comuneros zu zwingen, diese Zugeständnisse zu machen und dadurch sich
selbst eine Stellung in Castillien zu verschaffen, wie sie der justicia in Aragon besass.
Nun existiren neben diesen Versprechungen des Almii-ante auch noch andere von
ihm und zwar in Briefen an die Städte, wie an Segovia, wo man aber- überzeugt sein
kann, dass er, der so viel schrieb und versprach, Toledo und andern Städten ähnliche
Versprechungen machte. Wir wissen aus Gamero, dass er durch Fr. Gonzalo de la
Pefia an Segovia anbieten Hess:
1. que no se den en estos reinos oficios ni beneficios a estrangeros;
2. que se reboquen las naturalezas dadas y que no se den mas;
3. que las alcabalas se den por cabez or perpetuamente y forma en que los enca-
bezo el Cardenal (Jimenez) el ano que el rey catholico murio y en missmo precio
y no de otra manera;
4. que quanto a las cortes, se embiaren procuradores que sean hechos con eleccion
de las ciudades sin ser apremiados;
5. que quando pidieron servicio, que sea acordado por el reyno, si es para cosas
de necesitades y que no se pueda gastar en otras cosas;
6. que no se pueden vender oficios y si los vendieran, que los perdan los vendi-
dores y compradores;
7. que todos las imposiciones puestas despues que murio el rey catholico sean quitadas;
8. que se den las posadas (huospedes) como en el reyno de Aragon escepto a las
gentes de las guardas ;
9. que no se paguen los salarios de la Inquisicion de los bienes confiscados, sino
que el rey 6 el papa los pague de su camara;
10. que los Alcaldes de la corte hagan residencia de tres en tres afios;
11. que se alguno de los del consejo fuere acusado, que sea hecho justicia;
12. que la cruzada anda como en Italia, sin que sean apremiados de otro manera
ä tomarla por escusar males y que no puedan excomulgar por Papa;
13. que se guarda la ley de no cargar en naos de estrangeros sino de naturales;
14. que no salga moneda del ßeyno y que para esto haya grandes penas;
15. que en la casa real ninguna pueda tener mas de un oficio.
(Gamero apendice III p. 154 zu Alcocer. Sevilla 1872.)
Beinahe möchte man glauben, sie seien nichts Anderes als ein Auszug aus dem
Contrato mit Hinweglassung der Stellen, die sich auf den König und auf die Granden
resp. die Restitution der Krongüter bezogen, welche die Granden an sich gerissen
hatten. Schon weil dieser Punkt weggeblieben war, hatte das Anerbieten des Almirante,
das gewiss allen Städten, nicht blos Segovia allein gemacht worden war, keine Wirkung.
Wie verhält sich nun das angebliche Ultimatum der Granden, das nach seiner Be-
hauptung Fray Antonio de Guevara Anfang November im Namen der Governadoren und
302 Höfleu.
Granden den Capitanos der Junta tiberbraclite, zu den Vorschlägen des Almirante an
Segovia? Diese enthalten 15, jene nur 12 Punkte. Im Ultimatum ist von den Cortes
und von der Inquisition keine Rede; was Naturalisation, Verbot der Ausfuhr gewisser
Gegenstände betrift't, so stimmen selbst beide zusammen. Im Ultimatum ist vom Ver-
kauf von Aemtern keine Iledo mehr. Wohl aber liegt der Nachdruck in c. 9, dass
Festungen, Brücken, Thore, Thürme etc. nicht an mächtige Caballeros verliehen werden
sollten. Es hatte lange gedauert, bis die Granden dieses in ihr Fleisch tief einschneidende
Zugeständniss machten, und als sie es endlich machten, wurde es von der Junta nicht
angenommen.
Im Ganzen möchte icli nicht daran zweifeln, dass die Vorschläge an Segovia gemacht
wurden, ehe der Almirante aus Catalonien nach Castillien kam; dass die 19 Punkte, die
Vorschläge von Torre Lobaton waren; dass die 12 Punkte Guevara's mit dem die Granden
so sehr benachtheiligenden § 9 wirklich ein Ultimatum enthielten, ehe es zum Kampfe
Ende November 1520 kam. Was aber die Glaubwürdigkeit Guevara's selbst betrifft und
wie wenig seinen positiven Angaben über seine Mission — angeblich am 2. November 1520
— eine Zuverlässigkeit zuerkannt werden kann, wird da erhellen, wo wir auf Guevara's
epistolas familiäres zu sprechen kommen. Nichts desto weniger verdienen die von ihm
ausgegangenen Propositionen alle Beachtung; nur findet sich keine Spur vor, dass der
Gobernador-Cardinal und der Gobernador Condestable damit einverstanden waren, und
was den dritten Gobernador betraf, den Almirante, so weigerte sich dieser noch fort-
während (1520) dieses Amt anzutreten, während er der Junta gegenüber sich benahm,
als hinge die ganze Entscheidung von ihm ab.
Gerade die Unterhandlungen, welche er im Namen des Königs führt, ohne dazu
auch nur im Mindesten ermächtigt zu sein, beweisen, wie gut der König verfuhr, als er
bei seiner Abreise keinem Granden die Regentschaft übertrug — und zweitens wie sehr
die Granden mit den Comuneros gemeinsame Sache zu machen strebten. Der König
durfte doppelt auf seiner Hut sein. Er war es, indem 'er weder auf die Wünsche der
Einen nocli der Andern einging!
B. Schriftsteller.
1. Von den spanischen Quellenwerken über den Aufstand der Comunidades behauptet
Pedro de Alcocer relacion de algunas cosas que pasaron en estos reinos desde
que muriö la reina catolica Doiia Isabel hasta que se acabaron las comuni-
dades en la ciudad de Toledo (Sevilla 1872) einen vorzüglichen Rang.
Ich überlasse es den spanischen Geschichtsforschern zu erweisen, ob unter diesem
Namen sich der Canonicus Juan de Vergara barg. Der Verfasser der relacion war
jedenfalls ein Zeitgenosse und theilt Berichte von Augenzeugen mit. Geschichtschreiber
von Toledo, war er mit den Ereignissen Spaniens in der ersten Hälfte des XVI. Jahr-
hunderts wohl bekannt; aber er ist eigentlicli kein Geschichtschreiber des Aufstandes
der Comuneros. Er beginnt seine Relation mit der Ankunft der Königin Juana und
ihres Gemales K. Philipps in Spanien nach dem Tode der Königin Isabel 1504 und
führt den Leser sogleich in die Zerwürfnisse an dem castillischen Hofe ein, deren Seele
Zur Kritik dnd Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 303
Don Juan Manuel war, welcher den König ganz beherrschte. Ihm entgegen stellt er Don
Pedro Lopez de Padilla , welcher anfänglich als Vertheidiger der Königin Juana auf-
trat, und schildert die gewaltigen Zerwürfnisse, die durch die Adelsfactionen in den
Städten entstanden, als K. Philipp 1506 plötzlich starb, worauf sein ßathgeber Don
Juan Manuel sogleich vor K. Ferdinand die Flucht ergriff. Aber auch in den nächsten
Capiteln kommt er noch lange nicht zum Aufstand der Comuneros, wohl aber weist er
die bedeutende Stellung nach, die Lopez de Padilla in den Tagen K. Ferdinands ein-
nahm. Erst im siebenten Capitel (von 19) kommt er auf den Tod K. Ferdinands zu
sprechen, im achten auf K. Karl's Anwesenheit und wie Herr von Chievres die Hidalgos
dazu zu bringen suchte, die Alcabala zu entrichten. Bei dieser Gelegenheit tritt Juan
de Padilla, des Pedro Lopez Sohn, zum ersten Male auf und zwar um den Adel aufzu-
fordern die Steuer nicht zu bezahlen, wofür er von seinem Vater Lob erhielt. Als aber
nun der Aufstand ausbricht, Segovia die Hilfe von Toledo anfleht, Juan de Padilla statt
Laso de la Yega's Capitän wird, tadelt der Vater diesen Schritt sehr. (Caj)itel neun.)
Die weiteren Cajiitel sind nun dem Schicksale Juans gewidmet. Allein gerade hier ist
seine Erzählung lückenhaft und ungenau. Er lässt Don Juan nach der p]roberung von
Tordesillas wegen der Krankheit seiner Gemalin nach Toledo gehen, Don Pedro Giron
wird dadurch Generalcapitän und verrieth Tordesillas an die Granden 1520. Dasselbe
thut auch Don Laso de la Vega (Sohn des comendador mayor de Leon, Garci Laso de la Vega)
aus Eifersucht gegen Don Juan, als letzterer von Torre Lobaton nach Toro ziehen will.
Don Laso gibt den Tag des Auszuges an, worauf die Gobernadoren den Generalcapitän
überfallen, schlagen, gefangen nehmen, hinrichten, 1521. Aber selbst Alcocer muss zu-
gestehen, dass Don Juan grosse Fehler machte, wenn auch sein tragisches Ende diese
bedeckte. Von den letzten sechs Capiteln (13 — 19), sind drei seiner Witwe, Dona
Maria Pacheco gewidmet und dienen zur Verherrlichung dieser Frau, deren Lichtseiten
ebenso grosse Schattenseiten gegenüber standen. Das vierzehnte und fünfzehnte be-
schäftigt sich mit dem Bischöfe von Zamora, Don Antonio de Acuüa, wohl der bedeu-
tendsten Persönlichkeit unter den Aufständischen, der nach Alcocer ein Heer von Mördern
und Verbrechern sammelte und Toledo plündern wollte, was Dona Maria hinderte. Endlich
erfolgt die Capitulation von Toledo, der Versuch einer neuen Revolution, zuletzt die
Flucht der Dona Maria nach Portugal und die Zerstörung des Padillanischen Hauses auf
Befehl Di-. Zumels. Damit wäre eigentlich das Werk zum Abschluss gekommen. Nichts
destoweniger bespricht im neunzehnten Capitel Alcocer das Einverständniss der Auf-
ständischen in Toledo mit den Franzosen und die Gründe des Widerstandes der Stadt,
nachdem Juan de Padilla schon gefallen war. Es fällt ihm nicht ein, diesen A^errath
entschuldigen zu wollen. — Man kann so nicht sagen, dass Alcocer eine Geschichte des
Aufstandes der Comuneros gebe; es war auch nicht seine Absicht es zu thun. Er gibt
eine Reihe interessanter Bilder mit vielen feinen Zügen, die aber der Vervollständigung
sehr bedürfen und wobei das von ilim Mitgetheilte nicht immer ganz richtig ist. So ist
es z. B. falsch , dass K. Karl in Coruüa Gobernadoren ernannte. Selbst die Vor-
gänge in Toledo wissen wir aus anderen Quellen, Hortiz, gleichzeitigen Briefen, besser.
Immer muss man jedoch die interessanten psychologischen Züge, die er mittheilt, dankbar
annehmen imd bietet er ein, wenn auch nicht sehr vollständiges, docli iiöchst ansprechendes
Bild voll Leben im Einzelnen,
304 HöFLKR.
"Was aber den Yorratli Duii Pedro Giron's und Dmi Pedro Laso's betrifft, so Avird
sich später noch Gelegenheit ergeben, darüber weitläufig zu sprechen. Es ist bei jeder
aus dem Felde geschlagenen Partei Sitte, sicli über Verrath von Seite derjenigen zu
beklagen, denen kurz vorher niclit Vertrauen genug geschenkt werden konnte. Padilla
war kein Feldherr, seine Misserfolge, die unläugbar waren, mussten nun der Schlechtig-
keit Anderer zugeschrieben werden-, die Erörterung wird jedoch ergeben, dass Padilla
sich der extremen Seite zuwandte, während Giron und Laso nicht das Königthum Karl's
zu beseitigen beabsichtigten. Darin lag der Hauptunterschied. An der Niederlage
Padilla's zu Villalar trug aber etwas ganz Anderes Schuld, als dass Laso den Granden
die Stunde seines Auszuges mittheilte. Durch solche Erzählungen lassen sich nur die-
jenigen berücken, welche von dem wirklichen Stande der Dinge keine Einsicht haben.
Mit Recht hat daher auch der Herausgeber Alcocer's, Don Antonio Martin Gamero
namentlich in Note 14 darauf hingewiesen, dass man den A^erdächtigungen einzelner
Persönlichkeiten insbesondere Don Pedro Laso's nicht unbedingt Glauben sclienken darf.
Ebenso weist er auch das Mährchen zurück, dass Padilla wegen der Krankheit seiner
Frau das Heer verliess. Alcocer's Heros ist nun einmal Juan de Padilla und sein Werk
vorzugsweise zu seinem Lobe geschrieben. Dennoch führt er zuletzt an, dass Dona
Maria de Pacheco mit den Franzosen in heimlicher Verbindung stand und ihre Agenten
ffefansfen wurden, der letzte Aufstand in Toledo aber mit diesen französischen Unter-
handluno-en zusammenhing; !
Uebrigens macht das Werk, wie es vor uns liegt, den Eindruck, dass es aus zwei
verschiedenen ßecensionen bestehe. Der erste Theil reicht bis zum Ende des Aufstandes
von Toledo, der Flucht der Doiia Maria de Pacheco, Capitel dreizehn. Der zweite Theil
(14 — 19) beschäftigt sich aber nichts desto weniger ausschliesslich aufs Neue mit den
Toledanischen Angelegenheiten, mit dem Aufenthalte des Bischofes von Zamora daselbst,
dem Kampfe mit dem königlichen Belagerungsheere, mit dem letzten Aufstande in Toledo,
nochmals mit der Flucht der Dona Maria und des H-ermann de Avalos und endlich
mit den geheimen Verbindungen gewisser Toledaner mit den Franzosen.
Ich möchte nicht zweifeln, dass dieser letzte Theil später ausgearbeitet wurde, als
der erste und der Verfasser nicht mehr Lust oder Zeit hatte, beide Theile in Ein Ganzes
zu verarbeiten.
2. Die in der Ausgabe Alcocer's enthaltene nueva relacion sobra las comu-
nidades de Toledo por el presbitero Juan de Chaves Arcayos, nur acht Seiten
stark, bezieht sich erstens nur allein auf Toledo und zwar vom IG. April 1520 bis zum
3. Februar 1523 und enthält nur eine Anzahl von mehr oder minder ausführlich gehal-
tenen Daten bis zu dem Augenblicke, als das Plaus des Juan de Padilla zerstört, Salz
darauf gestreut und nun eine feierliche Procession als Sühnung der Revolution abge-
halten wurde. Da die spanischen Schriftsteller mit den chronologischen Daten selir
sparsam sind, die neue Relation aber diese enthält, so bietet sie, obwohl nicht von einem
Zeitgenossen geschrieben, — der Verfasser Don Juan de Chaves Arcayos war repartidor
de coro de esta santa iglesia Primada de las Espaüas von 1583 — 1643 — sehr viel
dankenswerthes. Namentlich der Bericht über das Schalten des Don Antonio, Bischofs
von Zamora in Toledo 1521 wird durch diese Angaben eigenthümlich beleuchtet.
Doch haben wir darüber noch Briefe von Augenzeugen, welche mehr enthalten als
Arcayos gab.
Zur Kritik und Quellenkünde der Ersten Kegierungsjahue K. Karls V. 305
3. Eine andere relacion de las comunidades enthält ein Manuscript der k. Aka-
demie de la Historia zu Madrid (Arcliivo de Salazar. Ms. 4° G. 62). Es beginnt: el rey
Don Carlos nuestro Seuor que es en Gloria, was also beweist, dass die Eelation nach
1558 dem Todesjahre K. Karl's geschrieben wurde. Näher betrachtet, ist aber die Re-
lation nichts Anderes als — Alcocer von Cai?. VIII, p. 36, despues de la muerte bis
zu Ende von Cap. XIII, die Geschichte Juan de Padilla's und seiner thatendurstigen
Gemalin. Der Text hat selbst nur geringe Variationen. Wenn z. B. p. 44, bei dem
Brande von Medina del Campo es bei Alcocer heisst, das Feuer verbreitete sich über
San Francisco, donde estaban grandes mercadurias del rey de Portugal y gran parte de
la reyna y de Mercadores, so heisst es im Manuscript: ,del rey de Portugal, y de gran
parte de la Eua de los mercadores', was doch einen viel besseren Sinn gibt — dann
wird im Manuscript Don Pedro Laso geradezu als Judas angeführt und heisst es: avis6
a los gobernadores diciendola todo que pasava — diciendoles quid vultis mihi dare et
ego vobis eum tradum.
Ebenso wird bei Beschreibung der Flucht Dona Maria's ausgelassen, dass Antonio
Rodriguez und Villayzan sie begleiteten p. 58, und heisst es im Manuscript: y fuera la
estaban esperando dos escuderos y con ellos otros algunos de los que se sentian culpados
se fue a Portugal y tamvien Hernando de Avalos donde estubieron hasta que murieron
padeziendo trabajos. Y fue esto postrero escandalo en Toledo dia de s. Blas lunes tres
dias de henero 1520 y dos anos algunos de los revolvedores fueron despues havidos y
äorcaron y otros murieron por halla y otros fueron perdonados por perdones generales y
particulares que el rey hizo; pasaron en el tiempo de las comunidades en cada pueblo
tantas particularidades que es imposible hazerse memoria de todas , en toda parte no
faltaron memorias de algunas personas curiosas que las escricuan o aian escriptto.
A\ ir haben es also hier wohl mit einer dritten Recension Alcocer's zu thun. Die
aus der biblioteca de la real Academia de la historia stammende Abschrift belehrt aber
den Leser derselben nicht nur, dass ihr Verfasser unbekannt sei, obwohl sie Wort
für Wort mit Alcocer von S. 36 — 58 übereinstimmt, sondern auch, dass er die Wahr-
heit viel unparteiischer in D. Yllescas historia pontifical, 2. Ausgabe, Buch VI, p. 224
finden könne. Letztere ist mir nie zu Gesicht gekommen.
4. Tratase de la venida del Emperador Carlos V ä Espana. Su coronacion,
primeras cortes que celebro y principio de rompimientos c. 1. Gleichfalls ein
Manuscript der k. Akademie der Geschichte G. 22 4", abgeschrieben mit Hinweglassung
der Stellen, die angeblich Ferrer del Rio anführt.
Ich bezeichne durch die Capitelüberschriften den Gang der Darstellung :
2. Pasa el rey a Zaragoza, celebra Cortes y jurasele por Rey.
3. Pasa el rey a Barcelona: prestasele el juramento: recibe la noticia de la muerte
de Maximiliano: recusa Valencia reconoserle por Rey: y su buelta li Castilla.
4. Llega el rey a Valladolid: resuelve pasar a Alemaila oponence los Castellanos
y alteraciones que hubo.
5. Celebra el rey segundas cortes en Valladolid y dese quenda de lo que en ellas pasö.
6. El Emperador pasa al reyno de Galizia: tiene Cortes en San Jhago y la Corufia
y dase quenta de algunas partlcidaridades que hubo.
7. Embarcase el Emperador dexa governadores del reyno: los procuradorcs se resti-
tuyen ä sus pueblos y dase cuenta de algunas particularidades que en ellos sucedleron.
Denkschriften J^r phil.-liist. Cl, XXV. Bd. 39
306 Höl-LKK.
8. Dase euenta de lo que succdiö en Santa Maria de Nieva y Medina del campo
y como los de la comunidad se apoderaron de la Artillerla.
9. Los de la comunidad se apoderaron de Tordesillas. I dase euenta de lo que
sucedi6 en Burgos al Condestable.
10. El Condestable embia a su liijo el conde de aro a sosegar las Merindades.
11. Los de la comunidad prenden los gobernadores del rcyno. Hacen estos fuga
y el Condestable pide socorso de dinero al rey de Portugal.
12. Los comuneros intentan que el Condestable dexe la gobernacion y el dcsprecia
la amanara.
13. Reduze el condestable la ciudad de Ikirgos a servicio del Seüor Emperador.
14. Como el virrey de Navarra embio gente a Castilla: juntase con la del conde
de Aro en Medina de ßioseco.
15. Nombra los que seguian la voz del Emperador por su capitan general al
Conde de Aro en Medina del Rio seco.
16. Toma el Conde de Aro la Fortaleza de Villa Garcia vienen los grandes y
Senors de Tordelumos y Villabraxima y entran en consejo para determinar si se debe
combatir a Villalpando. Pasan a Torre de Lobaton y Penaflor. Quexase el sacristan
de este lugar de un hurto que le liabian hecho y amotinase la gente.
17. Saea el conde la gente de Peüaflor: la embia a camino de Tordesillas, combaten
esta villa con alguna perdida. Apoderanse de la ßeyna y quedanse sobra las armas
esta noclie.
18. Pasan los que estaban en Alaexos d Medina del Campo y los de la comunitad
que estaban en Villalpando d Valladolid. Se reduzen algunos de la comunidad al ser-
vicio del Emperador y i'ormase un libro de acuerdo.
19. Aceta el Almirante la gobernacion por auto de escribano. Quedanse la mayor
parte de los Grandes en Tordesillas en acompaiiamiento de la Reyna. Embiase a Si-
mancas un buen golpe de gente como quarniziones a otras villas y lugares y escribe
el Condestable una carta a los de Burgos.
20. Tornase la fortaleza de Burgos por no haverse aprobado los capitulos que el
Condestable liavia ofrecido.
21. Embia la ciudad de Toledo a Juan de Padilla por dexacion de J). Pedro Giron,
Capitan general. Pasa el conde de Aro a Medina del Campo : clioque que tubo con Juan
de Padilla y otros eneventos que liubo.
22. Junta el conde de Salvatierra alguna gente de los montafios y toma unas piezas
de artelleria del Condestable, las que bace quebrar.
2o. Corre el obispo de Zamora con gente de la comunidad tras los Imperiales. Entra
en Cordovilla : haze quemar sa fortaleza y pasa a Fuentes de D. Bermudo : toma este lugar
y se vuelve a Valladolid.
24. Pasan los Imperiales comandados por el Conde de Aro a las vistas de Torre
de Lobaton: tienen algunas escaramuzas con la gente de Juan de Padilla: llamo el
Almirante a Tordesillas al Conde : y apoderanse los de la Comunidad de Torre de Lobaton.
25. Pasan los Imperiales a las cercanias de Medina del Campo. Tubieron algunas
escaramuzas e hizieron prisionero a N. Quintanilla.
26. Juntase la gente de cada uno de los exercitos los Imperiales para tomar a
Torre de Lobatton, y los de la comunidad para defenderla.
ZuE Kritik und Quellenkunde der Besten Kegierüngsjahre K. Kärl's V. 307
27. Batalla sangriente que tubieron en Villalar quedando este lugar por los Im-
periales y haciendo prisioneros los capitanos de la comunidad a los quales ajusticiaron.
Hieraus geht aber von selbst liervor, dass, abgesehen von der gehaltvollen Ein-
leitung, die den Aufenthalt des Königs in Spanien ausführlich bespricht, der tratado
vor Allem sich die Aufgabe stellte, die kriegerischen Ereignisse zu erzählen und den
Grafen von Haro als Mittelpunkt derselben hinzustellen, wie Alcocer die Padilla's Vater
Sohn und Schwiegertochter zum Centrum seiner Darstellung machte. Man könnte somit
sagen, der tratado biete mit den kriegerischen Ereignissen, die sich um Don Inigo de
Velasco, Condestable von Castillien und seinen Sohn den Grafen von Haro o-ruppirten
ein interessantes Gegenstück zu Alcocer dar, so dass beide sich ergänzen. Der Höhe-
punkt der Darstellung ist einerseits die Wiedereinnahme von Tordesillas , wo sich aber
der Graf von Haro als der schlechte Feldherr zeigte, der er wirklich war, und dann die
Schlacht von Villalar, deren Verlust Alcocer dem Doppelverrathe Don Pedro Giron's
und Don Pedro Laso's zuschreibt. Der tratado stellt die Sache so dar, dass das Heer
der Comunidades im Besitze von Torre Lobaton ruhig liegen bleiben wollte bis der
Einbruch der Franzosen über Navarra in Castillien erfolgt wäre, C. 26, und nun Juan
de Padilla zuletzt zum Abzüge genöthigt, von der vereinigten Macht der Granden in
der Ebene von Villalar, 23. April 1521, angegriffen und geschlagen wurde.' p]s liegt
dann noch in der Natur des Gegenstandes, dass er, wenn auch nur vorübero-ehend der
Schlacht von Noain in Navarra, 30. Juni 1521, erwähnt, in welcher die Franzosen deren
König König von Castillien werden sollte, vollständig geschlagen wurden. Obwohl nun
das Benehmen der Granden, ihre Uneinigkeit unter einander, ilire ßathlosigkeit, die
Versuche, die sie machen, der Verwüstung ihrer Ländereien zuvorzukommen, erst durch
die Briefe des Cardinal-Gobernadors an den Kaiser in das rechte Licht gesetzt werden
so ist der tratado doch eine bedeutende Geschichtsquelle für den Aufstand der Comu-
nidades. Seine Einzelnheiten sind lehrreich, die Erzählung klar und während Alcocer
immer nur die Angelegenheiten von Toledo als Hintergrund der Ereignisse gibt, hat der
tratado die Entwicklung des Aufstandes im Ganzen und seine Niederwerfung durch die
Granden sich zur Aufgabe gestellt. Die Herausgabe des tratado wäre eine wirkliche
Bereicherung der Geschichte.
5. Für sich ein eigenes Werk von hohem Interesse ist die memoria de las comu-
nidades que obo en este reyno llaiuadas guerras de las comunidades von
Diego Hernan Ortiz (Flortiz), jurado de Toledo, gleichfalls Manuscript der k. Akademie
der Geschichte in Madrid. Er konnte von sich sagen, er sei im Stande, die auso-ezeich-
netsten Ereignisse als Augenzeuge zu beschreiben, da er als Abgesandter Toledo's sowohl
nach Molin derecha in Catelunia, als in San Jago und Corufia, sowie später im Auftrao-e
der Gobernadoren in Toledo, wichtige Missionen erfüllte. Seine Berichte gehen so weit
als seine eigenen Erlebnisse reichen und über die ganz zuverlässigen Nachrichten, die er
von Augenzeugen einzuholen vermochte. Er beginnt sein Werk mit der Geschichte der
ersten castillianischen Cortes, welche K. Karl, als er 1517 nach Spanien gekommen war
1 El fin que teniau los de la comunidad era junttar gente de todos las ciudades y hazerse fuertes eu Torre de Lobaton
estandose alli quietos, liasta que entrase en Castilla el exercito que despues vino del rey de Francia, con quien ellos tenido
tratado, de que le hacian Rey de Castilla, como la Inibiera sido si los de la comunidad hubieran vencido la Batalla de
Villalar.
Sil-»
308
Höfler.
in Valladolid hielt und beendigt es mit dem 61. Capitel der Darstellung de lo que en
Toledo procure hazer quando cnttre en el por mandado del Condestable y del Cardenal
(Adrian) 1520, als er erst während der Herrschaft der Doua Maria Pacheco und des
Hernando de Avaloz in Toledo sich aufhielt, dann plötzlich zur Rettung angesehener
Frauen und im Einverständniss mit Antonio Alvarez, Oheim des Juan Padilla's, in einer
Nacht bei der puerta de Visagra die Wächter überrumpelte und mit seiner Begleitung
durchbrach. Leider gibt er die Zeit nicht an, als er der Revolution diesen Streich spielte,
sondern bricht das Manuscript in der Erzählung ab.
Die Memoria des Ortiz, welcher bald mit den angesehensten Persönlichkeiten am
Hofe K. Karl's bekannt wurde, führt uns ganz andere Männer vor als der Tratado und
Alcocer. In den Vordergrund tritt vor Allem Dr. Zumel, Procurator von Burgos imd
Haupt der Opposition der Cortes gegen Karl V., bis derselbe die Rechte imd Freiheiten
Castilliens beschwor, 1518. Der unerschrockene Kämpe gegen die Herrschaft der Aus-
länder, die den König leiten, stellt sich aber, als der Aufstand der Comunidades ausbricht,
auf die Seite des Königs 5 er leistet der Sache des Fürsten, den er zur Nachgiebigkeit
zwingt, als die Revolution ausbrach, die grössten Dienste, welche der Condestable von
Castillien in seinen Briefen an K. Karl nicht genug rühmen kann. Der Führer der
Opposition vom Jahre 1517/8 ist es sodann, welcher später von der Revolution bedrängt,
um Haus und Gut gebracht, sich der Reaction in die Arme wirft und das Haus des Don
Juan de Padilla, von wo aus Dona Maria de Pacheco Toledo in seinem Aufstande
erhält, niederreissen Hess. Billigte doch der eigene Vater nicht das Vorgehen seines
Sohnes und blieb auch Don Juans Bruder dem Könige treu. Als der König dann nach
Barcelona ging, begab sich Don Diego Hernandez Hortiz auch dahin und empfing dann
daselbst wichtige Aufträge von Toledo, 1519. Docli fällt seine Hauptthätigkeit in das
Jahr 1520, als K. Karl in Folge eines sehr ungebührlichen Benehmens der Procuratoren
von Toledo und namentlich des Don Pedro Laso de la Vega (seiior de Guerba y Vatres),
diesen, den Don Antonio Suarez (sefior de Galvez y Jumela), Don Miguel Gita und
Antonio Ortiz aus San Jago und vom königlichen Hofe verwies und nun die Ver-
Aviesenen durch Don Diego Hernandes Hortiz mit dem Hr. von Chifevres Unterhandlungen
anzuknüpfen suchten. Don Diego begleitete dann auch den Cardinalgobernador nach
Valladolid, hatte mit diesem mehrere politische Unterredungen und begab sich endlich
in das aufrührerische Toledo.
Es sind Memoiren, Aufzeichnungen des selbst Erlebten, mit denen wir es hier zu
thun haben, sehr lebhafte Gespräche mit den Häuptern der königlichen Regierung, theil-
weise selbst unmittelbare Ereignisse vom Hofe, wie die Scene, die Don Pedro Giron mit
K. Karl persönlich hatte (C. 11) und die den eigentlichen Grund des nachherigen revo-
lutionären Auftretens dieses Granden erblicken lässt, Audienzen bei Kaiser Karl und
dergleichen mehr, Dinge von der grössten historischen Bedeutung. Wenn irgend Jemand
ist Hortiz von den Angelegenheiten in Toledo und wie dort die Revolution um sich
griff, unterrichtet und gehört er in dieser Beziehung zu den bedeutendsten Quellen
seiner so denkwürdigen Zeit. Sandoval hat ihn offenbar sehr ergiebig benützt. Auch
seine Darstellung verdient in holiem Grade veröffentlicht zu Averden.
G. Ich konnte keinen Anhaltspunkt dafür finden, dass der muy illustre caballero
Pero Mejia in seiner Relation de las comunidades de Castilla (Biblioteca de
autores espanoles T. XXI. p. 367—407) Hortiz gekannt habe, Sandoval gewiss. Mejia
Zur KiiiTiK und Quellenkunde der Ersten Regierungsjaiire K. Karls V. 309
verfasste eine Geschichte K. Karls, welche unvollendet blieb ; Pex'o Mejia, sagt Don
Antonio Ferrer del Rio in der Einleitung zur historia del levantamiento de las comunidades
de Castilla, wollte das Leben Karls V. bis zu dessen Kaiserkrünung in Rom schreiben.
Karl wurde jedoch niemals in Rom gekrönt, sondern in Bologna; seine Relation, welche
im Jahre 1852 zum ersten Male gedruckt erschien, ist nur ein Theil des grossen Werkes.
Sie ist mit unverkennbarem Fleisse und möglichster Genauigkeit verfasst. Er befand
sich im Besitze der gedruckten Erlässe der ,heiligen Junta' und unterscheidet sehr
wohl zwischen den gegründeten Beschwerden, welche Anlass zu ihrer Entstehung gaben,
und den Erfindungen der revolutionären Partei, die das Volk durch falsche Vorspiege-
lungen aufhetzte, wie er denn am Schlüsse seines bis zur Schlacht von Villalar und der
Hinrichtung Juan de Padilla's gefülirten Werkes sich sehr scharf gegen den Aufstand
ausspricht. Ungeachtet seiner anscheinenden Genauigkeit muss man aber doch selbst,
wo er feste Daten angibt, noch vorsichtig sein. So wurden die Cortes von San Jago
am 2. April, nicht am 1. eröffnet, wie S. 405 im Jahre 1521 der Graf von Haro sich
nicht am 20. (Sonntag) sondern am 21. April mit seinem Vater dem Condestable ver-
einigte. Der Graf von Haro wird auch nicht durch den Kaiser Generalcapitän sondern durch,
die Granden. Pero übergeht das Gefährliche des Aufstandes zu Valladolid 14. April 1520.
Für den Aufenthalt der Procuratoren von Toledo in San Jago und ihre Zerwürfnisse
mit K. Karl, ihre endliche Verweisung, ist Ilortiz die einzige sichere Quelle; er
enthält Angaben, die Mejia fehlen, namentlich weiss letzterer nichts von dem persön-
lichen Zerwürfnisse Don Pedro Giron's mit dem Kaiser. Mejia untersucht später die
Gründe, warum Giron bei den Comunidades als Verräther galt und neigt sich selbst der
Ansicht zu, dass er als Generalcapitän der Junta an dieser Verrath geübt. Er weiss
jedoch nicht, dass der Almirante von Castillien und der Cardinalgobernador sich für
ihn bei dem Kaiset' verwandten, noch dass Valladolid selbst ihn trotz seines angeb-
lichen Verrathes nach der Hinrichtung Padilla's imd seiner Gefährten, wieder an die
Spitze der Junta stellen wollte. Mejia unterscheidet viel zu wenig die Zeit, in welcher
die Granden theils heimlich, theils offen es mit den Comunidades hielten und die, in
welcher sie hievon zurücktraten, als sie sahen, dass sie dem Kaiser mit Waffengewalt
nicht zu imponiren vermochten. Er weiss nicht, dass -der Cardinalgobernador die Seele
der Unternehmung der Granden gegen Tordesillas war, wobei er freilich die schlechte
Leitung des Sturmes durch den Grafen von Haro durchblicken lässt. Dass in Toledo
Dona Maria de Pacheco, das ehi-geizige Weib, geleitet von Hernando de Avalos, Regidor
von Toledo, auf den Einbruch der Franzosen wartet; dass die scheinbare Unthätigkeit
Juan de Padilla's im Frühlinge 1521 offenbar mit der Invasion derselben in Navarra
in Verbindung stand ; dass der grösste Fehler Juan's darin bestand, die Vereinigung des
Condestable mit dem Generalcapitän Grafen de Haro nicht gehindert zu haben, er
ersterem nur ein kleines Corps unter Figueroa entgegenschickte, der aus dem Kerker
der Inquisition befreit worden war, jetzt aber geschlagen und gefangen in den Kerker
des Condestable wandern musste; dass die eigentliche Krise der Bewegung in Toledo
erfolgte, als Juan die Krankheit seiner Gemalin vorschützend, von Tordesillas mit der
Post dahin reiste und dann Don Pedro Giron beseitigt wiu'de, als es sich darum handelte,
die Franzosen in den Kampf hineinzuziehen ; diese und gar manche andere Momente
treten bei Mejia viel zu wenig hervor. Die ganze mühevolle und entsetzliche Stellung
des Cardinalgobernador's den Granden gegenüber ist ihm unbekannt geblieben, sowie
310 Hofler.
dass derselbe nicht gleicli nucli der Einnahme von Tordesillas durch die Granden,
5. December 1520, dahin abging, sondern erst noch fast einen Monat in Medinaa del
Kio seeo blieb. Ungeachtet dieser Aussetzungen, welche leicht noch vermehrt werden
könnten, ist Älejia doch ein gewissenhafter Geschichtschroiber, welcher, man sieht es
deutlich, über sein Material mit grosser Treue verfügte, jedoch die wichtigen Acten-
stiicke nicht vor sich hatte, über welche wir jetzt zu verfügen vermögen und die uns
über den wirklichen Stand der Dinge, die verzweifelte Lage der königlichen Sache jetzt
nach mehr als 300 Jahren tieferen Einblick gewähren, als der Geschichtschreiber K. Karl's,
der freilich einen grossen Theil der handelnden Personen kannte oder wenigstens über
sie von Zeitgenossen Bericht erlangen konnte. Dass auch die Inquisition einen Antlieil
an den Bewegungen hatte, Klagen gegen sie vorkamen, Kerker derselben geöffnet
wurden, so dass endlich die Bewegung einen theilweisen judaisirenden Charakter im
spanischen Sinne des Wortes erlangte, wird von Mejia nur gelegentlich angedeutet. Als
er schrieb, war die ßeaction im vollen Gange.
7. El Movimiento de Espana 6 sea historia de la revolucion conocida con el nombre
de las comunidades de Castilla, escrita en latin por el presbitero D. Juan Maldonado
y traducida al castellano e illustrada con algunas notas y documentos por el presbitero
D. Jose Quevedo, bibliotecario del Escurial. Madrid 1840, 4".
Ferrer del Rio hat an diesem Werke viel zu tadeln und dass Maldonado für seine
Geschichte die Form eines Dialoges wählte, ist auch in mancher Beziehung nicht gut.
Das im Jahre 1524/5, ' geschriebene Werk (VII Bücher) wurde 1545 vollendet und am
1. December dieses Jahres ,dem Sohne des Cäsar', dem principe de Espana, dem nach-
herigen K. Philipp II. gewidmet. Es ist mit vielem Freimuthe geschrieben, vertheidigt
den Aufstand, in wie ferne er sich nicht gegen K. Karl richtete, mit grosser Wärme
und es war offenbar mit vielem Vorbedacht, dass Maldonado die dialogisirende Form
wählte, um den an dem Gespräche sich betheiligenden Personen, einem Deutschen, einem
Franzosen, einem Italiener, einem Toledaner, Aeusserungen in den Mund zu legen, die
er selbst, der Erzähler, nicht machen wollte, nicht machen durfte.
Doch es sei gestattet, hier zuerst der Verdienste des Herausgebers Erwähnung zu thun.
Nicht blos dass er dem Texte • werth volle historische Noten hinzufügte, er zählt im
Appendix n. 2 die spanischen Abgaben, n. 5 das lügenhafte Verzeichniss derjenigen
Steuern auf, die Karl V. angeblich ausschreiben wollte, was ein wesentliches Mittel war,
die Toledaner aufzuwiegeln, nennt die Deputirten der Junta von Avila (n. 6), bringt
die äusserst wichtigen Erlässe K. Karls bei Ernennung der drei Gobernadoren S. 292
bis 314, ferner Correspondenzen des Almirante, wobei ihm aber kein Bedenken über
die Zuverlässigkeit Guevara's kommt (S. 315), so wenig wie über die letzten Schreiben
Juan de Padilla's an seine Frau und die Stadt Toledo, endlich den Bericht über den
Tod des kriegerischen Bischofs von Zamora (23. März 1523), die Flucht der Dona
Maria de Pacheco, und den perdon general, zuletzt gibt er noch (n. 19) einen Bericht
über den Aufstand von A^alencia.
Maldonado selbst spricht sich (S. 44) über seine Absicht dahin aus, er wolle trazar
el quadro de este movimiento de Espaüa tan grande cual jamas le conviceron nuestros
mayores con objeto de que la posteredad sea mas cauta en la osadia y este adverdida
' Hace nias de viente afios qnc oommence a eseribir declia giierra (Wirlmung)
Zur Kritik und Quellenkünde der Ersten Kegierungsjahre K. Karls V. 311
de que las empresas temerarias, ya sean contra el rey ya contra la nacion, se con-
vierten las mas veces en dafio de los autores. Er hat also sich einen praktischen
Endzweck vorgestellt, zu bewirken, dass man sich nicht mehr in ähnliche Unternehmungen
einlasse, damit ist aber nicht gesagt, dass er die comunidades an und für sich ver-
urtheilte. Im Gegentheil. Er spricht wiederholt mit einer Art von Begeisterung von
ihnen, so lange sie nur nicht in offenen Aufstand, in eine Revolution sich verkehren
und dadurch den Fluch der offenen Auflehnung verwirlien.' Das Ganze, im hohen Grade
lehrreich, ist in sieben Bücher getheilt, von welchen das erste sich mit der Vorgeschichte,
den reyes catolicos, der Massregel des Cardinais Jimenes, durch eine Bürgermiliz den
Adel zu beschränken und das Königthum zu stärken, das zweite mit dem verhängniss-
vollen Aufenthalt K. Karl's in Spanien bis zu seiner Abreise von- la Coruha am
20. Mai 1520 beschäftigt. Das dritte schildert den blutigen Beginn des Aufstandes in
Segovia und Burgos (29. Mai und 10. Juni) und gibt dann eine sehr lehrreiche Beschrei-
bung Spaniens unter Hinweisung auf die tablas geogi-aficas. Das vierte Buch zeigt
bereits den vollen Aufstand, wie er in Folge des Brandes von Medina del Campo sich
entwickelte, so dass der Condestable von Castillien mit Mühe sich und die Seinen aus
Burgos rettet. (S. 111 — 159.) Damit ist die Erzählung nicht weiter gekommen, als bis
September 1520 und muss nun nachholen, was weiter geschah, und da tritt uns im
fünften Buche erst die Persönlichkeit des D. Antonio Acufia, Bischofs von Zamora und
dann die des D. Pedro Giron hinzu, welcher sich an die Junta anschliesst und General-
capitän wird, während D. Inigo Velasco, Condestable, zum Gobernador erhoben, seine
Rückkehr nach Burgos betreibt. Dort wurde er auch am 1. November aufgenommen
und förderte er nun wieder den Sieg der Königlichen. Das sechste Buch beschäftigt
sich mit dem Generalcapitanat Girons, der Wiedereroberung Tordesillas durch die Granden
(5. December), der Abdankung Girons, der Uebernahme des Generalcapitanates durch
Juan de J'adilla inid dessen Eroberungen in der tierra de campos, sowie dem Zuge des
Bischofs von Zamora nach Toledo. Es sind die Ereignisse vom November 1520 bis
März 1521. (S. 192 — 247.) Dann folgt in dem nur kurzen siebenten Buche die Katastrophe,
die Schlacht von Villalar (23. April 1521), der Einbruch der Franzosen und ihre
Niederlage am 30. Juni, die Gefangennehmung des Bischofs von Zamora, die Capitulation
von Toledo, endlich die Flucht der Witwe Padilla's, die Rückkehr Karls nach Spanien
und die Hinrichtung der gefangenen padres de la Junta, das Erlöschen des Aufstandes
in Castillien wie in Valencia.
Maldonado theilt den gemeinsamen Fehler spanischer Geschichtschreiber, wenig
Rücksicht auf die Chronologie zu nehmen. Er nimmt in seiner Erzählung auf, was
eben zu dieser gehört und mit ihr in Verbindung gebracht werden kann und höchstens
bei den bedeutendsten Ereignissen nennt er die Festtage, an welchen dieses oder jenes
vorfiel; äusserst selten gibt er das Datum genauer an. Dieser Mangel an chronologischem
Halte ist unangenehmer als die dialogisirende Form, welche ihm Gelegenheit zu mehr-
facher Excursion gewährt und eigentlich nur selten störend wirkt.
Man sieht, es ist oft seine Absicht, den Fremden, die er in „las Huelgas" versammelt,
Fragen oder Einwürfe von ihrem Standpunkte in den Mund zu legen, offenbar um, ohne
' No negai-Ä que la revoluciou tue mahvida y ann impia, pero sostendre que la culpa la tuvieron las clascs todas, pag. 158.
Nos Espafiolea somos araigos de novedades p. 159.
312 Eö^-LYAi.
sich selbst zu conqu-.unitrireii, Gelegenheit zu finden, Bemerkungen und Excurse zu
machen, für welche ilnu der Leser nur dankbar sein kann. Maldonado will unterrichten.
Er webt eine geographische Beschreibung ein, eine Darstellung der Städteverfassung,
der Wahl der Procuratoren zu den Cortes, so dass man mehrfach bedauert, das Studium
dieser merkwürdigen A^orgänge nicht mit der Leetüre Maldonado's begonnen zu haben.
Andererseits aber muss man doch wieder mit gewissen Kenntnissen bereits ausgerüstet
sein, um die Sprünge und Lücken in der Erzählung zu bemerken, da hiezu Quevedo's
werthvolle, doch nicht sehr zahlreiche Noten nicht ausreichen. Der Standpunkt seiner
Erzählung ist der Burgesische, wie sich die Dinge um Burgos gruppiren. Aber Burgos
schien wohl das Centrum der aufständischen Bewegung zu werden, wurde es jedoch
nicht. Die Folge hievon war, dass Maldonado in Bezug auf andere Städte, z. B. Valla-
dolid, in Betreif des Verhaltens der Regentschaft weniger unterrichtet ist.' Er besitzt
ein sehr nüchternes Urtheil, ist nichts weniger denn blind in Beziehung auf die grossen
Schäden, die es in Spanien gab, auf die Fehler der Regierung, auf die innere Berech-
tigung des Aufstandes-, aber auch nicht in Bezug auf das anfängliche Zusammenhalten
aller "stände und die baldige Scheidung der Plebejer von dem Adel, das blutige und
tyrannische Emporkommen der ersteren und den nothwendigen Anschluss der Senores,
die man ja in den kleinsten Städtchen zu Tausend zählte, an die Regierung, als diese
nur einmal wieder ihren Bestand documentirte. Aber im Ganzen bildet die Thätigkeit
Inigo Velasco's, des Condestable-Gobernadors, den eigentlichen Inhalt seines Werkes.
Daneben widmet er Don Antonio Acuua, dem kriegerischen Bischof von Zamora,
namentlich im sechsten Buche viele Seiten, zieht aber im siebenten und letzten Buche
die Erzählung von den Vorbereitungen der Schlacht von Villalar (23. April 1521) bis
zur Flucht der Dona Maria de Pacheco (3. Februar 1522), sehr stark zusammen.
Schon bei dem fünften Buche werden die dialoglsirenden Reden, wenn gleich erst
gegen das Ende weitläufiger, Don Pedro Giron, der Bischof von Zamora, müssen lange
Standreden halten. Im Einzelnen fallen viele Unrichtigkeiten vor, doch sieht man
deutlich, dass sich Maldonado viele Mühe gab das Richtige zu treffen. Er hat offenbar
die Frao-e über den Antheil der Dona Maria an dem Einfall der Franzosen in Spanien
sorgsamer Forschung unterzogen und kommt hiebei zu einem negativen Resultate,
wodurch man sich gar nicht beirren zu lassen braucht. Der ganze Nimbus der Heldin
von Toledo, die dort den Widerstand gegen K. Karl organisirt, würde ja schmählich in
die Brüche gehen, wenn sie mit den Nationalfeinden in Verbindung gestanden wäre!
Der Bischof von Zamora wollte ja, als er Toledo verliess und nach Frankreich eilte,
auch nur den Weg nach Rom eingeschlagen haben. Hätte K. Karl nur die bei Noain
aufgefangenen Papiere publicirt, es stünde um diese Frage viel leichter, doch haben
wir glücklicher Weise der Zeugnisse genug, die diese Verbindung nachweisen. Zuletzt
kommt Maldonado noch auf die Unruhen in Valencia und die dort beabsichtigte Ver-
folgung des Adels zu sprechen. Es ist aber falsch, wenn er behauptet, dass der
Valencianische Aufstand in gar keiner Verbindung mit dem der Comunidades stand.
Im Gegentheile gab man sich von beiden Seiten die grösste Mühe, ebenso eine Ver-
bindun^T herzustellen, als sie zu verhindern. Interessant ist, was er noch von dem wenig
1 Man tlarf nur die ganz irrige Darstellunji-, wie der Almirante die Gobernadorstelle annahm, S. 177 — 178, als Beispiel
nelnnen.
Zur Kritik und Quellenkunde der Eksten Kegierungsjahre K. Karls V. 313
bekannten Enrique Manrique, el oculto genannt, erzählt, que sucediendo en el puerto
de A'^icente estaba tan diestro en hacer milagros con maravillosos artificios 6 inducir
a iina nueva religion, que en Algesiras y en Xativa casi le adoraban como Dios, e
indudablemente le acataban y respectaban por rey, pay6 su atrevimiento con la cabeza,
was aber die Aufrübrer nicht abhielt, sich einen anderen embencador zum Haupte zu
wählen (p. 2S0).
8. Thomae Rocha, historia eorum que gesta fuere in Hispania ulteriorl tempore
quo vulgus comunitatem obtabat. Ms.
Die Einleitung nennt den Thomas Gottolani (Catalane) von Gerunda im Taragonischen
als Verfasser dieser Schrift, welche fünf Tage nach der Schlacht bei Villalar, also am
28. April 1521, in Tordesillas verfasst wurde. Die kleine Schrift, fünf Blätter stark,
ist eine Verherrlichung der Thaten des Almirante von Castillien, Federico Henriquez
de Cabrera, Grafen von Modica und seiner Brüder, von welchen Ferdinand Henriquez
mit 700 Rittern und vielem FusSvolke den Feind bei Tag und bei Nacht beunruhigte
und namentlich den Toledanern Padilla's grossen Schaden zufügte; der andere aber,
Alfonso Henriquez, Bischof von Osma, Medina de Rio seco in diesen schweren Zeiten
vertheidiffte. AYährend nach den andern Angaben der Almirante am 12. November 1520
nach Medina kam, kam er nach Thomas am 15. dahin und am 19. November nach
Torre Lobaton, um mit den Procuratoren der Junta zu unterhandeln. Diese aber befahl,
statt zu unterhandeln, dass Don Pedro Giron Rio seco angreife, worauf gegen den Willen
Giron's der Bischof von Zamora Villabraxima, das dem Almirante gehört, besetzte. Damals
hätten die Granden das Heer der Junta vernichten können, allein der Almirante, welcher
noch immer hoffte sie zu überreden, habe das Blutvergiessen verhindert.' Als aber
nachher Giron von Villalpando zurückgekehrt, Medina de Rio seco angreifen wollte,
wo der Cardinal war, habe Don Fernando, Bruder des Almirante, die Stadt cum paucis
militibus ab ejus rabie vertheidigt. Der Verfasser erwähnt noch, er habe der Hinrichtung
Juan de Padilla's beigewohnt. Er kann die Beredsamkeit des Almirante nicht genug
rühmen und stellt ihn Cicero nicht zu fern. Von seiner Schreibseligkeit zeugt auch
nicht nur der Band Instructionen, die wir haben, sondern auch der übrigens sehr edel
gehaltene Brief an Valladolid vom 23. October 1520, den Quevedo p. 316 — 320
veröffentlicht.
Die Ausbeute ist im Ganzen nicht gross und die Zuverlässigkeit der Nachrichten
nichts weniger als sicher gestellt.
9. Relacion de las comunidades de Vizcaya. 7 Bl. Ms.
Caj)itulo primero de lo que pas6 en las montauas de Guipuzcoa y provincia de
Alava y ciudad de Vitoria y contado de Vizcaya acerca de las llamadas comunidades
del aüo de 1521.
Cap. 11 de la discordia que habia entre el Conde de Salvatierra y Madama Margarita
de Saluzes y que dende succediö.
Cap. in Como D. Inigo Fernandez de Velasco, Condestable de Castilla, inbi(j a la
dicha provincia de Alava a hacerles saber como hera gobernador destos reinos por sa
Magestad.
^ Der Almirante versiclierte jeflocli (despachos 2) l)ote io en Medina duz veces que les diessernos la batalla y dieiendo
alg'uniis que era malo aveuturai'sse no se liizo.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 40
314 HüFLER.
Cap. IV conu) el Condestable eiivio ä conibatir la villa de Anipudla (|ii(' era dcl
conde de Salvatierra.
Cap. Y Como el Condestable inbi6 per artelloria a la villa de Fiientarabia y lo
que tfobra ello aeaezio.
Cap. VI de lo que la ciudad liizo sabiendo (pie el conde la venia a dc^sti'uir e conio
hubieron batalla con el e tue vcncido 6 preso su capitan Gonzalo Varaona e degollado
por justicia.
Es sind die Schicksale der Provinz von Alava und Vitoria, die von Bursros auf-
gewiegelt wurden, aber, weil sich diese Stadt cabeza de Castilla nannte, mit Burgos
nichts zu schaffen haben wollten. Doch gehören diese Ereignisse nicht, wie angegeben
ist, in den August 1521, sondern 1520. Es werden die Zerwürfnisse des Grafen von
Salvatierra mit seiner Gemalin, die Bemühungen der Junta von Tordesillas beschrieben,
Vitoria in den Aufstand hineinzuziehen und wie die Stadt den Condestable ihrer Treue
versichern Hess. Dann folgen die Kämpfe um Ampudia,' Jänner 1521, das dem Grafen
von Salvatierra gehörte; wie dieser im Auftrage Juan de Padilla's die Munition und
Artillei-ie wegnahm, welche von Fuentarabia nach Vitoria und von da nach Burgos
gebracht werden sollten (4. März 1521); wie dann das wankende Vitoria für den König
wieder gewonnen und Salvatierra dem Grafen abgenommen wurde, bis zur Schlacht an
der Duranabrücke, die der Graf von Salvatierra verlor. Sein Hauptmann wird gefangen,
die Artillerie (40 eiserne Kanonen) erobert, der äusserste östliche Flügel der Juntaer
beinahe an demselben Tage vei'nichtet, an welchem das Hauptheer geschlagen wurde.
9. Die anales breves del reinado de los reyes catolicos D. Fernando y Dona
Isabel — que dej6 manuscritos el D. Lorenzo Galindez Carvajal de su consejo y
caraara, y de los reyes Doüa Juana y D. Carlos (fortgesetzt von D. Rafael Floranes
ßobles y Encinas (1787) im XVIII. Bande der Documentos. 1851, p. 226, geben,
abgesehen von ihrem früheren Inhalte, sehr Averthvolle Aufschlüsse über die letzten
Tage und Stunden K. Ferdinands V., die Sendung des Dechanten Adrian und des Herrn
von la Chaulx, über den Verkauf von spanischen Aemtern, der am flandrischen Hofe,
ehe Karl nach Spanien kam, durch den Grosskanzler Juan Salvaje mit Hilfe des Doctor
Zuguete, eines Spaniers getrieben wurde, so dass nachher Salvaje in vier Monaten
150.000 Duoaten, die er für verkaufte Aemter gelöst (p. 401), nacli Hause senden konnte
und der Consejo K. Karl Vorstellungen machte ; über die Nachtheile des Vertrages von
Noyon c. 18; über die Unruhen in Andalusien, welche der Graf von Ureiia durch Unter-
stützung der Ansprüche seines Sohnes Don Pedro GIron auf das Herzogthum Medina
Sidonia verursachte. Die Anales setzen Karls Landung in Villaviciosa auf den
27. September 1517, was um acht Tage fehlgegriffen und einer der zahllosen Beweise
ist, wie wenig man sich auf clironologische Daten bei den spanischen Schriftstellern
verlassen kann. Von Wichtigkeit ist wieder die Darstellung des langsamen Zuges Karls
von \'illaviciosa nacli Aquilar del Campo und von da nach Valladolid und seines
Benehmens gegen den Consejo. Er erklärte, erst in Valladolid sein Haus ordnen zu
wollen und Hess bis dahin Alles in suspenso.
Die Anales bemerken, man sage, dass der Bischof Mota, welcher nicht wollte, dass
Jinicnes init K. Karl zusammenkomme, den Brief schrieb, welcher den Cardinal nacli
' In der tierra de caniiios.
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierüngsjahre K. Karls V. 315
Mojados berief. Leider erstrecken sicti die von Sandoval wohl gekannten und benützten
Annalen nur bis zum (undatirten) Einzüge Kai'ls in Yalladolid, 18. November 1517-,
sie erweisen sieb aber, wenn sie auch nicht über den Aufstand der Comunidades
berichten, doch über die unmittelbar vorangehende Zeit, als eine verlässliche Quelle.
11. Les memoires de Messire Martin du Bellay. Collection Michaud T. V.
Diese Denkwürdigkeiten sind in Bezug auf den Einfall der Franzosen in Navarra,
Mai 1521, einschlägig, ohne jedoch auf grosse Wahrlieit Anspruch machen zu können;
denn wenn es auch ganz richtig ist, dass der Seigneur d' Asparrot, Oberkommandant
der französischen Truppen, Hpanien zu erobern gedachte, so ist es ganz falsch, dass ihm
la Grogne (Logroüo am Ebro) keinen Widerstand leistete. Es kann sein, dass er einen
Theil seiner IVuppeu von da zurücksandte, weil er ihnen nur Halbsold zahlen wollte.
Allein der Sieg der Spanier bei Noain , wo d' Asparrot und der Seigneur de Tournon
gefangen wurden, war so vollständig, dass BeHay gar nicht den Muth hat, seinen ganzen
Umfang einzugestehen.
Ueber die übrigen Ereignisse berichtet er nichts.
12. Don Fi-ay I'rudencio de Sandoval historia della vida y heehos del Emperador
D. Carlos V. En Pamplona 1634, f.
Es ist kein geringer Beweis fiir die Trefflichkeit dieses AYerkes, wenn gesagt werden
muss, dass der Forscher auch nachdem er Alcocer, Maldonado und die übrigen Zeit-
genossen durchgearbeitet, immer wieder auf Sandoval zurückkehrt. So viele schätzens-
werthe Documente hat er mitgetheilt und so genau führt er in das Einzelne ein. "Wir
sind freilich im Stande, uns auch einer anderen Anschauung zuzuwenden und gar vielen
Punkten eine Bedeutung zu geben, welche bei Sandoval nicht hervortritt. Auch mag
es sein, dass er, wie Ferrer nachwies, einige Documente nicht vollständig mittheilte, wie
ihm auch sehr viele, über welche wir verfügen, nicht bekannt waren. Vergleicht man ihn
jedoch mit den Bericliten Anderer, nicht blos Alfonso Ulloas in seinem Leben K. Karls,
der die D. Maria de Pacheco mit ilirem Genial hingericlitet werden lässt, so wird der
unbestrittene Werth SandovaPs sich um so mehr ergeben. Da Eanke (zur Kritik neuerer
Geschichtschreiber, S. 131) bereits mehrere Punkte, welche sich auf den Aufstand der
Comunidades beziehen, hervorhob, um namentlich die ermüdenden Wiederholungen
Sandovals bemerklich zu maclien. ist es nicht nothwendio- darauf weiter einzuffehen.
Sein Werk wird noch lange Zeit unentbehrlich sein, wenn auch schon Argensola sich
bewogen fühlte, auf Fehler SandovaPs (libro I de los anales p. 531 c.) aufmerksam
zu machen.
13. Unmittelbar an Sandoval schliesst sich das Werk des obenerwähnten D. Bar-
tholome Leonardo de Argensola (chronista del Rey de la Corona y reino de
Aragon) — Anales de Aragon als Fortsetzung Zurita's — an. En Qaragossa 1630 fol.
Argensola hat nicht blos das hohe Verdienst in Betreff' des Königreichs Aragon sehr
wichtige Nachrichten mitzutheilen, wie z. B. die Bewegungen gegen die Missbräuche
der Inquisition im Jahre 1519, c. 72, sondern auch die auswärtigen Angelegenheiten,
sowie die Bewegungen berücksichtigt zu haben, die zuletzt zu dem Aufstande der
Comuueros führten, sowie den so gefährlichen im Königreiche Valencia. Er kennt die
Anliegen der Toledaner bei K. Karl V., die Audienz ihrer Gesandten zu Molino del
rey, das Schreiben der Toledaner an die anderen Städte um eine Vereinio'uno- der
castillianischen Städteprocuratoren zu Stande zu bringen, der aber Burgos und Sevilla
411*
3Ui HöFucii.
widerstrebten. In Burgos liabe Kai-1 den französisclien Gesandten empfangen, welcher
Restitution von Navarra und Vermählung mit der Tochter K. Franz I. verlangte. In
Valladolid liabe Don Pedro de Laso den Einwohnern versprochen, sicli der Person des
Hr. V. Chievres zu bemächtigen. Er besclircibt ausführlich die Scene, welche in Valla-
dolid zwischen dem Kaiser und Don Pedro Giron stattfand (5. März 1520). Nur Karl
und Chifevres seien damals nach Tordesillas gekommen (p. 503). Als aber Karl befahl,
den aufrührerischen Valladolesen zu vergeben, habe diese Grossmuth gar keinen
o-ünstigen p]rfolg gehabt, sondern nur Giron wurde belobt, weil er gewagt, dem Kaiser
zu drohen. In San Jago kam es beinahe zu Thätlichkeitcn, so ereiferten sich der Graf v.
Benavent und der Erzbischof gegen Chievres. Weitläufig werden die Intriguen besprochen,
um Toledo in den Aufruhr hineinzuziehen, und das illoyale Treiben Juan de Padillas
aufgedeckt.
Interessant ist die Darstellung der Bitten der Granden in la Coruna, von welchen
Argensola mit einem Schein von Recht sagt, der Unterschied zwischen dem, was die
Granden damals wollten und was die Comuneros begehrten, habe nur darin bestanden,
dass die Granden baten, die Comunei-os mit Trotz verlangten (p. 936). Argensola kennt
die Berathungen, welche im Schosse des königlichen Rathes in Betreff Spaniens statt-
fanden, als dieses rebellirte; wie der Erzbischof von Granada für äusserste Strenge
stimmte. Sogleich solle ein Alcalde de Corte nach Segovia abgeschickt werden, um
nach strengem Recht zu verfahren und nicht der Fehler Chi&vres in Bezug auf Toledo
nachgeahmt werden. Don Alonso Tellez Giron war für Milde und Schonung, der Cardinal
habe sich für den Erzbischof entschieden (p. 961). Die Schilderung des Aufstandes
selbst ist sehr lebhaft und übersichtlich, nur ist die Methode in dem einen Capitel von
den Comuneros, im zweiten von Mexico, im dritten von den auswärtigen Verhältnissen
Spaniens zu reden, dann wieder zu den Comuneros zurückzukehren, lästig und störend.
Argensola lässt Don Juan de Padilla am 29. August nach Segovia kommen, dort fünf
Tage bleiben, am 2. September in Tordesillas einrücken. In Betreff der beabsichtigten
Verhaftung des königlichen Rathes in Valladolid unterscheidet Argensola die Mission
des Fray Pablo, dem Fray Alonso de Medina nachfolgte, der die Relation über die
Voro-änge in Tordesillas am 24. September in Valladolid verlas (p. 1025) und dass die
Königin im Stande sei, die Regierung zu übernehmen. In Betreff' des räthselvollen
Benehmens des Almirante citirt Argensola einen Brief des letzteren an Alonso de Quinones,
er möoe D. Maria de Mendo^a (Gemalin Padillas), Pedro Lopez de Padilla und Hernando
de Avalos sagen, que el vino de su casa de Cataluila con animo de suplicar al rey lo ■
niismo que las Ciudades de Castilla, p. 1032.
Die Flucht des Cardinalgobernadors aus Valladolid setzt Argensola irrig auf den
20. October 1520. Er theilt das Decret Karls in Betreff der Ernennung von drei
Gobernadoren am 9. September 1520 mit (p. 1055), die Instruction an Lope Hurtado
de Mendoza (p. 1059) vom gleichen Datum. Er nimmt das Gastmal der Gräfin von
Modica als wahr an und dass wirklich in Rio seco auf Befehl des Almirante und des
Grafen von Benavente eine Erklärung stattfand, zu Gunsten der heiligen Junta, für die
Königin, den König und die Comunidad, worauf das Heer der Junta die Belagerung von
Medina de Rio seco aufgegeben habe (p. 1076). Er theilt das wichtige Schreiben der
Junta an K. Manuel von Portugal mit (24. October 1520), um dessen Intervention zu
erlangen, worüber dann der König an den Condestable schrieb und Karl bitten Hess,
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegierungsjahre K. Karls V. 317
mitleidig (piadosamente) zu verfahren, p. 1104. Daneben (p. 1116) erzählt er, wie klug
sich der Grraf von Haro bei dem Sturme von Tordesillas benommen, während über seine
Unfähigkeit nur Eine Stimme war. Er führt die Wormser prematica penal (die Acht-
erklärung der Comuneros) an, welche Sandoval erst in das Jahr 1521 verlegt, während sie
schon Ende 1520 in Valladolid bekannt war, wenn sich auch daselbst nicht die drei
Vicekönige befanden, wie Argensola p. 1117 angibt. Mit dieser langen Achtserklärung
p. 1118 — 1128 schliesst Argensola seine primera parte de los anales de Ai'agon, von
welchen, was ihre Behandlungsweise betrifft, mit Recht auf das Urtheil hingewiesen
werden mag, das schon Don Antonio de Solls in der historia de la conquista de Mejico
I. c. 2, aussprach.
14. Joannis Genesii Sepulvedae de rebus gestis Caroli V Imperatoris libri XV.
(Oper I.) Madrid 1780. 4^
lieber den liohen Werth der Geschichte K. Karls von Sepulveda ist nur Eine
Stimme vorhanden. Er spricht sich über die von ihm benützten Quellen in dem Briefe
an Jakob Neyla ausfühidich aus. Er erwähnt, Antonio de Eonseca habe ihm selbst
gesagt, wie er seinen Truppen verboten habe, Medina del Campo anzuzünden. In der
Erzälilung legt er besonderen Werth auf die Absonderung Andalusiens und Estremaduras,
das durch die Streitigkeiten der (Jhaves und Vargas gespalten war, von dem Aufstande,
erzählt letzteren beredt, aber ohne tiefer einzugehen und die eigentlich controversen Punkte
aufzuhellen. Er bespricht die Kämpfe mit dem Grafen von Salvatierra sehr ausfülirlich,
ebenso den Einfall der Franzosen in Navarra auf Betrieb der Witwe Padilla's und des
Bischofs von Zamora (p. 102). Den Sieg von Noain schreibt er der Tapfei'keit des
Almirante zu, während der Herzog von Najera schon sich zurückgezogen hatte. Zuletzt
werden noch die Kämpfe um Toledo erzählt, alles in dem Sinne, dass die T baten der
Königlichen besonders hervorgehoben und des Aufstandes und seiner Bedeutung ver-
hältnissmässig wenig gedacht wird. Dona Maria lässt er als Bäuerin verkleidet auf
einem Maulthier entrinnen. Er widmet ihr weder Lob noch Nachruf, verhält sich über-
haupt unendlich kühl, man möchte sagen zugeknöpft gegen das ganze denkwürdige
Ereigniss.
15. Alfonso Ulloa vita dell invittissimo Imp. Carlo V. In Yenezia 1G62. 4".
Ein Muster von Ungenauigkeit und oberflächlicher Darstellung in Betreff des Auf-
standes der Communen. Ulloa lässt K. Karl in Portugal in Yiscaya (1520) abreisen, den
ganzen königlichen Rath und die Königin in Valladolid gefangen genommen werden,
Doiia Maria wird mit ihrem Gemal in Villalar enthauptet, die Franzosen werden am
24. August 1521 (statt 30. Juni) geschlagen u. a. m. Ulloa kennt Briefe des Almirante,
stützt sich auf Antonio de Guevara, ohne dessen Fehler zu kennen, verwechselt Medina
de Rio seco mit Medina del Campo und lässt den Almirante von da ausziehen und
Tordesillas nehmen, als wäre er der Obercommandant gewesen. Beinahe jede angeführte
Thatsaclie ein grober Fehler. Für die Geschichte der Conumidades ist Ulloa gei^adezu
unbrauchbar.
16. Decadencia de Espana. Primera parte. Historia del levantamiento de
las comunidades de Castilla. 1520 — 1521. Por Don Antonio Ferrer del Rio.
Madrid 1850.
Das sehr glänzend und mit grossem rhetorischen Feuer geschriebene Werk des
gelehrten individuo de las reales Academias de buenas letras de Sevilla y Barcelona
318 Höfler.
sollte eigentlich luii- riu ^ orläufer der Lebensgeschiclite des grossen K. Karls III. sein,
die aber, eine Yerherrliclmng des bonrbonisclien Königtlnims, selbst erst nach dem Tode
des A'ertassers zu erscheinen bestimmt war. Ferrer stützt sich auf Pedi'o Mejia, der
damals noch nicht gedruckt war, auf die seit 1840 in spanischer Uebersetzung' heraus-
gekommene Schrift Juan Maldonado's de motu Hispaniae vel de communitatibus Ilispaniae,
deren historischen Werth jedoch Ferrer zu wenig analysirt; auf des Cordobaners Gonzalo
de Ayoi-a, relacion de todo lo sucedido en las comunidades de Castilla y otros reinos,
ein nicht näher bekanntes Werk eines Zeitgenossen, von welchem wir erfahren, dass
Gonzalo im Rathe sass, als es sich um das Schicksal Segovias handelte, und er für
mildere Massregeln stimmte, was sich doch wohl darauf bezog, als der strenge Alcalde
ßonquillo 1520 gegen Segovia abgeschickt wurde; auf den uiis wohl bekannten Pedro
de Alcocer, von Avelchem er urtheilt, es muy bueno que se le consulte y muy insuficiente
para que se le siga ä la letra; auf die epistolas familiäres del fray Antonio de Guevara
(Bischof von Mondonedo)^ und die dazu gehörigen cartas censorias del lector Pedro
ßhua (1Ö49, Burgos); auf die ungedruckten cartas y advertencias del almirante Don
Fadrique Enriquez al emperador de Alemania, von Avelchen ich vermuthe, dass sie
dieselben sind, welche handschriftlich vor mir liegen ; auf Don Pedro Fernandez del
Pulgar, teatro clerical y apostolico de las iglesias de Espana ; auf Don Antonio Cabezudo,
antiquidades de Simancas, in welchem sich Notizen fanden, die sonst überall fehlten;
auf fray Prudencio de Sandoval, Bischof von Pamplona, in seinem Leben K. Karls V.,
wobei Ferrer bemerkt, Sandoval stütze sich auf Ortiz, Guevara und Ayora ohne letzteren
zu nennen und folge Meja wirklich nach. Ist der Ausdruck: intercala integres muchos
y muy notables documentos so zu verstehen, dass die von Sandoval eingeflochtenen
Urkunden in ihrer IntegTität mitffetheilt seien, so ist das nachweisbar irriof. Endlich
führt Ferrer noch Diego de Colmenares, historia de la insigne ciudad de Segovia,
Francisco Cascales, discursos historicos de Murcia y su reino, Fernando Pecha, historia
de Guadalajara, und die Ordensgeschichte fray Alonso'S de Castilla vom Predigerorden,
fray Antonio Dazas vom Franciscaner-Orden an. Selbstverständlich sind die documentos
ineditos von Salva, Bravo und Navarete nicht umgangen.
Was nun die Behandlungsweise des Gegenstandes betritft, so ist zwar Fei-rer von
der Unumstösslichkeit seiner Behauptungen (p. XX^I) vollkommen überzeugt; ich jedoch
vom Gegentheilc. Für ihn ist die Zeit Ferdinands V. und der Königin Isabel das
goldene Zeitalter Spaniens, wobei er freilich mit der Einführung der Inquisition etwas
ins Gedränge kommt; denn diese passt doch schlecht zum goldenen Zeitalter. Allein
die Zeit K. Karls muss nun einmal seiner festen Ueberzeugung nach der Anfang und
Ausgangspunkt der decadencia de Espana sein und das genügt. Er sielit in der Auf-
stellung eines Bürgerheeres durch den Cardinal Cisneros (Xlmenes) die Bürgschaft des
Besserwerdens und feiert diese Einrichtung, welche doch nach dem Tode I'erdinands V.
stattfand, mit wahrhafter Ueberschwenglichkelt. Sie scheiterte an dem zähen Festhalten
iler Städte an ihren alten Grewohnhelten. Die Massregel erreichte ihren Zweck nicht
und zwar unabhängig von Karl V., der wohl dafür auch verantwortlich sein soll. Schlechte
ßathgeber verleiten Karl, nach dem Tode seines Grossvaters Ferdinand, den königlichen
' Vi'ii QuevL'do: Movimiento de Espana.
2 Edicion de Valladolid 154P.
ZuB Kritik und Quellenkunde der Ersten Regieeungsjahre K. Karls V. 319
Titel anzunehmen. Die malos consejos bestanden in der Anerkennung Karls als Könio-
durch seinen Grossvater Maximilian und Papst Leo X., die beiden Häupter der Christenheit.
Die beiden Herren, welche zur Vertretung der Interessen Karls nach Castillien geschickt
wurden, waren la Chau — in Wirklichkeit de la Chaux, und Amerstorff — Armerstorf.
Aus Utrecht ist Utrech gemacht.
Die so interessanten Verhandlungen der Granden in Madrid 1516, über die Aner-
kennung Karls als König, welche Gomez ausführlich gibt, werden nur ganz im Allge-
meinen besprochen. Kurze Zeit, nachdem Ximenes das Enthebungsschreiben erhalten,
sei er gestorben. Das Schreiben ist vom 7. November, der Tod erfolgte am 8. November.
Es ist sicher gestellt, dass es nicht in die Hände des Sterbenden kam, dessen Regent-
schaft übrigens mit der Ankunft des Königs von selbst aufliörte. Doch Ferrer durfte
die schöne Gelegenheit von dem publico testimonio de la ingratitud mas fria, perfida
y degradante Karls nicht unbenutzt vei'streichen lassen.
Natürlich ist bei der Versammlung der Cortes zu Valladolid D. Zumel, Procurator
von Burgos und Haupt der Opposition der städtischen Procuratoren, Gegenstand besonderer
Vorliebe für Ferrer. Allein die Opposition machte denn doch insoferne Fiasco, als
.sie gegen die Person des Herrn von Chievres gerichtet war, der als Ausländer Spanien
und den König beherrschte. Das zweite Capitel: Espana bajo la dominacion flamenca,
schrumpft sehr zusammen, da sich herausstellte, dass Chievres, wenn auch nicht Spanier
von Geburt, doch tUirch Naturalisation und zwar seit langer Zeit war. Darauf war die
Opposition nicht gefasst. Der Geschichtschreiber aber hat nicht die Parteianschauungen
der einen Partei sich anzueignen, wie es Ferrer machte, sondern auch die Stellung des
Königs zu würdigen, der seine Autorität zu wahren suchte. Uebrigens fand das Auf-
treten Zumels auch unter den Procuratoren durchaus nicht unbedingten Beifall und ist
es sehr bezeichnend, dass der Führer der Opposition der Procuratoren, so lange es galt,
den König zu vermögen, die Rechte Castilliens zu beschwören, sicli, als der Aufstand
der Comunidades ausbrach, auf Seite des Königs stellte.
\Yenn aber irgend etwas die parteiische Auffassung Ferrer's zu eharacterisiren ver-
mag, so ist es die Darstellung der Erhebung Karls zur Kaiservvürde. Nombrado, heisst
es, Don Carlos emperador de Alemanda por influjo del sabio }' virtuose Marques de
Brandenburgo! Bei einer derartigen Verkehrung der Thatsachen ist es nur mehr ein
Act der Selbstüberwindung, dem Verfasser nachzufolgen, der in der Erlangung des
Kaiserthums nur einen Act der Ambition Karls erblickt, welcher dadurch Herr eines
sehr ausgedehnten Territoriums wurde und Spanien auf den traurigen Rang einer
tributären Provinz herabdrückt.
Warum haben dann die Spanier ihrem Könige die Hand geboten, Kaiser zu werden?
Aber solche Dinge übergeht Ferrer del Rio. Seine xVuffassung ist ja unwiderleglich.
Allein es wird denn doch erlaubt sein, zu fragen , nachdem Ferrer so wenig A\"erth
darauf zu legen scheint, dass jetzt erst, nicht unter den katholischen Königen ganz
Spanien vereinigt war, was wäre denn wohl aus Spanien gewoi'den, wenn Karl V. nicht
Kaiser, sondern statt seiner es König Franz von Frankreich oder König Heinrich VIII.
von England geworden wären? Glaubt man denn, K. Karl hätte ruhig in Spanien sitzen
und der Entwicklung der Dinge von Saragossa oder Toledo aus zusehen können? Navarra
und die Niederlande wären von den Franzosen nicht angegriffen worden? K. Franz
hätte im Besitze von Mailand die Pland nicht nach Neapel ausgestreckt, hätte im Innern
320 HöFLiai.
Spaniens, das denn doch aus einem Conglonierate von Gegensätzen bestand, keine Partei
gefunden, welclie sieh an ihn angeselalossen hätte? Aragonesen und Castillianer, welche
schon in Saragossa aneinander geriethen, hätten sieh dann die TIand geboten. Valencianer
wären nicht aufgestanden und Spanien, das durch Navarra Frankreich bedrohte, durch
Neapel, die Niederlande und liurgund mit den Geschicken Mitteleuropas, durch die
österreichischen Länder mit Osteuropa zusammenhing, hätte ruhig zusehen können, wie
Eno-land seine Herrschaft über den Continent, Frankreich über Deutschland und Italien
ausbreitete, um dann mit voller Kraft über Spanien herzufallen. Ferrer befindet sich
mit seinen Declamationen in einer ähnlichen Lage, wie jene deutschen Geschichtsclireiber,
welche o-lauben, welch' gewaltige Politiker sie sind, wenn sie unsere grossen Kaiser schul-
meistern, weil sie den Sattel auf die Alpen gelegt, das Kaiserthum errangen und Italien
mit Deutschland verbanden, nur dass Ferrer seine Unvernunft allein trägt, die historische
Sopliistik der deutschen Geschichtschreiber aber an dem Bürgerkriege des Jahres 186G
die Mitschuld trägt. Die Vorgänge in Valladolid , das den König mit Gewalt zurück-
halten wollte, werden nur im Sinne der Aufständischen besprochen-, dass Karl, nachdem
er von den Aragonesen und Cataloniern über Gebülir aufgehalten, nicht nach Valencia
o-eo-angen war, dort die Huldigung zu empfangen, nun auch nicht von Villalpando nach
Toledo gehen konnte, er so viel an ihm war, seine Abreise nach Deutschland beschleunigen
musste wo der grösste Aufruhr gährte, war begreiflich, nur nicht für Ferrer del Rio.
Ueber die Darstellung der Cortesversammlung zu San Jago und la Coruna wird bei la
Fuente die Eede sein. Ferrer entlässt den Kaiser aus Spanien mit einer Philippica
über seinen masslosen Ehrgeiz und mit der Behauptung, dass die Spanier ein Recht
hatten, ilin zurückzuhalten. Sie unterstützten ihn mit aller Kraft, das Kaiserthum zu
erlano-en: sie hatten daher ein Recht! Alles aufzubieten, dass er es so rasch als möglich
verliere, das ist die Argumentation Ferrer's.
Der Ausbruch des Aufstandes der castillianischen Städte wird sehr ausführlich
beschrieben, leider aber das Datum weggelassen, was doch für die Sicherstellung der
chronologischen Folge unumgänglich nothwendig ist. Man erlangt keine Uebersicht,
in welcher Art Juni und Juli 1520 verflossen, sondern plötzlich steht man vor Medina
del Campo und seiner Katastrophe am 22. August, der Brand dieser Stadt gibt Ferrer
wieder Gelegenheit zu unsinnigen Declamationen. Als Antonio de Fonseca mit den
königlichen Truppen die Medinesen angrifl', aber die Strassen verbarrikadirt fand und
lum sieh in einen harten Strassenkamj^f verwickelt fand, griffen seine Soldaten zu dem
o-ewöhnlichen Mittel der Stürmenden, wie es später bei der Einnahme von Tordesillas
geschah, in Magdeburg und Bazeilles und in Tausenden von Orten, sie legten Feuer an.
Niemand löschte, aber bei der Masse von brennbaren Stoffen, die in den Magazinen
waren, griff' das Feuer unaufhaltsam um sieli und nun geht es wie gewöhnlich in solchen
Dingen. Nach Rodrigo Mendez Silva brannten 200 Häuser ab, nach dem Arcediano
del Alcor 500, nach Juan Lopez Osorio in seiner Geschichte Medina del Campo's 900.
Natürlich ist Fonseca Kain H. Meiner Ueberzeugung nach wäre es besser gewesen,
wenn Ferrer untersucht hätte, ob das von ihm S. 358 mitgetheilte Schreiben der Capitäne
Juan de Padilla, Juan Zapata, Juan Bravo von Martin Munoz de las Posadas wirklich vom
25. Auo-ust war. Da Juan de l'adllla sich um 24. in den Besitz von Tordesillas setzte'
Schreiben des Cardiiiiils bei Bers'enroth, Calenclar, pag. 20
ZuB Kritik und Quellenkunde dek Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 321
und dort blieb/ ist es doch unmöglich, dass er am 26. Arevalo eine Stunde rechts liegen
liess — wo Fonseca stand — um nach Medina zu ziehen. Der Brief ist datirt vom 23.
Die Eröffnung der santa Junta von Avila, die Einnahme von Tordesillas , das Benehmen
der Königin sind so dramatisch dargestellt als möglich. Aber es wurde verschwiegen,
dass Diener der Königin die Junta aufforderten, den Ueberfall von Tordesillas zu wagen
und dass das Gerücht ausgestreut war, die Königin sei gesund und wider ihren Willen
in Haft gehalten. Da fehlen Ferrer die wichtigen Documente, welche Bergenroth
bekannt machte, von denen er aber selbst einen historisch nicht zu rechtfertigenden
Gebrauch machte. Mit Recht tadelt Ferrer den Don Juan de Padilla, dass er wohl die
Räthe des Consejo wegschleppte, aber nicht Simancas nahm, das mit seiner festen Lage
an dem Pisuerga erst die strategische Verbindung Valladolids mit Tordesillas und
Zamora gewährte. Man kanii sagen im Besitze Simancas wäre die Schlacht von Villalar
unnöthig gewesen, — dass aber Zapata sich verkleidete und Valladolid rettete, ist doch
wohl unrichtig, da er bei dem Cardinalgobernador aushielt und diesem später zur
Fhicht behülflich war. Auch wurden nicht zwei, sondern drei Deputirte nach Deutschland
geschickt, Karl V. das Memorial der heiligen Junta zu übergeben. Die wichtigen
Zwischenfälle von der Begründung der dreifachen Regentschaft bis zur Ansammlung
des Heeres der Granden, wie die Gefangenschaft Adrians in Valladolid und seine Flucht
nach Rio seco werden von Ferrer sehr kurz behandelt. Dann heisst es, der Cardinal-
gobernador sei eine venerable nullidad en los negocios de Castilla gewesen, nur der
Condestable und der Almiran te hätten gehandelt. Letzterer aber hatte in Rio seco noch
nicht einmal die Stelle eines Gobernadors übernommen. Ferrer gibt selbst zu, dass die
Reise Padillas nach Toledo, als statt seiner Don Pedro Giron Generalcapitän wurde, die
Krankheit der Dona Maria Pacheco nur zum Vorwande nahm; die Entfernung der tole-
danischen Truppen in diesem Augenblicke und der Mangel an Einigkeit unter den
Führern war aber der grösste Fehler, den man begehen konnte.
Ferrer legt nun sehr grossen Werth auf die Unterhandlungen, welche im Auftrage
der Gobernadoren der Franeiscaner Guevai-a in Villabraxima mit den Granden der Junta
führte. Allein von Aufträgen der Gobernadoren war hier keine Rede. Der Almirante
war noch an demselben Tage, an welcliem er nach Rio seco gekommen war, nach Torre
de Lobaton, drei Stunden von Tordesillas, gegangen und soll nun, ohne die Regentschaft
bedingungslos übernommen zu haben, durch Guevara Anerbietungen gemacht haben, die
weit über die Capitulos von Burgos des Condestable hinausgingen. Ferrer theilt sie
dem "Wesen nach mit (S. 145). Es handelte sich aber, wie der Cardinal dem Kaiser
schrieb, wesentlich um Einstellung der Feindseligkeiten durch Entlassung der beider-
seitigen Heere und der Almirante war auch hierauf eingegangen •, tlie Unterhandlungen
wurden durch den Bischof von Zamora abgebrochen und der Unterhändler mit dem
Bedeuten fortgeschickt, er möge sich nicht mehr bei dem Heere der Junta blicken
lassen. Der Pater, welcher somit sieben Mal umsonst nach Villabraxima gegangen war
und doch etwas ausgerichtet haben wollte, erzählt dann : Don Pedro Giron saliö ä mi
al Camino cuando me tomaba y alli platicamos tales y tan delicadas cosas que de nuestra
platica resulto que el resistiese el campo hacia Villalpando y que los gobernadores
marchasen hacia Tordesillas.
I Er war am I. September das Haupt der Ovalion, welche mau der Königin in Tordesillas brachte. 1. c. pa<j. 'il'd.
Denkschrillen der pliil.-liist. Cl. XXV. Bd. 4t
39 0 Höfler.
Aus (Irn später folgenden Erörtei-ungen in Betreff (jriievai'a's wird hervorgelien, wie
ungenau diese Mittheilungen sind, wie unmüglicli sie in die von Ferrer angenommene
Zeit einzurahmen sind. Was aber die Unterhandlungen Don Antonio's mit Don Pedro
Gii'on betrifft, so halte ich sie aus Gründen, die ich an einen andern Orte auseinander-
setzte, i'üi- eine mönchische Aufschneiderei, der alle innere Begründung ermangelt, auf
die aber Ferrer den grössten Werth legt.
Wir sind nun gerade über die Vorgänge, welche dem Sturme auf Tordesillas
zunächst vorausgingen, durch unsere Materialien auf das Genaueste unteri-ichtet und
wissen, dass Beschluss und Ausführung beinahe identisch waren ; wir wissen aus Mejia,
dass der Zug Don Pedro Giron's nach dem seitwärts gelegenen Villalpando mit voller
Zustimmung sämmtlioher Häupter des Juntaheeres stattfand und nicht einseitig durch
,den Yerräther' Giron angeordnet wurde ; dass ferner derselbe ganz im Geiste der im
Juntaheere herrschenden Politik geschah, nämlich die Granden durch Verwüstung ihrer
Ländereien zu zwingen, sich an die Junta anzuschliessen ; daher der Zug nach ßio seco,
das dem Almirante gehörte, daher der Zug nach Villalpando, das dem Condestable
o-eliorte und dass diese Politik ihre guten Gründe hatte, geht daraus hei-vor, dass die
Granden auf dem Punkte standen, es so zu machen, wie es die Griechen bei Salamis
ohne Themistoklcs gethan hätten, auseinander zu gehen, um ihre Ländereien von ihren
Castellen aus zu vertheidigen. Es ist von Ferrer lächerlich, Don Pedro Giron einen
Vorwurf daraus zu machen, dass er sein Volk im Angesichte der rauhen Jahreszeit nicht
in Rio seco, das er gar nicht gewinnen konnte, überwintern lassen w^ollte, sondern in dem
reichen Villalpando, auf feindlichen Boden, in der Besitzung eines der Gobernadoren,
dem dadurch der empfindlichste Schaden erwuclis. Man nimmt aber eine wohlver-
wahrte Stadt — und das war ßio seco, wohl auf dem Papier sehr leicht, aber nicht
in \^'irklichkeit. Man kann selbst Giron nicht einmal den Vorwurf machen, dass er die
drei Ortschaften, von wo aus er Rio seco angegriffen hatte, während er westlich
abschwenkte, blos gestellt habe. Villagarcia z. B. masste erst von dem königlichen
Heere erstürmt werden. Selbst Sandoval hat von diesen Vorgängen keine richtige
Anschauung, wie Ferrer richtig nachwies, diesem aber blieb unbekannt, dass der Graf
von Haro, der Generalcapitän der Königlichen, schon in Rio seco zum Heere stiess.
Er nahm Villagarcia. Ferrer lässt ihn dann Tordesillas am punto mas facil angreifen;
gerade das Entgegengesetzte geschah. Tordesillas wurde von der geistlichen Garde des
Bischofs von Zamora vertheidigt, die wie Ferrer uns sagt, wie embravecidos leones
fochten. Einer schoss eilf königliche Soldaten todt. Zu seinem besonderen Vergnügen
schlägt jetzt auch noch gegen Ende des 6. Capitels Ferrer den Don Pedro Giron, den
vil magnate, den traidor d todos moralisch todt, ohne jedoch einen anderen Beweis dafür
aufstellen zu können, als dass sein Abschwenken nach Villalpando die Strasse nach
Tordesillas frei liess. Ich wiederhole, hätte Juan de Padilla solange er Generalcapitän war,
das wichtige Simancas genommen, so würde der Zug nach Tordesillas zur Unmöglichkeit
geworden sein. Nun lässt zwar Ferrer den Bischof von Zamora und Don Pedro Giron
vor Rio seco recht schön herumgaloppiren, macht dem Verräther grosse Vorwürfe, dass
er nicht auch versuchte, jetzt Rio seco durch einen Handstreich wegzunehmen; allein
er vergass oder weiss nicht, dass das Heer aus schlechter Lifanterie bestand, der Kern
in Tordesillas lag und jetzt sich rächte, dass die Städte den Bemühungen Jimenes, ein
Bürgerheer zu schaffen, Widerstand geleistet hatten und Juan de Padilla abgezogen war.
ZuK Kritik und Quellenkünde dek Ersten Regierungsjahre K. Kakls V. 323
Das Heer der Junta war eben nicht feldtüchtig, durch den Verlust von Tordesillas
demoralisirt, konnte man es zu keinem neuen Wagniss führen. Es hatte in Villalpando
geplündert, den Bauern alle ihre Plabe abgenommen. Ein solches Heer kann man nicht
zum Sturme führen, am wenigsten wenn man befürchten muss, dass ein sieo-reiches
wohl disciplinirtes von Tordesillas aus in den Rücken falle. Das ganze Capitel: traicion
de Don Pedro Giron ist verfehlt; die Auffassung ganz und gar irrig.
Man darf aber nicht übersehen, dass, wenn Don Pedro Giron kein Verräther war
Don Juan de Padilla auch nicht Castillien vom Verrathe retten konnte. Der künstliche
Oberbau der Grösse Padilla's fällt zusammen, sobald der Unterbau sich als morsch und
schadhaft erweist. Da die Granden sich zerstreut und nach Hause gegano-en waren
hatte die Junta Zeit sich zu organisiren. Jetzt erfolgten die Unterhandlungen, welche
Ferrer sehr ausführlich beschreibt, auf welche aber der Cardinalgobernador sehr wenig
Werth legte, da sie die Unternehmungen nur lähmten. Hierauf die Eroberung von
Torre de Lobaton durch Don Juan de Padilla, die einzige Kriegsthat des Helden der Junta
welcher, nachdem ihn der neue Luther, der Bischof von Zamora verlassen, wie ver-
zaubert in Unthätigkeit dasteht. Den Grund freilich kennen wir aus dem tratado. Der
Held Castilliens wartete auf den Einbruch der Franzosen, Dann wendet sich die Er-
zählung den Fahrten Don Antonio de Acufia's zu, leider ohne durch chronologische
Daten Sicherheit in Betreff der Aufeinanderfolge der Ereignisse zu geben. Hiebei
ergeht sich Ferrer in Lob über das humane Benehmen der Comuneros gegen ihre
Gefangenen und beruft sich dabei auf die Behandlung, welche Don Tello, einer der
königlichen Räthe, erlitten. Aber alle Berichte, welche wir darüber haben, sprechen
sich über die grosse Härte und Misshandlung aus, deren Gegenstand Don Tello war.
Dem Bischof von Zamora zu Liebe muss die göttliche Vorsehung unmittell)ar einschreiten,
um seine Gegner wegen Treubruchs zu züchtigen. Der innere Krieg nahm an Heftigkeit
zu; auch in Toledo schritt man zur Zerstörung der Häuser der Gegenpartei. Don Juan
de Padilla aber wird jetzt in seiner Rathlosigkeit zu Torre de Lobaton mit Hannibal in
Capua verglichen. Dann werden wohl die Gefechte um Palacios de Meneses ausführlich
erzählt, aber der grösste Fehler Padilla's, die Vereinigung der beiden Grandenheere in
Peuaflor nicht zu hindern, wird nicht gerügt, wohl aber gesagt, die drei Gobernadoren
seien in Penaflor zusammengekommen, während doch Adrian in Tordesillas zurückblieb.
Das Uebrige gestaltet sich zu einer Art von historischen Hymnus auf Dona Maria
de Pacheco, den Mann ihres Gemals, wie sie Petrus de Angleria nennt. Dass nach der
Schlacht von Villalar ihr Widerstand sinnlos war und nur den Franzosen einen Vorschub
leistete, dass sich die Toledanerin in ihrer Gewaltherrschaft auf GOO Fremde stützte, die
Stadt verarmte, eine Seuche die Bevölkerung decimirte, Doila Maria Geld zum Aufstande
von der Kathedrale erpresste, ihr eigener Oheim, der Marques von Villena, so wenig wie
ihr Schwager etwas von ihr wissen wollten, sie die Brüder Aquirres ohne Process hin-
richten Hess, raubt ihrem Heiligenschein keine Strahlen. Karl ist nur Karl von Gent
der Tyrann, sie die Märtyrerin.
Da ist es unnöthig ein AVort noch zu verlieren.
17. Historia de Avila, su provincia y opispado por Don Juan Martin Carramolino
de la academia de ciencias morales y politicas. Madrid 1872 — 1873, 3 Bde.
Carramolino stützt sich in seiner Darstellung des Aufstandes der Comuneros auf
Sandoval, Guevara, Ferrer und la Fuente. Er benützt wohl Colmenares historia de
41*
[524
HöFLEli.
Seo-ovia, jedooli mir voiiil)erg-ehen(i, den Geschiclitschrciber von Avilu r.uis Ariz sowie
einige Originalbriefe, welclie sich auf die Absendung des Vazquez Davila und Sancho
Sanchoz Zimbron nach Worms zu K. Karl 1520 bezogen, ohne jedoch dieselben mitzu-
theilen. Er erwähnt nur, dass K. Karl sich ausdrückt, Zimbron habe ihm in der Junta
von Tordesillas eher gute als schlechte Dienste geleistet (antes le sirviö que le disirviö)
111. p. 152. Da die Gobernadoreii in der Junta ihre Parteigcänger hatten, die ihnen
im Geheim dort gute Dienste leisteten, scheint der Avilese zu diesen gehört zu liaben.
Er hoffte wohl auch in Worms selbst dafür prompte Bezahlung zu erlangen und unterzog
sich deshalb der Mühe der Gesandtschaft, die ihm aber anfänglich theuer zu stehen kam.
Nach einer Nachricht hätte sie ihm ja selbst das Leben gekostet. Dass am 21. August
ßonquillo sich in Arevalo mit Fonseca verband, entnehmen wir den wenigen Andeu-
tungen, die Carramolino aus Colmenares schöpfte, S. 155; dass der Kaiser am 20. Juli
von Gent aus an Diego de Vera über die Niederlage der Franzosen in Navarra schrieb,
erzählt Luis Ariz S. 157.
Im Ganzen ist die Ausbeute aus Cai'ramolino sehr gering.
18. Anales o historia de Tortosa desde su fondacion hasta nuestros dias, por
I). Daniel Fernandez y Domingo. Barcelona 1867.
Obwohl der A^erfasser sagt, er habe varios documentos ineditos benützt, so ist die
Ausbeute für diese Epoche beinahe auf Null zu setzen. Er beschränkt sich 8. 279 und
280 auf einige geringe Angaben über Adrian VI. Von seiner Wirksamkeit als Bischof
von Tortosa ist keine Meldung gegeben. Nur soviel erfährt man, dass nach dem Tode
des D. Fr. Luis Mercader, Karthäuser und Bischofs von Tortosa (seit 18. Jänner 1514),
gestorben im Juni 1516, das Capitel den Don Luis de Cardona wählte, zum letzten Male
aber das Wahlrecht übte, da der König im Einverständnisse mit dem Papst, Adrian ernannte.
19. Don Modesto Lafuente, de la i-eal academia de la historia, hat im XL Bande
seiner historia general de Espaüa, Madrid 1853, dem Aufstande der (.'omunidades
mehrere Capitel gewidmet. Er hat hiebei das Verdienst, die Protokolle der Cortes von
San Jago und la Coruna benützt zu haben, aus welchen er Parte IIL Hb. I, II Mehreres
mittheilt. Die eigentliclien Procuratoren von Toledo wollten nicht kommen, weil ihre
Vollmachten zu sehr beschränkt waren; die beiden anwesenden Agenten von Toledo,
Don Pedro Laso de la Vega und Don Alonso Sanchez boten aber Alles auf, jeden
Beschluss der Cortes zu verhindern. Don Pedro Maldonado Pimentel und Antonio
Fernandez, Procuratoren von Salamanca, wurden wegen mangelliafter Vollmachten zurück-
o-ewiesen und von ihnen ist auch in den Acten keine Rede mehr.
Am 31. März fand die feierliche Eröffnung der Cortes durch den König statt, für
welchen der Bischof von Badajoz Don Pedro Ruiz de la Mota das Wort ergriff', um ein
gleiches servicio wie in Valladolid und für gleiche Dauer zu veidangen. Dann sprach
auch der König und versicherte, er werde in drei Jahren wieder kommen und in dieser
Zeit keine Aemter an Ausländer geben. Der Procurator von Burgos, Garcia Ruiz de la
Mota, stimmte sogleich diesen Auseinandersetzungen bei. In der zweiten Sitzung erklärte
sich die Mehrzahl der Procuratoren .für den Antrag von Leon, dass, ehe der servicio
bewilligt würde, der König sich über das, was dem Lande zusage, aussprechen möge.
Der Grosskanzler Mercurins Gattinara berichtet dieses dem Könige, welcher noch spät
die Procuratoren auffordern liess, zuerst den servicio zu bewilligen, dann werde er bei
seinem königlichen AVort das ihm übergebene Memorial berücksichtigen. Nun blieben
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegierungsjahre K. Karls V. 325
wohl die meisten bei ihrer ersten Meinung, aber die von Cuenca und Segovia neigten
sich der königliclien Ansiclit zu. Am 3. April erklärt der Grosskanzler nochmal die
bestimmte Meinung des Königs, aber Leon, Cordoba, Irun, Toro, Zamora, Valladolid
und Madrid beharrten auf ihrer Meinung, so dass am 4. an sie die Fi-ao-e o-erichtet
wurde, ob sie den servieio bewilligen wollten oder nicht. Wie aber nun die A'otirung
ausfiel, gibt Lafuente nicht an, sondern nur, dass man daraus gesehen habe dass die
Regierung einige Persönlichkeiten gewonnen habe. Jetzt sei aber der Streit der Gali-
cianer um das Stimmrecht entstanden, der Erzbischof von San Jago hatte Ti'uppen
gesammelt, so dass man die Sitzungen bis zum 20. April suspendirte, worauf den Pro-
curatoren eröifnet wurde, der König habe sich entschlossen, weder Geld noch Pferde
aus dem Reiche zu nehmen. Fremden kein Amt zu geben, einen Mann seines vollen
Vertrauens zum Regenten zu machen und ehe er abreise, auf das Memoriale zu
antworten, jetzt sollten sie aber auch in Bezug auf den servieio mit Ja oder Nein
antworten. Jetzt sprachen sich Burgos, Cuenca, Avila, Irun, Soria, Sevilla, Guadala-
jara, Granada und Segovia für des Königs Begehren aus, während Leon, Cordoba
Zamora, Madrid, Murcia, Jaen, Valladolid und Toro dagegen stimmten. Die Procura-
toren von Valladolid setzten dann noch die Gründe und Bedingungen auseinander
unter welchen sie für dieses Mal dem Könige zustimmten. Dann erfolgte die Ver-
tagung der Cortes nach la Coruna, wo ihre Versammlung am 25. April eröffnet
wurde. Der Bischof von Badajoz führte an, dass der König dem consejo die Verwaltung
der Justiz an das Herz gelegt und den Cardinal zum Gobernador ernannt habe. Dagegen
protestirte Leon, während Segovia und andere zustimmten. Am 19. Mai erfolo-te die
Gewährung des servieio. Gl Petitionen, welche zum grossen Theile mit denen der Cortes
von Valladolid übereinstimmten, wurden dem Könige noch überreicht; von ihm viele
derselben bewilligt, was Lafuente gegen Ferrer del Rio bemerkt.
In dem weiteren Verlauf hebt Lafuente hervor, wie stark der Adel in der soo-e-
nannten heiligen Junta vertreten war, als die gemeinsame Regierungsbehörde der
Comunidades zu Avila begründet wurde, der die Fajardos, Ulloas, Maldonados und
Ayalas angehörten, womit übrigens die Anzahl von Männern des hohen Adels noch
lange nicht erschöpft ist. Genauer als Lafuente wissen wir aus den Briefen des Cardinal-
gobernador, welche Granden den Aufstand schürten, und aus Hortiz, was die Scheidung
zwischen dem Adel und den Comunidades hervorrief. Auch ihm ist der Held Don
Juan de Padilja, der Verräther Don Pedro Giron, welchen Fray Antonio de Guevara
auf die Seite des Königs gezogen habe. Vor ihm (Don Juan) muss der Prätendent des
Herzogthums Medina Sidonia, wie Don Pedro Laso entweichen und dann, als Juan de
Padilla allein dasteht, erfolgt durch seine Ungeschicldichkeit der völlige Untergang
seiner Sache!
Nach Lafuente, der hier die Worte Ferrer del Rio's wiederholt, war der Cardinal-
gobernador der leidige Niemand, während er in der Zeit der allgemeinen Auflösung
den einzigen Mittelpunkt bildete und den Sturm auf Tordesillas, 5. December 1520,
durchsetzt, welcher den Comunidades den ersten Schlag versetzte. Wenn ferner Lafuente
den Don Giron tadelt, dass dieser im November 1520 nicht Rio seco angriff, so vergisst auch
er, dass dieser Zufluchtsort der Regierung eine starke Besatzung hatte, Giron's Fussvolk
meist schlechtes Volk war und der Graf von Haro mit andern Granden im Anzüge
war, Rio seco zu Hülfe zu kommen. Selbst der von Lafuente so sehr getadelte Plan
326 Höfler.
Giron's ,, nach Vlllalpando auszubiegen uikI dort seinen Sitz aufzuschlagen, war trotz
seines üblen Erfolges im Sinne des Hauptplanes, die Granden durch Verwüstung ihrer
Güter zu zwingen, auf die Seite der Comunidades zu treten und stand offenbar mit dem
Plane der Junta in Verbindung die Königin nach Benavente zu deportiren. Nun wusste
man bereits am 28. November in ßio seco sehr wohl, dass sich nach dem Abzüge
Padilla's nur 200 Mann in Tordesillas befanden und richtete man darauf sein Auge.
Auch der Vorwurf, dass Padilla später Simancas nicht nahm, ist imgegründet; freilich
wäre der Besitz dieser starken Festung für ihn ungemein wichtig gewesen, allein man
hatte dafür gesorgt, dass er es nicht wie Torre Lobaton nehme. Ueberhaupt sind diese
Vorwürfe, warum ein Feldherr diesen oder jenen Schlag unterlassen, meist fehlgegriffen.
Je mehr sich das Heer der Granden durch Veteranen und Artillerie verstärkte, desto
mehr musste Padilla mit seinen zusammengerafften Bürgern auf der Hut sein. Ein Miss-
erfolg und er wurde so unpopulär als Don Pedro Giron. Bezeichnete man aber diesen
als Verräther der Volkssache, so ist doch sicher, dass die Häupter der Comunidades im
Frühlinge 1521 den Einbi-uch der Franzosen erwarteten, diese in aller Eile bis Logroflo
zogen, da aber war von einer Unterstützung durch die Comunidades keine ßede mehr.
Die Sache verhielt sich, als die Katastrophe herannahte, einfach so, entweder verhinderte
Padilla die Vereinigung des Condestable mit dem Grandenheere, warf er sich jenem
entgegen und schlug ihn nach ßurgos zurück, das dann abfiel, und reichte er (Juni)
den Franzosen die Hände, oder das vereinigte Heer der Gobernadoren verhinderte die
Vereinigung Juan's mit den übrigen Comuneros in Toro, erreichte ihn, ehe er selbst
Toro erreichte und vernichtete mit diesem Schlage den Aufstand. Bekannter Massen
erfolgte das Letztere am 23. April 1521.
Lafuente begeht grosses Unrecht von der hochverrätherischen Verbindung mit den
Franzosen zu schweigen. Er bringt auch die Briefe Padilla's an seine Gattin und die
Stadt Toledo. Sie sind entschieden unächt. Den ächten Gruss Juans an seine Gattin
enthält der tratado sowie Alcocer's; que ponga mejor re'caudo en el anima que a puesto
en el cuerpo. Das verträgt sich nicht mit dem Schwulst des Briefes.
Es ist noch immer viel Gemachtes an dieser Grösse und dem Martyrium Don Juan
de Padilla's und der Dona Maria de Pacheco.
Andererseits muss zur Ehre Lafuente's gesagt werden, dass er in jedem Bande
seiner ausführlichen Geschichte Spaniens Beweise grosser Detailkenntniss giebt und ein
höchst achtbares Talent historischer Composition besitzt. Dass er sich zu sehr im Ein-
zelnen auf Ferrer del Rio stützte, ist wahr. Konnte man aber von Lafuente verlangen,-
dass er noch grössere Detailkenntnisse beurkunde?
20. Storia documentata di Carlo V in correlazione d'Italia, del professor
Giuseppe Leva. Venezia 1864. 1, 2.
Leva beschränkt sich, wie schon der Titel zeigt, aus dem reichen Leben K. Karls
nur jene Ereignisse näher zu beleuchten, die sich auf Italien beziehen. Da ist denn
auch von ihm in Betreff des Aufstandes der Comunidades nichts Besonderes zu erwarten,
während er die italienischen Ereignisse mit grossem Fleisse behandelt. Er kommt wohl
im zweiten Bande S. 6!) auf die Griüidung der Junta zu sprechen, erörtert das Begehren
derselben in der Denkschrift vom 20. October 1520, jedoch sich auf Sandoval stützend;
er erwähnt irrig, dass die Gobernadoren iliren Sitz in Rio seco aufschlugen und tadelt
das Verfahren der Junta, bei welcher die Leidenschaft die Malmungen der Klugheit
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 327
"beseitigte. Irrig lässt er nach der Schlacht bei Villalar Dofia Maria de Pacheco den
Alcazar von Toledo vier Monate halten und dann sie nach Portugal entfliehen, was doch
erst im Februar 1522 geschah. Sehr interessant sind die Daten über Karls Veräusse-
rungen in den Königreichen Neapel und Sicilien (S. 76 n. 2), die die Kosten des castil-
lianischen Aufstandes bezahlen mussten, das baare Geld herbeizuschaffen hatten. Leva
ist von den chevaleresken Eigenschaften Padilla's eingenommen, geht aber in der Dar-
stellung spanischer Verhältnisse nicht über Sandoval hinaus.
21. Auch Alexander Henne bespricht in seinem gründlichen, wahrhaft ausgezeich-
neten Werke, Histoire du rhgne de Charles Quint en Belgique T. 1,2, vorüber-
gehend die einschlägigen spanischen Ereignisse. Henne's Werk, ein Muster von Fleiss
imd Gründlichkeit, zeigt in noch stärkerer Art, als wir dieses von den Spaniern wissen,
die Bedrückungen, welche sich die Niederländer von 1517 — 1520 in Spanien erlaubten und
die durch die Unzufriedenheit, die sie erzeugten, wesentlich zum nachherigen Aufstande
Veranlassung gaben. Aus den von ihm benützten Rechnungen geht hervor, dass selbst
K. Karls Kleider, während er in Spanien war, in den Niederlanden verfertigt wurden.
Nicht ganz kann man mit ilnn übereinstimmen, wenn er I. S. 345 den Tod des Herrn
von Chievres zu Worms am 28. Mai 1520 als ein ungeheures Unglück dai-stellt, da sich
Karl von diesem Augenblicke an in die politische Strömung warf und dadurch das
Glück seiner Staaten zerstörte. Vielleicht besser war zu sagen, dass Karl, von dem Todes-
tage Chievres an, sich mit beispiellosem Fleisse j)ersönlich der Leitung der auswärtigen
Angelegenheiten unterzog, die er bis dahin dem Herrn von Chievres überlassen. Sehr
interessant ist die Schilderung Mercurins von Gattinara, des neuen Kanzlers und Freundes
Peters von Angleria. Das Bild welches er im Jahre 1525 von K. Karl entwirft, zeigt
einen ganz hervorragenden Charakter; Karls Grösse bestand wahrlich nicht in der
ungeheuren Ausdehnung seiner Territorien. Auf die spanischen Verhältnisse geht Henne
nicht weiter ein.
22. Die verdienstvollen Werke Hefele's über Cardinal Ximenes' und Have-
mann's" über die spanischen Zustände im XVI. und XVII. Jahrhunderte gehören nur
in so ferne hieher, als sie das Interesse an spanischer Geschichte wesentlich förderten,
durch den H. Bischof von Hefele eigentlich erst die grossartige Persönlichkeit des
Cardinalregenten ,unser' wurde, Haveman's lehrreiche Schrift erst einen Einblick in
die Ursachen des Verfalls wie der Grösse Spaniens gestattete. Beiden Werken ist ihr
bleibendes Verdienst gesichert. Maur erb recher hat in seinen Studien und Skizzen der
Reformationszeit, Leipzig 1874, den castillianischen Aufstand nur flüchtig berührt.
Ein grosses Verdienst um die spanische Geschichte in der ersten Zeit Karls V.
erwarb sich Dr. Adolf Ebert (Quellenforschungen aus der Geschichte Spaniens. Cassel
1849) durch seine Geschichte der allgemeinen Bruderschaft (Germania) der Handwerker
Valencia's, dieses merkwürdigen Gegenstückes zur Geschichte des Aufstandes der Comu-
nidades, gleichzeitig und doch so ganz verscliieden. Es muss jedoch als ein Irrthum
bezeichnet werden, wenn Ebert sagte, dass beide Bewegungen nicht versucht hätten sich
zu vereinigen. Nicht bloss dass diese Gefahr sehr nahe lag, sondern es hat, wie nach-
gewiesen werden kann, nur die feste Haltung Andalusiens diese Vereinigung verhindert.
• Tübingen 1844.
^ Darstellungen aus der inneren Geschichte Spaniens im XV., XVI., XVII. Jahrhunderte. Göttingen ISfiO.
328 Ho FI. HR.
Avelche Karls Tliroii umzustürzen vcnnoclit liiitte. Giur/. Spanien wäre ohne die Oppo-
sition AndaliLsiens in den Sti-ndcl der Kcvolution hineingezogen worden.
Der apologetischen Schrift: Juana die \\'ahnsinmge, durch den der Wissenschaft zu
früh entrissenen Professor Rösler, kann nur in ehrender Weise gedacht werden. Er
wies die Unbegreiflichkeiten Bergenroth's in Betreff der Anwendung der Tortur auf die
Königin Juana und ihre vermeintliche Hinneigung zum Protestantismus als das zurück,
was sie sind, als Ti'äume. Dass der Marques von Denia es nicht verstand, die unglück-
liche Frau zu behandeln, dass Alles sich über ihn beschwerte, er selbst die Infantin
anschwärzte, der ganzen Hofhaltung bis in den Tod verhasst war, ist sicher und
in dieser Bezlelnmg geben Bergenroth's Actenstücke obwohl nicht vollständig, grosse
Aufsclilüsse. Dasjenige Moment aber, welches auf die Königin am schmerzlichsten ein-
wirken musste, das, als es als unabweisbare Thatsache eintrat, sie geistig und körperlich
vernichtete, war niclit die Hinneigung zur Reformation, sondern die Trennung von ihrer
Lieblingstochter der Infantin Catalina, als diese 1524 den König von Portugal, Don Jose
heiratete. Jetzt war sie erst vollkommen vereinsamt. Fremden preisgegeben, von ihrer
Familie wie ausgestossen imd musste die Krankheit sie machtlos überwältigen. Als
K. Karl die Infantin nur auf drei Tage von der Mutter entfernt hatte, gerieth die
Königin in einen Zustand, der den König vermochte auf seinen Plan, die Infantin zu
ihrer Schwester zu führen, Vei'zicht zu leisten. Seitdem fürchtete Juana stets von ihrer
niua getrennt zu werden und es war wirklich ganz teuflisch von der Junta, der Köniffin
vorzuspiegeln, dass Fonseca die Infantin entführen wollte, um dadurch Juana zur Unter-
schrift zu vermögen. Rechnet man aber die Drangsale des Bürgerlmeges, die steten
Drohungen, welchen Juana ausgesetzt war, die unablässige Furcht, von der Infantin
getrennt zu werden, die sie selbst, Weihnachten 1521, in der Kirche beschlich, und
endlicli die Avirkliche Trennung und die entsetzliche Einsamkeit und Verlassenheit,
welche nun in Tordesillas einzog, so braucht man keinen weiteren Erklärungsgrund für die
Thatsache, dass die Krankheit unheilbar wurde. j\Ian muss nur die Stärke des Körpers
bewundern, der das Alles so lange ertrug. Juanas Krankheit erklärt dann wieder die
Ivrankheitszufälle ihres Urenkels Don Carlos.
Nach diesem ist es niclit mehr nothwendig, auf A. von Winning's Johanna die
Wahnsinnige von Castillien (Ein historisches Problem. Nach den neuesten Forschungen
bearbeitet. Räumers historisches Taschenbuch Y. 4. 1874) näher einzugehen. Er über-
ging geradezu was mir als das Wichtigste erscheint, die Trennung von der Lieblings-
tochter. Auch ist es irrig, dass Juana ihre Tochter, Weihnachten 1522 (Winning S. 200)
vom Altai-e wegriss, in der Besorgniss man möchte ilir die Infantin wegnehmen ; es war
Weihnachten 1521. (Bergenroth, Suppl. p. 406). Der Brief Denia's, der dieses meldet,
ist wohl vom Jahre 1522, aber vom 25. Jänner dieses Jahres und berichtet über das,
was Weihnachten 1521 vorgefallen war.
Eine besondere Bemerkung verdienen hier noch Leopold von Ranke's Fürsten und
Völker von Südeuropa, und zur Kritik neuerer Geschichtschreiber (Leipzig
1824), nicht weil sie gerade über den Aufstand der Comuneros besondere Aufschlüsse
geben, wohl aber weil sie zuerst den Blick auf romanische Zustände lenkten und uns
leiirten, wie man Quellen zu behandeln habe. Es ist eine Pflicht der Dankbarkeit, an
beiden Werken nach mehr als 50 Jahren nicht mit Stillschweig-en vorüberzueehen.
m
ZuK Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjaiire K. Karls V. 329
23. Die letztere Schrift entliebt inicli aucli der Nothwendigkeit eines nähern Ein-
gehens auf Alonso Gomez (Castro de Toledo): de rebus gestis a Francisco Ximenio
Cisnerio libri VIII, auf welche seines zweckmässigen Inhaltes wegen, fortwährend alle
angewiesen sind, die die Geschichte Spaniens im Anfange des XVJ. Jahrliundertes
Studiren (Ranke zur Kritik S. 118). Strenge genommen gehört es so wenig hieher als
Flechier/ dessen Lebensgeschichte des Cardinalregenten docli wolil durch (his Werk
des Bischofs von Hefele für immer beseitigt ist. Was Don Vincente Arnao (elogio
]iistorico del Cardinal Don Fray Francisco Gimenez de Cisneros) schrieb , gehört
nur wenig hieher. Von Prescott's Geschichte der Regierung Ferdinands und Isabellas
dei- Katholischen von Spanien wird nachher nocli die Rede sein und ich bemerke hier
nur. dass die Spanier von beiden fürstlichen Personen als den katholischen Majestäten
sprechen und der Ausdruck Ferdinand der Katholische, welchen wir zu gebrauchen
pflegen, irrig ist. Der König von Spanien hiess el catolico und wie Antonio de Guevara uns in
einem eigenen Briefe : porque a los reyes de Castilla llaman agora catholicos (Antwerpner
Ausgabe p. 313) auseinandersetzt, gehört dieses Beiwort der Königin von Castillien als
solcher zu. Ein anderes elogio, de Dona Isabel por Don Diego Clemencin im
VIII. Bande der memorias de la Real Academia de historia wirft über die nationalökono-
misclien Verhältnisse Spaniens m-osses Licht. Niemand wird es ohne grosse Befriediffuno-
Studiren. Dasselbe muss von dem tratado de las monedas de Enrique IV. von Fr. Licinio
Sabez (Memorias VI) gesagt werden, der die grauenhafte Anarchie darstellt, aus
welcher sicli die bessern Zeiten der sogenannten katholischen Könige erhoben, die
aber den Folgen dieser unseligen Geldwirthschaft sich so wenig zu entziehen ver-
mochten als K. Karl V.
24.' Endlich muss hier noch jenes Werkes gedacht werden, das über die gleicii-
zeitige Geschichte Portugals und seines berühmten Königs Don Manuel so reichliclie
Aufschlüsse gewährt: Hieronymus Osorius Jiistoria de rebus Emmanuelis Lusi-
taniae regis (Coloniae lö81). Osorius berichtet geradezu, dass die aufständischen
Castillianer dem Könige von Portugal die Krone angeboten liätten, rerum suarum
omnium potestatem — ut regnum reeipere vellet. Die übrigen Geschichtschreiber
enthalten darüber so viel wie keine Daten. Sie übei-ffehen den delicaten Geo-enstand.
Argensola enthält das Schreiben der Junta vom 24. October 1520 (p. 1092—1101) ohne
diese bezeichnenden Ausdrücke. Wahrscheinlich hatte der Ueberbringer seine besonderen
Vollmachten, welche Osorio vor Augen schwebten.
25. Die neueste deutsche Schrift über Isabella von Castillien und Ferdinand von
Aragonien von Reinhold Baumstark, Freiburg 1874, macht, wie sie selbst sagt, keinen
Anspruch auf neue kritische Forschungen über das Thatsächliche des Stoftes, sondern
gibt nur geistige Durchdringung und Verarbeitung des Gegebenen. Sie gehört ilirem
Inhalte nach nur selir bedingt hieher, luit aber das Verdienst richtiger Zeichnung-
spanischer Verhältnisse, deren Schwierigkeit nur der zu begreifen vermag, welcher sich
damit beschäftigt. Sie stützt sich vor Allem auf Prescott's Geschiclite der Regierung-
Ferdinands und Isabellas der Katholischen von Spanien. (Deutsche Uebersetzung. Leipzig
1842. 2 Bde.) Das Werk, dessen Original 1837 erschien, zeichnet sich wie bekannt
dui'ch eine grössere Kenntniss der Quellen und des Stoffes aus, als von irgend einem
' Histoire de Card. Ximenes. Amstenl.am. "S. 16, 95. 2 Bde.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. ii
330 HöKLER,
auswärtigen Schriftsteller, wclclu-r über Spanien schrieb, gesagt werden kann. Soit
Prescott sind aber so viele Quellen erst eröttnet worden, dass eine Auseinandersetzung
in dieser Beziehung dringend geboten ersclieint. l"]s charakterisirt aber den Werth seiner
Forschung, wenn er Tl., 8. ."508 selbst gesteht, man könne sich kaum vorstellen, auf
welchen unsicheren Grundlagen der grössere Theil der Darstellung erbaut werden müsse.
Nirgends ist eine Sichtung der Quellen so dringend geboten als hier, und ob hiebel
den aus Petrus Martyr gezogenen Nachrichten als von luischätzbarem Werthe unbedingt
Glauben geschenkt werden darf, ist jedenfalls erst zu erweisen. — Die von Prescott
benützten handschriftlichen anales de Carbajal sind wohl die anales breves. Wie selir
ist zu bedauern, dass Prescott es nicht für nothwendig fand, sich über seine Quellen
auszusprechen!
Robertson, einst das einzige Werk, aus welchem man Belehrung über K. Karl ^ .
sich erholte, behandelt den Aufstand der Comuneros im dritten Buche seiner Geschichte
K. Karls V. Die Quellen, welche er benützte, gehen nicht viel über Sandoval oder
Petrus Martyr hinaus. Die Benützung selbst geschieht aber mit jenem historischen Tacte,
welcher der Geschichte K. Karls so lange einen wohlverdienten Ruf sicherte. Er kann
sich nicht entschliessen, in (jiron einen Verräther zu erblicken. Dass in Dona Maria de
Pacheco Ehrgeiz die Triebfeder ihrer Handlungen sei, ist ihm gleichfalls nicht ent-
o-ano-en. Er erzählt, wie sie durch Zauberspuk avif die Toledaner einzuwirken suchte,
während man sie selbst beschuldigte, dass sie den P^inwirkungen einer Negersclavin
keinen Widerstand leistete; dass sie die Franzosen nach Spanien, terief, was doch offener
Landesverrath war, gibt Robertson unbedingt zu. Ihr letztes Auftreten in Toledo sowie
ihre Flucht, nach Robertson' irrig am 10. Februar, wird nichts weniger als sachgetreu
mitgetheilt.
26. Böhmers Bibliotheca ^^'itil:■eniana, die Darstellung der spanischen Reformatoren
o-ehört nur in so ferne hieher, als sie mit dem Jahre 1520 beginnt. Für die Bewegung
der Jahre 1520 — 1522 bietet sie nichts, als die Begründung der Thatsache, dass in Spanien
für die lutherische Reformation kein Boden war. Wenn man aber strenggläubige Ka-
tholiken deshalb, weil ihre Werke später auf den Index gesetzt wurden, zu Reformatoren
im protestantischen Sinne des Wortes stempelt, Juan Yaldes und den Verfasser des
Büchleins de beneficio Ghristi dazu macht, so ist dies eine licentia poetica. welche der
Historiker zurückweisen muss. Mir ist diese Jagd nacli Reformatoren immer als etwas
Krankhaftes erschienen.
Dr. Heinrich Bauer's Hadrian VI. (Heidelberg 187(5) bietet in seiner Darstellung
des Aufstandes der Comuneros nur ein Gewebe von Irrthümern, so dass dieses Capitel
o-eradezu gestrichen werden muss. Das ganze Werk ist ungemein oberflächlich.
27. Llorente, Johann Anton, kritische Geschichte der spanischen In(|ui-
sition. Deutsch von Hock. 4 Bde. Schon Hefele hat in seinem Ximenes das Verdienst,
durch schlagende Beispiele nachgewiesen zu haben, wie wenig die kritische Geschichte
der spanischen Inquisition dieses Beinamens würdig ist. Gab Llorente die Anzahl der
im .Jahre 1481 Hingerichteten auf 2000 an, so machte Hefele S. 347 bemerkbar, dass
Llorente mit sich selbst im Widerspruche stehe. Prescott erklärte gleichfalls, man müsse
gegen die Verzeichnisse Llorente's gerechtes Misstrauen wegen der Leichtfertigkeit
' The Itlstnry of tlie roififii of t.lic Ktiii)er<ir Charles, Lih V. .
Zrii Kritik und Quellenkunde dek Ersten Regibrungsjahre K. Karls V. 331
liegen, mit der er auf die unwahrselieinliclisten Schätzimgeu bei anderen Gegenständen
eingegangen ist. Wie genau er es überhaupt mit Zahlen nahm, geht auch aus dem Um-
stände hervor, dass er selbst des Unterschiagens von 11 Millionen Realen beschuldigt
wurde. Hanke hat nicht minder ihn der Fälschung der Geschiclite der LKiuisitlou iibej--
wiesen, so dass ihn zu citiren bereits misslich geworden ist. Es darf uns auch nicht
wundern, wenn er die Wirksamkeit Adrians in der verkehrtesten Weise schildert. Da
heisst es zuerst, K. Karl habe den Cortes von (Castilllen) einen von dem Kanzler
Selvagio (Sauvage)' ausgearbeiteten Reformplan der Inquisition vorlegen wollen das
Gesetz sei aber nicht vollzogen worden, ,weil vor seiner Bekanntmachung der Kanzler
iu dem für seinen Sieg entscheidenden Augenblicke starb und der Cardinal Adrian in
]varls V. Ideen und Gesinnungen eine solche Aenderung bereitete, (hiss er aus ihm einen
leidenschaftlichen Beschützer der Inquisition machte, wie solches dieser Vorfall und andere
die ich in der Folge erzählen werde, beweisen'. I. S. 45o. Dieser Beweis ist aber von
i^lorente nicht geführt worden und somit die Beschuldigung Adrian's gänzlich müssig
und durch nichts gerechtfertigt. Was speciel die Cortes von Aragon betrifft, so wurden
von diesen 31 Artikel zur Reformation der Inquisition dem Könige vorgelegt und von
diesem die Berufung gegen einen Lupiisitor an den (ieneral-Inquisitor (Adrian) gestattet,
,i\er ganz nach Billigkeit sprechen werde-. (Llorente I. S. 4.^5.) Eben dieser führt
aber nun aus, dass Adrian ganz in die Wünsciie der Cortes von Aragon (und des Königs
[15"i0) eingegangen war und widerlegt dadurch seine eigene r>elianptung. Der Papst
bestätigte, was der König, die Cortes und der Cardinal-Grossinquisitor gewünscht
(1. December 1520) und K. Karl befahl dann am 2.S. Juiiiiar 1521 die Vollstreckuno-
der päpstlichen Bulle, durch welche die Missbräuche der Juipiisition abgescluifft werden
sollten. Es stellt sich somit aus Llorente's Ausführungen gerade das Eutgegeno-esetzte
von dem heraus, Avas er so keck behauptete. Und das soll ein Gewährsmann sein.
Nun Avar damals der Aufstand losgebrochen, der Bürgerkrieg wüthete, Adrian ver-
langte fort und foi-t seine Entlassung und da soll nun, während er selbst machtlos
dastand, seine Thätigkeit als Grossinquisitor sich entfaltet haben. Unter iiim, klagt der
neueste Biograph Adrians, Bauer, Llorente folgend, seien 20 — .'30.000 Unglückliche ver-
urtheilt, d. h. theils lebendig, theils im Bilde verbrannt, theils mit anderen Strafen
belegt Avorden. Doch kommen nachher Hr. Bauer Bedenken (Note S. 45) da die Zahlen
bei Llorente nicht stimmen. Nun kann man aber bei Adrian gar nicht fiinf Jahre
einer wirklichen Amtsthätigkeit rechnen, da er in Castillien erst 1518 Grossinquisitor
wurde, 1520 der Aufstand ausbrach, an welchem sich der castillianische Clerus so sehr
betheiligte, während der Cardinal die längste Zeit jeder äussern Macht, jeder Wirksamkeit
beraubt war, seit October 1521 aber sich jenes Amtes entschlug. Man kann wohl an-
nehmen, ilass die Inquisition von Sevilla, wohin der Aufstand nicht drang, und wo sclion
wegen Juden und Mauren (abgesehen von den grossen sittlichen Vergehen, die der
Gerichtsbarkeit der Inquisition verfielen, wie Sodomie, Unzucht und dergleichen) die
Inquisition viel zu thun hatte, von Innocenz VIII. bis 1524 unter Clemens VII. 1000
Personen dem Tode übergab, wie die von Llorente angeführte Inschrift sagt. Wollte
letzterer aber gründlich verfahren, so musste er die Zahl der Autos angeben und dabei
die Hauptkategorien der Verbrechen, die zur Bestrafung führten. Seine Combinationen
' Bauer, der diese aufrebliclie Tljatsaclip berichtet, macht nocli aus Sauvage: Sevaglio.
42*
332 ^'^"''''^'-•
Ix'i-uluMi iiuf willkiirliclHMi Ailditloiieu mul Multiplicatloiion iiinl liulx'ii kciiiou AVci-th.
Nui- wo Ijloi-ciitc Urkunden anliihi-t. mav; hkui ilini so weit tnuicu al.s der 'L'oxt derselben
sicher gestellt ist.
Das Verhältniss Ailiüans als Grossinquisitor /.u Iv. Karl und die Zwistigkeiten.
welelie stattfaiideu. als die J udenchristen (genus lioniinuni praeter eeteros opiljiis praestans
et ail coniponendas eas niire ingeniosum, miro (pK)([ue intcr se studio eohaerens, ita ut si
uinuiHiuenipIani laeseris omnes laesisse videaris) die Personen wissen wollten, die
ü-egen sie aussagten, hat übrigens schon Moringus (vita Hadriani VI. p. 47) ausoinaiulcr-
o-esetzt. Weit entfernt einen Einfluss auf Karl auszuüben, legte vielmehr Hadrian, als
er auf des Kaisei-s Begehren nicht eingehen konnte, sein Amt nieder und übersandte er
Karl das darüber ausgefertigte Instrument. Das war, als die Catalanen fortwährend den
Kaiser zu Concessionen drängten, die Karl, um nur nach Deutschland zu kommen, ein-
zugehen bereit war. Adrian, welchen Karl an Ximenes gewiesen hatte, dass dieser ihn
in das neue Amt einführe, handelte hiebei nur wie Cisneros gehandelt Jiatte luid Karl
überliess es ihm dann, nach bestem Wissen und GeAvissen zu verfahren. So Avenig hatte
abe]- dieses Verfahren auf Karl in Betreff seiner A^erfügungen übei- die Inquisition einen
domlulrcnden Einfluss. dass vielmehr erst nach diesem Ereignisse jene Unterhandlungen
mit l'a]ist Leo X. stattfanden. 1520. von welchen Llorente spricht. Charakteristisch für
des letzteren Wahrheitsliebe ist auch die Erzählung von der Hinrichtung des Bischofs
von Zamora. Avelche er in das Jahr 1521 verlegt. \\\e kann man sich da auch nur im
Mindesten auf dieses flüchtige Werk verlassen? Die Hinrichtung des Bischofs, nachdem
er den Commandanten von Simancas in ei)iem Befreiimgsversuche erstochen, er selbst von
ßonquillo in entsetzlicher Weise gefoltert Avorden Avar, ist eine in der spanischen
Geschichte so bekannte Thatsache. dass die Art und Weise, Avie sie Llorente behandelte.
o-euüP't, die Unzuverlässigkeit und den Unwerth seiner Forschung darzuthun. Er unter-
sucht niemals die Glaubwürdigkeit seiner Angaben, <lie er in einem Bündel zusammen-
häuft, um den Leser durch scheinbare Gelehrsamkeit zu "bestechen und durch die Masse.
die ihn erdrückt, dahin zu bringen, Alles für Avahr und erwiesen zu halten, was er ihm
als neu und lumnistösslicli vorhält.
C. Briefe und Urkundensammlungen.
1. Cartas del Cardeual Don Fray Francisco Jimenez de Cisneros dirigidas ä D. Diego
Lopez de xiyala. Publicadas de real orden por los catetraticos de la universitad central
Don Pascual Gayangos y Don Vincente de la Fuente, academicos de nümero de la real
Academia de la historia. Madrid 18(;T. Imprenta ilel colegio ile Sordo-Mutos y de
ciegos. Sau Matco 5.
129 Briefe vom 1. September 1508 bis zum 27. Octobcj- 1517 und zAvar 58 A^or 1516
und die übrigen 71 aus den beiden letzten Lebensjahren des Cardinais, als er nach dem
Tode K. Ferdinands V. Gobernador von Castillien geworden Avar. Diese sind von ganz
ausgezeichneter Bedeutung, wenigstens Avas die durch Ayala an das Cabinet Karls ^.
gehenden Memoriale und Sendschreiben betrifft. Die Sorge Jimenez', Karl die Nachfolge
zu sichern, die h]ingrift"e der Gi-anden in die Gerechtsame der Krone zurückzuweisen.
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 333
den König an die Spitze eines Heeres zu stellen, das nur ihm geliorclie und iinn nichts
koste, seine treue aufrichtige Sorgfalt für das Beste Castilliens treten im schönsten Lichte
hervor. Die Veröffentlichung dieser Briefe, welche offenbar Gomez in seinem Leben des
Cardinais kannte imd sorgfältig benützte, ist ein wahres Verdienst der beiden Gelehrten
und die Kenntniss ihres Inhaltes geradezu unentbehrlich zur richtigen Würdigung der
spanischen Verhältnisse in der Uebergangszeit von Ferdinanfl V. zu seinem Enkel Karl.
AVie sein- ist zu bedauern, dass ihre Veröffentlichung erst nach dem verdienstvollen
AVerke des Bischofs von Hefele über Ximenez erfolgte.
2. Coleccion de documentos iueditos para la historia de Espana. Gegenwärtig
58 Bände in 8", die reichhaltigste und luientbehrliche Sammlung von Urkunden. Corre-
spondenzen, geschichtlichen Ausarbeitungen über Spanien auf dem Höhepuiikt seiner
Macht und in den langgestreckten Tagen seines unaufhaltsamen Verfalles, welcher selbst
aus den Gründen seiner Macht hervorgegangen ist.
Das sehr bedeutende Verdienst dieser Sammlung gebidirt vor Allem den Herren
Don Miguel Salva und Don Pedro Lainz de Baranda, individuos de la academia de la
historia, an welche sich bereits bei dem L, IV. und V. Bande (1844) Don Martin
Fernandez Navarrete anschloss, welcher im XXIII. Josef Romeo' s Werke tiber die Vice-
könige von Neapel mit Noten versah. Es wurde jedoch erst nach seinem Tode ISfiS
von Don Miguel Salvä herausgegeben. Als am 27. August 1853 auch Baranda starb,
setzten seit 1854 der Marques de Pidal und Don Miguel Salva die Sammlung vom
XXIV. zum XXXII. Band fort. Dieser erschien ohne Jahresangabe, herausgegeben von
den Marqueses de Pidal und de Miraflores mit Salvä. Avelche die Fortsetziuig bis zum
XLVIII. Band 186G übernahmen. Miraflores und Salvä gaben die Bände XLVIII bis
LVl heraus; die Bände LV]I und LVIII (1872) tragen die Namen der Herren Salva
und des Marques de la Fuensanta del Valle an der Spitze.
Schade dass bei dem Wechsel der Herausgeber es nicht möglieh wai-. ein festes
System in Bezug auf die Gegenstände der Puldicationen anzunehmen. Karl V. und
Philipp IL treten hiebei freilich vor Allem in den Vordei-grund, doch greift die Coleccion
auch vorübergehend in das XV.. mehrfach in das XVII. Jahrhundert ein. Obwohl die
comunidades de Castilla eine ßubrik hiebei bilden, so sind sie im Ganzen doch niu-
spärlich bedacht, wenn man die Bedeutung und Fülle des handschriftlichen Materiales
bedenkt, über das die Herausgeber verfügen konnten.
Für den Anfang des XVI. Jahrhunderts sind die im XVII. Bande enthaltenen
Anales breves und die im Band VIII abgedruckte cronica de Felipe I Uamado el her-
moso escrita por D. Lorenzo de Padllla y dirlgida al Emperador Carlos V nebst den
von Gonzalez herausgegebenen cartas de Felipe el hermoso von besonderer Bedeutung.
Die cronica erzählt übrigens schon Im 9. Cap. ilen Tod K. Pliillpps und fühi-t darin die
Erzählung bis zum Tode K. Ferdinands, der den Don Juan Manuel. Avelclier über
K. Philipp so viel vermochte, stürzte. Der höchst Intriguante Mann taucht aber dann
am Hof K. Karls wieder auf und regiert als königlicher Botschafter in Rom Italien mit
beinahe souveräner Gewalt.
3. Zu den in ihrer Ai't bedeutendsten Briefsammlungen, auf welcJie in den Wirren
der Jahre 1521 und 1522 beständig hingewiesen wird, gehören die epistolas familiäres
des Padre Don Antonio de Guevara. (Oblspo de Mondenedo. predicador, chronista
y del consejo del Emperaihir Don Carlos 1544. f. Primera parte.) Die Antwerpener
334 HClFLER.
Ausgabe vou 1G03, 8", cutliült ;uu-li den /weiten Tlieil. weniger ürlefe als Predigten
und Aliliand langen.
Seine Angaben fanden bislier. als die eines Zeitgenossen, welcher mit dein Con-
destable und dem xVlinirante von l^astillien und so vielen andern Gi'anden auf beinahe
vertrautem Kusse stand, sieh der königlichen Gunst erfreute, unbedingten Glauben und
doch zeigt sich bei näherer Untersuchung, mit welcher Vorsicht sie zu biMiützen sind.
l)on Antonio aus dem alten Hause Guevara — angeblich aus der Bretagne abstammend —
wai- durch seine Gelehi'samkeit, der freilich alle Kritik gebrach, durch seine Tugenden,
seine Beredsamkeit und jMenschenkenutniss zu einem Ansehen gekommen, welches dem des
königlichen liathes Petrus Martyr de Angleria zu vergleichen war, der übrigens in Italien
eine viel bessere Schule durchgemacht hatte. Wie dieser mit dem Grosskanzler corre-
öpondirte, predigte Don Antonio dem Kaiser, schrieb er Briefe an die Königin Leonore
(erst von Portugal, dann von Frankreich), Ermahnungen an Don Juan de Padilla, an
Doüa Maria de Pacheco, an Don Antonio de Acvula, den kriegerischen Biscliof von
Zamora. an Don Pedro Giron Prätendenten des Herzogthums von Medina Sidonia und
Generalcapitän der Junta etc. Er tröstet letztern als er in Oran in der Verbannung
lebte; erinnert ihn an frühere Zusammenkünfte zu Valladolid, Villabraxima, Penafiel und
Vittoria und führt ihm zu Gemüthe, wie verkehrt er handelte, als er sich an den revo-
lutionären Bischof von Zamora anschloss, wehdier, um das Uebergewicht über den
Grafen von Albaliste zu gewinnen, kein Bedenken trug, das ganze Königreich umzu-
stürzen: welche geheime und folgenreiche Abmachungen zwischen ihm selbst und Don
Pedro (Jirou statt gefimden hätten! Er gibt sich die Miene, in die Geheimnisse der
Jahre 1520 — 22 tief eingeweiht zu sein und die Briefe, welche aus diesen Jahren stammen,
sind auch i-egelmässig als zuverlässige Quellen, als authentische Berichte eines w^olil-
unterrichteteu Zeitgenossen augesehen und gebraucht worden.
Die Sammlung selbst enthält Briefe von 1520: Madrid 27. December. Von 1521:
Medina del Campo 8. März, Tordesillas 10. Mäi-z, Medina de Rio seco 20. December.
Von 1522: Villa Vittoria 13. Januar, Medina de Rio seco 16. Januar, Palencia 8. Februar,
Medina de Rio seco 18. Februar, Valladolid 6. März, Madrid 12. März, Granada 11. Üctober,
Arevalo 11. November. Dazu eine Anzahl aus dem Jahre 1523, wobei aber bei dem
Briefe vom 12. März 1523 aus Medina del Campo auffällig ist, dass von der Emperadriz
die Rede ist, Avährend Karl damals nocli nicht verheiratet war — somit das Datum
offenbar falsch ist.
Ich übergehe die Briefe über Saguut und Numantia, die Erklärung einer römischen '
Inschrift, die interessante Abhandlung über die Preise von Lebensmitteln und Waaren
in Castillien im Jahre 1406 und wende mich fünf Briefen zu, welche eine nähere
Untersuchung verdienen.
1. f. LXXin. Aus Medina de Rio seco vom 20. December 1521 an den muy
j-everendo senoi- y lutticioso perlado D. Antonio de Acuna, Bischof von Zamora. Diesem
macht Guevara die stärksten aber auch nur zu gegründeten Vorwürfe über sein Be-
nehmen und sagt ihm bei diesej- Gelegenheit, er habe Don Pedro Giron seinen Händen
entrissen. Wenn Guevara diesen Einfluss wirklich auf Giron ausübte, so erfolgte dieses
während dessen Aufenthalt in Penafiel December 1520, nachdem Tordesillas am 5. De-
cernber 1520 bereits in die Hände der Granden gefallen war. Für December 1521 spricht
gar nichts. Im Gegentlieil am 20. December 1521 war Don Antonio de Acuna längst
II
Zur Kritik usd Quellenkunde der Ersten Regierungsjahuf. K. Karls V. 335
zur Ilulie gebracht, Staatsgefangener und gar keine Person mehr, für welclio die Aus-
drücke des Briefes passten. Letzterer lässt tibrigeus an Aufrichtigkeit und iJerbhoit
gegen einen Mann, welcher den Rriefschreiber mit dem Tode bedrolit Iiatte, nichts zu
Avünschen übrig.
Der Brief muss unbedingt in die Zeit gesetzt werden, in welcliei- iler Bischof von
Zamora noch in der tierra de campos an der Spitze des Heeres (h^r Junta stand.
2. f. LXXIV. Nachdem der Autor erfahren, dass sein erster Brief an den Bisclioi"
augekommen, schreibt er aus Tordesillas einen zweiten. Dieser ist vom 10. März 1521
und das Datum ist richtig und verurtheilt das (falsche) Datum des erst angeführten
Briefes. Letzterer ist auch aus einem anderen Grunde wichtig, da man sieht, dass, wie
bei dem Aufstande in Valencia, so aucli bei dem von Castillien die Htindwerker früh
das Liebergewicht über den Adel erlangt hatten, Don Juan de Padilla, Don Pedi-o Giron
und der kriegerische Bischof von ihrer Unzuverlässigkeit abhängig geworden waren.
3. f. LXXVI. Brief an Don Juan de Padilla vor Medina del Campo' (?) vom
M. März 1521. Guevara stellt ihm vor, dass er nur ein blindes Werkzeug seiner Frau
und ihres Ehrgeizes, sowie der Rachsucht seines Oheims Hernando de xWalos gegen
Chievres sei. Sein Vater Pero Lopez, sein Oheim Don Garcia, sein Briider Guliero, alle
seine Verwandten seien auf der königlichen Seite. Er sei ein verlorener Mann, der niu-
Mörder, Lumpen, unter sich habe, welclie ihn bei der nächsten Gelegenheit Preis gaben.
Er möge nicht als Verräther enden.
Der Brief enthüllt den wahren Stand der Dinge in erschreckender Weise, aber Don
Juan war zu weit gegangen, um noch zurückkehren zu können. Sechs Wochen später
erfolgte seine Niederlage, als sein Volk, wie ■ Guevara vorausgesagt hatte, davon lief,
seine Gefangennehmung und Hinrichtung.
4. f. LXXIX. Brief an Dona Maria de Padilla, Gemalin Juans von Medina de ßio
seco, 16. Janiiar 1522.
Auch dieses Datum ist falsch. Aus dem Brief geht deiitlich hervor, dass damals
Don Juan de Padilla noch lebte. Es muss daher 1521 heissen. Der Brief bewegt sich
in den stäi'ksten Vorwürfen gegen die ehrgeizige Frau, wehdie ihren Mann und Toledo
imd endlich sich selbst in das Verderben stürzte.
Man darf aber bei diesem Briefe und namentlich den Personalien, welche darin
vorkommen, nicht vergessen, dass Guevara mehr als irgend ein Anderer mit den ver-
schiedensten Parteien und Persönlichkeiten in nähere Bezieliung trat, sie genau kannte,
mit iliren Absichten und Zielen vertraut wurde und ihm eben deshalb auch in erhülitem
Masse Glauben zu schenken ist. Dass aber die Verbesserung der Zeitangabe voraus-
gehen müsse, ehe von den Briefen wirklich Gebrauch gemacht werden konnte, ist bishei-
Niemanden in den Sinn gekommen. Und doch wird dadurcli erst der Gi-ad der Glaub-
würdigkeit bestimmt.
5. f. LXXXL Eazonamiento hecho en Villabraxima a los caballeros de la Junta.
Nach seiner eigenen Angabe war Guevara,^ nachdem er innerhalb seclizehn Tage sieben
Mal dazu verwendet worden, zwischen den Gobernadoren und dem Heere der Junta.
1 Sollte Wühl heisaen: Medina de Rio seio.
- In dem Schreiben des Cardinals an den Kaiser vom 14. September 1520 (Bergenroth, calendar n. 57), heisst
es bei Anführung des Datums: con el Doctor Guevara, also niüsste dieser im September nach Flandern geschickt
worden sein.
i536
Höflee.
die sich iiu Noveiiibor 1520 gegenüber standen, zu luiterliaudelii, heaufti-agt, den Caballeros
dei- Junta eine Art von Ultimatum zu übej-bringen. Es bestand in einer Reihe von
Vorschlägen als Basis eines xiusgleiches ; sie Avurden jedoch schnö(k- zurückgewiesen und
deui Unterhändler von dem Bischof von Zaniora bedeutet, sich niclit mehr im Lager
blicken zu lassen.
Da dieses am Tage nach Aller Heiligen (am 2. November) 1520 stattfand, so müsste
das ungemein wiclitige Document vor den erwähnten Briefen gesetzt werden; allein von
einer chronologischen Ordnung ist hier wie bei den lettere di principi keine Rede. Dass
(iuevara mit seinen Friedensvorschlägen bei Don Pedro Giron und Avohl auch bei Lasso
lundruck machte, ist klar; dass beide Männer mehr und mehr sich von der Unfrucht-
barkeit ihres Beginnens, von der Schädlichkeit des Aufruhrs überzeugten und allmälig
zu dem Gedanken kamen, ihi-e Sache von der der Revolution zu trennen, ist aus dem
Briefe ersichtlich. Dass auch nur der als Verräther galt, der den König verliess, stimmt
mit der Auffassung der Zeit überein. Dass aber Guevara den Mund sehr voll nahm,
als er die nachfolgende Wiedereroberung von Tordesillas mit seinen Unterredungen zu
Villabraxima in Causalzusammenhang setzte, ist mir auch vollständig klar. Offenbar
abei- liat Pedro Gii-on dem Pater damals seine Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben,
unter o-ewissen A'erhältnissen einzulenken und die Hand zur Aussöhnung zu bieten,-
<leshalb ist aber noch lange nicht anzunehmen, dass Giron auf einen Verrath der Junta
sann, an die er sich angeschlossen hatte, wenn auch Guevara ihn vielleicht dazu anspornte.
Es war überhaupt der Gedanke auf beiden Seiten vorhanden, wo möglich zu einer
gemeinsamen Basis des Einverständnisses und des Vorgehens gegen den König zu gelangen.
Wenn aber Guevara ferner versichert, er habe gestern, am Tage Aller Heiligen
[1. November) den Gobernadoren gepredigt, so ist gewiss, dass der eine Gobernador, der
Condestable, damals nicht in Medina de Rio seco war und dass der dritte, der Almirante,
sich nicht dort befand, ist gleichfalls unumstösslich, somit die ganze Angabe, dass er
den drei Gobernadoren am 2. November gepredigt, falsch. Aber noch mehr; das Heei'
der Junta, zu welchem sich (Guevara am 2. November nach Villabraxima begeben haben
will, stand damals noch gar nicht an diesem Orte, sondern erst zwanzig Tage späte)-.
Endlich war Anfang November von einem Abbruch der Unterhandlungen, wie (Guevara
behauptet, keine Rede, sondern im Gegentheile wurde vom Almirante erst Alles ant-
geboten den Krieg hinauszuschieben und erst Ende November Avar die Sache dahin
gekommen, dass Alles von der Entscheidung uilt AYaffengewalt abhing, die Unterhand-
lungen abgebrochen waren. Es lässt sich, je mehr man die Angaben Guevara's, denen"
man bisher blindlings zu folgen geneigt Avar, mit anderen beglaubigten Daten vergleicht,
desto bestimmter sagen, dass er, welcher seine Briefe erst mehrere Jahre nach der
Revolution zusammenstellte, sich auch hier in Betreff des Monatsdatums irrte, Avie Avir
seinen In-thümern in Betreff der Jahre und des Ortes der Ausstellung gleichfalls schon
begegneten. Die von Seiten der Gobernadoren Ende November gestellten Anträge können
dann immer als das Ultimatum angesehen Averden, das von der königlichen Seite ans
stattfand. Allein wie soll man sich dabei den Umstand erklären, dass sich in den Briefen
der Gobernadoren keine Spur dieser Verhandlungen vorfindet? Diese noch dazu, Avio
sie uns überliefert sind, so viel Irriges enthalten? Offenbai- kann man Guevara nur mit
grosser Reserve benützen. Die Briefe Guevara's enthalten Avirklich sehr viel Lehrreiches
und gcAvähren namentlich in Betreff Padilla's und seiner Fi-au interessante psychologische
ZiK Kkitik und Quellenkunde der Ersten Reoiehungsjahre K. Karls V. 3;^ 7
Aufschlüsse. Allein mau muss sie sorgfältig mit anderen Berichten vergleichen, um
nicht durch das, was sie Irriges enthalten, irre geführt zu werden. Als in Folge der
Gefangennehmuug K. PVanz von Frankreich in der Schlaclit von Pavia. 24. Februar 1525,
Guevara an Karl V. die Festpredigt — el sermon de las alegrias — hielt, wobei er auch
die traurigen Schicksale derjenigen bedachte, die durch die Schuld ihrer Väter während
der Revolution ihre Güter verloren, führt er auch die fünf Kaiser Karl auf: 1. Karl
den Grossen, 2. Karl von Böhmen (IV.), 3. Karl den Kahlen, 4. Karl den Dicken,
5. Kaiser Karl V. Ferrer del Rio, welcher diese Stelle in seinem Text aufnahm (S. 298)
findet es nicht für nothwendig, etwas dazu zu bemerken. — Ich auch nicht, aber aiis
einem anderen (jrunde, weil es nicht nothwendig ist, den Leser erst auf die Stelle auf-
merksam zu macheu, die Karl von Luxemburg unter den Karolingern- angewiesen ist.
4. Von den Briefsammlungeu berühren die Actenstücke und Briefe zur Ge-
schichte K. Karls A'., mitgetheilt von Dr. Karl Lanz, 1852, Spanien nur vorübergehend.
So wichtig sie sind, da sie die Correspondenz K. Karls mit seinem Kanzler Mercurin
Gattinara, seinen Gesandten bei den verschiedenen Congressen enthalten, so bieten sie
für den castillianischen Aufstand beinahe nur Unbedeutendes dar, so sehr treten vor den
Ereignissen der hohen Politik die specifisch spanischen Interessen in den Hintergrund.
5. Von grösserer Bedeutung ist die von Lanz herausgegebene Correspondenz
Kaiser Karls (Wien 1853). wobei sich der neugewählte Papst während seines Aufent-
luxltes in Spanien 1522 gelegentlich über den Aufstand ausspricht: Pleüt a Dieu que
tous ceulx qiii ont este cause des turbations des susdittes et qui pour leur
gains et singuller profittes ont procar6es et suscitees, le portissens escript
en leur frontz et que iceulx bien chastiez et punis, V. Majest6 pardonnoit eie-
rn entement aux aultres. Tarragona 27. Juli 1522. Es ist die stets wiederkehrende
Ivlage von den geheimen Anstiftern des Aufstandes, die sich zur rechten Zeit zurück-
zogen, die aber so hoch stehen, dass sie sich der gesetzliclien Ahndung entziehen! Das
ist der eigentliche Schlüssel zu den geheimen Ursachen des Aufstandes der Comuneros.
6. Zu den liervorrageudeu A^erdiensten des Herrn Gachard, welchem wir eine so
reichhaltige Kenntniss der Zeit Karls V., Belgien eine wahre Erleuchtung seiner Geschichte
verdanken, gehört die schon 1859 herausgegebene Correspondance de Charles-Quint
et d'Adrian VI. Meine eigenen Forschungen stehen mit diesem Werke in Causal-
zusammenhang, da ich erst aus den darin gewährten Aufschlüssen den Muth schöpfte,
an die Lebensgeschichte Adrians VI. heranzugehen. Herr (Jachard hat aus dem Archiv
von Simancas theils in extenso theils im Auszuge höchst werthvolle Briefe Kaiser Karls
nicht blos an Adrian VI., sondern auch an seine Botschafter in Rom sowie von diesen,
und eine Anzahl von Briefen Adrians bekannt gemacht, durch welche wir zum ersten
Male mit der politischen Wirksamkeit dieses Papstes vertraut wurden. Nur wenige
Briefe der interessanten Sammlung (lettres diverses) beziehen sich auf die Zeit voi- Adrians
Pontificat (9. Januar 1522) und bei diesen muss erwähnt werden, dass der gelehrte
Archivist sich irrte, wenn er die Ernennung Adrians zum Gobernador Castilliens von
Zamora aus (17. Mai 1520) geschehen Hess. K. Karl befand sich damals in la Coruna
und von da aus muss die Ernenmmg datirt sein. Gachard erklärte ferner p. X., dass
die Documente, welche sich auf den Aufstand der Comuneros bezogen, ausserhalb des
Kreises seiner Untersuchungen lagen. Er gibt aber doch ein Verzeichniss der Schreiben
Adrians als Gobernador in den appendices luid darauf muss noch etwas eingegangen
Denkschriften der phil.-List. Cl. XXV. Bd. 4;)
1
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7.
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;?3S Hf>Ki,i.;u.
werden. Wenn hiebei Appeudiee A llcn- (Jaeliaril mitei' den lettres du Cardinal de
Tortosa eouservees dans les arcliives royales de Simancas anführt:
ir)'20 j VlI de Tordesillas ... 9. mars 1520
ir)20 ! Vin ,. ^ ... 25. avril 1520
1520 avee des postdates de Mediua del Canijx)
1520 1. J\Iai et de Coea 6. Mai —
1520
so bedauere leli erwälineu zu müssen, dasä diese arcliivaliselien Angaben sämmtlick irrig
sind. Am 12. .Januar 1520 befand sicli Adrian nicht in Tor(iesillas, das am Dueru liegt.
sund(n-n entweder bereits in Valencia (Opus epistolai-um n. 654) oder auf <leni Wege
dahin. Eben so wenig befand er sick am G., 11., 21. Februar in Tordesillas, auch, nicht
am 7. oder d. März 1520, da er sich nach dem Opus epist. am lo. Februar 1520 noch
in Valencia befand, wo an diesem Tage Petrus M. de Angleria sich von ihm verabschiedet.
Der Kaiser, an welchen sich dann der Cardinal bei seiner Rückkehr von Valencia an-
schloss, ging erst am 14. März 1520 nach Tordesillas, befand sich aber schon am
20. März in Villalpando nördlich von Tordesillas auf dem Wege nach San Jago, am
25. A])ril aber sammt dem Cardinal in la Coruna. Somit kann von den I — VIU be-
zeichneten Briefen Adrians keiner ihm zugehöi-en, wenn dieselben in Tordesillas ausge-
stellt sein sollen. Der Irrthum des ausgezeichneten belgischen Gelehrten besteht darin,
dass diese acht Briefe nicht in das Jahr 1520, sondern unwiderleglich in das Jahr 1521
7Ai setzen sind. Was zudem den Brief vom 25. April betrifft, so heisst es in demselben,
der Gobernador sei am 24. in Villalar gewesen, worauf er sich am 1. Mai 1521 nach
Medina del Campo, am 6. Mai 1521 nach la Coca begab. Ich erwähne dieses nur um
zu zeigen, wovon ich mich bei den estrattos wiederholt überzeugt habe, dass man den
archivalischen Aufzeichnungen nicht unbedingt Glauben schenken darf, und weil ich nicht
wünschen kann, dass ein späterer Forscher durch die hervorragende Autorität Gachards irre
geleitet, mir einen Vorwurf mache, als hätte ich diese Briefschaften nicht oder irrig benützt.
Derselbe Fehler geht aber auch durch die nachfolgenden Aufzeichnungen Gachards
hindurch. Die im Appendice angegebenen Briefe aus Valladolid vom 25., 80. Juni,
6., 8., 10., 14., 24.. 24. Juli bis zum 1. October; die aus Medina de Rio seco vom
17. October bis zum 20. December sind richtig vom Jahre 1520 und von dem Cardinal-
Gobernador. Nicht aber der von Herrn Gachard angeführte aus Medina de Rio seco
vom 28. Decembej". Denn am 26. December 1520 traf Adrian bereits in Tordesillas ein,
wo er bis zum 24. April 1521 blieb. Das Archiv von Simancas enthält freilich einen"
Brief des Cardinais vom 28. December 1520 aber aus Valladolid und dieses allein beweist,
dass derselbe cntAveder nicht von ihm oder doch nicht aus Valladolid vom 28. December 1520
ist, wo er sich in Tordesillas aufhielt. Möglicher Weise ist der Brief von Lope
Hurtado de Mcndoza.
Richtig sind n. XLIIl und XLIV die Briefe aus Tordesillas vom 4. und 8. Januar 1521,
ganz falsch aber was von n. XL VI — LV angegeben ist. dass die Briefe vom 16. Januar,
vom 26. und 'dO. Januar aus Valhxdolid seien, wenn auch am 30. Januar 1521 eine
grosse Erklärung über die Stadt Valladolid stattgefunden hat. Eben so irrig sintI die
aus Valladolid datirten Briefe aus Februar, März und ^\pril angegeben. Alle diese
Angaben Gachards könnten, wenn man sich auf sie verlassen wollte, nur eine heillose
Vei-wirrung erzeugen, als hätte sich der (iobernador damals im (Vntrum des Aufstandes
Zur Khitik i nh Quellenkunde der Ersten Regierungsjahrk K. Kakl.s V.
339
befunden. Richtig ist dann wieder der Brief aus 8egovia vom 23. Mai (LVI), von Santo
Domingo de la Calzada vom 11. Juni (LVIl). Vom 8. Juli (LVTII) Hegt keiner vor-
ebenso wenig als aus Logroüo vom 17. Juli. »Statt 23. Juli (LX) muss es 21. Juli lieissen.
Die Briefe vom 7., S., 14., 14. August aus Logrono sind richtig, aber der vom
30. August ist aus Villorado und nicht aus Logrono datirt. Vom 18. September erscheint
kein Brief (LXVI) des Cardinais aus Burgos, wohl aber vom 23. September (LXVII)
und vom 28. September!
Endlich erscheint vom 16. Octobcr 1521 keiner, woJil aber vom 7. Uctober; dann
der vom 24. October (LXX) und einer vom 26. October gleichfalls aus Vitoria. Hierauf
vom 3. November (LXXI) sowie vom 3. December, der bei Gachard fehlt, vom 5. December
(LXXII). vom 7. December zwei, (LXXIII und LXXIV), endlich der iler drei Gober-
luxdoren vom 12. December (LXXV).
Wir wollen nun nacli diesem versuchen, das Verzeichnis« (lacliards zu ergänzen und
zu rectificiren.
a.
Briefe des (
Jardinalgobernadors vom
Jahre 1520.
Valladolid 14.
J uni
Valladolid
8. October
17.
Juni
Medina de
R\u seco
17.
( )ctober
25.
Juni
20.
October
30.
Jimi
21.
October
6.
Juli
22.
( )ctober
8.
Juli
31.
October
10.
Juli
G. XXX
1.
November
13.
Juli
4.
November
21.
.luli
12.
November
G. X
29.
Juli
17.
November
31.
Juli
20.
November
31.
Juli
28.
November
8.
August
4.
December
11.
August
6.
December
24.
(2s.) August
10.
December
31.
August
12.
December
4.
September
G. XL
15.
December
4.
September
15.
December
5.
September
16.
J)ecembei'
G. XX
12.
September
19.
December
14.
September
20.
December
23.
Septembei-
G. XLV
23.
1 )ecember
1.
Ucto bei-
b. Briefe des Cardinalgobernadors vom Jahre 1521.
Tordesillas 1. Januar G. L
4.
8.
16.
Januar
Januar
•J anuar
22. Januar
26. Januar
30. Januar
31. Januar
4:^*
340
Hofler.
6. Februar
11. Februar
21. Februar
28. Februar
8. März
9. März
12. Mär/.
13. März
21. März
28. März
3. April
Tordesillas 9. April
12. April
15. April
25. April
29. April
G. LXX Mediaa del Campo 1 . Mai
Coca 6. Mai
7. Mai
Segovia 23. Mai
S. Domingo de Ja Cazalda 11. Juui
G. LX
G. LXXIIl
G. LXXIV
Logi'uuo S. Juli
23. Juli
28. Juli
7. August
8. August
G. LXX 14. August
14. August
Villorado 30. August
Burgos 16. September
23. September
28. September
7. October
Vitoria 24. October
2G. October
3. November
G. LXXX 3. December
5. l)ecember
7. December
7. December
G. LXXXiv 12. December
7. Es führt diese Erörterung vou selbst zu den wichtigsten und umfassendsten Be-
helfen, die mir zu Gebote standen, zwei Bänden Auszügen und Copien von Briefen und
Copien aus dem Archive von Simancas ; indice y estracto de lus papeles relativos
a las comunidades de Castilla correspondente a los meses de Enero hasta Decembre
1520, und ein zweiter Band unter gleichen^ Titel bis Ende 1521.
In kurzen, meist sehr kurzen Auszügen sind mitgetheilt:
aus dem Monate Januar 1520 2 Schreiben
Febi-uai-
G
V
März
1
V
April
4
n
Mai
3
n
Juni
11
n
27
Schreiben
aus dem Monate Juli
14
Schreiben
August
44
Tl
September
101
n
October
92
V
November
44
V
December
72
n
394
Schreiben
Im Ganzen vou selir verschiedenem AVerthe, aber immer durch die Berichterstatter
und ihre Stellung Quellen ersten Ranges.
Dem vollen Inhalte nach sind von diesen mitgetheilt:
Vom Monat Januar 1520 bis zum 29. Juli 13
vom August -')
September 9
October 22
November und December 66
Im Ganzen 113
Zur Kritjk und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 341
Vom Jahre 1521 sind mitgetheilt :
Auszüge vom Januar 86 vollständig 24
Februar 70 ,, 22
März 52 . ^ 17
April 69 „ 17
Mai 28 „ 16
Juni 29 „ 6
334, vollständig 102
Juli 37 vollständig 15
August 48 ,, 10
September 23 „ 4
October 23 „ 7
November 11 „ 1
December 15 „ 1
491, vollständig 140
Da diese Briefe grösstentheils an den Kaiser, den Cardinalgobernador, dessen Collegen
gei-ichtet sind oder von letzteren, den Vicekönigen oder anderen bedeutenden Persön-
lichkeiten aiisgehen und sich über die wichtigsten Voi-gange verbreiten, so kann man
sich nur darüber wundern, dass diese Sammlung authentischer Actenstücke, deren Ori-
ginalien sich in Simancas vorfinden, nicht schon früher von spanischen Geschichtschreibern
benützt und veröffentlicht wurde. Sie geben Aufschlüsse, welche wir an anderen Orten
vei-geblich suchen luid zeigen den wahrhaft heillosen Zustand der Dinge in erschrecken-
dem Lichte. Es ist keine Einigkeit unter den Granden, keine unter den Gobernadoren,
keine im consejo. aber auch keine unter den Comunidades. Der Marques von Denia,
gestrenger Hütei- der Königin, verklagt den Almirante, dieser steht mit dem Condestable
von Castillien auf dem gespanntesten Fusse, letzterer mit dem Herzoge von Najera. Unter
den Städten geht Toledo seinen eigenen Weg; die Eifersucht der alten Königstadt Burgos
duldet es nicht, leitende Impulse von Toledo zu empfangen. Valladolid geht gleichfalls seine
eigenen Wege, und unterwirft sich nach dem grossen Davonlaufen der Infanterie der
Comuneros, was man die grosse Schlacht von Villalar nennt, Avährend Toledo erst noch
<lie Hülfe der Fi-anzosen anruft, auf die Padilla vergeblich gewartet.
Bei so widerstrebenden Elementen sind die Briefe des Cardinalgobernadors, welcher
nicht wünscht, dass Castillien die Beute der Granden werde, die nun der Krone den
erfochtenen Sieg mit doppelter Kreide anzusclireiben gedenken, sowie die des kaiserlichen
Agenten Lope Hurtado de Mendoza, eines höchst einsichtsvollen ruhigen und klaren
Beobachters, der Ariadnefaden aus dem bunten Gewirre persönlichen Interesses, der
schlechtverliehlten Habsucht und noch niedriger Leidenschaften.
8. Von geringerer Bedeutung sind die untei- dem Titel : Guerra de Navarra. Extractos
de Simancas y otros documentos poi- extractos, auch aus dem Archive von Simancas ent-
nommen. Copien (28). Die gerichtlichen Depositionen der von den Königlichen gefangen
genommenen Agenten der Dona Maria de Pacheco, welche diese nach Frankreich sandte
die französische Diversion zu bewerkstelligen, sind allein schon von bedeutendem Werthe,
wenn aucli das (iranze wedei- an Umfang noch an Inhalt mit dem \"orausgehendcn sich
vergleichen lässt.
9. Despachos del Almirante de Castilla D. Enrique sobre el suceso de las
comunidades y otros de los anos 1520 y 1521. Extractos de un manuscrito de la
biblioteca Nacionale de Madrid.
Diese Depeschen sind zum Tlieile Instructionen an Angel o de Burssi, welchen der
Almirante wiederholt an K. Karl sandte, man könnte sagen politische Herzenserleichte-
rungen, in weichen sich ein ungemeiner Freimuth ausspricht, zum Theile Schreiben des
Almirante, welche wie der Brief von Vallodolid bei Quevedo p. 316 bezeugt, seiner
342 HöKi.Ku.
Beredsamkeit iVeien Laiil' zu lassen pflegte. Das ei'ste ActeustUck des vorliegenden Manii-
scriptcs ist nach dem l\)d(> Padilla's g(\sehrieben, somit niclit vom Jahre 1520, jedoch nach
<ler Unterwerfung von Scgovia. welche am 8. Mai 1521 erfolgte. I^r räth, die Anei-bie-
tnngen Toledos anzunehmen, indem dadurch über 1000 Mann zum K)-iege in Navarra
verwendet werden könnten, gibt mehrere ßathschläge und dringt auf Ankunft des Kaisei-s.
11. .Mai 1521.
l)i(> zweite sehr wichtige Instruction beschäftigt sich mit den Raubkriegen Padilla's.
ehe er l'ori-e Lobaton (21. Februar 1521) wegnahm und gibt ein treues Bild dei- schlimmen
Lage dei- Dinge, in welcher sich die Königlichen gegen Ende Januar, Anfang Februar 1521
befanden. Die in Bezug auf Sevilla erwähnten Vorgänge weisen nach, dass der Brief um
die Mitte Februai- geschrieben Avurde. Er enthält eine umständliche Auseinandersetzung
der Lage der Dinge, eine Yertheidigung dessen, Avas der Almirante gethan, Hervoi--
hebung seiner Verdienste und ziemlich derbe ZurechtAveisung der in Flandern geltend
o-ewordenen Ansichten mit der Aufforderung an den Kaiser, zu kommen und sich die
Liebe seiner Unterthanen, die er verloren, Avieder zu erwerben.
c. Schreiben des Almi]-ante au die Junta. Ermahnt sie zum Frieden und dass sie ihr
Begehren auf Entlassung der Gobernadoren nicht im Namen des Königreichs stellen könnten,
indem Andalusien sich getrennt habe (durch die Junta von Rambla 8. Februar 1521),
Galicien. Vizcaya, (Tuipuzcoa, Asturias, Granada und Navarra sich an sie nicht anschlössen.
Sevilla und Cordova und Granada gegen sie sich verbanden. Das Schreiben scheint gleich-
falls von Mitte Februar zu sein. obAvohl es vielleicht auch für eines der Schreiben gehalten
werden könnte, ilie iler Almirante im NoA^ember 1520 an die- Junta richtete.
d. Schreiben des Almirante an den Kaiser nach dei- Katastrophe von Magas ge-
schrieben, das der Bischof von Zamora im Frühlinge 1521 eroberte (nach Sepulveda TU,
17, genauer gesagt im Januar 1521). Da der Aufstand von Toledo nicht beglichen
Avurde, erfolgte der von Segovia und da man hiei- zögerte das richtige Mittel anzuwenden,
der von Burgos und endlich der von Valladolid. Zum • grossen Tlieile sehr allgemein
gehaltene Belehrungen des Kaisers, Räthschläge. wie er sieh verhalten solle.
e. Advertencia. Lo que vos direis al rey. Auszug in 13 Punkten aus dem voi-igen
Schreiben mit dem Zusätze, dass die pueblos auch die Incpüsition abschaffen wollten.
f. AusftUirliches Schreiben des Almirante an den Kaiser, nachdem Navarra Avieder
erobert worden. Räthschläge an K. Karl, Avie ei- sich zu benehmen habe. Er erAvähnt.
wie er selbst ganz in Zurückgezogenheit lebte, als er Gobernador wurde, bezeichnet als
Ursache des Aufstandes, dass die Gesetze nicht gehalten, Aemter (beneficios) an Fremde
vergeben, das Geld weggeschleppt, Aemter und Würden verkauft Avorden waren.
Er schliesst die sehr ausgedehnte Anweisung, wie ein Fürst zu regieren habe, mit
den Worten, dei- Kaiser möge es nicht verschmähen seine Schrift zu lesen, welches viel-
leicht st) nützlich sein könnte, als eine Schlacht zu gewinnen. Das Schreiben ist aus
dem Hochsommer 1521.
Im Ganzen muss man sagen, spielte bei dem Aufstaude der Comuneros der Almi-
rante von Castillien vmd nachher auch Gobernador. eine sehr sonderbare Rolle. Er war
bei dem Anfange des Aufstandes nicht in (kstillien, zum Gobernadoi- ernannt, nahm er
die längste Zeit das Amt nicht an, schlug es aber auch niclit aus und benützte seine
Stellung, Politik auf eigene Faust zu treiben. Er hatte früher die Einwohner von Valla-
dolid zu ihrem grossen Nachtheile bcAvogen. sich der von Ximenez beabsichtigten
1
Zun KlUTIK l'Nn QuELI.ENKUNIir: DER EbSTKN REGIERrNGSJAllUE K. KaKLS V. 343
Bildung eines Bürgerheeres zu widersetzen; er war niclit für die Anerkennung Karls als
König 1516 gewesen. Er hoffte, durch sein grosses Ansehen die Comunidades dahin zu
bringen, dass die Städte, statt an der Vernichtung der Granden zu arbeiten, was namentlich
Dona Maria de Pacheco mit Hülfe der Franzosen von Toledo aus betrieb, und dann als die
Handwerker in den Städten das Uebergewicht erlangten, zur Hauptrichtung der revolu-
tionären Bewegung wurde, vielmehr mit den Granden sich zur Umbildung der Ver-
fassung und zur Beschränkung der königlichen Autorität verbänden. Daher die zahl-
reichen Briefe, die er an die Städte schrieb, sie auf mildere Gedanken zu bringen;
da]u>r die immer wiederkehrenden, ermüdenden und doch fruchtlosen Unterhandlungen, die
<len Sieg des Königthums aufhielten und die zuletzt Don Juan de Padilla mit seinem
kriegerischen Programm durchhieb: daher auch die langathmigen, mit geschichtlichen
Reminiscenzen durchzogenen Memoires an K. Karl, in welchen der Almirante neben dem
bekannten castillianischen Freimuthe auch eine Beredsamkeit entwickelte, die gewiss auf
Iv. Karl noch ermüdender einwirkte, als auf den Forscher des XIX. Jahrhumlerts. Der
Almirante fasste seine Aufgabe mehr als gobernador del rey oder del principe, denn als
gobernador del regno de Castilla auf und schrieb Anweisungen über die Regierungskunst,
welche von Karl V. schwerlicli iu ihi-er ganzen Ausdehnung gelesen wurden. Daher
sollten sie ihm, wie der Almirante wollte, vorgelesen werden und zwar eher zwei Mal als
ein Mal. Der Almirante Avollte offenbar die politische Erziehung K. Karls vollenden.
Von seinem Vertrauten dem Bruder Augelo, heisst es, dass er mit den bedeutendsten
Männern unter der Junta in näheren Beziehungen gestanden sei. Wenn es wahr ist, dass der
Almirante, seine Gemalin, der Graf von Benavent, Don Pedro Giron, der Bischof von
Zamora in Villabraxima sich bei einem Abendessen besprachen, der Graf sich für die
Comunidades ausgesprochen habe, wie es sich darum handelte auch in Medina de Rio
seco für den König und die Comunidades das Panier aufzupflanzen, dann war es freilich
sein- weit gekommen. Die Kriegführung in den Tagen grosser Parteiung ist aber, ehe
man beiderseits die Scheiden wegwirft, immei- sehr eigenthümlicli und in Spanien zumal;
die ^^'ahrscheinlichkeit einer derartigen Zusammenkunft ist leider doch keine geringe, wenn
(^s auch befremdet, dass sie ohne Zuzieliung Don Pedro Laso's statt gefunden haben solle.
10. Letters and papers foreign and domestic of the reign of Henri VHI preserved
in the public record office. the british nmseum and elsewhere in England. Arranged and
catalogued by J. L. Brewer, MA. under the direction of the master of the Rolls and
witli the sanction of her Majestys Secretaries of State. London. l<Sti4.
Von diesen wegen ihres reichen historischen Inhaltes mit Recht berühmten Regesten
Heinrichs VIII und seiner Zeitgenossen kommen hier vol. II p. IV und vol. III p. I H.
III in Betracht.
Es liegt in der Natur der Sache, dass diese letters die sj)anischen Angelegenheiten
nu)- da berühren, wo letztere mit den Verhältnissen Englands in unmittelbare Beziehung
treten. Sie ergänzen auch nur, was wir grössten Theils schon von andern Quellen wissen,
geben aber denn doch gar häufig Details, die wieder diesen fehlen. Da Avir ferner vom
Brüsseler Hofe, als K. Karl von Spanien nach Deutschland zurückgegangen war nui-
Weniges wissen, nur wenige Nachrichten aus der verhängnissvollsten Zeit Spaniens dahin
di-angen, so bieten die Nachrichten der englischen Gesandten bei K. Karl über die
Ankunft, Aufnahme und Wirkung der von Spanien anlangenden Hiobsposten, das Be-
nelimen und die Anschauung des Herzogs von Alba, Fonseca's und anderer Spanier, die
;>^.J HAKIKH,
»MitwoltM- .rloii'h »imuitlt'lUar mit Karl na. Ii I ».«utschlaii.l ^'Of-aiinfcii waren u.lcr viir di-r
l^'vulution sirli .lalün H(U-lit<'t«Mi. ein.' lii.rlist wülkoiiiiiiiMic Ausl.ciii.'. In I'.czuja auf <lus
VtM-lialtrn Krankrcirlis zu Sj.aiiÜMi. .lic VfrliamlhmniMi /u «"alais im Sommer ir)'_>(),
jr,>sehw»'igt' nbtM- (lio \veeliseln<l«Mi Hnmlnisse «ler M.mar.lieii l'-iiH-lamls. S|.aui.iis nn<l
KrauknMi-hs sin-l 'lie letters eine Quelle erstens Kauj^-es. wenn man an.li ni.lit läuj-iien
kann, dass <\w \vi nml Weis.> ,1er l'.(>liamllnng- Urewers. meist nur ennliselie Ans/ilyc
aus .len l)ej)Oselien /.u ^cWn nml mir selten .leii eioentlieInMi W.irtlant. -leni Korselier
nicht sehr ^villkouunon ist. her Willkür dos lleransoebers i>i .hnlnivl. ein sehr firi.sser
Si.iolraum ijogelu'u un<l was ihm intei-ossant tiilnkt. ist es nli nielil in uleicli.-m (irade Lei
-leni Forsel»iM-^.l(M- Kall, woleher sehr cl't Anfsehlil-sso über das wilnsehl. w.. di.' Aus/tlge nnr
Au.loutuugen irobon. Allein das oilt ja imdir oder ndnder v.m allen U.o-esten nnd ist
tMU Fehler, wtdeher in der Satdie ni«dit immer in »Ifv l'ersdn hef^l.
n. In einem uoeh viel höheren (irade als bei den Lottcrs tritt das l nanj^enelime
dieses Verfahrens iu (J. A. J'.eroeurut hs ealeudar of Ictter.s despatchos and state j)apers
relatini? to the uegotiations betweeu England and Spaiu presorved in the andiives ot
SimancL aml elsewhere (vul. Jl. Henry Vlll. 1509—1525. London 18<i(i) hervor. Sooft
kommt es auf den Wortlaut einer Mittheilung anl Hergenroth gcwäiirt aber nichts
weniger als oft oder regelmässig die Sicherheit, dass man bei seinen Auszügen wirklich
den Originaltext vor sieh habe oder auch nur einen mit den Verhältnissen vollkommen
vertrauten Mann. Die ^Vichtigkeit des vorliegenden Bandes besteht in den Dej.eschen
des ränkevollen Don Juan Manuels, kaiserlichen Botschafters in Rom, einstmals Anhänger
K. Philipi^s. welcher sich aber nach dessen Tode sogleich vor K. Ferdinan<l von Aragon
flüchtete un.l dann unter Philipps Sohne. K. Karl /.u neuen Ehren kam. Man wird
kaum Unrecht thun. Avenn man ihn als einen der gewissenlosesten Diplomaten, als einen
.Mann bezeichnet, bei welchem der Wechsel von Intrigue uml (ücwalt zur andern Natur
wurde. Adrian, welcher Gelegenheit hatte, sein Treiben kennen zu lernen, verabscheute
ilin. Seine Depeschen sind für die Geschichte des Aufstandes der Comuneros begreiflich
von geringem Werthe. wohl aber von grosser Bedeutung wo sie sich auf Rom und
namentlich auf die Papstwahl nach dem Tode Papst Leo's beziehen; dass .lie Depesche
Lope Hurtados de Mendoza. Rom vom 13. Januar 1521 an den Kaiser — Calend. n. 316 —
nicht aus Rom. oder wenigstens nicht von Lope Ilnrtado sein kann, da dieser sieii
damals in Spanien aufhielt, ist Bergenroth entgangen.
Die späteren Correspondenzen, welche sich auf .lie i-astlosen Bemühungen bezielieu.
Venedig und den Papst in die grosse Liga Karls mit K. lleinri.l: hineinzuziehen, sind
von grösserem Interesse. Ob aber liiebei Bei-genroth überall den richtigen Ausflruck in
der Uebersetzuug der Depeschen gefunden, ist eine amlere Frage. So übersetzt er ein
Mal. wo es sich°um das Hausgesinde P. Adrians bezieht, das von den Spaniern be-
stochen wird, die Stelle, welche von einem gewissen Fray Bernar.lino von Sicilien sj.richt.
el Siciliano es grande ribalde, es amigo mio antigo. tue ]niviulo del Papa Leon — was
degradaded bv the late Pape Leon (U.. ].. 485). bh .nrndite vi(d eher glauben, dass
die Stelle den Sinn habe, er war ein Vertrauter P. Leos, weh her ja sehr sonderbare
Creaturen um sich hatte.
Dass auch bei ihm die Auszüge oft sehr willkürlich gemacht wurden, ist /.war un-
vermeidlich, aber dann stets schwer zu beklagen.
ZuK Kritik unu Quellenkunde dek Ersten Regierungsjahhe K. Karls V. 345
12. Von grösserer AViclitigkeit für unsere Zwecke ist Bergenrotli's Supplement
to vol. I aad vol. II of letters despatches and State papers relating to the negotiations
between England and Spain preserved eu tlie archives et Simancas and elsewhere. London 1868.
Der Band mit seinen wichtigen Documenten zerfällt in zwei Abtlieilungen, von
welchen die eine queen Katliarine, die andere intended marriage of king Henry VII.
witli queen Juana betitelt ist. Nur letztere kann hier in Berücksiclitigung gezogen
werden ; sie hat aber bereits in der Abhandlung des für die Wissenschaft zu früh ver-
storbenen ßössler über die Königin Juana in Bezug auf die Behauptungen imd Folge-
rungen Bergenrotli's eine nur zu verdiente Zurechtweisung erhalten.
Dasjenige, was ich von meinem Standpunkte aus zu bemerken habe , ist nicht
geeignet, Bergenroth' s Autorität zu vermehren. Da wird die Vei-muthung ziemlich deut-
lich ausgesprochen, (p. XXXVII), K. Philipp I. sei vergiftet worden, der genaue ärzt-
liche Bericht über die letzte Krankheit des Schwiegersohnes K. Ferdinands, den die
documentos iueditos enthalten, ist jedoch unerwähnt geblieben. S. XXXVIII wird dar-
gethau, dass Cardinal Adrian selbst die Festhaltung der Königin als Infamie bezeichnet
habe, während das Document, auf das sich Bergenroth beruft, p. SOG, die Klagen des
Gobernadors über die Infamien enthält, welche die Junta über ihn, K. Philipp und
K. Ferdinand ausstreuten. Er behauptet, Adrian habe die Unwahrheit gesagt, dass die
Junta Priestern aufgetragen habe, die Königin (1520) zu exorcisiren; aber nicht Adrian
war es, der stated a thing which he knew was not true. Wir sind so glücklich eine
ungleich grössere Anzahl von Documenten über die Königin Juana und ihre Tochter,
die Infantin Kathai-ina, vor uns zu haben, als Bergenroth bietet; ihr Inhalt führt aber
zu ganz andern Schlüssen als Bergenroth aus den ihm bekannten zog. Adrian war gar
nicht der Mann, sich von dem Marques de Denia beirren zu lassen und wenn Bergen-
roth erwähnt, die Italiener hätten Adrian als einen der grössten Heuchler seiner Zeit
betrachtet, so wäre es für Bergenroth besser gewesen, eine so thörichte Ansicht nicht
zu wiederholen. Es ist unwürdig sich zum Träger des beschränktesten Nationalhasses der
Italiener gegen den deutschen Papst zu machen; aber es stimmt dieses vollständig zu
der jetzt herrschenden Richtung, die habsburgischen Zeiten schwarz in schwarz zu malen.
Aber auch in kleineren Dingen ist Bergenroth unzuverlässig, wie er z. B. p. XLI,
K. Ferdinand in Guadalupe sterben lässt, während es in Madrigalejo geschah. Die
dechiffrirte Verwendung des Cardinais für die Infantin Katharina vom 18. September 1521
p. 95, gehört einem grösseren Briefe vom 28. September 1521 de dato Burgos an. Diesem
geht aber ein Schreiben der Infantin an den Kaiser vom 13. September voraus, das
Bergenroth nicht kannte. Nach der Ausführung ßössler's ist es nicht mehr nothwendig,
auf die Bedeutung des Wortes premia zurückzukommen und Bergenrotli's Behauptung, als
wäre die Königin Juana schon von ihrer Mutter gefoltert worden, zurückzuweisen. Die
Sache ist an und für sich so unsinnig, dass nur der feste Entschluss ein Gebäude von
angeblichen Beweisführungen zu errichten und dasselbe mit einer Behauptung monströser
Art zu krönen, dazu Anlass geben konnte. Vom 28. Juli 1521 bringt Bergenroth nur
ein Schreiben von 13 Zeilen von Seiten des Marques von Denia an den Kaiser. Gerade
in dem Fehlenden kommt aber der Ausdruck premia vor, wo von einer möglichen Entfernung
der Königin aus Tordesillas die Rede ist. Er bezeichnet einfach: Zwangfsanwenduntr.
Gebrauch von Gewalt y esto ni se debe hacer ni pensar sin Vuestro — des Kaisers —
mandamiento. Das ist doch klar: pero esto no podria ser sin premia. Hätte Bergenroth
Denkscbrifteu der phil.-bist. Cl. XXV. Bd. 44
346
HöFMCR.
diesen Brief gekannt, so wäre es wulil uio zu der nun, abgetlianen Controvorso ge-
kommen.
Es stellt sich nun folgendes Verliältni.ss liei-aus : 1520.
Supplem.
n. 49. Der Marques vonDcuia an den Kaiser.
Mai 1520??
n. 50. Derselbe an denselben. Mai 1520?
n. 51. Notariatsinstrument über die Aussagen
Bernaldino de Castros vom 23. Au-
gust 1520.
n. 52. Die Stadt Valladolid an die Capitanos
der Armee der Junta. 31. August.
u. 53. Der Cardinal von Tortosa an den
Kaiser. 31. August.
n. 54. Notariatsinstrument über die Unter-
redung der Junta mit der Königin.
1. September 1520.
n. 55. Der Cardinal an den Kaiser. 4. Sep-
tember 1520.
n. 56. Der Cardinal an Lope Hurtado. 4. Sep-
tember 1520.
n. 57. Der Cardinal an den Kaiser. 14. Sep-
tember 1520.
n. 58. Drei Procuratoren in Tordesillas an
die Junta in Mediua del Campo.
18. September 1520.
n. 59. Der Marques von Denia an den Kaiser.
22. September 1520.
n. 60. Der Cardinal an den Kaiser. 23. Sep-
tember.
n. 61. Instrument über eine Unteri-edung
der Junta mit der Königin. 24. Sep-
tember 1520.
n. 62. Schreiben der Generaljunta von Valla-
dolid. 26. September 1520.
n. 63. Der König an den Cardinal. 7. Octo-
ber 1520.
n. 64. Der Cardinal an K. Karl. 8._ Octo-
ber 1520.
n. 65. DerCardinalandenKaiser.21.Üctober.
Briefe aus dem Archive von Simancas.
Fehlt im Verzcichniss von Simancas.
Passt nicht für den Monat Mai, sondern für
August.
Fehlt im Verzeichniss von Simancas.
Ist im Verzeichniss.
Der bei Weitem grössere Theil dieses Briefes
ist Bergenroth unbekannt geblieben.
Ist im Verzeichniss.
Ist im Verzeichniss.
Ebenso.
Ebenso.
Ebenso.
Fehlt.
Ist im Verzeichniss.
Ist im Verzeichniss.
Ist im Verzeichniss.
Ist im A^erzeichniss.
Fehlt die Nachschrift.
Von gleichem Datum sind zwei Briefe des
Condestable aus Briviesca an den Kaiser
über Tordesillas.
ZuK Kritik und Quellenkünde der Ersten Regierungsjahke K. Karls V.
347
n. 66. Der Condestable an den Kaiser.
29. October.
n. 67. Schreiben aus Tordesillas an den
Cardinal, s. d.
n. 68. Der Cardinal au den Kaiser. 1. No-
vember 1520.
n. 69. Der Cardinal an den Kaiser. 13. No-
vember.
n. 70. Der Cardinal an Lope Hurtado.
13. Novernber.
n. 71. Der Cardinal an den Kaiser. 17. No-
vember.
n. 72. Brief an den Condestable s. d.
n. 73. Der Comendador-Mayor an den Con-
destable. 8. December 1520.
n. 74. Derselbe an denselben. 9. December.
n. 75. Gomez de Santillar au den Cardinal.
9. December 1520,
n. 76. Lojje Hurtado an den Kaiser. 10. De-
cember 1520.
n. 77. Der Cardinal an den Kaiser. 15. De-
cember 1520.
Nur eine kurze Notiz, dass die Kö-
nigin nacli Benavente Iiätte gebracht
werden sollen.
u. 78. Lope Hurtado an den Kaiser. 16. De-
cember. Ohne Ortsangabe.
Lope Hurtado an den Kaiser. Ohne
Ort und Datum.
n.
79.
Ist im Verzeichniss.
Dieses ist vom 13. November und wurde in
den Brief des Cardinais vom gleichen
Datum an den Kaiser eingesclilossen.
Im Verzeichniss.
Im Verzeichniss.
Im Verzeichniss.
Im Verzeichniss.
Vom Grafen von Haro, 7. December.
Im Verzeichniss.
Fehlt.
Im Verzeichniss angegeben vom 8. December,
was aber irrig ist.
Ausgelassen das Verzeichniss der gefangenen
Procuratoren.
Schreiben der Infantin au den Kaiser.
13. December.
Drei Seiten langes Schreiben.
Fehlt im Verzeichniss von Simancas.
Beide Depeschen n. 78 und 79 sclieinen nur
Auszüge von Depeschen zu sein. Na-
mentlich n. 79 scheint dem Jahre 1520
nicht anzugehören, da von der Ilückkehr
des Marques von Denia und seiner Ge-
malin nach Tordesillas die Rede ist.
Lope Hurtado muss nach dem Schreiben des
Lic. Vargas an den Kaiser vom 18. De-
cember 1520 damals schon von Burgos
zurückgereist sein.
So verdienstvoll denn auch die Berg cur oth' sehen Publicationen für das Jahr 1520
im Supplement sind, so Avenig können sie einen Ansprucli auf Vollständigkeit machen.
Es fehlen viele und selir wichtige Briefe, die über das Schicksal der Königin, der In-
fantin Aufschluss geben. Es fehlt namentlich die ganze äusserst wichtige Correspoudenz,
die sicli auf die Austreibung des Marques und der Marquesa von Denia aus Tordesillas
bezieht. Diese war aber die Thatsache, welche K. Karl als einen ihm persönlicli ange-
thanen Schimpf ansah, den er nie vergass. A^on diesem Augenblicke an waren Unions-,
44*
34S
Hör
Constitutions- und Pacifieations-Bemüliungon umsonst. Gerade in dieser Beziehung wären
Aiifselilüsse sehr wtinsclieuswerth und diese fehlen ebenso wie die späteren Briefe des
Cardinal gobernadors von Ende Deceuiber, welche über die Königin inid die Absicht sie
zu entführen, aus Uastillicn nach Leon zu bringen, so interessante Aufschlüsse gewähren.
Aus dem Jaiire 1^)21 linden sich bei Bergenroth nachfolgende Correspoudenzen:
u. 80. Polauco an denKaiser. 18. Januar 1521.
n. 81. Der Cardinal an den Kaiser. 22. Ja-
nuar 1521.
n. 82. Die Infantin au den Kaiser. 2(). Ja-
nuar 1521.
n. 83. Der Marques von Denia an den Kaiser.
21. Februar 1521.
n.
84.
n.
85.
n.
86.
n.
87.
n.
88.
n.
89.
n.
90.
n.
91.
n.
92.
u.
93.
Der Kaiser an den Marques, s. d.
Der Marques an den Kaiser mit Mar-
o-inalnoten des kaiserlichen Secretärs.
12. März 1521.
Die Granden an den Kaiser über
Luther vom 12. April.
Die Granden an den Herzog von Alba.
12. April.
Der Präsident der Consejo an den
Kaiser vom 13. April.
Der Bischof von Oviedo an den Kaiser
vom 12. April 1521.
Fray Juan de Avila an den Kaiser, j Register.
15. Juni.
Der Mar(pes von Denia an denKaiser
(28. Juli und 5. August).
Ln Register mit dem Datum vom 17. Januar.
Mitgetheilt.
Fehlt. Hingegen hat das Register zwei Briefe
des Fray Juan de Avila an denKaiser vom
26. und 28. Januar.
Bei diesem Brief fehlt der Anfang, welcher
sich über die Königin und die Infantin
ausspricht, sowie der ganze nachfolgende
Brief. Was Bergenroth mittheilt, scheint
nur ein Einschluss gewesen zu sein, den
das Register enthält. Der Hauptbrief
aber blieb Bergeni-otli unbekannt.
Dechiffrirt im Register.
Dieser Brief fehlt. Dagegen fehlt bei Bergen-
roth das Schreiben des Marques an den
Kaiser vom 16. März und das vom 12. April.
Fehlen.
Die Marques an den Kaiser. 30. Juli.
Die Infantin au denKaiser. 29. August.
n. 94. Memorial der Infantin an den Kaiser.
19. Augvist.
n. 95. Der Cardinal an denKaiser (dechiÜ'rirt)
vom 18. September und dazu eine
Dieser Brief vom 28. Juli hat in der Ab-
schrift 7 Seiten bei Bergenroth 13 Zeilen,
ist somit nur ein dürftiger Auszug.
Fehlt.
Register. Stimmt aber nicht mit dem
Bergenroth überein.
Register.
Dazu noch ein anderes Schreiben der
fantin vom 24. August.
Die eilf dechiffrirten Zeilen fehlen. Hin
gegen theilt Bergenroth das lange Schi-ei
bei
In-
Zur Kritik und Quellenkünde der Eestkn Reoierungsjahue K. Karls V. 349
Mittlieilung aus einem Briefe vom ben des Cardinais vom 28. September
18. September. j (nicht 18. September) nicht mit, an dessen
Ende die kleine Mittheilung von 15 Zei-
len steht und ebenso nicht das Ende
dieses Schreibens.
Damit schliesst Bergenroth die Mittheilung von Documenten für das Jahr 1521. Er
kannte somit das Schreiben der Infantin an den Kaiser vom 24. September nicht, nicht
das Schreiben derselben vom 12. September, noch des Cardinais vom 3. November als
der Plan besprochen wurde, die Königin von Tordesillas nach Arevalo zu bringen, und
ebensowrenig die weitläufige Instruction des Marques von Denia an D. Hernando de
Fosar vom 31. December 1521, womit der zweite und letzte Band der Abschriften aus
Simancas schliesst.
Icii selbst Avill mit dieser Erörterung nur beweisen, dass, so dankbar die Veröffent-
lichungen Bergenroths anzunehmen sind, sie doch den Gegenstand nichts weniger als
ei-schöpfeu, mancherlei Lücken enthalten und nur den Anfang von Forschungen bieten,
nicht aber diese abschliessen. Ich muss aber hier nocli Eines zur Ehre Bergenrotlis
erwähnen. So misslich es ist, Auszüge von Briefen zu machen, welche einen mannigfal-
tigen Inhalt besitzen, so hat sich doch Bergenroth mehr in seinen Gegenstand hinein-
gearbeitet als Rawdon Brown, wie Ein Beispiel schlagend beweisen dürfte. Brown lässt
Contarini an die venetianische Signoria schreiben, K. Franz sei bereit zum Frieden mit
Karl, sowie zur Herausgabe von Mailand, Fuentarabia und to pay the tribute for the
Kingdom of Naples, n. 510. So übersetzt Brown ohne zu bedenken, dass dieses ein
reiner Unsinn ist. Bergenroth, welcher einen Auszug aus dem Schreiben des Martin von
Salinas, kaiserlichen Botschafter bei dem Infanten Ferdinand mittheilt, (IL, p. 535) fasst
die Sache viel verständiger auf. Der König verlangt, dass Mailand und Tournay ihm
zurückgegeben werden, und that the pension from the Kingdom of Naples be paid to him.
Nämlicli die 100.000 Sonnenthaler, welche K. Karl nach dem Vertrage von Noyon (1516)
dem Könige, seinem künftigen Schwiegervater, gegen Aufgebuug der französischen An-
sprüche auf Neapel jährlich zu entrichten hatte!
Ich füge noch die Notiz hinzu, dass das Münchner Nationalmuseum, wie mich Herr
Conservator Kuhn aufmerksam machte, zwei ausserordentlich schöne Gebetbücher der
Königin Juana mit lierrlichen Miniaturen von Hemling und seiner Schule besitzt, die
K. Ferdinand und aus seinem Nachlasse die Erzherzogin Anna, Gemalin Herzog Albrechts V.
von Baiern, erhielten. Durch letztere kamen sie in den Besitz des wittelsbachischen
Hauses. Das Eine von ihnen enthält die Erlaubniss eines Inquisitionsbeamten in S. Pablo
zu Valladolid, dass es gelesen und behalten werden dürfe.' Will man das nicht auch
zu einem Beweise stempeln, dass die Loca habe protestantisch werden wollen?
13. Calendar of State papers and manuscripts existing in the archives and
collection of Venice and in other libraries of northern Italy. Vol. III. 1520 — 1525. Edited
by Rawdon Brown. London 1869.
Die Sammlung, welche in Betreff der ßeformationsgeschichte gar nicht unerhebliche
Berichte entliält, ist für unsere speciellen Zwecke von geringer Bedeutung. Sie beruht
wesentlich auf den Diarien Sanutos und hat vorzüglich die Betheiligiing Englands an
Por commission del Saiicto officio vistas y examinadas en sant pablo de Valladolid puedeu se tener y Her. fra Pablo Marin.
350 HöFLKU.
den politischen Angelegenheiten Italiens im Auge, kommt somit mir vorübergehend auf
spanische Dinge zu spreclien. Don All'onso, des Kaisers governor Tind captain general,
von welchen im Berichte Antonio Surians an die Signoria vom 10. November 1520 die
Rede ist (Nr. 135 p. 93), ist Don Antonio de Fonseca contador mayor und capitano
general, welcher Ursache am Brande von Mediua del Campo war und dann sich mit
dem Hasse der Comuneros beladen, flüchten musste. Von hohem Interesse sind die Mit-
theilungen über die Verbindung (k^r Franzosen mit den Comimeros. Dass die Ueber-
setzung der italienischen Berichte in das Englische gerade liier recht störend wirkt, und
es viel besser gewesen wäre, den ursprünglichen Ausdruck so viel als möglich zu be-
wahren, wird kaum beanständet werden können. Das AVerk selbst hat für die deutsche
Geschichte einen ungleich grössern Werth als für die spanische, da es das Auftreten
Luther's durch interessante Berichte commentirt.
14. Die Briefe des kaiserlichen ßathes Petrus Martyr de Angleria* (Opus
epistolarum)- aus den Jahren 1517 — 1522 sind ein fortlaufender Commentar der wichtigsten
Begebenheiten, Zeitungsberichte in Form von Briefen. Es gehören hieher von der An-
kunft Iv. Karls in Spanien bis zur Niederlegung der Gobernadorstelle von Seiten Adrians
54 Briefe (n. 699 — 753). Davon fallen auf das Jahr 1517 nur mehr sieben, theils aus
Madrid, theils aus Aranda, theils aus Valladolid, wo Peter Zeuge des feierlichen Einzuges
K. Karls war. Vom Jahre 1518 sind nur siebzehn Briefe, anfänglich aus Valladolid,
dann seit Monat Mai aus Saragossa, wohin er sich mit dem königlichen Hofe begab.
Da Anfangs Februar in Valladolid die castillianischen Cortes versammelt waren, sind
seine Angaben von besonderem Werthe. Auch er schreibt dem Bischöfe Mota imd Don
Garcia Padilla das Hauptverdienst zu, die Cortes dahin gebracht zu haben, dass sie den
^Wünschen des Königs folgten. Mehr und mehr entwickelt sich dann bei ihm die x\.b-
neigung gegen den Herrn von Chievres, welche den Grundton seiner Correspondenz
bildet. Er belegt ihn mit dem Beinamen Bocks (caper) und während er sich in grosses
Lob über den König ergeht, und dessen Eigenschaften in günstiges Licht zu setzen
sucht, verfolgt er den ersten Minister mit dem leidenschaftlichsten Hasse. Aber auch er
muss die grosse geistige Bedeutung Chievres anerkennen und sagt dann selbst, dass
Chievres von dem Bischöfe Mota geleitet wurde, den er als einen ganz ausgezeichneten
Mann darstellt. Nachdem er noch den verunglückten Versuch bericlitet, die Infantin
Katalina ihrer Mutter zu entziehen, begab sich P. Martyr nach Aranda am Duero, von wo
der Infant Ferdinand nach Deutschland entlassen wurde, und endlich nacli Saragossa,
wo die aragonesischen Cortes Karl nur dann als König anerkennen wollten, wenn er'
entweder die Zustimmung seiner Mutter nachweise oder dass sie ihm nicht nöthig sei.
Die Klagen über die Ilaubsucht der Umgebung Karls nehmen zu; wie sehr man aber
hier mit Vorsiclit verfahren muss, geht aus dem leidenschaftlichen Hasse gegen den
Grosskanzler hervor, dem er (cp. 620) den Tod wünscht. Aber welches Verbrechen liat
zunächst den Zorn des kaiserlichen Rathes hervorgerufen? Dass der Kanzler ver-
hmgte, es solle die Zeugenabgabc bei den Inquisitionsprocessen nicht heimlich geschehen,
sondern öffentlich die Zeugen genannt werden, auch sollten die Gefangenen der Inqui-
sition nicht in den Kerkern des Officiums sondern in den öffentlichen (der Staatsgewalt)
' Die documentos ineditos veröflfeutlichen im XXXIX. Bande, \i. 397, einige Documente über ihn und sein Testament vom
2H. Sc)iteniber lö2() nel)st einer liurzen Leliensslvi/ze ohne sich in eine Kritilv seiner Briefe einzulassen.
- Nacl) Böhmer. Siianisli rrformevs nf two eonturies 1S74 ]i. 9:^, f;ind die erste Ausgabe st.itt in Aeademia Com]ibiteiisi l.'Sn.
Zur KniTiK und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 351
aufbewahrt werden. In diesem Verlangen, welches eine Wohlthat für die Angeschul-
digten in sich schloss, sieht Petrus Martyr das grösste Unglück. (Nisi atropos ejus filum
disi'uperit, sacra prostrabitur inquisitio et miseri Rogi.s fama stemetur, qui se patitur a
talibus Harpyis gubernari). Man sollte meinen, die verhasste flandrische Regierung
wäre in mancher Beziehung eine Wohlthat für Spanien gewesen. Diese Massregel,
welche der Grosskanzler befürwortete, war aber von grosser Bedeutung, da in dem nach-
folgenden Aufstande die Inquisition eine grössere Rolle spielte, als man bislier anzu-
nehmen geneigt war. Es ist nicht ohne Grund, dass Karl später, als es sich darum
handelte, die leidenschaftlich erregten Gemüther zu beruhigen, auf die Inquisition einen
so grossen Nachdruck legt. Er that dies ganz im Sinne der Spanier, d. h. in jenem
Sinne, zu dessen Dolmetsch und Vertreter sicli Petrus Martyr gegen den Grosskanzler
machte. Als der Grosskanzler starb, rechnete er ihm nach, es seien an 1,100.000 Ducaten
aus Spanien nach Belgien geschleppt, was nach den Berichten Anderer um mehr als die
Hälfte übertrieben war, aus dem Erzbisthum Toledo mehr als 100.000 gewonnen,
Aemter in Masse verkauft worden, der König sei arm. So sehr er aber dem Flamänder
zürnt, muss er doch (ep. 627) eingestehen, dass die Schuld der Vergeudung bei dem
spanischen Adel liege, der die andern auf alle erledigten Aemter aufmerksam machte,
um selbst bei ihrer Verleihung einen Theil des Gewinnes zu ziehen, ep. 627. Castillianer
sind es, die die Beschwerden der Sevillaner und Toledaner zurückweisen, ep. (JoO. Die
aragonischen Cortes kamen zu keinen Beschlüssen, weil sie selbst aus dem Könige das
Unmögliche erpressen wollten, da erhob Chievres durch Kaufleute das servicio im
Voraus, wie er es mit Castillien gemacht hatte, ep. 632.
Die Briefe, welche sich auf das Jahr 1519 beziehen, sind im XXXII. Buche des
Opus epistolarum niedergelegt, ep. 33 — 55. Von diesen sind fast alle aus Barcelona,
wohin sich der Hof begab um die catalanischen Cortes abzuhalten ; die andern aus
Valencia, wohin Peter von Angleria eine Mission erhielt. Der lange Aufenthalt in
Aragon verschlang 12 — 150,000 Ducaten. In Lerida war bereits (3 cal. Febr.) 30. Januar
das (lerücht vom Tode K. Maximilians verbreitet. Der König eilte nach Catalonien,
wo er am 17. Februar in Barcelona ankam und die Nacliricht vom Tode seines Gross-
vaters erhielt. Epl. 635. (XII cal. Mart.) 18. Februar.- Dass Maximilian in der Stadt
Vek gestorben sei, gehört zu den vielen Fehlern des Textes, an welche sicJi die chrono-
logischen Irrthümer anreihen. Der Dux Bretumberchensis ep. 637 ist der Herzog von
W ürtemberg. Fucon ist Toison. Bereits treten die Wahlhandlungen in den Vordergrund,
während die Verhandlungen mit den catalanischen Cortes sich in eine unglaiibliche
Länge ziehen. Neun Monate waren in Aragon verloren gegangen ; für Catalonien war
die Aussicht vorhanden, dass vor zwölf Monaten kein Bescliluss erfolge. Als Karl, er-
wählter Kaiser, die Huldigung in Valencia persönlich nicht vornahm, Petrus von Angleria
mit .Jeronimo Cabanilla dahin abgesandt wurde, war die Sache auch hier so weit gekommen,
dass das Aergste befürchtet wurde. Bereits vom 13. December (id. Decembei-) 1519 an sind die
Briefe aus Valencia datirt, sie reichen bis zu dem 13. Februar (id. Februar) des nächsten
Jahres 1520, worauf die vorübergehenden aus Valladolid, aus Compostella und endlich
bleibend aus Valladolid kommen, wo Petrus sich während der Jahre 1520, 1521 auf-
lädt. Er war somit Zeuge des ersten Ausbruches der Revolution von Valencia, wohin
er den Cardinal von Tortosa (Adrian) schon Ende December 1519 — im Widerspruche
mit den Angaben xVnderer — kommen lässt. Ep. 652, 654.
352 Hopler.
A\in iiuu au begleiten die Briefe jejie Ereignisse, die wir weitläufiger aus anderen
Schriftstellern kennen. Peti'us erwähnt den Aufstand in Valladolid als Karl iiiudi Torde-
sillas gehen Avill, versetzt aber den Streit, welcher zwischen Don Pedro Giron und dem
Könige iu Yalhidolid stattgefunden hat, (ep. 6(i(!) nach San Jago de Compostcdla. Er
blieb hier und dann in la Coruüa bis zur Einschiffung Karls, welclic er irrtliümlich auf
den 22. Mai verlegt. Er beruft sich ep. 669 auf Mittheilungen des Grosskanzlers
Gattinara, welchen er als einen uubescholtenen ausgezeichneten Mann darstellt; allein
diese Mittheilungen hindern nicht, dass er in seinen chronologischen Daten öfter als lieb
ist, sich irrt; dabei leiden seine Angaben erst noch unter einer Verstümmlung des Textes.
Am 29. Mai (IV. cal. Jun.) kommt er nach Valladolid, wo er nun bleibt und die Stürme
der Revolution übersteht. Er berichtet den Aufstand von Zamora, Segovia, Guadalajara,
Siguenza, Madrid und Toledo, die Ermordung Giofredi's, dem er gleichfalls die ver-
hängnissvollen "Worte in den Mund legt, er werde sich aus dem Blute der Neucliristen
(neophytae) — Maranos sagt Maldonado — sein zerstörtes Haus wieder aufbauen. Petrus
gibt aber leider keine Aufschlüsse über die Aveitere Betheiligung dieser Neuchristen an der
Bewegimg. In wie ferne Nachrichten aus Valencia oder anderen Orten einlaufen, theilt
er sie in seinen Valladolider Briefen mit, wie er sich denn in Betreff des Pfingstauf-
standes zu Valencia auf Mittheilungen des Cardinais Gobernadors beruft. Ep. 675, X cal.
Junii, was wieder Julii heissen niuss. Er bezeichnet Juan de Padilla als Urheber des
Aufstandes von Toledo — ob advei-sac partis familiae de Silva odium intestinum und
seine liochfahrende Frau Dona Maria als Mariti maritum, ep. 679. Die Briefe begleiten
nun die Aveitere Entwicklung des Aufstandes und geben schätzenswerthe Details, wie dass
der Marques von Denia selbst nach dem Brande Medina's Fonseca den Rückzug nacli
Tordesillas verweigerte, worauf sich dieser nach Arevalo begab, während die Einwohner
von Valladolid den Cardinal und den Consejo zwangen, ihn zu entlassen. Ep. 61S2. Petrus
bleibt jetzt Correspondent des Grosskanzlers, welcher von ilim seine Privatnachrichten
über die Revolution bezieht. Wir erfahren durch ihn die Vorgänge in Valladolid selbst
imd was der Cardinal wie der consejo für Mittel anwandten, den Sturm in A^alladolid zu
beschwören. In dieser Beziehung sind auch die chronologischen Daten von Wichtigkeit,
um, wenn auch nicht Tag für Tftg, doch Woche für Woche das Anschwellen des poli-
tischen Sturmes beobachten zu können, wären sie nur selbst in volle Richtigkeit gebracht.
Er erwähnt die Flucht des consejo, seine Rückkehr und erneute Flucht, die Bestrebungen
des Cardinais, die Junta in Valladolid zu versammeln imd den abweisenden Bescheid
derselben, endlich ilire Vorstellungen, welche eine ganze Umwandlung Spaniens be-'
zweckten. Ep. 68 G.
Die übrigen Briefe zeigen so recht, wie die Fluthen der Revolution immer höher
schwollen, in Valladolid einerseits angeblich der Versuch gemacht wird, sie zu beschwören,
anderseits sie sich auch schon dort zu organisiren beginnt, nach der Einnahme von
Tordesillas schon die Mehrzahl der Procuratoren Karl V. den königlichen Titel ent-
ziehen will imd nun die Reformbowegung, welche so wünschenswerth und nothAvendig
Avar, in die i-evolutionäre, in die oÖ^ene Empörung umschlägt. In dem Briefe vom 8. No-
vember (October) erscheint, während Lope Hurtado (Furtatus p. 383) die Ernennung
der andern beiden Gobernadoren bringt, der Cardiiial bereits als Gefangener. Discessiun
tentavit saepe. Wii- kennen aber nur den Versuch vom 1. October 1520 (n. 691). Ju
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 353
i>ezug auf die gefahrvolle Stelle, welche der Cardinalgobernador in Valladolid im Herbste
1520 behauptete, ist P. Martyr Hauptquelle.
Anders wird es, seitdem der Cardinal sich aus Valladolid flüchtete, Petrus Martyr
zurückblieb und ZAvar über die Ereignisse daselbst, aber nicht mehr über den Weo-
berichten konnte, den die Regierung einschlug. Doch sind seine Berichte ein treues
Abbild der im Schosse der verbundenen Städte sich vollziehenden Auflösimg, die die
Katastrophe herbeiführte ; diese freilich aber kommt dann v(_)n einer andern Seite und
nicht von Valladolid, das bald so, bald anders sich entschloss (Ep. 700).
Vielfach berichtet er über Pedro Giron, wie der Almirante sich mit ihm besprechen
Avollte, ersterer die Unterredung ablehnte, ohne dass die Junta sie erlaubt hätte (ep. 704),
wie Don Pedro mid der Bischof von Zaniora dann zusammenkamen; von einem Verrathe
Don Pedro's weiss er niclits zu berichten. Erst wo er von der Eroberung von Torde-
.slllas durch die Granden spricht, erwähnt er, dass <lie (lemalin des Almirante so häufig
von den Granden zu der Junta gehe. Quid operetur non intelligimus , credimus per-
suasuram Almirantis nomine D. Petro Gironi ut Junteros decipiat, ep. 709. IV. cal. Jan.
Giron werde jetzt in Valladolid Verräther genannt, weil er nach Villalpando zog. Wir
wissen aber sehr genaii, und genauer, als Petrus Martyr, welche Mühe es kostete, die
Granden zu bewegen, damals nach Tordesillas zu ziehen. Vergleicht man diese Dar-
stellung mit der Guevara's, so tritt die Ungeuauigkeit des letzteren noch mehr hervor.
Damit schliesst das 33. Buch der Briefe und das Jalii- 1520. Gerade im ersten Briefe
des 34. Buches, avo er von Padilla's geringer Begabung und grosser Popularität spricht,
kommt er auf den Verrath Giron's und Laso's zu sprechen — solos in hoc vasto gurgite
viros graves — die jetzt Verräther heissen, weil sie die Bestrebungen der Junta für
einfältig hielten. Mit dem Anfange des neuen Jahres 1521 beginnen die fruchtlosen
Unterhandlungen zwischen den Granden und der Junta, an welchen sich der päpstliche
Nuntius und der portugisische Botschafter betheiligen und worüber Petrus in seinen
Briefen fortwährend berichtet. Mit Reclit tadelt er die Unthätigkeit der Granden, die
Padilla von dem verunglückten Unternehmen gegen Burgos ganz ruhig und ungefährdet im
Januar 1521 nach Medina ziehen und die dortigen Contingente übernehmen Hessen. Er
theilt den Bericht des Cardinais an den Kaiser im Auszuge mit, ep. 713, welclier von der
Junta aufgefangen und in Valladolid veröffentlicht wurde. Bei dieser Gelegenheit er-
fälirt man auch, wie die -Junta nach Giron's Abgang den Don Petrus Laso zum General -
capitän einstimmig erhob, das Volk von Valladolid aber eigenmächtig den Padilla dazu
wider dessen eigenen Willen bestimmte. Nachdem aber alle Vorschläge in Betreff' eines
Ausgleiches von der Junta — wenn auch nicht von Padilla zurückgewiesen worden,
verliess Laso selbst nach dem Briefe vom 15. März (idib. Mart.) die Junta, welche damit
iJir Hau]3t einbüsste, ep. 7 IS. Schon der 720. Brief bringt die Nachricht von der Schlacht
bei Villalar, dem Untergange Padilla's und seiner Gefährten. Dann aber wird mit den
dürrsten Worten ep. 721 berichtet, die Franzosen seien a juncteris plerisque impulsi
Toletanis praecipue ac particulatim ab uxore Padillae — in der Hoffnung in Navarra ein-
gefallen, dass das Feuer sich noch weiter verbreiten werde. Zu spät suchten sie die Ebene
zu erreichen, um dem Heere der Junta die Hände zu bieten. Es existirte nicht mehr.
Die Briefe beschäftigen sich mehr imd melir mit niclit spanischen Dingen. Schon
der 726. Brief bringt die ausführliche Nachriclit von der grossen Niederlage der Fran-
zosen in Navarra. Auch ihm ist bekannt, dass liiebei Briefe der Dona Maria de Pacheco,
Denkschriften der pliil.-hist. Cl. XXV. Bd. .1.0
354
HöFLEK.
Schwester des Herzogs voa Moudejar uud Wittwe Paililla's, gefundcu wurden, die ilie
Fraii'zoscu zum Elufalleii iu Navarra aufforderten, p. 418.
Mit dem 728. Briefe beginnt sein Briefweclisel mit Cardinal .Vdj-ian. Der Aufstand ist
niedergeworfen, es gibt somit darüber an den Grosskauzier nichts zu berichten; nui-
noch Toledo hält sich, als der neue Einfall der Franzosen, die Eroberung von Euentarabia,
ueium Stoff gewährte. So schliesst das Jahr 1521 mit dem 748. Briefe, olme dass jedoch
die 38 desselben mit denen des vorausgegangenen an innei-em Gehalte verglichen werden
können. Der erste Brief des Jahres 1522 enthält bereits die Nachricht von dem Tode
P. Leo's, der Wahl Adrians und ein Giückwünschungsschreiben an den neuen Papst,
ep. 754; die Nachricht von der Flucht Dona Marias de Pacheco ep. 758, die Reise des
königlichen Rathes nach Saragossa, um P. Adrian zu sehen, folgten rasch nach. —
Angleria hat durch die Leidenschaftlichkeit, mit welcher er Chievres verfolgte, nicht
wenio- beia-etraaen, das Urtheil über die wahren Gründe des Aufstandes der comunidades
zu trüben. So viel auch nach dieser Seite gesündigt wurde, es bleibt doch immer wahr,
was Antonio de Guevarra den Caballeros der Junta sagte: la colpa no estuvo en todos
ellos si en en la poca esperiencia suya y en la mucha embidia nuestra.
Wenn Dona Maria de Pacheco durchaus ihren Mann als Grossmeister des Ordens
von San Jago sehen und als alteza begrüsst werden wollte und dazu nun alle mög-
lichen Lügen in Umlauf gesetzt wurden, um die Toledaner durch die Gefahr einer (er-
dichteten) Steuer zum Aufruhr zu bringen, so gebietet die Wahrheit, dass durch dieses
Benehmen das des ,caper', womit Petrus beständig den Hei-rn von Chievres bezeichnet,
sehr in den Hintergrund gedrängt wurde.
Dass eine neue kritische Ausgabe des P. Martyr wünschenswerth sei, ist wohl kein
Zweifel. Ebenso wenig, meines Bedünkens, dass es mit manchen Briefen Peters nicht
weniger seltsam sich verhält, (vergl. Ranke, Kritik S. 414) als mit denen Antonio de Guevara's.
15. Ich muss hier noch der pieces historiques des k. k. Haus-, Hof- und Staats-
archives zu Wien (Handschriften n. 30) erwähnen, auf welche ich durch Herrn von Böhm's
gründliches und genaues Verzeichniss (S. 8) aufmerksam gemacht wurde. Die Instruc-
tionen K. Karls an la Chaulx vom Jahre 1522 sind hier in ihrer vollen Ausdehnung
enthalten. Brewer (Calendar n. 377, 378) hat sie nur im Auszuge mitgetheilt.
16. Ueber die Wichtigkeit der Briefe des päpstlichen Nuntius Hieronymus Aleander,
welche Professor Joh. Friedrich als Beilage zu seiner Schrift: Der Reichstag zu
Worms im Jahre 1521 veröffentlichte (München 1871), kann wohl nur Eine Stimme
sein. Als ich sie gleich nach ihrem Erscheinen durchlas, entging mir die Bedeutung
einer Stelle, welche ich erst jetzt in ihrer ganzen Bedeutung erkenne, wobei ich be-
daure, dass mir diese erst nach Beendigung des Druckes meiner Comunidades, als ich
Friedrichs Schrift zum zweiten Male durchging, aufstiess.
In Antwerpia, schrieb Aleander am letzten Februar 1521 aus Worms (S. 57). se
inprimea Luther in ispanico, credo per sollicitudine de' Marani che sono in Fiandra et se
devea mandar in Spania; Cesar ci ha detto haverei (haverci) rimediato.
Ist die Nachricht authentisch, so ist die Verbindung der Marranos, welche bei dem
Aufstande der Comunidades so stark unter der Decke spielten, mit der deutschen Reform-
bewegung sichergestellt und ebenso klar, warum sich die Granden so sehr gegen diese
aussprechen, und König Kaid für die Inquisition Partei nimmt!
ZuK Kritik und Quellenkunde der Ersten Eegierungsjahre K. Karls V. 355
D. Das Conclave Adrians VI.
Die AValil Adrians /Aim Papste fülirte sehr früh 7ai einer Controverse über den
Antlieil K. Karls und seines Botschafters Don Juan Manuel zu Rom an derselben.
Letzterer bestand auf dem Satze, welchen er am 26. März 1522 an Andrian schrieb,
dass nach Gott nur der Kaiser ihn zum Papst gemacht habe (despues ile Dios solo el rey
OS ha hecho papa'); ein Ausspruch, den derselbe am 21. April 1522 wiederholt.^ Der
Kaiser selbst milderte diesen Ausspruch am 9. März, indem er dem neuen Papste schrieb,
es seien von der kaiserlichen Seite aus den Cardinälen keine Personen genannt worden,
die sie wählen sollten, sondern nur im Allgemeinen, sie möchten Jemanden wählen,
welcher der ganzen Christenheit erspriesslich sei. Jedoch habe der Botschafter, ehe die
Cardinälc in das Conclave gingen, diese aufmerksam gemacht, dass vmter den Ab-
wesenden sich eine so verdiente Persönlichkeit behnde wie Adrian.^ Der Kaiser schrieb
aber dieses, um dem Cardinal von S' Croce zu widersprechen, welcher behauptete, er
habe durch seine Stimme die AVahl Adrians entschieden, während er doch seine Stimme
zurückgenommen habe, um den Beitritt der Cardinäle zu verhindern.
Der Kaiser Avar, wie ich dieses in der Abhandlung über Adrians Walil auseinander-
gesetzt, in einer grossen Verlegenheit. Cardinal Wolsey hatte seine Untei-stiitzung zur
Papstwahl verlangt, er sie zugesagt,* und nun war der Gobernador von Castillien, Meister
Adrian, gewählt worden. Ohne den Einfluss des Kaisers? A¥er glaubte es denn und war
es nicht im Interesse Karls, dass es Adrian selbst glaube? Dieser aber hatte gar keine
Ursache, Don Juan Manuel dankbar zu sein und letzterer wusste es auch, dass der neue
Papst ihm keineswegs gewogen sei.
AYorin bestand nun die sichere Thatsache? In Folgendem und zwar nach dem
eigenen Geständnisse Don Manuels.
1. Ehe das Conclave bezogen wurde, warb Don Manuel Stimmen für den Cardinal
von Medici'\ der die ganze französische Partei und den Cardinal Colonna gegen sich
hatte. D. Manuel suchte daher letzteren für Medici zu gewinnen. Das ist bewiesen durch
den Bericht Don Manuels an den Kaiser aus Rom vom 19. December.
2. Der Cardinal von Medici war der eigentliche kaiserliche Candidat. Er konnte
auf 18 Stimmen gegen 20 rechnen. Don Manuel traf nun ein Arrangement mit ihm, dass
Medici, wenn seine Wahl unmöglicli sei, seine und seines Anhangs Stimmen demjenigen
Candidaten zukommen lassen wolle, den er (Don Manuel) bestimme. Wenn Medici sein
Wort halten werde, was freilich in Rom nicht gewöhnlich sei, so werde das Arrangement
nicht schlecht sein. Von Adrian von Tortosa ist hier keine Rede; dieses ist bewiesen
durch das Schreiben Don Manuel's an den Kaiser vom 24. December 1521.
' Gachard p. 56.
- I. c. p. 20.
•5 1. c. p. 40.
•" Wolsey selbst war nach den Zusicherungen, die K. Karl ilim gemacht hatte, überzeugt, dass er Papst werde. Siehe die
Schreiben bei W. IJradford, correspondence of the Emperor Charles V and bis ambassadors at the conrts of England and
France. London 1850.
^ Dieses ist so .sicher, dass der kaiserliche Gesandte in England am 17. Januar 1522 dem Kaiser schrieb, Wolsey habe
Depeschen aus Rom erhalten, Don Juan Manuel thue Alles die Wahl Medici's durchzusetzen, Bradford p. 33. Der Kaiser
entschuldigte sich am 5. Februar, Manuel habe dazu keinen Auftrag geliabt und die Empfehlungsschreiben für Wolsey
seien zu spät angekommen. Bradford p. 34.
45*
356
Höfler.
3. Der Streit euteüudete sieh Im Couelave zwisclicu der kaiserlichen und der iVaii-
zösiscli-venetiamsclieu Partei, den jüngeren und den älteren Cardinälen.
Don Mannel übergab dem Cardinal Medici in Folge des Arrangements einen Zettel,
auf welchem die Namen der Candidaten standen, s^u Gimsten derer Medicis stimmen
solle wenn seine eigene Wahl nicht möglicli ist. Auf dieser Liste stand in letzter Reihe
Cardinal Farnese, welcher den eigenen Sohn als Pfand seiner Gesinnung gab.
Da aber der kluge Botschafter aucdi die Möglichkeit der Wahl eines Abwesenden
(Wolsey, Adrian etc.) in Erwägung zog, so schlug er für diesen (höchst unwahrschein-
lichen) Fall den Cardinal von Tortosa, Adrian von Utrecht vor.
Dieser stand somit nicht auf der Liste, welche Medici übergeben worden Avar und
letzterer hatte somit auch keine Verpflichtung in Betreff Adrians übernommen; er wai-
nur genannt worden.
Der Beweis hiefür in dem Schreiben Don Manuels vom ß. Jänner 1522.
Die Sache nahm aber noch eine ganz andere Gestalt an. Denn nach den Erkun-
digungen, welche Adrian als Papst einzog, gingen Don Manuel durch die Wahl Adrians
100.000 Ducaten verloren, die ihm der Cardinal Farnese versprochen hatte, wenn
er Papst würde. (Schreiben Adrians an K. Karl vom 21. November 1522 bei Gachard
p. 15(i.) Niclit bloss, dass Don Manuel nicht mehr römischer Botschafter bleiben wollte,
als Adrian Papst geworden war, sondern letzterer wollte ihn auch excommuniciren und
drohte selbst mit noch ärgeren Strafen, was sich freilich nicht auf Vorgänge bei der
Papstwahl bezog. Am 2. März 1523 kommt Adrian nochmal auf die Sache zurück und
beruft sich in seinem Schreiben an K. Karl auf Manuels Nachfolger in Rom, den Herzog
von Sessa, welcher wisse, dass Farnese für die 100.000 Ducaten seinen Sohn dem Don
Manuel als Geissei gegeben, den dieser auch nach Neapel bringen Hess. Erst als Farnese
alle Hoffnung durchzudringen aufgegeben, entschied er sich für die Wahl eines dritten
und so sei seine eigene Wahl erfolgt. Das habe aber Don Manuel nicht gewusst und
war ganz entsetzt, als er von Adrians Wahl hörte. Der Papst fügte hinzu, er bitte Gott,
ihn vor solchen Freunden zu bewahren wie Don Manuel sei. (Calendar IL n. 532.) Der
Kaiser Hess hierauf am 15. April den Papst versichern, er wisse genau, was zwischen
Don Manuel und dem Cardinal Farnese stattgefunden habe; Geld sei jedoch weder ange-
boten noch angenommen worden. Don Manuel habe den Cardinälen für den Fall, dass
die Wahl auf abwesende Cardinäle fiel, die des Cardinais von Tortosa empfohlen. Calend.
IL n. 542, j). 545. Diese geheimen Vorgänge entziehen sich allen denen, die nur über
das Scrutinium und was im Conclave vorging, berichteten, während es sich hier um
Abmachungen handelte, die vor dem Beginn desselben stattfanden.
In Bezug auf die Vorgänge bei dem Scrutinium wird auf eine Berufung an die
Berichte der französischen Partei Verzicht geleistet werden müssen, da diese nicht
eigentlich im Conclave vertreten wai-, sondern nur die Partei der altern und der Jüngern
Cardinäle und wird daher eine kritische Darstellung der Wahl Adrians vor Allem auf
die Berichte dieser beiden Parteien fussen müssen; andere Berichte Averden nur in so ferne
Werth haben, als sie diese der Unwahrheit zu überweisen vermögen. Nun hat es aber
eilf Scrutinien gegeben, wie Don Manuel berichtet: am 30. December zwei, je eines am
1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8., H. Januar, das zehnte vom 8. Januar wird wedei- von Bur-
maun (Conclave Adrian! VI.) noch von Papenbrok erwähnt. xVUein auch die Stimmen-
'/ahl ist selir vers(•lli(^den. Dai-in abei- stimmen diese Berichte überein, dass im 5. Sem-
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 357
tinium (vom 3. Januar) zum ersten Male zwei abwesende Cardinäle Stimmen erhielten, der
von Tortosa (Adrian) 8, der von York (Wolsey) 7. Allein die Stimmenzahl entschied
nicht nur nicht, sondern es war das selbst nur ein Wahlmanöver. Beide Cardinäle werden
im 6., 7., 8., 9., 10. Scrutinium nicht mehr erwähnt, ja im 8. vom 6. Januar scheint
die AVahl Farnese's bereits entschieden zu sein, als sie durch die von mir berichteten
(dem Wesentlichen nach von Burmann erzählten) Einwürfe verhindert wurde. Jetzt, wenn
wirklich der Erzählung Don Manuels so viel Glauben geschenkt werden darf, liätte man
meinen sollen, nachdem die Wahl des auf seinem Zettel zuletzt Genannten nlclit durcli-
gesetzt werden konnte, werde man an die abwesenden Cardinäle denken. Nicht Iju
Mindesten ; weder am 7. noch am 8. Januar ei'hlelten Adrian oder Wolsey eine Stimme.
Jacobazius erhielt am 8. Januar eine Stimme mehr als am 7., nämlich 11 ; der Cardinal
von Ostia, der Spanler Carvajal, welcher gewöhnlich 8 Stimmen hatte, jetzt 10. Eben
so viele die Cardinäle Flesco und Sion — letzterer um 2 mehr als im 9. Scrutinium,
Grimani aber sinkt von 10 Stimmen am 7. Januar auf 7 herab. Diese letztere AVahl
findet sich wie oben bemerkt Im Berichte Don Manuels. Alle vereinigen sich dahin,
dass am 9. Januar der Cardinal von Ostia und der von Tortosa jeder 15 Stimmen hatte
und die Wahl des letzteren nur auf Empfehlung des Cardinais von S. Sisto und durcli
Accession, nicht eigentlich durch Wahl stattfand.
Interessante Daten enthält über das Conclave ein Bericht der Bibl. Regia Parisiensis
5288 (auch 5157). Er hebt als das bei diesem Conclave Merkwürdige hervor, dass von
Versprechungen keine Rede war. In qulbus mira arte annotandum e.st quod nee fautores
Cardinalls de Farnesio nee alii diversa sentientes quidquam promiserunt nisl purissima
suffragia reportare prout ex ordine scrutlnil Inferius annotati poterlt clarlus viderl. Fortuna
Farnesio labente hora XIX quisque ad propriam cellulam reversus est.
Dann erfolgte das 3. Scrutinium und nach diesem drang wiederliolt der Cardinal
von Medici auf die Wahl Farnese's, sed magnis viribus seniores obstiterunt.
Nach dem 4. Scrutinium am 2. Januar fanden Besprechungen unter den älteren
Cardinälen statt de eligendo optimo pontifice. Dann versammelten sich auch die Jüngern
Cardinäle (der Partei Medici) In der St. Nicolauscapelle und, nachdem sie über eine
Stunde mit einander gestritten, kamen sie endlich überein, einen der älteren zu wählen,
der sicli durch die grösste ßechtschaffenhelt (maxima probitate) auszeichne und kein
Parteimann wäre (nee partes foveret). Die älteren Cardinäle bestürmten die jüngeren,
sie möchten die Lage der Christenheit beherzigen, damit nicht wegen ihrer Uneinigkeit
ein Schisma entstehe, consulerent relpublicae christlanae ne forte ob dissensiones In
allquid scisma perniciosum decurrerent calamitatesque priorum saeculorum commemorabant.
Als jetzt bei dem 5. Scrutinium am 3. Januar wieder ein Versuch gemacht wurde,
die Wahl Farnese's durchzusetzen, widerstanden die älteren Cardinäle zum vierten Male.
Nun aber hiess es, die französischen Cardinäle eilen herbei und da beschloss man, sich aucli
zu beeilen. Allein das 6. Scrutinium gab wieder kein Resultat und zwar aus dem von
dem Manuscripte angeführten Grunde, in aulis deambulando (am 4. Januar) disceptabant
super electione fienda In tanta discordia, maxime cum in collegio tot amplissimi patres
Jiaberentur. Man erwartete aber für den 5. Januar mit Sicherheit eine Papstwahl, entweder
Farnese oder Flesco oder Sitten, als auf einmal der Cardinal Medici mit seinem
Verwandten Clbo (Cardinaldiaconus von S. Maria In Domnica) hervorrückte, des letzteren
Wahl mit Mühe durch den Cardinal Colonna im 7. Scrutinium verhindert wiu-de. Das
358 Höfler.
galt nun als Fallstrick iiihI \ oi-sdnnitztlieit, die man iiiclit ortragoti künnc, woslialb die
altern Cardiiiäle — ü])poi-tiiiiis reinediis hujusmodi fallaciis et subdolis providerc ciipientes —
bei dem Cardinal biscliol' von Ostia am f). Januar eine Besprecliung hatten. Quid decer-
nereut, sequeuti die notum factum est omnibus.
Die Gegner hatten (omni arte) Alles aufgeboten, am G. Januar im 8. Serutinium
Farnese zu wählen. Nicht blos dass, wie Don Juan Manuel berichtet, 12 Stimmen ilni
schriftlich gewälilt, es waren auch neun (per accessum) hinzugetreten. TA)]-enzo Pulcio,
Cardinal von SS. Quati'o coi'onati, ein Florentiner, liatte bereits das verliängnissvolle :
Papam habemus, ausgerufen, als die Cardinäle de Monte und Colonna ordnungsmässige
AVahl verlangten. Der Cardinal Cesarini, wie das andere Manuscript der Bibl. Reg.
Paris, in Uebereinstimnnuig mit Don Juan Manuel erzählt, -trat auf die Seite des Car-
dinais Aegidius, es entstand nun Streit: an accedendo ad alium auferat electionem prioris
und über diesen Streit kam es zum 8. Serutinium, aber nicht zur Papstwalil, da Farnese
von 26 Stimmen, welche nütliig waren, noch fünf fehlten. Die älteren, von welchen
offenbar mehr als einer sich Hoffnung auf die Tiara gemacht, beschlossen nun einträch-
tiger zu verfahren, um nicht von den jüngeren ausgelacht zu werden. Bei dem 9. Seru-
tinium am 7. Januar verschwindet zwar der Cardinal Farnese niclit, er kann aber mit
:» Stimmen nur den dritten Platz erlangen und es verbreitet sich das Gerücht, die
mediceische Partei wolle am 8. Januar alle Minen springen lassen, ihn durchzusetzen.
Die älteren verbanden sich dagegen und sie utrimque maximo ambitu agebatur. Erst
das 10. Serutinium am 8. Januar brachte Rath. Der Cardinal von Medici liess statt
Farnese den Cardinal della Valle (von S" Prisca) durch Colonna als Papst vorsclilagen,
tanquam virum Optimum et ad regimen fluctuautis ecclesiae valde opportunum. Er drang
jedoch nicht durch, aber in der ersten Nachtstunde entschied sich die Mehrzahl der
Cardinäle weder Farnese, noch Valle, noch Medici zu wählen. Diese Erklärung
führte die Krise herbei. Am 9. Januar erfolgte das 11. Serutinium. Jetzt schlug
der Cardinal von Medicis ludens ut consuevei-at et ut videretur rem gratam facere voluisse
Caesareae Majestati quae illum recommendaverat (?), den Cardinal von St. Johann und Paul,
Adrian von Tortosa vor. Er erhielt gleich dem Cardinal von Ostia, Bernardo Carvajal,
einem Spanier, 15 Stimmen, so dass die Wahl zwischen zwei Spaniei-n schwankte. Aber
nicht der Vorschlag des Cardinais von Medici entschied, wie das Pariser Manuscript
ausdrücklich hei-vorhebt, sondern die Rede, welche der Cardinal von San Sisto, Thomas
de Vio, hielt und in welcher er die Tugenden, Sitten, Ehrbarkeit und Unsträflichkeit
Adrians hervorhob. Es erfolgte die accessio zuerst des Cardinais von San Sisto, dann was
entscheidend war, Carvajals — Cardinalis Canaliceasis nach dem Manuscript, Cavalicensis
bei Burmann und Bergenroth — endlich folgten de Monte, Sieua, Araceli, Armellino,
Jacobazio, Ti-ani, Como, so dass mein- als zwei Dritttheile die "Wahl Adrians entschieden.
Der Bericht Burmann's gibt einige Notizen über Vorkommnisse bei den früheren
Scrutinien, enthält aber wieder Manclies nicht, was das Pariser Manuscript mittheilt. Das
Manuscript 5157 enthält mehr Klatschereien, als eigentlichen historischeu Bericht.
Noch gehören hieher die commentaria rerum diurnalium conclavis in quo creatus tuit
Adrianus Papa VI, Africano Severolo auctore. (Im k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchiv.)
Diese stimmen in Betreff des Verhaltens des Cardinais Medici und des Cardinais von
S. Sisto am 9. Januar Wort für Wort mit dem Pariser Manuscript übereiu. Es heisst
bei dem Vorschlage des Cardinais von Medici, ut a magnis viris existimabatur ludens ut
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegierungsjahre K. Karls V. 359
consueverat et iit vidcrctur rem gratam t'acere voluisse Caesareae majestati, tpiae illimi
sibi (!) commendaverat. Verum Dens qui dissipat consilia gentium egit quod D. Cardinalis
prius liabens coram patribus oratioiiem de virtute ejus accesit ad electionem. Nacli
Severolo kam aber die Walil Adrians gar nicht so unerwartet und liatte derselbe nicht
nur im 5. Scrutinium (3. Januar) 8 Stimmen (ßergenroth, Calendar p. 391), sondern bei
der gi'ossen Zersplitterung der Stimmen, die am 5. Januar (7. Scrutinium) stattfand, als
plötzlicli Cibo emjjorgehoben wurde, erhielt Adrian 3 Stimmen, woraus hervorgeht, dass
Don Juan Manuel nicht so genau über die Vorgänge im Conclave iinterrichtet
war, als er sich den Anschein gab. Bei dem 9. Sci'utinium am 7. Januar eidiielt
Adrian wieder 2 Stimmen und dann am 9. Januar 15, worauf die Accession eintrat.
Die Wahl selbst, die Betheiligung Don Juan Manuels und des Cardlnals von Santa
Croce gaben noch zu vielen Auseinandersetzungen Anlass, bei welchen der rücksichtslose
gewaltthätige Charakter Manuels in seiner ganzen Nacktheit zum Vorscheine kam. (Vergl.
die Depesche vom 22. März 1522 bei Bergenroth, Calendar n. 398.) Wer ihm Avider-
strebte, sollte an den Galgen kommen.
Auf die im Ganzen doch wenig werthvollen Commentaria rerum dlurnalium conclavis
in quo creatus fuit Adrianus Papa VI Africano Severolo auctore, sowie auf die Commen-
taria conclavis Clementes VII P. M., in welch letzteren nur vorübergehend von Adrian
die Rede ist, noch näher einzugehen, halte ich für überflüssig-, es genügt Blasii de Cesena
Magistri caeremoniarum ab anno 1518 sub Leone X, Adriano VI, demente VII et Paulo III
usque ad 1540 diarium, das auch Aufzeichnungen über das Pontificat Adrians VI. enthält,
und die von mir herausgegebenen Additamenta ad Aegidii (Viterbiensis) historiam facta ab
Hieronymo Seripando — eigenhändige Notizen des berühmten Augustiner-Generals über
die Päpste seiner Zeit zu erwähnen, um mich dem bändereichen Werke F. Petrucelli's de IIa
Gattina, histoire diplomatique des conclaves Paris 1864 — 1866, 4 vol., zuzuwenden,
da demselben ein ungebührlicher AVerth beigelegt wird. Nicht blos dass die Gesandt-
schaftsberichte, in wie ferne sie sich auf das Conclave Adrians beziehen, einen unter-
geordneten Werth besitzen, sondern sie sind aucli, wie die nachfolgende Vergleichung
in Betreff der Scrutinien darlegt, geradezvi irrig zu nennen.
Wenn ferner behauptet worden ist, dass die in Gattina (und bei BreAver) angeführten
Depeschen Campeggio's an Wolsey vom 17. December 1521 und 10. Januar 1522 durch
die englische Ausgabe (Brewer n. 1879 und n. 1952) keineswegs überflüssig gemacht worden
seien, wie dies D. von Trufl'el in einer Anzeige meines Adrians hervorhob, so ist das
nicht viel mehr als eine Sylbenstecherei. Die Depesche vom 17. December enthält nur
noch eine Angabe über die Stellimg der Cardinäle vor dem Conclave, die sehr unter-
geordneten Werthes ist, imd was die von Brewer n. 1952 mitgetheilte Depesche betrifft,
so war nur mitzutheilen, dass die Behauptung Campeggio's, Wolsey habe so oft aclit und
neun Stimmen erlialten, die übrigens Brewer in dem englischen Text gibt, eine
Unwahrheit enthält. Dass ich übrigens AVolsey's Candidatur entschieden zu ernsthaft
behandelt habe, ist wieder unrichtig, da Wolsey selbst, der damals Leiter der englisclien
Politik war, auf die spanische und französische einen ungemeinen Einfluss ausübte, alle
Hebel daran setzte, Papst zu werden. Endlich ist zu bemerken, dass Gattina's Werk eine
Parteischrift ist und sich durchaus nicht auf die Höhe ruhiger unparteiischer Erwägung
der historischen Verhältnisse erschwungen hat.
360
Höfler.
Icli stelle imu zum Schlüsse die florentinischen Berichte Gattina's über das Conclave
Adrians denen des kaiserlichen Botschafters Don Juan Manuel gegenüber, aus welchen
man die Mangelhaftigkeit des ersteren entnehmen kann und damit die irrigen Grundlagen
der Anschauungen des gelehrten Mitgliedes des italienischen Parlamentes.
Nach dem florentinischen Berichte.
Nach Don Juan Manuel.
I. Scrutinium 30. December.
Ostia 9
Grimani 10
Volterra .... 5
Flisco 12
Monti 5
Ancona 5
Degli Accolti ... 5
Grassi 6
Jacobazi "7
IL Scrutinium 31. December
Medici 16
Farnese 1'?
Flisco 8
A'. Scrutinium 3. Januar
Santi Quattro ... 14
S. Eusebio . .
5
Flisco . .
7
Jacobaccio
7
San Sisto
7
Sion .
6
Valenza .
6
Ära Coeli
6
Mantua .
6
Volterra .
. 4
Grassi
4
Medici .
4
Campeggio
. 4
Egidio .
. 4
X. Scrutinium 8. Januar
Santa Croce . . . 20
Flisco 20
Jacobacci . . . . 12
Farnese .
.
,
4
Flisco 10 Stimmen
Medici 3
Medici 5 Stimmen
Ostia (Carvajal) 10
Flisco 7.
Farnese ist unter denen nicht angegeben,
die mehr als 5 Stimmen hatten.
Hatte im IV. Scrutin. 14 Stimmen, nicht im V.
Volterra 12
Flisco im IV. 7. im V. 9 Stimmen.
Hier ist der Cardinal von Tortosa mit 8 und
der Cardinal von York mit 7 Stimmen
ausgelassen; Ostia, Medici, Valle, Egidio
hatten jeder 6 Stimmen.
In Wirklichkeit: X. Scrutinium
Jacobaccius ... 11
Ostia 10
Flisco 10
Sion 10
Grimani 7
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 361
So irrig die Zahlenangaben. Gattina's sind, so wenig interessant sind die von ilim
citirten Briefe des florentinischen Gesandten. Ich wüsste nicht, was sie nach dem durch
Brewer, Bergenroth bekannt gewordenen Correspondenzen noch Neues böten.
Unstreitig das Bedeutendste was über das Conclave Adrians, die zunächst voraus-
gehenden und die zunächst nachfolgenden Ereignisse zugänglich wurde, befindet sich in
den Aufzeichnungen Marin Sanuto's des Sohnes des Leonardo, de successu rerum Italiae.
Bekanntlich ist das Original dieses Quellenwerkes erster Grösse der italienischen liegie-
runo- abgetreten worden und befindet sich nur nielir eine niclit immer mit vollei' Treue ver-
fasste Copie in dem k. k. Haus-, Hof- imd Staatsarchive zu Wien. Das Werk, welches für
die Geschichte des XVI. Jahrhundertes unentbehrlich ist und längst verdiente von einer
Akademie lierausgegeben zu werden, ist ein Diarium oder, wenn man will, ein Regesten-
werk, welches Tag für Tag die Einlaufe bei dem venetianischen Senate mittheilt und
sehr häufig neben den Auszügen von Berichten der Gesandten, die wichtigsten Urkunden,
Briefe der Kaiser, Könige, Cardinäle, Päpste, Fürsten, in ilirem vollen Inhalte. Natürlich
muss zwischen diesen Berichten genau unterschieden werden, und es genügt nicht Citate
Sanuto's anzuführen, da die Briefe je nach ihrem Aussteller, dessen genaueren oder
minder genauen Kenntniss, ihrem Parteistandpunkte, von sehr verschiedenem Werthe sind.
Das gilt namentlich von den Berichten aus ßom und zumal aus der Zeit, die in den
Kreis dieser Erörterung fällt. Die Auffassung eines und desselben Ereignisses wird
begreiflich zu ganz anderen Resultaten führen , je nachdem dasselbe von einem
Augenzeugen, einem wohlunterrichteten Correspondenten, der schon um seiner Ehre willen
sich keinen falsclien Bericht zu Schulden kommen lässt, oder von einem Privatmanne
dargestellt wird, der an dem vielfältigen Klatsch Gefallen findet und diesen zum eigenen
Vergnügen wie zu dem seiner bi-ieflichen Freunde ausbeutet.
In Betreff der Nachrichten über das Conclave ist noch besonders zu erwähnen, dass
die Venetianer aus den Berichten ihrer Cardinäle schöpften, von diesen Grimani die
Hoffnung Papst zu werden nicht aufgab, bis Adrian Pajist wurde, und die beifolgende
Tabelle über die eilf Scrutinien wohl als die zuverlässigste und im Conclave selbst ver-
fasste anzusehen ist. Sie zeigt genau, welche Sprünge man sich erlaubte, mit welcher
Leichtfertigkeit bald dem Einen bald dem Andern eine illusorische Majorität, welche
doch nie eine absolute war, zugewendet wurde, wie falsch es endlich war, wenn dem
Cardinal von York geschrieben wurde, dass sich auf ihn immer eine respectable Anzahl
von Stimmen vereinigt habe. Medici war der kaiserliche Candidat und selbst das geht
nicht aus diesen Berichten hervor, dass er auf den Cardinal von Tortosa aufmerksam
machte. Hingegen ist die Schilderung des AVeinens und Wehklagens, das in liom statt-
fand, als es gewiss war, dass ein Ausländer, ein Barbar, gewählt worden sei, wahrhaft
drastisch. Die Leute, welche Aemter von P. Leo gekauft hatten und nun einsahen, dass
bei der Abwesenheit des Hofes sie ihre Zinsen nicht herausschlagen würden, waren in
Verzweiflung und gaben dieser auch den lautesten Ausdruck. Interessant ist hiebei auch
eine Andeutung, dass die jüngeren Cardinäle sich mit dem Gedanken befreundeten, die
Papstwahl ausserhalb des Conclave vorzunehmen, das heisst doch letzteres zu sprengen,
und auf das Bestimmteste behauptet wurde, die Cardinäle hätten einen Todten gewählt,
Adrian sei bereits seit zwei Monaten in Spanien gestorben.
1. Der Tod P. Leos X.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Bd. 46
362
HöFLBR.
Nach dem genauen Berichte des venetianischen Orators zw Korn, Bartolomeo Angitello
vom 3. December 1521, war am 2-1. die Nachricht eingelaufen, dass sich Maihvnd der
Kirche und dem Reiche ergeben. Die Nachricht kam an den päpstlichen Secretär
Jan Matheo, welcher sich sogleich nach Magliano begab, den Papst traf, wie er das
officium betete und zwar gerade jenen Vers des benedictus ut sine timore de manu omnium.
Das ist eine gute Neuigkeit, welche ihr mir bringt, sagte er zum Secretär und Messer
Taulo, der mitgekommen war. Er entliess beide. Die Nachriclit verbreitete sich unge-
mein rasch und nun machte die Schweizerwache Musik, Feuerwerk und gab Salven die
ganze Nacht, dass der Papst, welcher sie vergeblich zur Ruhe ermahnen Hess, die ganze
Nacht nicht schlafen konnte. Am andern Tage, 25., erklärte der Papst, er wolle nach
dem Essen nach Rom zurückgehen und stand, bis die Cavalcada begann, längere Zeit in
einem Kaninchenparke.' Der Tag war sehr heiss, er blieb länger als gut war und erkältete
sich namentlich auf dem Wege, weil Sonnenuntergang plötzlich eintrat und er nicht Winter-
kleider trug. Nach Einigen habe er sich über den Schmerz der Fistola beklagt, die ihn
mehr als gewöhnlich presste (premeva). Der Papst kam hocherfreut in Rom an, da es
aber Montag war, wo der Papst nur einmal des Tages zu essen pflegte, nahm er das
pranzo mit grossem Behagen (con tutti li sui piaceri e spassi) zu sich, legte sich nieder
und schlief vortrefflich. Am andern Tage (Dienstag) gab er Audienzen, es kamen zwei
Cardinali de casa, Trivulzi mit allen Brüdern, Neffen und Vettern. Während er Audienz
o-ab, überfiel ihn Fieberfrost, so dass der Papst sich sogleich niederlegte, und das war
der erste, wenn auch nicht grosse Paroxysmus. Er hatte wenig nächtliche Rulie, stand
aber Mittwoch doch heiter auf, war aber schwach, und gegen Abend kam der zweite
Paroxysmus, den aber die Aerzte durch neue Medicin beseitigten, so dass man glaubte,
der Papst werde binnen vier Tagen gesund sein. Am andern Tage Hess sich der Papst
um 21 Uhr Musik machen, erledigte einige Breven und machte Pläne für den S. Am-
brosiustag, an welchen er in dessen Kirche Messe lesen wollte. Allein nun stellte sich
der Paroxysmus Abends so heftig ein, dass der Papst das Bewusstsein verlor, die Nacht
war äusserst schlimm, so dass, als nun der Adventsonntag anbrach, drei Couriere an den
Cardinal Medici abgeschickt wurden, dann aber schlief er einige Stunden (15—19 Uhr).
Als er erwachte, wollte er Speise zu sich nehmen, beklagte sich aber über grosse Hitze,
ass nur sehr wenig, befand sich jedoch so gut, dass an Cardinal Medici geschrieben
wurde, es gehe besser, und die Aerzte nicht glaubten, dass noch in dieser Nacht ein
Fieberfall (parosismo) stattfinde. Der Papst aber entliess um 5 Uhr diejenigen, welche
im Zimmer waren und nur der Cardinal SS. Quatro, der Arzt Ponzola, die zwei Nefi^en
Salviati und die Schwester blieben mit 2 — 3 Cameriei-en zurück, er entliess auch diese
um zu schlafen, als vor sechs der Paroxysmus so entsetzlich wiederkehrte, dass die An-
wesenden (Camerieri) sogleich nach dem Cardinal SS. Quatro schickten. Bis derselbe
aber kam, hatte der Papst die Besinnung verloren." Er hatte den Tag vorher gebeichtet,
die Todesgefahr erkennend, die letzte Oelung verlangt, als ,der Katarrh' so heftig wurde",
dass der Papst starb. Sogleich, wie die Nachricht in Rom bekannt wurde, bewaffnete
sich jeder und verproviantirte sich, es erfolgte aber durchaus keine Unruhe. Die Car-
dinäle ernannten den p]rzbischof von Neapel zum Grobernator, Hessen ein Inventar auf-
' Tn un barco pioolo de oonigli.
2 Benche subito sopraveiieiiduli il male sua 8antita cognoacendo U luorire adomaiido roglio santo et el jonio s"era confessalo
e tanto li abmidö il cataro die fra le 7 höre e le 8 sua »antita passö.
ZuE Kritik und Quellenkunde der Ersten Eegierungsjaure K. Karls V. 363
nehmen/ Den Nuntien wurde sogleich der gänzlich unerwartete Tod angezeigt. Sogleich
begannen im Cardinalcollegium sich die heftigsten Feindschaften zu zeigen.
■ 2. Das Conelave.
Gleich nach dem Tode des Papstes hatten die Cardinäle den venetianischen Orator
gebeten an die Signoria zu schreiben , damit sie für den Kirchenstaat Sorge trage,
dieser aber die Cardinäle ermahnt, für einen tüchtigen Papst zu sorgen. Er theilte mit,
dass Cardinal Soderini sicli sehr bitter im Cardinalscollegium gegen den Verstorbenen
geäussert habe." Bereits begannen (in banchi) die Wetten, wer Papst würde. Man
berechnete, dass Leo nur von den Aemtern der cubicularrati der Cardinäle und der
chavalierati GO.OOO Ducaten eingegangen. Er fand im Castell 5,050.000 Ducaten vor
und bei seinem Tode war er verschuldet.^ Er berichtet wie die Gefangennehmung des
Cardinais von Ivrea in l'avia den Eintritt in das Conelave um acht Tage hinausschob.*
Die Cardinäle hielten bei Santa Croce, dem Haupt des Collegiums, Besprechungen, Colonna
trat gegen Medici auf^ imd letzterer hatte bereits an seinem Ansehen eingebüsst. Dann
aber wii-d wieder darauf hingewiesen, dass der spanische Botschafter'' Alles für Medici
in Bewegung setze und Soderini erklärte sich in der Congregation der Cardinäle auf's
Neue gegen Medici, und wie es Zeit sei aus der Tyrannei herauszutreten, worauf Car-
dinal Cesarini antwortete, er kenne in P. Leo keinen Tyrannen imd wenn er Cardinäle
für Geld gemacht habe, so habe er sehr recht gethan.' Die zehn älteren Cardinäle
stellten Colonna zur Eede als dieser sich (wieder) fiir Medici aussprach und meinten,
sie wüssten keinen (rrund, warum er Medici zum Papste machen wolle, worauf Colonna
erwiderte, weil er es verdiene, da er kaiserlich sei, kriegserfahren und tapfer,** die
Cardinäle aber erklärten darauf Colonna, da wollten sie lieber ihn zum Papste machen.
Es liegt nun ein Bericht an Justinian Cesarini (2. Jänner) über den Eintritt der Car-
dinäle in das Conelave, 27. December, vor, was unter einem so grossen Gedränge
geschah, dass der Berichterstatter von der Menge getragen, den Boden nicht berühren
konnte. '' Grimani und Cibo krank, Hessen sich in Sänften hintragen, worauf das Conelave
gesperrt und zur AVache an der Winde (rota), durch welche die Cardinäle das Essen
erhielten, vier Patriarchen und vier Erzbischöfe aufgestellt wurden. Nur von ihnen erfuhren
die Gesandten die Vorgänge im Lmern des Conelave. Dort beschäftigte man sich,
Sonntag (29) , Capitel für den neuen Papst zu entwerfen. Am 30. liiess es Medici sei
Papst geworden. Dann aber hiess es Farnese sei Papst, was Grimani so entsetzte, dass
' Non intendo que uostro signoi'e a la inorte sna facesse mentione de persona alouna. Alcuni dicono che post ronfessionem
perilonoe ad Adriano et che lo veniesse. p. 1G5.
2 Bericht vom 6. December p. 171. — Der Bericht vom 14. Deceralier p. 177 erzählt weitläufig- die Exeqnien.
ä Guardate se inai fo veduto el piü inagnifico et vero papa, pen.sate como stara el sncces.iore. p. 178.
^ p. 184.
•■■ p. 192.
s Der intriguenreiche Don Juan Manuel, che grande personaggio ha d'intrata duc. 18.000 — promete che fara es.ser da con-
ferire beneficii impediti per 200.000 due. p. 195.
^ Perclie V ha fatto Cardinali tutti i migliori di lui. p. 194.
8 Homo molto valoroso, p. 19.5, das waren die Eigenschaften, welche zum Papstthume — nach der Meinung dieser Herren
— befälligten.
3 Der Brief, in welcliem es nun heisst, P. Leo sei wie ein Hund ohne Beicht und Sacraraent gestorben (21. December, p. 19.5),
ist von einem nicht näher Belvannten. Capitolo di una lettera scritta in Roma a di 21. Decembro 1521. Die Unwahrheit
liegt ■auf oii'ener Hand.
46*
364
HöFLKR.
er einen Sel.lagiuil'ull l.atte und aus dem Conelave weggetragen werden musstc. ' Dann
kam die Nachricht (11. Januar sabato) Adrian (Maestro .loll' Iinperador et e in Spagna)
sei gewählt.- Eine Bestürzung ohne Gleichen (la terra rimase tutta attonita) herrschte
in Venedig, als das verspätete Schreiben des venetianischcn Oratores ankam; nur der
Legat und^ der kaiserliche Botschafter illuminirten Abends ihre Häuser. Allmälig trafen
über die Vorgänge im Conclave nähere Naclirichten ein, wie Farnese, Flisco, Sion nahe
daran gewesen. Dann kam ein Schreiben des Zoiv.i Grafen von Zaffo an Justinian
Contarini vom 18. Jänner 1522 an, Farnese sei von 21 Uhr bis Vespro (31. December)
Papst gewesen, in seinem Palaste Alles vor Freude, derselbe bewacht worden, damit er
nicht geplündert wer.le und schon die päpstlichen Wappen aufgerichtet gewesen. Grimani
wolle zurück in der Hoffnung Papst zu werden. Donnerstag (heisst es), Medici halte
fest entweder für sich oder für Egidio , Farnese, Cortona und vielleicht SS. Quatro.
Alles Hinderniss stamme von Colonna her (che ha voltato carta apertamente a requisizione
di Volterra). Vom Freitag erfuhr man nichts. Vom Sonntag hiess es, wenig habe gefehlt,
dass die Cardinäle nicht handgemein geworden, man glaube, dass sie ohne Wahl aus-
einandergehen würden. Medici habe gesagt, wenn sie ihn niclit wollten, schlage er
SS. Quatro, wenn sie den niclit wollten, Cortona, Farnese (die gentilissimo nobilissimo
litterato costumato e degno) vor und wenn sie den auch nicht wollten, so überlasse er
ihnen die Zügel,' und wer dann etwas könne, möge können.* Vom Sonntag den .5. De-
cember war wieder nichts zu sagen, als dass die Processionen vor dem Conclave, um
einen Papst zu erflehen, anhielten. Alle Wetten seien in Rauch aufgegangen. Am
Dienstag den 7. hiess es, Cibo habe 23 Stimmen gehabt.^ Am Mittwoch den 8. Hess
es in ganz Rom, Farnese sei Papst, es war aber nichts." Als aber nun Adrian gewählt
wurde und von Aloise Gradenigo, venetianischem Botschafter in Rom, die Briefe aus-
blieben, ward derselbe hart getadelt,' da man für gewiss annahm, die Cardinäle hätten
p. 223. Er habe im erateu Scrutiuium -.' ötin.men gehabt, „.ehr als jeder andere (p. 234), aber seinem Todfeinde Cardinal
Cornelio sein Herz geöffnet. , tt j • »■.
A tutti pnrRe di nuovo questa creazione, di uno pontifice alienigena uon conosciuto mai stato a Roma el quäle Hadnano tit.
S Johannis et Pauli di nation di Mastrieht stato maestro del imperador e al presente si ritrova Gobernador e vicere m
Spagna stato etiam in le turbolenze di Spagna, homo doctissimo in theologia a lecto 20 anni in theologia nel studio di
Lovagno fo maestro con il quäl stete per dosenate e Piero Pasqualigo quäl poi si doetoro e fo cavalier e movse orator al
cristianissimo re del quäl quando fo orator a 1' archiduca in sue letere nefece dil dito suo preeeptor mention come spero
di troyare questo papa creato e di eta de anni 68 e Episcopo di Tortosa et e 1' anima di 1' emperador homo catholico dice
messa ogni jorno pur esta grandissima cossa che di 39 cardinali erano in conclave tra li quali 36 Itahan. e 3 oltra-
montani cioe do Spagnoli et uno Sq.iizero habbino creato questo pontifice et e stato col favor dil Card. Medici quäl vedendo
non poter esser lui ni aU-un di soi havendo U voti fermi a fato questui papa, mirum quia et mauditum et dal . . . Als es
geheisse.i hatte, Medici werde Papst, brachte Pasquino folgende Distichen:
Est nothus est natus proavis et patre tyraiinis
Qui nunc e caatris currit ad imperium
Roma cave obliquo est oculo madidusque venenis
Quosque habet e patrum eaede paravit opes
Deuique ne referam quae sint scelera ampla leonis
Hie jubet ille facit? hie canit (cadit) ille salit.
> .Jo vi lassero la briga. , .
i Questc sono parole che vengono dali Ar.O.iepiscopi che custodi del conclavio se le son ve.-e siano .se non vele adv.so.
Diese waren also die Quellen der Conclaveberichte, welche durch die weiteren Canäle an Glaubwürdigkeit nicht zunahmen.
» Che si giudica ognu..o habi venato a lui l)er non far passar niuno tarnen dica de piu havevemo quel papa si joveneto
splcndido et iiiagniKeo.
^ La discordia del conclavio causa per li voti secreti et d.ibitose non vadi piu in longo che alt.ui non pensa. Uate a di
8. Jeuaro 1521.
T p. 247.
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Regierungsjahee K. Karls V. 365
Jemanden gewählt , der seit zwei Monaten in Spanien gestorben war. Im Fondao-o
(fontego di . . .) wurde dieses als ganz bestimmt versichert. Dann hiess es wieder es
sei noch gar keine Papstwahl zu Stande gekommen.^ Endlich, am 18. Januar, kam der
Brief des Botschafters über die Wahl des Papstes und der nach Spanien bestimmten
Cardinäle — erst Colonna und Cesarini, dann aus Rücksicht auf die Partei Orsini auch
dieser. Im Ganzen habe es eilf Scrutinien gegeben. Im letzten Adrian 15 erhalten,
worauf der Cardinal Thomas de Vio eine sehr beredte Ermahnung an die Cardinäle
richtete, diesen zu wählen, worauf die Stimmen auf 28 stiegen. Der Cardinal von Medici
sei nach Florenz, der von Siena, Petrucci nach Siena abgereist. Es folgen noch vier
Briefe aus Rom vom 9. imd vom 11. Januar, vom 13. und 19. Januar.
Der erste besagt; dass die Partei Colonna einsehend, dass sie nicht weiter komme,
beschloss, den Cardinal Cibo von der Partei Medici zu trennen und ihm desshalb Anträa:e
stellte, auf die er antwortete, wenn sie ihm ihre Stimmen gäben, sei er verpflichtet, ihnen
die seine zu geben, und so hatte er so viele Stimmen erhalten, dass ihm nur fünf fehlten,
als Colonna, der die seine für ihn schon niedergeschrieben, sie zurückzog und vier andere
zu gleichem bewog. Da habe endlich Medici (vedendo che non cera ordine a fare papa
che non li fosse inimico capitale) den Cardinal Flamingo vorschlug — a la quäl pro-
posizione ognuno alzo la voce et fu al primo el Cardinale della minerva Caietano che
niolto lo comendo, el secondo S^ Croce el terzo Triulzi el quarto Campeggio che disseno
molto bene di lui perche altri non lo cognoscean ne pur lo haveari sentito nominare et
quando Medici vite (vide) che a questo vi concorrevano in voce questi 4 tenendo quasi de
non haver altri voti che quelli lui fu il primo et 15 suoi seguaci che messeno il Ihoro
voto in calice per quello et quando li altri vite tanto seguito uno drieto laltro corsero
come che a vazata a dargli el voto suo et rimase de tutti li voti nemine discrepante
et questo fo ale 17 höre quando de una hora e meza prima era partita la processione
solita e fo levata la pietra de la finestrina che era murata et el Cardinale Cornaro lazio
fora la croce et cum una voce molto fiacha da quella finestra disse : Pap am habemus
tal che mal fo inteso e fo prevaricato da Cortona a Tortona o chel fosse per la diboleza
del stado o per esser malcontento et non vi era in la corte che ogni matina fino al
hne de la processione vi soleva esser 5 et 6 miliaia persone, se no 6 famegli, ed io stava
in passegiar uel coridor di sopra con mio cognato Messer Agnolo quando sentimo uno
certo cridare Medici, palle, Colonna, Cortona et Vale et vedemo su la piazza di S" Pietro
uno correre et non si sapea dove uno cridare e poi redisse et uno acrescimento di tanti
a piedi et a cavallo che mai habi visto in fine non li crederesti et volendosi mio chiarire
quäl era el papa troviamo per le scale molto impressa per pigliar loco in S. Pietro
perche subito il papa dovea esser portato in chiesa si fosse sta electo uno del con-
clavio et non fumo a pie de le scale che se diceva chel papa era in Spagna et nui
bien di stupore andamo verso el conclavio et trovamo il Rev' Campeggio et Cibo do-
mestichissimi de mio cognato et ce disseno el nome del papa et a che modo fu electo,
<^uando fu udito, fumo per morire da maraviglia se partimo et se incontramo in tutti
11 cortegiani palatini et molti officiali che piangevano stridavano, biastemavano et se
disperavano discorendo che la corte romana staria piu de mesi 6 clie non faria uno
p. 248.
r-GG
Höfler.
quatrino li suoi ofticij et stanno in gran |)ei-icolo et ulic sono privi de cortegiar in Roma
perclie il papa essondo fiamengo vora fiamengi et dubitasse chel non vegni di qui che
lo Imperatore non lo lascl venire et chel fazi la corte de li per piu facihnente potcrsi
incoronare e pui- venendo che non si erede che vera cum le arme in mano accompagnato
dali Tmperadore per für gran cose ita che concludendo non trovo persona die si ralegri,
ma tutti piangono.
Fate hora voi el vostro sancto juditio siate certo che fino le 24 liore sono stato con
o-randi homini et cardinali et sono sta dicte tante cose che me stracheria a scriverle chi
dice de li stati de la chiesia a uno modo et chi ad un altro chi judica che tutti sara
presi et che Venetiani repiglierano ravena et cervia, chi dice non sera, e perduta. El
belle non voglio tacere per niente. El primo Cardinale che ussite di conclavio ale 22 höre
fu Yale quäl come sponto a la porta del palazzo sentiste uno fischiare uno cridare et
stridare da piu di 6000 persone che stavan a la piazza che intonava tutta Roma dicendo
che 39 Cardinali sono ben stati da poco che non ne habino saputo elegere uno di loro
e sono sta sforzati a fare uno barbaro Cardinale novo et maxime a questi tempi che
tutto il mondo e in avone et cussi deteno el stridare a tutti li Cardenali che ussivano
del conclavi a uno per uno üno le caxa ita che tutta Roma tutti banchi done et homini
li aecompagnavano di ]nano in mano fino a caxa che mai fu fatta cosa piu merita et
condegna et chi voleano questi Cardinali a rosti et chi a lessi et chi a relabina ognuno
parla et crida a sua modo. (p. 256.)
Der zweite Brief vom 11. Januar 1522 beginnt: El secondo jorno dopo la creatione
pontificia de tanta poca satisffatione universale quanto mai se potesse imaginäre narare
ne cum tutte le lingue humane et rationale et inrationale quanto sapessino parlare'
exprimere ita che non si sente se non ramaricare biasteme disperatione plante et singulti
universali dico de li propri electori al remedio de tanti mali damni et total ruina
ognuno pensa et delibera chi ripatriare per stentare et vivere poveramente a le patrie
et chi a li Ihoro vescovadi et beneficij et chi andare in Spagna per non potere fare
altramente perche stände de qui gli Ihoro oficij non venderano uno quatrino sono piu
di 4000 oficiali che non tochano uno bajocho ne trovano da vendere li officj che com-
prorono a tanti belli ducati dore che li faceano squazare di vestimenta mulle cavalli
putane et garzioni et giochi et per ogni canto si vede servitori licenciati dali impotent!
patroni disoperati piangere tanta festa esta facta di tal creatione quanti si fece di la
morte di Papa Leone — da quelli che cognoscono Sua Santitä e molto comendato di
bonta santita doctrina justitia et prudentia la universita damna tal electione piu
per labsentia che per altro.
Der dritte Brief vom 13. Januar meldet den raschen Wechsel von Meinungen und
Plänen der Cardinäle, die Absendung von vier Charavelen von Civitk Vecchia und Livorno
nach Barcelona. Tutte cariche et piene di passagieri che vanno al papa et fra per
terra et per mare sono andate piu de 4000 persone al papa in tanta pressa et quoda-
modo desperatione che non lo potria exprimere.
Folgen nun Sonete auf das erbärmliche Verfahren des Cardinalscollegiums (del
sangue di Cristo traditori).
Ueber das Scrutinium heisst es (p. 260): pel VIII scrutinio sopra il R. Farnese li
furono voti 12 di qualli ne furono Otto degli nostri et 4 di quelli di Medici il recto
fino ali 21. furono Ceseso zoe Medici S. Quatro petruzi valle Campegio, Cortona, Armelia
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegieeungsjahre K, Karls V.
367
Redolfi ßanzon il Eev. Egidio ne dete Ceseso e scussase non li esser sta parlato tarnen
l'u perche non lo volse far se lui lo faceva como cei'to si facea le cose andavano bene
perche il ß™ S. Croce et Araceli haveano promesso venir al Ceseso passadi li 23 voti
et cosi era papa.
Nel ultimo scrutinio sopra il ß. Dertunense electo papa i voti furono 15 poi per
acesso Caietano, Colona, Caviglion, Monte, Trivulzio, Piccolhomini, Araceli, Ancona,
Campegio, Armelino, Trani, Jacobazi et Como et cussi fu papa et tutti li altri assen-
tirono per non poter far di manclio cosa mai pensata sino li voti che sempre lui hebbe
non furono a disegno alcuno ma piu presto et seguito de die ce la mandato over che
vedevano niuno altro poteva esser papa se non questo Tertucense contra il quäl molti
erano conjurati et da distegno volse piu presto cha ....
Questo erano li cardinali dela parte di Medici primo Medici, Sedunense, S. Quatro,
Petruzi, Cortona, Armelin, Caietano, Egidio, Vale, Campegio, Cibo, Cesis, Salviati,
ßedolfi et ßanzon vid. 15.
Contraro di questa factione Medici erano 8. Croce, Volterra, Flisco, Farnesse, Monte,
Ancona, Grassis, Piccolhomini, Trani, Como, Colona, Jacobazi, Araceli, Cornelio, Ursino,
Cesarini, Triulzi, Pisani, Ivrea, Ponzeta, Mantoa et Caviglion 22 et il Grimani che
ussi fuora (p. 260).
Santa Croce
9
7
10
8
6
9
6
12
7
9
15
Grimani .
10
7
1
1
5
4
4
6
10
8
4
Voltera . .
. 6
13
2
4
12
3
4
2
5
1
2
Flisco . .
. 10
7
7
7
9
9
9
8
10
10
9
Farnesce
2
4
1
1
3
2
0
21
1
4
2
Monte
5
2
6
5
7
4
4
4
6
6
3
Sedi'enense
. 5
5
4
6
5
8
8
0
8
10
11
Ancona .
. 2
6
5
8
7
7
5
4
3
3
3
Grassis .
. 6
1
1
4
2
0
7
4
2
3
2
Santi quatro
2
6
1
14
5
8
7
0
1
7
4
Medici . .
. 3
4
7
4
6
5
6
2
4
8
7
Piccolhomini
1
1
7
3
2
3
3
2
3
2
5
Trani . .
0
1
5
0
1
0
1
2
0
3
2
Petruzi .
0
1
2
0
2
3
1
0
1
3
0
Valle. . .
1
4
4
6
6
7
5
10
7
5
6
Yporigiense
. 0
0
3
2
2
3
5
2
1
3
3
Carigione .
0
1
3
0
0
0
0
2
1
0
Correr . .
4
3
7
1
3
4
2
5
4
4
5
Colonna .
1
2
3
1
2
3
2
2
4
4
6
Jacobazi
7
4
7
7
7
8
6
6
8
11
10
Campezo
1
2
4
4
4
7
4
1
7
9
4
Dertonense .
0
0
0
3
8
2
3
2
2
1
15
Malfeta .
0
8
6
3
3
3
4
6
6
6
6
Cortona .
0
2
1
2
0
1
»J
0
0
0
0
Armelin . .
0
1
2
1
0
0
1
9
2
3
0
Caietano
1
2
4
7
1
4
4
6
4
5
5
3gg HöFLKR.
Egidio 34 3 4GT39675
Araceli 8 G551 745434
Vico 44232 16 5 123
Cornaro 0 0 4 0 2 0 2 112 0
Mantoa 3436212 1120
Cibo 0000 0 500040
Ursino 337537 5 2543
Cesis 000 0 00 0 0000
Cesarin 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Salviati 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Eedolfi 00010 0 00000
Ranzon 0000000 0 000
Trivulzio ....000 11000000
Eboracense ...0000500 0 000
Maffuntino ....00 0 00270010
"o'
Am Ausführlichsten spricht sich der vierte Brief aus. Roma, 19. Jänner.
Vedo ve siate meravigliato clie per il coriere sparato dapoi la creatione del nuovo
pontefice niente vi scrivesse in una cosi importante materia, ma considerate di quäle
vüglia mi dovesse trovare quel di che su di "quella voce inexpectata et quasi horribile
a ciascuno homo di sana mente credo me iscusarete et haverete di noi altri compassione
liorra allagerito al quanto il dolor replicaro cum' menor noia le cose passate. Messr An-
tonio Thebaldeo nostro huomo como sapete diligentissimo in notar tutte le cose degni
di nota mi lia narato distintamenta le pratiche et li progressi del conclavi nel quäle
ey-li vi e stato cum el R"" Ranzone et dice lessersi trovato a queste cose dovere esser la ruina
o ...
et perdition dil anima sua conciosiache havendo egli compreso tanti tradimenti rom-
pimenti di fede perjuri et iinalmente niuna scintilla di pieta et religione ni li principi
di essa homai ha produto quelle poco di fede et religione ch' e gli havea. Non
sia chi dica chel spiritu santo habbia operato punto in questa cosa perche dove non e
carita et amor non ce disposizione tale chel spirito santo possi operare etc. II Collegio
era diviso in doi capital fazioni. II Rev'"" di Medici con 14 voti fermi non voleva
condescendere ad alcuno deli vecchi et niuno deli vecchi voleva condiscendere a chiunque
Medici proponesse. Medici propose Santi Quattro Cortona la valle disse mai volse far
mentione vista la impossibilita ad ultimo propose Farnese existimando quelle dovere
essere grato ali veccliü tanto piu chel Rev"" nostro concoreva gaiardamente et hetbe
voti 22 manchavano quatti'O ad agiongei- alli doi terzi Egidio nato vasallo di Farnese
non volse dare il voto suo il quäle dicessi li havea promesso. Araceli anche lui manche
che se questi dui attendevano non era dubio che essendo gli altri tanto intervalo dis-
costi qualche uno altra havria dato lo acccsso ; numerati li voti del Farnese et veduto
il gran numero a rispetto deli altri li quali non passavano 13 voti S" Quatro subito
disse papam habemus si levo al ineonti-o Colonna e disse sedeatis adhuc papam non
habemus laqual parola si crede fusse qualche causa che qualchuno si ritene de
andare a dare lacesso suo in modo che dischavalchato Farnese non si sapevano m che
lato volgere e fu proposto per inanzi Vol terra et dicono che avendo egli scosso voti
13 et si volse verso il Cardinal di Medici con uno viso piatose et collo torto quasi
Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegierungsjahre K. Karls V. 369
dicesse a te sta farmi papa. Impercioohe se Medici avesse voluto ac(;eder cum la secta
sua quello liavrebbe agionto al numero debito, non dimeno Medici remoto stete ne pur
volse guardare Voltera, ma col volto in terra non si crollo di poi quello rivolse gli
odii a la secta Medici pur sperando clie qualchuno si movesse non tu mai uno che lo
volesse guardare. Veduto questo il povero Soderini inclinato capite emisit spiritum.
Quando poi corse Santa Croce dissono che essendo numerati li soi voti li quali erano 10
lui non se contentando di cenni como havea fatto el Soderini vi aggionse le parole et
con voce humile et affetti compassionevoli da Spagnolo disse a domini mei Reveren-
dissimi accedatis ad me, ma niente li valse, dicono ancora che poco niancho che
Mons. Cibo non agiongese al numero per una burla percio facta a studio in questo
modo che havendo lui ricercato da Monsignor nostro et altri Cardinali che nel sequente
scrutinio li desseno il voto non per altro effecto che per burlarlo via accio altri non
spontasse si trovava haver cercha 12 voti imprestido a questo modo Monsignor de
Medici poi havea disposto darli tutti e suoi in modo che lera papa Monsignor Colonna
per certo videre et altri inditii scoperse questa cosa in quel punto che si erano rinchiusi
per far il scrutinio in modo che li bolletini gia erano scritti et sigillati et subito
disturbo ogni cosa cum li soi confederati et quelli altri. Mantoa ancora fu in gran
predicamento intervenendo il Medici, ma li vecchij li obstavano de li quali ciascuno
voleva essere dicessi che essendo questi 3 Cardinali (Farnese, Ancona et Grassi) andati
alla cella del Sedunense simulando volerlo far papa accio lo tirassino a sua divozione
il barbaro accorto si disse domini mei reverendissimi ego nolo esse pontifex neque
volo quantum in me est pontificem uxoratum, notando di tutti tre de pari vitio.
Tutta la notte quelli Signori chi per se chi per altri coreva la staffetta fin li zoppi
et li gotosi in modo che el pareva verlficato iterum quello Evangelio claudi ambulant
surdi audiunt etc. Rixe altercationi infinite scoperte da molte inimicizie et altre incomin-
ciate. Monsignor nostro id est . . . veni a parole cum Cavalicense et cum Armelino cii-ca
il nostro ßev™" Grimano siate certo che il patron mio havia fatto ogni cosa se l'havesso
cognosciuto in lui qualche fundamento ma non vei'a ordine perche medici non lo voleva
sentir nominare: et Colonna il quäle li prometia maria et montes statim veduto il pocho
suo fundamento allese ad altro di che lui sdegnato ussi fuori ne senza gravi nota di
pertinaeia etc. Dicto Eev"" Grimano ogni di dall collegio era richiamato dentro ne
mai volse ritornare eccetto che dicono che quello istesso di di la creatione dil novo ponte-
fice si apparechiava di rientrare. Ad ultimo vedendo Medici che pur bisognava risol-
versi et intendendo dil prosperar di Francesco Maria il quäle havea rimesso in casa li
Baglioni et andava a Siena per rimetter dentro gli borghesi cacciati con animo etiam
di rivoltar il stato di Fiorenza dubitando de li casi soi se la cosa fusse troppo ita in
longo delibero fare conclusione et havendo in animo questo Cardinale Dertosense per
esser imperialissimo ma quasi incognito a tutti li altri desse nel ultimo scrutinio queste
o simili parole. Signori vego che di noi che siamo qiii non j)^'^ riuscire il papa im-
peroche v' ho proposto 3 o 4 li quali tutti havesti recusati quelli ancho a (da) vui proposti
a me non piaciono per molti rispetti forza e che ne pigliamo uno fuora il quäle sia
Cardinale et hoino da bene. A queste jiarole tutti uno ore risposero che cosiera da
fare et che Iho proponesse. Medici veduta questa disposizione soggionse pigliate il
Cardinal di Tortosa homo di eta de anni 65 homo del bene et per giuditio universale
tenuto sancto. Alhora il Cardinal de la Minerva quam vis in tutte le altre cose prima
Denkschriften der phi(,-l,!st. €1. XXV. Ud. 47
310
HöFLKR.
si havesse dimostrato conti-ario a iMedici tarnen in (juc^Ui (toncorde si Icvo in picdi et
parlo tanto honorevolmente di quel Cardinale el «pial egli disse haver cog-nosciuto in
Alemagna che subito naque uno ardentissimo desiderio etiam neli adversari de iMedici
de modo che quasi tutti coniinciorono a laudare questa proposta. Vero e che li voti
ordinarij del scrutinio furono solum XV. nia li altri vennero per accessum il primo che
accessc fu il predicto di la minerva il secundo Colonna, il terzo Jacobazi, il 4"- Trivulzio
di poi Ivrea et quando Monsignor Ursino vide la factione Ursino concorrere, crido
peccoroni dove andate alUi mina di Franza a le ([uale parole uno de dicta fazione fece
una pocho honesta risposta la quäle non scrivo per honor di la degnita Cardinalescha.
El 26 voto il quäle compiva il numero de li doi terzi fu quello di Trani il qiuxle
disse: et ego accedo ad D. Dertusiensem et eum facio pontihcem. Visto questo tutti
gli altri per non poter altramente accessero certatim et di subito Monsignor nostro id
est Corneli quamvis animo egro ruppe la finestra et messe fora la croce et pronuntio
queste parole anuntio vobis gaudium magnum. Papam habemus I). Adrianum tit.
St. Joannis et Pauli Card. Dertos. la finestra e sopra la corte ove li Cardinali chavalchano
et risponde in la capella de Eugenio perche li si fanno li scrutinij subito smurasse le porte
del conclavi intrai dentro nii pareva veder anime che fussero nel lymbo volti squalidi attoniti
et quasi tutti discontenti et gia pentiti di quello che haveano t'ato uno che non sapenao
che egli fusse barbaro et baylo del Imperator il quäle fu fato Cardinale da Leone nel
numero de' trentone. Divulgata la fama, li disegni de moU.i andorno in fumo et denique
non si vede uno liomo allegro in modo che li Cardenali nel andare a casa tutti forno
exsibilati et apertamente delazati dal vulgo et dali artesani et cortisani dicendo ognuno
che pegio meritavano et qui soneti in volto et epigrami Pasquino e state in gran fazende
et dice che essi Cardinali che non potevano far altrimente perche niuno era ivi dentro
che meritasse il ponteficato et oltra li versi fo uno Romano il quäle hebbe ai-dire di
afrontare il ßev. Cardinale de la Minerva su la via et dirgli de strane parole con una
bravata romanescha a la quäle il Cardinale niente rispose. Ultra cio diverse pitture forno
atachate tra le altre una donna romana scapigliata et uno S. Pietro con una sachoza
in spalla el quäle furiva et quella donna pur si forzava di ritenerlo. et lui con uno
breve diceva io era usito di man de usurari hör sono intrato in man de ludei cioe
spagnuoli perche si stima che costui che vasallo di lo Imperatore e tutto de Spagna de
la quäle egli e stato governatore. Fu ancora su Parma dil Cardinal Egidio lo quäl
porta 3 croce crucefixi tre Cardinali in mezo Medici a dextris S. Quatro, a sinistris Lar-
mellino et a pie della croce inginochiato Egidio il quäle dicea : dignum et justum est.
Anchora su la porta dil palazzo apostolico fu atachato uno est locanda il che si sol
porre sule porte dele case da pisonare per dinotare che Roma non havea pontifice ne
era per haverlo. Fu anchora in banchi appeso una tal pittura il novo pontifice in guisa
de maestro di scola con la ferula in mano perche era pedagogo di Carlo nina (nino) Im-
perador et molti Cardinali levati a Cavallo a cullo nudo et il maestro li bateva e di
sotto questo dito en quo discordia patres perduxit miseros. Longum esset notificarvi
tutti li segni de mestitia dati per questi cortesani et precipue officiali et anche romani
et quanto odio habiano contrato questi Signori Cardinali per questa loro mostruosa
electione. Hora intenderete quella da poi ditta electione seguio. Cre'ato il nuovo pontifice
statim prima che ussissero di conclavi ferono congregazione et elexero doi legati al
novello papa questi forno Colonna et Cesarino li quali li portaseno il regno et supli-
Zur Kritik und QuELLENKUfroE der Ersten Regierungsjahre K. Karls V. 371
chassero sua Santita venisse a Roma a pigliar la tenuta dil suo Episcopato el seguente
iterum congregati vi aggionsero uno terzo cioe fu il R. Ursino, ma perche questi in
longo tempo anderano ne si possino partir per tutto questo mese, premisero il vescovo di
scalla Spagnuolo il quäle magnis itineribus andasse annuntiare dicta elettion al electo con
commlssione di impetrar uno legato in Roma per fin a la venuta sua per le cause
occorenti Interim creorono trimuviri per mensem S. Croce Sedunense et Cornaro seguendo
l'ordine, il secondo mese se prima non venisse zoe primo vescovo primo prete et primo
diacono e questo fin veniva la deputatione dil legato se hanno deputato la stanzia in
palazzo Apostolico et S. Croce sta nela camera dil papa ita che al despetto di tutto
il mondo le stato doi frate (fiate) papa. 11 3" di congregati fecero uno governadore di
Roma che fu il vescovo di Cervia nepote di Flisco et a quello deputorno cento fanti
per la guardia non piu perche in vero la terra e assai quieta et di dolor consternata
et hanno redintegrato lo edito de portare l'arme che fece Leone et la pena che e tre
tratti di corda et X ducati a chiunque sera trovato cum lärme et fin qui si observa
inviolabilmente (p. 282).
II quarto di congregati fecero un editto publico a tutti gli officiali che niuno ardesse
andare a trovar el pontefice ma che tutti desseno cautione di star in Roma et questo
fu facto a fine che li oficiali preditti se fussero iti al nuovo pontefice non dessero prin-
cipio a la corte in quella parte et cosi la corte romana restasse desolata. Item deter-
minarono che la rota si eseguisse et li judicij tutti seguisero il loro corso prometendo
far confirmare al nuovo pontefice tutto quello fusse per li detti judicij fato. Nela quinta
congregazione fu fato provision de li denari per li legati li quali hanno a partir et
non possendo altramente trovar denari per esser la chiesa magnata da Fiorentini fin
a r ossa fu forzo impegnar quelli belli panni de razo fatti per la capella et li apostoli
dargento li quali stavano sopra l'altare.
Mit diesem Berichte eines Augenzeugen, der den ausgezeichneten Forschern entging,
die über diese Zeit und Rom insbesondere schrieben , dürfte die Besprechung über die
Vorgänge im Conclave Adrian's und die Darstellung der nächstfolgenden Ereignisse
zum Abschlüsse gekommen sein. Nicht leicht dürfte die Lage der Dinge greller und
zugleich treuer wiedergegeben sein. Die Mittheilung der Sonete und Spottgedichte auf
die Cardinäle halte ich für überflüssig. In Betreff der Copie des Marin Sanuto, welche
jetzt noch im Besitze des k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchives sich befindet, möge die
Bemerkung gestattet sein, dass sie denn doch, wenn je, was so wiinschenswerth wäre, an
ihre Herausgabe gedacht werden sollte, mit dem Originale verglichen werden niüsste,
da ich mehrmals sinnstörende Fehler bemerkte. Ich wüsste aber keine Quellenpublication,
welche ein grösseres wissenschaftliches Verdienst in sich schlösse, als die Hei'ausgabe
Marin Sanuto's.
Eine Erwähnung verdient hiebei noch das Sommario della relazione di Roma
di Luigi Gradenigo, 9. November 1523 über die Papstwahl, wobei der Einkünfte der
Cardinäle besonders gedacht wird und ebenso der üblen Zustände, in denen Leo X. das
Papstthum zurUckliess. Gradenigo oder wenigstens der von ihm mitgetheilte Auszug
aus seiner Relation berührt jedoch die Vorgänge im Conclave nur ganz obenhin (Alberi
relazioni degli ambasciatori Veneti. Serie II, vol. III).
372
HöFLKR. Zur Kritik und Quellenkunde der Ersten Kegierunosjaiike K. Karls V.
Von dem neuesten Aulsatze Friedrich Nippolds, die Reformbestrebungen
P. Hadrians VI. und die Ursachen ihres Scheiterns (Raumer's historisches Taschen-
buch Y. 5), erwälme ich nur, dass dem Verfasser das wichtigste Document in Betreff der
Reformen Adrians, welches icli in meinen Analekten veröffentlichte, unbekannt geblieben
ist. Dadurch entbehrt die Schrift ihrer eigentlichen historischen Grundlage. Ich rechne
es mir zum besonderen Verdienste, diesen ausführlichen Reform Vorschlag , welcher in
der Universitätsbibliothek zu München (Ingolstadt) 300 Jahre lang unbekannt und
unberücksichtigt aufbewalirt wurde, hervorgezogen und als das erkannt zu haben , was
er wirklich ist, eines der wichtigsten Actenstücke zur Kenntniss der reformatorischen
Bewegung des sechzehnten Jahrhunderts.
