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DENKSCHRIFTEN
DER
KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN,
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
58. BAND.
MIT 197 ABBILDUNGEN IM TEXTE.
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V I
WIEN, 1915.
IN KOMMISSION BEI ALFRED HOLDER
K. D. K. HOF- UND UNIVEESlTATS-ßUCJIHANDLER
BUCUHÄNDLEK DER KA ISEKLICilEN AKADEMIE DEE WISSENSCII A FTEN.
Druck von Adolf Hohhausen,
k und k. Hof- und UnivorfitlUs-Buclidrucker in Wien.
INHALT.
I. Abhandlung. Adolf Grohmann: Göttersymbole und Symboltiere auf sü dar abi sehen
Denkmälern. (Mit 197 Abbildungen im Texte.)
II. Abhandlung. Constantin Jirecek: Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen
Serbien. Studien zur Kulturgeschichte des 13. — 15. Jahrhunderts. Dritter Teil.
III. Abhandlung. Leopold von Schroeder: Herakles und ludra. Eine mythenver-
sifleichende Untersuchung. Erster Teil.
IV. Abhandlung. Leopold von Schroeder: Herakles und Indi-a. Eine mythenver-
gleichende Untersuchung. Zweiter Teil.
DENKSCHRIFTEN^
DEK
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN
PHILOSOPHISCH -HISTORISCHE KLASSE,.
58. BAND, 1. ABHANDLUNG.
GÖTTERSYMBOLE UND SYMBOLTIERE
AUF
SÜDARABISCHEN DENKMÄLERN
VON
D" ADOLF GROHMANN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 22. OKTOBER 191,S.
WIEN, 1914.
IN KOMMISSION BEI ALFRED HOLDER
K. U. K. HOF- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER
BüCHBÄNDLEli DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORWORT.
Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Ent-
stehung einer Anregung meines verehrten Lehrers,
Hofrat Prof. Dr. D. H. v. Müller. Dr. Otto
Weber hatte einen Sonderabdruck seines Auf-
satzes ,Göttersynibole auf sUdarabischen Denk-
mälern' an ihn geschickt und D. H. v. Müller
übergab ihn mir mit der Aufforderung nachzu-
sehen, was sich aus dem Nachlasse E. Glasers
zu den von O. Weber erschlossenen Ergebnissen
nachtragen ließe. Die genaue Durchsicht dieses
nicht nur, sondern auch alles dessen, was bis jetzt
an südarabischen Inschriften veröffentlicht worden
war, ergab ein Material, auf Grund dessen die
von 0. Weber aufgeworfeneu und teilweise auch
gelösten Fragen und Probleme von einem weiteren
Gesichtspunkte aus betrachtet werden konnten,
als es 0. Weber möglich war, dem E. Glasers
Material nur teilweise zugänglich gewesen. Um
so größere Anerkennung aber wird die Wissen-
schaft der scharfsinnigen Entdeckung 0. Webers
zollen müssen, der zuerst in seiner Arbeit die Be-
deutung der südarabisclien Zeichen \, V) fn. Äi
der Lanzenspitze, des Stierkopfes und Drachen
als Göttersymbole richtig erkannte. War auch in-
folge des fehlenden Materials manches unerkannt,
selbst verkannt geblieben, die Bahn für die richtige
Beurteilung dieser Zeichen hatte 0. Weber ge-
wiesen. — E. Glasers Material — es konnten mehr
als 200 Inschriften, darunter manche bis jetzt
unbekannte herangezogen werden — gab nicht
nur für den inschriftlichen Befund manchen neuen
Fingerzeig, die vorliegenden Abklatsche ließen
auch das Gegenständliche der Symbole in anderem
Licht erscheinen, als die gelegentlich irreführenden
skizzenhaften Zeichnungen in E. Glasers Tage-
büchern. Es war nun meine erste Sorge, für die
Form der Zeichen vor allem die Abklatsche in
getreuen Kopien und Photographien heranzuziehen
und nur dann, wenn ein Abklatsch nicht vor-
handen war, die Kopie in E. Glasers Tage-
büchern zugrunde zu legen. So konnte die Ur-
form zum Totschläger — den 0. Weber für ein
Zwillingsdämonensymbol hielt ■ — gefunden, das
Blitzbündel und der Doppelgriffel mit seinen ba-
bylonischenYerwandten verglichen werden. Außer-
dem ergab sich eine Reihe neuer Symbole: aus
den schon bekannten Halevyinschriften die Feder-
krone, aus E. Glasers Nachlaß das Kreuz, ]\Iond-
sichel und Scheibe, die Hand, der Stern, bzw. die
Sterne, das Tor, der Stierkopf mit dem Donner-
keil, beziehungsweise BlitzbUndel und Donnerkeil.
Es gelang, fast alle diese Symljole mit den ihnen ent-
sprechenden babylonischen Symbolen zusammen-
zustellen. Wie sich diese Symbole auf die drei
Sprachgebiete von Saba, Ma'in und Katabän ver-
teilen, ergibt sich aus der am Schlüsse der Ar-
beit stehenden Tabelle.
Außer dem Gegenständlichen war meine
Hauptarbeit der Zuweisung der Symbole an die
einzelnen Götter des südarabischen Pantheons ge-
widmet. Hier war vor allem der inschriftliche Be-
fund maßgebend, nach dem mit Mayer-Lambert
das Totschlägersymbol dem 'Almakah, mit O.We-
ber die Speerspitze dem 'Attar zugesprochen
wurde. Im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen
0. Webers konnte Blitzbündel und Doppelgriffel
dem 'Almakah, das Tor dem 'Attar, die übrigen
Symbole erst jetzt auf Grund dieses Befundes den
einzelnen Göttern, die sie vertraten, zugewiesen
werden. — Hiezu kamen noch die Symboltiere, wie
Steinbock, Antilope, Stier, Pferd, Adler, Schlange,
Drache, Löwe, Sphinx, die sich nach dem in-
schriftlichen Befunde den einzelnen Göttern zu-
teilen ließen, deren Bedeutung aber nur 0. Weber,
der den Drachen dem Sahar zuwies, und teil-
weise auch D. Nielsen erkannt hatten.
Hof rat D. H. v. Müller, der meiner Arbeit
auch in den schweren Tageu seiner Krankheit
manch teilnehmendes Wort gewidmet hatte, konnte
deren Durchsicht nicht mehr selbst übernehmen;
1*
Vorwort.
sie wurde nun an Herrn Prof. Dr. X. Rliodüka-
nakis übertragen. Ilim verdanke icli manche
neue Anregung: er hat au meine bescheidene Ar-
beit viel Muhe und Zeit gewendet und zu ihrem
Ausbaue manches beigetragen. Ihm sei von gan-
zem Herzen Dank gesagt. Auch Herrn Professor
R. Heber dey in Graz schulde ich für seine
freundliche Auskunft zur gegenständlichen Seite
des Totschlägersymbols wie für den Nachweis
mancher Parallelen aus der klassischen Archäolo-
eie vielen Dank. Der südarabischen Kommis-
s i 0 n der Kaiserlichen Akademie der "Wissenschaften
in Wien aber verpHichtet mich die Auszeichnung,
nicht nur mit ihrer gütigen Erlaubnis das Gla-
sersche Material benützen und veröffentlichen zu
dürfen, sondern auch durch sie der Sorge um
die kostspielige Drucklegung enthoben worden
zu sein. Dafür gebührt ihr nicht nur mein tief-
gefühlter Dank, sondern auch der Dank der
AA'issenschaft, der sie neues südarabisches Mate-
rial zugänglich macht. Endlich sei auch noch
Herrn Prof. Dr. H. Schrader für die gütige Er-
laubnis, einige Stücke aus dem kuusthistorischen
Hüfmuseum in meine Arbeit einbeziehen zu dürfen,
sowie Herrn Dr. J. Banko für sein Entgegen-
kommen beim Photographieren dieser Stücke,
Herrn Direktor Regierungsrat F. Heger für die
Überlassung eines Stücks aus dem naturhistorischen
Hüfmuseum in Wien, das Herr Dr. V. Christian
für mich zu ])hotographiereu die Liebenswürdig-
keit hatte, sowie der Direktion des archäologischen
]\luseums in [Marseille, Herrn Dr. E. A. AVallis
Budge am British Museum und Sr. Exzellenz
Halil Edhem Pascha in Konstantinopel für die
freundliche Überlassung von Stücken ilirer Samm-
lungen zur Veröffentlichung herzlich Dank gesagt.
Durcli die Lesung je einer Korrektur haben
mich die Herreu Professoren Dr. M. Bittner,
R.Geyer und N. Rliodokanakis zu Dank ver-
pflichtet.
Dr. Adolf Grohmann.
A) Göttersymbole.
a) Sabäische und katabanische Symbole.
öchon auf den ersten Deukmälern, die aus
Südarabieu nach Europa kamen, fanden sieh ge-
legentlicli Zeichen, die den ersten Entzifferern
dieser Inschriften uuerklärhcli Ijheben. Daß man
einen Teil dieser Zeichen von vorne lierein niclit
als Buchstaben deuten konnte, wie z. B. \, sali
man ein. Soweit man nun der Schwierigkeit nicht
stillschweigend aus dem Wege ging, suchte man
sich dadurch aus der Verlegenheit zu helfen, daß
man auf ein Ornament riet,' ja mau dachte sogar
daran, daß das Zeichen dazu dagewesen sei, den
Anfang der Inschrift zu bezeichnen,^ eine schon an
und für sieh nicht sehr glückliche Erklärung.
Endlich versuchte man, eine Zeichengruppe, f„,
als Monogramm zu deuten und mit der Familie
der Halilier in Zusammenhang zu bringen.^ Mit
größerem Erfolge beschäftigte man sich mit der
Deutung der Tierfiguren und wenn dabei auch
gelegentlich danebengeraten wurde, so sind hier
doch z. B. die Vorarbeiten E. Oslanders auch
heute noch von Wert. Die Tiersjmbole und Svm-
boltiere waren es auch, die zusammen mit dem
Handsjmbole in D. Nielsen einen berufenen Er-
klärer fanden, nachdem sich auch F. Hommel be-
reits gelegentlich zu diesen Fragen geäußert hatte.
Alle Zweifel am Syrabolcharakter der frag-
lichen Zeichen wurden erst gegenstandslos, als
0. Weber im Hilprecht AnniwrsaryVolume (Leip-
zig 1909) in seinem Aufsatze , Göttersymbole auf
südarabischen Denkmälern' klar darlegte, daß man
in jenen Zeichen Göttersymbole zu sehen habe.
Unter Heranziehung babylonischer Symbole ver-
suchte 0. Weber auch auf das Gegenständliche
einzugehen, identifizierte mit glücklichem Griff die
Lanzenspitze Marduks mit dem gleichen Symbole
des sabäo-minäischen 'Attar, brachte den sabäi-
schen Drachen, den er zum ersten Male auf dem
Bulawayosteine erkannte, mit dem babylonischen
in Zusammenhang und wies dem minäischen Gotte
Wadd die Schlange als Symbol zu. Weniger glück-
lich war seine Zusammenstellung der beiden sa-
bäischen Symbole \^ und \, sowie des minäi-
schen Y\ ™it "ißi^ babylonischen Zwillingssymbolen
und gezwungen die Auffassung von Wadd und
Nkrh, bezw. 'Attar Du Kbd'" und 'Attar Du Ihrk
als Zwillingsgottheiten. Besonders bei 'Attar Du
Kbd'" und 'Attar Du Ihrk ist dies schwerlich der
Fall. Die Beinamen Du KbcJ'", bezw. Du Ihrk sind
wohl nur als Hinweise auf den Tempelbezirk auf-
zufassen, in dem oder für den dem Gotte die Wid-
mung dargebracht, bezw. iu dem er verehrt wird.*
Ich erinnere an Namen wie 2oy,veßTuvi; Sbk in Neb-
tynis und Soz,v'jva!0(; Sbk, Herr der Insel. Schon
Mayer-Lambert, der jetzige Herausgeber des
C<ir]>us Inscriptionum Himjariticarum, hatte seiner-
zeit zu CIH 366 seine Bedenken gegen die letzt-
genannte Auffassung 0. Webers geäußert und
sich auch dagegen ausgesprochen, daß das minäi-
sche Symbol J^ eine andere Form des \ sei. Er
gelangte zur Auffassung, daß die Symbole 1=1 und
\ dem Gotte 'Almakah, nicht Zwillingsgöttern, an-
gehören, eine Auffassung, die im folgenden des
näheren begründet werden soll ; er hält aber das
Y in \ für ein Symbol 'Attars, was nicht richtig ist.
Inzwischen i.st durch das Glas er sehe Mate-
rial, das nun in seiner Gänze zur Untersuchung
' So für \ J. H. Mordtm.inn, Wiener Numism. Zeitschrift XII, p, 300. Catalogue sommaire p. 34, Note 1.
"^ E. Osiander, ZDMd 19, p. 274 zu Os. 34.
= So E. Glaser. In seinem Tagebuclie XI (Märiber Reise, p. 69 [Gl. 522]) bezeichnet er jedoch das Symbol als Schreiber-
zeichen. Vgl. auch den Versuch D. H. Müllers (ZDMG 37, p. 391) das Zeichen als rn = ODirä zu deuten. G. H. A. v. Ewald,
der erste, der sich mit den beiden Zeichen beschäftigte, glaubte, sie seien dazu da, den Leser der Inschriften wegen der mög-
lichen Unsicherheit des Anfangs auf die rechte Spur zu leiten; s. seinen Aufsatz ,Über die himjarische Sprache', A. Hoefers
Zeitschrift für die Wissenschaft der Sprache, 1840, I, p. 300.
* Anders faßt W. Fell, ZDMG 54, p. 238 ff. diese Beinamen auf; vgl. dazu Otto Weber, Studien zur südarab. Alter-
tumskunde (ilVAG VI, 1901) II. p. 5 f. (65 f.) und M. Lidzbarski, Ephem. I, p. 226.
1. Abhandlun'g: Adolf Guohmann.
herangezogen werden konnte, ganz abgesehen von
den bereits edierten südarabischen Inschriften,
eine breitere Basis gegeben, von der aus ich eine
erfoigreielie Untersucliung der mitunter verwickel-
ten Probleme, welche die sUdarabischen Sym-
bole stellen, unternehmen durfte. Dabei ergaben
E. Glasers Kopien und Abklatsche nicht nur eine
Anzahl neuer Symbole, sondern manches konnte
erst jetzt richtig erkannt und gewertet werden.
Für die gegenständliche Seite haben sich
die letzten Ausgrabungen im vorderen Orient, l)e-
sonders die E. de Sarzecs in Tello, wertvoll er-
wiesen, und so kommen die Fortschritte der alt-
orientalischen Archäologie auch der Untersuchung
der sabäischen Symbole zugute.
In der Reproduktion der Symbole wurden,
soweit nicht die wenigen vorhandenen Originale in
Betracht kamen, meist E. Glasers Kopien aus
seinen Tagebüchern in Bausen wiedergegeben, wo
dies aber nur irgendwie möglich war, der vorhandene
Al)klatschphotograi.hiert fGl.301, 1083, 1153, 1209,
1234,1316,1422.1527,15,^1,1550,1052,1049,1728),
oder bei zu schlechtem Erhaltungszustande das
Symbol durchgebaust (so von \ Gl. 425, 15a3, 1572
und dem Yehaaltare, von \4 Gl. 1139, von der Hand
Gl. 1724) und wo dies aus räumlichen Rücksichten
nicht statthaft war, in verkleinertem Maßstabe
nachgezeichnet (so von \ Gl. 1551, von f„,bzw. Y
Gl. 1000 B, 1109, 1158, 1302, 1529, 1550, 1558—60,
1641, 1698, von Mondsichel und Scheibe Gl. 1111,
1426, 1652, 1747, vom Steinbock Abb. 129). Bei l)e-
i-eits publizierten Inschriften wurde die Reproduk-
tion wiedergegeben, entweder nach einer Photogra-
phie der betreffenden Tafel oder naah einer Bause.
Der Totschläger.
Das Symbol \ ist eines der formreichsten
sabäischen Symbole. Der Formenreichtum wird
verständlich, wenn man bedenkt, daß sich dies
Symbol von der Jlukarribperiode (nach O.Weber'
ca. 750 bis 500 v. Chr.) bis in die ersten nach-
christlichen Jahrhunderte erhalten hat. Zu Be-
ginn der Inschrift hat es meist die Richtung von
links oben nach rechts unten ; die Ausbuchtung
nach links fällt in die obere Hälfte, eine Art
Knie nach rechts in die untere Hälfte des Zei-
chens. Die Formen des Symbols lassen sich in
fünf Gruppen gliedern, in die sich die Inschriften,
die das Symbol tragen, in nachstehender Weise
einordnen.
I. G r u p p e.
Die Zeichen dieser Gruppe stellen sozusagen
nur die leere Form dar, die die Gestalt des Sym-
bols bloß schematisch wiedergibt.
n r
Abb. 1. Totschlägersymbol auf Gl. 42.').
Rechts von Gl. 425 (Abb. 1, aus der Stadt
Märib) neben der ersten und zweiten Zeile. Das
Symbol ist ebenso wie das links stehende Jlono-
gramm in ein Viereck eingeschlossen und en relief
gearbeitet. Wie aus dem Abklatsch zu ersehen
ist, war das Syml)ol am Stein teilweise beschädigt.
Die Inschrift enthält eine Weihung an 'Almakah,
den Herrn von Hrn" (l]H>TI1°nia'I]Vh>I] hO-^),
der auch am Schlüsse der Inschrift angerufen wird
(i]h>Tii°niY^i]ihn).
a b c d e f g
Abb. 2. Totschlägersymbole auf sabäischen Inschriften :
a Gl. 487, h Os. 17, c Gl. 1049, d Mackell Nr. 2, e Hai 172,
/ CIH 383, g Gl. 1551.
Rechts, neben der ersten zerstörten Zeile von
Gl. 487 (Abb. 2a, auf dem Kapital einer Säule
am Wege vom Haram Bilkis zum Dorfe Märib).
Wie die Inschrift f]f]I]TimWH°§?MWXTnHl] W
, Altar der Sij)pe It'n- für Du Gmm""^ zeigt, steht
das Svmbol auf einem Altare. Daß wir es hier
' Studien zur 8üdar.ib. AltertunisUundc I (MVAG VI, 1901), p. 22.
» Beziehungsweise des Familienhauptes: vgl. Mordtmann, Ueiträge zur min. Epigr., p. 72—74 und M. Hartman n,
Die arabische Frage, p. 220. ' Vgl. Prid. XIII.
GüTTERSYMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHBN ÜENKMÄLERN.
mit einem sakralen Gegenstände zu tun lialjen,
bemerkte auch schon Glaser (im Tagebuch XI,
p. 58), der die Säule für eine Opfersäule hielt,
,weil oben ein Ausfluß angebracht ist und eine
Stelle für das Öl'.i
Der Altar gehörte vermutlich einst mit zum
Tempelkomplex des Haram Bilkis. Genau die-
selbe Form des Symbols findet sich rechts neben
der Inschrift Gl. 482 = Arn. 54 (von der Süd-
seite des Ilaram Bilkis), die von Arbeiten am
Tempel des 'Almakah berichtet. -
Links unten, neben der letzten Zeile von
Os. 17 = CTH 86, Abb. 2 b (Bronzetafel aus 'Am-
rän), einer Votivinschrift an 'Almakah. Die Stel-
lung des Zeichens ist hier dieselbe wie zu Beginn
der Inschriften (| H>YH I «V^fll h I ®?h^V)-
Rechts von der ersten Zeile der Altarin-
schrift ohne Gottesnamen Gl. 1049= Hofmus. 23
(Abb. 2 c aus Märib).«
Rechts von der Altarinschrift ohne Gottes-
namen, Mackell (Bird) Nr. 2 (Abb. 2d) (aus der
Gegend von Märib).*
Rechts, neben der ersten Zeile von Hai. 172
= GIH 403 (Abb. 2e) (aus el-Hazm Hamdän, im
mittleren Gauf). Die Inschrift ist eine Weihiu-
schrift an 'Almakah (| )t^^\ loH | Y"^I]1h I TH-^V)-
Rechts, neben der ersten Zeile von CIH 383
(Abb. 2/). Diese in sehr altem Duktus en re-
lief gearbeitete Bustropheduninschrift
enthält eine Weihung au 'Almakah
Rechts von der ersten Zeile
der Bustrophedouinschrift Gl. 1551
(Abb. 2 g, aus Ragwän ed Duraib), die
eine Weihung an "Almakah enthält
CY'i'tllh I ?H'i'Y)i sowie in derselben
Form ober der ersten Zeile der
Bustrophedoninschrift Gl. 1565 (aus
el-'Asähil), in der kein Gottesname
vorkommt.
Außer auf Stein- und Bronzedenkmälern findet
sich diese Symboltype in der Form wie Abb. 2a
>1
/,
Abb. 3. Sym-
bole auf sabä-
ischen Mün-
zen laScblum-
berger 13 (Pa-
ri.s), h Head I 5
(London, Brit.
Mus.).
auch auf himjarischen Ällinzen. jedoch in Spie-
gelstellung,^ und zwar allein (Abb. 3 h) auf
Head 15^ oder mit Blitzbündel und Doppel-
griffel (Abb. 3 a) auf dem Revers der Schlum-
bergeri sehen Münze Nr. 13.'
Besonders häufig sind aber auf ]\Iüuzen die
Formen Ahh. 2 f,g vertreten: bald in der Stellung
wie zu Beginn der Inschriften (vgl. oben Gl. 1551),
bald in Spiegelstellung ; teils allein, teils neben
dem Blitzbüudel- und Doppelgriffelsymbole. Auch
liegend (unter dem Monogramme) kommt das
Zeichen vor.* Ich führe als typisch folgende Bei-
spiele an : Abb. 4 a — /;, und zwar entspricht
d
f
Abb. 4. Totsclilägersymbole auf sabUischen Münzen.
Abb. 4a... Hofmus., Gruppe III, 1 (D. II. Müller,
Südarab. Alterth., p. 69 und Taf. XIV, 15);
am Revers in Sjjiegelstellung neben dem Mono-
gramm.
Abb. 4b ... B. V. Head 7 (^Num. Chron. NS.,
Vol. 18, PI. XIII. 7), auf dem Revers rechts
unter dem Monogramm.
Abb. 4c . . . Dr. Imhoof Blumer, B 1 (D. H.
Müller, a. a. 0., p. 75), auf dem Revers links
vom Monogramm.
Abb. 4 d . . . Hofmus., Gruppe V, 5 (a. a. 0., Taf.
XIV, 26 vgl. Abb. 70 c), auf dem Revers
neben dem Kopfe.
Abb. 4 e . . . B. V. Head 6 (a. a. 0., Vol. 20,
PI. XV, 6), auf dem Revers rechts unter dem
Monogramm.
Abb. 4 f. ... G. Schlumberger (a. a. 0., Taf. I,
10). am Revers in Spiegelstellung, links neben
Blitzbündel und Doi>pelgriffel.
Abb. 4 g und h . . . G. Schlumberger (a. a. 0.,
Taf. II, 21. 25), am Revers unter, dem Mono-
' Vgl. auch E. Glaser, Mürib im Jemen (.Sanimluiig E. Glaser I), p 46a unten, 137, Note 2. ^
* Vgl. Gl. 483 = CIH 373; E. Glaser, Märib im Jemen, p. 46, 138.
' Vgl. D. H. Müller, Südarabische Ältc-rtbümer im Kunsthist. Hofmuscum, p. 44; vgl. F. Hommel, Aufsätze und
Abhandlungen, p. 184.
* Vgl. Journ. of the Bomb.iy Brauch of the Koy. Asintic Soc., Vol. II, p. 3.->, Taf. IV. — F. Hommel,
5 So nenne ich im folgenden der Kurze halber die meist ihrem .symmetrischen Gegenbild (am Ende d
zukommende umgekehrte Richtung- des Zeichens. Zu ähnlichen Erscheinungen im Wappenstile vgl. van Ber
p. 19; M. Lidzbarski, Ephemeris I, p. 115.
« Num. Chron. NS., Vol. 18, PI. XIII, 15.
' Le tresor de $an'ä, PI. I, 13.
» Z. B. Hofmuseum, Gruppe III, 7 und VII, 1; Ü. H. Müller, a a. 0., p. 6'.), 74.
ehrest., p. G7.
er Inschrift)
cliem, Auiidai
8
I. Abhandlung: Adolf (Jrohmann.
Interessant ist, daü ilie in dieser Clruppe vei--
tretene leere Form des Symbols sich unter den
minoischen Zeichen findet, und zwar in der
Stellung und Ausführung- Abb. 5. Im
Catalogue of thc hierogl>iihical Signs
jribt A. J. Erans' unter Nr. 115 die
nebenstehende Zeichnung nebst drei
offenen Formen desselben Zeichens, auf
die später zurückgekommen werden
soll. Evans bemerkt zu diesen Zeichen
folgendes: ,Tvpc n witli the closcd ends
Abb. 5.
Miiiniscbc
Hiero-
glyphe.
seems to he the niost perfect form of this sign.
Its meaning is euigmatic though the specks
witliiii recur in the case of the „grain jar" the
..silphiuui fruit" the disk (No. 52) and else-
where . . . What nppears to be a later version
of this sign with its parallel zigzags generally
reduced to mere s- shaped forms and with tlie
intervening dots omittod recurs in both the linear
classes.' Auf die gegenständliche Seite dieses mi-
noischen Zeichens möclite ich später einzugehen
versuchen (vgl. p. 12 f.).
IL Gruppe.
Das Unterscheidende von Gruppe I bildet der
Mittelstrich, der quer durchgezogen ist.
Links am Ende der fragmentarischen Zeile
(und der Inschrift) Ol. 491 (Abb. 6 er, aus Märih,
auf einem Steine, den E. Glaser als Opfer- oder
Olstein auffaßt).
a b c d e
^ f
Abb. 6. a — c Totsciilägeisj-mbole auf sabäischen Inschriften
und Münzen: a Gl. 491, h Gl. 4, c CIH 378, d auf der
Münze Ilofnius. V 1 — 2, e von den Münzen Berlin 195, 220,
221, /, g niinoische Zeichen auf Tontäfelchen.
Rechts von der ersten Zeile am Anfang von
Hai. 10 = Gl. 4 (Abb. 6 &, aus Sana) = CIH 4,
einer fragmentarischen Bauiuschrift. Dieselbe Form
des Symbols tritt uns auf dem Revers der Mün-
zen Schlumberger Nr. 46,^ Berlin Nr. 195^ und
in Spiegelstellung in Schlumberger Nr. 45 und
52* entgegen.
Rechts, neben der ersten Zeile von Prid. 11
= CIH 378 (Abb. 6 c). Die Inschrift berichtet von
einer Inauguration für 'Almakah (Y'!>t]1hl I ?I>ITV)-
Mit der Form Abb. 6 c geht die Form Abb.
6 d, der sogenannte .Doppelstab', auf den sabäi-
schen Münzen enge zusammen. Er findet sich in
der auf Abb. 6 ri angegebenen Form auf der ^lünze
Hofmus. V. 1,2 am Avers links vom Kopfe, ^ so-
wie in Spicgelstellung auf dem Revers von Hof-
mus. III. 10;'^ in der auf Abb.Ge gegebenen Form,
auf dem Avers der Berliner Münzen Nr. 220, 195,
221, auf den zwei letzten in Spiegelstellung. '
Eine ganz ähnliche Form wie Abb. 6e zeigen
die in Abb. 6y, q gegebenen minoischen Zeichen.''
IIL G r u p p e.
Diese (iruppe ist durcli zwei «juerlaufende
Mittelstriche oder Bänder charakterisiert, die bald
näher, bald, weiter aneinandergerückt erscheinen.
Rechts, neben den vier Zeilen von Sab.
Denkm. 20 (Abb. Ta).'-» In der Inschrift wird
'Almakali nicht besonders, sondern in der üblichen
Göttertetras erwähnt. Dieselbe Form des Symbols
(Ahb. 7 b, c) erscheint noch neben dem Bukranion
auf dem Revers der himjarischen ^Münzen Berlin
219. 196;"'' auf dem Revers A^on Sclilumberger
' Scripta Minoa, The written Docunients of Minoan Crete, p. 224.
» Vgl. G. Schlumberger, a. a. O., Taf. III.
" Vgl. D. H. Müller, .Südarab. Alterth., p 77.
* Vgl. G. Schlumberger, a. a. ()., T.af. III.
' Vgl. D. H. Müller, Südarab. Alterth., p. 70, Taf. 14, Abb. 24, 25 (s. Abb. 70a, h).
« Vgl. D. H. Müller, Südarab. Alterth., p. 69, Taf 14, Abb. 22.
' Vgl. D. H. Müller, Südarab. Alterth., p. 77.
" N,ich .J. A. Evans, a. a. 0., p. 226, Nr. 124.
" Vgl. J. II. Mordtmann und D. H. Müller, Sab. Denkmäler, p. 70 if.
'° U. H. Müller, Südarab. Alterth., p. 77 f.
GoTTERSYMnOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
Ö
6, 8 ' nebea dem Blitzbüudel, bezw. dem Blitz-
büüdel und Doppelgriffel; auf Schlumberger
ah c de f g
Abb. 7. Totscliljiijei'sj'mbole auf sabiiischen Inschriften und
Münzen: a sab. Denkm. 20, h Berlin 196, c Berlin 219,
d Gl. 655, e Gl. 483, / Berliner Münze, <j Mordtniann 8.
38^ allein und auf Head 12' neben der Eule,
stets in Spiegelstellung.
Rechts, neben der ersten Zeile der Altarin-
schrift ohne Gottesnamen Gl. 655 (Abb. 7 d, aus
Märib).
Rechts, neben der ersten Zeile von Gl. 483
= Arn. 54 = CIH 373 (Aldi. 7 o) von der Ostseite
des Haram Bilkis.*
Eine analog gekrümmte Form des Symbols
zeigt der Revers einer Berliner Münze ohne Num-
mer bei D. H. Müller, a. a. 0., p. 77 oben in
Spiegelstellung (Abb. 7/).
Rechts, neben der ersten Zeile der fragmen-
tarischen Inschrift Nr. 8, die J. H. Mordtmann,
Abb. 8. Totscliliigersymbole .auf s.ibäiscben Inschriften:
a CIH 393, h Os. 34, c CIH 397.
ZDMG 30, p. 291 mitteilt (Abb. 7^); sie enthält
keinen Gottesuameu.
Das groß ausgeführte Symbol zieht sich vom
oberen linken Rande der Inschrift CIH 393 (Abb.
8 a) bis zur Schreiblinie der ersten Zeile hin. Die
Inschrift ist eine Weihinschrift an 'Almakah, den
Herrn von \i°.
Rechts, neben den ersten zwei Zeilen von
Os.34 = ClH389(Abb.8T)). Die Inschrift stammt
nach E. Oslander aus Märib ^ und ist eine
Weihinschrift an 'xVlmakah, den Herrn von 'u'"
(lt]<i'h1°niY^r]1h1IHh?<i'l?Xa^).
Rechts, neben den ersten zwei Zeilen der In-
schrift Reh. 6 = CIH 397 (Abb. 8 c). Die Inschrift
ist eine Weihinschrift an 'Almakah: ] (D]fU|<i>V
I T]<i')A1oi)^h1onY^i]1h 1 <saV[h)I] .weihten
ihrem Herrn 'Almakah, dem Herrn der Steinbocke"
von Sirwäh'. Ebenso (vgl. dazu die Tafel des Cor-
pus Inscr.) in CIH 395, einer Weihinschrift für
>>f,^(D|^XI''IOf^
Abb. 9. Sabäisches Kelief in Bulawayo.
'Almakah, den Herrn von 'u" (I1°n I Y"^t]1h I O«!-
I ^<Dh) ; Mars. I = CIH 407: Widmung an 'Alma-
kah Thnän Oi]®h1°nH®Ymi]1hlTH'^V); <'•• i»46
= 623 = Hotm. 5 aus Marib : ' Widmung an 'Al-
makah Tlinan. Wahrscheinlich ist im zerstörten
Viereck von CIH 410, einer Widmung an denselben
Gott, einst auch dasselbe Symbol gestanden.^
Eine der Form auf CIH 397 verwandte Form
erschehit auf dem Bulawayosteine (Abb. 9. 3, aus
El-Hauta [Laliagl, im Besitze des Marschalls Hole
in Bulawayo)" mit der Inschrift: , Altar des 'Attar
und des Sahar.' Endlich ist dies Symbol (beachte den
Abschluß unten), nicht ein H, in die Dracheuhälse
■ ' G. Schlumberger, a. a. O., Taf. I.
2 G. Schlumberger, .a.a.O., Taf. II.
' Num. Chron. NS., Vol. 18, PI. XIII.
^ Vgl. E. Glaser, Märib im .lernen, j). 46, 138 und vgl. oben Gl. 482, \k 7.
^ Vgl. ZDMG XIX, p. 273.
« F. Honnnel, Aufs. n. Abb., p. 162, Note; dagegen E. Glaser, Altjem. Nachrichten, p 41 rnüen.
' D H Müller, Südarab. Alterth., p. 18 und Taf. III. Der untere Teil des Symbols (kein T.erkopf) ist ant Tat. III
noch sichtbar, wie schon der Herausgeber von CIH zu Nr. 409 (= Hofm. 5) bemerkt hat,
" Vgl. auch CIH zur Stelle.
" Vgl. D. H. Müller, Anzeiger der Kais, Akad der Wis^ensch. zu Wien, phil,-hist. Kl. 1903, p. -0.
Denkscbriften der phil.-list. Kl, 5S, Bd, 1, Abb,
10
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
auf dem Stein 282 des Osnianisclien Museums
(Abb. 10) hineiiikomponiert : mit diesem Stücke
hat sicli M. llartmann in der OLZ 11 (1908),
S|>. 173 ff., 269 ff. eingehend Ijeschäftig-t.i
Abh. iu. .s;ili;n~iiio< iicliel (tJÜ. 'if^'dj. Koustaiitiimpel, Tschiiiili Kiösclik.
Eine eigenartige Stabform des Symbols (Abl>.
IIa) ro]>räsentiert die Münze Scblumberger 53-
ft (auf dem Revers neben der Eule)
Vv '^ uud Iload 9-'' (ebenfalls auf dem
'^ Rever.s neben der Eule).
Einem Stab mit Köpfen an den
Enden siebt Al)b, Hb älmlieb.
■ivelcbc Form auf dem Revers neben
dem Rukranion der Münze Hofmus.
V. 5* erscheint.
Endlich findet sich das Sym-
bol zweimal auch in oben und
unten offener Form in Gl. 488
einem Oj)fer- oder Ölstein (aus
Märib, auf dem AVege zum Ilaram Bilkis) in
der Mitte zwischen zwei Monogrammen, dessen
reciites vielleicht mit einer leichten Ergänzung
QflOTlH '■^■gl- ^1- '^^'' ) ^^ lesen ist. und rechts
von der Altarinschrift Gl. 654, (At)b. 12 6, aus
den Ruinen der alten Stadt Märib), in der der
Abb. 11. Tot-
schläg:ersyni-
bole auf sabä-
isclien Mün-
zen:aScliluin-
berger ö.^ (P.i-
ris), AHipfmus.
V. 5 (Wien).
(Abb. 12a),
Altar dem 'Ahnakab in Schutz gegeben wird
IV<^!]1hlVH?><i''--IXTnN!]J-
1
Abb. 12. Totschl.Hgersymbole: a auf Gl. 488, h auf Gl. 654.
Interessant ist, daß auch unter den minoi-
schen Zeichen der gesclilossenen .leeren' Form
Abb. 13. Minoische Hieroglyphe.
eine offene zur Seite steht, die iu Abb. 13^
gegeben ist (vgl. aucii p. 8).
IV. (t r II p p e.
Statt zweier Striclio ersclieinen in dieser
Gruppe drei oder auch nielir (^)uerstriche in der
Mitte.
Rechts von Gl. 499 (Abb. 14a, aus Marib,
auf dem Wege nach dem Mebnä el Hasrag) ; die
Inschrift liesteht nur aus dem Namen «V'i'^lh-
Rechts, neben der ersten Zeile von Gl. 1533
(Abb. I4h, aus §irwäh), worin der Name 'Alma-
kali niclit vorkommt. Diese Form des Symbols
erscheint rechts, nelien der ersten Zeile der Altar-
inschrift ohne Gottesnamen, die J. H. Mordtmann
ZDMG30, p. 291 unter Nr. 6 mitteilt; rechts von
der Inschrift 0. M. 32, die nur das Wort XTRHl]
(Opferaltar) enthält" sowie in Sjnogelstellung
am Ende des OX®"Textes, Sab. Denkm. 21 =
CIH 380.' Daraus kann man vielleicht schließen,
' Vgl. aueb O. Weber, Göttersymbole, p. 270 ff.
- Vgl. G. Schi uinbcrger, a. a. O., Taf. III.
» Nuni. Chron. N.S., Vol XX, PI. XV.
* Vgl. D. H. Müller, Südarab. Alterth , p. 70, Taf. XIV, Abb. 26 (s. Abb. 70c).
' Nach A. J. Evans, Scripta Minoa, p. 224.
• Vgl. J. H. Mordtmann, Antiquitös liimj.ir. et paliiiyr. Catalog. Somm , p. 30 und ZDMG 33, Nr. XIX, p. 495.
' Vgl. J. H. Mordtmann, Catalogue Somm., p. 42 f.
GöTTERSVMBOI.E UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
11
daß das Symbol auch zu Anfang der dort unvoll-
ständigen Insclirift stand.
Rechts (Abb. 14 c), neben der ersten Zeile
von Gl. 1572 (aus Sirwäh), wo llofl lY'l'tllh
\
Abb. 14. Totseblägersynibole auf sabäischen Inschriften und
Münzen: a Gl. 499, b Gl. 1533, c Gl. 1572, d Münze Hofmus.
V. 1—2 (Wien), e Gl. 1572.
|^1o0^ erwähnt wird, zu dem 1o®|ii lof] V<|>I]1h
|HJ(D>A von CIH 397 zu vergleichen ist.
Links, neben der letzten Zeile derselben In-
schrift, erscheint das Syraltol in E.Glasers Kopie
in der Form, wie sie Abb. 14 e zeigt; auf dem
Abklatsch ist nichts zu sehen. Es ist auffallend,
daß hier eine Form mit vier Querstrichen und
eine solche mit drei Querstrichen auf ein und
derselben Inschrift abwechseln. Vielleicht liegt ein
Fehler Glasers vor, der einen Strich zu viel ko-
pierte. Bemerkenswert ist auch, daß Abb. 14 e
nicht, wie dies Sab. Denkm. 21 am Ende der
Inschrift der Fall ist, in Spiegelstellung er-
scheint.
Der Form Abb. 14 c steht auf den himjari-
rischen Münzen die Form Abb. \Ad zur Seite, die
oben und unten einen kopfartigen Abschluß auf-
weist; sie findet sich auf dem Revers von Hof-
mus. V. 1,2 (Abb. 14 e) und verwischt in Spiegel-
stellung auf V. 71, neben dem Bukranion.
Y. Gruppe.
Diese Gruppe ist charakterisiert durch einen
in der Mitte von oben nach unten durchlaufenden
Strich. Im Vergleiche mit Gruppe VII a, b könnte
^
Abb. 15. Totschlägersymbole auf sabäischen Inschriften:
o CIH 394, b Gl. 481, c Gl. 712.
man diese Form als schematisch aus ihr erdacht
bezeichnen.
Rechts von den ersten drei Zeilen von Land-
berg 4 = CIH. 3942 (Abb. 15a). Die Inschrift
ist eine Weihinschrift für 'Almakah, den Herrn von
V (ii]a>hii°n[iv^aihiTH^v])-
Rechts vom Bustrophedon-Fragment Gl. 712
(Abb. 15 c, aus Kera' bei Marib), welche In-
schrift keinen Gottesnamen enthält; und in Spiegel-
stellung auf der linken Seite, Z. 1 zu Anfang der
bustrophedon geschriebenen Inschrift Gl. 481 =
Arn. 56 (Abb. 15 b) (CIH 375). Die Zeile läuft
von links nach rechts, woraus man vielleicht
schließen kann, daß das Symbol der Schriftrichtung
-lo-
'o
weg-en in Spiegelstellung steht.
Gl. 481' bildet
den Anfang der großen Tempelinschrift des Haram
Bilkis ,auf der Außenseite der kolossalen Um-
(nach E. Glaser Tagebuch XI).
tassungsmauer
Abb. 10. Gl. HJl'.i, sabaisL-hes Relief aus .'^irwä!l.
Sie berichtet von einer ganz großen Dedikation
an 'Almakah, der auch in der Anrufung zum
Schlüsse genannt ist. In derselben Form findet sich
das Symbol auf der Inschrift Gl. 1649 (Abb. 16),
wo es, in ein Viereck eingeschlossen, rechts neben
einem stilisierten Stierkopf steht; darunter der
Gottesnamc 'Almakah.
1 Vgl. D. H. Müller, Südarab. Alterth., p. 70, Taf. XIV, Abb. 24, 25, 27 (s. Abb. 10 ah, d).
'- Vgl. auch O. Weber, Studien III. MVAG XII. 2 (1907), Taf. IV.
' E. Glaser, Märib im Jemen, p. 137.
2*
12
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Abb. 17. Tot-
sclilägersynibol
auf einem sa-
bäischen Altäre
aus Jeba.
FAne ähnlich schraffierte Form des Symbols
wie auf Gl. 1(549 findet sich auch in Spicgel-
stellung^ rechts am Anfange der Dedikatiou auf
der sabäischen Altarinschrift aus
Jeha, die E. Littmaun als editio
secunda im IV. Bande der Deutscheu
Aksunicx]>cdition ]). 58 unter Nr. 27
veröffentlicht hat.^ Das SviuIxjI
scheint bei Littmann jedoch niclit
genau wiedergegeheu zu sein. Der
Abklatsch Tb. Hents, der seiner-
zeit D. H. Müller für seine Publi-
kation vorlag,^ zeigt nebenstcheudo
Form (Abb. 17). Der Altar ist dem
'Attar geweiht, neben dem auch
ein Gott Nru genannt ist. Auf
demselben ^Vltare findet sich auch Mondsichel und
Scheibe. Die Schraffierung im Symbol (und
den Hörnern des Stierkopfes) bedeutet nichts
für die Form Wesent-
liches, ist also nicht
etwa ein Ersatz für
Querbiuden ; in der
gleichen Art erscheint
sie ja, dort um Federn
anzudeuten, schon auf
dem Vogelleibe in einer
Zeichnung eines assyri-
sciien Tempelschülers
(vgl. Abb. 18)^ auf einer
Tonseberbe, die hier
zum Vergleich abge-
bildet sei.
Dasselbe Zeichen
zeigt uns in der mi-
noischen Kunst die
Phaestusscheibe (Abb. 19) ; ^ unter Nr. 45 der
Zeichen dieser Scheibe
,Dr. Pernier considers tbat
this sign may be a conventional representation
of water.'* Nach Evans würde sie in die
dritte minoische Periode (um 1600 v. Chr.) ge-
hören.
Abb. 18. Zeiclmung eines as
syrischen Tenn)elschülers.
Zusammenstellung der
gibt Evans an:
Die Zusammenstellung mit der Wasserlinie
hat tatsächlich noch das meiste für sich, wie ich
aus assyrisch-babylonischen Parallelen
zu zeigen versuchen will. Als Wasser
deutet zunächst R. Heberdey, dem
ich den Hinweis verdanke, den Ge-
genstand in der linken Hand der
beiden ersten jMännergestalten, Taf. IV
bei Tb. Wigand, Die Porosarchitektur
der Akropolis zu Athen (Abb. 201."
Daß dem so ist, zeigt der Vergleich
mit der Steinskul]>tur einer clialdä-
ischen Göttin (Abb. 21), die E. de Sar-
zec in Tello fand.' Die Göttin hält
dort in der linken Hand ein Gefäß,
dem Wasser entströmt: nach M. Jastrow** das
natürliche Svmbol des Lebens und der Frucht-
Abb. 19.
Minoisclie
Hiero-
glyphe
.-Ulf der
l'h.iestus-
sebeibe.
J . ^'^
4?i
/'
\
Abb. '2U. AV^asscisyiubol vuii i.lur rür«»;>aichitLktur
in Athen.
a.T Akrw|,„lis
barkeit. Anderer Meinung ist Leon Heuzey in
seiner Beschreibung des Denkmals. Er sagt:"
• E. Littmann spricht das Symbol a. a. O. als .Wapiienzeiihen' an; vgl. auch M. Lirlzbnrski, Ephemeris II,
p. 398.
' D. H. Müller, Epigraph. Denkm. aus Abessinien, Taf. IV, Jeha 'ü.
•■' Nach II. W. Hilprccht, Die Ausgrabungen im Bel-Tempel zu Nippur, p. 59, Abb. 41.
• Vgl. A. J. Evans, Scripta Minoa, p. 276 und 280, sowie Taf. XIII und Fig. 126, 45.
' Dr. L. Pernier, Ausonia 1909, p. 255 ff.
' P. Jacobsthal, Der Blitz in der orientalisehen und griechischen Kunst, p. 8, l^, schließt sich der Ansicht an, daß
wir es hier mit gewelltem Feuer zu tun haben.
■ Vgl. E. de Sarzec, D^couvertes en Chald^e, vol. II, Taf. 8'"', fig. 4, vol. I, p. 21".; f.
" M. Jastrow, Hildermappe zur Religion Babylouiens und Assyriens, Taf. 0, Fig. 19 und Te.\t Sp. 9.
" l.i'oii Heuzey, Döcouvertes en Chalde^c, p. 213.
GöTTSRSYMBOLE UND SyMBOI.TIERK AUF SÜDARABISCHEN' E)kNKMÄLERN.
13
.Elle tient en avaut de la poitriiie im vase ä pause
splierique, d'oü s'echapi>e, ooiume daus plusieurs
autres exemples deja signales (ebd. p. 156 f.), le
double flot. Ce syrabole, evideniment cos-
mique, des eaux jaillissantes, se Joint aux
vestiges tres appa-
rents de la tiare ä
plusieurs etages de
cornes, pour faire
reconnaitre uue di-
vinite, peut-etre la
deesse Nina , dont
l'ideograme etait.
coinme ou sait, le
vase conteuaut un
poisson. Toutefois
ee vase merveilleux
... n'etant pas le Sym-
bole constant d'une
seule et merae divi-
uiteetriconographie
chaldeenue- le pla-
pant eu diverses
mains , 1 ' ideiitifica-
tion reste douteuse.'
Über die Gefäße der beiden (dort p. 217)
abgebildeten Frauengestalteu sagt L. Heuzey
(ebendort) : ,Eutre leurs niaius le vase inepui-
sable est evideniment un embleme cosmique; il
represente relemeut humide, symbolise par
les courants du Tigre et de lEuplirate, par les
deux fleuves sacres ou Naliaraim, qui sous cette
forme sont deveuus dans la legende une sorte de
talisman paradisiaque.' ^ Ob -ivir es nun mit einem
Abb. 21.
Chaldäische Göttin auf einem
Relief aus Tellü (Paris, Louvre).
natürlichen Symbol der Fruchtbarkeit oder mit
einem kosmischen Symbol höherer Art zu tun
haben, bleibt künftiger Forschung zu entscheiden
vorbehalten. Für uns ist wichtig, daß die beiden
Gelehrten darin einig sind, daß ein Symbol vor-
liegt, bei dem das Wasser eine Rolle spielt, und
daß Pernier auch im minoischen Zeichen (Abb. 19)
Wasserlinien sieht.
Diese Betrachtungen legen nun die Frage
nahe, ob nicht auch das sabäische Symbol die
Wasserlinie darstelle. Bei Heranziehung der Form
auf Abb. 15 h, c allein stünde dieser Annahme
nichts im Wege; allein die Form auf Abb. 15a
zeigt die unteren Enden so deutlich abgerundet
und die beiden Stücke im Gegensatz zum mi-
noischen Zeichen und zum Gegenstand in der Hand
der beiden Porosfiguren ganz ersichtlich als Stäbe
(erhaben, also etwa im Querschnitt (Ml), daß ich
mir die gegenständliche Auffassung als Wasser-
linie nicht recht denken kann, und die im spä-
teren gegebene Deutung auch für diese Form auf-
recht erhalten möchte. Die etwa anzunehmende
Angleichung der Form an die Wasserlinie
konnte höchstens zur Vermutung berechtigen, es
habe einst ein sabäisches Symbol in Wasserliuien-
form gegeben, das sich dann im Laufe der Zeit
mit dem audei'u — wie wir es nennen wollen
— dem Totschlägersymbol vermengt hat. jMir
scheint jedoch der Zusammenhang mit Gruppe VII
stärker als etwa mit dem Stück der Poros-
arehitektur, und bedeutend die Schwierigkeit von
den nicht quergebundeneu Formen unseres Sym-
bols jene mit Querbindung zu trennen: diese aber
schließen jeden Gedanken an Wasserlinien aus.
VI. G r u p p e.
Der Übergang von Gruppe V zu Gruppe VII
ist durch Beibehaltung der beiden Querbinden
(Gruppe VII) unter
Einfügung des Mit-
telstrichs bis zur
ersten Querbindung
(GruppeV) gegeben.
Rechts von der
sehralten^Königsiu- Abb. 22.
Schrift Gl. 485 = Totscbläger auf:
Arn. 55 = CIH 374 a Gl. 48i, i> Gl. 485.
(Abb. 22 h, au der Westseite des Haram Bilkis
bei Märib). Auf der linken Seite (am Ende)
der eine einzige Zeile bildenden Inschiüft steht
das Blitzbündel mit Doppelgriffel in Spiegel-
stellung. Die Inschrift enthält eine Dedikatiou
an 'Almakah (| Y'!' ^1hl?h'l' Vj-^ Dasselbe Sym-
bol erscheint mit den beiden andern in eine
Gruppe vereinigt auf der rechten Seite zu An-
fang der zweiten Zeile von Gl. 481 = Arn.
56 = cm 375 (Abb. 22«), der schon p. II er-
wähnten großen Widmung an 'Almakah.
' Das Gesperrte iin französisclien Te.xt ist vou mir so hervorgehoben worden.
'' Vgl. J. H. Mordtmann, Beitr. zur min. Epigr., p. 111; F. Hommel, Aufs. u. Abb., p. 146, Note 6.
' Vgl. E. Glaser, Märib im Jemen, p. 138.
14
I. Abhandluno: Adolf Grohmann.
VII. Gr
Diese Gruppe zerfällt iu zwei Untergru]ij»eu:
a) Avelche ZAvei durcii ein Doppelband in der
Mitte zusammengehaltene Stäbe mit
Endküpfeu und b) welche zwei durch
drei Doppelbänder zusammengehaltene
Stäbe zeigt. Die Form der Gruppe
b) wird wohl als die ursprüngliche zu
betrachten sein.
a) Auf der rechten Randleiste der
'Amräner Bronzetafel Os. 1 = CHI 73
(Abb. 23). Die Inschrift ist dem 'Al-
makali von llirran geweiht.
Auf der linken Seite neben einem sti-
lisierten Stierkoj)f mit derselben Schraffierung
der Hörner wie p. H, Abb. 16, auf der Vor-
b)
nHXirmwiKi/rVA
Abb. 24.
■Sabäisclicr Alt.-ir .ins ^alma, Gl. 717: a Vorderseite,
A Totalansicht.
u p p e.
derseite von Gl. 717 (Abb. 24), einem großen
Opfersteine, den E. Glaser auf den Ruinen von
?alma bei seinem Ausflug nach dem Feleg bei
Märib fand. Die Bustrophedoninschrift (ur-
s])rünglich sechs Zeilen) dürfte die Widmung
des Opfersteines zum Ausdrucke bringen; Z. 1
sind Spuren von I>|§) sichtbar. Wenn Z. 1 — 2
zu r^[n®V] ergänzt werden kann, so wurde der
Stein in Schutz übergeben allenfalls dem 'Attar,
dann wahrscheinlich dem Haubas, sicher aber
Abb. 25. Gl. .524.
auch dem 'Alma-
kah. Die Götter-
anrufung beginnt
tatsächlich mit
>X?on. Ein Frag-
ment desselben Symbols steht rechts neben Gl. 524
= Arn. 19 (Abb. 25, vom Marbat ed-Dimm bei
Marib). Es ist paläographisch anscheinend ziem-
lich alt.
Beachten wir die Provenienz der eben an-
geführten Inschriften, so stellt sich heraus, daß
die weitaus größere Zahl aus Märib und Umge-
bung stammt (Gl. 425, 481, 482, 483, 485, 487,
488, 491, 499, 524, 654, 655, 712, 717, 1049, 1546
Os. 34, Bird 2). Davon stehen Gl. 481, 482,
483, 485 auf dem 'Almakahtempel in Märib, dem
heutigen Haram Bilkis, während Gl. 487, 488
wahrscheinlich zum Komplex dieses Tempels ge-
hörten. Nach E. Glaser^ findet sich in der Nähe,
im Westen vor der Stadtmauer von Märib eine
Örtlichkeit, die heute Bäh el-'Akir (Tor des Opfern-
den) genannt ist, und südöstlich vom Dorfe Märib
(in der Richtung des Fundortes von Gl. 653 — 655)
die Benennung 'Umm el-Kis, die nach E. Glaser
mit Bilkis und weiterhin mit 'Almakah in Ver-
bindung zu bringen sei. Der Grund zum Haram
Bilkis, in dem schon E. Oslander" mit Recht
ein Heiligtum des 'Almakah erblickte, wurde nach
D. Nielsen^ in der Mukarribjieriode gelegt und
der Bau in der Köuigszeit noch erweitert.* Drei
Inschriften, Gl. 1533, 1572, 1649 stammen hin-
gegen aus Sirwäh, Os. 1, 17 aus 'Amrän, Gl. 1551
aus Ragwän ed Duraib, Gl. 1565 aus el-'Asähil,
Hai. 10 aus San'ä, Hai. 172 aus el-IJazni Hamdäu
und der Bulawayostein aus el-I.Iauta bei Lahag,
eine einzige Inschrift, der sabäische Altar von
Jeha, aus Abessinien. Die Provenienz der übrigen
Inschriften ist unbekannt.
' E. Glaser, Märib im Jemen, p. 73. » ZDMG. X, p. (53.
' D. Nielsen, Der sabäische Gott Umuljah, MVAG. XIV (1909), p. 372.
* Vgl. E. Glaser, Märib im Jemen, p. 137 f.
GöTTEUSYMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDAKABISCHEN DeNKMÄLEEN.
15
Bedenken wir, daß Märib und Sirwäh die
Hauptkultstätten 'Almakahs waren, in denen sich
zwei berühmte Tempel dieses Gottes erhoben, so
wäre das häufige Vorkommen des Symbols gerade
an diesen beiden Orten schon an sich ein Grund,
an einen Zusammenhang des Symbols mit 'Al-
makah zu denken, wie dies auch schon Mayer-
Lambert getan hat; allerdings wäre im ärgsten
Fall die Möglichkeit einer Verschlej^pung einiger
Steine an diese beiden Orte, wie sie ja des öfteren
gewiß auch von diesen beiden Sakralstätten statt-
fand, in Betracht zu ziehen. So ist es wohl wich-
tig, daß die überwiegende Mehrheit der Inschriften
mit dem Symbole, auch solche die nicht aus Mä-
rib oder Sirwall stammen, von einer A^'eihung spe-
ziell und nur au 'Almakah (Gl. 425, 654, 1551;
Hai. 172; Os. 1, 17. 34; CHi 378, 383, 393, 394. 395,
397, 403, 407, 410) oder von einer Bautätigkeit an
seinem Tempel in Märib (Gl. 481—483, 485) be-
richten; oder daß auf ihnen nur 'Almakahs Name
vorkommt (Gl. 499, 1572, 1649) oder endlich dem
'Ahnakah mit anderen Gottheiten eine Weihung
dargebracht wird (Gl. 717, 1546; Sab. Denk-
mäler 20?), ferner daß in einem ^X'^ -Vertrag
'Almakah genannt wird (Sab. Denkm. 21). Es ist
also mit gutem Grunde anzunehmen, daß das
diese Inschriften begleitende Symbol das Zeichen
'Almakahs ist. Eine Ausnahme scheint hier nur
die Altarinschrift aus Jeha (p. 12) zu machen.
Da der Altar nur dem 'Attar und Nru geweiht
ist, kann 'Almakah hier nicht in Betracht kommen,
er müßte sieh denn unter dem Namen Nru ver-
bergen. Weil aber auf derselben Inschrift das
auch sonst für 'Attar in Betracht kommende Sym-
bol Mondsichel und Scheibe sich findet (s, w. u.),
so könnte — ■ wenn die Gleichung 'Almakah =
Nru nicht zu halten ist — das Symbol hier dem
'Attar angehören, vielleicht als Zeichen des , Herrn
des Himmels'.
Nun finden wir in Gl. 1649 (p. 11, Abb. 16)
außer dem Stierkopfe den Namen 'Almakah und
eben unser Symbol. Ist die eben gegebene Deu-
tung richtig und gehört es dem 'Almakah, so
bleibt der Stierkopf auf der Inschrift frei. Er
bleibt auch auf dem Bulawayosteine frei (p. 9,
Abb. 9),i wo er gleichfalls neben dem Totschläger-
symbole dopjielt vorkommt: klein und groß, wie
auf Hofm. 24, Abb. 26. Schon durch den Inhalt
dieser letzten Inschrift, die keinen Gott nennt
und bloß von Zauberschutz redet, ist es in hohem
Grade wahrscheinlich, daß die Bukranien aus
Zaubergründen angebracht sind, wie ja auch in
Ägypten zur Nagadazeit vor den Häusern ,das Bild
des Stieres oder seines Kopfes als Übel abwehrendes
Zeichen aufgepflanzt, der Ko])f allein über Fenstern
<^ä-m^^Mmm:^.
' J ;^ilf
Abb. "26. Hofmus. 24, sabiiisehes Relief (WieiO.
und Türen angebracht' wurde." Dasselbe könnte
auf Gl. 1649 der Fall sein. — Nimmt man, wie
D. Nielsen, an,^ daß die schematischen Stier-
köpfe selbst 'Almakahsymbole sind, so könnte man
sich denken, daß, nachdem diese zum Zauber-
zeichen geworden, das Totschlägersymbol auf dem
Bulawayostein für die z. B. auf Gl. 1649 auch
verbatim erfolgende Anrufung 'Almakahs vika-
rierend gesetzt worden sei. Das würde uns er-
klären, warum wir auf dem Bulawayosteine mit
zwei Götternamen fünf Syml)olzeichen bekämen,
wovon drei auf eine Gottheit entfielen, die der
Stein nicht nennt. Stellt man sich aber auf den
Standpunkt, daß, um den Zauber auszudrücken,
' Die anderen Symbole: Lanzenspitze und Drache gehören den zwei von der Inschrift genannten Gottheiten: 'Attar
und Sbr; O. Weber, Göttersyinbole, p. '278.
•- .Ähnliche Bilder grub man zu gleichen Zwecken auf Töpfen ein'. A. ^Viederaann, Der Tierkult der alten Ägypter,
A. 0. XIV, 1. Heft, p. 16.
» Der sabäische Gott Ilmuk.ih, MVAG. XIV (1909), p. 355 f.
16
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
zwei Stierköpfe uotweiulig sind, ein großer und
ein kleiner,* so bleibt nichts übrig-, als Gl. 1649
(Abb. 16) auf eine Stufe mit der Darstellung
Gl. 717 (Abb. 24) zu stellen. Auch da ist neben
unserem Symbol nur ein Stierkopf angebracht,
wozu wir auf dem Revers der himyarisclien Mün-
zen Hofmus. V, 1—4 (Taf. XI Y, 24—27) eine Pa-
rallele haben: das Totschlägersymbol neben dem
Bukranion. Wir fänden dann in diesen Fällen
eine Gottheit durch zwei Symbole ausgedrückt,
gerade so wie f^ zwei Symbole für den einen
'Almakah darstellt (s. w. u.).
Bevor nun auf das Gegenständliche einge-
gangen wird, seien noch die wichtigsten Formen
a i c r e
Abb. 27. Typeniiheisicht zum Totschlägeisymbole.
a Gl. 487. 6 CIH 383. c Gl. 491. d CIH 378. e Sab.
Denkm. 20. / Bulawayostein. g Gl. 488. h Gl. 1572.
i Gl. 712. j Gl. 164'J. k Gl. 485. l Os. 1. m Gl. 717.
des Symbols nach ihrer Gruppeneinteilung über-
sichtlich zusammengestellt. Gruppe YII (Abb. 277»)
repräsentiert die älteste greifbare Form unseres
S3'mbols; der Stein stammt aus der Mukarrili-
periode (750—500 v. Chr.). Die Form zeigt deut-
lich die Zusammensetzung aus zwei unten ab-
gerundeten Stäben durch dreimal angebrachte
zweifache Querbänder. Der obere Teil des Steines
ist leider abgeltrochen, so daß der weitere Ver-
lauf der Krümmung, die sich wohl wie bei den
übrigen Typen nach rechts wandte, nicht mehr
festzustellen ist; vielleicht war oben auch noch
eine vierte Querbindung angebraclit. Dieser Ur-
form stehen die Formen der Gruppe TV (h), in
der die Querbindung dreimal durch Striche an-
gedeutet ist und die zweimal quergebuudenen
Formen der Gruppe III (e — g) am nächsten. Sehr
nahe steht ihr aus den einmal quergebundenen
Formen der Gruppe II, d. Gruppe I (a, b) zeigt
keine Querbindung und keinen durchlaufenden
Mittelstrich, den übrigens auch schon Gruppe II
bis IV aufgeben; sie stellt die ,leere Form' des
Zeichens dar. Durch Beibehaltung des durch-
laufenden Mittelstrichs, der die Reminiszenz an
die Zusammensetzung aus zwei Stäben zeigt, ist
Gruppe V (i, ./) charakterisiert; dazu tritt in
Gruppe A^II (l) auch noch zweifache Mittelquer-
bindung (also etwa analog wie II d), während
Gruppe VI {k) den Mittelst'rich sozusagen rudi-
mentär nur bis zum ersten der zwei Querbänder
verlaufen läßt, wodurch sie eine Mittelstellung
zwischen Gruppe III und VII einnimmt. Zeitlich
liegen die Repräsentanten der einzelnen Formen
oft weit auseinander. So stehen die Formen
(Abb. 2/, g), die sich von der Urform schon ziem-
lich weit entfernen und zur leeren Form ge-
zogen wurden, auf bustrophedon geschriebenen
Inschriften; allerdings kann man der ganzen Aus-
führung nach daran denken, daß hier eben nur
ein Stab von den beiden zusammengesetzten der
angenommenen Urform das Symbol darstellt, dessen
Biegung ja gewahrt ist. Die Form in Abb. 15 a
steht auf einer jüngeren Inschrift, jenein Aljb. lbh,c,
Abb. 27 i auf Bustrophedoninschriften und beide
stellen denselben Typ dar. Die Übergaugsform k
auf Abb. 27 steht auf einer Bustrophedoninschrift
^Gl. 481), die etwas jünger ist^ als der Mukarrib-
text Gl. 484; ebenso auf der sehr alten Inschrift
Gl. 485, die der Urform näher stehende Form l
(Abb. 27) steht auf einer Bronzetafel, die etwa
aus der Köuigszeit stammt. Aus diesem Grunde
wurde auch bei der Gruppierung das zeitliche
^Moment ausgeschaltet und diese rein nach for-
malen Gesichtspunkten vorgenommen.
AVas l)edeutet nun das Sj'mhol in gegenständ-
licher Hinsicht? 0. Weber ^ hat in ihm eine Va-
riante ' des \:^ gesehen und es als Symbol von
Zwillingsdämonen erklärt. Für beides bieten weder
die Form noch die Inschriften einen Anhaltspunkt.
Die als vollständiger, dem Gegenstande nahe-
kommender Typus anzusetzende Form m (Abb. 27,
Gl. 717), aber auch die übrigen Formen setzen
' So deutlich auf Hofmus. 24 (Abb. 26) und dem Bulawayosteine (Abb. 9).
' E. Glaser, Märib im .leinen, p. 137 a. " O. Weber, Göttcrsynibole, p. 270.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
17
von mein
der Erklärung' des Zeichens als einer Variante
des ^ erliebliclie Seliwierigkeiten entgegen und
selbst die offene Form g (Abb. 27, 61. 488) zeigt
so deutlicli die cliarakteristisclie Biegung, die sich
bei \4 1^16 findet, daß auch in diesem Falle an
eine Zusammenstellung mit |rj nicht zu denken ist.
0. Weber geht^ bei seiner Yergleichung der
Symbole, des Totschlägers, y und des |rj, mit
den Zwillingsdämonen der Nazi Maruttash-Stele
(vgl. Abb. 51, dritte Reihe, Nr. 12, 13, 14) wohl
äußerlichen Gesichtspunkten aus und
die Almlichkeit vom Symbol 13 imd
14 der genannten Stele mit dem Zei-
chen |rj möchte ich doch in Zweifel
ziehen; es leuchtet nicht ein, warum
die Sabäer dann nicht auch die
Köpfe mit übernommen oder docli
wenigstens angedeutet hätten. Das
Symbol ist andererseits in seinem
Zusammenhange mit 'Almakah aus
dem Vorhergehenden wohl so weit
wahrsclieinlich gemacht, daß man
Abb. 28. Tot
schlägersym
bol auf
Gl. 717.
von den Zwillingsdämonen wird ab-
sehen können. Allein 0. Weber
hat mit Recht auf die große Be-
deutung der babylonischen Symbole für die süd-
arabischen hingewiesen und hier werden wir auch
die Anknüi)fungspunkte für unser Symbol zu su-
chen haben. Betrachten wir unser Symbol auf
Gl. 717 (Abb. 28) neben Abb. 29 B, so wird die
auffallende Ähnlichkeit beider wohl jedem
klar werden. Die in Abb. 29 B'' in der hal-
tenden Hand dargestellte Waffe, die wir
uns wohl als zusammengebundene elastische
Schlaggegenstände' (etwa Totschläger) zu
denken haben, findet sich auf der rechten
oberen Ecke eines gravierten konvexen tra-
pezförmigen Muscheltäfelchens (Abb. 30),
das uns einen aufspringenden Stier, ge-
packt von einem Löwen, zeigt, der seine
Krallen in Hals und Flanke des Tieres
einschlägt und in seinen Nacken verbissen
ist; die Waffe gehört offenbar einem Hirten
an, der eben in die Szene eingreift. Das
Stück, von E. de Sarzec in Tello ge-
funden, ist eines der ältesten Beispiele
der Gravierarheit auf Muschelmasse, das
wir auf mesopotamischem Boden kennen,
und gehört in die Periode vor Ur-Nina,
dem Begründer der ersten Dynastie von La-
gasch (um 3000 V. Chr.). L. Heuzey'' gibt fol-
gende Beschreibung der Waffe : plus bas, pa-
rait une main tenant
le bätou coude et an-
nale, qui semble avoir
ete ä la fois une arme
et un sceptre des an-
ciens rois du pays,
par exemple dans la
figure d ' E a nn a d 0 u.
On ne comprend pas
bien la force que pou-
vait avoir un pareil en-
gin,* surtout dans une
Al)l). 30. Muscheltäfelchen aus
Tellü (Paris, Louvre).
chasse aux Kons ; iL in-
dique cependaut que,
sur une jüece contigue, se trouvait un personnage
royak.
Die in Abb. 29 zusammengestellten Waffen be-
handelt P. Handcock, Mesopotamian Archaeology
p. 341 ff. im Zusammenhang. Er vermutet in
Abb. 29 A (Detail aus Abb. 31)« ein Wurfholz oder
einen Bumerang, allerdings mit der Einscliränkung :
,though its shape is the only argument in support
of this theory'. Die Waffe Abb. 29 B — hier ist
jeder Gedanke an ein Wurfholz mit Recht auf-
gegeben — sei als Knüttel im Nahkampf ver-
wendet worden (vgl. die Jagdszene !) ; sie ist nicht
mehr aus einem Stück, sondern deren drei seien
• A. a. O., p. •275 ff. ' Diese Aufklärung; verdanke ich Herrn Prof. R. Heberdoy in Gr.iz.
- Nach P. Handcock, Mesop.Arch., Fig. 94. ■■ L. Heuzey, Döcouvertes eu Chald(5e, vol.I, p.267 (zu H P1.4(j, Nr. 3).
^ Die oben vorgeschlagene Deutung macht auch die Wirksamkeit der "Watie begreiflieh.
" Kalksteinfragment aus Tello: de Sarzec, Decouvertes en Chaldee, II, Tat". \tei; la; aus der Periode von Ur-Nina.
Denkscliriften der iiUil.-liist. Kl. 5». Bd. 1. Abb. 3
18
J. Abhandlung: Adolf Gkohmann.
mit Ringen zusanimcngehaltcu. um die Wirkung zu
verstärken. Der \A'.iffe Abb. 29 C sei zur weiteren
Erhöhung der Schlagfertigkeit eine Klinge ein-
gesetzt Avordcn: am natürlichsten hätte das ge-
schehen können durch Einfügung der Schneide
Abb. 31. K.ilksteiurelicf .ins Tell.i i^P.ivis, Louvie).
zwischen die durch Ringe zusammengehaltenen
Schäfte oder Stäbe'; in 29 0 sei die Klinge in
einen Schlitz im liolz eingclas.sen.
Die Waffe Abb. 29 C scheidet bei Betrachtung
des sabäischon Symboles aus. Aber auch die An-
sicht -, Abb. 29 B sei aus 29 A entstanden, bereitet
Schwierigkeiten, besonders wenn Abb. 29 A einen
der Biegung in Abb.
29 A eine andere
ist als in 29 B
und den sabäischen
Symbolen, die mit
29 B darin überein-
stimmen; auch die
oben breiten, nach
unten sich A'erjüu-
genden l^mrisse von
29 A sprechen da-
gegen.
Darum sei auch
davon abgeseiieu, die
Mardukwaffe Abb.
id 33 ■
L Ver-
gleich mit den sabäi-
sehen Symbolen her-
anzuziehen. Denn es
ist zu bedenken, daß
die Form des sabäi-
schen Symbols in
Abb. 32. Gott Marduk; Lazur-
staiige aus Babylon (ca. 850 v.Chr.)
(Berlin, Kgl. Museen).
pHiiNuiui-uiij).*j)finiiii iii-uj,<iiii'irMi .
i,,ii,j..^vi"""i'"i"iiim,i)i,in'i,<
ij'Tmimiiii.ii,iiini'niii|i'"i'i''|i"iii'iiniiiiw.iM'iiiinwiii.Miimw.ii"i''.i"''"'ii"'"<<|
Abb. 33. Assyrische Götterprozession aus Malatia.
Bumerang darstellen soll: denn aus diesem kann
durch Vervielfältigung und tJuerbindung niemals
eine Schlagwaffe werden. Sieht man aber in
Abb. 29 A kein Wurfholz, so müßte man erwägen,
ob die als leere Form (s. p. 6 f., Gruppe I) zu-
sammengezogenen sabäischen Symboltypen nicht
damit zusammengestellt werden könnten. Das
wird aber kaum angehen : nicht nur daß die Art
seiner ältesten Gestalt (Abb. 28) nichts mit
dem Gegenstand in der Hand der vielleicht um
100 Jahre älteren* Mardukfigur (Abb. 32) ge-
niein hat, sondern mit der Form der Waffe auf
dem wohl zwei Jahrtausende älteren Muscheltäfel-
ehen von Tello (Abb. 30) zusammengeht. Das
sabäische Symbol ist aus zwei gekrümmten Stäben
zusammengesetzt, die durch je zwei aneinander-
' Davon gibt es kein Beispiel. '•' Handcock, a. a. O., p. :H41 unten.
" S. die Erläuterung; im Te.xte zu den Abbildungen bei M. Jastrow, Bildermappe, Sp. 7 (Nr. 14) und Sp. 6U (Nr. 98).
in Abb. 33 kommt es auf die zweite und vierte Person von links an. — Vgl. auch die Waffe in der Hand Marduks auf
Seite U einer Urkunde aus der Zeit Meli-Schipaks (ca. 1204—1189 v. Chr. Abb. 52). Auch dort ist die rechte, deutlich den
Gegenstand haltende Hand gesenkt.
• Das Olijokt i.st ein Weihgeschenk des Königs Marduknailiiisnni von Babylonien (ca. 850 v. Chr.) an Marduk.
GöTTERSTMBOLE UND SyMBOLTIEKE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄL
19
schließende Ringe an drei (vielleicht auch vier)
Stellen zusammengebunden sind; das sabäische
Stück ist oben abgebrochen, die Krümmung setzte
sich also wahrseiieinlich nach obenbin fort, so daß
sieh die in Abb. 29 B auttretende Form ergeben
haben mag, was anzunehmen uns die Formen
auf Abb. 2 g, 6c,d, 7e, Abb. 12, 14 c (vgl. auch
Abb. 27) berechtigen. Die babylonische Form ist
aus drei Streifen zusammengesetzt und an vier
Stellen durch je vier Ringe zusammengehalten.
Die Zahl der Ringe und der Stäbe bildet aber
keinen wesentlichen Unterschied, das Ausschlag-
gebende ist das Vorkommen der durch eine An-
zahl von Ringen aneinandergebundenen Stäbe und
ferner ihre charakteristische Krümmung; und
diese hauptsächlichsten Eigentümlichkeiten haben
sich in den verschiedenen Formen des sabäischen
Symbols bis in die späte Zeit durchgesetzt.
Das Blitzbündel und der Doppelgriffel.
Unter allen sabäischen Symbolen ist die
Gruppe % am häufigsten auf den Inschriften
vertreten. Doch findet sich diese Symbolgruppe
mit zwei Ausnahmen nur auf Inschriften der
Mukarribperiode.
H
r
Abb. 34. Blitzbündel und Doppelgriftel auf sabäischen In-
schriften: a Gl. 472, h Gl. 477, c Gl. 4SI, d Gl. 485, e Gl. 502.
Für die beiden vorliegenden Symbole kommt
folgendes inschriftliche Material in Betracht:
Rechts vom Fragmente Gl. 472 (Abb. 34«,
aus der Stadt Marib), das mit dem Anfang von
CIH 366 übereinstimmt. ^ Man beachte die jrerade
Form des Schaftes von Y ""d den einen Mittel-
strich des Doppelgriffels.
Links in Spiegelstellung von Gl. 477 =
Gl. 563 = Arn. 36 (Abb. 346 aus dem Dorfe
Märib); die Inschrift ist ein Schlußstück und ent-
hält nur: ,und 'Almakah' (Y'i'Illh®)-
Rechts in Spiegelstellung von Gl. 481
(Abb. 34 c), Zeile 2 (linksläufig) zusammen mit
dem Totschläger. Vgl. p. 13, Abb. 22 a.
Links in Spiegelstellung am Ende von
Gl. 485 = Arn. 55 (Abb. Md; vgl. p. 13).
Links in Spiegelstelluug neben Gl. 502
(Abb. 34 e, vom Mebnä eHIasrag bei Märib). Die
Inschrift enthält eine Weihung an 'Almakah
(Y'i'tllhlTH'l'V)- ^- Glaser kombiniert diese In-
schrift mit der folgenden Gl. 503^ und übersetzt:
,Jeda'il Watar weihte dem 'Almakah das Bauwerk
'Äthan.'
Rechts von Gl. 503 (Abb. 35a), t=i scheint
zerstört zu sein. Vgl. zur vorangehenden Nummer.
Links in Spiegelstellung neben der zweizeiligen
Bustrophedoninschrift Gl. 514 = 513 = Arn. 14
= Hai. 673, 674 (Abb. 35 i, vom Marbat ed-Dimm
bei Märib), rechts ^^ ; ohne Gottesnamen. ^
Das Symbol allein in Spiegelstellung bildet
Gl. 522 (Abb. 35c, vom Marbat ed-Dimm).
Rechts und in Spiegelstellung links neben
der zweizeiligen Bustrophedoninschrift Gl. 525,
vgl. Gl. 523 = Arn. XII bzw. XIII (Abb. dbd,
vom Marbat ed-Dimm).* Kein Gottesname.
If
d
Abb. 35. Blitzbündel und Doppelgriflfel auf sab.äischen In-
schriften: a Gl. 503, b Gl. 514, c Gl. 522, d Gl. 525,
e Gl. 545, / Gl. 558, g Gl. 54',i.
Rechts von Gl. 545 = Arn. 33 = Hai. 671
(Abb. 35 e aus Märib). Die Inschrift enthält nur
den Namen >X®l1h°l>l?-
Rechts von Gl. 558 (Abi). 35/ vom Marbat ed-
Dimm), Bruchstück einer Inschrift: ////7ni>I]h°S?
Links in Spiegelstellung neben Gl. 549
(Abb. 35^, vom Marbat ed-Dimm), Bruchstück
einer Bauinschrift eines [Mukarjrib von Saba,
ohne Gottesnamen.
' S. w. u. Gl. 901, 1530. » Märib im Jemen, p. 50 b.
^ Vgl. D. H. Müller, Burg. u. Schlöss. II, p. 14; E. Glaser, Märib im Jemen, p. 5',l f
■* Vgl. D. H. Müller, Burg. u. Schlöss. II, p. 13, E. Glaser, Märib im Jemen, p. (50.
20
1. Abhandlung: Adolf Grohmasn.
Links in Spiegelstellung neben Gl. 56 3 =
565 = Arn. 28 = 44 (Abb. 3ü a, vom Marbat
ed-Dimm). Das Fragment lautet: Y'l'fllh® -und
'Almakab'.
Links in S])iegelstellung neben Gl. 5 73
(Abb. 36 i aus Märib). Das Fragment entliält
nur den Gottesnamen 'Almakab (Y<!il][1h)-
Links in Spiegelstellung neben Gl. 591
(Abb. 36c, aus Märib). Das Fragment entliält
wieder nur den Gottesnamen 'Almakali (Y'l'Illh)-
a ^
IVI
d
f
Abb. 'i6. Blitzbündel uiul Doppelgiiftel auf sabiiischen In-
schriften: a Gl. üGö, 4 Gl. 573, c Gl. 591, d Gl. 596, e Gl. 010,
/ Gl. 696, g Gl. 731.
Links von Gl. 596 (Abb. 36 ti vom unteren
IJusn bei Märib). Der -linke (rechte?) Stricb stellt
wohl den Rest des [^ dar ; das Symbol hätte dann
Spiegelstellung. Die Inschrift ist ein Fragment
ohne Gottesnamen.
Rechts von (J 1. 610 (Abb. 36 e. vom unteren
yu.sn bei Märib).' Das Fragment enthält nur
IV
i'ik
a b c
Abb. 37. Blitzbündel und Doppelgriffel avif sabäisclien In-
schriften : a Gl. 743, 4 Gl. 796, c Gl. 797.
/////^|>X'Dl1rH°l>l?- Der Strich rechts stellt wohl
den Rest von \^ dar.
Rechts und in Spiegelstelluug links von
Gl. 69 6 = Arn. 46 (Abb. 36/ aus Märib). Die
Inschrift ist das Fragment einer Bauinsehrift aus
der ^Fukarrib-Zeit.-
Rechts von Gl. 731 (Fragment aus Säw-
wana bei Märib, Abb. 36 j). Nur in der Götter-
anrufung am Schlüsse erscheint auch 'Almakab :
Links in Spiegelstellung neben dem Buch-
staben ^, Gl. 743 (Abb. 37a, aus den Ruinen
der alten Stadt Märib).
Rechts ohne H, das wohl zerstört ist, neben
der mit Gl. 610 (vgl. p. 20 a) inhaltsgleichen In-
schrift Gl. 796 (südlich von Wädi, V2 Stunde
östlich vom Dorfe Märib gefunden, Abb. 37 &).
Abb. 38. Blitzbündel und Doppelgriffel auf Gl. 1527.
Beachte den nicht geschlängelten Yertikalstrich,
wie in Abb. 34 a.
Rechts und in Spiegelstellung links neben
Zeile 1 und 2 der Bustrophedoninschrift Gl. 797
(Abb. 37c, am MaVib auf dem Wege nach Sana
gefunden), auf der Vorderseite eines oben abge-
Abb. 39. Blitzbündel und Doppelgriffel auf Gl. 1531.
brochenen Opferaltars, der ,sich wie der Sitz eines
Fauteuils präsentiert'. Glasers Übersetzung der
Inschrift auf Fol. 246 seines Inschriftenwerkes
lautet: ,Jath'i - amar Bain, Sohn Samah'alaj's,
Priesterfürst von Saba, richtete her das r^-p der
beiden (oder PI. der) Wege (Passagen? Bezirke?
Wälder?) von Xawära", am Tage als er (gewöhn-
liches) Wild (Schuß- oder Bogenwild) jagte (für)
'.\ttar (oder: 'Attarwihl, d. h. frei verfolgtes Wild?)
und (als er gleichfalls jagte) Fällgrubenwild [Stech-
' Vgl. E. Glaser, Märib im Jemen, p. 70.
Vgl E. Glaser, Mfirib im Jemen, ]>. 74a unten.
Göttersymbole und Symboltiere auf sCdarabischen Denkmälern.
21
wild, Hyäneu] (oder: als er dem Wild naclistellte
mittels Fallgrubeü).' ^
Links in Spiegelstellung neben Gl. 89 2 =
1527 (Abb. 38, aus Sirwah), einer Bauinscbrift
aus der Mukarribperiode.
Rechts am Anfang und in Spiegelstellung
links am Ende der Inschrift Gl. 901 ^ 1531 =
Hai. 50 = cm 366 (Abb. 39) ; sie befindet sich
auf der Nordseite der runden Mauer in Sirwah,
die die erhaltenen Reste des alten 'Almakahtempels
darstellt. Vgl. auch Gl. 902 = 903, welche In-
schriften sich von der Nordseite über Osten nach
Süden bis zum Tore der Ringmauer in Sirwah
hinziehen, und Gl. 1530 (auch aus Sirwah). In
u.
Abb. 40. Blitzbündel und Doppelgiiffel auf sabäischen In-
schriften: a Gl. 910, h Gl. 91G, c Gl. 1000 B, d Gl. 1109.
der Schlußformel der Inschrift erscheint 'Alraakah
zusammen mit 'Attar und Dat Hmi"'.
Rechts und links, jedoch nicht in Spiegel-
stellung, neben Gl. 910 = 1676 (Abb. 40a), einer
Bauinschrift aus Sirwah.
Links von Gl. 916 (Abb. 40 6 aus Sirwah)
in Spiegelstellung. Die Inschrift ist das Fragment
einer Bauinschrift aus der Mukarribperiode.
Rechts und in Spiegelstellung links neben
Gl. 1000 A und 1000 B (Abb. 40c), den großen
Tempelinsehriften von Sirwah (um c. 550 v. Chr.
gesetzt),- die in Form großer Dedikationen an
'Almakah abgefaßt sind.
Rechts und links in Spiegelstellung neben
den beiden einzeiligen Bauinschriften Gl. 1108
"■■■v-'i /r"'i «--i'
'\m
Abb. 11. lilitzbündel und Doppelgiiffel auf Hofinus. l-l.
und 1109 (Abb. 40 li). Sie sind vom Mukarrib
Id' '1 Drh, Sohne des Smh'li, gesetzt und befinden
sich in el-Mesägid, 3 Stunden nw. von el-Gedida
(Grüba) unweit vom Wädl I)enne, auf dem großen
'Almakahtempel,^ der nach Glasers Angabe im
Tagebuch I, p. 30', noch größer ist als der in
Märib und Sirwah. In der Schlußformel von
Gl. 1108 ist 'Almakah zusammen mit 'Attar
(Y<l'^1hin®l>X§°n). ii^ der übUchen Göttertrias
(^?^TXNin<i>|Y^^1hin®l>XS°n) am Ende von
Gl. 1109 genannt.
Links in Spiegelstellung neben der alt-
sabcäischen Inschrift Gl. 1147 = Hofmus. 14
(Abb. 41 aus dem Bustän es Suhan, San ä). Nach
F. Hommels Ergänzung berichtet sie vom Bau
eines Altars des 'Almakah^ (<i>YilhlO?'!'l?Hn)-'
Links, jedoch nicht in Spiegelstellung, neben
Gl 1467 = Hai. 331 (Abb. 42a aus el-Baidä-
Gauf), einer Bauinschrift aus der Mukarribperiode.
V« f«
Abb. 42. Blitzbiindel und Doppelgriffel auf sabäi.sclien In-
scbriften: a Gl. 1467, /; Gl. 1468, c Gl. 1529, d Gl. 1550.
> Vg:l. N. Rhodokanakis, WZKM XXVIll 1914, p.
' V'i'^1hlX?n '1 beiden Inschriften.
6 Nach E. Glaser ist B'p das Wort für Riiucher.iltar.
112. - Vgl. O. Weber, Studien I, MVAG VI (1901), p. 22.
" Aufs. u. Abb., p. 145 f.
22
1. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Links, jedocli nielit in Spicgelstellung, neben
Gl. 1468 = Hcal. 339 (Al)b. 42 6, aus el-Bai(Jä),
einer Bauinschrift aus der Mukarribperiode.
Rechts von Gl. 1529 = Hai. 52 (Abb. 42c.,
aus §irwäh), einer Bauinschrift aus der Mukarril)-
periode. Auf den Ideinen Kreis links wird noch
zurückzukommen sein; vgl. die folgende Numnior.
Rechts und in Spiegelstellung links neben
Gl. 1550 (Abb. 42d, aus ed-Duraib, wohin der
Stein nach E. Glasers Angabe aus den Ruinen
H
nn
Abb. 43. Blitzbündcl uud Doppelgriffel auf sabäischen In-
schriften: a Gl. l.'>58, A Gl. I.i59, c Gl. ITiGO.
von el-'A.sähil ver.schleppt wurde). Auf die Form
der Sjmbolgruppe der linken Seite wird weiter unten
des näheren eingegangen; s. die vorangehende
Nummer. Der Schluß dieser Bauinschrift aus der
.Mukarribperiode ist ähnlich dem von CIH 366.
Rechts und in Spiegelstellung links neben
Gl. 1558, 1559, 1560 (Abb. 43a— c, aus ed-Du-
raib), 3 Bauinschriften des Mukarrib H?ni>^h°ST>
Sohnes des ?1oY^r^.
\
nfi-iw
Abb. 44. Blitzbündcl und Doppeljrrirt'el auf sabäischen In-
Bchriften: a Gl. 1641, /> Gl. 1C47, c Gl. IGT.i, d (Jl. 1698,
e Gl. 1064.
Rechts in Spiegelstellung (!) von Gl. 1641
(Abb. 44 a, aus Sirwäh). Fragment aus der Mu-
karribperiode.
Hechts von Gl. 1647 (Abb. 44 6, aus Sirwäh).
Die Inschrift ist ein Fragment.
Rechts uud links, jedoch nicht in Spiegel-
stellung, neben Gl. 1675 = Münch. 14 (Abb. 44c,
aus Sirwäh). Die Inschrift ist eine Bauinschrift
des SmhMi Drh, Königs von Saba, Sohnes des
H?ni>^h°S?- Sie bildet mit Gl. 485 = Arn. 55 >
die zwei beweisbaren Ausnahmen von der Tat-
sache, daß die Symbolgruppe f,, sonst auf Mu-
karribinschriften vorkommt; zu Arn. 20 s. w. u.
Rechts von Gl. 1698 = Münch. 44 (Abb. 44 rf,
aus Sirwäh). Die Inschrift ist ein Fragment.
Vielleicht gehört auch noch Gl. 1664 =
Münch. 1 (Abb. 44 e, aus dem "Wädi 'Abida) hie-
her : rechts von der ersten Zeile steht der Buch-
stabe Y etwas größer gezeichnet als die übrigen
Buchstaben. (Abklatsch ist leider nicht vorhanden.")
Der Stifter der Inschrift ist ein Y'l'^1hl®^>-
Die Symbolgruppe ^j^ findet sich ferner noch :
in Spiegelstellung rechts von der Inschrift Arn. 20
vom Damme bei Märib : ?a)^r^HIO"l'^ (,Weihe-
denkmal des Du Smui'), sowie in den inhaltlich
mit Gl. 1467 übereinstimmenden und teilweise
fragmentarischen Inschriften Hai. 280 — 286,
289, 292, 303—305, 326, 331 (aus al-Bai(Jä)
in folgender Anordnung:
Hai. 280/281
VH-
..W'^isicf
„ 282
VH-
•V
„ 283-
-286,
303
306 .
•V
^ 289
VH-
■V
„ 292
VH-
. VMV i>«c/
„ 331
VH-
., 326
V-.
Zerstört ist |=j vielleicht in der Inschrift
Hai. 620 (aus Silyäm), die neben dem Blitz-
bündel oO?1 enthält; vgl. Gl. 503, 610, 796.
Die Symbolgru])]»e f„ findet sich allein
oder in Verbindung mit dem Totschläger, auch
auf dem Revers sabäischer Münzen; und zwar
"^„ allein in der Form:
Abb. 45 a auf dem Revers vom Hofmus. I 12.'
,, 40 C „ „ „ „ „
.. 45 d ., .. ., von Head 5.^
I 16.*
I 14.^
' Beides sehr alte Inschriften; vgl. oben p. LS, Note 2.
' Die Hal<!vykopien fahren mit dem Namen des Erbauer.? von N.aslj HTni1n°'HT fort; in welcher Reihenfolge
da die zwei Symbolelementc kombiniert waren, bzw. ob wirklich das eine zweimal dastand, ist kaum mit Sicherheit zu
ermitteln; eben.sowenig, ob in den übrigen Fällen (Hai. 283 — 281) etc.) tatsächlich bloß das eine Element angebracht war.
Beachtenswert ist die Stellung xH a™ Ende; vgl. Abb. 44 c.
» D. H. Müller, Südarab. Altert., p. 67, Taf. XIV, Abb. 7. ■> D. H. Müller, a. a. O., p. 07, Taf. XIV, Abb. 8.
" D. H. Müller, a. a. O., p. 67, Taf. XIV, Abb. 6. " Num. Clironicle, N. S., Vol. IS, PI. 13, 5.
GöT
TERSYMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
23
a b
HYl *\^ ^> f tl
e f g h i
Abb. 45. Güttersymbole auf sabäischen ilUnzen.
Zusammen mit dem Totscliläger iu der Form:
Abb. 45 e auf dem Revers von Dr. Imhoof-
Blumer A. 1, 2.i
„ 45/ auf dem Revers vom Hofmus. i:-}1.694,^
ebenso in He ad 5-' und Schlumb erger
1—3, 5, 7, 9, 11, 12, 14— 17.''
„ 45 g auf dem Revers von Dr. Imhoof-
Blumer A3,* ebenso Head 6.''
„ 45 h Schlumberger 8, ähnlich 10, 13 und
ohne H Nr. 6.' (Vgl. hier Abb. 3a, pag. 7.)
„ 45 1 auf dem Revers von Windischgrätz 1.^
Der besseren Übersicht halber seien einige
minäische Formen, die zu dem einen der zwei
kombinierten Symbolelemente gehören, gleieii hier
angereiht :
Das Symbol y allein^ findet .sich öfters auf
minäischen Inschriften; so:
zusammen mit dem 'Attarmonogramm, der
Schlange, dem Kreise und dem Tore rechts von
Gl. 1158 aus Baräkiä (Abb. 46a),
zusammen mit dem 'Attarmonogramm und
der Schlange links von Gl. 1302 aus Barakis
(Abb. 46 b),
zusammen mit dem 'Attarmonogramm rechts
von Hai. 480 aus Barakis (Abb. 46c\
zusammen mit der Schlange und dem Tore
auf der nordminäischen Altarinschrift von Delos
(Abb. 46 d)." Eine ähnliche Form findet .sich öfter
U
V T
Abb. 46. Blitzbündel auf minäischen Inschriften:
a Gl. 1158, b Gl. 1302, c Hai. 480, d Delosaltar.
auf den Graffiti der Wiener Südarabischen Ex-
pedition.
Zum Schlüsse seien noch zwei nach oben
und unten symmetrisch komponierte Formen
des Blitzbündels hiehergestellt:
Rechts neben der ersten und zweiten Zeile
der sabäischen Bustrophedoninschrift Mars. X
(Abb. 47 a);" vgl. die einfache Form in den sa-
bäischen Texten Gl. 472, 477 etc.
Links von der zweizeiligen altsabäischen
Bustrophedoninschrift Gl. 781 (Abb. 47 i, Um-
gebung von Jlärib) mit 3 Zinken wie Abb. 46 d,
aber gerundet. Das einfache Zeichen hiezu liegt
M'ohl A'or rechts von der fragmentarischen kata-
bänischen Bauiuschrift Gl. 1343 (Abb. 47 c aus
el-Güba) und in dem ganz alleinstehenden riesigen f
(Abb. 47 tZ, Gl. 1434 ohne Fundort), das (nach
Abb. 47. Blitzbundel auf sabäischen und katabanischen In-
schriften: a Mars. X, h Gl. 781, c Gl. 1343, d Gl. 1434.
Glaser) in der Form zu keiner der kopierten
Inschriften gehört.
Die eben angeführten sabäischen Inschriften
stammen größtenteils aus der Mukarribperiode,
der Zeit, in der die großen 'Almakahtempel zu
Sirwäh, Märib und al-Mesägid erbaut wurden.
In diesen drei Tempelbezirken wurde auch der
größte Teil der herangezogenen Inschriften ge-
funden : so in Märib und Umgebung Gl. 472, 477 =
563, 502, 503, 514, 522, 523, 525. 545, 549, 558,
573, 591, 596, 610, 696, 731, 743, 781, 796, 797,
Arn. 20; in Wädi 'Abida Gl. 1664. Vom Haram
Bilkis stammen Gl. 481, 485. Aus Sirwäh kommen
GL 892, 902, 903, 910, 916, 1529, 15301., 1641,
1647, 1675, 1676, 1698; vom Sirwäher 'Almakah-
tempel rühren her : Gl. 901 = 1531, 902/3, 1000 A
undlOOOB. Ferner wurden gefunden: in al-Baidäini
Gauf Gl. 1467/, Hai. 280— 286, 289, 292, 303—305,
1 D. H. Müller, a. a. O., p. 75. - I). H. Müller, a. a, O , p. 74, Tat". XIV, Abb. 52.
' Num. Chronicle, N. S., Vol. 20, PI. 15. ■• G. Schi umberger, a. a. O., Taf. 1.
° D. H. Müller, a. a. O., p. 75. Das Totschlägersymbol ist nicht durchstrichen.
« Num. Chronicle, N. S., Vol. 18, PI. 13. ' G. Schlu niberger, n. a. O., Taf. I.
" D. H. Müller, a. a. ()., p. 76.
" Vgl. p. 22, Note 2. '° OLZ Xll. (I'.t09), Sp. 64; O. Weber, Melanges Derenbourg 1909.
" Revue archöologique, III"" ser., tonie 35, p. 12.
24
I. Abhandlung: Adolf Grohmasn.
826, 331; in ed-Duraib 01.1550, 1558—1560: in
Silväm Hai. 620; in al-Mes;\gid am 'Almakahtemitel
Gl 1108, 1109; in San'ä Gl. 1147. Von diesen
Inschriften erwähnen den 'Alinakah Gl. 477, 563,
565, 573, 591, 731; die Inschriften Gl. 481, 485,
502, 1000 AB berichten von Widmungen an ihn,
Gl. 1147 speziell vom Bau eines 'Almakahaltar.s,
1664 erwähnt einen r§u (Priester) des 'Almaljah
und Gl. 901, 1108, UO'J berichten von einer Bau-
tätigkeit am Tempel in §irwäb, bezw. el-Mesagid.