Es ist nicht meine Schuld, wenn man an ihm vorüberging, wie Drumann an
der wichtigsten Urkunde zur Kenntniss P. Bonifacius VIII., welche ich gleichfalls in
den Denkwürdigkeiten dei- k. b. Akademie der Wissenschaften veröffentlichte.
DENKSCHRIFTEN
KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
SECHSUNDZWANZIGSTER BAND.
WIEN, 1877.
IN COM MISS ION BEI KARL OEROLD'S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
Druck von Adolf HoUhiniseu in Wiom
k. k. Umvt;raitäls-Buclidi-uckerci.
INHALT.
Seite
Miklosicli: Ueber die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. VI. 1
rßzmaier: Der Nebel der Klage. Ein japanisches Zeitbild 67
Mildosich: Ueber die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. VII. IGI
Ffizmaier: Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan . 249
Werner: Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotus . . . 345
ÜBER DIE
MÜNDARTEN UND DIE WANDERUNGEN
DER
ZIGEUNER EUROPAS. VI.
VON
D" FRANZ MIKLOSICH,
WIRKL. MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM !l. FEBKUAB 1876.
Beiträge zur Kenntniss der lundart der Zigeimer in Gralizien, in Sirmien
und in Serbien
mit einem Anhcange über den Ursprung des Namens .Zigeuner'.
Die vorliegende Abhandlung enthält Beiträge zur Kenntniss der Mundart der Zigeuner
in Galizien, in Sirmien und in Serbien.
Die Materialien zur Kenntniss der Sprache der Zigeuner in Galizien verdanke ich
meinem ehemaligen Zuhörer, Herrn Stefan Dubrav^^ski, Professor an der k. k. Ober-
realschule in Stryj. Derselbe hat das mir gütigst mitgetheilte Vocabular einem alten
Mütterchen in Tojjolnica im Samborer Kreise abgefragt. Herrn Dubrawski verdanke
ich auch die Notiz, dass die Zigeuner in den Karpaten des Samborer und Stryjer Kreises
ehedem zahlreich waren, dass jedoch in Folge mehrerer Missjahre ein bedeutender Theil
derselben nach Ungern ausgewandert ist, so dass gegenwärtig sich in jenen Gegenden
ihrer noch etwa hundert aufhalten, die theils vom Schmiedehandwerk, theils vom Betteln,
nur sehr wenige vom Feldbau leben. Dass unter den mitgetlieilten Wörtern sich einige
befinden, die zu erklären mir nicht gelingen wollte, hat wenigstens zum Theil darin
seinen Grund, dass der Zigeuner ganz und gar unfähig ist, zu abstrahieren: fragt man
ihn, wie er ,tadeln' sagen würde, so antwortet er: ma hanin man tadle mich nicht; auf
die Frage, wie man in seiner Sprache , ermahnen' ausdrückt, lautet die Antwort: mri dai,
d. i. meine Mutter, wohl aus dem Grunde, dass dem Zigeuner bei dem Worte jene ein-
fiel, die ihn am häufigsten ex-mahnte.
Die Materialien zur Kenntniss der Sprache der Zigeuner in Sirmien verdanke icli
meinen ehemaligen Zuhörern, den Herren Gabriel Lucaric und Ferdinand Müller.
Um die Kenntniss der Sprache der Zigeuner in Serbien endlich hat sich Herr
Stojan Novakovic, gewesener serbischer Unterrichtsminister, ein wesentliches Verdienst
Denkschriften iler phil.-liist. Cl. XXVI. Bd. 1
2 Franz Miklosich.
erworben, indem er niclit mir selbst sicli mit Zigeunern in Verkehr setzte, sondern mir
aucli zwei von anderen veranstaltete Wörtersammhmgen zur \^('rfiigung stellte.
Die genannten Herren haben auf meine Bitte sieh der niciit geringen Mühe unter-
zogen Zigeunern Worte abzufragen: sie haben durch ihre erfolgreiclien Bestrebungen
unsere Kenntniss der Zigeuner-Sprache gefördert und dadurch nicht nur mich, sondern
aucli alle meine Fachgenossen auf diesem Gebiete zu Dank verpflichtet.
Der Anhang enthält einen Versuch den Namen , Zigeuner' zu erklären. Der Name
wird mit dem Namen der Secte der döiYYavoc in Verbindung gebracht, ein Gedanke,
der, weit entfernt neu zu sein, hier auf neue Art begründet wird.
I.
Vocabular der Mundart der Zigeuner in Galizien.
Nach deu von Herni St. Dubrawski gesammelten Matei'ialieu.
A.
a coni. aber.
ac impt. bleibe: ac devleha, az devhha lebe wohl, ich danke dir, eig. mane cum deo.
ada pron. dieser: ada dive heute.
akanakas adv. neulich.
amen pron. wir. amen hin wir haben, eig. nobis est. havinali' amen wir werden uns
unterhalten.
andal praep. aus: moze jov andal ada javed'a vielleielit wird er aufkommen, eig.
vielleicht wird er daraus kommen, dzav andei y skoia ich komme aus der Schule.
andro, jandro Ei: kachtii nesinel iandre das Huhn legt Eier.
andre praep. in: andr^ o foro in die Stadt, andr' o ves in den Wald, andr' e mala
in den Garten, auf das Feld, andre tro kher in deinem Hause, andr' i skoia in die Schule.
andra savi hodina um wie viel Uhr. dzau andr' e dls wird durch das deutsche .Herr'
erklärt: es scheint jedoch zu bedeuten: ich gehe her.
angie praep. vor: java angie iende gehen wir ihnen entgegen.
angrusci subst. ßing.
angusto subst. Zehe.
antonos, antosus subst. Anton.
arde adv. her: av a7'de komme her. — Buk. orde.
armin subst. Sauerkraut. — Ungr. ärmiii, cech. armin, russ. jarmi aus griech. ap|Ji.7j.
äro: ahro, aro Mehl.
aidca adv. so. — Ungr. auka so: griech. avaka, avka dieser.
av s. jav.
aver pron. ein anderer: ucnus ucinel aver ungenau: der Lehrer unterrichtet den
Schüler.
avri adv. draussen: savo chmurnos auri! wie trüb es draussen ist!
Übee die Mündarten und die Wanderungen der Zigeuner Eoropa's. vi.
B.
bakrl subst. Schaf.
bakro subst. Lamm.
haia subst. Haar, Wolle. — Buk. bal.
baiania subst. Krippe. — Buk. balaji, griech. beläni, beldi.
balevas subst. Speck, balevas scheint aus balemas entstanden, wie aus rum. balimas
bei Vaillant 97. folgt und aus imgr. balano nias bei Born. 110. Russ. bcdovds ist Speck
und Schinken Bölitl. 265.
baiu subst. Schwein.
batvai subst. Wind; unrichtig: Kälte.
bango adi. krumm, lahm.
bansos subst. Scheune. — Deutscli Banse.
bär subst. Stein: bahr, ba?\
bar devies Glück. Dunkel.
bäro: bakro, baro, baru adi. gross; bliaro adv. sehr. Vgl. pharo.
barvalo, barvaiu adi. reich; unrichtig: Reichthum.
harvunos subst. Kranz. — Klruss. barvinec, pol. bai'winek vinca pervinca Immergrün.
bas vb. bellen: basen.
basav vb. spielen: the barsaven für tJie basaven. — Buk. basav klirren; richtig: klirren
machen. Vgl. bas.
basnu subst. Hahn.
bavin vb. spielen, sich unterhalten: the bavinen., richtig reflexiv: bavinaK amen wir
werden uns unterhalten, me man bavino ich spiele. — Klruss. bavyty.
bavin vb. fürchten: ma bavin fürchte nicht. — Klruss. bojaty ^a, pol. bac si^, obawiaö si§,
bers subst. Jahr: pl. bersa; unrichtig: 6erz.
besagt subst. Bank, richtig Zweisack, Quersack. — Pol. biesagi.
bes vb. sitzen, sich aufhalten: the besen, the besan inf. ; bes: bez cichones, unrichtig:
cichones schweige, sei aufmerksam, eig. sitze ruhig, the na beses halte dich nicht auf.
praet. beslom.
bez praep. ohne, slav. Die Construction ist dieselbe wie bei dem Zig. bi, es wird nämlich
bi mit dem abhängigen Nonaen nach Art eines possessiven Compositum zu einem Adjectiv
verbunden: bezieskero, gi'iech. bileskoro: amen dzanas bezteskero the dzen wir müssen ohne
ihn gehen.
bharo s. bäro.
bhenda s. iphen.
hihi subst. Tante.
biken vb. verkaufen: bikende praet. pl. III.
binos subst. Sünde. — Ungr. bino, magy. biin.
bobeli subst. Semmeln, richtig vielleicht bokoli wie Buk.
hohimos adi. furchtsam. Vgl. klruss. bojaty ^a.
bokah adi. hungrig : buh unrichtig für bokato.
hov adi. Ofen; unrichtig: Wand.
bracko subst. Vogel. Aus dem klruss. ptacb, pol. ptak, ptaszek, cech. ptäk, ptäcek
verunstaltet.
FnANZ MlKLOSlClI.
hrada subst. Bart. — Slavisch, docli weder klriiss., noch pol.
bradi subst. Kanne, nicht Kalin. — lUik. bradi.
brahinta subst. Kanuner. Dunkel.
brainta subst. Nuss. Wahrscheinlich entstellt i'iii' biJlim. pclenda: vgl. pehent nucleus
bei Narbutt IGl. pagend Nuss bei Böhtl. 264.
brisint subst. Regen, moze dzaia brisint es wird vielleicht regnen, eig. Regen gehen,
wie im Slav. : klruss. dose ide. mai perei brisint es regnet schon, eig. es fällt schon
Regen, wie klruss. do§c padaje. Wenn brisinel dtal durch ,es regnet' wiedergegeben wird,
so möchte ich lesen: brisint det oder brisint diai. Vgl. jedoch engl, brisinela es regnet
Smart und Crofton 62.
brynda subst. Zunge. Dunkel. Vgl. engl. bri7iza Fleich. Pott 2. 433.
bukus subst. Ochs. — Klruss. byk.
buhunus subst. Hase, wohl eig. der Furchtsame. Vgl. bohunos.
bläh adv. viel, clialum buth ich habe viel gegessen, bud man hin hve ich habe viel
Geld, hin man Ui-t-e (das ist: but te) keren ich habe viel zu thun. mati hin bud bersa
mihi sunt multi anni.
buthno adi. ausgelassen. — Vgl. klruss. bujnyj.
caklos subst. Glas. — Kroat. caklo, cklo, serb. staklo, klruss. skio.
caukus subst. Bild. Dunkel.
cerach, cerach subst. Stiefel. — Griech. triäk, ungr. tirhaj, böhm. clrach, pol. tyrach
Narbutt 166.
ceral subst. K<äse. — Griech. kerdl, ungr. Ural, böhm. ciral, pol. kirai Narbutt 164.
cesuros subst. Kaiserthum; richtig: Kaiser. — Klruss. cisar.
ci s. ci.
cichones, cichones adv. still. — Pol. cicho.
cikno adi. klein, kurz.
cih adi. ganz. — Klruss. eil)',].
ein vb. kaufen: cindiomandro das ist: cindiom mandro ich habe Brot gekauft.
cindo adi. nass. — Rum. tindo, russ. kindö Böhtl. 19, asiat. tände Pasp.
c.
caco adi. wahr. Vgl. cecipo, chacu.
caru subst. Schüssel. — Buk. iiarö.
cecipo subst. Wahrheit. Vgl. caco, chacu.
cetmiu s. citin.
chacu adi. gerecht, wohl für chacu. Vgl, caco, cecip)0.
chaj, cha, caj subst. Kind, Knabe, Sohn, cha Sohn. pl. cava, cave.
chaj subst. Tochter, Magd.
char subst. Wiese. — Buk. car.
chon subst. Mond; falsch: Sonne.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's, vi. 5
chori subst. Waise. — Buk. coro arm.
choro adi. arm.
churi subst. Messer, Schwert, ciri Messer, curaha cingero icb schneide mit dem Messer.
ci partik. zum Ausdruck von Fragen: c^ hin oda cacof ist diess wahr? ci (Manes thn,
romanes? sprichst (kannst) du zigeunerisch? ci hin Anfosus kehre? ist Anton zu Hause?
minder genau ci: ci kames hohelif willst du Semmeln? — Klruss. cy.
cicki subst. pl. Blumen. — Türk. cicek.
cik subst. Koth, Lehm, Sclimutz.
ein vb. schreiben: me cinau lin ich schreibe einen Brief. — Böhm, ein, deutsch me
cinäva icii schreibe.
cinger vb. schneiden, spalten, pflücken: cingerau ich pflücke, cingero ich schneide.
the cingere für the cingeren spalten. Vgl. dzinger.
cinker vb. gefallen: khe chai cinkerel cicki den Mädchen gefallen die Blumen, cinker
ist mir dunkel.
ciri s. churi.
cirikio subst. Vogel.
citin vb. lesen: citinava ich lese, me cetunu ich lese für citino.
cor vb. stehlen : the coren inf.
cnhunus kriecht. Dunkel.
curaha s. churi.
D.
da vb. geben: thu deda (richtig deha) du wirst geben, de man gib mir.
dad^ dat subst. Vater, cha dades kamen (richtig kämet) der Sohn liebt den Vater, dai
für dad.
dai subst. Mutter.
dand subst. Zahn. pl. danda.
dander vb. beissen: danderi für danderii er beisst.
darin vb. schenken: mange mro prahl' daringe (für darinde) rukones mir hat mein
Bruder einen Hund geschenkt.
dara vb. fürchten: daran, ich fürchte, macka dara^l: die Katze ist falsch, riclitiff: die
Katze fürchtet, daren er ist furchtsam, steht wohl für darel, darai. ma dera fürchte nicht.
daranas es ist keine Gefahr, eig. etwa: dar na is metus non est.
devet subst. Gott: devles, eig. sing. acc. ac, ai devkha lebe wohl, icli danke dir, eig.
bleibe mit Gott, devieja wollte Gott. Vgl. dyvla Himmel, ^ir o devlos pes churinel der
Himmel umzieht sich, eig. am Himmel umzieht es sich.
diakovin, djakovin vb. danken: djakovinau, diakovinati. thuke ich danke dii-. — Klruss.
djakuvaty.
dikos subst. Bär. — Klruss. dykyj wild, j)ol. dzik wildes Schwein.
dik, dikh, dikch vb. sehen, bewundern: dikhau ich bewundere, dikau jakenca ich
sehe mit den Augen, the dikchen int'.; diklom praet.
dilino Verstand, unrichtig. — Buk. dilil dumm, griech. dillno, dinilo, ungr. dilino,
russ. dylyno Böhtl. 21. 2G4.
g Franz Miklosicii.
dis: dzau andredis wird durch ,Herr' übersetzt: wenn irli dzau andr' e dis lese, möchte
ich, allerdings ohne das Missverständniss aufklären zu können, tibersetzen: ich gehe in
das Land oder etwa: her. dis, hind. des, findet sicli griech. und ital.
div subst. ßoggen. — Buk. diu ^\ eizen.
div subst. Tag: ada dive heute. Vgl. dives.
dives subst. Tag. Vgl. div. Unverständlich: javel dives Sommer, eig. es kömmt der Tag.
dores vb. bekommen: doresla maripen ihr seid bestraft worden, heisst wohl: er hat
Schläge bekommen: doresla ist eine Verbindung des slavischen Praefixes do mit dem
zig. Verbum res: griech. resäva ich erreiche, und findet sich bei Narbutt 154: dorisava
und bei Böhtl. 264: dores.
drago Armutli. eig. theuer.
dridzin vb. necken: 7na dridzil man für ma dridzin man necke mich nicht. — Kli-uss.
draznyty.
drom subst. Weg, Fusssteig.
dui numer. zwei.
dur adv. fern.
dyvla s. devei.
dziUno adi. grün. — Klruss. zel'en^^'.
dzinger, richtig wohl dzinger für cinger, vb. pfl.ücken: dzingerama (für dzingerava) sukar
cicki wir suchen (eig. pflücken) schöne Blumen. Vgl. cinger.
dia vb. gehen: m.e dzav, dzau, di.ava ich gehe, dzas, dzalia du gehst, dzaia er geht.
diala hrisint es regnet, dzalia wir gehen, dza gehe, the dzen inf.
dzan vb. kennen, wissen: dzanau, dzana, dzanait ich kenne, na dzanam nie ich habe
wenig Hofinung, eig. ich weiss (dzanam für dzanav) nichts, na dzarnov ich kann (possum)
nicht, dzanas, dzanes, dzanos für dzanos du weisst. amen dzanas the dzen wir müssen gehen.
dzav, dzov subst. Getreide, dzuvu Weizen. — Buk. zou Gerste, diu Weizen.
dzuva subst. pl. Ohren, falsch, eig. Läuse, indem klruss. usy Ohren mit vos, vus
Laus verwechselt Avurde. — Griech. dhiv.
E.
eno adv. nur. — Pol. jeno.
fadin vb. frieren: fadindio praet. — Ungr. fadinel frieren, fadino erfroren: magy. fagy.
fala subst. Wand. — Ungr. falo: magy. fal.
fedios subst. Theodor. — Klruss. Fed'ko.
foro, foros subst. Stadt.
fryhninos Fieber: pry mandre (mande) es fryhrunos ich habe Fieber gehabt, eig. wohl
etwa: auf mir ist Fieber.
fulus subst. Veilchen. — Klruss. fyjalok.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeüneu Europa's. vi. 7
G.
gad subst. Hemd.
gadzingero adi. der Wirthe, der Menschen: diav andi'i gadUngero gau, ungenau: icli
o-ehe in das benachbarte Dorf.
gadzi subst. Wirthinn.
gadzo, gadhi subst. Wirth. Mensch, phuro gadzu Greis, pl. gadzi.
gaiamba subst. Frosch. Dunkel: Frosch ist griech. und pol. zamha, ungr. zamha.
garuv vb. verwahren: garuvav ich verwahre.
gau subst. l)orf.
gelom praet. ich bin gegangen: gehlom. gehlan II. sg. geßa, ghejla, geJda III. sg.
gen vb. rechnen: jov genela er wird rechnen, the gehnen inf.
gili, ghili subst. Lied.
govnu subst. Sack. — Buk. gono, gonü.
grai, graj subst. Pferd. g7^es sg. acc. aus grajes.
guru subst. Ochs, guruva pl. Vieh.
gurimi subst. Kuh. gurunia sg. acc.
H.
ha subst. Gans. Dunkel.
halunos subst. Sichel. Dunkel.
hanin vb. tadeln: mahanin man tadeln, richtig: ma hanin man tadle mich nicht. —
Pol. gani(i, klruss. hanyty.
hluhos adi. tief. — Klruss. v hJyb, hJybokyj.
liudina subst. Stunde: savl hodina hin? wie viel Uhr ist es? — Klruss. hodyna.
hordin vb. hochmüthig sein: hordinava ich bin hochmüthig. — Klruss. hordyj hoch-
müthig.
horodzin vb. belohnen: horodzinau thuke ich belohne dich. — Pol. nagrodzic, klruss.
nadhorodyty.
hrados subst. hrados perel es hagelt, eig. es fällt Hagel. — Klruss. hrad.
hrimin vb. donnern: hriminef, falsch: es blitzt. — Klruss. hrymity.
hromus subst. Donner. — Klruss. hrom.
hry'cos subst. Gregor. — Klruss. Hryc.
Ch.
cha vb. essen: chau ich esse, chava ich werde essen, chas du issest, chaha unrichtig:
ihr werdet essen, cha iss. inf. the chan. Man merke: dza, the chavas mange du wirst mit
mir essen, chalum, chajom praet. I. sg. ci chala lala imar? hast du schon gefrühstückt?;
richtig: ci chalan imar?
chahen subst. das Essen. Minder gut chaven.
chanik subst. Brunnen. — Buk. chajing.
chandru subst. Säbel. — Buk. clianrö.
chava nähren, eig. essen machen, wofür griech. chachavdva Pasp. 309.
8
Fkanz MiKLOSini.
chercher, cherchet siibst. Erbse. — Böhm, chrirhil. pol. hirhyl Narbutt löB, russ. (jlrÜ
I3öbtl. 263.
chmarin vb. reflexiv: sieb umwölken: rhmarlnH pes es iinnv.'illct sieb. — Klruss.
zacbmaryty .4a.
chaurin vb. reflexiv: sieb umwölken: churinei pes für chmurinel pes es umwölkt sieb.
— Pol. cbmurzye si?.
chmurnos adi. trübe. — Pol. climurny.
chrohinus subst. Wurm. — Vgl. pul. cbrobak.
imar adv. scbon. Vgl. mar.
is vb. sein: som icb bin. saresanf wie gebt es dir? ist wobl: sar esanf hin er ist:
jov hin posiusnos er ist geborsam. hin bu-cik (d. i. but cik) es ist sebr scbmutzig, eig. es
ist (gibt) viel Sebmutz. Mit dem dat. ,baben': man hin icb habe, leski hin er hat. amen
ses
hin wir haben, somas scheint die Bedeutung: ,wir sind' zu haben, ses er war: na
mindro narodos khere die Eltern waren nicht zu Hause, eig. meine Leute waren nicht
zu Hause, jesas: mande jesas hve ich habe Geld gehabt.
ivanos subst. Johann. — Klruss. Ivan.
izviknin vb. izviknindiom wird durch ,ungemein' übersetzt.
jagoro subst. Kohle. — Buk. angdr.
jak subst. Feuer.
jak subst. Auge, jakha pl. dikait jakenca icb sehe mit den Augen.
jandro s. a^idro.
jasa vb. lachen: the jasan inf. — Buk. asa.
jav vb. kommen : javes du kömmst, javct, javeia, javaia, aveia er kömmt, o the java(s)
sik! o dass wir schon dort wären! eig. lasst uns schnell gehen! javen sie kommen, jav,
av komme, the jave(n) inf. javtum, richtig javlum^ ich bin gekommen. — Buk. at% praet.
aviTom.
Javas subst. Zeit. Dunkel.
jek numer. ein.
jekna, jekne, jeknaj adv. ein wenig, etwas. Dunkel.
jevent subst. Winter, Frost. — Buk. ivend.
jic adv. gestern.
jigen, jügen adv. sehr, stark, gut. jigen tato es ist sehr kalt, ma vaker Jügen sprich
nicht laut, sil ligen für sil jigen es ist sehr kalt. — Ungr. igen, magy. igen.
jih subst. Herz.
jiv subst. Schnee, jiv perel es schneit, eig. Schnee fällt. — Griech. viv.
joj subst. Marder. Dunkel.
jov pron. er.
iurkos subst. Georg. — Klruss. Jurko.
Über die Mündahten und die Wanderungen der Zigeuner Eüropa's. vi.
K.
kachnl subst. Henne, pl. kachna. — Buk. kajni.
kaj adv. wohin: kai dzasi wohin gehst du? kai jov gejhla? wohin ist er gegangen?
coni. dass: me ma spodivinev, kai thu manga dcda (richtig deha) rukones ich hoife, dass
du mir einen Hund geben wirst, denn: palikera, kaj ekne beslom icli danke, denn ich
bin genug (richtig: ein wenig) gesessen, kaj fhe coni. damit: sik kaj the javes damit du
schnell kommest.
kak subst. Onkel, kakes sg. acc. me vza(ke)rev mindre kakes icli erwarte meinen
Onkel, keci tre kakeske bersa hin? wie viel Jahre hat dein Oheim? quottuo patruo anni
sunt? kaka pl. Eltern, richtig wohl Verwandte.
kaiapa subst. Mütze. — Magy. kalap.
kalo subst. Bohne, eig. der Schwarze.
katu adi. schwarz. Vgl. karo.
kam vb. wollen, verlangen, bitten, gerne thun. na kam verachten, eig. nicht lieben.
kamau ich will, kames, käme du willst, kamen für kamej er will, kamlum praet. I. so-.
kamlilum wird durch ,schwitzen' übersetzt; es ist eig. ein praet.: griech. kavilö^ kamno
schwitzend, woher das pass. kdmliovava, kämniovava in Öchweiss gerathen Paspati 263.
kainpcl not. kampeles nothwendig. — Uiigr. kampe.
kan subst. Ohr. khan, kliau (für kliaii) de man höre mich an, richtig: höre mich an.
kanenca mit den Ohren, khan duje kanenca wird übersetzt: die Nase mit zwei Nasen-
löchern, kanenca ist der pl. instr. von kan. — Buk. kan; kand gehorchen.
käna, kana adv. coni. wann: kahna^ kana.
kand vb. stinken: kandei es stinkt.
kandipe subst. Gestank.
kangeri, kangcre subst. Kirche.
kara subst. Strafe. — Klruss. kara.
karo adi. schwarz. Vgl. katu.
karolos subst. Karl. — Klruss. Karol.
kas, chas subst. Heu.
käst subst. Baum.
kath vb. spinnen: the kathen inf. • — Buk. kat.
kathar adv. woher, kaihar pires? woher kömmst du? dcau kathar mindro phral ich
komme von meinem Bruder.
kato subst. Erbse. Dunkel.
kaver vb. schwätzen: ma kaver schwätze nicht, vielleicht für vaker.
kavunus subst. Kaffee: ci pijines kavunusf trinkst du Kaffee?
ke, khe praep. zu. javen ada dive ke tuthe sie kommen heute zu dir. kamlum ke t/iudc
the dzen ich wollte zu dir gehen, kosno k' o nak Schnupftuch, eig. Tuch für die Nase.
■lava tkiit ke mande ich werde dicli zu mir nehmen, khe chai cinkerei cicki den Mädchen
gefallen die Blumen, chai khe dai mehren die Tochter ist der Mutter ähnlich: mehren
ist mir dunkel.
^■ec^, kecik numer. wie viel.
kecen: de mange Ä;ecen leihe mir: kecen ist mir dunkel.
Denkschriflen der iihil.-liist. Cl. XXVI. Bd. 2
10
Franz Mikloshu.
ker vb. tliun, machon: kheraha wir wollen tliun. hin man hn-t-e (d. i. hut te) leeren
Ich habe viel zu thun. heran du hast gemacht steht fiii- krrjan, kerdan. Vgl. pallker.
kerio subst. Schlund. — Serb. giio.
kham subst. Sommer, eig. Sonne, urspriinglich Wärme.
khana subst. Brust. Dunkel.
khei\ ker subst. Haus, Hütte, khera plur. Stadt, eig. Hcäuser. khere zu Hause, nach
Hause: nane khere er ist nicht zu Hause, dza khere gehe nach Hause.
kirinus: phel romni kirimi-t die Schwester strickt: kirinus ist mir dunkel.
klevces subst. Hammer. — Klruss. klevec.
knuhos subst. Buch. — Klruss. knyha.
kon pron. wer.
kopanos subst. Beet. Dunkel.
korovinios subst. Fahne. — Klruss. choruhov.
kosen subst. Band. — Vgl. griech. kosno, buk. kosnü Tuch, Tüchel. h>sno pr e
men Halstuch, kosno k' o nak Schnupftuch.
kosykos subst. Korb. — Klruss. kosyk.
kotios subst. Kessel. — Klruss. koteJ.
kruhunus subst. Krähe. — Vgl. klruss. kruk.
kriikos subst. Frosch, falsch. Vgl. kruhunus.
kupin vb. baden: kupinen Bad. — Klruss. kupaty.
kurin vb. stauben, kurinen prachus jigen es- ist sehr staubig. — Klruss. kuryty.
kurko subst. Woche.
km-mi subst. Grütze: kuhrmi. — Griech. kurmi, cech. kurmin, pol. kurmi Narbutt 157,
russ. kchtirmi Böhtlingk 263.
kiiridos haro raj der wohlhabende Herr: kuridos ist wohl klruss. korol.
kyrystos subst. Kreuz. — Ungr. keresto, magy. kereszt.
tacho adi. schmackhaft.
iadza sich schämen. — l>uk. lazaö Scham.
tav vb. nehmen: tava ich werde nelimen. Ulan du hast genommen für Jinan.
lemav vb. perunos lemadia der Blitz hat eingeschlagen.
lepeda subst. Leintuch. — Ungr. lepedova, magy. lepedö.
ieskeru pron. sein eius: bezieskero ohne ihn. d^anau leskere minigi ich kenne seinen Namen.
Hein vb. fliegen: Meinen er fliegt, wolil für licinel. — Klruss. fefity.
liker vb. halten: likerevas pures ich hielt ihn für alt: .ilm' ist nicht ausgedrückt,
reflexiv: sich befinden: me man mistu likerev ich befinde micli wolil. —
lin subst. Brief. — Buk. lil.
lo pron. er, nur in den obliquen Casus gebräuchlich: sg. acc. m
leske, iesti. pl. dat. iende.
locinus Karren. Dunkel.
hn subst. Salz.
hve subst. pl. Geld.
hvh adi. roth. — Buk. lulo.
Vgl. buk. sngsr.
les. sg. dat. m.
Über die Mundauten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi. H
lubin vb. lieben: luhinen er liebt. — Klruss. lubyty.
iucos subst. Lucas. — Klruss. Lud.
Inka subst. Wiese. — Klruss. Juka.
iukavos subst. Zorn. — Klruss. iukavyj böse.
M.
ma eoni. lat. ne: ma bavin, ma dera fürchte nielrt. ma vaker sprich nicht, ma dridzil
mau, necken, wohl: ma dridzin man necke mich nicht, mahanin man tadeln, richtig: ma
hanin man tadle mich nicht.
macho subst. Fisch, machi pl,
macka subst. Katze. — Serb. macka.
makh adi. weich, eig. geschmiert. — Buk. mak schmieren.
mai adv. schon. — Ungr. »mr, magy. mär.
maia subst. pl. Feld: andr' e mahi auf dem Felde, eig. auf den Feldern.
mandros, mmidro, mandrov subst. Bi-ot.
m.angau vb. ich bitte.
mar adv. schon, mar na dur es ist nicht nndir weit: uni-ichtig mar dort. Vgl. imar
und mal'.
maripen subst. Strafe, eig. Schläge.
mas subst. Fleisch, Rindfleisch, Aas, Fett.
mathi subst. Fliege.
me pron. ich. sg. acc. man, ma: me man havino ich unterlialte mich, me ma spodi-
vinev ich verlasse micli darauf. Enklitischer dat.: de man gib mir. J)cXt. mange: de mange
gib mir. sar mange peneia dai wenn es mir die Muttei- sagt, kames pal mande the dzenf
willst du mit mir gehen? sg. instr. manca: dzaha maneal gehst du mit mir?
. melin vb. mahlen: meline aus meline-l. — Klruss. moJoty.
m,en subst. Hals, kosno jw e men Halstuch.
m.eng, m.en adv. noch: ?neng na chajom ich habe noch nicht gegessen, tro dat men
zyjineia dein Vater wird noch leben, jov kamen m.en the dikchen, etwa: er will (mich) noch
sehen. — Magy. meg.
mer vb. sterben: gadhi m.erer (merel) der Mensch stirbt, the meren inf.
mer: chai khe dai mehren die Tochter ist der Mutter ähnlich. Dunkel.
mesasti wird durch ,stark' erklärt, es ist wahrscheinlich me sasti f. ich (bin) gesund.
mihuninel bequem. Dunkel.
mindjer adv. sogleich. — Ungr. mindar, magy. inindjäi-t.
mindrikle subst. pl. Korallen. — Griech. minriklö Rosenkranz, Geschmeide, ungr.
miriklo Koralle, Perle, cech. miliklo Koralle.
mindro pron. mein, mindro roditos meine Eltern, mindro phral mein Bruder, me
vzafkejrev mindre kakes ich erwarte meinen Onkel. Vgl. mro.
minigi: dzanau leskere minigi ich kenne seinen Namen: minigi ist dunkel.
m.isli subst. pl. Sinne.
misos subst. Maus. — Klruss. my.s.
miskinos adi. wohnhaft: me som thu miskinos ich wohne hier. — Klruss. me§katy.
2*
lOSlCII.
■»2 ' Franz MiKi,of
misto ;ulv. gut: dianau fhut misto icli kenne dicli gut. sar o.san? mistti wie gebt es
dir? o-ut. mistu thu sares für ,Rulun' vermag ieli nicht zu erklären.
mochto subst. Kasten.
nioUn vb. reflexiv beten: moUiwli amen wir werden beten. — Klruss. moJyty ki.
momeli subst. Kerze.
morthi subst. Fell, Haut.
moskos subst. Gehirn. — Klruss. mozok.
movin vb. sprechen: the movinen inf. — Klruss. movyty.
moie adv. vielleicht. — Klruss. moze.
inrazon vb. frieren; mrazonel es friert. Vgl. mrazos.
mrazos subst. Frost. — Serb. mraz.
mro pron. mein, mro prahl mein Bruder, mir (für mrl) dai meine Mutter. Vgl.
mindro.
muj subst. Lippe, eig. Mund.
müra, mvra subst. Erdbeere: muhra, sing. acc. miores. — Poln. mura Meere Narbutt
156. Skand. mnril Pott 2. 451.
murdar vb. todten: murdarau ich tödte.
murz subst. Sohn. — Griecli. murs Mann, ungr. murz, cech. murs.
musin vb. müssen: musinau ich muss. m.minas khere te besen wir müssen zu Hause
sitzen, musindian du musstest. — Klruss. musity.
musunus subst. Bauch. Dunkel.
mutherel Gipfel. Dunkel.
N.
na adv. nicht, nein: thu na chas du issest nicht, dzanas, kana jov javalaf na weisst
du, wann er kömmt? nein.
nadava vb. unterstützen. Dunkel.
nadija subst. Hoffnung. — Klruss. nadija.
nak subst. Nase.
nane ist nicht: naiie hiubos ist lücht tief, man nane ich luibe nicht mihi non est:
n ist eingeschaltet.
naniar vb. baden: a kames thu ty naniarem (für naniaren)? badest du dich gerne?
me kamau man ty nianiare (für naniaren) ich bade mich gerne, daranas pes ty naniaren ■
andr' o stavos ungenau: es ist gefahrlich im Teich zu baden.
narodos subst. Leute.
nasav vb. verlieren: nasadjum cirl ich habe das Messer verloren. Richtig: nasav.
oiasvalipen subst. Unglück, eig. Krankheit, pre mande nasvalipen pela ich habe Unglück
gehabt, eig. auf mich ist eine Krankheit gefallen.
nasvai'o^ nesvalo^ nasvahi adi. krank.
nasava vb. verlieren. — Griech. vas fortgehen, nasav fortgehen machen amittere,
cech. nasavav.
nazvin vb. nennen: sar pes nazvinel? wie heisst er? — Klruss. nazyvaty .4a.
nesin vb. tragen, legen: kadtni nesinel iandre die Henne legt Eier. —Klruss. nesty.
ni — nl adv. weder — noch: ni dat ni dai weder Vater noch Mutter.
Übeb die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eukopa's. vi. 13
7i?'c, nie pron. mit na nichts: na dzanam (für dianav) nie ich weiss nichts, na vakerau
nie ich sage nichts, jov nie na bhenda er hat nichts gesagt.
nyscesrias subst. Unglück. — Klruss. nescaste.
o.
0, e art. der, die: o ehahen die Speise, ei dzanos, kai jo Ivanos? eig. ei dSanos, kaj
ü Ivanos? weisst du, wo Johann ist? ^«•' o qau auf dem J)orfe. vas e kara zur Strafe.
kosno pr e men Halstuch, pl. e: andr' e mala auf dem Felde, eig. auf den Feldern.
ohrazy subst. pl. Bilder.
oda pron. dieser, oda pudios es ist ein Pudel. Minder gut: vda.
ochocin vb. ochoeinau man mit Vergnügen, eig. ich ermuntere, frische mich auf. —
Pol. ochoci6, ochocic sie.
osohi subst. pl. Personen.
ot: ot savu sukar! o wie schön ist er!
P.
p>ados subst. Boden. — Klruss. pod.
2)aehnin vb. duften: pachnine für pachninei er duftet. — Klruss. pachaty.
pal., pal praep. nach: pml mande the dzen nach mir gehen, gehlan pa-l'-ende d. i. pal
lende du bist nach (mit) ihnen gegangen.
paliker vb. danken: palikera ich danke, na palikeres unverschämt, eig. du dankst
nicht. — Ungi". parikerav ich danke, grüsse, deutsch parkervava ich danke, skand. pa-
rikka ich danke: aind. pratikr entgegen machen, erwiedern, vergelten Pott 1. 438.
palinka subst. Brantwein. — Magy. pälinka.
pani subst. Wasser, Fluss. — Buk. pai.
panlik subst. Band. — Magy. päntlika.
panovin vb. herrschen: panovinava ich herrsche. — Klruss. panovaty.
l^apu subst. Grossvater. — Griech. p)dpus, ungr. papu, cech. päpus, griech. icdinroc.
parnu adi. weiss.
pasin. vb. weiden, pasinen für pasinet er weidet poscitur. — Klruss. pasty.
pase adv. nahe.
pasilo vb. liegen: pasilinom ich bin gelegen. — Griech. päslilom von j^dsliovava.
pe praep. nach, in: gehla p' o toi'hos sie sind auf den Markt gegangen.
pejky subst. pl. Erdäpfel. Dunkel.
pek^ pihek vb. brennen: phekel er erwärmt, pekel Hitze, eig. es brennt, the peken
Brennnessel, eig. brennen.
pela s. per.
pendeeh subst. Nuss. pl. pendecha.
per vb. fallen, mal peret brisint, es regnet schon, hrados peret es liagelt. jiv perel es
schneit, pre mande nasvalipen pela ich habe Unglück gehabt, eig. auf mich ist eine
Krankheit gefallen.
peresterih vb. waren: perestei'ihii man er warnt mich. — Klruss. peresterihaty.
perin vb. waschen: perinei er wäscht, the perine für perinen inf. — Klruss. praty.
■j^ Franz Miklosich.
perujios subst. Blitz: perunos lemadia der Blitz hat eingeschlagen. — Klruss. periui.
phaha, phabai subst. Apfel.
phabalin subst. Apfelbaum.
pharo adi. schwei-. Vgl. buru.
phen, phel subst. Schwester.
lyhen, bhen, pen vb. sagen, erzählen, penau, peno ich sage, me gili imio icli singe,
jjenefa er sagt, thc phcncn., the penen inf. bhenda aus bhendja, peja aus ^ßuc//« er hat
gesagt. Unrichtig: penera ich werde sagen.
phike subst. pl. Schultern.
phir vb. gehen: phirau ich gehe, unrichtig: täglich, pires du gelist. piras wir gehen.
tlie phiren inf. Gang.
jjhh-, pir subst. Feder: vgl. pisinau piriis ich schreibe mit der Feder, pirus fasse ich
als sg. instr. auf. — Klruss. pero.
phrai, pi'äl (prahl) subst. Bruder.
plmrd, purd vb. Avehen: phurdel^ purdei' er weht.
phuro, puro adi. alt. phuro, puro gadzu Greis, phuro vom. likeravas (hs) pures ich
hielt ihn füi- älter, richtig alt.
phus, j3?(5 subst. Sti'üh.
plmter vb. öffnen: phuteraii, ich offne, plmter Öffne.
pl, pijin vb. trinken: pijav ich trinke, pijines du trinkst, pijel Trunkenbold, eig. er
trinkt, pijaha wir werden trinken, the pijen inf.
pticmos subst. Braten: cha jekna picinos iss ein wenig Braten. — Klruss. pecene.
pidvaker vb. sclimeicheln : pidvakerau ich schmeichle: pid ist das slavische Praefix pod.
pindro subst. Fuss. pl. pindry.
pipa subst. Pfeife.
pipinkus subst. Mund. Dunkel.
pipirus subst. Pfeffer.
piri subst. Topf.
pzsm, pesin vb. schreiben: pisinau, pisinava, pesinu ich schreibe. — Klruss. pysaty.
piyvin vb. schwimmen: the phininen inf. — Klruss. piysty.
po pron. reflexivum ist natürlich nur in den obli(j[uen Casus gebräuchlich: acc.
j)es: sar pes nazvinei? Avie heisst er? eig. wie nennt er sich? chmarinil pes es umzieht
sich, pe (p)es) starine (starinen) sie sorgen, dat. peske.
pochfan, jMchtan subst. Leinwand, fjad pochtanester Hemd aus Leinwand.
pochvalin vb. loben: pochvalinaha les wir loben ihn. — Klruss. pochvafyty.
pokojnos adi. ruliig. — Klruss. pokojnyj.
polunos: za polunos in einer halben Stunde. — Klruss. pöi, poiovyna.
poselinos subst. Bote. — Klruss. poseJ.
posevinus adi. kahl. Dunkel.
poslusnos adi. gehorsam. — Klruss. posJusnyj.
potin vb. zahlen: potinei er zahlt. — Buk. j^'^t^i^-
prachos, prachus subst. Staub, Asche. — Serb. prah. ■
prajta, preit subst. Blatt. — Buk. ptatrin. •
prasa vb. laufen: jirasai er läuft. — Buk. prasta.
prat subst. Feder. Dunkel.
Übee die Mundarten und die Wanderungen der Zigeunee Europa's. vi. 15
pravin vb. regieren: pi^avinem pes Gesetz, eig. sie regieren sich. — Klruss. pravyty.
pre praep. auf, in. pr' o gau avif dem Dorfe. ptasilinom pr' u vados icli l)in im Bette
gelegen, kosno p)r e men Halstuch, pf y hika auf die Wiese.
prehes vb. berühren: ma prebes berühre nicht. Dunkel.
pryjarus subst. Freundschaft, wohl: Freund. — Klruss. pryjatel'.
pudlos subst. Pudel.
piokin vb. klopfen: varekon ptikinei jemand klopft. Dunkel.
p)ider subst. Thür. Vielleicht piiter, das dann mit putrav trennen, buk. puterdds er
öffnete, in Zusammenhang gebracht werden könnte.
R.
raj, rat subst. Herr, rhaja Herrschaft, eig. wohl Herren pl.
7^akli subst. Magd, zakli für rakli.
rakro, rakru subst. Kind, Knabe, Knecht.
rani subst. Frilulein.
rasaj subst. Geistlicher.
i^at (rad) subst. Nacht, rathi subst. Nacht, Abend, eig. Nachts. Vgl. griech.
aratti noctu.
ratJi subst. Blut.
ratvah adi. blutig.
retunus adi. redlich. Dunkel.
rhu subst. Wolf.
richin vb. reflexiv: abreisen: ma richinau ich reise ab. — Poln. rucha6.
robote subst. pl. Arbeiten.
rode vb. suchen : rhode.
roditos, roditus subst. Eltern. — Klruss. rodyc.
rohos subst. Hörn. — Klruss. roh.
rohos subst. Sünde. — Klruss. brich.
roi subst. Löffel, roja Gefäss.
rom subst. Mann: zacyninen phuro rom er fängt an alt zu werden, pl. roma.
romanes adv. zigeunerisch.
romni subst. Frau.
rosados subst. Same. — Klruss. poln. rozsada Setzpflanze.
rosin vb. thauen: rosinei es thaut. — Klruss. rosyty.
rosoios subst. Suppe. — • Klruss. rosol.
rov vb. weinen: roven für rovei er weint, the roven inf. rovavas, rhovavas ich weinte.
rovli subst. Stock.
rozumin, rozomin vb. verstehen: rozumimis^ rozominus du verstehst. — Klruss. rozumity.
rukono, ruJcon subst. Hund. sg. acc. rtikones. — Griech. rukonu, rikono, rum. rykano,
ungr. rikuno.
rukunoro subst. Hündchen.
16 Franz Miklosich.
s.
sajek iidv. iinmL'i', etwa: in cincui foj't, asl. viiinii;.
sano udi. dünn.
.9«?' adv. wie, fragend iiixl relativ: sar esan? wie geht es dir? eig. wie bist dvi? na
dzana sar the piyvinen ich kann nic-lit schwimmen, wörtlich: nescio quomodo natare. wenn:
me diava thuha, sar mangc poiela dal ich werde mit dir gelien, wenn es mir die Mutter
sagt (erlaubt), richtig wohl: e dai.
sastu adi. gesund.
savo pron. welch(>r. savi hodina hin? wie viel Uhr ist es? andra savi hodina? um
wie viel Uhr? savo brisint f was für ein Regen!
sig, sik adv. schnell, dza sik (sig) gehe schnell.
sik vb. zeigen: sikau icli zeige. — Griech. sikava.
sUus subst. Kraft. — Ivlruss. syia.
siv vb. nähen, phen siveta die Schwester wird nälien. the siven inf.
sivin vb. rauchen: me sivinau pipa ich rauche Tabak. Dunkel.
skrahunus subst. Elster. — Klruss. soroka: das Wort scheint das serb. sraka voraus-
zusetzen.
SDiakus subst. Geschmack. — Klruss. smak.
smutnos adi. traurig. — Klruss. smutnyj. -
so, sou pron. was, fragend und relativ: so vakeresf was sagst du? soske warum: soske
na gchlanf warum bist du nicht gegangen? vare so etwas.
songalin vb. dienen, verdienen: songalinau ich verdiene, songalinei Bedienter, eig. er
dient, rakli songaline für songalinei Küchinn, eig. die Magd dient. — Magy. szolgäl dienen.
sov subst. Nadel: daneben shu.
sov vb. schlafen, träumen: souaii ich träume, sovena sie werden schlafen, soven inf.
sovavas ich schlief.
spid vb. ausstopfen: spidau ich stopfe aus. Dunkel.
spisin vb. eilen: spisinei er eilt. — Klruss. spisyty.
spodivin vb. reflexiv hoffen: me man spodivinev ich hoffe. — Klruss. spodivaty sa.
stagi subst. Hut.
stalinen subst.: the stalinen Stahl. — Klruss. stal', eig. wohl: stählen, klruss. nastaJyty.
starin vb. reflexiv sorgen: pe starine sie sorgen. — Klruss. staraty f^a.
stavos subst. Teich. — Klruss. stav.
strimin vb. reflexiv sich enthalten: striminaib man ich enthalte mich. — Poln. wstrzy-
maö 6i§.
stunu subst. Stall. — Vgl. skand. stana Stall, span. estana Zelt.
sudzin vb. glauben: sndzindiom ich glaubte. — Vgl- klruss. sudyty.
sunus subst. Rock. Dunkel.
svetos subst. Welt. — Klruss. ^vit.
svicinos subst. Schuster. — Klruss. svec.
svicudus: po des svicudus Spiegel. Dunkel.
' svicin vb. leuchten: svicinet er leuchtet. — Klruss. Svityty.
syrutus subst. Waise. — Klruss. syrota.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi. 17
s.
scaslyvunos adi. giüeldich. — Klruss. Scastlyvyj.
sebus subst. Fenster. — ^'^g'l- klruss. syba Fensterscheibe.
sejlo subst. Schnur. — Buk. silö, solo.
serandunia subst. wohl pl. Polster. — Buk. s'Brand. Vgl. sirandani.
sil, sir subst. adi. Kälte, kalt. — Buk. sul, s'bI.
Utah adi. frisch : ^Ja??? sUalo (unrichtig sita-l'o) frisches Wasser.
sirandani subst. Polster. Vgl. serandunia.
siro, sejro, seru subst. Kopf; unrichtig: Hals. — Buk. S5?'0, serö.
skoia, skulos subst. Schule.
star numer. vier.
sukar, siikal adi. schön.
suko adi. mager, eig. trocken.
sun vb. hören, fühlen: sunau, suno ich höre, fühle; sunavas ich hörte. — Buk. san, asim.
susin vb. trocknen: susinei er trocknet. — Klruss. suSyty.
fatijMii, tatipo subst. Hitze, Wärme, Wetter: tipen: durch ein Versehen ist ta abgefallen.
tato adi. heiss.
terno, therno adi. jung.
terjjin vb. dulden: terpinel geduldig, richtig: er duldet. — Klruss. terpity.
tenchamen kämmen. Dunkel.
thau subst. Zwirn.
the coni. und the - the sowohl - als auch: the dat the dai sowohl der Vater als
auch die Mutter, dass: dai mange peja, the jave die Mutter hat mir gesagt zu kommen.
kai the damit: sik kai the javes damit du schnell kommest, the na beses zögere nicht. Zur
Bezeichnung des inf. wird the mit irgend einer Person des praes. verbunden.
thephelos subst. Sahne. — Magy. tejföl.
thil, thiel subst. Butter: cha thileha mandro iss Butterbrot, eig. iss Brot mit Butter.
kames mandro thileba für thileha? willst du Butterbrot? — Griech. kil fett, Butter, rumun.
khil, ungr. khil, thil, cech. thtl.
tho vb. legen : the thoven inf.
thosara adv. früh. — Buk. tehdra.
thracin vb. verlieren: me thraci nadija verliere nicht die Hoffnung, richtig: ma
thracin nadija. — Pol. tracic.
thu pron. du: kai thu dEas? wohin gehst du? thnt na vitpenes du antwortest nicht,
richtig: thu na vitpenes. thu als sg. dat.: kecik thu berz hin? wie alt bist du? eig. quot
tibi anni sunt? sg. acc. thut: dzanau tliiit misto ich kenne dich gut. sg. dat. thuke: diako-
vinau thuke ich danke dir. ke tuthe, ke thude zu dir. sg. instr. thuha: me dzava thuha ich
werde mit dir gehen.
thu adv. hier. — Klruss. tu.
thi subst. Rauch.
thul'o adi. fett.
DenltschriftiMi der phil.-liitt. Cl. XXVI. Ed. • 3
1 8 Fkanz Miklosich.
thut subst. Milch. — Buk. thud.
thuverunos subst. Stiefel. Dunkel.
^o?;//e Eisen ist vielleicht hnhe^ das mitasiat. /«/Eisen, loli Aiuboss vermittelt werden kann.
torhos subst. j\larkt. — Klruss. torh.
travus subst. Gli'as. — Klruss. trava.
Irin munei". di'ci.
tro proii. dein: tro dat dein Vater, keci trc kakeske hersa hin? wie alt ist dein (3heim?
eig. quot tuo patruo anni sunt?
tuiii adi. satt. Dunkel.
tumiros subst. Weste. Dunkel.
turhovin vb. reflexiv: besorgt sein: ma tnrhovin thut sei unbesorgt. — Pol. turbowac si^.
turkucin vb. rasseln (vom Wagen) : tiirkucinei er rasselt. Dunkel.
tuverxnos subst. Stiefel. Dunkel.
tygrasovinen vb. zeichnen, richtig ty grasovinen. — Pol. rysowac, wofür man rysovinen
erwartet.
u.
ucenikos subst. Lehrer, nönikos Schüler. — Klruss. ucenyk Schüler.
ucin vb. lehren : ncinei. ßeflexiv mit dem slavischen si statt des z,ig. pes lernen :
man si ucinau ich lerne.
ucinin vb. machen : ucinindium ich machte. — Klruss. ucynyty.
ucinus, ucnus subst. Lehrer. — Pol. uczen' Schüler.
ucisin vb. reflexiv: sich trösten: ucisinau man ich tröste mich. — Klruss. tisyty.
itco adi. hoch, gross.
uhcahr, ücär vb. bedecken. — Buk. usarav.
uchalen subst. Haar. Dunkel.
ulinau subst. Gasse, wohl falsch. — Vgl. klruss. ui'yöa.
ulyva subst. ßegenguss. — Vgl. klruss. zfyva.
umblav vb. liängen : umhlau ich hänge.
urus subst. Glas. Dunkel.
uscila subst. Teich. Dunkel.
uzar vb. warten : me vzarev ich erwarte, uzaren sie erwarten.
vados, vadios subst. Bett. — Ungr. vodro, vados, skand. vaddro, engl, vadros.
vainel subst. Schock. Dunkel.
vaker vb. sprechen: vakerau ich spreche, vakere, vakerev für vakerei. vakeras ieske
schmeicheln, unriclitig. vaker sprich, vakeriies er hat gesagt.
varekon pron. jemand, varcso etwas. — Buk. vare.
vasilos subst. Basilius. — Klruss. Vasyl.
vast subst. Hand. pl. vastra für vasta.
vas praep. wegen: thuke vas u chahen ich kann nicht mehr essen, wohl: (palikera)
thuke usw. ich danke dir für usw. vas e kara zur Strafe. — Rumun., ungr. cech. vas.
vda pron. dieses. — Ungr. oda.
vekos subst. Alter : haro vekos hohes Alter. — Klruss. vik.
1
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eüropa'S. vi. 19
verdan, unrichtig verdaii^ subst. Wagen.
vesulunus adi. fröhlich. — Klruss. vcselyj.
ves subst. Berg, ves für üe*^ Wald. Unrichtig: ves Fuchs. Man merke, dass dem engl.
Zigeuner der Fuchs vesh-joökel, o lulo iveshkeno-jookel d. i. der Waldhund, der rothe Wald-
hund heisst. Smart und Crofton XX. 153.
vicinavies subst. Leben. Dunkel.
vicin vb. schreien, rufen, lärmen, rollen (vom Donner) : vicinava ich frage, vicines
du schreist, vicinet, McineT, vicinen er schreit, m« vicin lärme nicht, vicinen rufet.
vicinipen subst. Lärm : vycynipen.
viducar vb. entdecicen. vid, das slavische praefix ot-B, und ncar decken.
vidza vb. fortreisen : vidzas ich reise, unrichtig, vi für vid, das slavische praefix
ot'B, und dzav ich gehe.
vijin vb. wehen : halvai vijinei der Wind weht. — Klruss. vijaty.
vitpen vb. antworten: vitpenes du antwortest, vit^ das slavische praefix ott, und pen
sagen. — Klruss. otpovisty, ötkazuvaty usw.
vuder subst. Thilr. vuder, vuda Vorhaus.
vustar misto auka sar andi'e tro kker mache es, als ob du zu Hause wärest, vustar
ist dunkel.
viiBe Avächst : dzov {dzov) vusze andr e mala das Getreide wächst auf dem Felde :
vusze ist dunkel.
vuS. subst. Garn. — Ungr. vus Hanf.
z.
za praep. slav. za polunos in einer halben Stunde.
zabesta subst. Saat. Dunkel.
zacynin vb. anfangen: zacyninen phuro rom er fängt an alt zu Averden. — Klruss. zacaty.
zamrazon vb. frieren : zamrazondja es hat gefroren. Vgl. mrazon.
zanosin vb. reflexiv: sich anschicken: zanosinel pes p^''' o brisint es droht zu regnen.
— Pol. zanosi6 si§ na co sich wozu anschicken.
zapomozin vb. unterstützen: zapomozinel mau (für man) Unterstützung, richtig: er
unterstützt mich. — Klruss. pödpomahaty.
zapotin vb. bezahlen : zapotinau ich bezahle. — ^"gl- potin.
zaprihin vb. einspannen : zaprihina^c ich spanne ein. — Klruss. zaprjahaty.
zazarin, richtig zavarin, vb. zumachen : zazariiiau ich mache zu. — Magy. zilvär üiegel.
zbirin vb. sammeln : zbirinava wir werden sammeln. — Klruss. zbyraty.
zoraio adi. stark.
z.
zali jügen die Nacht ist dunkel, zali kann ich nicht erklären.
zivin, Hjin vb. leben : machi zivinei andr o pani die Fische leben in Wasser, tro
dat men zyjinela dein Vater wird noch leben, mandros zivinos das Brot nährt uns ist
grammatisch dunkel. — Klruss. zyty.
zycin vb. wünschen: so thuke lycineha? was wünschest du dir? — Pol. zyczyc.
20
Franz Miklosich.
II.
Vocabularien der Mundart der Zigeuner in Sirmien.
1. Nach den von Herrn G. Lucarid gesanimeUen jraterialioii.
ac vb. bleiben: acel er bleibt. Vgl. as.
adjes adv. heute.
ägor adi. zugespitzt, serb. siljat. — Grlech.
agör Spitze.
akdna adv. jetzt.
akartng adv. liieher, serb. ovamo.
aluva subst. Wort. — Griecli. lav.
alavdlo adi. beredt, serb. rjecit.
amaro pron. unser: sg. gen. amaresko-
instr. amarea •, obl. amare.
dmhrol subst. Birne.
amen pron. wir: dat. amendji; instr.
amenca.
an vb. bringen : an mdndji gib mir,
eig. bringe mir.
and praep. in. Vgl. andre.
andal praep. aus : andav cer aus dem
Hause; o con nici cerdilo andeloludje, serb. mje-
sec nije svjetao, scheint eig. zusein ,der Mond
hat sich nicht gemacht' etwa ,aus den Wol-
ken': in andeloludje ist andel wohl ,aus', o
der Artikel; dagegen ist ludje dunkel. —
Griech. andral aus dem Innern.
andre adv. darinnen.
angjelosko: angjelosko o djir der Engel
ist ein Geist, eig. etwa , englischer Geist'.
anglä adv. vorne.
angldv praep. vor.
dnro subst. Ei.
apcin subst. Stahl.
arak vb. finden, bewahren : aracil er
findet, bewahrt, serb. naci, cuvati.
araö? adv. gestei-n, eig. Nachts.
arjat adv, diese Nacht.
arljdko veränderlich. Dunkel.
ardlo adi. aus Mehl gemacht.
dfo subst. Mehl.
as vb. hieben: asdu ich lache, lache aus;
te asas mdndar dass du über mich lachest ;
asdl er laclit.
dsav subst. Mühle. — Buk. asäü.
as vb. bleiben : as devle adieu, eig.
bleibe mit Gott. Vgl. ac.
amn vb. hören : asunen ihr höret, ge-
horchet; asurdu ich höre für asundu.
av vb. kommen : avdu icli komme ; avel
er kömmt.
aver pron. ein anderer: avresci alienus.
avrechdndi adv. anders. — Oech. avri-
candes Pu. 33. 35. 61.
avri adv. draussen.
azbdlandi berühren , serb. dotaknuti.
Dunkel.
azucar vb. warten : azucarel er wartet.
— Griech. udiakerdva.
bahtdlo adi. nützlich. — Griech. bachtalö
glücklich.
bdkru subst. Schaf.
bal subst. Haar.
bdlai subst. Trog. — Griech. beldni, beldi.
baldno adi. Schweine — .
bdle subst. Schweine pl.
bdlval subst. Wind.
balvdlo adi. windig.
bdngo adi. krumm. — Griech. hangö,
pangö hinkend.
bar subst. Stein, Eis. — Griech. bar m.
bar subst. Garten. — Griech. bdri,
pdri f.
bdrar subst. Gärtner, serb. vrtlar: bar
mit dem slav. suffix ai'b.
barikdno adi. stolz , serb. wolil nicht
oholost, sondern ohol.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi.
21
harjov vb. wachsen: o kas harilo der
Baum wächst, eig. ist gewachsen. — Griech.
bdriovava gross werden.
haro adi. gross : haro i^aj Fluss •, häro cer
ein grosses Haus; cerel baro er vergrössert.
barökar adi. ungewürzt, serb. suhoparan.
Dunkel.
barvdlo adi. reicli.
bas vb. bellen, brüllen: basel er bellt;
basel 0 del es donnert, eig. Gott lärmt.
basav vb. krachen : basale! es kracht,
serb. pucati.
bes vb. sieh setzen : besel er setzt sich.
bezdh subst. Sünde.
bi praep. ohne : bisisiresko ohne Hut,
serb. bez sesira.
bicav vb. schicken: bicalel er schickt;
bichäl impt. schicke.
bicin vb. verkaufen: bicmel er verkauft.
bilav vb. schmelzen liquefacere : bilavel
er schmelzt, serb. raztopiti. — Griech. büdva,
birtaj subst. ^^ irth, serb. birtas.
bistr vb. vergessen : bistrel er vergisst.
bokhdlo adi. hung-rio-.
boldino adv. dankbar, serb. zahvalan,
eig. wohl : der vergilt, koji vi-aca. — Griech.
boldva, bolavdva drehen.
boldino subst. Gurke, serb. krastavac,
eig. wohl der gedrehte, runde. — Griech.
boldino gedreht.
boH subst. Ofen.
brddji subst. Wassereimer, serb. kabao.
brdva subst. Schloss serra, serb. brava.
breskva subst. Pfirsich, serb. breskva.
bresto subst. Ulme, serb. brijest.
briji vb. rasieren: brijü pes er rasiert
sich, serb. brijati se.
brini vb. sorgen: brim ma ich kümmere
mich, serb. brinuti se.
bristro adi. klar, serb. bistar.
brs subst. Jahr.
brsesko adi. jährlich, serb. godisnji.
brs7i subst. ßegen : brsn del es regnet.
— Griech. brisin, bursin.
brsunddlo adi. regnerisch.
büdji subst. Tagelöhner. — Vgl. griech.
buti, puti, bziM Arbeit.
bttlo subst. Raimi; adi. weit. — Griech.
bughlo weit.
bus subst. Spiess. — Griech. bust.
buci, buci subst. Arbeit, Geschäft: cera
buci ich arbeite ; cerel buci er schmiedet.
buzrt subst. Ziege. — Griech. btizni.
C.
caro subst. Kaiser : o caro, serb. car.
ckno adi. klein, nieder : maj ckno. —
Griech. tiknö.
cnOTO adi. klein. Deminutiv von ckno.
cra adv. ein wenig; er wird durch po-
manjiti erklärt, wohl unrichtig. — Buk. csra,
cdrd, csrn.
crd vb. ziehen, saugen : crddu icli ziehe ;
crdel serb. dojiti. — Buk. curd.
crdini subst. Flasche, eig. die gezogene.
crdinisarYh. wohl: umziehen: crdinisdjlo
Wolke, eig. es hat sich umzogen. Vgl. crd.
crepo subst. Ziegel, serb. ci-ijep.
curi'dja subst. eine Art Socke , serb.
opanak. — Bulg. cbrvuli milad. 106: vgl.
tCspßofjXca, aspßo'jXa Ducange. tCcpßo'jXiavoc
bei Constant. Porphyrog. — Griech. cervnli
Sandale.
cvefovo subst. Strauss, serb. vjenac. Serb.
cvijet.
C.
cacipe subst. Glaube, Gerechtigkeit.
cdilo adi. satt. Vgl. carjov. — Griech.
cal(5 satt, cdUovava satt sein.
camb vb. kauen : cambel er kaut. —
Griech. camkerdva, camukerdva.
cao subst. Sohn : sg. dat. chnvesce. pl.
dat. e chavendji. — Griech. cavö.
car, unrichtig cak, subst. Gras.
carjov vb. weiden neutr. : carjo(l) er
weidet. Vgl. cailo. — Griech. cardva essen.
carö subst. Schüssel.
cas subst. Augenblick, serb. cas.
22
FuANZ MiKLOSICn.
cAuro subst. Kind. Deminutiv von cao.
cej subst. Tochter. — Griecli. cdi, cei.
cer, 6er subst. Haus : si man der icli habe
ein Haus ; a7id o cer Küche , eig. in das
Haus. — Griech. kher.
cer vb. tliun, marheii: reran ich mache;
cera hi'ici ich arbeite; cerel büci er schmie-
det; cerel barö er vergrössert. cerdilo in:
0 con nici cerdilo andeloludje mjesec nije
sx'jetao ist ein partic. pj-aet. pass. — Griech.
keräva.
cerdja subst. Stern : e caraender von den
Sternen. — Buk. cerhdje pl.
ce7]ia subst. Stiefel. — Buk. kire.
chao s. cao.
ci adv. nicht : ko ci cerel büdi wer niclit
arbeitet.
cicen subst. Fett, serb. mast. — Ungr.
böhm. ciken.
cicendlo^ adi. fett.
cija subst. Schlüssel.
cikdio adi. kotig. — Griech. cik.
ein vb. schneiden : citiel er schneidet ;
te cnel dji, serb. zetva, eig. er schneidet
Getreide.
ein vb. kaufen : cindds er kaufte. —
Griech. kindva.
cindjar vb. schneiden : cindjardds er
schnitt. Vgl. ein.
cindjar vb. benetzen : cindjarel er be-
netzt: cindjar mag wieserb. kvasiti netzen
und säuern bedeuten. Vgl. cingo.
cindjiv vb. nass werden : cindjivat) ich
werde nass.
cindo m. cindji f. adi. nass. — Russ.
kindo, rumun. thindar vb.
cindu adi. serb. tubast.
ciraipi subst. Gekochtes.
cirav vb. kochen: ciravel er kocht. —
Rumun. kirjadü, ungr. kerdol neutr. , pol.
karavas Narbutt 156. 157.
cires subst. Kirsche. — Griech. keräs.
cirikli subst. Vogel, jeder Vogel.
cirikljdno adi. Vogel — .
con subst. Mond, Moiuxt: o con.
cor vb. ausschütten : coril er schüttet
aus, serb. prosipati.
cor vb. stehlen: cor6l er stiehlt.
coripe subst. Diebstahl.
coro adi. arm.
cucar vb. ausleeren : ciicarel er leert aus.
ctici subst. weibliche Bi-ust.
cüco adi. leer.
C2(,d vb. ausziehen: ciidel er zieht aus,
serb. svuci. — Vgl. buk. md.
cudi vb. refl. : sich wundern: cudü pes
er wundert sich, serb. cuditi se.
cudno adi. wunderlieh, sei'b. cudan.
cuniid vb. küssen : cumiddu ich küsse.
— Griech. cumidava.
curi subst. Messer.
cürka subst. Truthenne, serb. pura, 6urka.
D.
da vb. geben: del er gibt, fällt; o jiv del
es schneit; del pe tele sich niederlegen, serb.
leci ; dias er gab.
dad subst. Vater: e dej o dad Eltern.
dddesko adi. väterlich.
ddko adi. mütterlich.
dand subst. Zahn. ■
dar subst. Schrecken, Furcht: naj (d. i. j
na i) mand/i dar Freiheit, serb. sloboda, ist
eig. non est mihi metus.
dar vb. furchten : dardl er fürchtet ;
darä i devlestar fürchte Gott. — Griech.
dardva.
dardno adi. furchtbar. — Griech. daranö.
dej subst. Mutter: e dej o dad Eltern.
del, 0 del subst. Gott: sg. instr. devle-^ sg.
abl. devlestar: dard i devlestar fürchte Gott.
Himmel. — Griech. devü Gott, Himmel.
dethdra adv. heute früh , serb. jutros.
— Griech. tachidra, tachdra, ngr. xa.jo6..
dethdrin adv. morgen, serb. jutro. Vgl.
dethdra.
dik vb. schauen: dikdu ich schaue; dicMs
du gaffst ; dicel pala pesti er sieht sich um ;
dcol er sieht: o del sa dcol Gott sieht alles.
dilipe subst. Thorheit.
Über die Mundarten und die Wanderunoen der Zigeuner Europa'?
23
dja vb. Qeh.en:djdl er geht. — Griech. dza.
dmno subst. Rücken : -perdu dumea serb.
cZ;'a«i«^?'o subst. Schwiegersohn. —Griecli. ; nasloniti se, sich anlehnen ist eig. ich falle,
dzavmfr(5.
djan vb. wissen: djamdu^ wohl djandn,
ich weiss. — Griech. dzandva.
djermo subst. ßrunnenschwengel, serb.
djeram.
djes subst. Tag. — Griech. dives.
dji adv. bis : dji mismerc bis Mittag. —
Griech. dzi.
dji subst. Seele : dukal u dji es empfin-
det Schmerz die Seele, imriclitig djir. —
Griech. ghi.
djili subst. Spreu, sci'b. pljeva. — Vgl.
griech. seil.
djir subst. Geist: o djir, richtig dji.
djiraci adv. diesen Abend, serb. veceras
ist eig. dji raci bis zum Abend.
djiv, djim, dji subst. Getreide, serb. zito :
te cnel dji Getreide schneiden. — Griech.
ghiv.
djucel subst. Hund. — Griech. dzukel,
cukel.
djüli adi. weiblich, serb. zenski. —
Griech. diuvel.
djungälo adi. garstig : richtiger diimgdlo.
djuceldno adi. Hunds — .
dobisar vb. bekommen : dohisardu ich
bekomme, serb. dobiti.
doholbindji serb. oka. Dunkel.
dondji subst. Halbe, als Mass. Dunkel.
dosadi vb. dosadil ma er ist mir lästig,
serb. dosaditi.
drago : o drago Jesus; drägo mandji Freude
ist eig. es ist mir lieb, serb. drag.
drak subst. Traube.
drm vb. rütteln: drmöl er rüttelt, serb.
drmati.
drösin subst. Thau : e drösin.
duk, dukh vb. schmerzen : dnkal ma es
schmerzt mich ; dukal o dji, serb. zalost,
Trauer, ist eig. es empfindet Schmerz die
Seele.
dukha ded ^neoi serb. sto su nas uvrije-
dili, eig. (die) uns Schmerz gegeben.
lege mich mit dem Rücken.
dundldo serb. zalostan, traurig. Dunkel.
dur adv. weit.
dusman subst. Feind : sa e dusmanönca
mit allen Feinden, serb. dusman.
duvar subst. Mauer, serb. duvar.
dzilab vb. singen : dzilabel er singt. —
Griech. ghiliabdva.
dzudo adi. lebendig. — Griech. dzivdu.
dzungdlo adi. garstig, minder gut djun-
gdlo. — Buk. zungalo.
P.
farbi vb. färben : farbil er färbt, serb.
farbati.
feljastro subst. Fenster. — Buk. ferjästa.
Aus dem rumun.
fosili subst. Fasole. — Bidc. fosij.
frl vb. wiehern, serb. hrzati. Dunkel.
fulav vb. kämmen : fidavel er kämmt.
— Vgl. buk. hulav.
G.
gad subst. Hemd : lav gad ich ziehe
mich an, eig. ich nehme ein Hemd, Kleid.
gadava pron. dieses. — Vgl. buk. kado.
Vgl. godülo.
gddjo subst. Bauer. — Buk. gazo.
gaida adv. so. gajda thai gajda wird
durch serb. drugdje anderswo übersetzt. —
Vgl. buk. kade.
gdlveno adi. gelb. — Buk. gdlbsnu. Aus
dem rumun. galbin.
gavesko adi. Dorf — .
gavran subst. Krähe, serb. gavran Rabe.
gldso subst. Stimme: pl. gläsmja^ serb.
glas.
godjaver adi. weise. — Buk. godaver.
godolo pronominaler Stamm, eig. lo mit
einem adv. godo : sg. acc. godoles eum ; sg.
dat. godolesöe ideo. — -Buk. gode. Vgl. ga-
dava.
gulub'U subst. Taube, serb. golub.
24
Franz Miklosicii.
goveddri subst. Rinderhirt, serb. govedar.
qrad vb. machen: gradau icli mache,
serb.
graditi.
veseo.
Vgl
gras subst. Pferd: o gras.
grcda subst. Balken, serb. grcda.
qrmi vb. donnern : grmü es donnert,
serb. grmljeti. — Vgl. grmisar.
grmisar vb. donnern: grmisarel es don-
nert. — ^'gl. grmi.
guci vb. girren : gucü er girrt, serb. gu-
kati, gußem.
güglu adi. süss. — Buk. gugl6.
gnru subst. Ochs : o guru.
gurumni subst. Kuh , daneben gurüni
und goruri: e goruri.
H.
ha vb. essen, verschlingen : hal er isst,
veVschlingt. — Buk. cha.
häbaj subst. Apfel. — Buk. phabäj.
habt, hdhi subst. Speise. — Buk. chahe,
chahi.
hacar vb. sich erinnern : hacaret er er-
innert sich, serb. sjetiti se ; -^v&tit. hacärdäs.
— Rumun. chakkjardu fühlen Bessar.; hakiaräu
verstehen Mezz.
häjing subst. Brunnen. — Buk. chajing.
halalasd wird durch sei'b. drag theuer
übersetzt. Dunkel.
hanadi subst. Haue. — Vgl. hanav und
griech. chanddva.
hanamik subst. Freund : sg. voc. hana-
mika. Dunkel.
hanav vb. graben: hanavel er gräbt. ■ —
Vgl. hanadi.
hdndnk subst. Tiefe. — Vgl. deutsch
handäko Graben.
handz vb. jucken: handSol ma es juckt
mich. — Böhm, chandzav.
hardno adv. stark, serb. jak. Dunkel.
harnjar vb. verkürzen : harnjarel er ver-
küj-zt. — Vgl. hdrno.
hdrno adi. kurz. — Griech. charnö nie-
det; charnierdva erniedrigen.
hasdli subst. Gold, Dunkel.
ici
ver-
hasdlo adi. fröhlich , serb.
buk. asa lachen.
hasar vb. verlieren : hasardu
liere. — Buk. chasar.
hndo, d. i. wohl hmdo^ wird durch serb.
eist, übersetzt. — Die Form ei-Innert jedoch
an buk. chsndi bekackt.
huhav vb. lügen, betrügen : hohavdu ich
lüge-, hohavel er betrügt. — Bvdt. chodiav.
holt subst. Zorn : holi mandji^ serb. mr-
ziti, eig. ira mihi (est). ■ — Buk. choU.
holjarav vb. erzürnen : holjdüem^ serb.
dosadan. lästig, ist eig. ich habe mich er-
zürnt: aus holjärdilem. — Buk. choTar.
hordi subst. Spreu, serb. pljeva. — Vgl.
hourdo , buk. churdö und griech. churdo
klein, ungr. hurdö, deutsch churdin Spreu,
Häcksel.
hotirdo adi. fein, serb. sitan. — Vgl.
hördi.
hröta subst. Rad. — Buk. rota, pol.
rota Narbutt 157, russ. röta Böhtlingk 267.
hurhüzu subst. Melone, serb. dinja.
hut vb. springen: hutel er springt. —
Rumun. chut.
hvjdrdo adi. rauh, uneben, serb. hrapav.
— Rumun. chvardö löcherig, chsü Loch.
iko7ia subst. Bild. — Buk. iköna.
incar vb. halten, tragen : incarel er hält ;
indjanü er trägt: indjarddl , durch serb.
zavesti übersetzt, ist das praet. von indjar.
— Rumun. üukdr.
inkli vb. inklil, serb. zaöi. — Rumun. zrikU
herausgehen, aufsteigen, griech. nikdva.
incjd adv. dorthin, serb. onamo. Dunkel.
is vb. sein: iMsandubist; najsan d. i.
na isan du bist nicht- si er ist: si man cer
est milil domus; najle d. i. na i le non est
ei ; s6nia eram ; sas erat.
ivando adv. i-oh, frisch, serb. prijesan.
Dunkel.
ivend subst. Winter.
Über die Mündarten und die Wanderungen der Zigeuner Edropa's. vi.
25
J.
jag subst. Feuer.
jak subst. xVuge : jakhd pl.
jarm subst. Joch, serb. jaram.
jasle subst. Krippe, serb. jasle.
jastreh subst. Geier, serb. jastreb.
jäsvin subst. Träne. — Buk. asfä pl.
jekhöna subst. Schlange, serb. gad. —
Griech. s^:5va.
jiv subst. Schnee: o jiv^ o jiv del es
schneit.
jokute adv. dort. — Buk. okoti.
K.
kai adv. wo. — Buk. kai.
kaigödi adv. wo immer, serb. igdje,
gdjegod.
kdjni subst. Henne: e käjni. kajmi für
Ente ist falsch.
kajsija subst. Aprikose, serb. kajsija.
kalac subst. zea mais, Kukuruz. Dunkel.
kalami vb. pfropfen: kalamil er pfropft,
serb. kalamiti.
kdlo m. kali f. adi. schwarz.
kam subst. Sonne. — Buk. kham.
kam vb. wollen : kamau ich will.
kan subst. Ohr.
kana coni. denn, weil, eig. wann.
kanagödi adi. irgendwann, serb. njekad,
kadgod.
kanro subst. Weissdorn, serb. glog. —
Buk. kanrt pl. Disteln, griech. kandö^ kanro
Dorn, Stachel.
kar subst. Hörn. — Griech. kai' Dorn,
penis, ungr. kar penis, sp. ca sexo, parte
sexual.
karälo subst. penis. — Vgl. kar Hörn.
kariiig adv. Avohin. — Buk. karing.
karväci subst. zea mais, Kukuruz. Dunkel.
kas subst. Heu. , '
kas subst. Baum : o kas.
kastüno adi. hölzern.
kat vb. spinnen : katdu ich spinne. • —
Buk. kat.
katär adv. woher.
Denischriften der phil.-bist. Cl. XXVI. Bd.
Vgl.
ngriech.
kathe.
serb.
nigdje :
kavä pron. dieser. — Vgl. griech. a/ca,
ital. akavä.
kavädji subst. Kleid, serb. haljina. —
Serb. kavad.
ke praep. bei: k' amarö ndrodo bei
unserem Volke. — Griech. ki, ungr. ke.
khai coni. wenn; allgemeines relativum:
sa e dusmanönca, khai dukha (oder dukho) de
amen mit allen Menschen, die uns beleidigt
haben, eig. qui dolorem dederunt nobis.
khai dui l trin zwei, drei. ^ Vgl. kai.
khajdli adi. wolkig , serb. oblacan.
Dunkel.
khanci quidquam, mit na nichts : nd si
na (richtig ma) khdnci osim mdnro ich habe
nichts als (ausser) Brot. —
khandjiri subst. Kirche.
khdte adv. hier. — Buk
khateitde adv. nirgend ,
wohl unrichtig. — Buk. katinde.
klas subst. Ähre, serb. klas.
kljdUu subst. Zange, bulg. klesti.
klopot subst. Glocke. — Buk. klöpoto
knezo subst. Fürst, serb. knez : sg. acc
knezös.
ko pron. wer, serb. ko.
kogödi pron. wer immer,
kogodj.
kokodacl vb. gackern :
gackert, serb. kokodakati, kokodacem.
kolac subst. Art radformiges Brot, serb.
kolaß.
koUn subst. Brust.
kolombdca subst. Kartoftel. — Vgl. ungr.
kolampire.
kolompirja subst. Kartoffel. — Ungr.
kolompire.
kolop subst. Hut, magy. kalap.
* komaddlo adi. bunt, serb. na komad
razne boje, serb. komad Stück.
komsijas svih^t. Naclibar: komsijdsci, serb.
komSija.
köpac subst. Eiche, serb. hrast. —
Buk. kopdc Baum.
— Buk. kon.
serb. kogod,
kokodacü er
26
Fbanz Miklosioii.
köjJita subst. Klaue, serb. kopito.
korkor, korkora pron. selbst. — Buk.
körkoro.
kösa subst. Sense, serb. kosa.
kos/o adl. glatt. — Buk. kos wischen.
koso subst. ßauclifang. Dunkel.
kotordlo adi. bunt, von kotor Stück wie
komadälo von serb. komad.
kCwd pron. jener. — Vgl. kävä.
kuvio adi. weich. — Griech. kovlö^ ungr.
kovlo^ kolo^ bülim. kovlo, aind. kömala zart,
weich.
krdjcarja subst. pl. Ki'euzer.
kraJj subst. König: sg. acc. kraljös,
sei'b. kralj.
kreveto subst. Bett, serb. krevet.
kuc adi. theuer.
kucin subst. Korn granum, serb. zrno.
— Rum. kuke bessar., griech. %6if.y.rjz^ ngriech.
'Arjrj^i ]_)u Gange.
kurkodje subst. Woche. — Buk. kurko:
dje ist wahi'scheiiilic]i : Tag.
kilro subst. Füllen. — Buk. khurö.
kuäik subst. Regenbogen. — Buk. kustik
Gürtel.
kuv vb. weben: kuvdu ich webe. —
Oriech. kkuvdva flechten, stricken, böhm.
khuvav, russ. fe khuves Bölitlingk 19: aind.
guph, gumph winden.
lacar vb. avoIiI : gut machen : lacarel^
serb. premjestiti.
lacipe subst. Güte.
Idco, lachö adi. gut: lacho gldso guter
ßuf; schon, reichlich, lache obl.
ladzdvo subst. Scham, serb. stid.
lalddo subst. Gurke, serb. krastavac.
Dunkel.
lav vb. nehmen : luv gad ich ziehe mich
an, eig. ich nehme das Hemd, Kleid.
ledjero pron. ihnen gehörig eorum aus
lengcro: sg. inst, ledjerea. — Griech. lengoro.
lescero pi'on. ihm gehörig eins : sg. inst.
lesöerea. — Griech. leskoro.
Ul subst. Schrift, Bucli, serb. list, pismo,
knjiga.
llpa subst. Linde, serb. lipa.
lisica subst. Fuchs, serb. lisica.
livddjin subst. Wiese, serb. llvada.
Ijuljar vb. Ijuljarddn, serb. prostres, ist
ein praet. Dunkel.
lo pronominaler Stamm, der im nom.
sg. m. durch uou, pl. durch von ersetzt wird:
sg. acc. les, le: na i le non est ei. sg. gen.
lesko eins. sg. dat. lesti. sg. instr. leja. pl.
gen. Ungo. pl. dat. lendji. pl. instr. lenca. —
^ gl. griech. lengoro, leskoro.
loko adi. leicht.
lolo adi. rotli.
lopata subst. Schaufel, serb. lopata.
lotra subsf. Leiter, serb. lojtre.
I6ve subst. Geld.
lozina subst. Weinrebe, bulg. loziu'b,
vgl. sei'b. loza, lozica.
lahenica subst. Wassermelone, serb. lu-
benica.
luludji subst. ßose, Blume. — Buk. hdadi.
lundjar vb. verlängern : lundjarel er
verlängert. Von bingo.
lüngo adi. lang. — Buk. lüngo.
M.
mache subst. Fisch : machesci jak Fisch-
auge, pl. machesce jakhd.
macka subst. Katze, serb. macka.
mackdko adi. Katzen — .
mdgarc, magdrco subst. Esel, serb. ma-
garac.
fiiaj adv. mehr, dient zur Bezeichnung
des Comparativs : maj haro grösser, maj ckno
kleiner, maj sigo früher, eig. schneller.
majmünu subst. Affe, serb. majmun.
mdjstori subst. Meister, serb. majstor.
inakar: makar so was immer, serb.
makar. — Buk. makdr.
inakli subst. Speck. —Buk. mak schmieren,
griech. maklo Fett, 0hl, Unschlitt.
mdnro subst. Brot. — Buk. manrö. Die
Bedeutung Speiding ist unrichtig.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa-s. vi.
27
mdnus subst. Mensch, serb. celjade.
mar vb. schlagen, strafen : mardv les
ich strafe ihn, marSl er schlägt, marel mui
er schwätzt, serb. sprdati se.
marpo subst. Brot : o marpo. Dunkel.
Vgl. mänro.
mas subst. Fleisch.
maskar praep. unter, zwischen: maskar
amende unter uns.
me pron. ich. man: si man der ich habe
ein Haus, mdndji^ mand, mandi. mdndar: te
asds mdndar dass du über mich lachest.
manca mit mir.
medveda subst. Bär, serb. medvjed.
mek vb. lassen: 7nek cerel vo prdvo^ serb.
neka cini pravo.
melji vb. malen : meljü er malt, serb.
mljeti, meljem.
memeli subst. Kerze, Licht : e memüi.
merdevine subst. Leiter, serb. Ijestve,
merdivene.
mesi vb. mischen: tnesü pe er mischt
sich, serb. mijesati.
mestelj subst. Lehrer, serb. mestar.
müai subst. Sommer.
minütu subst. Stunde. Falsch.
mirno adi. ruhig, serb. miran.
misUsar vb. denken: mislisards wir den-
ken, serb. misliti.
mismeri, mismere subst. Mittag. — Buk.
mezmSri^ mesmeri.
mnrö pron. mein, das wohl riidnrö zu
spreclien ist: mnresko; sg. instr. mnrea. — Buk.
morö.
mohtö subst. Kiste. — Ungr. mosto,
böhm. mochto, skand. mokti.
mol subst. Wein.
moli vb. bitten : molü er bittet, serb.
moliti ; moli (für moUv) man tüce ich bitte
dich, mit serb. Syntax.
mora vb. müssen, serb. morati.
morci subst. Haut. — Buk. morti.
mos subst. Wald, richtig wohl vos.
mrzn vb. frieren : mrzn6(l) pes es friert,
serb. mrznuti.
mtici vb. martern : mucü er martert, serb.
muciti.
mudar vb. tödten : mudarel er tödtet. —
Buk. micdar.
muj subst. Antlitz : marel mul er schwätzt.
muri subst. Mann , serb. muski. —
Griech. murs^ mrus.
mustdka subst. Maisähre , serb. klas,
Idip od kukuruza. Vgl. serb. mustac.
mutdrdo adi. feucht, serb. vlazan. —
Griech. muter Harn, muträva harnen.
mutdrdo adi. fleissig , serb. marljiv.
Dunkel.
N.
nadisardjov vb. hoffen: nadisavau^ serb.
nadati se: *nadisar. Das passivum beruht auf
dem serb. reflexivum.
nal adv. nicht für ?m : te nai hal er
esse nicht.
naj subst. Finger.
najhic adi. wohlfeil, eig. nicht theuer.
najldco, najldcho adi. schädlich, eig.
nicht gut.
najsdsto adi. krank, eig. nicht gesund.
nak subst. Nase.
nak vb. hinübergehen: nacel er geht
hinüber, serb. preci. — Griech. nakdva.
nakav vb. hinüberführen : nakavel er
führt hinüber, serb. prevesti, eig. hinüber
gehen machen. — Griech. nakavdva.
napastovi vb. anfahren: napjastovil er
fährt an, serb. napastovati.
ndrodo subst. Volk, serb. narod.
nasvallpe subst. Krankheit.
nasvdlo adi. krank.
nas vb. fliehen: nasel er flieht: nasf pes
wird durch: brz schnell übersetzt.
nebo subst. Himmel: o nebo, serb. nebo.
nek Partikel : nek del er möge geben,
serb. nek.
nevö adi. neu.
ni adv. ni - ni weder - noch.
nici adv. nicht.
njiv subst. Feld, serb. njiva.
28
Franz Miklosich.
ohicaj subst. Gewohnheit, serb. obicaj.
oblako subst. Wolke : o oblako, serb.
oblak.
odbi vb. abschlagen : odbU er schlägt
ab, serb. odbiti.
ocljdko subst. Rauchfang, serb. odzak.
odjälo adi. mutig. — Griecli. ogi Seele,
Herz, Mut.
odmori vb. ausrasten lassen : odmorÜ pes
er rastet aus, serb. odmoriti se.
ogledalo subst. Spiegel, serb. ogledalo.
ognjisto subst. Feuerherd, serb. ognjiSte.
okoring adv. dorthin, serb. tamo.
okusi vb. kosten : okusü er kostet, serb.
okusiti.
omrazi vb. entzweien : omraziina sie ent-
zweien, unrichtig serb. zamraziti se.
6pre, öpre adv. oben.
oprosti vb. verzeihen : oprostü er ver-
zeiht, serb. oprostiti.
oranje subst. das Ackern.
urisar vb. ackern : orisare(l) er ackert.
ormdno subst. Kasten, serb. orman ar-
marium.
osim praep. ausser, sei'b. osim.
overidji adv. vorgestern, serb. prekjuce.
• — Griech. umgekehrt jicaver.
overthara adv. übermorgen, serb. pre-
kosutra. — Vgl. griech. tachidra, tachdra
morgen.
P.
paböl es bi-ennt : pabole (richtig pabol)
e memeli die Kerze brennt. — Buk. phabol.
paj, pai subst. Wasser : o paj. — Griech.
ptani.
■pajdli subst. Wassermelone. — Vgl. paj.
pdjstir subst. Hirt, serb. pastir.
pala praep. hinter, nach : dicel pala p6sti
er sieht sich um, eig. er sieht um sich, serb.
obazreti se. ko djal pald i avresci posom wer
um die fremde Wolle geht, serb. tko za tu-
djom vunom podje.
palecer vb.pa/ece?'e/, serb.nastati. Dunkel.
pdlpali adv. hinten, zurück.
pand vb. binden, schliessen : pandaii ich
schliesse; pandel er bindet.
pandav vb. wohl : versperren : pandavel^
serb. graditi.
2)ao subst. Frost: päd ma, serb. zebsti,
eig. frigus mihi (est). — Rum. pao Vaillant
63. phaü bess., russ. pdho Böhtlingk 272. —
Griech. -srayoc, iraYfovw.
pdpin subst. Gans.
papindko adi. Gans — .
papiri subst. Papier.
parav vb. spalten, ackern : paravel er
spaltet, ackert, serb. cjepati, orati. — Buk.
pharav.
pdrno adi. weiss.
p)asi vb. weiden transit. : pasü er weidet,
serb. pasti.
pasa praep. neben : pasa mande neben mir.
patkdko adi. Enten — , serb. pacji von
patka.
paciu subst. Ehre, Liebe. — Buk. ijatu.
pacivdlo adi. ehrlich. — Vgl. paciu.
pazi vb. acht haben, lieb haben : pazü,
serb. paziti.
pe praep. p) e posledka zuletzt. — - Rum.
2?' e Unna.
peci vb. braten : pecil er brät.
pecipe subst. Braten.
p4ko adi. gebraten. — Buk. pekö.
pendjer subst. Fenster, serb. pendzer.
per vb. fallen, sich legen: perdu dumea
ich lehne mich an, serb. nasloniti se, eig.
ich lege mich mit dem Rücken.
per vb. füllen : perel er füllt. — Buk.
pher.
perdo adi. voll. — Buk. pherdö.
perjas subst. Scherz. — Deutsch perjas.
p)erjasengo adi. scherzhaft.
phal subst. Brett. — Pol. phal Narb\itt
154, j-uss. phal Böhtlingk 22, deutsch paJ.
Ijhdro adi. schwer. — Buk. bharö.,pharö.
phubljfvo adi. angenehm, serb. ugodan.
Dunkel. Vgl. p)uknjdli.
\
Über die Mundarten und die Wandeeungen der Zigeuner Eueopa's. vi.
29
pJmjäko adi. irden. — Buk. phu Erde.
phuknjaU adi. freundlich, serb. prijazan.
Dunkel. Vgl. ■phubljivo.
phurdini subst. Dudelsack. — Buk.
phurd blasen.
phuru adi. alt.
p)i vb. trinken, saugen: pijeU pel er
trinkt, saugt.
jnr vb. piräu ich gehe, serb. liodati.
Vgl. khai pherdds unrichtig für irgendwo.
piri subst. Topf.
piro pron. sein suus : inre knezös ihren
Knezen. ^j?V<5 ist suus, wenn das Subject im
pl., po wenn es im sg. steht.
pisdri subst. Schreiber, serb. pisar.
p>lai subst. Berg. — Buk. plaj.
pldsto subst. Wagen, serb. voz. Dunkel.
plivi vb. scliwimmen:p^/t'f/ er schwimmt,
serb. plivati; plivü o machö es schwimmt
der Fisch ; pUvila er wird scliwimmen. —
Vgl. plivisar.
plivisar vb. schwimmen : plivisärda er
schwamm. — Vgl. pAivi.
plügo subst. Pflug, serb. plug.
po Stamm des pronomen j-eflexivum :
sg. acc, pes: admoril pes er erholt sich; sg.
dat. pesti: dicel pala pesti er sieht sich um-,
svako pesce trennen, richtig: jedes für sich.
pucini vb. anfangen : pocinü er fängt
an, serb. poceti, poßinjati.
podrum subst. Erdgeschoss, Keller, serb.
podrum.
pugosti vb. bewirten : pogostil er be-
wirtet, serb. pogostiti.
poloci adv. serb. spor, in der Bedeutung
langsam, daher p>o loku.
pumüai subst. Frühjahr. — Vgl. viüaj.
por subst. Feder. — Buk. jjo?'/.
porddi subst. Leinwand , serb. bez.
Dunkel.
porizSn subst. Reiter. — Buk. porizm.
posi vb. säen: p)usüa er wird säen, serb.
posijuti.
posUdka: p' e posledka zuletzt, serb. na
posljedku.
posveti vb. heiligen: posvetü pes er hei-
ligt sich, serb. posvetiti se.
posöin subst. Wolle: i avresci posoin die
fremde Wolle.
posomdio adi. wollen.
p6stin subst. Pelz. — Buk. postm.
postui vb. ehren : postum sie ehren, serb.
postovati, postujem.
pötlam adv. nachher, serb. potlje, nsl.
potlam.
potrosar vb. verbrauchen : potr'ossar'du
ich verbrauche, serb. potrositi.
pocin vb. zahlen: pocinäu ich zahle. —
Buk. potin.
prasdpe subst. Scham, serb. sram. —
Grr'iech. prasäva spotten, prasaiöe Spott, engl.
pross^ prosser.
prasta vb. laufen: prastdl er läuft. —
Buk. prasta.
p>rekoveridji adv. ehevorgestern . serb.
zakojuce. — Vgl. overidji.
prekoverthara adv. überübermorgen, serb,
zakosutra. — Vgl. overthara.
primi vb. erhalten: primil er erhält,
sei'b. primiti.
prrövu subst. Bach. — Buk. psnü.
pruna subst. Pflaume. — Vgl. prüvil
und griecli. ap>ürnes.
prüvil subst. Pflaume. — Vgl. priina.
pu subst. Erde: e pu; dia e puja wird
durch serb. vrh zemlje erklärt. — Buk. phu.
puc vb. fragen : pucel er fragt. — Buk. pus.
jyui subst. das Junge, serb. pile. —
Buk. puj.
purd vb. blasen, atmen: purddu ich
blase, purdel er atmet. — Buk. phurd. Vgl.
phurdini.
puripe subst. Alter. — "^gl- phuru.
purd subst. Fuss. — Buk. ponro., psnrö.
purum subst. Lauch, serb. luk : parni
puruni Knoblauch, eig. weisser Laucli.
pusddi subst. Gabel. — Böhm, phosadi
Gabel. Vgl. pusav.
pusaxh subst. Gerste. — Griech. pusavdi
Haber. Vgl. pusav.
30
Franz Miklosich.
jpusav vb. stechen : pusav6l er sticht. —
Griech. pusavdva^ l)(")lini. pho.mvav.
putar vb. öffnen, loslösen: pufardu ich
öffne, putdrdo, serb. prost, etwa: losgelöst.
— Buk. puter.
putniko subst. Wanderer, serb. putnik.
putovi vb. wandern : putovtl er wandert,
serb. putovati.
puzi vb. kriechen: puzÜ er kriecht,
serb. puziti.
R.
raduji vb. reflex. sich freuen: radujilpes
er freut sich, serb. radovati se, radujem se.
raj subst. Herr, Richter, Zupan, König :
sg. acc. rajes.
rajesko adi. städtisch , serb, gradski,
richtig Herren — .
rajo subst. Paradies, serb. raj.
ram vb. wollen : ramol er will, serb.
htjeti. Dunkel.
rdmol subst. Buchstabe. Dunkel. Vgl.
buk. hram: von dine hram sie schrieben auf.
ramope offenbar, serb. ocit: vielleicht
ramol pe, was etwa : scribituj- wäre. — Vgl.
rdmol.
rana subst. Nahrung, serb. hrana.
rand^h. scheren: randel er schiert, serb.
sisati. — Ungr. randel kratzen, böhm. ran-
dav, skand. randra schreiben, span. randar
schreiben.
rdsaj subst. Geistlicher.
racija subst. Branntwein, serb. rakija.
ravn vb. ebnen: ravnöl er ebnet, serb.
izravniti.
raz subst. Blitz, serb. munja. Dunkel.
rdisäro adi. geduldig. — ßum. rsbdisar.
repa subst. Rübe, serb. repa.
7'ez subst. Weingarten,
ribisar vb. reiben : ribisardu ich reibe,
serb. ribati.
riviici vb. wiehern: rimicil er wiehert,
— Buk. hreminti.
rjat subst. Dunkel, eig, Nacht, — Buk, rjet.
rläli adi. trübe, serb. mutan. Dunkel.
rod vb. suchen: ruddu ich suche.
röi subst. Löffel.
rom subst. Mann: o roTO-, pl. amdre
röma unsere Männer.
romni subst. Weib : pl. voc. romnjdli.
rov vb. weinen : rovel er weint.
rovlji subst. Stab: rovlja mit einem Stabe,
— Buk. rovU.
rto adi. zuwider: rto mandji molestum
mihi (est.). — Buk. urMo.
rvda subst, Deichselstange, serb, ruda,
rup subst. Silber.
ntv subst. Wolf,
S.
sa pron. alles : sa dcol er sieht alles ;
adv. allsogleich.
salivai subst. Zaum und Geschirr, serb.
uzde i am. — Buk, salavdr.
sdno adi. dünn, enge.
sar adv. wie: sar - gaida so - wie.
sastavisardjov vb. zusammenkommen:
sastavisdjlem ich kam zusammen, serb. ja
sam se sastao. Das passivum drückt das
reflexive serb. verbum aus.
sastipe svibst. Gesundheit.
sdsto adi. gesund: unrichtig sastro.
sdstri subst. Eisen, Pflugeisen,
sastruno adi. eisern.
satUko subst. Seitel, serb. sajtlik,
savo pron, welcher.
seli vb. wegsiedeln transit. : selil er siedelt
serb. seliti,
senica subst. Meise, serb. sjenica.
sevi vb. leuchten : sevÜ es leuchtet, serb,
sijevati.
sigo adv. bald.
siji, sü vb. säen : sijil, siil er säet, serb.
sijati.
sikav vb. lehren : sikavdu ich lehre.
sili vb. geniessen : silel, serb, u2ivati,
wohl serb, »iliti, dessen Bedeutung jedoch
nicht passt.
sinija subst. Tisch, serb, sinija,
slabov vb, schwach werden: slaböl er
wird schwach, serb, oslabiti.
weg,
Übee die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi.
31
slav vb. kehren: slaväu icJi kehre, serb.
cistiti, mesti. — Griech. sidavdva.
slavulj subst. Nachtigall: slavuljesce sg.
dat. der Nachtigall, serb. slavuj.
slicno adi. angemessen, serb. slican.
sluzi vb. dienen : sluiü er dient, serb.
sluziti.
so pron. was.
soha subst. Zimmer, serb. soba.
sogdcZ pron. was immer, serb. -god, -godj.
sosteja subst. ]A. Unterziehliosen, serb.
ga(^e. — Griech. sosten.
sotenti vb. anfahren: sotentü ma, serb.
napastovati. Dunkel.
sov vb. schlafen : praes. sg. soväva, sovau,
soau; sovea; sovela^ sovel. pl. sovdsa; sovena;
sovena. praet. sg. 1. sutem; 3. suto. pl. 1.
sutdm; 3. suti. soväva, sovea werden als fut.
angesehen : ich werde schlafen, du wirst
schlafen.
sovurina subst. Eule, serb. sovura.
srca subst. Glas, serb. srca.
sfpo subst. Sichel, serb. srp.
sfddji subst. Mütze. — Buk. stadi.
staresme subst. die ältesten, serb. sta-
reSina.
stecisar vb. erwerben: stecisardu itA\ ev-
werbe, serb. steci.
stolica subst. Stuhl, serb. stolica.
strafi vb. blitzen: strafil es blitzt. —
Griech. äoTpairf^.
sti'ibu subst. Stengel, serb. stablo.
siduma subst. Stroh. — Buk. sulüm.
süno subst. Traum.
svako pron. jeder : svako pesce^ serb.
razstaviti, zig. jedes für sich, serb. svaki.
svakonedjesesko adi. alltäglich, serb. svaki
und eig. djes Tag: der Einschub ne ist be-
fremdend.
sveco subst. der Heilige: o svdco, serb.
svetac.
sveto subst. Welt : and o sveto in der
Welt, serb. svijet.
svinjäri subst. Schweinehirt, serb. svinjar.
svinjco subst. Schweinestall, serb.svinjac.
svrsosar vb. beenden : svrsosarddm wir
haben beendet, serb. svr§iti.
svuda adv. überall, serb. svuda.
sah subst. Kohl.
saj adv. können : ine saj, tu, saj, vov saj ;
amen saj, von saj, von saj ich kann, du
kannst usw.
sareno adi. bunt, serb. saren.
sarga repa subst. Rübe, eig. gelbe Rübe :
magy. sarga gelb.
seljd subst. Kleien, pl. and e seljd. —
Griech. seU.
serpenjdva subst. irdener Dreifuss, serb.
serpinja, tronoga, magy. serpeny, serpenyö.
seva subst. Lerche, serb. seva.
siSiin subst. Hut : bisisiresko ohne Hut,
serb. sesir.
skripi. vb. knarren: skrlpü es knarrt,
serb. ski'ipati.
smijdko subst. Maus, serb. mis, eig. viel-
leicht ein adi. Maus — , daher für misdko. —
Böhm. misa.
sogor subst. Schwager, serb. sogor.
soro subst. Kopf.
sösoi subst. Hase.
suc vb. trocknen, transit.: sucü, sucöl er
trocknet. — Griech. sukiarava trocknen,
transit. ; sukiovava intransit. sucü ist nach
serb. susiti gebildet, während sucol wahr-
scheinlich siccatur bedeutet.
sddro adi. kühl, kalt. — Griech. sudrö.
siikär adi. schön.
sukljov vb. sauer werden : sukljol er wird
sauer. — Griech. sutlö, sütliovava.
suklö adi. sauer. — ■ Griech. sutlö.
süko adi. trocken.
T.
tahtdi subst. Becher.
tang adi. fein, serb. sitan. — Griech.
I tang enge.
! tdto adi. warm.
tavano subst. Boden, serb. tavan.
32
Franz Miklosicu.
tavd vb. flicssen : tavdel es fliesst. —
Griecb. tdvdava, bölim. thadövav: aind. dhäv.
teldl adv. unten.
telco subst. Kalb, serb. telac.
tilciö subst. Kalb. Vgl. serb. telac.
tel4 adv. unten.
telo subst. Körper, serb. telo.
tepsija subst. kupfernes Becken, serb.
tepsija.
ternipe sixbst. Jugend.
terno adi. jung.
thai, the coni. und, auch.
the s. thai.
thedra adv. morgen. — Griecli. tachidra,
taehdra.
theni subst. Welt. — Griech. ^em, ungr.
them^ bühm. them.
thodd les andrt^ serb. nespretan, nezgo-
dan, d. i. unbequem, eig. wohl: er hat ihn
hineingethan.
t/iu subst. Rauch. — Griech. tuv Rauch-
tabak, böhm. thuv Rauch.
thud subst. Milch. — Griech. tut, böhm.
thud.
thulo adi. dick.
tidri subst. Teller, serb. tanjir.
tigdja subst. Pfanne, serb. tiganja.
tomna subst. Herbst. — Rum. tömna.
tov vb. waschen : tovdu ich wasche, —
Griech. tovdva, böhm. thovav : aind. dhäv.
— Vgl. tavd.
tov vb. legen : tovel jag er macht Feuer,
serb. naloziti. — Griech. tuvdva^ bölmi.
thovav : aind . dhä.
tovel subst. Axt. — Griech. tover^ tovel.
trajo subst. Thier, serb. zivotinja. —
Rumun. traju leben.
trebi vb. säubern: trehüpe^ serb. trijebiti.
tremo subst. Halle, serb. trijem. — Pol.
tremos Vorhaus Narbutt 1<J4.
trgövcu subst. Kaufmann, serb. trgovac.
trinendji swhst.Heugahel. — Vgl. i^nn drei.
trom vb. wagen : tr'omdu ich wage. — Ungr.
böhm. tromav., skand. trornma wagen, dürfen.
trska subst. Rohr, serb. trska.
tndj vb. nothwendig sein: trubi'd es Ist
nothwendig, serb. trebati. — Rum. trebul.
trusül subst. Thurm. — Griech. trnSül
Kreuz, böhm. trusul.
tu pron. du : sg. dat. täce ; sg. instr. tua
mit dir.
ti'idum subst. Kiirhiss. — Griech. dudi'im.
cer s. cer thun.
cer subst. Haus: cer4 zu Hause, nach
Hause : ^erS avel er kömmt nach Hause, öeral
vom Hause : avdu öeral ich komme vom Hause.
and 0 cer. — Griecli. AV/er, ker., her., böhm. kher.
cerko adi. bitter. — Griech. kerkö.
cesdri adi. kaiserlich, serb. desar.
ein vb. schütteln: öinöl er schüttelt. —
Vgl. i'umun. ein: cindim pe ils se secouent
Vaillant 81. cinosar 52.
cirddo partic. gekocht. — Rum. kirav
buk. kirjadü bessar., pol. karavas, kierovo/ta ■
Narbutt 156, 167.
öirvo, cirol subst. Gevatter: e 6irve ste-
vanova (für stevanoa , stevanösa) mit dem
Gevatter Stephan. — Griech. kirvö.
U.
ucdndi subst. Sieb. — Griech. iisand
va
sie Den.
ucdrdo subst. üacli, eig. Gedecktes, Zie-
gel. — Griech. ucardva decken, buk. usarav.
ucaripi subst. Dach. — Vgl. ucdrdo.
iicipe subst. Höhe.
üco adi. hoch. — Griech. vucö.
üdar, vuddr subst. Thor: o nevo vuddr
das neue Thor.
urj vb. fliegen: uriäl er fliegt. — Griech.
urjdva.
uzar vb. schälen : uzarel^ serb. guliti.
Dunkel. — ^'gl- etwa rum. uzo (ujoj weiss,
reinlich Vaillant 51. 65. 76. 132.
V.
vacar vb. reden: vacarau ich rede, va-
carel er redet. — Griech. vrakerdva, vakerdva.
\
Übeb die Mündarten und dik Wanderungen deii Zigeuner Europa's. vi.
33
bölim. vakerav, pol. rakir Narbutt 155. 159,
skand. rakra, rakla, span. araquerar.
vaci vb. ächzen : vacü er ächzet, serb.
jecati. Dunkel.
vadjal ßede. Dunkel.
varesko wird durch ,etwas' übersetzt:
man erwartet dafür vare so. — Buk. vare so.
vas subst. Hand. — Griech. vast.
vedro adi. heiter : vom Himmel, serb.
vedro .
venco subst. Kranz, serb. vjenac.
ve7mo adi. treu, serb. vjeran.
vi coni. auch.
vicace &di. ernst, serb. ozbiljan, eig. wohl
etwa : und wahrhaftig : vi cace.
viljuska subst. Kinnlade, serb. vilica:
viljuske pl. ist die Essgabel.
visnja subst. Weichsel, serb, visnja.
vladi vb. herrschen: vladil er herrscht,
serb. vladati.
v6rdo?i subst. AVagen.
vörta adi. gerade, serb. pi-av. — ■ Buk.
ortha, orta.
vöstro adi. scharf, spitzig, serb. ostar.
vov sg., von pl. er, sie. Die casus obliqui
werden von lo gebildet.
vozi vb. fahren trans. : vozimdu^ serb.
voziti. Man erwartet etwa vozm mn.
vrjdma subst. Zeit, Wetter, serb. vrijeme.
vrsi vb. Gretreide austreten : vrsü^ serb.
vrsiti, richtiger vrijeci, vrsem.
vünato adi. grün, blass. — Buk. vmnt.
vündji subst. Nagel, vundje Krallen. —
Buk. n?igi.
Z.
zapovedi vb. befehlen: zajyovedü er be-
fiehlt, serb. zapovjedati.
zardli adi. saftig, serb. socan, voden.
Dunkel.
zdrja subst. Wolle. — Griecli. dzar
Haar, Faser, dzarjalo behaart, ungi-. dzär.
zarda, bohm. dzar Haar.
zdrak subst. Weinlese. — Vgl- etwa
drak Traube.
zgrada subst. Gebäude, Zaun, serb.
zgrada.
zgrni vb. zusammenscharren : zgrnü ei-
scharrt zusammen, serb. sgrnutl.
zid vb. mauern: zidol er mauert, serb.
.zidati.
ziddri subst. Maurer, serb. zidar.
zido subst. Mauer, serb. zid.
zlo adj. böse: zlo gldsurja, serb. zli glasovi.
zor subst. Gewalt.
ziobiimi subst. Brustleibchen, serb. zubun.
zuim subst. Suppe.
zurdle adv. sehr.
zurdlo adi. stark, hart ; subst. Held.
zvoni vb. läuten : zvon'd es läutet, serb.
zvoniti.
ianji vb. ernten : zanjü er erntet ; la-
njüa er wird ernten, serb. 2eti, zanjem.
Numeralia cardinalia.
jek. dui. trin. star. pandj. sou. eftä. ohto. injii. des. desujek. de§uduj usw. bis. tranda.
starvardes. pandjvardes. sovardes. eftavärdes. ohtovardes. injavdrdes. jeksel. niilja.
Numeralia ordinalia.
prvo. düito. trito. starte, pänsto. softo. eftäto. injiito. desto, bisto. trando. stärvardesto.
pandjvardeäto. jekselto.
Numeralia adverbia.
jenkhar. düari. trindrom. Stardrom. pandjdrom. sovdrom. bisdrom. jekSeldrom.
Denkschriften der pliil.-hist. Cl. XXVI. Bd.
34
I'UANZ MlKLUSlCll.
2. Nach düii von Herrn ¥. Müllor gosamiiultcu Materialien.
abcin subst. Stahl : o ahcln.
ahdzin subst. Honiff
ahdzin.
ac vb. stehen, bleiben: acaii, ich bleibe;
/" acas dass du stehest.
adjes adv. heute.
agali subst, Feuergewelu- : e agali. — '
Vgl. jag-
ajde interi. auf. — Buk. liajda.
akaija: p akaija rig auf diese Seite.
— Vgl. griech. akaring.
ukana adv. jetzt.
akarink adv. hieher. — Vgl. akaija: p'
akaija rig auf diese Seite.
akava pron. dieser: sg. gen. ekaleski;
pl. ckala, kale. akalendzi, kalendz. — Vgl.
kava.
ake interi. siehe : ake man, serb. eto
mene.
akhar vb. rufen : akharau ich rufe. —
Buk. akhar.
alau subst. Wort: o aJau. — Griech. lav.
amaro, amaru pron. unser.
amhrolin subst. Birne.
amen pron. wir : acc. amen, dat. amendz.
an vb. bringen : an bringe.
and praep. in : and e piri in dem Topfe ;
and e poski in die Tasche; dzau and o der
ich gehe in das Haus ; and e lest in ihm
(in dem Topfe).
andral adv. von innen.
andre adv. darinnen.
andre subst. Ei : o andre. — Griech.
vandö.
anglal adv. praep. vorne, vor : maj d
anglal dui hrs vor zwei Jahren.
angle praep. vor: angV o cer vor das
Haus.
angrustin subst. Fingerring.
araci adv. gestern, heute Nacht, serb.
sinoc.
arakh vb. hüten : arakhau ich hüte,
serb. cuvati.
aru subst. JMelil. — Giüech. varö.
a-s vb. lachen : asal er laclit.
a-stai- vb. ergreifen : me astarau icli er-
gi'eife ; te astaras dass du ergreifest; astar impt.
asar vb. loben: asaraa ich lobe; asarel
er lobt. — Griech. asardva.
asnu vb. hören: aSunes, asunas du liörst.
— Griech. sunäva.
atoska adv. damahls. — Vgl. buk. aü'inc.
av vb. kommen, sein : praes. sg. avava,
avasa, avela. pl. avasa, avena, avena ich
werde sein usw. ; i' aves sasto dass du gesund
seiest ; me avava dikhlino ich werde gesehen
werden ; n'el d. i. n avel er wird nicht sein ;
ava komme.
nver pron. ein anderer : p' aoer than
anderswo.
avri adv. liinaus.
avrijal adv. von aussen.
azucar vb. warten : azucarel er wartet ;
azucaren ihr wartet; impt. azucar; praet.
sg. 3. ahicarda. — Bvdi. azakar.
haha subst. Grossmutter: e haha sg. acc.
hakhrano adi. Schaf — : hakhrano mas
Schaffleisch.
hakhrico subst. Lamm : u hakhrico.
bakhro subst. Schaf.
hal subst. Haar: e hal.
halikuno adi. Schwein — : o halikano
vias Schweinefleisch.
halo subst. Schwein: n halo.
haltajek subst. Sumpf. — Buk. bdlta.
halval subst. Wind.
handziv vb. sich bewegen : handzivaa,
serb. gibam se. — Buk. bandov sich beugen.
bar subst. Stein : o bar. — Griech. bar m.
bar subst. Garten. — Griech. bäri, pari f.
barikano adi. stolz.
haro adi. gross : hari briga grosser Kum-
mei-; hoch; weit: o drom dur, haro der Weg
ist weit.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi.
35
barvalo adi. reich : pl. harvale.
has vb. bellen : hasau ich belle.
hasaldi subst. Flinte , aus hasavdi, etwa
die knallende.
hasno subst. Hahn.
hesno adi. wüthend: hesno dzucel ein
wüthender Hund, serb. bijesan.
hcs vb. sitzen, sich setzen: hekiu icli
setze mioli ; tc hchis dass du sitzest.
hiandilo, serb. rodio se, er ward ge-
boren. — Griech. bidva gebären: hinsichtlich
des partic. merke man bühm. chasandlTom von
chosav husten; asandiTom von asav lachen;
prastandiTom von prastav laufen ; patandlTom
von patav glauben. Puchmayer 18. Griech.
ist bidva nur im pi-aes. und im impt. ge-
bräuchlich. Paspati 179.
Mein vb. verkaufen : bicinas du ver-
kaufst: bicin verkaufe. — Griech. bikndva.
bico subst. Peitsche, serb. bic.
bil vb. schmelzen intrans. : vosko bilal
das ^ achs schmilzt. — Griech. Stamm
bildva, woher das partic. bilmiö.
birumni subst. Biene: e birumni. —
Griech. bii.rU.
bistar vb. vergessen : bistardem ich habe
vergessen.
bogi: bofji b/ici für die Arbeit, vielleicht
bog i buKi: bog steht wohl für serb. zbog.
bokhalo^ bukkal adi. hungrig.
bori subst. Schwiegertochter.
branisar vb. vertheidigen : bronisares
du vertheidigest.
branisardov vb. sich vertheidigen: praet.
branisalje.
hriga subst. Sorge : na de ma briga
mache mir keine Sorge, serb. briga.
hrs subst. Jahr : o brs. — Griech. bers.
hröSönd subst. Regen. — Griech. brisin.
buce subst. Leber pl. : e buce, sei'b.
dzigerica. — Griech. buko Eingeweide.
buchal vb. schicken: 5?4cÄaLschicke impt.
— • Griech. bicavdva.
buci subst. Geschäft, Arbeit. — Griech.
bi(,ti, putz, bukf.
bulo adi. breit. — Griech. bugl/i.
bus subst. Spiess : e bus. — Griech. hisL
buth adi. viel: ß bfttlie jjkiraimastar von
vielem Gehen. — Griecli. bnt.
buzni subst. Ziege.
buznjako adi. Ziegen — : bvznjako ma^
Ziegenfleiscli, serb. jaretina.
buznu subst. Ziegenbock : o buznu.
cnkno adi. klein: cnkni f. — Griech. tiknö.
cr,pelji subst. Schuhe, serb. cipele.
czra adv. ein wenig. — Buk. ctra, csrä.
' caco adi. walu*: naj htt nijek caco ^ un-
genau : keiner hat reclit.
ca7ig subst. Knie : pl. canga. — Griech.
cang Bein.
car subst. Gi'as: e car.
casu subst. Augenblick: jVÄ: caau, serb. cas.
caur subst. Knabe, Kind : e caur dilc-
die Kinder sind unverständig.
ce pron. was für ein : ce fal san manios?
was für ein Mensch bist du?
cei subst. Mädchen: e catliar avel rtim-
nji aus dem Mädchen wird ein Weib.
cel vb. tanzen : celel er tanzt ; na gajci
cel tanze nicht so viel. — Griech. keldva
spielen. Vgl. serb. igrati.
cen subst. Ohrgehänge. — Griecli. t-em.
cer subst. Haus : o cer. — Griech. ker
usw. Vgl. clter.
cer vb. machen : ceraii pherja ich scherze;
cerel er macht; cereZ buci er arbeitet; praet.
cerdas. — Griech. ko.rdva.
cerajin subst. die Sterne als nom. : e cera-
jin. — Griech. cerchdn.
chaorn subst. Knabe: e choore(s) sg. acc.
den Knaben.
eher subst. Haus: o eher. — Griecli.
ker usw. Vgl. cer.
clion subst. Mond. Vgl. con.
cJior subst. Bart : e chor. — Griech. dzor.
36
Fkanz Miklosicii.
churl subst. Messer: e clmri.
cib subst. Zunge, Sprache : e cib.
cid vb. sammeln: ute cldau ich sammle;
llie cidel bnth zor damit er viel Kraft sammle.
— Ungr. kedav, russ. te zakades Böht-
lingk 262.
cija subst. Schlüssel : e cija.
r/n vb. kaufen: chidem ich habe ge-
kauft. — (J riech, kinäva.
ein- vb. schneiden, hacken: cinaii, ich
schneide; te cinas dass du schneidest; cinel
er schneidet. — Griech. cindva.
cino s. hicinu.
ciral subst. Käse : o ciral. — Griech.
keräl.
cirav vb. kochen trans.: ciravel er ko,cht.
— Kumun. kirjaää, kirav.
cirikli. subst. Vogel : e phak e cirikljac
der Flügel des Vogels.
clru pron. dein. — Griech. tinru.
citisar vb. lesen: citisarau ich lese, serb.
citati.
CO pron. dein : ce sastimaski in deiner
Gesundheit. Vgl. clru.
cokan subst. Hammer, serb. ceki(:. —
Griech. cokänos.
con subst. Mond : o con. Vgl. cho7i.
cor vb. giessen : cor pai telat, serb. po-
liti, eig. giesse AVasser hinab. — Griech.
cordva.
cor vb. stehlen : te coras dass du stehlest.
cucar vb. leeren : cucaras, serb. isprazniti.
— Griech. cioco.
cit.ci subst. weibliche Brust.
cnd vb. werfen: cudau ich werfe; te
cudas dass du werfest. — Griech. cülava
ziehen, ungr. cidela er wird werfen.
cumid vb. küssen : nie cumidau, cumido
ich küsse. — Griech. cumidava.
cundru vb. kneipen : praet. cundrudas,
serb. stipati. — Buk. curund mit dem Schna-
bel hacken.
curi subst. Messer: rn.e daii, curjat^ ich
steche; te das curi dass du abstechest.
da vb, geben: ^/e/ er gibt; Je, dey'gib;
praet. sg. diem^ dian, dias und dia. Redens-
arten: me dau canga ich knie; dav jag ich
zünde an ; vie dau curjas ich steche ; nie dau,
ma roviaja wohl : ich schwöre ; das svatu
wir reden, serb. divanimo.
dah subst. Schlag. — Böhm. dab. Vgl.
griech. tap in tdpdava.
dad subst. Vater: sg. acc. e dades; sg.
instr. e dadea mit dem Vater.
dale coni. ob : muiho mandz, dale si lache
gajda sage mir, ob es so recht ist, serb. dali.
dand subst. Zahn.
dar vb. fürchten : daran ich fürchte.
dei subst. Mutter: sg. acc. e tZa; ce dadi
deiner Mutter.
del subst. Gott: u del; sg. instr. devlea.
detharia adv. morgen. — Griech. ta-
chiära, tachära.
devleski adv. vergeblich, serb. zalud.
Dunkel.
diklt, vb. sehen: praes. sg. dikhau. dices
und dikhas. dicel:, pl. dikhas.i dicen^ dichun :
diese Foi-m ist mir dunkel ; impt. dik ; praet.
dikhlem\ praet. pass. seinas dikldino, senas
dikhlino usw. .
dil adi. imverständig : dile pl. — Griech.
denilö, dinilo, dilinö.
divljo subst. Unverstand. Vgl. dil.
dobisar vb. erhalten, bekommen: dobi-
sardem ich habe bekommen, serb. dobiti.
dosim adv. ausser: 7ii cu cumidau nijecha,
dosim tut ne Ijubim nikoju do tebe , ich
küsse keine ausser dir, serb. osim, do osim.
drakh subst. Traube.
drmosar vb. schütteln : e ssl drmosarel
das Fieber schüttelt, serb. drmati.
drom subst. Weg: o drom, serb. drum.
dudum subst. Kürbiss.
dwi num. zwei : // dul beide.
dukh vb. schmerzen: dukha(l) es schmei'zt;
dukhalm d. i. dukhal ma es schmerzt mich;
didcha in: tia dukha ma verletze mich nicht
I
Ubee die Mundarten und die Wanderungen deb Zigeuner Europa's. vi.
37
setzt ein transitives dukhav voraus. — Griecli.
dukdva.
dunio subst. Schulter: o dumo.
dumud adv. lange. Dunkel.
dur adi. weit : o drum dar, haro der
Weg ist weit.
durjov vb. sicli entfernen: durjau aus
durjovau ich entferne naicli.
duriigli subst. Fass: e durugli. — Buk.
duridi.
duvar subst. Mauer, serb. duvar.
dza, dja vb. gehen: praes. dzav, dzau.
djas, dzasa. dzal: dzala er wird gehen; te
dEas lasst uns gehen; impt. £a.
dzan vb. wissen : dzanait ich weiss ;
dzanes du weisst; dzanel er weiss.
dzelisar vb. wünschen: dzelisarau ich
wünsche, serb. zeljeti.
diene: kala dui diene ihrer zwei wohl:
diese beide. — Buk. zeni in düj-zeni beide.
dzer vb. scheinen: dlereli te ma7idze es
scheint mir. — Vgl. buk. znrisar, zäre.
dzes subst. Tag, Wetter: o dzes. —
Griech. dives.
dzilah, djilah vb. singen, spielen: dzilahau
and e hegeda ich spiele die (deutsche) Geige ;
diilabes ; djilaheli er singt. — Griech. gilid-
hava.
dzili subst. Lied. — Griech. giU.
dlin vb. zählen: dzinau ich zähle. —
Griech. gendva.
dziracin: e dziracin Abend ist eig. dzi
rat bis zum Abend.
dziv subst. Weizen: o dliv. — Griech.
giv, iv.
dzivesko adi. Weizen — : e diivesko aro
Weizenmehl.
dzov subst. Hafer: e dzov.
dzungale adv. schlecht.
dzungalipe subst. Unglück.
dzungalo adi. schlecht. — Griech. diun-
gal6, zungalo, cungalo.
dzungav vb. wachen : dSungavla er wacht.
— Griech. dzangdva.
E.
e coni. und.
eklau vb. ich steige empor, serb. popnem
se. — Griech. rdkllovava herausgehen.
ethara adv. des Morgens. — Griech.
tachidra, tachdra.
evend subst. Winter: evende im Winter.
— Griech. vent. Vgl. ivend.
F.
fal subst. Art: ce fal qualis. — Buk.
felo.
falisar vb. loben: mora te falisarau tu
ich muss dich loben, serb. hvaliti.
feder adi. besser : maj feder besser. —
Ungr., böhm. feder, russ. fedyr Böhtlingk
23, 266, span. feter.
foru subst. Markt: p' o foru auf den
Markt. — Griech. föros.
freljastr subst. Fenster: e freljastr. —
Buk. ferjdsta.
ful vb. kämmen: fidau ich kämme.
G.
gad subst. Hemd : jmrno gad ein weisses
Hemd.
gadau jji'on- dieser: gadau por diese
Feder; gadau lil dieses Buch; gadei luludzi.
pl. gadal pruvina diese Pflaumen.
gadzu subst. Mensch.
gaida, gajda adv. so.
galten subst. Gold : o galben, eig. das
gelbe.
galben adi. gelb, blond.
gandi vb. denken : gandis du denkst.
— Buk. gsnd,i.
garav vb. verbergen : garavau ich ver-
berge. — Griech. geravdva.
gau subst. Dorf.
glonco, glonc subst. Kugel: o glonco,
glonc. — ßumun. gloncu.
godi: so godi was immer, serb. sto god.
godoü pron. dieser: godoü gadhi dieser
Menscli. godnva-^ gudei f. Im Unterschiede
38
FuANZ MlKLOSICIl.
von gadau dieser möchte godau eher jener
bedeuten. Vgl. giidau.
godzaver adi. verständig. — Griech. go-
diaver.
goja subst. Wurst : e goja — Griech. g6i.
goHO subst. Sack : o gonu.
gras subst. Pferd : sg. acc. pe graste
sein Pferd.
grmada subst. Haufe: e grmada. —
Rumun. grömach.
giulau pron. dieser: sg. obl. gudole; gu-
dolater daher. Vgl. godau.
gioglo m. gugli f. adi. süss.
guru subst. Ochs.
gurumni subst. Kuh.
guruvano adi. Rind — : guruvano mas
Rindfleisch.
H.
hajde interi. liommt. Vgl. ajde.
hamurja subst. pl. Geschirr des Wagen-
pferdes : serb amovi aus haniovi.
handuk adi. tief. — Verschieden ist
deutsch handäko Graben.
haravli subst. Riemen : o haravli. —
Buk. harai'il.
hari adi. schwer , difiicilis steht für
bhari oder pluiri: cib hari lingua difficilis.
Äasa?' vb. verlieren : praet. sg. 1. hasar-
dem^ 2. hasardan. — Buk. chasar.
hastisar vb. gähnen : hastisarau icli gähne.
hegeda subst. Geige: e hegeda, serb. he-
gede, egede.
hegedaJw adi. Geigen — : o ijarko hegedako
Geigenbogen, serb. gudalo.
hicino adi. müde: trotz sem hicino ich bin
müde, richtig wohl: cino : cino müde Vail-
lant 54. 101, griech. ciniovava müde werden
neben khinö, kinö.
. holba subst. Halbe : holba mol, serb.
holba.
Ch.
cha vb. essen, beissen: chau ich esse;
te chas dass du essest; chal er beisst, isst;
chanpes sie zanken (beissen) sich; impt. c/iaiss.
chahe subst. Ess(Mi.
cliamav vb. graben : chamavel er gräbt.
Dunkel. — Vgl. griech. chandäva.
chanamik subst. Freund : sg. acc. chana-
mikas. Dunkel.
charak vb. sich hüten : charak hüte
dich. — Vgl. griech. arakdva.
charno adi. kurz. — Griech. cAarao nieder.
chaukari : na, chaukari! serb. ne moj,
brate ! Dunkel.
cliochav vb. lügen : praes. sg. chochavau,
chodtaves, chochavel. pl. chochavas, chochaven,
chochaven\ fut. sg. chochavava, chochavea, cho-
chavela. pl. chochavas , chochavena , chocha-
vena. impt. chochav] coniit. sg. chochavavas.
chochavesas, chochavelas. pl. chochavasas, cho-
chavenas, chnrhavenas. praet. sg. chochadem,
chochadan, chochadas. pl. chochadam, chocha-
den, chochada.
choli subst. Feindschaft, serb. pizma,
eig. Zorn.
choljar vb. erzürnen: na choljar vhö er-
zürne ]nich nicht.
choljardov: na choljau te mandi , serb.
nemoj se Ijutiti na me, zürne mir nicht. In
choljau ist eine starke Zusammenziehung ein-
getreten.
chorachano adi. türkisch : o chorachano
e cib die türkische Sprache, wofür man e
chorachani cib erwartet. — Griech. chorachdi.
chumer subst. Teig: o chumer. — Griech.
chomer.
chvar vb. durchlöchern : chvarda er
durchlöcherte. — Griech. chev Loch, chevia-
räva durchlöchern.
i coni. auch. — Buk. vi.
icar vb. halten : icarau ich halte. —
Buk. nnksr.
ijarko subst. Bogen : o ijarko hegedako
Geigenbogen, serb. gudalo. — Rumun. arku.
ikal vb. lierausziehen: ikal ziehe heraus.
— - Gi'iech. nikavdva faire sortir: ikal steht
für ikav.
Über die Mundaeten und die Wanderungen der Zigeuner Eueopa's. vi.
39
iklau vb. herausgehen : t' iklau dass ich
herausgelie; sg. klaic, kies, kiel; pl. klas, klen,
klen. — Griech. nikliovava. Vgl. eklau.
indzar vb. tragen : f indzaras dass du
tragest; indiarel er trägt: indzaras ami, serb.
<^-emo sc odvesti. Vgl. ica?'.
is vb. sein : praes. sg. ssm und sein,
san, si. pl. smn und sam , san und sen, si.
impf. sg. samas und semas, senas, sas. pl.
samas, senas, sas. nai non est; naisen, najsen
non estis. sg. semas dikhlino, senas dikhlino
usw. pl. samas dlkhline, senas dikhline usw.
i)ian si ich habe, eig. est mihi; tut si du
hast; les si er hat; si la galben e hal sie hat
blondes Haar, naj ma kana te acau, serb.
nejiuam kad ostati, ich habe keine Zeit zu
bleiben.
ivend subst. Winter: o ivend. — Griech.
vent. Vgl. evend.
izUci vb. heilen: rana nastik te izlicil
die ^^'^lnde kann nicht heilen, serb. izlijeciti.
J.
jag, eag subst. Feuer: o ijag.
jagali subst. Brantwein : e jagali. —
Vgl. jag.
jakh subst. Auge : jakha pl.
jek num. ein: sg. acc. jece(s) ; sg. abl.
jecestar.
jiln subst. Herz : o jilo. — Buk. jilö.
jiv subst. Schnee : o jiv. — Griech. viv.
kadali pron. kadali rumjaci dieser Frau
sg. dat.
kai adv. wo, wohin, welcher; coni.
dass, denn. Vgl. kliai.
kak subst. Ünkel : e kaces sg. acc.
kalca subst. Hosen : e kalca — Rumun.
kdhci Zu.
kalo adi. schwarz : kale pl.
kam vb. wollen: kamel er will.
kan subst. Ohr.
kana adv. wann.
kanalo subst. Schwein. Dunkel.
kand vb. gehorchen: tlte kandel dass er
gehorche. — Ungr. kanden, böhm. kandav.
kandru subst. J)oi"n : o kandrö. — Griech.
kanv('>.
kanjako adi. Hühner — : kanjako mas
Hühnerfleisch.
kanzavur aiihat. Igel: o kanzavür .J)Mnk.Q\.
kapa subst. Kotze : e kapa.
karvaci subst. Mais. Dunkel.
kas subst. Holz : e kas.
kastv.no adi. hölzern, falscli : kastruno.
kasuko adi. taub. — Griech. kasukö.
katar adv. wolier, von da; praep. von.
kate adv. hier. — Buk. kathe.
katipe subst. Gespinnst. — Buk. kat
spinnen.
kava pron. dieser: kaoa manus dieser
Mensch ; kala duj dzene njih dvojica. — Vgl.
griech. avakd.
kavadzi subst. Gewand, serb. kavad.
kazom, kazzm adv. wie viel : kazom dzes
wie viel Tage.
khai coni. weil; ersetzt das pronomen
relativuru. Vgl. kai.
kham subst. Sonne : o kham.
khandziri subst. Kirche : e kandziri.
khas subst. Heu : o khas.
khasar vb. verlieren : khasardem ich ver-
lor. — Buk. chasa7\
khos vb. abwischen, serb. izbrisati. —
Griech. kosdva.
kiml subst. Dreck: o kJnd. — Griech.
kid, kfid, fid.
kkur subst. Ferse. — Griech. khur, kur,
kfur, für.
kikavja subst. pl. Kessel. Griech. kakkavi.
kisi subst. Beutel, serb. kesa. — Griech.
kisi.
klea subst. e klea. serb. zrnje, sto zenske
na vratu nose.
kljastic subst. Zange : o kljastn. Aus dem
bulg. : serb. klijesta.
klapa svibst. Bank, serb. klupa.
ko pron. wer: sg. acc. kas; dat. kask,
kaske.
40
FuANz MncLOsirii.
kocak subst. Knopf, ,sorl). dii^-mo. Du»
Wort beruht nicht auf einer Ableituntr von
kolac, gen. koca.
hochanno adi. lügenhaft. Vgl. chocliav.
kokalü subst. Knochen: o kokalö.
koleba subst. Hütte, serb. koliba.
kolin subst. Brust.
hdo pronominaler Stamm : sg. acc. koles;
auch dat. : kolez dia dah er gab ihm einen
Schlag; sg. gen. kolesko sein eius, uni'ichtig:
eorum ; sg. abl. kolestar: kulestar jecestar
hranisalje er vertheidigte sich gegen jenen
einen. Vgl. kova.
kolomjjirja subst. pl. Kartoffeln. —
Magy. kolomper.
komholacja subst. pl. Kartoft'eln. Dunkel.
komsija subst. Bauer, eig. Naclibar : o
komHja, serb. komsija.
kopac subst. Klotz : o kopac, serb. klada.
— Rumun. kopac Baum.
kor subst. Hals: e kor.
korkor pron. selbst ipse : korkor e vo si
er ist es selbst.
koro adi. blind, serb. corav.
koroveco subst. Magenwurst venter: o
koroveco^ serb. kuljen. Dunkel.
kositar subst. Zinn, serb. kositer.
kote adv. dort. — Buk. kothe.
kotor subst. Stück: jek kotor papiri ein
Stück Papier. — Griech. kotor.
koido adi. weich. — Griech. kovlö.
kova pron. dieser: kovajek.
kovaci subst. Schniied, serb. kovac.
kovanica subst. Ambos : c kovanica, serb.
nakovanj.
krafin subst. Nagel : o krafin. — Griech.
kdrfia pl. wohl für kärfinja.
krango subst. Zweig: o krango. — Biik.
krjängt).
krevetu subst. Bett, serb. krevet.
kuc adi. theuer.
kucor subst. Topf, Ofenkachel: e kucor,
serb. loncic. — Bölim. ktici. deminutiv kucori.
kulunda subst. AVeihnachten: e kidunda.
— Bulg. koladii aus griech. if.rjXdvZai.
k/wkii subst. Sonntas".
kus vb. raufen : kiisla er rauft, serb.
cupati. — Vgl. griech. k/tsdva injurier.
L.
lace, lache adv. gut füi- laces, laches.
laco, lacho adi. gut: lace obl.; laci molf
ist der Wein gut? laci ci rjnt gute Nacht,
eig. bona tibi (tua) nox.
ladja subst. Schiff: e ladja, serb. ladja.
ladzau , ladiao subst. Scham : ladzau
mandz ich schäme mich pudor niilii (est).
— Griecli. ladi, lac.
lakato subst. e lakatoskl Schlüssel — •. —
Magy. lakat.
lav vb. nehmen, ergreifen : lel ma i
lindri es ergreift mich der Schlaf; savi ja
lesaf welche willst du nehmen? ja ist mir
dunkel.
lü subst. Buch : o lil.
lindri subst. Schlaf: i lindri. — Griech.
lindr.
livadjin subst. Wiese, serb. livada.
Ijaso subst. Flechte : e Ijaso e vordoneski,
serb. Ijesice : Ijaso ist bulg. Ursprungs.
lo piTinoininaler Stamm : sg. acc. les, le,
li ihn; dat. leske; pl. acc. len; dat. lendz.
loko adi. leicht.
lolo adi. roth.
Ion subst. Salz : o Ion.
love subst. Geld : e love.
hdudzi subst. Blume. — Griech. hdudt.
M.
macka subst. Katze: tumari e macka
eure Katze, serb. macka.
magla subst. Wolke: e magla, serb. magla.
maj adv. mehr : maj kuc theurer ; maj
feder besser ; maj d' anglal mehr vorne ;
also: hiaj dik, serb. ve6 gledaj.
mandro pron. mein. — Griech. minrö.
mandro, mandru subst. Bi'ot: o mandru:,
sar. instr. e mandrea. — Griech. manrö.
mang vb. verlangen: mandzes du ver-
langst.
f
I
f
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eukopa's. vi.
41
manits subst. Mensch : o manus; sg. acc.
niamise(s) ; pl. e manusa.
mar vb. schlag-en : mardi sie schlugen.
marime adi. fleissig : marime sem^ serb.
mariti, marljiv.
mas subst. Fleiscli : si o mas ande lest
es ist Fleisch in ihm (darinnen).
mato .adi. trunken.
me pronom. ich: sg. acc. man, ma; auch
dat.: de ma gib mir; te mandi auf mich;
riiandze^ mandzi, mandz, te mandzi\ mandar:
si tu jek plien mandar? hast du eine Schwe-
ster für mich?
mek vb. lassen: mekait ich lasse; mek
ma lasse mich ; praet. meklem.
memelji subst. Licht: e memelji.
mer vb. sterben: te meren dass sie sterben.
meripe subst. Tod : o meripe.
milai subst. Sommer : o milai diesen
Sommer. — Griech. nildi.
mismeri subst. Mittag: o mismeri.
tnisk vb. bewegen : misko ma ich be-
wege mich. — Buk. misti.
mistoru: mal m.istor?t wird durch serb.
dobar dan guten Tag übersetzt; es bedeutet:
besser.
mol subst. Wein : e mol.
mora es ist nothwendig : me mora the
phusart ich muss fragen, serb. morati.
morci subst. Haut : e morci. — Griech.
niorti.
mothav vb. sagen : mothava ich werde
sagen ; te motas erzählen wir ; impt. motho
sage. — Rumun. motao A'aillant 51.
mudar vb. tödten : mudarda er tödtete. —
'Buk. mudar.
mui subst. Mund : me thau mid ich
schreie.
viulo, umul adi. todt: umidi mnndri dei
es starb meine Mutter, serb. umrla.
musar vb. beschädigen : musarau ich
beschädige. — Buk. musar.
mustak subst. Knebelbart, serb. brk.
mzndrova.. mnndri f. pronom. mein: möndri
die meinige; obl. msndre: msndre dadesko
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd.
cer meines Vaters Haus; möudre dade; pl.
msndre dadn; mnndre dadendi; msndre daden;
msndre love mein Gold. — Griech. minrö.
N.
na adv. nicht; lat. ne, griech. \vr^\ naj
d. i. na i non est.
nadisard'ov vb. hoffen : nadisavau ich
hoffe, serb. nadam se: nadisavaii ist aus
nadisardovau zusammengezogen.
nai subst. Finger.
nais wird durch serb. da bog da über-
setzt. — Buk. nais.
najardov vb. sich baden : te naivas dass
wir uns baden, aus te najardJovas : das Pas-
sivum dient zum Ausdrucke des Reflexivs.
aak subst. Nase.
nakliav vb. passieren machen, verschlin-
gen: impt. 7iakha //, serb. dobavi ga, lasse
ihn passieren. — Griech. nakavdva.
nastik: nastik dikhau ich kann nicht
sehen ; rana nastik te izlicil die Wunde kann
nicht heilen ; o tover nastik the cinel die Axt
kann nicht hauen.
neho subst. Himmel, serb. nebo.
nejako adi. schwach, serb. nejak.
nepindzardo adi. unbekannt. Vgl. pindzar
kennen.
w^c^, nie adv. nicht.
nijek proii. keiner: nicit, cumidau nijecho
ich küsse keine.
niko pronom. jemand : sg. acc. nikas.
njamcnjka subst. die Deutsche.
0 artikel masc. ; e fem. : o kham die
Sonne ; o der das Haus ; o soro der Kopf ;
e macka die Katze.
ohlako subst. Wolke : pherdo ohlakurja
voll Wolken, serb. oblak.
okojarig adv. jenseit : okojarig o pai
jenseit des Wassers, serb. s one strane vode;
za p' okojarig, serb. idi na onu stranu.
okolo pronominaler Stamm : okolesk; pl.
nom. okola ; dat. okolendz. Vgl. okova.
42
Franz Miklosioh.
kot'6. I
vpre ]) 0 kas
ukotar lulv. von tlurt. ^ gl. Ijuk. u
okova pron. jener. Vgl. okulo.
■ opre adv. liintuif, oben
liiniuif auf den Baum.
oprostiaar vb. verzeilien: uprustisarau iclx
werde ver/eilien, serb. oprostlti.
orkar vb. ackern : urisarel er ackert,
serb. orati, urjem.
otiuisar vb. rauben : f olDilmras^ serb.
oteti, otmem,
ozenji vb. reflex. heiraten: kanaozenjijato?
wann wirst du lieiraten ? j-iclitig: oSenji(s)
ja tu.
jmi subst. Wasser: o pai. — Griecli.
pam.
ptala praep. Hinter: dzau pala o cer ich
gehe hinter das Haus; pala hsti ihm nach.
2)alc adv. dennoch.
p)andro subst. Fuss : pandre pl. — Griech.
pinrö.
jjapnn subst. Gans.
papinako adi. Gänse — : papinaku mas
Gänsefleisch.
2)apiri subst. Papier.
paramic subst. Erzählung. — Buk. ^jo-
ramici.
jjarastui subst. Freitag. — Buk. para-
stuji.
parav ,vb. spalten: pai^avas., serb. i'az-
derati. — Griech. p)aravdva, buk. pharav.
pjarno adi. weiss: drakh ^^fwW die Ti'aube
ist weiss.
2)aS subst. Hälfte: o pas u cer die Hälfte
des Hauses. — Griech. jekpas.
jjasljiv vb. liegen : pasljivau ich liege ;
pasljol er liegt ; te pasljivas dass du liegest.
— Griech. pdsliuvava.
jxitisar vb. leiden, sich quälen: patl-
sara mu devleski ich plage mich vergeblich,
serb. patiti. mu ist dunkel.
patka subst. Ente, serb. patka.
paikako adi. Enten — : patkako mas Enten-
fleisch.
patradzi subst. Ostern. — Griech. ^jö-
trangi.
jmtrin subst. Blatt : e patrm.
pavosardjov vb. sich erkälten :^auosaZ/efli
ich habe mich erkältet. — Griech. paghosa-
rava erschlossen aus paglwsdUo tar kizä-^w^z.
pe praep. auf, \n:peles aufihn;p' u khavt
in der Sonne; ^j' u vordun auf dem Wagen;
2) 0 foru auf dem Markt. — Buk. pe.
pliah vb. brennen intrans. : pjlMhol es
brennt. — Buk. pjhahvv.
pliahai subst. Apfel.
2)hahaUn subst. Apfelbaum.
2)hag vb. zerbrechen : phadzel er zer-
bricht; 2^hagla pm er zerbrach den Topf.
— Griech. pangdva.
phak subst. Flügel: ep)hak. — Griech.paA;.
2ihal subst. Brett : e pihal. — Pol. pchal
Nai'butt 154, russ. 2)c^i'^'-l Böhtlingk 22.
phaljov vb. verbrennen neutr. : phalilo
pai'tic.
phandado partic. eingesperrt. — Buk.
2jhandav.
2)handl2ye subst. Arrest.
pjhdro adi. schwer.
pjlien subst. Schwester.
pherdo adv. voll : ^9Äe?-(iü slovurja voll
Buchstaben.
2)herja subst. Scherz : cerau pherja ich
scherze. — Deutsch 23ß'>jas.
2)hir vb. gehen : te phires dass du gehest.
— Buk. ^jAer.
pjhiraim- subst. das Gehen: plnraiiaastar
vom Gehen; Besuch: ce phireimaski über
deinen Besuch.
pJiral subst. Bruder : sg. acc. e jj/H'a7es ;
voc. plirala.
2)hu subst. Erde : e ^jA?i.
p)hurd vb. athmen, wehen: 2^hurdes du
athmest; phurdel es welit. — Bidc. ^/hwy/.
pjhuru adi. alt: e JJA^(?'^■ die Alte.
phus vb. fragen: phusau ich frage;
2:)]mses du fragst. — Buk. p?/.s, griech. px-
cdva.
2)1 vb. trinken: tlic pel damit er trinke.
Über die Mundartkn und die Wanderungen der Zigedneu Euuopa's. vi.
43
phidSa?^ \'b. kennen: 2}indzari(s) du kennst.
— Griech. pincUardva.
pindzardo adi. bekannt, partic.
piperi subst. Pfeffer. — Buk. kiper.
pwi subst, Topf.
pisom subst. Floh. — Griech. pvsAm.
pisot subst. Blasebalg: o pisof.
po pronominaler Stamm, reflexiv, daher
nur in den casus obliqni vorkommend : clial
pes wird gegessen, serb. se jede; chan pes
sie zanken sich ; vazda pe(s) er erhob sich.
po pronom, sein suus : the vazdel po tele
ut reficiat suum corpus.
pocin vb. zahlen. — Buk. iwtin.
pocmisar vb. anfangen : pocmisardan du
hast angefangen, serb. poßeti, pocmem.
podkova subst. Hufeisen, serb. potkova.
pochtan subst. Leinwand: o pochtan.
pondro subst. Fuss : o pond,ro. — Griech.
pinro. Vgl. pandro.
por subst. Feder: cjadau por diese Feder.
— Buk. pori.
por subst. Magen : e pora. — Griech.
por, pol, bor, per.
poski subst. Tasche: e poski. — Ungr.
jjosifi, potisi.
posöm subst. Wolle. — Griech. posöm.
prasta vb. laufen: prastae sie liefen
wohl für prasfaTe. — Böhm, prastav, pi'aet.
prastandiTom ; buk. prasta., praet. prastajöm
aus prastaForn.
pravaripe subst. Nahrung : o pravaripe.
— Griech. parvardva nähren.
pravo subst. Recht : kai si tu pravo dass
du recht hast quod tibi est rectum, serb.
pravo.
preja adv. sehr : preja, trusalo selir dui'-
stig; preja si tatipe es ist eine schreckliche
Hitze. — Buk. pre.
prohojcu subst. Durchschlageisen, sei'b.
probojac.
pruna subst. Pflaume. — liumun. prunt.
pi'uvina subst. pl. Pflaumen. Vgl. pruna.
pui subst. das Junge, serb. pile. —
Buk. puj.
purano adi. alt: pl. purane: purana
pindzarde alte Bekannte •, purano chanamik
ein alter Freund •, pitrane love ; purani e mal.
pur^vni. subst. Lauch.
pusav vb. stechen : mepusavau ich steche.
— Griech. prtsavdvn.
putr vb. öffnen : putrau ich öffne. —
Griech. putrdva.
puzunjari subst. Tasche. — Rumun. pozi-
narjü.
R.
radrcji vb. reflex. sich freuen: raduj riia
ich freue mich, serb. radovati se, radu-
jem se.
rafo subst. Wandleiste: o rafo., serb. raf.
raj subst. Herr : sg. voc. raja.
ram vb. schreiben: sa ramol pef wie
wird geschrieben d. i. sar ramol jk?
Vgl. ramosar. — Vgl. buk. kraut. : von dine
kram sie schrieben auf, griech. Ypd[j,jj,a.
ramosar vb. schreiben: ramosaran ich
werde schreiben ; ramosaras. Vgl. rnm,.
ran adv. früh, serb. rano.
rana subst. Wunde, serb. rana.
rand vb. rasieren : randel er rasiert sich
für randel pe. — Rumun. randao rasieren,
unarr. randel kratzen, skand. randra schi'ei-
ben, span. randar schreiben.
ranime adi. verwundet.
rat subst. Blut : o rat.
razumisar vb. verstehen : razurnüarau
tuce, ich verstehe dich, serb. razumjeti.
rin subst. Holzfeile: o rln. — Griech.
rin ptv/j.
rjat subst. Nacht: e rjat des Nachts;
laci ci rjat gute Nacht.
ivxl vb. suchen: rodau ich suche; te
rodas dass du suchest.
roji subst. Löffel : e roji.
rom subst. Zigeuner.
romaja subst. nie da ma romnja., sei'b.
zaklinjem beschwöre, eig. schwöre. — Griech.
armdn., armanjd Fluch.
romani adv. zigeunerisch, für roman^s.
44
FüANZ MlKI,(iSU-|l
romnjij rumnji subst. Weib, Zigomierinn:
sg. abl. rumnjathar: e rumnjatlia(r) (avel) e
phuri aus dem Weibe wird das alte Weib;
dat. rumjaci-^ pl. e romnja.
rata subst. Ead : e rota vordoneski
Wagenrad.
rov vb. weinen : rovau ich weine.
rovlji subst. »Stab: e rovli. — Griech.
ruvU.
ru subst. Wolf: u ru. — Griech. ruv.
rup subst. Silber: e rupestar : o galben
maj kuc e rupestar Gold (das Gold) ist theurer
als Silber (das Silber).
rupuno adi. silbern : riipimi.
7'snza subst. Magen. — ßumun. rabnzü.
S.
alles : sa si aniaru alles ist
sinija, sinji subst. Tisch : e shiija, e sinji
sa prun
unser.
sadisar vb. pflanzen : sadisarda er
gepflanzt, serb. saditi.
salivarja subst. pl. Zaum. — Griech.
sulivdri.
sano adi. dünn.
sap subst. Schlange : o sap.
sar^ sarkai adv. wie.
sara adv. ein wenig : sara p)ai. —
Vgl. cöra.
sastim- subst. Gesundheit: ce sastimaski
in deiner Gesundheit.
sastipe subst. Gesundheit: o sastipe.
sasto m. sasti f. adi. gesund: t' aves sasto
dass du gesund seiest.
sastri subst. Eisen: o sastri; pl. Fesseln:
e cija e sastrendz der Schlüssel zu den Fesseln.
sastruno adi. eisern.
savato subst. Samstag. — Buk. sävato.
savo^ sau pronom. was für ein : savi ja
lesaf welche wirst du (zum Weibe) nehmen?
sicija subst. Lehre. — Vgl. griech. 67-
kdva zeigen, lehren.
sign adv. schnell, bald.
m vb. säen
sijati.
serb. sinija.
sjai vb. sclieinon : sjail es scheint, serb.
sjati.
skrba subst. das Ekelhafte, serb. gadno.
— Vgl. etwa serb. skrb Kuniinci'.
slovu subst. Buchstabe: slovurja pl.,
serb. slovo.
so pron. was : sostar warum.
sosten subst. Unterziehhose. — Griech.
sosten.
sov vb. schlafen: sovau, sovo ich schlafe;
Sovel er schläft; sovavas ich möchte schlafen.
srem subst. Sirmien : o Srerii^ serb.
Srijem.
stöiig adi. link: o fitoiig pöudro Her \in\.e
Fuss. — Buk. stßngo.
suv subst. Nadel : e suv.
svako pronom. jeder: svako rem jeder
. , : Zigeuner ; vacares dhmgale svakoneske du
sprichst von Jedermann schlecht, serb. svaki.
svasto pronom. allerhand : svastonestar :
das svatu svastonestar wir spreclien von allei*-
hand, serb. svasto.
svatu subst. Gespräch : das svatu wii-
sprechen, serb. divanimo se, asl. s'Bvet'B Ratli.
svrssar vb. vollenden : the svrssares du
musst vollenden, serb. svrsiti: hessev svrsisar.
te siil dass er säe, serb.
S.
sai adv. te sai wenn du kannst.
serand subst. Kissen : o serand.
simijako subst. Maus. — Vgl. griech
misdkos.
skodisar vb. schaden : skodisarela es wird
schaden, serb. skoditi.
solo subst. Strick : o solo. — Griech. sel6.
soro subst. Kopf: o soro. — Grieclj. serö.
sosoi subst. Hase : o sosui.
sucar vb. trocknen: sucarau ich trockne;
sucaras.
sudro adi. kalt: sudri balval ein kalter
Wind. — Griech. sudro, sudru. sldrö, sitrö.
sukar adi. adv. schön, rein.
suko adi. trocken.
ÜßEii DIE Mundarten und die Wandekungen der Zigeunku Europa-s. vi.
45
ssl subst. Kälte, Fieber: e sül; c bare
sdlestar von grosser Kälte. — Griech. süa
Kälte.
T.
ta conj. und, serb. pa.
tachtai subst. Becher : o tachtai.
tai coni. und.
tar adv. dzav tar. — Buk. tar.
tasav vb. erdrosseln : tasavau ich er-
drossele. — Griech. tasäva.
tatipe subst. Wärme: milai avela tatipe
der Sommer wird warm werden, richtig:
im Sommer wird es warm werden.
tativ vb. sich wärmen : te tativau dass
ich mich wärme. — Griech. tätiuvava Pa-
spati 10(J.
tato adi. warm.
tatradj subst. Mittwoch. — ßum. tetrddi.
te coni. und; dass, wenn: darau^ te usw.;
praep. te mandze; an te mandzi gib mir.
tel praep. unter: tel e sinija unter dem
Tische.
telat adv. cor pal telat etwa : giesse
Wasser hinunter.
tele subst. Kalb : o tele, serb. telac.
telecak adi. nieder. Vgl. tel.
temnica subst. Kerker, aus dem bulg.,
serb. tamnica.
ternu adi. jung.
thai coni. und.
than subst. Ort : p aver than anderswo ;
aruV 0 lacho than. — Griech. tan.
thau vb. me tliau mui ich schreie. Dunkel.
thavdi subst. Brantwein: e thavdl. —
Griech. tavdö von taväva sieden, kochen.
the coni. damit : trubul the tliovel man
muss legen; o manus cerel buci, the zaslvzil
der Mensch arbeitet, damit er verdiene.
theara adv. morgen. — Griech. tachiära,
tachdra.
them subst. Volk, Leute, serb. svijet.
— Griech, tem.
thov vb. legen: thovel: trubul the thovel
jag^ serb. treba loziti vatru, man muss Feuer
anmachen; impt. thov, tho ; praet. thodas.
thud subst. Milch : o thud. — Griech. tut.
thulo adi. fett, dick. — Griech. tulo.
thuvali subst. Pfeife. — Griech. tuv
Tabak.
tijari subst. Teller : o tijari, serb. tanjir.
tomna subst. Herbst: e tomna. — ßumun.
toamns.
tover subst. Axt : o tover.
trad vb. jagen: tradau ich jage; trades
du jagst; praet. tradan. — Griech. trddava.
tricbul vb. es ist nothwendig, serb. treba.
— Buk. trebu.
truja(l) praep. um, herum : truja.(l) leste
oko njega. — Ungr. trujal, deutsch trujall,
trujuni: vgl. pol. trnhit Narbutt 160.
trusalo adi. durstig.
tzi pronom. du: sg. acc. tut, tu; dat. tuce
dir ; ttite bei dir.
ttimaro pronom. euer : tumari emacka eure
Katze, wohl : die Katze ist euer.
turnen pronom. ihr: dat. tiomendz.
tunjariku adi, dunkel. — Buk. tuneriko.
tup adi, stumpf, serb, tup,
U.
udzUo adi. schuldig: kazüin sem udzüe
tuce? wie viel bin ich dir schuldig? —
Böhm, uzlö, skand. usla.
umal subst. Feld : e umal. — Buk. mal.
umblado adi. hangend, partic. — Griech,
iimblavdo.
umblav vb, hängen : umhla ma hänge
mich, — Griech. umblaväva.
ungurica subst. Ungerinn.
usthi vb. aufstehen : usthes du stehst
auf. — Griech. ustidva, buk. tcsti.
utorku subst. Dienstag, serb. utorak,
sonst triti, kedo.
uzinisar vb. mittagmahlen : me uzinisaraio
ich werde mittagmahlen, serb. uzinati.
V.
vacar vb. sprechen, plappern : vacarau
ich spreche ; vacares du sprichst ; vacar sprich,
— Griech. vrakeräva.
46
FbANZ MlKLOSlCIl.
vas subst. ILinil: o vas.
zadovoljno adi. /ulVuvlon
sevi).
zado-
vazcl vb, erheben, stärken: vazdan ich i voljan.
erhebe; the vozdel po felo damit er seinen ' zaloga subst. ein wenig: zalo[/a svatu
Körper kräftige da okrijepi ; vazda pe er i ein wenig Gespräch, serb. zalogaj Bissen,
erhob sicli. — Buk. vazd^ griech. Idzdava.
vi coni. auch : a v o pai aber auch das
Wasser, serb. a i voda. — Buk. vi.
vo pronom. er : pl. von.
vordon subst. Wao-en : e rofa vurdoneski
Wagenrad.
vosko subst. Wachs, serb. vosak.
vos subst. Wald, Berg : o vos.
vidio subst. Sperber: o vulio, serb. ko-
bac. Dunkel.
vunat adi. blau. — Buk. vinötu..
vimdic subst. Angel, serb. udica, asl.
adica, rumun. luidicB.
vundza subst. Nagel : e vundza. —
Buk. nngi.
Ungr. zalog wenig, zalogeder weniger und
sogar zalijie Wenigkeit.
zaslidi vb. verdienen : zasluzil er ver-
dient, serb. zasluziti. Vgl. zasluzisar.
zasluzisar vb. verdienen : zasluziaardem-
ich habe verdient. Vgl. zasluzi.
zehn adi. grün. — Buk. zelino.
zraku subst. Luft. Vgl. nsl. zrak Luft,
dagegen serb. zrak Sonnenstrahl.
zuvii subst. Suppe: e zumi.
ztiralo adi. stark; hart: vom Bette.
Z.
Uvisar vb. geniessen : turnen zivisaren
ihr geniesset, serb. zivjeti leben.
zucel suh&i. Hund : o zucel. — Grriech. cukü.
Sdla subst. Wurzel : e zsUa. Dunkel.
srma subst. Spulwurm: e arma. — Rumvm.
rtniTi Regenwurm.
zahavi vb. unterhalten: zahavil ma er
unterhält mich, serb. zabaviti.
Numeralia eardinalia:
jek. dni. trin. Mar. pandL sov. efta. ochto. inja. des. desujek. desiidibji. bis. tranda
starvardes. pandzvardes. sovardes. eftavardes. ochtovardes. injavardes. jek sei. dui sela.
III.
Vocabularien der Mundart der Zigeuner in Serbien.
1. Nach den von Herrn St. Novakovic gesammelten Materialien.
TSTach den Bcobaclitmigen des Herrn Novakovic sind 3 und e Nasale; allein die Versehnielzung: von a und e mit n ist nicht so
vollständig, dass sich beide Laute nicht unterscheiden Hessen: in pa6 ist die Verschmelzung vollkommener als in ivld, dessen-
ungeachtet wäre die Schreibung ivend der Aussprache minder adaequat. Auslautendes w stellt einen Laut dar, der wie das eng-
lische 10 zwischen u und v liegt, c und dj lauten wie im serbischen, doch mit einer Annäherung an k und g: wo sich dj dem g
fühlbar nähert,
merklicher Hinneigung
hat die accentuirte Silbe so bezeichnet, dass dabei auch die Quantität der Silbe ersichtlich gemacht wird; es ergibt sich daraus,
dass die serbischen Zigeunci-, vielleiclit auch andere, viele kurze Silben ganz kurz sprechen, daher dikhav, di6S», dsams usw-
Ich liabe für diessmal nur die betonte Silbe bezeichnet, ohne auf die Quantität Rücksicht zu nehmen.
I zwiscnen n una v iiegi. c unu a,j ihulcu wie im »ciuib^ik n, i*i....i. ^.i.. v,.w^-. ^- ^ — - - ^
lähert, steht g. Neben dem deutschen ch besteht kh, d. i. aspirirtes k. -b ist der unbestimmte Vocal; o ist derselbe Laut mit
ler Hinneio-nng zu o. i. ist ein unvollkommenes i. dz nähert sich manchmal den d/, ohne dieses zu erreichen. Herr Novakovic
A.
abjdw subst. Hochzeit. — Griech. bidv.
adjivisstno adi. heutig. — Griech. av-
dives heute , und davon * avdivesutnö wie
anglalutno der vordere von ariglal; ratfutnö,
arattutnö nächtlich von ratti usw. Vgl. Ab-
handlung II, S. 2L
aUv subst. Name: sav si Usko aUvf
welches ist sein Name? — Griech. lav.
amdro pronom. imser.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eoropa's. vi.
47
ame pronom. wir. — Griech. amen.
angdr subst. Kohle.
ängl'mo adi. erster, eig. vorderer. ■ —
Griech. anglunö, anglalimö, anglalutnö.
apcin subst. Stahl.
arcici subst. Zinn. — Griech. arcici
arMci^ ar^tici.
av vb. kommen : mer viljsm wir sind
gekommen : mer aus men, amen.
avghi subst. Honig.
avri adv. draussen.
B.
bakri subst. Schaf.
bakril subst, Lamm.
hal subst. Haar.
bar subst. Stein.
bäro adi. gross, hoch : bdro plai ein
hoher Berg.
harvalo adi. reich.
basalcl vb. ermusiciert: richtiger 6aia-
vel. — Griech. basavdva faire erier, faire
jouer (richtig wohl jouer) sur des Instru-
ments de nuisique Paspati 165.
birövli subst. Biene. — Griech. burU.
hukosko adi. Buchen — : biikusko kas
Buchenholz.
hüku subst. Buche, serb. bukva.
bttci subst. Arbeit: cera ft^^ci ich arbeite,
eig. ich verrichte, thue eine Arbeit : kac
pre buci, serb. vi cete raditi, ihr werdet
arbeiten, ist mir dunkel. — Griech. huti.
buzni subst. Ziege.
buznö subst. Ziegenbock; cshio buzno
Böcklein.
ceram subst. Stern. — Griech. cerchdn.
crcl vb. ziehen : crdäv drum sich auf den
Weg begeben, serb. po6i na put. — Buk.
csrd: hinsichtlich der Bedeutung vgl. bulg.
tribgM. und deutsch ziehen,
cshnö adi. klein. — Griech. tiknö.
C.
cdma subst. Wange. — Griech. cam.
caur'ö subst. Kind : canr^ bar Bursche,
cej subst. Zigeunermädchen,
cero subst. Zerreiche, serb. cer.
clb subst. Zunge.
cikdt subst. Stirn.
ein vb. schneiden : cindv ich schneide.
con subst. Monat, Mond : hi (für .n) col
(für con) avri es ist Mondschein, eig. der
Mond ist heraus.
cor subst. Bart. — Griech. dzör.
coro adi. arm.
D.
dand subst. Zahn.
del, 0 del subst. Gott.
detdril adv. morgen. — Vgl. griech.
tachidra^ tachdra.
devlesko adi. göttlich.
devojka subst. serbisches Mädchen.
dikh vb. sehen: dikhdv ich sehe; dices
du siehst ; diklem ich sah ; diklem simo ich
träumte, wörtlich: ich sah einen Traum, ein
Traumgesicht.
dil6 adi. thöricht. — Griech. denilö.
djives: gives subst. Tag. — Griech.] dives.
drak subst. Traube.
drom, drtim subst. Weg, serb. drum.
dia vb. gehen: dzav ich gehe; diavd
ich werde gelien ; gelem, djelem ich ging : jelem
drom ich reisete.
dza7i vb. wissen: dzand ich weiss; dianes
du weisst; dianglem,, djamlem ich wusste. —
Griech. dzandva, partic. dzanlo.
dzuli subst. Weib. — Griech. dziivel.
F. ■
fön, foru subst. Stadt. — (jriech. föros.
G.
gaiü subst. iJorf.
gelem s. dza.
(jilab vb. singen : gilabsdem ich habe ge-
sungen. — Griech. gilidbava, partic. gilidbilo.
48
Franz MiKLOsinr.
gimija subst. Schiff, serb. (IJciuIja.
godjaver adi. verständig.
^oc?yY subst. Verstand. — Gri'iech. gocH, goti.
grad subst. Festung, serb. grad.
gras subst. Pferd.
grdsni subst. Stute.
guriimi subst. Kuh.
guriiv subst. Oclis.
Ch.
chasti vb. gähnen: chastiv ich gähne;
soshe (so'ske, vgl. Paspati 74) chastiz? serb.
§to ste zevali? elg. warum gähnst du?
indjer vb. tragen : indjerdv ich. trage.
— Buk. önkü)-.
is vb. sein : praes. me se. tu sä. vov si,
hi; ame ssm. turne ssm. von si. impf. sema.
sdns und sdna. sas ; sdm5. sena. sena.
ived^ ivend subst. Winter.
ivedesko adi. AVinter — : ivedesko con
Wintermonat.
J.
jag subst. Feuer.
jakd subst. pl. Augen.
jelem s. dza.
K.
kaj adv. wo.
kojni subst. Henne.
kam subst. Sonne.
kan subst. Ohren.
kandjfri subst. Kirche.
kas subst. Heu.
kas subst. Baum.
kastüno adi. hölzern.
kat vb. spinnen : kdtav ich spinne.
kharkumd subst. Kupfer. — Griech. chär-
ko'ma batterie de cuisine, griech. ydXxfojxa,
•/'j.rjf.in]i.rj_ Kupfer.
kir6 prononi. dein. — Griech. tinrö.
kisäj subst. Sand. — Rumun. kisdj, bessar.
ttsaj. Vgl. griech. pisdva male.
kocfje subst. Bferdewagen, serb. kocije.
koj subst. Unsclilitt. — Rumun. koj Fett
Vaillant 113.
kojdci adi. Unschlitt — .
krdngo subst. Zweig. — Buk. krjdngü.
kuv vb. flechten : kuvdv ich flechte.
kskdvi subst. Kessel. — • Griech. kakkdvi.
kakkavi.
L.
Iac6r adi. gut.
— Griech. nildi.
Pol. vudiva Nar-
le-^ko sein eins : lesko aUv sein Name :
Stamm lo.
Hl subst. Buch, Papier, Schrift.
M.
manus subst. Mensch.
me pron. ich.
memeli subst. Kei-ze.
mile subst. Sommer
mal subst. Wein.
moKv subst. Blei. -
butt 160, skand. mollavis Zinn.
mom subst. Wachs.
momeski adi. Wachs — : momeski memeli.
mui subst. Mund.
mibrö pronom. mein: murö manus. —
Griech. minrö.
N.
naj subst. Finger.
nak subst. Nase.
O.
oblako subst, Wolke, serb. oblak.
ognjistö subst. Feueidierd, serb. ognjiste.
om subst. Widder, serb. ovan. Sonst
unbekannt.
ördomo subst. Ocbsenwagen. — Griech.
vordön.
P.
pabor vb. brennen urere: pabordv ich
brenne : man erwartet pabarav. — Buk.
phabar.
paj subst. Wasser. — Griech. pani.
pälco subst. Daumen, serb. palac.
parö adi. schwer.
pärh subst. Geldstück, serb. para.
I
Über die Mundarten und die Wandehungen deu Zigeuner Eueopa's. vi.
49
pato subst. Kleid, serb. lialjlna. — Vgl.
rumun. jiatu Bett.
putrin subst. Blatt. — Griech. patr,
patri, patrin.
piptii subst. Gans. — Griech. papfn.
pirostfje subst. Dreifuss, bulg. pirostija.
pldi subst. Berg. — Buk. plaj.
plägo subst. Pflug, serb. plug.
2Jor subst. Feder. — Böhm, por, russ.
por Böhtlingk 22.
pogar'hcat subst. Abend. — Vgl. griech.
etwa pasS, pasäl bei und ratt^ serb. rjath.
potökhd subst. Bach, serb. potok.
p66in subst. Bezahlung. — Buk.poifmvb.
pf-ta subst. Pfad. — Vgl. serb. prtina
Schneebahn.
puj subst. das junge Huhn, das Junge,
serb. pile. — Buk. pjuj.
imranö adi. alt.
2mv subst. Erde.
p)üva subst. pl. Brauen.
psmö subst. Fuss. — Griech. pinru.
R.
rdca subst. Ente, serb. raca.
rakl'i subst. serbisches Mädchen.
rasai subst. Geistlicher.
racdkd adi. nächtlich.
radija subst. Brantwein, serb. rakija.
7'jatr, subst. Nacht.
roj subst. Lötfel.
romane adi. zigeunerisch : rumane (wohl
für romanes) vacer zigeunerische Sprache,
eig. , sprich zigeunerisch'.
rv2:)u subst. Silber.
S.
sa adi. aller: 5a-/-e roy« alle die Löffel.
sdstri subst. Eisen.
sastrdno adi. eisern.
sav pronom. welcher.
soha subst. Stube, serb. soba.
somnakdj subst. Gold.
somnakmitt adi. golden.
stadji subst. Mütze. — Buk. stadi.
stolica subst. Stuhl, serb. stolica.
SU vb. nähen : siidv ich nähe. — Griech.
sivdva.
sitno subst. Traum : d/klem snno ich habe
geträumt.
S.
snj adv. dient zur Umschreibung von
können.
sukdr adi. schön.
telc5 subst. Kalb, serb. telac.
temö adi. jung.
hl pronom. du : sd-j-e tu ihr, eig. omnes
tu, griech. turnen.
tumdro pronom. euer und fälschlich ,ihr
eorum'.
C.
car subst. Gras. • — Griech. car.
cer vb. machen, thun: ccra ich thue ;
cerdem ich that. — Griech. kcrdva.
cer subst. Haus : cere zu Hause. —
Griech. ker, kher usw.
curi subst. Messer. — Griech. corU
V.
vas subst. Hand.
vatrdlji subst. Feuerschaufel, serb. va-
tralj.
vacer subst. Sprache, wohl vb. etwa
sprich.
veridzi subst. pl. Ketten, serb. verige.
vo pronom. er. von sie.
vos subst. Wald. — Buk. vos, vös.
vimdjija subst. Nagel. — Buk. ungi.
Numeralia cardinalia.
jek. diil. trin. star. pac, padj. sov. eftä. ocht(3. Injä. des. de.suj^k. desudüi. desutiin.
desustär. desupäc, desusöv. de.sefta. desochtö. desunjä. bis. trända. serända. penjda. sovades.
eftavärdes. ochtovardes. injavärdes. gel. milja. deS milja.
Denkschriften der pliil.-liift. Cl. .XXVI. Bd. 7
50
FitANZ MlKLOSICU.
Numeralia ordinalia.
ano-lin6. düito. trito. st:ir(o. paSto. 56vto. cMto. oclitüto. hijato. desto, desueto. desvi-
düito. deSutn'ti». desustärto. desupaSto. desusövto. deSeftdto. deSoL-htötü. de.sudinjdto. bisto.
Numeralia adverbia.
jevkärt, jivkarT. einmal. dii;ir. trivär. Star vär. p;u' var usw.
2. Nach den am Timok gesammelten Materialien.
ac vlb. bleiben: ac devieja adieu, serb.
z bogom, eig. bleibe mit Gott.
akavä pronom. dieser. — Vgl. griech.
avakd.
alavre adv. übermorgen. In avre steckt
das pronom. aver: der erste Theil ist mir
dunkel.
aniaro pronom. unser.
amen pronom. wir: dat. amendje.
and praep. in, auf: and o p?t/ auf
Erden. Bei Verben, die ein Heraustreten
bezeichnen, nimmt die praep. and die Be-
deutung ,aus' an : me injom and o Srbija ich
bin aus Serbien.
andle adv. vor. — Griech. angle.
asanjom, serb. kasalj, ist eig. das praet.
von chasdva dessen partic. chasano lautet;
' asäva^i partic. asano^ ist lachen.
astagi subst. Mütze, Hut. — Griech.
stadik, sadik.
av vb. kommen, werden, sein: nck avel
er komme, serb. neka dodje. t' ave(!<) dzivdo
serb. bog ti pomogao, eig. dass du lebest,
lebend seiest, partic. avilo.
avdjin subst. Honig.
avdjive adv. heute. — Griech. avdives.
hakre subst. pl. Schaf.
hala subst. pl. Haar.
halo subst. Schwein.
haro adi. gross, hoch: bari durulji ein
grosses Fass. 6ar^ kas ein hoher Baum.
hämo subst. Hahn.
bers subst. Jahr.
heslji subst. Stuhl. — Griech. besdva
sich setzen.
bezaa subst. Schuld, Sünde. — - Buk. bezech.
hi praep. ohne : hioleskere, durch .ohne'
wiedergegeben, ist eig. ohne es, ohne ihn.
hibi subst. des Onkels Frau. — Griech.
bihi.
hijav subst. Hochzeit. — Griech. bidv.
hilacipe subst. Versuchung, richtig Übel,
das nicht Gute: bi ohne, lacijye das Gute von
laco gut.
borce subst. Schulden.
horija subst. Schwiegertochter. — Griech.
bori.
brsiin. subst. Eegen. — Griech. hrisin.
hrUndalo adi. regnerisch.
buk subst. Leber, Lunge: kalo buk serb.
crna dzigerica Leber-, j^f^mo buk serb. bijela
dzigerica Lunge. — Griech. bukö Eingeweide.
bidja subst. : parnji bnlja Reh. Dunkel.
bidjardo subst. Bett: eig. ein partic. praet.
pass. von bugliardva ausbreiten von buglö.
buznji subst. Ziege.
C.
cer subst. Decke, Bettdecke, serb. po-
krivac. — Vgl. buk. cnhra, cggyrg Zelt.
cervalj subst. Beschuhung.
cid vb. führen: ma cida führe niclit.
— Vq-I. buk. czrd.
cikno adi. klein. — Griech. tikno.
ciunji subst. Bär. Dunkel.
Übee die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi.
51
caji subst. Tochter.
capin subst. Haue, serb. capa.
caro subst. hölzerne Schüssel.
cävo subst. Kind.
cekat subst. Stirn.
cih, ciho subst. Zunge.
ein vb. schneiden.
cindo subst. ßebenmesser, serb. kosijer.
ciriklo subst. Vogel ; auch Reute, Rode-
hacke, serb. budak, trnokop.
coljgi subst. Zimmeidiacke. Dunkel.
cora subst. Bart. — Griech. lUor.
cumgar subst. Sp eichelaus wurf. — Griech.
cungär.
curi subst. Messer, Rasiermesser.
clad subst. Vater.
daj subst. Mutter.
danda subst. pl. Zähne.
das subst. Mensch, serb. covjek, das
Mensch und Mann bedeutet. • — Griech. das
bulgar. A^gl. Paspati 24.
davdvardo subst. Fasole, eig. ein partic.
praet. pass. Dunkel.
devel subst. Gott: sg.-voc.devla-^ Himmel:
and 0 devel im HimmeL
diklo subst. Spiegel, serb. ogledalo.
dumä subst. pl. Rücken.
durulji subst.: bari dzirulji ein grosses
Fass. — Buk. duridi.
durnlo subst. Fass.
dza vb. gehen : o dzal er geht, me kam
dia ich werde gehen, serb. ja cu ici.
dzaimiti^o subst. Schwiegersohn.
dzi adv. mit der praep. ke bis zu.
dzivdo adi. lebend f ave(s) dzivdo^ serb.
bog ti pomogao, eig. das du lebest, lebend
seiest.
dzukel subst. Hund.
fera subst. Magen.
Bauch, böhm. j^er.
— Vgl. griech. per
fiso subst. Stadt: and o fiso in die Stadt.
Vgl. alb. gQg. fis-i Volksstamm.
G.
gad^ gado subst. Hemd.
gadzi subst. Weib.
gacniko subst. Hosenband, serb. gäciiik,
uckur.
giljah vb. : glljahel er singt. — Griech.
gilldhava,
godji subst. Hirn. — Griech. godi^ goti.
gras subst. Pferd.
grasnji subst. Stute.
gudlo adi. süss.
guruv subst. Ochs.
iklilo wird durch serb. ,iz, aus' erkUlrt:
et ist eig. ein partic. praet., das dem griech.
niklilo qui exiit entspricht. Vgl. Paspati
255. 391.
is verb. sein: III. sg. isi: wem ich habe,
eig. milii est •, tu isi du hast, me injom ich bin.
iv subst. Schnee. — Griech. vif, asiat. hiv.
ivaskei'e adi. eig. beschneit. — Griecli.
viveskoro: viveskoro drom.
J.
jakd subst. pl. Augen.
jel coni. oder.
jer subst. Esel. — Griech. kher.
ji coni. wenn. Dunkel.
kak subst. Onkel.
kakav subst. Kessel.
kalci subst. pl. Beinkleidei\ — Rumun.
kdlhci Zu.
kalo adi. schwarz, blau, serb. sinji.
kam vb. wollen : me kam, dza icli werde
gehen, serb. ja cu ici.
kamlipen subst. Seh weiss. — Griech.
kamnö^ kamlö schwitzend.
ka)ia subst. pl. Ohren.
kanji subst. Henne.
7*
52
Fkanz Miklosich.
kas subst. l'uniii.
kada subst. Scheere. — Griccli. kat,
i'umun. kaci Vaillant 111.
ke praep. zu: dzi k' u bis zu: o ist der
Artikel.
kel vb. tanzen : kel jmpt. tanze. —
Griecli. keldva.
ker subst. : kere naoli Hause.
ke7'ko adi. bitter.
kil subst. Schmalz. — Griecli. kil.
kiral subst. Käse. • — Griech. kerdl.
kohor adv. wie viel : kohoi- tu isi hers?
wie alt bist du? eig. cpot tibi sunt anni?
— Griecli. kehör.
koc subst. Knie. — Griecli. koc.
kokalö subst. Knochen.
koljin subst. Brust : koljin kokale Brustbein.
kororo adi. blind : kororej (richtig korore)
jaka Schläfen, wie serb. slijepe oci.
koslo subst. Tuch, serb. ubrus. — Griecli.
kosäva^ kosdva reinigen.
k>f7'i subst. Füllen. — Griech. kuru.
kitrko subst. Woche.
L.
la verb. nehmen : ■iljom mögt das Athmen,
serb. disanje, richtig iljoi)i (Ijom) ogi ich habe
Athem geholt.
laco adi. gut, schön.
lame subst. Pflugeisen , serb. raonik.
Dunkel.
lele! interi. acli ! serb. jao!
hilo adi. roth.
M.
ma colli, nicht, griech. [r/^, lat. ne : ma
ckla t'idire nicht.
maj adv. mehr: maj misto ! besser, serb.
pomozi bog !
inanus subst. Älann.
maro subst. Brot. — Griech. niaiiro.
me jii'oiiom. ich.
mek vb. vergeben : mek oU amendje ver-
gib uns: oll ist iiiii- dunkel.
men subst. Hals.
7nisto adi. gut: maj misto besser.
mal subst. Wein.
mulo adi. todt.
N.
naja subst. pl. Finger.
nak subst. Nase.
7ias vb. fliehen : nas impt. fliehe.
nek ist das serb. neka, nek : nek O'vel
neka dodje er komme.
nekav vb. herausgehen machen : nekal
(nekav) ame befreie uns izbavi nas. — Griecli.
nikavava je fais sortir. Paspati 391.
nilaj subst. Sommer. — Griech. nildi.
O.
0 proii. er: o dzal er geht. Davon
oleskei^e in bioleskere.
ogi subst. Herz: iljom mogi, richtig iljom
ogi, ich habe Athem geholt. — Griech. ogi.
P.
l^aio subst. Rauchreif. — Rumun. pao Eis,
Frost, pchaü Bessar.
paialo adi. gelb. Dunkel.
palme subst. Spanne. — Buk. jjdbna.
pand vb. sperren. — Griech. j^^nddva,
banddva binden, einkerkern.
pavji subst. Wasser.
papin subst. Truthenne, serb. curka,
richtig Gans.
papiiio subst. Ente, serb. plovka, patka,
richtig Gans.
Ijarno adi. weiss.
parvaro adi. entspricht dem asl. na-
sastbuT. im Gebete des Herrn: maj'o parvaro.
— Vgl. griech. parvardva nähren.
Ijasö subst. Schritt, rumun. pasu.
2^asavr6 subst. Rippe.
pat/inia subst. Ferse. — Ungi-. j^rtf«,
böhin. pafuna.
pacardo subst. Bohrei-. — Griech. be-
deutet das entsprechende pakiardö involutus.
2)en subst. Schwester.
piralje subst. pl. Strümpfe. Dunkel.
Vgl. pir6 Füsse.
Über die Mumdarten und die "Wanderungen der Zigeuner Europa's. vi.
53
Xtire subst. pl. Fasse. — Griech. ii'mru.
piri subst. Topf.
porjd subst. pl. Gedärme. — Griccli. inr.
pova subst. pl. Brauen. — Griecli. pov.
pral subst. Bruder.
prastela., serb. brzo, ist eig. wolil : er
läuft. — Böhm, prastav.
prvto viuri, serb. zeva mu sc, er gähnt,
ist wahrscheinlich ^j««?'aw(io muj apertum os.
2iuf subst. Erde: and o puf auf Erden.
purano adi. alt: purano dad Grossvater;
purano (richtig purani) daj Grossmutter.
R.
rakilo^ serb. veceras, diesen Abend, ist
eig. rakilo aus ratiln es ist Nacht ffeworden :
griech. rdkih, rdttilo il se fait nuit. Paspati 47 7.
raklo subst. Sohn, eig. Knabe.
rat subst., serb. noc:-as diese Nacht, ist
eig. Nacht.
rat subst. Blut.
rod vb. suchen : roddv ich suche.
roji subst. Löil'el.
ruf subst. Wolf.
S.
sap subst. Schlange: hari sapa serb.
smuk, eine Art Schlange.
sasto adi. gesund: f ave{s) sasto, serb.
bog ti zdj-av, eig. dass du gesund seiest.
savo pronom. wie beschaffen, steht für wie.
sindrav subst. eiserne Schaufel, serb.
asov. L)unkel.
sir subst. Lauch : p)arnji sir bell luk
Knoblauch; kalji sir crni luk Zwiebel.
skavidji subst. Tisch. — Ungi-. kafidi
sj)an. cafidi.
suske adv. wai'um, stellt unrichtig fcn-
serb. ,za' : es ist ein Casus von so.
soskere coni. weil, serb. zar. A^gl. soske.
sosten subst. Unterbeinkleid.
sov vb. schlafen: sov impt. schlafe; na
Sovel pe mandje, serb. ne spava mi se, wört-
lich: non dormitur mihi.
S7'bija subst. Serbien : and o Srbija aus
Serbien.
S.
saro subst. Kopf.
serand subst. Kissen.
sosoj subst. Hase.
suko adi. dürr, trocken.
T.
tab vb. : nek tabol mo tloiji entspricht
dem asl. da sv§tit:B s(j im§ tvoje im Gebete
des Herrn. Dunkel.
tagaripe subst. Reich. — Griech. dakarlbe.
taljig subst. lAfantel. — Buk. thalik.
tari subst. Bi-antwein. — Ungr. tardi,
thardi^ thardi mol gebrannter Wein.
tataj subst. Becher. — Griech. tachtäi.
tavto adi. warm. — Griech. tavdö von
tavdva.
te coni. und.
tesarin, teserin adv. morgen. — Griech.
tachidra, tachdra.
tloiji.^ tloi pronom. dein. — Griech. tiiml.
lover subst. Axt.
ta pronom. du: tute dein.
C.
cermuso subst. Maus. — Griecli. kermitsö.
varo subst. Mehl.
vastanji subst. pl. Handschuhe, von
griech. vasf Hand.
volja subst. Wille, serb. volja.
vusta subst. pl. Lippen.
zoralji adi. arg.
Numeralia cardinalia.
jck. diu. trin. star. panc. sov. jerta. ovto. jcvjd. des. desvjfvta ; bis; trianda; sa.randa ;
pcvjmda; kvardes; stvardesopanc; Jcviavardcs] ovtovardeS; Jenjavardes] sei. dujsel. trinsel.
sarsei usw. jeh rnilji tausend.
54
Franz Miklosicii.
3. Nach den von Hovrn St. Popovii! in Kragiijevac gesammelten Materialien.
amoro pron. unser.
B.
bal subst. Haar.
cauro subst. Kind.
cikat subst. Stirn.
cit vb. lesen: me citou ich lese; tu citos
du liesest; vuv citol er liest; amen citos wir
lesen, serb. citati.
cjol subst. Bart. — Griech. dzor.
dadu subst. Vater.
dandu subst. Zahn.
de subst. Mutter.
del subst. Gott; sg. voc. devla.
is vb. sein : me sem ich bin ; tu san
du bist.
jag subst. Feuer.
kas subst. Kutlic.
kjel subst. Haus. — Griech. ker, kher,
kcitcr, her.
kjiro prouom. dein. — Griecli. ti7ir6.
L.
hsko pronom. sein eins.
M.
moro^ mar pronom. inein. — Griech. minrö.
N.
nak subst. Nase.
P.
pai subst. Wasser. — Griech. pani.
piri subst. Topf.
pu subst. Erde.
imva subst. pl. Brauen. — Griech. pov.
R.
rom subst. Mann.
S.
sukar adi. gut.
V.
vudar subst. Thor.
Numeralia cardinalia.
jek. dui. trin. Mar. pans. sou, so. efta. ochto. inja. des; bis. bis tha jek. bis tha duj;
tranda; saranda; pinda; sovardes; eftavardes; oehtovardes; injavardes; sei. dui sala. trin
sala. Star sala usw. inilja.
Über die Mündarten und die Wanderungen der Zigednek EuRorA-s. vi. 55
ANHANG.
Über den Ursprung des Wortes ,Zigeuner*.
Das Wort , Zigeuner' ist in das Deutsche aus dem Slavischen eingedrungen, wahr-
sclieinlich aus dem Cecliischen, wo das entsprechende Wort cigdn, cingan, cikan hxutet.
Das Cechische hat den Namen aus dem Magyarischen entlehnt : cigäny, das dem rumu-
nischen cigan entspricht. Dieses ist aus dem bulgarischen acigan-B, aciganin:&, eiganü
hervorgegangen, das mit dem mittelgriechischen ätoiyicavor identisch ist. Die Frage nach
dem Ursprünge des Wortes ,Zigeuner' lautet demnach : Woher stammt das mittel-
griechische dzaiy/avo?? Manche beantworteten diese Frage dadurch, dass sie äiaiyxavo^
mit dem Namen der Secte der ä6:YYavo[, für identisch erklärten. Diese Ansicht wahr-
scheinlich zu machen ist Aufgabe dieser Zeilen.
Es sollen vor allem die verschiedenen Formen, die das AVort , Zigeuner' bei verschie-
denen Völkern hatte oder noch hat, aufgeführt; es sollen zweitens die vornehmlich bei
den Byzantinern vorkommenden Notizen über die ä6r,'Yavoi zusammengestellt, drittens der
wahrscheinliche Zusammenhang der Zigeuner mit den ä.Hi'ffav'Ji angegeben, viertens einige
von den übrigen Ansichten über den Ursprung des Wortes , Zigeuner' angeführt werden.
I. Die Formen des Wortes ,Zis:euner'.
Mittel- und Neugriechisch : dtcrj'xavoc m. dtarfAdva f. Somavera. xai-fcavo? m. Toty-
yotvisaa f. Martin-Leake. Türkisch: cingäne. Bei den Lateinern Griechenlands : acinganus
Hopf 11. 18. 32. Italienisch: zingano, zingaro und daraus span. cingaro und portug.
cigano für das volksthümliche gitano Bulgarisch : aciganin-b, aciganx, ciganü m. in einer
Urkunde vom Jahre 1606 in Venelin's Vlacho-bolgarskija ili dako-slavjanskija gramoty.
St. Peterburg-B. 1840. Seite 251. 252. aciganin^B m. aciganka f. 1626 Seite 291. aciganin:&
1642 Seite 322. cigam> 1458 Seite 91. Vgl. meine Abhandlung: Über die Mund-
arten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. III. Seite 8. Heutzutage ciganin.
Rumunisch: cigan. Magyarisch: cigäny. Slovakisch : cigdü. Serbisch: ciganin. Neu-
slovenisch : cigan. Cechisch: cingan, cigan, cikan. Polnisch : cygan, und daraus litauisch:
cigonas. Kleinrussisch: cyhan. Russisch: cygan'B. Oberserbisch: cygan. Niederserbisch:
cygan. Deutsch Zigeuner, gelehrt Sagüner bei Moser, Zyginer bei Stumpf.
Dass diese Worte zusammenhangen und dass an die Spitze derselben das griechische
rj.zab(if.aw'JZ zu stellen, ist für mich unzweifelhaft. Der fremde Ursprung des Wortes ergibt
sich daraus, dass die Zigeuner sich nie mit diesem Namen bezeichnen, sondern nur von
anderen so genannt werden. Das Verbreitungsgebiet des Namens Zigeuner ist, wie sich aus
dem Gresagten ergibt, Osteuropa und Italien. Im Osten Europa's Avanderte derselbe von den
Grieclien zu den Bulgaren, von diesen zu den Rumunen, die ihn den Magyaren und Slaven
überlieferten. Von den letzteren fand er den AVeg in das östliche Deutschland. Nach Italien
kam er unmittelbar aus Griechenland, wie die abweichende Form zingano, zingaro darthut.
56 Franz Miklosich.
II. Naclirifliteii über dio Atliinijaiii.
I. MsXyiac^cxiTai sbiv ot vOv 7:poaaYOpso6[j.cVot 'AOiyyavot . oorot töv McX/tOc^sx aöyo'jc'.v,
iS o'j Wt x'/jv sTr(ovu[j.iav si/.r/faaiv . siat. 5s irspl 'YjV «I'^ytav . oors os sßfatoi oütö sOvaot
sbtv . ooxoOat [j.cV to adßßaTov cf'jXdTtctv, ttjv 5s adpxa [rrj TisrjUSfivsaOac. o6 -o!. o'Josva dv6p(OTrov
d-icjOat a'Jröjv ävsyov-at, dXXd /.dv 5(o a'j-oic tcc dfiov y; uo(op Yj Ixspov xt sßoc, oöv.
dvsyovrat d-rö yscpcov Xa|3civ, dAÄd irapaxaXo'jat rooc £ict5t5öv:a? aörolc Osiva'. yp^yj-'. "d £'.'5yj,
xal oöxtoc aüroL 7:cvOj£[jyö[j.«vot. aipooacv aörd, oixciuoc mv a-j-oi stc^oocc [JLcTao'.ocba'.v. -cj-üto ouv tcö
rpoTTO) AOtYYdvoo^ aözobz y,aXoöa!. 5td to jxy^ äyiyßa()rjx aöto'jc iü[;oa'|a'j£iv t'.voc. ö6cV xal
o'jroc Trpo3c,oy/J[j.£Vot -•(] dyccf xo'j Osoö sx.x/.Yptcf ypsiav syouat zoO aojzY^puöoo'JC ßa-rtafxazo?.
Timotheiis Uspt, rwv lupoaspyojxsvcov x*/] dyi'^. £X7,AYjaic/. in Cotelerius, Ecclesiae graecae
monumenta. III. 392. Timotheus soll vor 622 gelebt haben. Fabricius A'III. 358. Epi-
phanius im vierten Jahrhundert kennt die Athingani noch nicht.
II. T(bv ^lavtyaüov zcbv vOv JlauXix'.avtöv XcYO[AcV(ov y.al AOiYydvfov xwv xard (S>[j'r(ir/.v %ai
Aoy.aov{av dYytyct-övdjv aöroO 'ftXoc r^v otdTT'jpo;, ypY^jioi? itai ZcÄs-alc a'Jtcbv STityacpcov,
£V r>i<; otav BapodvYjC 6 T:a-p{y.'.oc eiravsarr; aörcp, toözo'jc '!tpoa-/,aXcad[JL£voc, xatc aözcbv [xaf-
Yav£iatc xoOtov 'jTr£xa££V usw.
Theophanes Seite 413. Vgl. Le ]>eau, Histoire du Bas-Empire XII. 442. Dieser Freund
der Athingani ist Kaiser Nikephoros 802—811. Die Nachricht steht unter dem Jahre 810.
III. Z'/jXco 6£0'j iroXXw %iYr/)zii 'Aaza ^lav.yaicov -ibv vOv UaoXixiayihv 'wX kHi-\yhi\y) x(bv £V
z'(j <l>p'JYCC(, xai AoT.aovicf T.c'^aÄi'z.Y^v tL[j.(opiav diroYYjvdjxcVoc "clc NtxY/fopo'j xo'j d.Ytcotdto'j
icarpt.dpyo'j 7,a'. dXXcov £'Ja£[i(bv £caYf("/^a£aiv dvExpaiTY] oi £T£pcov ■naxoßooXcov TCporpdast [Acxavoiac,
oTTcp YjV d56vaTov xo6c x'/; 7tXdv*(] £X£iV'(j iaXcoxöxac [j.£xavo'?)aat..
Theophanes, ed. Goar 419. Totj? A.QiYT'"^-'''^^'-''^ 5Y;[X£6aa; £uOp{c/. Trapi^covis 8id Adovxoc xoä
axpaxY^Y^'^ '^^^''' AvaxoXoccbv 421. Die Rede ist von Kaiser Michael I. (ßhangabe) 811 — 813.
Die Naclu'icht steht unter dem Jahre 812.
IV. Toüxov xov Mr/aY^Ä i^nxf'Z 1J-£V Yj zaxd xy^v dv(o ^puY^^iv iröXtc A[xcbptov o'jx(o /,a).oujX£VY^,
£V '^ 'lo'j^aüov xat AOiYYdvojv y-ry.i £X£p(ov da£ß(bv iztäfi^z i'/.'K.rArj.i x(bv ypövwv £Yy.axoaiC="'"-^--
y.vi xt{; 3£ airj^oic, i% z'qz äXXiiXMV y.oLV(ov[ac y,aL oiYjV£y,o'j(; ö[j.t)iac xacvöv i/yjorx tov xpö^ov
X7.1 dXXöxo-rj. o6'([irj-a iTZ'.'fjBzai, 'qz äoll aOxo? |x=xoyo^ yjv, Traxpoxapdooxov 6pYja%£cav d-o-
-jtXyjpwv. a'jxY^ xo'j [X£V O£io'j Xo'jxpoö ■xat aojxY^puooo'jc xo'j^ xsXo'jjxsvo'jc [XcxaXaYxdvEcv dvtY^ai,
zafXa o£ Tidvxa acöCst, 'f'Jkä.zzvJia -öv vojxov xov ^[(oaa'ixov ttXy^v xy^; 7:£p'.xo;x-/;w. £'ry£ 5ä
SiodaxaXov ö MryaYjX y.at otov £c7.pyov, öz' aüxoO [X£jx'jöxaY(OYY^[X£vr;c, £ßpalöv xiva y^ sßpaßa
xaxd xöv £7.0X00 ouov, o'j |xovov xd ']^oywd dXXd 5yj %7.c xdc itax' oixov oiy.ovojxc7.c 7.ÖXÖV £y.-
'7r7.i5c6ovx7.. 6'/ oo 'n:poXY/fO£CC ofjo£V dxspacov £a(oC£V, dXX' yjV d'iriaxt7.i: xic aövoooc, xd x£
yptaxc7.vcbv irapayapdliac, xd 'Io'j57.ui)V xiß5Y^X£6j7.c, xai xdXXa 'Karjrjyrjfjs.'joac. mc otj icai £l?
xY^v p7.a{X£tov äy-ff/ß-q äpy-fi^, £a£[xvöv£xö xs y.ai (t)patC£xo xtb 5c7.0Y^[X7.xt xai x"(] dXoopYt5t, Xöy^^v
o£ y.7'. [xdOYjGtv, «K xd 7'jxoO dv7.xp£T:ovx7. y,ai 5ovd[X£V7. jx£xa5t5da%£cv xd y.p£txxova, d7i£ßdXX£xo
X7i YjXqxaCcV, £Xt[X7. o£ xd rilv-zla ot7/f£pövx(Oi;. xd 0£ y^v, o'Jih-^ |X£V xfbv dpxtxoxtov 'jrpoXcY£W
öqoi x£ Eaovx7.i £Öxp7/f£i^ X7.1 a(o[xdx(ov [XEYsOooc orjy, d[xocpY|30oa!., y,7.t. oaoi xoi? Evavxtoii;
TTcpiT/EQY^aovxat, %7c tirTTcov [X£V i';-(6c. iazrjyai zwv \av.ziCiyzMV zifjivai, ovouc os xoö^ Krj:/.zL-
Covxac (0^ TCoppwxdxw £%xp£':i£a07t. £'j'fO(bi;. Yjjxwv(ov x£ xpt.xYj? dptaxoc y^v, X7.i xo'jxtov oaoi
|X£V TipÖ^ 'fÖpXC/V £'KtXYjO£tOt clot Ol7.XptV£lV, OOOt 0£ ZO'JC £7itßdx7C EÖCföpCOC (fSpctV 5ÖVaVXat,
%ai |XYj xtVL TTxoccf, TTcpiosci? Y^'''^^[-*'='^^^ £%xpayYjXtC^'£V. oö jXY^v dXXd xai xoö^ itttuodc ö<pOaXjx(bv
|xövov 7cptvo)V siLtiSoXaic, ooot x£ Tupöi; öpöixov £oxovot. xac xayEic xai oaot. Ttpoc tcöXsixov xo xap-
xcpt,y.öv ot.7.j<öCo'jatv. 'jrpoßdxcov x£ xal ßo(bv £Öx'>x{7.s 7,7.1 x'/)V xoö Y^Xaxxo? oaat '57.']/LX£t7.v £X
Übkr die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa-s. vi. 57
cfooccoc sAayov, zm rs äprrcsvtov y^^VY^Ixatojv ciosvat, ocaxptvscv, tcoIov iizwxc, izzi [vr^zrAQ. yi.rji
td jX£V xt;? TTpcoTT^? 'f^kiv.irj.c, ci-jiciv Ss xwi r?ji: zz\z'jzrj.irj.z zr/.'jza. rj-q za. [i.rjAWiiw.zu. %ai ao\).yo-
)vOYr;jj.c/-a. oj^ i^s f^xjjLaCsv y^otj, zöv Tzivrfj. ßtov 5tai)-X(bv %7i xaprcf-cov, sottcüos toötov -Trda'fj
äxoTpc'laaö-ac [xrf/rjyr^. xai iroic zö) irj.ozo'j Tza^jO.ozdz axparrjyfp ia'JZ'jv OTüstpaws r/^ r?;c y^-«»"-
zTjC "paoAörr^'ci xov rj.rr/jjvzrj. syxa/vO'jiJisvoc. x(bv 3s iVal-tyYdvcov rtc, -f'^fw^xö? 'J7i7.p/(i)V -co atpar-
Tyytl), aöröv xs zoözoy röv Mr/ar^Ä xoi -iva stcpov TTcpqSo'/jXOO«; eazod-ai jxct' o'j xo/.'j Sfr^yopsuE
xat ßaadsia:; aOir^c iTziz'jyßlv orjx sv [xavipw tto Xpov(p usw. T-r;v os toO [j-qbiyzrjQ, "AOiYydvotj
'fcoVTjV (bc tiva ä-scav icpöppr^tv svy^/t^iJ-sIi; 6 Mt/ar;}., Sc'J-cspov o' ouovöv a.ihr,'fMz ^ai rr^v %axd
zb OcXojxtXcov Toö jxova/oö irpoayopcUGiv usw.
Georgius Cedrenus. Bonnae 2. jjag-. 69. Theophanes. Bonnae 3. pag. 42. 'Et'jyyavs ydp
-(o;; vsj.i a.'/JMZ 6 AU/7.tjÄ 6~ö irdvtwv [JLiaoöjxsvoc, die oyj ■/.av.'qc [xiv aipsaEcoi; [xs-sa/r/zcb^ r-?jc
td)V 'AOtYYdvojv pag. 52. 'A6cYYdvocc T£ if.rj.i y_piato[xd/ot(; rpiXoc Ephraim v. 2195.
V. Mr/arp. (ö si; 'A[X(op'>yj) TsOappTjXcbt; [xd^-iara stcc ts toic XotTroic a'Jvavrfj|X7.ac xai irpop-
prjas3tv, £ti OS %ai xol? ';tpc;ava7i£rpcovrj[XEVotc 'A6tYY«-Voo -iiapa nvoc |xdvTctoc, oc zo) xYjVaaöta
atparY^Ädx-(] toO zwv 'AvaxoXaöjv -ö-sixaTO? Trslpav oscltoxo)? iro/.A(bv diroßdaecov otcxpdvoo töv
Uiya-QK v.ai tiva srspov x(bv os'jxspdiv ^laoT^jxaxo'jopr^astv aaffcb? dTro(X7.vx£'jö[X3voc. Mr/ar^X szi-
[Xfojxo? dxö xfjc ■TiatpL^oc aötoö ^Vä'rfj'dvcov Tzkrfi'jy sxtpc^o'jaT;?.
Genesius. Bonnae 31. 32. Der hier getadelte Kaiser istMichael 11. (derStammIer)820 — 829.
YI. Mc-ö-o^ioo ToO dYUotdtou TuaTptdp-zofj otdra;;Ci; Tücpt. i(bv sv ota^fopal? xpÖTrcov zai -/p.ixubv
£':rtatp£'föv:(ov.
"()-{oc /pYj 0£/£3i>ai zr^'jc d7:ö 'A\)-tYYdv(ov r^ öpö-o^oio) Tzhzzi irpoacp/oixsvo'j^. Asl vd
6 dxo McXycasSc'jcixcbv ■xai ösoi^ottavwv xai 'AQ-iyyrjyioy -irpoGubv z'/] Trcatci xwv /oiGrcavöiv . .
o'j ötd zivrj. ä-iä-^x-f^v '7i (pößov y^ irsviav 'J^ sTr-z^pstav -/^ Xps'^C 'q i-{v.kriim xax sjxoO xivo'jjxsvov
■q Ol irspov rtva xpö-ov äTirijopoüixeyoy^ dXX' (bc si; oXy^«; '^^o/j^q X7i zap^b.? röv Xpiaröv
o.yrj.Tzrprj.z f.rn z'qv a'JroO ttigtiv, dvai)-£[xarcCw xdaav r/jv T(bv M£Xyta£0£%tT{bv v^rot Bsooo-
Tiav(bv xai 'AiI-iyT^^-"^^"'^ aip£aiv y.rjx to6c atp£atdp/ac ü.~r),^nrj.:, , ÖEÖciotöv 'fYy|xi xov o-mz'f;)
y.rj.i zrj'jc aö-oO [xali-Yjzdc, 'AaxXYjXcdSYjV 7,ai 'Epjxö'ftXov xat, 'AttoXXcovioyjv itat BsoSotov zbv
zrjrj.TzeCiz'qy , oGTic [xdXcGza '(i^^rj'^c.y a.ij/rffrjQ ~ffi aip£G£(oc TOcfjtYjC. dvaO-SjxartCw xai to6c
xc/.ö-eSy^c ^coaGxdXouc xwv 'Aö-iYYdvcov, OGot, xard Y=Vcdv i-mozYp/ rj:/jA toO vOv '(eyiyrxoi %c/i
oGot GY^[Xcpov ciGi %ai Y^'^^GÖ-at [xsXXooGtv. dvai)-£[xaTcC(o Ttdv-ac to'jc; 'fpovoOvtac; xaL ooi;d-
Covrac; xat oii^dGxovtac xat ki'frjvzr/.z, orc 6 MoX/lgcOsx oöx y^v dvO-pcoso:. dXXd i56va[xtc 9-£o0
{xsydXou otatptßo'jGa sv dxazovo[xdG-r;tc tö^rotc; xai ort jxscCfov zw XptaroO sGitv sxscvoc, xai
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dvaikixatiCfo to'jc '■foXaTrovrac (xsv (b? loooatoot; to Gdßßatov, (b? sv^vtxo'jc os v.at r/yv irspi-
TOjXYjV ot7.z-6ov:ac %at ro ßdirrtGjxa. dvc/.0-£[xaT:iC(o toü? /pcofxsvo'j;; [xav-stats xai '(rj-qzeLrj.t.z %rj.i
(papixay.scai? xai Si' a'Jxwv ßXdTrrctv xat {b'fsXsiv dvO-pcoTio'jc s'jraYYsXXoixsvo'Jc. dvaOs|xaxtCw
xou? £ircxaXr;ü|X£VO'jc 3at|x6vta xtvd, (bv td irpcöta v.aX'j'jyzrj.i aopoO -/.a!, Gsydv xai dpyac, xal
Sl aoTÄv T-rjv GsX'^VY^v 3'?;i)-£V ikv.rjvzac TzfrjQ iaozooQ xai spcoTtövrac a'Jrd -rrspi <bv dv ßo'j-
X(ovT7.t. dvai^cixatiC«) toöc s'jrt-cö-svtac zrjiz dcrpaGcv dv{)-p(bx(ov övofxata xac otd '■prxvzaGirj.c,
Saqxovtcb^ofjc xcvsiv a.özvjc, xatd dXXVjXfov rspa-suofxsvooc xat o'jko cpYjjxcCovrac, (b<; 6 toO
SsiVOC rj.ZZ'qrj TÖV ZO'J östVOC SGtOGE xac OSl TldVTtOC sfvai tövos xrjrj-rjxfjzzrjrjy) ExstVOfJ xai S'JX'J-
ysG-spov. dva{)-c[xaTtCw ^^^^J? £V TcpooTcoiYjCSGt icaO'apor^roi; [xcGavi)-po):rcav ^i^doxovTa;; xal ßos-
X'JGGOixsvou? -Ttdvta dvö-pto-JTOV, OGxtc «fjxoic o'Jx sGrtv ö[xoTrtato? xai oid xoOto [xy^ts xoogsyy^Ce'-v
DonVscliriften der phiL-hist. Cl, XXVI. Kd. ^
5g FkANZ MlKLOSICll.
-/£cp(öv, £1 ci£ '(irr^zal u xard tü-zy^v toioütov, £'Ji)-j: kizi v.a»)a[iiajiO'j? xai }//jt[j7. -/(orjoOvra? co?
|jL£|xo/.'j3[JL£VO'JC y-'X- äxaO-dpro'Jc yc^ovötac. äva»)'£jJia7iCw ':iL,'JOC TO'Jroi; xal TOäv £':£f/OV £>)-o? xat
£7:'wtYjO£'jjxa ^al t.O.z'-j.v irpr/äv rwv 'Aö'CYyävcov 9av£pö)C y^ Xafl'paüoc 'irap'' aOzcbv icXouixevy^v. zaoza
-o'lvuv Tzrj.vz'x ävaö'£[jLaztC(o, xat äTroatfJEiyöiieVoc v.al d-jroTaaaöiXEVoc aütolc auvxdaaojxai xcjjXpiatqS,
y.c/.i r^jTc'Jo) £'.; sva i)'£ov xaxEpa Tza.'^z'jY.pä.z'jrja, Tzrii'qz'qv oüpavoO %7.!. -f/jc, xat. -cd £uY;c.
Tdac ^('yrj\i.iYf^ £Tri tcöv dTco aip£a£(oc '7rpoc;£f-yo[j.£V(ov rr^ ^jp<)"() friars!. Yjrot 'ApciaviarÄv.
Ma/.soov'.avwv, Nauattavcöv usw.
Der Verfasser dieser Stdra^tc ist der Patriarch von Constantinopel, Methodios I.,
842 — 846. An Methodios II. 1240 ist nicht zu denken. Aus dem Codex vaticanus graecus
1455 bomtycinus, 4°, saee. XIV. 329. 335.
VII. Pendant que le pieux roi — Bagrat IV. — etait dans la ville imperiale de Con-
stantinople, il apprit, chosc merveilleuse et absolument incroyable! qu'il s'y trouvait
certains descendants de la race samaritaine, de Simon-le-magicien, dits Atsincan, sorciers
et scelerats fameux. Or il y avait des betes feroces, venant d'habitude devorer les ani-
maux vivant dans Ic parc (philoparc) imperial, pour la chasse du monarque. Le grand
empereur Monomaque, qui en fut informe, ordonna de faire venir les Atsincan, pour que
par leur art magique ils detruisissent les betes devorant son gibier. Ceux-ci, en execu-
tion de Vordre imperial, firent perir quantite de betes feroces. Informe de ce que nous
avons dit, le roi Bagrat manda les Atsincan et dit: .De quelle inanifere avez-vous fait
perir ces betes?' ,Sire, dirent-ils, notre art nous apprend ä empoisonner des chairs que
nous pla9ons dans le lieu frequente par les betes : montes sur des arbres, nous les attirons
en imitant le cri des animaux, elles se rassemblent ä notre voix, mangent la chair et meu-
rent foudroyees. Seulement les betes nees le samedi-saint ne nous obeissent pas, et au
lieu de devorer la chair empoisonnee, nous disent: mangez-en vous-memes, puis elles s'en
vont sans accident.' Le monarque ayant demande qu'ils lissent venir une bete de cette
espfece, afin d'etre temoin du fait, on ne put trouver d'autre bete qu'un chien, que Ion
savait etre n(i non le jour indique, mais ä une tout autre epoque. Le moine, qui etait
alors en presence du roi, fut emu du meme sentiment naturel dont il a ete question plus
haut, a l'occasion des Images et de la ressemblance divine. II fut emu non-seulement de
pitie, mais du sentiment de la crainte de Dieu, et ne voulut pas que pareille chose se fit
cliez des chretiens, et surtout dcvant le roi, dans un lieu oii il se trouvait lui-meme. Ayant
aussitöt fait le signe de la croix venerable sur la chair empoisonnee, l'animal ne l'eut pas
plus tot prise, qu'il le fit emmener, afin qu'il ne tombät pas mort sur la place. Le chien eni-
inene n'ayant eprouve aucun accident, les sorciers impuissants prierent le roi de faire con-
duire le moine — Giorgi — dans les appartements Interieurs et d'ordonner d'amener un autre
chien. Le saint moine parti, on amena un autre chien, auquel on presenta la chair empoi-
sonnee, et qui tomba mort sur-le-champ. A cette vue, le roi Bagrat et ses grands eprou-
verent une grande joie et informerent de cette merveille le pieux empereur Constantin Mono-
maque, qui partagea leur satisfaction et remercia Dieu. Quant au roi Bagrat, il disait : ,Que
ce Saint homme soit aupres de moi, et je ne crains ni les sorciers ni leurs poisons mortels'.
Extrait de la vie de Giorgi Mtharsmindel de la Sainte-Montagne. Chrestomathie
georgienne de M. Tchoubinof. St.-Petersbourg. 1846. pag. 241, 255. Die hier abge-
druckte neue Übersetzung des für den vorliegenden Gegenstand nicht unwichtigen Auf-
satzes verdanke ich der Güte des Herrn Akademikers ßrosset in Petersburg. Vgl.
Über die Mundarten und die Wasderüngem der Zigkuner Europas, vi. 59
Bulletin de la classe liistorico-philülogi(|ue de Tacademic imp. de 8t.-Pctersbourg-. II.
1853, Seite 4, und Brosset, Histoire de la Georgie. I. pag. 338.
VIII. 'AXXoc OS ro'jc orp st? s-f/vOATriC^IJ-^voi oc %rjX 'Aa^tyyavoi ÄcYÖ(j.öVot, töv \).i't yi^i -(zwcf
b-fiVrxt. zIq Y^[xspav xrjxrtizrjOjV, töv o' a'J sie äa-spa dyatl-öv, v.at. zö-'j/iac y-ai u'jo-'s/irj.c, yevt^-
aojjLsvac äTiayYsXXo'jac, xat aXXa tivd ff}v'ja[jO'jct, [J-y^os '({j'y-'fQ Trapaoollr^va'. a^ta. — '£777.-
GTptfitjOot -£ v,at YvwGTat. XsYovcat ttc/.v-sc oi aazavtzwc £v{)'ooauövrsc; xat, irpoÄSYOvrsc oy^D-sv
td dYVCoata, (o? at Kpiiptat, oi AiHYYavot %ai «j'S'JooTTfiOi'fYjtac, spYy(xtzat %ai s-spot.
Balsamen (f circa 1204) im Commentar zimi 61. und (55. Canon des trullanisclien
Concils. yi6vzrj~([irj. t(bv %avöv(ov von ßlialles und Potles. Athen. 1852 — 1859. IT. 445. 458.
Aus den angeführten Stellen ergibt sich, dass die Athingani eine Secte waren, nicht ein
Volk, wie manchmal angenommen wurde; dass die Anhänger dieser Secte namentlich in
Phx'ygien und Lycaonien verbreitet waren; dass die Athingani in der byzantinischen
Geschichte zuerst unter der Regierung des aus Pisidien gebürtigen Kaisers Nicephorus
(802 — 811) auftauchen; dass sie unter Michael I. (811 — 813) verbannt werden; dass sie
unter dem aus Amorion in Phrygien stammenden Kaiser Michael II. (820 — 829) Einfluss
bei Hofe gewinnen ; sie werden in einer rJi6.zrj.cic des Patriarchen Methodius I. (842 — 846)
erwähnt; eben so in einem im eilften Jalirhunderte verfassten georgischen Leben des
hl. Giorgi. Balsamen, dei- zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts starb, ist über das Wesen
der Secte der Athingani als im Unklaren. Über die weiteren Schicksale der Athingani
habe ich in den byzantinischen Schriftstellern keine Nachricht gefunden: Hopf 32. oibt
an, ein Patriarch von Constantinopel habe gegen sie einen Kreuzzug heraufbeschworen
und sie der Vernichtung geweiht, worauf sie aus der Geschichte verschwunden seien.
Mit dem Kreuzzuge wird es wohl seine ßichtigkeit haben, obgleich es mir nicht gelun-
gen ist, die Quelle ausfindig zu machen, aus welcher Hopf diese Nachricht geschöpft hat.
Der barbarische Name 'A'S-iYY'^'^^^ ist wahrscheinlich eine sklavische Nachbildung des
gleichdeutigen arabischen lämasäsiyya, eines Wortes, mit dem die Samaritaner von den
Arabern bezeichnet wurden. Nach einer Stelle des Korans, Sura 20, 87 — 96, hat ein
Samaritaner in der Wüste das goldene Kalb gegossen und wurde von Moses dadurch
bestraft, dass er aus der menschlichen Gesellschaft gestossen ward und zeitlebens rufen
musste : lä masäsa, keine Berührung. Nutt, A Sketch of Samaritan history, dogma, and
literature. London. 1874. Seite 45, meint, Mohammed verdanke diese Erzählung irgend
einer jüdischen Legende. Masudi und Biruni erzählen, dass die Samaritaner noch zu ihrer
Zeit, also im zehnten und eilften Jahrhundert, die Worte lä masäsa gebrauchten. De
Sacy, Chrestomathie arabe 1. 304. 343. Abulfath Ann. Seite 175. Auf den Zusammenhang
der Athingani mit den Samaritanern scheint auch der Umstand hinzuweisen , dass
in der oben mitgetheilten georgischen Legende die Athingani ,descendants de la race
samaritaine, de Simon-le-magicien' genannt werden, der auch in der Geschichte der
Samaritaner eine Rolle spielt. Nutt, Seite 55. Nach der Erzäljlung des hl. Epiphanius,
hielten die Samaritaner die Berührung Andersgläubiger für verunreinigend. "E/ouGt (oi
Xajxapsiza!,) y>ai. dXXa -ivd ävoiac £|i.7rXsa, oofi(() xkoCöiizvot.^ s-jrdv diro iisvY;? sXIl-foat, [j,s|j.iry.[ji-
[J.SV01 OY^O-sv, 'jorj.zi G'jv i\j.rj.-:irjic, ßaTiTtCojxsvoc, sTidv d'|;(0VTat stspo'j xcov d/Aos^vcöv. jj.taG[xöv
Ydp r^yryy^zai ~6 zivoc wl^rj.zQv.'. y^toi O-cysiv rj.k\rjO zivbc, dv\)-p(o'3ro'j dir' d/,/.o'j ^rj'(iw.-rjc. Epi-
phanii opera, edidit G. Dindorfius. Lipsiae 1859. I. Kard aipsascov Seite 308. Dasselbe
beobachten die Dositheaner, rszdptYj atpsatc diro 2^a[xap£ttcov : zb \):q ^v^yrXy^iy zivbc, otd to
[^OcXotzsa^J-at lüdvca dvö-pco-^ov Seite 313.
(Jü FuANZ MlKI.OSIClI.
III. Znsiuiiiiiciihiing der Zigeuner mit den Alhinguni.
Die Zusammengehörigkeit der Namen äil-iYyavot und äraiYxavot ist mir unzweifelhaft;
es handelt sich demnach für mich nur um die Frage : Welcher Zusammenhang besteht
zwischen dem Volke der Zigeuner und der Secte der Athingani? Oder, genauer, wie
kam es, dass der Name der Secte der Athingani auf das A^olk der Zigeuner übertragen
wurde? Denn dass die Sectirer ursprünglich Zigeuner gewesen seien, daran ist nicht zu
denken. Über die \ eranlassung dieser Namensübertragung können mehrere Vermuthungen
aufgestellt werden. A or allem kann nach meiner Ansicht nachgewiesen werden, dass die
Zigeuner Eui'opa's aus einem von Armeniern bewohnten Lande in das byzantinische Reich
eingewandert sind. Es ergibt sich diess aus den unten aufgezählten zahlreichen armenischen
Bestandtheilen der Zigeunermundarten Europa's. Wenn demnach die Byzantiner die aus
Armenien, zunächst aus Phrygien und Lycaonien, nicht etwa aus Syi'ien, nach Byzanz ein-
wandernden Zigeuner Athingani nannten, so thaten sie ungefähr dasselbe was die Fran-
zosen thaten, als sie die aus Böhmen nach Frankreich kommenden Zigeuner Bohemiens
nannten. Eine andere Vermuthung ist die, die Byzantiner hätten die Zigeuner als Athin-
gani bezeichnet, weil sie in ihren früheren Wohnsitzen, wie das ihre Sitte ist, sich dem
Glaubensbekenntnisse der Bewohner jenes Landes angeschlossen hätten. Eine dritte Ver-
muthung endlich ist, die Byzantiner hätten die Zigeuner zum Schimpf Athingani genannt.
Dass die Zigeuner diesen Namen von den Athingani erhalten haben, ist keine neue
Lehre. Derselben Ansicht begegnet man in älterer Zeit so häufig, dass man versucht
ist anzunehmen, sie sei die herrschende gewesen.
Vagatur hinc inde genus quoddam impostorum, sagt ein Schriftsteller des sechzehnten
Jahrhunderts, squalida tetraque et deformi specie et habitu peregrino, quos recentes
Graeci Attinganos, nos Zigeunos nominamus. Creduntur ex Aegypto primum et vicinis
Africae partibus prodiisse, ubi incantationum atque universim omnis generis praestigiarum
et divinationum tantus est usus, ut nihil nisi consultis vatibus suscipiatur et magnus
vatum numerus singulis diebus in foro publico, in compitis et pergulis praestoletur con-
sulturos, quod qui Alexandriae, Alcairi, quae Memphis est, et in locis vicinis fuerunt,
pro certo compertoque afl'irmant. C. Peucer, Commentarius de praecipuis generibus divina-
tionum. Witebergae. 1572. IGÜ. a. Derselben Ansicht war Jakob Goar (f 1653): Athin-
ganorum reliquiae ac successores, sagt derselbe, Italis Tzingari, nobis (Franco-gallis)
Boemi vel Aegyptii, quod ex Oriente profecti in illas partes et inde versus nos pene-
trarint. Theophanes, ed. Goar, Seite 632.
Diese Ansicht ward zuerst von Pagi in Baronii annales XIII. Seite 462 mit Be-
rufung auf die Lehre der Athingani bei Constantinus Porphyrogenitus und bei Cedrenus
bekämpft. Le Beau, Histoire du Bas-Empire XII. Seite 442 erwähnt die Ansicht von
dem Zusammenhange der Zigeuner mit den Athingani : On croit que ces malheureux
vagabonds, connus aujourd'hui sous le nom de Bohemiens, sont un reste des Athingans.
Saint-Martin bemerkt darüber folgendes : C'est la ressemblance de nom qui a fait
croire que les Bohemiens avaient (piebpie chose de commun avec les Athingans et qu'ils
pouvaient eii descendre. Zu den Bekämpfen! dieser Ansicht gehört auch A. Korai :
AraiYYy.voc. ro a sivai irXsovaararJV sie zh zCij^rx-^oc bohemien, egyptien, hv'j\xdCs.zai -/sn
yu'ftoc, äyY/.tj-:!, gipsy. oi IraXoi tov ovjjj.c/.Co'jv zingano, oi yspixavoc Zingeuner, ot roöpxot
rCtyycVE. xay.ö); iyrj\xlo\Wi , ozi sivai ol 7.7:0 706c '(rjaiyjjrjo^ialrj'jc övo|xaai)-£v:cC rj.^iy'^av'ji.
zoOro slvai ovo[j.a aijjsny.cöv, 01 oiroloi (ovo[xdCr;v:o xai MsÄ^^iac^cy-iTai, Siort £OOY[JidTtCav rov
ÜbEE DIE MüNDAETEN UND DIE WaNDERU NüEN DER ZiCEUNEE EuEOrA'S VI. 61
MsXytasos-Ä ävcörspriv torj Xpiatoü. ot TCcYyavo'., ttoäü [j.staYEVsarcpot, Ttbv 'AO-iyTavcov, £rpdv/)aav
SIC r?;v E'Jf/(ÖTrY;V iTcpl xa? dpydc xyjc Ocxärr^c TTSjJ.-irtY^c sxarovrasrrjpiooc, spyoiJ.£vr>i dicö ty)V
Mv^tav ocd xtjC Al^uxTGU, oSsv (ovo(j.daö-Yjaav %al FöcpTot, (r'j--ot.). zo ovojxa Tarpcavo:; tj tö
s'fspav dzo TTjV '[voiav -J^ to sXaßav sie ~^jV opö|xov dTcö xdväv' dXXo sö-vo? Korai, "Araxra
4. Seite 37. '0 szüiJ.o^.öyoc £-0[xo),oy£i (Sev stsopw dv iriaabc) rovo[xa x(öv aipctt7.(bv 'A\)-!,y-
Ydv(ov oüTtoc" dl)-CYY'"''-vo? 6 (xtj {)-£Ä(ov xwl xpoa£YY^'^'^^ ^''^^ t^^'^ i)-CY<'i> ^■'^ y^-P '^''i"*' ^^P^cw
xaöxY;V £yovx£C ofJO£V xap" rj.Xkri'j Xajxßdvooaiv ibid. 711. Pagi, Saint-Martin, Korai sind in
so ferne in vollem Rechte, als ihre Gegner offenbar eine Abstammung der Zigeimer
von den Athinganen annehmen : Beide haben miteinander nichts als den Namen gemein.
Nach dieser Hypothese hätte die Auswanderung der Zigeuner in einer bedeutend
früheren Zeit stattgefunden, als ich ehedem annahm, indem ich, auf die leider sehr
dunkle Geschiclite der arischen Sprachen Indiens bauend, dieses Ereigniss um das Jahr
1000 eintreten liess. Nach der hier dargelegten Ansicht sind die Zigeuner zu Anfang
des neunten Jahrhunderts bereits in Byzanz, also um ein halbes Jahrhundert früher als
die Dzat das Gebiet des griechischen Reiches betraten. Wer die Zigeuner mehr als ein
Jahrtausend vor dieser Epoche in Europa wohnen lässt, der wird Schwierigkeiten haben
die nahen Beziehungen zwischen dem Zigeunerischen und den arischen Sprachen des
heutigen Indien zu erklären. Vgl. Über die Mundarten und die Wanderungen der
Zigeuner Europa's. III. Seite 4. Wenn man auch nicht mit Paspati behaupten kann :
d'histoire entifcre de cette race est dans son idiome', so ist gewiss, dass wir der Sprache
der Zigeuner die werthvollsten und sichersten Aufschlüsse über ihre Geschichte ver-
danken und dass wir ohne die Kenntniss der Sprache nicht einmal den Satz aufstellen
könnten, dass die Zigeuner aus Indien stammen. In der Geschichte der Zigeuner spielen
die aus anderen Sprachen entlehnten Elemente eine hervorragende Rolle.
Aus den armenischen Elementen der Zigeunermundarten Europa's ergibt sich, dass
die Vorfahren unserer Zigeuner auf der Wanderung aus ihrer indischen Heimat nach
dem Westen in Armenien Halt gemacht haben. Es ist jedoch seit langem bekannt und
von Herrn M. J. de Goeje in den , Verslagen en mededeelingen der k. akademie van
wetenschapen. Afdeeling Letterkunde. Tweede reeks. Vijfde deel' Seite 56 — 80 aus
arabischen Quellen genauer nachgewiesen worden, dass auch im Süden durch von
Arabern bewohnte Landstriche Zigeunerhorden nach dem Westen zogen. Es entsteht
nun die Frage, ob auch diese . südlichen Zigeuner Vorfahren der europäischen Zigeuner
sind. Wer die Frage bejaht, muss annehmen, dass sich die südlichen mit den nördlichen
Zigeunern verbunden haben, was wohl nur im Gebiete des griechischen Reiches geschehen
sein kann. Die Ansicht könnte begründet werden durch den Nachweis arabischer Elemente
in den Mundarten der Zigeuner Europa's. Diesen Nachweis versuchte Herr de Goeje an zehn
zigeunerischen Worten zu liefern. Mir scheint der Versuch nicht gelungen. Der Verfasser
zog einestheils Worte herbei, von denen gezweifelt werden kann, ob sie wirklich zigeu-
nerisch sind, theils erklärte er echt zigeunerische Worte in unrichtiger Weise. Es wird
sich diess aus dem angeschlossenen Verzeichniss ergeben. Dadurch wird zwar die Thesis nicht
hinfällig, dass ein Theil der Vorfahren der Zigeuner Europa's unter Arabern gelebt habe,
indem eine genaue Durchmusterung der europäischen Zigeunermundarten ein für dieselbe
günstigeres Resultat ergeben kann; allein der von Herrn de Goeje aufgestellte Satz, dass
,al de Zigeuners een tijdlang onder arabisch sprekende Menschen verkeerd hebben'. kann
Angesichts der armenischen Bestandtheile des Zio-eunerischen nicht bewiesen werden.
(j2 Franz Miki.usich.
agor Ende, Pott 2. 45, wird von Herrn ilo (tocJc mit arab. acliir in Verbindung
gebracht. Griech. agor Spitze, Rand ; arjor^ adv. am ßande ; agordl adv. eig. vom Rande,
liangen mit aind. agra Spitze, äiisserstes Ende, Vorderseite, zusammen.
[alikati). alicati time, turn, span. vez, Pott 2. 59, soll das arab. al-wakt, al-ikat sein.
Das Wort findet sich bei Borrow und ist im günstigsten Falle der Mundart der span.
Zigeuner bekannt: allein selbst diess darf bezAveifelt werden, weil es bei Campuzano,
im Diccionario, bei Jimenez und Quindale fehlt.
(caro). czaro, szahro, szahn Schüssel, Pott 2. 198, ist nach Herrn de Goeje das arab.
(;ahn. Die Form szahn, schon von Pott bezweifelt, ist falsch. Das in zehn Zigeuner-
mundarten als caro , engl, als cora vorkommende Wort wird mit aind. caru Kessel,
Topf in Verbindung zu bringen oder aus dem armen., wo carai Topf, Schüssel bedeutet,
entlehnt sein. Schon Pott hat hind. carüä a large pot beigebracht.
(cliandako). handako Wassergraben, falsch Grab für Graben, Pott 2. 1G5, wird mit
dem arab. chandak vermittelt, worauf schon Pott hingewiesen hat. Da jedoch auch das
mgriech. ydvSau ])ucange und das ngriech. yav":d7.t, kennt, so kann das zig. Wort aus
dem griech. entlehnt sein und kann demnach für einen ehemaligen Aufenthalt der
Zigeuner unter arabisch redenden Stämmen keinen Beweis abgeben. Das Wort kömmt
nur in einer Mundart, der deutschen, vor.
(char, kar). jar, car Hitze, Pott 2. 125, findet sich bei Borrow und, vielleicht aus
diesem, bei Quindale in der Form jar und nur bei diesem. Andere Mundarten als die
span. kennen das Wort nicht, jar, car soll da'B arab. harr sein. An aind. gharma darf
allerdings nicht gedacht werden, denn dieses lautet zig. kham.
choro, richtig chor, tief, Tiefe, Pott 2 164, wird als mit dem arab. ghör identisch
erklärt. Das unzweifelhaft zig. Wort ist das armen, yor tief.
(kaha). c«AflHaus, wofür Pott 2. 91. eine Quelle (Rb.) anführt, habe ich in keiner Zigeuner-
mundart gefunden. Herr de Goeje erklärt das Wort für das arab. ,käha oder vielleicht käch'.
(kes). kesz Seide, Pott 2. 119, ist nach Herrn de Goeje das arab. kazz. Das Wort, griech.
kes^ rumim. tes, tez, M, ungr. kes, span. kechesausw., wird schon von Pott mit pers. Ä:e^ vermittelt.
koter, gotter Stück, Pott 2. 97, soll aus dem arab. stammen, wo das bereits von Pott
herbeigezogene kofa Stück bedeutet. Das allen Zigeunermundarten Europa's bekannte
Wort ist das armen, kotor.
mochton, genauer rnochto, Pott 2. 437, wird mit arab. mosjtän (mostän) zusammen-
gestellt, das nach Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft 20, Seite 506. 507, den
.mechanischen Apparat der Horoskopsteller, Gaukler' bedeutet. Das Wort lautet ungr.
mosto Trulie, böhm. mochto, deutsch mochton Dose, Schachtel, skand. mokti Büchse, engl.
möchte, mökto. Der Ursprung von mochton ist mir dunkel.
IV. Andere Erkliirinigen des Namens , Zigeuner'.
. Ich halte dafür, dass durch das oben Gesagte der .seinem Ursprünge nach sehr wenig-
deutliche und gerade deshalb am meisten bequacksalberte Name Zigeuner' so sicher er-
klärt ist, als bei einem Gegenstände dieser Art nur immer erwartet werden kann. Wer
die älteren Deutungen dieses Namens, die in Grellmann's Buch, 228 — 249, und in Pott, '
1. 44 — 47, zusammengestellt sind, prüft, wird wenigstens eines einräumen müssen, dass
nämlich der Herleitung des Wortes ^igeuner aus aHiycjyA für denjenigen, der die
Zwischenglieder kennt, keine imüberwindlichen sprachlichen Schwierigkeiten entgegen
♦
Über die Mundakten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's vi. 63
stehen, während die älteren Erklärungen eben an diesem Widerstände sclieitern. Dass
aber auch die neuesten Erklärungen nicht annehmbarer sind als die älteren, ero-ibt sich
aus den von den Herrn M. J. de Goeje und Paul Bataillard ausgesprochenen Ansichten.
Des ersteren Erklärung steht in: Verslagen en mededeelingen der koninklijke akademie
van wetenschapen. Afdeeling Letterkunde. Tweede reeks. Vijfde deel. Eerste stuk.
Amsterdam, 1875. Seite 76. Herr de Goeje bemerkt vor allem, die Zigeuner hätten
sich zu allen Zeiten durch ihre musikalischen Talente hervorgethan , es liege demnach
nahe das Wort Zigeuner durcli ,Musikanten' zu erklären, und fährt dann auf folgende
Weise fort: ,Inderdaad beduidt het perzische woord tsjeng een soort van harp of cither
die in het Oosten veel gebruikt wordt, en tsjengl is, evenals vroeger, nog heden in Perzie
en Turkije een gewoon woord von ,muzikant' en ook vor ,danser'. In äit tsjengl is de I
eigenlijk de arabische uitgang van het nomen relativum, doch kan ook beschouwd worden
als de perzische uitgang van het nomen unitatis. Naar deze opvatting mag het woord
tsjeng vor de danser, de muzikant als soortnaam gebruikt en hiervan met den perzischen
uitgang an de pluralis tsjengän gevormd worden, naar analogie van 7nerd , de mensch,
als soortnaam, merdi, een mensch, een individu, merdän, menschen, of, de menschen. De vraao-
is alleen of men inderdaad tsjengl aldus heeft opgevat, of t>ijeng derhalve in de opgegeven
beteekenis vorkomt. Het antwoord hierop heb ik aan mijn vriend Dozy te danken die
mij gewezen heeft op een voorbeeld in de Dutzend en eene nacht., en de v^erklaring van
het woord door Lane in zijne vertaling van dit werk. In 't byzantijnsche rijk moet dan
de beroepsnaam tsjengän tot eigennaam geworden sijn. Want van daar volgt hij de
Zigeuners tot naar West-Europa, en van daar is hij door de Türken in Azie als eio-ennaam
teruggekeerd. Men vindt in het turksche rijk, zoowel in Europa, als in Azie en Egypte,
tsjengän.^ of tsjengäne met een nieuwe pluralisvorming als naam der Zigeuners, naast
tsjengl, dat, zooals boven gezegd is, muzikant of danser beduidt.'
Herr Paul Bataillard hat in seinem Aufsatze: Sur les origines des Bohemiens ou
Tsiganes avec l'explication du mot Tsigane, abgedruckt aus der Eevue critique vom
25. September, 2. und 9. October Paris 1875, und in: Sur les origines des Bohemiens ou
Tsiganes. Les Tsiganes de Tage du bronze usw., abgedruckt aus den Bulletins de la
Societe d'anthropologie vom 18. November und 2. December Paris 1876, einen Gedanken
von J. G. Hesse, Vivien de Saint-Martin und Malte- Brun aufgenommen und dem
Namen Zigeuner den Namen der am linken Ufer des Istros ansässigen Itjuwac Herodot's
5. 9. zu Grunde gelegt. Derselbe äussert sich Seite 25 der erstgenannten Schrift, seine
Ansichten zusammenfassend, in folgender Weise : ,En resume ^tyüvoc, ancienne forme
grecque du nom que les Tsiganes portent encore aujourd'hui dans tous les pays de
l'Europe Orientale, d'oü il a rayonne un peu au-dela et un peu en-de9ä, signifiait
simplement javelot, pique, etc., soit que le nom de la chose ait passe ä ceux qui la
fabriquaient, soit que le nom ethnique des fabricants ait passe ä la chose. Puis ce nom
ethnique, qui, en tant que nom commun, avaient en grec ancien des formes assez diverses,
notamment celle de aiß'JVTj et de ß=)>oc, est devenu en grec du moyen-age ■/.azCißsKoz,
qui signifie un peu plus explicitement fabricant de javelots, fleches, lances, epees; et
c'est la encore aujourd'hui le nom grec des Bohemiens le plus repandu, non-seulement
en Grece (oü on les appelle aussi 'A^CtY^avic ou Av^tYy'y.vo;, et F'jcfco?, Egyptien), mais en
diverses regions de la peninsule des Balkans oii le grec a penetre. Enfin ce nom, que
les Turcs ont trouve en Chypre, soit sous sa forme anciennes de Srcovoi;, dejä sans doute
64
Fkanz Miki,osic».
transformö en Cingani que nous y renconti-ons au XV siecle, soit sous la forme plus
moderne de y.azCi^jzl'JZ, soit plus probablement sous l'une et Tautre forme, qui s'expliquaient
l'une par l'autre, a ete traduit dans cette Ue par kilindjiridcs, mot turc flanqu6 d'une
terminaison o-rccque, qui signifie plus particuliferement fabricant d'epees. La meme chose
est arrivee a Ilhodos, avec cette seule difference (pie le mot kaldji est demeure purement
turc saus addition de finale grecque. Ainsi se trouve tout ä la fois explique le nom
myst6rieux des Tsiganes, et prouvee leur identit6 originelle avec les anciens )Li-('jyA ou
ItYUVvat. et par suite aussi celle des Sinti actuels avec les anciens Xivrisc, en meme
temps que le rapport des uns et des autres avec les anciens metallurges cabiriques se
trouve aussi confirme par la signification meme du nom des premiers'.
Ich enthalte mich jeder Kritik der hier mitgetheilten Ansichten, die ich mit den
eigenen Worten ihrer Urheber vorlege, damit der Leser sie selbst zu prüfen in die
Lage versetzt werde.
Armenische Elemente im Zigeunerischen.
arcic Blei. Armen.
Griech. arcic i, arkici, artici Zinn. Rumun. arclc Blei Buk. arcioi Zu. arslc
Bessar. Ungr. arcic Blei, arcieano bleiern. Böhm, arcic. Vgl. pers. erziz hind. arziz.
bow Schmelzofen.
Griech. bov m. Ofen. Rumun. bov Gal.' I. boü Buk. Ungr. bof Unghv. Böhm.
bov m. Deutsch böb Lieb. Poln. bou Narb. 161. Russ. bov Böhtlingk 265. Skcmd.
bau. Pott 2. 405.
camb Futter; cambel füttern.
Griech. cam f. Speise, Brot, camkeräva, camukeräva kauen, camurdikanes adv.
gekaut, undeutlich (vom Sprechen, ngr. |JLaa'/]|X£VOc). Rumun. camb abnagen Buk. Ungr.
chamlo Brot. DeutscJt cammeväva kauen; cammerväva reden. Skand. c a ml a kauen.
cafai Topf, Schüssel.
Griech. carö m. Teller. Rumun. car6 Schüssel. Ungr. caro. Böhm. cäro. Deutsch
cäro Lieb. Poln. faro catinus Narb. 159. Russ. carö, ßäro Böhtlingk 24.266. Skand.
6aro Gefäss. Ital. car6 Teller Ascoli 130. Engl, cöra a plate. Hiebei ist aind. caru
Kessel, Topf nicht unerwähnt zu lassen. Pott 2. 198.
dudüm Kürbiss.
Griech. dudüm m. Ungr. du dum, du du. Engl. Vgl. diidum belly, womb.
dzar, car Haar.
Griech. dzar f. Haar, Faser, dzarjalu behaart. Ungr. dzär Haar, Borste, dzar ja
pl. Bart, dzarvälo haarig. Böhm, dzar f. Haar, dzarälo haarig. Man vgl. jedoch
aind. gatä Flechte, faserige Wui'zel. Verschieden scheint: Griech. cor, dzor f. Bart. Rumun.
Sor, rton. Ungr. c6ra f. Böhm, cor m. Barthaar. Russ. cöra Bart. Span, con Bart.
gn-al gehen.
Rnss. te roz-genes auseinander gehen Böhtlingk 263: das Verbum gen ist mit
dem russ. Praefix rozt verbunden.
grast iumentum Lastthier.
Griech. grast, gras, grai, gra Pferd, grastni, grasni, grani Stute.
Rumun. grast m. grazni f. Buk. gras m. grasni f. Serb. Ungr. gra pl. grasta
Über die Mundaeten und die Wandeeungen dek Zigeuner Eueopä's. vi. 65
m. grasni f. Böhm, grast m. grasni f. Deutsch grai m. grasni f. Poln. graj,
sg. acc, gl- es m. grasny f. Russ. graj. gr astöro demin. m. grasny f. Skand.
grei Ital. grast, grast m. Bask. grami iii. crashnia f. Engl, grei, gra,
davon das adj. greiesto m. grasny f. Span, graste m. grasni, grasti f.
■/ant-el jucken.
Böhm, cliandzel. üngr. handzol, chandzava Sirm. Pohl, cliandzolo
Pruritus Narb. 165. Engl, hon dz to itcli, tlie Itch. Pott 2. 167.
chmor Sauerteig.
(iriech. cliomer m. Teig. Rumun. chumer, cliomer. üngr. liumer Teig, Brotkrume.
Böhm, eliumer Teig, c ]i u m e 1 Brotkrume. Span, chumeri, chumeri Brot. Pott 2. 159.
yor tief.
(xriecli. clior adi. tief; subst. Tiefe. TJngr. bor. Böhm. chor. Deutsch choro.
Pohl. chor. Russ. chor. Span. gorö. Pott 2. 164.
jesän Schleifstein.
Rumun. asan f. Schleifstein Buk. Aind. ^äna, säna, ^äni: s für aind. s spricht für
Entlehnung aus dem armen.
karküt Hagel.
Griech. kukkudi. Der Zusammenhang mit dem armen, karküt ist wahrscheinlicher
als der mit ngr. v.o'jxt Bohne, agr. •/.öv.-Ao; Kern.
kocak Knopf.
Rumun. kocak Knoten Bessar. üngr. kot'ak Knopf. Böhm., kocak f. Deutsch
gocikk Lieb. Skand. kocik. Vgl Pott 2. 131.
kotör Stück.
Griech. kotor. demin. kotorica. Rumun. kotör m. kotoricä pL Stückchen
Buk. Ungr. kotor. Böhm, koter. Deutsch gotter. Skand. kottro. Engl, kötor.
Span, kotor e. Dem armen, kotor wird wohl das arab. kota weichen müssen, womit
Herr de Goeje 78. das zig. Wort in Verbindung bringt.
kurak Füllen.
Griech. kliuru, kfuro, kurö m. Füllen. Rumun. khurö, kuro Buk. üngr.
k h u r o ; k u r 6 , k d r o. Böhm, k h u r d o Hengst Puch. 2 1 , lüchtig k h Q r o, das 42 steht.
Pohl, kurro Hengst, kuroro Füllen. Russ. khurö Hengst, khurorö Füllen.
Finn. khuro Hengstfüllen, kuri Stute Bugge 147. 148. Skand. kuro Füllen. Span.
kururö. Vgl- npers. kürrah. Die Aspiration lässt eher an armenischen, als an persi-
schen Ursprung denken.
morf Haut.
Griech. morti f. Fell, Leder. Rumun. morti, murfe, murfi, murci Haut Buk.
morki Bessar. moröi, morci Sirm. Ungr. mortin f. Böhm, morfhi f. Deutsch
m ortin, morcin. Bask. mortcia. Engl, mütsi, mütska. Span, morcas.
mrcjün, mrcimtn Ameise.
Rumun. musonöj Ameisenhaufen Buk. Dem Worte liegt armen, mrcjün zu Grunde: oj
scheint ein zig. Suffix zu sein; vocalisches r geht nach m in u über; die Verwandlung
des c in s ist eine Eigenthümliclikeit des rumun. Zigeunerisch Ameise heisst bei den
böhm. Zigeimern handa, haAda Puch. 40. 69; bei den ungr. handa; sonst kiri:
Griech. kiri f. Deutsch gerria. Pohl, kirdza. Engl. kria. Span, kiria.
Deiilschiiften der pliil.-bist. Cl. XXVI. Kd. 9
gß Franz MiKLOSicH. ÜnuK die Mundakten und die Wandeiuingen der ZuiEUNER Eukopa's vi,
pativ lillue-, patvel ehren.
Griedi. pakjäva glauben, vertrauen, pakjano treu. Rmriun. pakiii, pakio
foi, honneur. paeao je erois Vaillant 58. 61. 120. patu Ehre. Un()7\ patav glauben,
trauen, pafiben Glaube, Ehre. pa(;iu Sirm. Böhm, pafav glauben, pativälo treu,
ehrlich. Deutsch pacäva glauben, patuv, patib Ehre, liasx. to patjas glauben.
Skand. pasa trauen, pasano ti-eu. pasipa Treue. Engl, pätser to believe. patsova
I believe. pätsaben belief. Span, pacabclar, pancabclar glauben, pancabo
Glaube, paei honour, modesty, virginity. pacibo Ehre, paeibalo honest, espa-
cilar desflorar.
por Baueh ; poroti Eingeweide.
Griech. per, por, pol, bor m. Bauch. Riimim. per, pir Vaillant 57. 122. p:5r,
por Darm, Bauch. Ungr. per. por Sirm. Böhm. per. pervälo bauchig, pora Ein-
geweide. Deutsch perr. Foln. per. Russ. per. Basic, porra. ItaJ. por. Engl.
per, pur. Span, po, poriä m. Bauch, poria, porria Eingeweide. Die Aspiration
fehlt auch bei anderen Wörtern. Vgl. hind. pet belly; peru the lower part of the
belly; sindh. petu.
posi Staub.
Griech. posik f. Erde. Rumim. pos Staub Vaillant 63. 123. pus 123. TJngr.
posi Sand. Böhm, pösi Sand.
psranlc pl. Brosamen-, psrel zerstossen.
Rumnit. pursuka pl. Brosamen.
t'agavor König.
Griech. takar, takhar, taghar, dakhar, dakär. Rwimm.. tagar Vaillant 130.
thafikh, tlialikh Filz.
Rumuu. thalik schafwollenes Kleid Buk. talig Serb. Ungr. thalik Herren-
gewand. Rock ohne Ärmel. Böhm, thalik f. Mantel ohne Ärmel.
vogi, liogi, ogi Seele.
1. Griech. ogi m. f. Herz, Seele, Muth. ongl Magen, Herz, Wille, dukdla man
m' ogi je souffre de mon coeur. ogororf deminut. ogi däva ich sterbe. Rumun.
odhi, odi m. Mutterleib, Herz: morö odi, raklö odhesko rumun. kopil de suflet
Adoptivsohn, vodalo muthig Buk. ogi Herz Serb. Ital. ogi Seele. Span. oci. Asiat.
gi. 2. Ungr. vodi Herz, Seele, vodi. Böhm, vödi Athem, Seele. Deutsch vödi
Hirn, Seele. 3. Griech. godi, gotl m. f. Verstand, godjaver verständig. Rumun.
godi. godaver. godi Hirn Serb. Ungr. godi. godjaver. Böh7n. godi. godavel.
Deutsch godi. godzvero. Foln. godi Hirn, godzy intestinum, godziavir. Russ.
gody. godjaver. Skand. gosvardo verständig. Engl. g6zvero artful, sly.
4. Deutsch dsi (dzi), si (zi) Seele. Poln. dzi. Russ. di. Skand. si (zi) Herz. Engl. zi.
ogi, vodi, godi, zi scheinen mit vogi zusammenzuhängen.
vus Werg.
Griech. vus, vus, pus Lein. Ungr. vus Hanf.
DER NEBEL DER KLAGE.
EIN JAPANISCHES ZEITBILD.
D«. A. PPIZMAIER,
WIRKLICHEM MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DKK WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNCi AM 1.5. MAI 1H76.
Die vorliegende Abliandlung, in einer Erklärung des japanischen Literaturwerkes
'^ 5 ^ '^ft foko-natsit-sb-si bestehend, liefert die auf mehrere Capitel vertheilte
Schilderung eines in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts fallenden Ereignisses, in
welchem, obgleich mehr in Bezug auf häusliches als auf öffentliches Leben, ein Bild
der damaligen, noch durch Bürgerkriege bewegten Zeit vor Augen tritt.
Der japanische Titel Toko-iiotsii-so-si bedeutet eigentlich ,Nelkenschreibebuch' und
wurde der Erzählung deswegen gegeben, weil eine der handelnden Personen den Namen
Nade-si-ko ,Nelke' führt, wobei jedoch toko-natsu, das Synonymum von nade-si-ko, herbei-
gezogen wurde. Ueber das Wort selbst bringt die Einleitung einige Bemerkungen.
Der Styl des von ÖÖ '^ j^ ^ Kioku-tei Ba-kin verfassten Buches ist ein
sehr vortrefflicher und gebildeter, an vielen Stellen nicht eben leicht, mit zahlreichen
Archaismen, unter denen manche erst hier kennen gelernt wurden und in den zugäng-
lichen lexicographischen und philologischen Werken der Jajjaner nicht vorkommen.
Das Wichtigste dieser Art Wurde an dem Ende der einzelnen Abschnitte mit kurzen
Worten jedesmal erläutert.
Der aus Holland bezogene japanische Text ist nirgends mit einer Jahreszahl ver-
sehen. Indessen geht aus einer hinzugefügten bibliographischen Anzeige mit Gewissheit
hervor, dass derselbe im Anfange dieses Jahrhunderts zu Je-do erschienen ist.
Die Abhandlung wurde nach der dem ersten Capitel gegebenen Ueberschrift :
Nageki-710 kiri ,der Nebel der Klage', einem aus dem Man-jeu entlehnten Ausdrucke,
benannt. Das Man-jeö sagt nämlich :
Oki-tsu ^ (kaze) itaku P^ (fuki)-na-ha wagimo- -^ (k'')-ga nageki-no kiri -in
iioamasi-mono-wo.
Wenn der Buchtwind | heftig weht, | meiner jüngeren Schwester | Klagenebel, j
) dass ich in ihn gerathen wäre !
Die nächsten zwei Capitel führen die Ueberschrift: Nageki-no rnori ,der Wald der
vlage'. Die Gedichtsammlung Ko-kon-siü enthält die entsprechenden Verse :
68
Pfizmaier.
Negi-goto-ico sa-norni i-i-ken jasiro koso fate-iva naqeki-no mori-to naru-rame.
AYo des Gebetes Worte | so nur luuu wird gesp]H»elieii luibcn, | der Altar, | zuletzt
der Klage | Wald wird er werden.
Die Gedichtsammlung ^ TJ^ Fu-boku enthält die Verse:
Matowariiru nageki-iio i^i (mori)-vo sa-ne-kadztira tajenu-ja ß^ (Jitu)-m> tsurasa naru-run.
Umgeschlungen | die Wurzelwinde ] des Waldes der Klage, | unzertrennt wohl, | der
Kummer der Menschen wird sie sein.
Die übrigen Capitel, obgleich andere Ueberschriften tragend, wurden als Foi-t-
setzungen betrachtet.
Die oben angedeuteten werth vollen Bemerkungen der Einleitung lauten :
Kusa-no fana-no o-o-karu naka-ni | ito nw-de-taku ohojuru-wa \ toko-natm-no fana narl
kasi. Kono fana aki-ni saki-datsi-te \ sakari mata fisasi. ^ ^ (Tei-ka)-ke6-no \ fito-fana
sakeru-to jovii-tamai-ken \ simo-gare-no-be-ni-mo \ mare-ni-wa ari-keri.
Unter den vielen Blüthen der Pflanzen sehr ausgezeichnet denkwürdig düi-fte die
Blüthe der Pflanze toko-natsu (Nelke) sein. Diese Blüthe erscheint im Herbste zuerst,
und ihre Fülle ist auch von langer Dauer. Selbst auf dem vom Reiffrost erstorbenen
freien Felde fand man sie zu seltenen Zeiten, was der ßeichsminister Tei-kai durch den
Vers: ,Eine Blume ist erblüht' bezeichnet haben wird.
Kaku-te sono i-meu mata o-o-kari. Madzu ^ ^ (nade-si-ko)-to ije-ba ^ (ko)-wo
omö I oja-no kokoro-no ts7iju ito fiücasi. Jamato-nade-si-ku \ kara-nade-si-ko \ idzure-tva arc-do
fito-no makoto-ni \ koto-naru koto-no naki mama-ni \ jagate iru-ni-ja ide-tsuran. Mata ^ Yi
(seki-tsiku)-to-vio kore-wo iü josi \ fon-so-ko-moku maki-no ziu-roku \ ^ ^ (ku-haku)-no
^^ ii^ (siahi-meu)-ni mije-tari-keru. Sare-ha ■man-jed-sm-ni-u-a ^ 'Ys (seki-tsiku)-to kaki-te
nade-si-ko-to jomasi-tare-do \ tosi-jori-ason-iua ^ (zi)-no gotoku \ ^ (isi)-no Yf (take)-to
jomi-tamai-nu.
Sonst gibt es auch viele sinnverwandte Namen. Wenn man sie vorerst nade-si-ko
(Kind, welches man gestreichelt hat) nennt, so ist der Thau des den Sohn liebenden
Vaterherzens sehr tief. Nelken von Jamato, chinesische Nelken gibt es jedenfalls, doch
werden sie den Menschen, gerade als ob es keinen wirklichen Unterschied gäbe, so
vorgekommen sein. Warum man sie ferner seki-tsiku , Steinbambus' nennt, ist in dem
sechzehnten Capitel des Pen-thsao-kang-mb, bei der Erklärung des Namens kül-ml (Nelke)
zu sehen. In dem Man-jeö-siü wird seki-tsikit geschrieben *id nade-si-ko ausgesprochen.
Gleichwohl luxt Tosi-jori-ason den Schriftzeichen gemäss isi-no take (Steinbambus) in
<lem Gedichte gesagt. i
Kono takl-tsiku-ni tsi-nami-tarn \ mono-gatari itsi-deo ari. Sa-ica nw-siwu-gnsa-ni \
mukasi tori-ta-no toki-nusi-to iü masura-wo ari-keri. Waga ije-no usiro-no jaina-ni \ ^ (reo)-
aru isi-no fito-wo najamasu ari. Jori-te toki-nusi \ kudan-no isi-wo i-tari-keru-ni | sunaivatsi ■
ja-wa tatsi-te niücezu. Tsui-ni fana saki-nu \ sono fana seki-tsiku nari. Fana kasanari-ie
säku- I to sirusare-tari. Sare-ha mata fu-hoku siü-ni. i
Es gibt eine mit diesem Steinbambus (Nelke) in Verbindung gebrachte Erzählung. So
steht in dem Mo-siwo-gusa verzeichnet : Einst lebte ein tapferer Mann, Namens Tori-ta-no
Toki-nusi. Auf dem Berge hinter seinem Hause quälte ein geisterhafter Stein die Menschen. |
Als deswegen Toki-nusi nach diesem Steine schoss, blieb der Pfeil stecken und ging
nicht heraus. Zuletzt blühte eine Blume auf, welche der Steinbambus war. Die Blume i
blühte wiederholt. — Es helsst auch in der Gedichtsammlung Fu-boku:
Der Nebel dek Ki.aue.
69
# (Kimi)-ga ^^Oo)-no tamesi-ni ^| (ßko)a ^ 0 ^ (kasu-ga-no)-wa :^ (isi)-no
'Yi (take)-)ü-mo :^ I^ (fana-saki)-ni-kcri.
Das als Weise des Zeitalters | des Gebieters anfiiliren man wird, | das Feld von
Kasu-ga, | dort auf dem Steinbambus auch | sind Blumen erblüht.
Der Verfasser dieser Verse ist Tosi-jori Ason.
Mata kafa-mi- ^ (gusa)-to-mo iü nari. :^ ^ ^j; (Baku-ten-seoJ-ni \ mukasi jamato-no
kuni-ni \ fito-no ko-no nade-si-ko-wo tsukuri-tari-keru-ga \ sono notsi ^ (.v)-site \ uja waga
ko-no tsukuri-taru nade-si-ko tote kore-tco mosu nain.
Sie heisst auch kata-mi-gusa ,die Pflanze des Andenkens'. Nach dem Baku-ten-seO
liatte einst in dem Keiche Jamato der Sohn eines Menschen Nelken gebaut. Als er
gestorben war, gab ihnen der Vater, weil es die von seinem Sohne gebauten Nelken
waren, diesen Namen.
^ (Ki)-te ^ (ml)re-ba naki ^ (ß')-»^ A (fito)-no kata-mi- ^ (gusa) iku-taU
ware-wa ^^ (sode) nurasu-ran.
Als ich kam und sah, | war es die Denkpflanze | des todten Menschen der Welt, j
Wie oft wohl ich | den Aermel befeuchten werde?
In der Gedichtsammlung Fu-boku heisst es :
% ^ (Nade-si-ko)-no :fg (fana) saki-ni-keri nakl A (ßo)-no |^- (koi)-si-ki toki-ni
joki kata-mi- ^ (gusa).
Der Nelke | Blüthen haben sich erschlossen, | wo der todte Mensch | ersehnt ist, um
diese Zeit | des guten Andenkens Pflanze.
Der Verfasser dieser Verse ist Mi-tsune.
Mata natsukasi-gusa-to-mo iü nari.
Man nennt sie auch natsukasi-gusa ,die Sehnsuchtspflanze'. In der Gedichtsammluno-
Fu-boku heisst es :
Josojete-no kai koso na-kere ^% \ (matsu ßto)-no kozu-no toko- ^ (natsu) 1^ {fana)-ni
sake-domo.
Des gleichstellenden | Frommen mag nicht sein, | hat die Nelke des Nichtkommens '
des Menschen, den ich erwarte, | zur Blume sich auch entfaltet.
Der Verfasser dieser Averse ist Saki-no Tsiu-na-gon.
In der Gedichtsammlung Sino-no me-seo heisst es :
Furu-saio-to kore-ni-zo ^^ (omo) fu ^ (nat.m)-goto-ni natsukaai- ^ (gusaj-no ^^
(sode)-no karenaici.
Der Heimathsort, | an diesen wo ich denke, ] jeden Sommer j ist der Sehnsuchts-
pflanze I Aei'mel scharlacliroth.
Der A'erfasser dieser \'erse ist unbekannt.
Nade-si-ko-to iü-wa \ kono kusa-no fon-meö nari. Soine-dono-no kisaki-wo \ nade-si-ko-no
-f^P (go)-to mbse-si-ka-ba | imi-na-wo sakete \ toko-natsu-no fana-to iü josi \ suke-mori-seö |
(i-o-kagami ura-gaki- ^ (t6)-ni mije-tari-to nan.
Nade-si-ko ist der ursprüngliche Name dieser Pflanze. Da die Kaiserin Some-dono
die Gemalin Nade-si-ko genannt wurde, vermied man diesen Namen und nannte die
' Das Wa-kun-siwoi'i sagt, dass in dem Man-jeu-siü der Ausdruck kosu-no toko-natm vorkommt. Es lieisst, dass ko.m das
Feld Kosu-no in dem Keiclie Setsu bedeute. Der Sinn wäre somit: Nelke von Kosu. Das Wa-kun-sivvori meint jedocb
dass dieses eine falsche Lesung des Mau-jeö-siü sei. Aus der obigen Scbreibart kozu ergibt sieb der Sinn: nicht kommen.
7Q Pfizmaier.
J'flaiize: foko-natsu-no fana ,dle Blume des beständigen Sommers'. Dieses ist in den
Aufzeichnungen Suke-mori's, in den Aufschriften des grossen Spiegels, zu sehen.
Natsu-jori aki fiijn. tni-tükl-nl wataru mono nare-ha \ toko-natsu-no fana-to tono. Tokn-
oiatsu-to-wa \ tsune-no ^ (gi) nari- \ to sude-ni aru mo7io-ni ;^ (tsiü)-si-fnri. Mala ^
(sagi)-nade-si-ko kmvara-nade-si-ko-tö-no sit-siju ari. Ko-ica tada fana-no katatsi-ni jori-te
nadzuke \ aru-wa sono iro-ni jori-te na-dzuke-tara nomi | o-o-kata-wa tagawazu.
Da sie drei Jahreszeiten, Sommer, Herbst und Winter, erlebt, nennt man sie die
Blume des beständigen Sommers. Dass toko-natsu den Sinn des Beständigen hat, ist
bereits von Peinigen dargelegt worden. Es gibt auch Reihernelken (sagi-nade-si-kn)^
Nelken der Flussebene {kawara-nade-si-ko) und mehrere andere Arten. Diese werden nur
nach der Gestalt der Blüthen benannt. Andere werden nur nach der Farbe benannt.
Sie sind im Allgemeinen niclit verschieden.
Haie kore-ra-no "j^ ^ (ko-ka)-jori omoi-okosi-te | kasa-ja natsio-to \ ta-zima sei-ziü-rb-ga
itsi-go sei-sui-no mono-gatari-ica ide-ki-ni-keri . Jori-te toko-natsu-so-si-to iü \ kore-mo mata
toko-natsu-ni \ sakari-ßsasi-ku j^ 0o)-ni okonaware-jo- \ to koto-fogi-taru \ fiomi-ja-ga tame-ni
iü-ni ni-tari.
Indem man aus diesen alten Gedichten in die Gedanken rief, ist die Erzählung
von der gleichzeitigen Fülle und dem Schwinden Kasa-ja Natsu's und Ta-zima Sei-ziü-rö's ^
hervorgegangen. ])alier heisst es das Nelkenschreibebuch. Dasselbe bleibe auch als
beständiger Sommer, von Fülle lange während, in der Welt im Gange ! — Dieses Gebet
scheint man des Bücherhauses wegen zu sagen.
Der Nebel der Klage.
Ima-wa mukasi \ musasi-no kuni ta-fa-gawa-no ivatari tsikaki | ko-te-sasi-wara-to iü ara-
no-wa I sono kami mono-no gu-no ko-te sasn takami amata woreri. Kama-kura seo-gun-ke-no
toki-ni-wa \ ito su-ge-naku nari-te \ ije-iva kazuru-ni-mo tarazu naiü-ni-kere-do \ natco sono
nagori tote \ ko-te-sasi-icara-to nan tonaje-keru.
Vordem wohnten auf der in der Nähe der Ueberfahrt des Flusses von Ta-ma, Reich
Musasi, lieg-enden wüsten Ebene Ko-te-sasi-wara viele Künstler welche Armschienen
für Rüstungen verfertigten. Obgleich zu den Zeiten des Feldherrnhauses von Kama-
kura grosse Ungunst der Verhältnisse eintrat und die Zahl der Häuser eine unbeträcht-
liche wiu-de, nannte man, weil deren noch immer übrig waren, die Gegend : Ko-te-sasi-
wara (Ebene der Armschienenverfertiger).
Ta-ma, ein Kreis des Reiches Musasi, hat ursprünglich die Aussprache ta-fa, wie
aus dem W^erke Wa-na-seo zu ersehen ist. ^
Sono kami ,vordem' ist keine eigentliche Wiederholung, da ima-xca mukasi ,vordem'
sich auf das Ganze der Erzählung bezieht.
Kaz6ru-ni-mo tarazu bedeutet wörtlich: nicht zählenswerth.
Nach dem Sio-gen-zi-kö liegt die Ebene Ko-te-sasi-wai-a in dem benachbarten Reiche
Simösa, Kreis Katsu-sika, eine Angabe, die von dem oben und weiter unten Gesagten
bedeutend abweicht.
' Diese zwei Personen kommen erst in der zweiten Hiilfte des Buches vor.
2 Wurde in der Abhandlung: jTelier japanische geograpliische Namen' anjjezeichnet.
Der Nebel dek Klage.
71
An-toku-ten-v:b-no dzi-seö go-nen urü ni-i/uafsu ni-ziü-san-nitsl \ ^, 03 (si-da)-no zen-sed
W. M (josi-firo)-to yh |1| (ivo-jama) |g IE (tomo-masa) \ ^ jE (nume-masa)-ra-to
katisen-nu toki \ josi-firo-ga kata-udo \ ^ %\\ (asi-kaga)-7io sitsi-ro ^ ||| fari-tsunaj-ra |
ko-te-sasi-u-ara j yJ^ f^ (ko-tsutsumij-to-no sio-sio-ni oi-te kassen-m- \ to j^ ^ (adzuma-
kagami)-n i mije-tari.
Zu den Zeiten des Kaisers An-toku, am drei und zwanzigsten Tao-e des zweiten
.Monates, eines 8chaltmonates, des fünften Jahres des Zeitraumes Dzi-seö (1181 n. Chr.)
als Josi-firo, Frühgeborner von Si-da, mit Tomo-masa und Mune-masa von Wo-jama
kämpfte, kämpften Asi-kaga-no Sitsi-rO und Ari-tsuna, Anhänger Josi-iiro's, auf der
Ebene Ko-te-sasi-wara, an dem kleinen Damme und an anderen Orten, wie in dem
Spiegel der östlichen Länder zu ersehen. '
Notsl mata go-kiio-gon-in-nu Imn-wa guan-nen | ^ g (nitta) seo-sio ^ ^ (josi-mune)-
|g £ (ason)-to I ^ :f^ ^ (tÖ-dzi-in) ^ ^ ^ (taka-udzi-kio)-to \ musasi-no-ni oi-te
kassen-no toki \ taka-udzi-no ikusa \ ko-te-sasi-icara-nite ntsi-jahurare | josi-mune-ason-ni itaku
owarete \ ban-to-mitsi si-ziü-roku-ri-wo ajegl-ajegi \ isi-fama made nige-tamb josi | tai-fei-ki-ni
luije-tari.
Später wieder, zu den Zeiten des Kaisers Go-kuö-gon, im ersten Jahre des Zeit-
raumes Bun-wa (1352 n. Chr.), als der kleine Heerführer Josi-mune Ason von Nitta mit
dem Tö-dzi-in, dem Reichsminister Taka-udzi auf dem Felde von Musasi kämpfte wurde
das Heer Taka-udzi's auf der Ebene Ko-te-sasi-wara geschlagen, er selbst floh von
Josi-mune Ason heftig verfolgt, auf einer Strecke von sechs und vierzig ßi des Bantö-
weges athemlos bis Isi-fama, was in der Geschichte des grossen Friedens zu sehen. -
Bantö ist gleichbedeutend mit Kuan-tö ,die Reiche des Ostens'.
Ko-te-sasi-iuara-ioa | ima sono tokoro-ivo tsubara-ni sezare-domo \ musasi-no-ni, towo-
karane-ha \ ni-i-kura kowori-no utsi naru-hesi. Notsi-nu fito \ tada tai-fei-ki-wo norid ^
(■veu)-to Site I ko-te-sasi-u-ara-no koto-tvo $ßi (dan)-zure-domo \ adzuma-kagami-wo fiku mono-wo
mizu. Adzuma-kagami-ni sirusu tokoro-n-a | tai-fei-ki-ni masi-te \ sio-sio-no sato-no ^ (na)
5^ lÄ (ren-zoku)-seri. Sono kami-no kama-kura f^ jM) (kai-döj nari-si koto j vtagu-be-karazu.
Die Lage der Ebene Ko-te-sasi-wara ist jetzt zwar nicht gewiss, da sie aber von
<leni Felde von Musasi nicht weit entfernt ist, muss sie sich in dem Kreise Ni-i-kura
befinden. Die späteren Menschen sprechen von der Ebene Ko-te-sasi-wara, indem sie
sich einzig auf die Geschichte des grossen Friedens berufen, allein man sieht nicht,
dass sie den Spiegel der Östlichen Länder anführen. Was der Spiegel der östlichen
Länder verzeichnet, ist mehr als dasjenige in dem Tai-fei-ki, es werden die Namen der
verschiedenen Bezirke neben einander gestellt. Es lässt sich nicht bezweifeln, dass sie
vordem die Strasse zu dem damaligen Kama-kura gewesen.
Kudan-no fara-ni \ ko-te-isi-fo tonbru '|5 ^ (kuai-seki) ari. Tsune-ica kusa-ni udzumare-
tare-do \ sono ^ (na) ono-dzukara taka-kari. Mosi ^ li^ (gi-sin)-no fare-gataki koto am,
inouo kono isi-ni mnkai-te tsikai-ioo sure-ha | zen-aku zia-seö tatsi-dokoro-iii arawarunc tote \
^ ^ (i-me6)-ivo tsikai-no isi-to iü josi \ M ^ (ri-zoku) P ?^ (ko-ßj-ni tsntaje-tari.
Mata kano ta-fa-gawa-wa \ ko-te-sasi-tcara-jori \ ban-to-mitsi ziü-ri bakari-mo fedatsuru-ni-ja \
knica-no kami naka simo-nite ^ j^ cn-kin naru-besi.
' In dem zweiten Capitel des genannten Werkes, wie eine Anmerkung liesagt.
- In dem 31. Capitel des genannten Werkes, wie eine Anmerkung besagt.
nn Pl'IZMAIKR.
Auf dieser Ebene befand sich ein wunderbarer Stein, welcher der Stein derxVrmschienen
genannt wurde. Obgleich immer unter Pflanzen vergraben, hatte er grosse Berühmtheit.
Wenn Jemand, für den es etwas Zweifelhaftes, UnaufkLärbares gab, diesem Steine gegenüber
einen Schwur that. so waren Gutes und Böses, Unrechtes und Richtiges auf der Stelle
ersichtlicli. Er hiess daher mit einem anderen Namen auch der Stein der Schwüre.
Diess alles wurde von dem Volke mündlicli überliefert. P'erner war der Fluss Ta-fa-
o-awa von der Ebene Ivo-te-sasi-wara vielleicht dui-ch eine Strecke von zehn Ri Banto-
weges geschieden. Es kann die Entfernung des oberen, mittleren und unteren Theiles
des Flusses sein.
Mnda-banasi sibarnku oku. Go-nara-no in-no ^ (jo)-U'0 sirosi-mesu \ kw-roku-no koro
musasi-no kiini ta-fa-gawa-no sato-ni \ ,|^ ö (tori-to.)-no ^ H (seo-zi) ^ ^ (toki-nusi)-to
in mono ari-keri. Te-tsukitri-ja \ sarasu kaki-ne-to jomeri-keru. ^ (Sa)-n-o naguru ma-no
-jö: (jo)-ni-mo % (mata) \ '|'l ^ ke-u-ni ije tomi nari-idete \ ta-fa-no M ± (g6-si)-to
^ (se6)-serare \ te-tsukuri-no -^ :# (tsio-zia)-to johare-si \ koto-no moto-wo tadzimuru-ni
toki-nvsi u-aka-kari-si toki-jorl \ kama-kura-no kuan-rei \ |i| ^ (jama-no utsi) ^ ^ i
(nori-firo-nusi)-ni tsukajeto \ saii-fiaku-kuan-no j^ (roku) tamaiuari-keru-ga \ ajamateru koto
ari-te \ katna-kura-ivo 1^ ^ (tsui-f6)-serare \ tsui-ni ta-fa-gawa-no sato-nl ki-te | wahi-sumai-su.
Sare-ha nasu koto nahi-te tsuki-fi-wo okuru-ni \ ^ ^ (fü-fu)-ga foka-ni-wa tanomosi-ki \
^ -^ (sin-zoku)-mo arazu \ fito-ni-iva itaku mi-otosarete \ icare-mo ihise-ki fusi-siha-no
fosoki kefuri-iüo tate-katie-tani,.
Die Erzählung hebt alsbald an. Zu den Zeiten des Kaisers Go-nara, in den Jahren
des Zeltraumes Kiö-roku (1528 bis 1531 n. Chr.), lebte in dem Reiche Musasi, in einem
Dorfe des Flusses Ta-fa-gawa ein Mann Namens Tori-ta-no Seo-zi Toki-nusi. Es galt
von ilim der Vers: Das Haustuch | wo man bleicht, die Mauerwurzel. Auch in einer
Welt von der Dauer der Zeit, während welcher man die Weberspule wirft, auf wunder-
bare Weise reich geworden, wurde er der vorzügliche Mann des Bezirkes von Ta-fa
genannt. Man forscht nach dem Grunde, warum er der Aelteste des Haustuches genannt
wurde. Seit seiner frühen Jugend stand Toki-nusi in den Diensten Jama-no utsi Nori-
firo-nusi's, des Geschäftsleiters von Kama-kura, und bezog einen Gehalt von dreihundert
Schnüren Geldes. Da er sich einen Fehler zu Schulden kommen Hess, wurde er aus
Kama-kura verwiesen, kam endlich zu dem Dorfe des Flusses Ta-fa-gawa und lebte
daselbst in p]]cnd. Da er indessen sich nicht zu helfen wusste, verbrachte er Monde
und Tage, und er hatte ausser seinem Weibe keine Angehörigen, auf die er sich ver-
lassen konnte. Indess die Menschen mit tiefer Verachtung auf ihn herabblickten, war
es ihm schwer, den dünnen Rauch des düsteren Brennholzes zu Stande zu bringen.
Muda-hanasi ,eine eitle Erzählung'. Der Ursprung des Wortes muda wird nirgends
erklärt.
1^ Sa ,Weberspule'. Die Zeit, während welcher man die Weberspule wirft, be-
deutet eine sehr kurze Zeit.
Te-tsukuri (te-dzukuri) ,mit der Hand verfertigt' bezeichnet das in dem Hause ver-
fertigte Tuch.
^ (Fin)-no jamai-u-o ijasn-beki \ kusu-si-wa tajrte nah ü: (jo) tote \ to-ni kaku omol-
knssi-tam-ga \ wata omoi-kajesu koto-mo ari-te \ ara 0 (fi) toki-nusi \ tsuma nari-kcru % ^
(kaicara)-i-to \ jnku, m-e ^ (ko)-.ü kata-no koto-ico katarh tsni-de-ni ijeri-keru-wa \ icaga
ije-iva kama-kura-no sikken \ iit f(^ ffo-de6) B$ i^ (fokl-masa)-nnsi-jori idete \ ziii-fatsi- ^
Der Nebel der Klage. 73
((lai)-ni ojoberL Sakan-naru mono-ica otororit \ ^ t'i (ei-ko) ^ ^ (toku-sitsu)-no kotoivari j
ima-ni fazimenu koto nagara \ f^ ^ (so-sen) j\j j^ (hi-dai)-no ^ |^ (fan-zeö)-mo \ seö-
kei-no — • ^ (itsi-nm)-ni samete. \ si-^on-nn ki-katsu-wo sukn-in tarazu. Ima-mata ru-ro-n.i
ta-dzuki-wo usinai \ n-a-datsi-no funa-no dorn iki-tsuki \ ^^ "^ (ko-gijnj-no itsi-ni okvraruru-
to-mo tare-ka awaremu mono-no am-beki.
Da es in der Welt durchaus keinen Arzt gibt, der die Krankheit der Arrauth heilen
kann, war er, er mochte wie immer nachdenken, rathlos. Doch er Jiatte noch etwas
ilberlegt, und eines Tages sagte Toki-nusi bei der Gelegenlieit, als er mit seiner Gattin
Kawara-I über die Dinge, welche in der Zukunft kommen würden, spracli : Mein Haus
stammt von dem Gebieter Fo-deö Toki-masa, Machtinhaber von Kama-kura, und hat das
achtzehnte Geschlechtsalter erreicht. Das Vollkommene schwindet. Tndess die Einrichtung
des Blühens und Yerdurrens, des Gelingens und des Felilschlagens nicht jetzt ihren Anfang
liat, o-enüo-t das Gedeihen des neunten Geschlechtsalters des Vorfahren bei dem Erwachen
aus einem Traume des Zeitraumes Seo-kei nicht, die Söhne und Enkel vor Hunger und
Durst zu retten. Jetzt wieder in der Verbannung, ist man der Stütze veidustig. Wenn
der Barsch des Wagengeleises in dem Schlamme athmet, auf den Markt der gedörrten
Fische geschickt wird, wer kann es sein, der darüber Mitleid empfindet?
In dem Zeiträume Seo-kei (1332 bis 1334 n. Chi-.) wurde das Geschlecht F6-de6
beinahe vollständig ausgerottet.
Das Gleichniss von dem Barsche, der, in einem Wagengeleise verschmachtend, um
AVasser bat und auf das Zustandekommen einer Wasserleitung aus den Flüssen des Südens
warten sollte, wurde in China gebi-aucht.
Namazi-i-ni mono-no fu-no | ije-ni umare-tano saiwai-wa \ ima-mra ko-jo-nak/ ^ ^
(fu-ku)-to narl-te \ aki-bito-no waza-tco slrazti, j ^ ^ (nu-fu)-no nje-ni-wa ijo-ijo uto-kari \
saranu dani \ gen-kö gen-mu-no midare-jori \ jo-no naka ima-yri sidcukn-narazu \ mei-toku
ö-nin-no saivagi-jori \ ^ (kib) kama-kura \ ije-ba sara-nari. Agata ta loi-naka koto-gotohi
kassen-ni tsukare-tare-ba | nai'iwai-no tajori usinaiväzaru mono-ioa mare-nari. Kakario toki-no
koso I tanomi-tate-matsuru-beki-wa \ tada ff "^ (sin-butsu)-no ^ ^ meo-dzio nare.
Bei dem Glücke, dass ich in dem Hause eines Kriegers geboren wurde, bin ich
jetzt auf das Aeusserste unglücklich geworden. Das Geschäft der Kaufleute verstehe
ich nicht. Dem Pflanzen der Ackerleute wurde ich immer mehr entfremdet. Seit den
nicht einmal so argen Unruhen der Zeiträume Gen-kO und Ken-mu ist die Welt noch
nicht zur ßuhe gekommen. Seit den Wirren der Zeiträume Mei-toku und 0-nin die
Hauptstadt Kama-kura zu nennen, ist tiberflüssig. Da Districte, Felder und Dörfer von
den Kämpfen gänzlich erschöpft wurden, sind diejenigen, welche den Halt ihrer Beschäf-
tlffuno- nicht verloi'en haben, Wenip-e. Worauf man in einer solchen Zeit seine Iloffnuno-
O O 7 0 O
setzen kann, mag die dunkle Hilfe des göttlichen Fö nur sein.
Der Zeitraum Gen-ko umfasst das Jahr 1331 n. Chr.
Der Zeitraum Ken-mu fällt in die Jahre 1334 bis 133.5 n. Chr., der Zeitraum Mei-
toku in die Jahre 1391 bis 1394, der Zeitraum 0-nin in die Jahre 1467 bis 1468 n. Chr.
■^ ÜÜ. (Sen-zoJ fo-deo toki-masa-nusi-wa \ so-siü ^ (j''J-no sima-no \ ben-zai-ten-ico
^ (sln)-zi-tamai-si-ka-ba \ nego-ni masi-taru saiwai ari-si \ tokl-nnsi ijasi-ku-mo \ sono su-e
nari. Inora-ba ]§ .f^ (ö-kenj-na-karazu-ja-ica | to-n-a ije tcare hna kono zama-nite \ siba-
siba je-no sima-je san-kei-se-ba | kama-kura-no ^ JU ^ (ko-fo-bai)-ni \ usiro jubi-sasaru-besi.
Kore-mo mata omo-buse nari.
Denischriften der pliil.-hist. Cl, XXVL Bil. 10
74
FIZMAIER.
Mein Vorfahr, der Gebieter Fö-deö Tt)ki-masa glauLtc; an die Göttin Ben-zai-ten
von Je-no sima in So-siü, und er hatte mehr Glück, als er sich wünschte. Ich Toki-nusi
bin in Niedrigkeit sein Nachkomme. Wenn ich bete, kann man fragen, ob nicht eine
Erfüllung sein wird. Wenn ich jetzt auf diese Weise öfters mich nach Je-no sima
beo-ebe kann von Seite meiner alten Genossen von Kama-kura i-ilckwilrts nach mir mit
dem Finoer gezeigt werden. Dieses wäre auch eine Schande.
Je-no sima ,Insel des Lotusbaumes' hcisst in dem Tai-fei-ki eine Insel des Reiches
Sagami, Kreis Kama-kura. Ihr ursprünglicher Name ist 1^1 ^ fJe-)io)-sima.
Kono zama, das hier zum ersten Male vorkommt, steht füi- kuiio sama ,diese
Weise'. Der Nigorilaut ist von unregelmässiger Setzung wie in dem AVorte kono goro für
kono koro.
Omo-huse ist so viel als omote-huse ,Demüthigung'.
Tatoi je-no sima made mbdezu-mo are \ hen-zai-ten-iva — ■ ff (Ittai) naran-ni \ asu-jori
tsutomete ij^ ^ ^ (asa-kusa-deraj naru, zeni-game-ben-ten-je nissan-site \ 0f ^> (ki-nen)-si-
tate-mtttsuru-heö omö nari. Kano hen-zai-ten-nio-ni \ zeni-game-no ^ (na)-ico owasi-tate-
matsuru josi-wa \ inuru tai-ei ni-ne.n aki ku-guatsu \ ben-ten- ^ (du)-no fotori-jori \ kotsu-
zen-to Site zeni amata \ tvaki-idzuru koto ari-keri. Kono goro so-siü-no :^ ^ ^^IS (sa-kei-tsio)
^ m (uzi-tsunaj-misi-no ka-sin | '^ ^ (tojo-naga) saburb sa-e-mon-zö \ tsukai uke-
tamaivari-te | '{^ ^ (ko-gaj-no "^ ^ (taka-moto) ason-je ma-iru tote \ kudan-no ^ ^ (kl-
doku)-iüO mi-tari-si-to \ wosa-icosa ßl-hun-se-si-wa \ fatsi-ku-nen-ni nari-nu-be-kere-do \ rei-gen
fi-bi-ni ija-tsiko nari. Ko-wa on-mi-mo siru tokoro nari. Fu-fu-ga kokoro-tro ßto-tsu-ni site
inori-tate-7natsura-ba-ja.
Gesetzt ich gehe nicht bis nach Je-no sima, so ist Ben-zai-ten ein einziges A\ esen.
Ich denke, dass ich von morgen früh angefangen mich zu der in dem Kloster Asa-kusa
befindlichen Göttin Ben-zai-ten von dem Geldkruge begeben und daselbst beten
könne. Die Ursache, warum man die Göttin Ben-zai-ten den Namen Geldkrug führen
lässt, ist folgende. Im Herbste, im neunten Monate des zweiten Jahres des verwichenen
Zeitraumes Tai-jei (1523 n. Chr.) sprudelte neben der Halle Ben-ten plötzlich eine
Menge Geldes hervor. Um diese Zeit erhielt Tojo-naga Saburo, der Zugesellte des
Thores der Leibwache zur Linken, ein Hausdiener des Gebieters Uzi-tsuna aus Sagami,
Grossen der Hauptstadt zur Linken, einen Auftrag als Gesandter und begab sicli zu
Ko-ga-nu Taka-moto Ason, und er sah desshalb dieses Wunder. Dass die Kunde davon
sich in grossem Masse verbreitete, mögen acht bis neun Jahre sein, jedoch die göttliche
Erhörung ist von Tag zu Tag offenbarer. Dieses weisst du auch selbst. Wir werden
Beide einmüthig das Gebet verrichten.
Ben-ten ist die Abkürzung von ben-zai-ten.
Ija-tsiko, durch 'JC^ f^ ,klar, kenntlich' ausgedrückt, ist so viel als itsi-zirusi. Man
glaubt, das Wort habe den Sinn von ija-tsikasi ,immer näher'.
To ije-ba \ kaioara-i kiki-te \ isiku kokoro-tsuki-tamai-mi. Notsi-notsi made-mo okotarade \
ma-iri-tamaje-to \ iraje-suru-ni tanomosi-ki kokotsi site \ toki-nusi-wa tsugu-no fi-jori \ asa-
madaki-ni ^ fjx (sijuku-sio)-iüo idete \ kh-takete kajeru ^ (jo) o-o-kari.
Kawara-I, welche dieses hörte, willigte mit hoffendem Gemüthe ein, indem sie sagte:
Du hast es gut bedaclit. Gehe auch noch später, so lange als möglich, unablässig hin.
— Von dem nächsten Tage angefangen, verliess Toki-nusi vor Tagesanbruch seine
Wohnung und kam oft spät in der Nacht zurück.
Der Nebel der Klage. 75
Ban-tv-mitsi si-ziü-ri amari-ioo j 0 (fi)-^'^ -^^^ß juM-ki-sezara koto na-kere-ha \ kawara-i-mo
mata \ si-togi-ico sonaje \ mi-akasi-ico tate-matsuri-te \ farnka-ni asa-kusa-dera-no kata-wo | ^
(fatj-si-tate-onatsurtt-tco mi-no tsutome-to site \ ojoso momo-ka-ni '/^ (manj-zuru 0 (fi) \ toki-
nusi-iüa tsune-no gotoku \ asa-kusa-dera-je mbdete tatsi-kajeru-ni \ farji-kuho-vo anata-nite 0
(ß)-iica kure-tari. Nare-ni-si mitsi-wo jü-tsuki-ni okurasi-te \ sato towo-zakaru susukl-ioara-wo \
fsuju-ni sohotsi'te ßiku fodo-7ii \ mukai-ni utsi-o tatsi-oto fagesi-ku \ to mire-ha tahi-suru mono-to
ohosi-ku I jo-so-dzi amari narib mono-no fu-to \ no-husi-to mijete | tosi-no jowai-ioa \ mi-so-dzi
hakari naru ara-otoko-to \ kissaki-jori ^ (fi) idzurih made-ni | omeki-sakende tataku-tari.
Da er für einen Bantoweg von vierzig Ei hin und zurück nothwendig einen Tag
brauchte, liess es sich auch KaMrara-I angelegen sein, den ßeiskuchen bereit zu halten,
die Götterlampe aufzustellen und nacli der Seite des Klosters Asa-kusa sich zu ver-
beugen. An dem Tage, als die hundert Tage voll waren, begab sich Toki-nusi wie
gewöhnlich zu dem Kloster Asa-kusa, und als er zurückkehrte, ging jenseits einer
Weiderichvertiefung die Sonne unter. Als er, auf dem gewohnten Wege von dem Abend-
monde sicli begleiten lassend, auf der von dem Dorfe entlegenen Riedgrasebene, von
dem Thaue befeuchtet, einherschritt, erklang vor ihm der heftige Ton zusammen-
schlagender Schwerter. Als er hinblickte, führte ein über vierzig Jahre alter Krieger,
den er für einen Reisenden hielt, mit einem rauhen Manne, der ein Feldlagerer zu sein
schien und etwa dreissig Jahre alt war, bis aus den Schwertspitzen Feuer hervorkam,
unter Geschrei und Gebriül einen Kampf.
Si-togi, durch ^ ausgedrückt, ist ein Kuchen aus Reis und Getreide, der zum
Opfern dient. jNIan glaubt, das Wort könne so viel als sira-togi ,weiss mahlen' sein.
Sobotsu bedeutet: von Regen oder Tliau, auch von Thränen befeuchtet sein.
JSfo-busi ,Feldlagerer' ist ursprünglicli mit jama-hnsi .Berglagerer', d. i. , Einsiedler'
gleichbedeutend. Es bedeutet aber auch &ieger, welche keinen Gebieter haben (^
mm-7iaki -^ tsuica-mono) .
Kano tahi-bito-ga ^ ^ (zu-sa) nari-ken \ tcaka-tu ni-nin shno-he ni-nin-iva faja utarete \
(ynazi-makura-ni fusi-tarn-ga. \ tahi-bito-mo ^ (bin)-no fadzure ZL vj" (ni-sun) amari-kirarete \
tsi-siioo-ni ^ ^ fan-men-ivo mamirasi | ara-^votoko-iva fidari-no kata'-saki-ni g| ^ (asa-de)
ni-ka-sio v-tari-keru. Toki-nusi-7i:a kore-iuo mite | P^ ^ (ken-kuaj-no soba tsu-e utaren-jori |
mitsi fiki-tsigajete kajerame- | to omoi-si-ga | tada fito-sudzi naru aki-kusa-no ^ (no)-xvo joko-
giran kata-mo nasi. Ware-mo inukasi-ioa ^ ^ (siju-kun)-ni sitagai \ ^ ^ (su-do)-no
Ü^ Wi (sen-zen)-ni nozomi-tani-ni \ ka-bakari-no koto-ioo osoreie \ oto-je-ja-iva modorn-beki.
Kare-ra-ga ^ ^ (seu-bu)-iüo mi-faten-to \ omoi-kajesi-te ito sigeki | susuki-no naka-ni mi-ico
fisomasi \ tsuki-ioo akasi-ni kai-ma-mi-wori.
Zwei junge Gefährten und zwei Diener, welche das Gefolge dieses Reisenden
gewesen sein werden, waren bereits erschlagen und lagen auf gemeinschaftlichem Kissen.
Der Haarschopf des Reisenden war aufgelöst, über zwei Zoll tief durchschnitten, und das
halbe Gesicht mit Blut befleckt. Der rauhe Mann hatte an der linken Schulter zwei
seichte Wunden davongetragen. Toki-nusi, der dieses sah, war gesonnen, ehe er zur
Seite des Getümmels von den Waffen getödtet würde, lieber auf einem anderen Wege
zurückzukehren, allein es war keine Stelle, wo er über das in gerader Linie mit Herbst-
pflanzen bewachsene Feld schräg gehen konnte. Er hatte vordem, als er den Voi'gesetzten
und Gebieter begleitete, mehrmals auf Kampfplätze herabgeblickt. Sollte er sich fürchten
und etwas nach rückwärts weichen? Ueberlegend, wie er Sieg und Unterliegen dieser
10*
76
Pfizmaieu.