Nur Gl. 797 erwähnt den Gott 'Attar allein, und
Arn. 20 ist ein ^Veihdenkmal (cps:) des Du Smui.
Nach all dem wird es wohl nicht als zu gewagt
erscheinen, auch diese Symbolgruppe mit 'Almakah
in Verbindung zu bringen und als sein Zeichen
aufzufassen. In diesem Zusammenhang möchte icli
auch darauf hinweisen, daß die Symbolgru]>pe ')'„
in Gl. 481, 485 und auf etlichen sahäischen ^Hinzen
(vgl. p. 23) zusammen mit dem Totschlägersymbol
erscheint, das schon oben, p. 15, mit einiger Sicher-
heit 'Almakah zugewiesen werden konnte. — Nun
hat 0. Weber die Ansicht ausgesprochen, ' daß
das Bukraniou auf dem Revers der Münzen mit
Doppelstab- (= Totschläger) als Vertreter des
Zeichens V anzusehen sei. Wenn dem so ist, könnte
man weitergehend in H ein Äquivalent des Tot-
schlägersymbols vormuten ; Äquivalent insofern
als jedes 'Almakah bezeichnet haben dürfte, wobei
aber gegenständlich V bezw. |:| je etwas anderes
darstellen als das Bukranion, bezw. Totschläger-
symbol. Dann ist auch die Gruppe 1« '^'s Sym-
bol der Gruppe Gl. 1649 (Abb. 16, p. 11, Stier-
kopf nebst Totschläger) gleichwertig. Nur geht
aus dem ganzen hier mitgeteilten Material deutlich
hervor, daß Y und ^ besonders im Sahäischen
eine ganz enge Verbindung eingegangen sind, viel
enger als sonst welche Symbole sieh gruppieren.
So wurden sie zuletzt als Einheit gefühlt und es
konnte dann auch zu ihnen das Totschlägersymbol
treten (s. p. 23), wie es auf Münzen und gelegent-
lich auf Steinen zum Stierkopf trat. So haben
wir folgende Gruppen auf Münzen und Steinen:
(Doppelstab-) Totschläger + Stierkopf,
fu allein.
Interessant ist, daß die Symbolgruppo f,,
auf Inschriften nur durch die Mukarribperiode
hindurch herrschend bleibt; in der Köuigsperiode
läßt sie sich nur in zwei sehr alten Fällen nach-
weisen (vgl. p. 226, oben), während Stierko])f und
Totschläger bis in späte Zeit hinab als Symbole
verwendet wurden. Der Grund für diese Er-
scheinung läßt sich vorderhand noch nicht er-
mitteln, vielleicht verbirgt sich in ihr eine theo-
lüo-ische Umwertung, vielleicht war es auch bloß
eine Modesache. Wichtig ist dabei, daß wir auf
zwei Inschriften der Mukarribperiode direkt eine
andere Gottheit als 'Almakah genannt findeu. So auf
Arn. 20 Du Smui und auf Gl. 797 'Attar. Ob diese
Symbolgruppe zeitweise oder gelegentlich auch
zu diesen beiden Göttern in Beziehung stand und
kraft welcher Umstände, läßt sich nicht ermitteln;
in der Hauptsache vertrat sie 'Almakah. Für das
katabanische Gebiet wird durch das .BlitzbUndel
mutmaßlich 'Amm symbolisiert, zur miuäischen
Entsprechung s. w. u.
Was bedeutet die Symbolgruppe f„ nun ge-
o-enständlich? Vor allem ist zu beachten, daß sie
aus zwei Elementen, dem V und dem H, besteht,
die beide als solche zugegeben werden müssen,
da die sabäische Symbolik \4 auch allein verwendet
und in der minäischen nur Y vorkommt. Vielleicht
war es ein Gefühl für Stufensymmetrie, das beide
Elemente so anordnen ließ, daß das |=| fast stets
nur bis zur Hälfte des Y reicht, jedenfalls können
beide Symbole ihre Stellung zueinander ändern.
So entstehen Spiegelformen, die lebhaft an den
Wappenstil erinnern, den man auf den Erzeug-
nissen der assyrisch-babylonischen Glyptik und
auch in der sahäischen Kunst (vgl. z. B. CTH 73)
sowie auf den Denkmälern der Phönizier beob-
. achten kann und der dem Streben nach Sym-
metrie seine Entstehung verdankt ^ und auch in
der arabischen Epigraphik zu verfolgen ist.* Wenn
die Svmbolgruppe zu beiden Seiten einer Inschrift
angebracht ist — und dies ist sehr oft der Fall —
so ist es fast die Regel, daß beide Gruppen zu-
einander Spiegelstellung einnehmen. Nur seltene
Fälle machen von dieser Regel eine Ausnahme:
so Abb. 40 a, 42 a, b, 44 a, c. Zu den Kopien
Halevys 280—331 vgl. oben p. 22, Anm. 2. Auf
den Münzen endlich ist stets die Stellung t=|V ein-
gehalten. Dieselbe Unstimmigkeit herrseht auch
in bezug auf die Monogramme der sahäischen
Denkmäler; so zeigt Gl. 1095 (Abb. 48, aus
Sirwäl.i) die beiden ^Monogramme rechts und links
der Inschrift nicht in Spiegelstellung zueinander,
' O. Weber. Güttcrsymbole, p. 279. » Vgl. Hofmus., Taf. XIV, Abb. 24—26 (Abb. 10 a— c)
' Vgl. M. Lidzbarski, Epbemeris I, p. 114 f.
♦ Vgl. ebenda und van Bcrchem-S trzygowski, Amida, p. 18 f.
GuTTERSYMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
25
1^1 1^
Al)b. 48.
Monogramm auf
Gl. 1095.
wahrend Gl. 1422 = 1620
(aus 8ekir) diese in den Haupt-
elementen einhält.
Das Symbol Y tritt uns
in verschiedenen Formen ent-
gegen und es ist nicht immer
leicht, alle diese Formen mit-
einander in Einklang zu bringen, wenn man
nicht die gegenständliche Seite mit berücksichtigt.
Ich möchte nun den Versuch machen, unser sabäi-
sches Symbol mit dem babylonischen Blitzbündel
zusammenzustellen, das allem Anscheine nach
XH'
tx
nicht nur für die Entwick-
lung des sabäischen Sym-
bols, sondern auch, wie
P. Jacobsthal in seiner
Arbeit gezeigt hat , ^ f ür
die Darstellung des Blitzes
in der griechischen Kunst
von einschneidender Bedeutung gewesen ist.- Zur
leichteren Beurteilung meiner Auffassung setze ich
unter das sabäische, bezw. minäische Symbol der
folgenden Übersichtstafel gleich auch das korre-
spondierende babylonische.
Abb. 49.
Monogramm auf
Gl. 1422.
I. Gruppe.
sabäisch
6'
minäisch-sabäisch
V
sabäisch
"i
V
d'
minäisch
V
babylonisch
? Jk
ß'
babylonisch
V
Abb. 50. Übersicht über die sabäo-minäischen und babylonischen Formen des einfachen Blitzbündel-
symboles von a Hofm. 14, h Gl. 591, h' Gl. 1698, c Gl. 1158, c' Gl. 1664, d Münze Hofm. 1 12, d' Gl. 472, e Hai. 480;
K von der Nazi-Maruttaschstele (vgl. Abb. öl), «' von einer Belehnungsurkunde Nebukadnezars I. (ca. 1130 v. Chr.), ß vom
babylonischen Siegelzylinder Delaporte 181, ß' vom babylonischen Siegelzylinder Delaporte 148 (ca. 2200—2100 v. Chr.),
y von der Alabastertafel Schamschi Adads IV. (ca. 82:J— 811 v. Chr., vgl. Abb. 54), y' von der Belehnungsurkunde Meli
Schipaks (ca. 1204--1190 v.Chr.).
' A. a. O., p. 49 ff.
' Vgl. auch Goblet d'AlvieUa, La migration des Symbols, p. 122ff.
Denkschriften der phil.-bisl. Kl 68. Bd, 1. Abb.
26
I. Abhandlung: Adolf Grohmasn.
Diese Gruppe der miuäo-sabäischen Symbole
zeigt fünf verscliiedene Formen: a) eine Form
Abb. r.i.
Grenzstein des Jsazi-Manittaseli, ca. 1322 — 1297 v.Chr.
(Paris, Louvre.)
mit gebogenem, lyraförmig gestaltetem Oberteile
und gesehläiigeltem Scliafto, b) eine Form mit
geknicktem Oberteile und geschlängeltem Schafte,
c) eine Form mit abgerundetem, gerade stilisiertem
Oberteile und geradem Schafte, d) eine Form mit
dem Oberteile wie in a), jedoch geradem Schafte
und endlich e) eine Form mit eckig stilisiertem
Oberteile und geradem Schafte. Beim babyloni-
schen BlitzbUndel ist der Schaft fast stets gerade,
das zweistrahlige Blitzbündel aber rund wie in
/. oder gewellt wie in «, «' ^ und ß^ oder gezackt
wie in ß' -j^ damit ist wohl siclier Gl. Ö91 zu-
sammenzustellen. Dies zweistrahlige Blitzbündel
findet sich oft auf babylonischen Belehnungs-
urkunden, so auf Seite D der Schenkungsurkunde
aus der Zeit des Nazi-Maruttasch (ca. 1322—1297
V. Chr.) in der vierten Abteilung rechts auf dem
liegenden Ochsen (Abb. 51);* auf der Belehnungs-
urkunde von Meli-Sehipak (ca. 1204—1190 v.
CAir.) trägt in der vierten Reiiie links ein liegender
Ochse einen Götterthron mit zweizackigem Blitze
(vgl. Abb. 50. j'). ^ Auf einer andern Urkunde
desselben Königs erscheint der zweistrahlige Blitz
als Symbol Adads (Abb. 52)," ebenso auf den
Siegelzylindern Delaporte, 208, 253—255 (aus
Sumer"'und Akkad ca. 2200—2000 v, Chr.)' und
den syro-kappadokischen Zylindern Delaporte 447,
487.* Ferner finden wir auf einem Grenzstein
der Zeit Marduk-paliddins T. (ca. 1189—1177
V. Chr.) als 14. Symbol den liegenden Ochsen
mit dem zweizackigen Blitz auf dem
ebenso auf den babylonischen
Siegelzylindern Delaporte 148
(vgl. Abb. öOß'), 204 (Abb. 53)1»
und 255,11 beide aus Sumer und
Akkad, ca. 2200—2000 v. Chr.
Zum zweizackigen Blitze
allein vgl. M. Jastrow, Bilder-
mappe, Taf. 12, Nr. 40; Taf. 13,
Nr. 42, 43, 44. Auf der Alabaster-
tafel mit dem Bildnis Sehamschi
Adads IV. (823—811 v. Chr.), Kö-
nigs von Assyrien, erscheint der
zweistrahlige Blitz als Amulett
am Halsbande des Königs und
oben hnks im Felde (vgl. Abb. 54).'= Die for-
male Übereinstimmung von Delaporte 148, 181
LVbb. 50/9', ß) mit Gl. 591 (Abb. 50 &) oder
Jastrow Nr. 29 (Abb. 50/), 96 (Abb. 50 y) mit
Rücken ; ^
Abb. 53.
Ochse mit Blitz-
bündel, vom ba-
bylonischen Sie-
gelzylinder Dela-
porte 204. (Paris,
Bibliotheque na-
tionale.)
' Vgl. M. Ja.strow, a. a. O., Taf. 12, Nr. 39.
* Nach Louis Delaporte, a. a. O., PI. XII.
» Nach M. Jastrow, a. a. O., Taf. 8, Nr. 29.
' Vgl. L. Delaporte, a. a. O., PI. XV, XVIII.
- Nach Lonis Delaporte, Cylindres Orientaux, PI. XIV.
* Nach M. Jastrow, a. a O., Taf. 8, Nr. 28.
« Nach M. Jastrow, a. a. O., Taf. 9, Nr. 30.
" Vgl. L. Delaporte, a. a. O., PI. XXX, XXXII.
■• Vgl. M. Jastrow, a. a. O., Taf. 11, Nr. 37; vgl. noch Nr. 38, 39.
'« Vgl. L. Delaporte, a.a.O., PI. XV. " Vgl. L. Delaporte,
" Nacli M. .lastrow, a. a. O , Taf. :i2, Nr. 96.
a. O., PI. XVIU.
Göttersymbole und Symboltiere auf sOdarabisches Denkmälek.n.
27
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Gl. 472 (Abb. 50 (i') wird wohl schwer zu leugnen
sein und hoffentlich zu unserer ZusammensteUung
voll berechtigen. Allein nicht nur der zweistrahlige
babylonische Blitz hat sein Analogon bei den
Südarabern, aucli dem drcistraldigen auf einem
hettitischon Denkmal erhaltenen läßt sicli ein
südarabisches Pendant zur Seite stellen, das die
folgende Gruppe umfassen soll.
4*
28
I. ^Vbhandluno : Adolf Grohmann.
IL Gl
Die südarabischen Formen dieser Gruppe ver-
teilen sicli auf das uordmiuäischc und katabänisclie
Sprach- und Kulturgebiet (vgl. p. 23); aus dem sa-
bäischen ist diese Form nicht belegt: Gl. 1434 ist
leider ohne rrovcnienzangabe. Sollte das Symbol
r f
Abb. 55. Das dreistrahligeBlitzbUndel:
n vom Delosaltare, h von Gl. 1343;
K vom Bilde Teschups (atis Babylon,
s. Abb. 57).
Abb. 56. IJlitz-
bündel in der
Hand Adads,
auf einer La-
zurstange aus
Babylon.
in dieser Form bei den Sabäern bestanden haben, so
dürfte es nach Gl. 781, Abb. 58 h der folgenden
III. Gruppe zu schließen, wohl die abgerundete
Form wie Gl. 1343 gehabt haben. Das Minäische
neigt scheinbar mehr den gradlinigen, dann eckigen
Formen zu (s. Abb. 46): es dürfte wohl das Symbol
des Delosaltars bezüglich der eckigen Form Hai. 480
(vgl. Abb. 50 e) zur Seite zu stellen sein und nicht,
wie 0. Weber* annehmen wollte, eine irrige Ver-
schreibuug des Steinmetzen aus dieser Form dar-
stellen; spricht ja die gegenständliche babylonische
Parallele und die katabänisclie Form dagegen. Im
bahvlonischen Symbole, das sich in den Händen
u p p e.
Adads (Abb. 56),^ auf einer zyliudei-forniigeu La-
zurstange befindet — sie wurde von Asarhaddon,
König von Assyrien
(G80— 669 V. Chr.),
Marduk gewidmet
— kommt zwar der
Zusammenhang
nicht so deutlich
zum Ausdruck, aber
auch hier ist der
Blitz ersichtlich
drei strahlig gege-
ben. So wurde in
Abb. 55« besser die
hettitische Form
des Symbols zum
Vergleiche herange-
zogen, wie sie sich
in der linken Hand
Teschups auf einem
Götterbilde aus Ba-
bylon darstellt (Abb.
57).^ Wie der zwei-
strahlige Blitz der
babylonischen Ku-
durrus geschlängelt
ist, so auch hier der dreistrahlige hettitische. Dem
zweistrahligen und dreistrahligen BlitzbUndel ent-
spricht, wie im babylonischen und griechischen,
auf südarabischem Boden ein zwei-, bezw. drei-
strahliger Doppelblitz, den Gruppe III vorführt.
Abb. 57. Bild des hettitisclien
Gottes Tescbup, aus Babylon.
III. Grruppe.
Die zweistrahlige Form des Doppelblitzes auf
der sabäischen Bustrophedoninschrift Mars. X hat.
soviel ich weiß, keine babylonische Parallele. —
Sehr häufig findet sich hingegen
der dreistrahlige
Doppelblitz auf babylonisch- assyrischen Darstel-
lungen: so auf einer dem babylonischen Kunst-
l
"Mf-^^z- -'j.
. '••:iWi
M
Abb. 58. Das zwei- und drcistr.ihlif^e Blitzbündcl:
a von Marseille X, h von (il. 7S1; « von der Ala-
basterskulptur Aschurna^irpals III. (Abb. GO).
Abb. 59.
Gemme mit lilivanischer Inschrift
(London, British Museum).
• O. Weber, Götter.symbole, p. 274, Note 2. ' Nach M. .lastrow, a. a. O., Taf 5, Nr. 15.
^ Nach A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, I. Aufl., p. .Sy, Abb. 18.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
29
kreise angehörigeii Gemme (Abb. 59, die Mittel-
figur). Das Original im British Museum ist etwa
um 1000 V. Chr. anzusetzen.^ Wir sehen einen
Doppelblitz derselben Form in der Hand des
Abb. 6(1. Alabasterskuljjtur Aschurnasirpals III.
(ca. 883 — 8ö9 v.-Chr.) aus Nimrud (London, Britisli Jluseum).
Gottes (wohl Adad oder Ramman) auf der im
Xordwestjialaste Aschurnasirpals III. gefundenen
Alabasterskuljjtur, im Kampfe gegen ein geflügel-
tes Ungeheuer augewendet (Abb. 60).'' Ein ähn-
licher dreistrahliger Blitz aus Gold wurde liei
den Ausgrabungen im Anu-Adad-Temjiel ge-
funden (Abb. 61);^ bemerkenswert ist, daß er
wie die sabäischen einfachen Formen einen ge-
schläng'elten Schaft hat.
Endlich sei zum Yergleicli noch die wahr-
scheinlich auf den hettitischen Gott Teschup zu
deutende Gestalt der Götterpro-
zession aus dem Nordwestpalaste
Aschurnasirpals III. herangezogen
(vgl. Abb. 62);* sie hält in der
Linken den dreistrahligen Doppel-
blitz, in der Rechten ein Beil.
P. Jacobs thal hat im Schluß-
wurto seiner Arbeit^ das entwick-
lungsgesehiehtliclie Moment des alt-
orientalischen Blitzes hervorgeho-
ben und kommt zum Resultate,
daß das zweistrahlige Blitzbündel
die älteste Stufe darstelle, worauf
die dreiteilige Bildung folge, und
endlich im 8., besser wohl im
9. Jahrhundert v. Chr. die Ver-
dopplung beider Formen durch-
dringe, zu der schon in altbaby-
lonischer Zeit Ansätze vorhanden
ge^^-Gsen. ^bb. 6i.
Was die südarabischen Ty- Goldblitz aus
pen dieses Symboles betrifft, kann dem Anu-Adad-
vorläufig nur gesagt werden, daß tempel inAssur.
die dreistrahlige Bildung schon für die altsabäi-
sche Zeit durch die Bustrophedoninschrift Gl. 781
belegt ist; ebenso stammt die zweistrahlige dop-
pelte Form (Mars. X) aus der Mukarribperiode,
Abb. 32.
Götterprozession aus dem Nordwestpalaste Aschurnasirpals III. (883—859 v. Chr.) in Nimrud (London, British Museum)
> Vgl. D. H. Müller, Epigraphische Denkmäler aus Arabien, Taf. V, Abb. 9, p. 4, 19.
« Nach Fr. Delitzsch, Mehr Licht, p. 48, Abb. 43. ' Nach Veröff. deutsch. Orientges. 10 (1£09), Taf. 34.
* Nach M. Jastrow, a. a. O., Taf. 32, Nr. 97. ^ P. Jacobsthal, a. a. O., p. 49 f.
30
I. Abuandlüng: Adolf Grohmann.
in die aucli fast alle Inschriften mit der zwei-
straliligen einfachen Form fallen. Hier fehlt jeder
Anhaltspunkt ein Prius zu konstatieren. — Von
der formalen Seite aber ist es interessant zu beob-
achten, daß im minäischen Kulturkreise — soweit
wir bis jetzt sehen — die Doppelform (symmetrisch
nach oben und unten) fehlt: das Sabäische hat
den größeren Formenreichtum entwickelt, aber
in der mit H kombinierten Gruppe, die schon
R
H
Abb. 63. D.is Doppelpriffelsymbol:
a von der G.inne.-iustele ^Abb. llül,
h von s.ib. Denkm. 1, c von Levy 2, d
von Hofm. 9, e von Gl. 1139.
beim sehr alten Mukarrib Gl. 1147 = Hofm. 14
auftritt, stets die einfachste Form des Blitz-
bündels bewahrt, nämlich die zweistrahlige ein-
fache Type, was mindestens für ein sehr hohes
Alter derselben spricht.
Bei diesem sUdarabischen Symbole läge die An-
nahme einer Entlehnung oder einer Beeinflussung
vom babylonischen Kulturkreise her sehr nahe:
sind doch die Formen hier und dort fast iden-
tisch.
Nun zum Symbol [=1. Abgesehen von den
oben genannten Inscliriften und Münzen, wo es
zusammen mit dem zweistrahligen J51itze vor-
kommt, findet sich dieses Symbol allein: auf dem
Gewände der sitzenden Frau auf der Ganneau-
stelei (Abb, 63 n).
Rechts neben den ersten zwei Zeilen der In-
schrift Sab. Denkm. Nr. 1 (Abb. 63h)." einer Weih-
inschrift an Du Smi (| ^ > '^ Fl 11 ° Fl I T ^ f^ N I o» ? H -^ V.)-
Rechts am Rande der Bronzetafel Levy II
= Hai. 682, (Abb. 63 c) neben der ersten und
zweiten Zeile, einer Bußiuschrift' an Du Smui
in Bin.
Rechts neben der ersten Zeile von Hofmus. 9
= Gl. 1790 (aus Härim, Abb. 63 d), einer Weih-
inschrift an Du Smvii in Bin.
Links neben den zwei letzten Zeilen von
Qj 1139 = 924 = 940 = 899 = Hai. 43 (Abb. 63 e
aus Kam el-Mureitih) einer Bauinschrift ohne
Gottesnamen.
Da von diesen fünf Inschriften drei eine
Widmung an den Gott Du Smui enthalten, läge
es nahe, das Symbol \^ mit diesem Gott in Zu-
sammenhang zu bringen. Dies ist aber nicht so
aufzufassen, als wäre [=1 einfach nur als Anfangs-
buchstabe des Gottesnamens hingesetzt, vielmehr
ist die Form des Zeichens, wie sie uns hier ent-
gegentritt, höchstens eine Angleichung an die
Buclistabenform j^, gegenständlich aber bedeutet es
etwas anderes.
Wir sahen, daß die Symbolgruppe ^„ mit
zwei Ausnahmen in Verbindung mit 'Almakah
steht und in der Königszeit verschwindet. Den
Gott fffi^rSH, der einmal (Arn. 20) in Verbin-
dung mit dieser Symbolgruppe erscheint, finden
wir nun des öfteren neben dem einen der zwei
Elemente, aus denen die Gruppe "{„ besteht.
Ob da irgendwelche Zusammenhänge und Über-
gänge bestehen, das ist aus dem vorliegenden
Material unmöglich zu ermitteln; s. oben p. 24.
Das einzige halbwegs Feststehende ist, daß
sowohl der Gott fcD^f^f::^^ als auch das iso-
lierte Zeichen \4, soweit ein paläographisches
Urteil möglich ist, erst in später Zeit erscheint,
vorausgesetzt, daß das Schweigen der Inschriften
bei der Lückenhaftigkeit des Materials diesen
Schluß ex silentio bezüglich beider Punkte ge-
stattet. Nehmen wir ihn aber hin, so ist die
ganze Entwicklung, die etwa zwischen Arn. 20.
und den soeben zu Abb. 63 zitierten Texten läge,
und das Verhältnis von '{„ zu t=| allein bei
demselben Gott völlig in Dunkel gehüllt. Hat
jedoch das Zeichen H zur Zeit der Mukarrib-
periode, als die Grup])e "f„ gang und gäbe war,
daneben auch sozusagen ein eigenes Leben ge-
führt, oder vielleicht schon in noch früherer Zeit
isoliert bestanden, bevor es die Verbindung mit Y
einging — welchem Gott eignete es damals zu?
Die Stellung und Geschichte des fo^r^tzj im
Sabäischen Pantheon ist ja völlig unklar: wer er
ist, wessen Rolle er übernommen hätte, wissen
wir nicht.
' Clermont-Ganneau, Un .sacrifice ;'i 'Athtar, J. A., VI"" ser., tom. XV, p. 302 ff.
» Vgl. .7. H. Mordtmann und 1). H. Müller, Sab. Denkm., Taf. I.
» Vgl. 1). H. Müller, Südarab. Altert., p. 20 und F. Hommel, Aufs. u. Abb. zur Stelle, p. 136 f.
' M. Jjidzbarski, Ephemeris I, p. 245.
Göttersymbole und Symboltjere auf südauabischen Denkmälern.
31
Mau hat früher in fa^f^^ den Herrn des
Himmels g-esehen.'
Diese nocli von R. Dussaud- auf Grund des
safatenischen 'i::c'?"; .jQDbj'n verteidigte Ansicht
hatte den psychologischen Vorteil, daß es uns bei
ihr ebenso erging- wie A. Sprenger, der meint:
,es macht auf mich wenigstens einen ganz anderen
Eindruck, wenn es heißt: der Prophet sprach zu
'Alkama, selbst wenn ich von diesem 'Alkama
weiter gar nichts weiß, als wenn es bloß lieißt:
H H
Himmels gehören? In welcher Beziehung stünde
dann ,der Herr des Himmels' zu 'Almakah mit dem
gleichen Symbol?* Und auf welchem Wege hätte
etwa die Gruppe f„ ihr eines Element verloren,
so daß f<i>^r^|=| sich zuletzt mit dem zweiten be-
gnügt haben würde? Wenn wir eine stattliche
Anzahl Inschriften vor uns liaben, die aus dem
Hauptkultuskreise eines Gottes stammen und das-
selbe Symbol tragen, so sind wir bis zu einem
gewissen Grade berechtigt, das Symbol als Träger
SabäiscU.
B
N
t
Babylonisch.
Abb. 64. Übersicht über das Doppelgriffelsymbnl : ,4a von Gl. 472, Ah von der Münze Hofin. I 12, Ba von
Hofm. 14, Bh von Sab. Denkm. 1, Bc von Hofm. 9, C von der Ganneaustele, « von einer Belehnungsurkunde
Nebopaliddins (ca. 86S v. Chr., British Museum), ß vom babylon. Siegelzylinder Delaporte 592 (Paris, Biblio-
theque nationale), y vom babyl. Siegelzylinder Delaporte G02 (Paris, Bibliotheque nationale).
er sagte zu jemandem.' Mit dem Herrn des
Himmels konnte man sich immerhin verständigen;
seit aber f^^rhN '^uf den Himmel hat verzichten
müssen, ist er .jemand' geworden, — oder etwas,
womit wir derzeit noch gar keine Vorstellung
verknüjjfen können.
Wenn es nun unmöglich erscheint, aus un-
bekannten Qualitäten dieses Gottes Licht für die
Geschichte des Zeichens |=1 zu holen, so wäre es
auch waghalsig aus dem Zeichen \i^ und seinem
Vorkommen Schlüsse auf das Wesen jener Gott-
heit zu ziehen : muß etwa, da 'Attar der Herr des
Himmels ist^ und die ihn nennende Inschrift Gl. 797
die Sigle f^ trägt, auch die Dü-Smuiinschrift
Arn. 20 (mit derselben Sigle) dem Herrn des
jener Gottheit anzusehen; daß aber dabei immer
nocli ungelöste Rätsel bleiben, zeigt uns das Vor-
kommen des \^.
Nun zum Gegenständliciien; hier stehen wir
auf festerem Boden. Der Form nach gliedert
sich das Symbol in drei Gruppen. A die Form
mit einem mittleren Querstrich, B die Formen
mit zwei mittleren Querstrichen, die entweder
a parallel horizontal oder h parallel nach rechts
aufwärts oder c parallel nach rechts abwärts ge-
richtet sind, C die Form mit drei parallelen
mittleren horizontalen Querstrichen. Zur besseren
Übersicht seien diese Formen zusammen mit dem
babylonischen A'^ergleichsmaterial in der obigen
Abb. 64 vereinigt.
1 Vgl. d.irüber M. Lidzbarski, Ephemeris 1, p. 243 ff. und die daselbst zitierte I^iteratur; ferner M. Hartmann,
ZA. 21, p. Uff. - E. Dussaud, Les Arabes en Syrie, p, 159.
' D. Nielsen, ZDMG 66, p. 596. ■* Vgl. w. u. das bei Besprechung der Symboltiere zum Stierkopf Bemerkte.
32
I. Abhandlukg: Adolf Grohmank.
Die babylonisclien Zeichen, mit denen ich
das sabäische Symbol zusammenstellen möchte,
stellen den Dopi>elgTiffcl Nebos dar. Der Gruppe
A entspriclit die Form des Doppelgriffels auf
einem Götterthrone einer Belehnungsurkunde aus
dem 20. Jahre Nebopaliddins (ca. 868 v. Chr.).i
Der Form B entspricht der Doppelgriffel Nebos
auf dem l)abylonisciien Siegelzylinder Delaporte
592= mit einem Gebet an Marduk, wozu noch
Delaporte 587, 589, 591a. b, 594, 596, 598,
599, 601, 603, 620 c^ zu vergleichen sind. C end-
lich entspricht nicht ganz genau — die Bin-
dung ist in der sabäischeu Form viel mehr in der
Mitte zusammengerückt als auf der babyloni-
schen — der Doppelgriffel auf dem Siegelzylinder
Delaporte 602.* Die Ähnlichkeit der sabäischen
und babylonischen Formen ist wohl unverkenn-
bar. Für weitere Belege sowie zum Gegenstande
selbst sei auf K. Frank, Bilder u. Symbole, p. 24f.
verwiesen.
Blitzbündel und Donnerkeil,
Im engsten Zusammenhange mit dem Blitz-
bündel steht ein Symbol, das wir unter einer
Gruppe von Symbolen, die Abb. 65 veranschau-
licht, links von Gl. 1550 finden (vgl. p. 21 f.). Wir
erkennen ganz links
den Doppelgriffel, dann
einen Kreis und dann
die geläufige Form des
Blitzbündels, jedoch
mit einem vom eckigen
Knopf aus nach unten
nadeiförmig sich ver-
jüngenden Gegenstand
in der Mitte. Wir sehen
also kein einfaches
Blitzbündel vor uns,
sondern eine Verbin-
dung mit einem an-
deren Gegenstande.
AVas nun dieser Gegen-
stand vorstellen mag,
wollen wir aus Abb. 66
zu ersehließen suchen.
^\"ir erkennen hier
auf einem etruskischen
Spiegel* einen riesigen
zweistrahligen Blitz, dessen obere Komposition
große Ai)nlichkeit mit der von Alib. 65 aufweist.
,Aus zwei Akanthusblättern erwächst ein starrer
Pfeilschaft mit einer großen, wohlgezeicimeten
Pfeilspitze. Von dem langen, aus der Knospe
umgebildeten Unterteil des Blitzes gehen seitlich
unorganisch angesetzte Flügel aus.'
Dieser mittlere Pfeil ist bei uns durch den
spitzen nadelförmigon Gegenstand vertreten: dem
Abb.6ö. Symbole auf Gl. 15.50.
Volksl)ewußtsein wird aber wohl, wie auf etrus-
kischem Boden bei dem Pfeile so auch auf süd-
arabischem Boden bei dem nadeiförmigen Gegen-
stande die Vorstellung des Donnerkeiles vor-
geschwebt haben. Dieser konnte ja, das ersehen
wir aus P. Jacobsthals Ar-
beit, alle möglichen Formen an-
nehmen. ^
Allein die Komposition von
Blitzbündel und Donnerkeil rückt
auch eine andere südarabische
Darstellung in ein neues Licht:
den Stierkopf mit dem bis jetzt
unklaren Gegenstande zwischen
den Hörnern. Ich verweise zu-
erst auf Hofmus. 24 (Abb. 26.
p. 15); dort sehen wir zwei Stier-
köpfe mit sichelförmig stilisierten
Hörnern und dazwischen, vom Ni-
veau der Hornspitzen bis unter die
Augen reichend, einen dreiecki-
gen geschuppten Gegenstand, der
sich nach unten zu scharf ver-
jüngt. Ahnlich wie Hofmus. 24
sehen auch die fünf Stierköjife
auf 0. M. 282 aus (Abb. 10). nur
daß an Stelle der Schuppung hier Strichlierung-
tritt, so daß der Gegenstand zwischen den Hörnern
mehr einem breiten Büschel ähnelt;" außerdem
verjüngt er sich hier (anders als Hofm. 24) nicht
in einem Zuge nach unten, sondern setzt einmal
auf dem Niveau des Hörneransatzes ab, dort, wo
Hofm. 24 ein horizontal verlaufendes, die Struktur,
aber nicht die Zuspitzung des Keiles unter-
Itrechendes ornamentales Band zeigt.' In etwas
Abb. CG. Zwei-
strahliger Blitz
auf einem etrus-
kischen Si)iegel.
' M. .Kistrow, a. a. 0., Taf. 1.3, Nr. 44. ' L. Delaporte, a. a. ()., Taf. a7.
' h. Delaporte, a. a. O., Taf. 37, 38. « L. Delaporte, a. a. O., Taf. 37.
» Vgl. P. Jacobsthal, a. a. O., p. 20 und Taf. I ai. « Vgl. M. Hartmann, OLZ 11 (1908), Sp. 269 f.
' Dieser untere Teil des Keiles ist auf dem Stierkopf, Abb. 24 (mitsamt dem Stück zwischen den beiden Hürner-
ansätzcn), in Form eines schmalen Rechteckes sichtbar.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmalern.
33
:%
IM«£tttS^'-'%'.
Abb. 08. Die IJadaljäninschrift, Gl. 302. (Berlin, Künigl. Museen.)
Abb. 67.
Stierkopf von
der Inscbrift
CIH 102.
(Paris,
Acadömie.)
anderer, mehr geschwungener Form findet sieli
dieses Büschel auch zwischen den Hörnern des
Ochsen auf dem BuLiwayosteine (vgl.
S!^^y^ Abb. 9). Hieher wird auch wohl
CIH 102 gehören (Abb. 67). eine
Weihinschrift an 'Attar Srkn.
Der Stierkopf (rechts neben den
•ersten zwei Zeilen der Inschrift) ist
zwar oben zerstört, doch spricht der
Ansatz der Schuppung zwischen den
Hörnern mehr für eine Hofmus. 24
ähnliche Darstellung, der auch ein
kleiner Stierko])f aus Kalksinter (aus
Zafär), der sich in Glasers Nachlaß
fand, nahesteht. Auf der Hadakcäninschrift (Gl.
302, Abb. 68), einer Personaldedikation an Ta'lab,
sehen wir zwei Stierköpfe mit stark nach außen
divergierenden sichelförmigen Hörnern, die in der
Mitte eine , Frucht' oder einen
Pinienzapfen' tragen. Hier
schließt sich die Stierkopfdar-
stellung auf dem Altar von
'Abyän an (Os. 30, Abb. 69).
in dessen Bustrophedoninschrift
eine Weiimng an 'Attar ausge-
sprochen ist, während in der
Anrufung am Ende Attar und
'Almakah zusammen erscheinen
(Y^^ihn<i'i>xs°n)- E. Gia-
ser hat bei seinem Aufenthalte
in London auch von diesem
Stierkopfe eine Zeichnung ge-
Abb. 69. nommen, die vollkommen mit
Stierkopf vom Altar -, . ., ,
•AI - rr^ „AN der in Abb
von Abyan(Os. 30).
(London, British ^em
Museiim.) Pause übereinstimmt und das
69 gegebenen nach
Abklatsch angefertigten
Bild bei Osiander wesentlich verändert. Während
bei Osiander die Hörner mit dem länglichen,
oben spitzen den Zwischenraum der Hörner aus-
füllenden Gegenstand gleichsam aus einer Blume
hervorwachsen, ^ ist in Glasers Zeichnung der
Stierkopf unverkennbar. Zu den Darstellungen
auf sabäischen Mün-
zen leitet endlich
Gl. 1649 (Abb. 16)
über: zwischen den "
hochgezogenen Hör-
nern erscheint dort
wieder ein läng-
licher büschelar- j
tiger Gegenstand,
der sich nach unten
bis in die Augen-
region fortsetzt. Es
kommen hier jene
Münztypen in Be-
tracht, die bei D.
H. Müller, Südara-
bische .Vltertümer, ^^
Taf.XIV.Abb.24—
27 abgebildet sind
(vgl. Abb. 70).
Ihr Revers zeigt
das Bukranion mit
einem Büschel zwischen den Hörnern. Wie ver-
hält es sich nun mit dieser Frucht, bezw. dem Bü-
schel ? Ich will hier zur Frucht auf dem Hadakän-
relief (vgl. Abb. 68) auf P. Jacobsthal, Fig. 64
verweisen (Abb. 71), einen goldenen Ring mit Blitz,
^■^efunden in der vigna Ribultano bei Bolsena. '
Der Blitz zeigt gekörnte Arbeit auf silbernem
Grunde. Der Fund selbst stammt aus dem dritten
■«
Abb. 70. Sabäische Münzen im
Hofmuseum zu Wien.
» Vgl. Ad. Ermau bei 1). H. Müller, Sitzungsber. Künigl. Preuß. Akail. 1886, Bd. 2, p. 839 und M. Hartmann, OLZ.
1908, Sp. 270.
* Der Kopf auf dem 'Abyanaltare, Os. 30, wird von .1. H. Mordtmann, Sab. DenUm., p. 66 und in der Londoner
Publikation als ,the head of a gazelle' gedeutet, doch stempelt ihn — abgesehen von Abb. 69 — das ,some object
between the horns' zum Stierkopf mit Donnerkeil.
» Vgl. P. Jacobsthal, a. a. O., p. 42, Taf. 11, Nr. 64.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 68. Bd. 1. Abb. "^
34
1. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Alil). 71.
Goldener Ring
mit Blitz ans Bol-
sena ('l>i'es(len).
Jalirliundert v. Chr. Geb. Diese Blitzform liat
sich aus dem iiiehrkelelügen Lotos entwickelt,
dessen drei Blätter zu drei spitzeu
Strahlen g-oworden sind: die mitt-
leren umschließen eine Art Frucht,
die ihrer Körnung nach mit einem
Pinienzai>fcn zu vergleichen wäre.
Denn als Frucht wird man den
gekörnten Gegenstand ansprechen
dürfen, da Lei bloßen Blättern oder
einer Knospe die Körnung unver-
ständlich wäre — es ist mit der
Körnung wohl die Schuppung der
Fruciit angedeutet, wie ja auch
die kleinen Federn auf den seit-
lichen Flügeln^ durch derartige
Körnung kenntlich gemaclit sind. Mithin ist der ge-
körnte Gegenstand in Al)l). 71 zum ,Pinienza])fen'
von Abb. 68 zu stellen, und, da jener mit zum Blitze
geiiört. wird auch dieser als Teil und ornamentale
Umformung von Blitz und Doimerkeil zu deuten
sein. Übrigens sei noch auf die Ähnlichkeit der
Anordnung von Os. 30 (Abb. 69) mit Abb. 7 l ver-
wiesen, nur sind in Os. 30 die äußeren Blätter
durch die Stieriiörner ersetzt. In Hofm. 24 er-
innert zwar die Sclmppung des Keiles an die
Pinienzapfen der Hadakänin-
sciirift (Abi). 68); doch die
Gestalt schließt dort jeden Ge-
danken an eine Fruclit aus.
Elier wird hier an den Donner-
keil zu denken sein. Wie
weit die Stilisierung geht, zei-
gen die Büschel auf dem Bu-
kranion der sabäisclien Mün-
zen (Abb. 70): hiezu besitzen
wir eine scidagende Paral-
lele auf dem Revers einer Te-
Ptolemaios Epiphanes (Berlin,
vgl. Abb. 72)." Der Unter-
schied beruht nur in der Anordnung. Der Blitz
Abb. 72.
Tetradrachme des
Ptolemäus Epiphanes
(Berlin).
tradrachme
S V o r 0 n o s
des
1249,
der griechischen Münze ist eine gegenständig
nach oben und unten ^ symmetrische Anordnung
zweier Bündel: auf den sabäischen Münzen ist
nur ein solches Bündel zwischen die Horner des
Stieres gesetzt. Daß dies Bündel jedoch mit dem
Blitz zusammenhängen muß,* geht aus dem Ver-
gleich mit der Ptolemäermünzc wohl zur Genüge
hervor. Es ist darin also kein Schmuck des
Tieres (Ochsen) zu sehen, wie M. Hartmann
annehmen möchte,'' sondern die Darstellung ist
mit Gl. 1550 (Abb. 65) auf eine Linie zu stellen.
Hier wie in Hofm. 24 (Abi). 26) ist der mittlere
Gegenstand als aus dem Donnerkeil erdacht zu
deuten, und in diesem Zusammenhange möchte
ich auch die Vermutung aussprechen, daß die
eigenartige Formung der Hörner auf den sabäi-
sclien Münzen in Abb. 70, auf Os. 30 (Abb. 69)
und Gl. 1649 (Abb. 16) der Form des sabäischen
Blitzbündels, die uns schon von früher geläufig
ist und auch in Abb. 65 zum Ausdruck kommt,
angeglichen ist; ebenso mit Absicht, wie die
Hörner Abb. 26, 68 der Mondsichel gleichen,
worauf noch zurückgekommen werden wird.
Das inschriftliche Material zu diesem Symbol
ist leider viel zu dürftig, um daraufhin eine An-
sicht über seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gottheit zu wagen, und so ist es auch sehr frag-
lich, ob man etwa daliei im Hinblick auf Os. 30 und
eventuell CTH 102 an 'Attar denken könnte. Der
Umstand, daß das Symbol zusammen mit dem
Totschläger, der oben 'Almakah zugewiesen wurde,
auf der Inschrift Gl. 1649 mit der Aufschrift
'Almakah vorkommt, sowie die Erwägung, daß
der Stier in Südarabien wie auch anderswo die
Mondgottheit symbolisiert, endlich die Anglei-
chung der Hörner (Os. 30, Gl. 1649) an das
Blitzbündel, das Symbol 'Almakahs,'' lassen es
als möglich erscheinen, daß wir es auch hier
mit einem kombinierten Symbole 'Almakahs zu
tun haben; vgl. übrigens das weiter unten zum
Stierkojif Bemerkte.'
' Vgl. Abb. 06 den Unterteil.
' Vgl. P. Jacobsthal, a. a. O., MUnztafel, Nr. 14.
' Vgl. den griißercn Stiorkopf auf dem Bulawayosteine, Abb. 9.
* Vgl. das Beil zwischen den Hürnern im Ägyptischen und Mykenischen.
' OLZ 1908, Sp. 271.
' Vgl. die Mondhynine 4 Kawl. 11 ,der da hält Blitzstrahl und Regen' F. Hommel, Aufs. u. Abb. 159, Note 2. —
Wenn W. Fell mit seiner Dentung des Namens f <D^f^t^ = Regenspender (ZDMG 54, p. 259) recht behält und |^ von jeher
eine Regen-, bezw. Wettergottheit bezeichnet h.iben sollte, wiire die Verbindung dieses Zeichens mit dem Blitzsynibol sehr
angemessen.
' B. Der Stier, gegen Ende.
Göttersymbole und Symboltiere auf ^üdakabischen Denkmälern.
35
Das Sternsyrabol.
Ein bisher unbeaclitetes Symbol stellen die
in verschiedener Anzahl an den Anfang der
folgenden sabäischen Inschriften gesetzten Kreise
Abb. 73. Sternsymbol auf Gl. 1728.
dar, die in nachstehender Gruppierung auf-
treten.
a) Sechs Kreise in der Anordnung wie
Ahb.73, rechts von Gl. 691 = 1728 = Münch. 74
(von einem Mensäh bei Marib). Die Bustropliedon-
inschrift ist eine Bauinsehrift, die außer der Götter-
Husn in der Mitte der Stadt Marib). Die In-
schrift ist ein Fragment.
b) Fünf Kreise in der Anordnung, wie
Abb. 74 i, rechts von der Bustrophedoninschrift
Abb. 75. Sternsymbol ,Tuf Gl. 1552.
Mars. XII.- H. Derenbourg sagt ül)er das Sym-
bol ebenda: ,cincj petits cercles places sans syme-
trie et destines sans doute ä marquer le commeu-
cement.' Nach der Reproduktion bei H. Deren-
bourg könnte man auch sechs Kreise in der
Anordnung von Gl. 691 vor sich haben; der
unterste stünde rechts neben dem o in Zeile 2
und wäre ganz beschädigt. Die Inschrift enthält
eine Personaldedikation an die Sonnengöttin Dät
Hnii"\ die auch in der Anrufung am Schlüsse
allein genannt ist (^f ^^XMID-
Links von der zweiten Zeile Gl. 1552,
(Abb. 75) einer ReUefinschrift aus Ragwän in altem
Ductus, die eine Weihung an Dät Hmi" enthält
ll^?^tlXNI®?H'!'V)-Endhch rechts neben der frag-
O o
oc
Abb. 74. Sternsymbol : a von Gl. 755, b von Mars. XII.
Abb. 76. Symbol des Sibitti und Istarstern von einer
babylonischen Bestallungsurkunde Nebo-.Schumischkun I.
(ca. 900 T. Chr., Kgl. Mus., Berlin).
anrufung mm \y.^[]<^\\ ^^^h\[\<^\>'Alo[]
keinen Gottesuamen enthält.
Ebenso rechts von Gl. 695 = Arn. 47 (von
der alten Stadtmauer in Marib). Dies Fragment
enthält keinen Gottesnamen.
Ebenso endlich von zwei parallellaufenden
gebogenen Strichen^ eingerahmt, links von der
Bustrophedoninschrift Gl. 755 (Abb. 74a von einen
mentarischeu Inschrift Ilal. 647 (aus l.lu.su äl-Ge-
rädän) in derselben Gruppierung w-ie Mars. XII.
e) Drei Kreise in der Anordnung °o rechts
von Gl. 118 = CHI 139 (aus Öibäm).
d) Ein größerer Kreis findet sich endlich
auf den sabäischen Inschriften Gl. 1529, 155U
{Vgl. p. 21 f) und auf der minäischen Inschrift
Gl. 1158 (vgl. w. u. Abb. 137).
' Sollten sie ein Rest der Mondsichel sein, die Abb. 80 neben den Sternen wiederkehrt? Zur ihrer Form wäre dann
Abb. 91 zu vergleichen, wo der Adler offenbar auf einer Mondsichel steht.
^ H. Derenbourg, Rcv. Arch., III"" serie, tom. .S5, p. 14.
5*
36
I. Abhandlung: Adolf Gkohmann.
Daß dies Zeichen nicht, wie H.Dcrenbourg
glaubte,* dazu da sei, den Anfang der Inschrift
zu bezeichnen, dürfte wohl aus der Sache selbst
klar sein. Die Buchstabenrichtung allein gibt ja
in der sabäischen Schrift zugleich die Schrift-
richtuugan; diese noch besonders durch ein Zeichen
kenntlich zu machen, lag also kein Grund vor und
Tneinirewciliten blieb die Schriftrichtung auch mit
hinweisenden Zeichen gleichgültig. Gegen diese
Deutung dos Zeichens spricht ja auch Gl. 1552,
wo es links am Ende der zweiten und letzten
Zeile steht. Treffender faßte schon E. Glaser
die Sache auf, der das Zeichen in seinem Tage-
bucho XI. p. 149 als Familienwappen deutete.
Nun sei darauf aufmerksam gemacht, daß
unter den Gott er Symbolen auf einer baby-
lonischen Bcstallungsurkunde, datiert zu Borsippa
im 8. Jahre des Königs Nebo-Schumisclikun I.
(ca. 900 V. Chr.), neben dem achtstrahligen Sterne
der Istar sieben Sterne in Form von Kreisen,
das Symbol des Sibitti und auch des Nergal,
mit dem Sibitti identifiziert wurde,^ in der aus
Abb. 76'' ersichtlichen Anordnung stehen. Sie
stimmt mit der Anordnung der sechs, bezw. fünf
Sterne auf den sabäischen Inschriften überein (vgl.
Abb. 75), nur daß beim sabäischen Symbol die
vertikale, beim babylonischen die horizontale Rich-
tung in der Anordnung eingehalten ist. Ebenso
Abb. 77. Uavianrelief (ca. 705—681 v. Chr.).
steht das Symbol neben dem vierstrahligen Stern
der lätar, gleichfalls als Symbol des Sibitti, auf
der Felsenskulptur zu Bavian (Zeit Sanheribs.
705—681 V. Chr.. Abb. 77).^ Dasselbe Symbol
erscheint auch in der gleichen Anordnung auf
assyrischen Siegelzjdindern. so z. B. auf Dela-
porte 350 (Abb. 78);^ vielfach ist aber diese
stereotype Anordnung durchbrochen (vgl. Abb. 145)
'i:mi
Abb. 78.
Assyrischer Siegelzylimler. (Paris, Bibliotheque nationale.)
und die sieben, sechs oder fünf Sterne sind ganz
unsymmetrisch in zerstreuter Anordnung gehalten.
So ist z. B. der siebente Stern von Delaporte
354 (Abb. 79)" in die erste Reihe nach oben ge-
rückt; oder es sind auf dem Siegelzylinder
Abb. 80 '' sechs Sterne in der Anordnung 3 -+- 3
Abb. 79.
Assyrischer .Siegelzylinder. (Paris, Bibliotheque nationale.)
unter der Mondsichel gegeben, während auf
M. Jastrow, Bildennappe, Taf. 54, Nr. 208 unter
die Mondsichel nur mehr zwei Sterne und drei
neben die rechte Person gesetzt sind, also im
jranzen fünf Sterne vorkommen.^ In der Zalil
und Anordnung: der Sterne bieten also schon die
^i:^
Abb. 80. Symbole auf einem babyl. Siegelzylinder.
(Sammlung Pierpont-Morgan.)
assyrischen Zylinder Varianten dar. In Südarabien
haben wir auf den Bustrophedoninscliriften (( ü. 691,
755, Mars. XII) eine dem Bavianrelief analoge
Anordnung streng eingehalten ; nur scheint Mars.
XII statt der üblichen sechs wie Hai. 647 fünf
' a. a. O., p. 14. ' Vgl. K. Frank, Bilder und Symbole, p. -29.
= Nach M. Jastrow, a. a. O., Taf. 13, Nr. 43. * Nach M. .Tastrow, a. a. O., T,af. 14, Nr. 40.
» L. Delaporte, a. a. O., PI. 24. " L. Delaporte, .a. a. O., PI. 24.
' M. Jastrow, a. a. O., Taf. 54, Nr. 211.
» Vgl. noch Jastrow, a. a. O., Taf. 53, Nr. '200, '202, 205; Taf. 54, Nr. 206, 211; Taf. 5,5, Nr. 217; Taf. 56, Nr. 226;
Delaporte, Cyl. Orient., PI. 23, 340; 24, 353, 355, 357, 359; 26, 378.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischek D
ENKMALERN.
37
Sterne zu zeigen, was jedoch nicht sieher fest-
zustellen ist. Die archaisierende Reliefinschrift
Gl. 1552 zeigt eine leichte Veränderung in der
Anordnung dadurch, daß unter ßeihehaltung der
Grup2)iorung fünf Sterne gradlinig zu einem spitzen
Dreieck zulaufend angeordnet sind. Durchbrochen
wird die ühliche Zahl durch Gl. 118, das nur
drei Sterne zeigt — ob etwa zwei fehlen, ist nicht
meiir festzustellen, die Stellung würde auch zu
dreien gut passen.
Daß das Zeichen auch bei den Südarabern als
Symbol gefaßt wurde, geht aus den babylonischen
Parallelen wohl mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
hervor. Wem wäre aber dieses Symbol zuzu-
weisen? Mars. XII und Gl. 1552 sind Personal-
dedikationen ausschließlich an Dät Hmi"'; viel-
leicht dürfte man daraus auf Dat Hmi" als Gott-
heit des Sternsymbols raten. Dieser Auffassung:
würde auch die letzte noch in Betracht kommende
Inschrift Gl. 691 = 1728 nicht Avidersprechen;
denn in der Göttertrias der Anrufung steht auch
Dät Hmi". Allerdings könnte man dort ebenso
gut das Blitzbündel und den Doppelgriffel 'Almakahs
erwarten ; doch würde, wenn man annähme, daß
etwa das Sternsymbol 'Almakah oder "^Attar an-
gehört, der Umstand zu denken geben, daß sich
dies Symbol auf keiner Inschrift findet, die den
Namen eines dieser beiden Götter allein führt. Ver-
mutungsweise können wir also an Dät Hmi™
denken, und erst in zweiter Linie allenfalls an
den Hauptgott 'Almakah selbst. Die Symbolisie-
rung einer Sonnengöttin durch Sterne läßt keine
volle Sicherheit aufkommen.*
Werfen wir nun noch einen Rückblick auf
Gl. 1529 und 1550, so werden wir in dem Kreise
neben dem Blitzbündel gleichfalls ein Symbol
erkennen dürfen. Wem dies angehört haben
mag und ob es hier vielleicht in Anbetracht des
'Almakahsymboles, neben dem es an beiden Stellen
steht, auch diesem zuzusprechen sei (zur minäi-
schen Inschrift Gl. 1158 s. w. u.), ist nicht zu
entscheiden, da beide Inschriften keine Götter-
namen erwähnen. Ob ferner der Kreis dieser
zwei Inschriften gegenständlich einen Stern dar-
stellt, also sozusagen ein Element des Sternsym-
bols enthält, oder ob er nicht vielmehr als ein
Ring, etwa wie der Ring Marduks, zu deuten ist,
erscheint vorderhand gleichfalls noch zweifelhaft.
Mondsichel und Scheibe.
Als Göttersymbol haben wir wohl ohne
Zweifel die Neumondsichel mit der hineingelegten
Scheibe anzusehen, die in stark schematisierten
Formen nicht nur auf sabäischen, sondern auch
auf katabäuischen Denkmälern vorkommt. Von
sabäischen Denkmälern finden wir das Sym-
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Abb. 81. Sabkisches Relief .aus Häz (Gl. 210).
hol: im mittleren Felde von Gl. 210 = CIH 226
(Abb. 81 aus Häz in Hamdän) ; der Stifter
der Inschrift heißt Wahab-Sams und steht zu
einem Angehörigen der Sippe Bata' im Dienst-
verhältnisse ; ferner im obersten Felde von
Gl. 230 = CIH 251 (Abb. 82, aus 'Erren); die
Inschrift ist von Angehörigen der Bata' gesetzt.
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^^3
V__-JilMAÜ!
Abb. 82. Sabäisches Relief aus 'Erren (Gl. 230).
* Es wäre o-ewact (mit .anderer Etymologie als l'"ell, ZDMG 54, p.2ö0f.), uTUTlXI-i "'s die Göttin der (verzehrenden)
Sonnenglut zu deuten und den Umstand zur Erklärung des Symbols lieranzuzieben, daß Nergal (s. o. p. 36) in der baby-
lonischen Theoloo-ie eine Erscheinungsform des Sonnengottes war (M. Jastrow, Religion Babyloniens und Assyriens, I, p. 66):
die vernichtende Gewalt der Sonnenglut.
38
I. Abhandlung: Adolf Grohmasn.
Dieselbe Darstellung findet sich auf einem
Rauch eraltare ohne Inschrift, die im Alraanach
Abb. 83. Sabäischer Altar. ((). M. 157, Tschinili-Kiöschk,
Konstautinopel.)
von San'ä 1298 d. H. abgebildet wurde, ^ derzeit
im Tschinili Kiösclik zu Konstantiuopel. Er ist
wohl indentisch mit 0. M. 157,° einem Altare
ohne Inschrift, ornamental verziert durch eine
vertiefte Zahnlciste rechts und links; das Symbol
Mondsichel und Scheibe steht über zwei gegen-
^mi
Abb. 84. Sabäischer Altar
aus Märib (Gl. 737).
Abb. 8.T. Sabäisches Relief aus
Doniär (Gl. 801).
ständigen liegenden Steinböcken, die eine Säule
in die Mitte nehmen. — (Abb. 83.) Vgl. weiter
unten.
Die Mondsichel mit der eingelegten Scheibe
zeigt auch die Spitze der Rückenlehne eines fau-
tcuilartigen Altares, der die Bustrophedoninschrift
Gl. 737 trägt' (Abb. 84, auf dem Gebel Bälak el-
'Ausat beiMarib). Die Inschrift spricht vom Bau des
E-p des 'Attar und des Sm' und der Dät Hmi"" und des
.Uadd. (|^t^a>a>|^?^TIXH1>l°^r^<»l>XSo|0?'^l?h^)•
Ferner in Gl. 801 (aus Domär, Abb. 85), mit
dem Namen Grajh'm. Der Schlußmond mit einge-
Abb. 86. Sabäische Inschrift aus Domär (Gl. 804).
legter Sclieibe und zwei (mit dem Daumen* nach
links gekehrten?) Händen findet sich auf Gl. 804
(aus Domär, Abb. 86) links neben der fragmenta-
rischen Inschrift. Wahrscheinlich ist aber der
Stein umgedreht eingemauert oder kopiert worden,
wie die Buclistabenrichtung anzunehmen nahelegt.
Wir haben in dem Falle die übliche Stellung des
Symbols vor uns und darüber zwei wie in GIH 79
(s. w. u.) nach abwärts gekehrte Hände; die
nach aufwärts gekehrte Stellung der Hände würde,
wie Gl. 1724 (Alib. 102. 106) zeigt, nicht zum
Schlußmond passen. Ferner (ohne Hände) vorn
auf dem oberen Teile des Altars CIH 362 (Abb. 87),
der den Eigennamen Brisams l'll (11of Ir^i^^T^rT)
trägt. ^
Auf einer Reihe von Altären finden wir aber
die Mondsichel auf einen konischen Untersatz
Abb. 87. Sabäischer Altar, CIH 362. (Paris, Lnuvre.;
' Vgl. D. H. Müller und .1. 11. .Mordt mann, Sab. Denkm, ]>. 59 f., J. H. Mordtmann, Himjar. Inschr. u. Altert., ji. 41.
' Yg\. 3. H. Mordtmann, Catal. Somm., Nr. 37, p. 33.
' Vgl. F. Hommel, Chrestomathie, p. 62 a, Aufs. u. Abb., p. 146 f.
* Für die Daumenstellung bei Handpaaren vgl. Abb. 10:i
* Im CHI I, ]i. 448 wird für dieses Stück und Mars III. fragend Ijatabänischer Ursprung vermutet.
GoTTEUSYMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDAEABISCHEN DeNKMÄLEKX.
gestellt: so auf dem Altar Marseille III (Ablj. 88)i
mit dem uomen proprium Bri§ams (rh^^lT^n)
im mittleren Felde; ähnlich auf dem Altare
Gl. 262 (aus Gir'äu, Abb. 89 = CIH. 285).2 Er
ist gestiftet und gesetzt von Sa'd und Sa'dsams
und Ril)b'il, den Söhnen des Bahr. Interessant
ist der Altar noch dadurch, daß hier von der
Scheibe ausgehende Strahlen eingemeißelt sind.
Dieselbe Form und Anordung finden wir auch
auf Gl. 1652 (aus Sirwäh, Abb. 90), einem Altare
ohne Inschrift. Hiezu gehört auch noch ein Altar
mit der Inschrift H'l'1'^1 ,dem Särik', der sich
gegenwärtig im Tschinili Kiöschk befindet.' Er
zeigt an der Vorderseite des Aufsatzes gleichfalls
den Neumond mit der eingelegten Scheibe auf
konischem Untersatze. Endlich ist noch Deren-
bourg I. zu erwähnen,^ ein Altar, dem Gotte
Uadd geweiht (flt]® I? H'!' V). mit Mondsichel und
Scheibe in ähnlicher Form wie Mars. III, Abb. 88.
Abb. 88. Sabäischer Altar, Mars. III. (Mus. Marseille.)
Abb. 89. Sabäischer Altar aus Uir'An, Gl. •262.
(Berlin, Kgl. Mus.)
Auch Gegenstände der Kleinkunst tragen ge-
legentlich dieses Svmbol: so die von E. Osiauder
ZDMG 19, Taf. .35 e abgebildete sabäische Gemme
(Abb. 91), die Mondsichel und Scheibe über dem
auf einer Mondsichel stehenden Adler zeigt, und
die Gemme 2631 des Berliner Museums (Abb. 92),^
auf der wir zwischen den Köpfen eines Löwen,
einer Ziege, eines Schafes^ und eines Pferdes
die ^Mondsichel mit eingelegter Scheibe sehen.
Endlich findet sich dies Symbol auch auf Avers
und Revers der Jlünzgruppe , die das Bukra-
nion auf dem Revers zeigt (vgl. D. H. Müller.
Südarab. Altert., Gruppe V. 4, 5, 6, 9, 10, p. 70,
Taf. XIY, Abb. 26 und ebenda die Berliner
Stücke Nr. 219, 220, 221 D. H. Müller, a. a. 0..
p.77).
Von katabanischeu Inschriften" tragen nur
zwei die Mondsichel mit eingelegter Scheibe, und
zwar hat Gl. 1111 (aus Gredida-Güba, Abb. 93)
ohne weiteren Schmuck Mondsichel und Scheibe
direkt über der Inschrift, die den Altar dem
Gotte 'Amm weiht ( | ^o|<f ^<}.r^). Gl. 1747/48 =
» Vgl. Rev. Arch., III. ser., tome 35, p. 7.
' Vgl. J. H. Mordtmann, Himjar. Inschr. u. Altert., p. 41 f.
' Vgl. J. H. Mordtmann, Catalogue sonimaire, p. 32.
* Vgl. J. A., S'"" ser., tome 2, PI. I, p. 231.
^ Vgl. J. H. Mordtmann, HIA, p. .Ö2, Taf. I.
' Hier sei erwähnt, daG auch (Jl. 323 den Kopf eines Schafes darstellt, auf dessen Scheitel der Buchstabe fl eingra-
viert ist. Ob auch Schaf und Ziege, wie Löwe und Pferd, zu den Symboltieren gehören, von denen noch später die Rede
sein soll, ist auf Grund des spärlichen Materials nicht zu entscheiden.
' Vgl. oben p. 39, Note 1.
40
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Münch. 93, 94 (aus dem Gauf) zeigt dieselbe
Anordnung wie Jlars. III (Abb. 88), nur stebt
Abb. 90. Oberteil eines s;ib;iischen Altares aus
!5irw.äb (Gl. 1652).
die Mondsicliel nicbt auf einem Untersatze
(Abb. 94). — Die Inscbrift entbält eine Widmung
an 'Amm (^o|?H<^r^). — Von katabanisebem
Boden, aus Henu ez-Zireir, stammt aucli die
wichtigste Inschrift dieser Gruppe,
(Abb. 95).
Das Denkmal ist ein Relief in
Arbeit, 35 cm lang und 114 cm breit
zwei gegenständige Stiere, die die Mondsichel und
Scheibe in die Mitte nehmen. Die Darstellung
erinnert an das Basrelief aus ed-Duwair (Louvre)
bei R. Dussaud, Notes de Mythologie Syrienne,
Gl. 1426
vertiefter
und zeigt
Abb. 91.
Sabäische Gemme.
(London, Brit. Mu.s.)
Abb. 92.
Sabäische Gemme.
(Berlin, Kgl. Mus.)
j)ag. 89, Abb. 21. Die Hörner der Stiere sind
nach der Form der Mondsichel stilisiert, wie wir
dies auch schon früher bei Ilofmus. 24 (Abb. 26)
sehen konnten, wobei ebensogut an babylonische
Vorbilder 1 als an ägyptische Parallelen zu
denken ist.^ Rechts und links, neben und unter
der Moudsicliel von Gl. 1426 stehen die vier
Buchstaben Hh^l®' ^'^ bekannte stereotype Formel
,Uadd ist Vater', wie schon E. Glaser in seinem
Tagebucbe I. p. 81 Ijemerkt hat. Das Relief ist
schon deshalb von großer Wichtigkeit, da es
ganze Stierbilder zeigt, während wir bis jetzt
mit einer einzigen Ausnahme — dem Fragment
O'Sl. 84» (s. Abb. 178) — nur Stierköpfe besaßen.
Wer dächte dabei nicht an die Tradition aus dem
Wadi Dahr, Beled Hamdan und Arbab, die uns
E. Glaser* bewahrt hat, wonach in diesen Ge-
genden niemand ein schwarzes Rind kauft, schlach-
tet oder davon ißt? Schon E. Glaser hat diese
Abb. 93. Katabänischer Altar .^us Gedida (Gl. 1111).
Tradition mit Stierkult in A-erbindung gebracht;
mit dem Relief zusammen gibt uns jetzt diese
Überlieferung wohl das Recht, für das südara-
bische Kulturgebiet Verehrung der Mondgottheit
in Form eines Stieres zu vermuten, wobei auch
Abb. 94. Uatabänisclier Altar aus dem Gauf (Gl. 1747/8).
daran erinnert sei, daß |^1oni>®2 als Gottes-
name auftritt (Gl. 138 = CIH 155 ; 891 = CIH 398 ;
1546 = Hofmus. 5), und vielleicht ein Beiname
des 'Almakah ist.^ Daß aber nur die Mondgott-
heit unter Gestalt eines Stieres bei den Südarabern
verehrt worden sei, geht, abgesehen von anderen
Parallelen, für unseren Fall auch aus der Bei-
schrift rihH® hervor; denn Uadd ist ja wie
'Amm eine Mondgottheit.*'
Nun zur Formel nh'>l®- ^- Honimel ist
der Ansicht (ebda., p. 160), daß UM'^ ""»i
Zbb.
» Vgl. F. Uelitzsch, Babel und Bibel, I, Abb. 8.
» Vgl. A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients (I. Aufl.), p. 32, Note 2, p. 274 unten.
' Vgl. J. H. Mordtmann, Catalogue sommaire, Nr. 77.
* E. Glaser, Mitteilungen, p. 4 ff.
' Vgl. D. H. Müller, Südarab. Altert., p. 19. - M. Hartmann, OLZ 1908, Sp. 271 f. - D. Nielsen, MVAG XIV,
i.
« Vgl. F. Hoininel, Aufs. u. Abh., p. 159.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
41
^ n M ^ H ^ eine talismanische Formel darstellen,
worauf auch das Yorkominea auf Täfelchen hin-
zuweisen scheint (Hofmus. 41 — 44, Berlin 8), die
wohl als Amulette anzusehen sind.^ E. Glaser
hat nh>l® direkt mit dem CMB, das man zur Weih-
nacht auf die Türen schreibt, verglichen.- Ob-
wohl nun Uadd der minäische Mondgott ist,
findet sich die Formel nhl>l® auch in sabäischen
Inschriften, z. B. in der recht späten Hai. 686 =
CIH 106 (Kaukabän), vgl. CIH 33 aus San'ä, 97
aus 'Amrän; ja dem Uadd werden auch von Sa-
bäern Weihungen dargebracht (CIH 30, Gl. 737), ^
und zwar, wie wir aus Gl. 737 ersehen, schon
in der Mukarribperiode, während CIH. 293 ==
die sich auch in der afrikanischen Kolonialzone
der südarabischen Kultur finden. A])l). 96 stellt
ein Pendant zur katab.-inischen Inschrift Gl. IUI
(Abb. 93) dar, ein Altarfragment, das E. Littmann
bei den Gralmngen im Tempel zu Jeha gefunden
hat. ^ Das Kapital des Altares trägt in Hochrelief
Mondsichel und Scheibe und darunter stehen die
Worte :
IH tH ) y Schlachtopferaltar (?)
. . I H r^ 1 für Sin.
Nach dem Gottesnamen Sin zu schließen, der nur im
Hadramötischen belegt ist, dürfte es sich hier um eine
der seltenen hadlramötischen Inschriften handeln.
Abb. 95. Katabänisches Felsenrelief aus Henu ez-Zireir (Gl. 1426).
Sab. Denkm. 18 hllElTNI^lH'i' am Schluß der
Inschrift neben anderen Gottheiten oenanut ist.
Endlich sei darauf hingewiesen, daß aus Henu
ez-Zireir, dem Fundorte von Gl. 1426, auch die
Inschriften Gl. 1424, 1425 stammen, die beide die
Formel flhH® tragen. Da nun in Henu ez-
Zireir auch die katabänischen Inschriften
Gl. 1603 — 6 gefunden wurden, wäre ein gewisser
Anhaltspunkt gegeben. Gl. 1424, 1425 und 1426
eventuell als katabänische anzusprechen.* Mithin
würde sich die Formel flhtH® nicht nur auf
sabäischen, sondern auch auf katabänischen In-
schriften finden. Ist dem aber so, dann läge wohl
die Annahme nicht zu ferne, daß der minäische
Uadd bei beiden samt der zugehörigen Formel
Entlehnung ist, da ja die Sabäer als Mondgott
Almakah, die Katabänen als solchen "^Ainm ver-
ehrten.
Schließlieh ist zu erwähnen, daß das Vor-
kommen dieses Symboles nicht auf den Boden Süd-
arabiens beschränkt ist. Es ist eines der wenigen.
Zerstört ist Mondsichel und Scheibe zwischen
den Worten )Xr^[°] und cd ) U| ® auf der ersten
Zeile der Altarinschrift aus Jeha, die E. Litt-
mann als Nr. 27 a. a. 0., p. 58
abgebildet und veröffentlicht
hat; daß es sich nicht um einen
Kopf, sondern um unser Symbol
handelt, läßt sich auch aus Th.
Bents Abklatsch der Inschrift,
der seinerzeit D. H. Müller zu
seiner Edition vorlag,^ ersehen.
Da der Altar dem Wttar ge-
weiht ist, wird sich auch das
Svmbol wohl auf ihn beziehen
(vgl. p. 12).
Auf abessinischem Boden
hat sich das Symbol auch noch
in der Zeit erhalten, als man bereits mit äthiopi-
schen Buchstaben schrieb. So ziert Mondsichel
und Scheibe, ähnlich wie auf Gl. 737 (Abb. 84),
auch den altäthiopischen Obelisken von Jlatarä
MV.nv.
Abb. 96.
Altarfragment
aus Jeha.
' Vgl. auch D. Nielsen, Altarab. Mondreligion, p. 191 f. ' Vgl. F. Hommel, Chrestomathie, p. 60 a.
■'' Vgl. oben zu H. Dörenbourg, Etudes I, p. 39 u. Note 4. Zu Gl. 737 vgl. F. Hommel, Chrestom., p. 62.
■■ Über das gelegentliche Vorkommen Uadds auch in katabänischen Inschriften, vgl. F. Hommel, Aufs. u. Abb., p. 153 f.
' E. Littmann, Deutsche Aksumexpedition, IV. Bd., Nr. 32, p. 60.
^ D. H. Müller, Epigr. Denkm. aus Abessinien, p. 59 f.
Denkschriften der phiL-hist. Kl 58. Bd. 1 Abb. 6
42
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
(ca. 350 u. Chr.), dessen Inschrift zuerst C.
Conti Rossini in den RRAL 1896, p. 250— 253
publizierte.*
Gegenständlicli ist über das Symbol nicht
viel zu saffeu: es ist eines der vcrbreitetsten Sym-
llalbmond mit Stern auf. Tatsächlich erscheint
auch, um babylonische Parallelen heranzuziehen,
Abb. 97.
Babylonischer Siegelzyliuder. (J. Pierpont Morgan libiary.)
hole und auch wohl eines der ältesten. Zum for-
malen Vergleich sei der altbabylonische Siegel-
zylindcr Jastrow 188 herangezog'en (Abb. 97),
wo wir das Symbol zwischen dem Gotte Älartu
und der Göttin Schala sehen, ^ sowie auf dem ganz
ähnlichen Siegelzylinder Delaporte Nr. 207
(Abb. 99),^ aus der Zeit der ersten babylonischen
Dynastie. Der Schlußmond mit der Scheibe,
der vielleicht auf Gl. 804
(Abb. 86) vorkommt, findet sich
iil)oraus häufig auf phönizischen
(irabstellen , z. B. der Stele
eis 3011, Abb. 98." Hingegen
scheint die Stellung wie im
Sabäischen den phönizischen
Denkmälern nicht geläufig
zu .sein.
I.^ber die Auffassung der
in die Mondsichel hineinge-
legten Scheibe sind die Mei-
nungen geteilt. D. Nielsen"
sieht in der Scheibe einen Stern,
der wohl den Venusstern vorstellt, und ebenso
faßt Ch wolsohn '' das harränische Mondsymbol als
Abb. »8. Phünizische
Grabstele aus Kar-
thago(Mus.du Bardo).
i^
Ml^
Abb. yi». Babylonischer Siejjel/.yünder.
(Paris, Bibl. Nat.)
auf der ßelehnungsurkunde Nebukadnezars I.,' auf
dem unbeschriebenen Grenzstein* Abb. 100 und
auf den babylonischen Siegelzylindern M. Jastrow,
Bildermappe, Taf.44, Nr. 144,51, Nr. 186 ein Stern
an Stelle der kreisrunden Scheibe. W. H. Ward''
faßt hingegen die runde Scheibe auch als Sonnen-
diskus auf, wozu die Darstellungen des Symbols
auf den babylonischen Siegelzylindern bei M. Ja-
strow, Bildermappe, Taf. 41, Nr. 130 (Abb. 101),
51, Nr. 183 passen. Auch scheint auf Siegel-
zylindern der Zeit der Könige von Ur (2400 — 2350
V. Chr. Geb.) die Sonne öfter als der Stern mit
Abb. 101. Mondsichel und
Scheibe von einem ba-
bylonischen Siegelzylinder.
(Brit. Mus., London.)
Abb. 100. Mondsichel mit
Stern auf einem Grenzsteine
aus Susa. (Paris, Louvre.)
der Mondsichel zusammen vorzukommen, so z.B.
Delaporte Nr. 105, 110, 114, 116, 118 gegen
Nr. 111(?), 113, 117.1« Die Deutung ist bei all
dem nicht sicher zu geben. Bei derartig abge-
nützten und schon so früh (vgl. Abb. 97) sche-
matisch gebildeten Symbolen ist die Entscheidung
für die eine oder die andere Auffassung unmög-
lich — Venusstern und Sonne, schon im alten
Babylonien einander sehr ähnlich und in gleichen
Dimensionen gezeichnet, können beide zur einfachen
Scheibe schematisiert worden sein, so daß wir
' Vgl. E. Littmann, Vorbericht der Deutschen Aksuuiexped., p. 15, Deutsche Aksume.xped., Bd. II, p.24, Abb. 44, IV, p.(jl.
" Nach M. Jastrow, Bildermappe, Taf. 51, Nr. 188. ' L. Delaporte, a. a. O., PI. XV.
* Nach eis, Pars I, tom. II, Taf. 62. Vgl. auch tom. I, Nr. 264, 324, 339, 346, 348, 350, 352, 356, 359, 365 (Taf. 49, 53 ff.).
' Altarab. Mondreligion, p. 110. ° Ssabier, I, p. 401.
■ Vgl. M. Jastrow, a. a. O., Taf 12, Nr. 40. » Nach M. Jastrow, a. a. 0 , Taf. 14, Nr. 47.
» Bei M. Jastrow, a. a. O., Tc.\t, Sp. 109.
'« L. Delaporte, a. a. 0., PI. X, XI.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen D
ENKMALERN.
43
keiii Recht haben, dem einen oder andern Gestirn
den Vorzug zu geben. Um fürs sabäische Symbol
auf Einzellieiten einzugehen, könnte das Größen-
verbältnis in Abb. 88 — 90 dazu führen, hier den
Stern in der runden Seheibe zu seilen, wozu in
Abb. 89 auch noch die Strahlen Anlaß gelien
könnten. Allein auch das ist kein sicheres Krite-
rium. So kann es uns nicht unerwünscht sein,
zu erfahren , wie die arabischen Archäologen
über die Sache dachten. Hamdäni erwähnt im
achten Buche des Iklil an zwei Stellen eine In-
schriftplatte, die etwa wie Abb. 82 ausgesehen
haben mag. Bei der Beschreibung von Äledr^
sagt er:
^jX^^ii <^i.A~Q.X**-.xi '-^■^a ^b^j ^■^■*-'« ^^^j\ j.-^as ^3l-..Ä •
, Gegenüber dem Königsschlosse befindet sich eine
Platte nach Osten gerichtet, mit dem Bilde der
Sonne und des Mondes,'-' die dem Könige gerade
gegenüliertreten, so oft er das Schloß verläßt'.
Ahnliches berichtet Hamdani auch im Ka])itel
über Riyäm : ^
^.. « ■i'.i'.Jl )%-o l..^-^5 A1>^.' <)^^» kSls- j^oiM 1 sb p\^"«
,Und vor dem Tore des Schlosses war eine Mauer
mit einer Platte, auf der sich das Bild der Sonne
und des neuen Mondes befand. Und so oft der
König heraustrat, kaum daß sein Blick auf sie
fiel,* und da er- ihrer ansichtig wurde, verneigte
er sich (schon) vor ihr, indem er seine Handfläche
unter sein Kinn legte, so daß er es verdeckte
(schützte), hernach warf er sich anbetend mit
seinem Kinne vor ihr nieder'. Darauf soll nach
Hamdäni im Kor'än, Sure 17. Vers 108 angespielt
sein. Wie wir aus Hamdänis Stellen ersehen,
wurde also in späterer sabäischer Zeit in unserem
Symbole Mond und Sonne gesehen. Zum Kulte
beider Gestirne erfahren wir ja auch aus anderen
Berichten Verschiedenes; schon E. Oslander^
und Krehl'' führen eine Reihe von Stellen an,
in denen vom Sonuendienste der vorislamischen
Araber die Rede ist. Zur Verehrung des Mondes
bei den Banü Kinäna vgl. man Abulfarag bei
Gaussin de Perceval, Essai sur Tliistoire des
Arabes (Paris 1847) I, pag. 112.
Werfen wir nun noch einen Rückblick auf
die hieher gehörigen Inschriften, so finden wir
auf den katabänischeii Inschriften (Gl. 1111 und
1747) einen Gottesnamen, der mit dem Symbole
in Beziehung stehen kann, nämlich 'Amm und
n rh iH ® «luf Gl. 1426, sowie den hadramötischen
Sin auf der Inschrift aus Jeha (vgl. p. 41). Von
den sabäischen Inschriften läßt uns Gl. 737 die
Wahl zwischen dem Mondgott Uadd und der
Sonnengöttin Dat Hmi" (erwähnt sind aber auch
'Attar und Sin') oder es bezieht sich das Symbol
vielleicht auf beide. Der oben erwähnte Altar
Derenbourg, P]tudes I ist dem Uadd allein ge-
weiht, die sabäische Inschrift aus Jeha dem 'Attar.
Gl. 210, Mars. III, CIH 362 und Gl. 262 sind
hingegen von Personen gestiftet, deren Namen (in
Gl. 262 zum Teil) Composita von Schams (Sonne)
sind,' die Stifter von Gl. 230 gehören überdies
dem Stamme der Bata' an, einem Zweigstamme
der Hamdän, deren Gebiet nach J. H. Mordtmann*
ein Hauptkultusgebiet der Sonne war.' So wäre
es möglich, daß zur späten Zeit (etwa der Ham-
däniden), welcher die erwähnten sabäischen In-
schriften (ausser Gl. 737) meist angehören, das
Symbol zum Sonnendienste in Beziehung gestanden
hätte. •" Es ist aber auch denkbar, daß es zu einem
religiösen Emblem geworden ist, das zwar die
> Vgl. D. H. Müller, Südarab. Altert, p. 87.
'' [^ gehört vor »j^^; vgl. die P.arallelstelle w. u.
' Vgl. D. H. Müller, Südarab. Stud., p. 26.
* l.^.« \l\ U yj kann bloß bedeuten: ,imr auf den (ersten, d. h.) zuerst (sieh seinen Blicken darbietenden) Teil
der Platte.' D. h. sobald er ihrer nur ansichtig wurde, begann die Trpodxwijorts.
^ ZDM(; 7 p. 466 ff., 20, p. 285 t'. ^ Uie Religion der vorislamischen Araber, p. 41 S.
' Allerdings ist auch zu' bedenken, daß Träger derartiger Namen gelegentlich als Verehrer Ta'iabs erscheinen, so
z. B. Rabbsams in Gl. 136 und Sa'dsams in Gl. 137.
* Sab. Denkm., p. 56 ff.
» Daß dieser Sonnenkult keine Fiktion ist, ersieht man z. B. aus der späten Inschrift Gl 374 == CIH 43 (aus päff_K
in welcher vom Baue eines Heiligtums der öams die Rede ist (Z. 2) (. . •] ^ ^ ^ | ^ > T ^ I h> ^ ^ V ® I H > S <■> V O» I <I> ? H H
vgl. D. H. Müller, ZDMG 37, p. 363).
'» Da auf abessinischem Boden 'Attar der Herr des Himmels ist, könnte für jene Inschritten, deren Befund Attar als
Inhaber des Symbols nahelegt, wie die Inschrift aus Jeha und eventuell Gl. 737, auch die Möglichkeit in Betracht kommen,
daß ihm eben in dieser Eigenschaft das astrale Symbol beigelegt wurde.
6*
44
I. Abhandlunq: Adolf Grohmann.
Mondgottheit bezeichnete, aber in Verbindung
mit seiner Tochter oder Gattin^ — der Sonne —
oder mit 'Attar, wo der Kreis den Stern sj'ra-
bolisieren sollte;- so würde es sich auch erklären,
warum das Symbol so oft Altäre schmückt und
warum auch über dem Namen des Särik (nach
J. H. Mordtmann, ZDMG 39, p. 235 = 'Attar)='
dasselbe Symbol angebracht ist.
Die Hand
Zum symbolischen Apparat der Sabäer ge-
hört auch die ausgestreckte Hand. Sie ist bis
jetzt nur auf vier sabäischen Inschriften belegt.
^VJ
Abb. 102. Handsymbol von Gl. 1724.
Auf Gl. 804 (vgl. Abb. 86) sehen wir zwei mit
dem Daumen nach links (rechts?) gekehrte Hände
unter (über?) der Mondsichel mit der Scheibe (s.
Al)b. 103. Sabäisclie Broiizetai'el aus 'Annan.
(London, Brit. Mus.)
schließt mit der Anrufung an 'Almakah (V «l» ^1 h Fl)-
Auf der 'Amräner Bronzetafel CIH 76 (Os. 12)
sehen wir zwei nach unten gerichtete gegenstän-
Abb. 104. Symbol auf Hai. 257.
' dige Hände mit nach innen gekehrtem Daumen
im Schriftraume; auf der 'Amraner Bronzetafel
'CIH 79 (Abb. 103) finden wir folgende Anord-
nung: rechts zwei gegenständige Hände mit nach
innen gewendetem Daumen, links daneben eine
Hand mit nach links gewendetem Daumen ; die-
selbe Anordnung dürfte gegenständig auch auf der
abgebrochenen Seite angebracht gewesen sein.
Auch hier sind die Hände nach unten gerichtet.
CIH 76 und 79, in welcher sich die Reihe von
Handpaaren auch in der Leiste über dem Schrift-
Abb. 105. Opfertisch auf einem äg:yptisclien Grabsteine
des mittleren Reiches (Genf).
0. p. 38). Gl. 1724 = Münch. 70 (Abb. 102) zeigt
reclits neben der ersten Zeile der Bustrophedon-
inschrift die mit dem Daumen nach rechts ge-
wendete, nach unten gekehrte Hand und darüber
die Mondsichel; diese altsabäische Bauinschrift
räum wiederholt, sind Yotivinschriften an 'Ahnakah.
Kaum ist hier die bronzene Hand zu erwähnen,
die sich nach J. H. Mordtmann* im Tschinili
Kiöschk befindet; denn sie ist wahrscheinlicher
eine Votivgabe als Dank für die Heilung eines
' F. Hommel, Aufs, u Abb., p. 157; II. Winckler, ZDMG 54, p.417; D. Nielsen, ZDMG 66, p. 595 ff., C7, p. 380 ff.
' Vgl. K. Dussaud, Notes de mythologie nyrienne, p. 5 ff.
» W. Fell, ZDMG 54, p. 254 ,der Glänzende'.
* J. H. Mordtmann, Catalogue sommairc, p. 57 ^= OM 119.
GöTTERSYMBOLB UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DbNKMÄLERK.
45
Haudgebrechens. Auch ist es nicht ganz sieher,
oh das Zeichen rechts neben Hai 257 = GL 1091
(aus Ma'in, Abb. 104) tatsächlich das Haudsymbol
Abb. 106. Mondsichel und Hand. Amulett im Besitze
von A. Jeremias.
darstellt, wie F.HommeP annimmt. In E.Glasers
Kopie fehlt das Zeichen. Man könnte anstatt an
die Hand besser vielleicht an eine Nachahmung
des cägvptischen Opfertisclies (Abb. 105)- denken,
Abb. 107. Messinghand von einer per.sischen Fahnenstange
im k. k. Naturhist. Hofmuseum zu Wien (Invent. 25551).
wie er auf ägA^itischen Grabsteinen des mittleren
Reiches (2000—1700 v. Chr.) vorkommt. Ist das
Zeichen in Hai. 257 aber tatsächlich eine Hand,
dann ist auch P'.Hommels Zusammenstellung mit
dem Svmbol der Istar und die Ühertra"-uns- auf
den minäischen 'Attar, den Hai. 257 nennt, anzu-
nehmen.
Am interessantesten sind für uns von den er-
wähnten Handsymbolen wohl Gl. 804 (Abb. 86)
und besonders Gl. 1724 (Abb. 102), und zwar des-
halb, weil dies Svmbol noch heute als Amulett
Abb. 108. Handsynibol auf einer punischen Stele
aus Karthago.
und heiliges Zeichen bei den Arabern in Gebrauch
ist. In Abb. 106^ sehen wir fast dieselbe Anord-
nung wie auf Gl. 1724: unter der Mondsichel
steht, nach abwärts gekehrt, die Hand, welche
die Moslime heute als Hand der Fatima oder
Muhamnieds deuten. Sie kommt auch ohne Mond-
sichel vor; so findet sich im Naturhist. Hofmus.
Abb. 109. Handsymbol auf einem babyl. Siegelzylinder.
ZU Wien eine Messinghand, die eine persische
Fahnenstange schmückte,* in der Abb. 107 ver-
anschaulichten Form. Die ausgestreckte Hand
ist ein äußerst häufig vorkommendes Symbol
auf punischen, der Göttin Tanit (d. i. Astarte)
geweihten Inschriften (vgl. Abb. 108, nach CIS,
Pars I, tom. II, Tab. LXII, Nr. 3019) ^ und
findet sich bereits auf babylonischen Siegel-
zylindern; so steht auf Abb. 109'' die sieben-
fingerige Hand zwischen der Gottheit und dem
' F. Horamel, Grundriß der Geogr. und Gesch. des alten Orients, p. 101.
'■' Nach W. Spiegelberg, Ägyptische Grab- und Denksteine aus verschiedenen Sammlungen, Ud. III, Abb. 81, Taf. II.
' Nach A. Jeremias, Das alte Testament im laichte des alten Orients, II. Aufl.. p. 101, Abb. 37.
' Nach einer freundlichen Jlitteilurg J. v. Karabaceks ist die Hand hier als die rächende Hand 'Alis umgedeutet.
* Vgl. F. Hommel, Grundriß d. Geogr. u. Gesch., p. 101,
" Nach I). Nielsen, Altarab. Mondreligion, p. 155, Fig. 23.
46
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Adoranten.' Nun ist die Hand ja bereits auf
Siegelzylindern der Hammurabi-Dynastie als gött-
lich verehrte Ha"nd und 8vmbol der Tstar zu deuten.^
Eine Darstellung wie Abb. 102 = Gl. 1724 könnte
also ein Seitenstück zu Abb. 88—90 darstellen,
wenn wir bei diesen annelunen, daß die runde
Scheibe den Venusstern A'crtritt, der in Abb. 102
durch die Hand bezeichnet wäre — auE der sich
überdies noch die gleichfalls als Venusstern auf-
zufassende Scheibe befindet — wobei nur die
Stellung der Mondsichel verschieden ist: d. h. wir
hätten ein 'Attarsynibol mit dem Mond-
svmbol verbunden. Etwas Ähnliches könnte
man zu Abb. 8G vermuten; allerdings setzt diese
Darstellung einer Erklärung erhebliche Schwierig-
keiten entgegen: denn da sind zwei Hände vor-
handen, die aber auch nicht als Adorantenhände
gedeutet werden können, da sie beide — die
Richtigkeit der Kopie vorausgesetzt — mit dem
Daumen nicht zueinander, sondern nach derselben
Seite gestellt sind.
Wenn wir aber einen Versuch zur Deutung-
von CIH 76, 79 wagen dürfen, so wäre vielleicht
zu erwägen, ob dort nicht eine dekorative An-
wendung der nach unten gerichteten Adoranten-
handpaare vorläge; anderenfalls wäre sie mit
Zauber in Verbindung zu bringen, wie heute in
Palästiiyi und ^Marokko die nach oben ausgestreckte
Hand an Häusern angebraclit wird, um die Be-
wohner vor bösen Einflüssen zu schützen.^
Das Kreuz.
Ein bislier in Sudarabien unbeachtet geblie-
benes Svmbol stellt auch das Kreuz dar. Es findet
sich : reciits neben den ersten beiden Zeilen von
Abb. 110. Kieuzsymbol auf Gl. 1209.
Gl. 1209 = 29 = 279(ausHagarZa]ira, Vgl. CIH 338),
einer Personaldedikation an ^^"f>inihX (Abb. HO).
Außerdem nocli in derselben Form auf den beiden
katabänischen Bauinschriften Gl. 1121 (aus
(mit \4 in der Mitte), 2624 und 2635* (vgl.
Abb. 111); vielleicht ist auch das in zwei quadra-
Abb. 111. Sabäisclie Siegel. (Berlin, Kgl. Mus.)
IIJW «I' "■"
-yi
Gedida) und Gl. 1587 (aus Ne^ä im Muräd), rechts
neben der ersten Zeile. Dieses Symbol scheint
auch noch auf drei sabäischen Siegeln des Berl.
Mus. vorzukommen, und zwar den Nummern 2618
Abb. ll'J. Sabäisclie Stele.
,=*««?:.
' Vgl. I). Nielsen, a. a. O., p. 155, Fig. 24 (ähnlich Fig. 23) und p. 111, Fig. 10, einen Siegelzylinder mit einer
Keihe von drei Händen in der -Mitte. - F. Hommel, Grundriß d. Geogr. u. Gesch., p. 101.
' Vgl. Goblet d'Alviella, La migration des symboles, p. 35. Vgl. auch Janssen et Savignac, Mission arch^o-
logique cn Arabie I. (Paris 1909), Taf. 32 zw. p. 65 u. 64. ■> Vgl. J. H. Mordtmann, H. I. A. T.if. I, p. 51 f., 57.
Göttersymbole lnd Syjiboltiere auf südarabischen Denkmälern.
47
tische Linienr.ihmen gesteckte X neben dem Svm-
Lole 1=1 auf dem Gewände der sitzenden Frau der
Glermont-Ganne.iuschen Stele (vgl. Abb. 112,
s. pag. 30, Note 1), sowie das Zeichen |X| links von
Hai. 623 (aus Silyäm) so zu deuten. Endlich findet
sich das Symbol in der Form X auch noch auf
dem Revers der sabäischen Münzen Sclilum-
berger, Nr. 48/49, i links unter der Eule. Bereits
Schlumberger hat in diesem Zeichen ein Kreuz
erkannt; er sagt (a. a. 0., p. 25): ,Sur deux
draclunes du type le plus recent ä coiffure a la
riimaine ou augusteenne, on aperfoit au revers,
sous la queue de la chouette, ä la place ancienne
du noun. un caractere qui se rapproclie du tau
pointe, Xi himyaritique, mais qui est encore
plus voisin d'une croix. Sur la seconde de
ces drachmes le neun de Nagran, qui, sur les
^. X + X
Abb. 113. Minoisches Kreuz.
autres exemplaires de cette serie, figure d'ordi-
naire derriere la tete royale du droit, a disparu,
mais par contre, sur la premiere, on le distingue
tres nettement. II parait en consequence difficile
de faire egalement de ce caractere l'initiale d'un
ciuquieme atelier monetaire inconnu.'
Das sabäische Kreuzsymbol auf Münzen hat
auch im Minoischen ein Gegenstück. Das Minoi-
sche Kreuz ^ (Abb. 113) erscheint als religiöses
Symbol auf einer Reihe von Siegeln, die in einem
Schrein der Schlangengottiieit in Knossos ge-
funden wurden.
Daß das Zeichen wolil nur ein Kreuz sein
kann, wird noch deutlicher, wenn wir die babyloni-
schen Darstellungen iieranziehen. Auf dem Siegel-
zylinder Delaporte Nr. 297 (Abb. 114),^ aus der
Zeit der Kassitenkönige, sieht man links oben
neben der Männergestalt ein Kreuz und auf dem
babylonischen Zylinder Delaporte Nr. 385
(Abb. 115)* ein Kreuz oben in der Ecke links über
dem Greifen zur Seite des stilisierten Lebens-
baumes.^ Bereits F. Hommel hat im Kreuze eine
Schlußmarke, bezw. das Symbol des Planeten
Saturn gesehen'' und die Bedeutung , Zeichen,
Abb. 114. Babylonischer Siegelzylinder (ca. 1700-
V. Chr.), Delaporte 297. (Paris, Bibl. Nat.)
■1200
Marke' des Wortes in im Alten Testament heran-
gezogen. A. Jeremias" sieht im liegenden Kreuze
das Jahwezeichen, das nach Hi. 31, 35 zur
Beglaubigung eines Dokumentes für den Schrift-
unkundigen gegolten liätte, wie es bei den Baby-
loniern und Elamiten als Schlußzeichen bei Ur-
kunden gedient zu liaben scheint. Nach den
babylonischen Analogien wii-d man auch im sa-
bäischen Kreuz ein Symbol zu sehen haben,
dem vielleicht die gleiche Bedeutung innewohnte;
vielleiclit bezeichnet es auch auf der sabäischen
und den beiden katabänischen Inscliriften eine
Art Bestätigung durcli die Gottheit. An welciie
Abb. 115.
Neubabylonischer Siegelzylinder, Delaporte 385.
(Paris, Bibl. Nat.)
Gottheit aber dabei zu denken wäre, läßt sich
aus den Inschriften nicht ersehen. Daß es etwa
wegen Gl. 1209 mit Ta'lab Riyäm zusammen-
zubringen wäre, scheint mir niclit wahrschein-
lich, und auch die Gleichheit des Symbols mit
dem ersten Buchstaben dieses Gottesnamens
kann hiezu keine Handhabe bieten.* Einer Er-
klärung als Symbol Ta'lab Riycäms stünden denn
auch die beiden katabänischen Inscliriften im
Wege, die diese spezifiscli sabäische Gottheit
nicht kennen. "
1 G. Schlumberger, a. a. O., Taf. III. « Nach A. J. Evans, Scripta Minoa, p. 222, Nr. 112.
' Nach L. Delaporte, a. a. O., PI. XX. * Nach L. Delaporte, a. a. 0., PI. XXVI.
^ Siehe hier auch Abb. 149 und vgl. A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, I. Aufl., p. 356,
Abb. 136; L. Delaporte, Cyl. Orient., Taf. 20, Nr.296,30!. " F. Hommel, Grundriß d. Geogr. u. Gesch., p. 100 und Anm.l.
' A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, I. Aufl., p. 356 f. ' Vgl. oben p. 30 f. zu ?a)är^U.
^ Viel v^ertvolles Material zum Kreuzsymbole bringt auch W. Scliul tz, Das Hackenkreuz als Grundzeichen des semi-
tischen Alphabetes, Memnon III. 175 — 200.
48
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Die Speerspitze.