Leute zuletzt sehen könne, versteckte er sich in dem dichten Riedgrase und spähte bei
dem Lichte des Mondes hindurch.
Saru fodo-ni kudan-no ni-nin-wa \ ^ 'j^ (siju-renj-no tatst kaze kasa-ba-wu nahikasi \
ßramekasu sira-fa-no fikari-iva \ kam rnusasi-no-no kusa-jori idete \ kusa-iii mata iru tsuki-
kaqe-no \ tsiiju-ni nagarunc-ka-tu ajasimarc \ mata ta-fa-gawa-uo waka-aju-no \ faja-se-ni
odoru-ni kotonarazu. Kore-kare otori-niasarl-nnku \ inotsi-ioo kagiri-to tatakai-si-ga \ tahi-
hito-wa hln-no fadzure-juri \ nagaruru td-sbvu-no manako-ni iri-te \ tatsi-sudzi tsii-i-ni midare-
si-ka-ha \ ura-wotoko-ga tatami-kake-taru \ jaiba-ivo junde-je farai-ajezv, \ waki-hara-wo sitataka
kirarete \ siri-i-ni du-to tbrurit-ico \ okosi-mo tatezu kiran-to sure-ha \ fusi-nagara kiri-faro |
sira-fa-no uje-wo odori-koje \ mima-saki sika-to fumi-suje-tsutsu moteru katana-ivo tori-nawosi-te |
nondo-no atari-ivu gnm-to sase-ha \ ko-busi-ivo iiigiri asi-wu age \ viua-iva-no ^ '% (ku-tsu)-wo
tsuku-dzuku mite \ nikko-to jemi-taru tsura-tamasi-i \ jä-kan fu-teki-no kuse-mono nari.
Der ^Yind der geübten Schwerter dieser zwei Menschen beugte die Blätter der
Pflanzen, der Glanz der blossen Klingen, welche sie schwangen, war so wunderbar, als
ob, aus den Pflanzen jenes Feldes von Musasi hervorkommend, das in die Pflanzen
wieder eintretende Mondlicht auf dem Thau schwämme, es war ferner nicht anders, als
ob junge AVeissfische des Flusses Ta-fa-gawa auf der reissenden Stromschnelle s^irängen.
Lidess sie, ohne dass einer dem anderen nachstand, und das Leben auf's Spiel setzend,
kämpften, drang das von dem gelösten Haarschopfe des Reisenden fliessende Blut ihm
in das Auge, und die Linie des Schwertes ward zuletzt verwirrt. Ehe er die Aviederholt
angelegte Klingle des rauhen Mannes nach links wegschlagen konnte, wurde ihm die
Seite mit Macht durchhauen, und er stürzte rücklings nieder. Als er, das Aufstehen
nicht zu Wege bringend, stechen wollte, sprang Jener über die weghauende blosse
Klinge des Liegenden und trat ihm fest auf die Brust. Las in der Hand gehaltene
Schwert gerade richtend, stach er ihm nach der Kehle. Len Schmerz der Todesstunde
des Anderen, der die Fäuste ballte, den Fuss erhob, deutlich sehend, hatte er in seinen
Zügen ein Lächeln. Es war ein külmer und furchtloser Bösewicht.
Kaku-te ara-wutoko-iva \ omu mama-nl teki-ioo si-tomete \ saivagi-taru ke-siki-vio naku \
kanete viiru tokoro-ja ari-ken \ taU-Uto-no katana-ico tori-te \ utsl-kajesi mite saja-ni osame j
ono-ga jaiba-no J^ (tsi)-ico nugüte \ kore-kare tomo-ni kosi-ni obi \ sode utsi-farai-te juku
fodo-ni I toki-nusi-wa miru-ni sinobazu j si-jatsu utagb-beku-mo aranu tö-zoku nari. Nikusa-mo
nikusi- j to mi-wo okusi | jama-datsi mate- \ to jobi-tomure-ba \ odoroki-nagara waga ato-ni \
fiio ari-keri- | to mi-kajeri-te \ nuki-toru siju-ri-ken utsi-kakuru-wo \ suge-gasa agete nui-tome-tari.
Somit machte der rauhe Mann, wie es ihm gut dünkte, dem Feinde den Garaus,-
nahm ohne in seiner Miene Verwirrung zu zeigen, das Schwert des Reisenden, welches
er früher gesehen haben mochte, kehrte es um, betrachtete es und steckte es in die
Scheide. Von der Klinge des eigenen Schwertes das Blut wischend, umgürtete er sich
mit beiden Schwertern zugleich, schüttelte den Aermel und ging. Toki-nusi konnte den
Anblick niclit ertragen, er zweifelte nicht, dass der Elende ein Räuber sei. Voll Ent-
rüstung erhob er sich und hiess ihn mit dem Rufe: Räuber, warte! stillstehen. Jener,
erschrocken zurückblickend und bemerkend, dass hinter seinem Rücken ein Mensch
war, nahm das Wurfschwert, welches er hervorgezogen hatte, und warf es. Der Andere,
den Rohrhut erhebend, hielt es in der Naht auf.
Sonu foma-ni kuse-m.ono-ioa \ take-jori nagaki kusa-ni kakurete \ jaku-je-wa sirezu nari-
d-ka-ba i tüki-nusi futa-tabi kore-wo oicazu \ fito-no torami-wo mi-ni öte | aja-uki-wo motomen-wa \
Der Nebel dek Klage. 77
ware-nagara fu-kaka nari-si-to \ omoje-ba jagate suge-gana-ni \ uke-tome-taru siju-ri-ken-ioo \
nuki-tori-te tsura-tsura miru-ni \ nan-ban-tetsu-no icari-ku-gai-ni \ kin-no fototogisu-wo tsnke-
tari-keru-ga \ ßdari-no fane-wa kasiko-ni, nokori-te \ tori-no kata-mi.-ico todome-tari. No-busi-ga
3jv5f (re6)-ni-ioa ito ^ (m)-ge-nasi. Kore-mu iina ibbai-sari-taru \ katana-ni-ja tsuke-tari-ken.
Unterdessen verschwand der Bösewicht in den mehr als mannshohen Pflanzen, und
es Hess sich nicht erkennen, wohin er gegangen. Toki-nusi verfolgte ihn nicht zum
zweiten Male. Er dachte, es sei für ihn von Nachtheil, wenn er den Hass eines Menschen
auf sicli lade und die Gefahr aufsuclie. Er zog sogleich das Wurfschwert, das er in
dem ßolirhut aufgefangen, heraus. Als er es aufmerksam betrachtete, war an einer
gespaltenen Haarnadel aus Eisen der südlichen Barbaren ein goldener Kuckuck befestigt.
Der linke Flügel desselben war auf der anderen Seite zurückgeblieben und hielt den
halben Leib des \ ogels an. Es war den Sachen eines Fcddlagerers sehr unähnlich. Es
wird auch dieses an das eben geraubte Schwert befestigt gewesen sein.
Saru-nite-mo itamasi-ki-ica kono tabi-bito nari. Tomo-bito saje-ni utare-tare-ba | ^ (naj-
Wü-rao sato-wo-mo tö-ni josi-nasi. Mosi kaai-tsiiX-ni sirusi-taru | mono-mo-ja am- I to tatsl-
jori-te I ■^ (s6)-no tamoto-wo maki-age-tsiitsu \ iki faja kajete naki kara-no \ futokoro-je te-ioo
sasi-irete \ sagiirit kobitsi-ni matsutoari-si \ ^ ^ (sai-fu)-nu fimo-mo ^ ^ (aku-jen)-no j
ito obotsiika-noku fiki-idasu. Mi-no tsumi omoki mi-tsutsumi-toa | toivade kazu siru san-
fiaku-rio \ tsl-siwo-ni somete-mo jama-buki-no | ko-gane faua-saku, mi-no sakaje \ ben-zai-tcn-
nio-no tama-mono naran. Takara-no jama-je iri-nagara \ te-ivo munasi-ku site ka jeri-na-ba
kö-kuai so-ko-ni tatsi-gata-ken. Kono keine sibasi kasi-tamaje \ sono naki ato-iva. nengoro-ni j
töte ko-joi-no mukui-wa su-besi. Na-mu a-mi-da-butsu- | to nen-zi-tsutsu \ fotoke tanomi-te
tsumi tsukuriü \ onazi majoi-no jama-datsi-ni | waga mi-wo nasu-to -nra-navii-ja \ fazime-tvu
1^ (zokii)-ico nirami-mi-si ] manako kane-ju-e kura-mngire \ ^ (joku)-ni-wa kokoro kegare-taru.
Bei alledem war dieser Reisende bedauernswürdig. Da seine Begleiter erschlagen
waren, gab es kein Mittel, um seinen Namen und seine Heimath zu erfragen. In der
Meinung, dass sich vielleicht in seinem Busen ein Kennzeichen befinde, trat er hinzu
und streifte ihm beide Aermel empor. Der Athem war ihm bereits ausgegangen. Die
Hand in den Busen des Todten steckend, zog er das um die suchende Faust sich schlin-
gende Band eines Geldbeutels, wobei die böse Beziehung sehr dunkel war, heraus. In
drei Packen, bei denen seine Schuld schwer war — ohne zu fragen, wusste er die Zahl
— dreihundert Tael mit Blut gefärbt, der Glanz des Erblühens der goldenen Blumen
der Musspflanze, werden das Geschenk der Göttin Ben-zai-ten sein. Wenn er, in das
Gebirge der Kostbarkeiten eintretend, mit leeren Händen zurückkehrte, würde die Reue
dox-t unnütz sein. Er betete : Leihe mir dieses Geld für einige Zeit ! Ich werde um
diesen Todten ernstlich trauern und für diese Nacht vergelten. Namu Amida-Buddha ! —
Indem er zu Buddha betete, beging er ein Verbrechen. Ein Räuber war er wohl, weil
er sich zu einem in demselben Irrthum befangenen Räuber machte. Das Auge, mit dem
er anfänglich auf den Räuber mit Hass blickte, war des Geldes wegen umdunkelt, sein
Herz durch Habsucht beschmutzt.
Sira-nami ,weisse Wellen' bezeichnet einen Strassenräuber. Es wurde so wie , grüner
Wald' in diesem Sinne zuerst im Chinesischen gebraucht.
Sai-fu-no tsi-siwo sibori-sute \ tsu-i-ni kono no-ivo fasiri-mikete \ sono ^ (joj ^ (i)-
naka-no koro-oi-ni \ ta-fa-gawa-no sijiiku-sio-je kajeri-tsuki-si-ga \ tsuma-ni-wa ari-si koto-wo
tsugezu, Tsugii-no fi-jori \ asa-kusa-tera-je mödzuru goto-ni \ kcö-iva kakarii mono-u-o firai-
78
Pfkmaier.
si-tote I ko-ban itsi-ni-mai tnri-idcio-ira mi'^c, | mno tsufiit-no fi-ni-mo \ kakam mono-ioo firai-
si-tote I zeni gn-roht-fiaku-wo tori-idctp. vüse \jl-cjoio-ni ^ (kin) ^ (aen) ^| ^ (ken-fu)-no
tagui-ivo \ mofe kajerazu-to iü koto na-kere-do \ asoki wonna-no kokoro-ni-wa \ ajasimi-nac/arn
7itagaivazt(, | ko-iva mina ten-nijo-no sadzuke-tamb | takara-ni koso- \ to omoi-tori-te \ "^ f(^
(sin-sin) ß-garo-ni ijamasi-nu.
Er drückte das Blut des Geldbeutels aus und entkam im Laufe aus diesem Felde.
In dieser Nacht kehrte er um die Mitte der zwölften Stunde^ In seine Wohnung an dem
Flusse Ta-fa-gawa zurück. Seiner Grattin theilte er den Vorfall nicht mit. Von dem nächsten
Tage angefangen, sagte er, so oft er sich nach dem Kloster Asa-kusa begab, dass er
eine solche Sache aufgelesen habe. Dabei nahm ei- ein bis zwei Goldstücke hervor und
zeigte sie. Den nächsten Tag sagte er wieder, dass er eine solche Sache aufgelesen liabe.
Er nahm dabei fünf bis sechshundert Kupfermünzen hervor und zeigte sie. Obgleich er
jeden Tag ohne Ausnahme mit Gold, Kupfermünzen, Seidenstoffen, Tuch und ähnlichen
Dine,-en nach Hause kam, hegte das schwachsinnige Weib, so sehr sie sich wunderte,
in ihrem Herzen keinen Argwohn. Sie bildete sich ein, dass dieses alles Kostbarkeiten
seien, welche die Göttin veidiehen, und ihr Glaube ward mit der Zeit immer stärker.
Kakari-si-ka-ba toki-nusi-wa \ niwaka-ni jutakeki fito-to nari-te | -^ "^ (si-bo)-no
zijutsu-wo takumasi-ku si \ madzmi-ki mono-ni kane-wo kasi-te \ sono ri-soku mote nimo-wo
orasi \ kore-tco kama-kura-nu aki-bito-je uri-ioatase-si-ka-ba \ %\] (ri)-ico %^ (i)rii, koto sickuna-
karazu. Moto-jori kokoro-zama ijasi-ku-te \ sonu saga jabusaka nari-kere-ha \ fadzuka go-
roku-nen-ga awai-vi nari-idete \ ko-gane to-fakö amari-no nusi-ni nari-tari. Ko-iva mina
ben-zai-ten-no ^ ^ (mib-dzio) nari tote \ ^ (tsuki)-no sono fi-goto-ni-ica \ kmmrazu fö-si-wo
maneki-te |^ (kwj-ico jomasi \ fisoka-ni kano tabi-bito-no bo-dai-ico toi-im.
Auf diese AVeise wurde Toki-nusi plötzlich ein wohlhabender Mann. Er betrieb in
grossem Massstabe das Geschäft des Wuchers und lieh armen Leuten Geld. Von den
Zinsen Hess er Tücher weben und übergab diese den Kaufleuten von Kama-kura zum
Verkaufe. Er trug dabei keinen geringen Nutzen davon. Da sein Sinn im Grunde
gemein war, wurde er von Gemüthsart geizig, und kaum an der Gränze von sechs Jahren
angelangt, war er der Besitzer von zehn Kisten Goldes. Indem er glaubte, dass dieses
alles die dunkle Hilfe der Göttin Ben-zai-ten sei, lud er an jedem Tage des Monats
einen Bonzen zu sich und Hess die heiligen Bücher lesen. Insgeheim betete er für
jenen Reisenden.
Kaku-te tnki-nusi tsuku-dzuku-to omö-jb \ ije-ni •=f- ^ (sen-kin)-wo tswne-ha tote \ midare-
taru jo-ni-wa tanomi-gatasi. Mai-te ^ (ja)-tsukuri ki-rei-ni \ nuri-gome amafa vvina-gi-icö
tsurane-taran-ni-iva \ fito-mo kanarazu mi-jurusazu \ ware-mo sore-fodo-no \ ^ h!Ö O'ö-ktiJ-
wo-ba masu-naru-besi. Ken-wa jasura-ge-ni koko-ni ite-mo \ asu-iva ^ ]K (fio-kua)-ni ije-ioo i
jakarete \ lootsi-kotsi-nl samajö-wa \ kono goro-no tsune nari. Tada iru-ico afsnku site \
idzuru-wo usuku si \ takuwo-ni-ica sikazi tote \ joku oru tconna-go amata kakajete \ te-tsukuri-ioo
orasi ^ (sagi)-suke nando jobaruru \ ko-mono si-go-nin-ni kore-ivo urasi-te \ kb-eki-ivo koto-to
si \ M i (gd-si)-no gotoku-nite jo-ico loatarasi-ka-ba \ sato-bito nabete te-tsukuri-no tsib-zia-
to-zo tonaje-keru.
Toki-nusi sagte sich unter ernstlichem Nachdenken: In dem Hause tausend Gold-
stücke aufhäufen, ist in einem Zeitalter der Wirren unverlässlich. Wollte ich lieber
' Um 10 mir Abends.
Der Nebel der Klage. 79
ein Haus bauen, auf zierliche Weise gemauerte Jieliälter und viele iialken aneinander
reihen, werden die Menschen nicht zulassen, dass ich es sehe, und ich werde eine so o-rosse
Plage noch vermehren. Heute weile ich liier ruhig, morgen wird das Haus durch das
Kriegsfeuer verbrannt, und hier und dort umherirren, ist in dieser Zeit etwas Gewöhn-
liches. Bloss das Hereinkommen für wichtig, das Herauskommen für unwichtig halten
und authäufen, ist nicht gut. Er nahm viele Weiber, welche gut woben, in seine Dienste
und Hess Haustuch weben. Er Hess dieses durch vier bis fünf kleine Diener, unter
welchen der Eine Sagi-suke genannt wurde, verkaufen und machte den Tauschhandel
zu seinem Geschcäfte. Da er gleich den vorzüglichen Männern des Bezirkes lebte, nannten
ihn die Menschen des Dorfes allgemein den Aeltesten des Haustuches.
Sare-ba tori-ta toki-nusi-ioa ] omo mama-ni toi)iisakbre-do \ nawo taranu omo-motsi-nite \
ßto nakt wori-wa kabe-ni rmikai | tan-soku-sezarii, fi-mo na-kere-ba \ kaicara-i-iva kore-wo
ibakari \ mukasi-wa kefuri-tcu tate-kane-tare-do \ kaku made-ni mono-wo üynoi-tamawazari-si \
nani-goto-no kokoro-ni kakari-te | majzi iitsi-fisome-tamo jaran \ kokoro-je-gataku faberi-to
iü-ni I toki-nusi masu-masu tan-soku-si \ ko-wa ivaga tsuma-to-mo obojezu \ ojoso "fü; (jo)-ni
ari-to aru mono \ ^ ^ (si-son)-no kofo nomi mina omojeri. Fü-fu-ga saiivai amari ari-te \
kaku jutaka-ni jo-tvo tvataru mono-kara \ naivo negawasi-ki-wa -^ (ko)-ni koso nre. Jusi-ja
ije-ni-wa okl-mo aman \ ko-gane siro-gane fsumi-takuwajete-mo \ na-karan notsi-ica tare-ni
torasen. Joru tosi-nami-no futsi-se-jori \ fukakl omui-ica tada köre nomi. Ko-tosi-mo ada-ni
kure-take-no \ jo-so-dzi-wo sugi-te-mo motanu ^ (ko)-no \ ^ (ko)-ju-e-ni mado-to siri-nagara j
satori-kanete-wa ben-zai-ten-nio-wo \ urami-mbsu-mo bon-bu-no mi katte \ sono negi-goto-mo
fito-sudzi-ni \ fazime-wa tomi-wo inori-si toki \ momo-ka-ni mitazu-site \ fu-si-gi-no rei-gen ari-
nagara | tosi-ivo fure-domo mbsi- -^ (ko)-no ]@ .|^ (ö-gen) na-kere-ba | adziki-naku waga
tsuma-ni damo ajasimaru \ je-gataki mono-wa ^ (ko) nari-si^
Tori-ta Toki-nusi, obgleich nach Wunsch reich geworden, hatte noch in seinem
Gesichte den Ausdruck der Unzufriedenheit. Es war kein Tag, an welchem er sich
nicht, wenn Niemand zugegen war, gegen die Wand kehrte und seufzte. Kawara-I, sich
hierüber verwundernd, sprach: Vordem konntest du keinen Eauch zu Stande bringen,
doch du warst nicht in solchem Masse nachdenklich. Was mag dir auf dem Herzen
liegen, dass du so die Augenbrauen zusammenziehst? Es ist mir unbegreiflich. — Tori-
taka seufzte noch mehr und sprach: Dieses als meine Gattin bemerkst du nicht. Alle,
die in der Welt sind, wünschen sich nur Söhne und Enkel. Da Avir Glück im Ueber-
flusse haben und in solchem Wohlstande leben, mögen Söhne noch Wünschenswerther
sein. Gesetzt, in dem Hause ist überflüssiges Kohlenfeuer, ich habe Gold und Silber
in Haufen aufgesj)eichert, wem werde ich es nach dem Tode geben? Meine Sorge, welche
tiefer als der Wirbel der andrängenden Jahreswellen, ist bloss diese. In diesem Jahre habe
ich vergeblich vierzig Jahre des Bambus von U überschritten und habe keinen Sohn.
Sie wusste, dass ich wegen des Sohnes irre, doch da sie es nicht einsehen konnte, grolle
ich der Göttin Ben-zai-ten. Das dem Menschen Angemessene und das, was er erfleht,
sind ein einziger Faden. Anfänglich, als ich um ßeichthum bat, waren die hundert
Tage nicht voll, und ich hatte eine wunderbare Erhörung. Obgleicli Jahre vergangen,
wird der durch Gebet zu erhaltende Sohn nicht gewährt, und ich bin unglücklich.
Meine Gattin wundert sich darüber. Was ich nicht erhalten konnte, war ein Sohn.
To kagotogamasi-ki lüotto-no siukkuai \ kiku-ni ima-sara kanasi-ku-te | mitsure-ba ^
(kakujru ^ (jo)-no narai \ — ■ |tt (isse)-no tomi-ico nasu fito-no \ -p (ko)-no naki-ni
80
FIZMAIER.
kurusimu-iva \ oii-ini ßnr/'-ni kaf/irnu-ja. Sa-rno ara-ha are kanasi-ki-wa \ waga ini ßto-tsii-ni
faberu-kasi. Ko-naki tsuma-tvo-ba sare-to iü \ A^, ^ (sitsi-kio)-no tsumi-wo mi-ni sire-ba \
mata nagusamu-bekl kotoha-mo faberazu \ fitori fidari-no ivonna-me-mo \ soha-me-mo ika-de
ito-beki , to-mo kaku-mo site -^ (koj-tvo umasi-tanwje. Ko-iva mata warawa-ga ■negai-7ii faberi.
Als sie diese lauten Klagen des Gatten hörte, sagte sie: Du bist jetzt wieder
trauri"- ^'oll sein und hierauf scliwindcMi, ist das Gewöhnliche in der Welt. Der
Kummer, dass du den ßeichthum eines ganzen Geschlechtsalters zu Stande bringst und
keine Söhne hast, Avird er auf dich allein beschränkt sein? Lasse es, wie es ist. Möchte
ich doch allein traurig sein ! Da die kinderlose Gattin weiss, dass sie eines der sieben
Fehler, welche Grund zur Scheidung sind, schuldig ist, so hat sie auch keine Worte,
welche trösten können. Eine oder zwei ^lägde, eine Nebenfrau, wie könnte mir dieses
zuwider sein! Immerhin erhalte Söhne, dieses ist ebenfalls mein Wunsch,
Kagotogamasi ist so viel als jakamasi , lärmend'.
To ije-ba toki-nusi kbbe-wo furi-te \ sore-iva omoi-mo kakemi koto nari. Tsiri-wo atsumete
jama-to nasi \ ije-no tsuije-ico fabuki-nagara \ ogori-gamasi-ku soba-me tsukote \ on-mi-ni
mono-u-o omowasen-ja. Inisi-je-no fito-no kotoba-ni \ oi-te-no notsi-ni netameru tsuma-no \
isaioosi-tüo siru-to ijeri. Sare-do on-mi-ni sitio nasi \ köre -{^ ^ ^ (sitsi-fu-kio)-no
ßto-tsu-ni kanajeri. Moto-jori motanu ^ (ko) nari-se-ba \ jo-goto-ni ivonna-wo kajuru-to-mo j
-y- (ko)-wü umasen koto \ ^ (zin-riki)-no ojobu-beu-wa omowanu-kasi. Ware-kara omoi-
lüasuren tote.
Toki-nusi schüttelte das Haupt und sag-te: Dieses fällt mir nicht bei. Soll ich,
während icli den Staub zu Bergen ansammle und die Ausgaben des Hauses beschränke,
verschwenderisch eine Nebenfrau verwenden und dich in Betrübniss versetzen? In
den Worten der Menschen des Alterthums heisst es: Wenn man alt geworden ist, kennt
man die Verdienste einer eifersüchtigen Gattin. Jedoch du bist ohne Eifersucht. Dieses
entspricht einem der sieben Dinge, welche kein Grund zur Scheidung sind. Wenn man
ursprünglich keine Söhne erhält, so mag man jede Nacht das Weib wechseln, ich glaube
nicht, dass die Kraft des Menschen ausreichen kann, um einen Sohn zu erlialten. Meinei--
seits werde ich in Gedanken darauf vergessen.
Kono notsi-u-a mata -f- (ko)-naki-no urami-ivo tsugezu. Sikare-domo kawara-i-iva \
wotto-iüo omoi I war^e-wo omoje-ba \ ima-sara-ni -^ (ko)-no ito fosi-ku \ to-sama kb-sama
si-an-suru-ni \ ^ (.jo)-mo kokoro-joku-ioa nebzirarezu \ tada itsu-made-mo ben-zai-ten-ivo | inori-
tate-matsuru-no foka arazi tote \ kokoro-zasi-uxi fagemasi-tsutsu \ toki-nusi-ni-mo sirasezu
jo-na-jo-na fito sidzumari-te \ sinobi-jaka-ni "^ f^ (se-do)-jori idete \ kake-ß-no midzu-ni
mi-ioo utasi \ tsume-ico kiri kami-ivo midasi-te \ omo-ja-no miuie-je tsutai-nobori \ madzu asa-
kusa-no kata-wo fai-si \ m.ata je-no sima-no kata-wo fai-si \ ^ jlß (ki-meo) T^ Üü (tsio-rni)
en-bu-no ^ ^' (tsiu-zi) \ g^ ^ ff t# (nö-jo-s6-dzi) -^ ^ M M (dai-tsi-e-siju) \ dai-
ben-zai-ten-ni jjßff m (ki-seö)-si-tate-m.atsuru. Tada negawaku-tva fü-fu-ga naka-ni \ — ■ -^
(issi)-wo tadzukete tabi-tamaje- \ to 'Oft (fu)-site-wa fai-si \ airogi-te-wa \ fosi-no fikari-ni furu
simo-no \ siroki f^ ^ (zib-jej-mo kuru made \ ki-nen ^ |^ (tan-sei)-wo korasu koto \
sude-ni nami-ka-ni ojoberu ^ (jo)-\ ^ Pf ßti-tsiü) faruka-ni on-gaku kikoje \ ^^ ^
(si-un) ^ ^ (ai-tai)-to site \ tanabiki-kudarit, koto toico-karazn .
Von nun an sagte er nichts mehr wegen des Verdrusses, dass er keinen Sohn habe.
Indessen war für Kawara-I, wenn sie an den Gatten und an sich dachte, ein Sohn jetzt
wieder sehr erwünscht. Indem sie auf jede Weise überlegte, schlief sie in der Nacht
Deii Nebel DER Klage. 81
iiiclit vergnügt. Glaubend, dass nichts anderes zu geschehen brauche, als dass sie nur
immer zu der Göttin Ben-zai-ten bete, weckte sie ihren Vorsatz auf. Ohne dass sie es
Toki-nusi zu wissen that, trat sie Nacht für Nacht, wenn die Menschen zur Ruhe gekommen
waren, heimlich aus dem rückwärtigen Thore, warf sich in das Wasser der Wasserrölire,
schnitt die Nägel ab, verwirrte das Haupthaar und stieg an den Balken des Vorder-
hauses empor. Sie verbeugte sich zuerst nach der Seite des Klosters Asa-kusa, sie ver-
beugte sich auch nach der Gegend von Je-no Sima. Sie richtete das Gebet an die
wunderbare, die Gebräuche auf dem Scheitel tragende älteste Schwester der sichtbaren
Welt, sie, welche zusammenfassen kann, an den Sammelplatz des grossen A^erstandes
und der Gnade, an die grosse Göttin Ben-zai-ten. Sie sagte bloss : Wir bitten, verleihe
uns einen Sohn. — Abwärts blickend, verbeugte sie sich, aufwärts blickend, betete sie,
bis das weisse reine Kleid des beim Sternenschein fallenden ßeiffrostes gefror. In der
Nacht, in welcher das Zusammendrängen des Trachtens bereits sich bis zu dem siebenten
Tage erstreckte, hörte man fern in der Luft Musiktöne. Die purpurnen Wolken trieben,
und ihr Herabneigen inid Herabkommen war nicht fern.
Ten-nijo ma-no afari-ni ^ [h) (j^''>-[l^) ari-te \ sode maki-kajesi-ie kawara-i-ivo \ fitta-
tabi mi-tabi sasi-maneki | ajamateni kana nandzi-ra fü-fu-ga \ nen-guan ito-mo tsimii-fidcasi.
Sore sin-hutsu-tca ^ i|^ (si7i-so)-ni jori-te \ kua-fuku-wo kudasu inono-ni arazu \ tada ^
(zenj-ni saiicai si \ ^ (akn)-ni-wa kannrazu tvazawai su. Smiaioatsi ten-ri-no sika-surtt
fokoro I bon-bu-wa kore-ivo satnrazu-site \ '|'^ ^ (ziö-jokuj-tco tahmiasi-ku st j ^ ^ (tsin-kn)
go-zib-no mitsi-ni tbtoku-te \ ^ ^_^ (zen-konj-tüo ujeza \ J^ ^ (kl-seki)-ivo omoivazii.. ^ ^
(Fu-gi)-no g ^ (f{l-ki)-no negaioasi-sa-iii \ kami-ni fetsural | fotoke-ni kobi \ sono u-gen-ioo
tanomu ju-e-ni \ mata j§; ^ (zö-aku)-no tsumi-wo masii,. Majoi-furi-kere-ba \ sono tsumi-mo
mata omosi. Sare-ba toki-nusi-ga nari-idete | ^ 'jttr (fan-sei)-no tomi-wo itasu koto-ica
icaga mamori-te sadzuke-taric saiivai-ni-wa arazu \ mata köre nogarenu in-gua nari. Kaku-te
mata ^ (ko)-tco inorio-to-mo \ ivare mata kore-wo nani-to-ka su-beki. Nandzi-ra — • -^
(issi)-wo nego-ga \ ju-e-ni -^ (koj-ico mokuru koto ari-mi-besi. Kore-mo nogarenu in-kua
nari. Toki-nusi ittnn otsi-burete \ jukuri-naku ije-wo tomasi | mata -^ (ko)-wo inori-te — • -^
(issij-wo mbke | -^ (koj ju-e-ni notsi-no nageki-wo masu-mo \ mi-dzukara naseru tcazaivai-
nite I ^ j^ (sidie-se)-no ^ ^ (aku-gd) kore-ni kakare-ba \ imn-no saiwai-mo \ vaga
tasuke-taru-ni arazu \ notsi^no loazatuai-mo waga ^ (bas)-suru-ni arazu. Mosi utagatva-ba
kore-'ico mi-jo. Omoi-awasum, koto aru-besi.
Die Göttin erschien vor ihren Augen, rollte den Aermel zurück und winkte Kawara-I
zwei- bis dreimal. Sie sprach: In welchem Irrthum befindet ihr euch! Eure Bitte ist
ein sehr grosses Verbrechen. Die Götter und Fö sind keine Wesen, welche je nach dem
Fernstehen oder Nahestehen Glück und Unglück herabsenden. Nur füj- das Gute ist
Segen, für das Böse ist gewiss Unheil. AVas somit das Gebüln-ende dei- Ordnung des
Himmels ist, der Mensch bemerkt es nicht. Er hegt leidenschaftliche Begier in grossem
Masse, der Redlichkeit und Aelternliebe, dem Wege der fünf beständigen l\igenden
entfremdet, pflanzt er nicht die Wurzel des Guten, denkt nicht an die Strafe der Dä-
monen. In dem AVunsche nach ungerechtem Reichthum und Ansehen, schmeichelt er
den Göttern, buhlt um die Gunst Buddha's. AVeil er dabei auf Erhörung hofft, vermehrt
er noch die Schuld der Verübung des Bösen. AVenn er in Irrtlium gelebt hat, ist seine
Schuld auch wieder schwer. Dass Toki-nusi vorwärts kommt und den Reichthum des
halben Geschlechtsalters zu Stande bringt, ist nicht der Segen, den ich bnwalirt und
Denkschriften der phiL-hist. CL XXVL Bü. 1 1
■an PkIZMAIEK.
verliehen luibe, es ist wiedtT die Strafe, der ej- uicht entkommt. Mag er somit um einen
Solm bitten, was kann icli wieder dai-aus niaclien? Weil ihr einen Sohn wünschet, so soll
es o-eschehen sein, dass ihr einen Sohn erlanget. Dieses ist die Strafe, der ihr nicht
entkommt. Toki-nusi, eines Morgens verarmt, bereicherte unverhofft sein Haus. Er bittet
noch um einen Sohn und erhält einen Sohn, er vermehrt deswegen die spätere Klage.
Wenn durch das Unheil, das er selbst zu Stande gebracht, die bösen Thaten des frü-
heren Lebens ihm anhaften, so ist auch der gegenwärtige Segen nicht durcli meine
Hilfe erfolgt, das spätere Unheil nicht durch mich als Strafe verhängt. Wenn du zwei-
felst, so sielic dieses. Es wird die Gedanken zurechtbringen.
To :^ i^ zi-gcn-site \ iro-ka me-de-taki kusa-nu fana-tco \ kawara-i-ni nage-ataje j
fikari-wo fanatsi-te tobi-sari-tamaje-ba \ kawara-i-tca kasikosa-nl \ abumi-kawara-ni asi fiomi-
suberasi \ nukiba-je fata-to vtsi-tarv-rja \ slkiri-ni fito-nl jobi-ikerare \ 'j^ ^ (gaku-zenj-to
site odoroki-samure-ba \ köre omoi-ne-no jume-nite \ ivare-wo jobi-samase-si-wa wotto nari.
Sate-toa jume-nite ari-keru-ka- \ fo i-i-tmtsu mune-no ase-wo nuguje-ba \ toki-nusi-mo mata
khbe-ico motage | mnari-ni itaku osoivare-tamo \ ko-e-ni icare saje odoroki-samete \ siba-siba
jobi-te juri'Okose-si \ ika-naru jume-tvo mi-iamai-si.
Als sie dieses geoftenbart, warf sie eine von Farbe und Geruch ausgezeichnete Pflanzen-
blüthe Kawara-I zu, schoss Lichtstrahlen und entflog. Kawara-1 glitt in ihrer Furcht auf
den Dachzieo-eln mit dem Fusse aus und fiel auf das Vordach hernieder. Mehrmals von den
Menschen angerufen und zum Leben gebracht, erwachte sie im Schrecken. Der Gatte
hatte sie aus dem Traume des Gedankenschlafes durch Eufen erweckt. In der Meinung,
dass es ein Traum gewesen, trocknete sie von der Brust den Schweiss. Auch Toki-nusi
erhob das Haupt und sprach : Bei dem überaus starken Angstgeschrei, das du erhobest,
erwachte ich im Schrecken, rief dich öfters und rüttelte dich auf. Was hat dir geträumt?
To toivaruru-ni isutswni-gataku ] 07i-mi tosi-goro ^ (ko)-nu naki-wo \ uroini-tcrmb-ga
kotowari-nare-do \ sen-su-be-nasa-ni omoi-wasurezu. Kono goro-ioa jo-mo neburane-ba \ omoi-
tsukarete ^ ^ (ma-jo)-naka-ui \ madoromu fodo-ni asamasi-ja \ toaga mi jo-na-jo-na midzu-
qo-ri torife | tmme-ioo kirl \ kami-tvu midasi \ omo-ja-no mune-je jodzi-nobori-te \ ten-nio-ivo
odorokasi-tate-maUuri \ — ■ ^ (issi)-wo inori-mbsn koto \ sude-ni nami-ka-ni ojoberu jo \ ben-
zai-ten-nijo jed-gb ari-te \ meö-on-wo fassi \ ma-no atari-ni zi-gen-si-tamai-si-ga \ mina köre
in-gua-no db-ri-ni site \ sora osorosi-ki koto m-bed-mo faberazu. Tsiii-ni fito-moto-no kusa-
bana-tvo nage-ataje \ kub-meö kagajaku-to site \ tobi-sari-tamb-ni | tsioma-date-tant asi-wo fumi-
kajesi-te \ icaga mi-iva tatsi-matsi-ni \ marobi-otsuru-to \ mite same-faberi \ ten-nijo-no zi-gen-ica
ka-jb-ka-jb- \ to jume-mi-si mama-ni mono-gatare-ba \ toki-misi-ica fisi-bisi-to | omoi-ataru koto
nomi nare-ba \ ke-siki kawari-te \ mono-wo-mo je-iwazu \ sibaraku site aza-warai \ jume-tca
omoi-ni naru-to ije-ba \ fukaku kokoro-ni kake-tamb-na \ ika-de saru koto-ja aru-beki. Fito-no
katara-ba loarawaru-besi.
Bei dieser Frage konnte sie nichts verhehlen und sie sprach: Seit Jahren warst du
verdrossen, dass du keinen SoJm hattest, doch es Hess sieh dabei nichts thun, und ich
vero-ass es nicht in meinen Gedanken. Um diese Zeit schlief ich nicht in der Nacht.
A'om Denken erschöpft, um Mitternacht beim Einschlafen vielleicht schwachsinnig, wusch
icli mich Naeht für Naclit, schnitt die Nägel, verwirrte das Haupthaar, kletterte an den
Balken des Vorderluiuses empor, schreckte die Göttin auf und bat um einen Sohn. Li
der Nacht, in Avelcher sich dieses bis zu dem siebenten Tage erstreckte, erschien die
(Göttin Ben-zai-ten. Sie schickte Avunderbare Töne hervor und offenbarte mir vor meinen
Der Nebel der Klage. ^3
Augen. Dieses Alles war nur das Ordnungsmassige der Strafe, und die Schrecklichkeit
des Himmels kann ich nicht aussjarechen. Zuletzt warf sie mir eine Pflanzenblüthe zu
und während ein helles Licht erglänzte, entflog sie. Auf den Zehen stehend, trat ich
fehl und stürzte plötzlich herab. Dieses sehend, erwachte ich. Die Offenbarung der
Göttin war so beschaffen. — Mit diesen AVorten legte sie es dar, wie sie es geträumt.
Toki-nusi, da dieses auf rauhe Weise nur mit seinen Gedanken zusammentraf, veränderte
die Miene und konnte kein Wort hervorbringen. Nach einer Weile lachte er spöttisch und
sprach : Da man sagt, dass Träume in der Einbildung entstehen, so nimm dir dieses
niclit sehr zu Herzen. Wie könnte dergleichen vorkommen? Wenn du es den Menschen
sagst, kannst du verlacht werden.
To i'i-iiagusame nado suru-ni \ ja-ko-e-no tori-no ko-e-tatete | ne-ja-no tomosi-hl usuku
nai'it mama-ni \ fü-fii-iva jagate oki-ide-si-ga | ko7io goro-juri-zo katvara-i-tva \ saivari-tvo sirazu
nari-te | ml-tsuki-ga fodo-ni-ica | mi-gomori-taran- \ to ware-mo omoi \ kusu-si-ino sika ije-ba
saki-ni mi-ts?iru-wa masa-jmne nari-si- | to juku su-e-no koto kokoro-ni kakare-do \ -^ (koj-ivo
motsu koto-ico jorokohasi-sa-ni \ fu-fu nagusame \ nagusamerarete \ fito matsu gotokn to-tsuki-ioo
sugud I ten-himi fatsi-nen sitsi-guatsu towo-ka-no asa madaki-ni | kaioara-i-wa ^ (san)~no
^ (ke) tsuki-te \ ito jasuraka-ni looviina-go-wo nmi-keri.
Indess er sie mit diesen Worten tröstete, krähte der Vogel der acht Stimmen, und
als die Lampe des Schlafzimmers eben schwächer brannte, erhoben sicli 13eide sofort
und traten hinaus. Seitdem kannte Kawara-I nicht die Monatszeit. Als es drei Monate
waren, glaubte sie, sie sei schwanger, und auch der Arzt sagte dasselbe. Was sie
friüier geträumt, war also ein wahrer Traum gewesen. Obgleich ihnen die Zukunft am
Herzen lag, waren sie in der Freude darüber, dass sie einen Sohn erhalten, getröstet.
Als sie, wie die Menschen erwarten, zehn Monate verbracht, am zehnten Tage des
siebenten Monates des achten Jahres des Zeitraumes Ten-bun (153!) n. Chr.), gebar
Kawara-I noch vor Tagesanbrucli sehr leicht ein Mädchen.
Ja-ko-e-no tori ,der Vogel der acht Stimmen' ist der Haushahn.
Wakaku-te amata motei^u -^ (ko)-jori \ sakari siigi-te-no ui-go mbkuru \ jorokobad-sa-no
ija-masu-ica | fü^ (jo)-ni tomu fito-no makoto nare-ha \ toki-nusi-ga jorokobi \ ije-ba sara-nari.
Ja-utsi-no '^ ^^ (nu-fi)-mo \ kore-ga taine-ni ^ ^ (/on-soj-site \ -^ (tsi-dzi)-no mare-bito
fito-toki-ni I kitaru-ga gotoku \ ^ (JoJ dani neburazu. Kono fi-wa sato-no kuxa-itsi na7^e-ba
tote I toki-nusi-ga musume-7io na-wo \ nade-d-ko-to jobasi-te j tana-soko-no tama-to me-de-
itsuknsi-mi | jagate u-ba-site fagukuinasuru-ni \ "^ -^ (bo-si) tomo-ni jokic ^ß (ß)-datsi-te j
jorokohi-ni jorokobi-iöo kasane-tari.
Da es in der Welt bei reichen Menschen wirklich der Fall ist, dass ihre Freude,
wenn sie nach den Jahren ihrer Jugend den ersten Solm bekommen, grösser ist, als
wenn sie in ihrer Jugend viele Söhne erhalten, so ist es unnöthig, die Freude Toki-
nusi's zu nennen. Auch die Knechte und Mägde in dem Hause liefen aus diesem Anlasse
hin und her, und als ob Tausende von Gästen in einer Stunde kämen, schliefen sie nicht
einmal in der Nacht. Da an diesem Tage der Pflanzenmarkt des Dorfes war, gab man
der Tochter Toki-nusi's den Namen Nade-si-ko (Nelke). Man liebte sie zärtlich als einen
Edelstein auf der Handfläche und Hess sie sogleich durch eine Amme aufziehen. Mutter
und Kind nahmen an Gesundheit zu und man häufte Freude auf Freude.
Säte ima ma-iri-se-si j nade-si-ko-ga u-ba-no na-wo j ^ (kazasi)-to ijeri. Ko-tsutsnmi-iio sato-
nite 1 ito madzusi-ki mojio-no musume naru-ga \ fajaku tsitsi-fatoa-ioo itsinai-te | jasino-beki
n*
34 Pfizmaieu.
viono-mo na-kere-ha \ mura-osa-no ije-ni tsukajete \ lousana-yu-ini d(i.kt-iii.ori iiaclo sttj'U fudo-ni \
wakaki mono^no madüi-nite | \% |^ (kaja-zo)-to-ka iü kari-bito-to mittsä-si \ tsuki saje
l:asanari-te \ aruzi-no seme->io(/are-(iaiaki( omö-ni | wotuko muto-jori |ij /^ (siussijo) ^ ^
(fu-dzio)-no mono nari. l^^iiidc jo-karazu-to-ja oiuoi-ken \ ko-f-'^nUiuiii-nu safo-ico tdku-ten-
dte I juku-je sirezu nari-keru 0 (fi) \ kazasi-iou ^ (san)-iio ^ (ke) tsuki-te loöna-go-ioo
umi-tsit.
Die neu angekommene Amme Nade-si-ko's liiess mit Namen Kazasi (Aufgestecktes).
Die Tochter sehr armer Leute aus dem Dorfe Ko-tsutsumi, verlor sie frühzeitig ihre
Aeltern, und da Niemand war, der sie ernähren konnte, diente sie in dem Hause des
Aeltesten des Dorfes. Indem sie Kinder in den Armen hielt und bewachte, hatte sie
in der A'erirrung der Jugentl mit einem Jäger, dessen Name etwa Kaja-zö, Umgang.
Da ihre Monatszeit immer wieder verschlossen blieb, war es schwer, der Zurechtweisung
von Seite des Gebieters des Hauses zu entkommen. Wie man glaubte, hatte der Mann
eigentlich keinen bestimmten Aufenthaltsort. A\'ohl in der Meinung, dass die Gelegenheit
nicht günstig sei, entfloh er aus dem Dorfe Ko-tsutsumi. "Wohin er sich begeben, war
unbekannt. An demselben Tage kam Kazasi mit einem Mädchen nieder.
Kaja-zh sude-rn mi-ivu kakuse-si-ka-ha \ kazasi fitori-ga otsi-do-to nari-te \ aruzi-no seine
ijo-jo nogare-gataku \ kono oi-me-ivo tsukunowan tame-ni \ fi-gara fatete notsi \ waga micsume-
ivo-ba sato-ni jashiawasi-te \ toki-nusi-ga mvsume-no u-ha-ni-wa kl-tsuru nari. Kom.^ toki tosi
nawo fatatsi-ni tarazu. -j^ ^ Ziü-hun-no gan-sioku-ni-ioa arane-do \ fadaje siroku ahara-
tsuki-te I tsi-no joku idzuru-ni \ kokuro-zama matn oroka-narazu. H^ ^ (Kan-kn)-no utsi-ni
fifv-fo nari-te \ joru-be-naki mono nari-to iü-ni \ toki-misi-mo kawara-i-mo \ icaga ko-ico
fagukumasure-ba \ koto-ni fu-bin-no mono-ni omoi-te \ natsio fnju-no kinu-nan-domo : sadame-no
foka-ni torasi-tsu. Nade-si-ko joku jasinawa-ba \ wäre kanarazu nakor-datsi-site \ joki ■wotto-ioo
inotasi I ivaga musume-no usiro-date-ni su-beki-zo-to \ tanomosi-ku kikojuru-ni | kazasi-mo joki
zp (sijü)-wo tori-fari-to \ jorokobi-fe \ ito mame-jaka-ni tsukaje-tari.
Da Kaja-zö sich versteckt hatte, war es allein das Vergehen Kazasi's und es ward
immer schwerer, der Zurechtweisung von Seite des Gebieters des Hauses zu entkommen.
Um für diese Schuld einen Ersatz zu leisten, Hess sie, als die Zeit zu Ende war, ihre
Tochter in dem Dorfe aufziehen und kam als Amme der Tochter Toki-nusi's an. Sie
war um die Zeit nicht ganz zAvanzig Jahre alt. Obgleich sie keine vollkommenen Züge
hatte, war ihre Haut weiss und geschmeidig, die Milch kam gut liervor, und auch von
Sinn war sie nicht unverständig. Da sie in Mühsal aufgewachsen war und keine Stütze
liatte. fühlten Toki-nusi und Kawara-I, als sie ihr Kind aufziehen Hessen, besonderes
Mitleid und gaben ihr ausser dem, was bestimmt worden, noch Sommer- und Winter-
kleider. Sie versprachen ihr, dass sie, wenn sie Nade-si-ko gut aufziehen würde, ihr
einen o-uten Maini zubringen und sie zur Beschützerin ihrer Tochter machen würden.
Auch Kazasi freute sich, dass sie gute Gebieter erhalten hatte und diente sehr treu.
Sare-ba ßma-jziku kowa-no agaki fajaku-te \ toki-nusi-ga musume nade-si-ko-ica \ faja
jo-tsu-ni nari-nu. Ben-zai-ten-no mosi-ko nare-ba-ni-ja \ ki-rio-ica jo-no tsune-ni sugurete \
5§ JS (sai-si) /J^ 0tr (ko-matsi)-ga loarawa-datsi-mo \ kore-ni-ioa masu koto arazi-to omö.
Oja-no tsio-ai tagujen-ni mono nasi. Fito-no ko-nu otona-bi-tara-ico vdte-u-a \ fiki-nio nobasi-te
nade-si-ko-wo \ toku o-oki-ku se-baja tote \ matsi-ivabu oja-no joru tosi-wo \ omowanu-mo inata
ito faka-nasi. To-kaku. suru fodo-ni \ ko-tosi-mo sitsi-guatsu towo-ka-ni nari-nu. Toki-nusi-wa
nade-si-ko-ga tan-zeo-bi-no iwai-su tote \ sato-no osa-domo-tco maneki-te \ ßnemosu sakadzuki-wo
Der Nebel dek Klage. 85
to-susume \ jo-ni iin-te-iva \ mi-fi-ni-mn junisi-te sake nomase \ ware-vio itakv jei-te | ka-ja-no
utsi-je joromeki-tsiifsu iri-tari.
Indessen bewegte das über die Zwischenräume wandelnde Füllen schnell und Nade-
si-ko, die Tochter Toki-nusi's, war bereits vier Jahre alt. Weil sie wohl ein von der
Göttin Ben-zai-ten erbetenes Kind war, übertraf ihre Schönheit das in der Welt Ge-
wöhnliche, und man glaubte, dass die Kinder Si-schi's und Ko-matsi's nicht schöner
sein könnten. Die Zärtlichkeit der Aeltern war mit nichts zu vergleichen. Wenn sie
sahen, dass die Kinder anderer Leute gross waren, zogen und dehnten sie an ihr und
meinten, dass sie doch schnell gross werden möchte. Die Aeltern, welche nicht warten
mochten, dachten nicht an die herannahenden Jahre und waren auch sehr im Unge-
wissen. Während sie allerlei thaten, kam in diesem Jahre der zehnte Tag des siebenten
Monats. Toki-nusi lud zu dem Geburtsi'este Nade-si-ko's die Aeltesten des Dorfes ein
und reichte ihnen den ganzen Tag die Becher. Mit dem Einbrüche der Nacht erlaubte
er auch den Knechten und Mägden, Wein zu trinken. Er selbst, stark berauscht und
wankend, trat hinter die Netzvorhänge.
Midzika-jo-no i-gitanaki-ni \ 3£ (sijii)-nio simo-be-mo | jei-te fusi-fant kuse nare-ba [ to-
zasi iiado-mo j6 sezari-keru-ni-ja | sono jo nusu-bito sinobi-iri-to,ru-ni \ ja-utsi uma-i-site kore-ivo
m'azu. Kakari-si fodo-ni kaicara-i nomi \ imt-no fojurn ko-e-ni samasarete | tsio-zu-sen tote
fitorl ^ 'j(^ (si-soku)-site \ kaiva-ja-je jukic fodo-ni \ 'Ys ^ (tsiku-jenj-no to-bukuro-ni sote
tadazumeru mono ari. Ajasi-to omoi-te \ fi-wo age-tsutsu, \ so-wa tare naru-zo- \ to togamure-ba \
ko-e tate-sasi-te-tca kanawazi-to-ja omoi-keti I nusu-bito-iva j ja-niiva-ni fasiri-kakari-te j kosi-no
katana-ico nuku-te-mo misezu \ kaicara-i-ga kata-saki-jori ^ (tsi)-no sita sakete tsio-to kiru.
Kirarete atto sakebu ko-e-ni \ fito-ma fedatete fnsi-tari-keru.
In der Schlaftrunkenheit der kurzen Nacht hatte man, da sowohl Herr als Diener
gewohnt waren, berauscht sich niederzulegen, vielleicht die Thüren nicht gut verschlossen,
und es drang in dieser Nacht heimlich ein Räuber ein. Da man in dem Hause fest
schlief, wusste man dieses nicht. Um die Zeit wurde bloss Kawara-I durch das Gebell
des Hundes erweckt. Als sie, ein Licht ergreifend, allein in das Flusshaus ging, stand
an der Thürschlüpfe des Bambusvorhauses ein Mensch. Darüber sich wundernd, erhob
sie das Licht und fragte in scheltendem Tone, wer dieses sei. Der ßäuber, der es nicht
für angemessen halten mochte, die Stimme zu erheben, lief plötzlich herbei und hieb,
die Hand, welche das Schwert an den Lenden zog, nicht sehen lassend, Kawara-I von
der Schulterhöhe bis unter die Brust entzwei. Niedergehauen aufschreiend, lag sie, durch
ein einziges Gemach geschieden, am Boden.
Kaica-ja ,Flusshaus' ist der Ort des Abflusses der Unreinigkeiten. Tsib-zu-suru, mit
tsio-zu ,Handwasser' zusammengesetzt, ist mit seo-beii-sioru gleichbedeutend.
Ü-ba-no kazasi-ga odoroki-samete \ jawora kobe-wo motaguru-ni \ nade-si-ko-wa joku
neburi-tari. Ima sakebi-si-iva tare nara-rmi \ sake-ni najami-te mono-tsuki-tsi?'asu-ka \ mada
jv-wa akezu-ja-to \ fitori-gotsi \ oki-idete seo-zi osi-firaki \ ide-i-no fasira-ni kake-tari-keru \
W: ^ (tö-gai)-7io ~y (ßj-ivo kari-te \ sudare-no ßma-jori | tsiku-jen-no kata-wo sasi-nozoku-ni \
omo-kage koso sadaka-naranu \ mi-no take takaki kuse-mono-ga \ kori-ii(i gotoki kata7ia-icu
fisagete tattaru-ni \ tamasi-i-wa faja mi-ni sotcazn. Ko-e-tate-na-ba korosaru-besi. Äto-je-Ja
kajeran \ joko-sama-ni-ja nigen tote \ sumi-mo nare-taru ije-ni f^ (to) madoi \ fakoban-tu
suru asi-najete \ vmne saje todoi^oku-ni \ "0 (fa)-no iie aicazu \ soi-biisi-si-taru nade-si-ko-wo
mi-kajeru-ni üoma-naku-te \ jb-jaku nan-do-je kakure-iru-ni \ kono goro-no musi-bosi-ni | te-
gn Pfizmaiek.
tsukuri iriiru knjoi-hitsu amata fiki-tsirasi-tari. Ko-wa ^ ^ (kukkio)-no \ kakure-ga nari-to
omoi-si-ka-ha | fidzi tsika-narn aki-bitsu-no futa-wo od-agete \ sono utsi-Je sinohi-iri \ utsi-jori
fnta-wo fane-kajese-ha | kcike-ganr ono-dzukara fata-to ori-te \ mata idzu-beki ju-mo arane-do
kokoro-aioate-tara ort iiare-ba \ ^ (dzioj-no sasare-tari-fo-iva sirazu. Tsu-wo nonii \ fiza-wo
idaki-tsiofsu \ nen-bussite-zo i-tari-keru.
Die Amme Kazasi ei-waclite im Scbreclcen. Als sie behutsam das Haupt crliob,
scblief Nade-si-ko gut. Sic sagte zu sieb selbst: Wer wird es sein, der jetzt geschrien
hat? Stösst man. von dem \Yeine erkrankt, einen Dämon von sich? Der Tag ist wohl
noch nicht ano-ebrochen. — Sie öffnete das Schubfenster, nahm das Licht eines an den
Pfeiler des Ausgangs gehängten Lampendeckels und spähte durch einen Zwischenraum
der ThUrmatte nach der Gegend des Bambusvorhauses. Als dort ein von Grestalt hoher
Bösewicht, dessen Gesichtszüge nicht bestimmbar waren, ein Schwert wie Eis in der
Hand haltend, stand, war die Seele nicht mehr mit ihrem Leibe verbunden. ^Yenn sie
ein Geschrei erhob, konnte sie getödtet werden. Bei dem Vorsatze, wieder zurückzu-
kehren, in schräger Richtung vielleicht zu entfliehen, verfehlte sie in dem gewohnten
Hause die Thüre, der Fuss, den sie herumführen wollte, Avar gelähmt, ihre Brust wallte
nur, und die Wurzeln ihrer Zähne blieben nicht beisammen. Ohne Zeit zu haben, Nade-
si-ko, welche neben ihr gelegen war, noch einmal zu sehen, trat sie mit Noth, um sich
zu verstecken, in den Verschlag. Bei dem um diese Zeit stattfindenden Trocknen waren
viele Kästen des Verkehrs, in welche man das Haustuch legte, hier und dort aufgezogen.
In der Meinung, dass dieses ein vortreffliches Versteck sei, hob sie den Deckel eines
nahe an ihrem Arme stehenden leeren Kastens empor, stieg hinein und versteckte sich
darin. Als sie den Deckel von innen zusciilug, liess sicli die Klinke von selbst herab,
und sie konnte nicht mehr heraus. Doch in ihrem Schrecken wusste sie nicht, dass das
Schloss angelegt war. Sie wartete ungeduldig, umschlang ihre Kniee und betete.
S'aru fodo-ni nii,su-bito-wa \ jaiba-no nori-wo nugui-te kosi-ni obi | sibasi utsi-an-suru ju
■nari-si-ga \ tsui-ni nan-do-je sinobi-iri-te \ te-tsukuri-no kajoi-bitsn-ivo kore-kare-to kai-saguru-ni
mina mono nasi. So-ga naka-nl tada ßto-tsu \ dzih-sasi-farn ßtsu ari-ie \ ito omo-jaka-nari-
krre-ba \ utsi-ni fito ari-to-ino sirazn. \ -^ yfc (sijo-i-gi)-no naica-je kata-wo irete \ jb-jaku-ni
se-oi-age \ ko-tsuka-no ■'<asugn nuki-tori-te \ kata-je-no kabe-je nani-jaran \ tada futa-kudari
kiri-tsukete \ moto-nu fo-ziri-jori sinobi-ide \ nkca-no ko-dafsi-iro meguri-tsiitsii kaki-wo kobotsi-te
nige-sari-keri.
Unterdessen wischte der Räuber das Blut von der Klinge ab und hängte das
Schwert an seinen Gürtel. Er schien eine Weile zu überlegen. Zuletzt drang er heimlicli
in den Verschlag und suchte in den Verkehrskästen des Haustuclis hier und dort umher.
In keinem befand sicli etwas. Darunter war nur ein einziger verschlossener Kasten. Da
dieser sehr schwer war, fügte er, ohne zu wissen, dass sich darin ein Mensch befand,
die Schulter in den Strick der Ti-aghölzer und hob ihn mit jMühe auf den Rücken. Er
zog eiii kleingriffiges Taschenmesser, ritzte etwas — es waren nur zwei Zeilen — nebenan
in die Mauer und trat bei der ui-spriinglichen Thüre heimlicli heraus. Die Baumreihen
des Vorhofes umkreisend, durchbrach er den Zaun und entfloh.
Sijo-i-gi, ein Wort, das sonst nirgends vorkommt, hat in der Zeichenschrift die Be-
deutung ,Holz des T]-agens auf dem Rücken'. Was sijo-i eigentlich bedeutet, kann mit
keiner Gewissheit bestimmt werden.
Dek Nebel dek Klage. - 87
Kakare-domo \ nawo slru- mono na-kari-sl-ni \ akc-gata t.sikaku nara mcüna-ni | nomi-
ni-ja kurusi-kari-ken \ nade-si-ko-rja fitori samete | itakii, naku ko-e-sura-ni \ toki-nusi jujaku
."tamcte | sa-jü-wo ini-kajeru-ni \ kaivara-i-ica fusi-do-ni loorazu. Kawa-ja-je-ja juki-ken tote j
kara-kami-gosi-ni \ kazasi-kazasi-to \ jobi-samase-domo iraje-sezu. U-ba-ga tosi-no j ifo ivakaki-ni
i-gltanaku-te | kaku-te-mo Jiaivo samezaru-ka \ oki-Jo- | oki-jo- \ to i-i-nagara \ kara-kami-wo
usi-akete | ka-ja-no soto-jo7'l sasi-nozuku-ni | kazasi-mo mata fim-do-ni-iva wurazu. Kore-mo
kawa-ja-je juki-tcn^i-ken \ ana bin-nasi- \ to tsubujaki-te | ka-ja-no utsi-je kiiguri-iri \ waga
ko-wo fiza-ni idaki-agete | sama-zama-ni sukasi-koslrajure-do \ wöna-go-xüa koto-sara-ni \ tsitsi-no
fiza-ni-iva dtasimade \ nawo mutsukari-te sori-kajeru. Nade-si-ko-ivo daki-snkumete-mo | sen-
su-be-nasa-ni ka-ja-wo ide \ iza tamaje \ kawa-ja made ide u-ba joban \ itaku na-naki-so- \ to
juri-agete | kawa-ja-no kata-je jukan-to suru-ni \ JjJ_ (tsi)-wo f/imi-ivake-taru asi-ato wotsi-
kotsi-ni ari. Ko-ioa ika-ni- | to utsi-odoroki | fasiri-te tsiku-jen-no kata-wo mire-ba \ ama-do
itsi-mai utsi-kajesare \ ari-ake-no tsuki kuma-naku sasi-irwtt-id \ tsi-siivo nagare-tsutote \ take-
su-no ko-wo some-si-ka-ba \ ^ ^ (ga-kitwb)-7io namida-ivo sosogeru gotoku | tsuma-no
kawara-l-wa | noke-sama-ni kiri-tbsarete \ mukuro futa-kida-ni nari-tari.
Wähi'end auf diese Weise noch immer Niemand etwas wusste und die Moi'gen-
dämmerung nahe war, erwactte, vielleiclit von Flöhen belästigt, Nade-si-ko allein und
schrie sehr laut. Toki-nusi, mit Mühe erwachend, blickte nach rechts und links, doch
Ivawara-I befand sich nicht in dem Schlafzimmer. In der Meinung, dass sie in das
Flusshaus gegangen sein werde, rief er durch die Pa]3ierwand : Kazasi ! Kazasi ! und
Avollte die Amme aufwecken, doch diese antwortete nicht. Er vermuthete, dass die
Amme, sehr jung und schlaftrunken, somit noch nicht aufgewacht sei. Unter dem Rufe:
Steh' auf! steh' auf! öti'nete er die Papierwand und blickte aus dem Netzvorhange her-
vor, allein auch Kazasi befand sich nicht in dem Schlafzimmer. Er flüsterte vor sich
hin : Sie wird in das Flusshaus gegangen sein. Wie ungelegen ! — Hiermit schlüpfte
er liiuter den Netzvorhang, hob sein Kind auf die Kniee und that allerlei, um es zu
besänftigen, jedoch das Mädchen, mit den Knieen des Vaters sich durchaus nicht
befreundend, ward noch äi-gerlicher und beugte sich zurück. Er schloss Nade-si-ko fest
in die Arme, und da er sich nicht zu helfen wusste, sagte er: Wir gehen zu dem Fluss-
hause. Wohlan ! Wir gehen zu dem Flusshause und werden die Amme rufen. Schreie
nicht so sehr! — Als er, mit diesen Worten sie schaukelnd, auf das Flusshaus zugehen
wollte, waren hier und da Fussstapfen in zertretenem Blute. Sich wundernd, wie dieses
komme, lief er und blickte nach der Gegend des Bambusvorhauses. Ein Flügel der
Ilegenthüre war umgewendet, und als der Mond des Tagesanbruchs ungehindert herein-
scliien, floss Blut umher und färbte die Bambusflur. Wie von den Thränen Ngo-hoang's
benetzt, war seine Gattin Kawara-I, auf dem ßücken liegend, niedergehauen, und ihr
ßumpf in zwei Stücke zertheilt.
Asamasi-sa iü-beö-mo arane-ba ^ tada ko-e-wo kagiri-ni \ koto o.7'i-ari- j to sakebi-si-ka-ba
nu-ß-ica kore-ni odorokasm^ete ! mina-mina obi-ivo musubi-mo ajezu \ te-ni-ie-ni tomosi-bi tori-te
fasiri-ki-tsu. Kono ari-sama-nl j^ ^ (sin-seöj-site \ i-i-gai-naki onna-domo-iva | si-gai-ico
mainori-te iitsi-naku novu. Aruzi-ni toje-ba aruzi-mo sirazu. Kataki-wo tare-to-mo sadamc-
kanete \ ^ ^ (siju-zijü) omote-ivo awasi-tsutsu | akirete sn-be-mo na-kari-keri.
Da seine Verblüfftheit unaussprechlich war, schrie er nur so laut er konnte: Es ist
etwas geschehen! — Die Knechte und Mägde, hierdurch aufgeschreckt, kamen alle, ohne
sich zum Knüpfen des Gürtels Zeit zu lassen, in den Händen Lampen haltend, herbei-
88 Pfizmaieü.
gelaufen. Dui-cli dieses Ereigniss ausser Fassung gebracht und unfähig zu sprechen,
bewachten die Weiher den Leielinam und weinten niii-. Als man den Gebieter des
Hauses befragte, wusste es der Gebieter des Hauses auch nicht. ]\Ian konnte nicht
bestimmen, wer der Feind sei. Herr und Diener steckten die Köpfe zusammen, staunten
und waren ratldos.
Sono ti'ki tol:i-}iusi-ira \ i-knii-no ma-huta-wo sibn-fntaki | koto-no tei-taraku-ivo ^ (sui)-
surit-ni \ iu-zoku-no waza naran-to-ica omoje-do j tada ibukasi-ki-iva ii-ba-no kazasi-ga | kakaru
sawagi-ni ide-mo kozu^ \ kare-mo zoku-ni-ja korosare-ken \ toku tadzime-jn- \ to iradate-ha \
mina-mina kokoro-je-fatde \ ma-goto nokorii kmna-mo naku | sono na-ivo jobi-kakete tadzune-
megnru-ni \ tajete worazti. Nan-do-no aki-fitsu tada ßto-tsu use-taru foka-ni-iva \ ubai-sarare-
tarn ]iioiiü-wo va-kere-ba \ sijn-zijn futa-tahi n.an-do-je tsudui-te \ to-jaran \ kaku jaran-to
nonosiri-o fodo-ni \ t(iki-)insi sibasi si-an-site \ icaga tsuma-iva korosarete \ n-ba-wa worazu.
Aki-ßtsu fito-tsu use-taru-mo kokoro-je-gatasi. Mosi ii-ba kazasi-ni misoka-ioo ari-te \ ko-joi
sinobi-iri-taru-'wo | kaioara-i-ni mi-togamerare | jamit koto-wo jezu setsu-gai-site \ kazasi moro-
tomo nige-sari-taru-ka \ köre mata siri-gatasi. Tada aki-ßtsii-no 7i.se-taru nomi | osi-faküru-
beo-mo arazu. Nandzi-ra-ica nani-to-ka. umö \ omoi-airasurn josi-ica nakl-ka.
Da winkte Toki-nusi unwillig mit den Augen und sprach gereizt: Wenn man die
Umstände der Sache erwägt, so sollte man denken, dass es die That eines Räubers sein
wird. Es ist jedoch imbegreiflich, dass die Amme Kazasi bei einem solchen Lärm
nicht hervorkonunt. Sie wird vielleicht auch von dem ßäuber getödtet worden sein.
Suchet sie schnell! — Alle Avaren ganz liiermit einverstanden. In jedem Zimmer und
ohne einen W^inkel übrig zu lassen, riefen sie ihren Namen imd suchten sie rings umher,
jedoch sie war nirgends. Da nur ein einziger leerer Kasten des Verschlages abging
und ausserdem nichts geraubt worden war, versammelten sich der Herr und die Diener
zweimal in dem Verschlage, schmähten unter einander und sagten, so oder so werde es
sein. Toki-nusi dachte eine Weile nach und sagte: Meine Gattin wurde getödtet, und
die Amme ist nicht da. Dass ein leei'er Kasten abgeht, ist schwer zu begreifen. Hat
die Amme Kazasi vielleicht einen Buhlen, der, als er heute Nacht heimlich hereinkam,
von Kawara-I gesehen und bezichtigt, nicht umhin konnte, sie zu tüdten und zugleich
mit Kazasi entfloh? Auch dieses lässt sich nicht erfahren. Warum nur ein leerer
Kasten abgeht, darüber kann man keine Vermuthung aussprechen. ^Vas haltet ihi' davon?
Gibt es nichts, was ihr damit in Verbindung bringen könnt?
To siba-siba toje-domo kotöru mono nasi. Sikani-ni otona sagi-suke-ica \ tsika-goro te-
t^tikuri ^ ^ (fiaku-tan) arnari vjatakusi-site \ kore-tco tsukimb-ni sio-be-naku \ fitori kokoro-
knrusi-ku omö wori \ kano aki-fitsu-no use-taru-ioo \ kukkib-no koto-to site \ fara-no utsi-ni
moku-romi are-ha | ko-fiza-ivo idsl-te susumi-ide \ ono-ono-iva kano fitsu-ni \ mono nasi-to omoi-
tsuran-ga. | kiil-ni ka,ma-kura-je nobosu-bckl josi ari-te | jon-be onore fiaku-tan-no te-tsukitri-ivo
ire-oki-tare-do | k()to-m,ra-ni fito-n.o ide-iri o-ohu \ kotofogi-sake-ni jei-magirefe | nan-do-ni-tua
oki-tari-si \ sare-ba nitsu-bito-ga iibai-sarl-si-wa \ akl-fitsu-ni arazu.
So fragte er immerfort, doch Niemand antwortete. Indessen sagte der älteste Dienei"
Sagi-suke : Jüngst nahm ich über hundert Stücke Haustuch zu mir. Ich hatte kein
.Mittel, sie zu veräusseru, und während ich allein, im Herzen mich quälend, nachdachte,
hielt ich jenen abhanden gekommenen Kasten für eine vortreffliche Sache. In meinem
Inneren entstand ein Plan, ich schlug das Knie und trat vor. Ein Jeder mochte glauben,
dass in jenem Kasten nichts sei. und da die Älöglichkeit vorhanden war, schnell nach
Der Neuel der Klage. 89
Kama-kura zu schicken, legte ich vorigen Abend hundert Stücke Haustuch hinein. Es
gingen jedoch besonders viele Menschen ein und aus, und von dem Festweine berauscht
und verwirrt, stellte ich den Kasten in den Verschlag. Somit ist es kein leerer Kasten,
welchen der ßäuber geraubt hat.
Koto-fogi hat den Sinn ,mit Worten beten' und bezeichnet das Glückwünschen.
To iü-ni I viina-mlna tabakaru-to-wa omoi-mo kakezu \ sate-wa kazasi nusu-hito-no \ siru-
be-se-si-ni kiicamareri | te-wake-site jukzt-je-wo tadzunen \ iza tote mina-mina tatan-to suru-ioo |
toki-nusi kiü-ni osi-todomete \ kata-je-no kabe-ico utsi-mi-age \ nandzi^ra joku are-wo mi-jo \
kabe-ni kizii tsukete nani-jaran kaki-todome-taru-ka- \ to ubosi \ tomosi-bi-no kutsi sasi-muke-
jo- I to i-i-tsutsu tatsi-te kore-ivo mire-ba \ te-tsukuri fito-fitsit -^ ^ (sijahi,-jö)-no koto. len-
bun ziü-itsi-nen \ sitsi-guatsu towo-ka. ^ ^ su-tshl-no ßto-je \ so-tsiü-no ßto- | to sirusi-
tare-ba \ sagi-suke-ga itsuwari-mo \ tatsi-matsl-ni makoto-to nari-te \ mina-mina futa-tabi akire-
tsutsu I aku-made kimo-no fiiioki jatsu kana. So-tsiü-no fito-to-wa nani-no koto-zo \ ate-na-mo
ware-mo kusa-no ntsi-no \ ßto-to-ica ^ (gej-semt fan-zi-mono \ fan-zi-z'a-mo ito nikumu-
beki-ioa \ kazasi-ni koso. -
Alle, nicht daran denkend, dass er sie betrüge, sagten : Also ist es entschieden,
dass Kazasi dem Räuber den Weg gezeigt hat. AVir werden uns theilen und aus-
forschen, wohin sie gegangen ist. Auf! — Als Alle sich erheben wollten, hielt sie
Toki-nusi schnell zurück, wandte die Blicke nebenan auf die Mauer und sagte: Sehet
dieses gut an ! Es sieht aus, als ob man in die Mauer Hitze "'cmacht und etwas nieder-
geschrieben hätte; Haltet die Oeffnung der Lampe liin ! — Als man sich erhob und es
ansah, stand daselbst geschrieben : Man entlehnt einen Kasten Haustuch. Ten-bun eilftes
Jahr, siebenter Monat, zehnter Tag. ' An den Menschen inmitten der Pflanzen der Mensch
inmitten der Pflanzen. — Die Lüge Sagi-suke's wurde plötzlich Wahrheit und Alle
staunten zum zweiten Male. Sie sagten: Ein bis zum üeberdrusse beherzter Sklave!
Was ist: Mensch inmitten der Pflanzen? Ein Ding für die Auslegung, wobei der Name
und er selbst es nicht erklärt, was ,Mensch inmitten der Pflanzen' ist. Das Auslegen soll
sehr abscheulich sein für Kazasi.
To dojomekic fodo-ni\mado-no fima-jori sirami-tsutsu\tsune-ni-wa aranu ake-garciMc-mo \
mono-no aicare-ioo siru-ni ni-te \ toki-nusi-wa hna-sara-ni \ omoi-cnvasxra koto-mo are-ba \
sagi-suke-ra-iüo katakn todomete | kazasi-ga juku-je-ivo tadzunen-to-mo sezn \ m.adzfi koto-no
omomuki-ico \ kokib-fu-je rdtajete \ kawara-i-ga no-be-no okuri-iuo isogasi | nanu-ka-nanu-ka-no
iE Wi (tsui-zen) ^ ^ (do-kib)-ni \ ta-muke-no midzu-mo sode-.no tsuju \ ^ (ko)-no
kefuri-ni mime-no _j/C (fi)-no \ kije-ni-si tsuma-no \ kata-mi-to ovioje-ba \ naico ^ ^
(ai-dziakuj-no ijamase-si \ nade-si-ko-ni nomi nagusamete \ ni-i-tama-matsuri mukaje-tari.
Während sie so lärmten, dämmerte es aus den Zwischenräumen der Fenster, der
gewöhnlich nicht anwesende j\Iorgenrabe auch schien das traurige P]reigniss zu kennen.
Da Toki-nusi jetzt wieder seine Gedanken beisammen hatte, hielt er Sagi-suke und die
Anderen mit Festigkeit zurück und wollte nicht erforsclien, wohin Kazasi sicli begeben
hatte. Er zeigte zuerst den Vorfall in dem Sammelhause des Reiches an und beschleu-
nigte das Leichenbegängniss Kawara-I's. Bei dem mehrmals sieben Tage dauernden
Todtenopfer und dem Lesen der heiligen Bücher, dem Wasser des Handopfers und dem
Thau des Aermels, in dem Rauche der Wohlgerüchc glaubte er die Gattin, bei welcher
' Das Jahr 1542 n. C'Iii-. An dem angegebenen Tag-e wurde das Geburtsfest gefeiert.
Denkschriften der plül.-hist. Cl. XXVI. B.l. 12
90 Pi'lZJlAlEU.
das Feuer der Brust erloschen, Im Bilde zu sehen. Nur bei Nade-si-ku, die er noch
mehr liebte, Trost findend, ging er dem neuen Todtenfeste entgegen.
Korc nan saki-ni haicara-i-ga \ jume-makura-ni tatsi-tamai-si | ben-zai-ten-no zi-gen-ni
tayaicazti. Ko-ico motsi-te Qiotsi kaku made-ni nagekl-no kiri-nu ito fukaku \ omoi-sidzimii-te
1)11-710 aki-ico I ko-toyi-jori ;</ru fadzi-raornidzl \ tsiri jnku su-e-ica ika varaii \ tsui-ni nogarenu
in-gua-to-ica \ omoi-oraowanu hon-hu- ;Cj> (mh) \ matanu tsuki ß-m» tatsu mama-ni \ tada jo-
tvatari-ni idsi-magire \ iku faru aki-tco okuru naru-hesi.
Dieses war von der Offenbarung der Göttin Ben-zai-ten, welche fridier zu dem
Traumpolster Ivawara-I's getreten, nicht verschieden. Nachdem man ein Kind erhalten,
war der Nebel der Klage, selbst bis zu einem solchen Masse, sehr tief, in Gedanken
versunken, waren die den Herbst des Leibes seit diesem Jahre kennenden rothen Blätter
des Färberbaumes verstreut: wie sollte die Zukunft sein? Zuletzt muss das den Gedanken
an die nicht zu vermeidende Strafe nicht fassende Menschenherz, indess die nicht erwar-
teten Monde und Tage sich erheben, einzig bei dem Durchsetzen des Zeitalters verwirrt,
manche Frühlinge und Herbste verbringen.
Der Wald der Klage. Erster Tlieil.
Kub-in ^ (joj-no gotoku \ mata ^ (osaj-no gotoku \ turi-ta-no seö-zi toki-nusi-ga
mnsiime nade-si-ko-ica \ faja ni-fatsi-no faru-ivo imdiaje-tari. Kakaru inaka-ni ßto-tu-tva
nare-du | ito imizi-ku rUagete \ niicojaka-naru oviu-kage-ica \ kio kama-kura-ni-mo | tagui
o-o-karu-he6-mo arazu. Kaze-ico fickumeru janagi-no kami \ tsuju-ni nure-taru fana-no kiäsi-
biru \ mono-no i-i-zama cd-kio-dzuki-te \ majii-ica faru-no tsuki-no \ |^ |1| (en-zan)-ifo nohoru
gotoku I riie-ica aki-no nami-no j J§ )% (j6-tsi)-ni fasiru-ga gotoku \ % ^ (mo-seo) I§ J'^
(sei-sij-mo omote-u-o fadzi \ |^ ^ (ko-ziju) ^ ^ (sei-kin) kagami-wo owö-he-kari-si woto-me
naru-ni \ fasiri-gaki mata tsuta-na-karazu \ so-si mono-gatari nado-mo \ o-o-kata-wa jomi-
ukamete | siki-sima-no mitsi-ni omoi-iuo josi \ ito-take-no sirahe \ jo-no tsune-ni sugi-tare-ha
kano tosi-kage-no musmne-to iü-to-mo \ kore-ni-iva ika-de masu-beki-to \ siru-mo siranu-mo
sono tsuma-oto-ifo more-kiku mono \ tatsi-tomorazu-to iu koto nasi.
Die Zeit war gleich einem Pfeile, auch gleich einei- Weberspule, und Nade-si-ko,
die Tochter Tori-ta-no Seö-zi Toki-nusi's, ging bereits zweimal acht Frühlingen ent-
gegen. Obgleich sie in einem solchen Dorfe aufwuchs, war sie von ganz besonderem
Liebreiz, und ihre schönen Züge konnten selbst in der Mutterstadt Kama-kura nicht
viele ihres Gleichen haben. Das Hauptljaar der den AVind aufnehmenden ^Yeiden, die
Lippen der von Tliau befeuchteten Blumen, die Sprechweise war lieblich. Die Augen-
brauen gleich dem Frühlingsmonde, der die fernen Berge ersteigt, das Auge gleich den
herbstlichen Wellen, die auf dem Teiche des Edelsteins Yao umherlaufen, sie war ein
Mädchen, vor welchem Mao-tsiang und Si-schi sich ihres Angesichtes schämen, Kiang-
schü und Tlising-kin den Spiegel verdeckt haben konnten. In der laufenden Schrift
war sie auch niclit unerfahren, die Schreibebücher und Erzählungen las sie im Ganzen
durch, an den Weg der gebreiteten Insel heftete sie die Gedanken, in dem Einklang
der Seide und des Bambus ragte sie über das Gewöhnliche hervor. Man sagte: Wäre
es auch die Tochter jenes Tosi-kage, wie könnte sie mehr als dieses Mädchen sein? Die^
Der Nebel DER Klaue. 91
Menschen, welche sie kannten und diejenigen, welche sie nicht kannten, wenn sie den
Ton ihres Saitenspiels hörten, geschah es niemals, dass sie nicht stehen blieben.
Rotagete^ welches rafu-tofjete gesclirieben werden soll, hat eine Bedeutung gleich
ai-rasi ,lieblich'.
Sare-ha ^ (^ (seö-en) amata ari-te \ kiiwi-doku takaki tono-bara-mo j kiki-tsutajefe-u-a
minu koi-iii akugare | naka-dafat-iiiofe sama-zama-nl \ kodrajuru-ruo are-do [ tnki-nusi-wa
rnuko-ico jerami-te \ imada sono ^^ t^ (kon-jenj-ico sadamezu. Knan-rei ;^ ^ (hu-seoj-icn
m7tko-ni toru-to-mo \ kata-karazl- ] to omoi-fokoreru nara-besi.
Indessen gab es viele Besitzer von Lehensfesten, Herren, welche hohe Aemter
bekleideten. Diese, als sie von ihr hörten, verliebten sich, olnic sie zu sehen. Sie traten
durch Vermittler auf allerlei Weise Vorbereitungen, allein Toki-nusi, wenn er einen
Schwieo-ersohn wählte, bestimmte noch nicht die Vermäluno'. Er mochte in seinen
Gedanken stolz darauf sein, dass es nicht schwer sein würde, einen Statthalter, einen
Kriegsanführer zum Schwiegersohne zu nehmen.
Sikaru-ni ko-zo-no aki-jori \ toki-nusi-ga ije-no | figasi-tonarl-nl lüabi-sicmai-suru | bu-sl-no
rh-nin ari-keri. Tusi-ica fatatd-no uje-ico idezu. Kore-mo 7nare-narn bi-seu-nen-riite\
1s^ "^ ^ (bi-si-ka)-ga ije-ni najameru omo-kage \ ^ 3L (zai-rjo)-no kvni-no adzuma-dzi-ni j
samajoi-tamai-si fu-zei ari. Kimi-no ^ (tsio)-no otoroje-taru-ka | tsitsi-ni ai-ivo usinai-
taru-ka \ mi-wa ta-fa-gaiva-ni nagare-kite \ ßkari-ico udzume | ato-ioo fisome \ sato-no age-
iiiaki-ra-ni te-fon-wo torasi | mata icaka-ndo-ra-ni \ sasa-fatsi-no fuje-v:o ivosijete | kore-wo
asa-jn-no siro-to si^tsu. Sono na-ico ^Q ^ (ina-ki) f<i| ZL ^ (fo-zi-ro)-to juharu. Moto-
jvri ^ "^ (mu-boku)-no tcabi-zumai nare-ba | mi-dzukara ß taki midzu kumi-te ] jafsn-
jatsusi-ku-wa tafsi-furumaje-domo | josi-aru ßto-no ko-ni-ja ari-ken | kokoro-zama ijasi-karazu.
Jorodzu tsussimi ßidio-site \ viono-sirio katco-mo sezari-si-ka-ba \ sato-bito-ra-mo mata kore-ico
anadorazii. -^ (Ko) aru mano-ica \ mina fo-zi-ro-ga de-si-ni site \ ina-ki-no risi-fa fataje-tavi.
Seit dem Herbste des vorigen Jahres lebte jedoch in dem östlich von dem Hause
Toki-nusi's gelegenen Nachbarhause ein ärmlich wohnender unbeschäftigter Kriegsmann.
Derselbe war nicht über zwanzig Jahre alt. Er war ein Mann von seltener Schönheit,
mit Gesichtszügen, tiber welche man in dem Hause Wei-tse-hia's sich kränkt, von einer
Haltung, in welcher man auf dem östlichen Wege des unter Fünfen befindlichen Ge-
bieters umhergewandelt ist. AVar die Gunst des Gebieters verringert? Hatte er die
Liebe bei dem Vater verloren ? Er kam als ein Verbannter zu dem Flusse Ta-fa-gawa
und vergrub das Licht, machte die Spuren unkenntlieh. Er gab Knaben Schreibe-
muster, lehrte auch Jünglinge die einen Schuh acht Zoll messende Flöte und machte
daraus seinen Rückhalt für den Morgen und Abend. Sein Name war Ina-ki Fo-zi-rö.
Da er ursprünglich ohne Diener und ärmlich wohnte, machte er mit eigenen Händen
Feuer und schöpfte Wasser. Obgleich er elend auftrat, war er wohl der Sohn bemit-
telter Leute, und sein Sinn war nicht gemein. Da er in den zehntausend Dingen grosse
Aufmerksamkeit zeigte und nicht die Miene eines Weisen annahm, schätzten ihn die
Menschen des Dorfes auch nicht o-erino-. Alle Söhne waren die Schüler Fo-zi-rö's und
nannten ihn den grossen Mann des Geschlechtes Ina-ki.
Tatajeru ,mit Wasser anfüllen' wurde ehemals durch ^ ausgedrückt und bedeutete:
lobpreisen oder lobpreisend nennen.
Sare-ba fo-zi-rh-ica mono-taru tosi-mo ara- jth (j"J->''o j naka-naka-ni jas/dcit oboje.te |
ßru-ica ßnemosu kasigamasi-ki | dö-zi-ra-ga mori-rco mre-ba \ kore-ra-wo kajesi-fatete notsi \
VI'*
92 Pfizmaiek.
icaga ije- ^ (rakuj-no tsure-dzure-ni | ßtoj'i fasi-tsikb wori-te \ jn-tsuki-ni utsi-mukai \ sasa-
fatsi-no fuje fuki susami-tsutsu \ J5 (kuj takete^num ju o-o-kari. Gerd aki-no sika-no fuje-ni
joru-mo I koi-tefu mono-ni mi-ico rvasurete \ ono-ga tsuma-to-zo madu naru \ sore-ni-wa arade
nade-si-ko-wa | tonareru ije-no fuje-no ne-no | ito onio-siroku kikojuru-ni moto-jori konomib
xcaza nare-ha \ ika-naru fito-no sirahe-ni-ja- \ to arui-iva iitagai \ arui-tva kan-zite \ fitori
mimi-wo soha-tate-tsutsu. Tsuki-no ito akaki jo-wa \ ware-mo mata taka-dono-niie | kotu kaki-
narasi o.ioasure-ha \ fo-zi-ro-mo kanete kiku | köre koso tori-ta-ga ma-na-musume-no | tsuma-oto
narame- | to fakaru nomi. Waga ije-to kano taka-dono-to | utsi-mukai-te-ioa | ari-nocjara
koto-no wo narade ziü-san-gen-no \ mizo-gaioa-ni fedaterare \ migiica-ni-ica isasa-mura-take \
ija-ga uje-ni sigeri-ai-tsio. Fira-ja-nare-ha kasiko-wa mijezu \ kasiko-jori-mo konata-wo-ha \
miru josi tnjete na-kari-keri.
Indessen gedaclite Fo-zi-ru in der That ruhig der genügenden Jahre und des rauhen
Zeitalters. Den Tag über machte er den Wächter der läi'menden Knaben. Nachdem
er diese nach Hause geschickt, weilte er, in der Einsamkeit seiner häuslichen Freude,
allein nahe an der Seite des Hauses. Dem Abendmonde gegenüber, in das Blasen der
einen Schuh acht Zoll messenden Flöte vertieft, ging er viele Nächte spät in der Nacht
schlafen. Oifenbar hielt er sich an die Flute des Herbsthirsches, und es war nicht der
Fall, dass er vor Liebe auf sich selbst vergass, bei der eigenen Gattin zerstreut war.
Nade-si-ko, als der Ton der Flöte von dem benachbarten Hause sehr lieblich erklang,
war davon eingenommen. Bald in Zweifel, wessen Tonweise dieses sein möge, bald
bewundernd, neigte sie das Ohr hin. In sehr hellen Mondnächten spielte auch sie in
dem Stockwerke zugleich die Harfe. Fo-zi-ro, der dieses hörte, yermuthete nur, dieses
werde das Saiten.spiel der Tochter des Geschlechtes Tori-ta sein. Sein Haus und jenes
Stockwerk standen einander zwar gegenüber, jedoch wenn die Saiten der Harfe nicht
gewesen Avären, waren sie dui'ch einen dreizehn Ken messenden Grabenfluss geschieden,
lind an der Wassergränze wuchsen Büsche von wenigem Bambus in Blätterfülle der eine
über dem anderen. Da es ein flaches Haus war, konnte man dorthin nicht sehen, und
von dort hierher zu sehen, war durch gar kein Mittel möglich.
^ ^ (Ma-na)-musume ist so viel als das einfache musume , Tochter'.
Isasa-jinira-take ist ein Bambusgebüsch von wenigem Bambus. Isasa hat die Be-
deutung von isasaka ,wenig'.
' Sa-are-domo fo-zi-ro-'tva \ sono kokoro-zcm iro-gonomi-sene-ha \ omoi-ico kakurii koto-tca
naki-ni | nade-si-ko-tva waga kononm tokoro-jori | kasiko-no fuje-no ne-ni ßkarete-ii:a \ tada
sono ßto-ivo mi-ma-fosi-ku | joso-nagara ivonna-domo-ni | ina-ki-ga koto-wo tsutaje-kikl-te \
Jcokoro-no vtsi-ni kore-iüo sitai \ ika-ni-mo site mi-baja-to omoje-do \ taka-dono-ni nohori-te-mo \
fikuki kusa-nu ja-u-a to-ni kaht-ni | fori-to take-to-ni fedaterare | omote-ni kaki-site tatsu
gotosi. Kasiko-ni-mo koko-no gotoku | taka-dono are-kasi-to omö nomi.
Während Fo-zi-rö, von Gemüthsart nicht lebensfroh, seine Gedanken an nichts
heftete, wünschte Nade-si-ko, von dem Orte, den sie liebte, durch den Flötenton jenes
Ortes weggezogen, nur diesen Menschen zu sehen. Von unbetheiligten Weibern das
Nähere über das Geschlecht Ina-ki erfahrend, sehnte sie sich nach ihm und wünschte
ihn, auf Avelche Weise es auch sei, zu sehen. Jedoch als sie in das Stockwerk stieg,
war das niedrige mit Stroh gedeckte Haus auf jeder Seite durch den Graben und durch
den Bambus geschieden, es war, als ob vor dem Angesichte eine Mauer stände. Sie
wünschte nur, dass dort gleich wie hier ein Stockwerk sei.
Dee Nebel der Klage. <j3
Mata miru josi-mo na-kari-si-ka-ba | ama-no kawara-no naka-tajete \ tsuki saje kuraki
kokotsi-se-si-ni \ kono tosi-no aki de-midzu-site \ fira-ja-iva su-no ko-ivo kuje-ni-kere-ba | fo-zi-
rb-ioa midzu-ni oiarezu \ itaku odoroki-osorete | kaja-ja-no mune-ni jodzi-nobori-tsutsu. Midzu-Ho
otsuru-ico matsu fodo-ni | toki-nusi-ga ja-utsi-no niono-ica \ mina taka-dono-ni nobori-te v:ori \
koko-ni fazimete nade-si-ko-wa \ kolsi-ki fito-to omote-ioo aivasi-te | katami-ni sono mijabi-jaka-
naru-ico siru mono-kara | airai faruka-ni fedatsure-ba j mono-i-i-kaken su-be-mo arazu. Masi-te
fo-zi-ru-wa \ ito ^ (kö)-zi-taru wori nario-ni \ iro-too konomazare-ba j futa-tahi kore-ioo mi-
kajerane-do \ nade-si-ko-wa omö-ni masi-taru | ina-ki-ga omo-kage-ni mime zttsi-saicagi j fune
sasi-josi-te kano ßto-zvo I konata-je rimkaje-tori-te-jo- \ to kvan-to site-iva iku-so tabi \ je-mo
i-i-kanete fito siranu \ omoi-wo kasiko-je fakobasu-to-ica \ satoranu oja-iva sagi-suke-ra-to |
fo-zi-ro-ivo jiibi-sasi-tsutsu | ka-bakari-no midzti-ni urotajete \ ja-ne-je nobori-si mono-mo ari \
are mi-jo-ja tote | azami-warb fodo-ni \ midzu-iva fatsiika-ni \ futa-toki bakari-ni faja otsi-te
fito-iüo sokonb koto-mo naku j ta-fata-ivo jaburu koto-mo na-kari-si-ka-ba j sato-bito-ra jorokobi-te |
kotofogi-v ko-e | kado-kado-ni mitsi-tari.
Da es ferner kein Mittel ihn zu. sehen gab, hatte sie das Gefühl, als ob die Ebene
des Himmels in der Mitte zerrissen, der Mond nur finster wäre. Indessen trat in dem
Herbste dieses Jahres das Wasser aus und überfluthete in dem flachen Hause die
Bambusflur. Fo-zi-rö, an das \Yasser nicht gewohnt, ward in hohem Grade von Schrecken
und Furcht befallen und kletterte auf die Firste des Strohdaches. Während er auf das
Fallen des Wassers wartete, stiegen die Leute in dem Hause Toki-nusi's insgesammt in
das Stockwerk und verblieben daselbst. Hier hatte Nade-si-ko zum ersten Male mit
dem geliebten Menschen ein Begegnen von Angesicht, und Beide lernten ilire gegen-
seitige Zierlichkeit kennen. Da sie dabei durch einen weiten Zwischenraum getrennt
Vv'aren, war es nicht thunlich, an einander AVorte zu richten. Um so weniger, als Fo-
zi-rö, eben in grosser Verlegenheit sich befindend und keineswegs leichtlebigen Sinnes,
nicht zum zweiten Male herblickte. Jedoch Nade-si-ko war von dem in ihren Gedanken
immer mehr auftauchenden Bilde Ina-ki"s im Inneren erregt. Mehi'mals im Begrifl'e zu
sagen : Schicket ein Schifl' aus und bringet jenen Menschen hierher ! konnte sie das Wort
niemals aussj^rechen. Ihr Vater und Sagi-suke. nicht ahnend, dass sie die von Anderen
nicht gekannten Gedanken dorthin trage, zeigten auf Fo-zi-ro mit dem Finger und
sagten : Durch ein solches Wasser aus der Fassung gebi'acht, steigen Menschen sogar
auf das Dach. Sehet dorthin! — Dabei lachten sie spöttisch. Indessen fiel nach kaum
zwei Doppelstunden schon das Wasser, ohne den Menschen Schaden zuzufügen, und
auch die Felder imd Gärten waren nicht verwüstet. Die Menschen des Dorfes freuten
sich, und der Ton ihrer vereinten Gebete erfüllte die Tliore.
Azami-ivai^o steht für azamuki-ivaro , spöttisch lachen'.
Kore-ni jori-te fo-zi-ro-mo \ ja-ne-jori tvori-te su-no ko-ivo oral | nure-tarii kabe-ico
0
kaivakasi-te \ rib-san-nitsi-ga fodo-ni | te-naro do-zi-ra-ico tsudojete ^ p^ (kib-iku)-suru kot
fazime-no gotosi. Ojoso kono midzu-no tatsi-dokoro-ni otsi-taru-ico | jorokobazaru mono-ica
naki-ni | tada nade-si-ko nomi ] koisi-ki ßto-ivo miru jost naki-ni | zvare-kara sigeki omoi-
gusa I kari-mo farawami sode-no tsuju-ni | nuru ^ (jo)-no jume nomi tanomarete | kokoro-
gurusi-ku okuru 0 (fi)-no \ ko-tosi-mo nokori-sukunaku nari-tsu. Ara-tama-no tosi-wa tatsi-
kajere-do | ono-ga kokoro-no faru-koma-no \ isa made fitori utsi-nageke-do \ fito-ni tsugu-beki
koto narane-ba | nagusamu josi-mo na-kari-keri.
94 Pkiz.maiek,
Demnach stieg aucli Fo-zi-rö von dein Duclic herab, wusch die Bainbusflur und
trocknete die befeuchtete Mauer. Nach zwei oder drei Tagen versammelte er die
Knaben, welche bei ihm schreiben lernten, und unterrichtete imd erzog sie wie früher.
Während Jedermann sich über das schnelle Fallen dieses Wassers freute, waren bloss
bei Nade-si-ko, da sie kein Mittel hatte, den geliebten Menschen zu sehen, die von selbst
in Fülle Avachsenden Pflanzen der Gedanken nicht abgemäht und nicht gebannt, und
indem nur der Traum der von dem Thau des Aermels befeuchteten Nacht erbeten ward,
waren von den in Herzensqual verbrachten Tagen in diesem Jahre wenige übrig.
Obgleich das Jahr der rohen Edelsteine wiederkehrte, das Frühlingsfüllen ihres Herzens
erging sich bis dahin allein in Klagen. Da sie es den Menschen nicht sagen konnte,
o-ab es auch kein Mittel, sie zu trösten.
Die \Yörter karu ,mähen', farh ,bannen' und nuru , schlafen' schliessen hiei- zugleich
den Sinn von ,trocknen', , abwischen' und ,befeuchtet sein' in sich.
Sikarv-ni ki-sara-gi-no fazime-no kata \ aru fi fo-zi-rb-wa \ dö-zi-ra-wo kajesi-fatete \
fitori suzuri-ni suml suri-nagasi \ te-fon-ico kakl-te i-tari-keru-ni \ kotsu-zen-to site fato itsi-fa \
akari-mado-jori tobi-iri-te \ t.sitku-e-no sifa-je kakure-'si-ka-ha | ko-wa ika-ni- \ to ajasimi-te
jaicoi'a ßki-idasi-te kore-ivo miru-ni \ itaku taka-nl-ja oicare-tari-ken | ajegu koto fanafadasi.
H i% (kiu-tsiu) futokoro-ni iru toki-iva \ kari-hito-mo torazu-to-zo in naru. No-no tori-irn,
fito-ico osorete \ sono asi-oto-ico kika toki-ioa | tatsi-matsi-ni tatsu mono nare-do | sono "^ ^^
(ki-kiü)-ni ojobi-te-wa \ kajete fito-no tasuke-ico motoniu. Awaremu-hesi \ awaremu-hesi- \ to
fitori-gotsi \ sidzuka-ni ^ (fa)-ii:u nadc \ midzu-ico nomasi | niwaka-ni mame-tco fitasi-te
kore-ni kö-ni | kono fato tsui-7ii tobi-sarazu. Toivo-ka amari fioru fodo-ni \ joku narete \ ^
(sijüj-no ^ ^ (sin-tai)-ni sitagaje-ba \ ijo-jo fu-bin-no mono-ni si-tsn. Na-wo-ba imtoko-
jama-to jobi-te ^ ^ (seö-ai)-su. Kore-jori-site kano fato-ioa \ asita-ni idete jube-ni kajeru-ni \
kanarazu towoku-zva je-mo asobade | toki-nusi-ga sen-zai-ni tobi-juki-te \ otsi-bo nado firai-si-ka-
ba I tori-ta-ga ije-no simo-be-domo-mo \ tonari-no fato nari- \ to sirazaru mono-ica na-kari-keri.
In der ersten Decade des zweiten Monats hatte Fo-zi-rö eines Tages alle Knaben
nach Hause geschickt und weilte allein, auf dem Tintensteine Tinte reibend und die
Musterschriften schreibend, als plötzlich eine Taube bei dem Lichtfenster hereinflog und
sich unter dem Tische versteckte. Er verwunderte sich hierüber. xUs er sie sanft
hervorzog und sie anblickte, mochte sie Intzig von einem Falken verfolgt worden sein
und keuchte überaus stark. Man sagt: Wenn ein armer Vogel in den Schooss fliegt,
fängt ihn auch nicht der Jäger. Ein Vogel der "Wildniss fürchtet den ]\lenschen, und
wenn er dessen Schritte hört, so fliegt er plötzlich auf. Geräth er jedoch in Gefahr,
so sucht er im Gegentheil bei dem Menschen Hilfe. Er sagte zu sich selbst: Bedauerns-
wc'i-rh ! bedauernswert]! ! Er streichelte ihr die Flügel, gab ihr Wasser zu trinken, weichte
schnell Bohnen ein und fütterte sie damit. Diese Taube flog zuletzt nicht fort. Nach
zehn Tagen war sie ganz an ihn gewöhnt, und da sie ihrem Gebieter bei dessen
Kommen und Gehen folgte, war sie des Mitleids immer w^irdiger. Er gab ihr den
Namen Wotoko-jama (Mannberg) und liebte sie sehr. A^on nun an flog diese Taube
am Morgen aus und kehrte am Abend zurück. Nicht im Stande, weit umherzuschweifen,
flog sie in den Hausgarten Toki-nusi's und las abgefallene Aehren auf. Die Diener in
dem Hause Tori-ta's wussten insgesammt, dass sie die Taube des Nachbars sei.
Saru fodo-ni, nade-si-ko-wa | koisi-ki fito-no kai-tori-to | kiku-ni kure saje kawai-kn-te
kal-natsuken-to omoi-si-ka-ba \ kudan-no fato-ga kuru-goto-ni \ aioa-ico maki , mame-ico tsirasi-te
Der Nebel der Klage. 95
izano-ni \ fito-ni nare-taru tori nare-ba \ imada iku-ka-mo arazu-site \ fana-mofo-tsikaku kvrii-qa
uresi-ku \ utsi-odorokasu koto-mo-ja tote \ loonna-domo-ioo imasimete I seö-zi-no ake-tafe-rd-mo
kokoro-ico motsi-i | tsui-ni juku kai-nare-ni-kere-ba | mata nade-sl-ko-ga sin-tai-ni | sitagawazu-to
iü koto nasi. Ko-iva ivaga tame-ni musiihu-no kami-no \ fita-dzukai naravie- | to omoje-ha |
kene-site-mo omö kagiri-ico \ kagi-sitatame-tario fumi tori-idete | tori-no asi-je jui-sojuru-id 1
fito-ja miru tute susamazi-ku \ junde-wo nd-kajeri \ me-te-wo mi-kajeri | ivare saje ko-tori-no
asaru-ga gotoku \ koi-mo negai-si hno-to se-no } jeni-si-to tomo-ni musubi-te-si | koi-no f)\
(sijuj-ivake-tca sira-fato-mo | ame-ni-ioa tsitma-ico jobii-to kiku \ kono kajesi sirase-jo- 1 t<i
i-i-tsutsu jagate fanatsi-jare-ba | sasuga-ni asi-wa omo-ge-nite \ fata-fata-to site tobi-te inu.
Ana uresi-ja- | to miine nade-orosi \ mata kano fato-ivo matsii fodo-ni | kokoro-mo mca-no
sora-danome-narn \ kasiko-ico nagamete fasi-i-seri.
Als Nade-si-ko horte, dass dieses der von dem geliebten Menschen ernährte Vogel
sei, war er ihr nur theuer, und sie wünsclite, ihn zu ernähren und zu zähmen. So oft
diese Taube kam, säte sie Hirse, streute Bohnen aus und lockte sie herbei. Da es ein
an die Menschen gewöhnter Vogel war, so vergingen kaum ein paar Tage, und er kam
schon ihrer Hand nahe. Erfreut, wollte sie ihn ja nicht erschrecken und trug den
Weibern auf, bei dem Oeffnen und Schliessen der Schubfenster vorsichtig zu sein. Als man
die Taube völlig zahm gemacht hatte, blieb es nicht aus, dass sie auch Nade-si-ko bei
deren Kommen und Gehen folgte. Sie glaubte, dass dieses für sie der thörichte Gesandte
des knüpfenden Gottes sein werde. Sie nahm einen in dieser Voraussetzung schon früher
geschriebenen Brief hervor und band ihn an den Fuss des Vogels. Besorgt, dass Jemand
es sehen könne, blickte sie nach links, blickte nach rechts, ganz wie ein junger Vogel,
der Nahrung sucht. Sie sprach : Es ist das Kennzeichen der Liebe, als erbetenes Band
zwischen der Schwester und dem Bruder in Gemeinschaft geknüpft. Auch die weisse
Taube hört man, wie sie in dem Regen die Gattin ruft. Verkünde mir hierauf die Ent-
gegnung!— Mit diesen Worten liess sie den Vogel los. An den Füssen beschwert, flog
er sogleich fort. Wohl sehr erfreut und im Herzen erleichtert, auf die Zurückkunft
dieser Taube wartend, sass sie an der Seite des Hauses und blickte in die Ferne nach
jenem Orte, auf Avelchen sie, in Gedanken verloren, ihre Hoffnung setzte.
Kakari-si-ka-ha ina-ki fo-zi-rb-ica j sono jü-gure-ni kajeri-kite ne-gura motomuru tcotoko-
jama-ga | asi-ni jui-tsukerare-taru mono are-ba j motsi-ico-ja ßki-ken | fuki-ja-ivo-ja oi-iaru
tote j fiza-no uje-je maneld-josi-tsutsu \ kore-icu miru-ni \ ^ ^(J (so-bu)-ga kari-wi tsubasa-ni
josi-taru ] furu-koto-ni ni-tari-keri.
Als Wotoko-jama, an diesem Abende zurückkehrend, die A^ogelstange aufsuchte und
an seinem Fusse etwas angebunden war, meinte Ina-ki Fo-zi-rb, der Vogel werde viel-
leicht Vogelleim herangezogen haben oder durch ein Blaserohr verwundet worden sein.
Er lockte ilin auf sein Knie, und als er ihn ansah, war es etwas Aehnliches wie in der
alten Erzählung, nach welcher Su-wu den Flügeln der Wildgans vertraute.
Ko-ica ibukasi-to isogawasi-ku \ ßki-toki-te firaki-miru-ni j mitsi-no ku-gami-nl tome-ki-
site I faru-no fana-no tsiru gotoku \ aki-no kusa-no midaruru gotoku | ito koina-jaka-ni kaki-
tsuranete \ fazime-ni-iva \fuje-no ne-ni ^ F^ (tan-seo)-site \ kimi-ga mijabi-wo siri-nagara\
on-omo-kage-v:o konata-je-to | utsusu josi-naki mi-ivo urami-te-ica itodo omoi-no masu-kügami |
viime-utsi kumoru aki-same-wo \ saso viidzu-to-iva omoi-ki-ja. Kaja-ja-ga mune-ni ivoivase-
si-ioo I faruka-ni mi-ma-irasen-to-ica \ minu toki dani-mo akugare-si-ni \ ßto-tabi omote-au-usi-
9(3 Pfizmaier.
te-wa I ifo-sika-no tsnno-in) tsitka-no ma-mo | omoi-icasurtirn fima-ica faherazu | sinobu-nu
jama-no sino susuki \ j^ (fo)-ni sl idzuru-ico musuhi-sojete \ tada ßto-fude-no on-kajesl-ifo
sirasi-tamaje- \ to fude-ni iicasi-tanc. Kaki-zama | itu mijahi-jaka-nite \ sono ^ ^ (biui-
seo) hida-kudasi-karazu \ ^ V tsi-dzi-no umoi-ico kome-taru. Oku-ni.
Hierüber befremdet, löste er es eilig ab und sah. es an. Auf Papier von Mitsi-no
Ku war gleich verstreuten Blumen des Frühlings, gleich verworrenen Pflanzen des
Herbstes, in sehr feiner Schrift geschrieben : , Anfänglich, den Ton der Flöte bewundernd,
kannte ich die Zierlichkeit des Gebieters. Sehr gekränkt, dass ich kein Mittel hatte,
sein Bild hierher zu verpflanzen, ward immer mehr der zehnzöllige Spiegel der Ge-
danken in der Brust umwölkt, ich hielt ihn wohl für das den Herbstregen herbei-
führende Wasser. Icli wollte ihn von ferne auf der Firste des mit Stroh gedeckten
Hauses weilen sehen. So lange ich ihn nicht sah, verzehrte micli nur die Pein. Als ich
ihn ein einziges Mal von Angesicht sah, ist die Zeit des Vergessens in Gedanken selbst
nicht o-leich dem Zwischenräume der Griffe des Geweihes des Hirsches. Den kleinen
Bambus des Berges Sinobu, das Riedgras, wenn es in Aehren schiesst, geknüpft hinzu-
fügend, möge er die Entgegnung eines Pinselstriches zu wissen geben'. — Die Schrift
war sehr zierlich, die Schreibart war nicht weitläufig und schloss tausend Gedanken in
sicli. Im Inneren stand :
Tsi-faja-huru \ kami-nn musuban \ imo-tv se-ico | wosijuru tori-ni \ makase-te-si kana.
AVas der tausendfach mächtige | Gott wird knüpfen, | der Schwester imd des Bruders
Sache, I dem diese lehrenden | Vogel hab' ich es vertraut !
Fu-zi-rb-ica fazime-jori | kuri-kajesi-mite tan-soku-si \ ojoso fito-no oja taru mono \ sono
-y* (ko)-no tame-ni ^ffj (si)-ioo jerami-te \ te-naratcasi mono-jomasuru koto \ ada-naru koi-ni
f^ (zeu)-ico fakobasl \ itadzttra-se-jo-to-no tarne naran-ja. Muro narn fana-wa firaku-ni
fajaku I fukaki mado-ni jasinaicarurn \ wotome-mo koi-ni-iva sono ^ -^ (tsi-take) tari. So-
mo-so-mo tori-ta-wa kono sato-nite \ fito-ni sirarete tomu-mono naru-ni \ tanomu kage-naki
fo-zi-ro-ga \ negai-aru mi-mo 'ff- \% (fu-ro)-no ta-tsuki-ni \ mada sumi-narenu tahi-suzuri \
fatsuka-ni fude-no inotsi- ^ (ke)-ico \ jbjaku tsunagu jare-fisasi \ musihbaruru jeni-si ari-
to-mo I mmubi-fatsu-beki jeni-si-ni arazu \ masi-te mitsi-narajiu koi-ni uki-na-ioo taterare \
fito-no musume-ni kizu tsukete \ wäre kono sato-wo oicare-na-ba | momo-tabi tsi-tabi kü-to-mo
ojobazi. Fito ^ ^ (boku-seki)-ni arane-domo \ tsussimu-beki-ica f^ ^ (zeu-joku) nonii.
Ko-iva waga mi-ni-wa maga-tsumi-no \ kanü-ja jori-ken- \ to fitori-gotsi-te \ fumi-wo jagate osi-
momi-te \ fi-batsi-no fai-ni udzume-tari.
Fo-zi-r6, nachdem er das ganze Schreiben durchgesehen, seufzte und sprach zu sich
selbst : Ein Vater, der für sein Kind einen Lehrer wählt, es schreiben und lesen lernen
lässt, sollte er es deswegen thun, damit es zu vergeblicher Liebe seine Leidenschaft trägt
und leichtfertig handelt? Die Blume in dem inneren Hause öftnet sich schnell, das an
dem tiefen Fenster erzogene Mädchen, in der Liebe besteht die Reife ihres Verstandes.
Indessen wird Tori-ta in diesem Dorfe von den Menschen gekannt imd ist ein reicher
Mann. Der schutzlose Fu-zi-rö, bedürftig und mit unsicheren Behelfen, unter einem
zerstörten Dache, wo er den Tintenstein der noch ungewohnten Reise, in geringem
Masse das Lebenshaar des Pinsels mit genauer Noth anbindet, sollte er auch ein geknüpftes
Verhältniss haben, es ist kein Verhältniss, das man zu Ende knüpfen kann. Um so mehr
ist dieses der Fall, wenn er sich einen schlechten Namen macht, der Tochter eines
Menschen einen Makel anhängt. Wenn ich aus dem Dorfe vertrieben werde, mag ich es
Dur Nebel dek Klage. 97
hundertmal, tausendmal bereuen, es nützt nichts. Der Mensch ist zwar nicht Holz und
Stein, jedoch zu hüten hat man sich nur vor Leidenschaft und Begehren. Dieses wird
mir der Gott des Unglücks angethan haben, — • Hiermit zerknitterte er sogleich den
Brief und vergrub ihn in der Asche der Feuerschüssel.
To-ica sirazu-site nade-si-ko-iva | tstcgti-no fi-mo asa toku oki-te \ ina-ki-ga fato-icn nidtsu
fodo-ni I mate-ha mata aja-niku-nl \ sono fi-iva fine-mosu kage-rno misezu. Dai-san-nitsi-no
ma-ßru goro-ni | tslku-jen-no fotori-ni kitari. Nade-si-ko-wa kore-wo mite \ namida-gmmi
niade uresi-ku-te \ kajesi-tvo-ja mote-ki-tsuru- \ to madzu sono asi-ioo miru-ni \ mtisidn-soje-taru
niono-iva araz?(. Tatsi-matsi nozomi-ioo itsinai-te \ mosi kano fumi-wo otosi-ja si-tsuru \ tatoi
kokoro-ni kanaivazu-to-mo \ mi-tamaica-ha fito-fude-no \ kajesi-si-tamawazaru koto-ja-ica aru |
ko-ica kokoro-moto-nasi tote \ mata isogaivasi-ku fumi kaki-sitatame \ kono tahi-tca go-siki-no
ito-wo mote \ mata kono tori-no asi-ni jui-soje-tsutsu fanatsi-jaru-ni \ sibasi-mo arazu tobi-
sari-tsu. Mata tsugtt-no fi-mo ki-ni-kere-do | ina-ki-ga kajesi-sezari-si-ka-ba | aru-toa ivotoko-no
tsure-naki-ico urami \ aru-ica jeni-si-no faka-naki-wo nageki \ tada kori-zu-ma-ni omoi nomi \
nta-so-wo-no su»uki fonomekasi-te \ siba-siba fato-wo naka-datsi-ni \ fumi-ioa td-tsuka-ni
amari-ni-keri.
Nade-si-ko, welche dieses nicht wusste, stand am nächsten Morgen frühzeitig auf
und wartete auf die Taube Ina-ki's. Wie sie auch wartete, diese Hess sich zu ihrem
A^erdrusse den ganzen Tag nicht sehen. x\m dritten Tage kam sie um Mittag an die
Seite des Bambusvorhauses. Nade-si-ko, welche dieses sah, weinte vor Freuden und in
der Meinung, dass sie die Entgegnung .bringe, blickte sie zuerst auf deren Füsse, doch
es war an diese nichts angebunden. Ihrer Hoffnung plötzlich beraubt, sagte sie : Sie hat
vielleicht diesen Brief verloren. Gesetzt, es ist nicht nach seinem Sinne, sollte er mir nicht.
wenn er es sieht, durch ein Schreiben die Entgegnung schicken? Dieses ist unbegreiflich.
— Sie schrieb in Eile wieder einen Brief und band ihn diessmal mit fünffarbiofer Seide
an den Fuss dieses Vogels. Sie liess den Vogel los, und dieser entflog unverweilt. Als er
den nächsten Tag wiederkam und Ina-ki keine Entgegnung geschrieben hatte, zürnte
sie bald über die Unfreundlichkeit des Mannes, bald beklagte sie die Ungewissheit des
Verhältnisses. Sie war jedoch nicht abgeschreckt, und indess nur vor ihren Gedanken
das Riedgras der wahren Hanfschnur undeutlich schwebte, machte sie die Taube oft-
mals zur Vermittlerin, und die Briefe waren über tausend Pinselgriffe.
Kori-zu-ma bedeutet: sich nicht abschrecken lassen. Ma ist ein hinzus;efüo-tes Wort.
Ma-so-wo-no susuki ,das Riedgras der wahren Hanfschniu*' ist der W^eiderich (fagi),
weil die Aehren dieser Pflanze mit Hanfschnüren Aehnlichkeit haben.
Fo-zi-rb-ica kono jn-e-ni \ fito siranu mwne-wo kionosime | kono fato-no are-ba koso \ kakai^u
masa-naki koto-mo ide-kure \ oi-usinaiva-baja- | to omö mono-kara \ namazi-i-ni joku nare-
tare-ba | oje-domo-oje-domo kajeri-kite | ika-ni-to-mo sen-su-be-nasi. Kaku made-ni natsuki-si
mono-'wo \ kono tori nani-no tsnmi-ga aran. Sio-sen fito-tabi-wa \ kano musume-go-ni kajesi-
site I omoi-tajesa-sen-ni-iva tote \ suzuri fiki-josi-te \ sumi suri-nagasi-te | tatsi-no-gami-ioo utsi-
kasane to-siwo-ni amarii on-kokoro-base-ioa j ari-gataki made-ni kata-zi-ke-naku omoi-fabere-do
i-i-gataki ju-e-mo fabere-ba \ iraje-si-tate-matsurazari-ki. Waga tije asi-karazu \ omoi-tama-wa
sunt makoto ara-ba \ kasanete midzv-guki-no ato-wo na- | kajoicasi-tamai-so. Sara-ba kojo-
naki on-nasake-ni koso- j to kaki-fatete | sono oku-ni.
Fo-zi-rfj war desswegen, den Menschen unbewusst, im Herzen gequält und dachte
sich : Weil diese Taube da ist, mag eine so unrechte Sache vorkommen. Ich werde sie
Denkschriften iler pliil.-liist, Cl. XXVI. Brt. 13
98 Fl'IZSIAlKK.
verjageil. — Vd sie jedoch ganz au ihn gewölmt ■war. nuu'lite er sie immerhin verjagen,
sie kam wieder und er wusste sieh nicht zu hellen. Er sagte: Jün Wesen, welches so
sehr vertraut ist! Welche Schuld sollte dieser Vogel haben'? Endlich werde ich diesem
Mädchen einmal antworten, um es ihr aus den Gedanken zu bringen. — Er nahm den
Tintenstein, rieb Tinte, legte Papier von Tatsi-no zusammen und schrieb : ,Eür das
Schätzbare Eurer zehnfach innigen Gedanken empfinde ich Dankbarkeit, da jedoch eine
nicht zu nennende Ursache vorliegt, habe ich nicht zugestimmt. Wenn es wahr ist,
dass über mir der Edelstein des nicht bösen Gedankens ist, so möget Ihr nicht wieder
die Spur des Wasserstengels verkehren lassen. Somit bleibt es bei Eurer durch nichts
übertroffenen Güte'. — Hiermit schloss er. Im Inneren stand :
Isi-faja-huru | kami-jo-ica sirazu- \ tohn-tori-mo 1 nja-no jurusanu \ koi-iva wosije-zi.
Den der tausendfach mächtigen | Götter Zeitalter nicht kennt, | der fliegende Vogel
die von dem Vater nicht erlaubte | Liebe nicht lehrt.
Midzu-giiki , Wasserstengel', sonst auch ein Name für das Hornblatt, bezeichnet den
Pinsel. Midzv-gnki-nn atn .die Spur des AVasserstengels' bezeichnet das Geschriebene.
To ^4 (ei)-zi-tsutsu. Fato-no asi-ni jm-tsukete fanatsi-jaru-ni | fato saje kokoro aru
gotoku I tonari-no sen-zai-ico sasi-fe tohi-juki-nu. Kono toki nade-si-ko-iva | kewai-he-ja-ni
irl-te I kami tori-ageie i-tari-si-ka-ha \ fcä(f-no kitaru koto-ivo sirazu. Oja-no toki-nusi-ga \
kino 'nje-kajesasi'tarii | niica-no tsukuri-matsu-ivo min tote \ seö-zi-ico sa-to fiki-akure-ha \
tsikic-jen-no fotori-ni i-tari-si \ fato-iva kore-ni odorokasare \ isogawasi-ku \ tohi-sari-si-ga
fumi-no jui-me-ja jitriimi-tari-ken \ fo-zi-rb-ga kaki-taru mono-wo \ fumi-isi-no uje-ni otosi-ni-
keri. Toki-nusi omoi-mo kakezu \ asi-moto-jori tatsu tori-no j otose-si-to-wa sirane-domo
— ■ ^ (ifftl)-no fumi otsi-taru-u-o mite \ firai-tori-te ßraki-mirn-ni \ imada aicazaru luotokn-
jori I iconva-je kajesi-suru nari-keri. Uta-no kokoro-ica joku-mo sirane-do \ ^ ^ (siju-seki)
koto-ni sugure-tare-ba | mi-ß 7iando-7io koi-suru-ni-iva arazi. Sate-iva nade-si-ko-ni \ misoka-
ivo-ja ari-ken- j to ßto-tabi-tva utagai j fito-tahi-ioa iki-doroori \ fito-ni misezi- \ to maki-kajesi-fe
ffi-tokoro-ni osame-tsntsii..
So lauteten die Verse. Er band es an den Fuss der Taube und Hess diese los.
Die Taube, gerade als ob sie Verstand hätte, flog in der Richtung des benachbarten
Hausgartens fort. Um diese Zeit war Nade-si-ko in das Putzzimmer getreten und hob
sich das Haupthaar empor. Sie wusste nicht, dass die Taiibe gekommen war. Als ihr
Vater Toki-nusi, um die gestern umgepflanzten angebauten Fichten des A orhofes zu
sehen, das Schubfenster mit Geräusch aufzog, wurde die zur Seite des Bambusvorhauses
weilende Taube dadurch erschreckt imd entflog eilig. Sie Hess dabei, da die Schleife
des Briefes gelockert sein mochte, das Geschriebene Fo-zi-ru's auf einen Trittstein fallen.
Toki-nusi, nicht aufmerksam, wusste nicht, dass der vor seinen Füssen auffliegende \ ogel
etwas verloren hatte, als er aber einen versiegelten herabgefallenen Brief ei'blickte.
hob er ihn auf, öffnete ihn und sah ihn an. Es war von Seite eines Mannes, dem man
noch nicht begegnet war, die Antwort an ein Weib geschrieben. Den Sinn des Xiedichtes
verstand er zwar nicht recht, da es aber eine besonders ausgezeichnete Handschrift war,
konnte es sich um eine Liebschaft von Knechten und Mägden nicht handeln. Sollte
Nade-si-ko etwa einen geheimen Geliebten gehabt haben? Bei diesem Gedanken das
eine Mal zweifelnd, das andere Mal in Zorn gerathend, rollte er den Brief, ohne ihn
Jemandem zu zeigen, wieder zusammen und verbarg ihn in dem Busen.
Der Nebel dee Klage. . 99
Mata tsvku-dziilcu-to omv jo \ icaga muswme-wa umar'e-jete \ ziil-ni-hun-iio gan-sijoku
naru-ni | kokoro-zama mata sakasi-ku \ mono-kaki \ uta-jomu koto-wa sara-nari. Ito-fake-no
icaza fito-tsu-to site \ tsuta-nasi-to iü muno nasi. Kaku made-ni loosije-taru \ oja-no ^ ^
(tan-sei)-wa nan-no tame-zo \ iknvoi-aru fito-no ko-ivo muko-ni site \ naico fana-jagi-taru
sakaje-ico mi-baja- \ to su-e tanomosi-ku omoi-taru \ oja-no kokoro-ico -f- (ko)-wa sirade \
oja-iva tvosijenn nama-gokoro-no \ faja tsukit mama-ni kaku-no gotoku | jo-karanu koto-wo
si-idasi j sono ^ '^ (seö-gai)-iuo ajamata-ba | migaki-si tama-wo doro-ni nage-utsi \ tsiikuri-si
jeda-iüo looru-ni-mo otoreri. Ima sono kusare-no asaki toki \ so7io -^ (dokuj-ico kedzuri-
sarazu-tva \ tsui-ni fuhi-sin-no jamai-to naran. Ko-wa nav;o-zari-ni su-be-karazu. Sika-ioa
are-do \ kototvari-ivo osi \ ^^ (ß)-iL-o semete j tdsi-tsiike-ni nade-si-ko-ni \ tö-to-mo ikade makoto-u'o
tsugen. Ko-wa kanarazu v:onna-domo-ni \ naka-datsi si-tarii-ga aru.-besl- \ to fara-no utsi-nite
si-an-si-tsu.
Er dachte ferner in Ernst : Meine Tochter hat von Geburt eine vollkommene
Gesichtsbildung, ihr Sinn ist auch verständig. Dass sie schreibt und Gedichte hersagt,
ist keine Frage. Schon in der einzigen Sache der Seide und des Bambus ist sie kein
ungeschicktes Wesen. Das Trachten des Vaters, der sie so erzogen, wonach geht es?
Er möchte den Sohn eines einllussreichen Mannes zum Eidam nehmen und ein nocli
herrlicheres Aufblühen sehen. Wenn das Kind, die Absicht des an die Zukunft hotfnungs-
voll denkenden Vaters nicht kennend, indess ihm sclion unreife, von dem Vater nicht
beigebrachte Gedanken kommen, so unrechte Dinge verübt, sein Leben verfehlt, so ist
dieses ärger, als den geschliffenen Edelstein in den Koth werfen, deii künstlich gepflegten
Zweig brechen. Wenn ich jetzt, wo diese Verderbniss leicht ist, das Gift nicht weg-
schabe, wird es bald zu einer Krankheit des Bauches und des Herzens werden. Hier
darf ich nicht mit Gleichgiltigkeit zu Werke gehen. Wollte ich auch unter solchen
Umständen, wegen des Grundes drängend, wegen des Unrechtes zur Rede stellend,
Nade-si-ko kurzweg fragen, wie würde sie die Wahrheit sagen? Hier muss sie die
Weiber zu Vermittlerinnen gemacht haben. — So überlegte er in seinem Inneren.
Sinobi-sinobi-ni kore-wo toje-domo \ mina sirazu- | to iü-ni sen-su-be-nak/i, \ mata otona
sagi-suke-ni \ koto-no omoinuki-ivo kikoje-sirasi-te \ omoi-atcastiru koto ari-ja- \ to toje-ba | sagi-
suke sibasi kbbe-tco katabuke \ omoi-awasuru koto koso \ tsika-goro tonari-no fu-rb-nin \ ina-ki
fo-zi-rb-ga kai-fato-no konata-je nomi kite asari-sbrb-ga \ joku dzib-rb-ni nare-tari-to menoko-
ra-ga i-i-tsuru koto-mo sbraje-ba | kano tori-no tatsi-taru ato-iii | sono fumi-no otsi-taru koso
kokoro-ioo tsukic-beki tokoro nare. Mosi kano fato-no asi nado-je \ fumi-ioo jui-tsukete j '['^
(zeö)-wo . fakobasi \ omoi-wo kajoivasuru \ naka-datsi-ni se-si-ni-ioa arazu-ja. Mi-dzukara ^
(sui)-si-tam,ai-ne.
Er fragte ganz im Geheimen diese Weiber, doch alle sagten, dass sie es nicht
wissen. In seiner liäthlosigkeit theilte er auch dem Aeltesten der Knechte, Sagi-suke,
die Sache mit und fragte ihn, ob man es sich erklären könne. Sagi-suke neigte eine
Zeitlang das Haupt seitwärts und sagte dann: Es lässt sich erklären. Seit einiger Zeit
kommt die Taube, welche der Nachbar, der unbeschäftigte Mensch Ina-ki Fo-zi-i'ö sich
hält, nur hierher und sucht Nahrung. Die Weiber sagen auch, dass sie sich gut an die
hohe Tochter gewöhnt hat. Dass der Brief niederfiel, nachdem diese Taube aufgeflogen
war, ist bemerkenswerth. Sollte man nicht an den Fuss dieser Taube einen Brief
♦gebunden und sie zu einer Vermittlerin, welche die Empfindungen herumträgt und die
Gedanken in Verkehr setzt, gemacht haben? Möget Ihr selbst darüber urtheilen.
13*
100
Pfizmaieb.
_t. 3^ Ziu-)-o .liolier Schalttag' werden die Tüchter der höchsten Würdenträger
genannt.
To mame-dafsi-fe sasajake-ba toki-nusi kilä-te nfsi-iuiadzuki ' nandzi-ga §g ^ (kan-tei)
tar/u-be-karazu. Kudan-no tera-ko-ja fo-zi-ru-wa \ |i{ )^ (sijnasijo)-ico sadaka-ni kiki-mo
sirane-do \ inaka-ni-ioa koto-sara-ni \ kira-kirasi-ki ivotoko nari. Saware ima nade-si-ko-ni \
semari-te omoi-taje-jo-to iwa-ba I u-akaki mono-no narai nari. Kajette oja-no nageki-nxi masu \
jo-karami ivaza-wo-ja si-idasu-beki \ kore-mo mata kokoro-moto-nasi. Tada nikumu-beki mono-wa
fato nari. Kare misoka-u-n-ni-ica \ imada aivazu-to obosi-ki-ni \ kudan-no fato dani tiUi-
korosa-ba \ fwni-no kajoi-dzi naka-taje-nan. Kaku-te ivaga ije-no \ joru-no mamori-ivo kataku
se-ba I nade-si-ko ika-ni omo-to-mo \ katarai-joru koto kanh-be-karazu. Uwa-ki-dotsi-no koi
nare-ba \ towo-zakaru mmna vtoku nari-te \ ware-kara aku-ma-wo faraican-ka. Ware mata
kiü-ni muko-iuo jerami-te \ kon-jen-wo sadamu-besi. Nandzi joku kokorojete ] ka^io fato-ico
utsi-korose \ jume nade-si-ko-ni na-sirasi-so.
So flüsterte er mit Lebhaftigkeit. Toki-nusi, als er dieses hörte, nickte zustimmend
und sagte: Dein Urtheil kann nicht fehlgehen. Dieser Schulmeister Fo-zi-ro, obgleich
man mit Gewissheit nicht erfahren hat, woher er kommt, ist auf dem Lande ein mit
glänzenden Eigenschaften ganz besonders ausgestatteter Mann. Wenn er jetzt, von
Nade-si-ko bedrängt, sagt, sie möge es 'sich aus den Gedanken schlagen, so ist dieses
bei jungen Menschen so Sitte. Dass man aber eine, das Leid des Vaters vermehrende,
unlöbliche Sache verüben kann, dieses ist auch unbesonnen. Aber der hassenswerthe
Gegenstand ist die Taube. Es hat den Anschein, dass man mit dem heimlichen Geliebten
nuch nicht zusammengetroffen ist. Wenn man diese Taube nur tödtet, wird der Weg
des brieflichen A^erkehres abgeschnitten sein. Wenn ich somit die nächtliche Bewachung
meines Hauses streng durchführe, so mag Nade-si-ko, wie es auch sei, an ihn denken,
es kann sich nicht treffen, dass sie mit ihm spricht. Da es von beiden Seiten eine
leichtfertige Liebe ist, wird man wohl, weit getrennt und entfremdet, von selbst den
bösen Dämon bannen. Ferner werde ich schleunig einen Eidam wählen und die Ver-
mäluno- beschliessen. Verstehe es gut und tödte diese Taube, aber mache es bei Leibe
Xade-si-ko nicht zu wissen.
To ßsomeke-ba \ sngi-suke-ioa unadzuku nomi. ^ ^ (Sijä-ziii) simesi-awasuru-ivo |
nade-si-ko-ioa jiikuri-naku j kara-kami-gosi-ni tatsi-kiki-te \ katsu odoroki katsu nageki \ tama-
tama kimi-ga kajesi ari-si-ivo \ tete-go-no iäme-ni firawarete \ koi-no seki-viori sujerare-si
M. tö: fsiikM-se) ika-naru ^ % (aku-fd)-zo \ sika nomi narazu tvaga tame-ni \ naka-datsi-
si-taru kano tori-wo \ mata wäre ju-e-ni korosasi-te-wa \ sono ^ (on)-ico uke-nagara \ tstd-ni
ata mote mukü nari. Ko-ica ika-ni sen- \ to bakari-ni \ urei-modajete tsuku-dzuku iki-mo \
namida-no ame-no joko-sibuki \ ivaga m.i-no uje-ni kakare-domo \ fukaki urami-wo ßto-dzufe
narade \ iü josi-mo namazi-i-ni | fazime matsi-taru tori-ivo mata \ konata-je ki-na- \ to fita-
snra-ni \ inorit makoto-no kai-naku-te \ tsugu-no fi-mo kano fato-no \ sen-zai-ni ki-ni-kere-ba |
saqi-suke fajakn-mo kore-too mite \ tana-moto tsikaku josen tote \ niiva-je-iva amofa mame-wo
tdrasi-te \ magaki-no kage-ni kakurete icori.
So sagte er heimlicli, und Sagi-suke nickte nui'. Nade-si-ko, welche die gegen-
seitigen Kundgebungen des Gebieters und des Dieners zufällig durch die Papierwand
hörte, war bald erschrocken, bald seufzte sie. Wälirend zur Zeit eine Entgegnung des
Geliebten ankam, wurde diese für den Vater aufgelesen und ein Gränzwäcliter der Liebe
aufgestellt. Welch' eine schlechte Vergeltung des früheren Lebens ! Dieses war es nicht
Der Nebel der Klage. 101
allein. AVenn sie jene Taube, welche für sie der Vermittler gewesen, noch tödten Hess,
so würde sie die Wohltbat, welche sie empfangen, zuletzt durcli Feindschaft vergelten.
Nicht wissend, was sie dabei thun solle, leidvoll und traurig, indess ihre Seufzer und
der Regen der Thränen sich durchkreuzten, lastete es auf ihr, jedoch den tiefen Groll
nicht gegen die Menschen aussprechend, betete sie im Gegentheil inbrünstig, dass der
Vogel, den sie anfänglich erwartete, nicht mehr hierher kommen möge. Dieses war in
"Wahrheit nutzlos, und den nächsten Tag kam diese Taube in den Vorgarten. Sagi-suke
erblickte sie schnell, und damit sie seiner Hand nahe komme, streute er in den Vor-
hof viele Bohnen und verbarg sich in dem Schatten des Zaunes.
Sibuka soll den Sinn von sikii'i-fuku , heftig blasen' haben. Man sagt kaze sibuku
,der Wind weht heftig'.
Sare-domo fato-ica jeda-ioo fanarezu. Fito Ä| jCi* (mu-sin) narii, toki-wa | tori ke-mono-mo
joku narete | tsiiju-bakari-mo kore-xvo osorezu. Mosi ^ >\j> (gai-sin) aru toki-wa | sono
ke-siki-iüo mite tsikadzukazu. ^ -^ (Sö-ziJ-ga iioajuru kamome-no tatoje \ kaku ari-ken-
to-mo sirazari-si \ sagi-suke-wa yj^ ^ 0 (ko-fan-nitsi) | magaki-no kage-ni i-sukumi-te {
sibire-kirasi-te \ o-oki-ni ^ (ken)-zi \ jaivora mi-ioo okosi-te asi-ivo fiki-zuri | uisi-ni iri-te
aruzi-ni tsugure-ba | toki-niisi sawagu ke-siki-mo nakii \ ide-ja iDare \ utsi-otosan- | to i-i-kakete \
ßdzi-tsika-nari-keru \ siizuri-bako-wo \ wotsi-kotsi-to kaki-saguri | ko-ioa kukkib-no mono koso
are- \ to fö-jemi-site \ ^ ^ (bun-tsin)-meki-taru kana-kusi-ivo | sode-no utsi-ni kakusi-motsi j
sagi-suke-wo-ba ^ (jon)-ni tata.n-te | fisoka-ni niwa-je ide-tari-keru | iiade-si-ko-tva fazime-
jori I koto-no jb-wo siri-te-kere-ba \ to-gaja-no ^ (jenj-'ui siri-wo kakete | kokoro-gurusi-kio
omu nomi. Takaki ko-zu-e-ni ivoru- fato-ico \ oi-jaran su-be-mu naku | sarc-ba tote akara-
sama-ni | ßto-ni-ica tmgu-ru josi-mo aranu-ni \ toku. nige-jo kasi- \ to tatsi-tsu i-tsu. Iku-
tahi-ka te-wo agete | icosijure-domo tobi-mo sezu. Mata ^ (e)-ivo mite-mo zvori-mo
kozu. Ana-kokoro-u- \ to maju iitsi-ßsome \ todokanu omoi-no todoku-ja- \ to kami-ni fotokc-ni
ki-nen-si-tsu.
Die Taube trennte sich indessen nicht von dem Zweige. Wenn der Mensch nichts
im Sinne hat, so fürchten ihn die Vögel und vierfüssigen Thiere, die gut an ihn gewöhnt
sind, nicht im geringsten. Hat er aber etwas Böses im Sinne, so kommen sie, wenn sie
seine Miene sehen, ihm nicht nahe. Sagi-suke, der nicht wusste, dass es sich mit dem
von Tschuang-tse gebrachten Gleichnisse von der Möve so verhalten haben wird, einen
kleinen halben Tag in dem Schatten des Zaunes zusammengeschrumpft sitzend, war
gelähmt und in hohem Grade ermüdet. Leise sich erhebend, zog und rieb er die Füsse,
ging in das Haus und sagte es dem Gebieter. Toki-nusi, ohne sich ungehalten zu zeigen,
sao'te : Wohlan ! Ich werde sie fallen machen. — Mit diesen Worten durchsuchte er das
nahe an seinem Arnie betindliche Tintensteinkästchen hier und dort und sagte dann
lächelnd : Dieses mae- eine vortreffliche Sache sein. — Er verbarg ein eisernes Stäbchen,
das wie ein Schriftenbesehwerer aussah, in seinem Aermel und hiess Sagi-suke sich vor
das Vorhaus stellen. Nade-si-ko, welche heimlich in den Vorhof herausgekommen war,
wusste von Anfang an. was es gebe. Sie setzte sich in das mit einem äusseren Netz-
vorhange versehene Vorhaus und hatte nur schmerzliche Gedanken. Nicht wissend, wie
sie die auf dem hohen Wipfel sitzende Taube vertreiben solle, zugleich ohne ein Mittel,
es offen den Menschen zu sagen, bald aufstehend, bald ruhig sitzend, dachte sie sich:
O dass sie doch entfliehen möchte ! — Sie erhob wohl mehrmals die Hand und bedeutete
es ihr, jedoch sie entflog nicht. Sie kam auch nicht, wenn sie das Futter sali. Aeusserst
2Q2 Pfizmaieu.
traurig, runzelte sie die Brauen, und in dei- Meinung, das.s der nicht erfüllte AVunsch
vielleicht erfüllt werde, betete sie zu den Gütteru und zu Inuldlui.
Ko-:ii-e-ico nagamate i-tari-keru-nl | tsitsi-no foki-nasi-(/a ßsojaka-ni \ scn-zai-ni tatsi-
idcte I siba-siba ko-zu-e-ico uisi-aicogi \ ko-no moto-tsikaku nerai-jora-wo \ sirade-ja tori-iva
tobi-mo sezio. Nads-si-ko faruka-ni kore-wo mite \ awa-ja- \ to bakari utsi-sawagu. Kokoro
kasiko-7ii \ nu-ira koko-ni \ arl-to arahuru kami fotoke \ tasnke-tamaje- \ to te-tco aivasi |
•7^ 0^ (kuu-mio) ^ ^ (sin-gon) -\' ~)j (zi]jp6) se-kai \ nen-butsu ^ ^ (.siju-zedj- | to
tonaje-mo fate-nu-ni \ fato-wa tatsi-matsi jeda-ivo fanarete | ina-ki-ga kata-je tobi-juku-wo
tuki-uusi-iva oi-sama-ni \ ~y (tsio)-to utiaru siju-ren-no siju-ri-ken \ ^ (fa)-tsuki-no fone-wo
utsi-nnkare \ tama-giru ko-e-to moro-tomo-nl \ otsin-to se-si-ga jbjaku-ni \ kaze-wo tsikara-ni
tabu tori-no \ tsiibasa-to tomo-ni siwore-tm^u | simo-no nade-si-ko ko-e karete | are-jo- | to takaku
sakebare-nu. OJa-ni-tca itodo fabakari-no \ [^ (seki)-ni magirasii mune-gurim-sa-wo \ siri-
me-ni kakaru sagi-suke-ga \ kokofsi-jo-ge-ni ^ (Jen) fumi-narasi-te \ jaja-to foimiru-mo tmra-
lükuki i koi-ni-iva tori-ivo uramu-to ije-do \ kono kinu-ginu-ira mada sirade \ tori-ni wakaruru
luono-omoi | kore-mo nogarenu in-gua-to-ica | omowanu oja-to omoi-go-no \ majoi-wa idzure
fuka-midorl | )iami-ki-nu matsu-ni fedaterare \fatO'no jnku-Je-wa mijezu iiari-nu.
Indess sie nach dem AVipfel des Ba^iinies blickte, trat ihr Yater Toki-nusi heimlich
in den Vorgarten liinaus und blickte häufig zu dem Wipfel empor. Der Vogel, vielleicht
nicht wissend, dass man nahe an dem Stamme des Baumes spähe, entflog auch nicht.
Xade-si-ko, welche dieses von ferne sah, bekundete durch einen Ausruf der Angst ihre
Erreii"uno-. Ihi- Geist war dort, ihr Leib hier. Grausame Götter. Buddha helfet! Hiermit
CO '
legte sie die Hände zusammen und sagte die Worte : ,AVahre Worte des glänzenden
Lichtes, irdische Welt der zehn Gegenden, alle Gebornen, die an Buddha denken'.
Nachdem sie dieses ausgesprochen, trennte sich die Taube plötzlich von dem Zweige
und flog in der Richtung des Hauses des Geschlechtes Ina-ki fort. Es wurde ihr von
dem künstlichen AYurfschwerte, welches Toki-nusi im Nachsetzen warf, der Knochen
der Flügelwurzel eingebohrt. Sie wollte unter herzzevreissendem Geschrei gänzlich zu
Boden fallen. Zugleich mit den ScliAvingen des kaum durch die Kraft des ^^'indes
fliegenden Vogels erschlaft't, machte die bereifte Nelke (Nade-si-ko) mit heiserer Stimme
einen lauten Aufschrei. Bei dem Schmerze in ihrer Brust, den sie vor ihrem Vater
durch äusserst schüchternes Husten übertäubte, machte der schelblickende Sagi-suke
wohlgemuth von seinen Tritten das Vorhaus ertönen und war durch seine Lobsprüche
sehr widerlich. In ihrer Liebe zürnte sie über den Vogel, doch sie kannte noch nicht
die Folgen imd war bekümmert, dass sie von dem Vogel getrennt war. Von Seite des
Vaters und des erbetenen Kindes, welche nicht bedachten, dass auch dieses die Strafe
sei, der man nicht entkoinmt. war es ein Irrthimi. Durch dunkelgrüne, in Reihen stehende
Fichten geschieden, konnte man jedenfalls nicht sehen, wohin die Taube geflogen.
Kinu-ginu ,Kleider' bedeutet, dass man das Festkleid auszieht, das eigene Kleid
anzieht und sich trennt. Nach einer Erklärung ist es die Trennung bei Tagesanbruch.
Man sagt ono-ga kinu-ginu ,die eigenen Kleidei-', kinu-ginn-no icakare ,die Trennung der
Kleider'.
Der Nebel der Klage. 103
Der Wald der Klage. Zweiter Theil.
Sate-mo inu-ki fo-zi-ro-ica \ omoicanu icofome-ni omowarete \ oniö koto mata naki-ui
arane-ba \ tatan ukl-na-no ito tco.'::i-kii | ml-so-ßto-mo-zi-ni kotoicari-te I mata kano fato-no asi-ui
tsuke I ohotsuka-naku-mo tsukaiuase-si-ga \ snsuga-ni sono koto kokoro-ni kakare-do | ika-ni
se-si-to-mo to-ni josi-naku \ tsitgv-no fi-mo tera-ko-ra-ivo kajesi-fatete \ fitori fasi-tsikb idete |
to-no kata nagamete i-tari-keru-nl \ tatximatsi mono-no oivare-si gotoku \ fato-ica massikura-ni
tohi-kajeri-te \ ivori-do-no konata-je fata-to otsi-tari. Waga tori-ni-iva arazii-ja \ -to omoje-ba
jagate yj^ ^ (boku-ri) ßki-kake \ isogaivasi-k/i fasiri-jori-te \ jawora fiki-tatete mirn-ni |
aioaremtL-besi ivotoko-jama-ioa \fidari-no kata-naru fa-tsuki-no fone-wo | siju-ri-ken-ni utsi-nukare \
fan-sin tsi-shco-ni mamire-tsiUsu \ iki-ioa taje-tari. Kakaru fiika-de-ioo oi-nagara \ waga ije-to
si-mo omoje-ba koso j karh-zite kajeri-kite | 3g (sijü)-no mana-saki-ni si-si-taru nare | tori
siira muto-wo wasurenii kana. Mosi kano kajesi-wo fito-ni torare | seö-zi-ga nu-fi-ra-ni nikumare-
taru-ka. Mu-zin-ni ntsi-mo utsi-tarl-si | itamasi-ki koto site-kerl.
Ina-ki Fo-zi-rö, als ein Mädciieu, an das er nicht dachte, auf ihn die Gedanken
richtete und es nicht der Fall \var, dass er weiter keine Gedanken hatte, war sehr
besorgt, dass er sich einen scldechten Namen machen werde und lehnte mit ein und
drelssig Schriftzeichen ab. Es ging ihm in Wahrheit auch zu Herzen, dass er an den
Fuss jener Taube etwas geheftet und sie aufs Gerathewohl ausgesandt hatte, doch wie
immer er es anstellen mochte, er hatte kein Alittel, sich zu erkundigen. Am nächsten
Tage, als er alle seine Schtüer nach Hause geschickt hatte, trat er allein nahe dem
äussersten Rande hinaus und blickte nach auswärts in die Ferne, als plötzlich, als ob
sie verfolgt wi'irde, eine Taube blindlings zurückflog und jeaseits der Flügelthüre zu
Boden fiel. Er dachte sich: Ist dieses nicht mein Vogel? — I>ie Holzschuhe anziehend,
lief er eilig hin, stellte ihn sanft aufrecht und sah ihn an. ü Leid ! es war Wotoko-
jama. Der Knochen seines linken Flügels war durch ein Wurfschwert ausgerissen, der
halbe Leib mit Blut befleckt und das Leben erloschen. Bei einer so schweren Wunde,
mit dem Gedanken, dass es das eigene Haus ist, wird sie kummervoll zurückgekommen
und vor den Augen des Gebieters gestorben sein. Selbst der Vogel vergisst nicht seine
Heimath! Ist vielleicht die Antwort von den Leuten aufgefangen worden und er dem
Gesinde Seo-zi's verhasst gewesen ? Es ist ein schmerzliches Ereigniss, dass er ohne
Grund erschlagen wurde.
Mi-so-fito-mo-zi ,ein und dreissig Schriftzeichen' ist ein aus ein und dreissig Sylben
bestehendes Gedicht. Ein solches hatte Fo-zi-ro seinem Schreiben beigeschlossen.
To omoi-amari-te tan-suku-si j sono siju-ri-ken-wo niiki-tori-te \ )iuri osi-nvgul \ iitsi-kajesi \
utsi-kajesi-tsiitsv, iku-tabi-ka \ mire-ba tosi-goro tadzunioru kh-gai \ sore-ka \ aranu-ka- \ to
bakari-ni \ mamori-fukuro-ni fime-oki-si \ e-dzu isogawasi-ku fori-idasi-te \ kare-to kore-to-nl
fiki-awasi \ ßki-atvasi-te-iva \ tori-ta-ga ja-siki-no \ mori-ico farvka-ni mi-kajeri-tstitsio j arui-wa
ikari | arui-iva jorokobi \ sibasi ^ j^ (ten-tsi)-tco orogami-te ' mata kano munasi-ki fato-wn
ßki-tate \ inisi-je ame-waka-fiku-to kikoje-.n kami \ asi-icara-no naka-tsn kunl-ni sumai-site |
sita-teru-fime-no iro-ni me-de | fisasi-ku kajeri kozari-si-ka-ha \ taka-musnbi-no kami ibnkari-
tamai-te | na-nasi-kizi-ico tsukawasi-te \ koto mi-sasi-tanw fodo-ni kizi-wa tobi-juki tobi-kudari-te
ame-waka-fiko-no kado-be-naru | ju-tsu-no katsnra-ni ivori-si-ka-ba \ ame-ivaka-fiko kore-ivo
mite I taka-musubi-no mikoto-jori tamawarl-taru \ arne-no ka-ko-jnini-ni \ anic-no fa-bu-ja-v:o
JQ4 Pfizmaiek.
iitsi-tsugai \ ite kano kizi-ico koro.^e-si-nt \ sono ja kizi-no mune-wo towotte \ taka-musiobi-no
on-maje-ni tobi-juki-tsu. \ Mikoto köre- wo mi-sonaivasi-te | so)io ja-wo kajesi-nage-tamaje-ha |
ame-icaka-fiko-no muua-saki-ni \ fa-bukura semete tattari-keru. Köre kajesi-ja-no moto nari-
to-zo. Kami-jo-no koto-wo ima kuko-ni \ omoi-awasuru-wa kasiko-kere-do \ kono ko-gai-wa
tsitsi-no kata-mi \ inata kono fato-wa tvaga tame-ni | na-nasi-kizi-nite ari-keru nari. Kaku-to
sirane-do kono tori-wo | icotoko-jama-to nadzuke-site-zo \ masa-ni korc fatsi-man- ^ (gu)-no j
^ 3^ bu-un-iL'o mamorase-tamb nare. ^ ^ (Ten-mei) koko-ni munasi-karade \ tsitsi-no
j^ ^ (icö-sij-tva ziü-kn-ka-nen-no \ mukasi-wo ima-ni kuri-kajesu \ masa-ki-no kadznra ito
nagaki j tirami-tvo mukiacan jorokobasi-ja \ tsitsi-no ata taru tori-ta-no toki-nusi \ ide kubi
toite ^ ^ (son-rel)-ni \ sonajen mono.
Bei diesen Gedanken seufzend, zog er das Wurfschwert heraus und wischte das
anklebende Blut ab. Indem er es umdrehte und wieder umdrehte, betrachtete er es
mehrmals. Es schien die gespaltene Haarnadel zu sein, die er seit Jahren suchte. Er
nahm die Zeichnung, die er in dem Zaubersacke heimlich niedergelegt hatte, in Eile
heraus und hielt beides zusammen. Als er es zusammengehalten hatte, warf er einen
Blick auf die ferne Baumgruppe auf dem Hausgrunde Tori-ta's. Bald erzürnt, bald sich
freuend, verehrte er alsbald Himmel und Erde. Zugleich stellte er diese todte Taube
auf und sagte: Einst weilte ein Gott Namens Ame-waka-fiko in dem Reiche zwischen
den Schilfebenen und kam, von der Schönheit Sita-teru-iime's eingenommen, lange Zeit
nicht zurück. Der Gott Taka-musubi verwunderte sich darüber. Er entsandte den
namenlosen Fasan und hiess Um nachsehen. Der Fasan entfliegend, flog herab und sass
auf dem fünfhundertfachen Zimmtbaume vor dem Thore Ame-waka-fiko's. Als Ame-
waka-fiko ihn sah, legte er auf den von dem geehrten Taka-musubi zum Geschenke
erhaltenen Bogen des Hirschkalbes des Himmels den Pfeil der Flügelfedern des Himmels,
schoss und tödtete diesen Fasan. Der Pfeil drang durch die Brust des Fasans und flog
zu Taka-musubi hin. Der Geehrte sah dieses und warf den Pfeil zurück. Dieser blieb
in der Brust Ame-waka-fiko's, die Flügeltiefe drängend, stecken. Dieses ist der Grund
des Wortes: ein zurückgeworfener Pfeil. Ich scheue mich zwar, das Ereigniss des Götter-
zeitalters jetzt hier in Gedanken zusammenzubringen, jedoch diese Haarnadel ist das
Bild des Vaters, und diese Taube ist für mich der namenlose J'asan geworden. Nicht
wissend, dass es sich so verhält, gab ich diesem Vogel den Namen Wotoko-jama. Dieses
mag gerade so viel sein, als dass der Tempel Fatsi-man das Kriegsloos bewahrt. Das
Loos des Himmels ist hier nicht vergeblich. Der Vater starb eines gewaltsamen Todes
vor neunzehn Jahren. Es ist vielleicht die Freude darüber, dass ich den die Vergan-
genheit zu der Gegenwart zurückwendenden, gleich der glticklichen Schlingpflanze sehr
langen Eachedurst stillen werde. Wohlan! ich werde das Haupt Tori-ta-no Toki-nusi's,
welcher der Feind des Vaters ist, nehmen und es dem geehrten Geiste darreichen.
Orogami steht für ogami , verehren'.
Wotoko-jaina heisst der Berg in Jama-siro, wo sich der Tempel des Gottes Fatsi-
man befindet.
To isami-tatsu. Tosi-yno waka-kl-wi fana-no ani \ faru naranaku-ni saki-kakete \ ato-
je-wa ßknnu ^ %, (ga-ki)-fone-no \ seo-zi-wo fata-to osi-akete | a-ziro fotsure-si furu-
tsudzuva-mo \ fito-me-ioo tsutsumu gu-soku-fitsu \ futa tori-nokete fiki-idasu. J6-i-no fara-maki \
mi-karukn ide-tatsi \ tatsi-ni no-datsi-wo faki-sojete \ tatsi-nagara mnsubn mu-sija tvara-zi \
nhca-je firari-to tobi-icori-te \ nisi-ico sasi-te-zo fase-jnki-keru.
Der Nebel der Klage. 105
Mit diesen Worten erhob er sich nmthig. Er öffnete das Schubfenster der Knochen
der, indess der ältere Bruder der Blüthen der von Jahren jungen Bäume, der Frühling
nicht ist, vorwärts dringenden, nicht nach rückwärts weichenden hungerigen Dämonen,
nahm den Deckel von dem alten, von Flechtwerk abgenützten Koffer und dem das Auge
der Menschen einhüllenden ßüstungskasten. In den bequemen Bauclipanzer, den er
herauszog, leicht gekleidet, zu dem Schwerte das Feldschwert fügend, in den stehend
gebundenen Strohschuhen des Kriegers, flog er liurtig zu dem Vorhofe lierab und lief
in -^vestlicher Richtung fort.
Kakari-d fodo-ni toki-misi-wa \ niktisi-to omu rna-ki-f/a fata-io) \ nerai-fadzrisade utsi-
fari-si-ga \ siju-ri-ken-ti-o oi-nagara \ tori-no tobi-sari-si-ico j nokori-wosi-kn onioi-si-ka-ha \ nawo
■^ ^ (jen-kaicaj-ni siri-ivo kake \ sagi-suke-ioo mi-kajeri-tsutsu \ kam fatii f^ ^ (ke-u)-ni
tohi-saru-to ije-domo \ snde-ni siju-ri-ken-ni nuivare-tare-ha | ina-ki-ga ije Diade-iva je-mo
jukazi I tsui-dzi-no soto \ ta-fata-no FJI (tsiü) nando-ni otsi-taru naru-hesi. ütsi-tome-taru-tvo
mi-fatene-ha \ mono-taranu kokotsi koso sure. Nandzi soko-ra fito-megurl \ tokit miie ki-jo
kasi- I to in-ni sagi-suke-wa fita-sura-ni \ aruzi-no siju-7-en-wo ^ ^^ (seo-sanj-si \ jo-no
tsune-no aki-bito nara-ha \ sorohan-no tania-wa fadzikan-ga | takaki ko-zu-e-ni ivoru fato-wo
fadzikn-heu-mo sm^awazu. Ntmo-tco urasi-te nariivai-to si-tamai-nagara \ nawo ftita-kosi-wo
mte-tamaivanu-wo \ kokoro-je-gataku shrai-si-ga \ tada ima-no te-nami-wo mite \ mitkasi
sjtawasi-ku koso- \ to nagusamure-ba toki-nusi-wa kokoro-jo-ge-ni jeini kata-muke \ sude-ni
akn-ma-toa faro-tari. Toku-tokit | -to isogase-ba | sagi-suke-ira mo-no suso fi-wori-te \ to-no
kata-je fase-juki-mt.
Um diese Zeit bedauerte Toki-nusi, als er die ihm verhasste Taube Ina-ki's, bei
seiner Nachstellung sie nicht fehlend, getödtet hatte, dass der Vogel mit dem Wurf-
schwerte auf dem Rücken entflogen war. Noch immer an der Seite des Vorhauses
sitzend, blickte er auf Sao-i-suke und sag-te : Diese Taube ist zwar seltsamer Weise ent-
flogen, da sie aber von dem Wurfschwerte durchbohrt ist, kann sie nicht bis zu dem
Hause Ina-ki's gelangen. Sie wird aussei'halb der Mauer, auf dem Felde oder in dem
(jarten niedergefallen sein. Wenn ich nicht wirklich sehe, dass ihr der Garaus gemacht
wurde, werde ich ein Gefühl von Unzufriedenheit haben. Möchtest du doch dort einmal
herumgehen, schnell nachsehen und zurückkommen ! — Sagi-suke pries höchlicli die
Geschicklichkeit des Gebieters, indem er sagte : Wäre es ein gewöhnlicher Kaufmann,
er wüz-de einen Stein des Rechenbretts schnellen und die auf dem hohen Wipfel sitzende
Taube nicht schnellen können. Während Euer Geschäft darin besteht, dass Ihr Tuch
verkaufen lasset, konnte man sich nicht überzeugen, dass Ihr die zwei Schwerter nicht
weggeworfen habet. Wenn man aber das jetzige Kunststück betrachtet, ist man sehn-
süchtig nach der Zeit von ehemals. — Bei diesen erfreuenden Worten lächelte Toki-nusi
gut aufgelegt und sagte eilig: Der böse Dämon ist bereits gebannt. Schnell, schnell! —
Sagi-suke zog den Saum des Unterkleides und lief in der Richtung nach aussen fort.
Fi-wori steht für ^| ^fx fiki-ioori , ziehend brechen'.
Kakaru tokoro-ni fo-zi-ro-iva \ otonai-mo sezu toki-nusi-ga \ se-do-jori iri-te niwa-gutsi
naru \ ko-datsi-no fima-ni mi-iüo fisomasi \ utsl-iw jb-wo ukagaje-ba | gama-go-za siki-taru |
jen-gaica-no motare-fasira-ni \ mi-wo jose-kake-tam joko-gawo-ioa \ kanete mi-sireru kono ja-no
aruzi \ toki-nusi nari- \ to mite-kere-ba \ ikitvoi-takeku fasiri-iri \ tsitsi-no ata taru seö-zi toki-
nusi I M ^ (sato-mi)-no ije-no ko \ ina-ki '/p ^ 2pl (dzi-bu-fci)-ga tsiv-nan \ fo-zi-rb-ico
sireri-ja- I to na-nori-mo ajezu tatst müd-kazasi-te kiran-to suru-wo j toki-misi-iva usiro-sama-ni 1
Denkschriften der phil.-liist. Cl. XXVI. Bd. 14
lOCt Pl'IZMAIElt.
hgi-ioo motte uke-nagasi \ ke-kaJcsH seu-zi-ivo tatc-ni site | mata utsu tatsi-ico sajegiri-tome \
ku-wa kokoro-mo janu \ tcare-n-o sasi-te \ tsitsi-no afa-to-tva ika-narv ju-e-zo \ y[ ^ (kua-
siokn)-no fito-to mi-ivo-ha )iasc-duviu | narvo fida-kosl-wa siitenu toki-nusi \ zi-gi-ni jutte nogare-
cjataki \ seu-ko ara-ba utare-mo xeme \ fito-tagaje-site ko-kuai-su-na.
Unterdessen trat Fo-zi-rb, ohne ein Geräusch zu machen, bei dem rückwärtigen
Tliore Toki-nusi's ein, verbarg sicli zwisclien den an dem Ausgange des Vorhofes
befindlichen Baumreihen und erspähte die Beschaffenheit des Inneren. Er sah, dass der
an eine die Seite des mit Binsenmatten belegten Vorhauses stützende Säule sich lehnende
Gebieter dieses Hauses, den er früher einmal von der Seite gesehen, Toki-nusi war.
31it rasender Gewalt hereinrennend, rief er: Seo-zi Toki-nusi, Feind meines Vaters,
kennst du Fo-zi-ro, den ältesten Sohn Ina-ki I)zi-bu-fei's, Hausdieners von Sato-mi? —
Hiermit zog er, ohne zu warten, bis Jener den Namen nannte, das Schwert, hielt es
vor sich hin und wollte einhauen. Toki Hess rücklings den Fächer aus seiner Hand
los, machte das mit einem Fusstritte umgewendete Schubfenster zu einem Schilde, ver-
sperrte dem nochmals schlagenden Schwerte den Weg und sagte: Dieses verstehe ich
nicht. Aus Avelchem Grunde bezeichnet man mich als den Feind des Vaters? Obgleich
er ein wohlhabender Mann geworden ist, hat Toki-nusi die zwei Schwerter nicht weg-
geworfen. Wenn nach Umständen unwiderlegliche Beweise sind, möge ich erschlagen
werden. Man habe nicht die ßeue, indem man die Menschen verkennt.
To iirase-mo ajezu | manako-wo ikarasi \ seu-ko-naku-te kataki-to iwan-ja. Kono kb-gai-ica
lui-mo icasurede \ nandzi-ga kokoro-ni si.ru josi aran-ni \ naga-mono-gatari-iva mio-jaku-nt ni-
tarc-do | kaganbre-ha fata-tose-ni \ ßto-tose taranu ^ '|>^ (sikko)-no urami \ ten-bun san-nen
fatsi-gmvatsu mi-ka \ waga tsitsi-nite tvowase-si fito \ ^ ^ (siju-kun)-no ose-uke-tamawari \
kama-kura-no kuan-rei-ke-je \ kon-jen-no koto attc \ ßki-de-viono-to site | sato-mi-no ^ ^
ftsiu-fo) I 0-0-tsuki-kata-no tatsi-ivo mori-adzukari \ teki-koku-je sirare-zi tote \ tomo-bito-wo-ba
Ho jatstisi \ kama-kura-je omomuku dö-tsiü \ musasi-no-no anata-naru \ fagi-kubo-no sato
fadzure-nite \ waga ts'dsi ^ ^ (sijü-zijü) aje-naku-mo | tö-zoku-no tame-ni utare \ o-o-tsuki-
kata-nu tatsi-tva sara-nari \ betsu-ni fiki-de-mono-to site motarasi-taru \ siju-kun-no ^ -^
(jö-kin) san-fiaku-rib-wo itbai-toraru. Kono toki isitd-ga "i^ (gu)-si-taru waka-tb \ ^ ^[5
(ziju-rb)-suke-to iü mono fj\ ^ (^io-jö) atte j ni-san-ri-ga ßido okurc-si-ka-ba \ koto fate-tari-
keru ato-je fase-tsake \ mimasi-ku ^ (sijCiJ-no si-gai-wo mori-te bö-siü-je tatsi-kajeri | koto-no
tei-taraku-ico tsugnru-to ije-dumo | kono tosi u-are-tca fadzuka-ni futa-tsn \ ototn y|| ^ ^[5
(se-zi-rbj-iva ib-zai-nite \ fawa-no tai-nai-ni ari-si-ka-ba \ ^itare-si tsitsi-no jume-no ato-wo \
jiome-to-mo icakadc notsi-ni kiku | i-kon jaru kata-nasi-to ije-domo \ kataki-no omo-kage mi^
sirane-ba \ mato-naki jumi-wo iru gotosi.
Ihn nicht ausreden lassend , erwiederte Jener mit zornigen Blicken : ,Werde ich
Jemanden einen Feind iiennen, ohne Beweise zu haben? Da du nicht vergessen haben
wirst, dass du diese Haarnadel gesehen hast und da sie dir bekannt sein wird, so
scheint eine lange Erzählung unnütz zu sein. Doch wenn ich nachrechne, so sind es
zwanzig Jahre, weniger ein Jahi-, dass ich den Schmerz wegen des A^erlustes des Vaters
habe. Es war am dritten Tage des achten Monats des dritten Jahres Ten-bun, als der-
jenige, der mein Vater gewesen, von dem Vorgesetzten und Gebieter einen Auftrag
erhielt. Es wurde ihm das für das Haus des Statthalters von Kama-kura, wo eine Ver-
mäluno' stattfand, als Geschenk bestimmte kostbare Kleinod von Sato-mi, das Schwert der
grossen Mondgestalt anvertraut. Damit es den feindlichen Eeichen nicht bekannt werde.
Der Nebei, der Klage. 107
beschränkte man sehr die Zahl der Begleiter. Auf dem AVege nach Kama-kura Avurde
mein Vater sammt seinen Begleitern an dem Ende des Dorfes der auf der anderen
Seite des Feldes von Musasi liegenden Weiderichvertiefung unglücklicher Weise von
einem Räuber erschlagen. Das Schwert der grossen Mondgestalt und nebstdem das
eingetriebene Geld des Vorgesetzten und Gebieters, dreihundert Tael, die er als ein
Geschenk mit sich führte, wurden geraubt. Um die Zeit war ein dem Vater zugetheilter
junger Mann, Namens Ziju-ro-suke, der etwas zu thun hatte, zwei bis drei Ri weit zurück-
geblieben. Derselbe lief nach verrichteter Sache herbei, bewachte allein den Leichnam
des Gebieters und kehrte sogleich nach Bo-siü zurück. Man erzählte zwar die Umstände
der That, docli in diesem Jahre war ich kaum zwei Jahre alt, mein jüngerer Bruder
Se-zi-ro befand sich in diesem Jahre noch in dem Mutterleibe. Die Spur des Traumes
von dem erschlagenen Vater auch nicht im Traume untei'scheidend, horte ich es später.
Den Groll konnte ich nicht bannen, doch da ich das Angesicht des Feindes nicht
gesehen hatte und nicht kannte, war es so viel wie ohne Ziel mit dem Bogen schiessen.'
Kaganbru bedeutet hier : an den Fingern zälilen. In den alten Büchern findet sich
bloss kaganafe und kaganafeie. Das Wort hat, wie angegeben wird, den Sinn von ^ ^
kagamt-naraberu , krümmend in Reihen legen' und bezeichnet, dass man die Finger
krümmt und zählt. Nach einer Erklärung ist es ein altes Wort, welches für ^ klijiafern.
,untersuchen' gesetzt ist.
Sikkn ,die Stütze verlieren' bedeutet: den Vater verlieren.
Jumi-ja-no ije-ni tsiikaje-sl tsiUi-ica | dai-zi-no tsukai-wo uke-tamaicari | imada kama-
kura-je je-mo juknzu | sono ini u-b-si-site | o-o-tsuki-kata-to san-fiaku-kin-ico \ ubai-torare-si
kofo I sono toga ito-mo karo-karazii,. Siju-kun-no ke-siki kurauri-te \ fi/f ^ (sio-tai) koto-goto
i^ ^X (inossrju)-serare \ jakara-wo xE ^ (tsui-f6)-serare-si-ka-ha . nageki-no uje-ni nageki-tro
mase-si \ fawa-no vi)} ^ (ku-r6)-(ra koto-no fa-ni \ toki-tsnku-saren?i, — • ^ fikkej-no y% ^
(tsin-7'aku) \ kakaru zi-setsu-ni ototo-ga {ij ^ (sijibsseö) \ kasu-keki. jukari-ioo motomete-ioa {
koko-ni fan-nen \ kasiko-ni itsi-nen \ nagare-ivatari-ni sumi-fate-nu . üja-ko ini-tari-ga namida-
gawa \ terasanu tsuki-fi-mo tatx?!, kofo fajaku \ icare-ica /V ^ (fassai) \ ototo nana-tsu \
Tj "^ (^^~fi0'9^ "fc Ifil (sitsi-kuai) ^^ 0 (ki-nitsi)-no ^ ^ O'^'^'-jc) I fazimcte fawa-no
mono-gatari-ni | tsitsi-ga ich-si-no ari-sarna-wo \ kiki-tarii toki-no kutsi-ioosi-sa | kataki ari-to-wa
siri-nagara \ kawo-mo mi-sirazu \ na-mo sirazio | sirade-mo utan-to omoi-tatsi-si \ ko-zo-ni ko-
tosi-wa ija-masi-te \ suzume-ko-jitmi-ni \ ajame-tatsi \ warawa-asobi-mo tada sono koto nomi.
,Der in dem Hause der Bogen und Pfeile angestellte Vater hatte einen wichtigen
Auftrag erhalten und war noch nicht nach Kama-kura gekommen, als er eines gewalt-
samen Todes starb und sammt der grossen Mondgestalt dreihundert Kobang geraubt
wurden. Diese Schuld war keine sehr leichte. Er wurde von dem Vorgesetzten und
Gebieter darum angesehen, alle seine Habe wurde eingezogen, seine Hausgenossenschaft
verbannt. Der Schmerz der Mutter, zu deren Leid weiteres Leid gefügt ward, lässt
sich mit Worten nicht beschreiben. Gerade um die Zeit, als das ganze Haus zu Grunde
ging, wurde der jüngere Bruder geboren. Lidern wir unbekannte Verwandtschaften
suchten, hatten wir hier ein halbes Jahr, dort ein Jahr in unstätem Durchzuge gewohnt.
Monde und Tage, den Thränenfluss dreier Menschen, der Mutter und der Söhne, nicht
erleuchtend, vergingen schnell, ich war acht Jahre alt, der jüngere Bruder sieben. Li
der Nacht der siebenten Wiederkehr des Todestages des verstorbenen Vaters hörte ich
zum 'ersten Male aus dem Munde der Mutter, wie der Vater eines gewaltsamen Todes
14*
108 Pfizmaieu.
starb. In iiieinom Schmerze von (hiinals wusste it'h, dass es einen Feind gibt, doeli ich
kannte ihn niclit von Angesicht, ich wusste auch nicht seinen Namen. Es war im vorigen
Jahre, als mir der Gedanke kam, dass ich ihn tödten werde, ohne ihn zu kennen, in
diesem Jahre dachte ich es immer mehr. Bei dem Knabenspiele mit dem kleinen Sper-
lingsbogen. mit dem Kalmusschwerte befasste ich mich juir jult dieser Sache.'
Kasu-keki ist so viel als kasuka , dunkel, vei'borgen'.
To-tose-ni tdkaki faru aki-ioo \ okure-do ata-ico taso nari-to \ siru josi-mo naka-naka-ni
oja-ko mi-tari fito-tsu-ni ari-te-tva \ ito bln-nasi-to omoi-si-ka-ha \ fara-knra fisoka-ni simesi-
atvasi I ototo-tco-ba nokosi-todomete | jamu-tco tsune-nam fawa-je-no ^ ^ (ko-jo) \ ivare-tca
niwaka-ni tabi-datsi-te \ tokoro sadamenu mu-sija ^ ^^ {aiju-ylo) \ zi-zen-to ohoje-si bu-
gei-wo kakusi-te \ kono ta-fa-gawa-ni loabi-sumai \ tsitsi-ga utare-si fagi-kubo-ni \ fodo-towo-
karane-ba mosi ata-wu | siru josi-mo aran-ka- | to omoi-fakari-si kai ari-te | saki-ni nandzi-ga
iraqa fato-je \ ntsi-kake-taru siju-ri-ken-ica ; o-o-tsvki-kata-je tsukerare-si | fototogisu-no wari-
kü-gai ] tatsi-no kazari-ioa waga faiva-no \ kiki-iuo tsutajcte oicase-si-ka-ba \ ivare koto-goto
kore-wo |@ (dzu)-si \ tada kano tatsi-ico kataki-no seo-ko- \ to kokoro-ni tanomu wotoko-jama j
jumi-ja-gami-no |^|t ^ (u-go)-ni jotte \ fato-ga riiitsi-biku kataki-no kakurc-ga \ hidan-no
e-dzu-ni kono ko-gai-no \ tstiju-bakari-mo tagawane-ba | nigu-to-mo ika-de nigasu-beki. Fagi-
kubo-no ara-no-rdte | waga tsitsi dzi-bu-fei-wo setsu-gai-si \ o-o-tsuki-kata-to san-fiakit-kin-wo '■
ubai-tottaru kusc-nionu-wa \ tori-ta-no seö-zi toki^nusi nari- \ to ij^ V (seu-sed)-taru ten-tö-no
kagami-ni utsusi-te sirasi-tamajeri. Na-nore-na-nore- | to ikimaki takaku \ jaiba-ivo kazasi
tsume-jose-tari.
,Wir verbrachten Frühlinge und Herbste nahe an zehn Jahre, doch um zu wissen,
wer der Feind sei, hielten wir es in der That für sehr ungelegen, Avenn drei Menschen.
Mutter und Sühne, beisammen blieben. Wir Brüder verständigten uns im Geheimen.
Man Hess den jüngeren Bruder zur Pflege für die beständig kranke Mutter zurück. Ich
selbst brach plötzlich auf, ohne den Ort zu bestimmen, verbarg ich die Künste, an
denen man die Geübtheit des Kriegers erkennt, und wohnte ärmlich an diesem Flusse
Ta-fa-gawa. Da es nicht weit zu der Weiderichvertiefung ist, wo der Vater erschlagen
Avui'de, so dachte ich mir, ich werde vielleicht ein Mittel linden, den Feind zu erkennen,
und es war von Nutzen. Das Wurfschwert, welches du vorhin auf meine Taube warfest,
die an der grossen Mondgestalt angebrachte gespaltene Haarnadel des Kuckucks, die
Verzierung des Schwertes, es war aus der Ueberlieferung meiner Mutter noch bekannt,
und ich bildete alles ab. Es ist der Berg Wotoko-jama. auf den ich mich im Herzen
verliess, dass jenes Schwert der Beweis gegen den Feind sein werde. Durch den Bei-
stand des Gottes der Bogen und Pfeile hat die Taube den Weg zu dem Verstecke des
Feindes gezeigt. Da diese Haarnadel von jener Abbildung nicht im geringsten ver-
schieden ist, so mag man entfliehen, wie kann mau entfliehen lassen? Das§ der Böse-
wicht, der auf dem wüsten Felde der Weiderichvertiefung meinen Vater Dzi-bu-fei
ermordet, die grosse Mondgestalt und dreihundert Kobang geraubt hat, Tori-ta-no Seö-zi
Toki-nusi ist, wird durch den Spiegel des leuchtenden Himmelsweges abgespiegelt und
bekannt gegeben. Nenne den Namen! Nenne den Namen!' ■ — Hiermit hielt er zornig
die Klinge hoch über das Haupt und drang ein.
Toki-nusi- tva kiku goto-ni \ omoi-awasuru koto nomi nare-ba \ amata-tubi tan-soku-site \
seu-zi kai-jari fata-to za-si | fito-ioo korosanu mi-no keppaku-mo \ wari-kb-kai-ga seu-ko-to
nari-te | utagawaruru-wa kotowari nare-do \ kore-ni-wa siju-ziju-no in-jen ari. Waga iü
Dee Nebel DER Klage. 1Q9
josi-wo matazu-site uta-ba kanarazu ko-kuai aran. Mi-tamaje kosi-ni katana-ioo ohine-ha \
te-mukai-mo sezu \ nige-mo sezu \ tosi-wakasi tote fajaru wo nornl | ^ ^t fjü-sij-no fo-i-to-ioa
iü-he-karazu. Madzu iil josi-ivo kikl-tamaje- | to sawaganu jamato-tamasi-i-ni | fo-zi-rb
jaiba-wo fiki-sobame \ ima-ni ojobi-te inotsi-ico ivoslmi \ sumi mote juki-to azaimika-to-mo
tare-ka-wa sore-wo makoto-to sen. M josi ara-ba | ije kikan | ika-ni \ ika-ni.
Toki-nusi, da es nur Dinge waren, die er sicli erklären konnte, seufzte mehrmals,
indem er sie hörte. Er nahm das Schubfenster weg, setzte sich und sprach: Ich, der
ich keinen Menschen getödtet habe, bin ganz unschuldig. Dass die gespaltene Haar-
nadel zum Beweise dient und ich verdächtigt werde, ist zwar gegründet, doch es Avalten
dabei verschiedene Umstände. Wenn man auf das, was ich sage, nicht wartet und eirihaut,
wird man es gewiss bereuen. Sehet! Wenn er das Schwert nicht an dem Gürtel träo-t.
wendet man sich nicht gegen den Feind, man flieht auch nicht. Jung von Jahren, ist
man nur rasch. Man kann es nicht den Sinn eines tapferen Kriegsmannes nennen.
Höret zuerst, was ich sage! — Mit unbewegtem Jamatogeiste neigte Fo-zi-ro die Klinge
seitwärts und sagte: Bis zu dem gegenwärtigen Augenblicke das Leben schonend, mag
man mit Tinte, als ob es Schnee wäre, täuschen, doch wer wird es für wahr halten?
Wenn etwas zu sagen ist, sage es, ich werde hören. Wie ist es? Wie ist es?
To seki-tatsure-b.a \ toki-nusi futa-tabi sa-tan-site \ so-ica toioarezu-mo iwazarari-ja. Tada-
inia go-fen-ga mono-gatari-ni | omoi-awasuru fagi-kuho-no \ aki faja koko-ni ziü-ku-neu wäre
ito madzusi-kari-si koro \ nen-guan-no mune atte 1 asa-kusa-tera-jori kajeri-mbsi \fi-gurete kajeru
no-7iaka-nit.e \ tabi-sioru bu-si-to ara-wotoko-fo \ kiri-musubit, jaiba-no fikari-wo j mire-donio
foka-ni mitsi-mo nasi. Ken-kua-no soba tsu-e lotare-zi-to ' tmju-tvo färbte kusa-ni fusi \ koto-no
jb-ivo kai-ma-mi-taru-ni \ tabi-bito-no tomo-bito-ra-wa \ faja utarete \ ^ (sijü)-mo ko-bin-no
fadzure-wo kirare \ tsi-siwo nagarete manako-ni iri-ken \ utsu tatst sudzi-mo sadaka-narazu |
kudan-no no-busi-no ara-wotoko-mo \ usu-de ^ ^ (seö-seo) oi-tarn-si-ga \ kore-ni ki-wo jete
ßimi-komi-komi \ tsui-ni tabi-bito-wo kiri-fusete \ kosi-naru katana-ioo ubai-tori | fasiri-saran-to
si-tari-si-ka-ba | joru-be kukuri-no naki ware-mo \ miru-ni sinobizu mi-wo okosi | kuse-mono
mate- \ to jobi-tomurib-ni \ mi-kajeri-nagara utsi-kake-si | siju-ri-ken-wo suge-kasa-ni \ md-tome-
■<asi-taru so)io fima-ni | ka)io ara-icotoko-wa kusa-ni kakurete \ juku-je sirezu-)ii nari-niire-do
inotsi-wo kakete ö-beki-ni arazu.
Mit diesen Worten drängte er. Toki-nusi seufzte zweimal und sprach : ,Werde ich
dieses ungefragt nicht sagen? Die Weiderichvertiefung, an die Ihi- mich eben durch
Eure Erzählung erinnert, es sind im Herbste bereits neunzehn Jahre. Zu einer Zeit.
wo ich sehr arm war, hatte ich die Absicht, zu beten. Ich kehrte von dem Kloster
Asa-kusa zurück, es wurde Abend, und mitten auf dem Felde, über welches ich den
Rückweg antrat, glänzten die verknüpften Klingen eines reisenden Kriegers und eines
rauhen Mannes, welche sich schlugen. Ich sah es, doch es war sonst kein Weg. Um
nicht, dem Kampfe nahe, durch die Waffen getödtet zu werden, legte ich mich, den
Thau abstreifend, in die Gräser und spähte, wie die Sache ausfallen werde. Die Ge-
fährten des Reisenden waren bereits erschlaget!, auch der gelöste kleine Haarschopf war
dem Gebieter durchschnitten, das fliessende Blut wird ihm in die Augen gedrungen sein,
und die Linie seines einhauenden Schwertes war unbestimmt. Jener Feldlagerer, der raulie
Mann, der ebenfalls leichte Wunden davongetragen hatte, bekam dadurch Muth. Mit
den Füssen stampfend und immer eindringend, hieb er ihn zuletzt nieder, raubte dessen
Schwert und wollte entlaufen. Ich, in der Nacht ohne Einhalt, konnte den Anblick
■]■«(■) Pfizmaikh.
niclir ertrao-en. Ti'li erhob mich und fiel" ilim (lii> Wofte : Bösewicht, warte! nach.
Während das Wvirfschwert, welches er im Umblicken warf, in meinem Riedgrashute
stecken blieb, verschwand dieser raidie Mann in den Gräsern und ich wusste nicht,
wohin er oekommen. Doch ich konnte ihn nicht mit Gefahr des Lebens verfolgen'.
Tada itamasi-ki-wa i^ M (icb-si)-no ^ ^ (siju-zijü) \ idziäsi-iw fito-fo tu-ni josi-
naku I ivaqa te-ni nokoru ku-gai-no \ sono knta-ivarc-iva notsi-no seo-ko-to \ futokovo-ni osatne-
tsutsu I jar/afß-zo ije-ni kcijeri-si-ga \ ßto-ni iü-beki koto narane-ha \ kano ku-c/ai-iva suzuri-ni
tsukete 1 ^ ^ (bun-tsin)-ni se-si toki-mo ari-si-ni \ mono-tobosi-karazu nari-te-no notsi-ica
omoi-wasurefe tori-mo idasazu. Sikaru-ni kinö fakarazu-mo \ go-fen-ga ^ (aij-surit kai-
fato-no I tattaru ato-ni nokori-si foimi-iva \ musume-to ivake-no aru-ni ni-tari \ -f- (ko)-ico
omo oja-no ßto-sudzi-ni \ hidan-iio fato dani idsi-korosa-ba \ kui-no kajori-dzi naka-tajen- \ to
mono-katakuna-ni inükn-romi-te ' kudan-no fato-ioo matsu fodo-ni j ked-mo mata waga niwa-no
i^ (ko)-no jeda-ni ivoru-wo mite \ kokoro-seku mania fidzi-tsika-naru \ suzuri-bako-ivo kai-
saguri \ te-ni atattaru ko-kai-ivo \ sih-ri-ken-to si-tari-si-ka-ba i kataki-to iwarnru waga mi-no
/£ M% (jaku-nan) \ kore-ino fu-si-gi-no in-jen nari. Go-fen-no kataki-wo mi-siri-si toki-nusi
K5f ÜC (zi-r/ij-ni jora-ba tsikara-ioo awasi-te \ fo-i toge-sasiorio koto-mo ari-nan. Madzu sono
jai-ba-ico osame-tamaje.
,Was mich nur schmerzte, war, dass ich kein Mittel hatte, zu fragen, wer Herr
und Diener, die eines gewaltsamen Todes starben, gewesen. Die eine Hälfte der in
meiner Hand gebliebenen Haarnadel, damit sie später zum Beweise diene, in dem Busen
verbergend, kehrte ich sogleich heim. Da es keine Sache war, die ich den Menschen
sagen konnte, befestigte ich diese Haarnadel an den Tintenstein und machte sie zum
Schriftenbeschwerer. Um diese Zeit geschah es, dass ich nicht mehr dürftig war. Später
vergass ich darauf und nahm sie nicht heraus. Nachdem gestern unvermuthet Eure
geliebte Haustaube aufgeflogen, schien der Brief, den sie zurückliess, Beziehung zu
meiner Tochter zu haben. Als Vater, der sein Kind liebt, dachte ich mii- alberner
Weise, dass, wenn ich diese Taube geradezu tödte, der Verbindungsweg der Liebe
abgeschnitten sein würde. Indem ich diese Taube erwartete, sah ich, dass sie auch
heute auf dem Aste eines Baumes meines Vorhofes sass. In der Uebereilung griff- ich
nach dem nahe an meinem Arme befindlichen Tintensteinkorbe und machte die in die
Hand gerathene Haarnadel zu einem Wurfschwerte. Icli hatte das Unglück, ein Feind
genannt zu werden.' Auch dieses ist eine wunderbare Strafe. Wenn ich Toki-nusi, der
ich Euren Feind gesehen, die angemessene Zeit finde, wird es geschehen, dass wir
unsere Kräfte vereinen und unsere Absicht erreichen. Vorerst berget diese Klinge!'
To I ije-ba kara-kara-to azawarai \ sono mi-no tsumi-wo nogaren tame-ni \ knisi-sakasi-
ku-mo kosiraje-tari. Ware kono sato-je kite kiku-ni \ nandzi fazime ito itb \ madzusi-kari-si-ga
jukuri-naku \ zeni-kame ben-ten-no ^ ^ (mio-dzio)-ni jotte \ o-oki-ni tomi-wo lamotsu-to iit.
Ko-iva utago-beki ßto-tsu nari. Kano mi-tatsi-wo mi-siro-nasi j san-fiaku- ^ (kin)-to kore-wo
avMsi-te \ kaku vari-ide-taru :^ ^ (fu-gi)-no ^ (zai) \ tö-ni-ica otsizu kataru-ni otsiru- ! to
jo-no koto-waza-ioa nandzi-ni ari. Ware loosanaki-jori tsitsi-no ata-wo | utan-to nomi omo
ju-e I tada mi-ioo ^ (ai)-site nom.i-ni-mo sasasezu. Saru-ni jotte inuru aki \ sasajaka-naru l
de-midzu-ni-mo | ajamatsi-se-zi- | to kaja-ja-ga mune-ni \ jodzi-nobori-faru kokoro-tca sirade \
azaioaro mono nomi ari-si-ni \ ^ % (aku-jen)-no joru tokoro-ka. Nandzi-ga mvsume nade-
si-ko-ga \ sono toki ware-ioo ^ ^ (ken-renj-site | wari-naku fami-ivo okuru-to ije-domo \
kataki-ico nerb kono mi-ni-iva 1 iro-mo nasake-mo nani-ka-wa sen- \ to utsi-sutete mi-mo
Dee Nebel dee Klage. 111
kajerane-ba \ ijo-jo omoi-kogarefe-ja \ waga kai-fato-wo naka-datsi-ni \ ^ ^ (tsi-tsuka)-ni
amario fumi-no kazu | »laki-zoi-seraruno koto-mo-ja-to \ omö bakarl-nl tada fito-fude\
^— -f-" — • (mi-so-ßto) mO'Zi-ni kotowari-ie \ fato-ni tsuke-taru kajesi-no — ■ ^ fywV kajette
nandzi-ni jerare-si-jorl \ wäre rnata kataki-no seö-koico je-tari g" ^ fmö-kij-no uki ki
1^ ^ ^li -iE (u-ba-ra-ge)-nn \ faru-ni-iva futa-tahi ai-gatasi. Inotsi-iuo tcosimu-ka | uk/i-
se-si-ka \ urami-no jai-ba toku uke-jo.
Bei diesen Worten liohnlaclite Jener und sagte : Damit du der Schuld entkommest,
hast du es wohlredend dargelegt. Als ich in diesem Uorfe ankam, hörte ich erzählen,
dass du anfänglich äusserst arm warst. Unverhofft besassest du dui-ch die dunkle Hilfe
dei- Göttin Ben-ten von dem Geldkruge in grosser Menge Reichthum. Dieses ist das
Eine, das man bezweifeln kann. Jenes kostbare Schwert verkauftest du, die dreihundert
Kobang fügtest du hinzu. So entstand dein ungerechtes Gut. ,Beim Fragen fällt man
nicht, beim Sj^rechen fällt man.' Dieses in der \Yelt übliche Sprichwort passt auf dich.
Weil ich seit meiner frühen Jugend nur daran dachte, den Feind meines Vaters zu
tödten, schonte ich mich und Hess auch nicht von einem Flohe mich stechen. Als ich
somit im vergangenen Herbste, um bei einer kleinen Austretung des AVassers keinen
Fehler zu begehen, auf die Firste des Strohdaches klomm, kam es vor, dass man, die
Bedeutung nicht kennend, mich nur verlachte. Ist das böse Verhältniss hierin begründet?
Um diese Zeit warf deine Tochter Nade-si-ko ihre Augen auf mich und schickte mir
mit Aufdringlichkeit einen Brief. Doch was wären für mich, der ich auf den Feind lauere,
Sinnlichkeit und Neigung? Ich warf ihn daher weg und nahm keine Ilücksicht. Viel-
leicht Avar sie noch mehr von Liebe verzehrt. Durch die Vermittliuig meiner Haustaube
betrug über tausend Handbreiten die Zahl der Briefe. In der Meinung, dass ich darin
verwickelt werden könnte, entschloss ich mich nur zu einem einzigen Briefe und ein
und dreissig Schriftzeichen. Seit jedoch das an die Taube befestigte versiegelte Schreiben
der Entgegnung von dir erlangt wurde, habe ich auch die Beweise gegen den Feind
erlangt. Das schwimmende Holz der blinden Schildkröte, den Frühling der Blume
Ü-ba-ra-ge kann man unmöglich zweimal treffen. Schonst du das Leben? AYar es
Feigheit? Empfange schnell die Klinge der Rache!
U-ba-ra-ge ist so viel als u-don-ge^ die Blume, von dcj' gesagt wird, dass sie in
dreitausend Jahren einmal blüht.
2b nonosiri-nagara firamekasu | jai-ba-tco kuguru toki-nusi-toa j usiro-sama-ni tobi-noki-te \
ima-sara nogare katana-kake \ fidzi-wo nobasi-te kai-toru waki-zasi \ naki-awasl-tsutsu kiri-
ijiusuhii. — • _t. — ' T* (Itsi-zeo-itsi-ge) \ ^ '^ (sm-ren)-no kissaki | ^ -^ (den-kiio)
^ jM. (seki-kuaj-to fagesi-ki tatsi uto \ ku-ica nani-goto-zo- \ to iiade-.n-ko-ga I isogawasi-ku
fasiri-kite \ to mire-ba \ tsitd-to koi-bito-no \ sinogi-wo kedzuru ^ ^ (se6-si)-rio mkai \ ana
kannsi-ja- | to ko-e tatete | sakebe-do jobe-do oru fata-no \ oto-ni magirete ßto-mo kozii.
Toki-nusi, unter der Klinge, welche Jener bei diesen Scheltwortcn schwang, hin-
durchschlüpfend und flugs nach rückwärts weichend, streckte, jetzt endlich losgekommen,
den Arm nach dem Schwertgestelle aus luid hieb, indem er das ei'grlffene Schwert
zugleich zog, anknüpfend ein. Bei dem heftigen Klirren der Schwerter während des
Blitzens und Feuerschiagens der bald oben, bald unten befindlichen geübten Schwert-
spitzen sich fragend, was dieses sei, kam Nade-si-ko eilig herbeigelaufen. Sie sah den
Geliebten mit Ihrem Vater die Linie des Schwertrückens schaben und Beide an der
Gränze von Leben und Tod. Sie erhob ein Geschrei und rief: O wie traurig! — Wie
■J12 PlTZMAIKH.
sie lUK-li schrie und rief, sie wuih1(> von dem 'i\)iie der ^Vebstüllle übertäubt und Niemand
kam herbei.
Kanata konata-to fase-megure-ha \ '|^^ ^ fke-ga)-sii-na\joru-na\todomu-na-'to tsitsi-mo
otoko-v)o manako-iro ikarasi | sikari-nokcte-mo noka-naka-ni inotsi-ioo wosimaztt, fa-.sidoinl-no |
1^ -^ (seo-zij-ico tutte ntsi-airase-si \ jai-ha-no uje-je o-oi-kake \ sono mi-wo osi-ni fata-to
^ (za)-su. Ka-joioaki loonna-no tsikara-gusa-mo | mi-iro si sntf^ure-ba tori-tomitru \ köri-no
jai-ba titsi-foke-gafaki I fo-zi-rb-wa ko-e-u'u fagemasl inare-naki wonago-vo HJ^ ^ij (sai-ban)
oja-ko inotsi-too suten-to negb-ka \ so-ko noke-ja-tsu- | to iki-make-ba \ toki-nusi-mo ko-fiza-ioo
f.viki I nii-ni oboje-naki ata-?ifsi ^ Sj^ (zan-mai) | kono ^J \ (kib-nin)-u'0 ike-dotte
H jjy- (ko-fu)-j('. fikasen. Faja noke nade-si-ko \ josi-naki waza-ni ajamatsi-su-na- | to
i-i-tsutsn ajegi-ajegi-taru.
Als sie hier und dort umherlief, blickten der Vater und der Mann mit den Worten:
Beeinträchtige nicht! Komme nicht nahe! Halte nicht auf! zornig und schoben sie
scheltend bei Seite. In der That ihr Leben nicht schonend, nahm sie das Schubfenster
des Halbgitters, deckte es über die im Schlagen vereinten Klingen und setzte sich,
ihren Leib zu einem Gewichte machend, rasch nieder. Durch die Kraft eines schwachen
Weibes w^ar es, da sie sich hinwarf, den eisigen Klingen, welche sie aufhielt, sich frei
zu machen unmöglich. Fo-zi-ro rief mit erregter Stimme athemlos : Hie Entscheidung
eines unberufenen Weibes! Wünschen Vater und Kind ihr Leben hinzuwerfen? Gehe
dort zurück! — Auch Toki-nusi stiess sie mit dem Knie und rief, dabei ganz aus dem
Athem kommend : Diesen Wahnsinnigen, der darauf beharrt, einen mir nicht erinner-
lichen Feind zu tödten, werde ich gefangen nehmen und nach dem Sammelhause des
Reiches führen lassen. Gehe schnell weg, Nade-si-ko ! Irre dich nicht bei einer nutz-
losen Sache !
Oja-to tuotoko-ga isuno-k/tmi-si | sono josi-asi-wa sirane-domo \ fitori-iva sutsuru inotsi
nara-ba j mi-tari issio-ni ^ {ij (si-de)-no tabi \ ^ ^ (san-dzu)-no kmva-ico tomo-ikada
xvaraica-u-o saki-je korosi-fe tabe. Omö ivotoko-no jai-ba-ni kakerare \ oja-no -^ ^ (sen-do)-ni
tatsu nara-ba \ iki-nokori-te mono-ioo omö j notsi-no nageki-ni masi-faberame j maze-si icotome-no
sai-ban-to | siliararurii-ka-iva sirane-domo \ ina-ki-no nusi-wa waga tsitsi-wo \ oja-no kataki-to
no-tamaje-domo \ ikani-mo nandzi-ga tsitsi-ico utsi-si- | to na-noru-tvo kikade utsi-tamaioa-ba
mono-no fu-no mitsi-ni-mo kake. Mos? ata-narami koto-josa-no notsi-ni kikojete aia-naranu \
ßto-u'o korose-si mi-no tsumi-too \ oi-tamh koto ara-ba | idzure-no inotsi \ idzure-no mi-wo mote
makoto-no kataki-wo ntsi-tamb \ jori-fe toaraiva-ga loosanaki sai-ban \ ko-te-sasi-bara-ni
omomuki-te | nadote tsikai-wo si-tamawazarn. Tsutaje-kiku ko-te-sasi-bara-narit ko-te-isi-ica
mt(kasi-jori ^ (i^euj faberi. Mosi ^ ;^ (gi-nen) farezaru mono \ kudan-no isi-no fotori-
nite I tsikai-tDO sure-ba tatsi-dokoro-ni | ^ ^ (zen-aku) ^ ^ (kio-zitsu)-ivo siru-to in.
Utagatvasi-ki-wa isnmi-sezu-to \ mono-ni-mo sirusi-te aru naraz2i-ja. Sare-ba tsikai-no isi-no
na-no \ munasi-karazu-wa utagai-no I farenv, koto-ja-wa faberit-beki \ kata-mi-ni si-an-si-
iamaje- \ to i-i-kakete otosu tsi-no namida \ futa-tsu-no sode-ica ari-nagara \ nugü-ni te saje
fanasarenu \ seö-zi-no uje-ni ^ ^ (se6-si)-no sakai. Kakaru toki-si-mo icotome-go-ga
^ ^ (ton-tsi)-wo J^ (kanj-zite fo-zi-rb-wa \ katana-no tsuka-ivo nigiri-motsu | kobusi-mo
sukosi jurumi-kei'i.
Jene hob an : Das Gute und Schlechte, wesshalb der Vater und der Mann aneinander
gerathen sind, weiss ich zwar nicht, doch wenn Einer von ihnen das Leben verliert,
reisen Drei zugleich zu dem Todeshimmel, über den Fluss der drei Wege setzt man
Der Nebel der Klaue. 113
auf gemeinscliaftlicliein Flosse. Tödtet frülier mich ! Es wird besser sein als das spätere
Leid, in welchem ich, am Leben geblieben, trauere, wenn von der Klinge des geliebten
Mannes erreiclit, der A'^ater früher den Todesweg antreten sollte. Ich weiss nicht, ob
ich mit den AVorten : ,die Entscheidung eines sich einmengenden Weibes' gescholten
wurde, doch wenn der Gebieter Ina-ki, ohne die Namensnennung: ,Ich habe irgendwie
deinen Vater getödtet', zu hören, ihn tödtet, so ist in dem Wege des Kriegers eine
Durchbrechung. Wenn die Kunde, dass er der Feind nicht ist, später gehört wird und
ihr die Schuld, einen Menschen, welcher der Feind nicht ist, getödtet zu haben, auf
euch ladet, mit welchem Leben, mit welchem Leibe tödtet ihr dann den wirklichen
Feind ? * Daher lautet meine jugendliche Entscheidung : Warum schwöret ihr nicht, auf
das Feld von Ko-te-sasi gehend, einen Eid? Der auf dem Felde Ko-te-bara befindliche
Stein der Armschienen, von dem man in der Ueberlieferung hört, ist von Alters her
geistig. Man sagt : Wenn Jemand, dessen Zweifel nicht aufgeklärt sind, neben diesem
Steine einen Eid schwört, so werden auf der Stelle Gutes und Böses, Wahrheit und
Lüge bekannt. Sollte er nicht für die Menschen ein Verkünder sein, damit man in
zweifelhaften Fällen nicht straft'? Wenn der Name , Stein des Eidschwures' kein eitler
ist, könnte er wohl eine Sache sein, wodurch der Zweifel nicht aufgeklärt wird? Ueber-
leget es gegenseitig ! — Ueber dem Schubfenster, von dem bei dem Trocknen der ver-
gossenen blutigen Thränen, bei dem Vorhandensein zweier Aermel, die Hände nicht
einmal losgelassen wurden, war die Gränze von Leben und Tod. Um die Zeit lockerte
auch Fo-zi-rö, den Scharfsinn des Mädchens bewundernd, ein wenig die den Griff des
Schwertes festhaltende Faust.
Toki-nusi-iva koto-sara-ni | ^ f^ (kan-riii)-ivo todome-ajezu ! geni-geni omoi-wasiore-tari .
Josi-ja utsu-to-mo utaruru-to-mo urami-nakl mi-ico inu-zini-site \jo-no mono-iüciraje-to naru-mn
utate-si. Kanu ko-te-isi-iva ^ ,^^ (rei-gen) ari tote \ sato-bito-ra osi-nabete | tsikai-nu isi-to
jobi-naseri. Ina-ki-to tonio-nl kasiko-ni itara-ba \ koto-iio ^ ^ (kio-zitiu)-wa ono-dzukara
^ H^ (fnn-mib)-ni slraru-besi. Fo-zi-rh ika-ni- \ to i-i-kerc-ba | idd-unadzuki-te ke-siki-ivo
jaicarage \ icare mata kano isi-no ^ (rfiö)-aru koto-ica fobo kikeri. Na-noranit, kataki-ico
ntan-jori \ ona-ono kudan-no fara-ni omomuki \ ijo-ijo sono koto makoto nara-ba \ ko-te-sasi-
hara^ga sugu-sama ||ij J^ (sen-dzio). Sikarn-ba jai-ba-wo osamen-ja \ iza fike \ fikan.
Toki-nusi, absichtlich die Freudenthränen nicht zurückhaltend, sprach : In der That,
ich hatte es vergessen! Gesetzt ich tödte, oder ich werde getödtet, es ist traurig, dass
ich, keinen Hass empfindend, einen unrechten Tod sterbe und mich vor der Welt
lächerlich mache. Weil diesem Steine der Armschienen göttliche Bestätigung innewohnt,
nannten ihn die Menschen des Dorfes allgemein den Stein des Eidschwures. AVcnn ich
zugleich mit Ina-ki dort ankomme, wird das Wahre oder Falsche der Sache deutlicli
erkannt werden. Was meint Fo-zi-rö? — Der Andere nickte mit dem Haupte mid
erwiederte, in seiner Miene Besänftigung zeigend : Auch ich habe obenhin von dei-
Göttlichkeit dieses Steines gehört. Anstatt dass ich einen Feind, der keinen Namen
nennt, tödte, gehen wir lieber Beide auf dieses Feld. Gewiss, wenn die Sache wahr
ist, sei das Feld von Ko-te-sasi geradezu der Kampfplatz. Also werden wir die Klingen
bergen? Wohlan, ziehe zuilick! Ich werde zurückziehen!
' Wohl so zu verstellen, daas dann das Lehen vei-wirkt iat.
Denkschrifton .lei- pliil.-liist. Cl. X.VVI. Bd. lö
114
Pl'IZMAIKK.
Ti> moru-f(»ti(i-ni \ jai-ha-ioo saja-je osanmre-ba j sukosi-tca kokorx) otsi-toi-tsutsu \ mune-no
atari-wu nade-si-ko-mo \ ^ -f' (seö-zi) kai-jari \ kamt kaki-naße \ fadzukasi-ki koto nagnru
iete-go-to tono-go-je negai-faheri. Tdkai-no isi-no tsikai ari-te \ ata-naranu josi ^ ^ (fun-
mib)-ni \ utagai-no fare-tamawa-ha \ kore-wo imo-se-no ^ (jen)-ni site \ me-awasi-te tahi-
ten-ja. Omoicärezu-to-mo omö mi-ioo j tama-tmbaki-n<> /\ ^ ■f^ (j'^-t^^-p) inctde | kasidzukasi-tc
tamawara-ba \ waraiva-ga tame-ni-mo si-uto-no kataki tete-go-iio fa-suke-wa muko-no tarne
J^ (on)-ti> nasake-wo jui-aioasi \ tono-go-no fo-i-mo \ warawa-ga negai-mo \ toge-sad-te tamaiva-ba
fazime-iio urami fiki-kajete \ jorokobi kore-ni masu koto nasi.
Hiermit bargen Beide zugleich die Klingen in der Scheide. Im Herzen etwas
erleichtert, nahm Nade-si-ko das Schubfenster, das sich vor ilirer Brust befand, weg,
strich das Haupthaar und sprach : Ist es auch eine Sache, deren ich mich schäme, habe
ich an den Vater und an den Herrn eine Bitte. Wenn der Schwur bei dem Steine des
Eidschwures stattgefunden, Avenn es deutlich wird, dass man nicht der Feind ist und
euer Zweifel aufgeklärt ist, werdet ihr dieses das A^erhältniss von Schwester und Bruder
werden lassen und mich zum Weibe nehmen? Wenn es mir, die ich, wenn auch nicht
o-eliebt. liebe, zu Theil wird, dass man mich bis zu den achttausend Zeitaltern der
Edelsteincamelie dienen lässt, so knüpft meinetwillen auch des Feindes des Schwähers,
des Vatei-s Hilfe für den Eidam Güte und Neigung zusammen. Wenn der Vorsatz des
Herrn mich meinen Wunsch erreichen lässt, so wechselt der anfängliche Hass und in
Freude ffeht nichts darüber.
21, i-i-tsutsii kawn-wo utsi-otvo \ sode-no fima-jorl oja-no kaivo \ ivotoko-nn kawo-wo sasi-
nozoku I wotome-gokoro-no su-e-nagaki \ ta-moto-ni amaru omoi nari. Toki-nusi-mo ^ ^
(on'ai)-no \ sa-koso-tu omoje-ba idsi-siioabuki | kakaru wori-kara ^ ^ (kon-jen)-no j koto-
josa su-beki-ni arane-domo \ ina-ki-ga tsitsi-no ata-taru kuse-monv j sono omo-kage-wa wäre
mi-sireri. Sikara-ba nke-fihi koto-mo aran-ga \ ^ |H (kuan-rei) ^ jjf- (bu-seoj-ni arazaru-
jori-wa | midco-ni-'wa sezi-to omoje-domo \ fade-kn rimsi-mo ono-ga suki | kaku made omö
wotoko nara-ba \ loare mata nadeö kobamu-beki \ ijo-ijo utagai-faruru-ni oi-te-wa \ musume-ga
negai-ivo kanb-beki-ja. Ina-ki-ga ^^ 4* (kio-tsiii) kika-ma-fosi.
Während sie so sprach, spähte sie durch die Aermel, mit welchen sie das Angesicht
verdeckte, nach dem Angesichte des Vaters und dem Angesichte des Mannes. Es war
das über die am Ende lange Aermeltiefe hinausgehende Sehnen des Mädchenherzens.
Toki-nusi, dessen Güte und Zärtlichkeit für so gross gehalten wurde, hustete und sprach:
Zu einer solchen Zeit sollte zwar die Begründung einer Heirath nicht stattfinden, jedoch
ist das Angesicht des Bösewichts, welcher der Feind des Vaters Ina-ki's ist, mir bekannt.
Wo es sich um die Einwilligung handelt, glaube ich zwar, dass ich ihn, da es kein
Statthalter oder Kriegsanführer ist, nicht zum Eidam machen dürfe, jedoch das Insect,
welches Blutkraut verzehrt, hat selbst daran Freude. Wenn es ein Mann ifet, den man
in solchem Masse liebt, warum sollte ich da ferner widerstreben? Soll ich, wenn endlich
der Zweifel aufgeklärt ist, den Wunsch der Tochter erfüllen ? Ich möchte die Meinung
Ina-ki's hören.
To ije-ba \ knbc-wo sa-jü-je utsi-furi \ sono koto-iva iraje-gafasi. Tori-ta-wa tsitsi-no ata
narazu- \ to koto ^ B^ (fnn-iiiio)-id nt.aga,i-no \ farete-no notsi-iva to-mare kaku-mare tada-
Ima koko-ni ^ (gi)-su-be-karazit. Ko-te-sasi-bara-je iza-tamaje- \ to tatan-to suru-ico toki-
nusi-wa \ isogaivasi-ku osi-todome \ kano fara made-wa ban-dö-mitsi \ -p M (ziu-ri)-ni-im
amareru-ni \ keo-wa kururu-ni fodo-ni arazu. ^ (Jo)-no utsi-jori jö-i-site \ ake-na-ba kasiko-je
*ti
■S
Dee Nebel DER Klage. 115
omomuku-hesi. Kaku iwa-ba ^ (jo-ni) magirete \ nige-mo fasiru- \ ka-to omö-be-kere-do \
icare-mo katana-wa imada sf.itezu. Ko-joi fito-jo-no ßto-zitsi-ni-iva nade-ai-ko-ioo mu-irastt-hesi
Jener bewegte das Haupt nacli reclits und links und sprach : Hierein kann ich
unmöglich willigen. Wenn es sich herausstellt, dass Tori-ta der Feind meines Vaters
nicht ist und der Zweifel aufgeklärt sein wird, sei es so oder anders. Eben jetzt und
an diesem Orte kann es nicht berathen werden. Führet mich auf das Feld Ko-te-sasi !
— Hiermit Avollte er aufbrechen. Toki-nusi hielt ihn eilig zurück und sagte : Zu diesem
Felde sind über zehn Ei Bandoweges. Da es heute schon dämmert, ist es nicht an der
Zeit. Wir werden uns von der Nacht an bereit machen, und wenn der Tag graut, dort-
hin gehen. Wenn ich so sage, köiuite man glauben, dass ich unter den Deckmantel
der Nacht vielleicht entfliehe, doch ich liabe das Schwert noch nicht weggeworfen. Ich
werde als Geissei für die eine Nacht von heute Nade-si-ko schicken.
To-mare kaku-mare steht für to-mo are kaku-mo are ,es sei so oder anders'. Man
findet auch to-mare ko-mare.
2o iü-ni ure-»i-to ije-ha je-rd j iwade uresi-ki ivotome-go-ga | kokoro-ni tsitsi-w(-) fusi-
wogame-ba j ina-kl-ica oja-ko-ivo siri-me-ni kake \ ^ ^ (kio-zitsuj-wa imada sadaka-naranu |
kataki-no musume-ivo tomonawa-ba | fJjp "f^ S.^ (riü-ka-kei)-to iü-to ije-domo | tsuma-fadziki-
enu mono-ja-ica aru. Sare-ba tote \ kataki-to omo't-sadame-tam | toki-nusi-wo ome-ome-tn |
fito-Jo-tari-to-mo mi-jurusati-ioa \ fito-no ko-no sezaru tokoro \ ^ zt (jü-sij-no fadzuru tokoro
na?v'. Ika-ni su-beki- j to kbbe-ivo katabuke | jb koso are- \ to mi-ico okosi | katana-wo nuki-te
nade-si-ko-ga | ta-bicsa-wo futto kirl-t<m-te \ oja-ko-no mono-ni utsi-nmkai j tada-ima utsl-mo
otosii-be-kari-si \ nade-si-ko-ga tsitsi-no kbbe-ni j sibaraku kajuru kono ta-busa-wo ivaga futokoro-ni
osaine-oki \ koto -^ B^ (fu?i-mibj-m utagai fare-na-ba | kono moto-dori-ioo muko-fiki-de.
Mosi utagai-no farezaru toki-iva | tori-ta-ga kubi-mo kaku-no gotoku | tuaga jai-ba-wo uke-
sasu-besi. Slkara-ba oja-no bo-dai-no tame-ni ama-to-mo naran nade-si-ko-ga [ ta-busa fito-
tsu-wo mi-tari-ga uje-ni \ kakete jurusami mune-no ]ß (to)-ioo \ aka ^ (m7i)-tstc-no kaue
ai-dzu-to si | ko-te-sasi-hara-nite ^ "^ (sai-kuai)-sen.
Bei diesen Worten warf sich das erfreute Mädchen, welches nicht sagen konnte,
dass sie erfreut sei, in Gedanken vor ihrem Vater nieder. Ina-ki blickte Vater und
Kind von der Seite an und sprach : Wenn ich die Tochter des Feindes, so lange Wahrheit
oder Lüo-e noch nicht gewiss sind, beo^leite, mao- ich selbst der Mann Namens Lieu-hia-
hoei^ sein, schlage ich da kein Schnippchen? Wenn ich jedoch Toki-nusi, den ich bestimmt
für den Feind gehalten habe, stumpfsinniger Weise, wäre es auch nur für eine Nacht,
aus den Augen lassen wollte, so wäre dieses etwas, das ein Sohn unter den Menschen
nicht thut, dessen ein muthiger Mann sich schämt. Wie soll ich es anstellen? — Hierbei
ueigte er das Haupt zur Seite. Mit den Worten: Es mag gut sein! erhob er sich, zog
das Schwert und schnitt den Haarschopf Nade-si-ko's plötzlich ab. Zu Vater und Kind
gewendet, sprach er: Diesen Haarschopf, der für eine Weile die Stelle des Hauptes von
Nade-si-ko's Vater, das ich eben jetzt nicht abschlagen konnte, vertritt, berge ich in
meinem Busen. Wenn die Sache offenbar, der Zweifel aufgeklärt sein wird, mache ich
diesen Haarschopf zimi Geschenke des Eidams. Wird der Zweifel nicht aufgeklärt,
werde ich den Hals Tori-ta's auf solche Weise meine Klinge empfangen lassen. Den
Lieii-liia-hoei lebte zu den Zeiten des Fürsten Hi von Ln, nacli Tscliuaiig-tse zu den Zeiten Khnug-tse's. Er war der
jüngere Bruder des Räubers B>fi Tschi. Näheres liegt niclit vor.
15*
116
Pl'IZMAIER.
einen llaaivschopf Nade-si-ko's, welche dann wogen des Seelenlieiles ihres Vaters Nonne
werden wird, über drei Menschen hängend, niadit man zur nioht erlaubten Thüre des
Willens. Die sechste Glocke des Morgens sei das Zclclion. Auf dem Felde von Ko-te-
sasi treft'en wir uns wieder.
Ije-ba je-ni hat den Sinn von .unaussprechlich'. ,7« Avui'de dabei (hu-ch '/X jß , Strom'
erklärt und sollte den Sinn von amsi , seicht' haben. Es wirtl jedoch angegeben, dass
der Ausdruck den Sinn von ijc-ha jenu ,wenn man sagt, erlangt man niclit' haben müsse.
Ni hat die Geltung der Negativpartikel «;t, wovon Beispiele angeführt werden. So hat
Jf ^ ,nicht wissen' in dem Man-jeo-siü und dem Zoku-nippon-ki die Lesung sira-ni
anstatt siranu.
Tsuma-fadziki , Schnippchen' hat den Sinn von Jito-wo Jcohami fadzukasimu ,sich den
Menschen entgegenstellen und sie beschämen'.
To i-i-tsutsu jai-ha-ico osamure-ba \ nade-si-ko-iva te-ivo utsi-aicasi imo-se-no ^ (jenj-vu
iiiHsubi-gami kokoro-mo koko-ni utd-toke-si ta-busa-mo sono mama koi-bito-no \ te-ni todoniara-ba
kono mi-no 2|S ü (fon-mo). Tomi-ni isukaje-ga otsi-i-si- \ to obi osi-jurubenc icori-si-mo
are \ sagi-suke-wa te-nogui-ivo \ ikaniesi-ge-ni fatsi-maki-site | :^ K. t^ (roku-siaku-b6)-wo
icaki-basami \ mesi-taku wotoko ^ :^ (to-roku) \ ^ A (.fatsi.sai)-ga \ saki-ni tatsi-te ko-
datsi-no fima-jori \ ide-ki-tsutsu aruzi-ni mukai \ koto 'ari-to mite soraje-ba \ mono-domo-tvi,
kari-atsume suke-datsi sen-to omoi-sorai-si-ni \ asu-no asa-ke-ni \ ko-te-sasi-bara-nite \ ^ ^
(se6-bu)-sen- \ to no-tamawasuru-züo tatsi-kiku-ni \ jo-i tatsi-matsi i^ ^ (sb-i)-site \ nokori-
lüosi-ku koso sbro nare. Tsikai-no isi-ni -f^ >\t (je-ko) ari-te \ ina-ki-ga ^ ^^ (gi-nen)
farezu-mo are. Sagi-suke kaku-te soraje-ba \ mi-kokoro jasuku omoi-tamaje.
Mit diesen Worten barg er die Klinge in der Scheide. Nade-si-ko legte die Hände
zusammen und sagte : Wenn das ein A^erhältniss von Bruder und Schwester knüpfende
Haupthaar, der Haarschopf, durch den auch das Herz hier gelöst wurde, so wie er ist.
in der Hand des Geliebten zurückbleibt, so ist dieses mein ursprüngliches Verlangen.
Schnell war das Hinderniss beseitigt. — Sie lockerte dabei den Gürtel. Es mochte in
demselben Augenblicke sein, als Sagi-suke, ein Taschentuch mit ernster Miene um die
Stirne wickelnd und einen sechs Schuli langen Stock unter den Arm nehmend, den
Köchen T6-roku und Sai-fatsi voranging. Zwischen den Bäumen hervorkommend, sagte
er zu dem Gebieter des Hauses: Da ich sah, dass es etwas gebe, trieb ich die Leute
zusammen und gedachte, den Helfer zu machen. Da ich jedoch euch sagen hörte, dass
ihi' morgen mit Tagesanbruch auf dem Felde Ko-te-sasi die Sache entscheiden werdet,
sind die Vorbereitungen plötzlich verfehlt, und ich mag fernerhin besorgt sein. Indem
man den Stein des Eidschwures vorzieht, kann es geschehen, dass der Zweifel lna-ki\s
nicht aufgeklärt wird. Da ich Sagi-suke somit da bin, so denket dabei in eurem
Herzen ruhig.
To iwase-mo ajezu \ toki-nun-wa manako-ioo mi-fari \ ^ Zl (sed-zi)-ga • — ^ (Isse)-ivi
/B W^ (jaku-nnn)-ni I nandzi-ra-wo tanoman-ja \ tokit, ■makaJe-jo- j to sikararete ^ sagi-suke-wa
nzau-nrai \ % ^ (rio-jaku)-iva kutsi-ni nigaku \ ^ ^ (kan-gen)-tüa mimi-ni sakai \ ui-
kogari-wa itsu-de-mo atsiisi. Tsiü-gi-wo tsiü-gi-to siranu ^ ^ (siti-kuiij-je \ tsukusu tsiii-
f/i-ga makoto-no tsiü-gi \ kanawanu toki-ni sagi-suke tanomu- \ to oio-tamawasuru-na- \ to
tsubujake-ba \ toki-nusi futa-tahi iwan-to urii-nis \ fo-zi-ro kcrr-ivo mi-kajeri-te \ sikara-b
toki-nusi itoma-mbsu- \ to i-i-tsutsu sode-ico fiki-awasi \ ^ ^ (jen-gaica)-ni tatsi-na jaro^
sagi-suke-wo mite utsi-fö-jemi \ nandzi-ga te-nami-wa siraiie-domo \ mono-mono-siki ^ ^
a
Der Nebel DEK Klage. 117
(kub-gen) kana. Ai-te-wa kirawanu ßru-nu-nu tatakal \ ßto-sato tsuhisi-te suke-datsi-se-jo .
Ko-te-'^asi-hara-nite me-ni mono-misen.
Toki-nusi, ihn nicht ausreden lassend, starrte ihn an und tsagte : Werde ich bei dem
Unheil des Geschlechtsalters Seö-zi auf euch vertrauen? Schnell machet euch fort! —
So gescholten, iiohnlachte Sagi-suke und flüsterte : Eine gute Arznei ist in dem Munde
bitter. Ein guter ßath ist dem Ohre zuwider. Das erst Gebratene ist immer heiss.
AVenn die Redlichkeit, die man einem die Redlichkeit niclit als Redlichkeit erkennenden
Gebieter gegenüber erschöpft, nicht die wahre Redlichkeit sein kann, saget nicht, dass
man Sagi-suke vertraut. — Als Toki-nusi es zum zweiten Male sagen wollte, blickte
Fo-zi-ro auf ihn und sagte : Ich nehme also von Toki-nusi Abschied. — Dabei legte er
die Aermel zusammen und schritt gegen das Verhaus. Sagi-suke erblickend, sagte er
lächelnd : Deine Geschicklichkeit ist mir zwar unbekannt, doch welch' eine wichtig-
thuende Ruhmredigkeit! In dem Kampfe auf dem weiten Felde, wo man den Gegner
nicht verschmäht, bringe ein ganzes Dorf und mache den Helfer. Auf der Ebene von
Ko-te-sasi werde ich es vor die Augen bringen.
To i-i-kakftf \ niwa-je sidzuka-ni worin-to se-si \ tokor<j-wo ima madzu kokoro-mi-ni- \ to
i/tsi-komu ^ (bö)-ico fane-kajesi | firumu jeri-gami kai-tsukami-te \ fi-idzitru made-ni fumi-
hi-je I modori-utasi-te faia-to nage-tsuke \ futa-tahi aruzi-ioo rni-kajeri-te I toki-nusi sude-ni
fadzi'ivo sira-ba | asu-iva kanarazu madaki-jori | tsikai-no isi-no fotori-ni kitare \ i-i-gai-
iiaku-te okure-na-se-so \ iv-ni-ja ojobu- | to kotoba siorudoku \ okuru ^ fJciakuJ-buri | arvzi-
buri I siino-be-ioa mi-kori-te siri-gomi-su7'e-ba \ kosi-ivo utase-si sogi-siike-mo | kata-asi agete
farabai-nagar-a j mi-okuru kage-ico todome-ajezu | ko-no ina-wo meguru jari-midzii-no \ asakit-ica
ßto-tco omo-wazi-to i nobi-agari-tsutsu nade-si-ko-ga \ maneku kai-naki ko-te-sasi-bara-no \ tsuju-ni
sakl-datsu tsuju-no mi-to | sirade okuru-mo aioare-naru-besi.
Im Begriffe, langsam in den Vorhof liinabzusteigen, sagte er : Es sei jetzt früher
zum Versuche! — Hiei'mit schnellte er den hereinschlagenden Stock zurück, erfasste
den nachgebenden Halskragen, stürzte den Mann (Sagi-suke), so dass Feuer hervoi'kam,
kopfüber gegen den Trittstein und schleuderte ihn daran. Zweimal nach dem Gebieter
des Hauses zurückblickend, sagte er mit scharfen "Worten : "Wenn Toki-nusi bereits die
Schande kennt, möge er morgen gewiss, noch ehe der Tag graut, bei dem Steine des
Eidschwures ankommen. Es ist nutzlos zu sagen, dass er nicht feig sei. Man bringt
es dahin, dass man es sagt. — Es war die Weise des Gastes, den man begleitete, die
Weise des Gebieters des Hauses. Die Diener, durch den Anblick abgeschreckt, wichen
zurück und traten ein. xVuch Sagi-suke, der sich die Lenden zerschlagen Hess, einen
Fuss erhebend und kriechend, getraute sich nicht, den von ihm mit den Blicken beglei-
teten Schatten zurückzuhalten. Während das zwischen den Bäumen herumfliessende her-
geleitete Wasser, bei seiner Seichte die Menschen nicht beachtend, sich ausdehnte imd
stieg, begleitete ihn Nade-si-ko, nicht wissend, dass es der dem Thau der von ihr herbei-
gewinkten nutzlosen Ebene von Ko-te-sasi vorangehende Leib des Thaues sei, mit den
Blicken, es sollte traurig sein.
Fmni-isi ,Trittstein' ist ein Stein, auf den man beim Besteigen des Wagens tritt.
Modori-vtasu steht für niondori-utasu ,kopfüber werfen'.
118 Pfizma
Die Finsterniss des Rauches.
Mono-no fu-no \ ko-te-sasi-bara-ni kari-knrasi-te \ ju-icatari-to suru masura-uo ari-keri.
Ije-iva no-su-e-ni ari-nagara \ tsi-c/aja ja-je-mogura-ni matowarete \ uki-jo-ni toivoku sumi-
nase-ba \ fito-ni towarezu toi-mo sezu. Ko-ddtsi fima-naki noki-no tsitma-ni \ utsu-semi-zo naku
natsu kite-mo \ tacla ßto-tsu-ba-no ßto-tsu ja-iva | na-ivo siru mono dani mare-nari-keri .
Keö-mo mata madaki-jori \ ^ (jo)-tco okasi | fosi-im itadaki j jumi ja ta-basami ide-taru-ni \
jo-tca ipiada ake-fatezu [ omoi-no foka-ni faja-kari-si tote \ sibad kuize-ni siri-ico kake | natsu-
gusa-ni fi-ivo kiri-kakete \ koko-ni akziru-wo matsu fodo-ni \ fosl-no ßkari-mo usuku nari-te
ßki-watasu joko-himo-no \ jbjaku murasaki-datsi-taru-ni | ima-wa faja | joki koro nari- \ to
ßfori-gotsi \ jatvora mi-wo okosi-tsutsu | no-naka-ico sasi-te jukan-to snre-ba \ kono kari-bito-no
tsuma naru-besi j tosi-no jowai-ioa mi-so-dzi-no uje-too \ itsu-tsu mu-tsu-mo koje-ja si-tsuran- \ to
mijuru sidzu-no me-ga | mo-no siiso midzikaki asa-ginu kite \ susuki-no fo su-e-wagane-si
gotoku \ naga-jaka-narit kami-wo miisubi-sagete \ te-ni-tva wari-go-ico ßsage-tsutsu \ isogawasi-
ge-ni fasiri-kite \ ko-ja ?iu-nb- \ to jobi-tomnre-ba j kari-bito-ioa kbbe-ivo megurasi j nani-goto-ka
aru I ßto odoroke-no jobi-ko-e kana.
Auf clei- Ebene des Verfertigens der Armschienen der Krieger (Ko-te-sasi-bara) lebte
ein starker Mann, der den ganzen Tag bis zur Nacht jagte und sich dadurch seinen
Lebensunterhalt verschaffte. Da sein Haus, an dem Ende des Feldes behndlich, von
Riedgras imd achtfachem Labkraut umzingelt war, er selbst fern von der Welt wohnte,
so wurde von den Menschen nicht nach ilim gefragt, und er fragte auch nicht nach
ihnen. Ob auch der Sommer, in welchem an dem Rande der Dachtraufe, wo kein
Zwischenraum der Bäume, die hohlen Grillen sangen, gekommen war. Diejenigen, die
das einzelne Haus, ein Einblatt, bloss dem Namen nach kannten, waren Wenige. Auch
heute, als er noch vor Tagesanbruch, die Nacht beleidigend, die Sterne auf dem Haupte
tragend. Bogen und Pfeil unter dem Arme haltend, heraustrat, meinte er, dass die
Nacht noch nicht völlig gewichen und dass es wider Erwarten früh sei. Er setzte sich
für eine Weile auf einen Baumstumpf, schlug auf den Sommerpflanzen Feuer und wartete,
bis es hier tagen würde. Als indessen das Licht der Sterne schwächer ward, die her-
übergeführten schrägen Wolken allmälig purpurn aufstiegen, sagte er zu sich selbst :
Jetzt ist bereits die günstige Zeit! — Langsam sich erhebend, wollte er der Mitte des
Feldes zuschreiten, als ein Weib, welches die Gattin dieses Jägers sein konnte, an der
Hand einen Esskorb tragend, eilig dahergelaufen kam. Es war ein gemeines Weib,
welches aussah, als ob sie das dreissigste Lebensjalir und nebstdem noch fünf bis sechs
Jahre überschritten hätte. Sie war in ein Hanfkleid mit kurzem Saume des Unterkleides
gekleidet und Hess das lange Haupthaar gleich den an der Spitze geringelten Aehren
des Schachtelhalmes geknüpft herabhängen. Als sie ihn mit den Worten : Heda! Holla!
zurückrief, wandte der Jäger das Haupt und munnelte : Was gibt es ? Ein Ruf, die
Menschen zu erschrecken !
To tsubujaku fodo-ni \ sidzu-no me jb-jaku fasiri-tsuki \ ke-sa-wa amari-ni faja-karu-
besi- \ to i-i-tsnru-nx) \ kikade ide-tamai-si-ka-ba \ wari-go-ivo tvasure-tamb-ni arazu-ja. Köre
naku'Se-ba ßru-ke-no '^\ (red)-ni nani-tco-ka si-tamb-beki- | to kokoro-gurusi-ku faberi-si-ga\
iio kura-kere-ba sen-su-be-naku \ karastc-no naku-wo matsi-tcabi-te \ ato-öte ki-tsuru koto |
■icari-go raa-irasen nomi-ni-ivo. faberazu. Kono goro-wa utsi-tsudzuki-te jume-mi-mo warosi.
Der Nebel DER Klage. lli>
Juku-je sirezani '^ § (toko-natsu)-ga koto nado | sama-zama-ni omoi-jare-ba | ^ j^
(fu-fu)-ga, uje koso tsumi fnka-kere. Ma-g>i,sa-kari-te-mo taten-to nara-ha | asita-nn kefuri-tva
tateraru-beki -ni \ konomu waza-to-wa i-i-nagara [ akete-mo kurete-mu jumi ja zr. ij^ (zan-
laai) I ^ /^ (sesse6)-ivo nomi koto-to si-tamb-ivo \ tosi-goro isame-fahere-domo \ tsujii-hakari-mo
kiki-iamawazu. Ojosu iki-to si ikeru, mono \ idznre-ka inotsi-no loosi-karazaru | viono-nu
tatari-no are-ba koso | tajete fisasi-ki musume-ga juka-je [ ima-ni siru josi-nnki-ni arazu-ja.
:^ ^" ^ ^ (Bv-seö-fu-dzibJ-u-a ^ (jo)-no ^ % (ten-ben) | (r + 'S) ^^ (fo-^o)
fasika | 5£ JöF (go-kan)-no musl-jamai-mo-ja si-tsibru. Naki-hito-no kazu-ni-ja iri-si- | to omoi-
jie-ni I naiüo madoromanu aka-tsuki-no \ kaze-no tajori-mo naka-naka-id \ motanu -f" (ko)
nara-ba naki-mo se-zi j keö-iva u-dzuki jo-ka tote \ fotoke-no umare-tamb fi-to ije-ba j sihasi-nari-
to-mo ^ ^ (go-sej-no itonami | jumi ja-wo jasuraje-tamai-ne.
Das gemeine Weib, endlicli im Laufe herangekommen, spracli : Als ich heute Morgen
sagte, dass es zu früh sein müsse, ihr aber nicht hörtet und hinausginget, habt ihr da
nicht den Esskorb vergessen? Ich war besorgt, was ihr zum Mittagsmahle haben werdet,
wenn ihr ihn nicht habt. Da es sehr finster war, wusste ich mir nicht zu lielfen und
mochte nicht auf das Geschrei des Raben warten. Dass ich euch nachlief und daher-
kam, geschah nicht allein, um euch den Esskorb zu reichen. Um diese Zeit habe ich
fortwährend böse Träume, Wenn ich an Toko-natsu, deren Aufenthalt unbekannt ist,
denke, mag auf uns eine schwere Schuld lasten. Ob ich auch Pferdefutter schneide,
wenn ich es hinstellen will, lasset ilu-, indem der Morgenrauch hervorgebracht werden
kann, es eure Lieblingsbeschäftigung nennend, am Morgen und am Abend Bogen inid
Pfeil, beständiges Tödten des Lebens euch nur angelegen sein. Ich machte durch Jahre
dagegen Vorstellungen, doch ihr hörtet mich nicht im Geringsten. Da Heimsuchung
durch alle lebenden Wesen, deren Leben nicht geschont wird, stattfindet, ist es da nicht
der Fall, dass wir kein Mittel haben, den Aufentlialt der lange verschollenen Tochter
zu erfahren? Wobei Alter oder Jugend unbestimmt sind, waren Umwälzungen und
Veränderungen in der Welt, Blattern, Masern, vielleicht auch ^^\lrmkrankheiten der fünf
Geschwüre. Bei dem Schlafen in dem Gedanken, ob sie vielleicht unter die Zahl der
Todten eingetreten, ist es Tagesanbruch, an dem ich noch immer nicht schlummere.
AVenn es ein Kind ist, von dem ich die Nachricht des Windes in der That nicht habe,
darf ich auch nicht weinen. Heute ist der achte Tag des vierten Monats. Da er der
Tag heisst, an welchem Buddha geboren wurde, so lasset, sei es auch für eine kurze
Zeit, zur Beschäftigung mit dem späteren Leben Bogen und Pfeile ruhen.
To kaki-kudoke-ba j azawarai j nani-goto-wo iü-to omoje-ba \ omo-kage dani mi-mo obojenu !
musume-ga koto saje tori-idete \ sore-ivo ica-nami-ga siru koto-ka. Jitku saki viijemo ^ \Ai
(go-se) omote | 3^ ^ (sesse6)-sene-ba ^ ^ (fi'''fiO moro-tomo j uje-sini-suru foka su-be-rno
nasi. Ojoso ,|^ ^ (tsib-ziu) "^ ^ (gio-tsiü) nando-iva | soiio kawa-wo mote | "^ ^ (i-seo)
utsuwa-mono-to si | sono |^ (nikv,)-wo tori-te '^ (siohi)-to nasu. Nin-gen-ni ^ (eki) 0-0-
kari. Koko-wo mote | tosi-ni amata-no -^ (ko)-wo uraasi j fito-no fi/f ^ (sio-ju)-ni taten
tote 1 ^ (ten)-jori tsukuri-okaruru mono nari. Tera-no tai-ko-mo kawa-de fare-ba | ^ ^
(sesseö) ^ (kaij-tva ^ Q (meö-moku) nomi. On-mi-ga gotoki koto nomi iwa-ba | kari-
bito-no tane-wa tsuki-nu-besi. Wari-go watasi-te | tokii kajere.
Bei diesen eindringlichen Worten holiulachte Jener und sagte : Wenn ich bedenke,
was es bedeutet, so ist die Sache der Tochter, deren Bild mir nicht einmal erinnerlich
ist, ganz entrückt. Kenne ich sie wohl? Wenn ich, an die vorher unsichtbare spätere
1 20 - Pfizmaiek.
Welt (leiikoiul. (las Leben nicht tödtote, so liätten wir Beide nielits anderes zu tliun.
als Hungers zu sterben. Alle Vögel und Avilden Thiere, Fische und Insecten, man
bereitet aus ihrer Haut Kleider und Geräthe, man nimmt ihr Fleiscl: und bereitet daraus
Speise. Die Menschheit hat davon vielen Nutzen. Hierdurch bewirkt man, dass in dem
Jahre Kinder geboren werden und für die Bedürfnisse der Menschen gesorgt ist. Es sind
daher Dinge, welche durch den Himmel hervorgebracht und liingelegt werden. Da man
auch die Trommeln der Tempel mit Fellen überspannt, so ist das Verbot der Tödtung
des Lebens nur ein leeres AVort. Wenn es nur das bedeutete, was du sagst, so müsste
das Geschlecht der Jäger ausgestorben sein. Gieb mir den Esskorb und kehre schnell
zurück !
To sikararete tsimia-ica itodosi-ku | namida-kumi-iaru me-ivu migui | kokoro-tsujoki-wa
masura-wo-no \ tsune-ni-ira are-do \ koto-ni joru. Onazi lüd-jo-ivo icataru mi-no | kari-hito
sene-ha ujeru-ka \ sinuru-ka. Kokoro-tsujosi- | to hvase-mo ajezu \ manako-wo mi-fari-te ko-e-wo
furi-tate \ kadogamasi-ku 'j^ ^ (ke-tsi) tsuke-tare-ha | keö-no je-mono-mo fodo-wa sire-tari.
Fi-mo ide-taru-ni vka-uka-to kuri-goto-ico kiku itoma-iva arazu. Wari-go torasl-te jukazu-ja.
Mit diesen Worten gescholten, trocknete die Gattin die überaus thränenvollen Augen
und sagte: Obwohl der Geistesstarke gewöhnlich der Mann ist, kommt es auf die LTm-
stände an. AA'enn er, der zugleich durch die vergängliche Welt setzt, kein Jäger wäre,
würde er hungern? würde er sterben? Er ist geistesstark. — Ohne sie ausreden zu
lassen, starrte sie Jener an und rief mit erregter Stimme : Da du auf lärmende Weise
Albernheiten vorgebracht hast, ist die Beschaffenheit der Beute des heutigen Tages
bekannt. Die Sonne ist aufgegangen, ich habe keine Zeit, die gehaltlos immer wieder-
kehrenden Worte zu hören. Gibst du nicht den Esskorb und gehst?
To iki-makit icori-kara | ko-te-sasi-hara-no kusa-gakure | foro-utsu kizi-no ko-e-tatete
ono-ga ari-ka-wo slrnsi-no isi-dzuka me-ate-to jumi ja utsi-tsugai \ nerai-tsikadzitku wotoko-no
sode-wo I isogaioasi-ku fiki-todome \ ko-iva kiki-waki-nasi- | to ^ (enj-zure-ba \ samatage-sv-
na- I to fata-to keric | kerarete |:p. (db)-to fusi-marobn \ tsuma-mo komoreri natsu-gusa-no
kefuri-no su-e-no fodo toivomi | mata naktc kizi-ni ja-goro-nv fakari-te \ joppiki-te fio-to im.
To-sakehi-no ko-e moro-tomo-ni | fata-fata-to tatsu-ioo kitto mite \ masasi-ku ja kotaje-si-fari-
si-ni I i-fadzusi-taru-ka kntsi-wosi- | to i-i-kakete fase-juke-ba | no nasake-nasi- \ to sakebi-
tsutsu I tsmna-ica jo-jnhi mi-ioo okosi \ ja-jo matsi-tamaje iü koto ari. Ko-ja no-nh- \ to jobi-
kajese-do \ kajeranu ivotoko-ni ko-e-tafsuru I wäre saje kigisit-no tsuma- koi-te [ obotsuka-nakv.-vio
okkake-tari.
In dem Augenblicke, als er sich so ereiferte, erhob in dem Pflanzenverstecke der
Ebene Ko-te-sasi ein mit den Flügeln schlagender Fasan die Stimme. Den Steinhügel,
den der Vogel als seinen Aufenthaltsort kundgab, zum Ziele machend, legte der Mann
den Pfeil auf den Bogen und näherte sich mit lauerndem Blicke. Das Weib zog ihn
hastig bei dem Aermel zurück und sagte unwillig : Hier ist durch das Gehör nichts zu
vernehmen. — Er rief: Sei mir nicht hinderlich! — Dabei schlug er mit dem Fusse
aus, und sie stürzte, von dem Fusse getroffen, zu Boden und verbarg sich. In der
Ausdehnung der Spitze des Rauches der Sommerpflanzen spähend, bemass er den Schuss
nach dem wieder schreienden Fasan und drückte los. Bei dem beiderseitigen Vogel-
geschrei sah er genau, dass ein Vogel aufflatterte und sagte : Indess der Pfeil geradezu
entsprochen hat, sollte ich da gefehlt haben? Es ist bedauerlich. — Hiermit lief er
hin. Die Gattin schrie: O unbarmherzig! — Indem sie sich dabei langsam erhob, rief
Der Nebel DER Klage. 121
sie ihn mit den Worten : He, wartet ! Ich habe etwas zu sagen. He ! Holla ! zurück,
doch sie rief einem Manne, der nicht zurückkehrte. Dieser verlangte für sich nur das
Männchen des Fasans und machte sich an die unsichere Verfolgung.
Sarib fodo-nl kari-bito-ioa \ htsa kaki-wafd-te i-tari-si kigisu-ivo \ koko-ka \ kasiko-ka- \ to
tadzunure-ha \ aivaremu^besi j fitori-no ivaka-iulo | fara-maki-ni ko-te sune-ate-site | siro-nuno-ivo
fatsi-maki-to si \ nagaki futa-kosi-wo joko-tajete \ ito ikamesi-ku ide-tatsi-taru-ga \ ^l (tsi)-no
sita-iüo no fiikaku i-sasi-te \ tsikai-no isi-no fotori-naru \ kusa-ha-no uje-ni tbre-tari. Kari-
bito-iva kore-ico mite \ katsa odoroki \ katsto akire \ ana itamasl- \ to idaki-okose-ha \ tsuma-mo
jö-jaku fasiri-ki-tsu. Ko-wa so-mo ika-ni- \ to hakari-ni \ kore-kare maje-jori usiro-jorl \ sama-
zama-ni itaware-ha \ waka-udo-iva jo-jaku-ni \ iki-idete manako-ioo mi-fari \ ^ f^ (fi-krd)
nari tori-ta toki-nusi \ ware-ico sukasi-te \ kono firo-no-je obiki-josi j tobi-dö-f/u-iuo mote kajeri-
utsi-ni I utan-to-wa fakari-si-jo. Nandzi-ra-vio kataki-no kata-udo | fo-zi-ro-ga jomi-dzl-7io
tahi-no \ siru-be-ioo sasen.
Als der Jäger, die Pflanzen zertheilend, suchte, ob der geschossene Fasan vielleicht
hier, vielleicht dort sich befinde, da, o Leid ! war ein junger Mann, nebst der gespal-
tenen Rüstung mit Armschienen und Beinharnischen bekleidet, ein weisses Tuch als Kopf-
binde tragend, mit zwei langen Schwertern schräg umgürtet und von sehr furchtlosem Aus-
sehen, dem vinter der Brust ein Pfeilschaft tief hineingeschossen war, über den zur Seite
des Steines des Eidschwures befindlichen Pflanzenblättern hingesunken. Der Jäger,
erschrocken und verwundert, schloss ihn mit dem ßufe : Sehr schmerzlich ! in die Arme
und hob ^ ihn auf. ■ Auch die Gattin lief endlich herbei. Nur sagend : Wie ist dieses
geschehen? nahmen sie sich hier und dort, vorn und rückwärts, auf allerlei Weise, um
ihn an. Der junge Mann, mit Mühe athmend, starrte sie an und spracli : Es ist feig !
Tori-ta Toki-nusi beredete mich und lockte mich auf dieses weite Feld. Indem er mit
einem fliegenden Geräthe zurückwirft, macht er einen Anschlag, mich zu tödten ! Ihr
seid die Anhänger des Feindes, ich werde euch auf der Reise Fo-zi-ro's in die Unter-
welt die Wegweiser sein lassen.
To nori-mo ajezu \ katana-ivo nuke-do tsuki-kakaru \ kobusi-iuo sude-ni oforojcte \ itodo
ibrami-zo ijamasi-taru \ ^ J|^ (ku-tsü) sa-koso-to kari-hlto-wa \ mabuta-nl aiaaru namida-wo
tataje \ sate-iva tori-ta toki-nusi-ni | urami-aru fito nnri-ja. Wa-iimni-ica mattaku toki-nusi-ga ,
kata-zama-no mono-ni arazu. Kono no-zu-e-naru simoto-hara-ni | j^ (joj-wo nige-midzu-no
oi-tori-gari \ ^ ^ (sesseoj-tco nomi narücai-ni \ nige-kakurene-do sato towo-kere-ba \ ^ ^
(fü-fu) kasuka-ni sumi-wabi-taru | kari-bito-nite sorb naru. Ima kono isi-no fotori-nite \ naki-
tatsu kizi-ico i-tomen tote \ joppiki-fan atsu ja-iva sorete | fito-ioo i-tari-si ^ ^ (fn-rio)-no
ajamatd \ itamasi-ki koto site-keri- \ to tüaburu-ni-mo wabi-gataku \ oivase-si fiüca-de-wo ika-ni
sen. Mina köre y^ j^ (suku-se)-no ^ ^ (aku-gd)-to | omoi-akirame jitrusi-te tabe.
So noch scheltend, zog er das Schwert, doch die stossende Faust war bereits
schwach. Ein solches Leiden, bei welchem der Hass noch mehr überhand genommen
hatte, sehend, sagte der Jäger, indem in seinen Augen die Thränen überflössen : Also
gibt es Menschen, die auf Tori-ta Toki-nusi einen Hass werfen. leli bin gar kein An-
hänger Toki-nusi's. Auf der am Ende dieses Feldes befindlichen Gertenebene mache
ich nur die Vogelbeize des die Welt fliehenden Wassers, die Tödtung des Lebens zu
meiner Beschäftigung. Ich bin kein verborgener Flüchtling, doch da die Dörfer entfernt
sind, bin ich ein Jäger, der mit seiner Gattin ärmlich in tiefer Abgeschiedenheit wohnt.
Jetzt wollte ich einen zur Seite dieses Steines schreiend sich erhebenden Fasan schlössen.
. Denkschriften tl^r pliil.-bist. CL XXVI. Bd. 16
-J 90 Pl'IZMAIKK.
K-Ii ilrücktL- los, clor l'foil ging schief, iiinl der iiavorlioffte Irrtlmni, da.ss ieli einen
Mensclien traf, war sclimerzlirli. Wie ich auch um Hilfe Hehe, es ist unmöglich, um
Hilfe anzurufen. Was ist bei der tiefen Wunde, die ich beibrachte, zu tliun? Erkläret
euch dieses alles als eine böse Beschäftigung des früheren Lebens imd vei'zeiliet.
Niqe-midzu ,fliehendes Wasser' ist der Anblick des Feldes von Musasi. Im Sommer
bei heiterem Himmel sind daselbst die Spitzen der Blätter der l'flanzen weiss und
gleich fliessendem Wasser. Es ist kein wirkliches Wasser. Geht man zu einem anderen
Orte, so erscheint es wieder gegenüber. Es heisst desshalb ,fliehendes Wasser'. An
dieser Stelle wird ,das die Welt fliehende Wasser' gesagt.
Tu te-tcu atcasure-ba j kbhe-wo furi \ sate-ioa nandzi-wa \ toki-nusi-rd tanomarete \ ware-wo
fowo-ja-ni kake-nagara \ sono tnbakari-wo i-i-kuromen tute \ kigizu-to omoi-tagaje-si-to-wa j
säte ne-fukaku-mu fakari-ni-keri. Toki-nusi-wa idzuko-ni aru. Kataki-no knivo-tuo minu
fudo-u-a I sinanu \ sinamt- \ to in ko-e-mo \ jaja jowari-juku ima-ica-no ^ '\^ (ku-no)-wo \
iniru-ni je-tajezu jo-ju-to naku \ imnna kokoro-toa koto-sara-ni i semaki tamoto-wo siburl-ajezu j
moto-jori mi-mo si kiki-mo senu \ ßto-ivo nani-si-ni kokoro ari-te \ wotto-ga ja-saki-ni kake-
faberan \ jo-wataric icaza-no o-o-karu-ni \ jumi-iru kotu-ico fito-nami-ni \ fiki-mo oboje-si
^ ^ (aku-g6)-nite \ wotto-wa no-jama-ni kari-kurasi \ asari-akasi-ie ^ 'ftf (go-sej sirazu 1
jo-karanu loaza-to isainete-mo | asita-no fara-no tsnju-bakari-mo \ motsi-irarene-do \ kori-zu-
via-ni 1 keo-wa koto-sara "^ ^ %" (busseo-e) \ semete ßto-ß-tca ^ ^ (sessed)-no \ jumi
ja-ivo jasuraje-tamai-ne- | to hna-si-mo itaku arasoje-ba \ aja-niku-ni naku kizi-no ko-e.
I-muke-no sode-ivo ßki-tomete \ kaki-kudoki-taru ju-e-ni \ nerai-ica sorete jukuri-naku [ kaku-wa
on-mi-ico i-sasi-ken. Kui-te kajeranu koto-ni-tva fabere-do I tvaga tsuma nomi-no ajamatsi
narazu. Utagai farasi-te ^ ^ (hi.kkua)-u-o je-tamaje. ^ ^ (Fü-fu)-ga hiotsi-no aran
kagiri-wa | ato nengoro-ni toi-faberame \ ika-naru ju-e-ni ta-ioa-gawa-no \ -^ ^ (tsiu-ziaj-wo
ata-to-'ica no-tamo jaran. Waga mi loaka-kari-si toki.
Hiermit legte er die Hände zusammen. Jener schüttelte das Haupt und sagte: Du, von
Toki-nusi gebeten und mich einem fernen Pfeile anhängend, hast, um den Betrug zu ver-
decken, gründlich ersonnen, dass du dich an einem Fasan geirrt liabest. Wo ist Toki-
nusi? So lange ich das Angesicht des Feindes nicht selie, sterbe ich nicht, sterbe ich
nicht. — Hierbei wurde seine Stimme allmälig schwächer. Das weinende Weib ertrug
es nicht, die Leiden der Todesstunde zu sehen. Sich nicht Zeit lassend, den engen
Aermel auszuwinden, sagte sie : Warum sollte mein Mann einen Menschen, den er früher
gar nicht gesehen und von dem er auch nicht gehört hat, mit Absicht an die Pfeilspitze
hängen? Während die Erwerbsquellen viele sind, hatte mein Mann eine schlechte Be-
schäftigung, wobei er das Pfeilschiessen zur Gewohnheit machte, das Bogenspannen sich
ins Gedächtniss rief. Er jagte auf Berg und Feld bis zum Abend, schoss mit Pfeilen
bis zum Morgen und kannte nicht die spätere Welt. Machte ich auch Vorstellungen
gegen die nicht gute Sache, er nahm nicht so viel an, als der Thau des morgendlichen
Feldes beträgt. Doch während er sich nicht warnen liess, sagte ich heute besonders,
an dem Feste der Geburt Buddha's, er möge wenigstens einen Tag die Tödter des
Lebens, Bogen und Pfeile, ruhen lassen. In dem Augenblicke, wo icli heftig stritt,
ertönte zum Unglück die Stimme eines Fasans. Ich zog ihn an dem linken Aermel
zurück, imd weil ich ihm zuredete, zielte er schief, und er wird euch unvermuthet so
mit dem Pfeile getroffen haben. Es ist eine Sache, die durch Eeue nicht rückgängig
wird, doch es ist nicht der Fehler meines Mannes allein. Zerstreuet den Zweifel und
Der Nebel dek Klage. 123
empfanget die Vollendung Buddha's. So lange uns Beiden das Leben bleibt, werden
wir ernstlich um euch trauern. Aus welcher Ursache möget ihr den Aeltesten des
Flusses Ta-wa-gawa euren Feind nennen? Als ich jung war —
To iwan-to surio-wo \ kari-bito-wa utsi-siwahuki \ tada-ima tsuma-r/a i/l (jotoku \ |^ jVj)
(ja-sin) ari-te ^ (gai)-se-d-ni arazu. Ito wakaki fito narv-ni \ oja fara-kara-mo tvoirasu-
hesi. I-i-nokosu koto ara-ha \ furu-sato-je koto-tsuge-sen. Kaku iü koto-no itsuwari ara-ba\
ja-ivo-jorodzu-no jjj^ "^ (sin-hatsn)-ivo \ tatsi-tokoro-nl kbnmri-ten. Koto-ni tokoro-wa ko-te-
sasi-hara \ tsikai-no isi-no fotori-nite | tsikb kotoba-ica \ kuvioranu kagami \ tsmna-no isame-tvo
ima jb-jaku-ni j omoi-aioase-si ~f^ V\ (r/e-suj-no ^ ^, (tsi-e) | ato-je matoase-si janagui-no I
ja-'wo-mo lüori \ tsurn-ioo-mo kiri | ^ ^ jfj^ (sesseo-kaij-ico tamotsu-besi. ^ -^^ (Gl-nenj-ico
farasi-te J^ ^ (zeb-bntsu) are- \ to i-i-tsutsu ja totte tsib-to woru \ ke-siki-ni makoto-rva
araware-tari.
Als sie weiterreden wollte, luistete der Jäger und spracli : Es ist nicht der Fall,
dass ich ein wildes Herz habe und morde, wie die Gattin eben sagt. Da ihr ein sehr
junger Mann seid, werdet ihr Aeltern und Brüder haben. Wenn ihr etwas zu hinter-
lassen habt, so werde ich es nach eurer HeimatJi melden. Wenn ein solches Wort falsch
ist, so wird die Strafe der achthundertmal zehntausend Götter auf der Stelle mir zu
Theil werden. Was besonders den Ort betrifft, so sind die Worte, welche man zur Seite
des Steines des Eidschwures auf der Ebene Ko-te-sasi schwört, ein unumwölkter Spiegel.
Mit dem Verstände des gemeinen Mannes, wobei ich die Vorstellungen der Gattin jetzt
endlich beachtet habe, werde ich die Pfeile des Köchers, den ich nach rückwärts
gedreht habe, zerbrechen, die Sehne zerschneiden und das Verbot der Tödtung des
Lebens immer vor Augen haben. Zerstreuet den Zweifel und werdet selio-! — Hiermit
nahm er die Pfeile und zerbrach sie. Seine Miene bekundete Wahrhaftigkeit.
Fo-zi-rb-ica kono ari-saona-ni \ urami-mo tajete tan-soku-si | saie-wa go-fen-wa kari-bito-
nite I tori-ta-ga tame-ni suke-datsi-sen tote \ toare-ico i-tsuru-ni-wa arazaru-ka. Tsitsi-no
kataki-to ziü-ku-ka-nen | onazi tsuki fi-ivo itadaki-nagara \ na dani sirane-ba utsu-ni josi-
naku I kokoro-wo tsukusi \ mi-ioo jatsusi \ kino fazimete tsitsi-no ata-tvo \ toki-nusi nari-to sirit
mono-kara. \ na-nori awane-ba \ utsu-ni-mo utarezu. Tsikai-no isi-no fotori-nite \ ^ ^ (kio-
zitsu)-iüo sire- j to ^ (rij-ivo osi-te I vjabure-ba ze-fi-naku sono ^ (i.)-ni ]§ (6)-zite | ware-ica
joi-jori ^ ^j\ (siuku-sio)-wo ide \ fitori kono no-ni komori-tsutsu \ toki-nusi ososi- \ to ahirii,
jo-iüo I matsi-tvabi-te sode-no itje-ni | okv, sira-tsujn,-ni saki-datsi-te | faka-naku inotsi-ico otosu-
to-ica I kami-mo fotoke-mo ivaga tije-ivo-ba \ mamori-tamawanu \^ (jo) nari-keri. Kaku made
^ )|| (bu-nn)-ni tsuki-taru. nanigasi \ josi-ja go-fen-ivo uramu-to-mo futa-tabi iku-beki ivaga
mi-ni arazu. Iivaruru tokoro makoto ara-ba g^ ^ (go-ga)-no fotori-ni loabi-sumai-suru \
faioa-to ototo-ni koto-dzute-iamaje.
Unter diesen Umständen schwand der Hass Fo-zi-ro's, und er sprach seufzend :
,Also seid ihr ein Jäger und habt nicht, um Tori-ta beizustehen, auf mich geschossen?
jVlit dem Feinde meines Vaters durch neunzehn Jahre gemeinschaftlich Sonne und Mond
auf dem Haupte tragend, wusste ich nicht einmal dessen Namen. Ohne ein Mittel, ihn
zu tödten, erschöpfte ich das Herz, ermüdete den Leib. Erst seit gestern weiss ich, dass
Toki-nusi der Feind des Vaters ist. Doch da die Nennung des Namens nicht stattfand, habe
ich ihn nicht getödtet, noch wurde ich getödtet. Da er mir als Grund aufdrang, dass ich
an dem Steine des Eidschwurs Wahrheit und Lüge erfahren möge, und in Verzweiflung
war, ging ich ohne Widerrede auf den Vorschlag ein und verliess in der Nacht meinen
16*
1 2-t Pfizmaieb,
Wohnort. Als Einzelne)" in dieser Wildniss verborgen, wartote icli in dem Gedanken,
dass Toki-nusI spät komme, mit Ungeduld auf den ATdjrucli des Tages, und friüier noch
als der über den Aermel sich legende weisse Thau wesenlos, verlor ich das Leben. Es
Avar die Welt, in welcher die Götter und Buddha über mich nicht wachten. Ich, der
ich bis zu einem solchen Masse bei dem Loose des Kriegers erschöpft bin, gesetzt auch,
ich grollte euch, ich bin es nicht, der noch einmal leben kann. Wenn eure Worte
Wahrheit sind, so bringet meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder, die bei Go-ga
iii-mlich wohnen, die Kunde.'
So-mo-so-7no kore-toa Jl. ^ (safo-mij-no ije-uu ko | ^ ^ (ina-kij '/p ^ 2p. ^^i^.i_
btt-feij-ga -^ ^ (tsib-nanj-ni \ f<;j| Zl ^|5 (fo-zi-rb)-to jobaruru. mono nari. Tsitsi dzi-bu-
fei-wa fagi-kvho-nite | tö-zoku-no tame-ni utare | ^ ^ (,'iiu-kun)-jori adzukari-tate-matsuru
o-o-tsitki-gata-no mi-tatsi-to | san-fiakkin-ico vhai-toraru | kono togame-ni jotte | Ije-iva |8)f ^
(dan-zetsu). Kono toki ware-iva fadzuka-ni futa-tsu | ototo y|^ I^ ^[5 (se-zi-ro)-wa *^ ^
(fo-zai) nare-ba \ tsitsi-no j^ ^ (wb-si.J-wo notsi-ni kiki \ ^ '|'^ (i-kon) fara-wata-xioo
tatsu-to ye-domo \ kataki-ivo tare-to sirazare-ba | amata-no tosi-ivu ada-ni okuri | tsika-goro
loare-iva ta-fa-gaiva-7io | sato-ni sibaraku loabi-sumai-site j fisoka-ni o-o-t-mki-gata-no tatsi-ivo
tadzunuru fodo-ni \ tori-ia-no seu-zi toki-nusi-ga j kudan-no tatsi-ni tsukerare-si | fototogisu-no
loari-ko-gai-wo kakusi-mottaru jtt-e | sika-sika-no koto-ni jotte \ fu-rio-ni kano kb-gai-wo |
tvaga ije-bato-ni utsi-tsuke-tari. Koko-ni fazimete toki-nusi-wo | tsitsi-no ata nari-to ^ (suij-
se-si-ka-ba | tori-ta-ga ije-ni fasiri-juki | sude ni ^ ^ (sed-buj-tvo idomu-to ije-domo | toki-
nusi tsiijä-tsuja kataki-to na-norazu.
,Ich bin der älteste Sohn Ina-ki Dzi-bu-fei's, Hausdieners des Geschlechtes Sato-mi,
und heisse Fo-zi-rö. Mein Vater Dzi-bu-fei wurde in der Weiderichvertiefung durch einen
Räuber getödtet. Da ihm das kostbare Sch^vert der grossen Mondgestalt, das er von
dem Vorgesetzten und Gebieter in Verwahrung erhalten hatte, und dreihundert Kobang
geraubt wurden, erging auf Grund dieses Verschuldens über sein Haus die Abschneidung.
Um die Zeit war ich kaum zwei Jahre alt, mein jimgerer Bruder Se-zi-rö war in
demselben Jahre geboren, und wir erfuhren den unglücklichen Tod des Vaters sj)äter.
Der Ingrimm durchschnitt uns die Eingeweide, doch wir Avussten nicht, wer der Feind
sei, und wir verbrachten vergeblich viele Jahre. Unlängst, als ich, in dem Doi'fe des
Flusses Ta-fa-gawa für eine Zeit ärmlich wohnend, insgeheim das Schwert der grossen
Mondgestalt suchte, heftete Tori-ta-no Seo-zi Toki-nusi, weil er die gespaltene Haarnadel
des Kuckucks, welche an dieses Schwert befestigt gewesen, versteckt hielt, in Folge
verschiedener Umstände, unvermuthet diese Haarnadel an meine Haustaube. Jetzt erst
errieth ich, dass Toki-nusi der Feind meines Vaters sei, und ich lief in das Haus
Tori-ta's. Ich kämpfte bereits im Einzelnkampfe um den Sieg, jedoch Toki-nusi nannte
durchaus nicht den Namen als Feind.'
Kano fototogisu-no kb-gai-wa \ mnkasi fagi-kubo-no ara-no-nite | no-busi-to obosi-ki ara-
ivotuko-ga | tahi-suru ji^ Jt (bu-si)-wo kiri-fuscte | kosi-naru katana-wo ubai-saru toki j
j/ikiiri-naku-mu juki-aioasi | mh^n-ni sinobizu ko-e-tatsure-ba | kuse-mono-ioa nti-kajeri-nagara j
utsi-kaknru sik-ri-ken-wo | suge-gasa-ni nui-tome-tari. Sana siu-ri-ken-wa \ kono kb-gai nari- | to
makoto-si-jaka-ni arasö fodo-ni | toki-nusi-ga inusume | nade-si-ko-ga kanasimi tsugete \ tsikai-no
isi-no fotori-ni i-juki-te | tsikawa-ba ^ ^ (kio-zitsu)-wo siran-to iü. Fi-mo nisi-ni katamiike-ba j
jainu koto-iüo jezu \ ^ "^ (sni-kiiai)-v)o asu-no asake-to tsigiri-tstitsu | madaki-jori koko-ni
kite I toki-nusi-wo matsu-to ija-domo | jo-wa ake asa-fi-no 'noboru made \ toki-nusi-wa ide-mo
Der Nebel dek Klage. 125
kozio. Kakare-ha kinö i-i-tsuru koto^wa | koto-goto-ku itsuwari-nite | ijo-jo utaqai-naki mono
nari. Go-fen ßsoka-ni | kono ku-gai-tvo seö-ko-to site \ loaga fawa-ni Unqc, | otuto-ni sirasi 1
tftitsi-oio ata-taru toki-nusi-ivo \ ute- ••. fo koto-dzute-tamaware-kasi. Fawa-wa ^^ ^ (dzi-bib)-ni
^ ^ (siaku-ziu) ari \ tosi-goro-no f^Jj ^ (ku-r6)-ni jotte \ jami-sarahai-tamai-si-ga \ mi-
sutete ide-si-mo oja-no tarne \ kataki-wo neraje-ha j oto-dzure-sezu | keo-wa tajori-no kikojuru-ka \
asu-wa kajeru- \ to matsi-iüahi-te \ i-tamu tokoro-je kono asiki \ tajori-tvo kikosi-mesare-na-ha \
sono mama taje-mo fate-tamawame. Faira-no nageki-ni ototo-ga urami | omoi-jaru nomi
hna-u-a-no majoi. Ko-ga-no watari-no '/^ \^ J^ (fu-i'o-nin) ina-ki se-zi-rb-to tadzune-
tamaje. Tadzune-mi-mosu-iva kono koto nomi.
.Hinsichtlicli jener Haarnadel des Kuckucks behauptete er auf eine Weise, als ob
es wahr wäre, er sei einst unabsichtlich hinzugekommen, als auf dem wüsten Felde der
Weiderichvertiefung ein rauher Mann, dem Anscheine nach ein Feldlagerer, einen reisenden
Kriegsmann niederhieb und das an dessen Seite befindliche Schwert raubte und damit
fortging. Als er, dieses nicht sehen könnend, die Stimme erhob, habe der Bösewicht im
Zurückblicken ilim das geworfene Wurfschwert in dem ßiedgrashute haften gemacht. Das
Wurfschwert sei diese Haarnadel. Da betrübte sich Nade-si-ko, die Tochter Toki-nusi's,
und sagte : Wenn man zu dem Steine des Eidschwures ginge und schwüre, so würde
man Wahrheit und Lüge erfahren. Da die Sonne sich nach Westen neigte, so konnten wir
nicht zu Ende kommen. Indem wir eine nochmalige Zusammenkunft für den nächsten
Morgen, bei Tagesanbruch, verabredeten, kam icl] noch vor Tagesanbruch hierher und
wartete auf Toki-nusi. Doch der Tag brach an, die Morgensonne stieg, und Toki-nusi
kam nicht zum Vorschein. Somit wird es immer zweifelloser, dass alles, was er gestern
sagte, eine Lüge gewesen. Möget ihr, indem ihr heimlich diese Haarnadel zum Beweise
dienen lasset, meiner Mutter es melden, meinem jüngeren Bruder es zu wissen thun und
ihm die Nachricht bringen, dass er Toki-nusi, den Feind des Vaters tödten möge.
Die Mutter ist von langwieriger Kranklieit ergriffen und in Folge des durch Jahre
andauernden Leidens hinfällig. Dass ich sie aus den Augen liess und fortging, geschah
des Vaters Avillen. Als ich dem Feinde nachstellte, gab man ihr keine Nachricht. Sie
wartet mit Ungeduld und fragt, ob man heute eine Nachricht hört, ob ich morgen
zui'ückkehre. Wenn sie diese schlechte Nachricht hören wird, kann sie in dem Aue-en-
blicke gänzlich vernichtet werden. Nur das Denken an den Ingi-innn des jüngeren
Bruders bei der Klage der Mutter ist die Störung der Todesstunde. Fraget nach
Ina-ki Se-zi-rö, den unbeschäftigten Krieger der Ueberfahrt von Ko-ga. Was ihr zu
sagen habt, wenn ihr ihn findet und seht, ist bloss dieses.'
To i-i-tsutsu kb-gai tori-idete \ watasio-mo itodo kurusi-ge-naru \ fito-no aware-ni musume-ga
kofo I omoi-awasi-te | sidzu-no me-tva \ masit-masu jo-jo-fo- muse-kajeri | geni jo-no naka-no
tadazumai \ fu-si-awase-naru mono-iva \ ivaga ko nomi-ni-mo arazari-keri. Futa-tsu-no toki-
jori tete-go-iüo tdare \ ziü-ku-ka-nen-no H^ ^ (kan-kv)-site \ ata-ni-mo aranu fito-no ja-ni \
kakaru urami-iüo 7iagusamen | koto-no fa-wa faberane-do \ kokoro-jasu-kare wotto-wo isogasi |
ko-ga-no jakara-je tsuge-faberan. Sa-wa ije on-mi-ga ata-to si-tamb \ tori-ta-no nusi-wa- \ to
iivase-mo fatezu \ kari-hito-wa tsuma-wo kai-jari-te \ P^ ^ (ko-kin) sewasi-ki fo-zi-rb-ga \
mimi-no fotori-ni kutsi-wo Jose | sate-wa nandzi-wa sato-mi-no ije-no ko | ina-ki dzi-hu-fei-ga
ko nari-si-ka- \ to ije-ba tatsi-matsi kbhe-tvo motage | so-iva ika-ni site waga tsitsi-no na-ico
siri-tari-si- \ to ihukare-ba \ kari-bito-iva nikko-to jemi \ jami-gataki urami-ni jotte | fagi-
kubo-no ara-no-nite \ dzi-bu-fei ^ ^ (sijü-zijü)-wo \ mina-korosi-ni si-tari-si-wa \ wäre nari.
]2(i Pkizmairr.
Hiermit nulim er die Haai-nadel liervor inul rciclite sie ihm. Das gemeine Weib,
Lei dem sehr schmerzlichen Leid eines Anderen au ihre Tochter denkend, schluchzte
immer lauter und sagte : In der That, ein ungliickliclies \N'esen, das in der Welt unstät
umherirrte, war nieiit allein mein Kind. Als er zwei Jahre alt war, wurde ihm der
Vater getödtet. Nach einer Mühsal von neunzelm Jaliren geräth er an den Pfeil eines
Menschen, der sein Feind nicht ist. Um einen solchen Unwillen zu besänftigen, hat
man keine Worte, doch seid beruhigt. Ich werde meinen Mann eilen heissen, und er
wix'd es den Eurigen in Ko-ga melden. Indessen ist der Gebieter Tori-ta, den ihr für
euren Feind haltet — . Der Jäger Hess sie nicht ausreden. Er zog seine Gattin weg,
legte den Mund an das Ohr des hastig atkmenden Fö-zi-rö und sagte: Also warst du
der Sohn Ina-ki Dzi-bu-fei's. Hausdieners des Geschlechtes Sato-mi? — Jener erhob
plötzlich das Haupt und fragte verwundert: Wie ist hier der Name meines Vaters
bekannt? — Der Jäger lächelte und sprach: Derjenige, der in Folge unaufhörlichen
Hasses auf dem wüsten Felde der Weiderichvertiefung Dzi-bu-fei, Herr und Diener
niedermetzelte, bin ich.
To iiL-ni odoroku tsuma-jori-mo \ fo-zi-ro-wa fa-wo kui-sibarl | sate-iüa nandzi-wa waga
tsitsi-ico I jami utsi-ni-site o-o-tsuki-gata-to j san-fiakkin-wo iibai-tottaru | to-zoku-nite ari-keru-ka.
Ima-sara-ni toki-nusi-ga \ i-i-tsuru koto-no itsuxvari-naranu-wo \ sini-mo tsikai-no isi-no "gj* ^
(ki-doku). Tatoi fuka-de-tca oi-mt-to-mo \ fito-tatsi nari-to-mo tsitsi-no ata \ uramade-ja-tva- | to
ko-e^wo fagemasi \ ata-to-iva sirade fawa-no koto \ ototo-ga koto-ivo tsuge-si kujasi-sa. Imada
na-7\uri-mo kakezu-site \ tada kono mama-ni kajeri-utsi-ni | zitare-iva se-zi- \ to katana-ioo
tsu-e-ni \ tatan-to site-vja iku-tabl-ka \ oki-te-tva marobi | marobi-te-iva \ viata oki-kajere-ha
fotobasiru \ tsi-siwo-nagara-ni ^ f^ (i-kon)-no namida \ farai-mo ajenu sira-tsuju-ivo | IRÖ J^
(san-qoj-no tama-to some-naseri .
Mehr noch erschrocken als die Gattin knirschte Fo-zi-rö mit den Zähnen und rief:
Also warst du der Räuber, der meinen Vater in der Dunkelheit erschlug und nebst der
grossen Mondge&talt dreihundert Kobang raubte ? Jetzt endlich weiss ich, dass die Worte
Toki-nusi's keine Lüge sind, und der Stein des Eidschwurs ist ein Wunder. Gesetzt
ich habe eine schwere Wunde davongetragen, wäre es auch ein einziger Schwerthieb —
der Feind des Vaters — es thut mir nicht leid! — Die Stimme anstrengend, sagte er: Nicht
wissend, dass es der Feind ist, theilte ich ihm die Sache . der Mutter, die Sache des
jüngeren Bruders mit, o wie reut es mich! Indem ich, den Namen noch nicht anhängend,
eben in diesem Augenblicke den Gegenstreich führe, durfte ich nicht getödtet werden. —
Das Schwert zu einem Stocke macliend, wollte er aufstellen. Indem er sich mehrmals
erhob, stürzte er um. Indem er umstürzte, erhob er sich wieder. Bei dem spritzenden
Blute sich nicht Zeit nehmend,' die Thränen des Zornes zu trocknen, färbte er und
machte den weissen Tluiu zu Korallenperlen.
Kari-bito-wa kono ari-saina-ni \ ijo-jo saioagu ke-siki-mo naku \ dzi-bu-fei-ga utare-si
kvro I nandzi-ra ncakena-kari-si-ka-ba \ koto-no omomu.ki-ivo sirazaru-ka. Nandzi-ga. tsitsi
kuso tö-zokii naru-ni | kajette icare-u-n tn-zoku no-busi-to \ nonosivu-iva j|^ ^ (kua-gon) nari.
Jma tsuiaabiraka-ni toki-sirasen \ ^ ^ (ku-tsü)-wo sinobi-te joku-mo kike. ]Vare-tva kama-
kura-no htan-rei-sioku \ )^ ^ (hgi-ga jatsn) ^ -^ (tomo-oki) a-son-no /^ ^ (ro-do) \
^ M. (fudzi-saka) |^ J^ (kurando) ^ ff (faru-jnki)-ga — ■ -^ (issi) \ ßj |^ (kura)
H. ^P (go-rh) ^ y^ (fam-zumi)-to iü mono nari. Sikaru-ni sono goro \ nandzi-ga tsitsi
dzi-ba-fei-mo \ <'>gi-ga jatsn dono-ni tsihkajete \ ivaga tsitsi-ni-wa "^ ^ (bu-gei)-no de-si tavi.
Dee Nebel der Klage. 127
Kaku-te kama-kura-no rih-kuan-rei \ ogi-ga jatm \\\ p\ (jama-no utsi) ?^ ^ (kuaku-
sitsuj-ni jotte \ kassen su-do-ni ojobu fodo-ni | nandzi-fja tsitsi dzi-hu-fei-wa | ^ (joki()-ni
madoi-te ^ (sijü)-ico ttri \ [^ (tekij-je ^ ^ (nai-ts>l)-.'<en-to suru-no ke-siki mije-fari.
Waga tsitsi fojaku-mo kore-ioo ^ fsui)-si | tsvA-ni ßfjj f^ (si-tei)-no josimi-wo motte 1
ßsoka-ni ^ %}\\ (kib-kun)-wo htwaje-si-ka-ha | uje-ni-toa ^ jj^ (ki-fukn)-nu omo-mutsi-si
^ ^ (sei-gonj-wo tatete sono kokoro-wo jurusase \ aru-jo M, M (/«'-'i) fagesi-ki-ni magirete \
waga ije-je sinobi-iri \ tsitsi faru-juki-ga adzukaru tokoro-no | o-o-tsuki-gata-no tatsi-to\
^ ^ ;^ (gu7i-j6-kinj san-fiaku-riu-wo nusumi-tori-te \ nige-fasin-to sunt, loori \ farii-iuki
iza tokii kore-ni samete | katana-ioo fisage okkake-si-ga | niwa-no fumi-isi-ni tsumadzukl-te 1
tatsi-matsi fata-to marohu fodo-ni \ dzi-hiu-fei jagate totte kajesi | tvaga tsitsi-ivo saje sasi-
korosi-te \ idzuku-to-wa naku ^ ^ (tsiki(-ten)-seri.
Der Jäger, unter diesen Umständen immer weniger Erregung in seiner Miene
zeigend, sprach : ,Da ihr beide zur Zeit als Dzi-bu-fei erschlagen wurde, jung wäret
wisset ihr wohl nicht, wie die Sache sich vei-hält. Da dein Vater der Räuber ist so
sind es ungeziemende Worte, wenn du micli einen Räuber und Feldlagerer schiltst.
Ich werde es jetzt ausführlich erklären und kundgeben. Ertrage den Schmerz und liöre
es gut. Ich bin ein Sohn Fudzi-saka Kurando Faru-juki's, eines alten Grefährten Ögi-ga
jatsu Tomo-oki A-son's, Statthalters von Kama-kura und heisse Kura Go-rö Faru-zumi.
Indessen diente um jene Zeit auch dein Vater Dzi-bu-fei dem Herrn Ögi-ga jatsu und
war zu meinem Vater ein Schüler in den Künsten des Krieges. Als es somit in Folo-e
der Gegnerschaft zwischen den beiden Statthaltern : Ogi-ga jatsu und Jama-no utsi zu
mehrmaligen Kämpfen kam, verrieth dein Vater Dzi-bu-fei, durch Habsucht verleitet
seinen Gebieter, und es zeigte sich, dass er sich mit dem Feinde ins Einvernehmen
setzen wolle. Mein Vater errieth dieses bald und liess ihm vermittelst der zwischen
Lehrer und Schüler bestehenden Freundschaft insgeheim Belehrung zu Theil werden.
Jener that äusserlich, als ob er sich unterwürfe und schwor einen Eid, dass er dieses
Vorhaben aufgebe. Eine Nacht, unter dem Scliutze von heftigem Sturm und Reo-en
schlich er in unser Haus und stahl nebst dem Schwerte der grossen Mondgestalt welches
mein Vater Faru-juki in Verwahrung hatte, dreihundert Tael Kriegsgelder. In dem
Augenblicke als er entlaufen wollte, erwachte Faru-juki dabei schnell. Indem er das
Schwert an dem Arme tragend, ihn verfolgte, strauchelte er über den Trittstein des
Vorhofes und stürzte plötzlich zu Boden. Dzi-bu-fei kehrte sogleich das Schwert um
tödtete meinen Vater und entfloh, ohne dass man wusste wohin.'
Kono mono-oto-ni ware-mo same \ zoaka-to simo-he-ra saioagi-tate-domo | ^P ^ (nio-fo)
Wi -^ (an-ja)-no koto nare-ba \ tsui-ni kataki-no juku-je sirezu. Si-gai-no fotori-ni nokose-si
§ ^ (sio-kan)-u-a utagö-beo-mo aranu dzi-bu-fei-ga \ teki-je nai-tsü-no ^ § (missio)
■nare-ba \ fazimete kataki-wo siru-to ije-domo | sude-ni toivokio nige-sari-te \ tajete sonn ari-
kn-ivo sirazu. Kono toki ware-wa ziü-ku-sai \ fatva-ivo-ba tvosanaki toki-ni usinai \ tsitsi-ga
i^ ^ (wb-si)-ni mi-no ^ ^ (fakv-mei)-wo \ utsi-nageke-domo kakaru toki-ni-wa \ H ^
(sin-zoku)-mo tsikara-to narazu. fj] |^ (Sio-z'ö)-no ^ ^ (bu-gu) \ :^ ^ (i-seo) nando-wo
uri-siro-nasi-te \ nusumare-taru gun-jö-kin \ san-fiaku-rio-wa tsukunb-to ije-domo \ mi-fatsi
o-o-tsuki-gota-ii-o usinai-tare-ba \ ^ ^ (sih-kun) bgi-ga jatsu. dono \ waga mi-no itoma-wo
tamawari. Tsitsi-no ata ina-ki dzi-bu-fei-wo utsi-totte \ o-o-tsuM-gata-no tatsi-ioo ^ ^ (dzi-
san)-se-ba \ moto-no ^ ^ (sijü-zijü) taru-besi- \ to 6suru-ni | sv-e-tanomosi-ki kokofsi-
^i-tsu.
128 PnzMAlER.
,Durch dieses Geräuscli erwuchte aucli icli, die jungen Leute und die Diener geriethen
in Aufregung, doch da es stockfinstere Nacht war, wusste man zuletzt nicht, wohin der
Feind gekommen. Der neben dem Leichnam zi;rückgelassene Brief war unzweifelhaft
eine von Dzi-bu-fei verfasste geheime Schrift des Einverständnisses mit dem Feinde.
Somit kannte ich zwar anfanglich den Feind, doch da er bereits weit hinweggeflohen
war, wusste ich durchaus nicht seinen Aufenthalt. Um diese Zeit war icli neunzehn
Jahre alt, die Mutter hatte ich in früher Jugend verloren. Bei dem gewaltsamen Tode
des Vaters beklagte ich mein Unglück, doch zu einer solchen Zeit verliehen uns auch
die Verwandtschaften keine Kraft. Indem ich die aufbewahrten Kriegsgeräthe und die
Kleider verkaufte, ersetzte ich zwar die geraubten dreihundert Tael Kriegsgelder, doch
da das kostbare Schwert, die grosse Mondgestalt verloren war, gab der Vorgesetzte und
Grebieter, Herr Ogi-ga jatsu mir den Abschied. Indem er sagte, dass, wenn ich Ina-ki
Dzi-bu-fei, den Feind des Vaters, tödtete und das Schwert der grossen Mondgestalt
brächte wir wie früher Herr und Diener sein würden, hatte ich das Gefühl von zuletzt
noch bleibender Hoffnung,'
Kataki-iva viasa-ni \ jama-no utsi-no kuan-rei-ke \ ^ ^ (nori-firo) nusl-no ^ Pfl
{zeo-tsiüj-je \ fasiri-taran- \ to omoi-si-ka-ha \ mi-iro jatsusi-te nerb koto \ go-roku-nen-ni oboje-
domo I tsui-ni sono ari-ka-wo sirazu. Kaku-te mata mi-tose-ico feie \ clzi-hu-fei-wa \ ^ j^
(a-ica)-no M Ä (sato-mij-ni tsukoru, josi-wo tsutaje-kiki-si-ka-ba \ tada-ni j^ f\\ (bv-siä)-ni
omomnki \ kotsu-ziki-to nari-te \ sato-mi-no ^ ~f (zed-kaj-tvo ^j^ ^[Ü (fai-kuaij-si \ kataki-no
^ ^ (sin-tai)-ico ukago-ni \ dzi-hu-fei-ioa \ nnsumi-tottarit san-fiakkin-wo mote sato-mi-no
-^ g ro-sin-ra-ni josimi-wo musubi \ kano o-o-tstiM-gata-no tatsi-wo \ ^ ^L (josi-ßro)-je
ma-irase-si-ka-ba \ josi-firo sono tatsi-wo jete | fukaku jorokobi \ tsui-ni dzi-bu-fei-ni-wu
^ "3" "^ (qo--ßakku.an)-xvo ate-okonoivarete ^ ^ (kin-ziu)-ni mesi-okare-si-ka-ba \ tatsi-
dokoro-ni Hj §^ (stutt6)-site \ tsuma-ico me-tori \ ko-ico umase-si- \ to kikoje-tari.
Ich glaubte, dass der Feind gerade in der Feste des Gebieters Nori-firo, Statt-
halters von dem Geschlechte Jama-no utsi, entlaufen, sein werde. Ich verkleidete mich
und lauerte durch fünf bis sechs Jahre, doch zuletzt wusste ich seinen Aufenthalt nicht.
Indem ich auf diese Weise weitere drei Jahre verbrachte, erfuhr ich, dass Dzi-bu-fei
bei Sato-mi in dem Reiche A-wa diene. Ich begab mich geraden Weges nach A-wa,
wurde ein Bettler und während ich. in der Stadt der Feste Sato-mi"s hin und her
wandelnd, das Vor- und Zurücktreten des Feindes erspähte, verlautete, dass Dzi-bu-fei
vermittelst der dreihundert Kobang mit den alten Dienern Sato-mi's Freundscliaft
o-eschlossen und jenes Schwert der grossen Mondgestalt Josi-firo als ein Geschenk ge-
reicht habe. Josi-firo, als er dieses Schwert erhielt, sei hocherfreut gewesen und habe
sodann für Dzi-bu-fei fünfhundert Schnüre Geldes bewilligt und ihn zu seinem vertrauten
Diener ernannt. Dieser habe sogleich die Stelle angetreten, habe ein Weib genommen
und Kinder erhalten.'
Jori-te kore-ioo \ utan-to suru koto siba-siba nare-domo \ o-o-tsuki-gata-wa | sude-ni sato-
mi-no ^ p^ (fd-zb)-ni fime-okarure-ba \ kore-wo tori-kajesu-ni te-date-naku j to-sama kb-sama \
kokoro-tco kurusime-taru-ni \ toki nqrih-kana. Ten-hni san-nen-no uki-no koro \ sato-mi josi-
firo-no ,^, -^ (soku-dzio)-to kuan-rei 7iori-ßro-no J^ ^ (soku-nan)-to \ j^ ^ (kon-jen)-no
koto ari-te \ sato-mi-jori \ o-o-tsuki-gata-no tatsi-wo muko-fiki-de-to site j kama-kura-je okuraruru-ni
kataki dzi-bu-fei-wa \ kono tsukai-ico nke-tamawari. Niwaka-ni ka-sima-datsi-se-si- | ("o M, M
(fü-bün) are-ba \ ten-no suke-to fisoka-ni jorpkubi \ jagate dzi-bu-fei-ga ato-wo 6 fodo-nl \
Dee Nebel DER Klage. I2d
^ ^ 0 (riu-san.-nitd)-7iite muRasi-naru \ fagi-kuho-no firo-no-nite oi-semari \ tsui-ni dzi-
bu-fei ^ ^ (siju-zijü)-wo kiri-fusete \ o-o-tsuki-gata-no tatsl-wo tori-kajesu, ivori \ tatsi-matsi
nsiro-ni ßto ari-te \ kuse-mono-to | johi-kake-tari. Kataki-no tomo-hlto naran-to omoje-ba 1
Icokoro-sekii mama o-o-tsuki-gata-no \ tatsi-ni tsuke-taru fototogisu-no \ wari-ko-gai-wo miki-
idasi-te \ siu-ri-ken-ni utsi-kake-tsiitsio \ kudaii-no nora-wo fasiri-sari.
, Demnach geschah es häufig, dass ich ihn todten wollte, allein da die grosse Mond-
gestalt bereits in der Schatzkammer Sato-mi's im Verborgenen niedergelegt war, hatte
ich kein Mittel, um sie zurückzunelimen. Während ich auf jegliche Weise mein Gemütli
<}uälte, kam endlich die Zeit. Im Herbste des dritten Jahres des Zeitraumes Ten-bun
(1534 n. Chr.), als die Vermälung zwischen der Tochter Sato-mi Josi-firo's und dem Sohne
des Statthalters Nori-firo stattfand, wurde von Seite Sato-mi's das Schwert der grossen
Mondgestalt zum Geschenk für den Eidam bestimmt. Dasselbe wurde nach Kama-kura
gescliickt, und der Feind Dzi-bu-fei dabei zum Abgesandten ernannt. Als man plötzlich
hörte, dass er den Weg angetreten habe, freute ich mich insgeheim über den Beistand
des Himmels. Indem ich sogleich die Spur l)zi-bu-fei's verfolgte, drängte ich ihm in
zwei oder drei Tagen auf dem in Musasi liegenden weiten Felde der Weiderichvertiefung
nach. Ich hieb Dzi-bu-fei sammt dessen Dienern nieder und nahm das Schwert der
grossen Mondgestalt zurück. In diesem Augenblicke befand sich plötzlich hinter mir
ein Mensch, der mich mit Bösewicht! anrief. In der Meinung, dass es ein Gefährte
des Feindes sein werde, zog ich in der Hast die an das Schwert der grossen Mondgestalt
befestigte gespaltene Haarnadel des Kuckucks hei-aus, warf sie als Wurfscliwert und lief
dann über dieses Feld fort.'
Fime-oku ,insgeheim niederlegen' ist aus dem in der Gescliichte des Geschleclites
Gen vorkommenden fivtcru^ welches den Sinn von ^« fi-suru ,verlieimlichen' hat, gebildet.
Ka-simu-datsi, wörtlich ,das Aufbrechen von der HirscJiinsel', hat den Sinn von
kado-ide , Antritt der Eeise'.
Kama-kurn-je kajpri-ma-iran-to omoi-si-ni \ kono goro \ ^ ^ (siu-kun) ogi-ga jaisu
dann ^ ^ (sokkijo)-si-tamai-te \ lÖi ^ (ko-zeö) tatsi-inatsi-ni -tf- (kami)-iüo usinai | tomo-
oki-no ^P ^ (waka-tono) J& f>|| ^ (oki-iüaka-maro)-no on-juku-je sirezu-to | kikojuru-ni i
tatsi-matsi ^ ^ (ki-sanj-no josu-ga-ivo usinai | ivotsi-kotsi-ni sasorai-tsutsu | tsui-ui kono
no-ni musubi-kake-si | kaja-ja-ga noki-ni moru tsuki-no | jitmi ja ta,-basaini fi-goto-ni idete |
tada kigisu-iüo i-tsn | ko-turi-wo i-tsit \ kasokcku tatsuru kefuri-no siro-to \ nasu kai ari-te
fakarazu-mo | koko-ni nandzi-ni meguri-ai | keö-no je-mono-ni kataki-no ne-wo tatsu \ ^ ^
(jü-si)-no ^ :^^ (i-dzi)- \ to-wa i-i-nagara \ atara-tsubomi-no icaka-udo-wo | fito-ja-ni tsirase-ba
kokoro-jo-karaziL. ^ ii^ (Ko-sinJ-ni me-de | B^ ^ (zi-gi)-ni jori \ na-nori-ote |^ ^
(sed-bu)'Wo liji^ (k< s) si \ utare-mo sen-ni kokoro-naku \ satsu-ja-ni kake-si-wa loaga ujc-no \
saiivui-7ii nite saiwai narazu, Tsikai-no isi-ni tsikai-site | tsuju-bakari-mo itsiiwari-naranii, |
seö-ko-ivo mi-jo-ja.
Als ich nach Kama-kura zurückzukehren gedachte, hörte man, dass der Vorgesetzte
und Gebieter, Hei"r ügi-ga jatsu gestorben, die verwaiste Feste plötzlich ihres Statthalters
verlustig sei und man nielit wisse, wohin Oki-waka-maro, der junge Sohn Tomo-oki's,
gekommen. Ich hatte plötzlicli keinen Anhaltspunkt für die ßückkehr. Hier und dort
unstät umherirrend, nahm ich zuletzt den Bogen des an dem Vordache des auf diesem
Felde zusammenffefüo-ten mit Stroh gfedeckten Hauses durchschimmernden Mondes und
die Pfeile unter den Arm, zog jeden Tag hinaus und sclioss bloss Fasane, schoss kleine
Denkschriften ilcr i)bil.-hist. Cl. XXVI. Bd. 17
■|^>Q i l'IZMAIEK.
YögcL Kh hatte Gewinn, den ich zur Feste des düster aufsteigendcjn Rauches machte,
als ich wider Vermuthen hier im Umherzielien mit dir zusammen traf. Als Beute des
luHitio-en Tages schnitt ich die Wurzel des Feindes durch. Nennt man dieses auch den
Geist eines muthigen Kriegers, da ich die bedauerliche Knospe, den jungen Maim, mit
einem Pfeile zerstäubte, ist es keine Freude. Indess man deti älternliebenden Sinn be-
wundert, an die angemessene Zeit sich hält, gegenseitig den Namen sagt und Im
Entscheiden über den Sieg auf dem Punkte ist, getödtet zu werden, absichtslos an den
Jaj'-dpfeil heften, scheint für mich ein Glück und ist kein Glück. Siehe den Beweis,
dass das Schwören bei dem Steine des Eidschwures nicht im Geringsten Täuschung ist.'
To i-i-kakete fi-utsi-bukuro-no suko-fakaku \ fime-oki-tarii dzi-ha-fei-ga \ uhm-.si ^ ^
(missioj-ico od-firaki \ mana-uje tsikaku sasi-josure-ha | fu-zi-ru-wa ^ ^/^ (ku-tsü)-wo dnohi \
wowari-made jomi-kudatsi-te \ ito omo-na-ge-ni tan-soku-si \ geni mi-sireru tsitsi-no ^ ^
(siu-seki) \ ^ (teki)-je nai-tsn-no missio nari. lu-akenaki toki tsitsi-wo usinai \fawa daui
sirarm koto nare-ba \ kakaru-besi-to-wa umoi-mo kakene-do \ moto-wa kuan-rei ogi-ga jatsit-no \
m. M^ (fu-dai)-no ije-no ko taru josi-ica \ ^ ^ (ka-kei)-ni jotte kore-wu sireri tsitsi-wa
tsitsi tarazu-to iü-to-mo \ ko-wa ko tarazu-iva aru-be-karazu. Jo-karanu okonai ara-ba are.
Omoi-sadame-si ^ ^ (fuku-siü)-no \ kokoro-zasi-wo-ba je-mo tugezu \ ata-ni utaruru ^ ^
(stiku-sc) -no ^ $ß (aku-fo) \ oja-no 0 ^ (in-gua)-ga ko-ni rnukä-to \ jo-no koto-waza-mo
lüaga mi-ni ari- \ to-wa sirazii-site uraiui-uaki \ tokl-nud-wo nonoslri-fadzukasime \ nade-si-ko
saje-ni iku-baku-no \ mono-omowasi-taru tsumi fukasa-jo. Josi-ja kono no-no tsuju-to kijete-mo j
tamasid-wa ije-rd fatsi-kajeri \ se-zi-rb-ga mi-ni soi-te \ fawa-wo nagusame ^ W^ (fuku-
siü)-no I kokoro-zad-iüo fatasu-besi. Kore-made nari.
Hiermit öffnete er das tief auf dem Boden des Feuerzeugsackes versteckte geheime
Schreiben, welches Dzi-bu-fei verloren hatte, und hielt es ihm nahe vor die Augen.
Fo-zi-rö ertrug seinen Schmerz und las es bis zu Ende. Sehr beschämt seufzte er und
sagte: Es ist in der That die mir bekannte Handschrift lueines Vaters, ein geheimes
Schreiben des Einverständnisses mit dem Feinde. Da ich in früher Jugend den Vater
verlor und die Mutter von der Sache gar nichts wusste, dachte ich nicht daran, dass es
so sein könne. Doch dass er ui-sprünglich ein erblicher Hausdiener des Statthalters
Ögi-ga jatsu war, dieses war aus dem Stammbaume des Hauses bekannt. Dass der Vater
kein Vater ist, mag man immerhin sagen, doch dass der Sohn kein Sohn ist, darf nicht
stattfinden. Gibt es eine schlechte Handlung, so sei es. Dass ich den Vorsatz der Eache,
zu der ich mich entschlossen, nicht erreichen kann, dass ich von dem Feinde getödtet
werde, es ist Vergeltung des Bösen der vergangenen Welt. Ich wusste nicht, dass das
Sprichwort: ,Die böse That des Vaters wird an dem Sohne vergolten' auf mich passe.
Ich schalt und beschimpfte den keinen Hass nähi-enden Toki-nusi, veranlasste selbst
Nade-si-ko zu manchen traurigen Gedanken, welche Tiefe der Schuld! 'Gesetzt ich
schmelze als Thau dieses Feldes, mein Geist wird nach Hause zurückkehren, sich Se-zi-rö
beigesellen, die Mutter trösten und den Vorsatz der Rache ausführen. So weit ist es
gekommen.
To tatsi I tori-naiüosi \ fa.ra-je gusa- \ to tsaki-tutete \ nui-te-je kiriri-to fiki-mawase-ba
^ Ä (gi-ri)-ni .sigaramu fudzi-saka-ga \ tsuma-wa miru-ni je-vw tajezu \ ata-ni kake-tarit
td-sudzi-no namida \ nani-to iwa-kosu kuke-si-midzu \ waki-kajeni-ni-zo seki-ajenu \ ßto-no
ko-no uje ivaga ko-nn uje- \ jori-mo tsudoi-si in-gua-dotd \ ata-to nari ata-to nasu \ mina
aaki-tsu jo-no ^ ||| faku-göj-to \ omuje-do oraui-jaru se-naki \ kefnri-no jami-ni j^ '\^
Der Nebel dek Klage. 131
^
(bon-no)-no \ jahe-no-no kizi-to mi-ino koc/asi \ naJci-mado tsuma-ni me-mo kakezu
(ku-tsü)-safte-zi-to \ faru-zitmi f^ ^ (rin-ziü) sitsimmni V^ ^ (sro-meuj-to | tomo-ni firameku
jai-ha-no sita-ni \ inn-ki-ga kobe-tva otsi-te-keri.
Hiermit nalim er wieder das Schwert, stiess es gegen den Baucli und drehte es
schnell nach der rechten Reite um. Die Gattin des durch Gerechtigkeit eindämmenden
Fudzi-saka konnte den Anblick nicht ertragen. Die dem Feinde geweihten Thi-änen
der tausend Fäden, indess das irgendwo die Felsen überschreitende klare Mooswasser
zurücksprudelte, nicht zu verscliliessen wagend, glaubte sie, dass die mehr noch über
den Kindern der Menschen als über dem eigenen Kinde sich ansammelnden gleich
bösen Thaten, indem man der Feind ist, zum Feinde macht, sämmtlich die böse Bo-
schäftiffung; der früheren Welt. Doch auf die in der Finsterniss des früchtlosen ßauches
als Fasan des brennenden Feldes der Sünde, auf das sie dachte, den Leib versengende,
durch Weinen verstörte Gattin die Augen nicht richtend, ermahnte ihn Faru-zumi, damit
er ihn nicht leiden lasse, in der Todesstunde, und zugleich mit der Nennung des Namens
fiel unter der gescliwungenen Klinge das Haupt Ina-ki's zu Boden.
Die Finsterniss des Rauches. Zweiter Theil.
Kakaru tokoro-ni ito sirjeki | vat.su-c/?tsa-ivo aara-sm^a-fo osi-nab/kasi \ tsuma-no kataki-ivo
nigasu-iia- | to in. ko-e-suru-ni \ fori-ta-r/a otona sagi-snke-ivo saki-ni tatete | tu-rokii | .<iai-faf.d
nando joharurii, ko-mono-dnmo \ te-ni-te-ni jori-bu-ioo fiki-sagete | kusa-mura-no iitsi-jori fasiri-
ide { kura go-rb faru-zumi ^ ^ (fü-fu)-iro \ fisi-hisi-to tori-maki-te \ ja-niwa-ni rdd-tbsan
tote fisimcke-ha \ faru-zumi sawagi-taru ke-siki-mo naku | mono-mono-siki neznmi-no tomo-gara |
u-are nandzi-ra-ni J^ ^ (sio-j6)-nasi. Toki-nusi-ni iu-heki koto ari \ $e6-zi-too idase- | to
monosirH-te | niramaje-tattnru ^ '|^ (jü-kn-u)-ni | ^ ^ (sa-u)-naku-iva utsi-mo kakarazu \
tada kasigam asi-ku dojomeki-keri.
In diesem Augenblicke bog man unter Geräusch die sehr dichten Sommerpflanzen
seitwärts, und mit dem Rufe: Lasset den Feind der Gattin nicht entfliehen! liefen, indem
sie den Aeltesten Sagi-suke voranstellten, die Knechte To-roku und Sai-fatsi, an den
Händen grosse Stöcke tragend, aus den Pflanzendickicht hervor. Sie umringten Kura
Go-ro Faru-zumi und dessen Gattin, wollten sie rasch zu Boden werfen und lärmten.
Faru-zumi, ohne in seiner Miene Verlegenheit zu zeigen, schalt sie und rief: Ihr wichtig-
thuenden Ratteno-esellen ! Ich habe mit euch nichts zu Schäften. Ich habe Toki-nusi
etwas zu sagen. Bringet Seö-zi herbei! — Bei der Kühnheit, mit welcher er finstere
Blicke warf, waren sie sprachlos. Sie drangen nicht heran und erhoben nur ein lautes
Geschrei.
Sa-u von sa-jü zu ixnterscheiden, ist das Koje von ^ ^ ,links imd rechts' und
hat gemeiniglich die Bedeutung von otodzure ,Nachricht'. Sa-u-nakn hat den Sinn von:
ohne Nachricht, nichts zu sagen wissend.
Sono toki ßto-mura sigeki \ icaka-fagi-wo osi-ioake-tsutsu \ tnri-ta-no seo-zi toki-nusi-iva |
no-hakama-ni taka-ßmo musubi-sagefe \ :^ ^ (siu-saja)-no futa-kosi-wo joko-taje | o-o-mafa-ni
ajumi-idete \ farih-zumi fu-fu-ni mnkal \ tajeic fisasi-ki ^ Pf? (sd-tsiüj-no fito \ ima mata
fib-im\-ni ^ "^ (sai-kuai)-su. Zitsu-ni fu-si-gi-no @ ^ (in-jen) nari. Mukasi ten-bun-no
fazime \ fagi-kidio-no sato fadzure-nite \ nandzi ntsi-kake-taru \ fototogisu-no kb-gai-ni jotte |
17*
][32 1 FIZMAIER.
icare omowazu-mo | ina-ki fo-zi-rv-ni utagaware \ koto-iio ^ ^ (kio-zitsuj-ivo tsikai-no isi-ni |
kakete akasan-to tsigiri-si-ka-ba | asa-madaki-ni ije-wo ide \ saki-ni kono tuhiro-je kite \ koto-no
tei-taraku-ico ukagu-ni \ itamasi-i kana fo-zi-rh-iva \ nandzi-ga satsii-ja-ni ^ p/\ (kiü-sio)-wo
i-sasi-te \ mM-heo-mo arazara-ha \ koto-no moto-ico siran tame-ni | nawo hisa-gahü-e-site itsi-
hu-si-ziü-ico I otsi-mo nnku tatsi-kiki-seri. Gent nandzi-ga toku iokoro ^ ^ (tsiü-k6)-ni
kakotsukete \ fo-zi-rb-tco-ha azamuku-to-ni,o \ ika-de toki-nusi-ioo azamuki-jen. Inuru ten-b/in
ziü-itsi-nen fudzuki towo-ka-no jo-ni magire \ sore-naru wonna-nusit-hito-no \ kazasi-wo siru-
he-to Site \ icaga ije-je sinobi-iri | nio-bb kawara-i-wo kiri-korosi-te \ fito-fitsu-no te-Uukuri-wo
nusumi-ton kahe-ni Wi Wi ^ (su-ka-zi)-wo kiri-tsukete \ kazani-wo ite nige-snttaru \ '^ pfl
(sb-tsiü)-no ßto-to iü \ mono snnaioatsi nandzi-ga koto naru josl-wa \ kazasi-wo mite ima
kove-wo dreri. Sika novii narazu icare sono kami \ fagi-kubo-no kusa-ioara-nite \ mi-si omo-
kage-wo ika-de wasuren.
Jetzt trat, ein dichtes junges Weiderichgebüscli zertheilend , Tori-ta-no Seö-zi
Toki-nusi, an den Feldbeinkleidern das hohe Band geknüj)ft herabliängen lassend und
an dem Gürtel zwei Schwerter mit hellrother Scheide, gespreizt hervor und sagte zu
Faru-zumi und dessen Gattin zornig: ,Die lange Zeit getrennten Menschen inmitten der
Gräser treffen jetzt wieder inmitten der Gräser zusammen. Es ist in Wirklichkeit eine
wunderbare Beziehung. Auf Grund der Kuckuck-Haarnadel, welche du einst im Anfange
des Zeitraumes Ten-bun, an dem Ende des Dorfes der Weiderichvertiefung nach mir
warfest, gerieth ich unvermuthet bei Ina-ki Fo-zi-rö in Verdacht, und wir kamen überein,
dass Avir das Wahre oder Falsche an der Sache durch Anhängen an den Stein des Eid-
schwures aufklären werden. Ich verliess das Haus noch vor Tagesanbruch und kam
früher an diesen Ort. W^ährend ich die Umstände erspähte, wurde, o Sclimerz! Fo-zi-rö
von deinem Jagdpfeile an der Stelle des Moxabrennens getroffen. Da ihm nicht zu
helfen war, blieb ich, um den Grund der Sache zu erfahren, noch immer zwischen den
Gräsern verborgen und liörte, ohne dass mir etwas entfallen wäre, von Anfang bis zu
Ende Alles. Mit deiner Erklärung, indem du Redlichkeit und Aelternliebe vorschütztest,
magst du Fo-zi-ro betrogen haben, doch wie wirst du Toki-nusi betrügen können? Im
eilften Jahre des verwichenen Zeitraumes Ten-bun , am zehnten Tage des siebenten
Monats, schlichest du unter dem Schutze der Nacht, von der dort befindlichen Räuberin
Kazasi des Weges geleitet, in mein Haus, erschlugest mein Weib Kawara-I und raubtest
einen Kasten voll Haustuch. Du kratztest an die Wand einige Schriftzeichen und liefest
mit Kazasi davon. Dass du derjenige bist, welcher der ]\Iensch inmitten der Gräser
heisst, ich wusste es jetzt, als ich Kazasi sah. W^ie könnte ich zudem die Züge, die ich
vormals auf der Pflanzenebene der Weiderichvertiefung sah, vergessen?'
Fudzuki steht für fiimi-dzidd , Schriftmonat', ein Name des siebenten Monates des
Jahres.
Naka-ni tsui-te nikumi-te-mo \ naivo nikumu-beki-wa kazasi narL Miosume nade-si-ko-ga
''^t (tsi)-Uuke-ni tote \ ima-ma-iri-se-si sono fi-jori \ jo-tose-ga awai sono mi-ni amari-si \
^ ^ (i-doht,)-wa so-mo-so-mo taga kage-zo-ja. Futa-oja-wo-ba fajaku usinai \ tootoko-ni-wa
suterarete \ joru-be-naki mono nari- | to ia-ni namida moroku-te \ tvaga ^ 9fp (fü-fu)-no
awaremi-omoi-si koto \ § |^ (zi-jo)-no ^ ^ (nu-ß)-to fitosi-kavazu. Nade-si-ko-ga tsi-
bihsa-fanatsi-taru notsi-ni-wa \ to-mo si kaku-mo site nando | ito nengo7'o-ni kikoje-oki-te-tari-si 1
sono megmni-wo mukuican-to made omowazu-to-mo \ nazo-ja ib-zoku-wo ßki-irete \ 3E (sijüj-no
niö-bb-wo ittase \ ^ (zoku)-to tomo-ni fasiri-taru \ kai-tsuru inu-ni te-wo kamare \ uje-taru
Der Nebel DER Klage. 133
ibara-ni kaki-wo thsarurn-to in | koto-tvaza-ni-mo kuje-faru-nl | ftf; (Jo)-v:o-'mo ^ (sij'uj-ico-mo
fabakarazu \ nusu-hito-ni tomonawarete \ waga sato-jori towoku-mo aranu \ kono no-zu-e-ni
kahirui-taru \ nandzi-ga kimo-no o-oki-naru \ Uura-yio kaiva-no atsu-jaka-naru \ tagujen-ni
mono-mo arane-do \ loare-iva nawo \ fotoke-gokoro-wo mote \ tosi-goro nandzi-ra-wo kari-
motomen-to-mo sezari-si-ni | ^ (tenj-no ami-wo kakerarete | sakai-ioo-ha je-mo kojezu\fakarazu-
site keö koko-ni \ waga tsuma-no ata-wo je-tari. |g jj^ (Ko-fu)-je fikasi-te tsumi-wo tadasi \
ßto-tm-ni-iva | kawara-i-ga naki-tama.-ivo nagusame \ fito-tm-ni-iva \ ina-ki fo-zi-rb-ga tame-ni \
uraini-too kajesu-besi. Fldzi-wo kagamete imasime-wo toku-toku. vke-jo.
,Üb ich dich auch ganz besonders verabscheue, noch verabscheuungswürdiger ist
Kazasi. Seit dem Tage, wo sie neu angekommen war, um die Amme meiner Tochter
Nade-si-ko zu sein, bis an vier Jahre, von Avessen Gunst waren Kleider und Speise, die
sie im Ueberflusse hatte? Indem sie sagte, sie habe beide Aeltern frühzeitig,- verloren,
sei von einem Manne verlassen worden und habe keine Stütze, zerfloss sie in Thränen.
Das Mitleid, die Bedach tnahme gegen sie war mit dem, was anderen Knechten und Mägden
gegenüber der Fall ist, nicht gleich. Nachdem Nade-si-ko von ihrer Brust getrennt war,
Hessen wir auf jede Weise sehr freundlich von uns hören. Wir mochten nicht daran
denken, dass sie uns diese Güte vergelten werde, doch warum führte sie einen Räuber
herein, liess das Weib des Gebieters erschlagen und ei-grilf mit dem Räuber die Flucht?
Dieses geht noch über das Sprichwort: Von dem Hunde, den man ernährt hat, wird
man in die Hand gehissen, von den Dornen, die man gepflanzt hat, wird der Zaun
niedergeworfen. Vor der Welt, vor dem Gebieter dich nicht fürclitend, von dem Räuber
begleitet, hast du dich an dem Ende dieses von meinem Dorfe nicht fernen Feldes
verborgen. Es gibt nichts, das man mit der Grösse deiner Keckheit, mit der Dicke
der Haut deines Angesichts vergleichen könnte. Doch während ich, mit dem Herzen
Buddhas, Jahre hindurch euch nicht aufjagen wollte, werdet ihr von den Netzen des
Himmels umstrickt, ihr könnet die Gränze nicht überschreiten, und ohne dass ich es
vermuthete, finde ich heute an diesem Orte die Feinde meiner Gattin. Ich lasse euch
zu dem Sammelliause des Reiches führen, über euer Verbrechen das Urtheil fällen und
werde euch, einerseits um den Geist der todten Kawara-I zu beruhigen, andererseits
Fo-zi-rö"s wegen, die Feindschaft vergelten. Bieget die Arme und empfanget schnell
die Bande.'
Moroku in namida-moruku luit eigentlich die Bedeutung , gebrechlich'. Es werden
die Ausdrücke namida-moro, moro-tsuku und nioro-'ino7'o-suru^ der erstere in dem Geschlechte
Gen, die zwei letzteren angeblich im gemeinen Leben vorkommend, angeführt. Näheres
über den Sinn wird nicht gesagt, doch dürfte das hier gesetzte ,in Thränen zerfliessen'
ilim ganz entsprechen.
To iki-make-ha \ kazasi-iva itodo men-boku-mo \ naki sidzumi-te i-tari-si-ga \ fori-otsuru
namida-U'O osajefe | ju-jaku-ni kbbe-wo motage | 3£ (sljüj-no ije-to-dzi-tco korosasi-te \ wotoko-to
tomo-ni fasiri-si- \ to utagai-o-ose-ba nikumi-te-mo | nikumi-akasu-zo woioasu-beki \ ima-sara
ari-si koto-no mama-ni \ ije-ba mi-no ^ (fi)-wo kazaru-ni nite \ makoto-to-wa jo-mo kiki-
tamaicazi. Sikari-to-mo fito-kudari-no \ iu-beki josi-ivo kiki-tamaje. -^ ^ (Tsiku-seö) nari-
to-vw ^ (on)-wo siru. Nani-wo tirami-ni nani-tco ata \ fukaki megiimi-ivo asa-faka-ni j omoi-
wasurete nusu-bito-ni \ ije-to-dzi-ivo korosasu-beki. Sono jo-sari ^ ~J\ (rd-ka)-nite \ fito-no
sakebu-ni samasarete | oki-idete kai-ma-mi-sure-ba \ faruka-ni firameku jai-ba-no fikari-ni \
tamasi-i-iva mi-ni sowazu. Sara-ni fusi-do-je iran-ni-mo \ asi saje najete ware-ni-nio arazu.
134
Pfizmaiek.
Adzukari-fagiikumu loosanai-wo \ idaki-forv-ni itonia-mo naku \ awafe nando-jc madoi-iri \ te-
tsukuri-no kajoi-fitsu-7io \ mono-naki-ioo loaga kakihve-ga-to \ kakure-iri-tsutsu te-wo nobasi-te j
iitsi-jori futa-wo fane-kajese-ha \ fidzi-gane fn-to kui-in-te \ ^ (zio)-no sasare-si koto-wo-ba
sirazu \ tada kamt fotoke-tco ^, (nenj-suru nomi \ tsu-wo nomi \ iki-wo korasi-te faberi.
Das Angesielit Kazasi's war immer mehr von Thräncn überströmt. Die lierab-
fallenden Thränen unterdrüekend, erliob sie allmälig das Haupt uml sprach: ,l)a iln- niicli
im Verdachte habt, dass ich die Hausmutter des Gebieters tödten Hess und mit einem
Manne entlief, wie ich auch darüber unwillig bin, unwillig bis zum Morgen, ich muss
ein Ende machen. Wenn ich jetzt wieder von ^er geschehenen Sache, wie sie ist,
spreche, so hat es den Anschein, als ob ich mein Unrecht bemäntelte, und ob es wahr
ist, dürftet ihr niemals hören. Indessen höret eine Reihe Dinge, die ich zu sagen habe.
Selbst ein Thier ist dankbar. Was sollte ich als Gegenstand des Hasses betrachten,
was als Feindschaft, dass ich, die grosse Güte leichtfertig vergessend, durch einen
E<äuber die Hausmutter tödten lassen könnte? In jener Nacht wurde ich durch das in
dem Gange ertönende Geschrei eines Menschen aufgeweckt. Als ich aufstand und ver-
stohlen hinblickte, blieb bei dem Glänze einer in der Ferne geschwungenen Klinge
mir die Seele nicht mit dem Leibe verbunden. Im Begriffe, wieder in das Schlafzimmer
zu treten, waren die Füsse ganz gelähmt und gehörten nicht mir. Ohne Zeit zu haben,
das mir anvertraute Kind in die Arme zu nehmen, verirrte ich mich im Schrecken in
den Verschlag und machte einen leeren Kasten, in welchen man Haustuch legte, zu
meinem Verstecke. In dem Augenblicke, als ich mich darin verbarg, streckte ich die
Hand aus und schlug von innen den Deckel zu. Der Eiegel schob sich ein, und ich
wusste nicht, dass das Schloss gesperrt war. Ich betete bloss zu den Göttern und
Buddha, wartete ungeduldig und hielt den Athem an.'
Haru fodo-ni waga ßtsu-ni | ^ (zib)-no sasi-tnru-ioo mite kono utsi-ni \ fito-no ari-fo-wa
sira-nami-ga \ ^ ;^ (sio-i-gi)-no nawa-ni kata-iro Ire \ se-oi-idasu-ka- \ to omoje-domo \
masu-masu mono-nu osorosi-kv-te \ todomu-beki jb-nio naku \ sono kakure-ga-je tomonaware \
fazimete fida-wt> firakarete \ kata-mi-no omote-ioo ibtsi-aioasi \ fata-tabi odoroku imo-se-no
^ r^ (akn-jen). Warawa-ivo ufe kajeri-si-ica \ ko-isntsumi-ni ari-si toki | jo-wo sinobi-ne-ni
ko-iüo umasl j ivakarete jo-tose otodzure-nakl \ karl-bito kaja-zb nari-si-ka-ba \ ko-wa-ko-wa
ika-ni \ to-bari-ni | fazime-wa akire \ notsi-ioa jorokobi \ sate-vio on-mi-wa kono tokoro-ni
itsu-no fodo-jori siimai-si-tamb \ nandzi-toa mata itsu-no koro-jorl \ tori-ta-ga ije-ni mija-
dzukqje-se-si \ umi-tarn tsigo-wa \ wonoko-ka menoko-ka \ sore-ivo-ba ika-ni si-tari-si- \ tn
toware-tsu \ toi-tm ima-sara-ni \ nott^i-no tatari-mo osorosi-kere-do \ tootoko-tca ^ (sijil)-no
ije-to-dzi-too \ korose-si-to-mo wäre sirazare-ba \ tada nade-si-ko-no uje-ioo nomi \ kokoro-moto-
naku omoje-domo \ ima-sara ta-fa-je-wa. kajerarezu. Utsuru-ni jamki kare-so-da-no fosoki
kefuri-wa ibuseku-to-mo \ ivotoko4o tomo-ni jn-no nxa-tco \ nagusamerare-tsu \ nagusamete- \ to
kura-karanu mi-iüo kuraku site \ tsui-ni kono no-no foka-ni idezu.
,Indessen glaubte ich, dass man, dass Schloss meines Kastens versperrt sehend und
nicht wissend, dass sich darin ein Mensch befinde, die Schulter in die Stricke der Trag-
hölzer fügte und den Kasten auf dem Rücken hinaustrug. Die Sache wurde jedoch immer
schrecklicher, icli hatte kein Mittel der Abwehr und wurde von ilim in sein Ver-
steck gebracht. Als der Deckel jetzt geöffnet ward, blickten wir uns in das Angesicht,
es war die böse Beziehung von Bruder und Schwester, wobei ich zum zweiten Male
erschrak. Der mich mit sich nach Hause getragen hatte, war der Jäger Kaja-zö,
Der Nebel der Klage. 135
derselbe, der zur Zeit meines Aufenthaltes in Ko-tsutsumi in der Nacht zu mir hinein-
schlich, ein Kind erhielt und durcli vier Jahre nichts von sich hören Hess. Wie kommt
dieses alles? In einem Zelte! Anfangs erstaunt, hierauf erfreut, wurde icli gefragt
und fragte wieder. Seit wann wohnt ihr an diesem Orte? — Seit Avann hast du
wieder in dem Hause Tori-ta's gedient? Ist das Kind, welches du um die Zeit ge-
boren hast, ein Knabe oder ein Mädchen? Wie hast du dieses angestellt? — Mir
war jetzt wieder vor der späteren Heimsuchung bange, doch da ich nicht wusste, dass
der Mann die Hausmutter des Gebieters getödtet habe, ängstigte ich mich bloss wegen
Nade-si-ko, kehrte übrigens nicht nach Ta-fa zurück. Der dünne Rauch des leicht zu
überführenden dürren Brennholzes mochte düster sein, doch ich wurde mit dem Manne
zugleich bei der Trübsal der Welt getröstet und tröstete. Mich, die ich dadurch nicht
in Dunkelheit mich befand, in die Dunkelheit stellend, trat ich zuletzt nickt mehr aus
diesem Felde hervor.'
Fodo-fete kaze-ga tajori-site \ ^ ^ (ko-sijü)-no to-dzi-iva fudzuM-no koro | niwaka-ni
mi-makari-tariiai-si- \ to tsutaje-mo kiku-ni itatnosi-ku \ uke-si megumi-ioa wasiirene-do | knnd-
naranu mi-wa sono jo-sari \ waga wotoko-no jai-ba-ni kakerare \ inotsi-wo otosi-tamal-si-to ]
slrane-ha itodo tni-no tsumi-no | oinoki-ga vje-ni tsumi-wo masu. Miitsuki-no titsi-jori sato-
oja-ni I fagukumasi-taru musume toko-natsu-wo fisoka-ni inukaje-toron tote \ sono koto v:otoko-ni
kataraje-domo | soiio fito-iii mukui-stt-hcki \ mono arazare-ba kokoro-no foka-iil \ futa-tose
amari-wo sugusi-tsutsu \ jb-jaku-ni kane totonoje | aj'io ^ (joj tcotoko-ivo ko-tsutsumi-naru \
sato-oja-gari tsukawase-si-ni \ jagate inunasi-ku kajeri-ki^tsu. Sato-no aruzl-wa mi-makari-te \
joru-be na-kere-ba ije-wo lori \ kudan-no jamome-wa sato-ko-no te-ioo fiki \ jnku-je-mo slrazu
madoi-ide-si- \ to kikv-ni m?.me madzu futagari-te | ivaga ko-tco mamoru kaml-nasi- ^ (tsuki) \
sigururu sode-wo fosi-ajene-do | juku-je slrene-ba sen-su-be-nasi- j to itaku irotoko-ni isamerare \
wasuren-tu sure-do wasurarenu. 2h-tose-7ii amaru mono-omoi | asita-no kumo-ivo nagamete-wa \
musume-ga juku-je-wo omoi-jari \ jil-be-no tsuki-ni mukai-te-wa \ fsjcju-keki sode-wo kata-siki-te |
naki-akasii jo-vio o-o-kari-si | ko-wa mina ono-ga mi-ni mukü \ ^ "^ (ten-hatsu) nari-to
ima-zo siru. I-i-toki-gataki ajamatsi-wo \ tsikai-no isi-ni utsusi-te-wa \ nani itsuioari-no fdberu-
bekl I in-beki koto-iva i-i-fate-tsii. Meguru in-gua-ica iki-na.gara \ hiruma-ni ßkasi \ usi-ni
sakasi \ nana-kida ja-kida-ni nasu made-ni | waga mi Jito-tsn-ioo tsuminai-te \ löotoko-no
inotsi-wo tasvkete tobe \ men-boku-nasi.
,Nach einiger Zeit hörte ich gerüchtweise, dass die Hausmutter des alten Gebieters
im siebenten Monate des Jahres plötzlich verstorben sei. Ich empfand Schmerz und
vergass nicht die empfangenen Wohlthaten, doch ich, die ich nicht göttlich bin, wusste
nicht, dass sie in jener Nackt, von der Klinge meines Mannes getroffen, das Leben
verloren habe. Hierdurch vermehrte ich bei der ScliAvere meiner Schuld noch die
Schuld. Um die Tochter Toko-natsu, die ick seit den Wickelbändern durch den Pflege-
vater aufziehen liess, heimlich abholen zu können, erzählte ich dem Manne die Sache.
Doch da ich nichts hatte, wodurch ich diesem Menschen vergelten konnte, liess ich wider
meinen Willen über zwei Jahre vergehen. Als ich endlich Geld herschaffte und in einer
Nacht den Mann zu dem in Ko-tsutsumi lebenden Ptiegevatei- schickte, kam er sogleich
unverrichteter Sache zurück. Man hörte, der Hauswirth des Dorfes sei gestorben, die
Witwe habe, da sie keine Stütze hatte, das Haus verkauft und sei, das Pflegekind an der
Hand führend, ohne dass man wusste wohin, in der Verwirrung ausgezogen. Meine Brust
war zuerst verschlossen, ich kam nicht dazu, den vom Rieselregen des Monats, in welchem
13G Pfizmaikh.
es die mein Kind bewahrenden Götter iiiclit gab, träufelnden Aermel zu trocknen, doch
da ich den Aufenthaltsort nicht wusste, konnte ich nicJits tluin. icli wurde dabei sehr von
dem Manne getadelt, und ich wollte vergessen, aber vergass nicht. Durch zehn Jalire
mich kränkend, dacJito ich, Avenn ich die Morgenwolken betraclitete, an den Aufentludt
der Tochter. Dem Abendnionde gegenüber, breitete ich den thauigen Aermel seitwärts,
und viele Nächte weinte ich bis zum Morgen. Ich weiss jetzt, dass dieses Alles die
Himmelsstrafe ist, mit der man mir vergilt. Wenn ich den schwer zu erklärenden
Irrthum zu dem Steine des Eidschwures bringe, welche UnAvahrheit könnte es sein?
Ich bin mit dem, was ich sagen kann, zu Ende. Für die umherkreisende böse That
mag man mich lebendig mit Wagen zerren lassen, durch Ochsen zerreissen lassen, mich
in sieben Stücke, in acht Stücke selbst zertheilen, man bestrafe mich allein, doch
schenket dem Manne das Leben — ich verliere die Fassung.'
Sato-oja ,Dorfvater' ist der Pflegevater.
In sato-oja-gari ,AVohnsitz des Pflegevaters' ist gari so viel als gari , Aufenthaltsort'.
Sato-ko , Dorfkind' ist das Pflegekind.
Kami-nasi-tsvki steht für kami-na-dzuki, einen Namen des zelmten Monates des Jahres.
Das Wort wird in der Zeichenschrift durch , götterloser Monat' ausgedrückt, aber ver-
schieden erklärt. Man gibt ihm den Sinn von kazu-mina-tsuki , Monat aller Zahlen', kami-
name-tsuki , Monat des Götterkostens', endlich von kami-nari-nasi-tsuki , donnerloser Monat'.
To kaki-kudokv,. Omoisemari-te mi-ico oki-kane \ natnu a-mi-da butsu- \ to tonaje-mo
ajezib I wotoko-no katana-wo ßki-nuki-te | ^ (tsi)-no sita fakaku fsuki-tate-tari. Tsuma-7io
ö ^ (zi-satsii)-tvo itamasi-tn | omoje-domo mi-kajerann \ kura go-ru faru-zumi-iüo | dri-me
kake-tsutsu toki-nusi-wa \ fakaina-no soba-tvo tsumami-age \ ßto-no tsuma-wo korosit moito-wa 1
^ (ten) mnta »ore-ga tsuma-wo korosu. Kazasi-ga ^ t^ (zi-satsuj-ica tvotoko-no ' ^ ^^
(aku-foj. Mono-domo nado-te kaja-zo-no kura go-rb-wo ike-dorazaru \ toku toku imasime-jo.
So erklärte sie sich mit Heftigkeit. In Gedanken beengt, war sie unfähig, sich zu
erheben. Die Worte : Namu Amida-Buddha ! kaum aussprechend , riss sie das Sch^vert
des Mannes heraus und stiess es sich tief unter die Brust. Toki-nusi, auf Kura Go-rö
Faru-zumi, der, obgleich über den Selbstmord der Gattin voll Schmerz, sie nicht
beachtete, einen schelen Blick werfend, zog mit einem Griffe den Seitentheil der Bein-
kleider empor und rief: Wer die Gattin eines anderen Menschen tödtet, dessen Gattin
tödtet der Himmel wieder. Der Selbstmord Kazasi's ist eine Vergeltung für das Böse
des Mannes. Leute, warum nehmet ilir Kaja-zo-no Kura Go-rö nicht gefangen? Schnell,
schnell bindet ihn !
To iki-make-ha \ faru-zuvd kara-kara-to aza-irarai \ trarc ßto-no tsmna-ico korose-ha \
ßto mata waga tstima-wo korosu \ kore-wa köre, § ^ § |^ (zi-go-zi-toku) \ in-gua-no
du-ri-iva koko-ni tsukuseri. Ware mata nani-no tsuiiii ari-te | nandzi-ra-ni imasimeraru-beki.
Saki-jori tatsi-kiki-si-taran-ni-ica \ koto tsumahiraka-ni iü-ni ojobazu. Mukasl wäre \ ßagi-
kubo-nite | tsitsi-no kataki inn-ki dzi-bu-ßei-ivo utsi-tomete | o-o-tsuki-gata-no tatsi-ivo tori-
kajesi(,-to ije-domo \ ^ ^ (siJ-ü-ka)-7io najami-ni nozomi-wo nsinai | ko-tsutstimi-no sato-ni
sasorai-te \ te-nare-si mania-ni ßimi ja mote \ uki-jo-no ßoka-no jama-kasegi \ na-wo kaja-zb-to
jobare-sl koro \ toakaki dotü-nu madoi-nite \ ada-naru ßana-ni kaki-wo koje | ta-icori-some-
taru kazasi-ga '|^ ^pj (kuai-tai) \ J^ '[^ {nin-zeö)-ni-wa motoru-to-mo | naico nozomi am
masura-wo-ga j — ' ^ A ({ffii^-zinyni ^ '/Jü (sed-gaij-tvo j ajamatare-zi~ j to omoi-kajesi-te \
kokoro-dzujokit-mo icagi'iiio-ko-wo ßuri-sntete tsiku-tcn-si | koko-mo jumi ja-ni ßikari am \ ko-te-
Der Nebel dek Klage. 1
o (
sasi-hara-ni kakure-sumi-te \ sono fi-gurasi-no oi-tori-gari-mo \ zitsu-ni ko-tori-no — ■ ^ (ippi)
^ ^ (fan-tsiu) I tada mi fito-tsu-wo asari-kanete \ mi-tose jo-tose-n-o ada-ni siikusi | j^ ^
(ko-sijü)-no waka-gimi \ oki-ioaka-maro-no on-ari-ka-wo | tadzune-ma-irasuru-ni \ mada ojobazu.
Auf diese zornigen Worte entgegnete Faru-zumi hohnlachend : ,Wenn ich die Gattin
eines anderen Menschen tödte, so tödten die Menschen wieder meine Gattin. Hiermit
ist die Ordnung der bösen That, dass man durch eigenes Verschulden es sich selbst
zuzieht, erschöpft. Welches Verbrechens wäre ich sonst noch schuldig, dass ich durch
euch gebunden werden sollte? Bei dem früher Gehörten Hess sich die Sache nicht aus-
führlich sagen. Obgleich ich einst in der Weiderichvertiefung Ina-ki Dzi-bu-fei, den
Feind des Alters, tödtete und das Schwert der grossen Mondgestalt zurücknahm, verlor
ich bei dem Unglück des Hauses des Vorgesetzten die Hoffnung. Fri dem Dorfe Ko-
tsutsumi unstät umherirrend, hatte ich mit Bogen und Pfeil, wie icli eben mit ihnen
vertraut war, ausserhalb der vergänglichen Welt einen Erwerb auf den Bergen. Zur
Zeit als ich mich Kaja-z6 nannte, erstieg ich in der Verirrung junger Leute zu einer
fremden Blume die Mauer, es erfolgte die Empfängniss der gebrochenen Kanzasi. Es
mochte dem menschlichen Gefühle widerstreben, doch ich bedachte, dass ein Mann, der
noch Hoffnungen hat, hinsichtlich eines Weibes sich nicht für sein ganzes Leben ver-
fehlen darf. Starken Sinnes verstiess ich meine Schwester und entfloh. Hier auf der
Ebene von Ko-te-sasi, welche auch Beziehung zu Bogen und Pfeilen hat, verborgen
wohnend und durch die Vogelbeize der Abenddämmerung, in Wirklichkeit durch kleine
Vögel, deren Flug von der Dauer eines halben Morgens, nicht im Staude, nur mich
allein zu ernähren, verbrachte ich drei Jahre, vier Jahre vergeblich Und kam noch
nicht so weit, um den Aufenthaltsort Oki-waka-maro's, des jungen Sohnes des früheren
Vorgesetzten, aufsuchen zu können.'
To-sama ku-sama si-an-stiru-ni | tori-ta-no seo-zi toki-nusi-ni-wa | sakl-ni kasi-tarii, kane
are-ba | juki-te koiva-haja- | to omoi-si-ka-ba | fudzuki towo-ka-no jo-ni magire | tori-ta-ga
ije-ni sinobi-iru-ni | tatsi-matsi wonna-ni togamerare | sikiri-ni ko-e-wo tatei'cii'e-tari. Ja-utsi-no
m,ono-ni sirasi-te-iva | sinobi-te ki-tstoru kai-mo nasi. Odosa-ba ko-e-wo je-mo tatezi- | to fasiri-
kakari-si katana-no mine utsi nogarenii, in-gua-ka te-ga maioari-te \ tada fito-katana-ni kiri-
fuse-tari. Ware-ivo ajasimu ajamatsi-ni | fozo-wo kame-domo sukü-ni josi nasi. Koko-ni futa-
tabi omojeraku \ J^ (kd)-take sinobi-te ki-tsuru koto \ aruzi-no fadzi-wo kakusan tote | usiro-
me-taki ivaza-wo se-si | mina köre ^ ^ (bic-sij-no nasake nare-domo \ omowazu fito-ioo
korose-si-ka-ba \ aruzi-ni tai-men-su-beö-mo arazu. Kaku-wa munasi-ku kajera-baja-to \ omoje-
domo nawo omoi-kanete \ tsi-gatana ßsagete tadazumi-si-ga | mata tsuku.-dzuku-to ovio jh |
1^ ^ (ko-sijü)-no ari-ka-wo tadztmen-ni-mo \ tada :=p ^ (fan-sen)-no ^ ^ (ro-jd)-wa
nasi. ^ ^ (Tsiü-gi)-7io tame-ni-wa utagawarete \ kegare-taru na-mo wosivm-ni tarazu.
Ima toki-nusi-ni ma-no atari | koto-no josi-ivo tsugezu-to-ma \ tsito-no mono-wo kara-baja- | to
fara-no utsi-nite si-an-si-tsu.
,Indem ich die Sache auf jegliche Weise überlegte, dachte ich mir: Ich habe Tori-
ta-no Seo-zi Toki-nusi in früherer Zeit Geld geliehen. Ich möchte hingehen und es
begehren. — Ich schlich mich am zehnten Tage des siebenten Monats unter dem Schutze
der Nacht in das Haus Tori-ta's, als ich plötzlich von einem Weibe eines Verbrechens
beschuldigt und heftig angeschrieen wurde. Ich dachte mir: Wenn sie es den Leuten
in dem Hause kundgibt, so nützt es mir nichts, dass ich heimlich gekommen bin. Wenn
ich sie schrecke, dürfte sie kein Geschrei erheben. — Ich lief hin und schlug sie mit
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd. IS
]^38 Pfizmaiek.
deiu Rücken des Schwei-tes, doch vielleicht durch eine unvermeidliche böse Fügung
drehte sich die Hand und ich liieb sie mit einem einzigen Hiebe nieder, lieber den
mich verdächtigenden Irrtluim mochte ich noch so sehr Reue empfinden, ich konnte auf
keine AVeise helfen. Icli dachte mir jetzt wieder: üass ich in tiefer Naclit heimlich
gekommen bin, geschah, um die Schande des Gebieters des Hauses zu verbergen, und
icli habe eine besorgnisserregende Sache gethan. Dieses alles ist zwar die Güte des
Kriegers, doch da ich unvermuthet einen. Menschen getödtet habe, kann ich nicht vor
den Gebieter des Hauses treten. Somit möchte ich unverrichteter Sache nach Hause
zurückkehren. — Doch ich konnte noch immer nicht denken und schritt, das blutige
Schwert an dem Arme tragend, auf und ab. Ich dachte wieder ernstlich nacli und
sagte zu mir, die Sache überlegend: Wenn icli den Aufenthaltsort des früheren Vor-
gesetzten aufsuche, besitze ich nicht einmal ein halbes Kupferstück Reisegeld. Der
Redlichkeit willen in Verdacht gerathen, brauche icii den befleckten Namen nicht zu
schonen. Wenn ich auch jetzt Toki-nusi persönlich den Sachverhalt nicht melde, möchte
ich einige wenige Dinge entlehnen.'
Nan-do-no kata-je sinuhi-ire-ha \ te-tsukuri-to sirusi-taru \ aki-ßtsu amata tsumi-tari-si \
so-ga naka-ni tada fitu-tsu \ mono ari-to ohosi-ku-te \ ^ (zio)-tco sika-to sasl-taru ari.
Ugokasi-te mire-ha omojaka nari. Köre kara-baja-to ßtori-gotsi-te \ kudan-no ßtsu-ivo se-oi-
tsutsu. I kataje-no kahe-ni Wi ^ ^ (su-ka-zi)-wo kiri-tsuke \ niwa-gutsi-jori fasiri-ide \ sono
ake-gata-ni ^ ff] (siuku-sio)-ni kajeri-te | madzu kano ßtsu-no \ futa-ivo ßrake-ba nuno-
ni-wa arade \ waga te-tsukurl-no ta-woja-me-wo | suzuro-ni vte kajeri-si-ka-ba \ futa-tabi
matsuwaru ^ (jen)-no tsuna-no \ asi-kase te-kase-wo kakerarete \ jo-tose ivakare-si imo-to
ivare. Moto-no saja-je-wa osamari-te-mo \ katana-ni nokosio mi-no ajamatsi \ tori-ta-ga ije-nite
omoivazti-mo \ fito-wo korose-si koto-wo-ba tsugez'a. 31oto-no na-ivo dani sirasene-ba \ tsuma-wa
musume-ga jukuje-wo omoi \ ware-wa j^ ^ (ko-sijü)-m on-ari-ka-ivo \ tadzunen-to nomi
omoje-domo \ ^ (ßn)-7io jamai-ni todzimerarete \ kono no-no foka-ni je-mo idezu. \ 3E (Sijü)-wo
omoje-do ^ (tsiil) narazu \ ^ (gi)-ni jori-nagara ^^ ^ (.ß-gi)-ni nite \ sinohu-ni amaru
musasi-no-no kusa-jori idete kusa-ni iru. Kizi-ni utsura-ni ^ ^ (sesseu)-no \ in-gua Ü, M Ä
(teki-men-su)-no utsi-jori \ musvme-wo sutete mata tsuma-ioo \ korosi-te sutsuru kari-ßimi-no
magareru-ni nite ito nawoki \ faru-zwni-wo karamen tote \ mono- mono -siku ßsimeku-wa \
inoko-wo klaki-te kusaki-wo wasure-si \ toki-nusi-ga madoi nari. Ware ^ Pfl (sb-tsm)-no
fito uare-ba \ nandzi-mo mata so-tsiü-no ßto naru mono-wo.
Als ich heimlich in den Verschlag trat, waren daselbst viele als Haustuch bezeich-
nete leere Kästen aufgehäuft. Unter ihnen sah nur ein einziger aus, als ob er etwas
enthielte und war mit einem Schlosse fest versperrt. Ich rüttelte ihn, und er war schwer.
Ich sagte zu mir selbst : Diesen möchte ich ausleihen. — Diesen Kasten auf dem Rücken
tragend, kratzte ich in die Wai>d daneben einige Schriftzeichen und lief bei dem Ein-
gange des Vorhofes heraus. Als ich, mit Tagesanbruch in meine Behausung zurück-
gekehrt, zuerst den Deckel des Kastens wegnahm, befand sich darin kein Tuch, sondern
Tch luitte mein in Haustuch gekleidetes zarthändiges Weib unbewusst auf dem Rücken
nach Hause getragen. Mit den Fussfesseln, den Handfesseln der zum zweiten Male
gewundenen Schnur der Freundschaft behängt waren die durch vier Jahre getrennte
Schwester und ich. Dass ich in meinem Irrthume, den ich, obwohl es in seiner Scheide
verborgen war, auf das Schwert zurückschiebe, in dem Hause Tori-ta's unvermuthet
einen Menschen getödtet habe, sagte ich nicht. Da ich meinen eigentlichen Namen gar
Der Nebel DER Klage. 139
nicht kundgab, dachte die Gattin nur daran, wohin die Tochter gekommen, und icli
dachte nur daran, den Aufenthalt des früheren Vorgesetzten zu suchen. Jedoch von
der Krankheit der Armuth eingeschlossen, konnten wir nicht aus diesem Felde heraus-
kommen. Denkt man auch an den Vorgesetzten, es ist niclit ßedlichkeit. Indem man
sich an die Gerechtigkeit hält, ist man einem Ungerechten ähnlich. Ich kam heimlich
aus den auf dem Felde von Musasi überflüssigen Pflanzen hervor, trat zwischen die
Pflanzen ein. Aus dem augenscheinlichen Neste der an Fasanen, an Wachteln verübten
bösen That der Tödtung des Lebens verstiess ich die Tochter, tödtete ferner die Gattin.
Der Jagdbogen, den ich wegwerfe, scheint verkrümmt zu sein. Dass man sagt, man
möge den sehr rechtlichen Faru-zumi binden und wichtigthuend lärmt, es ist eine
Verirrung Toki-nusi's, der auf den Gestank vergessen hat, als er ein Schwein in die
Arme nahm. Wenn ich ein Mensch inmitten der Pflanzen bin, so bist du ebenfalls ein
Mensch inmitten der Pflanzen.'
To nvase-mo ajezu | toki-nusi ko-e-tvo furi-tatete | kono nusu-bito-qa kutsi-sakasi-sa-ja.
Ware-to nandzi-wa ima koko-nite \ fazimete mono-wo iü naru-ni \ idzure-no toki-ni mazirai-te I
kane-'wo kari-taru koto aran-ja. Sika-nomi arazn ivaga ije-je | sinobi-iri-taru sono jo-sari j
kawara-i-ni ajasimerare \ jamu koto-ioo jezu kiri-korose-si-wo \ odosan tame-no mine-utsi-ni 1
te-ga mawari-si- j to i-i-kosiraje j sono mi-no tsuml-v:o karukit sen tote \fakaru-to-mo fakararen-ja.
Nandzi ika-narii josimi ari-te j iku-bahi-no kane-ivo kasi-tcmnt [ sed-ko ara-ba toku idase 1
toku-toku mlse-jo.
Ihn nicht weiter reden lassend, rief Toki-nusi mit erhobener Stimme : Welche Wohl-
redenheit von diesem ßäuber! Da du mit mir jetzt hier zum ersten Male sprichst, zu
welcher Zeit könnte ich da mit dir verkehrt und von dir Geld ausgeliehen haben?
Ueberdiess hast du in jener Nacht, in welcher du dich in mein Haus schlichst, von
Kawara-I beanständet und sie nicht beschwichtigen könnend, sie durch einen Schwert-
hieb getödtet. Dass du vorgibst, du habest, um sie zu schrecken, mit dem Rücken der
Klinge geschlagen und deine Hand habe sich gedreht, dieses magst du, um dein Ver-
brechen leichter erscheinen zu lassen, ersonnen haben, doch wird es beachtet werden?
Welche guten Beziehungen hast du zu mir und wie viel Geld hast du mir geliehen?
Wenn du Beweise dafür hast, so bringe sie ! Schnell, schnell ! lass' sehen !
To iradate-ba | faru-zi(,mi-tva unadzuki-te \ kosi-ni tsuke-taru ß-utsi-bukuro-wo \ toki-nusi-ni
nage-ataje \ seö-zi-ioa sore-ivo mi-si?'eri-ja. Fagl-kubo-no ara-no-nite | tsitsi-no kataki-wo utsi-
si-toki I omotvazu nandzi-ni jobi-kakerare | siü-ri-ken-ivo tobasi-te kusa-ni kakure \ koto-no
jb-ivo ukagäi-si-td | nandzi fisoka-ni dzi-bu-fei-ga | si-gai-wo saguri-te futokoro-naru \ kane mi-
tsutsumi-wo ubai-tori | tsi-siwo-ni mamire-si HJ 'ffj (sai-fu)-wo-ba \ kusa-mura-no utsi-je sute-
si-ka-ba \ wäre mata fisoka-ni firai-tori-te \ jagate nandzi-ga ato-wo tsuke , ^ ^J\ (siiiku-sioj-ivo
sika-to mi-sadame-tare-ba \ mi-tsutsumi-no kane-wo kasume-tori-si | kuse-niono-toa ta-fa-no rb-
nin I tori-ta-no seo-zi toki-nusi nari- \ to sono ^ (jo)-no utsi-ni faja sireri. Sono kami
ina-ki dzi-bu'fei-ga \ san-fiaku-rib-n<i .^ ^ -^ (gun-j6-kin)-to | o-o-tsuki-gatn-wo nusumi-
tori I amasaje waga tsitsi-tvo idsi-te tsiku-ten-se-si koro \ wäre ^ -JL (bu-gu)-wo iirl | "^ ^
(i-seö)-iüo uri \ dzi-bu-fei-ni nusif.mare-taru \ san-finkkin-tco ^^ ^ (tsio-tas)si-te \ ^ ^
(sijü-kun)-je kajesi-ma-irase-tare-ba | dzi-bu-fei-ga '|^ FJ? (liun-tsiiVi-se-si \ kano mi-tsutsumi-wa
waga kane-nite \ katana-wa sunawatsi ^ ^ fko-sijfij-no ^ ^ (tsiü-fö) | o-o-tsuki-gata-no
fito-furi nari. Sika-iva are-do \ ware-noa tada ata-ico utsi \ tatsi-wo tori-kajesan-to nomi \
omoi-sadame-si koto nare-ba | si-si-tarn. kataki-no "f^ \^ (kuai-tsitlj-wo | saguran-to-wa sezari-
18*
14() PlIZMAIKU.
si-ni I naiidzi kajette tö-zoktt-to | ware-ica johl-kakete ui-fasirasi j ßto-naki-iro mife si-gai-tvo
saguri \ßsok<i-n/ knne-wo ubai-tori-tc \ ^ (e)-no %\\ (ri)-wo fakari-si faru-nusu-hito \ kakii,-
inade kegare-si kokuro-ni-mo | ka)ie novii totte tsi-ni mamire-si | sai-fu-wu so-ko-ni sute-tare-ha \
notsi-no seö-ko-fo ßrai-tori-ta \ ß-?i.fsi-Imkuro-ni si-fnri-si-wa \ nandzi-ni misen tarne nari-si.
So sagte er mit Entrüstung. Faru-zumi, mit dem Haupte nickend, warf den an
seiner Lende befestigten Feuerzeugbeutel Toki-nusi hin und sprach: ,Kennt Seö-zi
dieses? Als ich auf dem wüsten Felde der Weiderichvertiefung den Feind des Vaters
tödtete, wurde ich imvermuthet von dir angerufen. Ich warf das "VYurfschwert, ver-
barg mich zwischen den Pflanzen und beobachtete, was geschehen werde. Du durch-
suchtest heimlich den Leichnam Dzi-bu-fei's, raubtest die in seinem Busen befindlichen
drei Packe Geld und warfest den blutbefleckten Geldbeutel in das Pflanzendickicht.
Icli las ihn wieder heimlicli auf, folgte dir sogleich nach und sah, wo sich dein Wohnort
befindet. Dass der Bösewicht, der die drei Packe Geld geraubt hat, Tori-ta-no Seö-zi
Toki-nusi, der dienstlose Kriegsmann von Ta-fa sei, erfuhr ich schon in jener Nacht.
Vordem, zur Zeit als Ina-ki Dzi-bu-fei dreihundert Tael Ivriegsgelder und die grosse
Mondgestalt raubte, überdiess meinen Vater tödtete und die Flucht ergriff, verkaufte
ich die Kriegsgeräthe, verkaufte die Kleider, brachte die von Dzi-bu-fei geraubten drei-
hundert Kobang zusammen und gab sie dem Vorgesetzten und Gebieter zurück. Die
drei Packe, welche Dzi-bu-fei in dem Busen verborgen hatte, waren mein Geld, das
Scliwert war die Kostbarkeit des früheren Vorgesetzten, ein Schwert der grossen Mond-
gestalt. Da ich indessen nur entschlossen war, den Feind zu tödten und das Schwert
zurückzunehmen, wollte ich nicht den Busen des todten Feindes durchsuchen. Du hin-
gegen, der du mich mit Räuber! anriefest, mich verfolgtest und entfliehen machtest,
du durchsuchtest, als du keine Menschen sähest, den Leichnam, raubtest heimlich das
Geld und als ein alter ßäuber, der den Nutzen des lluhmes erwog, mit so sehr be-
schmutztem Herzen, nahmst du nur das Geld und warfest den blutbefleckten Geldbeutel
von dir. Ich las ihn zum späteren Beweise auf, und dass ich ihn zum Feuerzeugbeutel
machte, geschah, damit ich ihn dir zeige.'
Sare-ba nandzi-ga ije-ivo uruu-osu \ koto-no nioto-ioo siru jio-e-ni | ßsoka-ni i-ßiki-te kono
sai-fu-tü I waga utsi-kake-si | kb-gai-no \ kata-ware-wo ^ ^ (ko-ekij-si | hetsi-ni sukosi-no
ro-jo-wo koi-uke \ oki-waka-maro^no on-juku-je-wo | tadzime-ma-irasen- to omoi-si-ga | suso-wo
musuhi-te kata-ni kakiiru \ mi-no zama-nite ^ ^ (faku-tsiü)-ni \ tori-ta-ga ije-je i-juki-na-ba j
kanarazu ^ ^^ (nu-ß.J-ra-ga ajasimii-ben. Siknre-ha ßto-no ^p (ß)-ivo arnwasi-te | sono
fadzi-iDO kagajakasen-wa | waga ßo-i-to suru tokoro-ni arazu. J^ (Kö)-takete sinobi-ßiki
toki-nusi-to läsi-miikai-te \ kore-ra-no koto-wo tsuguru-ni sikazu- | to namazi-i-ni omoißakari-
si-toa I toaga watakusi-ni idzuru-to ije-domo | kano ^ ^ (aku-ß6)-ni kakanu tokoro-ka
umowazu-mo kiri-fuse-si | wonna-wa nandzi-ga tsuma nari-ken | ^ ^ (bi-sei)-ga makoto-ica
tsukusa-ni kai-naku \ nandzi-ni idete nandzi-ni kajeru-iva | kawara-i-ga 7^ ^ (wb-sij nari.
Ware-jori idete mata tvare-ni kajeru-ioa kazasi-ga ^ ^ (zi-satsu) nari. Tsuma-no tame-
ni-wa ^ ^ (ko-sijü) nari-to-mo | wäre toki-mtsi-?co osoren-ja. Sibaraku nandzi-ga nawa-ico
käse I ivare madzy. nandzi-ioo imasitnete I ^ /frf- (ko-ßuj-je ßkasi-te tsumi-ivo totvan. Mosi
kono isi-no fotori-nite | mi-no ^^ (ß)-too owö mono are-ba \ ^ ^ (ten-rai) tatsi-matsi
kore-tüo ßurn-to | ßto-no P ^% (k6ß)-ni tsutaje-tari. Kaku-te-mo toki-nusi aras6-ja. War^e-ni
mi-tsutsumi-no kane-ioo kari-zn-to ije-ba | nandzi-toa sunawatsi nusu-bito nari. Ide iraje-se-jo
ide ije.
Dkr Nebel UEE Klage. 141
,\Veii ich somit die Grundlage kannte, auf welcher du dein Haus bereichert hast,
gedachte ich heimlich hinzugehen, diesen Geldbeutel gegen die von mir geworfene eine
Hälfte der Haarnadel auszutauschen, ausserdem etwas Reisegeld zu erbitten und den
Aufenthaltsort Oki-waka-maro's auszuforschen. Es hätten jedoch, wenn ich in meinem
Aufzuge, den geknüpften Saum an die Schulter gehängt, am hellen Tage zu dem Hause
Tori-ta's gekommen wäre, die Knechte und Mägde gewiss Verdacht geschöpft. Uebrigens
war es nicht meine Absicht, das Unrecht eines Menschen darzuthun und dessen Schande
leuchten zu machen. Ich erwog, dass es ungleich besser sein würde, wenn ich in tiefer
Nacht heimlich hinginge, Toki-nusi entgegenträte und diese Sachen berichtete. Ist es
auch von mir besonders ausgegangen , es hängt vielleicht mit der Vergeltung jenes
Bösen zusammen. Das Weib, welches ich unbedachter Weise niederhieb, wird deine
Gattin gewesen sein. Bei der Ergründung der Wahrheit des Lebensendes hat man keinen
Nutzen. Dasjenige, das von dir ausgegangen ist und zu dir zurückkehrt, ist der ge-
waltsame Tod Kawai'a-I's. Dasjenige, das von mir ausgegangen ist und wieder zu mir
zurückkehrt, ist der Selbstmord Kazasi's. Werde ich in Betreff der Gattin, und wäre
er selbst der frühere Vorgesetzte, Toki-nusi fürchten? Leihe mir für eine Weile deine
Stricke. Ich werde früher dich binden, dich zu dem Sammelhause des ßeiches führen
lassen und dich wegen der Schuld befragen. Von den Menschen wurde es mündlich
überliefert : Wenn Jemand zur Seite dieses Steines sein Unrecht verdeckt, so trifft ilin
plötzlich der Donner des Himmels. Wird somit Toki-nusi es bestreiten? Wenn dvi sagst,
dass du die drei Packe Geld von mir nicht ausgeliehen hast, so bist du ein Räuber.
Wohlan, gestehe! Wohlan, sprich!'
To sai-fu-ivo totfe me-saki-je tsuki-tsuke | jose-awasl-tam. favn-zumi-ni \ seo-ko-too torarete
toki-nusi-ica \ i-i-tsuru koto-no fadzukaioasi-ku | kdbe-tvo tarete ^ ^^ (moku-nen) tari. Kono
ari-sama-ni sagi-suke-ra-wa \ fatsi-maki toki-te fada-wo ire | f^ (böj-ioo usiro-je osi-kakusi-te \
omote-wo aicasi kbhe-tuo kaki \ mi-ico oki-kane-si | kusa-no tsiiju kije-mo taje-jo-to omö naru-hesi.
Hiermit nahm er den Geldbeutel und hielt ihn ihm vor die Augen. Toki-nusi,
dem durch den andrängenden Faru-zumi der Beweis erbracht worden, schämte sich
seiner früheren Worte. Er senkte das Haupt und schwieg. Unter diesen Umständen
lösten Sagi-suke und die Anderen die Kopfbinde und zogen die blossen Schultern
herein. Indem sie die Stöcke hinter dem Rücken verbargen, näherten sie einander das
Gesicht, kratzten sich den Kopf und konnten sich denken : Der nicht erhebungsfähigen
Pflanzen Thau | vergehe, sei zerrissen !
Sibaraku-site toki-nusi-tüa | sora utsi-aioogi-te tan-sok(i->ii \ makoto-naru Kciga ^ ^
(fu-gi)-no \ tomi-wa ukameru kmno-jori faka-naku | ^ ^ ^ (zen-tsi-sikl)-no 51 ■^ (^'^-
zed)-nite | jaja fare-wataru nmne-no tsuki-ni [ fadzi-too kakitsan knma-mo nasi. Ware-wa
moto-jorl ^ -^ (rin-siokii)-no \ musabori-akade ivakaki toki \ kama-knra-wo j^ ^ (tsui-fö)-
serare \ j^ j^ (ru-ro)-ioo nagehi kami mbde \ fotoke-tanomu-mo i^ ^Ij (luio-ri)-no tarne :
fito-no 10. ^ (wb-sij-wo sakvai-ni j san-fiakkin-wo kasume-tori-te \ tsuma-ica sara-nari sato-
bito-ra-ifo | azamiiku tame-ni ben-zai-ten-no %\] ^ (ri-jaku)-ni kore-wo kakotsukete \ kami
fofO'ke-iüo !<i-i-tari-si \ ^ ^ (mib-batsu) tsui-ni manekarezu. Moto fani-zumi-ga kane nari-si ]
kane-ni kaje-taru kaicara-i-ga \ 1^ 5t (tcb-si)-mo onoga ^ ^ (aku-fb)-to | saviete kujasi-ki
jume-no ato \ ben-zai-ten-no :^ I^ (zi-gen) mra j ima mata omoi-aware jtit (jo)-no \ ^
(joku)-ni kono mi-ivo fari-tsuvie-si \ f^ ^ (siu-ra)-7io "jx. Ü (tai-ko)-no ukari-keru \ koto-
tvo-ba sirade 'J^ '\^ (fon-nb)-no \ ^ ^ 'i^ (inn.-zi-motsu)-naru toki-nusi-ga \ koko-ni '(^ f^
1^2 Pl-'lZMAIEH.
(sau-(/eJ-iva oso-k'm^i-d | fadzukawasi-ja. Wcuja ^^ (ß)->i'o hakusi-te fito-wo sone | knjette
fito-ni semeraruru \ kakn aru-besi-to fazime-jori \ tsuju-bakari-mo satoin-na-Jxi \ kazasi-ni
© ^ (zi-sats)-sasezarl-si \ men-boku-mo nasi. Fudzi-saka-nnsi go-fen-no kane-nite ware-iva
to)iii I icare tovm ju-e-ni fadzi-wo sirazu. Mi-dzukara naseru wazaivai-wa \ kane koso ono-ga
kataki nare. Ima tatsi-mafsi-id ^ ^ (don-joku)-no \ ^ -^^ (mü-nen)-ioo tatsu-to ije-domo \
tada tatsi-gataku-te J^ ^ (on-ai)-no \ kidzima-to naru-wa musume-ga koto. Go-fen-no
tsuma-no ^ (tsi)-ni sodatsi-si \ jukari-mo are-ba nade-si-ko-ivo \ makoto-no nmsume-to mi-
sonawasi | jasinai-tori-te-tamai-ne.
Eine AVeile blickte Toki-nusi zum Himmel empor und sagte dann seufzend: JMein
wirklich ungerechter Reichtimm ist vergänglicher als eine schwimmende Wolke. An dem
durch die Leitung des guten Wissens und Erkennens ziemlich hell hinüberziehenden
Monde des Herzens ist kein Bergrand, der die Schande verbergen würde. Ich war
ursprünglich bei meinem Geize im Begehren unersättlich und wurde in meiner Jugend
aus Kama-kura verjagt. Meine Entlassung beklagend, ging ich zu den Göttern, flehte
zu Buddha. Um des Namens und des Nutzens willen hielt ich den gewaltsamen Tod
der Menschen für ein Glück und raubte dreihundert Kobang. Um nicht allein die
Gattin, sondern auch die Menschen des Dorfes zu täuschen, gab ich es für eine Hilfe
der Göttin Ben-zai-ten aus und entkam der dunklen »Strafe dafür, dass ich die Götter
und Buddha betrog, zuletzt nicht. Gegen das Geld, welclies eigentlich das Geld Faru-
zumi's gewesen, wurde eingetauscht der gewaltsame Tod Kawara-l's und die Vergeltung
meines eigenen Bösen. Dabei erwachend, richte ich nach dem jämmerlichen Traume
selbst auf die Offenbarung der Göttin Ben-zai-ten jetzt wieder die Gedanken. Indem
er nicht wusste, dass die Trommel der Hölle Siju-ra, über welche er durch die Begierde
der Welt diesen Leib mit Gewalt spannte, traurig war, ist hier das Bekenntniss des
sündigen, sich verstellenden Toki-nusi eine spät gekommene Scham. Wer sein Unrecht
verbirgt und die Menschen zur Rede stellt, wird dagegen von den ]\Ienschen zur Rede
gestellt. Hätte ich anfänglich nur im geringsten gemerkt, dass es so sein wird, so
hätte ich Kazasi nicht zum Selbstmord getrieben und hätte keine Schande. Herr Fudzi-
saka! durch euer Geld wurde ich reich. Weil ich reich war, wusste ich mich nicht zu
schämen. Bei dem durch mich selbst bereiteten Unglück mag nur das Geld mein Feind
sein. Jetzt mache ich mich plötzlich von den unordentlichen Gedanken der Begier los,
doch nur schwer kann ich micii losmachen von dem, was die Fesseln der Zärtlichkeit
sind, von meiner Tochter. Da sie mit der Milch eurer Gattin aufgezogen ist und eine
Verwandtschaft besteht, so betrachtet Nade-si-ko als eure Avii-kliclie Tochter und nehmet
sie auf.
To tnnofiiu kotoba-no tsiijto fasiru \ katana-ioo snrari-to fiki-nuki-te \ sai-fu-ivo totte jai-
ba-je maki-soje \fara-je tsuki-taten-to si-tari-si-ka-ba \ ja-jo matsi-tnmaje- \ to jobi-todome \
M ^ (natsu-kiku) \ Jj^ ^^ (kitsi-kö) \ ogi fagi-no \ tsi-kusa kaki-waki nade-si-ko-wa \ fusi-
tsu marobi-tsu fasiri-idete \ tsüsi-ga kobusi-nl mgari-fome \ iwan-to sure-do waki-kajeru
namida-no idzimni seki-kanete \ itodo nageki-ica masu-kagami \ oja-ko omote-wo aioasi-fsutsu
jai-ba-u-o sutete idaki-josi \ idaki-josevare moro-tomo-ni \ naku-jori foka-ni su-be-mo nasi.
Das als Thau dieser bittenden Worte herauslaufende Schwert flugs ziehend, nahm
er den Geldbeutel, rollte ihn an die Klinge und wollte diese gegen den Bauch stossen.
Mit dem Rufe : He ! Wartet ! hielt ihn eine Stimme zurück und. die Sommergoldblumen,
die blauen Glockenblumen, die Binsen, den W^eiderich und die tausend Pflanzen mit
Der Nebel der Klage. IA']
den Händen zertheilend, lief Nade-si-ko, bald fallend, bald umstürzend, hervor und
umklammerte die Faust des Vaters. Sie wollte sprechen, doch indem sie die zurück-
sprudelnde Quelle der Thränen nicht zu verschliessen vermochte, waren diese für die
überhandnehmende Klage der zehnzöllige Spiegel. ^Yährend Vater und Kind einander
das Angesicht ncäherten, warfen sie die Klinge weg. Umarmend und umarmt, konnten
beide nichts thun als weinen.
Sibaraku nade-si-ko-iva \ tamoto-wo kajesi-te me-wo nugid \ tisikai-no isl-nite tsikai-wo sen
tote I asa-madaki-jori ide-tamai-si \ usiro-kage-ico mi-okuri-te | to-jaran kaht-ja- \ to omO
fodo-ni I oja-no koto icotoko-no koto kokoro-moto-nasa m-beu-mo faherazu \ i-tsutsu mono-wo
omowan-jori \ on-ato-ni tsuki-te koso- \ to ßto-ni-tva tsugezu tada-ßtori \ suzuro-ni ije-icu fasiri-
idete I kono tokoro-je-wa ki-tsure-domo \ tsitsi dani sinohi-te tvowasi-mase-bd \ kaku-to i-i-jorn
josi-naku-te \ utsu-gi-no naka-ni kakuroi-tsutsu \ koto-no jo-tüo kai-ma-mi-fabere-ba \ mi-ni si
kajen-to omo ivotoko-wa | nagare-ni inotsi-ivo otosi \ miäsiiki-no utsi-jori faguhmare-si \ uba
saje jai-ba-ni fusi-tare-ba \ mim goto \ kiku \ goto | kanasi-sa-no | mune-ni semare-do \ ko-e-
tatezi- I to tamoto-wo kami-mo kiru bakari | saki-jorl naki-te faberi-si-qa \ ^ (jo)'ico faka-
nanii \ mi-ico fadzi-te \ tete-go saje laata koko-nite \ g ^ (zi-kaij-sen-to si-tamaje-ba \ jume-
to-mo ivakazib maborosi-to-mu. \ Wagane-si tsvto-no midare-gami j sttstiki-no icaka-ba kaki-
waki-te \ fadzi kagajakasi-ku ide-faberi. ^ (Jeni)-si-iua musubi-tomezu-to-mo \ uki-jo-no
naka-ni tada-fitori-to \ omo lootoko-ni uresi-ku-mo \ kinö kirare-si knro-kami-no 1 keo-wa M. -^^
(mei-do)-je muko-ßki-de | bo-dai-no mitsi-wa mada, sirade \ koi-mo negai-si kon-in-no \ sono
sakadzuki-ioa ta-muke-no midzu \ ^ ^ (sa-zan) jh pp (ka-fon)-no f^ ^ (zio-do)-nite
sumi-no koromu-no iro-nawosi \ fasu-no uteyia-wo tama-no toko | tanomu-ica ^ fü^ (Hio-se)no
^ (jeni)-si nomi. Fo-zi-rb-nnsi-too saki-datete tare-wo joru-be-ni nagarajen \ jitrusase-tamaje.
Nach einer Weile schlug Nade-si-ko den Aermel zurück, trocknete die Augen und
sprach: Als ihr, um an dem Steine des Eidscliwurs einen Eid zu schwören, vor Tao-es-
anbruch hinaus tratet, sah icli euch nach und indem icli dachte, ob es so oder anders
ausfallen werde, war um den Vater, um den Mann meine Besorgniss unbeschreiblich.
Statt zu überlegen, wollte ich eurer Spur folgen. Ohne Jemanden etwas zu sagen, lief
ich ganz allein ohne Absicht aus dem Hause und gelangte zu diesem Orte. Da jedoch
der Vater nicht zu sehen war, hatte ich keine Gelegenheit, ihn anzureden. Indem ich
mich zwischen den Deutzien verbarg, beobachtete ich heimlich, was geschehen würde.
Der Mann, an dessen Stelle ich mich zu setzen gedachte, verlor durch einen Pfeil das
Leben, die Amme, durch die ich seit den Wickelbändern ernährt Avurde, sank unter der
Klinge zu Boden. So oft ich sah, so oft ich hörte, war ich In der von Traurigkeit
erfüllten Brust beengt, jedoch, um keinen Laut von mir zu geben, biss ich in den
Aermel, so dass Ich ihn durch biss, von Anfang an weinend. Als der Vater, für den die
Welt wesenlos, seiner sich schämend, sich hier noch das Leben nehmen wollte, unterschied
icli nicht, ob es Traum, ob es Zauberkunst. Das zusammengefasste verwirrte Haupthaar,
die jungen Blätter des langen Grases mit den Händen zertheilend, die Schande leuchten
lassend, kam ich hervor. Ist die Freundschaft auch nicht geknüpft, das schwarze Haupt-
haar, das ich von dem Manne, an welchen als an den Einzigen in der vergänglichen
Welt ich denke, mit Freuden gestern abschneiden Hess, ist heute das Eidamsgeschenk
für die finstere Erde. Die Vermälung, welche ich, den Weg des Seelenheiles noch nicht
kennend, erbat, ihr Becher ist das Wasser des Todtenopfers. Auf der reinen Erde der
dreimal drei neun Rangstufen ist die Farbenherstellung des Tintenkleides, den Kelch
J44 Pkizmaieu.
der Wasserlilie mache ich zum Edelsteinbette. Um was ich bitte, ist bloss die Beziehung
der späteren Welt. Da ich den Gebieter Fo-zi-rö vorangeschickt habe, mit wem als
Stutzer werde ich am Leben bleiben? Erlaubet!
To kudoki-mo a/ez/t \ jai-ba-ivo totte mune-saki-jori \ kissaki sobira-je tsuki-idasi | tatsi-
matsi fata-to fusu fudo-ni \ tsi-siivo satto fotobasiri | sita-ni wori-siku natsu-kusa-ioo \ aki-no
ni-si-ki-to some-nasi-tari. Kore-ioa- \ tu bakari toki-nusi-wa | j^ ^ (siü-seuj-(u ^ ^ (ai-zeö)-
ni I mune-kurusi-ku-te mi-mo loakane-do \ naje-taru kaina-wo sasi-irete \ idakl-ukose-ba sagi-
suke-ra-mo \ ana utate-si- \ to dojomeki-te \ itawaru kai-nukl fiihi-de-no ^ if^ (ku-tsn)-wo
miru-ni je-tajezu farit-zumi-mo \ sikiri-ni sa-tan-si-tari-keru.
Mit dieser Rede kaum zu Ende, ergriff sie die Klinge und stiess von der Vorder-
seite der Brust die Spitze bei dem Rücken heraus. Indem sie plötzlich niederstürzte,
spritzte das Blut und machte die unten gebreiteten Sommerpflanzen, sie färbend, zu
Goldbrocat des Herbstes. Toki-nusi, in diesem Augenblicke entsetzt und betrübt, im
Inneren wahnsinnig, nahm es nicht aus, doch umfasste er sie mit den eingedrängten
erschlafften Armen und hob sie auf. Sagi-suke und die Anderen lärmten unter Wehe-
rufen und empfanden Schmerz. Faru-zumi, es nicht ertragend, das Leiden durch die
unheilbare tiefe AVunde zu sehen, seufzte unaufhürlich.
Der Vogel des blossen Goldes.
Nade-si-ko jbjaku kbbe-wo motagete \ musi-jori fosoki ko-e-wo fagemasi \ on-ai-no jaru
kata-naku-te \ ito-ioosimi-tamatüasuru \ oja-ni saki-datsu Z^ ^ (fu-kd)-no tsumi-ioo \ ito
omosi-to-wa siri-nagara i wotoko-no tame-ni misawo-wo tsukusi oja-no inotsi-ni kawaru mi-tuo
nani itadzura-ni osimu-beki. Saki-jo7'i kasiko-ni tatsi-kiki-tare-ba \ koto-no josi-wa fazime-jori
wowari-made jokii siri-te fabei'i. Ima fate-tamawan tama-no wo-ivo \ fa-su-e-no tsuju-ni musiibi-
toniete i ko-ga-to jaran-je tadzune-juki \ fo-zi-rb nusi-no fawa-go-ni-mo \ ototo-kimi-ni-mo kono
koto-iüo I tsuge-mo sirasi-te naki-ato-ivo j towasi-mo site j ii,ki-jo-7io foka-ni sumi-zome-no i koke-no
koromo-ni sama-wo kaje | fotoke-ni tsukaje-tamai-na-ba | tsukuri-si tsumi-mo kije-nu-besi. Tada
itamasi-ki-tva fo-zi-rb nusi \ tete-go-no ^ ^ (aku-zi)-wo tsuju-bakari-mo \ sirade kataki-ico
utan-to nomi \ omoi-sadame-si ^ ^ (ku-k6)-wo \ inamoran kami-wa masi-masade | ke-nikuki
kizi-no kusa-gakure \ tsuma-goi kane-tsu ko-e-tatete \ nado-te waga ^ (.se)-wo i-susi-tam. Oinoi-
some-ni-si fazime-jori \ musubti kami-jo-ni mame-tvo mite \ icori-irib fato-tüo naka-datsi-ni
tanomu kai-naki kajesi-ja-iva | jö-naki kizi-no fita-tsukai \ ame-waka-fiko-no ajamatsi-ico
wotoko-no mi-ni si oioane-domo \ sita-terii-fi,me-no furu-koto-ioo | inia-zo mi-ni siru nade-si-ko-ni \
musubi-soje-taru ^ 0 f^ (akn-in-jen). Kono ^ (jo)-no notsi-no mata notsi-no \ ^ (jo)-
made kawaranu imoto-to | ^ (sp)-to \ tsikai-no isi-wo faka-sirusi | tsuma-nw komoreri mHS<(<!i-
no-no I keö-no kefurl-to tatsi-noboru \ mitsi-dzure-wa mata koko-ni ari.
Nade-si-ko, mühsam das Haupt erhebend, sprach mit angestrengter Stimme, welche
leiser als diejenige der Insecten : , Obgleich ich weiss, dass das Verbrechen des ÄJangels
an Aelternliebe indem ich dem mit unzertrennbarer Zärtlichkeit liebenden Vater voran-
gehe ein sehr schweres ist, könnte ich mich, die ich für den Mann die Beharrlichkeit
erschöpfe, für das Leben des Vaters das meinige hingebe, eitler Weise schonen? Da ich
schon früher dort liorchte, sind mir die Thatsachen von Anfang bis zu Ende gut
bekannt. Wenn ihr die Edelsteinschnur, welche enden soll, als Thau an die Spitzen
DiiK Nebel deu Klage. ] 45
(ier Blätter knüpfet, in Ivo-ga euch erkundiget, es der Mutter und dem jüngeren Bruder
des Gebieters Fo-zi-ro kundgebet, um den Todten trauern lasset, selbst um ihn trauert,
dann ausserhalb der vergänglichen Welt durcli das mit Tinte gefärbte Mooskleid eure
(iestalt verändert und Buddha dienet, so wird das Verbrechen, Avelches ihr begangen
habt, ausgelöscht sein. Was micii nur schmerzt, ist, dass der Gebieter Fo-zi-ro, von der
Uebelthat des Vaters nicht das Geringste wissend, bloss den Feind zu tödten entschlossen
war, dass, indem es keinen Gott, der die Aelternliebe beschützt liätte, gab, der hassens-
werthe Fasan in dem Pflanzenvei'stecke seine die Gattin begehrende Glockenstimme
erhob. Warum hat man meinen Bruder erschossen? Anfänglich, als ich zu lieben
begann, in dem Götterzeitalter, das ich knüpfte, auf die Taube, welche die Bohnen sah
und verweilte, wie auf eine \ ermittlerin lioft'end, war ich hilflos. Der zurückgeworfene
Pfeil ist die Folge der thörichten Gesandtschaft des unbrauchbaren Fasans. Den Fehler
Ame-waka-fiko's Hess sich der Mann zwar nicht zu Schulden kommen, doch die alte
Bache Sita-teru-fime's erkenne ich jetzt an mir. Es ist eine an Nade-si-ko geknüpfte
böse Beziehung. Für die nach dieser Welt, selbst in einer nocli späteren Welt imverän-
derte Schwester und den Bruder ist der Stein des Eidscliwures das Grabdenkmal, und
die Gattin ist daselbst verborgen. Eine als der heutige Hauch des Feldes von Musasi
aufsteigende Gefährtin des Weges auch gibt es hier.'
Ja-jo nba-jo \ ja-jo kazasi-jo \ mutsuki-no utsi-jori fagiikv-mare-si-ioo \ ivasururu-to-ni-wa
nrune-domo | kare-ica faica-f/o-no ata nari- f to tsutaje-mo kike-ha koto samete \ itaku nikumi-si
kujasi-sa-jo. Wai^e-ica fatsuka-ni jo-tsic-no aki \ faica-cjo-wo asinai-faberib-kara | on-omo-
kage-ica je-mo sirazu. Mata sono koru-ni s?iterare-si | uba-no kazasi-ni tosi-takete \ ai-miru
koto-nu uresi-sa-wa | makoto-tw faiva-ico ml-tate-matsunt \ kokotsi-wa sure-do utsu-semi-no 1
iki-no utsi-naru mono-gatari-mo | ima-ioo kagirl-no ^ ^ij ^ ^ (ai-heisiL-ri-ku) | kahh
aru-hesi-to faja sira-ha \ tate-to nari | kase-tn-mo nari-te \ p ^ (:i-kai)-wo todomu-he-kari-
si-ni I o-wo wakare-no Ä -^ (mei-do)-no tabi-ni \ omoi-gake-naki iiütsi-dzure-wa I '^ ^
(fhi-gajej-gataki saki-no jo-no ^^ ^ (jaku-soku)-goto-ka.
,0 x\.mme ! o Kazasi ! Ich habe niclit vergessen, dass ich seit den Wickelbändern
von ihr ernährt ward, doch icJi hörte auch, dass sie die Feindin tler Mutter sei. Indem
ich über die Sache aufgeklärt bin, o wie reut es mich, dass ich tiefen Hass empfunden
habe ! Da ich, kaum vier Jahre alt, im Herbste die Mutter verloren liabe, kann ich
ihr Bild nicht kennen. In der Freude, dass ich noch in dieser Zeit mit der verstossenen
Amme Kazasi in vorgerückten Jahren zusammentreffe, habe ich das Gefühl, als ob icli
die wirkliche Mutter sälie, jedoch die Erzählung innerhalb des Athems der hohlen Grillen
ist der auf jetzt beschränkte traurige Abschied, die Trennung in Leid. Wenn ich schnell
gewusst hätte, dass es so sein wird, wäre ich ein Schild geworden, ein Halseisen ge-
worden und hätte sie von dem Selbstmorde abhalten müssen. Die unerwartete Beglei-
terin auf der Reise nach der finsteren Erde, Avelche die Trennung bei der Begegnung,
ist sie die Sache eines unabänderlichen Verspi-echens der früheren Weif?'
To kaki-kudoke-ba \ sono ko-e-ja miml-nl, Irl-ken | kazad-wa tatsi-matsi me-ivo firaki \
uresi-ki koto-wo kikoje-tamb. Wara-no uje-jori ivakarete-si \ musnme toko-naisio-ni koto-narade |
omoi-icasure-si fi-ica faberazu. Sa-zo-na o-o-kiku nari-tan?airame \ ivosanaki toki dard fnr
(jo)-ni sugure-si | kl-rih-ira nki-jo-ga e-gaki-taru | '^ ^ ^ß Ö^''^^'ßJ'^" .y^''^' | ^^h ^ ß'-''
matsij-to jara-nl \ otori-tamawazi | mi-ma-fosi- j to omu raono-kara to Josi-mo naki | nu-no
tsumi toga-wa te-tsukuri-ja. Sarasu kabane-v:a ta-fa-gawa-no \ tama-wo si koko-ni udzumn-
Dcnkschriften der rliil.-hibt. Cl. XXVI. Bd. . 19
|4() l'llZMAlliE.
to-mo I ^ Jl (mei-do)-no tahi-no fune-io-mo nari \ kurunia-tu nari-te siru-bc-so». Sa-ica ijc
on-mi-ga kono fi-goro \ koi-sitai-tamai-taru | ina-ki imsi-io icaga wutoko-iva \ mv-Siibcm ata-no
aru uje-ni | fakarazu ■•^atsu-jn-ni kake-fahere-ba \ kokono-tsu-no j^ (.p)-v-'0 kajnru raade \
iirami-tamo-to-mo nagusamn-beki \ koto-no fa-tca faberaw-do \ jo-tsn-nv akl-made fagukmni-no \
josivii-ivo omote makoto-aru \ kimi-ga namke-wa ^ ^ (dö-kibj-ni-mo | masi-te iofoki §| ^
(in-zeoj nari. Ima-i<ara omoi-nokosu koto \ vasi-to ije-do to-ni kaku-ni kokoro-ni kakaru-u-a
musume-ga koto. Tada negaicaku-wa. waga tsuma-wa \ kowi no-iro idete ^ (kih) kama-kz'.ra
agafa ta inaka fe-megvri-tc \ toko-natsv-ga jnku-je tadzvnete tabe. Ten-bun fatai-npii rokv-
guatsii itsu-ka-no ^ ^ (tan-zeö) \ mv.msi-no kuni 0f ^ (ni-i-kura) kori \ /J^ J^ (ko-
tsutsumi)-no sato-bito \ ^ßl p^ (kaja-zbj-ga mnstime toko-natsu- j to ubu-ge foso-iw iro-no taib-
qami-ni \ waraica-ga fe-nite kaki-tarv-wo \ mamori-bnhiro-vi iretc faheri \ korc-zo waga ko-no
sirusi-naru \ i-i-nokosu koto-iva tada köre nomi.
So lautete ihre Rede. Kazasi, in deren Ohr die Stimme gedrungen sein wird,
öfi'nete plötzlich die Augen und sprach : Ich hüre eine freudige Sache. Nicht anders
als bei meiner Tochter Toko-natsu, von der ich seit dem Sitzen auf dem Stroh getrennt
bin, war kein Tag, an dem ich in Gedanken vergass. Indem ich mir dachte, sie werde
in der That gross geworden sein, nacli dem Aussehen in ihrer frühen Jugend, welclies
in der Welt nur ausgezeichnet war, könne sie der theuren Königin von dem Geschlechte
Yang und Ko-matsi, die man in der vergänglichen Welt abbildet, nicht nachstehen, und
ich möchte sie sehen, hatte ich kein Mittel, um nach ihr zu fragen. Mein Verbrechen
und meine Schuld beziehen sich auf das Haus des Haustuches. Mag der unbegrabene
Leichnam Edelsteine des Flusses von Ta-fa bilden, mag man ihn hier begraben, ich
werde das Schiff der Heise zu dem finsteren Wege werden, der AVagen Averden und dei-
Wegweiser sein. Ha indessen der Gebieter Ina-ki, den ihr um diese Zeit liebtet, nebst
der von meinem Manne geknüpften Feindschaft von einem Jagdpfeile getroffen wurde,
so möget ihr, bis neu.n Welten ihr Avechselt, grollen, es gibt nicht Blätter der Worte,
welche trösten könnten. Wenn er jedoch das durch das Aufziehen bis zu dem Herbste
des vierten Jahres bestandene gute Verhältniss bedenkt, ist das Mitleid des wahrhaftigen
Gebieters auch bei dem Lesen der heiligen Bücher immer mehr eine geehrte Leitung
und Begegnung. Jetzt endlicli lasse ich nichts in Gedanken zurück, doch das, um was
ich besorgt bin, ist die Sache meiner Tochter. Das Einzige, um was ich bitte, ist, dass
mein Mann aus diesem Felde lieraustrete, in der Hauptstadt Kama-kura, in den Distiücten
und Dörfern umherzielie und nach dem Aufenthaltsorte Toko-natsu's forsche. Ich habe
die Worte : Toko-natsu, geboren am fünften Tage des sechsten Monats des achten Jahres
des Zeitraumes Ten-bun, Tochter Kaja-zö's, eines Mannes des Dorfes Ko-tsutsumi, Kreis
Ni-i-kura in dem Reiclie Musasi, auf das gefaltete Papier des Flaumes der Neugebornen
und der Nabelschnur mit meiner Hand geschrieben und in den Zauberbeutel hineingelegt.
Hieran ist mein Kind zu erkennen. Der Auftrag, den ich hinterlasse, ist bloss dieses.
To in ko-e-mo faja iki-girete \ jai-ba-wo vuke-ba 1 tatd-matsi-ni moroku-mo tsiri-si kazasi-no
J'ana-to \ tomo-ni tsuju-kcki nade-si-ko-ica \ sini-oknrezi-to jb-jakn- \ ni tsitsi-no kata-ico mi-
kajeri-te \ kajesu-gajesti-vw ko-ga-no sato \ se-zi-rb misi-wo wasure-tamb-na. Waga koi-bito-wa i
^ (reö)-to nari-te : se-zi-rb inisi-no mi-ni soican-to \ no-tammvase-si koso tanomosi-kere. 8ara-ha
warawa-mo tsinami-um \ iiba-ga musume-wo mitsi-biki-te \ ^ SQ (sai-go)-no ^^^ ()ien)-tco
fato,sn-besi. Nawo negaiva^i-ki-ma naki-gara-^co \ fo-zi-rb nusi-to -^ ^ (gasso)-si \ tsikai-no
isi-ni ^ ^ (ßV'ß''[I'^ Ü" "^' {ß''9^') I .?e''«-w« todomete-taviaje-kasi. Tsami ito fukaki ^
ÜEE Xebel DER Klage. 147
koto nagara \ kono isi-no fotorl-jori j koto-nai'ic kasa-no fana-saka-ba \ icaraica-ga omoi-oku,
koto-no I munasi-karazti-to sirosi-mese. Jo-no musume-ra-cja itadzura-nl \ oja-no juncsanu Jen
musuhi-site \ tsui-ni sono mi-no ata-to nani \ tamesi-ni icare-ica fikarura-to-mo \ ima-sara
omoi-taje-gataki \ icotuko-ni ika-de ohiren.
Indem diese Worte ertünten, athmete sie bereits schwer und zog die Klinge heraus.
Mit der plötzlich welken und verstreuten aufgesteckten Blume zugleich wendete die
bethaute Nelke, um sterbend nicht zu verzagen, die Blicke zuletzt dem Vater zu und
sprach: Vergesset keineswegs auf den (Tcbieter Se-zi-ro aus dem Dorfe Ko-ga. Dass mein
Geliebter gesagt hat, er werde, wenn er ein Geist sein wird, sich dem Gebieter Se-zi-r«')
zuo-esellen, maa- Hoffnuna- erwecken. Indessen kann ich aucli die Tochter der mit mir in
Verbindung stehenden Amme auf dem Wege führen und den letzten Wunsch erfüllen. Um
was ich ferner bitte, ist, dass man meinen Leichnam mit demjenigen des Gebieters Fo-zi-ro
begraben und in den Stein des Eidschwurs unsere Namen der Vorschrift einmeisseln
]n(»M-e. Wenn bei der Schwere meiner Schuld zur Seite dieses Steines die Blüthe einer
verschiedenen Tflanze sich öffnet, so erkennet dai-an, dass dasjenige, was ich in Gedanken
habe, nicht vergeblich ist. Dass die Miidchen der Welt durch das eitle Knüpfen eines
Verhältnisses, in welches der Vater nicht willigt, zuletzt ilire eigenen Feinde werden,
als ein Beispiel davon mag ich angeführt werden, doch wie sollte ich jetzt wieder
hinter dem Manne, an den zu denken icli nicht aufhören kann, zurückbleiben?
lü kutsi-hlru-mo iro-gawari \ karete munasi-ki nade-si-ko-ni \ kal-naku sosogu tama-
midzx-no \ nokoru-ica oja-no namida nari. Faru-zumi-mo kore-kare-no \ nageki-wo luaga nü-ui
omoi-aioasi-te \ tsiuie-ica tonaje-nu ^ ^ (butsu-inio)-no | Hl, ö ^ (kuan-on-so)-mo ^ "[g;
(go-se)-no tarne \ keu-ica ine-ni tsuku zuzu-dama-ni \ naisu-no-mo aki-no kokotsi-si-tsn,. Toki-
nusi-ica fazime-jori \ tada naki-sldzumi-te i-tari-si-ga \ taje-kanete asi-zitrl-sl \ uiakura-he-ni
tatsi \ ato-he-ni jori-te j mnnasi-ki. kara-wo jiiri-itgokasi \ jci-jo nade-d-ko \ oja-ico isame
icotoko-ico sital \ tatsi-matsi-ni ^ ^ (zi-sas) si-tare-ba \ on-mi-ga misawo-wa tatsu-beki-ga \
ato-ni nokori-te iki-gai-naki I uki-ico ini-jo-to-no ^ ^ (ko-kö) nara-ba ! uresi-kn-mo omoioann.-
kasi. Jo-ni am ßto-no icakaki tokl \ majö-ni jasuki f^ ^ (zeo-jnkfij-ica \ omoi-iodomaru
tokc-mo are-do | oi-te-no itje-no ^ ^ (don-joku)-ica \ tsui-ni todomarit tokoro-iuo sirade
tori-ni-mo sikazarii tori-ta-ga ^ ^ (aku-gö).
Hiermit erblichen ihre Lippen, und das auf die verdorrte leere Nelke vergeblich
gesprengte Ueberbleibsel des Edelsteinwassers waren die Thränen des Vaters. Audi
Faru-zumi, dieses und das andere Leid sich in die Gedanken bringend, betete fort-
während. Die Kuan-on-Pflanze mit Buddlia's Namen erscliien der späteren Welt willen
]ieute vor den Augen als Iliobsthräne, das sommerliche Feld luitte das Gefühl des
Herbstes. Toki-nusi zerÜoss anfänglich nur in Tln-änen. Unfäliig, es zu ertragen und
ungeduldig, erliob er sicli auf der Kopfseite, stützte sicli auf die Fussseite, rüttelte den
todten Köi-per und sprach : ,0 Nade-si-ko ! Du ermahntest den Vater, betrauertest den Mann
und tödtetest plötzlich dich selbst. Deine Festigkeit konnte dui-chschnitten werden. Wenn
es ein Wandel der Aelternliebe wäre, bei welchem man sagte: O Kümmerniss, dass
man übrig geblieben und <las Leben nutzlos! so dürfte ich auch nicht freudig denken.
Bei der Begierde der Leidenschaft, in welcher die in der Welt lebenden Menschen in
ihrer Jugend leicht sich verirren, gibt es eine Zeit, in welcher man in seinem Begehren
innehält, jedoch über das Alter hinaus bei der Habsucht niclit inne zu halten wissen
und ilem Vogel niclit älmlich sein, war Tori-ta's böse Tluxt.'
19*
148
Pfizmaier.
Waga ko-ni-mo fadzurn koto o-o-kari \ sikam-ni o)i-mi-iva mkasi-kn-fc \ jo-no ivotome-
qo-ra-ga itadzuva-ioo j korasi-wosijuru kofo-no fasi-ni \ ßkare-mo .fen- \ to mi-wo fadzi-taru \
sore-ni-wa masi-te toki-^msi-ira \ ^; (jvku)-ni madoi-te mono-a-o kasume \ ^ (jo)-ni sira.'^ezi-to
omoje-domo \ ^ (ten) siri i^ (tsi) siri \ fito-mo siri \ tcare mata koko-ni omoi-sirn. l'bai-d
kane-ica san-fiakn-rib \ kore-jori nkvaka-ni ije-tvo tomasi-te \ mono-siru ßto-ivo kazu-to-mo sezu.
Takara-ni fokoru ^ fß (aku-f6)-nite \ ßto-nami-naini-ni mg^ire-taru \ mumme-iva fatatsi-no
uje-u'o kojezu | mi-dzukara jai-ba-ni fsuranukarurn-ico | todomen-to se-si te-zra ojohadc \ v}i-
tsntsu korosi-te nageki-tco viasu \ mina kakaru-heki @ (in) nari |^ (kna) nari. Osu-ni
osarenu hen-zai-ten-no \ 7^^ If, (zi-gen) kasikoki knsa-iw fana \ u-are kusa-icara-ni kane-ioo
jete I ima mata tama-fo umoi- ^ (g'^)-»o \ nade-si-ko-tvo kono kusa-imra-ni \ udzumete kajesn
mi-no aki-wa \ ^ t'Ä (<^i-^(') # ^ (toku-sitsu) nogarenu ]§ # (o-fö). Sikare-ha on-mi-wa
luaga ko-ni arazu \ hen-zai-ten-nio-no -)j fg (fu-hen)-nite \ toki-nusi-ga musume-to ^ i^
(ke-gen)-si \ ware-wo imasime | mata notsi-no | Ä' ^ A (fon-jnh'-hitoj-iro imasme-faino-ka.
Säte nani-to sen men-hokv nasi \ fadzi(kawasi-ja.
,Auch im lueinem Kinde war vieles, das ihm zur Schande gereiolit. Indessen war
sie verständig, und sie wäre duri-h die Brücke der Worte, welche junge Mädclien der
Welt vor Leichtsinn warnt und sie belelirt, geleitet worden. Mehr noch als in dem,
was ihr zur Schande gereichte, verii-rte sich Toki-nusi in Habsucht und raubte Gegen-
stände. Ich glaubte zwar, dass ich es die Welt nicht wissen lassen werde, doch der
Himmel weiss es, die Erde Aveiss es, die Menschen wissen es, und auch ich erkenne es
hier in Gedanken. Das geraubte Geld, dreihundert Tael, dadurch bereicherte ich plötzlich
das Haus und aclitete die einsichtsvollen Menschen für nichts. Zur Vergeltung des
Bösen, dass ich auf die Schätze stolz war, wurde die alle anderen Menschen übertreffende
Tochter, ehe sie zwanzig Jahre überschritten hatte, durch ihre eigene Hand von der
Klinge durchbohrt. Dieses sehend, indem die Hand, Avelche im Begriffe war, sie abzu-
halten, nicht ausreichte, tödtete ich sie, vermehre die Klage. Dieses alles ist die bevor-
stehende Beziehung, ist die Frucht. Die Offenbarung der durch Drängen nicht zu
drängenden Göttin Ben-zai-ten Avar die Blüthe der ehrwürdigen Pflanze. Ich fand auf
der Pflanzenebene Geld, jetzt wieder grabe ich das als Edelstein erbetene Kind Nade-
si-ko auf dieser Pflanzenebene ein. Dafür sind in meinem Herbste Blühen und Ver-
dorren, Gelingen und Fehlschlagen die nicht zu vermeidende entsprechende Vergeltung.
Doch vielleicht ist sie nicht mein Kind. Vielleicht hat die Göttin Ben-zai-ten sie durch ihre
Kunst in die Tochter Toki-nusi's verwandelt, hat mich gewarnt und auch die späteren
Ju^bgierigen Menschen gewarnt. Ich habe keine Ehre, die ich irgendwie erwerben
könnte, ich bin beschämt ! '
To kuri-kajesu \ midare-no su-e-no ito nagaki ] \^ \% [san-gc)-ni toki-tcci, titsusi-keri .
Kakii-te ara-heki-ni arane-ha \ far/i-zinni-u-a \ siri-ivo kake-laru kuize-wo fanarete \ sagi-sitke-
ra-ni me-kuhase-si j ^ i% (sin-sevj-wa kotowari nare-domo | si-si-taru mono-ivo ika-hakan
nageke-ha tote kajeru-ni arazu. Omoje-ba in-gua-wo warir-kn-gai ' si-de-m ta-trosa-no fototogisu-mo
kajeru-ni sikazu-to ima-zo nakii. Oja-ko-ni ^ ^ (ßhf'O-'"^ I «'« kataki | ßutari-no ^ i
(se-siu)-ni \ mi-tari-no naki-gara \ keßuri-to nasi-te moro-tomo-ni | nrami-ioo sutsurii tsikai-no
isi-no I ßotori-vi kore-tvo i^ ^ (mai-sü)-seii \ ika-ni f<orh tori-ta mi,si-to ßagemasarete toki-
misi-iva I jo-jaku-ni mi-wo okose-ba | mgi-suke to-roku sai-ßatsi-i-a-mo \ snri-akame-taru oni-no
m.e-ni \ tsnßi-no natsn-gusa ßana-utszt-gi-zco kai-i-atsmnc-t-vt.s/i ^ ^ {da-bi)-nr site mi-tan-ga
.<i-(/ai-iro kofiiri-to nasi \ isi-no moto-ni-zo ßomnri-kern.
Dee Nebel dek Klage. 149
So die Worte zurückdreliend, verbrachte er mit verwirrten Bekenntnissen von selir
langer Spitze die Zeit. Da dieses nicht so sein sollte, trennte sich Faru-zumi von dem
Baumstumpfe, auf welchem er sass, richtete auf Sagi-suke und die Anderen die Augen
und sprach : Trauer und Schmerz sind zwar berechtigt, doch wenn man die Todten nocli
so sehr beklagt, so findet dabei die Rückkehr nicht statt. Wie ich glaube, bezieht sich
auf Strafe für böse Thaten die gespaltene Haarnadel. Auch der Feldälteste des Todes-
himmels, der Kuckuck singt jetzt: Am besten ist heimkehren! Es handelt sich um
Vater und Kind, um Mann und Weib, um zwei feindliche Vorsteher der Opfergabe.
Wenn man die drei Leichname zu Rauch machen luid neben dem Steine des Eidschwurs,
wo wir Alle zusammen den Hass aufgeben, begraben würde, was sagt ihr dazu, Ge-
bieter Tori-ta? — Toki-nusi, mit diesen Worten aufgefordert, erhob sich mühevoll.
Sagi-suke, T6-roku und Sai-fatsi, die Dämonenaugen durch Reiben geröthet, indem sie
die bethauten Sommerpflanzen und die blühenden Deutzien schnitten und häuften, machten
durch das Da-bi (Verbrennung) die drei Leichname zu Rauch und begruben sie an dem
Fusse des Steines,
Sono toki fudzi-saka faru-zumi-ica \ fo-zi-rh-ni i-tsuke-taru | satsu-ja-ico faka-no fotori-ni
täte I mata tsuku-dzuku-to mi-kajeri-te \ makoto-ni ina-kl fo-zi-ro-wa \ ata-ni-wa are-do atara
loaka-mono \ ima-ioa-no ^ '|'^ (i-konj omoi-jaru | 'ware-mo tosi-goro oki-icaka-maro-no |-o?(-
ari-ka-wo tadzume-tate-matsurl \ o-o-tsuki-gata-no tatsi-wo kajesi-ma-irasen- \ to omoi-nagara j
tnhi-dzi-ni motarasti kate na-kere-ha \ amata-no tosi-ivo itadzura-ni \ suguse-ba ^ ^ (fu-
tsin)-ni ni-fari. Waga ^^ ^ (sikv-si) dani fatasi-na-ha \ go-fen-ga ototo-ni na-nori-ai-te |
isagijoku utare-mo sen \ ta-mnke-wa kore-ni masu mono aran | o-to-mo kajeranu koto nagara \
go-fen-no tAitsi-yii joko-sima-naku-tva | loare-mo go-fen-mo inoro-tomo-ni \ bgi-ga jatsit, dono-ni
tsukajete \ ^ ^ (sih-kun)-no tame-ni sutsu-heki inotsi-ioo \ icatakusi-no urmni-ni jotte \ ßki-
kata-midce-si jumi ja-no ig; j^ (i-dzi). Mukasi-ioo toje-ba JIJ ^ (fö-j^V'''^'-' 1 '"'«»'?" kasane-sl
1^ it (do-si)-utsi-wa \ ^ ^ (fß-'>^^) ^^'^.s-o fito-no fodasi nare.
Um diese Zeit stellte Fudzi-saka Faru-zumi den Jagdpfeil, den er auf Fo-zi-'rö
geschossen hatte, neben dem Grabe auf. Ferner blickte er ernsthaft zurück und sprach :
Ina-ki Fo-zi-ro ist zwar in Wirklichkeit ein Feind, doch er ist ein bedauernswerther
jungei' Mann. Auch ich, der ich des ererbten Hasses gedenke, bin seit Jahren willens,
den Aufenthaltsort Oki-waka-maro's zu suchen und ihm das Schwert dei- grossen Mond-
gostalt zurückzugeben, doch da ich für die Reise keinen Mundvorratli erhalten habe,
verbrachte ich fruchtlos viele Jahre, es hat Aehnlichkeit mit Unredlichkeit. Wenn ich
meinen lange gehegten Vorsatz ausgeführt habe, werde ich eurem jüngeren Bruder den
Namen nennen und auf ehrenhafte Weise getödtet werden. Das Handopfer wird dadurch
vermehrt sein. Selbst wenn icli zusammentreffe, abei* nicht zurtlckkehre, wenn an eurem
Vater keine Verderbtheit wäre, würden ich und ihr zugleich dem Herrn Ogi-ga jatsu dienen
und für den Vorgesetzten und Gebieter könnte das Leben hingegeben werden. Li Folge
selbstischen Hasses besteht die Stimmung der gespannten Bogen und seitwärts geneigter
Pfeile. Fragt man nach der vergangenen Zeit, so mag bei dem Tödten der Genossen,
welche den Hass zwischen Freunden wiederholt haben, das Recht die Fessel der
Menschen sein.
I-i-ts?itsu ma-hiita siba-tataki \ fo-zi-rb-ga katana-ni tstike-taru \ kata-ivare-no ku-gai-ico [
iraga ko-gai-ni jose-awasi-te \ mata amata-tabi tan-soku-si \ toki-nusi kore-ivo mi-tamajeri-ja.
Fito-txn-ni jori-si ku-gai-ivo \ futa-tabi icakatsi-te farn-znmi-ga \ fana-muke-ni ma-ira-m-besi.
250 pFIZMAlER.
Go-fen ko-(/a-je omonmki-tamawa-ba \ kono kata-u:are-no kb-(jai-ico | ina-ki-ija ofoto-ni /ui'a.si-
tamaje. Kono fototogisu-no kata-icare-wa | sude-ni ivaga kata-ni, ari. Kata-mi-iii kawo-ico
mi-sirane-ba \ kore-wo wari-fu-ni na-nori-ai-ie \ ^ ^ (seu-hu)-wo kes.vini. tokt-mo aru-hesi.
Ina-kl-ga tsitsi-no dzi-bu-/ei-ica \ icaga tame-ni oja-no ata \ mata faru-zumi-wa se-zi-ru-ga j
tame-ni-ica ani-no kataki nari. Utan-to nara-ba | utare-riio sen \ icosimu inotsi-wa ^ ^
(tsiii-gij-no tarne \ kono josi t.mbara-ni tsutaje-tamaje.
So spreclieml. nickte er mit den Augen, und indem ci- die an das Schwert Fo-zi-ro's
befestigte eine Hälfte der gespaltenen Haarnadel an die eigene Haai-nadel fügte, seufzte
er wieder mehrmals und sagte: Toki-nusi, seht ihr dieses? Die zu einer einzigen zu-
sammengelegte Haarnadel muss man wieder trennen und sie Faru-zumi zum Geschenke
maclien. Wenn ihr nach Ko-ga gehet, so gebet diese eine Hälfte der gespaltenen Haar-
nadel dem jüngeren Bruder Ina-ki's. Diese eine Hälfte des Kuckucks gehört bereits
mir. Wenn wir uns gegenseitig von Angesicht kennen lernen, mache ich sie zum Ab-
schnittsrohr, ich nenne den Namen, und es wii-d die Zeit sein, um über Sieg und Unter-
liegen zu entscheiden. Dzi-bu-fei, der Vater Ina-ki's, ist für mich der Feind des Vaters,
ferner ist Faru-zumi für Se-zi-r(> der Feind des älteren Bruders. Wenn ich tödten werde,
mag ich aucli getödtet werden. Wenn ich das Leben schone, ist es um der Redlichkeit
willen. Theilet diese Sache ausführlich mit.
To nengoro-ni toki-simesi-te \ kano ko-gai-ico icatase-si-ka-ba \ toki-nusi fukaka ^ f|jc
(knn-geki)-si \ kokoro-je-soro fudzi-saka-ndzi \ go-fen-ica jo-ni-mo mare-naru ^ it (gisi)
nari. Mata-gataki-iitsu-ica g ^ (kokka)'no j^ %\\ (kin-zei). Utaru-beki mi-ni arazu-to
ije-domo \ fo-zi-ro-ga ^ ;\!> (kö-sin)-ivo \ ito-u-osimi-te-no ^ ^ (kekkö) nara-ba \ kano
f-e-zl-ro-ni kono josi-wo \ tsugete kb-gai-wo torasu-besi. Nawo katarh-heki koto-mo are-ba \ tvaga
|§ fJX (sihhi-sio)-je omomuki-tamaje tote \ mame-jaka-ni izanh-ni-zo \ faru-zumi-wa ikv-tabi-ka
kore-KO inarnn-ni jurusarene-ba \ jamu koto-ico jczu | tomonawarete | ta-fa-gaiva-no safo-je
omomuki | tori-ia-ga ije-ni todornerarete \ itsu-muju-ka-wo sugusu fodo-ni \ naki-bito-bito-no \
^<]J (sio)-nami-ka-no ^ ^ (tai-ja)-ni nari-nu.
So erklärte und bezeichnete er sorgfältig und übergab jene Haarnadel. Toki-nusi
war sehr ergriffen und sagte : Ich verstehe es. Ihr von dem Geschlechte Fudzi-saka
seid ein Kriegsmann von einer in der Welt seltenen Gerechtigkeit. Nochmals einen
Feind tödten, ist in den Reichen und Häusern verboten. Es gibt zwar Niemanden, der
getödtet werden dürfte, doch wenn es rühmlich ist, von dem älternliebenden Sinne
Fo-zi-rö's gerüh]-t zu sein, werde ich jenem Se-zi-ro die Sache melden und ihm die
Haarnadel einhändigen. Da wir noch Mehreres zu besprechen haben, so tretet den Weg
nach meiner Behausung an. — Hiermit gab er ihm aufrichtig das Geleite, Faru-zumi
weigerte sich mehrmals und Hess es nicht zu. Doch man konnte nicht davon abstehen,
und er ging, von ihm begleitet, nacli dem Dorfe des Flusses von Ta-fa. In dem Hause
Tori-ta's zurückgehalten, verbrachte er daselbst fünf bis seclis Tage. Es Avar jetzt die
Nacht vor den ersten sieben Tagen der Tödten.
Kaku-te toki-nusi-wa \ kono ß .# (ko)-fana-tcn ia-mvken tote \ asa toku oki-te \ ko-ie-
san-bara-je juki-te miru-ni \ inuru fi fudzi-saka faru-zumi-ga \ tsikai-no isi-7ii jose-kakete \
-j- X^ (do-tsinj-je sika-to sa-n-tari-keru \ satsu-ja-jori me-u-o idasi-te \ koto-naru fana saje
saki-taru-ga \ na'dc-si-ko-ni'ni-te sono fana-iva \ ^ Hl (ßi-to) M M (ren-rij-no katatsi-wo
nnsi I ka.sanari-te koso saki-ni-kere.
DiK Nebel DKK Klage. 151
Toki-nusi wollte au diesem Tage das Handopfer der wohlrieclienden Blumen bringen.
Er stand am Morgen frühzeitig auf und ging auf die Ebene Ko-te-sasi. Daselbst sah
er, dass aus dem Jagdpfeile, welchen an dem vergangenen Tage Fudzi-saka Faru-zumi
dicht an dem Steine des Eidsohwures in die Erde gesteckt hatte, eine Sprosse hervor-
gekommen und eine eigenthümliche Blume völlig aufgeblüht war. Einer Nelke ähnlich,
liatte diese Blume die Gestalt zweier zusammengewaclisener Häupter und mochte doppelt
erblidit sein.
Toki-nusl-iva kore-iou mite \ fainot.si-krme-tari'. sode-'no ame-ico \ koiw fana-hira-je fari-
sosugl I satc-wa vmsume nach-si-ko-cia \ ^f^ ^ (rin-ziti)-no -^ '^^ (siii-nen)-nite \ ima kono
f<ina-i€0 misuru naran. Makotv-ni mono-iio ^ (reö)-ant kofo | kore-tco simcsa-ha lare-ka-wa
si-in. Fana-no katatsi-ica ^ ^ (fü-fu)-ni ni-tari. Kaku-made omo mvko-gane-ni \ tada
jito-josa-no soi-busi-mo j sasaz/i sasemo-ga tsujii-fidcaki kusa-no fara-naru nade-si-ko-no \ fana
iiKmo-lwane-do iro-ni ide-si | notsi-no jo itudo obotguka-7m-''i. ^R ^ (Nio-rai) y^ ^ ()ie-
fanj-'wo |§ (seö)-tu site \ ■nagaku. ^ ^ (seö-si)-ni tatsi-tamh. Moi^i ma-gokoro-ni kikv,
toki-iva I M -g; ^ (mu-rib-raku)-ii-o "^ ^ (zio-iuku)-sen- \ tu toki-tamai-m-si -f^ ^
(dai-dzi) |j^, ;\j> (ß-dn). Tanomu-ica mi-da-no tsikai-no isi \ vüt.^i-biki-tamaje ^ ^ tIl
(zm-rw-kiih) lui-mu a-vii-da-hitsu- \ to -^^ (nen)-zi-tmtsii ^ f^ (cd-zeö) koko-ni ijantasi-tari.
Als Toki-nusi dieses sah, besprengte er mit dem liegen des Aermels, den er nicht
festhalten konnte, diese Blüthen und sprach : Meine Tochter Nade-si-ko wird durch den
in der Todesstunde festen Sinn jetzt diese Blume zum Vorschein bringen. Wenn wirklich
die Geistigkeit der Dinge dieses kundgibt, wer wird dann unwahr reden? Die Gestalt
dei- Blume hat Aehnlichkeit mit Mann und Weib. Die Blüthe der auf der Ebene der
stark bethauten Pflanze des Beifusses wachsenden Nelke, dem in einem solchen Maasse
geliebten vorläufigen Eidam das Zusammenliegen eines einzigen Abends nicht ver-
schliessend, spricht zwar nicht, jedoch die in die Farbe getretene spätei'C Welt ist sehr
ungewiss. Nio-rai macht die ^'ernichtung zum Beweise, ewig durch Leben und Sterben
schneidet er ab. Wenn man reinen Sinnes hört, ist das grosse Wohlwollen, das mitleidige
Herz, welche erklärt haben, dass man die unermessliche Freude beständig erlangen
wird. Um was ich bitte, ist, dass Mi-da durch den Stein des Eidschwurs der Führer
auf dem AVege sei. O ermessender (irlanz der Langjährigkeit, Namu Amida Buddha! —
Indem er so betete, wurden Traurigkeit und Leid hier immer grösser.
Muko-gnne ,vorläufig Eidam' ist ein Wort wie kisaki-gnne .vorläufig Kaiserin', d. i.
zui" Kaiserin bestimmt sein.
Sare-ha kono fana tosi-goto-ni \ isi-no fotori-ni oi-idete \ sono kazu o-oku nari-si-ka-ba |
^ ^15 (f^^-'-fi) iM. ^ (en-kinj-ni ^ ^ (seö-kuan)-si \ isi-ni tsuki \ take-ni jori-te \ oi-some-
tarii fana nare-ba \ ^ 'Ys (»cki-tsiku)-to-zo nadzuke-taru \ kore-jori-site notsi-notsi-made \
seki-isiht-to in toki-wa | nade-si-ko-bana-no ^ ^ fi-iaecij-to-sn \ köre _ kono koto-no moto
naru-besi.
Indessen wuchs diese Blume jedes Jahr neben dem Steine hervor und als sie in
grosser Anzahl vorhanden war, machte man sie in den Hauptstädten und Landstädten,
nahe und fern zum Geschenke imd hatte an ihr Freude. Da es eine Blume war, welche
im Beginne ihres Wachsthums sich an Steine heftete und an Bambus stützte, gab man
ilir den Namen , Steinbambus'. Dass man seitdem in einer viel späteren Zeit ,Steinbanibus'
sagte und dieses als einen verschiedenen Namen für Nelke betrachtete, wird hierin
seinen Grund liaben.
15-J Pfizmaiek.
Dei^ Schlamm des Weges.
Kaku-te tori-fa toki-nusi-ica \ sono fi ko-te-sad-bara-jori \ kura go-ru farn-zumi-icu tomonai-
kajeri-te \ nengoro-ni kore-u-o motcnasi \ tsui-ni itsu-muju-ka kore-wo todome | nade-si-ko-ra-ga
^JJ (sio)-nnnu-ka-m \ ^ BflJ (fö-sij-tcu maneki-te ^ (kiu)-wo jumasi | toki-nusi sunnwatsi
^ M (ziu-kai)-site \ JÜ ^ (d7Mie) A M, (niü-dÖ)-si \ ^ ^ (meu-ku)-U> ^ ^
fo-mibj-su.
Tori-ta Toki-nusi kehrte an jenem Tage von der Ebene Ko-te-sasi mit Kii)-a Go-r6
Faru-zumi zurück. Er bewirtliete ihn freundlich und behielt ihn dann fünf bis sechs
Tao-e bei sieh. An dem ersten siebenten Tage nach dem Tode Nade-si-ko's und der
Anderen lud er einen Bonzen zu sicli und liess die heiligen Bücher lesen. Toki-nusi
empfing hierauf die Gebote, entsagte der Welt, betrat den Weg und führte den Kloster-
namen Meö-kü.
Kono fi. toki-nusi fo-si-wa \ kane roku-fiuh(.-rib-wo tori-te \ kore-wo faru-zumi-ga fotori-ni
oki-narabe \ soregasi mukasi fagi-hiho-nite \ kasume-tottani sanfiakkin-iva \ go-fen-je kajeru-
beki kane nari. Sikare-ba ima \ -sono san-fiakkin-ico kajesi-ma-irasuru nari. Mata betsi-ni
san-fiakkin-ica \ sunawatsi mih-kü-ga vj^ ;^, (sun-si) nare-ba \ uke-osame-tamaje-to ii%. Faru-
zumi kiki'te kobe-ivo utsi-furi \ soregasi mukasi dzi-bu-fei-ni \ san-fiakkin-wo nusumi-torare-
fare-domo \ dzi-bu-fei-ga utare-si toki \ ^ ^^ (hiai-tsiüj-si-taru sanfiaku-rio-tüa \ sato-mi-
^ (ke)-no ^ ^ (jö-kin) naru josi \ fo-zi-rh-ga mono-gatari-ni kikeri. Sikare-ba kudan-no
san-fiakkin-ii-a | dzi-bu-fei-ga kane-ni arazn. Dzi-bu-fei-ga kane narazu-ica \ fartt-zumi ika-
de-ka kore-wo toru-beki. Sika-ica are kau« dzi-bu-fei-ica \ nusn.mi-tottaru kane-wo mote
sato-mi josi-firo-nu ^ ^ (7^6-sinJ-ni f^ (jen)-wo motome > tsui-ni kano ije-ni tsukaje-tare-ba
josi-ja sato-mi-no hme-ni-vio are \ -j^ ^ (tai-k6)-wa ^0 ^ (sai-kin)-iuo kajeri-mizu. Sikara-ba
moto-no san-fiakkin-wo tike-osamete \ j^ ^ (ko-sijü)-no % ^ (sen-doj-wo mi-tate-matsuru
tasuke-to su-besi. Kono ^ (jo)-no kane-wa ßto-fira nari-to-mo | uke-gatasi.
An diesem Tage nahm der Bonze Toki-nusi sechshundert Tael Goldes, legte sie
vor Faru-zumi in Reihen und sprach: Die dreihundert Kobang, die ich einst in der
Weiderichvertiefung raubte, sind das Geld, das ich euch zurückgeben muss. Somit gebe
ich jetzt die dreihundert Kobang zurück. Da die ferneren dreihundert Kobang ein
kleines Andenken von Seite Meo-kü's sind, so nehmet sie an. — Als Faru-zumi dieses
hörte, schüttelte er das Haupt und sprach: Ich habe aus dei- Erzählung Fo-zi-ro's ent-
nommen, dass, obgleich durch Dzi-bu-fei dreihundert Kobang geraubt wurden, zur Zeit
als Dzi-bu-fei getödtet wurde, die in seinem Busen befindlichen dreihundert Tael das
von dem Hause Sato-mi verausgabte Geld gewesen. Somit sind diese dreihundert Kobang
nicht das Geld Dzi-bu-fei's. Wenn sie nicht das Geld Dzi-bu-fei's sind, ,wie könnte
Faru-zumi sie nehmen? Da jedoch Dzi-bu-fei mit dem geraubten Gelde bei dem alten ji
Diener Sato-mi Josi-firo's eine Verbindung gesucht und dann in jenem Hause gedient
hat, so mag es immerhin das Geld Sato-mi's sein, bei grossen Verdiensten sieht man
nicht auf kleine Flecken. Unter solchen Umständen werde icli die ursprünglichen drei-
hundert Kobang annehmen und daraus eine Beihilfe machen, um den früheren Weg des
vormaligen Vorgesetzten zu sehen. Das Geld, welches darüber ist, sei es aucli ein
einziges Stück, kann ich unmöglich annehmen.
Tote inami-si-ka-ba \ toki-nusi fo-si mata iü jh \ soregasi ima-wa \ jo-wo sutete takara-ni
^ ijö) nasi. Sare-ba tote ju-e-naku site \ kore-u-o go-fen-ni ma-irasu-ni arazu. Mukasi
Der Nebel der Klage. 153
fagi-kubo-no kusa-mura-je \ sute-tari-si J^ (tsi)-tsuki-no sai-fu-wo \ ^ ^ (zi-jo)-no ßtu-ni
firaicare-na-ba | tatsi-matsi-ni tsumi u-be-kmH-si-ni | go-fen kore-ico tori-te kosi-ni tsuke-nagara \
tajete fito-ni tsiigezaru ju-e-ni \ waga kbbe-wo-ba tsugi-taru nari. Sude-ni kudan-no sai-fu-
ico-ba I ko-te-sasi-bara-nite | nanigasi-ni nage-atajerare-tare-ha | ima betsi-ni ma-irasvrii \ san-
fiakkin-ica sai-fu-no siro nari. Magete osame-tamaje.
Mit diesen Worten weigerte er sich. Der Bonze Toki-nusi entgegnete : Icli habe
jetzt der Welt entsagt und kann die Sehätze nicht brauchen. Uebrigens biete ich euch
dieses nicht ohne Ursache an. Wenn der blutige Geldbeutel, den ich einst in das
Pflanzendickicht der Weiderichvertiefung warf, von einem anderen Menschen aufgehoben
worden wäre, so hätte ich plötzlich ein Verbrechen auf mich laden müssen. Doch weil
ihr ihn nähmet, an die Hüfte heftetet und es den Menschen durchaus nicht sagtet, habt
ihr mir mein Haupt an den Leib angesetzt. Da bereits dieser Geldbeutel auf der Ebene
Ko-te-sasi mir zugeworfen wurde, so sind die dreihundert Kobang, die ich jetzt besonders
anbiete, der Preis des Geldbeutels. Seid so gefällig, sie zu nehmen.
To ije-ba \ faru-zumi futa-tabi kobe-wo furi \ josi-ja gb-fen-nl tsumi ari-to-mo \ ^ "^
(seö-bat.suj-ico waga icatakusi-ni \ tori-mo okonb-beki-ni arnzu. Sikaru-ni sono ^ (ß)-wo
kakuse-si tote \ ima-sara amata-no kane-tvo tora-ba \ waga tsumi go-/en-7ii kofo-narazu.
Kore-wa ^ (kes) si-te vke-gatasi tote | siba-siba susumure-domo \ tsid-ni ukezxi.. Ware-mo
mata naki-bito-no faka-ma-iri-site | fi-narazu kono j^ (tsij-wo ka-sima-datsi-si \ J^ ^ (ko-
sijü)-no ari-ka-wa tadzunen tote \ niwaka-ni aruzi-ni xvakare-wo tsugete ko-te-sasi-bara-je-zo
kajeri-keru.
Faru-zumi schüttelte nochmals das Haupt und sagte: Gesetzt, ihr seid eines Ver-
brechens schuldig, so darf ich Belohnung und Strafe mir nicht besonders vorbehalten.
Wenn ich also, weil ich das Unrecht vei'borgen habe, jetzt wieder vieles Geld empfinge,
wäre meine Schuld von der eurigen nicht verschieden. Es ist durchaus unmöglich,
dieses anzunehmen. — Wie oft ihn Jener auch nöthigte, er nahm es schliesslich nicht
an. Indem er aus eigenem Anti'iebe das Grab der Todten besuchte , bracli er nach
wenigen Tagen von dieser Gegend auf. In der Absicht, den Aufenthaltsort des früheren
Vorgesetzten zu suchen, meldete er plötzlich dem Gebieter des Hauses die Trennung
und kehrte nach der Ebene Ko-te-sasi zurück.
Kaku-te mata toki-nusi fö-si-wa | tsumi-takmcaje-farn ^ ^ (kin-sen) ^ ^ (ka-zai)-wo |
koto-goto tori-idete \ "^ ^^ (nu-fi)-ni wakatsi-torasi | mata sato-bito-nu madzusi-ki-ni torasi j
nawo amareru-wo-ba | kawara-i | nade-si-ko | fo-zi-ro oja-ko \ kazasi-ra-ga bo-dai-no tam,e-ni \
tera-dera-je ^ |i^ (fu-se)-si-taru-ga \ otona sagi-suke-ni-wa \ fatsuka-ni kane go-rio-wo torase-
si-ka-ba \ sagi-suke kore-wa ^ ^ (fu-soku)-site ukezu | jatsugare-wa \ koko-ni ma-iri-tsukaje-
si-jori \ fata-tose-ni tsikasi. i'Sika nomi narazit. \ tosi-goto-ni -JH ^ (bin-gi)-iüo kangaje ^te-
tsukuri-wo uri-idasi-te \ ^ (sijü)-no zeni-bako-wo nigiwasi-tarto \ mina jatsugare-ga ^ (ko)
naru-ni \ mono-tamawaru-ni ujobi-te-ica \ — • ^ (ikki) ^ ^ (fan-ki)-ni de-kawari-suru |
■wonna-domo-ni-mo itaka otoreri. Ko-wa tatcbre-iva tamb-ni-ja \ kokoro-je-gatnsi.
Ferner nahm der Bonze Toki-nusi das aufgehäufte Geld und alle Güter des Hauses,
trat heraus und vertheilte es unter die Knechte und Mägde. Er gab es ferner den
armen Menschen des Dorfes. Was noch übrig blieb, schenkte er um des Seelenheiles
Kawara-l's, Nade-si-ko's, Fo-zi-rö's sammt dessen Vaters und Kazasi's willen den Klöstern.
Dem ältesten Knechte Sagi-suke gab er kaum fünf Tael Goldes. Sagi-suke war damit
nicht zufrieden. Er nahm es nicht an und sagte murrend : Dass ich hier in den Dienst
DenkscLritten der phil.Oii-t. Cl. XXVI. Bd. 20
J54 PfIZ MAIER.
getreten bin, sind nahezu zwanzig Jalire. Ausserdem passte icli jedes Jahr auf die
o-eleo-ene Zeit, verkaufte das Haustuoh und brachte Leben in die Geldkisten des Ge-
bieters. Während dieses alles mein Verdienst ist, stehe ich, wenn es zum Beschenkt-
werden kommt, den Weibern, welche einen letzten Monat, einen halben letzten Monat
für Andere eintreten, bei weitem nach. Machet ihr da einen Scherz? Es ist mir unbe-
greiflich.
To tsubujake-ha \ Inki-imsl fo-si aza-warai \ nandzi-ga saki-ni \ kaiimra-i-ga i^i ^
(wo-si)-se-si ^ (jo) \ ßto-tsu nse-taru fitsu-no naka-ni-iva \ te-tsukuri "g" ^ (ßakii-tanj-vo \
ire-oki-taru josi-wo i-i-taru-ga \ faru-zumi kazasi-ga id tokoro \ kore-ni kotu-nari. Mina köre
nandzi-ga itsmoari-nite \ ^ (sijii)-no niö-ho-no j^ ^ (ivo-si)-ni jori-te \ rnino fiaku-tan-ioo
tratakusi-se-si-ioo | faja n-asurete-zo aran-zuran. So-mo-so-mu nandzi-ga ^L ^ (si-jvkv)-)tn
o-o-karii \ kano nnno fiaku-tan nomi-ni arazu. Sikara-ha kono go-rih-no kane-tno )^ ^
(kua-bun) narazu-ja \ kaku-te-mo nawo nkezaru-ka \ ito P% ^ (wo-ko) nari- : to i-i-korasarrtv
sagi-suke-ioa kotbru-ni kotoha-naku \ kbbe-ico kaki \ fitai-ioo nade \ nama-zi-i-ni osi-modose-si ^
kane-wo nezumi-no fiku gotokn \ jb-jaku-ni kaki-josi-te | tafsu siwo-mo naku makade-keri.
Der Bonze Toki-nusi hohnlachte und sprach: Du sagtest früher, dass du in der
Naclit, in welcher Kawara-I eines gewaltsamen Todes starb, in einen abhanden gekom-
menen Kasten hundert Stücke Haustuch gelegt habest. Die Aussagen Faru-zumi's und
Kazasi's lauten davon verschieden. Dieses alles waren Lügen von dir. Aus Anlass des
gewaltsamen Todes des Weibes des Gebieters hast du dir hundert Stücke Tuch zugeeignet.
Du wirst dieses schon vergessen haben. Deine vielen Begehrlichkeiten beschränken sich
nicht allein auf diese hundert Stücke Tuch. Sind somit auch diese fünf Tael Goldes
nicht ein Uebriß-es? Also nimmst du es noch immer nicht an? Es ist lächerlich! —
Auf diese Vorwürfe hatte Sagi-suke kein Wort der Erwiederung. Er kratzte den Kopf,
strich die Stirne und nachdem er das unwillig zurückgeschobene Geld gleich einer
Ratte, welche etwas wegzieht, endlich zusammengescharrt, ging ei-, in seinen Erwartungen
getäuscht, fort.
Saru-fodo-ni \ toki-nusi fo-si mib-kü-iöa \ fo-zi-rb-ga fawa-to ototo-no \ madzusi-ki-wo
sukuiüan tame-ni \ nokori-si kane-ivo futokoro-ni site \ niioaka-ni tabi-no josoivoi-wo totonoje \
oi-wo se-oi ] ^ (siahtj-tuo fisage \ waga ije-iw-ba \ to-mo kaku-mo si-tamaje- \ to mura-osa-ni
kikoje-oki-te \ tsugu-no fi kado-ide-si-tari-si-ka-ba \ tosi-goro kage-tvo kbmnri-tam \ ^ ^
(nu-ß)-ra-wa sara-nari \ sato-no ^ ^ (rd-niakii) wakare-wo icosimi-fe \ kore-u-o okuru mono
o-o-kari.-keri. So-ga naka-ni sagi-suke-iva \ itaku aruzi-ni i-i-korasarete \ fatsuka-ni kanc
go-rih-iüo je-tari-si-ka-ba \ sikiri-ni urami-iki-dotvorzi-fo ije-domo \ ivaga mi-no kusnsa-rn
kntsi-wo tsugumi-te \ o-me-o-me-to tatsi-ide-si-ga \ toki-nusi-wo-ha mi-mo oknrazu.
Der Bonze Toki-nusi, genannt Miö-kü, nahm jetzt, um der Mutter und 4em jüngeren
Bruder Fo-zi-ro's, welche arm wai-en, zu Hilfe zu kommen, das übrige Geld in den
Busen und traf plötzlich die Vorbereitungen für die Reise. Auf dem Rücken den Trag-
korb tragend, an dem Arme den Zinnstab tragend, hinterbrachte er dem Aeltesten des
Dorfes die Worte : Verfahret so oder so mit meinem Hause. Als er am nächsten Tage
auszog, bedauerten nebst den Knechten und JMägden, welche durch Jalire seine Wolil-
thaten empfingen. Alte und Junge sein Scheiden, und diejenigen, die ihm das Geleite
gaben, waren viele. Unter ihnen war Sagi-suke, da er von dem Gebieter mit heftigen
Vorwürfen überhäuft worden und kaum fünf Tael Goldes erhalten hatte, fortwährend
von Hass erfüllt und aufgebi-acht, doch bei seiner Verderbtheit den Mund verschlossen
Dee Nebel der Klage. 155
haltend, begleitete er, indem er verblüfft hervortrat. Toki-nusi niclit einmal mit den
Blicken.
To-i'oku I sal-fatsl-ica | ß-goro ^ ^ (do-ki) ai-motomete | kokoro-zanut wara-id oturazii \
Itaku figami-taru mono nare-ha \ fisoka-ni kore-ra-ico katarai-josi-te | säte iü jo | ono-ono-mo
siru gotoku \ icare-wa tori-ta-no otona-nite | fata-tose tsikaki ^ ^ (kiii-kö) koso are | tsujit-
hakari-mo 3^ ^ (fu-gi}-no okonai-nasi. Sika7m-ni ^ (sijü)-no fo-si-wa | ^ ^ (.f"'-'.ß')-ni
jotte ije-wo tomase-si-ni \ kajette ware-wo ^ ^ (fu-gi)-to slte \ fatsuka-ni kane go-rio tor<isi-
tari. Ito ivari-nasi-to omoje-domo ^ (sijü-)ni ßku-beki jwmi-no na-kere-ha \ ja-take-gokoro-tvo
osi-sidzumete \ tajete tarazaru kawo-ico sezu. Fifo-ni-wa fotoke-to iwarure-du | "^ ^ (Aan-
motsaj-no sttkuna-kere-ba | nani-ico moto-de-ni \ nariicai-ico fazhnu-beki \ wa-nami-no josu-ga-
naki-ni tsukete-mo | tada netamasi-ki-ica \ kaja-zh-no kura go-ro farih-zimni nari. Si-jaUn-ica
waga ^ (sijiX)-no nio-bo-wo korosi-nagara \ kajette icaga ng (sijü)-ivo nonosiri \ takeku-mo
semari-te \ ta-jasuku san-ßakkin-ico je-tari. Ono-ono ^ i^ (dö-i) aru-ni oi-te-wa \ icaga
tomo-gara kokoro-ivo aicasi \ kaicara-i dono-no ata-ivo mukü-to jobaioari-te | ja-niwa-ni faru-
zuml-n-o utsi-korosi \ kudan-no kane-wo tori-kajesi-te \ mi-tsn-ni ivakatan-wa ika-ni.
Da T6-rokii und Sai-fatsi äusserst verderbte Menschen waren, w^elche, vun jeher
gleichen Sinnes, einander aufgesucht hatten und ihm in der Beschaffenheit des Herzens
nicht nachstanden, so redete er sie heimlich an und sagte : Wie Jedermann weiss, mag
ich als ältester Knecht Tori-ta's durch nahezu zwanzig Jahre mir Mühe gegeben haben.
Ich habe nicht im geringsten Ungerechtigkeit verübt. Indessen hat der Bonze, der Ge-
bieter , indem er durch Ungerechtigkeit das Haus bereichert hat , im Gegentheil mich
für ungerecht gehalten und mir kaum fünf Tael Goldes gegeben. Obgleich es mir
sehr unbegreiflich vorkam, hatte ich keinen Bogen, den ich gegen den Gebieter spannen
konnte. Ich unterdrückte meine Aufwallung und zeigte durchaus keine Unzufriedenheit
in meiner Miene. Da ich, obgleich von den Menschen ein Buddha genannt, wenig zu
verstreuen hatte, was kann ich da zum Grundvermögen machen und damit ein Geschäft
beginnen? Setze ich etwas zu meiner Mittellosigkeit, so ist der mir Verhasste nur
Kaja-z6-no Kura Go-ru Faru-zumi. Dieser Mensch, obgleich er das Weib meines Ge-
bieters getüdtet hatte , schmähte im Gegentheil meinen Gebieter. Keck und in Be-
drängniss, erhielt er mit leichter Mühe dreihundert Kobang. Wie wäre es, wenn wir ein-
mUthig den gleichen Entschluss fassten, mit dem ßufe, dass wir dem Feinde der Frau
Kawara-I vergelten, allsogleich Faru-zumi tödteten, dieses Geld wieder wegnähmen und
es in drei Theile theilten ?
To ije-ba | to-roku sai-fatsi o-oki-ni jorokobi \ kono fakari-goto kuvamete itp (med) nari.
Fiaku-rib-no ^ (toku) tsiiku koto-ivo | tare-ka-wa |^ ^ (dö-i) sezaru-beki. Sika-ioa are-do j
kano faru-zumi-ga tsura-tamasi-i j j^ ^ (bu-geij-mo svgure-tari-to obojuru-iii | kokoro-gamaje
naico-zari-ni se-ba \ i-i-gai-naku ^ ^ (ßi-kaku)-iuo toru koto^mo ari-nan. ^ '\' ^ %\
(San-ziCi-rokkei) \ damasn-ni te-wa nasi- | to se-jo \ kaku se-jo- \ to sasajaki-bte | moku-romi
sude-ni totonoi-si-ka-ba \ vü-tari jadori-wo tatsi-idc | ato-ni nari.
To-roku und Sai-fatsi waren sehr erfreut und flüsterten unter sich : Dieser Plan ist
äusserst wundervoll. Einen Gewinn von hundert Tael machen, wer könnte damit nicht
einverstanden sein? Dennoch bemerkt man, dass der Geist und die kriegerische Ge-
schicklichkeit dieses Faru-zumi alisgezeichnet sind. Wenn man die Vorsicht ausser Acht
lässt, ist es nutzlos zu sagen, dass man Schaden leiden wird. , Sechs und dreissig Ent-
156 Pfizmaiek.
würfe, beim Täuschen ist keine Hand." l)ieses tliue man, .so tluie man. — Als der An-
sclilag vorbereitet war, traten die Drei aus ihrei' Behausung und folgten auf den Fersen.
Saki')i/ tatsi | ko-te-sasi-hara-je tote juku fodu-ni \fudzi-saka kura go-rb faru-zumi-wa \
sonu ß naki-bitü-no faka-ni mudete \ seki-tsikn-no fana-ni namida-iuo sosogi \ no-sa-e-no ije-ni
kajeri-si-ga j itodo samisi-kl ßto-tsu ja-no \ tsuma-iuo saje usinai-te-wa \ omoi-nokosu mono-mo
nasi. Iina-ioa ro-jo-ni amari are-ba \ inotsi-ioo kagiri-ni \ kimi-guni-wo iitsi-meguri \ oki-
waka-iaaro-nu oii-ari-kn-ico tadz'ime-tate-matsura-J>a \ mu.mme-ni meguri-b fi-mo aru-besi tote \
ije-ico-ba sono mama sumi-sutete \ tsugu-no fi kama-kura-ivo sasi-te kado-ide-suru-ni \ viufiai^i-
no-no anata \ mur'amki-zaica-no fotori-nite \ fasi-nakn sagi-suke-ra-ni juki-b-tari.
An dem Tage, an welchem Fudzi-saka Kura Go-rb Faru-zumi, früher aufbrechend,
nach der Ebene Ko-te-sasi ging, besuchte er das Grab der Todten, benetzte die Blume
des Steinbambus mit Thränen und kehrte zu dem Hause an dem Ende des Feldes
zurück. Da er die Gattin des sehr einsamen alleinstehenden Hauses ganz verloren hatte,
war Niemand, bei dem er die Gedanken zurückliess. Da er jetzt Ueberfluss an Reise-
areld hatte, so konnte, wenn er bis zur Gränze des Lebens die Reiche durchwanderte
und den Aufenthaltsort Oki-waka-maro's suchte, auch der Tag kommen, wo er auf seiner
Wanderung mit seiner Tochter zusammentreffen würde. Er Hess daher das Haus unbe-
wohnt. Als er am nächsten Tage den Weg nach Kama-kura antrat, begegnete er an
dem jenseits des Feldes von Musasi befindlichen purpurnen Sumpfe zufällig Sagi-suke
und den zwei Anderen.
Kai'e-ra-iva tori-ta-ga mao-be nari-keri. Niiüaka-ni ^ (sijü)-ni suterarc-tarn-kn, Toki-
nusi fo-si-ga koto-icu toiva-baja- \ to omoi-te | asi-no fakohi-ivo isogani-tsiitsii \ fotori-tsikaka.
naru mama-ni \j6-roku sai-fatsi-iva \ ^ 3^ (sa-jn)-jori fiki-fasami \ sagi-suke-ica ato-be-ni
tatsi-nieguri \ ßfo-ivo korose-si o-o-nusu-bito \ niguru tote nigasan-ja. Wnga tomo-gara ^ ^
(tsm-gi)-ni jotte \ kawara-i dono-no ata-tco kajesi \ ina-ki-ga 'xrami-ivo kijomvru-zo- \ tu
jobaicari-tsiUsu \ ^ J^ (san-nin) fitosi-ku jai-ba-wa fiki-nuki \ ja-nnva-m kiran-to kisoi-
kakare-ba \ kokoro-je-tari- | to mi-wu ßneri | saki-ni susumi-si tö-roku-ga \ kaina-wo tsukande
nedzi-tbse-ba \firari-to kiri-komu sai-fatsi-ga \jai-ba-iro "T" (tslb)-to utsi-otosi ßrumu tokoro-wo
mune-saki totte | jnnde-je katsugi-te ^ (duj-to noguru-ni | koko-ica tokoro-mo murasaki-zaica |
aja-me kaki-tsubata oi-sigeri. Jü-be-no ame-ni tsutsumi azete | ktiro semaku doro fukasi. Kono
fiüari-no waru-mono-wa \ doro-no utsi-je mi-ico fiki-tare-ba \ me-to-mo tvakazt' \ kutsi-to-mo
icakazii. Okin-to sure-ba zururi-to suberi \ tatan-to snre-ba asi-ico todzirare \ u-adatsi-ni iki-
tsuka fnna-no gutoku \ nki-ki-ni noborn kame-ni ni-tari.
Er dachte sich : Diese waren ja Diener Tori-ta's. Sind sie plötzlich von dem Ge-
bieter Verstössen worden'? Ich möchte mich nach dem Bonzen Toki-nusi erkundigen. —
In dem Augenblicke, als er, seine Schritte beschleunigend, nahe bei ihnen war, zwängten
ihn Tö-roku und Sai-fatsi von rechts und links ein, Sagi-suke umwandelte ihn an der
Fersenseite. Sie riefen: Der grosse Räuber, welcher Menschen getödtet hat, will ent-
fliehen. Wird man ihn entfliehen lassen? Wir vergelten zufolge der Redlichkeit und
Gerechtigkeit dem Feinde der Frau Kawara-I imd löschen den Hass Ina-ki's ! — Dabei
zogen die Drei zu gleicher Zeit die Klingen und wollten ihn im Wetteifer sogleich
niederhauen. Jener wand sich verständnissvoll, erfasste den Arm des zuerst vorgedrun-
genen T6-roku, drehte ihn und warf den Mann zu Boden. Dem hurtig einhauenden
Sai-fatsi die Klinge aus der Hand schlagend, packte er den Weichenden vorn an der
Bj-ust und schleuderte ihn verdeckter Weise nach links. Dieser Ort war der purpurne
Der Nebel der Klage. 157
Sumpf, an welchem Magenwurz und Schwertlilien in Fülle wuchsen. Von dem Regen
der letzten Nacht war der Damm zerstört, die Feldraine waren eng und der Schlamm
tief. Da diese zwei schlechten Menschen sich in den Schlamm geschleppt hatten, unter-
schied man nicht, was ihre Augen, unterschied man nicht, was ihr Mund. Wenn sie
sich erheben wollten, glitten sie aus. Wenn sie stehen wollten, waren ihre Füsse zu-
sammengeheftet. Sie waren gleich Barschen, die in dem Wagengeleise Athem schöpfen,
sie hatten Aehnlichkeit mit Scliildkröten, die auf schAvimmende Bäume steigen.
Sono fima-ni sagi-suke-wa j ko-e-wo-mo kakezu usiro-jori | utsi-kakuru jai-ba-no fikari-ni \
furu-zumi fajaku kore-iou sakure-ba \ sagi-sivke-'wa futa-asi mi-asi | odori-kosi-te mi-kajeru
tokoro-tvo I asi-iüu tobasi-te fata-to kern | kerarete jai-ha-wo karari-to otosi |. doro-ivo tsukande
utsubud-ni | ^ ^ (fan-sin)-ico fori-itdzume-tari. Kakari-si fodo-ni | tö-roku-fo [ sai-fafsl-iva
jo-jaku-ni | doro-no utsi-jori fai-ide-tsittsu | idsi-mono-nite-iüa kanavmzi tote ' JljQ ^ ;j^ (san-
go-ziu)-ico tori-kane-si \ kuronbb-no sumb-ga gotoku \ faru-zumi-ga '^ ^ (sen-go)-jori \ ja-to
koje-kakete musiri-tsiiku-ivo | kmnasi-te fita-to furi-fogusi \ fidari-je migi-je utsi-tbse-ba j
|5| 3i Bfl (si-go-ken) ojogi-te modori-tvo kajesi \ ad sora-sama-ni fusi-marohi j oki-mo
jczariL-iüo fumi-kojete \ sagi-suke-wa nawo korizu-ma-ni \ otose-si kafana-ivo kai-tori fajaku |
tsukl-kakuru kissaki-ivo | faru-zumi je-tari- \ to junde-je sorasi | nigiri-katamete tsuki-idasu j
kobusi-ni utarete sagi-suke-wa atto sai-fatsi to-roku-ga \ tbre-si uje-je fusi-kasanari \ mata
okin-to-vio sezari-keri.
Faru-zumi wich bei dem Glänze der Klinge, mit welcher Sagi-suke, ohne einen
Laut auszustossen, unterdessen von rückwärts einhauen wollte, schnell aus. Er trat
Sagi-suke, welcher zwei Schritte, drei Schritte weit herübersprang, flugs mit dem Fusse
und vergrub, indess der Getretene die Klinge fallen Hess und, den Schlamm mit den
Händen ergreifend, mit dem Kopfe nach unten lag, dessen halben Leib. T6-roku und
Sai-fatsi, jetzt mühsam aus dem Schlamme herauskriechend, waren, weil sie sich keiner
Werkzeuge bedienen konnten, gleich ringenden Negern, denen es unmöglich war, die
Korallen zu nehmen. Als sie vor und hinter Faru-zumi die Stimme erhoben und zupfend
herannahten, legte er sie zusammen, machte sie rasch auseinander und warf sie nach
links, nach rechts zu Boden. Als sie vier bis fünf Klafter weit schwammen und bur-
zelten, mit unsicheren Füssen sich wälzten und nicht aufstehen konnten, trat er über
sie. Sagi-suke, noch immer nicht abgeschreckt, ergriff das ihm entfallene Schwert.
Faru-zumi schlug die Schwertspitze, mit welcher Jener schnell stossen wollte, geschickt
nach links und hielt sie fest. Sagi-suke, von der hervorgestossenen Faust getroffen, fiel
Avieder über Sai-fatsi und Tu-roku, welche gefallen waren, und machte ferner keine
Anstalt, sich zu erheben.
Kura go-rb faru-zumi-iva aku-made waru-mono-ra-ivo kake-najamasi-taru-ni \ kare-ra-wa
sude-ni | tsikara otoroje ikitvoi tsuki-taru-wo mite | kara-kara-to aza-ivarai-te \ sagi-suJce-ra-ga
sobira-wo fumi-suje | nandzi-ra-ga ^ (sijü)-to tanomi-si toki-7iusi sura | ^ ^ (ri-gi)-ico
tadzune \ in-gua-tvo ^ '|^ (kan-go)-si \ urami-wo sutete makofo-ivo tsukusi-taru-ni | nandzi-
ra-ioa \ ^ (tsiü)-mo naku ^ (gi)-tvo-mo sirade \ kajette ^ (sijn)-no nio-bb-no \ ata-ico
mukü nando-to itsnivari | ivare-wo nerai-utan-to fakari-si-iva \ luaga futokoro-no mono-wo toran
tarne naru-besi. Notsi-no mi-korasi-ni \ kbbe utsi-otosu-beki jatsu nare-domo | ioaga tsuma ^
(si)-site I imada ikka-wo-mo fezu \ jori-te ta-suke je-sasuru nari. Sarii kokoro-no motsi-zama-
se-ba I loare-ica ima kbbe-wo torazu-to iü-to-mo | tsui-ni btsi-je kakerare-nan \ ima-no itasa-wo
icasiirn-na- \ tn i-i-korasi \ sode utsi-farai-te ^ ^ (kai-d6)-wo kama-kura-dzi-je tote jnkv,
ö
ir^^ Pfizmaiek.
fodo-ni I tcaru-mono-ra-ica fusi-nagara \ towoku naru-made ni.e-okuri-te | fazimete iki-tarn
kokotsi-si-tsu.
Kura Go-rö Farii-ziimi hatte bis zur Sattheit die schlecliten Menschen gequält. Als
er sah, dass ihre Stärke bereits geschwunden, ihre Kraft erschöpft war, setzte er den
Fuss hohnlachend auf den Rücken Sagi-suke's so wie der Anderen und sprach die warnenden
Worte: Während Toki-nusi, auf den ihr euch als auf den Gebieter verliesset, Billigkeit
und Gerechtigkeit suchte, auf die Strafe für böse That aufmerksam war, den Hass auf-
gab und die Wahrheit erschöpfte, seid ihr ohne Redlichkeit, kennt nicht die Gerech-
tigkeit. Ihr brachtet im Gegentheil die Lüge vor, dass ihr dem Feinde des Weibes des
Gebieters vergeltet. Dass ihr euch verabredetet, mir aufzulauern und mich zu tödten,
wird geschehen sein, um die in meinem Busen verwahrten Sachen zu nehmen. Ihr seid
Sklaven, denen ich zur späteren Abschreckung die Köpfe abhauen soll, doch seit dem
Tode meiner Gattin sind noch nicht mehrere Tage vergangen. Desswegen lasse ich euch
Hilfe erlangen. Da ihr eine solche Denkungsart habt, mag ich jetzt immerhin sagen,
dass ich eure Köpfe nicht nehme, sie werden zuletzt auf Zedarache gehängt werden.
Vergesset nicht den Schmerz von jetzt! — Hiermit strich er die Aermel und ging auf
dem Wege nach Kama-kura weiter. Die schlechten Menschen sahen ihm liegend so lange
nach, bis er weit entfernt war, und hatten dann erst ein Gefühl, als ob sie lebten.
Moro-tomo-ni kbbe-tvo motagete I jitganrnru tsura-tva doro-no utsi-ni \ ^ (riu)-no manako-no
aru gotoku \ mata joko-mado-wo kiri-ake-taru \ nama-kabe-ni koto-narazit. Kata-mi-ni me-to
me-wo aioasi-tmtsu \ itasa wokasi-sa utsi-mazete | komura-gajeri-si asi-ioo nohc-, \ kata-wo juri-
age juri-orosi-te \ jo-jaku-ni mi-wo okosi \ jai-ha-no doro-ivo osi-nugui-te jawora »aja-je-ica
osamete-mo \ mada osamaranu utsi-mi-iou nadede \ to-roku-wa fo-wo fukurasi \ saseru urami-mo
naki jatsu-wo utan tote \ ke-iuo fuki-te kizu-ivo motome \ kaku made-ni karaki me mi-taru-wa \
sagi-suke-ga ivaza nari. Nandzi-wa fi-goro jawara nado-mo \ wosa-wosa kokoro-je-taru- \ to
fokori-ka-ni iü-wu \ makoto sa-mo ari-nan- | to omoi-nasi-te \ usiro-date-ni si-tari-keru-ni \
kajette ivare-to sai-fatsi-ni nomi \ ada Jone-tuo icorasi-te \ masa-ka-vo toki-ni-wa ^ (jak/tj-)ii
tatazu I mi-kake-dbsi-no sire-mono kana.
Indem sie mit einander das Haupt erhoben, waren ihre verzogenen Gesichter, als
ob sich in dem Schlamme ein Paar Augen befänden, und waren auch von einer rohen
Mauer, in welcher schräge Fenster ausgehauen wurden, nicht verschieden. Indess sie
einander in die Augen fassten, war Schmerz mit Lächerlichem gemengt. Die vom
Krämpfe befallenen Füsse streckend, die Schultern nach aufwärts und nach abwärts
bewegend, erhoben sie sich mit Mühe, wischten den Schlamm von den Klingen und
bargen sie langsam in der Scheide. Ohne die noch unbesorgten Quetschungen zu reiben,
blie's T6-roku die Backen auf und rief scheltend: Dass wir, um einen von keinem
nennenswerthen Hasse erfüllten Kerl zu tfklten, die Federn wegbliesen und die Wunde
suchten, in einem solchen Maasse Leiden erfuhren, es ist das Werk Sagi-suke's. Du
prahltest immer und sagtest, dass du den Ringkampf vollkommen verstehest. Wir nahmen
an, dass dieses wirklich so sei und deckten dir den Rücken, doch du hast mir und
Sai-fatsi nur eine vergebliche Mühe bereitet und warst uns, gerade als die Zeit kam,
von keinem Nutzen. W^elch' ein unzuverlässiger Thor!
To nonosire-ha \ sai-fatsi-mo mata kutsi-hiru-wo ßrugajesi \ wosanaki toki-jori oja-ni
damo I utarenu kbbe-tvo sakuru bakari-ni j lotsi-najamasarete kata-ico kudzikaM I kosi-no fone-im
fiki-t.ügawasi-te \ si-tate-baje-se-si ßto-je-ginu saje \ fiki-sakarete doro-ni aje \ ko-tsupia nw-men
Der Nebel DEE EÜLAGE. 15f>
— ■ Ä (ittan)-ico \ tatsi-dokoro-nl ti.nnaware-si-mo \ moto-wa-to toje-ba | sagi-ga waza nari |
to-te-mo kaku-te-mo ked-no ^ -^ (fu.-kakuj-iva \ sagl-suke fitori-no uje-ni ari. Kakare-ha
nandzi-ga futokoro-naru \ go-mai-kane-wa ^ ^ (kö-jaku)-siro-ni j ware-to tö-roku-nl torase-
kasi. Ko-wa tb-zen-no ^ (ri)-ni koso- | to kami-tsukiire-ha \ tö-rohi-mo ko-fiza-wo susume \
geni sai-fatsi-ga in tokoro | do-ri-no uje-no du-ri nari. Ware-mo sa-koso omo nare 1 fnku-
tokx. icatase.
Sai-fatsi bewegte ebenfalls die Lippen und sagte bissig : Üass ich, bis zum Zer-
springen des Kopfes, der seit meiner frühen Jugend nicht einmal von dem Vater ge-
schlagen wurde, gepeinigt, mir die Schulter verrenken, das Hüftbein verrücken Hess,
dass mir das glänzend hergestellte einfache Kleid ganz zerrissen und im Schlamme
verdorben wurde, dass ein Stück Baumwollenstoff der kleinen Gattin auf der Stelle
verloren ging, dieses ist, wenn man um den Grund fragt, das Werk Sagi's. Es sei wie
ihm wolle, der heutige Schaden kommt einzig auf Rechnung Sagi-suke's. Somit gib
die in deinem Busen befindlichen fünf Stücke Goldes mir und To-roku als Preis des
Pflasters. Dieses ist nur in der richtigen Ordnung. — Audi Tö-roku setzte die Knie-
spitzen vorwärts und sagte : In der That, was Sai-fatsi sagt, ist Recht über Recht. Ich
möchte ebenso denken. Schnell, schnell! Gib her!
i ^ (Sa-jü)-jori \ doro-mo kawakanu te-ioo idase-ha \ sagi-suke-wa aza-warai \ ana-
gama-ja kasimasi-ja | nandzi-ra nani-no do-ri-ga aru-beki. ^ J^ (San-nin) kokoro-tvo
— ■ ^ (ittsi)-se-ha \ kakaru ^ "^ (fu-kaku)-wa toru-beo-mo arazu. Tai-seö-gim-no ^ Qß,
(gun-bai)-'wa \ tsuju-bakari-mo ajamatsi na-kere-do \ dt ^ (si-sotsib)-no kake-fiki -^ S§
(gakkoj-sezare-ba | takara-no jama-je iri-nagara \ te-wo munasi-ku doro-ni aje-tari. Sikare-ba
i^ >S» (kua-tai)-no siro-to site \ nandzi-ra aruzi-no Üß ^ (fai-bun)-serare-si \ kane-ico
idasi-te loare-ni torase-ju. Ina iurimre-ba iwaruru. mono kana. Miirasaki-zawa-no doro-ni
mamirete | do-zeö-mo fumi-jenv sagi-zune nagi-fe-mo | *^ ^ (ko-jakuj-siro-tvo torazaran-ja.
Ina nandzi-ra-ga kane-ico icatase.
Hiermit hielten sie von links und rechts die Hände, an welchen der Schlamm nicht
vertrocknet war, hin. Sagi-suke erwiederte hohnlachend : Eitles Geschwätz ! Was für
ein Recht könntet ihr haben? Wenn wir Drei einmüthig gewesen wären, hätten wir
keinen solchen Schaden leiden können. Ist auch in der Leitung des obersten Heer-
führers nicht der geringste Fehler, wenn seine Kriegsleute bei Andringen und Zurück-
ziehen nicht die bestimmte Zeit einhalten, so mag man in das Gebirge der Schätze
treten, man hat die Hände vergebens im Schlamme verdorben. Nehmet also als Preis
der Nachlässigkeit das Geld, mit welchem der Gebieter eucli betheilt hat, lieraus, und
gebet es mir. Wenn ihr Nein saget, wird euch etwas gesagt! Mit dem Schlamme des
purpurnen Sumpfes bestriclien, möget ihr das Reiherbein, das auf den Schlammaal niclit
treten kann, abmähen, den Preis des Pflasters werdet ihr wohl nicht nehmen? Nein!
Gebet euer Geld her!
Tu kotoba-tatakai siri-ko-e-tataku | makezi-to nore-ba \ makezi-to nonosiri ] make fara-
tattar/i j^ j; (do-si)-utsi-ni | tsvkamt-kakaru tö-roku-ico \ sagi-suke-iva jun-de-je sasajete |
me-te-ni jai-ba-wo ßramekasi \ ^ ^ (mi-ken) ^3 5E. "^ (si-go-sun) kiri-sai-tari. Atto
toritru td-roku-wo | odori-koje-tsuts'a sai-fatsi-tva | jai-ba-wo toran-to kumi-tsuku tokoro-ivo j
kata-saki fukakn ~J" ftsihj-to kiru. Ko-wa kiitsi-ivosi- | to moro-tomo-ni \ katana-wo nid-te
joromeki joroboi \ suki-ma-mo naku ntte kakaru-ico | sagi-suke-wa mono-to-mo sezu | fidari-je
migi-je iihe-nagasi \ tatsi-oto fagesi-kv tatako-tari.
160
Pfizmaiek. Der Nebel der Klage.
So stritt er mit Worten und schalt, sich nicht besiegen lassend, mit lauter krei-
schender Stimme. Jene, sich nicht besiegen lassend, schalten, und in dem Hauskriege,
in welchem man beim Unterliegen in Zorn gerieth, stemmte Sagi-suke den mit der
Pland erfassten T6-roku nach links, mit der Hechten scliwang er die Klinge und hieb
die Gegend zwischen den Augenbrauen vier bis fünf Zoll weit entzwei. Er hieb dann
Sai-fatsi, der, den mit einem Schrei niedersinkenden Tö-roku überspringend, in der
Absicht, die Klinge zu entreissen, sich anldammerte, tief in die Schulter. Mit dem Rufe :
Dieses ist bedauerlich! zogen Beide zugleich die Schwerter und hieben lärmend und
taumelnd, ohne einen Zwischenraum zu lassen, ein. Sagi-suke achtete dieses für nichts.
Sie aufnehmend, trieb er sie nach links, nach rechts weg und kämpfte unter heftigem
Klange der Schwerter.
(Schluss folgt.)
Berichtigung.
S. 90, Z. 17 statt i^ (osa) zu setzen i^ (fi).
— Z. 14 V. n. statt ,gleich einer Weberspule' zu lesen: , gleich einem Weberschiffe'. Das japa-
nische Buch enthält an der bezüglichen Stelle irrtliümlich die Aussprache osa statt fi.
ÜBER DIE
MUNDARTEN UND DIE WANDERUNGEN
DEK
ZIGEUNER EUROPAS. VII.
VON
D«- FRANZ MIKLOSICH,
WIRKL. MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 18. OCTOBER 1.S76.
Vergleichung der Zigeunermundarten.
Erster Theil.
Die Abhandlung- enthält eine Vergleichung der in Europa gesprochenen Zigeuner-
mundarten. Aufgenommen sind sprachlich oder historisch bedeutsame Wörter, daher nicht
nur die aus der indischen Heimat des Zigeunervolkes stammenden, sondern auch eine
Anzahl der aus anderen Sprachen entlehnten Wörter. Der Stoff ist alphabetisch geordnet:
für die Anordnung der oft gar sehr von einander abweichenden Formen desselben Wortes
sind die von mir angenommenen dreizehn Mundarten der Zigeunersprache massgebend :
griechisch, rumunisch, ungrisch, böhmisch, deutsch, polnisch, russisch, finnisch, skandi-
navisch, italienisch, baskisch, englisch und spanisch. Eine Erklärung der Abkürzungen
wird am Schlüsse der Abhandlung gegeben werden. Die Schreibung der zigeunerischen
Wörter ist einheitlich, es ist daher im spanisch-zigeunerischen cJmnar und nicht etwa
cunar zu lesen.
Zu den alten Förderern meiner Zigeunerstudien sind einige neue getreten, die sich
durch Mittheilung werthvollen Materials auf meine wärmste Dankbarkeit Anspruch
erworben haben: es sind diess Herr Dr. J. Si gg in St. Petersburg, Herr Prof. Josef Pod-
hradsky in Zombor und Herr Johann Klucli, stud. philoL, in AVien.
abcin.
Griech. abcin m. Stahl. ßumun. absin m. abslnesko adj. vaill. nbein für absin zu.
apcin serb. abcyn Magnet bessar. spin Stahl buk. : nspin Wetzstein vaill. 96. ist zu be-
zweifeln. Ungr. apcin Stahl sirm.
Kurd. avsin Eisen rh. avg. öspinäh tr. 53. osset. afsejnäg, äfsejnag Pott 2. 51. 52.
DeniRfhriften iler phil.-hist. C. XXVI. Bd. 21
jß2 Fkakz MiKLOsicn.
abor.
Griech. abör minier, wie viel, so viel: ab(5r cave ist? wie viel Kinder sind da? dziii
abor bevs ist es sind so viele Jahre 608. aborendza? (pl. instr.) mit wie vielen? abör mang'm
ha terdva so viel Geld ich haben werde 620. Vergl. kebor sed., das nach 276. griech. /,at
und abör ist, was kaum richtig: eher ist an das Pronomen ka zu denken: kebör caven teres'?
wie viel Kinder hast du? Wie die bestimmten Numeralia ist abör in Verbindung mit
Substantiven indeclinabel. Rumun. kobor: kobor tu isi bers? quot tibi sunt anni? serb.
Mit kebör vergl. man hind. kab wie asc. 22.
ac.
Griech. acdva vb., partic. acilö^ bleiben, ac devh'sa adieu, eig. mane cum deo. nari
acilS love il ne reste plus d' argent 594. astd bleibe, warte nom. in : astd, te dikdv ozö-OVJ,
vd "§(» 494. steht wahrscheinlich für acta: ta ist eine den impt. häufig begleitende Par-
tikel, ßumun. as sich stellen, stehen bleiben, sich legen (vom Sturm), warten, bleiben,
werden, sein, praes. sg. I. asö. III. dsel -pe es passt. impt. sg. II. as sei ruhig, warte, as
deuUsa adieu, partic. as'dö. pi-aet. sg. III. as'iTöü, asiTds: 'siTds korö er wurde blind buk.
as stehen bleiben, bleiben, aufhören: kala (richtig wohl kana) asel o bresin quand la
pluie cessera vaill. 87. / valval asileas (d. i. asiJ'as) le vent est tombe 63. aufhalten,
beruhigen 95. Man merke das singulare as kerom (das für Herama, kerava steht) je desire
faire 57. 95. ac devle, devleja (aus devleha) serb. Ungr. acel sitzen, bleiben, sein ung. äcav^
praet. aälom born. 97. 106. 111. acaiu acel, acilo ml. 164. 168. 169. 183. 194. acel er
hört auf sirm. acelas er dauerte, acli leski trus sein Durst hörte auf. joj acli khabni sie
ward schwanger karp. Böhm, acav bleiben, wohnen, sein, partic. ach. sasti ac bleibe
gesund (sana). Deutsch acäva bleiben, wohnen, ac pokono bleib ruhig, sei still lieb.
loco cava Bürge beitr. 9, eig. ich stehe gut. loas hmonde cela Beistand 8, eig. er steht bei
mir: pas mande cela. Russ. te jMrejaces aufhören: russ. perestatb. 2'^^'>^^jacöm aus -jacjom,
-jaciTom. Skand. aca, asa sein. Ital. acel i mol sta il vino. celö aus acilö. ciöm aus
aciTom. ciöm esterdi ich ward eingekerkert, ac devlesa. Bask. acha: bocali acha ich bin
hungrig asc. 156, der, wohl mit Recht, auch mek achin ich habe, tvk achin du hast hieher
zieht, ch als aus s, c entstanden darstellend. Engl, ac, hac. acöva I stand, partic. dclo.
praet. acdäs, actds.
Päli acch to stay, to remain, to settle down, präkr. acch. hind. ach. bang, äch
existieren. Beames 1. 215. stellt bang, äöh mit präkr. acßh, aind. akS, erscheinen, zu-
sammen, worüber zu bemerken, dass ks, ks nicht in c überzugehen pflegt und dass das
Petersburger Wörterbuch aks in der angeführten Bedeutung nicht kennt. Childers 9.
vergleicht päli acfh mit aind. äs, was ebenso wenig einleuchtet. Pott 2. 49. 50. Zeitschr.
der d. morgenl. Gesellschaft 7. 394.
ada.
Ungr. add pron. dieser ung. ada lile (lil) dieser Brief, ada por diese Feder br. add
dieses ml. 152. adaleskero, adalakero, adalengero diesem, dieser, diesen gehörig ung. adaj adv.
hier ung. karp. ddaj ml. 155. 157. 164. dort 188. adja adv. hier ung. adöde adv. hieher
born. adöde ml. 184. ddtar von da ml. 204. praeji. diesseits born. anrjladä adv. vor dem born.
Übee die Mundarten und die Wanderungen der Zioeuner Europas, vii. 1(J3
IIb. d. i. anyV adä. adadij heute ung. liumun. adesso solclier: adesse ida solche Kleider zomb.
Böhm, andr'' ada coripen in dieser Armuth. adaj adv. hier 54. 60. 70. adaj thü edaj her
und hin 64. adarde hier, adathar hier durch, adadives heute, adadivesuno adj. heutig.
adalinaj heuer, eig. ada linaj diesen Sommer. Poln. adava dieser, adaj hier, adziak so
na. 166. Russ. ada, adavd dieser bö. 18. 261. Skand. daava, dova^ dieser, dm da.
Ital. adavd, davd dieser, dadeves heute asc. 145. Engl, adnva, 'düva jener, adoj, 'doj dort.
adza (ajflio) so. Span, andoba dieser, dokamble wo immer (kamäma wollen).
Vergl. avg. da dieser tr. 144. Pott 1. 256. 269. 271. ada ist eig. ein adv., etwa
hier, an das in den casus obliqui das pron. *fo, aind. ta, gefügt wird. Vergl. r//t«, avakd.
agor.
Griecli. agör Spitze pointe 647. agore adv. am Rande, an den Rand, sa agör agor
dza gehe ganz an den Rand, av agore komme an den Rand, agore t' i devrjdl beim Meere.
agordl dSa gehe am Rande. Rumun. ago7' Ende, Ecke buk. Ende zomb. Ungr. agor'
Anfang ung. jdgor Ende karp. agor zugespitzt sirm. Böhm, agor Ende. Vergl. span.
egresiton, gresiton. segriton adj. der letzte, gresite m. Endo. Asiat, vegur vorwärts pa.
Vergl. aind. agj'a und zig. angle Pott 2. 45.
achal.
Griech. achäJovava, aghdTovava, aghdl'a kerdva vb. verstehen, ta aghdlilo tar o dakdr et
le roi comprit. gerund, aghalindös. Ungr. liaTov: Jiajovel ung. für liaTovel. Böhm, cha-
Tövav. Deutsch vergl. hejväva, praet. heibdum. Skand. heja.
Pott 2. 168.
aka.
Griech. akd m. akjd. akhjd f. akle pl. pron. dieser, akavd dieser, akavkd m. akavkhjä f.
akavkle^ akakle pl. dieser, akeiöv m. akatäj f. dieser 71. akatjd (akd atjd) hier. akaU okote
par ci par lä 594. 600. akatjaring hier durch, hier, akatdr von hier, akari, akarin, aka-
ring hier, akai'ing okoring hie und da 600. akd,j, kaj jetzt nom. Rumun. akavd dieser,
er serb. kode dieser gal. I. aka jetzt buk. Ungr. akqj hier ung. dka,j dort ml. 160.
dorthin 160. irgendwo 161. ko raj dieser Herr mündl. akava dieser, akaring, akarink serb.
ovamo sirm. Böhm, akada desgleichen 80. Deutsch akaj^ aki, agaj hier, aköva dieser
lieb, akater allhier beitr. 6. Skand. ke] hier, her. Ital. akdva, akvd^ kavd^ kva^ kud pl.
akukt, knld dieser, aka hier asc. 134. 136. 139. 145. 146. 148. Bask. akasabo Erbe, aka-
saja Erbinn baud. 14. deutet asc. 156. als aka cavo, aka cai hie filius, haec filia. Engl.
aköva, 'köva dieser, akej^ 'kej hier, kdva kej this here. kav^ odoj that there. kovva dwvas
heute. Span, akoj, akaJ'ö. akatan hieher.
Pott 1. 256. 257. aka ist ein adv., etwa hier. Vergl. add^ avakd.
akaua.
Griech. akand^ okand.^ akanghd adv. jetzt, akanarüo. sogleich. Rumun. akaria, akan,
akanak vaill. akand buk. akands sogleich buk. Ungr. akanik ung. akanik, akanak born.
dkänek ml. 153. 157. 165. heute 156. 185. akanak karp. akana sirm. Böliin. akana.
21*
164 Franz Miklosich.
Poln. akana na. KiG. Itivl. kand, kanön asc. 135. Engl, kdnna, konna, kon, kondio,
kendic. Span, akana, aokana, okana.
Aind. ksana Augenblick, pali präkr. kliana. Vergl. nhd. weil mit iihd. Woilo, alid.
iiwila. Man beachte jedocli auch das pron. aka.
akhar.
Griech. akardva^ akerdva, akjardva, acardva vb. seufzen. Rumun. akhar vb. partic.
akhardö, akardö buk. akar Lärm, akarao schreien, rufen vaill. 75, Ungr. akjarel ung. praet.
sg. JII. dkhjarda ml. 188. pl. III. dkjarde 170. akardas karp. akhjaravava rufen lassen:
praet. pl. Hl. dkhjärade 178. akharau rufen sirm. Böhm, akhärav seufzen. Deutsch
karäva rufen, nennen. Span, akarar vb.
akhor.
Griech. akör, akhur m., pl. -ur, Nuss corylus avellana. akorin, akhorin f. Nussbaum.
Rumun. akhor zomb. akori vaill. Ungr. akör, akhor ung. Böhm, akhor m. pl. -a.
akhoröro m. deminut. : die Aspiration ist unorganisch. Deutsch kör Haselnuss. Yergl.
lakora Nuss, Haselnuss. Ital. vakör asc. 135. Span, aköres pl. Asiat, kör wälsche
Nuss syr.
Aind. aköta Betelnuss Pott 2. 46.
amal.
Griech. amdl, mal m., pl, mal^ Gesellschafter, malipe m. Gesellschaft, malalo adj.
begleitet, bimaleskoro adj. unbegleitet. Rumun. amdl m., pl. amdl^ Gespiele buk. Böhm.
mal m. mäli f. Deutsch mal. Engl, mdlyaw pl. Span. mal.
Avg. mal tr. Gl. Vergl. osset. ämbal.
amaro.
Griech. amaro pron. unser. Rumun. amaro buk. zomb. amaro, amaro serb. Ungr.
am,dro ung. dmäro ml. 17(i. 178. 183. amaro sirm. karp. Böhm. amro. Poln. amaro
na. 1(30. Span, amaro.
Hind. hamärä aus ham wir. bang, amära aus ämi. or. amhara aus amhe usw. amarö
ist wohl aus amen durch das Suffix ro gebildet. Beames 2. 302. 312, Vergl. zig. tumarö.
ambrol.
Griech. ambröl, pl. ambridd, Birne 624. ambrolengoro adj. ; m. Birnenverkäufer, am-
brolin f. Birnbaum. ambroUn ruk 624. Vergl, amrüt 119. Rumun. ambri'd. ambruUn f.
buk. ambro vaill. Ungr. ambrol Birne, ambrolin Birnbaum sirm. ambro Birne, Apfel
karp. Böhm, ambrol f, am,brolöri f. deminut. Deutsch bröL Poln. brohlo (brolo)
na. 156. aus grellm. 290. Asiat, armö, harmö, hermö pa.
Pei's. ami-üd ; daraus tiirk. ernrüd , volkstümlich armüd. Vergl. kurd. meröe zaz.
Lerch 211.
amen.
Griech, amen, ^men pron. wir. ameja auch wir aus am^n ja. Rumun. amen, 'men,
amin, amd. dat. ammde, aminde; ammgd. instr. aminca buk. ame vaill. ame bessar. serb.
Übee die Mundarten UNr> me Wanderungen der Zioeüner Eüropa-s. vii. 165
üngr. amen uiig. amen, amen sirm. Böhm. amen. Poln. men. Ital. lame asc. 135.
Engl. men. Span, amanrje. Asiat, emi wir. amiki, emiki unser pa. amin syr.
Aind. asmän. päli amhe. liind. liam. gudz. ame. mar. ämhl. or. amhe. bano-, ämi
Beames 2. 302. kurd. em Lerch 85. Das auslautende n von amen gehört dem acc. an.
^ ergl. zig, f'umen.
amuni.
Griech. amuni f. Ambos : asiat. loh. Ungr. amoni, mafd f. ung. dmoni ml. 15(3.
amonis m. karp. Böhm, amonis. Span, amini.
Ngriech. 7.(xöv'., a7.[j.öviv Pott 2. 57.
an.
Grriech. anuva vb., partic. andu.^ bringen, führen, praet. sg. II. anddn 612. pl. III.
ande 614. andä keixids il fit conduire 608. andardva., andardva bringen lassen. Kumun.
an vb. : andü, anö. praet. andöm, avgnr, nngnr, dngar, angar neben ankdr, snksr^ mikar, ankar
vb. praes. ang5r6, sngardü usw. praet. angardom buk. : angsr aus anger ist eine Verbindung
von an und ker: kerdva: vergl. zig. iker. anao vaill. 94. an 66. Ungr. anel vb. bringen,
tragen ung. praet. andom born. 111. dneha du wirst bringen ml. 152. impt. an 183.
impf, anestdd, dnelahi, dnenahi 156. 173. 187. praet. aneda 158. 187. a» sirm. an ta impt.
karp. Böhm. anav. praet. andas pu. : anandiJ'e wrat. 9. 7. kömmt sonst nicht vor.
Deutsch anävn lieb. Poln. andzija für a.nda: hiro7^es andzija grasny -puWum. -pe^erit (tulit)
ecpia na. 161. Engl, andova ich bringe, andessa du bringst, partic. dnlo. praet. sg. III.
andds, andadds. annered er brachte leb. 175. Asiat, anemi, enemi ich bringe, impt. ne
pa. 390.
Aind. ä-ni : änajämi herbeigeleiten, -führen, -bringen, -tragen, päli äneti er bringt,
sindh. änanu. praet. ändö tr. 273. kurd. ana ich bringe zaz. iini er brachte Lerch 82. 191.
ünin, enän, enändin bringen Pott 2. 53.
andre.
Griech. andre sed. a«r/e nom. ane adv. darin, hinein 596. 624. (iOb. praep. in: e pur-
fdkoi'O ande o temeli kerdilas en dedans il devint fondement du pont 622. and' o kazds in
der Provinz 624. andre jju lil dans son livre 598. o jek mdsek andre dans un mois 594.
Als praep. erscheint ande bei den türk. Zig. meist mit /fe, te verbunden : andre k' o gav
in das Dorf 628. ande k' o vos in dem Walde 616. ande k' i derdv auf dem Meere 628.
ande M i katfma in dem Zelte 620. andre t" o tem in der Welt 594. andre f o sardj in
den Palast 598. Nachgesetzt: duj masekende andre in zwei Monaten 626. ke und te ver-
bunden: ande k' i veseste in den Wald 624. mit katdr te: katdr f o vziddr andre mon te
dMna des qu'ils entreront par la porte 610. andrdl von innen heraus de dedans sacoö-sv
mit katdr ke: andrdl katdr k' o dudnm de dedans la gourde 616. anddl F o pdj aus dem
Wasser 622. andrdl akata f i 2Jolin äxö |xsaa äiro z-qv Tüo/av mem. 228. andralunö darinnen
befindlich. ßumun. andre^ andri, dndrs-.^ andd^ ända, dnda, and, an^ sn: dnda trin des
in drei Tagen, an u pdtn im Bette, nn krig auf der Seite, wohl aus sn k'' e rig^^ buk.
andr o ker dans la maison vaill. 95. andr'' o foro en ville, dans le bourg 63. 95. andr
ol Uli dans les cartes 59. d' o coon dans le chaudron 80. yndo (und' o, d. i. ^nd o) bessar.
\C)6 PkANZ JMlKLO.SlCll.
andrdJ, andrd: ajidrci tüti aus dii-. Ungr. andre, unde darinnen, hinein; in karp, andr'
0 panl in das Wasser, dnde adv. ml. 152. 153. ände thödom ich tat hinein 154. dnde gelo
er gicng hinein 159. dnde davon 163. pi-aep. and odd kdsteli in jenes Schloss 1(S3. dnde
(richtig and' e) pinca in den Keller 17(i. and e (richtig o) kker in das Zimmer 193.
dnde /)o breköro in iliren (suum) Busen KJü. neben and o po brek 161. Mit te: dnde mdnde
in mich 154. dnde tfdc in dich 153. dnd' e hure föreste in die grosse Stadt 155. dnd e
(richtig dnde) jekhe bare pincete in einen grossen Keller 187. Unrichtig: dndo geTo jekhe
föreste er gieng liincin in eine grosse Stadt 159. an in ung. andre darinnen, and o 6er
in das Haus sirm. andral aus born. 118. sirm. karp. andal ung. klaus. andar ung. dndar e bare
veseste ari gld'o er gieng aus dem grossen Walde heraus ml. 158. dndar i phü aus
der Erde 159. Böhm, andre adv.: andre pele sie fielen ein 68. praep. andr'' odova
während dem 72. 74. andre tru kan in dein Ohr 65. andr' o moriben (für mariben) in
der Schlacht 54. andre (richtig andr' e) jakh im Auge 31. Unrichtig: andro jekh kker in
ein Haus 56; ebenso andro i khangeri in die Kirche 17. und andro e kher in dem
Hause 13. Mit ke, te: andre leske in ihm (dem Haus) 56. andre leste 73. andre tute 11.
andral o vast aus der Hand, andral o jakha, o muj aus den Augen, aus dem Munde.
Deutsch an i izvia in der Stube. ät7'in darinnen, tre hinein, dran heraus lieb, andririck
Seite, eig. auf der Seite: andr' i rik beitr. 29. dre 18. nanisidre ledig 20, richtig: nani
ci dre es ist nicht darinnen 20. ßuss. andro, dro : dre (dr' e) lavka in die Bude. Skand.
andri innen. Ital. dzdsa tuk andr' 6 ker te ne vai nella casa asc. 146. andrdl da entro 53.
Engl, adre, 'dre\ adrdl, 'dral. Span, andre, enre, enren, an., on.
Aind. antare dai'innen, hinein, päli antare. sindh. andare innen, andara, andaro von
innen von andaru das Innere tr. 388. 405. andrdl ist aind. antarät aus dem Innern heraus.
Pott 1. 299; 2. 56.
angali.
Griech. angdli f. Armvoll, Umarmung 598. m' angalende in meine Arme 600. Rumun.
angale buk. angali Schooss zomb. angdli Arm mezz. Ungr. angali ung. karp. angalori
deminut.
Ngriech. rj.-^yAia^, äyrnKw..
an gar.
Griech. angdr m., pl. angdr, Kohle, angareskoro adj. ; m. Köhler. Rumun. angdr
buk. serb. angarunkero Köhler vailL, richtig: angarengero. Ungr. dngara pl. ml. 156.
angaröre pl. deminut. karp. Böhm, angar m. pl. angara. angaröro m. deminut. anga-
rengero m. angarengeri f. Köhler, Kölilerinn. angaruno adj. Deutsch dngar. angarengero.
Russ. vangdr. Ital. li 'ngar -pl. asc. 138. Engl, dngar, vöngar, wöngar. ^-pa,n. hangar,
langar m. hangarero.
Aind. pali angara. präkr. ingäla. bind, angärä. gud2. angärö, ingärö. sindh. angäru
Beames 1. 129.
angle.
Griech. angle adv. vorne; praep. vor. angleder comparat. po angU mehr vorne
mem. 184. anglutnö, angledunö, anglunö adj. angldl adv. von vorne; praep. vor. angldl
devlede, f o devil vor Gott mem. 184. angldl t' i rakli au devant de la fille 598. angldl
ta paldl von vorne und von hinten, angldl ddva antworten, anglalutnö , anglalunö adj.
ii
Übek die Mund AKTEN und die Wandebungen der Zigeuner Europa's. vii. 1 6 7
ßumun. angle, anglt. iiiaj angli mehr vorne. ghTcts angli er gieng voraus, angluno adj.
buk. anglinder par devant vaill. anglinö erster serb. angldl adv. vorne; praep. vor. angld
(für angldl) tuminde vor euch, angld mdndi vor mir buk. Ungr. angle: angV o kher vor
dem Hause, angle jekh khurkheste vor einer Woche born. 96. 98. angladä, angludä vor
dem born. 118. für angV adä, angV odä. angl' o meribe vor dem Tode ml. 162. angle tro
ruvt vor deinem Manne coram 171. JMit Verben als. Praefix 174. 175. 181. 182. 187. an-
gluno adj. der erste born. 121. klaus. anglal ung. dnglal hervor ml. 161. angldl voran ^ früher.
anglu7io erster karp. anglal, angld sirm. Böhm, anglal, angal: angal o dives vor dem
Tage, angal mande, angal tute, angal leste, angal lende vor mir, vor dir, vor ihm, vor
ihnen. Deutsch 'glan voi'ne ; vor. glanduno adj. Ital. angldl amand in faccia a me
asc. 141. Engl, aglal, agal; 'glal, 'gal vor. Span, anglal, angeTa, gres vor. angely adj.
Aind. agre vorn, voran, vor, in Gegenwart: anglal ist aind. *agrät. hind. ägal, agil,
äge. sindh. äge vor. agunö der vorhergehende von agu Vorderteil tr. 73. 388. 405.
angust.
Clriech. angdst, angdst f., pl. -jd, Finger. ßumun. guzdo Zeigefinger, guzgo Finger
vaill. angus^ pl. -*"M, zu. angusnd mezz. Ungr. angusto m. ung. karp. angust f. born. 87.
angibsta wohl pl. ungh. Böhm, angusto m. angustöro m. deminut. hiangustengero adj.
tingerlos. Deutsch gushdo beitr. 12. güsto. Poln. janguskiy na. 161. angusto gal. II.
Skand. gustro. Ital. angusto^ pl. nnguskid^ asc. 135. Engl, vöngusti,, vöngzm, vöngus.
Span, angustt, langustl pulgar, dedo gordo. Asiat, angül, anghidl pa. dngul, angld syr.
Aind. angustha Daumen, angula, aiiguli. päli anguttha. sindh. änüthö Daumen, änure
f. Finger tr. 12. hind. angust entlehnt, angli, ungli. pers. angust. kurd. engist, iiigist
Lerch 192. Pott 2. 55.
angustri.
Griech. angustri^ angrusti, angrnst f. Ring. ßumun. angrusti^ migrusti buk. angrusti
zomb. angostri, angrustin vaill. 81. 95. gustri Handfessel 107. Ungr. angrusti f. born.
87. dngrusti ml. 151. 160. 168. 170. 175. 185. angrustengero m. ßingmacher, Goldarbeiter
ung. angrustin Ring sirm. Böhm, angrusti f. angrustöri f. deminut. Deutsch angusterin,
gusterin lieb, gostring waldh. 118. gusderin beitr. 26. Poln. angustry na. 162. Russ.
jangrusty, angruzdy. Skand, gustri, gustring. Ital. angustri, angustrori. Span, angustro.
Asiat, angüsteri pa.
Pers. angustar. sindh. äiiüthi Daumenring tr. 12. hind. angustari , angustäna
entlehnt, kurd. engistere zaz. Lerch 192, Pott 2. 56.
am.
Griech. a«f, eni^ an^ «i adv. wie: in dikdva wie ich sehe: gleichbedeutend mit sar.
Rumun. ani ja zu. Russ. rtf böhtl. 18. Skand. ehe. Asiat, ari ja syr. Pott. Vergl.
Bugge 153. asc. 26. Pott 1. 318.
j^gg Fkanz Miklosich.
arcici.
Griech. arcici, arkici, artici Zinn. ßumun. arcic ni. Blei buk. arcici serb. orcici
zu, arsic bessar. ardzic Zinn bessar. II. Ungr. arcic m. Blei, arcicano bleiei-n ung.
Böhm, arcic m.
Armen, arcic. pers. arzTz Blei, Zinn, davon liind. arziz Zinn. Vergl. osset. archüj,
archij Kupfer Pott 2. 58.
arman.
Grriecli. armdn £., armanct pl., ein Fluch, armdn ddva, armand ddva fluchen. Ilumun.
das les armaje er verfluchte ihn buk. Ungr. armani f. ung. ärmandino verflucht ml. 169.
me da ma romaja ich beschwöre sirm., eig. ich verfluche mich serb. ja se zaklinjem.
Aind. arman Name verschiedener Augenkrankheiten: vergl. zig. o devel te koro kerel
man ! möge mich Gott blind machen ! ngr. V7. rucp Xcoö-r^s türk. kior ol. ma de man armdn
fluche mir nicht, pa. mem. 175. asc. 62. Pott 1. 200. 407; 2. 58. Mordtmann 70 stellt
das Wort mit ahriman zusammen.
armi.
Ungr. armi, ai'min Sauerkraut, Kohl ung. armin born. 87. 90. jarmin karp. Böhm.
armin f. pl. arraina. armitiöri f. deminut. arminakero adj. Russ. jarmi Kohl.'
Ngriech. dpjxtd, Xa/avotpfitd. aruss. kvasena, rekomya ar'mea i kombasta ustav.-spas.
Pott 2. 58.
as.
Griech. asdva vb., partic. a^anö, lachen, asavdva vb. lachen machen, betrügen, asd-
novava vb., partic. asdnilo^ lachen, asai, asindös, asaindös gerund, asaibe m. Gelächter.
Rumun. asdl, asdla er lacht, asdn sie lachen, asdlas er lachte, asdiias sie lachten, asajöä
er hat gelacht aus asafwü buk. asdii vb. bessar. assoup, assap zu. reflexiv nach dem slav.
smijati s§. Ungr. asavel neben alasel vb. dsav vb. ich lache ml. 163. asavipe m. Ge-
lächter ung. asd/i: ich lache, hasdlo lustig sirm. Böhm, asav man vb. 35. reflexiv; ohne
man 13. 15. praet. asandiTom. 18. asärav vb. lachen machen, asavihen m. Deutsch säva
lieb, sahen lachen fried. Poln. sähe, hussnahe Gelächter, hussaahava vb. lachen na. 164.
Russ. te sas pe reflexiv, sähe Gelächter. Skand. sa. Engl, sav, sal, sdrler vb. sdvaben,
sdvapen subst. Span, asaselar se vb. to rejoice, to laugh. Vergl. asiat. khastiri, khesti
lachen, hazri er lachte pa. 465.
Aind. päli has. hind. hansnä. Pott 1. 466; 2. 61. kurd. has, khas pleasure.
asan.
Rumun. asdn f. Schleifstein. Vergl. griech. asdn Rad, wobei asc. 8. an ein ,iranisch
verflachtes' aind. aksa denkt.
Armen, iesan. aind. §äna, ääna, ^äni. päli säna. Zig, s für aind. ^ spricht für die
Entlehnung aus dem Armen.
Über die Mundakten und die Wanderungen der Zigeunee Edeopa'S. vii. 169
asjav.
Griecli. asjäv, vasjdv m. Mühle 185. vasjaveskoro m, Müller. Rumim. o.saü m. pl.
asavd. o bar le asavesko Mühlstein buk. asa vaill. asdv. asavari m. Müller, nach molvdri
durch ari gebildet zomb. Ungr. dsav sirm. Span, asjd Mühle, esjanö, esjanerö Müller.
Hind. äsijä Mühle, kurd. a§ Lerch 82. äs rh. ber a§a Mühlstein, äsi Orient.
aso.
Griech. asavko m. asavki, asaki, asavkhjd, asakjd f. asavke pl. pron. ein solcher. Ungr.
dso pron. ein solcher ml. 167. 168. me dsi cöri som ich bin so arm 167, eig. ich bin
eine solche Arme: ebenso 169. 178. 185. vergl. slav. taka krasna. Vergl. Gramm. 4. 16.
dsar wie 204. asavo pron. ein solcher wie jener, asevo ein solcher wie dieser ung. dsavo
ein solcher ml. 155. 166. 170. dsavi Mkär dngrusti ein so schöner Ring 168. dsavo sästo
hl er ist so gesund 187: dvavo 183. 10. fehlerhaft für dsavo.
Aso, asavo ist mit aind. asau. päli asu, asuka zusammenzustellen.
astar.
Griech. astardva vb., partic. astardo, ergreifen, fangen, anfangen, halten, astardi f.
Stab, eig. was man hält ; echelle de la mer. asturibe m. Ergreifen. astarJd kerdva vb.
ei'greifen lassen, befestigen, astdrdovava vb. ergriffen werden. Vergl. astardva vb. schleifen.
asfdrdovava vb. pass. Rumun. astar vb., partic. astardö, ergreifen, anfangen buk. astar
vb., partic. astardö, ergreifen, anspannen zomb. astarao, starao vb. einkerkern vaill. 87.
128. anfangen 64. astarao anzünden 51. 76. 96. astardu Insel, eig. das Stehende, bessar.
Ungr. astaral, esterei vb. ergreifen, halten ung. ma dstar ml. 173. te dstären 173. dstarda
153. macanastarav (d. i. macen astarav) vb. fischen born. 106. astar vb. te astaras er-
greifen, astar impt. sirm, Böhm, stardo m. stardi f. Arrestant, Arrestantinn. stariben m.
Arrest. Deutsch staräva vb., partic. stardo, verhaften, staripenn Gefängniss lieb. Skand.
starda vb, hintergehen, eig. fangen. Ital. estardo eingekerkert, asterdd l sie verhafteten
ihn asc. 132. 134. starbe Gefängniss 136. Bask. ostariben Kerker baud. 37. Engl, std-
riben. steripen, steririius, stdrdo, .s/om'i Kerker, st^romengro, steromesti (aus steromeskri) Gefangener.
Span, estardar, estardelar vb, einkerkern, estardo adj, estaribel, estaripel m. Kerker.
Astar scheint mit der W. sthä stehen zusammenzuhängen : vergl. asar lachen machen
mit as lachen Pott 2. 246.
asti.
Asiat, asti es gibt: masi astif gibt es Fleisch? In Europa meist mit der Negati na:
ndsti, ndstik in der Bedeutung ,unmöglich' : ndsti nakavdv ich kann nicht schlucken, nd-
stik astards la wir können sie nicht fangen 387. ndst' arakfds er konnte nicht finden 598.
vdstik f arakTe sie konnten nicht finden 618. ndndsti t' acds wir können nicht bleiben
387. ndnastik sovdva ich kann nicht schlafen 165. ndnastik pendöm ich habe nicht sagen
können 614. Rumun. )i astik sinau les ich kann ihn nicht tödten. ?i' astik hidistöm ich
konnte nicht hinuntersteigen neben n astiü ich bin schwach, krank, astil te avÜ es kann sein.
n' astilas er konnte nicht, astisaraü ich kann, sti Macljt vaill. 128. astisaro vb, können 96,
Denkschriften der phil.-hiEt. Cl. XXTI. Bd. 22
170 FkaNZ MlKLOSICH.
astisailo möglich 1)6. nasti dikhan ich kann nicht sehen mezz. Ungr. naStik es kann
ni(;ht geschehen ung. born. 119. nästik magy. nem lehet born. 106. nastik te dzav neben nästik
dzav ich kann niclit gelien ml. 165. nästik dzas du kannst nicht gehen 175. naStik iiStav
ich kann nicht aufstehen 196. nästik haja er konnte nicht essen 162. nästik gejom ich
konnte nicht gehen 161. nastik dikhau ich kann nicht sehen sirm. Böhm, nasti tnke te
cikaTärav o 2>ä7u ich kann dii- nicht das Wasser trüben 52. nasfi nikaj te dzal er kann
nirgendshin gehen 64. Deutsch nasti nicht können : man beachte sasti, hasti können.
Russ. nasty unmöglich 21. Ital. aUi rev6s du kömmst nothwendig wieder asc. 145.
Yergl. 149 : ähnlicli slav. moram ich muss und morem ich kann possum. Span, astis
adv. möglicherweise, astisar, astisarar vb. können, astisaro adj. mächtig, ostisaripen m.
Macht, nasti unmöglich : nastis no se puede.
Asc. 147. bringt gegen Pott 1. 372. asti mit dem Verbum as in Verbindung. Aind.
asti, nasti. Vergl. päli. präkr. atthi, in den Inschr. nästi, nas'ti neben natthi, nathi.
mar. ähe. sindh. atha Muir II. 12. 31. 102. 121. tr. XLIV. Hinsichtlich des auslauten-
den k vergl. avrf^ avrik; chandt, chandik; kimi, kunik usw.
asva.
Griech. äs2)a. äsva, dsfa pl. Thränen. Vergl. das mit der Bedeutung , Augenstern'
angeführte äsfo m. Rumun. asfä, dsfa Thräne. pl. instr. asvßnca buk. asfa larmes vaill.
96. Ungr. asva, avsa, avsta f. Thräne ung. e jasva, jdsvin sirm. asva ödenb. Böhm.
avs f. pl. -a. avsärav vb. thränen. Deutsch sua. Poln. ansva na. 158. Russ. jasvä.
Alle neuind. Sprachen verwenden zur Bezeichnung des Begriffes .Thräne' aind. a^ru :
hind. mar. äsü. gud2. ädzu. sindh. häd^a Beames 1. 357 : aus aSru ergäbe sich (nach k\&-
§rü, richtig sva.^rü, zig. sasüj) eine zig. Form asuj Pott 2. 52.
atja.
Griech. atjd, a.t6 adv. hier, dort 614. atakis hier durch, atär, atjätar von hier, nas
atdr pars d'ici 616. atjäl von hier nom. für atjätar der sed. Rumun. atM hier buk.
Ungr. ädtar für äfar von hier ml. 204. 8. Vergl. dti so viel ml. 160. 175. 185. dfi
151. 190. Span. atosS hier.
av.
Griech. avdva vb., partic. a.vilo, al6, kommen, adva, adv aus avdva, avdv 604. 606.
mist' avilän willkommen 626. avel il porte 596. Rumun, av vb. kommen, xyerden, sein.
avdü, av6. praet. sg. I. aviTöm. plsqpft. sg. I. aviTömas. avao, avo vaill. 96. auäu mezz.
Ungr. avelY\>. ung., partic. alo: praet. sg. I. älom born. 85. dvav, avel ml. 183. 184. nd.jel
aus na alel, aJ'al non venisti 161. 2. naM 165. 16. alo venit 167. 1. neben ah 159. 6;
160. 10; 178. 13. Ali f. 186. 17. neben äTi 159. 14. cde venerunt 161. 6; 188. 7-, 188.
18; 192. 5; 201. 12. neben td'e 178. 16. ävTa er kam 153. 5. avlahi sie wollten kommen
impf. 186. 9. neben dvTahi er kam 155. 2; er war gekommen 159. 4: alo, äli, die sind
unorganisch; für dvl'a sollte wohl ala stehen; für avlahi erwartet man avnahi, avenahi
veniebant; statt avTahi ist avlahi zu setzen, aolo karp. Böhm, avav vb., partic. avlo,
kommen, auch gelien. jav komme impt. 55. 70. javas lasst uns gehen 74. avlas aus avelas
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 171
er gieng 79. praet. avi'as 55. 56. 59. 60. 64. 76. 79. avle 52. 65. 68. peskrestar avel er
kommt um das seinige 75: av hat häufig die Bedeutung sein: te aveJ zu sein 79. avel,
byva 67. saj avel es kann sein 74. mange avela \v\i habe 75, d. i. mihi est. Ebenso 18.
57. 59. 60. 64. 66. 69. 74. Deutsch aväva, väva vb. lieb, wias er kam beitr. 6. Iluss.
te aves. praet. avjöm. avela genug: vergl. klruss. bude genug, te oves gehen. SIcand. ava
komme impt. Ital. avav. praet. avejum, avedzjom asc. 146. 152 aus aviJ'rmi. Engl, av,
avel, aivel, 'ivel, 'vel; viöm ich kam. vidn. viäs. Span, abüar, ahilelar vb. kommen, abela,
la pani es regnet br. 87 : vergl. deutsch vela giv es schneit lieb. Asiat, dvami ich komme
syr. Pott, eiroom, eiroor ich kam, du kamst syr. airom je suis venu pa. 252. 254. ha,
pa 119. heiri il est venu 254.
Aind. äp erreichen, mit Praefixen : kommen, hind, ä-nä kommen, sindh. ävate dza-
vate income expense, eig. Coming going, äjö partic. äu impt. tr. 49. 150. 261. käf. ei
am ich komme Pott 2. 52. Die Stämme avdva venire und nmdva fieri, welche die griech.
Zigeuner auseinander halten, pa. 80, werden von allen arulern Zigeunern vermengt.
avaka.
Griech. avakd^ avkd m. avakhjd f. avakle pl. pron. dieser, avakhjdkoro dieser gehörig.
avekd adv. so. avekd t' alekd so so 152. avatjd, avdtjaring hier, avatdr von hier, avakd
lil, avekd lil, avkd lil dieser Brief 596. avkd 598. 602. avkhjd ratt diese Nacht 602. avkle
(avakle) divesende in diesen Tagen 608. avkles (avakles) 7'akles sg. acc. 604. avakhä, akhd
mem; 220. avaklia, akld resa diese Weinberge ibid. Ungr. avka adv. so ung. auka
born. 120. auka, avka karp. avka ml. 153. 156. 165. 189. Böhm, avoka adv. so. Span.
aoter^ aotal dort. Vergl. griech. avdives^ avdies, apdives adv. heute, avdiveseske khasoj die
Nahrung für heute, avdivesestar adv. von heute. liumun. ajes (d. i. wohl ades) vaill. 77.
avdive zu. ad'es zomb. ades buk. mezz. avdive serb. Ungr. adjes sirm. aus avdives. ades
ödenb. Span, acibes aus avdives. Asiat, adje, edje pa. 231.
AdjS ist aind. adja. päli, präkr. agga. hind. mar. gudz. aga. sindh. agu Beames 1.
327. tr. XXXVI. Die mit av anlautenden pron. hängen mit aind. amu, päli amu, amuka
zusammen: Vergleichung mit dem abaktr. ava ist abzuweisen.
avgin.
Griech. avgin m. Honig, avginengoro m. Honigverkäufer. Bumun. abgin, ahdin f. sg.
instr. abgindsa buk. avgin, avdin serb. Ungr. advin m. ung. ahdzin sirm. adin ödenb.
Böhm, avdln, dvdin f. 69. 76. Deutsch gicln (gwien) beitr. 17. givin f. gioinäkro lieb,
ßuss. jagviii. Bask. angui. Span, agui., angiiin f. quin m. quinoso adj. Asiat, hüngevm pa.
Pers. angubin. kurd. hingiv; ehgimjö Lerch 192. hingawin rh. enyivin Garzoni
Pott 2. 54. asc. 59.
avgo.
Griecli. augö, avgös, avkös adj. erster, adv. vorher, avgutno adj. früherer. Ung. vergl.
nägom adv. erstens born. 105. dza augöder geh voraus karp. Böhm, avgoder adv. vordem,
neulich 33. 35. agoder 63. Deutsch vago adj. erster. Skand. vago erster Pott 2. 45. 77.
asc. 20.
22*
■[■J2 FuANZ MlKLOSlCH.
avri.
Griecli. avri, avrik adv. draussen, hinaus, ka nikJiona avri des qu'ils sortirent 610.
avrik' okhere en dehors de la maison 618. avri prögmata sonderbare Dinge mem. 207.
avrjdl adj. von aussen G22. avnUno adv. fremder. Rumun. avri vaill. 96. buk. M col
avri der Mond ist heraus, er scheint serb. avrjdl von aussen, draussen buk. ävri. avri
kathar apage hinc zomb. avri bessar. IL Ungr. ai^i ung. äri born. 118. ari ml. 152.
153. 155: nach Art eines Praefixes : ari sdstärav ich heile aus 155. ari kerda 159. ari
pe citfa er schlich sich hinaus 160. ari äle 161. ari dzav ich gehe hinaus 186. 15. avri.
avrijal von aussen sirm. avri. avral karp. Böhm. avri. avri avel 69. avri forostar hinaus
aus der Stadt 70. Deutsch avri, vri, vri^i lieb. V7^y beitr. 10. Russ. avri. Skand.
avri. Ital. avri de ker aus dem Hause asc. 146. Engl. nvri. avri-rig outside, crust.
Span, abri; simace abri seiial exterior. abertune adj. fremd. Asiat, bahdra, beJidra pa.
Aind. vahis. päli bahire. präkr. vähila, vähira. hind. bähir. sindh. bähare aussen
von bäbaru tr. 388. 406. avg. bahar Aussenseite 279. Pott 1. 301 ; 2. 82.
azom.
Griech. azöm numer. mehrere, so viele, wie viele: az(5m bers mehrere Jahre, m' an
(d. i. ma an) dzin azom subarjen bringe nicht so viele Soldaten, azöm vianns gele tarf
wie viele Personen sind gekommen? ki 'zom dives? in wie viel Tagen? 626.
bagav.
Ungr. baga impt. singe aus Ung. 396. Russ. te bagds vb. singen, praet. bagadöm,
bagaddm. bagahndskiro m. Sänger. Vergl. span. bagandi Glocke.
bacht.
Griech. bacltt f. Zufall, Schicksal, Glück, bachtori f. deminut. bachfalo adj. glücklich,
unglücklich. Vergl. asc. 47. bibachtalö^ bibachfjdkoro adj. elend. Rumun. bacht f. buk.
Ungr. e bacht Glück karp. bast m. bastdlo, bastdno adj. glücklich ung. bastdle ml. 154. 175.
bibastalo adj. born. 100. bach. hachtdlo adj. sirm. Böhm, bacht f. pl. -o. bachtälo adj. bach-
tali f. Fledermaus, bibacht f. Unglück, bibachtälo adj. Deutsch backt beitr. 15. bibachf.
bibachtelo adj. Poln. bakh na. 155. bokh 166. Russ. bach. bachtalö adj. Skand. bahi.
penna bahi wahrsagen. Engl, bockt, buk. Span, bachi f. bachiar vb. Avahrsagen. ba-
chaly Wahrsager, Wahrsagerinn.
Pers. hind. avg. kurd. bacht. abktr. bakhta. ngriech. |j.7id7.TC. Vergl. sindhi bhägu.
W. aind. bhag zutheilen Pott 2. 398.
baj.
Griech. baj f., pl. -d, Ärmel, bibajingoro adj. keine Ärmel habend. Rumun. baj
vaill. Ungr. baj f. ung. Böhm, baj f.. pl. -a. Deutsch bej. Russ. baj. Engl. bcj.
Aind. bähu Arm. pali bähä f. hind. bah. gudz. bahn. avg. bähü tr. 67. abaktr. bäzu.
armen, bazuk Pott 2. 424.
Über die Mundarten und die Wanderungen dee Zigeünek Europa's, vi;. 173
bakro.
Griech. hakro m. Hammel, hakrt f. Schaf, bakreskoro adj. bakror'ö m. demimit. ba-
kricö m. Lamm, hakricanö adj. Eumun. bakro zomb. bakri Schaf, wohl falsch: Ziege, ba-
krisö Lamm buk. zomb. bakro. bakrini vaill. 96. 98. bakrisjä bessar. bakro. bakri gal. I.
bakri taganr. Ungr. bakro m. Widder, Schaf ung. bakhro. bakhrico. baklirano mas Schaf-
fleisch sirm. bakhro. bakhri. bakhrdno adj. karp. bokri ödenb. Böhm, bakro m. pl. -e Widder.
bakruro m. deminut. Lamm, bakri f. Schaf, bakröri f. deminut. Deutsch bako lieb, bakru Schaf
waldh. 119. tvakro, bakero beitr. 15. 20. 27. Poln. bakro. bakroro. bakry Schaf, bakrono
mas Lammfleisch na. 152. 156. 161. ßuss. bakro Hammel, Kalb, bakrorö deminut.
Skand. bakro. Bask. barko, barkua, barkico, barki baud. 28. 29. 35. Engl, bokro, bö-
koro Schaf, bökoco Lamm. Span. braM f. Asiat, bakdra pa. bakra, backrah syr.
Hind. baki-ä, bakri Ziege, dakh. bakrä Schaf, kurd. berkh Lamm rh. Pott 2. 83.
bal.
Griech. bal m. pl. -u Haar, baloro m. deminut. balalü adj. behaart, bare-baUngoro
adj. langhaarig. bibaUngoro adj. haarlos. Bumun. bal m. Haar, AVolle buk. bal serb.
zomb. bessar. vaill. mezz. bah vaill. bai gal. I. bala pl. zu Ungr. bal m. ung.
kai'p. ball born. 87. zate-balengero blondhaarig karp. Böhm, bal m. baloro m. de-
minut. bibalengero adj. haarlos. Deutsch ball, gringi (wohl grajengo) ball Pferdehaar.
baleskre bal Borsten beitr. 8. 24. Poln. bai' crinis, villus na. 164. 167. ball aus ba^l
gal. IL ßuss. bald pl. Haare, pibalengiro adj. Skand. bal. Ital. Il bald Haare
asc. 138. Bask. balla, bilac Haare, bala Wolle baud. 30. 34. Engl, bal, pl. bdlaw.
bdleno adj. haarig. Asiat, val. agori valos Pferdehaar pa.
Aind. väla, vära Schweif haar, pcäli väla Kopfhaar, Schweif haar. hind. bäl Pott
2. 419.
balamo.
Griech. balamo m. pl. -e Grieche, balamorö m. deminut. balamori f. deminut. bala-
meskoro adj. balamano adj. balamanSs adv. balamni f. Griechinn. bahhnu Christ aeg., sonst
kutttr Grieche, Christ pa.
Das allerdings nicht ganz zweifellose Vorkommen des baldmu in Aegypten wilrde den
nichtslavischen Ursprung dieses dunklen Wortes beweisen asc. 5. Yergl. balam bei Kamus
Name einer Stadt im Lande Eüm.
balo.
Griech. balö m. bali f. Schwein, baloro m. deminut. balicö m. deminut. Schwein,
Wildschwein, balengoro adj. ; m. Schweinehirt. ßumun. balö, ball, balisö Ferkel, baliäoro.
balisi f. buk. balo. balano adj. Schweine-, baliso zomb. balo. ball, balisl vaill. 89. 96. 97.
balimas Speck 97. bali bessar. balö gal. I. balevds gal. I. balavds zu. Ungr. balo m.
ung. bälo born. 87. balo ml. 174. baloro m. deminut. ung. balicö, balichö m. deminut.
ung. bälicho born. 87. 90. balano adj. balano käst der Baum der Schweine, die Eiche
ung. balano mas horii. 110. balovasS'peck ung. bdlovas ro.1. l'db. bolevas hörn. Hl. balo. baldno
adj. baUkano ^?^as Schweinefleisch sirm. balo. baloro. bdli. 6o/eva5 karp. balemas bdienh. Böhm.
■inA FeANZ MiKLOSICU.
bälo m. pl. -e. bälöro m. tleminut. bäli f. hälori f. demiiuit. haldiio adj. baleja m. Sau-
magen: ist richtig ein sing. voc. : du Sau! balevas, pl. -vasa 75. Deutsch halv. baleno
adj. lieb. balo. balici. baleskre bal Borsten, bälevas Speck beitr. 8. 27. 28. 30. Poln.
po-A/ na. 165. 2^'''-'b^o porcus 165. bahvas 164. 5a/fc»i gal, II. Russ. bahjco Schwein,
Schweintleisch. balovds Speck, Schinken. Finn. balichno Schwein Bugge 148. Skand.
balo. balivas, ballevas Speck, Schweinefleisch. Bask. balico, balecua Schwein, balebas,
balabasa, balabara Speck band. 30. 34. Engl, bäulo. baühsko mas. bälovds. Span.
ball, balici f. balice. balicön m.
Aind. bäla junges Thier. hind. bhäl, bhälü bear Pott 2. 420.
balval.
Griech. balval, palvdl f., pl. -Id, -Id, Wind, palvalengoro adj. windig, palvalengere pl.
Bohnen. ßumun. balvdl m. buk. mezz. zomb. välval Nordwind bessar. bessar. II. vdlval
bari Sturm bessar. Ungr. balval m. ung. i balval born. 87. bälval m. balvälo adj.
windig sirm. balval. e bavlal karp. Böhm, barval f., pl. -a, barvalöri f. deminut.
Deutsch joäTOMZ lieb, baleval beitr. 35. Poln. balvai na. 167. bahan gal. II. ßuss.
balvdl. balvalori deminut. Ital. braväl. Engl, bdval. mandijs bdvol mein Athem lel. 248.
Span, barbal, barban m. Wind, Luft, barbalö adj. luftig, bahrri f. ventosidad. barbanar
vb. airear.
Aind. väta. hind. väö, bäö, bäd. sindh. väu. kurd. bä rh. Balvdl ist durch Re-
duplication aus dem dem aind. väta entsprechenden val hervorgegangen: vergl. zig.
bulbiU, vulvül neben bul, viil; khelel neben khel.
bar.
Griech. barm. Stein, parnebar^l. Diamanten, barorö n\. deminut. baritU^l. -Ta deminut.
bareskoro adj. steinern: bareskoro ker; m. Steinschneider, baranv adj. steinig. Eumun.
bar. ol avlind sas barßskü die Schlösser waren versteinert buk. bar serb. Stein, Fels
bessar. II. bar, bhar Stein, Fels, Hügel vaill. 97. 98. bar barö Fels bessar. bar Stein,
Mauer gal. I. delo (d. i. del o) bar es hagelt siebenb. Ungr. bar m., pl. -a, Stein ung.
bär, pl. bära, born. 87. baröru m. deminut. bar ml. 175. sa bdra alle Steine 177. bar
Stein, Eis sirm. bär Stein, Höhle, im Gegensatz zu bär Garten, bartmo adj. steinern karp.
Bölim. bar m. bäröro m. deminut. barüno adj. Deutsch parr lieb. 6an', öarre Fels, Stein
beitr. 12. 30. bar waldh. 120. Poln. bar na 157. gal. II: barra Handmühle na. 168.
ist der pl. von bar. Russ. bar. Skand. bar. bareske alako der steinerne Alako. bar Mark.
Ital. ll bar Steine, baresk Steinmetz asc. 136. Bask. bar Stein, bara Fels, larra Ziegel
baud. 37. 38. 39. Engl. bar. Span. bar. bur Berg. 6arr/a eine Unze Goldes in der spa-
nischen Gaunersprache. Borrow, The Zincali 2. 148. Asiat, bar Stein syr. ivat syr. vat pa.
Kurd. bar rh. ber Lerch 156. Pott 2. 409. 410.
baravalo-
Griech. baravalö, barvalo adj. reich, baravallpe m. Keichthum. baravdhvava vb. reich
werden, baravalikanö adj. ziemlich reich, vornehm, ngr. äp/ov-o-J-C^oc Rumun. barvalö adj.
Über die Mundaetes und die Wandekungen der Zigeuner Europa's. vii. 175
l)iik. serb. varval vaill. 8U. 133. bärvaJo mezz. harvalimos lleiclithum zomb. harvaUpi buk.
Ungr. barvälo adj. ung. hdrvälo ml. 15G. 166. 179. barvalipe m. ung. bdrvalipe ml. 155.
barvdlo sirm. hhdrvalo. bharvalipen karp. barvdlu ödenb. Böhm, barvälo adj. barvalipen m.
harvaTärav vb. bereichern, barvalövav vb. reich werden. Deutsch barvelo lieb, beitr. 22.
Russ. barvalu adj. ^e barvaUs reich werden. Skand. hai-valo i-eich, mächtig, barvalipd.
Engl, bdrvalo. bdrvalopen. Span, balbalö. balbalipen.
Vergl. aind. bala Macht Pott 2. 416.
bari.
Griech. bdri, pari f. Zaun, Garten. ßumun. i bar bessar. 6a?' zomb. bar, i bhar
vaill. 73. 83. 97. bdre zu. bar, baf Zaun, mit erweichtem r, russ. rt, buk. Ungr. bar
barori deminut. karp. bar f. pl. barja Zaun, Garten ung. i bär pl. barja. born. 86. 87.
i bär ml. 176. barori f. deminut. ung. bäröro m. deminut. born. 87. 90. 121, wofür man
bäröri erwartet, barjengero m. Gärtner 87. 90. bar Garten, bdrar Gärtner sii'm. Böhm.
bär f. pl. bära. barori f. deminut. star bärora vier Zäune 78. Deutsch bär lieb, baar
beitr. 36. Poln. bor Garten na. 160. Engl. bor. borengri Zaunpfahl.
Hind. bär Hecke Pott 2. 410.
baro.
Griech. baro adj. gross, vornehm, bareder comparat. o po bareder der ßeichste. ha-
ribö m. Grösse, Vornehmheit, barjardva vb. gross machen, bdrjovava vb. gross werden,
wachsen, bare-kareskoro adj. einen grossen penis habend. barS-pereskoro adj. dickbauchig.
Rumun. bharo gross, alt, hoch, bhaript m. Majestät: rumun. m'Bria. bharjar vb. gross
ziehen, bkarjov vb. gross werden : partic. bharilo buk. barar vb. erzeugen, erziehen.
baruv \h. wachsen: partic. barilo zomb. bay^o vaill. 62. 97. barosaro vb. rühmen 97. barel
(aus barjovel) vb. wachsen 78. barö bessar. gal. I. mezz. bareder zu. barjon (aus barjo-
ven) sie wachsen zu. Ungr. baro ung. bäro born. 95. 100. baro ml. 177. 189. 204.
bareder compai'at. 176. bhareder. naj bhareder karp. bare sehr born. 118. bares adv. sehr
aus Ung. 328. baripje m. Grösse ung. bäripe born. 87. 90. bardrel vb. vergrössern ung.
rna barar tut sei nicht stolz karp. barjarä vb. born. 106. 107. bardJel vb. prahlen ung.
baralav vb. born. 106. 107. barjovel, barovel vb. gross werden, wachsen ung. o kas barilo der
Baum wächst, richtig crevit. barikdno adj. stolz sirm. and e bhdri läc in grosser Schande karp.
Böhm. 6«ro. bareder. naj bareder. 6äresadv. sehr. 6ärofawvb. grösser werden, wachsen: barvolvn.
Wuchs, eig. wohl : er wächst, für barjovel. Deutsch baro gross, vornehm lieb, baro gross,
lang, bare rej Obrigkeit, barder (d. i. bareder) rasej Abt, eig. Oberpriester, baremoskro
Prahler, eig. Grossmaul, beitr. 5. 15. 20. 24. 25. Poln. baro vornehm na. 161. baryolau
(für barjovati) vb. wachsen, bareskirava man\h. prahlen 153. 163, eig. ich mache mich gross.
baro hoch gal. II. Russ. barö gross, bari ditma grosse Gedanken, bari tausend, te ba-
ryov vb. wachsen, ubarhja es ist gut gerathen (ti ist das slav. Praefix u) aus tibariTa.
Skand. baro. Bask. baro. p)anino barua.^ pani barro Meer, eig. grosses AVasser. baro daju
Richter, eig. grosser Herr, bala daja I\.ömg : mit dem vorhergehenden Ausdruck identisch.
balo laja Stadt baud. 31. 33. 34. 38. 39. Engl, baiit'o gross, bauroddr comparat. Span.
barö, bare adj. gross, baribustre adj. viel, buribustri f. baribustripen m. Fülle, barader
Obrigkeit, balolakro m. Intendant: eig. wol bar6 raklö Oberknecht, nebaro adj. klein.
270 FhaNZ MiKLOSICH.
harikimtus Haupt einer Zigeunerbande: kuntus ist sp. conde oder it. conte. haripapi
Grossmutter: pap/ ist das fem. von papus. Asiat, hurro gross syr.
Aind. vadra. präkr. vadda. sindh. vado gross tr. IG. liind. barä gross, barhnä
gross werden, barhänä gross machen Pott 2. 411.
bas.
Griecii. hasdva vb., partic. hustö, schreien, bellen, rufen, singen, hasavdva vb. schreien
lassen, ein Instrument spielen, basavdö m. Imam, Muezzin, basavdf f. Minaret, Musik,
Gesang, Tanz, basnö. hasnö m. Hahn, hasnö m. Vogel 565. basneskoro, basnengoro adj. mem. 173.
RuiULin. bas vb. schallen, klappern, krähen, bellen: praes. basüa, basü. praet. sg. III.
baslöü. basav vb. klirren: impf, basavelas. baznö Hahn buk. basnö serb. basavo vb. bellen.
hasaldi (basavdi) Musik vaill. 81. 97. basnö zomb. bessar. II. gal. I. masnö zu. basnA
bessar. basaUl (basavel) Blaseinstrument, richtig : er spielt ein solches serb. Ungr. basavel
vb. spielen, musicieren, geigen ung. karp. basavipe m. Spiel, Musik ung. basaviben karj).
basau vb. bellen, basel o del es donnert, basalel (basavü) es kracht, basaldi Flinte sirm.
Böhm, basavav vb. spielen, basaviben m. Spiel, basovav vb. bellen, basno m., pl. -e, Hahn.
basneskero adj. basneskero gilaviben der Hahnenruf 62. Deutsch basäva vb. bellen, pdsno^
p((sJo Hahn. Vergl. pvssin Hahn lieb, basopen Klang beitr. 19. pasemaskru Spielleute, eig.
Spielmann, waldh. 119. Vergl. so pas cha sia reden, eig. wohl so basesaf was redest
da? 118. Poln. basal (basau J vb. spielen, based'e bellen: dunkel, kasno falsch für bamo
Hahn na. 156. 157. 166. Russ. te bases vb. bellen, blöken, basady Guitarre. Skand.
6asft vb. spielen. Ital. &as«f«^; vb. spielen, basvani ^hisitk. basadöJJh.v asc. 133. 150. 153.
Engl, bos vb. bellen, geigen, bömo Hahn. Span, basnö m. Halm, bachani f. Guitarre. ^^a-
chandia, Flöte.
Aind. bhäs. päli bhäs sprechen, bind, bhäkhä Rede Pott 2. 426. Für aind. bh
erwartet man zig. j-?//.
belani.
Griech. beldni, beldi f., pl. -jd, Trog, belandkoro m. der Tröge macht, bdlani 628.
Rumun. balaje buk. balaji zomb. balai gal. I. Ungr. bdlai sirm. Böhm, balan^ pl.
Mulde.
bell.
Griech. beli f. der hintere Pfeiler des Zeltes. Rumun. bell f. Säule.
ben.
Griech. bendva vb., partic. bendö, gebären, praet. bendds, biendds. ben f. Gebären.
bend'ardva vb. bei der Entbindung Hilfe leisten, benduvava, bendovava vb. geboren werden:
bendilu tar o kam die Sonne ist aufgegangen : serb. rodilo se sunce. Rumun. benel vb.
gebären, voj benjd (aus benda) sie gebar: falsch me benelem ich gebäre zu. bijaii vb., partic.
bijandö, gebären, o käst bijanel lugume. o bijandö käst. pass. bijandov vb.; bijdndon ver-
mehret euch, bijandilu, bijandiles er ward geboren zomb. Ungr. bijandilo sinn, bijanohos
parerem klaus. Engl, blno geboren.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 177
Bijan, woraus bjaji, ben, scheint auf aind, vjäni (vi ä ni) zu beruhen und eig. edu-
cere, producere zu bedeuten. Griech. bidva vb. gebaren, (Eier) legen und hind, bjanä
vb. fohlen, kalben Pott 2. 88. ist von bijan verschieden.
beng.
Griech. beng m. Teufel: asiat. sejtan. bengoro m. deminut. hengipe m. Teufelei, beii-
galö, bendalo adj. teuflisch, bengulano adj. teuflisch. Kumun. beng, pl. beng, buk. beiui
vaill. bessar. gal. I. byng zu. angus byngamo belemnites, eig. wohl Teufelsfinger, zu. Ungr.
bengo m. ung. beng ml. 154. 179. b^Mgo 153. 9. bjeng der Böse, Teufel born. 87. benglpe
m. Schlechtigkeit ung. bjengipe born. 87. 120. bengälo adj. ung. bjengalo born. 100. ben-
goro m. deminut. ung. Böhm, beng m., pl. -a. bengipen m. Hölle. Deutsch beng
Drache, Teufel, bengvälo adj. lieb, beng Drache, Teufel beitr. 10. 31. Poln. beng Dämon
na. 154. bynk gal. II. Kuss. beng. bengloro deminut. bengly teuflisches Weib boe. 23. 265.
Finn. bang Bugge 147. Skand. beng. sastra-beng ,selve fanden', bengesta Teufelsstadt.
benga vb. fluchen, bengalo adj. besessen. Bask. beka baud. 31. Engl. beng. Span.
benge m. Drache, bengt Teufel, denge m. diantre. bengocM f. Basilisk, bengorre, bengorro
m, Dämon, bengistano m. Hölle.
Vergl. aind. päli bheka Frosch, kurd. baq Lerch 153. mazand. vek Pott 2. 407.
berand.
Griech. berand, berdndi, pl. -dja, die horizontale Stange der Zeltdecke. Rumun. ha-
rand 6pieu, epaule vaill. 97. Span, barandi, varandia f. Rücken, Schulter.
Pott 2. 7G. 429.
bero.
Griech. bero m. Schiff, Galeere. beresko7'o adj.; m. Seemann. Rumun. be^nl Fahr-
zeug bessar. bertt Boot bessar. II. barai bäteau, vase, alveole vaill. 97. Deutsch bero
beitr. 18. 27. lieb. Skand. 6e?T0. Engl. be^'O. berSngro^ beromengi'O Schiffer. Span.
bero, bere, berdö m.
Sindh. beri. avg. berai tr. 104. hind. bhar, bhar grosses Boot Pott 2. 89.
bers.
Griech. bers sed. bres nom. m. Jahr, berseskoro adj. jährlich, eftd-bersengoro adj. :
pani eftd-bersengoro Wasser auf sieben Jahre 606. Rumun. bnrs, pl. bsrs. bsrsoro m. de-
minut. bürsm-vsko adj. einjährig. börSmgo adj.: end-bdrsingo neunjährig buk. virs. virsingo adj.
äge vaill. 62. 82. 133. byrs bessar. 6ers zomb. bsrs, byrs raezz. Ungr. bers ung. born. 87.
ml. 156. 173. brs. brsesko adj. jährig sirm. 6ör.? (d. i. bsrs) karp. Böhm, bers m., pl. -«.
bersnno adj. jährlich, bersuküno adj. jährig. Deutsch bers. bersüno adj. Poln. bers
na. 163. Russ. bes. palbes (pal ist russ. polt) Halbjahr. Skand. bers. Ital. bers. -bar-
sengere adj. -jährig asc. 131. 136. Bask. brecha Jahr, brecha kipia Woche, brecha kinua
Monat, eig. kleines Jahr baud. 28. 35. 38. Engl. bes. besengro adj. ein Jahr alt. Span.
breche m. Asiat, bers, vers. dez varsei zelm Jahre pa.
DcckEchriften der phil.-hist. CI. XXVI. Bd. 'i'A
J78 Fkanz Miklosich.
Aind. varSa. päli vassa. sindli. varelui. liuid. baras : das Wort bedeutet eigentlich
Regen. Vergl. zig. hrisin und Beames 1. 355. Pott 2. 81.
bes.
Griecli. besdva vb., partic. hestö, boM6, sich setzen, sitzen, wohnen; bei den nom.
loddva. gerund, hesindös. besipe, basipe m. Sitz Wohnung, besavdva vb. setzen, besavdö
m. Pilau. Rumun. bei vb, : besdü, besö. praet. besTum buk. b'i'srl d. i. bdsd sedet zomb.
bcsao vb. vaill. me besau ich wohne mezz. bysav, besel, bas'd. impt. bys. gerund, besdunde.
besimd Nest zu. beSri Sessel serb. Ungr. besel vb. sitzen, Avohnen ung. besel er sitzt ml. 195.
impt. bes 174. 191. 195. besä?' vb. : besarda er liess sich setzen 176. 12. besle habi-
tarunt klaus. Böhm, besav vb. sich setzen, sitzen, gerund, besindos. beste sie setzen sich.
besio liegend : som besto ich liege. Deutsch besäva vb. Poln. bei für bes. besybe Kerker
na. 164. 166. besava gal. II. Russ. te beses. praet. besendöyn 23. Skand. besä vb. sitzen,
stehen ; setzen, stellen, besä uppri. Engl, bes vb. bcMo, bösto Sattel, besolden Sitzung, beso-
mengro Sitz. Span, bechelar vb. declinar, sentar. bestar, bestelar vb. setzen. besH f. Sitz.
bestipe, bestijJen m. Reichthum. bestale, bestele m. Bank, bestelelar vb. bleiben. Asiat, ve-
Äame ich setze mich, partic. vesti, vezti. vesürom je suis rest6 pa. 576.
Aind. \\k intrare. upa- considere. ni- causat. facio ut quis considat, habitet. upavista
sedens. hind. basnä wohnen, basänä stellen Pott 2. 427.
bezeh.
Griech. bezeh m., pl. bez^ha, Sünde, Schade, Erbarmen, keres bezeh te romndte du be-
trübst deine Frau. Rumun. bezech, pl. bezechd, bezecha. amdre bezecha unsere Schulden: im
Vaterunser, bezech le grastestar Schade um das Pferd buk. bezech, pl. bezecha. bezechalo adj.
sündhaft; m. Sünder zomb. bezaa serb. bezgch, d. i. bezsch, Sünde gal. I. Ungr. bezdh sinn.
Pers. bazah. türk. beze Schade, Sünde,
bi.
Griech. bi praep. ohne, mit dem instr. : bi indndza ohne mich, bi amendza ohne
uns. bi f/tsa ohne dich, bi tumendia ohne euch, bi e Dimetrdsa, bi e Maridsa. partik.
bizoralö adj. kraftlos; ebenso bimdngoro, biamengoro adj. ohne mich, ohne ims, als Attri-
bute; ferner besereskoro adj. kopflos: lauter Composita. Yergl. Gramm, der slav. Sprachen 2.
402. Rumun. bilacipe das Böse, bioleskero adj. ohne ihn serb. bi-mors-jakh5)igp aus meinen
Augen, bisornngo adj. bartlos, bi-le-zdjdko ohne den Sattel, bitirö ohne dich, bisekadö wild,
ungezähmt. Man merke vi in vimidö unsterblich : vimidö pai das lebenmachende Wasser
buk. bi vaill. 98. Ungr. praep. mit dem acc. : bi o gra, bi i stadik ohne Pferd, ohne
Hut born. bisukarimaskro adj. unschön klaus, 99. Böhm, praep, mit dem abl, : bi maii-
dar ohne mich, partik.: bilaco adj. schlecht, bibacht Unglück. Deutsch bi: bijakkingro
blind, eig. ohne Augen, bipatzeno Aberglaube, eig. Unglaube, beitr. 5. 8. Poln. by-o-cy-
bakjero adj. ohne Zunge na. 152. Russ. bi partik.: boe. 23. Ital. bi romri ohne
Frau, bi ta olme dass asc. 146. 147. Span, bi praep. Asiat, ve-dat ohne Geschmack.
ve-lon ohne Salz pa.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa-s. vii. 179
Aind. vi. bind. avg. be. kurd. he, bi ohne, bepesin atemlos rh. he Lercli 155. Pott
1. 23; 2. 87.
biav.
Griecli. hiäv, hav, pidv m. Heiratli, Hochzeit. ßumun. aheü m. Hochzeit buk. ah-
jdw serb. ahev zomb. Ungr. hiav, piav m. ung. hijav ml. 156. hijcm, hijav karp. hidv ödeiib.
Vergl. hiavel sich paaren ung. Böhm, hijav m. hijaveskeru m. Hochzeitsgast. Deutsch biave
Heirath beitr. IG. pidv Hochzeit, piaviskero Bräutigam, piaviskrica Braut. Vergl. puijdva
sich begatten lieb. Poln, hiau, Hochzeit, Gastmahl na. 167. Russ. bjav. Skand.
blavi Hochzeit. Vergl. bi/ja vb. beschlafen. Ital. biav m.
Hind. bjäh aus aind. viväha Heimführung der Braut, Hochzeit, bjähnä vb. Pott
2. 87.
biaveli.
Griech. hiaveli adv. Abends: Gegensatz von rdno. biavelov vb. dunkeln: biavelilo
tar 0 devel po dives unrichtig : dieu fait obscurcir son jour ; hiavelüo tar o devel ist : le
ciel s'est obscurci, po dives passt dann freilich nicht, hiaveldkoro adj. abendlich. Deutsch
brevul Abend. Skand. hervel, helvel, hellven Abend.
Pott 2. 418.
bibi.
Griech. h'tbi, hiho f. Tante. Eumun. hibi zomb. Ungr. hibi serb. Böhm. hihi,
hihöri deminut. Deutsch hibi, pippi. Russ. Mho. Ital. hebt asc. loO. Engl. hihi.
Asiat, hihio pa. 651.
Hind. bibl Pott 2. 405.
bicavav.
Griech. hicavdva, picavdva vb., partic. hicavdö, schicken. Kumun. hisav vb. : hisaldes
misit zomb. Ungr. hichavel vb. ung. bichavd born. 106. htchaa ich schicke ml. 202.
impt. biehav 155. praet. hichadom 154. impt. bichal, buchcd sirm. Böhm, bicavav vb.
Deutsch bicäva, biceväva. Poln. hiezava für hicava na. 1()2. Russ. te bicaves vb. Ital.
bucaväva asc. 136. Engl, bicer vb. Span, hicabar, bicabelar vb.
Vergl. hind. bißhtlnä to diifuse, to spread und bhcdznä to transmit, dem nach Beames
1. 206. 328. aind. bhedaja trennen zu Grunde liegt Pott 2. 401. Ztschrft. XVII. 244.
bikin.
Griech. bikndva vb., partic. hikindu, verkaufen, gerund, hikenindus. impt. bikin. bikne.
bikendovava vb. verkauft werden. Rumun. praes. hitindü, hifinö. impf, bitinlas. praet.
bitindöm buk. hikinao vb. 1)ikina vente, achat vaill. Ungr. Jnknel vb. ung. bikend^ bikinä,
biknd born. 86. 106. 107. impt. bikne ml. 154. praet. hikinda 172. biknehgero m. Händlei-
ung. biknipe m. Verkauf ung. impt. hicin sirm. Böhm, hikenav vb. biknihen m. Ver-
kauf, bikenipnaskero m. Kaufmann. Deutscli hikinäva vb. Poln. biknava vb. na. 163.
Russ, te hikms vb. Skand. bikna vb. biknipa Verkauf, hiknat, mit schwedischem Suffix,
verkauft. Ital. hikendv asc. 132. Engl, hikin vb. Span, hinar, hinelar, hisnar vb. bisva
f. Verkauf. Asiat, vuknim pa.
23*
180 FhaNZ MiKLOSU'H.
Aind. viki'i verkaufen: kri (krinäti, krinite) kaufen, päli vikkinäti, sindh. vikinanu
verkaufen tr, 253. 278. vikanu verkauft werden 52. liind. kinna kaufen Pott 2. 87. Verarl.
zig. kin kaufen.
bil.
Griech. hi/-: hilano adj. geschmolzen, hilanov vb. schmelzen intr. Rumun. hilav
vb. : hilavel er schmelzt, hiladov vb. aus hilavdov in bjeldjToü aus hilavdiToü er schmolz buk.
baläjles zomb, für hiläjles. Ungr. hilavel vb. Für hilal in : vosko p' o kham bilal das
AVachs schmilzt an der Sonne sinn, erwartet man ein pass. Form : hilal kann nicht ftir
* hiJ'ovel stehen.
Bil ist vielleicht das aind. vi-li : *hilava beruht auf einem aind. *vilajämi.
bistr.
Griech. histrdva vb., pai'tic. histo'du, vergessen. Rumun. hist5r vb. praet. bistsrdom buk.
bistrav vb. histardov vb. pass. praet. histardileiii zomb. Ungr. pohisterel vb. ung. pöbisterda ml.
199. 202 : ^:»o ist das slav, Praefix po. histrel, histardem sirm. Böhm, pobisterav vb.
Deutsch bisterava^ hiserava vb. Russ. te zabistyres, te zahistyrdes vb. : za ist das slav, Praefix za.
Aind. vismr: vismarati. päli vissarati. sindh. visäranu. bistvr'wa beruht auf *visarämi,
''' visi'ämi : t ist zwischen s und r eingesclialtet.
bis.
Griech. bis^ bis numer. zwanzig, bisenyoro m. Zwanziger. Rumun. bis bessar. buk.
gal. I. zu. bisjek einundzwanzig zu. bisd-bürSsngo adj. zwanzigjährig buk. bes vaill. mezz.
Ungr. bis ung. bisvar zwanzigmahl ung. bisujeg born, 105. bistajeg mündl. Mmtrhi. bis-
usiär, hisupänc ml. 152. 17G. 204. hisinger m. Zwanziger ung. bisto zwanzigster ung.
Böhm. 5/#. bisvar. bisthejek. hise7igero ndj. bisto. Deutsch bis. Poln. bis na. 154. gal. II.
Russ. bis. Ital. bis asc. 132. Engl. bis. Span. bin. Asiat, bist, vist. vist ek ein-
undzwanzig, turrum vist dreimal zwanzig, turntm vist das siebzig syr.
Aind. visati. ]iäli vIsati. hind. bis. sindh. vlh. pandz. bih. avg. sil aus (vi):5ati tr.
125. Pott 1. 215; 2. 88.
bobi.
Griech. böbi, bupi m., ]d. bobja , Bohne, bohola pl. deminut. Rumun. hob pois,
feve. hobi grain, graine vaill. 98. Ungr. bobo m. Hülsenfrucht, Kukuriyz img. sirm.
Deutsch hoho. Bask. hobi Bolme baud. 32. Engl. Indi, böbi Erbse. Span, bobi f.
Bohne haba, bobani f. Habana.
Slav. bob.
bokh.
Griech. hok f. Hunger, hokalö adj. hungrig. bokdTovava vb. hungrig sein. Rumun.
hok f. hokhäfar abl. hokhalo. bokhaVov vb. liungrig werden buk. hokhalö zomb. hok vaill.
Ungr. hokh ung. hokhatar aus Hunger aus Ung. 330. hokhalo adj. ung. karp. hokhalo adj.
born. 100. bokhajovel vb. hungern ung. au« -l'ov. hokhalo adj. ml. 164. 189. bokhäjovahi
184. 12. hokhalo sirm. hokh. hokhalö karp, hokh f. ödenb. hok klaus. Böhm, hokh f., pl. -a.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa'S. vii. 181
bokhälo adj. Deutsch buk. Poln. bokh na. 155. hokho hungrig na 155. biikelisom Hunger
gal. II., richtig: ich bin hungrig. Russ. bokhd Hunger, bokhalö adj. te hokhales vb.
hungern. Finn. bokk gae. Skand. bokka vb. bokk, bokkipä Hunger, hokkalö adj. Bask.
hokali asa ich bin hungrig band. 32. EngL bok, hökaJo. Span, lioki f. boke m. hokinö
adj. Asiat, bkäla adj. syr. Pott.
Aind. bubhuksa Esslust, päli bubhukkli hungern, liind. bhükli f. bhükhä adj.
Pott 2. 396.
bokoli.
Griech. bokoli f. Brod, Weissbrod. Rumun. bokoli Honigkuchen buk. Ungr. h(-
keli aus Ung. 330. bok^ri f. ung. Böhm, bokoli f. Semmel, Buchtel, bokolöri f. deminut.
churde bokohra mürbe Buchteln 71.
bol.
Griech. boldva vb., partic. boldö, bolno, eintauchen, taufen, bolipe m. Taufe, bolavdva
vb, taufen lassen, boldovava vb. eingetaucht, getauft werden, biholdö, biholno, hiholavdo
adj. ungetauft. Rumun. bol vb. eintunken zomb. boles du taufst, praet. holdöü^ holdds.
holdov vb. getauft werden buk. Ungi'. bolel vb. eintauchen, biboldo m. biboldi f. Jude,
Jüdinn ung. biboldo karp. Böhm, bolav vb. eintauchen, taufen, biboldo m., pl. -e, Jude,
Kapaun, biboldi f. Jüdinn. biboldüno adj. jüdisch. Deutsch hipoldo m. bipoldica f. lieb.
boldo Taufe beitr. 31. Skand. bolld vb. taufen, hollijxt Taufe.
Hind. börnä eintauchen Pott 2. 422.
bolav.
Griech. bolavdva vb. reflexiv: sich drehen (im Tanze), bolaipe m. Drehung, böldava
vb., partic. boldino^ drehen, boldinö m. Steuerruder, Mühle, eig. das sich drehende, bol-
dini f. Erdbohrer. Rumun. impt. bohl drehe zomb. reflexiv: umkehren, zurückkehren,
praes, boldes tu. praet. holdds 2)e. boldinö adj. ki-aus buk. ti rinholdas tordre double
vaill. 87. Ungr. boldinö adj. dankbar, eig. koji vraca; subst. Gurke sirm. Böhm, bolipen
m. Welt. Deutsch pölöpenn Himmel lieb, holopen Welt beitr, 16. 35. Poln, bolyhen
na, 160. Russ, holyhe Himmel, Wolken, holyhndskiro adj. himmlisch.
Pott 2. 423.
bori.
Griech. bori f. Braut, junge Frau, Schwiegertochter: vergl, bord 620. hori
Marder: vergl. ngriech. ^o\i.'^izCrj.^ vo(pl-Cr/. it. donnola, borori f. deminut. Rumun. buri
Schwiegertochter buk. horija serb. lakre d»ij hora eins (f.) duae nurus. i^hendas peskre do
burange dixit suis duabus nuribus klaus, Ungr. bori sirm. Poln. bori des Bruders Frau
na, 153. Ital, buro m. Bräutigam, huri f. Schwiegertochter, eig. Braut asc. 134. 137.
Russ. bori Schwiegertochter. Finn. vergl. sahoria Prinzessinn Bugge 149, der sa mit
russ, carB in Zusammenhang bringt, Asiat, vahri pa.
Kurd, bura Schwager rh, Pott 2. 353.
182
Franz Miklosich.
bov.
Griecli. bov m. Ofen, bovcskuru adj. ; m. Bäcker, boveskeri f. Bäckerinn. Rumun.
bofi, pl. bovd, bod, buk. böu bessar. II. bo vailk 98. bov gal. I. Ungr. pal o böua liinter
dem Ofen mk 203. ?'o/ iingh. bou sirni. 6ov karp. Böhm, bov m., pk -a. Deutsck
böb lieb. Poln. ?)0?t na. 1(31. Russ. bov. Skand. bau. benrjeske bau Hölle.
Armen, bow Schmelzofen Pott 2. 405.
bradi.
Eumun. bradil^&nna buk. c/«?" braji (wohl iracf^;; «io^ deux brocs de vin vailk 81. Ungr.
brädi karp. sirm. Böhm, brädi f., pl. -«. 6rocfori f. deminut. bradencßro m. Fassbinder.
Poln. bradi gal. III.
brek.
Griech. brek m. Busen: asiat. guc. Rumun. bzrk. Ungr. 6reÄ-o m. Busen, Brust.
brekoro m. deminut. ung. brek ml. 161. breköro m. deminut. IGO. Böhm, palobrek
Busen, richtig: _paZ' o brek im Busen. Russ. ier^?. Itak brek, breke Brust. Ä;' o 6re^e
im Busen asc. 135. 139. Engl. berk.
Arab. pers. berket arab. berk asc. 135.
brisin.
Griech. brisin, brisinclö, bursin, bursindö m. Regen, risin bdela es regnet, brisindeskoro
adj. brisindengoro adj. brisindengere dives regnerische Tage. Rumun. brssmd, brss6n. del
brsssn es regnet buk. brisin vaill. brysyng bessar. brisind^ brysin zu. brysind mezz. bnj-
cynd bessar. IL brsindalo regnerisch serb. Ungr. brisind m. ung. brisin born. 87. 90.
brsunddlo sirm. brisind öden b . Böhm, brisind m. pl. -a. brisindoro m. deminut. Deutsch brsindo
lieb, bresindo beitr. 26. falsch: &r?se«c?o erregen 11. Poln. brySynt nn. 154. gal. IL Russ.
6mT??. Skand. 6r2isa vb. br/isipä Regen. Bask. birzindo, brechindua Regen baud. 37.
Engl, brisindo, Usno . briseno, bisavo adj. brisinSla es regnet. Span, brichinda, brichinelia
f. brichindar vb. brichindoj, brichinduj adj. regnerisch, brichindope m. Sündflut. Asuit.
varsundö. varsundi. varsündi. Jäv varsüsteri wörtlich : il a plu de la neige pa. 254.
Aind. vr§, varSati vb. varsa, vrSti Regen, päli vassati. vassa. bind, barasnä regnen,
barsänä regnen lassen, sindh. vasanu regnen Pott 2. 81. Beames 1. 355.
buglo.
Griech. buejlö adj. weit, geräumig; m. Piaster sed. für astalö nom. bugTardva vb. aus-
breiten, bügl'ovava vb. ausgebreitet werden. Rumun. buMö buk. buejlö bessar. II. buglü
weit bessar. buTardo Bett serb., eig. das ausgebreitete Stratum, buvlerla sternit zomb. für bugTa-
rela. Ungr. buUw adj. breit born. 100. bulheno adj. flach ung. biilo weit sirm. buchli f. buchles
adv. karp. bidho ödenb. Böhm, buchlo adj. breit, buchlipen m. Breite, buchli f. Tafl'etband.
Übek die Mündaktes und die Wanderungen der Zigeuner Europa-s. vii. 183
hucJiTöri f, deminut. Deutscli huchlo adj. weit, breit, huchhväva ausweiten wohl pass. lieb.
hiichlo Brut, richtig breit, huchlipen Platz beitr. 9. 24. Poln. hulhako breit na. 166.
Pott 2. 399: bitcldo.
buko.
Griech. hukö m., pl. -e, Eingeweide, hukorö m. deminut. huMskoro adj. hihuk^ngoro
adj. ohne Eingeweide, mitleidslos aairÄay/voc. Rumun. kalo buk Leber; i-tarno buk
Lunge serb. : vergl. serb. crna, bijela dzigerica. Ungr. bukko m. Eingeweide ung.
pdra (parnoj bkuko albi pulmones Lunge zum Unterschiede von der Leber aus Ung. 7.
396. buce sirm. Böhm, büke pl. Deutsch pukko Leber, Lunge, Milz, Niere lieb, buko
Leber beitr. 20. Engl, buko Leber. Span, buko m. Leber, Muth. büke m. Lunge.
Aind. bukka Herz Pott 2. 398 : buchos vulc.
bur.
Griech. bur adj. aller, o ves o bur toutes les montagnes 361. Rumun. boro adj.
large, etendu vaill. 98. Poln. burono gross adj. na. IGT. Ein dunkles Wort.
burli.
Griech. burli^ berüli f. Biene. burTengoro adj. Rumun. biruli buk. birli vaill. 98.
biruvli serb. Ungr. birumni f. sirm. Böhm, brli f. Biene 69. (unrichtig Birne 36.)
hrTori f. deminut. Deutsch inrlin, pareni lieb, birlin, brul beitr. 8. Poln. birli na. 163.
Span. beriJ'i Wespe.
Hind. birni Wespe Pott 2. 419.
burnek.
Griech. bnrnek m. Handvoll. Ungr. burnik m. flache Hand ung. ödenb. burnek f. :
andr e burnek karp. Böhm, burnek f. Handvoll, burneköri f. deminut. Engl, bönnek :
fo lel bönnek ergreifen.
buro.
Ungr. buro m. Dornstrauch, buroro m. deminut. ung. ande jekke burreste. büroro deminut.
karp. bur ödenb. Böhm, bura m. pl. Gesträuch. Deutsch i^orr Busch, Wald lieb.
Hind. bütä.
buruv.
Griech. buruvdva, brivdva vb. aufflechten: burüv te bat flicht deine Haare auf.
bust.
Griech. bust f., pl. -ja, Spiess. bustjdkoro m. Lancier. Rumun. bust Bratspiess buk.
Ungr. bust Bratspiess anz. btis f. sirm. p^tsfa f. Lanze, Spiess ung. Deutsch p7ist lieb.
Ital. buSt, pl. bustjd, Spiess asc. 138.
bus.
Rumun. büselpe, busel er heisst vaill. 80. busss, busos du heissest. impf, busolas, busulas buk.
234 FliANZ MlKLUSllH.
but.
Gi'iecli. hut adj. adv. viel, so hut wie viel 61G. hnlm adj. viel, huteder comparat.
butlö adj. viel: selten. Rumun. but. maj but mehr hixk. but viel, gross, lange, buter:
tu mande buter clivesa (d. i. ci avesa) inds \\\ mihi amplius non eris discipulus zomb. Ungr.
biU adj. viel ung. buter comparat. ung. but ml. 154. btiter 165. 176. 178. e büterengeri
men der Hals der mehreren 187. o büter die übrigen 165. 1. but-dz6ne^ buter-diene in
mehreren ung. butvar adv. oft ung. bütvar ml. 159. biotarel vb. vermehren ung. butaluv
vb. magy. sokallok born. 106. büt karp. buder klaus. Böhm. but. buter comparat. mecj
buter noch mehr, najbnter superlat. Deutsch but viel, oft lieb, büt (buut). buter mehr
beitr. 21. 22. l'oln. but na. 167. Russ. bitt. ndbnt wenig. Udytyr comparat. te buteres
vb. zulegen. Skand. but, pl. biete, viel, butt wohl. Bask. 6?f;e?' beaucoup. buter troupeau.
but ils; 6z(/er nous : vergl. nous autres, sp. nosotros baud. 29. 33. 36. 39. Engl, btit,
buti. Span, but, bute viel, buter mehr, de-biis ausserdem, butre adj. zalilreich. butembrar
vb. abundar. Asiat, buhu pa.
Aind. bahu. bind, bahut. bahuterä Pott 2. 400. but beruht auf bahut, *baut.
buti.
Griech. buti, puti^ bukt, pl. -jd, f. Arbeit, buturi f. deminut. butjdkoro m. Arbeiter
bibutjdkoro adj. der ohne Arbeit ist. Rumun. huti, buti, bhuti f. Arbeit, Ding. kSrla
buti er arbeitet, kade buti dieses Ding, bufar vb. : butarü er arbeitet buk. 6era bicdi ich ar-
beite serb. biiti zomb. Ungr. o buti born. 87. bäti ml. 156. 172. butikerä arbeiten
born. 106, richtig buti kerä ich arbeite, o manus cerel buci der Mensch arbeitet, cerel
büci er schmiedet sirm. buti^ buti karp. Böhm, buti f. Arbeit, Schmiedearbeit. Deutsch
bütin lieb, butin. butinandri jmb Ackerbau beitr. 5. 6. richtig butin andr'' i pub Arbeit
auf dem Felde. Poln. buty na. 163. Russ. butij. buternö Arbeiter, butjarny Arbei-
terinn, Köchinn. Ital. butm asc. 135. Engl, buti, butsi. Span, buci Sache.
Aind. vrtti Art und Weise zu sein, Verfahren, Lebensunterhalt, Gewerbe, päli
vutti behaviour, livelihood, profession Pott 2. 402. 403.
buz.
Rumun. buzechd pl. Sporn. Ungr. buz m. buzeha f. ung. buzech f. karp. o buze born. 87.
buzechd pl. ödenb. Böhm, biizech f., pl. -a. Deutscli pussi, passik lieb, bussicka beitr. 30.
Pott 2. 429.
buzno.
Griech. buznö, büzos m. Bock, buzanö adj. Bocks-, buznorö m. deminut. buzn( f., pl.
-fid, Ziege. Rumun. lirusno Bock, brusni Ziege vaill. 99. bu'zni Ziegenbock bessar.,
wohl falsch. buz7i6, bnzni serb. bakrisu huznako zomb. Ungr. buzno. buzni, buzrl. buznako
mas Bockfleisch sirm. Abweichend böhm. ^:>««f)» m. Ziegenbock. Poln. buzno. buzny
na. 157. Skand. busni Ziege. Bask. busni baud. 30. Vergl. span. busnö, busn4 m.
extrafio, barbaro, gentil. brunö, bruM Bock, Ziege. Asiat, buzni, buzin Ziege pa.
Kurd. bizin Lerch 158. bizin rh. avg. vuz Ziegenbock tr. 51. pers. buz. abaktr.
büza Pott 2. 366. 434.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigetiner Europa.s. vii. 185
cid.
Ungr. c/cZ vb. : te cidon ziehen, impt. cid. impf, cidelahi ml. 169. 177. 201. cÄdel vb.
ziehen, streichen, die Violine spielen ung. cudel vb. ausziehen sirm. : praet. cidinda ml. 18*3.
9. beruht auf einem Thema eidin. Böhm, cidav vb. schöpfen, Avägen. cidipnaskere pl.
Wage 13. 37. Vergi. civ.
cipa.
Ungr. dpa f. Leder, Haut ung, o cipa born. 87. Böhm, dpa f., pl. -/, Haut, ci-
picka f. deminut. Deutsch cepa. Poln. cypa cutis na. 164. Russ. cypo altes Vieh
russ. oderii.
caco.
Griech. cadpe m. Wahrheit, cacipanö adj. walir. cacipanes adv. wahr. cactin6
adj. wahr, richtig. Rumun. cec6 adj. wahr, recht (dexter). o vast o cecu die rechte Hand.
moj'ö kan o ceco mein rechtes Ohr. cecipi Recht, Grerechtigkeit. cecimäsa in : sänas mdnija
cecimäsa ihr wart gegen mich gerecht (mit Gerechtigkeit), ceces adv. : na j ceces es ist nicht
wahr buk. cacös adv. gerade bessar. ceci f. bessar. 11. caco. cecimosko manüs ein gerechter
Mensch zomb. Ungr. caco adj. wahr, richtig, cncova die rechte Hand ung. (mcJlo born, lOU.
cadpe ung. Glaube sirm. cachipe born. 87, 90. cacepaskero adj. rechtschaÜ'en ung. caco auf-
richtig karp. caces adv. cacipn Gerechtigkeit, cacimastar sg. abl. cacimaskro adj. gerecht
khius. Böhm, cäco recht, gerecht, eigen, ntro caco mein Eigenthum. peskro cäco tover
seine eigene Hacke 59, 60, cäces adv. cacipen Gerechtigkeit, cacnno adj. eigen. Deutsch
cäco. cäces. cacopen. cacovo eigen lieb. dico. cacohen beitr. 8. 14. 26. Poln. caco. nane
caco Unwahrheit, richtig : es ist nicht wahr, cacuno treu, cadjhe Gerechtigkeit, Urtheil.
cacypen Gesetz na. 155. 162. 164. 167. Russ. caco. Finn. caco gac. Skand. caco.
cadpä. Engl. täco. tdceno. tdco wast. iäcnes adv. Span, cadpe.^ cacipen. cacipenö adj.
cacipirö adj. cacwmi f. Wahrheit.
Aind. satja. päli sacca. bind, saceä wirklich (actual), Avahr, gerecht Beames 1. 327.
Vergl, sindh. sandö eigen tr. 129. Das anlautende c für s verdankt seinen Ursprung der
Assimilation an das inhxutende c aus tj. Vergl. zig. dico.
cal.
Rumun. praes. sg. HL calil, cal'ul es gefällt, praet, sg, III. calöu, cal'ds es gefiel
buk. saleol (d. i. saTol) ma es gefällt mir. salimas plaisir. caTil es gefällt mezz. Richtig
vielleicht caTov pass., so dass cnTiU^ caTü für cdTovel, cäTol; caTüii für caTiJoü stünde.
ealav.
Griech. caUivdva vb. schlagen, klopfen : bei den sed. mardva. caTardi f. Art Ilammci-.
Ungr. calel vb. schlagen ung. ccdavä born. 106. 111. calav vb. schlagen ml. 172. 177. 187.
chütteln 173. 15. 16. caladi f. Uhr, eig. die schlagende; Stunde ung. Stunde born. 87.
100. Böhm, calarav vb. berühren. 16. 64. 77. läce jlleha elias ccdado er ward mit gutem
Herzen gerührt 79: unrichtig dlavav 37. Russ. te calaves vb. ausschlagen (vom Pferde).
Kngl. cdlav vb. berühren, Span, calahear vb, bewegen, nihren,
Aind. cal causat. beweg^en, stossen. bind, calnä schlagen.
DenkscUritten der pbil.-hist. Cl. XXVI. Bd. 24
S
18f) Franz MiivLOSiCH.
calo.
Griech. cal6 ;ulj. satt. caTardva, calardva vb. sättigen, cdlovava vi), satt werden.
J\uniuu. raln. pl. cclf, satt, praet. ceTiTds er ward satt buk. cajlärdv irli nähre zomb. fiii-
caTardv. Ungr. calo adj. satt ung. chdlo ml. 169. caTarav vb. sättigen. M-aTovav vb. satt
werden ung. cdilo satt sirni. für cdlilo. caluvava vb. ich. esse mieli satt, partic. cdlilo karp.
Deutsch cälo. caloväva vb. sättigen. Poln. cah na. 165. Russ. calo. Skand. calo.
Vergl. car f. und car essen: carava Yoii 2. 201.
cam.
Griech. cam. f., pl. -/'«, AVange. ßumun. cdma wohl pl. Gesicht serb. Ungr. cam, cham f.
Wange ung. chani f. born. 87. Vergl. chamohal , chahomal, cahomal m. Kinn ung.
Böhm, cam f., pl. -o, Gesicht. Deutsch ca,mm. cammadini Ohrfeige, cammaldcha Kinn-
lade lieb, cam Backe, cammla pl. AVangen. cammedini beitr. 7. 34. Poln. cam Gesicht
na. 166. Engl, cam Wange.
Vergl. hind. cäbnä kauen. Cam mag ursprünglich die Kinnlade sein.
cam.
Griech. cc^n f. Brot, Speise, cameskoro m. Bäcker, camkerdva, camukerdva vb. kauen.
camurdikanes adv. gekaut, undeutlich (von Worten im Sprechen) ngriecli. [laaY^jJisvoc : so ca-
murdikrmes vakeres ti shoraf wai-um sprichst du deine Rede undeutlich? ßumun. camh vb.
abnagen: praes, sg. III. camhela. praet. camhhim buk. camh vb., partic. camhU, kauen zomb.
Ungr. chamlo m. Brot ung. camhel er kaut sirm. Deutsch cammevdva vb. kauen, cam-
inerväva vb. reden lieb, cammervava kauen beitr. 18. Skand. camla vb. kauen. Span,
vergl. damhilar vb. kauen.
Vergl. aind. camasi Art Backwej-k und hind. cäbnä kauen Pott 2. 193.
cand.
Griech. cdndava, cdrdava vb., partic. cardlnö, schi-eien, rufen. imjU. Mrdc. pi-aet.
Candida 622. 626 : bei den sed. chujdzava.
candi.
Griech. candi f. Fetzen, candih't adj. zei-fetzt. candde-jismatenrjoro adj. zen-issene
Kleider tragend : besser -jizm-.
cang.
Griech. cang m., pl. -//<?a, Bein, cangcskoro, cangengoro m. Spaten, eig. der mit dem
Fusse in den Boden gestossen wird, eftd-cang^ngere skara gril ayant sept pieds. trin4n-
plm^mgeri (wohl -goro) dzangunö trepied. Vergl. zig. piralö. ßumun. cang Knie, pe Idks cangd
zu ihren Füssen buk. canga vaill. lOO. cangd Bein mezz. Ungr. cang m. f. ung. cdnga pl.
ml. 191. cangengeri f. Schürze, eig. die an die Knie reichende ung. cangori f. deminut. ung. pre
cdugöri auf den Knien ml. 197. cang. me dau canga ich knie sirm. cang kai-p. Böhm.
i-ang f. cangürl f. deminut. Deutsch cavfj lieb, canga beitr. 19. Poln. cank. de cank
CbEK die iluNDARTEN UND DIE WANDERUNGEN DER ZlGEUNEK EuKOPA'S. VII. 187
iiiedei-knien na. 157. FInn. cevg gac-. Skand. jung, gäw]. Ital. cany Bein. Engl.
cong. Span, cankli f.
xVind. päli ganghä Hüfte, lilnd. d^ängli der obere Schenkel. Hier steht zig. // iVu-
alnd. gh.
car.
Rumun. car m. Sand vaill. 100. ucar, richtig wohl o car^ mezz. mar, richtig o sar,
Asche bvdc. Deutsch üär Asche lieb, car beitr. 7. Asiat, car pa. ksar Staub 445.
tjarüss Asche syr. seetz. 186.
Alnd. ksära Potasche. präkr. chära. Iiind. khär Beames 1. 310. sindh. öhäru Pott
2. 1!>S. Das Wort ist dunkel.
car.
Griech. car f., pl. carjd. Gras, Kraut, carjalö adj. grasreich, carjengoro m. der Krauter
verkauft, cardva vb., partic. calö, essen, gesättigt werden, caraväva vb. essen lassen,
weiden, cärjovava vb, grasen. Rumun. car f. Gras buk. bessar. mezz. cär, pl. le carä,
zomb. : cairl aus carja. car bessar. II. Ungr. car m. ung. karp. cär Gras, Pflanze, Blume
born. 104. Kraut ml. 192. 193. car. carju(lj er grast sirm. e dar Gras karp. Böhm.
car f., pl. -a, , Gras, Weide, caröri f. deminut. carävav vb. weiden trans. Deutsch cär.
caräva vb. grasen lieb, cär Gras, cardrabe Gewürz beitr. 15. Poln. caraveio weiden
na. IGl, eig. er weidet pascit. Russ. car. Skand. car. Engl. cor. Span, ca m.
Kraut, cavan m. AVeide.
Aind. car essen, grasen, sindh. caranu tr. 49. 263. hind. chär f. Rasen, carnä
grasen, gudz. carävavii weiden, pers. ßaridan weiden.
car.
Gi'iech. caräva vb., partic. cardo, lecken, cardikane-viistengoro adj. seine Lippen leckend:
halb türk. jalamd-vustengoro. Rumun. car vb. : impf. pl. III. cärnas buk. car vb.,
partic. Carlo, cargU^ zomb. Ungr. carel vb. ung. Böhm, carav , unrichtig corav.
vb. 13. 38. Deutsch caräva lieb, beitr. 20. Poln. catnarava na. 158, eine Combi-
nation des zig. caräva und des hind. inf. catna bei grellm. 298.
Hind. (^ätnfi lecken.
caro.
Griecli. carö m. Teller, careskoro m. der Teller macht, verkauft, Diener. Rumun.
coro Schüssel, caro serb. charo zomb. Ungr. caro Schüssel, Teller ung. caro sirm.
o cäre pl. karp. Böhm, cäro m., pl. -e, Schüssel, cärori f. deminut. für das erwartete
cäroro. Deutsch caro lieb, caro beitr. 23. hämo caro irdene (richtig weisse parno) Schüssel
18. Poln. caro na. 159. Russ. carö, cäro Schüssel, Teller. Tasse, car Gefäss boe
24. 26G. Skand. caro. Ital. caro Teller. Engl, coro, cor, cöra.
Aind. caru Kessel, Topf, armen, carai Topf, Schüssel.
cat.
Griech. catäva vb., partic. catlö, cadlo, sich erbrechen, praet. cadMs 316. catipe m. Er-
brechen. Rumun. sad: sjädo les avri ich werde ihn herausgeben evomani. praet. sagTöü
1 oo FliANZ MiKLOSICH.
aus sadloü buk. sadao vaill. 57. 125. saglem vomui zoinb. Uiigr. chandel vb. ung.
ßölim. carrdav vb. Deutscli dsadovnva vb. spucken. Russ. te cades vb. vomiren, be-
sudeln boe. 266. Rkand. cadda vb.
Aind. cluird ausbrechen, vomiren. paii cbadd Pott 2. 207.
cavo.
Griech. cav6, caö, co m., pl. cave, Kind, cacorö m. deminut. cavSskoro, cavengoro adj.
caj, cej t, pl. coy^^. Tochter, tv^jo?-/ f. deminut. cdkoro, cajdkoro adj. bicavdngoro adj. kinder-
los. Rumun. savö, sao. saorö. sej buk. sjaü. sdoru. sej bessar. II. sjavo. savoru, savorro
zomb. caho, cao. caoro. cabe, ce f. vaill. cav6. caj gal. I. cävo. daß, cej serb. chavo.
chavorö. chai. taganr. Ungr. chävo, chcl born. 87. cavo ml. 173. 199. chavhtero adj. 173. chd-
vöro 163. chavoHskero adj. 163. chavoro, cavoro deminut. ung. cavöro born. 90. 122. cha-
vöro 87. cavöro ml. 153. 175. caskero adj. born. 119. chaj, caj £. Tochter, Mädchen ung.
cajöro born. 90: richtig cajöri. chaj ml. 166. chdjöri 196. 199. 200: falsch chüjeskero 166.
caro. tV/üoro, chavoro. caj. i^omdni cajöri karp. cao. cdnro, chaoro. cej sirm. /aÄ;re diie chave
eins (f.) duo liberi. da chavenca cum duobvis filiis. da chavengre nava duorum filiorum
nomina klaus. Böhm, cävo m., pl. -e, Sohn, Kind, Knabe, cävoru. cavengero adj. kin-
disch, caj f. Tochter, Mädchen, cäjori f. deminut. Deutsch cävo. cai. cäkro adj. lieb.
cavo, covo, cabo. caveskro cavo Sohneskind, pengakro cavo Enkel, eig. sororis (penakro)
filius, Neffe, caj., cej. cakri caj Tocliterkind. cakro 7mm (rom) Eidam beitr. 11. 12. 18.
29. 32: eig. filiae maritus. Poln. ca.vo. cavaskero ghassi des Sohnes Frau, richtiger
raveskero: ghassi kömmt nur in na. vor. caj. cakerg als virgo nobilis ist falsch: es kann
nur filiae, virginis bedeuten na. 153. 161. 165. Russ. cävo. cave romani pl. Zigeuner.
6^caves/fc^Vo adj. kinderlos, caj. cajöri. Finn. cq/ Kind, cew m. cej f. gac. Skand. cauo;
caA}on in der Anrede: hava kei, davon komm her, Sohn, cei Mädchen. Ital. cavö, pl.
cave. cavorö. cdj, pl. cajä. caori deminut. Bask. caho. Vergl. zig. aka. Engl, cavo
m. cdvi, cej f. Vergl. römani cal Zigeuner mit dem russ, cav6 romanl Span, cabö, cabe.
caU, cavi, caj. caborö. cahorL cabal Sohn, cahala Tochter. Vergl. asiat. cagKii, Sohn.
dzdghi Tochter pa.
Der Ursprung des Wortes ist dunkel Pott 2. 181. Man ist versucht an präkr. vaccha,
sindli. bacö Kind aus aind. vatsa zu denken und Metathese der Anlaute der Silben an-
zunehmen, allein es fehlen diese Annahme bestätigende Fälle. Besser stimmt zum zig.
Worte päli chäpa, ßhäpaka das Junge eines Thieres a child, das Childers mit aind. .4ava,
sävaka vermittelt. Vergl. E. W. A. Kuhn, Beiträge 45.
cavri.
Griech. cavri f. Hühnchen, Junges von Vögeln. Ungr. cavri f. Hühnchen born.
87. Böhm, carvi f., pl. -a, Huhn, carvöri f. deminut. Deutsch cavrin Huhn, Henne
lieb, cabri.n waldh. 116.
Nach asc. 12 aus dem türk. jävri unter dem Einflüsse des zig. cavö.
cel.
Griech. cel, dzel f. Kinderblattern, celalö adj. blatternarbig, cclalö m. celali f. Käse,
Käselaib.
ÜBER DIE Mundarten und die Waxdehungen der Zigedneu Europa'.*, vii. 1811
ceni.
Griech. ceni, cei f., pl. cend, Ohrring. Ungr, cen: e cen e rupuni das silberne Olir-
gehänge sirm. Russ. cen. Ital. ceni. cenvri deniinut. Asiat, dient pa.
cerga.
Griech. cerga f. Zelt sed. : katiina nom. cergeskoro, cergengoro m. Zeltbewohner, No-
made : cergeskoro für -gdkoro. cergehj Nomade 274. Böhm, cey^ha f., pl. -i, Flache, Zelt 2'.\.
falsch: Pflaster 37. Deutsch cerka Tuch. Span, vergl. cercha Art Mantel.
Türk. oerk'eh.
cerchan.
Griech. cerchän sed., cercheni nom., cergeni f., pl. -nd, Gestirn, cerchendkoro adj.
ßumun. cerhdje, cerhaj4 pl. Sterne buk. cerhan, pl. cerhaje, zomb. cerganjdfar pl. abl. zu.
cergena Morgen- und Abendröthe taganr. eerain Stern serb. Ungr. cerheni, cerheiia f.
Stern ung. cerchen karp. cerhan mündl. cerdja. caraender pl. abl. sirm. Böhm, cercheii
f., pl. -na. cerchenöri f. deminut. Poln. cerhenni na. 156. cierchen gal. II. carahenmj
Älorgenröthe na. 169. Skand. clkken. Span. ucurgaM, cerdiTi f. Stern. Asiat, tschen-
nanih syr. seetz.
Pers. öarch sphaera, caelum, und davon durch ano, eno: cerhano, cerheno, im f.
-an/, eni caelestis, Himmelskörper. So nach asc. 65. Pott 2. 197.
cero.
Rumun. cero Himmel vaill. 100. cerjii bessar. cer bessar. II. and o ceri, ceri, cef im
Himmel buk. ceri. ceeri zomb. Ungr. ce7'os buch, ceros klaus. chi mündl. Bask.
cJiarö m. baud. 30. Span, caro m. Himmel, Firmament.
Rumun. cerjü.
ci.
Ungr. ci nicht: me ci d^anav te skiri (für skrii) ich kann nicht schreiben mündl.
ko ci 6erel buci, te na hal wer niclit arbeitet, soll nicht essen. Daneben nici: nici kamel te
kandel er will nicht gehorchen sirm. Böhm, ci mit na nichts: nane mange ci ich habe nichts.
Deutsch ci nicht, nichts, cinäkro, cinägro adj. wertlos, mit eingeschaltetem n. cici: ciceske
zu nichts, umsonst lieb, ma pen ci schweigsam beitr. 33, richtig : sage nichts, cici 23.
Poln. cycg na. 160. Russ. nici nichts 21. Skand. ci mit na nichts. Ital. vergl. cu-
mondc etwas asc. 133. 146. Engl, c/, c(ci. Bei lel. 106. mor pen cici sage- nichts.
Span. Ci subst. f. und adv. nichts.
A'ergl. kurd. ci was rh. Pott 1. 274. 323. Man vergl. mit ci griech. ic, hie etwas,
mit na nichts: ndna pendva hie ich sage nichts. Rumun. is etwas vaill. nani huti kdic
non est opus mezz. ic ob ist slavisch: ungr. hoj ci ehi meg dzido ob er noch lebt karp.
cib.
Griech, cip, für cih. f. Zunge, cibalö adj. geschwätzig, cibano m. Albanier. cibanoro
m. deminut. Rumun. sib vaill. 127. jib (d. i. zib) 110. cib, sib mezz. sib bessar. sib, pl.
190
FlUNZ MlKLOSlCU.
s!bä Zunge, Spraclie. bisihaka d. i. hisibäkö für bisibilko &dj. ohne Zunge buk. cib, ci6o Zunge,
nicht auch Spniclie serb. Ungr. r/'b, cip m. Zunge ung. c/üp f. born. 88. 87. sib miindl.
peskeri cib karp. ribalo adj. geschwätzig ung. m. Schmied born. 87. Richter ungli. cib.
cibhdro Richter kaj-p. Böhm, cib f., pl. -«, Zunge, Sprache, bicibakero adj. ohne Zunge.
cibalo ni. Richter, cibäli f. Richterinn. Deutsch cib Zunge, Sprache, civälo Schwätzer,
Taugenichts; Baier, Unger, Pole lieb, cib beitr. 36. Poln. cijb locutio. by-o-cybakiero
adj. elino-uis na. 152. 15!». Russ, c-^p Zunge boe. 24. Ital. cibb asc. 131. cibane Alba-
nier, eig. wohl Schwätzer 154. P]ngl. civ. Span, cipe, uci i. sariC-ipes Dolmetscli,
eig. alle Sprachen. Asiat, dzib pa.
Aind. gihvä. päli givhä. präkr. gihä. gud2. dzivhä. hind. dzibh f. dak. dzib.
ciben.
Böhm, ciben f., pl. -a, Bett, cibenöri f. deminut. Deutsch cipenn lieb, eibin beitr. 8.
Poln. cuibe na. 162. Bask. hibena, cia neben chariben baud, 34. Span, vergl. ceripen.
Veröl, civ.
cicaj.
Griech. cicdj f., pl. cica, Katze, nom. 411. für mdcka sed. cicajorl f. deminut. cicd-
koro adj. bicicajdkuro adj. ohne Katze, cicaibe m. das Katze sein, cicos 635. Bask. ci-
caja baud. 29. 30. Span, cicais pl. br. 83.
cik.
Griech. cik: cik ddva vb. niesen. Rumun. cik clava ich niese zomb. Böhm, cik:
man Jen cika ich niese, eig. mich ergreift das Niesen. Deutsch me däva cikka. cikklo-
väva vb. ich niese. Span, cikatelar vb.
xVind. chikkä. hind. chinknä vb.
cik.
Griech. cik f., pl. -«', Koth, Schuld, auch Gläubiger, cikalö adj. kothig, verschuldet.
cikdva vb. schlammig machen mem. 261. cikdTovava vb. sich beschmutzen. Rumun.
cik Lehm buk. zomb. Morast bessar. Koth zu. Ungr. cik m. Koth, Schmutz ung. karp.
cik f. born. 87. cikalo adj. ung. born. 100. cikdio kothig sii-m. Böhm, cik f. loli cik
Thon. cikälo adj. cikaTärav vb. trüben. Deutsch cikk Schmutz, cikkelo adj. schmutzig.
cikkloväva vb. beschmutzen. Poln. cik Koth gal. II. Engl. cik. ciklo adj. Span, cik-^
m. Koth, Erde, Grund. Asiat, chekid syr.
Aind. cikila, cikhalla. päli Cikkhalla. hind. cik.
cikat.
■ Griech. cikdt Stirn im Index 640. cikdt. Rumun. cikdt buk. cikat zomb. cikdt, cekat
serb. dzikat bessar. II. Ungi-. cekaf m. ung. cikdt mündl. Böhm, cekat m. cekatCrni
demiinit. Deutsch cekkdt.
ciken.
Rumun. cikin Fett, Butter, cikyn Fett bessar. cikdn Schweinefett bessar. II. ciknm
balano Schweinefett zomb. Ungr. ciken Fett born. 87. ciken 97. ciknipe m. Fett, Schmalz
l-BEK DIE Mundarten und die Wanderungen dek Zigeuner Europa's. vu. 191
ung. cicen Fett, cidenälo adj. fett sirm. Böhm, ciken m., pl. -a. cikulbc» m. Schmalzen.
ciknärav vb. schmalzen. Deutsch cikken Fett. Poln. o//te« Fett adeps na. 163.
JJask. cikena graisse band. 33.
Hind. ciknä adj. fett, ciknäi Fett.
ein.
Griech. cinäva vb., partic. cindö^ schneiden, ernten, begreifen 249. tödten 598. 614.
616. opfern 618. cindo adj. afflicted mem. 176. cinavära vb. schneiden lassen, cindovava
vb. geselmitten werden, verwandelt werden: praes. sg. III. nnol 610. fut. kavmovao 612.
praet. cindilo tar 614. cinipe m. Schnitt, cinde-cihdkoro adj. mit abgeschnittener Zunge
276. cinde-cibengoro m. Albanier. hicindo adj. unbeschnitten, cindaräva vb. beschneiden.
c7«rfa/? f. Messer. Eumun. sin vb.: praes, s'mäü schneiden, niederhauen, reissen. impf, sinös.
partic. sindö. praet. Undum. Mndbv vb. : slndeTds für shtdiJds er ward abgerissen, s'mi^ü
Zimmermannshacke buk. cindv vb. cindo ßebenmesser serb. sindi Brennholz bessar. sina-
rava\h. ich lasse abschneiden, sinava vb. versprechen zomb. sinao, sanao vb. schneiden vaill.
76. 129. Ungr, cinel, chinel vb. schneiden, hacken ung. praes. chinelia, chtnen ml. 160.
164. impt. chin 156. 162. praet. chinda 153. 154. 162. praes. cMnes du schlägst 182.
chinape m. Schnitt, Wunde ung. cindokdri, chindokdri m. Jude ung., eig. der Beschnit-
tene, cinel vh. fe cinel cfj Ernte, eig. Getreide schneiden, -praet. cindardds er schnitt sirm. cinel jek
lil er schreibt einen Brief, cindas er schrieb, ciiiav vb. : cinddo zerrissen karp. Böhm, cinav
vb hauen, schreiben, cindas er zerriss 53. ciniben m. Brief, cinda pl. Schere. cindOra
pl. deminut. Deutsch cinäva y\>. sclmeiden, schreiben, partic. c/«r/o geschnitten, geschrieben;
beschnitten, Jude, geizig lieb, cinava vb. cinneben Wunde, cinnepen Hieb, cindo Jude beitr.
16. 18. 2ö. 28. 35. ein vb. schreiben, cinde geschrieben, cinniben Schreiben 6. 15. 28. Poln.
rt/nara vb. percutere. cynova vb. mactare. cynela scindere, eig. scindit. cynibe vulnus
na. 16.">. 167. 16S. Vergl. tlie clionau ernten 168. einem ich schreibe gal. III. ßuss. fc
eines vb. schneiden, trennen, zerren, verderben, te {seines vb. zerreissen. te p)odcines vb.
ein wenig abschneiden, te vycines vb. ausreissen boe. 24. 266 : ein mit den russ. Prae-
fixen izi), podi, vy. Engl, ein vb. : praet. cindöm. cinoben AVunde. SjJan. einar, ci-
nelar, acinelar vb. schneiden, cinarar vb. verwunden. ei)iiben Wunde, kapascinao adj.
beschnitten, kapascinari f. Beschneidung, einorre adj. klein, acinar vb. verkürzen, ein-
domel^ eindoma Fleischer bi'. 81. Asiat, praes. cinemi . einem, impt. le ein. cinarom jai
eoupe pa. 417.
Aind. chid(chinatti): cindva ist kein denominat. von einem partic. cinü., aind. cinna : es
l>eruht auf dem aind. praes. (Vergl. zig. sun hören.) sindh. fhinanu pflücken, kurd. cinen'aich
.-schneide Lerch 199. Vei'gl. span. cirdo kurz borr. arirdar. recirdar vb. vei-ki'irzen Pott
2.209. Die böhm. und deutsch vorkommende Bedeutung .schreiben' und rumun. ,versprechen'
liätte ich wohl besonderen Stämmen zuweisen sollen, da ich den Bedeutungsübergang
niclit vermitteln kann.
cinav.
Rumun. cinav y\>.: cinaim pe sie schütteln sich vaill. 81 aus einaven pe. impt. cinc-
f^nr scliüttle 52. Ungr, einol tresti sirm., j-ichtig wolil : er wird geschüttelt,
(iriecli. 7.'.V3lv.
192 FkANZ MiKLOSICll.
cingar.
Rumiin. chiqdri, civgäf, cingar m. Schrei, doü clngör^ cingar <ha er schrie biilc. cingar
dav ich schreie zoinb.
cinger.
Griech. cingerdva, minder genau cinkerdva, dzinkerdva, vb. durchbohren mem. 208. 2G(>.
cinkerdö m. ein eisernes Werkzeug. Vei-gl. cingdr Unglück. Rumun. singar vb. schneiden,
hacken, zerreissen : praet. Hngardds buk. singardv, singrdv; singrla lacerat zomb. Ungr.
cÄm^rere/ivb. schneiden \ing. cm^-errwavb. hacken, spalten, niederhauen, brechen, schlagen karp.
te chmgeren kneipen ml. 194. c/i/ngerda er stiess 177. cindardds er schnitt sirm. ringerdo
Axt karp. Böhm, cingerav, cingeravv'h. schneiden, hauen, reissen. impf, cingerlas er hieb, cinga-
räva vb. ich werde pflücken, bei wrat. 6. zanken, cingerdo adj., eig. partic, abgerissen; m.
Bohrer, cingerdöro m. demlnut. Deutsch cingerväva vb. streiten, zanken, zürnen lieb. Singer
vb. schelten, cm^erie« Kampf, Hader, Streit, cingrehen Zank beitr. 15. 18. 27. 31. 36. Poln.
A'en_(/«-aM vb. secare. cyngire^i, cggiren yh. castigixre. cygardeh zanken, eig. er zankt na. 153.
1G3. 165. Russ. fe cmg?'my vb. reissen, zerkrümeln, klopfen, ite cm^iVes vb. hauen, reissen,
bestrafen, hinrichten, rycingardes vb. durchprügeln. Skand. cingra vb. schneiden, greieske
cingrar der Hengste beschneidet. Engl, cingar vb. streiten, schelten, cingariben Streit.
Span, cinga^ cingari f. cingarijJen in. Streit, cingarar, cinkarelar vb. streiten.
Cinger ist eine Verbindung von c/?? und ker machen. Die Bedeutungsübergänge sind
sclmeiden, schlagen, streiten, zanken, vielleicht auch sclireien : vergl. cingar.
ciriklo.
Griech. ciriklo m. Vogel, cirikloro m. deminut. cirikli f. Huhn. Rumun. cerikli f.
Vogel, Sperling buk. ciriklo vaill. cirikli zu. cirikli bessar. II. ciriklo Reute serb.
öirikli. cirikTori deminut. zomb. Ungr. ciriklo m. cirikli f. ung. cirikli ml. 185. cirikläno
adj. Vogel- 195. cirikli. cirikTdno adj. sirm. Böhm, ciriklo m. ciriklengero adj. Vogel-.
cirikloro m. deminut. cirikli f. mri ciriklöri mein Schätzchen 70. Deutsch cirkulo lieb.
ciriklo beitr. 33. l'oln. cyrykh. cyrykah deminut. na. 163. Russ. ciriklo Vögelchen,
Sperling, Zeisig boe. 266. Ital. ciriklo. Bask. vergl. suria baud. 36. Engl, ceriklo m.
cerikli f. Span, ciriklo m. cirikli f.
Aind. ciri Papagei, hind. cirijä f. Vogel, cirä Sperling, avg. cirkurai Hähnchen tr.
57: ciriklo ist ein deminut. von ciri wie manriklo von manro. Vergl. jedoch aind.
päli Cataka Sperling.
ciro.
Rumun. siro Zeit vaill. 127. Ungr. ciro ung. Böhm, hako ciro jeder Zeit wrat.
12. 15. Deutsch ciro Zeit, AVetter. Engl, ölr, clrus. Span. cir6.
Griech. v.atpö;.
civ.
Griech. civdva vb., partic. civdö 616, ziehen, civdovava vb. gezogen werden, cvvdva,
cidi\ cuvdva vb., partic. civdö^ werfen 368. 608. cidava vb., partic. cidinö, ziehen, impt.
cide 224. cidtnovava vb. gezogen werden, cidino m. Schnellwage, cidineskoro -dd}. cidim
Ubek die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 193
f. Knie, citäva vb. werfen mem. 220. findet sich in desselben Verfassers Etudes wohl deswegen
nicht, weil die Seiten 537 — 552 und die Worte zwischen cicäj und cucardva fehlen. Rumun. suv
vb. werfen, fehlgebären, stellen, stecken, schieben ; reflexiv : kriechen, schleichen : suv6^
dem griech. cuvdv entsprechend, so. impt. snu, sio für suo, griech. cuv. sup tu krieche,
eigentlich etwa : wirf dich, für suv tu. praet. sutöm neben * suddm^ sudäs buk. satt ich
werfe bessar. suvla neben sola deponit. praet. III. sg. sutas zomb. sud vb. werfen, fehl-
gebären, verlassen: praes. sudö, richtig sildo, dem griech. culavcCi* citdava entsprechend. II. sg.
sudes. III. siklel. impt, si'ide. praet. sudöm aus mdiliom. III. pl. sudine buk. sudav vb. werfen,
praet. sudem zomb. Ungr. civel vb. werfen, säen born. 106. civel säen ung. Vergl.
cito angebaut born. 100. cidela er wird werfen ml. 187. impf, cidelahi 179. (Vergl. cid), civau ich
würde werfen, cidas, cide karp. citkrrda er warf ml. 186. 189. Vergl. ?«a?i cittom ich schlich
mich, pe cittd 152. 153. 154. 160. 161. 167. 186. 187. cudau sirm. Böhm, civav vb.
werfen, giessen. praet. sg. III. cidas 59. 79. pes civel prihodi se es stösst zu 63. Vergl.
civrdav vb. werfen mit griech. cidava aus clvdava. Deutsch civäva vb. legen, stellen,
säen, pflanzen, civverväva vb. werfen lieb, ceber werfen, ceverben Wunsch, richtig Wurf, dele
cedo man ich liege, eig. ich habe mich niedergelegt: cedo man für griech. civdöm man. Vergl.
cedas pes sich empören beitr. 11. 21, 35. Richtig: er hat sich empört. Russ. te
cives vb. werfen, giessen, schütten, ausbreiten, te procives y\) . vergiessen. te vycives vh. hinaus-
werfen: civ mit den russ.Praefixen pro, vy. Dunkel ist mir ^eacay, ieacai-'&svb. umwerfen. A^ergl.
te cives vb. schreiben mit ein. Skand. civra vb. Ital. cev vb. legen, praet. cedom., cejöm
asc. 133. 151. ri civdv für at'rf civdv 132. Engl, civ vb. civöva. praet, cidöm. Span.
cihar^ cihelar vb. werfen, legen, cihandar vb. werfen. Vergl. cltar vb. stellen, pflanzen.
Aind. ksip schleudern, schnellen, wohin thun, giessen, streuen, stecken, päli khip :
partic. khitto (aind. ksipta). Hinsichtlich des c für aind. ks vergl. zig. car Asche, curi
Messer, ric Bär mit aind. ksära, ksuri, rk«a : zig. jakli, Auge steht allerdings dem aind.
aksi gegenüber. Ascoli, Studj 348. p zwischen Vocalen geht in v über.
coeha.
Deutsch socha Frauenkleid. Poln. cncha vestis na. 165. Skand. cokka Unter-
rock. Bask, soka^ socha Weiberrock baud. 34. Engl, cidco. Span, cockindia f.
Kleid.
Slav. ßoha entlehnt Pott 2. 178. Vergl. Sjögren, Ossetische Studien 54.
col.
Griech. coldva vb. ausschneiden, schälen. ßumun. colgl Hacke sej-b. aus coldi.
Aind. ßhur asc. 18.
comut.
Griech. comiü sed. für con nom, Mond. Rumun. cuim'ä mezz. Poln. ciomut, ciorna-
toro gal. IL Bask. simurta baud. Span, cimutri f.
Aind. vergl. kaumudi. päli kömüdi,
' con.
Griech. con nom. für comiit sed. Mond. Rumun. son, mn m. buk. son Mond, Monat
vaill. son zomb. bessar. IL sion (d, i. sjon) bessar. con zu. con Monat serb. chon taganr.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bil. 25
194 Franz Miklosich.
Ungr. chon ung. con sirm. cJiom born. 87. con. conöro deininut. karp. soh üdenb. Bülim.
CO)), m., pl. -a. conöro demiiuit. conüno adj. Deutsch cön Monat lieb, con beitr. 22.
Poln. con na. 158. Russ. con Mond, Monat. Finn. cen gac. Skand. con. Engl.
mm, sun, sid Mond. 8pan. con6^ ocon Monat,
Aind. eandra. päli, piTikr. randa. liind. cänd. slndli randru Pott 2. 194.
cor.