Bereits 0. Welier' hat das Speerspitzcn-
svmbol (Abb. 9) auf südarabischen Denkmälern
nachgewiesen und es mit der Speerspitze Marduks
(Abb. 51, dritte Reihe links)'' zusammengestellt
und dem Gotte 'Attar zugewiesen, dessen Mono-
%\
Abb. 116. Speerspitzensvmbol .luf Gl. 552.
«rramm es vertritt
■Wenn icli hier noch einmal
auf dies Symbol zurückkomme, so geschieht es
der Vollständigkeit halber, um im Rahmen der
Gesamtdarstellung der südarabischen Gütter-
symbolc kein gesichertes fehlen zu lassen. Gleich-
zeitig seien auch alle Formen des Symbols, die
Weber in seiner Arbeit nicht vollständig geben
konnte, hier angeführt.
Das Symbol gehört zu jenen, die sieh auf
Denkmälern von Saba und Ma'in finden. Es steht :
An erster Stelle links auf dem Bulawayosteine
(Abb. 9); links von Gl. 552 == Arn. 26 auf der
Nordostseite der Yerbindungsmauer des Marbat
\ -^ t t tu
a b c d e f 9
Abb. 117. Speerspitzensj'mbol auf sabäischen Münzen.
ed-Dimm mit dem Berge ^ (Abb. 116). Diese
fragmentarische Inschrift (^f^T) bildet wohl den
Schluß der Invokationsformel: [..Bei 'Attar und
'Almakah und Dät] Hmi"." Ferner erscheint es
vielfach variiert auf einer Anzahl sabäischer
Münzen des Hofmuseums in Wien und auf etlichen
Berliner Stücken auf dem Avers, — der Revers
trägt das Bukranion — , gesammelt in Abb. 117:
a entspricht D. H. Müller, Südarab. Altert, p. 70 Taf. XIV. Abb. 25 Ty-p. Y, ähnlich Berl. 219 (p. 77).
26
c
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9
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7) ?J
., 77
Abb. 118.
Außer diesen sabäischen Denkmälern trägt
auch die minäische Inschrift Hai. 236 (Abb. 118
aus Ma'in) rechts neben der ersten
Zeile dies Symbol.
Vorderhand unverständlich ist
mir die Schlinge, die um die Mitte
des Schaftes der Speerspitze der
minäischen sowohl wie der sabäi-
Bpeerspitzen- i i i • i
Symbol auf scheu Form läuft. Die babylonische
Hai. 236. Form dieses Symbols, wie wir sie
auch auf den beiden Siegelzj'lindern
Abb. 64 sehen, hat diese Schlinge nicht. Sollte
es sich vielleicht um einen Speerrienien als
Handhabe handeln? Der babylonischen Form
auf den Siegeln kommen übrigens die Formen
c. f in Abb. 117 sehr nahe. Auch hier, wie
V.
V4
. V3
,, Vio ähnlich wohl Berl. 221 (p. 77) .
Berl. 220,195. —
schon früher beim Totschläger wird kaum an
direkte Entlehnung des babylonischen Symbols
zu denken sein, da die sabäo-
mniäische Form mit Schlinge
kein formgleiches Analogen in
Babylonien hat. Man könnte aber
an eine Mittelstufe denken, die im
babylonischen nicht erhalten wäre
und die Schlinge aus einer Dar-
stellung wie Abb. 119, dem Siegel
Delaporte 603^ entwickelt hätte,
wo der Strich unter der Spitze
etwas tiefer nach unten gerückt
ist als in den Typen Abb. 64.
Zum babylonischen Symbole selbst wolle man K.
Frank, Bilder und Symbole pag. 23 vergleichen.
Abb. im. B.aby-
lonisclies Siegel.
(Delaporte 603,
Paris, Bibl. Nat.)
' O. Weber, Göttersymbole p. 275.
'' Vgl. M. Jastrow, Bildermappe, Taf. 10, Nr. 34; 11, Nr. 36, 37, 38; 12, Nr. 40; 13, Nr. 42, 43, 44; 14,
Nr. 45, 47.
" Vgl. E. Glaser, Märib im Jemen, p. 59 ff.
* Nach L. Delaporte, a. a. O. Taf. XXXVII.
GOtteksymbole und Syuboltiere auf südarabischen Denkmälern.
49
Die Federkrone und die Vulva.
Am Schlüsse der Inschriften H.al. 1 55 f., 1 60 f.
(aus Medinet Haram) findet sich ein Zeichen, mit
dem sich bis jetzt niemand beschäftigt hat. das
©I
V
Abb. 120. Federkrone auf Hai. 155.
aber nicht nur iu religionsgeschichtlicher, sondern
auch in ethnographischer Beziehung von Inter-
esse ist. Das Zeichen steht in der (Abb. 120)
gegebenen Form und Anordnung, auf Hai. 155
= 156; in einer Reilie mit den beiden Mono-
grammen steht es in Hai. 160^161. Welchen
Gegenstand nun dies Zeichen darstellen mag,
können wir aus Abb. 121 erschließen, die uns
die Kopfbedeckung der drei göttlichen Wesen auf
dem Aveiter unten (Abb. 148) besprochenen und
Abb. 121. Federkrone auf dem Haupte eines geflügelten
Genius auf einem altlihjünischen Siegelzylinder.
Abb. 122 a. Minoisehe
Hieroglyphe auf der
Phästusscheibe.
Abb. 122 b. Eevers einer
sardischen Münze.
abgebildeten lihjänischen Siegelzylinder ' zeigt ;
wir sehen mit F. Hommel in ihr eine Feder-
krone. Einen ähnlichen Kopfschmuck tragen die
beiden reciiten Männergestalten auf dem bereits
p. 28 f. besprochenen Siegelzylinder (Abb. 59).
Die Federkrone, doch mehr einem Ilelm-
kamme ähnlich, erscheint auch auf dem Kopfe
einer Hieroglyphe (Abi). 122 a), die des öfteren
auf der bereits erwähnten Phästusscheibe vor-
kommt. - Zu der minoischen Hieroglyphe ist,
wie hier nur beiläufig bemerkt werden soll, viel-
leicht auch die Darstellung des Sardus Pater auf
einer römischen Münze aus Sizilien zu stellen
(Abb. 122 6); 3 es scheint demnach auch dort die
Gottheit — wie bei den Sumerern — eine Feder-
krone als Götterabzeiehcn getragen zu haben.
Abb. 123. Federkrone auf dem Haupte Adads, von einer
Lazurstange aus Babylon (MÜOG: Nr. 5).
Die Form der Federkrone ist sich auf den
babA'lonisch-assyrischen Darstellungen niclit immer
gleich geblieben. Vergleicht man die Federkrone
auf dem Haupte Adads (Abb. 123;* zwischen 680
und 669 v. Chr. zu datieren) mit der auf dem
Kopfe Marduks in Abb. 52 (ca. 1204 bis 1189 v.
Clir.) oder Abb. 32 (ca. S50 v. Chr.), so ergeben
sich schon gewisse Unterschiede. So sind bei der
Federkrone Marduks die Federn noch deutlich
als solche erkennbar, während die Adads sciion
Abb. 124. Acbämenidiseher Siegelzylinder.
(Delaporte 399, Paris, Bibl. Nat.)
mehr an die Form der Kione auf dem Haupte
der Göttin 'Aniiket bei F. Hommel, Aufs. u.
Abb., ]). 218 erinnert. Eine Federkrone mit fünf
Zacken* trägt der rechte Genius auf dem achä-
menidischen Siegelzylinder Delaporte Nr. 399
(Abb. 1241," während sicii die sabäische Form
' Nach F. Hommel, Aufs, und Abb., p. 161, aus der assyrischen, spätestens acliämenidischcn Zeit.
' Vgl. A. J. Evans, Scripta Minoa p. 24, Fig. IIb, c, und allgemein zur Federkrone p. 2ö.
^ Nach KRAL., 1910, p. 239, Fig. 10. * Nach M. .lastrow, a. a. O., Taf. 5, Nr. 15.
^ Dieselbe Zahl in den Darstellungen bei F. Hommel, a. a. O., Abb. p. 160, 163, 214.
6 Nach L. Delaporte, a. a. O., PI. XXVII.
Denkschriften der phil.-hist. Kl, 68. lid. 1. Abb. 7
50
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
mit deren vier zu begnügen scheint; ebenso die
Jlittelfigur desselben Zylinders. Interessant ist
nun, daß die Vierzalil der Federn, als deren
Vertreter wir die Zacken der Siegelzylinder an-
zusehen haben, schon auf der ältesten Form der
Federkrone eingehalten erscheint; so auf dem
Abb. r25. Fragment der Geierstele (ca. 3000 v. Chr.).
(Paris, Louvre.)
Bruchstück C der Geierstele aus der Zeit Eannadu
(ca. 3000 V. Chr.) in der rechten unteren Ecke
(Abb. 125).^ Sehr wichtig ist nun, was L. Heuzey
über die Bedeutung dieses merkwürdigen Kopf-
schmuckes sagt:- ,La comparaison patiente des
raonunients demontre fpie cette coiffure, corame
la tiare multicorne assyrienne, ä laquelle eile
correspond, est un attribut exclusivement mytho-
logique. Elle n'est portee ni par les rois ui par
les guerriers ni meme par les pretres; mais eile
est rinsigue des etres surnaturels, c'est-ä-dire
des genies et des dieux. Ici, vu le caractere fe-
minin des figures, eile designe siirement deux
decsses'. Diese Anschauung, die in ähnlicher
Weise auch F. Hommol ausgesprochen hat, indem
er die mit der Federkrone geschmückten Gestalten
mythologische nennt,'' legt uns die Frage nahe,
ob die Federkrone als ,insigne des etres sur-
naturels' bei den Sumerern, nicht etwa auch im
sabäischen Götterkulte eine ähnliche Stellung ein-
senommen hätte. Nach dem bereits oben aufse-
zeigten Parallelismus der Göttersymbole in Baby-
lonien und Südarabien ist eine bejahende Antwort
auf diese Frage immerhin wahrscheinlich gemacht.
Galt aber die Federkrone als Abzeichen gött-
licher Würde, so ist der Schritt, ein solches Ab-
zeichen als Göttersymbol zu fassen, nicht gar
weit. Die Inschriften Hai. 155 f., 160 f. geben
dann auf die Frage, wem dies Symbol angehört
haben mag, eine ziemlich eindeutige Antwort:
sie stehen in der Grupjie von Inschriften, die von
J. Halevy in Haram gefunden worden sind; in
Haram wurde der Gott HTDlhnX^ verehrt; die
Inschriften Hai. 144 ff. sind auch Dedikationen
au ihn; ebenso Hai. 155 = 156* und 160=161.
Nach J. H. Mordtmann," dem sich W. Fell"
anschließt, ist hf [DHnX^ soviel wie )X?°) während
F. Hommel' von ihm eine abweichende Auffassung
hat und auch seinen rätselhaften Namen anders
erklärt als W. Fell.
Wenn zwar die Inschriften die völlige Lösung
der Frage nach der Natur dieses Gottes bisher
nicht gegeben haben, so deuten sie immerhin mit
einiger Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß sein
Symbol die Federkrone war.
Der Vollständigkeit halber sei noch, bevor
auf die minäischen Symbole näher eingegangen
wird, der Darstellung Sab. Denkm. 40 (Abb. 126)
gedacht; es ist vorderhand jedoch unsicher, ob
.^^?5^si^.,^>i;r»v:rt^ -/v-
.-;-^^i'??^?^
oriQir
Abb. 1'26. (Sab. Denkm. 40.) Sabäische Inschrift im Tschinili
KiOschk, Konstantinopel.
die von D. H. Müller als Bäume gedeuteten Ver-
zierungen* nicht etwa Symbole darstellen; die
sabäische Inschrift bietet zu keiner Deutung
Anlaß, auch kommt diese Verzierung sonst meines
Wissens nicht vor.
Es ist nämlich fraglich, ob die beiden ,Bäum-
clien' von Sab. Denkm. 40 mit dem Symbol zu-
' Nach E. de Sarzec, D^c. eu Chaldf'e, tom. II, PI. IV C.
' l)6c. en Chaldec, tom. I, p. 101. » Anfs. u. Abh., p. 163. «
* In H.il. 155 sclicint Zeile 4/5 ;'B:;rB übersprungen zu sein, wodurch die Inschrift um 1 Zeile kürzer ist; -vg]. auch
Hai. 158. Das •• • ;s ist nach Hai. 159 4/5 -[snl-s zu ergänzen; vgl. 144, 7; 148, 5; 150, 6.
» ZDMG 31, p. 86. 5-.', p. 400. « Ebda. 54, p. 233 ff., 237.
' Aufs. u. Abb., p. 192. » Vgl. D. H. Müller, Sab. Denkm., p. 96.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälekn.
51
sanimenliängen, -welches Abli. 127 — 129 veraiischau-
liclieii und das auch auf einem Graffito von Tocou-
da^ vorkommt. Neben dem Totschläger und dem
Symbol Mondsichel mit Scheibe finden wir hier
Abb. 1-27. Gl. 1757 = München 103 (aus fjirw;"ih).
nun schon das dritte Symbol auf südarabischem
Boden" und in Abessynien wieder. Die Pfeiler-
inschrift aus Kaskase^ (Abb. 129) hat E. Littmann
aus inneren Gründen in das 1. — 2. nachchristliche
Jahrh. gesetzt; paläograiriiiscli zeigt sie jedoch
alten Duktus, d-er an die Schrift des Yehaaltares
(s. 0. p. 12) erinnert; sie ist auch wie die dritte Seite
jenes Altarsteines, den E. Littmann ins 5. — 1. vor-
christliche Jahrh. setzt, bustrophedon geschrieben.
Während es bei der Yehainschrift unsicher ist,
ob sie Sabäer haben setzen lassen,* fällt die In-
schrift aus Kaskasö nach ihrer Fassung noch
Abb. 128. Sabäisclier Terrakottastein im k. k. Hofiuuseuiu
zu Wien.
mehr als jene aus dem Rahmen der uns bekannten
südarabischen Epigraphik.* Man wäre also zwar
geneigt, auf Grund paläographischer Indizien die
Kaskaseinschrift höher anzusetzen als es E. Litt-
mann tut: doch reicht sie — auch im Verein
mit den Yehainschriften — keineswegs aus, weiter-
gehenden chronologischen Schlüssen als Unterlage
zu dienen.
Von den sabäischen Inschriften, die auf ara-
bischem Boden das <}-Zeichen tragen, müssen wir
aber Gl. 1757 in die älteste Zeit der sabäischen
Geschichte verlegen. Sie ist eine Felsinschrift,
die wie überhaupt die Nummern München 98 — 117
wahrscheinlich aus Sirwäh stammt und auch sonst
Berührungspunkte mit den anderen Texten dieser
Gruppe aufweist. Sie ist bustrophedon und im
alten Duktus geschrieben. Die vollständigste In-
schrift dieser Gruppe (München 98 = Gl. 1752)
ist eine lexikographisch wie paläographisch sehr
Abb. 129. Sabäische Inschrift aus Kaskase.
altertümliche 'Attarinschrift; in anderen Texten
kommt wenigstens der Eigenname ) X S ° Fl ■^'or.")
Von den drei abgebildeten Inschriften, die das
^-Zeichen tragen, nennt jedoch keine (auch Gl. 1757
nicht explicite) den Gott 'Attar. Trotzdem fällt
einem unwillkürlich die Ähnlichkeit unseres Sym-
bols mit. der Vulva auf, dem assyrischen Symbol
der Istar (vgl. Abb. 142 f.): es sei also vorder-
hand nur diese gegenständliche Gleichung vor-
geschlagen; denn wollte man dem männlich ge-
dachten 'Attar dieses spezifisch weibliche Symbol
angliedern, so könnte man auch der Annahme
nicht entraten, daß die Auffassung des 'Attar als
männliche Gottheit zu einer Zeit platzgriff, als
das Symbol längst in ihrem Kultusapparat ein-
gewurzelt und in seiner gegenständlichen Be-
deutung' schon verblaßt war.
b. Die minäischen Symbole.
Bis jetzt bildeten hauptsächlich jene Symbole
den Gegenstand der Untersuchung, die auf sabäi-
schen Denkmälern vorkommen. Das Blitzbüudel
und die Speerspitze, die wir auch auf minäischen
Denkmälern finden, wurden z. T. schon im vor-
hergehenden behandelt (p. 23 ff., 48). Zu den
' E. Littmann, Deutsche Aksuniexped. IV, Nr. .S6, p. 63.
' Gl. 1757, Abb. 127 nach E. Glaser wahrscheinlicli aus l~;irwäh; Abb. 128 = Hofmuseum 40 nach D. H. M aller, Südarab.
Altert., p. 51. = E. Littmann, a. a. O., Nr. 3.ö, p. 62. * V^l. E. Li ttmann, a. a. O., p. 59. ^ Herselbe a. a. O., p. 63.
« InMünch. lOlf, 105. Vgl.auch: |>XS° l?'!'!^® Münch. 106, 109; vgl. 112. — IHfl WNI>X§°I<I>^ )l ^®? Münch. 98,
113; vgl. 114, 116.
52
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
spezifisch minäisehen Symbolen gehört a) das
'Attarmonogramm, b) die Sciilange und c) das
Tor H.
Für das 'Attarmonogramm hat schon 0.
Weber* die richtige Deutung gefunden und das
Abb. 130. Schlange auf der uüuäischen Inschrift Gl. 1316
(aus Baräljis).
^lonogramm sowie seinen Stellvertreter, die Speer-
spitze, als Symbol des 'Attar gedeutet. Ebenso
verdanken wir 0. Weber (a. a. 0. p. 280) die Be-
stimmung der Schlange als Symbol des Gottes
Uadd, wozu Gl. 1316 = Hai. 532 (aus Baräkis)
einen schönen Beweis liefert; links neben der
Schlange, die rechts von der dreizeiligen Inschrift
eingehauen ist, ersciieint in großen Buchstaben
der Name t>l<i) i^Uaddj (Abb. 130i.
Von einem Tempelbau für diesen Gott be-
richtet auch Z. 1 der Inschrift (iH®! X TD I ?H fl)-
Abb. 131. Torsynil)ol auf der minäisehen Inschrift vom
Mikntb in Ma'in (Gl. 1153).
So bleibt nur nocii das au dritter Stelle ge-
nannte Symbol übrig, das Abb. 131 veranschau-
licht. 0. Weber hat dieses SymboP mit dem sa-
bäischen Doppelgriffelsymbol zusammengestellt und
es als dessen Variante angesehen. Dagegen erregt
' O. Weber, Göttersymbole, p. 275.
' O. Weber, Göttersymbole, p. 277.
• Vgl. E.Glaser, Die Abessinier, p. 74 f., F. Hnmuiel
übrigen dort zitierten Belegen.
aber die Form des Symbols schwere Bedenken.
Das Charakteristische am Symbole Abb. 131 ist
die Schweifung der Linien des aufrechten Parallelo-
Abb. 132. Anfang der minäisehen Inschrift Gl. 1083
(aus Ma'in).
grammes, das Charakteristische des Doppelgriffel-
symboles |=j sind die beiden parallelen Stäbe mit
einer oder zwei verbindenden Mittellinien. Die
gänzliche Verschiedenheit der Form macht die
Annahme, es handle sich bei Abb. 131 um eine
Variante des Doppelgriffels, unmöglich; es hat
mit dem Doppelgriffelsymbol nichts gemein und
stellt ein spezifisch minäisches Sj-mbol dar. Das
Symbol findet sich:
I. Allein.
a) Rechts von den drei ersten Zeilen der
Inschrift Gl. 1155 = Hai. 535 + 578 (aus Barä-
kis).* Die Inschrift enthält 1. eine Bauwidmung
(ITH^r^<ß|?Hn»lh1^)an |t]Bn'^HI>X?° ('Attar
Aufs. u. Abli., p. 230 ft', Chrestomathie p. 103 nebst den
GOttersymbole und Symboltiere auf südarabischen D
ENKMALERN.
53
Du Kb(J"'); 2. im weiteren Verlaufe nennt der
Text Z. 2 (10, 14) den 'Attar Du Kbd"', Uadd
und Nkrh, 3. in der Götteranrufung geht 'Attar
Srkn, wie oft sonst, voraus; er ist, wie auch
die Gral)inscliriften zeigen, der spezielle Scliutz-
gott gegen Beseliädigung von Monumenten; es
folgen die übrigen Götter wie oben (Z. 2), dann
'Attar Du Ihrk, Dät Nsk"", die Götter von Ma'in
und von latil.
b) Oben in der Jlitte über der ersten Zeile
von Gl. 1153 = 1090 == Hai. 243 (vom Mikräb
von Ma'in, Abb. 131) mit einer Widmung au
'Attar Du Kbd».
c) Rechts von den drei ersten Zeilen von
Gl. 1083 = Hal. 187 + 188 + 191 (Abb. 132; aus
Ma'in).' Die Inschrift enthält die Bauwidmuno-
eines Jurines ([H BIR«^ H l> X§o | f^^ g) an 'Attar
Du Kbd". Der Text erwähnt weiter noch den
Uadd (188, lf.,-6f.) und Nkrh (188, 3), und zwar
IV
Abb. 133. "Attarmnuogranun und Blitzbündel auf der nii-
näischen Inschrift Hai. 480 (aus Baräljis).
erst in zweiter Linie Opfergabeu an sie. In der
Götteranrufuug stehen die genannten Götter in
der Reiheufolge: 'Attar Du Kb^"", Uadd, Nkrh;
dann Attar Du Ihrk und die Götter von Ma'in.
d) Rechts neben der ersten Zeile von Gl.
1091 = Iial.257 (aus Ma'in).^ In E. Glasers Kopie
steht das Sj'mbol rechts über der ersten Zeile.
Das schon auf p. 44 Abb. 104 besprochene Zeichen,
das J. Halevy vor der dritten Zeile kopiert hat,
fehlt bei E. Glaser. Die Inschrift ist eine Bau-
inschrift des minäischen Königs Hlkrb Sdk ben
'Abid' betreffend den Tempel Rsf" des Gottes
'Attar Du Kbd". Der Tempel wird in den Schutz
des 'Attar Srkn und aller Götter gestellt.
II. Zusammen mit anderen Symbolen.
a) Wohl zusammen mit dem 'Attarmonogramm
rechts von Hai. 486 (aus Baräkis). J. Ilalevys
Kopie hat 1 h 'ß B ) S H • Wahrscheinlich ist aber
statt l das 'Attarmonogramm zu lesen. Es steht
also unser Symbol an derselben Stelle, die auf
Hai. 480 (aus Baräkis, Abb. 133) rechts neben
dem 'Attarmonog-ramni das Blitzbündel einnimmt.
Hai. 480 enthält die Bauwidmung eines Turmes
(IH>l<)Tl]l?Hn®ih1^) '''ine Nennung eines
Gottesnamens. Hieher ziehe ich auch Gl. 1302
(aus Baräki.s, Abb. 134, so nach dem Abklatsch,
anders 0. Weber MVAG. VI (1901) p. 63 und
Abb. 134. 'Attarmonogramm, Blitzbündel und Schlange auf
der minäischen Inschrift Gl. 1302 (aus Baräkis).
Göttersymbole, p. 275 Abb. 9). Diese Inschrift
enthält die Bauwidmung einer Warte an 'Attar
Du Kbd-", Uadd, Nkrh und 'Attar Du Ihrk. Die
Weihuugen werden in den Schutz des 'Attar Srkn,
'Attar Du Kbd"", Uadd und Nkrh gestellt. Die
Götteranrufung nennt außer diesen Göttern noch
'Attar Du Ilirk und alle tnitter von Ma'in und latil.
In Gl. 1302 kommt rechts zu den zwei Sym-
bolen ('Attarmonogramm und Blitzbüudel), die wie
in Hai. 480 angeordnet sind, noch die Schlange hin-
zu; sie ist auf dem Abklatsch in der oben gegebe-
nen Form (Abb. 134) noch erkennbar. O.Webers
Zeichnung dürfte auf der flüchtigen, skizzenhaften
Tagebuchzeichnung E. Glasers beruhen, die das
wirkliche Bild nicht wiedergibt.
b) Zusammen mit dem Blitzbündel steht es
auf der Inschrift Gl. 1162 = Hai. 2553 i^aus Ma'in,
n
Abb. 135. Blitzbündel und Tor auf der minäischen Inschrift
Gl. 1162 (aus Ma'in).
Abb. 135); und zwar unser Symbol rechts, das
Blitzbündel links neben den beiden Zeilen der
Inschrift, die von der Bauwidmung eines Turmes
an 'Attar Du Kbd", Uadd und Nkrh [und] die
Götter von Ma'in berichtet.
c) Zusammen mit der Schlange und einem
zerstörten Monogramme rechts neben den ersten
zwei Zeilen von Gl. 1234 = Ilal. 478 f* (aus Barä-
kis, Abb. 136), in welcher Inschrift von der Wid-
' Vgl. E. Glaser, Abessinier, \>. 75, F. Hommcl, Chrestomathie, p. 107.
- Vgl. F. Hommel, Chrestomathie, p. 111.
ä Vgl. ZDMG 37, p. .344.
* Vgl. F. Hommel, Chrestomathie, p. 98 f.
54
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
muug eines Turmes und anderer Baulichkeiten
an 'Attar Du ^H'^, Uadd/ Nkrh, 'Attar Du Ihrk
und 'Attar berichtet wird. Die Widmungen
etc. werden in den Schutz des 'Attar Örljn ,
Abb. 136. Tor und Schlange .luf der minäischen Inschrift
Gl. 1234 (aus Barakis).
'Attar Du KbcJ", Uadd, Nkrh, aller Götter von
Ma'in und Jatil usw. gestellt.
d) Zusammen mit der Schlange und dem
Blitzbündel auf dem nordininäischen Altare von
Delos (Abi). 137)2. j)[q Inschrift berichtet von
der Aufstellung eines Altares des Uadd und der
Götter von Ma'in.
e) Zusammen mit dem Kreis, der Schlange,
dem BlitzbUndel und dem'Attarmonogramm rechts
neben der vierzeiligcn fragmentarischen Inschrift
Gl. 1158 (Abb. 138, aus Barakis) 3. Im Texte
finden sich keine Götternamen.
f) Sehr fraglich ist, ob hieher auch die spät-
sabäische Inschrift Gl. 1050 = Hofmus. 4 (Abb.
139) gehört. Diese Inschrift des Sammar Juhar'is,
TfS
Abb. 137. Blitzbündel, Schlange und Tor auf dem Delos-
altare.
Königs von Saba und Du Reidan und Hadramant
und Imnt*, ist eine Weihinsclxrift an 'Attar Dvi
Dibän, Ba'al bhr Htb"^. Die Inschrift kann mit
f )Tni°n unmöglich scldießen; vielmehr muß
nach den A'on D. IL Müller a. a. 0. zitierten
Stellen dflO] gefolgt haben und dazu j)aßt das
auf 4^ folgende Zeichen bis zu einem gewissen
Grade. Bestehen bleibt allerdings die Schwierig-
keit der Form dieses \Q ; es ist in Gl. 862 =
CIH. 290 zwar auch geschweift; aber der Mittel-
3' 1 2 1' 3
Abb. 138. 'Attarmonogramni, Blitzbündel, Schlange, Stern und
Tor auf der minäischen Inschrift Gl. 1158 (aus Barälfis).
strich schließt dort oben und unten an. Anderer-
seits wäre das Auftauchen des Symbols in einer
sabäischen Inschrift aus so später Zeit dort als
schwierig zu bedenken und ebenso der Umstand,
daß das Symbol J^ sonst stets ohne Mittelstrich
erscheint. Es sind nun drei Annahmen möglicli:
1. Das fragliche Zeiclien Abb. 139 nach ^
ist nicht Symbol.
2. Es ist Symbol und es folgten auf dieses
die notwendig zu ergänzenden Buchstaben ^niU-
m>^i
Abb. 139. Schluß von Hofmuseuni 4 (aus Märib).
Dann stünde das Symbol mitten im Texte, eine
Erscheinung, der nur die überdies anders geartete
Inschrift Gl. 801 (vgl. Abb. 85) zur Seite zu
stellen wäre.
3. [0 ist in der Form dem Symbole ange-
glichen worden ; dann könnte das diesem voran-
gehende ^ zugleich ein Blitzbündel darstellen.
Bis auf weiteres wird die erste Annahme
wohl noch die wahrsclieinlichste sein; eine feste
Basis zur Beurteilung der Frage könnte nur neues
Material bieten. So lange dies aussteht, wird schwer
um die oben angedeuteten Schwierigkeiten, die
dem Symbolcharakter des Zeichens im Wege
stehen, herumzukommen sein.
' Dieser wird noch besonders Z. II, 13 erwähnt.
' Vgl. ü. Weber, Gi'itter.symbole, p. 274, Abb. «, OLZ 1909, Sp. 60 ff., Comptes Rendus de l'Acad. des inscriptions et belles
lettres (Paris) 1908, Octobre p. ö46 ff., F. Hommel, OLZ 1909, Sp. 59, M(51anges Derenbourg 1909; ebendort O.Weber,
D. H. Müller. ' Vgl. O. Weber, MVAG VI. (1901), p. 64. Göttersymbole, p. 274 und Abb. 5.
* E. Glaser, Die Abessinier, p. 31.
' Vgl. I). H. Müller, Südarab. Altert., p. 16 ff., Taf. III.
Göttersymbole und Svmboltiere auf sOdarabischen D
ENKMALERN.
55
Betrachten wir das vorliegende Material nach
der Symbolik und nach dem Texte, so ergibt
sich folgendes: 1. Das Symbol fehlt in den an-
geführten Inschriften nirgends außer Gl. 1302
und Hai. 480, die aber dafür das 'Attarmonogramm
führen. 2. Steht ein Symbol allein, so ist es 2
(Gl. 1155, 1153, 1083); 3. stehen zwei Symbole,
so fehlt entweder die Schlange (Gl. 1162, Hai. 480)
oder das Blitzbündel (Gl. 1234). 4. Exzeptionell
ist Hai. 257 = Gl. 1091, wo wir das Symbol fi
über der Hand (dem Opfertische?) finden. Ferner
5. wenn die SA'mbolreihe von Hai. 486 (vgl. oben
IIa) vollständig ist, so trägt diese Inschrift mit zwei
Symbolen sowohl J( als auch das 'Attarmonogramm ;
6. wo 3 Symbole stehen, sind es: Blitzbündel,
Schlange und J^ (Altar von Delos), ebenso 7. Gl. 1302,
nur mit dem 'Attarmonogramm statt J(. (Zu Gl. 11 58
mit 5 Symbolen vgl. weiter unten.) Schon aus
dieser Aufstellung geht die dominierende Stellung
des Symboles ß hervor, das auch teils durch das
'Attarmonogramm vertreten wird, teils neben
diesem steht. So liegt es schon bei diesem Tat-
bestande nahe, in j^ das 'Attarsymhol zu suchen.
Diese Vermutung wird durch den inhaltlichen
Befund der Texte gestützt. 'Attar (von Kbd"')
ist der Hauptgott und wird in den Inschriften
(zum Delosaltare siehe weiter unten) an erster
Stelle genannt. Wo die Widmung ihm allein gilt,
steht jf allein da (Gruppe I, Gl. 1155, 1153, 1083;
nur 1091 mit dem Handsymbole oder Opferaltare);
wo die Widmung der niinäischen Göttertrias und
eventuell außerdem noch den deis minorum gen-
tium gilt (Gruppe II), haben Avir in Gl. 1302 (IIa)
'Attar durch sein Monogramm vertreten , Uadd
durch die Schlange.
Das legt uns den Gedanken sehr nahe, eben
dort dem dritten Gotte der Trias, Nkrh, das
BlitzbUndel zuzuweisen. Halten wir uns gegen-
wärtig, daß in den südarabischen Gotterreihen *
der minäische Nkrh dem sabäischen 'Almakah
entspricht und daß das Blitzbündel oben dem
^Almakah zugesprochen wurde, so wird die Zu-
weisung des Blitzbündels in den minäischen In-
schriften an Nkrh nicht unwahrscheinlich sein.
Bevor an die Inschriften mit bloß 2 Sym-
bolen geschritten wird, sei die aus dem Rahmen
der übrigen fallende Delosinschrift erwähnt: Auf
ihr steht Uadd (Schlange) statt des 'Attar wie
in den nordminäischen Inschriften obenan und
wird an erster Stelle genannt^; die übrigen Götter
von Jla'in müssen hier also zunächst die Haupt-
götter 'Attar und Nkrh sein; jener ist in der
Symbolik durch )[, dieser durch das Blitzbündel
vertreten, was unseren Aufstellungen völlig ent-
sf)richt. — So können wir sagen, daß in den
Inschriften der Gruppe 11, Gl. 1162 bzw. 1234
(IIb, c) mit 'Attar als Ilauptgott, dann Uadd
und Nkrh, wo aber bloß zwei Symbole stehen,
J( beidemale den 'Attar vertritt, während in Gl.
1162 (IIb) für das zweite Symbol, das Blitzbündel,
nur Nkrh übrig bleibt, da Uadd sonst stets durch
die hier fehlende Schlange symbolisiert wird^.
So ist auch Hai. 480 (IIa) zu beurteilen, nur ist
dort das Attarmonogramm an Stelle des ]^ ge-
treten. Umgekehrt bekommt in Gl. 1234 (II c)
Abb. 140. Schlangengott mit Tortliigfel auf einem vorsargoni-
schen Siegelzylinder des British Museum.
Nkrh kein eigenes Symbol, da von den beiden
Symbolen ][ dem 'Attar und die Schlange dem
Uadd zuzuweisen sind.
Nun bleiben noch die fünf Symbole von
Gl. 1158 zu besprechen. Zu vergleichen ist der
Altar von Delos (Abb. 137) und Gl. 1158 (Abb.
138). Die Schlange (2) steht beidemale in der
Mitte. Beidemal links das Blitzbündel (1), rechts
1^ (3). In Gl. 1158 entspricht aber das linke
äußerste Ende 3' symmetrisch dem rechten äußer-
sten Ende 3 und beide stehen für 'Attar. Man
wäre versucht, diese Symmetrie weiterführend,
das Blitzbündel (1) nicht gegenständlicii, aber in
Beziehung zur Gottheit dem Kreise (1') gleich-
zusetzen, also auch im Kreise Nkrh vertreten
zu sehen. Dann wäre auf Gl. 1550 (p. 32) und
Gl. 1529 (p. 21) hinzuweisen, wo der Kreis (auf
erstcrer inmitten, auf letzterer links) nel)en der
'Alniakali-Symbolgrui)pc, eben des Blitz büudols
mit dem Doppelgriffel erscheint.
' Vgl. F. Hommel, Aufs. u. Abb., p. 156. - Vgl. darüber O. Weber, Melanges iJerenbourg, p. 3 unten.
' Vgl. oben p. 62 und O. Weber, Göttersymbole, p. 280.
56
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Nun wäre noch auf das Gegenständliche des
Sjmholes einzugehen. Ich kann vorderhand nicht
mehr als eine Vermutung aussprechen, wenn ich
das Symbol mit dem Türflügel hinter dem Gotte
zusammenstelle, dessen Körper in eine sich Avin-
dende Schlange endet (auf einem vorsargonischen
Siegeizylinder, Abb. 140). ^ Jener alte Gott ist
nach W. H. AA'ard- vielleicht Siru, vielleicht auch
Ea. Handcock bemerkt^ zu dieser Darstellung
folgendes: .Beliind tiie god is a five-barred gate,
which must be intended to suggest the difficulty
of access to the divine presence, er eise the ne-
cessitv of an introduction thereto. Unless the
gate were opened either by the god himself, or
by some intermediary being of divine or quasi-
divine character, the worshipper was presumably
unable to gain admittance'. Man hat auch ge-
dacht, daß dies Tor mit den Toren des Tages
zusammenhängt, aus denen §amas auf anderen
Bildern hervortritt*. Ob eine analoge Vorstellung
auch bei den Minäern vorhanden gewesen, hier
etwa 'Attar, der im Osten aufgehende Venussteru,
aus einem solchen Himmelstore hervorgetreten
und auf unseren Darstellungen dieses Tor als
sein Symbol verwendet worden wäre, läßt sich
natürlich vorderhand schwer behaupten.
B. Symboltiere.
Der Steinbock.
Innerhalb der Tierwelt, die für den Süd-
arabischen Kultusapparat Symbole abgab, nimmt
der Steinbock eine dominierende Stellung ein; er
findet .sich nicht nur in der Kleinkunst, sondern
ist auch auf den Inschriftsteinen nnd in der Archi-
tektonik verwendet.
a) Kleinkunst: M. A. Levy hat in ZDMG
12 p. 160 eine sabäische Gemme aus Layards
Abb. 141. Sabiiisclie Gemme im British Museum (London).
Recherchos sur le culte de Venus (PI. XXI, Nr. 30)
veröffentlicht (Abb. 141), die in mehr als einer
Hinsicht interessant ist. Bei Betrachtung dieses
Denkmals sahäischer Glyptik drängen sich vor
allem folgende Fragen auf: 1. Wie ist die merk-
würdige Stellung der Steinböcke zu erklären?
2. Was bedeutet der Gegenstand unter dem rechten,
bezw. linken Vorderlauf der Steinböcke? 3. Was
bedeutet das Monogramm in der Mitte?
Zu Punkt 1. und 2. wollen wir vor allem
das assyrisch -babyloniche A'ergleichungsmaterial
sprechen lassen. Betrachtet man den Siegelzylinder
Abb. 142^, so ergibt sich sofort die Ähnlichkeit
^■yfx IM^
i
IT --■.---
Abb. 142. Achämenidischer(?) Siegelzylinder. (London,
British Museum.)
der rechten Hälfte von Abb. 141 und 142. Der
über einer Pflanze aufspringende Steinbock dreht
den Kopf nach rückwärts dem Baume (bzw. dem
Monogramm) zu. AVie diese Szene aufzufassen ist,
zei<rt Abb. 143.'' Es ist hier nach A. Jeremias'
der Kampf der drei großen Einheitsgestirne Mond
' Nach M. Jastrow, a.a.O., Taf. 46, Nr. 154; vgl. eine ähnliehe Darstellung bei L. Delaporte, a.a.O., Taf. 9, Nr. 78.
' Text zu M. Jastrow, Bildermappe, Sp. 97. ' Mesopotamian Ärcheology, p. 297.
* Vgl. M. Jastrow, a. a. O., Taf. 48, Nr. 170, Sp. 100; L. Delaporte, a, a. O., Taf. 8, Nr. 71.
' Nach A. Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, II. Aufl., p. 81, Abb. 26.
" Nach A. Jeremias, a. a. O., Abb. 27.
" a. a. O., p. 81, 82, Anm. 1.
GoTTERSYMBOI.E UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
57
(Sichel), Sonne (Lebensbaum') und Istar (Vulva,
vgl. ]>. 51) mit Kingu und Tiämat oder entspre-
chenden Gewalten dargestellt; die Männergestalt
mit dem Schwerte wird wohl Marduk darstellen.
Während wir in Abb. 143 den Steinbock — sasren
Abb. 143. Achämenidisdier(V) Siegelzj-Iiiider. (London,
British Museum.)
wir — in Kampfstellung dem angreifenden Gotte
gegenüber sehen, ist auf Abb. 142 der Steinbock
rechts in derselben Haltung so zu sagen nur Zu-
schauer des Kampfes, in den an seiner statt links
ein geflügeltes menscheuköpfiges Tier mit Zacken-
krone verwickelt ist; auch für dieses Tier ist die
Kampfstellung durch den in aufspringender Hal-
tung nach rückwärts gewendeten Kopf charakteri-
Abb. 144. Muscheltäfelchen aus Tellö (voragadeische Periode
vor 3800 V. Chr.). (Paris, Louvre.)
siert. Daß diese Kampfstellung übrigens schon sehr
lange im Gebrauch der assyrisch-babA'lonisehen
Künstler ist, zeigt Abb. 144, ein JMuscheltäfelchen
aus der voragadeischen Periode ' aus Tello, das
als Amulett diente, und Abb. 114 fp.47), ein Siegel-
zylinder aus der Kassitenzeit (1700 — 1200 v. Chr.),
auf dem Marduk im Kampfe mit dem Steinbock
dargestellt ist, also dieselbe Szene wie Abb. 143,
nur mit stark veränderten Details. Aus dieser
Kampfszeue hat der sabäische Künstler vielleicht
schon nach einer babylonischen Vorlage jene
Abb. 145. Siegel Netan-yähü's. (Paris, Louvre.)
symmetrische Komposition geschaffen, die uns
Abb. 141 darstellt. Die sabäische Gemme zeigt die
rechte Szene von Abb. 142 in gegenständiger An-
ordnung. Dieselbe symmetrische Anordnung der
Kampfszene wie die sabäische Gemme zeigt das
Siegel Netan-yahiVs (Abb. 145. )'' Das Stück ist
nach der Ansicht M. de Vogües hebräisch.^ Das
Zentrum der svmmetrisch angeordneten Böcke
Al)b. 14(). Assyrischer Siegelzylinder (Delaporte 378).
(Paris, Bibl. Nat.)
bildet im sabäischen Stück das Monogramm, hier
die doppelte Schriftreihe, in deren Anordnung
noch der Baum (vgl. Abb. 142 f.) zu erkennen ist.
Zur symmetrischen Anordnung um den Baum als
Zentrum sei noch auf Abb. 146, den assyrischen
Siegelzylinder Delaporte 378'* verwiesen, nur
ist hier die um<rekelirte StoUun"' der Steinböcke
i^vi^
1
Abb. 147. Syro-kappadokischer Siegelzylinder
(Delaporte 47.3). (Paris, Bibl. N'at.)
(gegenständig nach innen. Köpfe nach außen)
eingehalten (vgl. auch Abb. 159). Eine geflügelte
Männergestalt tritt auf dem syro-kappadokischen
Zylinder, Delaporte 473 (Abb. 147),-'* an die
Stelle des Baumes; zu ihrer rechten Seite steht
ein Stier, zur linken Seite ein Steinbock in Kanipf-
' Nach E. de Sarzec, Dec. en Cbaldee, Tom. II, Taf. 46, Nr. b ; s. Tom. I, p. 267.
- Nach Perrot-Chipiez, Histoire de l'Art dans l'antiquitc', Tom. [V, p. 440, Fig. 230.
' Aus kananäischem Kulturgebiet sei hier aucli noch an den Käucheraltar von Ta'anck erinnert, der eine Keliefdar
Stellung aufweist, den Lebensbaum mit zwei Steinbücken und einem eine Schlange würgenden Knaben.
' S. L. Delaporte, a. a. O., Taf. 20.
^ Nach L. Delaporte, a. a. O., Taf. 31.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 68. Bd. 1. Abb. 8
58
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Stellung; neben den nach außen gedrehten Köpfen
steht eine stilisierte Pflanze mit tulpenartigem
dreiblättrigem Kelche. Die Anordnung ist eine
Komposition der Kampfszene von Abb. 142 f. mit
Abb. 146, deren Stellung (bezüglich der Tierköpfe
und Tierleiber) eingehalten ist.
Nun zum zweiten Punkte. E. Oslander hat^
in Anlehnuns" an den oben angeführten Aufsatz
Abli. 148. AltHoyäniscliei- Siegelzj-linder.
Levys die Ansicht ausgesprochen, daß die beiden
Tiergestalten, ,halb Bock halb Widder', in denen
schon LevT symbolische Gestalten des Ammon
gesehen hatte, auf unwiderlegliche Weise das Vor-
kommen des Phallusdienstes auf diesem Gebiete
feststellen. Dabei ging er wohl von Levys An-
sieht aus, daß die Tiere Widdergestalt hätten —
denn der Widder ist das Tier des ägyptischen
Zeugungsgottes Ammon. Es scheint ihn ferner
der Umstand beeinflußt zu haben, daß er wie
F. Hommel, der in seiner Chrestomathie p. 70
die Tiere zuerst richtig als Steinböcke bestimmte,
die beiden fraglichen Dinge rechts und links unter
den Steinböcken für zwei Phallen ansah. Ver-
gleichen wir nun die Abbildungen 142 und 147,
so sehen wir dort an der Stelle des fraglichen
Phallus ganz deutlich eine Pflanze; man wird so
wohl auch in dem Gegenstande der sabäischen
Gemme eine Pflanze zu sehen haben, die eben
nach Analogie von Abb. 142 und 147 mit zur
Kampfszene zu gehören scheint und vielleicht
nach Abb. 146 den Stern vertritt. Eine ähn-
liche Form dieser Pflanze wie in Abb. 142 er-
scheint auch auf dem altlihyänischen Siegelzylin-
dur Abb. 148, abgebildet bei F. Hommel in seinen
Aufs, und Abb. p. 160, die er fragend als Blume ge-
deutet hat.^ Zum Mißverständnisse, daß die Pflanze
auf Abb. 141 ein Phallus sei, scheint ihre Stel-
lung beigetragen zu haben, da der dreiblätterige
tulpenähnliche Kelch dort statt wie auf Abb. 142,
148 nach oben, auf Abb. 141 nach unten ge-
kehrt ist. Mit diesem Mißverständnisse dürfte
auch der Schluß auf Phallusdienst erledigt sein.
Es bleibt nun noch der dritte Punkt zu be-
sprechen übrig, das Monogramm. Schon Lew
hat zwei Buchstaben des Monogrammes, [^ und ^
richtig erkannt, die Frage, ob der Kreis aber
ein o (r) vorstelle, offen gelassen. F. Hommel'
las das Monogramm 1h!]° = 'Ammi-ilu, faßte
also ^ als ^ auf. Dagegen spricht aber die Stel-
lung des ^, das, wenn es ^ zu lesen wäre, links
angebracht sein müßte, und nicht als k, da die
Schriftrichtung dui'ch das \^ als nach links gehend
Gekennzeichnet ist; ferner dürften in dem Falle die
schiefen Balken des ^ nicht über den Sockel des
\^ hinausragen, wie es tatsächlich der Fall ist,
sondern müßten unter der Horizontallinie des
Sockels des \^ liegen. So möchte ich die Le-
sung Levys beibehalten und in den drei Buch-
staben o 1^1 ^ mit E. Oslander , Abbreviaturen
religiöser Bedeutung' sehen, die ich mit dem An-
fangsbuchstaben der sahäischen Göttertrias 1)X§°
('Attar), Y-J-CHh ('Almakah) und ^1]^ (ßa.ms) auf-
zulösen versuche.
Ein zweites bisher nicht veröffentlichtes Bei-
spiel der sabäischen Kleinkunst zeigt Abb. 149, eine
Bronzeschnalle aus dem k. k. Kunsthistorischen
Abb. 149. Sabäische Bronzesduialle. (Wien, k.k. Hofmuseum.)
Hofmuseum in Wien, 5'1 X4'2 cm, die von der süd-
arabischen Expedition der k. Akademie der Wissen-
schaften erworben wurde. Wir sehen hier zwei auch
mit dem Kopf nach innen gekehrte gegenständige
Steinböcke von einem hockenden Manne gehalten,*
' ZDM6 17, j). 790. - Ebendort p. 162 weitere Nachweise zum Vorkommen dieses Blunienzeichens.
' Aufs. u. Abh., p. 1B2.
* Vgl. auch die ähnliche Darstellung auf einem persisch-ägyptischen Siegelzylinder bei M. Lidzbarski, Ephemeris II,
p. 4UU. Der hockende Mann trägt dort eine Federkrone (wohl Bes), die Tiere sind nicht Steinböcke, sondern geflügelte
Löwen mit Ziegenhörnern.
GöTTEnSYMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLEHN.
59
über dem ein Vogel schwebt. Diese Szene läßt sieh
noch am ehesten mit dem babylonischen Siegel-
zylinder Delaporte 301 (Abb. 150)' vergleichen,
Abb. 150. Babylonischer Öiegelzylinder (Delaporte 301).
(Paris, Bibl. Nat.)
auf dem eine stehende nackte Männergestalt, nach
dem Hymnus wohl Marduk, zwei Steinböcke an
den Hörnern packt. Über dem Gotte schwebt, ähn-
lich der Darstellung auf der sabäischen Schnalle,
ein Vogel. Wir haben hier wieder eine Kampfszene
vor uns, nur mit anderer Stellung der Tiere als in
Abb. 141 — 145. Dieselbe Stellung und eine ähn-
liche Kampfszene wie Abb. 150 zeigt Abb. 151, ein
Abb. 151. Philnizisches Chalzedonsiegel. (Paris, LouvreV)
phönizisches Chalzedonsiegel, das im Tale des
Xahr Ibrahim in Syrien gefunden wurde."
Aus dem Rahmen dieser beiden sabäischen
Darstellungen der Kampf szene. die sich an zwei
bereits in der babylonischen Kunst vorgebildete
Varianten anschließen,' fallen folgende Gegen-
stände der Kleinkunst: In Abb. 152 sehen wir
einen einzelnen Steinbock auf einem Untersatze
stehend. Die Abbildung ist nach einer Bleistift-
zeichnung E. Glasers in seinem Tagebuche VIII
gebaust. Das Original befindet sich im Besitze des
damaligen Mutessarifs von San'ä Exz. Mahmud
Bey und stammt aus Zafär. Fast dieselbe Haltung
zeigt der Steinbock auf der sabäischen Gemme,
die D. H. Müller, Südarab. Altert., Taf. XIII.,
Abb. 152. Steinbock aus Zafär (Besitz Sr. Exz. Mahmiid Bey\
Fig. 40 abgebildet hat. Es wäre übrigens zu er-
wägen, ob der Untersatz in Abb. 152 nicht die
Spuren eines Zapfens trägt, so daß wir es even-
tuell mit einem jener Weihgeschenke aus vergolde-
ter Bronze zu tun hätten, die auf Weihinschriften
aufgesetzt wurden.'' Leider gibt E. Glaser nichts
Näheres zu diesem Stücke an.
Aus Glasers Nachlaß stammt das Abb. 153
photographierte Stück, ein Steinbockkopf in Relief.
Abb. 153. Sabäisches Relief aus Zafär. (Wien, Hofbibliotliek.)
6 cm hoch, 5 cm breit, aus alabasterähnlichem
Kalksinter, das in Zafär gefunden wurde. Im
Gegensatz zu diesem etwas mißlungenen Stück
' Nach L. Delaporte, a. a. O., Taf. 20. ^ Nacli Perrot-Chipiez, a. .a. 0., Tom. 111, p. G49, Fig. 456.
' .Sie sind auch für die acliänienidische Kunst vorbildlieh gewesen; vgl. Perrot et Chipicz, Tom. V, p. 853,
Fig. 501 f. Zur wappenartigen Stilisierung von Tieren (auch des Steinbocks) und von P^belwesen um Pfeiler oder Baum
vD-I. A.Brückner in Dürpfeld, Troja und Ilion 11, IX. Abschnitt, p. 564 für den mykenischrn Kulturkrcis. Bei Evans
(Journal of Hell. Stud. XXI, p. 154 fl'., Abb. 30 ff.) findet man die Parallelen zu dem hier vorgeführten .Material. Vgl. auch
E. Curtius, Wappengebrauch u. Wappenstil im Altertum, ABAW 1874, p. 79ff.; Jolles, Die antithetische Gruppe, Jahrb. des
Inst. 1904, p. 29ff.; B. Laum, N. Ib. f. Kl. A. 1912, p. 624 (nach freundlicher Mitteilung von Herrn Dr. C. Praschniker).
* Vgl. Sabäische Denkmäler, p. 10 u. ö.
8*
60
I. Abhandlung : Adolf G rohmann.
i.;
Abb. 154. Sabäische Br..nzi;laiiipe. (Wien, k. k. llufmuseura.)
Abb. 155. Sabäisches Relief (Hofmus. 125). (Wien, k. k. Hof-
inuseum.)
hat die Bronzclampc mit sabäischer Inschrift
(Abb. 154) nicht unbedeutenden Kuustwert. Der
Griff zeigt den Oberleib eines Steinbocks, dessen
Vorderläufe abgebrochen sind. Das Stück, 34 cm
hoch, 25 cm lang, befindet sich im k. k. Kunst-
historischen Hofmuseum in Wien und wurde von
der Südarabischen Expedition erworben.
b) Architektur und Skulptur. Hier sind
es vor allem Steinbockreihen, die in Form von
Abb. 156. Babylonischer Siegelzylinder (Delaporte 294),
(ca. 1700—1200 v. Chr.). (Paris, Bibl. Nat.)
Friesen teils zur Einrahmung von Inschriften,
teils als Architekturstücke verwendet werden.
Wir unterscheiden:
1. Reihen übereinander liegender Stein-
böcke. Die hier in Betracht kommenden Denk-
mäler stammen fast durchwegs aus der Mukarrib-
periode. Das besterhaltene Stück ist Hofmus. 125
(Abb. 155).' Um die Platte laufen rechts und
links zwei in Felder ^ geteilte Bänder, in denen
liegende Steinböcke, in Flachrelief herausgearbeitet,
Abb. 157. Mit Draclien- und Stierreliefs geschmückter Turm
des lätartores.
' Vgl. D. H. Müller, Südarab. Altert, Taf. XII u. p. 58.
'' In einem ähnlichen Feld der einzelne schreitende Steinbock ,von übertrieben kräftigen Formen' im Berl. Mus.
'St. 2644 bei .J. II. Mordtmann, Ilimyar. Inschr. u. Altertümer, Taf. VII, p. 48.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
61
übereinander so angeordnet sind, daß alle die
Köpfe nach einer Seite wenden und zur ReiVie
gegenüber hinsehen. Steinbockreihen sind ja auch
aus der babylonischen Kunst bekannt. Allein ich
konnte bis jetzt kein Beispiel linden, das sich
Abb. 158. Syro-kappadokischer Siegelzylinder, Uela-
porte 467. (Paris Bibl. Nat.)
vollständig mit der sabäischen Platte decken
würde. Der babylonische Siegelzylinder Dela-
porte 294 (Abb. 156)i aus der Zeit der Kassiten-
Abb. 1Ö9. Reliefplatte aus Ninive.
könige, mit einer Widmung an Samas, zeigt neben
der Männergestalt nur eine Steinbockreihe von
vier Feldern; die Steinböcke der beiden inneren
Abb. 160. Öabäisches Relief aus Zalma (Gl. 715).
Felder (2, 3) drehen die Köpfe nach links rück-
wärts, die zwei Steinböcke der äußeren Felder
(1, 4) drehen die Köpfe nach rechts rückwärts.
In Haltung und Anordnung besteht also ein Unter-
schied gegen die sabäische Darstellung.^ Ein Bei-
spiel für dieselbe Anordnung wie auf Abb. 155
bietet in der babylonischen Architektur der mit
Ziegelreliefs geschmückte Turm des Istartores in
Babylon (Abb. 157)3. pjg i{eihe stehender Tiere
zeigt von oben nach unten eine Aufeinanderfolge
Abb. 161. Sabäisches Relief aus Märib.
von je einem Stiere und einem Drachen, die
Köpfe dem Tore zugewandt; dieser Tierreihe
stand eine symmetrische auf dem Turm der andern
Seite gegenüber, so daß wir lediglich die An-
ordnung von Hofmus. 125 erhalten würden.
An die Stellung der liegenden Steinböcke
von Abb. 155 (Hofmus. 125) erinnert hingegen
Abb. 162. Sabäisches Relief (Sab. Denkm. 46) im T.scbinili
Kiöschk in Konstantinopel.
der einzelne Steinbock rechts oben auf dem syro-
kappadokischen Siegelzylinder Delaporte 467
(Abb. 158),'' während das Tier im unteren Felde
von Abb. 159, einer Platte aus Ninive,-"" die auch
' Nach L. Delaporte, a. a. O., Taf. 19.
" Nach Fr. Delitzsch, Im Lande des einstigen Paradieses, p. 36, Fig. 26.
* Nach L. Delaporte, a. a. O., Taf. 31.
S. jedoch p. 62, Note 3.
'aradieses, p. 36, Fig. 26
5 Nach A. Jeremias, a. a. O. (I. Aufl.), p. 352, Abb. 130.
62
I. Abhandlung: Adolf Guohmann.
sonst' charakteristische abge wendete Stellung
des Kopfes aufweist wie in Abb. 156.
Bruchstücke derselben Darstellung wie Abb.
155 bilden: Gl. 715 (aus Zalma bei Märib), eine
Platte mit Bustrophedoniuschrift (Abb. 160); eine
Inschriftplatte ohne Nummer aus Märib (Abb. 161
nach dem Abklatsch angefertigt) gleichfalls mit
Bustrophedoninschrift, und endlieh Sab. Dcnkm.
Abb. 163. Sabäisches Relief aus Sibäm (Gl. 103).
46^ ein Bustrophedonfragment aus der ersten
Periode der sabäischen Geschichte (Abb. 162).
Hier ist die linke Steinbockreihe erhalten.^
2. Reihen hintereinander liegender
Steinböcke. Diese Gruppe ist bis jetzt nur
durch ein sabäisches Beispiel, Gl. 103 = CIH 124
(Abb. 163, aus §ibäm\ bekannt. Die Haltung der
Abli. 1G4. Kappadokischer Siegelzylinder (Delaporte 418).
(Paris, Bibl. Nat.)
Steinböcke ist dieselbe wie in der vorhergehenden
Gruppe. Als Parallele kann der kappadokische
Siegelzylinder Delaporte 418 (Abb. 164)'' heran-
gezogen werden. Die vorletzte Tierreihe zeigt
hier drei liegende Steinböcke, die in ihrer Hal-
tung etwa der sabäisclien Darstellung entsprechen
würden.
3. Reihen nebeneinander liegender
Steinböcke. Diese Gruppe ist bis jetzt zunächst
durch ein sabäisches Areliitekturstück, Hofmus.
123 (Abb. 165),^ repräsentiert. Das Stück besteht
aus sieben in einer Reihe liegenden Steinböcken,
mit unförmlichen Köpfen und knopfartigen Augen.
Der Körper der beiden die Reihe abschließenden
Tiere ist in Profilansicht gearbeitet." Die Haltung
Abb. 165. Sabäisches Architekturstück (Hofmus. 123).
(Wien, k. k. Hofmuseuui.)
der Steinböcke ist dieselbe wie in Gruppe 1 und 2.
Ein ähnliches Stück stammt von einem Altar,
den H. Derenbourg, Etudes I, 3' beschreibt.
Der Text erinnert an die minäische Aufschrift
des Altares Sab. Denkm. Xr. 23 — 25. Die Yorder-
fläche jenes Altars bildet oben einen starken Vor-
sprung, welcher die Vorderansicht von sechs Stein-
bockköpfen, zu je drei gruppiert, zeigt. Das erste
Abb. 166. Sabäischer Altar (Seite), Mars. III (Marseille).
und letzte Tier sind en profil ausgearbeitet. Die
Hörner sind groß, runden sich nach oben ab und
bilden eine Art Kapital. Die zwei Gruppen von
Köpfen sind durch einen größeren Steinbockkopf
getrennt, der tiefer reiclit als die übrigen. Er ist
' Beim aufspringenden Tier auch im Südarabisclien, s. o. Abb. 141.
' Nach J. H. Mordtniann und D. H. Müller, Sab. Denkm., Taf. VIII.
= Ergänzend sei hier noch auf M. Lidzbarski, Ephemeris II, p. 382 f. verwiesen, wo eine antithetische Dar-
stellung zweier Greife über einander (auf einer Steinplatte im Louvre) beschrieben wird. — Vgl. hier Abb. 156.
< Nach L. Delaporte, a. a. O., Taf. 29. ^ Nach D. H. Müller, Südarab. Altert., T.if. XII.
' R.V.Schneider bei D. H. Müller, Südarab. Altertümer im Hofmus., p. 57 unten.
' J. A. VIII'"" Sir. tom. II, p. 235 f.
Göttersymbole und Stmboltiere auf südarabischen D
ENKMALERN.
63
von oben nach unten ausflußartig' durchlocht. Zu
dieser Art der Anordnung- gehört vielleicht auch
der Altar Marseille III. Wir sehen hier je einen
liegenden Steinhock auf den beiden einander
gleichen Seitenflächen (Abb. 166) eines Altares,
dessen Vorderfront oben (Abb. 88, p. 39) wohl
eine liegende Reihe von sechs Tieren (Steinböcke?)
wie Hofmus. 123 und darunter Mondsichel und
Scheibe über der Inschrift zeigt.
4. Ein (einzelnes) Paar gegenständig
liegender Steinböcke; meist auf Altären, eine
Variante zu dem gegenständig anspringenden Tier-
paar, das in der Kleinkunst (s.o. ]i. 56ff.) eine
Rolle spielt. In anderer Beziehung kann auch die
Gruppe b 1, p. 60 f., zum Vergleich herangezogen
werden : die zwei Reihen übereinander o-etren-
ständig liegender Steinböcke, die eine Inschrift
in die Mitte nehmen.
Zu dieser Gruppe kann zunächst der eben
erwähnte Altar Mars. III gezogen werden: wenn
man sich seine zwei Seitenflächen nach Art eines
Triptychons aufgerollt denkt, erliält man ein
gegenständiges Steinbockpaar, das liegend die
Mondsichel und Scheibe der Vorderfront (Abb. 88)
in die Mitte nimmt.
Hieher gehört auch der Altar 0. M. 157
(Abb. 83), der auf dem Kapital unter Mondsichel
und Scheibe zwei liegende gegenständige Stein-
böcke zeigt, die eine Säule in die Mitte nehmen;
die Anordnung ist dieselbe, wie sie der Siegel-
zylinder Delaporte 467 (Abi). 158) zeigt.
Von einer ähnlichen Darstellung, nur ohne
Säule, berichtet, wie schon p. 38 erwähnt ist, auch
der Almanach von San'ä : auf einem Räucher-
altare befindet sich ein Relief, das die Sonne,
darunter den Halbmond über zwei liegenden, mit
den Köpfen einander zugekehrten Steinböcken
darstellt.! Hiezu ist noch Abb. 82 (Gl. 230) zu
vergleichen, eine der eben erwähnten ähnliche
Darstellung.
Der Vergleich der beiden südarabischen Dar-
stellungen Abb. 141 und 149 mit dem babyloni-
schen Materiale ergab bereits, daß jene Motive
im Zusammenhang stehen mit Darstellungen aus
dem babylonischen Mythos des Mardukkampfes;
es fragt sich nun. ob der mythologischen Stellung
des babvlonischen Steinbocks als Feindes Marduks
auch in Südarabien etwas Ähnliches an die Seite
tritt. Göttermythen aus dem südarabischen Gebiete
kennen wir nicht; ob also etwa auch in unsere Dar-
stellungen ein Mythos hineinspielt, ist vorderhand
nicht zu entscheiden. Aber unsere Ausführunffen
bestätigen eine Vermutung, die F. Hommel,
Aufs. u. Abb., p. 162f., zu einem altbabylonischen
(ebendort abgebildeten) Zylinder, der eine Götter-
gestalt im Kampfe mit dem Steinbock zeigt,
ausgesproclien hat: daß ,eine noch unbekannte
ostarabische, von Babylonien oder Assyrien aus
beeinflußte Kunst' bestanden hätte, deren Reprä-
sentant auch der hier Abb. 148 mitgeteilte Zylin-
der sein mag.
Auf die religiöse Bedeutung des Steinbocks
in Assyrien weist auch der Umstand hin, daß er
in der Hand des Opferspenders auf einer Relief-
platte aus Chorsabad erscheint:^ da man dem
Gotte meist das ihm heilige Tier opfert, wird
auch der Steinbock einem Gotte des assyrischen
Pantheons heilig gewesen sein. Daß in Südarabien
dem Steinbock eine religiöse Bedeutung zukommt,
geht aus dem gegebenen Materiale hervor : so
sehen wir in Abb. 166 den Steinbock auf den
Seitenflächen eines Altares (Mars. III ; vgl. auch
Derenbourg, Etudes I, 3) ; ferner zwei liegende
Steinböcke und darüber das Symbol Mondsichel
und Scheibe in OM. 157 (Abb. 83) und eine ähn-
liche Darstellung in Abb. 82, wieder in Verbin-
dung mit dem Symbole der Mondsichel und
Scheibe. So liegt es nahe, auch im Steinbocke
ein religiöses Symbol zu erblicken; das wird
vielleicht durch den inschriftlichen Befund von
Gl. 891, Z. 12 gestützt, wo von einem .Heiligtume
des Herrn der Steinböcke' (IHIoO'hlloni^ )T^t
und Z. 3 von einem , Heiligtume des Herrn der Stein-
böcke von sirwäh' dT<i'>Aii°<Dh [n°ni^ )T^n])
die Rede ist. ^ Diesem , Herrn der Steinböcke'
werden die Steinböcke der südarabischen Dar-
stelluncren wohl als svmbolisches oder heilig-es
Tier nahegestanden, wahrscheinlich ihn auch re-
präsentiert haben. Wer aber mit dem Herrn
der Steinböcke gemeint ist, erfahren wir aus
CIH 397,* wo die Weihung ,'Almakaii, dem
Herrn der Steinböcke von Sirwäh' dargebracht
aus Gl. 1572, wo von .'Almakali, dem Herrn der
' Wahrscheinlich ist der Geeenstand in der Mitte übersehen und das Stück identisch mit OM 157, Ahh. 83.
••^ Vgl. M. Jastrow, a. a. O., Taf. 29, Nr. 88.
■'' Vgl. F. Hommel, Aufs, und Abh., p. 162, Note 1.
* Prideaux faßte diese bi-ix als .Häupter, Edle' auf. Eine ähnliche Ansicht E. Glasers s. Altj. Naclir., p 41 u. 85.
Nach M. Lidzbarski, Ephem. HI, p. 266 ist 'rv-x Name eines Ortes oder Herges.
64
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Steinböcke' llH1o®f^noniV'|>H1h) g-csprochen
wird. Der Steinbock wäre demnacli in Saba ein
Symbol des Jlondgottes 'Almakah gewesen.
Auf den Graffiti der südarabisclien Expedi-
tion finden ?icli gleiclifalls Steiubockdarstelkingen; '
so auf Ril.iäb 32 mit der Insckrift H X ? 1 Fl > fn N ° ^
(linksläufig) u. ö. Der Hauptgott jener Felsinschrif-
ten und Kritzeleien ist 'Amm. Es scheint also
nicht bloß bei den Sabäern, sondern auch in ka-
tabanischem Gebiete der Steinbock im symbo-
lischen Apparat die Mondgottheit vertreten zu
haben.
Die Antilope.
Die südarabischen Denkmäler weisen sowohl
die volle Gestalt der Antilope als auch Antilopen-
köpfe auf. Die Yollfigur eines laufenden daht
zeigt Abb. 167. Das Objekt, ca. 12 cm lang,
gehört zu den aus Zafar stammenden Antiqui-
täten des Mutessarif von San'ä Mahmud Bey
Abb. 167. Sabäische Bronze aus Zaför.
und wurde von E. Glaser in seinem Tagebuche
VIII abgezeichnet; nach der Stellung der Hör-
ner und nach der Form der recht großen Ohren
handelt es sich um eine gazellenartige kurzhör-
nige Antilopenart.- Die Zunge des im Laufe er-
schöpften Tieres hängt aus dem Maul; die Läufe
sind zu stark gezeichnet. Auf einem der Hinter-
hufe bemerkte Glaser einen Haken, der offen-
bar in den Stein (das Postament) versenkt war;
das Stück ist, wie die Inschrift Gl. 358' beweist:
l>XS°1l?H'l'V ein Weihgeschenk an 'Attar.
Den Kopf einer Antilope zeigt Abb. 168. Er
stammt aus derselben Sammlung wie das zuerst
besprochene Stück. E. Glaser (Tagebuch VIII)
bezeichnet das Tier als wail, was eigentlich den
Steinbock^ bedeutet; hier liegt, wie die Hörner
zeigen, eine Antilopenart vor.^ Der Kopf trägt
keine Inschrift.
Antilopen und Antilopeuköpfe finden wir auf
Altären und Inschriften. So auf dem Libations-
Abb. 168. Antilopenkopf aus Zafär.
altar GM 3, J. H. M o r dtmann, Catalogue sommaire,
p. 18: .Le fragment Ä montre au milieu une forte
saillie, formee par deux antilopes; entre leurs
tetes une rigole qui servait ä Tecoulement des
liquides provenant du sacrifice.' Sabäische Denk-
mäler p. 77 lesen wir die kürzere Beschreibung:
,I)ie beiden Seiten des Ausgusses sind durch
zwei aus dem Stein herausgearbeitete Antilopen
gebildet.'" In der minäischen Inschrift des Al-
' Ähnliche Darsteilunpren erwähnt auch J. Eutin "•, Tagebuch I, p. 152.
'' Diese Angaben verdanke ich Herrn Prof. L. Bühmig in Graz, der die Güte hatte, auch die meisten Tierfiguren
dieser Arbeit nach der zoologischen Seite zu überprüfen.
' Vgl. E. Glaser, Mitteilungen, p. 3.
* Vgl. auch E. Glaser, Märib in Jemen, p. 32, wa'il für den Steinbock. — Beachte den charakteristischen Unter-
schied des Kopfes Abb. 168 gegenüber den Steinbockkopfen der vorangehenden Kapitel.
'' Eine ähnliche Unsicherheit im vorangehenden Stücke, wo E.Glaser zunächst wa'il angegeben, dann dieses durch
das richtige ^ah'i ersetzt hat.
" Diese Darstellung ist in gewissem Sinne Hofni. 123 (Abb. 165) an die Seite zu stellen. Sollte es sich auch hier
um Steinböcke handeln?
GüTTERSYMBOLB UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
65
tares ist vou Liljationen an 'Attar [VnT)N] die
Rede. In der Schlußinvokation stehen auch an-
dere Götter. Unsicher .sind die Angaben bezüg-
lich eines anderen Stückes.
So ist Bibliothet^ue nationale (Derenbour«;)
20 als fraglich anzusehen. In der Erst])u])li-
kation ZDMG 30, p. 289 f., Xr. 2 hatte J. H.
Mordtmann einen Ochsenkopf angesetzt: Sal).
Denkm. p. 66 (zu Nr. 16) scheint er ihn für einen
Gazellenkopf zu halten. Der obere Teil des Kopfes
ist zerstört (vgl. die Abb. ZDMG a. a. 0.). H.
Derenbourg sagt: ^ „un cartouche oü avait ete
grossierement sculptee une tete de taureau ou
d'antilope. La partie superieure a disparu dans la
cassure du monument". Die recht späte Inschrift
(vgl. Hofm. 4) beinhaltet eine Dedikation an 'Attar
dn Dibän Ba'l Bhr Htb™. (Vgl. auch p. 67.)
Bereits D. H. Müller und J. H. Mordtmann
haben^ die Ansicht ausgesj)rochen, daß die Anti-
lope dem Attar heilig gewesen sei.^ Dies wird
bis zu einem gewissen Grade durch den Befund
der oben herangezogenen sabäischen und mi-
näisehen Inschriften gestützt, wobei freilich das
Schwanken in der Bestimmung eines Tierkopfes
in Rechnung zu bringen ist. Die Antilope hätte
dann zu 'Attar in einem ähnlichen Verhältnisse
gestanden, wie die Steinböcke zum Herrn der
Steinböcke von Sirwäh.
Der Stier.
Über die einzige vollständige Vollbilddar-
stellung eines Stieres (Gl. 1426) wurde schon
oben das Einschlägige mitgeteilt (p. 40). Soweit
wir bis jetzt sehen, hat es die Mondgottheit dar-
gestellt, im Falle Gl. 1426 den üadd. Der Stiei-
wäre als heiliges und Symboltier der Mondgott-
lieit aufzufassen, sowie er in Babylon als heili-
ges Tier des Sin und des Adad galt.* Die Stier-
Abb. 169. Sabäischer Altar (OM. 34) im Tscbinili Kiösclik,
Konstantinopel.
köpfe, ^ die bisher behandelt wurden, dienten ent-
weder als Zauberscbutz (p. 15), oder waren in Ver-
bindung mit dem Donnerkeil ein Symbol 'Almakahs
(vgl. p. 32 ff.). Zwei Stierküpfo waren überdies mit
dem Totschlägersymbole 'Almakahs verbunden :
h.
Abb. 170. Stierköpfe als Ornament auf sabäischen Altären,
a von OM. 135, h von OM. 138. (Konstantinopel, Tschinili
Kiöschk.)
Gl. 1649 (Abb. 16) und Gl. 717 (Abb. 24); über
diese Stücke ist oben p 11, 14 abgehandelt worden.
' Les monnraents sab^ens et Inmyarites de la lübliotbL'qiie nationale (Paris), p. 30.
- Sab. Denkm., p. 10 u. 66.
^ Auf die Gazellen des Zemzembrunnens ist unzählige Male hingewiesen worden, so von Oslander ZDMG VII., p. 493
und Sab. Denkm., p. 10. — In seinem Catalogue sommaire p. 32 machte J. H. Mordtmann in Note 1 darauf aufmerksam,
daß die dem 'Attar geweihten Altäre einen Antilopenkopf tragen, im Gegensatz zu den Altären mit Mondsichel und Scheibe,
die dem Uadd, Nasr und Sarilj geweiht sind; vgl. p. 67, Note 1. — Das ^nbi ist übrigens noch heute in Südarabien ein
heiliges Tier, vgl. Sudarab. Exped. VIII., p. 9;i, unten.
< Vgl. K. Frank, Bilder und Symbole, p. 30 ff, 4.
" Vgl. hierüber auch M. Ilartmann, OLZ 1908, Sp. "269 — 273. Der Stierkopf erscheint in verschiedenen Formen
auch als minoische Hieroglyphe, vgl. A. J. Evans, a. a. O., p. 206, Nr. 63.
Dcnkfchiiften der pLil.-hist. Kl. 58. Bd. 1. Abb. 9
66
I. Abhandluno: Adolf Gbohmann.
Hier seien nun noch einige Stierköpfe ange-
führt, die sich nicht in eine der erwähnten Ka-
tegorien einordnen lassen. Zu diesen gehört vor
allem der Stierkopf auf dem sabäischen Altare
OM. 34 (Abb. 169), der dem Gotte 'Attar ge-
weiht ist G)XSo[IX]?H*V)-' Das Stück befindet
Abb. 171. Stierkopf mit In.sclirift (Gl. 325), fon einem
sabäischen Bronzegefäße.
sich jetzt im Tschinili Kiöschk. Aus demselben
Jluseum stammen auch die beiden Stierköpfe
OM. 135, 138 (Abb. 170 a, b), zu denen J. H.
Mordtmann in seinem Catalogue sommaire p. 50
Abb. 172. Stierkopf und Monogramm von Gl. 1422.
(zu Nr. 86, 87) bemerkt: ,Une espece de rigole
pratiquee entre les cornes . . . fait supposer que
ces deux sculptures sont des fragraents d'une
table ä libation de la meme forme (jue celle de-
crite plus haut'.- Ein ähnliches Stück, ohne In-
schrift, gleichfalls einen Ausguß eines Altars, be-
sitzt auch das k. k. kunsthistorische Hofmuseum
zu \yien. Ein Stierkopf findet sich auch auf
einem becherartigen Bronze- oder Kupfergefäß
aus Harim, rechts von der ersten Zeile der um
das Gefäß herumlaufenden Inschrift Gl. 325
(Abb. 171). Die Inschrift besagt nach E. Glaser:^
„Hm'tt heil Taur, Vorsteher der Priesterschaft des
(Gottes) hTIIlhnX^'"- Zum Gotte Mtbntin vgl. p. 50.
Als stilisierten Stierkopf möchte ich endlich
auch noch die beiden Köpfe unter dem Mono-
gramm rechts und links auf der katabänischen
Inschrift Gl. 1422 = 1620 = SUdarab. Expedition
Abb. 173. Vorderfront des Altares Gl. 801 (London,
Brit. Mus.) nach dem Abklatsche.
Nr. 90 (aus Sekir) ansprechen. Die Stilisierung
geht allerdino-s ziemlich weit, so sind die Ohren
zu Blättchen umgestaltet, auf die Stirne ist ein
herzartiges Blatt gelegt,* die Hörner sind nur
linear angedeutet. Im ganzen ist aber der ur-
sprüngliche Stierkopf in den Konturen und den
Abb. 174. Tierkopf auf Bibl. Nat. 22.
Nüstern noch ganz gut zu erkennen. Die In-
schrift berichtet vom Bau eines Paßweges, der
r"!'^HIl]°l')J]hn a"f Befehl des 'Amin von Skr
geschah. 'Amm steht auch in der Götteranrufung
dieser Inschrift an erster Stelle.
' J. H. Mordtmann s.agt über dieses Stück (Sab. Denkm., Nr. 16, p. 65 f.): ,Der obere Teil des Altares enthält auf der
Vorderseite eine rohe Zeichnung, einen Stier- oder Antilojjenkopf darstellend'; in seinem Catalogue sommaire p. 31 entscheidet
er sich für eine Antilope: ,iine tete d'antilopc cncadree d'un ornement ayant la forme d'une (Schelle'.
'■■ Nämlich: OM. 3 = Sab. Denkm., Nr. 23, p. 77. Vgl. oben p. 64. '' Mitteilungen, p. 76.
' Stilisierung des Donnerkeils?
Göttersymbole und Symboltiere aui' südarabischex Denkmälern.
67
Im vorig-en Kapitel lial)en wir auch einen
Tierkopf auf einem 'Attardenkmale beliandelt.
bei dem die Bestimmung zwischen Stier- und
Gazellenkopf schwankte. Dabin hätten auch Bi-
bliotheque nationale 22 und 24 gezogen werden
können. In ersterer Inschrift wird Z. 5 f. eine
goldene Statue dem 'Attar du Dibän Ba'l Bhr
Htb" gewidmet; vgl. oben Bibl. Nat. 20. In der
Erstpublikation des Steines hatte Mordtmann
ZDMG. 30, p. 290 Nr. 3 rechts oben einen Au-
tilopenkopf erkannt. Abb. 174 ist nach Tafel II
ZDMG 30 augefertigt: man sieht, daß die Sache
nicht sehr klar ist. Derenbourg sagt aber a.a.O.,
Abb. 175. Göttersymbole .nvif einer pliünizischen Terrakotta-
planquette aus Karthago.
p. 33 ,une tete de taureau ou d'antilope. Seulement
cette fois la representation grossiere est complete
avec les cornes qui vont toucher le sommet de la
pierre et que separe une sorte d'aigrette". Man
wird wohl nicht fehlgelien, wenn man in diesem
..Federbusch" das Büschel sieht, welches zwischen
den Stierhörnern angebracht wurde. Die Stier-
kopfdarstellung dieser Inschrift läßt sich vielleicht
daraus erklären, daß die Darbringer sich Z. 4
I ^ )(Dg I (El/|n nennen; vgl. einen ähnlichen Fall
oben in Gl. 325 (Abb. 171).
Es scheint aber, daß auch der Altar mit sa-
bäischer Inschrift Gl. 301 = Hai. 370, 371 aus es-
Saudä (WZKM II, p. 205) einen Stierkopf trägt.^
Die Inschrift spricht von einer Weihung an 'Attar
du Rsf"". Abb. 173 zeigt die Photographie nach
dem Abklatsche Glasers. Der Kopf erinnert an
den Stierkopf Abb. 175 auf einer phönizischen
Terraküttaplanquette aus dem Tempel der Tanit
in Karthago.^
Es liegt also immerhin die Möglichkeit vor,
daß auf drei der erwähnten, vielleicht auch auf
mehreren Widmungsinschriften an 'Attar, ein
sonst spezifisches Mondsynibol,' der Stierkopf,
vielleicht den Attar symbolisierend, vorkommt.
Daß dies gelegentlich der Fall sein könnte,
haben wir beim kombinierten Symbole Stierkopf
nebst Donnerkeil ausgesprochen; s. o. p. 34. Man
beachte nun, daß auf dem eben herangezogenen
phönizischen Stück neben dem Stierkopfe das
Kegelsymbol der Tanit steht, welche selbst eine
Erscheinungsform der Istar ist. Auf Inschriften
mit einer Dedikation an Tanit findet sicli denn
auch sehr häufig das Symbol der Mondsichel
mit der Scheibe.^ Als karthagische Himmelsköni-
gin hält Tanit auch die Mondsichel mit darüber-
schwebender Sonnenscheibe in den Händen.* Nimmt
man an, daß ihr dieses Symbol in ihrer Eigen-
schaft als Himmelskönigin zukam, so wäre zu
bedenken, ob nicht auch der Stierkopf deshalb
den Gott 'Attar hätte symbolisieren können, weil
'Attar in Südarabien Herr des Himmels gewesen
wäre. Die Möglichkeit solcher Übergänge wurde
oben p. 31 bei Besprechung des Doppelgriffels
angedeutet. So etwa ließe es sich erklären, daß
Attar als Gott des Yeaussterns zu einem Mond-
symbole gekommen ist.
Löwe und Sphinx.
Löwendarstellungen sind bis jetzt auf süd-
arabischem Boden ziemlich selten. Zum Löwen-
kopfe auf der Gemme Abb. 92 tritt in der 'Am-
räner Bronzetafel CIH 72 (Abb. 176)'^ ein Voll-
bild hinzu: ein mit drei Tatzen auf einem Kegel
stehender Löwe, die linke Vorderpranke erhoben,
über ihm ein Baum, wohl eine Palme. Hingegen
dürfte Gl. 397 (Abb. 177) kaum einen Löwen dar-
stellen. Gl. 397 ist ein Relief aus weißgrauem
Marmor, das Glaser auf seiner Reise nach Zafär
in Beyt el Aswal auf dem Tore einer Semsora
sah. Das Tier hat auf der Zeichnung einen viel
zu langen und schmalen Hals, allerdings mit An-
deutung einer ]Mähue. Beim Löwen haben ferner
■ J. H. Mordtmann erwälint Gl. 301 auf p. 32 seines Catalogue sommaire in Note 1 unter den Beispielen eines
'Attaraltares mit Antilopenkopf.
- Nach Perrot-Chipiez, a. a. 0., tom. III, Fig. ,339.
' Man beachte, daß in 01.1422 der Mondgott 'Amm an erster Stelle genannt ist. Diese katab.änische Inschrift
würde also den einzigen Beleg für das Nebeneinander Ton Mondgottlieit und Stierkopf (als Mondsynibol) darstellen.
■• Vgl. eis Pars I, Tom. I, Nr. 264, 324, 339 u. a.
^ Vgl. ebenda Tom. I, Taf. 45, Nr. 183. A.Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, II. Autl., p. 80.
» Nach CIH Pars IV, tom. I, Taf. XIII.
9*
68
I. Abhandlung: Adolf Gkohmann.
die Geschleclitsorgane eine ganz andere Situation
und sind bei dieser Stellung des Tieres nicht
sichtbar.' Ist endlich der Schwanz am Original
Abb. 170. Sabäische Bronzetafel aus 'Annan. (CIH 72,
London, Brit. Mus.)
beschädigt oder so unnatürlich kurz wie auf
Glasers Zeichnung? Man vergleiche daneben
das Bild des bekannten babylonischen Löwen
(Abb. 178).- Rechts in Abb. 177 ein Baum; s.w.u.
Abb. 177. Sabäisches Relief aus Beyt el Aswal.
(Gl. 397.)
An gegenständigen Darstellungen seien er-
wähnt: Eine Darstellung in der Anordnung der
bereits oben (p. 50 ff. Abb. 142 ff.) besprochenen
Kamj)fszene zeigt auch Abb. 179, eine sabäische
Bronze des Wiener Hofmuseums, die die südarab.
Expedition i.J. 1899 mitbrachte, 8-5 X 6-5 cm groß.
Die Haltung der die Köpfe nach außen wenden-
den gegenständigen Löwen erinnert an Abb. 146 f.
Ferner OM. 84 Abb. 180 nach J. H. Mordt-
manns Beschreibung:-'' ,deux quadrupedes sau-
tant vers un palmier place au milieu d'eux :
le quadrupede ä gauche parait etre un lion, celui
a droite un boeuf. A gauche du lion un eypres,
ä droite du bceuf un palmier.'
Abb. 17S. Her Lüwe von Babylon.
An Sphinxdarstellungen sind zwei Stücke zu
nennen: das eine wurde von den Türken bei
Öffnung eines Grabes in San'ä gefunden;* es stellt
einen geflügelten Löwen mit Menschenkopf en
relief dar.^ Das zweite ist die 'Amräner Bronze-
tafel CIH 73 (Abb. 181)«: zwei gegenständige
Abb. 179. Sabäische Bronze aus dem k. k. Hofiuuseuni
zu Wien.
Sphinxe mit erhübener linker, bezw. rechter
Vorderpranke, die einen Baum in die Mitte neh-
men. Rechts und links je ein Palmbaum die
' Man beachte aber, daß die Genitalien .-nicli beim Lüwcu auf der "Amräner Bronzetafel CIH Tl (Abb. 176) sichtbar,
also unrealistisch dargestellt sind.
- Nach F. Delitzsch, Babel und Biliel 1, Titelblatt.
' Catal. somm. p. 48. Nr. 77.
* Vilayets-Zeitung 1317: D. Nielsen, Altarab. Mondreligion, p. 116.
" Vgl. auch M. Lidzbarski, Ephemeris II, p. 382 f. Eine Sphinx stellt auch der Gewichtslöwe Hofm. Nr. 48 dar,
vgl. D. H. Müller, Südarab. Altert., p. 52.
« Nach CIH, tom. I, Taf. XIII.
Göttersymbole und Symboltiere auf süDARABIscHE^^ Denkmälern.
69
Abb. 180. Sabäiscbes Ixelief (OM. 84), Jlordtmann 77, im
Tscbinili Kiösobk in Konstantinopel.
Szene abschließend, wie auf dem Siegelzylinder
des Dareius Hystaspis.^
Wie es beim Steinbocke als ursjirünglicli an-
genommen wurde, spielt also auch bei den Löwen-
darstelliingen der s.tilisierte Baum eine Rolle; wo
keine gegenständige Komposition vorliegt, steht ein
Palmbaum über dem Löwen (Abb. 176). Ferner
ist wenigstens für die zwei 'Amraner Darstellungen
die erhobene Pranke charakteristisch.
Aus dem Babylonisch-Assyrischen sei folgen-
des Yergleichsmaterial herangezogen: Abb. 115
bloß mit ähnlicher Anordnung wie Abb. 181; da-
gegen ist die Haltung der zwei geflügelten Tiere
(Greife) zur Seite des Baumes dort leicht verän-
dert; die zwei Vorderpranken greifen zum Baum
hinauf; in diesem Punkt liegt also Ähnlichkeit
mit OM. 84 vor. Zwei geflügelte, gegenstän-
dig liockende Genien mit Tierleib, bärtigem
Kopf und Zackenkrone um einen Baum grupjiiert
zeigt der achämenidische Zylinder Delaporte 399
Abb. 124;- die eine A'orderpranke scheint nicht
erhoben zu sein. Eine bis auf die Haltung des
Schweifes vollständige Analogie zur Stellung des
sabäischen Löwen bezw. der Sphinxe von Abb.
176, 181 bietet erst Abb. 182": das Fabeltier
steht auf drei Tatzen und hat die eine (linke)
Vorderpranke erhoben. Dafür ist hier die Sym-
metrie der zwei Gestalten durchbrochen; wie in
0^1. 84 steht rechts und links des Baumes je ein
verschiedenes Wesen; der Baum ist zu einem
fächerartigen Ornament verkleinert und der Kunst-
ler läßt die zwei geflügelten kämpfenden Fabel-
wesen über ihn hinweg an einander geraten;* nach
W. H. Ward^ liegt dieser Darstellung eine phan-
tastische Ausartung des Kampfes Jlarduks mit
dem Drachen zugrunde.
D. Nielsen sieht in den beiden Darstellungen
Abb. 176, 181 Mondsvmbole, in Abb. 181 noch
Abb. ia'2. Muster eines assyrischen Gewandes. (^London,
Brit. Mus.)
speziell eine Darstellung der beiden Monde im
Monat;-' da in Saba die Mondgottheit durch 'Al-
makah vertreten ist, wären hier die beiden gegen-
ständigen Sphinxe und der Löwe als Symbol
Abb. ISl. .SabUisclie Uruii/.ot.U'el aus 'Alurän CHI 7li. (J>ondun, i'.iit. .Mus.J
Vgl. Fr. Delitzsch, Babel und Bibel I, Vig. 7.
Der ganzen Stilisierung jenes Stückes entsprechend geht der Baum dort in ein Zaekcnbüschel aus.
Nach M. Jastrow, a. a. O., Taf. 19, Nr. 63 h.
Sonst spielt sich der Kampf auf einer Seite des Baumes ab; vgl. .\bb. 142 f.
The Seal C'ylinders of Western Äsia, Cap. 36. " Vgl. D. Nielsen, Altarab. Mondreligion, p. 115 f.
70
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
'Almakahs aufzufassen, was durch den iuschrift-
lichen Befund jrestützt würde, da beide Inschrif-
ten eine Dedikation an 'Almakah enthalten. Es
ist jedoch nicht zu übersehen, daß der Löwe sonst
nicht als Mondsymbol geläufig ist. In Babylonien
ist er das heilige Tier der Istar,^ in Persien noch
heute das Symbol der Sonne. So hat schon E.
Oslander^ den Löwen als Sonnensymbol erklärt.
In der muslimischen Tradition haben sich Berichte
erhalten über ein Idol in Gestalt eines Löwen,
das den Götzen lagüt darstellte.' Ob aber die
vier Löwen, die nach dem Berichte l^azwinis in
der Ecke des Schlosses Gumdän standen und,
wenn der Wind in ihren Rachen blies, einen Laut
wie Löwengebrüll von sich gaben, gleichfalls sa-
kralen Charakter hatten.'* ist nicht zu entsclieiden;
man kann sekundär auch an rein dekorative Gründe
für die Anbringung solcher Statuen denken.
Das Pferd.
Zu den symbolisclien Tieren auf südarabi-
schem Boden geliört auch das Pferd. Einen Pferde-
kopf zeigt die Gemme Abb. 92 unter anderen
Symboltieren. Im Hofmuseum zu AVien befindet sich
Abb. 183. Sabäisches Bronzepferd (Hofmus. 132). (Wien,
k. k. Hofmuseum.)
ein gesatteltes Bronzepferd (Abb. 183, Hofmus.
132), das jedoch nacli dem erhaltenen Zapfen zu
schließen, einst auf einem Inschriftsteine ange-
bracht war, der wohl die Widmung dieses Votiv-
geschenkes an einen Gott enthielt." Ein zweites
geschirrtes Bronzepferd aus dem Tschinili Kiöschk
(Abb. 184) wurde von J. H. Mordtmann publiziert;"
die Inschrift auf dem Pferde übersetzt Mordt-
mann ebendort: , Pferd der Dät Ba'dän, Geschenk
des Lihaj'att'. Im Catalogue sommaire p. 57,
Abb. 184. Sabäisches Bronzepferd
im Tschinili Kiöschk (Konstan-
tinopel).
OM. 118 berichtigt er die Übersetzung' , Gabhat,
maitresse de Ba'dän; offrande de Lihayathat'.
^i-f-^^ soll nach Ihn Sidah ein Idol gewesen sein
(Lisän el-'Arab, s.v.). Das dritte endlich ist Gl. 1427,
die Reliefdarstellung eines Pferdes mit der Über-
schrift h^ol/i, die E. Glaser in Ilenu ez-Zireir
fand. Leider gibt Glaser hiezu keine Zeichnung.
Die arab. Tradition berichtet, daß der Götze
Ja'ük die Gestalt eines Pferdes gehabt, und eine
Tradition über den Propheten erzählt, daß dieser
zum Tajjiten Zaid al-hail gesagt habe: ,Ich will
' Vgl. die Götterprozession von Malatia, Abb. 33, p. 18.
2 ZDMG VII, p. 475.
' Nach Kobertson-Smith, Kinship and Marriage p. 192 f. wurde der Löwengott lagüt in Negrän und ganz Nordjemen
verehrt. — Vgl. ZDMG VII, p. 474.
* ZDMG VII, p. 276.
' Ein , Pferd mit seinem Reiter' wird Gl. 863 = CIH 306 dem Ta'Iab Rim"» in effigie dargebracht. Da man eher
einen .Reiter mit seinem Pferd' erwartete, vgl. S.ib. Denkro. I, 4: I :nj'::xi I ;!:H- heißt flfl) vielleicht Sattelgeschirr (vgl.
Hofm. 132) und ,^ :\i. Steigbügel, Syr. ]^? würde die Bedeutung Riemenzeug vermitteln. — Ein Roß mit Reiter ist
ZDMG XXX, zu p. 115f. abgebildet. Dort liegt aber kein Votivgeschenk vor.
" ZDMG XXXIX, p. 235, T.if. II.
' Der Text nach J. H. Mordtmanns Lesung: | nri[v]'nb I n':pn I m>2 I m"! nnsj
Göttersymbole und Stmboltiere auf südarabischen Denkmälern.
71
euch bescliützen vor der 'Uzzä und vor den
schwarzen Pferden, denen ihr dient anstatt des
wahren Gottes'. * In der oben erwähnten Inschrift
auf dem Bronzepferde des Tschinili Kiöschk ist
doch wohl von der Sonnengöttin Dät Ba'dän
die Rede. Daß das Pferd der Sonneng-öttin heilio-
war. ist auch sonsther bekannt; so in Bahrein
(Belädurl 78). Es sei ferner an die Sonnenrosse
zu Jerusalem erinnert, die Josiah entfernte (II
Reg. 23, 11) sowie an den babylonischen Kultus,
in dem das geschirrte Pferd das heilige Tier des
Sania.s ist." Einen wertvollen Wiuk gibt die oben
erwähnte muslimische Tradition, deren schwarze
Pferde an das erinnern, was Glaser aus Süd-
arabien über die schwarzen Rinder erzählt. ^
Es ist in diesem Falle doch mindestens die sym-
bolische Vertretung des Gottes durch das Pferd
bezeugt. Kann man aber weiter aus jener Überliefe-
rung schließen,- daß bei den Sabäern ein förmlicher
Pferdekult bestanden habe — was ja beim Stiere
in Beziehung zu Uadd der Fall gewesen zu sein
scheint ■* — dann wäre man in Saba einen Schritt
weiter gegangen als in Babylon, wo das heilige
Tier den Gott nur begleitet und symbolisiert zu
haben, aber nicht als sein Bild angebetet worden
zu sein scheint. Eine derartige sabäische Sitte
würde dann schon an die Formen des ägypti-
schen Tierkultes erinnern. Ob aber jene Tra-
dition ein Substrat für derartige weitgehende
Schlüsse bilden kann, dagegen macht sich doch
das Bedenken einer möglichen Übertreibung gel-
tend.
Daß aufs Sabäische der assyrische Kultus mit
seiner ausgebildeten Tiersymbolik von Einfluß
gewesen sein dürfte, darauf hat schon Mordt-
mann. Sab. Denkm. p. 66 hingewiesen. Und so
könnte die assyrische Parallele verbunden mit dem
hier vorgeführten Material, bes. OM. 118 und der
Gemme Abb. 92, welche den Pferdekopf mit an-
deren Sj-mboltieren um den Mond mit Scheibe
gestellt zeigt, eine Stütze für die schwarzen Rosse
jener Tradition bilden, von der wir ausgegangen
sind. Robertson Smith" hat ja auf die Stelle Agä-
ni XVI, 48, 30 iiingewiesen. die anstatt der Pferde
schwarze Kamele setzt. Zwar kann der Name
Zaid al-hail die Idee eines Pferdekultus nicht
bestärken;" ja man könnte denken, daß ihm zu-
liebe aus den Kamelen Pferde geworden wären.
Die sabäischen Darstellungen sind jedoch nicht
zu umsehen.
Schlange und Drache.