Griech. cor m., pl. -a. Dieb, e corengoro baru Räuberhauptmann 618. cornö m. Dieb.
coraz m. Erzdieb. I^ai'o cordzis Räuberhauptmann 579. coräva vb. stehlen, coldva vb.
stehlen mem. 217. coriM m. Diebstahl, cordikano adj. gestohlen, cörjovava vb. gestohlen
werden, corjäl adv. verstohlen. Rumun. cor, pl. 6or, cof, cord, Dieb, cor vb. stehlen:
pvaet. cordöm. corip) Diebstahl, sg. abl. corimdstar vom Stehlen, corjdl adv. heimlich
buk. coro Dieb, corao vb. stehlen vaill. corel pe es wird gestohlen 80. cordas pe es ward
gestohlen 80. Ungr. cor m. Dieb ung. trh^el vb. stehlen ung. te coj'el ml. 199. cliorav
vb. stehlen born. 106. 119. 121. coripe sirm. po cöral leise, pr' e cori auf Raub kar^J.
Böhm, cor m., pl. cor, Dieb, coreske.ro adj. coröro m. deminut. corica f. Diebinn. corav vb.,
jiartic. cordo. te coreJ 57. pes coren sie schleichen 71. corihen m. Diebstahl, cöral adv.
diebischer, heimlicher Weise, corikäno adj. diebisch, unrichtig : m. Dieberei, coritka adv.
diebisch. Deutsch cor. coräva. cöröchäno adj. heimlich lieb, cor Dieb, cor Raub, cor vb.
stehlen, coroganes (für corikanes) adv. heimlich, cordas Diebstahl, richtig: er stahl beitr. 10.
16. 25. oO. cor Dieb waldh. 114. Poln. cor Dieb, the corau vb. stehlen, coryhe Dieb-
stahl na. 157. 185. 169. ciurcma vb. stehlen, cinrachan Dieb gal. II. Russ. cor Dieb, te
cores vb. stehlen. Skand. caar Dieb, caara vb. stehlen, caaripd Dieberei. Engl.
cor Dieb. vb. stehlen. Bask, sora Dieb, soi^acia vb. stehlen band. 40. Ital. cör.^
cor Dieb, curdv vb. stehlen asc. 131. 134. 143. Span, corar vb. stehlen, rauben, coro
m. Raub, corarö, coruj m. Dieb, Räuber, coripen m. Schändlichkeit.
Aind. cur (corajati). päli cur (cöreti). hind. curänä stehlen, rauben, cor Dieb, fori
Diebstahl, sindh. cöru Pott 2. 200.
cor.
Griech. cordva vb., partic. cordö, schütten, giessen ; pissen 647. coraibe m. Schütten,
Giessen. cördovava vb. geschüttet, gegossen werden. Rumun. cor, sor vb. : praet. cordöü,
sordöü. cordov^ sordov vb. pass. rollen: praet. soixUTas. Ungr. corel vb. ung. cor6l sirm.
Deutsch corhväva vb. giessen.
Vergl. hind. chöi-nä to shoot, to let go.
cor.
Griech. coi-, dior f., pl. cor, dzor, Bart 372. 411. pe cord (pl.) cindds il coupa sa
bai-be 616. dzor im Index, diormgoro adj. bärtig. Rumun. sor, son vaill. 128, cor,
cjol Bart serb, sor bessar. Ungr. coi-a f. ung. chöra m, born, 87, chim^o m. ung. e chor
sirm, Böhm, cor m. Barthaar. corö)'o m. deminut. corvälo adj. bärtig. Deutsch diör
lieb, cor beiti\ 7. Russ. c6ra Bart, corjd Schnurbart, hicoreskiro adj, bartlos. Engl,
ci'iralo adj. bärtig, Span, con m. Bart, corero Barbier,
Vergl. avgh. ziräh tr. 54.
Über die Mundarten und die Wanderungen dek Zigeuner Europa's. vir. 195
coro.
Griech. coro adj. arm, verwaist, corjdkoro adj. der Armen sg. f. mem. 209. cororu
deminut. ärmlich mem. 209. coripe m. Armutli. corikanö adj. arm. cörjovava vb. arm
werden. Eumun. coro adj. arm. corariov vb. ai'm werden. coräjTas für cordniTas: Thema
*corano buk. coro, corar vb. zur Waise machen zomb. corarde la lakre do chavendar or-
barunt eam eius duobus liberis klaus. soro vaill. 128. cori mezz. Ungr. coro adj. ung.
coro ml. 152. 172. 175. usw. cörea pl. born. 93. 122. coro sirm. corro, sorro. co7Toro, sorroro
karp. cörro ödenb. Böhm, coro adj. corengero adj. 67. cororo m. armer Teufel, coripen
m. Armuth. corovav vb. arm werden. Deutsch corelo adj. lieb, corero adj. betrübt, sorero adj.
schlecht, hässlich. cororo Armuth, richtig : arm. coreVoj?e/t Elend beitr. 7. 8. 10. 16. 27. Poln.
coro7'o adj. arm. cororo graj Schindmähre na. 166. 167. Euss. cororo adj. bettelarm, m.
Bettler, te coroi'is vb. verarmen, corcilyem ich bin arm geworden. Skand. c'oro, corralo
adj. elend. Engl. cüro. Span, coro m. Übel, Schaden, corre adj. schlecht, hässlich. cororo
adj. arm. cororipen m. Armut. Asiat, coni pa.
Sindh. chörö verwaist tr. 100. Vergl. hind. chotä klein.
covechano.
Griech. covechano m. covechani f. Gespenst 330. covechaneskoro adj. covechanibe m.
Gespenstererscheinung. covechcMovava vb. ein Gespenst werden. Rumun. cochat i. Hexe
buk. Ungr. cohdnl f. Hexe ung. colachani karp. Deutsch covackoväva^ covachaiväva
vb. behexen, covdchäno Hexenmeister, covdchäni Hexe lieb, covlgani beitr. 16. cohachanin
waldh. 116. Poln. covarava vb. zaubern, covahano Zauberer na. 154. Bask. coakani
Zauberer baud. 38. Engl, cövihöni Hexe. Span, cuachafd f.
Ai'men. ßivay, dzivay.
cuci.
Griech. cuci f., pl. -ja, weibliche Brust, dzi k' o chtj cucjende jusqu' aux deux ma-
melles 622. cucort f. deminut. Rumun. cuci, cici f. buk. Ungr. cuci f. ung. karp.
cucin f. born. 87. cuci sirm. Böhm, cuci f., pl. -a, Zitze. Deutsch cucin lieb. Poln.
cutci ubera. cucg mamma na. 162. 168. Russ. tjidi Zitze boe. 264. Skand. cuce Brust.
Ital. cucjd Zitzen asc. 138. Bask. ticia baud. 37. Engl. tuci. Span, cucai f. Euter, Zitze.
Aind. cüßuka Brustwarze, aind. päli kuca. hind. cünci Zitze, kurd. cldze Lerch 199.
eeeik rh. Pott 2. 180.
cuco.
Griech. cucö adj. leer, cucjardva vb. leeren, cücjovava vb. geleert werden. Rumun.
mso adj. susar vb. leeren zomb. Ungr. chuco^ suco adj. sucipe Leere ung. cuco adj.
cucar vb. leeren sirm. Böhm, cuco adj. Finn. cucu adj. gac.
Aind, päli tuoßha. hind. chüehä leer. Im zig. ist das anlautende / dem inlautenden
e assimiliert. Vergl. hind. chüehä und cacö.
culav.
Böhm, culav, culovav vb. tröpfeln 14. 38. cülo adv. wenig 54. culo 38. 70. Ungr.
cujovav vb. fliessen ung. aus cuTovav. culo ein wenig karp.
Hind. cOnä tröpfeln, causat. culänä Beames 1. 241. aind. ksulla. päli culla, ßüla, cula.
196 Fkanz Miklosich.
cumb.
Griech. ciimh^ cutni, cani Kuss. cumidihe m. Küssen, cumidava vb. küssen, cumidind
kerdva vb. küssen lassen. Rumun, cumid vb. küssen : praet. cumidihn ans cnmidinöm
buk. me cumlndav ich küsse zu. cnmidav icli küsse, impt. cumide. praet. cumidem, cumidöu,
cibinidhias zonib. cuminas klaus. Unffr. cumldel vb. küssen, cumidihe m. Kuss unar. ai-
midav ni. Kuss born. 87. praet. cumidinda nil. 171. cumiddu, cumido sirm. Böhm, cn-
midav vb. gerund, cumidindos 59. Deutsch cummeväva vb. küssen lieb, cummoben
Kuss beitr. 19. Poln. camudava vb. na. 153. Kuss. te camudes vb. Skand. mnwia^
cnmra vb. küssen, cunini Kuss. Ital. cumiddv, cumida vb. küssen asc. lol. 149. Engl.
citma subst. vb. Span, ctmiendi, ciipendi f. Kuss. cumendiar, cupendo.r vb. küssen,
Aind. päli cunib vb. bind, cumnä vb.
cungalo.
Griech. cungalö, dmngalö, ztmgalö adj. elend, böse. cungdTovava, diungdTovava, zungd-
Tovava vb. elend, böse werden. ßumun. zungalo adj. hmgaUs adv. schlecht, zunganimös
m, Übel, dzimgdlo adj. schlecht, dzungdles adv. mezz. cungarao vb. entstellen vaill. 101.
üngr. dhingalo adj. hässlich, schmutzig ung. dziingalo hässlich. o mro dzi'mgale römea
0 mein hässlicher Mann ml. 167. clzungaTarel vb. beschmutzen ung. dzungalo, djungdlo adj.
schlecht, elend, hässlich. dzungalipe Übel sirm. dhmgdlo karp. dzungalipe Böses, le dzun-
gal'imastar vom Bösen buch, zungalo ödenb. Böhm, dzungalo adj. garstig. Deutsch
dzungelo adj. schmutzig. Ital. dzungalo adj. hässlich asc, 137. Bask. zungali vilain
baud. 39. Span, cungido adj. schlecht, cutigcdipen Schlechtigkeit.
Vergl. cungdr.
cungar.
Griech. cungdr m. Speichel, Auswurf, cungardva^ cungdrdava vb. ausspucken, cuvga-
ribe^ cimgardihe m. Auswurf, cungartinöm I was spit upon mem. 217. ßumun. sungarao
vb. ich sjjucke vaill. 129. sungardela er wird anspucken buk. sungardav vb. ich spucke
zomb. cumgar Auswurf serb. üngr. chungeren vb. spucken ung. Böhm, cungard m.
Speichel, cungardav vb. ausspucken. Deutsch dzunger Speichel, dsungerväva. vb. spucken
lieb, cunger Speichel beitr. 30. Poln. cungar Speichel na. 164. Russ. te cungardes^ cin-
gardes vb. speien, vycungdrdes vb. ausbrechen. Skand. conkra vb. Engl, cungar vb.
Vergl. cungalo und Pott 2. 196.
cupni.
Griech. cupni, cukni f. Tabakpfeife, pidva cupnd ich rauche, eig. trinke eine Pfeife :
dieselbe Ausdrucksweise findet sicli im ngriech., türk., slav, und deutschen, me dumeskeri
cupni mein Rückgrat, cupiidkoro m. der Pfeifen macht, verkauft. Ungr. cumnik m.
Peitsche ung. cumnik f. born. 87. cugndko desto Peitschenstiel ödenb. Böhm, cupiii f.
Peitsche, ciipnöri, f. deminut. cupfdk f., pl. -a, Karbatsche. cupniköri f. deminut. Deutsch
cupni lieb, beitr. 9. Poln. cupny Peitsche, cupnenca marena verberatio cingarorum pro-
pria na. 152. 164: eig. sie schlagen mit Peitschen. Russ. c?<^:)nv/ Peitsche. Skand.
cukni. Engl, cupni, cdkni. Span, cupini f.
Pott 2. 181. Vergl. bind, chüci Pfeife.
Über die Mundarten und die Wan'deeokgen der Zigeuner Europa-.-, vii. 11)7
curi.
Griech. cvri, cori f., pl. -ja, Messer sed. Rumun, citri taganr. curi, sur'i buk. curi^
curi serb. sjiiri bessar. züri, zilri bessar. II. citri zu. Ungr, citri, churi f. ung. citri
born. 87. citri f. ml. 176. pl. chüria 15!). curi, churi. me daib curjas ich steche, te das
curi schhxchten sirm. curori karp. süri öclenb. Bölim. citri f., pl. -a. curöri f. deminut.
Deutsch cilrin Messer, corrie Stiche lieb, citri, curidini Stechen beitr. 22. 30. Poln. cury
na. 160. Russ. curi. Skand. curi, curing, curil Messer: kaben-cnri Brotmesser, öuro-
dine Messerstich. Engl, ctiri. Bask. chouri, curia, chutria Messer baud. 31. Span.
curi f. Messer, curinar vb. hauen, curinaro m. matador. Asiat, bit ceri mit dem Messer pa.
Aind. churi, churikä, ksuri, ksura. päli churikä. präkr. ehurl. bind, churi, churä.
sindh. cliuri. avg. cural tr. 50. kurd. sür, sjflr Lercli 138. Pott 2. 210.
curn.
Griech. ihtrn, cunr m., pl. cunrjd, Haartiechte. Russ. cur Flechte.
Aind. cüdä Scheitelhaar, päli oülä a single lock usw.
ciirund.
Rumun. curimd vb. mit dem Schnabel hacken: praes. pl. III. curunden, Ungr.
cundrudas kneipen, eig. praet. : er kneipte sirm.
da.
Gi'iech. däva vb., partic. dim'), geben, fallen, schlagen, schneiden usw. din& pes A'' o
drtjin sie begaben sich auf den AVeg G06. tline pes sie schlugen sich 620. anglctl ddva
antworten G48. dinardva vb. geben lassen, dibeva. Gabe. Rumun. da\h.daü, do ich werde
geben, praet. tJom aus dinom. pl. III. dine. das cingdr er schrie, das sol er tat einen
Pfiff. d(At les puski er erschoss iJm. pusIiD dino erschossen, me do jag kmidrö icli werde
die Stube anzünden, das Idko drum er Hess sie laufen, delas düma er redete, dine jje
duma sie unterredeten sich, d'as les and o ssrö er schlug ihn auf den Kopf. tTus pe p' o
.?sr6 er schlug einen Burzelbaum. das ma hidi (bide) futuit me. del jiü es schneit, das
bresmd es regnete, das ma avri er verriet mich, slavisirend. pald kodö dela la dem wird
er sie zur Frau geben, slavisirend. tJas pe er fieng an. dine tele sie warfen herab buk. dimosdab
Wunde bessar., eig. das Geben eines Schlages, dav cik ich niese, me dav nota, nota dav
ich schwimme, o paji del vras das Wasser siedet, das (aus das) pes tele er legte sich nieder
zomb. dinas nav appellavit klaus. Ungr. da ich gebe born. 8G. de gib 120. del brisind es
regnet ung. del o jiv es schneit ml. 203. dime Gabe born. 88. praet. diem, dian, dias
usw. del pe tele er legt sich nieder, me dau canga ich knie, wie dau curjas ich steche.
dav jag ich zünde an. me dau ma romaja ich schwöre serb. zaklinjem se. das svatu (asl.
s'Bvet'B) wir sprechen sirm. les dinom kdrije ich erschoss ihn. dine the kerel Hessen
machen, tline pes liQ&sexv sich ein karp. Böhm. Jat'^b. geben, tun, fallen, zulassen (wie
slav. dati). Reflexiv: sich begeben: dinas pes; anfangen, partic. dino. del brisind es
regnet, dav andre le grasten ich spanne die Pferde an. dav karie ich schiesse, dav ril
^98 FHANZ MlKLOSICir.
peJo. dav sola icli pfeife. Deutsch dava lieb, dias man Gabe, eig. er gab mir. sci-n
dias tele entliaupten, eig. er tat den Kopf herab, sero dine tele köpfen, eig. sie taten
den Kopf Iierab beitr. 11. 14. 19. Poln. dava. godty (fe-^a wiehern, richtig: er wiehert.
rf«fe r/;«//// tumultus, richtig: er lärmt. Russ. ^e c?aw, te des y\). te del devel ! gebe Gott!
te dav (jodly rufen, te dias des zu essen geben, te otdes vb. abgeben, te vydes vb. herausgeben.
udfija pe zadalo sb. zadyjöm ich habe versetzt : otoi, vy, u, za sind slavische Praefixe.
Skand. de, dela vb. Ital. desa du gibst. difid es regnete. Bask. deantsia donner.
deocao rendre. Engl, döva, delöva ich gebe, werde geben, praet. diöm, deldöm. Span.
dinar, diiielar vb. din gib. dini Pfund, dinipen m. Gabe. Asiat, denii, dämi ich gebe
pa. 167. 389.
Aind. da, päli demi, dadämi, partic. dinno. präkr. demi. hind. denä, partic. dija,
din. sindh. dianu, partic. dino. kurd. de gib Lerch 127. Pott 2. 300.
dab.
Rumun. (lab Schlag, Hieb, Streich, and ek dab auf einen Schlag buk, Wohl un-
richtig dab ich schlage bessar. dah Schlag vaill. 55. 102. Vergl. dimosdab Wunde bessai-.,
eig. das Geben eines Schlages. Ungr, dab sirm. Böhm, dab f., pl. -u, Schlag,
Wunde, tel jekha dabate unter einem Schlag 38. 77, 79, Deutsch dap Schlag lieb,
^«65« Prügel beitr. 25. 27. Skand. dabba vb. schlagen, dabb (dab) Schlag. Vergl.
griech. tdjjdava, tävdava vb. schlagen und ital. tabbä Schläge asc. 138.
Vej'gl. aind. dabh und hind. dhappa Schlag Bugge 155. Pott 2. 282.
dad.
Griech. dad m. Vater, dadorö m. deminut. dadeskoro adj. 596. 626. bkladeskoro adj.
vaterlos. Rumun. dad buk. bessar. serb. purano dad Grossvater serb. Ungr. dad ni.
ung. dadöro m. deminut. born. 121. dddöro ml, 176, 200, 201. dadeskero adj. born. 119.
dddestero adj. ml. 177. 188. dadengero adj. born. 96. dad. dädesko väterlich sirm.
dad. dadöro. dadeskero karp. Böhm, dad m., pl. -a. dädoro m. deminut. Deutsch däd
lieb. däde. dadeskri pen Vaterschwester, dadeskru präl Vaterbruder, dadeskru tem Vater-
land beitr. 32. 33. Poln, dad. styfdad Stiefvater, däda Grossvater na. 155. 161. va^
dadcyzne für Vaterland 116. Russ. dad Vater, Gott, dädoro. Skand. dad. dadeske
dad Grossvater, dadeske pral Vatersbruder. Ital, dad asc, 131. Engl, dad, dddios.
dadengro Bastard. ^:)?(ro dad Grossvater, stfffo dad Stiefvater. Span. dadd. Asiat, dadi ous.
Hind. dädä Grossvater, käf. däi, Vergl, aind, täta Pott 2. 308.
daj,
Griech, daj, dej, taj f, Mutter, dajori f. deminut. ddkoro adj. mütterlich, biddkoro
adj. mutterlos, sg. voc. ddle, döle 644. Rununi. dej aus daj; dij, dij aus dej: däko]
ddsa; voc. ddle buk. daj taganr. daj, de serb. k' e peskra dakro kher in suae matris
domum klaus. Ungr. daj f. ung. karp. daj, da born. 121. daj ml, 180. 187. däjöri
deminut. 201. 202. dqjön born. 121, dakero adj. born. 96. dajengero adj. born. 96.
d(j sirm. dajöri. dakro Mutter- karp. Bölun. daj. däjori f. deminut. Deutsch daj lieb.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eukoi'A's. vii. 199
btutr. 22. Poln. daj. styfdaj Stiefmutter na. 158. 159. Russ. claj. ddjoro deminut. für
ddjori. Skand. deia. dakri. Ital. daj asc. 131. Bask. daja, raja (j aspire) baud. 35.
]^ngl. dej. stiffi dej Stiefmutter. Span. daj. Asiat, dado pa. dai. adai pers.
Vergl. dad. hind. dädi Grossmutter, avg. da! Amme tr. 75. kurd. da LercL 124.
dui, doiik rh. Pott 2. 309.
dakar.
Griecli. dakdr, dakliär, takdr, takhdr, taglidr m. König, dakaranu adj. königlich, da-
kareskoro adj. dakarutnö Sid^']. dakar/kanö adj. dakaribe ni. l\.oiügreich. t/o/iar«-? f. Königinn.
Jlumun. taga}^ Kaiser vaill. 130. Böhm, fakar König, takaruno adj. wrat. 8. 15. 16. 17.
Apers. takabara Kronen träger, pers. tädzvar. armen, thagavor.
dand.
Gi'iech. dant, für dand, m. Zahn, onanuseskere dant pl. Bohnen, pange-dantengoro adj.
gebrochene Zähne habend, dantdva vb., partic. dantö, beissen. danteldva vb., partic. dan-
feldö, beissen. dantilijje m. Biss. dantardva vb., partic. dantardo, beissen. Rumun. dand,
pl. dand. ddndal vb.: praet. ddndaldoü buk. dand bessar. serb. pl. danda zu. dan. dan-
dei'il er beisst mezz. Ungr. dand m. ung. dandereJ vb. beissen ung. praet. ddnderda
ml. 167. dand, pl. danda, sinn. Böhm, dand m., pl. dand. dandöro m. deminut. dan-
derav vb., partic. danderdo 70, beissen, nagen, bidandengero adj. zahnlos. Deutscli dant.
danteräva, danterväva vb. lieb. dant. daudcrvava besser füi- dandervava beissen beiti\
7. 36. Poln. dantyrava vb. beissen, nagen na. 156. 167. Russ. dand. te dandyres vb.
beissen. te zaddndyr vb. nachessen : za ist ein slav. Praefix. hidandengiro adj. zahnlos.
Skand. dan, pl. danjar. Ital. U ndant pl. asc. 138. Engl. dan. dan, dand, ddnder vb.
lieissen. ddndhnengri cor Nessel, ddnomeskri Senf. Span, dans m. dani f. Asiat.
dent pa.
Aind. päli danta. hind. dant, entlehnt dandän. kurd. dedan Lerch 127. pers. dandän
Pott 2. 315.
dar.
Griech. dar f., pl. dard, Furcht, Schreck, dardva vb. fiirchten sed. ma ddra fürchte
nicht 606. daranu adj. furchtsam, daravdva vb. schrecken, dardnovava vb. erschreckt
werden. Rumun. dar f. gdl'ds lad dardtar er gieng zu ihr aus Furcht, daranov vb. : praet.
dardjToü aus dardnüoü. dardü ich fürchte, impt. ma dard, ma ddra buk. pass. darajveJ
iüv daranovel. darajlas für dardnU'as. daramnu adj. furchtsam zomb. Ungr. darel vb. sich
füi-chten. dardvel vb. schrecken ung. ddrinä, dirinä ich fürchte ml. 169. 191. derdni sie
fürchtete, deräni erschrocken 169. dar. na j mandi dar Freiheit, eig. non est milii metus.
daruJ QY fürchtet, dardno adj. furchtsam sirm. dari. Furcht, darandutno adj. erschi'ocken karp.
Böhm, dar f. Fuixlit. hidarakero adj. furchtlos 72. däj^av vb. fürchten, nist tut ma da)-
fürchte dich nicht 72. ^>e5 te daral nach dem slav. reflexiv, sich fürchten 64. partic. da-
randilo GG. -^v&ci. pes dar andile 12. (iararav vb. schrecken. Deutsch ^«r. tarävaWeh. Poln.
darah ich fürchte, eig. er fürchtet, darano Schrecken na. 152. 165. wohl: furchtsam, de-
rdva vb. fürchten gal. II. Russ. darlu adj. ängstlich. Skand. darra Furcht, darrani
;ulj. bange. Span, dar, dal, dan, dra m. Furcht, darano m. Staunen, daranoj adj.
furchtsam, daranar, daranelar vb. verwirren, daranali f. Staunen.
9QQ FkANZ MlKLOSICH.
Aind. päli dara. liind. dar Furclit. dariia vb. fürchten, daränä schrecken. darälCi
furchtsam, sindh. drine) partic. : aind. AV. dr (drijate) Eücksicht nehmen Pott 2. 315. 31G.
das.
Griech. das m., pl. dasd^ dam, dasdj\ Bulgare, dasorö m. deminut. daseskoro adj. da-
sengoro adj. dasano adj. dasikanö adj. dasikanes adv. dasni f. Bulgarinn. dasiior( f.
deminut. Eumun. das Mann, Mensch covjek serlo.
Aind. päli dasa Sklave.
desto.
Griech. desto m. Ungr. desto m. Stiel, Griff ung. desto ödenb. Böhm, desto m.
Beilstiel. Deutsch desto lieb.
Pers. dastali Stiel.
des.
Griech, des nuni. zehn. deS-u-duJ, des-ti-do. des-u-pandz 600. 618. Eumun. des. d'es-
n-jek. des-u-duj. des-u-pänz. desto zehnter buk. des serb. taganr. Ungr. des ung. sirm. dres
born. 121, des-u-jek. des-u-duj. des-u-trin 105. des-u-düj. des-u-panc. desujekhengero adj. den
eilf o-ehörig ml. 186. 10. des taj des born. 106. desto zehnter img. sirm. desinger m.
Zehner born. 88. des sei tausend born. 105. deh-u-trin ödenb. Böhm. des. desto, desvär
zehnmal. des-ti-jek. desujekto eilfter. des-u-duj zwölf, des-u-trin dreizehn, desutrinvär drei-
zehnmal, des-u-stär vierzehn, desustärto vierzehnter, desustärvär vierzehnmal. des-u-pandz
fünfzehn, des-u-iov sechzehn, desefta siebzehn, desochto achtzehn, desma neunzehn, des-
värsel tausend. Deutsch des lieb. des. des-e-jek. des-i-stär beitr. 10. 33. 36, Poln, des.
des-u-jek. de-s-a-panco. deJefta na. 155, 156. 162. 164. Euss, des. des-u-jiiklt. Ital, des
asc, 132, Engl, des. des-ta-jek. des-ta-ddj. Span, deke., esden. Asiat, dis, dez pa.
167. 417,
Aind. da^an. päli dasa. sindh. daha. kurd. dah.
devel.
Griech. devel, del m. Gott; Eücken, devel, sukch- devel Himmel, devlorö m. deminut.
devleskoro adj. devUkanö adj. devlikanes adv. auf dem Eücken. Eumun, devel, im nom.
wohl nur del, dil Gott, Die anderen Casus lauten deüles, deiäesko, deüleste, deülesiar, deidesa,
deüle, voc. deüla buk. devel Himmel, ac devle adieu, del, o del. devlesko adj, serb, del.
deloro deminut, devlesko Gottes- zomb. del klaus. del vaill. 59. devlesa 8S.> devel zu, del
bessar, IL dyl gal. I. Ungr. devel, del m. born. 86, devlo m. ung. sg. voc. devla ml.
152, 154. 175. devlöro m. deminut. born, 90, devlOro ml. devleskero adj. born. 119, br.
90., del ml, 165. 185. delo 202. o del Gott, Himmel. devle.?ki umsonst, eig. Gottes wegen
sirm, del, devel karp. Böhm, devel m„ pl. -a. mro devel. devleskero adj. Deutsch devel
lieb, devel. debleski dela Almosen, eig. er gibt um Gottes willen beitr. 6. 15, Poln.
devel. deuleskery poena divina : dunkel ist deveidad Engel na. 152, 157, mrl devli Mutter
Gottes gal, II, eig. meine Göttinn. A'ergl. mro den, mru dcnoro Gott gal. II. Euss.
devel. devlakuno üA^].ivomm. bidevleskiro adj. gottlos, pasdcrel Mittag. Fhm. devel. Skand.
devel. baro devel der gi-osse Gott, tikno devel Engel. Ital. devles-sa mit Gott. Bask.
I
Über die Mundakten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vh. 201
doubelle Gott, dehla Sonne, ama doubellen Mutter Gottes baud. 31. 38. 39. i^ngl. düvel.
Span, debel m. Gott, dehla f. Göttinn. ondebel, undebel Gott.
Aind. päli deva. praki-. deö. bind, dev (deo zu sprechen) Gott, Dämon, devi Göttinn.
sindh. devatä Gottheit. Devel entspricht dem pali devata n. aind. daivata.
devrjal.
Griech. devrjal, devrudi : vergl. dardv f. Meer, deräv 628. derjdv 604. 608. devrjald-
koro, derjavdkoro adj. derjavdkoro plrdo was auf dem Meere geht, Fahrzeug, derjavdkere
laldska pl. vulvae maris, Seemuscheln. Engl, dorjöv, dojdv, dovjdl, dovdl Meer. Span.
loria, lurija aus durija bor.
Pers. darijä, darja. apers. daraja. abaktr. zarajo. kurd. deria.
dikh.
o
Griech. dikdva^ dikhdva vb., partic. diklö, sehen, schaueji, besorgen, trachten. dAkl
m. Laterne, dikibe m. Anblick, dikfardu m. Spiegel, dikjovava vb. erscheinen, partic. dikilo.
praes. dikjol 608. aus dfkjovel. dikÜni man es erschien mir 208. 582. für diklimli, dik.i-
nili. na dikilnilö tar l'on ne l'appercevait pas 208. dikinö adj. aufrecht, dikinh adv. di-
kiko adj. aufreclit. ßumun. dik vb. dihm: impt. dik, d/k-fa. praet. diklöm. pass. dikjov:
d'tkjöl es wird sichtbar für dikjol buk. dikhäv. '^vAet.diklem. dikleni suno ich träumte, r7/^'/o Spiegel,
serb. dikfas vidit klaus. dikao vaill. dikhäü vb. bessar. dekav^ dikav vb. zu. dikhimös^ dicimös
Liclit zomb. Ungr. dikhel vb. sehen ung. dikhav born. 86. dfkhav ml. 161. 195. dikhjol^
dithol vb. erscheinen ung. dithol born. 86. dikhingeruv vb. besuchen born. 106. dikhes karp.
impt. dikh ödenb. dikau, dikliau ich sehe, dices, dickes, dicel. impt. dikh. partic. dikhlino. sa
dcol omnia videt, eig. omnia videntur, ist sa dncöl, dikjöJ sirm. Böhm, dikhav vb. gerund.
dikhindos. Deutsch dikkäva. dikkamdskri, dikkapäskri Laterne lieb, dik sieh beitr. 5.
29. Foln. dykavavh. schauen, predykava experiri na. 154. 161. Russ. f/yM vb. Skand.
dikka vb. Ital. dekdv ich erblicke. Engl, dik vb. diköva ich selie. praet. diktöm, diktüm.
partic. d'ikto, dikno. d/ikomus, dikimus Anblick, dikommgro SpiegeL Span, dikar vb. sehen.
dikahelar vb. schauen.
Aind. drs. präl^r. dekkhämi. hind. dekhnä sehen, dikhlänä zeigen Beames 1 . 161. 162. 315.
^Iuir2. 33. 100. 122. Zig. f/ü'M setzt eine Form drks voraus. Dagegen steht dikkhämi für drak-
sjämi nach Lassen, Institutt. 263.
diklo.
Griecii. diklö m. Tuch, TüclieL Kumun. diklo Hand-, Kopftuch buk. diklo Hals-
tuch zu. Ungr. dikhlo sii-m. dikhlö ödenb. Böhm, diklo m. Tüchel. Deutsch dikklo
lieb, diklo beitr. 28. ßuss. dijkhJo Tuch, Frauenkopftuch. Skand. dMo Tuch. Engl.
diklo. Span, diklo.
Pott 2. 305.
dinllo.
Griech. dinilo. dilinö, detiilo adj. närrisch sed. denil'ovava vb. närrisch werden, deni-
Upe m. Narrheit. Rumun. dilö, gilu dumm, dil'ov vb. : praet. gileles aus diTiTas er ward
wahnsinnig, dilivanu, dilivanö, delivano dumm buk. dilö. diläjlem insanivi, vielleicht aus
DcDkschriltcn der phil.-hist. Cl, XXVI. Bd. 26
202 Franz Miklosich.
düanilem. diliinos Narrheit zomb. dilö serb. Ungr. dilino adj. närrisch, duniin ung.
karp. düino ml. 15(J. 184. dilmipe m. Dummheit ung. diltpo. Dummheit sirm. dilino
ödenl). I>()hm. dilino adj. dumm, dilincs adv. dilinipen m. Thorlieit 68. Deutscli di-
nello lieb. l'oln. dylyno na. 155. ßuss. dylyno, dylynf) Narr, Närrinn, Skand. dingel
albern. Ital. diline, dirine Monaciglioni, ein Ort, eig. Narren asc. 154, Bask. dihilo när-
risch baud. 32. Engl, dfnilo, dinlo, dinvero. Span, dinelö, dililö, ninelo adj. dumm.
dinelovisar vb. dumm sein.
Aind. päli vergl. dina arm. traurig Pott 2. 313.
dives.
Griech. dives. dives, dies, dis m. Tag. disdra adv. früli. dise adv. bei Tage, dise arati Tag
lind Naclit. diveseskoro adj. täglich; m. Taglohn, du-, trin-divesengoro d.rom ein Weg von
zwei, drei Tagen 610. dtsjula es tagt, disilo tar es tagte 598. 610. disili iar sie sah den
Tag 602. disjoihe m. Tagesanbruch, jeh divis eines Tags, avdives heute. ßumun. des,
des. des5 bei Tage buk. dives. adivisstnö adj. heutig, avdive heute serb. divese bei Tage.
avdive zu. ges taganr. ages heute bessar. soges poln. codzieii täglich gal. I. ndes. de adesara
von heute an. desarav vb. ich leuchte, desaivel es tagt zomb. für desardovel. deseske bei
Tage, ödes heute klaus. Ungr. dives, dives, des karp. dive m. Tag ung. dlve m. born.
87. adä dive heute 103. deve m. 87. ada deve heute 118. ^q^'' ^ "'^^''^ '^^'^'^ täglich 120.
divesa bei Tage ung. diveha bei Tage ml. 164. öda dlve jenes Tags 190. dij m. Tag,
Wetter, dij, di ml. 158. 173. sako dij täglich ung. sdko dij ml. 158. ^:)a5" fZiy Mittag, adadij
adv. heute, dislol vb. leuchten xmg. für disjol. djes, dzes. adjes heute sirm. ades. sakone-
deseskro manro panis quotidianus buch. Böhm, dives m., pl. -a. divese 73. falsch divete
74. jekvär diveseske einmal des Tags, divesestar von lieute an 68. dives divesestar von Tag
zu Tag. adadives adv. heute. divesaJ'ovav vb. tagen. divesaTol es tagt 69. Deutsch dives.
divese te ratti Tag und Nacht, diveseske bei Tage lieb, dives beitr. 29. 31. Poln. dives.
dedyves adv. heute na. 155. ßuss. deves. adadeves adv. heute, ijaldeves Mittag. Skand.
dives, dyvvus. Ital. deves., dves, pl. devesa., U dves, Tag. Bask. dibesi, dihesi Licht, Tag
baud. 34. Engl, divvus. Span, cibe Tag aus dive. acibe heute. Asiat, dis Tag. de
disi pecöi nach zv^rei Tagen, edze heute pa.
Aind. päli divasa. präkr. divaha Pott 2. 310.
divio.
Ungr. divljo Nari-heit sirm. Deutsch divio wild lieb, dihjo beitr. 35. Engl, divio
wild, toll.
Aslov. divij adj. wild usw.
dombo.
Ungr. domhn m. Hügel ung. Rumun. dombo Bergrücken vaill. 103. Böhm.
domhos m. Deutsch dondja. Engl, dumho.
Magy. domb Hügel.
domuk.
Griech. domvk m. Faust, Faustschlag. ßumun. dumük. Ungr. dumttk m. ung.
i dum.uk, pl. dumnkha, ödenb. Böhm, dinmik. Deutsch datmdc Daumen.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europas, vii. 203
dori.
Griech. dort f. Band. Rumun. dori. Ungr. cfo?'^^' m. Schnur ung. dorik f. born. 86.
karp. / döri ödenb. dorikerel vb. stehlen ung. Böhm. dori. f. Band, doröri f. deminut.
Deutsch törin lieb, dori beitr. 7. 8. Poln. dorn gal. II. Engl, döri, dnri. Span.
dori f. rope, soga.
Aind. döraka. bind, dör string. mar. dör.
dosta.
ßumun. dösta genug. Ungr. dosta adv. born. 105. dosta ml. 156. 184. dosto adj.
genügend ung. BöhiQ. doha adv. genug. Deutsch doha, dochu lieb, dosta beitr. 14.
Skand. dosta. Engl, dösta. Span, dosta adv.
Aslov. do syti, sonst dosta usw. Pott 2. 308.
dos.
Rumun. dos f. Schuld culpa, dosalö adj. schuldig buk. dos Fehler vaill. i^as ode dos
ob eam causam klaus. Ungr. dosalo buch. Deutsch dos Mangel, dosvälo adj. lieb, dös
Schaden beitr. 27. Poln. dos pernicies. Russ. dos Laster. Engl, d^is subst. Übel ;
adj. übel, düsalo unglücklich. Span, docht f. culpa.
Aind. päli dösa. hind. dös, dökh Tadel, dökhnä tadeln, nirdökh schuldlos.
dos.
Griech. dosdva vb., partic. doslö, melken. Rumun. dusö ich melke, praet. dusTöü.
VergL deutsch thucäva vb. lieb, und asiat. impt. le tus pa. 333.
Kurd. düsim ich melke Lerch 131. Vergl. aind. duh. päli duh (döhati). hind. döhnä.
drab.
Griech. drab, drap m., pl. drapd, Kraut, Medicin. drahengoro adj. ; drabengoro m.
drabSngeri f. Kräutersammler, Kräutersammlerinn. Rumun. drab, drjab m. Tabak.
drjäb bessar. IL Ungr. drab m. Heilmittel, drahengero m. Apotheker ung. drab
ödenb. Deutsch träh Wurzel lieb, car-drabe Gewürz beitr. 15. Poln. drab Kraut.
draba kirla divinare, eig. divinat. drabo Wahrsager, drabi Wahrsagerinn na. 168. 169.
Skand. drabb Medicin, Gift, drabbeske adj. Engl, drab Gift, Medicin. drabengro, dra-
bengri Apotheker, Arzt. Span, drao m. Gift.
Aind. dravja n. Gegenstand, Ding, Stoff, Substanz ; ferners flüssiger Stoff, Arzenei-
stoff', Salbe, geistiges Getränk usw. päli dabba object, thing; material, substance; a fit
object: wealth, property, fuel Pott 2. 316. Sundt 374. Globus 26. 203.
drabar.
Rumun. drabar vb. lesen : drabarU. praet. drahardds buk. drabarao vaill. 75.
Deutsch iravervära vb. lesen, beten lieb, drovervena lesen, beten beitr. 20, eig. sie lesen,
beten. Skand. drabbra vb. lesen, drabbranö adj. gelehrt, drablopa Lesen, drabelina Buch.
Pott 1. 439.
2fi*
OA I FliANZ MlKLOSIClt.
drakh.
GriecL. drak in., pl. -(/. Traube, drakengoro adj. drakengoro pdj Traubenwasser,
Wein 620. Rumun. drak vaill. 64. 103. serb. zomb. Ungr. draki f. ung. dräkhi
born. 87. drak, drakh sinn, dräkha pl. ödenb. Böhm, drakh f., pl. -a. Deutsch dräk.
Bask. draka, grata Traube baud. 38. draka;i Weingarten 39. Span, draka, trakia f.
Asiat, dräk syr. seetz. drek pa.
Aind. draksä. bind. dakh. sindh. dakli. gu2. darakh. käf. drä§.
drom.
Griech. drom m., pl. -d. Weg. dromorö m. deminut. dromeskoro adj.; m. Reisender.
Rinnun. drum m., pl. drumd. drum das er Hess laufen buk. drom mezz. dromeske mikle
pen sie begaben sich auf den Weg klaus. Ungr. drom^ m. ung. bis drom, frin drom usw.
zwanzigmahl, dreimahl usw. wie serb. dvaput, triput sirm. Böhm, drom m., pl. -«.
dromengero m. Wanderer. Deutsch trom lieb. drum, drom nasedum Irre error, eig. ich
habe den Weg verloren beitr. 18. 26. 31. 34. trom waldh. 120. Poln. drom. Russ.
drom. Skand. dromm. Ital. drom Strasse asc. 131. 145. Bask. drömia montagne,
foret baud. 32. 35. Engl. drom. Span, drun, drune m.
Griech. Spötio? Pott 2. 318. Dasselbe Wort findet sich im bulg., serb. und rumun.
drösln.
Rumun. drosin Thau zu. Ungr. drösin sirm.
Ngriech. opöaoc, opoatä.
dud.
Rumun. dudar vb. leuchten zomb. n ndud bukar. udud, udut : sg. acc. ndtides klaus.
dudalesk adj. Fenster-. wc^i^fZa^/ Fenster vaill. 75. 132. Ungr. dud. dut, ududt m. Licht.
dudipe m. Licht. rf«.f?io. tidutno adj. licht ung. ?trf«rf ödenb. Böhm, dud m. c?MfZöro m.
deminut. Deutsch /■«< hell. Ital. dudd, pl. rf».c?c^;a, Leuchter. Engl, dud Licht.
Span. f^M^ m. Licht, diitoj adj. licht, dundun adj. klar. (f«mc??: Lampe.
Aind. djuti. päli göti. bind, dzöt Licht.
dudum.
Griech. dztdüm m., pl. -d, Kürbiss. gudlv dudüm Pfebenkürbiss potiron. Rumun. dodomd
pl. Ungr. dudüm ödenb. dudum, dudu ung. dudum, tüdum sirm. Vergl. engl, dtidum Bauch.
Armen, dudüm.
dugo.
Rumun. dilgo adj. breit buk. Ungr. dugo adj. lang born. 100. adv. 121. karp.
dnges adv. karp. dugipe m. Länge ung. Böhm, dugo adj. dtigipen m.
■ Vergl. aslov. dl-Egt. bulg. dl-Bg. serb. dug usw.
duchki.
Griech. duchkjäva vb., partic. duchkinö, springen, duchkinf grastnt besprungen 250.
impt. düchki. duchkmovava vb. spi-ingen. Asiat, dekhviti, dekhavti, dekhti d. i. dech-.
Duchkjdva ist wahrscheinlich auf aind. ud sthä zurückzuführen.
Übek die Mündakten und die Wanpebunöen der Zigeuner Europas, vii. 205
duchos.
Griech. duchos, dücho m. Luft, Wind, dein o duchos der "Wind weht. Rumiin. ducho
Geist. Deutscli tucho Haucli, Atliem, Luft, Geist lieb, doko beitr. 7. Span, dukö
m. Geist.
Aslov. duhi) usw. , .
duj.
Griech. duj num. zwei, du 626.^ do 620. duj d^ene zwei Personen 262. Rumun.
duj. li-duj, düj-ieni beide, dujto num. zweiter, duvar zweimahl buk. velduj beide ist wohl vi
e duj. soloduj beide steht wahi'scheinlich für sa Je duj klaus. duj bessar. di zu. Ungr.
duj ung. duj, du born. 105. duvar zweimahl, dujto zweiter ung. dtijtovar zum zweiten Mahl
born. 105. du-dzene zu zweien ung. ditari zweimahl sirm. düvar ödenb. Böhm. duj.
duvär. duvär bis viei'zig. duj sei zweihundert, duje-hersengero adj. zweijährig, dujto. du-dzene
mitsammen. Deutsch duj lieb. Poln. duj. duaTo doppelt, dujo zweiter, dujsel na. 154.
Russ. duj. c^w-fföme beide, zusammen. Skand. dy. Ital. duj, du\ Bask. duj baud. 31.
Engl. duj. Span. duj. dujdeke zwölf, dujto doppelt, dujtar vb. verdoppeln, duiskero
zweiter. Asiat, di, de pa. 356. 417. 422.
Aind. dvuii : Stamm dva. päli dvc, duve. präkr, due, du. hind. dö. dönö, har
do beide, kurd. du.
dukh.
Griech. duk f. Schmerz, dukdva vb., partic. dukano, Schmerzen empfinden ; lieben,
mit ke: dukdva ti'dce ich liebe dich 618. duklo adj. leidend; elend, arm 618. dukano m.
Geliebter, dukam f. Geliebte, dukaväva vb. Schmerzen empfinden machen, verwunden.
dukänovava vb. schmerzhaft sein, lieben, dukanihe m. Liebe, dukaihe m. Schmerz, Liebe.
Rumun. duk vb. : dukdl es schmerzt buk. dhukal gal. L Ungr. d^hk f. dihkh m. Schmerz
ung. dukh f. born. 88. dukhel.^ dukäl vb. schmerzen ung. didclial born. 106. dukal lua es
schmerzt mich, na dukha ma verletze mich nicht : dukha für dukhav. o vast dukhäl die
Hand schmerzt, le dant telune dukhän die unteren Zähne schmerzen ödenb. Böhm, dukh
f., pl. -a. d'ukhal vb. wehtun. man dukhal 76. Deutsch dukk. dukkäxa vb. lieb. duk. dukala
o weh, eig. es schmerzt, kurlo dukalo heisch, eig. der Hals schmerzt beitr. 16. 23. 28.
34. Poln. dukalo Schmerz na. 152. Russ. dukhal weh. Skand. dukk (dykkeha)
Krankheit, kirja dukk Aussatz : kirja ist mit (/er zu vergleichen, dukkalö krank. Engl.
düker vb. praet. dnkadds he did hurt. Span, duka, dua f. Mühe, dud adv. kaum, sobald
als. dukilar vb. kj-ank werden, dukipen m. Schmerz, dukinam, dukinensia f. Reue.
Aind. du : kha. päli dukkha. hind. dukh. duklmä vb. sindh. dukhu Pott. 2. 306.
duma.
Rumun. düma Rede, Antwort, das duma er redete buk. de duma parpali reponds.
dumao vb. raisonner vaill. dau duma, dumdu ich rede mezz. Böhm, duma Sprache.
Russ. duma Gedanken, dumiskirava: hari düma dumiskirdjom icli dachte grosse Gedanken.
Bulg. dumt Wort. russ. duma Gedanke.
dumo.
Griech. dumo m. Rücken, hange - dumeskoro adj. buckelig. bar6 - dumeskoro adj.
liinen gi-ossen Rücken habend, dumorö m. deminut. Rumun. dumo vaill. d?'.m6 Schulter
2()(; Fkanz Miklosich.
buk. dtimd-p]. serb. Ungr. dumo ßUckeii m. uug. karp. ddiiio ml. ödenb. diaiio; sg. instr.
dumea sirm. Böhm, dumo m., pl. -e. dumöro m. deminut. Deutscia dummo lieb.
c^ifTOO beitr. 25. 26. Poln. dummo. dumo attritus sedno missverstanden na. 164. 165.
Finn. dummo gac. Skand. dummu (domm). Ital. durnö. Engl. dumo. Span, dume,
diimen. paldumo liuncliback.
Hind. dum f. entlehnt, pers. dum. abaktr. duma Schwanz Pott 2. 314.
dur.
Griech. dur adj. adv. entfernt, weit, comparat, dureder. dural adv. von ferne, duripe
m. Entfernung, duritnö adj. lang, dürjovava vb. entfernt sein, durano adj. entfernt, du-
rdftovava vb. sich entfernen. ßumun. dur. dural von ferne, durjov vb. : praet. durile
bulc. comparat. durdir vaill. dur. dural bessar. II. Ungr. dur adv. entfernt ung. dür
ml. 159. 204. dural adv. von weit her born. 118. dural ödenb. comparat. dureder ml.
169. 175. 182. durjau vb, ich entferne mich sirm.' dureder karp. Böhm, dur adj.
Deutsch dtiro. durjeväva vb. weit gehen lieb. dur. nani dur nahe beitr. 2o. 35, eig. es
ist nicht weit. Poln. dur. nane dur nicht fern na. 152. 154. Euss. dur in der Ferne,
hoch. Skand. dur lang. Ital. durtune pl. fremd. Engl. dur. comparat. durder. Span.
dur adv. fern. Asiat, duri., dürghe entfernt, dircüne fremd pa. 639.
Aind. päli. abaktr. dura. hind. pers. dür. kurd. dar Lerch 131. Pott 2. 317.
durik.
Deutsch turkeväva vb. wahrsagen, turkepeii Prophezeiung Lieb, durker vb. beitr. 34.
Engl, durik vb. dtirikapen Wahrsagen.
duruli.
Rumun. duruli f. Fass buk. durido. bari duruU grosses Fass serb. Ungr. durugli
sirm. Deutsch turdli lieb.
dusman.
Ilumun. dusman m. Feind buk. vaill. Span, dacmanu m.
Pers. avg. hind. dusman.
dza.
Griech. dznva vb., partic. gelo, gehen, dza tüke etwa : va-t-en. o rakW gelö peske le
gar9on s'en alla. Kumun. za vb. : zan^ *o, zdp-tar ich gehe, partic. praes. zandöj. partic.
praet. gelö, gslö buk. arul o zamos, dzamos inter eundum zomb. dzava serb. taganr. te saj
dzohos ut possem ire: dzuhos für das erwartete dzavas. -praet. g/fas.^ gile klaus. Ungr. dzal\l>.
ung. dM born. 122. praes. dzav, dzä ml. 174. 186; 156. 160. impt. dza 162. 169. praet.
gelo, geTo ml. 152. 153. 157. 176. 181. dlava. dia[l] [i] halval der Wind weht karp.
Böhm, f/iav, dzal. impt. dza. praet. geTas, gele 54. 63. dzara in so tuke odolestar dzaraf
was wird dir daraus kommen (entstehen)? 53. steht für dzala. Deutsch dzäva vb. lieb.
tshamraauder meiden für dza mander gehe von mir. tschahen d. i. diaben Gang beitr.
14. 21. Poln. diavan (wohl: diava) and o drom peregrinari. vydzava evehi. tndut
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 207
obdzau circumvehi. i^am zadzala occasus solis für kam zadzata sol occidit na. IGO. 1G7.
168 : vy, ob, za sind slav. Praefixe. ßuss. te dzas vb. gehen, te vdzas hineingehen, te
vydzas hinausgehen, praet. gejöm, ugejöm : v, vy sind slav. Pi-aefixe. Skand. ja gehen.
jaben Gang. Ital. dzava, dzav. dza mang ich gelie. jyom, jele asc. 140. 143. 149. 152.
J3ask. sigo sade coiu'ir band. 30. asc. löfi. Engl, dzal vb. gehen, dzova, dzalova ich
gehe, partic. fiiln. praet. giom. Span, calar vb. gehen, ca^ ca tiikue, cal geh. Asiat, dlämi
ich gehe, garöm ich gieng. gari, giri er gieng pa. jämi ich gehe, praet. garüm syr. Pott.
Aind. ja. päli gä. hind. d2änä. praet. gajä Pott 2. 212. Beanies 1. 249. 253. avg.
dzam ich gehe, dzah geh tr. 178. 191. kurd. ve dzen'a ich gehe aus Lerch 212. Das
partic. gelu ist das aind. partic. gata.
dzamutro.
Griech. dzamutro m. Schwiegersohn, Schwager beau-fils, le mari de la soeur wie
ngriech. Ya[i.ßpöc. Rumun. dzamutro serb. zamutro zonib. Ungr. djam/Uro sirra. dza-
mutro karp. Böhm, dzamutro m., pl. -e, Eidam. Ital. dzamudrö, dzamodro asc. 130.
Asiat, dzafterö, dzaftüri^ dzardäv, dzartdv pa.
Aind. gämätr. päli gämätä. präkr. gämää. sindh. dzätrö. hind. dzamäi, entlehnt dämäd.
pers. dämäd. kurm. zäva Beames 1. 192.
dzan.
Rumun. g'anao,. jinao (wohl: dzanao, dzinno oder zanao, zinao) vb., praet. -ndim, en-
gendrer vaill. 105. 110. Span, cindar vb. gebäi'cn. cinoro m. Geschöpf, cindal Mutter.
cindoj Geburt.
Aind. päli gan. hind. dzannä geboren werden, dzanänä hervorbringen. dXanmänä
gebären, sindh. d2ananu. armen, zenel. kurd. za gebar Lerch 143.
dzan.
Griech. dzandva vb., partic. dzandö, dzanlö, kennen, wissen. Rumun. zan vb.: zandü
ich weiss, praet. II. sg. zangldn. zangJov vb. pass. buk. dzand ich weiss, praet. dzanglem
ich wusste serb. dzaiuin mezz. dzanav zu. ianglimos Wissen zomb. Ungr. dzanel vb.
wissen, kennen, können ung. dzanav vb. born. 106. dMnav ml. 184. 194. 205. dzänau
154. 155. 163. dzdnä 169. 170. praet. dzdnda 153. 154. 156. dzdneda er hat gekonnt 169. 175.
176. 193. dzanau sirm. dzanipe m. Kenntniss ung. Böhm, dzanav vb. p'''* dzanTas se
dovSdel 55. Deutsch dzanäva lieb. Poln. dzinava^ dzinau, zynava wissen na. 167. 169.
Russ. te dzines, praet. dzindjom., wissen, erkennen, diindlo Bekannter. Skand. jana vb.
Ital. dzandva vb. Engl, dzin vb. : dzindw, dzinovci. ich weiss, partic. dzinlo. praet.
dzlndöm. Span, canar^ canelar vb. cande adj. gelehrt, canaru m. Kenner. Asiat, dza-
ndmi, dMnemi ich kenne, weiss, dzaneri er weiss pa. für eur. dzanel: ?■, / für aind. t.
Aind. giiä. päli gänäti. präkr. gänädi er kennt, hind. dzännä. sindh. dzänanu Pott
2. 218. Beames 1. 303. kurd. zänim ich weiss Lerch 143.
dzang.
Griech. dzangdva vb., partic. dlanganö, wecken, urspr. wohl wachen, dlangaudva vb.
wecken. dSangdnovava, vb., partic. dzangdnilo ^ geweckt werden, erwachen. Rumun.
208 Franz Miklosich.
zimgac vb. : zungado snm ich wache, zungadov vb. : upre zungadilem ich wachte auf, serb.
probudio sam se zomb. Ungi-. dzangavel vb. wecken aus Ung. 331. dzungavla er ist
wach sirm. : falsch. Deutsch dzangeväva vb. erwachen, wecken, dzangelo adj. munter
lieb. ßuss. tc dingdv vb. wecken. Engl, dzongcv vb. wecken. Span, canganar vb.
Aind. gägr. päli gägar (gagarati), hind, dXägnä wachen, d^aganä wecken, sindh.
dzaganu wachen.
dzar.
Griech. dzar f. Haar, Faser, dzarjalo adj. behaart, hare-dzarjengoro adj, langhaarig,
üngr. dzär m. Haar, Borste, dzarja pl. Bart ung. dzarval Haar born. 89. dzarvalo
adj. haarig, borstig ung. dzarvalo born. 101. zarda f, Haar, Barthaar ung, zärja Wolle
sirm. dzar Zotte karp. Böhm, dzar f., pl. -a, Haar, Cecli. chlup, dzaröri f. deminut.
dzarälo adj. haarig. Vergl. cor Bart.
Aind. päli g'atä Haarflechte, avg. Xiräh Bart tr. 54, Pott 2. 2.58,
dzeno.
Griech, dienö m., pl. -e, Person, kanek dzenö jemand 606. jek, kanek dzenö mit der
Negation niemand 298: jek dzenö ndnaj personne n'est 610. te na vrakerel man kanek
dzenö que personne ne me parle 612. laüia dzen^-. Rumun. düj-^eni beide, trin-zene alle
drei, star-zeni alle vier buk, Ungr. dii-dzene zu zweien ml. 169. Imt-dzene viele ung.
butcene born. 118. für but-dzene. ofta-dzene zu achten upg. duj-dzene sirm. jek dzeno einer,
jeder einzelne, sako jek dzeno jeder, so duj dzene beide, trin dzene, so trin dzene alle
drei karp. Böhm, du-dzene zusammen 63. 65. 74. Deutsch dzeno Mensch, Kerl
lieb, Finn, djeino Kerl, djeinesk, djeinengo adj. d. i. wohl dz-,
Aind. päli gana. hind. d2an Person, Mann,
dzl.
(Jriech. dii , dzin, ci, ein adv. noch, bis. dzi des hanlä ungefähr zehn Börsen,
ngriech, Icoc 5e/,a. na pekilo dzi es ist noch nicht gekocht, dzi te dzal avant d'arriver 622,
mit ;e praep. : dzi f o kocd bis zu den Knien 610. 614. Rumun. dzi, zi: z akanä bis
jetzt, z' ek pas bis zur Hälfte, z and o des bis zum Tage, zi kol (kaj ol) casuri. conj.
zi kaj: zi kaj cwde bis sie zogen buk. Ungr. dzi, diik ung. ii praep. : zi Pesti bis Pest
born. 99. sddzik bis dahin ml. 171, eig, ganz bis. dzi sirm. Deutsch ein. Ital, dzi-ratti
•piesta sera asc. 141, der dzi mit dives vergleicht,
dziv,
Griech, diivdva vb., partic. dzivdö, leben, dzivdö&^]. lebend, dzibem. Leben, dzivdovava
vb. pass. leben. Rumun. zuv vb. : zuvdü, zuvö. zudö adj. lebend buk, zuindu lebend, arzi-
ziu zivoindu Quecksilber bessar., d. i. argentum vivum. di,ivdü adj. serb. zuvdv vb. le zuvin-
denge thaj le nmlenge vivis et mortuis zomb, Ungr. dzivel, zivel vb. ungr. dzivel, dziven
ml. 157, 165. 172. 179. d^rä vb. born. dzivibe, zivibe m. dzivdö, zivdö adj. dzivdärel
vb. anzünden ung.. eig. leben machen, impt. dzivdar, Mvdar ml. 196, 198. dindarde bala
Übee die Mundarten und die Wanderungen dek Zigeüneu Europa's. vii. 209
lange Haare ungli. für dzivdarde. dztido lebend adj. sirm. dMdo, zhlo adj. lebend, dzidol, zklol
lebt karp. dzivdo adj. ödenb. : zlvisar vb. geniessen sirm. stammt aus dem slavischen.
Böhm, dzido adj. itas dzido halb todt. dzidärav vb. nähren. Deutsch dziväva vb. dzido adj.
dzimasfer lebenslänglich lieb, dzivava vb. dzimaster ewig, eig. lebenslänglich beitr. 12. 20.
Poln. zt/vai-a vb. dziindo lebendig na. 169. Russ. te dzives vb. dzindle hoe. 24. te prodzives
vb. verleben: pro ist ein slav. Praefix. dUdö adj. Skand. jida vb. jido adj. jiben subst.
Ital. dzivdu, dzido adj. Engl, dziv vb. : dzivöva ich lebe, dzivdo, dzido, dzivo adj. dzi-
vohen subst. Span, cibos, cibiben, cipen, ocibiben m. Leben. Asiat, me dzende fz. vie
pa. ist vielleicht ,in meinem Leben'.
Aind. päli giv. giva. bind, dzinä leben, kurd. dzüve Quecksilber Lerch 120. Pott
2. 217.
dzoro.
Griech. dzoro m. Maultier, dzorni f. sed. Ital. dzurö asc. 134. Span, core, -t m. f.
dzov.
Griech. dzov m., pl. -ä, Gerste, dzoveskoro m. der Gerste verkauft. ßumun. züu
zweisilbig buk. sani (richtig wohl sano) zo Hafer zomb., eig. dünne Gerste. Ungr.
dzö m. Hafer born. 89. dzov sirm. zov ödenb. Böhm, dzov f., pl. -a, Hafer. Deutsch dzöb.
Poln. dzoii Plafer. zup Gerste na. 156. 161. ßuss. dzov Hafer. Ital. dzove Gerste
asc. 130. Engl, dzob Hafer. Span, co^ cor Gerste. Asiat. dz,ev pa.
Aind. päli abaktr. java. hind. sindh. avg. dzau Gerste, kurd. dzau, dze Lerch 118. 200.
griech. (^io..
dzukel.
Griech. dzukel, zukel m. Hund. znMi f. Hündinn. Rumun. zuksl, zuköl. sg. acc. iu-
kles. zukUsko, zuklengo adj. ziddoro m. deminiit. buk. ^jukyl bessar. dznkül taganr. dzukel serb.
zukel, zukdl. zukU zomb. Ungr. dzukal, dzuklo m. dzukloro m. deminut. dzuJdi f. dzuklori
f. deminut. dzuklano adj. schlecht ung. dznkläno schlecht ml. 204. dhiMano pele P^rd-
apfel , eig. die Hode des Hundes born. 88. dziddanipe m. Schurkerei 89. zukTori f.
deminut. karp. zucel. djuceL djuceldno Hunds- sirm. dzukel. diuklori, cuklori deminut.
dzuklano karp. zukel ödenb. Böhm, dzukel m., pl. -a. sg. dat. dzukleske 73. 74. dzukloro
m. deminut. dzukll f. dzuklori f. deminut. Deutsch cukklo. jukel Hund, jukli Plündinn
beitr. IG. 17. cokel waldh. 116. Poln. dzukel. dzukloro deminut. dhddy f. na. 162. 165.
ßuss. dzukel. dziikly. Skand. juklo. Bask. chakel, sukela baud. 30. Ital. dzukel asc.
130. Span, cukel: ctikel^ sos pirela.^ kokal terela ein Hund, der herumgeht, erhält den
Knochen.
Aind. gakuta, gukuta. Vergl. hind. kukar Pott 2. 213.
dzut.
Griech. dzut m., pl. dzutu, dzut, Jude, dzufmyoro adj. 604. dzutoro m. deminut. dzutnö
adj. dzutnex adv. dzutni f. Jüdinn. dzutnori f. deminut. pa.
Vergl. hind. jahüd. In Ilissar dzugut Globus XXXI. 29.
Denkscuriften der phil.-hibt. C'l. XXVI. BJ. 27
9^0 FkANZ MiKLOSIClI.
dzuto.
Ruimin. S/ito, ziito m. Jooli, Paar: ek ziito gurit ein Par Ochsen buk.
Aind. jüktra. päli jötta the tie of tbe yoke of a plougli. liind. dzu'a Jucli. dzotna
vb. kurd. dzöt Joch, Paar Lerch 119.
*■?
dzuv.
Griech. dzuv m., pl. -d, Laus, dzuvalö adj. lausig, dmvälovava vb. lausig werden,
partic. dhivälilo 628. Eumun. jua^ d. i. dzua, vermine vaill. 110. Ungr. dzü m. ung.
pl. dzhva ml. 154. dzuvalu adj. lausig ung. 3«6, pl. htvä. iuvdlo. le iuvengi kangli Laus-
kaumi ödenb. Böhm, dzuv f. dhtvöri f. deminut. dzuvälo adj. Deutsch cuv. cuvälo
adj. lieb, jua beitr. 20. Poln. dzun. na 167. Russ. dzuv. Finn. dzu gac. Skand.
ju. Bask. sua Laus, kokusua Floh baud. 37. Engl, dzuva subst. dMvli adj. Span.
cube. Asiat, dziv pa.
Aind. jflka Laus, jukäla lausig, päli üka. liind. dzu. sindh. dzü, dzüa tr. 29. 37.
Pott 2. 114. dzuv für dzuvo aus dzuo nach Ausfall des k.
dzuvel.
Gi'iech. dzuvel f. Weib: Gegensatz zum Mann, dzuvli f., pl. -lä. dzuvJdkoro adj.
weiblieh, dzuvlikano adj. weiblich. Rumun. zuvli, zuli buk. zuvli, zuli zomb. dzuükano
klaus. dhdi zu. zuli bessar. 11. zuli, zouli, dzuU serb. Ungr. dzuvli f. Frauenzimmer
uno- dzuvli Jilädchen ml. 157. dzuU sirm. zuli ödenb. Böhm, dzuvli f. Weibsbild.
Deutsch cüvli. cuvlidmi adj. Russ. dzuly altes Weib. Finn. romani-djuli Zigeuner-
mädchen Bugge 147. Skand. juje (juja, guja) Frauenzimmer, jujeske gad Frauenhemd.
Bask. usela chienne baud. 30. nach asc. 156. Ital. cdj dzuvel figlia femina asc. 137.
Eno-1. dzuvel subst. dzuvni adj. Asiat, djury Weib syr. sectz.
Aind. päli juvati Jungfrau, junges Weib. hind. d^uvatl. sindh. dzöe tr. 68. Pott
2. 215.
efta.
Griech. eftd man. sieben, des-u-eftd siebzehn, effdngoro adj. den sieben gehörig.
eftd-serengoro adj. siebenköpfig 610. 614. Rumun. jeftd. jeftdvardes siebzig buk. efta
zu. bessar. jifta. jiftadysa taganr. Ungr. efta ung. (ifta ml. 203. eftato siebenter, eftavar
siebenmahl ung. eftavades born. pftavardesueftoto für -tato ml. 158. eftd. eftdto. eftavdrdes
sirm. efta-dzene zu sieben ung. Böhm, efta sieben, Woche, eftato. eftangero m. Siebner.
eftavärdes. Deutsch efta lieb. efta. eftavardes beitr. 29. Poln. efta. eftavqrdes na. 164.
Russ. evtd. Ital. fta asc. 132. Engl, afta, eft. Span, eftd neben emd, ester sieben.
estero siebenter, esterdi siebzig. Asiat, eftd ist in Asien unbekannt pa. 36: dafür tritt
das pers. haut ein.
No-riech. ircxa.
^ ' enea.
Griech. enea, enia, emja, ima, inid num. neun, eneninta neunzig. Rumun. end.
ejlato neunter bidc. c«a%sa neunzig taganr. ina, Jena, jeüavardes sevh. me zomb. Ungr. ena.
enato neunter, efiavar neunmahl ung. enavades neunzig born. 105. efiavarena neunund-
neunzig ml. 175. efia-dzene zu neun ung. ind. inavdrdes. inato sirm. Böhm. e/ia. eiiato.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 211
enavär. eimvärdes. Deutsch ennia lieb, cngn, d. i. ena, beitr. 23. Poln. enia. enia-
valdes na. 155. ßuss. end. Skand. engja. öfters ni7i. Ital. na. Engl, enneah.
Span, esnia neun, esneiu neunter, csnete neunzig. Asiat, ist enea unbekannt : neja, mi pa.
Griecli. svvsa.
fa.
ßumun. ma fal es täiisckt mich, fal es scheint, praet. faloü: /.es falo/t los greaca es
ekelte ihn: vergl. rumun. im pare greca buk. fal ma il me paratt. fal ma misto j'en
suis fort aise. fao vb. scheinen, praet. falim vaill.
feder.
ßumun. feder comparat. besser zomb. Ungr. feder adj. besser ung. feder vastisH
zur rechten Hand born. 121. feder adv. 118. karp. najfeder superl. sirm. : maj Idso ge-
wöhnliclier als feder ödenb. Böhm, feder. najfeder. Deutsch fedidlr. Poln. hone
/eA> optimus na. 160, eig. wohl: cpiis est melior. 'Rw^s,. fedyr, fededyr. Engl, fettader.
Span, feter adj. adv. besser.
foros.
Griech. /oros m. Markt grösserer Städte. ßumun. /o?'o Stadt, forusej pl. Städter buk.
foros mezz. föros, foro bessar. II. foro zomb. Ungr. föro m. Markt, Stadt img. föro
born. 88. /öro ml. 154. IbQ. föreste 155. 156. 167. 171. 172. 174. IS^. föroste 154. /Jros,
pl. fori, karp. foreskero m. Städter ung, Böhm, foros m., pl. -i, Stadt, forickos m.
deminut. foroskero m. foroskeri f. Städter, Städterinn. Deutsch foro lieb. foro. gacerdi-
foro Brandenburg beitr. 8. 30, eig. verbi-annte Stadt. Poln. foros na. 159. Skand.
foro Stadt. Girnaforo Christiania. Fröidisforo Fredrikstadt. Ital. /or Markt. Eno-1. föros.
Ngriech. (pöpoc. bulg. na forosehi auf den Märkten Pott 2, 393.
gad.
Griech. gad m. Hemd, gadoro m., pl. -re. deminut. gadalö adj. mit einem Hemde be-
kleidet, bigadalo adj. ohne Hemd. ßumun. gad, gddo, pl. -a, buk. gad, gado serb. gad
Hemd, gada pl. Kleider zomb. Ungr. gad m. ung. sirm. gad born. 88. gad Gewand.
gada Gewand, Kleider ml. 159. 178: unrichtig g(kla acc. 154. Böhm, gad m., pl. -a,
21. 39. gadöro m. deminut. Deutsch gad lieb, gaad beitr. 10. Poln. gatt na. 157.
Skand. gad (gard). Ital. gad. ßask. gate, gata band. 30. Engl. gad. Span, gate m.
Pott 2. 132.
gadzo.
Griech. gadzo m., pl. gadze, Fremder, Nichtzigeuner, Person, Mensch, Gemahl, gadzi
f., pl. gadM, Nichtzigeimerinn, Gemahlinn. gadzorö m. gadzori f. deminut. gadlano adj.
fremd, higadzdkoro adj. ohne ^^'eib pa. ßiunun. gazö m. Mann, Wirt, ßumune. gazi f. buk.
gazo Nichtzigeuner, Mann. gaU Weib zomb. gazo Mensch bessar. II. Ungr. gadzo m. Nicht-
zigeuner, Bauer, Unger ung. ^-äc^zo born. 88. (/«c/io Unger ml. 166. 167. 179. 185. Bauer 166.
167. 171 : selten Zigeuner 167. 9, eig. Mann, gadzo Mann karp. gadzoro m. Männchen, Freund
') j '2 Franz Miklosicii.
Ulli»-, gadzöro born. 88. gadzi f. ung. gädzi born. 85. gadzi Ungerinn ml. 18!), 190- Bäue-
rinn 1G8. ISl. 185. Weib, Frau 154. Iß7. 1G8. 171. 181. 195. gadzori f. demimit. ung.
(ladzdkcro adj. der Frau gehörig ml. KiT. gadzeno adj. bäuerlich ung. gddjo sirm.
Böhm, gädzo m., pl. -ze, Bauer, Hauswirt, pl. Menschen, Leute, gädzi f. Bäuerinn,
Wirtinn. gädzoro m. deminut. gadzori f. deminut. gadzüno adj. Bauer-. Deutsch gadzo
Nichtzigeuner, Mensch, Bauer lieb, gajo beitr. 9. Poln. gaudzo Bauer na. 153. gadzio
m. Nichtzigeuner. gadzia f. gal. II. Russ. gadzö, gädzo, pl. gddie, Russe. Bask. o'[aso,
ogaso Mann, egasi Weib baud. 32. 33. kocoa asc. 156. Ital. gadzo, pl. gadzi', Bauer.
qadzidn Bauern pl. acc. Engl, gaudzo, gaüdzer, gördzo Niclitzigeuner. Span, gacö,
gace m. Mann, Jüngling, gaci, kaci f. Weib. Asiat, gadzuno 120. gadzunitori fremd pa.
Aind, gaja m. Ilaus, Hof; Hausstand, bestehend in der Hausgenossenschaft, so wie
im Vermögen, familia. gadw ist ein Hausgenosse und bezeichnet den ansässigen Menschen,
im Gegensatze zum unsteten Zigeuner, kann daher den Rumunen, Deutschen usw. aus-
drücken.
gand.
Griech. ghanddva, ghantäva, ghrantäva, khrantäva vb., partic. ghanlö, kämmen, ghangli,
karnjU f. Kamm, ghanlo m. der kämmt, abteilt, ein Werkzeug zur Reinigung der Pflug-
schar, Stacliel. ghantavdva vb. sich kämmen, ghanglinengoro m. Kammmacher. Rumun.
kangli f. Kamm zomb. vaill. 111. Ungr. kangli f. ung. cliandi f. gekämmt ungh.
Böhm, chanav vb. kämmen, kangli f., pl. -Ta, Kamm. kangTöri f. deminut. kanglengero
m. Deutsch ganglin Kamm. Vergl. hanäva vb. kämmen lieb. Russ. kangly Kamm.
Skand. gloris Kamm. Engl, kongali Kamm.
Vergl. aind. kankata. hind. kanghi Kamm. Vieles ist hier dunkel: böhm. chanav.
deutsch hanäva und ungr. chandi gehören sicher zusammen, kangli ist auf aind. kankata
zurückzuführen. Vielfältig beirrt hier mangelhafte Lautbezeichnung. Vergl. chand.
gara.
Rumun. gai'ä Pferd, garani Stute zu. Span, vergl. goro m. goroni f. Füllen, gyrai
Pferd taganr. : in Europa sonst stets grast. Asiat, agöri, agora Pferd, sg. instr. agoresa zu
Pferde pa. aghora, ghora, uguhra Pferd syr. gorth Pferd syr. seetz. nän goherus bring his
horse syr. Pott, ghora Pferd pers. ghord pers. gob. agora ous.
Aind. ghöta, ghotaka. präkr. gliodao. hind. gliodä, ghörä m. ghöri f. usw.
gav.
Griecli. gav m. Dorf, gavudnö adj. Rumun. gaü^i pl. gavn, bxdi. gaü bessar. gmo
serb. Ungr. gav ung. ml. 157. 160. gavoskero adj. ung. gaü. gnvrsko Dorf- sirm. gaw
karp. Böhm, gav m. gavengero adj. gavengeri f. Dorbewohnerinn 71. Deutsch gab
lieb, caveskro Amtmann beitr. (). fiii- gaveskro. Poln. gnu pagus na. 167. Kuss. gav.
Skand. gav. Engl. gav. Span, gau lugar, pueblo.
Aind. gräma. päli. präkr. gäma. hind. graju, giiv Dorf. kaf. gläm Pott 2. 134. Zeit-
schrift 17. 243.
Über die Mundarten und die Wandekungen der Zigeuner Europa's. vii. 213
ged.
Griech. gedava vb., partic. gedinö, versammeln, gedinu ramasse, serre. Rumun.
kedao vb. ramasser vaill. 112. tid vb. sammeln, sparen, fassen: üdau. praet. tidom. thid:
thidel pe; thidäs pe buk. Ungr. kedel, khedeJ vb. sammeln, pflüclcen. kedä born. 106.
107. kedel ävri er nimmt heraus 97. kedipe, ^'^er/^joe m. Sammeln ung. c«/a« vb. ich sammle
sirm. te keden versammeln ml. 154. kedelahi 158. Vergl. kedinda er nahm 153. äri ke-
dinda er nahm heraus 172. kedine sie legten karp. Russ. fe zakades vb. zusammen-
raffen 262, mit dem slavischen Praefix za. Vei-gl. te khedes vb. razvoditb boe. 263.
gen.
Griech. gendva vb., partic. gendö, zählen, gendovava vb. pass. Rumun. gln, wolil nicht
zin, Zahl vaill. 106. dinav vb. ich zähle, dlnavav vb. ich lese zomb. Ungr. gen Zalil. genel
vb. zählen ung. ghenciv vb. lesen born. 93. 106. praet. genda ml. 193. dzinau vb. ich zähle
sirm. gin vb. lesen : ginen. praet. givde karp. gindv le luve ich zähle das Geld ödenb.
Böhm, gin Zahl, ginav vb. zählen, lesen. Deutsch gin. ginäva vb. zählen : vergl. gen-
däva lesen lieb, gin Zahl, shinawa, d. i. wohl zinava oder dzinava, rechnen beitr. 26.
35. Poln. the ginau vb. zählen na. 163. Russ. te gines vb. lesen. Skand. jin Zahl.
jina vb. zählen. Engl, gindzer, gina vb. zählen, rechnen. Span, chin Zahl, china
Rechnung, ckinar vb. zählen. Asiat, le gen pa.
Aind. gana Schar, Reihe, Zahl, gan zählen, päli gan (ganeti). hind. ginnä. sindh.
gananu. avg. ganal tr. 14. Pott 2. 135. Zeitschrift 17. 243.
ger.
Griech. ger, gür^ jnr f., pl. jerd, Schenkel, Weiche, Bruch, Bauch. Ungr. hero
m. Fuss. herengero adj. langfüssig ung. cheroj karp. i chera le grastengi thidon ödenb.
übersetzte der Zigeuner durch ,Klee', es ist offenbar: crura equorum pinguescunt. Böhm.
cheroj f., pl. cliera^ Schenkel, Bein, chera pl. G8. cherojöri f. deminut. bicherengero adj. ohne
Beine, bange-cherengero adj. krummbeinig, pärnecherengero adj. weissfUssig. Deutsch hero
Bein, Schenkel lieb, heroi beitr. 7. Poln. heroi crus na. 155. Russ. ger, pl. gerd, Fuss.
higerengiro ohne Fuss. Engl, hero, herer. Vergl. asiat. gur, pl. gurin, Fuss pa. 245.
Pott 2. 162.
ger.
Griech. ger, gel m. Krätze, geralö, gelalo adj. krätzig. Ungr. ger m. geralo adj.
geralovel vb. krätzig Averden. geriiM m. Krätze ung. geli tar i ger die Krätze ist ver-
gangen ödenb. Böhm, ger, ger f., pl. -a, Krätze. Deutsch ger Krätze, Aussatz, ge-
reli dzarnpa. Kröte, eig. krätziger Frosch, lieb, gerein beitr. 25. Poln. ger na. 158.
Span, garipxi scab. guel itch.
Sindh. garu f. Räude tr. 92. kurd. gir, gir, khoriän Jucken rh. chorinim ich kratze Lerch
114. pers. gar, gari Bugge 153.
gerav.
Griech. geravdva vb., partic. geravdö, geradö, verbergen, geravdikanö., geradikanö adj.
verborgen, geheim, heimlich, gerdvdovava vb. verborgen sein, geraibe m. Verbergen.
214 Fkanz MiKi.osicn.
geräva vi).: kamagerdv je cacherai 602. Rumun. gardü vb. garadafi pß er versteckte sich.
garudov vb. pass. : praet. garudiJ'as buk. garavav zomb. Ungr. garuvel vb. verstecken,
säen ung. garuvä vb. aufbewahren born. 106. praet. gänida eingesteckt ml. 170. gara-
vnu vb. sirm. praet. ganulas pes er verbarg sich karp. Böhm, garüvav, gurüvav vb.
Deutsch (^«ret'ära vb. lieb. Russ. ^e_5r«raz;es vb. retten, begraben. Skand, ^«?'a vb. Ital.
praet. garadöm ich verbarg asc. 142. 152. Engl, gurav, gärer vb. Span, garahar^ ga-
rahelar vb. guardar, enterrar.
Pott 2. 140.
gero.
Rumun. gnro arm (bedauernd). Ungr. gero kaj-p. Böhm, gero adj. selig, mro gero
dad. Deutsch gero. Vergi. skand. gern Christus, Christian, girna Christiania Bugge 150-
Pott 2. 63. 141.
gili.
Griech. gili f., pl. gilä, Lied. giTdbava vb. singen, gerund. giTabindos. Vergl. giovende f.
Sängerinn, Tänzerinn. Rumun. delah vb. deldbo ich singe, diläbe für dildbes. dildbelas. gerund.
dilabandoj. praet. delabajoü, aus delabaloü, buk. giTabel er singt serb. gelabdü vb. bessar.
dilabav vb. zu. üngr. dili f. Lied, Arie ung. dlli born. 88. 107. düi f., pl. ff^Ta, Lied ml.
188. 195. düöri deminut. 188. gili. gilabo oanam ödenb. dilazinel vb. ung. düi., duli Lied.
dzilabau ich singe sirm. gili. glTau ich singe, praet. giTadas karp. Böhm, gilavav vb. 16.
gilovav 39. gilaviben m. Gesang 62. Deutsch ^i7/. gicheväva vb. singen für ^iz/e-, ^/re- lieb.
gili. giuvava. gijupaskro Sänger beitr. 14. 21. 27. giling Sänger waldh. 119. Poln. gily
Lied, gijaba vb. singen na. 162. 165. gilavava gal. IL Russ. gily boe. 20. Skand. jda
vb. singen, jilijxi Gesang. Engl, gil vb. gfli Lied. Bask. kilia otsia singen baud. 29.
asc. 157. Ital. gil'avdv vb. asc. 150. Span, gijabö m. Lied, gilabar, gijabar.i gijabelcn\
gibelar, labilar vb.
Aind. giti. aind. päli gita. hind. git Gesang Pott 2. 140.
giv.
Griech. giv, iv m., pl. givd, Getreide, banlo giv gebundenes Getreide, Garbe, give-
skoro m. Getreideacker, giveskoro pangö Grütze, eig. gebrochenes Getreide. Rumun.
diii "Weizen, giu bessar. dw, di Getreide, Weizen zomb. Ungr. jiv m. ung. dlv Weizen
born. 88. div, di, dziv. e dlivesko aro Weizenmehl sirm. diu Getreide karp. div Weizen
ödenb. Böhm, div m. Korn. Deutsch gib Getreide lieb, gib Gerste, Korn, giebe Malz.
gibes oropos, d. i. gibeskro pos, Ähre, eig. Gerstenstroh, beitr. 5. 14. 19. 21. gi^ Korn
waldh. 117. Poln. giu Roggen na. 169. Skand. giv Korn. Bask. yiört froment baud.
32. Engl, giv Korn, Weizen. Span, gut, gi f.
Aind. päli gödhuma Weizen, hind. gehü, göhü. dakh. ghjauh. bang, göma, gama
Beames 1. 169. 267. kurd. genim Weizen, Getreide Lerch 106. Pott 2. 67.
godi.
Griech. _(7or/f, gudi, goti m. f. Verstand, Meinung 368. godjdkoro., godjalö, godjaver wohl
goddkoro usw. adj. verständig, bigodjdkoro., bigodjalö adj. verstandcslos. Hieher gehört
Übee die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 215
wohl auch ogi m. f. Seele, Herz, Mut, Wille, otigi nom. Bauch 408. Magen, kalö 'gl Leber
471. Vergl. huko. ogorori f. deminut. ogi ddva den Geist aufgeben. Rumun. godi Ver-
stand, godaver klug. Hieher zähle ich auch odi^ minder gut odhi^ Herz, Mutteideib. ode
pl. Seelen, raldö o(Ze*'Ä;o Adoptivsohn, nach dem rumun. vodalö adj. mutig, cß, de Seele buk. godi.
godäver. di Herz, Seele zomb. gödl f. ödenb. godi Verstand, tlirn. godaver serb. ogi Seele
bessar. ogi Herz. ITom mogi Atem, richtig : dom ogi, ich schöpfte Atem serb. vodl Seele,
Baummark zu. mangel mor' ogi te chal ich wünsche (mein Herz wünscht) zu essen mezz.
gi bessar. II. odi m. le svuntone odestar e spiritu sancto. dl Herz. vodi. Geist klaus.
Ungr. godi Verstand ung. i godi, gödi born. 87. 88. gödi f. Geist ml. 196. gOfaha sg.
instr. 172. gödaver ung. godiaver born. 100. higodjakero adj. hirnlos, unverstandig ung.
godäver, godzaver sirm. vodi Seele, Herz ung. vödi born. 84. 87. 89. vodiskero adj. des Geistes
born. 121. vödi m. Seele ml. 1.52. me vödiske sg. dat. 198. vodi Seele, vadore deminut.
voddlo adj. grossmütig. godaver, gosvardo adj. karp. odjdlo herzhaft sirm. Böhm, gödi f., pl.
-«, Hirn, Verstand, godöri f. deminut. godavel adj. bigodäkero adj. 33. 36. vödi m., pl. -a,
Atem, Seele 10. 22. läco vödi 59. vodöri f. deminut. Deutsch godi Hirn, Sinn, Verstand.
godzvero adj. lieb, gozvro weise, gozgro für gozvro klug, ncmi gozvro toll, gozvrojjen, gozvrepen
Weisheit, List beitr. 19. 21. 32. 34. 35. vödi Hirn, Seele, dzi, zi Seele Herz, Mut, Puls,
Ader lieb, lacozeskro Demut, beitr. 9, richtig adj. demütig: lace-zeskro adj. qui bono animo
est. Poln. godi Hirn, godzy, aus godi, intestinum, godziavir sapiens na. 157. 159. Zweifel-
haft: gozdava sapientia. godziave ratio 159. 163. dzi Seele, bgodzieskier atheus. Falsch:
odzil Herz 152. 154. 164. Russ. gody Sinn, Verstand, godjatgr sg. abl. von godg f.
godjaver adj. klug, di Seele. Skand. gosvardo adj. verständig, zi (si) Herz. Ital. ogi Seele.
Engl, zi Herz, Seele. Span, oci f. Geist, Wesen, orci f. Seele. Asiat, gi Seele.
Armen, hogi, vogi, ogi Seele Pott 2, 78. 132. 216. In der Zeitschrift d. d. morgenl.
Gesellschaft 7. 396. wird ogi mit aind. bödhi in Verbindung gebracht. Ob alle die oben
angeführten zig. Worte zusammengehören, ist nicht vollkommen sicher.
godli.
Deutsch gödli, goli Laut, Schall, dava godli rufen, schreien lieb, godli, gödli, falsch
guddi beitr. 14. 28. Poln. gudiy tumultus. gaiy dzenava increpare. data godia clamor,
eig. clamat. godJ'y rfe-^a hinnire. gray dedela (für dela) godiy equus hinnit na. 156. 158. 163.
Russ. godly Ruf. te dav gödly rufen. Skand. gaala (gola) vb. schreien. Engl, godli.
Span, gole m. Stimme, golar vb. rufen, seufzen.
Bang, gol karan Geräusch machen, golmäl Geschrei Bugge 153. Pott 2. 134.
goj.
Griech. goj f., pl. gojä, Wurst, gojäkoro m. Wurstmacher, Wurstverkäufer. Ungr. goj
m. Darm, Wurst ung. göj Wurst born. 88. ödenb. goja sirm. Böhm, goja pl. Wurst.
gojora pl. deminut. Deutsch, goich lieb, goji beitr. 35. goig waldh. 121. Poln. goj
na. 157. Skand. göie. Engl. goj. Span, goli f. black-j)udding. gochi f.
Pott 2. 134.
gono.
Griech. gono m., pl. -iie, Sack, gonisi f., pl. -sjä, Sacknadel, Compositum, goneskoro
m. der Säcke macht. Rumun. gono buk. qono vaill. hlgonesko adj. ohne Sack buk.
216 Franz Miklosich.
Ungr. gouo m. ung. sinn, göne pl. ml. li)9. pl. iiistr. gönenca 172. 175. gonöro karp. göno
ödenb. Böhm, göno m., pl. -ne, Sack, gönuro m. deminut. Deutsch. go7io lieb, bcitr.
25. 26. Poln. gono na. 108. Russ. guno. Skand. gaano (gaaning). Bask. gonua
band. 38. Engl, göno, gonnö. Span. gf07J(5. Asiat, goiuh syr. seetz.
Vergl. pali gunaka a woollen coverlet with a very long fleece Pott 2. 136.
grast.
Griech. grast, gras, gra, graj m. Pferd, grastorö m. deminut. grastanö adj. Pferd-.
grasteskoro m. Pferdehändler, Stallknecht, grastm, grasni, grani f., pl. -M, Stute. Rumun.
grast buk. grast bessar. gras serb. mezz. grasni gal. I. grazni buk. grasni taganr. grasni
serb. Ung)-. ^r/ras^, grasto m. ung. ^ras sirm. ^ra ung. ^fj-ä born. 88. pl. grasta 94.
f/?'(77 ungh, gra ml. 174. sg. acc. graste für grdstes. pl. grdstu 174. grastöro karp. grasni f. ung.
pl. grasna born. 87. ««o i!j(Ä;e ^d/e grastes ich bringe dir ein rotes Pferd, grasni. grastäni
khur Huf ödenb. Böhm, ^f?-««^ m., pl. ^ro*?. grastöro m. deminut. grastüno adj. Pferd-.
grastengero m. Pferdemarkt, grasni f. Stute, grasiiakero adj. Stuten-. Deutsch, ^rray. grasni
Stute, Hure lieb. ^J-cr;'. c/er/ia f/re;' Füllen für ferno ^rq;'. gringiball Pferdehaar füi- grajengo
bal. grasni beitr. 13. 16. 24. 30. krej waldh. 118, Poln. gray. duj graja. gres te kierau
equum curare, dunkel na. 157. 161. 165. graj, grajoro gab II. grasny Stute, grastanö Tatar,
wohl der berittene, na. 157. 166. Russ. graj, pl. graja. grastöro deminut. grasny Stute.
Finn. grasni Bugge 147. graj gac. Skand. grei. greieske cingrar Hengstschneider, grei-
liske, parar Rosstauscher. graena vb. fahren, reiten. Ital. grast, gra-st. Bask. granii
cheval. krasnia cheval, jument. hrastano Gendarme baud. 30. 33. 34. asc. 157. Engl.
grej. grdsni. Span, graste m. Pferd, gra m. bestia, caballeria. graltülo Reiter, grastt
f. jaca. grasfd f. Stute.
Armen, grast Lastthier.
gudlo.
Griech. gucUö, gnglö adj. süss. m. Zuckerwerk, gudles adv. gudlipe m. Süssigkeit. Rumun.
quglö neben gnle dade süsser Vater buk. gudlo serb. guglo süss, guglimas Zucker vaill. gugl'J
zu. guglo lieb zomb. munre gule caja meae dulces filiae klaus. o glo del dulcis deus.
gide-deleskru divinus, eig. dulcis dei, bukur. Ungr. gullo adj. ung. güllo ml. 194. gid-
löne adv. born. 118. guTarel vb. süss machen. guTovel vb. süss werden ung. guglo sirm.
gi'di f. gules adv. karp. guglö ödenb. Böhm, gulo adj. süss, gudlo m., pl. -e, Kaffee.
gudlöro m. deminut. guTärav vb. versüssen, gulövav vb. süss werden. Deutsch, gido süss.
guloräva vb. versüssen lieb, gudlo beitr. 31. Poln. guido na. 164. Russ. gudlo Thee.
gudlyp6 süss, richtig Süssigkeit. Skand. gulo süss, gidot Süsses, Zucker. , Engl, gildlo.
Span, gulö und huTan süss, gule must, syrup. Asiat, gulde pa.
Aind. guda. pali gula Zucker Pott 2. 133.
guruv.
Griech. guruv, guri m., pl. guruvä., Ochs, guruveskoro adj. Ochsen- m. Ochsenhirt.
guruveskoro kar penis des Ochsen, eine Art Pflanze, nach 640 gond. guruvanö adj. Ochsen-.
mas guruvanö Rindfleisch 340. guruvtii, gurumni f. Kuh. Rumun. gurüü, gurü m. Ochs.
gurumni, grumni f. Kuh buk. guruvi taganr. guruv.^ gurihni serb. guru. gurumni zomb. gurü
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's, vii. 217
Ochs, gurjumni Kuh bessar. gurn.. gvrun'i. gurunöry Kalb zu. Ungr. guru, gurnv m.
Ochs, Stier, ßind ung. guruv, pl. -va, boi-n. 121. gümv ml. 175: falsch gurave 175, gicru-
vengeru adj. 157. guruvälo adj. ßinds- ung. guruvni f. Kidi ung. born. 87. gt'iruvna sg.
acc. ml. 175. guruvfiekero adj. Kuli- born. 96, für -vnak-. guru Ochs, gurumni^ gitruni
Kuh. gurvano mas Rindfleisch sirm. guruv, guru. guruvni. guruvnori deminut. guruväno
mas karp. güni. guruvni üdenb. Böhm, guruv m., pl. -a. guruvöro m. deminut. guru-
väno adj. Rinds-, giornviii f. Kuh. gtcruvnöri f. deminut. Deutscli guro Ochs, Rind.
gurumni Kuli lieb, gurub, d. i. guruv. gurumni beitr. 19. 24. Poln. guru bos. guruvng
vacca. guruva pecus bydJo, cig. pl., na. 153. 158. 168. gurov. grumni gal. IL Russ.
guTitv Ochs, Bär. Finn. guruni Bugge 148. Skand. gurni Kuh. Ital. guruvm.
Bask. gurro^ gurua Kuh. karia Stier baud. 39. Engl, güroni, gröv. grüvni, griiven. Span.
gorM, goruj, gruj Ochs. Vergl. churn m. Stier, churi f. Kuh und buru, burel Ochs, burl
Kuh asc. 157. Asiat, goruf bull, guru, goorur cow syr.
Bang, goru bei Colebrooke.
hum.
Böhm, lium es ist notwendig, linm te dzav icli muss gehen. Deutsch me liun te
chäva ich muss essen lieb. Iium ti mokes usw. beitr. 34. Finn. -w te, d. i. hom ie, kuni
te dient bei den finnischen Zigeunern zum Ausdruck des Futurum: lua so te bachha ich
werde begehren Bugge 146, 147. Ital. In der Sprache der italienischen Zigeuner
Lezeichnet htm te die Möglichkeit: na 'n de dzav., d. i. na 'un de dzav, na hum te dzav
ich kann nicht gehen, während asti dem Ausdruck der Notwendigkeit dient : asti reves
du musst zurückkehren asc. 147. Span, chomte, worin das Nomen mit der Partikel zu
einem Worte verschmolzen ist : chomte pennr man muss reden.
eha.
Griech. chäva vb., partic. chnlo, essen, chnlo, charu benagt 311. Man beachte praet.
chadäs 469. 583. chachuvdva, cliaderdva vb. nähren, eig. essen lassen, atzen, chale-ruiuna-
koro adj. eine angefressene Nase habend, chcde-sereskoro einen kahlen (benagten) Kopf
habend. chdTovava yh. gefressen werden, chabc m. Essen, chabezdnis adj. hungrig: vero-1.
ramazänis. Rumun. chaü, cho. praet. chalom. chabe Jii., pl. chabendta, Speise bidc. chau
vb. beissen, essen bessar. chaü, praet. chafym, gal. I. chalas tino er quälte sich, eig. er ass
Pein. c7;f/6e zomb. Ungv. hdvel, hajel vh. ung. hä, /mv born. 106. 111. habe, havem.nng. hav
ml. 164. partic. hälo 200. havava vb. essen lassen: praet. havada 191. habe 163. 188.
190. 191. chal er isst. chabe sirm. chabe ödenb. Böhm, chav vb. chaben, chaben. hijaba-
chabnaskero Umsonstesser 68. Deutsch chäva vb. chavven subst. Heb. gaben Frass
Speise beitr. 13. 30. Poln. chabe na. 160. chaca gal. II. Russ. te chas vb. te chas
des zu essen geben, te otches vb. abfüttern, te zachaves vb. dazu essen, zu Tode beissen :
ot, za sind slavische Praefixe. chabe. Skand. ka vb. kaben Essen, kapjeba Esstisch. Ital.
chäva vb. chalari, etwa für chalori, ein wenig (Brod) asc. 133, Bask, tegalitia baud. 3.").
asc. 156. Engl, haw vb. hnwmeskro Tisch. Span, chalar, chalelar, chamar, chamelar vb.
essen, chalipear vb. gierig essen, chamiarano adj, gefrässig. chamaripen m. Gcfrässigkeit.
Denkschriften der pliil.-hist. VA. XXVI. Bd. 28
2jg Franz Miklosicii.
chaTij)cn m. Essen. chaUpi f. Appetit. Asiat, chami, chaimi ich esse, chairöm ich ass,
litt, leki chaimi ich schwöre pa. 192. oll. 332. 357.
Aind. päli khad. präkr. kha. hiiul. kliäi\a. sind, khainu IJeamcs 1. 202.
chacar.
Ungr. chacjov vb., praet. clulcijas er brannte karp. für chdcWas. Boiim. diacärav
vb. brennen trans. Deutsch chacäva, chaceväva vb. brennen, anzünden, chacerdi Brant-
wein, unriclitig chads- lieb, gacerben Brand, gacerdi foro Brandenburg beitr. 8. Poln.
cliackirau vb. urere. chackirdo ardenter. chackiriak für chackiriau vb. lucere na. 155. KU.
165. Russ. te zachacies vb. anbrennen: za ist ein slavisches Praefix. te chackires vb.
brennen kochen (vom Wasser) 20. 263, te chackirdes vb. verbrennen, chackirdo adj. heiss.
Skand. kacali Brantwein. Engl, /cßcar, höcer vb. Span, chacd, facd m. Wärme.
chacarar vb. w^ärmen.
Pott 2. 160.
chakjar.
Eumun. chakkjnräü vb. fühlen, chakkjeran für -rau hoffen bessar. hakjardü vb. in-
tendo mezz. hacar : hacardoü buk. hafoi-av vb. fühlen zomb. Ungr. hacar vb. sich er-
innern, hacarel. hacardds.
chalav.
Gi-iech. chalav vb. niederreissen. chalaven les demolissez le. chalavds 612. chalavdov
vb. : chaldvdile amari rcza nos vignes ont ete detruites 30S. ßumun. chaTar vb. : praet.
chalärdem detrivi (calceos). Ungr. unrichtig chaTardan du verbranntest karp.
Ngriech. yaXth.
chalav.
Kumun. cÄ«7c/ü vb. waschen : chalavdü, chalavö. -praet. chaladom. chaladov \h. -pass.: cha-
Iddol lavatur. praet. chalddiTom.
chanamik.
ßumun. chanamik m. »-Schwiegei'vater zomb. Ungr. chanamik Freund, chanamiko
freundschaftlich sirm.
chand.
Griech. chanddva, chatdva, ghanddva, chraddva vb., partic. chanlo, ghanlö, graben.
chanTardva vb. graben lassen. chmiTardö m. Spaten. chdnTovava vb. gegraben werden.
Ungr. chan vb. : praet. chandas er grub kai-p. chanava ich grabe odenb. hanavel vb. graben.
hanadi i. Spaten sirm. Yergl. ßumun. hun, kunav vb. gi-aben, jäten: hundü, hunavö.
praet. hunadom buk. nie kimava ich grabe zomb.
Aind. päli khan graben, präkr. kliand lindere, frangere. avg. kanal, kandal tr. 217.
Vergl. gand.
cliandi.
Griech. chandi, chanrik, chanltk adv. Avcnig. chanrorica deminut. ßumun. chänry
leicht bessar. IL hanri wenig vaill.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 219
Aind. khanda adj. lückig. subst. Lücke, Bruch, Stück, päli kliandä. bind, khand,
känd. kurd. liindik wenig Lerch 96. Yergl. zig. charno.
chando.
Griech. chando, chanlo, chanro, hanlo m. Degen. Rumun. chanro m. Säbel buk.
chdnro zomb. Ungr. haro Schwert ml. 18G. haru ung. charo ungh. cliäre pl. karp.
charno odenb. Böhm, chäro m., pl. -e, Schwert, chärengero m. Schwertfegcr. Deutsch
chä7'o lieb, goro beitr. 9. chaclum waldh. 114. Poln. goro na. 16."). chandro gal. III.
Skand. saro (charo). Span, chanro Säbel, Degen.
Aind. khadga. päli khagga. hind. khändä Schwert Pott 2, 48. 161.
chanduk.
Ungr. händuk adj. tief; subst. Tiefe sirm. Deutsch handäko Graben.
Vergl. arab. chandaq Pott 2. 165. und das davon abhängige mgriech. -/rjyZrj.^ duc.
und ngriech. yavrdxt.. serb. hendek.
ehandz.
Griech. chdndzjovava vb. jiass. kratzen, richtig wohl jucken. Ungr. chadzol vb.
jucken ung. c/iaHc/io/ wm es juckt mich sirm. Böhm, chandzel vb. Deutsch cAa/ic/Mi^a vb.
Poln. chandzoh pruritus na. 165, richtig prurit. Engl, hondz vb. subst.
Aind. kharg peinigen, khargu Jucken, Kratzen.
chaning.
Griech. chanmg, chaing f. Brunnen, chaningäkoro adj. Rumun. chajing, chaing f.,
pl. chamga, buk. chaing bessar. IT. cliamg zomb. Ungr. ha,nik m. ung. i hanik born.
88. hanik ml. 177. hdjing sirm. chanori deminut. chafiigöri deminut. karp.: jenes beruht
auf *chani, dieses auf chanig. i chajink ödenb. Böhm, chanig f., pl. -ga. chafiigöri
f. deminut. Deutsch haning lieb, hani beitr. 9. 25. Poln. hamjnk na. 165. Span.
chani f. chanike m. Quelle. Asiat, chani pa.
Aind. khan graben, khani Mine. hind. khän f. Mine. kurd. qäni Lerch 96. käni
rh. Vergl. chan unter chand.
char.
Griech. char f. Loch. Rumun. char f., pl. chare, Niedei-ung, Thal buk. chär Thal
zomb.
Sindh. khada Grube, das mit präkr. gadda, aind. garta, in Zusammenhang ge-
bi'acht wird tr. xxiii. xxxix. Vergl. zig. charno.
charkoma.
Griech. chdrkoma m. Küchengeschirr. Rumun. chdrkom Kupfer, charkomdko adj. :
ek hdiidt charkomdü. charkunö m. charkvM f. adj. kupfern. Vergl. chaldzi Messinc)- buk.
28*
220 FllANZ MiKLOSICll.
chorkunu ;idj. zomb. charhnn zu. drkoma bessar. charkoma bessar. II. cImvIcö taganr. diar-
ku))in »crh. Ungr. harkum ung. cliarkomdlo adj, karp. charkoma Kupfer üdenb. Böhm.
cJiarkom, pl. -a, Kupfer, charkuno adj. Engl, liauro, hurro, hölono.
Griecli. yd}a(o|X7.. ngriech. aXico)[J.a Kupfer Pott 2. 168.
charno.
Griecli. charno adj. niedrig, charnes adv. cha-rnipe iii. Niedrigkeit, charnerdva vb.
erniedrigen, chariiovava vb. sich erniedrigen. ßumun. charno zomb. Ungr. hämo adj.
kurz ung. ödenb. harnipe m. Kürze, harnetdne adv. nahe, liarnetdnipe m. Nähe ung. charno,
hdrnu kurz, harnarü vb. kürzen sirm. Böhm, charno adj. kurz, chärnes adv. chartiärav
vb. verkürzen. Ital. charniserö Richter, eig. kleinköpfig, dumm asc, 134. Asiat,
vergl. khatne kurz, klein pa.
Aind. päli vergl. khanda lückig, mangelhaft. Vergl. zig. chaiidi und char.
charun.
Ilumun. charun vb. kratzen : praet. charundom. Ungr. vergl. haruvav vb. kratzen.
kharnvcl vb. kämmen ung. Böhm, charilvav vb. kratzen.
Kurd. chorinim ich kratze Lerch 114. Vergl. zig. (jer.
chas.
Griech. chcis m. Husten, chasdva vb., partic. chasano^ husten, chasdnovava vb. husten.
ßumun. hasao vb. vaill. praet. asanöm serb. Ungr. khas m. khasel vb. ung. o chas
Sputum ödenb. Bölun. chas m. chasav vb.: praet. chasandlTom. Deutsch chas. chase-
väva vb. lieb, ^/has beitr. 17. Poln. kasylo tussis na. 157, wohl: er hustet. ßuss. te
chas vb. platzen. Span, chas m. chasar vb. Asiat, vergl. koMdori der hustet pa.
Aind. käs. hind. khasnä, khonkhnä vb. khasi Husten, kurd. kokhin vb. husten rh.
chasar.
ßumun. chasar vb. verlieren: chasardä, chasaro. praet. chasardöm. chasardov vb.
pass. : chasdjvo aus chasdrdovo. praet. chasdjToni aus chasdrdilom buk. chasar vb. : chasar-
dorn, chasardem; chasardäs. chasajvav vb. pereo. pi-aet. chasajlem ich verirrte mich zomb.
Ungr. hasardu vb. praet. hasardem sirm.
Ngriech. ydvto verlieren.
^ '^ chev.
Griech. cliev f., pl. -vjd. Loch, e chevd pl. G24. chevjardva vb. durchbohren, chevjardo
m. Matrize, chevjardi f. l'ouverture au centi-e de la roue, dans laquelle passe l'essieu
nom. chevjdrdovava vb. durchbohrt werden. ßumun. chyü Höhle bessar. chiv Grabhügel
zu. chiv Glas, vielleicht Fensterscheibe, Fenster zu. chiii Grabhügel bessar II. chsü.
chvardö adj. löcherig buk. Ungr. hcv m. f. Loch, Höhle, Öffnung ung. hev f. Höhle
ml. IUI. 183. Grube 180. Grab 180. Öffnung 191. chvar vb. durchlöchern: o glonc
chvarda o davar die Kugel durchlöcherte die Mauer, hojdrdo adj. rauh »inn. chen, Loch,
Übek die Mundarten und die Wandekunüen der Zigeuner Eüropa-s. vii. 221
Fenster, pl. chova, karp. Böhm, clicv f., pl. -a, Loch, Fenster, chevörl f. deminut. che-
venge7'o m. Glaser. Deutsch cheh lieb, geh Loch, gehe Grube, gev Arsch beitr. 7.
15. 21. Poln. geh na. 155. Vergl. geihar Höhle antrum 156. Russ. chev Loch.
Skand. hev, kjev. Engl, hev Loch, Fenster, Grab.
Wohl nicht zu vergl. ist aind. päli guhä Höhle Pott 2. 162.
cliin.
Griech. ckinäva^ chiäva, chTdva, chenddva vb., partic. chendo, cJdendu, cacare. chendö
m. Excrement. chendi f. Abort, chendardva, cliendardva vb. cacare. chendardu m. Nacht-
topf, ßumun. cJdi vb. chli impt. praet. chöndom buk. Ungr. hijen vb. ung. cJdnel.
chindas avri karp. Befremdend ist hndo, d. i. Imido, rein sinn. Böhm, chinav vb. chin-
dihnangero m. Abort. Deutsch chniväva vb. lieb. Russ. chyndalo m. Abort. Vergl.
chin (te cknar) vb. boe. 20. Engl, hmder^ khidev vb. Span, chifiar vb.
Chip.
Ungr. hip m. Deckel, i chip ödenb. Böhm, ddp f., pl. -a. cldpori f. deminut.
Deutsch chlh lieb.
chochav.
Griech. chochavdva vb., partic. chochavdö, auslachen, betrügen, im Spiele einem Geld
abgewinnen, chuchdvdovava vb. ausgelacht, betrogen werden, chochavnö, -mnö, -nnö m.
Lügner, chochavnö pakjardi Name eines türkischen Gerichtes 400. chochamnihe, -cliaimbe
m. Betrug, Lüge, chochaimhes adv. falsch, chochdviiovava vb. betrogen werden. Rumun.
chochavvh.: ^raetll. sg.chochaddn. cAocAawmo m. Lügner buk. chochavyh. chochamno Sidj. falsch.
Minder genau chuchav imd chachav vb. zomb. kokao vb. lügen, betrügen, kokaimos Lüge, ko-
kcdmata pl. Lügen, Irrtum, d. i. cliocli-, vaill. 54. 58. 61. 113. Ungr. hohdvel vb. lügen,
betrügen, stehlen ung. liohavä born. 85. sohavä betrügen 106. ung. hohavibe m. Lüge, Betrug
ung. cliochavava, chocliavau vb. impf, chochavavas . praet. chochadern. kochanno adj. lügen-
haft sirm. praet. chochade karp. chochavel vb. lügen ödenb. Böhm, chochavav vb. lügen,
betrügen, chochavel adj. lügenhaft, chochavibnaha (falsch chochhv-) mit einer Lüge 60.
Deutsch chocheväva vb. lügen lieb, gocheno betrügen, wohl adj. betrügerisch, gochuhen lügen,
wohl Lüge beitr. 8. 21. Poln. chochovesa ineptiae, falsch na. 152. Russ. te chochaves
vb. lügen, betrügen. Skand. kokka vb. lügen, mander kokkar ci ich lüge nicht, mit ger-
manischer Setzung der Negationspartikel, kokkalo (Jcokkano) unwahr, kukkijjd Lüge, kuk-
kihaskro Lügner. Ital. hnchanu lügenhaft, Lügner asc. 130. Engl, hochaben. hochanö,
hokano. Span, chochabar, chonchabar vb. betrügen, ckochaim. chonchanö Prellerei, chon-
chanar vb. betrügen. chonchanijJen m. chonchaina f. Betrug.
Aind. kakh, khakv lachen: das anlautende cli steht unorganisch für k. chochav be-
deutet ursprünglich : auslachen. Vei-gl. griech. asavava lachen machen, betrügen Pott
2. 160. -
choliu.
Griech. choUn f. Zorn, Galle. choTdzava vb. yoXtdCco. cholasar vb. : cholasdilo tar er
ward zornig, choliterdva vb. sich ärgern, richtig: choli terdva Zoi-n haben, cliolindkoro^
222 Franz äLklosicii.
cholindkoru adj. zornig. Rumun. choU £. choTar vb. erzürnen: praet. rliuTardöm. choTardov
vi), pass. : praet. clioUjTom aus clioTdrcUTom. chomaüa er ward zornig für cJiol-. cholerniko adj.
buk. choli hessar. bessar. II. choläj les zornh. für choTarcüTas. Ungr. hoU ung. lioli mi. 154.
hoFarel vb. erzürnen, holovel vb. in Zorn geraten ung. aus hoTardovel. choli. chofar vb. er-
zürnen, cholardov vb. pass. : clioTda in : na choldü te mandi sei nicht böse auf micli, aus cho-
Tardov. praet. clioTäilem aus choTdrddom sii'm. te na clioTdjves pe to gdzo zürne nicht deinem
Manne ödenb. Böhm, chöli f., pl. -a. choTärav vb. Vergl. holeder comparat. ärger 12. 40-
63. l>eutsch cholin. holedir böser lieb. Vergl. gojurdom.an Argerniss. gojimen Zorn,
Murren, gojemen trotzig, eig. ira (est) mihi, beitr. 6. 22. 32. 36. Poln. choliso ira. choli-
sova^a. irasci na. 155: beides dunkel. Russ. choTasös pe vb. sich ärgern, te choTakordh
vb. betrüben. Engl. Ä;oZ«. hojno, Aöjjo angry; bei Lei. 177. /ra/'er-m' teasing. Span, c/w/'m.
Griech. XoXtq. ngriech. yrAid^M.
cholov.
Rumun. holoh jambe de pantalon vaill. 108. kolobd braghe mezz. Ungr. holav m.
Hose ung. hÖlav f. ml. 168. liolev f. born. 88. holof ungh. cholov, choloü karp. ^ churüj
ein Teil der Hosen ödenb. Böhm, cholov f., pl. -«, Beinkleider, cholov enger o m. Hosen-
macher. Deutsch choUh lieb, goluh Hosen beitr. 17. chahi Hosen, hnlha Strümpfe
waldh. 116. 120. Poln. chohu feminalia na. 155. chohv gal. II. Russ. cholovd, pl.
-ve, boe. 20. Skand. kolliva Strümpfe. Bask. hobeliac, horihonac pantalon baud. 36.
Engl. Mdavcrs. Span, olihlas Borrow, Romano lavo-lil 72. Vergl. solebd.
Bulg. holev pl. gen. gram. 10. kroat. holjeva glasn. 1861. 126. hoveje auf Veglia.
klruss. choljava posl. 97. russ. choleva. pol. cholewa. oserb. nserb. kholova Pott 2.
71. 169.
chomer.
Griech. chomer m. Teig, chomereskoro adj. Rumun. chomer, chumer m. buk. chumer
Teig, Mehlspeise zomb. Ungr. humer m. Teig , Krume ung. chumer sirm. ödenb.
Böhm, chumer m., pl. -a, Teig, chumel Brotkrume. Span, chumert f. Brot.
Armen, chmor Pott 2. 159.
Chor.
Griech. chor adj. tief 5 auch subst. 622 : k' c burddkoro ¥ 0 chor dans la profondeur
de l'endroit. Rumun. and o chor in abysso klaus. Ungr. hör adj. horipe m. Tiefe
ung. chor adj. ödenb. Böhm, chor, chor adj. tief, choreder comparat. choripen m.
Tiefe. Deutsch choro lieb, gor (gom-J beitr. 32. Poln. chor profunde na.^ 155. Russ.
chor adj. Span, goro adj.
Armen, chor tief Pott 2. 164.
chorachaj.
Griech. chorachdj m. Türke, chorach/n f., pl. -nd, Türkinn, chorachnori f. deminut.
chorachdskoro adj. türkisch, chorachanö adj. subst. türkisch, Türke, chorachanes adv. U-
choracMngoro adj. ohne Türken. Rumun. chorachaj bessar. IL chorachaj. chorochano
zomb. karakaj \c\\\\. Cyl. Ungr. cAoracAo?iü adj. türkisch sirm. Span. Ä'oracÄo;', -^ Maure,
Maurinn, korachanö, -ni adj.
Chorachdj scheint mit dem Namen des Landes Chorasan zusammenzuhängen.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Edropa's. vii. 223
chrichil.
Böhm, chrichil m., pl. -a, Erbse. Deutsch heril lieb, hirhil beitr. 11. Poln. hir-
hyi na. 156. ßuss. girtl. Skand. hiril. Bask. kirikila Bohne band. 33.
Slav. grab Pott 2. 167.
chud.
Ungr. chud vb. ergreifen : cliudav. praet. chudinas, chudinas er ergriff, chudipen
Kerker karp. Böhm, cliudav vb., partic. chudino, langen, greifen, fangen, erreichen,
erhaschen, rauben, anrühren, schnappen 53. 54. 59. 61. 66. 73. 74. 75. 76. gerund, chu-
dindos. o vödi chudelas sie schöpft (richtig: schöpfte) Atem 72. Vergi. skand, haata
vb. stehlen Bugge 153.
chuchunr.
Griech. chuchunr m. Schwamm, chuckunrengoro m. chuchunr&ngeri f. Ungr. huhur
m. ung. Böhm, chuchur m. sapüno chuchur Fliegenschwamm.
chulaj.
Griech. clmlclj m. Herr, chulcmo^ clndaro subst. adj. Herr, Herren-. Rumun. chu-
lani f. Herrinn, clmlaj Mann, chuluni Weib zu. bessar. II. Poln. chuiaj pater familias
na. 156. ßuss. chulaj Hauswirt, chidany Hauswirtinn. chuldnori deminut. Span.
clmlaj m. Herr, chulani f. Frau.
Pott 2. 170.
chulav.
Rumun. Iwlav vb. scheiden : Imlavel er kämmt, praet. Imladas. Imlavav man ich kämme
mich, hihulado adj. ungekämmt zomb. \]ngv. fulau vb. ich kämme, fulavel er kämmt sirm.
churdo.
Griech. churdo adj. klein, jung, churdes churdes adv. nach und nach, churdeder com-
parat. churdoro adj. deminut. churdipe m. Jugend. Rumun. churdö adj. buk. churde love
Kleingeld zomb. Ungr. hurdo adj. klein, zerbröckelt ung. Imi-de love Kleingeld boru.
121. 0 kürdo mäko der kleinkörnige Mohn ml. 189. hurdo serb. sitan. h(j}'di Spreu sirm.
churdo ödenb. Böhm, churdo adj. klein, mürbe, m., pl. -e, Mohn, churdoro m. Mürbes,
Kuchen, churdärav vb. zerbröckeln. Deutsch churdin Spreu, Häcksel lieb. Span, churdi
f. Pulver.
Aind. ksudra. päli khudda klein, pers. churd. bind, khurd petty; richtig aind. khud
brechen: aind. ksudra würde als Anlaut kh ergeben Pott 2. 159.
chut.
Rumun. chut, chut vb., partic. chuklo^ springen : chutdü. chutila er wird springen, praet.
c.hukTöm. chukTäs o kam die Sonne gieng auf. chukTäs pe Mste er ergriff ihn, eig. er sprang
auf ilm, buk. chutav vb. : chiklo zomb. Ungr. clinfel vb. imgh. clmtel sirm. chntJas neben
224 Fkanz Miklosicu.
tichtiJo er sprang karp. Böhm. cJud vb., purtic. chutlo^ springen: chutav. Russ. te
uchtäv boe. 2()2.
Yergl. bind, kudnä springen, avg. chatal to ascend iv. 202. Ich denke jedoch bei
cliut, ucht an aind. ut-sthä. Vei'gl. zig. uML
chutil.
Rumun. chutil, chotil vb., partic. chutildö, ergreifen, fangen, packen, rauben : chutilö.
tlie chutila(s) ame pral machen wir Bruderschaft, eig. ergreifen wir uns als Brüder, buk.
chutildv vi)., partic. chvlildo, zonib.
ic.
Griech. ic, jic, aus idS, jidz, adv. gestern, jic-aver, jic-u-jave?^ vorgestern. Rumun.
jic buk. hie zu. iz bessar. averic vorgestern mezz. Ungr. ic ung. ic ml. 163. 201.
overicli vorgestern. p?'e/to'ümt/j ehevoi'gestern sirm. : ov er ist jav er ; idi ist idzi, idz. !i ödenb.
Ital. jidz. Asiat, hidza, aidza pa. o9o.
Aind. hjas. päli hijo, hijjo aus hijjas. zig. ic steht für ico, idzo, dessen o aind. as,
wie sonst, entspricht.
iker.
Rumun. snksr vb. halten : snksro, unknrdü. praet. miksrdöm. impt. jiknr buk. inger
vb. tragen, bringen, führen: inger av, ingräv. ingnrela^ ingrla, ingrel neben inkerav, inkrav.
inkerel, inkrel, inkrla zomb. inkerav. le moahonengro nikeripo in regnum Moab klaus.
Ungr. ikerel vb. ung. ikrä born. 106. tkeren ml. 155. 168. praet. ikerdal 177. peste ikre-
lalii 179. ikerav vb. : ikerädo id'o 178 er wurde gefangen, icarau, incarel, indarSl^ indzarü
tragen sirm. ?Ä;ervb. halten: ikerava. ixa^t.iker. praet. ^Ä'erf/«5 karp. ?7cere^ er hält ödenb. ligerei
nehmen ung. Böhm, ikerav. -^vsiGi.ikerdas. Deutsch r/Merväva, liggerväva vb. führen, leiten
• lieb. Skand. r/Mra, riggravh. It&l. ningeravaYh. tragen. Engl. 7'ik, riker, rf^er vb. tragen,
halten, bringen. Vergl. hicer: an yeck divvus the foki hitchered hini avree the sturahen
führten ihn aus dem Kerker hinaus Leland 177. Span, lecherar^ likerar, Tigerar vb. tragen.
Pott 2. 269. Vergl. zig. angür aus an und ker unter an. Die Lautübergänge
sind etwa *anker, *ankzr, snkör, inkör, iksr, jikdr^ riker, jiker und *anger, angsr, sngzr,
ingsr. Die Formen mit anlautendem l scheinen dieser Ansicht entgegen zu stehen : vergl,
jedoch nikeripo klaus., das zomb. snkeripe, linkeripe lautet.
is.
Griech. isöm vb. ich bin. Rumun. som. ssn via ich habe, est mihi, sn ihe ariu ich
werde ackern, eig. est ut arem, buk. hom ich bin klaus. Ungr. si, 'hi es ist not-
wendig, möglich ml. 161. 165. 167. nie ssm ich bin sirm. som, sim ödenb. Böhm.
hi es ist notwendig 67. har hi tuke dzidi t' aves? jak mas ziva byti? 70. Deutsch
me hom ich bin lieb, hi er ist beitr. 7. Span, sinar, sinelar vb. sein, aisnar vb.
haben. Asiat, iri es ist pa. 141.
Aind. as.
iv.
Griech. iii, viv, vif, hiv, hiv m., pl. -vd, Schnee, dela vif es schneit, viveskoro adj.
Rumun. jiv buk. id bessar. hiv zu. iv serb. Ungr. hiv m. ung. jiv ung. sirm. o jiv
Über die Mtjndakten und die Wanderxjngen der Zigeuner Europa's. vii. 225
ödenb. del o jiu es fällt Schnee ml. 203. o jiv del es sclineit sinn. : falsch div ung. Böhm.
jiv m., giva d. i. jiva pl., 74. jivoro m. deminut. Deutsch glv, gib. dela glv lieb, jive
beitr. 28. Poln. iv na. 165. Russ. iv. Skand. jiv. Engl, rä, jiv, giv, slv, luv.
jivjela es schneit. Span. cMhe m. Asiat, hiv pa.
Aind. pali hima Kälte, Winter, Schnee, abaktr. zima. avg. zimai tr. 10. Pott 2. fi7.
416. Mit dem asiat. hiv Mond pa. vergl. man aind. hima Mond.
ivend.
Griech. vend. vent m. Winter, vendeskoru, laiitgesetzlich unrichtig vent4skoro. adj.
ßumun. ivend buk. bessar. ived. ivedesko adj. Winter- serb. Ungr. jevend ung. born.
88. jevend^ ödenb. jent^ jint ung. tvend. evende im Winter. Vergl. ivando frisch sirm.
Böhm, jevend. jevende im Winter. Deutsch venda lieb, vend.^ vent Winter, Herbst beitr.
16. 35. Poln. javent^ jahnt gal. II. Engl, ven, tven. Span, ven, oben.
Aind. päli hemanta.
jag.
Griech. jag f., pl. jagä.^ Feuer, jagäkoro adj. bijogdkoro adj. der kein Feuer hat.
jagalo adj.; m. Feuerzeug. Kumun. jag f. jagdko adj. Feuer-, jagalo adj. buk. jag
zomb. bessar. II. käst jagdk (jagdko) Brennholz, jagalv Feuerstahl bessar. jagalt Brant-
wein gal. I. Ungr. jag m. ung. ödenb. jdgöro, richtig jdgöri, deminut. ml. 186. 199.
e jagali Brantwein sirm. jakh, jagh. für jag. jagralo adj. warm karp. Böhm, jakh
32. statt jag. Deutsch jäk lieb, jag beitr. 12. Poln. jag na. 160. jagoro gal. IL
Russ. jejak d. i. e jak das Feuer. Skand. jag. jaggra vb. brennen, jagralo adj. warm,
ßask. jaka band. 32. Engl. jog. Span, jake m. jake-bar m. Feuerstein, jakunö adj. ve-
rano, estio asc. 158. Asiat, eg. jak le ^er mache Feuer pa.
Aind. agni. päli aggi, aggini, gini. präkr. aggi. hind. äg f. sindh. äge Pott 2. 47.
Beames 1. 300.
jakh.
Griech. jak m., pl. jakd, Auge, mustenie-jakengoro adj. kleine, schläfrige Augen
habend : der erste Theil des W^ortes ist arab.-türk. bijakengoro adj. keine Augen habend.
Rumun.j'ßÄ;, pl.JoM«. hi-morß-jakMngo adj. aus meinen Augen buk. jak.^ pl. jaklid, taganr.
zu. gal. I. jak zomb. Ungr. jakh, jak m. akli, pl. atha, ung. jakh karp. o jak born. 88.
aihöro m. deminut. 86. 122. jakh. kal' acora schwarze Augen karp. jakh. jakhdki prin-
caiia, Augenbrauen ödenb. jek-atalo adj. einäugig ung. aus jek-akhjalo. Böhm, jakh f.,
pl. -a. dav jakh ich gebe Acht, jakh dindos Acht gebend 62. 73. jakhöri f. deminut.
hijakhakero adj. keine Augen habend, jek-atälo adj. einäugig. Deutsch jakk lieb. jack.
baugeakingro schielen, i-ichtig: bange-akingro adj. schielend, eig. einen schiefen Blick
habend, kachmiakriack Hühnerauge, richtig kachnakri jak, beitr. 7. 17. 27. Poln. jak,
pl. jakha. jeke-jakakero adj. einäugig na. 156. 160. 'Russ. jakh, ])l.jakhd. jekhdkiro Auge,
richtig ^ohl jekhe-jakhdkiro aij. einäugig boe. 25. 267. Skand. _;'«^'. Ital. jak, pl. lljakjd^
asc. 138. Bask. aka baud. 36. Engl. jok.
Aind. aksi. päli akkhi, acöhi. präkr. aßchi. hind. äkh. sindh. akhi, akhe Pott 2. 46.
Beames 1. 309.
UeDischriften der phil.-hist. C'l. XXVI. Bd. 29
226 Franz Miklosich.
javer.
Griech. javer pron. ein anderer, javer far ein andei-es Mahl, javrhkorti adj. einem
anderen gehörig, jek u vavrr der eine und der andere, ajer 628. Ruiiiun. aver. jek
avres alius alium. aver 'pns die andere Hälfte buk. aver. £as avre thani an einen anderen
Ort zomb. aver. sg. abl. avrester 61. hiavresko adj. ohne den andern vaill. averic vor-
gestern mezz. okoV avrakkro nav klaus. wörtlieh : illius alterius nomen. alavre über-
morgen serb. : a.l ist mir dunkel. Man merke po t ever Ivme, i) o t ear h'ime auf die
andere AVeit buk. : t ist mir dunkel buk. Man vergl. o kuver der andere buk. imd awl
i koare parte auf die andere Seite bessar. II. Ungr. aver ml. 153. 154. 167. dvro 17 li.
194. ävri f. 190. pl. nom. 178. ävra 198. aver born. 121. avro der andere ung. born. 105.
avreskero adj. einem andern gehörig born. 121. avreste^ avrete anderswo 96. 118. avretar
anderswoher 118. avresar, unrielitig: ein anderes Mahl ung. avreclumdi adv. anders für -c/?(fHf/e.s-
sii-m. aver. aver svito die andei'e Welt, avreval ein anderes Mahl, abermahls karp. Böhm.
aver 54. 62. 64. avre 71. avres 63. avra 62. avreskero adj. 75. avrete, avrete anderswohin
33. 35. avrethar anderswo durch, avricandes adv. anders 33. 35. 61. Deutsch prevvavve-
rick: pr' e vaver rik jenseit beitr. 18. toawertshaudes : vavercandes anders; unrichtig: ver-
ändern 33. Russ. ravir der andere. Skand. vaver (ravrifi). Engl, tvdver^ icuver.
Span, aver m. aver^ f.
Aind. päli apara. bind, aur Pott 1. 277; 2. 52. Mit -candes in avricandes anders
vergl. man bind, cand ver.schieden.
jek.
Griech. jek num. ein. jekeskoro adj. einem gehörig. ßumun. jek, ek; sg. acc.
jekhss. anda jek auf einmahl buk. jek. jeko erster vaill. jektu erster, ande jek. jekhipe Ein-
heit zomb. jegh: tranda lia jegh einunddreissig bessar. II. la ekhakro nav der Namen der
einen (sg. f.) klaus. Ungr. jek ung. jekh ml. 175. jekho 175. ek, ekh, jek, jekh born.
105. jekhipe m. Einheit born. 121. jckhestero adj. einem gehörig ml. 185. jekvar, ekvar
einmahl ung. jekfar ml. 198. 204. jefar ung- jefar ml. 154. 157. evkar ung. jekker m.
Kirche born. 121, nach dem magy. egyhäz. jekto, ekto num. erster ung. jcktovar zuerst
ml. 187. jekhavre einander 192. jek-dzene adv. einzeln 191. jenkhar einmahl sirm. jekvar
karp. jek, jekh ödenb. Böhm. jekh. jekhvär. pj^ejekhvär auf einmabl 55. jekhe-divesüno
adj. eintägig, jekhto. jekh avres einander 63. Deutsch jekk. jekkto. jekktes adv. zuerst
lieb. jeek. jektopas anderthalb beitr. 6: etwa ,das erste und die Hälfte'. Poln. jek na.
156. jak gal. II. Russ. jekh. Finn. eek gac. Skand. jikk. Bask. jek, jet baud. 39.
Engl. jek. Span. jeke. Asiat, jek san zugieich pa.
Aind. päli eka. sindh. hiku. kurd. jek Lerch 120. ek rh. Pott 2. 48." 99. Hieher
gehört auch : Griech. eketane, ikitane, ketane.i kitane adv. eig. eke tanc an einem Orte,
zusammen, beisammen. Rumun. kajfhdn aus kaj ek than buk. Ungr. jekhe thäne an
einen Ort ml. 189. ekhethäne zusammen 178. ekhetane born. 118. ckhetane da trauen 107,
eig. zusammen geben, ekhetane dime Trauung 89, eig. das zusammen geben, cktdne, kethane
ung. kethäne ml. 153. 156. 171. 184. 189. Böhm, khetane wrat. 9. 17. jekhetanel vb.
sammeln 7. Skand. ketanes adv. Engl, ketane, ketanes, to-ketane. Span, katane adv.
akntar.1 katanelar, katanar vb. zusammen bringen, katesia f. Versammlung.
Übek die Mundarten und die Wanderungen der Zioeuner Europa's. vii. 227
jilo.
liumun. jUu m. Herz buk. ilo vaill. 57. 61. 109. iUü bessar. Ungr. jüo uno-. jilu
born. 88. jüeste: defin man jileste sticli micli in's Herz ml. 176. jilö sirm. ßlo, ilo karp.
Jilo öclenb. Böhm. Jllo^ jilo, pl. -e. jilo7'o deminut. la,ce jlleha ehas calado dobrym srdcem
byl hnut. Skand. vergl. sino Bugge 154, das jedoch nicht hieher gehört. Ital. jölo,
vielleicht jdo. Span, ilo Seele, Geist.
Aind. hrd, hrdaja. päli hadaja. präkr. hiaa. hind. hijä, hirdä. sindh. hirdhö Beames
1. 202. Aind. h fällt im zig. ab; zig. j ist ein Vorschlag; das silbenbildende r geht in i über;
d weicht dem /; das auslautende o hat darin seinen Grund, dass alle nominalen Stämme
des zig. aind. a-Stämmen entsprechen.
jismata.
Griech. jismata (jizmata) pl, Kleider 265. 391. 594. 596. paravde-jismatengoro adj.
zeri-issene Kleider tragend, hijismatengoro adj. keine Kleider habend.
Griech. tjjid-tajxa.
jito.
ßumun. jito adj. : jito grast ein schnelles Pferd zornb.
Aind. vergl. hrta von hr rapere : zig. t für aind. t befremdet. Das seltene Wort mag
als zweifelhaft angesehen werden.
ka.
Griech. ka adv. interrog. relat. wo : ovotjä, ka kelelas dort, wo er spielte 73. 74.
als : ka smide o cave als die Kinder hörten 74. ote ka au moment que 596. sar ka ara-
klds sobald er fand 382. dass Ott,: na dzanesa^ mo dat ka nikavÜ mo sukaribef ne sais-tu
pas que mon pere travaille a mon portrait? 608. kai jetzt 624. welcher, wie ngriech.
itO'j, für den sg. und pl. nom. und acc. : o mam'j.s, ka kindds der Mensch, der kaufte 73.
rakle, ka kelina des gar^ons qui jouaient (jouent) 606. katär A;' o trin^ ka bendäs von den dreien,
die sie gebar 73. ßumun. kaj 1. adv. a) wo, wohin, interrog. und relat.: kaj (kaj i)
o balisö? wo ist das Ferkel? nas, kaj sovel non erat, ubi dormiret. b) conj. dass 6n; zi
kaj bis relat. c) kaj vertritt das relative Pronomen: gras, kaj pheros das Pfei'd, das (auf
dem) ich ritt, kodö raklö, kaj Toü les paläl der Knabe, den er fortjagte. Vergleichende
Syntax der slav. Sprachen 92. 93. 2. praep. zu, in, an, bei : kaj ek raj zu einem Herrn.
kaj (kaj e) kor an dem Hals, kaj o ssrö zum Kopfe. Für kaj o steht meist k' o oder
Ix'tm: k' 0 abeti zur Hochzeit, koa ruü zum Wolfe. Dem kaj ist das daraus entstandene
kö, ke gleichbedeutend : dass oxi, denn, weil buk. kaj dass. ko, ke denn zomb. ke denn
klaus. ke dass, denn vaill. 69. 88. Ungr. kaj wo, irgendwo ml. 151. 160. 167. 170.
kaj, k/iaj wo, wohin ; denn ; sar kaj wie relat. : na j gajda dilo, sar kaj gandis er ist nicht
so dumm, wie du denkst sirm. ka wenn, kaj wo, wohin; dass, damit karp. Böhm, kaj
wo, wohin ; da, weil ; kaj te dass : phen leske, ka;] te dzal sage ihm, dass er gehe, kaj t'
acel d^idi dass sie am Leben bleibe. Deutsch gaj wo, hier, dort lieb. Ital. ka, ke
asc. 146. kra ka der welcher 136. Engl. kei.
29*
228
FuANZ MiKLOSICll.
kadava.
Griech. kadava m. kadajd f. pl. kadald, kadali diesei-. Iluimni. kadö m. kade f.
so-, acc. m. kadaUs. pl. kadald, kadali, kaddl, kadöl. kade adv. so buk. otkadaj diesei- zu. :
ot ist russ. kade, gade so vaill. pe kade phu in liac terra zomb. kidekade adv. ita buch.
kade gal. I. gade bessar. II. ksde so. kade hier mezz. kadiä so viel zomb. Ungr. kade
aus Ungern 334. gadava, gadau. gajda so. na gajci cel tanze nicht so viel sirm. Böhm.
kadava: andra kadava kJier in diesem Hause 61.
kahni.
Griech. kahni, kayni, kaghni, kajni f. Henne. Rumun. kajm, kajni, gajni, gajni
buk. khaini bessar. kluijni bessar. II. kagni zu. kajni, kani serb. kakm gal. I. kajne zomb.
Ungr. kanha^ kanhi born. 88. kanld. kanhalo adj. ung. kanalo järo Hühnerei born. 88.
kanlieno adj. ung. kajni. kanako mas Hühnerfleisch sirm. kainn. kahnori karp. kajni^ pl.
kajna, ödenb. Böhm, kähni, pl. kahna. kahnori f. deminut. kahiiälo adj. kahiiäli hfd
Hühnerauge. Deutsch kachnin lieb, kachni. kachmiakriack Hühnerauge beitr. 16. 17.
für kachiiakrd jak. Poln. kahny na. 157. kachni gal. II. ßuss. kagnij. Skand.
kakni. Bask. kani baud. 37. Engl, kachni, kdnni. Span, kani, kanaj f.
Aind. vergl. kanijäs kleiner, jünger Pott 2. 91.
kak.
Griecli. kak m. Onkel: sg. voc. kdko nom. kdke sed. Ä;flÄ:;/ Tante, kakidzalö m. Onkel.
kakidzcdi f. Tante. Rumun. ^-a^ buk. serb. Ä;aM bessar. IL Ungr. kak: sg. acc.
kaces sirm. /ta/b ödenb. Böhm, kak m. , pl. -M, Vetter. Deutsch kako , gäko
Oheim, Blutsfreund lieb, kaacko beitr. 33. Poln. kak patruus na. 165. Russ. kok
Onkel. Finn. kakisko cav Vetter gac. Engl. koko. Span, kacikalö m. kacikal'i f.
Verwandter, Verwandte.
Hind. käkä, cäcä aus dem pers. Beames 1. 210. avg. käkä paternal uncle tr. 57.
kakavi.
Griecli. kakkavi, kakkdvi f., pl. -vjd, Kessel, kokdj, kukdj m. Kessel, o kakäj la
marmite 616. kakkavd m. fete des chaudrons. Rumun. kakavi, kakavi buk. kskävi,
kakav serb. Ungr. kikavja pl. sirm. Skand. kakkave. Bask. kakabi chaudron
baud. 30. kakabia cruche 31, Engl, kekävi neben kdvi lel. 32. Sptin. kaskarabi
f. Kessel, dagegen ist kakabi f. Halseisen argolla.
Griech. mx,7,a|3oc, y.rxf.i/.rj.'pr^ Pott 2. 93.
kakh.
Griech. kak f. Achselliöhle. Rumun. khak, kak f. : tala j khak, kak unter dem
Arme buk. kak zomb. Ungr. ihel o käka karp. Böhm, telckak Üchse (5ech. pod-
pazdi d. i. tel! e kak.
Aind. kaksa Achselgrube.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 22^
kako.
Kimmn. kakö pron. in. kake f. dieser, kakö mamis dieser Mensch, kake, kate rovlf
dieser Stab. sg. acc. m. kakales. pl. kakdl: kakdl anrf> diese Eier buk. Ungr. pl. kakald ödenb.
Kako ist die Verbindung eines adv. mit dem Artikel. Vergl. kadava.
kalo.
Grriech. kalö adj. schwarz; m. Neger 626. kaM f. Negerinn. comparat. kaleder. kalorö
adj. deminut. schwärzlich, kalibe m. Schwärze. koTardva vb. schwärzen. kaTardo partic.
schwarz ; m. Sack, Kaffee, Kaffeehaus. kaTardi f. Kaffee. kaTarde pl. Eierpflanzen Solanum
melongena. kaTardikanö adj. schwärzlich. kdTovava vb. schwarz Averden. kcde-moskoro adj.
ein schwarzes Gesicht habend, kale-sereskoro adj. einen schwai'zen Kopf habend, kalo
bukö Leber, eig, schwarzes Eingeweide, kalö ruk Ulme. Man füge hinzu kah'pe Ex-
communication Mordtmann 68. ßumun. kalö adj. buk. kalo schwarz, bratm zomb. kalö
bessar. kaiö gal. I. kalo, kalt zu. JJngr. kalo adj. schwarz; m. Zigeuner. kaU f.
Zigeunerinn ung. kälo born. 100. kalo ml. 154. 195. kalo sinn, kalarel vb. schwärzen
ung. kaTarä born. 106. kaTovel vb. schwarz werden ung. muri kdli gdzi (romni). kalo hiiko
ödenb. Böhm, kälo adj. schwarz; m. Zigeuner, Rauchfangkehrer. käli f. Wagenschmiere.
kalöro adj. deminut. schwärzlich. kaJarav (kaTärav) vb. schwärzen, kalardl f., pl. -a,
Küche, käle-dandengero adj. schwarzzähnig. käle-jaklie^igero adj. schwarzäugig, käle-yiakheskcro
adj. schwarznasig. käle-sereskero adj. schwarzköpfig. käle-vastengero adj. sch^varzhändig.
Deutsch gälo schwarz, Zigeuner, galopenn Schwärze, galoräva vb. schwärzen, galo gib
Roggen, eig. schwarzes Getreide, lieb, kalo schwarz, dunkel beitr. 10. 28. Poln. kallo
na. 154. kai)o aus ka'lo. kali Schmutz gal. II. Russ. kalö. Skand. kalo. Ital.
kalö. Bask. tahta band. 35. Engl, kanlo. Span, kalö, kaPt adj.; subst. Zigeuner, Zi-
geunerinn. a sueti kal'f Zigeunervolk, kalorrö, kalorri, wie kalö, kal'i. galardö adj. schwarz.
Asiat, gliali, glieili schwarz, ghülara Zigeuner pa.
Aind. päli käla. hind. kälä. sindh. kärü Pott 2. 106.
kam.
Griech. kamdma vb., partic. kamnö, wünschen, wollen, kamdm, kadma, kadm je veux
594. kam wird zur Bildung des Futurums angewandt: kam-uvdva fiam, ero. kama-ldva
sumam. kama-ddva dabo, kam-ladzävdva pudore afficiam. ka-ntkTol surget usw. Rumun.
kamdü vb. wollen, lieben, schulden, praet. kamlöm.. kamU pe sie liebkosten einander buk. ka-
wH^e Wille zomb. trokamipo dein Wille buch. kamao\h. lieben, wollen vaill. 54. 111. kamdü
vb. bessar. kamdu. praet. kamiym gal. I. kamav, kamau vb. zu. kamdit, vb. mezz. pant
kam,dm- ich will Wasser haben taganr. Ungr. Ä-ameZvb. lieben, wollen ung, kamav\h. born. 106.
kamaü sirm. kamel 'varekoste Jemand schulden, khamä, klmmav vb. born. 106. 107. kamav
ml. 197. 204. kamav. 157. 175. kamd 167. khamel aus Ung. 328. kamlö adj. geliebt, er-
wünscht ung. kämlo geliebt ml. 165. 169. 189. kamipe, kamepe m. ung. khamipe khamibe
m. born. 90. kampe es ist notwendig ung. kamjye ml. 170. 175. 181. 189. 191. kames
ma, nastis bistres ma du liebst mich, kannst mich nicht vergessen ödenb. Böhm, kamav
vb. praet. kamTas 52. 69. 75. Deutsch kamäva vb. kamelo adj. lieblich lieb. kam.ava
230 Franz Miklosich.
lieben; Schuld, richtig schulden, kamelesdeperl straucheln, richtig: er wollte, war nahe
daran zu fallen: kavielas te perel beitr. 20. 28. 31. Poln. kumama, riclitig kanmma, amor,
richtig amo. tut kamame amare für kamama, richtig te amo. kam Liebe na. 153. 157. 159.
Russ. te kames, te kamäs vb. wünschen, lieben, te vkames pe vb. sich verlieben : va ist
ein slav. Praeiix. ach kak mi tute karmama (für kamama)\ ach wie liebe ich dich! Aus-
land 183G. 1041. Ital. kamdv, kaniä. Bask. akaba vb. lieben baud. 28. Engl, kom,
kömer vb. lieben, schuldig sein, Span, kamelar^ kamblar, enkamelar vb. lieben, ado-
kambJe, dokamble wo immer.
Aind. päli käma. pers. kam. armen, kam.
kamno.
Griech. kamno, kamlö adj. schwitzend, kdmiiovava vb. schwitzen, kamnoipe m. Schweiss.
Rumun. kamUpen Schweiss serb. Vergl. khani.
kan.
Griech. kann m., pl. kannä, Ohr. kandnzava vb. hören, gehorchen. Rumun. kan,
khan, pl. kan. kand vb. gehorchen, eig. hören; kändo ich gehorche, kandinö m. Auf-
seher, eig. der lauscht buk. pl. kana serb. kan bessar. pl. kand zu. khand mezz. Ungr.
kan m. ung. khan f. ung. pl. khana born. 88. kanden vb. gehorchen, kaiiarel vb. horchen
ung. Ä;Äa^am vb. horchen born. 88. A-o?z sirm. mro (io A;an^«ca Krug mit zwei Henkeln, bare-
kanengo Langohr : o samaro isi bare-kanengo der Esel ist ein Langohr ödenb. Böhm, kan
m., pl. kan. kanöro m. deminut. kandav vb. gehorchen, bikaneskero adj. ohne Ohren.
Deutsch gann Ohr, Henkel, gann däva gehorchen, ganndelo adj. gehorsam lieb. Poln.
kan na. 167. Russ. kan. bikaneskiro adj. Ital. gan. pl. gdna. Engl. kan. Span.
kan, kam m. Gehör, akan aufmerksam.
Aind. karna. päli kanna. hind. kan Beames 1. 343.
kana.
Griech. kanna adv. conj. wann; wann, als, wenn. Rumun. kand, kana: man nas
ma kdna mihi non erat quando, d. h. ich hatte keine Zeit, buk. Ungr. kana wann,
wenn, als ung. khana born. 118. nikdna nie ung. kana ml. 158. 1(36. 167. jetzt 158.
kana. kanagödi wann immer sirm. kana karp. Böhm. kana. nikana nie. Deutsch
ganna wann, wenn; jetzt lieb. Engl. kd;nna. Span, kana, okano hor%.
Aind. vergl. kSana Augenblick, päli khana. Man erwartet daher khana.
kando.
Griech. kandö, kanrö m. jenes -nom., dieses s6d., Dorn, Stachel, kanrö Dorn, penis
409. Rumun. pl. kanrn Disteln buk. Ungr. kanrö, kandrö Dorn. Böhm, karo
in., pl. -e. Deutsch karo Dorn, Stachel lieb, karro Distel beitr. 10. Engl, köro,
körri Dorn, penis. Vergl. span. charri f. Dorn.
Aind. kanta, kantaka Dorn. Stachel, päli kantaka. hind kantä Dorn. Vergl. kar.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeünek. Europa's. vii. 231
kanek.
Griecli. kdnek, kanek, kajek pron. ii-gend einer, kajek far einlgemahl. Mit na niemand :
kdnck mam'is ndndj es ist niemand da 386. ndna mukl'ds kanikes er Hess keinen fort.
kdnek ist kan ek: jenes ist griecli. xav in xavsLc aus xal sav zlz. Aus kajek ist kek ent-
standen. Deutsch kek keiner lieb, nani kek niemand beitr. 23. naneleskeeksy zag 35,
richtig: nane les kek zi wörtlich: non est ei ullus animus. Poln. keddleno niemand na.
160. für kek dzeno. Engl, kek nicht, nein, kekkömi nicht mehr. Span, kaike asc. 24.
Hieher gehört auch ßumun. kanci^ kanc irgend etwas, mit na nichts : voj na pendöü kanc
sie sagte nichts buk. na diken kans sie sehen nichts vaill. 89. knie mezz. khanci zomb.
Ungr. na j ma khdnci osim mdnro ich habe niclits ausser Brot sirm. Poln. kandz gal. I.
kanci besteht aus kan und ci etwas.
kangeri.
Griech. kangeri, kangiri, kargiri, kangtri, kangli f., pl. -/o, Kirche. ßumun, kangm'f,
kangari, kdngdrt. kangsrjdko adj. buk. khangyri bessar. bessar. II. kangjert gal. kan-
drr zu. khangi?'? mezz. kandiri serb. e k?i>sakusa khangtri catholica ecclcsia zomb.
Ungr. kangeri f. ung. khangheri born. 88. khdngeri ml. 164. 165. 183. kliandm, khandziri
sirm. kJiangeri ödenb. viermahl karp. Böhm, ghangeri f., pl. -a. ghangeröi'i f. deminut.
Deutseh kangri lieb, beitr. 18. kangrin waldh. 117. Poln. kangjery na. 157. kangyry
gal. II. ßuss. khangiri. Finn. kankeri gac. Skand. kangari, kanaria. Ital. kangri.
Bask. kandiria temple. kangiria autel baud. 28. 39. Engl, kongri. Span, kangari.^
kangri f. kangaripe m.
Vergl. asiat. kangri und span. kangaTa Wagen. Nach den Acten des Nicetas
wurde bei den Goten des vierten Jahrhunderts ein Götzenbild auf einen Wagen gestellt
und zu den Zelten der christlich gewordenen Goten herumgefahren, damit sie ihm
opferten und es anbeteten. J. Jung, Ztschr. für die österreichischen Gymnasien 1876. 103.
Pott 2. 150.
kar.
Griech. kar m. Dorn, penis 578. karoro m. deminut. kareskoro punim l'oignon de
la verge, le gland 450. bare-karcskoro adj. einen grossen penis habend 267. karkhaniHurej
soll sein: qui a mange (connu, daher wohl -chani) le penis 267. ßumun. kar vaill. 72.
(Jngr. Äor, kdri m. ung. kar ödenb. kär ml. 166. 167. 168. 169. Vergl. knr born. 88.
kar Hörn, kardlo penis sirm. Böhm, kaar'm. boh. Deutsch gäro lieb, kaar heitr. 28.
Poln. kar na. 154. Skand. karo. Span, ka m. Vergl. kardlo Borrow, The Zincali 256.
Kurd. vergl. qir Lerch 97. kiri rh. pers. kir. avg. ycnr und zig. kandö Pott 2. 94.
karavidini.
Griech. karavidini f. Krebs. ßumun. karavdi bessar. IL Ungr. karavdi mündl.
karahin, karodin m. ung. Deutsch garedlni lieb.
Ngriech. xapaßt^a. Vergl. keramidini mit ngriech. y.cpajit^a Pott 2. 117.
232 FbANZ MlKLOSlCH.
karfia.
Griecli. kdrßa pl. Nägel, des clous. karfica f. demiuut. Stecknadel. Ilumun.
Jcarfin m. Nagel. Ungr. krafin sirm. karfin, pl. karfa für karfia, karp. Böhm. Ä;cr-
fin f. karfinön f. deminut. Deutsch graffni lieb. Engl, krafni. Span. Äo/ri f. Steck-
nadel, karfialar vb. annageln, sinkarfial Nagel clavo.
Ngriecli. %ap'fc, xaf,'fttCoi.
karije.
Uno-r. keria te den schiessen ml. 187. partic. karjaclino erschossen, aby karije the na
den sie möchten nicht schiessen, dine karije sie schössen, /es difiom kdrije ich erschoss
ihn karp. Böhm, dav karie ich schiesse. Deutsch dava tjarrie, garäva vb. schiessen.
(jarapenn Schiessen, garadlni Schuss. garamäskri Schiessgewehr lieb, karrie beitr. 27.
Poln. karie dava iaculari. karjelo iaculator na. 165, richtig iaculatur.
Das Wort ist dunkel.
karing.
Griech, kdrin adv. wo, wohin 624. woher 606. akaring, akarin, selten akari^ hieher
vers ici 131. Eumun. karing, karin adv. wohin, praep. gegen, karing, karin gegen
zomb. Ungr. karing wohin sirm.
In karing sehe ich eine Verbindung des Pronomen ka mit rig Seite.
käst.
Griech. käst, kas m. Holz, kastunano adj. hölzern; m. Scheffel, kästovava vb. zu
Holz, hart werden, kastengoro^ kasteskoro m. der Holz fällt, verkauft. Rumun. käst
m. Holz, Baum, kastunö adj. hölzern buk. kas mezz. kas Holz, Kuthe. kastimo adj.
hölzern serb. käst zomb. käst Baum bessar. Brennholz II. käst jagdk^ sindi Brennholz
bessar. kdstuno zet Baumöhl mezz. Ungr. käst m. Holz, Baum ung. o kasta born. 88.
käst Kreuz 88. Baum, Holz ml. 154. 159. kdstöro Hölzchen, ein wenig Holz 154. 157.
kas sirm. kastuno adj. hölzern ung. Christ born. 88. 100. 121. kasteskero, kaslestero
adj. Baum- ml. 154. 181. le kastengi bar ödenb. käst, kastöro. kastuno adj. karp. Böhm.
käst m. kastimo adj. hölzern, kastimi f. Kochlöffel, kastuiii: kastunatar vom Stuhle herab
71. 72. für -una-. kasteskero m. Zimmermann, kasteskero 58. kasteskeri f. Schaufel.
Deutsch gast, gasteno adj. lieb. käst, kasteskro Corporal beitr. 9. 17. 30. Poln. karst
Baum, Stock, Balken na. 152. 154. 157. karstlakeri Holz 154: dunkel. ßuss. kast^
kastö Scheit Holz, kastd Baum, Holz. Skand. käst Baum, Holz, kastaker Zimmer-
mann. Ital. u käst, u kuast Holz. ßask. kasta Holz, kasta Holz, Stock, kaista
Stock baud. 29. Engl. kost. Span, kas Holz, käste, kate m. Baum, Stock, karcta
m. Baum, kasie randador Ptlug. Asiat, gasd pa.
Aind. kästha Holz, päli kattha. präkr. kattha. bind, kath Holz, Block ßeames 1.
315. Pott 2. 120. 423.
kasuko.
Griech. kasuko, kasuköv, kasukö adj. taub, kasukibe m. Taubheit, kasukjovava vb.
taub werden. Ungr. kesuko ung. ödenb. kesukol vb. taub werden ung. Böhm.
ÜBER DIE Mündarten und dte Wanderungen der Zigednee Eükopa's. vii. 233
kasiiko. kasukövav vb. Deutsch (jasikko lieb. Poln. kasuko na. 155. Engl. Mko.
Span, kachukö.
Das Wort ist dunkel.
kat.
Griech. katdva vb., partic. kaflö, spinnen, katlö m. Faden, katl? f. Spindel, kaileiu/oro
m. Rumun. kat vb. : praet. kakJ'öm. partic. praes. katindoj. kakli f. Spindel. Ungr.
katdv vb. ödenb. katäu vb. katipe Gespinnst sirm, Böhm, khatav vb. Deutsch gaklin
Spinne.
Aind. krt (krnatti) er dreht den Faden, spinnt, hind. kätnä. sindh. katanu tr. 264.
kat.
Griech. kat f. Schere. Rumun. kaca. serb. kaci vaill. 111. kat f. zomb. Unarr.
kat mündl. Deutsch gattlin, gattni. Finn. kockli Bugge 154. Engl, katsers^ katsi-es.
Span, kaca f.
Aind. kartarl Schere, präkr. kattari. sindh. katara tr. XXXIX. liind. kätnä vb.
schneiden Beames 1. 334.
katar.
Griech. katar adv. woher, katdr mit ke, te von, durch: katdr k' i lindr vfcim tar eile
se leva du sommeil 606. katdr f o bar ka-nikTol il se levera de la pierre 614. katar t' o
viiddr andre man te dzdna dfes qu'ils entreront par la porte 610. ßumun. katlidr, katdr,
kd.td, kat adv. woher; von hier, hierdurch, praep. von. \'^ergl. kathe^ kafe^ katM^ kafi hier,
hieher. katlnnde, katinde irgendwohin buk. kacinde mit na nirgends vaill. 73. kathar.
IcatM^ kate. kliatinde: cl zav khatinde ich gehe nirgends hin zomb. kadchdf(^d. i.kathdf) von hier
bessar. Ungr. katar adv. woher, praep. abseits von ung. katar mro dad born. 99. katar
woher, von hier, kate, khdte hier, khatende mit na nirgends sirm. Böhm, kathar adv.
woher, wodurch, nikathar adv. nirgendsdurch. Deutsch gottcr adv. woher, her, gegen,
wohin. Vergl. gatte, gaj hier, dort, wo. Ital. katdr praep. von: katdr tro brek. Engl.
katdr. kdtar, kdter praep. zu.
kazom.
ßumun. kazom adv. so viel vaill. 70. kazuvi buk. Vergl. kacum einige : kaaim des
einige Tage, o kacum raands einige Menschen buk. Ungr. kazom wie viel : kazom. dies
and 0 brsf wie viel Tage sind im Jahre? kazdm smn udzile (wenn m. udiilo) tucef wie
viel bin ich dir schuldig? sirm.
Das Wort ist dunkel. Verffl. keti.
^ ker.
Griech. kerdva vb., partic. ker-dö^ machen, versuchen, bauen, heucheln, ambrulin am-
hndd kerdds le poirier fit des poires 624. gerund, kerindos. kerdd kerdva vb. machen,
hissen, kerdva 6«^? arbeiten, kerdovava vb. pass: kerdilas il devint 622. Rumun. kardü, krjrdü
vb. partic. knrdö. praet. knrdom. knrdov vb. pass.: ksrdöl fit. ksrdds but{ er hat gearbeitet.
kürdds pe er verwandelte sich buk. kerdü vb. bessar. praet. cerdem serb. te kerel krisi ut
iiidicet. ksrav^h.: keraven (karaven) faciunt zomb. kerdas. kerdüas, kerdilas factus est klaus.
l ngr. kerel vb. partic. kerdo ung. kerav, kerä ml. 188. 1H9. kerdo 179. kherau karp. kerä
Denkschriften <ler phil.-hist. fl. XXVI. Ed. 30
234 Fkanz Miklosich.
bziti ich schmiede, keravo ich werde mache» lassen ödenb. buti kerel arbeiten ung. kerdol
vb. pass. geschehen born, 107. cerdu vb. cerM bi'ici. praet. cerdas sirni. Bölim. kerav vb. so
mange keravaf co sobß pocmi? 57. pes kerrlas, kerdas pes stalo se es geschah 58. 68.
kerav hvti schmieden, keriben m. Arbeit, keribnaskero m. Arbeiter, Gesell, Freund: un-
richtig kheribnaskere 63. keribnaskeri f. Haue. Deutsch keräva, geräva vb. partic. gerdo
lieb, gil keraba anfangen, etwa angJe kerava^ beitr. 6. tulo kerdimi mästen, eig. ich habe
fett gemacht 21. Poln. the kierau vb. tun. tlie kerau tele o sero se prosternere na. 162.
163. Russ. fe keres vb. tun, arbeiten. Slcand. kje^^a vb. kjera uppri aufmachen.
kjerar Arbeiter, kjeripd Arbeit. Ital. kerä vb. ich tue. praet. kerdöm, k'rdom ich tat.
Engl, keröva. kelova vb. partic. Mrdo. praet. kedöm aus kerdöm. Hropen, keriben. kerimvs.
Span, kerar vb. machen, kerdi f. Tat. kerelar vb. ausüben, kerelarö m. Thäter. knrelo
Yi\. Geschäft. Asiat, kerdmi ich mache, impt. le ker 333. 469. praet. sg. I. kuröm,
IL hirör pa. 389.
Aind. päli kr (karömi). liind. karnä. partic. kijä. kijä karnä to practise. sindh. ka-
ranu. partic. kltö, kajö, kiö. avg. kral tr. 16. Pott 2. 111.
keral.
Griech. kerdl m., pl. -Id. Käse, keralengoro m. ßumun. tiral Brinse vaill. 86. khi-
rdi Käse gal. I. khiral bessar II. kiral serb. tira zomb. Ungr. kirnl ung. thiral m.
born. 89. firal. tiraleskero m. Käsemacher ung. ciral sirm. kiral Topfen ödenb. Böhm.
ciral m. Quark. Deutsch kiral lieb, beitr. 18. Poln. kirai na. 164. Skand. keral.
Bask. Mala, jidal baud. 32. asc. 157. Engl, vergl. kal. Span. kird. Asiat, kir
Milch pa. Vergl. kJiil.
keras.
Griech. keras m. Kirsche. Rumun. ciras, sires vaill. Deutsch girjdsin lieb, kir-
gisin. kirjisakro riik Kirschbaum beitr. 18. Span, kirsichimf f.
Ngriech. /.cpaa'..
kerko.
Griech. kcrkö adj., pl. kfrke, kerkd, bitter, kerkijje m. Bitterkeit. Vergl. görko adj.
schlecht, böse, görkes adv. gorkibc^ gorkipe m. Bosheit. Rumun. kdrkö adj. bitter, kdva
kdrti bitterer Kaft'ee buk. kerko serb. karko adj. kwkar vb. exacerbare zomb. Ungr.
kerko adj. ung. kerko ödenb. kherkho born. 100. cerko sirm. Böhm. krko. Deutsch kirko.
Poln. kirko na. 156. Russ. kirkö adj. bitter. ki7'ki Senf, Tabak. ,
Serb. grk neben gorak Pott 2. 109.
kermo.
Griech. kermd, germo m. Wurm. kermor6 m. deminut. kermalö adj. wurmig. kermdTo- f
vava vb. von Würmern zerfressen werden. Rumun. kermn bessar. kermo gal. I.
Böhm, krmo m. krmöro m. deminut. Deutsch germo. germelo adj. wurmig lieb, kirmo
beitr. 35. Poln. kirmo na. 163. Skand. kjermo. Engl, kermo. Span, kirmo m.
Pers. kirm. aind. krmi. päli kimi. hind. kirm entlehnt Beames 1. 257. Pott 2. 109.
i ;
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa's. vii. 235
kermuso.
Griech. kermim m., pl. -s*', Ratte. ko7-6 kermusö Maulwurf, eig. blinde Ratte, 293.
Rumun. karmus Maus zu. cermuso serb. Üngr. kermtisa, kermnsi f. raus domesticus ung-.
Deutscli germüso Maus, Ratte lieb. Ital. karmuso asc. 129. Span. karmuM f. kar-
mujon va. Ratte.
Pers. karmüs Pott 7. 396.
kerno.
Griecli. A"e?'«o adj. faul, pourri. Rumun. kertiov, ternov vb. verfaulen, praet. ker-
niTom buk. ternov vb. zomb. Ungr. kerno adj. ung. ödenb. Böhm, krno adj. kriiovav
vb. faulen, krnovävav vb. zu faulen pflegen. Deutscli kirno adj. verfault.
kes.
Griech. kes m. Seide, kesanö^ kesidanö adj. seiden, keseskoro kermö Seidenwurm.
Rumun. tes, tel, tez m. tezesko adj. tezahinö adj. buk. Ungr. kes m.. ung. l^)ö]un. kes m..
Deutsch gec Seidenfaden lieb, kes Seide beitr. 29. Engl, kes, kedz. Span, kechesa.
Pers. ke2 genus serici panni vilioris.
keti.
Griech. keti adv. wie viel. Rumun. kitivar wie oft zomb. kekl vaill. keki-virsingo
san? quel age ont-ils? 82. kitsom mezz. Ungr. keci ungh. karp. kiü ung. kitivar adv.
wie oft born. 119. Böhm. keci. kecivär wie oft. Deutsch gici wie viel. Poln. keci
im hers? quot annos habes? Przeglad poz. : im ist mir dunkel. Span, kici wie viel.
Aind. päli kati. hind. kitnä, kitne wie viel, wie viele. Vergl. kazom.
khabni.
Griech. kabnf, kamni adj. f. schwanger, trächtig, kabnaräva vb. schwängern, käbno-
vava vb. schwanger werden, kahiaoihe^ kamüoibe m. Scliwangerschaft. Rumun. kamnl.
Ungr. khdmni ödenb. Böhm, khäbni. Deutsch kabni. Russ. khabny. Ital. kabeni.
Engl, käfni.^ kdvni.
Aind. garbhini. päli gabbhini. hind. gabhin Beames 1. 140. 319.
kham.
Griech. kam m. Sonne, kamorö m. deminut. kameskoro adj. Rumun. kham bessar.
zu. kham heiss, Sonne taganr. sfnntu kham mezz. : slav. bozje sunce. kham, kam buk.
khamb bessar. IL Ungr. kliam. ung. kham, kam sirm. kham. khamöro karp. kham ödenb.
Böhm. kham. khamöro m. deminut. khamüno adj. Sonnen-. Deutsch kämm lieb, kam
beitr. 30. Poln. kam na. 104. Russ. kham. Finn. kämm.. Engl. kam. Span.
kam, okan, orkan. Asiat, gam Sonne, Tag pa. gäm, gaham syr.
Aind. gharma Glut, Wärme, päli ghamma. hind. ghäm f. Sonnenschein, avg. yärmah
Mittagshitze tr. 6.5. Pott 2. 152.
khan.
Griech. khan, kan f. Gestank, khanardva, kanerdva vb. stinken, eig. cinstänkern.
peter. kdnardo adj. verächtlich: damit identisch ist kanardo adj. stinkend 467. kdnovava
:50*
236
FuANZ MlKLOSlCII.
vb, stinkend werden, kanüipe m, Gestank, kändava vb., partic. kandinö, riechen, kandinö adj.
stinkend, verächtlicli, lauuigcnelim. kandiniko m. stinkender, verilclitliclier Menscli. kan-
dinovava vb. stinkend werden. Eumun. kand vb. : kdndel. kandinö adj. stinkend buk.
khandimos Gestank zomb. Ungr. khan m. Geruch, Gestank, khandel vb. stinken, khan-
dino adj. stinkend, khandrav vb. einstänkern ung. khandinu adj. kandipen karjj. khdndel
vb. ödenb. Böhm, khandav vb. khanärav vb. stänkern, khandinu adj. stinkend, khaii-
dipnaskeri f. Schwefelhülzchen. Deutsch kandäva vb. kandeli Abort, Eingeweidewurm lieb.
kan vb. stinken, caudela (richtig kandela) beitr. 30. Poln. kandela nidor, richtig: es stinkt.
khendyni Schwefel na. 164. 165. ßuss. te khandes vb. stinken. Finn. kän (kahn) gac.
Skand. kanla (kandraj vb. stinken. Engl, kan^ kdnder vb. kan, kand subst. Span, kan-
dimumeli f. Phosphor, eig. stinkende Kerze.
Aind. päli gundha. hind. gandh f. Pott 2. 150.
khani.
Ungr. kani f. Unschlitt ung. koiii karp. khoni f. ödenb. Böhm, khäni f., pl. -a, 42.
khöni 23. Daraus rumun. khoj bessar IL koj Fett, Schweineschmalz vaill. 113. koj f.
Unschlitt. kojdcl Unschlitt-, fem. von kojdko, serb.
khar.
Rumun. kliardü vb. ich rufe, heisse. praet. khdrdöm buk. Ungr. karav vb. nennen
born. 106. Böhm, khärav vb. : man khärav, heissen, sich nennen. Poln. karavaknme
illicere wabic na. 167: zweifelhaft. ßuss. te khardv vb. rufen, te vykhares vb. heraus-
rufen : vy ist ein slavisches Praefix. Skand. kara vb. nennen.
Pott 2. 153. Vergl. akhar.
khas.
Griech. kas m. Heu. kaseskoro m. der Heu mäht, verkauft, kaseskeri f. 236. Kumun.
kas buk. khas taganr. zomb. mezz. Aas serb. Ungr. kas ungh. khas m. ung. khase
born. 88. kas, khas sirm. khas karp. ödenb. Böhm, khas m., pl. -a, Heu. khasüno adj.
Heu-. Deutsch kas lieb, beitr. 16. Poln. gas na. 164. ßuss. khas Heu. Finn. kes
gac. Skand. kas. Bask. kasa Gras, kasidorra Heu baud. 32. 33. Engl. kas. Asiat.
kas^ cjKas, ghehs pa.
Aind. päli ghas essen, fressen, hind. ghäs f. Gras, Heu, Stroh, osset. chos Pott
2. 156. Zu aind. ghas gehört wohl auch griech. khasoj, khasöj f., pl. khasd, sg. dat.
khasdke, Nahrung bei den sed. für diabe bei den nom.
khel.
Griech. hdava vb., partic. keldo, tanzen, spielen, keldva lil Karten spielen, gerund.
kelindüs. kelnö m. Musiker, Sänger, kelihe m. Tanz, Spiel, Musikinstrument, Lied, kela-
vdva vb. spielen lassen, bewegen, kelavdf, f. Hure, keldardva vb. spielen lassen. kSldu-
oava, keldovava vb. pass. zittern. Ilumun. kd vb. spielen, tanzen, tummeln (ein Pferd).
küäü, kdlü vb. praet. kddöm. gerund, kölindöj. kalav vb. vertanzen, impf, kalavelas buk.
Übee die Mundarten und die Wandeuunöen deu Zigeuner Bdkopa's. vii. 237
impt. kel serb. kelimos, kelimas Spiel vaill. 74. 112. khaldu vb. tanzen bessar. Ungr.
klielel vb. ung. khelav vb. born. 119. klieUbe m. Tanz ung. praet. kheldom ml. 201. celela
er wird tanzen, celiije Tanz 203. celel er tanzt sirm. praet. kheldom ödenb. Böhm.
khelav vb. tanzen, kheliben m. Tanz, Comüdie. Deutsch kelläva vi), spielen, kellrqjenii
Spiel, chellädo, chellädi Geliebter, Geliebte lieb, kelllpen Spiel beitr. 30. Poln. khel
vb. salire. kellepen, kelleben ludus na. 156. 164. ßuss. kheles vb. tanzen, spielen, pro-
kholibeNevhxsit: pru ist ein slav. Praefix. Skand. kjella vb. tanzen, kjellipd Tanz. Bask.
kea osa, kea otsea arsia vb. tanzen baud. 31. kilia otsia asc. 157. Engl, kel vb.
kelopen Tanz. Span, kelar vb. tanzen, kele, kelo m. keliben m. kelani f. Tanz, kelararu
m. Tänzer,
Aind. krid spielen, ved. krlli. päli kil (kllati). hind. khelnä spielen, khel Spiel,
sindh. khedu Spiel, khilanu lachen Pott 2. 155. Beames 1. 23!*. 244.
kher.
Griech. kher^ kfer, fer m. Esel, khero 363. kheUl^ pl. kheleU, nom. kheruru m. deminut.
kheranö adj. Esel-, kherni^ pl. khernä, f. Eselinn. khereskoro adj. kherndkoro adj. kherane-
masengoro adj. Eselsfleisch habend, unempfindlich. liumun. dieru, Esel bessar. jef- serb.
Ungr. klier, khero ung. Ital. kher. Bask. kera baud. 2«. Span, gel, grel. Asiat.
kar pa. kharr, kharri syr.
Aind. gardabha. päli gadrabha. präkr. gaddaha. hind. gadhä aus gadahä. mar.
gädhav. bang, gädhä. sindh. gadähu tr. 99. kurtl. ker, ker, k'er Lerch 100. Beames
1. 335.
kher.
Griech. Mer, kyer, ker, her in. Haus, kerorv m. deminut. ke)'e zu Hause, nach Plause.
li u kere im Hause 620. A;)rere 427. e ph?irjäkoru kere la maison de la vieille 616. leskom
kere ibid. kereskoro adj. kereskere dzuvd Wanzen, eig. Zimmerläuse. ßumun. khnr m., pl.
kJinrd. khororö m. deminut. kliürn nach Hause, khnrdl vom Hause buk. cer. cere zu, nach
Hause serb. kliere zu, nach Hause, khsresku udar Haustor zoiiib. khyr, d. i. khör, bessar.
klier, khere nach Hause, klierdl vom Hause mezz. Mör, khyr taganr. kjel serb. Ungr.
ker Plaus, Pleimat ung. kher ung. born. 95. kher Haus, Zimmer ml. 160. 194. khere
zu Hause 160. 168. 204. nach Hause 153. 166. 175. 187. 204. kheri zu Hause 204.
205. kheröro m. deminut. born. 88. 121. kere nach Hause ung. khere born. 122. cer,
cer. cere. ceral vom Hause sirm, kher. kheroro. khere, kere karp. jekker Kirche, magy.
egyhäz. som khSre sum domi ödenb. Böhm, kher m..^ pl. -a. kheroro m. deminut, tedzal khere
nach Hause gehen, kherestar aus dem Hause, kheritüno adj. Haus-, cech. domäci.
Deutsch ker. kere zu, nach Hause, keredüno adj. häuslich lieb, ker Haus, Bau, Giebel
beitr. 7. 15, 16. Poln. ker na. 154. Euss. kher Haus, Hof. khere zu Hause, bikheres-
kiro adj. hauslos. Skand. ker, kjer (kell). Ital. ke7\ Bask. clie7'a Haus, chera kinua
kleines Haus, kera kinua Ofen baud. 32, 34, Engl. ker. kere zu Hause. Span, ker,
kere m. kereskero m. Hausverwalter. Asiat, guri Haus, zi guri airom ich komme vom
Hause, maki gKiha guriom esti mihi bona domus est, oinki gurior nie ei domus non est :
man beachte guriöm domus mea und gurior domus eius. gurte zu Hause, nach Hause,
gurie nie er ist nicht zu Hause, gurie ghiri er gieng nach Hause pa.
238 FkANZ MlKLOSICII.
Aind. grlia, gcha. päli gaha, geha. präkr. ghai'a, glha. bind, ghar, sindh. gharu
Haus, gharo im Hause tr. XIII. XX. avg. kör tr. 6. Pott 2. llß. 153. Beames 1. 160.
182. lilier beruht zunächst auf ghara.
khil.
Grieeh. kil m. Fett, Butter. kUardva vb. mästen, kilalo adj. fett. kildTovava vb. fett
werden. kUdvdovava vb. gemästet werden. Rumun. khil 0hl bessar. 0hl, Butter bessar. II.
khU gal. I. thil Seife zu. kil Butter serb. Ungr. khil, thil m. Fett, Butter, thilalo adj.
fett ung. dzil aus eil Butter karp. eil ödenb. Böhm, thil m., pl. -a., Schmalz 22. 49.
{(hjileskeri f. Butterfass. fhilengero m. Schmalzhändler. Deutsch ktl Butter lieb, beitr.
9. waldh. 114. Poln. ksil Butter na. 151». Finn. eili gaß. Russ. ksil Butter, Öhl.
Skand. kil (kill) Butter. Engl. kil. Span. kii'. Asiat, kill, kür Tokat. gm- pa. 252.
kir, pir Milch pa.
Aind. kslra Milch, päli khlra. präkr. chira. sindh. khiru. hind. khir, chir : Sir ent-
lehnt, pers. sir Pott 2. 257. Beames 1. 309.
khino.
Grieeh. khino, kino adj. müde, khmovava vb. müde sein, kMnilo tar il fut fatigue
mem. 176. khinoibe m. Müdigkeit. Rumun. dno adj. vaill. 54. 101. Ungr. cinovel,
cinol vb. müde werden, cinilo adj. müde img. cino adj. sirm. Deutsch kino adj. kino-
väva vb. lieb, kino beitr. 22. Russ. kintpiö adj. abgemattet. Skand. kingjo adj.
Engl, kino adj. kinger vb. ermüden aus '*kinar.
Aind. ksina vermindert, erschöpft, partic. praet. pass. von ksi. päli khina Pott 2. 151.
khoro.
Grieeh. koro m., pl. kore^ Becher, kororo m. deminut. koreskoro m. Ungr. koro,
khoro Krug ung. /fo?'ro born. 68. koro karp. khöro. klwro kirligosa Krug mit einem
Henkel ödenb. Böhm, khöro^ pl. khöre. Deutsch koro lieb, waldh. ghoro, goro Flasche
beitr. 12. Ital. kord Kanne. Bask. korona Flasche baud. 29. Engl, köro, körro.
Vergl. aind. päli ghata.
khos.
Grieeh. kosdva, gosdva, kosdva vb., partic. koslö^i reinigen, kosela pe jakd eile frotte
ses yeux 606. kosTardva vb. reinigen lassen. Rumun. kos vb. wischen : kosü. praet.
koslöm buk. kosao vb. bürsten vaill. Ungr. khosav vb. löschen ung. khos vb. kSslo adj.
glatt sirm. khosav vb. ich wische ab ödenb. Böhm, khosav vb. abwischen. Deutsch
koseväva vb. reinigen. Russ. te khoses vb. wischen. Skand. vergl. taasa vb. trocknen
Buo-ge 153. Hieher gehört grieeh. kosnö, koznö m. Tuch, mouchoir, Rumun. kosnö,
koznö m. buk, koslo serb, Ungr. khosno m, ödenb, khosno, khesno, kosno Tuch, Umhänge-
tuch ung, khosnoro, kosnoro deminut. karp. kosno ml. 159, 160. 162. 164.
Vergl. aind. ghr§ reiben.
khul.
Grieeh. knl, kful, ful m. Excremente, IMist, Dreck, kidalö, kfnlalo, fidalö adj. dreckig.
fuUngoro adj. Rumun. ktd m, Kot, Ungr, khid m, Dreck ung, ml, 174, 178, sirm.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeüneu Ettropa's. vii. 239
khulalö adj. Deutsch frd. Poln. kfut na. 1G2. Russ. kful. Skand. ful Dreck, fula
v"b. cacare. fulalö adj. unrein, fulinna Schindmähre. Bask. fida Excremente baud. 32.
Engl, fid, fid. Span. fnl. fulalo m. ein dreckiger Kerl, fidani f. Schmutz.
Pott 2. 391.
khur.
Griech. khur^ kfur, kur, für f. Ferse. Ungr. khur Ferse sirm. grastdni khur Pferde-
huf ödenb. Deutsch kür lieb.
Aind. päli khura Huf. hind. khur, dessen Anlaut jedoch nicht passt.
khurmi.
Griech. kurmi f. Hirse. Ungr. khurmin Hirse, gemalener Hirse kai-p. Böhm.
khurmin f., pl. -a, Hirse, Brei. Poln. kurmi j)ulmentum na. 157. Russ. khurmi f.
Hirse, Weizen, Buchweizen, rohe Grütze, khormi Gnitzbrei 263.
Pott 2. 155.
kliuro.
Griech. khurö, kfuro, kiiro, knri m. Füllen. Rumun. khurö, kurö. kurorö m. deminut.
buk. churoro zu. kuri serb. khuro zomb. kurory bessar. H. Ungr. kurö m. ung. khurö
born. 88. knro ml. 174. küro sirm. kuröro karp. khür. kinu tuki lole khures ich kaufe dir
ein rotes Füllen ödenb. : o in kino lautete nasal, wie fz. on. Böhm, khurdo 21. Hengst,
richtig khuro: khftrdo soll jedoch auch in karp. vorkommen. Poln. kun^o Hengst, ku-
roro Füllen, kurore sandzija grasni equa peperit pullum, richtig : kurores andza (d. i.
anda) grasni na. 160. 161. 169. Russ. khuro. khurorö. Finn. kwo gac. khuro Hengst-
füllen, khuri Stutenfüllen. Skand. kuro. Span. go7'6. kurorö m.
Hind. kurra Pott 2. 155.
khuv.
Griech. khuväva, kuvdva vb. flechten, stricken. Rumun. kuvav vb. flechten, plesti
serb. Ungr. kuväu vb. weben sirm. khuvav vb. ich flechte ödenb. Böhm, khuvav vb.
flechten. Deutsch kuväva vb. flechten. Russ. te khuves vb. flechten.
Aind. guph, gumph winden, anknüpfen: nach der Metathese der Aspiration geht p
zwischen Vocalen in v über.
ki.
ki, ke praep. Die Praeposition ki, ke findet sich auch als kia, kio: sie bedeutet
zu, bei, gegen, auf, und wird mit dem acc.-nom. oder mit den Formen auf -ke, -te
verbunden. I. Griech. ki 'zom divesf in wie viel Tagen? Ungr. ä:' odä zu ihm ml.
152. 153. 154. Ä;' odd läkero dad zu jenem ihrem Vater 158. k' odd gädio zu jenem
Bauer 168. F odd säp zu jener Schlange 192. ki po gdzda zu seinem Herrn 155. ki fo
dad zu deinem Vater 158. Ä:' dmäro kher zu unserem Hause 176. /c' odi zu ihr 155. 156.
158. k' odi rdni zu jener Frau 155. 178. /<•' odi räkli zu jenem Mädchen 179. ki rnti, ke
ra<^■ Abends, eig. gegen die Nacht, richtig k' i, k' e räti, ml. 163. 173. ke rati \b'l. 153.
159. 162. 169. 178. 180. ke mro dad zu meinem Vater ung. ki neben dem slavischen
94.0 FkANZ MiKLOSICll.
pri: ki pri sukare rakJa hesel er sitzt bei scliönen Mädchen born. 99. sdko k^räti jeden
Abend ml. 173. Böhm, kia chahen zum Mittagmahl 55. kia leskeru mtij zu seinem Munde
64. kia peskri pJtenöri zu ihrer (sua) Seh Avester 70. ki odova dazu 5i. kio jekh klier zu einem
Hause 60. Ital. ke MasUini nach S. Elia asc. 140. Vor Vocalen, daher auch vor dem
Artikel 0, i fällt der Vocal von /,/, ^-e ab, ich schreibe daher k' 0, k' ?. a) Griech. diM(.'<)
Ä' 0 chnrdö raklu er gab dem kleinen Knaben 273. Ä:' o chahe, k' 0 p/6e im Essen, im
Trinken 349. dhie jms ¥ 0 drom sie machten sich auf den Weg 60ß. vikizdds la k' 0 kere
er rief sie in das Zelt 620. Inhidäsa (collect.) k' 0 sor6 dikel la er sieht sie mit Blumen auf
dem Kopfe 618. Kumun. k' 0 Noj für den acc. nach dem rumun. pe Noe buk. Ungr.
odi pMila k' 0 rom jene sagt zum Zigeuner 154. p^f-HC^ />•' 6 iw clitvvo er sagt zu seinem
Sohne 172. k' 0 vtdrisko Mräli te dzan zum Vidrer- (richtig wol Fischottern-) Kihiig zu
o-ehen 175. onda tele k' 0 pani ki mi ph'äni dort unten bei dem Wasser ist meine Ge-
liebte 198. b) Griech. dinds k' i rakTd er gab dem Mädchen 608. todds 0 kakdj k' i jnk
er stellte den Kessel auf das Feuer 616. hdngilo k' i cliev il sepencha vers le trou 624.
Ungr. phenel k' i rcini er sagt zur Frau ml. 153. k' i pJm te den zu Boden werfen 175.
sövelahi k' i rSmni er schlief l)ei der Frau 178. geTo k' i rakli er gieng zum Mädchen
180. sarko gegen ung. ist eig. sar k' 0 wie zu. ki-j-o peskro sero auf seinen Kopf, thov ki-j-
e jagh stelle an das Feuer, ki-j-a pcski sostin an seine Unterhosen karp. i erhält sich
manchmal vor 0 und e: Griech. ki 0 p)re zu den Füssen, ki 0 vudd^^ zur Thür. Böhm.
/,/ 0 tover zur Axt 58. ki 0 .skmnin beim Tische 74. ki 0 lancos an eine (die) Kette 74. ki 0
Oslos zum Esel 70. Befremdend ist: ki o godavel zur Weisheit 68, da godavel ein adj. ist.
ki e lenöri zum Bächlein 52. ki e len zum Flusse 59. ki e misöri zum Mäuschen 70. ki
e gavengeri zur Dorfbewohnerinn 70. ki e kerihen zur Arbeit 62. Ital. k' 0 bustdn im
Garten asc. 139. k' 0 rom 140: verschieden ist k' in: k' m rom mit einem Zigeuner 140.
IL A-i, ke wird mit durch ki, ke; ti, te als Postpositionen gebildeten Formen verbunden:
a) Griech. kia ratdte gegen Abend. Ungr. A:' odd ölasko römeske zu jenem walachischen
Zigeuner ml. 166. A' odd gädzeste zu jenem Unger 167. A' e ranake zur Dame 178.
nvTds ke leste er kam zu ihm. ki-j-e licate zu einer (wohl der) Buche karp. b) Griech.
A' 0 phurane divesfnde in den alten Tagen 620. dzi A' o düj cucjeade bis an die beiden
Brüste 622. Ungr. ki dmiende zu uns ml. 159. 161. ki mdnde zu mir 158. 165. 179.
180. 189. ke mande ung. ki Idnde zu ihnen, fem. 158. ki rakl'ate zum Mädchen 158. ki tute
zu dir 159. 160. ke tut 196. ki late zu ihr 160. ke turnende 161. A' e ködusiste zu dem
Bettler 184. Böhm, kia mande zu mir 52. kie hoste wozu 56. 70. kia p)este zu sich 63.
67. Am leste zu ihm 64. kia niltoste zu nichts 69. kia late zu ihr 70. kie leste zu ihm 79.
kia leste zu ihm 79.
Ke, ki verleiht den Adverbien andre, nndrdl, angldl, nvrt, katdr, opre^ tele, teldl prae-
positionale Geltung: nr^Tdv les andre A' i chaning ich werde ihn (den Brief) in den
Brunnen Iiinablassen 596. mukTds e caven ande A' o vos er verliess die Kindei- in dem
AValde 616. avilo ande A' o hindri er kam an die Quelle 622. kam-av6l ande k' 0 des-u-di'ij
2>ral sie wird zu den zwölf Brüdern kommen 622. ande A' i devrjdl pdngili tar sie neigte
sich über das Meer 622. Ebenso: ande A' i veseste gelö er gieng in den Wald 624. me
inkaldv (MMovav) la, ti angrusti, anddl A' 0 po; je la retire, ta bague, de dedans l'eau
622. Man merke: mgliste andrdl katdr A' 0 dudi'mi sie kamen aus dem Kürbiss heraus
616. te perel i siM angldl A' i Lenga que la table tombe au devant de Lenga 622.
Ferner: bestö angldl f i rakli er setzte sich vor das Mädchen 598. avri k' 0 kerS
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Europa'S. vii. 241
ausser dem Hause 618. katär k' o maskareder von dem mittleren 600. katdr k' i lindr
iifcim tar sie stand vom Schlafe auf 606. o kam. dinäs oj^re k' u ker die Sonne leuchtete
(fiel) auf das Haus neben dirids o kam f o ghaliöni opre 606. vmbladds leg (o dudüm) opre
k' i jMJ'ikin er hieng ilm (den Kürbiss) auf den Baum 616. gerdvdile teldl k' i sUldvka
sie verbargen sich unter den Besen 616. Vergl. das mit ki, ke identische ti, te.
kia.
Ungr. kid adv. wohin ung. km ml. 151. 152. 155. 157. 174. 175. 185. 192. dzi kid
wie weit ung. nikiä nirgendshin, dzikija, dzioja wie weit born. 118. Vergl. ki.
kilav.
Griech. kiläv m. Pflaume, kilavin f. Pflaumenbaum. Rumun. ctlieve siebenb.
Büiim, thilava f., pl. -a, Zwetschke, Obst. Poln. kilav gal. II. Bask. killaha prune
baud. 37. Span, kilaba f. Pflaume. Asiat, vergl. heli, helom pa.
Pott 2. 108.
kilo.
Griech. kilo m. Pfahl. Rumun. killu bessar. bessar. II. {ilö Pflock buk. Ungr.
kilu ödenb. Böhm, cilo, pl. -e, 21. 37.
Aind. prili klla, khila Pfahl Pott 2. 107. 256.
kin.
Griech. kindva vb., partic. kindo, kaufen, kinabeskoro^ kinib^skoro m. Käufer: *ki-
nabe, *kinibe sind unnachweisbar, kindovova vb. gekauft werden. Für kindva wird auch
parensa (parendzaj Idva ich nehme um Geld gesagt. Rumun. fin vb. : findu, tino. praet. tindom
buk. kinaoyh. vaill. Ungr. kinel, tinen vb. ung. praet. tinda ml. 156. rindern sirm. kin vb.:
impt. kin. khindas karp. Böhm, kinav vb. Deutsch kindva vb. lieb, kin Kauf, gilkinaca
Vorkauf für angle kinava ich kaufe vor beitr. 18. 33. Poln. the kinam na. 158. Kuss. te
kines vb. kaufen, ie vykines vb. loskaufen: vy ist ein slav. Praefix. Skand. kjinna
(kina) vb. Engl, kin vb. praet. kindani.. Span, kinar, kinelar vb. Asiat, lav kinim pa.
Aind. kri (krinäti). päli ki (kinäti). hind. kinnä. kurd. kiria kaufte Lerch 103. kirin
rli. Pott 2. 103. Das zig. Thema kin beruht auf dem aind. praes. krinäti.
kirav.
Rumun. Urdu vb. kochen aus kiravdü. partic. kiradö. praet. (iradöm. kirdov \h. pass.:
firjul aus kirdovel. impf. firölaSj ürjölas coquebatur. praet. tiriloü aus kirdilöü. kiiJöm ich
schwitze scheint aus kirdiJom entstanden zu sein buk. kii-jadü kochen bessar. (ii-av vb.:
firavel. praet. keradas zomb. Ungr. ciravel vb. kochen, partic. cirddo. ciraipi Gekochtes
sirni. ker vb. : kerdol es siedet, sprudelt ung. kiradö gekocht ödenb. Deutsch garaväva vb.
kochen, partic. gardo. garapaskero Koch lieb, kerevava vb. sieden, keropaskro Koch beitr.
19. 29. Poln. the karavas, kierovata vb. coquere na. 156. 167. keredo heiss gal. II.
Deni-sdirifteu der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd. ol
242
Franz Miklusich.
Russ. te karaves vb. Skand. hjerva vb. kochen, kjerviba Schornstein. Engl. ker6v
vb. Span, kernbar vb. koclien, braten.
Pott 2. 172.
kiri.
Griech, kiri f., ^\. kirjä, Ameise, kirjalö adj. voll Ameisen. kirjSngoro adj. Rimiiin.
tirS pl. Ungr. i kir ödenb. Deutsch kirja beitr. 6. gerria lieb. Poln. kirdza na.
158. Engl. Ärfa. Span, kiria f.
Vergl. bind, kire Insecten Pott 2. 392.
kirivo.
Griech. kirivö, kirvö, kioro m. Gevatter, kirvi f. Gevatterinn. kiribe m. Geschenk,
ßumun. tirvö. tirvi: tirö ist wohl falsch. Ungr. cirvo sirm. Böhm, kirvo m. kirvöro m.
deminut. kirvi f. kirvöri f. deminut. Deutsch ^fiVew m. ^rzVevi f. lieb. Poln. kirgvo na. 157.
Russ. kirvi. Ital. A-'ryo m. Ä-'rwf f. Span. ä;«Vj6o m. Gevatter, Nachbar, Freund, kiribi
f. Gevatterinn usw., auch Grossvater, Grossmutter.
Kirvo ist vielleicht eine Entstellung des ngriech. 7.o'j|X7rdpoc, it. compare.
kisi.
Griech. kisi, pl. kisjd 618. kisies, Beutel, tuveskeri kisi Tabaksbeutel. Rumun. kisß,
tisö. Ungr. kisi f. ung. Deutsch gisikk lieb, kisik beitr. 8. Poln. kisyk na. 157.
Ital. Ä:^s^. Engl. kisi. Span, ä-j.s?, Ä;isza, kisobu, kisobil, kisobi.
Hind. kisa. kisi ist aus dem arab. kis entlehnt.
kislo.
Griech. kislö adj. mager. kisTovava vb. abmagern, kislipe m. Magerkeit.
Aind. kr^ (kr^jati) abmagern, päli kisa abgemagert: aind. krsa.
kjustyk.
Griech. kjustyk Gürtel. Rumun. kustik. Ungr. kiistik Regenbogen sirm. Poln.
kustyk Gürtel na. 161. 166. Russ. kustyk. Span, justiki, justini f.
klidi.
Griech. klidi, kilidi f. Schlüssel. Rumun. kledin m. buk. klidi vaill. 113. Ungr.
klidin f. Schloss, Anhängeschloss ung. Midi, klidori deminut. neben kleje pl. karp.
Böhm. kli(R f., pl. -a, Schloss. klidori f. deminut. klidengero m. klidengeri f. Schlosser,
Schlosserinn. Vergl. /b/^ja f. Schlüssel, klcjicka f. deminut. Deutsch ^r/iV/«. gliteväva, gli-
teräva vb. schliessen lieb, klidin. bango klidin Dietrich, eig. krummer Schlüssel, beitr. 10.
28. Poln. klydyn na. 157. klije gal. IL Ital. klid asc. 134.
Ngriech. xXsiSi, dai-aus türk. cilit. hind. killd. Yergl. kidco.
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eüropa's. vn. 243
kockarida.
Böhm, kockarida f. Rülps, man len kockäridy ich rlilpse. Ungr. kockaridi f. ung.
Deutsch gloskerlda lieb. 137. Vergl. griech. klucika f.
Griech. vergl. xXö^or.
ko6.
Griech. koc m., pl. kocd, Knie. Rumun. koc serb. val.
kocak.
Rumun. kocak Knoten bessar. kocdk Knopf bessar. II. Ungr. köcak Knopf sirm.
köcaka pl. ödenb. Bölim. kocak f., pl. -a. kocaköri f. deniinut. Deutsch gocikk-
Skand. kocik.
Armen, kocak Pott 2. 131.
kodo.
Rumun. kodö m. kode, gode f. pronom. dieser, jener, kodö raklo dieser Knabe, kvdo
phuri dieses alte Weib. sg. acc. m. kodoles f. kodold. gen. m. kodolesko. sg. instr. m. kodu-
lesa. pl. nom. kodol, kodold. acc. m, (kodolenj^ kodole buk. and o kudola desa in illis diebus zomb.
kodoles wird in kulles zusammengezogen, kodole in kolle: kolle grastesa mit diesem Pfenle;
kodold in kolld, kodoldsa in kulldsa. Neben kodö kömmt ko, neben kode-koj vor buk. Hieher gehört
/to/Äa?" von hier. kotJie, kotlü, koti hier .^hieher. Z:of/esobuk, koti, goti n&iW. godöa dieses, godola
pl. Ungr. kodovo, falsch wer ung. sg. acc. m. koles. gen. m. kolesko. kote dovi. godoü: godoü
gadzo dieser (richtig wohl : jener) Mensch, godova. godej f. godolatcr desshalb : gudulater
rovau desshalb weine ich sirm. Böhm. Äocfoy« welcher, richtig der, dieser. Deutsch kova, gova
der lieb, kova das. svako kova allerdings, micach (oder midzacJi) kova Jammer, eig. ein böses
Ding, puca kolüster für kolester Zeuge, eig. frage diesen, jenen, sukerakerhenkikoles beredt,
richtig svker rakerhen hi koles pulchra oratio est ei. kote wo beitr. 7. 9. 17. 35. 36. Engl.
kovva, akövva. Yergl. aka, kova.
kokalo.
(/
Griech. kökkalo m., pl. kökkala, Knochen. Rumun. kokalo buk. val. kokalo serb. kokal
zomb. kökal bessar. kokal bessar. II. Ungr. kokalo, kukalo m. ung. kokalo sirm. kokal
boi'n. 58. kokalkos karp. kokalo ödenb. Böhm, kokalos m., pl. -la. kokala pl. Würfel.
kokalöro m. deminut. kokahngeri f. Beinhaus, hikokalengero adj. ohne Knochen. Deutscli
gogalo. Poln. kokaig na. 157. Russ. kokalo. Finn. kokkalo: pieresko kokkalo I\iss-
knöchel gaß. Bask. kokaluak baud. 36. Engl, kokalo, kokälos. Span, kokal, kokale m.
Ngriech. y.öxaXov.
kolin.
Griech. kolin m. Brust, hare-kolindkoro adj. eine breite Brust Jiabend, Athlet: man
erwartet kolineskoro. Vergl. cerga und katüna. Rumun. kolm m. : kolinestar. aiuV e koline
in den Brüsten zu. o kolm, e kulin bessar. IL kol'in serb. Ungr, kolin m. ung. kölht
sirm. and o kolm karp. i kolin Ödenb. Böhm, kolin m. Deutsch göliii lieb, kolin
beitr. 9. Poln. koiyn pars prior, guiyn Brust na. 162. 163. Russ. koly. kolyneskiro Kind.
Aind. köla m. Busen, Schooss,
31*
24^4 Fkanz MiKLosicH.
kon.
Griech. kon pron. interrog. relat. allg. wer. kon te mml (juiconque entcnd GIO. kd-
skoro adj. de quiconque 622. Rumun. kon wer, welcher, sg. aec. kas, gen. käsko, dat. käste,
instr. kdsthar. väre kon jemand: väre kdsthar. könik irgend einer, mit der Negation :
niemand, sg. acc. kanikds, instr. kanikdsa. Ungr. ko iing. wer, welcher interrog. relat. ]nl.
152. 1G9; ir)5. 170. 175. 203. irgend einer 168. kon buch, niko niemand, wohl nm- mit
na, ung. born. 104. niko jemand: sg. acc. nikas: rodau nikas ich suclie jemand sinn.
ko, kaskSro. niko karp. Böhm. ko. kaskero adj. wessen, käste, kas. kastar. kaha 25.
Deutsch kön lieb, beitr. 34. Poln. kon wer na. 15<S. Russ. kon. konesktro adj. wessen.
Engl, ko, kon. sor-kon jeder. Span, koin, pl. koines. Asiat, kü wer syr. l'ott.
Hind. kann. aind. ka, sg. nom. m. kas.
kori.
Griech. kor(, korin f. Gui-gel, Hals. Ilumun. kor f. Hals zomb. o kor. pale i kor
bessar. II. kor, kori, korö buk. korij (d. i. korz) mezz. Ungr. e kor sirm.
korkoro.
Griecli. körkoro, kolkoro pronom. allein, kilrkuro 335. korkores adv. korkoribe m. Ein-
samkeit. Ilumun. körko allein gal. I. körkoro, korkoro selbst, allein buk. korkor zomb.
körkur bessar. II. kerkeri f. wüst klaus. Ungr. korkoro selbst ung. korkoro allein ml.
154. 165. 177. 189. 200. and o korkoro bei sich 173. körkor sirm. Böhm, korkoro
allein, selbst. Deutsch kokeres, gogeres einsam, allein lieb, kokero beitr. 6. Poln. ko-
koro ipse na. 163. ßuss. kororo selbst 19. Skand. kokkarö allein. Engl, kökero, ko-
kero. Span, kolkoro, kolkore, folkore allein.
Pott 2. 108.
koro.
Griech. koro adj. blind, koriandös, korindös adv. blindlings, körjovava vb. erblinden.
korikanö adj. halbblind, korikanes aäv. koribe m. Blindheit, korjd kerel, köre kerelh\en6.en.
Äord Ä;emw5(5 Maulwurf, korö (für A-or^ r//a«f/i// d. i.sukö (für s«Ä-f; f^A««f?i// trockener Brunnen.
Rumun. korö. koranov vb. erblinden: praet. kordjlöm aus kordnihwi: Thema *korano, womit
comTiov zu vergleichen, buk. Ä-crore ./a^-a Schläfen, eig. blinde Augen, serb. Ä:ora. Äv»mr vb.
excaecare zomb. yto'ro bessar. IL Ungr. koro, karo adj. koripe m. Blindheit ung. Ä-o?:/oy
vb. blind werden: partic. korilo karp. koro ödenb. Böhm. Ä-oro adj. koripen m. Blind-
heit. Deutsch gorelo adj., eig. partic. Poln. kororo blind, ^ora/yf- erblimlen na. 160.
164, eig. praet.' Russ. praet. kordlyja parisivelt boe. 262. Skand. korra'ö blind.
Engl, köro, köredo, körodo blind. Span, korijjen m. Strafe, Qual.
° Hind. kör, entlehnt, pers. kör. armen, kojr (d. i. kuir). kurd. kor, kuri, kur. kü ir
Lerch 103. Pott 2. 109.
kotor.
Griech. kotör ein Stück, ein wenig, kotör kotör in Stücken, kotorica ein wenig.
Rumun. kotör, pl. kotord. ek kotör phu ein Stück Landes, kotoricd pl. deminut. buk. kotor
Über die Mundarten und die Wanderungen der Zigeuner Eüropa's. vn. 245
zomb. kotovdj \al. Uiigr. kofoj' m. ung. kofar hörn. 'SH. kötor m\. 195. kotordlo Sidj. hunt:
vergl. komadälo adj. bunt, eig. gefleckt, sirm. koter. kotroro karp. kutor ödenb. Böhm,
koter 111., pl. -a. koferöro in. deminut. Deutsch gotter lieb, jeckotter 8tUck beitr. 151, richtig
jek koter, ein Stück. Skand. kottro. Engl, kotor. Span, kotore ni. Stück, dekotorar
vb. zerstücken.
Annen, kotor Pott 2. 97.
kova.
Griech. Ävw^?, kojd m. Sache, Ding. Ungr. kova f. Sache, Ding, etwas ung. sg.
dat. köveste ml. 176. and o bharo kova in grossem Schmerz karp. kova etwas ödenb.
Böhm, kova- f. Deutsch, /tova, gova. Russ. vergl. kofo Vorteil boe. 19. Skand. kaaoa
Ding. Engl, kovva. Vergl. kodo.
kovlo.
Griech. kovlo adj. weich, kovlipe m. Weichheit. kovTovava vb. weich werden. Rumun.
kovlö iiA^. zu. bessar. 11. Ungr. kovlo.^ kolo adj. ung., unrichtig: kolo hart born. 100. ko-
Tarel vb. weich machen. koTovel vb. weich werden ung. kövlo sirm. pr' p, kovll postela
auf dem weichen Bette karp. Bölim. kovlo. kovTärav vb. weich machen. kovTövav vb.
weich werden. kovTc.-moskero adj. weichmäulig. Deutsch govlo adj. lieb, kaulo beitr. 34.
Aind. ptili kömala zart, weich, hind. kömal.
kralis.
Griecli. kräl/ii m., j)l. Atc//«, König. kralUa f. Königinn. Rumun. kraj, Mraji, kruT;
kndevic buk. koroT bessar. kraj. kraimos Reich. Ungr. kirfdi ml. 1G2. 173. 174. kira-
lestero adj. königlich ung. kiräleskero adj. ml. 155. kiräUskero 176. 190. 194. kiräUstero
162. e terili kräliftki rdkll die junge Königstochter karp. Deutsch krälo lieb. Poln.
krcdis na. 158. Russ. krali. Skand. krajo (kralo). krali Königinn. Engl, kralis. krä-
lisko, kruliskesko adj. krdUsi, kralisi, kralUsai. Span, krali m., pl. kraTises, okraj König.
kraNsa, okrajisa f.
Ngriech. xpdXTjc. Den zig. Worten liegt zu Grunde das auf bulg. kral beruhende
ngriecli. xpd/.Y^c : das niagy. kiraly; das serb. kralj ; das poln. kröl; das russ. korol.
Pott 2. 123. 539.
ksilavi.
Griech. ksildvi. sildvi, sildi, silei f., pl. -vjd, Zange. Ungr. silahi, sulavi f. ung.
Ilöhm. silahis m. silahickos m. deminut.
Griech. öi;'jXdßrj, öu6Xaßri<;.
kuc.
Rumun. Ä-H(- adj. teuer buk. zomb. Ungr. Amc ung. born. 100. ödenb. kuco ung. kuc.
najkuc wohlfeil, eig. es ist nicht teuer, sirm. kuc dad lieber Vater karp. Böhm, kuc:
to hi kuc das ist teuer. Deutsch gunc: vergl. guc selig lieb. . Poln, kuc na. 154.
Russ. nakuc billig.
Hind. vergl. kuch pretty.
246 Fkanz MiKLo.sicii.
kuöi.
Rumun. kuci Topf zomb. Uiigr. kacl f. Tupf, Becher ung. ödenb. e kucor deminut.
sirm. kucöri. kücika, e kucike karp. Bülnu. kuci f. kucöri f. deminut.
kuko.
Rumun. kukö m. kuke f. pronom. dieser, diese, kuku raklorö dieser Knabe, sg. acc.
m. kukoles f. kukold. pl. knkole, kukuld^ knkol buk. Vergl. k^ko khsr dieses Haus zomb.
kulco.
Ungr. kulco m. Schlüssel ung. Deutsch glicin^ glitin. Skand. klisin Schüssel.
klisa vb. schliessen. klisaskiro Gefangenwärter liask. (jUchii, kilcina Schlüssel baud. 30.
Engl, klisin subst. vb. Schloss, schliessen. Span, klici f. Schlüssel, langoklici f. Haupt-
(krummer) Schlüssel. Die Scheidung der mit dem slav. kljucb (magy. kulcs) von den mit
dem griech. yXz'M zusammenhangenden Wörtern ist schwierig. Pott 2. 122. Vergl. klidi.
kuni.
Griech. kmu, kuntk f. Ellbogen. In den casus obliqui tritt wohl nur kuni als Thema
ein. ßumun. kimi Ellbogen, Elle : kvjete aus kunete. kujäkd adj. ellenlang aus kufidkn
buk. 0 khijä Ellbogen, wohl pl., bessar. IL Ungr. kuni f. Ellbogen, Elle ung.
Böhm, kmii f., pl. -«, Elle. Deutsch kuni lieb, beitr. 10. 21. Falsch kani waldh.. 114.
Hind. kuhnl, köhni Ellbogen. Vergl. aind. köna Ecke, Winkel.
kur.
Griech. kurdva vb., partic. kurdö, schlagen, se masturber, ngriech. ätutcw. perdö kurdö
ganz voll 299. kuradini^ koradini f., pl. -nä, Ohrfeige. ßumun. kti^r vb. futuere : ku-
rdü. Ungr. kiirel vb. klopfen, stossen, beschlafen ung. kürav, kürä, te küren ml. 153.
167. 171. kurepe, kuribe m. Schlägerei ung. khürdas futuit karp. Bölim. kürav vb.
schlagen, klopfen, rupfen, kuriben m. Krieg. Deutsch kuräva. kurdo thut Butter-
milch lieb, kuruben Isj-ieg, Schlacht, Treffen, kurumaskro, griromaskro Soldat, Krieger.
kuromangri Fussvolk. kurumangreingro barder Oberoffizier beitr. 13. 19. 23. 27. 30. 32 :
mit barder vergl. baro. gurmastkrom Soldat waldh. 19. für -mask-. Skand. kurra (kura) vb.
schlagen, kurras vb. reciprok. kurripä (kur-ning) Schlägerei, kuropaskor Profoss. Bask. kar-
rantcia vb. frapper baud. 32. Engl, kur vb. : kuröva ich kämpfe, praet. pl. I. kurdem.
kuroben, hirimus Schlacht, k/iromengro Soldat. Span, kurar vb. schlagen, arbeiten.
kurelar vb. strafen, quälen, kurrando Hammer.
Aind. kutt spalten, päli kutt (kotteti) to strike, to break, to pound, to cut Pott
2. 113.
kurko.
Griech. kurko m. Sonntag, Woche. Rumun. kurko m. Sonntag buk. kurko Woche
serb. Ungr. kurko m. ung. Sonntag, Woche karp. kurko ml. 165. kurke, khurkhe born.
Über die Mundarten UNn die WiNDEnüNOEN der Zigeuner Eüropa-s. vii. 247
88. 96. kfirko. kurkodje d. i kurko dje, serb. nedjelja danu, Woche sirm. Böhm, kurko
m. Feiertag, Woche. Deutsch gurko Heb. kurko^ gurko beitr. 30. 35. Poln. kurko
na. 160. Riiss. kurko. Skand. korko. J]ngl. küroko, kilroki. Span, kurkö.
Ngriech. xopiotuT] Pott 2. 116.
kurlo.
Griech. knrio m. Kehle, Hals, hare-hirleskoro adj. grosshalsig. gurlö 507. Ungr.
kcllo m. Hals born. 88. Böhm, krlo m., pl. -e, Stimme. Deutsch kurlo dtikallo heisch
beitr. 16: richtig: der Hals schmerzt. Poln. kiria gula na. 155. Ital. garlo.
Engl, kurlo. Span, garlo, kcrlo Hals.
kuä.
Griech. kusdva vb. beschimpfen, beleidigen, kusipe m. Schimpf, Beleidigung.
Rumun. akusao vb. beschimpfen, beleidigen vaill. 55. 94. me akosel pe, akosel p vb. sich
zanken zu. : richtig ohne me. kusdva vb. schelten, schimpfen, fluchen, praet. kusTöm buk.
Ungr. kosel vb. fluchen, schimpfen ung. praet. kosta er schimpfte ml. 153. 172. koste sie
schimpften 156. kosipe m. Fluch, Schimpf ung. /^o.s^6e?i Zank karp. Böhm. /iwat» vb. zanken,
fluchen, praet. II. sg. kostal. kosihen m. Zanken, Fluchen. Deutsch goseväva vb. fluchen,
verwünschen lieb. Voiw-kosava^h. maledicere na. 157. Russ. te koMs vb. tadeln, schimpfen.
te zakoses vb. anfangen zu tadeln, zu schimpfen: za^ ist ein slav. Praefix. kosihe Tadel.
kosibnaskiro m. Schimpfer. Skand. kosa vb. fluchen, schwören, kusseha für kusschar
(kusar) Tierarzt.
Aind. kru^ schreien, ki-usta der schimpft, äkruä hinschreien, schimpfen, päli kus
(akkösati) to abuse. liind. kösnä fluchen Pott 2. 120.
ku§.
Rumun. kus vb. : kusdva schälen, schinden buk. Ungr. kusen vb. rupfen, schinden
ung. küsen ml. 157. kusihe m. Rupfen, partic. kusto geschunden, kusvalo m. Schinder,
Henker ung. knsla er rupft sirm. kusen thele sie schälen karp. Böhm, kusav vb.
rupfen, partic. htsio gerupft, kahl, kusvälo m., pl. -e, Schinder, kusväli f. Deutsch
gusvälo Schinder, Henker.
Aind. kus reissen Pott 2. 120.
ktrcma.
Rumun. ksrcma, knzina f. Schenke buk. krisma vaill. 83. Ungr. kocma ung. köcma
lul. 155. krcma karp. kircima mündl. ödenb. Böhm, krcma. Deutsch kercimma. ker-
remäro Wirt, kercemarica Wirtinn. Bask. kuercinia baud. 28. Engl, kicema. kice-
laengro Wirt. Span, kacitnan., kachnani.
Aslov. krtßbma usw.
DIE GESCHICHTE
EINER
SEELENWANDERUNG IN JAPAN.
vriN
D^ A. PFIZMAIER,
WIRKLICHEM MITGLIEDE DEH KAISEIILICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 12. JUNI 1876.
JLn der in dieser Abhandlung mitgetlieilten, im Ganzen allerdings den Charakter
der Fabel an sich tragenden Erzählung finden sich die Japan eigenthümlichen, aus dem
Buddhismus oÖenbar zwar entstandenen, aber von diesem in Bezug auf Mass und Körper-
lichkeit völlig verschiedenen Ansichten von Seelen Wanderung, wie dieselben in den
alten Zeiten herrschend gewesen sein mögen. Sie zeigen eine starke Verquickung mit
Taolehre, sind aber auf beinahe ausschliesslich japanischem Gebiete zusammengedrängt.
Im Wesentlichen handelt die Erzählung von zwei Menschen, welche bereits als Un-
sterbliche auf dem Berge Fo-rai lebten, jedoch eines Vergehens wegen in die Welt
des Staubes zurückgeschickt und daselbst wieder geboren werden. Damit verbunden ist
die Geschichte des Zimmermannes und Iviinstlers Sumi-nawa aus dem Reiche Fi-da.
Das zu Grunde liegende geschichtlich Ueberlieferte ist in dem Werke ^^ J§ 0 pE
sara-sina-nikki ,das Tagebuch von Sara-sina' enthalten, aus welchem in der Einleitung
zu dem Werke ^ |lp |2. ^ M^ fi-da-no takumi monu-gatari , Geschichte des Zimmer-
mannes von Fi-da' einige kurze Stellen angeführt werden. Der A'erfasser gedenkt in-
dessen, da er zur Erwerbung des gedachten Tagebuches Hoffnung hat, diese Stellen
erst am Schlüsse des Ganzen zu verzeichnen, wodurch Bedeutung und Zusammenhang
mehr ersichtlich und vielleicht Ergänzungen möglich gemacht würden.
Die umfangreiche Erzählung bietet übrigens auch in anderer Hinsicht des Merk-
würdigen genug, das nicht eben Fabel, sondern ziemlich geistreiche Dichtung ist und
nebstdem einen Einblick in jnanche allgemeine japanische Verhältnisse gewährt.
Das oben genannte, für diese Arbeit benützte Fi-da-no takumi mono-gatari zeigte
sich bei näherer Betrachtung als ein lehrreiches und werthvolles Werk, das besonders
in Hinsicht auf die zierliche und ungeachtet ihrer Hinneigung zum Alterthümlichen
verständliche Sprache als Muster gelten kann.
Die Erklärung desselben wurde von dem Verfasser auf die gewohnte Weise, nach
Gegenständen und Sätzen, bewerkstelligt, wobei neue und bisher unbekannte Wörter
und Ausdrücke, deren Anzahl jedoch weniger bedeutend ist, wo es nöthig schien, eben-
falls erläutert wurden.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXTI. Bd. 32
250 Pfizsiaiüh.
Sumi-nawa.
Fi-da-no takumi-to-wa fito fiiori-no na-ni-iva arazu \ ini-si-je fi-da-no Jcum-jori-iva \ |^ $^
(j6-teö)-wo tate-matsurazv, \ sato-goto-ni [2 "T (■'^io-tsio) zlü-nin-wo idasi-te o-o-jake-no ^ ^
(zo-jei)-ico tsutome-itonami-si nari. Dzib-gnan-no koro-tca | — ■ [Q (ikkoku)-jori ^ \,
(fiakii-nin)-ico mesarete | ^ ^ (teö-do) |^ (in) jjllj} ^^ ^ (sin-sen-en) nado tsukurase-
tamajeru koto | ^ _5^ (kuku-zi)-ni nose-tari. Ima kuko-ni sirusi-tsuru-ica \ amata ari-si
fi-da-bito-no naka-ni \ mgiireUi f^ J^5 (ki-ku)-ni taje-ni-dte \ sono zijnt.m f^ (sin)-ni tsü-zite ''
ten-tsi-zh-kua-no !^ Pf '@> ^ (fu-ka-si-gi)-narit-wo-ino \ tada ||f| ^ (teö-saku)-no uje-ni
idasi I /fc^-no fasi-wo motte tori-to nasi \ ita-ivo motte uma-wo tsukuri-te \ — • jö; (isse)-no
fito-wo odorokase-si \ kasikoki takumi-ga viono-gatari nari \ sono zi-dai-ioa tasika-ni kiki-
tsutajezu.
.Zimmermann von Fi-da' ist niclit der Name eines einzelnen Menschen. Ehemals
nahm man in dem Reiche Fi-da aus jedem Dorfe, welches keine Abgaben entrichtete,
zehn Zimmerleute und baute im Wege der Dienstleistung die öffentlichen Gebäude. In
dem Zeiträume Dziö-guan (859 bis 877 n. Chr.) berief man aus dem ganzen Eeiche
hundert Zimmerleute und Hess durch sie die Hallen des Hofes, die Paläste und was zu
den göttlichen Quellen und Gärten gehörte, erbauen. Dieses ist in den Geschicht-
schreibern des Eeiches enthalten. Was jetzt hier verzeichnet wird, sind die Erzählungen
von einem weisen Zimmermanne, der unter den vielen Menschen von Fi-da durch Kunst-
fertigkeit besonders ausgezeichnet, dessen Kunst, mit dem Göttlichen verkehrend, das
Wundervolle der Verwandlungen des Himmels und der Erde war, der jedoch über das Ein-
meisseln und Behauen hinausging, die Wipfel der Bäume zu Vögeln machte, aus Brettern
Pferde verfertigte und die Menschen des ganzen Zeitalters in Erstaunen setzte. Es wird
in dieser Zeit sicher nicht überliefert.
Idzure-no o-on-toki-ni-ka ari-ken \ fi-da-vo knni-ni 0 ^ ^ (i-na-he)-no ^ f|| (sumi-
naica)-to iü mono ari-keri. Tsitsi-faioa-wa fajahb nakii nari-te \ onore fitori-zo sumi-keru.
Kono kuni-no narai nare-ha \ ta-gajesi kusa-kim itoma-ni-wa \ noko-giri nomi-ivo tori-te fita-
sura takumi-no waza-wo narai-keru-ga \ fito-ni sugurete \ me-de-tnku tsukuri-nasi-kere-ba
^ X (ro-k6)-no tomo-gara-mo koto-gotoku ^ ^ kan-faku-site \ ^ (sin)-no %, X (rib-koj
nari-to fonte-nonosiri-keru. Sumi-nawa masu-masu sei-sin-wo korasi siju-ren-si-kere-ba \ ima-wa
sa-u-naki kono mitsi-no oja-to nar'i-mi. Arit-wa niwa-tori-ico tsukure-ba \ makoto-no rdica-tori
kore-ivo mite \ ^ § (rib-joknj-ivo ßrogete tobi-kakari \ nezumi-wo tsukure-ba \ neko kitatte
kore-ioo fori nado site \ snma-zama taje-nara koto-dom.o ari-kere-ba \ en-kin-wo iicazu \ fito
kore-ico sitai-te \ teo-do ^ ^ (guan-butsu)-no -^ (gu) nado atsuraje-mono sunt mono |
mon-zen-ni r|l (itsi)-wo nasi-keru. Sare-do kokoro-magareru mono \ mata |§ ^ (ken-sei)-ico
motte motomuru mono-ni-v:a \ futsu-ni kotaje dani sezu ^ \ (fin-zin) ^ ^ (i'o-fn) nado-no
kojeru-ni-wa | jagate iü mama-ni tsukuri-te-zo ataje-keru.
7m irg-end einer Kaiserzeit lebte in dem Reiche Fi-da ein Mann Namens I-na-be-no
Sumi-nawa. Seine Aeltern starben frühzeitig, und er wohnte ganz allein. Da es in
diesem Reiche so Sitte war, nahm er in der freien Zeit, welche ihm bei dem Ackern
und Jäten übriy blieb, die Säge und den Meissel zur Hand und übte sich stark in dem
Zimmerhandwerk. Er übertraf in ausgezeichneter Bildnerei die anderen Menschen. Seine
Genossen, die alten Künstler, bewunderten ihn insgesammt, und alle priesen ihn als
einen wahren Künstler. Sumi-nawa, seinen Geist immer mehr anstrengend, wurde der
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 251
Vater dieser jetzt unerhörten Kunst. Er verfertigte bisweilen einen Hahn. Wenn ein
wirklicher Hahn diesen sah, spannte er die Flügel und flog auf ihn zu. Wenn er eine
Maus verfertigte, kam die Katze und fing sie. Da es allerlei wundervolle Gegenstände
gab, waren die Menschen, die Entfernung nicht berücksichtigend, dafür eingenommen,
und diejenigen, Avelche Geräthe und Spielzeuge bestellten, bildeten vor seinem Thore
einen Markt. Indessen gab er Menschen von verderbtem Sinne und solchen, welche
nach Einfiuss und Macht strebten, nicht einmal Antwort. Wenn arme Menschen und
Greise zu ihm kamen, verfertigte er die Gegenstände sogleich so, wie sie es sagten und
schenkte sie ihnen.
Fidsu-ni, in dem Nippon-ki durch ^ und ^ ausgedrückt, ist mit tajete , durchaus'
gleichbedeutend.
Sono koro ^ß 'Rj (gun-zij-nife ^ (ki)-no -^ ^ (take-tosi)-to iü muno ari. ,^ |^^
Zi-ß-no kokoro-naht \ takara-tco musabori-te \ tsune-ni ^ ß (nö-minj-ivo kasume-anadori-te
fosi-i-mama-ni-zo furuviai-keru. Kono take-tod sake-wo konomi-te nomi-kere-ba | sakadzuki
fito-tsu-vjo I sumi-naiva-ni atsuraje \ tsnkurasen tote \ ^ ^ (zijü-sija)-wo mote \ i-i-okosi-keru.
Sumi-naiva tsune-ni kare-ga aku-gib-wo nikuvü-iüori'kere-ha \ tomi-ni-mo tsukurazu fi-ico sugosi-
ke7'u-ni \ take-tosi fara-datsi-te j kono /Jn ^ ^ (ko-kua-zija)-me gun-zi-ivo-mo fahakarazu |
sika anadori-zama-ni | mote-nasio kuso \ ki-kuai nare tote \ zijti-zija-domo-nl i-i-fstfkefe \ toku
karamete ko-jo \ -to i-i-tsukete jari-tsu. Zijü-zija-ra sumi-nawa-ga mon-no tnaje-ni itari-te \
o-o-ko-e-ni i-i-keru-wa \ gun-zi-no mesaruru-zo \ toku ide-jo-to ko-e-go-e-ni jobaivari-kere-do
futsu-ni irajezare-ba \ icara-gutsu-no mama \ juka-ni kake-nobori-te | sib-zi ßki-akete \ iran-to
suru-ni \ ika-ni tsukuri-oki-ken | sib-zi osi-akioru-to sono mama zijü-zija-domo-ga fumi-i-taru
tatami j ßika tomo-ni saka-sama-ni \ kutsugajeri-te \ go-nin-no zijü-sija-domo koto-gotoku \ juka-no
sita-ni otsi-iri-mi.
Um die Zeit lebte ein Kreisvorsteher Namens Ki-no Take-tosi. Derselbe, ohne Wohl-
wollen und Erbarmen, begehrte Schätze, beraubte und verachtete das ackerbautreibende
Volk und veranstaltete nach seinem Belieben Feste. Dieser Take-tosi trank gern den Wein.
Er bestellte einen Weinbecher bei Sumi-nawa und schickte durch seine Leute den Auftrag.
Sumi-nawa verabscheute immer den bösen Wandel dieses Mannes. Er beeilte sich nicht
mit dem Verfertigen und Hess Tage verstreichen. Take-tosi wurde zornig und sagte:
Dieser kleine Bemützte fürchtet nicht einmal den Kreisvorsteher. Er behandelt mich mit
solcher Verachtung, es soll mich Wunder nehmen. — Er schickte seine Leute mit dem
Auftrage, ihn schnell zu binden und herzubringen. Die Leute kamen zu dem Thore
Sumi-nawa's und riefen mit lauter Stimme : Der Kreisvorsteher ladet dich vor. Komm
schnell heraus ! — Als er auf ihr wiederholtes Rufen durchaus nicht antwortete, stiegen
sie, in Strohschuhen wie sie waren, auf das Bett, schoben das Schubfenster auf und
wollten eintreten. In dem Augenblicke als sie das Schubfenster, das er auf irgend-
welche unbekannte Weise verfertigt und hingesetzt haben mochte, aufschoben, kippte
die Flurmatte, auf welche sie getreten waren, sammt dem Bette um, und die fünf Leute
fielen insgesammt unter das Bett.
Juka-no sita-wa \ fukaku, ana-ivo fori-te ari-kere-ba \ noboru-beki jo-mo nasi, Fazime-no
ikiwoi-ni-mo nizu \ o-oki-ni osore-wananakl-te \ sora-wo bgi-te i-i-keru-ira \ ware-ware 2^ jjjg
(mu-rai)-wo itase-si-ioa \ mina gtm-zi-no i-i-tsiike-nite sbrb \ ika-de inotsi tasuke-tamaioanan-
to ko-e-go-e-ni wameku. Soiio toki sumi-nawa-ga ko-e-nite \ kara-kara-to luarai-te \ fasi-go-uv
orosi-kere-ba | kore-ni tori-tsuki-te nobori-kite | mina-viina sumi-naioa-ga maje-ni te-wo tsuki-te
32*
252 Pfizmaier.
i-i-keru-ica \ oii-mi gun-zi-no moto-ni itarl-tamawazu-wa \ loare-tvare kono tije-ni | ika-narn
me-wo-ka mi-sbratoan. Aware f^ (mi)-tokn-ni kasiko-ni itari-taraai-te \ ware-ioare-ga uki-me
min-ivo siikutcase-tamaje-to ije-ha \ sumi-naica-ga iivüku ware-wa jukazi-to omoje-do \ so-ko-
tatsi-no iu tokoro kokoro-gurusi-kere-ba \ sara-ha juki-ten tote \ saki-ni tatsi-te ajame-ha \ zijü-
sija-ra-ica jorokohi-te \ siri-ni tatsi-te juku.
Da unter dem Bette eine tiefe Höhlung gegraben war, konnten sie auf keine Weise
heraufsteigen. Im Gegensatze zu dem wichtigen Ansehen, das sie sich anfänglich ge-
geben hatten, geriethen sie in grosse Furcht und zitterten. Zu dem Himmel empor-
blickend, schrien sie : Dass wir uns Unartigkeiten zu Schulden kommen Hessen, geschah
im Auftrage des KreisNairsteliers. AVie solltet ihr uns nicht das Leben retten? — Sumi-
nawa hichte laut. Er Hess eine Leiter herab, und sie kletterten an dieser herauf. Alle
stemmten vor Sumi-nawa die Hände auf den Boden und sagten : Wenn ihr nicht zu
dem Kreisvorsteher kommt, was für ein Sclncksal werden wir da wolil erfahren? Möget
ihr doch schnell dorthin kommen und aus der Gefahr uns retten! — Sumi-nawa sprach:
Ich gedachte, nicht hinzugehen. Da jedoch eure Worte herzzerreissend sind, wohlan ! so
werde icli gehen. — Hiermit schritt er voran. Die Leute erhoben sich freudig und
gingen.
Gun-zl fa-iri-ni tatsi-ite \ sumi-nawa-wo mite \ manako-tco o-ukiku nasi \ ßtai-ni sudzi-ivu
idasi-te niramu. Stimi-naica sidzuka-ni ^ (za)-ni tsuki-te | nani-goto-no sorai-te \ kaku yC ^
(kua-kiü)-ni-iva mesare-tsum-zo-to ije-ha gun-zi iki-maki-te waga atsuraje-jari-si sakadzuki \
tsjiki-wo fure-do tsukuri-idezu. Nandzi gun-zi-iuo-ba ika-naru mono-to omoi-te \ sa-jb-ni
anadzuri-zama-ni-tca mote-nasu-zo. Ide onore-ga sija-tsura \ utsi-wari-te fara-ico in tote \ tsuka-
tsuka-to joran-to su.
Der Kreisvorsteher stand an dem Eingange. Als er Sumi-nawa sah, riss er die
Augen auf, faltete die Stirne und blickte finster. Sumi-nawa setzte sich ruhig nieder
und fragte: Was ist geschelien, dass man mich so eilig rufen lässt? — Der Ki'cisvor-
steher fulir ihn an und sagte : Der Weinbecher, den ich bei dir bestellt liabe, ist nach
einem Monate noch niclit fertig. Für was hältst du den Kreisvorsteher, dass du ihn so
verächtlich behandelst? Wohlan! Ich werde dein Gesicht zerschlagen und dich in den
Bauch schiessen. — Mit diesen Worten wollte er plötzUch auf ihn eindringen.
Sumi-nawa fu-tokbrb-jori tsutsumi-taru mono tori-idete \ utsi-sasagefe motome-sase-tamb
sakadzuki- IC a kore-ni sbrb. Onore-ni fadzi-mise-tamawa-ba sakadzuki-wa kono tokoro-nite utsi-
jari-sute-sbrai-nan-to ije-ha j gun-zi sukosi kawo-ivo nawosi-te \ sate-wa sakadzuki-iva | toku
tsukureri-to-ja \ sare-ha sore tsukureru ^\ (rib)-ni \ kono fito kobusi-iva jurusi-tsukaicasu nari- \
to i-i-te sakadzuki te-ni tori-te \ kasanete ivaga i-i-tsuken koto-ico \ naioo-zari-ni mono-se-ha
m.e-ni mono-wo misen-zuru-zo | ima-iva ^ (j6)-nasi. Toku kajere-to i-i-te \ sumi-nawa-ioo
oi-idasi-jari-te | sakadzuki-wo joku-joku mite \ aware kasikoku tsukuri-te-keri-to \ te-mo fanatazu
mite i-taru-ni \ ivori-kara tonari-no kowori-no gun-zi-no iri-kitari-keru-wo \ ide-i-ni towosi-te j
mono-gatari-site notsi | kano sakadzuki tori-idete \ are-wa keo fazimete je-taru mono-nite sbrb.
Kore-nite sake ßto-tsu ma-irasen tote jagate sake tori-idasi-te susumii tote | madzu onore
sakadzuki te-ni tori-te \ me-no warawa-ni tsugase-keru-ni \ ika-naru-ni-ka | kono sakadzuk/
niwaka-ni omoku nari-te \ fu-to te-wo fanatsi-te \ otosi-kere-ha \ me-no warawa-wo utsi-sikan-
tsutsU' I mata sakadzuki-wo te-ni tori-te \ sake tsugase-keru-ni \ isi nado-wo motsi-taran kokotsi-
serarete \ je-motsu-ni tajede \ mata ntsi-katabukete-kere-ha sake fodo-basiri-te \ tatami mina
nure-nu.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 253
Sumi-nawa nahm aus dem Busen einen eingewickelten Gegenstand, reiclitc ihn dar
und sagte: Dieses ist der Weinbecher, den ihr begehret. Wenn ihr mir einen Schimpf
anthuet, werde ich den Weinbecher auf der Stelle Avegwerfen. — Der Kreisvorsteher
nahm eine ein wenig veränderte Miene an und sagte: Also ist der Weinbecher schnell
feitig geworden ! Als Entgelt für die Arbeit sehe ich diesen einen Faustschlag nach. —
Den Weinbeclier in die Hand nehmend sagte er: Wenn du wieder bei meinen Auf-
trägen gleichgültig bist, werde ich dir es zeigen. Für jetzt brauche ich nichts. Kehre
schnell heim! — Hiermit jagte er Sumi-nawa fort. Den Weinbecher genau besehend,
sagte er : Ach, er hat ihn geschickt verfertigt ! — Während er ihn, ohne ihn aus der
Hand zu geben, besichtigte, trat der A'^orsteher des benachbarten Kreises herein. Er
hiess ihn zu dem oberen Sitze gehen und sprach mit ihm. Dann nahm er den Wein-
becher hervor und sagte : Dieses habe ich heute erst bekommen. Ich werde darin einen
Trunk Wein anbieten. — Er Hess sogleich Wein bringen, nahm, um ihn anzubieten,
zuerst selbst den Becher in die Hand und hiess ein kleines Mädchen ihn anfüllen. In
diesem Augenblicke wurde, man wusste nicht, wie es zuging, der Becher plötzlich
schwer, schlüpfte unversehens aus der Hand und fiel zu Boden. Das kleine Mädchen
ausscheltend, nahm er den Becher nochmals in die Hand und liess ihn mit Wein füllen. In
diesem Augenblicke hatte er das Gefühl, als ob er Steine erfassen würde, und er konnte
ihn nicht halten. Der Becher stürzte wieder um, der Wein floss über, und die ganze
Flurmatte wurde befeuchtet.
^ (KiakuJ-naru gun-zi-mo odo7\)ki-te \ onazi-ku tori-agete \ sake tsugastiru-ni | sakadzuki
kataimiki-te | sake-iva mina kobore-nu. Sa-u-no te-ni motsi-te j sake-ioo tszigase-kere-do j sake-wo
irure-ha \ sakadzuki onore-to \ saka-sama-ni \ kajerl-nu. TdkaTa-ioo te-ni trete \ ika-de
katamuke-zi-to | kanibre-do \ dai-riki-no fito-no kite fiki-kanaguru jb naru kokotsi-serarete \
iku-tahi-mo saka-sama-ni utsi-kajeri-kere-ba | aruzi-mo kiaku-mo | tada akire-ni akirete-zo
i-tari-keru.
Auch der gastende Kreisvorsteher erschrack. Er hob in Gemeinschaft den Becher
empor und liess ihn mit Wein füllen, jedoch der Becher neigte sich seitwärts, und der ganze
Wein wurde verschüttet. Man erfasste ihn mit beiden Händen und füllte Wein ein,
doch als man den Wein eingoss, stürzte der Becher von selbst kopfüber um. Man
kräftigte die Hand und sorgte dafür, dass man ihn auf keinen Fall seitwärts neigen
könne, doch man hatte das Gefühl, als ob ein sehr starker Mensch dazu käme und
zerrte. Der Becher stürzte mehrmals kopfüber, Wirth und Gast waren nur ausser sicli
vor Staunen.
Gun-zi o-oki-ni fara-ico tatete \ ka-jatsu ware-ioo ^ (rö)-zite \ kakarii, mono tsukuri-te
'ifaje-tsuru nikusa-jo. Ika-ni ro-do-domo \ kare torajete ko-jo-to ije-do \ fazime-no tahi-ni korn-
fare-ha ' mina siri-komi-site juku mono nasi. Kiaka-no gim-zi-ga ijeru-iva \ icare-ni joki fakari-
qoto ari. Kare karakuri-tvo mote fokori-wore-ba \ konata-mo mata kare-ni ^ (teki)-su-beki
mono-ico idasi-te kare-wo kokoro-mi-tsu-besi . Waga koioori-ni I ^^ "|f (fi-no kuma)-no ^ ^
(matsu-mitsuj-to k% mono soi-o. Kono kuni-ni-ica \ narabu mono naki takumi nare-ba \ kare-ico
koi-te I sumi-naioa-ni aivasete \ sono ^ ^ (siö-retsu)-vjo kokoro-mi-tamaje. Sumi-nawa make-
si-taran-ni-wa \ kare-ga j^ f^ (zu-saku)-no -^ (gn)-wo nbai-te j kono notsi takumi-no ^
(sioku)-wo todome-tamawan-ni-iva i kare-ga tame-ni-ica \ kagiri-naki fadzi-ni soraxcan-to ije-ba \
gun-zi jorokobi-te \ sara-ba toku matsu-mitsu-ico izanai-te ki-tam.aje-to tsigiri-te \ sono fi-tva
wakare-nu.
254 Pfizmaier.
Der Kreisvorsteher gerietli in grossen Zorn und rief: Der Sclave hält mich zvun
Besten. Er hat eine solche Sache verfertigt und mir gegeben, wie abscheulich! Diener I
Nehmet ihn gefangen und bringet ihn her! — Doch die Diener waren das erste Mal
gewitzigt. Alle zogen sich ein, und Niemand ging. Der gastende Kreisvorsteher sprach :
Ich weiss einen guten Ilath. Da er auf seine Kunstwerke stolz ist, muss man liier
auch Jemanden hervorschicken, der gegen ihn auftreten kann, und ihn auf die Probe
stellen. In meinem Kreise befindet sich ein Mann Namens Fi-no kuma-no Matsu-mitsu.
Da er ein Künstler ist, der in diesem Reiche seines Gleichen nicht hat, so bittet ihn.
bringet ihn mit Sumi-nawa zusammen und machet die Probe, Aver von ihnen dem An-
deren überlegen ist. Wenn Sumi-nawa besiegt wird, so nehmet ihm die Werkzeuge weg,
dann stellet ilir ihm das Zimmerhandwerk ein, und dieses wird ilim zu unendlicher
Schande gei-eichen. — Der Kreisvorsteher sagte freudig: Führet also schnell Matsu-
mitsu her. — Sia gaben sich das Versprechen und trennten sich für diesen Tag.
Itsi-nitsi-wo sugusi-te \ tonari-no gun-zi fitori-no tvonoko-wo i-te ki-Uu. Utsi-mire-ha \ te-
wono-kubi-nite \ sai-dzutsi-kasira nari. "^ (Fa)--wa noko-giri-ni ni-te | fana-wa kana-dzutsi-no
gotosi. Gerd ^ "^ (ten-kotsii)-ioo je-taru mitd-no "^ ^ (siju-tsib)-to-ioa mije-tari. Gun-zi
jorokohi-te \ ika-de sumi-naica-ni oknre-ico torasete \ fadzi-misete tamaje-to ije-ba \ matsu-mitsu
azaivarmi-te | ojoso ame-no sita-ni \ onore-ni masarerit takiimi ari-to-mo ^ (zon)-zi-sbrawazn.
Sono sumi-naioa-me \fajahi na-iva kiki-ojohi-te sbraje-domo \ imada tai-men-wa tsukamatsurazu
sorb. 0-o-se-naku-to-mo \ ide-ai-na-ba \ tsura fadzi-kakasete sorai-nan-to j kanete zon-zite sbraje-
ba I sahcai-no ivori-nite shrb-to \ ivaki-too kaki-te iü. Sara-ba moro-tomo-ni tote \ tsure-datsi-
te juku.
Als ein Tag vorüber war, kam der benachbarte Kreisvorsteher mit einem Manne.
Wenn man diesen betrachtete, Avar es das Haupt eines Holzschlägels mit dem Halse
einer Hacke. Seine Zähne hatten Aehnlichkeit mit einer Säge, die Nase war einem eisernen
Hammer gleich. Er schien in der That ein mit Himmelsknochen begabter Aeltester des
Weges zu sein. Der Kreisvorsteher freute sich und sagte : Flösset Sumi-nawa jedenfalls
Furcht ein vmd beschämet ihn. — Matsu-mitsu lachte spöttisch und sagte: Ich weiss nicht,
ob es überhaupt unter dem Himmel einen Künstler gibt, der mich übertrifft. Dieser
Sumi-nawa ist mir bereits dem Namen nach bekannt, doch ich bin mit ihm noch nicht
von Angesicht zusammengetroffen. Wenn ich auch ohne Auftrag zu ilun ginge, so weiss
ich im voraus, dass ich ihm Schande anhängen würde. Es ist ein glücklicher Augen-
blick. — So sprach er, sich die Seite kratzend. Also mit einander! — Mit diesen
Worten machten sie sich gemeinschaftlich auf den Weg.
Sumi-naioa-ga moto-ni itari-te mire-ba i kuri-ja-meku noki-wa \fanarete tsukuri-te \ betsu-ni
tsi-isaki ije tsukuri-te sumi-u-ori. Faru-no koto nare-ba \ niwa-no ki-domo fana-saki-te \ ke-siki
josi. Sama-de mono-zuki-seru ije-i narane-do \ ima-mekasi-ku tsukuri-nüsi-tari. An-nai sure-
ba I sumi-naiva tatsi-idete — fig (itsi-rei)-site \ tomonai-te iri-nu. Tonari-no gun-zi snmi-
nau-a-ni mukai-te i-i-keru-iva \ köre naru-ioa \ fi-no kuma-no matsii-mitsu tote | ivaga tsikaki
tüütari-ni sumeru mono nari. So-ko-to waza-U)o onazi-ü sure-ba | tai-men-ni iren tote \
tomonai-ki-tsu-to ii(.
Als sie zu dem Wohnsitze Sumi-nawa's gelangten und hinblickten, war daselbst ein
küchenartiges Vordach gesondert angebracht und ausserdem ein kleines Haus gebaut,
woselbst er wohnte. Da es Frühling war, blühten die Bäume des Vorhofes und ge-
währten einen schönen Anblick. Obgleich es nach dem Anscheine kein ausserordentliches
Die Geschichte einer Seelenwandekung in Japan. 255
Gebäude war, hatte er es neuartig gebaut. Als sie sich meldeten, kam Sumi-nawa heraus,
verbeugte sich und trat in ihrer Gesellschaft ein. Der benachbarte Kreisvorsteher sprach
zu Sumi-nawa : Dieser hier heisst Fi-no kuma-no JMatsu-mitsu und ist ein Mann, der in
einem in meiner Nähe befindliehen Durchwege wohnt. Da er dasselbe Geschäft betreibt
wie du, so bin ich in seiner Gesellschaft gekommen, um ihn vorzustellen.
Sumi-naica sate-iva |^ ^ ((Jv-sioku)-no fito-nite oivasi-si-keru-ga tote | nemjoro-ni aje-
sirb. Säte sakadzuki tori-idete \ ^ ^p|5 (kan-kio) nani-hakari-no ! mi-sakana-mo sorawüne-do \
fito-tsn kikosi-mesa-haja-to ije-ha \ take-tosi fu-tokoro-jori | sitmi-naiva-ga tsuhiri-taru sakadzuki
tori-idete \ kore-nite fazimerare-jo tote | maje-ni su-e-kere-ba\sumi-naiüa mi-dzukara\^-\- ^^)^
(teo-si) tori-te tsugii,. Take-tosi me-mo fanatazu mamori-xvoru-ni \ tsune-zama-no sakadzuki-no
gotoku I koto-7iaru koto-mo nasi. Nomi-icowari-te j take-tosi-ni sasu-wo \ tori-agure-ba \ sumi-
nawa tatsi-te tsugu-ni \ isasaka sake kohorezu | tsune-no sakadzuki-ni tagawazu.
Sumi-nawa empfing ihn freundlich mit den Worten: Also seid ihr eiii Geschäfts-
genosse gewesen? — Er nahm einen Weinbecher hervor und sagte: In dem kalten Be-
zirke ist etwas wie ein Imbiss nicht da, aber mochtet ihr doch einen Trunk zu eucli
nehmen! — Take-tosi nahm jetzt aus dem Busen den Weinbecher, welchen Sumi-nawa
verfertigt hatte, und stellte ihn mit den Worten : Es werde mit diesem angefangen ! vor
ihn hin. Sumi-nawa ergriff eigenhändig den Wärnikessel und schenkte ein. Take-tosi,
ohne ein Auge zu verwenden, beobachtete ihn, docli es war Avie bei einem gewöhnlichen
Weinbecher, und es ereignete sich nichts Besonderes. Als man ihn ausgetrunken hatte
und die ßeihe an Take-tosi kam, hob man den Becher empor. Sumi-nawa stand auf
und schenkte ein, doch der Wein wurde nicht im Geringsten verschüttet, und es Avar
nicht anders wie bei einem gewöhn liclien Becher.
Aje-sirb ist so viel als asirb .bewirthen, empfangen'.
Take-tosi sumi-nawa-ni mukai-te \ kono sakadzuki saki-ni okurare-si toki \ sake-wo tsiige-
ha I taisi-matsi kutsugajeri-te \ sake-wo kohosi-nu. Fi-ga-naru koto-ni-ka-to toje-ha \ sumi-nawa
ika-de saru koto sbrawan- | to kotajete \ sora-siranu kawo-wo tsukure-ba \ take-tosi iü koto
naku-te jami-7ru.
Take-tosi sprach zu Sumi-nawa : Zur Zeit als man tliesen Becher brachte und er mit
Wein gefüllt ward, stürzte er plötzlich über, und der Wein war ausgeschüttet. Ist dieses
etwas Unbegründetes? — Auf diese Frage erwiederte Sumi-nawa, indem er sich un-
wissend stellte: Wie sollte dergleichen geschehen? — Take-nusi wusste nichts zu sagen
und fragte nicht mehr.
Säte fito-bito kawaru-gawaru fiki-ukete nomu fodo \ matsib-mitsit susumi-idete i-i-keru-wa \
fakumi-no ivaza-iva \ ije-tsukuru-wo motte dai-itsi-to-wa su- nari. So-ko-ni-wa karakuri-wo mote \
fito-no me-ivo odorokasi-tamb-to kiku. Ijo-ijo sa-jb-ni-ja- \ to ije-ba \ sumi-nawa utsi-iüarai-te \
no-tamb-ga gotoku | f^ ^ (ki-kuan)-wa /]>> j^ (seö-gi) nari. Sare-do ije-wo tsnkuran
koto-toa fanafada jasusi. Ika-naru -j^ Jg_ (tai-ka) ^ ^ (kb-db) nari-to-mo | magari-
gane-no uje-ico idezare-ba \ mi-ren-no fito-mo joku kore-v:o tsukuru. Ki-kuan-wa ko-gatana-wo
motte sure-domo \ [^ /^ (kioku-seki)-u-o fanarete tsukuri-nasere-ba \ ^ '^ (sin-zib)-no ^ X
(sekkd)-ga tagui-ira | nasi-iiru koto kata-karu-besi-to iü.
Während Alle abwechselnd an sich zogen und tranken, tratMatsu-mitsu vor und sprach :
Bei dem Geschäfte des Zimmermanns hält man den Häuserbau für das Erste. Ich höre,
dass ihr dort durch Triebwerke die Menschen in Erstaunen setzet. Ist dieses wirklich
der Fall? — Sumi-nawa lachte und sprach: Wie ihr saget, sind Triebwerke eine kleine
256 Pfizmaieu.
Kunst. xVbci- Hilviser bauen, ist überaus leicht. Welelie grosse Däcliei- und hohe Hallen
es aucli sein mögen, wenn man über das Winkelmass nielit hinausgeht, baut sie auch
der unerfahrene Mensch gut. Die Triebwerke bildet man zwar mit dem kleinen Messer,
doch wenn man sich bei dem Verfertigen von dem AVinkelmasse lossagt, wii-d es schwer
halten, dass Leute von der Klasse der unwissenden Zimmeideute sie zu Stande bringen.
JS^asi-urn stellt füi- nasi-jeru ,verrichten können'.
Matsii-iiuts/i-ga iicaku \ onore-mo /\^ Jf) (se6-to)-no sai-ku-wa \ ßto-ni maku-besi-fo-mo
ohuje-sura(cazu. Kon-nitsu koko-ni ma-iri-te soro-wa \ migoto takumi-no mitsi-tvo kurabete
make-taran kata-wa \ kono notsi de-si-to nari-te \ tsukb-matsuru-hcku zon-zite sbrb. Ika-ni
kokoro-mite mi-tamaicau-ja-to ije-ba \ simii-naioa-ga hoakv, \fito-to kisiroi-arasowan-wa j onore-ga
konomu tokuro-ni shraicazu. Kono gi-ni oi-te-wa \ jurusi-tamawaru-besi-to iü.
Matsu-mitsu sprach : Ich erinnere mich nicht, dass ich in AVei'ken des kleinen Messers
von Menschen besiegt werden könnte. Ich bin heute hierher gekommen, um hinsichtlich
des Wcffcs des schönen Zimmerhandwerk.s zu wetteifern. Ist es mein Loos, dass ich
unterließe, so denke ich, dass ich dann ein Schüler werden und euch dienen kann.
Werdet ihr den Versuch machen ? — Sumi-naAva sprach : Ich liebe es nicht, an den
Menschen mich zu reiben und zu streiten. In Folge dieser Ansicht könnet ihr es mir
erlassen.
Kisirofu ist so viel als kisiru ,sich reiben'. Man sagt auch kisirafu.
Matsu-mitsu kokoro-ni omoi-keru-iva sate-iva ki-jatsit \ onore-ni ojobazaru-ivo fakari-siri-
^ß I ^ jiM. (ken-tai)-ni kakotsukete ^ -^ (sio-buj-wo nogaren-to sit nari- \ to omoi-te \ mata
i-i-keru-ioa | katstc-tva kei-ko-no tame-ni-mo sbraje-ba | fita-stira tagai-ni te-nami-no fodo-tco
kurabe-taku so7'b-to iü.
Matsu-mitsu dachte sich: Also erkennt dieser Mensch, dass er mich nicht erreicht
und will, auf die Bescheidenheit sich ausredend, einem Kampfe aus dem Wege gehen,
— Er sagte wieder: Da es mir einstweilen um das Lernen zu thun ist, möchte ich
tüchtig in dem Masse der Geschicklichkeit wetteifern.
Futari-no gun-zi-mo j tomo-domo mojowose-ba sumi-nawa sen^kata-naku-te ' sara-ba
o-ose-ni makase-ten. Nani-goto-ico nasi-te \ siu-bu-ifo sadamu-beki-fo ije-ba | matsti-mitsu fu-
iokoro-jori ki-mote tsukureru kani-ivo tori-idasi-te i-i-keru-tva | kore-wa onore ^ ^ (ta-nen)
omoi-ioo tswni-te \ kosiraje-tsukureru mono nari- \ to i-i-sama kani-no fara-naru tsumami-no
gotoki mono-wo joku nedzi-te | tatami-no uje-ni oke-ba \ kono kaiii asi-ico ugokasi-te \ fasiru
koto I sa-nagara iki-taru mono-no gotosi.
Da auch die beiden Kreisvorsteher dazu aufmunterten, wusste sich Sumi-nawa nicht
zu helfen, und er sprach: Also soll es euch überlassen bleiben. Man thue irgend etwas
und führe die Entscheidung herbei ! — Matsu-mitsu nahm aus dem Busen .eine aus Holz
verfertigte Krabbe und sagte : Dieses wurde in Folge vieljährigen Nachdenkens durch
micli hergestellt. — Hiermit drehte er stark einen an dem Bauche der Krabbe befind-
lichen, einem Knopfe ähnlichen Gegenstand und legte sie auf die Flurmatte. Diese
Krabbe bewegte die Füsse und lief, gerade als ob sie lebendig wäre.
Gun-zi-ra J^ (kiö)-ni iri-te fomiore-ba \ matsu-mitsu sitari-gawo-site \ kono kani-ni kurabu-
beki m.ono tsukuri-tamawa-b<i | mise-tamaje-to iü. Sitmi-nawa ware-mo mijako-bito-no pj\ ^
(siü-mh)-ni jori-te \ kani-ivo tsukuri-te sbrb \ mise-ma-irasen tote | fako fito-tsu tori-idasi-te j
matsu-mitsti-ga maje-ni oki-tsa. Matsu-mitsu futa-wo tore-ba | kani onore-to odori-idete fasiru.
Fito-bito me-wo tsukete mire-ba | kono kani kabe-tvo fai-nobori-te \ aioa-wo fuki fasami-tco
Die Gescuicute einku Seellnwandekung in Japan. 257
age-tsutsn \ ^ ^ (ten-ziuj-ico saka-sama-ni fai-te | tsutai-juku. Sihasi arl-te | mata kahe-ivo
tsutai-kudari-te | tatanni-no uje-ioo fasirio. Sumi-naica fako-wo totte kani-no maje-ni sasi-
tsukure-ha \ ivodori-te fako-no utsi-je tohi-iri-tsu. Säte futa-v:o o-oi-te \ tori-ivosame-kere-ba 1
futari-no gim-zi-ra azami-odoroku koto o-o-kata narazu.
Die beiden Kreis Vorsteher hatten Freude daran und priesen ihn. Matsu-mitsu sprach
mit selbstgefälliger JMiene : Wenn ihr etwas verfertigt liabet, das mit dieser Krabbe
wetteifern kann, so zeiget es. — Sumi-nawa sprach: Auch ich habe auf den Wunsch
eines Menschen von Mijako eine Krabbe verfertigt. Icli werde sie zeigen. — Er nahm
ein Kästchen hervor und stellte es vor Matsu-mitsu hin. Matsu-mitsu hob den Deckel
auf, und eine Krabbe sprang von selbst heraus und lief. Als die Menschen auf sie die
Augen hefteten, kroch diese Krabbe an der Mauer empor, blies Schaum, erhob die
Scheeren und kroch mit dem Kopfe nach unten an der Decke umher. Nach einer Weile
stieg sie wieder an der ]\Iauer herab und lief über der Flurmatte. Als Sumi-nawa das
Kästchen nahm und vor sie hinstellte, sprang sie flugs in das Kästchen hinein. Er
stürzte endlich den Deckel darüber und hob sie auf. Das Spotten und Staunen der
beiden Kreisvorsteher war kein geringes.
Azami steht für azakeri , spotten'.
Matsu-mitsu madzu fazime-no tahi-ni \ make-nure-ba \ sukusi sekl-men-si-tari-keru-ga \
feranu tei-nite i-i-keru-nct \ karakuri-vxi /\^ ^E (^vo-m)-no mute-asohl nare-ha \ tahmri naru-
mo I jo-7ii ^ (ju)-nasi. Kore-ivo mi-taiaaje tote \ kinu-ni tsutsuml-taru mono-wo tori-idete \
utsi-firake-ba \ bu-gaku-no ^ f^ ^ (ran-riu-zcbj-no ^ (meoi) nari. Miru-jori osorosi-ku \
mi-no ke jodatsi-te | giin-zi-ra fnta-tabi omote-ivo viukezu.
Matsu-mitsu, zum ersten Male besiegt, erröthete ein wenig, aber, noch immer sich
nicht ergebend, sagte er: Die Triebwerke sind Spielzeuge ffir Kinder, als Kunstwerke
sind sie in der Welt unnütz. Sehet dieses hier! — Hiermit nahm er einen in ein Tuch
gewickelten Gegenstand hervor. Als er das Tuch aufschlug, war es die Larve eines
tanzenden Lan-ling-wang. Bei dem Anblicke standen den Kreisvorstehern vor Furcht
die Haare zu Berge. Sie wendeten nicht zum zweiten Male das Angesicht hin.
Sumi-nawa utsi-mite | makoto-ni joku tsukurare-tari . Onore-mo tawamure-ni \ saki-ni
tsakuri-oki-taru mono soro tote \ kore-mo kinu-ni tsutsumi-taru mono-ico tori-idete | fimo toki-te
utsi-akc-tare-ba | tada-ima kiri-taran-to obojurit | tosi go-ziü bakari-to mijuru | wonna-no ka-
sira nari. Nani-to jaran \ J^ (tsi)-kusaki kokotsi saje sure-ba \ gun-zi-ra-iva | mi dani jara-
zu I anata-u'o muki-te zcori. Matsu-mitsu fe-ni tori-age mite | kore-tva tsukureru viono-fo-ica
oboje-soraicazu | masa-sikit ivonna-no kasira-ni soraioan. Idzure-jori tori-ide-tamai-si | ana
ima-imasi-to i-i-te \ sasi-oki-kere-ba \ sumi-nawa-ga iwaku \ moto-jori ^ fsinj-no kasira-nite-
tca sorawazu \ onore-ga tsukureru tokoro nari. Utsi-wa ntsvro-nite \ suzu-tco ire-oki-tare-ba |
furi-te mi-tamaje-to iü-ni \ tori-agete utsi-fnri mire-ba | suzu-no oto koro-koro-to nari-kere-ba |
fazimete tsukureru mono-to-wa siri-nu.
Sumi-nawa betrachtete es und sagte : Dieses ist wirklieh gut verfertigt. Auch ich
habe scherzweise früher einen Gegenstand verfertigt. — Hiermit nahm er einen ebenfalls
in ein Tuch gewickelten Gegenstand hervor, löste das Band und schlug das Tuch aus-
einander. Es war das offenbar eben jetzt abgeschlagene Haupt eines dem Anscheine
nach fünfzigjährigen Weibes. Da man gewisser Massen ein Gefühl hatte, als ob es nach
Blut röche, sahen es die zwei Kreisvorsteher nicht einmal an und wendeten sich nach
der anderen Seite. Matsu-mitsu erhob es mit der Hand, sah es an und sagte: Dieses
Di,-nk.-diriften der pbil.-Iiist. Cl. XXVI. Bd. 3.S
258 Pfizmaier.
sielit nicht aus wie etwas Verfertigtes. Es wird wirklich (la.s Haupt eines Weibes sein.
Ihr habet es irgend woher genommen, es ist sehr widerlicli. — Hiermit legte er es aus
der Hand. Sumi-nawa sprach : Es ist im Grunde kein wirkliches Haupt, es wurde von
mir verfertigt. Das Innere ist liolil, und es wurden Glöckchen hineingehängt. Schüttelt
es und gebet Acht! — Als man es erliob, schüttelte und Acht gab, erklang der Ton
der Glöckchen. Jetzt erst wusste man, dass es verfertigt war.
Matsii-mitsu sa-bakari fari-damasi-i-naru wonoko nare-domo \ kono sal-ku-ni odoroki-te \
tote-mo loare \ kono mono-no kami-ni tatsi-gatasi-to omoi-keri. Säte i-i-keru-wa \ kono ije-wa
koso fitori-site tsukuri-tamajeri-ja i foka-ni tasuke-tsukurerti, takumi-wo sorai-ki-ja-to toje-ba
sumi-nawa-ga hcuku \ ka-hakari tsi-isaki ije ßto-tsu tsukuran-7ii | fito-no te-tco karu-beku-inu
zon-zi-surawazu | tadasi kure-wa taka-dono-nite | tsune-no ije-ni-iva sbrawazu-to iü-wo \ matsu-
mitsu ibukari-te j kore-ivo taka-dono nari-to no-tamb-wa ika-naru koto-zo-to tö.
Matsu-mitsu, obgleich ein Mann von so ausgespanntem Geiste, war über dieses
Werk erstaunt und dachte sich : Jedenfalls ist es unmöglich, sich Ubei- diesen Mann zu
stellen. ■ — Er sagte also : Ist dieses Haus von euch allein erbaut worden, oder sind noch
Zimmerleute gewesen, die euch bei dem Baue halfen? — Sumi-nawa erwiederte: Für
den Bau eines einzigen, so kleinen Hauses glaube ich nicht, dass man fremde Hände
zu leihen nehmen dürfe. Dieses ist aber ein Stockwerk, es ist kein gewöhnliches
Haus. — Matsu-mitsu Avar verwundert und fragte: Wie kommt es, dass ihr dieses ein
Stockwerk nennet?
Sumi-naica tsui tafsi-te \ nagesi-meku tokoro-nl ari-si kusahi-ico fiki-nuki-te \ sa-ba go-
ran-ze-jo-to iü fodo-ni \ kono ije ono-dzukara kamisama-ni agari-te \ J^ (tsi)-wo fanaruru
koto — ■ "^ (itsi-zib) amari-ni nari-kere-ba \ niwa-ni u-e-taru ko-zu-e-domo-mo \ § (me)-no
sita-ni niiru jb-rd iiari-nu. Gun~zi-ioa sara-nari \ matsn.-mitsu-mo kimo-ioo kesi-te \ aki-taru
kutsi-ivo fusagu mono-mo nas'i. Sate-mo medzurasi-ki _t. ^ (zib-zuj-no takumi kana-to fome-
omojeri.
Sumi-nawa erhob sich sogleich, zog einen Pflock, der sich an einer wie ein Quer-
balken gestalteten Stelle befand, heraus und sagte : Sehet also ! — In diesem Augen-
blicke stieg dieses Haus von selbst aufwärts und war eine Klafter weit von dem Boden
getrennt. Auch die Spitzen der in dem Yorhofe gepflanzten Bäume erschienen vor dem
Blicke, als ob sie sich unten befänden. Nicht allein die Kreisvorsteher, selbst Matsu-
mitsu wai- ausser sich, und Keiner Avar, der den ofienen Mund verschlossen hätte. In
Gedanken sagten sie lobpreisend: O ein Künstler von seltener Geschicklichkeit!
Säte nani-vo ^\ (rib)-ni | kaku-ioa tsukuri-oki-tamai-si-to toje-ba \ suml-nawa-ga iicaku |
kore-wa ^ |^ (kua-sa^-wo nogaren-to-no tame-nite sbrb. Onore-ga ije madziosiku-te fito
sukunaku sbraje-ba kna-sai aran tuki |j§ ^ (teö-do) i-fuku-no tagui \ motsi-fakobu-beki fito-
mo sbrawane-ba \ rnosi tsikaki tokoro-ni j/C (fi) ide-taran toki-ni-iva \ kono ije-ico tsutsi-no
utsi-ni I ßki-irU'beku tsukuri-oki-te sörö. Kaku taka-dono-no jb-ni \ taka-jaka-ni \ agari-juku
jb-ni I tsvkuri-sbrb-iva | natsti-7io koro suzumi to7'u-beki tame-ni \ mbkete sbrb. Kono ije joru
nomi tsukuri-te atari-tsikaki fito-ni-mo \ ka-jb-no karakuri mbke-tari-si koto-wa \ sirase-mb-
sazu. Most fito siri-na-ba \ umsaku tsadoi-kitari-te \ iniru fito o-o-karu-beku zon-zi-sbrai-te \
Jörn nomi fitori-site | totco-ka bakari-ni \ tsukuri-tatete sbrai-ki-to iü.
Sie fragten ihn: Zu Avelchem Zwecke habt ihr es so erbaut? — Sumi-nawa sprach:
Es ist, um dem Feuerscliaden zu entkommen. Da mein Haus arm, der Menschen Avenige
sind, so sind, Avenn eine Feuersbrunst entsteht, keine Menschen, Avelche die Geräthe, die
Die Geschichte einek Seelenwandeiiuno in Japan. 259
Kleider und Aehnliches fortschaffen könnten. Ich baute daher so, dass, wenn in der
Nähe Feuer ausbrechen sollte, ich dieses Haus in die Erde hineinziehen kann. Indem
ich es so auf eine nach Art eines Stockwerkes hoch emporgehende Art baute, sorgte
ich dafür, dass ich zur Sommerszeit Kühlung habe. Indem ich dieses Haus nur in der
Nacht baute, machte ich es den Menschen nicht zu wissen, dass ich ein solches Trieb-
werk hergestellt habe. AVenn die Menschen es wiissten, würden sie auf belästigende
Weise sich ansammeln und herkommen. Denkend, dass die Menschen, welche es an-
sehen, viele sein könnten, baute ich nur in der Nacht, ganz allein und führte es in
zehn Tagen auf.
Sate-mo ^ (kio)-arit koto-ni koso sbraje \ sara-ha \ juri-sagete mise-tamaje-to iü-ni \
■<it.mi-naica fitori taka-dono-wo ori-te | nani-goto-ivn suru-ni-ka aran sibasi ari-te \ sa-ha fiki-
sagete mise-tate-matsuran-to iü-jori \ mata konu tuka-dono sidzuka-ni sagarl mote-jitki-te \
tsutsi-no utsi-je im koto — ■ ^ (itsi-dzib) bakari-site todomari-mi. Makoto-ni toko-jami-
iiite I inisi-je-nu '/\^ ^ (kekkijo)-to iü mono \ kakaru-ni-ja-to oboje-keri. Säte mata juri-
uqoki-te agari-juku jv-ni mije-si-ga \ jagate tsune-sama-no ije-to \ ßtnsi-h' nari-nu.
Sie sagten : Es sei zu unserem Vergnügen ! Zeiget uns also, wie ihr es herab-
beweget! — Suiui-nawa stieg allein von dem Stockwerke herab, machte sich etwas zu
thun und sagte nach einer Weile: Ich werde euch jetzt zeigen, wie ich es herabziehe. —
In diesem Augenblicke senkte sich das Stockwerk wieder langsam herab, drang eine
Klafter tief in die p]rde und stand still. Man glaubte wirklich, die ewige Finsterniss,
das Wohnen in Höhlen in alter Zeit war vielleicht so beschaffen. Es schien dann als
ob es sich Aviedor heraufbewegte, und es war sofort mit einem gewöhnlichen Hause
gleich.
Älatsu-mitsu kash'a-ico tatami-ni utsi-tsukete \ onore ^ ^. (tsi-e)-asakth \ kim.i-ga "Q"
(ßaku)-ga — ■ (itsi)-ni tarazaru "^ (saje)-ioo motte \ kore-made usiro-guto mosi-te sosiri-
inuse-si-iva | tsumi nogaren-ni tokoro-nakit oboje-sorh. Ima-jori nagakrt on-de-si-to nari-te |
mitsi-no f^ ^ (siju-gio) tsukainatsuri-tuku sbro-to in. Sumi-nawa utsi-ioarai-te | onore
fito-ivo wosiurii bakari-no yf ^ (sai-kaku)-iüa sorawane-do | sika no-tamb uje-tva \ i^atori-
akirame-taru fodo-no koto-wa \ ivosije-tate-matsuri-ten-to in.
Matsu-mitsu legte das Haupt auf die Flurmatte und sagte: Ich von Verstand seicht,
mit einer nicht für ein Hundertel derjenigen des Gebieters genügenden Begabung, habe
bis jetzt Worte hinter dem Iliicken gesprochen und gesclimäht, ich Aveiss, dass es nichts
gibt, inn dieser Schuld zu entkommen. Ich will von nun an ewig euer Schüler sein und
die Ordnung des Wandels des Weges euch darbieten. — Sumi-nawa lachte und sprach:
Ich besitze zwar nicht die Einsicht, um Menschen belehren zu können, doch in Betracht,
dass ihr so sprechet, werde ich so viel als ich dui-cli meine Erkenntniss aufgeklärt
habe, euch lehren.
Saje steht fiir "^ sai , Begabung'.
Gun-zi take-tosi-mo \ fazime-wa nikumi-te kitari-keru-ga | sumi-nawa-ga tvaza-no takumi-
aaru-ni | kokoro-ivorete \ makoto-ni \ /^ J^ (bon-nin)-ni-wa arazari-keri tote sita-wo maki-te-
zo kajeri-keru. Kore-jori notsi sumi-naica-ga na \ ijo-ijo jo-ni fiblki-te \ fito siranu mono na-
kari-keru-to-zo .
Der Kreisvorsteher Take-tosi war anfänglich mit Groll im Herzen gekommen.
Angesichts der Kunstfertigkeit Sumi-nawa's war sein Sinn gebrochen, und er sagte :
2G0 Pfizmaikk.
Es \v;ir in der Tliat kein gewölmlieher Mensch. — Er kehrte kleinlaut zurück. \ on
nun an hallte der Name Sumi-nawa's in der Welt immer melir wiedei-, und es war
Niemand, der ilin nielit kannte.
Der Berg Fo-rai.
Sore-jori mafm-mitsu-n-a \ sumi-nawa-ga mutu-ni loori-te \ sorio m.itn-no oku-aru koto-
domo-wo I narai-te | {{j^ ^ (ta-zi)-naku tanomi-te-zo tsukaje-keru. Aru fi sumi-nawa ^ ^^
(rib-sai)-wo Jen tote \ matsu-mitsu-ico tomonai-te \ jama-ni iri-kcru-ni \ mitsi-ni majoi-te |
jama-dzi fukaku wake-iri-keru-m \ kiri-kisi soha-datsi-te \ simo-xoa =^ ifjf] (sen-zinj-mo aran-
to oboje-tam \ tani aru tokoru-nl ide-nu. Mukai-no küi-ica \ wadzuka-ni H [t9 (san-genj-
bakari fedate-tare-do \ ■watari-jitku-beki mitsi-mo nasi.
Von nun an wohnte Matsu-mitsu bei Sumi-nawa. Die verborgenen Dinge, welche
dessen AVeg hesass, lernend, wünschte er nichts anderes und diente ihm. Eines Tages
o-ing Sumi-nawa, um gutes Nutzholz zu erhalten, in Begleitung Matsu-mitsu's in das
Gebirge. Sie verirrten sich, und während sie auf Bergwegen tief in die Wälder
drano-en, kamen sie au einem Orte, wo ein abgeschnittenes Felsenufer steil zur Höhe
rao-te und unten ein dem Anscheine nach vielleicht tausend Klafter tiefes Thal sich
befand, hervor. Das gegenüberliegende Felsenufer war kaum drei Ken ' entfernt,
doch es war kein Weg, um hinüber zu gelangen.
Sikaru-ni mukai-no kisi-ni \ tosi-wo fe-taru maki-vo ki tateri. Kare-ico kiri-tori-taran-
ni-iva I kore-ni maseru ^ :/f (riv-zai) arazi-to \ inaisu-mitsu-ga ije-ha \ sumi-naii-a geni zcare-
mo sa omojeri. Ide kono tani-ni fast ^dsi-watasi-ten tote \ viatsu-initsu-ni owase-taru tsutsumi
tori-te I ßki-toke-ba \ naka-ni kuda-no jb naru mono \ ihi-ra-to-m.o nakit ire-oki-tari. Sore-wo
tsugi-aimse-tsure-ba \ fasi-go-no jb naru katatsi-to-wa nari-nu. Sumi-nawa kano fasi-go jb-
no mono-wo tori-te mukai-no tani-jc mukete fasi-no kata-wo nage-kere-ba \ fito-tsii-no kake-
fasi-to-wa nari-keri. Ware-ni tsudzuki-fe imtaru-besi-to ije-ba \ matsu-mitsu siri-ni tatsi-te
juku-ni I o-o-kata aja-uki koto nasi. Geni jama-dzi-ni-wa \ kakaru mono koso ^ (j6)-iüo
nasi-kere tote \ maisii-m.itsu ijo-ijo sumi-nawa-ga ^ ^ (jd-i)-wo-zo forne-keru.
Indessen stand auf dem gegenüber liegenden Felsenufer ein alter Eibenbaum.
Matsu-mitsu sprach : Wenn wir ihn fällen, so haben wir kein besseres Nutzholz als
dieses. Sumi-nawa sprach : Dieser Meinung bin icli auch. Wohlan ! \\'ir werden über
dieses Thal eine Brücke schlagen. — Hiei-mit nahm er einen Bündel, den er von Matsu-
mitsu auf dem Rücken tragen Hess, und löste ihn auf. Es waren in demselben röhren-
artige Gegenstände in unbestimmter Anzahl hineingelegt. Als er diese zusammenfügte,
erliielten sie eine Gestalt von der Art einer Leiter. Sumi-nawa nahm diesen leiterartigen
Gegenstand, kehrte gegen das vor ihm liegende Thal und warf das eine Ende hinüber.
Es wurde daraus eine Hängebi-ücke. Er sprach: Man kann mii- nachfolgen und hinüber-
gehen. — Matsu-mitsu erhob sich, schritt hin und es war im Ganzen keine Gefahr.
Er saffte : Wahrlich, auf Bero-wee:en kann man eine solche Sache verwenden. — Er
pries die Umsicht Sumi-nawa's noch mehr.
Säte utsi-icatari-te \ kano maki-no moto-ni itari-keru-ni | amari-ni tsukare-tare-ba \ si-
hasi ki-no ne-ni siri-utsi-kakete \ jasumu fach \ kanata-nite fuje-no ko-e-su nari. Kakaru
' Ein Ken ist sechs Schuh fünf Zoll.
Die Geschichte einek Seelenvvanderung in Japan. 261
ini-jama-ni nani-mono-ka ij'i-kltari-kcn tote \ ajasind-mire-ha | kiisa-kari-irarau-a-uo | totco-
bakari naru-ga | kago-wo se-ni oi-te | fuje fiiki-narasl-tsutsu k.itari. Suiid-iiawa-icu mite \ so-
ko-ica kono kimi-no takumi-to kikoje-taru i-na-he-no sumi-nawa-misi-ni oicasuDi-ni-ja-to in.
Als sie hinüber gegangen Avaren und zu dieser Kibe gelangten , waren sie äusserst
ermüdet. Sie setzten sieh eine Weile auf die Wurzeln des Baumes und ruhten aus, als
dort eine Flöte erklang. Als sie, sich wundernd, dass in ein so tiefes Gebirge Jemand
gekommen sein mochte, hinblickten, kam ein etwa zehnjähriger grasmuhender Knabe,
auf dem Rücken einen Korb tragend und die Flöte blasend, dalier. Als er Sumi-nawa
sah, sagte er: Seid ihr der in diesem Reiche als Kfinstlcr berühmte Herr I-na-be-no
Sumi-nawa?
Sumi-nawa kakaru waraiva-no \ ika-de loaga na-ico siri-taru-naran-to \ fa-si-gi nagara |
sika-nite sorh-to ije-ba \ icarawa-ga iwakn | kono oku-jama-ni smnerih fifo-ari. So-ko-wo
>nat.<ti-tamb koto fisasi. Keo koko-ni iri-kitari-tamawan-nare-ba j onore-ni madza- juki-mnkai-
te I sono josi sirase-tate-matsure-to | no-tamai-ki tote \fuje-7io siri-site \ kono mitsi-jori
worete jiiki-tamawa-ba \ tada kasiko-ni itari-tamai-nan. Onore-tva kusa-wo kiri-te notsi \ ato-
jori ma-iran-zure-ba \ tomonai-juki-gatasi-to iü. Siimi-naiva kokoro-jezare-ba \ sono ai-min-to
no-tamh fito-tca \ ika-naru o-kata-ni-ka-to toje-ba | warawa madzu kasiko-ni juki-te | sono si-
sai-ica toicase-tamaje-to \ i-i-sasi-te \ matn fnje nisi-fuki-tsutsn. jama-wu kojete juki-nu.
Sumi-nawa, staunend, dass ein solcher Knabe seinen Namen kannte, erwiederte: So
ist es. — Der Knabe sagte: Es ist ein Mensch, der in diesem tiefen Gebirge wohnt.
Er erwartet euch sclion lange. Da ihr heute hierherkommen wolltet, sagte er mir, ich
möchte früher euch entgegen gehen und dieses euch zu wissen thun. Wenn ihr bei
dem Naclihall der Flöte auf diesem Wege herabsteiget und weiter gehet, werdet ihr
gerade dorthin gelangen. Ich werde , nachdem ich das Gras gemäht habe, nach euch
hinkommen, es ist unmöglich, euch zu begleiten. — Sumi-nawa, dieses nicht verstehend,
fragte: Wer ist dieser Mensch, welcher sagt, dass er mich empfangen werde? — Der
Knabe sprach: Gehet zuerst hin und fraget um den Grund. — Hiermit überstieg er,
wieder die Flöte blasend, den Berg und zog weiter.
Matsu-mit<u-gn iicakn \ kakaru. '^ [Xj (sin-zan)-ni \ fito s/nmi-beki db-ri nasi. Jtsi-
dzih -j^ \ (sen-nin) nado iü mono naru-besi-to iü. Nani-ni-mo are \ iza juki-te min tote j
s/irni-naica saki-ni tatsi-te jidm. Tokoro-dokoro-ni kuma o-o-kami nado i-tare-do | mina mimi
'co-ico tareie | niiikb koto nasi. Säte Javia-^vo nobori \ tani-ioo kojete jaku-ni \ matsu kaje
sigeri-taru naka-ni | o-oki-naru f^ (ino))) miju. Tsikadzuki-te mire-ba \ to-bira-ica ko-gane-
ico nobete tsuknri-te | kawara-iva tama-tvo motte fuki-tari.
Matsu-mitsu sprach: Dass in einem so tiefen Gebirge Menschen wohnen können, ist
niclit in der Ordnung. Es müssen Wesen sein, welche man unsterbliche Menschen
nennt. — Sie sagten: Wie es auch sei, wir werden hingehen und sehen. — Sie erhoben
Mcli, Sumi-nawa voran, und ffine'en weiter. Hier und dort waren Bären und \\<')lfe. doch
alle Hessen Schweif und Ohren hängen und traten nicht in den Weg. Indess sie, Berge
ersteigend und Thäler durchschreitend, dahinzogen, zeigte sich endlich zwischen blätter-
reichen Fichten und Pistazienbäumen ein Thor. Als sie nahe kamen und es betrachteten,
waren die Thorflügel aus gedehntem Golde gebildet, statt der Ziegel war das Dach mit
Edelsteinen gedeckt.
Sumi-nawa matsu-mitsu-to tomo-ni odoroki mite j kono [JL| Fp (san-tsiü)-ni kakaru ?je-i
'vi-to-mo kiki-ojobazn tote | utsi-nagamc-i-taru-ni | to-bira uno-dzukara firaki-te \ oh'ina-no itaku
2(32 Pfizmaier.
ui-tnrii-fo niijurii-ga ide-kitari. Suiiii-nmca-ni untkai-tc. \ ariizi-tsu dono-wo matsi-tamajeri \
iza tote \ tnUsi-hiki-te Iru. Nani-to jara osorosi-ki kokotsi-sure-do | mitsi-hikw mama-ni ftlfaf/ai-
te ire-ba | Pf? P^ (tsm-mon) ari \ suno ^ J^ (bi-rei)-naru koto | iü-beo-mo arazu. Matsu-
■mitsu-iro-ba \ koko-ni ari.-te mntsu-be.si-to i-i-te | snmi-nawa bakarl-too tomonai-te iri-nu.
Sumi-nnwa und Matsu-mitsu blickten beide erschrocken bin und sagten: AVir haben
nicht gehöi-t, dass sirh in diesem Gebirge ein sokdies Haus befindet. — Während sie
in die Ferne blickten, öffneten siel: die Tliorilügel von selbst, und ein dem Anscheine
nach hochbetagter Greis trat hiM-aus. Derselbe Avendete sich zu Sumi-nawa und sagte:
Der Gebieter erwartet euch. AVohlan! — Hiermit zeigte er den Weg und trat ein. Was
für ein Gefühl von Furcht sie auch haben mocliten, sie folgten dem Führer. We'i dem
Eintritte zeigte sich ein inneres Thor, dessen Schönheit unaussprechlicli war. Er hiess
Matsu-mitsu hier warten und trat, Sumi-nawa allein begleitend, ein.
Ide-i-to obosi-ki tokoro-ni ^ (za)-site ivore-ba \ oku-no kata-jori kutsu-no oto-site ide-
kuru fito ari. Kasira-ivo agete mire-ba \ kami fige-wa siro-gane-no fari-tvo u-e-taru gotoku
mijure-do | kanbase-wa fatatsi-bakari-no fito-no gotusi. Kitroki kafuri-ni ake-no koromo-wo ki-
fari. So7io sama bon-nin-to-züa mijezare-ba sumi-nawa sozoro-ni kasira-ioo sagete ^ (faij-su.
Aruzi sinni-naiva-ga soba-tsikaku za-site \ nandzi osoruru koto nakare. Kono tokoro-ioa ^ '^^
(tö-kaij-no ^ ^ jJj fö-rai-san nari. Jo-no tsune-no fito-wa \ kitari-itaru koto ataioazare-
do I nandzi fjlj ^ (sen-jen) aru-ni jori-te keo koko-ni midcaje-tsii-to iü.
Dieser blieb an einem Orte, welcher der obere Sitz zu sein schien, sitzen, als aus
dem Inneren Schulie knarj-ten und ein Mensch hereinkam. Als ei- das Haupt erhob und
hin blickte, sahen dessen Haupthaare und Bart aus, als ob silberne Nadeln gepflanzt
wären, jedoch sein Angesicht war gleich demjenigen eines zwanzigjährigen Menschen.
Er trug eine schwarze Mütze und war mit einem hellrothen Kleide bekleidet. Da er
keinem gewöhnlichen Menschen gleich sah, senkte Sumi-nawa unwillkürlich das Haupt
und grüsste ihn. Der Gebieter setzte sich nahe zu Sumi-nawa und sprach: Fürchte dich
nicht. Dieser Ort ist der in dem Ostmeer liegende Berg Fo-rai. Den gewöhnlichen
Menschen ist es zwar nicht vergönnt, hierher zu gelangen, doch weil du Verwandtschaft
mit den Unsterblichen hast, kam ich dir heute hier entgegen.
Sumi-naioa ijo-ijo odzi-kasikomari-te wore-ba \ do-zi-ra sake kuda-mono nado-wo | te-goto-
ni tadzusaje-idete \ sumi-nawa-ga maje-ni su-e-oku. Aruzi tsubo-wo jubi-sasi-te ijeru-wa \ korc-
wa nin-gen-ni iwajuru \ ^ ^ ^ ^ (fu-zi-fu-ro)-no fll| |^ (sen-jaku) nari. Nandzi
'/'ppai-wo nomu-besi-to iü-ni \ sumi-nawa osorosi-ku-mo \ uresi-kn-te \ sakadzuki-ivo tore-ba \ dö-
zi tsubo-tvo kata-mukete tsugu. Kutsi-ni josure-ha sono ^ ^ (kh-ki) taje-ni-site j nin-gen-
no sake-ni koto-nari. Nomi-icowari-nure-ba \ ;\j> fl| (sin-zin) si-zen-to sawajaka-ni nari
tai karoku nari-te \ sa-nagara fll| (sen)-to nareru kokotsi-seri.
Während Sumi-nawa immer mehr Furcht hatte, brachten Knaben in jeder Hand
Wein und Früchte und stellten sie vor ihm hin. Der Gebieter zeigte nach einem Topfe
und sprach: Dieses ist das, was von den Menschen das den Unsterblichen gehörende
Arzneimittel des NichtSterbens und Nichtalterns genannt wird. Du kannst einen
Becher davon trinken. — Sumi-nawa, erschrocken und erfreut, ergriff den Becher, ein
Knabe neigte den Topf und schenkte ein. Als er es an den Mund brachte, war es von
ausgezeichnetem Wohlgeruch und von dem Weine der Menschen verschieden. Nachdem
er ausgetrunken, ward sein Geist von selbst aufgeweckt, sein Körper leicht, und er
hatte das Gefühl, als ob er eben ein Unsterblicher würde.
Die Geschichte einer Seelenwandehung in Japan. 263
Ariizi ijtru-ioa \ nandzl S f|l| (sin-sen)-to naran-ni-ioa \ ima sitsi-ziü-nen suguru-wo
matsu-hesi. Tadasi nundzi-ga takumi-no mitsl-ni kasikoki-ni. me-dete j kakn jobi-mukaje-tari.
li^o-joi-ivo sugusi-na-ba \ nandzi-wo kajesu-besi. Madzu konata-ni kitare-to i-i-te \ sumi-naioa-
wo izanai-te \ niiva-ni ori-te | tsi-isaki kado-wo akete \ — ■ K^ (ittsib)-^hakari juke-ba \ kasiko-
ni fito-tsu-no kado ari-te | loono-no oto | 7iokogiri-no ko-e kasimasi-ku kikoju. Mitsi-biku mama
iri-te \ mire-ba sen-nin amata atsumari-te | ^ '^ (sai-vioku.)-wo afsukai-te ivuri ] sumi-nawa
kure-wa nani-no ^\ (riuj-ni mru-ka-to foje-ba | arazi ijeraku \ f|l| ^ (sen-km)-ifa fazime
tsiikurerii mama-ni \ f^ ^ (jei-sei) ^ p^ (fn-kiH)-iiHe \ taukuri-kafurii kotu-ica nasi.
Kore-wa '^ Y (gen-gen)-kuo-tei- '^ (mei) ari-te | nanigasi-ni o-osete kono tabi fo-rai- "^
(kiü)-no ^ij ^ (betsu-den)-ioo inoke-tsukurase-tamh nari. Joku me-wo todomete | ßfo-bito-no
]^ ^^ (siu-aaj-ico mi-tsu-besi-to wosiü.
Der Gebieter sprach: Um ein walirer Unsterblicher zu werden, müsstest du hier
über siebenzig Jahre warten. Nur aus Achtung vor deinem Wege der Kunstfertigkeit
und darüber erfreut, habe ich dicli auf diese Weise gerufen und bin dir entgegen-
gegangen. Wenn du diese Nacht verbracht hast, werde ich dicli zurückscliicken. Früher
komm' hierher! — Hiermit führte er Sumi-nawa zu dem Vorhofe hinab und öffnete ein
kleines Thor. Als sie eine Strassenlänge weit fortgegangen waren, befand sich dort ein
Thor, und man horte den Ton der Aexte und das lärmende Greräusch von Sägen. Als
er hereingeführt wurde und hinblickte, waren viele unsterbliche Menschen versammelt
und bearbeiteten Nutzholz. Er fragte, zu welchem Zwecke dieses geschehe. Der
Gebieter sprach: So wie der Palast der Unsterblichen anfänglich gebaut wird, bleibt er
die ewigen Geschlechtsalter hindurch unvei'gänglich, und man baut ihn nicht um. Hier
erging der Befehl des Kaisers Gen-gen , er gab mir den Auftrag und lässt diessmal
durch mich eine besondere Vorhalle des Palastes von Fo-rai herstellen. Du kannst die
Augen fest darauf richten und das Werk der Menschen sehen, — So belehrte er ihn.
Tsukitri-kafuru steht für ts/datri-kajuru ,uinbauen'.
Sitmi-nawa ittsi-mamori-miru-ni | subete nin-gen-ni stiru tokoro-to-iva koto-nite \ y^ yj (zin-
i-iki)-rdte tsukuran-ni-ica | fi-goro-wo fu-beki mono-ico-vio \ tomi-ni tsukuri-idaseru sama bon-
bi(-riu ojobu-beki-ni arazu. Snrai-naira idsi-miru aida-ni \ ijo-ijo mitsi-no -^ f^ (h-gi)-tco-zo
kiwame-keru. Subete koyio amata-no fll] \ (sen-nin) -tatsi \ aruzi-no okina-no wosije-no
mama-ni \ okonai-te \ jorodzu .somiiku koto-naku | mata kore-wo vjamo koto-mo fanqfadasi-
kere-ba | kono aruzi \ nami-nami-no se7i-nin-ni-iüa owase-zi-to omoi-jori-nu.
Sumi-nawa beobachtete sie. Anders als dieses bei dem Menschengeschlechte der
Fall ist, brachten sie das, wozu man bei dem Arbeiten mit Menschenkraft Tage brauchen
würde, eilends hervor, ein gewöhnlicher Mann konnte es nicht erreichen. Indem Sumi-
nawa dieses sah, erschöpfte er immer mehr die tiefe Weise des Weges. Diese vielen
unsterblichen Menschen handelten sämmtlich nach der Weisung des Greises, ihres
Gebieters, und es gab keine Art von Widersetzlichkeit. Da sie ihm ferner überaus
grosse Ehrfurcht bezeigten, war der Gedanke nahe, dass dieser Gebieter kein einfacher
unsterblicher Mensch von dem Range der übrigen sei.
Säte tsure-datsi-te \ so-ko-ioo idete vioto-no /Y> f^ (se6-mon)-wo iri-keru-ni \ dö-zi aica-
tadasi-ku fasiri-ki-te aruzi-ni mukai-te \ kua-kiü-no mesi ari \ tote ma-iri-tamaje-to ije-ba \
aruzi rjl M- (kin-fnku)-ioo aratamete \ idete jukan-to site \ sumi-naica-ni mukai-te \ omo-ni
nandzi u-e-taru-besi. fllj ^ (Sen-kai) nin-gen-to onazi-karane-ba \ '^ ^ (sioku - zen) - ico
mbkuru koto nasi tote \ do-zi-ni ^ fmeij-zite | niwa-nani, ^ i^ (rei-si)-wo f ori-te \ stimi-
2G4 Pfizmaieu,
nawa-ni ataje | ivare kajeri-kitnru inade | koko-ni ari-te matsu-besi-io i-i-fe | nodoka-ni njinii/'-
te-zo ide-juki-keru.
Als er endlich mit ilim den Ort verliess und in das früliero kloine Thor trat, lief
-ein Knabe in Hast herbei und sagte zu dem Gebieter: Es ergeht eine dringende
Berufuno-. Mö2,-et ihr hinkommen! — Der Gebieter wechselte das Kleid, trat heraus
und sagte, im Begriffe fortzugehen, zu Sumi-nawa: Wie icli glaube, wirst du hungerig
sein. Da es in der "Welt der Unsterblichen nicht wie bei dem Menschengeschlechte ist,
kann man keine Speisen aufstellen. — Er befahl einem Knaben, das in dem Vorhofe
wachsende Li-tschi zu pflücken vmd es Sumi-nawa zu geben. Er sagte noch: Warte hier,
bis ich zurückkomme! — Hiermit ti'at er, ruhig einherschreitend, hinaus.
Sumi-nawa kono rei-si-wo kui-miru-ni | "U" ^ (kan-b/)-iian( kofo \ tagid-nasi. Matsu-
mitsu-ni-mo kure-ivo je-sasc-ran-to ovwi-te \ tsiü-mon-no kata-je | ajumi-te idzuru-ni \ matsii-
initsU'iva matsi-i-taru fodo \ umi-tstdcarete | su-no ko-no kata-ni jori-te \ ßdzi-makio7'a-sife
nefuri-i-tari. Sumi-nawa se-wo utsi-te jobi-samasi-te \ kono tokoro nin-gen-to onazi-karazu
mu-rai-wo sti-be-karazic-to ije-ba | matsu-mitsu ^ Ä (fu-ki6)-ge-naru omo-motsi-site | sen-
nin-wa mono-wosimi-suru mono-ni-ja. Koko-ni kitari-te fida-toki amari-ni nari-nure-do \ fito-
nigiri-no i-i-wo dani atajezu. Kono ije-no tsukii,ri-zama-wo mire-ba \ takara-ni tomer it. ije
naru-beki-wo | wadziika - — ■ i(^ (itsi-ivanj-no i-i-wo dani wosimeru-u-a ( kokoro-nasi-no kata-i-
ni koso are. Waga ^jjj (si) toku kajeri-tamaje-to ije-ba | sumi-nawa ■^Ij (sei)-site | midari-
ni mono-na-i-i-so \ madzu kore-ico kitje tote \ ri-si-ivo idasi-te atbre-ba \ matsu-mitsu te-vi tori-
te 1 sate-mo o-oki-naru si-i-take-nite sorh. Nama-nite kuratva-ba | fara-wo-ja sukonai-nan-to
i-i-tsutsu I mono-fosi-kere-ba \ musa-musa-to kui-wowari-mt.
Als Sumi-nawa dieses Li-tschi kostete, war dessen AVohlgeschmack imvergleichlich.
Er gedachte, es auch Matsu-mitsu zukommen zu lassen, sclu'itt gegen das mittlere Thoi-
und trat durch dieses hinaus. Matsu-mitsu, von dem Warten müde, hatte sich der Flur-
matte genähert, den Arm unter das Hauj)t gelegt and war eingeschlafen. Sumi-nawa
gab ihm einen Schlag auf den Rücken, weckte ihn und sagte: Dieser Ort ist nicht wie
bei dem Menschengeschlechte. Man darf keine Unartigkeit begehen. — Matsu-mitsu.
mit dem Ausdi'ucke übler Laune in den Gesichtszügen, sagte: Sind die unsterblichen
Menschen vielleicht sparsame Menschen? Es sind mehr als zwei Stunden, dass wir hier
angekommen sind, doch sie geben uns nicht einmal eine Hand voll ßeisspeise. Wenn
man die Bauart dieses Hauses betrachtet, so muss es ein an Schätzen reiches Haus sein.
Indem sie einen winzigen Napf Reisspeise sparen, mögen sie gedankenlose Bettler sein.
Möge mein Lehrer schnell heimkehren. — Sumi-nawa wies ihn zurecht und sagte:
Spricli nicht Dinge auf's Geradewohl! Iss dieses zuerst! — Hiermit nahm er das Li-tschi
hervor und gab es ihm. Matsu-mitsu nahm es in die Hand und sagte: Dieses ist ja
ein grosser Buchenpilz. Wenn ich ihn roh esse, Averde ich mir den Magen verderben. —
Mit diesen Worten ass er es, gierig wie er war, verdrossen auf.
Kono rei-si nodo-too sugi-nure-ba \ ima-made mono-no fosi-kari-si kokor'o itsete \ fara-iio
titsi Au. /V t^E (sitsi-fatsi-ii-an)-no i-i-wo kui-taran kokotsi-to nari-nu. Kakaru-ni f|lj ^
(sen-do) ^ (zen)-ioo sasage kitari-te | mMsu-mitsu-ga maje-ni su-ete | iza toku kaki-soraje-to
iü. Matsu-mitsu S2tmi-natca-ni mukai-te \ kono toaraioa \ kaki-sbraje-to mbsu-wa | nani-goto-nite
sorai-jaran-to toje-ba \ sumi-naiva nandzi-ni mono-kuje-to iü koto-zo-to iü. Matsit-mitsu maju-ioo
tsidzime | kasira ufsi-ftiri-te | ika-de mono-no kuwarn.-beki \ fara-wa tsudzumi-no jb-ni nari-te
ari-to ije-ba \ sen-do-no iioaku \ kono loonoko /L X<^ (bon-zoku) nare-ba | nin-gen-no ^ (.<ioku)-
1
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 265
lüo ataje-jo-to | aruzi-no mbsarete suraje-ha \ koto-sara-ni kaku mhke-ide-taru nari-to in.
Matsu-miisu sara-ha tamawari-te \ notsi-ni koso tuhe-surawame tote \ warl-r/o tori-idete kano
uiDO-to i-i-ivo läd-ake-tsure-ba sen-dö-iva zen-xco viotsi-te anata-je iri-mi.
Als dieses Li-tsclii durcli die Kelile gegangen war, schwand die bisherige Esslust,
und er hatte das Gefühl, als ob er sieben bis acht Nilpfe voll Reisspeise gegessen hätte.
Indessen kam der unsterbliche Knabe mit Fleischspeise, stellte sie vor Matsu-mitsu imd
sagte : Wohlan ! Kratzet sie schnell ! — Matsu-mitsu fragte Sumi-nawa : Dieser Knabe
sagte: Kratzet! AVas wird dieses sein? — Sumi-nawa sprach: Er sagte zu dii-: Iss! —
Matsu-mitsu faltete die Bi-auen und sagte kopfschüttelnd: AVie lässt sich etwas essen?
Der Bauch ist gleich einer Trommel geworden. — Der unsterbliche Knabe sprach: Der
Gebieter sagte zu mir: Da dieser Mann die gemeine Sitte hat, so gib' ihm Speise des
Menschengeschlechts. — Desswegen richtete ich es absichtlich so her. — Matsu-mitsu
sagte: Da ich es also zum Geschenke erhalte, werde ich es später essen, — Hiermit
nahm er den Speisekorb und nahm den Fisch und die Reisspeise weg. Der unsterbliche
Knabe trat mit der Fleischspeise an dem anderen Orte ein.
^ (Koki)-tamaje ,kratzet' kommt noch in einem anderen Buche vor, wobei kakic
, kratzen' in dem Sinne von mono-kü , essen' gebraucht wird.
Tobe (ta-uhe) steht für iahe , essen'.
Utsi-akeru^ eigentlich , öffnen' hat den Sinn von ,leeren' oder ,wegnehmen'.
Sumi-naioa kono tsu-ide-ni | kono atari-no ke-siki min tote \ matsu-mitsu-ico tsnrete \ kado-
tuo idete \ mitsi-aru kata-wo jukn-ni \ i^ V (ki-gij-wa iama-ico tsii,rane-taru gotoku \ isago-
lua koto-gotoku kin-gin-no iro nari \ fumi-te ajumu-mo kata-zi-ge-naki kokotsi-su. Konata-ni
takaki tsui-dzi ari-te \ kado aki-tam tokuru ari. Jmcora iri-te mire-ha \ lootoko-wonna-no
naki-ko-e kikojn. Ibukasi-kere-ba \ kaki-no suki-ma-jori mire-ba \ ^ J\^ (ki-ninj-fo obosi-ki
fito-no I ^ (i)-arite | take-dokesi-ki-ga \ sudare-no utsi-ni tatsi-tamai \ i^ ^ (sa-iü)-ni
kioan-nin-to obosi-ki fito-bito ^|J (retsu)-ico tadasi-te za-si-tamajeri.
Sumi-nawa sagte: AVir werden uns bei dieser Gelegenheit die Gegend ansehen. —
Er trat in Begleitung Matsu-mitsu's bei dem Thore heraus und wandelte an einer Seite,
wo sich ein Weg befand. Die Bäume waren, als ob man Edelsteine in Reihen gestellt
hätte, der Sand hatte insgesammt die Farbe von Gold und Silber, und sie hatten, als
sie darauf traten, das Gefühl grosser Freude. Hier befand sich eine hohe Mauer und
eine Stelle, an welcher ein Thor geöffnet war. Als sie leise eintraten und sich umsahen,
hörten sie einen Mann und ein Weib weinen. Als sie, liierüber verwundert, durch
eine Ritze der Mauer blickten, stand ein Mensch, der ein vornehmer Mensch zu sein
schien, machtvoll und kühn hinter der Thürmatte. Zur Rechten und Linken sassen
mehrere Menschen, welche Obrigkeiten zu sein schienen, in geraden Reihen.
1^ ~f» (Kai-kaJ-ni tootoko-wonna fiitari-ivo su-e-oki-te \ itakn nori-te oivasu. Mimi-wo
tsükete kiki-ba | ki-iiin-no ijeraku \ nandzi ßsoka-ni fu-fu-to nari-te \ f|l| ^ (sea-to)-no oki-
te-ni somuki-tari. Sikasi-nagara ^ ^ (dzin-jen)-no tsiddzani tokoro ikan-to-mo su-beki-ni
arazu. Ima-jori nandzi-ra-xvo ^ ^ (jokkai)-ni kudasi-te fu-fu-to nasasimen. ^ (G6)
tsuki-taran-ni-ica \ futa-tabi kono tokoro-je miüiaje-ten-to no-tamaiva-ba | nan-nio-no sen-nin
sasi-idsumuki-te iraje dani sezu | naki-sidzumi-woru saina nari.
Sie stellten die zwei Menschen, den Mann und das Weib, unter die Stufen und
schalten sie heftig aus. Jene hielten das Ohr hin und horchten. Der vornehme Mensch
>prach : Ihr wurdet heimlich Mann imd Weib und handeltet den Gesetzen der Haupt-
Ucnkschriften der phil.-hist. Cl. XX.VI. Bd. 31
Oßß iFIZUAIEH,
Stadt der Unsterblichen zuwider. Unter solchen Umständen kann man es, wie es auch
sei, nicht bewerkstelligen, dass das Verhältnlss des Staubos nicht ein Ende habe. Von
nun an schicke ich euch zu der Gränze der Begierden herab und lasse euch j\lann und
^^■eib werden. Wenn eure Beschäftigung zu Ende ist, werde ich euch zum zweiten Male
an diesem Orte empfangen. — Die zwei Unsterblichen, der Manu und das Weib, warfen
sich zu Boden und zerflossen, ohne einzuwilligen, in Thränen.
Sitmi-nawa masii-masv, fu-si-gi-ni ovioi-te \ kono nan-nio-wo mire-ba \ utsukusi-ku taioo-
jaka-niic \ ai-gio koboruru bakari nare-ba \ makoto-ni bi-zin-to-ioa \ kakaru fito-ico koso iü-
be-kere-to \ iLtsl-omoi-ivoru-ni \ ki-nin otogai-wo ugokasi-te \ kafaicara-nu fito-ni me-kubase-
feba 1 kataicara-no fifo tatsl-te \ fata-tsu-nu fisago-wo tori-klete \ ki-nin-no maje-ni oki-tsu.
Kono kataicara-no ßo-tco mire-ba \ saki-ni wa7-e-wu mukaje-taru aruzl-no okina narl. Sate-
wa I mesi ari tote \ ide-juki-tamai-si-ioa \ koko-ni ki-tamajeru nari-to omoi-jori-nu.
Sumi-nawa gerieth immer mehr in Verwunderung und warf den Blick auf diesen
Mann und auf das Weib. Sie waren schön und schmächtig und waren in Liebe gebrochen.
Er dachte sich : In der That schone Menschen muss man solche Menschen nennen ! —
Der vornehme Mensch bewegte jetzt das Kinn und richtete das Auge auf einen zur
Seite befindlichen Menschen. Der zur Seite befindliche Mensch erhob sich, nahm zwei
Kürbisse hervor und legte sie vor dem vornehmen Menschen nieder. Als Sumi-nawa
diesen zur Seite befindliehen Menschen betrachtete, war es ein Greis, der Gebieter, der
ihn früher empfangen hatte. Es fiel ihm ein, dass derselbe, als er gerufen wurde und
hinausging, hierher gekommen war.
Ki-nin mata iivaku kono futa-tsu-no fisago-iva nandzi-ra-ni fito-tsu-bito-tsu atoru nari.
/t 0 (bon-jen) tsuki-nan toki fida-tabi motsi-kajeru-besl. ümare-iden tokoro-tt-a ^ |§
•^ fW (nan-sen-bu-siii) dai-nippon-goku-no utsi-nite \ ivonna-iva ^ ^^ (ki-zoku)-no ije-ni
nmarn-besi. Wotoko-iva ^ gl (to-goku)-no ijasi-ki tami-nite aran. Toku oi-jare-to no-
tamaje-ba \ niwa-ni nami-i-taru f|ll ^ (sen-sotsu) tatsi-agari-te \ ßdari-nu nan-nio-no te-ioo
tori-te I sa-m-ni tvakatsi-te \ ßttate-juku. Wonna-wo-ba nisi-no mine-no kata-ni fiki-juku sama
nari \ ivotoko-ivo-ba sumi-nawa-ga nozoki-i-taru kata-je fiki-tsurete idzure-ba \ sumi-natva
inatsio-mitm-mo osorosi-kere-ba \ kata-je-no ki-ni soi-te \ kahire-i-mi.
Der vornehme Mensch spracli wieder: Vun diesen zwei Kürbissen gibt man einem
Jeden von euch einen. Wann das gemeine Verhältniss zu Ende sein wird, könnet ihi-
zum zweiten Male mit ihnen zurückkehren. Der Ort eurer Geburt wird in dem Land-
striche des südlichen Sen-bu, in dem grossen Reiche Nippon sein. Das Weib wird in
dem Hause eines vornehmen Geschlechtes geboren werden. Der Mann wird ein Mensch
des niedrigen A^olkes der östlichen Reiche sein. Verjaget sie schnell! — Nachdem er
dieses gesagt, erhoben sich die in dem Vorhofe in Reihen sitzenden unsterblichen Leute,
ergriffen Beide, den Mann und das Weib, bei den Händen, trennten sie nach rechts und
links und zogen sie fort. Das Weib zogen sie nach der Gegend des westlichen Berg-
gipfels. Den Mann zogen sie in Gemeinschaft nach der Gegend, wo Sumi-nawa spähend
weilte. Sumi-nawa und Matsu-mitsu, in Furcht gerathend, schmiegten sich an die zur
Seite befindlichen Bäume und verbargen sich.
Nan-sen-bu-siO ,der Landstrich cles südlichen Sen-bu', auch nan-jen-bu-dai ,der Damm
des südlichen Jen-bu' oder einiach jen-bu-dai genannt, ist die irdische "Welt.
Sen-sotsii toku kore-tvo mi-tsukete \ fitori fasiri-kite \ nandzi-ra ika-narn koio-nite \ kimo-
futoku I kono tokoro-ni-wa iri-ki-tsuru-zo-to iü. Sumi-nawa tsi-ni fire-fusi-te \ icare-tcare-ica
Die Geschichte einer Seelenwanderüng in Japan. 267
hasiko-ni ^ Z^ (siju-i)-ivo ki-tamajerii ^ ^ (ro-sen)-no ije-ni \ ima-fodo via-iri-woru
mono nari. Jtnnisase-tamaje-to i-i-tsutsu \ te-ico fitai-ni atete ivogame-ha \ sen-sotsu utsi-
warai-te \ nandzi-ra kono tokoru-ni kitareru koto | ivare toku ^ f|lj (ro-sen)-no mono-ga-
tari-nite kiki-tari. Nandzi-ra-wa %\\ ^\- (sei-guai)-no /t i^ (bon-zoku) nare-ha \ idzu~kata-
ni iri-kitaru-to-mo \ togamuru koto nasi-to iü.
Die unsterblichen Leute entdeckten sie schnell. Einer von ihnen lief hinzu und
fragte: Aus welchem Grunde seid iln- frech an diesem Orte eingedrungen? — Sumi-
nawa legte sich auf die Erde und sagte : Wir sind die Menschen, welche dort so eben
in das Haus des in ein Jiellrothes Kleid gekleideten alten Unsterblichen gekommen sind.
Verzeihet uns ! — Hiermit legte er die Hand an die Stirne und verehrte ilm. Der unsterb-
liche Mann lachte und sprach : Dass ihr an diesen Ort gekommen seid, habe ich schnell
aus dem Berichte des unsterblichen von Lu erfahren. Da ihr ausserhalb der Anordnungen ste-
hende gemeine Menschen seid, so mögetihr wo immer eintreten, man zeiht euch keinerSchuld.
Kono koto-ivo kiki-fe \ sumi-nawa matsn-mitsu-mo o-oki-ni kokoro otsi-tsuki-te | kano sen-
nin-tatsi-no siri-ni tatsi-te j jiiki-te mi-baja-to omo kokoro ide-ki-Jiu,. Sen-sotsu-ra-tca \ kano
^ ^ '^ (b'i-nan-si)-no sa-iu-no te-wo tori-te \ ßta-sura-ni fiki-juku sama \ atari-ni ito-
ifosi-kari-kere-ha \ sumi-naioa siisnmi-idete | tvare kano icakaki o-kafa-wo | oi-tate-matsuri-te \
ma-ira-baja-to ijc-ba \ sen-sotsu-ra | nandzi zi-fi-no kokoro ari ^ ^ (sia-süi) nari. Sara-
ba kare-ni oivase-jo tote \ wakaki ßto-tco sumi-natüa-ni otcase-ts/t. So7io toki mnt.m-mitsu sono
■>n-ßsago-wa | onore motsi-te ma-iru-besi tote | te-ni tori-te \ tomo-ni fasiru. Kono ßsago-to
i/'i-ioa I kame-no kaiatsi-site \ uje-ni kusari-ico tsunagi-oki-tari. Isi-ni-ja aran \ sono ^
(sitsu)-iüa siri-gata-kere-do \ ito karoki mono nari.
Als Sumi-nawa und Matsu-mitsu dieses hörten, waren sie sehr beruhigt. Sie gingen
diesen unsterblichen Menschen nach, und es entstand bc! ihnen der A\\insch, es zu
sehen. Die unsterblichen Leute nahmen diesen schönen Mann bei beiden Händen
und führten ihn fort, was einen traurigen Anblick gewährte. Sumi-nawa trat vor und
sagte : Ich möchte diesen jungen Mann tragen und mit euch gehen. — Die unsterblichen
Leute sprachen : Du hast ein mitleidiges Herz, es ist etwas Vortrefl'liclies. Man lasse
ihn also durch ihn tragen. — Sie liessen jetzt den jungen Menschen durch Sumi-nawa
tragen. — Zu gleicher Zeit sagte Matsu-mitsu : Ich werde diesen Kürbiss nehmen und mit-
gehen. — Er nahm ihn in die Hand und lief mit. Dieser Kiirbiss war von der Gestalt
eines Topfes und war oben an ihn ein Schloss angebunden. Aus welchem Stoffe er war,
ob vielleicht aus Stein, Hess sich nicht erkennen, doch er war sehr leicht.
Matsu-mitsu ßtori-no sen-nin-ni mukai-te \ kono ßsago-wa nani-no tame-ni motsiüru mono
litte sbrb-ka-to toje-ba | kano sen-nin kotajete i-i-keru-ica \ sen-kai-nite ■^ -^ (kin-t anj-to in
kusuri-wo neru koto ari. Kore-iva nandzira-ga gotoki /t ^ {bon-zoku)-nite-mo \ kono ku-
suri-iüo nomi-nure-ba | tadatsi-ni f(l| (sen)-to naru koto nari. Kono kusuri-wo neru fodo
ojoso san-blak//-nen bakari-wo fezare-ba \ ^ (tan)-to naru koto atatoazu. Kano nan-nio-no
sen-nin kono kin-tan-tuo neri-tsukuru-beki ^ (jaku)-tüo komuri-te ari-nagara | ßsoka-ni imasi-
lüo wokasi-te \ sinobi-ai-keru-ni-jori \ kono kegare-nite \ kin-tan fodobasiri-te \ isasaka kanabe-
ni nokoru koto nasi. ^ ^ (Tan-jaku) tsutsuga-naku J^ |^ (zio-ziüj-se-ba j kono ßsago-
ni mori-te \ takiacb-beki-tco | kano nan-nio ^ (f^ywo ivokasi-mtre-ba \ kaku sen-kai-ioo \ oi-
jaru nari-to katarti.
Matsu-mitsu fragte einen unsterblichen Mensclien : Wozu braucht man diese Kür-
bisse? — Der unsterbliche Mensch antwortete: Innerhalb der Gränze der Unsterblichen
34*
2G8
Pfizmaieu.
läutert man ein Arzneimittel, welches Goldmennig genannt wli-d. Wenn gemeine Menschen,
wie ihr seid, dieses Arzneimittel trinken, werden sie auf der Stelle Unsterbliche. Wenn
bei der Läuterung dieses Arzneimittels nicht dreihundert Jahre vorübergehen, so kann
es nicht zu Mennig werden. Diese zwei Unsterblichen, der Mann und das Weib, ver-
richteten den Dienst, wobei sie diesen Goldmennig durch Läuterung herstellen sollten.
Sie übertraten das Verbot und verbanden sich im Geheimen. In Folge dieser Unreinheit
lief der Goldmennig über, und es blieb niclit das Geringste in der Pfanne übrig. Wenn
man das Arzneimittel dos Mennigs ohne Unfall zu Stande bringt, kann man es in diese
Kürbisse füllen und aufbewahren. Jener Mann und das AVeib haben das Gesetz über-
treten, und man verjagt sie somit aus den Gränzen der Unsterblichen.
Motsu-mitsu kiki-te | sate-tca Ud-setsu-no kusuri-ioo iruru fisago-nite koso suraje. Nani-
tote kano nan-nio-ni \ kono ßsago-ioo adzuke-tamb-ni-ka-to toje-ba \ sen-nin sate-sate urusaku
semete tu icotoko kana. Kono fisago-ica kare-ra-ga nin-gen-nl ^^ (taij-ivo jadosi-te \ säte
notsi futa-tabi \ kono sen-kai-je kajerl-kitaran tokl \ tsuUuga-naku kono ßsago-ivo motsi-kitara-
zare-ba I f|Jj (senj-fo naru koto ataivazu. Musi kono ßsago-ni isasaka-no kizu dani tsuki-te-
mo I moto-no kiorai-no sen-nin-to-ioa nari-gatasi-to iü. Matsu-mitsu ivaga "j^ |||5 (ko-kio)-
nite-ica \ kakaru fisago-ni-iva sumi ta-don nado-wo koso takuwaje-suraje. Ka-bakarl-no mono-
ivo dani \ sen-kai-nite-wa | dai-zi-to si-tamo-ni-ja-to i-i-te \ azaioarai-nu.
Als Matsu-mitsu dieses hörte, fragte er: Also sind es die Kürbisse, in welche man
das hochgeschätzte Arzneimittel füllt. Warum vertraut man dem ]Manne und dem Weibe
diese Kürbisse an? — Der unsterbliche Mensch sprach: Ei! Ein auf lästige Weise aus-
fragender Mann! AVas diese Kürbisse betrifft, so beherbergen jene bei dem Menschen-
geschlechte einen Mutterleib. Wenn sie später zum zweiten Male nach dieser Gränzo
der Unsterblichen zurückkommen und sie nicht ohne Unfall diese Kürbisse bringen, so
können sie keine Unsterblichen werden. Wenn diesen Kürbissen nur der geringste Makel
anhaftet, so ist es unmöglich, dass sie unsterbliche Menschen von ihrer ursprünglichen
Rangstufe Averden. — Matsu-mitsu verlachte ihn, indem er sagte: In meiner Heimath
hebt man in solchen Kürbissen Kohlen und Kohlenkugeln auf. Legt man auf dergleichen
Dinge an der Gränze der Unsterblichen vielleicht grossen Wertli?
Säte itsi-ri amari juki-keru-ni \ kagiri-mo naki takaki jama-ni itari-nu. Koko-nite oi-
taru fito-iüo orosase-keru-ni \ ivakaki fito-iva utsi-skvo-tarete \ mono-ico dani iwazu. Ika-ni
sitru-ni-ka-to sumi-ncnca matsu-mitsu-mo me-wo fnnatazu maraori-wore-ba \ sen-sotsu-ra \ kano
u-akakl ßfo-wo \ kake-dzi-ni ite juki-te \ suwa-to i-i-sama \ tani-no sita-je tsuki-otosi-nio. Iku
tsi-firo-to-mo sirezaru \ vii-tani nare-ba \ mi-dzin-ni kudakete-ja ^ (si)-si-nnran-to \ sumi-
7iawa-iüa ito-icosi-to-zo /-i-i-ta7'i-keru. Matsu-mitsu te-ni motsi-taru fisago-ivo sasagete | kore-
ica ika-ni si-tanto-zo-to ije-ba \ sen-nin-tatsi odoroki-te \ kono fisago-wa | kare-ni motase-tsuka-
tvasii-beki-ii-o | fu-Un-naru koto-ioo si-fsuru kana-tu \ ono-ono itaku odzi-taru sama nari.
Nachdem man über eine Weglänge weit gegangen war, gelangte man zu einem unendlich
hohen Berge. Hier Hess man den auf dem Eücken getragenen Menschen herabnehmen.
Der junge Mensch vergoss eine Fluth von Thränen und sprach nicht ein Wort. Sich
fragend, wie es enden würde, beobachteten Sumi-nawa und Matsu-mitsu mit unverwandten
Augen. Die unsterblichen Leute führten den jungen Menschen zu einem hängenden Wege,
sagten : So ! und stiessen ihn in diesem Augenblicke in das Thal lilnab. Da es ein tiefes
Thal, man wusste nicht von wie vielen tausend Klaftern Tiefe Avar, sagte Sumi-nawa mit
Bedauern, er werde zu Staub zermalmt und todt sein. Matsu-mitsu reichte den in der
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 269
Hand gehaltenen Kürbiss hin und fragte : Was thuet ihr mit diesem ? — Die unsterb-
liclien Menschen erschracken und sagten : Diesen Kürbiss hätte man mit ihm fortschicken
sollen. Wir haben eine bedauernswerthe Sache gethan ! — Ein Jeder zeigte sich sehr furchtsam.
Kake-dzi, sonst jama-no kaJce-dzi ein , angehängter Gebirgsweg' genannt, ist ein aus
angelegten Steinen gebildeter Weg (isi-ico watasi-kake-tarii mitsi). Nach einer Erklärung
hat es den Sinn von ^ ^ kake-dzi , Lückenweg'.
Sumi-nawa-ga iicaku j ima-no fodo \ nage-otosi-tamaica-ba \ jorosi-karii-hed-to ije-ba
ßtu-bito aza-warai-te \ kare fani-iro fanaruru-jori | fajaku nin-gen-ni ^q (taij-ico jadod-nu.
Ima-ica kare hon-vin-to nari \ ^ (sio)-wo kaje-nure-ba j fi i\\i (sin-sen)-no ^ ^j (do-
ziutsu) use-nu. Kono fisago nage-jari-tari-to-mo | kare-ga moto-ni itario koto katasi. Kore-ioa
ware-tcare •^ '^ (mei-rei)-ni somuki-taru tsmni sari-dokoro nasi-to \ ono-öno ßtai-ivo atsu-
meie ] kujami-tcore-ba | sumi-nawa-ga iicaku | loare-ware saiwai /t, ^ (bon-kai)-ni sumi-
shraje-ba \ kano fito-no juku-je-ivo tadzunete | kono fisago-wo loatasi-mosan-wa ika-nl-to ije-
ba I ono-ono te-ico utsi-te | kore-wa ßtoje-ni nandzi-ni makase-ten. Ware-ivare flljl jM. (zin-
tsü)-u-o motte \ kare-ga, moto-ni itaran-wa | jasu-kere-do | sen-kai-ni oki-te ari-te \ fosi-i-mama-
ni nin-gen-ni itaru koto-ivo imasime-tare-ba | ta-jasuku juki-itaru koto katasi. 0-koto tasika-
ni tcatasi-te-tamaje-to iil.
Sumi-nawa sagte : Wenn ihr ihn gleich jetzt herabwerfet, kann es gut sein. — Alle
verlachten ihn und sagteii : So wie er das Thal verlässt, hat er schon bei dem Menschen-
geschlechte einen Mutterleib beherbergt. In diesem Augenblicke ist er ein gemeiner
Mensch geworden. Wenn er das Leben gewechselt liat, ist die Kunst des Weges der
wahren Unsterblichen verloren gegangen. Man mag diesen Kürbiss immerhin auswerfen,
es ist unmöglich, dass er zu dessen Aufenthaltsorte gelangt. Wir können liier der Schuld,
gegen die Befehle ungehorsam gewesen zu sein , durch nichts entkommen. — Alle
brachten einander die Stirne nahe und empfanden Reue. Sumi-nawa sprach : Wir wohnen
zum Glück in der gemeinen Welt. Wie wäre es, wenn wir den Ort, wohin sich dieser
Mensch begeben hat, aufsuchten und ihm diesen Kürbiss brächten? — Alle schlugen in
die Hände und sagten : Dieses werden wir einzig dir überlassen. Es ist zwar leicht, dass
wir durch den göttlichen Verkehr zu dessen Aufenthaltsorte gelangen, jedoch in der
Welt der Unsterblichen gibt es Gesetze. Da es verboten ist, nach Willkür zu dem
Menschengeschlechte zu kommen, so ist es unmöglich, ohne Weiteres hinzugehen. Möget
ihr gewiss ihn überbringen.
Sumi-naiüa kano ßsago-wo tsutsumi-ni tsutsumi \ mi-dzukara oi-te sen-nin-ni ivakare |
matsu-mitsu-tco tsurete | jama-wo kudari-te \ moto-no y^ fjlj (rb-senj-no ije-ni-zo kajeri-keru.
Aruzi-no okina ide-i-ni \ matsi-tsuke-worn-te \ nandzi jama-ni itari-tc \ fisago-wo uke-tori-te \
kajeri-kitaru naran-to iü.-ni \ kakusu-beki narane-ba | ari-no mama-ni | koto-no sama-ico nobe-
kere-ba \ aruzi unadzuki-te \ sa-zo aran \ nandzi ^ ^ (dzin-kai)-ni kajera-ba tagai-naku |
kano fito-ni watasi-tsukawasu-besi. Mosi ajamari-te | ^ f^ (ten-ki)-ni tagawa-ba o-oi-narit
tvazawai aru-besi-io ije-ba \ sumi-nawa ika-de somuki-tate-matsuran \ säte toi-tate-matsuri-taku
zon-zi-sbro-wa | ima-no fodo | _t. ^ (zib-za)-ni owase-si iatloki on-fito-wa \ ika-naru on-kata-
ni-ka-to toje-ba | aruzi-ga iwoku \ kano ki-nin-wa ^ "^ (gen-gen)-kub-tei '^ _t. (da-zib)
^ ^ (r6-kun)-nite owasi-masu. Nandzi kata-zi-ke-nakit-mo j saiwai-ni ^ (fai)-si-tate-ma-
tsuru koto-ico je-tari-to kotaje-nu.
Sumi-nawa wickelte diesen Kürbiss in einen Bündel und trug ilm eigenhändig. Von
den unsterblichen Menschen sich trennend, stieg er, von JMatsu-mitsu begleitet, den Berg
270 Pfizmaikb.
liliiub und kehrte zu dem Hause des früheren alten Unsterbliclicn zui-ück. Der Greis und
Gebieter hatte ihn an dem oberen Sitze erwartet und sagte zu ihm: Als du in das Gebirge
kamst, wirst du einen Kürbiss erhalten haben und mit ihm zurückgekehrt sein. — Jener
konnte es nicht verheimlichen und erzählte, wie die Saclie sich verhielt. Der Gebieter
nickte mit dem Haupte und sprach: Also wirst du, wenn du in die Welt des Staubes
zurückkehrst, ihn ohne AViderrede diesem Mensclien überbringen. Wenn du dich irrst
und von den .Triebwerken des Himmels abweichst, wird grosses Unglück entstehen. —
Sumi-nawa sprach: Wie könnte ich ungehorsam sein? Ich möchte jedoch eine Frage
stellen. Was für ein Mensch ist der vornelime Mensch, der eben jetzt an dem oberen
Sitze sass? — Der Gebieter antwortete: Dieser vornehme Mensch ist der Kaiser Hiuen,
siuen, der höchste Gebieter von dem Geschlechte Lao. Du hast das seltene Glück erlangt,
ihn verehren zu dürfen.
Säte db-zi-ni o-o-sete \ kanna kiri nomi nolco-giri loono kana-dzxitsi \ suhete takumi-no
gu-domo tori-sorojete \ sumi-nawa-ga maje-ni narahe-sasete | kono tabi-no ^ (7'o)-ni \ nandzi-
ni kore-ioo atbru nari. Kono gu-wo motte \ mono-ivo tsukuran-ni-wa \ nandzi-ga te-ivaza ima-
made-ni fiaku-bai-site \ sono itj/ (meöj-ivo tsukusu-besi-to ije-ba \ sumi-nawa jorokobi-ni ta-
jez\i I faricka-ni sisari-te | amata-iabi nuka-dzuki-te wogamu.
Er befahl einem Knaben, alle Zimmerwerkzeuge, Hohel, Bohrer, Meissel, Säge, Axt
und Hammer herbeizuschaffen und Hess sie vor Sumi-nawa in Reihen stellen. Dabei sagte
er: Zur diessmaligen Bewillkommnung schenke ich dir dieses. Wenn du mit diesen
Werkzeugen arbeitest, wird deine Geschicklichkeit hundertmal grösser sein als bisher,
und du wirst ihr Wundervolles auf das Aeusserste bringen. — Sumi-nawa, vor Freude
sich nicht fassend, wich weit zurück, schlug die Stirn vielmals gegen den Boden und
hezeigte seine Verehi'ung.
Säte mosi-keru-iva \ ka-bakari ari-gataki jjjfp f|lj (zin-sen)-ni ai-tate-viatsiiri-nuru koto j
^ ^ (sib-gaij-no jorokobi kore-ni sugi-laru koto sbrawazu. Ika-de on-na-wo kikase-tamaje-
to ije-ba \ ru-sen-no ijeraku | nandzi-ni nani-ivo-ka tsutsumu-beki | tvare-wa kara-hini-ni ßto-
io nari-te \ fi fsci)-tna ^ $|j (ku-siu)-nite \ na-nri ^ fan-to in mono 'nari. ^ [Q (Eo-
koku)-nite mnare-tare-ba \fito ivare-wo jonde | ^ ^ (ro-fan)-to ^ (si6)-si-tari-ki Onore
nin-gen-ni aru toki \ takumi-no waza-ti-o konomi-te \ o-oki-naru mono-tca ^ ^ (den-kaku)
t^ Ä (ro-tai) ^ ^ (keo-rib) \ säte /Y> (seo)-naru mono-iva \ j|ö '^ (sen-sija) ^ M
(ki-bei)-no tagui-ico \ tsukuru-ni \ fito sono takumi-wo fomete \ flp (sin)-to ^ (sib)-zezaru
mono na-kari-ki. Notsi-ni ^ j^ (dzin-sei)-v:o itoi-te | "^ j|| (kb-tb) ^ ^ (un-mu)-no
aida-ni kakiire | tsui-ni fö-rai-ni itatte | ^ (kioj-wo sime-tari. Nandzi-ga mitsi-ni kasikoku
katsu kokoro-zasi-no l§^ (tsijoku)-naru-ni kan-zite \ kaku jobi-mnkajete | kono gu-domo-ico jn-
dzuri-tsiikaicasu nari. Nandzi dzin-sei-ni tatsi-kajeri-te-mo \ sen-kai-no koto-wo , motte \ fii-tsu-
ni fito-ni mukai-te \ kataric-be-karazn \ maia kano nan-nio-no f(l| (sen)-ni meguri-b-to-mo | sen-
nin-no ^ ^^ (siu-kon) nari-to iv kolo kanarazu kafari-tsugu-be-karaz7i-to iü.
. Endlich sagte er: Dass ich einem so wundervollen göttlichen Unsterblichen begegnet
bin, es ist die Freude meines ganzen Lebens, es geht nichts darüber. Wie nennt ihr
euch mit dem hohen Namen? — Der alte Unsterbliche sprach: Was soll ich vor
euch verbergen? Ich bin in dem chinesischen Reiche aufgewachsen. Ich bin ein Mann
mit dem Geschlechtsnamen Kung-schü, mit dem Namen Puan. Da ich in dem Reiche
Lu geboren bin , nannten mich die Menschen Lu-jiuan. Zur Zeit als ich unter dem
Menschengeschlechte lebte, liebte ich das Zimmerhandwerk. Von grossen Dingen baute
Die Geschichte einer Seelenwandekunö in Japan. 271
ich Vorliallen und Warten, Söller und Erdstufen, Brücken und Wehre. Von kleinen
Dingen verfertigte ich Schiffe vuid Wagen, Geräthschaften, Gefässe und Aehnliclies. Die
Menschen priesen diese Kunst und es war nichts, das nicht göttlich hervorgebracht
worden wäre. Später ward ich der Welt des Staubes überdrüssig und verbarg mich in
dem Yün-mung in Kao-thang. Zuletzt kam ich nach F6-rai und nahm daselbst meinen
Aufenthalt. Ich hatte Achtung vor deinem W^ege und bewunderte überdiess das Gerade
deiner Vorsätze. Somit i'ief ich dich herbei, empfing dich, und ich überlasse dir diese Werlc-
zeuge. Wenn du in die Welt des Staubes zurückkehrst, darfst du die Dinge der Gränze
der Unsterblichen durchaus nicht den Menschen sagen. Wenn du ferner jenen zwei Un-
sterblichen, dem Manne und dem Weibe, im Umherziehen auch begegnest, darfst du ihnen
nicht sagen, dass sie von der Saat und der Wurzel der unsterblichen Menschen sind.
Sumi-nawa kokoro-ni omoi-keru-iüa \ u-are-v:a ^» (fi)-sHe kataru-niazi-kere-do j inatsu-
mitsu mosi nin-gen-ni morasu kolo-mo-ja aran-to i^ Fp (sin-tsiä)-ni umoi-megurasi-kerii-
ivo I ^ fllj (ro-sen) fajaku satori-te \ nandzi-ga mesi-tsure-taru iconoko | kutsi-saga-naki jatsu
nare-ba \ fito-ni fare-sirasan-wa \ itsi-dzio seri. Kare-wa loare fakarb-heki mune ari | nandzi
kokoro-ivo tsukb koto na-kare. ^ (Jo)-mo fuke-nu \ tsibkare-taru-be-kere-ba toku ine-jo-to i-i-
te oku-sama-je iri-nu.
Sumi-nawa dachte sich : Ich werde es wohl geheim halten und nichts sagen, allein
es wird vielleicht geschehen, dass Matsu-mitsu es unter dem Menschengeschlechte ver-
lauten lässt. — Während er dieses bei sich überdachte, hatte es der Unsterbliche von
Lu bemerkt und sagte : Der Mann, den du mit dir genommen hast, ist ein Sclave von
unseliger Rede. Dass er es den Menschen bekannt geben wird, ist gewiss. Hier habe
ich ein Mittel, wodurch ich ßath schaffen kann. Sei desswegen unbekümmert. Es ist
auch spät in der Nacht, und da du ermüdet sein musst, so gehe schnell schlafen. —
Hiermit trat er in das Innere des Hauses.
Sumi-naioa matsu-miisu-ico jobi-te | kataioara-ni fusasime j onore-mo ^ (ku)-zi-keru mama\
.sibasi nemuri-keru-ni \ fodo-mo naku | ro-sen-no ko-e-nite | fokii, okl-idete j6-i-se-jo-to iu ko-e-
su. Me-wo firaki-te miru-iü | ro-sen narabi-ni dö-zi-ra rio-san-nin \ katawara-nl tatsi-te ari.
Odoroki-oki-tatsi-te \ kinu morai-si mono-nado fito-fsti-ni isutsiimi-te \ sumi-naiva ro-sen-ivo ^
(fai)-site 1 ari-gafaki on-kajeri-mi-wo \ koinuri-soro koto \ nobe-kikoju-beki kata-nio sdraioazu-to
iu. Ro-sen kasanete ijeru-wa \ nandzi-ra wadzuka-ni — " ft -^ (itsi-tsiü-ja)-ivo sitgusi-nure-
do I nin-gen- fö; (sei)-nite-ica | ziü-go-nen bakari-tco sugusi-nu. Toku isoge tote | dö-zi-ni -gp
(mei)-zite \ an-nai-sasete \ ro-sen tsiiL-mon made okuri-te \ futa-tahi sitsi-ziü-nen-wo sugusi-na-
ba I nandzi kono tokoro-ni kifari-te | icare-fo tomo-ni mitsi-ico f|^ siu-su-beki-to i-i-te \ vakare-
iro nasi-nu.
Sumi-nawa rief Matsu-mitsu und liess ihn zur Seite sich niederlegen. Er selbst,
müde wie er war, schlief nach einer Weile ein. Es währte nicht lange, so rief die
Stimme des Unsterbliclien von Lu: Erhebe dicli schnell und bereite dich! — Als er
die Augen öffnete und aufblickte, stand der Unsterbliche von Lu mit zwei oder drei
Knaben an seiner Seite. Sumi-nawa erhob sich erschrocken , packte die Gegenstände,
welche er an dem gestrigen Tage erhalten hatte, zusammen und verbeugte sich vor dem
Unsterblichen von Lu. Er sagte: Dass ich eures kostbaren Blickes gewürdigt werde, konnte
icii auf keine Weise erfahren. — Der Unsterbliche von Lu sagte noclimals: Ihr habet
kaum einen Tag und eine Nacht verbracht, doch in dem Zeitalter des Mcnschen-
geschleclites habet ihr fünfzehn Jahre verbracht. Beeile dich sehr! — Er befahl einem
272 Pfizmaief.
Knaben, den Führer zu machen. Der Unsterbliche von Lu begleitete ihn bis zu dem
mittleren Thorc mid sprach: AVenn du zum zweiten Male siebenzlg Jahre verbracht
luxst, wirst du an diesen Ort kommen und mit mir zugleicii den AVeg üben. — Hiermit
bewerkstelligte er die Trennung.
Sicmi-7iau-o amata-tobi fiosi-ivogami-tsutsu \ dö-zi-ico saki-ni tatete \ klete juld-keru-ni j
klnh kitarerii ioki-ica \ sa-bakart jj;^ |M. (ken-so)-varv jama-ico kojc-tari-si-ni \ kono tabi-ica
isasaka sa-jo-no keicasi-ki tokoro-mo naku \ sibasi-no fodo-ni saka-aru tokoro-ni itari-rm. Du-
zi-ga iicaku \ kono saka-uv kudari-na-ba \ nandzi-ga ije-tsikaki-ni ari. Ware-wa kore-jori
kajeri-inan-zn tote \ moto-no mitsi-je jiikii-zo-to mije-keno-ga \ fajaku katatsi-wo mi-usinai-rm .
Sumi-nawa. oftmals zu Boden fallend und seine Verehrung bezeigend, stellte den
Knaben voran, trat hinaus und zog fort. Als sie gestern kamen, hatten sie einen so
steilen Berg überstiegen. Diessmal war nicht im Geringsten ein solcher abschüssiger
Ort vorhanden, und sie gelangten nach kurzer Zeit an einen Ort, der eine Bergtreppe
besass. Der Knabe sagte : Wenn du diese Bergtreppe hinabsteigst, bist du nahe bei
deinem Hause. Ich wei-de von hier aus zurückkehren. — Man sah, wie er sich mit
diesen AVorten auf den früheren AVeg begab, und seine Gestalt entschwand bald ihren
Blicken.
Matsti-mitgu mi-okur^i-te \ sen-nin-iva i. ^ (go-koku)-iüo tatsi-te kuraivazu-to kiki-si-ga j
makoto-nite ari-keri. Kome-no atai-no takaku nobori-taru koro-u-a \ sen-nin koso urajamasi-
kere-to \ tsubujakzi. Säte saka-ivo kudari-fatete sihasi kata-je-no ki-no ne-ni siri-kakete \ ja-
sumu fodo I mafsu-mitsu i-i-kern-ica \ kinh o-oki-naru si-i-take-u-o kui-te-jori \ mono-fosi-ki ko-
koisi-tva sczare-do \ keö-wa seo-seu kutsi-no atari \ sabisi-ki kokotsi-si-sbrb. Kino-no mono
tabe-surawan-to t-i-sama \ sen-kai-nite morai-je-si ttico-to i-i-to ire-taru u-ari-go tori-idete \
ika-ni uriga ^^ (si)-mo kikosi-mesu-beku-ja-to ije-ba \ sumi-7icni:a ware-tca isasaka mono-fosi-
ki koto nasi. Nandzi fosi-ku-ba kuje-to iü-ni matsu-mitsu wari-go-no futa tori-te \ sara-
sara-io kui-tsukusi-tsn-to omo fodo \ niivaka-ni sita ono-dzukara tsidzimari-juku jb-ni obojure-
ha I a-a-to ko-e-ico iaten-io sure-do \ mono-iwarezu. Sita-iva jb-jb-ni isidzimi-juki-te nodo-no
naka-je iru jb-ni obojiire-ba \ manako-ux) kurumekasete \ fe-asi-tvo modajete sawaga.
Matsu-mitsu folgte ihm mit den Augen und flüsterte: AVas man gehört hat, dass
die unsterblichen Menschen sich der fünf Getreidearten entschlagen und nicht essen,
ist Avahr gewesen. Zu einer Zeit, avo der Eeis hoch im Preise gestiegen ist, mögen
die unsterblichen Menschen beneidenswerth sein. — Als sie dann die Bergtreppe ganz
hinabstiegen, nach einer AVeile sich unter die zur Seite befindlichen Bäume setzten und
ausruhten, sagte Matsu-mitsu: Seit ich gestern den grossen Buchenpilz gegessen, empfand
ich keine Esslust, doch heute habe ich ein wenig in dem Munde ein schwaches Gefühl
von Esslust. Ich Averde die Sachen von gestern verzehren. — jMit diesen ^AVorten nahm
er den Speisekorb, in welchen er den an der Gränze der Unsterblichen erhaltenen
Fisch und die Reisspeise gegeben hatte, hervor und fragte: Mein Lehrer wird doch
auch essen? — Sumi-naAva erwiederte: Ich habe nicht die geringste Esslust. AVenn du
Esslust hast, iss! — Matsu-mitsu nahm den Deckel von dem Speisekorbe, und als er
glaubte, dass er alles aufgezehrt habe, hatte er plötzlich das Gefühl, als ob seine
Zunge sich zusammenzöge. Er AvoUte den Laut Ach! ausstossen, doch er brachte nichts
hervor. Es Avar ihm, als ob seine Zunge allmälig sich zusammenzöge und in die Kehle
drcänge. A^jr den Augen wurde es ihm dunkel, ILände und Füsse schmerzten und Avareu
unruhig.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 273
Sumi-nawa-mo odoroki-te \ ika-ni se-si-to se-ivo nade-sasnre-do \ tada mogakl asi-znri
7iomi-site \ juhi-wo kutsi-moto-ni atete \ wosiüru nomi nari. Sate-wa mono-no iwarenu-ni-ja-to
ije-ha \ tada unadzukit nomi nari. Mimi-iva kikojur?i-7ii-ja-fo ije-ba \ mata unadzuku. Sumi
naiva-mo awate-tari-si-ga \ tsuku-dzuku omö-ni \ ro-sen-no tamai-si-u-a \ kare-wa kutsi-saga-
naki jatsu nari \ su-heki ^ (fö) ari-to-no tamai-si \ sate-tua sen-kai-no sama-wo \ kare-ni
katarase-zi tote. \ kare-ivo osi-to si-tamajeru-ni-ja-to ije-ha \ mafsu-mits/i. uramesi-ge-ni \ jama-
no kata-ivo mi-jari-te \ tama-no jo-nano namida-wo otostt.
Aucli Sumi-nawii erschrack und fragte: Was ist geschehen? — Er strich ihm den Rücken,
docli Jener, bloss sich krümmend und die Füsse an einander reibend, legte den Finger
an den Mund und deutete nur. Auf die Frage: Kann man vielleicht nicht sprechen?
nickte er nur mit dem Kopfe. Auf die Fi-age: Hört man vielleicht mit den Ohren?
nickte er wieder. Sumi-nawa war entsetzt. Tief nachsinnend, sagte er zu sich: Der
Unsterbliche von Lu sagte, dieser sei ein Mann von unseliger Rede, es gebe ein Mittel,
das man anwenden könne. Damit er über die Gränze der Unsterblichen niclits aussage,
wird er ihn stumm gemacht haben. — Matsu-mitsu blickte voll Unlust nach dei- Seite
des Berges und Hess Thrilnen wie Perlen herabfallen.
Sumi-nawa nagusamcte ijeru-iva \ nandzi kokoro-ioo aratame \ fllj ^ (t^en-doj-ni ^ ^
(ki-jej-si I midari-ni fito-tio ^ (tan)-iüo iwazara-ha \ >ien-nin aivaremi-tamai-te \ fufa-fabi
mono-itcaren-jo-ni fakarai-tamh-besi. Sibasi sinobi-te aru-besi-to \ sama-zama-to sukasi-kosirajete
fittatsure-ba \ matsu-mitsu kano ivari-go-wo totte jama-kata-je utsi-nagete | me-ivo o-okiku nasi-
te I utsi-nirame-do fu-tsu-ni ko-e-no idene-ba \ kutsl-ioosi-ge-ni utsi-mi-kajeri-tsutsu \ svmi-nawa-
ni te-ioo fikarete \ naku-naku mitsi-tvo-zo isogi-keru.
Sumi-nawa tröstete ihn und sagte: Wenn du deinen Sinn besserst, den AVeg der
Unsterblichen befolgst und nicht auf's Geradewohl den Menschen übel nachredest,
werden die unsterblichen Menschen sich ei'barmen und IMittel finden , dass du wieder
sprechen kannst. Du musst eine Weile Geduld liaben. — Er redete ihm auf allerlei Weise
zu und richtete ihn auf. Matsu-mitsu nahm jenen Sj)eisekorb und schleuderte ihn nach der
.Seite des Berges. Die Augen aufreissend, blickte er unwillig, doch es kam durchaus
keine Stimme hervor. Voll Verzweiflung nach rückwärts blickend , licss er sich von
Suma-nawa an der Hand führen und eilte weinend auf dem Wege dahin.
Säte sumi-naiva-iua- to-kaku matsu-mitsu -wo itawari-te jvku fodo | oboje-aru matsu-no
nami-ki-aru tokoro-ni itari-nn. Sara-ha lüaga srimeru sato-ni tsikasi-tote \ mitsi-tco isogi-keru-
ni I oi-taru mono-domo ide-kite \ te-ico utsi-te | smni-nmca-nusl kajeri-ki-nu tote \ akire-taru
sama-site so-ko-iva ika-ni-site \ kono ziü-go-nen bakari \ idzidcu-ni jnki-te s?mii-tamai-si | nadote
furu-sato-ni-iva \ fumi-wo dani okosi-tamatcazari-si \ madzu. mura-iüosa-no moto-ni tsuge-ba-ja
nado' i-i-te sawagu.
Als Sumi-nawa, jedenfalls Matsu-mitsu bedauernd, einherschritt , gelangte ei- zu
einem Orte, an welchem eine Reihe ihm bekannter Fichten stand. Er sagte: Ich bin
jetzt meinem Wohnorte nahe. — Während er auf dem Wege dahin eilte, kamen alte
Leute herbei. Dieselben schlugen in die Hände und sagten: Der Herr Sumi-nawa ist
zurückgekehrt! — Sie waren erstaunt und fragten: Wie geht es euch? Wohin seid ihr
durch diese fünfzehn Jahre gegangen und wo habt ihr euch aufgelialten? Warum Jiabt
ihr in eurer Heimath nicht einmal ein Schreiben zurückgelassen? Wir müssen es früher
bei dem Aeltesten des Dorfes melden. — Dieses und ähnliches redend, waren sie in
Aufregung.
nonkschriften der phil.-hist. Cl, XXVI. Bd. ,35
274 Pfiemaiee.
• Sumi-natva nvaku \ naku nari-si 5c "f^ (fu-hoj-no bo-dai-no iame-ni \ kuni-gtmi-no
tera-dera ma-iri-meguri-te \ säte kaku tosi-tsuki-ivu sucjusi-tsu-to irajete \ madzu waga ije-ni
itari-te miru-ni \ itaku are-tare-do \ ije-ica mukasi-no mama-iii tatsi-te ari. Nkva-iä-iva \ kusa
oi-sigeri-te \ nki-vo nora nari. To-kaku faki-tsukuroi-te iri-i-tari-keru.
Siiini-n;i\va erwiederte: Wegen des Seelenheiles meiner verstorbenen Aeltcrn besuchte
ich im Umherwandeln die Tempel der verschiedenen lleiche und habe somit Jalire und
Monde verbracht. — Als cj- zuerst zu seinem Hause gelangte und es betrachtete, war
es zwar äusserst verödet, jedoch das Haus stand so wie ehemals. In dem Vorhofe wuchs
das Gras in Fülle und bildete eine herbstliche Wilduiss. Indessen fegte und putzte er
es, trat ein und wohnte daselbst.
Kaku-te fi-wo suqusu-heki narazu \ kono fisago-wo motsi-jiüä-ie \ kano sen-nin-no jidiu-jc-
u-o tadzunete 'a-atasa-ha-ja-tu omoi-te \ tahi-no gu nado tori-sitatamete \ kono tahi-ica \ fito-
mura-no mono-ni-mo \ joku itoma-goi-site \ matsu-mitsii-ni kan-a-go ninawasete \ adzttma-no kata-
je-zo ide-tatsi-kem. Kono matsu-mitsu wot^anaki-jori te-narai-wo je-sezu \ — ■ -^ (itsi-zi)-u-o
dani ■ivakimajezari-kere-ba | osi-to nari-te-jori \ waga omö koto-wo \ fito-ni sirasuru koto kana-
u-azu I ika-de kanna- ^ ^ (mo-zi)-wo dani \ siri-tara-ha-to i-i-te \ kasira tataki-te kujami-
keru-to-zo.
Er durfte die Tage nicht so verbringen. Willens, mit diesem Kürbisse fortzuziehen,
den Ort, wohin jener Unstei'bliche sich begeben, aufzusuchen und den Gegenstand zu
überbringen, nahm und verzeichnete er die ßeisegeräthe. Er verabschiedete sich diess-
mal auf gute Weise von den Menschen des ganzen Dorfes, Hess durch Matsu-mitsu den
Koffer tragen und reiste in der Richtung der östlichen Gegenden ab. Da dieser Matsu-
mitsu sich nicht von Jugend auf die Kunst zu schreiben angeeignet hatte, unterschied
er kein einziges Schriftzeichen. Nachdem er stumm geworden war, konnte er seine Ge-
danken den Menschen nicht mittheilen, und er sagte zu sich selbst: Wenn ich doch
irgendwie nur die Kana-Zeichen kennte! — Er schlug sich vor den Kopf und empfand Reue.
Take-siba.
Koko-ni musasi-no kiini ^ j^ (je-hara)-no kowori-ni \ -Yi ^ (take-siba) -no \\\ \
(jama-bito)-to iü mono ari. Umare-tsuki mijabi-jaku-ni | fikaru bakari utsukusi-kari-kere-ba \
kare-ga sugata-ivo fomuni. fito-no \ ame-no sita-no katco-josi-to fome-keru-ga \ narai-to nari-te \
jama-bito-to jobu viono nahe \ osi-nabcie kaivo-josi-to-zo jobi-tari-kerii. Tosi-ira ziü-go-sai
bakari-nife-zo ari-kcrn.
Hier in dem Reiche Musasi , in dem Kreise Je-bara , lebte ein Mensch Namens
Take-siba-no Jama-bito. Da er von Geburt mit zierlich glänzender Schönheit begabt
war, wurde es Sitte, dass die seine Gestalt preisenden Menschen ihn als den Schönsten
unter den Himmel priesen, und es kam nicht vor, dass man ihn Jama-bito nannte,
sondern man nannte ilm allgemein den Schönen. Er war fünfzehn Jahre alt.
Inisi-je jod-aru fito-no \ kono adzuma-ni kudari-te \ koko-ni ije-i simete \ sumi-tamai-keru.
Sono fito-no su-e nari-kere-ba \ jama-zato nagara \ teö-do nado-mu \ mukasi-no nagori-todomete |
mijabi-tarn mono-domo-mo \ takuwaje-tari-keru. Tsitsi-no koro-jori \ fnmi nado-tvo-mo jomase \
loosije-tate-keru-ni \ satoku kasikoku-te \ jomi-jc-gataki maki-maki-ico-mo \ koto-mo naku satori-
Die Geschichte einer Seelenwandeeung I^^ Japan. 275
akirame-kere-ba \ ^j|j (si)-naru fito-vio \ koto-sara-ni fomc-mono-si-keru. Snhete kono jama-hito-
wo mi-tartt, mono-tca \ wotoko-wonna-wo itaazu \ omoi-wo kakezaru-iva na-kari-keri.
In alter Zeit kam ein Mensch aus gutem Hause zu diesem östlichen Lande herab
und nahm daselbst seinen bleibenden Aufenthalt. Da Jener der Nachkomme dieses
Menschen war, hatte er, war es auch in einem Gebirgsdorfe, die Geräthschaften von ehe-
mals noch behalten und zierliche Dinge aufbewahrt. Da man ihn seit der Zeit seines Vaters
Bücher lesen Hess und unterrichtete, war er scharfsinnig, weise und verstand auch die
unlesbaren Bücherrollen ohne Anstand vollkomnien. Die Menschen, welche Lehrer waren,
priesen ihn besonders. Unter allen Menschen, welche diesen Jama-bito sahen, gleichviel
ob Männer oder Weiber, war Keiner, der ihm nicht seine Neigung zugewendet hatte.
Sono koro onazi-kuni-ni \ ^ |Sj (firo-icoka)-uo ^ ^ (tsiv-zija)-to iA mono arl. Ko-
koro-ßgami-taru nedzike-hito-nite ari-kerv-ga \ kono jama-bito-wo omoi-somete \ ika-de ^ f^
(kib-dai)-no katarai-sen-to \ trd)i-tabi fumi-nado-ico okuri-kere-do | tsiija-tsnja kajeri-goto dani
sezari-kere-ba \ ika-ni-mo site | rvaga mono-ni sen-to omoi-te \ joki tsti-ide-wo-zo matsi-i-tari-
keru. Faru-no koro [S] (mukai)-ga |^ (iüoka)-to ijerit tokoro-no fana saki-nu tote \ ßto-bito
en-kin-wo iwazu | koko-ni tsudoi-tc \ fi-me-mosu asobi-kurasi-keru naka-ni \ jama-bito-vio
faica-wo izanai-te I takaki looka-be-ni ^ (sen) utsi-siki-te \ 7iagame-i-tari-keru.
Um die Zeit lebte in demselben Reiche ein Mensch Namens Firo-woka-no Tsio-
zija. Derselbe war ein Schmeichler von verderbtem Herzen. Er liebte diesen Jama-
bito und schickte ihm melirmals Briefe, in welchen er fragte, wie er mit ihm das
Gespräch der Brüder anknüpfen könne. Da Jener ihm durchaus keine Antwort gab,
wünschte er ihn auf irgend welche Weise zu dem Seinigen zu machen und wartete auf
eine günstige Gelegenheit. Um die Zeit des Frühlings, als man sagte, dass an einem
Orte Namens ]\Iukai-ga Woka (die gegenüberliegende Berghöhe) die Blumen erbltiht
seien, kamen die Menschen, auf die Entfernung nicht achtend, hier zusammen und ver-
gnügten sich den ganzen Tag bis zum Abend. Auch Jama-bito führte seine Mutter
dahin, breitete an der Seite der Anhöhe einen Teppich und blickte in die Ferne.
Wori-kara | firo-'u:oka-no tnb-zija-mo \ kono iratari.-ni ^ (inahi) ?itsi-matcasi-te | sake-
nomi. fanosimi-i-keru-ga | jama-hito-ga fawa-ico tsurele \ koko-ni kitareric josi-n-o kiki-te \ ei-
n.i ^ (zi6)-zite fasiri-kite \ sunmvatsi ^ (sen]-no vje-ni nobori \ jama-bito-ga tc-a-o torajete \
/rare tabi-tabi f^ J^^ (seö-soko)-site \ kokoro-zasi-ico tsiige-tsti.ru- tco \ nasake-naki -^ J\^ (seö-
:in) kana-to i-i-te | fita-sura taware-kakari-kere-ba \ faiva-iva J^ (kioj-samete | jama-bito-ni
me-kubase-site \ toku koko-tco tatsi-saran-to sure-ba \ firo-ivoka tatsi-agari-te \ faiva-wo tsuki-
iioke. \ jama-bito-wo waki-ni fasami-te | ono-ga ^ (maku)-no utsi-je fiki-tsure-jukan-to s?(,.
Fatca-wa oki-agari-te \ ko-iva ^% ^ (ro-zeki) nari-to i-i-tsutsu \ sigami-isnku-n-o | asi-nite
ßimi-tobasu. Kono sawagi-ni | ivari-go sasaje nado-ioa \ mi-dzin-ni nari-te tobi-tsiri-nu, Faiua-
""'^ iE ^ (siü-kij-tco itsinai-te \ -/(fsubusi-ni tbrete \ oki-mo agarazu. Firo-icoka jama-bito-
iro torajete | fiki-jttkan-to su. Aja-vki koto ije-ba sara-iiari.
Um dieselbe Zeit zog aucli Firo-woka-no Tsiö-zija an diesem Durcliwege einen
Vorhang, trank Wein und vergnügte sich. Als er hörte, dass Jama-bito mit seinei-
Mutter hierher gekommen sei, lief er in seiner Trunkenheit daher und stieg auf den
Teppich. Er nahm Jama-bito bei der Hand vmd sagte : Ich habe dir oftmals Briefe
geschrieben und dir meine Absicht mitgetheilt. 0 grausamer junger Mensch ! — LIiermit
wurde er zudringlich und begann zu scherzen. Die Mutter, deren Freude verdorben
war, warf Jama-bito einen Blick zu und wollte schnell von hier aufbrechen. Firo-
35*
27(^ Pfizmaiee.
woka erhob sicli sofort, sticss die Mutter weg und wollte, Jama-blto unter den Arm
nehmend. Ihn mit sicli Jiinter den eigenen Vorhang fortziehen. Die Mutter stand auf
und stiess unter deju Ivufe : Dieses ist Gewalt! den Umsclüiessenden mit einem Fuss-
tritte weit weg. Bei lüeser \' er wirrung wuj-den der Speisekorb und die Weinkanne zu
Staub zermalmt und der Inhalt verstreut. Die Mutter, die Besinnung verlierend, fiel
kopfüber zu Boden und konnte sieh nicht erheben. Firo-woka erfasste Jama-blto und
wollte ihn fortziehen. Die Gefahr war augenscheinlieh.
Kakaru-ni \ fana-no ko-kage-ni \ fö kahuri-seru wotoko-no tatsl-i-taru-ga \ fasiri-klete '
firo-icoka-ga kiki-ude-tori-te \ mondori-utasete \ ^ H9 (san-gen)-bakari nage-tsuke-tsu. Jama-
hito-u-a /(resiku-te \ fawa-ga moto-7ii jori-te \ ^ |^ (kai-fbj-sure-ha \ firo-woka oki-agari-
fe kano icotoko-ni tohi-kakaru-wo \ fittorajete \ ^Ac iÖl (dai-dzi)-ni nage-tsuke \ maku-gusi-wo
fiki-nnkl-ie \ tsudzuke-utsi-ni ufsi-kere-ba \ ^|P, ^ (gb-ki)-no firo-woka-mo \ naje-naje-to nari-
te tbre-nu. Kano tcotoko ^ ^ (ni-ifo)-datsi-ni tatsi-ite \ jama-hlto-ni mukai-te \ faiva go-
zen-ico oi-te | toku koko-ico nige-tamaje-to iil-ni \ jama-bito-ioa kokoro-sekarete \ toku fawa-ivo
se-ni oite \ tvoka-ico kudari-te nige-juM-keru.
Unterdessen stand ein Mann, der die ^^'angen eingehüllt hatte, in dem Schatten der
blühenden Bäume. Derselbe erfasste Firo-woka flink bei dem Arme, stürzte ihn
kopfüber um und schleuderte ihn zwei Ken weit hin. Jama-bito näherte sieb freuden-
voll seiner Mutter imd trug für sie Sorge. Firo-woka, sich erhebend, stürzte auf jenen
Mann los, doch dieser erfasste ihn und warf ihn zu Boden. Den Stab des Vorhanges
herausziehend, versetzte er ihm einen Schlag nach dem anderen. Der kühne Firo-woka
wurde mürbe und fiel um. Jener Mann, gleich den zwei Königen dastehend, sagte zu
Jama-bito: Nehmet eure Mutter auf den Rücken und fliehet schnell von hier! — Jama-
bito, im Herzen befangen, nahm die Mutter schnell auf den ßücken, stieg von der
Berghöhe herab und entfloh.
Fir'O-iroka-ga sirnobe-domu ruku-sitsi-nin \ kano wotoko-wo jarazi-to tori-maku-ivo \ maku-
gusi-wo fotte lUt tM (ziju-wo)-nl täte mairare-ba \ jori-tsiiku mono-mo sara-ni naku \ mina
tsiri-dziri-ni-zo nige-use-keru. Kano tcotoko firo-tvoka-ga fusi-tam soba-ni jori-te \ kakaru
jats7i-ni-wa \ fadzi-misen-zii-lo i-i-sama \ obi-toki koromo fiki-fagi-te \ koromo-wo-ba nagare-ni
utsi-nagete \ utsi-jemi-tsatsu | idzukx-to-mo sirazu kajeri-juki-keru.
Die sechs oder sieben Dienei- Firo-woka's wollten jenen Mann nicht fortlassen und
umringten ilm. Doch dieser ergrift" den Stab des Vorhanges und wandelte schräg ein-
hauend umlier. Es konnte ihm durchaus Keiner beikommen, und Alle stoben aus-
einander und entliefen. Jener Mann trat an die Seite des zu Boden liegenden Firo-
woka und sag'te : Einem solchen Sclaven werde ich Schande anthun. — Hiermit löste
er ihm den Gürtel und zog ihm das Kleid aus. Er warf das Kleid in den Strom und
ging lachend, man wusste nicht wohin es war, nach Hause.
Firo-xvoka-ifa aka-fadaka-nite fitsi-i-taru-ico \ simobe-ra tatsi-kajeri \ sama-zama kai-fb-
si-kere-ba \ jb-jaku-nl iki-iva ide-tar^e-^domo \ aka-fadaka nare-ba \ kono mama-nite kajeri-tama-
wan-wa fito warosi tote \ simobe-ga kinu-wo nugi-te \ utsi-kise-kere-do \ naivo samusi-to ije-ba j
sen kata-naku-te \ ari-ai-taru ^ g§ (mb-senj-wo tori-te | kasira-jori utsi-kisete \ obi-nite
kuru-karu-to fiki-musube-ba \ firo-woka joro-joro-to tatsi-agari-te \ aka-fadaka-nnru simobe-ga
kato.-ni kakari-te \ ajumi-juku sama \ sa-nagara ^ (e)-7ii kaki-taru ^ ^ (daru-ma)- ~f\,
|5j]5 (dai-si)-no ci-sire-taru gotoku nare-ba | kore-wo miru m.ono \ te-utsi-tataki-te icarai-ken.
Kore-jori ijo-ijo neiaki koto-ni omoi-te \ kono nmkui-sen-to-zo omoi-tatsi-keru.
Die Geschichte einek Seelenwändeeunq in Japan. 27 7
Firo-woka lag nackt. Die Diener kamen zurück und trugen auf alleriei Weise für
ihn Sorge. Er erholte sich endlich, doch da er nackt war, sagten sie : Wenn ihr in
diesem Zustande heimkehret, nehmen es die Menschen übel. — Ein Diener zosj das
Kleid aus und bekleidete ihn damit, doch er sagte, ihm sei noch kalt. Da man sich
nicht anders zu helfen wusste, nahm man einen härenen Teppich, der eben bei dej-
Hand war, legte ihm denselben, von dem Kopfe abwärts, an und band ihn mit dem
Gürtel rund herum fest. Firo-woka erhob sich taumelnd und häno'te sich an die
Schidter des nackten Dieners. Wie er so einherschritt, war er gerade gleich einem
auf Gemälden abgebildeten grossen Lehrer Daru-ma, der durch Trinken blödsinnig
geworden. Die ihn sahen, sclilugen in die Hände und lachten. Seit dieser Zeit liebte
er bei immer grosserer Eifersucht, und er beschloss, sich zu rächen.
Netaki steht für netamasi-ki , eifersüchtig'.
Säte mala sumi-nawa-wa \ luatsu-mitsu-to fomo-ni j adzuma-no kata-je-to kudari-keru-ni \
sagami-no kimi-wo-mo sugi-nu. Säte fi-gure-niire-ha \ jadori mofomete | jn-wo cdcasl-i-taru-ni
jume-no utsi-ni | ohitadad-ku kami-nari fibiki-te \ motsi-kitari-keru fisago onore-to mado-ivo
idete tohi-jvku-to mi-taru-ni | odoroki-te | makura-wo agete \ kano ßsago-wo miru-ni \ am koto
nasi. Te-madoi-site \ matsu-viitsit-wo okosi-te | so-ko-ra fomosi-bi-ico terasi-te mire-do \ ato-
kata-mo nasi. Kono fisago usinai-te-ha \ ivaga mi-ni ika-naru tatari aran-mo fakari-gatasi-
to I ije-aruzi-wo-mo jobi-okosi-te \ ije-no meguri nado sagasi-motomiüre-do | sore-to obosi-ki mono-
mo mijezu. Kare nusii-bito-no motsi-juku-heki mono-ni arazu \ masasi-ku ^ pfl (mu-isiü)-
ni kono fisago onore-to tobi-ide-taru-to mi-si-wa | mosikit-wa sen-nin-no tsuge-tamai-tmru-nite j
kono fisago-wo watasi-ma-irasiirit fito-no \ kono atari-ni sumi-tamo-ni-ja aran tote \ jo-no akurn-
wo matsi-te \ kono jadori-wo tatsi-ide-mi.
Ferner war Sumi-nawa, von Matsu-mitsu begleitet, zu den östlichen Gegenden
herabgekommen und reiste aucli durch das Reich Sagami. Als es Abend wurde, suchte
er ein Nachtlager. Während er daselbst die Nacht verbrachte, träumte ihm, dass der
Donner fürchterlich rollte und dass der Kürbiss, den er mitgebracht hatte, durch das
Fenster liinausglitt und entflog. Erschrocken hob er das Polster, und als er nach
diesem Kürbisse sah, war er nicht da. Mit den Händen umherfahrend, weckte er
Matsu-mitsu, leuchtete mit dem Lichte und sah nach, doch es war von ihm keine Spur.
Es nicht begreifend, was für eine Heimsuchung es für ihn sei, wenn er diesen Kürbiss
verloren hatte, rief er den Herrn des Hauses. Man durchsuchte die Umgebungen des
Hauses, doch etwas, was man dafür halten konnte, war nicht zu sehen. Er sagte : Ihn
kann ein Dieb nicht mitgenommen haben. Indem ich im Traume deutlich sah, wie
dieser Kürbiss von freien Stücken hinausflog, wii*d vielleicht der Mensch, dem ich im
Auftrage der unsterblichen Menschen diesen Kürbiss überbringe, in dieser Gegend
wohnen. — Er wartete auf den Anbruch des Tages und zog dann von diesem Nacht-
lager fort.
Kuko-iva kiki-ojobi-si miisasi-no-to-ka-ja \ fate-mo naki o-o-no-nite \ asi tcogl nomi takaku
oi-ie I jidai taki-mo mijezu. Kano jume-ni mi-tsuru fisago-no \ figasi-wo sasi-te tobu-to mi-
tsure-ba \ musasi — ■ ^ (ikkokv)-no utsi-wo tadzune-nan-ni-iva | o-o-kata ari-dokoro sirezaru
koto arazi. Nandzi-ica fidari-no mitsi-wo juki-te tadzunu-besi. Ware-wa migi-no mitsi-ico
tadori-te jukii-besi. Isi-bama-to ijem, tokoro-ni | asi-ja-no nanigasi tote \ siru fito ari. So-ko-
nite ai-o-hesi-to ije-ba \ matsu-mitsu |^|J (reij-no unadzuki-te tatsi-wakare-juki-nu.
278 Pfizmaieb.
liier auf einer endlosen gi-ossen Grasebene, welche vielleit'ht das vom Hören
bekannte Feld von Musasi war, wuchsen blos Schilf und Binsen hoch empor, und man
sah nicht, wohin man ging. Er hatte in dem Traume gesehen, dass jener Kürbiss in
östlicher l\ichtung entflog. Ei- sagte zu Matsu-mitsu : AVenn man das Innere des ganzen
Reiches Musasi durchsuchen würde, konnte der Ort, wo er sich befindet, nicht un-
bekannt bleiben. Du kannst den ^^'eg zur Linken wandeln und suchen. Ich werde
den ^Veg zur Rechten umhertappend wandeln. An einem Orte Namens Isi-bama lebt
einer meiner Bekannten, ein Mann von dem Geschlechte Asi-ja. Dort werden wir
zusammentreffen. — Matsu-mitsu nickte wie gewöhnlieh mit dem Kopfe, trennte sich
und wandei'te foi't.
Sumi-nan-a-wo ßfori kono asi wogi-ico usi-a-akc-tsutsu | niitsi-arv kata-wo tadori-jvki-
keru-ni \ nagarc-oru tokoro-ni ide-nu. Kono nagare-ni $oi-te \ juki-miru-ni \ siha-basi utd-
watasi-taru tokoro-ni \ loakaki fito tsuri-site i-iaru ari. Wo-bana nade-si-ko nado-no \ kisi-ni
tateru-mo | mi-sute-gataku-te \ tatsi-todomari-te \ (S| '^ (si-kai)-wo ike-to si \ !^ ß (ban-mmj-
ico uwo-to su-to I nani-to naht kutsi-zusami-kere-ba \ kono ivakaki fito anmi-nawa-ga kata-wo
ßiri-kajeri-viiru. Sumi-naiva kono fito-wo mire-ba \ ziü-go-rokii-no ^ -^ ^ (bi-seo-nen)-
nite I kawo-no niwoi tagui-naku ■\ wonna-nite mi-ma-fosi-ki sugata nari. Nani-to jaran m-
taru fito-no jb nare-ba \ joku omoi-megtirasu-m j kano sen-kai-nite \ tani-juri oPm-irerare-»i
fito-ni tagaioazu.
Sumi-nawa, allein jenes Schilf und die Binsen zertheilend, wandelte tappend in
einer einen Weg besitzenden Gegend und kam an einem Orte, wo sich ein fliessendes
Wasser befand, hervor. Als er längs diesem fliessenden Wasser hinging und sich um-
sah, war an einem Orte, an welchem eine Brücke aus Reisholz geschlagen war, ein
junger Mensch mit Angeln beschäftigt. Da auch blühendes Riedgras und Nelken auf
der Uferhöhe standen und er dieses nicht unbeachtet lassen konnte, blieb er stehen
und summte absiclitslos vor sich liin die Worte : Die vier Meere zu einem Teiche machen,
die Zehntausende des Volkes zu Fischen machen. — Dieser junge Mensch richtete jetzt
auf ihn den Blick. Als Sumi-nawa diesen Menschen sah, war es ein schöner Jüngling
von fünfzehn bis sechszelm Jahren, mit einem unvergleichlich reizenden Angesichte
und einer Gestalt, wie man sie bei einem "Weibe sehen möchte. Es schien ein Mensch
zu sein, den er bei irgend einer Gelegenheit gesehen hatte, imd als er es gut in seinen
Gedanken erwog, wai- derselbe von dem Menschen, den man innerhalb dei- Gränzen der
Unsterblichen in das Thal hinabgestürzt hatte, nicht verschieden.
'^ A O^cö-zmJ i-i-keru-wa \ on-mi-iva tabi-bito-ni-ja \ idzuku-wo sasi-te jiikase-tamb-to
iü-ni I sumi-nawa sasi-jori-te | onore-ica fi-da-no kuni-naru takumi-nite soro. Kono mumsi-no
kuni-je-va \ fazimete makari-taru-ga \ idzuku-ni jadori-torH beki siru-be-mo naku sb7-b. Ika-
de — ■ ^ (itsi-ja)-iro akasase-tahi-nan-ja-to ije-ba | seö-zin jasuki kofo-ni koso | icaga moto-
je tovionai-ina-irasen tote | saivo-too agete \ iza tote saki-ni tatsi-te ajumu. Usiro-de kano |ll Fp
(san-tsm)-nite mi-tani, fjlj (sen)-ni isasaka tagb koto na-kere-ba \ kanarazu kono fito koso
kano sen-nin-no umare-ide-tam narame-to omoi-te \ tsuki-soi-te juku | fodo-naku kaja-fnki-taru
kado-ni itare-ba \ seo-zin siba-no to osi-firaki-te iri-nu. Koko-wa Yi ^ ^ (take-siba-zaka)-
to ijeru tokoro-nlte \ seo-nen-wa kano kawo-josi-to kikoje-taru jama-hito nari.
Der junge Mensch fragte: Seid ihr ein Reisender? Wohin geht euer Weg? —
Sumi-nawa näherte sich und sagte : Ich bin ein Zimmermann aus dem Reiche Fi-da.
Ich bin zum ersten Male nach diesem Reiche Musasi gereist und weiss nicht, wo icli
Die Geschichte eineh Seelenwandeeüng in Japan. 279
einkehren kann. Wie wäre es, wenn ihr mich eine Naelit verbringen liesset? — Der
junge Mensch sprach : Es ist etwas Leichtes. Ich werde euch zu meiner Behausung
begleiten. — Hiermit erhob er die Angelruthe, sagte: Wohlan! und schritt voraus.
Sumi-nawa, hinter ihm einhergehend, dachte sich: Da gar kein Unterschied zwischen
ihm und dem Ünsterbliclien ist, den ich in jenem Gebirge gesehen habe, so wird gewiss
als dieser Mensch jener unsterbliche Mensch geboren worden sein. — Nach kurzer Zeit
gelangte man zu einem mit ßiedgras gedeckten Thore. Der junge ^lensch öffnete eine
Thüre von Reisholz und trat ein. Dieses war der Ort, welcher die Bergtreppe von
Take-siba hiess, und der Jüngling war jener Jama-bito, der unter dem Namen : der
Schöne bekannt war.
Sumi-nawa ntsi-ml-matcase-ha \ are-taru ije-i-no sama-na[/a.ra \ ju-e-josi mijete sumi-nasi-
tari. Sikaru-ni oku-no kata-jori me-no icarawa fasiri-idete \ awate-taru ko-e-iiite \ sate-mo on-
kajeri-wo ima-ja-to matsi-isukete sbrai-ki. Fawa-gimi-no ßru-no fodu-jori | idzuku-je jukase-
tamai-si-ni-ka \ mije-sase-tamawazu. 'Isikaki atari-ica tadz2me-sbrai-tsure-do | fn-tsii-ni on-
juku-je siri-taru fito-mo nasi. Kimi-iva mosi on-juku saki-ivo sirase-tamb-ni-ja-1o iü-ni \ seo-
nen o-oki-ni odoroki-te \ fawa-bito akara-sama-ni \ tonari-no ije-ni itari-tamo-ni dani \ ware-ni
tsuge-tamawade-wa ide-juki-tamaivazio. Alasi-te onore foka-ni ide-taru-ni | ika-de ije-ioo ide-
tamo-heki. Saru-nite-mo kokoro-narazaru koto-jo tote \ kaslra utsi-katamukete tntere-ba \ sumi-
nawa sate-sate niga-nigasi-ki koto-ico idce-tamawari-sorb mono kana. Mi-ma-irasuru-ni \ on-ije-
ni ßto sukunaku mijete sbrb \ onore mono-no jaku-ni tatsu-beki mi-ni-wa sbraivane-do | on-
tsikara-to nari-te \ tomo-domo fawa-givn-no on-juku-je tadztme-tate-matsurib-hesi-to ije-ba seh-
nen o-oki-ni jorokobi-te \ uresi-ku-mo no-tamb mono kana tote \ sumi-nawa-ni asi-arawasete |
su-no ko-no uje-ni izanb.
Sumi-nawa blickte umher. Obgleich ein verödetes Haus, war augenscheinlich, aus
einem Grunde ein Wohnplatz geschaffen worden. Unterdessen lief von der Seite des
Inneren ein kleines Madchen heraus und sao-te in änp'stlichem Tone: So habe ich eure
Heimkehr jetzt doch erwarten können! Die Mutter lässt es seit Mittag nicht ersichtlich
werden, wohin sie gegangen ist. Ich habe in der Nähe gefragt, doch es ist gar Nie-
mand, der WLisste, wohin sie gegangen. Wisst ihr vielleicht, wohin sie geht? — Der
Jüngling war sehr erschrocken und sagte: Die Mutter ist wahrscheinlich nur in das
Nachbarhaus gegangen. Ohne es mir zu sagen, geht sie nicht aus. Besonders da ich
selbst ausgegangen bin, wie könnte sie da das Haus verlassen? Indessen ist es eine
unerwünschte Sache ! — Dabei stand er mit seitwärts geneigtem Haupte. Sumi-nawa
sagte : 0 es ist euch eine unangenehme Sache widerfahren ! Indem ich mich umsehe,
scheinen in eurem Hause wenige Menschen zu sein. Obgleich ich für Jemandes Dienste
nicht tauge, werde ich euch helfen und mit euch fragen, wohin eure Mutter gegangen
ist. — Der Jüngling war sehr erfreut und rief: O es macht mir ein Vergnügen, was
ihr saget! — Er liess Sumi-nawa die Füsse waschen und führte ihn zu dem oberen
Tlieile der Fku'matte.
Snmi-naa-a utsi-mi-maumse-ba | kono ije ta-tsukum kata-te-nl \ sakc-ivo-mo tsuktm-te uri-
fifakn-to mijete | kuri-ja-no anata-7ii \ o-oki-naru looke nado \ amata narabi-te ari. Mata iraga
i-taru katawara-ni \ sa-ziki kamajete \ sake iruru käme nado \ am,ata narabete ari. Joku
mire-ha | onore-ga usinajeru fisago kano tsubo-no uje-ni \ tsuri-te ari.
Als Sumi-nawa sich umsah, schien es, dass man in diesem Hause Feldbau treibe
imd nebenbei auch Wein erzeuge und verkaufe. Auf der anderen Seite der Kiiche standen
280 - Pfizmaier,
viele grosse Zuber in Reihen. Ferner waren auf der Seite, wo er si(;li befand, Gerüste
erbaut und viele Krüge, in welche Wein gegossen wird, in Reihen gestellt. Als er
genau hinsali . war der von ihm verlorene Kürbi'ss dort iibei' einem Tojife an einen
Haken gehängt.
Sate-wa koko-ni koso-to omoi-kcrn-ga \ inadzu sirazu-gaico tsukuri-te \ seö-nen-ni mukai-
ie I korc-nar)i ßsago-tva fur'itkii-jori tsxtajete motase-tamb-ni-ja-to tuje-ha \ seo-nen-ga iwaku j
sono koto-nite soru \ kore-wa ke-sa-no fodo \ fajb oki-idete mi-sbraje-ha \ kono sake-tsuho-no
uje-iio fisasi-ni \ kusari-ni tstmagi-taru fisago-nn kakari-ie sbrb. Ika-naru kofo-ni-ka-to zon-
zite mite sbraje-ba | icori-fusi kotsi-kaze-no fuki-idete sbraje-^a \ kono fisago nisi-ni nabiki-te 1
ne-wo Site sbrb \ sono ko-e je-mo rioazu \ omo-siroku \ kokoro-mo ono-dzukara sumi-watari-te
sb7'ai-ki. Sibasi-site \ kita-kaze fuke-ba mata minami-ni nabiki-te onazi-ku omo-siroki oie-ivo
idasi-te sbrb. Kakaru mono-wa \ moto waga ije-ni naki tnono-nite sbrai-tsuru-wo \ ika-naru
ßto-no I nokosi-oki-tarti-ni-ka-to zon-zi-sbraje-ba \ madzu tori-irede \ nusi-no kitaran made-iva-
to I kb saka-ganie-no uje-ni \ sono mama-vi tsuri-oki-te sbi^i-to kataru.
Er sagte zu sieh: Also hier! — Er stellte sich zuerst unwissend und fragte den
Jüngling: Besitzet ihr den Kürbiss dort vielleicht schon von Alters her? — ])er Jüng-
ling sprach: Die Sache verhält sich so. Als ich heute Morgens frühzeitig aufstand xmd
umherblickte, hing an dem Wetterdache über diesem Weintopfe ein mit einer Tvette
umwundener Kürbiss. Ich sann nach, was dieses sein möge und sah hin. In diesem
Augenblicke wehte der Ostwind. Dieser Kürbiss neigte sich naeli \Vesten und gab
einen Ton von sich. Dieser Ton war unaussprechlich lieblich, und das Herz ward zu
ihm hingezogen. Nach einer Weile wehte der Nordwind. Der Kürbiss neigte sich
wieder nach Süden und gab eben so den lieblichen Ton von sich. Ein solcher Gegen-
stand war U]-sprünglich in meinem Hause nicht vorhanden. Ich sann nach , was für
ein Mensch ihn zurückgelassen haben möge. Ich nahm ihn vorerst nicht herein und
hängte ihn, bis der Besitzer gekommen sein würde, so wie er war, über den Weinkrügen
an einem Haken auf.
Sumi-nawa-ga iwaku | kore-tva fito-no icasurete nokosi-oi-tarii onono-ni-wa sbraivazi | iva-
gimi-ni ten-jori atoje-tamajem mono-ni koso sbrb-rame \ dai-zi-to nasi-te | kizu Isukede \ takara-
to nasi-tamaje. Notsi-notsi on-mi \ nari-nobori | ^ (jo)-ni 7iuke-ide-tamb-beki ^ ^ (kitsi-
zui) narn-beku zon-zi-sbrb-to ije-ba \ seö-nen ufsi-emi-te- \ sara-ba joki saga-ni koso sbi^aje-to
iitsi-katarai-woru fodo \ tonari-no ije-aruzi \ fasiri-iri-kite \ kore-7w faiva-gimi-iva ßru-no ko7-o\
o-oki-naru wotokn-no se-ni oi-te | kita-wo sasi-te \ fasiri-jihki-taru-ico \ tonari-no mura-narn
mono-no \ kusa-kari-ite \ tasika-ni mi-tari-to \ imo.-no fodo kitari-te kafari-te sb7^b-to iü.
Sumi-nawa sprach: Dieses ist kein Gegenstand, der von einem Mensclien vergessen
und zurückgelassen wurde. Es wird eine Sache, sein, die euch von Seite^des Himmels
gegeben Avii-d. Leget grossen Werth darauf, bringet ihm keine Verletzung bei und
haltet ihn für eine Kostbarkeit. Ich erkenne, dass es ein glücliliches Zeichen sein kann,
wodurch ihr in späterer Zeit emporsteigen und der Welt entrückt werden könnt. —
Der Jüngling lächelte und sagte: Also möge es ein gutes Vorzeichen sein! — Während
sie so sprachen, kam der Besitzer des Nachbarhauses hereingelaufen und sagte: Eure
Mutter hat um die Zeit des Mittags ein grosser Mann auf den Rücken genommen und
ist in nördlicher Richtung entlaufen. Ein Mann aus dem benachbarten Dorfe, welcher
Gras mähte, sagte mit Bestimmtlieit, dass er es gesehen liabe. Derselbe ist eben jetzt
gekommen und hat es erzählt.
Die Geschichte einek Seelenwandeeung in Japan. 281
Wagivii steht für waga kinii ,mein Gebieter'.
Sate-wa | so-jatsu nusu-hito naru-besi. Oi-kakete toraje-ten tote \ kokoro-gurü-hakari-nl
seki-tatsi-te satcagu. Toki-ni fi-mo kure-nure-ha | matsa toinosi-tsuranete \ sumi-nawa-mo
tomo-domo sed-nen-ni ßki-soi-te | ije-wo idete | ivogi susuki-no naka-wo wakete | go-ri-amari
juki-tare-domo \ kage dani mi-tsuke-taru koto nasi. Se6-nen ko-e-ico agete naku koto kagiri-
nasi. ladzusaje-kitaru matsii-mo moje-tsidcusi-nure-ha \ ima-ioa sen kata-nasi. Madzu tatsi-
kajeri-te | jo-tco akasi-te notsi sagasi-motovm-besi. ldznre-7ii-rno are \ un-juku-je sirezaru koto-
tca sbrawazi-to sama-zama-to iiagusame-tsidsu | mata tuoto-no jadori-je-to-zo fiki-kajesi-keru.
Man sagte : Also muss dieser Kerl ein ßäuber sein. Wir werden ihm nachsetzen
und ihn ergreifen. — Man erhob sich in Angst hastig und war in Aufregung. Da eben
die Sonne untergegangen war, zündete man reihenweise Fackeln an. Auch Sumi-nawa
gesellte sich zu dem Junglinge und verliess das Haus. Die Binsen und das Riedgras
durchbrechend, wandelte man über fünf Ei weit, doch man entdeckte niclit die geringste
Spur. Der Jüngling erhob ein Geschrei und weinte masslos. Da man auch die mit-
gebrachten Fackeln verbrannt hatte, wusste man sich jetzt nicht zu helfen. Man sagte:
Wir werden vorerst heimkehren, die Nacht vorüber gehen lassen und dann suchen. Wo
sie auch sei , es soll uns nicht unbekannt bleiben , wohin sie gegangen ist. — Indem
sie ihn auf allerlei Weise trösteten, führten sie ihn wieder in sein früheres Naclitlager
zurück.
So-jatsu ist sono jalsu , dieser Sclave'.
Matsu , Fichte' steht für tai-matsu , angezündete Fichte', d. i. Fackel.
Firo-woka.
Matsu-mitsu-wa sumi-naiva-ni wnkarete \ fitori katua-go-tvo oi-te \ asi-ni makasete | zm-ri-
bakari aruki-keru-ga \ saru-no toki sugnrit koro | sake-urii ije-rio maje-ni itari-nu. Nondo-mo
kawaki-nure-ba \ iri-te ^ /L (siu-gi)-ni siri-kakete i-keru-ni \ kata-je-ni wotoko ßtori tsutsumi
se-ni oi-te | sake nomi-te i-tari. Alatsu-mitsit kono zvotoko-ga tsutsumi-no sama-ivo miru-ni
katatsi marome-nite \ kano tcsinajeru fisago-no sama-ni ni-tare-ba ibukasi-kit-te \ ika-de min-to
omoje-do | mono-iu koto narazare-ba sen kata-naku \ kano tootoko-no itsiro-ni maivari-te
tsutsumi-no uje-jori saguri-mire-ba | kono icotoko fari-kajeri-te | ko-jatsu nadeö koto-ivo siirif-
rii-ka | fito-no motsi-taru tsutsitmi-ni me-ico kakuru-iua-to i-i-te niramu.
Matsu-mitsu, von Sumi-nawa getrennt, trug allein auf dem Rücken den Koffer und
war, auf seine Füsse sich verlassend, zehn Ri weit gegangen. Als die achte Stunde^
vorüber war, gelangte er vor ein Haus, in welchem man WVin verkaufte. Da seine
iCehle vertrocknet war , trat er ein. Als er auf einer Bank sass , war zu seiner Seite
ein Mann, der auf dem Rücken einen Bündel trug und Wein trank. Matsu-mitsu
betrachtete diesen Bündel. Derselbe war von Gestalt rund und hatte mit jenem ver-
lorenen Kürbisse Aehnlichkeit. Verwundert dachte er darüber nach, wie er hineinsehen
könne. Doch da er nicht sprechen konnte, wusste er sich nicht zu lielfcn. Er ging, hinter
diesem Manne ujnlier und betastete von oben den Bündel. Dieser Mann kehrte sich um
• Von 3 bis ö Uhr Nacli mittags.
Denkschriften der phil.-liist. Cl. XXVI. BJ.
36
gco Pfizmaikr.
und siio-tc mit finsterem Blicke: Was thut diesei" Kerl, dass er die Augen auf einen
JJündel heftet, den Andere besitzen?
Matsu-mitsu maje-ni kitari-te \ koü utsi-kagamete \ sono tsutsumi ßraki-te mise-tamaje-to \
si-kata-nite te-tco tigokasi misure-do | kano wotoko kokoro-jezu \ ko-jatsu mono-itoanu-wa od
naru-besi. Nani-gotn-ivo omo-ni-ka kiki-waki-gatasi-to i-i-tsutsu \ kano tsutsumi-wo orosi \
kore-ni fidzi utsi-kakete \ sake nomi-iuori \ matm-viitm tsiitsumi-no utsi sikiri-ni jukasi-ku-te \
utsi-mamori-i-tarih-ni \ kano icutoku sake-ni ei-7iuru-ni-ja \ kasira unadarete nemuru sama
nare-ba \ sidzuka-ni soba-ni jori-te \ jawora kano tstttswmi-ni te-wo kakete \ waga kata-je fiki-
josen-to suru-ni \ kono tvotoko toku me-wo samasi-te \ kono kata-i-me \ mata-mo kono tmtmmi-
u-o nnsuman-to sunt-ni-ja. Kono tsutsumi-no utsi-wa \ ame-no sita-ni narabu mono naki
utsuica-nite \ ^ A (ten-nin) fli| A (sen-nin)-ni arazare-ba \ motsiüru koto naki ^ ^
(tsio-fb) nari. Nandzi tsutsumi-ni kokoro-wo kakuru-wa \ itsi-dzib nusu-hito naru-besi. Ta-
jasuku nandzi-ra-ni nusumi-toraru-beki-ja-uia-to jese-warai-tsiäsu \ mata kann tsiitsumi-too se-
ni oi-te I omo sama-ni nori-sikari-Uutsu kado-ioo idete-zo ini-keru.
Matsu-mitsu kam nach vorn, beugte den Leib, machte Zeichen, welche bedeuten
sollten: Oeifnet den Bündel und lasset sehen! und zeigte es durch Bewegungen der
Hände, doch dieser Mann verstand es nicht und sagte: Da dieser Kerl nicht sprechen
kann, muss er stumm sein. Was er meinen mag, kann man unmöglich hören und ver-
stehen. — Mit diesen Worten nahm er den Bündel herab, legte den Arm darauf und
trank Wein. Matsu-mitsu, fortwährend sehnsüchtig nach dem Inhalte des Bündels
sehend, beobachtete. Als dieser Mann, vielleicht vom Weine trunken, das Haupt hängen
liess und zu schlafen schien, legte Jener leise an den Bündel die Hand und wollte ihn
zu sich ziehen. Doch dieser Mann schlug schrrell die Augen auf und sagte: Will dieser
Bettler schon wieder diesen Bündel stehlen? In diesem Bündel befindet sich ein Geräth.
dem nichts unter dem Himmel gleichkommt, eine grosse Kostbarkeit, welche, wenn es
nicht Himmelsmenschen, unsterbliche Menschen sind, von keinem Gebrauche ist. Da du
dem Bündel deine Aufmerksamkeit zuwendest, wirst du gewiss ein Dieb sein. Könnte
er ohne weiteres durch dich weggestohlen werden? — Hiermit nahm er hohnlachend
wieder diesen Bündel auf den Rücken, trat, in Gedanken schmähend, aus dem Thore
und ging fort.
Jese-warb, richtig ef^e-warb, wird für gleichbedeutend mit sesera-warb ,hohnlachen'
gehalten.
Matsu-mitsu kare-ga sen-nin-no motsu-beki takara nari-to i-i-tara-wo kiki-te \ ijo-ijo waga
fadzunuru fisago naru-besi-to omoi-kere-ba \ siri-ni tsuki-te \ ßsoka-ni oi-juku. Kano icofoko-
wa kokoro-mo tsukazu \ ko-uta utai-tsutsu juku-wo \ iisiro-jori mu-zu-to kubi-sudzi-wo toraje-
tare-ba \ kano wotoko te-wo fiiri-agete \ usiro-zama-ni nagi-kere-ba \ matsu-mitsu^ te-wo fanatsu.
Kano wotoko mafsu-mitsu-ni tobi-kakaran-to se-si-ga \ joku-joku dai-zi-no mono nari-ken \ kam
tsutsumi-ivo se-jori orosi \ wuka-naru tokoro-ni sasi-oki-te \ kosi-naru \^ (b6)-ico totte \ utte
kakaru. Matsu-mitsa-mo onazi-ku bo-wo motte sibasi tatakai-si-ga \ tagai-ni tataki-tsu \
tatakare-tsu site \ ai-tomo-ni ßtn jowa.ri-ni jowari-keru toki \ kano lootoko ko-e-wo agete \ sibasi
maiase-tamaje \ mbsu-beki koto ari-to ije-ba \ matsu-mitsu-mo bo-wo todomete i-taru-ni \ kano
wotoko u-oki-ni iki-iuo tsuki-te \ tvare tcosanaki toki-jori \ bo-wo totte \ inu-to ßto-to-wo iivazu j
utsi-su-ete \ te-gara-wo nasu koto tabi-tabi nare-ba \ ^ g (tö-goku)-ni oi-te-iva j ware-ni
masaru-beki bo-tsvkai-wa arazi-to \ g \^ (zi-man)-site ari-d-ni \ ki-den-no bo-no te-nami
icosa-icosa toare-ni otorazu. Satc-sate appare-naru on-fataraki-nite sbrb. Lna-wa on- ^ (na)-
Die Geschichte einer Seelenwandeeung in Japan. 283
WO nori-tamaje \ sono uje-nite-wa soregasi-mo ^ (naj-wo akasi-mbsi-tsu-besi-to | mame-mame-
siku ko-e-wo fanatsi-te iü.
Als Matsu-mitsu hörte, dass Joner sagte, es sei eine Kostbarkeit, welche unsterbliche
Menschen besitzen mögen, gab er sich immer mehr dem Gedanken hin, es müsse der
Kürbiss sein, den er suchte. Während jener Mann, auf Nichts achtend und ein Lied
singend, seines Weges ging, packte ihn Jener von rückwärts fest bei dem Halse. Jener
Mann erhob die Hand, hieb ihn rücklings weg, und Matsu-mitsu Hess die Hände los.
Als jener Mann sich auf Matsu-mitsu stürzen wollte, nahm er — es mochte aus grosser
Vorsicht geschehen sein — den Bündel von dem Rücken, legte ihn an einer Stelle der
Anhöhe nieder, ergriff dann den Stock, der sich an seinen Lenden befand, und schlug
zu. Matsu-mitsu hatte ebenfalls einen Stock und kämpfte alsbald. Nachdem Beide,
gegenseitig bald schlagend, bald geschlagen, sehr matt geworden waren, rief jener
Mann mit lauter Stimme: Wartet eine Weile! Ich habe euch etwas zu sagen. — Als
Matsu-mitsu den Stock zurückzog, sagte jener Mann, indem er schwer athmete : Ich habe
seit meiner Jugend den Stock geführt, und ohne Rücksicht darauf, ob es Hunde odei-
Menschen waren, oftmals niedergeschlagen und Thaten verrichtet. Ich rühmte mich,
dass es in den östlichen Reichen keinen Stockfechter gebe, der mich übertreffen kann.
Indessen steht eure Fertigkeit in der Handhabung des Stockes der raeinigen nicht viel
nach, es ist eurerseits eine erstaunliche Leistung. Nennet mir' jetzt euren Namen, icli
werde euch dann den meinigen bekannt geben. — Also rief er ihm treuherzig zu.
Matsu-mitsu kokoro-ni okasi-ku omoje-do \ kutsi fatarakane-ha \ mantori-i-taru-ni \ kano
wutoko na-nori-tamawanu-wa \ si-sai koso soratvame \ mi-gokoro-ni kokete \ fosi-to obosarurii
fito-sina j tai-setsu-no mono-nagara ^ mise-tate-matsuran-to \ sidzu-sidzu-to tatsi-te \ kano tsutsumi-
wo te-ni tori-agete \ matsu-mitsu-ga maje-ni su-ete \ iza-iza firaki-te mi-tamaje-to iü-ni \ matsu-
mitsu uresi-ku | mi-tabi-bakari utsi-sasage-sasagete \ säte kano tsutsumi-no musiibi-me toki-te
firaki-miru-ni | ko-wa ika-ni | ^ J^ (rb-nin) ^ ^ (bib-ziu) naxlo-yio fusi-do-ni j takuwbru •,
si-bin-to nadzuke-si mono-ni-zo ari-keru. Matsu-mitsu-tva oMrete \ o-o-gutsi aki-te bgi-i-tari.
Matsu-mitsu hatte merkwürdige Gredanken, doch sein Mund bewegte sich nicht, und
er hielt zurück. Jener Mann sagte : Dass ihr den Namen nicht nennet, wird einen
(irrund haben. Ich werde euch einen Gegenstand, dem ihr eure Aufmerksamkeit schenktet
und den ihr für begehrenswerth haltet, so wichtig er auch ist, zeigen. — Hiermit stand
er ruhig auf, erhob jenen Bündel mit der Hand und legte ihn vor Matsu-mitsu hin.
Er sagte: Wohlan! Oeffnet ihn und sehet! — Matsu-mitsu voll Freude hielt ihn drei-
mal immer wieder empor, und als er den Knoten dieses Bündels löste, öffnete und hinein-
sah, was war es? Es war ein Gegenstand, den man in den Schlafzimmern der Greise
und Kranken aufbewahrt und dem man den Namen Nachtgeschirr gegeben hat. Matsu-
mitsu war erstaunt und blickte mit weit geöffnetem Munde aufwärts.
Si-bin steht für j^ jfJt, siü-bin ,Nachtgeschirr'.
Kano tvotoko ij''^-ijo fajari-ka-ni sajedzuri-keru-wa \ kore-wa mijako-no jan-goto-naki fito-
bito-roa o-o-tsubo-to mesarete \ mi-kawa-ja-bito nado-no | tori-atsukb mono-nite sbrb. To-goku-
nite-wa mint koto mare-naru sina naru-wo I onore-ga 3£ (sijüj-no moto-ni mara-udo-no iri-
kite sbraje-ba | kono sina motsiü-beki koto ari-to ^ J^ (siju-zin) mbsi-tsukete sbraje-ba | pjif V
(sijo-sijo) kari-motomete \ motsi-ma-iru tokoro-ni | ki-den kono sina-ni rne-ivo tsuke-tamb-iva
kokoro-aru on-fito-to mi-uke-tare-ba | tai-sctsu-no mono-nagara \ fisoka-ni mise-tate-matsum nari.
Imada siju-zin-ni te-watasi-senu utsi \ watakusi-ni flji \ (ta-ninj-no me-ni fure-sbrb kofo-wa '
3(r
284 Pl'lZMAlEll.
ki-de7i-no ^ li^ (sifi-!'in)-ni kan-zure-bn nari. Jume mi-ki-to iia-no-tamai-so-to \ te-hihi-iro
ngokasi-tsufsu m.
Jener Mensch selnvätzte immer munterer fort und sagte: Dieses ist ein Gegenstand,
der bei den unbeschreiblich vornelimen Menschen von Mijako als grosser Topf benützt
Avird . den die Menschen des kaiserlichen Flusshauses handhaben. Es ist eine Waare,
die man in den Östlichen Reichen selten sieht. Da zu meinem Gebieter Gäste ge-
kommen sind, kann man diesen Gegenstand brauchen. Der Wirth gab den Auftrag,
ich suchte es an verschiedenen Orten zu leihen, und als ich es brachte, richtetet ihr auf
diesen Gegenstand die Augen. Da er einem verständigen Manne in die Augen fiel,
zeige ich ilin euch, so werthvoll er ist, im Geheimen. Dass er, ehe ich ihn noch dem
Wirthe übergebe, im Besonderen einem Anderen vor die Augen kommt, es ist dess-
wegen , weil ich von euerer Aufmerksamkeit gerührt bin. Saget es bei Leibe nicht,
dass ihr ihn gesehen habet. — So sprach er, indem er die Handgelenke bewegte.
Fajari-ka-ni , ein Wort, das in dieser Form sonst nicht vorkommt, hat die Bedeutung
,rasch'. Ka-ni sind zwei Partikeln des Zweifels.
Sajedzuru bedeutet eigentlich ,zwitschern' und bedeutet hier das Schwätzen. In
dem Nippon-ki hat das Wort ^ ^ .chinesische Sprache' die Lesung kara-sajedzuri
, chinesisches Zwitschern'.
Matsu-mitsu an-ni ~)^ ^ (so-i)-si-tare-do | kono wotoko-ga koto-sara-ni dai-zi-to omö
sama nare-ha | osi-itadaki-te \ tsutsumi-ni fiki-tsutsumi-te kajesi-watase-ba | lootoko amata-tabi
osi-itadaki.-te | moto-no gotoku se-ni oi-te | tsu7'a-wo sikame-tsutsu | sate-sate omowazaru \^
(bd)-no ^ -^ (siö-bii)-ni \ kaina-mo kosi-mo \ itami-te taje-gatnku surh-to i-i-tsutsu \ asi-mo
sidoro-ni ajumi-te jidm.
Matsu-mitsu war in seiner Erwartung getäuscht, doch da dieser Mann darauf grossen
Werth zu legen schien, hielt er den Gegenstand über das Haupt empor, wickelte ihn
in den Bündel und gab ihn Avieder zurück. Der Mann hielt ihn oftmals über das
Haupt, nahm ihn wie früher auf den Rücken und sagte, das Angesicht verziehend: Von
dem unvermutheten Kampfe mit den Stöcken schmerzen mir Arme und Hüften unerti-äg-
lich. — Dabei schritt er schlotternd einher.
Matsu-mitsu futokoro-jori \ aumi-nawa-ga watasi-taru fumi iori-idete | firaki-misure-ba 1
kono lootoko titsl-jomi-te | nani-nani kono mono osi-no jamai-nite | reö-dzi-no tarne \ tö-goku-je
makari-kudari-sbrb. Sikaru-beki tokoro-ni-tca \ — • "^ (issijuku)-tsukainatsuru-beku aida \ on-
tori-atsiikai-tamaivaTU-beku-to | jomi-mo fatedr \ kono wotoko ijeru-'wa \ sode furi-awasu-mo
ilE» ^ (ta-sibj-no ^ (jen)-nite sbrb. Waga siju-zin-no moto-ni tomonai-te \ jadosi-ma-
irasen \ iza-iza-to i-i-te fiki-tsure-juku. Säte juki-juki-te \ mune-mon o-oki-naru ije-ni itari-nu.
Kore-nan firo-woka-no tsib-zija-ga. sumi-ka nari-kem. Matsti-mitsu-ivo ko-be-ja-ni irc-oki-te j
kano iDOtoko-wa oku-no kata-je juki-nu.
Matsu-mitsu nahm aus dem Busen ein Schreiben, welches ihm Sumi-nawa gegeben
hatte, hervor, öffnete es und zeigte es. Dieser Mann las: Dieser Mann ist stumm und
reist der Heilung wegen nach den Östlichen Reichen. Wenn er an einem angemessenen
Orte übernachten " kann, möget ihr es vermitteln. — Ehe er noch zu Ende gelesen,
sagte dieser Mann: Man legt die Aermel an einander, es ist das Verhältniss eines anderen
Lebens. Ich werde euch zu meinem Gebieter begleiten und euch behei'bergen. Auf!
— Dieses sagend, wandelte er mit ihm weiter. Immer einhergehend, gelangte man zu
einem Hause mit grosser Firste und grossem Thore. Es war der Wohnort Firo-woka-
riE Geschichte einer Seelenwanderuno in Japan. 285
no Tsit)-zija's. Jener Mann brachte Matsu-mitsu in einem kleinen Gemache unter und
ging- nach der inneren Seite fort.
Sibasi ari-te \ uku-no kata sikiri-ni mono-saivagasi-kerr-ba , matsti-niitsu fisvka-ni iri-te inire-
ba I go-ziti-amari-naru uba-ivo torajete | aruzi ßro-tvoka-no tsih-zija ikari-nonosiri-te tvori.
Kata-je-ni kakurete kike-ba \ tsiu-zija-ga iwaku \ onore-wo koko-moto-je obiki-jnse-si-ica 1 sakl-
ni-mo katari-taru gotoku \ wäre jama-hito-ga ^ ^ (jd-noku)-7ii majoi \ tabi-tabi ßfo-vo
mote sono josi i-i-ohiri-tsure-do \ fu-tm-ni iraje dani sezu. Kore-ni jori-te \ onore-wo kaku
johi-su-ete \jama-bito-tco icare-ni ataje-jo-to j sama-zama-to i-i-kikasure-do \ ^ §| (si6-in)-sezaru
koso niku-kere. Kono uje ina-to ma-ba \ tatsi-dokoro-ni inotsi-wo tatsu-besi. Ika-ni fen-to-se-jo-to.
Nach einer Weile entstand im Inneren grosser Lärm. Matsu-mitsu trat heimlich
ein und blickte hin. Firo-woka-no Tsib-zija, der Gebieter des Hauses, ' hatte eine etwa
fünfzigjährige alte Frau festgenommen und schalt sie heftig aus. Matsu-mitsu versteckte
sich zur Seite und horte zu. Tsio-zija sagte: Dass ich dich hierher gelockt habe,
geschah aus dem Grunde, den ich dir schon früher angegeben habe. Ich bin von der
Gestalt Jama-bito's eingenommen und habe ihm dieses mehrmals durch Menschen hinter-
bringen lassen, allein er gab mir nicht im Geringsten Antwort. Somit habe ich dich
gerufen und hier behalten. Ich habe dir auf allerlei Weise kundgemacht, dass du mir
Jama-bito geben sollest, doch du willigtest nicht ein; es ist abscheulich! Wenn du noch
ferner Nein sagst, Averde ich dir auf der Stelle das Leben nehmen. Gib Antwort!
Ko-e-tvo agete Ije-ba \ itba naki-sidztcmi.-tarii kaico-ico agete | sate-sate ÖE ^ (mu-zan)-
naru wo-ko-no mono kana. Waga ko-ioa ^ \ (n6-nin)-no ije-ni umare-tare-do \ ^ ^
(sii-sibj-ivo hca-ba \ nandzi-ra-ga tagui-ni-wa arazu. Sikaru-wo anagatsi-ni | joko-sama-narit
me-wo misen-to suru-ja. Fawa-ga inotsi-ivo tora-ba tore \ ivaga ko-wa omö mama-ni-ioa sase-
zi-to ije-ba \firo-woka o-oki-ni ikm'i-te \ josi-josi sara-ba uki-me mise-ten. Ko-jatsu moto-no
gotoku taka-dono-ni utsi-kome-oke-tn ije-ba \ simo-bito-ra fe-ivo tori-te täja-ivo tsurete fasi-go-ico
nobori | kaina-tvo fasira-ni kvkiiri-oki-te \ fitosi-ku taka-dono-ivo kudari-nu.
So rief er mit lauter Stimme. Die alte Frau erhob das von Thränen überströmte
Angesicht und sagte: O welch" ein schamloser, thörichter Mensch! Mein Sohn ist in
dem Hause eines Ackermannes geboren , doch schon in Rücksicht auf den einfachen
Geschlechtsnamen ist er nicht eures Gleichen. Willst du dennoch mit Gewalt Schief-
heit zeigen? Nimmst du der Mutter das Leben, so nimm es. Meinen Sohn lasse ich
nicht nach deinem Willen handeln. — Firo-woka gerieth in heftigem Zorn und rief:
Gut! So werde ich dir die Gefahr zeigen. Leute! Verschliesset sie so wie früher in dem
Stockwerke. — Die Diener ergriffen die alte Frau bei der Hand und stiegen mit ihr
die Treppe hinauf. Sie banden ihr die Arme an einen Pfeiler und stiegen zu gleicher
Zeit von dem Stockwerke herab.
Taka-dono-ni-ioa iJ)a-ga ko-e-nite \ naki-nonosiri-te jamazu. Firo-woka simo-tvotoko-wo
jobi-te i-i-keru-wa \ kare kurusimi-ni tajede | asu-ni-mo nara-ba kokoro-ivorete \ jama-bito-ioo
tvare-ni je-sasen-to-ja i-i-mo sen. Mosi ijo-ijo keö-no gotoku fari-damasi-i-ni sio-in-sezu-wa \
asu-no jo-wa maje-naru kaioa-ni sidzume-ten-to iü. Matsu-mitsu idsl-kiku-jori | sate-mo Jf^ '^
(ju-tuj-no jatsu-kana. Ika-ni-mo site kono uba-ga inotsi-tasuke-baja-to omoi-kere-do \ sen-su-
be-na-kere-ba moto-no tokoro-ni kajeri-wori.
Die alte Frau in dem Stockwerke hörte nicht auf, laut zu weinen und zu schmähen.
Firo-woka rief einen Diener und sagte zu ihm: Sie wird die Qual nicht ertragen, und
wenn es Morgen ist, im Herzen gebrochen, sagen, dass sie mir Jama-bito verschaffen
286 Pfizmaier.
werde. Wenn sie, nuc-h immer so halsstarrig wie heute, nicht einwilligt, so wird man
sie morgen Nachts in den Fluss gegenüber versenken. — Matsu-mitsu horchte auf und
dachte sich: O ein übelthätiger Kerl! Ich möchte dieser alten Frau auf irgend welclie
Weise das Leben retten. — Er wusste jedoch nicht, wie er es beginnen solle und kehrte
an seinen früheren Ort zurück.
Mitsi-jori tomonai-si wotoko ^ (zcn)-wo motsi-kite | matsu-mitsu-ga mo,je-ni su-ete \ katawara-
no wotoko-ni sasajaki-i-i-keru-tva | kano tiba-wo sukasi-nagusamen tote | ivare-ni o-o-tsubo-tvo
•'^/'5 M -& (jv-i)-se-jo-to I i-i-tsukerare-t.mre-do \ ko-joi-no cm-sama-nite-wa | o-o-tsubo-ino
-^ ffl (ß'-'j'^)'''^'^ nari-nu-to iü. Matsu-mitsu ^ (i-i) sitatame-wowari-te | mata kasiko-no
atari-wo ukagb-ni | aruzi-wa ne-dokoro-ni iri-te fusi-nu. Fodo-naku wotoko loonna-bara-mo \
■mono-domo tori-sitatamete \ ono-ono be-ja-ni iri-te fusi-nu.
Der Mann, der ihn auf dem Wege begleitet hatte, brachte Speise, stellte sie vor
Matsu-mitsu hin und flüsterte zu einem nebenstehenden Manne: Es wurde mir aufge-
tragen, ich möchte, um jene alte Frau zu beruhigen, nur den grossen Topf bereit halten.
Wie es jedoch heute Nacht den Anschein hat, ist der grosse Topf unnütz geworden. —
Als Matsu-mitsu die Speise aufgegessen hatte, spähte er wieder nach der anderen Seite. Dei-
Gebieter des Hauses ging zu der Schlafstätte und legte sich nieder. Die Männer und Weiber
sammt den Leuten assen alsbald. Ein Jeder ging in ein Gemach und legte sich nieder.
Sitatamuru und tori-sitatamuru, hat hier die Bedeutung , essen'.
Matsu-mitsu ne-mo jarade ßto-toki bakari-ioo sugusi-keru-ni \ kane-no ko-e kikojuru-tva
ne-no toki naru-bed. Mina ßto jokic ne-iri-taru-ni-ja | ije-no utsi sidzumari-te \ niiva-no atari-
ni mnsi-no ko-e nomi su nari. Sidzuka-ni sinobi-idete \ kuri-ja-wo towori-te | oku-no kata-ni
juku-ni I tüotoko loonna mina joku inete ßbiki-no ko-e nomi su. Si-sumasi-nu-to | fasi-go-ni
asi-wo kakure-ba \ tvonna-no ko-e-nite | nusu-bito-jo-to iü-ni \ matsu-mitsu odoroki-te | fito-
tsidzimi-to nari-te j tatami-ni fusi-wore-ba | kano wonna-no ko-e-nite \ nusu-bito-ni-wa arazu \
waga wotoko-nite ari-keri | kotsi-jori tamaje-to i-i-tsvtsu \ o-oi-naru ibiki-ivo kaku-ni-zo | sate-
wa ne-goto nari-to satori-te \ mata fasi-go-ni kakari-te \ oto-sezaru jö kokoro-dzukai-site nobori-
mir'e-ba | kuraku-te rnono-no aja-mo mijezu. Matsit-mitsu mado-no to-ioo ake-tsare-ba j ne-
matsi-no tstiki-no fikari sasi-iri-te \ so-ko-ra azajaka-ni miju.
Matsu-mitsu verbrachte eine Stunde, ohne zu schlafen, und als der Ton der Glocke
erklang, konnte es um die erste Stunde') sein. Während alle Menschen Avohl fest
schliefen , war es in dem Hause ruhig, und in der Nähe des Vorhofes tönte bloss das
Zirpen der Insecten. Er schlich leise hervor, ging durch die Küche und wandelte an
der inneren Seite des Hauses umher. Alle Männer und Weiber schliefen fest , und er
hörte nur den Ton des Schnarchens. Als er in dem Gedanken , dass er es zu Stande
gebracht habe, den Fuss auf die Treppe setzte, rief eine weibliche Stimnae: ßäuber! —
Matsu-mitsu erschrocken , schrumpfte zusammen und blieb auf der Flurmatte liegen.
•Jene weibliche Stimme rief jetzt: Es ist kein Räuber, es war mein Mann. Tretet hier
ein! — Dabei ertönte ein starkes Schnarchen. Er erkannte, dass es im Schlafe ge-
sprochene Worte waren. Er wandte sich wieder zur Ti'eppe und bedacht, dass er kein
Geräusch mache , stieg er hinauf und sah sich um. Es war finster und nicht das
Geringste zu sehen. Er öifnete den Laden des Fensters. Das Licht des Mondes dei-
neunzehnten Nacht fiel herein, imd die Lage dort erschien deutlich.
Von 11 Uhr Abends bis 1 Ulu- Morgens.
Die Geschichte einer Seet^enwanderung in Japan. 287
üba odoroki-te furui-idase-ba \ matsu-mitsu se-wo nade-sasuri-te | te-ni kakuri-taru nawa-
wo tokiL. Uba fu-sin-ni omoi-te mamori-ivore-ba | matsu-mitsu tsutsumi-jori sumi-nawa-ga
tsukureru kuda-wo idasi-te | tsugi-awasde \ ^\ (rtl)-no fasi-go-to nasi-te | mado-jori sasi-orosi
uha-ga te-ivo tori-te | fasi-go-no moto-je jare-ba \ sate-wa toare-wo sukü fito nari-to kokoro-
dzuki-te | te-wo awasete wogami-tsutsu \ kano fasi-go-wo kudare-ba \ tsui-gaki-no soto-je ide-nu.
Uba-wa itresi-ku-mo mata osorosi-ku-te | ßta-sura inatsn-mitsu-ga kata-wo fusi-wogami-te
fasiri-jukan-to suru-ni | ajasi-ki wotoko-no tsu-to ide-kite \ mono-wo dani iwazu | uha-wo fiki-
kakajete | idziiku-to-mo sirezu tohi-juki-nu.
Die alte Frau erschrack und zitterte. JVlatsu-mitsu streichelte ihr den Rücken und
löste die um ihre Hände gewundenen Stricke. Während die alte Frau im Ungewissen
war und zurückhielt, nahm Matsu-mitsu aus dem Bündel die von Sumi-nawa verfertigten
ßöhi-en, fügte sie zusammen und liess sie, nachdem er daraus eine gewöhnliche Treppe
gebildet, von dem Fenster herab. Als er hierauf die alte Frau bei der Hand nahm
und zu der Treppe führte, merkte sie, dass es ein Mensch sei, der sie rette. Hie Hände
zusammenlegend und sich verbeugend, stieg sie diese Treppe hinab und gelangte zu der
Aussenseite der Mauer. Als die alte Frau, erfreut und zugleich erschrocken, Matsu-mitsu
zugekehrt sich tief verbeugte und dann entlaufen wollte, kam plötzlich ein wunderbarer
Mann hervor, nahm, ohne ein Wort zu sprechen, die alte Frau in die Arme und eilte,
man wusste nicht wohin, mit ihr fort.
Matsu-mitsu-wa kor^e-wo sirazu \ kano fasi-go-wo ßki-agete \ moto-no kuda-to nasi-te \
fnutsumi-ni irete sidzuka-ni fasi-go-wo orin-to suru wori-kara \ aruzi firo-woka me-samete [ uba-
ga naku ko-e-no jami-si-wa ibukasi tote \ ajumi-kite fasi-go-ni kakare-ba | matsu-mitsu wori-kite
■me-'wo vii-atvase-nu. Ja-ore nusu-hito koso tote j moro-te-ni fittorajete ko-e-tvo tatsure-ha \ ije-no
uisi-no mono mina oki-ide-kite \ tojomi-saivagu. Firo-tvoka nusu-bito-tua toraje-oki-tsu \ nawa-
mote ko-jo tote \ naiva-ivo tori-joscte \ matsu-mltsu-wo sitataka-ni kukiiri-age-tsu. Uba-ga ko-e-
senu-wa fu-sin nari lote \ taka-dono-je agari-te miru-ni \ uba arazu.
Matsu-mitsu, der dieses nicht wusste, zog diese Treppe herauf, gab sie, nachdem
er sie wieder zu Röhren gemacht, in den Bündel und wollte leise die Treppe herab-
steigen. Um die Zeit erwachte Firo-woka, der Gebieter des Hauses. Verwundert, dass er
die alte Frau nicht mehr weinen hörte, schritt er daher, und als er zu der Treppe ge-
langte, kam Matsu-mitsu eben herab und traf mit ihm von Angesicht zusammen. He !
ein Räuber! — Mit diesem Rufe packte ihn Jener mit beiden Händen. Auf das Geschrei
ei'hoben sich alle Leute des Hauses, kamen herbei und lärmten. Firo-woka sagte : Ich
habe einen Räuber gefangen. Bringet einen Strick. — Er legte den Strick an und band
Matsu-mitsu fest. Er sagte : Es ist sonderbar, dass die alte Frau keinen Laut von sich
gibt. — Hiei'mit stieg er in das Stockwerk, um nachzusehen. Die alte Fi-au Avar
nicht da.
Sate-wa ko-jatsu-ga nigasi-jari-tsuru nari tote | ijo-ijo matsu-mitsu-wo tsujohi utsi-su-e-tsii.
Ko-jatsu-wo ßki-ire-taru-wa 7iani-mono-zo-to iü-tii | ki7id si-hin-wo motd-kitaru wotoko-no tsure-
kitaru nari-to ije-ba \ ijo-ijo ikari-te | kano wotoko-wo-mo torajete seme-mutsi-utsu koto o-o-
kata-narazu. Saina-zama-fo seme-toje-domo ] matsu-mitsu moto-jori mono-iwarene-ba j tada sasi-
titsumuki-te woru-wo | ko-jatsu kaku-bakari seme-toje-doino \ — • ^ (itsi-gon)-wo dani
kotajezaru-wa | osorosi-ki jatsu nari. Ko-jat.'iu iabi-bito naran-ni-wa motsi-kitari-tsuru kawa-go
nado aru-besi. Firaki-mi-jo-to ije-ba \ wutoko-do7no matsu-mitsu-ga kawa-go-wo tori-ide kitar'i-te
firo-woka-ga maje-ni oku.
288 Pfizsiaiek.
Er sagte : Der Kerl hat sie entflielien lassen ! — Er selilug Matsu-mitsu mit iidcIi
grösserer Heftigkeit uiul fragte: Wer hat diesen Kerl hereingebracht? — Man sagte:
Der Mann, der gestern das Nachtgeschirr gebracht hat, ist mit ihm gekommen. — Noch
zorniger werdend, packte er aucli diesen Mann und peitsclite ihn nicht Avenig. ^^'ie man
ihn auch verhörte, Matsu-mitsu hatte vom Anfange an niclits gesprochen, und er senkte
bloss das Haupt zu Boden. Firo-woka sagte: Dieser Kerl, so scharf man ihn auch verhört,
hat noch mit keiner Sylbe geantwortet, es ist ein fürchterlicher Kerl. Da dieser Kerl
ein Reisender sein wird, so wird er einen Koffer mitgebracht haben. Man öffne diesen
und untei'suche ihn. — Die Männer nahmen den Koffer Matsu-mitsu's hervor, bi-achten
ihn und stellten ihn vor Firo-woka.
Kore-mo nusumi-tsuru mono iiaru-hed tute \ utsi-firaki mire-ha \ koromo futa-tsu mi-tsu
ire-taru sita-ni \ tada ima kiri-tari-to mije-taru ivonna-no kasira irete ari. Firo-woka odoroki-
te I naico tomod-hi-ivo tsikadzukete mire-ha \ jama-bito-ga fawa-no kasira-ni ni-tare-ba j o-oki-ni
odoroki-keru utsi-ni-mo omoi-megurase-ba \ wäre asu-no jo-wa uba-wu korosan-to omoi-tari-si-ni
ko-jatsu-ga korose-si-wa saixoai nari. Saru-nite-mo \ ika-naru koto-nite korosi-taru-zo vmkuro-
wa idzure-ni sute-taru-zo-to ije-do \ matsu-mitsu iraje-sezaro-ba \ mala kano kaira-go-ico sagasi
mire-ha \ — • j^ (ittsü)-no fmni ari. Jomi-te mire-ha \ kono mono osi nari-to sirusi-te ari \
miru-jori fro-icoka mata ^ -^^ (aku-nen) ki-zasi-te \ nita-nita-to icarai-te | kono fumi-tüo
ßki-saki sutete \ joki fakari-guto ari-to jorokohi-te \ madzu ko-jatsu-ico tori-nigasn-he-karazu \
ijo-ijo tsunagi-te oke-to i-i-tsukete j Jo-no akuru-tvo matsi-tari-keru.
Er sagte: Dieses werden auch gestohlene Sachen sein. — Als man ihn öffnete und
untersuchte, befand sich darin unterhalb zweier oder dreier hineingelegten Kleider ein
dem Anscheine nach eben erst abgeschnittenes Frauenhaupt. Firo-woka erschrack, hielt
das Licht näher und blickte hin: es hatte Aehnlichkeit mit dem Haupte der Mutter
Jama-bito's. In seinem grossen Schrecken sagte er zu sich selbst: Ich wollte morgen
Nacht die alte Frau tödten, und es ist ein Glück, dass der Kerl sie getödtet hat. — Dessen
ungeachtet fragte er: Aus welchem Grunde hast du sie getödtet? Wohin hast du den
Rumpf geworfen? — Da Matsu-mitsu keine Antwort gab, dui-ehsuchte er nochmals den
Koffer und fand darin ein Schreiben. Er las es, und es enthielt die Worte : Dieser
Mensch ist stumm. — Sobald Firo-woka dieses sah, kam ihm wieder ein böser Gedanke.
Lachend zerriss er dieses Schreiben und warf es weg. Er freute sich, dass er jetzt einen
guten Entwurf habe. Vorerst sagte er befehlend : Man darf diesen Kerl nicht entfliehen
lassen. Bindet ihn noch fester! — Hiermit wartete er auf den Anbruch des Tages.
Nita-nita, eine verstärkende Partikel, ehemals auf das Essen, jetzt auf das Lachen
bezogen.
Fodo-nakii jo-mo ake-kere-ba \ firo-woka tsune-ni viutsumasi-ku juki-kajo \kuni-no kami-
no g ^ (moku-dai)-ga moto-ni juki-te | unore-ga ije-ni \^ ^ O^ijo-zi) ide-kite sbrb-to ije-
ba I moku-dai nani-goto-zo-to toje-ba \ firo-woka-ga iü jb | je-bara-goivori-ni take-siha-no jama-
bito-to mbsu mono \ tosi-goro farra-ni Jf- ^ (fu-kb)-site sbrai-ke.ru-ni \ ototsu-i fawa-wo itaku
mutsi-ntsi-te korosu-heku kamaje-.suraje-ba \ fawa nige-idete onore-ga moto-ni kitari-te sbrai-si-
rco \ jo-he fito-iL'O jatoi-te \ onore-ga ije-ni sinobase-oki-te \faira-iro korosasete sbrb nari, Korosi-
tsuru jatsu-wo kararn.e-oki-te sbrb tokoro ! kano m.ono fazime-wa jama-bito-no i-i-tsuke-nite kitari-
tsuru josi-ivo mbsi-tsure-do \ kukuri-agete notsi-wa fu-tsu-ni mono-ioo itcazu \ osi-no gotoki ma-
ne-site \ — ■ ^ (itsi-gon)-no iraje dani tsiikamatsurazu sbrb. Kono koto-no onore-ga mi-ni
adzukareru koto-ui sbratvane-do \ kare-ga faioa-no nige-ma-iri-te sbrb-ico \ korosase-tsuru koto
Die Geschichte einer Seelenwanderuxg in Japan. 289
■^^ (nenj-nak/i zon-zi-sorb. Toku kano mono-domo j^ (tsiu)-ni mesarete 55 /i (inon-tsijü)-site
tamawari-nan-to \ makoto-t^i-jaka-ni noburu.
Als bald nachher der Tag anbrach, ging FIro-woka zu dem Stellvertreter des Statt-
halters des Reiches, einem Manne, mit dem er gewöhnlich in Freundschaft verkelirte
imd sagte : In meinem Hause hat sich ein grosses Unglück ereignet. — Als der Stell-
vertreter fragte, was es sei, sagte Firo-woka : In dem Kreise Je-bara ist ein Mensch Namens
Take-siba-no Jama-bito seit Jahren gegen seine Mutter nicht älternliebend. Am gestrigen
Tage peitschte er seine Mutter gewaltig und traf Vorkehrungen, dass er sie tödten
könne. Die Mutter entfloh und kam zu mir. In der Nacht miethete er einen Menschen,
versteckte ihn in meinem Hause und Hess seine Mutter tödten. Ich habe den Kerl, der
sie tödtete, eben gebunden. Dieser Mensch sagte anfänglich, dass er im Auftrage Jama-
bito's gekommen sei, doch nachdem man ihn gefesselt, spricht er auf einmal nicht. Er
stellt sich stumm und antwortet mit keiner Sylbe. Diese Sache ist zwar etwas, das mich
nicht angeht, doch seine Mutter hat sich zu mir geflüchtet, und ohne darüber nach-
zudenken, weiss ich, dass er sie tödten liess. Ihr werdet schnell diese Leute vor den
Gerichtshof laden und sie verhören. — So erzählte er, als ob es Wahrheit wäre.
Kono me-dai-iva tsune-ni ßro-woka-ni zeni-wo kari-te | sitasi-ki wotoko nari-kere-ha ] jume
ure-i-tamb koio na-kare j onore joku fakarai-ien-to ije-ba | ßro-woka sibasi katarai-awasete \
ono-ga jadori-je kajeri-nu. Sibasi ari-te kami-no J^ (tsib)-jori i ^ (si-sotsu) kitari-te
matsu-mitsu-wo fiki-te tsure-juki-mi. Mutsu-mitsu-iva jume-no kokotsi-site \ fikarete J^ (tm>)-no
utsi-ni iri-keru-ni | onore-ga kataioara-ni \ utsukusi-ki seo-nen-no udzukumari-i-tari.
Dieser Stellvertreter lieh Firo-woka gewöhnlich Geld und war ein ihm befreundeter
Mann. Er sagte : Kümmert euch nicht im Geringsten. Ich werde schon liath schaffen.
— Firo-woka führte noch eine Weile mit ihm ein Gespräch und kehrte dann in seine
Behausung zurück. Es währte nicht lange, als aus dem Gerichtshofe Kriegsleute kamen
und Matsu-mitsu mit sich fortführten. Matsu-mitsu glaubte zu träumen. Als er fort-
gezogen in das Innere des Gerichtshauses trat , kauerte an seiner Seite ein schöner
Jüngling.
Kuni-no kami madzu matsu-mitsu-ni mukai-te \ koto-no josi toi-tamaje-domo j iraje-sezare-
ba I ko-jatsu kiki-tsuru gotoku osi-no ma-ne-suru-to mije-tari-to i-i-te \ mata se6-nen-ni mukai-
te I nandzi-wa sake-tsidcuri-te aki-mono-suru jama-bito-to iü mono nant-ka-to toje-ba ] seu-nen
san sbro-to irb. Nandzi kore-naru wotoko-wo katarai-te \ fawa-ioo korosan-to seru ^ ^
(gijaku-zai) nikumu-beki jatsu nari. Tohi ari-no mama-ni ije-to semuru.
Der Statthalter des Reiches fragte zuerst Matsu-mitsu um die Umstände der Sache,
doch da dieser nicht antwortete, sagte er: Dieser Kerl sieht aus, als ob er gehört hätte
und den Stummen spielte. — Ferner fragte er den Jüngling: Bist du Jama-bito, ein
Mensch, der Wein bereitet und verkauft? — Der Jüngling antwortete: So ist es. —
Jener fragte streng: Du bist ein verrätherischer, verabscheuungswürdiger Kerl, der sich
mit diesem Manne verabredet hatte, die Mutter zu tödten. Geschwind sage die Um-
stände !
Aki-mono ist so viel als aki-iido ,Kaufmann'.
San steht für sa-ni ,so'.
Irb (irafu) stellt für irajuru ,antworten'.
Seö-nen namida-wo nagasi-te | ikade sa-jb-no | fito-naranio furumai tsuka-matsuru-beki \
faiva-wa kino omoi-jarazu juku-je-nakn nari-te sbrb aida pjf \^ (sio-sioj sagasi-motomete
Denkscliriflen der phil.-hist. Cl. SXVi. Bd. 37
290 Pfizmaier.
sord-ivo I tada-ima-no tamb-ico uke-tamawari-te sbraje-ba \ sate-wa vagu fawa-wa kono mono-
110 korosi-taru-nite soro-ka-to in. Kami kat'e-ga korosi-taru-wa j ma-no atari ßto-bito miru
tokoro nari-to ije-ha seo-nen ko-e-ivo agete naki-idasu.
Der Jüngling vergoss Thränen und sagte: Wie könnte icli eine solche unmensch-
liche That begehen? Meine Muttei* ist gestern unvermuthet verschwunden, und ich habe
sie unterdessen an verschiedenen Orten gesucht. Da ich eben jetzt die Vorladung er-
halten habe, ist da gar meine Mutter durch diesen Menschen getödtet worden? — Der
Statthalter sayte: Dass sie e-etödtet wurde, haben Menschen mit Ihren eigenen Augen
gesehen. • — Der Jüngling schrie und weinte.
Kami mata hvaku \ nandzi kono iootoko-wo katarai-te fawa-wo korosase-si koto \ tsutsumazu
mose-to iü-ni \ seo-nen ika-de sa-jb-no asamasi-ki koto tsukam,atsuri-nan. Kono wotoko-ioa
imada mi-mo siranib mono-nite sbrb-to ije-ha \ kami-no ijeraku \ nandzi-ga sirazaru wotoko-no
ika-naru ata nari-te fawa-no korosu-beki | kore-wa nandzi-ga i-i-tsiike-taru-ni tagawazi-to
semuru-ni \ seo-nen nawo aragaje-ba | kami ikari-te ^|5 ^ (rb-db)-ni ge-dzi-site \ kare-ra-ico
V^ ^ (9o-gi)-ni tsitnagi-te ute-to ije-ba \ rb-db | futari-wo fippari-te \ gb-gi-ni tsunagi-josete \
toku ari-no mama-ni ije \ iwazu-ica karaki me misen-to i-i-sama p^ f^ (gb-dzib)-wo tori-te \
utsi-su-e-kere-ba \ te-asi-ni J^ (tsi) nagarete \ foto-boto iki-mo taje-nan-to su.
Der Statthalter sagte Avieder: Gestehe offen, dass du dich mit diesem Manne be-
sprochen hast und deine Mutter tüdten liessest. — Der Jüngling sagte : Wie könnte
ich eine solche abgeschmackte Sache thun? Diesen Mann habe ich noch nicht ge-
sehen, und ich kenne ihn niclit. — Der Statthalter sprach : Was für eine Feindschaft
könnte ein Mann, den du nicht kennst, hegen, dass er deine Mutter tödten sollte? Es
ist hier nicht anders, als dass du ihm den Auftrag gegeben hast. — Als der Jüngling
auf diese scharfe Frage noch, immer leugnete, gerieth der Statthalter in Zorn und befahl
den Leuten: Bindet sie an den Untersuchungsbaum und schlaget sie! — Die Leute zogen
die Beiden heran, banden sie an den Untersuchungsbaum und sagten : Bekennet schnell,
sonst werden wir euch herbe Dinge zeigen. — In diesem Augenblicke ergriffen sie die
Untersuchungsstöcke und schlugen los. Von den Händen und Füssen der Beiden floss
das Blut, und der Athem wollte ihnen vergehen.
^ TJ^ Gb-gi ,Baum der Untersuchung' ist ein wirklicher Baum in dem Gerichtshöfe.
•^ -fet Ob-dzib , Stock der Untersuchung'.
Matsu-mitsu kokoro-ni omoi-keru-iva \ onore-ga inotsi-ica wosimu-ni tarazu. Kono seö-
nen-no \ omoi-joranu nure-ginu kite \ seme-sainamaruru koto-no ito-fosi-sa-jo. Firo-woka-ga \
faiüa-ico tori-ko-ni se-si koto-wa \ tvare koso siri-tare j seö-nen-ni tsuge-ha-ja-to omoje-do j mono-
iwarene-ba sen-kata-nasi. i ^ Si-sotsu-wa fita utsi-ni ute-ba j seö-nen-wa faja iki-tajete
usiro-sama-ni tawore-nu. Wa7^e-mo ima-ioa inotsi-taje-nu-besi. Ika-nare-ha \ obojenu kata-ica-to
nari-te \ uki-me miru koto-ni-ka f[l| A (sen-nin)-to iü mono ^ ^ (tsü-riki) oivasa-ba \
ware-ni fito-tabi mono-iwasete tabe-to \ j^ 1$ (sei-sin)-tco korasi-te jJTlt '^^ (ki-nen)-si-keru-
ni I makoto-no kokoro-ja jj (tsü)-zi-ken \ aivare-to | to-bakari fito-ko-e ko-e-wo agete sakebi-nu.
Matsu-mitsu dachte sich: Mein Leben ist nicht werth, dass ich es schone. Dass
dieser Jüngling unvermuthet ein feuchtes Kleid angezogen hat und gepeinigt wird,
welch' ein Jammer ist dieses! Ich habe erfahren, dass Firo-woka die Mutter gefangen
genommen luit, und ich möchte es dem Jünglinge sagen, doch da ich nicht spreche,
lässt sich nichts thun. Da die Kriegsleute stark zugeschlagen haben, ist der Jüngling
bereits athemlos und rücklings niedergefallen. Auch mir kann jetzt das Leben erloschen sein.
Die Geschichte einer Seelenwanderuxg in Japan. 291
Ohne zu wissen, wie es zuging, ein Krüppel geworden und in Gefahr, müget ihr doch,
o unsterbliche Menschen, wenn ihr durchdringende Macht besitzet, mich ein einziges Mal
sprechen lassen ! — AVährend er so den Geist zusammenhielt und betete, mochte der
wahre Gedanke durchgedrungen sein, und voll Schmerz that er nach einer Weile einen
einzigen lauten Schrei.
Si-sotsu säte koso ko-j'atsu osi-no ma-ne-si-tsuru-ga \ kurusi-ki-rii tajede \ ko-e-wo age-tsiira
nare \ nawo sitataka-ni utsi-su-e-ten-to ije-ba \ matsu-mitsio ko-e-ico agete madzu matsi-tamaje \
mono-kikoju-heki koto ari-to ijc-ha \ kamt sara-ha tokit mhse-to iü. Matsio-mitsu-ga iivakio
onore kono seö-nen-to \ moto-jori siru-fito-nite sbrawazu. Kino omowazzo firo-woka-ga moto-ni
jadori-te sbrai-si-ni | firo-woka itsi-nin-no uha-ioo torajete \ itakit seme-sainami-te | nandzi-ga
ko-naru jama-bito-ga ivaga kokoro-ni sitagawazare-ha \ nandzi-ivo tori-ko-to nase-si nari-to ije-
do I uba kokoro-wo sadamete uke-ßkazu | jori-te asu-no jo-ioa nba-wo korosu-besi-to \ simo-bito-
domo-ni i-i-tsukefe sbrb-wo | fi(,-to kiki-te sbraje-ba \ üowosi-ki koto-ni zon-zi-abrbte \ ^ (j")->ii
magirete \ taka-dono-ni nobori | uba-ico-ba otosi-jari-te sbrb nari-fo iä.
Die Kriegsleute sagten : Sehet ! der Kerl hat sich stumm gestellt, und weil er die
Qual nicht ertragen kann, hat er ein Geschrei erhoben. Wir werden ihn noch stärker
schlagen. — Matsu-mitsu rief laut: Wartet erst! Ich habe etwas, das sich hören lässt.
— Der Statthalter sprach: Also sage es schnell! — Matsu-mitsu hob an: Ich bin kein
Bekannter von diesem Jünglinge. Gestern kehrte ich von ungefähr in dem Hause Firo-
woka's ein. Firo-woka packte eine alte Frau, peinigte sie stark und sagte zu ihr: Da
dein Sohn Jama-bitö mir nicht willfährig ist, habe ich dich gefangen genommen. — Docli
die alte Frau war standhaft und ging nicht darauf ein. Desshalb gab er den Dienern einen
Auftrag, indem er sagte: Morgen Nacht muss man die alte Frau tüdten. — Da ich
dieses zufällig hörte, empfand ich Mitleid. Unter dem Schutze der Nacht stieg ich in
das Stockwerk und liess die alte Frau herab.
Kami kasira-ioo furi-te j ina-ina \ 7iandzi-ga korosi-tsuru uha-ga kaslra i^ (gen)-ni kore-
ni ari 1 ika-de aragawasu-beki-to ije-ba \ matsu-mitsu sono kasira-tua \ ivaga 0i)j (si) i-na-be-no
sumi-nawa-to mbsu mono-no | jeri-tsitkureru mono nari-to iü. Kami aza-warai-te | köre ika-de
tsukureru mono naran. Nandzi kuru.n-sa-ni | maga-magasi-ki sora-goto-ico iü 'nari-to ije-ba |
matsu-mitsu sojio kasira tori-idasi-tamai-te | joku go-ran-are-to iü-ni \ kami kann kasira ire-
taru utsuwa-no futa iori-te \ tsuku-dzuku mite \ kono kasira ika-de yjt (ki)-mote tsiüaireru
mono naran-to iü. Seo-nen-tva jb-jaku iki-ide-keru-ga \ nobi-agari-te \ kono kasira-ico utsi-
mite I lüaga fau-a-ni koso oioasu nare-to i-i-te \ naku koto kagiri-nasi.
Der Statthalter schüttelte den Kopf und sagte : Nein, nein ! Das Haupt der alten
Frau, welche du getödtet hast, befindet sich hier vor Augen. Wie kannst du es leugnen?
— Matsu-mitsu erwiederte : Dieses Haupt hat mein Lehrer, ein Mann Namens I-na-be-no
Sumi-nawa, geschnitzt. — Der Statthalter verlachte ihn und sagte : Wie kann dieses ein
künstlicher Gegenstand sein? Du sprichst in deinem Wahnsinn verkehrte, unbegründete
Worte. — Matsu-mitsu entgegnete : Nehmet dieses Haupt hervor und betrachtet es genau.
— Der Statthalter nahm von dem Gefässe, in welchem sich dieses Haupt befand, den
Deckel weg, untersuchte genau und sagte: Wie könnte dieses Haupt aus Holz verfertigt
sein? — Der Jüngling kam jetzt mit Noth wieder zum Leben. Als er sich emporstreckte
und dieses Haupt erblickte, rief er: Es ist meine Mutter! — Sein Weinen nahm kein Ende.
Matsu-mitsu iicalm \ ivaga 0i|j (si)-ica ß-da-no kuni-nite \ narabi-naki takumi-nite | ojoso
kono ßto-no tsukureru mono-uxt \ köre norni narazu. Fito-no me-ico nbai-sbrb koto amata sbrb.
:57*
292 Pfizmaier.
Kokoro-mi-ni \ utsi-icarl-te r/o-ran-are-to in-iii sara-ha kare-ga iü mama-ni kokoro-min tote j
kami katana-tvo nuki-ie \ kiri-tsukure-ha \ kasira-wa futa-tsu-ni warete \ utsi-jori tsi-isaki suzu
fito-tsit koro(je-ide-n\t. Kami tori-age mire-ba \ titsi-tva tsune-no ^ (ki) iiari. Sate-iva fito-no
kasira narazu-to \ fazimete satori-te \ sumi-nawa-ga takumi-no -pj" (ki)-naru koto-wo fome-kan-
zi-keri.
Matsu-mitsu sagte : Mein Lehrer ist ein unvergleichliclier Zimmermann in dem
Reiche Fi-da. Was dieser Mann verfertigt hat, Ist dieses nicht allein. Es sind viele
Dinge, welche das Auge der Menschen hinreissen. Zerbrechet es zum Versuche und
sehet hin. — Der Statthalter sagte: So werde ich es gerade wie er es sagt, prüfen. —
Hiermit zog er sein Schwert und hieb es an. Das Haupt ward entzwei gespalten,
und aus dem Inneren rollte eine kleine Glocke hervor. Der Statthalter hob es empor
und betrachtete es : das Innere war gewöhnliches Holz. Jetzt erst erkannte er, dass
es kein menschliches Haupt sei, und er pries und bewunderte die seltene Kunst
Sumi-nawa's.
Sarih-nite-mo nba-ga juku-je sirezare-ha \ nandzi-ico fanatsi-jari-gatasi. Nandzi-ga mbsu
gotoku-nite-wa j ßro-woka-me-mo mesi-tori-te toi-akiramu-hesi-to iü. Seö-nen i-i-keru-wa \ sate-
tva wa-dono-wa suini-7iaica-misi-no de-si-nite owasi-keru-ni-ja. So-ko-no 0i|j (si)-narit sumi-
nawa-nusi-wa \ ivaga moto-ni jadori-tamai-te \ kinö keö fawa-no juku-je. nado j tomo-domo
tadzunete owase-si-io ije-ba | matsu-mitsu-mo jorokobi-te \ fawa-gimi-iva onore iasuke-tate-
matsuri-te 1 ^ (jo)-no utsi-ni \ otosi-ma-irase-si-to katare-ba | sate-wa fawa-no on-inotsi tsutsuga-
naku oicase-si-ka tote \ % (ten)-ivo ^ (faij-site jorokobu.
Dessen ungeachtet sagte er : Da man nicht weiss, wohin die alte Frau gekommen
ist, so kann ich dich unmöglich loslassen. In Folge deiner Aussage wird man auch
Firo-woka verhaften, ihn befragen und die Sache aufklären. — Der Jüngling sagte
jetzt: Also seid ihr der Schüler des Herrn Sumi-nawa gewesen? Euer Lehrer, der Herr
Sumi-nawa ist bei mir eingekehrt. Gestern und heute suchte er in Gemeinschaft mit
mir , wohin die Mutter gekommen sei. — Auch Matsu - mitsu freute sich und sagte :
Eure Mutter habe ich gerettet und sie in der Nacht herabgelassen. — Der Jüng-
ling rief: Also ist das Leben der Mutter erhalten? — Er dankte dem Himmel und
freute sich.
Kakaru-ni firo-woka ma-iri-te J^, (tsio)-ni kasikomare-ba \ kami-no üvaku | nandzi-ga
ije-nite \ kono mono-ga tiba-wo korosi-tsiunt josi | nandzi uttaje-ide-tare-do so-wa aranu koto
varu-besi-to ije-ba \ firo-woka tianigasi ika-de itsuwari-ivo mbsu-beki | waga me-no maje-nite \
kano mono uba-ga hibi kiri-shrbte \ jama-biio-ga i-i-tmke-nite korosi-tarit josi mbsi-te sb7^ai-
ki-io iü. Kami sara-ba kono kasir^a-tvo mi-jo-to nage-jare-ba \ firo-woka tori-agete | utsi-kajesi
mire-ba \ ki-nite tsukureru mono nare-ba \ mata iü-beki kotoba-mo idezu kutsi-gqmom.
Unterdessen war Firo-woka gekommen und sass in dem Gerichtshause. Der Statt-
halter sprach: Du hattest die Anzeige gemacht, dass in deinem Hause dieser Mensch
eine alte Frau getödtet habe, doch dieses muss eine ungegründete Sache sein. — Firo-
woka erwiederte: Wie kann ich eine Lüge vorbringen? Vor meinen Augen hat dieser
Mensch das Haupt der alten Frau abgeschnitten und gesagt, dass er sie im Auftrage
Jama-bito's getödtet habe. — Der Statthalter sprach: Also siehe dieses Haupt! — Hier-
mit warf er es ihm hin. Firo-woka hob es auf, drehte es um und betrachtete es. Es
war ein aus Holz verfertigtes Haupt. Er konnte kein Wort mehr hervorbringen und
stotterte.
Die Geschichte einer Seelen wandekdng in Japan. 293
Kami nandzi fito-gurosi nari-to i-i-te uttaje-si-wa \ sora-goto-nara kuto sirusi. Sate-wa
nandzi urami-iuo idaki-te \ jama-hito-wo tsumi-ni otosan-to fakari-taru naran-to ije-ba \ firo-
woka omote-no iro kawari-si-ga \ mala i-i-keraku j kono kasira-wa aranu viuno-nlte sorb-to-
mo I uha-iüo kome-oki-taru taka-dono-no moto-nlte | ki-jatsu-wo torajete soro toki-joi'i \ iiha-ga
juku-je naku nari-soraje-ha \ kare-ga korosi-taru-iü tagaivazu-to iü. Matsu-mitsu-ga iwaku \
wäre nani-no ata ari-te | jama-bito-nitsi-no fawa-gimi-tvo korosu-hekl \ nandzi koso kano fito-
wo korosan-to i-i-si-narazu-ja-to ije-ba | firo-ivoka-ga ijeraku \ kano fawa ware-ivo tanomi-te
kitaru-ico ito-ivosi-ku-te \ jasinai-oki-tari. Waga ko7'osu-beki du-ri-nosi-to aragai-fatezu \ wori-
kara fito-tsu-no tobi tobi-kite j^ (tsio)-no nitoa-wo mai-watari-te \ iüsu-no fumi-wo otosi-te |
anata-zama-ni tobi-sari-nu.
Der Statthalter sprach : Deine Anzeige, dass ein Mord vorgefallen, war offenbar
falsch. Du wirst es also, weil du einen Groll hegtest, ersonnen haben, um Jama-bito
in Schuld zu verwickeln. — Firo-woka entfärbte sich. Er erwiderte noch: Dieses
Haupt mag immerhin etwas Nichtvorhandenes sein. Da jedoch seit der Zeit, wo ich
unter dem Stockwerke, in welchem die alte Frau eingeschlossen war, den Kerl fest-
genommen habe, der Aufenthalt der alten Frau unbekannt ist, so ist dieses so viel als
ob sie ermordet wäre. — Matsu-mitsu sagte : Welche Feindschaft sollte ich hegen, dass
ich die Mutter des Herrn Jama-bito tödten könnte? Hast es du nicht gesagt, dass du
sie tödten wollest? — Firo-woka entgegnete: Jene Mutter verlangte mich und pflegte
mich, als ich kam, selir liebevoll. Ich habe keinen Grund, um dessen willen ich sie
tödten könnte. — Während er vollständig leugnete, flog ein Habicht herbei, Hess, im
Umherkreisen zu dem Vorhofe des Gerichtshauses gekommen, eine Schrift fallen und
iiog auf der anderen Seite fort.
Kami kono fumi-ivo torasete \ firaki miru-jori \ firo-woka-me-wo kukuri-age-jo-to ije-ba j
sl-sotsn fajaku ßro-woka-wo nawa-mote knkuri-age-tsu. Kami-no ijeraku \ nandzi inuru faru
mukai-ga tvoka-nite \ jama-bito-ni rb-zeki-no furumai nasi | ima mata fawa-wo niisumi-te taka-
dono-ni tsunagi-oki \ ko-joi kare-wo korosan tote \ stmo-hito-ni i-i-tsuke-tari-si koto | uba-ga
uttaje-bumi kore-ni ari. Kano uba nandzi-ni itaku sainamarete | jamai-ni fusi-wore-ba |
j^, (tsib)-ni idziLrio koto nari-gatasi-to | kuivasi-ku kono fumi-ni sirusi ari. Nin-gib-no kasira-
100 motte I tsib-wo azamukan-to se-si tsumi \ karoki-ni arazu tote ikari-famb.
Der Statthalter Hess diese Schrift nehmen und entfaltete sie. Sobald er auf sie
einen Blick warf, befahl er : Bindet diesen Firo-woka ! — Die Kriegsmänner banden
Firo-woka mit Stricken. Der Statthalter sprach : Du bist im vergangenen Frühlinge auf
der Berghöhe Mukai-ga Wolia gegen Jama-bito gewaltthätig verfahren. Jetzt hast du
wieder seine Mutter geraubt, sie in dem Stockwerke angebunden und den Dienern auf-
getragen, sie heute Nacht zu tödten. Die Klageschrift der alten Frau liegt darüber
vor. Die alte Frau zeigt in dieser Schrift umständlich an, dass sie, durch dich stai'k
gepeinigt, krank darniederliegt und daher nicht in das Gerichtshaiis kommen kann.
Das Verbrechen, dass du vermittelst des Hauptes einer Puppe den Gerichtshof hinter-
gehen wolltest, ist kein leichtes. — So sagte er züi'nend.
Firo-woka ima-wa tsutsumu-to-mo kai arazi-to | jf-f %\ (kan-kei)-no fodo-ivo \ nokosazu
^ — ■ (tsiku-iisij-)ii mbsi-kere-ba | nikni ja'su tote | jagute fito-ja-ni-zo irerare-keru. Jama-
bito matsu-mitsu-wa Isumi-na-kere-ba | ije-ni kajesi-to no-tamb. Saru-nite-mo uba-ga utaje-bumi-
wo tobi-no motsi-kitari-si koso fu-si-gi nare \ ^ }\^ (zen-nin)-no fl[E ^ (inu-ko)-ni otsi-
294 Pfizmaier.
iran-wo | ^ (ten)-no tasuke-tamajeru-ni-ja tote | knmi-iro fazinie isiü-)io ßfo-bito-mo \ kore-iro
ibukasi-ku-zo omoi-keru.
Firo-woka, dem das Verhehlen jetzt nichts nützte, bekannte seinen Yerrath voll-
ständig- und mit allen Einzelnheiten. Man nannte ihn einen verabscheuungswürdigen
Sclaven und schickte ihn sogleich in das Gefängniss. Da Jama-bito und Matsu-mitsu
unschuldig waren, Hess man sie nach Hause zurückkehren. Indessen sagte man: Dass die
Klageschrift der alten Frau ein Habicht gebracht hat, ist ein Wunder. Der Himmel wii-d
guten Menschen, welche unschuldig in Gruben fallen sollten, Hilfe geleistet haben. — Von
dem Statthalter angefangen hielten es alle Menschen des Gerichtshauses für unbegreiflich.
Jama-bito matsu-mitsu-mo fazimete an~do-no omoi-ivo nasi-te \ ts%ire~datsi-te jadori-je ka-
jeri-keru. Jado-ni-ica ^ -^ (rb-bo) ^ jj^ (bib-sib)-ni fitsi-irorii-ico \ sumi-naica to-kaku
■f^ 1^ (kai-fbj-si | atsukai-ie i-tari. Madzu tsutsiiga-naku ije-ni kajeri-ki-si-koto-ivo | katami-
ni jorokobi-te | namida-wo nagasu. Fawa-wa i-i-keru-zva \ luare inatsii-mitsu-dono-ni \ inotsi-
tasvkerare \ ^ (fei)-no to-je ide-tari-si-ni \ omoi-jorazu fitori-no wotoko kitari-te | loare-wo oi-
te fasiri-tsuru-ni \ kimo kokoro-mo nsete ari-si-ni \ kono fito ika-naru kokoro-ni-ka \ icaraiva-
■ico I kono mura-no kutM-made oi-kitari \ sute-oki-te | idzufsi-fo-mo sirazit fasiri-sarl-nu. Kono
fito-no ku oi-kitarazu-iva | mata ßro-iroka-ni torajerarete \ idci-me-wo-ja mi-masi I kajesii-ga-
jesn, ari-gataki fito-mo ■fü^ (jo)-ni oicasi-keri tote naku.
Jama-bito und Matsu-mitsu, jetzt erst ruhig denkend, kehrten gemeinschaftlich nach
dem Wohnorte zurück. An dem Wohnorte lag die alte Mutter auf dem Krankenbette
und Sumi-nawa sorgte für sie auf jede Weise und behandelte sie. Vorerst freute man
sich gegenseitig, dass man unversehrt nach Hause zurückgekonmien und vergoss Thränen.
Die Mutter sagte : Als mir durch Herrn Matsu-mitsu das Leben gerettet wurde und ich
über die Eino-mauer hinaus ffekommen war, erschien unvermuthet ein Mann, nahm mich
auf den Rücken und entlief. Wahrend ich den Muth verlor, trug mich dieser Mann —
ich weiss nicht, in welcher Absicht — zu dem Eingange dieses Dorfes, setzte mich
nieder und entlief, ohne dass ich wusste wohin. AVenn micli dieser Mann nicht so hei'-
getragen hätte, wäre ich wieder von Firo-woka gefangen genommen worden und wohl
in Gefahr gerathen. Es gibt jedenfalls wundervolle Menschen in der Welt. — Sie er-
zählte dieses weinend.
Jama-bito i-i-ker?c-u:a | fawa-bito-no uttaje-bumi-iro tobl-no motsi-kitarerit koto \ kami-tro
fazime \ ware-ware-mo Jf^ |p (fii-sin) farezu-to katare-ha \ sumi-nawa tsni tatsi-te \ sono tobi
kore-ni shrb tote \ kata-je-jori tori-ide-tam-u-o mire-ba \ ^ (ki)-mote tsiücureru mono nari.
Sumi-nawa-ga iivaku \ wäre si-sai ari-te \ ^ \ (i-zinj-jori X j^ (kö-sibj-no gu-domo-ico
tsutaje-nu. Kono git-ico motte mono-^vo tsvkure-ba \ waga kokoro-no fossurio-ni sitagaicazaru
koto nasi-to i-zin-no tsutajete tamai-tare-do \ im.ada sikarit-ja ina-ja-wo kokoro-mizari-si-ni |
keö fawa-gimi-no kajeri-ki-tamajeni-ni \ wa-gimi-no J^, (tsib)-ni mesare-si koto \ kata-gata
kokoro-guribsi-kari-si-ni \ faica-gimi firo-icoka-ga takitmi-no fodo \ toku |^, (tsib)-ni nttajen-to
no-tamaje-do \ kaku jamm-ni kakari-tamaje-ba j on-mi-dzukara ide-juki-tamawan koto katasi.
Onore mata -f^ ^'^ (kai-fb)-site ma-irasezare-ba | foka-ni atsukb fito-mo arazu \ jori-te faioa-
gimi-no fumi kaki-tamb aida-ni \ ki-no tobi fito-tsu tsidmri-idete ! kokoro-mi-ni tobase-jari-tsurii-
7ii I omoi-si-nl tagawazu \ kann |^, (tsib)-ni tobi-jidd-te \ futa-tabi koko-moto-ni kajeri-kitari-
si-ioa I köre tcaga takumi-no ^ (ki)-narii-ni-tca arazu \ fito-je-ni jjjlj) \ (sin-zin)-no sadzuke-
tamai-si db-gu-no \ ^ (rei)-naru-ni joreri-to katare-ba rb-bo-ivo fazime fito-bito-mo atto kan-
zite fusi-wogami-tsu.
Die Geschichte elner Seelenwandekung in Japan. 295
Jama-bito sagte : Dass die Klageschrift der Mutter ein Habicht brachte, war, von
dem Statthalter angefangen, uns Allen unbegreiflich. — Sumi-nawa erhob sich schnell
und sagte: Dieser Habicht ist hier. — Dabei nahm er ihn von der Seite hervor. Als
man ihn betrachtete, war es ein aus Holz verfertigter Gegenstand. Sumi-nawa sprach :
Mir wurden aus Ursachen von anderen Menschen die Werkzeuge der Zimmermanns-
kunst überliefert. Ob, wenn ich mit diesen Werkzeugen Gegenstände verfertige, wirklich
alles meinem Wunsche entsprechen würde, dieses hatte Ich, obgleich es andere Menschen
überlieferten, noch nicht erpi'obt. Indem heute die Mutter zurückkam, war icli bei
dem Umstände, dass ihr in das Gerichtshaus berufen wurdet, im Herzen gecj^uält. Eure
Mutter sagte, dass sie von den Kunstgriffen Firo-woka's schnell bei dem Gerichtshofe
die Anzeige machen werde , doch da sie so scliAver erkrankte , war es für sie un-
möglich, selbst hinzugehen. Da ich ferner sie wartete und nicht hinging, war sonst
kein Mensch, der sich damit befasst hätte. Während somit die Mutter die Schrift schrieb,
verfertigte ich einen hölzernen Habicht, und als ich ihn zum Versuche fliegen Hess, flog
er, nicht anders als ich dachte, in das Gerichtshaus und kehrte wieder hierher zurück.
Dieses ist nicht das Wunderbare meiner Kunst, es ist einzig durch die Geistigkeit der
mir von den göttlichen Menschen verliehenen Werkzeuge begründet. — Als er so er-
zählte, waren, von der alten Mutter angefangen. Alle gerührt, fielen zu Boden und ver-
ehrten ihn.
Stimi-nawa matsu-mitsu-ni mnkai-te | nandzi-ga osi-no jamai tomi-ni ije-si koso uresi-
kere-to ije-ba \ matsu-mitsu ^ ^ (go-ki)-ni tsunagare-si koto-tvo katari-te \ fazime sumi-
naiva-ni wakare-si-jori \ ^^ PJI (to-tsiu) o-o-tsuho-wo mi-tsigajete hai-toran-to se-si-jori \ firo-
woka-ga ije-ni jadori-si koto-made kuwasi-ku katari-ide-kere-ba | sumi-naiva-tvo fazime fito-
hito-mo fazimete loarai-ioo-zo mojowosi-keru.
Sumi-nawa sagte zu Matsu-mitsu: Es freut mich, dass deine Stummheit schnell
geheilt wurde. — Matsu-mitsu erzählte, wie er an das Untersuchungsgeräth gebunden
wurde. Er erzählte ausführlich, wie er, von Sumi-nawa getrennt, auf dem Wege einen
grossen Topf verkannte und ihn rauben wollte, endlich wie er in dem Hause Firo-
woka's einkehrte. — Sumi-nawa und alle Uebrigen erhoben zum ersten Male ein Gelächter.
Fawa sumi-nau-a-rri) tanomosi-ki mono-ni otnoi-te i-i-keni-wa \ loaga ko imada tosi tara-
■wazu I sikaru-heki ^^ ^ (si-zoku)-mo naku-te \ tajori-naku soraje-ha \ on-mi kare-ga ani-to
nari-tamai-te | ima-jori juku su-e-wo \ vsiro-mi-site tainaje-to ije-ba | sumi-nawa-ga iwaku j
kakti mije-ma-irase-si-mo \ fnsi-gi-no ^ (jen)-ni sbraje-ba \ ima-jori kata-mi-ni \ kokoro-
atsuku katarai-mhsu-besi. Sikasi onore-ioa tokoro-wo fedatete sumai-sbraje-ba \ nani-bakari-
no on-tsikara-ni-mo nari-gaia-karan. Tadasi ima si-go-nitsi-wa todomari-wori-te \ kata-mi-to-
mo mi-tamo-beki fito-sina tsidairi-idete ma-irasen. Onore adzuma-ni kudari-tari-si-tva \ ju-e-
aru koto-nite sbraje-domo | si-sai are-ba P :^[» (kö-gt(.ai)-?u idasi-gatasi-to ije-ba \ matsu-
mitsu sasi-idete | ivaga. 0f|J (si) nagaku mono-gatari-na-si-tamai-so. Sate-wa mata osi-to-ja
nari-tamawan-to i-i-te aja-u-gari-keri.
Die Mutter, Sumi-nawa für einen verlässlichen Menschen haltend, sagte : Mein Sohn
hat noch nicht genug Jahre. Da keine entsprechenden Verwandten da sind und er
keine Stütze hat, so werdet sein älterer Bruder und seid sein Beschützer für die Zu-
kunft. — Sumi-nawa sprach : Da ich so erschien und ein wunderbares Verhältniss
besteht, werde ich von nun an freisinnig mit ihm sprechen. Da ich jedoch durch den
Tlaum von ihm getrennt wohne, wird es unmöglich sein, dass ich ihm irgend Avelchen
296
Pfizmaier.
Eeistand leiste. Indessen halte icli micli jetzt vier bis fünf Tage auf und werde Lei
dieser Gelegenheit einen Gegenstand verfertigen, den ihr sehen könnet. Dass ich in
die östlichen Gegenden kam, hat eine Ursache, doch das Nähere auszusprechen, ist mir
\inmöglich. — Matsu-mitsu kam hervor und sagte: Mein Lehrer! Führet keine langen
Gespräche! Ihr werdet vielleicht auch stumm werden. — Er fühlte sich unbehaglich.
Sumi-nawa sore-jori fito-ma-naru tokoro-ni fiki-komori-te nani-goto-ioo-ka suran \ noko-
giri u'ono-no ofo nomi kikoje-si-ga \ mi-tsu ka-tn iu fi-ni \ ide-kite \ mono fito-tsu tsukuri-fate-
tm I mi-tamoje-to i-i-te \ ^ ^ (sio-zi) osi-ake-tare-ba \ take-o-oki-ku \ tahmasi-ki uma-
110 I sa-nagara ikeru-ga gotoki sama site \ tatsi-i-tari. Fito-bito mite azami-odoroku koto ka-
giri-nasi. Svmi-ncum i-i-keru-wa \ kore-tva morokosi-nite ^ ^ ?L ^ (sio-kakko-mei) -no
tsiikuri-tamajern if. ^ (moku-baj-ni narai-te \ isasaka takumi-ivo motsi-i-ie sbru iote \ niwa-
ni orosi-te utsi-matagare-bo \ kono wnn [5} ^ (si-soku)-tvo ugokasi ajumi-juku sama \ ikern
mono-to isasaka tagawazfi.
Seitdem blieb Sumi-nawa an einem Orte, der ein einziges Gemacli war, verschlossen,
und indem er etwas thun mochte, hörte man nur den Ton der Säge und der Axt. Nach
drei Tagen kam er hervor und sagte: Ich habe eine Sache verfertigt. Sehet! — Hier-
mit öffnete er das Schubfenster, und ein von Gestalt grosses und stattliches Pferd stand
vor ihnen, gerade so, als ob es lebte. Alle, die es sahen, geriethen in gränzenloses
Erstaunen. Sumi-nawa sprach : Ich habe das hölzerne Pferd, welches in China Tschu-
kö-khuno--ming verfertigt hatte, nachgebildet und von etwas Kunstfertigkeit Gebrauch
gemacht. — Hiermit Hess er es in den Yorhof herab und ritt darauf. Dieses Pferd
bewegte die vier Füsse, schritt einher und war von einem lebenden Wesen nicht im
Geringsten verschieden.
Matsu-mitsu omo-siroki koto-ni omoi-te \ onore kawari-te nori-te min-to ije-ba \ sumi-nawa
uri-te I su-no ko-ni siri-kake-wore-ba \ matsu-mitsu uma-ni matagari ta-dzuna-wo tori-te aju-
masu. Sumi-naioa ko-e-kakete \ nandzi ta-dzuna-ivo tsujoku fiku koto na-kare. Tsujoku fiki-
na-ba fasiru knto togaru-besi-to iu. Matsu-mitsu sidzuka-ni ta-dziina-tvo tori-te \ kado-no to-
je ajumase idete \ sate-sate ^ (kidj-aru koto kana \ makoto-no uma-jori nori-gokoro josi
nado fomete \ — • Wf (ittsio)-bakari ajumasete juki-si-ga \ tsujoku ßki-na-ba | toku fasiru-to
wosijerare-si-ga \ ika-bakari fasiru-ni-ka \ kokoro-min-to omoi-te | omo sama-ni \ tsujoku tsuna-
wo ßki-kere-ba \ kofio umn makoto-ni ^ (ja)-wo iru-ga gotoku \ ßo-tobi-ni tobi-idasi-isu.
Matsu-mitsu, auf die merkwürdige Sache aufmerksam, sagte : Ich werde euch ab-
lösen und zu reiten versuchen. — Sumi-nawa stieg ab und setzte sich auf die Flur-
matte. Matsu-mitsu setzte sich rittlings auf das Pferd, ergriff den Zügel und Hess es
gehen. Sumi-nawa rief: Ziehe den Zügel nicht stark an. M^enn du ihn stark anziehst,
wird der Lauf scharf sein. — Matsu-mitsu hielt ruhig den Ztigel und Hess es vor das
Thor schreiten. Er pries es und'sagte: O eine vergnügliche Sache! Es reitet sich
besser als auf einem wirklichen Pferde. — Er hatte es eine Strassenlänge weit fort-
gehen lassen, als er sich dachte : Es wurde angegeben, dass es schnell läuft, wenn man
stark anzieht. Ich werde versuchen, wie viel es wohl läuft. — Hiermit zog er den
Strick stark an. Dieses Pferd flog wirklich, als ob man einen Pfeil schösse, im Fluge
d avon .
Matsu-mitsu ana-ja-to sakehi-kere-do \ sen kata-naku \ uma-no kuU-ni sigami-tsuki-te \
kono uma tomete tabe-tabe-to sakebe-do \ tare-ka-wa siran \ uma-wa kaze-no fuku jb-ni \ tonde
jnke-ba \ ima-wa me-mo kure \ tamasi-i-mo mi-ni sowazu \ tada uma-no jukv-ni makasete \ utsu-
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 297
husi-ni sigami-tsuki-te \ jo-ju ivo-wö-to | ko-e-wo tatete loameku. Uma-ica tada FJI (tsin)-ico
tonde kita-wo mui-te-zo fasiri-juki-keru.
Obgleich Matsu-mitsu Oh schrie, konnte er sich nicht helfen. An den Hals des
Pferdes sich klammei-nd, schrie er: Haltet dieses Pferd auf! — Doch wer mochte es
wissen? Das Pferd entflog nach Art des wehenden Windes, das Auge war jetzt dunkel,
die Seele verblieb nicht bei dem Leibe. Bloss dem laufenden Pferde sich überlassend,
umklammerte er es gebückt und erhob das Geschrei Holla ! und Ho ! Das Pferd durch-
flog geradezu den Raum und lief, gegen Norden gewendet, weiter.
Isi-bama.
Kaku-te matsu-mitsu-wa | kimo kokoro-mo use-nuru hakari-nite \ uma-no fasiru-ni maka-
sete I sika-to knbi-tco torajete idaki-icori-si-ga \ mits^-no fodo "^ Ji. (7inn-ri)-hakari fasiri-tari-
ken I ima-iva jjjljj j^ (sei-sin) joivari-te idaki-tarw te-wo fanatsi-kere-ha \ joko-sama-ni flutete
otsi-mi. Kakaru-ni mukai-jori o-oki-narii, lüotoko-tio | tada-ima ^ (ju)-hiki-taru-to mijete |
ju-kata-bira ki-tarn-ga \ fasiri-idete | kano tohi-juku uma-no ta-dzima-wo toraje-tari . Uma-wa
takeri-te fasiran-to suru-wo \ joko-sama-ni ta-dzima-wo fiki-kere-ba | kara-u-zite uma-wa sidzu-
mari-te tatsi-nu. Kono wotoko uma-ico fiki-te ßisi-tam matsu-mitsu-ga moto-ni jorl-te \ midzu
nado nomasete itaware-ba | jo-ju iki-ide kokotsi moto-no jb-ni nari-te | kano ivotoko-wo amata-
tabl ^ (fai)-site \ jorokobi-wo iü.
So überliess sich Matsu-mitsu, während Muth und Besinnung ihm schwanden, dem
laufenden Pferde, erfasste fest den Hals und umschlang ihn. Indessen erschlafften — ■
er mochte mehrere E,i Weges daher gerannt sein — jetzt seine Kräfte, er Hess die um-
fassenden Hände los und fiel schräg herüber zu Boden. In diesem Augenblicke lief
von der entgegengesetzten Seite ein grosser Mann, welcher aussah, als ob man ihn so-
eben aus heissem Wasser gezogen hätte, mit einem Badeanzüge bekleidet, herbei und
ergriff den Zügel des einherfliegenden Pferdes. Als das rasende Pferd entlaufen wollte,
zog er den Zügel schräg an und es kostete Mühe, bis es ruhig stehen blieb. Dieser
Mann führte (Uxs Pferd weg, näherte sich dem darnieder liegenden Matsu-mitsu, gab
ihm W'asser zu trinken und bedauerte ihn. Als Matsu-mitsu allmälig zum Leben kam und
sich so wie früher fühlte, verbeugte er sich vielmals vor diesem Manne und drückte
ihm seine Freude aus.
Kono tvotoko ije7'u-wa \ on-mi-wa idzuko-jori ki-si ßto-zo-to tö-ni | matsu-mitsu onore-wa
tabi-bito-nite \ je-bara-gowori-nario soregasi-ga. moto-ni todomari-woru mono nari-to ije-ba \ kano
wotoko kasiko-jori kono tokoro-made-wa j san-ri amari-no mitsi ari. Onore ide-awazu-ba \ kono
iima- mitsi-no ku-no atari-made \ fasiri-juku-besi tote icarb. Matsu-mitsu kajesu-gajesu atsuki
go-on-iro kofjiri-sbrai-nu-to i-i-taru-ni \ sumi-nawa-wa matsu-mitsu-ga juku-je obotsuka-naku-te |
ato-fco oi-te kitari-keru-ga | kono ivotoko-no uma-wo fiki-todome-kure-keric koto-wo kik/'-te |
atsnku f|^ (sia)-site jorokobu.
Dieser Mann fragte: Woher seid ihr gekommen? — Matsu-mitsu antwortete: Ich
bin ein Reisender und halte mich bei einem gewissen Menschen in dem Kreise Je-bara
auf. — Jener Mann sagte lächelnd: Von dort bis hierher sind über drei Ri W^eges.
Wenn ich euch nicht getroffen hätte, wäre dieses Pferd bis in die Gegend des Reiches
Dcnischriften der phil.-hist. Cl, XXVI. Bil. .S8
298 Pfizmaier.
Mutsu entlaufen. — "Während Matsu-mitsu immer Avioder sagte, dass er einer grossen
(jlnade tlieilliaftig geworden, kam Sumi-nawa, dem es unbekannt war, wohin Matsu-
mitsu gekommen, dessen Spur vei-folgend, an. Als er liürte, dass dieser Mann das l'i'erd
aufgehalten habe, bedankte er sich warm und freute sich.
Kono wotolco \ zca-dono-tatsi-wa \ idzuku-no ßto-bito-ni-ka-to toje-ba \ srmü-nawa loare-
Lcare-ioa fi-da-no kuni-naru takurtii nari-tu ije-ha \ kono wotoko fi-da-iio kuni-ni i-na-he-no
sumi-nawa-to iü fito ari. Onore-ga tsitsi-no ^ ^ (toku-i) nari tote \ tsune-ni mono-gatari-
si-tamajeri. So-ko-tatsi-iva siri-tamaivazu-ja-to iit-ni | onore koso o-oseraruru sumi-nawa nare-to
ije-ha \ kono icotoko j^ (tsi)-ni kasira-ivo tsukate \ sate-mo omoivazaru tai-men-tsukamatstiri-te
sorb-to i-i-te jorokobu.
Dieser Mann fragte: AVoher seid ihr? — Sumi-nawa antwortete: Wir sind Zimmer-
leute aus dem Reiche Fi-da. — Dieser Mann sagte: In dem Reiche Fi-da lebt ein Mann
Namens I-na-be-no Sumi-nawa. Mein Vater sagt, es sei sein Freund und erzählt immer
von ihm. Kennt ihr ihn nicht? — Sumi-nawa erwiederte : Ich bin Sumi-nawa, von dem
ihr sprechet. — ■ Dieser Mann legte das Haupt an den Boden und sagte freudig : Also
habe ich . eine unvermuthete Begegnung!
Sumi-naim luare to-gokio-nite-ioa \ siru fito tada itsi-nin ari. Sate-wa ^ ^ (asi-ja)-no
fiina-nusi-dono-nite owasu-ja-to iü. Kono ivotoko san-zoro funa-7ivsi-'wa waga oja-nite \ onore-ioa
i^ % (saiüo-maro)-to mbsi-ie \ j^ V (dai-dai) kono ^ ^^ (isi-bama.)-ni sumi-te .soro.
Madzu waga moto-je irase-tamaje-to i-i-tsidsu \ izanai-te iru. Kore-wa ije-i-mo firoku | knra-
dnmo mi-tsu jo-tsu tate-tsudzukete \ ikamesi-kic sumi-nasi-tari.
Sumi-nawa sprach : Ich habe in den Östlichen Reichen nur einen einzigen Bekannten.
Ist es vielleicht der Herr Asi-ja-no Funa-josi? — Dieser Mann antwortete: So ist es.
Funa-misi ist mein Vater, und ich selbst heisse Sawo-maro. Wir wohnen hier in Isi-
bama durch alle Geschlechtsalter. Doch vorerst tretet in unsere Wohnung! — Mit diesen
"Worten führte er ihn hinein. Dieses Haus war geräumig, es waren drei bis vier Vor-
rathshäuser neben einander aufgebaut, und man wohnte prachtvoll.
Sumi-nawa kado-wo ire-ba | tsitsi-mo kaku-to kiki-te-ja \ ide-muknjefe sumi-7iawa-nusi-ni
koso I medzurasi-ku-mo kudari-tamajeru kana. Ono-ga fi-da-no kuni-ni ari-si toki-tua \ so-ko-
ni-ica nana-tsu bakari-nite oioasi-ki. So-ko-no tsitsi-gimi-no atsuku onore-ico itawari mono-si-
tamai-si koto \ ima-ni ivasure-gataku uresi-ku-te \ tsune-ni mosi-idete \ mi- ^ (toku)-ivo bgi-te
v:ori nado \ sama-zama atsuki kokoro-zasi-iüo nobete \ oku-ni izanai-te sake nado mbkete motenasv.
Als Sumi-nawa bei dem Thore eintrat, kam der Vater, der gehört haben mochte,
was es gebe, ihm entgegen und sagte: Herr Sumi-nawa ist als etwas Seltenes herab-
gestiegen! Zur Zeit als ich mich in dem Reiche Fi-da befand, wäret ihr sieben Jahre
alt. Die grosse Sorgfalt, mit der euer Herr Vater mich behandelte, kann^ich noch jetzt
nicht vergessen. Ich spreche es immer freudig aus und blicke empor zu seiner Wohl-
tijat. — Indem er auf allerlei Weise seine warmen Gefühle kundgab, führte er ihn in
das Innere, bestellte Wein und anderes und bewirthete ihn.
Uma-wo-ba fa-iri-no kata-naru janagi-no ki-ni tsunagi-oki-taru-tvo funa-nusi mite \ uma-ni
ma-gusa kmcase-jo \ lootoko-domo-to ije-ha\ wotoko-domo ma-gusa-ivo ire-taru tarai mote kite \ uma-no
moto-ni oki-fe i-i-keru-wa \ ajasi-ki uma kana \ mono-kuwan-to-mo sezu \ ugoki dani sezu j tada
manako nomi fatarakasu-wa \ ^ ^ (ke-ii)-no ^ ^ (tsiku-sib) kana-to iü-wo \ matsu-
mitsu lüokasi-gasi-te \ koto-no si-sai-ioo katare-ba \ arxzi oja-ko-mo odoroki-tsutsu \ sumi-nawa-
ga takumi-no /L (bon)-narazaru-ioo kan-zi-keri.
Die Geschioute einer Seelenwanderung in Japan. 209
Das Pferd band man an einen zur Seite des Eingangs befindlichen Weiden-
baum. Als Funa-bito dieses sah, sagte er: Männer! Gebet dem Pferde Futtergras zu
fressen. — Die Männer brachten ein mit Futtergras gefülltes Becken, setzten es vor
das Pferd und sagten : Ein sonderbares Pferd ! Es thut nicht, als ob es fressen wollte
und rührt sich nicht einmal. Es bewegt bloss die Augen. Ein seltsames Thier! — Matsu-
mitsu fand dieses lächerlich und sagte ihnen den Grund. Der Wirth und dessen Sohn
staunten und bewiu^derten die nicht gemeine Kunstfertigkeit Sunii-nawa's.
Okti-no kata-ni-v:a | kusu-si nado iri-ite \ muno-saioagasi-ki sama nare-ba \ sumi-ncnca
ika-ni on-ije-no utsi-ni-wa \ ^ ^ (hw-sia) nado-no mvasi-masu-ni-ja-to ije-ha j sawo-maro
kotojete onore-ga imo-uto-tiite su7'b mono \ farit-no koro-jori jamai-ni kakari-te \ utsi-fusl-te
wori I onore-tva makoto-ica ^ -^ (jb-si)-nite funa-nusi-ga umi-no ko-nite-icd shraivazu. Imoto-
v:a '^ '^ (fu-ho)-no lunu tokoro-nite | ßto-tsu-go-nite soraje-ha \ koto-nl dcu-zi-to na^i-te
jasinai-tatete shrh tokoro. Omoi-kakeiiu jamai-ni kakari-te | oja-tatsi-mo o-o-kata-narazn
kokoro-iüo kudaki-sbru-to kataru.
An der inneren Seite kamen jetzt Aerzte herein und machten ein Geräusch. Sumi-
nawa fragte: Sollten in eurem Hause vielleicht Ki-anke sein? — Sawo-maro antwortete:
Meine jüngere Schwester ist seit der Zeit des Frühlings erkrankt und liegt darnieder.
Ich bin in Wirklichkeit ein Pflegesohn, ich bin nicht der leibliche Solm Funa-nusi's. Da
die jüngere Schwester das leibliche und einzige Kind ihrer Aeltern ist, wurde sie mit
besonderer Sorgfalt aufgezogen. Indem sie unvermuthct erkrankte, sind auch die Herzen
ihrer Aeltern in nicht geringem Masse gebrochen.
Swini-nawa \\\\ ^ (sen-kai)-nite morai-je-taru ^ i^ (rei-si)-no fasi-ico \ fu-tokoro-juri
tori-idete \ are ^ V (seö-seö) ^ (sen)-zite motsi-i kokoro-mi-tomaje-to ije-ha \ satco-maro
jorokobi-te \ oku-no kata-je motsi-juki-nu. Sibasi-ari-te \ fiwia-nusi ide-kite \ ima-no fodo
tamav:ari-si on-kusuri motsi-i-te sbraje-ha \ jwme-no same-taru jb-ni sawajagi-te \ kurugi-ki
kolo-mo wasure-sbrb tote | Jatca-icu fazime mina fito jorokobi-ni tajezu. Saie-mo ika-naru mi-
kusuri-nite | kakn sumi-jaka-ni sirusi-wo araiüasi-sbrb-ni-ka-to i-i-te icodori-tatsi-te jorokobu.
Sumi-nawa nahm das Stück Litschi, welches er in dem Lande der Unsterblichen
bekommen hatte, aus dem Busen und sagte : Siedet dieses ein Avenig und versuchet, es
anzuwenden. — Sawo-maro freute sich und ging damit nach der inneren Seite. Nach
einer Weile kam Funa-nusi heraus und sagte : Als wir das Arzneimittel, welches ihr
uns eben schenktet, anwendeten, war sie, wie aus einem Ti-aume erwacht, in Aufregung
und hatte ihre Leiden vergessen. — Alle Menschen, vor allen die Mutter, konnten ihre
Freude nicht ertragen. Sie sagten : Was für ein Arzneimittel mag so schnell seine ^^ ir-
kung geäussert haben? — Dabei sprangen sie vor Freude.
iiaim-maro-mo onazi-koto-ivo i-i-te jo?-okobe-ba matsu-mitsu si-tari-gaico-ni \ sa-mo sbrai-
nan \ kono mi-kusuri ^ ^^ (se-ken)-no |^ ^ (jo-i) nado-ga sine tokoro-nite sorawazu.
Onore icaga 0r|l (sij-to tomo-ni ^ ^ ^ ^ (sen-sin-ban-ku) kafa-zi-ke-naku-mo ^ f[ll
(ro-sen)-no mi-moto-nite-to i-i-sasi-te \ ^ (kiü)-ni kutsi-ni te-wo atete \ sumi-nawa-ga kata-ico
mite I sate-sate lüare-nagara saga-naki hitsi-nite sbrb. Mata-mo osi-to naru-beki koto-tco tsui
wasurete sbrb-to ije-ba j sumi-naiva-mo fokorobi-te warai-idasi-mi.
Auch Sawo-maro sagte dasselbe und freute sich. Matsu-mitsu sagte mit wichtiger
Miene: So wird es sein. Dieses Arzneimittel ist etwas, das die gewöhnlichen Aerzte der Welt
nicht kennen. Ich habe es, in Gemeinschaft mit meinem Lehrer tausend Leiden, zehntausend
Beschwerden erduldend, mit Dank an dem Wohnorte des Unsterblichen von dem Geschlechte
;!.s*
OAA Pfizmaiek,
L;, Indem er so reden wollte, legte er hastig die Hand an den Mund, blickte auf
Sumi-nawa und sagte: Ei doch! Selbst bei mir ist es eine unselige Rede. Ich habe
o-anz vero-esscn, dass ich wieder stumm werden kann. — Sumi-nawa platzte vor Lachen.
Aruzi üja-ko-wa kokoro-mo tsukazu \ ßdari-wo sama-zama Mo jö-site \ ^ (:)o)-ni m-
kere-ba j kijoraka-naru fusuma tori-idete \ futari-ivo fusasime-keri. Sumi-nawa<va saki-ni iri-te
fusi-keru-ni \ matsu-mitsu-tva -f^J (rei)-no kutd-kiki nari-kere-ba \ fusi-mo sede san-o-maru-ni
mnkai-ite \ sumi-naioa-ga takumi-no ^ (ki)-naru koto nado \ fokormvasi-ü mono-gatari-site
i-tari-keru-ga \ mono-no tsuide-ni j imotu-no jameru sama-ivo toi-kere-ba \ sawo-maro-ga ijeraku \
kikoje-iden-mo \ wäre saje omo-naki kokoUi-site sbrb. Makoto-wa waga imoto-nite sbrh mono
na-tca ^ (murasaM)-to nwsi-te \ ko-tosi -p P3 (ziü-si)-ni vari-ie suro j sugata katatsi fito-ni
otori-soraicazu \ kokoro-zasi-mo Jasasi-kii. surb tokoro \ sugi-d faru fito-bito-to tomo-ni \ mukai-
ga woka-no fana-mi-ni makari-te sbrb tokoro \ fu-to ivakaki fito-wo mi-somete notsi \ sore-jori
kokotsi ^\ (rei)-naranu jb-ni nari-te \ ntsi-fusi-te sbrb nari-to iü.
Der Wirth und dessen Sohn merkten dieses nicht. Sie unterhielten die Beiden auf
allerlei Weise, und als es Nacht wurde, nahmen sie reinliche Bettdecken hervor und
bi-achten die Beiden zur Ruhe. Sumi-naAva trat zuerst ein und legte sich nieder. Matsu-
mitsu, der wie gewöhnlich gesprächig wurde, legte sich nicht nieder. Er kehrte sich zu
Sawo-maro und erzählte ihm von der wunderbaren Kunstfertigkeit Sumi-nawa's auf ruhm-
redige AVeise. Bei dieser Gelegenheit fragte er, an was für einer Krankheit dessen jün-
gere Schwester leide. Sawo-maro sprach: Wenn man es verlauten lässt, habe ich nur
ein Gefühl von Beschämung. Diejenige, welche in Wirklichkeit meine jüngere Schwester
ist. führt den Namen Murasaki und ist dieses Jahr vierzehn Jahre alt geworden. Von
Angesicht und Gestalt Anderen nicht nachstehend, ist sie auch von Gemüth sanft. Als
sie im vergangenen Frühlinge in Gesellschaft mehrerer Menschen, um die Blumen
der Berghöhe Mukai-ga woka zu sehen, hinauszog, verliebte sie sich plötzlicli in einen
jungen Menschen. Seit dieser Zeit zeigte sich in ihrem Befinden eine auffallende \ er-
änderung, und sie wurde bettlägerig.
Matsu-mitsu sara-ba ^ ^ß (bib-kon) jokii sirete sbrb-uv \ ika-de imoto-gimi-no kokuro-
zasi-no goiokii \ sono wakakl fito-wo muko-to-wa nasi-tamawazuru-to ije-ba \ sawo-maro sono
koto-nite sbrb \ kano wotoko-no ije-to soregasi-ga ije-to-wa \ % ^ (rui-sei)-no ata aru naka-
nite sbraje-ba \ tatoi ^f M (kon-m)-no koto nado mbsi-ide-tari-to-mo \ kare-ga kata-nite uke-
fiku-beki db-ri sbrcnvazn-to in.
Matsu-mitsu sprach: Also ist der Grund der Krankheit vollkommen bekannt. Wie
kommt es, dass ihr nach dem Wunsche eurer jüngeren Schwester diesen jungen Menschen
nicht zum Eidam machet? — Sawo-maro sprach: Es ist, weil das Haus jenes Mannes
mit unserem Hause die Geschlechtsalter hindurch in Feindschaft lebt. Wenn wir auch
die Sache der Vermälung vorgebracht hätten, es ist nicht wahrscheinlich, dass man von
jener Seite einwilligen würde.
Sono wakaki fito-to mbsu-iva \ ika-naru fiio-nite sbrb-ka-to foje-ba \ je-bara kowori-nani
take-siba-no jama-bito-to mbsi-te \ ^ (jo)-no fito kawo-josi-to jobu mono-nite sbrb-to m. Mafsu-
mitsu te-wo utsi-te \ icare-ivare kon-nitsi-made kano jama-bito-no moto-ni \ todomari-ite sbrai-ki.
Kano jama-bito-to mbsu-iua \ katatsi-joki bakari-ni-wa sbrawazu \ kokoro-mo ^ ^ (niü-ioa)-
nite ^ (gaku)-zaje-mo kane-taru fito-nite sbraje-ba \ tatoi furukn-jori ata-aru koto sbrb-to-mo \
makezi kokoro-wo idaki-te \ netami-uramu jb-naru kokoro-wo tsukb fito-ni sbraumne-ba \ kono
^ i@ (kon-in) totonoi-gatad-to-mo mbsi-gataku-ja-to ije-ba \ mod jama-bito-ga uke-fi.ki-
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 301
suraica-ba | onure-ga jorokobl kore-ni siiglzu-to iü. Säte sama-zama-no mono-gaturl-ico fari-te 1
ono-ono wakarete fusi-do-nl tri-tc ine-mt.
Jener fragte: Was für ein Mensch ist dieser junge Mensch? — Sawo-maro sprach:
Es ist ein in dem Kreise Je-bara lebender Mensch, Namens Take-siba-no Jama-bito,
Avelchen die Menschen der Welt den Schönen nennen. — Matsu-mitsu schlug in die
Hände und sagte : Wir haben uns bis 7a\ dem heutigen Tage bei diesem Jaina-bito auf-
gehalten. Dieser Jama-bito ist nicht allein schön von Gestalt, sein Herz ist auch sanft,
es ist ein Mensch, der Lernen und Begabung in sich vereint. Wenn auch von Alters
\\QY Feindschaft besteht, da er kein Mensch ist, der ein unbeugsames Herz im Busen
trägt oder mit etwas wie Neid und Hass sich im Herzen befasst, so lässt es sich
wohl unmöglich sagen, dass diese Vermälung unmöglich zu Stande kommen kann.
Wenn Jama-bito einwilligt, ginge in meiner Freude nichts darüber. — Sie er-
zählten sich nocli mancherlei. Sodann trennten sie sich, traten in das Schlafzimmer und
schliefen ein.
Jo-akete oki-'ule-kere-ha aruzi-no funa-misi sinni-naica-ni ijeru-iva \ onoi^e ^ |^ (siukn-
fjuanj-no kofo ari-te tanomi-taru mi-tera-no filp '^ (mi-dh) ^ ji^ (kon-riü) | -se-ha-ja-tu
zon-zi-tatsi-te shrv. Wa-ginii kudarase-tamo koso saiwal nare \ sibasi todomari-to.mai-te \ kono
^ (db) tsukuri-te tamawarl-naii-ja-to iü. tSunii-nawa-ga iivaku | 0)wre — • (fito) madzu kioni-
ni kajeri-te \ mijako-ni nohomi-beku zon-zi-te sbraje-domo ' sa-jb-ni no-tamd uje-wa | todomuri-te
kono mi-dh fsukuri^te tate-matsurnn-to iü-ni \ fima-nusi jorokobi-te \ sikara-ba simösa-no kuni-
nl icaga ^gä ~jj^ (si-zoku.)-no shro \ sore-ga joki ^ßjf yfv (zai-mokn)-domo amata motsi-te sbraje-
ba I kasiko-ni juki-tamai-te \ ki-domo jeri-tori-te tamaje tote | niwaka-ni ^ ^ (si-taku)
todonojete | sumi-naica-ico izanai-te \ simösa-no kuni-je-zo ide-jiiki-keru.
Als man bei Tagesanbruch aufstand imd heraus trat, sprach der Wirth Funa-nusi
zu Sumi-nawa: Icli habe vor langer Zeit ein Gelübde gethan und bin gesonnen, eine
Halle des Klosters, in welchem ich gebetet habe, aufzubauen. Es ist ein Glück, dass
mein Gebieter zu mir herabgestiegen ist. Möchtet ihr euch wohl eine Weile aufhalten
und diese Halle bauen? — Sumi-nawa sagte: Ich war gesonnen, vorerst in das Reicli
zurückzukehren und nach Mijako zu reisen. Weil ihr aber so redet, werde ich micli
aufhalten und diese Halle bauen. — Funa-nusi war erfreut und sagte : '\\'enn es so ist,
so sind in dem Keiche Simosa meine Verwandten. Da dieselben viele gute Bauhölzer
besitzen, so gehet dorthin und wählet die Bäume aus. — Hiermit traf er plötzlich die
Vorbereitungen und i'eiste, Sumi-nawa das Geleit gebend, nacli dem ßeiche SimGsa ab.
Matsu-mitsU'tca sono ß take-siha-ga moto-je juki-te \ sika-sika-no josi-ico mono-gatari-si-
kerit tsiiide-ni \ musume-ga jamai-ni kakari-te koi-sifajera josi-wo \jama-bito-ni katari-te\ kare-
1C0 mukajete tsuma-to nasi-tamai-na7i-to ije-ba | jama-bito-wa kaivo akaramete \ to-kaku-no iraje
dani sezu. Matsu-mitsu fawa-ni ai-te \ kono koto-ivo kataraje-ba j fawa namida-gumi-te i-i-keru-
ica I kano asi-ja-no ije-tva \ ivaga wotto nam fito-to | moto atsuku maziwari-keru-ga | motsi-
tsutaje-si ta-ioo g^ (i'on)-zi arasoi-te \ ^ a\ (koku-si)-no f^ (tsibj-ni idete rätaje-keru toki \
icaga icotto furuki ^ (ken)-ico usinai-te siö-ko-to su-beki mono naku-te \ kare-ni makete vien-
hoku-ivo iisinaicare-ki. Sore-jori notsi | kare-ga ije-to maziwari-wo tatsi-te | ide-ö koto-ivo sezu.
Wotto tosi-wo fezu-site mi-makari-tamni-tare-ba | masu-masu utoku nari-juki-nu. Kare-tva
koto-ni ije jutaka-ni nari-te \ tobosi-ki koto^ nasi | waga ijc-wa wotto-no koro-jori jb-jakn
otorojete \ iiua-ica kaku wabi-siki sumai-site are-ba \ ika-de kare-ga ije-to ^^ i@ (kon-in)-wo
tori-m,usubu-beki. Naki-ßto-no obosan tokoro-mo | fakari-gata-kere-ba | to-ni kaku-ni | asi-ja-ga
302 Pkizmaier.
rnttsume-tco j icaga jome-to-wa uad-gatasi-to | suge-rao naku ije-ha \ matsu-mitsu-mo futa-tabi
ü-beki kotoba-mo nasi. Ware-v:are kasiko-nl sibasi todomari-ite \ ^ (do) tsukuran fodo \ fi-
kaztt fe-nu-besi-lo i-i-te | kaica-go nado katsiuji-te \ futa-tabi asi-ja-ga moto-ni kajeri-keri.
Matsu-mitsu ging- an diesem Tage zu dem Gesclilechte Take-siba, und indem er über
verschiedene Dinge sprach, erzählte er bei dieser Gelegenheit Jama-bito, dass das Mädchen
erkrankt sei und vor Liebe vergehe. Er sagte, er möge sie abholen und sie zu seiner
Gattin machen. Jama-bito wurde im Antlitz roth und hatte nicht einmal eine irgendwie
beschaffene Antwort. Matsu-mitsu begab sich zu der Mutter und sprach von dieser Sache.
Der Mutter kamen Thränen in die Augen, und sie sagte : Jenes Haus Asi-ja stand mit
meinem Manne ursprünglich in einer engen Verbindung. Es machte uns die ererbten
Felder streitig, und als man in das Gerichtshaus des ßeichsvorstehers ging und klagte,
verlor mein Mann eine alte Urkunde. Da er nichts hatte, das zum Beweise dienen konnte,
Avurde er überwunden und verlor die Ehre. Seitdem vmterbraclien wir die Verbindung
mit jenem Hause, gingen nicht hin und begegneten uns nicht. Als mein Mann nach
nicht ganz einem Jahre starb, wurden wir uns noch mehr entfremdet. Bei Jenen ge-
langte das Haus zu besonderem Wohlstande und hatte an nichts Mangel. Unser Haus
gerieth seit der Zeit meines Mannes allmälig in Verfall. Da es jetzt ein so elender
"Wohnplatz ist, wie könnte man da mit jenem Hause das Band der Vermälung knüpfen?
Da es unmöglich ist, für das, was der Verstorbene Avünschen wird, Rath zu scluiffen,
ist es jedenfalls aucli unmöglich, dass ich die Tochter des Hauses Asi-ja zu meiner
Schwiegertochter mache. — So sagte sie unfreundlich. Matsu-mitsu hatte hierauf weiter
keine Worte. Er sagte : Wir halten uns dort eine Zeitlang auf, und wenn wir die Halle
gebaut haben, wird eine Anzahl Tage vergangen sein. — Hiermit nahm ei- den Koft'er
auf den liücken und kehrte wieder in das Haus Asi-ja zurück.
Asi'ja-ga ije-ni-wa \ musume-no jamai jorosi-ku nari-nu tote \ fito-hito jorokobi \ torai-ni
kum mono tajezu. Alusume-mo kea-ioa ne-dokoro-u-o idete | fisasi-no |^ -J^ (siu-zi) ake-sasete
nnva-no kata-ico mi-ldasi-te v:ori \ matsu-mitsu kaki-no kune-jori nozoki-viiru-ni \ kono koro-7io
jamai-ni omo-jase-tare-do \ ate-ni utsukusi-ki sugata nare-ba \ jama-bito-yii me-awase-na-ba
joki — ■ ^ (ittsui)-no ^ ^ (ß''-fiO naru-besi. Kono ■musum,e-ga omoi-iri-taru kokoro-ne-mo j
ito-fosi-kere-ba \ ika-de kono imo-se-no nakarai \ onore imcsubi-totonoje-ten-to-zo omoi-kcru. Säte
musume-ga i-taru tokoro-ni iri-te \ kutsi-garoku mono-gatari-si \ mata sumi-natva-ga tsukureru
kani nado tori-idete \ fasirasete misure-ba \ musume-mo jorokobi-te omo-siroki fito-ni omoi-kert.
In dem Hause Asi-ja nahm die Krankheit des Mädchens eine Wendung zum Guten.
Die Menschen freuten sich daher und kamen unaufhörlich, um sich zu erkundigen. Das
Mädchen trat an diesem Tage aus dem Schlafgemache, Hess das Schubfenster des Vor-
hauses öffnen und blickte nach der Seite des Vorhofes hinaus. Matsu-mitsu blickte
durch das Flechtwerk des Zaunes herein. Obgleich von der gegenwärtigen Krankheit
abo-emao-ert, war sie von besonders schöner Gestalt. Er dachte sich: Wenn ich sie mit
Jama-bito verbinde, wird es ein schönes Paar werden. Da der Gemüthszustand des
Mädchens, in welchen sie sich durch ihre Gedanken gebracht hat, sehr bedauerlich ist,
so werde ich irgendwie diesen Zusammentritt von Bruder und Schwester knüpten und
einrichten. — Er trat somit an dem Wohnorte des Mädchens ein und hielt mit leiclitem
Munde Gespräche. Er nahm ferner die von Sumi-nawa verfertigte Krabbe hervor, Hess
sie laufen und zeigte sie ihr. Das Mädchen freute sich und daclite an den liebens-
würdigen Mensclien.
Die Geschichte einer Seelenvvandekung in Japan. 303
So7}0 ß fito-ma-ivo vkagai-te \ musume-ga soba-ni juri-te \ onore kimi-no kukoro jokii siri-
■nu. Jama-hito-ioa moto-jori tcare sitasi-kere-ha \ katarai-awasete notsi-iiotsi-v;a ^ ^ (fö-
fu)-to nasi-ma-iraseti. Madzu fumi-ioo jari-tamaje-to ije-ba \ musume-tva omoi-kakezu | wa-
tari-ni fune je-tariu kokotsi-site \ fadziikasi-sa-mo wasurete | te-too awasete \ matsu-mitsu-ioo
wogami-ie \ namida-wo kohosu. Matsu-mitsu ijo-ijo rb-taku omoi-te | säte ika-ni tahakari-
kcn I jama-hito-ga moto-je mususume-ga fumi-ivo tsukaivasi-keru-ni \ jama-hito-mo iwa-ki na-
rane-ha-ni-ja | jagate kajeri-goto-wo-zo si-tari-keru.
An diesem Tage erspähte er eine Zwischenzeit, trat an die Seite des Mädchens und
sagte : Ich liabe das Herz der Gebieterin gut kennen gelernt. Da Jama-bito ursprüng-
lich zu mir ein Freund ist, werde ich, nachdem ich eine Unterredung zu Stande ge-
bracht, eucli zu Mann und AVeib machen. Früher schicket ihm einen Brief, — Das
Mädchen hatte ein Gefüiil, als ob sie unvermuthet an der Ueberfahrt ein Schiif erlang-t
hätte. Auf die Schüchternheit vergessend, legte sie die Hände zusammen, verbeugte
sich vor Matsu-mitsu und vergoss Thränen. Matsu-mitsu empfand immer grosseres JMit-
leid. Wie konnte er getäuscht haben ? Er schickte an Jama-bito den Brief des
Mädchens, imd Jama-bito, da er wohl nicht Stein und Holz Avar, schrieb sogleich eine
p]ntgegnung.
Kono uresi-ki-ni sojete ijo-ijo kokotsi sawajagi-ni-kere-ba | tsnki-gofo-ni j^ ^ (asa-kiisa)-
narn. ^^ iit ^ (kuan-ze-on)-ni mbde-kere-do \ faru-jovi jami-fusi-te kere-ha \ laa-iri-tate-ina-
fsurazio. Keu kasiko-ni via-iri-nan tote \ faiva-ni kaiarai-te \ takc-gosi-ni nori-te ide-tatsu.
Matsu-mitsu sono foka wonna woioko ßki-soi-te \ ide-juki-keru. Kore-iva arakazime matsu-
mitsu-ga fakari-goto kamajete j keo jama-bito-ga kata-je-mo sirase-tsukawasi-te \ fisoka-ni aicase-
t-m tote I kaku izanai-te idzuru nari-keri.
Hierüber erfreut, ' Avard ihr Gemüth überdiess immer heiterer. Sie hatte jeden
Monat den Tempel der Gottin Kuan-ze-on in Asa-kusa besucht, doch da sie seit dem
Frlihlinge krank darnieder lag, war sie dahin nicht gekommen. An diesem Tage sagte
sie ihrer Mutter, dass sie sich dorthin begeben Averde, stieg in eine Bambussänfte und
verliess das Haus. Nebst Matsu-mitsu Avaren noch Männer und Weiber, Avelche ihr bei-
gegeben waren, hinausgegangen. Es Avar dieses Arorläuiig der Plan Matsu-mitsu's. Er
schickte heute an Jama-bito eine Verständigung. Um eine heimliche Zusammenkunft zu
Stande zu bi-ingen, beredete er ihn auf diese "Weise und kam heraus.
Sawajagu ("tt" V "^ ^'). das sonst nirgends A^orkommt, ist ein Yerbum und hat
die Bedeutung ,heiter sein'. Ein geAA'ohnliches Wort ist sawajaka , heiter'.
Säte asa-kusa-ni juki-tsuki-keru-ni \ kono mi-tera-ioa to-koku dai-itsi-no ^ ^^ (rei-zibj-
riite I ^ fll (san-kei)-no ^ ^ (nan-nio) fiki-mo kirazu \ nigiwasi-ki kotu iü-mo oroka
nari. Geni koso ^ j:^ (sa-taj-no fitp ^Ij ^ (go-ri-sib) imizi-ki sirusi nare-to musume-mo
loogami-iri-te \ f^P ^ (mi-dbj-uv kudari-te j koko-kasiko tatsi-jasurai-te mi-megrtrase-do \ jaina-
hito-iüo mizu. Keo ai-ma-irasezu-wa | itsu-no toki-ni-ka mata ai-min-to | kokoro-fito-tsu-ni
omoi-'wabi-tsufsu | jama-no momidzi-ico vie-dzuri-ni kakotsi-te \ to-kaku jusurai-woru fodo | ß-
mo nisi-ni katamuki-nan-to sii. Matsu-mitsio-mo kokoro-nnrazu | nawo tatsi-motowori-wore'do |
jama-bito-ga kage dani mijezu. Tomo-ni soi-taru tvotoko woviina faja ß-gure-ni tsikaku
sbraje-ba \ fawa-gimi-no matsi-oivasi-masu-ran-wo \ toku kajerase-tamaje-to iü.
Als man in Asa-kusa eintraf, hatte in diesem Tempel, welcher der erste rein-
geistige Platz der östlichen Reiche war, der Zug der zum Besuche kommenden Männer
304 Pfizmaier.
uml ^Veiber kein Ende, und die Lebhaftigkeit daselbst liess sich niclit beschreiben.
Auch das Mädchen trat mit den Worten: In Wahi-heit möge die Gunst der Gottheiten
ein glänzendes Zeichen sein! anbetend ein. Von der Halle herabsteigend, schritt sie
bald hier bald dort auf und ab und blickte umher, aber sie sali Jama-bito nicht. In
ihrem einzigen Trachten dachte sie ängstlich; Wenn ich lieute nicht mit iimi zusammen-
treffe, zu welcher Zeit werde icli ihn noch sehen? — Dabei die Ahornbäume des Berges
bewundernd, empfand sie Trauer, und während sie so wie so auf und ab schritt, wollte
sich die Sonne nach Westen neigen. Matsu-mitsu wandelte unfreiwillig noch immer
umher, aber es zeigte sich nicht einmal der Scliatten Jama-bito's. Die zur Begleitung
beigegebenen Männer und Weiber sagten : Da schon nahezu der Sonnenuntergang ist,
wird die Mutter wohl warten. Kehret schnell heim!
Sibasi koso are | sa-nomi mi-tera-no utsi-yii tadazumu-beki-ni arane-ba \ anayatsi-ni fake-
gosi-ni noran-tu sure-ba \ anata-joi^i iki-wo kitte fasiri-kuru fito ari. Matsu-mitsu ntsi-miru-ni
jama-bito nare-ba \ sasi-jori-te \ nado-te kaku osokn-wa ki-tamajeru. Matsi-tsukarete ima ka-
jeran tote \ kano fito-wa faja take-gosi-ni nori-tamai-ki-to iü-ni \ jama-bito ke-sa-jori fawa-
bito-no ^ (siaku)-ni ^ najami-tamaje-ba \ to-kaku atsukai-te \ kokoro-narazzi. osoku nari-
nu-to iu.
Da man, Aväi'e es auch nur eine Weile, nicht einfach in dem Tempel stehen bleiben
konnte, schickte sie sich gezwungener Weise an, in die Bambussänfte zu steigen, als
von der anderen Seite ein ]\Iensch athemlos dahergelaufen kam. Matsu-mitsu blickte
hin. und da es Jama-bito war, näherte er sich ihm stracks und sagte : Warum kommt
ihr so spät ? Des Wartens müde, wollten wir jetzt heimkehren, und ist das Mädchen
bereits in die Bambussänfte eingestiegen. — Jama-bito erwiederte : Da die Mutter seit
heute Morgen von Krämpfen gequält wird, nahm ich mich auf jegliclie Weise um sie
an, und es wui-de wider meinen Willen spät.
Tomo-no wotoko loonna-no me-ivo sinobe-ba \ take-gosi-no atari-ni jori-tsuku-beki-ni arazu.
Nani-to nakn matsn-mitsu-to mono-gatari-sum furi-site \ take-gosi-no utsi-ivo mi-jare-ba \ inu-
sume-mo fo-i-na-qe-ni jama-bito-ivo utsi-viamori-icori. Tsuki-goro-wa fedate-tsure-do \ kaku
atari-tsikakii \ sono fito-ico miru-mo | jume-no kokotsi nomi serarete \ kosi-jori tobi-ide-si-taki
kokotsi-siire-do \ omoi-nen-zite \ vtsi-mamori-miru-ni \ faru mi-sovie-si-ni-wa naka-naka tsika-
masari-site \ utsukusi-ki wotoko nare-ba \ ijo-ijo wari-naki omoi-ivo-zo soje-kera.
Da er vor den Blicken der begleitenden Männer und AVeiber sich verbarg, Avar
keine Möglichkeit, zu der Bambussänfte heran zu kommen. Indem er that, als ob er
gleichgiltig mit Matsu-mitsu spräche, blickte er in die Bambussänfte, und auch das Mädchen
beobachtete gleiclisam unabsichtlich Jama-bito. Sie Avar zwar durch Monate von ihm ge-
trennt, doch in solcher Nähe ihn sehend, hatte sie bloss die Empfindung eines Traumes,
und es war ihr, als ob sie aus der Sänfte herausfliegen Avollte. Sich besinnend und
ihn beobachtend, befand sie sich in dei- That näher, als in dem Frühlinge, in Avelchem
sie sich in ihm verliebte. Da es ein schöner Mann Avar, Avandte sie ilim immer mehr
eine unwiderstehliche Sehnsucht zu.
Nami-ki-datsi-taru tokoro-ni ki-kere-ba \ kono ivatari-iva \ mono-mhde-no ßto-mo siiku-
naku I jaja mono-sabi-si-ge nari. Toki-ni musume ika-ni si-tari-ken \ take-gosi-no utsi-mte |
1 Das Zeichen 3^ ist als Einscliluss in das Classenzeicheu J%u setzen. Die Verbindung kommt im Cliinesisclien iiiflit vor.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 305
a-to sakebi-kere-ba tomu-nu mono-domo \ uiadzu kosi-tco ^^Ji (tsi)-nl su-e-sasete | aivate atsuku.
Matsu-miUu odoroki-te kore-iva tsuki-goro-no jamai-no futa-tabi okori-taru naran tote \ kosi-
wo nozoki-mite \ jE ^ (sio~ki) sara-ni tsuki-tamawazu. Kono atari. saru-beki kusii-.'<i aran |
tadzunete ko-jo-to i-i-fsuke-jari-te | mata ßtori-no wonna-nl kasiko-no ije-ni jnki-te ju-wo wa-
kasi-te morai-te ko-jn. Tare-tai-e-iva \ ije-ni fasiri-kajeri-te \ koto-no josi-iro tsuge-jo. Ware
are-ba \ kono tokoro-wa kokoro-jasn-karu-besi-to i-i-te mina ßto-bito-ivo fasirase-jari-te \ ika-de
jama-bito-tco koai-no utsi-ni trete | sibasi dani mono-gatari nado sasen-to \ kokoro-vjo kubari-
kerii-ni | kosi-kaku icotoko ni-nin mada katawara-ni are-ba \ matsu-mitsu kasira kaki-tc
sama-zama omoi-megurasi-kere-do | ko7io uje kare-ra-ivo sake-towozakn ^ (fd)-mo nasi.
Ika-ni sen-to iro-iro omoi-te \ niicaka-ni u-u-to i-i-te sori-kajeri-nu.
Man kam zu einem Orte, an welchem sich. Baumreihen befanden. An dieser Durch-
fahrt waren der Besucher des Tempels wenige, und es wurde bald einsam. Um die Zeit
schrie das Mädchen — was mochte geschehen sein? — in der Sänfte laut auf. Die
Begleiter Hessen vorerst die Sänfte auf den Boden setzen und traten in Aufregung da-
zwischen. Matsu-mitsu sagte ersclirocken : Hier wird die. Krankheit, an welcher sie
durch Monate litt, wieder ausgebrochen sein. — In die Sänfte hineinblickend, sagte
er: Das Bewusstsein ist gar nicht mehr vorhanden. In dieser Gegend wird ein ge-
eigneter Arzt sein. Man suche ihn und bringe ihn her. — Ferner sagte er zu einem
Weibe : Gehe in das Haus dort, lasse eine Suppe sieden und bringe sie, wenn du sie
bekommst. — Weiter sagte er: Jemand laufe in das Haus zurück und melde, was ge-
schehen ist. Da ich da bin, kann man an diesem Orte beruhigt sein. — Hiermit hiess
er Alle laufen und schickte sie fort. Er machte sich darüber Gedanken, wie er Jama-
bito in die Sänfte bringen und ihn nur für eine Weile ein Gespräch anknüpfen lassen
werde. Da sich noch die zwei Sänftenträger zur Seite befanden, kratzte er sich den
Kopf und überdachte die Sache auf allerlei Weise, doch es gab sonst kein Mittel,
diese Leute zu entfernen. Indem er mannigfach überlegte, wie er es anstellen solle,
rief er plötzlich: Ei doch', und bog sich zurück.
Jama-hi/o-iiio kvsi-kaka /rutokc-mo | odoroki-te -f^ \^ (kai-f6)-sure-ba \ matsu-mitsu taje-
daje-naru iki-no sita-ni | fosoki ko-e-nite i-i-keric-wa \ wäre kokoro-wo tsuko toki-wa \ itsu-mo
kfdcaru jamai f^ (fas) si-nu. Kore-ni-ioa sake-too norne-ba | tatsi-matsi-ni ijuru nari. Tuku
sake-wo kai-te ko-jo-to ije-ba | kosi-kaku icotoko itsi-nin jagate sake-uru noki-tvo sasi-te fasiri-
juki-nu. Matsu-mitsu kata-je-ico mire-ba \ ima fitori kosi-kaku wofoko are-ba | kare-ni mukai-
te I wäre wasure-tari | kano sake ßto-tabi atatamete | sore-wo joku samasi-te \ futa-tabi atata-
mete mote-ko-jo-to \ i-i-tsukete jaru-beki-wo wasure-tsu. Nandzi toku okkakete ije. Tada nan-
dzi-ra-mo sono tsuide-ni \ sake nomi-te ko-jo-to i-i-te \ zeni nage-idasi-te jari-kere-ba \ kono ivo-
foko-mo asi-ivo sora-ni nasi-te fasiri-inu.
Jama-bito und die Sänftenträger erschracken und waren besorgt. Matsu-mitsu,
athemlos geworden, sagte mit leiser Stimme: Wenn ich ängstlich war, ist immer eine
solche Krankheit entstanden. Wenn man dabei Wein trinkt, ist man plötzlich genesen.
Man kaufe geschwind Wein und bringe ihn. — Ein Sänftenträger lief sogleich zu einem
Vordache, unter welchem man Wein verkaufte. Matsu-mitsu blickte nach der Seite, und
da jetzt ein einziger Sänftenträger da war, sagte er zu diesem: Ich habe etwas ver-
gessen. Ich hätte mit dem Auftrage schicken sollen, dass man den Wein einmal wärme,
ihn gut auskühlen lasse, ihn dann zum zweiten Male wärme und ihn bringe. Dieses
habe ich vergessen. Laufe schnell nach und sage es. Doch trinket auch ihr bei dieser
Denkschriften der phil.-liist. Cl. XXVI. Bd. 39
gQg Pfizmaiek.
Gelegenheit AVeiu und kommet dann zurück. — Hiermit warf er ilnn Geld hin, und
dieser Mann lief mit geflügelten Schritten fort.
Säte ^ j^ (zia-ma)-no jatsu-ioa \ mina )ji$ (kami)-jarai-m jarai-mi. Jama-hito-nml
foku kosi-no mutu-ni jori-tamaje-to ia-ni \ sasu-ga fadzukusi-ku-ja \ tamerai-te juri-mo kozu.
Matsu-mitsio iratsi-te \ ima-ni-mo jii-mo sake-mo itsi-do-nl mote-kitaran \ kataki-ni mukawan
^ ^ 5 (tai-sih-gun)-no \ sa-jh-ni odzi-fabakaru-beki-ka-tua-to \ te-ico tori-te kosi-nu to-wo
akete tsuki-iren-to m. Musume-ioa \ fazime-jori \ sora-jamai-tsukuri-i-taru-ni \ matsu-mitsu-ga
ßto-wo sakete \ fakari-goto-iüo okonb fodo \ u-arai-wo sinohi-te ari-kcru-ga \ to-ivo akete jama-
bito-ga katco bakari sad-ire-tsure-ba \ fadzukasi-wv wasurete sigami-tsukan-to suru toki \ ju-wn
mote-ma-iri-si-to wonna-ga ko-e-sttre-ba \ jama-bito odoroki-te \ toku tobi-noki-tsu.
Matsu-mitsu sagte: Endlich sind alle die im AYege stehenden Kerle durch die gött-
liche Bannimg gebannt. Herr Jama-bito, nähert euch schnell der Sänfte! — Allein
Jama-bito, wohl aus Schüchternheit, zögerte und kam nicht nahe. Matsu-mitsu sagte
ärgerlich: Jetzt wird man die Suppe und den Wein zu gleicher Zeit bringen. Kann
ein oberster Heerführer, der dem Feinde entgegen gehen wird, sich so fürchten ? —
Hiermit ergriff er ihn bei der Hand, öffnete die Thüre der Sänfte und wollte ilin
hineinstossen. Das Mädchen hatte sich eigentlich krank gestellt. Als Matsu-mitsu, um
die Menschen wegzuschaffen, einen Plan ins Werk setzte, verhielt sie das Lachen. Sie
öffnete die Thüre, und als Jama-bito nur das Antlitz hereinhielt, wollte sie, die
Schüchternheit vergessend, sich an ihn fest schliessen. In diesem Augenblicke rief
ein Weib: Ich bin mit der Suppe gekommen! — Jama-bito erschrack und zog sich
flugs zurück.
Matsu-mitsu mite j ko7io ju naivo jurusi \ ima svkosi aratamete mote-ko-jo-to iü-ni ] ivonna
ika-de nuru-karan \ tagiri-jn-nite sorb-to ije-do \ matsu-mitsu kasira-ico furi-te \ nurusi-nurusi-
to ije-ba \ wonna-iva fudznkvmi-tsutsu \ mata moto-no ije-je fasiri-inu. Matsu-mitsu jama-
bito-ga te-wo tori-te \ madzu kosi-no utsi-ni iri-tamaje-to i-i-savia \ si-ite osi-iren-to suru to-
koro-je \ kosi-kaku loonoko fasiri-kite \ sake mote-ma-iri-tsu-to iü-ni \ jama-bito mata kosi-no
icaki-ni tobi-ide-tari. Matsu-mitsu kono sake amari-ni toaki-siigi-tari. Kasiko-ni motsi-jicki-te
samasi-te ko-jo-to ije-ba | kosi-no wotoko \ samasi-nan-ni-iva \ kasiko-ni motd-jukazu-to-m,o \
koko-moto-nite-mo \ same-mbsu-beku-to ije-ba \ kore-ni tsumari-te iu-beki koto-naku \ mata ka-
sira kaki-te-i-taru-ni \ tconna-mo ju-wo mote-kitare-ba \ ima-wa ^j ff (ziükkei) tsuki-te sen-
su-be-nasi.
Matsu-mitsu sah hin und sagte: Diese Suppe ist noch lau. Wärme sie jetzt ein
Avenig und bringe sie. — Das Weib sagte : Wie sollte sie lau sein '? Es ist eine siedende
Suppe. — Allein Matsu-mitsu schüttelte das Haupt und sagte: Sie ist lau, sie ist
lau. — Das Weib lief murrend wieder in das Haus, woher sie gekommen. Matsu-
mitsu ergriff die Hand Jama-bito's und wollte ilin mit den Worten : Begebet euch früher
in die Sänfte! mit Gewalt hineinschieben. In diesem Augenblicke kam ein Sänften-
träger daher gelaufen und sagte: Ich luibe den Wein gebracht. — Jama-bito schwang
sich wieder an der Seite der Sänfte heraus. Matsu-mitsu sagte: Dieser Wein hat zu
sehr gesotten. Gehe damit dorthin., lasse ihn auskühlen und bringe ihn. — Der
Sänftenmann sagte: Um ihn auskühlen zu lassen, brauche ich mit ihm nicht dorthin zu
gehen. Ei- kann hier auskühlen. — Durch diese Worte bedrängt, wusste Matsu-mitsu
nichts zu sagen. Während er sich wieder den Kopf kratzte, kam auch das Weib mit
der Suppe. Seine Findigkeit war jetzt erschöpft, und er wusste sich nicht zu helfen.
Die Geschichte einer Seelenwandeeung in Japan. 307
Kakaru-ni \ anata-jori suga-gasa ki-fa7m ßto-no \ tobu jh-ni fasiri-kite \ kasa-toru-u-o
mire-ba | musume-ga oja-no funa-nusi nari. 0-o-iki-tsuki-te \ wäre smni-naica-misi-to | shnösa-
jori tada-ima kajeri-kitaru mitsl-näe mesi-tsukb ivotoko-ga \fasiri-juka-wo mite \ koto-no sama-
tco toje-ba | musume-ga keo §§, ^ (kuan-ti-on)-ni mode-tarit-ni \ 5^ 1^ (to-tsiü)-nite jamai
okoreru-to kiki-te \ sono mavia sugu-ni kake-kitari-tsu. Ika-ni kokotsi joku nari-nu-ja-io tö.
Matsu-mitsu niivaka-ni siaku-no okori-tamai-te I o~oki-ni saicagi-shraje-do \ ima-wa kokotsi si-
dzumari-tainai-nu-to irh .
Unterdessen kam von der anderen Seite ein Mensch, der einen Riedgrasliut auf-
gesetzt hatte, wie im Fluge daher gelaufen. Als er den Hut abnahm, sah man, dass
es Funa-nusi, der Vater des Mädchens, war. Tief Athem schöpfend, sagte er: Ich
kehrte mit dem Herrn Sumi-nawa eben jetzt aus Simusa zurück. Auf dem Wege sah
ich einen Diener hinweglaufen, und als ich ihn fi'agte, was es gebe, hörte ich, dass
meine Tochter heute den Tempel der Göttin Kuan-won besucht habe und dass ilir untei'-
wegs eine Krankheit zugestossen sei. Unter solchen Umständen eilte ich geradezu her-
bei. Ist ihr Befinden besser geworden? — Auf diese Frage erwiederte Matsu-mitsu:
Sie wurde plötzlich von Krämpfen befallen. Ich war sehr beunruhigt, doch jetzt fidilt
sie Erleichterung.
Funa-nusi jama-bito-ga toiroku noki-i-taru-tüu mi-jari-te | kare-ica take-siba-ga ko-ni ara-
zu'-ja. Waga ije-to-wa fima-ara naka nari | nani tote kono atari-ni tamerai-te-wa aru-zo-fo
iü-ni I matsu-mitsu fiki-tori-te \ omoi-jorazu tada-ima koko-nife ide-ai-te | mono-gatari-sen-to
^ (zonj-ze-si-ni ju-to sake-to itsu-toki-ni ma-iri-te | toku-to mono-gatari-mo tsukamatsurazu-to
ije-ba \ sate-wa tva-dono kare-to | sitatasi-ü si-tamajeru-ni-ja. Waga ije-iva si-sai ari-te
kare-ga ije-to-wa maziwari-iro tatsi-te ari tote \ ivonna-bara^ni miikai-te \ ka-jatsu-ni mono-
na-i-i-so-to i-i-te ^ & (fu-ki6)-ge-naru omo-motsi-su.
Funa-nusi sah, dass Jama-bito in der Ferne zurückgezogen weilte. Er fragte : Ist
dieses nicht der Sohn des Geschlechtes Take-siba? Es besteht mit meinem Hause ein
Zerwürfniss. Warum trödelt er in dieser Gegend herum? — Matsu-mitsu zog ihn bei
Seite und sagte : Er ist unvermuthet eben jetzt hier eingetroffen. Als ich mit ihm zu
sprechen gedachte, kam man zu gleicher Zeit mit der Suppe und dem Weine. Es liat
Eile, und ich spreche nicht mit ihm. — Jener erwiederte: Also seid ihr mit ihm be-
kannt? Mein Haus hat aus einer Ursache mit seinem Hause die Verbindung ab-
gebrochen. — Zu den Weibern gewendet, setzte er hinzu: Eedet nicht auf diesen
Menschen! — Er hatte dabei einen verdriesslichen Ausdruck des Gesichtes.
Säte kosi-ico kaki-agure-ba \ musume-wa nainida-ico ßtu-vie ukete \ kosi-jori kawo-wo sasi-
idasi-ie \ jama-bito-ga kata-wo \ nagori-ivosi-ge-ni utsi-m.ijaru. Kasira furuje-ba \ josoicoi-si
tama-ico kazari-si kanzasi-no \ jura-jura-to utsi-jura.gu-wa | kaze-ni tsiri-kb fana-ka-to-mo omo-
waru. Saru-wo mi-sutete ivakaruru-ioa \ }x ^ (kata-fa)-to nari-si jf^ (kari)-ga ne-no |
toko-jo-ni kajeru kokotsi-serarete \ jama-bito-u-a to-woku tatazumi-i-te \ nobi-agari-mir/i bakari-
nite I Hiono dani iü knto narazare-ba | kore-mo sozoro-ni namida-gumu. Kosi-kaku wotoko |
u'onna-diniio-wa kura-gura-ni nari-mi. Isoga-ba-ja tote | fita-sura asi-baja-ni m,itsi-ico isogu.
Jama-bito-wa nawo tatazzimi-te | sibasi mi-okuri-te ari-si-ka-do | ika-ni-to-mo sen-kata-nasi.
Wori-kara tsuki-dasu kure mu-isu-no kane-ni \ kokoro-boso-sa-mo sinobi-gataku-te \ aware-to
bakari i-i-sasi-te \ kajeri-mi-gatsi-ni juki-najamu.
Als man die Sänfte hob, schwammen die Augen des Mädchens ganz in Thränen.
Sie streckte das Antlitz aus der Sänfte heraus und blickte sehnsuchtsvoll nach Jama-
39*
QQg PfIZMAIEU.
bito. Wenn sie das Hau|it l)C'\vegte, schwankten die zur Zierde mit Edelsteinen besteckten
Haarnadeln, und man glaubte, es seien vielleicht in dem Winde sich verstreuende Blumen.
Von diesem absehend und getrennt, mit einem Gefühle, als ob die einflügelig gewor-
dene Gaus zu den ewigen Geschlechtsaltern zurückkehrte, stand Jama-bito in der Ferne
still. Emporgestreckt hinblickend und nicht einmal etwas sagend, hatte auch er unwill-
kürlich die Augen mit Thränen gelullt. Die Sänftenträger und die Weiber waren schwin-
delig geworden. Sagend: wir wollen eilen! eilten sie mit besonders schnellen Schritten
auf dem Wege dahin. Jama-bito stand noch immer still und folgte eine Weile mit den
Augen, doch er wusste sich auf keine Weise zu helfen. Um die Zeit war bei dem
sechsten Schlage der Abendglocke die Bewegung des Herzens nicht zu ertragen. Bloss
das Wort: o Leid! hervorbringend, wandelte er, in das Zurückblicken verloren und
kränkte sich.
Karl-ga ne, ein Wort, dem man die ursprüngliche Bedeutung ,Ton oder Stimme der
Wildgans' beilegt, wird geradezu für die Wildgans selbst gebraucht. Nach einer Er-
klärung steht es für kari-ga mure ,Schar der Wildgänse'. Die Rückkehr von mn re ist
me, und man sagt, ne sei der Uebergang von me. In Uebereinstimmung hiermit ist das
in alten Gedichten vorkommende kari-ga ne-no ko-e ,die Stimme der Wildgänse'.
Musume-ioa kosi-jori kawo sasi-idasi-te \ iku-tahi-ka utsi-mi-jarti-ivo \ tsitsi tatsi-jori-te
kaze-ni atara-ha \ asi-kari-nan tote \ kosi-nu sudare-ico saje-orosi-tsure-ha \ utsuhusi-fusi-te
naki-sidzumi-tsu. Kaku-made tabakari moke-tsuru-ivo \ mono dani iicasede ivakaruru koto \
kajesu-gajesu fo-i-nasi-to \ nage-kubi-site \ matsu-mitsu-mo jama-bito-ga kata-ico mi-kajeri-tsutsu
iiiinami-to kita-je ivakarete-zo juki-keru. Sate-mo adziki-naki suku-se nari-kasi.
Das Mädchen streckte das Antlitz aus der Sänfte heraus und blickte wohl mehrere
Male hin. Ihr Vater trat hinzu und sagte: Wenn du dich erkältest, wird es schlimm
sein. — Hierauf Hess er den Vorhang der Sänfte herab. Auf das Angesicht nieder-
fallend, zerfloss sie in Thränen. Dass man in einem solchen Masse List gebraucht und,
nicht einmal das Sprechen zu Wege bringend, sich trennt, es ist, wie man es auch
nimmt, eine Vereitelung des A^orhabens. j\lit diesem Gedanken warf sie das Haupt hin.
Auch Matsu-mitsu, auf Jama-bito zurückblickend, ging, indem man nach Süd und Nord
sich trennte, weiter. Es dürfte eine erbarmungslose frühere Welt gewesen sein.
Das schwimmende Schiff.
Sumi-nawa-wa simosa-no kuni-nitc \ mru-beki kure- t>t ^ (zai-moku) nado jerabi-tori-
te 1 ikada-ni tsukurasete kawa-je idasase \ säte funa-nusi-to tomo-ni tatsi-kajeri-keru-ni \ kam
ikada-mo \ imada konata-ni itarazu \ mnnasi-ku fi-tvo sugusan-mo itadzura-nari tote | ßtori
ßma-misi-ga \ taka-dono-ni nobori-te \ f^J (reiJ-7io db-gu-domo tori-idete \ mono-tsukuri-te-zo
irori-keru.
Sumi-nawa wählte in dem Reiche Simosa geeignetes Bauholz für Latten aus, Hess
es zu einer Flösse machen und auf den Fluss hinausschafien. Als er in Begleitung
Funa-nusi's zurückkehrte, war diese Flösse noch nicht hier angekommen. In der Meinung,
dass es ungebürlich sein würde, die Tage müssig zu verbringen, stieg er allein in den
Söller Funa-nusi's, nahm die gewöhnlichen Werkzeuge hervor und verfertigte verscliie-
dene Gegenstände.
Die Geschichte einer Seelenvvandekung in Japan. 309
Koko-ni iimsume mtirasaki-ira | nama-naka kari-some-ni ai-mite-jori notsi Ijo-ijo tama-no
wu-ino tajuru bakari | omoi-masari-te | ika-de ima ßto-tabi-no b-se-mo gana-to matsu-mitsu-ivo
semuru. Matsu-mitsu-mo ika-de-to omoje-do \ kono ije oki-te kibisi-hi \ midari-ni ironna-nado-wo
foka-ni idasu koto-naku \ mata ije-no utsi-mo \ P^ ^ finon-ko)-no fedate-ogosoka-nite \ to-jori
sinobl-iru-beki fima na-kere-ba [ namn-naka-naru naka-datsi-ni kakadzurai-te | naka-naka
kokoro-ico-zo itame-kerit. Ani-no saiva-maro-mo imo-uto-ga kokoro-wo siri-tare-ba \ tsitsi funa-
nusi-ni jori-jori susumete | jama-bito-no kata-jc imo-uto-ico jari-tamaje-to ije-do \ funa-nusi fu-
ts7i-ni ^ m (sio-inj-sezare-ba \ utsi-nageki-te-zo ß->co sugitsi-keru.
Die Tochter Murasaki, nachdem sie dennoch eine Zusammenkunft für einen Augen-
blick gehabt, sehnte sich in einem Masse, dass die Edelsteinschnur zerriss, immer mehr
und drängte in dem Wunsche, irgendwie jetzt die Stromschnelle einmaliger Begegnung
zu haben, Matsu-mitsu. Auch Matsu-mitsu wünschte, dass es irgendwie sei, allein die
Gesetze dieses Hauses waren streng, es war nicht der Fall, dass man wider die
(Jrdnung Weiber heraus liess. Ferner war das Innere des Hauses durch Thore
und Thüren sorgfältig abgeschlossen, es war kein Zwischenraum, wo man von
aussen heimlicli herein kommen konnte. Mit wirklicher Vermittluno- sich beschäftig-end,
quälte er in der That sein Herz. Der ältere Bruder Sawo-maro kannte die Neiffuns: der
jüngeren Schwester. Er redete dem Vater Funa-nusi von Zeit- zu Zeit zu, dass er an
Jama-bito die jüngere Schwester senden möge. Da aber Funa-nusi durcliaus nicht ein-
willigte, vei'brachte er seufzend die Tao-e.
Arn fi sumi-naica taka-dono-jori ori-kite \ aruzi funa-nmi-ni i-i-keru-wa \ onore kokoro-
mi-ni I fune fito-tsu tsukuri-ide-tari. Utsi-ni isasaka karakuri-wo mbke-oki-tare-ba | nori-te
kokoro-mi-tamaje tote \ simo-bito-ni i-i-tsukete \ kaiio ßine-ivo tori-orosase-tsu. Fito 5E. A. (5'^"
Hin) bakari noru-beki sama-nite \ tsi-isaki fune nagara \ '^ij (rei)-no omo-siroku tsuknri-nasi-
tsii. Fvna-nvsi tsune-ni kaira-ni idete tsuri-surto koto-wo konnmi-kere-ba kono fune tsukureru-
ico mite jorokobu koio o-o-kata-narazu. Asu-vca '^ ^ )\\ (mija-to-gawa)-ni sawo-sasi-te j
tsuri-site asoban-to iu-wo matsu-mitsu kiki-te musume-ni sasajaki-te \ kö-kb nasi-tamaje-to wosijete j
onore-mo sono ^ i^ (jd-i)-wo-zo si-keru.
Eines Tages kam Sumi-nawa von dem Söller hei-ab und sagte zu dem Wirthe Funa-
nusi: Ich habe zum Versuche ein Schiff gebaut. Da in ihm ein wenig Triebwerk an-
gebracht ist, so steiget ein vmd versuchet es. — Er beauftragte die Diener und liess
dieses Schiff herabbringen. Es war ein kleines Schiff, in welchem anscheinend nur fünf
Menschen fahren konnten, und dabei in gewöhnlicher Lieblichkeit hergestellt. Da Funa-
nusi gewöhnlich in den Fluss fuhr und sich gern mit Angeln beschäftigte, war er, als er
sah, dass dieses Schiff gebaut worden, nicht wenig erfreut. Er sagte, dass er morgen
früh auf dem Flusse Mija-to-gawa die ßuderstange anlegen und sich mit Angeln ver-
gnügen werde. Matsu-mitsu, der dieses hörte, flüsterte dem Mädchen etwas zu und be-
lehrte sie, wie sie es anstellen solle. Er selbst traf seine Vorbereitungen.
Säte ^ 9 (jokii-zitsn)-ni nari-te \ fana-nusi tsuri-zatco nado jö-i-site \ sumi-nawa matsu-
mitsu-wo izanai-te fune-ni noran-to site \ fune-ni kokoro-je-tar'u mcsi-tsukb ivotoko-wo jobi-te |
nandzi sawo sase-to ije-ba | sumi-nawa-ga itoaku | ßto-site kogasen fune-tva | tare-ga te-nite-mo
tsukuri-tsu-besi. Kore-wa karakuri-wo mbkete sbraje-ba | ßfo-no te-wo karazu-site \ ßune-iva
ono-dzukara juku-besi-to iii-ni \ kiku ßto ^ (kioj-aru koto-ni-zo omoi-keru. Muslime tsifsi-ni
m.ukai-fe | warawa-wo-mo ite juki-tamaje-to iü. T'sitsi kasira-wo ßuri-te \ vonna-nado kawa-
^ ^ (se6-jeö)-su-beki-ni arazu-to i-i-te \ ßcrusazare-ba \ matsu-mitsu-ga iwaku kore-wa jn-no
3 1 () Pfizmaiee.
tsiine-no fune-to-mo tagai-tare-ha \ rni(ragalci dono-no fj\ ^ (sio-md) dh-rl ari. jlfif Pp (Sen-
Isin) \'^ J^ (ta-nin)-mu arazare-ba \ uose-taDini-nan-to sasiuimra-ni \ sarn-ha tute \ fikl-tsitrete
ide-tatsu.
Die nächsten Tage bereitete Funa-nusi die Angelrutlien und nahm »Sumi-nawa und
Matsu-mitsu mit. Im Begriffe, das Schiflf zu besteigen, rief er einen Diener, dei" auf
Schiffe sich verstand, und sagte zu ihm : Lege die Ruderstange an. — Sumi-nawa spi'adi :
Ein Schiff", welches Menschen rudern werden, kann von der Hand irgend eines Mensclien
gebaut worden sein. Da ich hier ein Triebwerk angebracht luxbe, leiht man die Hand
der Menschen nicht, das Schiff wird von selbst gehen. — Die Menschen, welche dieses
hörten, stellten sich die Sache als eine Unterhaltung vor. Die Tochter sagte zu dem
Vater: Nehmet inich aucli mit. — Der Vater schüttelte das Haupt und erlaubte es
nicht , indem er sagte : Weiber dürfen auf dem Flusse keine Lustfahrt machen. —
Matsu-mitsu sprach: Dieses Schiff ist von einem gewöhnlichen Schiff'e verschieden. Der
Wunsch des Fräuleins ^lurasaki ist daher berechtigt. Da auch in dem Schiffe keine
fremden ^Menschen sind, so werdet ihr sie einsteigen lassen. — Jener gab diesem Zu-
reden nach. Er nahm sie init laid fuhr aus.
Kono funa-niisi-ga Ije-no maje-n-a na-ni. takaki f^ 5J )\\ (sumi-da-gaica) nari-lceri.
So-mo kono sumi-da-gaiva-to ijeru-wa \ inisi-je-jori ito o-oki-naru- kawa-nite \ ^ ^ (nari-
ßra) ason-no izo koto-towan-to \ jomi-tamajeri-si-ica \ fito-no siru tokoro nari. Mala Jf ^\
(sara-sina) 0 fß (nikki)-ni \ simösa-rio kuni-to musasi-no sakai-nite aru | asu-ta-gawa-to-zo
iä-to smtsare-si-mo \ koko-)w koto nnri. Kono nikki ^\] 2(5C (in-fon) amata are-do \ mina
ajamari nri-te \ koko-ico-vio futo-ifi-gaiva-to >iirud-tsu. Köre nomi narazu \ tö-kai-do-no mitsi-
sudzi-nado-ico-mo . maje siri-je-to ajamareru koto ari. ~^ 2|j (Ko-fon)-v:o mi-taru ßto-wa siru-
hesi. Säte sumi-da-gaica-to iü-wa'koko hakari narazu. De-wa-no kuni-ni-mo\ki-no kuni-ni-mo\ari~
te I furuku-jori f^< ^ (jei-ka) ari. Suru~ga-ni-ino ari-to '/i (tsiü)-seru fumi-mo ari. Kaku
fj\ Y (i^io-sio)-ni onazi-na are-ha \ ~^ ^ (ko-ka)-nado-u-o-mo omoi-tagajete \ ajamaru koto
o-osi. ^^ ^ ^ (Man-jeö-siüJ-ni matsu-tsi-jama \ jufu koje-juki-te \ i-^vo-zaki-no \ sumi-da-
gaicara-ni \ ßtori-ka-mo nen-to \ joraeri-si-wa \ ki-no hini-naru siimi-da-gatoa naru-ico \ koko-
no koto-zo-to I omoi-ajamari-te \ sit-e-no jo-ni-iva \ matsu-tsi-jama i-wo-zaki nado iu na-ivo si-
mo I atari-tsikaki jama-zato-no na-ni \ kbfurase-johu jb-ni-iva nari-nu. Kore-wa koko-ni j6-
}iaki mono-gatari nare-ha. \ i-i-sasi-te todonie-tsu.
Vor dem Hause dieses Funa-nusi befand sich der berühmte Fluss Sumi-da-gawa.
Dieser sogenannte Sumi-da-gawa ist seit dem Alterthum als ein sehr grosser Fluss und
durch das Gedicht Nari-fira Ason's : ,Wohlan ! Er wird eine Sprache sprechen' den
Menschen bekannt. Auch der Fluss, der in dem Tagebuche von Sara-sina als der an
der Gränze der Reiche Simosa und Musasi befindliche Asu-ta-gawa verzeichnet wii-d,
ist dieser Fluss. Von diesem Tagebuche gibt es viele gedruckte Texte, doch alle ent-
luilten den Fehler, dass in ihnen dieser Fluss auch als der Fluss Futo-Avi-gawa verzeichnet
wi]-d. Ueberdiess kommt auch der Irrthum vor, dass man auf den Wegen des Weges des
östlichen Meeres das Vordere nach nickwärts setzt. Wer in die alten Texte Einsicht hatte,
wird dieses wissen. Den Namen Sumi-da-gawa führt niclit bloss dieser Fluss. Er findet
sich auch in dem Reiche De-wa, in dem Reiche Ki-i und kommt von Alters her in
Liedern vor. Es gibt Büchei-, in welchen erklärt wird, dass er sich auch in dem Reiche
Suru-ga befindet. Da sich an so verschiedenen Orten derselbe Name findet, hat man
auch die alten Gedichte missverstanden und sich liäufig geirrt. In dem Man-jeo-siü liest
Die Geschichte einer Seelenwakdekung in Japan. 311
man die Verse: Den Berg Matsu-tsi | am Abend überschreitend, | in I-wo-zaki | auf der
Flussebene von Sumi-da | allein wohl werd" ich schlafen. — Man hielt hier den in dem
Reiche Ki-i befindliclien Fluss Sumi-da-gawa irrthilmlich für diesen Fluss, und in dem
letzten Zeitalter kam es so weit, dass man die Namen Matsu-tsi und I-wo-zaki durch
die Namen der nahen Gebirgsdörfer der Gegend gleichsam überdecken Hess. Da dieses
eine nicht damit sich befassende Erzälilung ist, Hess man es bei einer Andeutung bewenden.
Säte funa-nusi-ica kono sumi-da-gaioa-no kisi-ni snmi-nawa-ga tsukureru fune ukamete 1
ßto-hiio-to fomo-ni ftme-ni-zo ari-kerii. Kono fune tsi-isa-kere-do \ isasaka ja-ne-melm mono-mo
ari-te \ arawtt-narane-ba \ wonna-nado-no noi^an-ni-ica tajori-josi-to iü. Sare-do fune se.ha-
kere-ba | mesi-tsuko mono-nado-wa 7iosezu. Funa-nusi sinni-naiva matsn-mitsic musume-to jo-
tari hakari'ZO nottari-keru. Sumi-nawa fune-no tomo-ni tatsi-te \ Isasaka kui-no gotoki mono-
wo I ugokasi-keru-ni \ kono fune onore-to ugoki-te \ sidzuka-ni juku koto fito-nn kogu-jori jasusi,
Kisi-ni i-taru saivo-maro-wo fazime \ simo-bito-ra made te-n-o tataki-fe \ kore-ico nzariii-mirv .
Funa-nusi Hess an dem Ufer dieses Sumi-da-gawa das von Sumi-nawa gebaute Schiff
scliwimmen und befand sich mit mehreren Menschen in dem Schifte. Dieses SchiÖ' war
zwar klein, docli da es etwas ein wenig einem Verdecke Aehnliches hatte und nicht
frei war, so sagte man, dass es auch für Frauen zum Fahren geeignet sei. Da es jedoch
eng war, Hess man die Diener niclit einsteigen. Es stiegen bloss vier Menschen: Funa-
nusi, Sumi-nawa, Matsu-mitsu und das Mädchen ein. Sumi-nawa, an dem Hintertheile
des Schift'es stehend, bewegte etwas, das ein wenig einem Pflocke glich, und das Schift'
bewegte sich von selbst. Sein stiller Gang bewerlvstelligte sich leichter, als wenn Menschen
rudern. Der an dem Ufer Aveilende Sawo-maro, selbst die Diener, schlugen in die Hände
und sahen es mit Wohlgefallen.
F'nna-7msi tsuri-no ito orosi-te \ fune-no juku mama-ni \ taoo-ico tsuri-te tanosimu. Sasaje
nado firaki-te \ tori-dori-ni sake kumi-karva.su \ ito J^ (kiö) ari. Matsu-mitsu ico.re-mo tsuri-
scn tote I sawo-wo tori-te \ e-no iri-taru kago-wo iori-te \ ajamari-taru furi-site \ kawa-ni utsi-
otosi-kere-ba | midzu-ni sitagai-te nagarete-zo jjiki-keni. Funa-nusi tsitri-su-beki e-wo usinai-te
ika-ni se-nasi \ kono atari-nite mimizu nado forarnasi-to ije-ba | sikaru-besi tote \ sumi-naira
tatsi-te I kono tabi-wa \ tsi-isaki kui-wo mawasi-keru-ni \ fune onore-to kisi-ni tsuki-nu. Muslime
bakari-wo fune-ni nokosi-te | funa-nusi saki-ni tatsi-te \ looka-ni agari-te | kanata-konata-zo
asare-domo | kono atari mimizu nado mijezu. Matsu-mitsu kanete fakari-taru koto nare-ba j
kasiko-ni koso aranie \ nado i-i-te | toiooki kata-je | mitsi-biki-te juki-nu.
Funa-nusi Hess die Angelschnur herab und vergnügte sich, indem er während des
Laufes des Schifies Fische angelte. Er öftnete die Bambusrohren, schöpfte und wechselte
auf allerlei AVeise AVein. Er war dabei sehr voll Freude. Matsu-mitsu sagte : Ich werde
auch angeln. — Hiermit ergriff' er die Angelruthe, nahm den Korb, in welchen man
den Köder gegeben hatte und Hess ihn, indem er that, als ob er sich geirrt hätte, in
den Fluss fallen. Der Korb schwamm nach dem Laufe des Wassers davon. Funa-nusi
hatte den Köder, mit dem er angeln konnte, verloren, was sollte er thun? Er sagte, er-
Averde in dieser Gegend Regenwüi-mer ausgraben. Sumi-nawa sagte, es sei recht, und
erhob sich. Er drehte diessmal einen Ideinen Pflock, und das Schiff" legte sich von selbst
an das Ufer. Bloss das Mädchen in dem Schiffe zurücklassend, erstiegen sie, Funa-nusi
voran, die Uferliölie und suchten hier und dort, doch in dieser Gegend waren ßegen-
würmer nicht zu sehen. Da Matsu-mitsu fn'iher einen Plan entworfen hatte, sagte er:
Dort wird es deren o-eben. — Hiermit fidirte er sie zu einer fernen Geo-end fort.
312 PpiZiMAIER.
Kono icafari-icn \ kisi-be-ni-iva \ fakaki jusi-asi oi-sigeri-te are-ba \ juku-saki-mu mijezu.
Miosume-ioa kanete tsigiri-te-si kufo are-ba \ ivac/a omu ßto-iva ika-ni-to j kisi-no kata-wo utsi-
niamori-icoru-ni | sojo-sojo-to josi-nu oto-sure-ba \ me-wo tsukete mi-jari-taru-ni \ ana uresi-ja j
koi-sitajeru jama-bito \ koromo-mo tsuju-ni nure-sobotsi-tsutsu | josi-no naka-juri kawo sasi-ide-
tari. Musume-ioa tobi-tati^u bakari -itresi-ku-te | sa-koso matsi-tamai-tsurame-to ije-ba \ jama-bito
kc-sa-no fodo-jorl hmo kisi-ni fsuki-ie \ fune-no jiiku-wo ukagai-te \ josi-no naka-tvo vmkc ma-
iri-tare-ba \ icabi-siki me ini-tsu-to i-i-te siroki te-ico idaseru-ga | josi-asi-ni sasarete \ kizu
tsuki-te I tokoro-dokoro j^ (tsi) ide-tari. Ware ju-e bakari karaki nie mi-tarnajeru \ ito-toosi-
sa-jo. Madzu toku fune-ni nobori-tamaje. Tdtsi-no owasan-ni-iva \ matsu-mitsu toku fasiri-kite \
sirasu-beki josi mbsi-tsure-ba | toku koko-ni iri-tamaje-to iü.
Da an den Ufern diesei- Durclit'alirt hohes Schilfrohr in Fülle wuchs, sah man nieJit,
Avohin man ging. Das Mädchen, welches früher den Bund geschlossen hatte, rief: O mein
Geliebter! — Während sie dabei die Uferseite beobachtete, ertönte leise das Scliilfi-ohr.
Als sie mit unverwandten Augen hinsah, war, o Freude! von dem geliebten Jama-bito,
indess seine Kleider von Thau trofen, aus dem Schilfrohr das Antlitz zum Vorschein
gekommen. Das Mädchen schnellte nur empor und rief freudig : Also werdet ihr gewartet
haben! — Jama-bito spracli : Seit heute Morgen hielt ich mich nahe an dieses Ufer
und beobachtete den Lauf des Schiffes. Als ich, das Schilfrohr mitten zertheilend, herbei-
kam, war ich elend daran. — Hiermit streckte er die weissen Hände aus. Sie waren
von dem Schilfi'ohr zerstochen , hatten Wunden , und an mehreren Stellen kam Blut
hervor. Das Mädchen rief: 0 Jammer, dass ihr nur meinetwegen Leiden erduldet habt!
Steiget vorerst schnell in das Schiff! Wenn es der Vater ist, so hat Matsu-mitsu gesagt,
dass er schnell herlaufen und es melden wird. Kommet schnell hier herein!
Kono fune kisl-jori — • f^ (ikken) bakari sisari-te are-ba \ noran-ni mitsi nasi. Keo
fazimete orosi-tafe-tare-ba j ■wasu.rete tomo-dzuna-mo tsukezari-keri . Alusume fosoki obi tori-
idete \ fnnc-no fe-ni musubi-ie \ obi-no fasl-ivo \jaina-bifo-ga kata-je 7iage-jari-te | fohi fiine-tvo
fiki-jose-tamaje-to iü. Jama-bito obi-no fasi-ioo iori-te tsikara-wo idasi-te fike-ba \ fune konata-je
jori-kuru sama-na7'i. Ima-ja tsitsi-no kajeri-ki-tamawan-to omoje-ba \ kokoro-mo kokoro-
narazare-do \ mata ai-min koto-no kata-kere-ba | fita-sura tsikadzuki-te \ omo koto-wo-mo itca-
ba-ja-to I tagai-ni kokoro-sekarure-ba \ inune nomi wodoru-zo kotowari naru. Jama-bito tsikara-
lüo irete ßku vianta-ni \ kono fune kisi-no kata-je ^ /^ {san-ziaku) bakari \ jori-kitari-to
oiiw-ni I kono niotsi-taru obi naka-ba-jori | fidto kirete \ jama-bito-ioa josi-no naka-je omid^e-ni
vÄsi-tore-rii. Fune-wa kono ßb-si-ni ] PI ^ ft9 (si-go-ken) bakari kawa-naka-je ide-tari.
Da dieses Schiff von dem Ufer um ein Ken ^ zurückgewichen Avar, gab es kein
Mittel, hinein zu steigen. Es war heute zum ersten Male herabgelassen Avorden, und
man hatte vergessen, ein Ankerseil anzufügen. Das Mädchen nahm den .dünnen Gürtel
hervor und knüpfte ihn an das Voi-dertheil des Schiffes, warf dann das Ende des Gürtels
Jama-bito zu und sagte : Ziehet das Schiff' schnell heran. — Jama-bito ergriff' das Ende
des Gürtels, zog mit aller Kraft, und das Schiff schien nach dieser Seite heranzukommen. Sie
dachten, dass jetzt der Vater zurückkommen werde. Wie sehr es aucli gegen iln-en Willen war,
es wäre dann immöglich gewesen, sich wieder zu sehen. Bei dem heftigen Wunsche, sich zu
nähern und die Gedanken zu sagen, gegenseitig im Herzen beengt, war es der Fall, dass es
in ihrer Brust nur liüpfte. Während Jama-bito, die Kraft hineinlegend, zog, glaubten sie,.
' Ein Ken ist seclis Sehiili fünf Zoll.
Die Geschichte einer Seelenwandeeung in Japan. 313
dass dieses Sdiift" dem Ufer um drei Schuh nahe gekommen sei. In diesem Augenblicke
zerriss plötzlich dieser in den Händen gehaltene Güi'tel in der Mitte, und Jama-bito
stürzte in das Schilfrohr rückwärts nieder. Das Schiff fuhr bei dieser Erschütterung
vier bis fünf Ken weit nach der Mitte des Flusses hinaus.
Jama-hito sugn-ni oki-agari-te mire-ha \ June-tca midzu-ni sitagai-te iiagare-juku. Mu-
sume-iva loahi-si-sa | mono-gurui-no gotokio nari-te | jama-hito-ga kata-wo mite | akire-i-tari.
Kisi-narri ßto-mo mono-guruwasi-hi, josi-iuo icake-tsutsu kisi-dzutai-ni ajume-do j fiine-ni tsika-
dzuku-heki-ni arane-ha \ fate-fate-iva ko-e-wo agete | kata-mi-ni naku hakari-nari. Kono kaica-
kami-wa \ na-dakaki ^ 59 )\\ (irn-ma-gawa)-nite \ mina-moto-wa toivoki kowori-jori idete |
nagare-surudoki midzu narit-ioo \ tvori-kara klta-kaze-no fagen-ku fuki-idete-kere-ha \ fune-wa
ja-no fasiru gotoku | umi-no kata-je-to 7iagare-juki-nu.
Als Jama-bito sich gerade erhob und liinblickte, schwamm das Schiff nach dem
Laufe des Wassers fort. Das Mädchen, in ihrer Verzweiflung einer Wahnsinnigen gleich
geworden, blickte nach Jama-bito und war ausser sich. Auch die an dem Ufer befind-
lichen Menschen, wahnsinnig das Schilfrohr zertheilend, schritten längs dem Ufer dahin,
doch da sie sich dem Schilfe nicht nähern konnten, erhoben sie zuletzt ein Geschrei,
und weinten unter einander nur. Dieser Fluss, dessen oberer Theil der berühmte Iru-
ma-gawa, entspringt in einem fernen Kreise und ist ein reissend fliessendes Wasser. Da
um die Zeit der Nordwind heftig wehte, trieb das Schiff, als ob ein Pfeil liefe, dem
Meere zu.
Jama-bito kokoru-ni omoi-keru-ica \ kakaru tsi-isaki fime-no tadajori-te nmi-ni ide-na-ha j
n-o-nami-ni ufsi-kajesarete | tadatsi-ni soko-no mi-kudzu-to-ja naran. Waga ajamatsi-ni jori j
tsigiri-te-si fito-wo korosan koto | tsumi-no fodo sora-osorosi tote \ mata kake-idasi-te oi-ßike-
domo I josi-asi-ni sajerarete | faja fune-no jidm-jc-mo mijezare-ba \ mi-wo modajete \ ßtori kisi-
ni tatsi-te nageki-i-tari.
Jama-bito dachte sich: Wenn ein so kleines Schiff umhertreibt und in das Meer
hinausschwimmt, wird es von den hohen Wellen umgeworfen und gerade zu Pflanzen-
abfall des Meeresbodens werden. — Wegen des Verbrechens, dass er durch sein Versehen
den Mensclien, mit dem er den Bund geschlossen, tödte, ohne Grund in Furcht, rannte
er noch hervor und lief nach, doch er war durch das Schilfrohr aufgehalten, und das
Schiff war bereits dem Blicke entschwunden. Sich härmend, stand er allein an dem
Ufer und klagte.
Kore-wa sate-oki \ funa-mosi-wa \ kasiko-no ivoka-ico kudari-te | e-ni naru-heki mitaizu
nado I amata tori-te \ moto-no kisi-ni tatsi-kajeri miru-ni \ fune mijezu. Odoroki-te \ koko-
kasiko motomure-domo | ato-mo mijene-ha \ sate-wa | sibasi-no fodo-ni \ nami-ni ßkarete \ fune-
no fasiri-kerii-ni koso tote \ namida-wo nagasi-tsutsu | ko-e-wo agete murasaki-murasaki-to
Jobi-te I kisi-no atari-wo fasiri-ariku.
Dieses werde bei Seite gelassen. Als Funa-nusi, von der dortigen Berghöhe herab-
steigend und viele Regenwfirmer, welche als Köder dienen sollten, mitnehmend, zu der
ursprünglichen Stelle des Ufers zurückkehrte und hinblickte, war das Schiff nicht zu
sehen. Erschrocken suchte er es hier und dort, da jedocli keine Spur von ihm zu
sehen war, sagte er sich : Also ist während der kurzen Zeit, von den Wellen fort-
ezogen, das Schiff' entlaufen! — Thränen vergiessend, erliob er die Stimme und Mura-
saki! Murasaki! rufend, lief er in der Gegend des Ufers umher.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd. 40
<v,
314 Pfizuaier.
Sumi-naiva-wa ^nkosi okiirete kitari-kera-ga \ fune-no juku-je mijezio \ katsu funa-nusi-ga
^i ^ (kw-ki)-serii jb-ni | tatsi-fasiri-iourii-wü mite \ sode-fikajote i-i-keru-iva | sa-jb-ni sawa-
gase-tamb-na. Kono fune .tatol kaze-no tame-ni sasoioarete \ fukare-jtiki-nu-to-vw \ kurusi-ka-
razi-to ije-ha \ funa~nusi-ga iwaku \ tada fitori-no | musutne-wo nami-ni sidzuine-taran-ni \ ika-
de saioagade aru-beki-to iü. Sumi-nawa lUsl-ioarai-te \ onore saki-ni uma-tvo tsiikuri-te \
matsu-mitsic-wo mi-usinai-taru-ni \ kuri-tare-ha | kono tabl tsukureru fiine-ioa mäsi-no kagiri-
tvo kiwame-sbrbte \ — • M. (itsi-ri-no) ^C ^ (sui-ro)-wo fasiri-nan-ni-iva \ kanarazu fune
mata konata-ni muki-te \ kajeri-kitaran jb-ni | tsukuri-oki-tarl. Sibasi koko-ni mamori-te
oicase-to iü-ni \ funa-nusi sukosi nagusami-te \ kisi-ni ^ (zaj-slte matsu.
Sumi-nawa kam etwas später. Das Schiff war vor den Blicken verschwunden, und
zudem sah er, dass Funa-nusi Avie wahnsinnig einherlief. Er zupfte ilm an dem Aermel
und sagte: Seid niclit so bestürzt. Gesetzt dieses Schiff Avurde dux'ch den Wind ent-
führt und weggeblasen, so ist dieses nicht peinlich. — Funa-nusi sprach : Wenn meine
einzige Tochter in den Wellen versunken ist, wie sollte ich nicht bestürzt sein? — Sumi-
nawa erwiederte lächelnd : Da ich vordem ein Pferd verfertigte und Matsu-mitsu mir ver-
loren ging, habe ich, dadurch gewarnt, diessmal an dem Schiff'e, welches ich baute,
die Gränze des Weges bestimmt. Ich habe es so gebaut, dass, nachdem es den Wasser-
weg einer Weglänge durchlaufen hat, dieses Schiff gewiss wieder nach dieser Seite sich
wenden und zurückkehren wird. Haltet hier eine Weile aus. — Funa-nusi, ein wenig
getröstet, setzte sich jetzt an das Ufer und Avartete.
Matsu-mitsu-mo fune-no naku nari-taru-ni | kimo-wo fijasi-tari-si-ga \ sumi-nawa-ga koto-
ba-ni I sukosi kokoro-otf^i-ite \ kawa-dzura-ioo me-mo fanatazu mamori-i-taru-ni \ ikada-ni saivo
sasi-te kuru mono ari. Mire-ba simosa-nite atsuraje-oki-si \ ono-ga ^ TfC (zai-mokuj-ivo
tsumi-te kuru nare-ba \ jobi-tomete \ kono ikada-ni nori-te \ mite i-taru,-ni \ kawa-simo-jori
funa-bito-mo naki fune-no \ midzib-ni sakai-ie nobori-kuru ari. Utsi-ivo mire-ba \ musume
murasaki \ funa-zoko-ni naki-fusi-te wore-ba \ ßto-bito ikada-ico kogi-jose fime-ni nori-utsuri-
te itawaru. Musume-tva kono fune-no futa-tabi waga kata-ni kajeri-kunt-to-iva sirazu | fita-
sura-ni towoki kata-ni nagare-juku-jo-to omoi-te | ima-ja mi-wo nagen-to kamaje-i-keru-ni |
omoi-jorazu fito-bito-ni ai-te | jorokobu koto kagiri-nasi. Fu-si-gi-ni musume-ga inotsi tasu-
kari-nurn-mo \ ßto-je-ni sumi-nawa-nusi-no karakuri-no takumi-ni joreri tote | ijo-ijo tbtomi
bgi-te \ nawo-zari-narazu ^ j^ (fon-su)-si-keri.
Auch Matsu-mitsu, als das Schiff' verschwunden Avar, schauderte. Während er, durch
die AVorte Sumi-nawa's ein wenig beruhigt, kein Auge von der Fläche des Flusses ver-
wandte und beobachtete, kamen Leute auf einer mit ßuderstangen versehenen Flösse an.
Als man hinblickte, brachten sie das in Simösa bestellte, von ihnen selbst aufgehäufte
Bauholz. Man rief ihnen zu, still zu halten, und als die Menschen auf die Flösse
stiegen und sicli umsahen, kam von dem unteren Theile des Flusses ein Schiff', auf
welchem sich kein Schiff'smann befand, gegen die Strömung fahrend, herauf. Als man
hineinsah, lag das Mädclien Murasaki weinend auf dem Boden des Schiffes. Die- Menschen
ruderten auf der Flösse heran, stiegen in das Schiff' über und bezeigten ihre Theilnahme.
Das Mädchen, Avelches nicht wusste, dass dieses Schiff noch einmal nach ihrer Gegend
zurückkehren werde, glaubte ernstlich, dass es nach einer fernen Gegend fortscliwimme.
Darauf gefasst, jetzt vielleicht das Leben auf's Spiel zu setzen, traf sie unverlioff't mit
den Menschen zusammen und ihre Freude hatte keine Gränzen. Man sagte : Dass Avie
durch ein A^^mder das Leben des Mädchens gerettet wurde, ist einzig den kunstvollen
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 315
Triebwerken des Herrn Sumi-nawa zu verdanken. — Man blickte mit immer grösserer
Ehrerbietung zu ihm empor und drängte sich auf nicht gewöhnliche Weise heran.
Säte ije-ni kajere-ba | faica-oja nado \ si-sai-ivo kiki-te \ odoroki katsu fsutsuga-naku ka-
jeri-kltmm-wo jorokohu. Musumc-ica sono mama fe-ja-ni iri-te \ kasira itasi tote fusi-kerih-ga \
tsuku-dzuku ontoje7'u-ica | sate-mo Jam-jorl sinu-hakari ivadzurai-te \ jama-bito-gimi-wo koi-
sitai-te \ tama-tama asa-kusa-nite matsi-tsuke-ma-wase-si-ni | aja-niku-naru koto ide-kite \ on-
kawo-tco dani \ joku-mo mi-ma-irasezu-site lüakare-nu. Keo koso ika-de-to omoi-fakari-te \ ma-
no atari tsikadzuki-tate-viatsurl-si-ni \ omoi-jorazu | ts?ma-de naica-no tatsi-matsi-ni taje-fa-
tete I kanasi-ku-mo fo-i-naki tvakare-wo nase-si koto \ to-kaku-ni kami-fotoke-no \ luare-wo mi-
fanatsi-tamai-mmi, naru-besi. Kono notsi ai-mi-tate-m.atsiiran koto-mo \kanai-gata-karu-be-kere-ba\
iki-nagaraje-tari-to-mo \ kai-na-karan nado | sama-zama-to omoi-megurasi-keru-ga \ ima fito-
tabi I tsitsi-ni mi-dzukara ztreje-kikojete \ koto kanawazu-wa \ sono toki-ni to-mo kaku-mo nari-
fate-nan-to.
Als man nach Hause zurückkehrte und die Mutter und Andere diese Umstände
erfuhren, erschracken sie und freuten sich zugleich über die glückliche Zvirückkunft.
Das Mädchen trat unterdessen in ihr Gemach und indem sie sagte, dass sie der Kopf
schmerze, legte sie sich nieder. Dabei überlegte sie reiflich Folgendes : Seit dem
Frühlinge tödtlich krank, wartete ich aus Liebe zu Herrn Jama-bito oftmals in Asa-
kusa, und als ich ihn fand, ereignete sich etwas Verdriessliches. Ohne auch nur sein
Antlitz gut gesehen zu haben, wurde ich getrennt. Heute ermass ich in Gedanken,
dass es irgendwie sein werde. Als ich ihm von Angesicht nahe kam, riss plötzlich,
ohne dass ich es vermuthete, das Schiifseil. Dass ich in Traurigkeit die nicht be-
absichtigte Trennung hatte, hier wird jedenfalls der göttliche Buddha mich aus den
Augen gelassen haben. Von jetzt an, da eine Zusammenkunft nicht erreicht werden
konnte, wird es auch in meinem ganzen Leben unnütz sein. — Auf allerlei A\ eise über-
legend, dachte sie : Wenn ich es jetzt einmal in meiner Betrübniss dem Vater selbst zu
Ohren bringe imd die Sache nicht gelingt, dnnn wird es jedenfalls ein Ende nehmen.
Kokoro-iüo sadamefe | tsitsi-no maje-ni idete | nak/i-naku kaki-kudoki i-i-keru-ica | tsitsl-
faica-no o-ose-wo matsi-tate-matsurazu misoka-ni icotoko moken-to omoi-tatsi-si-ica \ sora-oso-
rosi-ki mi-no toga-ni sbraje-domo \ suku-se-no nasu tokoro-ni-ja \ omoi-kajesi lüabi-te sbrb. Ika-
de kono oroka-naru kokoro-ivo \ aware-mase-tamai-te | jama-bito-gimi-no moto-ni | waraiva-wo
okuri-tamai-nan. Kaku tsutsumasi-sa-mo ivasiirete \ ai-naki koto kikoje-tate-matsuru-mo \ fi-
goro-no on-itsukusi-mi~ni \ amaje-taru-nite | katsu-ioa vxiri-naki mad,oi-ni soro tote | yiamida-wo
taki-no gotoku otosi \ te-ico su7n-tsutsii | tatami-ni utsi-fuse-ba \faiüa-ioa kanasi-to-ja omoi-ken |
sa-nomi na-nageki-so-to i-i-te \ wotto-ni wmkai-te | kono koto jurusi-tamai-nan-to ije-ba \ tsitsi
manako-wo o-okiku nasi \ kasira migi-fidari-ni utsi-fiori-te \ musume-wo nirami-te i-i-kcru-wa.
Sich entschliessend, trat sie vor den Vater und erklärte sich unter Weinen : Ohne
auf den Befehl der Aeltern zu warten, kam es mir heimlich in die Gedanken, einen
Mann zu bekommen. Verstellt furchtsam wie ich bin, ist es zwar meine Schuld, doch,
indem ich bedenke, dass die frühere Welt vielleicht es bewerkstelligt, bin ich in Ver-
zweiflung. Wie es immer sei, werdet ihr Mitleid mit diesem thörichten Herzen haben
und mich zu HeiTn Jama-bito schicken. Indem ich so, die Blödigkeit vergessend, eine
unliebsame Sache zu Ohren bringe, ist dieses, in dem Stolze auf eure durch Tage mir
zu Theil gewordene Gunst, vorläufig eine niclit zu unterscheidende Verirrung. — Die
Thränen gleich einem Wasserfalle herabfallen lassend imd die Hände reibend, lag sie
40*
316 Pfizmaier.
auf dem Teppiche. Die Mutter, welche es bedauerliiih tiiideu inuclite, sagte: Kränke
dich nicht so sehr ! — Zu ihrem Manne sagte sie ; Ihr werdet diese Sache erlauben. — •
Der Vater machte grosse Augen. Das Haupt nach rechts und links schüttelnd, blickte
er finster auf die Tochter und sagte:
Onore | wosanasi-to ije-domo \ take-siha-ga ije-to | waga ije-to fima-arn kotu-wa | juku siri-
tstirau. Jo-nl ßto-mo o-o-karu-wo \ kare-wu si-in.o koi-sume-tari-fu-ica | ika-narit kuto-zo | masi-
te kare-wa ije madzusi-ku nari-te \ keö-no kefvri-wo dani tate-kane-tsu-tu kiku. Sa-ju-no
inono-ni musume-wo jaran-wa \ waga ije-no o-üi-naru fadzi nari. Kaiw jama-bito-ga fawa
ware-ioo iiaku sonemi-te | wa^'e joko-sama-ni | kare-ga ta fata-wo fjff f^ (slü-toku)-seri nado j
sosiri-iforu koto | joku kiki-ojobi-te ari. Ika-de kare-ni \ waga musume-wo si-mu \ uknri-tsu-
kawasu-beki. Koto-ni onore \ oja dani imada kuto-wo utsi-idezaru-nl \ mi-dzukara wotoko-wo
jeri-te \ kare-ioo wutto-tu sen nado iü koto | "^ ^ ^ >\. (bh-ziaku-bu-zin)-to-ja m-beki.
Wumia-no fasiru-ioa jurusio-be-karazu-to-wa \ ^ ^ (kon-sia)-no koiuba nari. Fadzi-wo si-
razaru mono-tva \ tcare-mo -^ (ko)-to-wa sezi | toku kokoro-wo aratamezu-ba \ nagaku ^ ^
(kan-db)-site \ oi-fanatsu-beki-zo-to.
Wenn du auch jung bist, wirst du doch gut gewusst haben, dass zwischen dem
Hause des Geschlechtes Take-siba und meinem Hause ein Zerwürfniss besteht. Während
in der Welt viele Menschen sind, wie kommt es, dass du dich in diesen verliebt
hast? Ueberdiess ist sein Haus verarmt, und ich höre, dass man nicht einmal den Rauch des
heutigen Tages zuwege gebracht hat. Einem solchen Menschen meine Tochter schicken,
wäre eine grosse Schande meines Hauses. Die JMutter dieses Jama-bito beneidet mich
sehr, redet mir übel nach und sagt, ich habe auf unrechtmässige Weise ihre Felder er-
worben. Dieses ist mir gar wohl zu Ohren gekommen. Wie könnte ich zu ihr meine
Tochter schicken? Besonders du, indess nicht einmal der Vater noch zu der Sache ge-
kommen ist, dass du selber einen Mann wählst und sagst, dass du ihn zum Gatten
machen wirst, dieses kann man wohl Unverschämtheit nennen. ,Dass das Weib entläuft,
darf man nicht gestatten' ist ein Wort weiser Männer. Ein Wesen, welches die Scham
nicht kennt, halte ich nicht für mein Kind. Wenn du nicht schnell deinen Sinn
änderst, werde ich dich für immer meinen Zorn fühlen lassen und dich fortjagen.
Itaku täsi-fara-datsi-te \ tsukami-kakaru-beki ari-sama nare-ba \ fawa %^ (seij-site \ irm-
sume-wo fittatete \ fe-ja-ni tomonai-te \ sama-zama-tu sukasi-kosiraje-tsutsu \ wäre ani-to kata-
rai-te \ su-beki jb koso are nado \ isamure-do musume-wa tada naki-iri-te \ iraje-sezu. Oi-fi-
gami-taru tsitsi-ga \ ikari-mmosiru ko-e | nawo fe-ja-ni more-kikojete \ tamasi-i-mo kijuru ba-
kari-)/o kokotsi-si-tsu.
Indem er heftig zürnte, liatte es den Anschein, als ob er die Hand anlegen würde.
Die Mutter hielt ihn zurück, zog die Tochter empor und geleitete sie in^ das Gemach.
Ihr auf allerlei Weise zuredend, sagte sie: Ich werde mit dem älteren Bruder reden,
und es wird sich etwas thun lassen. — Wie sie auch ermahnte, das Mädchen weinte
bloss und gab keine Antwort. Die zornig scheltende Stimme des von Alter eigensinnig
gewordenen Vaters war noch in dem Gemache zu hören, und das Mädchen hatte ein
Gefühl, als ob ihr die Seele schmölze.
Kaku tsitsi-no omoi sadame-tamaje-ba \ tutc-mo jama-bito-nusi-no tsuma-to naran koto ka-
tasi. Natiia-naka nagaraje-ite \ uki-wo mi-taran-juri | sinan koso masarame. Tadasi faru-
jori jamai-dznki-te \ kokotsi si7iu-beku koso obojc-tari-si-ga \ fu-si-gi-ni jamai lookotari-te \ koi-
si-to omö fito-ni \ loaga kokoro-wo-mo mise-tate-matsuri \ fonoka-nagara-vio \ on-kawo-wo si-mo
Die Geschichte einer Seelenwandeeong in Japan. 317
vti-tate-matsuri-nure-ba \ semete kore-wo j fü; (jo)-no omoi-de-fo sn-hehi nado | sama-zama omoi-
midare-tsutsu \ josi-asi kaki-wakete ide-tari-si omo-kage saje \ omoi-iderarete \ fsutstcga-nahi
ije-ni-ja kajeri-tamai-ken \ tcaga kaku omö-to-mo | siri-tamawade \ ima-goro-iva 1 7ie-ja si-
tamai-niLran \ jume-ni mite-ja owasu-ran nado faka-naki koto nomi omoi-tsudzukete \ ne-wo
nomi naki-te utsi-thre-nu.
Da der Vater sich so entschlossen hat, ist es jedenfalls unmöglich, dass ich die
Gattin des Herrn Jama-bito werde. Ehe ich am Leben bleibe und Kummer leide,
werde ich lieber sterben. Gerade seit dem Frühlinge von der Krankheit befallen, hatte
ich das Gefühl, als ob ich sterben müsste. Als durch ein Wunder die Krankheit nach-
liess, zeigte ich dem geliebten Menschen mein Hei'z, sah, wenn auch undeutlich, sein
Angesicht. Wenigstens dieses sei meine Erinnerung an die Welt. — In solchen Ge-
danken auf allerlei Weise unruhig, dachte sie. Wesenloses nur in Gedanken fortsetzend,
indess das Bild, wie er, das Schilfrohr zertheilend, hervorkam, einzig dieses Bild in
ihrer Seele auftauchte: Er wird wohl ohne Unfall nach Hause zurückgekehrt sein. Nicht
wissend, dass ich so denke, wird er um diese Zeit wohl eingeschlafen sein. Wird er
Tielleicht träumen ? — Dabei weinte sie nur laut und sank zu Boden.
Geni toko-naka-ni tadajo namida-ni-ioa \ atari-tsikakl sumi-da-gaiva-no \ watasi-mori-mo
fune jose-tsu-hekn. \ mata kanu asa-kusa-nu sato-ni ari-fo-ka iü-meru \ isi-no makura-mo ?iki-
mi-heku koso.
In der That, an die in dem Bette wallenden Thränen konnte der Fährmann des
nahen Flusses Sumi-da-gawa das Schiff angelegt haben, auch das Steinpolster, von dem
man wohl sagt, dass es in jenem Dorfs Asa-kusa sich befinde, kann auf ihnen ge-
schwommen sein.
Die Schwiegertochter.
Jania-bito-wa | murasaki-wo fime-nite mi-usinai-te \ kawa-gisi-wo kake-fasiri samajoi-kere-
do I kage-ico dani mizare-ba \ sen-su-be-naku \ kukoro-narazu ije-ni kajeri-te | — ■ Zl 0 (itsi-
ni-nitsi) sugusi-kere-do \ oto-dzure-wo dani kikic koto nasi. Omoi-najami-te | '^ ^ (sioku-
zi)-mo nondo-wo toworazare-ba \ matsu-mitsu-ga moto-je fito-wo jarl-te \ jb-su-wo-mo | towa-ba-
jo-to I fisoka-ni fimii sitatame-i-taru ivori-kara \ fawa oku-jori ide-kite \ keö-wa tsitsi-no tono-
no ^^ 0 (ki-nitsi) nare-ba \ ^ ^ (sb-zi)-mono totonojete \ "^ Ijj" (butsu-zen)-ni ma-ira-
sen-to SU. 0-koto-mo makanai-te tamaje-to ije-ba \ jama-bito fumi-kaki-sasi-te \ '^ J^ (butsu-
dan)-no tsiri kaki-farai | mi-akasi tomosi-tsiUsu \ fu-to fotoke o-niaje-wo mire-ba \ tsi-isakl
iV^ J^ft (siki-si) I fotoke-no on-fiza-no uje-ni nosete ari. Tori-mire-ba | sumi-guro-nite \ ^ )\\
(tama-gawa)-ni sarasu te-tsiohiri sara-sara-ni \ -to kaki-te \ simo-no '^ (kuj-iva nasi. ^ |^
(Fu-sin)-ni omoi-te \ fawa-ni mukai-te \ kono siki-si-wa | tsune-ni me-ni furezaru mono-nife
sbrb. Ika-naru fito-no fude-ni-ka-to toje-ba j fawa-ga iwaku.
Jama-bito, welcher Murasaki in dem Schiffe aus den Augen verloren hatte, lief das
Flussufer auf und ab, doch er sah nicht einmal ihren Schatten. Ohne einen Rath zu
wissen, kehrte er wider seinen Willen nach Hause zurück. Es verging ein Tag, dann
ein zweiter, doch er hörte selbst nicht eine Nachricht. Wie er in Gedanken sich
quälte, drang die Speise nicht in seine Kehle. Er wollte zu Matsu-mitsu Jemanden
schicken und sich erkundigen. Als er eben heimlich einen Brief schrieb, kam die
gjg Pfizmaier.
Mutter aus dem Inneren heraus und sagte: Da heute der Todestag des Herrn Vaters ist.
habe ich die Sache des Fastens vorgerichtet und gedenke, vor Buddha zu treten. Unter-
halte ihn auch du. — Jama-bito Hess vom Briefschreiben ab, fegte den Staub von
dem Altare Buddha's, und als er, die Lichter anzündend, plötzlich auf Buddha blickte,
war ein kleines Farbenpapier auf die Kniee Buddha's gelegt. Als er es nahm und
betrachtete, stand darauf mit Tinte schwarz geschrieben: An dem Tama-gawa',
welches man bleicht, das Haustuch, \ indem es rauscht. — Die unteren Verse fehlten.
Hierüber verwundert, sagte er zu der Mutter: Dieses Farbenpapier ist mir niemals unter
die Auo-en a'ekommen. Von wessen Pinsel stammt es? — Auf diese Frage sagte die
Mutter :
So7'e koso so-ko-no t.sitsi-nu on-kata-mi narc \ sono si-sai katari-te kikase-ten. Onore-wa
moto kono ije-no simo-ivonna-nite ari-keru-ni \ naku nari-tamai-si tsitsi-no tono-no \ fisoka-ni
kokoro-zasi-wo mise-tamai-te \ sinobi-sinobi-ni | katarai-te-keru-ni \ mukai-me-no kiki-siri-tamai-
te I itakii fara-datsi-tamai-kere-ba \ sibasi ware-ivo-ba \ oja-zato-ni kajesi-tamai-ki. Sono toki
onore ^ M: (knai-ninj-site j fodo-naku — A (dsi-7im)-no ^ ^ (nan-si)-ico tmi-nu.
Kono koto mukai-me-ni more-kikoje-na-ba \ ika-naru koto-ka ide-ki-nan-to \ lüara-no uje-jori
sono ko-iro-ba fama-f/aica-naru '^ ^ (fiaku-sio)-no moto-ni tsukawasi-tsu. Sono toki tsitsi-
gimi-no fude-zusaoni-ni \ tama-gawa-ni sarasio te-tsukuri sara-sara-ni \ nani-zo kono -^ (ko)-
no koko-ta kanasi-ki-fo | siki-si-ni — ■ "^ (issmj-ivo sirusi-tamai-te \ naka-ba-jori kono siki-si-
100 fiki-saki-te \ simo-no ^ (kuj-tca | ubu-ko-no mamori-ni wosame \ kami-no ^ (ku)-no
kata-wa | tvare-ni adzukete \ oki-tamai-nu. Sono notsi mukai-me-mo sini-tamai-kere-ba \ faba-
kani koto-naku-te ivare-wo ije-ni nndmje-tamai-kl.
, Dieses ist wohl ein Erbstück von deinem Vater. Ich werde die Umstände er^
zählen und es dich hören lassen. Ich war ursprünglich eine Dienerin dieses Hauses.
Der verstorbene Herr Vater gab mir heimlich seine Absichten zu erkennen und sprach
mit mir ganz im Verborgenen. Da die rechtmässige Gattin dieses erfuhr und in hef-
tigen Zorn gerieth, schickte er mich alsbald in das Dorf meines Vaters zurück. Um
die Zeit war ich schwanger und gebar nach nicht langer Zeit einen Knaben. Icli
dachte, wenn dieses der rechtmässigen Gattin bekannt würde, so würde wohl irgend
etwas daraus entstehen. Ich schickte daher von dem Strohe weg dieses Kind zu einem
an dem Flusse Tama-gawa lebenden Geschlechte des Volkes. Um die Zeit schrieb
der Vater in der Zerstreuung des Pinsels auf ein Farbenpapier die Verse : An dem
Tama-gawa | welches man bleicht, das Haustuch, | indem es rauscht, | wie dieser Sohn
über vieles sich betrübt! — Er zerriss dieses Farbenpapier in der Mitte und barg die
unteren Verse in dem Zauberbeutel des neugebornen Kindes. Die eine Hälfte, welche
die oberen Verse enthielt, gab er mir in Verwahrung. Als später diQ rechtmässige
Gattin starb, brachte er mich ohne Anstand in sein Haus'.
Säte nan sasi-tsugi-ni \ tva-misi-tuo-mo umi-tari-si \ kano tama-ga'wa-no "g" ü (ßaku-
sib).-mo sini-taje-tari tote \ sono notsi oto-dzttre kajoxvasi-tsure-do \ ato-kata-mo naku nari-te \
tsukawasi-tsuru ko-no ^ ^ (siu-zij-wo dani sirazu. Mosi ije-no utsi-nite sodatsi-na-ba \ ica-
nusi-no joki tsikara-gusa na-oneru-wo \ juhi-je dani siranu jb-ni nari-fate-si-mo | adziki-naki
jo-ni-zo ari-keru-to \ namida-ioo otosi-tsutsu katare-ba \ jama-bito-mo tsitsi-no kata-mi-no fude-
no ato-to kiki-te 1 amata-tabi osi-itadaki-te \ tomo-ni namida-ni kure-ni-keri.
' Der Tama-gawa ist ein Fluss des Kreises Fi-ki in dem Reiche Miisasi.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 319
, Gleich zunächst gebar ich aucli dich. Spilter gelangte zu uns die Nachricht, dass
jenes Geschlecht des Volkes an dem Tama-gaAva ausgestorhen sei, doch es wurde nichts
hinterlassen, und man wusste nicht einmal, ob der Sohn, den ich ihnen geschickt, am
Leben sei oder todt. Wenn man ihn in dem Hause aufgezogen hätte, so würde er wohl
für dich eine gute Stütze sein. Indessen ist es so weit gekommen, dass man nicht einmal
seinen Aufenthalt weiss, es ist in einer erbarmungslosen Welt gewesen.' — So erzählte
sie unter herabfallenden Thränen. Als Jama-bito hörte, dass dieses eine hinterlassene
Handschrift seines Vaters sei, hielt er sie oftmals über das Haupt und war zugleich mit
der Mutter von Thränen umdunkelt.
Kakaru-ni \ kuri-ja-no kata-jori \ kawa-go-vjo ninai-te \ niwa-dzutai-ni idzuru mono ari.
Joku mire-ba \ waga ije-no kawa-go nare-ha | mosu-bito go-san-nare-to | jama-bito tobi-ori-te \
kawa-go-ni te-zvo kakete fiki-modosu. Nusu-bito-wa furi-kitte jukan-to suru-ivo \ faica juku
saki-iüo tatst -fedatete \ ^ J (faku-tsiüj-ni ije-ni iru ^ |^ (tb-zoku) \ ika-de jasuku
toivosan-to in. Ntisii-bito iratte \ faiva-ivo tsitki-nokuru. Jama-bito mata tori-tsidci-te \ jarazi-to
tomure-ba | nusu-bito atari-nai'u ^ (bö) ottotte \ jama-bito-ico utsi-su-e-tsu. Tori-tsuku fawa-
ico-mo I onazi-ku lUsi-su-ete | jese-warai-tsutsu | fowo-kaburi tori-te \ jama-bito loare-ivo mi-siri-
tari-ja-to iü-tvo \ bgi-mire-ba saki-ni ^ ^ (goku-ja)-ni iri-si firo-iooka nari.
Als es so kam, war Jemand, der von der Seite der Küche mit einem Koffer aut
dem Rücken längs dem Vorhofe hinausging. Als man es gut ansah, war es ein Koffej-
des eigenen Hauses. Also ein Dieb ! In diesem Gedanken stieg Jama-bito flugs herab,
legte die Hand an den Koifer und zog ihn zurück. Der Dieb schüttelte ihn ab und
wollte gehen. Die Mutter stellte sich ilim in den Weg und rief: Wie wird man einen
Dieb, der am hellen Tage in das Haus kommt, leicht durchgehen lassen? — Der Dieb
ergrimmte und stiess die Mutter weg. Als Jama-bito sich wieder an ihm festhielt und
ihn nicht ausliess, erhaschte der Dieb einen in der Nähe befindlichen Stock und schlug
Jama-bito nieder. Auch die Mutter, welche sich an ihm fest hielt, schlug er auf gleiche
Weise zu Boden. Hohnlachend nahm er die Gesichtsbedeckung weg und rief: Jama-
bito, kennst du mich? — Man blickte empor: es war der vordem in dem Gefängnisse
gewesene Firo-woka.
Jama-bito ko-e-ico agete | nandzi mata-mo kitatte | ware-ni ata-surii-7ii-ja-to ije-ba \ firo-
woka una-dzuki-te \ ^ ^ (koku-si)-no J^ (tsib)-ni fiki-idasare \ nandzi-ra-ga tame-ni \ ije-
100 usinai \ oi-jaraware-taru firo-ivoka nare-ba | ika-de nandzi-ra-ico uramizaran. ICeö koko-ni
iri-komi-taru-wa \ nandzi-ga takuivaje-okerib ^ ^ (i-rid) |)j| J^ (te6-do)-wo ubai-tori \ säte
nandzi oja-ko-ioo korosan-tame-ni j sinobi-i-tari. Si-de-no tabi-no ^ ^, (jö-i)-se-jo-to i-i-$ama
mata furi-agete sitataka-ni utsu.
Jama-bito rief: Bist du wieder gekommen, um gegen mich Feindseligkeiten zu be-
gehen? — Firo-woka nickte mit dem Haupte und sagte: Ich bin Firo-woka, der, zu
dem Gerichtshause des Reichsvorstehers liinausgeschleppt, euretwegen das Haus verlor
und fortgejagt wurde. Wie sollte ich euch nicht hassen ? Dass ich heute hier herein-
gekommen bin, geschah, um die von dir aufgehäuften Kleider und Geräthschaften zu
rauben. Endlich versteckte ich mich, um dich und deine Mutter zu tödten. Bereitet eucli
zu der Reise in den Todeshimmel ! — Mit diesen Worten schwang er wieder den Stock
und schlug heftig zu.