Die Bestimmung dieser beiden symbolischen
Tiere verdanken wir 0. Weber, der die Schlange
dem Uadd, den Drachen dem Sahar zuwies; das
stimmt mit dem Befunde der hier herangezogenen
Inschriften überein (vgl. p. 9 f., 51ff.). Nachzutragen
wäre noch, daß sicli auf Gl. 495 (= OM. 304,
aus Märib) rechts neben den ersten drei Zeilen
der Inschrift der Drachenkopf findet; darauf hat
schon O.Web er, Göttersymbole, p. 278 hingewiesen.
Die Darstellung (Abb. 185) steht aber hinsicht-
lich der Ausführung hinter der von OM. 282
(Abb. 10) und auch hinter jener des Bulawayo-
steines (Abb. 9) weit zurück. Hier ist alles viel
plumper, die ganze Form der rechteckigen Um-
rahmung angepaßt. Der Inhalt der Inschrift be-
stätigt 0. Webers Zuweisung des Symbols an
Sahar. Die beiden Stifter entstammen der Sippe
Abb. 185. Drachenkopf von Gl. 495 (aus Marib), Tsc-hiniü
Kiöschk (Konst.-intinopel).
1 Vpl. Ibn Nubäta bei Rasniussen, Addit.imenta, p. 23, Z. 15—17, ZDMG VII, p. 475, Note 2.
- Vgl. z. B. die Götterprozession von Malatia, auf der wir Samas auf einem Pferde sehen, Abb. 33, p. 18 und
K. Frank, Bilder und Symbole, p. 15.
' Vgl. die schon oben S. 40 herangezogene Stelle aus E. Glasers Mitteilungen über einige .... sab. Inschr.
p. 2 ff. über Stierdienst bei den alten Südarabern.
■* Außer bei der Schlange finden sich in den alten Überlieferungen andere sichere Spuren von Tierdienst im alten
Arabien nicht; vgl. J. Wellhauscu, Reste ar. Heidentumes I. Aufl., p. 176, anders II. Aufl., p. 214. — Über die hier be-
handelten Symboltiere wird vielleicht Ibn al Kalbis Iciläh itl-a.mäm bald neue Aufschlüsse bringen.
'" Kinship and Marriage p. 208 f. •■' Ebenda p. 209.
Du Sal.iar und stellen ihre Widmung in den Schutz
der zwei Götter 'Attar und Sahar, deren Hülfe
und Schutz sie in der üblichen Weise anrufen.
Ein Drachenkoiif aus Bronze (Abb. 18G) im
Besitz des k. k. Hofmuseums zu Wien scheint als
I. Abhandlung: Adolf Geohmann.
Haltungen finden sich auch bei den Schlangen
Abb. 186. Drachenkopf .ins Hionze, Höhe 6-5 cm. (Wien,
k. k. Hofmuscum.)
Griff zu irgend einem Gegenstand gehört zu
haben. Das Stück zählt zu den Erwerbungen der
Südarabisclien Expedition.
Es erübrigt noch, auf die gegenständliche
Seite der beiden Symbole näher einzugeben. Für
der babylonischen Belehnungsurkunden; so zeigt
die Haltung a) die Sirruschlange auf einer Be-
lehnunesurkunde aus dem 16, Jahre Nebukadne-
zars I. (ca. 1125 v. Chr.), die zu Nippur gefunden
Abb. 188. a f?irruschlange auf einer babylonischen Grenz-
steinurkunde (ca. 12. Jahrh. v. Chr.), Pari.s, Louvre.
h Schlange auf Gl. 1302.
wurde (Abb. 187, links^, zum Vergleiche rechts
Gl. 1158). Der Kopf der Sclüange ist sowohl auf
dem minäischen Denkmale wie auch auf dem
babylonischen mehr zugespitzt. An die Schlange
auf Gl. 1302 in der Haltung h) erinnert, was
die Kopfform betrifft, die Sirruschlange auf einer
l)abylonischen Grenzsteinurkuude aus der Zeit
der Isindynastie (ca. 12. Jahrb. v. Chr.), gefunden
Abb. 187. a fjirruschlange von einer Belehnungsurkunde
Nebukadnezars I. (ca. 1125 v. Chr.) aus Nippur (im Besitze
H. V. Hilpreclits). I, Schlange von Gl. 1158.
die Schlange hatten wir an Inschriften bis jetzt
folgendes Material: Gl. 1316 (Abb. 130), 1302
(Abb. 134), 1234 (Abb. 136), den Delosaltar (Abb.
137) und Glaser 1158 (Abb. 138). Auf diesen In-
schriften erscheint die Schlange in drei ver-
schiedenen Haltungen : a) in großer, S-förmiger
Krümmung (Abb. 130, 138), den Kopf etwas auf-
gerichtet; b) nur leicht geschlängelt, die Richtung
von oben nach unten einiialtend (Abi). 134, 136),
und c) wie in b), docii mit aufgerichtetem oder
seitwärts gedrehtem Ko}ifc (Abb. 137). Alle drei
a h
Abb. 189. a §irruschlange auf einer Bestallungsurkunde (ca.
900 V. Chr.). Berlin, kgl. Museum, h Schlange auf Gl. 1234.
Vgl. M. Jastrow, .a. a. O., Taf. 12, Nr. 40.
GöTTERSYMBOLE DND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLI
73
in der Nähe von Babylon (Abb. 188 links'), für
die Haltung- typischer jedoch ist der Vergleich
mit der Schlange auf einer Bestallungsurkunde
(Abb. 189, links 2 neben Gl. 1234), datiert zu
Borsippa im 8. Jahre des Königs Nebo Schu-
mischkun I. (ca. 900 r. Chr.). Zur Haltung c)
endlich läßt sich die Sirruschlange auf der unter-
sten Reihe der zu Susa gefundenen Belehnungs-
urkunde des Meli-Schipak (^ca. 1204—1190 v. Chr.)
Abb. 190. a girruschlange auf der Belehnungsurkunde Meli-
schipaks (ca. 1204 — 1190 v. Chr.), aus Susa (Paris, Louvre).
h Schlange auf dem minäischen Delosaltare.
vergleichen (Abb. 190 links ^, rechts die Schlange
auf dem Delosaltare).
Neben diesen Schlangendarstellungen auf Stein
finden sich auch noch drei Bronzeschlansen im
Abb. 191. Fragment einer Bronzeschlange aus Südarabien.
(Hofmiis. 136.) Wien, k. k. Hofmuseum.
Wiener Hofmuseum; Hofm. 136 (Abb. 191)*, das
Mittelstück einer Schlange mit daran befestigtem
Henkel; Hofm. 137, der Vorderteil einer Bronze-
schlange mit durchlochtem Kopfe ^ und endlich
ein Bronzestab, der ia eine Schlange ausläuft
(Abb. 192); das Stück wurde von der Südarabischen
Expedition der Wiener Akademie mitgebracht.
Abb. 192. Bronzestab mit Schlangeukopf aus Südarabien.
(Wien, k. k. Hofmuseum.)
Eine ähnlich geschuppte Bronzeschlange, wie
Abb. 191 fand de Morgan in Susa (Abb. 1936).
Zum dritten südarabischen Stücke (Abi). 192) wäre
Abb. 194 zu vergleichen, ein Bronzeszepter mit
Schlangenkopf, aus demselben Fundorte'; diese
elamischen Bronzen (Abb. 193 f.) sind etwa um
1000 V. Chr. anzusetzen.
Die südarabischen Stucke wurden, wie der
daran angebrachte Henkel bzw. die Durchlochung
Abb. 193. Bronzeschlange aus Susa i^Paris, Louvre)
Abb. 194. Sclilangenstab aus Bronze, aus Susa. (Paris, Louvre.)
zeigt, als Amulette getragen. Zu dieser Verwen-
dung eines Göttersymbols als Amulett zum Um-
hängen wolle man Abb. 54 vergleichen, auf der
König Samsi Adad das Blitzbündel als Amu-
lett um den Hals trägt; erst in zweiter Linie
wird man an ein Schutzmittel speziell gegen
Schlangenbiß denken dürfen.^
> Vgl. M. Jastrow, a. a. O., Taf. 13, Nr. 42. - Vgl. M. Jastrow, a. a. O., Taf. 13, Nr. 43.
= Vgl. M. Jastrow, a. a. 0., Taf. 8. Nr. 29. ■* Nach D. H. Müller, Südarab. Altert, p. 64.
' Vgl. D. H. Müller, Südarab. Altert., p. 65.
' Vgl. E. de Morgan, M6m. de la D616gation en Ferse, tom. VII, p. 52.
' Vgl. E. de Morgan, a. a. O., tom. VII.
' Vgl. die Bronzeschlange von Gezer (H. Gressmann, Altorientalische Texte und Bilder, Bd. II, S. 94 f., Abb. 177)-
Denkscliriflcn der phil.-hist. Kl. 68 Bd. 1. Abb. 10
74
I. Abhandlung: Adolf Grohmasn.
Das interessanteste fi^ymboltier der südarabi-
schen Denkmäler ist wohl der Draclie. 0. Weber
hat als erster! den Drachen in dem vierten Sym-
Abb. 195. Der Drache von Babylon.
hole des Bulawayosteines (Abb. 9) erkannt und
dessen Zusammenhang mit dem babylonischen
Drachen bewiesen. Der Bedeutung wegen, die
die beiden Drachenköpfe auf OM. 282 (Abb. 10)
sowie den Drachenkopf aus Bronze (Abb. 186),
also einköpfige Typen einerseits, dann den zwei-
köpfigen Drachen auf Abb. 112. Zu jenen
verglich 0. Weber den Drachen von Babylon
(Abb. 195)^. Man könnte auch den Sirrussu vom
Beitempel zu Nip]iur heran ziehen (Abb. 196)^, ein
Tonrelief, das ca. 2300 v. Chr. anzusetzen ist.
Es weist wohl zum Teil ältere Details auf im
Vergleich zum gänzlich stilisierten Drachen von
Babylon. So sitzt ihm die Haarlocke noch am
Nacken, nicht wie beim Drachen von Babylon in
stilisierter Kräuselung am Kopfe, die Hörner sind
noch in der Zweizahl vorhanden und an ihrer
richtigen Stelle, nicht über den Augen angebracht.
Mit seinem schlanken Halse stellt sich aber der
Abb. 196. Der babylonische Drache (.'Jirrussu). Tonrelief,
ca. 2H00 V. Chr. (Tschinili Kiöschk, Konstantinopel.)
Abb. 197. Babylonische Bronzetafel mit Beschwörungs.szene.
(Paris, Sammlung de C'lercq.)
dieser Tierfigur im Rahmen der babylonischen
und sabäischen Symbolik zukommt, sei hier noch-
mals auf das Gegenständliche eingegangen. Wir
kennen bis jetzt zwei verschiedenartige Drachen-
darstellungen auf südarabischen Denkmälern : neben
dem Bulawayosteine und Gl. 495 (Abb. 9, 185)
sabäische Drache eher dem von Babylon (Abb.
195) zur Seite, der auch noch in seiner Leibes-
bildung mehr an die Entwicklung aus der Haus-
ziege erinnert. Er stellt so ungefähr ein Mittel-
glied dar zwischen dem Drachen von Babylon
und dem von Nip])ur und gibt uns eine Vorstel-
' O. Weber, Göttcrsymbole, p. 271 ff.
- Nach F. Delitisch, Im L,ande des einstigen Paradieses, Abb. 29.
' Nach H. V. Hilprech t, Die Ausgrabungen im Beitempel zu Nippur, Abb. 50.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
75
lung von der Jlannigfaltigkeit der Formen, die
dieses Fabeltier einst aufeewiesen haben mao-
Der sabäische Drache Abb. 112 erinnert in
seiner bogenartig über zwei Säulen das Bild ab-
schließenden Form und dem Kopfe je an einem
Ende an das Schiff des Beschwörungsreliefs A.
unterste Reihe der Vorderseite (Abb. 197)'. Das
Schiff trägt am rechten Bug einen Löwenkopf,
am linken einen Ziegenkopf. Davon abgesehen
ist im sabäischen doppelköpfigen Drachen die Re-
miniszenz an den einköpfigen Drachen von Baby-
lon und der Zusammenhang mit ihm dadurch ge-
wahrt, daß wir im schnabelbewehrten Kopfe (rechts)
vielleicht auch links im Kopfe eines Löwen (?) noch
an die l^eideu Tiere erinnert werden, die an den
babylonischen Drachen sonst Züge abgegeben
haben; seine Yorderfüße weisen ja Löwentatzen
auf und seine Hinterfüße Adlerkrallen.
Der Adler.
Ein Göttersymbül ist wohl auch im Adler
za erkennen, den Abb. 91 zeigt. D. Nielsen
hat in ihm ein Mondsymbol gesehen^, während
E. Oslander-' ihn für ein Sonnensymbol hielt.
Auch dieses Tier spielt in der muslimischen
Tradition eine Rolle. In seiner Gestalt soll Nasr*,
angeblich ein himyarisches Idol, verehrt worden
sein.^ Der Gott Nasr ist in den Inschriften mehr-
fach l)elegt.
Die Inschrift der Gemme Abb. 91 gibt leider
für die Zuweisung an eine bestimmte südarabische
Gottheit keinen Anhaltspunkt; berücksichtigt man
die von D. Nielsen nach dem San'äer Salna-
meii erwähnte Darstellung auf einer Reliefplatte,
die einen Adler mit einer von ihm gehaltenen
Schlange zeigt,'' so könnte man den Adler auch
als Sonnensvmbol auffassen: diese Darstellung-
würde den siegreichen Kampf der Sonne (Adler)
mit dem Monde (Schlange) bedeuten. Doch sind
auch andere Auslegungen ebensogut möglich.
Auf der Gemme Abb. 91 steht das Mondsymbol
(Sichel mit Scheilie) über dem auf der Mond-
sichel ruhenden Adler ; das spricht eher für
Nielsens Auffassung, wenn man im Adler nicht
lieber einen Stellvertreter der Scheibe sehen will.
' Nach M. Jastroiv, 15ilderiiiappe, Tat". 33, Nr. 100. Vgl. K. Frank, Babylonische Beschwörungsreliefs, Leipziger
Semitistische Studien III, 3, p. 74 und Taf. I.
'' Altarab. Mondreligion, p. 157. Vgl. auch D. Nielsen, Neue katabanische Inschriften, S. 13 f, (MVAG 1906, 4).
» ZDMG 7, p. 475. * Vgl. Robertson-Smith, a. a. O. 209. ^ ZDMG 7, p. 473.
'■ Die altarabische Mondreligion, p. 109. Eine ähnliche Art der Komposition zeigt das Wappen Abb. 28 bei van
Bercli em-Strzygowski, Amida, p. 78 ,un oiseau de proie . . . les pattes posees sur l'extremit«^ des cornes d'une tete de
taureau qui tient dans sa gueule un gros anneau torse ou une guirlande'.
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Schlußbemerkungen.
Zum Gegenständliciien sei zusauimenfassend
im Vergleiche mit den entsprechenden babyloni-
schen Symbolen und gleichzeitigem Ausblicke
auf angrenzende Kulturländer folgendes bemerkt:
Das Blitzbündel, der Doppelgriffel, Mondsichel
und Scheibe und die Vulva sind fast unverändert
geblieben. Dem zweistrahligen einfachen Blitz-
bündel entspricht vollständig das babylonische,
dem dreistrahlig einfachen das hetitische, dem
dreistrahligen Doppelblitze der babylonisch-assy-
risclie, der hetitische und lihyänische.^ Ebenso
ist der sabäische Doppelgriffel gleichsam nur eine
Variante des babylonischen. Das sabäische Symbol
Mondsichel und Scheibe kommt in seiner
Form dem babylonischen viel näher als die
ägyptische Form, wie sie sich auf dem Haupte
verschiedener Götter findet,^ die noch deutlich
die Zusammensetzung aus der Neumondsichel und
dem dunklen Teile der Scheibe verrät.^ Der Er-
satz der Scheibe durch den Stern ist nicht nur
den Sabäern und Babyloniern gemeinsam, er
findet sich auch auf elymaidischen Münzen* und
irgendwie muß damit wohl auch das bekannte
türkische Wappeuemblem (Mondsichel mit fünf-
zackigem Sterne) zusammenhängen. Die Auf-
fassung des Symbols, die Drouin vertritt, ^ der
in ihm die Konjunktion des Mondes mit dem
Venussterne sieht und es als Emblem von Glück
und Wohlergehen auffaßt, würde eine Verwendung
des Symbols als Wappenzeichen wohl nur begünsti-
gen. Den weiteren Schritt, den sabäische Formen
des Symbols darstellen, nämlich den Stern oder
die Scheibe nur mehr durch einen Funkt anzu-
deuten, zeigen nicht nur auch die oben genannten
Münzen, ** sondern auch ein arabisches Siegel auf
einem Papyrusbillet vom 1. Muharram 196 d. H.
(= 23. September 811 n. Chr.).' Die Mondsichel
mit sechsstrahligem Sterne bildet ein beliebtes
Amulett gegen den bösen Blick, das an Ketten
auf dem Kopfschmucke beduinischer Frauen in
Palästina getragen wird.^ Der Totschläger ist
in seiner wahrscheinlich ältesten Form nur aus
zwei Streifen zusammengesetzt, die durch je zwei
Querbinden mehrfach zusammengehalten werden,
während die entsprechende sumerische Waffe ^ drei
Streifen mit je vier Querbinden zeigt. Die Form
in Abb. 29 A könnte die Erwägung nahe legen, ob
nicht das ägyptische Sichelschwert (| Laut wert Äpsj
in der Hand des Amon-Re "> und Harmachis ^^ damit
zusammenhängt. Das gleiche gilt vom Krummstabe
' Zu den griecliischen Parallelen s. P. Jacobsthal, a. a. O., p. 49 ff. Zur allgemeinen Orientierung über das Symbol
Chr. Blinkenberg-, The Thunderweapon in Religion and Folklore (Cambridge 1911). Ein dreistrahliger Doppelblitz scheint
auch unter den protoelamischen Schriftzeichen vorzukommen; vgl. de Morgan, Dölög. en Perse, Mem. VI, p. 96, Nr. 397.
Zum hetitischen Blitze vgl. Ed. Meyer, Reich und Kultur der Chetiter (1914), p. 66, 94, 103 f., 12üf., KU.
' So der Isis, Hathor, Thueris, des Chonsu in Theben, Thoth ('I'ljtj), des Mondgottes "I'b, der 'Jus'Jset und Reunut.
Vgl. E. A. Wallis Budge, The Gods of the Egyptians (London 1904), Vol. 11, Tafeln zu p. 202, 206, 208, Vol. I, p. 434,
Vol. II, p. 30, Vol. II, p. 34, Vol. I, p. 402, Vol. I, p. 412, Vol. I, p. 354, Vol. II, p. 214.
' Vgl. G. Röder, Das ägyptische Pantheon, Arch. f. Religionsvvissensch. XV (1912), p. 84.
' Vgl. de Morgan, Döleg. en Perse, Möra. VIII, Taf. XII. 72. Zu vergleichen ist hier auch der kretische Stierkopf mit
dem Zeichen X zwischen den Hörnern und die nach unten gekehrte Mondsichel mit T auf einer Vase aus Susa, vgl. p. 78,
Note 13. 5 Vgl. de Morgan, a. a. O., p. 202. " Vgl. de Morgan, a. a. O., Taf X.
' Papyrus 1054 der Sammlung Erzh. Rainer s. J. v. Karabacok, Das arabische Papier, Mitt. Pap. Erzh. Kainer,
II— III, p. 102.
" Vgl. T. Canaan, Aberglaube und Volksmedizin im Lande der Bibel, Abh. d. hamburg. Kolonialinst., Bd. XX
(19141, p. 93.
'■' Die Form Abb. 29 D wird auch von hetitischen Kriegern getragen, vgl. Ed. Meyer, a. a. O., Fig. 79, p. 101 f.
'" Vgl. Ad. Erman, Die ägyptische Religion (1905), p. 61, Fig. 55.
" Vgl. E. A. Wallis Budge, a. a. O., Vol. I, Taf. zu p. 470. Ob die Waffe schon vor dem neuen Reiche in Ägypten
gebräuchlich ist, kann ich nicht ermitteln. Mithin vermag ich auch nicht zu entscheiden, ob sie etwa aus Vorderasien be-
kommen ist, was festzustellen für den allfälligen Zusammenhang mit dem sumerischen Totschläger von Bedeutung wäre.
s. auch Ad. Erman, Ägypten und ägypt. Leben im Altertum I, p. 9."), II, p. 695. An einer vergleichenden und umfassenden
Darstellung von ägyptischen Waffen und Abzeichen der Götter und Könige fehlt es bis jetzt.
78
1. Abhandlung: Adolf Grohmakn.
ij' hk'>} in der Hand des Osiris.i der in kleinen
Naclibildungen als zauberkräftiges Amulett ver-
wendet wird.- Bemerkenswert ist, daß der offenen
sabäisclien und minoischen Form in Abb. 12 und
13 eine protoelamisclie gegenübersteht,^ die durch
den durcliiaufeuden Mittelstrich zugleich eine
Zwischenstellung zwischen jener und den sabäi-
sclien und minoischen Formen in Abb. 15 u. 19
einnimmt. Das Symbol des Sibitti umfaßt im
babylonischen sieben Sterne, das sabäische Symbol
zeigt deren nur sechs, fünf oder drei. Auch hier
gibt es eine protoelamische Entsjtrechung, die
drei, vier oder fünf Kreise in derselben An-
ordnung wie das sabäische Symbol enthält.'' Diese
beruht in Saba, Elani und Babylonieu, soweit
svmmetrische Anordnung eingehalten ist, auf dem-
selben Prinzipe. Man beachte übrigens auch, daß
die Zahlen der Kreise (3,5,7) heiligen Zahlen
entsprechen-^ und die drei Kreise Verwandtschaft
mit dem Tpür/eXv;; auf einem mykenischen Gold-
oniamento'' aufweisen. Drei Kreise in der Anord-
nung so zeigen auch als Amulette gegen den bösen
Blick verwendete Anhängsel an Ketten auf der
Kopfbedeckung beduinischer Frauen in Palästina.'
Die ausgestreckte Hand, die heute noch in Palä-
stina als apotropäisches Mittel gegen die ,böse
Seele' gilt,* ist im babylonischen gelegentlich siebeu-
statt fünf fingerig. Wie den Juden als Hand Gottes,
den Muhammedanern als Hand Fätimes, Muham-
meds oder 'Alis gilt sie den Christen als Hand Marias.
Grobe Darstellungen, mit denen sich Abb. 104
vero-leichen läßt, wurden in Palästina auf die Haus-
türe oder an die Oberschwelle gemalt.» Abb. 102
entspricht genau den heute in Palästina als Amulett
■betragenen Händchen aus Metall als Anhängsel
an Wolf szähnen 1" oder der als Lampenträger die-
nenden jüdischen Hand." Eine fünffingerige Hand
erscheint auch auf einem ägyptischen Amulett. '-
Das Kreuz ist im Sabäischen und im Kata-
bänischen schief gestellt (Andreaskreuz), Avie auf
dem Stierkopf auf einem Tonsiegel aus Kreta. '^
Auch hier gibt es nicht nur protoelamische Ent-
sprechungen (allerdings nur das geradestehende
Kreuz),'* sondern auch kretische, sumerische und
hetitische.'^ Selbst eine ägyptische Parallele läßt
sich nachweisen: am Halsschmuck des Hohen-
priesters von Memphis erscheinen sechs Kreuze.'"
Gleichsam als , Ordenskreuz' wird es von Sanisi
Adad IV am Halse getragen.''
Die Speerspitze, in ihrer Grundform der
babylonischen fast gleich,'* erhält dadurch eine
Besonderheit, daß um ihren Schaft eine Schlinge
gewickelt ist, die dem babylonischen Symbole
fehlt. Eine Abb. 117 b ganz ähnliche Form zeigt
eine indische Münze des Königs Kadfises H. (ca.
50 n. Chr.) auf der Kehrseite.'» Dort steht neben
dem Gotte Siva, dem Nachfolger des Sturmgottes
Rudra, ein Dreizack^" mit Schlinge. Da der Drei-
zack ebenso wie die Axt Symbol des Blitzes ist,^'
liegt es nahe, auch in der sabäischen Speerspitze
mit Schlinge (bes. Abb. 117 b) eine Variation des
Blitzes zu sehen, was noch dadurch wahrschein-
' Vgl. E. A. Walli.s Budge, a. a. O., Vol. 11, Tat. zu p. 130, 13-i. Außerdem wird der Krununstab noch getragen
von Ptah (Budge, a. a. O., II, ]k 136), Harpokrates (ebd. I, p. 4G8), Serapis (ebd. II, p. 198i, Horus (ebd. I, p. 484), Sokar
(ebd. 1, p. 50()}, Tatunen (ebd. I, p. 508) und dem Mondgotte 'I'li (ebd. I, p. 412). In der Hand des Königs erscheint er, wie
mir mein Freund Dr. v. Demel mitteilt, der eine Arbeit über Götterzeichen vorbereitet, schon im alten Reiche; vgl. L. Bor-
chardt, Cat. G6n. Statuen und Statuetten von Königen, Teil I, Bl. 10, Nr. 40 (V. Dyn.). Vgl. w. u. p. 80, Note ö. Man be-
achte, daß auch der hetitische ,Herr des Himmels' (Sonnengott) einen Krummstab trägt; vgl. Ed. Meyer, a. a. O., p. 31.
' Vgl. A. Wiedemann, Die Amulette der alten .Ägypter, AO. XII (1910), p. 24.
' Liste des Signes proto-ölamites bei de Morgan, D^leg. en Perse, Mem. VI, Nr. 15 — 18 (p. 83) 451 f. (p. 97).
* Liste des Signes proto-elamites bei de Morgan, D61eg. en Perse, Mem. VI, Nr. 837 (p. 109), 871, 872 (p. HO).
' Vgl. T. Canaan, a. a. O., p. 93. " Vgl. W. Schultz, a. a. O., Abb. 5.
' Vgl. T. Canaan, a. a. O., Fig. 10 (p. 58), Fig. 22 (p. 78). *■ Vgl. T. Canaan, a. a. O., p. 61 f.
'■' Vgl. T. Canaan, a. a. ()., p. 65. '» Vgl. T. Canaan, Fig. 7 g (p. 55), Taf. II, 3—5, IV, 1 c.
" Vgl. T. Canaan, a. a. O., Taf. IV, 2b. " Vgl. Ad. Erman, Die ägyptische Religion, Fig. 100, p. 16-2.
" Vgl. \i. V. Lichtenberg, Die ägäisclie Kultur (Wissenschaft und Bildung, Bd. 83), Abb. 68, p. 115. Hieher gehört
wohl auch die Mondsichel mit T auf einer elamischen Vase der Akropolis von Susa, vgl. A. Jeremias, Handbuch der alt-
orientalischen Geisteskultur (1913), Abb. 70.
'* Vgl. de Morgan, D616g. en Perse, Mem. VI, Liste des signes proto-elamites Nr. 250 — 272 (p. 91 f.), 835 (p. 109).
" Vgl. A. Jeremias, a. a. O., p. 96—99, Abb. 58 a— f, 70.
" Vgl. A. Jeremias, a. a. O., p. 6S und Ad. Erman, Ägypten II, p. 403.
" Vgl. A. Jeremias, a. a. O., p. 69 und oben Abb. 54.
'* Zur elamischen Form vgl, de Morgan, D^leg. en Perse, Mem. VI, Liste des signes proto-elamites Nr. 310 — 316, p. 93.
'" Vgl. Chr. Blinkenberg, a. a. 0., Fig. 28, p. 56. .\hnlicli ebd. Fig. 29 f, p. 56 auf einer Münze des Bazodeo (ca.
2. Jahrhundert n. Chr.).
*° Die Form ist identisch mit dem min.Hischen dreistrahligen Blitze in Abb. 46 d.
" Chr. Blinkenberg, a. a. O., p. 56.
Göttersymbole und Symboltikre auf südarabischen Denkmälern.
79
licher gemacht wird, daß der Donnerkeil im
Blitzbüudel von Abb. 65 eine speerartige Form
aufweist.' Speerspitze und Blitzbündel (beziehungs-
weise BlitzbUndel und Donnerkeil) können also
wohl als gleichbedeutend aufgefaßt werden.^
Auch die Federkrone zeigt in ihrer Form
eine leichte Änderung gegen die babylonische, be-
wahrt aber die alte Vierzahl der Federn (Zacken).'
Dem mutmaßlich angenommenen minäisehen
Göttertore fehlen die verbindenden Querbalken in
der Mitte, die der babylonische Torflügel auf-
weist.*
Keine babylonische Entsprechung haben vor-
derhand das Blitzbündel mit dem Donner-
keile^ beziehungsweise Stierkopf und Donner-
keil" und natürlicherweise das 'Attarmono-
gramm. Von den heiligen Tieren sind auch in
Babylonien der Stier, der Löwe, das Pferd,
die Schlange und der Drache belegt; statt des
Adlers haben wir dort den Geier und der
Steinbock erscheint als Widersacher Marduks.
In Agj-pten ist der Stier nur mit gewissen Kenn-
zeichen als heilig angesehen," als Apis entspricht
er dem Mondgotte Ptah-Sokar-Osiris, als Mnevis
dem Sonnengotte Tum zu Pa-Tum,** als Bakis
dem Month, einer Lokalgestalt des thebanischen
Sonnengottes Amon-Re, als Onuphis dem Osiris."
Der Löwe ist hier das heilige Tier des Sonnen-
o'ottes.*" Pferd, Drache und Steinbock fehlen
in Ägypten unter den heiligen Tieren, der Anti-
lope entspricht vielleicht die der Isis heilige
Gazelle;'' der Adler ist dem Amon-Re in Theben
heilig,'^ an seine Stelle tritt aber meist der Falke,
das heilige Tier des Sonnengottes.'^ Die Sphinx
kommt in Ägypten wie auch für Mesopotamien
nur als Fabelwesen in Betracht,''' doch ist auch sie
gelegentlich das Symljol des Sonnengottes.'^ Die
Schlange ist verschiedenen Göttinnen heilig, ja
ähnlich der Sirnischlange sogar selbst Gottheit."'
Der gegenständlichen Verwandtschaft der Sym-
bole steht aber, soweit wir bis jetzt urteilen
können, meist ein Unterschied im Göttercharakter
ihrer Träger gegenüber. So ist nur der sabäische
Totschläger und der ägyptische Krummstab (?) ein
Symbol -lunarer Gottheiten ('Almakah — i'h),''
ebenso wie ]\Iondsichel und Scheibe in Babylonien
und Ägypten auch lunaren (iöttern gehören."
Die Hand eignet wenigstens in Ma'in dem der
babvlonischen Istar entsprechenden 'Attar zu, im
kombinierten Symbole Mondsichel und Scheibe
(^^ Stern) und Hand geben auch fürs Sabäische
die Bestandteile Stern und Hand zu gunsten
'Attars den Ausschlag, dem in Babylon Istar
als Inhaberin des Venussternes und der Hand ent-
spricht. A^on den Symboltieren entspricht nur der
Stier in Ägypten und Südarabien einer lunaren
' Man beachte auch Jie entspieclionde griechische Darstellung Abb. 66.
- Andere zusammengehönge Symbolpa.ire sind: Mondsichel mit Venusstern (Scheibe) und Mondsichel mit der Hand
(Vgl. p. 46. In Abb. 102 liegt eine Häufung von Symbolen vor: Mondsichel, Hand und darauf nochmals die mit ihr gleich-
bedeutende Scheibe = Venusstern), Blitzbündel und Donnerkeil und Stierkopf und Donnerkeil (vgl. p. 32).
=> Zur Federkrone der 'Anüket vgl. E. A.Wallis Budge, a. a. O., II, p. f)6 f., 284—288. Zur kretischen K.V.Lichten-
berg, Einflüsse der ägäischen Kultur auf Ägypten und Palästina MVAG XVI (1911), p. 130, 143. Zum federkronen-
geschmückten Gott Bes als Amulett A. Wiedemann, Die Amulette der alten Ägypter (AO. XII), p. 10.
■• Zum Tore auf dem Siegelzylinder aus Gük-Täpä und dem aus den Torflügeln hervorschreitenden Sonnengotte s
C. F. Lehmann-Haupt, Materialien zur älteren Geschichte Armeniens und Mesopotamiens, AGWG NF. Bd. IX (1907),
Xr. 3, p. 8 f. ^ Dafür hier griechische Entsprechungen.
« Im Mykenischen und Kretischen entsiiricht ihm der Stierkopf mit der A.xt zwischen den Hörnern. Vgl. R. v. Lichten-
berg, Die ägäische Kultur, ji. 112 und Abb. 65.
' Vgl. Th. Hopfner, Der Tierkult der alten Ägypter, Denkschr. d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, phil.-hist. Kl.
Bd. 57, 2. Abh. (1913), p. 76 fl'. " Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 86 f. " Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 88.
" Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 40 ff. und E. A.Wallis Budge, a.a.O., II, p. 360. Zum Löwen auf hetitischen
Denkmälern vgl. Ed. Meyer, a. a. O., p. 82, Note 1, 110 ff., 161 f., 164,' zur hetitischen löwenköpflgen Gottheit p. lnOf. Ob
die Löwin im Relief auf einem Felsen bei Aksum als Symboltier gedacht ist, ist schwer zu sagen. Da vor ihrem Rachen
der Sonnendiskus steht, ist immerhin an die Möglichkeit zu denken, daß die Löwin hier als ein der Sonne heiliges Tier
aufzufassen sein kann. Vgl. Th. Beut, The sacred city of the Etliiopians (London 1893), p. 195 f. und die Abbildung.
Vermutlich geht das Relief noch auf sabäische Kolonisten zurück. " Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 101.
'= Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 106. " Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 107 ff.
'* Vgl. Th. Hopfner, a. a. ü., p. 12 und Ed. Meyer, a. a. O., y. 17, 24 f., 49, 77.
'S Vgl. E. A. Wallis Budge, a. a. 0., II, p. 361. '" Vgl. Th. Hopfner, a. a. O., p. 1.S6 fl".
" Wie es diesbezüglich mit der sumerischen Waffe steht, weiß icli nicht. Interessant ist, daß sie ebenso Waffe des
Herrschers ist, wie der Ai-',-Stab (?) vom mittleren Reiche an in Ägypten. Hiezu h.alte man, daß der Totschläger in der
Mukarribzeit nur auf Inschriften, die von Mukarriben gesetzt sind, vorkommt und kurz darauf auf der sehr alten Königs-
inschrift Gl. 485 (vgl. p. 13).
'» Fürs Sabäische kommt hier auch die solare Dät Hmi."', beziehungsweise äams in Betracht.
«0
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Gottheit ('Almakah-yadd-Ptah-Öokar-Osiris)i das
Pferd in Babylonien und Südarabien einer solaren
(Dkt Ba'dän-Samas). Ein Vergleich der übrigen
Symholträger, z. B. des Adad-Teschup und 'Alma-
kah-'Aium-Xru (^Blitzbüudel), Du Smiii und Nabu
(Doppelgriffel), 'Almakah-Nkrh und Marduk (Steru
beziehungsweise Ring) erschwert die vorderhand
noch mangelhafte Kenntnis, die wir vom Charakter
rler sabäo-minäischen Götter haben. Ist so etwa
'Almakahauch Wettergott. wie Adad und Teschup,
oder Du Smui der Schirmherr des Ackerbaues
wie Nabu? Ausgesprochene Verschiedenheit des
Charakters zeigt sich bei den Trägern der Speer-
spitze ('Attar-Marduk), der Federkrone ('Attar-
Bes-'Anüket) und der Sterne (Dät ITmi^-Si-
bitti).
Schon oben (]). 15) wurde darauf hingewiesen,
daß Stierköpfe (auch mit Donnerkeil) aus Zauber-
gründen auf sabäischen Inschriften angebracht
wurden und dieser Sitte eine analoge ägyptische
zur Seite gestellt. Das gleiche gilt auch von der
Schlange. Zu den p. 73 erwähnten, als Amulett
getragenen Schlangen kann nicht nur auf den
ägj'ptischen Brauch hingewiesen werden, Stücke
von Schlangen in kleinen Kästchen zu verwahren
und dem Gegenstande, für den man den Schutz
des Gottes ersehnte, anzubinden,* sondern auch
an die Vorstellung von der Schlange als Heils-
träger und der Verwendung ihres Kopfes, Schädels
und Rückgrats als Heilmittel, wie sie sich noch
heute in Palästina findet.^ Auf die Verwendung
von Mondsichel und Scheibe (Stern) sowie der
Hand als Amulette ist schon oben (p- 77 f.) hinge-
wiesen worden. Eine gleiche Verwendung beider
Symbole kann man wohl auch bereits bei den
Sabäern annehmen. Wie ferner in Babylon der
Blitz und das Kreuz als Amulett dient (vgl. Abb. 54),
so mag man in Sudarabien mit der Anbringung
dieser Symbole auf Inschriften zugleich auch apo-
tropäische Maßregeln verfolgt haben und ähnliches
auch bei den Sternen (man beachte die heiligen
Zahlen 3, 5, 7) und der Federkrone* der Fall
gewesen sein. Vielleicht hat auch der Totschläger
apotropäische Bedeutung.^
' Die von E. Oslander vertretene Zuweisung des Löwen an die Sonnengottheit (s. p. 70) würde auch darin einen
Halt finden, daß In Ägypten der Löwe das Symbol der Sonne Ist. — Zwar heißt auch der babylonische Mondgott Nannar
.Stier' (vgl. M. .Tastrow, Die Religion Babyloniens und Assyriens, I, p. 84, 437), doch ist der Stier das Tier Marduks
und Adads.
- Vgl. A. Wiedemann, Die Amulette der alten Ägypter, p. 12. Auch bei den Babyloniern spielt die Schlange iui
Zauber eine große Rolle, s. M. Jastrow, Die Religion Babyloniens und Assyriens, II, p. 771! fi'.
' Vgl. T. Canaan, a. a. O., p. 83.
■* Der federkronengeschmiickte Bes ist ja ein beliebtes Amulett; daß man nur das charakteristische Merkmal des Gottes
herausgreift, um seines Schutzes sicher zu sein, ist auch in Ägypten oft geübter Brauch. Vgl. A. Wiedemann, Die Amulette
der alten Ägypter, p. 10.
' Erschlossen aus der Verwendung des so ähnliclien /t/cJ-Stabes (vgl. oben p. 78). Die älteste Form des kklStahes,
wie iie bei G.Möller, Paläographie I, Nr. 453 für die dritte Dynastie belegt ist, kommt den Formen des Totschlägers in
Abb. 27 d, m sehr nahe. Zur späteren Form ? vgl. L. Borchardt, Cat. G^n. Statuen und Statuetten von Königen, Teil I,
Bl. IG, Nr. 40 (V. Dyn.); P. Lacau, Sarcophages anterieurs au nouvel empire, Cat. Gdn. (1903). Taf. XLV. (mittleres Reich);
Ad. Erman. Ägypten u. ägypt. Leben im Altertum, Bd. I, p. 75, Taf. zu p. 78, 95, 99, 100, II, p. 384, 465; Ägyptische
Religion, p. 18, 217, 231; G. Steindorff, Die Blütezeit des Pharaonenreiches (Monographien zur Weltgeschichte X, 1900),
Abb. 62 (p. 61), 57 (p. 66), 67 (p. 78), Taf. zu p. 144; Ed. Meyer, Geschichte des alten Ägyptens (Sammlung W. Oncken,
Allgem. Gesch. in Einzeldarstellungen I, 1887), Einleitung, p. 87; Gesch. d. alten Ägyptens, Taf. zu p. 296, 300 (neues Reich),
vgl. auch p. 7H, Note 1.
GöTTERSYJIBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEX DeNKMÄLERX.
81
Transkriptionstabelle
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Verzeichnis der Abkürzungen.
ABAW = Abhandl. d. k. Akademie d. Wissen- .1. A. =
Schäften zu Berlin. Mars. =
AGWG = Abhandl. d. k. Gesellschaft d. Wissen-
schaften zu Göttingen.
AO = Der alte Orient. ilDOG =
Arn. = Inschriften, gesammelt von A. Arnaud,
pnbl. von F. Fresnel, J. A. 4. ser. Mordtmann =
tom. VI, p. 169 ff.
Berlin = Himjar. Inschriften u. Altertümer, publ.
von J. H. Mordtmann, s. HIA. MVAG =
Bibl. Nat. = Bibliotheque Nationale, deren Inschrif-
ten publ. von H. Derenbourg, Les OLZ =
monuments Sabeens et Himyarites de OM =
la Bibliotheque Nationale, Paris.
Bird = Inschriften gesammelt von Dr. Mackell. Os. =
publ. von J. Bird, Journal of the
Bombay Brauch of the Koy. Asiatic Prid. =
Society Oct. 1844, p. 30—40.
CIH = Corpus Inscriptionum Semiticarum
Pars IV.
eis =: Corpus Inscriptionum Semiticarum. liev. Arch. =
Derenbourg = Inschriften publ. von H. Derenbourg URAL =
in den Etudes sur l'epigraphie du
Yemen I — IV. J. A. 7. ser. tom. Sab. Denkm. =
XIX, p. 361 ff.
Gl. = Inschriften der Sammlung Eduard
Glaser.
Hai. = publ. von J. Halevy, Kapport sur une WZKM =
mission archcologique dans le Yemen,
J.A. 6. ser. tom. XIX, p. 129— 266. ZA =
HIA = J. H. Mordtmann, Himjarisohe In-
schriften u. Altertümer in den kgl. ZDMG =
Museen zu Berlin. (Berlin 1893.)
Hofm. = Inschriften des k. k. Kunsthist. Hof- n. d. =
museums in Wien, publ. von D. H. n. g. =
Müller, Südarabische Altertümer im n. 1. =
Kunsthist. Hofmuseum in Wien. n. pr. =
Journal Asiatique.
Inschriften im Museum in Marseille,
publ. von H. Derenbourg, Eev.
Archeologique III. ser. tom. 35, p. 1 ff.
Mitteilungen d. deutschen Orient-Ge-
sellschaft.
J. H. Mordtmann, Unedierte himjari-
sohe Inschriften ZDMG XXX, p.
288 ft'.
Mitteilungen der Vorderasiatischen Ge-
sellschaft.
Orientalistische Literaturzeitung.
Osmanisehes Museum, im Tschinili
Kiösehk in Konstantinopel.
die von Oslander, ZDMG. XIX. p.
159 ff. edierten Inschriften.
die von W. F. Prideaux edierten
Inschriften in Transactions of the
Society of Biblical .Vrcheologie Vol.
11, p. 19 ff.
Revue Archeologique.
Rendiconti della E. .-Vccademia dei
Lincei.
J. H. Mordtmann u. D. 11. Müller.
Sabäische Denkmäler (Denkschr. d.
kais. Akad. d. Wissensch. in Wien,
phil.-hist. Kl., Bd. XXXIII).
Wiener Zeitschrift für die Kunde des
Morgenlandes.
Zeitschrift für Assyriologie u. ver-
wandte Gebiete.
Zeitschrift der deutschen morgenländi-
schen Gesellschaft.
nomen dei (deac).
nomen gontis.
nomen loci.
nomen proprium (personale).
Denkschriften der phil.-hist. Kl, 5H. Bd. 1. Abh.
11
82
I. Abhändlcng: Adolf Grohmann.
Verzeiclmis der zitierten Inschriften.
Arn. 14 = Gl. 513 = 514 = Hai. 673, 674.
, 19 = Gl. 524.
„ 20 22 b, 23 b, 24, 30 b, 31a.
„ 26 = Gl. 552.
„ 28 = 44 = Gl. 563 = 565.
33 = Gl. 545 = Hai. 671.
„ 36 = Gl. 477 = 563.
„ 44 = 28.
„ 46 = Gl. 696.
^ 47 = Gl. 695.
54 = Gl. 482 - 484 = CIH 373.
55 = Gl. 485 = CIH 374.
„ 56 = Gl. 481 = CIH 375.
Berlin 8 41a.
, 2618 46 a.
„ 2624 46 b.
„ 2635 46b.
Bibl. Nat.. 20 65 a, 67 a.
„ 22, 24 67 a.
Bird 2 (= Mackell 2) 7 a, 14 b.
Bulawayostein 5 b. 9 b, 14 b, 15, 16 Note 1, 33 a,
34 Note 3, 48 b, 71a, 74 a.
CIH 4 = Gl. 4 = Hai. 10.
„ 30 41a.
„ 33 41a.
„ 43 = Gl. 374.
„72 67a 68 Note 1.
„ 73 = Os. 1 14, 15a, 24b, 68b.
„ 76 = Os. 12 44 b, 46 b.
„ 79 38 b, 44 b, 46 b.
„ 86 = Os. 17 7 a, 14 b, 15 a.
„ 97 41a.
„ 102 33a, 34b.
„ 106 = Hai. 686 41a.
„ 124 = Gl. 103.
„ 139 = Gl. 118.
„ 155 = Gl. 138.
„ 226 = Gl. 210.
„ 285 = Gl. 262.
„ 290 = Gl. 862.
„ 293 = Sab. Denkm. 18 41 a.
„ 306 = Gl. 863.
„ 338 46 a.
„ 362 38b, 43b.
„ 366 = Gl. 901 = 1531 = Hai. 50.
„ 373 = Gl. 483.
„ 374 = Gl. 485 = Arn. 55.
„ 375 = Gl. 481 = Arn. 56.
„ 378 = Prid XI 8 b.
„ 380 = Sab. Denkm. 21 10b, IIb, 15a.
CIH 389 = Os. 34 5 Note 2, 9b, 14b, 15a.
„ 393 9a, I5a.
„ 394 = Landberg 4 IIa, 15a.
„ 395 9b, 15a.
„ 397 = Reh. 6 9b, IIa, 15a, 63b.
„ 398 = Gl. 891.
, 403 = Hai. 172 7 a. 14 b, 15 a.
„ 407 = Mars. I 9 b, 15 a.
„ 409 = Hofm. 5 = Gl. 623 = 1546.
„ 410 9 b, 15a.
Delosaltar 23 a, 28 a, 54 a, 55, 72 a, 73 a.
Derenbourg I 39 a, 43 b, 62 b, 63 b.
XX 65 a, 67 a.
Ganneaustele 30 a, 46 a.
Gl. 4 = CIH 4 = Hai. 10 8b, 14b.
„ 29 = 279 = 1209 6 b, 46 a. 47 b.
„ 103 = CIH 124 62 a.
„ 118 = CIH 139 35 b, 37 a.
„136 43 Note 7.
„ 137 43 Note 7.
„ 138 = CIH 155 40 b.
„ 210 = CIH 226 37 a, 43 b.
„ 230 43 b, 63 a.
„ 262 = CIH 285 39 a, 43 b.
„ 279 = 29 = 1209.
„ 301 = Hai. 370, 371 6b, 67 a.
„ 302 33, 34 a.
„ 323 39 Note 6.
„ 325 66 a, 67 a.
„ 358 64 a.
„ 374 = CIH 43 43 Note 9.
„ 397 67b.
„ 425 6, 14b, 15a.
„ 472 19 a, 23 b.
„ 477 = 563 = Arn. 36 19 a, 23 b, 24 a.
„ 481 = Arn. 56 = CIH 375 IIa, 13b, 14b,
19 a, 23 b, 24 a.
„ 482 = Arn. 54 7 a, 9 Note 4, 14 b.
„ 483 = Arn. 54 = CIH 3 73 7 Note 2, 9 a, 14 b.
„ 485 = Arn. 55 = CIH 374 13a, 14b, 19a,
22 b, 23 b, 24a 79 Note 17.
„ 487 6 b, 10 a, 14 b.
„ 488 10 a, 14 b.
„ 491 14 b.
„ 495 = 0. M. 304 71a, 74 a.
„ 499 10a, 14b, 15b.
„ 502 19 a, 23 b, 24 a.
„ 503 19, 22 b, 23 b.
, 513 = 514 = Arn. 14 = Hai. 673 f. 19 b, 23 b.
„ 522 5 Note 3, 19 b, 23 b.
Göttersymbole und Symboltiere
AUF SÜDARABISCHBN DeNKMÄLERN.
83
671 19b, 23b.
20 a, 24 a.
Gl. 523 23 b.
„ 524 = Arn. 19 14 b.
„ 525 23 b.
„ 545 = Arn. 33 = Hai.
„ 549 23 b.
„ 552 = Arn. 26 48 b.
„ 558 19 b, 23 b.
„ 563 = 565 = Arn. 28 = 44
„ 573 20 a, 23 b, 24a.
„ 591 23b, 24a. Gl. 596 20a, 23b.
„ 610 = 796 20, 22b, 23b.
„ 623 = 1546 = Hofm. 5 9 b und Note 7, 14 b,
15 a, 40 b.
, 654 10a, 13a, 14b.
„ 655 9a, 14b.
„ 691 = 1728 = Müncb. 74 6 b, 35, 36 b, 37 a.
„ 695 = Arn. 47 35 a.
„ 696 = Arn. 46 20 a, 23 b.
„ 712 IIa, Üb. Gl. 715 62a.
„ 717 14b, 15a, 16b, 17a, 65b.
„ 731 20 a, 23 b, 24 a.
„ 737 38b, 41, 43b u. Note 10.
„ 743 20 b, 23 b.
„ 755 35a, 36b.
„ 781 23 b, 28 a, 29 b.
„ 796 = 610.
„ 797 20b, 23b, 24, 31a.
„ 801 38 b, 54 b.
, 804 38 b, 44 a, 45 b.
„ 862 = CIH 290 54 b.
„ 863 = CIH 306 70 Note 5.
„ 891 = CIH 398 40b, 63b.
„ 892 = 1527 6b, 2la, 23b.
„ 899 = 924 = 940 = 1139 = Hai. 43 6 b, 30 b.
„ 901 = 1531 = Hai. 50 = CIH 366 5 b, 6 b,
19 a, 21a, 22 a, 23 b, 24 a.
„ 902 = 903 21a, 23 b.
„ 910 = 1676 21a, 23 b.
„ 916 21a, 23 b.
„ 924 = 899 = 940 = 1139 = Hai. 43.
^ 940 = 899 = 924 = 1139 = Hai. 43.
„ 1000 AB 6 b, 21a, 23 b, 24 a.
„ 1049 = Hofm. 23 7 a, 14 b.
„ 1050 = Hofm. 4 54 a, 65 b.
„ 1083 = Hai. 187 -f- 188 -+■ 191 6b, 53a.
„ 1090 = 1153 = Hai. 243 6b, 53a, 55a.
„ 1091 = Hai. 257 45, 53a, 55 a.
„ 1095 24b.
„ 1108/9 6 b, 21a, 24 a.
„ 1111 6b, 39b, 41b, 43b.
„ 1121 46a.
„ 1139 = 899 = 924 = 940 = Hai. 43.
„ 1147 = Hofm. 14 16 Note 1, 21b, 24a, 30a.
Gl.
1153 =
1155 =
1158
1162 =
1209 =
1234 =
1302
1316 =
1343
1422 =
1424
1425
1426
1427
1434
1467
1468 =
1471 =
1527 =
1529 =
1530
1531 =
1533
1535 =
1546 =
1550
1551
1552
1558 —
1565
1572
1603/6
1620 =
1641
1647
1649
1652
1664 =
1675 =
1676 =
1698 =
1724 =
1728 =
1747 f.
1752 =
1755 =
1756 =
1757 =
1759 =
1762 =
6 b. 25 a,
22 a.
51 Note
= 1090 = Hai. 243.
= Hai. 535 + 578 52 b, 55 a.
6 b, 23a, 35 b, 37 b, 54a, 55, 72.
= Hai. 255 53 b, 55.
= 29 = 279.
= Hai. 478 6 b, 53 b, 55, 72 a, 73 a.
6 b, 23 a, 53 b, 55 a, 72.
= Hai. 532 6 b, 52 a, 72 a.
23 b, 28 a.
= 1620 = Südarab. Exped. 90
66 b. 67 Note 3.
41a.
41a.
6 b, 40 a, 41a, 65a.
70 b.
23 b, 28 a.
22 b, 23 b.
= Hai. 339
= Hofm. 40
= 892.
= Hai. 52; 6b, 22a, 23b, 35b, 37b, 55b.
23 b.
= 901.
6 b, 10 a, 14 b.
= Hofm. 24 15b, 32b, 33a, 34, 40a.
= 623 = Hofm. 5.
6 b, 21a, 22 a, 24 a, 32 a, 34 b, 35 b,
37 b, 55 b.
6b, 7, 14b, 15a.
6 b, 35b, 36a, 37a.
60 6 b, 22 a, 24a.
7 a, 14 b.
6b, IIa, 14b, 15a, 63b.
41a.
= 1422 = Südarab. Exped. 90.
6 b, 22 a, 23 b.
22 b, 23 b.
6b, IIb, 12a, 14b, 15, 16a, 24a, 33b,
34b, 65b.
6 b, 39 a.
-- Müncb. 1
= Münch. 14
= 910.
: Münch. 44
= Münch. 70
22 b, 23 b, 24 a.
22 b, 23 b.
6 b, 22 b, 23 b.
6 b, 38 b, 44, 45 b, 46 a.
691 = Münch. 74.
= Münch. 93 f. 6 b, 39 b, 43 b.
Münch. 98 51b und Note 6.
Münch. 101 51 Note 6.
Münch. 102 51 Note 6.
Münch. 98 51 b Note 2.
Münch. 105 — 6 51 Note 6.
Münch. 109 51 Note 6.
11*
84
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Gl. 17G5 = 112 51 Note 6.
„ 1766 = 113 51 Note 6.
, 1767 = 114 51 Note 6.
, 1769 = 116 51 Note 6.
, 1790 = Hofmus. 9 30 b.
Hai. 10 = Gl. 4 = CIH 4.
43 = Gl. 899 = 924 = 940 = 1139.
" 50 = Gl. 901 = 1531 = CIH 366.
52 = Gl. 1529.
144 50 und Note 4.
„ 148 50 Note 4.
„150 50 Note 4.
155/6 49 a, 50 b und Note 4.
158 50 Note 4. Hai. 159 50 Note 4.
, 160/1 49 a, 50 b.
„ 172 = CIH 403.
„ 187 + 188 4- 191 = Gl. 1083.
, 243 = Gl. 1153.
„ 255 = Gl. 1162.
„ 257 = Gl. 1091.
„ 280 — 331 24 b.
„ 280—86 22 b, 23 b.
283 — 86 22 und Note 2, 23 b.
„ 289 22 b, 23 b.
„ 292 22 b.
„ 303—5 22 b, 23 b.
„ 326 22 b, 24 a.
„ 331 22 b, 24 11.
„ 239 = Gl. 1468.
„ 370/1 Gl. 301.
„ 478 = Gl. 1234.
„ 480 23 a, 28 a, 53, 55.
„ 486 53a, 55a.
„ 532 = Gl. 1316.
„ 535 + 578 = Gl. 1155.
„ 620 22 b, 24 a.
„ 623 47 a.
, 647 35b, 36b.
„ 671 = Gl. 545 = Arn. 53.
„ 673 + 674 = Gl. 513 = 514 = Arn. 14.
„ 682 = Levy II 30 a.
Hofmus. 4 = GL 1050.
5 = Gl. 623 = 1546 = CIH 409.
9 = Gl. 1790.
„ 14 = 61.1147.
„ 23 = Gl. 1049.
„ 24 = Gl. 1535.
„ 40 = Gl. 1471.
„ 41—4 41a.
„ 48 68 Note 5.
, 123 62 a, 63, 64 Note 6.
„ 125 60b, 61b. Hofmus. 136 73 a.
„ 132 70a. „ 137 73a.
lohainsehriften (Littmann 27) 6b, 12a, 15a, 41b,
43 Note 10, 51a.
(Littmann 32) 41b, 43 b, 51a.
Landberg 4 = CIH 394.
Levy II = Hai. 682.
Mars. I = CIH 407.
„ III 38 Note 5, 39 a, 43 b, 63 a.
„ X 23 b, 28 a, 29 b.
,, XII 35 b, 36 b, 37 a.
Mordtmann 6 10 b.
8 9 a.
München 1 = Gl. 1664.
14 = Gl. 1675.
44 = Gl. 1698.
70 = Gl. 1724.
74 = Gl. 1728.
93—94 = Gl. 1747—48.
98 = Gl. 1752.
98— 117 = Gl. 1752— 70 51b.
., 101—2 = Gl. 1755—6.
„ 105 = Gl. 1759.
„ 106 = Gl. 1759.
„ 109 = Gl. 1762.
„ 112 = Gl. 1765.
, 113 = Gl. 1766.
„ 114 = Gl. 1767.
„ 116 = Gl. 1769.
0. M. 3 = Sab. Denkm. 23 62 b, 66 Note 2, 64 b.
„ 32 10 b.
„ 34 66 a.
„ 84 68b, 69.
„ 118 70b, 71b.
„ 135 66 a.
„ 138 66 a.
, 157 38 a, 63.
„ 282 10a, 32b, 71a, 74b.
„ 304 = Gl. 495.
Os. 1 = CIH 73.
„ 12 = CIH 76.
„ 17 = CIH 86.
„30 33 a und Note 2, 34.
, 34 = CIH 389.
Prid. XI = CIH 378. Prid. XIII 6 Note 2.
Reh. 6 = CIH 397.
Kihab 32 64 a.
Sab. Denkm. 1 30 a, 70 Note 5.
„ 18 = CIH 293.
„ 20 8a, 15a.
„ 21 = CIH 380.
„ 23 = 0. M. 3.
232—35 62 b.
40 50b. Sab. Denkm. 46 62a.
Südarab. Exped. 90 = Gl. 1422 = 1620.
Göttersymbole und Symboltiere auf sCdarabischen Denkmälern.
85
Eigennamen- und Sachregister.'
A.
Abbreviatiii'en 58 b.
Abessinien 14b, 41b, 43 Note 10, 51a.
Abulfarag- (n. pr.) 43 b.
'Abyän (n. 1.) 33 a.
Achämenidische Kunst 59 Note 3.
Adad (n. d.) 26 b, 28 b, 29 a, 49 b, 65 a, 80 a und
Note 1.
Adler 3 b, 35 Note 1, 75, 79.
Ägypten 15 b, 79 und Note 17, 80 Note 1, 4.
Agänr XVI, 48. so, 71b.
Akropolis von Athen 12 b.
— von Susa 78 Note 13.
Aksum (n. 1.) 79 Note 10.
'Ali (n. pr.) 45 Note 4.
'Alkama (n. pr.)'81a.
'Almakah (n. d.) (Y<l'I]1h u. «Y'i'fllhi 3b, 5b,
6 b, 7 a, 8 b, 9 b, 10, 11, 13 b, 14 b, 15, 16 a,
17 a, 19 a, 20 a, 21, 24, 30 b, 31b, 33 a, 34 b,
35 a, 37, 40 b, 41a, 44b, 48 b. 55, 58 b, 64 a,
65 b, 69 b, 70 a, 79 b, 80 a.
— Heiligtum (i]>Ti]) des — 63 b.
— Herr von Hrn"' (,!] H > T 11 ° Fl) 6 b. -
— Herr von Mdr (^>[>|i] |1on) '^a.
— Herr von V (Höh I1°n) 9b, IIa.
— Herr der Steinbocke v. Sirwäh (T®)X1°®h1°n)
9b, IIa, 63b, 64a.
— von Hirran (H>V|=j) 7a, 14a.
— Priester (<D^)j des — 22 b.
— Thuän (HcDyg) 9 b.
— tur ba'l" (^1oni>®?) 40b.
'Almakahtempel (Y'i' ^1h IXTFI) "< ^. 14b, 15a,
22 und Note 3, 23 b, 24 a.
— Weihungen an 'Almakah 6 b, 7 a, 9 b, 10 b,
IIa, 13b, 15a, 19a, 21a, 24a, 44b, 70a.
Altäre 6b, 7a, 9a, 10, 12a, 14b, 15a, 20b, 21b,
23 a, 24 a, 33 a, 38, 39, 41b, 43 b und Note 10,
44 b, 51a, 62 b, 63 a, 64 b, 65 Note 3, 66 a.
Altes Testament 47 b.
altlihyänisch 58 a (Siegelzylinder),
altsabäische Inschriften 21b, 44 a.
'Amm (n. d. l]o) 24 b, 39 b, 40, 41a, 43 b, 64 b,
67 Note 3, 80 a.
— Weihungen an — 39 b, 40 a.
— von Ökr (><!>^H) <^ö'j-
'Ammi-ilu (n. pr. (1htl°,' 5^b.
Amon (n. d.) 58 a.
Amon-Re (n. d.) 77 b, 79.
'Amran (n. 1.) 7 a, 14, 41a, 44 b, 68 Note 1.
Amulett 26b, 41a, 45b. 73b, 77 b, 78, 80 und
Note 4.
Antilope 3 b, 64 f., 79 b.
Antilopenkopf 66 Note 1, 67 a.
Anu-Adadtempel 29 a.
'Anüket (n. d.) 49 b, 79 Note 3, 80a.
Apisstier 79 a.
Araber — vorislamische 43 b.
'Arhab (n. g.) 40 b.
el-'Asül.iil (n. 1.) 7a, 14b, 22a.
Aschurnasirpal III (n. pr.) s. Assurnasirpal.
Assarhaddon (n. pr.) 28 b.
Assurnasirpal lü, 29.
Astar (n. d. J>XrS°) 41b, axumitische Schreibung
des Gottesnamens 'Attar (>X?°* ätli- htlC^'C'
htl'l'Ctl' 'itl'tCh' Ijei A. Dillmann, Sirach
31, 8 u. p. 117.
Astarte (n. d.) 45 b.
'Äthan 19 a (Bauwerk).
'Attar (n. d. >X§o) 3b, 5b, 9b, 12a, 14b, 15a
und Note 1, 20, 21, 24, 31a, 33 a, 35 a, 38 b,
41b, 43 b und Note 10, 44, 45 b, 46 a, 48, 50 b
(= Mtbntin), 51b und Note 6, 52, 55 b, 56 b,
58b, 64a, 65 undNote 3, 66a, 67, 72a, 79b. 80a.
— Kif des, 38 b.
— Dil Dibän bal bhr IJtb"" (Hon | hflHN
anfflT OTFI) öl Note 6, 54a, 65b, 67a
Weihungen an — 54 a, 64 a, 66 a.
— Du Ihrk (<i'>V?N) 5b, 53, 54a.
— Du Kbd» (aSri'l'N) ob. 52b, 53, 54a, 55a.
Weihungen — 53.
— Du Rhbh (VnT>N) 65a.
— Du Rsf» (t]OI>N) 67b.
— Srkn 33 a, 53, 54 a; vgl. Särik.
— Widmungen an 'Attar 55 a, 64 a.
'Attarmonogramm 23a, 48a, 52a, 53,54a, 55, 79a.
'Attarwild 20 b.
Au dl s. wa il.
Axt (Symbol des Blitzes) 78 b.
B.
Bab el-'Akir (n. 1.) 14 b.
Babylon 61b, 71a, 73a, 74b, 79b, 80b.
Babylonien 42 b, 47 b, 48 b, 78 a. 79 b, 80 a.
Babylonier 80 Note 2.
Bahr (n. pr.) 39 a.
Bahrein 71a.
' Zu den südaiabische.n Göttern und Symbolen wolle man .lueh die Übersichtstafel, p. 76, verglciclien.
86
I. Abhandlung: Adolf Gkohmann.
el-BaicJä (n. 1.) 21b, 22, 23 b.
Bain s. Jath'i-amar.
Bakis 79 a.
banü Kinäna (n. g.) 43 b.
Baräkis (n. 1.) 23 a, 52, 53, 54 a.
Bata' 37 a, 43 b (Sippenname ^).
Bäumchen 50 b.
Bauinschriften 8 b, I9b, 20 a, 21a, 22, 23 a, 24 a,
35 a, 38 b, 43 Note 9, 44 a. 46 a, 52, 53.
Bauwerk 10 a.
Bavian {n. 1.) 36 a.
Bavianrelief 3(5 b.
Bazodeo (n. pr.) 78 Note 19.
Beil (zwischen Ochsenhürnern) 34 Note 4.
Belädorl 71 a.
Beled Hamdän (n. 1.) 40 b.
Belehnungsurkunden, babylonische 26 b, 72 b.
Beltempel zu Nippur 74 b.
Bes (Gott) 58 Note 4, 79 Note 3, 80 a.
— als Amulett 79 Note 3, 80 Note 4.
Beschwörungsrelief 74 f.
Beyt el-'Aswal (n. 1.) 67 a.
Bin (n. 1. h?n) s. Du Smui. Auch Appellativ von
Königsnameii (Bain), s. Id'l, It"mr.
Billds (n. pr.) 14 b s. auch Haram.
bkr"- s. Du Smui.
Blitzbündel (V) 3 a, 5 b, 6 b, 17 a, 19 a, 24, 25 a,
30 b, 32 a, 51a, 53, .54, 55, 77 a, 78 Note 20,
79 a, 80 a.
— babylonisches 25 fF., 77 a.
— hetitisches 28, 77 a, 77 Note 1.
— als Amulett 26 b, 80 b.
Blitzbündel und Donnerkeil 32 — 34, 79 a u. Note 2.
— und Doppelgriffel {%) 3, 5, 6b, 7b, 13b, 16a,
19 32.
Blitzstrahl und Regen 34 Note 6.
bnu tur" (l]>a>g | q^D) ß? a (Sippenname).
Bock 58 a.
Borsippa (n. l.) 36 a, 73 a.
Brisams (',^a^|?>n n. pr.) 39a.
— ni (11°?lrM]^?>n n. pr.) 38b.
Bronzelampe 60 a.
Bronzen, elamische 73.
Bronzepferde 70, 7la.
Bronzeschlangen 73.
— von Gezer 73 Note 8.
Bronzestab 73 a.
Bronzeszepter 73 b.
Bukranion 8b. 10a, IIb, 15b, 16a, 24a, 33b,
34 a, 48 b.
Bulawayo 'Jh.
Bulawayostein (Abb. 9) 5 b, 9 b, 14 b, 15, 16 Note 1,
33 a, 34 Note 3, 48 b, 71a, 74 a.
Bumerang 71b, 18 a.
Büschel 67 a; s. auch Frucht.
Bustän es-Suhän ( Ortlichkeit in San'ä) 21 b.
Bustrophedoninschriften 7 a, IIa, 16b, 19b, 20b,
21b, 23 b, 28 a, 29 b, 33 a, 35, 36 b, 38 b,
44 a, 51, 62 a.
c.
CMB (Caspar, Melchior, Balthasar) 41b.
Chonsu (n. d.) 77 Note 2.
Chorsabad (n. l.j 63 b.
D.
dabi 64 a und Note 5, 65 Note 3.
Paff (n. 1.) 43 Note 9.
Damm bei Märib 22 b.
Dareius HystaspLs 69 a.
Dät Badän (HtHon IXH »• d.) 70b und Note 7,
71a, 80 a.
— Hmi-" (HTCIT IXH n. d.) 20a, 21, 35, 37 und
Note 1, 38 b, 43 b, 48 b, 79 Note 18, 80 a.
— Weihung an Dät Hmi" 35 b.
— Nsk" (n^^hlXN 11- d.) 53a.
Delos 23 a, 54 a, 55.
— nordminäischer Altar von D. 23 a, 28 a, 72 a,
73a.
Domar (n. l.j 38 b.
Donnerkeil 66 Note 4, 67 b, 79a; s. auch Blitz-
bündel, Stierkopf.
Doppelblitz 28 f, 77 a.
Doppelgriffel (H) 5 b, 6 b, 16 b, 17 a, 19 b, 20, 22 b,
24, 30, 31, 32 a, 34 Note 6, 46 b, 47 a, 52,
67b, 77, 80a.
Doppelstab (= Totschläger) 8 b, 24 a.
Drache 3, 15 Note 1, 69 b, 71—75, 79.
— babylonischer 74.
— doppelköpfiger 75.
Drachenhälse 9 b.
Drachenköpfe 74 b.
Dreizack (Symbol des Blitzes) 78 b.
Du Dibän s. 'Attar.
— Gmm» (fltltiriM n. pr.) 6b, 10a.
— Hirrän s. 'Almakah.
— Hrf" (n. pr.) (Auflösung von n n) 5 Note 3.
— Htbn s. Uadd.
— Ihrk s. 'Attar.
— ijn (Ho§?M n. pr.) 6b.
— KbcJ" s. 'Attar.
— Raidän (H t>| f > t=j) 54 a, Beiname der späteren
Könige von Saba.
— Rhbh s. 'Attar.
— Smui (Smi '^(oj]^^ n. d.) 22b, 24, 30, 31, 34
Note 6 (^ Regenspender), 47 Note 8, 80 a.
GöTTERSVMBOLE UND SyMBOLTIERE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄLERN.
87
Dü Smi, Herr von bkr" (l]>^n lloll) 30 a.
— in Bin (l/|?n) 30.
— mkf des — 22 b.
— Weiliung an — 30.
Du Sahar (n. pr.) 72 a.
ed-Duraib (n. 1.) 22 a, 24 a.
ed-Duwair (n. 1.) 40a.
E.
Ea (Göttin) 56 a.
Eannadn (n. pr.) 50 a.
Elam 78a; s. auch protoelamisch.
Elamiten 47 b.
Epigraphik, arabische 24 b.
Euphrat loa.
Expedition, südarabische 58b, 60b, 64a,- 66b,
68a, 72a, 73a.
F.
Fahnenstange, persische 45.
Falke 79 b.
Familienwappeu 36 a.
Federkrone 3 b, 49, 50, 58 Note 4, 79 a, 80.
■ — als Amulett 80 b.
— der 'Anüket 49 b, 79 Note 3.
— babylonische 49 f.
— kretische 49, 79 Note 3.
— lihyänische 49 a.
— sumerische 50 a.
Feleg (bei Märib, n. 1.) 14 b.
Frucht (= Büschel, Pinienzapfen) 33, 34 a.
Gabhat (HXVni) 70b.
Gailan (H1?T1 n- pr.) 38 b.
Ganneaustele (Abb. 112) 30a, 46a.
Gauf rn. 1.) 7 a, 21b, 40 a.
Gazellen 65 Note 3, 79 b.,
Gazellenköjjfe 67 a.
Gebel Bälak el-'Ausat (n. 1.) 38 b.
el-Gedida (n. L) 21b, 39b, 46a.
Geier 79 a.
Gewichtslöwe 68 Note 5.
Gezer (n. 1.) 73 Note 8.
Gir'än (n. 1.) 39 a.
Götteranrufung 20a, 21b, 35a, 48b, 53b.
Gök-Täpä, Siegelzylinder aus — 79 Note 4.
Göttertrias 21b, 37a, 55a, 58b.
Grabstelen (phönizische) 42 a.
Graffiti 23 b, 51, 64 a.
Greife 62 Note 3, 69 a.
el-Güba (n. 1.) 21b, 23 b, 39 b.
Gumdän (Schloß in San'ä) 70 b.
H.
Hadakäninschrift (Gl. 302) 33, 34 a.
Hadramaut 54 a.
hadramautisch 41b, 43 b.
Hagar Zahra (n. 1.) 46 a.
Halilier (Sippe) 5 a.
Hamdän (Stamm) 43b; s. auch Beled, IJäz, Hazm.
Hammurabi (n. pr.) 46 a.
Hand 44 — 46, 55 a.
— als Mittel gegen die böse Seele und den bösen
Blick 46 b, 78, 80 b.
— 'Ah's 45 Note 4, 78 a.
— bronzerne 44 b, 45.
— Fätimas 45 b, 78 a.
— Gottes 78 a.
— jüdische 78 b.
— Marias 78 a.
• — Muhammeds 45 b, 78 a.
Handsymbol, babylonisches 45.
— phönizisches 45 b.
Haram Medinet (n. 1.) 49 a.
— Bilkts (n. 1.) 6b, 7a, 9a, 10a, Hb, 13b, 14b,
23 b.
Härim (n. 1.) 30 b, 66 a.
Harmachis (n. d.) 77 b.
Harpokrates (n. d.) 78 Note 1.
harränisches Mondsymbol 42 a.
Hathor (n. d.) 77 Note 2.
Haubas (r^fl^V n. d.) 14b, 20a.
Hausziege 74 b.
el-Hauta (Lahag, n. 1.) 9 b, 14 b.
Häz in Hamdän (n. 1.) 37 a.
el-Hazm Hamdän (n. 1.) 7a, 14b.
Heiligtum (I])Ttl) des 'Almakah 63 b.
— des Herrn der Steinböcke 63 b.
— der öams 43 Note 9.
Henu ez-Zireir (n. 1.) 40 a, 41a, 70 b.
Herr des Himmels — 'Attar 31a, 43 Note 10, 67 b.
— der safateni.sche (-öD^iya ,]üDh::n) 31a.
— Du Smui 31.
— hetitischer 78 Note 1.
Himmelskönigin (Tanit) 67 b.
Hieb 31 sr, 74 b.
Hirrän s. 'Almakah.
hkl s. Krummstab.
Hlkrb Sdk bn -Abid' (| HR I "^HI I n)rn IX
o^Trih) n- Pi'- ö3a.
Horus (n. d.) 78 Note 1.
hpS s. Sichelschwert,
^rn" 8. 'Almakah.
^usn äl-Q-erädän (n. 1.) 35 b.
^usn bei Märib 35 b.
— unteres bei Märib 20 a.
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Jafriit (Götze) 70 b und Note 3.
Jahwezeichen 4Tb.
Jath'i amar Bain (n. p.) 20 b (22).
latil ng?) 53, 54 a (n. 1.).
Ja'ük (Götze) 70 b.
Ibn al-Kalbi (n. pr.) 71 Note 4.
Ihn Sidah (n. pr.) 70 b.
lcV'\ Bin (HTn llhoN?) n. pr. 22 Note 2.
id"l Drh (T>HI1h°N?) n. pr. 21b.
Id"l Watar OX® I1h°^?) "■ pi'- 19> 20a.
Jeha (n. 1.) 12 a, 41b, 43 b und Note 10.
— Altarinscbriften aus 6b, 12a, 15a, 41b. 43b
und Note 10, 51 a.
Jerusalem 71 a.
'I'h (Mondgott) 77 Note 2, 78 Note 1, 79b, Thtj
(= Thoth).
Iklil 43 a.
Imnt (n. 1.) 54 a.
Inauguration für 'Almakah 8 b.
Inschriften werk Glasers 20 b.
Josiah (n. pr.) 71a.
Isindynastie 72 b.
Isis (n. d.) 77 Note 2, 79 b.
Istar (n. d.) 36 a, 45 b, 46 a, 5lb, 57 a, 79 b.
Istartor (in Babylon) 61 b.
It'mr (n. p.) 19 b.
iV'mr Bin (HTfl DUh^H n. pr.) (20b) 22.
it'n (H°??H) Sippe 6b.
'Jus'5set (n. d.) 77 Note 2.
K.
Kadfises II (n. pr.) 78 b.
Kamele, schwarze 71b.
Kampf der Einheitsgestirne 56 b f.
Kampfszene 56 — 59.
Karn el-^Mureitih (n. 1.) 30 b.
Karthago 67 b.
Kaskase (n. 1.) 51 a.
Kassitenzeit 47 a, 57 a, 61 a.
ICaswini (n. pr.) 70 b.
Katabän (n. g.) 3 b.
Katabänische Inschriften 23 b, 28 a, 38 Note 5,
39b, 40a, 41 und Note4, 46a, 64, 66b, 67 Note 3.
Kaukabän (n. 1.) 41a.
Kera' (n. 1.) IIa.
Kf (Of) 8. Kif.
lijf (0?'!') Opferaltar 9 b, 20 b, 21b undj Note 5,
38 b nach Glaser = Räucheraltar; s. auch mkf.
Kingu (Gott) 57 a.
Kitab al-'asnäm 71 Note 4.
Knossos 47 a.
Konjunktion des Mondes mit dem Venussterne 77 b.
Kor 'an (Sure 17 Vers 108) 43 b.
Kreis 22 a, 23 a, 35—37. 44 a, 54 a, 55 b.
Kreta 78 b.
Kreuz 46 f, 78a. als Amulett 80b.
— ägyptisches 78 b.
— hetitisches 78 b.
— kretisches 77 Note 4, 78b.
— minoisches 47 a.
— sumerisches 78 b.
Krummstab (hJcl) 77 b, 78 Note 1, 79b und Note 17,
80 Note 5, als Amulett 78 a, 80 Note 5.
L.
Lagasch (n. 1.) 17 b.
Lanzenspitze s. Speerspitze.
Lebensbaum 47 b.
Lihaj'att (n. pr.) (X2o?T1) ''Ob.
lihyänisch (Siegelzylinder) 49, Doppelblitz 77a.
Lisän el-'Arab 70 b.
Löwe 3 b (17 a), 39 und Note 6, 58, 67—70, 75 b,
79 a, 80 Note 1.
— ägyptischer 79, 80 Note 1.
— aksumitischer 79 Note 10.
— babylonischer 68, 70 a.
— hetitischer 79 Note 10.
— persischer 70 a.
Löwenkopf 75 a.
Löwenköpfige Gottheit 79 Note 10.
M.
Mahmud Bey, Exz. 59 a, 64 a.
Main (Hol]) n. 1. 3b, 45a, 48, 53, 54a, 55b, 79b.
Malatia (n. 1.) 71 Note 2.
Marbat ed-Dimm (n. 1.) 14 b, 19 b, 48 b.
Marduk (n. d.) 5 b, 18 b und Note 3, 4, 28 b, 32 a,
37 b, 48 a, 49, 49 b, 57 a,' 59 a, 69 b, 79 a,
80 a und Note 1.
Mardukkampf 63 a.
Marduknadiusum (n. pr.) 18 Note 4.
Mardukpaliddin I (n. pr.) 26 b.
Märib (Dorf) 6 b, 20 b.
Märib (Stadt) 6a, 7a, 8a, 9, 10a, 13b, 14b, 15h,
19, 20, 21 b, 23 b, 35 a, 38 b, 62 a, 71 a.
Manb (n. 1.) 20 b.
Marokko, Hand als Amulett in 46 b.
Martu (n. d.) 42 a.
Matarä (n. 1.) 41 b.
mdbht (XTflNl]) Opferaltar 6b, 10 b.
M'dkrb Izd (n. pr.) (o|X? in)rnl>l°I]) 64a.
Mebnä el-Hairag (n. 1.) 10 a, 19 a.
Medinet Haram (n. 1.) 49 a.
Medr ()i>|r]) n. 1. 7a, 43a; s. 'Almakah.
Cjöttersymboi.e und Symboltiere alf südarabischen Denkmälern.
89
Meli-Schipak (n. pr.) 18 Note 3.
Memphis (n. 1.) 78 b.
Mensäh (Wasserkiosk) 35 a.
el-Mesäg-id (n. 1.) 21b, 23b, 24a.
Mesopotamien 79 b.
mhfd (tHOTH) Turm 53 b.
mhrm s. Heiligtum.
mkf (O-j-t]) Opferaltar 22 b, 24a; s. Dvi Smui.
Mikräb in Ma'in (n. 1.) 53 a.
Miniler 56 b.
minäische Inschriften 23 a, 35 b, 45, 48, 62 b,
64 b.
— Symbole 50 b, 51—56.
minoische Zeichen 8a, 9a, 10b, 12a, 47a, 49,
65 Note 5, 78 a.
Mnevis 79 a.
Monde, beide im Monat 69 b.
Mondgottheiten s. 'Almakah, 'Amm, Sin, Uadd.
Mondhymne 34 Note 6.
Mondsichel 34 b, 35 Note 1, 36 b, 44 a, 45 b, 46 a,
mit + 77 Note 4, 78 Note 13.
mondsichelartige Hörner 34 b, -lOa.
Mondsichel und Hand 45 a.
Mondsichel und Scheibe 12a, 15a, 37 — 44, 51a,
63, 65 Note 3, 67 b, 71b, 75b, 77, 79b, 79
Note 2.
— als Amulett 77 f., 80 b.
— babylonische 42.
— phönizische 42 a.
— in der Tradition 43.
Mondsichel, Scheibe und Hand 44 — 46, 79 b und
Note 2.
Mondsymbol s. harränisch.
Monogramm 5 a, 6 a, 7 b, 10 a, 24 b, 48 a, 49 a,
53b, 56 b, 57 b, 58b, 66b; s. auch 'Attarmono-
gramm.
Month (n. d.) 79 a.
Mtbntin (HTfflHnXl]) n. d. 50b (= 'Attar) und
Note 4, 66 a. Weihungen an — , 50 b.
Mukarrib (Priesterfürst) 19 b, 20 b, 21b, 30 a, 79
Note 17.
Mukarribperiode (und Inschriften aus der — ) 6 a,
14b, 16, 19a, 20a, 21, 22, 23b, 24, 29b, 41a,
60b. 62a, 79 Note 17.
Münzen, elymaidische 77 a.
— himjarische 7 b, 8 b, 10a, IIb, 16a, 22b, 23 a,
24, "30 a, 33 b, 34, 39 b, 47 a, 48.
— indische 78 b.
— ptolemäische 34 a.
— römische (aus Sizilien) 49.
Muräd (n. g. i 46 a.
Mykenisches Goldornament 78 a.
Denkschriften der pliil.-hist. Kl. lii. Bd. 1. Abh.
N.
Nal)ü (n. d.) 32a, 80a.
Naharaim 13 a.
Nähr Ibrahim 59 a.
Nannar (n. d.) 80 Note 1.
Nasr (Götze) 65 Note 3, 75 a.
Nask {if^li) n. 1. s. Dät Naslj.
Naw.äm'» (n. 1.) 20 b.
Nazi-Maruttasch (n. pr.) 17 a, 26 b.
Nel)0 (n. d.) s. Nabu.
Nebopaliddin in. pr.) 32a.
Neboschumisclikun I (n. pr.) 36 a, 73 a.
Nebukadnezar I (n. pr.) 42 b, 72 b.
Negä (n. 1.) 46 a.
Negrän (n. 1.) 47 a, 70 Note 3.
Nergal (n. d.) 36 a, 37 Note 1.
Netanyahu (n. pr.) 57 b.
Nina (n. d.) 13 a.
Ninive 61 b.
Nippur [n. 1.) 72 b, 74 b.
Nkrh (T)rnH) n- d. 5 b, 53, 54 a, 55, 80 a.
— Weihungen an — , 53 b.
N'mn (m] o l/| = ^^(..»JÜ ?) n. pr. 70 b.
Nordjemeu 70 Note 3.
Nru ((d)H) n. d. 12a, 15a, 41b, 80a.
0.
Onuphis 79 a.
Opferaltar 6b, (9b), 10b, (20b, 21b und Note 5,
22 b, 24 a, 38 b), 41b.
Opfertisch, ägyptischer 44, 45 a, 55 a.
Ordenskreuz 78 b.
Ornament (^ Symbol) 5 a.
Osiris (n. d.) 78 a, 79 a.
ostarabische Kunst 63 b.
P.
Palästina, Zauberbräuche in 46 b, 77 b, 78, 80b.
Papyrusbillet, arabisches 77 b.
Pa-Tum (n. 1.) 79 a.
Personaldedikation 35 b, 46 a.
Pferd 3 b, 39 b und Note 6, 70 f., 79, 80 a.
— schwarze Pferde 71.
Pferdekult 71a.
Phallen 58 a.
Phallusdienst 58.
Phönizier 24 b.
Pinienzapfen s. Frucht.
Porosarchitektur 1 2 b.
protoelainische Zeichen 77 Note 1, 78.
Priesterfürst (= Mukarrib) 20 b; s. Mukarrib.
■::psayM'ir,G{q 43 Note 4.
12
90
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Ptah (n. d.) 78 Note 1.
Ptah-Sokar-Osiris (n. d.) 79 a, 80 a.
panische Inschriften 45 b.
R.
Rabbsams (n. pr.) 43 Note 7.
Raowän ed-Duraib (n. 1.) 7a. 14b, 35b; s. ed-
Duraib.
Raidän (n. 1.) 54 a: s. Dii Raidan.
Ramman (n. d.) 29 a.
Räucheraltar 38 a, 63 a; s. auch kif.
TT Weg. 23, 11 — 71a.
Reiter (rii^)) mit seinem Pferd 70 Note 5.
Rennut (n. d.) 77 Note 2.
Ribb'il (n. pr.) 39 a.
Riemenzeug 70 Note 5.
Rihäb (n. 1.) 64 a.
Rinder, schwarze 40.
Hing Marduks 37 b.
Riyäm (n. 1.) 43 a; s. Ta'lab.
rkb (rifn)) Sattelgeschirr, Reiter, Riemenzeug,
70 Note 5.
Rsf" (dOD) [Tempel] 53a, 67 b; s. 'Attar.
rsu (Priester) 22 b, 24 a.
Rudra (n. d.) 78 b.
S.
Saba (hHr^) n. g. 3 b, 19 b, 20 b, 48 b, 54 a, 64 a,
69 b, 71a, 78 a.
Sabäer 17 a, 41a, 51a, 71a, 80 b.
Sa'd (Horh) n. pr. 39 a.
Sa'dsams (r^I]^>|of^ n. pr.) 39a, 43 Note 7.
Sahar (n. d.) 3b, 9b, 15 Note 1, 71, 72a.
Samah'alaj (nach Glaser) n. pr. 20b. =
= Smh'li (n°Vl]W 21b, 22 b.
Smh'li IJrh (HJ>H ITIoVnW n- pr. 22b.
Samsi-Adad IV. 26 b, 73 b.
Sana (n. 1.) 8b, 14b, 20b, 21b, 24a, 38a, 41a,
59 b, 63 a, 64 a, 68 b, 75 a.
Sanherib (Senacherib n. pr.) 36 a.
Sardus I^ater (n. d.) 47 b.
Sattelgeschirr s. rkb,
Saturn 47 b.
es-Sauda (n. 1.) 67 b.
Säwwana (n. 1.) 20 a.
Sbk in Nebtynis (n. d.) 5 b (2:o-/.v£ßTJvt;).
— Herr der Insel (n. d.) 5 b (lov.ww.o^).
Schaf 39 b und Note 6.
Schala (n. d.) 42 b.
Öammar Juhar'is (n. pr.) 54 a.
Samas (n. d.) 56 b, 61a, 71a und Note 2, 80 a.
Schams fr^l]^) "■ d. 43b, 58b, 79 Note 18.
Schams, Heiligtum der — 43 Note 9.
Schamsi-Adad IV. s. Samsi-Adad.
.^ärik (H <i> > ^) = 'Attar 39 a, 44 b, 65 Note 3 (= der
Glänzende nach Fell, 44 Note 3).
Sekir 0^^) n. 1. 25 a, 66 b.
Öibäm (n. 1.) 35 b, 62 a.
Schlaggegenstände, elastische 17 a.
Schlange 3 b, 5 b, 23 a, 52 a, 53 b, 54 a. 55, 56 a,
71—73, 75 b, 79, 80 b.
— als Heilsträger 80 b.
— babylonische 72 f.; s. auch Sirru.
— ägyptische 79 b.
— im Zauber als Amulett 80 b und Note 2.
Schlangengottheit 47 a.
Schlußmarke (X) 47 b.
Schutzgott gegen Beschädigung von Monumenten
53 a.
Schwarze Kamele 71b.
— Rinder 40.
— Pferde 71.
Semsera 67 b.
Serapis (n. d.) 78 Note 1.
Sibitti (n. d.) 36 a, 78 a, 80 a.
Sichelschwert, ägyptisches 77 b.
Siegel, arabisches 77 b.
Silyäm (n. 1.) 22 b, 24 b, 47 a.
Sin (H[^) n. d. 41b, 43 b. 65 a.
Sirru (n. d.) 56 a.
Sirruschlange 72 f., 79b.
Sirrussu 74 b; s. auch Drache (babylonischer).
Sirwäh (if<D)Xn. 1.) 9b, 10a, IIa, 14b, 15a, 21,
22, 23 b, 24, 39 a, 51b und Note 2, 63 b, 65 b.
Siva (n. d.) 78 b.
SiziHen 49 b.
Sm' (oilr^n) n. d. 38 b, 43 b.
Smh'^ali s. Samah alaj.
Sokar (n. d.) 78 Note 1.
loy.vcß-uvi; (n. d.) 5b; vgl. Sbk.
iloy.vuvaio; (n. d.) 5b; vgl. Sbk.
Sonne 44a, 57 a, 75b, 79 Note 10; s. auch Schams.
— Kult der, 43 b.
Sonnendienst 43 b und Note 9.
Sonnengottheit, ägyptische 79.
Sonnengöttin 37 b.
Sonnenrosse 71 a.
Speerspitze 3, 5b, 15 Note 1, 48, 51b, '78b,
79 a, 81a.
— babylonische 31, 48, 78 b.
— elamische 78 Note 18.
Sphinx 3 b, 68"b— 70, 79 b.
Spiegelfoi-men 24 b.
Spiegelstellung 7 b und Note 5, 8 b, 9 a, 10 b, 11,
12 a, 13 b, 19, 20, 21, 22, 24 b.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
91
Statue, goldene 67 a.
Steinbock 3 b, 38 a, 56—64, 79.
— Herr der Steinböcke s. 'Almakah.
Sterne 35—37, 42 b, 44 a, 54, 78 a, 79 b, 80 a;
s. auch Kreis.
• — auf Amuletten 78 a, 80 b.
Stier 3 b, (17 a), 40 b, 57 b, 65—67, 79, 80 Note 1.
— Beiname des Mondgottes Nannar 80 Note 1.
Stierbild (ganzes) 40.
Stierkopf 3 a, 15 a, 16 a, 24, 31 Note 4, .32 b, 33
und Note 2, 34 b, 40 b, 65 a und Note 5, 66,
67 und Note 3, 80 a.
— kretischer mit X '^'^ Note 4, 78b.
— • mykenischer und kretischer mit Axt 79 Note 6.
Stierkopf und Donnerkeil 32 — 34, 65, 79 a und
Note 2.
Stierkult 40, 71a.
Stufensymuietrie 24 b.
Südarabien 80.
Sumerer 49 b, 50 a.
Sumer und Akkad (n. 1.) 26 b.
Susa (n. 1.) 73, 77 Note 4, 78 Note 13.
Symbolpaare 79 Note 2.
Symboltiere 5 a, 56 ff.
Syrien 59 a.
T.
Ta'lab (nihX) n. d. 33a, 43 Note 7.
Ta'lab Kiyam (t]a?> inihX) n. d. 46a, 47b, 70
Note 5.
Tanit (Astarte) 45 b, 67 b.
Tatunen (n. d.) 78 Note 1.
Tau (in) 47 b.
Tell6(n.l.)6a, 12b, 17aundNote6, 18 b, 19a, 57 a.
Tempel des 'Almakah 7a, 14b, 15a, 21 und Note 3;
231), 24 a, 63 b; s. auch Heiligtum.
— des 'Attar Du Kbd"» 53 a.
— der Sams 43 Note 9.
— • des Uadd 52 a.
Tempelinschriften 21 a.
Teschup (n. d.) 28 b, 29 b, 80 a.
Tetradrachme 34 a.
Theben (n. 1.) 77 Note 2, 79.
Thoth (l'htj) 77 Note 2.
Thueris (n. d.) 77 Note 2.
Thun s. 'Almakah.
Tiämat (n. d.) 57 a.
Tiere, heilige 79.
Tierdienst 71 Note 4.
Tierfiguren 5 a.
Tierkult, ägyptischer 71 b.
Tiersymbole 5 a.
Tigris 13 a.
Toconda (n. 1.) 51 a.
Torsymbol (K) 3, 5 b, 23 a, 52, 53—56, 79 und
Note 4.
Totschläger {\) 3, 5, 6—19, 22b, 23 Note 5, 24,
34b, 48b, 65b, 77 b, 79b, 80b.
— hetitischer 77 Note 9.
— sumerischer 17 f, 77 b und Note 11, 79 Note 17.
Traditionen (muslimische) 40 b 70 b,' 71a, 75 a.
-:ptr/.£Ar,; 78 a.
Tum (n. d.) 79 a.
Tur ba'l"' s. 'Almakah u. bnu.
Türflügel (hinter der Gottheit) 56 a.
Turm 53; s. auch ml.ifd.
U.
Uadd (iHo)) n. d. 5 b, 381), 39 a, 40, 41 und Note 4,
43b, 52a, 53, 54a, 55, 65a und Note 3, 71a, 80a.
— Tempel des — 52 a.
— Weihungen an — 39 a, 41a, 53 h.
Uadd 'ab (ühN® und 0(1 h I fllHo'^ 40 f.
Uadd Du Htb™ (Hfl [DTN IHN <»] 41a.
'u" (n. 1.) 9b, IIa; s. auch 'Almakah.
'Umm el-I<:is (n. 1.) 14 b.
Ur, Dynastie von — 42 b.
Ur Nina (n. pr.) 17 a und Note 6.
utf (OX«!») -texte 10 b, 15 a.
'Uzzä (Götze) 71a.
Venusstern 42, 46 a, 56 b, 67 b, 79 b (= 'Attar,
beziehungsweise Istar).
Vulva 49, 51, 57a, 77.
W.
Wädi'Abida 22 b, 23 b.
— Pahr 40 b.
— Denne 20 b, 21b.
Wahab-Sams (n. pr.) 37 a.
wa'il 64 b Note 4, 5. PI. 'aual Hoofiii ,Kdle-
63 Note 4, Ortsname ebd.; s. auch 'Almakah,
Herr der Steinböcke von Sirwäh.
Wappen 75 Note 6.
Wappenemblem, türkisches 77 a.
AVappenstil 24 b, 59 Note 3.
Wappenzeicben 12 Note 1, 77 b.
Wasser, als Symbol der Fruchtbarkeit 12 b, 13.
Wasserlinie 12 b, 13 b.
Weihgeschonke 59 b.
Weihungen an 'Almakah 6b, 7a, 9b, 10b, IIa,
I.Hb, 15a, 21a, 24a, 44b, 70a.
— 'Attar Dil Dibän 54 a.
— 'Attar Dil Kbd'" 53.
— Du Smui 30.
12*
92
I. Abhandlung: Adolf Grohmans.
Weihungen an Mtbntin 50 b.
— Kkrli 53 b.
- Uadd 41a, 53 b.
Widder 58a.
Wurfliolz 17 b, läa.
Z.
Zafär (n. 1.^ 33 a, 59 b, (Ua, 67 b.
Ziililen, heilige 78a.
Zaid al-bail (n. pr.) 70 b, 71b.
Zalma (n. 1.) 14 b, 62 a.
Zauber 46 b, 80 und Note 2.
Zauberschutz 15 b, 65 a.
Zauberzeichen 15 b.
Zeichen s. minoische.
— zu Anfang der Inschriften 5 a und Note 3,
35 b, 36 a.
Zemzembrunnen 65 Note 3.
Ziege 39 und Note 6.
Ziegenhörner 58 Note 4.
Ziegenkopf 75 a.
Zwillingsdämonen 3 a, 16 b, 17 a.
Zwillingssymbol 5 b.
Sabäisches Wortregister.
"HTnh (n-pr.)
TWTirih Hai. 159, 50 Note 4.
irih
HVHinh® I HHIA Sab. Denkm. 1, 70 Note 5.
I ^a)h I Vn I Y^Ülh CIH 394, IIa; CIH 395, 9b.
I ^a)h1on I Y-^Ülhl Os. 34, 9b; CIH 394, IIa.
^<Dh1°nH<:'Y?Y^fl1^ Mars. I, 9b.
[nun I xNni>
Y<i>aih (n. d.)
Y^mh Gl. 477, 19a; Gl. 563, 20a; Gl. 573, 20a: Gl. 591,
20a; Gl. 654, 10b, 58b.
Y^mhl I SNTV Prid. 11, 8b.