Faiva sono te-ni fori-tsiikii-ivo fitturajeie | — ■ ^ (ikken) bakari nage-tsukete \ tokii kono
jo-no itoma-torasen tote kuri-ja-ni kake-iri-te | /g] "J" (fb-tsib) totte wodori-idzure-ba | fawa-
320 Pfizmaikk.
ica omote-'wo sasi-te nige-idasu-ivo \ okkakete kin-do-wo klzarn-ni | umoi-kakezu o-oki-naru
wotoko-no I kiri-do-no soto-id tatsi-i-keru-ga \ firo-woka-ga motsi-taru fb-tsio mogi-tori \ asi-ico
agete ke-jari-tarc-ba \ omuke-ni tvre-keru-ivo \ nokkakari-te \ sitataka-ni ßinii-isidcete | take-siba
oja-ko-wo ^ (kai)-sen-to suru nandzi nare-ba | inotsi tasukete oki-gatasi-to i-i-sama \ pß ^
(rio)-te-ni ßro-icoka-ioo kai-tsukami-te \ me-jori takaku sasi-agete \ ei-to i-i-sama \ maje-naru
kawa-ni nage-komi-tsu. Firo-woka-wa atto sakebi-taru mama \ midzu-ni makarete nagare-jidii-
si-ioa I kokotsi-joku-zo mije-tari-keru.
Die Mutter, welche sich an seiner Hand festhielt, ergreifend und sie ein Ken weit
hinschleudernd, rief er: Ich werde euch schnell von dieser Welt Abschied nehmen
lassen ! — Hiermit stürzte er in die Küche, nahm ein Küchenmesser und sprang heraus.
Als er, die Mutter, welche gegen die Aussenseite hin wegfloh, verfolgend, bei der aus-
geschnittenen Thüre herauskam, stand wider Vermuthen ein grosser Mann vor der aus-
sreschnittenen Thüre. Dieser entraner das Küchenmesser, welches Firo-woka in der Hand
hielt, und stiess ihn mit erhobenem Fusse weg. Den rücklings zu Boden Gefallenen
übersteigend und ihm starke Fusstritte gebend, rief er: Da du es bist, der Mutter und
Kind des Hauses Siba-take morden Avill , so ist es unmöglich, dir das Leben zu
schenken. — Hiermit packte er Firo-woka mit beiden Händen, hob ihn höher als die
Augen, rief: Da! und warf ihn in diesem Augenblicke in den vor dem Hause fliessenden
Fluss. Firo-woka, Ach! schreiend, wurde von dem Wasser bespritzt und fortgetrieben.
Jener zeigte sich davon befriedigt.
Kano ivotoko-v:a \ ^ ^ (ru-bo)-ga te-ivo fori \ kiri-do-ioo iri-te \ jama-bito-ga utsi-su-
erare-iaru-ivo \ to-kaku -f^ |^ (kai-fb)-site \ su-no ko-no uje-ni idaki-agete \ midzu nado
nomasete atsukb-wo \ fawa-ioa uresi-ki-ga naka-ni-mo \ ibukasi-ku-te \ so-mo idzukib-no on-fito-
ni oivasi-te \ ware-ivare-tvo tasukete tamajeru-zo-to \ te-ioo awase-tsutsu ijj§ (reij-wo nase-ba \
kano wotoko faiva-ga kawo-wo utsi-mamori-te ] fu-tokoro-jori tatu-gami iori-idete \ köre on-oboje
owasu-ni-ja tote idasv-wo \ obo-obosi-kere~do | torl-agete firaki-mire-ba \ siki-si-no naka-ba kiri-
taru-nite \ jomi-mire-ba | nani-zo ko-no koko-ta kanasi-ki-to sirusi-te ari.
Dieser Mann nahm die Mutter bei der Hand und trat in die ausgeschnittene TJiüre.
Den zu Boden gesclilagenen Jama-bito auf jede Weise pflegend, hob er ihn in den Armen
auf die Flurmatte, gab ihm Wasser zu trinken und sorgte für ihn. Die Mutter, erfreut
und auch verwundert, sagte: Was für ein Mensch ist es, der uns rettet? — Die Hände
zusammenlegend, bezeigte sie ihm ihre Verehrung. Dieser Mann betrachtete genau das
Antlitz der Mutter, nahm aus dem Busen ein gefaltetes Papier und reichte es ihr mit
den Worten: Erinnert ihr euch auf dieses? — Obgleich sich gut erinnernd, nahm sie
es, entfaltete es und sah es an. Es war die abgeschnittene Hälfte eines Farbenpapiers.
Als sie es las, waren darauf die Worte: ,Wie dieser Sohn | über vieles t sich betrübt!'
geschrieb en.
Fawa odoroki-te \ kono siki-si-ioa waga tsuma-no ^ ^ (siu-seki) nari. Kore-wo motsi-
te owa^u-wa j ika-naru fito-zo-to ^ ;gt (fu-sin)-sure-ba \ kano wotoko fariika-ni tobi-sisari-
te I kasira-ivo sagete i-i-keru-wa \ onore kose ^<JJ ^ (sio-sei)-no koro \ tama-gaioa-no ^ jjfi
(fiaku-sib)-ga moto-je tsiikawasare-si | ivosana-na-tva te-ts7tkuri-m.aro-nite sbraje-to iü-ni \ faiva-
oja mala odoroki-te j tsu-to soba-je | sasi-jori-te \ tsuku-dzuku-to kawo-tco nagamete -\t ^ ^
(ni-ziu-jo-nen)-ioa fedate-nure-do \ fidari-no mimi-no fokuro nokorai \ omo-zasi-mo \ tsitsi-gimi-
no katoo-ni oboje-tarii tokoro ari. Sate-iva waga ko-no te-tsukuri-ka tote \ idaki-tsiüii-te |
naki-idasu.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 321
Die Mutter erschrack und sagte : Dieses Farbenpapier enthält eine Schrift von der
Hand meines Mannes. Wer ist es, der es besitzt? — Als sie sich so verwundert zeigte,
wich dieser Mann weit nach rückwärts, senkte das Haupt und sagte : Ich bin derjenige,
der zur Zeit seiner Geburt zu dem Gesehlechte des Volkes an dem Flusse Tama-gawa
geschickt wurde, und dessen Jiigendname Te-tsukuri-maro. — Die Mutter, wieder er-
schrocken, trat schnell an seine Seite, beobachtete aufmerksam sein Antlitz und sagte:
Obgleich zwanzig Jahre dazwischen liegen, ist das Maal an dem linken Ohre nocli vor-
handen, und auch die Züge erinnern an das Gesicht des Vaters. Es ist also mein Sohn
Te-tsukuri ! — Hiermit schloss sie ihn in die Arme und weinte.
Te-tsiikuri ,Haustuch', das in den oben angeführten Versen vorkommt, ist zugleich
der Name des Sohnes.
Jama-hito-mo omoi-jnranu avi-gimi-no go-tai-men-to | kasira-zco sagete \ jorokohi-naki-ni
namida otose-ha \ faira namida-tco kaki-farai-te \ tama-gaica-no ^ Jlf^ (fiaku-siu)-no ije-
wa I ato-mo iiaku sini-vse-tare-ba | so-ko-no juk/i-je-tco tadzunen-ni ] te-gakari siru-he-mu
arazare-ha \ ika-de fotoke-gami-no o-on-megumi-mfe \ fito-iahi-u-a \ meg^iri-awanan-to ' kogare-ni
kogare-si ZI ~|^ ^ ^ ()n-ziü-jo-nen) kara.m-no nakanu fi-u-a ari-to-mo \ omoi-idenu toki-
wa na-kari-si-ico \ nado-te tokii tadztmete-tra kitarazari-si j ima-wa idzu-ko-ni sumi-te aru-zo-to.
Mit den Worten : Eine unverhoffte Begegnung mit dem älteren Herrn Bruder !
senkte Jama-bito das Haupt, und die Freudenthränen fielen herab. Die Mutter trocknete
ihre Thränen und sagte : Als das Haus des Geschlechtes des Volkes an dem Flusse
Tama-gawa, ohne eine Spur zurückzulassen, ausgestorben war, hatte man keine Hand-
habe und kein Kennzeichen, imi deinen Aufenthalt auszuforschen. Schmerzlieh mich
darnach sehnend, dass irgendwie durch die Gnade des Gottes Buddha wir einmal im
Umherwandeln uns treffen, war durch zwanzig Jahre keine Stunde, in der es mir nicht
in die Gedanken kam, es möge ein Tag sein, an welcliem der Rabe nicht krächzt.
Warum, wenn du schnell gesucht hast, bist du nicht gekommen? W^o hast du jetzt
deinen "Wohnort?
Ko-e furuiüasi-tsutsu toje-ba \ san-sbrh onore itsu-tsu-nite soro toki \ fito-no moto-je nuvai-
torare | kasiko-nite j oi-sodatsi-sbru fodo \ kano tama-gaica-no ^ ^-^fe (fiakti-sio)-tca \ loadzibrai-
te usete soro. Kare hnada nagaraje-tari-si toki \ onore-ni katari-surb-wa | wn-dono-no tsitsi-
iva I je-bara- goiüori -nite \ sake tstikuri-te aki-mono-suru \ take-siba-no nanigasi-dono-nite
oioasu. Mukai-me-no netami-tco osore \ waga ije-nite sodate-ma-irase-tsu. Wori-mo ara-ba
kasiko-ni juki-te \ oja-ko-no ■na-nori-si-tamaje-to | vibsi-oki-te soro tokoro-ni fakarazn, asi-ja-no
f'je-no ^ -f' (jb-si)-to nari j ima-no na-ica saico-maro-to mbsi-te sbrb-to . katari-nw ajenu-ni j
fmca suri-jori-te \ sono asi-ja-dono-to-ica idzure-no fito-zo-to toje-ba \ sani-wa waga tsitsi-to
^ ^ (fu-iva)-nari-sl | isi-bama-nani fima-misi-nite sbrb-to iü-ni \ fawa-mo jama-bito-mo
mata odoroki-te \ in koto nasi.
So fragte sie mit zitternder Stimme. Jener erwiedertc : Es ist so. Als ich fünf
Jahre alt war, fand ich bei Menschen Aufnahme. W^ährend ich dort aufwuchs, erkrankten
jene Leute des Volkes an dem Flusse Tama-gawa und starben. Als sie noch am Leben
waren, sagte man zu mir : Euer Vater ist ein gewisser Herr Take-siba, der in dem Kreise
Je-bara AVein bereitet und Handel treibt. Aus Furcht vor der Eifersucht der rechtmäs-
sigen Gattin Hess er euch in meinem Hause aufziehen. Wenn ihr Zeit habt, geliet dorl-
iiin und nennet den Namen des Vaters und des Kindes. — Nachdem man mii- dieses
gesagt, wurde ich wider Vcrmuthen der Pflegesohn des Hauses Asi-ja. Mein gegenwär-
Denkschriftco der pliil.-bist. Ul. XXVI, Bd. 41
322 Pl'IZMAIKR.
tiger Name ist Sawo-maro. — Er liatte noch nicht ausgeredet, als die Mutter heran-
rückte und fragte: Dieser Herr Asi-ja, welcher Mensch ist es? — Jener erwiederte :
Es ist der in Isi-bama wohnhafte Funa-niisi, der mit meinem Vater auf schlechtem Fusse
stand. — Die Mutter und Jama-bito erschracken wieder und sagten kein Wort.
Saioo-maro kasanete i-i-keru-u-a | onore mono-no kokoro-ivo siri-fe-jori | fatva-bito-ico toi-
ma-irasen-to snru-ni \ ^ ^ (,P'f'0 ßmo-nnsi-dono-no kotoba-ico kike-ba | take-siba-no ije-
to-u-a I ata ari-te ^ ^ (fii-ira) nari-to iike-tamaioari-nu. Sara-ba funa-misi-ga -^ (ko)-to
na-nori-te-iva \ faiva-bito tai-men-zi-tamaicazi ] to-ja, sr-masi kaku-ja se-masi-to \ tosi-tsuki
mune-ioo kudaki-tari-si-ni \ ko-zo-no farii \ mukai-ga iroka-no fann-ml-uo koro \ firo-woka-ga
rb-zeki-tco miru-jori \ kaico-ico kakusi-te \ sono -^ (ba)-ni klete | fiJp ^ A. (go-rib-nin)-wo
ta-suke-si-mo | onore nari-to-wa \ jo-mo siri-tamawazi. Sono iwtsi firo-woka-me-ni torajerare-
tamal-te \ kare-ga ije-ui owasu-to kikl-fe | ika-de tori-kajesi-ma-irasen-to | firo-iooka-ga ije-no
atari ^ ^ (tsiü-ja)-to naku | nkagai-si-ni | omowazn matsu-ndtsu-ga fakarai-nite \ ^ (fai)-
wo kojete ide-tamai-mi . Miru-jori uresi-ku \ se-ni oi-ma-irase \ kono ije-tsikaki tokuro-made
on-tomo-tva itasi-nagara \ faiva-bito-to dani \ jobi-tate-matsnrazu \ sono mama ivakare-ma-
irase-si \ onore-ga kokoro-wo ^ ^ (sui-satsu) are-to.
Sawo-maro sprach von Neuem: Seit ich die Verhältnisse kannte, wollte ich die
Mutter besuchen. Indessen hörte ich die Worte des Pflegevaters, des Herrn Funa-nusi,
und ich erfuhr, dass zu dem Hause Take-siba eine Feindschaft besteht und Misshellig-
keiten obwalten. Wenn ich mich also den Sohn Funa-nusi's o-enannt hätte, würde die
Mutter nicht mit mir zusammengetroffen sein. Ueberlegend, ob ich es so oder anders
anstellen solle, zersprengte ich mir durch Jahre und Monde die Brust. Im Frühlinge
des vorigen Jahres, als ich zur Zeit der Blumenschau der Berghöhe Mukai-ga woka
die Gewaltthat Firo-woka's bemerkte, verhtdlte ich mein Gesiclit, trat auf der Stelle hervor
und kam euch Beiden zu Hilfe. Dass ich es war, werdet ihr auf keine Weise wissen.
Später hörte ich, dass ihr von Firo-woka gefangen genommen wurdet und in seinem
Hause euch befindet. Um euch irgendwie zurück zu bringen, spähte ich um das Haus
Firo-woka's herum, zwischen Tag und Nacht keinen Unterschied machend, als ihr un-
vermuthet durch die Veranstaltung Matsu-mitsu's die Mauer überstieget und herauskämet.
Erfreut, euch zu sehen, trug ich euch auf dem Rücken und begleitete euch bis zu
einem Orte in der Nähe dieses Hauses. Dabei nannte ich euch nicht einmal Mutter und
trennte mich ohne weiteres. Schliesset daraus auf mein Herz.
Katare-ba | faiva-oja sate-wa pjf ^ (rio-do)-no tdd-me-ivo sukui-si-ica j o-koto-nite ari-
keru-ka. Keö-no ima-made sa-iva sirade j kami-fotoke-no ■yj^ i^ (ke-gen)-ni-ja \ ari-gataki
fito-mo owasi-keri-to | ktitsi-72i tsukete i-i-tari-si-ga \ kami-naramt, mi-tva oroka-ni-mo \ misu-
■viisio o-koto-ga se-ni owarete \ ivaga ko-tn sirade ari-keru-jo. O-koio-ga ^ fkcö)-no kokoru
todoki-te \ keö-no aja-iiki-wo-mo \ nogart-si uje \ tajete ßsasi-ki oja-ko ^ ^ (kib-dai) | tai-
men-ni ojobi-nuru-wa \ keö-no ^^ 0 (ki-iritsi)-no ^ ^ (sio-rio)-no sini-be-site | tamajeru
naran-to \ fawa sara-nari \ jama-bito-mo f^ "i^ (dzi-butsu)-ico ^ (fai)-site jorokobi-keri.
Auf diese Worte erwiederte die jMutter: Also warst du es, der mich zweimal aus
der Gefahr rettete? Bis zu dem iieutiji'en Tage wusste ich es nicht, und wohl durch
die verwandelnde Umgestaltung des göttlichen Buddha war ein kostbarer Mensch. —
Sie setzte noch hinzu: Göttlich wie ich nicht bin, wurde ich in meiner Unwissenheit,
so dass ich es sali, auf deinem Rücken getragen und wusste nicht, dass es mein Sohn
ist. Indem dein älternliebendes Herz dazu kam, wurde ich auch aus der Gefahr des
Die Geschicete einer Seelenwanderusg in Japan. 323
heutigen Tages gerottet, uiul überdiess geschah es, dass Mutter und Söhne, älterer und
jüngerer Bruder, durch lange Zeit getrennt, einander begegneten. Hier wird eine Leitung
des heiligen ßeingeistigen des heutigen Todestages stattgefunden haben, — Sowohl die
Mutter als Jama-bito verehrten das ßildniss Buddha's und freuten sich.
Scnvo-maro fawa-no maje-ni te-ivo tsukl-te \ i-l-kerit-wa \ kon-nitsi kore-je ma-lri-si-wa 1
fawa-bito-je onore-ga nego mune sbrb. Kikosl-mesare-nan-ja-to ije-ha \ kaku na-nori-b uje-
kara-ica ffjf ^ (sio-zon) ara-ha \ nani-goto-mo katarai-airaaete \ sikaru-hesl. Tokio katari-te
are-to ijc-ba \ saico-maro namida-ivo fara-fara-to nagasi-te \ onore-ga i)tio-uto-nite sbrb \
murasaki-to mbsu mono | jama-bito-wo fukaku sital | faru-no koro-jori \ jamai-tsuki \ inotsi-rao
aja-uku sbrai-si-ni \ jb-jaku kono goro | jamai ije-gata-ni nari-te sbraje-do ^^> ^ (ren-bo)-no
kokoro jamu koto-naku \ si-i-te jama-bito-no tsmna-to naran-to setsi-ni omoi-sadamete sbrb.
Aware fawa-hito-no \ on- ^ ^^^ (zi-ß)-ni kono ^^ ^@ (kon-in) totonqje-tamaware-ba \ onore-
ga jorokobi-wa I moto-jori-nite | imo-uto-ga "^ ^ {fon-mo) kore-ni sugizn. Fita-snra jurusase-
tamai-nan-to.
SaAvo-maro stellte vor der Mutter die Hände auf und sagte: Dass ich heute hierher
gekommen bin, geschah, weil ich an die Mutter eine Bitte habe. Werdet ihr mich an-
hören? — Die Mutter erwiederte: Wenn du darüber, dass wir so die Namen genannt
haben, noch einen Gedanken luxst, so ist es angemessen, dass du irgend eine Sache mir
mittheilest. Sage mir es schnell ! — Sawo-maro vergoss reichlich Thränen und sagte :
Meine jüngere Schwester, deren Name Murasaki, hat zu Jama-bito eine tiefe Neigung.
Seit dem Frülilinge krank, schwebte sie in Lebensgefahr. Endlich ging um diese Zeit
ihre Krankheit in Genesung über, docli ohne von der Liebe in ihrem Herzen abzulassen,
ist sie entschlossen, um jeden Preis die Gattin Jama-bito's zu werden. Möchte doch die
Mutter in ihrer Güte diese Vermälung zu Stande bringen. Indem es meine Freude ur-
sprünglich ist, geht der Wunsch der jüngeren Schwester nicht weiter. Ihr werdet es
allen Ernstes erlauben.
Omoi-itte negb-ni-zo | fawa sibasi kasira katafakete ari-si-ga \ musume-gokoro-ni sika-
bakari \ icaga ko-tvo kör/i kokoro-zasi \ uke-ßkazaru-wa \ Ä£ ;\a' (mu-sln)-ni ni-tare-do | tsitsi-
gimi-no ^ (jo)-jori ^ ^ (fu-wa) nari-si \ asi-ja-ga ije-to ^ (jen)-wo kumi-na-ba \ naki
tsitsi-no mi-gokoro-ni-ja somuki-nan. Tsitsi-gimi nagaraje-oivad-masa-ba \ ivare-mo tomo-domo
isame-klkojete \ kono ^ ^@ (kon-in) J^ |^ (zib-zm)-sen jb-ni \ atsukai kikojn-be-kere-do
naki-bito nari-tamai-nure-ba \ sen-kata-mo naki koto-zo kasi-to ije-ba \ saiuo-maro una-dzuki-
te I kotoioari-aru, o-ose-nite sbrb-to i-i-isiitstt. \ fa-tokoro-jori ^ (fü)-zi-taru \ fito-fira-no kamt
torl-idasi \ fawa-ga maje-ni sasi-oki-te \ kono fito-sina-wa imo-uto-ga jome-iri-no \ mijage-no
Wi JS (teo-do) I mohi-roku siruse-si — • j^, Oftstl)-nife sbrb. Firai-te \ go-ran-aru-besi-to in-
ni I kukoro-jezare-do | firaki mire-ba \ g a\ (koku-si)-no j^ (tsibj-nite arasoi-si \ ta fata-wo
kaki-taru ^ (ken) nari-keri.
So bat er dringend. Die Mutter neigte eine Weile das Haupt seitwärts und sagte
dann : Dass ich dem Wunsche in dem Mädchenherzen, meinen Sohn in einem solchen
Masse zu lieben, nicht beistimme, hat zwar Aehnlichkeit mit Herzlosigkeit, doch wenn
ich mit dem Hause Asi-ja, mit welchem seit den Zeiten des Vaters eine Misshelligkeit
besteht, ein Verhältniss knüpfe, so handle ich dem Sinne des todten Vaters zuwider.
Wenn der Vater am Leben wäre, so würde ich mit dir zugleich ihm zureden und es
vermitteln, dass diese Vermälung zu Stande kommt, da es aber der Verstorbene ist,
so dürfte sich nichts bei der Sache thun lassen. — Sawo-maro nickte mit dem Haupte
■ti*
^24 Pl'IZMAlKU.
und erwiederte: Es ist ein vernünftiges Wort. — Hiermit nahm er aus dem Busen ein
gesiegeltes Blatt Papier und reichte es der Mutter hin. Dieser Gegenstand, sagte er, ist
ein Verzeichniss der für meine jüngere Schwester zum Brautgeschenke bestimmten Ge-
riithe. Oeffnet es imd sehet es an. — Als die Mutter, obgleich die Sache nicht ver-
stehend, es ölinete und ansali, war es eine Urkunde, in welcher die Felder, um welche
man in dem Gerichtshause des lieichsvorstehers gestritten hatte, verzeichnet waren.
Sawo-maro natvo i-i-keru-iva \ take-siba-no ije-to \ asi-ja-no ije \ ^ §^ (su-ronj-ni ojobi-
si-tva I kono ^ (ken)-ni sirusi-taru ta fata-jori | koto-okori-n/i. Kore-wo kajesi-ma-irase-na-
ba I naki tnitsi-gimi-iio mi-tama-ni-mo | ^ f^ (i-kon)-ica jo-mo nokosi-tamawazi. Tokii konu
^ (ken) wosame-ianini \ imu-nto-ga negai-ico kanajete-tamaje-to ije-ba \ kuno ^ fkenj ivaga
ijc-ni kajesi-okoserii-wa | so-ko fitori-nu kukoro naru-besl. ^ ^C (Jb-fu)-naru funa-uusi-dono-no |
ika-de kore-wo jurusu-beki-to iü-ni \ saioo-maro kasira-ico furi-te \ ^ "^ (ß>-fi'')~9^ I ^okoro-
ni jttrusazaru-wo \ ika-de loatakusi-ni fakaro-beki. To-nl kaku-ni j kono ^ (ken) u-osame-tamajc-to.
Sawo-maro sagte noch : Der Streit, zu welchem es zwischen dem Hause Take-siba
und dem Hause Asi-ja gekommen, ist von den in dieser Urkunde verzeichneten Feldern
ausgegangen. \\'enn man diese zurückgibt, bleibt in der Seele des verstorbenen Vaters
nicht im Geringsten ein Groll zurück. Verwahret schnell diese Urkunde und ei-füllet
den Wunsch der jüngeren Schwester. — Die Mutter sprach : Dass man diese Urkunde
meinem Hause zurückstelle, dieses wird von deiner Seite allein beabsichtigt werden.
Wie kann der Pflegevatei-, Herr Funa-nusi es zugeben ? — Sawo-maro schüttelte das
Haupt und erwiederte: Was der Pflegevater in seinem Sinne nicht zugibt, wie könnte
ich für mich allein es ausführen ? \ erwahret jedenfalls diese Urkunde.
Si-i-te ^ "^ (ro-bo)-ga fu-tokoro-ni osi-ire \ omote-no kata-nl mukai-te \ koto nari-nu
tokii-toku-to ije-ba [ kasiko-ni matsi-i-tari-to mijete | isi-bama-ga simo-bito-domo | ten-de-ni sira-
ki-no ^ (dai)-ni\kinu wata nado nose-tarii-ivo\utsi-sasage iri-kite ^^ (Jen) saki-ni narabure-
ba I joinc-no kimi-no kosi-to mijete \ sidzuka-ni kaki-kite \ niica-ni su-e-tari. Fawa-mo jama-
bito-mo I kokoro-narazu | amari-ni niwaka-no jome-iri-jo-to j tada awatete utsi-mamoru. Toki-ni
kosi-no to-ivo ßraki-te \ tatsi-idzuru, fito-too mire-ba \ omoi-mo joranu asi-ja-no funa-nusi nari.
Kasira-ni fukuro-no e-bo-si utsi-kite | mi-ni-wa nuno-no kata-ginu kite \ joroboi-tsutsu \ -^
(jen)-ni agare-ba \ faica-mo jama-bito-mo odoroki-te \ mata ika-naru [^ ^ (kiö-zi) ide-ki-
nu-van-tü \ mune todoroki-te ma.mori-wori.
Er schob es mit (lewalt in den Busen der Mutter, wendete sich dann nach der
Aussenseite und rief: Es ist gescliehen ! Schnell, schnell! — In diesem Augenblicke
kamen Diener aus Isi-bama, welche dort gewartet zu haben schienen, in den Händen
auf ein Gestell von weissem Holze gelegte Seidenstoffe und Baumwolle darreichend,
herein und legten diese Gegenstände vor dem \ orliause reihenweise hin. Zugleich kam
man in der Stille mit einer Sänfte, welche diejenige der ScliAviegertochter zu sein schien,
und stellte sie in dem Vorhofe nieder. Die 3Iutter und Jama-bito, sich denkend: Wider
unseren Willen ein zu plötzlicher Einzug der Braut! waren nur beunruliigt und beob-
achteten. Als man jetzt die Thüre der Sänfte öffnete und sie den Heraustretenden sahen,
Avar es der von ilmen nicht erwartete Funa-nusi von dem Geschlechte AsI-ja. Derselbe
trug auf dem Haupte eine sackartige schwarze Kappe, an dem Leibe ein Schulterkleid
aus Tuch und stieg wankend zu dem ^ orhause empor. Die JMutter und Jama-bito waren
erschrocken, und in dem Gedanken, was für ein Unglück hier entstanden sein werde,
harrten sie mit klopfendem Herzen.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 325
Jome-no kiini ,die Gebieterin, die Schnur' bedeutet einfach ,Schwiegertochter'.
Funa-nusi ^ "^ (ro-boj-no kata-ni mukai-te \ u-aga musume \ kon-nitsi si-i-te ^ ^@
(kon-in)-no — ■ f^ (itsi-deo) \ saico-maro-ico motte sakl-ni mbsi-ire-taru-ni | tike-ßki-tamo/wari-
si josi Vf^ ^ (man-zohh)-si-tsii. Jama-hito-ni-mo ima-jori-ioa \ kore-made-no urami-ico
nokosazu \ nagara ^ |^ (siu-tsin)-no katarai-site tabe-to iü-nl | ^ -^ (ro-bo) susumi-
idete \ musa-ba ^ ^ (ß'fa) — " "E (isse.)-no iwai-goto-ni sbrb-ivo \ kojomi dani mizu \ fi-
dori-iüo-mo jerabazu-site \ niwaka-ni me-ivoto-no sakadzuki sen-wa \ karii-garu-sikii, \ ßto-ino
modoki-sbrai-nan \ anata-nite-mu \ sonu ^ ig; (ju-i)-si-sbraicaa maraa | ^ 0 (kltsi-nitsi)-
■100 jerabi-tamai-te \ konata-je okuri-tamai-nan-to iü-wo | funa-mcsl kiki-mo ajezn \ oi-no mi-wa
kokoro-mizikaku | waka-kari-si toki-no gotoku \ nodoka-ni mono-ivo matsii-ni tajezu \ tnda-ima
kore-nite \ ^ ^ (fv-fu)-no sakadzuki \ tori-kaicasase-tamaivaru-besi- \ to i-i-tsutsu \ fii-tokoro-
jori ßto-tsu-no "^ j{^ (i-fO'i) tori-idasi-te \ jama-bito-ga soba-ni oki-te \ kono '\^ j{^ (i-fai)-
no jome-no kimi-je \ toka-toku sakadzuki sasi-te tabe-to \ i-i-sasi-te \ ko-e-u-o agete naki-idasu.
Funa-nusi wendete sich zu der Mutter und sprach: Meine Tochter hat durch Sawo-
maro vorhin angemeldet, dass heute um jeden Preis ihre Yermälung sein solle. Dass ihr
eingewilligt habt, gereicht mir zur vollkommenen Befriedigung. Indem gegen Jama-bito
von nun an nicht der Groll, den ich bisher hatte, zurückbleibt, möget ihr das Gespräch
des hellrothen Lagers halten. — Die Mutter trat vor und sprach : So zu sagen, ist es
die Feier eines o-anzen Geschlechtsalters für Mann und Weib. Wenn man. ohne selbst
in den Kalender zu sehen, ohne die Wahl des Tages vorzunehmen, plötzlich den Becher
von Mann und Weib reichen wollte, so wäre dieses leichtfertig, und auch die Menschen
würden Ausstellungen machen. Möget ihr dort, während ich die Vorbereitungen treffe,
einen glücklichen Tag wählen und das Mädchen hierher schicken. — Ohne sie ganz
anzuhören, entgegnete Funa-nusi : Ich der alte Mann bin kurz entschlossen. Gleichwie
zur Zeit meiner Jugend, ertrage ich es nicht, ruhig auf etwas zu warten. Eben jetzt
sollt ihr hier den Becher des Mannes und des Weibes wechseln lassen. • — jMit diesen
AVorten nahm er aus dem Busen eine Todtentafel, stellte sie an die Seite Jama-bito's
und sprach : Reichet der Schwiegertochter, dieser Todtentafel schnellstens den Becher !
— Kaum dass er dieses gesagt, brach er in lautes Weinen aus.
Jama-bito ijo-ijo kokoro-mo jezu \ ika-ni-ika-ni-to | iro-wo kajete toje-ba i sawo-maro kare-
taru ko-e-wo agete \ imo-uto-v:a \ icototsui-no jo mi-dzukara kubirete ^ (si}-si-tsuru faja-to
iü-ni \ jama-bito tamasi-i usuru bakari-ni nari-te | nani-goto-no ari-te ^ (si)-sl-taru-zo-to \
mi-wo furuwasi-te \ sawo-maro-ga kata-ni jore-ba \ funa-nusi namida-wo kaki-nogoi-te \ i-fai-
loo totte I utsi-nagame i-i-keru-iva \ -\^ ^ ^ (ziü-jo-nen)-no kono tosi tsuki \ faru-no fana
aki-no tsuki-ni-vio kajete \ te-no utsi-no tama-to omoi-te \ itsukusinii sodate-tsuru-ni \ faka-naku
mi-fate-nu juvie-to-wa nasi-tsu. Joku omoi-megurase-ba ^ ^(kua-fbj tsuta-naki umare nari-keri.
Kokoro-figami-si furu-okina-ga | osi-tatsi-te nonosiri-si-ii:o \ urame-si-ge-naru kawo-mo sede |
suga-suga-tü fe-ja-je iri-tari-si-ga \ mune-ni amari-te \ jama-bito-ni sowareyiu koto-to \ omoi-
tsumete inotsi sute-tstiru kawajusa-jo. Sa-bakari-ni omu-to siraha \ magete-mo jurusu-be-kari-
si-wo j nandzi-ga fawa-no loare-ivo semete \ 7nusume-ga. inotsi ikeie kajese-to loare-wo nono-
siru tabi-tabi-ni kimo-ni kotaje fone-ni towori-te \ ^ fl^ (go-zb) -^ ^ (roku-fu)-mo na-
masu-to nari-nu. Geni-geni ^ jl] (so-zan)-no masira-no fara-wata-mo j kakaru-ni koso-to
omoi-siri-ki. Wakaki musume-wo saki-datase | oi-sarabojeru sire-mono-no \ Jh^ (jo)-ni moko-
joi-te I nani-ka sen-to.
onü IFIZMAIER.
Jama-bito, es noch immer niclit verstehend, fragte, indem er die Farbe veränderte:
"Wie ist es? wie ist es? — Sawo-maro erwiederte laut mit heiserer Stijnme : Die jüngere
Schwester hat sich vorgestern Nacht erhängt und ist todt! — Jama-bito wurde wie Einer, dem
die Seele entfährt, und rückte mit den AV orten: Was ist geschehen, dass sie gestorben ist? und
am Leibe zitternd, an die Seite Sawo-maro's. Funa-nusi, die Thränen trocknend, nahm
die Todtentafel, richtete die Blicke darauf und sprach: Vierzehn Jahre, durch Jalire
und Monde dieser Zeit setzte ich sie an die Stelle der Blumen des Frühlings, des
Mondes des Herbstes, ich hielt sie für einen Edelstein in der Hand und zog sie liebe-
voll auf. Da machte ich sie zu einem Traume, der wesenlos vor dem Auge ver-
schAvand. Als ich es gut in Gedanken erwog, war sie eine ungeschickte Geburt der
Vero-eltuno- für Böses. Ich der Greis von verderbtem Herzen fuhr auf und schalt sie.
Mit einem Angesichte, in welchem sich kein Groll zeigte, trat sie ruhig in das Gemach.
In ihrer Brust war es zu viel. In die Gedanken sich zwängend, dass sie nicht an
Jama-bito geschlossen, warf sie das Leben weg, o Leid! Wenn ich gewusst hätte, dass
sie so denkt, würde ich es schlechterdings bewilligt haben. Deine Mutter stellte mich
zur Rede und sagte: Bringe die Tochter in's Leben zurück! — Sie schalt mich, und es
durchbohrte mir oftmals die Leber, drang in die Knochen, die fünf Eingeweide, die
sechs Kammern wurden Gehacktes von Fischen. Li Wahrheit erkannte ich in Ge-
danken, dass die Eingeweide des Affen der Berge von Thsu so seien. Der ich das
junge jMädchen mir vorangehen Hess, ich der alte hinfällige Thor, wozu soll ich in der
Welt umherkriechen ?
I-fai-ivo tsu-to mi-ni sojete \ izatsi-naki-taru J^ (tsi)-no namida-wa \ aki-no mi-jama-no
momidzi-ha-wo \ si-gure-no soiimru-ni koto-narazu. Jama-Uto-iüa tada idsi-fusi-te \ kawaju-nn
fito-no kokoro-ja \ kata-mi-ni aioan-to tsigiri-ni-si \ asa-karami kokoro-zasi-mo \ asa-kitsa-no
be-no tsuju hakari \ koto-mo kawasade \ ivakare-te-ki. Nawo korizu-ma-ni sinohi-tsutsu \ uki-
wo mija-to-no kaiva-dzura-ni \ asi-ivake wo-lmne omowazu-mo | tsuna-de-to toino-ni \ tama-no
wo-no I taje-fate-si koso kanasi-kere tote \ ko-e-mo sozoro-ni naki-i-tari. Rb-ho-mo tomo-ni
sode-uxi sihori-te I saru ma-koto-aru kukoro-zasi-wo \ momo-ga fito-tsu-mo \ satori-na-ba \ mata
sen-kata-mo aru-be-kari-si-ni \ ito-ivosi-no mi-no fate-ja tote \ i-fai-tvo totte \ ^ Jg (Mäsu-
dan)-ni su-ure-ba \ jama-bito tatte namida-nagara j kana-mari-ni midzti-wo tataje \ ^ '^ (kb-
ro)-ni htjurasu .fito-taki-no \ kefuri-no sii-e-mo natS2ikasi-to \ muse-knjere-ba \ faica-ojn-tva ^
kaku mismvo-aru jome-no kimi-ni \ si-uto-me-jo-to \ kasidzukarete \ uma-zo-wo umasete mi-masi-
ka-ba \ ika-bakari uresi-karamasi-wo \ tvaraiva-ga sidcu-se koso tsuta-na-kere-to \ mata vtsi-
fusi-te-zo naki-ni-keru .
Indem er die Todtentafel an den Leib legte, waren die blutigen Thränen, welche
er schmerzvoll weinte, nicht anders als ob die Ahornblätter des herbstlichen tiefen
Gebirges der Rieselregen färbte. Jama-bito, nur zu Boden liegend, rief: O Herz des
geliebten Menschen! In dem nicht seichten Vorsatze, mit dem sie den Bund gegen-
seitiger Vereinigung schloss, die Sache der Seite von Asa-kusa nicht im Geringsten
ändernd, trennte sie sich. Noch immer nicht abgeschreckt, es geheim haltend, war sie
bekümmert. Auf der Oberfläche des Flusses der Palastthüre, auf dem das Schilfrohr
zertheilenden kleinen Schiffe, wurde, ohne dass sie es dachte, zugleich mit dem Seile
die Edelsteinschnur zerrissen, es war traurig! — Dabei weinte er unwillkürlich mit
lautem Tone. Auch die Mutter presste zugleich den Aermel aus und sagte: Wenn ich
ein so walirhaftiges Vorhaben, nur einen Theil von hundert, geahnt hätte, wäre noch
Die Geschichte einer Seelenwanderüng in Japan. 327
ein Mittel gewesen. O das Ende der Bedauerliclien ! — Hiermit nahm sie die Todten-
tafel und legte sie auf den Altar Buddha's. Jama-bito, sich erhebend, füllte unter
Thränen die metallene Schale mit Wasser und schluchzte in dem letzten Rauche des
Weihrauchs, den man in dem ßauchfass brannte, voll von Sehnen. Die Mutter sprach:
Von einer in solchem Masse an den Grundsätzen festhaltenden Schwiegertochter als
Schwiegermutter geehrt , wenn ich gesehen hätte , dass sie einen Enkel zur Welt
bringt, wie voll von Freude wäre ich gewesen ! Meine frühere Welt wird nur ab-
ffeschmaclct gewesen sein. — Dabei lag sie ebenfalls zu Boden und weinte.
Su-ure-ba ist so viel als su-ere-ha, wobei su-u (X $') der Lautübergang von su-e
(X 3! ) , hinlegen'.
Sawo-maro namida-no siide-ico farai-te \ hno-uto-ga ^ (si)-seru-wa kui-te kajerazu \ jama-
hito-fja tsuma-to nari. ^ ^^ (Ko-ke)-no ^ ^ (kit^-jo) nkuru uje-ica \ kare-ga jorokobi
kore-ni sugizu. Kono uje-ioa tatsi-kajeri \ no-be okuri-site \ -ti V (sitsi-sitsi)-no ^ ^ (tsui-
zenj ^ ^ (do-kib) itonami-nan-to ije-ba \ funa-nusi kasira utsi-furi | uki-jo-no ^ (jokuj-
ni I kakadznrai \ take-siba-no ije-to ^ 5(«P (fu-ica)-to nari. Mnsume-ivu saje n.sinai-si-wa \
korumu-no ura-no tama-ico dani \ mi-siranv. /t. ^ (bon-btij-no ^ :^ |^ (zen-tsi-siki) nare.
Ima-jori ^ [g (sio-kokv)-ivo fe-megural \ kore-made tsukuri-si fp 1?^ (zai-siu) f^ ^
Cseö-metsu) \ katsu-wa musume-ga bo-dai-no tarne \ }^ ~f» (ziu-ge) ^ J;l (seki-zio)-wo
jado-to nasi | t4 1^ tT ^ (to-sö-an-gia)-no mi-to nari-te \ ^ ^ (ko>i-jo)-no ^ ^^
(ku-genj-wo tasukaran-to \ tote jö-i-si-tsu. Köre mite are-do \ fukiiro-no e-bö-si tori-sute \ migi-
no kata-ico osi-nuge-ba | itsu-no ma-ni sori-kobotsi-ken \ maro-gasira-naru ßziri-no sama-nite
sumi-zome-no korotno-ico-zo ki-tari-keru.
Sawo-maro, den bethränten Aermel trocknend, sprach: Dass die jüngere Schwester
gestorben ist, lässt sich durch Reue nicht ändern. Sie ist die Gattin Jama-bito's. Da
sie zudem das Opfer der wohlriechenden Blumen empfängt, geht in ihrer Freude nichts
darüber. Ich werde ausserdem zurückkehren, sie zu dem freien Felde begleiten und
die siebenmal sieben Todtenopfer und das Lesen der heiligen Bücher bewerkstelligen. —
Funa-nusi schüttelte das Haupt und sagte : Von dem Begehren der vergänglichen Welt
befangen, lebte ich mit dem Hause Take-siba in Unfrieden. Dass ich selbst die Tochter
verlor, hier bin ich wohl der gut Wissende und Kennende als gemeiner Mann, der nicht
einmal den Edelstein des Futters des Kleides kennt. Von nun an werde ich die Reiche
durchwandern, die Hindernisse der Verbrechen, die ich bisher beging, tilgen. Einst-
weilen werde ich, um des Seelenheiles der Tochter willen, imter Bäumen, auf Felsen
mir ein Nachtlager suchen, ein umherziehender Bonze werden und gegen die Leiden
der künftig-en Welt Hilfe schaifen. — Mit diesen Worten machte er sich bereit. Ob-
gleich hier Leute waren, welclie es sahen, warf er die sackartige Kappe weg und ent-
blüsste die rechte Schulter. Man mochte ihm zu irgend einer Zeit das Haupthaar ge-
schoren haben. Von Gestalt ein rundköpfiger Heiliger, hatte er ein mit Tinte gefärbtes
Kleid angezogen.
Sawo-maro mukai-tatsi-te | kotowari-aru go- |^ i^ (fossin) nagara \ amari )/C ^
(kua-kiüj-no on-ide-tatsi nari. Semete imo-uto-ga -\^ V (sltsi-sitsi)-no ^ ^ (fö-zl)-no
itonami siigusi-te notsi \ tabi-datsi-tamawan koto oso-karazi. On-tomo-ni makaran-zuru mono-
'^'^ \ '^ ^ (si-taku) ^ ^ (jv-i)-mo totonoii-azi-to ije-ba \ ^ fjoj-ivo siäe-fatete idzuru
mono-no \ nan-deö tomo-tco ^ (git)-su-beki. Ije-ni kajeri-te j ^ ^ (ß-~') i^ (siu)-se-
jo-to-iva. I kotowori-naru kotoba nagara \ saru-ioa oja-no kokoro-ivo si-mo sircnm nari-keri.
328 Pfizmaier.
Wakaki mono-wo saki-ni tatete \ mame-jaka-narn. katvo is7iknri-fe \ ika-dr f^ '^ (dzi-hutsu)-
no ^ ^ (fon-zon)-wo-ino \ mi-tate-matsuru-heki. Kokoro-no jami-no tado-tado-si-sa-iva \
kaki-kurasi-te | ije-dzi-mo sirene-ha \ kajeran koto-wa omoi-mo jorazii. \ koiio mama sugu-ni
'S ^ (kotsu-ziki)-site \ to^coki no-jama-no tsuju-simo-ni sohotsi \ ame-kaze-ni mi-iuo sarasi-te
^ ^ (kan-nan) ^ ^ (sin-kn)-si-taran-tca \ kono mi-no toga-wo musume-me-ni \ aganb
tame-zo-io | i-i-sasi-te fana iitsi-kamu-mo aicare nari.
Sawo-maro stellte sich vor ihn und sagte: Bei eurer vernünftigen Bekehrung ist
ein zu hastiges Vorgehen. Wenn man wenigstens die siebenmal sieben vorschrift-
mässigen Dinge für die jüngere Schwester verrichtet haben wird, ist es noch nicht zu
spät, die Eeise anzutreten. Die Leute, welche mit euch fortziehen werden, sind mit
ihren Vorbereitungen nicht fertig. — Jener erwiederte : Wozu sollte Jemand, der ganz
auf die Welt verzichtet und austritt, Begleiter mitnehmen? Dass ich in das Haus
zurückkehren und die vorschriftmässigen Dinge üben möge , sind zwar vernünftige
Worte, doch man gerieth auf diese Weise in Unwissenheit über das Herz des Vaters.
Die jungen Leute voranstellend, eine aufrichtige Miene erkünstelnd, wie könnte ich dem
ursprüngliclien Geehrten des Buddhatempels die Blicke zuwenden? Bei dem Tappen in
der Finsterniss des Herzens zu der Nacht gelangt, erkenne ich nicht den Weg nach
Hause. Ich werde, ohne an die Heimkehr zu denken, unterdessen betteln, auf den
freien Feldern und in den Gebirgen von Thau imd Reif befeuchtet, dem Regen und dem
Winde den Leib aussetzend, Ungemach und bitteres Leiden ertragen. Es ist, um für meine
Sünden vor den Augen der Tochter zu büssen. — Hiermit bi-ach er weinend in der
Rede ab, es war traui'ig!
VH'r "JT (Fana-utsi)-kamu hat die Bedeutung ,weinen'. Die eigentliche Bedeutung
ist : mit der Hand die Feuchtigkeit der Nase entfernen. Man sagt sonst fana-kamu.
Kakaru-ni sumi-nawa saki-ni tatsi-te ] viatsu-mitsu-ni mono-moiase \ su-no ko-ni nohori-
te I funa-nusi-ni mukai-te ijeru-wa | go- |^ t(^ (fossin)-no uje j ^ ^ (sio-koku) go- f^ ^
(siu-gio)-to vke-tamaicari \ on-ifoma-goi-nu tarne \ ma-iri-te surb-to i-i-fsutsio | fu-tokoro-jori \
fsi-isaki "^ ^ (mi-dzu-si) iori-idasi-te \ kore-ica "i^ f^ (sessaku)-ni soraje-domo ] (^ ^^
(gu-ma)-no ^ (zu)-nite oicasi-mase-ha \ "^ \^ (to-tsiüj ^ ^ (an-icon)-no on-inori-ni
moto I tate-matsuru nari-to | sasi-idase-ba \fwna-nud amata-tahi itadaki-te \ fori-irosame-mi,.
In diesem Augenblicke trat Sumi-nawa vor. Indem er sich von Matsu-mitsu etwas
tragen Hess, stieg er zu der Flurmatte empor und sagte zu Funa-nusi: Ich habe gehört,
dass ihr zu eurer Bekehrung in den Reichen euren Wandel ordnet und bin gekommen,
von euch Abschied zu nehmen. — Dabei nahm er aus dem Busen ein kleines Buddha-
bild und saffte : Dieses ist zwar ein ung-eschicktes Werk, doch da es eine die Dämonen
zur Unterwerfung bringende Gestalt ist, so mache icli es, damit ihr auf dem Wege bei
dem Beten sicher seid, zum Geschenke. — Hiermit reichte er es hin. Funa-nusi erhob
es oftmals über das Haupt und verwahrte es.
Sumi-nawa niata matsu-mitsu-ni motase-si tsntsumi maje-ni sn-e-sasete \ mata ijeru-iva
kore-wa onore koto-ni kokoro-wo komete \ tsukuri-idase-si '^ '^ (bokkuakn) nari. -^ ^
(Tsib-do)-ni tsukare-tamawan toki | kono ts?ir?i-ni nori-tamaioa-ha \ tada-ni fa utte tohi-jukan-
ni-wa j ^ ^ (ten-dziku) ^ _0 (sin-dan)-ni-mo itari-nu-hesi-to \ tsutsumi-ivo toke-ha | ki-
dzukuri-nagara | sa-nagara ikern gotoku-nite \ geni-geni fifo-tabi tsubasa-ioo firoge-ba \ j^ ^
(ko-ku)-ni fi-iran sama nari-keri.
Die Geschkhte einer Seelenwanderüsg in Japan. 329
Sumi-nawa liess noch den Bündel, den er durch Matsu-mitsu ti-agen Hess, vor ihn
hinlegen und sagte : Dieses ist ein von mir auf besonders tiefsinnige Weise verfertigter
hölzerner Kranich. Wenn ihr auf dem langen Wege ermüdet seid und diesen Kranich
besteiget, so wird er sofort mit den Flügeln schlagen und entfliegen. Er kann dabei
auch nach Indien und China gelangen. — Hiermit löste er den Bündel auf. Oboloich
aus Holz verfertigt, war dieser Kranich gerade so, als ob er lebte. Er sah in Wahrlieit
aus, als ob er, wenn er einmal die Flügel breitete, hoch in die Luft fliegen würde.
Sawo-maro totte ßtai-ni sasage \ mitsi-no isukare-ivo luasihren-wa \ kore-ni masu-hcki |
fana-muke-mo sbrawazi-to \ tsuru-wo totte sasi-idase-ba \ funa-nusi sumi-nawa-ni titsi-mnkai \
ica-f/imi-no }$. ^ (kö-ij ||j' (sia)-su-heki-ni kotoha nasi. Sare-do ^ ^fC (nn-sni)-no mi-
ni-wa j — ■ ^ (ijopatsu) — • Z^ (itsi-jej-nife koto-tari-nan. ^5 ^ (Zia-foJ ^ ^q (gen-
ziütsuj-no ^\> ^ (ge-db)-no ^j]j (si) nari-tu ntagawaren-mo kokoro-gurusi. Sikasi ^ff ^
(sekkaku)-no tama-mono nare-ha \ saico-maro-ni judzuri-atajete \ nagaki ^^ fjoj-no takara-to
sase-ten. Sairo-maro joku kokoro-ivo motsi-i-te \ ije-wo wosamete \ jama-hito-to kio-dai-no si-
tasi-mi \ usinawazare ivaga ivaka-kari-si toki-ni narai-te \ fito-to takara-iüo arasoi-te 1 mu-
jaku-no tsumi-wo tsukuru-he-karazih. Idzure-mo ^ ^ {ken-go)-ni ^ (jo)-ico sugosa7'e-jo.
Sawo-maro nahm ihn, erhob ihn zu der Stirne und sagte: Wenn man die Müdig-
keit auf dem Wege vergessen will, kann es kein besseres Reisegeschenk geben als
dieses. — Hiermit reichte er den Kranich hin. Funa-nusi sprach zu Simii-nawa: Um
euch für eure edle Absicht zu danken, habe ich keine AVorte. Ich ein Wolkenwasser
werde jedoch mit einer Schüssel und einem Kleide zufrieden sein. Wenn man mich
im Verdachte haben sollte, dass ich ein Meister des äusseren Weges der verderbten
A'orschrift, der Zauberkunst bin, so wäre mir dieses im Herzen peinlich. Da es jedoch
ein Geschenk ist, auf welches grosse Mühe verwendet wurde, so werde ich es an Sawo-
maro abtreten, es ihm geben und zu einer Kostbarkeit der langen Zeitalter machen
lassen. Sawo-maro nehme gut seine Gedanken zusammen, bestelle das Haus und lasse
gegen Jama-bito die Freundlichkeit zwischen Brüdern nicht ausser Acht. Er darf das
nutzlose A^erbrechen des Streitens mit den Menschen um »Schätze, woran ich zur Zeit
meiner Jugend gewöhnt war, nicht begehen. Verbringet alle in Festigkeit das Zeit-
alter !
Sara-ba-to bakari \ i-i-sutete \ tatsi- iden-to suru ivori-kara \ omote-no kata scucagasi-ki-
wo I fito-bito odoroki mite are-ba \ i-zen-no firo-woka \ tatsi nuki-kazasi \ nure-sobotsi-taru ko-
romo-no uje-ni j ta-suki fiki-jui fasiri-iri-te | 3^ ^ (dai-on)-ni i-i-keru-ica \ midzu-ni
otsi-taru ^ ^ (fb-tb)-sen-to | futa-tabi koko-ni kite mire-ba j matsu-mitsu-me-mo kitarerii-
jo. Onore-ra fi-goro-no u-aga nrami | nade-giri-ni site kuren-to | tatsi firri-agete utte iru-
wo I sawo-maro je-tari-to kai-kuguri \ tatsi-wo ubai-te \ firo-icoka-ga jeri-moto-ico tsukande \
fiza-ni fiki-su-ete | ko-jatsii, onore-ga tsumi onore-ivo semuru-to iti koto siranu J^ (nin) ^ ^
(fi-nin)-me | ike-oka-ba jo-no fito-no ?trei-to naran-to.
Er sagte nur noch das Wort : Lebet wohl ! In dem Augenblicke, als er aufbrechen
wollte, entstand an der Aussenseite Lärm. Als die Menschen erschi-ocken hinblickten,
war es der frühere Woka-maro. Derselbe, das gezogene Schwert vor das Gesicht hal-
tend und über das benetzte Kleid ein Tragband gebunden, lief herein und rief mit
lauter Stimme : Um micli für den Fall in das Wasser zu rächen, nochmals hierher ge-
kommen, sehe ich, dass auch der schändliche Matsu-mitsu gekommen ist ! Ihr sollt
meinen durch Tage genährten Hass als einen streichelnden Hieb empfinden. — Hiermit
Denkschriften der pliil.-hist. C'l. XXVI. BJ. . 42
330
l'i'IZMAlEK.
erhob er das Schwert und wollte einhauen. Sawo-maro bückte .sicli rechtzeitig, entriss
ihm das Schwert und Firo-woka beim Kragen fassend, zog er ihn auf die Knie nieder.
Er rief: Dieser Mensch ist ein NiclitswQrdiger, der das Wort: ,Das eigene Verbrechen
züchtigt uns' nicht kennt. Wenn ich ihn am Leben lasse, wird es für die Menschen der
Welt ein Kummer sein.
I-i-sama | katana tori-aguru-wo \ sumi-nawa sibasi-to usi-fodoniete \ ki-jatsu ^ ^ (fjoku-
ckiü)-no ^ \ (aku-nin)-to ije-domo \ miirasakl-tovo-no \ JE (si)'Si-tamai-te \ iniada ^ jä|
(su-suj-7nu togerarezu. Katsu tsitsi-gimi-no \^ ff (si?t,-gw)-Jiu kado-ide-to i-i \ kono ije-mo
4q J^ (sen-zln)-ni) ^ 0 (ki-nitsi)-to saje uke-tamaioare-ba \ korosl-tamawan koto \ kata-
gata-ni tsuki-te Jf ^ (fu-hin) nari. Sare-du kaku-no gotoki mono \ kono atari-ni tatsi-
megura-ha \ ika-naru ata-iva tsuka-matsuri-ten. Josi-josl icare-nl joki fakari-goto ari-to.
Dieses sagend, erhob er das Schwert. Sumi-nawa hielt ihn eine Weile zurück und
sagte: Dieser Mensch ist zwar ein äusserst schlechter Mensch, jedoch die Gebieterin
Murasaki ist gestorben und das Leichenbegilngniss noch nicht vorüber. Ueberdiess ist es
der Antritt der Reise des Vaters für das Ordnen des Wandels. Da ich aucli gehört habe,
dass in diesein Hause der Sterbetag des Vorfahrs ist, so wäre es, wenn ihr ihn tödtetet,
für euch traurig. Wenn jedoch ein solcher Mensch in dieser Gegend umhei'zieht, würde
er irgendwelche Feindschaft ausüben. Gut, gut! Ich habe ein treffliches Auskunftsmittel.
Nami for/.-idete \ firo-ivoka-wo kakuri-te \ tsukureru tsuru-no se-ni owasete \ naiüa-nu
amari-ivo tsuru-no kubi asi-ni jui-tsukete \ kakaru ^ '^ (fu-tv)-no ^ (aht-nin)-u-a \
nippon-nu tsi-ni-wa oku-be-karazu. Kono mama sugu-ni ol-fanatsi-te \ kara kb-rai-je nagasi-
mono-ni sen-to \ TJ^ ^ (bokkuakit)-no wo-ioo \ fata-to ute-ba \ fa-si-gi-ja | kono tsuru tszibasa-
tvo firoge \ fito-ko-e naku-to mije-keru-ga \ ßro-woka-uw oi-taru mama \ nisi-wo sasi-te-zo tobi-
juki-keru. Kumo-i-ni-wa firo-woka-ga ko-e-site \ aware-aware-to jobi-keru-ga \ si-dai-ni ko-e-mo
totcoku nari-te kasumi-ni magirete mijezu nari-nu.
Einen Strick hervornehmend, band er Firo-woka fest, lud ihn auf den Eücken des
durch Kunst verfertigten Kranichs und knüpfte den noch übrigen Theil des Strickes an
den Hals und die Füsse des Kranichs. Ei- sagte : Einen so unwürdigen schlechten
Menschen darf man auf die Erde von Nippon nicht setzen. Ich werde ihn so wie er
ist geradezu wegtreiben und zu einem Verbannten in China oder Körai machen. —
Hiermit schlug er den Schweif des hölzernen Kranichs, und o Wunder 1 dieser Kranich
breitete die Flügel und schien einen Schrei auszustossen. Firo-woka auf dem Rücken
trao-end, flog er in westlicher Richtung davon. In den AVolken rief Firo-woka wieder-
holt : Wehe ! Allmälig verhallte seine Stimme in der Ferne, und er war, in dem Höhen-
rauche verschwindend, niclit mehr zu sehen.
Lna-ni fazime-nu sumi-nawa-ga t^ I^ (ki-kdj-no fodo-ivo \ ßto-bifu-wa \ a-a-to ^ (kan)-
zurit bakari-nari. Fnna-nusi fö-si niiva-ni ori-tatsi-te | ware-mo kano tsuru-no gotoku \ jitku-je
sadamezn nari-nu-besi-to \ tsu-e-ico fiki-tsiUsu tatsi-idzuru. Fito-bito-mo ori-tatsi-te \ namida-to
tomo-ni kado-okuri-site \ sode-wo sibori-te wakare-keru-to-ka.
Das Mass der jetzt erst zum Vorschein gekommenen Kunstfertigkeit Sumi-nawa's
bewunderten die Menschen unter Rufen des Erstaunens. Der Bonze Funa-nusi stieg in
den Vorhof hinab und sagte: Auch ich werde gleich diesem Kraniche einen unbestimmten
Aufenthaltsort haben. — Hiermit zog er den Stab an sich und trat hinaus. Die Menschen
stiegen ebenfalls hinab und begleiteten ihn unter Thränen zu dem Thore. Die Aermel
ausdrückend, trennten sie sich.
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 331
Der wahrhafte Traum.
Sono goro mikado-no o-on-musume-ni \ J^ :^ {ko-i)-hara^nite \ fime-mija fitorl oivasi-
masi-keru. Oii-.f?ir/afa utsnkiisi-ku taivojagi-te \ ari-gataki on-katatsi-hito-ni | owasi-kere-ha ini-
si-je-no 5^ ^ j[|5 (so-tovori-ßme) nach mbsu-iva | knkii-ja ari-kcn nado \ jo-no fito-no «te-
de-kikoje-keri. Fazime on-fawa-no kb-i \ sato-ni ori-tnmai-te \ \^ J^ (go-san) ari-keru-ni I
furvki narai-nite | on-ja-no uje-ni fito nobori-te \ kosiki-ioo marohasi-otosu koto ari. Wonna-
mija umare-sase-tamo-ni-icn \ kiia-je otosi \ ^ -^ (icb-zi) go- ^ ^ (tan-zibj-ni-ira 1
minavii-je otosu-to-ka \ mbsi-tsutaje-taru. Kono fime-mija iimare-sase-tamai-keru 0 (fi) kosiki
tori-te I ^\ (rei.)-vo gotokii \ ja-no uje-ni fito-no nohori-keru toki | o-o-sora-jori | mari bakori-
ni o-oki-ni mije-taru mono | fikari-kagajciki-fe \ mune-no uje-ni otsi-nu.
Um die Zeit war die Tochter des Kaisers eine einzige Tochter, welche von der
Kö-I geboren war. Da sie von Angesicht schön, zarthändig und von wundervoller
Gestalt war, ward sie von den Menschen der Welt, welche fragten, ob in der alten
Zeit So-towori-fime wohl so gewesen sei, gepriesen. Als ihre Mutter, die Kö-I, in die
Strasse hinabgestiegen war und sie geboren hatte, stieg einem alten Brauche gemäss
ein Mensch auf das Dach und wälzte einen Kochtopf herab. Es wird liberliefert : Wenn
eine Kaisertochter geboren Avard, so fiel der Kochtopf nach Norden. Wenn ein Kaiser-
sohn geboren ward, so fiel der Kochtopf nach Süden. An dem Tage, an welchem diese
Kaisertochter geboren ward, nahm ein Mensch einen Kochtopf und stieg, wie es Sitte
war, auf das Dach. In diesem Augenblicke fiel von dem Himmel ein Gegenstand, der
von der Grösse eines Balles zu sein schien, hellen Glanz verbreitend auf die Dachbalken.
Die Kö-I, eigentlich eine weibliche Obrigkeit, welche die Aufsicht über die Kleider
des Himmelssohnes hat, wird einer Kaiserin gleich geachtet.
So-towori-fime war die Schwester der Gemalin des Kaisers In-giu (412 bis 453
n. Chr.).
Kono fito ofiorete \ ja-no uje-ni farabai-te \ me-ivo todzi-te \ furui-i-tari . Säte nani-qoto-
mo na-kari-kere-ba \ me-ivo firaki-te miru-ni I ja-no uje-ni mono ari. Odzu-odzu. jori-te mire-
ha I fisago-no gotoki kotatsi-seru mono nari. Ika-ni-mo ju-e-aru mono naru-besi tote | kano
fi.sago-tco t07'i-te \ ja-ivo kudari-te \ fito-bito-ni katari-te-kern-ni \ ^ ^ (ke-u)-no koto nari
tote 1 mina fito odoroki-nu. Sono josi ^ ^ (sv-m.on)-si-tari-kere-ba | joki saga-ni-ja \ asiki
saga-ni-ja tote | |^ 1^ ßljj (on-jb-si) ^ Hg 0IP (suku-je6-si)-iva sara-nari \ fumi-no faka-
se I ^ |JL( (do-san)-n.o ^ f^" (kb-söj-tatsi-ni \ o-ose-ari-te \ uranai-mbsu-beki josi \ ^ (tsiokn)
ari-keru-ni \ kono fime-mija /L \. (bon-nin)-ni-u-a otoasi-masazti | fll] -^ (sen-butsu)-no
kari-ni ama-kudari-tamajeru narn-besi-to \ ^ ^ (sio-db)-7io ^ ^ (kan-mon) \ mina onazi-
jb-ni mbsi-dere-ba | mikado-mo jorokobi-oicasi-masi-te \ su-e tanomosi-ku-zo \ obosi-kera.
Dieser Mensch fürchtete sich. Auf dem Dache kriechend, schloss er die Augen und
zitterte. Als es endlich nichts gab, öffnete er die Augen, und sah, dass sich etwas auf
dem Dache befand. Er näherte sich furchtsam, und als er hinblickte, war es ein wie
ein Kürbiss gestalteter Gegenstand. In dem Gedanken, dass es damit irgend eine Be-
wandtniss haben müsse, nahm er diesen Kürbiss, stieg von dem Dache herab und er-
zählte es den Menschen. Alle erschracken und sagten, es sei eine wunderbare Sache.
Als man es an dem Hofe zu Ohren brachte, fragte man, ob es ein gutes Vorzeichen
sei, ob es ein schlechtes Vorzeichen sei. Nicht bloss an die Meister des Yin und Yang-,
an die Meister des übernächtigen Glanzes, auch an die vielseitigen Gelehrten der Schrift,
QUO PFIZMAIEK.
die hohen Bonzen der Berge erging- der Befehl und eine höchste Verkündung besagte,
dass man Avahrsagen möge. Die Gutachten sämmtlicher Wege lauteten einstimmig : Diese
Kaisertochter o-ehört nicht zu den gewöhnlichen Menschen, Es können die Unsterblichen
und Buddha einstweilen vom Himmel herabgestiegen sein. — Auch der Kaiser freute
sich und hielt das Ergebniss für zuverlässig.
Kono fime-mija umare-ide-tamai-te \ naki-tamh koto kagiri-na-kari-kere-ha \ kusu-si-wa
mi-kusuri tatc-matsuri \ |^ ^ (rjen-zia) kannagi nadu \ sama-zama inori-tate-matsuri-kere-do \
sara-ni sirusi mije-sase-tamatvoz/i. Masu-fiiam mudzukari naki-tamaje-ba | ika-ni semad-tu \
ßo-Uto mote-atsukai kikoju. Saru-ni faicn mi-jasu-dokoro-no no-tamal-keru-ioa \ umare ide-
tamajeru toki \ ja-no nje-ni otsi-taru fisago koso ju-e ara-be-kere \ sore-tvo makura-gami-ni \
su-ete mi-jo-fo no-tavib-ni | toku o-ose-no mani \ on-makura-gami-ni su-e-oki-te-kere-ba \ sasi-mo
o-oki-ni \ on-ko-e-tvo agete \ mudzukari-tamai-keru-ga \ tatsi-matsi jami-te \ suja-suja-to nefurase-
tamai-nu. Sore-jori notsl nebi-masari-tamai-te-mo \ kono fisago-wa on-katawara fanatazu
tsune-no ma-saguri-mono-ni-wa \ si-tamai-keru.
Als diese Kaisertochter geboren ward, hatte ihr AVeinen keine Gränzen. Die Aerzte
reichten ihi- Arzneien, _ die Zeichendeuter und Beschwörer beteten auf allerlei Weise,
doch es zeigte sich an ihr durchaus keine Wirkung. Da sie immer eigensinniger ward
und weinte, hörte man, dass die Leute sich damit beschcäftigten, was sie thun sollen.
Ihre Mutter, die kaiserliche Gemalin, sprach: Mit dem Kürbisse, der zur Zeit ihrer
Geburt auf das Dach gefallen war, muss es eine Bewandtniss haben. Leget ihn über
das Polster und sehet zu ! — Als man, dem Befehle gemäss, den Kürbiss auf ihr Polster
legte, hatten ihr so grosses Schreien und ihr Eigensinn plötzlich ein Ende, und sie schlief
beruhigt ein. Von nun an und auch später, als sie mehr erwachsen war, Hess sie diesen
Kürbis nicht von ihrer Seite und sie machte ihn zu ihrer gewöhnlichen Spielsache.
Nebi in nebi-masaru ,mehr erwachsen sein' wurde sonst nur in anderen Zusammen-
setzungen gefunden. So in nebi-juku ,gross oder erwachsen werden', neU-taru ,erwachsen',
nebi-fito ,ein erwachsener Mensch', nebi-tosi ,die reifen Jahre'.
Kono fisago-to mbsu-iva \ o-oki-naru ßsago-wo \ futa-tsu-ni kiri-wari-taru katatsi-si-tarit,
mono-nite \ ijasi-ki mono-no tori-atsuko ß-siaku-no jb-naru katatsi-seri. Kono ßme-mija tatete
narai-tamawazare-do \ ^ (ki7i) ^ (gij ^ fdo) m (gvo)-no mitsi-mitsi \ subete kuraki
kuto-naku \ Jl ^ (zw-zu)-nite owasi-kere-ba \ geni f]^ A (bon-nin)-ni-iüa oioasazi nado \
fito-bito sasajaki-kikoje-keri.
Dieser sogenannte Kürbis hatte das Aussehen, als ob man einen grossen Kürbis in
zwei Theile zerschnitten hätte und war von der Gestalt eines Schöpflöifels, dessen sich
die gemeinen Leute bedienen. Diese Kaisertochter lernte zwar nicht planmässig, doch
sie war in den Künsten des Harfenspieles, des Bretspieles, des Schreiben^s und Malens,
ohne dass ihr von allem etwas dunkel gewesen wäre, erfahren. In Wahrheit flüsterten
die Menschen und Hessen verlauten, dass sie nicht zu den gewöhnliclien Menschen gehöre.
Aru fi ßme-mija on-te-narai-si-sasi-te \ tsuku-e-ni jori-te | utsi-ncfuri-tamai-keim-m \ jmie-
ni mi-tamai-keru ju \ ajasi-ki sidzto-no ije-to obojuru tokoro-ni | ß-goro te-narasi-tamajeru
fisago-no \ fisasi-ni tsuri-te ari-kere-ba \ odorokase-tamai-te | kore-toa ivaga loosanaki toki-jori |
kataaara fanatazu, \ motsi-narasi-tsuru ßsago nari. Ika-ni site \ koko-ni-wa aru-zo-to no-tamb-
ni I utsi-jori ßto ide-klte \ kore-iva waga ije-ni ju-e ari-te \ motsi-tsutaje-si ßsago-nite sbrb |
jan-goto-naki on-ioatari-ni-wa \ ika-de kaka.ru mono-no sbraican-to iü-wo \ mi-tamaje-ba \ ßna-
ni-wa medzurad-ku ate-naru ßo-nite \ mono-i-i-taru ko-e-m.o \ sawa-jaka-ni okasi-kere-ba \
Die Gkschichte einer Seelenvvanderung in Japan. 333
sibasi utsi-mamori-te owasi-keru-ni kata-je-ni takumi-no | ki-dovio atsickai-te i-taru-ga \ irl-kite
iü jb I o-maje-ni-ioa kono aruzi-to \ fukaki tsigiri owase-ha | me-ivoto-ni narjAamai-nan tote \
te-ivo tori-te oku-zama-je ite juku.
Eines Tages Hess die Kaisertochter von ihren Schreibübungen ab und schlief, an
das Pult gelehnt, ein. Sie träumte, dass an einem Orte, der wie ein seltsames gemeines
Haus aussah, der Kürbis, an den sie sich durcli Tage gewöhnt hatte, in dem Vorhause
an einen Haken gehängt war. Sie erschrack und sagte: Dieses ist der Kürbis, den
ich seit meiner Jugend nicht von meiner Seite gelassen und an den ich gewöhnt war.
AYie kommt es, dass er sich hier befindet? — In diesem Augenblicke kam aus dem
Inneren ein Mensch heraus und sagte: Dieses ist ein Kürbiss, der in meinem Hause aus
einer Ursache vererbt ward. Wie könnte an eurer unbeschreiblichen Ueberfahrt ein
solcher Gegenstand sein? — Als sie diesen Menschen anblickte, war es ein in den
Landstädten seltener vornehmer Mensch, und aucli der Ton seiner Spraclie war durch
Heinheit merkwürdig. Während sie ihn eine Weile beobachtete, kam ein Zimmermann,
welcher nebenan Hölzer bearbeitet hatte, herein und sprach: Da zwischen euch und
diesem Gebieter des Hauses ein inniger Bund besteht, werdet ihr Mann und Weib
werden. — Hiermit nahm er sie bei der Hand und führte sie in das innere Zimmer.
Konu ijc-no sama arete \ abara-naru tokoro-mo mijure-do \ sasu-ga-ni ß^ ^ (teo-do)
nado-wa | ju-e-ari-ge-nite \ mukutsuke-ki \ inaka-bito-no sama-ni-ioa arazu. Kokoy^o-narazu j
>^o-ko-ni i-tamajere-ba \ takumi sakadzuki tori-idete \ kano utsukusi-ki fito-wo j waga maje-ni
su-ete I sakadzuki kiuni-kawasi nado su. Kono wotoko-ivo mi-tamb-ni \ fazime mi-si-jori-iva \
tsika-masari-site | imizi-ü utsukusi-kari-kere-ba \ sate-mo jasasi-ki fito-ni koso are | utsi-ioatari-
ni juki-kb fito-bito-iva kamuri ^ ^ (sib-zoku) nado koso \ uruwasi-kere \ svgata katatsi-
ica I kono fito-ni ni-taru mono-mo nasi. Ware-wa kono fito-no tsuma-nite aranan-to obosu.
Säte läsi-katarai-te oivasu fodo \ omoi-kakezu \ tsitsi mikado-no on-ko-e-sife \ -»J' (kami) toku
ma-ire-to no-tamaje-ba \ kotio wotoko saivagi-te fasiri-idzu. On-mi-dzukara-mo \ itaku odorokt-
tamai-keru-ga | ase-mo sitoto-ni nari-te \ on-me-same-tamai-nu. Saru-iva tsukii-e-ni jori-owasi-
te I kari-some-ni mi-tamai-si on-jume-ni-zo avi-keru.
Der Anblick dieses Hauses war wüst, und es schien eine Bauernbehausung zu sein.
In Wahrheit gewährten jedoch die Geräthe, indem es mit ihnen eine Bewandtniss hatte,
nicht den Anblick wie bei schmutzigen Landleuten. Als sie wider ihren Willen dort
weilte, nahm der Zimmermann einen Becher hervor, stellte jenen schönen Menschen
vor sie hin und bewerkstelligte das gemeinschaftliche W^echseln des Bechers. Indem
sie diesen Mann sah, war es in grösserer Nähe als sie ihn zum ersten Male gesehen,
und er war ausnehmend schön. Es mochte ein gebildeter Mensch sein. Die an der
Ueberfahrt des Inneren kommenden und gehenden Menschen mocliten von Mütze und
Anzug schön sein, doch von Angesicht und Gestalt war Keiner diesem Menschen ähn-
lich. Sie wünsclite die Gattin dieses Menschen zu sein. Während sie mit ihm sprach,
ertönte unvermuthet die Stimme ihres Vaters, des Kaisers, welcher rief: Der Statthalter
komme schnell herein! — Dieser Mann war bestürzt und lief hinaus, Sie selbst auch erschrack
heftig und wachte, vom Schweiss feucht geworden, auf. Es war also ein Traum, den
sie, an das Pult gelehnt, eine kurze Weile geträumt liatte,
Sito-to steht füi' sito-sito ,feucht',
Soba-ni safurai-si ßto-bito \ on-jn nado motsi-kitari-te \ ika-ni osoioare-sase-tamai-si-ni-
ka I on-ko-e-ivo saje age-sase-tamai-ki-to mbsu. Mi-gokoro-no utsi-ni-mo \ ito omoiuazu-narii
334 Pfizmaier.
jume-ni koso ari-kere. Saru-nite-vw ima ßto-tabi \ saru jume-wo vii-ba-jn-to ohosi-te \ ko)io
notsi koto-sara-ni tsuku-e-ni jori-taviaje-do \ on-me-mo aivane-ha \ masi-te jume nado mi-sase-
tamb koto nasi. Tada mi-si omo-kage-no koi-si-ku-te \ sozoro-naru on-mono-omoi-to nari-te
akasi-hirasase-tamai-keri.
Die zu ihrer Seite aufwartenden Menschen trachten ihr die Suppe und sagten: Ihr
müget docli böse geträumt haben ! Ihr habt sogar aufgeschrien. — In ihrem Herzen
mag es auch ein sehr unerwarteter Traum gewesen sein. Indessen wünschte sie jetzt,
ein einziges Mal einen solchen Ti-aum zu träumen, Sie lehnte sich hierauf absichtlich an das
Pult, doch sie schloss nicht einmal das Auge, geschweige dass sie einen Traum gehabt
hätte. Bloss bei der Lieblichkeit des Bildes, das sie gesehen, wurde es ein unwillkür-
liches Sehnen, und sie empfand dieses bis zum Morgen, bis zum Abend.
Die Reise nach Mijako.
Sumi-naica-wa \ funa-nusi-ga atsnraje-si ^ (dbj \ isiikuri-fatete \ mijako-ni nuhori-juku-
besi-tote | sawo-maro-ni wakarete \ jama-bito-ga kata-je kitari-keru. Jama-bito-wa murasaki-ga
sinl-use-si-jori | jo-no naka adziki-naka omoi-tori-te \ kaki-komori-te nomi \ kurasi-i-tari-keru-
ni I mura-icosa-no moto-jori \ sasi-taru koto ari ima ko-jo-to \ jobi-ni kitari-kere-ba \ iki-keru-
ni I so-ko-no ije \ ko-tosi ^ ^ (bu-jaku) tsutomu-beki toki-ni atari-nu. Toku ide-tatsi-te
^ (kibj-je noboru-besi-to iü. Kore-wa sono kami sadament koto-nite \ kuni-goto-ni ^ j^
(fiaku-sib)-no kagiri-wa \ ^ (kib)-ni ma-iri-te o-o-utsi-no joboro-to nari-te j sono |^ (sioku)-
tüo tsutomuru koto nari.
Nachdem Sumi-nawa den Bau der von Funa-nusi bestellten Halle vollendet hatte,
sagte er, er werde nach Mijako reisen. Er nahm von Sawo-maro Abschied und begab
sich zu Jama-bito. Jama-bito, seit dem Tode Murasaki's die AVeit für abgeschmackt
haltend, verlebte die Tage nur in Verborgenheit, als man ihn von Seite des Dorf-
ältesten mit dem Bedeuten vorlud, es gebe etwas Wichtiges und er möge jetzt kommen.
Als er hinging, sagte man ihm, für sein Haus sei dieses Jahr die Zeit da, wo es den
Frohndienst verrichten müsse. Er solle schnell aufbrechen und nach Mijako reisen.
Es bestand nämlich in jener Zeit die Einrichtung, dass in jedem Keiche die Menschen
des Volkes in äusserster Anzahl sich nach Mijako begaben, Knechte des grossen Inneren
wurden und je nach ihi'em Gewerbe Dienste leisteten.
Jama-bito inamu-heki-ni arane-ba koto-uke-site \ ije-ni kajeri-keru-ni j sumi-nawa matsu-
mitsu toku kite are-ha mura-tcosa-no i-i-tsiike-si koto-wo kataru. Faica-ga iwaku \ sore-tva
ito uresi-ki koto nari. Kakaru inaka-ni sumai-nure-ba \ mijabi-taru koto-wa \ jume-ni dani
mizu. Itadziira-ni kusa-ki-to tomo-ni j jo-ivo wowaran koto-no nagekasi-ku-te \ itsu-ka o-koto-
u-o ^ (kib)-ni nobose-jari-te \ ja-goto-naki rnijako-no te-buri-too-mo i mise-masi-to \ tosi-goro
omoi-watari-tstiru-ni 1 saiwai-ni koso are j masi-te sumi-naica-gimi-mo 7iobori-tamaje-ba \ mitsi-
no fodo-mo obotsuka-na-karazu. Ware-wa rn-su-no fodo-wa \ sawo-maro-ga moto-ni juki-te
on-mi-no kajeri-ivo matsu-be-kere-ba j kokoro-ni kakezu-site \ toku ide-tatsi-ne-to iü.
Da Jama-bito sich nicht weigern konnte, stimmte er zu. Als er nach Hause zurück-
kehrte, waren Sumi-nawa und Matsu-mitsu eilig gekommen, und er erzählte ilmen, was
der Dorfälteste ihm aufgetragen. Die Mutter sprach : Dieses ist eine sehr erfreuliche
Die Geschichte einer Skelenwanderdng in Japan. 335
Sache. Wenn man in einem solchen Dorfe gewohnt hat, sieht man Zierliches nicht
einmal im Traume. Es beklagend, dass du unnütz in Gresellschaft der Pflanzen und
Bäume das Leben beschliessen werdest, kam es mir seit Jahren in die Gedanken, dich
einmal in die Hauptstadt zu schicken und dich die Sitten des unvergleichlichen Mijako
kennen lernen zu lassen. Es mag nur ein Glück sein. Um so mehr als auch Herr Sumi-
nawa dorthin reist, die Beziehungen des Weges sind da nicht fremd. Ich werde während
deiner Abwesenheit zu Sawo-maro gegangen sein und auf deine Rückkehr gewartet
haben. Sei also imbesorgt und tritt schnell die Reise an.
Sumi-nawa mats>i,-mitsu-?no | tomo-ni jorokohi-te | to-kaku-no j6-l-su. Sono fi-to nari-te \
sairo-maro-mo kitari-te nengoro-ni itoma-goi-su. Tabi-ni-tva "^J {rei)-no ;;^ ^ (hoku-ha)
koso jo-kere tote \ katva-go nach nosete | ono-ono suga-gasa-ni icai'a-gutsu faki-te ide-tatsu.
Saico-maro-wa mitsi made okuri-te \ faica-iüo tsurete isi-hama-je kajeri-nu. Säte ^ J^ (san-
nin) 'i^ ^ (boku-baj-tvo fiki-te \ kaicaru-gawaru nori-te juki-keru-ni \ kore-wa ki-tsukuri
nari-to-wa \ sara-ni sirii mono na-kari-keri.
Sumi-nawa und Alatsu-mitsu freuten sich und trafen auf jede Weise Vorbereitungen.
An dem bestimmten Tage kam auch Sawo-maro und nahm freundlich Abschied. In
der Meinung, dass für die Heise das gewöhnliche hölzerne Pferd gut sein möge, luden
sie auf dasselbe den Koffer und Anderes. Indem ein Jeder sich mit einem Riedgras-
hute bedeckte und Strohschuhe anzog, brachen sie auf. Sawo-maro begleitete sie bis
auf den Weg und kehrte in Gesellschaft der Mutter nach Isi-bama zurück. Die drei
Menschen reisten, indem sie das hölzerne Pferd zogen und abwechselnd auf ihm ritten.
Es wusste durchaus Niemand, dass es aus Holz verfertigt war.
Säte ^ (joj-tva tomari \ aka-tsuki-ica tafsi-te juki-juki-te \ §| ^ ^ (ßku-ma-no)-
tü iü tokoro-ni itari-nu. Koko-wa ^ j^ (dzi-t6)-ten-ivo-no \ koromo nnvoivase \ tabi-no si-
rusi-ni-to \ jomase-tamai-si na-dokoro-nite \ ito firoki o-o-no ari. Fito amata atsumari-wore-
ba I tatazumi-te mire-ba | ivakaki tvotoko-no \ uma-ni nori-te \ fasirase-i-tari. Miru ßto-bito
fome-mono-suru koto | kagiri-nasi.
In der Nacht einkehrend, am Morgen aufbi'echend und immer weiter reisend, ge-
langten sie an einen Ort Namens Fiku-ma-no (Feld des ziehenden Pferdes). Dieses war
der berühmte Ort, an welchem die Kaiserin Dzi-tö ' die Verse : ,Das Kleid zierlich j
zum Zeichen der Reise' diclitete. Es war ein sehr weites grosses Feld. Daselbst waren
viele Menschen versammelt. Als sie stehen blieben und hinblickten, sprengte ein junger
Mann auf einem Pferde umher. Das Lob der Menschen, welche es sahen, war ohne
Gränzen.
Kono lootoko luna-jori ori-te \ fokorawasi-ki omo-rnotsi-site | fito-bito-ni mukai-te i-i-
keru-ica j uma-no *^ (sei)-wa joku fasiru mono nare-do j noric fito ^ ^^ (mi-ren) nare-
ba \ ^ il| (riu-me)-io ije-domo \ joku fasirazu. ^^ (Jo)-ni ^ J|. (seyi-ri)-ii-o fasiru
uma ara-ba \ onore-ga nora-ba | ZU ^ M (ni-sen-ri)-wo fasiru-besi. Mukasi ^ 3E (boku-
icv)-no uma-wa \ asi tsutsi-wo fumazu | — ■ ^ (itsi-ja)-no utsi-ni ^ H. (ban-rij-ivo juki-si-
to-ka. Sare-ba um.a-no f^ (n6)-tca tada fasirasu-ni ari '. XH! 0"J""* ika-naru agari-uma
ari-to-mo | onore nori-te \ ta-dzuna-wo toran-ni-iva | tatsi-dokoro-ni nori-su-ete \ mise-ma-irasen,
Siibete nippon-no utsi-ni \ ta-dzuna-no tori-jb-wo siri-taru mono naku \ mata uma-ivo joku fa-
sirasuru mono nasi. ^ ^ (Ken-butsuJ-no fito-hito-no naka-ni \ joku uma-wo fasirasu fito
I Vom Jahre 687 bis 096 n. Chr.
336
Pfizmaiek.
u-
■ico-
ara-ba \ kokoro-mi-ni | tmore-to narahi-te H ,|| (kei-ha)-no ^ ^ (sid-bu)-wo kokovo-mi-
tamaje. Onore mosi make-toran-ni-ica kono kasira-wo ma-ivam-bcsi-to \ unazi-wo tataki-te tu
sama \ ito si-tari-gmvo nari.
Dieser Mann stieg von dem Pferde und sagte mit stolzer Miene zu den Menschen:
Das Pferd ist von Eigenschaft ein gut laufendes Thier. ^Ycnn jedoch der ßeitei- un-
erfahren ist, so mag es immerhin ein vortreffliches Pferd sein, es läuft niclit gut. Wenn
es in der Welt ein Pferd gäbe, welches tausend Weglängen läuft, und ich es reite, so
würde ich es zweitausend AVeglängen weit laufen lassen. Einst soll das Pferd des
Königs Mö, ohne dass seine Füsse die Erde berührten, in einer Nacht zehntausend
"Weglängen weit gegangen sein. Indessen besteht die Kraft des Pferdes nur im Laufen.
Mag es in der Welt auch irgend ein aufsteigendes Pferd geben, ich würde es besteigen
und indem ich den Zügel ergreife, es niederreiten und zeigen. In ganz Nippon ist
Niemand, der es versteht, den Zügel zu halten, es ist auch Niemand, der das Pferd gut
laufen lässt. Wenn unter den Zuschauern ein Mensch ist, der das Pferd gut laufen
lässt, so möge er sich zum Versuche mit mir messen. Er versuche den Wettkampf des
Pferderennens. Wenn ich unterliege, werde ich dieses Haupt darreichen. — Indem er
dieses, den Hals klopfend, sagte, hatte er eine sehr wichtig thuende Miene.
^ ^ (Ken-butsu)-no naka-jori \ ivakaki fito idete | kare-to tima-wo narabete \fasira-
suru viono are-do \ geni kare-cja i-i-si-ni tagawazu. Mina 4=- ^ (fcm-tsib) amari \ nori-ok
rete \ ojobu mono nasi. Kono aru fito-Uto ijo-ijo ^ ßanj-zite fome-tatsure-ba \ kono
toko bgi -utsi-fikari \ fidzi-ico ikarasete \ utsi hgi-tsutsu \ i-i-keru-ioa \ ojoso ame-no sita-ni icare-ni
masu-beki uma-nori-iva arazu. Sikaru-ni \ kakaru inaka-ni sumeru fito nado-no \ ivadzuka-ni ta-
gajesi-no itoma-ni \ jase-uma-ni nori-taru ^ |^ (bun-zai)-nite \ loare-to tatsi-nnrabi-te uma-
wo fasirasen-to-ioa \ ivo-ko nari-to-ja iwan \ katawara itaki koto nari. Ika-ni ^ i^ (ken-
butsu)-no fito-bito \ ivaga kasira fosl-to obosan fito-wa koko-ni kitatte 1 fasiri-kurabe-site \ mi-
tamawazu-ja-to | i-i-te \ taka-jaka-ni loarai-te. \ musiro-no uje-ni ^ :^ (zio-roku) kaki-te i-tari.
Aus dem Kreise der Zuschauer traten junge Menschen heraus, stellten mit ihm das
Pferd in eine Linie und Hessen es laufen, doch es war in Wahrheit nicht anders, als
er gesagt hatte. Alle blieben im Reiten über eine halbe Strassenlänge zurück und
Keiner erreichte ihn. Die hier befindlichen Menschen bewunderten ihn immer mehr
und spendeten ihm Lob. Dieser Mann spannte den Fächer, streckte den Arm und sagte,
sich fächelnd: Unter dem ganzen Himmel gibt es keinen Reiter, der mich übertreffen
könnte. Dass jedoch die in einer solchen Landgegend wohnenden Menschen, kaum bei
dem Ackern Müsse habend, denen es beschieden ist, auf mageren Pferden zu reiten,
sich mir gleichstellend, das Pferd laufen lassen sollten, dieses ist eine Sache, welche
man Avohl lächerlich nennen wird, wobei die Seite schmerzt. O Zuschauer! Einen
nach meinem Kopfe begierigen Menschen, der hierher kommt und um die Wette rennt,
sehet ihr ihn nicht? — Dabei lachte er hochmüthig und sass auf dem Teppiche mit
zusammengelegten Knieen.
Matsu-mitsu \ nikuku omoi-te \ fisoka-ni \ jama-hito-ni sasajaki-keru-tva | kojio wofoko-no
v.ma-wo fasirasu koto fajasi-to ije-domo saki-ni \ onore 0r|i (si)-no tsukuri-tarv, nma-ni nori-
te I kake-sase-taru-ni-a-a | ojobu-be-karazu. Kono wotoko amari-ni \ fito-mo na-ge-ni fokoni-
ga I niku-kere-ba \ TJt ^ (moku-ba)-xvo fiki-idete | kare-to ^ ^ (si6-bu)-tvo kokoro-min-
to I omo nari. Sare-do ^\ (rei)-no gotoku fasiri-sugi-na-ba \ motu ki-si mitsi-ni \ kajeri-nan \
tüdomu-beki toki-ni \ todomu-beki ^ (fö)-ja shrb-to ije-ba \ sumi-nawa warai-te \ tK ^ (moku-
Die Geschichte einer SEELENWA^DERU^IG in Japan. 337
ha)-no ^ (sitaj-wotorajete | majc-ni fika-ba j tatsi-matsl todomavu jh-ni tsukuri-te ari. Sare-
do \ jaku-naki arasoi nare-ba .\ fiE ^ (mu-jo) nari-to ije-do \ matsu-mitsu kiki-irezu \ uma-
ni tsuke-tara kawa-go-ico orosi \ mna-no iije-ni matagarl \ ta-dzuna tori-te | ajumasete \ kano
wotoko-ni i-i-keru-tca | no-tamu-rja gntoku nara-ba \ ^ (jo)-nl ^ ^ ^ (mi-zo-u)-no nma-
nori-nite oivasu-ran. Iza ^ ^ (siu-bu) tmkamatsuri-ten-to in.
Matsu-mitsu verdross dieses, und er flüsterte Jama-bito heimlich zu : Dieser Mann
lässt zwar das Pferd sehneil laufen, doch er kann mir, wie ich einst auf dem von dem
Meister verfertigten Pferde ritt vmd es einhersprengen liess, nicht gleichkommen. Dieser
Mann ist allzusehr auf eine Weise, dass er thut als ob es keine Menschen gäbe, stolz,
es ist widerlich. Ich möchte das hölzerne Pferd hervorzielien und mit jenem Manne
den Wettkampf versuchen. Jedoch wenn ich ihn, wie es Sitte ist, im Laufe überholt
haben werde und, um auf dem Wege, auf dem ich gekommen, zurückzukehren, es an-
halten soll, gibt es da ein Mittel, es anzuhalten? — Sumi-nawa sagte lachend: Es
wurde bei der Verfertigung vorgesehen, dass, wenn man die Zunge des hölzernen
Pferdes erfasst und sie nach vorwärts zieht, das Pferd plötzlich stehen bleibt. Indessen
wäre es ein nutzloser Streit, und man darf davon keinen Gebrauch machen. — Allein
Matsu-mitsu hörte ihn nicht an. Er nahm den Koffer, den man auf das Pferd gelegt
hatte, herab, setzte sich rittlings auf das Pferd, liess es, indem er den Zügel ergriff,
einherschreiten und sagte zu jenem Manne: Wenn es so ist, Avie ihr saget, werdet ilir
ein ßeiter sein, wie er in der Welt noch nicht da gewesen. Wohlan ! Ich werde den
Wettkampf eingehen.
Sumi-naica jama-bito-wa icarai-wo kakusi-te \ mi-l-taru-ru \ kano wutoko-wo ugi-ico tsu-
kai-Jami-te \ matsu-viitsu-ga kata-ico mite | kosi-no su-e-zama | o-o-kata-naranu-tva '• narai-aru
ßto-to mijeie sojv") i onore-ga kasira-wo go- fi/f ^ (sio-mbJ-7ii svrh-ja-to | jese-icarai-tsutsu |
ta-dzuna totte \ jurari-to utsi-nori | matsu-mit-vi.-ga uma-ni fana-wo narabete j iza-to i-i-sama \
kake-sase-tari. Matsit-mitsu loaza-to JH ^ ^ (ni-san-gen) okurete ! kake-sase-tsure-do \
tsiijoku tsuna-ico fiki-tsiune-tsure-ba \ moku-ba-iva ja-ivo i7'u-Jori fajaku . fJ? (tsiü)-wo tonde
fasiri-nu. Matsu-mitsu ha-ba-no. sakai-nite \ inoku-ba-no sita-ico Jiki-kere-ba | an-no gutoku
todomari-nu. Furi-kajeri-mire-ba | katio wotoko-wa \ — ■ ^' (ittsib) amari okure-tai'i.
Sumi-nawa imd Jama-bito, das Lachen verhaltend, sahen hin. Jener Mann liörte
auf, sich des Fächers zu bedienen, blickte Matsu-mitsu an und sagte: Nach der Art
aufzusitzen, scheint es ein vollkommen geübter Mensch zu sein. Hat er Absichten auf
meinen Kopf? — Spöttisch lachend ergriff er den Zügel und schwang sich auf das Pferd.
Mit dem Pferde Matsu-mitsu's die Nase in eine gleiche Linie bringend, rief er: Wohlan!
und liess in diesem Augenblicke das Pferd rennen. Matsu-mitsu blieb absichtlich zwei
bis drei Ken zurück, zog, obgleich er das Pferd rennen liess, den Zügel fest an, und
das hölzerne Pferd lief schneller als man einen Pfeil schiesst, dahin. Matsu-mitsu zog
an der Gränze der Reitbahn die Zunge des hölzernen Pferdes, und dieses stand, wie
er es vermuthet hatte, still. Als er zurückblickte, war jener Mann über eine Strassen-
länge weit zurückgeblieben.
^ H (Ken-butsu}-no ßto-bito matsu-mitsu- ivo \ fome-dojomi-te | kasimasi-ki made sa-
wagu. Säte uma-wo konata-ni ßki-mukete j nodoka-ni ajumasete [ kano wotoko-ni mukai-te
fu-si-gi-ni katsi-wo tori-te sbrb. Sa-si-mo ^ "J^ (ten-ga)-ni narabi-naki fito-no | ika-ni site
okure-tamai-si-to ije-ba \ kano wotoko te-wo suri-te j matsu-mitsu-ico loogami-te j aware ju-ju-
siki mitsi-no 3^ J^ (tatsu-zin)-nite owaseru kana. Onore nana-tsu-to mbsu tosi-jori \ ^ ^j
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd. 43
QOQ Pfizmaikk.
(ba-ziutsu)-ni kokoro-tco irete \ % "^ (ten-ka)-id ||^ (teki)-nasi-to zon-zi-surh-ni \ kinti-no
qotoki fito-mo \ owasi-masi-keri-fo in.
Die Zuschauer iiriesen Matsu-mitsu vielstimmig, und ihre Aufregung steigerte sicli
bis zum Lärmen. Matsu-mitsu zog das Pferd nach diesseits und es ruhig einherschrelten
lassend, sao-te er zu jenem Manne: Durch ein Wunder habe ich den Sieg erhalten. Wie
kommt es, dass ihr als ein solcher Mensch, der in der Welt seines Gleichen nicht hat,
zurückgeblieben seid? — Jener i\iann rieb die Hände, verbeugte sich vor Matsu-mitsu
und sagte : Was für ein wackerer, des Weges kundiger Mensch ilir doch seid ! Ich habe
mich seit meinem siebenten Jahre auf die Kunst des Umgangs mit Pferden verlegt, und
während ich glaubte, dass mir in der AYelt Niemand gewachsen sei, gab es einen
solchen Menschen, wie ihr es seid.
Ken-butsu-no mono \ kare-tvo niku-gari-te \ ^ ^^ (kei-jaku) nare-ba \ kasira-wo watasi-
iamaje-to ije-ba \ kam wotoko kubi-ioo tsiziinete \ kasira-no ßto-tsu fida-tsu j wosi-to-iva zon-zezare-do \
tnda inotsi-no wosi-ku sorb \ masi-te inaka-Uto-no kasira nare-ba \ mijako-no tsuto-ni-wa \ mi-
date-naku, sbraican. Sibasi waga f^ (d6)-ni adziikete tamaje | sonata-nite-tca ^ (j6)-naki
mono-nagara \ waga kata-ni ari-te-u-a \ g ^ (tsi6-fb)-no mono-nite surb-to \ furui-furui iu.
Matsu-rMtsu ivarai-te \ ked-no tai-inen-no fiki-de-mono-ni \ kasira-wa \ wa-nusi-ni tate-mats/irx
nari-to ije-ba | kono rvotoko jorokobu koto kagiri-nasi.
Die Zuschauer, ihm aufsätzig geworden, sagten : Da ihr es versprochen habt, so gebet
euren Kopf her. — Dieser Mann zog den Hals ein und sagte : Um einen oder zwei Köpfe
würde mir nicht leid sein, aber es ist mir um das Leben leid. Zumal da es der Kopf eines
Landbewohners ist, wird er unter den Geschenken von Mijako kein Aufsehen machen. Gebet
ihn eine Zeitlang meinem Rumpfe in Verwahrung. Während er für euch ein unnützer
Gegenstand ist, würde er für mich, wenn er mir gehörte, eine grosse Kostbarkeit sein.
So sagte er zitternd. Matsu-mitsu lachte und sprach : Zum Geschenke für die heutige
Begegnung sei euch der Kopf dargereicht. — Die Freude dieses Mannes hatte keine Gränzen.
Säte matsu-mitsu-ga uma-ico isuhi-dzuku mite \ aj^pare-no o-uma-nite sbrb. Sai-zen-jori
sibasi-qa fodo \ üasaka inanaki dani itasazaru-wa \ ^ ^ (mei-ba)-no sirusi-nite sbrb.
:^ pfl (Ja-tsri) ll^ ^ (teki-dzin)-wo osoi-sbru-ni | tsuwa-mono ^-^ (bai)-ivo fukimi-te \ ko-
e-iüo tatezaru toki ka-jb-no uma narazare-ba \ motsi-i-gatasi. Sate-mo kagiri-naki ^^ ^^Jl
(itsi-motsuj-nite sbrb-to \ xE ^ (tsui-sio) surn-iuo \ arufito-bito nonosiri-%carb. Sumi-nawa mata
matsu-mitsu-ivo site \ moku-ba-ni kawa-go owasete \ so-ko-ioo idete juku tote viatsu-mitsu-m
mukai-te \ kakaru tawbre-wa \ ^ ^ (mu-jaku)-no koto-zo-to ije-ba \ matsu-mitsu sare-do keu
bakari \ imizi-ku fito-ni fom.erarete j m,en-boku-wo jete sbrai-ki tote loarai-tsutsu juku.
Das Pferd Matsu-mitsu's aufmerksam betrachtend, sagte er: Es ist ein prächtiges
Pferd. Dass es seit vorhin eine Zeit hindurch nicht im Geringsten wiehert, ist ein
Zeichen, dass es ein edles Pferd ist. AVenn man in der Nacht ein feindliches Lager
überfällt, wenn die Kiüeger einen Knebel in den Mund nehmen und keinen Laut von
sicli geben, könnte man kein anderes Pferd brauchen, als ein solches. O welch ein un-
veroieiclilicli schnelles Thier! — Indem er sich so zuthätig benahm, schalten und ver-
lachten ihn die Anwesenden. Sumi-nawa Hess wieder durch Matsu-mitsu dem hölzernen
■ Pferde den Koffer auflegen und bedeutete, dass man dorthin weiter reisen werde. Er
sagte zu Matsu-mitsu : Ein solcher Scherz ist etwas Unnützes. — Matsu-mitsu erwiederte :
Ich wurde doch heute ausnehmend von den Menschen gelobt und luibe mir Ehre er-
worbien. — Er setzte lachend seinen Weg fort.
Die Geschichte einer Seelenwandeüung in Japan. 339
— ■ Jg^ (Itsi-ri) bakari jukl-te \ jama-hito icara-guisii-ni asl-ico kuwarde \ ||Lj (ziutsu)
nasi tote \ najami-kere-ha | mada fi-toa taka-kere-do \ kono atari-ni \ jadori-tora-ba-ja tote j
Ht.^i-mi-tsutsu jiike-ba fito-no ije ari. Irl-te \ sika-sika-to ije-ba j tsuma-to mijete \ [5j -j^ (si-
ziü)-bakari-naru uvnna-7io manako surudo-ge-naru-ga idete | tvaga ije ßto-wo todomezu \ foka-
ni juki-te mono-se-jo-to \ su-ge-nakn iü-ni \ asi-im itame-taru mono-no sbrai-te \ ajumi-najami-ie
shru. Ika-de jurasase-tamai-te ßto-jo akasase-tamai-nan-to ije-ba \ kano wonna o-oki-naru ko-e-
site I kokoro-naki tabi-bito kana. Tomezi-to iwa-ba | tokio idete juku-beki-tvo \ anagatsi-ni nani-
ico-ka- iü I tokii idete juki-iie-to i-i-sama \ fito-hito-wo tsiiki-idasi-te \ to osi-tate-tsu.
Als sie eine Weglänge gegangen waren, sagte Jama-bito, dass ihm durch die Stroli-
schuhe die Fiisse wund gerieben worden und dass er kein Mittel wisse. — Er war
dabei leidend. Obgleich die Sonne noch hoch stand, Avünschten sie in dieser Gegend
ein Nachtlager zu nehmen. Als sie, um sich blickend, dahergingen, zeigte sich ein von
Menschen bewohntes Haus. Sie traten ein und brachten ihr Anliegen vor. Ein etwa
vierzigjähriges Weib mit stechenden Augen, welches die Gattin zu sein schien, kam
hervor und sagte unfreundlich: Mein Haus beherbergt keine Menschen. Gehet hinaus!
— Sie entgegneten : Es ist Jemand, welcliem die Fiisse schmerzen und der krank vom
Gehen ist. Ihr werdet es irgendwie gewähren und uns eine Nacht zubringen lassen. —
Dieses Weib versetzte laut schreiend : Unsinnige Reisende ! Wenn man sagt, dass man
euch nicht aufnimmt, müsset ihr schnell hinausgehen. Was saget ihr da zum Trotze?
Tretet schnell aus und gehet! — Mit diesen Worten stiess sie die Menschen hinaus und
verschloss die Thüre.
Fito-bito-ioa \ sate-mo nasake-siranii, tvonna kana-to oinoje-do | sen-kata-na-kere-ba \ sugo-
siigo idete juku-ni \ inata to-7io utsi-jorl ko-e site \ tabi-bito madzu matsi-tamaje \ mosu-beki
koto ari \ kotsi iri-tamaje-to iü-ni | iri-te mire-ba \ aruzi-to mijete \ ^ -p (roku-ziü)-bakari-
no okina-no manako si-i-taru-ga \ fai-idete | asi-wo jami-tamajeru fito-no oicasu-to-ja \ kokoro-
qurusi-ki koto nari. Todome-ma-irasen \ toku-toku vmra-gutsn-wo \ toki-tamaje-to ije-ba \ ivonna-
wa fara-datsi-te okina-ico nirami-te | ko-joi-tca ^ 'f^ {kusa-kai)-dono-7no kon-to no-tamai-si-ni
tabi-hito-wo saje todomu-besi-ja-ioa-to iü. Okina mimi-ni-mo irede j ok>i_-no kata-wo jiibi-.fasi-te |
kasiko-ni fanare-taru ije ari | iri-te ikoi-tamaje tote | löaraioa-ni i-i-tsukete \ fito-bito-ico
izanawase \ mata onazi-ioarawa-ni \ jü-ge-no makanai nado \ sasu-meri. Fito-bito-ica fito-nui-ni
iri-te \ aruzi-ga kokoro-zasi-ico jorokobi-te \ i-i-fajam.
Die Menschen dachten sich : Ein unbarmherziges Weib ! — Doch es Hess sich nichts
thun, und sie gingen leise hinaus, als hinter der Thüre nochmals eine Stimme rief:
Reisende, wartet erst! Ich habe euch etwas zu sagen. Tretet hier ein! — Als sie ein-
traten, sahen sie einen etwa sechzigjährigen blinden Greis, welcher der Herr des Hauses
zu sein schien. Derselbe kroch hervor und sagte : Dass ihr fusskrank seid, ist eine lei-
dige Sache. Ich werde euch aufnehmen. Schnell, schnell! Ziehet die Strohschuhe aus!
— Das Weib ergrimmte, blickte finster auf den Greis und sagte : Da Herr Kusa-kai
gesagt hat , dass er heute Abend kommen werde , wie kann man da Reisende auf-
nehmen? — Der Greis that als ob er dieses nicht hörte. Er zeigte mit dem Finger
nach der inneren Seite imd sagte: Dort ist eine abgesonderte Behausung. Tretet ein
vmd ruhet aus ! — Hiermit gab er einem Knaben die Weisung, die Menschen hinzu-
führen. Ferner schien er demselben Knaben über die Bewirthung mit einem Nachtmahle
Andeutungen zu machen. Die Menschen ti'aten in ein Zimmer. Sie freuten sich über
den Entschluss des Gebieters des Hauses und bekundeten es durch Worte.
43*
340 Pl'lZMAIEK.
Matsii-mitsu ^ ]^j fiiiol-ii-ba)-ioo-ha fisasi-no ^\ (to)-ni fsuvac/i-ie \ kaica-cjo tori-tc \
oku-ni iran-to .Viru iokl \ omote-no kata-jori fito iri-kitari \ kono wo)iokü-wa \ "^ ^ (o-o-no)-
no !^ 'fsj (kusa-kai) tote \ kono ironna-no ani nari. Umare-tsuki joko-shua-narii, rnono-nite \
nusu-hito-gokoro-ariL ironoko nari. Imo-ufo-tvo kono ar-uzi-ni jari-te notsi \ ukina-ga takara
o-oku I fa fata nado aviata moteru-wo mite \ waga niono-ni se-ha-ja-to uiiwi-te | kanete imoto-
to fakari-keru-ni hnoto-mo oi-taru tcotoko-ico itoi-te \ ani-to fito-tsn-ni nari-te \ takara-domo
nbai-te \ kono ije-ioo nogare-iden-no kokoro ari. Säte kono kusa-kai iri-kite | imoto-to sasi-
narabi-te okina-ni mukai-te woru-tvo \ matsu-mitsu me-iw tsidcete mire-ha \ soki-ni fiku-ma-no-
u'te tuna-ioo fasirasete arasoi-taru toonoko nari-keri.
Matsu-mitsu band das liölzerne Pferd ausserhalb des Yorhauses an, nahm den Koffer
herab und wollte in das Innere treten, als von der Aussenseite ein Mensch herein kam.
Dieser Mann, welcher sich 0-o-no-no Kusa-kai nannte, war der ältere Bruder dieses
Weibes. Als ein Mensch von verderbter Gemüthsart hatte er das Herz eines Räubers.
Nachdem er die jüngere Schwester zu diesem Gebieter des Hauses geschickt hatte, sah
er, dass die Güter des Greises zahlreich seien, dass derselbe viele Felder besitze, und
in dem Wunsche, sich dieses zuzueignen, berleth er sich früher mit der jüngeren
Schwester. Die jüngere Schwester, dem alten Manne abgeneigt, wurde mit dem älteren
Bruder eins und hatte die Absicht, die Güter zu rauben und aus diesem Hause zu ent-
fliehen. Als dieser Kusa-kai liereinkam und dicht neben der jüngeren Schwester dem
Greise gegenüber sass, richtete Matsu-mitsu auf ihn den Blick und sah, dass es der Mann
sei, welcher vorhin auf der Ebene Fiku-ma-no das Pferd mit ihm um die Wette
rennen liess.
Odoroki-nagara \ sirazu-gawo tsuknri-fe \ kiki-mimi-tatete wore-ba | kusa-kai loonna-ni
mukai-te oku-no ^ (kiakv)-wa idzuku-jori-zo-to ije-ba \ mi-mo siranu tabi-bito-wo \ okina-no
tomerare-si nari-to iü. Kusa-kai rnaju-u-o siivamete kasira-wo kake-ba \ loonna suzuri-ivo tori-
idete \ nani-goto-tco-ka kami-ni kaki-te \ misure-ba \ kusa-kai-mo mata fude tori-te \ kaki-tsuke
nado SU. Tagai-ni iku-tabi-ka \ omo koto-tvo kaki-kawasi-te \ mi-tsu mise-tsu suru-wo \ okina-
iva sara-ni sirazu. Matsu-mitsu kono ani-to imoto-ga furumai ajasi-ku \ kokoro-jenu koto-jo-to
ntsi-mamori-i-tari.
Obgleich erschrocken, that er als ob er nichts wüsste. Als er liorchend das Ohr
hinhielt, sagte Kusa-kai zu dem Weibe: Woher sind die Gäste darinnen? — Sie ant-
wortete: Es sind ganz unbekannte Reisende, welche von dem Greise aufgenommen
wurden. — Kusa-kai runzelte die Brauen und kratzte sich den Kopf. Das Weib nahm
einen Tintenstein hervor, schrieb etwas auf ein Papier und zeigte es. Kusa-kai ergriff
ebenfalls den Pinsel und schrieb etwas hinzu. Indem sie mehrmals ihre Gedanken
schriftlicli austauschten und bald sahen, bald zeigten, wusste der Gi^eis nicht das Ge-
ringste. Matsu-mitsu dachte sich: Das Benehmen dieses älteren Bruders und der jün-
geren Schwester ist sonderbar und etwas Unbegreifliches. — Dabei beobachtete er.
Sikaru-ni \ omote-ni kano wotoko-no nori-kitaru uma-iixi \ tsunagi-oki-taru-ga \ niicaka-ni
kurui-idete ] inanaki-kere-ba \ kusa-kai-mo loonna-mo omote-no kata-ni idete miru. Kono fima-
ni I matsu-mitsu fisoka-ni idete \ aruzi-no kataioara-naru fumi-domo \ tori-kitari-te \ jama-
bito-ni jomi-te mi-tamaje-to iü-ni \ ßraki mire-ba \ kusa-kai-ga te-to mijete \ kaki-tsuke-taru-
loa I icori-asiku | tabi-bito-tvo tome-tsu. Kanete-no fakari-goto \ kojoi-wa okonawarezi-to \ kaki-te
ari. Mata tconna-no te-nite \ tabi-bito-wa ^ij ^ (betsu-ja)-ni fusi-tare-ba \ jo-mo siru koto
arazi. Ko-joi-no utsi-yii to-mo kaku-mo fakarai-tamaje. Asu-to nara-ba \ okina-ga ko-no \ iabi-
J
Die Geschichte einer Seelenwanderung in Japan. 341
jo7'i kajeri-ku-hesi. Sl-kahane-tva | umi-ni iru-he-kere-ba \ fito sirti koto arazi-to kaki-
te ari.
Unterdessen wurde das draussen angebundene Pferd, auf welchem jener Mann her-
geritten war, plötzlich wild und wieherte. Kusa-kai und das Weib gingen nach der
Aussenseite und sahen nach. Während dieser Zeit trat Matsu-mitsu heimlich heraus,
nahm die zur Seite des Gebieters des Hauses befindlichen Schriften weg und brachte
sie. Er sagte zu Jama-bito : Leset und sehet!" — Als Jama-bito sie entfaltete und ansah,
war, wie es schien, von der Hand Kusa-kai's hingeschrieben : Zu einer ungünstigen Zeit
hat man die Gäste aufgenommen. Unser früherer Plan lässt sich lieute Abend nicht aus-
führen. — Ferner war von der Hand des Weibes geschrieben : Da die Reisenden in
einem besonderen Zimmer liegen, können sie es durchaus nicht wissen. An diesem
Abende schaffet jedenfalls Rath. Morgen früh kann der Solm des Greises von der Reise
zurückkommen. Da man den Leichnam in das Meer werfen wird, können die Menschen
nichts davon wissen.
Sitmi-nawa-mo tori mite \ odoroki-te | sate-tva kono wotoko tvonna i-i-aicasete | okina-tco
korosan-to sunt, naru-besi. Nikuki jatsu kana. Ika-de kono josi okina-ni sirase-ten nado | i-i-
i-taru-ni \ iraraica jü-ge mote kite \ fito-hito-ni susumu. Okina kabe-wo saguri-tsutsu | okn-ni
kite I ma-irasu-beki mono-mo sbrawazu. Wori-fusi -f' (ko)-naru mono-no \ tabi-ni makari-ie
sbraje-ba \ jorodzu tai-dai-siku \ kokoro-ni makase-sorawazu-to iü. Sumi-nawa okina-wo kata-
sumi-ni maneki-te \ ko-e-ico fiki-ku nasi-te kb-kb-no koto ari-to tsugure-ba \ okina odoroki-te
i-i-keru-ica | kare-ica onore-ga ^ (.sedj-nite suj^u. Kono koto ivare-mo fi-goro | utagai-omoi-
sbraje-domo | kare-ra \ ka-bakari-no inkumi-sen-to-iva \ onioi-sorawazu-to | ivononoke-ba \ madzii
sirazu-gaiiv t.sukuri-te i-tamaje. Onore fakarb-beki koto ari \ kb-kb nasi-tamaje-to loosije-kere-
ha I okina-'wa fusi-ivogami-te \ anata-je ide-nii.
Auch Sumi-nawa nahm es und sah es an. Erschrocken sagte er : Also werden sich
dieser Mann und das Weib verabredet haben, den Greis zu tödten. O abscheuliche
Sclaven ! Ich werde es irgendwie dem Greise zu wissen machen. — Li diesem Augen-
blicke brachte der Knabe das Nachtmahl und setzte es ihnen vor. Der Greis, an der
Mauer tappend, kam herein und sagte: Es ist nichts, das man darreichen könnte. Da
um die Zeit mein Sohn auf einer Reise abwesend ist, lässt man mich auf zehntausen-
derlei Weise nicht nach meinem Willen thun. — Sumi-nawa winkte den Greis nach
einer Seitenecke und theilte ihm mit leiser Stimme mit, wie die Dinge sich verhalten.
Der Greis erschrack und sasfte zitternd : Dieses ist meine Nebenfrau. Diese Sache habe
ich schon seit Tagen vermuthet, doch ich dachte nicht, dass sie einen solchen Kunstgriff
anwenden werden. — Sumi-nawa sprach : Thuet vorerst, als ob ihr nichts wüsstet. Ich
habe ein Mittel, wodurch ich Rath schaffen kann. Thuet so, wie ich euch sage. —
Hiermit gab er ihm Weisungen. Der Greis warf sich verehrend zu Boden und ging
nach der anderen Seite hinaus.
Sumi-nawa kawa-go-jori | wono nokogiri nado tori-idete fito-toki bakari-site \ nani-ioo
tsukuri-ken \ idete matsu-mit.m-ni sasajaki-te \ sika-sika fakaraje-to \ wosije-kere-ba | matsu-
mitsu fisoka-7ii idete \ kusa-kai-ga uma aru tokoro-je \ ^ (rei)-no /fC ^ (moku-ba)-wo fiki-
juki-te I kura ta-dzuna-wo-mo tori-kajete \ kusa-kai-ga uma-ioo-ha \ ura-no kata-je ßki-juki-te \
tsunagi-oki-nu.
Sumi-nawa nahm aus dem Koffer Axt, Säge nebst anderen Dingen und mochte in
etwa einer Stunde etwas verfertigt liaben. Er trat hinaus und ertheilte flüsternd Matsu-
ß_l^2 Pfizmaieb.
mitsu AVeisuno-en, wie er es anstellen möge. Matsu-mitsu ti-at lieimlicli hinaus, zog an
den Ort, wo sich das Pferd Kusa-kai's tefand, das gewöhnliche hölzerne Pferd, wech-
selte Sattel und Zügel und band das Pfoi-d Kusa-kai's, nachdem er es nach der inneren
Seite gezogen hatte, an.
Aruzi-no okina-tra \ joi-jori ne-ja-ni iri-te fusi-tsu. Sumi-naiva-u-a \ jama-hito-ni sasajaki-
te I ko-joi-a-a ine-taru furi-site \ nefuru-he-karazu-to \ i-i-aicasete tagai-ni sora-ibiki-kaki-te
tusi-wori. Jo-mo ßkete \ usi-'ni-ja nan-nn-ran-io omo koro \ kusa-kai omote-no kata-jori \ oki-
ide-kife \ kuri-ja-ni fusi-faru u-onna-ni sasajaki-te | asi-oto-wo sinohi-ie \ aruzi-ga fusi-do-ni
tri I tatsi ßki-nuki-te ukagv-ni \ joku ine-taru-fo mijete \ iki dani sezare-ha \ si-sumasi-mi-to \
nokkakari-te \ mune-no atari-wo sasi-towose-ha \ te asi-ico mogaku-nomi-nite \ ko-e-wo dani
tatezu ^ (si)-site-keri.
Der Greis, der Gebieter des Hauses, war am Abend in das Schlafzimmer getreten
und hatte sich niedergelegt. Sumi-nawa sprach zu Jama-bito flüsternd : Heute Nacht
muss man thun als ob man schliefe, aber man darf nicht schlafen. — Dieser Verab-
reduno- gemäss lagen Alle, verstellter Weise schnarchend, in ihren Betten. In tiefer
Nacht, als man glaubte, dass es schon um die zweite Stunde' sein könne, kam Kusa-kai
von der äusseren Seite hervor, flüsterte zu dem in der Küche liegenden Weibe und trat
dann, den Ton der Schritte nicht hören lassend, in das Schlafzimmer des Gebieters des
Hauses. Als er mit gezogenem SchAverte s^^ähte, schien dieser fest eingeschlafen zu
sein und holte nicht einmal Athem. Sich denkend: Ich habe es vollbracht! stieg er
über ihn und stiess ihm das Schwert durch die Brust. Bloss Hände und Füsse verdre-
hend und nicht einmal einen Laut von sich gebend, war Jener todt.
l\'07ina kaiva-go-zvo motsi-kitari-ie \ ^ |^ (si-gai)-ico iren-to sife \ kusa-kai-to fomo-ni
d-gai-no kosi-ni te-ivo kake-tsure-ba \ omoi-kakezu | aruzi-no si-gai rnnku-iimku-to oki-agari-
kere-ba \ watto i-i-te \ v-onna-mo kusa-kai-mo \ omote-no kata-ni kake-idasu. Kono si-gai te
kubi utsi-furi-tsutsu \ nau-o oi-te \ omote-no kata-je idzure-ba \ osorosi-ku-fe | tamasi-i-mo mi-ni
soicanu kokotsi-site \ to-wo osi-akete kake-ide-nu. WouJia-mo onazi-ku fasiri-idzure-ba \ kusa-
kai aioate-taru naka-ni-mo \ fisasi-no ^\- (to)-ni tsunagi-taru mna \ ßki-idad \ wonna-tvo-mo ]
kaki-nose | ware-mo siri-ni utsi-nori-taru-ni \ kono si-gai naivo oi-ki-nuru kokotsi-sure-ba \ toku
koko-ifo nige-ba-ja-to \ ta-dzuna-u:o tszijoku fiki-tsure-ba \ uma-wa ßgasi-ivo sasi-te-zo kake-
idasi-keru.
Das Weib brachte einen. Koffer und wollte den Leichnam hineinschaffen. Als sie
in Gemeinschaft mit Kusa-kai die Pland an die Hüften des Leichnams legte, krabbelte
imvermutheter Weise der Leichnam des Gebieters des Hauses in die Höhe. Mit einem
Schrei der Ueberraschung liefen das Weib und Kusa-kai an der Aussenseite heraus.
Dieser Leichnam, die Hände und das Haupt bewegend, verfolgte sie noch immer und
kam nach der Aussenseite zum Vorscliein. Voll Furcht und mit einem 'Gefühle, als ob
ihre Seele nicht mit dem Leibe vereint wäre, öffneten sie die Thüre. und liefen hinaus.
Da das Weib ebenso hinauslief, zog Kusa-kai im Schrecken das ausserhalb des Vor-
hauses angebundene Pferd hervor, setzte auch das Weib darauf, und als er selbst sich
hinten aufgesetzt hatte, war es ihm, als ob dieser Leichnam, noch immer verfolgend,
herangekommen wäre. In dem Wunsche, schnell von liier zu entfliehen, zog er den
Zügel fest an sich, und das Pferd jagte in östlicher Richtung fort.
1 Von 1 bis S.TIhr Morgens.
Die Geschichte einek Seelenwasderukg in Japan. 34 3
1^ ^ (Ii'i-rei)-mo oi-konu jh-sn nare-ba j urua-wu .■stdzuka-ni jaran-to sure-do j kunu
uma sibasi-mo tamero kotc-naku \ — " ^ ^ (itsi-mon-zi)-ni fash'io kuto \ tatu-beki-ni mono
nasi. Wonna-ica |^ ^ (iü-rei) jori-mo | kono u)aa-ni tamasi-i-ico usinai-te \ kije-iru ba-
kari-ni nari-taru-tco \ wotoko-tva fiki-toi'aje-tsutsu | uma-no fasiru-ni makase-keru-cja \ ^ ^f
(ten-riü)-gawa-to iu kawa-ni iri-keru toki \ me-mo kure-madoi-te | fufari tomo-ni midzu-ni
otsi-te-zo ^ (si)-si-keru. Uma-ioa kawa-wo watari-te \ natvo figasi-wo sasi-te \ kake-juki-
keru-to-zo.
Als es den Anschein hatte, dass der Geist nicht nachsetze, wollten sie das Pferd
zu einem ruhigen Gange bewegen. Allein der Lauf dieses Pferdes in gerader Linie,
ohne den Aufenthalt eines Augenblickes, Avar mit nichts zu vergleichen. Das Weib,
dem mehr als vor dem Geiste, vor diesem Pferde die Seele aus dem Leibe fuhr, war
nahe daran zu vergehen. Der Mann, ziehend und erfassend, überliess sich dem Laufe
des Pferdes. Als man in einen Fluss Namens Ten-iüu-gawa einlenkte, fielen, vom Schwindel
erfasst. Beide zugleich 'in das AVasser und ertranken. Das Pferd, nachdem es den Fluss
übersetzt hatte, jagte noch immer in östlicher Richtung weiter.
Säte sumi-nav:a jama-bito-iva oku-jori |ft 'ji^ (si-soku) sasi-te \ omote-ni idete mire-
ba I an-no gotoku \ tvonna-to kusa-kai-iva mijezu. Flsasi-no sita-naru TfC ^ (moku-ba)-mo
arane-ha \ sate-ica fakari-goto-no gotoku | kusa-kai-me-wa | moku-ba-ni oicarcte fasirl-tsurit
naran-to ije-ba \ jama-bito \ kanarazu kawa-ni otsi-iri-te inotsi usinai-ivi-besi. Kokoro-kara !
kawajuki koto nari-to iu. Matsu-mitsu konata-no kata-jori \ aruzi-no te-tco tori-idete \ joi-ni
fisoka-ni \ ase-gura-je tomonai-te | tomo-ni ima-made sinobi-i-tari-to iü.
Sumi-nawa und Jama-bito traten aus dem Inneren, eine Papierkerze haltend, nach
der Aussenseite. Als sie hinsahen, waren, wie man vermuthet hatte, das AVeib und
Kusa-kai nicht zu sehen. Da auch das unter dem Voi'hause gewesene hölzei'ne Pferd
nicht da war, sagten sie : Der schändliche Kusa-kai wird von dem hölzernen Pferde auf
dem Rücken getragen und entlaufen sein. — Jama-bito sprach: Er wird gewiss in den
Fluss gefallen sein und das Leben verloren haben. Es ist nach Wunsch, es ist eine
liebliche Sache. — Matsu-mitsu kam von diesseits, den Gebieter des Hauses an der
Hand haltend, hei'bei und sagte : Ich habe ihn am Abend heimlich zur Feldscheune
geleitet und war mit ihm bis jetzt versteckt geblieben.
Okina-ica | makoto-ni \ fu-si-gi-no inotsi firoi-sbrb koto \ jorokobi kikoje-tate-matsuran-ni |
kotoba-mo nasi-to \ fusi-wogamtt. Mats?i-mitsic tsuki-kage-ni \ miikai-naru kata-ivo mite | ka-
siko-ni fito-no tatsi-te ukagai-woru sama nari. Mosi kusa-kai-me-ga tatsi-kajeri-tsuru narazu-
ja-to I tsuka-tsuka-to fasiri-juki-te \ usiro-jori mu-zu-to idaki-te \ nandzi-u-a kusa-kai-ni-ja-to \
sime-tsukure-ba \ kono fito iraje-mo sede \ ie-tco fure-ba \ kusa-kai-ni aranu-to nara-ba \ mono-
ico ije-kasi-to \ i-i-tsutsu \ joku-joku mire-ba \ kino sumi-nava-ga tsukuri-tsuru yj^ f^ (nin-
gib)-nite \ artizi-no okina-no kaivo-ioo \ sono mama-ni \ utsusi-jeri-taru nari-keri.
Der Greis sprach : In der That, dass ich auf wunderbare Weise das Leben auf-
lese, die Freude darüber zu Ohren zu bringen, habe ich keine Worte. — Dabei warf
er sich verehrend zu Boden. Als Matsu-mitsu bei dem Lichte des Mondes nach der
gegenüberliegenden Seite blickte, hatte es das Aussehen, als ob dort ein Mensch stände
und lauerte. Er dachte sich : Der schändliche Kusa-kai wird doch nicht zurückgekehrt
sein? — Plötzlich hinlaufend, schloss er ihn von rückwärts in die Arme und presste
ihn mit den Worten: Bist du Kusa-kai? ■ — Dieser Mensch bewegte die Hand, ohne
eine Antwort zu geben. Jener sagte wieder : W^enn es der Fall ist, dass du Kusa-kai
344 Pfizmaier, Die Geschichte einer Seelenwandeeung in Japan.
nicht bist, so bitte ich dich, sprich ! — Als ei- dabei ganz genau hinsah, war es die
hölzerne menschliche Gestalt, welche Sumi-nawa gestern verfertigt hatte, und das Ge-
sicht des Greises, des Gebieters des Hauses, war an ihr, so wie es war, in Schnitzwerk
nachgebildet.
Kore-iva matsu-mif.su jol-nl okina-ico ne-ja-jori Jiki-idasl-te | kaivari-ni kono \ f^ (nin-
gibj-ico ire-oki-si-ga \ karakuri-wo motsi-i-te \ kono nin-gib-no \ onore-to ajumi-iden-to-tca \ omo-
tmzari-si tote \ te-wo tataki-te-zo J^ (kan)-zi-keru. Jo ake-nnre-ha \ fito-hito tatsi-iden-to
suru-ni \ okina fita-sura-ni todome-kere-do \ kagiri-aru tabi nari. Mata ko-so-to tsigiri-te \
matsu-mitsu-ni kaiva-go ninaivasete \ icakarete ^ (kio)-je-zo nobori-keru.
Matsu-mitsu hatte am Abend den Greis aus dem Schlafzimmer geführt und an
dessen Stelle diese hölzerne menschliche Gestalt hineingelegt. Er hatte niclit gedacht,
dass durch Anwendung eines Triebwerkes diese hölzerne menschliche Gestalt von selbst
herausschreiten Avürde. Er schlug in die Hände und bewunderte sie. Als es Tag
wurde, wollten die Menschen aufbrechen. Der Greis hielt sie mit inständigen Bitten
zurück, doch es war eine bestimmte Reise. Indem sie das Versprechen gaben, wieder
zu kommen, Hessen sie durch Matsu-mitsu den Koffer tragen, nahmen Abschied und
reisten nach Mijako.
Ko720 okma-ica \ ^ |^ (fari-hara)-no naniffas/' tote \ mukasi-jori koko-ni sumi-te \ ju-e-
josi-aru "g" ^4: (fiahi-sio) nari-to-ka. Kano '^ {^ (nin-gio)-'wa sono notü kono watari-no
tera-ni tsvtajeie \ fi-dn-no tahimi-ga ^ |^ (m-rei)-no '^ (zo) tote \ ff ^ (siü-motsuj-to
nasi-keru-ga \ notsl-no jo-no -^ *J^ (fei-kua)-ni ato-mo naku nari-te \ ima-wa sono tera-no
na dani siru mono nasi. Wosimu-beki koto nari-kad.
Dieser Greis war ein gewisser Eari-bara. Dieses Geschlecht wohnte hier von Alters
her und war wohl ein angesehenes Geschlecht des Volkes. Jene hölzerne menschliche
Gestalt kam später in den Tempel dieser Ueberfahrt, und man machte es zu einem
Geräthe, welches den Namen , Bildsäule des Geistes des Zimmermannes von Fi-da' führte.
In den Feuersbrünsten der Kriege späterer Zeitalter ging sie spurlos verloren, und jetzt
weiss Niemand auch nur den Namen dieses Tempels. Es dürfte eine bedauerliche
Sache sein.
(Schlnss folgt.)
DIE PSYCHOLOGIE UND ERKENNTNISSLEHRE
DES
JOHANNES DUNS SCOTUS.
PROF. DR KARL WERNER,
WIIIKLICHKM MIXGLIEDE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 2. .lANNER 1877.
IJie psycliologisclien und erkenntnisstheoretischen Lehren des Johannes Duns Scotus
sind durch bestimmte metaphysische Grundanschauungen bedingt, die zum Verständniss
dei'selben vorausgeschickt werden müssen, und zunächst in seiner eigenartigen Lehre von
der Materie ausgebildet vorliegen. Die dem Duns Scotus eigenthümlichen Sätze über
die Materie betreffen die Materialität alles Geschaffenen, die selbsteigene Quiddität der
Materie als solcher und unabhängig von der sie gestaltenden Form, und die dem mensch-
lichen Leibe als solchem zukommende, vom seelischen Informationsprincipe zu unter-
scheidende Wesensl'orm.
Die Ueberzeugung von der Materialität alles Geschaffenen begründet sich dem Duns
Scotus aus dem Unterschiede des Geschaffenen von dem Ungeschaftenen, Alles schaff'enden
Einem, der als höchstes Eines zugleich auch das absolut Einfache ist.' Im Gegensatze hiezu
muss das viele Geschöpfliche sich allenthalben auch als das Zusammengesetzte erweisen,
und zum mindesten als Zusammensetzung aus Esse und Essentia darstellen. Eben diese
Zusammensetzung erweist sich aber bei näherer Analyse als ein Zusammensein aus
Materie und Form, das Wort Materie in rein metaphysischem Sinne, als denknotli-
wendiges Substrat und Subject jeder begränzten Wesensform verstanden.^ Duns Scotus
nennt dieses denknotliwendige Wesenssubstrat alles Geschaffenen die materia pi'imo-
prima, von welcher er die weitere Determination derselben, die materia extensa
oder materia mathematica als secundo-prima unterscheidet.^ Unter der materia tertio-
prima oder physica sind sodann selbstverständlich die eigenartigen Stofflichkeiten aller
besonderen Körper zu verstehen. Aus diesen Angaben resultirt von selber auch schon,
dass die allem Geschaff'enen eigene gemeinsame Grundmaterie oder materia primo-prima
' Vgl, Duns Scot-, de rerum principio, qu. 1, art. i.
2 Dico, quod in genere materiarum materia metaphysiea e.st materia primo-prima. Vocatur materia metaphysiea illud, quod
praestat fulcimeutum cuilibet- formae, qualem pouimus in angelis et auima rationali .secundum Augustinum et Boetliiiim de
Unitate et Uno capp. 1 et 2. Rer. Priucip. qu. 1, art. 1.
^ Vocatur materia extensa materia mathematica secundo-prima, quia ut communiter teuetur, aub quautitate et sub forma cur-
porea est subjectum generationis. Ibiil.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd. 44
346 Kam, Weknee.
nur Eine sei, die ihrer Natur nacli zur Reception aller gescliüpfliclieii Wesensformen
geeignet ist.' Die aus den naclifolgenden speciellen Determinationen liervorgegangenen
materiae secundae aber sind speciiiscli von einander verscliicdcn, und natürlich nur z\ir
Reception oder Festhaltung der ihnen congruirenden speciellen AVesenst'ormen geeignet.
Die Bildung einer materia tertio -prima ist eigentlich nur im^-Bereiche der sublunaren
corruptiblen Körperwelt möglich, weil es nur in dieser ein Generationsleben gibt;^ eben
diese Eigenartigkeit der sublunaren Körperwelt setzt aber eine besondere Art von Mate-
rialität voraus, welche von jener der incorruj)tiblcn und desshalb in quantitativer Be-
ziehung unverändeidich determinirten himmlischen Küi-per, und endlich auch von der
durch ihre besondere Wesensform actuell und potentiell der Quantität beraubten Materie
der Engel wesen und Mcnschenseelen verschieden sein muss,
Der Materialgrund der gesammten geschöpflichen Wirklichkeit, der geistigen sowohl
als der sinnlichen, ist sonach die materia primo- prima, die in allem Geschaffenen ent-
lialten ist, aber jedem geschöpflichen xVgens unerreichbar einzig durch Gott bestimmt
ist. Duns Scotus vergleicht die Welt mit einem herrlichen Baume, ^ dessen Wurzel und
Samengrund (radix et seminarium) die materia prima ist; die Accidenzen sind die abfal-
lenden Blätter dieses Baumes, die corruptiblen Dinge Laub und Zweige, die Bliithen die
vernunftbegabten Menschenseelen, die dem Wesen des Baumes entsprechenden Früchte
die englischen Naturen. Mit der monistischen Fassung dieses Weltschema scheint es niclit
zu stimmen, Avenn unmittelbar beigefügt wird, dass die Wiirzel des Baumes unmittelbar
in die beiden Hauptstämme der Körper- und Geisterwelt auseinander gehe, welcher
dualistischen Grundgliederung die Untergliederun^ der Körperwelt in die corruptible und
incorruptible Körperwelt, sowie der Geisterwelt in drei Hierarchien angeschlossen wird.
Eben so 'scheint fei'ner eine innerlich nicht vermittelte Fusion differenter Standpunkte
vorzuliegen, wenn Duns Scotus, aus der an die Idee der materia prima angeknüpften
Deduction des Weltgedankens in die constructive Darlegung desselben übergehend, den
Menschen als Drittes in die Mitte desselben rücken lässt,* wofür allerdings in seinen
sjiäter anzudeutenden christologischen Anschauungen der erklärende Grund sich darbietet.
Die Abstufung der Geisterwelt in die drei Hierarchien seh eint als sublimirter Reflex
der Triplicität der Weltwesen im Allgemeinen,'' sowie der Dreigliederung der Materie
genommen werden zu müssen, Avas im Zusammenhange mit der Anschauung \"on der
Materie als nothwendiger Unterlage aller kosmischen Existenzen zu erklären scheint,
Avesshalb die Engel bildlich als die gezeitigten P'rüchte des AVeltbaumes bezeichnet Aver-
den. Die Bezeichnung der materia prima als Radix und Seminarium gibt bereits eine
Andeutung über die eigenthümliche Gestaltung des in der scotistischen Doctrin mit dem
' Rer. piincip. qu. S, .art. 5.
- Rer. jirincip. qu. <s, art, 4.
.3 L. c.
^ .Creavit Dens i» primis ojieribus duarum creatiirarum differentias, ad (^uas aliquo modo oiiinis inultitudo creata lial)et reduci,
quasi duo extrema creaturaium, seil, siiiritualem et eorporalem. Omnis autem creatura vel ad hanc vel ad illam vel ad coni-
positam ex utraque reducitur. Et sub istis gradibns ordine admirabili per immediatos gradus a creatura, quae est prope se,
conjungeudo infima superiorum supremis inferiornm processit, quasi rectam lineam pertrahendo. Sed quia liuea recta est
imperfecta, ideo in fine operum, seil, sexta die lineam rectaui in circulum reflexit, dum illo die faciens liominera creaturam
spiritualem et eorporalem in iinitate su]ipositi iinivit. Rer. princip. qu. 12, art. 1.
^ Ut esset ordo a Deo ad alias creaturas, creaturam qu.amd;iin spiritualem, seil, angelicani. corpori ntui uuitam reliquit. Post
quam ordine immediato sequitur anim.T rationalis, corpori unita, tanien soparabilis. Pi>st lianc formae unitae, sed non sp])ara-
biles. Ibid.
J
Die Psychologie und Ekkenntnisslehke des Johannes Duns Scotus. 347
abstruci formalisirenden i'eripatetismus ringenden Individualismus, worauf wir weiter
unten des Näheren zurückkommen werden.
Duns Scotus begründet seine Ableitung alles Geschaffenen aus einem gemeinsamen
Materialgrunde unter nebenhergehender Berufung auf die Autorität Avicebrons, und sieht
in der Voraussetzung eines solchen Materialgrundes die einzig denkbare Möglichkeit, von
dem ursprünglichen absolut Einem, das allen Dingen vorausgeht, zur Vielheit der Dinge
zu gelangen ; die materia primo-prima hat die Brücke dieses Ueberganges zu bilden. Die
materia primo-prima will er keineswegs in der herkömmlichen Weise der scholastischen
Peripatetiker für die blosse Möglichkeit des Seins gehalten wissen ; er vindicirt ihr ein
actuelles Sein, ein Sein, das sie nicht von der Form, sondern von ihrer Wirkungsursache,
von Gott hat-, der Form kann bloss die Conservirung des bereits gesetzten Seins der
materia piümo-prima zugeschrieben werden.^
Man erkennt unschwer, dass Duns Scotus das A erhältniss von Materie und Form
anders bestimmt, als es von Seite der Dominicanerschule geschah;^ diese seine abweichende
Auffassung musste sich auch in der Auffassung des Menschenwesens reflectiren, dessen
Componenten Leib und Seele nach gemeingiltiger peripatetischer Auffassung In dem Vei--
hältniss von Materie und Form zu einander stehen. Nach Thomlstlscher Ansicht Ist die
vernunftbegabte Seele die ausschliessliche Wesensform des Menschen, welche eine von Ilir
verschiedene Wesensform des Leibes nicht zulässt; Duns Scotus hingegen vindicirt dem
Leibe als solchem eine der Seele zwar subordlnirte, aber von Ihr imterschiedene Wesens-
form, die dem Leibe auch noch als todtem Leibe verbleibe. Hiebel wird freilich über-
sehen, dass der Begriff des Leibes jenen der Lebendigkeit Involvirt, und der Cadaver
ein blosses Residuum des einstgewesenen Leibes darstelle. Wir hätten also an Duns
Scotus zu bemängeln, dass er dem Begriffe des Leibes, welcher nur Im Zusammensein
desselben mit der Ihn umgreifenden und innerlich gefasst haltenden Seele Wahrheit hat,
den Begriff Körper substituirte, der als solcher etwas der Seele Aeusserllches darstellt,
und insofern freilich eine von der Seele verschiedene Realität Ist, woraus aber keines-
wegs folgt, dass er als eine von seinem geistigen Formprinclpe getrennte Wesenheit
existlren könne. Der Begriff eines relativen Selbstlebens des der Seele eignenden Leibes,
der allerdings dem diesen Begriff Ignorlrenden Thomismus gegenüber zur Geltung zu
bringen war, kam In der Opposition des Scotismus gegen den Thomismus nicht zum
Ausdrucke; beide einander bekämpfende Schulen standen auf dem gemeinsamen Boden
einer Naturanschauung, welcher der Begriff der Naturlebendigkeit fremd war, und
welche daher, anstatt den Stoff' selber als lebendigen zu fassen, das Lebendigsein als
etwas durch besondere Agentien Causirtes zu Ihm hinzukommen Hess.
Das Interesse des Thomismus In der Frage vom Verhältniss der beiden Constituenten
des Menschenwesens zu einander war, dieses Verhältniss Im Gegensatze zum Piatonismus
als ein möglichst Inniges zu fassen. Es Hess sich aber nicht Inniger fassen, denn so,
dass es als Verhältniss des Stoffes zu der Ihm congrulrenden Wesensform bestimmt wurde;
es sollte damit die speclfische Idee des Menschenwesens als eines seiner Idee nach
untheilbaren Ganzen, zugleich aber auch die durchgängige Bestimmtlielt des Lelbllch-
' Rer. princip. qu. 8, art. 6.
2 Vgl. Thom. Aq. 1 qu. 66, ai't. 1: Materia seeundum id qiaod est, est ens iu potentia. Unde raagis repugnat materiae esse
in actu sine forma, quam aceidenti sine subjecto. — Siehe dagegen D. Scot. Rer. princip. qu. 7, art. 1; Metaph. IX, qu. I;
2 dist. 12, qu. 1 et 2.
44*
348 Karl AVekner.
Sinnliolien durcli den liüliiTen formgebenden Theilconstituenten dieses Einen Ganzen zum
Ausdruck gebracht werden. Ein derartiges Interesse ist auch iJuns Scotus nicht fremd;
auch er sucht zu zeigen.' dass die Einigung des sinnlichen Leibesgebildes mit dem
intellectiven Formprincipe inniger sei, als irgend eine andere Einigung von Materie und
Form, wobei er selbst den von der Dominicanerschule so entschiedenst betonten Gedanken
von der Seele als Lebensprincip des Menschengebildes nicht minder entschieden zur
Geltung zu bringen bemüht ist.^ Die Einigung von Stoff und Form — lehrt Duns Scotus
— ist um so inniger, je vollkommener die Form ist, in welche der Stoff hineingebildet
wird; die vollkommenste aller Wesensformen der sichtbaren Wirklichkeit ist aber die
intellective Menschenseele. Dieselbe erweist sich als das formmächtigste aller Principien,
indem sie den Stoff in seiner ausgebildetsten und vollendetsten Gestaltung, wie diese eben
im menschlichen Leibesgebilde dargeboten ist, zu eigen hat; eben darum ist aber auch
ihre Einigung mit dem Stoffe inniger, als die jeder anderen tiefei'stehenden Form. Die
intellective Menschenseele ist als oberste Wesensform der sichtbaren Wirklichkeit der
oberste und darum vollkommenste Halt der im Flusse begriffenen Materie; damit ist
aber zugleich auch der innigste Grund der Einigung von Stoff und Form involvirt.
Diese Art von Einigung ist desto inniger, je feiner und durchdringender das Form-
princip ist; die intellective Seele ist als spirituelle Wesenheit das feinste und durch-
dringendste aller Formprincipien. Das Menschenwesen nimmt unter allen Verbindungen
von Stoff und Form die höchste Stelle ein; es ist demnach die durchgebildetste und voll-
kommenste Einigung von Stoff' und Form.^ Bestimmt man den Werth der Form nach
ihrem Einflüsse auf den sie gestaltenden Stoff, so ist endlich auch noch hervorzuheben,
dass die in Gott vollendete himmlisch verklärte Seele dem ihr eignenden Leibe eine
Seinsvollendung verleiht, welche über jene der himmlischen Körper hinausreicht.* Daraus
ergibt sich aber freilich auch, dass die vollkommene Actualisirung der im Menschen-
wesen gegebenen vollkommenen Einigung von Stoff und Form dem himmlischen Yoll-
endungsstande angehört, und auch da wieder Stufenunterschiede zulässt; die absolute
Vollendungsstufe ist in Christus dargestellt, in welchem die vollendetste Seele mit dem
vollkommensten Leibe zur vollkommensten Einheit zusammengeschlossen ist ; diese ist
demnach das Ideal und ßichtmass aller anderen Einigungen von Stoff vmd Form, der
absolute Zusammenschluss des der Naturwelt angehörigen Stoffes mit einem geistigen
Formprincipe. ''
Dieser in seiner Art bedeutsame christosophische Abschluss der metaphysisch-kosmo-
logischen Lehre vom Verhältniss zwischen Materie und Form schllesst wohl nebenher
auch eine indirecte Kritik der Thomistischen Anthropologie in sich, sofern diese das-
jenige, was Duns Scotus zur wahrhaften und vollkommenen Einheit von Stoff' und Form
forderte, bereits in der von Tliomas behaupteten und urgirten Substanzeinheit des
' Rer. princip. qu. 9, ait. "2, sect. 3.
2. Quaravis sint diversao formae in homiiie. dantes diversa esse, aniraa intellectiva noii soluni dat esse intellectui, sed [jerficit
actus aliarum formarum. Quod patet, qiiia ipsa recedente incipit materia cornimpi quoad actus aliarum formanim. Iliid.
' Tota ratio unitatis, quae jjossit esse in aliquo composito pure natnrali, terminatui" in homine nt iu ultimo terniiuo naturae:
propter quod dico, quod in liomine est major uöitas essentialis, quam in aliquo liruto vel composito naturali, et in eo ter-
minatur omnis ratio unitatis ut in terraino. L. c.
* Intellectiva forma ]>lus abstrahit materiani snam, quam aliqua forma, de mundo. Quod patet, quia cum materia ejus sit
corruptihilis, per actum merendi ordinat eam ad ]1erpetuit,^t(•m firmiorem, quam sit in coelo, et eam uuit formae su|)ernaturali,
secundum quod totus homo est subjectum beatitudinis perfectae. L. c.
^ Unitas Christi est prima nnionura et mensura omnis compositi naturalis. Rer. princip. qn. '.1, art. 2. sect. 4.
Die Psychologie und Erkenntnissleure des Johannes Duns Scotus. 349
Menschenwesens gefunden zu haben glaubte. Da Duns Seotus in dem aus Geist und Leib
zusammengesetzten Menschenwesen ein doppeltes Esse vereiniget sah, so musste er zur
vollkommenen Vermittelung der menschlichen Wesensdualität höher greifen als Thomas,
und gestand die von diesem behauptete Wesenseinheit des Menschen nur in so weit und
in dem Grade zu, als sie im überzeitlichen Vollendungsstande des Menschen zur Wahr-
heit wird ; die in der unmittelbaren irdischen Erfalnanig gegebene natürliche Wesens-
einheit des Menschen wurde von ihm zwar nicht bestritten, aber doch nur als eine
relative und einer nachfolgenden Vervollkommnung und vollkommenen Actualisirung
bedürftige angesehen. Das Problem der Wesenseinheit ist für ihn ein viel vermitteltei'es,
als für Thomas, schon aus dem Grunde, weil er in der Seele, die als Formprincip zum
Leibe in's Verhältniss gesetzt werden soll, selber bereits eine Zusammensetzung aus Stoö"
und Form sieht. Für ihn erwächst also die Nothwendigkeit sicli die Frage zu stellen :
Kann die intellective Seele trotzdem, dass sie selber aus Materie und Form zusammen-
gesetzt ist, zugleich auch Formprincip einer von ihr unterschiedenen Kealität sein ? Sein
Vorgehen in der Lösung dieser Frage ist diess, dass er zuerst beweist, die menschliche
Seele könne nicht anders denn als Wesensform des Menschen gedacht werden; die weitere
Frage ist für ihn sodann, unter welchen Modalitäten sie zufolge ihres zusammengesetzten
Wesens als Wesensform des leiblich-sinnlichen Menschen gedacht werden könne. Wenn
wir ihn oben sagen hörten, dass der Leib als körperliche Realität seine eigene lYesens-
form habe, die ihm auch nocli im Tode verbleibe, so wäre wohl weiter auch noch zu
fragen, ob der ein selbsteigenes Sein habende Leib den Zusammenschluss mit der Seele
zu Einem Wesen vertrage? Darauf hörten wir indess schon oben die Antwort, dass auch
die materia nuda ein selbsteigenes Sein habe und doch mit der ihr superinducirten Form
Ein Wesen ausmache. Demzufolge leidet es keinen Zweifel, dass die anima vegetativa
und sensitiva in ihrem Zusammensein die Wesensform eines sinnlichen Lebewesens con-
stituiren können. Es ist also nur die Frage, ob die intellective Seele eben so wesent-
lich und in derselben Art und Weise, wie die anima vegetativa und sensitiva, also als
Informationsprincip zum leiblichen Menschengebilde in Beziehung stehe. Dem Duns Scotus
ist diess zunächst schon durch den christlichen Glauben und durcli das unmittelbare
Selbstbewusstsein des Menschen gewiss, erscheint ihm weiter aber auch auf dem Wege
dialektischer Vermittelung bis zur Evidenz nachweisbar.' Alles Leiden ist auf die Materie,
alles Thun auf die Form zurückzuführen. Wenn das Litelligere, welches ein Act der
anima intellectiva ist, eine Thätigkeit des Menschen als Menschen ist, so muss demnach
die anima intellectiva Wesensform des Menschen sein. Die Ansicht, welcher gemäss die
anima sensitiva das Formprincip des Ijcibes, der Intellect aber als etwas der Materie
als solcher fremdes, nicht Form, sondern bloss ein substantialer Theil des Menschenwesens
sein soll, wird von Duns Scotus umständlich widerlegt. Dieser Ansicht zufolge wäre
Socrates wahrhafter ein sinnliches Lebewesen (animal), als er Socrates ist. Substantiale
Theile eines Ganzen können fehlen, ohne dass das dieser Theile ermangelnde Subject
aufhören würde zu sein, was es ist; so z. B. lassen sich Menschen denken, welchen
Auge, Hand, Fuss fehlt. Undenkbar aber ist ein Mensch ohne die intellectuelle Anlage,
did ihn vom Thiere unterscheidet und ihn im Unterschiede vom Thiere zum Mensclien
macht. Wäre der Litellect bloss substantialer Theil des Menschen, so würde das Intelligere
Rer. princip. qii. 9. art. i, sect. 2. — Vgl. 4 dist. 43, qn. 2.
ocQ Kahl Werner.
per intellectum dem Yidere per oeuluiu üleiehzusetzcn sein. Indess selbst das Letztere
setzt voraus, dass das Gesicht Form des Auges ist; also müsste auch das Intelligere als
Form eines Theiles vom Menschen genommen wei'den. Aber der Mensch erkennt nicht
mit einem Theile seines AVesens, sondern als Ganzer-, also muss der Intellect Form des
o-anzen Menschen sein. Angenommen, dass der Intellect dem Menschen nicht unmittelbar,
sondern durch Vermittelung der anima sensitiva eigne, ist jene Vermittelung entweder
als mediatio dispositionis, oder als mediatio accidentalis, oder endlich als mediatio naturalis
zu fassen. Als mediatio dispositiva bezeugt sie den Formcharakter des Intellectes; denn
alle dispositiones mediae in der Materie zwecken auf eine zu introducirende Form ab.
Eine mediatio accidentalis anzunehmen ist unzulässig, weil für den Fall einer derartigen
Mediation dem Menschen das Menschsein und Intelligere etwas Zufälliges wäre. Für den
Fall einer mediatio naturalis aber oder mediatio ordinis naturae hat der Intellect eine
natürliche Inclination zum belebten Menschengebilde, die im gegebenen Falle nur als
Inclination der Form zum Stoffe begriffen werden kann. Der Intellect ist etwas dem
I\lensehen wesentlich Inhärirendes ; den Charakter einer solclien Inhärenz hat aber eben
nui- dasjenige, was sich zu dem, welchem es inhärirt, als Form verhält.
M'ir hurten oben, dass der Intellect zunächst Wesensform der Seelensubstanz sei:
und es fragt sich nun, wie dieser Formcharakter des Intellectes mit jenem anderen,
zufolge dessen er auch dem Leibe als Form eignen soll, zu vermitteln sei. An und für
sich zeuo-t es allerdings noch von einer ziemlich unentwickelten Sprechweise, wenn statt
des Ausdruckes ,sinnliche Lebendigkeit', die zufolge ihrer teleologischen Beziehung auf
das intellectuelle Thun und Wirken des Menschen die intellective Seele zu ihrer wesent-
lichen Lebensform hat, der Ausdruck , Leib' gebraucht wird;' wir müssen uns indess der
Denkweise des Duns Scotus anbequemen, der im Leibe als solchem und abgesehen von
seiner Lebendigkeit ein fertiges Esse sieht, das er im abstracten Denken festhält, ohne
sich um die mit den Lebensbedingungen des Leibes zusammenfallenden Existenzbedin-
gungen desselben zu kümmern. Er sagt freilich, dass die Seele als Yegetationsprincip
dem° Leibe das Esse substantiale verleihe; die Art und Weise aber, wie er diess aus-
spricht, bekundet hinlänglich, dass eine specielle Advertenz auf die Vitalvorgänge des
Leibes und überhaupt auf die Vitalität desselben gänzlich ausser seinem Gesichtskreise
lieo-e.- Demzufolge beschäftiget ihn vornehmlich nur das Verliältniss des Leibes zur
sensitiven und intellectiven Seele, deren jede seiner Erklärung zufolge in einer anderen
Art Formprincip des Leibes ist — die intellective Seele, sofern der menschliche Leib
in der ebenmässigsten Durchbildung seines Stoffes zur Vereinigung mit einem intellectiven
Formprincipe geeignet ist;^ die sensitive Seele, sofern dieser ebenmässigst durchgebildete
1 Duns Scotus erklärt, wie man nicht Woss die intellective Seele, sondern den Intellect selber Form des Leibes nennen könue,
in folgenderweise: Pars intellectiva, ut est de geuere substantiae, est forma et actus materiae, ipsa vero ut poteutia habet
esse in materia, quia illud, cujus est iiotentia, sive cum quo idem est, est in materia et forma materiae, et per consequens
• ipsa potentia intellectiva aliquo modo est in materia. Rer. princip. qu. 9, art. 2, sect. 2.
= Advertendum quod .anima humana, quae de se est vegetativa, sensitiva et intellectiva, si consideretur ut daus esse
substantiale, nee ut sensitiva nee ut intellectiva est forma corporis ut organiei, sed solum ut est corpus mistum et com-
plexionatum. Ibid.
3 Materia corruptibilis in humauo cori.ore est altissinia et nobilissiraa et dignissiraa, et ad actus altissimos, ut est in composito,
apta. Et hoc est, quod dicit Avicenna VI Naturalium part 4, c. ö: ,Con,plexio, quo magis accesserit ad medium comple-
xionis, aptius fiet ad recipiendum augmentum perfectionis vitae; cum vero tem]ieratissimum fuerit, ita ut contraria aequalia
sint in eo, et aequaliter operentur, coaptabitur perfectioni vitae rationabilis.' Ibid.
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotcs. 351
Leib das b es tge eignete Organ sinnlicher Wahrnelimung ist/ Die intellective Seele setzt
den leiblichen Organismus als etwas für sie Gegebenes voraus, und ist weder Wirkungs-
grund seiner Existenz, noch auch Princip seiner organischen Verrichtungen, während
die Sensationsfähigkeit doch wenigstens zur Yollkommenmachung der Functionen der
organischen Leiblichkeit dient, obschon der Bestand oder das Esse der organischen Leib-
lichkeit als solcher auch von der sensitiven Seele unabhängig ist. Wir entnehmen aus
dem Gesagten, dass die Intellectivität in ganz anderem Sinne Formprincip der Seele, als
die intellective Seele P"'ormprincip des Leibes ist; die Form der Intellectiven Seele ver-
leiht dieser das Sein, der Leib aber hat sein Esse unabliängig von der Intellectivität
der Seele, obschon mit durchgängiger Beziehung auf dieselbe, wodurch er sich von jedem
anderen bloss tliierischen Organismus unterscheidet.
Obschon die drei Informationsprincipien : die anima vegetativa, sensitiva und intel-
lectiva, nach der ausdrücklichen Erklärung des Duns Scotus substantiell Eins sind,^ und
die zwei ersteren, wie er sich ausdrückt, in der anima intellectiva wurzeln,^ so wird
doch die anima vegetativa von den beiden anderen sehr bestimmt unterschieden, sofern
er dieselben von aussen in das Product der elterlichen Zeugung eintreten lässt, während
die anima vegetativa diesem Prodiicte als solchem angehört. Die elterliche Zeugung pro-
ducirt also durch sich selbst nicht den ganzen Menschen, sondern bloss den Leib des-
selben als ein Gebilde, das zur Reception der intellectiven Seele disponirt ist-,* mit dieser
wird aber dem Leibe zugleich auch die sensitive Seele durch einen göttliclien Creations-
act infundirt,'' so dass die Menschenerzeugung weit mehr ein übernatürlicher, denn ein
natürlicher, weit mehr ein göttlicher denn ein menschlicher Act ist, und weit mehr ein
Schöpferact, denn ein Generationsact genannt zu werden verdient. Das menschliche
Zeugen unterscheidet sich hiedurch durchgreifend vom tliierischen Zeugen," durch welches
das Gezeugte in seiner Ganzheit aus dem Zeugungsstoffe educirt wird, also auch die
iinima sensitiva des Thieres. Er verwirft zwar den Gedanken eines der irdischen Materie
als solcher immanenten Lebens, das durch die thierische Zeugung gewissermassen aus seiner
Latenz hervorgezogen würde; aber er behauptet, dass die Wesensformen der thierischen
Existenzen keimartig in der IMaterie präexistiren , und durcli die Zeugung actualisirt
werden. Der Umstand, dass das Thier in Kraft der Zeugung eine sensitive Seele hat,
während diese dem Producte der menschlichen Zeugung von Aussen eingesenkt ward,
bekundet den Vorzug der menschlichen anima sensitiva vor jener des Thieres, welche
ausgedehnt und theilbar ist," während jene des Menschen zufolge ihrer substantiellen
Einheit mit der intellectiven Seele an der Einfachheit und Unausgedehntheit derselben
Theil hat, und mit ihr als tota in toto et qualibet parte corporis gegenwärtig ist. Als Educt
aus der irdischen Materie wäre die menschliche anima sensibilis vergänglich wie die
Thierseele, und so wüi'de in diesem Falle das in aufsteigender Ordnung allgemein sich
' In corpore humano duplex est conipositio; una corporis, inquantuiu corpus est sulistantia inista, complexionata in altissimo
et temperatissimo gradu mistionis et complexionis .... alia vero conipositio est corporis, ut est Iiabeus proportiones compe-
tentes organis, ut sunt susceptiva specicrum sensibilium. Quae dispositio consistit in debita quantitate et qualitate et tempera-
mento qualitatum miscibilium, secundum quas fit media ratio et proporlio ad suscipiendum in se species sensibilium. Ibid.
2 4 dist. 44, qn. 1.
3 Ker. jn-incip. qu. 10, art. 4.
■* Rer. princip. qu. 10, art. 2. — 4 dist. 43, qu. 3.
'' Rer. princip. qu. 10. art. 4.
*' Rer. princip. qu. 10, art. .S — 2 dist. !">, (ju. unic. — 2 dist. 18, qn. nnic.
' Rer. princip. qu. 12, art. 4. — 4 dist.l, ([U. 5 — 4 dist. 44. i|H. 1.
352 K'"'i' '^Verner.
bewährende kosmische Gesetz der in einei- bevorzugten Wesensclasse sich vollziehenden
Erhebung des Niederen in das ilim zunächst übergeordnete Höhere, gerade im Menschen,
dem Gipfel der sichtbaren Wirkliclikeit, plötzlicli zum Falle kommen. Das im kosmischen
Ganzen sich durcligängig vorweisende Aufstreben zu höheren und vollendeteren Scins-
weisen vollzieht sich nämlich in Form einer kegelartigen Zuspitzung, welche macht, dass
von den einer bestimmten Seinsstufe angehörigen Existenzen ein auserwählter Theil,
unter Zurücklassung aller übrigen auf ihrer Seinsstufe, in eine höhere emporgehoben,
und so über sich selbst erhoben wird. So zeigt sich ein Theil der zusammengesetzten
irdischen Körper in den Pflanzen aus der Seinsstufe der unbelebten minei-alischen Körper
in den Bereich der vegetativen Lebendigkeit erhoben •, in der Thierwelt das weitver-
breitete Gebiet der vegetativen Lebendigkeit in jenes der animalischen Sensibilität
erhoben. Demnach muss auch wieder die Sensibilität in einem bestimmten bevorzugten
Theile irdischer Lebewesen über sich selbst erhoben und in eine höhere Seinsstufe ein-
gerückt Av erden. Die kegelartige Zuspitzung im Aufsteigen zum Höheren zeigt sich
darin, dass von der unermesslich grossen Zahl der gemischten imd complexionirten
irdischen Körper nur ein Theil vegetatives Leben hat, von den vegetativ lebendigen
Körpern nur ein Theil sensibel ist, von den sensiblen Lebewesen nur ein Theil zugleich
auch intellectionsfähig ist. Die vollkommene Zuspitzung der auf der breiten Basis der
sinnlichen Naturexistenz sich erhebenden Pyramide vollzieht sich in Christus, in welchem
die intellective ]\Ienschenexistenz in die unmittelbare personhafte Einigung mit Gott
hineingenommen ist. Die wesenhafte Einheit der anima sensibilis mit der intellectiva
ist auch darum nothwendig gefordert, weil nur unter dieser Bedingung ein wirklichei^
Vorzug der menschlichen Sinnenseele vor jener des Thieres gCAvahrt ist; denn es ist
bekannt, dass der IMensch an Schärfe der Sinne vielen Thieren nachsteht, daher seine
anima sensibilis nicht durch ihre Thätigkeit, sondern nur vermöge ihres Wesensranges
über jener des Thieres stehen kann. Gegen den aus Aristoteles entlehnten Einwurf, dass
einzig der Intellect von Aussen in den Menschen komme, glaubt Duns Scotus (freilich
unrichtig) bemerken zu dürfen, dass Aristoteles an der bezüglichen Stelle' keineswegs
die intellective Potenz in ihrem Unterschiede von der sensitiven und vegetativen Potenz,
sondern die Substanz der intellectiven Seele meine, welche alle jene Potenzen in sich
schliesse. Wir haben hier zu constatiren, dass Thomas Aquinas, welcher die anima sen-
sibilis des Menschen als Product der elterlichen Zeugung ansieht,^ und einzig die intel-
lective Seele unmittelbar durch Gott verliehen werden lässt, nicht nur der aristotelischen
Auffassungsweise näher steht, sondern auch den Aristoteles richtiger interpretirte, als
Duns Scotus, dessen anthropologische Anschauungen in dem eben besprochenen Punkte
zu jener Art von Dualismus zui'ückstreben, wie er in des Gennadius Schrift de dogmatibus
ecclesiasticis vertreten ist. In der That beruft er sich für seine Ansicht von der wesen-
haften Einheit der anima sensibilis mit dei' anima intellectiva auf eine Stelle jener
Schrift,' die er übrigens nur aus der pseudo-augustinischen Schrift de Spiritu et Anima''
kennt und für eine xVeusseruns; Auffustins nimmt.^ Natürlicli hält sich Duns Scotus in
' Ashterai tbv voüv jj.övov OupxOsv IrsiaiEvai zai OeTov "tiia.: ao'vov. Gen. animal. II, "J, ]i. 736.
2 1 qu. 118, art. 1.
' Gemiad. dogm. occl. c. 14.
' De Spir. et An., c. 48.
'•> Die Stelle lautet: Dieinius, corpus per conjugii copulationem scniinari. Dei vero judicio coagulari in vulva matris et com-
jjingi atque formari, ao formato jani cor])ore animam creari et iufuudi, ut vivat ex utero homo ex corpore constaus et
■Die Psychologie und Eekenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 353
Folge dessen für berechtiget, aucli seine Ansiclit von der Unvergänglichkeit der anima
sensibilis des Menschen auf die Auctorität des heiligen Augustinus zu stützen, während
Thomas* die Berufung auf eine einschlägige Stelle in der Schrift de Spiritu et Anima ^
mit der Bemerkung abweist, dass jene Schrift keinen Anspruch auf Beachtung habe/
Thomas unterscheidet zwischen solchen Seelenkräften, deren Subject einzig die Seele ist,
und anderen, welche den Menschen als geistig sinnliches Wesen zum Subjecte haben.
Die Kräfte ersterer Art: Intellect und Wille, verbleiben der Seele auch nach ihrei-
Trennung vom Leibe; die Potenzen der sensitiven und nutritiven Seele verbleiben ihr
nach dem Leibestode bloss virtuell, nicht aber actuell.
Fragen wir nach einem inneren psychologischen Grunde, welcher Duns Scotus
bewegen konnte, an der Unvergänglichkeit und wesenhaften Identität der anima sensibilis
mit der intellectiva festzuhalten,' so wird es wohl kein anderer gewesen sein als dieser,
dem unsterblichen inneren Seelenmenschen den Vollgehalt des psychischen Innenlebens,
das nicht im Denken und Wollen aufgeht, zu retten.^ Bei Thomas lag die Sache anders;
indem er bestimmter und entschiedener als Duns Scotus das Wesen oder den Grund der
Seele von den Potenzen derselben abschied, konnte er in dem verborgenen Grunde dei'-
selben ein schlummerndes Sehnen und Begehren nacli absoluter Erfüllung und Befriedigung
voraussetzen, über dessen Ziel und Gegenstand erst die vom Leibe geschiedene Seele
zum vollkommen klaren Bewusstsein gelangt, und welches selber erst in der ihres Leibes
ledig gewordenen Seele mit voller Macht und Entschiedenheit sich vernehmbar macht.
Wir begreifen sonach, welches Interesse zufolge ihres strengen Festhaltens an der aristo-
telischen Psychologie Thomas, wie vor ihm schon Albert, haben konnten, das Wesen der
intellectiven Seele von den Potenzen, deren ausschliessliches Subject sie nach Aristoteles
ist, so bestimmt abzutrennen ; es handelte sich für sie darum, der geistig-seelischen Inner-
lichkeit des Menschen einen Lebens- und Thätigkeitsgehalt zu retten, der im bewussten
Denken und Wollen des irdischen Zeitmenschen nicht aufgeht, ja demselben nach ihrer
Ansiclit nicht einmal deutlich ins Bewusstsein tritt, es sei denn, dass Gnade und Er-
leuchtung den Menschen über sich selbst erheben. Duns Scotus hingegen Avollte den
Menschen eben in diesem inneren Kerne seines geistigen Lebens und Strebens fassen;
und da er gleichfalls an der aristotelischen Psychologie insoweit festhielt, dass er ihren
Schematismus der Seelenvermögen als kanonisch giltig hinnahm, so wusste er dem
inneren Seelenmenschen den V-ollgehalt seines Lebens und Empfindens nur dadurch zu
retten, dass er die von Aristoteles der sensiblen Seele zugeschriebenen irasciblen und
concupisciblen Thätigkeiten, also mit Einem Worte das Affectleben der Seele in die inner-
lichste Tiefe derselben verlegte und mit dem intellectiven Begehren derselben innigst
anima. Nee duas animas credimiis esse in uno homine, unam seil, animalem .... et alteram spiritualem . . . sed dicimus
unam animam eandemqne esse in homine, quae et corpus sna societate vivificat et seraetipaam sua ratione disponit.
' 1 qUf 77, art. 8.
- Dicitiu" in libro de Spir. et an. (c. 15 a princij).), qnod anima secedit a corpore seciim traliens sensuni et imagiiiationeni,
rationem et intellectura, intelligentiam, concupiseibilitatem et irascibilitatem. — Diese Stelle ist aus Isaak's v. Stella Schrift
de anima entnommen.
^ Liber ille auctoritatem non liabet; unde qnod il>i scriptum est, eadem facilitate contemuitur, qua dicitur. L. c.
^ Vgl. auch Huge a St. Victore Erud. didascal, II, 5: Simplex substantia est anima, nee aliud, nee minus est ratio in
substantia qxiam anima; nee aliud, nee minus est irascibilitas vel concupiscibilitas quam anima; sed una eademqne svilj-
stantia secundum diversa.? poteutias diversa sortitur vocabula. Has potentias naturaliter habet, antequam corpori niisceatur.
5 Ein sinnliches Empfinden spricht Duns Scotus der anima separata eben so gut wie Thomas ab: Potentiae sensitivae aub
i'atione completa, qua sunt principium operandi, non remanent in anima separata, sed incomplete et in radiee. Rer. princip.
qu. 11, art. 2.
Denkscliriften der phil.-Mst. Cl. XX VI. BJ. • 4ö
0^4 Kaul Webner.
versclimolzen dachte. Da er aber nicht Mystiker, sondern Scholastiker war, so di'ängte
er die affectuosen Stimmungen der mystischen Theologie in sicli selbst so weit zurück,
als es ihm im Interesse eines scharfen und klaren Denkens geboten schien ; da ihm indess
das Gebiet der metaphysischen Realerkenntniss sich in dem Grade verengte, in welchem
er die Ansprüche eines strengen Denkens steigerte, so kam er unter Verzicht auf eine
speculatlve l-Lrkennbarkeit dessen, was der im gläubigen Denken festgehaltenen über-
irdischen AVirldichkeit angehört, dahin, den Inhalt dessen, was die kirchliche Theologie
über die höchsten, ewigen Ziele der Menschheit lehrt, unter dem vorherrschenden Ge-
sichtspunkte eines praktischen AVillensinteresses anzusehen, wobei er aber als Christ,
als Theolog und Ordensmann eben nur an den in heiliger Liebe geklärten, Gott zuge-
wendeten Seelenwillen dachte. Diess ist der eigentliche Sinn und innerste Grundgedanke
seiner Lehre von der im Menschen in die Region der Intellectivität emporgehobenen
anima sensitiva. Mit dieser seiner theologisclien Grundrichtung hängt sein anthropologischer
Dualismus auf das engste zusammen. Je schärfer sich in seinem Denken die übernatür-
liche Ordnung von der natürlichen abschied, desto mehr stellte sich ihm letztei-e in einem
gewissen Grade relativer Unabhängigkeit von ei-sterer dar. Diese Auffassung reflectirtc
sich sodann auch in seiner Anschauung vom Menschen, der zunächst in seiner seelisch-
geistigen Innerlichkeit in den Zusammenhang mit jener höheren übernatürlichen Ordnung
gezogen ist; die irdische Leiblichkeit besteht in einer relativen Unabhängigkeit von der
seelisch-geistigen Innerlichkeit, und die unmittelbare Verbindung zwischen Seele und
Körper ist bei Duns Scotus nur dadurch hergehalten, dass er sich zu dem Satze von dei-
Seele als Lebensprincip des Leibes bekennt, so ungenügend auch immerhin die in den
allgemeinen metaphysisch -kosmologischen Anschauungen seines Denksystems enthaltene
Begründung desselben ist. Der anthropologische Dualismus des Duns Scotus hat seiner-
seits wieder seinen Rückhalt in dem eben aufgewiesenen allgemeinen Verhältniss zwischen
Stoff und Form. Duns Scotus steht bezüglich dieses Punktes in seinem Zeitalter nicht
vereinzelt da. Der Satz, dass die Materie ein von der Form unabhängiges Esse habe,
findet sich auch bei Heinrich von Gent ;* die Lehre von den der Materie eingeschaffenen
Rationes seminales gehört zwar zunächst Augustinus an, ist aber in der Naturlehre des
Landsmannes und Ordensgenossen des Duns Scotus, Roger Bacon, ausgeprägt, von dessen
geistigem Einflüsse, wenn auch nur mittelbar und theilweise, Duns Scotus immerhin
berührt worden sein mag.
Duns Scotus verwirft die thomistische Unterscheidung eines realen Unterschiedes
zwischen dem Wesen der Seele und den Kräften derselben, und entscheidet sich mit
Bonaventura für das Gegentheil dieser Ansicht.' Man könne nicht läugnen, dass die Seele
Subject oder Träger ihrer Acte sei ; unmittelbarer als diess aber ist sie die active A er-
anlasserin derselben. "Wenn sie nun Subject ihrer Acte nur als Substanz sein kann, so
werden um so mehr ilire Thätigkeitsemotionen unmittelbar ihrem substantiellen Wesen
angehören. Jede Substanz ist unmittelbare Ursache des durch sie gewirkten Accidens
proprium; wie z. B. ein Feuer, welches einen Gegenstand brennen macht, unmittelbar
durch sich selber, durch seine Wesensform Ursache des erzeugten Feuers ist, und umge-
kehrt auch dieses aus der Materie, also aus der Substanz des entzündeten Objectes,
educirt wird. Die Seele ist zur Einigung mit Gott, dem absolut Einen bestimmt; die
' Quotllibetica I, qu. 10.
- Rer. princip. qu. 11, art. 3. — 2 dist. l(i, qu. unic. — 4 dist 44, qu. 2.
Die Psychologie und Ekkenntnisslehbe des Johannes Duns Scotus. 355
Einigung vollzieht sich im Erkennen und Wollen der Seele, also müssen auch die Kräfte
des Erkennens und Wollens mit dem Wesen der Seele Eins sein, weil sonst die Seele
durch sie nicht zur unmittelbaren Vereinigung mit Gott gelangen könnte. Die Seele geht
aus dem Schöpferwillen Gottes, der mit Gott identisch ist, ohne ein vermittelndes Medium
aus, und muss daher auch Gott als ihr Ziel ohne ein dazwischen tretendes Medium
erreichen können-, also müssen Erkenntniss und Wille mit dem Wesen der Seele Eins
sein, können nicht ein Superadditum dieses Wesens sein. Die Seele ist ein Bild des drei-
einigen Gottes ; gleichwie nun in der göttlichen Wesenheit die Personsunterschiede
Relationsunterschiede sind, so werden auch die Potenzen der Seele bloss beziehungs-
weise Unterschiede im Sein der Seele constituiren. Man hat in der seelischen Potenz
Materie und Form zu unterscheiden-, die Materie ist mit der Substanz der Seele gegeben,
die Form durch die Wirkungsweise,' diese aber durch das Object, auf welches sich das
Wirken bezieht. Je nachdem nun das Wirken der seelischen Potenzen auf das Seiende
als solches oder auf das begränzte und verengte Seiende geht, ergibt sich der Grund-
unterschied oder generische Unterschied zwischen intellectiver und sensitiver Potenz. Die
intellective Potenz unterscheidet sich vom Willen durch den Modus der Beziehung auf
ein bestimmtes Object;^ die sensitive Potenz diversificirt sich nach Verschiedenheit der
sensitiven Potenzen. Erkennen und Begehren, welche die von einander unterschiedenen
Modos der Selbstbeziehung der intellectiven I\)tcnz auf das Object ausdrücken, sind
selbstvei-ständlich auch Acte der sensitiven Seele, werden aber als solche von Duns Scotus
nicht speciell hervorgehoben, weil ihm die sensitive Seele mit der intellectiven sachlich
Eines ist; als specifische Potenzen der anima sensitiva bezeichnet er nur eben solche,
welche der Seele in ihrer Vereinigung mit dem Leibe zukommen und deren Actionen
sonach Actiones conjuncti sive compositi humani sind.
Duns Scotus lässt sowohl das Erkennen als auch das Begehren der Seele erst durch
die specifische Beziehung- auf ein sinnliches Object zu einem sinnlichen Erkennen und
Begehren werden, und theilt die Bewegungen des Concupiscibile und Irascibile der intel-
lectiven Seele als solcher zu ; das Zusammensein der anima intellectiva mit der sensitiva
involvirt ihm nur eine specielle Tingirung jener Bewegungen. Diess erhellt daraus, dass
er das Erkenntniss- und Affectleben der Engel durchaus nach Analogie des menschlichen
fasst, und demzufolge auch Engel und Menschenseele entschieden näher aneinanderrückt,
als es in der thomistischen Theologie der Fall ist. Der Engel konnte als geistiges
Wesen — sagt Thomas Aquinas^ — nur durch die Sünde des Hochmuthes fallen ; und
dieser ersten Sünde konnte als zweite Capitalsünde nach dem Falle nur noch der Neid
(über die göttliche Vollkommenheit und über die Unschuld des Menschen) nachfolgen.
Duns Scotus bestreitet,* dass das W'esen der Sünde des Engels der Hochmuth gewesen
sei. Die Sünde des fallenden Engels war eine grösste unheilbare Sünde -, der Hochmuth
ist aber nicht die grösste Sünde, weil sonst die Demuth die grösste der Tugenden sein
müsste, während sie doch sicherlich der Charitas und der Amicitia nachsteht. Zudem
ist der Hochmuth eine Regung des Irascibile, welche jedoch immer erst einer Erregung
' Daher die scotistische Formel, dass die Potenzen der Seele vom Wesen derselben formaliter verschieden seien.
- Distinctio intellectivae potentiae a vohmtate apparet ex modo tendendi in objectum, coguitione vel affectu. Rer. priiuip.
qu. U, art. 2.
a 1 qu. 63, art. 2.
■• 2 dist. 6, qu. 2.
4ö*
356 Karl Werner.
des Coneupiseibile nachfolgen kann ; Jedes Nolle liat, wie Anselm von Canterbiiry in
seiner Schrift de casu diaboli lehrt, zu seiner Voraussetzung ein Vcllc' Dieses spaltet
sich seinerseits wieder in ein Velle amicitiae und Velle concupiscentiae, welches dem
Velle amicitiae nachfolgt. So hat denn auch die Sünde des Engels mit einem Amoj-
amicitiae begonnen, und zwar mit einem ungeordneten Amor amicitiae suiipsius, der
sodann weiter ein ungeordnetes Velle concupiscentiae nach sich zog. Dieses A^elle kann
nur als ein ungeordnetes Begehren nach Glückseligkeit verstanden werden, das sich nicht
an die Forderungen der Gerechtigkeit kehrte, sondern einzig das selbstische Interesse
im Auge hatte. So fasst auch Anselm dieses zweite Velle.' Dasselbe erklärt sich psycho-
logisch aus der Analogie, welche es mit dem durch den Sehsinn provocirten Gelüsten in
der ersten Menschensünde hat. Dieses Gelüsten war durch einen sinnlichen äusseren Ein-
druck bedingt, welcher das Begehren auf ein bestimmtes sinnliches Object als höchstes
Begehrenswerthes lenkte; beim Engel fällt diese Beschränkung auf ein besonderes sinn-
liches Object hinweg, somit konnte das Velle concupiscentiae schlechthin nur auf das
Seligsein als solches sich beziehen. Sündhaft war dieses Begehren als ein der Regel der
Gerechtigkeit entzogenes, somit eigensüchtiges Begehren. Daran konnten sich im weiteren
Progresse dei- Wesens- und Willensverkehrung hochmüthige Selbsterhebung über andere
Wesen gleicher Art, Begehren nach gottgleicher Seligkeit, Hass gegen die nicht abwend-
bare Oberherrschaft Gottes, endlich der Wille, dass Gott nicht sei, anschliessen. Die
Sünde des Engels schloss also den Hochmuth erst als Folge ihrer genetischen Ent-
wickelung in sich. Der ungeordnete Amor amicitiae zu sich selber, wovon jene Sünde
ihren Ausgang nahm, ist weit mehr unter die Capitalsünde der Wollust einzubeziehen ;
ausser der grobsinnlichen Wollust gibt es auch eine feinere geistige.^ Die weiter noch
aufgewiesenen imgeordneten Regungen sind unter die Capitalsünden des Zornes" imd
Neides einzubeziehen, so dass ausser der Gula und Acedia, die nur beim Menschen als
sinnlichem Erdenwesen möglich sind, so ziemlich alle Capltallaster des menschlich Bösen
in der Sünde des Engels aufzuweisen wären.' Daraus erklärt und begründet sich der
von Duns Scotus gelehrte Satz,'' dass Engel und Menschenseele sich nicht wie zwei ver-
schiedene Arten von Specles zu einander verhalten, sondern die Menschenseele eine
Theilspecles der durch die Engel repräsentirten Specles von Wesen darstelle.
Die menschliche Seele ist ein Bild des dreieinigen Gottes,'' sofern in ihr die drei
Potenzen Memoria, Intellectus, Voluntas, zu unterscheiden sind, welche so auseinander
1 Duns Scotus verweist auf das von Anselm gewählte Beispiel de casu diaboli c. 3: Avarus, cum vult tenere nummum, et
mavult panem, quem habere nequit nisi nummum det, prius vult dare i. e. deserere nummum, quam non velit tenere. Non
enim illum ideo vult dare, quia non vult tenere; sed ideo non vult tenere, quia ut panem habeat, necesse est dare.
2 Aperte video — erwidert in Anselra's Dialoge de casu diaboli c. 4 der Schüler dem Lehrer - quia peccavit et volendo
quod non debuit, et non volendo quod debuit; et palam est quia non ideo voluit plu.s quam debuit, quia noluit tenere justi-
tiam; sed ideo justitiam non tenuit, quia -aliud voluit, quod volendo illam deseruit, .sicut in avaro de nummo et i)ane
monstrasti.
' Peccatum, in quo inordinate delecfatur quis in speculatione conclusionis geometricae, ad Uixuriam reducitur — bemerkt
Duns Scotus erläuternd hiczu.
< Vgl. dagegen Thomas Aq.: Ira cum quadam passione est, sicut et concupiscentia; unde ipsa in daemonibus esse non j.otest,
nisi metaphorice. 1 qu. 43, art. 2.
'•• Dass in der von Duns Scotus versuchten Weise, die menschliehen Capltallaster in der Sünde des Engels nachzuweisen,
auch die Avaritia aufgewiesen werden könnte, zeigt Tliomas 1. c: Si avaritia dicatur omnis immoderata cupiditas habendi
quodcunqne bonum creatum, sie avaritia contiuetur in daemonibus, sicut et superbia.
6 2 dist. t, qu. 4.
■> 2 dist. 10, qu. iinio.
Die Psychologie und Ekkenntnisslehee des Johannes Duns Scotus. 357
hervortreten, wie in der göttliclien Dreieinlieit der Sohn aus dem Vater, und der Geist
aus Beiden hervorgeht. Aus der Memoria geht sonach der Intellect, aus beiden die
Voluntas hervor. Jedoch nur, soweit diese drei Potenzen activ sind, stellt sich in ihnen
formaliter das Bild der göttlichen Dreieinheit dar, abgesehen hieven nur virtualiter, weil
die Potenzen an sich und bevor sie in die Thätigkeit übei'gegangen sind, nicht actuell
auseinandertreten.' Wenn wir oben Duns Scotus als scholastischen Perij)atetiker bloss
zwei Potenzen der intellectiven Seele: Intellect und \Yille, unterscheiden sahen, während
er als Theolog mit dem heiligen Augustinus drei Potenzen nennt, so sehen wir hier
zunächst eine Kluft zwischen rationellem und gläubigem Erkennen constatirt, die wir
uns aus der schon betonten Schärfung des Gegensatzes zwischen Natürlichem und Ueber-
natürlichem bei Duns Scotus zu erklären haben. Weiter entnehmen wir aber aus der
Analogisirung der Memoria mit der ersten Hypostase des göttlichen Ternars, welche im
Vei-hältniss zu den beiden übHgen die Essenz des göttlichen "Wesens repräsentirt, dass
auch die Memoria im Unterschiede von Intellect und Wille mehr oder weniger mit dem
Wesen der Seele selber zusammenfalle, diese also ihrem AVesensbegriife zufolge denk-
haftes Sein sei. Daraus erklärt sich das Widerstreben des Duns Scotus gpgen die
thomistische Abscheidung der Potenzen der intellectiven Seele vom Wesen derselben. Er
will eine Unterscheidung beider nur insoweit zugeben, als dieselbe denknothwendig
gefordert ist; man wird den Sinn des oben angeführten Terminus: Distinctio foi-malis,
dahin zu bestimmen haben, dass die intellective Seele in der Thätigkeit ihrer intellectiven
Potenzen gewisser Massen sich selber actualisire, sich Form und Gestalt gebe. Das
Denken des Duns Scotus war jedoch zu sehr formalisirt und in abstract metaphysischen
Kategorien befangen, als dass er sich zu einer derartigen Verlebendigung der von ihm
selbst aufgestellten Verliältnissb estimmun g zwischen Wesen und Kräften der Seele hätte
erschwing-en können. Zudem liess er die Memoria, welche den Ansatz einer Verleben-
digung und Vertiefung des peripatetischen Seelenbegriffes hätte abgeben müssen, ausser
dem Bereiche seiner psychologischen Forschung ; sie hatte für ihn nur ein erkenntniss-
theoretisches Interesse, und wird daher von ihm, wie bei den übrigen Peripatetikern nur
in der Lehre vom Erkennen abgehandelt. Schon seine Eintheilung der Memoria in ein
sinnliches und intellectives Gedächtniss gibt dies zu erkennen ; an die auf sich selbst
stehende Bedeutung derselben wird nur einmal angestreift — da nämlich, wo Duns Scotus
die drei Potenzen der Seele: Memoria, Intellectus, Voluntas, mit den drei Passiones Entis:
Unum, Verum, Bonum, in Parallele stellt, und ihr Verhältniss zur Seele aus jenem der
genannten Passiones Entis zum Ens als solchem erläutert. Zugleich aber bekundet
dieser Vergleich das Festgebanntsein des Duns Scotus in abstracten ontologisch- meta-
physischen Denkkategorien, die für sich allein nicht ausreichen, das Wesen der Dinge
zu erklären.
Die Psychologie des Duns Scotus fasst ihrem Inhalte nach Ontologisch - Meta-
physisches, Erkenntnisstheoretis'ches \md Thelematologisches in sich, und bekundet hie-
durch Art und Grad ihrer Ausbildung. Die Erkenntnissthätigkeit der Seele betreffend
geht Duns Scotus von dem in der Scholastik gemeingiltigen Satze aus, dass die Seele
ursprünglich tabula rasa sei, und von der Erkenntniss des Sinnlichen sich zur Erkennt-
So weit die Potenzen der Seele nicht activ sich bethätigen, ist die des Erkennens und Wollens fähige Seele formaliter mir
ein Bild der göttlichen Wesenheit als solcher, abgesehen von der in der Einheit dieses Wesens sich aufschliesseuden Drei-
heit. Ibid.
358
Karl Werner.
niss des Uebersinnliclien zu erheben habe. Dieser Satz steht bei ihm in engster Ver-
bindung mit seinem anthropologischen Dualismus,' und erhält auch eine demselben
entsprechende Gestaltung. Die Lehre von der Nothwendigkeit der l'rilccdenz der sinn-
lichen Erkenntniss spitzt sich in den Satz zu, dass das Esse oder die actuale Existenz
der Sinnendinge den Inhalt der sinnlichen Anfangserkenntniss des Menschen bilde,
welche die Unterlage aller weiteren Erkenntnisse bilde. Dieses Esse der Sinnendinge
bildet das Correlat zu dem von Duns Scotus so entschieden betonten Esse des Leibes
im Unterschiede vom Esse der Seele, und das Betonen jenes Esse steht einerseits in Ver-
bindung mit der bei Duns Scotus durchschlagenden Bedeutung des Individuellen als des
Hocce esse, andererseits bekundet es die gegen den speculativen Thomismus reagirende
Auffassung des sinnlich Wirklichen. Das speculative Interesse des Thomismus bezieht
sich auf die Bewältigung des in der sinnlichen Erfahrung Gegebenen durch geistige
Ergreifung der in den einzelnen Sinnendingen plastisch ausgeprägten Formgedanken.
Das menschliche Erkennen ist nach Art des menschlichen Seins zu fassen; dieses muss
sich in jenem reflectiren. Wie nun der Mensch eine • plastische Einheit von Stoff und
Form, und das Stoffliche ganz und gar in die Wesensform hineingenommen ist, so dass
es sein Esse nur in und kraft dieser hat, so ist auch die Erkenntniss des Dinges durch
die Apprehension der in ihm ausgeprägten W^esensform vermittelt, und geht in dieser
Apprehension auf; durch jene Apprehension ist das besondere Ding selber in seiner
Besonderheit ergriffen (wenn schon nicht unmittelbar zugleich auch begriffen). In diesem
Sinne lehrt Thomas,' dass der menschliche Intellect das Singulare in den Sinnendingen
nicht direct und unmittelbar, sondern durch Vermittelung der Species intelligibilis, oder
wie wir sagen würden, der aus der Sinnesvorstellung hervorgezogenen Idee des Dinges
erkenne. Dem gegenüber behauptet Duns Scotus, dass der Intellect in allen sinnlichen
Wahrnehmungen der menschlichen Seele gegenwärtig sei, gleichwie nach Aristoteles die
Kraft des ersten Bewegers in den Actionen aller ihm subordinirten Bewegungsprincipien
gegenwärtig ist, und dass die sinnliche Erkenntniss als solche eben nur in Kraft dieser
activen Präsenz des Intellectes im sinnlichen Wahrnehmen sich actuirt.^ Demzufolge wird
das Sinnending unmittelbar durch die sinnliche Wahrnehmung der intellectiven Seele
erkannt, und wäre ausserdem dem Intellecte gar nicht erreichbar, da die Imagination,
aus deren Vorstellungsbilde der Intellect nach Thomas den Wesensgedanken des Dinges
hervorzieht, nicht das Ding, wie es an sich ist, sondern bloss eine subjective Vorstellung
präsentirt. Duns Scotus ist, wie wir aus dem Gesagten entnehmen, mit Thomas über die
objective Wahrheit unserer Sinneserkenntniss einverstanden, versteht aber unter dieser
objectiven Wahrheit nur die objective Wirklichkeit des Dinges, mit welcher das, was das
Ding an sich ist, unmittelbar schon gegeben sei. Während Thomas in dem einzelnen
Sinnendinge die auf eine bestimmte Art determinirte Materie sieht, deren im Intellectus
possibilis recipirte Wesensform durch den Intellectus agens ans Licht gezogen werden
soll, sieht Duns Scotus im Sinnendinge das auf eine bestimmte Art determinirte Sein,
1 Si igitm- in homine, in quantura honio, est multiplex cognitio, sensitiva seil, et iutelleetiv.i, in bomiue sunt duae naturae,
seil, corporalis et spiritualis, ail quam corporalis sive corpus ordinatur, sicut imperfecttira ad perfectuni. Ergo pari ratione,
cum sint duae cognitiones in eo, uua seil, sensitiva, quae est imperfecta et tenens se ex parte corporis, ordinabitur ad eam,
quae se tenet ex parte animae tanquam ad perfectum. Rer. princip. qu. 13, art, 1, sect. 3.
2 1 qu, 86, art. 1.
3 Rer. princip. qu. 13, art. 3 — 2 dist. 3, qu. 11; 2 dist. qu. 2; 3 dist. 14, qn. 3. - Quodlibet 13, art. 2.
Die Psychologie und Brkenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 359
dessen Gedanke diircli den Intellect unmittelbar, und zugieioli mit der sinnliehen Wahr-
nehmung, aufgegriffen Avird; die Seele ist in dem Wahrnehmungsacte zugleich empfindende
lind denkende, der wahrgenommene Gegenstand drückt sich unter Einem dem Sinne und
Intellecte ein, und dieser Eindruck besagt durch sich selber, was das Ding sinnlich und
geistig sei. Für Duns Scotus gibt es keinen Intellectus possibilis als eine vom Intellectus
agens verschiedene Potenz; er kann bloss die zur intellectuellen Apprehension noth-
wendige Eindrucksfähigkeit oder passive Wahrnehmungsfähigkeit der intellectiven Potenz
bezeichnen, welche sachlich mit der intellectiven Seele selber p]ins ist. Der von der
sinnlich concretisirten Selbstdarstellung des Sinnendinges hinwegsehende Allo-emein-
gedanke des Dinges ist die in jedem sinnlichen Walirnehmungsacte der intellectiven Seele
unmittelbar enthaltene Zugabe der intellectiven Thätigkeit der wahrnehmenden Seele.
Sie sieht in dem so oder so modificirten Phänomen eines Steines, Baumes, Menschen
neben und in den sinnlichen Modificatlonen des Erscheinenden unmittelbar auch den
Stein, Baum, Menschen als solchen, der ihm eben in jener sinnlich individualisirten Er-
scheinungsform sich darstellt. Was sich dem Intellecte in dem von ihm mittelst der
sinnlichen Wahrnehmung apjjcrcipirten Objecto darstellt, ist nicht der auf eine bestimmte
Art gestaltete Stoff oder die bestimmte Gestaltung desselben als solche, sondern die
durcli diese bestimmte Gestaltung und Individuli-ung des Stofflichen ausgedrückte Deter-
mination des Seienden als solchen. Denn das dem menschlichen Intellecte adäquate Object
der Erkenn tniss ist nach Duns Scotus nicht, wie Thomas will, die im Stoffe ausgeprägte
Form, sondern das Seiende als solches. Er denkt sich also die menschliche Seele vom
sinnlichen Stoffe unabliängiger und rückt sie den leiblosen Engeln näher als Thomas;
was er aber freilich nur dadurch bewerkstelligen kann, dass er letztere aus der erhabenen
Hohe, in welche die Thomistische Sjieculation sie emporhebt, herabrüekt, um sie auch
in Bezug auf ihre cognoscitiven Thätigkeiten dem Menschen näher zu bringen, was ihm
um so näher lag, da sie ihm nicht rein immaterielle Wesen, wofür sie Duns Scotus nahm,
sondern aus Form und Materie zusammengesetzte Wesen sind. Er besteht insbesondere
darauf,' dass man den Engeln einen Intellectus agens und possibilis, nicht mit Thomas
blos aequivoce,^ sondern univoce, d. h. in demselben Sinne, wie dem Menschen zutheile.
Dem Engel den Intellectus agens absprechen, hiesse ihn entweder Gott gleichstellen
oder tief unter den Mensclien stellen ; ihm den Intellectus possibilis aberkennen, hiesse
so viel, als ihm die Möglichkeit einer Erkenntniss der Einzeldinge, oder doch der
Existenz der Einzeldinge absprechen. In Bezug auf die Erkenntniss der Sinnendinge
besteht der Grundunterschied zwischen Engel und Mensch nur darin, dass sich dem Engel
aus der Wahrnehmung unmittelbar der Begriff des Dinges ohne Eintauchung und Tin-
girung desselben im menschlichen Vorstellen ergibt. Die Annahme eines Intellectus
possibilis im Engel ist eine denknothwendige Consequenz seiner Zusammensetzung aus
Materie und Form ; dui-ch den Intellectus possibilis ist aber zugleich auch der Intellectus
agens involvirt, weil die Thätigkeiten beider sich wechselseitig fordern und bedingen,
da dem Intellectus agens jene Art abstractiver Thätigkeit, die ihm Tliomas zutheilt,
nicht zukommt, somit auch das Wesen des Intellectus possibilis nicht mit Bezug auf
jene fälschlich angenommene abstractive Thätigkeit des Intellectus agens bestimmt werden
kann. Der Intellectus possibilis bedeutet einfach die Receptionsfähigkeit der denkfähigen
> 2 dist. 3, qu. 11.
- Vgl. Thom Aq. 1 qu. 54, art. 4.
nnn KaRL WeRNKR.
Substanzen, der Intellectus ugens die iiitellective Actionsfähigkeit derselben-/ und diese -j
letztere beschränkt sich einfach auf die logistischen Thätigkeiten des Unterscheidens,
Vero-leichens, Urtheilens, und Schliessens in Bezug auf das durch unmittelbare intcU
lectuelle Apprehension Appercipirte. Diese rein intellectualistische Auffassung des
geistigen Denklebens macht es Duns Scotus möglich, Engel und Menschenseele in
Bezug auf ihre beiderseitigen cognoscitiven Denkthätigkeiten näher aneinanderzurücken;
sie setzt auch einen ganz anderen Grundcharakter der Seele als intellectiven Denkwesens
voraus. Die Seele ist da einfach nur Spiegel der in sie hineingeworfenen geistlgeii
Eeflexe der existenten Dinge, nicht aber die active Auswirkerin dieser Reflexe und
geistige Nachbildnerin der mittelst derselben in ihr sich spiegelnden gegenständlichen
Wirklichkeit der Begriff der intellectiven seelischen Lebendigkeit also jedenfalls ein
minder lebendiger, als der in der Thomistischen Speculation angestrebte.
Es wäre indess unbillig und verfehlt, die relative Berechtigung der Opposition des
Duns Scotus gegen die Thomistische Erkenntnisstheorie irgendwie bestreiten zu wollen.
Sao-en wir es einfach, der Thomistische Gredanke einer Hervorziehung des Wesensgedankens
des sinnlichen Dinges aus seiner sinnlichen Erscheinung oder aus dem Reflexe derselben
in der seelischen Innerlichkeit ist ein unwahrer Gedanke, der mit einem in der Tho-
mistischen Speculation nicht überwundenen unphilosophischen Empirismus aufs engste
zusammenhängt. Den Wesensgedanken eines Dinges kann die Seele nicht aus dem
gegebenen Dinge abziehen, sie muss ihn aus sich selbst hervorstellen; die Ideen kommen
nicht durch Abstraction zu Stande, sie sind unmittelbare geistige Intuitionen, sie sind
Gedanken, die aus den Tiefen der inneren seelischen Denknatur, des inneren geistigen
Denklebens der Seele herausgesetzt werden. Der Aufgang des idealen Denklebens in
der seelisclien Innerlichkeit ist allerdings durch den lebendigen Verkehr des Menschen
mit der gegenständlichen Wirklichkeit bedingt, diese ist die unumgänglich geforderte
Erregerin "des seelischen Denklebens; sie gibt aber nicht die Ideen so zu sagen selber
an die Hand, sie kann nur das Aufwachen derselben in der Seele sollicitiren, zum Auf-
leuchten derselben in den Tiefen der seelischen Innerlichkeit nur den Anstoss geben.
Anima est quodammodo omnia — sagt Thomas mit Aristoteles ; ist sie dieses Omnia als
lebendige Wirklichkeit, so müssen in Ihr der Potenz nach die Ideen aller Dinge auf-
gehoben sein, und je nach Art und Grad der geistigen Berührung mit der gegen-
ständlichen Aussenwelt sich In ihr auch thatsächlich actualisiren. Man kann sodann
Immerhin zugeben, dass die der irdischen Leiblichkeit eingesenkte Seele niclit jenen
Standort einnehme, der sie befähigen würde, sich zu der ihr zeitlich übergeordneten
überirdischen Wirklichkeit in dasselbe geistig active Verhältnlss zu setzen, in welches
sie schon ihrem Wesen nach zu der ihr untergeordneten irdischen Wirklichkeit gestellt
ist; und insoferne hat allerdings Thomas das Recht zu sagen, dass die 'irdische Sinnen-
welt das der menschlichen Seele specifisch appropriirte Object der Erkenntniss sei; es
ist aber unzulässig und mit ihrer Geistnatur unverträglich, sie zur sinnlich -irdischen
Wirklichkeit in jenes gebundene Verhältniss zu setzen, welches ihr Thomas durch die
Una et eadem potentia, quae necessario dififert ab actu intelligendi, dicitur liossibilis et pasniva, non passione objectiva sed
subjectiva, in quantum est passibilis ad determinationem et conservationem actus, receptionem speciei vel habitus infor-
mationcm; illa eadem inquatitum habet vim per quam judicat, comparat et inquirit, considerat et similia exercet opera,
dicit agenn. Et si vis in lii's facere distinctiouem, potius debent dici duae vires vel vii-Mes uniiis polentiae. Rer. princip.
qu. 14, art. 2.
Die Psychologie und Eekenntnisslkhkk des Johannes Duns Scütus. 361
eigenartige Auffassung und Dui'chführung des Begriffes dei- Seele als substantieller
Wesensform des Leibes gibt. Die Mängel in seinen Bestimmungen über Wesen und
Functionen des Intellectus possibilis und agens sind einfach nur Consequenzen der noch
unfreien und gebundenen Auffassung der Seele als Wesensfoinn ; wird die Seele als leib-
freie actuose Form erkannt, die als absolute Form der sichtbaren Wirklichkeit alle Wesens-
und Lebensformen derselben in höherer Einheit in sich aufgelioben trägt, so kann der
Intellectus possibilis als solcher nur die Erregungsfälligkeit der Alles zu denken fähigen
Seele bedeuten, der Intellectus agens Avird sich zum Inbegriffe aller jener geistigen
Functionen erweitern, mittelst deren die seelische Denknatur das explicite Verständniss
der in ihren ideellen Apprehcnsionen geistig aufgegriffenen gegenständlichen Wirklich-
keit auswirkt und gestaltet.
Duns Scotus schien durch Urgirung einer der intellectiven Seele subordinirten zweiten,
secundären Substantialfoi'm des Menschenwesens ein freiej'cs, vei'mittelteres Yerhältniss
der Seele zu dem ilir eignenden Leibe und der gegenständlichen sinnlichen Wirklichkeit
anbahnen zu wollen, blieb aber an der unlebendigen und unfreien perij)atetischen Auf-
fassung des Begriffes der Substantialform liaften, wie sich schon darin zeigt, dass er den
Leib als Ort der Seele fasst, und das correlative entgegengesetzte Yerhältniss auch nicht
von ferne berührt. Er that eben von der im Thomismus ermittelten Bestimmung des
Verhältnisses zwischen Leib und Seele hinweg den ersten Schritt zu jenem unvermittelten
anthropologischen Dualismus liin, wie er später sich im Cartesianismus dai-stellte. Auf
erkenntnisstheoretischem Gebiete reflectirte sich das Abgehen von der im Thomismus
zum Ausdrucke gekommenen Idee einer plastischen Einheit des Menschenwesens im Aber-
kennen des specifischen Charakters des menschlichen Erkennens, welches im Unterschiede
vom Erkennen rein geistiger Wesen in der plastischen Ineinsbildung von Bild und Idee,
sinnlicher und geistiger Anschauung sich auswirkt. Der imaginative Trieb der seelischen
Denknatur liegt gänzlich ausser dem Bereiche der Beachtung des Duns Scotus ; diess ist
es, wodurch sich seine Anschauungsweise jener gegenüber, welche in Thomas' Denken
sich ausprägte, als Intellectualismus charakterisirt, während umgekehrt bei Tliomas das
Vorwalten einer rein gegenständlichen Auffassung des Wirklichen, wie sie dei' Scholastik
überhaupt eigen ist, das lebendige formgebende Princip des specifisch menschlichen
Erkennens, die Macht des Idealgedankens gleichfalls nicht zu seinem vollen Rechte
gelangen lässt. Wir haben hier auf der einen Seite Niederhaltung des speculativen Triebes
durch die vorwiegende Macht eines empiristisch begrifflichen Denkens, auf der anderen
Seite grundsätzliche Abweisung speculativen Denkens unter Steigerung der Ansprüche
des metaphysisch-abstracten Denkens, beiderseits die Stützung dei' philosophischen Denk-
gewissheit auf ein demonstratives Denkverfahren, als dessen Unterlage die sinnlich-irdisclie
Erfahrung genommen Avird. Sucht Thomas in der Bewältigung der sinnlich -irdischen
Erfahrungswelt durcli den Gedanken des gestaltenden Formprincipes den Stützpunkt für
die geistige Erhebung zur höheren übersinnlichen AVirklichkeit zu gewinnen, so gibt
Duns Scotus diesen Stützpunkt mehr oder weniger bereits Preis, und glaubt ilin durcli
gesteigerte Schärfe des formalen Denkens ersetzen zu können, die jedoch in Ei-mangelung
eines speculativen Gesichtspunktes eher zersetzend als begründend wirkt, und einem
gewissen philosophischen Skepticismus Raum gibt. Wie er den in der Thomistischen
Speculation allerdings ungenügend vermittelten Begriff der metaphysischen Einfachheit
des menschlichen Seelenwesens ablehnt, so bestreitet er auch die stricte philosophische
Denkschriften der phil.-hist. Gl. XXVI. Bd. 4f)
362 K\UL VVuRNER.
Ei-weisbarkeit der Scelcn-rnsterblichkeit,' die er zwar in der Gewisslu>it des gläubigen
Denkens festliält, aber eben nur an diese geknüpft gelten lässt. Dass man auf den
Aristotelischen Seelenbegritf gestützt, die Unsterblichkeit der Seele beweisen könne, gibt
er nicht zu; und andere philosophische Beweise als solche, die auf den Aristotelischen
Seelenbegriff gestützt wären, kennt er nicht. Aristoteles selber habe es im Ungewissen
gelassen, wie er über diesen Punkt denke; einige Vordersätze seines Systems lassen einen
Schluss auf die Unkörperlichkeit und Unsterblichkeit der Seele zu, aus anderen folgt
das Gegentheil. Daraus ergebe sich wohl von selber, dass er sich über den Begriff des
menschlichen Formprincipes nicht völlig klar war, und nicht wusste, was er zur AVesens-
form des Menschen rechnen solle, und was nicht ;^ und in Beziehung auf dasjenige, was
ihm vom Wesen des Menschen als C«>ov oder Leibwesen abtrennbar schien, bedeute die
Abtrennbarkeit oder Perpetuität nicht Anderes, als die Fähigkeit, ohne Vermittelung
eines körperlichen Organs thätig zu sein,^ ohne dass über die Substantialität des Abtrenn-
baren etwas ausgesagt werden sollte. Er fasste die seelischen Actionen strengstens als
actiones conjuncti, d. i. als Thätigkeiten des aus Seele und Leib zusammengesetzten
Menschen,' und kann gemäss den in seiner Metaphysik' vorgetragenen Lehren der Seele
keine andere Subsistenz zuschreiben, als jene, welche sie als Form des Leibes im Zu-
sammensein mit demselben hat. Den Schluss von der Incorruptibilität des Wirkens der
Seele auf die Incorruptibilität des Seins derselben lässt Duns Scotus schon dcsshalb
nicht gelten, weil Aristoteles keineswegs, wie man ihm unterlege, eine schlechthinnige
Incorruptibilität des Wirkens der Seele lehre; er fasst vielmehr gerade an jener Stelle,
auf welche man sich beruft," das Intelligere als eine Actio conjuncti auf, die durch eine
leibliche Schädigung des Menschen beeinträchtiget oder völlig suspendirt werden könne.
Eben so wenig gibt Duns Scotus zu, dass das natürliche Begehren des Menschen nach
' Vgl. 4 diät. 43, qu. 2 (Opus Paris., im Unterschiede vom Opus Oxon. d. i. vom älteren Comnientar des D. Sc. zu den
Sentenzen so genannt).
- Duns Scotus spricht hier mit Beziehung auf die von Richard von Middleton allegirte Stelle Äristot. Anim. II, c. 2, p. 4l:i:
-.if,\ OE To3 vou /.a\ Trj; 0£fopr;T'.zfi; ouvi|jso); Eoizs 'J-u/fj; y£Vo; STEpov sivai, xal toüto [j.ovov IvSf/STa; /topfi^Eafla'., xaOärs,'. 'O
atoiov TO'j ';p9apT0j.
3 .\nima intellectiva dicitur ineorruptibilis — sagt Duns Scotus mit Beziehung auf die in der vorigen Anmerkung angeführte
Stelle — non qiiod sit simpliciter talis, sed quia non utitur organo corporali in operando, nee fatigatur virtu.s ejus in operando
propter excellentiam intelligibilis.
* Duns Scotus citirt als Beleg hiefiir den Ausspruch: Animam intelligere non est aliud, quam ipsam texere vel aedificare. Die
bezügliche Stelle bei Aristoteles (Anim. I, p. 408 b, 1. 11 flf.) lautet richtig: tÖ 5k Xc'ystv öpyitEoDai ttjv il<u-/r|V oiaoiov zav ä
715 ),£yo'. -f|V 'f J/V' joiivE'v r, oV/.o?jO[iz'^ ■ ßs'XTiov yip "aw; |j.r, Xiysiv -r|V 'f jy/jV iXäEiv ?, ixavOäviiv ?i SiavoETaOai, äX/.i -ov avOpco-ov
^ Dicit Aristoteles Metaph. VII, Se.xt. 6li, quod impossibile est in composito esse aliud Esse totms praeter Esse partium, nisi
in forma totius quae est alia a forma iiartis. Probat autem ibi formam totius vel totum esse aliud a partibus, et oonjunctim
et divisim. Patet ibi de syllaba ah, quia tarn materia quam forma sunt partes materiales tantum respectu forraae totius
(ibidem et V. Metaph.). Si igitur nianeret anima post corpus, anima non esset forma nee pars, ,sed totum, quod ipse im-
probat ibi. Ideo credo, quod magis couvenienter dixisset animam intellectivam esse corruptibilera, posito quod sit propria
forma corporis et non totius. Die von Duns Scotus berücksichtigte Stelle findet sich Metaph. VII, c. 3 (p. 1043, 1. 29 tt".),
und besagt eigentlicli nur, dass das Was eines Dinges in seiner unterscheidenden Wesensform bestehe. Thom. Aq. (Comm.
■ in Metaph. lib. VIII (statt lib. VII) lect. 3) fasst die Stelle als eine Widerlegung der Platoniker auf, welche die Nennwörter
(om[Xtxm) blos auf die Formen oder Speeres der Dinge, nicht aber auf deren concretisirte Darstellung in den Individuen
bezogen wissen wollen.
« Siehe Aristot. Anim. I, c. 4 (p. 408. b. lin. 19 ft'.) : liOcXiota yäp E'fOsipsT:' äv ürä zf,i Iv "m yiipa a|iaupÜ!j£co;, vijv 5' 'tsto;
'ir.tp iiz: to"v ataOr,tr|pifov (jujißa(vEi • Ei yäp Xoißoi ö TCpEoßuTri; oViJia TOiovof, ßX&o: äv '7)!jJi£p xai 6 vso;. iV>ote to y%«c oü rti triv
■iu7T]v -i rEJiovOEvoci, ocXX' £v (T) , >'.aOa;:Ep h ji^öai? zai vdooi;. zat t6 voew of, xai to OEtopsiv aapaivETa'. äXXou xivb; l'a<o (pÜEipoiiEvou,
auTO Se än«0^; eotiv tb ok StavoEtaOai xa'i ^iXew 5) |xio£iv oüx eotiv exeIvou noiör), iXXi touo'. toü k'yovTo; exewo, f; exeivo =y_£i. Sto
zai TouTOü ■ffkipo\j.i')0'j oüte jj.vr,|j.ov£U£i oüts ^p'.XEt" oü yip ex£(vou *)v, äXXi toü xotvoü, ö ir.i\wXiv ö o\ voij; "iawc Beiotecov ti xai
to
Die Psychologie ukd Erkenntnisslehke des Johannes Duns Scotus. 363
Seligkeit an sich oder auch nach der Meinung des Aristoteles einen Beweisgrund für
die Seelen-Unsterblichkeit abgebe. Nicht an sich, weil erst unter Voraussetzung der
Gewissheit oder wirklichen Erreichbarkeit eines zukünftigen seligen Seins das Begehren
nach 'Glückseligkeit für ein in der Menschennatur als solcher gelegenes Begehren genommen
Averden könnte. Nicht nach Aristoteles ; denn dieser erklärt ausdrücklich,' dass das natür-
liche Begehren nach dem. Sein als dem Besseren sich nach dem Empfänglichkeitsgrade
der verschiedenen Naturen bestimme, und bei den irdischen Lebewesen auf Erhaltung
der Gattung sich beschi'änke. Thomas lehrt,^ dass die Seele als eine durch sich selbst
subsistirende Form unvei'gänglich sei. Puns Scotus spricht der menschlichen Seele ein
per se subsistere ab, weil diess so viel hiesse, als das Sein von Niemand empfangen
haben. Soll per se esse den Gegensatz zu accidentaliter esse ausdrücken, so ist nach
Duns Scotus noch immer nicht die Fortdauer der Seele nach dem Tode des Leibes
bewiesen. Allerdings ist sie keine Accidenz des leibliehen Seins-, aber auch die Form
des Feuers ist keine Accidenz der Materie desselben, und doch von dieser abhängig.
Thomas sagt, das Esse liege im Begriffe der Seele als Form, sei also von ihr imabtrenn-
bar; diess stimmt jedoch nicht zu der anderweitigen Beliauptung der Schule, Avelche
Thomas vertritt, indem diese an allem Geschaffenen das Esse als etwas Accidentales
ansieht. Angenommen indess, was auch vollkommen richtig ist, dass Esse und Essenz
nicht reell von einander verschieden seien, muss docli, wie ein Seinsanfang der geschöpf-
lichen Essenz, auch ein Seinsende derselben gedacht werden können ; wie dem Non esse
als Terminus a quo ein Esse als Terminus ad quem entsprach, muss umgekehrt auch
dem Esse als Terminus a quo ein Non esse als Terminus ad quem entsprechen kimnen.
Die Möglichkeit eines Aufhörens der Seinsdauer der Seele kann nicht durch die Wesens-
beschaffenheit der Seele ausgeschlossen sein. Aveil sonst die Seele, nachdem sie einmal
erschaft'en ist, auch von Gott nicht mehr annihilirt werden könnte, während doch Thomas
selber das Gegentheil behauptet.^ Der Unterschied zwischen Duns Scotus und Thomas
besteht also darin, dass letzterer ein Aufhören der Seele aus sich selber für unmöglich
hält, während ersterer diess durch das Wesen der Seele als solches nicht für ausgeschlossen
hält. Darin, dass Gott, wenn er wolle, sie aufhören lassen könne, sind Beide einig. Wenn
nun aber dieses durch Gott zu bewirkende Aufhören nach Thomas im Unterlassen der
Seinseinströmung besteht,* wie kann man da noch sagen, dass die Möglichkeit ihres Auf-
liörens nicht in ihrem selbsteigenen Wesen begründet sei, das doch an eine solche Seins-
einströmung nach Thomas' selbsteigener Lehre absolut angewiesen ist? In diesem Punkte
muss man also die Polemik des Duns Scotus für vollkommen zutreffend halten, und wir
kommen hier auf die schon gemachte Bemerkung zurück, dass das speculative Element
der Thomistischen Doctrin mit anderweitigen Elementen versetzt ist, welche die voll-
kommene Hervorbildung des speculativen Gedankens niederhalten. Das abstract meta-
physische Element, welches bei Duns Scotus unbeschränkt dominirt, macht sich auch bei
Thomas geltend, wenn ihm schon zufolge der speculativen Tendenz der Thomistischen
' Gen. animal. II, ab init.
■ 1 qu. 8.5, art. 6.
3 Vgl. Thom. Aq. 1 qu. 75, art. 2: Sicut posse creari ilicitur aliquid non per potentiam passivam, sed soluni per potentiam
activam creatoris, qul ex nihilo potest aliquid producere. ita cum dicitur aliquid vertibile in nihil, non importatur in cre.atura
potentia ad non esse, sed in Creatore potentia ad lioo, quod esse non infiuat. Dicitur autem aliquid corniptibile per hoc
quod inest ei potentia ad non esse.
'' Vgl. vorige Anmerkung.
46*
Doctriii nicht so viel [{uiiiu wie bei Dans Scotus gelassen ist; aber der speculative
Gedanke ist nicht so mächtig entwickelt, dass er jenes abstract metaphysische Element in
sich aufhöbe und damit in ein wahrliaft pliilosophisches Denken umsetzte; und -er vermag
diess nicht; weil er selber durch das in die Thomistische Docti-In als Grundbestandtheil
aufgenommene realistisch -empiristische Element des Aristo telismus niedergehalten ist.
In Bezug auf die Unsterblichkeitsfrage macht sich jenes abstract-metaphysische Gedanken-
element der Thomistischen Doctrin als abstracto Möglichkeit des Vergehens der ihrer
Idee nach unvergänglichen JMenschenseele geltend. Der Umstand, dass diese abstracte
Möglichkeit niemals in Wirklichkeit übergehen kann, schliesst die Aufforderung ihrei"
Elimination und Umsetzung in einen wahrhaft speculativen Gedanken in sich, der kein
anderer als der des absoluten Getragenseins aller geschöpflichen Realität durch die
perennirende Actuosität der schöpferischen göttlichen Causalität sein kann. Der Gedanke
an eine Intermittirung dieser perennirenden Actuosität hebt sich als eine Contradictio
in adjecto durch sich selbst auf, so Avie es andererseits undenkbar ist, dass die mensch-
liche Seele als wesenhaftes Abbild des ewigen unvergänglichen Gottes eine vergängliche
Wesenheit sein sollte.
In der Thomistischen Speculation ringen ein speculatives und empiristisch-realistisches
Element mit einander; bei Duns Scotus, welcher das speculative Element hinwegfallen
lässt, emancipirt sich das empiristisch-realistische Element, und neben demselben aucli
jenes metaphysisch - abstracte Denken, welches sich mit Vorliebe in den Modalitäts-
kategorien des Möglichen und Nothwendigen ergeht, und das Wirkliche nur insoweit,
als es entweder durch die unmittelbare Erfahrung gegeben oder durch Demonstration
erreichbar ist, gelten lässt. Das empiristisch-realistische Element bekundet sich auf dem
Gebiete der Anthropologie in der Auslegung, welche Duns Scotus der aristotelischen
Lehre von den Constituenten des Menschenwesens gibt. Er macht diese seine Auslegung
auch in der Unsterblichkeitsfrage geltend, indem er gegen Thomas urgirt, dass das Sein
der Seele nicht als Esse totius, d. i. des gesammten Menschenwesens, gefasst werden
dürfe,' und demzufolge ein etwaiges Aufhören des Seins der vom Leibe getrennten Seele
nicht als eine Trennung des Seins von sich selber genommen werden könne.^ Der Sinn
dieser kritischen Bemängelung des Thomistischen Argumentes für die Seelen-Unsterblich-
keit ist kein anderer als dieser, dass dem im Thomismus ungenügend vermittelten specula-
tiven Gedanken von der Wesenseinheit des Menschen eine empiristisch-dualistische Auf-
fassung des Menschenwesens entgegengestellt wird, in Avelcher aber überdiess in weiterer
Folge der antike Naturalismus der aristotelischen W^eltanschauung, welchen die specula-
tive Scholastik durch ihre Lehre von den per se subsistirenden Formen überwunden zu
haben glauben durfte, mittelbar in die Seelenlehre selber hineingetragen wurde.' Wir
erkennen hier die auf dem Gebiete der Seelenlehi'e und Pneumatologie sicll aufschliessenden
'■ Dico quod assumit falsum, cum dieit, quod Esse animae est Esse totius, quia tunc sola specifica differentia homiuis coniplete
definiret hominem et perfeete indicaret quid est, quod est falsum et contra philosophum. 4 dist. 43, qu. 2. — Vgl. Seite 362
Anmerkung 5.
- Vgl. Tliom. A(|. 1 qu. 75, art. 6: Materia secundum lioe acqnirit esse in actu, quod acquirit fonnam; secundum hoc autem
accidit in ca corruptio, quod separatur forma ab ea. Impossibilo est auteni, quod forma separetur a seipsa; unde impossi-
bile est, qiiod forma subsistena desinat esse.
3 Anima potest corrumpi per se, sieut generari per se, quia, cujus totum per se et primo goneratur et corrumpitur, ejus partes
per se generantur et corrnmpuntur, etsi non primo. 4 dist. 43, qu. 2 (Op. Paris).
J
Die Psychologie und Eekenntnisslehee des Johannes Duns Scotus. 365
Consequenzen der scotistisclien Lehre von der Zusammensetzung alles Geschafleneji aus
Materie und Form in der von Duns Scotus ihr gegebenen Auffassung und Deutung.
In Folge seiner Ablehnung des speculativen Formbegriffes ist Duns Scotus als
^Jetaphysiker auf das Gebiet einer abstracten Ontologie verwiesen, deren Inhalt der
Gedanke des Seins und seiner Determinationen ausmacht. Der Gediinke des göttlichen
Seins fällt ihm mit jenem eines höchsten unendlichen Seins zusammen; das geschöpf-
liche Sein ist das determinirte und hiedurcli vei'endlichte Sein. Demzufolge ist das
unendliche Sein die denknoth wendige Voraussetzung des endlichen Seins, obschon die
erfahrungsmässige Realität des letzteren unserem menschlichen Denken den Stützpunkt
zur demonstrativen Erweisung des ersteren abgeben muss.' Dass sich der Begriff der
göttlichen Unendlichkeit aus jenem der absoluten Immaterialität oder maxima forma
ei-gäbe, wird von Dims Scotus gegen Thomas bestimmtest in Abrede gestellt; der Be-
griff' der Form ist ihm ein relativer Begriff", dei' jenen der Materie zu seinem Correlate
hat,^ so dass dort, wo keine Materie ist, auch von keiner Form die ßede sein kann.
Von Gott als absoluter Form der Dinge oder Urform des Geschaffenen sprechen, hätte
also für Duns Scotus schlechtweg keinen Sinn; für ihn hat Gott in rein rationaler
Beziehung nur die Bedeutung des absoluten Wirkungs- und Möglichkeitsgrundes der
Dinge, deren Sein und Sosein durch den göttlichen Willen bestimmt ist. Allerdings ist
das Zurücktreten des Willens hinter das Erkennen in der Thomistischen Speculation ein
Mangel, der indess nur so viel bekundet, dass der Gedanke der reinen oder in sich
selber subsistirenden Form noch weiter vertieft, und die Idee der absoluten Form in
jene des absoluten Geistes umgesetzt werden müsse, der das absolute Sein in absoluter
Selbstigkeit ist, und demzufolge alles Andere ausser ihm als souveräne Selbstmacht
bestimmt; von dieser versteht es sich aber, dass sie als absolute Geistigkeit zugleich
die absolute Denkhaftigkeit ist, daher sie allüberall nur als denkhafter Vernunftwille
wirken kann. Duns Scotus vermag die Denkhaftigkeit des absoluten Seins nur mittelbar
und auf aposteriorischem Wege zu erreichen,^ und verwirft jeden Versuch einer Ableitung
der Denkhaftigkeit des göttlichen Seins aus dem Wesensgedanken desselben. Natürlich;
aus- dem Gedanken des unendlichen Seins als solchen ergibt sich nicht unmittelbar auch
schon die Intellectualität desselben, sondern, sofern es als erstes und oberstes gedacht
wird, die von Duns Scotus daraus abgeleitete unendliche Wirkungsmacht desselben,
welche aber, wie Duns Scotus weiterhin ganz richtig bemerkt,* nicht mit der durch
blosses Vernunftdenken nicht streng erweisbaren Allmacht verwechselt werden dürfe.
Um diese, d. h. die absolute Wirkungsmacht Gottes, zu erweisen, ist die Idee des abso-
luten Geistes als des in sich absolut gesammelten Seins vorauszusetzen, also eine Idee,
von welcher Duns Scotus zufolge seines Widerstrebens gegen den Gedanken einer
' 1 dist. 2, qu. 1 — 3.
^ Creatura dicitur aliqiiid intrinsecum habere,' vel siout totmn lialjet parteiii sui, vel 3icut materia habet forraam. In Deo nou
est pars et totum, sicut nee materia et forma. Igitiir quod habetur intrinsece a Deo, non est forma sna, nee materia, nee
pars, et tamen intrinsece habetur; igitur est ipsemet. 1 dist. 8, qu. 4 (Op. Paris).
' A posteriori potest tantum proI)ari, Deum esse intelligentem et intellig'ere; et quod ita est, ostendunt necessario etfectus in
universo, qui sunt ab eo mediate vel immediate. Et non potest a priori probari, quia, sicut homo vel huraanitas est prima
ratio constitutiva hominis vel entitatis specifice talis, nee potest ostendi sibi iuesse per aliquem conceptum sibi imraediatiorem
vel priorem, quia tunc non esset prima ratio constitutiva ejus ita etiara, quod intellectualitas sit prima ratio entis
intelligibilis constitnens ipsum in esse tali, et nihil oxigat re (irius esseiitialiter ea, quo hoc posset de eo ostendi. 1 dist. 35,
qu. 1, art. 1 (Op. Paris)
■> 1 dist. 42, qu. unic. (Op. Paris).
366 Kakl Wkrner.
absoluten Form am allerweltosten entfernt ist. Für ilm ist Gott an sich gcMiommen eben
nur der Allmüglichkeitsgrund doi- Dinge-, die Entscheidung aber über das, was als
möglich oder unmöglich zu gelten hat, steht ihm unabhängig von dem Begriffe des gött-
lichen allwirkenden Seins fest. Um diesen Dualismus zwischen Theologie und Ontologie
zu überbrücken, wäre es nothwendig, Grott als die absolute Wirklichkeit zu denken,
durch die schon ihrer Idee nach jede andere Art von "Wirklichkeit bestimmt ist, so dass
ein Sein, welches unter diese Bestimmtheit nicht fiele, auch nicht eliima] denkmöglich
ist, während umgekehrt die Activität der absoluten Actualität demjenigen, was diese
actuirt, die Nothwendigkeit zu sein auferlegt. Der Gedaidce der absoluten Wirklichkeit
fällt mit jenem der absoluten Form der Dinge zusammen, und die Wesensformen der-
selben sind eben nur als die Reflexe ihrer absoluten Form im göttlichen Sein anzusehen.
Der Begriff Gottes als dei- absoluten Wirklichkeit ist einfach nur eine Weiterbestimmung
des Begriffes von Gott als absoluter Form oder Urform der Dinge, die schliesslicli, wie
schon bemerkt, im Begriffe des absoluten Geistes sich aufheben muss, in Folge dessen
sodann die den Wesensformen der Dinge entsprechenden Wesensgedanken derselben als
freischöpferische Conceptionen des göttlichen Denkens erscheinen, die durch die Energie
der göttlichen Wirkungsmacht ins lebendige Dasein der mundanen Wirklichkeit über-
setzt werden.
Beide, Thomas und Duns Scotus, sind zufolge des ihnen Beiden gemeinsamen christ-
lichen Gottesbegrifl'es darin einverstanden, dass Gott unendlich viele Dinge denkt und
erkennt, die er nicht in die Wirklichkeit setzt, und dass ihm in der Wahl dessen, Avas
aus den imendlich vielen Möglichkeiten wirklich werden soll, eine unbegränzte Freiheit
gelassen sei. Diese Auffassungsweise ist wohl nur eine theologische Umschreibung der
Idee der absoluten göttlichen Actualität, die sich in keiner ihrer Hervorbringungen je
zu erschöpfen vermag, und eben desshalb ihr absolutes Leben nur in sich selbst haben
kann, während sie nach Aussen sich zu einer bestimmten Art des Wirkens determiniren
muss, durch welche die daneben noch möglichen unendlich vielen anderen Arten der
Selbstdetermination der göttlichen Actualität ausgeschlossen sind. Duns Scotus gibt diesem
Gedanken durch seine Unterscheidung zwischen dem absoluten und geordneten Willen
Gottes Ausdruck ; der geordnete Wille bedeutet die Selbstdetermination des an sich unge-
bundenen göttlichen Willens im Wirken nach Aussen. Die Aufsuchung eines Grundes für
die thatsächliche Fassung und Gestaltung des geordneten Willens muss Duns Scotus
ablehnen; der souveräne göttliche Wille trägt den Grund seiner bestimmten Determina-
tion ausschliesslich in sich, er ist sich selber der absolute Grund seiner Determination.
Duns Scotus bleibt also dabei stehen, die Schöpfung als ein Werk der absoluten gött-
lichen Freiheit zu verstehen, angesichts welcher jede Frage nach einem inneren Grunde
der thatsächlich gegebenen Weltbeschaffenheit zu verstummen hat. Diese'durch und durch
unspeculative und antispeculative Weltauffassung, welche nach einer irineren Wahrheit
und .Nothwendigkeit des göttlichen Weltgedankens zu fragen verbietet, legt die Con-
sequenzen bloss, welche sich aus der von Duns Scotus festgehaltenen Grundidee vom
göttlichen Sein als unendlichem Allmöglichkeitsgrunde der Dinge ergeben. Bei Thomas
werden solche Consequenzen dadurch abgehalten, dass er am Begriffe des göttlichen
Seins als absoluter Form der Dinge festhält ; diese Auffassung involvirt die Nothwendig-
keit, in den Wesensformen der geschöpflichen Wirklichkeit Nachahmungen und Nach-
bildungen der göttlichen Wesenheit zu erkennen, in welchen die Wahrheit und Wii'k-
Die Psychologie und Eekenntnissleiire des Johannes Duns Scotus. 367
lichkeit des geschöpflichen Seins begründet ist, so zwar, dass sich Wahrheit und Wirk-
lichkeit des geschöpflichen Seins nach Art und Grad des Ausdruckes der absoluten Form
in demselben bestimmt. Bei Duns Scotus trennt sich die P'rage nach der Wahrheit des
Seins Von jener nach der Wirklichkeit desselben völlig ab; er fragt überhaupt nicht
nach dem inneren Wahrsein der Dinge, sondei-n bloss nach den näheren und entfernteren
Wirklichkeitsgründen derselben, deren letzten und höchsten er selbstverständlich im
absoluten alibedingenden göttlichen Sein erkennt.
Die Opposition des Duns Scotus wider die Thomistische Speculation nimmt ihi-en
Ausgang von seiner Bestreitung des Thomistischen Begriifes der Materie, deren Auf-
fassung als passiver Seinsmöglichkeit der sichtbaren Dinge den Untergrund der Tho-
mistischen Weltlehre abgibt. An das Nichts angränzend — lehrt Thomas — entbelirt
die Materie für sich selber des Wirklichseins, das fiberhaupt nicht ihr, sondern bloss den
aus ihr gebildeten Dingen zukommt, und durcli die Ihr aufgedrfickten Wesensformen
gewirkt wird. Wie diese das Ding möglich machen, so machen sie es auch verstehbar;
in der gestaltenden Form drückt sich der Gedanke oder die Idee des Dinges aus, die
vom menschlichen Intellecte aus der sinnlichen Erscheinung des Dinges hervorgezogen
wird. Die im menschlichen Intellecte aufleuchtende Idee des Sinnendinges ist ein Wieder-
schein des göttlichen Gedankens von jenem Dinge, das sonach sein urhaftes Sein im
göttlichen Gedanken, oder da Gottes Denken mit Wesen und Sein Gottes zusammenfällt,
in Gottes Sein und Wesen hat. Gott ist somit seinem Wesen nach die Urform jedes aus
der Materie herausgebildeten Sinnendinges, und dieses besitzt seine Wahrheit und seine
Wirklichkeit in der den göttlichen Gedanken desselben ausdrückenden und verwirk-
lichenden Form, die aber um so schwächer ist, je tiefer sie in die Materie versenkt ist
und je unfreier sie demzufolge an dieser haftet. Je schwächer die Form ist, desto
weniger hat das durch sie gestaltete Ding an der Wahrheit und Wirklichkeit des Seins
Antheil. Die reine Materie an sich als die absolute Formlosigkeit entbehrt mit dem
Wirklichsein des Wahrseins völlig, und ist demzufolge nach ihrem reinen Ansichsein
nicht einmal für Gott selber denkbar, weil der Gedanke von ihr als einem an sicli
wirklich Seienden ein unwahrer Gedanke, nämlich der Gedanke einer Gott widerstreben-
den Absolutheit wäre. Die Materie als die blosse Möglichkeit des Seins bedeutet im
Bereiche des Seienden den äussersten Gegenpol des göttlichen Seins, welches als die
absolute Form alles Seienden die. absolute Wahrheit und absolute Wirklichkeit der Dinge,
und demzufolge auch das absolute Mass der Wahrheit und Wirklichkeit aller geschöpf-
lichen Dinge ist. Diese bilden, von der irdischen Stoifwelt als Unterstem angefangen,
eine aufwärts steigende Reihe concreter Existenzen in fortschreitender Annäherung an
die im göttlichen Sein urhaft gegebene Wahrheit und Wirklichkeit des Seins ; der den
geschöpflichen Existenzen erreichbare Hochgrad der Annäherung wird in den von der
Materie unabhängig subsistirenden Formen erreicht, zunächst in den Menschenseelen,
weiter sodann in den leiblosen Engelwesen, die von den, die Menschenseele einschrän-
kenden Wesensbeziehungen zur sinnlichen Stoffwelt losgelöst, und eben damit Gott am
nächsten gerückt sind.
In dieser durchwegs auf den Gedanken des Formprincipes gestellten Anschauung
ist unzweifelhaft ein speculativer Gedanke ausgedrückt, nämlich jener einer Repräsen-
tation der göttlichen Vollkommenheit im Weltganzen nach allen Arten und Graden ihrer
geschöpflichen Darstellbarkeit. Eben so unzweifelhaft liegt hier weiter eine dem
368 Kaki. Wkrnkr.
spoculativen Golialto iliosor \\ oltuiificliauung coiigruiromli' llikoiniinissilicniic vnr. die
ilarauf abzwockt, den Inhalt der spoculativen Woltanschauiino- in den ihm ailiiiiuatcn
Formen zu lassen. Andererseits aber lässt siili iiiclit vcikcnncn, dass die ladniicllf
Erweisbarkrit der ganzen Denkanscliauung auf di'n ihr zu (iiiiiidc licocndcii Ik'grilV der
Materie gestützt ist, dass t'erner tue sjioeulativo Ansrluuaing an den liegrilVcn i\{'v die
göttliche Ürlbrin nachahmenden kosmischen Existenzen als solcher haften bleibt, oJnic
zu einem die Gesammtheit derselben innerlich verknflpfenden speculativen Central-
gedanken vorzudringen, dessen ideelle Wahilieii Acw mui Thomas ci'fassten speculativen
Weltgedanken von seinem immerhin bestreitbaren StolVbegriffe unaldiiingig sicher zu
stellen geeignet wäre; dass endlich das ganze ideelle Weltverständniss, wie es Tiionias
zu erschliessen versucht, doch nur ein beziehungsweises ist, indeju uns eigentlich nur
gesagt wird, was die Dinge im Yerhältniss zu Gott sind, während uns ihr inneres Wesen
durch dit' aus iler ai'istotelischen Philosophie enil(dii:i(Mi genei-alisirendcii I lilfsbegi-ift'e :
Materie und Form, durchaus nicht in die anschauliche Nähe concreter Ecbendigkeil
o-ebracht wird. Der Denkschärfe des D\ins Scotus darf das Eob nicht vorenthalten werden,
alle diese Mängel der Thomistischen Speculation richtig herausgefühlt und eine Kritik
derselben geliefert zu haben, die sich bleibend an sie geheftet hat, und deren Wahrheits-
recht erst im Lichte des neuzeitlichen speculativen Theismus vollkommen zu Tage tritt.
Die scotistische Kritik des Thomismus war die durch den geschichtlichen Fortschritt
geforderte Antithese desselben, in welcher sich auf historisch-objective Weise die Noth-
wendigkeit einer läuternden Umbildung und tieferen Selbstfassung der Thomistischen
Speculation aussprach. Diese Umbildung und Vertiefung involvirtc freilich ein völliges
Abgehen von den peripatetischen Unterlagen jener Speculation und die Gewinnung eines
neuen höheren Denkstandpunktes, wie er selbst in der nachscholastischen Philosophie
erst nach einem mehrhundertjährigen Entwickelungsprocesse in den Anschauungen eines
neuzeitlichen speculativen Vernunftdenkens gewonnen wurde. Dieses ferne Zukunftsziel
lag ausser dem Gesichtskreise des Duns Scotus ; selbst das seinem Zeitalter geschichtlich
näher gerückte Ziel philosophischer Denkentwickelung, welches im speculativen Indivi-
dualismus des Nicolaus von Cusa sich verwirklichte, war auf dem von Duns Scotus ein-
genommenen Standpunkte noch nicht abzusehen, obwohl sein Denken demselben gleich-
sam unbewusst zuneigte, und der Richtung des allgemeinen Zeitdenkens auf dasselbe
unwillkürlich Zeugniss gab. Zunächst und unmittelbar war jedoch seine Thätigkeit eine
bloss kritische; zu einem selbsteigenen speculative«. Verfahren durchaus nicht disponirt
war er nur dazu angethan, den durch Thomas ausgeführten Bau aus seinen Fugen zu
rücken, und bis auf einen gewissen Grad Stück um Stück von demselben abzutragen;
ja er glaubte sogar einen ganz anderen Bauplan angeben zu müssen. Theologisches und
philosophisches Denken sollten schärfer auseinandergerückt, die Attributionen beider
erweitert werden; diese Forderung Hess sich indess nur hiedurch ausführen, dass unter
Steigerung der formalen Ansprüche und Befugnisse des philosophischen Denkens die
sachlichen Einblicke desselben auf einen enger gezogenen Kreis von Objecten beschränkt,
somit das congruente Verhältniss zwischen Denken und Erkennen verschoben wurde.
Mit Recht bemängelt Duns Scotus' die Thomistische Behauptung, dass die Wesens-
formen der sinnlichen Erscheinungswelt das dem Intellecte des Zeitmenschen adäquate
' 1 dist. 3, qu. 3.
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 369
Object wären. Wenn er dagegen das Seiende als solches als objectum primum des
menschliclien Intellectes erklärt, so substituirt er dem durcli Thomas assignirten con-
creten Objecto ein rein abstractes, durch dessen allumfassenden Umfang der geistige
Horizont des zeitlichen Menschenintellectes unermesslich erweitert erscheint, während
er hinsichtlich der Erkenntniss des Sachlichen nur um so mehr eingeschränkt wird.
Denn eine in das innere Wesen der Dinge dringende Erkenntniss wird von Duns Scotus
dem zeitlichen Erdenmenschen schlechthin abgesprochen;' wir können das A\'esen dei-
Dinge nur ratiocinativ durch Schlüsse von der Ursache auf die Wirkung und ander-
weitige Yerhältnissbestimmungen gewinnen. So bleibt also nur eine auf empiristischem
Grunde stehende abstracte Vernunfterkenntniss übrig, die ihren Halt letztlich in der von
Duns Scotus anerkannten objectiven Wahrheit der Allgemeinbegriffe hat. In Folge dessen
muss nämlich auch der Begriff der Wesensform und die Lehre von einer aufwärts steigen-
den Reihe von Wesensformen für ihn objective Wahrheit haben; nur dass ihm der Begriff
der Form imlöslich an jenen der JMaterie geknüpft ersclieint, und demzufolge das imma-
terielle göttliche Sein in eine formlose, d. i. geistig unfassbare Unendlichkeit auseinander-
geht, Avährend ihm umgekehrt der Begriff der reinen Materie, die für Thomas die
Bedeutung der formlosen und darum geistig unfassbaren Unendlichkeit hat, in jenen des
contractesten endlichen Seins umschlägt, das aber wirkliches und daher auch geistiu-
fassbares Sein ist, und als Seiendes mit dem göttlichen Sein unter Eine Kategorie fällt.
Denn das Sein wird von allem Seienden univoce ausgesagt;^ demzufolge besagt das Sein
von Gott prädicirt nicht mehr und nichts anderes, als wenn es von der Materie aus-
gesagt wird, deren Sein die denknothwendige Voraussetzung des Seins der Form ist.''
Aus der denknothwendigen Priorität der Materie erklärt sich die Nothwendigkeit, zur
Gewinnung einer philosophischen Realerkenntniss vom Untersten auszugehen, also die
gesammte philosophische Kosmologie auf eine empiristische Grundlage zu stellen, die
aber eben nur für die Erklärung der sichtbaren Welt ausreicht; die Nöthigung, über
diese hinauszugehen, liegt im denknothwendigen Begriffe des unendlichen Seins, so wie
in der durcli denknothwendige Schlüsse erprobten Immaterialität der endlichen Menschen-
seele, welche zufolge ihres denknothwendigen Unterschiedes vom unendlichen göttlichen
Sein zur Annahme der Materia primo -prima nöthiget, und hiemit auch die durch den
christlichen Glauben bezeugte Existenz leibloser Geistvvesen denkmöglich macht. Während
wir das Sein und Wesen dieser aus ihrer Analogie mit dem Sein und Wesen der unter
denselben Artbegriff fallenden Menschenseele begreifen, sind wir in Bezug auf die
Wesensbestimmungen des unendlichen göttlichen Seins auf dasjenige angewiesen, was
sich uns via causalitatis et eminentiae als denknothwendige Attribution des göttlichen
Seins ergibt. Trotzdem, dass wir Gott zu denken genöthiget sind, ist doch unsere Er-
kenntniss vom wirklichen Wesen Gottes durchwegs nur eine aposteriorische und aus
Relationsbeziehungen geschöpfte Erkenntniss.
Wie sollen wir uns diese so geflissentliche Herabdrückung des Werthes unserer
zeitlichen Gotteserkenntniss erklären, und worin differirt bezüglich dieses Punktes die
' Sicut non concipimus entia perfectissinij, uisi per effectus et per habitudinom ail efficiens, ita nee etiam diminuta, uisi per
entia pert'ectiora et per sensibilia. Et ideo inateriam nön cogiioscimus nisi per habittidiuem ad formam, quia transmutatur
ab uua forma ad aliani, et hoc propter imperfectionem intellectus nostri m via, qui non intelligit, nisi i)er sensibilia. 1 disf.
36, qu. 4 (Op. Paris.).
2 1 dist. 3, qu. 3.
3 Materia, licet sub forma ignis et aquae, tarnen essentialiter et secundum se est prior utraque forma. 4 dist. 11, qu. 3 (Op. Paris.).
Denkschriften Jer phil.-hist. Cl. XXVI. Bd. 47
370 '^ *'''■ ^^ ^•"NKli.
scotistiscilc Anschauung \i>n dcv tliomistisclion V t MVrnhar dui'tli ihicii aiilis|)(H;ulativi'ii
Charakter; und daraus orkhirt sirli auch. \vi(> Thoiuas trotzdtMu, thiss cv niii hunsScotus
über di«' (.icwiinunii;- unsci'iT rcaliMi ( iottoserkcniilniss i^lclchc ( i i-undsiltzo vorträgt, d. h,
das apostoriorisdio MonuMit und den Kchitioii.-chaiakt(>r unsiMcr Aussagen u\)cv (itili
eben so sehr als Ihnis Scotus beti>nr, die menscliliclie Golteserkcnntniss liiilier stellen
und ihr einen theoretischen Werth zuschreiben könne, der ihr von l)uns Scolus abge-
sprochen wird. Her von Thomas zugestandene wesenliat'te Inhalt unseres Gottesbegriffes
besteht in seiner Auffassung Gottes als absoluter l'orni mul caiisali-r 1 ifoini der Dinge,
womit unter Kineni ilie von I>uns Scotus behauptete und uigirle Univocität des göttliuhen
Seins mit dem creatürlichen' entschiedenst, und zwar inli I\(^cht abgelehnt ist,'' da -der
absoluten Wesentlichkeit das Sein in ganz anderer Weist» /.ukominen muss, als denjenigen
Wesenheiten, deren iJeoritV niidit auch schon ihr Sein und W irklichscin involvirt. Der
von Thomas der absoluten Wirklichkeit in der i-einen Matei'ie gegenübergestellte Gegen-
pol schliesst das Wirklichsein sogar aus. Nur konnte sich Thomas ni< lif entschliessen,
den Beffriff Gottes als der absoluten Wirklichkeit in seiner unmittelbaren Wahrheit und
Denknothwendigkeit anzuerkennen, mid bildete ilm auch nui- insoweit dm-ch, als er ihm
als denknothwendige Voraussetzung aller geschöpfliclien Wirklichkeiten nothwendig war :
und dieser Mangel wurde von dem scharfsichtige}) Duns Scotus so sicher und trelVend
herausgefühlt, dass er ihm eine wichtigste Hauptinstanz für seine Bestreitung der
thomistlschen Doctrin darbot. Thomas muss nämlich im Einklänge mit seiner Anschauung
von Gott als absoluter Form die göttlichen Ideen oder Wesensgedanken auf die seine
Wesenheit nachbildenden Wesensformen beschränken,^ mit Ausschluss der Materie, der
Genera, ilei- Accidenzen und der Individuen. Wenn irgend ein Lehrpunkt der Thomistischen
Doctrin, so ist es sicher dieser, der die unklare Fusion von Begriff und Idee, und die
Niederlialtung des Idealgedankens durch das begriffliche Denken ins hellste Licht stellt;
und es war daher auch vollkommen in der Ordnung, dass Duns Scotus diese durchaus
mizuläng-liche Auffassung dei- tröttlichen Ideen zu durchbrochen bemüht war,* obschon
wir nicht zugeben können, dass er einen richtigeren oder adäquateren Begriff der gött-
lichen Idee aufgestellt hätte. Im Gegen theil weist seine Auffassung derselben' auf seinen
formlosen Begriff" von der unendlichen göttlichen Wesenheit hin, die sich demzufolge
auch nicht zur Schauung einer kosmischen Centralidee zusammenzufassen vermag, in
welcher Gott das relative geschöpfliche Gegenbil(^ seiner selbst seit ewig denkend aus
sich reproducirt. Hat es bereits Thomas nicht zur vollkommenen Concentration der
Elemente seiner Gottesidee, und demzufolge auch nicht zur Ableitung eines centralen
Weltgedankens aus der in ihrer centralen Tiefe gefassten Gottesidee gebracht, so diffun-
dirt sich die scotistische Vorstellung vom göttlichen Denken der W' eltdinge in ein
Allmöglichkeitsdenken, welches einzig durch den absoluten göttlichen Willen zu einer
' Deus non est a nobis cognoscibilis naturaliter — heisst es bei Duns Scotus 1 ilist. li, qu. 3 — nisi ens sit imivocum i-reato
et increato.
- Impossibile est — sagt Thomas 1. qu. 13, ait. 5 — aliquid praedieare de Deo et oieaturis univoce, quia omnis effectus non
adaequans virtutem causae agentis recipit similitudinem agentis non secundum eandem rationem sed deficienter, ita ut, quod
divisim et multipliciter est in effectibus, in causa sit simpliciter et eodem modo.
3 1. qu. 15, art. 3.
* 1 dist. 36, qu. 4 (Dp Paris.).
=• Idea est objectum nt cognitum in mente divina Dicendum est cum antiquo doctore Bonaventura, quod in Deo sunt
infinitae ideac. 1 dist. 36, qu. 2 u. qu. 2 (Op. Paris.).
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Düns Scoxus. 371
bestimmten Conception des in Wirklichkeit Seinsollenden determinirt wii-d. Nicht ohne
relative Berechtigung erklärt sich Duns Scotus gegen die Thomistische Unterscheidung
zwischen speculativen und praktischen Ideen, deren letztere die Musterbilder des Wirk-
lichen, die ersteren die göttlichen (ledanken dessen, was nie wirklich wird, bedeuten
sollen.' Er übersieht jedoch, dass die göttliche Weltidee als Idee einen denknothwendigen
Inhalt haben müsse, der, den göttlichen Schaffenswillen vorausgesetzt, in der Schöpfung
nothwendig zum Ausdruck kommen muss ; und dass in Bezug auf jenen denknothwen-
digen Inhalt der Idee das göttliche Denken nicht durch den göttlichen Willen, sondern
einzig nur durch sich selber deterniinirt sein könne, oder vielmehr jenem denknotliwen-
digen Inhalte der göttliche \\'ille absolut immanent sei, und in demselben die rationale
Form seiner unbeschränkten Freiheit und Wirkungsmacht habe. Der göttliche Schöj)fungs-
gedanke muss unbeschadet der unbegränzten Freiheit seiner concreten Gestaltung auf
etwas abzwecken, worin sich der absolute Zusammenschluss des Greschaä'enen mit dem
göttlichen Urgründe vollzieht, und muss demnach auch in der Conception seines Inhaltes
auf die Verwirklichung dieses Abschlusses angelegt sein. Wenn nun bereits bei Thomas
die Idee einer gradweise abwärts steigenden Repräsentation der göttlichen Herrlichkeit
in der Schöpfung die Reflexion auf eine centrale Mitte, innerhalb welcher sich der
absolute Eückschluss zu vollziehen hat, zurückdi'ängte, und den Menschen nur als ein
mittleres Glied der abwärts steigenden Reihe erscheinen Hess, so ist Duns Scotus zufolge
seiner dualistischen Auffassung des Menschen noch weiter davon entfernt, im Menschen
die centrale Mitte der Dinge zu sehen ; im Gegentheil reflectirt sich in seiner Anthro-
pologie der von ihm statuirte und in keiner höheren Idee vermittelte Dualismus von
Geister- und Ivörperwelt. Gleichwohl ist es in seiner Art bedeutsam, wie er das in
Christus über sich selbst erhobene Menschliche zum göttlichen Sein und Wesen in nächste
Beziehung bringt, so dass man wohl anzunehmen berechtiget ist, er habe den in der
rationalen Kosmologie nicht aufgefundenen centralen Abschluss der Schöpfung in die
Christologie verlegt, wie er denn in der Tliat diese mit seiner Lehre vom höchsten
Weltzweck in eine vom christlichen Erlösungsglauben unabhängige Verbindung bringt,'
jedoch so, dass liiebei, eben in Folge des dualistischen Charakters seiner Kosmologie,
nur die moralische Weltvollendung berücksichtiget erscheint.^
Die Polemik des Duns Scotus gegen die Thomistische Ideenlehre steht ganz im Ein-
klänge mit seinen ontologisch-metaphysischen Grundanschauungen, und ist ein treuer
Reflex des empiristischen Realismus derselben. Sie geht darauf hinaus, zu zeigen, dass
in Gott ein distincter Gedanke aller logischen und ontologischen Constituenten der gött-
lichen Wesenheit vorhanden sein müsse, also ausser dem Gedanken der Form, welcher
das Ding zu dem macht, was es ist, auch ein distincter Gedanke der Materie, aus der
das Ding geformt- ist, ein distincter Gedanke des Genus, unter welches das Ding zufolge
' Si idea ante actum voluntatis respiceret diflerenter possibilia, umim ut fiendxuii, alterum ut iiou fiendum, igitur si iutellectus
ejus sie ostenderet voluntati, aut voluntas non posset iioUe illud fieri et sie non esset libera; vel si posset noUe illud fieri,
posset etiam esse non recta, quia faceret contra rectara rationem dictautem, hoc esse fiendum. Igitur penes possibile futurum
et non futurum non accipitur distinctio practica et non practica. 1. dist. 36, qu. 4 (Dp. Paris.).
- Dico, quod lapsus non fuit causa praedestinationis Christi, imo si nee fuisset angelus lapsus, nee homo, adhuc fuisset
Christus sie praedestinatus; imo et si non fuissent creandi alii quam solus Christus. .9. dist. 7, qu. 4 (Op. Paris.).
•■' Dico igitur sie: Primo Dens diligit se; seeundo diligit se in aliis, et iste amor est castus; tertio vult se diligi ab alio, qui
potest eum summe diligere, loquendo de amore alicujus extriuseci; et quarto' praeridit unionem illius natiirae, quac debet
enm summe diligere, etsi nullus cecidisset. L. c.
47*
.1-.^ K.\i;l. WniNKli.
(los in soiiKM- Form ausgvi>riii!:ten Artcliaraktcrs uclii.rl, ein .listim-ti's Pcukcii dci' iiim-
iiarablon Acciilonzen dos gofonnten Dingos, ein ilisiimto ItcnlMii .Icr I nd i vi.luni. m
wolilifu .l.M- Aribogriff des Dingos ausgodriU'kl ist. Das lioisst mii audfini Wniicii. das
von Thomas unzidiinglirli und unvollkommon orfassto Woson der Idee .soll ganz und gai-
auf das roin bogritVlic lio Donlcon loducirt wordon. An dio Stoll(> di'i- 'riioiiiistisolion
Kssontia tritt das scotistisolio Kns, dessen goistigor tu>danko nicht, wie riioinas in lio/.iig
auf dio sinnofalligen ("»bjooto will, aus seiner sinnlirh indi vidnalisiitcii Ij-mIkmiiiiul; luMvor-
gezogen. sondern ui\n»iit<dl>ar im Tontacte mit dem orscheiiirndrn Ol.jcct," ai.pr.di.'ndiii
wird? und weiter sodann in der .Vuseinandcrlegung und ZusamnuMifassung der untologisch-
logisohon l>otorminationon dos bostimmton Kns sieh vordoutliohot. Dieses letztere, den
auf dio Gewinnung der intontio sccunda abzielenden logisohon l'roeess, fasst Tliomas in
gleicherweise wie Duns Scotus auf; der Unterschied liegt nur darin, dass bei Tlnimas
dieser Vorgang als geistige Nachbildung der Wesensgestaltung des appercipirten Ubjeetes,
bei Duns Scotus als eine Yerdeutliehung der das appcrcipirte bestimmte Sein besclirän-
kenden Determinationen erscheint. Da nun diese Determinationen das Ding zu dem
machen, was es ist, so ist nach Duns Scotus die klare und bestimmte Erkenntniss der-
selben für ein vollkommenes Erkennen des Dinges die Hauptsache; daher sie im gött-
lichen Denken am allermeisten gesondert auseinandertreten müssen. Thomas hingegen
lässt dieselben für den simplex intuitus divinus mit dem in seiner tiefsten Wesenheit
geschauten Dinge zusammenfallen, un.l sieht in der gesonderten Hervorhebung und Aus-
oinanderhaltung der Constituenten und Determinanten des AYesens eines bestimmten
Dinges nur einen Behelf des seiner Natur nach unvollkommenen menschlichen Denkens,
dess'en das göttliche Denken nicht bedarf. Gewiss dringt der göttliche Tiefblick simplici
intuitu ins innerste Wesen des Dinges; wie aber, wenn das Ding keinen selbstigcn
Wesensgrund hat, wenn dieser Grund ausser ihm und ausserluilb der gesammten Ai't
oder Gattung der Dinge, welcher es angehört, liegt, wie diess sicher bei allen Individua-
tionen des sinnlich Erscheinenden der Fall ist? Wird da der göttliche Tief blick nicht
auf das gemeinsame Grundwesen aller Modificationen und Individuationen des sinnllcli
Erscheinenden gehen, und aus diesem Grundwesen heraus alle jene vielfältigst modificirten
Individuationen desselben erkennen? Wird man also da noch von Ideen, d. i. Wesens-
gedanken der sinnlichen Einzeldinge und Einzelwesen, sprechen können, ausser sie wären
aus dem in ihnen individuirten Grundwesen erkannt? Wie unentwickelt ist also noch dci-
Begriff der Idee, wenn er mit den Artbegriffen deT Dinge identificirt wird, abgesehen
davon, dass das Individuum als solches hiebei ganz ausser Acht gelassen wird, während
doch, wie Thomas selber zugeben muss, die Species der Sinnendinge nur in diesen ein
vom Denken verschiedenes reales Sein haben. Dieser Punkt ist nun einer von jenen,
welche Duns Scotus an der Thomistischen Doctrin mit vollem Grunde bemängelt; nur
dass seine Kritik auf einen Standpunkt herabsinkt, der bei völliger Gleichgiltigkeit gegen
den Unterschied zwischen den concreten Existenzen geistiger und sinnlicher Natur aus-
schliesslich den abstracten Begriff des Individuums ins Auge fasst, von dem er behauptet,
dass es eine von den Ideen der Art und des Genus distincte Idee in Gott haben müsse.
Es ist allerdings richtig, dass die göttliche Anschauung der Weltdinge als die allervoll-
kommenste auch die allerconcreteste sein müsse. Aber als solche zehrt sie die im abstract
formalen Denken auseinandergehaltenen Unterschiede von Form und Materie, Genus und
Species in sich auf. und sieht die Dinge in ihrer eigensten Wesenheit die bei keinem dci-
^i
I
Die Psychologie und Ekkenntnisslehee des Johannes Duns Scotüs. 373
aussergöttlichen Dinge ausschliesslich in diesem selbst und ausserhalb der Correlationen
desselben zu allem anderen Seienden liegt, in den Sinnendingen aber von diesen Corre-
lationen völlig beherrscht ist. Daher der Fluss und Wandel der sinnlichen Erscheinungen,
in deren stetem Wechsel selbst nicht einmal die sogenannten Wesensformen ein bleiben-
des und unalterirbares Sein haben 5 es gibt im Gesammtbereiche der sichtbaren Welt
nur Eine bleibende und unalterirbare \Yesensform, jene des Menschen, und zwar dess-
halb, weil sie, um in der Sprache der Scholastiker zu sprechen, eine von der Materie
der Sinnendinp-e unabhänffio^e Subsistenz in sich selber hat. Sind die sinnlichen AVesens-
formen, die im Wandel und Wechsel der sinnlichen Erscheinungswelt das Bleibende
repräsentiren, alterirbar und vergänglich, so sinken die stofflichen Individuationen der-
selben zu nocli geringerer Bedeutung herab, und zählen nur als Repräsentanten des in
ihnen verwirklichten Artbegriffes; daher die der formlosen Unbestimmtheit der , Materie",
in der sie verwirklichet sind, entsprechende Unbestimmtheit und Unbegränztheit ihrer
Zahl, obwohl sie in Gottes Denken gezählt sind. Demzufolge hat Duns Scotus allerdings
Eecht, für jedes einzelne Sinnending einen distincten Gedanken in Gott zu postuliren ;
verfehlt aber ist es, dieses Postulat auf die sogenannte Substantialität des Sinnendinges
zu gründen,' die eben nur eine rein phänomenale Bedeutung hat. Thomas überwindet
den unphilosophischen Empirismus dieser Anschauung, wenn er das Esse des Sinnen-
dinges in das formgebende Princip desselben verlegt; und darin, dass er das Individuum
als solches nicht in die musterbildliche göttliche Idee aufgenommen wissen will, könnte
man eine leise Ahnung von dem immanenten Selbstleben der Natur ausgesprochen finden,
dessen Idee das unmittelbare Eingreifen Gottes als Machers jedes einzelnen Dinges voji
selber ausschliesst. Wenn aber die unbegränzte Variabilität zum Wesen des lebendigen
Schaffens der Natur gehört, und innerhalb jeder besonderen Art und Form des Er-
scheinenden in der mannigfaltigen Individualisirung des Artbegriö'es seinen Ausdruck
findet, so muss auch jedes Individuum als solches in den göttlichen Formgedanken auf-
genommen sein, der ja als lebendiger Gedanke und vollkommenster Gedanke alle Varie-
täten desselben in sich schliessen muss, so dass keine in die geschöpfliche Wirklichkeit
treten kann, die nicht ihr Urbild im lebendigen göttlichen Urgedanken der allgemeinen
Form oder des Artbegrift'es hätte. Man sieht, das Wahrheitsrecht im Streite über den
Inhalt der göttlichen Idee schwankt zwischen beiden streitenden Theilen hin und her ;
ein Beweis, dass keiner von beiden in der lebendigen Mitte der Sache steht. Es ist ganz
richtig, dass jedem einzelnen sinnlichen Individuum, das die zeugende Natur producirt,
ein urbildlicher göttlicher Gedanke entspricht ; aber wie ganz anders muss im göttlichen
Denken ein individuelles Geistwesen erscheinen, welches- als ein in sich geschlossenes
Totum nach seinem ontologischen Range nicht nur über jedem sinnlichen Sonder-
individuum, sondern über der Gesammtheit aller Besonderungen und Particularisationen
des sinnlichen Stoffes steht! Duns Scotus muss zugeben, dass ein solches Totum für das
göttliche Denken in ganz anderem Sinne als die stoft'lichen Singularitäten als Einheit
zähle. Er lässt jedoch die Prädicate Unum, Verum, Bonum als Passiones entis erst nach-
Intlividua sunt maxime substantiae, quia sunt primae substantiae. Unde de illis non est diibitatio, quin quodlibet eorum
dicat unitatem realem et entitatem. Substantia autem seeuuda non dicitur maxime substaiitia, et ideo dubiuni est, si est
unitas realis, et per consequens, si entitas specifica sit realis. Cum igitur natura uiaxime intendat illud, quod est raaximae
entitatis, mirum videtur, quod natura solum intendat de specie, et non de individuo. 1. dist ö(j, qu. 4 (Op. Paris.).
•j- I Karl Wkknkb.
tragJi
ch /.um (ii'ilankcn Jos Soin.s alf* siilrlicn liiri/uiii'ii'ii, uml la^st «las Soiciuli- als
solches /uiuichst nur mitor iloi» limvli Ji.' .iuiiH|iu- vui'cs (largcbutenen (iosiflilsiunikicM
lies ii-oncriMluMi. speciHsrlirn um! iii.li viducllen Seins, so «lass in r.'Iii oiilolooisclici'
Uezieluui'i- [d'w lii»'i- mit il<r niii logischen Auffassung des Objectcs /usaiunienfallt) die
Singularität des Kngels unter denselben (Jesiehtspunkt wie Jene eines singiilären Sinnen-
dinves fallt. Dieses logisch abstracte Schema der Weltdinge hat wtdil auch Thomas mit
Duns Scotus gemein; es nimmt aber bei Thomas einen anderen Sinn (ladui-. h an, dass
bei Thomas die >,'otionen 1 iium. Verum und i'.oiiuni niii dem (Jcdankm des Seienden
als solchen sich identitieireii. und denizufulge Thotnas sieh das Sunnniiiii (■s^e im Voraus
nicht anders, denn als summe unum, summe vei-um uml sunnue l>onum deidvi'u kann,
welche Auffassung des absolut Seienden im UegrilVe desselben als der absoluten Form
und Urform alles Seienden ihren Ausdruck findet. Das Unzurciehendc dieser s]KTidaliv(ii
Anschauung vom absoluten Sein liegt nur darin, dass sie nlclil gestattet, die Idee des
concreten lebendigen Seins zu gewinnen, und es demzufolge auch nicht zur Erzeugung
eines lebendigen Weltbegrift'es von concreter Gestaltung gelangen lässt; die gesammte
conerete Weltwirklichkeit wird in das Schema formal isirender Abstractionen gefasst, der
FormbevTrit^' fällt mehr oder Aveniger mit jenem der ^Vesensstufe zusammen. <las lebendige
Ineinander der geschöpflichen Dinge, in welchem die lebendige und allseitige, das
Höchste mit dem Niedersten verknüpfende Wechselbeziehung einen concreten Mittelpunkt
in einem kosmischen Centralwesen involvlrt, vermag unter der Vorherrschaft formalismui-
der Abstractionen schlechterdings nicht zum Ausdrucke gelangen. Kein ^Vumler, wenn
der durch den Schematismus formal isirender Abstractionen niedergehaltene speculative
Denktrieb in der Abw^erfung desselben sein Heil suchte, um in den Anschauungen des
speculatlven Individualismus, wie er im Systeme eines Nicolaus Cusanus vorliegt, dem
Gedanken des concreten Seins zu einem von dem Gedanken der sinnlichen Materie unab-
häno-iijen Ausdrucke zu verhelfen, in welchem mindestens die Idee der Welt als eines
central geeinigten Totum concreter Existenzen sich verwirklichet zeigte. Thomas kennt
keine concreten Existenzen, soweit der Begriff derselben etwas von jenem der geformten
Materie Verschiedenes besagen soll, und die Individuationen der letzteren fallen, so weit
sie in ihrer Mehrheit einen bestimmten Formgedanken zum Ausdruck bringen, vom
ideellen Standpunkte aus angesehen in ein unterschiedloses Einerlei zusammen, d. h. die
ideelle Bedeutung der Variationen des F'ormausdrucfl^es in der Materie lässt sich vom
Standpunkte des abstracten Formdenkens aus nicht errciclien. Für Duns Scotus hingegen
ist die als empirisches Factum feststehende Thatsache einer Mehrheit von Individuationen
derselben ein ausreichender Grund, für jede derselben eine besondere Idee in Gott zu
setzen, weil für ihn überhaupt die göttliche Idee nicht die specifische Bedeutung eines
musterbildlichen Gedankens, sondern einfach die Bedeutung des göttlichen Gedankens
von etwas ausser Gott Möglichem hat: und da Gott alles ausser ihm Mögliche bis ins
Einzelnste und Kleinste denkt, so sind im göttlichen Denken so viele Ideen, als es der-
artige Möglichkeiten gibt, also unbegränzt viele.
Da die tpiidditativen Concepte oder das sachliche Denken des menschlichen Intel-
lectes eine Nachbildung des göttlichen Sachdenkens sind, so muss die Lehre des Duns
Scotus vom Intellectiven Denken des Menschen selbstverständlich im Einklänge mit seiner
Lehre von den göttlichen Ideen begriffen werden. Wie Gott unendlich Vieles denkt, so
hat auch die menschliche Seele die Fähigkeit, unendlich Vieles zu denken, und erfasst
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 375
jetzt schon im Leben der Zeit die unendliche Vielheit der möglichen Dinge wenigstens
iraplicite und confuse im Gredanken Gottes als des unendlichen Seins, und als desjenigen,
dessen Denken die unbegränzte Vielheit alles ausser ihm Möglichen actuell gegenwärtig
ist. Wie die unendliche Vielheit des ausser Gott Möglichen für ihn einfach etwas Gege-
benes, ein objectum simplicis visionis ist, das er, wenn er es auch mit der vollkommensten
und souveränsten Freiheit denkt, als denkender und absoluter Allmöglichkeitsgrund
denken muss, so ist auch für den menschlichen Intellect die unermessliche Vielheit des
Denkbaren und Erkennbaren etwas Gegebenes, welches durcli den Intellect geistig auf-
gegriffen und in den doppelten Rahmen der logischen und ontologischen Denkbestim-
mungen gefasst wird. Der göttliche und der menschliche Intellect verhalten sich zu
einander wie die unendliche Vernunft zu der endlichen, deren ersterer die unermessliche
Vielheit der Dinge actuell gegenwärtig ist, während letztere die Gedanken derselben
wenigstens der Möglichkeit nach in sicli trägt, Aveil sie aus der materia primo- prima
geformt ist, aus welcher alle ausser Gott möglichen Dinge zu bilden sind. Ihre Bindung
an die materia primo-prima hat aber zur Folge, dass ihr die Gedanken der vielen Dinge
ausser ihr nicht, wie es bei Gott der Fall ist, schon unmittelbar von selbst gegenwärtig
sind; sie müssen in ilir durch den Contact mit den wirklichen Dingen erzeugt werden.
Das Wirkliche als solches muss ihr durch Erfahrung nahegebracht werden; die logischen
und metaphysischen Determinationen des Wirklichen erkennt sie, so weit dieselben Deter-
minationen des »Seienden als solchen sind, durch sich selber; der logisch -ontologische
Schematismus, in welchen sie die Dinge fasst, ist eben die nothwendige Form des "Vei-
nunftdenkens, das sie mit Gott gemein hat. Die concreten geschöpflichen Wii'klichkeiten,
welche sie in dieses denknothwendige Schema der Vernunftanschaxumg aufnimmt, sind
für sie eben so, wie für das göttliche Denken selber, etwas Zufälliges ; schon die mit
der dreifachen Materie gegebenen grundhaften Real-Determinationen des Seienden sind
ihrem Denken durch die thatsächlich gegebene Weltbeschaffenheit aufgenöthiget, um so
mehr alle aus dieser dreifachen Materie herausgebildeten Besonderheiten. Das denkhafte
Interesse, das sie an allen geschöpflichen Dingen nimmt, ist diess, in ihnen nach einem
bestimmten Ordnungsverhältniss abgestufte und gegliederte Determinationen des Seienden
zu erkennen, deren nothwendige Voraussetzung ihr Gott als das unbegränzte unendliche
Sein ist. Wie Gott sich selbst zuerst und als die zufolge der Unendlichkeit seines Seins
nothwendige Grundvoraussetzung alles Anderen ausser ihm denkt, so muss auch der
geschöpfliche Intellect der Gesammtheit der endlichen Dinge das Unendliche als grund-
haftes Erstes voraussetzen, obschon — und hierin liegt der Unterschied zwischen dem
göttlichen und geschöpflichen Intellect begründet — für letzteren der denknothwendige
erste und seinem Wesen adäquirte Gedanke nicht jener des unendlichen Seins, sondern
der an sich völlig unbestimmte Gedanke des Seins als solchen ist, dessen Grundtheilung
in unendliches und endliches Sein im geschöpflichen Intellecte etwas Nachfolgendes ist,
und nacli dem vollen Inhalte ihrer sachlichen Bedeutung für das menschliche Denken
sich erst durch eine Reihe von Denkvermittelungen aufhellt, für welche überdiess der
in die irdische Zeitlichkeit gestellte Mensch sein sinnlich-irdisches Erfalirungsleben zur
Unterlage und zum Ausgangspunkte zu nehmen hat. Es wäre aber verfehlt, diese Abhän-
gigkeit des menschlichen Intellectes von der sinnlich- irdischen Erfahrung, wie Thomas
will, für etwas Ursprüngliches und im Wesen des menschlichen Intellectes Begründetes
zu nehmen, imd demzufolge die sinnliche Quiddität als das dem menschlichen Intellecte
376
Iv.VKl. ^\ KKNKK.
adnquato Obji'ct iK-r Krkonntniss anzuscluMi:' ilcr iiu'iisi.'liliilu' InlclliHt .stellt als Intcllcct.
in i<-loielior Katogorit« mit dorn oiiglischon, imd os goluirt zum gomoinsaiucii Cliai aktcM-
beider als geschöpflirli.T Inicllecto, dass für sir das Sci.'n.lc als solches das |Miinuiu
objectum Uli«! a(l;i(|uati> Object ihres Denkens ist.*
So nüthiget uns also Dans Seotus zn unterscheiden zwischen den l'likcnnlnisscil,
welelie der menselilichen Seele ihrer intellectiven Natur na(di zustünden, un<l zwischen
jenen, welche der irdische Zeitmensch als gefallener .M.'iisi h iniineiliiii noch zu enliiuen
vermag. Im Verhältniss zur thomistischen Ansicht üImt das ni.jeciiiin pi cjn Imu <les
menschlichen Intellcetes hat die scotistische Angabi- di's ..l.jectuni iMo|,iiuni des gesclii)|.r-
liclien Intelleetes die Bedeutung der Emancipation eines abstracicn \ crnunfKlcidcens aus
der Herrschaft eines durch einen empiristischen Realismus niedergehaltenen speculativcn
Krkennens; die Attributionen und Vermöglichkeiten dieses Yernunfterkcnnens für den i''all
seines ungehemmten AValtens haben wir aus den Angaben des Duns Seotus über die
intellectiven Functionen und Vennriglichkciten der Engel zu enfiudmien, welche, wie wir
bereits wissen, mit denselben intellectiven Kräften wie die Mensclienseelen ausgerüstet
sind. Die Objecte der intellectiven Erkenntniss sind für den Engel wie für die .Menschcn-
seele Gott, das eigene Seilest und die übrigen ^Veltdinge. In Betreff dieser letzteren hat
nun allerdino-s der Engel diess vor dem menschlichen Intellecte voraus, tiass ilim die
Species specialissimae, d. i. die Idee der Einzeldinge concreirt sind, weil er sonst von
diesen Dingen keine bestimmte Erkenntniss haben konnte.^ Diess ist indess in Beti-ciV
der Sinnendinge nur ein Ersatz für die der menschlichen Seele gebotene Möglichkeit,
durch Yermittelung der sinnlichen Accidenzen des Dinges die Quiddität desselben zu
erkennen, und ändert für den Engel nichts an der Nothwendigkeit, zur Erkenntniss der
Existenz des singulären Dinges und seiner singulären Besonderheit auf dem Erfahrungs-
weo-e o-elangen zu müssen.' Duns Seotus urgirt weiter gegen Thomas auf das Ent-
schiedenste,* dass die Species specialissimae, mittelst deren der Engel erkennt, als rationes
propriae rerum nicht durch höhere und allgemeinere Species ersetzt werden könnten, so
dass wie Thomas lehrt,'' die Engel höherer Ordnung durch wenigere aber universellere
Species, der höchste Engel durch eine einzige universalste Species die Weltdinge erkennte.
Diess würde den Engel der Art nach über die Menschenseele stellen, und involvirt
nebstdem die ontologische Unmöglichkeit, dass ein \)ing niederer Ordnung in jenem
einer höheren Ordnung enthalten sei.' Die ontologische Unmögliclikeit gilt freilicli nur
1 Utiui. ,,...- .fiitur Sit iste Status, sive ex mera Dei voluntate, sive ex mera justitia punitiva, sive ex infirmitate, quam causam
Aucustinns (Trin. XV, cap. nlt.) iiinuit sive, inquara, haec sit tota causa sive aliqua alia, saltem non est primum
objectum intellectns, ut potentia est, quidditas rei mateiialis, sed est aliquid commune ad omnia intelligibilia: licet primum
objectum adaequatum sibi in movendo pro isto statu sit quidditas rei sensibilis. 1. dist. 3, qu. 3.
- Intellectus creatus est possibilis respectu cujuslibet intelligibilis et etiam potest pati a quolibet intelligibili, propter quod
nuUum illorum est objectum adaecjuate movens intellectum creatum, sed commune ad oumia. Intellectus autem incrcatus
non patitur nisi ab essentia sua eo modo, quo dicitur moveri ab essentia; ideo solum cssentia sua est objectum ejus ad-
aequatum. Unde propter imperfectionem intellectus creati est, quod nullum unum nisi ens adaequat ipsum in ratione objecti;
tarnen est perfectio supplens imperfectionem, quia in hoc excedit potentias sensitivas. 1. dist. 35, qu. 2 (Dp. Paris.).
3 2. dist. 3, qu. 3 (Op. Paris.).
* 2. dist. 11, qu. 2 (Op. Paris.).
5 2. dist. 3, qn. 2 (Dp. Paris.).
•> 1 qu. 55, art. 3.
" Species snperior non potest perfecte continere inferiorem, nisi ponatur quod essentia, cujus est .species, contineat essentiam,
cujus est alia species. Ideo contradictio est, speciem superiorem perfecte continere inferiorfin. et essentiam suijcriorem non
continere essentiam inferiorem. 2. dist. 3, qu. 2 (Op. Paris).
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 377
vom scotistischen Standpunkte und unter der Voraussetzung, dass das Wesen eines Dinges
nicht, wie Thomas lehrt, in seiner Form beruhe, sondern durch dasjenige constituirt
werde, was durch die Zusammensetzvxng aus Materie und Form als Product resultirt.
Weiter stellt sich hier abermals recht deutlich der in der scotistischen Doctrin waltende
Trieb hervor, das in der thomistischen Speculation über die rein begriffliche Fassung
hinausstrebende Idealdenken wieder streng auf das rein begriffliche Denken zurückzu-
drängen. Was Thomas die dem höchsten Engel genügende Eine Species universalissima der
Dinge nennt, bedeutet nach seinem wahren, von der rein gegenständlichen Auffassung
des scholastisch-peripatetischen Denkens losgelösten Sinne die Centralidee der Schöpfung,
jene höchste Idee, aus deren Mitte heraus die Gesammtheit des Geschaffenen geistig
umfassen und durchdringen zu können, wir auch dem Menschengeiste vindiciren müssen,
wofern es wahr ist, dass der Mensch die lebendige Mitte des Universums und das ver-
wirklichte geschöpfliche Gegenbild Gottes ist. Die unter jener Species universalissima
befassten Species minus universales bedeuten die von der centralen Schauung um-
schlossenen und in ihr enthaltenen Sonderideen der organischen Glieder und Consti-
tuenten des in der Centralidee geistig umfassten Ganzen, die Species specialissimae die
Ideen jener concreten Existenzen, in welchen die doppelte Wirklichkeit der unsichtbaren
und sichtbaren Welt und die im Menschen vollzogene Einigung beider ihr lebendiges
Dasein hat. Diess ist der Sinn des Wortes Species, wenn es etwas vom Allgemein-
begriffe Verschiedenes bedeuten soll; nur muss, wenn den thomistischen Species die Be-
deutung von Ideen gewahrt bleiben soll, der gesammte Weltbegriff" der thomistischen
Lehre in einen anderen umgebildet werden, weil nur unter dieser Bedingung die im
Thomismus vom Begriffe absorbirte Idee von demselben sich loslösen und als eine vom
logischen Begreifen specifisch unterschiedene Erkenntnissform festhalten lässt. Der tho-
mistische Fonnbegriff" involvirt ein gradweises Aufsteigen der Formen der Weltdinge
von einer niedersten und engsten angefangen bis zu einer höchsten und weitesten hinauf;
jede niedere Form ist in der höheren enthalten, wie der engere Begriff' in dem weiteren,
wobei selbstverständlich als höchster allgemeinster Begriff jener des absoluten Seins als
Correlat der absoluten Form vorausgesetzt wird. Hier haben somit die der abgestuften
Reihe der Wesensformen entsprechenden Species des Intellectes ausschliesslich die Be-
deutung von mehr oder minder generellen Allgemeinbegriffen, deren Inhalt nur in einer
fortschreitenden Generalisation des erfahrungsmässig erkannten Inhaltes des untersten
und niedersten Begriffes bestehen kann, nach dem Gedankenschema: grobstoffliches Sein,
minder gebundenes stoffliches Sein, unstoffTiches Sein, absolutes Sein. Mit Recht macht
Duns Scotus von seinem Standpunkte aus dawider die Einwendung, dass durch derartige
generelle Classenbestimmungen oder Rangbestimmungen der Dinge nicht die AVesens-
eigenheit derselben erkannt werde; mit Recht verwahrt er sich dagegen, dass die den
Wesensrang ausdrückende Form zugleich auch die Wesenheit des Dinges selber bedeuten
solle, woraus natürlich folgt, dass der Formgedanke nicht Wesensgedanke, nicht Idee
des Dine-es ist, das als solches nur in seiner concreten Besonderheit erkannt werden
könne. Damit ist aber der Mensch, dem im Unterschiede vom Engel nacli Scotus keine
Species der Dinge concreirt sind, ausschliesslich an die sinnlich-irdische Erfahrung ange-
wiesen, mit der sich sein Denken zur ontologlsch - logischen Determination des Dinges
zusammenschliesst ; eine andere Erkenntnissart und Erkenntnissform des Dinges als diese,
gibt es da nicht. Es ist bemerkenswerth, in welcher Weise Duns Scotus die bei Thomas
Denkschriften der phil.-hist. CI. XXVI. Bd. 48
■i-jyi Kakl ^VKKN^:K.
aufilaiuinonuli- Alnuiiig iK-s l.loiiUlonkons als ouwv \oin ln'üritVIirli aiiaiv lischcii DciiLiu
imtorschioiltMion ctMiti-aloii Fassung tlor Ding.' iiii>ilciv.uliallfii iMtVi^si sii'li Ix-clli. Tliniiias
.•laubt uamlioli «las iKmi Ilnjicln von iliiii /.uui'wiiisciic MikcinuMi aus S|icii( Uns univer-
salioribus unalogiscli «hiivli .Ion llinwois auf .las li.'l'.T .Iriiigfiulo Kassiiiigsvonnögcn
beijabtor Moiisclien orlaiitiM-n /u soIKmi. (lii>, wie im- bcim-ikt, aus Wenigem und VAu-
taehom Violos /u cM-uiron veiinögon.' l)uns Scutus ciwiiUMt. dit" vi<n Tlionias bcMncikiicli
iToniai-hte Tluitsaclie beweise nur, tlass («inige .McusiIhmi >.liii.'lli'r mi.l v.illk.unnicn.'i-
etwas auffassen als an. lere, nicht aber <lass >i.' niillelst einer ii<-siliiiiiil.'n rati.) cognos-
t-endi Mehrercs als andere zu erkennen verniüeliteii ;-' .1. Ii. (>s gibt keine solchen tiefer
hinter den Dln'^on /urilckliegende (ledanken. auf welclie sich zum eeiitralercn VerstiuuU
niss derselben zurückgreifen Hesse. Im Zusammenhange mit der i'olemik des J)uns Scotus
iregen Thomas enthält diese Entgegnung einen Protest gegen die von Thomas festge-
haltene Anschauung, dass die Engel als leiblose Formwesen nniversellere Naturen als
die Menschenseelen seien, und dass diese Universalität in den höheren Rangclassen dei-
reinen Geister sich fortwährend steigere. Nach Duns Scotus sind I^ngel und Menschen-
>eelen irleichmässig durch die matcria primo-prima determinirt, inid der höhere Kang
der ersteren keineswegs durch einen höheren Grad von Universalität bedingt. Die inner
halb des Bereiches der Engelwelt bestehenden Rangunterschiede deidct sieh Duns Scotus
im Einklänge mit seiner Grundanschauung über den Vorrang des Wilhnis v.)r dem Tn-
tellecte einzig von Gnade und Verdienst abhängig.
Die Ablehnung eines Gradunterschiedes der Universalität .lci- inlellectiven Wesen-
heiten steht im engsten Zusammenhange mit der Lehre des Duns Scotus, dass alle
o-eschöpflichen Intellecte ohne Unterschied darauf angewiesen sind, die Eealerkenntnis-
der AVeit aus der Apprehension der Quidditäten der besonderen Dinge zu schöpfen; für
den menschlichen Intellect tritt noch diess Besondere hinzu, dass er die Erkenntniss
dieser Quidditäten nur durch unmittelbaren Contact mit der Sinnenwelt gewinnen kann.
Unsere AVeltkenntniss ist also nach Ursprung und Inlialt durchaus eine aposteriorische-,
und da es keine vom begrifflichen Denken specifisch verschiedene Form des Idealdenken
o-ibt imter welche sie gefasst werden könnte, so bleibt sie ihrem Realinhalte nach eine
durchaus empirische, sei es, dass Avir um die Quidditäten der Dinge durch sinnlielie
Erfahruno-, oder wie in Beziehung auf die Geisterwelt, durch den Glauben wissen. Dieser
empirisch-aposteriorische Inhalt unserer Weltkenntniss wird zum Gegenstande einer philo-
sopliischen Erkenntniss desselben durch seine Einordnung in das apriorische Schema
der zehn ontologischen Kategorien, die eine von der sinnlichen Erfahrung unabhängige
Wahrheit ansprechen, und desshalb die denknothwendige Fassung des sinnlich-irdischen
Erfahrungswissens darbieten. Das Philosophische der in dieses Schema hineingebildetcn
Wekerkenntniss besteht darin, dass die Dinge nach ihrer Seinsbestimmtheit erkannt
werden, welche Erkenntniss auch mit einem denknothwendigen Wissen um die allge-
meinen Seinscomponenten, jMaterie und Form, verbunden ist, indem das endliche, d. h.
s
• Quae Deus co^oscit per unnm, inferiores intellectus coguoscunt per multa, et tanto amplius per plura, ri.ianto amplius
intellectus iuferior fuerit. Sic igitur, qnanto angelus ftierit siiperior, tanto per pauciores species universalitatem intelligibi-
lium apprehendere potest Et de hoc exerapium aliqualiter in nobis perspici poterit. Sunt ciiim qiiidam, qui veritatein
intelligibilem eapere non possunt, nisi eis partieulariter explicetur Alii vero, qui sunt fortioris intellectus, ex paucis
multa eapere possunt. 1 qu. 55, art. 3.
2 2 dist. 3, qu. 2 (Dp. Paris.).
Die Psychologie und Ebkenntnisslehbe des Johannes Duns Scotus. 379
unter die Begränzung durch die zehn Genera fallende Sein uns nur unter der Bedingung
einer Auseinanderhaltung von Materie und Form im Denken fassbar wird. Die dem
Seienden als solchem anhaftenden metaphysischen Bestimmungen: Unum, Verum, Bonum
verlieren die Bedeutung, welche sie für eine speculative Realerkenntniss im Thomismus
haben,' bei Duns Scotus dadurch, dass auch die Materie als solche ein Seiendes ist; wir
begreifen demzufolge, wie Duns Scotus durch die Consequenz seines Denkstandpunktes
dahin geführt wird, die Unsterblichkeit der Seelen, somit auch die Unvergänglichkeit der
Geister, für keine streng erweisliche philosophische Wahrheit gelten zu lassen. Er selber
sagt ausdrücklich, dass jene drei Prädicate des Seins als accidentelle Bestimmungen des-
selben nichts über den quidditativen Charakter eines bestimmten Seienden entscheiden,^
vielmehr Sinn und Grad ihrer Geltung von diesem quidditativen Charakter eines be-
stimmten Seienden abhängt.^
Gehen wir von der intellectiven Erkenntniss der Weltdinge auf die Selbsterkennt-
niss der geschöpflichen intellectiven Wesen über, so hat hier nach Duns Scotus dei-
Engel allerdings zufolge seiner Leiblosigkeit vor der Menschenseele den Vorzug einer
unmittelbaren Selbstanschauung voraus,* hat aber nebstbei auch mit dem Menschen die
Selbsterkenntniss durch ein Gedankenbild gemein, während umgekehrt der Mensch, wenn
er nicht gefallen wäre, sich in seiner seelischen Innerlichkeit gleichfalls nach Art des
Engels intuitiv erkennen würde. In diesen Aufstellungen liegt eine doppelte Abweichung
von der thomistischen Anschauungsweise der Sache enthalten ; Thomas legt dem Engel
einfach nur eine intuitive Selbsterkenntniss bei,'" und spricht dem zeitlichen Erden-
menschen einfach eine intuitive Selbstanschauung seines seelischen Inneren ab,'' die ei-
jedoch der vom Leibe getrennten Seele als die ihr in diesem Zustande der Trennung
congruente Form der Selbsterkenntniss zutheilt,'' woraus jedoch weiter folgt, dass sie
sodann nicht auch auf jene andere Art, die Duns Scotus dem Engel nebstdem noch zu-
theilt, nämlich per speciem, sich erkennen könne. Der Meinungsgegensatz zwischen
Thomas und Duns Scotus in Bezug auf das Selbsterkennen der menschlichen Seele ist
einfach eine Consequenz aus der beiderseitigen Auffassung des Verhältnisses der Seele
zum Leibe ; der das Selbsterkennen des Engels betreffende Meinungsgegensatz wird zu-
letzt darauf zurückzuführen sein, dass Thomas den Engel als reines Formwesen fasst,
während ihn Duns Scotus aus Form und Materie zusammengesetzt sein lässt. In Folge
dieser Zusammensetzung nämlich kommt dem Engel, wie wir oben sahen, ein Intellectus
possibilis und agens in demselben Sinne wie dem Menschen zu ; der Intellectus agens
ist auf die Erzeugung einer abstractiven Erkenntniss der Quidditäten oder Wesenheiten
der Dinge gerichtet. Es sei kein Grund vorhanden, dem Engel eine solche abstractive,
oder wie Duns Scotus sich auch ausdrückt, scientifische Kenntniss seiner selbst abzu-
sprechen; man würde ihm damit nur eine derartige Ivenntniss von sich selbst aberkennen,
' Vgl. Thom. Aq. 1 qu. 87, art. 1 : Sic aliquid est ens et yerura .... prout actu est.
2 Verum est passio entis et cujuslibet inferioris ad ens; ergo intelligendo ens et quodlibet inferius ad ens praecisc sub ratione
veri Don intelligitur nisi per accidens et non secundum rationem quidditativam. 1 dist. 3, qu. 3.
3 Unum est per se passio entis, et ens per se non tantum est implex sed compositum ; ita ut unum per se non sit tantum
illud, quod est simplex, sed compositum. 2 dist. 12, qu. I (Op. Paris.). Also auch ein auflöslielies Ding ist als Ding ein
unum per se.
< 2 dist. 3, qu. 3 (Op. Paris.). — 3 dist. 3, qu. 8 (Op. O.xon.).
^ 1 qu. 56, art. 1.
6 1 qu. 87, art. 1.
'i 1 qu. S'.t, art. 2.
48»
3(<0 Kaui. Wkunkk
ilio or doeli zugcstainloiiiM' Massoii von den ilhrim'ii \\ i'lldiiii;!'!!. ja amli mhi den \\ Csni
seiner eigenen Art liat. Srotiis vcrwii-ft ilcsslialli (lit'Ji'iiii>oii Cirilmli'. aus wclclifii 'rimiuas
• lern Kngel eine unniiitelbare Solbstanschauuny vinditlrt. iiidcm iHc.-cIIkii die Miioli.li-
koit einer abstraetiven oder sciontilisclu'ii SelUsterki'iintniss dos Jüigcds aussililicssoii
würden. Thomas nuudit nändioli' das tmnüttelbarc \ ert'iiii>;ts(Mn dos zw orkomiondon
Objüctes mit dem Krkoniu'ndon zur ratio rorinalis intolligciidi, so dass das miiiiitlol-
bare Beisichsein des intollotiiMn ICngels ilor (irimd seiner Solbsterkeiminiss wiire, die
domzut'olge ganz In der Selbstansolianun!;- aul'i^elini miissie. l''iir huiis Seotiis ist Im
Lregobenen Falle die unmittelbare Triisenz dos zu orkoiuiendoii ObjiHtos bloss der Miig-
liohkeitsgrund der von ihm zugestandenen Solbstanschaunng des JCngels, die jodooh als
intelleetiver Act sii-h durch die Action des Intolloctcs vollziohon muss. Damit wird alu'i-
freilich zugleich auch die vi>n rinunas liehaupteie ]iei|ieluirliehe aeluelle Sei bsiaiischaiiiing
des Kngcls in Abrede gcstolli. «lei- oben nielit. wii- Thnjuas will, ein >ieli sclliei- ewii;
lichtes reines Formwesen ist. J)uns Scotus bleibt bei der Assoi-lion d(M' .Miiglielikeii
einer unmittelbai'on Selbstanschauung dos Engels stehen, und erklärt diese iMöglichkeit
ilaraus, dass das Dbject der Solbstanschauung, d. i. die eigene Essenz des J-^ngcIs, als
ein actu Intelligibilo in doi- .Memoria des Engels gegenwärtig ist. 80 werden also in Be-
zug auf das Selbsterkennen Engel mid jNlenschenscele einander möglichst nahe gebracht,
und zwar dadurch, dass einerseits der Mcnschenseele, selbst sofern sie mit dem irdi-
schen Leibe vereiniget ist, nicht schon an sich das Vormögen der Selbstanschauung
abgesprochen wird, andererseits aber dem Engel die iMügliclikeit einer perpetuirlichen
aetuellen Selbsterkeuntniss aberkannt wird, während beiden ein abstractes Selbst-
erkennen als gemeinsamer Erkenntnissbesitz zugetheilt wird.
Per Thomistischen Doetrin, welche dem leiblosen Intellccte einfach nur eine intuitive
Selbsterkeuntniss zutheilt. der mit dem passiblcn Erdenleibe vereinigten Menschenseele
aber eine solche Selbsterkenntniss einfach abspricht, wird von Duns Scotus der Vorwurf
gemacht, dass sie den Intellect in ein rein passives Vcrhältniss zu den übjecten seiner
Erkenntniss setze. In Bezug auf das Erkennen der Engel wird dieser Vorwurl" damit
ei-härtet. dass den Engeln von Thomas ein Intellectus agens im eigentlichen Sinne abge-
spi-ochen oder doch nur sehr relativ zuerkannt, und demzufolge ihr Erkennen als ein
rein intuitives Erkennen aufgefasst werde. Nicht minder Avei-de aber auch das intcUec-
tive zeitliche Menschenerkennen in ein excessives Abhängigkeitsverhältniss von der sicht-
baren Wirklichkeit gesetzt ; zufolge dessen müsse Thomas sagen, dass die intellective
Menschenseele iiu- AVesen nur mittelst jener Acte inne werden könne, in Avelchen der
^Intellectus agens aus den Sinnesvorstellungen die intclligiblen Species der Dinge hervor-
ziehe. Hier zeige sich die passive Abhängigkeit des Intcllectes sowohl in Beziehung
auf die Selbstwahrnehmung der Seele, als auch in Bezug auf die intellective Erkennt-
niss der Sinnendinge. In Bezug auf erstere ist einzig das unmittelbare Dasein der Seelen-
essenz der Grund des Wissens um sie-, in den Intellectionen der Sinnendinge aber werde
alle Activität in die Species intelligibilis verlegt, so dass diese die eigentliche Auswirkerin
der Erkenntniss und gewisser Massen das formgebende Princip des Intcllectes sei.'' Der
eigentliche Sinn dieses Vorwurfes ist wohl dieser, dass Thomas den intellectiven Erkennt-
' 1 qn. 56, art. 1.
2 1 dist. 3, qn. 7.
Die Psychologie UiND Eekenntnisslehbe des Johannes Duns Scotus. 381
nissprocess der Menscbenseele zu einem unfreien Naturprocesse herabdrücke; daher auch
Duns Scotus im weiteren A' erfolge seiner Polemik insgemein die freie Willentlichkeit als
wesentliche Form des intellectiven Erkennens betont/ Die thomistische Lehre vom
menschlichen Intellcct scheint ihm zu sehr in die allgemeine Weltlehre verschlungen,"
der charakteristische Unterschied zwischen dem Wirken natürlicher imd geistiger Kräfte
nicht beachtet zu sein. Aristoteles, auf den man sich beruft, wird missverstanden; sein
Satz: Intelligere est quoddam pati,' besagt nicht, dass der Intellect im Verstehen sich
passiv verhalte, sondern nur, dass die Intellection als förmliches (actuelles) Verstehen
eine im Intellecte activirte Form sei, in deren Auswirkung der Intellect sich selbstver-
ständlich activ verhält. Denn die intellective Seele ist eine Causalität höheren Ranges
als das sinnliche Object der intellectiven Erkenn tniss,* und muss demzufolge auch einen
activeren Antheil an der Erkenntniss des Sinnendinges haben, als das hiezu concurrende
Sinnending. Allerdings verhält sich das Sinnending, dessen Species in den Intellect
hineingenommen wird, gleichfalls als wirkendes ; es ist aber im Intellecte nur secundum
<juid, nämlich als Bild, gegenwärtig, kann daher auch nur secundum quid zur Aus-
Avirkung der Intellection beitragen, die principaliter das Werk des Intellectes als Trägers
des nur secundum quid seienden Bildes sein muss.!^ Die recipirte Species verhält sich
nur als werkzeugliche Ursache des Intellectes, als ein co-agens," als ein in secundärer
Weise Mitwirkendes.
Die von Duns Scotus gegebene Erklärung des Actes der Intellection steht im voll-
kommenen Einklänge mit seinen uns bereits sattsam bekannten ontologischen und erkennt-
nisstheoretischen Grundanschauungen. Die Intellection des Sinnendinges ist ihrem Effecte
• nach nichts anderes als eine besondere Determination des im menschlichen Intellecte
vorhandenen Seinsgedankens, wodurch dieser zum Gedanken eines bestimmten Dinges
determinirt wird. Der Intellect verhält sirh zu dem besonderen, von ihm appereipirten
' Est euim in potesfate uostr.i intelligere, quia intelligimiis, cum volunnis. Hoc autem non est projiter speciem )irinciiialiter,
quae est forma naturalis, sed propter intellectum, quo Uli possumus cum voluraus. 1 dist. 3, qu. 8.
2 Vgl. Tliom. Aq. 1 qu. 87, art. 1: Intellectus humanus se liabet in genere intelligibilium ut ens in potentia tautura, sicut et
materia prima se habet in genere omnium sensibilium ; unde possibilis norainatur.
3 Vgl. Aristot. Anim. III, p. 429. a, 10 ff.: Uef: os toü [iopi'ou tou Tri; 'iu/Jj; S> yw'iazEt t; r, iu"/'') zal apovst oz£;:-|ov . . .
-löc -OTS y'^^'^"' ■^° voeTv. c! 5r) lc7T'. TD vosTv hxsr.tp TO aiaOaviaOa:, v) -cisyeiv ti äv zir] Ojiö tou votjtoü fj -•. toioutov STcpov /.. t. a.
Duns Scotus bemerkt z\i dieser Stelle: Dico quod Philosoplius locutus est commuuiter de potentiis animae, inquantum
sunt, quibus formaliter sumus in actu secuudo: puta de sensu inquantum est, quo formaliter sentimus, de intellectu inquantum
est, quo formaliter intelligiraus. Formaliter autera intelligimus intellectu inquantum recipit intellectionem, quia si causet
eam active, non tamen dicor intelligere intellectu inquantum causat, sed inquantum habet forraam. Habere enim qualitatem
est esse quale; et ita intellectum habere intellectionem, sive recipere, quod idera est, ipsum esse intelligentem. Nos igitur
intelligimus intellectu, inquantum recipit intellectionem. Idee Philosoplius loquens sie de intellectu neeesse habuit dicere,
eum esse passivum, et quod intelligere est quoddam pati h. e. quod intellectio inquantum est quoddam, quo formaliter intel-
ligiraus, est forma quaedam recepta in intellectu. Non auteni intelligimus eä, inquantum est quid causatum ab intellectu, si
causatur ab eo. — Die Auslegung des Thomas Aq. (Comm. in Anim. III, lect. 7) lautet: Si intelligere est simile ei quod
est sentire, et partem intellectivam oportet esse impassibilem, passione proprie accepta ; sed oportet, quod habeat aliquid
simile passibilitati, quia oportet hujusmodi partem esse susce.ptivam speciei iiitelligibilis , et quod sit in potentia ad hujus-
modi speciem, sed non sit hoc in actu. Et sie oportet, quod sicut se habet esse sensitivum ad sensibilia, similiter se habeat
intellectivum ad intelligibilia; quia utrumque est in potentia ad suum objectum, et est susceptivum ejus. Der Unterschied der
beiderseitigen Erklärung reducirt sich darauf, dass Thomas den Intellectus possibilis vom Intellectus agens als besondere.s
Vermögen unterscheidet; Duns Scotus wirft Thomas vor, sich an die averroistische Auslegung des Aristoteles gehalten zu haben.
* 1 dist. 3, qu. 8.
'■■ Enti secundum quid non convcnit actus simplieiter; sed quando habet esse tale secundum quid per aliud simpliciter ens,
tunc principalius convenit illi enti simpliciter, si illud aliquo modo sit activum respectu ejusdem. L. c.
^ Dieses co-agere soll nach Duns Scotus die etymologische Unterlage des Sprachausdruckes cogitare darbieten. — Ueber die
wirkliche sprachlich-genetische Ableitung dieses Wortes siehe Pott, indogerman. Wurzelwörterbuch III, 8. 387.
3}<2 Kakl Werskk.
SiiuiciitliiiiiO vvio sicli iKr alljri'iufiiu' Soinsüfedanko /.um lu'danki'ii i'iiu's bosuiHltM-fn,
bestinimtoii Ksse verluilt ; das lotztorc Ncrliäliniss ist oiii ginlanktMihai'icf Kttlcx des
orsttM-i-ii in der roaloii W ii klidikeit boistt'lu'n.lcn Ncrliiiltiiissos. /iil'.-lijt" der solbstvor-
stüiullichon lobeivinstiininuii';- tlor siibjcctivoii 1 )i'nkiH>tli\vi'ndi<;k(Mt und der roahMi objek-
tiven NVirklirhkeit bedarf es keiner solelien bMiUMideii Hingebung des InteUeetes an die
i'eirebene NVirkliehkeit. um einen objeetiv wahren ICindruek von ihr /.u em]il'angen; eine
derartige passive Versenkung des Intelleetes in die gegebene sinnlich.' W ulJithkeit. wie
Tliomas sie als Grundbedingung einer (Jewinnung (bs \\'esensgedaiik(i;> Mnnll.hri Pingc
fordert, strei-tet gegen die Natur iK^s Intelleetes, die eine solche \ ersenkmii; nicht zu-
lässt. Aueli ist es dem Intelleete nieht. so zu sagen, um ein Eimlrin-icn in die Seele
des Sonderdinges, sondern um die allgemeine \Vahrheit des Dinges, iiin den llegi ill' <li's-
sclben zu thun; daher aueli die im intellectivcn Erkennen sieh vollziehende Confoimation
des Erkennenden mit dem l-^rkannten. der Seele mit dem Sinnendinge, nur in äc|ul \ ciLciu
Sinne verstanden werden kann.' In der That kann Thomas eine im eigentlichen Sinne
zu verstehende (\»nformation der intelleetiven Seele mit dem erkannten Sinnesobjeete
nur auf den unzulässigen Gedanken des Zusammenseins einer sensiblen und intelleetiven
Seele in einem und demselben SeelenAvesen stützen, wobei ilberdiess die zeitliche und
sachliche Priorität der sensiblen Seele im werdenden Menschen vor der eist nachfolgend
eintretenden intelleetiven Seele den Intellect wirkllcli in ein ungehöriges Abiiiingig-
keitsverhältniss von der sinnliehen Wirklichkeit setzt. Wenn es aber wahr ist. dass es
eine sinnestiefe Auffassung der Sinnendinge gibt, die nicht sclioii unmittelbar im begriti-
lichen Erkennen derselben enthalten ist, und eben nur aus einer Versenkung des Men-
schen mit Sinn und Gemüth in die gegenständliche A\irkli(hkeit geschöpft werden kann
— wenn es ferner wahr ist, dass diese Art von Erkenntniss als eine aus der Tiefe des
menschlichen Seeleninneren geschöpfte Erkenntniss den Charakter des specifisch Mensch-
lichen an sich trägt, so muss die in ihrer unmittelbaren Gegebenheit unwahre thomistische
Ansicht vom specifischen Charakter des intelleetiven Naturerkennens des zeitlichen Erden-
menschen in einem höheren Sinne sich bewahrheiten, der aber nur (hmn zu Tage treten
kann, wenn ein vom sinnlichen Empfinden verschiedenes seelisches Empfinden anerkannt
wird, das nicht gleich ersterem ein actus conjuncti ist, sondern dem immanenten Selbst-
leben der Seele angehört, und aus diesem heraus sich entwickelt. Von einem derartigen
intelleetiven Empfindungsleben der Seele wissen weder Thomas noch Duns Scotus; es
hat überhaupt keine Stelle in der scholastisch - peripatetischen Psychologie, welche die
Eigenart des Seelenwesens verkennend, dasselbe lediglich als eine Zusammensetzung
eines Intellectivwesens mit einem Vermögen sinnlicher Wahrnehmung (anima sensitiva)
fasst. Der unphilosophische Begriff eines derartigen Wesens lässt ein Hinauskommen
über die in der thomistischen und scotistischen Erkenntnisstheorie fixirten dilemmatischen
Gegensätze nicht zu; entweder muss das Intellectivprincij) In die anima sensitiva der-
art eingehen, dass es, in der Realapprehension der einzelnen Gegenständlichkeiten der
vielfältigst diversificirten sichtbaren Wirklichkeit aufgehend, sich zu einer die gegebene
Weltwirklichkeit als Totum umgreifenden Idealanschauung nicht zu erheben vermag,
• Principalius agens communiter est aequiTocum, et eminentius habet in se perfectionem etfectus quam causa univoca: et ideo
non magis a?siinilatur sibi formaliter, quia hoc esset imperfectionis in causa, sie assimllnri effectui. Sed assimilat magis
h. e. dat magis formam effectui, per quam sibi assirailatur aequivoce, quam det agens particulare, et ista assimilatio acfiva
est ex perfectione causae, licet non sit magis assimilatio formaliter. L. c.
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Düns Scottjs. 383
oder es muss umgekelirt in einer gewissen abstracten Höhe über dem Bereiclie der
sinnlichen Sensationen gehalten werden, die es zu einer wahrhaften seelischen Ergreifung
der sinnlichen Wirklichkeit nicht gelangen lässt, andererseits aber auch mit dem ange-
nommenen substantiellen Einssein der anima intellectiva und sensitiva nicht vereinbar
ist. Gibt es ein seelisches Empfinden, welches, weil die Form der Intellection an sich
tragend, vom rein sinnlichen Empfinden durchgreifend verschieden ist, und ist anderei*-
seits dieses seelische Empfinden der Seele als Seele, d. i. als actuosem Formprineipe
der sinnlichen Leiblichkeit des Menschen eigen, so muss es der Seele als einem von
den leiblosen Geistwesen specifisch verschiedenen Wesen zukommen, und ist der angeb-
lich in die anima intellectiva recipirten anima sensibilis als specifische Wesensqualität
<ler intellectiven Menschenseele zu substituiren. In Kraft dieser ihrer Wesensqualität ist
die Seele befähiget, die gegenständliche sichtbare Wirklichkeit iu einer Weise zu innern,
deren das leiblose Geistwesen nicht fähig ist; nur darf diese Innerung nicht als passive
Reception, sie muss vielmehr als active Umbildung der sinnlich appercipirten Weltwirk-
lichkeit genommen werden. Sie ist als Umsetzung derselben in eine höhere Form ihres
concreten Daseins zu verstehen, als diejenige Form, in welcher sie ein der intellectiven
Seele homogenes Sein gewinnt, olme diejenigen Eigenthümlichkeiten zu verlieren, die
sie in der Aufnahme in das Denken eines leiblosen Geistes einbüsst. Indess ist die Er-
hebung der sichtbaren Wirklichkeit in die Region des seelischen Empfindens etwas von
der geistigen Intellection derselben durchgreifend Verschiedenes, obschon sie dieselbe
zu ihrer Voraussetzung hat und nur in Kraft derselben sich vollziehen kann. Je voll-
kommener die Intellection, desto gebildeter die seelische Empfindung; die durchgebil-
detste und vollkommenste seelische Apperception der sichtbaren Wirklichkeit wird dem-
nach auf dem Grunde des vollendeten W'eltverständnisses stehen. Das vollkommenste
Verständniss der sichtbaren Wirklichkeit ist das aus der centralen Mitte derselben heraus-
gesetzte, und desshalb sie als lebendiges Totum umgreifende; die centrale Mitte der sicht-
baren Wirklichkeit als solcher ist die seelische Innerlichkeit des Menschen, diese in ihrer
tiefsten Tiefe gefasst; aus dieser ist also der centrale Weltgedanke zu schöpfen. Die voll-
kommene Herausstellung desselben aus der Tiefe der menschlichen Intellection hat zu ihrer
nothwendigen Vorbedingung die Einrückung der Seele in ihren absoluten Ort, der ausser
ihr liegt, und dessen Erreichung das absolute Ziel ihres zeitlichen Vollendungsstrebens ist.
In denselben eingerückt erkennt sie ihr AVesen als die absolute Form der sichtbaren W'irk-
lichkeit, und stellt sich ihr das sichtbare Weltganze als eine aus ihrer lebendigen Selbst-
anschauung herausgestellte Intellection dar, deren concreter Inhalt ihr in der vollendeten
Durchbildung ihres immanenten Empfindungslebens innigst gegenwärtig ist. Was also
Thomas dem höchsten Engel zuerkennt, nämlich dass er aus einer einzigen Species
universalissima die Species aller unter Ihm befindlichen Wirklichkelten erkenne, müssen wir,
nur in ungleich concreterer Weise, in Absicht auf das sichtbare Weltganze der in Gott
vollendeten intellectiven Menschenseele zuerkennen, für welche in ihrer AViedervereinigung
mit den geklärten Empfindungsorganen ihrer leiblichen Hülle auch der schöne Schein
der geklärten sinnlichen Wirklichkeit in einer für den leiblosen Geist nicht perceptiblen
AVeise vorhanden sein muss. Damit rückt der Mensch seiner Idee nach in die lebendige
Alitte des AV eltganzen als derjenige, dem Gott durch die Offenbarungen seiner Herrlich-
keit In aller AVelse nahe ist; während die ihm an Macht und Können übergeordneten
Geistmächte als höchste kosmische Mächte den Umkreis des durcluxus von geistigen
3^4 Kmu. Wkkser.
Potciizoii u^olialtiMU'ii Wi'ltgan/en i'uiit^tituiri'n uiul liii'inii imuMli.illp ili-r (.iran/.cii dci-
Geschujitlichkcit der Hottlioit als absolutiMii Unisrliluss zuiijirlist irt'rdokt orsiliclmn.
Duns Seotus orklärt «lio in die SocK' rccii'iricii Spocios der Siiiiicii(lirim> l'ilr instiii-
inontiile Airoiiticn in «Iit l]i/.«niy;ung dos durcli den liittdloct uusziiwirkt'iidi'ii (n'diinkoiis
oinos siimlirli ai>j>(.M(.ipirt<'ii (-)l>joctos. l.ässt sirli der HogriiV der Sjiocics oder des Vur-
sttdhmsrslMltU's als cinos A^eiis luiltoii? Sot/on wir di'n j^cncicdlcii li('<;iilV eines \'oi-
stoUungshildos in seinen coneretcn Inhalt vmi. so treten zwei Allen von N'nrstellunos-
bildern in den \ Ci'dergnind. welelie die Seide als Al)l)ildnni;-en der äusseren NN iiUichkeil
in sieh ant'nehnien kann: TonMlder und (Jesiehtsliilder. 1 >le Ajt]>ereoptii>iien d(>r illtrigen
Sinne vermitteln nur Sinneseindrileke. welelien keine Bilder, sondern Idoss \ ors(ellunf:;en
von irewissen Kinwirkungsarten der J)inge entsprechen, halier lässi sieli niii- ilioe \'or-
stellutiLf im Gedäehtniss t'esthalten. während die unmittelbare sinnlic he Iiiijilindiing als
solehe. nachdem sie ausgeklungen hat. sich nicht reprodueiren lässt. haiaiis folgt abei- siImhi,
dass der Inhalt der sinnlichen Em])Hndung ein körperlicher Zustantl ist, der .sich der
Seele als AtVeetion und Leiden des Körpers o<ler eines körperlichen (Jrganes vernehmbar
macht, und allerdings auch die Seele in AJitleidcnschal't zieht, obschon nicht sie es ist,
welche riecht, schmeckt, die betasteten Körper als rauh oder glatt fühlt u. s. w. Als
Bilder lassen sich bloss die durch Gehör und Gesicht vermittelten Apperceptionen fest-
halten. Die Fähigkeit einer Reproduction dieser Sinnenbilder ist aber offenbar durch
die Verbindung der Seele mit dem Leibe bedingt; in der vom Leibe getrennten Seele
können keine Töne nachklingen, keine Farbenbildei- sich reprodueiren. iJas sinnliche
Vorstellungsbild gehört sonach nicht der Seele als solcher an; der Seele kann nur der
demselben entsprechende unsinnliche Gedanke angehören, der aus Anlass des im sinn-
lichen Vorstellungsbilde gebotenen Vorhaltes in der Seele aufleuchtet. Der Seele als
solcher gehört in der intelleetiven Apperception sinnlicher Tonbilder nur die aus ihrem
selbsteiffenen Wesen heraus sich vollziehende Apperception der in den Tonbildern ver-
lautbarenden rhythmisch-musikalischen Verhältnisse, in der intelleetiven Apperception der
Gesichtsbilder die Auffassung der unsinnlichen Mass- und Formverhältnisse des sinnlich
Geschauten an; der sinnlich-materiale Inhalt der sinnlichen Vorstellungsbilder liegt
ausser der Seele, geht in sie nicht ein. Bcharrt das sinnliche Vorstellungsbild als solches
ausserhalb der Seele, so muss es in ganz anderem Sinne, als diess in der scotistischen
Psvchologie geschieht, als Coagens der intelleetiven Seele in Erzeugung des intelleetiven
Gedankens eines Sinnendinges gefasst werden; es ist eigentlicli nur der Veranlasser
desselben, der einzige Auswirker ist eben nur die intellective Seele selber. Diess ist die
richtige und denkwahre Auffassung der Sache auf dem von Duns Scotus angestrebten
dualistisch-anthropologischen Standpunkte, welche ihm darum entgeht, weil er die anima
sensibilis mit der anima intellectiva zusammenschweisst, und vom relativen Selbstleben
des mit der Seele geeinigten Leibes nichts weiss. Diese Zusammenschweissung der anima
intellectiva und sensibilis hat aber ihrerseits darin wieder ihren Grund, dass Duns Scotus,
festhaltend an dem Axiom : Kil in intellectu quod non antea fuerit in sensu, bloss einen
empirischen Realinhalt der menschliehen Intellectionen kennt; an jenem Axiom aber
hält er fest, weil ihm als scholastischem Peripatetiker der Vollbegriff des menschlichen
Seelenwesens abgeht, der zu einem entschiedenen und durchgreifenden anthropologischen
Dualismus hindrängt, aber auch die Mittel und Bedingungen zur ßückvermittlung der
rückhaltlos anerkannten Dualität des Menschenwesens in die geschlossene Einheit eines
Die Psychologie und Ebkenntnisslehre des Johannes Duns Scotüs. 385
lebendigen Totum in sich scliliesst. Der Vollbegriff der menschliclien Seele bringt es
mit sich, in derselben ein lebendiges Totum zu erkennen, welches ein ganzes und volles
Leben aus sich heraus zu entwickeln fähig ist, und demzufolge auch keine andere Union
mit der sinnlichen Leiblichkeit verträgt als eine solche, in welcher diese, je weiter die
immanente intellective Lebensentwickiung der Seele vorschreitet, desto mehr zu einer
bloss werkzeuglichen Unterlage der intellectiven Lebensentwicklung herabgesetzt wird.
Umgekehrt aber muss dieses leiblich-sinnliche Substrat der intellectiven Selbstentwicklung
der Seele ein lebendiges Substrat sein, da die Entwicklung des immanenten Selbstlebens
der Seele in lebendiger Wechselbeziehung mit seiner sinnlich-leiblichen Unterlage vor
sich geht. Diese lebendige "Wechselbeziehung involvirt eine innigste Einigung beider,
die nicht anders denkbar ist als so, dass die intellective Seele ihr leibliches Substrat
und Wirkungsorgan inneidich gefasst hält und geistig umgreift, während sie es anderer-
seits, um sich die nöthige Freiheit ihrer immanenten Lebensentwicklung zu wahren und
jedes störende Eindrängen des sinnlich Animalischen in ihr intellectives Selbstleben
abzuwehren, stets unter sich gefasst hält. Diese Wirksamkeiten der Seele sind Natur-
wirksamkeiten derselben; sie treten nicht ins unmittelbare Bewusstsein der Seele, gehören
aber zum substantiellen Sein derselben, und sind unabtrannbar vom Begriffe der Seele
als actuoser Wesensform des menschlichen Leibesgebildes.
Der Vollbegriff der Seele als einer den Leib umschliessenden und unter sich gefasst
haltenden Macht verträgt sich nicht mit der Vorstellung von einem Haften der Seele
am Leibe, wozu sich der Formbegriff' unwillkürlich degradirt, wenn die Seele, statt als
Continens, vielmehr als ein Contentum in corpore aufgefasst wird, was doch nur secundär
und in gehöriger Unterordnung unter die primäre Bestimmung der Seele als eines Con-
tinens gelten kann. Das einseitige Vorwiegen der secundären Bestimmung in der peri-
patetischen Scholastik bekundet nur zu sehr, dass der Begriff" der Seele als Substantial-
form nicht in seiner Tiefe erfasst wurde, und hängt aufs Genaueste mit der schon
betonten Unkunde des immanenten Lebensgehaltes der Seele zusammen. Allerdings
vergleichen sowohl Thomas Aquinas' als auch Duns Scotus* das Verhältniss der mensch-
lichen Seele zu dem ihr eignenden Leibe mit dem Verhältniss Gottes zur Welt, und
sagen Beide, dass die Seele im Leibe, wie Gott in der Welt walte. Da nun Gott das
die Welt absolut continirende Sein ist, so sollte man erwarten, dass auch die Seele in
proportionaler Weise als das höhere, ihrem Begriffe nach die sinnliche Leiblichkeit
umschliessende Sein gefasst werde. Dem ist aber nicht so. Beide, Thomas und Duns Scotus,
sprechen stets nur von einem Sein der Seele im Leibe, ersterer sogar von einem Sein
der Seele in der Materia, ^ so dass die Seele nur durch ihre intellective Thätigkeit über
dieses ihr Esse in materia hinausgreift. Da nun in der scholastisch-peripatetischen Sprech-
weise der Thomistik die virtus intellectiva zur Essenz der Seele sich als Accidens ver-
hält, so ist jenes Hinausgreifen der Seele über ihr Esse in materia etwas Accidentelles.
Derlei kann nun allerdings von Duns Scotus nicht zugegeben werden ; er trennt die
' 1 qii. 93, art. 3.
^ Rer. princip. qii. 12, art. 3.
3 Ultima fonnarum natiiralium, ad quam terminatur consideratio philosophi naturalis, seil, anima humana, est quidem separata,
3ed tarnen in materia. Separata e.st quidem secundum virtutem intellectivam, quia virtus intellectiva non est virtus alicujus
organi corporalis. Sed in materia est, inquantum ipsa anima, cujus est haec virtus, est corporis forma et terminus generationis
humanae. 1 qu. 76, art. 1.
Deukschriften der phil.-hist. CI. XXVI. Bd. 49
3v<6 Kaki. Wkunkh.
intolloftivo I'otiMiz nicht in jiMicr \\ i'isc, wie 'riioiuas, vnni W i-son lU-r Sccir ;il>, luiiss
also mit der intolloi-tivon TlüitigkiMt ilor Seele aiuli iliese selUer, soweit sie Imclleet ist,
über das Sein im Leibe liinaiisrüeken, so dass sie als iiiirllcri niclii walirlial'l niui
eiirentlieb, sondern nur aecidentieller \Veiso im Leibe ist," olis,|i,iii sie als Wesensfoiin
«ranz im Leibe ist. Von einem Sein der Seele in Mateiia kann Ix'i huns Sculns selioii
ilesshalb keine Rede sein, weil er dem Leibe eine besontlere Wesensform zuselireibt, ili(>
vom seelischen Formi>rincipe des Menschenwesens untersohieden ist; er kann also nur
von einem Sein der Seele in eorpore sjm-imIh'h. I'iescs Esse in eor]ii)ic winl alin- von
lUins Seotiis, soweit es sieh auf die Seele als Snlisianiialfdiin lic/irlit. cIumi so entscliii-di'u.
wie von Thomas austjesagt.* wie es nielit anders müglieh ist, wenn die aninia scnsihills,
die an siel» nur eine begritVliehe Abstraetion ist, als eine Realitäl gciiummen, und iiiil
der anima intellectiva in Ein Wesen zusammengetiossen gedacht wird. So schwankt und
oscillirt also bei Duns Scotus die Auffassung des Seelenwesens zwischen ciueni Esse
in corpore und l'.sse extra corpus: für die Seele als Intelh^'tivpotenz ist das Esse in
corpore etwas Accidentelles, für die Seele als Wesensform etwas so Wesentliches, dass
sie in keinerlei Weise ausserhalb des Körpers seiend gedacht werden kann. Kein Zweifel,
dass hier zwei einander widerstrebende Auffassungen des Seelenwesens mit einander
vereiniget sind; nach der einen Seite wird es mit den k^ngelwesen in Eine Kategorie
gestellt, und zu einer subordinirten Species derselben gemacht, nach der anderen Seite
aber, wenn auch nicht dem Worte, so doch der Sache nach als am Leibe haftend
gedacht — ein Beweis, dass das richtige und wahre Verhältniss zwischen Seele uml
Leib nicht gefunden ist. Der unvermittelte Gegensatz zwischen Esse in corpore und
Esse extra corpus ist in dem Gedanken eines Esse supra corpus aufzuheben, womit sicli
sodann auch die Möglichkeit eines innigsten Zusammenseins mit dem Leibe ergibt, was
sieh analogischer Weise durch das Verhältniss Gottes zur Welt verdeutlichen lässt, der
weil absolut über den Geschöpfen seiend, allen innigst nahe, ja das Innerste der
Geschöpfe, soweit sie wirklich und in dem Grade als sie wirklich sind — das absolute
Centrum der Welt ist. Wie aber Gott nur vermöge der absoluten Fülle seines sclbst-
eigenen Seins und Lebens schlechthin über der Welt ist, und zufolge dieses seines
absoluten Seins über Allem auch Allem innigst nahe sein kann, so muss auch im Seelen-
wesen eine wenigstens potentiell enthaltene Fülle immanenten Seins- und Lcbensgehaltes
vorausgesetzt werden, welche es schlechthin über die ihr eignende sinnliche Leiblichkeit
stellt und durchgreifend von derselben scheidet, aber eben desshalb auch zu einer in
ihrer Art innerlichsten Fassung und geistigen Umgreifung desselben befähiget. Dass
der Begriff der anima sensibilis nicht das geeignete Mittelglied zur Anbahnung eines
richtigen Verständnisses des Zusammenseins und relativen Ineinanderseins von Geist und
Leib abgibt, hat sich uns schon sattsam gezeigt; was in den Begriff der anima sensibilis
' Auima considerari potest, «t habet respectum ad Operationen! intellectualem seu voluntariam; et tuuc cum ipso respectu
ipsa substantia animae est potentia intellectira. Accipiendo animam secundum Ijanc considerationem iioii est per se nee in
tote' corpore nee in aliqua parte, est tarnen per accidens seil, per substantiam, cum fiua realiter ideni est, iu toto et in
qualibet ejus parte .... Ergo eadem res simul est corpori iinita et non unita, quia cum potentia realiter sit idem quod
sabstantia animae, sicut anima quamdiu est in corpore, est ei nnita, sie potentia realiter, ut est res absoluta, semper est
corpori nnita, sed secundum quod recipit rationem respectus seu potentiae intellectivae, ratione illius non est unita corpori.
Rer. princip. qu. 12, art. 3.
2 Anima . . . . ut nnitur corpori in ratione formae substantialis, dans ei esse simpliciter, est tota in toto et in qualibet parte
aequaliter et uniformiter in oninibus partibus tarn organicis quam non organicis. Rer. princip. qu. 12, art. .3.
Die Psychologie und Eekenntnisslehre des Johannes Duns Scütüs. 387
hineingelegt wird, vertheilt sich in der auf das Concrete gehenden Betrachtung des
Menschenwesens derart auf die Constituenten desselben, dass in dieser Vertheilung die
anima sensibilis als besonderes Esse völlig disparirt.
Duns Scotus lässt die Wesenheit der Seele ganz in den Leib versenkt sein, und
deducirt diese seine Ansicht merkwürdig genug aus der Einfachheit der Seele,* die er
als eine entfernte Aehnlichkeit mit der Einfachheit und Einheit des göttlichen Wesens
auffasst, jedoch so, dass sie unendlich weit von derselben absteht.^ Duns Scotus hat
wohl nicht bedacht, dass die abstract negative Bestimmung des Abstandes der Creatur
von Gott als eines unendlichen Abstandes unter der Hand in ihr Gegentheil umschlägt,
und darum unzureichend, wo nicht völlig unbrauchbar ist. Kein wirklich Seiendes steht
als Seiendes unendlich weit von Gott ab ; welche Bezeichnung müsste man denn für
diesen Fall für den Abstand des Nichts von Gott wählen, aus welchem Gott das, was
nicht war, zum Sein emporgezogen hat? Uebrigens ist diese Verhältnissbestimmung des
Abstandes der Seele von Gott für die scotistische Auffassung des Seelenwesens bezeich-
nend genug, und zeigt überhaupt, bis zu welchem Grade sich der Formbegriif der
speculativen Scholastik sich bei ihm bereits abgeschwächt hat. Gemäss seiner Auf-
fassungsweise umgreift keine geschöpfliche Wesensform dasjenige, dessen Form sie ist;
also ist auch keine geschöpfliche Form eine relative Nachbildung des göttlichen Seins als
des allumgreifenden, und auch die intellective Menschenseele vermag den so engen Bereich,
in welchen sie als Formprincip des sinnlich-leiblichen Menschenwesens gewiesen ist, nicht
formmächtig zu umgreifen. Also haftet sie am Leibe, und ist in Bezug auf ihre immanente
Lebensentfaltung in reinnatürlicher Ordnung ganz und gar auf die stoffliche Füllung ihres
intellectiven Lebens durch die sinnlich-irdische Erfahrung angewiesen; an die Stelle der
seelischen Innerlichkeit tritt die Memoria als Aufbewahrungsort der von der Seele recipirten
Species der Sinnendinge. Dass die Seele als absoluter, d. i. höchster und abschliessender
Actus der geformten Materie alle Formen derselben wesenhaft in sich aufgehoben tragen
und demzufolge auch unter den entsprechenden sollicitirenden Anlässen aus sich selbst her-
vorstellen können müsse, Hesse sich wohl aus dem thomistischen Seelenbegriffe folgern, kann
aber vom Standpunkte der scotistischen Doctrin nicht mehr zugegeben werden, weil sich
dem Denken des Duns Scotus ein ganz anderer Begriff der Materia prima unterschob,
welcher eine derartige Folgerung ausschliesst. Die scotistische Materia primo-prima reci-
pirt nicht Wesensbestimmungen, sondern Seinsbestimmungen ; die Materia secundo-prima
ist bereits etwas so Determinirtes, dass die Seele als eine von ihr verschiedene Seins-
und Wesensdetermination nicht mehr in jenes Verhältniss unmittelbarer Einigung mit
ihr treten kann, welches sich nach thomistischer Anschauung in der Einigung der Seele
mit dem Leibe vollzieht. Die Seele ist nach Duns Scotus nicht mehr unmittelbarer Actus
der sinnlichen Stofflichkeit, kann demnach auch nicht alle Formationen und Formabili-
täten derselben unmittelbar in sich selber aufgehoben tragen, also auch nicht denkend
aus sich selbst heraussetzen. Sie kann die Species der Dinge nicht, wie Thomas will,
' Anima et omnis creatura habet limitatoa et determinatos et certos liinites substantiae, intra quos habet esse, extra quos noii
potest esse. Jam enim si extra limites natiu-ae suae esset, ibi terminus non esset. Nunc autem cum anima sit simplex,
dum est in corpore, necessario est ibi tota; ubi autem aliqua res est tota, uecessario sunt ibi termiui. Ergo anima cum suis
terminis necessario intra corpus continetur. Rer. princip. qu. 12, art. 1.
2 Simplicitas animae est simplicitas cujusdam actualitatis secundum quamdam similitudinem ac actualitatem divinam, quamvis
distet in infinitum. Eer. princip. qu. 12, art. 3.
49*
•js<j> Kaui. Wkiinki!
. lenkend in sii-h aotiviron, su- kann iliosolln-n rinr.uli nur i((i|.ii-.'H ; der Inicll<'(-| al.-
Ki>»ii>ii>nt uiul lunvaliror jener Spoeics — das i.-^l dun ili<' Mciinnia.
lUins Sootus liebt es, sieh auf .lif A u.-l(.ritäl <li's lu-ili-reii Aii>;usilniis zu stilt/.t>ii.
und sieht sieh, Tiionms und anderen von iluu liekänii.ften (Je^niern {regeniüter als ilen-
jeniii-en an, welelier dieser Aucti>rität am iiiirhsten stelle. So auch in ilt>r Fraf^c (ll)er
das Wesen der Memoria. J>a er aber in der naeli AiiHUstins Vorgänge angenommenen
Preiiieit der intelleetiven Scelenvermögen : .Memoria. I ntcilectus, Voluntas, eine Nacli-
bildun"- der «rüttliehen Ureioinheit im mensehliehcM Scclenwescn cililiekt, .so ist liicr cm
• '1*1
liliek auf seine Auffassung des trinitarisehen Proeesses in CJutt zu werien, dir m .l,i
Kntfaltunty der Vermr.gensdreiheit der intelleetiven Meiischenseele sein Na»-hl>iltl liaben.
und .si»eoiell die Bedeutung der intelleetiven Memoria des Menschen ans Lieht stellen soll.
Da ist nun vor Allem zu erinnern, dass die ternare Selbstcntfaltung des göttlichen Wesens
t"ilr Duns Seotus zuniichst nur Gegenstand des gläubigen Wissens ist, und das natürliche
Vernunftdenken naehträglieh, unter Verzieht auf einen Einbli. k in das innere Wesen der
Sache, nur daran gehen könne, die Denkmögliehkeit des (icghuihtcn zu .-rweisen. Die
Anknüpfungspunkte hiefür bieten sieh im JlegrilVe der göttlichen Wesenheit als einer
denkenden und wollenden Substanz, ferner im Begriffe derselben als einer mittheilsamen
Wesenheit. Die absolute Selbstmittheilung Gottes kann nur innerhalb der göttliclicn Wesen-
heit .selber statthaben, und involvirt eine Unterschiedenheit zwischen l'rincii>iireiidem
und Principiirtem: zufolge der Zweiheit der geistigen Lebensacte : Krkonncn und Wollen,
kann dieses Verhältniss zwischen Principiirendem und Principiirtem zweifach in Gott vor-
kommen.' Die erste Principiation wird die Originirung oder Hervorstellung des gött-
lichen Selbstgedankens, die zweite die Selbsthervorstellung der absoluten Liebe Gottes
zu sich selbst als Product setzen. Der Selbstgedanke Gottes, der einen sich selber
Denkenden als erstes Suppositum involvirt, tritt demselben in einem zweiten Suppositum
als die absolute Wirklichkeit des Gedachten gegenüber, und eben so die in Beiden essen-
tiell präsente absolute Liebe Gottes zu sich selbst beiden Suppositis als ein Drittes, das
die absolute göttliche Wirklichkeit dieser Liebe ist. Den drei Suppositis, in welchen
das denkende und wollende göttliche Sein west, entsprechen in der menschlichen Seele
nach Augustinus: Mens, Notitia, Amor — oder auch Memoria, Intelligentla, Amor. Das
erste der drei Momente: Mens oder Memoria verhält slcii als perfecter Actus primus zu
den in den beiden folgenden Momenten dargestellten actibus secundis oder actuellen
Bethätigungen der in der Mens oder Memoria gegebenen Vermöglichkeit, und bildet in
dieser Beziehung die göttliche Foecunditas ad gignendum et spirandum (die zur Hervor-
brino-ung des Sohnes imd Geistes disponirte Lebensfülle Gottes) nach. Hiebel ist noch
zu bemerken, dass der erste der beiden psychologischen Ternare: Mens, Notltia, Amor
das dreieine göttliche Sein vorherrschend unter dem Gesichtspunkte der Dreiheit, der
z-weite Temar: Memoria, Intelligentla, Amor vorwiegend unter dem Gesichtspunkte der
Einheit nachbildet. Denn Memoria, Intelligentla, Amor sind Perfectionen der Einen
intelleetiven Seele," die, soweit sie das zu erkennende Object als intelllgibles In sIcli
hegt uiid dadurch zum actuellen Erkennen disponirt Ist, Memoria heisst, und zwar Memoria
perfecta, weil sie als memoria in acta primo perfecta sowohl den Intellect als auch das
' In divinis egt aliqnid plene fecnndHm .... et lioc Ijabet duo principia qnantiiin ad notitiam prodnceudam et amorcm.
1 diät. 3, qn. 7 (Dp. Paris.;.
- 1 dist. 3, qu. 9.
Die Psychologie und Erkenntnisslehee des Johannes Duns Scotus. 389
Bild des zu verstehenden Gegenstandes in sich fasst. Dieselbe Eine Seele heisst weiter
Intelligentia, sofern sie die in ihr erzeugte Erkenntniss in sich recipirt, und Intelligentia
perfecta, sofern sie in die Erkenntniss actuell ganz vertieft ist. Sie ist und heisst end-
lich auch Voluntas oder Amor als actuell wollende, und vollkommener Wille sub actu
perfecto volendi. Obschon Duns Scotus in dem Ternar Mens, Notitia, Amor eine deut-
lichere Nachbildung derDreiheit in der göttlichen Einheit findet, entscheidet er sich doch auf
Augustins Ansehen hin dafür, in dem zweiten Ternar: Memoi-ia, Intellectus, Voluntas ein
der Sache näher kommendes, so zu sagen innerlicheres und realeres Bild der o-öttlichen
Dreieinheit zu sehen, was ihn aber freilich nur dahin führt, sich in seiner Ansicht von
der Inadäquatheit unseres zeitlichen Yernunfterkennens in Bezug auf die dem gläubigen
Denken angehörigen Dinge zu bestärken. Denn die innerlicher gefasste Nachbildung der
göttlichen Dreieinheit bringe gerade den Grundgedanken der göttlichen Dreieinheit, die
Foecunditas ad gignendum et spirandum, in defecterer Weise zum Ausdruck ; wenn man
von der Mens sagen könne, sie sei zur Production der Intellection und Wollung disponirt,
so lasse sich die Memoria nur als Erzeugerin der Intellection auffassen, und bloss die
Ordnung in der Aufeinanderfolge von Memoria, Intellectus und Amor entspreche noch
dem im kirchlichen Symbolum ausgesprochenen Aufeinander der drei göttlichen Personen.
Hier muss nun wohl erinnert werden, dass eine tiefere Fassung der menschlichen Memoria
lahin führen möchte, nicht bloss die Aufeinanderfolge der drei Hypostasen des göttlichen
Seins, sondern auch das Ordnungsverhältniss der immanenten Hervorgänge des göttlichen
Lebens im menschliehen Seelenwesen nachgebildet zu sehen. Die menschliche Innerlich-
keit in ihrer unmittelbaren, noch nicht entwickelten Gegebenheit ist als Herz zu fassen,
Avelchem als Grundansatz der Selbstigkeit und Persönlichkeit des seelischen Geistmenschen
bereits ein Denken und Wollen zukommt; wie nun diesem inneren Kerne der Persön-
lichkeit das selbstige Geistleben als eine von der Sphäre des unmittelbaren Gemüth-
lebens sich sondernde Sphäre entsteigt, so entwickelt sich aus beiden heraus als eine
gesonderte und in sich geschlossene dritte Sphäre jene der menschlichen Willens thätig-
keit, die naturgemäss gleich sehr durch Herz und Geist beeinflusst und bestimmt ist, und
die im Geistleben aufgeschlossene und entfaltete Innerlichkeit des Menschen wieder in
den urhaften selbstigen Grund des menschlichen Denkens und Wollens zurückvermittelt.
So haben wir in dem dreieinen Innenleben des Menschen in der That eine anthropolo-
gische Nachbildung der durch den christlichen Glauben gelehrten immanenten Wesens-
und Lebensverhältnisse Gottes, nur freilich in der Art, dass in der geschöpf liehen
Nachbildung sich zugleich die gerade im Menschenwesen zum specifischen Ausdrucke
gekommene Gegenbildlichkeit des göttlichen Seins darstellt, indem die das dreieine Sein
und Leben nachahmende Selbstformation des inneren Seelenmenschen aus einem ursprüng-
lich unentwickelten Lebensansatze heraus sich vollführt, während die immanente Lebens-
entfaltung Gottes aus dem Lebensgrunde der absoluten Geistigkeit heraus sich vollzieht,
also nur den Selbstaufschluss und die Selbstvermittelung des sich selber absolut lichten
und absolut vollendeten Seins bedeuten kann. Wir würden also hier auf die im Geiste
des thomistischen Gottesbegriffes gelegene Auffassung des trinitarischen Processes als
absoluter Selbstformirung des göttlichen Seins, das seiner Idee nach die absolute Form
und Urform der Dinge ist, hingeführt, und es erschiene hiemit der Begriff' der in sich
subsistirenden Form, die ihrer Natur nach etwas Actuoses und Lebendiges ist, aus der
Kategorie der Substantialität in jene der activen Lebendigkeit umgesetzt, und der
3ttU
Kakl Wkkskr.
sri.ttliilio Tornar als ilio absoluta LohensfiTin <los giUtlirlioii IrstMiis. .Ici.ii naliiMc Hi>
stiinmuiiiriMi aber fivilicli orstlicli nofh weiter mit (Irr M.c (i..iiivs als dci aWsoliiU-n
W irklichkeit und als .I.t absoluten (Seistigkeit nali.-r zu vciniittcln waren, um eine <lcin
Geiste des kiivhlielien Üekenntuisses congnient<> .-lu-iulativc Kikliliun^ des Mysteriums
der ijöttlieluMi Pieieinhoit an/uliahnon.
Ilievoii jedoeh soll und kann an die>ei- Stelle iiielii die Ke.le sein. Ihe l''ia«4(> ist.
vielmehr nur diese: Hat Uuns Seotus <len l'iel'- und V.dl-.diall ^ry Augustiniselien
Memoria ersehüpft . iuit er illu-rlnuipt einen adii.iuaten liegritV derselben aus Lidit
gestelitV Sein Strauben' gegen eine Identiiieation der .Menu.ria mit der Mens, dem ihr
entsprechenden Correlate in dem ersten der angerührten beiden j)syclu.logisehen Ternare
AuiTUstins gibt zu erkennen, dass er den in der Augustiuiselieu .Memoria enthaltenen
V.dlbe'M-itV der mensehliehen Innerlichkeit niehi hat; er liudei ihn d.'ssiialh auch lu der
Mens nicht enthalten, sofern er «liese nur von Seite eines rein gegenständlichen Ijk.unens
und \Vollens ins Auge fasst, daher er dann auch die (Jottesbildlichkelt d<'r Seele von
geirenstiindliehen Beziehungen abhängig zvi machen sieh bewogen fühlt. l>ie Seele kann
sich selbst, oder das was unter ihr ist, oder eudlieh was über ihr ist. ii;uiilleh Gott zum
Gegenstande ihres Denkens und Wollens haben. Im J)enkeii un.l W.dleu der Sinuendingc
trit't gar keine Gottesbildlichkeit der Seele hervor, vollkommen tritt sie hervor in der
Richtung des Denkens und ^Vollens der Seele auf Gott, weil da Intellect und ^VilI(^ sieh
actviell Gott conformiren. So weit Gedanke und Wille die eigene Seele zum Übject(>
haben, kann von einer Nachbildung des güttliciien Seins die Hede sein, weil da Gott,
obschon nicht unmittelbares Object, so doch mittelbar Object ist, sofern er nämlieli in
der Seele wie in seinem Bilde erkannt wird, liier fliesst augenscheinlich der (ledanke
der actuellen Verähnlichung mit Gott zusammen mit dem Gedanken der Gottesbildlich-
keit, die unmittelbar mit dem Wesen der Seele gegeben ist; und wir müssen wcdil
annehmen, dass Duns Seotus auf letztere absiclitlich nicht reflectirt, weil für ihn die
Gottesbildlichkeit der Menschenseele als Yernunftwahrheit nicht strenge erweislich ist
imd demzufolge nur als Glaubenswahrheit Geltung hat. Sie kann aber auch als Ver-
nunftwahrheit für ihn keine Bedeutung haben, weil ihm der vollinhaltliche Begriff des
Seelenwesens fehlt, aus welchem der Gedanke der mit dem "Wesen der Seele selber schon
gegebenen Gottesbildlichkeit sich zu bewahrheiten hat. Er bemerkt wohl gegen Tliomas,
dass Gott auch abgesehen von seiner Dreipersönlichkeit als Gott, d. i. als Welturheber,
gedacht werden müsse;* er lässt aber umgekehrt von der Seele nicht gelten, dass ihre
GottesbÜdlichkeit ohne Beziehung auf die göttliche Dreieinheit gedacht Averden könne,'
obschon sie ihm, wie er weiter hervorhebt, mehr die Einheit in der Dreiheit, als die
Dreiheit in der Einheit nachgebildet erscheinen lässt." Seine Ablehnung des .speculativen
Formbegriffes machte ihm eine vom christlichen Glaubenshewusstsein unabhängige Aner-
kennung der Gottesbildlichkeit der Seele unmöglich ; so wie für ihn der Gedanke Gottes
als der absoluten Form der Dinge keine Wahrheit hatte, konnte füi- ihn auch der Gedanke
' Vgl. 1 dist. 3, qu. 9, n. 5. i- ,
I Deitas prins est in se aliquo modo, quam intelligatur esse in persona, quia Deitas ut Deitas est per se esse, l dist. 7.
3 Ratio imaginis, qnan, nos concipimus, ftindatnr in anima in respectu ad Denn., ut est trinus, et ideo non cognoscitur natura-
liter. 1 dist. 1, qn. 1.
Uter. 1 aisr. i, qu. i. .
* Anima minus est repraesentativa Trinitatis personarum, quam unitatis essentiae. Unde ut in potentiis repraesentat umtatem ;
sed ut in actibus repraesentat talem distinctionem. 2 dist. 15 (Dp. Paris.).
Die Psychologie und Eekenntnisslehre des Johannes Düns Scotus. 391
einer geschöpfllchen Nachbildung dieser Form keine Wahrheit haben ; der Gedanke von
der Seele als Formwesen hat in seinem Denken eine von der thomistischen Auffassung
völlig verschiedene Gestalt. Von einem immanenten Wesens- und Lebensgehalte der
intellectiven Menschenseele ist allerdings auch in der Thomistik nicht die Rede, aber
der thomistische Seelenbegriff schliesst die Anerkennung eines solchen Wesens- und
Lebensgehaltes in sich; der scotistische Seelenbegriff hingegen schliesst dieselbe aus,
* Daher muss Duns Scotus das Wesen der himmlischen Seligkeit der Seele specifisch in
die Fruitio setzen, während sie Thomas specifisch und primär in die intellectuelle Yisio
setzt, welche echt geistig als höchstgesteigerte intellective Thätigkeit verstanden, doch
nur in der continuirlichen activen ßeproduction der im Lichte der göttlichen Klarheit
erkannten Ideen der Dinge, in der activen geistigen Reproduction und schöpferischen
Nachbildung alles in Gott Erkannten aus der innersten Tiefe der in Gott eingerückten
Seele heraus verstanden werden kann. Was aber die gottbeseligte Seele actuell übt,
muss dem Vermögen nach in ihr liegen; sie muss demnach eine Tiefe, und in dieser
Tiefe einen Wesensgehalt in sich schliessen, der sie zur intellectiven Reproduction alles
Denkbaren und Wirklichen aus sich heraus befähiget ; diess ist aber nur unter der Vor-
aussetzung möglich, dass sie gleich Gott, obschon in begränzter Weise, ein lebendiges
Totum, oder um in thomistischer Weise zu sprechen, eine ihrer Idee nach universelle
Wesenheit sei, nur dass in derselben nicht bloss, wie in der Thomistik der Fall ist, die
intellective Tendenz zur Apprehension des Universellen, sondern das Universale als ein
In der Seele Wesendes oder die Seele als wesendes Universale, d. h. der Substanzo-ehalt
der Seele ins Auge gefasst werden muss — ein Gesichtspunkt, welcher sich der bloss
auf die analytische Zergliederung der Seelenvermögen gerichteten Betrachtung der
speculativen Thomistik völlig entzogen liTit. Auch hat sie die ,Vermögen' der Seele
nicht aus der Idee der Seele deducirt, sondern in rein empiristischer AVeise als etwas
an der Seele Vorhandenes, als ,Accidenzen' derselben aufgewiesen, wobei es selbstver-
ständlich nicht zu einem Eingehen auf das Wesen der Seele kommen konnte, vielmehr
dieses als etwas von seinen Accidenzen Abgetrenntes in das Dunkel unerforschter Ver-
borgenheit zurücktrat. Duns Scotus, welcher , Vermögen' und ,Wesen' der Seele in eno-ere
Verbindung mit einander brachte, schien damit wohl auch das Ansichseiende an der
Seele näher ans Licht ziehen zu wollen ; aber dieses Ansichseiende derselben entzo»- sich
ihm andererseits wieder durch Abschwächung des geistigen Gehaltes des Formcharakters
der Seele, der ihm augenscheinlich in der Thomistik zu naturalistisch gefasst zu sein
schien ; indem er sie zur wahren Selbstigkeit ihres Denkens und Wollens zu erheben
trachtete, beraubte er sie des von ihm nicht geahnten Yollgehaltes dieser Selbstigkeit,
den sie, wie Thomas richtig erkannte, in dieser irdischen Zeitlichkeit allerdings nur in
der innigsten Vereinigung mit der ihr eignenden sinnlichen Leiblichkeit. d. i. als plastisch
bildendes Formwesen, zur Erscheinung bringen kann. Alle Erscheinungen auf dem Ge-
biete des weltlichen Culturlebens geben hiefür Zeugniss; Kunst, Recht, Staat, sociale
Bildungen tragen in ihren mannigfaltigst modificirten geschichtlichen Erscheinungsarten den
Charakter von Verlelblichungen ideeller Seelenstrebungen an sich ; die irdisch-zeitlichen
Culturideale der Menschheit haben ihre Realität nur in der, der geistig appercipirten
Idee mehr oder weniger congruirenden Gestaltung der zeitlich- irdischen Wirklichkeit,
und bekunden hiemit durch sich selber, dass das absolute, von der sinnlich - irdischen
Erfahrungswelt unabhängige Ideal, in dessen Verwirklichung die Seele ihren selbsteigenen
oq.) Kam. Wkhneh.
iinnuiiuMUOn l.obeii!<golialt vi.Ukoimuon artualisiii. .iusst>r mi.l illxr .1<m- /,.iili<lirii Wirk
lichkeit liegt. Has soiiuT Zrh imiiiiiti>ll>ar ikmIi in Aw kiiclili.iu'n riH'oli.oif aulgoliondo
mittelaltorliolio l>i>nkt>n kaimi.' k.-in aiuloivs ( 'uliuii.l.Ml al- .lit> siiili.li,- Scil.stoostaltmi^-
des MtMischon otlor dio l'.ililmig d<>ssi'lb»Mi /.um ( 'liiistoii : i;ing iliiii all.i Id.'aloclialt,
des honkens in dt>r auf dio Tdldimg «los MoiisiIkmi /.mii Cliiisti'n gi'riilii.i<n Tliiitig-
koit auf. M) konnten ihm die ei>t auf (iruiul d.r diircligefillirten idiristlirlicn Sitli-
gung möglieh goword«-nen liildungsideale nocli ui.lii Ins l?o\vu.sstscin treten; als., ni. In
dasjeniirer was dor Mi.gliehkeit na.'li in drm dunli di.- .Iirisili.h liunianr Sittigung
umgebildeten Mensi-h«>n liegt. Imgekidui aber niusste das sucrcssivc 1 lrr\nrtr((lcM der
auf (-Jrund dieser Sittigung vor sich gohondon rulturthiUigkeit notliwcndig da/.u liUiicn,
auf das im Menschen «ler Anlage naeh Liegende zu a.lvertiren, und sieh auch iler in
der Culturarbeit der .Jahrhunderte siidi v.'rwirklichen.l.ii Strel)e/i.le als angestaniMitcr
Ziele des intellectivon Mcnscidieltsdenkens bewusst zu wenlen, somit auch einen
angestammten Idealgehult des mcnschliehen Denkens anzuerkennen, der im ^Vesen .b-r
menschliclien Seele als subsistenter lebendiger ßildungsform der zeitlich-irdischen Wirk-
lichkeit iiinterlegt sein muss, weil er sich sonst im Culturleben der gosittigten Menschheit
nicht hätte zum Ausdruck bringen können, in <\\v>.t Weise also nöthigte die fnrt-
schreitende Zeitbildung zu einer tieferen Fassung des aus den mittelalterlichen Schulen
überlieferten Seelenbegriffes, und wir nehmen nicht Anstand, den thoinistischen Seel(>n-
bcirriff als den einer solchen Vertiefung wirklich fähigen Begriff zu bezeichnen. Lv
wurde in seiner Versetzung mit einem empiristischen Realismus zum Gegenstande einer
berechtigten Kritik durch Duns Scotus; aber diese Kritik hatte zunächst uml unmittelbar
nur den Werth einer berechtigten Negation, der Andeutung von Mängeln und Unvoll-
kommenheiten, an deren Stelle jedoch, soweit es sich um tiefere Fassung des Seelon-
begriffes handelte, bei Duns Scotus grössere und augenfälligere traten.
"^ Kehren wir zur Memoria zurück, deren völlig unbefriedigende Auffassung von Seite
des Duns Scotus wr bereits wiederholt betont haben. Bei Thomas bedeutet die Memoria
intelleetiva äen Intellectus possibilis, in dessen Gestalt die potentielle Seeleninnerlichkeit
wenigstens einiger Massen zur Anerkennung gelangt.' Duns Scotus, der die thomistische
xVbscheidimg des Intellectus possibilis vom Intellectus agens verwirft, nimmt die intel-
lective Memoria einfach für den Intellect selber; und da dieser zur Erwerbung von
Erkenntnissen der concreten Wirklichkeit ausschliesslich auf die Ei-fahrung angewiesen
ist, so ist die bei Thomas für die weitere Fortbildung seines Seelenbegriftes wenigstens
als möglich offen gelassene Vertiefung des Seelenwesens in sich selbst zur Erhebung
eines tiefer dringenden Verständnisses der gegenständlichen AVirklichkeit in der scoti-
stischen Doctrin unbedingt ausgeschlossen, also der peripatetischo Seelenbegriff in
speculativer Beziehung völlig steril gemacht. Ohne eine vom Intellecte als solchem
imterschiedene Memoria der Seele gibt es keine Vertiefung des Seelenwesens in sich
selbst, also auch keine Erhebung eines tieferen Verständnisses der Dinge aus der Tiefe
der Seele. Thomas supplirt den in dieser Beziehung zu bemängelnden Defect seines
Seelenbegriffes dadurch, dass er den animis separatis Species früher ungekannter Dinge
durch Gott eingeströmt werden lässt;' es ist diess eine Anschauungsweise, die später, da
' Intellectus possibilis est, quo est omnia fieri. 1 qu. 79, art. 7.
» 1 qu. 89, artt. -1 n. 7.
Die Psychologie und Ekkenntnisslehre des Johannes Duns iScotus. 393
man die eigenartige tliomistische Auseinanderlialtung diesseitigen und jenseitigen Erkennens
fallen Hess, in die Lelire von den angebornen Ideen umgebildet wurde. Die Opposition
welche Duns Scotus gegen die von Thomas als möglich zugelassene Einströmung neuer
Species in die vom Leibe geschiedenen Seelen erhebt,' stützt sich auf die Verwert'uno-
der thomistischen Auffassung des Intellectus possibilis oder jener potentiellen Seelen-
iunerlichkeit, deren productives Bildungsvermögen Thomas freilich noch nicht kennt ■
und überträgt den Empirismus des zeitlich-irdischen Erkennens aucJi in das Sein der
vom Leibe abgeschiedenen Seele." Demzufolge dürfen wir uns nicht wundern wenn
auch der Seligkeitsstand der Seele nicht als ein geistiges Schöpfen aus der Tiefe Gottes
oder was damit gleichbedeutend ist, aus der innersten Tiefe der in Gott eingerückten
Seele erkannt wird. Noch weniger erscheint er, worin doch eigentlich das Wesen des
seligen Seins gipfeln muss, als ungehemmtes geistiges Nachbilden des freischöpferischen
göttlichen Wirkens aus der Tiefe eines zum absoluten Freisein erhobenen Selbstseins.
Dass Duns Scotus trotz seiner Betonung des Freiseins als specifischer Wesensform des
intellectiven Seelenwesens diesen Gedanken des Seligseins nicht zu erreichen vermochte
mag eben wieder zum Belege dafür dienen, dass ihm der Vollbegriff des activen Seelen-
wesens völlig abging; er lässt das Seligsein in der absoluten Relation zu (iott aufgehen,
und setzt das Wesen desselben in den Actus fruitionis, den er als Act des reinsten in
Gott vollkommen geklärten Liebewillens, des zum reinsten Wollen vergeistigten Seelen-
begehrens fasst. Damit ist aber im Grunde nichts anderes gesagt, als dass der Seligkeits-
stand unserem Denken und Begreifen vollkommen entrückt ist, und dass wir von dem-
selben keine andere Vorstellung, als jene unserer absoluten übersittlichen Vollendung
haben. Dass dieser übersittliche Vollendungsstand in der ungehemmten activen Heraus-
setzung alles Besten und Höchsten, was der zeitliche Erdenmensch in seinem auf das
Ewige gerichteten Denken und Wollen anstrebt, bestehen müsse, dass der Act dieser
ungehemmten Heraussetzung auf Alles, was der Gesammtgeist der Menschheit in jedem
Einzelnen und der Einzelne in seiner solidarischen Verschlungenheit mit der Gesammtheit
als Höchstes anstrebt, sich beziehen müsse, ist ein dem Duns Scotus fremder Gedanke und
diess um so mehr, da sein Grundbegriff von Gott als dem unendlichen Sein eine absolute
Ueberwältigung des menschlichen Intellectes in der Vereinigung der Seele mit Gott
involvirt, die nur das entzückte Gefühl des individuellen Beglücktseins übrig lässt, mög-
licher Weise aber auch ein seliges Ersterben und Untergehen im Unendlichen bedeuten
könnte. In der That ist Duns Scotus redlich genug zu bekennen, dass von seinem Denk-
standpunkte aus der Gedanke des Seligseins in Gott durch si-ch selber nicht auch schon
eine ewige Dauer des Seligseins involvire;^ womit wohl nichts anderes gesagt ist, als
dass Duns Scotus zum Gedanken des ewigen Geistes sich nicht erhoben habe. Von
Thomas darf man sagen, dass er den Gedanken des ewigen Seins in Gott erfasst habe
welches er die Seele in der intellectuellen Apprehension der göttlichen Wesenheit
ergreifen lässt; gleichwohl bringt es der Charakter seiner vorwiegend gegenständliclien
Denkauffassung mit sich, dass auch er das Wesen des Seligseins nur nach dem ver-
' 2 dist. 2, quaestt. 10 et 11 (Op. Oxon.) — -i dist. 45, qu. 2 (Dp. Paris.)
- Potest intellectus separatus intuitivam notitiam acquirere a rebus extra. Non est minus proportiouata res ut existens est
intelleetui separato quam sit quidditas ejus. Unde credo, quod oranium illorum, quae sunt sibi propinqua in proportionata
distantia, potest intelligere, non autem illa, quae sunt in distantia non proportionata intelleetui separato. 4 dist. 45, qu. 2.
3 Unde igitur haec perpetuitas? Dico quod sola causa est Toluntas divina, quae sicut disposuit hominem beatificare ultima
perfeetione intensiva, ita et ultima perfectione extensiva. 4 dist. 49, qu. .') (Op. Paris.).
Denkschriften der phil.-Wst. Cl. XXVI. Bd. 5q
394 Kahl Wkiiskk
ui"sacliciuU'n (u-'joMstiuitli' ilfssellien zu bi-siiiiiimn wci». Kr setzt ilus Wivscii des S(<liir-
scins in <lii" l'iMla \isio. dii' cv alU'nliiiü;.«* als Art lU's scliainiulin Sul)'n'rtos in liiici
liöchstgesieigortfu. absolut voUomloten iiitelUH-tivoii TliiilijrktMl «lesscllicn iKshlun l;is>i.
Abor ilen Inhalt uiul N'ullgi'lialt ilicser Tliätinkoit weiss er cbcii so wcni-^ als Itiins
Scotus unzUiTi'l»«'». >">'l zwar aus dein («runde, weil er das Seiiffsein iiiclil wie Duns
Seotus als libersittlichen Nidlenduuiisstand tasst. «lessen Wesen in iler aeliveii uiil-c-
lieunnttMi l'roduction alles im zeitlieh uMvolleMd.ieii Menscliensein un';;osti<lniii ivhdsli'n
und Höehsten Itesteht. Thoinas i<;c\\\ .lavun aus. da-- dir iiili'll.'.iivc Seele als reines
Formwescn und universelle Kssenz aul' das L'nivcrsidlste •^elu", und nur in lebendiger
Kr-rroit'unsr d»>sselben ihre absolute lJet"riedi<,ning linden könne. Diess ist «^auz liehlig.
aber es ist nicht Alles: sie nuiss als lebendis^es Sein sich sidbsi in jenetn hö(disten und
universalsten Sein fassen und ergreifen, und in «ler |MMii('iuirlitli a<'ilvi'ii I Icraussctzung
des durch jene Krgreifung Errungenen aus der Tiefe ihres Selbst iiesiclii ihr Seli^sem,
ilas zufolge ihrer Kinrückung in ihren absoluten Lebi-nsgrund endlos und ewig sein luuss.
l>er Meinuniisgegensatz zwischen Scotus und Thomas in DetrclV der Seligkeil fidirl
uns auf das Ciebiet der Thcleiuatologle hinüber. Thonuis sieht das absolute Objcct des
menschlichen Begehrens schlechthin ausserhalb der Seele; es ist kein geringeres als Gott
selber. Duns Scotus kann diess nicht in Abrede stellen, gibt aixr ni<ht zu. dass dieses
absolute Ziel im intellectiven Anschauen ergrüYen wird, weil es ihm unfassbar ist, dass
hiedurch Gott der Seele sollte zu eigen w-erden können: also nuiss das absolute Ziel
mittelst des Willens ergriffen werden, und die absolute Erreichung desselben mus.s sich
in einer Weise vollziehen, zufolge welcher das Object des Begehrens der Seele innerli« ii
eio-en wird. Diess ist die Charitas als absolute Vollendung des sittlichen Willens, die
zugleich beweist, dass das menschliche Begehren auch ein immanentes höchstes Ziel
seiner Strebethätigkeit habe, nämlich seine eigene Vollkommenheit. Diesen Punkt zu
betonen, liegt vollkommen im Geiste der scotistischen Doctrin; je weniger Gott in seiner
objectiven unendlichen Realität der Seele zu eigen werden kann, desto mehr muss die
Befriedigung in dem Besitze der höchsten Willensvollkommenheit gesucht werden, die
mit o-öttlicher Hilfe erreicht werden kann. Unter diesem vollkommenen Willen kann
selbstverständlich nur der freie sittliche Wille verstanden werden, der sich aber frcilieli
unter der Hand in einen affectiven Willen umsetzt, weil er nur unter dieser Gestalt und
Fassung die Charitas zur lebendigen Form haben kann. Erleichtert wird Scotus diese
Umsetzung dadurch, dass er die Vermögen der Seele in einen engeren Connex mit dem
Wesen der Seele bringt als. Thomas, und demnach in der Charitas die Seele selber unter
der Formbestimmtheit des vollkommenen sittlichen Willens erkennt. Da aber der Liebe-
wille ein freier ^Ville ist, so muss er durch Gründe bestimmt sein: als solche Gründe
erkennt Duns Scotus diese, dass Gott an sich und auch für uns das höchste und voll-
kommenste Gut ist. Von einem angebornen instinctiven Zuge der menschlichen Seele
zu Gott als ihrem absoluten Objecte weiss Duns Scotus nichts-, er kann daher auch
das Wesen der Seligkeit nicht mit Thomas in die beata visio als solche setzen, die ihm
nur die causa materialis der Seligkeit ist, stimmt aber mit Thomas darin überein, dass
das Seligsein wesentlich im Thätigsein bestehe, sofern die Vereinigung mit dem selig-
machenden absoluten Gute ohne eine solche Thätigkeit sich nicht vollziehen lasse.'
1 Quilibet actas primus ordinatur ad attiiifreiidum srnun finem Optimum per operationcm tanquam per medium finem, et sie
sequitur, quod Ijeatitudo sit in operatione, sive quod sit per operationem. 4 dist. 49, qu. 2 (Dp. Paris.).
Die Psychologie unu Ekkenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 395
Nur lässt uns Duns Scotus darüber im Unklaren, wie wir uns diese Thätigkeit denken
sollen. Die Fruitio, die nach ilim das förmliche Esse der Seligkeit constituirt, ist ihrem
Wesen nach etwas Affectives; die Affection als Innewerden seliger Befriedigung setzt
aber die Vereinigung mit dem seligmachendcn Objccte als etwas bereits Vollzogenes
voraus, und ist die aus dem erlangten Besitze des beseligenden Objectes resultirende
Stimmung oder Disposition des Innern. Das Thätige oder AVirkende in Hervorbringung
dieser Disposition kann doch nur Gott als objectum beatificum sein. Die Thätigkeit des
Beseligten aber muss sich zur seligmachenden Thätigkeit Gottes als etwas Nachfolgendes
verhalten, und kann keinen anderen Inhalt, als den einer continuirlichen lebendigen
Auswirkung des durch Gott bewirkten Seligkeitsstandes haben. Von einem derartigen
Thätigsein weiss indess Duns Scotus nichts; er weiss nur von einer Thätigkeit, durch
welche die Seligkeit erworben wird, und welche nach Erwerbung derselben allerdings
fortgesetzt wird, aber vor und nachher nur in der Auswirkung einer bestimmten geistigen
Lebensstimmung und "Willensdisposition besteht, die den Menschen der Vereinigung mit
dem summum bonum werth macht. Aber eben, weil sie des Seligseins nur werth macht,
setzt sie einen, von dem des Seligseins Würdigen verschiedenen Verleiher des Seligseins
voraus, es wäre denn, dass Dims Scotus in der erworbenen Güte des sittlichen Willens
selber schon den absoluten Lohn desselben erkennen wollte, was er aber selbstverständlich
nicht zugibt und nicht zugeben kann. Eine active Aneignung des durch die sittliche
Willensffüte verdienten absoluten Gutes kann, wie Thomas mit Recht hervorhebt, nur
durch einen intellectiven Act vollzogen werden;' und er ist der scotistischen Doctrin
gegenüber absolut im Rechte, wenn er die intellective Apprehension Gottes als die das
Seligsein begründende Selbstthat des Menschen bezeichnet. Nur macht diese That nicht
das Seligsein des Menschen selber aus; das Seligsein als solches besteht im ungehemmten
Schäften und Wirken der durch die intellective Apprehension der absoluten Realität in
den Mittelpunkt ihres Seins und Wirkens versetzten Seele. Die absolute Innerung des
intellectiv apprehendirten Gutes, worin Thomas das Esse der Seligkeit setzt, begründet
wohl das Seligsein, macht aber nicht das Wesen derselben aus, welches doch wohl nur
in der activen Auswirkung des gottgesetzten Seligkeitsstandes bestehen kann. An die
Stelle des Thätigseins also, in welchem sowohl Thomas als auch Scotus ein wesentliches
Moment des SeligkeitsbegriÜ'es erkannten, hat das Selbstwirken als charakteristische
Begriftsbestimmung des Seligseins zu treten; dieses Selbstwirken setzt aber einen
immanenten Wesensgehalt der Seele voraus , der bei den rein gegenständlichen
Beziehungen, unter welchen die peripatetische Scholastik die intellectiven Seelenthätig-
keiten auffasste, nicht zur Geltung gelangen konnte. Daraus erklärt sich auch, wesshalb
Thomas und Duns Scotus, trotzdem dass Beide das Thätigsein als ein wesentliches
Moment des Seligseins ansahen, den Seligkeitsstand doch thatsächlich nur von Seite des
in ihm statthabenden Empfangens und Erfahrens darstellen, sei es, dass er bei Thomas
als der Zustand des in der Anschauung der ewigen Wahrheit absolut befriedigten
Vgl. Thom. Aq. 'J, 1. qu. ä, art. 4: Oportet aliiiuitl aliud esse quam actum volmitatis, per quoj tit linis ipse praesens
voluntati. Et hoc manifeste apparet circa fines sensibiles. Si enim consequi pecuniam esset per actum voluntatis, statim a
principio cupidus cousecutus esset pecuniam, qnando vult eam habere; sed a principio quidem est absens ei, consequitur
autem ipsam per hoc, quod manu ipsam apprehendit, vel aliquo hujusmodi, et tunc jam delectatur in pecunia habita. Sic
igitur et circa intelligibilera finem contingit. Die augenfällige Verwandtschaft des von Thomas gebrauchten Argumentes ad
homiuem mit jenem, welclies Kant in seiner Kritik des ontologischen Beweises für Gottes Dasein in Anwendung brachte,
braucht nicht erst ausdrücklich benicrklich gemacht zu werden.
50*
Oq»J l\»Ul. WkliNKK.
intc'lK'ftivfii liogchioius, i-ilcr wii- lu-i 1 »uns Scotus ;ils icMiisti' iiinl ••fklartosto (lOiiifUlis-
uiul WilK'iis/.ustiindlicIikoil f^ofasst wonlr. Tliomas liai abor vor Scotus voraus, dass or
.las 8eli''siMn als reales KrjfivilVn .Icr al>s..luu'n W irklii'iikcjit /u crwris.'ii \cnna-: nur
ilass CS Ihm iliiu völlig in <1imi ( ii>(laiik(>ii tlos KrgrilVonsiMus von ili-r ahsniuicii W irkiiili-
keit uniscliliiirt. hasjonigo. w.i.lunli «lit« absolute Wirklii-likeit aetiv im henken ergrilVen
wird, ist tliM- Cioist, tlas aetive Denk- un.l \Villensj,rimi|> im Mensehen, «l.r .lie im intol-
leetiven Seliatien apprehcmlirte absolute Wirklielikeil .hulureh sieh /u ei-^nsn maeiil, das«
er .len LTesammten Wescnsgehalt der Seele in di.- dem erreieliten Siau.le d.'r \ .dhuduiii;-
adii.juirto Seins- und i.cbenst'onn umbildet, un.l sieh als solbsl,iges i'rin.ij., als ^oU-
nachalimenden Sehöiiter seiner eigenen, in Gott ergrilVenen Dasoinswirkliehkoit .setzt.
Thomas bleibt beim Sehauen Gottes stehen, verfolgt also die Kntwiekelung des sein
absolutes Ziel anstrebenden .Mensehen nur bis dahin, wo der M.mient des aclivcn
Krii-reifens der absoluten W irkli. hkeit eintritt; diesen \. i lilsst or den(ieisl iil.lit nulii'
vollziehen, weil er .lie Idee *les Geistes selbst noch nicht hat. Uebrigens stellt cm- einen
in seiner Art erhabensten und reinsten ßegrit!' des Seligseins uul", Avenn er dasselbe als
absolute BetVie.ligum,'- des instinctivcn Urzuges der Seele zum Göttlichen auffasst. Duns
Seotus substituirt diesem Urzuge ein Dictamen der Syiideresis, die er gleich Thomas als
einen der Seele ihrer Natur nach eignenden Habitus princi]ii<>runi ])taetieoruin aulTasst.
Die unmittelbare Evidenz des Dictamen practicum: Summuni bonum est diJigcndum,
macht nach scotistischer Ansehaiunigsweise jenen instinctivcn Urzug ilbcrflüssig, weist
aber zutolo-e der Nichtanerkennung oder Nichtbeachtung desselben' freilich nur aul' die
l'erfection des sittlichen ^Villens als höchstes Strebeziel hin; der tiefwahre Gedanke der
thomistischen Anschauungsweise, dass eben erst in Folge der intellectiven Ergreifung
des Höchsten in seiner vollendeten Realität auch der sittliche Wille in seine absolute
Perfection einrücken könne, kommt da nicht zu seinem Rechte. In erkonntnisstheoretischcr
Heziehuncr hat die scotistische Ablehnung des intellectiven Zusammenschlusses der Seele
mit Gott als primären Momentes im Acte der seelischen Selbstvollendung die Bedeutung
der Zerreissung des letzten, höchsten Haltes einer speculativen Erkennbarkeit der Dinge;
Gott wird nicht als das Urwahre, sondern als das urnothwendige Beste begehrt, und im
Erlangen dieses findet die Seele ihre absolute Befriedigung.
Zufolge seiner Anerkennung eines instinctiven Urzuges der Seele zu Gott als abso-
lutem Complemente ihrer selbst muss Thomas zwischen einem nothwendigen und freien
Wollen der Seele unterscheiden; er nennt jenes nothwendige Wollen das natürliche
Wollen der Seele, als dessen Ziel er die Seligkeit bezeichnet. Natürlich meint er damit
nur das bewusste Ziel des natürlichen Wollens; denn das in diesem Wollen eigentlich,
obschon unbewusster Weise begehrte Ubject ist Gott als die absolut beglückende
Realität. Für Thomas tritt dieses unbcwusst in der Seele vorhandene Begehren, der
instinctive Urzug der Seele in dem Grade hinter das bewusste naturnothwendige Be-
gehren der Seele zurück, als er das Wesen der Seele hinter die Potenzen derselben
zurücktreten lässt; sonst hätte er wohl sagen müssen, dass das Object des intellectiven
1 Dans Scotus spriclit nicht von einem Vr/Mg, sondern bloss von einer Käliigkeit ilcr Seele, Gott zu lieben, ilie ilim aber
nicht Gegenstand eines natürlichen Erkennensist: Potentia habendi charitatem, ut est dispositio respectu Dei in se sub
propria ratione amandi. convenit natnrae hominis secundum rationem specialem, non communcm sibi et sensibilibus: et ideo
non est illa potentialitas naturaliter cognoscibilis de homine, sicut ncc homo cognoscitur sub illa ratione, sab qua est ejus
haec potentia. Op. Oxon. Prolog., qu. 1.
ÜIE PsYCUOLOGlE UND EkKENNTNISSLEHRE DES JoHANNES DuNS ScOTCS. 397
Willens der Seele Gott sei, und dass die siuli selbst zutiefst ergründende Seele ilm als
absolutes Objeet ihres Begebrens finde. Dieses Begehren kann aber dann weiter wieder
nur als Reflex eines der Seele immanenten Urwillens begriffen werden, kraft dessen sie
sich selbst, ihr eigenes Sein und Leben absolut und vollkommen auswirken will, was sie
aber nur dann vermag, wenn sie in ihren absoluten Ort eingerückt ist; darum postulirt
sie naturnothwendig jenen Ort, und der instinctive Urzug zum Göttlichen ist die Form
in welcher sich dieses Postulat als urhaftes Begehren der Seele vernehmlich macht.
Damit werden wir nun aus der Eegion des Erkennens und der cognoscitiven TJiätig-
keiten, in welcher sich die dem absoluten Ziele der Seele zugewendete thomistische
Doctrin bewegt, auf jene des Triebes und Willens hinübergelenkt, in welcher die den
intellectiven Trieb zurückdrängende scotistische Doctrin Wurzel zu fassen suchte, ohne
indess den Seelengrund, aus dessen Tiefe heraus das Streben der Seele nach absoluter
'Vollendung zu begreifen gewesen wäre, wirklich zu erreichen. Es gelingt ihm nicht,
den Urwillen der Seele zu erreichen; und da er das von Augustinus und Thomas urgirte
Begehren nach Seligkeit oder sogenannte natürliche Wollen nicht als Wollen im eigent-
lichen Sinne oder selbstiges Wollen gelten lässt,' so bleibt ihm nur das sogenannte freie
Wollen als wahres und eigentliches Wollen übrig, das seine Perfection in der sittlichen Güte
findet, und aus seinem Yerhältniss zum sittlichen Gewissen des Menschen zu beo-reifen
ist. Wenn er sich dazu versteht, den AVillen im weiteren Sinne zu nehmen, wornach der-
selbe auch das natürliche Begehren der Seele in sich schliesst, so geschieht diess zu dem
Ende, seine Doctrin vom Ens in communi als Objeet der intellectiven Seele auch in Bezug
auf die intellective Willenspotenz in Anwendung zu bringen,^ wodurch der Wille im Voraus
schon in ein freieres Yerhältniss zur gegebenen Wirklichkeit gestellt wird,^ als es da der
Fall ist, wo, wie in der thomistischen Doctrin, die sinnlich-irdische Wirklichkeit als das
dem menschlichen Intellecte appropriirte Objeet aufgefasst, und desshalb die Wahlfreiheit
der Sache nach von dem intellectiven Vermögen eines abwägenden Vergleichens zwischen
mehreren das Begehren sollicitirenden Objecten abhängig gemacht wird.* Die Grund-
betonung des freien Willens in der scotistisclien Doctrin bringt es ferner mit sich dass
der Seligkeitsstand vornehmlich von der Seite eines Freundschaftsverhältnisses gefasst
wird, sofern eben die Charitas als die geklärte -und vollendete Form des freien Wollens
gefasst wird. Hiebei kommt er aber in die Lage, die reine Liebe zu Gott um seiner
selbst willen (amor amicitiae) mit dem unabweislichen Begehren Gottes als des für den
Menschen unentbehrlichen höchsten Gutes (amor concupiscentiae) ausgleichen zu sollen. Für
Thomas, der das Wesen der Seligkeit in eine höchste Befriedigung des Intellectes setzt,
ist das Bedüi-fniss einer solchen Ausgleichung nicht vorhanden; denn das eudämonistische
Zweckprincip ist hier schon unmittelbar mit dem Vollkommenheitsprincipe ausgeglichen,
»
1 Nach Duns Scotus muss man zwischen Wollen und Begehreu untersclielden : Volunfas tantum ut lil.era Ojipratui-, quia, ut
recipit, nullum actum secundum habet, nee, aliquem actum elicitum potest habere ut natura h. e. ut tantum apj.etitus, sed
tantum habet inclinationem naturalem, et non ducit, sed ducitur. 2 dist. 39 (Op. Paris.).
2 Vg-1. 1 dist. 1, qu. 1 : Objectum potentiae fruentis est ens ia communi .... Potentia, quac inclinatur ad multa objecta
per se, non quietatur in aliquo perfecte, nisi iUud includat orauia per se objecta, quantum possunt iucludi in aliquo uuo ;
sed potentia fruens inclinatur ad omue ens, sicut ad per se objecta; ergo non quietatur in aliquo uno ente, nisi illud includat
omnia entia, quantum possunt iucludi in aliquo uno. Possunt autem tantum perfectissime includi in uno ente infinito.
3 Non velle negative potest habere respectu cujuscunque objecti. 2 dist. :i9 (Op. Paris.1.
■> Vgl. Thom. Aq. 1 qu. 82, art. 2 : Vis sensitiva non est collativa diversorum sicut ratio, sed simj.liciter aliquid unum appre-
hendit; et ideo secundum illud unum determinate raovet appetitum sensitivum. Sed ratio est collativa plurium: et ideo ex
pluribus moveri potest appetitus intelleetivus, seil, voluutas, et non e.\ uno e.t necessitate.
39S Kaiü. Wkhskk.
uiiil tli'in vim l'lmmas iimiiiiwuiiilcn aus<;t«sj)ri)clu'Mfii sitiliilicii iMKlitiiiuiiisimis iliin h di'ssi'ii
absoluto Vcrgeistig'uuij joilor Si-Iiatton von 8i>lbstis»'lniii \\ Cscn al>«f('stifiri. Iinns Scotus
rt'ttol ilii' iviiif (ii'istigkrit «los S<'li<jkiMtsl»(«irrirtVs (lailiiicli, ihiss ti- das \\ <s(ii dci- S<liu-
koit in den Aiiu>r amicitiao st't/.t. l>amit lilsst sirli iiidoss die Tliatsm lic iiirlit licst-itiircii.
liass in der Sfliirk<Mt aiuli iUm- Amor «oin'ujiiscpntiao soiiic al>s<diilc l'>(^^^i(•dif^■uIlir (indct;
und eben m> wenig die l'\>lgeriini;' abweisen, dass, wenn tlor Amur aniicitiac die lalio
fonnalis dos Soligsoins eonstituiit. iln- im Sidigsein /iigbMeli initbetViedigtc Amm cim-
eupiscentiae al.'« die eausa inatorialis des a»'tus beatitiidinis mit/ndoidvon isi. I >ims Scotus
sehoint allenlings »lein Amor eoiu-upiseentiae jedes Recht auf absohito HelViedigung /.u
enf/ielien. wenn er die l*«>r|iettiitiit als nicht zum \Vesen des Seligseins gediitrig be/ciclmet;
damit ist aber nicht der l instand beseitiget, dass, so lange das Scligsein wiilirl. in (h.'in-
selbon der Amor coneupiscentiae seine höiiiste Belriedigung findet. Diese 1k1 1 »uns Scotus
in so auftallender ^Veise hervortretende Schwierigkeit, beide Allen von l.irlic lianihuiisidi
mit einander zu vermitteln, hat ihren (irund primär darin, dass ihm. trotz seiner l>e-
tonung des Willens, die Idee der mensehliidien Sellistigkejt abgelit. aus welehei- die
sittliche ßerechtinung des der menschlichen Seele untiltibai' einiresenktcn lietichreiis nach
Glückseligkeit zu deduciren ist; weiter aber in der ungebührlichen Herabdniekung (b-i-
Bedeutung des theoretischen Intellectes, in dessen absoluter Befriedigung, wie wir saln n.
Thomas das Wesen des Seligseins erkennt. Duns Scotus setzt sieh mit Thomas umständ-
lich auseinander über den ^ oirang des Willens vor dem Intellecte,' gegenüber dem von
Thomas" behaupteten Vorrange des Intellectes: er geht aber nicht auf den Urwillen der
intellectiven Seele zurück, die Gott als das absolute Complenient ihres Seins und Lebens
wollen muss, und so kann es ihm denn auch nicht gelingen, weder die von ihm urgirte
tiefstgehende Bedeutung des intellectiven Seelenwillens zu erweisen, noch auch das von
Thomas betonte Moment der Intellectivität in allem wahren und richtigen Wollen zu
würdigen. Es ist gewiss sehr wahr, wenn Duns Scotus urgirt, dass die Seele Gott als
das absolute Gut um seiner selbst willen wollen müsse, und dass in der vollkommenen
Actualität dieses AVollens ihre selbsteigene sittliche Vollendung bestehe; eben so wahr
aber ist andererseits, dass Gott das absolute Gut der Seele in Kraft der absoluten Geistig-
keit seines Wesens ist, und dass die Seele nur insofern und in dem Grade, als sie ilir
Dasein und Leben im Elemente der absoluten Geistigkeit gefasst hat, vollkommen und
selig ist. Die Seele will grundhaft Gott, aber sie will in ihm sich selbst, ihr vollendetes
Sein, das sich nur in der steten Zurückbeziehung auf den haltenden und tragenden Grund
ihrer selbst, also in activer Ergreifung dieses lebendigen Grundes ihrer selbst zur voll-
endeten Ausgestaltung bringen lässt; sie kann aber Gott nicht insofern ergreifen, als er
der Unendliche ist. sondern nur in der ihr wesensverwandten Geistigkeit seines Seins,
in deren geistiger f^rgreifung sie eben zur vollkommenen Actualisirung ihres immanenten
geistigen Wesensgehaltes vordringen will. Wenn nun das Greifen ein x^^ct des Willens.
das geistige Ergreifen aber intellective Function uiid That ist, so folgt daraus, dass In-
tellect und Wille im Grundwesen Eins sind, der Intellect jedoch den "Willen übergreift.
weil nur der im Intellecte gefasste Wille der ächte und wahre Seelenwillen ist. Der
\\ ille hat also den Intellect zu seiner lebendigen Form, er hat nur in ihm sein Sein und
' 4 dist. +9, qn. 2 lOp. Paris.) — i dist. 49, qn. 4 (Op. Oxon.).
- 1 qn. 82, art. 3.
Die Psvchologie und Eekenntnisslehee des Johannes Duns Scotus. 399
seine Wahrheit. Dasjenige aber, was aus dem Intellecte wollend lierauswirkt, ist der
Geist, in dessen Macht das Sein der Seele sich in sich selbst gefasst hält, und zu seiner
absoluten Selbstfassung im Elemente des Göttlichen sich erheben soll. Die absolute Selbst-
fassuno- der Seele im Elemente des Göttlichen coincidirt mit der vollkommenen Geist-
werdung der Seele, Avelche die conditio praevia der vollkommenen Actualisirung des
immanenten "VVesensgehaltes der Seele ist; denn in Kraft der vollkommenen geistigen
Selbstfassung der Seele geht ihr gesammter Wesensgehalt in die lebendige Foi^m ihres
intellectiven Selbstlebens über, so dass dieses in einer continuirlichen geistigen ßepro-
duction dessen, was im universalen Wesen der Seele Hegt, begriffen ist; wir stellen da
vor dem Gedanken einer unerschöpfliciien geistigen Selbstevolution der Seele, die aus
der Tiefe des seelischen Inneren heraus sich vollzieht, und alles in diese Tiefe Aufge-
nommene aus sich lebendig produclrt. In diesem Produciren gibt sie sich selber die lebendige
Form des wahrhaften Geistdaseins, und setzt aus sich selber schaffend die ihr in Gott
eigen gewordene Welt heraus; und in dieser productiven geistigen Nachahmung des
absoluten göttlichen Schaffens besteht ihr Seligsein. Da nun aber diese lebendige active
Selbstreproduction der Seele, in der Alles, so, wie sie in Allem ist, nur in Kraft einer
intellectiven Apprehension Gottes durch die Seele sich vollziehen kann, so ist Thomas
gegen Scotus im Rechte, wenn er die Seele nicht, wie Scotus will, in ii'gend einer beson-
deren Seelenpotenz, sondern in ihrem tiefsten Wesen, also nach Thomas doch vornehmlich
im Intellecte, gefasst werden lässt; weil nur auf diese Art die das Seligsein bedingende
Klärung und vollkommene Geistwerdung oder vollkommene Hineinversetzung der Seele
in Gott sich begreifen und erklären lässt. Wenn Duns Scotus statt dessen durch die
Gnade vornehmlich, ja ausschliesslich nur die Willenspotenz ergriffen werden lässt, ^ so
hat diess seinen Grund darin, dass er keine andere Vollendung der Seele, als die sitt-
liche kennt, und um jene Seeleninnerlichkeit, aus deren Tiefe heraus das ganze Wesen
der Seele in deren Vollendung vei'geistiget werden soll, nicht weiss. Eben so wenig weiss
er um jene Formabilität der Seele, die freilich auch Thomas nur nach ihrer receptiven
und passiven Seite würdiget, nicht aber als lebendige Selbstfoi'mation der Seele in deren
successiver Selbstgestaltung und absoluter Selbstvollendung fasst. Duns Scotus weiss
nicht um sie, weil er überhaupt mit dem Begriffe der Seele als subsistenten Formwesens
nichts anzufangen weiss. Daher kommt es bei ihm zu dem auffallenden, aber in seinem
Denkzusammenhange ganz wohl erklärlichen Satze, dass die Essenz der intellectiven
Seele gegen die von ihrer Intellectiv- und Willenspotenz angenommenen Habitus und Ge-
staltungen sich indifferent verhalte.^
Thomas und Duns Scotus sprechen von einer Theologie der Seligen, deren An-
schauungen nach Thomas das Wesen des Seligseins ausmachen. In der Theologia viatorum
sieht Thomas eine Subalternspecies der Theologia beatorum, und erkennt in der Pflege
derselben das höchste Weisheitsglück auf PJrden. Diese Weisheitslehre ist in erster Linie
eine speculative Wissenschaft, beziehungsweise aber auch eine praktische, sofern sie die
Anleitung enthält, zur Anschauung Gottes, d. i. zur Seligkeit, zu gelangen. Dieses zweite
secundäre Moment fällt natürlic]i in der Visio beata hinweg. Duns Scotus kennt keinen
' 2 dist. "Jtj, qu. unic.
- Gratia non perficit animam qualitercuuqiie, sed sulum ut principium actionis meritoriae. Sed anima quautum ad esaentiam
est indifl'erens ad meritoriam opeiationem et demeritoriam. Igitur non, ut sie, pertcitur a gratia inimediate, sicut scieutia
non perficit animam, nisi ut est principium intellig-endi. 2 dist. 26 (Op. Paris.).
i.j.j Kaki. Wkkskk.
speculativiMi Habitus sii|.u'i\iia.'; w.miii «t si-lion i-iiu-u sohlun I lal.iiu> >a|.icnii;u« /ai^i'bi'ii
soll, so kann or ilm mir als imiicii jiraktiscIuMi u:rli.u lassen, .li<- wahre W «•islicil licsh'lii
iliiii in «l.-r Cliaritas. l>i«iiinarli si'li.-int iluii auch <\\c Vln-oUn/w <lic von rinunas ihr /.u-
gesproclu'iif NVünlo uiul lii.ln-it als hialisii-r im.l ..l>crsl.-r Wisscnsi hall nur .lur.h ihren
pi-aktiseluMi Charakt.-r behaupten zu küunen.' Olmehin j;elu« es nicht an, ilii niil Thomas
oiueu dopiu-lseiiigen, /ugleieh llieoretiseheu un.l praktiscluMi Chaiakler /.n/.uweisen ; die
UnterscIuMilung zwiselion theoretiseliem un.l prakti-ehem Habitus isi eine ( ; nni.l iheilniii;-.
deren GHctlor sieh weehsolsoitig ausseliliesson. Hie TlieoK)gie ist aber grun.lwesenlii. Ii
eine praktisehe Wissenseluift, welelio daraul' ab/.weekt. die dem liüehsten und absolul.-n
Strebeziel des Mouselien eutsproeheiidou NVilieusilispusitionen erzeugen v.u lielf.Mi. be-
ziehungsweise die riehtige KenniiMss dieser ^Ville^sdispositio^en zu leliren. Piese W illens-
disposilionen zerfallen dem Huns Scotus in noihwondige und .ontingento ; nuthwondig
sin.l diejenigen, deren Gegentheil absolut unzulässig ist, contingent Jene, die .lunh
Anordnung des göttliclien Villens zum sittliehen (Jobote für den iMensthenwillen ge-
worden sind. Hemgemäss seiieidet sieh ihm die Theologie in eine Theologia necessariorum
und in eine Theologia eontingentium. Hie erstere hat Gott als das unendliclie Sein und
absolute Gut des Menschen zum Übjeete; die d(>r ßeschaffenheit dieses Objectes ent-
sprechende ^Villensdisposition ist die Liebe Gottes über Alles und um seiner selbst willen.
Die Theologia necessariorum hat als Auseinandersetzung der IJesehalVenheit jener absoluten
^Vesenheit.°die als solche das absolute Ziel des zur VoUeiulung strebenden Menschen ist,
allerdings auch einen reichen speculativen Erkenntnissinhalt; aber dieser lidialt hat
durchwegs eine innere Zweckbeziehung auf das rechte Wollen, und <1I(^ theoretischen
Auseinandersetzungen der Lehre über Gott sind als solche nlclu theologische, sondern
metaphysische Erörterungen. Als solche metaphysisch-theoretische Auseinandersetzungen
sind aber keineswegs die eigentlichst theologischen Lehren über die i)reipersöidichkeit
Gottes anzusehen, die eben nur das Ubject der absoluten und absolut nothwendigen
Liebe und damit implicite auch die durch dieses Object bestimmte Gestaltung der absolut
nothwendigen Liebe angeben. =* Duns Scotus stellt nicht an, sogar von der Möglichkeit
einer praktischen Theologie im göttlichen Henken selber mit ßezlelmng auf das von
Gott absolut Gewollte zu sprechen, was eben nur er selbst sein kann. Indess entscheidet
er dafür, dass das von Gott absolut Gewollte nicht Gegenstand einer praktischen Er-
kenntniss sein könne, weil eine solche Erkenntniss die Bedeutung eines Willensregulatives
hat, der absolute Wille Gottes aber, möge er frei oder natürlich wirken, sich einzig nur
aus' und durch sich selbst bestimmen kann. Zufolge dessen kann weiter auch der Inhalt
der Theologia eontingentium für das göttliche Henken nur Gegenstand einer speculativen
oder theoretischen Erkenntniss sein, weil Existenz und Beschaffenheit des Contingenten
lediglich vom göttlichen Willen abhängt; für den geschaffenen Intellect dagegen hat die
Theologia eontingentium die Bedeutung einer praktischen Erkenntniss, weil ihr Erkennt-
nissinhalt eine gottgewollte Norm für den sittlichen Willen in sich schliesst. Hurch diese
ihre eminent praktische Bedeutung wird die Theologie entschiedenst aus dem Connexe
mit der speculativen Weltlehre losgelöst, als deren höchsten Abschluss Thomas die
' Op. Oxon. Prolog., qu. 4. ...
: \on sufficit ad rectitudinem actus, quod habeat rationem formalen, convenientem iu objecto, sed etiara requmtur, quo.l
habeat objectum convemens, iu quo sit talis ratio formalis. Praeter istam igitur notitiam rectitudinia, quam includ.t essen-
tiale in actu amandi Deum, personalia includunt propriam notitiam ulteriorem rectitudinis acquisitae. L. c.
Die Psychologie und EkkEnntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 401
Theologie ansieht. 80 wenig sie selber in einem Subalternverhältniss zu irgend einer
anderen Wissenschaft, etwa der Metaphysik, steht, ^ so wenig subalterniren ihr andere
Wissenschaften, weil sie nicht die principiellen Erklärungsgründe des specifischen In-
haltes derselben in sich schliesst.^ Die Idee von einem architektonischen Aufbau der
menschlichen Gesammterkenntniss, dessen Kuppelabschluss in der Theologie gegeben
wäre, wird somit von Duns Scotus bei Seite gesetzt, und wohl auch für unausführbai-
gehalten. Aus der Aristotelischen Kosmologie, die den Unterbau des Ganzen zu bilden
liätte, hat er sich schon von vorneherein auf das Gebiet der Ontologie und Metaphysik
zm-ückgezogen, die ihm allein auf einem, vom contingenten kosmischen Sein und Ge-
schehen unabhängigen festen Grunde zu fussen scheint. Da die kosmischen Contingenzen
ihren absoluten Grund in dem nicht weiter zu erklärenden souveränen göttlichen Willen
haben, der den Hauptinhalt der Theologie bildet, so hat die Metaphysik, so tief sie
immerhin in die Theologie hineinragt, sich auch von dieser bestimmt abzugränzen, und
nimmt zur Kosmologie und Theologie eine seitliche Stellung, den natürlich erkennbaren
Vernunftgehalt beider in sich fassend, in Bezug auf den concreten Realgehalt beider an
die Empirie der sinnlichen Erfahrung und des Glaubens angewiesen. Während Thomas
das Lehrgebäude der Theologie direct auf dem Grunde der natürlichen Weltlehre auf-
führen, und somit die Gesammtheit alles menschlichen Realerkennens zuhöchst in der
Theologie zusammenfassen will, sucht Duns Scotus die natürliche Basis der Offenbarungs-
theologie primär in dem auf sein absolutes Ziel gerichteten sittlichen Willen, uro-irt
mit grösserer Schärfe den positiven Charakter des theologischen Erkennens, imd kommt,
indem er die strenge philosophisch-theoretische Erweisbarkeit einzelner Sätze der natür-
liclien Religion und J\Ioral anstreitet, von selbst dahin, den Glauben im Gegensatze zu
Thomas als einen Habitus, nicht des speculativen, sondern des praktischen Intellectes zu
bezeichnen.' Demzufolge kann auch die Theologie als Glaubenswissenschaft nur als ein
Habitus .practicae scientiae genommen werden. Man sage nicht, dass sie, indem ihr der
Charakter einer theoretischen Wissenschaft abgesprochen wird, im Range herabgesetzt
werde; sie wird vielmehr im Range erhöht, weil der Wille, zu dessen sittlichen Dispo-
sitionen sie ins Verhältniss gesetzt wird, im Range höher steht als der Intellect. Indem
sie zu den sittlichen Dispositionen des freien Willens in ein inneres Verhältniss gesetzt
wird, wird sie von jener Gebundenheit befreit, die ihr als einer ausschliesslich oder
vorwiegend speculativen Lehre anhaften müsste. Man darf sich nicht auf den Meister
Aristoteles berufen, der eine auf den absoluten Willenszweck bemessene Wissenschaft
nicht gekannt habe; er kannte eine solche Wissenschaft nicht, weil er kein freithätiges
sittliches Anstreben eines absoluten Zweckes, sondern bloss eine natürliche Beweguno-
des Willens mit Beziehung auf die vom JMenschen begehrte Glückseligkeit kannte.
Thomas sah im theologischen Weisheitserkennen ein erleuchtetes Theilhaben der
menschlichen Seele am göttlichen Erkennen, und fasste das Verhältniss der weltlichen
1 Dicetur fors, Deus continetar sub eilte, de quo est Metapbysica. Dieendum, quod subalternatio non attenditur sccundum per
se superius et inferius, quia scientia snbalternata est de ente per accidens, non autem de eo, quod per se et essentialiter
contiuetur sub superiori, quoniam de generc et specie est eadem scientia. Dp. Paris. Prolog, qu. 8, art. 3, quaestiunc. 4.
2 .Si ulteriusquaeritur, an theologia sibi subalternet aliam? Dieendum, quod non, qma non dicit propter quid respectu aliarum ;
quia aliae scientiae resolvunt suas conclusiones in principia immediata, quae primo sunt vera, etsi nihil aliud esset. L. c!
3 Fides non est babitus speculativus, nee credere est actus speculativus, nee visio sequens credere est visio speculativa sed
practica. Nata est enira ista visio conformis esse fruitioni, et prius naturaliter baberi in intellectu creato, ut fruitio recta
illi confonniter eliciatur. Dp. Oxon. Prolog-., qu. 4.
Dfltikechriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd.
.01
402
Kahl Wkhkkk.
\Visseiiscliatlon zur Wissoiiscliaft ilos liüttliclicn als oiiicii KcHcx (U's Vcilialtnissos ilos
weltlicluMi Seins zum üborwoltlirlHMi giMtliilicii Sein. \\i.(i..ii .lic alisoliitc rirmiii allrs
Seienilon, so ist d'w In »h-r 'riicolugio iiiciU'rgoU'gto Krkciuiliiiss ilcr göttlioluMi Dingo
ein Abschluss uiui oine Ivlarimg iK's gcsamniton niensililiihou lOrkcniuMis in «'incr
luk-hston lOrkonntniss; wio iJott «lic Welt in sieh lasst. so l'asst die lOikcnntniss der
ijüttlielien hinge <iii> Krkenntniss aller übrigen Ding»« nach ihrer He/.icliung auf das in
ihnen inul an ihnen geotYenbarte lUiehste und (lüttliehe in sieh. Kreilidi ist das llic.
logisehc llrkennen, je höher es aufwärts steigt, desto weniger ein sell)steigenes ürkcnmn:
aber iiueh das llOehste. was in den Lehren der geidVenbarten Weisheit aufgeschlossen
wird, muss noch auf irgend eiin' Weise dem inensehliidien Inttdleeto iassbar sein. Ist
ihm doeh. wenigstens implieite, die Idee der absoluten Urform i»riisent, aus welelier
Alles, was in den Kreis des intelleetiven Krkennens fallt, /u begreifen ist; und «-in
intelleetives Erkennen ist ja aueh das gliuibigo Erkenm^n. ja mit lic/.icliinig auf die
Hoheit und den Kang seiner Objecte ein Erkennen hühert'ii Jianges, als das aus der
selbsteigenen Kraft des Intelleetes geschöpfte JCrkenneii.. In der theologischen Woishoils-
lehre des heiligen Thomas Ai[. ist somit das Verhältniss des weltlichen Seins zum
Ueberweltlichen, Göttlichen das massgebende grundhafte Verhältniss; die Erkcnntniss
des Wellliehen um! seiner denknothweudigen Voraussetzung Im «Uittlichen gehört dem
Intclleete als solchem an, das Ueberweltliche hingegen als solches muss sich durch OtVen-
barunir seiner selbst kundthun und wird ihm in der Welt des Glaubens aufgeschlossen.
Bei Duns Seotus tritt an die Stelle des Uutei-schiedes und Gegensatzes vom Weltlichen
und Ueberweltlichen der Gegensatz zwischen Natürlichem und UebernatUrlichem, der
sich nicht auf den Unterschied der Realitäten, sondern auf das Verhältniss des Erkennenden
zu den Gegenständen der Erkenntniss. oder zu den Wahrheiten bezieht, die ins mensch-
liche Denken aufgenommen werden sollen. Duns Seotus unterscheidet natürliche und
übernatürliche Wahrheiten; natürliche Wahrheiten sind jene, die der gefallene Mensch
noch immer aus sich selbst zu erkennen vermag, alle übrigen sind für ihn übernatürliche
Wahrheiten, deren er sich nur durch den Glauben vergewissern kann. Dieser Gegensatz
von natürlichen und übernatürlichen Walirheiten kreuzt sich bei ihm mit dem Gegensatze
von nothwendigen und zufälligen Wahrheiten, da, Avie wir bereits wissen, sowohl in der
natürlichen Ordnung der Dinge als auch in der übernatürlichen Heilsordnung des
Zufälligen genug, und in der objectiven Wirklichkeit der Dinge Gott allein das absolut
Nothwendige, und als solcher auch der absolut nothwendige Gegenstand seines WoUens
ist. Ist demzufolge der reale Inhalt unseres Denkens schon insgemein vom göttlichen
"Wollen in weitem Umfange abhängig, so dass bei einer anderen Beschaffenheit und
(Tcstaltung der Welt auch der Realinhalt unseres Denkens ein ganz anderer sein müsste,
so sind wir auch in Beziehung auf die Erkenntniss des thatsächlich gegebenen "Wirk-
lichen abermals von Vergewisserungen durch göttliche W'illensmanifestationen in einem
Grade abhängig, der uns die Tiefe unseres Falles in ihrer ganzen Grösse aufschliesst.
Freilich lässt uns Duns Seotus einiger Massen im Zweifel, ob wir den Mangel einer
strengen Erweislichkeit gewisser natürlicher Wahrheiten der Religion und Moral lediglich
auf Rechnung unseres durch den Sündenfall geschwächten Denkens setzen sollen. Bei
der Unsterblichkeitsfrage z. B. sahen 'wir, dass der Grund ihrer Unerweislichkeit nicht
in unserer Denkschwäche, sondern in objectiv gegebenen Verhältnissen gelegen ist.
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Düns Scotus. 403
Wenn er aber weitei-' behauptet, es lasse sicli nicht streng erweisen, dass Gott ein
lebendiger sei, dass ihm Denken und Wollen zukomme u. s. w., so scheint damit doch
nur unser dermaliges Unvermögen eines strengen Erweises gemeint zu sein. Dass übrigens
diese Sätze nicht etwa als bloss disputable Sätze aufgestellt wurden, sondern ganz
ernstlich gemeint waren, ist gar kein Zweifel, und auch ganz wohl erklärlich; die
Abwerfung des speculativen Formbegriffes beraubte ihn der Möglichkeit einer spe-
culativen Deduction jener göttlichen Attribute, deren streng philosophische Erweis-
barkeit er in Abrede stellt. Wenn der Begriff Gottes als der absoluten Urform in
vorhinein die ganze Weltbetrachtung über den Standpunkt eines empiristischen Natura-
lismus hinaushebt, so fusst das sogenannte natürliche' Denken bei Dans Scotus ganz
entschieden auf diesem Standpunkt, wie aus mancherlei dem Gebiete der Anthro-
pologie angehörigen Sätzen hervorleuchtet, in welchen er die Discrepanz zwischen natür-
lichem Denken und christlicher Auffassung der betreffenden Sache hervorhebt. Derlei
Sätze sind:* Es lasse sich nicht erweisen, dass der Mensch für eine in diesem Leben
nicJit erreichbare Seligkeit geschaffen sei, dass der factisch gegebene dermalige Zustand
des unvollkommenen P^rdenmenschen auf einen Stand der Verschuldung liinweise, dass
der Mensch mit einer erblichen Sünde behaftet geboren werde, dass die Unauflöslichkeit
der Ehe von unmittelbarer naturrechtlicher Evidenz sei. Einem naturalistischen Denken
gehören auch die Sätze in der Gotteslehre an: es lasse sich nicht beweisen, dass Gott
über die Kategorie der Quantität absolut hinausgestellt, absolut einfach (omni accidente
carens), intensiv unendlich sei.^ Wenn nun Duns Scotus dennoch an den entgegengesetzten
Ueberzeugungen festhält, so hat "diess seinen Grund darin, dass er sich von vorneherein
auf den lebendigen Boden des kirchlichen Gemeinbewusstseins stellt, wie er sich denn
auch aus vollem Herzen den Spruch Augustins aneignet: Ego nee evangelio crederem,
nisi ecclesiae auctoritas me commoveret. Er macht diesen Standpunkt auch den Sätzen
der kii-chlichen Heilslehre gegenüber geltend, da ihm die weitaus grössere Mehrzalil
derselben niclit auf innerer Nothwendigkeit, sondern auf positiver göttlicher Bestimmung
und Anordnung beruht. Sein Glaube an die Lehre der Kirche und an die Sätze ihrer
Dogmatik ist also durchwegs freier AVillensentschluss, der aus dem Bedürfniss hervoi--
gelit, sich derjenigen Auctorität zu unterwerfen, der man ohne Verzicht auf das Hecht
und die Ehre des freien Willens sich imbedingt unterwerfen kann und auch unterwerfen
muss, weil sonst alle Ordnung aufgehoben würde; und diess ist eben die absolute
Auctorität des göttlichen Willens. Es liegt etwas ritterlich Mannhaftes und ein Zug hoher
ethischer Schönheit in diesem geistigen Verhalten des Duns Scotus, der unter energischer
Wahrung der freien Selbstständigkeit seines Denkens sich unbedingt derjenigen Auctorität
unterwirft, die ihn sein sittliches Gefühl als die absolut massgebende anerkennen heisst.
Seine ganze theologische Docti-in zweckt auf eine Conformation des ethischen Willens-
habitus mit der durch den absoluten, höchsten Willen geschaffenen und normirten
Ordnung ab; die vollkommene Einigung des selbsteigenen Willens mit jenem höchsten
absoluten Willen, der in seiner souveränen Absolutheit zugleich auch der vollkommenste,
weiseste und absolut heilige Wille ist, ist das Ideal und der leuchtende Stern seiner
Innern Lebenswelt. Es ist die Idee der sittlichen Persönlichkeit, die in seinem Denken
' Siehe Scoti Theoremata, Theor. 14.
2 Theor. 14.
' Theor. 16.
51*
404 Kaki. Wkkskr
aufgeht, Uli«! in »Umi \ onU»r>j;rim<l tleüsclln'ii sirli siclli, alti'i- iVfllirli imicr \ civ.iilit auf
oino Vermittolung diosor Idco im lllciufiito tlci- ifincn Katiunalitiu. l'.v liriii<j;t es nii-lit
(luliiii. i\io sittlicli gostiinnito I'orsönliclikoii dein UcicirlK- der Uusinisclicii ( 'oiitiiigoii/.OM
zu eiitroisson: sio steht iluu /wur hiWier als alle ilhriiroii kosmischen Contiiiiroiizeii, trehürt
aber ilciinoeli gleielilalls unter sie. <mii wahrhatf Hlciliendes ist sie nicht krall ihres
inneren Wesens, sondiMMi ki*ai"( des iföttliehen Willens. <ler ihren e\vi;.'cii ric-iaiid
sieljcr stellt.
Die Tenden/ der speeulativen Scholastik des M itN lalters war ein ivin>r(>ii naeh
Concordirung »1er drei ihr zuhöchst gelten<len wissenschal'tliehen Auctoritäten eines
Aristoteles. Plato uml Augustinus. Hieser Tendeir/; koinite, sieh, trotz seiner anlis|ieeula-
tiven Haltung. l)uns Seotus schon seiner Zeitstellung nach sich niclit cntzieiien; es kommt
nur darauf an. wie er sich zu jeder der genannten drei Auctoritäten zu stellen gedaelite.
Nicht ohne (irund durfte er glauben, sich mit Augustinus nielir ideniilieirl /.u lialien.
als die speculativen Aristotcliker der Dojainicanerschulc; obscinin er diesen gegenüber
von Aristoteles weiter abkam, als er selber zuzugeben bereit war. Auf dem Gebiete der
Antiiropologie steht er unstreitig Flato näher als dem Aristoteles, trotzdem dass er die
wissenschaftliehe Terminologie der scholastisch-aristotelischen Anthropologie ado])tirt.
Auf ilem Gebiete der Ideenlehre ist er, indem er eine ursprüngliche Vielheil der Ideen
n Gott behauptet, gleichfalls weit mehr Platoniker, als die speculativen Theologen der
Dominicanerschule, welche diese Vielheit in Abrede stellen; nur will er freilich diese
Ideen nicht in platonischer ^Veise als Wesenheiten verstanden wissen, Avcil damit der
InteUectus agens iibertlüssig gemacht würde.' Duns Seotus bestreitet indess, dass Plato
die Ideen als aussergöttliche Wesenheiten gedacht habe; die Ideen in Plato's Sinne sind
nichts anderes, als der im göttlichen Denken existente mundus intelligibilis oder die
Quidditäten der Dinge als von Gott gedachte und erkannte. Diese Auffassung der Ideen
ist nach Duns Seotus auch jene Augustins, und zu dieser will er sich bekennen* jenen
gegenüber, welche die göttlichen Ideen als denkhafte Selbstbeziehungen der göttlichen
Wesenheit auf das aussergöttliche Sein fassen. Das Hauptinteresse des Duns Seotus ist,
die Unabhängigkeit des göttlichen Seins und Denkens zu wahren, die ihm beeinträchtiget
erscheint, wenn sich das göttliche Denken mit Beziehung auf etwas ausserhalb derselben
Seiendes bestimmen soll müssen, während doch umgekehrt das göttliche Denken die
geschöpflichen Dinge mensurire. Ob sich übrigens die scotistische Anschauung von der
Idee mit jener Augustins decke, ist mehr als fraglich; wenn auch bei Augustinus von
der durch Seotus bekämpften Auffassung der Idee als Relationsbestimmung des göttlichen
Seins zum geschöpflichen keine Rede ist, so ist doch andererseits eben so gewiss, dass
der göttliche Gedanke eines Dinges bei Augustinus nicht unter dem Charakter einer
göttlichen Willenssetzung erscheint, weil diese Auffassung eben nur der scotistischen
Verhältnissbestimmung zwischen dem göttlichen Denken und W'ollen eigen ist.
' Si esäentiae rerum essent abstractae, sicut postiit Plato, non indigeremus sccundum eum intellectu agente. 1 dist. 3,
qn. 4 (Dp. Pari.s.).
^ Duns Seotus fasst die Augustinische Erklärung der Ideen in folgende Worte zusammen : Idea est ratio aeterna in mente
diviua, secnndum quam aliquid est formabilc extra, ut seeundum propriam rationem ejus. 1 dist. 36, qu. 2 (Op. Paris.).
— Vgl. damit Augustin. Quaestt. 83, qa. 46: Sunt namque ideae principales formae quaedam vel rationes rerum stabile»
et incommutabiles, quae ipsae formatae non sunt, ac per hoc aeternae ac semper eodem modo sese habentes, quae in divina
intelligentia continentur. Et cum ipsae neque oriantur. neque intereant, seeundum eos formari dicitur omne, quod oriri potest,
et omne quod interit et oritur.
Die Psychologie und Eekenntnisslehee des Johannes Düns Scotos. 405
Eine Annäherung vom Peripatetismus zu Plato und Augustinus scheint sich auf
erkenntnisstheoretischem Gebiete bei Duns Scotus zu vollziehen, wenn man ihn die sinnliche
Apperceptlon als eine blosse Gelegenheitsursache der intellectiven ErJcenntniss erklären
hört.' Diess läuft aber näher besehen nur auf Oonstatirung einer von den möo-lichen
Täuschungen der Sinne unabhängigen Wahrheit und Sicherheit der rationalen Denk-
auffassung der sinnlichen Erfahrung hinaus; die Correctur einer allenfallsigen Sinnes-
täuschung vollzieht sich auf Grund evidenter Erfahrungssätze oder durch formale Denk-
operationen, mittelst welcher auf Grund der in der sinnlichen Erfahrung gegebenen
Daten der täuschende Schein aufgeklärt wird. Duns Scotus ist viel zu sehr Empirist, als
dass er den Boden der natürlichen Erfahrung irgendwie zu verlassen gedächte; die
intellectiven Realerkenntnisse des Menschen ruhen ihm durchwegs auf dem Grunde der
Erfahrung, und sind aus dieser abzuleiten. Er erklärt sich demzufolge auf das Ent-
schiedenste gegen Heinrich von Gent (Goethals), wenn dieser^ unter Berufung auf Augu-
stinus die Wahrheit und Sicherheit der sinnlichen Erfahrung bestreitet.^ Duns Scotus
erwiedert,^ der von Goethals producirte Spruch über die Wandelbarkeit der Sinnendinge
gehöre gar nicht dem Augustinus, sondern dem Heraklit oder Cratylus an,-' und beweise
nicht, dass es gar keine zuverlässige Erkenntniss des Sinnlichen gebe; denn jedenfalls
wäre die unstete Wandelbarkeit des Sinnlichen selber schon ein wahrer und gewisser
Satz. Das wusste nun wohlauch Augustinus selber, welcher die von Scotus auf Rechnung
des Heraklit gesetzte Behauptung wirklich that; nur sagte er weiter, und Goethals mit
ihm, dass die für jeden Fall übrig bleibende sichere und gewisse Erkenntniss der
unsteten Wandelbarkeit der Sinnendinge im Lichte der unwandelbaren Wahrheit geschaut
werde. Duns Scotus verzichtet darauf, die in Augustins Schriften unläugbar vorhandenen
Stellen, in welchen der Ueberzeugung von einem Erkennen der Dinge in Gott oder
Schauen der Wahrheit im Lichte Gottes Ausdruck gegeben wird, einer Besprechung zu
unterziehen, um etwa zu zeigen, dass sich Goethals mit Ungrund auf sie berufe; er
begnügt sich zu erhärten, dass die in den späteren Werken Augustins enthaltenen ein-
schlägigen Aeusserungen, aus ihrer bildlichen Ausdrucksweise in ihren bildlosen Gedanken-
gehalt umgesetzt, mit den erkenntnisstheoretischen Anschauungen der scotistischen Theorie
sich ganz wohl vereinbaren lassen. Wenn der Kirchenlehrer Augustinus sagt, dass die
untrügliche Wahrheit im Lichte Gottes erkannt werde, so darf ihm allerdings nicht
widersprochen werden." Es fragt sich nur, wie jenes Erkennen des menschlichen Intel-
lectes im göttlichen Lichte verstanden werden soll. Die intellectiven Gedanken der Seele
von den Dingen können Lichtgedanken heissen, sofern sie den göttlichen Gedanken von
denselben conform sind; es ist ferner zuzugeben, dass ihre geistige Apperception unter
> 1 dist. 3, qu. 4.
- Vgl. Goethals' Summa theologiae, art. 1, qu. 2.
3 Goethals beruft sicli auf Augustiu. Quaestt. LXXXIII, qu. U: Omue quod corporeus seusus attiugit, (juod et sensibile dicitur,
sine Ulla intermissione temporis commutatur .... Quod autem non manet, percipi non potest; illud enim percipitur, quod
scientia comprebenditur .... Non est igitui- exspectanda sinceritas veritatis a sensibus corporis etc.
■> 1 dist. 3, qu. 4.
'- Qui nolebant loqui sed movebant digitum — sagt Duns .Scotus vou Heraklit und Cratylus unter Anspielung auf Aristot.
Metaph. III, p. 1010. a, lin. 10 ff.: 'Ez yic TaJTr,; Tr,c 'j-.olr^'liu^i (steter Fluss der Dinge) i^^^tsvl ^ ä/.poTäTr, oö;a -Sv
i'.pr,[j.£viiv, Tj -S>M !paa/.dv-t,jv fipuylti-iCnv, zat otav lipaTuAo; eTj^^ev, 05 m TEXe-j-aTov oüOsv weto osiv X^feiv, iXkk xov oä/.xuXov hhzi
[xoio'i, y.ctX HpaüXEtTü) £j:iT(jj.a dr.ov:: oti o'i? tG> «Ütw ;:o-a(j.to oux kaiiv I|j.ß7)va! • auTo; jap dkm ou3' aTta?.
6 Ad quaestionem igitui- dieo, propter verba Augustini oportet coucedere, quod veritates infallibiles videntur in regulis aeternis.
1 dist. 3, qu. 4.
401J
K.VHl. Wkknkk.
o
Vrnnittohmt;; oiiu's Contaetos di-f luciisclilii-lion liilollocti's iiiii «Iciii üiUllidifii liciiLcii /.u
Stiuulo kommt. Aber »lioscr Contart iKMleutet iiitht luolir mi«l ni. Iit- Aiulcics. als tlii-
irenerello Assistenz utlt'i- .Mitwirkunji^ Gottes in Auswirkmii;- der ( icilaiiLcn mlci liegiiHe
der appereijurliM» hinge, luul ist aueli in dieser l>e/.ielnnij>; auf di<i },M'»tilii lic ( 'uiifurrenz
in Aetivirung- der dein mensthliclu'n Intellerte liaMluellen all;,n'niciiit'M I »cnUniaxinien
otler rriniii>ia per se nota zu besrliriiidcen, mittelst wclclier d(>r (h'iilouidiw iii(lii;(> Zu-
sammeniiang /wiselien Subjeet und l'rädieat einer iiittlltctivfii A |i|Mflniisi(iii erkannt
wird. l>enn in liezieliun'r auf dii^ ()i>jerte der naiihliclicn Mriahrung- liej-t Ja der Zu-
sammenliang von Subjert und l'rjulieut oder 8ubjeet und Kigenseiiaft (xler lU'scIialVfMli.ii
eines Uintres als etwas natilrlich (ie>jobenes vor, und ist sonaeh (iegenstaiul iMiur unmittel-
baren natürliehen Kviilen/.. l)ass aber derlei Trineipia per so nota, /. i>. < >mni« totum
est nuijus sua parte, selbst wieder erst in Kraft einer göttlichen Erleuchtung erkannt
werden könnten, und dieses Erkennen das von Augustinus geraeinte Scliatien iintrilglidier
Wahrheiten in Regulis aeternis wäre, glaubt Duns Scotus aus den selbstcigensten Worten
Augustins widerlegen zu können. l)enn wenn Augustinus sagi;, dass nin- Wenige in ihrem
l)enken die rationes aeternas oder rationes intelligibiles erfassen, wenn ii- andererseits
hervorhebe, dass die Philosophen ohne Glaube die Wahrheit in Regulis aeternis erkannt
haben, so folge daraus unabweislich, dass die Erfassung der Rationes aeternae als die
von aller sinnliehen Beimischung losgelöste geistige Erkenntnis« im natiirlichen Ver-
mögen des Menschen liege, aber nui- bei glüeklidicr natürlielici- Anlage und llegabung
vollkommen entwickelt werde.'
Iteckt sich diese von Duns Scotus gegebene P^rklärung vom Erkennen der Dinge
im Lichte der göttlichen Wahrheit mit jener Augustins? Zunächst ist einmal zu eon-
statiren, dass bei Duns Scotus die Frage vom Gebiete «Icr Wahrheitslehre, auf deren
Boden sich bei Augustinus die Erörterung bew^egt, auf jenes der Gewissheitslehre hinüber-
gelenkt ist. und demzufolge ein anderes Aussehen bekommen muss, als sie bei Augustinus
hat. Augustinus lehrt, dass die Wahrheit der Dinge ihren Bestand in Gott, nämlich in
den unveränderlichen und ewigen Gedanken Gottes von den Dingen habe, woraus von
selber folgt, dass das Sein und Wesen der Dinge wahrhaft nur in (iott oder im Lichte
der göttlichen Wahrheit erkannt werden könne. Da nun aber die Wahrheit der Dinge
in Gott, näher im ewigen Worte Gottes oder im Logos aufgehoben ist, andererseits aber
thatsächlich ein wirkliches Walirheitserkennen im zeitlichen Menschendasein statt hat, so
postulirt und supponirt Augustinus im Vorhinein eine innere geheimnissvolle Einigung
der Seele mit dem Logos, in welcher er den absoluten Möglichkeits- und Wirklichkeits-
grund alles höheren übersinnlichen Erkennens des irdischen Zeitmenschen erkennt. Soweit
nun der Gegenstand dieses Erkennens überhaupt nur das im begrifflichen Denken ver-
deutlichte Uebersinnliclie oder Metaphysische als solches ist, kann allerdings Duns Scotus
sich einer gewissen Denkverwandtschaft mit Augustinus rühmen ; er ist ferner auch gegen
Goetbals im Rechte, wenn er dessen Berufung auf Augustins Auctorität, soweit diese
speeiell nur für die im Lichte der göttlichen Wahrheit feststehende Gewissheit unserer
' P.incornm est pertingere ad rationes aeternas, quia pancorum est hatiere intellectirmes per se {■/.. B. des Satzes totiiin inajus
sua parte), et mnltomm est Iiabere conceptiis fales per accidens; sed isti conceptus non dicuntur distingni ab aliis per
specialem illustrationem, sed per meliora naturalia, qnia habent intellectnm niagis abstralieiitera et perspicaciorem ; vel
propter majorem inquisitionem, per quam aeque ingeniosus pervenit ad cognoscendum illas quidditates, qua» alius non
inqnirens non cognovit. L. c.
Die Psychologie und Eekenntnisslehee des Johannes Ddns Scotds. 407
■Erkenntnisse zeugen soll, als nicht ^utreifend abweist. Denn die Gewissheitsfrage fällt
bei Augustinus mit der Wahrheitsfrage zusammen, und zwar so, dass auf letztere der
Hauptaccent fällt; denn über die Gewissheit der im Lichte der göttlichen Wahrheit
erhobenen Erkenntnisse konnte für Augustinus ohnediess kein vernünftiger Zweifel be-
stehen. Aber eben desshalb beweisen auch die gegen Goethals gerichteten Ausführungen
des Scotus nicht das, was sie beweisen zu wollen scheinen, nämlich, dass sich seine
Ansicht vom menschlichen Wahrheitserkennen mit jener Augustins decke ; der von Duns
Scotus statuirte Unterschied zwischen natürlicher und übernatürlicher Wahrheit in dem
von Scotus gemeinten Sinne ist Augustinus fremd, da Augustinus ein bloss empirisch-
sinnliclies Wahrheitserkennen nicht kennt, alles höhere öder metaphysische Wahrheits-
erkennen aber ohne Unterschied aus göttlicher Erleuchtung erklärt, obschon er da speciell
wieder zwischen natürlicher und übernatürlicher Erleuchtung unterscheidet. An die Stelle
dieses von Augustinus gemachten Unterschiedes zwischen natürlicher und übernatürlicher
Erleuchtung tritt bei Duns Scotus der Unterschied zwischen natürlicher und übernatür-
licher AYahrheit, der sich nicht nach der principalen Wirkungsursache, sondern nach
dem Objecte der Erkenntniss bestimmt; in Bezug auf die Ubjecte der natürlichen Er-
kenntniss aber ist eine unmittelbare Erleuchtung des Intellectes nur insoweit nothwendig,
als die natürliche Evidenz der sinnlich-empiristischen Apperception nicht ausreicht. Eher
Hesse sich von einem Hineinleuchten des im Sinnendinge ausgedrückten Wesensbegriflfes
in den Intellect, von einem geistigen Wiederscheinen des Dinges im Intellecte sprechen,
wobei aber dann der aus dem göttlichen Intellecte ausgehende Lichtsti-ahl nur mittelbar,
nämlich durch das Sinnending in den menschlichen Intellect geleitet wird.
Diess führt uns auf einen weiteren Controverspunkt in der Polemik des Duns Scotus
gegen Goethals. Nach Goethals* fällt im Erkennen ausschliesslicli alles Licht aus der
Seele auf das zu erkennende sinnliche Object, der Reflex des Objectes in der Imagination
ist nur eine Incitation für den Intellect, die Intellection des sinnlich appercipirten
Objectes in sich selber aufleuchten zu lassen. Die Intellection vollzieht sich durch die
intellective Apprehension des göttlichen Urbildes des sinnlich appercipirten Objectes:
auf diese Art wird also das den sinnlichen Gegenstand geistig erhellende Licht aus der
göttlichen Intelligenz durch die Seele auf den Gegenstand geleitet, und hiemit der
Abdruck oder Wiederschein der göttlichen Idee in dem entsprechenden Sinnendinge
erkannt. Dieser Auffassung liegt die Voraussetzung zu Grunde, dass das Sinnending
nicht schon als solches den Allgemeingedanken desselben darstelle, sondern nur den
Anstoss zur Apperception des Allgemeingedankens im Lichte der göttlichen Wahrheit
zu geben vermöge. Diese Anschauungsweise wird freilich von Goethals nicht constant
festgehalten, indem er nebenbei doch auch wieder durch das Sinnenobject selber schon
eine intellectio confusa in der appercipirenden Seele hervorgebracht werden lässt, welche
sodann durch den Intellectus agens in einen, den Allgemeingedanken des Dinges bestimmt
Aviedergebenden rationalen Begriff umgesetzt werde. Indess bleibt auch hier die Grund-
vorstellung bestehen, dass die Operation des Intellectus agens im Lichte der göttlichen
Wahrheit sich vollziehe, und durch diese Thätigkeit die Erkenntniss des Dinges aus der
Region des ungewissen Scheinens in jene des wahren und wirklichen Erkennens empor-
gehoben werde. Für jeden Fall aber will Goethals auf dem Grunde der augustinischen
Siehe Goethals' Quodlibeta III, qn. 4; IV, ijn 7; V, qn. 14.
4(^)«>l Kakl Wkknkk.
Lfliri' stohon, \n\d nWn dcsslialli aiicli iUt iM-stcicii Aiisirlii, dii' cl.is Simuinil» jcct als
blosses Krrt'irunirsinittfl tliM- iiitollei-tivou Krkomitniss ansiclii, ilcn \ Hi/iii;. iMr l-'i-atic ist
ult or mit volloin Cininde sicli auf Auy'ustinus hfiuliMi UiHmc, uilci dl» |iiiii>. Sroiiis
nun.
"n
ilini diese von iliiu anjyerurene Aiu-torität mit Jieclit stitMtifj; murhcii kiimic. (Joctiials
berutt sich aul Stellen auiriistiiiisclier SrlirilUMi, ' in welchen oc.sa<jft wird, duss di»' Seele
die sinnliehen und geistigen iJilder der vnn iiir ainiercijtirtcn hinge in sich und ans
sich tonne. Duns Seotus erwiederi hicraut , dass diese Acussorungcn Aiignsiins nur
beziehuniTsweise zu verstehen seien, da ci- anderweitig' Ulai' und beslinuni ihn erkannten
Gegenstand als eine miterzeugende Ursache der in der Seele vorhandenen lli kenntniss
bezeichne. Man hat diese Instanz des l)uns Seotus als begrilndet anzuerkennen; sie
beweist aber nur. dass die jisyiludogischen und erkenntnissllH'oretischen Ans( hammgen
Augustins nicht vollkommen ineinander greifen, indem er in den Kntwickelungen seiner
erkenntnisstheorotischen Anschauungen augenscheinli( I: den aus dei- platonlx hin l'liilo-
sophie geschupften Anregungen folgte, während er auf psycln)logisch-anthropologischem
(«ebiete primär den in der Wirklichkeit gegebenen iMensehen vor Augen hatte, dessen
Abhängigkeit von dem im zeitlichen Menschendasein gegebenen äusseren iJedingungen
seines Lebens, Schaffens und AVirkens ihn nöthigte, der sinnlichen Wirklichkeit eine
grössere Bedeutung zuzuerkennen, als ihr im platonischen Idealismus zugestanden wii-d.
Wenn er nun auch die in diesem errungene Denkhöhe, der Betrachtung der Dinge niclit
mehr aufgeben wollte, vielmehr das Uedürfniss empfand, die sich nebenher ihm auf-
drängende Bedeutung; der realen Wirklichkeit in einem, seinen feststelicn<lcii erkenntniss-
theoretischen Anschauungen entsprechenden Grade zu vertiefen, so kam er, von ilen
ursprünglichen Gegenständen und Zielen seiner philosophischen Meditation immer mehr
auf die geistige Ergründung des in der psychischen Selbsterfahrung Gegebenen abge-
lenkt, doch nicht mehr dazu, die Ergebnisse dieser seiner späteren P\)rschung mit seinen
ursprünglichen Anschauungen zu vermitteln; sie bedeuteten für ihn nur die Errungen-
schaften eines neuen Entwickelungsstadiums, in welches er nach einem relativen Abschlüsse
seiner anfänglichen erkenntnisstheoretischen Forschung übergetreten war •, er vertiefte sich
auf diesem seinem zweiten Wege in das gegenständliche Wesen der Seele, in welcher er den
nach Gott höchsten Gegenstand des Forschens erkannte, und deren Leben ^md Tliätig-
sein in der doppelten Richtung derselben auf Gott über ihr und auf die W^eltdingc unter
ihr er zu ergründen strebte. Die aus der Mittelstellung der Seele zwischen Gott und
Köi-perwelt erschlossene metaphysische W'esensqualität der Seele als eines zwar einfachen,
zugleich aber auch mutablen Seins steht wohl in vollkommenem Einklänge mit der auf
erkenntnisstheoretischem Gebiete behaupteten Einigung der Seele mit dem Logos, lässt
aber zugleich den metaphysisch abstracten und mehrdeutigen Charakter des augustinischen
Seelenbegriffes erkennen, der eben erst im Eingehen in die concreto Selbstgestaltung
der psychischen Innerlichkeit Gestalt und Leben gewinnt, hiebei jedoch die metaphysisch
absti-acten Bestimmungen des Seelenwesens in etwas von ihrer ursprünglichen Bedeutung
theilweise Abweichendes umgesetzt erscheinen lässt. Bei dieser Mehrdeutigkeit und zu-
gleich auch Mehrseitigkeit der augustinischen Auffassung des seelischen Denkwesens und
denkhaften Seelenwesens erklärt es sich, dass diflercnte Denkanschauungen sich genieinsam
auf Augustinus zurückbeziehen, und rücksichtlicli der in Rede stehenden Frage, ol) die
' Gen. ad lit. XU, c. 16 — Trin. X, c. ö.
- Trin. IX, c. nlt.: XV. c. 10 und 24.
Die Psychologie und Ekkenntnisslehre des Johannes Duns Scotüs. 409
Seele die Dinge ausschliesslich aus sich selbst erkenne oder nicht, sowohl Groethals als
auch Duns Scotus sich auf Augustins Zustimmung berufen konnten. Ist die Seele wesent-
lich Mens oder Innerungsprincip, so ist es ihr eben so wesentlich, die Dinge geistig in
sich aufzunehmen, als auch, das geistige Verständniss derselben aus sich selbst liervor-
zustellen ; und wenn man voraussetzen muss, dass sie das Eine wie das Andere ganz
und vollkommen thue, so folgt daraus, dass es unthunlich ist, mit Scotus von einer bloss
partiellen Concurrenz der Sinnendinge zur Erzeugung der Intellection derselben zu
sprechen, da bei solcher Auffassungsweise beide zur Hervorbringung der Intellection
concurrii-enden Ursächlichkeiten verkürzt werden, und überdiess dem sinnlichen Objecte
eine Activität zuerkannt wird, die ihm nicht zukommt. Goethals ist wirklich im Hechte,
wenn er den activen Antheil des sinnlichen Objectes darauf beschränkt, blosser Anlass
zur Entstehung der Intellection zu sein, die als Selbstact der Seele ganz und vollkommen
aus der Seele hervorgestellt, also lediglich durch sie gewirkt werden muss; imd es über-
rascht, wenn man ihn hiefür auf den Begriff der Seele als activen Formwesens sich
berufen hört, welches als die actuellste aller Formen auch die activste sein müsse. Es
gewinnt hier fast den Anschein eines Anlaufes zur Vertiefung und Verlebendigung des
abstract metaphysischen augustinischen Seelenbegriffes in jenem der lebendigen Form.
Man sieht sich alsbald enttäuscht, wenn man ihn erklären hört, dass die Seele das sinn-
liche Vorstellungsbild in sich hineinnehme, um sich gleichsam von ihm durchdringen zu
lassen, und es ihrerseits wieder zu durchgeisten, was denn nach anderweitigen schon
bekannten Erklärungen Goethals' nur unter Hinwendung der Seele auf das geistige Ur-
bild des Objectes oder im Lichte des Logos vor sich gehen kann. Hier liegt in der
That die unklarste Fusion des aristotelischen und augustinischen Seelenbegriffes vor, in
welcher keiner von beiden zu seinem Rechte kommt, sondern jeder von beiden durch
seine Versetzung mit einem heterogenen Elemente getrübt und geschädigt wird. Der
aristotelische Seelenbegrifl' schliesst seiner Natur nach jede illuministische Erklärung
des intellectiven Erkennens aus ; er hat vielmehr, wenn er ganz und vollkommen ent-
wickelt werden soll, den abstract metaphysischen augustinischen Seelenbegriff dergestalt
in sich aufzunehmen, dass er denselben in jenen eines activen lebendigen Formprincipes
und Formwesens umsetzt, welches, die "Wesensformen der gesammten sichtbaren \\irk-
lichkeit in sich aufgehoben tragend, jede derselben bei gegebenem Anstosse von Aussen
her activ aus sich hervorzustellen vermag. Diese Auffassung hat aber eine gründliche
Auseinanderscheidung des erkennenden Subjectes und des Objectes der Erkenntniss zu
seiner denknothwendigen Voraussetzung ; die von der Einwirkung des sinnlichen Objectes
erreichte und berührte Seele hält das in sie hineinleuchtende Sinnenbild desselben ausser
sich, und gestaltet den ihm entsprechenden (leistgedanken desselben durch sich selber,
und stellt ihn als etwas in ihr selber Erzeugtes aus sich hervor. Demzufolge ist wirk-
lich, wie Goethals in der von Duns Scotus angezogenen Stelle (aus Quodlib. 4, qu. 7)
behauptet, ganz nur die Seele allein Hervorbringerin des intellectiven Gedankens des
Sinnenobjectes, nur dass dieser, um wahrhafter Geistgedanke zu sein, in der Idee des
Objectes, d. i. im gottgedachten 'Gedanken des Objectes, vertieft werden muss. Der Ein-
wand des Duns Scotus, dass die Seele als ausschliessliches Activprincip des Intellectiv-
gedankens eines Sinnendinges stets im Stande actualer Intellection sein müsste,^ triff't
' Si aainia est totalis causa activa notitiae genitae et ipsa est materia disposita sive siibjectum receptivum vel susceptiTum
respectu ejusdeni, et ipsa est semper actu praesens, cum sit causa naturalis, semper erit achialis intellectin in ea, cujus
Denksclirifton iei pbil.-hist. Cl. XXVI. Bd. ö'Ji
. i^-) Karl Wkrskr.
nicht /u, uiitl liat nur v..in ;il>str;nIiniMai«hYsisi-licn StaiHljumklc des sootistist-hcn I>ciiluni8
aus Berochtigung. Puns Scotus l»rin<;t lii(>r nanili» li Air Untorsrlioi«lmig der vi(>i aiisto-
tolisflien UrsaoluMi in Aiiw.Mulun.ü:. weh li.', wie er sa>;t, von (Juotimls silmnitlicli in dio
Seele selber hineinverlo};! würden. (Joetlials nia. lio die Seele zur causa niaterialls und
causa et"ti>iens <les Intellectivvrcdankens, die beiden anderen llrsa<li(>n : causa tornialis
und tinalis des Inteliectivgedaniiens seien selbstverständlidi mit <\,-i- I Icrvorlu inj^ung
desselben gegeben; da lum mit diesen vier t'r.-a. Iicu alles zur llervorbrin^unjr des (Jc-
dankens Nothwendige gegeben sei,' st. lalle die Kinwirkung des Ohjectes als überfldssig
hinwei'. Duns Scotus iibersieiit, .lass es sich hier h'dlglich um llervorhringung des
Intellectiviredankens der Seele, nicht al)er um die Erwerbung der Kenntniss vom Objecle
als solchem handle, welciies sich allerdings der Seele vernehmlich machen muss, damit
diese den Intellectivgedanken desselben aus sich hervorzustellen veranlasst werde. W enn
Duns Seotus für die .Materialursache des Gedankens von einem Sinnendinge dii^ sinnliche
Vorstellung von demselben hält, so ist diess allerdings wahr; man wird noch mehr
.sairen müssen, und den im Sinnenbilde erscheinenden (legenstand als <lie Kcalursache,
Jamals die causa totalis des Vorhandenseins eines Gedankens vom Gegenstan.le In der
Seele bezeichnen miJssen, weil ohne das Berilhrtwerden der Seele vom Gegenstamlc d(>r
Gedanke von demselben in der Seele nicht vorlianden wäre. Aber der von der Aussen-
welt in die Seele hineingeworfene Keflex der Dinge ist nicht der Tntelloctivgedanke
derselben, welchen die Seele nur aus sich .selbst hervorstellen kann, und dessen Material-
ffrund nur sie selber als Quodammodo omnia ens sein kann. Nur bringt die Seele zu-
folo-e ihrer Gebundenheit an die sinnliche Leiblichkeit in ihrer Berührung mit dem
äusseren Sinnendinge nicht sofort unmittelbar den wahrhaften Geistgedanken des Dinges
aus sich hervor: ihr AVirkungsvermögen ist gehemmt und verengert sich in ihrem nächsten
und unmittelbaren Bestreben, das Ding nach seiner sinnlichen Erscheinung in sich auf-
zunehmen und in eine geistige Denkvorstellung umzusetzen. Aber eben in dieser sinn-
lichen Erscheinung bleibt ihr das Ding immerfort ein Aeusseres und Fremdes, und sie
muss. wahrhaft auf sich selbst sich besinnend, sich sagen, dass sie, bei dem sinnlich
Erseheinenden stehen bleibend, in einer ^Velt des Scheins sich befinde, dessen Imagi-
nationen auf ihren wahrhaften Grund zurückzuführen, sie als die absolute Aufgabe ihres
kosmischen Denkens ansehen muss. ^VaJlrllaft auf sich selbst zurückgehend, kann sie die
äussere Erscheinung eines Sinnendinges nur als den sinnlichen ^Viderschein des aus ihr
selbst herausgesetzten Geistgedankens jenes Dinges erkennen, nur dass sie im Bewusstsein
dessen, keine ereative Potenz zu sein, ein von ihrem Willen und Zuthun unabhängiges
Sein als Substrat und Träger der in ihr sich reflectirenden Ersclieinung des äusseren
Dinges anerkennen muss. Der Umstand aber, dass sie sich mit dem Dinge in einer
ihrem immanenten Selbstleben subjicirten Region, in der Region der Sensation und sinn-
lichen Vorstelhmg begegnet, nöthiget sie, das Sein des in dieser Region Ihr erscheinen-
den Dinges als ein ihrem eigenen Sein und "Wesen unterstelltes Sein anzusehen, dessen
ipsa est causa, et cujus ipsa est causa de se, vel saltem aliqua, in quam ijisa potissime potest. Non enim potest poni
imperfectio alicujus causae in se retenta prima hypothesi, uec non approximatio, ncc impeditio, quia nihil videlur tunc
impediens. 1 dist. 3, qu. 7.
i Fngere ad causam sine qua non, quae requiritur- ad hoc, ut notitia gignatur, hoc est dicere, quod omnes per se causae non
sunt sufficientcä causae. sed requiritur aliquid aliud, a quo res causand.i dependet essentialiter; ergo non erunt tantum
quahior causae sive quatuor genera causarum sed plura; vel aliquid dependebit essentialiter ab eo, quod non est causa
ejus. Ibid.
Die Psychologie und Erkenntnisslehee des Johannes Duns Scotus. 411
Wahrheit nicht in ihm selbst, sondern in dem Gedanken liegt, der in ihm verwirklichet
erscheint. Ohne noch eine bestimmte und sichere Erkenntniss von dem Stoffe zu haben,
worin dieser Gedanke verwirklichet ist, wird sie auf die Erkenntniss einer stoffbildenden
Macht des Denkens hingeführt, in welcher sie das objective Correlat ihi-es selbsteigenen
denkmiichtigen Ergreif ens der Dinge erkennt. Dieses objective Correlat kann nichts
anderes als der schöpferische Intellect der Dinge sein, auf welchen die Seele selber
sich zurückbezieht, wenn sie den Intellectivgedanken des in der sichtbaren Wirklichkeit
appercipirten Dinges aus sich hervorstellt. Die Selbstzurückbeziehung der Seele auf den
schöpferischen Intellect der Dinge fällt zusammen mit ihrem Zurückgehen auf sich selbst,
da sie den Wesensgedankeu des Dinges eben aus sich selbst hervorstellt; ob sich dieses
Hervorstellen etwa unter Hinblick auf die der Seele präsenten göttlichen Urbilder der
sinnlich appercipirten Dinge vollziehe , oder ob die Wesensgedanken der Dinge der
Seele concreirt seien, konnte eine Streitfrage abgeben, so lange die Seefe nicht wahrhaft
als die centrale geistige Fassung der Weltdinge begriffen war. Ist sie ihrem Wesen und
ihrer Natur nach die active Fassung der Dinge, so muss sie auch das Vermögen einer
denkhaften Actuirung der Wesensgedanken der Dinge aus sich selber haben. Nur werden
diese Gedanken weit hinter die sinnliche Erscheinung der Dinge zurückgreifen — um
so weiter, je schärfer und bestimmter sich die wahrhafte Beschaffenheit der Dinge von
ihrer sinnlichen Erscheinung abhebt; die intellectiven Wesensgedanken der Seele werden
jene sein, in welchen die den sinnlichen Stoff' gestaltenden Gedankenmächte ergriffen
werden, um aus ihnen heraus die wandelbaren und vergänglichen Formationen des Stoffes
zu verstehen, als dessen absolute Form die Seele eben sich selber zu erfassen hat. Die
Frage, was der Stoff' an sich sei, mag hier auf sich beruhen bleiben; sicher ist, dass er
in seinen Gestaltungen und Wandlungen vollkommen aufgeht, und dass er einzig die
Bestimmung hat, die aussergöttliche Darstellung des denkhaften Inhaltes der ihn gestal-
tenden Gedankenmächte zu ermöglichen. Eben so sicher ist, dass sich in allen möglichen
Formen und Wandlungen desselben nichts zum Ausdrucke bringen kann, was nicht im
Wesen der Seele als Form aller Formen der Sichtbarkeit enthalten läge; nur dass das
in der siclitbaren Wirklichkeit in eine unermessliche Vielheit wandelbarer Gestaltungen
Auseinandergegangene im Sein des Seelenwesens in eine concrete Einheit zusammen-
genommen ist, welche gleichsam den Materialgrund des selbstigen Seelenwesens bildet.
Aus diesem Materialgrunde des Seelenwesens setzt sich die gesammte intellective
Gedankenwelt der Seele als selbsterzeugte, selbstgeschaffene innere Welt des Geistes
heraus, die vollständig entwickelt das Universum in der Gesammtheit seiner Erscheinungen
in sich reflectiren muss.
In dieser Weise wird nun freilich die Sache von Goethals nicht verstanden. Er und
die Scholastiker insgemein denken stets nur an die intellective Erkenntniss der Einzel-
dinge als solcher, die sich natürlich nur auf das sinnlich Erscheinende in seiner unmittel-
bai-en Gegebenheit bezieht. Die Artbegriffe der in ihrer unmittelbaren sinnlichen
Erscheinung aufgefassten Dinge werden unmittelbar auf göttliche Gedanken oder Muster-
bilder dieser Dinge zurückbezogen, und diese hiemit zu Garanten der Wahi-heit des
sinnlich empirischen Bewusstseins gemacht. Der an sich richtige Satz, dass die Sinne als
solche nicht täuschen, d. li. uns kein falsches Bild des sinnlich Erscheinenden als solchen
unterschieben, wurde dahin verstanden, dass es gar keiner Umsetzung des sinnliehen
Scheines in die richtige gedankenhafte Auffassung des Erscheinenden und keiner Zurück-
j 1 •) Kahi. WunsBii.
l'uhruiii; lies Schoinos aut' «lio ilni voranhissiMultMi l rsarlu-n licilln rc. weil die iinmliiclliaic
sinnliche AulYassung unuiitteUiar amli srlion .!!.• waliic .s<'i. I >(>iiiziirt)l}4i» bcgrin nian
auch nii'lit ilic rntliiniliohki'it t-iiifi- iinmllli'll>ai<'ii Kf/.iclmn'r des sinnlhli lOrsrlK'iiii'nilcii
als SüloluM» auf irüttliclic IiIcimi, uiKt vollcntls «Irr Xiclliclt «Ics siiniliili llrscIu'iiH'iKlcii
auf oim« »>nts|imlu'U(li> \ ii'lln'it «lor gitttliflicn lilccii. als oh nii-lit in il«'i- (ii'saninillu'it
lies sinniicli Kisoln.Mni'n(li'ii flton nur Eine Mcf sirli cxplirirtc, (Um-imi .M(iin(Mito allcidiiiHfH
im i'öttlii'lien Denken in distinetester Weise sitli ausciiianderlefj^en nitlsson, alu-i ni. Iii
selbst wieder Ideen otliM- W t-sensgetlanken sein ki.muMi. wolern es walir ist. dass in der
Gesanuntlieit des sichtbar l-^rscheinenden elicn nur das Mine (iruiidwcscn der Natur sich
explieire und entwickele. Ks war also in der That (unc Sclbsttiuiscliung, wenn ( JcnUliais
uiul ähnlich Gesinnte im Liditc der güttlichcu J.lec die WesensbegrilVe der einzelnen
Sinnendinge zu erkennen glaubten; alle Scholastiker olmo Unterschied aber. ol. l'la-
toidker. ob .\ristoteliker, verkannten, wie sehr d(>r mciiscidichc Inicllni. \nu /um (Jcist-
iredanken der sinnlich erscheinenden Dinge zu gelangen, dirscllii'n ausser sicii zu hallen
habe, ilainit nicht der sinulit-he Schein derselben sich stöiou.l und beirrtuid in die iutel-
lective Auffassung des Dinges dränge, und dieser als das wahrhafte Sein des Dinges
sich unterschiebe. Die scholastische Speculation l)ezug sich in ilircni erkenntnissthoo-
retischen Anschauungen auf Aristoteles und Tlato zurück; aber Aristoteles sowohl als
l'lato fasste das sinnliche Ding bloss nach seiner unmittelbaren Gegebenheit ins Auge,
und ffingen nur in der Frage auseinander, ob man das Wesen des J)inges in dem Dinge
selber oder ausser und über demselben in der überzeitlichen Idee des Dinges zu suchen
habe. Nachdem man nun bereits mit Aristoteles die menschliche Seele als die \'\>rin der
Formen, als die höhere wahrhafte Zusammenfassung aller sinnlichen Formen erkannt
hatte, so hätte man immerhin erkennen sollen, dass man die Wesensform des einzelnen
Sinnendinges nicht mehr auf ein Höheres über der menschlichen Seele zurQckbeziehen,
sondern in der sichtbaren Wirklichkeit, wie sie uns 3Ienschen sich darstellt, nur die dem
Wesen der menschlichen Seele eongruente Erscheinungs- und Darstellungsform des gött-
lichen Weltgedankens zu erkennen habe, dessen Greistinhalt die Seele eben nur aus der
Tiefe ihrer selbst schöpfen und hervorstellen kann. Die scholastische Erkenntnisstheorie
aber bewegte sich ausschliesslich auf der Berührungslinie, in welcher die wahrnehmende
Seele mit den sinnlichen Erscheinungen der Dinge zusammentrifft, und beschränkte sich auf
die Denkbeziehungen der wahrnehmenden Seele auf die sinnliche Erscheinung der Einzel-
objecte. Sofern nun diese von der unmittelbaren sinnlichen Erscheinung abhängig gemachte
iutellective Auffassung der sichtbaren Wirklichkeit auf das göttliche Denken zurück-
bezogen wird, erwächst für die scholastische Speculation das Dilemma, auf eine Erklärung
der im Artbegriff enthaltenen Individualexistenzen als solcher aus der göttlichen Idee
verzichten zu müssen, oder umgekehrt unmittelbar alle Sonderdinge sammt ihren Con-
stituenten ins göttliche Denken zu verlegen, wie wir es bei Duns Scotus gesehen haben.
Das Eine wie das Andere hängt mit einer unrichtigen Fassung des menschlichen Wesens-
dualismus zusammen. Wird die Seele so tief in die sinnliche Leiblichkeit versenkt
gedacht, dass, wie bei Thomas, der Intellect als passiver liecipient der Formen der Dinge
erscheint, so geht er auch in der Apprehension dieser Formen auf, und das singulare
Ding hat für ihn keine andere ideelle Bedeutung als jene, Mittler der Apperception
jener Formen zu sein. Duns Scotus ist wohl bemüht, die Seele leibfreier zu fassen ; aber
es ist nur die leibliche Stofflichkeit, welche nach seiner Auffassung von der Seele ausser
Die Psychologie und Erkenntnissleuke des Johannes Duns Scotus. 413
sich gehalten wird; daher dann das Ding allerdings nach seiner sinnlich-stofflichen
Singularität ihm bedeutsamer gegenübertritt, aber olme tiefere Fassung seines concreten
Seins, das eben einfach nur aus einer göttlichen Gredankensetzung erklärt wird. Dieses
concrete Ding lässt er nach der unmittelbaren empirischen Gegebenheit desselben in die
Seele derart hineingenommen werden, dass es nach seiner sinnlichen Erscheinung in der
sensitiven Seele, nach seinem Wesensbegriffe in der intellectiven Seele vorhanden, also
die Seele ganz imd vollkommen von der Gegenwart des empirischen Dinges so zu sagen
in Besitz genommen ist. So sehr demnach auch Duns Scotus gegen die Passivität des
thomistischen Intellectes polemisirt, so ist doch auch er selbst völlig ohne Kenntniss
von dem aus der Seele selbst herausgesetzten Gedankeni des Dinges, er weiss nur um
den durch die sinnliche Erfahrung ihr aufgedrungenen Gedanken und Begriff desselben.
Dass die Seele, um sich auf das aus der Tiefe ihres selbsteigenen Wesens geschöpfte
Verständniss der durch die sinnliche Erfahrung ihr vermittelten Kenntniss der Aussen-
welt besinnen zu können, mit der stofflichen Leiblichkeit auch den durch Vermittelung
derselben erlangten sinnlichen Vorstellungsinhalt ausser sich halten müsse, um den
nöthigen Raum und die nöthige Freiheit zur geistigen Hervorstellung des in sie hinein-
geworfenen sinnlich-empirischen Weltbildes zu gewinnen, war ein der peripatetischen
Scholastik völlig fremder Gedanke; die Auseinanderscheidung des denkenden Subjectes
von dem geistig zu denkenden und intellectiv zu erfassenden Objecte hatte sich noch
nicht vollzogen — die Tiefen des Selbstdenkens waren auf ihrem Standpunkte noch
nicht aufgeschlossen. Der Grund dessen ist wohl kein anderer als dieser, dass, nachdem
man von der ontologisch-metaphysischen Auffassung des Seelen wesens durch Augustinus
zur Fassung desselben als Wesensform des Leibes fortgeschritten war, die Lebensthätigkeit
der Seele nur nach der von der sinnlichen Leiblichkeit beeinflussten Seite ihres Lebens
und Thätigseins ins Auge gefasst wurde. Hatte Augustinus die Seele wegen ihrer
Geistigkeit für eine Gott nächststehende Wesenheit erklärt, so sahen die peripatetischen
Scholastiker in ihr als Wesensform des Leibes das unterste, an die Stoffwelt angränzende
und mit derselben sich berührende Geistwesen, dessen Leben und Thätigsein ausschliess-
lich in der AVechselwirkung mit der sinnlich-irdischen Daseinswelt vor sich gehe. Wenn
Duns Scotus dadurch, dass er dem stofflichen Leibe eine besondere von der Seele ver-
schiedene Wesensform zuschrieb, dem seelischen Wesen einen grösseren Grad von
Selbstigkeit und Unabhängigkeit vindiciren zu wollen schien, so bedeutete diess, wenig-
stens zunächst imd unmittelbar, durchaus nicht den Durchgang zu einer vermitteiteren
Auffassung des Verhältnisses zwischen dem denkenden Subjecte und der ihm gegenüber-
stehenden objectiven Wirklichkeit, sondern eher einen theilweisen Rückgang auf die
augustinische Anscliauung vom Seelenwesen, welcher sich noch entschiedener bei Goethals
vollzog. Gleich Scotus schrieb auch Goethals dem stofflichen Leibe eine vom Seelenwesen
unterschiedene Wesensform seines körperlichen Seins zu; er kam aber zu keiner Klarheit
darüber, ob er die intellective Seele vom Körper desshalb. bestimmter abscheiden solle,
weil sie Gott ungleich näher stehe als das Körperliclie, oder desshalb, weil sie einen
geistigen Wesensgehalt in sich schliesse, zu dessen Entfaltung ihr eine grössere Unab-
hängigkeit von den durch die sinnliche Leiblichkeit vermittelten Einwirkungen der
sinnlichen Aussenwelt zugestanden werden müsse. Das Erstere Hesse sich vermuthen,
wenn Goethals unter Verwerfung der Species intelligibiles, welche Thomas und Scotus
durch die Einwirkung der Sinnendinge in der Seele entstehen lassen, die Dinge im
41-1 K'ahi. Wkkm.k
Liolit«' iUt giiltlii'lu'ii Waliilu'it «'ikaiiiil weiden l;i>>I : «las Lei/.ieii' Hesse sii li aimelmieii.
wenn man ilin zeilweiliiT an die l^elire von ani^eliornen \\ esiMishofii illcn ilii l'iiifre
anstreifen sieht. Aul »lie Annalune von an<jebi'nii ii N\ esensi^eilankcii ilr l'iii^e sind wie
an einem tVülioren Orte ' selion bei Albertus Majjnus «jestussen ; im Zusammenlianire alter
mit tler jdatunisiii'iiden Aullassuntr des \ erliiiltnisses der Seide y,um heilte und luil einer
augustinistdi |dalonisirenden Ij-kenntuisslIuMric, wie sie bei (Joellials vorlicj;!, ^ridlt.
lioothals Hinwendung aut' die L«dire vun aMücboriHii Ideen ileni rartesiaiusmus vor,
dessen s|>iritualistiscli-idoalistiselie Krkenniuissthenrie sitli ja ans dem Ix-wusslen (togen-
sutze zu dem abgeworfenen sjieeulativen l'erijiateiismus heraiisbildelc
Puns Seotus stellt der Berufung des (ioetlials auf den IMatouiker Augustinus die
Berufung auf den Tlieologen Augustinus oder den Augustinus der s])ät(Men l*]])o(die ent-
gegen, und diess nielit unbefugt, wenn er gegen Goethals dl«' ricdciiinng der- .Memoria
als eines Vermögens der intelleetiven Seele /n erliärten sueiit. Im I lluminisnuis des
Goetlials fällt die .Memoria als ilberliiissig hinweg, (ioethals weiss von keiner Speeies
intelligibilis als lu-tiex des Sinnendinges im Intelleete." katm demzufolge am h nieht von
einer Aufbewahrung der Speeies impressa im Intelleete, d. h. von keiner Memoria intel-
lectiva. spreehen. Seotus missbilliget aber aueh den von Thomas' angegebenen Giund fiir
das Statthaben einer sokdien .Vufbewahrung. Thomas begründet nändic h dasselbe .lutili
einen Schluss a minori ad majus ; wenn die sensitiven Potenzen filhig seien, die ilurch
die Sinneseindriieke recijdrten Sinnesbilder der Dinge zurüekzubehalten, so milsse die
intelleetive Potenz, die im Hange ungleich liöher steht, um so mehr die Species intelli-
gibiles zu retiuiren vermögen. Duns Seotus spricht zufolge seiner antispeculativen Ansicht
von der Univocität alles Seins diesem Schlüsse a minori ad majus die zwingende Be-
weiskraft ab:* und gesteht bloss soviel zu, dass eine Vollkommenheit, die der sensitiven
oder imagiiuitlven Potenz zukommt, auch dem Intelleete nicht abgehen könne, und diess
um so weniger, da sich keine Gründe eruiren lassen, aus welchen das Fehlen einer
solchen Vollkommenheit zu erweisen wäre. Nichts ist mehr zum Wirken disponirt, als
das Principiuni formale agendi, und doch muss es nicht ein stets wirkendes sein, sondern
kann einem Wirkenden auch nach Vorübergang der actuellen Bethätigung ruliend inne-
wohnen: gesetzt also, die dem Intelleete im])rimirte Species sei das Principium formale
des Intellectionsactes, so kann sie doch ohne actuelle Intellection im Intelleete vorhanden
sein. Die Species kann natürliche Ursache des Intellectionsactes sein, ohne desshalb
nothigende Ursache desselben sein zu müssen : und letzteres ist sie, weil der A<"t der
Intellection nicht mit physischer Nöthigung vor sich geht. Ein habituelles Vorhanden-
sein der Species im Intelleete kann man demselben auch darum nicht absprechen, weil
es neben der actuellen Intellection auch eine essentielle Vermöglichkeit zu derselben
' Denkschriften d. kais. Äkad. d. Wiss. l!d. XXV, S. 141 (Separatabdi-. S. 73).
- Dasselbe gUt von Gottfried von Foutaines, dalier Duns Seotus (I dist. 3, qu. 4; Dp. Paris.) Beide: fioetlial« und Gott-
fried, unter Einem bekämpft. Danach ist das von Prantl (Gesch. d. Log. III, S. 197 f.) über den Thomismus Gottfrieds
Beigebrachte einiger Massen zu modificiren. Est opinio duorum doctorum — bemerkt Duns Seotus I. c. — negantium
speciem impressam, ponendo tontnm actum intelligendi iraprimi ab objecto, quia relucet in phantasmate. In Bezug auf Gott-
fried werden 1. c. dessen Qnodlibetica IX, qu. 19 citirt.
3 1 qn. 79, art. 6.
* Haec ratio, quamvis sit quaedam convenieutia, non tamen necessario concludit; quia intelligere non est firmius manens in
intellectu, nee velle in voluntate, quam sentire in sensu, quamvis sint potentiae iiobiliores et perfectiores, et nobiliori modo
habentes snos actus secnndos. 1 dist. 3, qu. 5. (Dp. Paris.).
i
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotüs. 415
gibt, in deren Stand der Intellect durcli Conservirung der imprimirten Species in der
Memoria versetzt wird.
Die Lehre vom Gedächtniss unterlag in der Entwickelung der mittelalterlichen
Psychologie mancheidei Wandlungen. Augustinus hatte in der Memoria eines der drei
Grundvermögen der Seele als solcher erkannt; die aristotelische Psychologie wies das
Gedächtniss der Sinnenseele zu, und beschränkte die intellective Thätigkeit auf das Er-
kennen und Wollen. Wollte man nun Aristoteles mit Augustinus concordiren, so konnte
diess formell nur dadurch geschehen, dass man, wie es die peripatetischen Scholastiker
insgemein thaten, die Lehre von der intellectiven Memoria, die Aristoteles nicht kennt,
als eine Abtheilung der Lehre vom intellectiven Erkennen behandelte. Wir haben aber
an einem anderen Orte ' gesehen, dass Albert, welcher der erste entschieden auf der
peripatetischen Philosophie fusste, neben dem Sinnengedächtniss auch ein intellectives
Gedächtniss zugab, während Wilhelm von Auvergne, der gleichfalls schon vielfach mit
aristotelischer Psychologie sich befasst hatte, durch Ablehnung der peripatetischen
Abscheidung der Seelenvermögen vom SeeleuAvesen die für Albert sich ergebenden
Schwierigkeiten in Zulassung eines Intellectivgedächtnisses beseitigte. Gegen die aristo-
telische Lehre vom Sinnengedächtniss hatte Wilhelm nichts einzuwenden, da dieselbe auch
bei Augustinus sich vorfand ; nur betrachtete er das bloss ins Sinnengedächtniss Auf-
genommene nicht als ein eigentliches Eigenthum der Seele, sondern er sah es für etwas
bloss im menschlichen Gehirne Hinterlegtes an.'^ Daraus folgt indess, dass das selbst-
eigene Gedächtniss der Seele doch nur ein intellectives sei, indem nur das Gedachte ihr
geistig zu eigen wird. Auf diesem Standpunkt steht auch Duns Scotus, der sonach auch
bezüglich dieses Punktes sich rühmen kann , von seinem Standpunkte eine Rückver-
mittelung des Peripatetismus in den Augustinismus vollzogen zu haben. So sehr betont
er die Intellectivität des Gedächtnisses, dass er sogar zweifelt, ob man den Thieren ein
Gedächtniss zugestehen könne 5 was bei Thomas noch als Function des sinnlichen Ge-
dächtnisses genommen wird, erklärt Duns Scotus bereits als intellective Function. Thomas
lehrt,^ dass die Memoria als Bewahrerin der Species allerdings dem intellectiven Theile
der Seele, das Gedächtniss des Vergangenen als Vergangenen aber der sensitiven Seele
angehöre. Für Duns Scotus ist das Vergangene als Vergangenes das Wesentliche der
Gedächtnissfunction des Sich-Erinnerns (Recordatio) — aber nicht jedes Vergangene,
sondern speciell ein der Vergiingenheit angehöriger Act dessen, der sich erinnert. ^ Daraus
folgt, dass die Erinnerung in der Zeit vor sich geht und mit der Wahrnehmung der
' Denkschr, XXV (siehe vor. Seite, Anm. 1) S. 13ö (Separatabdr. S. 67).
- Dico igitur in hoc, qiiod possibile est et forte necesse, ut memoriae multae pereant, praesertim reniiii ijarticnlariuni et sen-
sibilium, qiiae sunt oeculto in thesauro meniorativae, quae sunt in anima, quod dico propter hoc, quod memoriae, quae sunt
in anima h. e. quarum signa in ipsa anima impressa sunt, non est necesse, ut abradantur ab ea per mortem corporis ; illa
vero quae in antedicta cellula capitis solummodo impressa sunt, in ea tanquam in thesauro reposita, revera non solum per
mortem corporis, sed per vulnerationem interdum ipsius cellulae amittuntur. Hujus autem esemplum est in eo, qui seit
utique legere et intelligere in libro suo, cum illum inspicit solummodo ; quam cito autem ei subtrahatur, subtrahitur ill i
scientia illorum, quae legebat et intelligebat in eo; causa autem in hoc est, quoniam de lectis et intellectis nihil apud
animam suam thesaurizavit Pliantasmata igitur quae extra animam sunt, videlicet in quacunque ex tribus cellulis
capitis liumani, non est mirum, si sublato capite toto vel vulnerato aliquae illarum vel in toto vel in parte amittuntur; ea
vero, quae in ipsa animae essentia jam coUoeata et fixa, non est necesse amitti. Gulielm. Alvern. De anim. Cap. VII,
Pars 15.
3 1 qu. 79, art. G.
•* Non quodcunque objectum praeteritum est objectum memoriae sive actus recordativi, sed tantum actus praeteritus recor-
dantis, inquantum praeteritus est, dicitur principium et immediatum objectum memoriae. 4 dist. 45, qu. 3 (Op. Paris.).
Zeil vorbuiulon ist, tluss iVnuT .his Ul.jtu-t .Icr Kiiinicniii^- iii.lit scIImt, wohl ahcr in
seinem InUlc oder in seiner Sj.eiies gegenwärtig- sei.' I».u;ius winl \v<ii<T goroljrort,
ilass, niiin mag tlie l'otentia reionliUivu uls einlarlie oder /usun>iiien<4e.sei/.te Toten/, Tassen,
jcdonralls der Aet der .Menu>ria niilit ohne Mitwirkung; des liitellertes und iler Kiu-
bildungskraft (Thantasia) vor siili gelu'u könne, her Intel le.t iniiss der Krinnerung das
in ilun aufbewalirte lUld darbieten, das seinerseits wieder ni. In .•Ime iie/.iehung auf <Uis
SinnenbiUl sieh repriisentiren k;uin. l>as> das Ijinnern uls sidehes durchaus in i\>'r
intelleetiven Sphäre vor sieh gelit, begrilndet huns Seotus speeiell daraus, dass es mit
der WahrnelnnuniT des Zeitunterschiedes verbunden ist, und dass die Totentia reeonhitiva
eine Inunutation durch den .\et der Kecordatiou erb'i.let. während die sensitive Potenz
nicht von einem Acte ilires Krinnerns, sondern bK)ss von d(Mn Objeete der 1 ;iuirieiung
eine Inunutation erfälirt.* Das menschliche Gedächtniss erweist sieh seli.M. diinli s.in.n
inneren Zusammenhang mit den Tugenden der IvlugluMt und (Jere.lili^keit als ein
specitisch intellectives Vermögen.'' während es zwei fei halt ist, <d» man den 'l'hiercn (un
Gedächtniss zuschreiben soll. Denn die Acte der Thicre, aus welchen juan auf ein Ge-
dächtniss derselben schliesst, z. B. der Ameise, die zu dem Orte, von weh licm sie ein
erstes Korn weggetragLMi hatte, wiederkommend ein zweites, drittes lioli. die Erkennt-
lichkeit der Thiere oder ihr Nachtragen erlittener Beleidigungen, die Dressur gezähmter
Thiere, lassen sich ohne Gedächtniss aus den ihnen eingedrückten Sinnenbildern erklären.
Dem steht mm allerdings die Aiictorität des Aristoteles entgegen, der die ( Jedächtniss-
function der Sinnenseele zuweist. Duns Seotus will die von Aristoteles gegebene Be-
gründung nicht eben verwerfen, kommt jedoch zu dem ResiJtate, dass, wenn sich cm
Erinnern des Thieres auf einen selbsteigenen Act ohne Annahme einer Reflexion ' nicht
denkbar machen lassen sollte, dem Thiere das Gedächtniss abgesprochen werden müsste.
Daraus, dass man dem Thiere das Gedächtniss abspricht, folgt freilich noch nicht —
fährt 1 )uns Seotus weiter — dass es in uns der intelleetiven Seele eignen müsse ; indess
könne man sich immerhin auch auf Aristoteles berufen. Kr sagt in seiner Schrift de
Memoria et Reminiscentia, in welcher er das Gedächtniss ausschliesslich der Sinnenseele
zuweist, dass sich das Gedächtniss intelligibler Acte, z. B. der erlernten Wahrheit, das»
das Dreieck drei Winkel habe, erinnern könne. Dieser Ei-innerungsact kann abei- docii
gewiss nur ein Act des Intellectes sein, weil auch das erste Denken jener Wahrheit
ein Act des Intellectes war. Es steht ferner fest, dass die Reminiscentia ein Act der-
selben Potenz sein müsse, welcher die Recordatio angehört. Wenn nun das Reminisci al-
' Sic igitur patet, qnod potentia recordativa est ipsius speciei primo, dein ipsins actus, tertio ipsius objecti, ad quod terminatur
illc actus. L. c.
- Licet enim sensns superior possit recordari de actu sensus inferioris, noii tarnen potest recordari de actu suo dum est; ntc
sensus essentialiter superior, nee inferior potest recordari de aliquo actu sive sui sivc alterins, ut actus praeteritus est, quia
uullus actus potentiae sensitivae est reflexivus super se, nee superior sensus lioc potest, quia superior quinque sensibiis; quia
visio, qnae actu est colorati, non est i-isibilis; et ita est de actibus aliorum. sensuum. L. c.
3 Experimur intellectionem praeteritornm in nobis, non solum eorum, quae sunt praetcrita, imo üiquantuni jiraetcrita, alioriuin
intellpctio sire memoria praeteritorum non esset pars prudentiae contra TuUium libr. 2 de inventione. SimiUter ex hoc
sequitur, quod non esset jnstitia in parte intellectiva, quia nuUa esset recordatio de ineritis, nee de peccatis commissis, et
sie nnllus posset juste pracmiari nee juste puniri. L. c.
■» Dico quod phantasroa in brutis recordatur actus proprii dum est, non per reflexionem, sed pro quanto actus suus reducitur
aliquo modo ad subjectum suum, non per alium actum, sicut visio aliquo modo dicitur colorata et ideo quodammodo visi-
bilis, et inquantum videt se yidere Vel si hoc non placet, oportet dicere, quod in brutis non est virtus vel potentia
recordativa. L. c.
Die Psychologie und Erkesntnisslehke des Johannes Duns Scotus. 417
discursive Tliätigkeit' sichei' dem Intellecte angehört, so muss dasselbe auch von der
Kecordatio gelten. Freilich folgt daraus noch nicht, dass es nicht auch eine Erinnerung
der sensitiven Potenzen gebe. Aber die Erinnerung an Acte des Jntellectes und AVilleus
gehört gewiss nur dem Intellecte an-, und bei intellectiven Erinnerungen an sinneniYdlige
Dina'e dienen die sensitiven Potenzen nur als Hülfskräfte.
Duns Scotus behandelt, wie aus dem Gesagten hervorleuchtet, das Erinnern durch-
wegs nur als einen freien, selbstthätigen Act der Seele, woraus dann freilich mit Noth-
wendigkeit folgt, dass es eine intellective Thätigkeit sei und den Thieren abgesprochen
werden müsse. Man kann seine Erklärungsweise im Gegensatze zu jener anderer
Scholastiker, welche an der aristotelischen Grundauffassüng festhielten, die intellectua-
listische Erklärungsweise nennen, die von einer pragmatisch-psychologischen Auffassuiig
und Beleuchtung des Vorganges des Erinnerns wohl am allerweitesten entfernt ist. Dass
es ausser der selbstthätig gewollten Wiedererinnerung auch eine unfreiwillige und unwill-
kürliche Erinnerung gebe, und dass diese nach gewissen Gesetzen vor sich gehe, lag
völlig ausser dem Bereiche seiner Beachtung. Die philosophische Lehre vom Gedächtniss
beginnt geschichtlich mit der platonischen Lehre von der Wiedererinnerung, welche man
sofort auch als einen ahnungsvollen Griif in die tiefste Mitte der Sache, als Versuch
einer tiefsten speculativen Fassung der Idee des menschlichen Gedächtnisses ansehen darf.
Das Gedächtniss erscheint hier als Besinnung der Seele auf sich selbst, auf ihr tiefstes
Wesen, und auf all das Hohe und Tiefe, was in der Idee desselben liegt. Aber freilich
wird diese Selbstbesinnung der Seele noch nicht nach ihrer vollen, wahrhaften Tiefe
gefasst; Plato verlegt den Gegenstand der Seelenerinnerung ausser die Seele, und so
beschränkt sich die Erinnerung nach ihrem eigentlichen Gedankengehalte nui- auf den
himmlischen Ursprung und Adel der Seele, ohne Erkenntniss dessen, was im AVesen der
Seele als solcher liegt. Diese einseitig idealistische Auffassung der Seelenerinnerung rief
als ihren Gegensatz die vorwiegend empiristische aristotelische Auffassung des Gedächt-
nisses hervor-, der Erinnerung an das vorzeitliche Sein wird die Erinnerung an das zeitlich
Vorhergegangene substituirt, und der Sitz derselben in das sinnliche A'orstellungsleben
verlegt. Das eigentliche Gegenbild der platonischen Wiedererinnerung ist bei Aristoteles
die vom Gedächtniss {\vrf^[vq) unterschiedene Reminiscentia (avdjjiVY^jii:) oder das Besinnen
auf das im Schatze des Gedächtnisses Hinterlegte. Die Wiedererinnerinig erfolgt durch
eine Reihe von Bewegungen, durch welche wir der dem gesuchten Objecte der Wieder-
erinnerung nächstliegenden Vorstellung nahezukommen streben, in der Ei"wartung, dass
durch diese die gesuchte Vorstellung aufgeweckt werde. Gelingt es uns, von dem Aus-
gangspunkte unseres Suchens durch uns selber, d. h. durch eine wenigstens theilweise
Keproduction jener Bewegungen, in deren Abfolge wir zuerst auf die gesuchte Vorstel-
lung hingeführt wurden, dieselbe zu erreichen, so hat die Wiedererinnerung statt; im
entgegengesetzten Falle sind wir an das Neu-Lernen des Gesuchten durch Hilfe eines
Anderen angewiesen. Dem gegenüber heisst es in Plato's Menon,^ dass alles Forschen
und Lernen Wiedererinnerung sei. Bei Augustinus verwandelte sich dieses durch
' Reminisci est quidam discursus uon syllogisticus, ut docetur in libro de Memoria et Reminiscentia. Reminisci est ex qui-
busdam consequentiis prioribna secundum tempus, ex quibus potest recuperare perfectam raemoriam ejus, cujus prius babuit
imperfectam vel imperfecte. Quandoque tarnen potest esse iste discursus reminiscentiae vel recordationis actus syllogisticus,
ut quando prius oecurrunt memoriae nostrae principia quam conclusiones, et deducendo prineipia reminiscitur conclusionum
et reeordatur. L. c.
' Menon p. 81.
Denkacliriften der phil.-hiüt. Cl. XXVI. Bd. Ö3
4 IS K»l!l. Wku.vkk
inonschliiluMi l iitiMiirlit ari^cicy ti' W iodcii'riiiiH'iu l'lutu .s in ein lirkcmicu im Liclilc
dor güttlii'luMi Walirlioit,' ilosson lIüluMJsijrud Aiijjjfustimis von tU'r clliisvlioü DisjiDsilion
»les MonscIuMj abhiiiiifig nwu-lit. Mit clifv,i- aii>>;>istiiiisclu'n Aiiscliauuu^ liesa sirli i<rli(
wohl ilio aristotelische Autl'ussuiiif des ( ii'darhtnisses vonMuliaicii, dalicr (iocthals" im
l'.iiiklangi- mit Aristotolfs das (»iMliuditniss der IMiantasia. <1. h. dem .siiiiili( Iumi Vorstid-
luM2:svi«rmüi;tMi /uwii's. in dossiMi Kraft ilci- liitolliHt sicli «'liiincrt'. J)ic Krwidcninj'' '\^'^
Sootus, dass uarh Aristottdos amdi das iiittdlortivo hiMikoii iiiidit ohne Hiiiiiiiidics \ nr
Stollen statthabe, beweist nirhl, <ias~. (ioethals mit Ungniiiij auf Aristoteles sich IkmuIc:
im t^egentheile dtlrfte Uoethals' Heliaujttung, dass der Intelloet dif iiiiinu'nin^- in Krall
lies sinnliidien ^ orstelliingsvermöirens vollziehe, die aristotelisciie Lidire vnin l'.riMin'rii
u«d W iedereriuneru zienUieh genan wiedergeben. Duiis Scotiis nrgirt, wie wir liürlen,
dass Krinneriing und Wiedererinnening derselben Potenz angehören milssen, di(^ AVieiler-
erinnerung aber von Aristoteles selber ausdi iicLIicIi ilcm lutolleete /.uerkannt werde.
Diess Letztere ist jedoch nur mit ICinsehränkiing zuzugeben; Aristoteles sagt, dass die
WiedererinneruJig dem Mensehen zukomme, weil er zu schliesseii un<l zu ilberlogen v<m-
müge und die ^Viedererinneruug eine Art vou .Sehlussvei-t'ahren sei. Daraus lolgt aber
bloss so viel, dass das AViedereriiineru ein unter Obnuicht des Denkens in der »Seele zu
Staude kommender Vorgang sei: dieser erscheint zugleich auch als Naturvorgaug, wenn
mau Aristoteles sageu hört, dass man behufs Wiedergewinnung einer bestimmten Erinne-
rung von etwas ausgehe, was ilemselben nahe, ähnlich oder auch entgegengesetzt sei.
Denn da handelt es sich doch gewiss nicht um eine logische Verkettung zwisclien dem
Ausgangspunkte uud dem aufzuspürenden Objecte ilcr Wiedererinnerung, sondern um
Erwirkung einer nach den Gesetzen der Ideenassociation erfolgenden Ilesuscitation der
Vorstellung oder des Objectes, dessen man sich entsinnen will. Man miiss sich wundern,
dass Duns Scotus, der den AVillen so sehr betont, nicht darauf kam, die lleminiscenz,
soweit sie die active Resuscitation einer aus der Erinnerung geschwundenen A'^orstcllung
bedeuten soll, als einen durch einen AVillensact bedingten Vorgang im Seelenleben zu
fassen. Freilich hätte dann dasselbe auch vom activen Erinnern an eine noch nicht
aus dem Gedächtniss geschwundene Vorstellung gesagt werden müssen, und es hätte
insgemein zwischen willentlicher und unwillktirlieher P^rinnerung und Wiedererinnerung
unterschieden werden müssen. In beiden Fällen aber ist das Erinnern als ein Natur-
vorgang in der Seele zu fassen, nur mit dem Unterschiede, dass derselbe entweder von
selbst erfolgt oder durch den selbstthätigen Willen des Menschen sollicitirt wird. Die
Unterscheidung zwischen bewusster, absichtlicher Erinnerung und unwillkürlichem Auf-
leben gehabter Vorstellungen würde dem Scotus zum Theile vielleicht auch über seine
Bedenken gegen ein thierisches Gedächtniss hinweggeholfen haben, obschon es richtig
ist. dass in Avahrhaftem Sinne nur dem Menschen das Erinnern zukommen könne, weil
nur er eine wahrhafte Innerlichkeit hat. Daraus folgt aber, dass das wahrhafteste, tiefste
Erinnern des Menschen Selbsterinnerung, Besinnung auf sich selbst, auf sein eigenstes
^ esen sei, Besinnung auf das, was in den Tiefen seines Wesens ruht. Duns Scotus, der
' Vgl. Augustin. de Magistro c. 11: De uiiiversls, cjuae iiituliigiinus, noii loquentem, qui personal foris, sed intus ipsi menti
praesidentem cousulimuä veritatcm, verbis fortasse, ut con.iulamus admoniti. Illuin autem qui consulit, docet qui in interiori
bomine babitare dictus est Christus i. e. incoiumutabilis Dei .itque sempiterua sapientia, quam quideni omnis rationalis aninia
consulit, sed tantum cuique panditur, quantura capero propter propriam sive nialam sive bonani voluntatem ])otest.
' Qaodlib. XIII, qu 7.
Die Psychologie und Erkenntnisslehkk des Johannes Düns Scotcs. 419
die geistige Vergegenwärtigung vorausgegangener Acte und Ertalirungserlebrdsse des
sich Erinnernden als das eigentliche Wesen der Erinnerung ansieht, hält sich an die
rein empirische Seite des Gedächtnisses, und bekundet hiemit, dass ihm der speculative
Begriff desselben fremd ist. Thomas Aquinas^ streift gelegentlich einmal an den Versuch
an, das intellective Gedächtniss der Seele aus dem Wesen derselben zu erklären; es
handelt sich nämlich für ihn darum, die Ansicht des Avicenna zurückzuweisen, welcher
das intellective Gedächtniss der menschlichen Seele durch die Erleuchtungen des ausser-
halb unil überhalb der Seele wesenden Intellectus agens ersetzen will. Allein im Gegen-
satze zu dieser Anschauiingsweise kommt Thomas bloss dazu, eine Retentionskraft der
intellectiven Seele zu erweisen; wenn bereits i-ein leibliche Wesen wie die Thiere,
empfangene sinnliche Eindrücke in sich zurückbehalten können, so müsse die intellective
Seele, die ungleich höher stehe, um so melir vermögend sein, die in sich aufgenommenen
Eindrücke zurückzubelialten. Thomas begründet diese seine Argumentation aus dem
höheren Grade der Immobilität und Stabilität, welcher der intellectiven Seele als
immaterieller Wesenheit im Gegensatze zum rein materiellen Wesen des Thieres
zukommen müsse. ^ Dieser Auffassung liegt ohne Zweifel die Ansicht zu Grunde, dass die
Seele als universale Wesenheit in höherer Weise alles dasjenige sei, was in der Gesammtheit
aller besonderen Sinnendinge sich darstelle; woraus dann allerdings von selbst folgt,
dass die in ihr suscitirten Gedanken der Sinnendinge dauernd in ihr aufgehoben bleiben
müssen, wenn sie aucli die Gedanken der einzelnen geistig appercipirten Dinge nicht
jederzeit actuell sich vergegenwärtiget.'' Diess kann indess doch nur von den Ideen der
Dinge gelten, die etwas von den empirischen Apperceptionen der anschaubaren Wirklich-
keit durchgreifend Verschiedenes sind, und auf den gedankenhaften Gehalt ' der Sinnen-
dinge gehen, der eben in diesen niclit aus ihnen hervorgezogen, sondern in sie hinein-
geschaut wird, indem er auf die in ihnen verwirklichte und darum ihnen zu ixnterlegende
Idee geht. Die Ideen der Dinge aber kann die Seele nur aus sicli selbst schöpfen; und
nur diese Ideen sind ihr unveidierbar eigen. Demnacli kann auch die Memoria, im specu-
lativen Sinne und als ein der Intelligentia und dem intellectiven Seelenwillen ebenbür-
tiges Vermögen verstanden, nur die lebendige Selbstinnerung und geistige Selbstbesin-
nung der Seele bedeuten, aus welcher sich das ideelle Verständniss ihrer selbst und der
denknothwendigen Uoj-relate ihres selbsteigenen Wesens herauszusetzen hat. Die Seele kann
nicht mehr und nichts Anderes bleibend in sich aufnehmen, als was sie selbst ist, und
alles in sie (hauernd Aufgenommene muss die Form ihres eigenen Wesens annehmen, aus
welchem sie das in sich Aufgenommene in lebendiger Erinnerung oder Selbstergründung
wieder hervorstellt, run es sich actuell zu vei-gegenwärtigen. Wie sie die Welt geistig
in sich hineinnimmt, so geht auch Gott in sie ein; und wie sie für die ßeception Beider
als der denknothwendigen Correlate ihres selbsteigenen Seins geschaffen ist, so stellt sie
auch die Gedanken Beider aus sich selbst hervor, und wirkt in der continuirlichen Selbst-
hervorstellung Beider den absoluten Inhalt ihres Lebens aus. Jede Seele ist ein geistiges
Weltcentrum; darin, dass die Seele als ein solches Centrum in lebendiger Weise und
1 1 qu. (11, art. G.
2 Quod enim recipitur in aliquo, i-ecipitiir in eo seciindum moilura recipientis. Intellectus autem est magis stabilis naturae et
inimobilis, quam materia corjjoralis. L. c.
' Thomas beruft sich hiefür auf die Auctorität dgs Aristoteles Anim. III, p. 4211. a, 1. 27: Kx'i £Ü ot) o'i ),^-covt£s "V' '{'■-''/.V
i-Tv«'. TOTjov EtSüJv, ;:Xrjv Sti o'jt: öXri iX),^ r, '/or,Tizrj, oiliE l'nzkf/dcf iXka 3uvc<|j.£i Ta e'Sr). Zu den Worten: Tono? eJoüv bemerkt
Thomas (Comm. in libros de Aninia III, lect. 7): Quod per similitudinem dicitur, eo quod est specierum receptiva.
53*
,.).) K\ltl. W'KltSKlt
fontimiirluluT Aitivitat m.I. lu-kun-lrt. l..-slrln .las Wi's.mi .I(M- iiacli iliror si..',iiliUiv,'ii
lu'iliHitUUg gofusstoii .McaiMi-ia als .'iiics dtMii iut<'lK«»-tiv.Mi DciiLcn uipI W.illni Acv Sccl<>
OüUsyoniiikMi Vcrniügons. Die Sivl<« ist als j;oistigfs W .•li.culnmi ein Irl.riiilii^vr S|m.-o-o1
ilosVinvcrsums; joilo Soelo ein Sjiiou-.'l. in woKlitMu allt> Stralilcii <1it Icu.liicii.l.'n Wiik-
lii-hkoit «».nvoririivii. uulMass in jo.lor SocU- als SumliMctMitniiM auf cif^oMiarlij^c Weise ilas
tro.sammto Uoltl.iM sich lioraussot/o friMuäss .loin S|.niel..> : riiivcrsiini in .[uulil).»! .livcrsc.
J>ie uu>nistiuisfho Loliiv von .Icr Memoria ist ui.lii villUoinnini in sieli vei millelt,
»He oinpirisi-lio \ni<l si.orulativo Auffassung dersell.en clunlnliin-cii sieh iiirlii we, jisoi-
soitiij. o.ler vielinelir, Augvistins Slrobon naeli einer tieferen Fassung der Memoria dringt
uiohl bis /um si.eeulativen MegrilVe der Memoria vor. (uund dessen ist sein metapliysisidi
abstrai-tor (JrundbegritV vom Soeb>n\vesen. welelieu er allerdings in der si)ilteren i:].o.he
seines ausgereiften geistigen SchatVens /.u verlebendigen strebte, .d.ne jediKdi das Scelou-
weseu im''tiefsten (irumle seiner Vitalität /.u ergreifen. Denn seine i'rilogie Menmria,
liitelleetus. Voluntas betrilVt doeh nur ilas bewusste intelleetive Deiddeben der Seele,
abstrahirt aber' von dem, diesen drei Uauptthatigkeiten /uCJrmide liegenden inlclleetivcu
ijruudtriebe des Seelenwesens, dessen Beriieksiehtigung ilm wohl hätte dazu fülirca
müsseu. die Memoria noch tiefer zu fassen, als er sie in der l'hat fasst, wenn er sie als
Selbstbewusstsein <ler Seele versteht. Dieser Auffassung ist in unvermittelter Aeus.serlich-
keit die empirische Auffassung der Memoria als (^cdächtniss im gewOhuliehen Sinne des
^Vortes angefügt, und hiemit schon angezeigt, dass jenes Dritte, in welchem als der
lebendigen" Memoria Selbstgedaukc und habituelles Wissen imi Anderes Eins sind, im
Denken'^ uoch uicht ergriffen ist, obschon es bei Augustinus nicht an Aeusserungcn fehlt,
itt welchen die Coincideuz der Erfassung des ausser der Seele Seienden mit der hdjen-
digen Selbsterfassung der Seele und des Mensclien durchklingt, aber freilich uicht durch-
dringt. Er ist eben, selbst in seiner vorgerücktesten Lebensepoche, noch zu sehr von
platonischen Reminiscenzen abhängig, als dass er den von ihm schon frühzeitig betonten
Selbstijedankeu des Geistes mit der Idee der Seele als Ortes der Intelligibilien har-
monisch zu vermitteln gewusst hätte. Der Selbstgedanke der Seele bedeutet bei ihm
nicht Ergreifen der Seele im Grunde ihres AVesens, sondern eben nur Reflexion der
Seele auf sieh selbst, und diese Reflexion bringt es nicht weiter, als zur Apperception
des unmittelbaren Beisichseins der Seele, steigt also nicht in die Tiefen des Vitalgrundes
der Seele als lebendigen Agens hinab, dessen innerstes Wesen Schaffens- und AN'irkens-
cb-ang ist; eben so wenig lässt sein platonischer Spiritualismus es zu, den plastischen
Grundtrieb der Seele zu erfassen, der iu Verbindung mit dem Begriffe der Seele als
eines lebendigen Totum die Unterlage für die Erklärung der unbewusstcn und bewussten
Thätigkeiten der Seele, für Wesen, Grund und Ziel ihres naturnothwendigen Scliaffens
und Wirkens darzubieten hat. Indem er bei der zuerst von ihm vollwichtig betonten
Spiritualität des Seelenwesens stehen bleibt, kommt er nicht dahin, auch die Allgemein-
heit und reale Concretheit desselben zum expliciten Ausdrucke zu bringen-, es ringt sich
also bei ihm noch nicht der Gedanke eines Wesens hervor, das als volle Monas dem
Vermögen nach eine ganze Welt iu sich fasst, und dieselbe im lebendigen Schaffen und
Gestalten aus sich selbst hervorstellen, in dieser Hervorstellung aber ihr selbsteigcnes
grundhaftes Wesen vollkommen actuaKsiren soll. Die Nichtvermittelung seines psycho-
^ V „'. Trin. X, 11 : Remotis paullisper ceteris, quorum mens de se certa est, Iria haec potissimum considerata trae-
temas : memoriam, intelligentiam, voluntatem . . .
Die Psychologie und Eekenntnisslehre des Johannes Duns Scotus. 421
logisclien Spiritualismus mit der Idee der 8eele als eines lebendigen concreten Totum ist
der Grund, wesslialb er das Lernen als P:rinnern fasst/ womit er vom Gedanken eines
actiyen geistigen Producirens auf die Lehre von angeborneu Ideen abgleitet.^ Eben dieser
spiritualistiscbe Idealismus rief als Gegenwirkung den realistischen Empirismus hervor,
Avelchen wir in der peripatetischen Scholastik fast ausnahmslos vorwalten sehen, und der
daher auch bei Duns Scotus trotz seiner, mit einer gewissen Vorliebe hervorgestellten Zurück-
beziehung auf Augustinus die Scheidewand zwischen ihm und Augustinus bildet. In dem,
was wir Duns Scotus über die Memoria, ßecordatio, Reminiscentia sagen hörten, liegen
unverkennbar Anklänge an augustinische Ideen vor, aber mit den entschiedensten Eeduc-
tionen und Einschränkungen; an die Stelle des augustinischen Spiritualismus ist bei ihm
ein empiristischer Intellectualismus getreten, der an jenen zeitweilig anstreift, niemals
aber mit ihm sich deckt.
Der metaphysisch abstracte Seelenbegriff Augustins ist mit einem erkenntnisstheore-
tischen Apriorismus vergesellscliaftet, der sich freilich auf die Behauptung der Immanenz
der göttlichen Wahrheit im menschlichen Geistdenken beschränkt, und zufolge der be-
stimmten Unterscheidung zwischen dem mutablen Wesen der geschaffenen Seele und
dem immutablen Wesen der umgeschaffenen Wahrlieit, welche Gott ist, keine andere
Consequenz zulässt, als diese, dass die unveränderlichen Begriffe der Dinge im Lichte
der ewigen Wahrheit erkannt werden, und Gottes Sein uns unmittelbar durch sich selbst
gewiss sei, weil es die absolute Voraussetzung unseres geistigen Erkennens ist. Gott als
die absolute Vernunft ist somit ein denknothwendiger apriorischer Gedanke der Seele,
oder wie wir heute sagen würden, eine denknothwendige Vernunftidee, die ihre Wahr-
heit unmittelbar in sich selbst trägt. Von diesem Vernunftapriorismus abgekommen zu
sein,^ kann man keineswegs als einen Fortschritt der Scholastik über Augustinus hinaus
bezeichnen, sondern weit eher als einen ßückschritt hinter ihn; wir begreifen aber auch,
wie es kam, dass sie in der entschiedeneren Hinwendung auf das in der Erfahrung
Gegebene hinter ihn zurückging. Augustinus hatte die göttlichen Ideen als die letzten
Erkenntnissgründe der Dinge aufgefunden, war aber nicht dahin gekommen, sie als die
absoluten Wirkungsgründe der Dinge zu erfassen. Dazu hätte gehört, die" Ideen als etwas
von den Begriffen der Dinge specilisch Verschiedenes zu erkennen; die Ideen sind
schöpferische Conceptionen des göttlichen Denkens, deren jede eine ganze AVeit von
Begriffen in sich schliesst; sie sind ferner in ihrer Vielheit organische Glieder eines
schöpferischen Universalgedankens, dessen Inhalt eine organisch gegliederte Totalität in
lebendiger, unerschöpflicher Fülle darstellt. Allerdings spricht Augustinus auch von einer
ars aeterna des göttlichen Denkens ;ä da ihm aber der Gedanke organischer Relationen
fremd ist, so vermag er auch den göttlichen Weltgedanken nicht als organisch geglie-
dertes Relativum des göttlichen Selbstgedankens zu fassen, sondern bleibt in jenem
abstracten Ontologismus stecken, welcher der gesammten mittelalterlichen Scholastik zu
Grunde liegt, und dieser die Nothwendigkeit auferlegte, die Füllung desselben mit
' Quo.'irca iiwenimus, nihil esse aliud discere Ista, quorum nou per sensus haurimus imagines, sed sine imaginibus sicuti per
se ipsa cernimus, nisi ea, quae passim atque indisposite memoria contiuebat, cogitaudo quasi colligere atque animadvertendo
curare, ut tauquam ad manum posita in ipsa memoria. Confess. X, 11.
2 Mihi omnes artes secum attulisse videtur auima, nee aliud quidquam esse id, quod dieitur discere, quam remiuisci et recor-
dari. De quant. anim., c. 20.
= Ver. Relig., c. 31.
422 Kaiil Wkkskh.
cmuTt'tciu liilialtc in ciinMii «'iii|>iristisi'li»Mi Kosiuisimis !ur/.iis(i-i>li('ii. «Icc «las uiialiw i-i^licln'.
CoiTi'lat oiiior tloii spooulutivoi» (.«<>i!aiiktM» uicilcrlialttMnliMi ahsiiailrn Ontoldoic jsi.
hi<» porijnitotisi'lu' Solu>liistik voll/ui^ die Aliwcisuni;- iIcs uujriistiuisi'licii \ (riimirt-
apriurisiiius in der austfosjuHu-lKMistiMi Weise diircli die Aldidiiiuii}:^ dos oiitoluirisiluMi
(iKttesbeweisos Ansoliiis von C"ant(M'liui y. Wenn Aii«justiiius saj^t. (Jott sei <len Menselien
dasjeniije. was sie allem AmlenMi vur/ielien.' so nimmt er die l'.xisten/ (Jdttes als des
absiduten Ideales f'i'lr eine unmittelliaie denknutli wendige Walirlicii. die ilmi idculiio-istdi
teststeht. Indem Anseliii das ideologiseli Keststehemle in eine ontoUiiiiseli {>;eltende Wiiiirlieit
umsetzen wollte, gab er «len Anlass. dass di(> ii(Mi{)atetiselM* Seliolastik (ii<' aprioris<dn'
(lOwisslieit der Mxisten/ (lottes selilei litliin in Alired(> st(>!lte. hiess geseliah «dVenhar
einem nnbereehtigten Kmpirismns /n l^iebe; aiieli kann man ille W iderh'giing iles in
seiner Art allerdings nielit riehtig ausgeführten Argumentes Ansei ms nielit selilagenil
nennen. Thomas Atpiinas'' maeht gegen dasselbe geltend, ilass es dem Menschen nniLilieli
sei. /.u denken, liott existire uieht. l'iese Mrigliehkeit ist jeiloeh eine, sehleehte Möglieli-
keit. die mit der Wahrheit, mit der henknothwendigkeit des giUtliehen Seins niehts /n
thuu hat. Kr sagt ferner, die Verbind\uig von Subjeet un<l Prildieut in dem Satze: .Gutt
ist' sei nicht so unmittelbar evitleut, wie z. B. der Satz : .Has Ganze ist grösser als seine
Theile*. Aber dieser Mangel an l-]videnz liat iloeh um- liei dei-. siidi aiil" sich scilist nicht
besinnenden Vernunft statt, deren Denken eben noeh nicht bis zu dem llölieiigrade
gesteigert ist. auf welchem die Denknothwendigkeit des göttlichen Seins als unmittel baie
Vernunftapperception einleuchtet. J)icjenige Vernunft, welche einmal die Idee des abso-
luten Seins ergriti'en hat, fragt nicht mehr nach Beweisen, mittelst welcher das etwa an
sich noch ungewisse Sein Gottes gewiss gemacht werden sollte: t'iir sie gibt es nur ver-
schiedenartige aposteriorische Nacliweisungen und nähere Bestimmungen Aov in ihrer
ursprünglichen Erfassung noch unbestimmten, aber denknothwendigen Idee des göttlichen
Seins, und diese Nachweisungen gestalten sich In Ihrer vollständigen Vorführung zu einer
Zurückbeziehimg des gesammten menschlichen Erfahnmgsbewusstselns auf die denknoth-
wendige Idee des absoluten Seins, woran sieh als Kehrseite die Beleuchtung und Erklä-
rung des Gesammtlnhaltes des menschlichen Erfahrungsbewusstselns aus der Idee des
Absoluten auschliesst. So tritt also an die Stelle der demonstrativen Aufweisung des gött-
lichen Seins das auf ideelle Apprehensionen gegründete Doppel verfahren der In<luctIon
und Deduction, wodurch natürlich ein ganz anderer philosophischer Denkmodus an die
Stelle des scholastischen gesetzt wird. Uebrigens tritt in der Kritik des ontologischen
Gottesbeweises wieder der charakteristische Unterschied zwischen Thomas und Duns
Scotus hervor. Thomas unterscheidet zwischen dem notum in se und notum rpioad nos,
womit er andeutet, dass dasjenige, was einer höheren Intelligenz unmittelbar einleuchtet,
doch für uns Erdenmenschen, ehe es einleuchtet, einer Vermittelung im Denken bedürfe.
Duns Scotus verwirft diese Unterscheidung,* weil die Evidenz einer Aussage nicht von
der zufälligen Beschaffenheit der Intellecte abhängig gemacht werden könne. Ein Satz
leuchtet unmittelbar ein, wenn die Termini desselben: Subjeet und Pi-ädicat, distlnet
erkannt sind; die distincte Erkenntnlss ist aber mit dem Begriffe des Dinges gegeben.
I Omnes certatim pro excellentia Dei dimicant, neö quisqiiam inveniri potest, qui lior Derim credat esse, quo meliuB aliquid
est. Itaqne hoc omnes Deam consentinut esse, quod ceteris rebus omnilms anteponunt. Doftr. christ. I, 7.
3 1 qn. 2, art. 1. . ,
^ Non est distinquere inter propositionem esse per se notam et per se iioscibilem, quia idcm sunt. 1 dist. '2, qu. '-'.
Die Psychologie und Erkenntnissleiike des Johannes Duns Scotus. 423
Wenn es also erst einer Definition der beiden Termini oder eines derselben bedarf, um
den im Satze ausgesprocbenen Zusammenhang von Subject und Prädicat einzusehen, so
ist eine Proj^ositio per se non nota vorhanden.' Dims Scotus lässt demnach an die Stelle
des Unterschiedes zwischen dem Cognitum in se und dem Nobis cognitum den Unter-
schied zwischen Non actu cognitum und Actu cognitum treten, und wendet diesen Unter-
schied auf den Satz: ,Gott ist' an; dieser Satz ist eine Propositio per se nota, und zwar
per se nota primo modo,- weil der Zusammenhang des Subjectes und Prädicates unmittel-
bar einleuchtet; denn so viel ist unmittelbar gewiss,^ dass mit dem Gedanken Gottes der
Gedanke eines Seienden verbunden ist. Wenn es sich aber um die Frage handelt, ob das
Prädicat Esse auch von dem genauer und im Unterschiede von allem übrigen Seienden
bestimmten Wesen Gottes auszusagen sei — mit anderen AVorten, wenn gefragt wird, ob
dem ausgebildeten Begriffe von Gott als necessario ens, als ens infinitum und summum
bonum objective Realität zuzuschreiben sei, so stellt sich die Sache anders. Der Satz:
,ein unendliches Wesen existirt' leuchtet nicht, wie der Satz: .Gott ist' unmittelbar
durch die in ihm enthaltenen Termini ein; denn wir müssen uns zuerst über den Ter-
minus , unendliches Wesen' verständigen , und dann uns , sei es auf dem Wege des
Glaubens oder der Demonstration, vergewissern, dass ein solches Wesen wirklich existirt.
Die von Gott im Unterschiede von den Creaturen ausgesagten Bestimmungen: unend-
liches Sein, nothwendiges Sein, höchstes Sein, sind keine absolut einfachen Notionen.
Von zusammengesetzten Notionen kann aber nur dann etwas als per se notum gelten,
Avenn die Verbindung der constitutiven Momente der comj^lexen Notion ein Notum per
se ist. Diess ist. jedoch bei quidditativen Prädicationen nicht der Fall, weil da immer erst
gefragt werden muss, ob der eine Bestandtheil der quidditativen Prädication den anderen
formaliter involvire ; es ist auch nicht der Fall in Sätzen, in welchen das Sein- von einer
complexen Notion ausgesagt wird (z. B. Homo albus est), wo vorerst die Wirklichkeit
der Vereinigung der Bestandtheile des Subjectes (homo, albus) ermittelt werden muss.
Dasselbe gilt denn auch von den complexen Subjectnotionen : unendliches Sein, noth-
wendig Seiendes, höchstes Sein. Der Satz Anselms : Quo majiis cogitari nequit, est, wird
von seinem Urheber keineswegs als eine propositio per se nota ausgegeben ; denn er
selber deritet an, dass der Zusammenhang des complexen Subjectivtei'minus mit dem
Prädicate Esse zum mindesten durch zwei Syllogismen vermittelt sei. Von diesen beiden
Syllogismen lautet der erste: Omni non ente ens est majus; summo nihil est majus ;
ergo nullum summum ens est non ens. Der andere Syllogismus lautet : Quod non est
non ens, est ens ; summum non est non ens ; ergo est ens. Der eigentliche Geistgehalt des
Anselm'schen Gottesbeweises erprobt sich dem Duns Scotus in Erweisung der Unendlich-
keit des göttlichen Seins.^ Mit Beziehung auf das unendliclie Sein als höchstes Denkideal ^
' Est igitur omiiis et sola illa propositio per se uota, quae ex tenniuis sie conceptis, ut sunt ejus termini, uata est habere
evidentem veritatem complexiouis. L. c.
- Im Unterschiede zum per se notum seeundo modo, quasi praedicatum sit extra rationem subjecti. Ibid.
•* Propositio illa . . . est nota per se primo modo et imraediata et ex terminis evidens, quia est immcdiatissima, ad quam
resolvuntur omnes propositiones enunciantes aliquid de Deo qualitercuuque coneepto. Ibid.
* L. c, n. 32.
^ Als solches haben wir den Gedanken des unendlichen Seins bei Duns Scotus im Vorausgehenden sattsam kennen gelernt.
Quare intellectus, cujus objectum est ens — heisst es 1. c. — nullam iuvenit repugnantiam intelligendo aliquod infinitum?
Imo videtur perfectissimum intelligibile. Mirum est autem, si nulli intellectui talis coutradictio pateiis fiat circa ejus primum
objectum, cum discordia in sono ita faciliter offendat auditum. Si enim est discouveniens, statim percipitur et oft'endit; cur
nulhis intellectus ab intelligibilP iufiuito naturaliter refugit, sii'Ut a non conveniente, imo suum objectum primum destruente?
4'j.| Kaki. Wkknkh.
tonnt sirli das Aiisohn'sflu' Ai"<4;iiiiu'iit also: (iott ist ilasjoui';!', iilici- wcldics lilnaus dlnic
\VitUM-sju-u«-li nii-iits Grüsseros gedarlit worcloii kann, weil Holt simikmii l^'iiiilVc natli Ahh
llöchsto ist. hieses llüi-listo des ( itMlankciis kann olmc W iilcisjumli als lin Wlikllrli-
Soiomles »roilarht wohUmi. l)t^nn das tii-ös.sto, ilbiM- wchlnvs liinans nichts (ini.ss«M"«^s denk-
bar ist. ist als i|nidditativ»\s Soin dasjouijro. worin der (u'dankt> ztdiiudist nilit; t>s liat
also im hüi-liston Cirado iKmi riniraktfr dos olijo<tiMn prinnnn dos Intidlcctcs an si(di.
iiuloiu OS das Soin, das (»bjootnin ]>rimnin dossolbon. in al>solntostcni SIihk» daistiill.
Dioses absolut grüssto Soin ist abor niclit bloss idmo W iili"is|irii(li als wiiklidi soiond
donkbar: es muss sogar als wirklioli soiond godaolit worden. l>onn (>s liegt im liogritVc
«los absolut (irösston. dass os ilunli niolits Anderes vonirsatdit ist: als bloss (iodaelites
abor wäre os vom donkoiulon Intolle»-to abhängig, der os denken nnd auch nicht denken
kann. In der That ist also ilas wirklioh seiende Denkbare grösser als das bloss gedat hto
Oenkbare. I)iess ist aber nicht so zti vorstellen, als ob das (lodaehte <l\ii-cli sein Wiiklicli-
soin einen Zuwachs erhielte, sondern so, dass das in Wirklichkeit existirende Denkbare
srrösser ist als Alles, was bloss im ! lenken vorhamlen ist. Aneli ist das in \\ irkli(dikeit
o
Kxistirende als das Anschaubare erkennbarer nnd somit majus cogitabile als das bloss
abstraetiv Erkennbare: somit nuiss das vollkommenst Erkennbare eine existente \\ itk-
liohkeit sein.
Diese letzte Wendung ist üborra.scliend, und lässt in Duns Scotus den geborneu
.Metaphvsiker erkennen, zugleich aber auch den Widersacher aller Ideologie, sofern diese
in etwas Anderem als in der Analyse und näheren Bestimmung des angeboruen Seins-
geilankons bestehen .sollte. Von einer auf das schöpferisclie Idealvermögen der denkenden
Seele gegründeten Auseinanderseheidiuig zwischen dem denkenden Subjecte und ilor
objectiven "Wirklichkeit weiss und will Duns Scotus nichts wissen; sein empiristischer
Realismus bringt sieh auch in der vorerwälinten Aeussei-ung, dass das in Wirklichkeit
Seiende als das Ansehaubare das majus cogitabile sei, zur vollkommenen (Geltung. .Mit
Anseimus berührt er sieh, solern ihm der Gedanke Anselms von dem absolut Grös.sten
mit seiner eitreuen Idee des unendlichen Seins zusammenfällt. Von der Unmittelbarkeit
einer solchen Idee aber will er entschieden nichts wissen,' und er erklärt sich auch aus-
drücklich gegen jene realLstische Auffassung der Wahrheitsidee, die mit derselben
immittelbar auch schon die Existenz des ab.soluten göttlichen Seins gegeben glaubt; er
stimmt hierin relativ mit Thomas" zusammen, geht aber über denselben insofern hinaus,
als er, wie wir bereits wissen,' den <|uidditativen Charakter des Verum als ontologischer
Qualität möglichst extenuirt, daher er auch nicht einmal zugeben will, dass die Ablehnung
der realistischen Auffas.sung der Wahrheitsidee das Nichtsein Gottes zur stricten logischen
Folge habe.^ Hiemit tritt er nun aucli in einen entschiedenen (jregen.satz nicht bloss zu
' Propositio isla: ,Ens infinitum est in intellectu nostio' noii nata est liabere evidentiam ex terminis; sed bene ista: ,Omne
totum est majns sua parte' vel alicjua consimilis in quacnnque intellectu coneipiente terminos nata est habere talem evi-
dentiam ex terminis, quia ex terminis est evidens, quod ista coniplexio ex conformis liabitudini et rationibus terminorum,
qualecunque esse tcrraini habeant. L. c, n. 9.
2 Bei Thoraas heisst es 1 qu. 2, art. 1: Veritatem esse in communi est per se notum; sed primara veritatera esse, hoc non est
notnm quoad nos. — Duns .Scotus sagt: Veritatem in communi esse, est per se notum. ,Ergo Deum esse' non seqnitur,
sed est fallacia conseqnentis.
3 Vgl. oben S. .S79. Anm. 2.
• Cum probatur: ,Si nnlla veritas est, ergo nnllam veritatem esse est verum', consequentia non valet, quia veritas aut acei-
pitnr pro fandamento veritatis in se, aut pro veritate in actu intellectus componente aut dividente. .Si autem nuUa veritas
est, nee venim est, aliquam veritatem ess«': quia nee veritatem rei, quia res nuUa est7 nee veritatem intellectus componentis
Die Psychologie und Erkenntnisslehee des Johannes Duns Scotus. 425
Augustinus, sondern auch zu Anseimus/ mit welchem sich in Uebereinstimmung zu
wissen, er sonst mehrfach betont. Aegydius Romanus, ein Zeitgenosse des Dims Scotus,
liatte unter ausdrücklicher Beziehung auf Anselm das Walirsein des Seienden als das
primuni objectum des menschlichen Intellectes bezeichnet;'" das AVahrsein des Dinges sei
dasjenige, wodurch das Ding eine formelle Beziehung auf den Intellect habe.^ Scotus
erwidert hierauf,* dass dasjenige, wodurch das Ding den Intellect in Bewegung setzt,
die Form oder Essenz des Dinges sei; demzufolge kann nicht das von der Essenz des
Dinges zu imterscheidende Bezogensein des Dinges auf den Intellect die formelle
Bewegungsursache des Intellectes sein, gerade so wie im Bereiclie der Sinneswahr-
nehmung nicht die allgemeine Eigenschaft, wodurch etwas auf einen bestimmten Sinn
bezogen ist, sondern dieses Etwas selber, welches der Träger jener Eigenschaft ist, den
Sinn in Bewegung setzt.''
Duns Scotus substituirt der angebornen Gottesidee den angebornen Seinsgedanken,
und erkläi't den Inlialt desselben, das Sein als solches, sofern es das dem menschlichen
Intellecte adäquate Object des Denkens und Erkennens ist, zugleich als das primum
objectum des Intellectes. Ausser dem bezeichneten Gesichtspunkte gibt es aber noch
andere, unter welchen sich bestimmen lässt, was als objectum primum des menschlichen
Intellectes anzusehen sei, sofern nämlich einerseits die Entwickelung des menschlichen
Erkennens aus seinen ersten Anfängen, anderei-seits das vollendete menschliche Erkennen
ins Auge gefasst wird. Es gibt also einen dreifachen Gesichtspunkt, unter welcliem sich
das objectum primum des Intellectes bestimmen lässt: den ordo originis, ordo perfectionis,
ordo adaequationis. '* Dass in ordine perfectionis Gott das objectum primum sei, ist selbst-
verständlich, und bedarf keiner näheren Erörterung. In Rücksicht auf die ratio originis
hat man zwischen der indistincten und distincten Erkenntniss (cognitio confiisa et distincta)
zu unterscheiden. Es gibt aber ein doppeltes Ungeschiedensein im Hinblick auf ein
doppeltes Object der cognitio confusa, Avelches entweder ein Totiun essentiale ist, dessen
Partes essentiales noch niclit unterschieden sind, oder ein Totum universale, dessen Partes
subjectivae noch nicht unterschieden sind. Jedes derartige indistincte Totum nennt man
ein Confusum. Das subjective Verlialten des Erkennenden betreffend unterscheidet man
gleichfalls zwischen einem Confuse concipere und Distincte concipere; das erstere hält
et dividentis, nuia luillus est. Beiie tarnen seqnitur: ,Si nulla veritas est, ergo iion est verum aliqnani veritateni esse' quia
nuUa est. Sed non sequitur ultra: ,Ergo verum est, aliquam veritatem iion esse' (mit Beziehung auf den Satz: Dens veritas
est). Est enim fallaeia consequentis a negativa habeute duas causas veritatis ad affirmativam, quae est uua illaruni.
1 dist. ä, qu. 2, n. 8.
' Vgl. Anselm. Monolog., c. 18: Si illa summa natura iinem habet vel priucipium, non est vera aeternitas. Dein cogitet, qui
potest, quando incepit aut quando non fuit hoc verum, seil, quia futurum erat aliquid, aut quando desinet et non erit hoc
verum seil, quia praeteritum erit aliquid. Quod si neutrum liorum cogitari potest, et utrumque hoc sine veritate esse uon
potest, impossibile est vel cogitare, quod veritas principium vel ßuem liabeat. Denique si veritas habuit priucipium vel
habebit finem, antequam ipsa inciperet, verum erat tunc quia non erat veritas, et postquam finita erit, quia non erit. Atqui
verum non potest esse sine veritate; erat igitur veritas, antequam esset veritas; et erit veritas, postquam finita erit
veritas .... Nullo igitur claudi potest veritas principio vel fine, quare idem sequitur de summa natura, quia ipsa summa
veritas est.
2 Aegyd. Quodlibet. IV, qu. 10.
■* Aegydius citirt hiefür den Sprucli Anselms de Veritate c. 11: Veritas est rectitudo sola mente perceptibilis.
■» 1 dist. 3, qu. 3, n. 23.
'^ Si formalis ratio objecti potentiae esset respectus ad talem potentiam, tunc objectum prinnmi visus esset visibile per se
primo modo et tunc facile esset assignare objecta prima .... puta visus visibile, auditus audibile, quo modo
Philosophus non assignavit prima objecta potentiarum, sed sicut aliqua absoluta, puta: visus colorem, auditus sonum etc. L. c.
<■' 1 dist. 3, qu. 2, n. 12 ff.
Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXYI. Bd. 54
42li Kaki. Wkknku,
sii'li oiutarli an ilii' lU'ueiimiiig ilor Sai-Iu«. «la> atiilirc an ili«' l'x-^rilV.slu'.slimmiiiii; ilci-
liouanntpn Sache. Ihisji'iiig'i* nun, was im actni'Ucii r.rlvcnm'n rnulusc als l-iTstrs crLaiini
wird, ist ilit« Species spoi-ialissiina, »K'ron sinirularisirtt'r Aus<lrn»'k «las ni< nscliliclif Scn
satiousvonuögon ü^loii-li antanjys nnu-litiifor alliriil. In tlirsiMn Sinncscinilnnkc <f(>winnt
also «lio Set'lo primitiv die i'oü;nitio i-ontiisa ilt'r Spccics dos bcsundcrcn Sinnciidiniics.
rirnjokehrt vcrhiilt es sii-li in ilor uctuellen lirkonntniss dos distinri lio^n-itVcnrn ; iIimui
da ist das erste geistii»: KrgritVeue das Allü^emeiuste. beim liesoiiilcrstcn iiinl I Hirrslcn
lanirt das distiuete aetuelle Erkennen am Ict/tcn an.' Im lynilJauLic liicmil Iflni Avi
eeiiua. tluss im InM-eiehe des distincten Wissens die Mi-tapliysik das Allem vorlierj^cliemle
l'rius eoustituirt ; sie enthält ili(> distinete Erkenntuiss der ( Jrunilbe{j;rilVe der- ihr snb-
urdinirteu Speeiahvisseuseharten , welche sieh mit einer eugnitin eunfusa dir Icrmini
ihrer Priueii»ia per sc uota. von welchen sie ausgehen, begnügen." Ha alui- d<T /eil nacli
das iudistiucte Erkennen dem distiucteu voraiisgoht. so ist «las Siiii|ili(ii( r pilimini. <l. h.
dasjenige, was sich nicht in mehrere Coacepte aut'Iüseu lässt,^ oder das Singulare als solches
.das Erste in der /.eltlichen Ordnung unseres Erkennens. Dem aus Aristoteles geschöpften
Einwände, dass au den ])ingeu das Allgemeinere rriiher erkannt werde als ihr imlivi-
duelles ^Vesen.* begegnet Duns Scotus mit dei- Verweisung auf den oben erwähnten
Unterschied zwischen dem Totum essentiale und Totum uuivci^ale. von wrlclicn Ixlden
Tütis eben nur das erstere das Prinuim in ordiue conluse cognoscendi sei, und als (icgcn-
stand einer indistincten Erkenntniss den unvollkommensten Anfang des Erkennens con-
stituire.' Denn das Totum essentiale ist. je indistiucter es aufgcfasst wird, in domsclben
Cirade auch ein minus universale.
Duns Scotus stutzt sich in der Bestreitung der von Thomas behaupteten Präcedenz
des imbestimmten allgemeinen Erkennens vor dem bestimmten besonderen Erkennen auf
den Unterschied zwischen der genorischen und specittschen Allgemeinheit. Allerdings
beachtet auch Thomas diesen Unterschied; aber er gibt ihm eine andere Jieziciiuug als
Duas Scotus. weil ihm im Unterschiede von Dims Scotus nicht die Production des Indi-
■ Was von der (listiiicten cognitio aotualis gilt, hat auch in der liabitiiclleii und virtuellen Erkenntniss statt: Qiimituni ad
notitiam habitualcm sive virtualcm dicQ, quod eommnniora sunt prius nota via originis sive generationis. 1 dist. 3, <ju. '2, n. 28.
- ExempUim : Geometer inquantum geomcter uon iititur pro prineipiis per sc notis nisi Ulis, quae statim sunt evideutia ex
confaso conceptu terminorum, qualis occurrit primo e.\ sensibilibus, puta : ,linea est lougitudo etc.' non eurans, ad quod
genns pertineat linea, puta, utrum sit substantia, an quantitas. L. c, n. 25.
' Alins est coneeptus simpliciter siroplex, et alias est conceptus simplex qui non est simpliciter siuiplcx. Conceptum simpli-
citer simplioem voco, qui non est resolubilis in pUircs conceptus ut conceptus entis vel ultimae differentiae. Conceiitu» sini-
idex, sed tarnen non simpliciter simplex est, quicunque potest concipi ab intelleclu simplicis intelligentiae, licet possit resolvi
in plures conceptus scorsim conceptibiles, sicut est conceptus definiti vel speciei. L. c, n. 21.
* Objicitur, quia 1 Physic. (Physic. Auscult. I, p. 184. b, lin. 11 fT.) dicitur, quod confusa i. e, mag!» universalia sunt prius
nota nobis. Quod probat Philoaophns, quia pueri primo appellant omnes lioraines patres et omnes foeminas matrcs, postea
vero disecrnunt utrumqne: ergo prius cognoscunt patrem sub ratione hominis quam hujus hominis Ii. e. actualitcr concipi
conceptus priores sen communiores. L. c , n. 26.
5 Mit Beziehung hierauf widerlegt Duns Scotus das in vor. Anm. angeführte IJeispiel : Quod dicit de puero, conocdo, quod
species praeintelligitur inter singulare, quia dixi, quod species est primum intelligibile; sed ratio non concludit de gi-nere
sed de specie. Prius enim naturaliter actualiter concipitur albedo quam color in ordine cognitionis confusae, quia color sub
ratione coloris non cognoscitur nisi sub majori abstractione quam sit abstractio albedinia ab hac albedine vel illa. L. c,
n. 27. — Vgl. hiezu Rer. princip. qu. 13, art. 3: Prius cognoscit intellectus singulare quam universale. Impossibile est
enim, qnod rationem universalis ab aliquo abstrahat, nisi id, videlicet a quo abstrahit, praecognosat. Unde cognitio actuali-
tatis existentis praecedit oranem aliam rationem' et loco et tempore. Loco, quia cum vidco aliquid a rcmotis, et nescio
ntmra sit hos vel asinus, primum quod cognosco, est: illud quod video, aliquid estactu; postea cognosco, quod est animal.
Tempore, patet idem; quia puer non vocaret hunc vel illum patrem, nisi prius perciperet, quemlibet actu esse; unde funda-
mentnm originale, a quo movetur omnis cognitio (dico radicaliter) est esse actuale.
Die Psychologie und Erkknntnisslehre des Johannes Ddns Scotus. 427
viduums, sondern der Species die Hauptsaclie ist,' während Duns Scotus prinüli- die durch
die gestaltende Form bewirkte Actualität des Singulären im Auge hat.'' An die Stelle
des Gegensatzes zwisclien Allgemeinem und Besonderem, der für Thomas das Schema
für die rationale Erkenntniss des Wirklichen darbietet, tritt bei Duns Scotus das Ver-
hältuiso zwischen Universellem und Singuläreni, welches letztere als solclies der materiale
Träger des Formcharaktei's und die Ursache dei- Individuation dei' Form ist. Der (irund
der Individuation ist demnach nicht mit Thomas in der Materie zu suchen ; ' denn diese
verhält sich indifferent zum Hocce eines bestimmten Dinges.* Damit entfällt für Duns
Scotus anch der Grund, das Singulare als solches für das Unerkennbare zu halten, sofern
nämlicii die Ursache der Unerkeunbarkeit in der Materialität des indlviiluirten Sinnen-
dinges gelegen sein soll ; denn obschon die Materie Ursache der Contraction des Seienden
ist, so ist sie doch niclit zugleich auch Ursache der Individuirung der Species, (hnnzu-
folge kann aus der von Aristoteles gelehrten Unerkennbarkeit der Materie niclit die
Unerkennbarkeit des Singulären und Individuellen als solclien abgeleitet werden. Alles
Entitative ist als solches Intel ligibel ; das Singulare schliesst die gesammte quidditative
Entität des Allgemeinen in sicli, unter Hinzufügung der Erhebung desselben zur Stufe
der höchsten Actualität und Einheit, die als Zugabe zur Entität aucli Zugabe zui* Intelli-
gibilität sein muss.^ Widrigenfalls könnten ja Gott und die Engel, die als singadäre
Wesen existiren, niclit Per se intelligibilia sein. Das Singulare ist ein Primuni iutellectum,
in welchem implicite die Erkenntniss des in ihm individidrten Seins enthalten ist, während
man nicht sagen kann, dass die Erkenntniss des Allgemeinen bereits die Erkenntniss des
Singulären als solchen in sich schliesse.'' Dessungeachtet kann Duns Scotus nicht umhin,
das Geständniss abzulegen, dass es für uns in diesem Zeitleben eine distincte Erkenntniss
des Singulären, die ihm als die höchste und vollkommenste gilt,' nicht gebe. Eine
distincte Erkenntniss des Singulären kommt weder unserem intellectiven, noch unsei-em
sinnlichen Erkennen zu ; beseitiget man bei zwei Dingen derselben Art Alles, woran
wir uns zu halten pflegen, um sie von einander zu unterscheiden, so fliessen sie uns
ununterscheidbar in Eins zusammen. Es gibt also füi' uns in diesem Zeitleben nur ein
Confuse cognoscere des Singulären; und das intellective Erkennen desselben lässt sich
ohne Zurückbeugung des Intcllectes auf das Sinnenbild nicht vollziehen.* Fragt man
' Ultima uatm-ae iuteutio est ad specieni, nun aiitem ad individiium aut ad genns; quia forma est fini.s geueratioiiis, materia
vei'o est proptei" forinam. 1 qu. 8ö, art. 3.
^ Natura, quae in hoc primo generatur, iion est sinipliciter uniTersalis, sed est simpliciter singiilaris ; est tarnen universalis
secundum quid, quia neu concipitur inquantuni lioc positive. Quaest. sup. Analyt. Post. I, 3G.
•" Einer der Gründe des Duns Scotus dawider, die Anthropologie berührend, lautet: Materia est pars quidditatis, quia honio
iion est tantum anima. Igitur necesse est invenire indifierentiani in materia proportionalem inditi'erentiae quidditatis; igitur
materia de se non individuat. 2 dist. 12, qu. 4 (Op. Paris.).
^ Intelligo per individuationem sive unitatem numeralem sive per singularitatem non qnidem uuitatem indeterminatam,
secundum quam quodlibet in specie dieitnr ununi numero, sed unitatem signatam ut hanc. -' dist. .'!, qu. 4.
5 Metaphys. Quaestt. Lib. VII, qu. 15.
" Quodcunque aliud a singulari intelligitur, iucludit incomplete singulare quantum ad quidquid intelligibilitatis est in eo, quia
nee includit gradum, quo singulare est singulare; singulare autem complete includit quidquid est intelligibilitatis in superiori.
Non est ergo natum intelligi singulare ut pars inclusa in primo intellecto, sed tantum ut primum iutellectum, in quo alia
quaecuuque superiora per se intelliguutur. L. c.
'' Ideae divinae maxime erunt singularium, quia distincte repraesentant omnia alia intelligibilia a Deo. Ibid.
* In phantasia confusum est substantia cum accidentibus, vel multa accidenfia mutuo se contralientia. Intellectus intelligendo
universale abstrahlt quodcunque illorum; intelligendo tandem, ut intelligat singulare secundum naturam, quae est haec, non
inquantum haec sed cum accidentibus propriis, huic componit subjectum cum accidentibus; et ita terminus a quo et ad
quem reflexionis est confusum, et in medio est distinctum. Ibid.
54*
428 Karl WtKNKK.
miJi, wudurcli sit-li der scotistisclio lio'jiilV «Icr Ki-Ilcxio von dfiii lliuiui.stisi'lHii unter
scheid«», so gibt uns huus Scotus hioraur Antwoil. wenn <'r auscinandcisotzt, diiss die
menscliliche lutoliiH-tiou dos AllgouuMiion. dus im Sinurndingo diirgostidll ist, vcrlmiidtn
sei mit iler siunlielieii \\>rstellunir «lor sin^ndären Darstellung d(>s Allgemeinen im lieson
deren .Siunendiuge, so dass beide A|i|ieriejitionen. dit» sinnlielie und die inlellectucllc.
eiu un/ertreimliehes (nm/.es bilden, dessen t Utjeet das im Sinnendinge singnlarisirh' All
gemeine ist. lHMn/.ul\dge kann nielit mit llioma'^ \on cinc-m l)l(iss indirectcn und millid-
baren Krgreifeu des Siugulären in der geistigen Ajipreliensitm der Sinnendinge die Rede
sein,' vielmehr wird zuerst und diret-t ilas Singulare als soU-lies geistig ergrIlVen. dann
winl naehlolgeml aus dem AUgemeinbegrilVe des Dinges das Wesen desselben begrilVen.
Das direete Krgreifeu vollzieht sich vornehmlich mittelst des Sinnes, die actio rcHexiva
aber beileutet das die Intelloction begleitende Bewusstsoin um die liezogcniiell derselben
auf das in actualer singuUirer Wirklichkeit appercipirte Object. Der actit» retlexiva folgt
als tlritte die actio collativa, mittelst welcher das im J)enken ergrilVene ^\ irklii lie aid"
den Alliremeinüredanken desselben bezooeu wird. Duns Scotus könnt wühl neben der
eben erwähnten Art der lleflexion, iu w'clcher sieh das Bcwusstsein des Approhendironden
direct auf das apprehendirte Objeet bezieht, auch eine andere, welche, wie wie oben
hörten, in der Zuriickbeuguug des Intellectes auf die sinnliehe Vorstellung besteht, und
der Sache nach mit iler thomistischen Ketiexion zusammenfallt. Aber diese zweite Art
von Keriexiou tritt, wie wir gleichfalls hörten, erst ein, wo es sich um (iewinnung des
Begriffes der Natur des singuläreu Objectes handelt; und der Irrthum der thomistischen
Doctriu besteht darin, dass sie mit Ausserachtlassung des absolut ersten Actes, duidi
welchen das Singulare direct ergriffen wird, die Erklärung des intellectiven Erkenntniss-
processes ausschliesslich auf den Act ilei- zweiten oder indirecten Reflexion stützt.
Die drei Acte der actio intuitiva. reflexiva und collativa reflectiren in Jiöherei- Urcl-
uung weiterfidirend den Vergeistigungsprocess, dem das singulare Sinnenobject bereits
im Bereiche der sinnlichen AVahrnehmung unterworfen ist, um intclligibel werden zu
können. Die Species sensibilis — sagt Duns Scotus^ — hat ein dreifaches Sein, ein
materielles Sein in dem äusseren Objecto, ein schon mehr vergeistigtes Sein im Medium,
dui"ch welches es der Sinnesapj)erception vermittelt wird, ein noch immaterielleres im
Organ der .Sinneswahrnehmung. In dieser Vergeistigung ist nun das Object zubereitet, um
sofort vom Intellect ergriffen zu werden, der in den Sinnesapperceptionen activ und
substantiell gegenw'ärtig ist, und das AVerk der Vergeistigung weiterführt.* Das Gesammt-
gebäude der menschlichen Wissenschaft ist auf diesen successiven Vergeistigungsprocess
der primitiven Apprehensionen der sinnlichen Wirklichkeit gegründet.' Duns Scotus
entnimmt aus dieser unzerroissbaren Contiuuität des successiven Vergcistigungsprocesses der
' 1 qu. 86, art 1.
- Eer. priucip. qu. 14, arl. 2.
' Intellcctas ]>raeseii9 est oiniiibus sensiljiis i:t or^'aiii? curuin {jcr iuflucnliain, jicr siilistaiitiaiii et etiam iu ratiouc jierficientis
snb ratione cogiiitivi, sicut sol attingit omnem actionem inferiorum .igentiuni, et intiinius et jiraesentialius. Ergo, cum senaus
cognuscendo attiugat existentiam actualem rei excini)laris, iutellectus necessario attingit eam etc. Rer. princip. qu. 13, art. 3.
' Omnis cognitio scieutifica fundatur in actuali existentia rei extra; deficiente cnim seusu deficit scientia, quae secundum
eit L. c. — Cognitio intellectiva uon praecedit seusitivam, sed sensitiva conimunior est, cum sit in brutis, et idco prior,
tum quja intellectiva ccrtior est, actualior, perfecti'ir, t,ale autem est naturalitcr posterius ; sed in talibus impcrfectum est
radix, origo et seminarium respectu perfecti, ut paUJt iu semine rcspectu raembrorum corporis; igitur sie erit sensitiva
respectn omnis coguitionis. Rer. princip. qu. 13, art. 1, sect. 8.
Die Psychologie und Erkenntnisslehee des Johannes Ddns Scotus. 429
primitiven sinnliclien Apperception. einen Beweisgrund für die von Gottfried von Fontaines*
und Goetlials- geläugnete Notliwendigkeit der Species impressae als notliwendiger Mittel-
glieder zwischen der sinnliclien Vorstellung und dem reinen Allgemeingedanken des
Dinges.^ Uebrigeus darf der Träger der Species impressae, der Intellectus possibilis nicht
etwa als eine Mittelkraft zwischen Einbildungskraft und reinem Intellect eingeschoben
werden. Intellectus agens und Intellectus possibilis sind der eine und selbe Intellect als
virtus cognitiva unter zwei verschiedenen Beziehungen; und diese virtus cognitiva steht
als virtus n,on organica der Einbildungskraft als virtus organica gegenüber; ein Mittleres
zwischen Affirmation und Negation, virtus organica und non organica ist nicht denkbar.
Der Intellectus possibilis fungirt als Bewahrer der von ihm recipirten Species
impressae. Duns Scotus lehrt mit Thomas Aq., dass der Intellect zur ßeactivirung der
in ihm aufbewahrten Species sich den sinnlichen Vorstellungen der ihnen entsprechenden
Objecte zuwenden müsse, missbilliget aber die Gründe, aus welchen Thomas diess für
uöthig hält. Nach Thomas müsste sicli der Intellect im Acte der Erinnerimg dem Sinnen-
bilde desshalb zuwenden, weil das Object des menschlichen Intellectes das Quodquidest
des Sinnendinges sei, und es zum Begriffe dieses Quodquidest gehöre, in einem bestimmten
Individuum zu existiren. pvms Scotus bemerkt hiezu,* dass die Existenz der matei'iellen
Quiddität in einem singulären individuirten Sein zwar thatsächlich statthabe, jedoch nicht
so, dass diese Existenzweise zum Begriffe jener Quiddität gehörte, indem der Intellectus
abstractus sie auch ohne Beziehung auf das Existere in aliquo singulari denken könne.
Der Grund der Hinwendung des Intellectes zum Sinnenbilde liegt vielmehr darin, dass
dieses zur Verlebendigung oder Intension der im Intellectus possibilis aufbewahrten
Species thätig sein muss; und diess darum, weil der menschliche Intellect, vielleicht in
Folge des Sündenfalles, die Zurückbeugung auf sich selber ohne Intervention des sinn-
lichen Vorstellens durchzuführen nicht fähig ist.''
Die eben angeführten Gegenbemerkungen des Dims Scotus wider Thomas sind in
dem bereits vielseitigst aufgewiesenen Gegensatzverhältniss zwischen Beiden begründet,
und hängen auch mit der Polemik des Duns Scotus gegen die thomistische Lehre von der
Materia als Principium individuationis zusammen. Ist die Materie, wie Thomas lehrt, der Grund
der Individuirung imd Plurification der Species, so muss. man sich allerdings, da die Species
kein von den Individuen unterschiedenes substantielles Sein hat, die (Quiddität oder das
specifische Wesen des Sinnendinges so in die materielle Existenz des Sinnendinges ver-
senkt denken, dass sich der Gedanke derselben gar nicht ohne Beziehung auf den Stoff,
in welchem, sie sich darstellt, fassen lässt. In dei- That ist es schwer, oder eigentlich
unmöglich, sich das einzelne Sinnending anders, denn als Product der dasselbe causirenden
materiellen Individuationsbedingungen zu denken, und es ist nicht abzusehen, worin
1 Quodlibet IX, qu. l'J.
2 QuodUbet IV, qq. 7. 8. 21; V, qu. 14.
ä Sicut dictum est de sensu (s. vor. Seite, Anm. 4), sie in intellectu uou potest deveniri ab extremo seil, a phantasmate in
extremum seil, in intellectum seu in actum intelligendi, qui est pure spiritualis, nisi per medium iiiter spirituale et corporale;
hujus modi autem medium est species iutelligibilis, quae non habet esse adeo materiale sicut phantasma, nee adeo spirituale
sicut intellectus. Ker. princip qu. 14, art. 2.
' 1 dist. 3, qu. 5.
= Multiplei est causa, quare intellectus conjunctus corpori, maxime corruptibili (quia forte in statu innocentiae esset aliud),
non potest reflexione integra et simplici et aperta super se reflectere, et per cousequeus super species, quae sunt in eo,
nisi quodammodo reptando per sensus et per imaginationem Et haue causam tangit Sapiens in libro Sapientiae (9, 16),
cum dicit: Corpus quod corrumpitur, aggravat animam. Ker. princip. qu. 14, art. 2.
430 Kahi. Wkknek
iiinItM's. als in iliT ilirci- Natur iiai-li üCiuTalivcii Ifltfinli^cii Mati-rit' i|iT(irimil ilcr l'liin
tii'iitictii iltM' liiilivliliiiMi oiiitM" S|n«i'ios ^osiu'lit \V('r<ltMi s^illti'. Pif l>l•^|•llV ("luci- li('>iiiiniiicu
besitmlcron Sj«>cios shmlirlMM" Mxistoiizon ist <lii ciufs |iailiciilati.siiicu l''iinii|iiiiici|u\s,
\YoK'lu«s sii'li im StolVo darlobt. und /ufolgc ilcr 7.(Mi«^uiioskriitn<;('U licluMidi^iluMt dt'.ss(dl)i'M
insoweit sirli plurilirirt, als i»s dii> i-tmnvttMi ICxisttMizbcdinmin^^cn der iudividuatioiicu
eiutM* bostininittM» Spoi-ios /ulasson. iMms Scotus {glaubt iVcdlifli /.wiscIuMi dem hisse
easentiao iiml dem Ksso existen- diT individuiitiMi |-]ssimi/, uiitiM'scIiridcii /u stdlcii: ' liii-
iltMijoniiTiMi abtM\ der ilii" l obiMV.ouiruuii' hat. das> dci- ArtbcmrilV des Siiim'iiiliuf^cs Im
StcitVi> wt'st, nntl aussorlialb dt'ss(dbt>n iiui" ciiu' ift'danlvt'nliafti' lioalitäl lial. kann ilicsd
Abtionnunij koint' sachlirlii' ItotUMitunj^' liabcn, die n\an ihr nur daiiii zuweisen k<innU',
wonn die seheniatiseli-b(>grilVIielie AutYawsnng der Objeete ib'r SinncMiwell \viikli( li das
Wcseu derselben ert'asste. l>ie von l'uns Scotus bezweckte ilrhobung des l>eiik(ii>. über
die siuuetallige Wirklielikeit ist ani" dem Standpunkte eines hciikeiis. das an dem nui
logisch aualvsirten Krscheinungsleben der Natur hattet, nicht niügliidi; und sein enipi-
ristischer Individualismus bcHndet sich in einem inneren Widerstreite mit der von ihm
testgelniltenen lUterscIuddung einer geistigen und sinnlieheu Wirklichkeil. I »er ( «edaidve
des Thonuvs Aquinas. ilass jede Forma separata für sicli selbst eine Species repriisentire,
steht dem echten und speculativen Individualismus viel nilhei-, als die auf geistige un<l
sinnliche Sondere.xistcnzeu unterschieiUos augew-endete scotistische iiäcceität.
Wir haben schliesslich noch die Würdigung zu berücksichtigen, welche l)uns Scotus
iu seiner Erkenntnisslehre dem sprachlichen Momente angeileihen lässt. Das Conl'use
concipere — hörten wir oben — hält sich einfach an die Benennung der Sache, das
Distincte concipere au die ßegrittsbestimmung derselben. Die Benennung ist Bezeichnung
und Ausdruck des Gedankens, mittelst dessen die Seele das Quodquidest eines Dinges
geistig ergreift. Demzufolge bezieht sich die Benennung oder das Wort primär auf das
Objectum primnm iles actuellen Confuse cognoscere, und das Wort bedeutet die durch
die Einwirkung des Objectes bew^irkte Passio animae, ** d. h. die Sache als Gegenstand
der intellectuellen Appereeption.'' Duns Scotus erklärt sich daher Im Einklänge mit
seinen schon entwickelten erkenntnisstheoretischen Anschauungen gegen jene Commen-
tatoren des Aristoteles, welche, wie Albert, Thomas u. A.' dem Worte nur eine mittel-
bare und nachfolgende Beziehung auf das dem Gedanken entsprechende reale Ubject
zugestehen.* Leber die bloss conventioneile Giltigkeit der Sprachbezeichnungen ist er
' £sse quod est actn.llitcr eiitis. iiou (!.st de esseiitia, »irut nee esse existere. Isla tainen duo ease sunt distiiifta, (jiiia essf,
qaod est actualiter eutis, iirimo eonsequitur essentiain, et est proprium ipsius essentiae, sed esse existere prinio conseqiiitur
iudividuum. Analyt. Poster. II, 6.
- \'gl. .\ristot. Periherm. (p. 1. a, lin. 3): Ev fiovaT; Töiv iv ttj •]<.>/») -«Orjjiärtov aüiißo).«.
' Nomen si^ificat passionem animae i. e. rem ut coiicipitur. Op. II in libnim I'erilierm., qu. 1.
' Vgl. Thom. Aq. Periherm. lect. 2: Non potest esse, quod voces significent immedi<ate ips.as res, ut ex ipso modo siguificaudi
apparet; significat enim hoc nomen ,homo' naturam humauam in abstractioue a singularibus. Unde non potest esse quod
sigiiificet hominem immediate ut Platonici posuerunt, quod significaret ipsani ideam honjinis separatam. Sed quia haec secun-
dum abstractionem saam non snbsistit realiter secundum senteutiam Aristotelis, sed est in solo intcUcctu, ideo necesse fuit
Aristoteli dicere, quod voces significint intellcctus conceptiones immediate et eis mediantibus res. — Anders Duns Scotus,
welcher die unmittelbare .Simultanbezieliung des Wortes auf Gedanke und Sache festhaltend (vgl. vor. Anm.) die Platonische
Auffassung des Wortes aus einem anderen Grunde .abweist: PUato libro de recta nominum ratione posuit nomen significare
rem ut existit falso nicht: ut concipitnr), quia dixit rem eodem modo existere, quo intelligitur. Aristoteles autem aliter
posnit. L. c.
'^ Duns Scotus glaubt diese Ansieht geradezu ad absurdum führen zu können : Si nomina primo significant passiones in anima,
sequitur quod .significatio cujuslibet realLs orationis pst falsa. Nam dicendo: ,homo est animal' idem est dicere, quod ,haec
passio est illa." L. c. — Ueber die wahre Bedeutung der Aussage in dem angeführten Urtheil fügt Scotus berichtigend bei :
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Dun.s Scotus. 431
mit deu übrigen Peripatetikern ganz einverstanden-, demzufolge kann das Wort die in
der Passio animae ausgeprägte similitudo rei nicht in eigentlichem Sinne wiedergeben,
sondern nur bedeuten. Das Wort als solches haftet an der Intentio prima, imd erst in
der Satzbildung kommt es zur spraclilichen Verdeutlichung der Intentiones secundae.
Der den Worten eignende Modus signihcandi zerfallt in einen modus activus und pas-
sivus; der erstere drückt das aus, was der Intellect in das Wort hineinlegt,' der Modus
passivus bezieht sich auf die durch das Wort ausgedrückte Eigenheit der Sache. ^ In
diesem dopjielten Modus des Verhaltens drückt sich übrigens auch ein entsprechendes
doppeltes Veidialten des Modus intelligendi ab,^ welcher als solcher dem Gebiete der
Intentio secunda zugekehrt ist. Die Grammatik hat es ilur mit dem Modus signihcandi
activus zu thun, und unterscheidet zwischen Modus signihcandi essentialis und acciden-
talis, deren ersterer auf das essentielle Wesen des Redetheiies, der letztere auf das zu
diesem Wesen Hinzukommende sich bezieht.^ Der Modus signihcandi essentialis zerfällt
in einen modus generalissimus, subalternus und specialissimus je nach dem weiteren
oder begränzteren logischen Umfange des sprachlichen Terminus; der Modus signihcandi
accidentalis zerfällt in einen modus absolutus und respectivus, je nachdem das durch ein
bestimmtes Redeglied Ausgesagte entweder für sich oder nach seinem Bedingungs-
verhältniss zu dem durch ein anderes Redeglied Ausgesagten ins Auge gefasst wird.
Indem nun diese Unterscheidungen auf die einzelnen Redetheile angewendet werden,
entwickelt Duns Scotus in seiner Grammatica speculativa eine Art Spraclilogik, deren
Zweck ist, die Ausprägung der Kategorien und Modi der Sprachbildung aufzuzeigen.
Das Verhältniss der Sprachbezeichnungen zur objectiven Beschaffenheit der Dinge betref-
fend, bemerkt Duns Scotus,'^ dass sie auch auf die in ihrer ratio propria nicht erkannten
Substanzen anwendbar und giltig seien; es muss Namen geben, welche geeignet sind,
eine Substanz auch nach einer von uns nicht erkannten Seite oiler Beziehung ihres Seins
zu bezeiclmen." Man kann auch eine Sache, deren substantielles Wesen man nicJit
erkannt liat, deutlich bezeichnen.' Daraus folgert Duns Scotus, dass man auch von Gott
in Ausdrücken sprechen könne, welche sein AVesen, wie es an sich ist, bezeichnen. Als
solche, das göttliche Wesen distinct bezeichnende Namen sind uns aus dem alten Testa-
mente die (jiottesnamen Adonai und Jehova überliefert, und es ist nicht anzunehmen,
dass uns die neutestamentliche Offenbarung keine gleichwerthigen (Tottesnamen zugemittelt
hätte. Duns Scotus ist also nicht gewillt, gleich Thomas xVip den Wertli der jDOsitiven
Affirmatur, cjuoJ ijrimu iutelligitui' per unuiii iiomen (lici de illo, quod primo intelligitur de jilio, ijuae tuiic intelliguntur
mediautibus illis speeiebus.
' Modus siguificaudi activus est modus sive proprietas vocis ab intellectu silii concessa, luediaute qua vox projjrietatem rei
siguifieat. Gramm, speculat. c. 1.
2 Modus significandi passivus est modus sive proprietas rei, prout est per vocem signiöcata. Ibid.
3 O. e., c. 3.
* Modus significandi essentialis est, per quem pars orationis simpliciter iiabet esse vet secuudum geuus vel secundum speciem.
Modus significandi accidentalis est, qui advenit parte post esse completum, non dans esse simpliciter parti, nee secuudum
genus nee secundum speciem. O. c, c. 7.
■' 1 dist. 22, qu. unic. (Dp. Paris.).
^ Non intellectus viatoris cognoscit quidditatem substantiae, et tamen aliquod nomen impositum a viatore significat substantiam
secundum rationem substantiae propriam. Aliter enim omnes praedicationes essent accidentis de accidente. L. c.
■> Non concipimus substantiam in se, nee quomodo una substantia specie distinguatur ab alia, et tamen utiinur nomine signi-
ficante esseutiam substantiae unius, prout ab alia specie distinguitur .... Aliquis non apprehendens lianc substantiam
hominis, cui etiam forte non sunt accidentia ejus nota, quia nunqnam fueruut in phantasia ejus, imponit sibi nomen distincte
siguificans illam substantiam. Ibid.
^•«.) Kai;i NViMiSKii
Wcsonsbo/.oii'hiiUMi'-ou iJottos vnn «It-m (ira'lc uiis(>n's iiiti'lli'tliifll.'ii \ (Msiainliiisscs
;ibluin»Mir /u marlion,' wofilr \vii- .I<-m (iiiiiul tlicils in .Icr von iliiii ln-liaupItMcii \ iil-
vooitiit alles Soieiulon, tlioils in «Icr ultcii luM-dhitiMi nniiiittol baren lie/,itliiin>i der S|iraelie
auf ilie (legeiisläiulliehkeit als solelie /n eikemien haben, hiese AnlTassnii"- <l(>s Spraeli-
lieheii hän>rt mit .leni kiivlilielieii l'ositivismus des hniis St-olns zusannnen, und <>ilcliirt
mis den von «ler tluH)lo'::iselien Suninio dos 'Plioinas Aq. si» sehr sitdi untorselieidcmleu
Lolirtou des Duns Scotus in d.-r Ueliandluii'j drr .hristlieli tlieolof^isilieii ( iotlesleiire. ilie
nuter irnmdsät/.lielieni Verzieht Jiuf eine speeulative Krj^rUnduno- dos christliehen (ioltos-
bejrritVes dnrehwe>xs auf eine theolojriseh-schulastische Ausoinanderset/unj-- .1er ili)erlieterten
Tenuiui der ehristlieh-kirehlieheu (iutteslehre ab/weikt. Der vou Duns Scotus in der
Thcoloirie luigesehlageue Ton wurde von dem iu «ler seotistiselieu Scliub' ^robildeten
Oeeaiu tuif das (iebiot der wisscnschaftlielieu Forsehuu'c im A llu-emeinen iil>(Mtraf;:oii ;
indem er den von Duus Seotus festgelialteucu Realismus Preis gab, lehrte er,' dass die
Wissenschaft nur eine Wissenschaft vou Sätzen sei, bei Aon Siitzon es aljer darauf
ankomme, die Worte riehtig ihrer ücdeutung nach mit einandci- /.\i veibluflen.
Vou dem tönenden Worte oder verbum voealc ist das innere Wort, das vei l.uin
mentale zu uaterscheiden, als welches Duns Scotus gemeiniiin die iu der Seele a.tucll
vorhandene Cogitatio nimmt, so weit dieselbe unter dem (Jesielitspunkte eines Erzeug-
nisses ins Auge geiasst wird.' Er entwickelt seine Lehre vom verbum mentale im An-
schluss an Augustinus, dessen Worten folgend er das Wort der Seele als eine proles
memoriae fasst, iu welcher der (iedanke einer Sache innerlicli zu Tage tritt. AN eil aus
der Memoria geboren, wird es vou ihm auch Verbum imaginabile genannt; es ist ihm
mit der vorerwähuten Passio aniniae, dem in der Seele gewirkten Zeichen des apj.er-
eipii-teu Übjectes identisch. Seiner Unterscheidung zwischen der notitia confusa und
distincta entsprechend unterscheidet Duns Scotus zwischen einem verbum imperfectum
imd perfectum; er verwirft demzufolge die thomistische Ansicht, welche nur den auf die
inquisitive und ratiocinative Thätigkeit folgenden Abschluss des Erkenntnissactes als das
Verbum mentis gelten lassen will.' Der thomistischeu Ansicht gemäss — replicirt Duns
Scotus — müssten Gott, die Engel und die Seligen mit der Ratiociuation auch des
Wortes entbehren: er lässt an der widerlegten Ansicht nur so viel als wahr gelten,
dass einzig das Verbum perfectum eine Repräsentation des Verbum aeternum sei. Der
Unterschied zwischen Thomas und Duns Scotus in der Auffassung des inneren Wortes
reducirt sich darauf, dass Thomas es als den fertigen Gedanken der Seele, Duns Scotus
aber primär als inneres psychisches Bild der Sache nimmt, rücksichtUch deren er ein
ant^ingliches rein empirisches Aufgreifen imd ein nachfolgendes begriffliches Durch-
dringen derselben unterscheidet. Duns Scotus setzt ferner das innere Wort in eine viel
innigere Beziehung zum äusserlich vernehmbaren Worte als Thomas, und beleuchtet
demzufolge die Genesis des Erkenntnissprocesses mit specifischer Beziehung auf den
sprechfähigen und zum Gebrauche der Sprache erzogenen Menschen, während Thomas
hievon absehend den Erkenntnissprocess nur als Vorgang im Innern der denkfähigen
< Vgl. Thom. Aq. 1 qn. 13, art. 2: Praeaicta noraina sapiens, bonus etc.) divinam sub.stantiam significant, imperfecte tarnen,
sicut et creaturae imperfecte eam reprae.sentant.
' Occam. Sentt. 1 dist. 2, qu. 4.
' 1 dist. 27, qn. 2 n. qu. 3.
* Vgl. Thom. Aq. Opusc. de differentia verbi div. et lium..: Verbum nostrum est prius formabile qnam formatum. Nam cum
volo concipere rationem lapidis, oportet quod ad ipsum ratiocinando perveniam.
Die Psychologie und Erkenntnisslehee des Johannes Düns Scotus. 433
Seele ins Auge fasst. Daraus erklärt sich weiter die Verbindung, in welche Dans Scotus
die Lehre vum verbum mentis mit der Memoria setzt,' in welcher zusammt dem Bilde
der Sache auch das sie benennende Wort aufgehoben ist und als Vehikel der Wieder-
erweckung des in der Memoria recipirten Bildes dient. Zugleich dient das Wort als
Mittel der Festhaltung einer noch nicht geistig durchdrungenen Saclie im mensclilichen
Denken, und ist in seiner unmittelbaren Gegebenheit der passende Ausdruck für die notio
confusa, während es für das rationell verständigte Denken das Zeichen seiner cognitio
distincta ist. Wir selien also hier das Wort nach seiner Bedeutxmg als Vehikel des
empirischen und rationalen Denkens in der intellectuellen Apprehension natürlicher und
übernatürlicher Dinge gewürdiget; gleicliwie aber das ideale Vernunftdenken überliaupt
dem Intellectualismus des Duns Scotus ferne liegt, so im Besonderen aucli die ideelle
Bedeutung des Wortes als Vehikels der Ergreifung des Erkannten in der Mitte und Tiefe
seines Wesens. Thomas erfasst die Idee des inneren Wortes in dem Grade, als bei ihm ins-
gemein das Idealdenken zu seinem Rechte kommt ; da er nun das Idealdenken überhaupt als
Denken der Wesensformen erfasst, so wird ihm auch die Bedeutung des inneren Sprechens in
der Idee des geistigen Formens und Bildens sich erschliessen.- Da die Idee immittelbar
appercipirt Avird, das innere Wort aber nacli Thomas der fertige Gedanke der intellectiven-
Seele ist, so kann es schon an sich höchstens nur die Bedeutung der im inneren Denken
objectivii-ten Idee haben, wird aber überhaupt mehr vom Begriffe als von der Idee an
sich haben-, das innere Wort ist nach seiner wahren Bedeutung bei Thomas der fertige
geistige Concept der Sache, die der Species impressa entsprechende Species expressa,
die der Intellect denkend aus sich hervorstellt. Desshalb betrachtet er das Wort als
Proles intellectus im Gegensatze zu Duns Scotus, der es als proles memoriae angesehen
wissen will. Der Gegensatz dieser Anscliauungen ist auf den oben beleuchteten Ge'gensatz
der Ansichten über das objectum primum coguitionis zurückzuführen. Thomas lässt das
Wort aus dem anfänglich unbestimmten Allgemeiugedanken des Dinges herausgeboren
werden, für Duns Scotus hat es die Bedeutung des aus dem Intellectus possibilis heraus-
gesetzten actuirten Gedankens, oder der zum actuellen Gedanken gewordenen Passio
animae. An die Stelle des von Thomas cultivirten Wahrdenkens tritt bei Duns Scotus
das Wissen um die Dinge ; das Wort ist ihm nicht die Ausprägimg des Wahrgedankens,
sondern das Zeugniss des in der Seele vorhandenen Wissens vom Objecto. Diese Differenz
in der Auffassung des Wortes reflectirt sich auch nocli in der beiderseitigen Auffassung
des ewigen Gotteswortes, welches nach Thomas der Selbstausdruck der intellectiveS
göttlichen Wesenheit, nach Duns Scotus aber das absolute Product der göttlichen Selbst-
besinnung ist.-^ Demzufolge fasst aucli Duns Scotus das Wort des Ewigen primär als
I Si intellectus posset statin, notificare alteri absque memoria, non assumeret Signum. Seil assumere si-m.m nou est emissio
anhelitus sie vel sie, sed iste sonus sie articulatus est verbum vocale, et sie verbum ima^inal)ile, quocl sibi eorrespondet,
est verbum mentale, quod est quoddam formatum in actu a memoria. 1 dist. 27, qu. 2 (Dp. Paris.).
'- lUud proprie dieitur verbum interius, quod intelligens intelligendo format . . . Quanuliu intellectus ratiocinando discurrit
necdum formatio perfecta est, nisi quando ipsam rationem rei perfeete conceperit: et tunc primo habet rationem verbi.'
Et inde est, quod in anima nostra est etiam cogitatio, per quam signifioatur ipse discursus inquisitionis; et verbum quod
est jam formatum per perfeetam contemplationem veritatis. Ideo perfecta contemiilatio veritatis dieitur verbum. Opusc. de
diti'. verb. div. et bum.
3 Während demnach Thomas Aq. das göttliche Erkennen und Lieben als Principien der immanenten Hervorgänge des gött-
lichen Lebens bezeichnet, nimmt Duns Scotus die Memoria und die Voluntas als die zwei Principien der immanenten
Production in Gott : Sicut memoria perfecta in aliquo supposito divino est principium producendi notitiam sibi adaequatam.
ita voluntas amorem sibi adaequatum et sie amorem infinitum, et per consequens intrinsece in natura divina habeutem esse.
Deulischriften der phil-hist. Cl. XXVI. Bd. ^ , '
434 ''^*''' ^Vkkvhk
S«>ll)stYiM"g«\ii^tMnviiilij;uii^ lUvs ijiittliclu'ii \ atoi-s in ilciii iius ilnii lici \ iti<>t'^;iii<rt'ii('ii Solitu«,
und liisst iloii im fjöttlioliiMi Woi-tt» ausiji's|iri»flu'iu'ii uültlitlicn ( icilaiikcii der <it>alili-
liohoii |-!xistonz«'n mir als sfruiuliii'«' uml inmiotaiivc l><>/.i(>lmnf^ «Icr hmH |l,||i>,i Scilist
ausspniclio golto»,' wäliiviul riumias von ilcm ( iivlaiilvi'n <'iiiff Sfllistaiiss|iratlM' <\rv j^ött-
licluMi luttdli^iMiz ausüftduMnl. von (Jott in seinem lüncn aUsoInten \\ Drle sii-li scilist nn<l
ilio l'ivatnron aus^josproelien wtM-ilen lässt.^ l)(>r (irunti (|<'r scliäiicicn St'lbstabH(li('iiliiii<;
lies güttlirluMi Selhstj^oilankons vnm ii;iittlirl>on (Jeilankon ili-r ("n-aiur licift hei Duns
Scotus in iler scliarfereu BctiMiun^ der ( '»intlnijen/ '\rv Weh. welrlie hei ilnn an ilie
Stolle «ier spceulativen thoniistiseluMi Jdee von der Sidbstdarstcdimif; (Juttes im I nivcisum
tritt. Aueli hebt er entseliiedenst liervor, dass die Lo<foslelire ansseliliesslitli ih'r posiiiven
rheidoüfie anireliöre: die ljoy;osi<iee sei kiMiie viM'nnnttiiotliwendiffe Itlee. die natili lielie
Veruuntt könne ^Yeder das \\ irkh"elis(Mn noeli «las L nnui^lielis(Mii dessen, was die kindi-
liche Gotteslehre unter dem ewi<jf<'n (iottesworte versteht, beweisen.' Wir ersrhcn hieraus.
<las3 die theolugisehe Ausdeutuufi^. weKdie Scotns der Augustinisehen Lehre von ih-r
Memoria gibt, ihn daliin fidirt. die von A<igustinus ges<diart'enen. und von Anseimus'
cultivirten Unterlagen einer sjteeulativen Theologie völlig aufzuheben. Clleiehwohl wäre
es vertehlt, seiner theologisehen L\uistruetion der göttliehen 'i'rinität eine tiefer greifi^nde
Bedeutung für ili>' religiöse Speeulation vollkommen abspreelieu zu wollen; sie ist zwar
ein getreuer Reflex seiner psyehologiscdv-erkenutnisstheoretisehen Anschauungen, strebt
aber entsehieden eine von den Construetionen alexandriniseh-neujjlatoniseher Speculatimi
unabhängige Gestaltung imd Durehbiklung an. die der Llee der göttlichen Absoluthelt
zu ihrem vollen Ixechte verhelfen will, und eine Art Vorahnung einer neuzeitlichen, auf
das eliristliche Trinitätsdogma gestützten speculativen Creationstheorie in sich schliesst.
Die von ihm speciell berücksichtigten speculativen Erklärungen des Trinitätsdogma von
Anselm. Thomas Aqiiinas, Goethals, Gottfried von Fontaines scheinen ihm sämmtlich zu
naturalistisch gehalten zu sein. Die Hervorgänge des Sohnes und des Geistes aus dem Vater
mit dem Hervorgehen des Intelligere und Velle aus dem Seelengrunde zu parallclisiren,
erscheint ihm schon dai'um unzulässig, weil damit der Hervorgang des Sohnes zu einem
actus mere naturalis herabgedrückt w-erde, an Avelchem das Wollen keinen mitbestim-
menden Antheil habe."" Es erscheint ihm ferner als völlig unrichtig, dass durcli die
Production des Wortes das Intelligere des Vaters erst zum Abschlüsse gebracht werden
sollte, wie Gottfried meint: das Dicere ist eben etwas vom Intelligere Verschiedenes,
Igitur voluntas et memoria fecunda SHb propriis ratiouibiis suis principiandi .ilterius rationis maneiit in Deo ad intra.
1 dist. 2, qn. 6 (Op. Paris.).
' Si qnaerahir de nomine verbi, an in sigiiificato nominis iucluditur respectus ad extra V Diccndum quod respectus expressivi
a memoria paterna et respectus declarativi duo sunt, et primus est realis, et secundus est rationis. Si dicatur, quod uterquc
respectus significetur per nomen verbi, tunc nomen est aequivocum ... Si autom alter respectus significetur i)er nomen et
^us respectus connotetur . . . videtur verius, quod respectus realis significetur et respectus rationis connotetur. 1 dist. 27,
qu. 1 (Op. Paris.).
- Cum Dens iutelligat se ipsum et quidquid intelligit, per csscntiam suam, uno actu unicum verbum divinum expressivum
est totius quod in Deo est, non solum Patris scd etiam creaturaruni ; aliter enini esset iniperfectum. Opusc. de difl". vcrb.
div. et hnm.
3 1 dist. 27, qu. 6 (Op. Paris.).
* Siehe Anselm. Monolog, capp. 29. sqq.
'•• Dicendam, quod proprie Pater volens genoit filium, non tantum concomitanter, ita quod productio Filii sibi ]>laceat, sed
voluntate quodammodo antecedente. Quia licet intelligere Patris praecedat velle, velle tamen praecedit dicere, .sicut et
intelligere; quia dicere non est intelligere, sicut spirare non est velle: tamen sequitur ipsum dicere. 1 dist. ß, qu. 2
(Op. Paris.).
Die Psychologie und Eekenntnisslehre des Johannes Düns Scotus. 435
lind das Intelligere als solches ist kein productiver Act.' Noch, tiefer in naturalistisches
Denken hineingezogen erscheint dem Duns Scotus die Ansicht des Goethals, ^ welcher von
der Substantialitas Patris als Quasi-materia des Sohnes spi'icht, da die göttliche Essenz
als formaliter infinita doch vielmehr für den Terminus formalis der (Generation des Sohnes
zu gelten habe.^ Der göttlichen Essenz kann nur Solches zugeschrieben werden, was
der Form eigen ist, nichts von dem, was der Materie zukommt ; es würde sich sonst die
Nothwendigkeit ergeben, eine und dieselbe Materia unter zwei letzten, höchsten Formen,
sub forma generantis imd geniti sich zu denken, was widersinnig ist, während es sicli
ganz wohl denken lässt, dass eine und dieselbe Form zwei Materien zugleich oder nach-
einander informiren kann ; daher auch die göttliche Essisnz zwei Terminis das Esse ver-
leihen kann/ Wenn Duns Scotus hier gelegentlich den Charakter der göttlichen Essenz
als reiner absoluter Form geltend macht, so hat diess einfach nur auf die Immaterialität
und Unendlichkeit des göttlichen Wesens Bezvig, ohne die Absicht, den Gedanken der
absoluten Form irgendwie speculativ verwerthen zu wollen ; ein speculativer Begriff
derselben ist ihm, wie wir sattsam sahen, völlig fremd, fremd daher auch die Idee einer
in der göttlichen Dreieinheit sicli vollziehenden Selbstformirung der göttlichen Essenz
als absoluter Form und lebendiger Urform alles Seienden. Ihm ist einzig um die Wahrung
der in den rein negativen Bestimmungen der Immaterialität imd Unendlichkeit erfassten
reinen Geistigkeit des göttlichen Wesens zu thun; daher seine Abwehr aller .jener Auf-
stellungen, durch welche die in diesem Sinne gefasste Geistigkeit des göttlichen Wesens
irgendwie gefährdet schien. Dahin geliören die Sätze bei Goethals, dass Gott in genere
sei, dass die göttliche Potentia generandi durch die Beziehung auf den Sohn determinirt
sei ; ^ womit die eigenthümliche Erklärung zusammenhängt , welche Goethals seinen
allgemeinen erkenntnisstheoretischen Anschauungen gemäss von der Erzeugung des
ewigen Wortes in Gott gibt.'' Goethals lehrt: Es gebe bloss zwei immanente Actionen
des göttlichen A\'esens, das Erkennen und das Wollen. Intellect und Wille unterscheiden
sich dadurcli von einander, dass sich ihren beiderseitigen Objecten gegenüber der Intellect
passiv, der Wille activ verhält, und demzufolge der Intellect imprimendo, dei- Wille
exprimendo informirt wird. Daraus erklärt sich die von Duns Scotiis' bekämjafte
Behauptung des Goethals, dass dem Worte kein expressiver Charakter, sondern bloss
die Bedeutung einer Notitia declarativa zukomme, wodurch die von Schrift und Kirche
gelehrte Zeugung des Wortes aus Gott undenkbar gemacht werde.* Jedenfalls stehe das
' Nuuquam intelligere perficitur per a.liquod productum, quia non est actus productivus. Verum tarnen est, quod actio de
genere actiouis non perficitur nisi aliquo producto, et ideo Dicere neu est perfectum nisi Verbo producto. Ibid.
^ Summ. Art. 54, iju. 3. — Quodlib. VIII, qu. 9.
^ NuUa entitas simple.K habetur per productionem, uisi sit terminus formali.s illius productioni.s aut contenla in tenuino t"or-
raali. Sed essentia, si non sit formalis terminus, non est contenta in termino formali, quia relatio non continet per identi-
tatem essentiam, quia non est formaliter infinita, essentia vero divina est formaliter infinita. Ig'itur cum essentia non possit
contineri in relatione ut termino formali, sequitur quod ipsa sit formalis terminus. 1 dist. 5, qu. 2 (Dp. Paris.). \
* Forma potest dare esse duabus materiis simul ,sive uni materiae, quam prius non informabat, ut patet in augmentatione . . .
igitur e\ hoc, quod essentia est sub forma relativa in Patre et Filio, non sequitur, quod sit sub utroque termino, sed potius
sequitur, quod forma eadem dat esse duobus terminis. Ibid.
* Quodlib. III, qu. 3; Summ. art. 57, qu. 7.
ö Quodlib. VI, qu. ] ; Summ. art. 54, qu. 10.
' 1 dist. 27, qq. 2 et 3 (Dp. Paris ). — Vgl. auch Op. Oxon. 1 dist, 2, qu. 7.
8 De ratione verbi e.st, quod sit notitia genita seeundum Aug. Trin. IX, c. ult., igitnr verbum includit rationem producti; sed
esse declarativum non dielt rationem producti. Non enim dicit, nisi relationem rationis, quia seeundum Aug. Triu. VII, c. 1.
Verbum dicit se et declarat se, et similiter (ibid. c. 11) Pater dicit se. Relatio autem ejusdem personae .ad se non est reUatio
realis; igitur esse declarativum non dicit relationem propriam verbo. 1 dist. 27, qu. 3 (Op. Paris.).
55*
43G
Kaki. Wkiinkk
.Mvstorium der vwigvn Zouj^uiig in Hott iinvi-niiillclt nclx-ii ilcn von (luctlial.s M»r-
iTetniifencn allgoiiu'inoii Siit/.on soinor llrkt'imtriissthi'oiic : it iuuss, um jciif /.ii cikliii rn,
eine ivln iuitui\ilistist-lu' Austli'iminij; ilorscllM'ii zu llillV lulmirn, ciiicn vom liikcinicii
bogleitoteu Natunlraui,^ «los Zt>ugiMis. wcsshallt aurli clas , lOr/.i'Ujilc clicr Solm als Wort
zu lioissou liab(\ wahiviul dofli nm<::ok(>lirt ilif H«MM'Miiini>r .Wtui' ilcii n-iii j^fisli^oii
Chai'akttM* lios \ \>r>;uni;os (larlt\irt. iiii<l <ltM' riiatsailic /i'Uiriiiss }^il)l. ilass es sicli hici'
nicht um oiu doii liitoUoiM ilott'rniinirLMuU's ^\ irlvcii iln- Natur, sumliMii um ein ilcr jriitt-
HohiMi Natur »Mitsprorliomlos \\ irkmi dos götilielicu luid lc(ii'> haiKlIc. Nach (iucilials
wRro für liott ilio (it'diiukeubtv.ioluiuu: auf den natuniotliwcudifr zu zoujifcuiilou Scdni der
(trund ilor wirklirluMi Krzouiruut!: dossolbou: J<mii> ( ii'daukcubozitdiuufj^ (Mits|iii« lil der
Notitia simplox. \on wtdtduT iufurniirt dtM- Jutollort uaidi (Joctluils ilas dtNlaialivc Wml
aus sich hiM-vorstollt. ' Aber die Bildung ilieses decdarativen M'ortps ist «'in iiii|ii(idu(livci-
Act. und die von (Joothals augouonimonc ilinwiMidung dos Intel Icctus nudus aiil' die zum
Zeugen disponirte Natur eine rein iibcrHüssige Annahme." Das vun (Mictlial.s augciKunmciie
deelarative ^Vort setzt den Sohn oder den bezeugten als bereits vorhanden voraus; aus
seiner l'heorie würde sonach folgen, dass das ^Vort zweimal voriuuidcn sei.'' J)ei- natu-
ralistischen Vorstelluugsweise lässt sich das Mysterium der Zeugung des ewigen \\ Orles
nur dadurch entreissen, dass der Act dieser Zeugung, statt als der einen reinen Nat\ir-
vorgang begleitende Intellectiunsact. vielmehr als Act der Selbstbesinnung gefasst Avird,
mittelst welcher der göttliche Vater das. was er seinem göttlichen Wesen nacdi ist. aus
der Tiet'e seines Wesens hervorholt, um es als Ausdruck desselben aus sich liervor-
zustellen. Gott kann als Selbstbesinnender nur sein eigenes Wesen zum Ausdiuck
bringen, und wird es so gewiss zum Ausdruck bringen, als es Object seiner Memoilu
ist:* in diese Memoria nicht aufgenommen, kann die göttliche Essenz nicht /.um
Gegenstände einer Selbstdeclaration werden.''' daher die auf das blosse Intelligere als
solches sich stützende Hrklärungsart sich als schlechthin unzureichend erweist. Wollte
mau der productiven Selbstbesinnung des Vaters etw-a den göttlichen Intellectus
iafinitiis als Erklärungsprincip des ewigen Gotteswortes sixbstituiren, so würde dieses
Wort nicht specifisch eine Selbstdeclaration des göttlichen Wesens, sondern unter-
schiedlos eine Aussprache alles Seienden, auch des niedersten bedeuten:" und diese
' Der nach Goetlials' Annahme stattliabcnde erkenntnisstheoretische Hergang wird von Duns Scotus (1 dist. 2, fju. 6, Op. Paris.)
in folgender Weise wiedergegeben: In primo instant! intellectus est tantum intellectus. In sec.undo instanti dicitiir natura,
et est ibi simples notitia. In tertio instanti intellectus nudus convertlt se ad ho'c totum. In quarto instanti imprimitur notitia
declarativa.
- Probatnr, quia intellectus cum objecto est principium per modum naturae; ergo non requirit .actum rcflexum siii vel alteriu».
— Item, nihil intclligitnr, quod non esset, si isla convcrsio non esset, quia praesentia objecti non est per hoc sed prius;
neque perfectio potentiae ad agendum et quidquid convcnit per vim activam aliciii, est actio vel ,ili(|ni(l ejus; sed conversio
nee est actio nee aliqnid ejus. 1 dist. 2, qu. 6 (Op. Paris.).
' Xotitia essentialis in Patre non est ratio gignendi verbnm Si ita esset, ergo «M.icnt ibi dno verba, quia verbum expres-
sive declarat illnd objectum, quod est exi)res3ivum vel exprimens ipsura. Sed per intcUectionem actualem est essentia nat.i
esse dcclarata: ergo prius est declarata ante intellectionem actualem. Ibid.
* Essentia est aliqnid paternae memoriae, quia est primum dcclarabile et ideo ex])ressiva notitiae declarativae tanquam |jrin-
cipitun formale exprimendi; unde essentia ut e8.sentia vel est memoria vel aliquid memoriae, quia memoria est intfllectus
h.abens objectum vel essentiam sibi praesens. Ibid.
5 Essentia. ut distingiütur a memoria. nuUam actionem habet, quia primam actionem habet ut est memoria, et universaliter
omnis natnrae intcllectualls prima operatio est ejus ut habet meraoriam; quia prima operatio talis naturae est intelligere,
qnod est a memoria. Ibid.
'■ Qnod essentia concurrat ad completam rationem memoriae, et non solum intellectus infinitus patet ex hoc, quia alias verbum
divinum esset verbum lajiidis sicut verbum esscntiae; quia intellectus divimis inBnitus intelligit lapidem, sicut intelligit
essentiam suam. Ibid.
Die Psychologie und Erkenntnisslehre des Johannes Duns Scotüs. 437
Aussprache wäre als blosses Erkennen natürlich iinpruductiv. Umgekehrt vertritt Duns
Scotus gegen Goethals die Sufficienz des göttlichen AVillens als einer Voluntas infinita zur
Production des heiligen Geistes ohne die von Goethals geforderte Concomitanz der göttlichen
Essenz als Productionsprincipes/ und erklärt sich insgemein dagegen, die immanenten
Productionen des göttlichen Wesens aus der Essenz als solcher, statt aus den Proprietäten
der Essenz als absoluter geistiger Wesenheit erklären zu wollen." Dieser liecurs auf die
Essenz allein als Productionsprincip erscheint ihm als jene naturalistische ßehandlvmgsart
der Gotteslehre, gegen welche er in jeder Weise principiell ankämpft. Duns Scotus glaubt
weiter noch es als eine unzulängliche, nicht ins Wesen der Sache dringende Auf-
fassungsweise an Goethals bemängeln zu müssen, wenn' derselbe die von ihm behauptete
Voluntarietät in der Production des heiligen Geistes schon damit erhärtet zu haben meint,
dass dieser im Gegensatze zum Modus agendi impressivus, mittelst dessen das Sein des
Sohnes causirt werde, durch einen Modus agendi expressivus producirt werde. Dass Duns
Scotus diese Weise, den Unterschied zwischen natürlicher und willentlicher Hervor-
bringung in Gottes immanentem Leben zu erklären, unzulässig finde, haben wir oben
vernommen; hier erübriget noch zu sagen, dass der von Goethals für die Production
des heiligen Geistes beanspruchte Modus agendi expressivus durchaus nicht die Volun-
tarietät dieser Production charakterisire, da die Voluntarietät nicht etwa schon durch die
Abwesenheit einer ausser dem Agens gelegenen Bestimmungsursache erhärtet sei, son-
dern in der specifischen Art der Bethätigung des Actionsprincipes sich zu bekunden
habe.'' Das Wesen des Willentlichen besteht darin, etwas Gewolltes zu sein, und in
diesem Willen seinen unmittelbaren Grund zu haben, gleichviel ob der Wille ein noth-
wendiger oder zufälliger Wille sei. Ein solcher nothwendiger Wille ist in Gott luu-h für
die Erzeugung des Sohnes vorauszusetzen, und erhebt dieselbe über den Charakter eines
Vorganges aus blosser Naturnothwendigkeit,* welchen sie bei Goethals' hat, wenn er den
Sohn aus dem Vater wie Feuer aus dem Feuer hervorgehen lässt. Aber auch die noth-
wendige Liebe Gottes zu sich selber will Duns Scotus übei- den Charakter einer blossen
' Voluntas diviua habeus casentiam divinam summe sibi praesentatam et .Hiigibilen, est pniicipium j.ru.luceiidi amorem adaequa-
tum sibi et illi objectu. Potest amare illud ubjectum amore infiiiitu, quia objeetuin est infinitniii et voluntas siiniliter est
infinita. Est i^tur jjrincipium communicandi amorem infinitum et per cousequens essentiam divinam, quia nihil formaliter
est infinitum, nisi illud quod est idem essentiae divinae formaliter. 1 dist 10, qu. I (Op. Paris.).
2 Auf den Einwand, wessbalb Denken und Wollen in geschaftenen Geistwesen nicht productiv seien, wird erwiedert: In
creaturis ideo proprietas non est principium communicandi naturam, quia est imperfeetior natura ipsa, quae communicatur.
nee natura dat proprietati rationem principiandi. Sed si eadem natura daret proprietatibus perfectam rationem operandi et
agendi, tunc proprietates haberent rationes principiandi In creaturis intellectiis et voluntas sunt quidem idem cum
essentia animae .... non tarnen sunt aeque perfectae cum essentia in operando et agendo. Unde essentia non dat eis
perfectam rationem jirincipiandi, quia operatio et actio eorum est accidentalis, quia est operatio immanens, et ideo actio
eorum non terminatur ad naturam communicatam. Sed proprietate.s divinae sunt aeque perfectae in essendo et operando,
cum essentia et productioues earum sint eis consubstantiales; et ideo po.ssunt termiuuni aeque perfecte communicare.
1 dist. 2, qu. 6 (Op. Paris.).
3 Modus agendi uaturae non distinguitur a modo agendi voluntatis, quod agens naturale agat per impressionem, voluntas non;
quia tunc, modus agendi naturae non distingueretur a modo agendi voluntatis Non enim quaeritur de priucipio
activo comparatione ad passum, sed per comparationem ad suam actionem. Igitur dato, quod natura ageret per impressionem,
vel uon, adluic restaret quaerere modum suum agendi proprium, quo distinguitur ab ente libero. 1 dist. 10, qu. 3 (Op. Paris.)!
> Pater volendo produeit Filium .... voluntate antecedeute. quoniam Pater praecedit Filium et generationem ejus prioritate
originis. In illo priori est beatus, non tarnen generatione Filii est beatus, nee exspectat generationem Filii, ut sit beatus,
ergo ante generationem Filii est beatus. Sed non est beatus nisi intelligendo et volendo essentiam suam; ergo ante genera-
tionem Filii vult et intelligit essentiem suam, sed non solum ut essentia est, sed ut commuaicanda Filio. Aliter enim nou
omni modo perfectionis eam intelligeret. 1 dist. 6, qu. •> (Op. Paris.).
' Summ. art. bS, qu. 2.
^■^^ Kaki. VVkknkk Um PsYtHüi.onii; ink Kkkknmnisslkhrk oks .Iohannks Dins Sivti'h.
^atunloTll^v<■u.li^k,•il ,«rli..lu-ii w isst-ii. uii.l Ix-kanipli .U«»l.all. al.cniials ,li,' licliauplim-.
(los lii)t>tluüs. .liiss ,V\v Nutliwfiuliirk.'it. .lir im WCIKmi «K-s absolutcMi (iul.-s li.>o(.. liir
liott mit «Miier '/wtMti'ii Ni)tli\vtMi<li>rk.«it siili \ .Tiiosollsrliarif in j. iicm iminaniiiicn
Lt4)tMisju-t«\ in woU-lu'iM sirli .li.' Lielu> (Jottos /u sii-li selbst aU al>solutom (Jiiti' bozoiigt
)m<l aus.lrik-kt. d. i. in tliT IVo.lm-tiou .Ics li.Mliircii (icistivs.' huus Si-otiis bivstivitot das
Substrat -licsiM- Hehauptung. niimlirli «lio Naturnotliwcmligkcit <\cv Liobo /.um al.solut<Mi
(Jvit(\= und bogrUiidot .lit> Notliwi-iidigkoit der absoluten Li«>b.> (iutlcs /ii sich «olbsl aus
der absoluten VoUkommeidieit .les göttlieliei. \Vill,M.>. d.M als absolut vollkommenster
das absolut Heste li<>beu muss. Ob aber dieses absohit nothwendige Widleii (Jottes iii.ht
irleiehtalls ein naturnotlnvemliges ^Vollen sei, ob ni.l.t (iberl.auvt .i«>de s])eeulaiiw.
Heleuetitunir der Lebensvi)rirünire in (Jott etwas von d.-m. \vas J)uns Seotus als Naturalis-
mus i.erh..r"reseirt, an sieh iiaben müsse, ist eine andere Frage, auf welche die Antwort
in. Voraus für .leden feststeht, <lcr da weiss, dass das göttliehe S.'in und Wesen dir in.
ereatürliehen Sein und Leben auseinandergegangenen (legensiit/.e von (Joist und Natur,
Freiheit un.l Nothwendigkeit in sieh aufgeln)ben trägt und -lie absolute Finignng der-
selben in sieh darstellt.
' 1 dist JO, qn. 2 (Oy. Paris.).
' Vgl. nach Op. Oxon.: I di»t. 1. i|ii. 4.
I
Zu der in Bd. XXV der Denksclirifteii enthaltenen Abhandlung über den Entwickelungsgiing; der mittel-
alterlichen Psychologie sind folgende Berichtigungen nachzutragen:
Seite 84, Anm. 1, letzte Zeile rete statt recte ;
„ 117, Zeile 17 von oben Verständniss statt Verhältniss ;
„ 143, , 19 von unten emanatianistisch statt emanationistisch;
„ 145, „ Bindern statt dass.
(_Die entsprechenden Seitenzahlen im Separatabdrucke sind SS. Iti, 49, 75, 77.)
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0
^gmOiWG SECT. j üL 2 5 1977^
AS Akademie der Wissenschaften,
-L4<: Vienna. Philosophisch-
es Historische Klasse
Bd. 25-26 Denkschriften
7
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