Y-l-mh I TH<!'V CIH383, 7a; Gl. 485, 13b; Gl. 502, 19a; Gl. 1551,7a.
Y^ÜIhn Gl- 1724, 44b.
I I]a)h I >n I Y^mh I 0-^ CIH 395, 9b.
nQhVnho'YgY^aih l TH-^V Mars. 1, 9b.
I i]H>T I >n I Y^mhn gl 425, 6b.
I )IHI] I 1°n I Y-^mh Hai. 172, 7a.
H>(Dt^ I 1°n I Y-^mh Gl. 1572, IIa, 64a.
Y]'D)JL1o<Dh1onY^i]1h Reh. 6, 9b, IIa, 63b.
«Y'l'tllh Gl. 499, 10a.
I h)YN I »Y^mh I »TH-^V Os. 17, 7a,
I Y<^S]1h<i> I r^Cn^V Gl. 717, 14a,
^n<»v I n<i> 1 )x?[°n]
Y^mh I n«' I )x?°n gl «91, 35a; gl 1109, 211..
Y^mh I n«» I )x?°n gi.hos, 21b; os. 30, 33a.
Gl. 731, 20a.
GÖTTKRSYMKOLE UND SyMBOLTIKRE AUF SÜDARABISCHEN DeNKMÄI.ERN. 93
Y<^I]1h I X?n Gl. 1108/9, 21 Note 3.
<»Y!l1h I 0?^ I ?Hn Gl. 1147, 21b.
Y-^aih I ®^) Gl. 1664, 22b.
)"äh
)*^H I Üo I )I]hn Gl. 1422, 66b.
n s. Y^fllh^ i]?i]T I XH, )X?°-
)Tn s.)Tnion.
x?n
I Y^HIh I X?n Gl. 1108/9, 21 Notes.
H^® I X?n I ?Hn Gl 1316, 52a.
1] ) CD g I o H n Bibl. Nat. 22, 67 a.
, , Gl. 374, 43 Note 9.
■ ■■IM^ I t]>Ti] I h>^^V I
I <i>Yraaih I o?<^ I ?Hn gl 1147, 21b.
^I>|<D(D I ^?^^ I XN® I °^^<i> I >X?° I 0?'^ I ?hn Gl. 737, 38b.
I a^® I x?n I ?Hn gi. 1316, 52a.
I HHOTa 1 ?Hn<i' I h1^ Hai. 480, 53b.
I ?H^h<i> I ?hn® I h1^ GL 1155, 52b.
>n
I t]®h I 1°n I Y^Ülh CIH 394, IIa; CIH 395, 9b; Os. 34, 9b.
I](Dh1°nH<»VSY<^!]1h Mars. I, 9b.
I flH)T I i°n I Y^aihn G1.425, 6b.
!]H)T I >n I (i'IlVh)!] 1 -i-O^ Gl. 425, 6b.
I )HI] I 1°n I Y^aih Hai. 172, 7a.
hV-^h I 1°n I Y^aih Gl. 1.572, IIa, 64a.
Y]'^>Al°<^h I 1on I Y^HIh Reh. 6, 9b, IIa, 63b.
)]n[IlT)Tn I 1°n gi. 1050, 54a (='Attar Dil Dibän).
fl>^n I 1°n I ?^r^N Sab. Denkm. 1, 30a.
l])^n I 1°n I ?f]i^N Sab. Denkm. 1, 30a.
?>n
rhH^ I ?>n "■ P'-. iMar-s. III, 39a.
1>? I r^I]^?>n n. pr. CIH'362, 38b.
94 I. Ahhandlung: Adolf Grohmann.
xvni
X2WTT1 I XTH^V I HiH°n I XN I XVni O. M. 118, 70 Note 7.
fii[n<DV (n- d.) Gl. 717, 14b.
iXHin<i>iV'^5]ihin<='ir^n<i>v i n<^ i )x?[°n] i^, ^„^ 2^^
I h)VM I O'Y'^Illh I ®?H^V Os. 17, 7a.
I>|(D (n. d.)
ÖiH'i'«!) I n?t]TiXH<E|°i]rh<^ DXMOT^IThn Gl- ^^3^, 38b.
I m<!> I x?n I THn gl isig, 52a.
I HtH® I ?h'!'V Derenb. I, 39 a.
I HflOlTN I I]>l® Sab. Denkm. 18, 41a.
nhH® 40b, 41a (Hai. 686, CIH 33, 97, Gl. 1424, 1425).
I flrih I OH® 41a (Hofm. 41—44, Berl. 8).
loa) PI. loa) h
T]®);f.1°®h>nY^aih Rel^-ß. 9^, na, 63b.
I h^o^h I 1°n I Y^mh gl 1572, Ha, 64a.
"^0)1 1 locDh [i i°n I iDTan] gl soi, esb.
OX® Sab. Denkm. 21, 10b, 15a.
TX^ 3.1h°I^?-
hga)
I i]<Dhi°n I Y-^mhi 1 hH?<i> I ?xa^ os. 34, 9b.
.] rhfl^ I a)Tl] I h)OV<i' I H)S«'Va' I »Thn GL 374, 43 Note 9.
H)YH s-ojY'^aih-
HPHN s. )X?°-
HnOlTW I l]H<i> cm 293, 41a.
ai]flTlN1 I H°??H 1 XTnNt] GL 487, 6b.
agHTlN Gl. 488, 10a.
aOÜTlNI s.o. GL 487, 6b.
Göttersymbole und Symboltiere auf südakabischen Denkmälern. 95
To'Ilr^N 30 b, 31, 47 Note 8.
I ?®I]r^M I O^Ü Arn. 20, 22b.
Ü>^[] I Vn I TD^H I «»Th^V Sab. Denkm. 1, 30a.
vnT)t=i
VnT)N I >X?° 0. M. 3. 65a.
I ÜWf I XH
I I]?aT I XN 37 Notel.
I I]?I]T I XN I n<i> I Y^ÖIh I n® I >X?°n G1. 552, 48b; gl 691,35a; gl llOy, 21b.
XH I na> I Y^tnh I n<^ I ^ni>v 1 n» 1 >x?[on i ^, „„, ,,„
!]?r]T I ^'•'^^'^^^•
I t]?aT I XN I ^TH-^V GL 1552, 35b.
I I]?r]T I XNn Mars. XII, 35b.
HH'ixi'IIlTllT IXH^hllr^® i >X?°IO?^l?Lin GL 737, 38b.
)^^N s. ^o.
Hn°n I XH s.xvnn-
Y^aihl I SHTV Prid. XI, 8b.
hN)T
hr^1 I Kl>l)T Littmann 32, 41b.
h)T in-l-)
I I]H)T I >n I Y^tUhn Gl- 425, 6b.
I H?n 1 1h°l>l? n- pr. HaL 280ff. 22 Note 2.
I >X® I 1h°>l? n- pi-- CIL 503, 19a; Gl. 545, 19b; GL 610, 20a.
?^
I hriNM I )X?° I ®^) I H®? Münch. 98, 113, 51 Note 6.
HXY s.n)rtt>|oI].
hTn I )I]h°?T GL 558, 19b; Gl. 1558, 1559, 1560, 22a; GL 1675. 22b.
oO?1 HaL 620, 22b.
X?WTT1 m-pi-O
X?HTT1 I X?H^Y I h^°n I XN I XVH"! OM. 118, 70 Note 7.
96 I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
)tH^ (n. ].)
I )N^ I 1°n I Y^fllh I ?H^V Hai. 172, 7a.
x^nNa
X^nNl] 0. M. 32, 10b.
HaHTlHI I H°??N I XTnNH Gl. 487, 6b.
Y-^mh I VN?)<ß.-.. I XTnNt] Gl. 654, 10b.
Gl. 891, 63 b.
h1°i>h1on I t])Tf] )
HHOTÖ I ?hn^ I h1^ Hai. 480, 53b.
NX? I n)l^N°I] ßihäb 32, 64a.
I r]H)T I 1°n 1 -i-IlV^)?] I ^0^ Gl. 425, 6b.
IT]<=5)A><i>h>nY^r]1hl o'lIVLh)!] I <i>]?H<^V Reh. 6, 9b.
HTfflHnXl] (n. d.) Hai. 155 f, 160 f, 50b; Gl. 325, 66a.
H[]o|/| Gl. 1427, 70b.
0))^ (n. d.)
<D)H<i> I >Xr^W Littmann 27, 41b.
?1°Ynr^ (n. pr.) Gl. 1558, 1559, 1560, 22a.
oHr^ (n. d.)
i]N®<D|i]?i]TIXN<i'l°i]^<i' I >XMOT^I?hn Gl. 737, 38b.
h^ (n. d.)
I Mr^1 I H>I)T Littmann 32, 41b.
)XI° I T-l-rh® Münch. 106, 109. 51 Note 6.
h1^
I flSn^H I )X?° I h15^ Gl. 1083, 53a.
H>IOTt] I ?Hn<D I h1^ Hai. 480, 53b.
?H^r^<^ I Thn« I M^ Gl. 1155, 52b.
I Ü° 1 TH-It^ Gl. Uli, 39b; Gl. 1747/8, 40a.
I )n^ I I]° I )ahn Gl. 1422, 66b.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern. 97
1hl]° 58b.
a')h® I >Xr^H Littm. 27, 41b.
>X?° (n. d.) 50b, 51 und Note 6, 58b.
m^<^ I i]?i]T I XH» I °a^® I )x?° I OT^ I ?hn gl 737, ssb.
[OTfiiT I XNn<i> I Y<^nih 1 n-i- 1 )xs°n gl 69i, 35a; 1109, 21b.
XNin^i Y^mhin» 1 ^ni>v 1 n<» 1 )xs[°n 1 ^,, ^3^ ^^^
I i]?r]T 1 "■ ' ^ ■
)X§°n GL 717, 14b; als Name Münch. 101 f, 105, 51
Note 6.
I Y^UI^ I n<^ 1 )XS°n Os. 30, 33a; GL 1108, 21b.
I )XM I ?H*V GL 358, 64a.
I )XS°[1 X]Th^V OM.34, 66a.
I hflNN I )X§° I Münch. 98, 113, 51 Note 6.
I aSn-^N I )X?° GL 1155, 52b.
I flSn^H I )X?» 1 M^ GL 1083, 53a.
hVHin^® I HniA Sab. Denkm. 1, 70 Note 5.
T]<i>)A 100.^ 1on Y^ait^ Reh. 6, 9b, IIa, 63b.
1 I]<i'h>nH'DY?Y'^t]1h I TM-^V Mars. I, 9b.
)lHf] I 1°n I Y<^l]1h I ?H^V HaL 172, 7a.
I Y'i'Illh I TH'i'V cm 383, 7a; GL 1551, 7a.
I Y^fllh I ?H^V GL 485, 13b; GL 502, 19a.
i]a>^ I 1°n[l Y-^mh I ?H-^V] cm 394, IIa.
>XM I ?H^V GL 358, 64a.
I I]iHa) I fH'i'V Derenbg. I, 39a.
I H)YN I <i>Y^^1h I <">?h^V 08.17, 7a.
T]<i')A1°»h1°nY^^1Mi>flV[h)^ I a>]?H^V Reh. 6, 9b.
I l])^n I 1°n I ?I][^H 1 '^Ih'fW Sab. Denkm. 1, 30a.
I a?I]T I XH I <»?h^V GL 1552, 35b.
I TH^r^® I ?Hn<ß I M^ GL 1155, 52b.
I 1]° I TH'l'rt GL IUI, 39a: GL 1747/48, 40a.
X?[°]?T1 I XTH^V OM. 118, 70 Note 7.
I >X?°[I X]TH<^V 0. M. 34, 66a.
1 ^H)T I 1°n I «"^VN)^ I ®0^ GL 425, 6b.
Denkschriften der phil -hist. Kl. 58 Bd. 1. Abh. '"
98 I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Qa)^ I Vn I Y-^ai^ I 0^ cm 395, 9b.
I <>?'{' Gl. 797, 20b, 21 Note 5.
I a>Y[^]!]1h I Of^ I Thn Gl. 1147. 21b.
NtHa)a)|l]?i]T I XNa'loa^i' l>XMO?^lthn Gl. 737, 3Hb.
?®I]HiN I O-l-fl Arn. 20, 22b, 24a.
1|i,ffig) n. pr. Hai. 486, 53 a.
rifn) Gl. 863, 70 Note 5.
Y<^I]1^ I <D^) Gl. 1664, 22b.
l^riNH I >X?° I ®^) I ^®T Müneh. 98, 113, 51 Note 6.
;|g") Gl. 717, 14b.
I Y'^I]1^ I VH?)<i'---XTnHi] Gl. 654, 10b.
in
l-Kh^n I Y<^i]1h1 I hhS» 1 ?X^^ Os.34, 9b.
)^^N I ^° I )I]^n (n.l.) Gl. 1422, 66b.
r^^^ (n. d.)58b.
.]nl]^ I ^)T^ I H)<^^V« I h)S<i'T<i' I «»Thn Gl. 374, 43 Note 9.
H^)<: (n. d. =-)Xg°)
H«^1 39a.
I ai]?> I nihX (n-d.j Gl. 1209, 46a.
h«Y? (n. 1.)-
n(Dh1°nHa'YSY'^I]1h Mars. I, 9b.
r]1°n I >i Gl. 138, 891, 40b.
I i])(Dg I ®Hn Bibl. Nat. 22, 67a.
Göttersymbole und Symboltiere auf südarabischen Denkmälern.
99
Verzeichnis der Abbildungen/
6b
7a
7b
8a
Seite
Abb. 1. Totsohlägersymbol auf Gl. 425 ... 6 a
2. Totschlägersymbole auf sabäisehen In-
schriften: a Gl. 487, 6 Os. 17, c Gl.
1049, d Maekell Nr. 2, e Hai. 172,
/ CIH 383, g Gl. 1551 ....
,, 3. Symbole auf sabäisehen Münzen: a
Schlumberger 13 (Paris), h Head 15
(London, Brit. Mus.)
„ 4. Totschlägersymbole auf sab. Münzen .
„ 5. Minoische Hieroglyphe 8 a
„ 6. a — e Totschlägersymbole auf sabäisehen
Inschriften und Münzen: a Gl. 491,
b Gl. 4, c CIH 378, d auf der Münze
Hofmus. V 1 — 2, e von den Münzen
Berlin 195, 220, 221, /, g minoische
Zeichen auf Tontäfelchen ....
„ 7. TotBchlägersymbole auf sabäisehen In-
schriften und Münzen: a sab. Denkm.
20, b Berlin 196, c Berlin 219, d Gl.
655, e Gl. 483, /Berliner Münze, g
Mordtmann 8
„ 8. Totschlägersymbole auf sab. Inschriften:
a CIH 393, 6 0s. 34, c CIH 397 .
„ 9. Sabäisches Kelief in Bulawayo .
„ 10. Sabäisches Eelief (0. M. 282). Konstan-
tinopel, Tschinili Kiöschk ....
„ 11. Totschlägersymbole auf sabäisehen Mün-
zen: a Schlumberger 53 fParis), b
Hofmus. V. 5 (Wien) 10 a
„ 12. Totschlägersymbole: a auf Gl. 488, b
auf Gl. 654 10 b
„ 13. Minoische Hieroglyphe 10 b
„ 14. Totschlägersymbole auf sabäisehen In-
schriften und Münzen: a Gl. 499, 6
Gl. 1533, c Gl. 1572, d Münze Hof-
mus. V. 1—2 (Wien), e Gl. 1572 . IIa
„ 15. Totschlägersymbole auf sabäisehen In-
schriften: a CIH 394, b Gl. 481, c
Gl. 712 IIa
„ 16. Gl. 1649, sabäisches Relief aus' Sirwäh
(nach der Rückseite des Abklatsches
photographiert) Hb
9 a
9 a
9b
10
Abb.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31,
32.
33.
34,
35.
36
Totschlägersymbol auf einem sabäi-
sehen Altare aus Jeha . ...
Zeichnung eines assyrischen Tempel-
sehülers
Minoische Hieroglyphe auf der Phae-
stusscheibe
Wassersymbol von derPorosarchitektur
der Akropolis in Athen ....
Chaldäisehe Göttin auf einem Relief
aus Tello (Paris, Louvre)
Totschläger auf: a Gl. 481, 6 Gl. 485
TotscLlägersymbol auf Os. 1 . . .
Sabäischer Altar aus Zalma, Gl. 717:
a Vorderseite, b Totalansicht .
Ol. 524
Hofmus. 24, sabäisches Relief (Wien)
Typenübersieht zum Totschlägersym-
bole: a Gl. 487, b CIH 383, c Gl.
491, d CIH 378, e Sab. Denkm. 20,
/ Bulawayostein, g Gl. 488, h Gl.
1572, i Gl. 712, j Gl. 1649, k Gl.
485, l Os. 1, m Gl. 717 ... .
Totschlägersymbol auf Gl. 717
Sumerische Totschläger
Musoheltäfelchen aus Tello (Paris,
Louvre)
Kalksteinrelief aus Tello (Paris, Louvre)
Gott Marduk; Lazurstange aus Babylon
(ca. 850 v.Chr.). (Berlin, Kgl. Museen)
Assyrische Götterprozessiou aus Malatia
Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäisehen Inschriften: a Gl. 472, b Gl.
477, c Gl. 481, d Gl. 485, e Gl. 502
Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäisehen Inschriften: a Gl. 503, b Gl.
514, c Gl. 522, d Gl. 525, e Gl. 545,
/Gl. 558, ^ Gl. 549
Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäisehen Inschriften: a Gl. 565, b
Gl. 573, c Gl. 591, d Gl. 596, e Gl.
610, / Gl. 696, g Gl. 731 .. .
Seite
12a
12 a
12b
12b
13 a
13 a
14a
14 a
14b
15b
16 a
17 a
17b
17b
18a
18b
18
19 a
19b
20 a
' Durch die freundliche Überlassung von Klischees haben mich die Herren Professoren Fr. Delitzscli (zu .\bb. 60,
157, 178, 19.^), P. Handcock (zu Abb. 29), H. V. Ililprecht (zu Abb. 18, 196), P. Jaeobsthal (zu Abb. 66, 71 f.),
M. Jastrow (zu \bb. 32, 33, 51, 52, .54, 62, 182, 197), A. Jeremias (zu Abb. 57, 106, 142, 143, 159) sowie ihre Herren
Verleger vorptiichtet. Die Photog-raphien zu Abb. 83, 169, 170, 180 danke ich der Güte Sr. Exz. Halil Edheni, jene zu
Abb. 88, 166 der Direktion des Museums in Marseille, die Pliotographie von Abb. 20 Herrn Prof. Dr. Hans Schrader.
Zu Abb. 21 hat mir Herr L. Heuzey einen Lichtdruck überlassen, zu Abb. 173 Herr Dr. E. A. Wallis Budge den Ab-
klatsch. Herrn Dr. V. Christian danke ich die Photographie zu Abb. 107. Herrn A. J. Evans verdanke ich die Erlaubnis
zur Reproduktion der Abb. 5, Cfg, 13, 19, 113. Herr Ij. Oelaporte gestattete mir die Reproduktion der von ihm ver-
öffentlichten Siegelzyliuder.
13*
100
I Abhandlung: Adolf Grohmann.
41.
42.
Abb. 37. Blitzbündel und Doppelgriffel auf s;i-
bäischen Inschriften: a Gl. 743, h
Gl. 796, c Gl. 797
„ 38. Blitzbündelu.DoppelgrifFelaufGl.1527
39. Blitzbündel und Doppelgriffel auf Gl.
1531
40. Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäischen Inschriften: a Gl. 910, b
Gl. 916, c Gl. lOOOB, d Gl. 1109
]51itzbündel und Doppelgriffel auf
Hofmus. 14
Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäischen Inschriften: a Gl. 1467, h
Gl. 1468, c Gl. 1529, d Gl. 1550 .
43. Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäiachen Inschriften: a Gl. 1558, h
Gl. 1559, c Gl. 1560
44. Blitzbündel und Doppelgriffel auf sa-
bäischen Inschriften: a Gl. 1641, h
Gl. 1647, c Gl. 1675, d Gl. 1698,
e Gl. 1664
45. Göttersymbole auf sabäischen Münzen
46. Blitzbündel auf rainäischen Inschriften:
a Gl. 1158, b Gl. 1302, c Hai. 480,
d Delosaltar
47. Blitzbündel auf sabäischen und kata-
bänischen Inschriften: a Mars. X,
b Gl. 781, c Gl. 1343, d Gl. 1434
48. Monogramm auf Gl. 1095 ....
49. Monogramm auf Gl. 1422 ....
Übersicht über die sabäo-minäischen
und babylonischen Formen des ein-
fachen Blitzbündelsymboles von: a
Hofm. 14, b Gl. 591, 6' Gl. 1698,
c Gl. 1158, c Gl. 1664, d Münze
Hofm. Ii2, d' GL 472, e Hai. 480;
a von der Nazi-Maruttaschstele (vgl.
Abb. 5l), a' von einer Belehnungs-
urkunde Nebukadnezars I. (ca. 1130
V. Chr.), ß vom babylonischen Siegel-
zylinder Delapcrte 181, /5' vom ba-
bylonischen Sicgeizylinder Delaporte
148 (ca, 2200 — 2100 v. Chr.), y von
der Alabastertafel Schamschi Adads
IV. (ca. 823—811 v. Chr., vgl. Abb.
54), y von der Belehnungsurkunde
Meli Schipaks (ca. 1204-1 190 v.Chr.)
Grenzstein des Nazi-Maruttasch, ca.
1322 — 1297 V. Chr. (Paris, Louvre)
Seite D einer Urkunde aus der Zeit
Meli Schipaks (ca. 1204—1190 v.
Chr., Paris, Lonvrc)
20 a
20b
20 b
21 a
21 b
21b
22 a
22 a
23 a
23 a
23 b
25 a
25b
50.
51.
52.
25
26 a
27
Seite
Abb. 53. Ochse mit Blitzbündel, vom babylo-
nischen Siegelzylinder Delaporte 204
(Paris, Bibliotheque nationale) . . 26 b
54. Alabastertafel Schamschi Adads IV.
(ca. 823 — 811 v. Chr., London,
British Museum) 27
55. Das dreistrahlige Blitzbündel: a vom
Delosaltare, b von Gl. 1343; a vom
Bilde Teschups (aus Babylon, s.
Abb. 57) 28 a
„ 56. Blitzbündel in der Hand Adads, auf
einer Lazurstange aus Babylon . . 28 a
„ 57. Bild des hetitischen Gottes Teschup,
aus Babylon 28 b
„ 58. Das zwei- und dreistrahlige Blitz-
bündel: a von Mars. X, b von Gl.
781; a von der Alabasterskulptur
Aschurnasirpals III. (Abb. 60) ..28a
„ 59. Gemme mit lihyänischer Inschrift
(London, British Mn'seum) . . . 28 b
„ 60. Alabasterskulptur Aschurnasirpals III.
(ca. 883 — 859 v. Chr.) aus Nimrud
(London, British Museum) . . . 29 a
„ 61. Goldblitz aus dem Anu-Adadtempel
in .4.ssur 29 b
„ 62. Götterprozession aus dem Nordwest-
palaste Aschurnasirpals III. (883 —
859 V. Chr.) in Nimrud (London,
British Museum) 29
„ 63. Das Doppelgriffelsymbol: a von der
Ganneaustele (Abb. 112), b von sab.
Denkm. 1, c von Levy 2, d von
Hofm. 9, e von Gl. 1139 . . . 30 a
„ 64. Übersicht über das Doppelgriffelsym-
bol: Act von Gl. 472, Ab von der
Münze Hofm. Ii2, Ba von Hofm. 14,
Bb von sab. Denkm. 1, Bc von Hofm.
9, C von der Ganneaustele, cc von
einer Belehnung.surkunde Nebopa-
liddins (ca. 868 v. Chr., British Mu-
seum), ß vom babylon. Siegelzylinder
Delaporte 592 (Paris, Bibliotheque
nationale), y vom babylon. Siegel-
zylinder Delaporte 602 (Paris, Bi-
bliotheque nationale) 31
„ 65. Symbole auf Gl. 1550 32 a
66. Zweistrahliger Blitz auf einem etrus-
kisohen Spiegel 32 b
67. Stierkopf von der Inschrift CHI 102
(Paris, Aeademie) 33 a
„ 68. Die Hadakaninschrift, Gl. 302 (Berlin,
Kgl. Museen) 33
Göttersymbole und Symboltiere auf südaräbischen Denkmälern.
101
Seite
Abb. 69. Stierkopf vom Altar von 'Abyan (Os.
30). (London, British Museum) . 33 a
„ 70. Sabäische Münzen im Hofmuseum zu
Wien 33 b
„ 71. Goldener Ring mit Blitz aus Bolsena
(Dresden) 34 a
72. Tefradrachme des PtolemäusEpiphanes
(Berlin) 34 a
„ 73. Sternsymbol auf Gl. 1728 .... 35 a
„ 74. Sternsymbol: a von Gl. 755, b von
Mars. XII 35 a
, 75. Sternsymbol auf Gl. 1552 . . . . 35 b
„ 76. Symbol des Sibitti und lätarstern von
einer babylon. Bestallungsurkunde
Nebo-Schumisobkun I. (ca. 900 v.
Chr., Kgl. Museen, Berlin) . . . 35 b
„ 77. Bavianrelief (ca. 705 — 681 v. Chr.) . 3G a
78. Assyrischer Siegelzylinder (Paris, Bi-
bliotheque nationale) 36 b
79. Assyrischer Siegelzylinder (Paris, Bi-
bliotheque nationale) 36 b
„ 80. Symbole auf einem babyl. Siegelzylinder
(Sammlung Pierpont-Morgan) . . 36 b
, 81. Sabäisches Eelief aus Häz (Gl. 210) 37 a
, 82. Sabäisches Relief aus 'Erren (Gl. 230) 37 b
„ 83. Sabäischer Altar (0. M. 157, Tschi-
nili-Kiöschk, Konstantinopel) . . 38 a
„ 84. Sabäischer Altar aus Marib (Gl. 737) 38 a
„ 85. Sabäisches Relief aus Domär (Gl. 801) 38 a
„ 86. Sabäische Inschrift aus Domär(Gl. 804) 38 b
. 87. Sabäischer Altar, CIH 362 (Paris,
Louvre) 38 b
88. Sabäischer Altar, Mars. III (Mus.
Marseille) 39a
89. Sabäischer Altar aus Gir'an, Gl. 262
(Berlin, Kgl. Museen) 39 b
90. Oberteil eines sabäischen Altares aus
Sirwäh (Gl. 1652) 40 a
„ 91. Sabäische Gemme (London, Brit. Mus.) 40 a
„ 92. Sabäische Gemme (Berlin, Kgl. Mus.) 40 a
93. Katabänischer Altar aus Gedida (Gl.
1111) 40b
„ 94. Katabänischer Altar aus dem Gauf
(Gl. 1747/8) 40 b
„ 95. Katabänisches Felsenrelief aus Henu
ez-Zireir (Gl. 1426) 41
„ 96. Altarfragment aus leha 41b
„ 97. Babylonischer Siegelzylinder (.1. Pier-
pont-Morgan library) 42 a
98. Phönizische Grabstele aus Karthago
(Mus. du Bardo) 42 a
„ 99. Babyl. Siegelzylinder (Paris, Bibl.nat.) 42 b
Seite
Abb, 100. Mondsichel mit Stern auf einem Grenz-
steine aus Susa (Paris, Louvre) . 42 b
„ 101. Mondsichel und Scheibe von einem
babylonischen Siegelzylinder (Brit.
Mus., London) 42 b
„ 102. Handsymbol von Gl. 1724 ... 44 a
r. 103. Sabäische Bronzetafel aus 'Amran
(London, Brit. Mus.) 44 a
„ 104. Symbol auf Hai. 257 44 b
„ 105. Opfertisch auf einem ägyptischen
Grabsteine des mittleren Reiches
(Genf) 44 b
„ 106. Mondsichel und Hand, Amulett im
Besitze von A. Jeremias .... 45 a
„ 107. Messinghand von einer persischen
Fahnenstange im k. k. Naturhist.
Hofmuseum, Wien (Invent. 25551) 45 a
„ 108. Handsymbol auf einer punischen Stele
aus Karthago 45 b
„ 109. Handsymbol auf einem babylonischen
Siegelzylinder 45 b
„ 110. Kreuzsymbol auf Gl. 1209 . . . 46 a
„ 111. Sabäische Siegel (Berlin. Kgl. Mus.) 46 a
, 112. Sabäische Stele 46 b
„ 113. Minoisches Kreuz 47 a
, 114. BabylonischerSiegelzylinder (ca. 1700
— 1200 V. Chr.), Delaporte 297
(Paris, Bibl.nat.) 47b
„ 115. Neubabylonischer Siegelzylinder, De-
laporte 385 (Paris, Bibl. nat.) . . 47 b
„ 116. Speerspitzensymbol auf Gl. 552 . . 48 a
„ 117. Speerspitzensymbol auf sabäischen
Münzen 48 b
„ 118. Speerspitzensymbol auf Hai. 236 . 48 a
„ 119. Babylonisches Siegel, Delaporte 603
(Paris, Bibl. nat.) 48 b
„ 120. Federkrone auf Hai. 155 .... 49 u
„ 121. Federkrone auf dem Haupte eines
geflügelten Genius auf einem alt-
lihjanischen Siegelzylinder . . . 49 a
„ 122 o. Minoische Hieroglyphe auf der
Phästusscheibe 49 u
„ 122 6. Revers einer sardischen Münze . 49 a
„ 123. Federkrone auf dem Haupte Adads,
von einer Lazurstange aus Babylon
(MDOG, Nr. 5) 49 b
„ 124. Achämenidischer Siegelzylinder (De-
laporte 399, Paris, Bibl. nat.) . . 49 b
„ 125. Fragment der Geierstele (ca. 3000
V. Chr., Paris, Louvre) . . . . 00 a
„ 126. (Sab. Denkm. 40.) Sabäische Inschrift
im Tschinili-Kiöschk Konstantinopel, 50 b
102
I. Abhandlung: Adolf Grohmann.
Seite
Abb. 127. Gl. 1757 = München 103 (aus Sirwali) 51 a
„ 128. Sabäischer Terrakottastein im k. k.
Hofmnseum zu ^Vien 51a
129. Sabäisclie Inschrift aus Kaskase . . 51b
130. Schlange auf der minäischen In-
schrift Gl. 1316 (aus Baräiiiä) . . 52 a
131. Torsymbol auf der minäischen In-
schrift vom Mikrab in Ma'in (Gl.
1153) 52 a
132. Anfang der minäischen Inschrift Gl.
1083 (aus Ma'in) 52 b
., 133. '.^ttarmonogramra und Blitzbündel auf
der minäischen Inschrift Hai. 480
(aus Baräkiis) 53 a
„ 134. 'Attarmonogranini, Blitzbündel und
Schlange auf der minäischen In-
schrift Gl. 1302 (aus Baräkiä) . . 53 b
, 135. Blitzbündel und Tor auf der minäi-
schen Inschrift Gl. 1162 (aus Ma'in) 53 b
136. Tor und Schlange auf der minäischen
Inschrift Gl. 1234 (aus Baräkis) . 54 a
„ 137. Blitzbündel, Schlange und Tor auf
dem Delosaltare 54 a
138. 'Attarmonogramm, Blitzbündel, Schlan-
ge, Stern und Tor auf der mi-
näischen Inschrift Gl. 1158 (aus
Baräki.^) 54 b
„ 139. Schluß Ton Hofmuseum 4 (aus Mdrib) 54 b
, 140. Schlangengott mit Torflügel auf einem
vorsargonischen Siegelzylinder des
British Museum 55b
„ 141. Sabäische Gemme im British Museum
(London) 56 a
„ 142. Achämenidischer (?) Siegelzylinder
(London, British Museiim) . . . 56 b
,, 143. Achämenidischer (?) Siegelzylinder
(London, British Museum) . . . 57 a
, 144. Muscheltäfelchen aus Tello (voraga-
deische Periode vor 3800 v. Chr.,
Paris, Louvre) 57 a
„ 145. Siegel Netan-yähü's (Paris, Louvre) 57 b
, 146. Assyrischer Siegelzylinder (Delaporte
378, Paris, Bibl. nat.) . . . . 57 b
„ 147. Syro-kappadokischer Siegelzylinder
(Delaporte 473, Paris, Bibl. nat.) . 57 b
, 148. Altiihyanischer Siegelzylinder . . 58 a
, 149. Sabäische Bronzeschnalle (Wien, k. k.
Hofmuseum) 58 b
, 150. Babylonisoher Siegelzylinder (Dela-
porte 301, Paris, Bibl. nat.) . . 59 a
„ 151. Phönizisches Chalzodonsiegel (Paris,
Louvre?) 59 a
Seite
Abb.
152.
153.
1Ö4.
155.
156.
157.
158.
159.
160.
161.
162.
163.
164.
165.
166.
167.
168.
169.
170.
171.
172,
173.
174.
175.
176.
177.
178,
179
Steinbock aus Zafär (Besitz Sr. Exz.
Mahmud Bey)
Sabäisches Relief aus Zafär (Wien,
Hofbibliothek)
Sabäische Bronzelampe (Wien, k. k.
Hofmuseum) ......
Sabäisches Relief (Hofmus. 125,
Wien, k. k. Hofmuseum) . . .
Babylonischer Siegelzylinder, Dela-
porte 294 (ca. 1700—1200 v. Chr.,
Paris, Bibl. nat.)
Mit Drachen- und Stierreliefs ge-
schmückter Turm des lätartores
Syro - kappadokischer Siegelzylinder,
Delaporte 467 (Paris, Bibl. nat.) .
Reliefplatte aus Ninive ....
Sabäisches Relief aus Zalraa (Gl. 715)
Sabäisches Relief aus Mdrib .
Sabäisches Relief (Sab. Denkm. 46)
im Tschinili-Kiöschk in Konstan-
tinopel
Sabäisches Relief aus Sibäm (Gl. 103)
Kappadokischer Siegelzylinder (Dela-
porte 418, Paris, Bibl. nat.) . .
Sabäisches Architekturstück (Hofmus.
123, Wien, k. k. Hofmuseum) . .
Sabäischer .'Vltar (Seite), Mars. III
(Marseille)
Sabäische Bronze aus Zafär .
Anlilopenkopf aus Zafär ....
Sabäischer Altar (0. M. 34) im Tschi-
nili-Kiöschk, Konstantinopel .
Stierköpfe als Ornament auf sabäi-
schen Altären: a von 0. M. 135,
b von 0. M. 138 (Konstantinopel,
Tschinili-Kiöschk)
Stierkopf mit Inschrift (Gl. 325) von
einem sabäischen Bronzegefäße .
Stierkopf u. Monogramm von Gl. 1422
Vorderfront des Altares Gl. 301
(London, Brit. Mus.) nach dem Ab-
klatsche
Tierkopf auf Bibl. nat. 22 ... .
Göttersymbole auf einer phönizischen
Terrakottaplakette aus Karthago
Sabäische Bronzetafel aus Amrän
(CIH 72, London, Brit. Mus.) . .
Sabäisches Relief aus Beyt el-Aswal
(Gl. 397)
Der Löwe von Babylon ....
Sabäische Bronze aus dem k. k. Hof-
museum zu Wien
59b
59 b
60 a
60 a
60 b
60b
61 a
61 a
61 a
61b
61 b
62 a
62 a
62b
62 b
64 a
64 b
65 a
65 b
66 a
66 a
66 b
6Gb
67 a
68a
68 a
68 b
68 b
Göttersymbole und Symboltiere auf sOdarabischen Denkmälern.
103
Abb. 180. Sabäiscbes Kulief (0. M. 84), Mordt-
mann 7 7, im Tscbinili-Kiöscbk in
Konstantinopel
181. Sabäische Brouzetafel aus 'Amrän
CIH 73 (London, Brit. Mus.) . .
„ 182. Muster eines ass3-rischen Gewandes
(London, Brit. Mus.)
, 183. Sabäisches Bronzepferd (Hofmus. 132,
Wien, k. k. Hofmuseum)
, 184. Sabäisches Bronzepferd im Tschinili-
Kiöscbk, Konstantinopel ....
„ 185. Drachenkopf von Gl. 495 (aus Marib),
Tschinili-Kiösebk, Konstantinopel .
186. Drachenkopf aus Bronze, Höhe 6"5 cm
(Wien, k. k. Hofmuseum)
„ 187. a Sirruschlange von einer Beleh-
nungsurkunde Nebukadnezars I. (ca.
1125 V. Chr.) aus Nippur (im Be-
sitze H. V. Hilprechts), b Schlange
von Gl. 1158
„ 188. a Sirruschlange auf einer babyloni-
schen Grenzsteinurkunde (ca. 12.
Jahrb. v. Chr.), Paris, Louvre, 6
Schlange auf Gl. 1302 ....
Seite
69 a
69
69b
70 a
70b
flb
72 a
72a
r2b
Seite
Abb. 189. a Sirruschlange auf einer Bestallungs-
urkunde (ca. 900 V. Chr.), Berlin,
Kgl. Museum, /; Schlange auf Gl. 1234 72 b
„ 190. a Sirruschlange auf der Belehnungs-
urkunde Melischipaks (ca. 1204 —
1190 V. Chr.) aus Susa (Paris,
Louvre), b Schlange auf dem mi-
näischen Delosaltare 73 a
„ 191. Fragment einer Bronzeschlange aus
Südarabien (Hofmus. 136), Wien,
k. k. Hofmuseum 73 a
„ 192. Bronzestab mit Schlangenkopf aus
Südarabien (Wien, k. k. Hofmuseum) 73 b
„ 193. Bronzeschlange aus Susa (Paris,
Louvre) 73 b
„ 194. Schlangenstab aus Bronze, aus Susa
(Paris, Louvre)^ 73b
„ 195. Der Drache von Babylon .... 74 a
„ 196. Der babylonische Drache (Sirrusäu),
Tonrelief, ca. 2300 v. Chr. (Tschi-
nili-Kiöschk, Konstantinopel) . . 74 a
„ 197. Babylonische Bronzetafel mit Be-
schwörungsszene (Paris, Sammlung
de Clerq) 74 b
Corrigenda.
Seite 3 b, Zeile 38
lies
Tagen.
Seite 29 b, Zeile 2
lies
hetitischen.
;»
5 oben
n
A. statt A).
„ 33 a, Zeile 14
77
Zafär.
,,
5 oben
katabänische.
„ 35 a, Abb. 73
ist
umzudrehen.
,
5b, Zeile 7, 11
»
Uadd.
„ 38 b, Zeile 7
lies
Gailäu.
,.
6 b, Zeile 2, 17
n
Pause.
„ 40 b, Zeile 2
77
Fragment.
??
6 b, Zeile 7
n
durchgepaust.
„ 51 a, Zeile 6
Abessinien.
•1
8 a, Zeile 17
;i
Olstein.
„ 51 unten
.,
b) statt b.
:t
12 b, Zeile VJ
•7
babylonischen.
„ 53 a, Zeile oO
bn statt beil.
,-
13 a, Abb. 21
•1
Babylonische.
„ 56 a, Zeile 8
77
Sirru.
n
23 b, Abb. 47
.,
katabanischen.
,, 58, Note 4
77
Bes.
77
27 b, Zeile 2
.,
hetitischen.
„ 59 b, Zeile 2
77
gepaust.
!)
28 b, Zeile 15, 27
77
hetitische.
„ 67 a, Abb. 175
Terrakottaplaq uette
H
28 b, Abb. 57
28 b, Abb. 59
77
»7
hetitischen.
lil.iyanischer.
„ 67 b, Zeile 6
77
Terrakottaplaquette
* Nähere Angaben über die Stelle im Bd. VII von de Morgans Publikation Icann ich zurzeit nicht geben, da der
Band in Wien nicht zu haben ist. Die I'hotograpliie verdanke ich Herrn Dozenten Dr. G. Hüsing. Aus dem gleichen Grunde
bin ich jetzt auch außerstande, die Literaturangabe zu Abb. l',)3 nochmals nachzuprüfen.
INHALT.
Seite
Vorwort 3 — 4
A. Göttersymbole 5 — 56
a) Sabäische und katabänische Symbole .... 5 — 51
Der Totschläger 6 — 19
Das Blitzbündel und der Doppelgriffel .... 19 — 32
Blitzbündel und Donnerkeil (Stierkopf) 32 — 34
Das Sternsymbol 35 — 37
Mondsichel und Scheibe 37 — 44
Die Hand 44-46
Das Kreuz 46 — 47
Die Speerspitze 48
Die Federkrone und die "Vulva 49 — 51
h) Die minäischen Symbole ('Attarmonogramm, Blitzbündel, Schlange, Stern, Tor) 51 — 56
B. Symboltiere 56 — 75
Der Steinbock 56—64
Die Antilope 64 — 65
Der Stier (Stierkopf) 65 — 67
Löwe und Sphinx 67 — 70
Das Pferd ' 70—71
Schlange und Drache 71 — 75
Der Adler 75
Zusammenfassung 76
Schlußbemerkungen 7 7 — 80
Transkriptionstabelle 81
Verzeichnis der Abkürzungen 81
Verzeichnis der zitierten Inschriften 82 — 84
Eigennamen- und Sachregister 85 — 92
Sabäisches Wortregister 92 — 98
Verzeichnis der Abbildungen 99 — 103
Corrigenda 103
DENKSCHRIFTEN
DEU
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE.
58. BAND, 2. ABHANDLUNG.
STAAT UND GESELLSCHAFT
IM
MITTELALTERLICHEN SERBIEN.
STUDIEN ZUR KULTURGESCHICHTE DES 13.-15. JAHRHUNDERTS.
VON
CONST ANTIN JIRECEK,
WIKKL. 5IITGL1EDE DER KMS AKADEMIE DKK WISSENSCHAFTEN.
DRITTER TEIL.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 17. DEZEMBER 1913.
WIEN, 1914.
IN KOMMISSION BEI ALFRED HOLDER
K. U. K, HOF- UND UNIVERSITATS-BUCHHÄNDLER
BUCHHÄNDLER DER KilS. AKADEMIE DER WISSENSCIIAFTKN.
Druck von ADOLF HOLZHAUSEN in Wien,
K. UND K. HOF- UND UNFVERSITÄTS-BUCHDRUCKER.
12. Materielle Kultur: Bauten, Volkstrachten, Nahrung usw.
Die Bauwerke: Kirchen und Kloster; Burgen und Landhäuser des Königs, des Adels und Klerus; das Stadthaus und das
Bauernhaus. Die innere Einrichtung des Hauses. Physischer Typus der Bevölkerung. Stellung zu anderen Völkern.
Die Verbreitung fremder Kultixreinflüsse. Haar- und Barttracht. Kleidung und Kopfbedeckung. Schmuck und Waffen.
Nahrungsmittel und Getriinke.
Es ist nicht leicht, das gesellschaftliche und
geistige Leben der Serben im Zeitalter der Ne-
manjiden in einem genauen Bild vorzuführen.
Die erhaltenen historischen Denkmäler sind
meist kirchlicher Art. Es fehlt an gleichzeitigen
Dichtungen, in denen sich der Geist der Ge-
sellschaft so spiegeln würde wie in der welt-
lichen Poesie des Nordens und Westens von
Europa, z. B. in den skandinavischen Sagas,
in den Liedern der provengalischen Trouba-
dours, in dem französischen Eitterroman oder
in den Werken der deutschen Minnesänger. Es
gibt auch keine Erzählungen in Prosa, wie sie
auf italienischem Boden Florenz im 14. Jahr-
hundert aufzuweisen hat, voran die von Boc-
caccio und Sacchetti. Aus dem mittelalterlichen
Serbien hat sich nichts erhalten in der Art des
byzantinischen Epos Digenis Akritas oder der
russischen Sage von der Heerschar Igors (1185).
Handschriftliche Aufzeichnungen der Helden-
lieder beginnen erst in der Neuzeit. Das alt-
serbische archivali.sche Material beschränkt sich
meist auf Schenkungen an Kirchen und auf
Handelsakten. Es fehlen Gerichtsprotokolle,
Eechnungsbücher, Privatbriefe u. dgl. Einen
gewissen Ersatz für diese Lücken bietet das
reiche Detail der ragusanischen Kanzlei- und
Gerichtsbücher, mit vielen Nachrichten aiis dem
Innern der Halbinsel. Die bildlichen Dar-
stellungen auf den Fresken der alten serbischen
Kirchen und Klöster sind bisher wenig studiert
und liegen nur selten in Abbildungen vor.^)
Das sichtbarste Denkmal einer jeden ver-
gangenen Kulturperiode sind die Bauwerke.
Die Serbenländer besitzen aus den letzten Jahr-
hunderten des Mittelalters eine nicht unbe-
deutende Zahl großer und schöner Kirchen, ein
beredtes Zeugnis für den einstigen Reichtum
des Landes und den kunstliebenden Sinn der
Herrscher und der Nation.^) Der serbische
Archäologe Professor Valtrovic hat diese Bau-
ten in zwei Perioden eingeteilt. Die erste um-
faßt die Zeiten der Nemanjiden, mit einer
großen Mannigfaltigkeit im Grundriß und Auf-
bau, indem ein jeder Herrscher nach seinem
Wunsch oder Geschmack unter dem Einfluß
privater und politischer Verhältnisse bauen ließ.
Stark bemerkbar sei, besonders in der älteren
Zeit, der Einfluß dalmatinischer Meister. Die
Bauten der zweiten Periode, seit dem Fürsten
Lazar (f 1389), haben dagegen einen nationalen
Typus, mehr Einheit und Originalität. Der
russische Architekt Pokryskin schaltet in der
Mitte eine dritte Periode ein, mehr byzantini-
') Vgl. das ältere slavische Material, besonders aus den nordslavischen Ländern, bei L. Niederle Zivot star<xh
Slovaniiv (Leben der alten Slaven), Bd. 1 (in zwei Teilen), Prag 1911 — 1913, 897 S., reich illustriert.
') Literatur: F. Kanitz, Serbiens byzantinische Monumente, AVien 1862. Reiseberichte der Architekten D. S. Milu-
tinovid und M. Valtrovi6 1872 — 1885 an die ,Serbische gelehrte Gesellschaft', gedruckt im Glasnik Bd. 36 41 44 4fi
47, 48, .02, 53, 64. Ihre Zeichnungen wurden 1872 in Moskau ausgestellt, aber nicht publiziert (vgl. Kond.-ikov, Makedonien
65). Waltrovits, '() riodopofio;, Mitteilungen über neuere Forschungen auf dem Gebiete serbischer Kirchenl)aukuust
Wien 1878, 4° mit I Tafel. M. Valtrovii, Blicke auf die aite serbische Architektur (Pogled na staru srpsku architekturu)
Glas 17. P. Pokryskin, Die orthodoxe Kircheuarchitektur (Pravoslavnaja cerkovnaja architektura) des 12. — 18. Jahrh. im
jetzigen Königreich Serbien, russ., Ausgabe der kais. Akademie der Künste, Petersburg 1906, 76 S. und 106 Tafeln in ^r.-S"
(mir unzugänglich, da nicht im Handel; Referate von Valtrovifi im Starinar, N. S. 1, 1906, Beilage S. 34—43 und
Strzygow.ski in der Byz. Z. 16 (1907) 729 f. A. Stevanovi6, O zavetnoj raisli sv. Save (über den traditionellen (Jedankon
des hl. Sava), Belgrad 1908 (vgl. Letopis 249, 1908, 98-99). Dr. Vladimir A. Petkovic!, 2ica, in Starinar, N. S. 1 (1907),
2 (1908), 4 (1909). N. P. Kondakov, Makedonien (Makodonia), eine archäologische Reise, russ., Petersburg, Kais. russ.
Akademie der Wissenschaften 1909, 308 S. mit 194 Textbildern und 13 Tafeln. Ch. Diehl, Manuel de l'art byzantin, Paris
1910 (über Serbien p. 706 ff.). G. Bai?, Une visite ä. quoliiues eglises de Serbie, Bucarest 1911, 44 S. 4" mit 70 Textab-
bildungen, mir bekannt aus dem Referat von Strzygowski, Byz. Z. 21 (1912) 647 — 648.
1*
II. Abhandlung: Constantin Jirecek.
scher Art, seit König Stephan Uros II. (1282 —
1321). Auch nach dem russischen Kunsthistori-
ker Professor Kondakov war die zweite Hälfte
des 13. und die erste des 14. Jahrhunderts die
Ghanzperiode der serbischen Architektur, unter
byzantinischem Einfluß. Der rumänische Archi-
tekt Bai? unterscheidet vier Perioden: eine
byzantinische bis 1191, eine mit romanischem
Einschlag 1191—1280, eine Erneuerung des
byzantinischen Einflusses 1280—1360 und eine
nationaler Art 1360 — 1450. Hie fremden archi-
tektonischen Einflüsse, einerseits aus dem by-
zantinischen Eeich, andererseits aus Dalmatien,
lassen sich im Detail klar verfolgen.
In der byzantinischen Kunst gab es zuerst
seit dem Ende des 9. und wieder seit dem
12. Jahrhundert eine Eenaissance, nach Konda-
kov ein neues goldenes Zeitalter. Im Plan der
Kirche verschwindet die Basilika; auch das
Oktogon und der Trikonchos werden selten.
Herrschend bleibt seit dem 10. Jahrhundert die
Form des griechischen Kreuzes mit bleige-
deckter Kuppel. Ein neues Element ist seit dem
11. Jahrhundert die glänzende Dekoration der
Außen.seite, die Polychromie der Fassade, her-
gestellt durch wechselnde Lagen von Stein und
färbigen Ziegeln in Reihen oder in geometri-
schen Figuren, Zacken, Ehomben, Kreuzen, Mä-
andern usw., nicht selten wie ein bunter Teppich
stilisiert und auch von den Serben trefflich
nachgeahmt. Das Innere der Kirche, im Hinter-
grund abgeschlossen von der vergoldeten Ikono-
stasis, welche den Altar verdeckt, wurde nach
dem Rückgang der alten Mosaik vom Boden bis
zur Kuppel ganz geschmückt mit Fresken. Der
Fußboden war meist aus farbigen Steinen in
verschiedenen Figuren zusammengestellt.^)
Es war nicht der unmittelbare Einfluß von
Konstantinopel, welcher das geistige Leben des
Westens der Halbinsel beeinflußte, sondern
nähere Muster in den Provinzen von Byzanz.
Seit dem 11. Jahrhundert waren es besonders
die Klöster des Athos, die selbst spätmittel-
alterlich sind. Ein älteres Zentrum war Thes-
salonich mit seinen prachtvollen Kirchenbauten
aus dem 6. — 14. Jahrhundert, vor allem mit der
alten Kirche des hl. Demetrios, einer Basilika
mit fünf Schiffen, der Rundkirehe des hl. Georg
und der von außen mit wundervollen Ornamen-
ten aus färbigen Ziegeln gezierten Apostelkirche.
Im Innern Makedoniens haben die Kirchen von
Ochrid und Prespa aus der Zeit des Zaren
Samuel noch die alte Basilikenform, die jünge-
ren, wie die Klemenskirche von Ochrid (1295),
die Kreuzesform mit Kuppel.-) Ein schönes
Denkmal der Komnenenzeit (1164) ist die Ruine
der St. Panteleimonskirche in dem jetzt von
mohammedanischen Albanesen bewohnten Dorf
N^erezi bei Skopje, mit fünf Kuppeln und Resten
von Fresken des 12. Jahrhunderts.^) Die Ruine
der Muttergotteskirche von Matejic auf den
Höhen der Crna Gora westlich von Kumanovo,
mit griechischen Inschriften aus der Zeit des
Kaisers Isaak Komnenos (1057 — 1059) ist nach
Evans ,eines der edelsten Monumente von
Ostrom in diesen Landschaften'.'*)
Die Städte Dalmatiens haben große Bauten
verschiedener Perioden aufzuweisen. Sie be-
ginnen mit dem in den Räumen einer römischen
Kaiserresidenz, des Palastes Diokletians ein-
gerichteten Dom von Spalato und mit den von
den Mustern von Ravenna und der Langobarden-
zeit Italiens beeinflußten Bauwerken des frühe-
ren Mittelalters und reichen bis zu den prächti-
gen romanischen und gotischen Kathedralen
der späteren Jahrhunderte. Die Kirchen von
Arbe, Zara, Trau, Spalato usw. sind ein Denk-
mal des wachsenden Reichtums dieser Ge-
meinden.'^) Neben einheimischen Meistern wer-
den urkundlich zahlreiche Italiener genannt.
') Diehl, Manuel 365 f.
«) Miljukov, Izvr.fltija russ. arcli. inst. 4, 1 (189'.>) 139 f.
») Kvans, Illyricum III— IV (Archaeolo<;ia vol. 49) 95—97. Miljukov a. a. O. 136 und Tafel Nr. ö. Kondakov, Ma-
kedonia 174. Nerezi war um 1300 Besitz des St. Georgsklosters von Skopje, zugleich mit dem Dorf Voduo, mit dem Kloster
der Mutter Gottes ,Eleusa' , dem hl. Theodor und dem hl. Panteleimon ; Novakovii, Zakonski Spoinenici 613, 615,
Nr. XXVIII, XXXV.
■•) ,One of the neblest monuments of Eastein Korne in this region, far advanced on the road to total ruin'. Evans
a. a. O. 154—156.
') 11. Eitelherger von Edelberg, Die mittelalterlichen Kunstdenkmale Dalmatiens iu Arbe. Zara, Nona, Sebenico,
Trau, Spalato und Kagusa, Wien 1884, mit 11.') Illustrationen und 26 Tafeln (Gesammelte kunsthistorische Schriften
Bd. 4). F. G. .Jackson, Dalm.itia, the (iuarnoro and Istria, Oxford 1887, 3 Bde. G. T. Rivoira, Le origini del' architettura
lombarda e delle sue principali derivazioni nei paesi d'oltre Alpi, vol. I, Rom 1901, 371 pp. gr.-4°; vgl. die Besprechung
von E. Bulic, BuUettino di archeologia e storia dalmata 28 (1905) 98—109. Dr. L. .lelii', Contributo alla storia d'arte in
Dalmazia, Supplement /.um BuUettino 35 (1912), 118 S. über die neuere Literatur.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
Im Süden sind die alten Kirchen von Skutari,
Dulcigno und Antivari heute in ihren Ruinen
kaum kenntlich. In Cattaro war die Kathedrale
des hl. Tryphon in der Zeit des Kaisers Konstan-
tin Porphyrogennetos (um 950) eine Rundkirche.
Der jetzige dreischiffige romanische Dom wurde
im 11. und 12. Jahrhundert aufgeführt, 1166
seine drei Altäre eingeweiht. Aber noch um
1330 werden in dem ältesten erhaltenen Notarial-
buch der Stadt zwei ,officiales supra laborerio
ecclesie S. Triphonis' erwähnt, welche mit
einem Magister Johannes de la Vechia (oder
Vetula) und dessen Sohn einen Vertrag schlös-
sen, vor allem zur Herstellung eines Bleidaches
der beiden Glockentürme (campanaria). Die
Kirche ist später nach den Erdstößen des
16. — 17. Jahrhundei-ts zu wiederholten Malen
restauriert worden. In Cattaro steht außerdem
die 1195 erbaute' kleine St. Lukaskirche und die
1221 eingeweihte S. Maria de Flumine (La
CoUegiata), ein schönes Bauwerk romanischen
Stiles.^) In Ragusa sind die monumentalen
Kirchen des Mittelalters nach dem Erdbeben
1667 alle durch moderne Neubauten ersetzt
worden. Eine einzige ältere Kirche steht heute
als Ruine ohne Dach, die von Kaiser Konstantin
Porphyrogennetos erwähnte älteste Kathedrale
des hl. Stephan; der kleine Bau wurde noch
1324: von Michael von Bologna mit 30 neuen
Figuren ausgemalt.-) Viele Generationen haben
im 12. — 14. Jahrhundert an der großen neuen
Domkirche S. Mariae Maioris gearbeitet. An
der Spitze der dabei liesehäftigten Magistri
stand ein mit verschiedenen, auch in das Statut
1272 aufgenommenen Privilegien ausgestatteter
Protomagister, welcher auch Privatleuten bei
ihren Bauten Ratschläge erteilen durfte. Einer
der ersten soll nach der Chronik des Gondola
aus Bari in Apulien berufen worden sein. Ur-
kundlich genannt werden Protomagister Eusta-
sius, Sohn des Protomagisters Bernardus (1199),
Protomagister Pasqua, Sohn des Protomagisters
Petrus (um 1255—1261)^) und Protomagister
Corvus aus Venedig (um 1326—1336). Philip-
pus de Diversis aus Lucca (1440) schildert den
Dom von Ragusa als ein herrliches Gebäude
aus Quadern, gepflastert mit Steinen von ver-
schiedener Farbe und durch gemalte Glas-
fenster vom Tageslicht erhellt. Die durch
Reihen großer, starker Säulen getrennten
Seitenschiffe waren dem weiblichen Geschlechte
angewiesen. Von außen umgab die ganze Kirche
ein mit einem Bleidach gedeckter Säulengang.'*)
Davon ist heute nichts mehr zu sehen, denn an
derselben Stelle wurde nach 1667 ein großer
Neubau aufgeführt. Hinter der Apsis stand
auf einem kleinen Platze ein achteckiges Bap-
tisterium, ,S. Johannes Baptista de Campanili',
welches das Erdbeben 1667 glücklich über-
standen hat, aber leider durch den LTnverstand
des 19. Jahrhunderts bis auf die Grundfesten
weggeräumt wurde. Von der nahen Kirche des
heiligen Petrus de Castello sagt Philippus de
Diversis, sie sei in Kreuzform ,ad morem anti-
quorum fidelium Graecorum' erbaut gewesen;
1497 mußte sie der neuen, seitdem auch wieder
verschwundenen Apostelkirche Platz machen.
Die 1347 gestiftete St. Blasiuskirche bauten
zahlreiche Protomagister. Es waren 1347 — 1393
nacheinander: Angelus filius Laurentii petrarii,
seit 1376 ein Slave Michael Petrojevic, 1381 der
Südfranzose Magister Johannes de Vienna, 1383
Leonardus quondam Stephani aus Florenz, der
auch den Kreuzgang der Franziskaner baute,
1388 Johannes von Siena, zuletzt Johannes von
Pistoja. Italiener waren auch Magister Nico-
laus von Padua, der 1349 die Andreaskirche
restaurierte, und Magister Cecchus aus Mono-
poli in Apulien, der 1387 das Campanile des
Dominikanerklosters in Angriff nahm. Dalma-
tinische Steinmetze aus Gravosa, Curzola oder
Antivari bauten in derselben Zeit die Privat-
häuser der Stadt sowie kleine Kirchen des
Territoriums von Ragusa.
In Serbien werden ausdrücklich sowohl
griechische als dalmatinische Baumeister ge-
nannt; es fehlte aber daneben nicht an ser-
bischen Architekten. IMan unterschied, wie in
') über die alten Kirchen von Cattiiro G. von Stratimirovic im Si)omcnik der serb. Akademie 28, S. 20 f. luui .Iflir
a. a. O. 105.
^) Am 20. September 1324 verpflichtet sich Jlagister Michael pintor (.sie) de Bononia dem Marchus de Lncaro um
tiO Perper zu malen ,cappellam S. Stephani usciuo XXX li^uris de talibus coloribus, sicut sunt ille S. Mario', IHversa Notarie
1:524 Arch. Rao-. Seit 1318 arbeitete derselbe Meister an der Vollendung der Fresken der Domkircho S. Mariae Maioris
») Urk. 119;», 1255, 12ül Smiciklas, Codex dipl. 2, 320—321; 4, 611; ö, 193.
*) Philippi de Diversis de Quartigianis Lucensis, artium doctoris e.ximii et oratoris, Situs aediticiorum, politiao et
laudabilium consuetudinum inclytae civitatis Ragusii, ed. V. Brunelli, Zara 1882, p. 29—30, 36 (S.-A. aus den Gymn.-Progr.
von Zara 1880—1882).
II. ABIIA^•l)Ll-^-G: Coxstaxtin Jikecek.
Dalmatien, majstori und deren Oberhaupt, den
protomajstor. Vom Erzbischof Sava wird aus-
drücklich berichtet, daß er zu dem Bau des
Klosters Zica Maurer, Marmorarbeiter und
Maler aus Koustantinopel und den griechischen
Liindorn mitgebraclit habe.^) Abendländische
Einflüsse sind in dieser Periode auch im by-
zantinischen Eeiohe bemerkbar, nach Diehl in
Trapezunt an den Skulpturen der Sophien-
kirche, in Griechenland an den Kirchen von
Dai)hne, Athen und Mistra, ebenso in den
Palästen von Mistra.") Dalmatinische Bau-
meister werden in Serbien urkundlich erwähnt.
Der Edelmann Obrad Vojihnic nahm 1326 zum
Bau einer Kirche, die er in Trebinje stiftete,
zuerst einen Ragusaner auf, den Steinmetz
(petrer) Vlachus, Sohn des Kalenda, auf ein
,lalir oder mehr, um 40 Perper jährlich nebst
Kost und Eeisegeld, dann den Zaratiner Lipsa,
Sohn des Prvoslav, auf ein Jahr um 45 Perper.^)
Eine serbische Inschrift vom Jahre 1334 — 1335
im Kloster vom Decani nennt als Baumeister
des großen Gotteshauses einen Franziskaner
oder vielleicht nur Tertiarier, Mitglied des welt-
lichen .dritten Ordens'*) aus Cattaro: ,Frad
Vita, der kleine Bruder (mali brat), Proto-
majstor aus Gattaro, der Stadt des Königs, hat
diese Kirche des hl. Pandokrator dem Herrn
König Stephan Uros III. und dessen Sohn, dem
erlauchten und überaus großen und beridimten
Herrn König Stephan erbaut, in acht Jahren,
und vollendet wurde sie im Jahre 6843.'^) Auch
Camblak weiß von den ,Leitern des Baues aus
den Küstenstädten'.") Aus den Stiftungsur-
kunden des Klosters von Decani kennen wir
die serbischen Architekten. Es war der Proto-
majstor Georg mit seinen Brüdern Dobroslav
und Nikola, welche schon zahlreiche Kirchen
im Lande der Serben gebaut und geschmückt
hatten, vielleicht auch die von Banjska und
GraPanica. Sie erbauten in Decani den großen
Turm, die Trapezaria (das Refektorium), die
Ringmauer und arbeiteten auch an der Kirche
mit. Schon von König Uros IL Milutin hatten
sie das Dorf Manastiric als erblichen Besitz er-
halten. König Uros III. schenkte ihnen das
Dorf Viahin ja und ein Haus bei Decani. Sie
wurden freiwillig Untertanen dieses Klosters.'')
Die Terminologie ist aus den Denkmälern
wohlbekannt. Die Kirche (hram, crkva), deren
Mauern (stjena) aus verschiedenfarbigen Qua-
dern oder aus wechselnden Lagen von Bruch-
und Backsteinen aufgeführt waren, hatte eine
mit Blei gedeckte Kuppel, gestützt auf Säulen
(stlbp) mit Kapitalen (nadstblpije), Wölbungen
(kamara) und Zwischenmauern (j^regrada). Den
Fußboden (patos, griechisch o ::a-cc) bildeten
färbige Steine in kunstvoller Gruppierung. By-
zantinischen Ursprunges war der Narthex, die
große geschlossene Vorhalle mit Fenstern, oft
ein neuerer Zubau. Manchmal befanden sich
zwei solche Vorräume hintereinander (v^pfir,;
und £^(i)vapfJr,5). Serbisch hießen diese Vor-
hallen priprata, praprata, paprt (wohl aus
TOpi-ÄToc), selten mit dem in Rußland üblichen
Ausdruck pritvor.®) In den Athosklöstern ist
der Narthex mitunter größer als die Kirche
selbst; in den byzantinischen Kirchen gibt es
auch Vorhallen auf beiden Seiten oder von drei
Seiten, wie bei der Apostelkirche von Thessa-
lonich. Der Narthex hatte, wie aus den Typika
zu sehen ist, seine Bedeutung bei dem viel-
gestaltigen Klostergottesdienst, für die Pro-
zessionen und die Taufzeremonieu.®) In Gra-
canica ist im Innern der Kirche eine kleine
Gallerie auf zwei Pfeilern angebracht, auf
welche Treppen hinaufführen; die große Vor-
halle mit niedriger Kuppel ist dort erst 1570
') Theodosij bei Pavlovic, Doma^i izvori za srpsku istoriju (Bel|jrad 1877) 83. 107 (zbdbc i mramoniik ; iiiramorniki
i pisustih).
") Diehl a. a. O. 720.
') Verträge vom 20. April und 30. .Juni 1326: .Vlaclms tilius Kaiende petrer facit manifestum, quod posuit se et
opera sua cum Obrat Voychinich de Tribina' zum ,opus ecclesie dicti Obrat', ebenso , Lipsa filius Pervoslavi de Jadra' bei
denjselben ,Obrat Voyi'binidi de Tribigna', ,ad faciendum unam ecclesiam'. Diversa Cancellariae im Archiv von Ragusa.
*) ^'S^- J'^'''^ Micheln Porcello, il (juale era chianiato Fra Michele, non perche fosse frate, ma era di quelli che hanno
il terzo ordine di Santo Francesco, e avea moglie'. Sacchetti, Novella Nr. 86, ed. Ottavio G\g\\ (Fircnze 1860) 1, 212.
') Mon. serb. 109. Jastrebov, Spomenik 41, S. 21. Stojanovid, Zapisi 1, Nr. 63.
°) ,0t pomorskyh gradov nacelniky zdanija', Glasnik 11, 69.
') Urk. von Dec.ani (Glasnik, II. Serie, Dd. 12) 58—59, 128—129.
") Paprt im Typikon von Studenica, pra|)rata im Tj-pikon des Erzbischofs Nikodim: vg-l. Murko, Das Grab als
Tisch (Wörter und Sachen, 13d. 2, 1910) 128. Über pritvor als Laube, gedeckter Eingang des slavisclien Wohnhauses,
besonders bei den Nordslaven, vgl. Nioderle a. a. O. 1, 716 f.
') über den Narthex ausführlich Diehl a. a. O. 717 f. vind Dr. Vlad. Petkovi.:', Zica im Starinar, N. S. 1 (1906) 177 f.
Staat tjxd Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
erbaut worden. i) Diese Gallerie ist wohl die
Urform der Katechumene, welche in Zica und
Pec in der Höhe des Narthex errichtet war und
von welcher z. B. der hl. Sava als Erzbischof
die Mönche von Zica beim Gottesdienste beauf-
sichtigte.^) In den lateinischen Kirchen des
Küstenlandes ist der Vorraum bei den romani-
schen Bauten sehr verbreitet, aber viel kleiner,
eine offene Säulenhalle, in Ragusa praeambu-
lum, volta genannt, slavisch einst klobuci-
ua,^) jetzt podtrijemak. Die inneren Wände
der Kirchen waren ganz mit Fresken bemalt
(pisati, zografisati von ^ui'fpaaiu)) . Die Zellen
(kelija aus /.s/.Aiov) der Mönche befanden sich
in hölzernen oder steinernen Häusern, die an
die äußere Eingmauer (grad) des Klosters an-
gebaut waren. In einem eigenen Gebäude war
die mit Fresken geschmückte Speisehalle (tra-
pezarija) untergebracht. Ihierläßlich war ein
bleigedeckter Turm (pirg von ™pY°? oc^ßi' stlbp)
mit den Glocken (zvono) und einer Kapelle im
oberen Stockwerk, nach dem Muster der festen
Türme der Athosklöster.'*) Er stand über dem
Klostertor (porta, vrata), wie in Decani, oder
vor der Kirche, wie der vom Erzbischof
Daniel IT. mit einer Kapelle des hl. Daniel des
Styliten erbaute Turm in Pec, oder über der
Eingangstür des Narthex, wie in Zica. Zwei
Türme (dva stlbpa), rechts und links von dem
Tor der Kirche, in der Art wie bei den Kathe-
dralen des Abendlandes, hatten nur die Bauten
des Nemanja und seiner Brüder in Gradac
(Cacak), in Bjelopolje und bei Kursumlje. Zur
Ausschmückung gehörten steinerne Skulpturen,
Darstellungen von Löwen, Vögeln, Blattorna-
menten usw. Statuen blieben in der orientali-
schen Kirche seit den Zeiten des Kampfes um
die Bilder im 8. — 9. Jahrhundert streng ver-
pönt. Eeicli war die innere Einrichtung: ver-
goldete Kreuze mit Perlen und Edelsteinen, auf
Holz gemalte Heiligenbilder (ikona) mit Silber-
und Goldverkleidung, dann verschiedene Kir-
chengefäße, Leuchter, Weihrauchfässer, Vor-
hänge, überdies eine Auswahl geistlicher Ge-
wänder (riza) und eine Menge gottesdienstlicher
Bücher. Die vielen kostspieligen Kirchenbauten
des Landes bewogen die Einwohner, sie unter-
einander und mit fremden Bauwerken zu ver-
gleichen. Ein anonymer serbischer Annalist
aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts
meint, daß die Vorhalle von Pec, der Gold-
schmuck von Banjska, der Kirchenbau von
Decani, der Fußboden von Prizren und die
Malerei von Resava nirgends ihresgleichen
haben. ^)
Von den einzelnen Bauten gehört die bi-
schöÜiche Kirche der hl. Peter und Paul von
Ras einer älteren Periode an. Die von Nemanja
(noch vor 1171) gestiftete Muttergotteskirche
an der Toplica bei Kursumlje hat den Eingang
in die Vorhalle zwischen zwei Türmen, Mauern
aus Stein und Ziegeln und den Grundriß eines
Trikonchos mit drei Altären und einer Kuppel ;
die Fassade erinnert an die St. Triphonskirche
von Cattaro.^) Eine zweite Gründung Nemanjas
war das Kloster des hl. Georg bei Ras, ungefähr
eine halbe Stunde nordwestlich von Novipazar
auf einer von weitem sichtbaren Anhöhe mit
großer Aussicht erbaut, beim Volke bekannt als
die jGeorgstürme', Gjurgjevi Stupovi. Ein
neuer Stifter dieses Klosters wurde Stephan
Dragutin, der sich auch hier begraben ließ; noch
1597 wird sein Grab hier erwähnt, daneben in
dem Reliquienschatz der Kirche eine Hand des
hl. Johannes von Damaskus.') Ein Evangelium-
kodex wurde dem ,hl. Georg in Ras, nahe bei
Novipazar', noch 1656 geschenkt, aber in dem
stürmischen Kriegsjahr 1689 wurde das Kloster
von den Türken zerstört und blieb seitdem ver-
ödet.*) Die Ruinen werden im 19. Jahrhundert
in den Reisebeschreibungen von Boue, Hilfer-
ding, Mackenzie und Irby und Evans be-
schrieben. Hilferding (1858) sah hier noch ein
Bild des Königs Stephan Dragutin, mit dem
') über Gracanica Nusii, Kosovo 2 (Neusatz 190B) 88—46 mit BilJ und Plänen. Ausfiilirlicli Koii(i;ikov, Mak(s(ionia
202 f. mit Plan von Pokryskin und Abbildung'en.
-) Daniel 244, 371.
') In Ragusa eine Kirclie S. Petrus de Clobu(;ina, Cons. minus 1. Juni 1403. Kloburina = volta, die Arkaden auch
eines Privathauses öfters in den Archivbüchern der Lamenta von Ragusa 14.30 — 1482.
*) Die Glocken für die Apostelkirche von Pe<5 hatte Erzbischof Daniel II. ini Küsteiilande (Prirnorjo) bestellt; man
brachte sie von dort mit großer Mühe über ilas Gebirge. Daniel 371.
^) Serb. Annalen, Äu.sgaben von ftafafik, Paniätky 61 und Lj. Stojanovii'- im Glasnik 53 (1883) 38.
«) Valtrovic und Milutinovi(f; im Glasnik 48 (1880) 459—460. Petkovid im 8tarinar N. S. 1 (11106) 152 Anm. Strati-
mirovii im Spomenik 28, S. 33.
') Daniel 52. Urk. 1597 Glasnik bos. 21 (1909) 56—57.
«) Stojanovii, Zapisi Nr. 805, 1535, 1918.
8
II. Abhakdu-xg: Coxstaxtix Jieec-eic.
Modell der Kirche in der Hand und las zahl-
reiche Inschriften bei den alten Porträts des
Nemanja, des Ste])lian Uros I. nnd seiner Gattin,
der Königin Helena, des ,Stei)han kralj' (Dragu-
tin) als neuen ,ktitor' und seiner Gemahlin Ka-
tharina (Katelina, dbsti velikago kralja ugrska-
go Stefana), ebenso des Stephan Uros 11.^)
Ippen fand von der Kirche nur das Querschiff
mit der Kuppel erhalten; die Ruine war von den
Türken zu einer Batterie hergerichtet, wobei
eine Menge Steine des alten Baues zur Her-
stellung einer Umfasungsmauer weggenommen
worden war.^) Die neuesten Schicksale der
Ruine schildert Ljubomir Stojanovic, der am
letzten Feldzug gegen die Türken im Stab der
Ibararmee teilgenommen hat, in einem Brief
an mich vom 9. (22.) November 1012. Die Tür-
ken hatten die Ruine zu einem strategischen
Punkt ersten Ranges eingerichtet und mit
Artillerie gut ausgerüstet, welche dem Vor-
marsch der Serben sehr hinderlich war. Die
Serben mußten die alte Stiftung Nemanjas mit
Granaten und Shrapnells beschießen, wodurch
der Bau stark gelitten hat. Im Innern fand man
nach der Eroberung Reste einer sehr schönen
jVIalerei, aber von den Inschriften nur mehr
ein Fragment mit den Namen des ,svety Simeon
Nemanja'. Nemanjas größte Stiftung, die
Kirche des Klosters Studenica, hat durch ihren
einfachen Grundriß, die Bescheidenheit der
Ausführimg und den Glanz des weißen Marmors
auf alle Besucher einen tiefen Eindruck ge-
macht. Kanitz schreibt, es sei ,das lehrreichste
Beispiel occidentalischer Einwirkung auf die
altserbische Kirchenbaukunst, ein Bau von
edler organischer Anlage und reizvoller Durch-
bildung'.^) Kondakov meint, in der Architektvir
erscheine Studenica als ein Denkmal des lango-
bardischen Stiles von Dalmatien, die Malerei
sei aber von rein byzantinischem Charakter.'')
Die Kirche von Zica, aus wechselnden Lagen
von Tuff und Ziegeln in Kreuzesform solid
erbaut, mit zwei Seitenkapellen, erinnert in
manchen Details an die Klosterkirche von Laura
auf dem Athos. Aus schlechterem Material auf-
geführt ist ihre große Vorhalle, mit einem zwei
Stockwerke hohen Turm über dem Eingang. In
den Fenstern dieses Narthex ist ein gotischer
Sjjitzbogen auffällig, während an den Fen-
stern des Turmes romanische Elemente be-
merkbar sind.^) Die Klosterkirche von Mileseva
ist laug und eng, mit zwei Vorhallen, wie Chi-
landar, und zwei Kuppeln.") Die 1252 erbaute
Klosterkirche von Moraca im Osten von Monte-
negro, in einem Waldtal über einem 20 Meter
hohen Wasserfall gelegen, ist in Kreuzesform
angelegt, jetzt überragt von einer kegelförmi-
gen, an armenische und georgische Kirchen
mahnenden Kujjpel aus neueren Zeiten. Das
Portal ist nach der Abbildimg bei Rovinskij
romanisch, mit Pfeilerbündeln beiderseits und
einem Rundbogen. Die j^rimitiven alten Skul-
pturen aiif dem Fries, rechts eine gekrönte
Mutter Gottes mit Kind über einem Drachen,
links ein Mann mit Krone auf dem Haupt,
sind nur aus den kurzen Notizen des Rovinskij
bekannt.")
Ein ganzer Komplex von kleinen Kirchen
umgibt die mit ihren Fresken, Grabsteinen und
anderen Denkmälern bisher archäologisch nicht
untersuchte große dreischiffige, mit Blei ge-
deckte Patriarchialkirche der hl. Apostel in Pec
(Ipek). Drei dieser kleinen Kirchen standen
schon im 14. Jahrhundert: die St. Demetrius-
kirche und die zwei vom Erzbischof Daniel IL
erbauten Kirchen, die kleinere des hl. Nikolaus
und die größere der Mutter Gottes (der 'Oä-(;Yr|-pia
von Konstantinopel), die letztere mit zwei
Seitenkapellen des hl. Johannes und des heiligen
Arsenij, des zweiten Erzbischof es von Serbien.
In diesem Bau befindet sich heute noch Daniels
Grab. Erzbischof Daniel IL hat überdies eine
mit Fresken geschmückte Vorhalle erbaut, zwi-
schen der Apostelkirche, der Demetri.iiskirche
und der Nikolauskirche; eine neue Vorhalle mit
Fresken stammt aus der Zeit des Patriarchen
') Hilferding, Bosnia, Hercegovina i Staraja Serbia (Petersburg 1859) 138. Die Inschriften auch bei Stojanovid, Za-
pisi Nr. :)058, 5059, 5079, 5082, 5083, 5087, 5089, 5090.
') (Ippen) Novlbazar und Kossovo, Wien 1892, 127.
') Kanitz, Serbion (Leipzig 1868) 79.
*) Kondakov, Makedonia 05
') Dr. Petkovic, Zica a. a. O.
•) Nach der Beschreibung des Areliimandriten Kikifor Ducid, Mileseva im Kalendar Srbobran 1900, 88 — 92 (Bild
S. 133.)
') Rovinskij, Sbornik der russ. Akademie Bd 86 (1909) 92 — 110 mit Plänen und Bildern. Das Portal ist S. 108 ab-
gebildet und S. 107 beschrieben.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichex Sebbien III.
Makarij von 1562. i) Die Kirche der Königin
Helena, Witwe des Königs Stephan Uros I., in
Gradac bei Easka ist eine malerische Euine in
der Form eines griechischen Kreuzes mit doppel-
tem Querbalken, an deren Fenstern und Türen
man neben byzantinischen auch romanische und
gotische Elemente gefunden hat. Altertümlich
ist auch die Bischofskirche von Arilje, dem
hl. Achilleus von Larissa geweiht, mit dem
Bilde des Königs Stephan Dragutin. Ein streng
byzantinischer Kuppelbau ist die kleine, von
König Stephan Uros IL Milutin 1314 errichtete
Kirche der Heiligen Joachim und Anna im
Kloster Studenica. Von demselben Herrscher
und seiner jungen Gattin Simonida Palaiolo-
gina ist erbaut die prächtige Klosterkirche von
Gracanica in Kreuzesform mit fünf Kuppeln und
drei Apsiden, mit gut erhaltenen Fresken dieser
Zeit ; darunter befinden sich auch die Porträts der
Stifter. Kondakov spendet dieser Kirche das
größte Lob und meint, in Serbien sei ihr keine
zweite gleich; er rühmt die glänzende Anlage
des Baues, der allerdings durch einige spätere
Zutaten verdorben sei, die wunderbare Zu-
sammenstellung von Stein und Ziegel und die
schöne Ornamentik der lumten Ziegelreihen in
den Fensterarkaden.^) Ein vorzüglich ausge-
schmückter Bau mit fünf Kuppeln aus der Zeit
der größten Blüte der altserbischen Architektur
ist nach Kondakov die Kirche des hl. Georg im
Kloster von Nagoricino, gleichfalls aus der Zeit
des Königs Uros IL (1313), vollständig mit
Fresken ausgemalt.^) Die Kirche des Klosters
Banjska, gleichfalls unter Uros IL nach dem
Muster von Studenica vom Grund aus neu ge-
baut, jetzt eine klägliche Euine, war angelegt
in Kreuzesform mit einer Kuppel, zwei Seiten-
kapellen und einer Vorhalle, von außen ver-
kleidet mit wechselnden Lagen weißer, roter
und l)lauer Steine, im Innern bis zum Marrnor-
boden herab bedeckt mit Malerei und reichem
Goldschmuck.*)
Die Stiftung des Königs Stephan Uros IL,
das Kloster Deeani, bezeichnet Evans als ,den
edelsten Kirchenbau im Innern der Halbinsel'
und als ein Kompromiß zwischen italienischem
und byzantinischem Stil, erbaut aus einer Art
Marmor mit roten Adern aus denselben Stein-
brüchen in den Schluchten des östlichen Sar-
gebirges, welche auch das Baumaterial für die
Eömerstadt Ulpiana (jetzt Lipljan) geliefert
haben. Die Schilderungen des Daniel ixnd Cam-
blak sind voll des Lobes der herrlichen Lage
dieses noch unlängst so unzugänglichen Klosters.
Die Kirche, nach M. Milovanovic 80 Fuß lang
und 74 breit, ist in Kreuzesform angelegt, mit
fünf Apsiden und zwei Seitenkapellen des
hl. Nikolaus und hl. Demetrius, überragt von
einer hohen, von vier Säulen getragenen, mit
Blei gedeckten Kuppel; die Mauern bestehen,
^'on außen gesehen, aus horizontalen Lagen
roter, blauer und weißer Marmorsteine. Das
runde Fenster über der Mitte des Altars öffnet
sich zwischen zwei achteckigen Säulen mit
gotischen Kapitalen, welche sich auf den
Eücken zweier männlicher Figuren stützen.
Aus dem Mund eines menschlichen Kopfes über
dem Fenster wachsen Weinreben heraus, welche
das Fenster von rechts und links umschlingen;
zwischen dem Weinlaub dieser Skulptur sind
Vögel und verschiedene phantastische Tiere zu
sehen. Kunstvoll sind die Marmorsäulen bei
den drei Toren der Kirche, viereckig, achteckig,
rund, teilweise von Weinranken umschlungen,
mit korinthischen Kapitalen; darüber stehen
Löwen, über einer ein Adler, über einer anderen
ein menschlicher Kopf. Die Decke des Narthex
vor dem Eingang, 40 Fuß lang und 50 breit,
tragen vier schlanke, achteckige Marmorsäulen;
ihre Basis bilden Ornamente mit Köpfen von
Löwen, Wölfen, Hunden und Schafen, während
über den Kapitalen wieder Löwen und Adler
sichtbar sind. Das Innere der Kirche, hell er-
leuchtet durch Doppelfenster mit Eundbogen,
■) Daniel ed. Danicii .S6S — 371. Neuere Besclireiliun<jen: Hilferding, Bosnien, Herco<rovina und Altserbien (russ.
Petersburg 1859) 171 f.; Pop Milos Velimirovic, Godiinjica 18 (1898) 118 f., 1-45 f.; eine Photographie bei einer Abh. im
M. Uimitrijevid, Revue slave 1 (Paris 1906) 40. Ein Bericht des Malers M. Milovanovid im Godisnjak der serb. Akademie
23 (1909) 240 f.: die Fresken der Hauptkirche (jetzt sveti 8pas genannt, die Heilandskirche) sind aus dem 13., der Mutter-
gotteskirche und der Demetrioskirehe aus dem 14. Jahrhundert. A. Basmakov, Cerez Cernogorijn v stranu dikich Gegov
(Durch Montenegro in das Land der wilden Gegen), russ., Petersburg 1913, 58 — 07, mit Photographien.
-) Kondakov, Makedonia 202—210. Über die Malerei M. Milovanovid im Godisnjak 23 (1907) 238.
') Kondakov, Makedonia 195—199. Die Inschriften besser bei Jagic im Arch. slav. Phil. 31 (1910) 300—305, mit
zwei Ansichten nach Photographien von Baron P. Salis-Soglio. Bei Daniel 138, 181, 189 in adjektivischer Form: sveti
Georgy Nagoricbskij. Die alte Form lautete Nagoricino; vgl. Ejecnik der südslav. Akademie unter diesem Namen.
*) Daniel 150 f. Serb. Annalen, Ausg. von Lj. Stojanovic'-, Glasnik 53, 7 — 8. Novakovii', Manastir Banjska, Glas 32
(1892) mit Plan.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. .'is Hü. 2, Abli. 2
10
TT. AnHAxnT,r^-G: Co^-sTA^•TIx Jieecek.
die in der Mitte durch eiue ornamentierte Säule
geteilt sind, ist ganz ausgemalt mit wohlerlialte-
nen Fresken. Eeelits steht noch der Thron, auf
dem einst die I^önige beim Gottesdienste saßen,
aus weißem Marmor.^)
Das wenigste wissen wir von denKuincn des
Ivlosters der Erzengel bei Prizren, der Stiftung
des Stephan Dusan, die in der Türkenzeit am
ärgsten verwüstet und demoliert wurde.^) Aus
derselben Zeit stammen die zahlreichen schönen
Kirchen der Crna Gera (türk. Ivaradag), zwi-
schen zwei der damaligen politischen und ökono-
mischen ]\[ittclpunkte gelegen, zwischen Skopje
und Novo Brdo. Besonders hervorragend ist
dort die 1337 von der Edelfrau Danica erbaute
Kirche des hl. Nikolaus von Ljuboten, jetzt eine
Ruine mit Fresken und Porträts des Stephan
DuSan, seiner Gattin Helena und seines Sohnes
Uros.^) Die Eroberung des kulturell höher
stehenden Makedoniens stärkte die Vorherr-
schaft des byzantinischen Einflusses in Serbien.
Bauten aus der letzten Zeit der Nemanjiden, der
Garen Stephan und Uros, reichen weit südwärts,
bis in die Landschaften von Ochrid und Prespa,
Prilep und Lesnovo, ^Melnik und Serrai (serb.
Ser). Hervorragend ist z. B. die Stiftung des
Kesar Gregor (1361) in Zaum am See von
Ochrid, ein kleiner Kuppelbau aus wechselnden
Stein- und Ziegellagen, mit netzartigen Ziegel-
ornamenten auf der Fassade, heute eine Euine.*)
Groß war die Anzahl der kleinen Dorf-
kirchen (crkvica), erbaut von Sava I. und seinen
Nachfolgern. Wo die Mittel zu einem Steinbau
nicht ausreichten, wurden, wie von Sava I. und
Daniel II. berichtet wird, hölzerne Kirchen er-
richtet.^) Wo auch dies nicht möglich war, ließ
Sava wenigstens ein Kreuz aufstellen.")
Weniger bekannt sind die weltlichen Bauten.
Erzbischof Guillaume Adam sehreibt (1332) :
,Die Häuser und Höfe sowohl des Königs als
der übrigen Adeligen sind aus Pfahlwerk und
Holz gebaut; nirgends habe ich dort einen Hof
oder ein Haus aus Stein oder Ziegeln gesehen,
außer in den lateinischen Städten an der
Küste.''') Diese altserbische Holzarchitektur
ist heute vergessen. Sie war aber nicht so vor-
herrschend, wie es der französische Prälat
meinte. Schon die von Niketas Akominatos er-
wähnte Pfalz des Neman ja war aus Holz und
Stein erbaut, mit einem hölzernen Palissaden-
zaun ringsherum; sie lag wohl im Tal der To-
plica und wurde 1190 von Kaiser Isaak An-
gelos niedergebrannt.*) Die einheimischen Quel-
len unterscheiden die festen ,Paläste' (polata)
von den einfachen Häusern (kuca) und Hütten
(kljet, kljetka).") Kantakuzenos erzählt, daß
man in der königlichen Pfalz von Pristina
durch das Tor (■r:J/.T,) einen großen Hof (aÜAr,)
betrat, in welchem die Gäste vom Pferde ab-
saßen; dann folgten äußere und innere Ge-
mächer, darunter wohl auch größere Räume für
die Landtage, Gerichtstage, Beratungen, Feier-
lichkeiten und Gastmähler.^") Abseits standen
die Stallungen für die Pferde, Räume für die
Hunde und Jagdfalken und Wohnungen für die
zahlreiche Dienerschaft. In der als Inschrift
') Evans, Antiquai-ian researches in Illyricum III— IV, Gl, 67, 155 Anm. Jastreliov, Spoiiienik 41, 20 f. Eine aus-
luhrliche Beschreibung von Decani in dem Reisebenclit des Malers M. Milovanovii im Godisnjak der serb. Akademie 23
(1909) 242—255. Basmakov a. a. O. 76—104 mit Abbildun<^en.
') Der russ. Generalkonsul Ivan S. Jastrebov im Spomenik 41, S. 47. Noch 1418 wurde auf Befehl des Igumen
Paul des Erzengelklosters oberhalb Prizren (vise Prizrena) ein Kodex mit Reden des hl. Grigorij Bogoslov kopiert, Stojanovid,
Zapisi 1, Nr. 223. Damit hören die Nachricliten auf.
') Evans a, a. 0. 84, 113. Miljukov a.a.O. 128—132 und Tafel Nr. 8. -Stojanovii, Zapisi 1 Nr. 66. Kondakov, Ma-
kedonia 177 f. Ein Verzeichnis der Kirchen und Klöster der Crna Gora von Skopje bei Tomi6, Naselja 3, .')03— 507.
*) .Miljukov a. a. O. 83—86 und Tafel Nr. 9, 10.
') Theodosij bei Pavlovid 83 (crkvy dreveny). Daniel 376. Eine Holzkirclie (drevena crkbvh) in Korisa bei Prizren:
Urk. des Prizrener Klosters, Glasnik 15, 274. Eine hölzerne Kirche des hl. Lukas stand im 12. Jalirhundert in der Stadt
Sofia: mein Fürstentum Bulgarien 361.
") Domentian 205.
') ,Edificia et palacia tarn regis, iiuam aliorum nobilium sunt de paleis et de lignis. Nunquam vidi ibi aliquod
palacium sive domum de lapide nee de terra, nisi in civitatibus maritimis Latinorum". Guillaume Adam p. 478 — 479 (Re-
cueil des historiens des eroisades. Documents armöniens, t. II. Paris 1906). tibersetzt (als Brocardus) von Novakovid, Go-
disujica 14 (1894) 31—32.
*) Kaiser Isaak Eiar)XOsv et; tov oi/.ov des Neinauja zal ouveteXessv aJtöv z/.l ta ^i\x aOrou y.xi toü; ).'!0o'j5 aüxoü. tö ycip nj[i.-
tfxfo'i nup, ö /.arä Ttöv lÄZlaz OLxonlSiuv ßXTjOfjvai ÄpooET£Täj(£i;, oü (j.dvov tüv SpacfaxTuiv Xa[iojj.£vov Et; /.oviv OEpivijv 5) xarafpaYov aütb
äiteXInTuvEv, aXXä y.a\ tou; X(6ou; auTou; ouveteXeiev. Rede des Niketas an den Kaiser, Recueil des historiens des eroisades,
Hist. grecs 2 p. 738 C.
'-') Kljetka = sta<;on, Kauüaden in Kudnik 1422 Lam. Rag.
'") Kantakuzenos III cap. 43, 4ü.
Staat und Gesellschaft ni mittelalterlichen Serbien III.
11
erlialtenen Urkunde des Königs Stephan Uros II.
für das Kloster Gracanica wird in dem könig-
liciien Schloß Pauni eine Kirche erwähnt, zu-
geteilt dem Bischof von Lipljan, ein Absteig-
quartier für den Erzbischof (arhijepiskupovo
staniste) und ein ,sokalnik', d. h. ein Haus mit
Küche und Backofen des Hofes.i) Im nahen
Schlosse Svrcin befand sich eine Kirche des
hl. Johannes des Täufers.-)
Fester gebaut waren die allerdings oft sehr
engen Behausungen in den königlichen Burgen.
Zu den Euinen des auf einem steilen, kegel-
förmigen Felsen erbauten Schlosses von Zvecan
am Ufer des Ibar führt ein mühsamer Aufstieg
von der Westseite. Oben sahen Boue und Hilfer-
ding innerhalb der Mauer mit runden und vier-
eckigen Türmen gut erhaltene Reste der alt-
serbischen Gebäude. Hilferding fand auf der
Nordseite die Trümmer eines in zwei Stock-
werken aus guten Ziegeln erbauten königlichen
Palastes, mit halbrunden Fenstern und Türen
und mit Pesten von Fresken in den kleinen
Räumen ; im Erdgeschoß war noch der Haupt-
saal zu erkennen. Unmittelbar daneben stand
die Ruine der aus der Biographie des Nemanja
von König Stephan dem Erstgekrönten bekann-
ten Georgskirche, nach Boue 30 Schritte lang,
10 breit, mit halbkreisförmiger Ai:)sis und Spu-
ren der Wandgemälde. Daneben gab es zwei
gewölbte Zisternen. Ippeii schreibt: ,fürwahr
eine fürstliche Residenz, würdig der Herrscher
aus dem kräftigen Geschlecht der Nemanjic".
Nach seiner Beschreibung bildet den Eingang
von der Westseite ein Riesenportal, gedeckt
durch einen Turm. Die Umwallung in oblonger
Gestalt besteht aus einer den ganzen Gipfel
einschließenden mächtigen Bruchsteinmauer,
mit Resten von drei Türmen. Im Innern be-
finden sich die Grundmauern eines langen,
rechteckigen Gebäudes, wie Ippen meint, viel-
leicht eines Vorhofes für Gefolge und Diener-
schaft. An der Nordfront stehen die Trümmer
eines großen Gebäudes mit Resten von Wölbun-
gen, gedeckt durch einen Turm, jedenfalls die
Ruine des eigentlichen Palastes. Es gibt keine
Inschriften, Skulpturen oder Wappen. Prächtig
ist die Rundsicht von diesem Schloßberg von
Zvecan. Unten liegen Mitrovica, Yucitrn und
im Süden das Amselfeld (Pri.stina bleibt ver-
borgen), im Westen sieht man das gebirgige
obere Ibartal, im Norden seine untere Fort-
setzung, in weiter Ferne die gezackten Kämme
des Rogozno und die hohe, gewaltige Masse des
Kopaonik.'')
Paläste gab es auch in den ehemals byzanti-
nischen Städten Makedoniens. Auf dem Boden
des einstigen christlichen Kaisertums von Kon-
stantinopel sind Reste mittelalterlicher Palast-
baiiten nur an wenigen Orten erhalten. Es ge-
hört dazu die Ruine eines Teiles der Blacher-
nen in Konstantinopel, aus dem 11. — 12. .Tahr-
hundert, jetzt Tekfur-Serai genannt. Ein Ar-
chontenhaus in Melnik aus derselben Periode
hat ein Erdgeschoß und zwei Stockwerke,
flankiert von einem viereckigen Turm. Die
Fassade bilden, wie in Tekfur-Serai, geometri-
sche Figuren aus weißen Steinen und roten
Ziegeln. Im Innern befindet sich ein großer
Saal, eigentlich ein gedeckter Hof ; neben diesem
großen Raum hat jedes Stockwerk fünf Zim-
mer.'*) Ähnlich waren wohl einmal die Herren-
häuser von Skopje, Prilep, Serrai und Ochrid
eingerichtet. Jünger sind die byzantinischen
Paläste von IMistra, nahe bei dem antiken
Sparta.
Von den Grundbesitzern hatte die besten
Landhäuser die Kirche. Erzbischof Daniel IL
(f 1337) erbaute in Jelasci einen prächtigen
Hof (dvor) mit schönen und hohen , Palästen'
und einer mit Wandmalereien gezierten Kirche
des Erzengels Michael. Auf dem Gute Lizica
ließ er die von seinem Vorgänger, dem Erz-
bischof Nikodim (f 132-4), errichtete Kirche des
hl. Sava, des ersten serbischen Erzbischofs, er-
weitern und mit neuen Malereien schmücken,
den Turm vor der Kirche erhöhen.®) Auch in
') Mon. serb. 563, erläutert von Novakovic, l'restonice 23, 44.
-) Daniel 219.
') Bono, Turquiö d'Europe 2 (1840) 373, deutsehu Übersetzung 1, ö67. Hilferding, Bosnien usw. (russ., Petersburg
1859) 295 f. (Th. Ippen), Novibasar und Kossovo (Das alte Kaecien), Wien 1892, 137—138. Nach Nusid, Kossovo 2 (1903)
112 sollen jetzt keine Gebäude mehr zu erkennen sein; alles sei von den Türken aufgewülilt worden, um Baumaterial zu
gewinnen und Schätze zu suchen. Nach der Besetzung dieser Landschaften durch die Serben im Herbst 1912 wäre eine
genaue Untersuchung und Beschreibung der Ruinen von Zvecan sein- wünschenswert.
*) Uielil, Manuel de l'art byz. 397 f. (Tokfur-Serai), 400 (Melnik).
'-) Jelasci wird im Rjecnik der Südslav. Akademie mit Eltsci in der Urk. 1395 im Glasnik 24 (1868) 272 zusammen-
gestellt, dort genannt neben dem Markt (trg) Koporici, doch heißt dieser Ort nach Avrani Popovic, Godisnjica 25, 173, 192
heute Jelakce. Lizica ist sonst nicht bekannt.
•2*
12
II. Abhandlung: Constanto Jieecek.
der Burg Jklaglic (von magla, Nebel), deren Ge-
mäuer noch im unteren Ibartale neben dem Weg
von Stndenica nach Zic-a hoch über dem Fluß
sichtbar ist, erbaute Daniel schöne .Paläste' und
Zellen (kelija) und stattete die dortige St. Ge-
orgskirche mit Büchern und anderen Bedürf-
nissen aus. Nach der Beschreibung von Aleksic
ist die Burg Maglic, mehr als 200 Meter über
dem Ibar gelegen, sehr schwer zugänglich; von
drei Seiten decken sie tiefe Abstürze zu den
Windungen des Flusses, von der Ostseite eine
künstlich ausgegrabene Schlucht. Es ist ein
kleines Viereck mit gut erhaltenen neun Tür-
men; im Innern sind die Euinen einer Kirche
mit Kesten von Fresken (Heiligenbildern) und
eines viereckigen Gebäudes zu sehen. Außerhalb
der Mauer liegen auf der Südseite Gräber mit
Steinplatten.^)
Die besseren Adelshöfe waren mit Mauern
und Türmen zur Verteidigung eingerichtet,
ebenso wie in Eavenna und anderen Städten
Italiens. In der Nähe des Dorfes Zaton in der
Küstenlandschaft von Stagno erwähnt eine ra-
gusanische Grenzbeschreibuug (1399) ,den Turm
des Ivoje'.^) Solche Türme gab es auch bei den
Landhäusern der Edelleute von Kagusa. Mari-
nus Lucari de Bona ließ sich 1343 zwei Türme
bauen, einen hinter den ,drei Kirchen' auf dem
Weg nach Gravosa, 6 ,passus' hoch, umgeben
von einer 30 ,passus' langen und 2^2 hohen
Mauer, einen zweiten in seinem Weingarten am
Ufer der Ombla, 5 ,passus' hoch und 3 breit.*)
Im Kriege mit den Serben 1361 mußten aber
zahlreiche ragusanische Nobiles ihre ,castra' in
der Umgebung der Stadt niederreißen, damit sie
dem Feind nicht zur Stütze dienen; dafür erhiel-
ten die Besitzer von der Gemeinde eine Entschä-
digung.*) Zum Landhaus gehörten Stallungen
für die Pferde und Remisen für die Fuhrwerke
fkola, kolesnica). Diese Gebäude dienten zum
Aufenthalt besonders im Winter und während
der Eegentage. Sonst war die Gesellschaft mehr
an die freie Luft gewöhnt. Auf Eeisen wohnte
man meist in Zelten, wie Kaiser Johannes
Kantakuzenos als Gast bei Stephan Dusan oder
die ragusanischen Gesandten, denen man noch
in der Despotenzeit ein Zelt (pavilionum sive
tentorium) von der Eepublik auf die Eeise mit-
zugeben pflegte. In den Küstenstädten ver-
sammelten sich die Bürger zu ihren Tagungen
unter freiem Himmel auf dem Platze (platea).
Das Gericht hatte dort, wenigstens im Sommer,
seinen Sitz unter der Loggia, der Wölbung einer
offenen Laube, in welcher auch die Kanzler ihre
Urkunden schrieben.
Die Märkte hatten selbst bei den Berg-
werken, wie schon erwähnt, wenige bessere
Häuser. Mehr städtisches Wesen gab es im ehe-
mals byzantinischen Gebiet und im Küstenlande.
Aber auch im Konstantiopler Kaisertum waren
die Städte nicht gleich. ]\Ianche alte Stadt be-
saß fest gemauerte zwei- oder dreistöckige
Häuser (ouüpioi;, Tpiwpoio;).^) Dagegen waren in
Thrakien und Makedonien im 13. und 14. Jahr-
hundert viele größere Orte nur primitiv be-
festigte Dörfer. Nach Kantakuzenos hatte z. B.
die Burg Sakkon bei Selymbria westlich von
Konstantinopel, von Ackerbauern bewohnt, hin-
ter ihren schwachen Mauern nur Häuser mit
Strohdach.^) Ebenso plünderten die Türken
Omurs 1343 bei Thessalonich zwei ummauerte,
von Bauern bewohnte Dörfer, die auch Türme
besaßen.'')
In Dalmatien waren die Stadthäuser aus
Stein und Ziegeln drei bis vier Stockwerke
(palmenta, solaria) hoch, dicht aneinander ge-
drängt zu beiden Seiten der engen Gäßchen
(via, ruga, serb. ulica). Der Bau von Holz-
häusern wurde in Eagusa erst 1370 von der
Gemeinde verboten, die Beste derselben bis 1413
weggeräumt. Übrigens gab es selbst in Venedig
im 14. Jahrhundert hölzerne Häuser oder
1) Daniel ,^73— 375. A. Aleksic, Ib.-!! od Kaske do Karanovca, Godisnjica 3 (1879) 60 — 62, mit Plan und Ansicht
von Maglic.
') .Sdrielo (zdrijelo Engpaß) sovra la torre de Ivoie.' Liber decenorum Terrarum Novarum 13'.t9 Arch. Rag.
") Vortrag 11. November 1343 Div. Canc. (Arch. Rag.). Die Größe des ragusanischen .passus' des 14. Jahrhunderts
ist nicht bekannt. Resetar meint, es sei wohl immer so viel gewesen, als ein Maun mit beiden ausgestreckten Händen
reichen kann, also ungefähr 190 Zentimeter. In der letzten Zeit galt der päs in Ragusa, z.B. bei Angaben der Meeres-
tiefe, als identisch mit der österreichischen Klafter, die amtlich bis 1875 im Gebrauch war (gleich 1-8965 Meter).
*) Mon. Rag. 3, 60, 65, 67, 76.
^) Serbisch wörtlich .als mit 2—3 .Dächern' (krov) übersetzt. Klostergebäude auf dem Athos als ,polaty dvokrovnyje
i trikrovnyje', Theodosij bei Pavlovid 55.
*) Kantakuzenos I cap. 30.
') Derselbe III cap. 64: ojo /.üjfia; T£T£iyia(j.£va; -/m Tijpyouj l/olaa;.
Staat und Gesellschaft im mittelalteelichex Seebiex III.
13
wenigstens Dächer aus Holz, gedeckt mit Schilf-
rohr oder Stroh, sogar in den Klöstern.^)
Steinerne Gebäude des 14. oder 15. Jahr-
hunderts, mit Wappen und Inschriften über
dem Tor, kann man noch in den Euinen der
Altstadt von Dulcigno und Antivari, in den
engen Gassen von Cattaro und in Eagusa in den
vom Erdbeben 1667 verschonten Vierteln Pri-
jeko und Pustjerna sehen. In Kagusa diente
das oft gewölbte Erdgeschoß als Wein-, Holz-
oder Warenlager (canipa, subterraneura, abge-
kürzt zu stranium 1282 f., stragno, jetzt stranj).
Darüber lag die Küche (coquina). In die Stock-
werke führten Treppen (scala) aus Holz oder
Stein hinauf, eingesäumt von einem Geländer
mit kleinen Säulen. Auf der Außenseite befand
sich auf der Fassade im oberen Stockwerk oft
eine überdachte Galerie, bis sie spätere Bau-
gesetze abschaii'ten ; das war das hölzerne oder
steinerne, mit Ziegeln gedeckte gaifum in Ea-
gusa, bekannt auch in den Städten Apuliens,
das hölzerne vadrile in Cattaro^) oder die ein-
fache offene altana, in welcher man auch
Blumen aufzustellen pflegte. Ein Erker war
die balconata der Eagusaner, gestützt auf
steinerne , Sporne' (calcaria) oder , Zähne' (den-
tes), mit zwei oder drei Säulen und einem Spitz-
bogenfenster nach der auch in Venedig be-
liebten ,sarazenischen' Art.^) In großen Ge-
bäuden umgab eine Galerie (andaviene 1388)
auch den Haushof (curia domus), mit einer
Brüstung aus niederen Säulen (parapetum cum
colonellis). Die Fenster waren teils viereckig,
teils Bogenfenster; eine Art kleiner Öffnungen
mit ,Ohren' (cum auriculis) nannte man in Ea-
gusa slavisch grbavica, das , Buckelfenster'
(gerbaviga 1372 f.). Die verschließbaren Fenster-
läden waren meist aus Holz; im 15. Jahrhundert
begann man Fensterglas in Eagusa selbst zu
machen. Im Hauptsaal, mit Bänken längs der
Wand ringsherum umgeben, war die Decke oft
als blauer Himmelsgrund gemalt, besetzt mit
vergoldeten Sternen. Der Abort (privatum)
mußte unter der Erde angebracht sein.'') Früher
war er mitunter in einem hölzernen Balkon
(gaifum) an der Vorderseite des Hauses unter-
gebracht. Noch 1321 wurflen zwei Mitglieder
der Familie Gondola vom Comes und den Eich-
tern von Eagusa ermahnt, ihre ,privatos' inner-
halb der Häuser anzubringen, damit der Unrat
nicht auf die Straße herausfließe.
Die Gassen von Eagusa waren unrein, voll
Steine, eingeengt durch die vielen frei auf-
steigenden Stein- und Holzstufen vor den Häu-
sern, die man seit 1330 zu entfernen begann.
Erst im 14. Jahrhundert ging man daran, alle
Straßen, wie in Venedig, mit Ziegeln oder
Steinen zu pflastern. Die Unreinlichkeit wurde
durch die vielen frei herumlaufenden Haustiere
vermehrt. In Venedig hat man diesen Unfug
1409 durch rücksichtslose Konfiskation der die
Gassen unsicher machenden Schweine abge-
schaft't. In Eagusa wurde 1418 öff'entlich ver-
kündet, daß die Schweine daheim eingesperrt
werden sollen ; die im Freien sich herumtreiben-
den dürfe fortan jedermann ungestraft töten
und wegtragen. Die Verbindungen innerhalb
der Stadt erleichterten die vielen, wie heute
noch in Amalfi, unter den Häusern durch-
gehenden Bogengänge (archivoltus, volta, porti-
cale, slav. klobucina), in deren geheimnisvollem
Dunkel sich bei Tag und Nacht nicht selten
Szenen von Liebe oder Haß abspielten.
Das wenigste wissen wir über das Bauern-
haus. Im Gebiete von Eagusa standen die Häu-
ser, wie aus den Gerichtsbüehern zu sehen ist,
zwischen ^^'ein- und Obstgärten weit voneinan-
der zerstreut. Holzhäuser mit Strohdach werden
noch 1306 in den Weingärten des Tales von
Zonchetto erwähnt. Aus militärischen Eück-
sichten war der Baii von festgemauerten Dorf-
häusern nicht gestattet. Nach der Besitznahme
von Canali durch die Eagusaner durfte dort
jedermann ein Haus aus unbehauenen, ohne
Verputz zusammengelegten Steinen (domus de
macerie) mit Ziegeldach, nur inwendig mit Kalk
gestrichen bauen, Häuser aus Mauerwerk mit
Kalk (domus de muro et calce) aber nur die
Eepublik allein. Der Grundriß war, wie an den
Euinen zu sehen ist, stets quadratisch.
Den Mittelpunkt des Hauses bildete, be-
sonders im Winter, der Herd (ogniste).^) In
der Krankenstube des Klosters von Studenica
wird im Typikon eine? große tragharc kupferne
1) Cecchetti, La vita dei Veneziani nel i;H)0, Ardiivio veneto 21 (1884) 21 f.
2) Vgl. meine Rom. Dalm. 1, 03.
=) Fenestra saracinescha cum listis et balcon(;elli» 1.334. balconata saracenica 1371 usw. Div. Ka^.
*) Statut von Raguea VIII cap. 57, §17: ,et illos privatus faciant sulj terra, ita (luod inmundicia non discurrat in
predictis viis'.
^) trber das altslav. Haue ausführlich Niederlo a. a. O. 1, 705 f.
14
II. Abhandlung: Constaktin Jieecek.
Wärmepfanne erwähnt (arula), wahrscheinlich
mit Holzkohlen gefüllt, von einer Art, deren
Nachkommen in ganz Südenropa noch fortleben.
Am Herd hing der meist kupferne Kessel (kotbl,
lat. caldaria), befestigt auf eisernen Ketten, den
jcamastre' der Dalmatiner.^) Dabei stand das
Küchengeschirr: Töpfe und Pfannen, Gefäße
aus Stein, Ton, Bronze und Kupfer, hölzerne
Eimer mit eisernen Keifen (vjedra, vjedrica,
lat. galeta) usw.-) Von der Hauseinrichtung
waren in den Häusern der vornehmen Eagu-
saner und Cattarenser des 14. Jahrhunderts die
Schränke (armarinm) und die Bettstelle (lec-
tica) sclion bei dem Bau errichtet und wahr-
scheinlich unbeweglich, die Schränke in die
Wand eingelassen, das Bett in einer Art Alkove
aufgestellt. Beweglich waren die Tische, an
denen man bei den Gastmählern des Königs,
den Kirchweihfesten der Klöster oder im Speise-
saal der Mönche speiste, die trapeza oder trpe-
za (Tpa^C«) der Serben. In Eagusa gehörte der
Tisch (mensa) im 13. Jahrhundert zur Mitgift
der Frau. Er fehlte auch nicht im ragusanischen
Dorfhause (,tabula pro comedendo' 1451 an der
Ombla). Dabei saß man auf Stühlen (stol,
■/.aOsopa) verschiedener Größe, wobei Stephan Du-
san dem Kantakuzenos als seinem Gast die
höchsten zuwies, oder auf Dreifüßen (tripedes)
und Bänken (banca, scamna). Die Tafel war
mit Tischtüchern bedeckt (tovalia, niensalia),
welche z. B. in dem Deposit der Bjeloslava,
Witwe des Königs Vladislav und ihres Sohnes
Desa genannt werden (toalie pro tabulis).'*) In
Eagusa waren sie mitunter bunt gestickt. Es
gab auch Servietten (tovalia parva de manu).
Das Tafelgeschirr war von sehr verschiede-
ner Art. Einfach war im 13. Jahrhundert das
des Königs Vladislav, wenn wir es mit den In-
ventaren der Schätze vergleichen, welche im
15. Jahrhundert die Fürstin Kugina von Va-
lona, der serbische Despot Georg und die bosni-
schen Magnaten, der Großvojvode Sandalj und
sein Neife Herzog Stephan in Eagusa deponier-
ten.'*) Das gewöhnliche Geschirr war aus Holz.
In Eagusa gab es bemalte Holzschüsseln (ligneas
lances pictas) und hölzerne Teller (taglerios),
die auch der Comes von Canali 1422 in seinem
Haushalt hatte. Daneben besaß man Schüsseln
und Schalen aus Zinn (stagnum). Das vor-
nehmste war aber Silbergeschirr aller Größen,
das seltenste ein Service aus Gold. In Gold-
und Silbergefäßen erhielt, wie Metochites er-
zählt, die byzantinische Gesandtschaft bei König
Uros IL täglich Speisen nud Getränke von der
königlichen Tafel. Auch die Salzfässer (slanica,
salserii) waren bei den ärmeren Leuten aus
Zinn, bei den Eeichen aus Silber. Man aß mit
Löifelh (iLzica, ozica, zlica) aus Holz oder
Silber, mitunter vergoldet, und mit Gabeln
(pirun, von grieeh. r.v.zo'jr.z-i) , die im Hause des
Herzogs Stej^han Vukcic aus Korallen mit
Silber oder aus Kristall waren. Die Messer
mit beinernen Griffen waren bei den Vornehmen
auch versilbert oder vergoldet.
Die Trinkgefäße waren aus Glas (cBkljeni-
ca), aus Holz, wie ein hölzerner roter Becher
(casa) des Herzogs Stephan mit Silberschmuck,
aus Zinn, wie ein Pokal (bocale de stagno) des
Königs Vladislav, im 14. Jahrhundert aber bei
den serbischen Edelleuten und den ragusani-
schen Kaufherren meist aus Silber. Die besseren
Stücke waren vergoldet oder ganz aus Gold, wie
bei Vlk Brankovic,^) Despot Georg oder dem
Vojvoden Sandalj, mitunter mit Edelsteinen
besetzt. Im Kloster Moraca in Montenegro wird
in unseren Tagen der Becher des Stifters (1252),
des Knez Stephan, eines Sohnes des Königs
Vlkan und Enkels des Nemanja, gezeigt. Es
ist ein großes Ochsenhorn, kunstvoll herge-
richtet und mit Silber beschlagen. Am Feier-
tage (slava) des Klosters trinkt man noch all-
jährlich daraus zur Ehre Gottes (u slavu
boziju).") Die Formen der Trinkbecher waren
sehr verschieden, auf einem ,Fuß' oder einer
') Camastrae Ketton des Kessels über dam Feuer, belegt seit 099 in Dalmatien und Apulien, jeizt in Dalinatien
komostre, bekannt auch in Albanien und Untcritalien. Miklüsich dachte au zpijjLiiTpsc, Bartoli erwähnt das Wort aber
als , dunklen Ursprungs'. Jirecek, Die Romanen Dahii. 1, 89 (Denkschr. W. Ak. Bd. 48); Hartoli, Das Dalmatische (Wien
1900, Balkankommission) 1, 235, 272; 2, 242, 251, 26G.
') Ein irdener Topf mit Silbermünzen Stephan Dusans, gefunden bei Pozarevac: Starinar. N. S. 1 (1906) 55 mit Abb.
') Urk. 1281: Rad 1 (1867) 137 und Smiciklas, Cod. dipl. 6, 391.
*) Vgl. E. Lilek, Die Schatzkammer der Familie Hranici (Kosai-a'l, Wiss. Mitt. aus Bosnien 2 (IS'.U) 125 — 151.
') Am 23. Jänner 1395 deponiert Celnik Smil als Gesandter des dominus Volchus Brauchovich ,unum naffum de
auro, ((ui ponderat libras ([uinque et unrias quatuor cum dimidia', Div. Rag. 1391 — 139G Arch. Rag. In dem Brief der
Ragusaner an Vlk Brankovic und seine Familie heiI3t es ,jednu ea.su zlatu, koja tezi pet littr i cetiri ungije i pol', Spo-
menik II, 40—41.
•) Archimandrit Dni\{: im Glasnik 43 (1876) Gl. Rovinskij im Sboriiik russ. Akademie 86 (19091 105.
Staat und Gesellschaft ni mittelalterlichex Serbien III.
15
, Säule" stehend oder mit breitem Griind, mit
oder ohne Henkel (rucica, drzei) und Deckel (po-
krivac, poklopac). Man nannte sie casa, kupa,
in Bosnien pehar (aus dem deutschen Becher),
lat. cuppa, naffus, ciffus, tacia. Einheimischem
Geschmack entsprachen eine ,nappa sclavica''
(1417) oder ,pechari (tacie) ad modum Bos-
nensium' (14GT). Dazu gehörten große silberne
oder vergoldete Kannen (kondijer) und Krüge
(krugla) mit Deckeln, bekannt aus den Inven-
taren des 15. Jahrhunderts. Zum Eeisegeschirr
gehörte wohl die ,slavische eiserne Flasche'
(uno fiascho de ferro schiavonescho), die 1451: in
Ragusa erwähnt wird.
Wände, Türen und Fußboden des vornehmen
Hauses waren mit farbigen Teppichen bedeckt.
Im Deposit der Familie des Königs Vladislav
gab es zwei Gardinen von Leinwand, geziert
mit Seidenstickerei (cortine due de drapo lineo,
operate cum seta) und einen Vorhang gegen die
Sonne aus weißer Baumwolle (copertura pro
facienda umbra).^) Metochites fand das Haus
des Königs Stephan Uros IL mit seidenen und
goldgestickten Teppichen glänzend eingerich-
tet.-) Im Bauernhause traten an ihre Stelle
einfache grobe Decken. Der kostbare Hausrat
wurde in Truhen und Säcken verwahrt. Die
Frau eines byzantinischen Protovestiars in Ma-
kedonien hatte ihre Habe in zwei Truhen
(■/.;|i(ö-:ia) verborgen: goldene Gefäße und Gürtel,
Frauenschmuck und ein Bronzegefäß mit 12.000
Goldmünzen.^) Das Deposit der Familie des
Königs Vladislav war in fünf Truhen (capsae,
capsellae) verschlossen. In Serbien verwahrte
man im Hause des Königs ebenso gut wie in
dem des Bauern und Hirten das meiste in
Säcken (sakul, lat. sachus, saeeus). Erwähnt
werden Säcke nach bulgarischer Art (sachus
bolgareschus 1354) und große bunte wlachische
Säcke (saccus Vlacorum magnus pictus 1416).
Beleuchtet wurde das vornehme Haus durch
Wachskerzen, aufgestellt in Leuchtern (svjest-
nik, svjecnik) aus Eisen oder Silber oder, wie
es in Eagusa erwähnt wird, in Laternen aus
Bronze oder Eisen (lucerna in camara). Das ge-
wöhnlichste Beleuchtungsmittel war aber der
Kienspan (lue, lat. taeda), niclit nur im Bauern-
hause, sondern auch in den Klöstern und sogar
in den vornehmen Häusern von Eagusa, wo
noch im 15. Jahrhundert Edelfrauen und Dienst-
boten abends mit dem brennenden Span in der
Hand die Treppen auf- und abstiegen. In Ea-
gusa durfte niemand bei Nacht ohne Licht auf
die Gasse; dazu dienten kleine Laternen (lan-
terna, ferale, noch jetzt ferao. Gen. ferala, oder
Diminutiv feralic). Im Dorfe vertrat sie neben
dem Kienspan mitunter auch eine Handvoll
brennendes Heu (fenum accensum).
Ein Bett (odar) wird in dem Hause des
Königs, der Adeligen, der Bauern stets ge-
nannt, mit weichem Bettzeug (postelja), welches
aber oft nur für die Nacht auf dem Boden aus-
gebreitet wurde, wie noch jetzt im serbischen
oder bulgarischen Bauernhause. Dlugosz er-
wähnt, daß die alten Polen auf dem Boden
schliefen.-*) Einst schlief auch der Kaiser
Nikephoros Phokas im Palast von Konstanti-
nopel auf dem Fußboden, nur auf einem
Pardelfell und einer Purpurdecke.^) Johannes
von Eavenna, welcher 1384 — 1387 Kanzler von
Eagusa war, erzählt in einem seiner Briefe,
daß die Eagusaner nachts in Kleidern (dormi-
tant ac vestiti quidem) auf dem Boden schlafen
(solo passim cubant), auf Teppichen oder Filz-
decken, die mit wenigen Leintüchern bedeckt
und mit Tierhäuten unterlegt waren; der
empfindliche Schüler Petrarcas vermißte für
seine müden Glieder besonders den Strohsack
(palearum usus).^) Indessen wird bei den No-
biles der Stadt schon 1283 ein Holzbett er-
wähnt (lectum de ligno), seit 1340 verschieden-
artige Bettgestelle: umgeben von Bänken (cum
banchetis), oder überragt von einem gemalten,
teilweise vergoldeten Himmelbett (celum a lecto,
celum lectice), oder eingerichtet als ein , Bett-
käfig' (chabia oder ghaiba lecti), davor als Vor-
hang weiße Gardinen (cortina a lecto) mit roten
Tressen. Alt war der Gebrauch von Feder-
pölstern aus Seide oder anderen weißen oder
grünen Stoffen (uzglavica, lat. capitale, plunia-
sium, guan(jale, tugulela). l\[an ruhte auch auf
einem Unterbett mit Federn (perni^a, cultra,
coltreta de perinis, culcitra de ])('nnis), oft von
blauer Baumwolle, bedeckt mit einem Lciutucii
') Urk. 1281: Rad 1, 137 = Smicikla.s, Cod. di]il. (> p. 3'.ll.
') 'Ero'nXot; t£ Sjtoc; 6 Sojjlo; asTpaxrtüv o/jpizo"; t£ /a\ •/cjaiTraiTov;. Satlias, liibl. graeca 1, 17.1.
') Kantakuzeiios I cap. 55.
*) Niederle 1, 87-2.
') Leon Diakonos V cap. tj.
«) Abgedruckt bei Racki, Rad 7-1 (1885) 170.
16
II. Abhandlung: Constantin Jirecek.
(leugolum). Die Bettdecken (copertorium) aus
blauer oder gelber Leinwand oder aus Tuch
waren für den Winter mit Pelz gefüttert, mit
Lammfell, Marder- oder Fuchspelz. Erst im
15. Jahrhundert liest man in Ragusa von einem
Strohsack (slamnica) oder von Matratzen (ma-
taracium). Waschbecken (rukomija, bacin) wa-
ren im Hause der Fürsten aus Silber.^) Spiegel
(specula) zur Toilette erseheinen im Deposit des
Königs Vladislav. Die Kämme fgreben) wai-en
aus Holz, wie ,unum pecten de ligno novum', das
1285 die Leute des Zupan Tvrtko von Popovo
einem Ragusaner wegnahmen, oder aus Bein,
im besten Falle aus Elfenbein (de elefanto
1450).^)
Wie das Innere des Bauernhauses aussah,
wird nicht näher beschrieben. Die Inventare
bei Räubereien und Bränden in der Landschaft
von Ragusa aus dem 13. — 14. Jahrhundert zählen
den Hausrat auf: Vorräte von Getreide, Mehl,
Früchten, Käse, Butter und Honig, daneben
Waffen, Kleider, Küchengeschirr, Handmühlen,
landwirtschaftliche Geräte wie Karste, Schau-
feln, Äxte oder Winzermesser (kosijer), Holz-
eimer, Fässer, endlich Säcke und Schläuche aus
Bockshäuten zur Aiifbewahrung von Wein,
Honig. Butter oder Milch.
Alte Fresken und Beschreibungen zeigen
uns die Serben und Serbinnen als schöne, hoch-
gewachsene Leute mit regelmäßigen Gesichts-
zügen. Im Gegensatz zu den Bulgaren, welche
eine Mischung von Slaven mit alttürkischen
Völkern, den ürbulgaren und Kumanen waren,
blieben die Serben ein indogermanisches Volk,
Slaven, vermengt mit lUyriern und Romanen.
An physischem Wuchs ist heute noch der Bos-
nier höher als der Serbe. Ein Florentiner be-
zeichnet die bosnischen Edelleute, welche 1403
den König Ladislaus von Neapel in Zara be-
grüßten, voran den Magnaten Hrvoje, als
Männer, welche durch körperlichen Wuchs alle
anderen Menschen überragten.^) Über Haar-
und Hautfarbe wissen wir aus dem Mittelalter
nur wenig. Neben dem überwiegenden braunen
und schwarzen Haar gibt es heute noch blonde
I,eute, auch an der adriati sehen Küste und in
Albanien und Makedonien. Die slavischen Ein-
wanderer waren im 6. und 7. Jahrhundert nach
dem Zeugnis der griechischen Schriftsteller vor-
wiegend von heller Komplexion, während jetzt
nach zwölf Jahrhunderten, wahrscheinlich in-
folge der anhaltenden Mischung mit fremden
Elementen, die Serben meist dunkler Kom-
plexion sind.**) Ein alter Bericht schildert den
hl. Erzbischof Sava in der Jugend als Jüngling
mit ,goldschimmerndem' Haar.^) Das dichteri-
sche Ideal war goldblond, wie im klassischen
Altertum. In Ragusa besangen die Lyriker
Drzic und Mencetic am Ende des 15. Jahr-
hunderts das blonde Haar (rusa kosa) und die
goldenen Haarflechten (dva prama od zlata, dva
tanka pramena zlatom su predena) der schönen
Ragusanerinnen mit weißem Antlitz, rosigen
Wrangen und , überaus weißen' Händen. Auch
der Held und die Heldin des byzantinischen
Epos Digenis Akritas haben blondes Haar
(^av6i:), das seltener war und deshalb mehr An-
sehen genoß.
Aber nicht alle Le^^te waren schön. Opfer
der Justiz waren Männer ohne Hand, ohne
Nase, ohne Ohr, mit geblendetem Auge, mit
Brandmalen im Gesicht oder mit abgesengtem
Haar und Bart. Andere waren entstellt durch
Krankheiten. Ein weit verbreitetes Übel war
die unheilbare Lepra (altserb. prokaza). Kaiser
Johannes Tzimiskes ließ vor seinem Tode (9T6)
') In den Küstenstädten liat sich aus dem klassischen Altertum der Gebrauch der Nachtgeschirre erhalten, deren
Inhalt von den schönen Dalmatinerinnen oft auf unbequeme NachtAvandler aus den Fenstern ausgegossen wurde. Schon
1285 klagten vor dem Gericht von Ragusa ein Kleriker und ein Faßbindermeister (botarius), eine Bürgersfrau habe aus
einem .urceus plenus pisacjo' ihre Kleider mit einem Guß von der Höhe .gebadet'. Ein Zeuge stand entfernt, , tarnen sensi
pu<;am et inveni guarnavonum magistri Pascali-s balneatum pisacjo'. Jetzt in Ragusa vre (aus urceus).
') Über altslavische Kämme Niederle, Zivot 1, 143 f. mit Tafel III (Funde aus dem früheren Mittelalter).
") .Chervoia, magnus dominus potentia, corpore non minor ... et nobiles plures, qui omnes de regno Bosne sunt,
homines supra quoscumque viderim corpore excellentes." Brief des Kanzlers Matheus de Sancto Miniato bei Racki, Rad i
(18G8) 60 Anm. und M.akusev, Monumenta historica .'<lavorum meridi(in:ilium e tabulariis et bibliothecis italicis 1 (Varso-
viae 1874) 429.
*) Darüber Dr. N. Zupanii, .Sistem istorijske antropologije balkanskih naroda (Sj-stem der historischen Anthropologie
der Balkanvölker), Starinar, N. S. 3 (1908) b:i, 6ij. Nach seiner Ansicht waren auch die antiken Illyrier und Hellenen von
heller Farbe. Über diese anthropologischen Streitfragen Niederle, Zivot starych Slovanviv (Leben der alten Slaven) 1, 1
(Prag 1911) 55 — 58. Eine kartographische Darstellung der dunkeln, hellen und gemischten Rasse unter den Albanesen im
Vilajet Ton Skutari gibt Dr. Franz Baron Nopcsa in den Wiss. Mitt. aus Bosnien 12 (1912) 252; vgl. eb. 240 f.
') Zlatozarnyje vlasy, Theodosij bei l'avlovic 28.
Staat und Gesellschaft ni mittelalteklichex Serbien III.
17
die Leprosen in Konstantinopel vor allen
anderen Armen beschenken.^) Während der
Kreuzzüge verbreitete sich die Krankheit in
ganz Europa. In den Balkanländern gab es im
späteren Mittelalter Leprosen (prokazeni) über-
all, sowohl an der Küste, als im Binnenlande.
Der französische Bischof Louis de Rochechouart
sah 1461 in Zara , infinites leprosos'.^) In Ea-
gusa wohnten die Leprosen, von weitem an
ihren weißen Kleidern kenntlich, ganz isoliert
in Hütten auf dem Abhang vor dem östlichen
Tor und durften nicht in die Stadt kommen.
Noch im 15. Jahrhundert errichtete man eigene
Behausungen für .solche Kranke in Stagno und
Canali. In Cattaro befanden sich ihre Häuser
vor der Porta Surana, unter der Obsorge der
,procuratores leprosorum'. In Serbien hat schon
Nemanja die Aussätzigen reich beschenkt. Spä-
ter sammelten sich bei König Stephan LTros II".
Milutin Krüppel und Aussätzige aus ganz
Serbien und den umliegenden Ländern, um die
Wohltaten des Königs zu genießen. König
Uros III. errichtete in der Umgebung des
Klosters Decani ein von einem königlichen Ver-
walter geleitetes Asyl, in welchem er die Kran-
ken mit jverfaultem Antlitz' und abfallendem
Fleisch sammelte, verpflegte und persönlich be-
suchte. Auch der Despot Stephan Lazarevic
unterstüzte die Aussätzigen ; als dies bekannt
wurde, kamen selbst aus dem Küstenland und
aus Bulgarien große Scharen dieser Unglück-
lichen nach Serbien, ließen sich aber solche
Übergriffe zu Schulden kommen, daß man sie
aus dem Lande vertreiben mußte.^) Die Herr-
scherfamilien blieben von dem furchtbaren Übel
nicht frei. Bekannt ist die Geschichte des un-
glücklichen Königs Balduin IV. von Jerusalem
(t 1184). An Elephantiasis litt nach Chalkondy-
les der letzte griechische Dynast von Thessalo-
nich, der Despot Andronikos Palaiologos, der
dann im Kloster als Mönch Akakios starb
(t 1429). Die Fürsten Serbiens, insgesamt
kräftige und schöne Leute, hatten das Glück,
von solchen Heimsuchtingen verschont zu
bleiben.
Nationale Gegensätze gab es im mittelalter-
lichen Serbien nicht. Die albanesischen und
wlachischen Hirtengemeinden, die romanischen
und griechischen Stadtbürger und die sächsi-
schen Bergleute vertrugen sich untereinander
ganz gut. Auch unter den Vlastelinen und
Vlastelicici gab es Nichtserben, griechische
Archonten und Edelleute romanischen (dalma-
tinischen), wlachischen (rumänischen), und al-
banesischen Ursprunges. Eher gab es einen
kirchlichen Gegensatz zwischen den Orthodoxen
und den Lateinern. Der verschiedene Charakter
der Völker wird aber in der Literatur be-
sprochen. Eine einheimische Völkertafel teilt
die 72 Nationen der Welt nach den Religionen
in drei Gruppen: die , rechtgläubigen' (pravo-
verni), zu denen die Griechen, die Slaven der
orientalischen Kirche, die Georgier und die
Syrer gerechnet werden, die ,halbgläubigen'
(poluverni), zu denen die Armenier, Ungarn,
Franken (Fruzi), Deutsche (Nemci), Sachsen
(Sasi), Kroaten (Chrovati), Cechen (Cesi) und
Polen (Lesi) gehören, und die ,Ungläubigen'
(neverni), die Juden, Türken und Sarazenen."*)
Naiv ist eine Völkertafel, welche die einzelnen
Nationen mit Tieren vergleicht. Der Grieche
ist ein Fuchs, der Bulgare ein Stier (byk), der
Russe eine Fischotter, der Litauer ein Auer-
ochs (tur), der Ungar ein Luchs, der Wlache
eine Katze (kotka), der Albanese ein Biber, der
Chunavier (aus der Landschaft Chunavia bei
Durazzo) ein Hase, der Serbe ein Wolf, der
Kroate eine Eule, der Sachse ein Hengst (pa-
stuch), der ,Alamanne' (Deutsche) ein Adler, der
Franke ein Löwe. Von ferneren Völkern ist der
Jude ein Dachs, der Armenier eine Eidechse,
der Georgier (Iberer) ein Widder, der Ossete
(Jasin) ein Hirsch, der Tscherkesse (Cerkes)
ein Büffel, der Tatare ein Windhimd, der Ku-
mane ein Leopard (pardus), der Türke eine
Schlange (zmija), der Sarazene ein Eber.^)
Nachklänge der feindlichen Stimmung
gegen das byzantinische Kaisertum, welche in
der Biographie des Neman ja, verfaßt von seinem
Sohne König Stephan, klar hervortritt, trifft
man noch bei Daniel; er berichtet, wie Kaiser
Michael Palaiologos den König Uros IL zu
seinem .gehorsamen Knecht' haben wollte.®) Die
Griechen schreiben von den Serben mit An-
') MäXioTot Tor; XeXwßTjjjLEVoi; xai ßsßptofAEva i^ Ujsä vo'-ji.) -zx atüfiira jcEpi9Epouinv. Leou Diakonos X, cap. II.
') Reise des Rochechouart in der Revue de l'Orient latin 1 (1893) 228.
') Domentian 29. Daniel 139. Camblak über Decani Glasnik 11, 75. Konstantin der Philosoph ib. 42, 310.
*) Safafik. Sebrane spisy 2, 733. Ljubomir Stojanovi6 im Glasnik 63 (1885) 8, 61.
^) Safarik a. a. O. Über die Handschrift in Karlowitz (aus den 16. Jahrhundert) DaniCic, Starine 2, 261. Eine neue
Ausgabe mit Benützung zalilreicher Handschriften wird vorbereitet von Jaeimirskij in Petersburg. °) Daniel 107.
Denkschriften der pbil.-hist. Kl. 58. Hd. 2. Alih. 3
18
II. Abhandlung: Constantin Jirecek.
erkennimg ihrer Frömmigkeit und Tapferkeit,
aber auch mit Hervorhebung ihrer Habsucht
und Wankelmütigkeit. Ein Haß gegen die
Serben ist erst nach den Eroberungen des
Stephan Dusan in der Stadtchronik von -Tanina
von Proklos und Komnenos zu bemerken.
Italien jind ganz Westeuropa war den Serben
das Land ,jenseits des Meeres', das zamorje.
Pie ,Lateiner' von Dalmatien und Italien galten
bei ihnen als schlaue, aber kenntnisreiche Leute,
bewandert in Schiffahrt und Handel. Von den
Abendländern ist den Serben freundlich der
dem Bosone da Gubbio zugeschriebene italieni-
sche Ritterroman ,Fortunatus Siculus' (s. oben 1,
80), die venezianischen Chronisten, voran der
spätere Doge Andreas Dandolo, und im 15. Jahr-
hundert der burgundische Kitter Bertrandon de
la Brocquiere ; unfreundlich, teilweise unter dem
Einfluß des kirchlichen Gegensatzes, schreiben
über Serbien im 14. Jahrhundert der Erzbischof
Guillaume Adam, Philipp de Mezieres und
Johannes von Eavenna.
Fremde Einflüsse sind besonders an den
Fremdwörtern zu bemerken. Diese scheiden
sich in zwei große Gruppen: die durch den
Handelsverkehr verbreiteten romanischen (ita-
lienischen und dalmatinischen) und die beson-
ders durch kirchliche Verhältnisse eingebürger-
ten griechischen Wörter. Der Glanz der alten
bj'zantinischen Kultur wirkte im 13. — 15. Jahr-
hundert trotz des politischen Verfalles des
Konstantinopler Kaisertums unvermindert auf
die Völker der Halbinsel. Die geistige Über-
legenheit der Griechen wurde gerne anerkannt.
In der serbischen Übersetzung des Nomokanon
aus dem 13. Jahrhundert heißt es, das Buch sei
bisher ,verdunkelt gewesen durch die Wolke der
Weisheit der hellenischen Sprache'.*) In der
von Erzbischof Daniel IL an die Kathedrale
von Pee angebauten Muttergotteskirche hielten
von ihm berufene griechische Mönche den
Gottesdienst nach dem Wunsche des Stifters
in griechischer Sprache ab.^) Verstärkt wurde
der griechische Einfluß durch die großen Er-
oberungen im Süden seit 1282. Dabei wirkten
verschiedne Faktoren zusammen : der Ruhm des
altehrwürdigen Konstantinopler Reiches, dessen
Krone Stephan Dusan sich aufs Haupt setzen
ließ, die vielen von den Serben übernommenen
Institutionen des byzantinischen Staates und
die zahlreichen Heiraten mit Griechinnen. Die
serbische Regierungsgesellschaft war im Süden
unter Stephan Dusan schon in der ersten
Generation auf dem besten Wege, sich zu gräzi-
sieren. Der Despot Johannes von Valona, ein
Bulgare, Schwager des Stephan Dusan, unter-
sckrieb sich (1350) auf zwei serbischen Urkunden
nur griechisch. Von Dusans Halbbruder Symeon,
der später in Thessalien residierte, gibt es bloß
griechische Urkunden. In Makedonien fand
man in unseren Tagen neben slavischen aiich
zahlreiche griechische Inschriften der serbi-
schen Edelleute dieser Zeit: des Bojko und
seiner Frau Eudokia auf einer Insel des Sees
von Prespa (1345), des Despoten Johannes
Oliver in Lesnovo (1349), des Kesar Gregor
Brankovic an den Ufern des Sees von Ochrid
(1301), des Kesar Novak und seiner Frau Kali
(Ka/.r,) in Prespa (1369).^) Ähnliche Erschei-
nungen sind bei den Franken in Hellas zu be-
merken, z. B. bei den venezianischen Nobili auf
Kreta. Die Orsini von Kephallenia, italienische
Dynasten, haben sich als Despoten von Epirus
rasch in Griechen verwandelt. Heute noch gibt
es Spuren des mittelgriechischen Einflusses in
der lebenden serbischen Sprache.'*)
Im Äußeren sah der Mann bei den Orien-
talen und Occidentalen ganz verschieden aus.
Die Abendländer waren glatt rasiert und ge-
schoren; die Orientalen trugen lange Barte und
Haare, nicht nur die Griechen, die Serben, die
Rumänen der Walachei, wie sie Schiltberger
schildert, sondern auch die Ragusaner, wie es
Johannes von Ravenna mit Verwunderung ver-
zeichnet. Aufsehen erregte es in Konstantinopel,
als Theodor, Sohn des Kaisers Andronikos IL,
sich als Erbe der Markgrafschaft von Mont-
ferrat in Piemont (1305) nach lateinischer Art
den Bart abnehmen ließ.^) Ebenso war langes
Haar und Bart im mittelalterlichen Rußland
•) StojanoTi(5, Zapisi Nr. 19, 38, 5543.
2) Daniel 36'.i.
') Vgl. meine Hemerkungen in der Byz. Z. 13 (1904) 196.
*) Z. 15. seit dem Gesetzbucli des Stejilian Dusan jjedevsati, pedepsati strafen (neuserb. sich plagen) aus dem Aorist
£-aiS£j3a von KaiOEJto. Über das Vorherrschen der Aoristformen in den griechischen Fremdwörtern des Serbischen. Bul-
garischen, Rumiinischen, Albanesischen vgl. Miklosich, Albanische For.schungen III (Denkschr. W. Akad. Bd. 20) 317 f. So
noch neuserbisch telegrafisati telegraphieren.
°) Nikephoros Grogoras VII cap. 5, § 10.
Staat und Gesellscuaft im mittelalterlichen Seebien IIT.
19
und in Böhmen landesüblich. Eine Folge dieser
Sitte ist es, daß im altserbischen Gesetzbuch,
ebenso wie in den Gerichtsbüchern von Kagusa
bei allen Schlägereien so viel vom Ausraufen
des Bartes die Eede ist. Der Mann, dem der
Bartwuchs von Natur aus versagt war, wurde
bei Griechen und Serben verspottet und gering-
geschätzt, der weiberähnliche span (czavi;).
Von der Aufnahme in die Athosklöster waren
schon 973 Kinder, Bartlose und Eunuchen aus-
geschlossen. Bei einer Verfolgung der ,Spani'
um 1263 mußte auch ein bartloser Serbe, Theo-
dor der Grammatiker, ein fleißiger Abschreiber
von Handschriften, den Heiligen Berg ver-
lassen.^) In Verbindung damit steht der tiefe
Haß aller nördlichen Völker gegen die bart-
losen Eunuchen des byzantinischen Eeiches,
denen man bodenlose Bosheit zuschrieb. Schon
in der Periode der Völkerwanderungen liest
man in den lateinischen Chroniken feindselige
Bemerkungen über die ,spadones' des kaiser-
lichen Hofes. Symeon von Bulgarien beschul-
digte in seinen Briefen an den Patriarchen
Nikolaos ]\tystikos die Eunuchen des Konstanti-
nopler Hofes als Urheber aller Feindschaft
zwischen Bulgarien und Byzanz.^) Im 10. und
11. .Tahiliundert gab es .viele einflußreiche Eunu-
chen nicht nur unter den Staatsmännern von
Byzanz, sondern auch unter den Feldherren,
wie z. B. Georgios Provatäs, welcher von dem
serbischen Fürsten Stephan Vojslav (1040) in
den Bergen von Montenegro geschlagen wurde.
Noch Pachymeres erzählt, wie sich der serbische
König Stephan Uros I. über die Eunuchen im
Gefolge der byzantinischen Prinzessinnen lustig
machte.
In der Kleidung waren vorherrschend Trach-
ten einheimischer Art, von denen manche gegen-
wärtig unverändert fortleben. Den konservati-
ven Sinn der Eagusaner, welche bei ihrer alten
Tracht bleiben, obwohl sie so viel in der Welt
herumreisen, schildert Johannes von Eavenna.
Doch haben in Eagusa bald nach der Zeit des
Johannes neue Moden aus Italien in großem
Umfang Eingang gefunden. Viel konservativer
waren die Bergbewohner des Westens. Von
fremden Kleidern hatte sich am serbischen Hofe
und unter dem Adel Serbiens das byzantinische
Paradegewand eingebürgert, die lange, kaftan-
artige, oft goldgestickte und mit Perlen ge-
schmückte svita.
Die großen Herren waren gekleidet in teuere
griechische, italienische oder flandrische Ge-
webe, in Scharlach (skrlat), Samt und Seide,
entweder leichte Seidenzeuge (gendato) oder mit
Gold durchwirkte damaszierte schwere Seiden-
stoffe orientalischer Art (camocato). Von
Kleiderordnungen oder Luxusgesetzen ist in
Serbien keine Si:)ur vorhanden; auch in den
Küstenstädten liest man in dieser Periode
höchstens von einer Beschränkung der Mitgift.
Die kleinen Leute trugen, wie heute noch, grobe
haarige Wollstoffe, Erzeugnisse der einheimi-
schen Hausindustrie. Es war das weiße oder
graue sukno (lat. sochena), im Küstenlande
rassia (rascia) genannt.^) Abarten davon
waren die schwarze, für Kleider und Mäntel
bestimmte mrcina (mergina) und die im
Küstenlande im 14. — 1.5. Jahrhundert zu
Frauenkleidern verwendete blaue modrina,*)
beide heute noch bekannt. Eine kotzenartige
weißgraue Art, die sclavina der Eagusaner
(sclavina j^ilosa), auch als Mantel getragen und
zur Einhüllung der Tuchballen bei Warentrans-
porten verwendet, wurde auch in Westeuropa
als slavisches Erzeugnis bekannt. Mäntel aus
gi-oben Wollstoffen hießen im Mittelalter deutsch
slavenie, französisch esclavine, wie denn
italienisch schiavina noch immer eine grobe
Decke oder ein Eremitengewand bedeutet."^) In
Eagusa unterschied man eine wlachische, grie-
chische und ungarische Art: schiavina moro-
vlascha, vlachesca, greca, hongara.
Die Farbe der Kleider war vorwiegend die
') Typikoii des Kaisers Johannes Tzimiskes bei Pli. Meyer, Die Ilaupturkuiiden für die Geschichte der Athosklöster
(Leipzig 1894) .S3, 147. Epilog- Theodors bei Stojanovic, Zapisi 1 Nr. 21; vgl. Vulovii, Godisnjica 7 (1885) 95. Die byzan-
tinische Satire ,Die Messe des Bartlosen'; vgl. Kriimbaclier, Byz. Literaturgeschichte 2 A., 809 und A. Heisenberg in dor
Byz. Z. 14, 661.
^) Ilspt TüJv HÜvouytov, tö; izsfDEv r) tojv y.x/.wi ait!«. Migne, Patrologia graeca, vol. 111, col. 124.
=) Sukno Vilo = rassia biancha, Urk. aus Stagno 1458, Arch. slav. Phil. 21 (1899) 621— .522. In Kagusa rasa jetzt
ein blaues Tuch für Bauernhosen, nicht zu verwechseln mit der schwarzen rasa der Mönche. Nach Miklosich, Ktym.
Wörterbuch, ist rasa ein Stoffname von der .Stadt Arras in Frankruicli.
*) Nach den Wörterbüchern von Mikalja, Stiilli, Vuk Karadzii und dem Kjecnik der Südslav. Akademie ist nio-
drina oder modraca (von raodar blau) noch jetzt in Dalmatien, z. B. in Canali, eine Art blauer Frauenrock. Ebenso ist
nach Vuk und dem Rjecnik mrcina (von rark schwarz, braun, dunkel) in Kroatien und der Hercegovina eine .-Vrt schwarzes
Frauenkleid. =) Vgl. Niederle a. a. O. I, 472.
3*
20
II. Abhandlung: Constantin Jikecek.
natürliche Farbe von Wolle oder Leinen, weiß
oder grau ; seltener waren blau oder schwarz
gefärbte Wollstoffe. Ganz weiß war die Mehr-
zahl der Bauernkleider bei Kagusa um 1400.
Schwarze Wollkleider trugen die mit Lanzen,
Äxten und Pfeilen bewaffneten Wächter der
byzantinischen Straße zwischen dem Strymon
und Strumica;^) heute noch trägt der Mann der
Gebirge im Osten Makedoniens schwarze Klei-
der aus Schafwolle. Die Paradekleider waren
meist rot, seltener grün; Leute in grünen Män-
teln sind auf den Miniaturen des Evangeliums
des Miroslav zu sehen. Bei einer Versammlung
glänzte alles in schöner Farbenpracht. Bunt
wie die ,Blumen des Feldes', allen Zuschauern
zur Bewunderung, waren nach Daniels Worten
die Gewänder der Königin Simonida und ihres
Gefolges von Edelleuten und Edelfrauen, ge-
kleidet in glänzenden Purpur mit goldenen
Gürteln, geschmückt mit Perlen und Edel-
steinen, als sie ihren Schwager König Stephan
Dragutin und dessen Gattin Katharina von
Ungarn in Belgrad ,am Ufer der Flüsse Donau
und Save' besuchte.^) Im 15. Jahrhundert wur-
den die Kleider noch bunter. Da war bei Ea-
gusa der Bauernrock z. B. in Breno oft weiß,
die Ärmel rot, in Eagusa selbst der Eock
schwarz, die Ärmel grün. Auch die Schuhe
waren damals schwarz und rot gestreift, ebenso-
gut die des ragusanischen Comes von Canali,
wie die einer Bäuerin von Zonclietto. Über die
Tracht der Weltgeistlichen haben wir keine
Kenntnis. Die Mönche waren ganz schwarz ge-
kleidet, in einem Talar aus schwarzer rasa,
daher slavisch seit altersher als , Schwarzröcke'
(crnorizbc) oder , Schwarze' (crnBc) bezeichnet.^)
Unentbehrlich waren Felle und Pelze, wel-
che eigentlich den ältesten Stoff für die Klei-
dung bildeten. Männer- und Frauenkleider
waren gefüttert mit schwarzem oder weißem
Lammfell oder mit Hasen-, Fuchs-, Marder- und
Wolfspelz. Jede Patrizierin von Cattaro oder
Eagusa erhielt im 13. und 14. Jahrhundert in
ihrer Mitgift einige mit Pelz gefütterte Klei-
dungsstücke. Hermeline (armelini) werden erst
im 15. Jahrhundert erwähnt. Helena, die Witwe
des Großvojvoden Sandalj, deponierte 1440 in
Cattaro zwei ,vestes veluti rubel', beide .sufl'ul-
tas armelinis', die eine mit goldgestickten
Ärmeln, die andere ohne Ärmel, besetzt mit
Perlen.*) Als Geschenk für die Schwieger-
tochter des Despoten Georg, für Helena, die
Frau des Despoten Lazar, bestellten die Eagu-
saner 1446 in Venedig 20 Ellen roten Samt
(velluto de cremixi) und ,pelle de armelini' bis
zum Preise von 300 Dukaten, soviel als zum
Futter eines Paradekleides notwendig war.^)
Pelzmäntel waren überhaupt ein bei serbischen,
bosnischen und albanesischen Fürsten sehr be-
liebtes Geschenk. Den Mantel schloß man noch
um 1225 mit einer Fibel (zapon). Ein merk-
würdiger Fund ist eine runde goldene Spange
des Knez Peter von Chelmo mit serbischer und
lateinischer Inschrift: .f Zapon velijega kneza
lilbmskoga Petra. Pretende comiti Pet(ro)'.
Auf der Kückseite sieht man in romanischen
Ornamenten Adler, Hasen und Hunde, die
durch eine Eeihe Blätter durchschlüpfen.'')
Später gehörten zum alltäglichen Prunk Silber-
knöpfe (putbc, lat. maspilus, ombreta, lambreta,
bottoni), bei den Männern, wie auf den Fresken
zu sehen ist, ebensogut wie bei den Frauen. In
Eagusa trugen sowohl die reichen Bürgers-
frauen als auch Bäuerinnen der Umgebung auf
ihren Jacken, besonders auf den Ärmeln 6 bis
22 Paare solcher Knöpfe, die mitunter ver-
goldet waren.
Das wertvollste Stück war bei Mann und
Weib der Gürtel (pojas, centura, Zw-rr,)- Er war
verfertigt aus schwarz oder rot gefärbtem Leder
oder aus schwarzer, blutroter, grüner oder blauer
Seide oder Samt, geschlossen mit einer silljer-
nen Spange und geziert mit reichem Metall-
schmuck aus Zinn, vergoldetem Kupfer, ein-
') Nikephoros Gregoras VIII cap. 14, § 5 ([isXaiva; ioOrj-ca;).
') Daniel ed. Danicii p. 96 — 97: jako i polBscii cveti mnogorazlicnymi dobrotami ispbstreni'.
') Griech. piaov, lat. Ursprungs (rasum). Spitzname der Münche rasoder, ungefähr der ,Schwarzrockschinder".
') Notarialbücher 13. Mai 1440 im Gerichtsarchiv von Cattaro.
^) Consilium Rogatorum 1. Oktober 1446 Arch. Rag. Im 15. Jahrhundert wird der rote Pelzmantel des Herzogs
Stephan als suba (Schaube) bezeichnet, der kleine rote goldgestickte Pelzrock der Helena, Sandaljs Witwe, mit einem in
Polen und Ungarn bekannten Wort als kontus. Vgl. Lilek, Wiss. Mitt. aus Bosnien 2, 147 f. Suba aus arab. al dzubbah,
Niederle a. a. O. 1, 462.
") Beschrieben von Ljubomir Kovacevic im Starinar 1 (1884) 110—118 mit Abbildungen. Im Nachlaß des Königs
Vladislav war .bocla una de argento deaurata' vielleicht eine Fibel, Rad 1 (1867) 138. Niederle a.a.O. 1, 530 f. über
die seit dem 8. Jahrhundert verfallenden Fibeln, mit Abbildungen nach den Funden, besonders aus Rußland.
Staat und Gesellschaft im inTTELALTEELicHEx Serbiex III.
21
fächern oder vergoldetem Silber oder, wie bei
den Byzantinern, aus reinem Gold.^) In den
Sammlungen der kaiserlichen Archäologischen
Kommission in Petersburg befindet sich ein
goldgestickter Gürtel, auf welchem dreimal der
Name eines Branko zu lesen ist, nach Novakovic
des Sevastokrators Branko unter Stephan Dusan,
des Vaters des Vlk Brankovic. Ani den Sticke-
reien dieses Stückes ist ein Falke, ein Bär mit
erhobenen Vorderfüßen, ein allegorisches Tier
mit Eberkopf und Schlangenleib zu sehen und
daneben noch acht Löwenköpfe.^) Es gab auch
Gürtel aus Silbergeflecht mit vergoldeten Buk-
keln (centura de filo de argento de opere levato
inaurato), wie der elf Pfund ,ad subtilem'
schwere, um 113 Perper gekaufte des Comes
von Popovo Muzbrat Slavomiric (1313). Im
15. Jahrhundert unterschied man eine breite
bosnische Art (centura larga bosignana) und
eine ungarische Art (cingulum ungaricum, cen-
tura ongarescha). Das Tragen dieser schweren
Leibesumfassung erforderte eine gewisse Übung.
Ein Goldgürtel im Besitze der Adelsfamilie
Bona in Eagusa, 1376 abgeschätzt auf 425 Du-
katen, wog neun Pfund, ein silberner Frauen-
gürtel, der 1436 einem ragusanischen Kauf-
mann in Novo Brdo gestohlen wurde, 8 Pfund
und 7 Unzen. Ebenso besaß der Großvojvode
Sandalj einen Gürtel aus rotem Leder mit ver-
goldetem Silberschmuck, 11 Pfund und 2 Unzen
schwer, und einen zweiten Gürtel in der Form
einer vergoldeten Kette, welcher gar 22 Pfund
und 10 Unzen wog. Gürtel mit Silberschmuck
trugen nicht nur vornehme Leute, sondern auch
Baiiern bei Ragusa und Stagno. Am Gürtel
hing das Messer und der Geldbeutel (tobolac,
lat. bursa, marsupium, pera, scarsella) von ver-
schiedener Art, oft aus rotem Samt, mit Sillier-
schmuck benäht oder mit Goldfäden gestickt,
mit Perlen oder Goldknöpfen geziert und an
Silberkettchen befestigt. Aus den Gerichts-
büchern von Eagusa wissen wir, daß es schon
damals böse Menschenkinder gab, welche im
Gedränge des Marktes die schönen Beutel ge-
wandt abschnitten (incidere bursam). Deshalb
trugen viele Leute das Geld nur in einem ein-
fachen oder goldgestickten Tüchlein geborgen
im Gürtel oder im Ärmel oder versteckt im
Busen. ^)
Die Fußbekleidung der Bauern und Hirten
waren einfache Bundschuhe (opinze, paria
opancharum), ein mit Eiemen befestigtes Stück
Schweins- oder Ochsenleder, in den Balkan-
ländern heute noch allgemein bekannt. Mehr
städtischer Art waren Lederschuhe (crevija,
crevlja) oder Tuchschuhe, schwarz, grün, blau,
rot, mitunter auch bunt gestreift. Der Kriegs-
mann trug hohe Lederstiefel mit Sporen.*) Im
Winter legte man bunt gestickte, mit Marder-
fell oder anderem Pelz gefütterte Handschuhe
an (cyrothecae, guanti).
Die Details sind wegen der schwierigen
Deutung der oft für beide Geschlechter gleichen
Termini und bei dem Mangel an Bildern nicht
leicht darzustellen. ■') Der Eock des Mannes,
mit oder ohne Ärmel, oft mit Pelz gefüttert
und bis in die Mitte des Schienbeines herab-
reichend, war aus verschiedenartigen Stoffen
gearbeitet, von weißer, schwarzer, grauer,
blauer oder grüner Farbe, die suknja, suknji-
ca (lat. tunica, guarnachia, zuppa, zubbetum).'')
Es gab auch feine Eöcke aus grüner oder blauer
Seide mit Pelz (zuponum). Weniger wissen wir
über die Farbe der Hosen (gace, lat. braeeae,
serabulae, mutandae, femuralia). Auf den Skul-
pturen der bosnischen Steingräber sieht man
Männer in einem knapp anliegenden Eock, der
bis zu den Schenkeln herabreicht und oft falten-
reich und mit Schnüren geziert ist, und in
engen Beinkleidern.^) In der Umgebung des
Klosters von Banjska trug man lederne Gama-
schen (skornje), anderswo hohe Wollstrümpfe
aus Ziegenhaar (klainje), während der Fuß
selbst durch kleine Strümpfe (bjecve) geschützt
war. Der Mantel, plast, gunj, später kaba-
nica (lat. mantellum, clamis, soccha oder zocha)
war bei Eagusa meist aus schwarzem haarigen
Stoff hergestellt, selten weiß, lirnini, blau oder
») Vgl. Niederle a. a. O. 1, 577 f.
^) Novakovic, Glas 78 (1908) 249.
') Über die nordslav. Gürtel Niederle a. a. O. 1, 466 f.
*) Vgl. Niederle a. a. O. 1, 486 f. mit Ahljilduiifren.
') Suknja, gonella, tunica usw. gelten für Manns- und Frauenkleider. Vgl. Niederle a. a. O. 1, 437 f.
») Aus släv. suknja auch deutsch suckenie, engl, suckeney, neugr. 50j/.(.v(a usw.: vgl. Niederle 1, 448.
') Dr. C. Truhelka, Wiss. Mitt. 3 (1895) 418. Vgl. das Bild eines Bosniers in einem Kode.\ der Arokalypso, mitge-
teilt von Jagic, Arch. slav. Phil. 25 (1903) S. 25.
22
II. A^i^A^-I>LrxG: Coxstaxtix Jikecek.
grün, oft mit schwarzem Lammfell ausgefüttert
und mit Silberknöpfen geziert.^) Es gab lokale
Formen der Mäntel, ,more Sclavorum', ,ad mo-
dum bosnensem'. Die Parademäntel der Serben
waren im 13.— 15. Jahrhundert in der Eegel
aus rotem Tuch mit Pelzfutter (mantellum
sclavonescum coloris rubei), um 1300 ebensogut,
•wie z. B. der Mantel eines Kanzlers des Despo-
ten Georg.
Dunkel ist die Bedeutung der einzelnen
Namen der Kopfbedeckungen:-) kapuc (ca-
puciuni, caputeum) im Gesetzbuch des Stephan'
Dusan und bei Eagusa, wahrscheinlich kapuzen-
artig aus schwarzem, blauem oder rotem Tuch;
die wohl schwarze k a p a der Popen ; die schwarze,
blaue, grüne oder rote, mit Lammfell, Mar-
der- oder Wolfspelz, in Bosnien mit Eich-
hörnchenfell (veverica) verbrämte bireta, ba-
reta, serbisch auch klobuk, in Ragusa im
15. Jahrhundert vuljanica genannt, eine Mütze
aus Wolle oder Samt von verschiedener Größe.
Steife Hüte waren wohl die schwarzen oder
roten pilei aus Wollp, Tuch oder Kamelhaar
und die verschiedenartigen capelli, weiß oder
rot aus Wolle oder Samt: capelli sclavones-
chi, albanenses, ongareschi mit Goldschnü-
ren (im 15. Jahrhundert), tartareschi mit
Perlen. Es gab auch hohe Stücke, wie die
500 ,cappelli de tallia magna', welche 1372 dem
Eagusaner Junius Bisti de Bona auf dem Wege
von Thessalonich nach Novo Brdo im Gebiete
des Despoten Dragas weggenommen wurden,^)
oder das ,capellum magnum de lana', welches
man 1402 einem albanesischen Geistlichen aus
Polato in Eagusa gestohlen hat. Eine ganz
kleine Mütze (zOJStov öa!yov) nach serbischer Art,
welche den Hinterkopf ganz schutzlos ließ, trug
der Gesandte des Königs Uros IL, mit welchem
Metochites (1299) aus Konstantinopel nach Ser-
bien reiste."*) Es war etwas in der Art der heute
noch üblichen ,kapa' der Montenegriner und
Hercegoviner. Kalpakartige Kopfbedeckungen,
eine Art phrygischer Mütze mit nach rückwärts
gedrehter Spitze, haben die Eeiter vmd Fuß-
gänger auf dem Bild eines Steindenkmales in
Borje im Tal des Trebizat in der Hercego-
vina.*)
Das Frauenkleid ist nur aus Nachrichten
über die Fürstinnen und aus den Eintragungen
der ragusanischen Amtsbücher bekannt. Hem-
den (kosulja, lat. camisia, interula) gab es bei
Eagusa auch ,slavischer Art', wahrscheinlich
mit bunter Stickerei geziert (camisias ad mo-
dum sclavonescum). Natürlich war das Frauen-
hemd länger als das Männerhemd; drei ,cami-
sie magne pro femina' gab es im Deposit der
Familie des Königs Vladislav. Vornehme Frauen
trugen auch Hemden von Seide. Das Frauen-
kleid (suknja, gunj, lat. gonella, tunica) war
aus weißem oder blauem, seltener aus braunem,
grünem oder rotem Stoff gemacht, auf den
Ärmeln und auf der Brust besetzt mit Silber-
oder Goldknöpfen. Es gab Eöcke nach ,slavi-
scher Art' aus Seide (gonella sclavonesca 1313).
Außerhalb des Hauses trug man in den Küsten-
städten ein langes färbiges Oberkleid (guarna-
chia) oder einen mit Pelz gefütterten, scharlach-
roten oder grünen Mantel. Als Paradegewand
der Eagusanerinnen kennt Philippus de Diver-
sis ein Schleppkleid (guarnazonum,mit ,cauda
longa'). Auf den Skulpturen der bosnischen
Steingräber erscheinen die Frauen in einem
weiten, bis zur Erde reichenden Eock unter-
halb der schlanken, wohl von dem Gürtel zu-
sammengehaltenen Taille. Mädchen, Frauen,
Witwen, Patrizierinnen und Bürgersfrauen
von Eagusa unterscheiden sich durch ihre Kopf-
bedeckung. Das einfachste war ein Kopftuch
oder Schleier (ubrus, pokrivaca, lat. orale, to-
valia a capite, velum, fagolum de muliere),
groß oder klein, aus Leinwand oder aus Seide,
mitunter mit Goldstickereien reich geziert. Es
gab eine eigene Art serbischer Kopftücher (fa-
zolum sclavonescum 14-±6, faciola illorum de
Servia 1455). Aus feinem Tuch war die kapa
(lat. capa), oft mit Seide gefüttert, welche von
den Edelfrauen von Eagusa getragen wurde.
In den Archivbüchern wird eine ,cappa duplex
') über den punj, den schwarzen von verschiedener Länge, der in Serbien ohne Gürtel und oft ohne Ärmel ge-
tragen wird, und den durch den Gürtel zusammengehaltenen weißen mit Ärmeln der Montenegriner vgl. Vuk Karadzid,
Lexikon. Bulg. günja, bekannt auch in allen slav. Sprachen. M. Vasmer, Byz. Z. 16 (1907) 553 — 554 leitet lat gunna,
für welches Waldo keltischen Ursprung annimmt, und nüttelgriech. youva Pelz vom slav. guna ab, ,welclies ursprünglich
etwa „Kuhfell" bedeutete'. Dr. St. Komansky, Leluiwürter lateinischen Ursprungs im Bulgarischen (XV. .Jahresbericht des
Institutes für rumänische Sprache, Leipzig 1909) 106 — 107 meint aber, das Wort sei in die slav. Sprachen aus dem Latein,
ins Bulgarische durch Vermittlung des Griechischen gekommen. Vgl. Niederle a. a. O. 1, 473 A. 2.
') Vgl. Niederle a. a. O. 1, 499 f. mit Tafel S. 501 (20 Typen nordslav. Kopfbedeckungen des 11. — l.i. Jahrhunderts).
») Klage 15. Juni 1373 Lam. Rag. ■*) Sathas, Bibl. graeca 1, 161.
*) M. Hoernes, Altertümer der Hercegovina, S.-Ber. W. Akad. 97 (1880) 542 Fig. 12.
Staat und Gesellschaft im mittelalterliches' Sekbiex III.
£3
coloris viridis, gialli et rubei' (1329) und eine
, ,fapa muliebris sclavica panni viridis' (1372)
erwähnt. Noch im 16. Jahrhundert sah Busbeck
1553) auf seiner Eeise nach Konstantinopel eine
rote Mütze (pileolum purpureum), welche die
adeligen Jungfrauen der Serben zu tragen
pflegten, und bemerkt, er habe in Jagodina ein
Mädchen, dessen Kopf eine Mütze mit Pfauen-
federn zierte, gesehen. Im 15. Jahrhundert trug
man in Eagusa den kosmac aus langhaariger
Wolle (tovaglia pilosa) und die kupliea aus
Tuch, die mit Perlen geschmückt auch kleine
Knaben als Kopfbedeckung erhielten.^) Im
15. Jahrhundert werden Taschentücher (nasi-
tergia) bei den Bauern vor den Toren von Ea-
gusa erwähnt, z. B. in Zonchetto; man fand sie
auch im Besitze der Trebinjer, wenn sie ragu-
sanische Kaufleute ausgeplündert hatten.
Den vorzüglichsten Frauenschmuck bildeten
Ohrringe (obotbci, lat. cercelli), aus Silber, ein-
fach oder vergoldet, oder aus Gold, mitunter
besetzt mit Perlen und Edelsteinen. Wegen des
großen Gewichtes wurden sie vielfach nicht im
Ohr, sondern an der Kopfbedeckung befestigt,
was auch auf den alten Wandgemälden ersicht-
lich ist. Es gab eine slavische und eine lateini-
sche Art. Die slavische Art (cercelli sclavonici,
sclavoneschi) war rund. Der Edelmann Ninac
Cihoric in der Nachbarschaft von Eagusa besaß
ein Paar ,cercellorum auri rotundorum sclavi-
coruni', mit Saphiren, blassen Eubinen (balasii)
und großen Perlen (1375).^) Ein Paar ,cercelli
a domina sclavi de auro'' in Novo Brdo 1436 wog
ein Pfund. Leichter, nur etwas über zwei Un-
zen schwer, aber wertvoller waren die Ohrge-
hänge der Helena, Frau des Großvojvoden
Sandalj, mit in Gold gefaßten Perlen und
roten und blauen Steinen ; ein Paar hatte aus
kleinen Perlen gebildete Nackenkettchen (griv-
nica).') Silberkettchen waren das Merkmal der
,lateinischen' Ohrgehänge (cercelli latini cum
catenuciis). Frater Jakob von Verona sah auf
seiner Pilgerfahrt nach Palästina 1335 in
Otrantü, daß dort alle Frauen in den durch-
stochenen Ohren je nach der Größe ein bis drei
Einge tragen, verbunden mit Silberkettchen,
und bemerkt, daß dies Sitte sei in ganz ,Scla-
vonia et Albania et Eomania'.*) Philippus de
Diversis erzählt, das Abzeichen verheirateter
Frauen in Eagusa seien silberne oder goldene
Ohrringe, befestigt nicht an den Ohren, sondern
am Kopftuch durch ein Silberkettchen (argeh-
tea catenula), welches man klicak, lat. rigule-
tum nannte.'') Armbänder (narukvice) pflegte
man im Berglande des Westens bei der Hoch-
zeit den Brautleuten zu schenken; in Eagusa
wurde dies 1515 als eine überflüssige, aus der
,Morlachia' stammende Sitte verboten.®)
Ein Stirnschmuck war im 14. Jahrhundert
ein Diadem (precellum, pregelech, lat. frontale,
courellum) aus Silber oder Gold, mitunter ver-
ziert mit Perlen, in einem Falle zusammenge-
setzt aus 29 silbernen Täf eichen.") Eine Art
dieser silbernen Kopfbedeckungen, die in Ca-
nali 1365 erwähnt wird, hatte die Form eines
Hornes (cornua sclavica argenti).*) In Eagusa
war es üblich, daß die Braut (noviza) auf dem
Gang zum Hause des Mannes Hörner trug
(portare corna, var. cornua), bis dieser alte
Brauch durch ein Gesetz 1314 unter einer Geld-
buße verboten wurde. ^) Ein italienisches Ge-
dicht aus dem 14. Jahrhundert über die .Schia-
voni', welches dem Florentiner Franco Sacchetti
zugeschrieben wird, findet die Frauen des Lan-
des nicht schöner als die Männer, mit Hörnern
wie der Teufel.^") Der letzte Eest dieser alten
') Vgl. Arch. slav. Phil. 21 (1899) 504 und Rjecnik der Südslav. Akademie. Kosniar im 14. Jahrhundert auch in
Böhmen ein haariges Tuch, nach Zibrt, Dcje kroje v zemich ceskfch (Geschichte der Tracht in <!on biihmischon Ländern)
1 fPrag 1892) 224. Gehört zu kirchenslav kosmi (neben kosa) Haar.
") Vgl. meine Abh, über die Edelleute von Zachlumien auf der Inschrift von Velicani, Glasnik bos. 4 (1892) 281 =
Wiss. Mitt. 3 (1895) 476. Über den altslav. Schmuck, der neben dem Ohr oder im Haar getragen wurde (/.äusnice), Xiederle
1, 588 f., mit Abbildungen.
') Mon. serb. 386. *) Ausg. von E. Röhricht, Revue de l'Oriont latin 3 (1895) 173.
^) Philippus de Diversis ed. Brunelli 92. Klicak 1398 f. oft erwähnt in den Archivbüchern von Ragiisa. Heute be-
deutet klicak — Kinderdreck; vgl. das Lexikon von Vuk Karadzic und den Rjecnik der Südslav. Akademie.
«) Arch. slav. Phil. 21 (1899) 423.
') Dame filius Nicole de Stilo hatte im Deposit ,unum frontale de tabulis XXVIIII de argento'. R.igusa 2G. .hili
1319, Diversa Notarie im Archiv von Ragusa. Ober die altruss. Diademe Niedorle 1, 582 f.
') Crayssa, Cephalia von Canali, übergab der Kagusanerin Marussa de Babalio einige Waffen und .coverlo I sive
cornua sclavica argenti', welche er ihrem Schuldner Liuboe Silegovich abgenommen hatte, II. August 1365 Div. Rag.
') Mon. Rag. 5, 74. Statut von Ragusa VIH cap. 57 § 20.
'") ,Tosto veder potrebbo | Femina che sare\)be | A par col diavol con suo' alti corni, | Nere, scontorte, fuor di hello
inizio'. I sermoni evano-elici, le lettere etc. di Franco Sacchetti, pubbl. per Ottavio Giglio, Fironze 1857, p. XXIH.
24
II. ABHA^^)LUNG: Constanti>- Jikecek.
Tracht war die roga, die einer pliryschen Mütze
ähnliche Hornkappe, ein aus getrocknetem Lein-
geflecht verfertigtes, vorwärts gebogenes Hern,
bedeckt mit einem Tuch, wie es die Frauen im
Drinagebiet bei Srebrnica noch zu Menschen-
gedenken zu tragen pflegten.*) Auch die hon-
delj genannte Haube der verheirateten Frauen
in Canali, die um 1870 aus dem Gebrauch ver-
schwunden ist, scheint eine späte Entwicklungs-
stufe dieser Hornkappen gewesen zu sein.^)
Anderer Art als diese Hörner war wohl der mit
Edelsteinen und Perlen geschmückte Kopf-
schmuck, das oglavje der Jelena Sandaljevi-
ca.*) Dazu kommen die im Besitz der Eagu-
saner Adelsfamilien erwähnten silbernen und
vergoldeten Kronen (corona), welche noch um
1440 Philipi)us de Diversis bei jedem Hochzeits-
zug in den Patrizierhäusern die Braut als
jsignum virginitatis' tragen sah. Eine solche
Silberkrone (corona de argento) hatte 1319 in
Kagusa auch ein serbischer Edelmann ver-
pfändet, Eadoslav, der Sohn des Zupan Vratis-
lav.'*) Eine ,corona auri' besaß neben vier Paar
(Mirgehängen mit Perlen in ihrer Mitgift Voj-
slava, Schwester des Vlk Brankovic und Frau
des albanesischen Fürsten Georg Topia.^) Auf
den Wandgemälden, welche Despot Dejan und
seine Frau Doja im 14. Jahrhundert in der Kirche
des hl. Johannes Bogoslov (Theologos) bei Be-
lovo an der Struma zwischen Eadomir und
Küstendil am oberen Ende des Engpasses von
Zemen malen ließen, ist Doja mit einer Art
Krone abgebildet. Es ist ein Diadem über der
Stirn, umsponnen von goldenen Ornamenten in
Form von Sternen: darüber erhebt sich ein
breiter und hoher Zylinder wohl aus gelber
Seide, horizontal abgeteilt in Felder und über-
ragt von kleinen, runden Ornamenten ; oben
liegt eine Decke aus weißem Stoff, welcher nach
rückwärts herabfällt, auf dem abfallenden Teil
geziert mit roten Parallellinien. ") Kränze (vje-
nac) aus rotem Gewebe, besetzt mit in Gold ge-
faßten Edelsteinen und Perlen, ebenso wie
silberne Kronen (kruna) mit Steinen und Per-
len gab es in der Schatzkammer der Familie
Sandaljs.'^) Der gewöhnliche Halsschmuck war
ein Kreuz an einer Kette.*) In der Hand trug
die Frau im Küstenland einen Rosenkranz
(kraljes, lat. coronella, paternoster) von Koral-
len oder Silber, an welchem oft ein vergoldetes
Kreuz angehängt war.
Ringe (prsten) für beide Geschlechter gab
es aus Kupfer (anuli de rame), Silber und Gold,
oft besetzt mit Edelsteinen und Perlen.^) Bei
Siegelringen waren sehr beliebt antike Gemmen
mit Bildern von Göttern, Kaisern oder Tieren,
ebenso wie einst im Westen bei den Karolingern.
Ein Ringsiegel des Ban Ninoslav von Bosnien
zeigt das Bild eines Adlers, der sich zum Fluge
erhebt. Eine antike Gemme mit dem Bild eines
Löwen war, wie es scheint, das Ringsiegel des
Garen Uro! in der Zeit, wo er vom Thron ver-
drängt war ; ein Abdruck ist nicht erhalten,
aber die Ragusaner erwähnen es als ,bulla
leonis' oder ,verum sigillum cum figura leonis'.
Georg Kastriota (Skanderbeg) siegelte mit
einem antiken geschnittenen Stein, auf wel-
chem eine von rückwärts gesehene nackte Leda
mit dem Schwan zur Seite abgebildet war.
Solche antike Steine haben auch ragusanische
Kaufleute und Zollpächter in Serbien und Bos-
nien im 15. Jahrhundert zum Siegeln benutzt.
') Dr. C. Truhelka, Die phrygische Mütze in Bosnien. Wiss. Mitt. 4 (1896) 509—515 mit Bildern. Abbildung aucli
im Werke: Die österr.-ungar. Monarchie in Wort und Bild, Bosnien S. 331.
') Vgl. das Profilbild einer Canalesin bei Äppendini, Notizie istoricho-critiche Bd. 1 (Ragusa 1802). Nach Budmani
im Rjecnik der südslav. Akademie untp.r hondelj war es ein mit bunten Tüchern überzogenes Holzgestell, vorne mit
goldenen und silbernen Nadeln geschmückt und oben bedeckt mit einem weißen Tuch Bei meinem ersten Aufenthalt in
Ragusa 1878 hörte ich nur mehr mündliche Beschreibungen dieser alten Tracht, ohne ein Exemplar zu Gesichte zu be-
kommen.
') Urk. 1442 Mon. serb. 415. Was der um 1370 in Ragusa erwähnte silberne oder vergoldete prjevoj war, ist aus
den Texten nicht klar.
*) jRadasclavus filius de Jupan Vratisclavo' verpflichtet sich vor dem Comes, dem Nale de Cereva binnen zwei
Monaten ,unam coronam de argento' und andere Sachen für 19 Perper auszulösen, .alias vendantur', 24. August 1319,
Diversa Notarie 1318—1320 Arch. Rag.
') Ljubic, Listine 4, 319, '427 (1393): .unam coronam auream et paria quatuor cereellorum perlarum'.
') Jordan Ivanov, Izvestija der bulg. archäologischen Gesellschaft 3 (1912) 63 — 64 mit Abbildungen Nr. 55 — 56.
') Vgl. Lilek, Wiss. Mitt. 2, 145.
') Die mannigfaltigen Halsketten aus Glas, Muscheln, Steinen, Tierziihnen, Metallen und die festen Halsringe (grivna)
der Nordslaven schildert Niederle 1, 627 f. mit Abbildungen.
') Vgl. Niederle 1, 670 f.
Staat und Gesellschaft ui mittelaltkklk'hex Seeeiex III.
25
Sie sind in den Balkanländern heute noch im
Gebrauch geblieben.^)
Die Herrscher und Fürsten trugen in voller
Eüstung stets ein Kreuz (krst) am Halse, Ne-
man ja eines mit einer Partikel des wahren
Kreuzes des Herrn, dessen Schutz er alle seine
Erfolge zuschrieb. Gar Michael von Bulgarien
sendete als Geschenk an Kaiser Andronikos III.
ein einfaches ehernes Kreuz, das seinem Vater
und ihm oft in wunderbarer Weise geholfen
haben soll. Bei Orbini erscheint der serbische
Fürst Lazar mit einem goldenen Kreuz am
Hals. Auch der spätere Erzbischof Daniel IL
widerstand nach der Erzählung seines Bio-
graphen als Athosmönch den Versuchungen des
l'eufels, weil er ein Kreuz aus ,Dämonenstein'
(demonolit) stets am Halse trug.^)
Das alltägliche Waffentragen, welches Thu-
kydides in der Blütezeit der hellenischen Staa-
ten bei den Einwohnern des Nordwestens von
Griechenland als einen Überrest des alten
Eäuberlebens betrachtet,^) ist in den Bergen
des alten Illyricums nie aus der Übung ge-
kommen. Es lebt z. B. in Montenegro und Al-
banien ununterbrochen fort, bis auf unsere Tage.
Nur der Geistliche oder Mönch durfte keine
Waffen mit sich führen. Bei Eagusa gingen die
Bauern selten aus dem Hause ohne Bogen und
mindestens zehn Pfeile im Köcher. Auch der
Handwerker oder Kaufmann ritt mit Schwert
und Bogen aus der Stadt hinaus, in die Um-
gebung oder in die Ferne, nach Serbien und
Bosnien, manchmal noch mit einem Schild aus-
gerüstet. Edelleute, Kaufleute und Bauern
trugen unter dem Mantel am Gürtel einen
Dolch von verschiedener Größe (cultellum feri-
torium, cultelessa, daga), oft an einer silbernen
Kette befestigt, mit Griff aus Bein oder Silber.
Aber im Innern der Städte, wie Eagusa oder
Spalato, war das Waffentragen gänzlich ver-
boten. Fremde mußten ihre Waffen im Stadttor
ablegen und bei der Torwache deponieren.
Von den Nahrungsmitteln war die Pflanzen-
kost selbst in dem an Vieh so reichen Westen
des Landes stets imentbehrlich ; in schlechten
Jahren hatte dort der Mangel an Feldfrüchten,
wie wir schon früher erwähnt haben (2, 26),
öfters eine Hungersnot zur Folge.*) Neben dem
Brot (hljeb) liest man von Zwieback für die
Schiffe (biscottus, serb. kolac: panes colacios
1371), von Kuchen (pogaca, lat. foeacia), welche
die Kolonen im Küstenlande an Festtagen dem
Grundherrn als Geschenk darbrachten, und von
Brei, der in der Küche sowohl der Mönche von
Chilandar als der Ragusaner zubereitet wurde
(kasa, ital. farinata). Ein Mann der Kirche des
hl. Nikolaus von Vranja auf den Gütern von
Chilandar führt in einer Urkunde des Stephan
Dusan den Spitznamen Eubi-pogaca, , schneide
den Kuchen'.®) Ein höheres Produkt der Koch-
kunst war die heute noch wohlbekannte pita,
ein mit Fleisch oder Käse gefüllter Kuchen,
unter demselben Namen auch den Neugriechen
-q'oc), Eumänen und Magyaren bekannt. Ein
Nachbar des Klosters Treskavec bei Prilep
führt in einer Urkunde des Stephan Dusan den
Spitznamen Pozri-pita, ,verschlinge den gefüll-
ten Kuchen'.^) Schaffleisch und Sehweine-
fleisch waren neben Käse verschiedener Form
die wichtigsten Nahrungsmittel animalischen
Ursprunges. Gesalzenes Schweinefleisch (porci
saliti) bildete eine wichtige Ausfuhrware der
westlichen Bergländer, von der Narenta bis
Cattaro, unentbehrlich zur Versorgung der See-
schifl"e. Man liest von Speck und bereits auch
von Schinken.") Bei der Hoftafel des Königs
LTros IL aß die byzantinische Gesandtschaft,
wie Metochites berichtet, Wildbret, Wild-
schweine, Hirsche und Vögel, an Fasttagen
Obst, eingesalzene und frische Fische, besonders
die großen und dicken Fische aus der Donau,
welche in Konstantinopel als ein seltener Lecker-
bissen sehr geschätzt waren. Der Abt des
Klosters Studenica war verpflichtet, vor dem
Feiertag des Stifters, des Nemanja, rechtzeitig
Fische von der Donau und aus der Zeta kommen
') Dr. Aleksa Ivic, Stari srpski pecati (altserb. Siegel), Neusatz 1910, Abbildung Nr. 2 (Ninoslnv), Nr. 65 (Kastriota).
Vgl. meine Besprechung des Werkes im Arcli. slav. Phil. 33 (1912) 289— -i'JO.
-) König Stephan cap. 12. Kautakuzenos I cap. ij8. Orbini 283. Daniel 35".
■') Iior,fo9op-ta9ai bei den ozolischen Lokrern, den Aitülern und Akarnauiern a-o xi;; nxXai»; Xr,<sziix;, Thukydides
I cap. 5.
^'l Gegen die Ansiclit, daß die alten Slaven nur Pflanzenkost aßen, wendet sich Niederlo a.a.O. I, 177 f.
') Novakovic, Zakonski spomenici 415.
'') Glasnik 13, 375. Vgl. den Namen Pozrikobila, ,versclilinge die Stute', in der Prizrener UrU., ib. 15, 276.
') Ein Ragusaner wurde 1371 beraubt, wobei ihm eine I<aduiig Wachs, Felle, Pelze und eine salma .de lardo et
persutis' (ital. prosciutto) weggenommen wurde. Lam. Rag.
Denkschriften der phil -bist. Kl. SS. Ed. 2. Abb +
26
II. Abhandlung: Constantin Jikecek.
zu lassen, da man den Landesherrn einzuladen
pflegte.^) Zu bestimmten Zeiten kamen zum
serbischen König Sendboten der Stadt Cattaro
mit einer Ladung Seefische. Auch im 15. Jahr-
hundert erfreuten die Ragusaner ihre Nach-
barn, den König von Bosnien, den Vojvoden
Sandalj und den Herzog Stephan, später auch
die türkischen Statthalter durch Fässer mit
ausgesuchten Fischen des Meeres.
Unter den Getränken war das vornehmste
der Wein, den man im Sommer in Eiskellern
(ledenica) lagerte, um ihn einzukühlen. Die
Legenden erzählen in ganz naiver Art, wie der
hl. Sava als Gesandter seines Bruders Stephan
des Erstgekrönten zu König Andreas IL von
Ungarn kam, in einem sehr heißen Sommer,
als das Eis am ungarischen Hofe zu Ende war.
Dei serbische Fürstensohn im Mönchsgewande
klagte, in seinem Lande sei er gewohnt stets
kühlen Wein zu trinken, doch der König konnte
ihm kein Eis verschaffen. Da kam infolge der
Gebete des Heiligen plötzlich ein Hagelwetter
und Sava sendete dem erstaunten König ein
großes Silbergefäß voll Eis als Geschenk
Gottes.^) Orbini berichtet, Eadivoj, der Sohn
des bosnischen Königs Ostoja, sei an Wechsel-
fieber gestorben, infolge übermäßigen Genusses
von Wein mit Eis.^) Der aus Honig bereitete
]\Iet, altserbisch ebenso wie der Honig med ge-
nannt (s. oben 2, 51), war das Getränk der wein-
armen Bergländer, sowohl in Serbien, als in
Bulgarien, ebenso auch im slavischen Norden.'^)
Als Kaiser Friedrich I. mit den Kreuzfahrern
des dritten Zuges 1189 in Nis eintraf, wurde er
mit seinen Edelleuten vom Serbenfürsten Ne-
manja mit Wein und Met bewirtet.^) Daß auch
eine Art Bier gebraut wurde, bezeugen die
Lieferungen von Hopfen (hmelj) und Malz
(slad) an die Klöster, zu welchen die Bauern
von Bistrica, Banjska, Gracaniea und Decani
besonders vor Weihnachten verpflichtet waren.
Ein Überrest davon ist die sauere alovina
(olavina) bei Pirot, ein Getränk aus Hafer oder
Gerste.")
13. Geistiges und gesellschaftliches Leben.
Die Sprache und ihre historische Entwicklung. Personen- und Familiennamen. Das Familienleben. Der Hof nach ein-
heimischen und fremden Berichten. Charakter der Könige und Königinnen. Geist und Lebensweise des Adels. Die Geist-
lichkeit; Bischöfe, Weltgeistliche, Mönche und Eremiten. Etikette im mündlichen und schriftlichen Verkehr. Vorliebe
für den Krieg. Vorschule dazu die Räuberei. Die hohe und niedere .Jagd. Vergnügungen: Bogenschießen, Schwerttiinze,
Reiterspiele. Gastmähler und Triuksprüche. Tänze, Masken, Würfelspiel. Musiker und Musikinstrumente. Lied und Gesang,
Entwicklung des serbischen Epos. Die Schrift und ihre Abarten. Literatur: byzantinische und abendländische Belletristik,
Apokryphen, theologische und didaktische Werke; Pflege der einheimischen Geschichte. Die altserbische Kunst, besonders
die kirchliche Malerei. Frömmigkeit, gute Werke und Armenpflege; Wallfahrten und Wunderglaube. Verbannung und
Gefangenschaft. Medizinbücher und Ärzte. Der Tod: Gräber und Grabdenkmäler.
Wenn wir uns von der i^hysischen Seite des
Lebens zur geistigen wenden, betrifft die erste
Frage die Sjarache. Wie erwähnt (1, 1), wurden
die Serben und Kroaten noch lange von den
Fremden als l7./,2,'ir,v;i, Sclavi oder Schiavoni be-
zeichnet, aber die Fortdauer des alten slavi-
schen Gesamtnamens deckte keineswegs ein un-
^'erändertes Fortleben der ursprünglichen Spra-
che. Das Serbokroatische hatte schon bei der
Einwanderung seine Eigentümlichkeiten und
') Sathas, Bibliotheca graeca 1, 172, 174. Typikon von Studenica im Glasnik 40, 172.
'') Domentian 249 f. Theodosij bei Pavlovii 115 f.
') ,Morl giovane di febre terzana, acquistata col bevere troppo vino con ghiaccic' Orbini 368.
*) Eine Menge Wein und :io[j.äT(üv ex [jieXito; erbeuteten in Bulgarien die Petscheuegen im 11. Jahrhundert, Kedrenos
ed. Bonn. 2, 582. Kantakuzenos III cap. 49: die Serben, jxsXito; yap J|ji(popoü(i£vot xai zpEcüv, erkrankten scharenweise, als sie
bei Serrai (1342) frischen Weinmost unmäßig tranken. Vgl. Niederle a. a. O. I, 208.
'■) ,Similiter et omnes principes a predicto comite (d. h. dem comes Serviae) in viuo et medone et animalibus mul-
tum honorati fuerunt.' Brief des Bischofs Dietpold von Passau im Chroiiieon Magni presbiteri, Mon. Germ. 17, 509.
') Novakovid, Bier in Serbien (Pivo u Srbiji) im 13. und 14. Jahrhundert, Glas 86 (1911) 151 — 166. Trojanovii,
Altertümliche serbische Speisen und Getränke (Starinska srpska jela i pi(5,a), Srpski etnografski zbornik 2 (1896) 113 — 120.
Vgl. Niederle a. a. O. 1, 210.
Staat und Gesellschaft iir mittelalteelichex Seebien IIT.
27
hat sich im Laufe des Mittehilters, besonders
seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, stark ge-
ändert.
Die jetzige Schriftsprache enthält im Vokalis-
mus keine Eeste der Nasale, welche einst im
Kirchenslavischen und Polabischen bestanden
haben und heute noch im Polnischen anzu-
treffen sind. Eigennamen in griechischen und
lateinischen Denknüllern des 9. — 11. Jahr-
hunderts liefern aber den Beweis, daß die
Nasallaute auf serbokroatischem Boden einmal
gar nicht selten waren. i) In den Dialekten der
dalmatinischen Inseln sind einige fortlebende
SjDuren neuerdings konstatiert worden.^) Halb-
laute, in der heutigen Schriftsprache durch
sonores a ersetzt, hört man noch in Montenegro
und in einigen Landschaften am Golf von
Cattaro.^) Aus den Formen in altserbischen
Urkunden, besonders aber aus der lateinischen
Transkription der Eagusaner sieht man, daß sie
im 13. — 14. Jahrhundert allgemein verbreitet
waren und einem c näher standen.*) Das heu-
tige a kommt dafür erst seit 1370 vor, in wach-
sender Menge seit 1410.^) Das kirchenslavi-
sche e (-k) wird in den gegenwärtigen Dialekten
durch e (in Teilen Bosniens, in Slavonien, im
Banat, im Osten Serbiens und in Altserbien),
je oder gedehnt ijc (in der Hercegovina, dem
Südwesten Serbiens, Montenegro, Süddalma-
tien) oder i (in Norddalmatien, Teilen Bosniens
und Kroatiens, in Istrien, aber auch in Podgo-
rica und Antivari) ersetzt, z. B. der Großvater
oder Greis: ded, djed, did, der Glaube oder die
Treue: vera, vijera, vira. Davon ist c und i
alt. In Ragusa war ursjn'ünglich e vorherr-
schend (suesda, jetzt zvijezda, Stern), wurde
aber seit der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts durch das jüngere je verdrängt. Ein
ja, ea, wie in Bulgarien und im mittelalter-
lichen Makedonien (djad, vjära), gab es im
Serbischen nicht.
Im Konsonantismus ist für das Serbokroa-
tische seit den ältesten Sprachproben typisch c
für kirchenslavisch st (noc, Nacht, für nost) und
dj, im Westen j, für kirchenslavisch zd (medja
oder meja, Grenze, für mezda.**) Die auf-
fallendste, in den Namen sehr bemerkbare
Änderung ist die Entwicklung des silbenbil-
denden l seit 1400 (nach einigen Übergangs-
stufen) zu u ; z. B. der Personenname Vlk
wurde zu Vuk, Vlkasin zu Vukasin, der Volks-
name Blgarin zu Bugarin (der Bulgare), der
Landschaftsname Hlm (lat. Chelmo, Chulmia)
zu Hum.'') Das die Silben schließende l, das
noch im 14. Jahrhundert z. B. in den Personen-
namen Milbrat, Milman, Milsa vorkommt, geht
seit 1400 im Osten und Süden (im cakavischen
und kajkavischen Dialekt bleibt es) in o über:
I\Iiobrat, Mioman, Miosa; ebenso im Auslaut,
wo z. B. für den Burgnamen Sokol (der Falke)
oder das in Ortsnamen häufige dol (Tal) seit
derselben Zeit die heutigen Formen Soko, do zu
lesen sind.
Es gibt gewisse Erscheinungen, welche in
unserer Zeit den Sprachen der Balkanländer
ohne LTnterschied ihres Ursprunges gemeinsam
sind. Das Serbokroatische und Bulgarische,,
ebenso wie das Rumänische, Albanesische und
Neugriechische umschreiben das Futurum mit
dem Verbum des Wollens, was auch sporadisch
im Kirchenslavischen und Altrussischen vor-
kommt. Ebenso ist allen diesen Sprachen der
Halbinsel gemeinsam der Schwund der Infini-
tivs; in Bulgarien ist er gegenwärtig bis auf
') Jagid, Arch. slav. Phil. 17 (1895) 79 verweist auf Muncimir, Mouvtijx^po;, TJevtivo, C'entena (jetzt Cetina), Diimbroa
(jetzt Dubrava). Der Übergang von lateinischem <in, on in urprünglicli .a, später o, u vollzielit sich sonst regelmäßig;
vgl. Miklosich, Vgl. Grammatik der slav. Sprachen 1 (1879) 396. Vgl. Monte Cras.so bei Spalato Mutogras, Pancratius in
Ragusa Pokrat ustp.
^) Miklosich a. a. O. kennt dumbok (für dubok, tief) und dumbrov (für dubrava Hain). Dunibrovnik (für Dubrovnik,
Eagusa) verzeichnete auf der Insel Zlarin l)ei Sebenico Dr. Aranza, Vorläufige Berichte der Halkankommission, Heft 1
(Wien, Akademie 1900) 20, 22.
') Miklosich a. a. 0. 1, ;^88. In Montenegro heißt z. B. die Stadt Skutari heute noch Skbdhr, wie in altserb. t^rkunden,
sonst bei den Serbokroaten Skadar ausgesprochen.
■*) Z. B. casnec; (kaznbc, jetzt kaznac), stanec (jetzt stanak), die Ortsnamen Orassec; (jetzt Orasac), Graden (Gradac),
die Personennamen Pribec; (Pribac), Gruben (Grubac).
') Vgl. Kesetar, Arch. slav. Phil. 16 (1894) 347.
") MsyupETOu; Medjurei'-Jo, Boua£ßoorf»)5 Vysevii liei Koust. Porpb. .'-iafai'ik, Sorb. Lesokörner (Pest 1833) .'if) f -lagic',
Arch. slav. Phil. 22 (1900) 'Ab.
') In der slav. Schrift nacli kirchenslav. Mustor durch 1|> wiedergegeben: vli.k Wolf. In lat. L'rk. im 13. Jahrhundert
Velcanus (Vlkan), Velcoslauus (Vlkoslav), im 13. — H. Volchassinus (griech. BEX/jKaaivo;, Izvestija des russ. arch. Inst. 4, 1,
69), Volchus, zuletzt auch Vulchus. Übergangsformen: Voch, Vuoch. Nach 1410 Vuch, Vuchassin, seit 1470 allein vor-
herrschend.
4*
28
II. Abhaxdlukg: Constantin Jieecek.
kleine Reste ausgestorben, in Serbien behauptet
er sieh neben der umschriebenen Form, während
die westlichen serbokroatischen Dialekte von die-
sem Prozeß noch unberührt sind.^) Dagegen
fehlt dem Serbokroatischen der im Bulgari-
schen, Rumänischen und Albanesischen vor-
herrschende postponierte Artikel; er kommt
übrigens auch im Großrussischen vor, sowohl in
alten Denkmälern, besonders in Moskauer Ak-
ten des 17. Jahrhunderts, als auch in heutigen
Dialekten.-) Im Serbischen hat sich die Dekli-
nation, im Gegensatz zum Bulgarischen, stets
behauptet, nur mit kleineu Änderungen in den
I-'ormen.^) Die Akzentformen sind ungleich;
der ältere Typus lebt in Montenegro und Um-
gebung. Von den heutigen serbokroatischen
Dialekten reiwäsentiert das jetzt in der Litera-
tur nerrschende Stokavische im Osten und
Süden eine neuere Entwicklungsstufe, während
das Öakavische im adriatischen Küstengebiet
von Stagno bis Istrieu diese jüngere Evolution
nieiit mitgemacht hat. Diese beiden Dialekte
sind schon im 12. — 13. Jahrhundert von einan-
der verschieden gewesen, Avie ein Vergleich der
glagolitischen Urkunden aus dem küstenländi-
schen Kroatien mit den bosnischen und serbi-
schen zeigt ; ihre Differenz ist seit dem 14. Jahr-
hundert fortwährend im Wachsen. Nach Re-
setar ist die neue Betonung mit anderen Eigen-
tümlichkeiten zuerst im Zentrum des Sprach-
gebietes, in der südlichen Hercegovina, im
östlichen Bosnien und westlichen Serbien auf-
getreten und hat sich von dort seit 1400 in allen
Richtungen ausgebreitet.'*)
In den Personennamen war in Serbien eine
überaus mannigfaltige nationale Namensgebung
herrschend, mit sehr spärlichen christlichen
Elementen. Auf diesem Gebiete sind die Ser-
ben bis zum heutigen Tage sehr konservativ
geblieben. Die vollen, aus zwei Nomina be-
stehenden altertümlichen Namen waren zu Ende
des Mittelalters gar nicht selten. Edelleute und
Bauern in der Nachbarschaft von Ragusa heißen
im 13. — 14. Jahrhundert Borislav, Budimir,
Dobrovoj, Radogost, Stanislav, Vlkoslav usw.,
ebenso im Innern z. B. die Bauern in den
Dörfern des Klosters von Decani : Dobrogost,
Hvalislav, Jaroslav, Radobrat, Slavoniir, Skoro-
voj usw. Viel zahlreicher sind aber die Kurz-
formen, in denen das zweite Nomen durch einen
Suffix ersetzt wird, wie z. B. Bogisa, Boroje,
Gradoje, Hranisa, Rajko, Tvrtko u. a. Nationale
Namen führen auch die adeligen Frauen: Bjela,
Milica, Miroslava, Radaca, Velislava u. a. Die-
selben Namen sind durch Heiraten auch unter
den Frauen des Stadtadels von Dulcigno, Anti-
vari, Cattaro und Ragusa vertreten.^) Diese
einheimische Nomenklatur war auch in Bos-
nien herrschend. Eine eigene Gruppe bilden
Völkernamen als Personennamen : Bugarin,
Grk (auch als Frauenname Grkinja), Hrvatin,
Kumanin, Rusin, Sarakin, Sasin, Turcin,
Ugrin. Neben den schon oben (1, 24) erwähn-
ten albanesischen und rumänischen Namen
kommen auch griechische vor, wie Andronik,
Staver (cTaupoc das Kreuz), Sinadin. Abend-
ländischen Ursprunges sind die aus der Karls-
sage stammenden Namen Oliver, den ein Großer
der Zeit Stephan Dusans führt, und Orlanda,
als Maunsname zweimal in der Stiftungsur-
kunde des Klosters von Prizren erwähnt. Ein
Königsname der Kreuzfahrerzeit war Balduin,
in Cattaro bei der Adelsfamilie Drago beliebt
und (in der Form Baldovin) weit ins Binnen-
land unter den Bauern und Hirten verbreitet,
wie aus den Klosterurkunden von Decani und
Prizren zu sehen ist.
Dagegen sind Bauernnamen christlichen Ur-
sprungs z. B. in der Urkunde von Decani eine
Seltenheit, ein Dmitr, Georg, Hija, Ivan (Johan-
nes), Lazar, Marin, Nikola, Stjepko (Stephan),
Tiidor u. a. Viel häufiger waren sie auf ehemals
byzantinischem Gebiet in Makedonien und bei
den Albanesen ; ebenso war es bei den Kroaten,
wo die Adeligen des Küstenlandes meist nur
christliche Namen führten. Im 13. Jahrhundert
finden wir auch bei den Fürsten von Zachlumien
und bei den Nachkommen des Königs Vlkan in
') Miklosich, Vgl. Grammatik 4, 863, 873.
') Mileti?, Clenxt v bi,lo:arskija i v niskija jezik (Der Artikel in der bulg. und russ. Sprache), Sboniik bulg. 18
(1901) 4—67.
') Z. B. der altserb. ln.strumental Sing, auf -ov (pravov verov) war sclion im Anfang des 13. .Jahrhunderts im Ab-
sterben gegoniibor dem heutigen -mn (jiravom verom). Über die historische Formenlelire Hauptwerk: Gj. Danicic, Istorija
oblika srpskoga ili hrvatskoga jezika do svrsetka XVIII vijeka, Belgrad 1874, 398 S.
') lleset.ar, Die serbokroatische Betonung südwestlicher Mundarten, Wien lyOO (Balkankomniission der Kais. Aka-
demie, linguist. Abt. I) S. 23. Derselbe, Der stokavi.sche Dialekt, Wien 1907 (ib. VIII) mit 2 Karten, S. 30 f.
'i Vgl. meine Rom. Dalm. 2, 65 f.
Staat und Gesellschaft iji xiittelalterlichex Seebiex III.
29
Dioklitien vorwiegend Heiligennamen. Seit der
Mitte des 14. Jahrhunderts läßt sich ein Vor-
dringen der christlichen Namen gegen die alte
nationale Nomenklatur bei dem Adel im Innern
Serbiens beobachten, wo uns unter den Großen
bald ein Nikola, Lazar, Gregor u. a. begegnen.
Klar wird dies in der Genealogie der jüngeren
Fürstengeschlechter. Die Nachkommen des
Königs Vlkasin, des Sevastokrators Branko
Mladenovic, des Logotheten Pribac, ebenso die
Crnojevici in der Zeta führen im Gegensatz zu
ihren Vorvätern größtenteils christliche Ka-
lendernameu. Schon früher hatten einige
christliche Frauennamen, wie Jelena oder Jela
(Helena), Anna oder Theodora bei den vor-
nehmen Geschlechtern der Serben eine große
Verbreitung gefunden.
Merkwürdig ist es, daß die Dorfpopen z. B.
in der Urkunde von Decani vorwiegend nur
nationale, nicht kirchliche Namen führen: Pop
Bogdan, Borislav, Dobroslav, Gradislav, Mirko,
Obrad, Smil usw. Bloß in den Epilogen der
Handschriften erscheint daneben der christliche
Taufname des Geistlichen, z. B. Presbyter
Vasilije, genannnt Pop Dragolj, oder Presbyter
Georg, genannt Pop Eadoslav.^) Im 15. Jahr-
hundert war es nicht viel anders ; von 10 Popen
von Novo Brdo in einer Urkunde 1434 führen
sieben nationale, drei kirchliche Namen. ^) Auch
unter den lateinischen Klerikern des Küsten-
landes hatten Diakone und Priester zum Teil
slavische und albanesische Vornamen, in Dul-
cigno z. B. 1242 ein Presbyter Velcmirus (Vlk-
mir) und ein Subdiaconus Zupanus, in Antivari
1290 ein Archipresbyter Tanusius.^) Auch in
Deutschland heißen bekanntlieh die Geistliehen
des Mittelalters meist Albert, Friedrich, Ul-
rich usw. Anders war es bei den Mönchen. Im
byzantinischen und ebenso im serbischen
Kloster sind vom Anfang an die Namen des
Alten und Neuen Testamentes und die Heiligen-
namen des Kalenders in einer bestimmten Aus-
wahl allein herrschend, mit Ausschluß aller
nationalen Elemente. Die Mönche heißen Ar-
senij, Barlaam, Benjamin. David, Dorothej,
Gerasim, Isaia, Jefrem, Makarij, Methodij,
Neofyt, Theodul usw. Dasselbe gilt von den
Klosterfrauen: Elisabeth, Eugenia, Euphemia,
Euphrosyne, Eupraxia, Martha, Polychronia,
Xenia usw.
Einen Ersatz für die Familiennamen bilden
Beinamen (altserb. jjoreklo, prozviste, pridje-
vak), unter denen dieVatersnamen vorherrschen.
Die Familien der Bauern auf der Bastina des
Protopopen Prochor heißen Savcici, Bogdano-
vici, Pobratovici, Stanici und Strjezojevici, eine
Popenfamilie bei Prizren die ,popovi Dikano-
vici'.'*) Bei Decani führt ein beträchtlicher Teil
der Bauern neben den Personennamen Patro-
nymica: Brajie, Dobromislovie, Slavojevic, Ve-
seljkovic u. a. Manche weisen auf die Beschäf-
tigung der Väter: Kovacevic der Sohn des
Schmiedes (kovac), Savcic der Sohn des Schnei-
ders (savac), Popovic Sohn des Popen, Prachto-
rovic Sohn des Steuereinnehmers (prachtor).
Auf Väter, die später Mönche wurden und als
solche hohe kirchliche Würden erlangen konn-
ten, beziehen sich einige Vatersnamen in der
Prizrener Urkunde: ein Schneider Dragomir
Kalugjerovic (Mönchssohn) und ein Pope Hra-
nislav Episkopovic (Bischofssohn). Eine zweite
Serie bilden die in dieser Zeit in allen Län-
dern Europas verbreiteten Si)itznamen: Lisica
(Fuchs), Muha (Fliege), Jez (Igel), Kozoder
(Ziegenschinder), Svinoglav (Schweinskopf),
Lojeoca (Unschlittauge), Zlobradic (schlechter
Bart), Oparitul (verbrüh' den Köcher), Muti-
voda (trüb' das Wasser), Golozlo (das nackte
Übel), Golklas (die nackte Ähre) usw.^) Manch-
mal vertritt der Spitzname den Eigennamen
ganz, wie in der Urkunde von Decani : ,Milos
und sein Sohn Eadoslav und sein Bruder Modra
Gora (,der blaue Berg')'-") Dagegen fehlen in
den meist unter dem Einfluß der Kirche redi-
gierten serbischen Urkunden Beinamen derber,
obszöner Art, wie sie in den Städten Dalmatiens
sowohl in romanischer als slavischer Sprache
nicht selten waren, ^) in zahlreichen Variationen
bekannt in ganz Westeuropa.
Es ist merkwürdig, daß die Patrizier der
') Stojanovid, Zapisi 1, Nr. aö, '2 Nr. 4167. -) Sporaeiük 3, öl.
') Vgl. meine Rom. Dalm. "2, 20 f. (Bei Smiciklas, Cod. diel. 4, 156 statt Velcmirus gedruckt Vacmirus.)
*) Urk. von Decani 67, 130, von Prizren Glasnik 15, •282.
^) Altertümliche Personennamen nationaler Art und eine reiche Auswahl von Siützuamen sind besonders vertreten
unter den Namen der djed, der Vorväter einzelner liauernfamilion in der Urkunde von Decani. f^ber Golozlo vgl.
Mazuranif, Prinosi za hrvatski pravno-povjesni rjecnik 325: Golozlo v, Golozlo vi<!, Golozlic auch in Agram 1386 f. (ebenda
auch eine kleine Sammlung .anderer Spitznamen).
^) Urk. von Decani 18. ') Beispiele in meinen Rom. Dalm. 1, 78.
30
II. Abhandlung: Constantipt Jirecek.
Küstenstädte im Binnenlande nicht nur mit
ihren heimischen Familiennamen in romani-
pcher und slaviselier Form, sondern anch mit
eigenen Namen bezeichnet wurden, die zum
Teil Spitznamen waren. Die Bolizza (Bivolji-
cic, von bivolj Büffel) von Cattaro heißen bei
den Montenegrinern im 15. — 18. Jahrhundert
Grbicic (grba Buckel). Einen der Gradi (slav.
Gradic) von Bagusa nannte man in Serbien im
15. Jahrhundert Cinculovic, von rum. cinci,
aromun. tsints fünf. Einer der Luca (slav. Lu-
cio) von Kagusa hieß 1405 Trentacevic (ital.
trenta dreißig). Die Cerva (slav. Crijevici)
nannte man auch Tamarici (metronymisch, von
einer Frau Tamara), eine Linie der Bagnina
Grubetici. Einer der Crosio (slav. Krusic), Ser
Stephanus de Croxi erscheint in Serbien 1426
als Stjepko Murzic.^)
Die Ortsnamen reichen in das frühere
Mittelalter zurück, in die Periode der slavischen
Einwanderung, mit vorslavischen und slavi-
schen Elementen. Die späteren Jahrhunderte
haben nur wenige Veränderungen in diese
Nomenklatur gebracht.
Die großen Verwandtschaftsbände, die mäch-
tigen Sippschaften und Bruderschaften (s. oben
1, 26 f.), verliehen ihren Angehörigen einen
starken Eückhalt. Aber daneben gab es auch
kleine Familien und einzelne Leute ohne Ver-
wandtenkreis, Unfreie, Freigelassene, Arme,
Obdachlose und Verstoßene, wie die Leprosen.
Mit der Familienorganisation steht in Verbin-
dung das Wort brat in seiner vielgestaltigen
Bedeutung; es bedeutete nicht nur Bruder,
sondern auch Vetter, Schwager, Mitglied der-
selben Bruderschaft, Milchbruder, Klosterbru-
der, Freund auf Grund der eingeschworenen
künstlichen Bruderschaft (s. oben 1, 15). Die
Eivalitäten in der Ilerrseherfamilie, KämiDfe
zwischen Brüdern oder gar zwischen Vätern und
Söhnen zeigen aber, daß der Familienverband
doch nur eine schwache moralische Grundlage
bot. Auffällig ist in den Predigten des Erz-
bischofs Sava I. die Mahnung, nicht nur Arme
zu beschenken, Obdachlose aufzunehmen. Nackte
zu bekleiden, sondern auch die eigenen Bluts-
verwandten nicht zu verachten.^)
Das Fundament der Familie, die Ehe, ging
seit der Zeit des ersten Erzbischofs Sava aus
dem Gebiet des Volksrechtes in das des Kirchen-
rechtes über, doch mußte noch das Gesetzbuch
des Stephan Dusan den Einfluß der Kirche auf
die Eheschließung ausdrücklich wahren, durch
Androhung der Auflösung der ohne kirchlichen
Segen geschlossenen Ehe.^) Bei den Lehr-
meistern der Serben, bei den Byzantinern, war
das Eherecht seit 1204 arg im Verfall. Die
Zeiten des 10. Jahrhunderts, wo man um die
Zahl der erlaubten Ehen, die Trigamie und
Tetragamie, in Byzanz erbitterte Parteifehden
führte, waren längst vergangen. Ein Zeitge-
nosse Savas L, der letzte hervorragende Kano-
nist der Griechen, der Erzbischof Demetrios
Chomatianos klagt über die vielen Gesetzlosig-
keiten in der Eheschließung, besonders über
die Unbotmäßigkeit der Mächtigen. Im 13. und
14. Jahrhundert führte bei den Griechen, ebenso
wie bei den Bulgaren und Serben die gegen
alle Regeln des Kirchenrechtes eingeführte
Leichtigkeit der Ehescheidung zu einem wenig
erfreulichen Wechsel der Fratien, aus i^oliti-
schen und ijersönlichen Gründen. Schon die
verstoßene byzantinische Frau Stephan des
Erstgekrönten, Eudokia, des Kaisers Alexios III.
Tochter, ging in ihrem Vaterland bald neue
Ehen ein, mit Kaiser Alexios V. und später mit
dem iDelojDonnesischen Archonten Leon Sguros,
ebensowie ihr Gatte in Serbien.'') Auch ihr
Zeitgenosse Kaiser Theodoros I. Laskaris von
Nikaia (1204 — 1222) hatte drei Frauen nach-
einander: Anna, Tochter des Alexios III., die
Armenierin Philippa, die er bald verstieß, und
Maria, die Schwester des lateinischen Kaisers
Eobert.^) Die vier vom Standpunkte des kano-
') Vgl. meine Vorrede zu Spomenik II, S. 7 — 8 und meine Rom. Dalm., .3. Teil (Denkschr. W. Akad., Bd. 49).
^) Tlieodosij bei Pavlovii 1.33 (ot krve svojili ne prezreti).
') tJber den Gegensatz zwischen dem n.ationalen und kirchlichen Eherecht vgl. meine Geschichte der Serben 1, 142.
■*) Stephan und Eudokia vgl. ebenda 1, 287. Die Verwechslungen und Irrtümer über diese Eudokia in der Literatur
des 17.— 19. Jahrhunderts behandelt Nikola Radojcii, Prva zenidba Stefana Prvovencanog, Glas 90 (1912) 268—292. Die
meisten Historiker, selbst Du Gange, bis auf Hertzberg behaupteten, Nemanja habe als Greis die Eudokia geheiratet und
nach seiner Abdankung habe «ein Sohn Stephan die junge Stiefmutter zur Frau genommen, mit ihr Kinder gehabt und sie
verstoßen. Diese Verwechslung des Nemanja und seines Sohnes Stephan stammt aus der lateinisclien Übersetzung des
Niketas Akomin.-itos von Ilieronymus Wolf (1557). in welcher der Sinn des Originals ganz unrichtig wiedergegeben ist.
Das von Akominatos und Akropolites erwähnte Leiden der Eudokia hält Radojcii für Krätze (Scabies. Psora).
') Antonios Meliarakes, 'hzop'.x xoü pasiXtioj tJ); Ni/.aiac, Athen 1898, 131 — 132, 135.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
31
nischen Eechtes zum Teil sehr anfechtbaren
Ehen des Stephan Uros II. Milntin waren kein
Hindernis, diesen König unter die Heiligen der
serbischen Kirche aufzunehmen. i) Charakteri-
stisch ist es, daß wir über diese Familienverhält-
nisse meist nur aus den griechischen Quellen
unterrichtet sind; die serbischen Biographen
der Landesfiirsten, sämtlich i\r;inner der Kirche,
haben ihren Lesern den Einblick in die Ge-
heimnisse der Frauengemächer sorgsam ver-
hüllt. Erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts
gewinnt die Ehe unter den Christen der Halb-
insel wieder an Stabilität und Legitimität. Die
größte Freiheit in der Ehescheidung behielten
die bosnischen Patarener.
Die regelrechte Ehe wurde formell durch
Werbung, Verlobung, Vertrag und Zeremonien
geschlossen. Aber die heidnische Ehe durch
Frauenraub ist nie außer Gebrauch gekommen,
obwohl sie durch die Gesetze streng verfolgt
wurde. Sie war auch bei den Byzantinern in
Kleinasien üblich, wie eine farbenreiche Epi-
sode des Epos vom Digenis Akritas zeigt, in
welcher der Held die schöne Eudokia aus dem
Geschlecht der Dukas entführt. Stephan Dusan
wollte den Brauch streng unterdrücken. Der
Edelmann, der eineEdelfrau ,mitGewalt nimmt",
ebenso der Nichtadelige, der eine Frau seines
Standes entführt, verlieren nach dem Gesetz-
buch beide Hände und obendrein die Nase; der
Sehr, der es wagt, eine Edelfrau zu rauben,
wird gehängt. Prozesse über die Entführung
einer Edelfrau gehören zur persönlichen Ge-
richtsbarkeit des Landesherrn.-) Auch die Ea-
gusaner duldeten die Sitte nicht. Ein Bauer von
Podimoc bei Stagno, Radoje Bogulinovic, klagte
1446, seine Tochter Zivka sei mit Gewalt ent-
führt worden von Padut Bozickovic aus Smo-
kovljane, der dabei von acht anderen Bauern
aus demselben Dorfe, aus Visocane und aus Li-
sac begleitet war. Der ragusanische Comes von
Slano sendete Bewaffnete nach Smokovljane,
welche die Zivka im Hause eines der Eäuber ge-
fesselt vorfanden und dem Vater zurückbrach-
ten. Eadut wurde vom Gericht von Eagusa zu
einem Jahr, seine Helfershelfer zu je einem
halben Jahr Kerker verurteilt, doch waren alle
längst über die Grenze geflohen.*)
Die Gattin wird in LTrkunden und In-
schriften als ,Hausfrau', kucnica (von kuca
Haus) bezeichnet. Bei den Königinnen hing
ihr Einfluß von der persönlichen Begabung ab.
Auch die großen und kleinen Edelfrauen traten
selbständig auf. Die Witwe des Knez Vojislav,
die ,comitissa' übernahm von den Eagusanern
Gelder für den Caren Uros. Ebenso leisteten
die Vorsteherinnen eines ,Katun' der Hirten,
wie Jelena, die ,Katunara' der Vragovici, mit-
unter einen Eid in Eechtsfragen für ihre Unter-
tanen.'') In Bosnien war es üblich, daß die
Frauen der Großen bei Vertragsurkunden Eide
wie die Männer ablegten. Als der Vojvode
Sandalj 1405 von den Eagusanern verlangte,
daß auch die Frauen der Patrizier der Stadt
schwören sollen, wiesen es die Senatoren ab,
denn die Eagusanerinnen seien keine .baronesse',
Landesfürstinnen. °) Die Stellung der Frau war
in den Küstenstädten überhaupt sehr verschie-
den von den Verhältnissen im Innern. Das
Eecht von Cattaro erklärt das Zeugnis einer
Frau ausdrücklich als wertlos, während das
Eecht von Eagusa in gewissen kriminellen
Fällen den Wert der Zeugenschaft einer Frau
sehr einschränkt.
Nicht jeder König oder Edelmann war ein
solches Muster der Keuschheit, wie Daniel den
Stephan Dragntin schildert.*) Der Mönch Theo-
dosij schreibt, der hl. Erzbischof Sava habe bei
seineu Predigten jedermann mit Tränen ge-
beten, vor Liebeleien (IjubodGjanija), Ehebruch
(preljubodejstvo), Päderastie (mnzeneistovstvo),
Umgang mit Tieren fskotolozbstvo) und jeder
Unzucht die Flucht zu ergreifen.'') Er wird es
nicht ohne Grund getan haben. Schon Eudokia,
die Tochter Alexios III., warf ihrem serbischen
Gatten, dem damaligen Großzupan Stephan, ge-
heime Liebschaften vor, aber ebenso auch er
der griechischen Kaiserstochter.*) Neben den
') Meine Geschichte der Serben 1, 332.
') Zalionik Art. 53.
') Lamenta de foris 144(>f. 110' ff. Ardi. Ka^.
<) Spomeiiik 11, 84 (1443).
') jSalvo delle donne nostre, noii fo may uxan(;.a che lo zureno, perclie neu son baronesse et le lor son baronesse.,
Die Kagusaner an Nicoiao de Gozze, ihren Gesandten bei .Sandalj, 30. Jlai 1405 Lett. Kat^. Vgl. .lorira, Notices et oxtraits
■2, 108.
^) Daniel 52: der König hatte mehr als ÜB .laliro keinen Verkehr mit seiner Gattin: sie lebten wie liruder nnd
Schwester. ') Theodosij bei PavIovic5 133. ") Niketas Akominatos ed. Bonn. p. 704.
32
II. AliUANDLUXG: CONSTANTIN JlEECEK.
Ehel'raiien fehlte es nicht an Buhlerinnen.
Sava ermahnte in seinen Eeden die kleinen Edel-_
leute oder Kriegsleute (vojiny), sich mit ihren
Gattinnen (supruznica) zu begnügen. Bei dem
Verfall des Reiches notiert Djak Dobre in seiner
Abschrift eines kirchlichen Menäons ganz treu-
herzig, das Buch sei geschrieben worden, als der
,fromnie K(>nig Marko' die Theodor a, Frau des
Gregor, offenbar eine Geliebte, dem Dynasten
Hlapen aiislieferte und als seine ,erstangetraute
Frau' Hlapens Tochter Jelena heiratete.^) Die
fremden Ivaufleute und die deutschen Bergleute
in Serbien und Bosnien lebten mit Konkubinen,
die mit ihren Kindern nicht selten in den Testa-
menten der Ragusaner erwähnt werden.^)
Ebenso gab es in den Städten der Kreuzfahrer-
staaten im 13. Jahrhundert viele Klagen der
Kirche gegen die Konkubinenwirtschaft der
dort weilenden Kaufleute. In Ragusa waren
außereheliche zeitweilige Bündnisse nichts Sel-
tenes. Junge Nobiles gingen schon um 1280
abends vom Festgelage zu den Freundinnen
schlafen (ire dormitum ad domum aniice sue).
Aus Prozes.sen ist seit Ende des 13. Jahrhunderts
zu sehen, wie sich dabei die Begriffe von
Freundin und Sklavin, ,amica' und ,ancilla' oft
in bedenklicher Weise kreuzten.^) Ob es in der
serbischen Dynastie Neman jas Bastarde ge-
geben hat, wie bei den Despoten von Epirus
oder bei denPalaiologen, welche ihre natürlichen
Töchter z. B. an die Tatarenchane zu verheira-
ten pflegten, wird in den bisher bekannten
Quellen nicht berichtet.'*) In den Küstenstädten
gab es ihrer eine Menge, eine Folge der großen
Zahl der Sklavinnen und Dienerinnen im Hause.
In einer um 1430 verfaßten Statistik von
Cattaro wird in den Häusern vieler Adeligen
und Bürger nach den Familienmitgliedern zum
Schluß ein ,flogl natural' oder eine ,fiogla na-
turala' genannt.^) In Ragusa führten die Ba-
starde der Edelleute deren Familiennamen vin-
gehiudert fort; so sind die bürgerlichen Dersa
(Drzic) des 15. — 17. Jahrhunderts eine Bastard-
linie der ausgestorbenen adeligen Dersa des
13. — 14. Jahrhunderts.*^) In den Küstenstädten
gab es, wie im byzantinischen Reich und in
Italien, überall Frauenhäuser.') In Budua
mußten die ,puttane' eine eigene Kopfbedeckung
tragen und durften nicht in der Nachbarschaft
von Edelfrauen oder Nonnen (gentildonne o
monache) wohnen.^) In Ragusa war ihnen in
einem hochgelegenen Gäßchen der Altstadt ein
eigenes Haus angewiesen, welches man, wie in
Venedig, euphemistisch das , Schlößchen' (castel-
letum) nannte; die Vorsteherin dieser Ge-
meinde hieß die ,Äbtissin' der Sünderinnen.^)
Sie wurden auch von den nach Jerusalem
fahrenden Pilgern besucht.^")
1) Stojanovid, Zapisi 1, Nr. 189.
') Über die Beischläferinnen der .Latini et alii Theotonici' in Bosnien klag-t 137ö ein Vilcar der Franziskaner dem
Papst, Eacki, Rad 8 (1869) 134.
') Das VerliUltnis im ragusanisclien Hause zwischen dem Herrn (cfospar, gospodar), der Frau (gospodja) und den
■n-eiblichen Dienstboten, die von dem Herrn insgeheim liebkost werden, beleuchten im 16. .Jahrhundert ganz anschaulich
die Komödien des Nikola Na!jeskovi6, herausgegeben in den Stari pisci der Südslav. Akademie Bd. 5, 247 ff.
*) Der Tatarenchan Nogaj hatte in seinem Harem Irene, Tochter h. voöei«; des Kaisers Michael Palaiologos, Nike-
phoros Gregoras V cap. 7 § 2. Kaiser Androuikos H. gab dem Tatarenchan seine vdöo; Boyairip Maria zur Frau; Pachymeres,
Andronikos, Buch HI cap. 27. Aber nach Kantakuzenos I cap. 39 täuschte man die Tataren und gab ihnen als angebliche
Kaisertöchter schöne Jungfrauen oft aus bedeutungslosen Geschlechtern (1? ä(ji](j.tov yevüjv), welche im Palast erzogen waren.
') Gase e persone di Cattaro (c. 1430), Fragment, 17 BI. eines Papierkodex, im Statth,alterei-Archiv von Zara. Z. B
im Hau.se des Ser Urban de Drago 13 Personen, darunter ,Stiepan suo tiogl natural', im Hause des Ser Dobruscho de
Margoi; 11 Personen, darunter ,Nichola suo fiogl natural, Lucia sua tiogla naturala' usw.
«) Vgl. meine Bemerkungen im Arch. slav. Phil. 19 (1897) 75 und meine Rom. Dalm. 3, 23. Nichtadelige Menze,
Bodaza, Luccari usw.: Arch. .slav. Phil. 21 (1899) 462.
') Über die ;j.i|j.e<fia >[toi jcopvizi zaTa-c'öyia in Konstantinopel die Vita S. Andreae Sali, cap. 3, § 20f., bei Migne, Pa-
trologia graeca, vol. 111 col. C.'jliT.
") Statut von Budua Art. 66 .delle puttane', welche kein ,ombrano in testa' tragen dürfen, nur ein .faciol' usw. Mon.
bist. jur. Slavorum merid. 3, 18.
") Abatissa, batessa postribuli, batessa di bordello 1400 f. als das Oberhaupt der ,pGocatrices' oder ,meretrices' in den
Gericlitsbüchern von Ragusa.
'") In der Pilgerfahrt des Ritters Arnold von H.arff aus dem Herzogtum Jülich am Niederrhein 1496 — 1499, heraus-
gegeben von Dr. E. von Groote, Köln 18C0, S. 64 ein in Ragusa niedergeschriebenes Glossar der ,slavennyske Sprache',
worin die Frage nicht fehlt: ,Frau, soll ich bei euch schlafen?' mit dem Verbum ,frauweren' (coitum facere). In Durazzo
hat sicli der junge Ritter in den Proben der albanischen Spraclie etwas solches nicht notiert iS. 65). wohl aber noch genauere
Fragen dieser Art griechiscli. ebenso arabisch und bei der Reise zum lil. Jakob von Conipostella sogar baskisch (S. 75,
112, 227).
Staat und Gesellschaft im mittelalteelichex Seebiex III.
33
Fleischesvergehen, welche, wenn der Übel-
täter die Überfallene Jungfrau nicht heiraten
wollte, in den Gesetzen aller dieser Länder ur-
sprünglich streng bestraft wurden, z. B. im by-
zantinischen Eechte durch Verlust der iSTase,
waren in den letzten Jahrhunderten des Mittel-
alters den Vermögenden durch Geldstrafen sehr
erleichtert. Auch im serbischen Eechte werden
in Urkunden auf den Dörfern Geldbußen für
den Überfall eines Mädchens (devic razboj) ei'-
wähnt, neben dem Blutgeld und anderen Bußen,
und zwar wird diese Einnahme den Klöstern
geschenkt. Allerdings beschränken sich diese
Angaben auf drei Stiftungen in den vor 1282
byzantinischen Provinzen in Makedonien, das
Kloster des hl. Georg bei Skopje, das Kloster
von Htetovo im obersten Tal des Vardar und
das von Treskavec bei Prilep.^) Dieselbe Geld-
buße ist als xapÖsvoaOcpi'a neben dem ccvs; (Blut-
geld) genannt in zahlreichen byzantinischen Ur-
kunden des 14. Jahrhunderts. Schon in dem
älteren byzantinischen Eecht wurde dieses Ver-
brechen neben dem Verlust der Nase durch
Konfiskation des Besitzes des Täters verfolgt.-)
In Cattaro zahlte der Schuldige je nach dem
Stand des weiblichen Teiles, der eine Sklavin,
eine freie Dienerin, ein Mädchen ,de bono po-
pulo' oder eine Adelige sein konnte, 50 bis 100
Perper. Wenn er nicht zahlen konnte, wurde er
durch eine Mutilation gestraft, von dem Ver-
lust eines Fingers bis zu dem der ganzen rechten
Hand. Nach dem Eecht von Eagusa zahlte der
Täter, falls er nicht heiraten wollte, die kleine
Summe von 50 Perper; nur wenn er sie nicht
erlegen konnte, verlor er beide Augen. ^) Nach
dem Eecht von Poljica bei Spalato hat der
Schuldige Blutgeld wie bei einem ]\Iord zu
zahlen, bei einer verheitrateten Frau (zena mu-
zata) oder einer verlobten Jungfrau aber doppel-
tes Blutgeld ; ist er unvermählt und das Mädchen
nicht verlobt, muß er sie heiraten. Nach dem
Statut von Vinodol (1288) zahlt der Schuldige
dem Comes 30 und der angegriffenen Frau
ebenfalls 30 ,Libre'.-*)
In der Zusammensetzung der Gesellschaft
wird in den Zeiten der Nemanjiden eine wach-
sende Scheidung der Stände immer mehr be-
merkbar. Voran steht der königliche Hof, dessen
Mitglieder wohl bekannt sind.
Die einheimische Dynastie des Nemanja
oder wie er nach seinem Tode im Kloster hieß,
des hl. Symeon hatte im Lande einen festen
Halt, durch vielfache Verwandtschaft mit dem
Adel und durch zahlreiche kirchliche Stiftun-
gen. Unter den Fresken der Klöster gibt es an
drei Stellen eine bildliche Darstellung der Ge-
nealogie der Nemanjiden.') Nach M. Milovanovic
ist das Original das Bild im Kloster Decani, mit
charakteristischem individuellen Ausdruck einer
jeden Physiognomie, gut erhalten, bis auf das
Gesicht des Nemanja, welches durch die Jata-
gans der Mohammedaner beschädigt wurde.
Das Wandgemälde stammt aus der Zeit des
Stephan Dusan als Garen (1346 — 1355). Eine
Kopie aus dem 16. Jahrhundert gibt es im Nar-
thex der Patriarchalkirche von Pec. Eine zweite
viel schwächere Kopie, mit einförmigen Ge-
sichtszügen aller Herrscher, befindet sich in der
Klosterkirche von Gracanica. Von dem Bild
von Decani ist in Belgrad eine Lithographie
erschienen, ausgeführt auf Grund einer photo-
graphischen Aufnahme.®) Der Stammbaum,
umsponnen von Guirlanden und Blumen, breitet
sich VI in unten nach oben aus. Die regierenden
') Novakovid, Zakonski spomenici filT, 059, <)71.
') Die xapOHvoyOopia wurde von Heuzey in den Anmerkungen zu einer thessalisclien Urkunde von 1342 erklärt als
,un impot sur les raariages'. Zacliariae von Lingentl)al, Geschiclite des griecli. röm. Reclites, 2 A. (1877), sah darin ein .jus
primae noctis', aber in der 3. A. (1892) 395 erklärt er es als ,eine an den Fiskus zu leistende Geldstrafe.' Sp. Lanipros,
Tb oi/.aicüjjia ttJ; TtpoiTr,; vuzTo; im Mio; 'EXXrjvofivr^fAcüv 4 (1907) 14—19 meint, es sei eine Heiratsabgabe, ein yaiiwov dXo; der
Bauern gewesen, vielleicht unter der lateinischen Herrschaft eingeführt. Nikes Bees, Titi-pj^s jus primae noctis ::apa Bu-
Joivxioi;; Byz. Z. 21 (1912) 169 — 186, mit einer großen Sammlung von urkundlichen Belegen, zeigt, daß es eine Vermögens-
strafe war.
') Statut von Cattaro Art. 100. Statut von Ragusa VI. cap. 6. In den Gerichtsbücliern von Ragusa ist oft die Rede
von Angriffen besonders auf ,famulae', unternommen von jungen Nobiles, die sich nie durch übertriebene Schüchternheit
auszeichneten, oder von Handwerkern im Dunkel der Lauben, bei den Brunnen, in den Kaufläden oder außerhalb der
Stadt in den Weingärten. Dasselbe kam unter den Bauern der Inseln oder der benachbarten Täler vor, meist beim
Viehhüten.
*) Mon. hist. jur. Slav. merid. 4 p. 19 (Statut von Vinodol, Art. 56) und 109 (Statut von Poljica, Art. 110).
') Darüber der akademische Maler M. Milovanovi(- im Godisnjak iJ.ahrbuch) der kgl. serb. Akademie 23 (1909) 238,
240, 250—251.
«) Ein Exemplar besitze ich als Geschenk von Ljubomir Stojanovic. Sehr wünschenswert wäre eine kolorierte
Photographie.
Denkschriften des pUil.-bist. Kl, .i8. Bei, 2. Alih. "
34
II. Abhandlung: Constantin Jirecek.
Fürsten sind in ganzer Figur dargestellt, mit
einem byzantinischen Kreuz als Zepter in der
Hand, die übrigen Familienmitglieder nur als
Brustbild; die weniger bedeutenden Personen
hat der Maler als kleine Figürchen zwischen
den Blüten und Ranken des Baumes halb ver-
steckt. Aufgenommen sind in diese Stammtafel
nur die männlichen Nemanjiden mit ihren
Kindern beiderlei Geschlechtes, keineswegs die
Frauen, wohl um die vielen Gattinnen einiger
Männer nicht einzeln vorzuführen. Unten steht
Neman ja. der hl. Symeon, im Heiligenschein,
die Hände zum Segen ausgebreitet. Rechts und
links von iiim sieht mau seine Söhne, den
hl. Sava mit langem Bart und Glatze und König
Stephan den Erstgekrönteu (Stefan prvovencani
kralj) in königlichem Gewände. Kleine Figuren
sind Neman jas Sohn ,Vlk' (Vlkan) mit seinem
Sohn Knez Stephan, und die drei Söhne Stephan
des Erstgekrönten, König Radoslav, König Vla-
dislav und der Erzbischof Sava IL, sämtlich
bärtige Männer. Es folgen dann etwas höher
in einer Reihe die drei Könige Uros I. und
üros IL, beide dargestellt als Greise mit weißem
Bart, der in zwei Spitzen endigt, und König
Stephan (Dragutin) in schwarzem Mönchskleid.
Neben Stephan stehen als kleine Gestalten seine
Söhne Vladislav (bärtig) und Urosic (bartlos).
An der Seite des Königs Uros IL sind zwei
Töchter abgebildet, ,Carica dbsti kralja Urosa',
die er 1308 an den jungen Karl von Valois ver-
heiraten wollte,^) und die sonst unbekannte
,BrI>nca'.^) König K(mstantin, ein Sohn Uros IL
(1321 bis 132-2), ist in Graeanica abgebildet; in
Decani scheint er zu fehlen, wenigstens auf der
mir vorliegenden Zeichnung. Im obersten Felde
steht rechts der langbärtige König Uros III., in
der Mitte Stephan Dusan mit schwarzem Schnurr-
bart und kurzem Vollbart im kaiserlichen Ge-
wände (Stefan car), links dessen bartloser Sohn
Uros als König (Uros kralj) mit der Krone auf
dem Haupt und einer Rolle in der Hand. Ganz
klein erscheinen daneben, in den Blüten des
Baumes sitzend, einige kindliche Köpfe, Du.?ans
Geschwister: der frühzeitig gestorbene Dusica,
Symeon, noch ganz bartlos, Jelena, später die
Frau des kroatischen Magnaten Mladen Subic
von Clissa und Scardona, und Todora, nachher
Frau des serbischen Edelmannes Dejan.
Bemerkenswert sind in den Fresken der
Kirchen die Bildnisse der einzelnen Stifter
mit ihren Gattinnen imd Kindern. In schrift-
lichen Zeugnissen wird die kräftige, hochge-
wachsene und schöne Gestalt einzelner Herr-
scher beschrieben: des Nemanja bei Eustathios
und Konstantinos Manasses, des Stephan
Uros IL bei Erzbischof Daniel, des Stephan
Dusan in einer Reihe von Berichten, ebenso des
Garen Uros.^) Persönlich waren die Herrscher,
wie in jeder Dynastie, voneinander sehr ver-
schieden. Große Talente waren ohne Zweifel
Nemanja, der Begründer des serbischen Reiches
im späteren Mittelalter, der kluge Stephan der
Erstgekrönte, der kriegerische Stephan L^ros IL
und besonders Stephan Dusan, dessen weit-
greifende Pläne bei den Historikern unserer
Zeit aber aiich eine ungünstige Beurteilung
fanden.'*) Stephan Uros I. war nicht unbegabt,
aber unvorsichtig. Talentlos und unselbständig
waren der schwache und eingebildete Stephan
Radoslav und besonders Dusans Sohn, der un-
fähige Car Uros.
Von den Frauen treten nur wenige in der
Geschichte mehr hervor. Die serbische Ge-
schichte hat keine Typen in der Art der mächti-
gen byzantinischen Kaiserinnen Irene und
Theodora, der Mutter Michaels III., aufzu-
weisen. Die Königinnen waren aus verschiede-
nen Ländern gebürtig. Ans dem benachbarten
Bulgarien stammte die Frau des Königs Ste-
phan Vladislav, Tochter des Caren Johannes
Äsen IL, über die nichts Näheres berichtet wird,
ferner die dritte Frau desKönigs Stephan LTros IL,
Anna (128-4), eine Tochter des Caren Georg Ter-
terij L, eines Kumanen von Geburt, die nach
15 Jahren von ihrem Gatten verstoßen wurde
(1299) und in Konstantinopel den epirotischen
Prinzen Michael Kutrules heiratete, endlich die
Frau des Königs Stephan Uros III., Theodora,
eine Tochter des Caren Smilec, die mit ihrem
Manne viele trübe Tage, auch das Exil in Kon-
stantinopel mitmachte, aber noch seine Thronbe-
') In der Urk. \'M)H ,uni(!am Hliani .suani nomine Zarizam, quani ex Elizabet uxore sua legitima procreavit', Glasnik
27, 322. Die richtige Xaniensform Carica kannte aus Hilferdings Bericlit über die Fresken von Graeanica schon Ilarion
Ruvarac, Kraljice i carico srpsko (Serb. Königinnen und Zarinnen) in der Zeitschrift Matica 3 (Neusatz I8()8) 412. In
meiner Geschichte der Serben 1, 31'> i.st demnach Zorica als Carica zu berichtigen.
'j In Graeanica las Hilferding Ptrbnecej. Stojanovid, Zapisi 3 Nr. 5U97.
•) Vgl. meine Geschichte der Serben 1, 262, 332, 368, 414.
«) Novakovid im Arch. sIbt. Phil. 34 (1913) 231 f.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
35
Steigung erlebte (f 1323), die Mutter des Ste-
lAvdu Dusan.i) Im öffentlichen Leben trat am
meisten Helena, eine Schwester des bulgarischen
Garen Johannes Alexander, hervor, seit 1332
Frau des Stephan Dusan. Eine Vorlage, die
Orbini benutzt hat, schilderte sie als eine böse
Frau, Feindin der Katholiken, ,donna perversa',
,veramente disposta a fare ogni male'. Ihre Teil-
nahme an den Beratungen bei Hofe schildert
Johannes Kantakuzenos, der 1342 als Flücht-
ling am Hofe Dusans verweilte. Sie begleitete
ihren Gemahl auch auf den Feldzügen in der
Umgebung von Thessalonich und gegen Bos-
nien, wobei sie auch Eagusa (1350) besuchte.
Nach dem Tode ihres Gatten residierte sie mit
dem Klosternamen Elisabeth in Serrai, erlebte
aber noch den Zusammenbruch des neuen Kaiser-
tums und überlebte sogar ihren einzigen Sohn,
den Garen Uros (f 1371).-) Aus den rumäni-
schen Fürstentümern stammte Anna, Tochter
des walachischen Fürsten Alexander, Frau
(1360) des Garen Uros.^) In Bosnien war keine
der bekannten Königinnen zu Hause; dafür war
Elisabeth, eine Tochter des Königs Stephan
Dragutin, Gattin des bosnischen Bans Ste-
phan I.
Die Griechinnen waren nicht beliebt. Eu-
dokia, die Tochter des Kaisers Alexios III.,
Frau des Großzupans Stephan, des späteren
erstgekrönten Königs, mußte Serbien (um 1202)
verlassen (s. oben 3, 30). Anna, die Tochter des
epirotischen Kaisers Theodoros, war Ursache
der Vertreibung ihres Gatten, des Königs Ste-
phan Eadoslav (1231).^) Von der ersten Frau
Uros IL, einer Tochter des Sevastokrators Jo-
hannes von Thessalien, wissen wir nicht einmal
den Namen. Die vierte Gattin Uros IL (1299)
war bis zu seinem Tode Simonis, Tochter des
Kaisers Andronikos IL und der Irene von
Montferrat, vermählt noch in sehr jugendlichem
Alter. Diese Heirat war Ursache der Kämpfe
zwischen den Brüdern König Uros IL und
König Stephan (Dragutin). Nikephoros Gre-
goras erzählt, wie Simonis zuletzt unter der
Eifersucht ihres Gatten viel gelitten hat, so
daß sie ins Kloster gehen wollte; dies tat sie
erst nach Uros IL Tod, worauf sie im Kloster-
gewand bei ihrem Vater und Neffen, Androni-
kos IL und III. in Konstantinopel lebte.^) Der
späte Gamblak (um 1400) beschuldigte Simonis
den Uros IL zur Blendung seines Sohnes aus
der dritten Ehe, des späteren Uros III., listig
,mit Tränen' überredet zu haben.^) Die zweite
Gattin Uros III. war Maria Palaiologina (1326),
Tochter eines Neffen des Kaisers Andronikos IL
Diese Stiefmutter des Stephan Dusan blieb in
Serbien. Nach der Ansicht des Dr. Eadonic
ist sie die , herzliebste' Mutter Despotissa des Ga-
ren Stephan in einer Urkunde von 1340 (vbse-
srbdbcnaja i istinnaja inater kraljevst\-ii rni des-
jiotica) und die .vasilissaMaria' (1348), die zweite
Gattin des einflußreichen Magnaten Oliver.'')
Vieles bleibt in diesen Genealogien dunkel.*)
Aus dem Abendlande stammte Anna, Enke-
lin des Dogen Enrico Dandolo von Venedig,
Gattin (wie es scheint, die dritte) Stephans des
Erstgekrönten; sie hat bei der Erwerbung der
Königskrone aus Eom (1217) einen Einfluß
gehabt und wurde zugleich mit ihrem Gemahl
feierlich gekrönt.^)
') Anna: vorl. meine Geschichte der Serben I, .341. Urkunde des Garen Stephan mit einer Stiftung für das Grab
seiner Mutter Tlieodora (l:^46) im Kloster Banjska, herausgegeben von Xovakovic, Spomonik il, 1 — 7 und Zakonski spo-
menici 631—632. ') Meine Geschichte der Serben 1, 370, 414, 426, 432.
=) Ebenda 414 A. 4. *) Ebenda 1. 301, 303—305.
^} Ebenda 1, 340, 353, 354. Nikephoros Gregoras hat den Klosternamen der Simonis nicht verzeicluiet. Eine Per-
gamenthandschrift mit der patristischen Kompilation des Paulos, jetzt in der Bibliothek des Meteorenklosters des hl. Bar-
laam in Thessalien, schließt mit Versen, welche als Besitzerin die eliemalige .tüv TpißaXwv zpaXaiva' nennen, die Nonne
Engenia. Dr. Nikos Bees in Arch. slav. Phil. 34 (1913) 2il8 — 304 meint, daß sie im weltlichen Stande Helena hieß. Er
identifiziert sie mit Milica, Frau des Knez Lazar (f 138y), die als Nonne wirklich Eugenia oder Euphroayne (I)anicii', Rjee-
nik unter .Jefrosini) hieß, aber nie Königin war und nur Kneginja, lat. C'omitissa tituliert wird. Man könnte elier an
die zpaXaiva Simonie denken.
") Camblak, Leben Uros III, herausgegeben von Dr. J. Safarik, Glasnik 11 (1859) 45, 47 f.
') Urk. 1340 bei Novakovi6, Zakonski spomenici 409. In der Geschichte der Serben 1, 388 A. 2 hielt icli diese
ßaoiXiooa Mxpta für eine Halbschwester Dusans. Radonid in Glas 94 (1914).
'") Dr. Euo-en Kozak, Professor an der Universität Czeruowitz, teilt mir mit, daß im Kliister l'utna in der liukovina
eine gestickte Inschrift zu lesen ist: TÖiv SouXwv aou zaioapiai^ (für -rj;) -£pßt«; 'E9r)|j.ta? (iovcty(fj;) oliv Ou^atpl fSaocXsiar); Xspßi«;
EÜTcpx;!«; [j.ovct-/(ri;). Euphemia hieß als Nonne die Witwe des Despoten Ugljesa, eine Tochter des Kjesar Vojihna. Die
ßaoiXioua Xep[j(«? (also carica) Eupraxia ist sonst unbekannt.
^) Geschichte der Serben ), 295, 297. Die verwandtschaftliclien Beziehungen der serbischen Fürsten zu den vor-
nehmen Geschlechtern Venedigs, die schon unter dem Großzupan Dosa im 12. Jahrhundert beginnen (vgl. meine Geschichte
5*
36
II. Abhandlung: Constaxtin Jikecek.
Eine berühnitL' Königin abendländischen
Ursprungs war Helena, seit ungefähr 1250 Frau
des Königs Uros I., wir wissen nicht ob die
erste, zweite oder gar dritte, die Mutter der
Könige Stephan (Dragutin) und Uros IL (Milu-
tin). Erzbischof Daniel, der sie noch persönlich
kannte, schreibt, sie sei fränkischen Ursprungs
(ot roda fruzbska) aus einem kaiserlichen oder
königlichen Geschlechte gewesen (ot plemena
carska), eine Tochter berühmter und reicher
Eltern, welche sie dem König Uros zur Frau
gegeben haben.^) Er lobt ihre scharfsinnige
Eedeweise, ihre Güte, Freigebigkeit, Frömmig-
keit und ihren tadellosen Lebenswandel. Sie
erreichte ein sehr hohes Alter (f 1314), gleich
populär bei den Serben, als bei den Lateinern
des Küstenlandes, gleich geehrt von der serbi-
.«cheu und lateinischen Kirche. Besonders im
dioklitischen Gebiet hat sie ein bleibendes An-
denken hinterlassen, in den Sagen der ]\Iontene-
griner unvergessen als die fromme ,kraljica
Jelena'. Nach Barletius wurde Urivasto mit
anderen Städten, welche bei der Invasion der
Mongolen zerstört worden waren, von ihr er-
neuert. In Cattaro, Antivari, Dulcigno und
Skutari stiftete sie katholische Kirchen und
Klöster des Franziskanerordens, im Binnen-
lande das serbische Kloster Gradae am Ibar.
Sie beschenkte auch das katholische Kloster von
Katac bei Antivari und das serbische von Vran-
jina auf einer Insel des Sees von Skutari. Per-
sönlich war sie der römischen Kirche treu, wie
aus den zahlreichen Schutzbriefen, die sie von
den Päpsten erhielt, klar zu sehen ist.") Dunkel
bleibt ihre Abstammung. Es ist keine Phrase,
wenn sie, ebenso wie ihre Schwester in den Ur-
kunden der Könige von Neapel Karl I. und IL
A'on Anjou als Verwandte (consanguinea nostra
carissima, cognata nostra, affinis nostra caris-
sima) bezeichnet wird.^) Die Urkunden, In-
schriften und Biographien geben keine be-
stimmte Antwort auf diese Frage. Von neue-
ren Historikern erklärten seit dem 17. Jahr-
hundert die einen die serbische Königin Helena
als Tochter des Kaisers Balduin IL, die anderen
als Tochter des Königs Ludwig IX. (des Heili-
gen) von Frankreich; doch sind beide Hypo-
thesen ganz haltlos, weil die Genealogien dieser
Häuser in allen Details genau bekannt sind.
Eine neue Kombination von Mijatovic suchte
den Ursprung in dem Haiise Conrteuay (lat. de
(^orteniaco) entweder unter den Töchtern des
Raoul de Courtenay, eines Neffen des lateini-
schen Kaisers Robert, der von König Karl I.
von Anjoii die Grafschaft von Chieti in den
Abruzzen erhalten hatte (f 1271), oder unter
den Töchtern der Elisabeth de Courtenay,
Schwester Balduins IL und Gattin des Odo de
Montagu aus der Familie der Herzoge von Bur-
gund.*) Man könnte auch an die zahlreichen,
meist aus der Champagne uud aus Burgund
stammenden französischen Herrengeschlechter
Griechenlands denken. Eine wichtige Quelle
ist bis jetzt nicht befragt worden, die voluminö-
sen Archivbücher der französischen Könige die-
ser Zeit.
Bekannter ist die Familie des Gatten der
Maria, der Schwester der serbischen Königin
Helena. Gemahl dieser Maria war Anselm oder
Anselin de Chau, Chaurs oder Chaus, einer der
französischen Ritter, welche mit den Anjous
nach Neapel gekommen waren, seit Mai 1273
Generalkapitän Karls I. in Albanien und Statt-
halter in Durazzo, gestorben vor April 1274.^)
Mehrere Verwandte des Anselm waren ebenfalls
Höflinge Karls L, während andere Angehörige
iler Serben 1, 251), werden sich nicht auf wenige Fülle beschränkt haben. Nach einer Anmerkung des Cicogna im Archivio
storico italiano Bd. 8 (Firenze 1845) p. 754 soll die zweite Frau des Dogen Lorenzo Tiepolo (1268—1275) eine .figliuola
del re di Kascia' gewesen sein.
') Daniel 8, f>S, vgl. 60 — 61. Die Urkunden siehe in den Acta et diplomata res Albaniae mediae aetatis illustrantia,
von Thallöczy, .Tirecek und t>ufrtay, Bd. 1 (1913); vgl. die Indices unter Helena, Chau und Chaurs.
') Eine einzige abendländische Quelle ist der Helena ungünstig gesinnt. Der französische Bischof Bernardus Guidouis
(t 13,31) berichtet in seinen ,Flore8 chronicorum' (Recueil des historiens des Gaules et de la France, vol. 21, p. 718), wie
päpstliche Gesandte 1308 zum König Uros H. reiston, um ihn zur Union zu bewegen (vgl. meine Geschichte der Serben 1,
345). Vom ,re.\ Raciae' wurden sie ,debito cum honore' begrüßt, aber der Erfolg blieb aus, weil der König ,matris suae
et fratris metu retractus penitus nichil egit.'
') , Cousins' des französischen Königs waren z. B. auch die Toucy (de Tociaco) im lateinischen Kaisertum, durch Ver-
wandtschaft in weiblicher Linie. Du Bouchet, Histoire genealogique de la niaison royale de Courtenay (Paris 1661) 165;
Du Cange, Familles d'outremer 487.
■*) Mijatovid, Ko je kraljica JelenaV (Wer ist die Königin Jelena), Letopis 217 (l'.t03) 1 — 30.
') Vielleicht identisch mit ,nobilis vir Anselmus dominus de Keu et Maria uxor eins', denen Papst Alexander IV. in
Neapel am 15. Jänner 1255 die Ehedispens bestätigte, da sie im dritten oder vierten ,con8anguineitatis gradu' miteinander
verwandt waren: Les registres d'Alexandre IV, par M. Hourol de la Ronciere (Paris 1895, Bibl. des ecoles fram;., 2" serie XV,
Staat und Gesellschaft iji mittelalterlichem Sekbiex III.
37
desselben Geschlechtes zu dem vornehaien Adel
Frankreichs gehörten, darunter Philipp de
Chaours, Bischof von Evreux (f 1281).^) Das
Geschlecht führte seinen Namen von dem
Schlosse Chaource in der Champagne, jetzt im
Departement Aube, Arrondissement Bar sur
Seine, südlich von Troyes.^) Die Schwester der
serbischen Königin, in neapolitanischen und
ragusanischen Urkunden Maria de Chaurs oder
Chan (Cau) genannt, hatte einen Sohn, der
gleichfalls Anselm hieß. Im Juni 1280 reiste
sie mit diesem Sohn, zahlreicher Dienerschaft
und 20 Pferden über Apulien nach Serbien zu
ihrer Schwester (domina regina Servie, soror
sua) ; 1281 kehrte sie mit einer serbischen Ge-
sandtschaft wieder zurück zu Karl I. nach
Viterbo, blieb aber dann in Serbien, wo ihr eine
Residenz in Dulcigno (s. oben 1, 61) eingeräumt
wurde.*) Die ragusanischen Amtsbücher er-
erwähnen die , domina Maria de Chau, soror do-
mine regine, domina Ulcinii' 1383 — 1285 oft
in Dulcigno bei Fragen über Zollpächter, Kauf-
leute, Ankauf von Schiffen usw.*) Ihr Sohn
Anselm de Chaurs schloß sich später dem Flo-
renz von Hennegau (Florent d'Avesnes-Hai-
nault, t 1297) an, welcher als zweiter Gatte
der Isabella von Villehardouin 1289 Fürst
von Achaja geworden war. Die Barone von
Aehaja klagten bei dem Oberlehensherrn, dem
König von Neapel, Fürst Florenz habe will-
kürlich Ländereien der eingeborenen Franken
entrissen und seinen Leuten gegeben, wie die
Güter des verstorbenen Magister Ventura Ar-
meris dem Eitter Anselm de Chaurs (um 1292).^)
Das Grab der Maria und ihres Sohnes Anselm
mit lateinischer Inschrift sah man noch im
IG. Jahrhundert im Pflaster vor dem Hochaltar
der Marien- oder Markuskirche von Dulcigno,
welches bis 1571 den Venetianern gehörte.")
Verwandte der Maria gab es in Serbien auch
später. König Karl IL von Neapel befahl 1302
dem Fürsten von Achaja, Philipp von Savoyen,
dem dritten Gatten der Isabella, er möge ge-
wisse der Königin von Serbien und dem Edel-
mann Georg von Chau gehörige Tücher und
Schmucksachen ausfindig machen, welche von
Piraten aus Ciarencia in Achaja in den Ge-
wässern von Durazzo (in mari Duracii) geraubt
worden waren. '^)
Aus der Dynastie der Arpaden stammte
Katharina, eine Tochter des Königs Stephan V.
von LTngarn und seiner Gattin Elisabeth, der
Tochter des letzten kumanischen Chans Kuthen,
die Gemahlin des Königs Stephan Dragutin,
vom Erzbischof Daniel stets mit großem Lobe
erwähnt. Ihre Schwester Elisabeth war eine
Zeitlang die zweite Gattin des Bruders Ste-
phans, des Königs Stephan Uros IL Milutin.
Sie war Nonne im Kloster auf der Haseninsel,
der heutigen Margaretheninsel bei Pest, wes-
halb die Ehe mit dem König in Serbien auf
großem Widerstand stieß, abgesehen von der
nahen Verschwägerung, die an und für sich ein
kirchliches Ehehindernis bildete. Deshalb
trennte sich König LTros IL bald (vor 1284) von
dieser zweiten Frau, die wieder Äbtissin auf
1) p. 13 A., Nr. 48. Wenn beide Eheleute vielleicht aus verschiedenen Linien des Hauses Cliaurs stammten, hätte Hopf
nicht Unrecht mit der Bezeichnung der serbischen Königin als Helena de Chaurs. Urkunden über Anselm als Statthalter
von Durazzo in den Acta Albaniae Bd. I ; sein Tod 1274 ib. p. 89.
•) .Chevaliers de l'Hotel' waren Geoflfroy de Chaurs, Kastellan von Lucera (1271) und l'atricius de Chaurs oder
Cliaursio, Justiciarius der Terra d'Otranto (1277— 1282); daneben werden erwähnt Herve de Chaors und Guillaume de Chaus,
vgl. Paul Durrieu, Les archives angevines de Naples (Paris 188C) 2, 804, vgl. 209, 225, 227, 231, Acta Albaniae a.a.O.
Adam de Chaurce, Ritter des Templerordens in Jerusalem 1184 bei Kühricht, Regesta regni Hierosolymitani, Additamenta
(Innsbruck 1904) Nr. 637 a, p. 41. Bischof Philipp von Evreux (f 1281) und Patriz de Chaourses (Patricias de Chaorciis)
unter den ,barons et grans Chevaliers du roi' 1304 in einer Lehensliste im Kecueil des historiens des Gaulos et de la
France, Bd. 23 (1876).
') Lateinisch Chaursia, Chaursa, Cliaorsa, Cliaorsia, Chaorcia gesclirieben, französisch C'haorse, (.^uaourse. Kaourse:
Recueil des historiens des Gaules Bd. 20, p. 204, 314, 315, Bd. 21, p. Iü2, 502. Nicht zu verwechseln mit den Chaurs ist die
Familie de Cayeux aus der Normandie, aus dem jetzigen Cayeux-sur-Mer ; Anselm de Cayeux (\W{k o; Kii des Akropolites)
war 1206 — 1247 einer der vornehmsten Franken von Kon9tantino])el, Gatte einer Tochter des Kaisers Tlieodor I
Laskaris.
■') Rad 18 (1872) 218.
*) Diversa, Bände 1282 und 1284 Arch. Hag. Acta Albaniae 1, Nr. 470, 498.
') Hopf, Gesch. Griechenlands, Ersch-Ciruber Bd. 85, 339.
^) Farlati, Illyricum sacrum 4, 440; 6, 429; 7, 59. An der letzten .Stelle ist die Grabinschrift von Dulcigno aus
einer Handschrift der Adelsfamilie de Pasnualibus von Cattaro mitgeteilt. Der Name auf der Inschrift ist dort wiederge-
geben als ,Maria de domo Chiutiz (var. Chieriz) de Francia*. Vgl. Sufflay in den Acta Albaniae 1, p. 151 — 152, Nr. 509.
') Makusev, Zapiski 19 (1871) 3, 33 = Racki, Rad 18 (1872) 225; Acta Albaniae I, p. 159, Nr. 544. Vgl. Hopf
a. a. O. 353 A.
38
IL Abiiaxdluxg: Coxstantin Jieecek.
der Haseninsel wurde, aber schon 1287 den
böhmischen Edelmann Zävis heiratete; nach
der Hinrichtung dieses Magnaten 1290 auf Be-
fehl des Königs Wenzel 11. kehrte sie wieder
auf die Hascninsel zurück.^) Costanza ans dem
Hause der Morosini von Venedig wurde (1293)
Gattin des Vladislav, des Sohnes des Stephan
Dragutin, welcher aber den Thron von Serbien,
der ihm bestimmt war, nicht behaupten konnte.
Wir haben außerdem Nachrichten über einige
nicht ausgeführte Heiratspläne im Westen.
Uros III. dachte daran, Bianca, die Tochter des
lateinischen Titulkaisers Philipp von Tarent
(f 1331) aus einer Sokundogenitur der Anjous
als zweite Frau zu heiraten. Au|ch Stephan
Dusan wollte, als er von Helena lange keinen
Sohn hatte, sich von ihr trennen und Elisabeth,
die Tochter des deutschen Königs Friedrich des
Schönen, eines Habsburgers, heiraten (1336) ;
über diese Verhandlungen hat der Abt Johann
\on Viktring in Kärnten in seiner Chronik eine
Nachricht erhalten.^)
Ein altserbischer Fürstenspiegel hat sich
nicht erhalten. Byzantinische Arbeiten dieser
Art gibt es mehrere, wie der merkwürdige Brief
des Patriarchen Photios an den neugetauften
Bulgarenfürsten Michael Boris. Als Ideal eines
Herrschers ist bei Daniel der gottesfürchtige
König Stephan Dragutin geschildert; unter
seiner Regierung habe es keine Ungerechtig-
keit, Stolz oder Wucher gegeben.^) Feldzüge,
Eeisen, Gerichtsverhandlungen, Eeichstage,
Empfänge von Gesandten, kirchliche und welt-
liche Festlichkeiten, Jagden, Tafeln und wohl-
tätige Werke füllten die Tage der Herrscher
aus. Die Rivalitäten innerhalb der Familie
verfolgten sie aber oft mit schweren Sorgen.
Der König mußte nicht selten zur Flucht bereit
sein. Als bestes Asyl galt Eagusa, das im 13. bis
15. Jalirhundert sehr oft ein unfreiwilliger
Aufentlialtsort vertriebener Fürsten und Für-
stinnen war. In den Verträgen mit Nemanjas
Bruder ]\Iiroslav und mit den Königen Vladis-
lav und Ui'os I. versprachen die Eagusaner aus-
drücklich den serbischen Herrschern für den
Fall, daß ihnen ein , Kummer' widerfährt, eine
ehrenvolle Aufnahme und freundschaftlichen
Empfang in der Stadt, in welcher sie mit
Familie und Gefolge so lange bleiben können,
als es ihnen beliebt. Eine hervorragende Pflicht
des Landesherrn war freigebige Gastfreund-
schaft. Als Nemanja. seine Abdankung ver-
kündete, sagte er den versammelten Serben, er
habe mit ihnen genug Vergnügen und Freuden
genossen, genug der irdischen Geschäfte und
Kriegszüge, genug der ,Ergötzungen der reichen
Tafeln' (trapeza). Es folgte dann das letzte
glänzende, reich mit Fleischspeisen ausgestattete
Gastmahl vor der Einkleidung des Großzupans
als Mönch. Nemanjas Sohn Stephan, ein er-
fahrener und tapferer Kriegsmann, hat nach
der Erzählung des Mönches Theodosij oft die
Adeligen bei Tisch durch Musik mit Trommeln
(timpani) und Geigen (gusli) erfreut. Bei der
Krönung dieses Herrschers mit der neuen
Königskrone wird auch das ,sehr große Fest-
mahl' (pir) verzeichnet.*)
Die byzantinischen Berichte über den serbi-
schen Hof eröffnet Pachymeres. Kaiser Michael
Palaiologos wollte den König Stephan LTros I.
durch die Vermählung des jüngeren Sohnes
Milutin (Uros IL) mit seiner Tochter Anna ge-
winnen (1268). Die Kaiserstochter, begleitet
vom Patriarchen Joseph, begab sich mit großem
Gefolge bereits nach Westen. Von Berrhoea in
Makedonien reisten der Chartophylax Johannes
Bekkos, der spätere (seit 1275) Patriarch, und
Kudumenos, der Bischof von Traianopolis, vor-
aus nach Serbien, um die Sitten des Landes
kennen zu lernen. Sie waren durch den primi-
tiven Charakter des Hofes sehr enttäuscht,
ebenso aber auch die Serben durch den nach
ihrer Ansieht überflüssigen Prunk der Byzan-
tiner. Besonders mißfielen dem serbischen König
die schon mitgebrachten Eunuchen, welche zum
Hofstaat der Kaisertochter gehören sollten. Die
Gattin des älteren Sohnes Dragutin, Katharina
von Ungarn, war ärmlich gekleidet und zum
Erstaunen der Byzantiner, deren Fürstinnen
nichts arbeiteten, am Spinnrocken beschäftigt.
Trotz des ungünstigen Berichtes der Sendboten
reiste die byzantinische Prinzessin weiter west-
wärts nach Ochrid, wo sie abermals abwartete.
Der Patriarch begab sich indessen mit den ande-
ren Gesandten von dort über Polog nach Lip-
Ijan, wo sie mit dem ihnen entgegengesendeten
') Meine Geschichte der Serben 1, 332.
') Ebeiui:i 1. 337, 359, 375—376.
') Daniel 23.
*) Theodosij bei Pavlovi^ 42, 47, 95, 111, 113.
Staat uxd Gesellschaft im jiittelalteelichen Serbien III.
39
serbischen Hofbeamten Georg zusammentrafen.
Es war klar, daß die Serben einen Abbruch der
Verhandlungen herbeizuführen wünschen. Georg
erzählte, er sei kurz zuvor von Eäubern über-
fallen worden, was die Byzantiner in große
.\ngst versetzte, da ihnen auch die scharenweise
sichtbaren Einwohner nicht geheuer vorkamen.
In einer Nacht wurden die Pferde der Gesandt-
schaft gestohlen. Als Ersatz konnten die serbi-
schen Beamten nur schlechte Pferde des Landes
l>ieten. Da entschlossen sich die griechischen Ge-
sandten sofort zur Umkehr nach Ochrid, von
wo sie die Prinzessin wieder zum Kaiser zurück-
führten. Man sieht, daß Pachymores in den ihm
vorliegenden Aufzeichnungen nicht die wahre
Ursache des Bruches vorfand. Wir wissen aus
anderen Berichten, daß König Uros I. damals
im Vertrauen auf die Verbindung mit den By-
zantinern einen Angriff gegen die Ungarn
unternahm, aber in der Macva nicht nur ge-
schlagen, sondern auch gefangen wurde.^)
Als Gesandter des Sohnes des Kaisers Mi-
chael, des Kaisers Andronikos IL, weilte der
spätere Großlogothet Theodoros Metochites bei
dem Sohn Uros L, dem König Stephan Uros IL
]\rilutin, bis endlich zwischen den Byzantinern
und Serben ein Frieden geschlossen wurde, ver-
bunden mit einer Heirat (1299). Erhalten hat sich
ein sehr wortreicher, auf dieser Reise geschrie-
bener Brief des byzantinischen Diplomaten. Am
serbischen Hofe, ohne Zweifel in Skopje, fand
Metochites viel Nachahmung des byzantinischen
Prunkes. Zur feierlichen ersten Audienz wurde
er von einer großen Schar edler Jünglinge ab-
geholt und vom König, der in Paradekleidern
voll Edelsteine und Perlen ganz in Gold strahlte,
freundlich begrüßt. Täglich wurde dem Ge-
sandten reichliches Essen ins Haus gesendet,
zweimal mehr als nötig war. Bei den Hoftafeln
trank der König mit seinen Großen oft den
Byzantinern zu (TCpo::(v£iv), was sie ihrerseits er-
wiederten (ävTrcivstv, altserb. otpijati). Doch die
Verhandlungen zogen sich durch viele Monate
in die Länge, infolge der Intriguen der den
(Triechen feindlichen Hötiinge und der byzanti-
nischen Überläufer.-) Später kam der bekannte
Geschichtschreiber Nikephoros Gregoras mit
einer Gesandtschaft an den Hof des Stephan
Uros III. (1327). Mit den Manieren des Königs
und der Serben war der gelehrte Byzantiner
nicht zufrieden. ,Die Affen verrichten, wie man
sagt, ihre Werke nach Affenart, die Ameisen
nach Art der Ameisen' ; was Adlern und Löwen
gewohnt ist, können sie nicht tun, glücklich sei
daher derjenige, der als Hellene, nicht als Bar-
bare zur W^elt kommt.ä) Bei Stephan Dusan noch
als König hat der Gegenkaiser Johannes Kan-
takuzenos als Flüchtling geweilt (1342) und in
seinem Buche manches Detail verzeichnet über
den König, die Königin, die Katgeber des
Herrschers und die Sitten des Hofes.'*) Zu Ste-
phan Dusan als Kaiser kam (1355) als päpst-
licher Gesandter ein Franzose aus Perigord, der
Bischof Peter Thomas von Patti und Li]>ari in
Sizilien. Nach dem Bericht des Philij^p de
Mezieres empfing ihn der Gar stolz, inmitten
seiner Barone und Truppen. Das byzantinische
Zeremoniell erforderte viele erniedrigende Ver-
beugungen, welche der Legat verweigerte, ohne
aber deswegen Schaden zu erleiden.^) Sympa-
thisch behandelt den Serbenkönig ein italieni-
scher Eitterronian aus der Mitte des 14. Jahr-
hunderts, dessen Inhalt wir schon oben (1, 80 f.)
bei der Besprechung des Kriegswesens und der
fremden Söldner wiedergegeben haben.
Der große Adel der Vlasteline, die meist
Verwandte des Herrscherhauses, mitunter auch
Nachkommen von Seitenlinien desselben waren
(s. oben 1, 43) und der sehr zahlreiche niedere
Adel der Vlastelicici oder ursprünglich Vojnici
beschäftigte sich mit dem Kriegsdienst, mit der
Verwaltung verschiedener Ämter und mit der
Bewirtschaftung des aus Viehherden und Acker-
gründen bestehenden Besitzes. Unterhaltungen
gab es bei Jagden, Spielen und Gastmählern.
Die Prunkliebe führte zu großen Auslagen auf
schöne Pferde und gute Waffen, auf kostbare
Gewänder und teuere Crürtel. Das Ansehen des
Mannes hing von der Zahl seines berittenen
Gefolges ab. Die Mittel verschaffte man sich
mitunter ganz in derselben Art, wie es die
Raubritter Westeuropas taten. Neben braven,
') Pachymeres, Michael Palaiologos V cap. 6. Vji;l. meine Geschiclito der Serben ], 321 — 322.
') Brief des Metochites an Nikephoros Chumnos bei Sathas, Bibliotlieca graeca I, 154 — 193; serb. Übersetzung
von Apostülovid im Letopis 216 (1902).
') Nikephoros Gregoras VIII cap. 14, § 8.
*) Kantakuzenos IV cap. 41 f.
') Acta Sanctonim zum 'J9. Jänner; abgedruckt von Danicic im Glasnik 21 (1807). Nie. Jorga, Pliilippe de Mezieres,
Paris 1896, 135 f., 344.
40
II. AliHANDLUNG: CoNSTANTISr JlEECEK.
tapferen und frommen Männern gab es viele
übermütige und gewalttätige Edelleute. Schon
der erste Erzbischof Sava predigte den Großen
und Reichen, sie sollen nicht stolz sein und sich
nicht besser als andere dünken, denn es gebe
keinen Verlaß auf den irdischen Reichtum,
sondern nur auf Gott allein.^) Metochites
schildert den serbischen Gesandten, mit dem er
die Reise von Konstantinopel zu König Uros II.
antrat. Dieser Serbe protzte mit seiner Leibes-
kraft, raufte sich mit den griechischen Bauern,
weil er bei ihnen das in Serbien übliche, aber
in Byzanz unbekannte Quartierrecht bean-
spruchte, erzählte viel von seineu schwierigen
Reisen in Ungarn, Bulgarien und im Tataren-
liinde und trug trotz der grimmigen Winter-
kälte nur eine kleine Mütze, die er beim Ab-
sitzen vom Pferde sofort abnahm, um barhaupt
,wie eine von Schnee und Regen umbrauste
Statue' den Elementen zu trotzen. Endlich
blieb er ganz verkühlt in einem thrakischen
Dorfe krank, liegen.-) Einen Teil der
Höflinge des Serbenkönigs beschreibt Metochi-
tes sehr ungünstig, als beschränkte Barbaren,
Leute ohne Rechtsgefühl und Gottesfurcht, ge-
wohnt an den Krieg, an den Raub von Ochsen und
Schafen und an die Plünderung von Reisenden
in den Bergen und Einöden des Grenzgebietes.^)
Den Übermut der Großen hatten die Schwachen
zu fühlen, die Kirche, die Bauern und die
fremden Kaufleute. Die Okkupation der Güter
des Bistums von Prizren durch die Einwohner
der Landschaft Polog und die gewaltsame
Restauration des alten Besitzstandes durch
König Uros II. haben wir schon erwähnt (2,
25). Auf die Gemeinden der Kaufleute und
Seefahrer sahen auch die Männer der byzanti-
nischen Regierungsgesellschaft stolz herab.
Kaiser Johannes Kantakuzenos machte dem
Stephan Dusan bei der Zusammenkunft vor
Thessalonich (1350) Vorwürfe wegen der An-
nahme des venetianischen Bürgerrechtes; für
einen Kaiser sei es nicht geziemend, den Rats-
herren von Venedig beigezählt zu werden.*)
Voll Spott und Stolz gegen die Nichtadeligen,
die Sebri, sind die Sprichwörter der altragusa-
nischen Sammlungen.^) Bei alledem war der
Adel wankelmütig und unverläßlich, und suchte
aus jedem Zwist zwischen den Mitgliedern der
Dynastie Vorteile für sich zu gewinnen: zwi-
schen den Söhnen Nemanjas, Stephan und
Vlkan, zwischen den Brüdern Stephan Rados-
lav, Stephan Vladislav und Stephan Uros L,
ebenso bei dem Sturze LTros I. durch seinen
Sohn Stephan Dragutin und bei dem Zer-
würfnis zwischen den Brüdern Stephan
Dragutin und Stephan Uros IL Milutin.
Uros IL wurde im Kampfe gegen seinen Bruder
in einem kritischen Augenblick fast von allen
verlassen, aber nach einem Erfolg waren wieder
alle bei ihm. Ebenso war der Adel beteiligt bei
den Differenzen zwischen Uros IL und seinem
Sohn Stephan (dem späteren Stifter des Klosters
Decani), bei dem Kampf um die Nachfolge nach
Uros IL zwischen den drei Bewerbern um den
Thron, den Königen Konstantin, Vladislav und
und Uros III. und bei dem Zusammenstoß zwi-
schen Uros III. und seinem Sohn Stephan Du-
san. Die Eigenmächtigkeiten der Branivojevici,
welche den Verlust von Zachhimien herbei-
führten, der Abfall des Feldherrn Hrelja zu
den Byzantinern und die geheimen Verbindun-
gen vieler Edelleute mit Kantakuzenos nach
dem Fall von Berrhoea (1350) geben Zeugnis
von der Selbstsucht und dem Mangel an Patrio-
tismus bei diesem Magnaten. Nach dem Tode des
Stephan Dusan haben die Großen das Reich
vollständig untergraben. Aus diesen trüben Zei-
ten stammt ein Urteil derRagusaner, welchel371
dem König Ludwig I. von Ungarn durch ihre Ge-
sandten sagen ließen, die ,baroni di Rassa' seien
alle falsch und ungerecht, ,tuti falsi et iniqui'.'')
Die Nobiles, welche in den Küstenstädten
die Verwaltung in den Händen hatten und da-
neben die reichsten Kapitalisten und Grund-
besitzer ihrer Heimat waren, ahmten die Bei-
spiele von Italien und Serbien nach. Verpönt
war die Beschäftigung mit dem Handwerk.
'j Theodosij bei Pavlovi6 132— ITi.
') Cvijic, Viol(»ntni tip dinarskih Srba (violenter Typus der dinarischen Serben) im Pregled 1912, S. Ä. auf 8 S.
Bei den Serben von Ras bi.s Skutari findet man im Gegensatz zu denen an der Morava einen Typus mit schnellen, un-
überlegten, eigensinnig-en und gewalttäti<ren Entsclilüssen, besonders in Montenei;ro. Cvijic verweist auf den serbischen
Gesandten in der Schilderung des Metochites. auf das merkwürdige Volkslied von Maxim, den Sohn des Ivan Crnojevii,
und auf den Charakter des Karagjorgje. Dasselbe Temperament findet man bei den Albanesen.
») Sathas, Bibl. graeca 1. 156 f., 166, 186 f.
*) Kantakuzenos IV, cap. 21.
') Belege: Arch. slav. Phil. 22 (1900) 212.
") Starine 1, 174. Mon. Rag. 4, 115.
Staat und Gesellschaft im mittelalteelichen Serbien III.
41
Eagusanische Gesetze wiederholen seit 1325
öfters das Verbot, kein Mitglied des großen
Eates dürfe Metzgerei (beecaria) betreiben. Die
jungen ISTobiles von Ragusa waren nicht immer
fleißig bei der Arbeit in den Ämtern oder auf
Handelsreisen zu Land und zur See. Im
1-i. Jahrhundert spielten sie in den Tabernen
ihrer Stadt Würfel um Wein, beschimpften dabei
einander ganz schmählich und schlugen schließ-
lich einer auf den andern los, nicht selten mit
schweren Verwundungen. Dabei stellten sie
Frauenzinuuern nach, verübten nachts ,sine lu-
mine' mancherlei Unfug in den unbeleuchteten
Gassen und läuteten z.B. morgens vor der Zeit die
Kirchenglocken, um die Priester zu täuschen.
Nicht anderswar es in Konstantinopel, woüberdie
tollen Streiche des jungen Kaisers Michael III.
viel Wunderbares überliefert wird und wo Nike-
phoros Gregoras über die nächtlichen Ausflüge
eines kaiserlichen Prinzen, des späteren Kaisers
AndronikosIII. manches Detail zu erzählen weiß.
Groß, aber zeitweise manchen Schwankungen
unterworfen war der Einfluß der Kirche. Die
Bischöfe hatten eine feste moralische Autorität,
so lange das Beispiel des hl. Sava lebendig war.
Später wurde der wachsende irdische Besitz für
die Kirche gefährlich. Man sieht dies an einigen
Bestimmungen des Gesetzbuches des Stej^han
Dusan. Diejenigen Bischöfe und Äbte, welche
die Armenpflege bei ihren Kirchen vernach-
lässigen, wurden mit der Absetzung bedroht.
Einem Bannfluch unterliegt der Metropolit, Bi-
schof oder Igumen, welcher durch Simonie (mite)
eingesetzt worden ist. Die Fortsetzung der Bio-
graphien Daniels erzählt, daß sich bei dem Zer-
fall des Reiches nach Dusans Tod das Streben
zeigte, die höchsten geistlichen Würden durch
Geld zu kaufen oder gar nach Räuberart (raz-
bojnicBsky) zu erobern (1375). Andererseits war
die Geistlichkeit durch die Gesetze sehr ge-
schützt; wer einen Bischof, Mönch oder Popen
beschimpft, zahlt 100 Perper Buße; wer ihn
tötet, wird gehängt.^)
Die Weltgeistlichen, die schon als schrift-
kundige Leute unter ihren Dorf genossen ein
großes Ansehen hatten, beschäftigten sich neben
ihrem geistlichen Amte mit Landwirtschaft,
Transportgeschäften mit Saumtieren, Vieh-
zucht und Bienenzucht (s. oben 2, 30). Ob sie
im mittelalterlichen Serbien auch Handwerke
betrieben, wie dies Schi]tl)erger von den gi-ie
ehischen Priestern erzählt, ist nicht bekannt.
Das Gesetzbuch sucht sie gegen die Übergriffe
zu schützen, sowohl des Adels, als der Bischöfe,
denen z. B. verboten wurde, ihre Pferde zur
Fütterung bei den Popen herumführen zu lassen.
Ihr Amt war mehr oder weniger erblich. Ver-
loren wurde es durch Beteiligung an heidnischen
Zaubereien.^)
Stark bewohnt waren die großen und reichen
Klöster. Die Serben nannten die Mönche teils
mit Fremdwörtern, wie m o n a h ((j.ovaxöq) oder
k a 1 u g j e r (7.c/X6'(ripoz) , teils mit altslavischen
Ausdrücken: inok ,der Einsame', crtnbc
oder c r b n o r i z L c nach dem schwarzen Ge-
wand. Chilandar auf dem Athos war für 200 Brü-
der eingerichtet. Nach dem Gesetzbuch des Ste-
phan Dusan sollten in den Klöstern auf je
1000 Häuser der Güter 50 Mönche kommen ;
demnach hatten je 20 Dorfhäuser einen Kloster-
bruder zu erhalten. Nach diesem Maßstab hätte
das Kloster Decani, auf dessen Gütern die
Häuserzahl bekannt ist, 122 Mönche haben
sollen.^) Für die frommen Gemüter der Zeit
besaß das Klosterleben eine gewaltige Anzie-
hungskraft. Mit Begeisterung schildert der ser-
bische Mönch Theodosij die dem lärmenden Ge-
triebe der Welt entrückten Eremiten des Berges
Athos. Sie wohnen in engen Hütten in würziger
Bergluft, iimtönt nur von dem Rauschen des
Waldes, in welchem Hirsche hausen, und den
Stimmen der Vögel, allein mit Gebeten und Ge-
danken an Gott beschäftigt, ohne Ackerbau,
Weingartenarbeit und Handelsgeschäfte, ohne
Besitz außer dem härenen Gewände; Pflanzen,
Obst und Brot sind ihre Nahrung, frisches Quell-
wasser ihr Getränk. Der junge Sava besuchte
alle Klöster und Eremitendörfer des Athos voll
Bewunderung, barfüßig von einem Heiligtum
zum andern wandernd; erst als sein Vater Ne-
man ja ihm nachkam, legte er wieder Schuhe
an und bestieg ein Pferd. Den Nemanja be-
gleitete auf der Reise zu den Klöstern des Athos
eine Schar seiner Großen und Kriegsleute, die
nach seinem Beispiel auch Mönche wurden.'*)
Der spätere Erzbischof Daniel IL, der als ade-
') Zakoiiik Art. 13, 28, 95. Daniel 384.
') Zakonik Art. 20, 37, 65.
') Domentian 168. Zakonik Art. 16.
') Theodosij bei Pavlovi6 30—31, 33-34, 50-.52.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 5S, Rd 2, Ahh.
42
II. Abhandlung: Constantin Jieecek.
liger Jüngling :an Hofe Uros II. diente, ver-
beugte sich \()r jedem Mönch und umarmte ihn
voll innerer Begeisterung. Nach einem Besuch
des Königs im Kloster Sopocani verschwand er
in einer Nacht insgeheim vom Hoflager und
ließ sich im Kloster Koncul am Ibar einkleiden.^)
Das Gesetzbuch des Stephan Dusan schränkt in
seinem letzten Teil diese Freiheit ein; nur mit
Erlaubnis ihres Bischofs durften fortan Männer
oder Frauen in ein Kloster eintreten.-)
Die Klosterverfassung ist aus den altserbi-
schen Typika von Studenica und Chilandar be-
kannt, die aus den Zeiten der Sava stammen und
größtenteils wörtlich gleich lauten. Nach den
Untersuchungen von Dmitrijevskij und Jagic
sind sie eine Bearbeitung des Typikons des
Muttergottesklosters -f,i EuepYeitScc in Konstanti-
nopel.^) Mit der Aufnahme ins Kloster und der
Einkleidung in das schwarze jEng^l^S'^wand'
änderte jeder seinen Namen, verließ seine
Familie und ,alle Schönheit dieses Lebens' und
entsagte allem Privatbesitz. Die Klöster dieser
Periode kannten nur das Gemeinschaftsleben,
die kinovija (y.otvoßtov, kirchenslavisch ob-
stezitie) ; das Aufkommen der ,idiorrhytmischen'
Klöster mit Privateigentum der Mönche gehört
in die Zeit um 1400. Die Würdenträger der
Klostergemeinde waren : der i g u m e n ('Öyou-
;;.£vi;) als Oberhaupt, der i k o n o m ( oiy.ovöixo;)
als sein Vertreter, der aus Chilandar und dem
Prizrener Kloster bekannte basta (Vater),
der k 1 i s i j a r c h (i7:/.Ar,G:dpyjr,;) , der d o e h i a r
(Kellermeister), der trapezar (Tischauf-
seher), der p a r a m o n a r (■ÄapaiJ.ovipio?, Kirchen-
aufseher) u. a. Gegenüber der großen Zahl der
Laienbrüder war die Zahl der Priestermönche
(jeromonah) nur klein, wie heute noch auf dem
Athos. Schweigen, Demut, Mäßigkeit, Fasten
und Schlaflosigkeit waren Pflichten der ,Bürger
des himmlischen Jerusalem'. Gottesdienst gab
es mit kleinen Unterbrechungen den ganzen
Tag und die ganze Nacht, mit Gebeten, Psalmen-
gesang und vielen Kniebeugungen, geradeso wie
in den abendländischen Klöstern eingeteilt nach
den Stunden i&py, cas).^) Feierliches Glocken-
geläute rief morgens zur Liturgie (Messe),
ITammerschläge auf ein längliches Brett oder
eine kupferne oder eiserne, große oder kleine
Platte (bilo, klepalo, Diminutiv bilce, klepalce,
auvay.vi^p'.ov, c6i/ßoAov, ar,|jiavT-<jpiov) zu den Offizien.
Es gab einen doppelten Abendgottesdienst (ve-
c-ernja und pavecernica), einen Mitternachts-
dienst (polunostnica, [i.i(jorjv.ilou ay.oXoMa), zu
welchem die Mönche, durch das Anschlagen auf
das Weckholz aufgeweckt, feierlich mit Kerzen
in die Kirche zogen, endlich im Anschluß daran
im Zwielicht des Tagesanbruchs einen Morgen-
gottesdienst (utrnica). Diese Offizien in der
zweiten Hälfte der Nacht dauern heute noch
auf dem Athos oder im Kloster von Eila in Bul-
garien 2 — 3 Stunden, die Liturgie am Morgen
1^/2 Stunden, an Feiertagen noch länger. An
einigen Festtagen gab es Gottesdienst ununter-
brochen die ganze Nacht hindurch (bdenije,
ä"cpu7cv(a). An der gemeinsamen Tafel, zu welcher
die Brüder ebenfalls durch das Anschlagen eines
eigenen Holzes (trapeznoje bilo) gerufen wurden,
nahmen die Mönche die Mahlzeit ein unter Ge-
beten und dem Vorlesen kirchlicher Texte. Im
Kloster gab es nur Fisch- und Pflanzenkost,
ohne Fleisch, mit wenig Wein; in den Fasten
aß man Vegetabilien allein, zubereitet ohne Öl
oder Butter. Bei der Tafel durfte niemand mit
seinem Nachbarn schwätzen oder ihm Speise
oder Trank reichen. In den Zellen (kelija), in
denen je zwei Mönche wohnten, war es strenge
verboten, eine Speise, auch nur Früchte, insge-
heim zu verwahren. In den Urkunden für die
Klöster von Banjska und Prizren wird das De-
putat (mertik) der ^Mönche an Wein, Brot und
Kleidern genau bestimmt.^) In den Athos-
klöstern wurden Präbenden für einzelne Mönche,
nach dem byzantinischen äSeXoS-iov serbisch a d r-
f a t o genannt, durch Stiftungen errichtet oder
angekauft ; so hat im Kloster Chilandar König
Uros IL (1318) drei, Despot Stephan Lazare-
') Daniel 333—335.
■) Z.-ikonik Art. 19(;.
') Aleksej Dmitrijevskij über die Typika des Ostens, russ., Kiev 1894. Jagi6 im Spomeuik der serb. Akademie 34
(1898) 1 — 66. Über Verfassung, Gottesdienst usw. in den jetzigen Athosklöstern, im Vergleich zu den Klosterregeln des
Abendlandes, gibt einen genauen Bericht ein belgischer Benediktiner: D. Placide de Meester, O. S. B., Voyage de deux
Benedictins aux monasteres du Mont-Athos, Paris 1908, 174 ff.
*) Sich niederwerfen in drei Tempi, auf die Knie, die Arme und die Stirne, griech. ßctXXav [i^Tivoiav, eeibisch in den
Typika metanija, womit auch die paOeia YovuzÄaaia des Originals übersetzt wird.
') Nach M. Vasmer, Griech.-slav. Studien, in den Izvestija der Abteilung für russ. Sprache der kais. Akademie in
Petersburg 12 (1907) 256 mertik Maß, Anteil aus liEpitizov ; neugr. in Kreta, Zypern usw. heute noch |iEpti/.d.
Staat und Gesellschaft im mittelalteeliciiex Serbien III.
43
vic sechs solche Adelphate gekauft.^) Die klöster-
liche Demut (smirenije, -a::£.vivr;;) äußert sieh
auch in den Schlußworten der in den Klöstern
geschriebenen Handschriften. Da liest man, das
Buch habe ein sündhafter, schlechter und un-
würdiger Mönch geschrieben; sein Reichtum be-
stehe in seinen Sünden, sein Haus sei seinGrab.^)
Das Mönchsgewand durfte man nicht mehr
ablegen. Ohne Erlaubnis oder Befehl des Igu-
men (des Abtes) war es dem Klosterbruder ver-
boten, aus dem Klostergebäude hinausgehen. Das
Gesetzbuch des Garen Stephan befiehlt, daß
Mönche und Nonnen nicht in ihren Häusern
leben dürfen, sondern in ihr Kloster zurück-
kehren müssen; der Mönch, der sein Gewand ab-
gelegt hat, ist bis zu seiner Besserung ins Ge-
fängnis zu setzen. Aus einem Kloster konnte
man aber auch ausgestoßen werden. Die Stif-
tungsurkunde des Erzengelklosters von Prizren
bestimmt, der ungehorsame Mönch soll ,zum Tor
hinausgeführt werden' (da se izvede iz porte),
ebenso derjenige, der Wucher betreibt, Getreide
oder Wein aufkauft und Geld auf Zinsen gibt.^)
Die Einrichtungen der sehr wenig bekannten
Frauenklöster Serbiens waren wahrscheinlich
dieselben. Das Typikon des von der Kaiserin
Irene in Konstantinopel 1118 gestifteten Non-
nenklosters der Theotokos Ke/api-wiAevr, entspricht
fast ganz den Typika der männlichen Klöster ;
allerdings mußten die zwei Priestermönche
dieses Frauenklosters Eunuchen sein.'') Für-
stinnen, die sich einkleiden ließen, lebten da-
gegen am Hofe ihrer Söhne.
Im Küstenlande waren die Abteien der
lateinischen Kirche viel schwächer bewohnt, als
die Klöster des orientalischen Bekenntnisses im
Innern. In den Benediktinerklöstern finden wir
z. B. auf der Insel Lacroma bei Eagusa 1283
den Abt mit vier Brüdern, auf der Insel Meleda
im 14. Jahrhundert in der Eegel den Abt mit
drei Mönchen. Nur die jüngeren Franziskaner-
und Dominikanerklöster waren etwas stärker
besetzt. Viele kleine ,monasteria'' in Eagusa und
Cattaro waren übrigens nur eine Kaj^elle mit
einer Pfründe für einen Diakon als ,abbas et
rector', verliehen von den Familien der Stifter
(der ,hereditarii'). Bei dem großen Aufschwung
der Seefahrt und des Handels gingen die Ea-
gusaner im 14. Jahrhundert nur selten ins
Kloster und überließen die Freuden des Mönchs-
lebens meist fremden, armen Geistlichen aus
dem Erzbistum von Antivari oder aus dem
ferneren Albanien. In Meleda stammte 1345
einer der Mönche aus Antivari, der andere aus
Skutari, 1393 alle drei aus Albanien. In La-
croma war 1352 der Abt ein Antibarenser. Im
Dominikanerkloster von Eagusa stammten 1376
der Prior und Subprior aus Durazzo; die übrigen
Brüder waren Albanesen und Norddalmatiner.
Die Eagusaner, beeinflußt vom Sprachgebrauche
der Nachbarländer, nannten die lateinischen
Mönche mitunter auch c a 1 o g e r i, die Nonnen
k o 1 u d r i c a (oder d u m n a, aus domina).
In den Frauenklöstern der Küstenstädte gab
es eine Scheidung nach den Ständen; z. B. das
Kloster S. Clara in Eagusa (monasterium pul-
cellarum) war den Patriziertöchtern reserviert.
In gewisse Klöster von Eagusa wurden fremde
Nonnen, selbst aus den dalmatinischen Städten,
nur mit ausdrücklicher Bewilligung der Ee-
publik aufgenommen. Bei der Sitte, die Töchter,
die keinen Mann bekamen, ins Kloster zu
stecken, war die Zahl der Nonnen nicht gering,
bis 60. Da sie meist nur gezwungen in den
Klostermauern lebten, mußte man sie im
15. Jahrhundert strenger absperren, wobei
z.B. einmal eine adelige Schwester dennoch nach
Venedig durchging. Die Nonnen von S. Clara in
Eagusa waren gegen die Befehle der Eepublik
so ungehorsam, daß ihnen der Senat 1518 eine
Wache vor das Tor stellte und ihre Einkünfte
einzog; schließlich wurden sie durch die Dro-
hung, man werde sie durch Demolierung ihrer
Hof treppe ganz von der Außenwelt absperren,
mürbe gemacht.^) In Cattaro führten die Non-
nen des dortigen Klosters S. Clara ein so un-
gebundenes und unverbesserliches Leben, daß
der Papst 1540 die Aufnahme neuer Schwestern
verbot, worauf das Kloster unter dem Bischof
Paul de Bisantiis (1565 — 1578) ganz geräumt
und den Franziskanern übergeben wurde, die
es heute noch besitzen.") Die Klosterfrauen
■) Urk.: Siioraenik 3, 15, Mon. serb. 570. Byz. Gebrauch: Byz. Z. 10 (1901) 237.
') Stojauovic, Zapisi 1 z. B. Nr. 7, 21, 50, 54, 183, 189. Über den Einfluß griechischer Mustor auf die Formeln der
serbischen Epiloge (zapisi) und Inschriften eine Alili. von Vlad. Corovii- in Glas 84 (1910'» 1—60.
') Glasnik 15, 307.
■*) Acta graeca 5, 346.
') Arch. slav. Phil. 21 (1899) 418.
") Farlati, lUyricum sacrum 6, 488 f.
6*
44
II. Abhandlung: Constajjtin Jikecek.
führten in allen Städten Daluiatiens oft nur
nationale, slavisclie Namen ; so erscheint in
Cattaro um 1330 eine Eade, abbatissa S. Bene-
dicti, in Ragusa 1255 eine Goja, abbatissa S. Si-
meonis, 1284 eine Pervoslava, abbatissa S. Ni-
colai, um 1530 sogar eine .reverenda domina
Venus (oder Venera), abbatissa nionasterii
S. Mariae de Castello'.^)
Neben den Klöstern gab es in Serbien auch
Eremiten. Der berühmteste war der hl. Peter
von Korisa, gebürtig aus dem Dorf Ünjemir
in der Landschaft Hvostno.-) Fromm von
Jugend an, begann er nach dem Tode seiner
Mutter gemeinsam mit seiner Schwester, die
nicht heiraten wollte, ein Klausnerleben zu
führen, in zwei Hütten in der Nähe seiner
Heimat. Als jedoch Besuche von Verwandten
und Bekannten die Seelenruhe der Einsiedler
störten, zog das Geschwisterpaar weg, um sich
eine andere Stätte zu suchen. Unterwegs, als
die Schwester ermüdet in der Einöde einge-
.schlafen war, floh Peter, um fortan ganz allein
zu bleiben. Die Schwester, als sie sich verlassen
sah, weinte und klagte viel um ihren Bruder,
den sie nie mehr sah; sie fand sich ein Ere-
mitenheim unter fremden Leuten, wo sie starb.
Diese Flucht vor dem Weibe erinnert an die
Legenden der alten Eremiten Asiens.^) Peter
schlug indessen seinen Wohnsitz in der Sar
Planina auf, in einem Engtal zwischen steilen
Felsen mit vielen Höhlen, bei dem Dorf Korisa
östlich von Prizren. Eine hochgelegene Höhle
war seine Wohnung, Buchein, Eicheln und wilde
Kräuter seine Nahrung. Eigentümlich ist die
legendarische Schilderung seiner Kämpfe mit
eingebildeten Feinden. Ein großer Drache
(zmij) hauste in einer tiefer gelegenen Höhle
und schnaubte Tag und Nacht aus Zorn über
den frommen Eindringling, der ihn aber mit
Hilfe des Erzengels Michael vertrieb. Dämonen
(bjesi), geführt von ihren Oberhäuptern, be-
lästigten den Eremiten in großen Scharen, zahl-
reich wie die Bienen; sie trugen als Helme
Bären- und Eberköpfe, waren mit Lanzen und
Schwertern bewatlnet und bellten wie Hunde.
Aber auch sie wurden mit Hilfe der Engel be-
siegt. Zuletzt sammelten sieh um den Höhlen-
bewohner einige Mönche als Schüler. Von ihnen
wurde Peter, als ihn der Tod in seiner kalten
Klause ereilte, in einem Steingrab beigesetzt.
Die Legende, verfaßt von Theodosij, vielleicht
demselben, der eine Vita des hl. Sava geschrie-
ben hat, läßt uns über die Zeit im Unklaren."")
Es war jedenfalls vor der Eegierung des Garen
Stephan, denn in der Urkunde des Prizrener
Klosters erscheint als Gutsnachbar dieser
Stiftung Dusans das Gebiet des hl. Peter von
Korisa. In den Pesten der Felsenkirche hat
Hilferding Spuren von Fresken und Inschrif-
ten gesehen; andere Reste verzeichnete der
russische Generalkonsul Jastrebov. In der Nähe
steht, l-^/a Stunden von Prizren, das kleine, an-
geblich um 1467 gegründete Kloster des heiligen
Marko, einst ,metoh' des Klosters von Korisa.
Die Reliquien des hl. Peter wurden 1840 in das
kleine Felsenkloster Crna Reka in der Land-
schaft Stari Kolasin im obersten Ibartal auf
dem Wege von Novipazar nach Pec übertragen ;
sie ruhen dort heute noch in einem Holz-
sarg.^)
Andere Anachoreten hausten in der Nach-
barschaft der großen Klöster. Bei Pec hatte
Erzbischof Jakob (1286—1292) zwei griechi-
schen Mönchen die Höhle Kotrulica an der
Bistriea angewiesen, die mit Mauerwerk ab-
geschlossen wurde. Sie wohnten darin viele
Jahre und stiegen nur an Feiertagen herab zur
Apostelkirche von Pec. Plötzlich wurde der
') Der Anklang an die heidnische Venus ist nur scheinbar. Mit Venera (nach venerdl Freitag) wurde italienisch die
hl. üapaszEur, (griech. Freitag) übersetzt, die Petka der Slaven. Auch rumänisch nannte man sie Vinere. Meine Rom.
Dalm. 1, 56—57; 3, 74.
') Unjemir (der Name ist ein altertümlicher slavischer Personenname) wird auch in der Urkunde von Decani ge-
nannt. Jetzt Dorf Unemir mit 15 Häusern Albanesen, e'/s Stunden südöstlich von Pec, nach Jastrebov im Spomenik 41, 110.
') Vgl. die von Leontios im 7. Jahrhundert verfaßte Vita des hl. Symeon, des ,Narren um Christi Willen' aus Syrien.
Symeon und Johannes pilgerten nach Jerusalem, der erste mit seiner greisen Mutter, der zweite mit seiner jungen Frau.
Bei Jericho verließen sie heimlich die Frauen und floheu in die Jordanklöster, um dann als Eremiten am Toten Meer zu
leben. Geizer, Ausgewählte kleine Schriften (Leipzig, Teubner, 1907) 42 f.
<) Vita des hl. Peter von Korisa, herausg. von NovakoviÄ im Glasnik 29 (1871) 308 f. und aus einer anderen Hand-
schrift in den Starine 1(5, 9 f. In einer Untersuchung über Theodosij hält S. P. Rozauov in den Izvestija der Petersburger
Akademie, Abteilung für russ. Sprache 16 (1911), 1, 172 f. ihn identisch mit dem Biographen des hl. Sava und verlegt die
Abfassung in die Zeit des Garen Stephau.
'■) Hilferding, Bosnia, Hercegovina i Staraja Serbia, Petersburg 1859, 102. Jastrebov im Spomenik 41 (1904) IOC f,
P. Kostid, Manastir sv. Marka, Godiänjica 30 (1911) 209—234 mit Nachrichten über das Grab des hl. Peter in Crna Reha.
Traditionen und Sagen über sein Leben usw.
Staat und Gesellschaft im MITTELALTERLICHE^f Serbien III.
45
jüngere der beiden Einsiedler verrückt und
floh in die Berge; sein Genosse hat ihn einge-
holt, gefangen und gebunden in die erzbischöf-
liche Kirche gebracht, wo er am Grabe des
hl. Erzbischofs Arsenij eine wunderbare Hei-
lung fand.^) In der Zeit des Garen Stei^han
lebte in einer Einöde bei dem Kloster Decani
der fromme Eremite Jefrem aus Bulgarien. Die
stürmischen Zeiten nach Dusans Tod zwangen
ihn, in die Umgebung von Pec zu übersiedeln,
wo er viele Jahre in einer Höhle der Enge von
Zdrelo hauste. Später wurde er (1375) zum
Patriarchen gewählt, dankte aber bald ab, um
in seine Höhle zurückzukehren, die er bis zu
seinem Tode (f 1399) bewohnte.-)
Die Einsiedler beiderlei Geschlechtes bei
den Lateinern des Küstengebietes waren zum
Teil nur Kirchendiener. Die Männer (remeta,
aus eremita) besorgteil auch weltliche Geschäfte,
wie z. B. einer auf der Insel Lagosta Kalk-
handel betrieb. Die weiblichen Eremiten der
Dorfkirchen bei Eagusa (prisadnica, lat. re-
clausa, i^izochara) waren arme, alte Frauen,
welche sich durch Handarbeit, meist Siiinnerei,
ernährten.^) Echte Eremiten waren die Bene-
diktiner auf den einsamen Felsinseln der
Küste, wie in dem kleinen Klösterlein St. An-
dreas de Pelago, dessen Stelle heute ein Leucht-
turm einnimmt, vor der Einfahrt in den Hafen
von Gravosa. Zu Ende des Mittelalters wurden
der St. Andreasfelsen und die nahe größere
Insel Isola di Mezzo (Lopud) der Schauplatz
einer Art Hero- und Leandersage, in welcher
der weibliche Leander bei Nacht in der Rich-
tung eines vom Einsiedler aufgestellten Lichtes
schwimmt, um den einsamen Weltüberwinder
zu besuchen. Zuletzt erfahren es die Brüder
der Schwimmerin. Sie locken ihre Schwester
durch ein falsches Licht auf die hohe See und
die Wellen spielen auf die Mönchsinsel nur ihre
Leiche. Zuerst berichtet von der Sage der
böhmische Edelmann .Toliann von Lobkovitz,
der 1493 auf einer Pilgerfahrt nach Palästina
hier vorüberfuhr. Ausführlich erzählt sie Stra-
parola di Caravaggio in seinem ,Piacevoli
notti' (1550). Die Geschichte hat eine histori-
sche Grundlage. Ein Prior von St. Andreas,
der ragusanische Edelmann Jacobus Andree de
Crieva, hat sich die Langweile der Einsamkeit
durch geheime AusÜüge nach Isola di Mezzo
versüßt, um dort eine verheiratete Frau Marusa
zu besuchen. Doch die Sache kam auf, die Insu-
laner führten Klage und der verliebte Eremite
wurde 1483 zu zehn Jahren Hausarrest auf der
Felseninsel verurteilt.^) Daneben besitzen wir
in der ragusanischen Literatur eine anmutige
Schilderung dieser einsamen, von Falken und
Möwen umflatterten, im Winter von berges-
hohen Wellen umstürmten Klippe des hl. An-
dreas, verfaßt ein halbes Jahrhundert später
von einem poetischen Klausner, dem Benedik-
tiner Maurus Vetranic (um 1534) in seinem
Gedichte ,Der Eremit' (Remeta).^)
Unsere Darstellung wäre unvollständig,
wenn wir nicht auch die Priester der bosnischen
Sekte, der ,fede bossignana' erwähnen würden.
Diese Geistlichen wurden von den Bosniern als
, Christen' (krstjani), von den Dalmatinern als
,Patarini' im engeren Sinne bezeichnet. p]s
waren Mönche; ihre Klöster waren nach Orbini
in Tälern und abgelegenen Orten verborgen. •*)
Ihr Oberhaupt oder , Ältester', der d j e d, ,lo
diedo, che e signor e padre spirituale de la glesia
di Bosna' nach einer Bemerkung der Ragu-
saner,") in Briefen und bosnischen Handschrif-
ten als , Bischof der bosnischen Kirche' (episkup
crkve bosanske) bezeichnet, lebte in der Nähe
des Landesherrn, des Bans und später des
Königs. Die Mönche (strojnici) waren in zwei
Klassen geschieden, die höhere der ,Gäste'
(gost) und die niedere der ,Greise' (starac).*)
Die Kleidung wird nirgends beschrieben, scheint
aber nach einer erhaltenen Zeichnung im
Gegensatz zu den langen und faltigen Ge-
') Daniel 269.
-) Leben Jefrems, herausg. von Novakovi6, Starine 10, 37 — 40.
') Remeta heißt bei Eagusa jetzt der Kirchendiener, welcher die Kirche reinigt und die Lichter anzündet, ebenso
wie der ,Klausner' bei manchen Bergkapellen in den Salzburger Alpen, welcher daneben Wallf.ihrern und Touristen Er-
frischungen und Andenken verkauft.
«) Vgl. meiuii Abhandlung im Arch. slav. Phil, l'.l (1897) 45.
^) Stari pisci der südslav. Akademie 3, 12 — '26.
") „Patarinos seu reguUantes sette Bosne", Cousilium Rogatnrum von Hagusa, 27. .Juni 1403. „Habitavano no' mo-
nasteri, jiosti nelle valli e altri luoghi rimoti', Orbini 354 (beruft sich auf Volaterranus und S.ibellicus^.
') Jorga, Notes et extraits 2, 107 (1405).
') In einer Urkunde um 1323 mit dem Zusatz ,der große': djed veliki, gost voliki; Glasnik bos. 18 (1906) 405. Dia
Stufenreihe der Orade in einem Brief der Ragusaner an den Kardinal .Johannes de Ragusio 1433 bei Jorga a. a. O. 2, 318.
46
II. Abhaxdlukg: Co>-staxtix Jieecek.
wändc'iu der oc-cidcntalischen und orientalischen
Kleriker ans einem knrzen Rdck und eng an-
liegenden Hosen bestanden zu haben. ^) Sie
unternahmen, ebenso wie orientalische nnd oc-
cidentalische Geistliche, Gesandtschaftsreisen
für die Landesherren, zum Beispiel der in
Eagusa 1437 — 1466 oft erwähnte Eadin (,sta-
rac', später ,gost'), Diplomat des Herzogs Ste-
phan.2) Sie waren Schiedsrichter nnd Friedens-
vermittler in allen inneren Fehden. Ihr Haus
war ein Asyl für die Verfolgten, sogar für
Thronprätendenten. ^) Deshalb war ihre Freund-
schaft auch für die fremden Kaufleute sehr
wertvoll. Sie besorgten auch weltliche Geschäfte.
,Goysavus gost Patarinus' stellte 1441 an der
Nordgrenze des Gebietes des Stephan Vukcic
Geleitsbriefe für Karawanen aus und konfis-
zieite die Waren von Handelsleuten, die ohne
Dokumente eintrafen.*) Bei feierlichen Akten
erschienen die Patarener in der SiebenzahP)
oder in der Zwölfzahl.") Die "Wohnsitze der
Patarener sind nur aus einigen Daten des
15. Jahrhunderts bekannt. Der Djed schrieb
1404 eine Urkunde im Dorfe Janjici bei Zenica
im Bosnatale. Im Drinagebiet werden Pata-
rener erwähnt in Gorazda und im .locus Pa-
tarenorum' in dem nicht näher bekannten
Ljubskovo.") Eine andere Gesellschaft (socie-
tas) der Patarener wohnte an der oberen Xa-
renta im Gebiete der Adelsfamilie der Pastro-
vici bei einer Bjelgrad genannten Burg, ,in
Neretba partium Bosne', ,sub Belgrado' oder in
Subtus-Belgrad.*) Geschenke nahmen sie von den
Ragusanern gerne an, die z. B. 1430 dem Djed
und den Gosti Schachteln mit Konfekten über-
sendeten.^) Ebenso wurde Padin als Gesandter
und Vertreter des Herzogs .Stephan oft mit
Tüchern, Salz und Getreide beschenkt. Orbini
berichtet, daß die bosnischen Matronen, welche
in Krankheiten ein Gelübde abgelegt hatten,
sich in die Klöster der Patarener begaben und
bei diesen Mönchen eine Zeitlang wohnten.^'')
In den Nachbarländern wurde dies mit Spott
besprochen. In Eagusa galt die Bezeichnung
.Amine der Patarener' (babiza de Patarinis)
als eine schwere Verbalinjurie.")
') Faksimile aus der Apokalypse des Kadosav ,krstjanin' bei Jagic im Arch. slav. Phil. 25 (1903) S. -'b.
') Vgl. Dr. Ciro Truhelka, Testamenat gosta Radina, Glasnik bos. 23 (1911) 355-376. Das Testament vom 5. Jäuner 1466
ist mit cyrillischer Schrift in die ,Testanienta Notarie' in Ragusa eingetragen.
=) Pucic 1, Beilagen S.V.
») Am 8. Jänner 1441 klagen Andreas Pribiuid und JlilaS Pribilovid gegen die Brüder Pribisav und Radosav und
gegen BoziÄko (Bosigcus), deren .socius'. .Existentes subtus Borar. miserunt unum eorum nuncium ad Goysavum gost
Patarinum ad impetrandum et petendum salvum conductum, quod ipsi possent cum rebus suis secure transire per ems
contratam sine impedimento. Et ipse Patarinus cum valioso vayvode Stiepan fecit sibi dictum salvum conductum'. Bozidko
behielt die Urkunde bei sich und reiste voraus. ,Et cum fuerunt ad dictum Patarinum, ipse Patarinus intromisit ipsos
cum omnibus rebus in presenti cedula descriptis, quia non habebant penes se dictum salvum conductum'. Die Waren
hatten den Wert von mehr als 758 Perper. Lamentationes de foris 1440 Arch. Rag.
*) Dem Prätendenten Paul Klesi6 bringen 2 Starci und 5 Krstjani Geleitsbriefe des Königs Ostoja und des Djed
nach Ragusa 1404, Pucic 1, 50 — 51.
») Der Djed ,der bosnischen Kirche' mit 12 .Strojnici' (oder .hervorragenden Christen', poglaviti krstjani) und 12 Vla-
Btelinen als Schiedsrichter zwischen Herzog Stephan und seinen Verwandten 1453, Mon. serb. 459, 461.
') Warentransporte ragusanischer Kaufleute mit Pferden der Wlachen ,ad locum dictum Ruxin Patarino ad Glupscovo',
ad locum Patarenorum in Glubscovo', ,U8que Glubscovo ad Patarenos', ,ad Glupscovo ad Patarinorum contratas' 1407—1416
Div. Rag.; 1407 neben Likodra genannt, das vielleicht identisch war mit Likodra im heutigen Serbien, Srez von Radjevina,
an der Drina. Gorazda: Lam. Rag. 1442.
«) Ein Ragusaner Milassinus Giurassevich klagt gegen ,Radii;. Pastrovich, nobilem chercechi Stephan!, et Jelenam
eius uxorem', daß sie .homines suos' gesendet haben, um ihm 2 ,pecias pannorum' zu stehlen, ,de uocte in domo de Obizen
Patarino, in loco vocato Eretva sab Belgrado', 19 Juni 1449 Lam. Rag. .Radissavus Patharenus, unus de societate Biellosavi
Pathareni in Neretba partium Bosne citra flumen de Subtus-Belgrad' klagt den Ragusaner Ruschus Tudrovich wegen eines
Deposits von 20 Perper, doch Ruschus wird freigesprochen, weil der einzige Zeuge Radisavs, ,Zivetchus suus socius, simlliter
Patharenus ex su])ra nominata societate', unter Eid (cum sacramento eis solito, ut moris est) nichts davon weiß; Eintragung
vom 17. Oktober 1466 in ,Liber diversarum actionum, que aguntur per Sclavos contra Raguseos 1466 — 1467', Arch. Rag. (mit
Aufschrift: Div. Canc. 1466). Bjelgrad an der Narenta kann mit Bjela südlich von Konjic identisch sein, mit Burgruinen
und Steingräbern, vgl. Hoernes, Altertümer der Hercegovina, SB. W. Akad. 97 (1880) 599. Dieses Bjela gehörte 1419 dem
Edelmann Alexa Pastrovii, Pucid 1, 147. Vgl. Radonid im Arch. slav. Phil. 19 (1897) 436 Anm.
") Jorga a. a. O. 2, 280.
'") ,Le matrone, che di qualche infermita guarrivauo, solevano andare come per voto a servire un certo tenipo pre-
fisso, et cosi stavano con detti monaci u per dir nieglio heretici.' Orbini 354.
") Ser Nicola Mar. de Gozis hat im Tale der Ombla die domina Anucla, Frau des Ser Nicola Alvisii de Goze be-
schimpft: ,putana de bordello, batessa di bordelln, babiza de Patarinis,' 5. Fel)riiar 1457 Lam. Rag. Baliiza als nutrix
schon im Statut von Ragusa.
Staat uxd Gesellschaft im mittelalteelichen Serbien III.
47
Pie Zusammensetzung und der Geist der
Gesellschaft wird am besten illustriert durch
die Etiquette. Ein kleiner Edelmann (vojin),
der dem Nemanja Mitteilungen über die ge-
heimen Umtriebe der Häretiker macht, beugt
vor ihm zuerst die Knie; die Tochter eines
Großen (velmoza), die dem Großzupan über
ihren häretischen Gatten Klage führt, fällt ihm
zu Füßen. 1) Später änderte sich das Verhältnis
zwischen dem Landesherrn und seinen Großen.
In Paniels Zeit erscheinen die Vlasteline des
Königs Uros IL wie seine ,geliebten Brüder'
(suste jemu jako vtzljubljena bratija). Der
junge Stephan Dusan, verfolgt von seinem Vater,
redet seine Anhänger an als ,meine geliebten
Brüder und Freunde' (bratije moja vbzljublje-
naja i druzi).^) Von besonderem Interesse sind
die Erzählungen des Kantakuzenos. Eine alte
Sitte der Serben sei es, wenn einer der Edlen
und Mächtigen nach längerer Zeit den Herr-
scher besucht, daß beide, sowohl der König als
der Große, bei ihrer ersten Begegnung vom
Pferde steigen, worauf der Edelmann den
König auf Brust und Mund küßt. Bei der
zweiten Begegnung begrüßen einander König
und Edelmann beide zu Pferde, ohne aljznsitzen.
Kaiser Kantakuzenos wurde als Gast des Ste-
phan Dusan, damals noch König, nach byzanti-
nischer Art begrüßt; vor dem griechischen
Kaiser, der im Sattel blieb, saßen alle Serben
vom Pferde ab und küßten sein Knie (1342).
Als Kaiser führte Stephan Dusan die byzanti-
nische Art der Ehrenbezeigung ein und ver-
langte, wie Philipp de Mezieres erzählt, bei der
Audienz den Fußkuß (pedem osculari). Kanta-
kuzenos berichtet auch über das Zeremoniell bei
dem Empfang des serbischen Erzbischofs beim
König. Als der Erzbischof Loanikije IL in
Pristina zu Pferde eintraf, ging ihm Stephan
Dusan bis in die Mitte des Hofes zu Fuß ent-
gegen, nahm die Zügel in seine Hand und
führte das Reittier bis zur Stelle, wo der ehr-
würdige Gast abstieg; beim Absteigen erteilte
der Kirehenfürst dem König den Segen. ^) In
Eagusa entblößten die Bauern vor den Edel-
leuten, die Parteien vor den Richtern das
Haupt ; Kniebeugungen machte nur, wer die
Behörde um Gnade bat. Bei dem Empfang von
Gesandten beim Oberhaupt der Republik von
Eagusa reichte man sich die Hände. Umarmung
und Kuß spielten, wie liei den Byzantinern, eine
große Rolle. Rastko, der spätere hl. Sava, be-
grüßt nach der Erzählung des Theodosij so den
ihm nachgesendeten serbischen Vojvoden, der
Befehlshaber von Skopje den byzantinischen
Gesandten Metochites, jeder Adelige nach der
Erzählung des Kantakuzenos den König. Nach
dem Statut von Eagusa müssen bei dem Grenz-
tag (stanak) mit den Zachlumiern die Comites
von Chelmo und von Ragusa diejenigen Edel-
leute, welche als ihre Vertreter den Eid leisten,
vor dem Schwur auf dem Mund küssen. Der
,brüderliche Friedenskuß' gehörte, wie wir ge-
sehen haben, zum Zeremoniell der Sühne der
Blutrache (s. oben 2, 17).
Unzertrennlich von jedem bedeuteuderen
Mann war sein Gefolge; das Ansehen des Vor-
nehmen hing von der Zahl und Ausrüstung
seiner Begleiter ab, welche ihn zu Fuß oder zu
Pferde umgaben. Zur Repräsentation mußte
auch der Gesandte mindestens drei berittene
Diener mitbringen, so der serbische Gesandte
nach Konstantinopel nach dem Bericht des
Metochites, ebenso die ragusanischen Gesandten
nach Serbien. In der Zeit des Stephan Du.san
wurden in Ragusa auf jeden der zwei bis drei
Gesandten drei Diener zu Pferde und zwei zu
Fuß gerechnet. Auch der ragusanische Konsul
in Serbien (1325) war verpflichtet, vier Pferde
und drei Diener zu halten. Die berittenen
Diener der ragusanischen Gesandtschaft zur
Hochzeit des Stephan Dusan (1332) erhielten
ebenso wie der gleichfalls berittene Zahlmeister
(expenditor) eine Art LTniform, gleichfarbige
Kleider aus demselben Stoff.'')
Es gab keine Begegnung der Fürsten, keine
Gesandtschaft, keine Festlichkeit ohne Ge-
schenke. Der Großzupan Stephan erhielt vom
ungarischen König Andreas IL bei der Zu-
sammenkunft in Eavno Purpurkleider, ge-
schmückt mit Edelsteinen und Perlen, Becher
mit vielfai'bigen Steinen geziert, AVunderbare
Pferde mit goldenen Zügeln und andere Tiere;
derselbe als erstgekrönter König bekam durch
seinen Bruder Sava als Gesandtoit aberuuils
auserwählte Pferde und die eigenen ^^'alTen des
Andreas IL zum Geschenk. Ebenso w.ir die
Zusanunenkunft des Stc])han Dusan mit ivaiscr
Andronikos III. (1334) mit cineni Austausch
von Geschenken verbunden.'') Die Geschenke
") Köni^ Stephan cap. 6.
') Mon. Rag. 5, 344.
•) Daniel 'JC, 211. ") Kantakuzonos 111 cap. 43, 45.
^) König' Stephan cap. '20. Tlieodosij hei Pavlovid 11 tj. Daniel 225.
48
II. ABIIAXDLrXG: COXSTAXTIX JlKECEK.
der Ragusaner an den König und an die Edel-
leute bestanden aus Kleiderstoffen (drappi),
süßen Konfekten, Südfrücliten und Spezereien.^)
Nocli 1422 sendeten sie dem König Tvrtko II.
von Bosnien 27 Fässer gesalzene Fische, vier
Fässer Zitronen (lemoni), 48 Scliacliteln ,con-
fetti' und überdies Zucker, Pfeffer und Ge-
würze. Als der König und einige seiner Höf-
linge (cortigiani e baroni) bald darauf neuer-
dings Fische, Orangen und verschiedene
Früchte verlangten, wurde dies von den Eagu-
sanern durch ihre Gesandten als unschicklich
(grau nianchamento de honore) zurückgewiesen.^)
Feierlichere Anredeformeln gab es nur beim
König und Erzbischof; der erstere wurde in
der Eegel als ,Dein Königtum', der letztere als
,Deine Heiligkeit' angesprochen. In Eagusa
war es üblich, selbst die Richter, Ärzte und
Geistlichen bloß mit dem Taufnamen ohne Titel
anzureden, was dem Johannes von Eavenna gar
zu bauernhaft schien. Untereinander sprachen
sich auch fremde Leute, Adelige, Bürger und
Bauern als .Gevatter' an (kum, fem. kuma, lat.
compater, coramater). Die Königin - Mutter
Helena adressiert 1304 einen Brief ,an meinen
geliebten Sohn und an den Gevatter meines
Königtums, den Comes von Eagusa Marinus
Baduarius'.^) Ebenso schreibt der bosnische
Vojvode R^doslav Pavlovic 1434 an die Ragu-
saner als an die weisen, edlen, sehr geehrten,
alten und neuen Freunde und .aufrichtigen Ge-
vatter' (srcanijem kumovom).'*) Alltäglich war
die Anrede als .Bruder' (brat) ; man fand es
gar nicht anstößig, wenn z. B. ein Wlache des
Gebirges einen Patrizier von Eagusa als , Bru-
der' anrief. Eine beschworene Freundschaft
stand unter dem Schutz des hl. Johannes, des
Schutzpatrons der Bruderschaft und Gevatter-
schaft, was an das in Italien, besonders in Sar-
dinien übliche ,comparatico di San Giovanni'
erinnert und heute noch in dem südslavischen
Zeremoniell bei der Sühnung der Blutrache
wiederklingt. Als es sich 1285 um die Sicher-
heit der Weingärten der Eagusaner auf serbi-
schem Boden bei den Euinen von Epidaur
handelte, wurde gemeldet, eine Patrizierin der
Stadt aus der Familie Bucignolo sei bei der
Königin-Mutter Helena gewesen und habe mit
ihr die Johannesbruderschaft geschlossen.^) Als
1297 ein Diener der Patrizierfamilie Pozza
Lammfelle in einem von Aviswanderern aus der
Zeta bewohnten Hause des Tales von Zonchetto
versteckte, sagte er den Einwohnern, sie mögen
ihn als ,Brüder in St. Johannes' nicht verra-
ten.") Der bosnische Herzog Hrvoje, als er
aller Würden entkleidet und verfolgt war,
schrieb (1413) der ungarischen Königin Bar-
bara, der Gattin des Königs Sigismund: ,Erin-
nert Euch dem hl. Johannes zu Liebe, daß ich
Euer Gevatter bin.'^)
Die Konversation war voll poetischer Wen-
dungen. Beliebt waren Vergleiche mit der
Sonne, bekannt auch aus der poetischen Litera-
tur, wo in den lyrischen Gedichten z. B. des
Mencetic und Drzic in Eagusa die Geliebte als
.kleine Sonne'' (sunacce) angerufen wird. Die
von König Andreas IL dem Sohne Neman jas
Stephan geschenkten Pferde glänzten nach den
eigenen Worten Stephans wie die Sonne. Nach
Domentian beleuchtete der junge Sava alle Hö-
hen des Athos wie die Sonne, als er die Klöster
und Eremitenklausen des heiligen Berges be-
suchte. Bei Daniel wird König Stephan Uros IL
Milutin mit der ,stark leuchtenden Sonne' ver-
glichen. Die Edelleute reden den todkranken
König Stephan Dragutin als imtergehenden
Sonnenschein (zarja slbntenaja) an. Die Ea-
gusaner schreiben schmeichelnd dem Despoten
Stephan, Gott habe ihn mit hohem und schönem
Verstand geziert, der volles Licht und Sonnen-
strahlen über die ganze Erde aussende. Byzan-
tinischen Ursprunges ist bei Theodosij die Be-
zeichnung der Söhne Stephans des Erstgekrön-
ten als ,Adler mit goldenen Flügeln'.*)
*) In der Regel wird in den Senatsprotokollen von Ragusa nur der Geldwert der Geschenke angewiesen, ohne ge-
nauere Aufzählung.
2) l'uci6 1, Beilagen S. XXIX. Jorga, Notes et extraits 2, 210, 214.
') Spomenik 11, 23, Nr. 5.
*) l'ucii 2, 91, Nr. 111. tJber die Urkuudenformeln St. Stanojevii, Studije o srpskoj diplomatici, Gl;is 90 (1912) und
92 (1913), besonders im Kapitel über die Inskription, ib. 92, 163 f.
') ,Dicebatur a Sclavis in Civitate Veteri, i)uod soror Damiaui de Bocignolo iverat usiiue ad dominam reginam et
domina regina fecerat se .sanctum Johannom dicto sorori Damiani', 28. August (1285), Div. Rag. 1284 Arch. Rag.
'') Braicus de Luboe sagte: .et scitis, nii fratres de S. .lobanni, non dicatis aliciuid de istis schilatis illis de Poija'.
Div. Canc. 1295 Arch, Rag.
') Klaid-Bojnieid, Geschichte Bosniens 318.
') Domentian 134. Theodosij bei Pavlovic 105. Daniel 48, 156. Pucii^ 2, H!l.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
49
Doch nicht alle Eedensarten waren schön,
brüderlich und poetisch. Das Flickwort ,Teufel!'
(jetzt jvraga!') wird schon 1285 erwähnt.^) Die
Schimpfwörter sind in den Gerichtsbüchern
von Eagusa zu lesen. Die Leute nannten einan-
der Lügner, Verräter, Aussätzige (leprose!),
Sklaven; die Frauen beschimpften sie als
,meretrix vetus', ,putana puzolenta', ,rufiana'.
Nicht selten war die Bezeichnung als Sohn
eines Esels (oslovie), Hundes, Schweines, eines
Eäubers, als ,filius meretricis', wenn nicht als-
.maritus meretricis', oder als toter Esel (asine
mortue!). Dazu kamen Drohungen den Bart
auszuraufen, die Nase abzuschneiden oder an-
dere Liebenswürdigkeiten, wie z. B. 1442 einer
rief: ,ich werde es durchsetzen, daß dir in der
Mitte von Novo Brdo die Haut wie einem
Hammel abgezogen wird' (scorticaberis tam-
quam unus castronus).
Die Schriftstücke des serbischen Mittel-
alters sind ferne von barbarischer Formlosig-
keit, stets höflich abgefaßt, auch unter Parteien,
die kurz zuvor miteinander im Kriege waren.
Offenkundig ist der Einfluß ■ byzantinischer
Eedensarten. Wie im Eechtsleben, ist auch im
Urkundenwesen ein zähes Festhalten an einem
traditionellen Zeremoniell bemerkbar. Allge-
mein gilt das einfache ,du'. Der Plural für die
Fürsten ist eine späte, unter dem Einfluß la-
teinischer Formeln eingeführte Neuerung des
15. Jahrhunderts, zugleich mit ,Euer Herr-
schaft' (gospodstvo Vi, Dominatio Vestra) und
jEuere Hoheit' (velikost Vi, magnitudo Vestra).
König Uros IL schreibt einen Befehl seinem
,geliebten Zupan Tvrtko' (Ijubovnomu zupanu
Tvrtku) nach Popovo und beschwört ihn ,bei
meinem Leben und meiner Liebe' (tako ti mo-
jega zivota i moje Ijubve) alles genau auszu-
führen. Car Stephan Dusan nennt den Despo-
ten Oliver den , allgeliebten und aufrichtigen
Edelmann', den Sevastokrator Dejan, seinen
Schwager, ,den glaubwürdigen, sehr geliebten
und vertraulichen Bruder meines Kaisertums'.
Ebenso bezeichnet Car Uros zwei Edelleute von
Cattaro als glaubwürdig, wohlgefällig und ge-
liebt, mit Erwähnung ihrer treuen und allauf-
richtigen Dienste.-) In der Despotenzeit aber
ist z. B. der Celnik Eadic in den Urkunden des
Despoten Georg nur ,der geehrte und getreue
Edelmann' (poctenij i vernyj vlastelin).^) An
den Comes der Eagusaner schreiben LTros II.
und III., ebenso wie Stephan Dusan als an ,den
teuern und geliebten Verwandten (surodnik)
meines Königtums', später Kaisertums. Als
«teuersten Verwandten' (affinis carissimus) be-
zeichnet Car Stephan auch den Dogen Andreas
Dandolo von Venedig.') In der späteren Zeit
schreibt Despot Stephan Lazarevie ,den weisen
und geehrten und guten Freunden' von Eagusa,
Mara, des Despoten Georgs Mutter, ,den edlen
und sehr geehrten Herren und unseren Brü-
dern und Freunden, der Gemeinde von Eagusa'.
Als ,teueren Freund' (dragi mi prijatelj) reden
den Comes von Eagusa selbst in Kriegszeiten
die serbischen Edelleute Crnomir und Vojislav
an. Diejenigen Fürsten, die Bürger von Eagusa
waren, wenden sich an die Eagusaner stets als
an liebe oder teuere ,Brüder', z. B. die Baliici.
Die Briefe der Bosnier an die Eagusaner
sind ebenso freundschaftlich, wie die der Ser-
ben. Tvrtko als Ban nennt sie ,Brüder und
Freunde' (nasa bratija i nasi prijatelji), als
König ,die teueren und geliebten Brüder meines
Königturas' (kraljevstva mi dragim i Ijubovnim
prijateljem).®) Die Eagusaner schreiben dem
bosnischen König im 15. Jahrhundert als dem
,sehr durchlauchtigen und sehr hohen Herrn'
(presvetlomu i previsökomu gospodinu), den
Edelleuten Bosniens, ebenso wie dem serbischen
Despoten als ,dem berühmten und mächtigen
Herrn' (slavnomu i velmoznomu gospodinu),
was die Bosnier ihrerseits in ihren Briefen in
gleicher Weise erwidern. In einem zufällig
erhaltenen Brief eines Edelmannes an einen
Standesgenossen, des Zupan Dragisa Dinjicic
in Srebrnica an den Knez Vukasin Zlatouosovic
in Zvonik, dem heutigen Zvornik an der Drina
(1424) lautet die Anrede: ,Dem sehr geehrten
und uns teuern und lieben älteren Bruder'.®)
Der Gruß (pozdravljenjo) wird in den Briefen
stets mit einem Epithet bezeichnet, als sehr
herzlich, sehr lieb, sehr ehrend oder , demütig'
(smiren).
Die Terminologie der internationalen Kor-
respondenz wird zum Schlüsse des Mittelalters
trotz der Verwilderung der damaligen Gesell-
') Ein Weingartenhütor ruft an der ragusanisclißii Greir/.o: ,(Jai(l, iliabole. feeistis ciuod robaatis isto3 honiines!' 1285
Div. Rag.
') Mon. serb. 53, 143, 156. Glasnik 27. 288. ») Spomenik 3, 3.
«) Ljubid 2. 278. ') M»"- s"''- l^**- P""^'*^ -' -'*> ^^- •'•'•
^) Spomenik 11, 75.
Dcnkscbriften der phil.-hist. Kl. 58. Bd. 2. AWi. " T
50
II. Abhandlung: Constantin Jieecek.
Schaft ganz zierlich und süßlich. Die bosnische
Königin Helena, Witwe des Dabisa, schreibt
1397 den Eagusanern über die Aufhebung eines
Zollamtes: ,Xachdem wir die geziemenden und
in allem ehrbaren Bitten und Gesuche der Edel-
leute der Stadt Eagusa gehört haben'. Der Voj-
vode Eadic Sankovic sagt 1399 in der Urkunde,
durch welche er das Dorf Lisac den Eagusanern
abtritt, daß sie dem bosnischen König ,Gesandte
mit süßen und sehr ehrenden Worten und mit
ehrenvollen Geschenken gesendet haben'.^) Dem
Despoten Stephan von Serbien schreiben die
Eagusaner (1423) über die Durchreise seines
Gesandten, ,des edlen und verständigen Edel-
mannes' (plemeniti i ra/.iiiuui vlastelin) Vitko
nach Venedig, wie er ihnen .weise und ehren-
voll von Seite Euerer Herrschaft' gesprochen
hat. In einem folgenden Briefe teilen sie mit,
daß sie ,das berühmte und sehr süße Schreiben'
(slavno i mnogo slatko pisanije) des Despoten
mit den ,süßen und sehr gnädigen Worten und
Versprechungen' (slatke i mnogo milosrdne reci
i obetovanija) in Angelegenheiten einiger Ea-
gusaner, die in Serbien eingekerkert waren,
wohl verstanden haben.-)
Die Schreiber selbst sind in den serbischen
Urkunden erst nach 1300 genannt, stets sehr
bescheiden. Zum ernsten Stil der Urkunde un-
passende Naivetäten kommen in Bosnien vor.
Tvrtkos Schreiber Drazeslav Bojic sagt zum
Schlüsse einer langen Urkunde an einen Adeli-
gen: ,Und als ich dies schrieb, da ließ der Herr
Ban Tvrtko einen großen Becher Wein vor mich
stellen, zum Austrinken in guter Laune' (velik
pehar vina popiti u dobru volju). Derselbe
schreibt einen Vertrag mit Eagusa mit seiner
,wenig nützlichen Hanrl' und schließt nach
Mönchsart: ,Die Erde ist meine Mutter, mein
Vaterland das Grab, wir sind von der Erde und
werden wieder in die Erde hineingehen'.^)
Der größte Teil der serbischen Urkunden
des 13. Jahrhunderts ist undatiert, wie die ad-
ministrativen Mandate der byzantinischen imd
epirotischen Herrscher. Erst im 14. Jahrhun-
dert wird die Datierung häufiger, und zwar
wie bei den Eulgaren und Eumänen stets nach
der Konstantinopler Ära .nach der Erschaffung
der Welt', die mit dem Jahre 5508 — 5509 vor
Christo beginnt. "*) In Dalmatien und in Bos-
nien war die abendländische Zeitrechnung nach
Christi Geburt üblich, weshalb z. B. ein Ver-
trag des Königs Uros III. mit Eagusa, geschrie-
ben 1326 auf der Burg Danj bei Skutari, und
die meisten Urkunden der Balsici in dieser Art
datiert sind. Das byzantinische Jahr begann
am 1. September, das occidentalische in Eagusa
am Weihnachtstag, 25. Dezember, aber mitunter
am 1. Jänner, in Venedig am 1. März. Die
hohen Ziffern der byzantinischen Jahre waren
nicht allgemein bekannt; z. B. ein Abschreiber
von Handschriften in der Landschaft von Zegli-
govo (bei Kumanovo) um 1300 hat nur 6800 an-
gegeben, da er nicht die ganze Jahreszahl er-
fahren konnte.^) Auch die Jahre des fünf-
zehnjährigen Zyklus der Indiktionen werden
vielfach unrichtig angegeben, weil diese Eech-
nung in Serbien nicht so innig mit dem Wirt-
schaftsleben und Steuerwesen verbunden war,
wie in ihrer Heimat, im byzantinischen Kaiser-
tum. Die Monatsnamen der Urkunden sind die
griechisch - lateinischen (januarij, fevruarij,
mart usw.), mit einfacher Zählung vom ersten
]\Ionatstag bis zum letzten, wie bei den Grie-
chen. Eine seltene Ausnahme ist die in West-
europa so gewöhnliche Datierung nach Feier-
tagen. Ein nationaler Monatsname kommt nur
in einer serbisch geschriebenen Urkunde des
Skanderbeg vor: der Juni als , Kirschen-
monat', c e r e s n j a r.") Dagegen sind diese
einheimischen Monatsnamen in kirchlichen
Handschriften neben denen des Kalenders
mitunter angemerkt und noch jetzt unter
dem Volke ziemlich bekannt. Sie kommen
bei allen slavischen Völkern vor, aber ver-
schieden angepaßt : 1 i s t o p a d, , Laubfall'
ist bei den Südslaven der Oktober, bei den
Nordslaven der November.'') Die Stunden (ur-
sprünglich godina, später cas) kommen schon
') Mon. sorb. 230, '242. ') PuciÄ 1, 1R3, 165.
") Ulasnik bos. 18 (1906) 410 (um 1353) = Wiss. Mitt. aus Bo.snien 11 (1909) 247. Mon. serb. 176 (1367).
*) Im 16. Jahrhundert kommt in serb. Handschriften auch die Alexandrinische Ära vor, die 5501 vor Chr. beginnt.
Vgl. Ljubomir StojanoTi6, .Aloksandrijska era u staroj srpskqj hronologiji,' Sbornik zu Ehren des V. .1. Lamanskij, 2. Bd.,
Petersburg 1908, 828—835.
^) Stojanovii;, Zapisi 1, Nr. 34.
") Mon. Borb. 442 (c. 1450)
') Miklosich, Die slavischen Monatsnamen, Wien 1867 (Denkschr. W. Akad. Bd. 17). Vesalinovid. Narodni nazivi
meseca u Srba (Nationale Namen der Monate bei den Serben), Godisnjica 26 (1907) 229 — 238.
Staat uxd Gesellschaft im jiittelalteelichex Seebiex III.
51
im Typikou des Klosters Studenica vor, welches
auch das Schlagen einer Uhr (casovnik) er-
wähnt, wohl mit Eäderwerk, wie bei den damals
in den Klöstern des Abendlandes vorhandenen
Schlaguhren. Bekannt waren auch Sonnen-
uhren.^) Tag und Nacht waren in je 12 Stun-
den eingeteilt; z. B. mittags war die sechste
Stunde des Tages. Eine öffentliche Uhr (horo-
logium) wurde 1389 in Kagusa errichtet, re-
guliert vom ,magister balistarius' ; man rechnete
dort nach italienischer Art 24 Stunden, vom
Sonnenuntergang angefangen. Ein Serbe, der
Athosmönch Lazar hat in Moskau 1404 im i
Schlosse des Großfürsten die erste Uhr aufge-
stellt, welche die Stunden durch Hammer-
sehläge auf eine Glocke anzeigte.^)
Aus den Worten Daniels über die Freude
der Einwohner, daß unter König Uros III. ,der
Friede Gottes und unsagbare Ruhe' im Lande
herrschte, ist zu sehen, daß man die Segnungen
des Friedens zu würdigen wußte.^) Doch vielen
war der Krieg ein Bedürfnis und eine Freude.
Der Fortsetzer Daniels, ein Klosterbruder,
schildert ganz begeistert die Schlacht mit den
Bulgaren bei Velbuzd (1330) : von beiden Sei-
ten ertönten die Kriegstrompeten, die Pferde
wieherten, ein großes Geschrei erhob sich und
die Jünglinge des Königs schössen mit beiden
Händen ihre Pfeile ab und fehlten nicht das
Ziel, tapfer kämpfend, ohne sich voneinander
zu trennen.^) Bei der geringen Zahl der er-
haltenen Urkunden der Herrscher an Edelleute
Massen wir nicht, ob es in Serbien üblich war
die tapfereii Taten in Schenkungsurkunden so
ausführlich zu schildern, wie man es in Ungarn
und in Bosnien zu tun pflegte. In Bosnien
feiert eine Urkunde des Ban Stephan IL die
Tapferkeit des Vlk Vlkoslavie (aus der Familie
des Hrvoje), der in einer Schlacht mit den Ser-
ben unter Stephan Dusan dem Ban im Kampfes-
getümmel mit Lebensgefahr sein eigenes Pferd j
untergestellt und dabei tötliche Wunden davon-
getragen habe.^) König Dabisa schildert 1392
die Zurückweisung eines türkischen Einfalles
nach Bosnien: ,Das genannte türkische Heer
haben wir durch die aufrichtigen Bemühungen
unserer Getreuen geschlagen und unter das
Schwert gewendet, und wir haben mit eigenen
Allgen gesehen, wie unsere Getreuen ihre glän-
zenden Waffen unter den Schwertstreichen
ihrer kräftigen Rechten mit Türkenblut netz-
ten, sich nicht schonend, um uns zu dienen und
ihre Muskel am Heidenblut zu erfreuen; und
in diesem Kampfe und Eingen hat mir ritter-
lich, treu und aufrichtig gedient meines König-
tums allaufrichtiger und mächtiger Ritter (vi-
tez), unser getreuer Vojvode Hrvoje, Sohn des
Vojvoden Vlkac'.*) Ebenso rühmt derselbe
König 1395 die Verdienste des Zupan Vlkmir
Semkovic und seiner Brüder, welche in den
Türkenkriegen ,ihre Köpfe für uns nicht schon-
ten'.')
Eine Vorschule des Krieges war der Straßen-
raub, der seit dem Altertum in diesen Ländern
nie ausgestorben ist. Schon in der Biographie
des Nemanja erzählt König Stephan von einem
Mann, dessen Adern am Knie von ,bösen Räu-
bern' verbrannt waren. Sava brachte den Un-
glücklichen, der nur mühselig kriechen konnte,
in einem Sack in das Kloster Studenica zum
Grab des Nemanja und siehe, der Lahme wurde
geheilt und , sprang ganz auf seinen Füßen'.*)
Bei den Byzantinern galt Serbien als ein Räu-
berland, wie aus den Schilderungen des Pachy-
meres und Metochites zu sehen ist. Räuberfurcht
plagte auch den gelehrten Gregoras auf seiner
Reise zum Hofe Uros III. W^ie große Dimen-
sionen das Übel angenommen hatte, erhellt aus
dem zweiten Teil des Gesetzbuches des Stephan
L)usan, welcher die Räuber mit Stum]if und
Stiel ausrotten wollte. Wo sich solche Übeltäter
vorfinden, verfällt das Dorf der Konfiskation,
der Räuber (gusar) wird mit dem Kopf abwärts
(strmoglav) aufgehängt, der Dieb (tat) geblen-
') Übersicht der Länge des Schattens nach Monaten und Tsjifesstunden aus einer serb. Handschrift, Starino 16
53-54.
*) ,Tog-o ze leta casy postavieny v Moskve, na velikogo knjazja dvore, za cerkoviju Blagovesi'eniem, a d«lal ich
Lazar äernec Serbin, ize novo prisel iz Serbskija zerali'. Patrijarsaja ili Nikonovskaja letopis zum Jahr 6912 = 1403—
1404. Polnoje sobranie russ. letopisej Bd. 11 (Petersburg 1897) 190. Vgl. Safafik, Geschichte der südslav. Literatur 3, 92.
') Daniel 177, 2U7.
*) Derselbe 184.
5) Glasnik bes. 18 (1906) 408 = Wiss. Mitt. 11 (1909) 244. L. von Tliallöczy. Studien zur Geschichte Bosniens
und Serbiens im Mittelalter, übersetzt von Kckhart. München und Leipzig 1913 S. 18.
•) Mon. bist. jur. 6, 96; vgl. Arch. slav. Phil. 21 (1899) 620.
') Mon. serb. 226.
') König Stephan, cap. 15.
7*
52
II. Abhandlung: Constantin Jikecek.
det und der Herr des Dorfes (gospodar sela) ge-
fesselt zum Garen gebracht; dort muß er allen
Schaden ersetzen und erleidet dieselbe Strafe
wie die Räuber und Diebe. Auch die mitschul-
digen Vorsteher der Dörfer und Hirtenansied-
lungen (katuni) werden in derselben Art be-
straft, ebenso die Herren (gospodari), denen
ihre Beamten (vladalei) die Sache angezeigt
haben und die dennoch nichts zur Verhinderung
der Eäuberei getan haben. Zum Schadenersatz
an die beraubten Wanderer ist überdies auch
der Kefalija (Statthalter) mit den Straßen-
wäclitern verpflichtet.^) Einen Einblick in die
Sachlage bietet eine Stelle einer etwas späteren
Urkunde, ausgestellt 1375—1376 unter Despot
Dragas und dessen Bruder Konstantin. Unter
dem Caren Stephan überfiel eine Eäuberschar
(gusa) die kaiserlichen Pferde (konje careve)
bei Strumica und schlug die Leute (i Ijudi iz-
bise). Der Car legte der Umgebung Geldstrafen
auf, aber da erschienen die Edelleute und Land-
leute (vlastele i chora) vor dem Caren und
wiesen nach, daß der Ort des Eaubes nicht
ihnen gehört, sondern dem Athoskloster von
Chilandar, als eine Schenkung des einstigen
Kjesar Hrelja. Da mußten die Mönche von
Chilandar Wehrgeld (vrazda) und andere
Bußen zahlen.^) Die Wirren nach Dusans Tod
waren mit einem neuen Aufschwung des
Eäuberunwesens verbunden. Damals überfielen
Eäuber auch die einsame Zelle des Eremiten
Jefrem, des späteren Patriarchen, bei dem
Kloster von Decani und bedrohten den beten-
den Klausner mit dem Schwerte, unter dem
Eufe: ,Gib her deinen Reichtum!' (daj bogat-
stvo).')
Ein beliebter Aufenthaltsort von großen
Eäuberscharen waren die öden Grenzgebiete.
So war es einst in Kleinasien an der Grenze
zwischen dem Kaisertum von Konstantinopel
und dem Kalifat der Araber, wo sich die ,Ape-
laten' des Digenis Akritas herumtrieben. Ähn-
liche Verhältnisse bestanden an der Grenze
zwischen den Byzantinern und den Serben,
ebenso zwischen Byzanz und den Bulgaren.
Die wüste Grenzlandschaft (epv;[^.o; zü-i IJapoptwv)
zwischen Adrianopel und Sozopolis war im
14. Jahrhundert nur von Eäubern und Ere-
miten bewohnt. Als der berühmte Gregorios
Sinaites sich zum ersten Male (um 1330) in
dieser Einöde niederlassen wollte, ließ ihn ein
eifersüchtiger älterer Eremit durch eine Eäu-
berbande vertreiben.**) Die Bandenführer wa-
ren populäre Leute und sammelten mit Leichtig-
keit große Scharen von Freibeutern. Pachy-
meres erzählt von einem Bulgaren Johannes
dem ,Schweinehirten' (Choiroboskos) oder
, Keulenträger' (Matzukatos), der mit einigen
hundert rasch versammelter Bogenschützen
und Streitkolbenträger (-/.opuvv-ror) nach Klein-
asien hinüberging (um 1300), um in der Land-
schaft von Troja gegen die Türken zu kämpfen,
später aber die LTmgebung von Thessalonich
unsicher machte.^) Der berühmteste Eäuber-
hauptmann des 14. Jahrhunderts war aber ein
Zeitgenosse des Stephan Dusan, Momcilo, der
Herr der Ehodope (f 1345), heute noch un-
vergessen in den südslavischen Sagen und
Volksliedern.")
Die Praxis der Eäuberei ist genau bekannt
aus ragusanischen Nachrichten. Aus einem
Archivbuche von 1335 sieht man, daß die heim-
liche Wegtreibung oder der gewaltsame Eaub
von Vieh an der Grenze von Eagusa damals ein
alltägliches Ereignis war.') Den Bauern von
Eagusa wurden von den serbischen Nachbarn
Kühe, Schafe, Ziegen, Pferde, Schweine, Hüh-
ner weggenommen und nicht selten auch die
Bienenkörbe weggetragen. Die Saumpferde hat
man natürlich samt Ladung geraubt. Oft wur-
den im Tale von Breno Häuser bei Nacht über-
fallen, die Bauern geschlagen und Wein, Fei-
gen, Getreide, Kleider und Ohrgehänge erbeu-
tet. Im Februar 1336 klagte der Prior des
Klosters des hl. Jakob von Visnjica, welches
ganz nahe vor dem Südtore von Ragusa lag,
daß in der vergangenen Nacht sein Tor er-
brochen und acht Kühe, ein Kalb und ein Schaf
') Zakonik Art. 14;") — 147, 149.
'•') Urk. 1375—1376, Sammlung von Kovacevii im Spomeuik Bd. 44 (noch nicht erschienen).
3) Starine IG, 37—38.
*) Vita des Gregorios Sinaites, cap. 15—16 ed. Pomjalovskij, Petersburg 1894 S. 3äf. Vgl. meine Geschichte der
Serben 1, 381.
') Pachymeres, Andronikos Palaiologos V cap. 27.
'■') Meine Geschichte der Serben 1, 389 f.
') ,Capitulum lamentatiouum' unter dem Comes Nicolaus Falletro, 4. November 1334 f., als jDiversa Cancellarie 1334'
im Archiv von Kagusa.
Staat und Gesellschaft ni jiittelalterlichen Serbiex III.
53
gestohlen worden seien. Im Juli desselben
Jahres beschwerte er sich wieder, daß zwei
Edelleute des Nachbarlandes, Muten und En-
gerius, mit einer Anzahl Ifeiter sein Kloster be-
sucht und dabei die Wein- und Obstgärten,
besonders die Melonen arg geplündert haben.
Unter den Eäubern aus Canali, Trebinje und
Popovo wiederholen sich oft dieselben Namen;
es waren in dieser Zeit meist Leute aus den
Dörfern des Adelsgeschlechtes der Drugovici.
Dazu kommen Klagen über Ausplünderungen
von einzelnen Eeisenden nahe jenseits der ra-
gusanischeu Grenze, in Canali, Trebinje und
weiter landeinwärts. Gefahrlos war die Eän-
berei keineswegs. Als 1348 vier Eäuber aus
Popovo nachts im Dorfe Bergatto (Brgat) neun
Kühe und einiges Kleinvieh weggeführt hatten,
wurde einer, der schon von früher her manche
Beutezüge am Gewissen hatte, gefangen genom-
men. Das Gericht von Eagusa verurteilte ihn
zu 298 Perper Buße; als er sie am folgenden
Tage nicht erlegen konnte, wurde er gehängt.')
Wie es auf den Wegen weiter landeinwärts
aussah, zeigt der Brief eines Eagusaners Peter
der Berco an den Comes der Stadt 1305 über
den Zug einer Karawane ins Gebirge. Zweimal
wurden die Angreifer zurückgeschlagen, zum
zweiten Male in einer , Schlacht' (batall a) bei
Gacko ein Edelmann Gradislav mit seinen Leu-
ten ; ein drittesmal mußten die Kaufleute, um
durchzukommen, den Leuten eines Vladislav
einige Stücke teueres Tuch geben.-) Mitunter
ereignete sich an der Grenze ein unerwarteter
Friedensbruch. Die Edelleute Prodasa, Vladi-
mir und Vitomir brachen 1323 an der Spitze
von Kriegsvolk aus Canali, Trebinje und Dra-
cevica mit Fahnen (cum gonfalonibus) in die
ragusanischen Täler von Ombla und IMalfi ein
und zogen an demselben Tage mit großer Beute
an Vieh, Tuch und anderen Sachen wieder
zurück. Doch der König ITros III. und der
Vojvode Mladen zwangen die drei edlen Herren
rasch zum Schadenersatz.^) Die Adeligen des
Gebirges hatten an solchen Streichen ihre
Freude. Im Juli 1372 beraubte Zupan Gra-
doje, der Bruder des Kaznac Sanko, mit sieben
seiner Höflinge (homines curiales) den Eagu-
saner Priiice Hrankovic ,in campo Ncvessigne'
und nahm ihm selbst Mantel, Schuhe, Gürtel,
Hemd, einen Geldbeutel mit vier Perper und
einen Goldring mit drei Perlen. Im August
1373 führte in Eagusa Georg Eadoslavic Klage
gegen zwölf Diener desselben Zupan Gradoje.
Er sei vor sieben Tagen mit seinem Bruder Milos
imd anderen Eagusanern von ihnen überfallen,
geschlagen und beraubt worden. Die Beute,
205 Hammel, 3 Ochsen, 3 Pferde, Wachs, Geld,
W\'itfen usw. brachten diese ,famuli' zu ihrer
jdomina' Kujaca, Frau des Gradoje. Diese
Frau ließ dann einen Teil der Waren dem Ea-
doslavic zurückgeben, aber nicht alles. Des
Klägers Bruder ist an den im Kampfe erhaltenen
Wunden gestorben. Überhaupt wurden damals
bei Nevesinje oft ganze Karawanen zersprengt
und beraubt (fregerunt totam turmam).'*) Bald
kam die Sitte auf, daß sich die Eäuber mas-
kierten, um nicht erkannt zu werden, was bei
Trebinje seit 1382 erwähnt wird (,qui se vela-
bant et transformabant, ut non cognoscerentur',
oder ,se transfiguraverant'). Die einzeln rei-
tenden oder gehenden Eeisenden wurden nicht
nur des Gepäcks, des Geldes und der Watten
beraubt, sondern man zog ihnen auch Kleider
und Wäsche bis auf die Haut aus. Das kam
damals auch in Italien vor, wo man diese Pro-
zedur mit dem aus den Novellen des Sacchetti
bekannten Ausdruck .scaniiciare' bezeichnete.
Im 15. Jahrhundert geschah es im Lande des
Herzogs Stephan, daß z. B. 1456 ein ragusani-
scher Bauer mit seiner Frau von den Berg-
hirten ganz nackt ausgezogen wurden. Die Ge-
fangenen wurden von den Eäubern mitunter
übel behandelt. Zwei Bauern aus Eozat im
Omblatale klagten 1335, daß sie im Gebirge bei
Zacula von den Leuten des Edelmannes Vitomir
von Trebinje ausgeplündert und einige Tage
gebunden in einer Grube (fovea) gefangen ge-
halten wurden. Bald darauf wurde ein Kurier
von den Leuten der Drugovici in Canali beraubt
und nackt einen Tag gefesselt gehalten (ipsuni
tenuerunt ligatum nudum una die). Es kam
auch später nicht selten vor, daß Kuriere der
Eagusaner ohne Hemd und Hosen nach Hause
zurückkehrten. Ein Eagusaner klagte im ^[ärz
1371, er sei von Eäubern in Easmuci Doli ge-
fangen und auf den I"'üBen aufgehängt worden
(sus])<'nd(nites per pedes), um ihm 30 Perper
abzunehmen; es war wohl im Tale Eazmuco in
M Liber de maleficiis 1348 Arcli. Kag.
') Mon. Rag. 5, 90.
') Ebenda 1, 92 f.
') Lamenta de foiis 1370—1373 Arch. Kag.
Ö4
II. Abhandlung: Constantin Jikecek.
Montenegro, nordöstlich von Grahovo.^) Die
Eagusaner Bogoslav Drazislavie und Srjedan
Dobrenovic wurden 1372 von einem bosnischen
Edelnuxnn Mrkoje Stjepkovic und dessen Ge-
folge bei Borac in einem Hause übei'fallen und
beraubt. Einer der Leute des Edelmannes, Gojak
Dobroslavic mit Namen, riß dabei dem Eagu-
saner Srjedan zuerst den Geldbeutel vom Gür-
tel ab und nahm ihm 14 zum Verkaufe be-
stimmte Jagdfalken weg. Dann stach er dem
Srjedan mit scharfen Hölzern unter die Finger-
nägel und rief: ,Gib die Dukaten her!' (des
ducatos). Gojak war sechs Jahre später so naiv
nach Eagusa zu kommen, wo man ihn gleich
erkannte und ins Gefängnis setzte. Obwohl er
behauptete nur auf Befehl seines .patronus' ge-
handelt zu haben, wurde er erst nach zwei Mo-
naten freigelassen, nachdem er 50 Perper dem
Srjedan gezahlt hatte.-) Bei alledem ist im
14. Jahrhundert nie zu lesen, daß jemand von
den Eäubern getötet worden wäre.
Eine edlere Vorübung für den Krieg war
die Jagd. In Serbien gab es in dieser Zeit kein
seltenes Hochwild mehr, wie in Eußland, wo
der Großfürst Vladimir Monomach (f 1125)
zweimal samt seinem Pferd von Auerochsen
(tur) auf die Hörner genommen und zweimal
von Elchen mit dem Geweih gestoßen und mit
den Hufen getreten wurde.^) Es gab aber
Hirsche (jelen), welche nach der Schilderung
des Theodosij in Nemanjas Zeit von Treibern
durch den Wald herabgetrieben wurden, zu den
Jägern, welche am Fuße des Gebirges aufge-
stellt waren.*) Auf den bosnischen Steingräbern
ist die Hirschjagd abgebildet, zu Pferde mit
der Lanze oder zu Fuß mit Bogen und Pfeil,
stets in Begleitung von Hunden.^) Man jagte
auch Bären, Wölfe, Wildschweine, Eehe, Gem-
sen, Hasen, Marder und Füchse. Hunde, be-
sonders Windhunde (hrt) und Falken waren
unzertrennlich vom Hofstaat, wie aus den Be-
freiungen von der unentgeltlichen Beherber-
gung der königlichen Hundewärter und Falk-
ner in den Urkunden zu sehen ist. Hielt sich
ja in dieser Zeit um 1325 ein byzantinischer
Prinz, der spätere Kaiser Andronikos III.,
1000 Hunde und 1000 Falken zur Jagd in den
kaiserlichen Eevieren bei Konstantinopel.'')
Von den byzantinischen Kaisern fanden drei
den Tod auf der Jagd, Theodosios IL durch
Sturz vom Pferde, Basilios I. von einem Hirsch
aus dem Sattel gerissen, Johannes Komnenos
durch ein Pfeilgift auf der Wildschweinjagd.
In Serbien ereilte den Despoten Stej^han La-
zarevic der Tod auf der Falkenbeize (1427).
Eifrige Jäger waren Adelige und Bauern, im
Westen auch lateinische Kleriker, wie 1247 ein
Archidiaconus von Antivari.'') Mitunter gehörte
die Jagd zu dem Herrendienst der Untertanen.
Auf den Gütern des Klosters Gracanica waren
alle Einwohner, mit Ausnahme der Boj^en, ver-
pflichtet drei Tage im Jahre Hasen zu jagen.*)
Bei Eagusa fing man Füchse in Fallen (stupica)
oder Schlingen (lat. laqueus), Hasen und Eeb-
hühner in Netzen. Vögel fingen die Serben auch
mit Leimruten.®) Kaninchen (lat. conilli) wur-
, den auf Lagosta so reichlich gefangen, daß zu
den Einkünften des ragusanischen Comes der
Insel (1284) auch das Fleisch von 200 Stück
im Jahre gehörte.
Die vornehmste Jagd war aber, ebenso wie
bei den Byzantinern, die Beize auf Wachteln,
Eebhühner, Wildtauben, Enten, Eeiher, Schwäne,
Kraniche usw. Eine farbenprächtige Schilde-
rung der Kranich jagd am Hofe des Kaisers
Manuel Komnenos, voran der Kaiser zu Pferde
mit einem alten großen georgischen Falken
(Upa; tßr;pi7.c!:) auf dem schweren Lederhandschuh
der linken Hand, unter den Klängen der Jagd-
trommel (xuv>)7£Tixbv TÜfji.xavov), ist erhalten in
einer Eede des Konstantin Manasses.^") In Ser-
bien werden als Beizvögel erwähnt : j a s t r e b
(Habicht), kraguj oder kragujac (Sper-
ber), am meisten aber s o k o 1 (Falke), in Eagusa
') In der epirofiBcheii Zeit ließ so^ar ein Beamter des Kaisers Theodoros (122^—1230) bei Drama einen Diakon von
einem Baum kopfabwärts häng-en und sclilagen, um ihn Geld abzupressen. Demetrios Chomatianos Nr. 96.
') Klage vom S.August 1372 mit Zusatz von 1377: Lamenta de foris 1370—1373.
') Nestor ed. Miklosich p. 15.5.
') Tlieodosij bei l'avlovic 18.
») Hoernes, Altertümer der Hercegovina, S. Ber. der W. Akad. Bd. 97 (1880) S. 526, 554 Fi?. 4, 20, 21; dazu S. 555
Fig. 22 ein Lanzenreiter auf der Bärenjagd. Hirsclij.igden auch auf den Grabsteinen bei Nikäiii, derselbe eb. 99 (1881) 811.
*) Nikephoros Gregoras IX cap. 3 § 2.
') .Archidiaconus ierat ad venanduni', Smiciklas, Cod. dipl. 4, 318.
') Mon. serb. 565.
») Imelnik (von imela Mistel, Viscum album) bei Daniel 73 (fehlt im Rjecnik der Südslav. Akademie).
'") Herausgegeben von E. Kurtz im Viz. Vremennik 12 (1906) 79—88.
Staat und Gesellschaft iii mittelalterlichen Seebien III.
55
lat. : accipiter sive sparaverius, austur, terciolus,
faleo.i) An der Küste fing man sie mit Netzen
auf den Bergen von Canali und auf den felsigen
Inseln des Meeres. Besonders geübt waren darin
die Lagostaner, welche jährlich eine Anzahl Fal-
ken ihrem Comes abzuliefern hatten ; sie suchten
sie auf der ganzen Küste, südwärts bis Valona.
Mühselig war die Abrichtung des Tieres, schwie-
rig und verwickelt die Prozesse wegen der Eigen-
tumsrechte.-) Bei den Patriziern von Eagusa
hatte der Jagdfalke vergoldete Schellen auf den
Füßen (sonagiie, campanelle in pedibus). Schon
in einem der ältesten Denkmäler der slavischen
Literatur, in der Vita des Slavenapostels Kon-
statin (Kyrill) ist die Eede von der Falkenjagd.
Dem jungen Konstantin entriß der Wind auf
der Jagd vor den Toren von Thessalonich seinen
Falken und dieser Verlust führte ihn zur Fröm-
migkeit und zu ernsten Studien.^) Abgebildet
sind die Jagdfalken auf den mittelalterlichen
Grabsteinen in Bosnien.^) Die Beize wird auch
im Volkslied oft erwähnt. Die Helden führen
dort mit den Falken Gespräche wie mit treuen,
alten Freunden. Ein handschriftlich erhaltenes
altes Lied in Langzeilen erzählt, wie Herzog
Stephan einen schönen, grauen, drei Jähre alten
Falken, den er auf seiner rechten Hand zu tragen
])flegte, mit einer Botschaft zu Knez Dabisa\'
auf die von den Türken bedrängte Burg Samobor
sendete. Doch der , treue Vogel' (vjerna ptica)
brachte bitter weinend nur die Trauernachricht
zurück, Dabisav habe die Burg an die Türken
verraten.^) Heute, wo kaum in einigen ent-
legenen Gegenden Bosniens und Albaniens Eeste
dieser altertümlichen Jagd vorkommen, lebt sie
im Gedächtnis in Sagen und Liedern fort.^)
Bei der Freude an der Jagd hatte man auch
Interesse für gefangene oder gezähmte Tiere.
Der Großzupan Nemanja brachte in Nis 1189
dem Kaiser Friedrich I. als Geschenk sechs See-
hunde (boves marines seu focas), einen gezähm-
ten Eber und drei zahme Hirsche. Sein Sohn
Stephan, der spätere erstgekrönte König, erhielt
vom ungarischen König Andreas IL auf der Zu-
sammenkunft in Eavno (Öuprija, um 1215) ge-
fesselte Auerochsen beiderlei Geschlechtes (turi
i turice) und ,saracenische Einder'.'') Der Groß-
vojvode Sandalj und der Herzog Stephan pfleg-
ten den Eagusanern als Neujahrsgeschenke
Hirsche zu senden. Als ein Bosnier 1445 dem
Patrizier Marinus Junii de Georgio einen Bären
als Geschenk vom Comes Vukasin brachte, kamen
ihm in Gravosa zwei junge Nobiles entgegen,
welche ihre Dolche zückten und das Tier aus
Übermut niederstachen.*)
Viele Unterhaltungen waren nur eine
Waffenübung. An Festtagen übte man sich
in den Ländern der Halbinsel überall, in den
Städten ebenso wie im Hirtendorf, im Bogen-
schießen. Dabei geschah es einmal bei der
Burg Prosek am Vardar, daß ein kleiner Knnlie
plötzlich zum Ziel lief und durch den Pfeil
seines ahnungslosen Vaters, des Hirten Dragan,
getroffen tot niedersank.®) In Novo Brdo pfleg-
ten die dort wohnenden Eagusaner vor der
Stadt Übungen mit Bogen und Armbrust abzu-
halten (pro ludendo ad arcum et balistam 1413).
In Eagusa heißt noch gegenwärtig der Platz
am Meere vor der Porta Pile ,Bersalia' (ital.
bersaglio Scheibe, Sehießhaus) ; dort war schon
im 14. Jahrhundert die Schießstätte für Bogen
und Armbrust (bersalia balistariorum.)
Schwerttänze gehörten zu dem Spiel der
Eusalien (Eusalije, 'PoucaXia), welches von
dem spätrömischen Eosenfeste der Eosalia
stammte und von der Kirche am VI. Konzil
(680) als heidnisch verboten wurde.'") Etwas
Ahnliches war das gotische S]iiel {~o Fo-O'.y.bv) im
') Jastreb bei Daniel 145, Gundulid u.a. Kraguj, kragujac in der Vita des hl. Kon.stantin (Cyrill) von Tliessa-
lonich, in Bulgarien, in Ragusa, bei Konstantin dem Philosophen, bei Marulii usw. Vgl. Rjecnik. Kraguj, in allen sla-
vischen Sprachen bekannt, ist alttürkischen Ursprungs, TOn karagu der Sperber; vgl. von Kraelitz-Greifenhorst, Corollarien
zu Miklüsich, S. Ber. W. Akad. IGt;, Abh. i (1911) 30.
') In Ragusa verkaufte man 16i'i ,austures' oder ,falcones', .conipletos pennis et sanos' um 1 — 2'/» Golddukaten.
Div. Rag. ') Vita des Konstantin (Cyrill) nach der Einteilung von Safai^ik cap. III.
*) Hoerne», Altertümer der Hercegovina, S. Ber. W. Akad. 99 (1881) 820 Fig. 3.
^) Bügisii, Nar. pjesme 132 (Nr. 51).
^) Hahn, Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar, Wien 1867 (Abdruck aus den Denkschr. W. Akad. Bd. 16) 91
(DibraV Hörmann, Die Falkenbeize in Bosnien und der Hercegovina, Wiss. Mitt. 2 (1894) 501— .505 mit 4 Abb. (Bosnien).
') Ansbert, Fontes reruui austriacaruni 5, 22. König Stephan cap. 20.
*) Lamenta de foris 1445 f. 82 v.
') Demetrios Chomatianos Nr. 131 an den Bischof von Strumica.
'") Vgl. Murko, Das Grab als Tisch 142 f. Die röm. Rosalia waren ein Ahnenfest im Frühling, bei welchem man
Rosen aufs Grab legte. Murko leitet davon die serbische Totenfeier am zweiten Montag nach Ostern ali, das dru/.icalo
oder ruzicalo.
56
II. Abhandlung: Constantix Jirecek.
Konstantiuopler Kaiserpalast; am neunten Tag
nach (lern Christfest führten zwei Abteilungen
aus den Demen der Hauptstadt vor dem Kaiser
Tänze auf, indem sie mit Stöcken auf ihre
Schilde schlugen und unter dem Klang der
::av3o6pat lateinische Lieder sangen. Der Erz-
bischof Demetriüs Chomatianos schildert die
,Rnsalia' ('PouaäAia) in Makedonien in seiner
Zeit (um 1230). In der Woche vor Pfingsten
zog eine Schar Jünglinge mit Spielen, Tänzen
und Sprüngen durch die Dörfer und Hirten-
lager und sammelte Geschenke. In der Pro-
vinz von Moliskos wollte der Häuptling eines
Hirtenlagers (t^; (^-avspac •nipiiaxänsvo; ) keinen
Käse schenken; als es deswegen zu einer Prüge-
lei kam, geschah es, daß ein Hirt einen der
Tänzer mit einem Schwerte niedermachte. Dies
beweg den Erzbischof zur Erneuerung der alten
kirchlichen Verbote dieser heidnischen Ge-
bräuche. Nach der Beschreibung von Sapkarev
zogen noch in unserer Zeit im südlichen Make-
donien bei Jenidze-Vardar, Avret-Hissar und
Knkus zwölf Tage nach Weihnachten die ,Ru-
salienscharen' (Rusalijski druzini) herum, zehn
bis dreii^ig Paare junger Männer in bunten
Kleidern, mit Trommeln und Sackpfeifen. Der
Anführer trägt eine Axt, seine Genossen
Schwerter. Niemand von ihnen darf ein Wort
sprechen. Schweigend führen sie unterwegs auf
Kreuzwegen, bei Quellen, unter Baumgruppen,
vor alten Kirchen und Gräbern ihre Tänze aus.
In den Dörfern werden sie von den Bauern be-
Avirtet und mit Getreide oder Geld beschenkt.
Wenn aber zwei solche Gesellschaften zusam-
mentreffen, gibt es eine Schlägerei, oft mit "Ver-
wundeten oder gar Toten. Den Schluß bildet
ein Gottesdienst. Wie weit diese Sitte im
Mittelalter nordwärts in das Innere der Halb-
insel verbreitet war, ist nicht bekannt. Die
kanonischen Bestimmungen gegen die ,Eusa-
lije' sind auch in altserbischen Übersetzungen
zu lesen.^) Sonst beschränkt sich die Erinne-
rung daran nur auf einen Flurnamen Eusalije
in der Urkunde von Decani.^) In Bulgarien
ist dieser Name in Ortsbezeichnungen heute
noch wohl bekannt ; er erscheint dort stets in
Verbindung mit den Elfen (samodivi), bei ein-
samen Gräbern und Hainen. In vielen Ländern
hat man die heidnischen Eosalia auf das christ-
liche Pfingstfest übertragen: im mittelalterli-
chen Latein (pascha rosarum, in Eagusa um
1320 ,pasqua de rosalia', ,pasca rosaliarum'), in
kirchenslavischen Denkmälern, bei den Eagu-
sanern und Cattarensern (rusalje), Albanesen,
Eumänen und Bussen.^) Die im byzantinischen
Nomokanon gleichfalls verbotenen Feste der
K a 1 e n d e n des Januars sind auch den Sla-
ven bekannt geworden; die Eagusaner nannten
das Neujahrsfest, das mit eigenen Liedern und
Austausch von Geschenken gefeiert wurde, K o-
1 e n d e (donum pro cholendis)."*)
Eine Vorübung zum Kriege waren auch die
Eeiterspiele. Im Hippodrom von Konstantino-
pel sind sie bis zur türkischen Eroberung nicht
verschwunden. Kaiser Manuel Komnenos ließ die
Eeiterspiele mit großen Schilden und langen
Lanzen ohne Spitzen aufführen (auTÖ^uXa oopaT«).^)
Ein von Lampros herausgegebener Text be-
schreibt eine Malerei, welche die Eeiterspiele
(;u>,o-/.ov-:ap:ai , ital. giostra) darstellte, mit
weißen, schwarzen, braunen und scheckigen
Pferden, die Eeiter in goldgestickten Purpur-
kleidern mit Schilden.") Kaiser Isaak Angelos
veranstaltete nach den bulgarischen Feldzügen
Wettkämpfe zu Pferde {'Ixtmv äpitAXai)-'') Es ist
merkwürdig, daß in den slavischen Übersetzun-
gen die Bestimmungen des byzantinischen
Kirchenrechtes über das Wettrennen (uriska-
nije, &[j.CKka) zu Pferde und zu Wagen (koles-
nica) stets genau mit eigenen Termini übersetzt
sind. Altserbisch hieß der Eennplatz p o t i-
ciste.*) In Pristina gab es alljährlich eine
') Konstantill Porph. ed. Bonn. 1, 381 f.; 2, 360 f. Demetrios Chomatianos ep. Nr. 120. Mattiiaios Blastares, serb.
Cbersetzunsr, lieraus?. von Xovakoviä S. 256 (E, 3). Miklosicli, Die Rusalien, Wien 1864 (S. Her. W. Akad. 46). K. A.
Sapkarev, Kusalii, bulg., Philippopel 1884. A. N. Veselovskij, Die Jänner-Rusalien und die gotischen Spiele in Byzanz:
Zuriial des rusB. Unterrichtsministeriums 1886 Sept. (vgl. Jagi6 in Arch. slav. Phil. 10, 244). Carl Kraus. Das gotische
Weihnachtsspiel, Beiträge zur Geschichte der deutsclieu Sprache 20 (1895) 224—257 (über die lat. Texte bei Konstantin
Porph.). Vgl. Krumbacher, Gesch. der byz. Literatur, 2 A., 256. ") Mon. serb. 92.
') Miklosich, Die christliche Terminologie der slav. Sprachen (Denkschr. W. Akad. Bd. 24, 1875) S. 25.
*) Auch im Statut von Eagusa (1272) I, cap. 7—10, 17, 27—29 (dare pro Kallendis).
') Kinnamos III cap. 16 ^) Lampros im Mo; 'EXXrivo|j.vr][jL(i>v 5 (1908) 1 ff.
') Niketas Akominatos ed. Bonn. p. 520.
') Übersetzung der Alexandreis, herausg. von V. Jagii, Starine 3, 215, 229—230: po srbskomu jeziku narecet se po-
teCisde; potecenje; na konskom teku tedati. Meine Abb.: Reiterspiele im mittelalt. Serbien, Arch. slav. Phil. 14 (1892) 73 — 76,
Nachtrag ib. 15 (1893) 457—459 (poti(;isto, potizista). Novakovid, Kalugjer i liajduk (Belgrad 1913) 53 f. hat die Form poteciste.
Staat und Gesellschaft im jiittelalterlichen Sekbien III.
57
Art Eingstecben auf einem von wenigen Stroh-
hütten umgebenen Platz außerhalb des Ortes.
Die Reiter kamen in voller Eüstung, mit Streit-
kolben, Schwert, Bogen und Pfeil und rannten
mit eingelegten Lanzen, um einen auf einer
Stange aufgesteckten Handschuh zu heben. Am
Weihnachtstage 1-435 beteiligten sich dabei No-
biles (Gondola, Calich, Lucari) und Poindane
aus Pagusa mit ihren Dienern und ein Patrizier
(Tani) aus Dulcigno. Ein Ringstechen gab es
nach der Schilderung des Philippus de Diversis
in Ragusa selbst am Festtage des Stadtpatrons,
des hl. Blasius (3. Februar). Sieger war der-
jenige Reiter, welcher den silbernen Ring (cir-
culus argenteus) dreimal herabnahm, und zwar
wurden drei solche Ringe nacheinander aufge-
hängt.^) Ein Eeiterspiel (giostra) mit Ring-
steehen gab es auch in Zara in der , Galle Car-
riera' die ganze veuetianische Zeit hindurch,
seit 1409. Selbst in Venedig, wo man heutzutage
kein Pferd erblickt, schildert Martino da Canal
im 13. Jahrhundert ein feierliches Turnier auf
dem Markusplatz; Venetianer und fremde Ritter
brachen die Lanzen vor dem Dogen und vor den
in den Fenstern der l'aläste und in eigenen
Logen, die aus Seidentüchern hergestellt waren,
versammelten Edelleuten und ihren Frauen.-)
Ein Turnier, zwei mit Lanzen bewaffnete Reiter
einander gegenüber, zwei zwischen ihnen ste-
hende Pagen und im Kreis herum die Zuschauer,
ist auf einem hercegovinischen Grabdenkmal
im Tale des Trebizat abgebildet.'') Orbini er-
zählt nach einer ihm vorliegenden Quelle, daß
Stephan Dusan seinen Höflingen oft Pferde,
Geld, goldene und silberne Gürtel, Seiden- und
Tuchkleider schenkte; er wünschte, daß sie gut
gekleidet seien und sich in den Waffen üben,
wobei er oft Reiterspiele (giostre) und Turniere
(bagordi) aufführen ließ und den Siegern GfC-
schenke machte.*) Der letzte Überrest dieser
alten Spiele ist das Ringstechen (alka) am
Kaisertage in Sinj in Dalmatien. Reiter in alter
Tracht, in hohen Otter- und Marderfellmützen
mit weißen Sehwanfedern suchen einen eisernen
Ring, der auf einem Seil zwischen zwei Masten
aufgehängt ist, in voller Carriere mit der Lanze
her abzu nehmen . ^ )
Jede Feierlichkeit war mit Gastmählern (pir
von piti) und reichlichem Essen und Trinken
verbunden. Dabei wurde in ausgedehntem Maße
Gastfreundschaft geübt. Trinksprüche, die man
z d r a v i c a (von zdrav gesund, zdravlje Gesund-
heit) nannte, durften nicht fehlen, ganz wie in
unseren Tagen. Der Ausdruck ,zdravica', wel-
cher mitunter auch einen Glückwunsch bedeu-
tete, war auch den Venetianern so geläufig, daß
ihn Ambrosio Contarini 1473 auf die Trink-
sprüche am Hofe des Königs von Georgien im
Kaukasus anwendet.^)
Bei allen Festen im Hause und außer dem
Hause, besonders bei den Hochzeiten, wurde ge-
tanzt (igrati, plesati, lat. ballare, chorizare, tri-
pudiare), im Dorfe auf einem bestimmten Platz
(igriste). Herrschend ist auf der ganzen Halb-
insel der feierliche, der provenzalischen Faran-
dola ähnliche Tanz in langen Reihen, abgebildet
auf den bosnischen Steingräbern. ^) Man nannte
ihn im Mittelalter, wie heute, kolo (Kreis).
In Ragusa war es üblich, daß ein fröhlich durch
die Straßen hüpfendes ,kolo' der Dienstmädchen
oder junger Männer den Bräutigam zur Hoch-
zeit abholte, bis der Senat 1515 die Sitte verbot.*)
In dem illustrierten, altserbischen Psalter liest
man für diesen Tanz auch den griechischen Aus-
druck horo (igrati choro), der jetzt in Bul-
garien und Rumänien allgemein bekannt ist.^)
Das sind die Tänze (-/ipsb) von Männern, Jüng-
lingen und Knaben, die Nikephoros Gregoras
') Philippus de Diversis ed. Brunnelli p. 95.
') Martino da Canal, Archivio storico italiano 8 (Firenze 1845) 420 — 4'_'4. Noch im 14. Jahrhundert: Cocchetti, Arch.
veneto 27 (1884) 41.
') Hoernes a. a. O. 542 Fig. 12. Truhelka, Wiss. Mitt. 3 (1895) 417.
*) Orbini 260.
^) t)ber die Alka, die ich am 18. August 1891 gesehen habe, und die dabei üblichen Gebräuche meine Bemerkungen
im Archiv slav. Phil. 15, 458.
^) Zdravica als Glückwunsch: am 28. Dezember 1363 ein Geschenk des Senates von Ragusa im Werte von 10 Perper
.pro sdravii;a' an den Edelmann Povrsko, Mon. Rag. 3, 294. Ambrosio Contarini 1473 über den Hof des Königs von
Georgien: ,Mangiato che si hebbe, si misero a far sdraviza', Viaggi t'atti da Viuetia alla Tana etc., Venedig 1545 p. 76B.
In Dalmatien (Cattaro, Arbe usw.) im 16. Jahrhundert: Ljubii'-, Rad 40 (1877) 140—141.
') Truhelka, Wiss. Mitt. 3 (1895) 417.
») ,Collo' 1515, Arch. Slav. Phil. 21 (1899) 423.
') Strzygowski und Jagid, Die Miniaturen des serbischen Psalters in München, Denkschr. W. Akad. 52 (1906)
S. XLI.
Deiikscbriftcn i]pr phil.-liist. Kl. 68. Bd. 2- Anfi. 8
58
II. Auhaxdixng: Constantin Jikecek.
auf der Heise nach Serbien am Ostertage in
Strumica (1328) gesehen liat-^) Trotz aller Ver-
bote alter Konzilien war es bei den Lateinern
des Kiistcnlantles iihlieh am Vorabend großer
Festtage im Innern der Kirchen zu tanzen. In
Eagusa tanzten vor dem Fest des hl. Blasius
Männer und Frauen, begleitet von dem S]nol der
Flötenbläser (fistulatores), in der Domkirche, im
Hofe der Peterskirche und im Freien auf dem
Stadtplatz (platea). Erst 1425 wurden Tänze und
Gesänge im Innern des Domes verboten.^) Außer-
halb der Kirche tanzten dann am Nachmittag
des Blasiusfestes junge Nobiles beider Geschlech-
ter bei den Klängen von Flöten und Schal-
meien.^) Die Hrant des Despoten Lazar,
Schwiegertochter des Desiioten Georg, wurde bei
der Durchreise 144(1 eingeladen nach dem Essen
mit den E(K'lf rancn von Ragusa in dem Saal des
Kegierungspalastes zu tanzen.*) Ein Überrest
dieser alten Sitten ist heute in Cattaro ,il ballo
di San Trifone', ein feierlicher Eeihentanz am
Vorabend des Festes des Stadtpatrons (3. Feb-
ruar) aiif dem Platz vor der Domkirche, in An-
wesenheit des Bischofs ausgeführt von der alten
Matrosenzunft der Stadt, der ,Marinerezza' in
alten Waffen und Kostümen. Im Erzbistum von
Antivari wurden Tänze und Gesänge in den
Kirchen l^ei Hochzeiten noch im 17. Jahrhundert
verboten.'')
Die Masken des Karnevals waren meist Tier-
masken. In Eagusa zog im Karneval noch in
den letzten Jahren der Eepublik eine ]\Iasken-
gruppe durch die Stadt, darunter eine Vila
(Bergnymphe) mit langem Haar und die Turica
(Aueröchsin) mit Pferdekopf auf langem, zot-
tigem Halse.*') Am 0. Februar 1412 beschloß das
Consilium minus ein Geschenk von 4 Perper
den ,ioculatoribus Turi(;e' zu geben. Dies er-
innert an den Umgang des ,Aueröchsleins' (tu-
ronek) in Galizien, bei welchem zwei Jünglinge
einen dritten in einer Holzmaske mit langer
Zunge aus rotem Tuch herumführen. Miklosich
leitet die Bezeichnung der Pfingsten bei den
Slovaken als Auerochsenfest (turice) von solchen
Maskenzügen ab.') Am 1. Mai zog in Ragusa
die Schusterzunft durch die Stadt mit fröhlichem
Tanz, in ihrer IMitte der B e m b e 1 j, ein mit
grünen Blättern und verschiedenen Blumen ganz
bekleideter Jüngling, welcher in der Hand eine
lebende, nicht giftige Schlange trug.*)
Leute, die sich langweilten, gingen in die
Weinschenke (krcma, gostinnica, in Eagusa
tovjerna aus taberna), deren Betreten den Prie-
stern, Mönchen und Eremiten vom byzantini-
schen Kirchenrecht ganz verboten war, ausge-
nommen im Notfalle auf Eeisen. Im serbischen
Volkslied pflegt auch König ^fai-ko in der kühlen
Schenke Wein zu trinken. In Ragusa waren die
Weinverkäuferinnen oder Kellnerinnen meist
Frauen (tovjernarica aus lat. tabernaria oder
krcmarica). Im 14. Jahrhundert wurde in diesen
Weinkellern mit Würfeln (ad taxillos) um Wein
gespielt und natürlich auch gerauft. Würfel
waren auch in Serbien wohlbekannt, unter den
Namen t a v 1 i j a oder z a r (vom ludus azari,
franz. hasard).^) Spielkarten (ludere ad cartas
1438), die in Italien erst im 14. Jahrhundert
auftauchen, und das Schachspiel (scacchi 1422)
werden in Eagusa spät erw^ähnt.
Von den Musikinstrumenten ertönte die na-
tiimale Geige, die g u s 1 i (Plural), deren Saiten
mit einem ,kleinen Bogen' (lucbc) gestrichen
wurden, wie erwähnt, schon bei der Tafel des
Königs Stephan des Erstgekrönten (s. oben
3, 38).^") Sei-bische (Tciger werden 1415 am
Hofe des polnischen Königs Wladislaw Jagiello
') Nikoplioros Gregoras VIII cap. 14 § 6.
') ,Ballaro vel coreas tlucere aut cantilenas facere vel canere in maiori ecclesia S. Marie' verboten 1425. Gesetzbncli
Liber Viridis cap. I'.t4 (bisher ungedruckt).
") Philippus de Diversis p. 94.
*) Jorga, Notes et extraits 2, 416.
') Jjjubii, Rad 40 (1877) 144. Von Interesse sind die zahlreichen au die lateinischen Kleriker Dnlmatiens erlassenen
Verbote sich an Tänzen, Schauspielen, Maskenzügen zu Ijeteiligen; vgl. Jagii, Rad 37 (1876) 44 f. und Ljubic. eb. 40, 139f.
•) Abbildungen dieser Maskon bei Appendini, Notizie, Bd. 1 (1802). Über altslavische Spiele und Masken bei den
Hochzeiten Niederle a. a. O. 1, 107 f.
') Miklosich, Die christliche Terminologie der slav. Sprachen, Wien 1875 (Denkschr. W. Akad. Bd. 24) S. 26.
") Wie mich Resetar aufmerksam macht, wird dieser Bembelj schon im Lied der ,Schusterbruderschal't', der ,fratilja
od crevljara' von Antun Sasin (16. Jahrhundert) erwähnt, Stari pisci IC, 172. Abbildung bei Appendini a. a. O. Beschrieben
auch von Vuk, Lexicon unter liembelj.
*) Tavlija in der Übersetzung des Blastares. Über zar vgl. Jagic, Starine ö, 20 und 10, 94.
'°) Im Mittelalter stets gusli (Plur.), in der Neuzeit gusle (Plur.) oder gusla (Sing.), vgl. Rjecnik. KiOipa wird in
kirchlichen Texton mit gusli, selten mit pregudnica wiedergegeben (Psalterium Bononiense ed. Jagio 1907 p. 2), Xupa
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien IIT.
59
genannt.') Ebenso kennt die serbischen Geigen
(serbskie skrzypki), welche den melancholi-
schen Vortrag epischer Lieder begleiten, der
polnische Dichter ^Miaskowski (11622).^) Vom
Hirtenleben unzertrennlich war die Ilirten-
pfeife, wie denn Pfeifer (svirLc) schon in der
Zeit des Stephan Dusan urkundlich vorkom-
men,^) und der Dudelsack (mjeh, mjesina), in
Eagusa im 14. — 15. Jahrhundert in den lateini-
schen Archivbüchern als c o r n a m u s u er-
wähnt. Ebenso war es den Hirten leicht, ein
Hörn zum Blasen herzurichten (rog, lat. cornu
ad pulsanduin).
Neben serbischen Musikern gab es auch
fremde Künstler. Im 13. Jahrhundert war in
Serbien in der Zeit des Erzbischofs Sava I.
neben dem einheimischen Possenreißer (glumBc)
der deutsche , Spielmann' bekannt; im serbi-
schen Te.xt des Xomokanon liest man vom
i p i 1 m a n an der Stelle über den [iv^oc des
Originals."*) Deutsche Musiker standen zeit-
weilig in den Diensten der Stadt Eagusa: der
Dudelsackpfeifer Kunz (Ohuncius cornamusa
Theotonicus) und die Trompeter (sonatores)
Elias und Johannes, alle drei 1379, der Flöten-
bläser (fistulator) Hans 1383, die Pfeifer (pi-
farus) Petrus de Colonia 1416 und Matheus
Theotonicus 1444. Noch der dichtende Bene-
diktiner ]\Iaurus Vetranic erwähnt im 16. Jahr-
hundert in einem Maskenlied die ,trumbetari'
und ,pifari' aus ,Alamannien', welche Wein ohne
Wasser wacker zu trinken (trinkati) verstanden
und von ihren ,liebeii Frauen' dort weit im
Westen zu sprechen pflegten, denen sie nach
ihrer Heimkehr in die Heimat die berühmte
Stadt Eagusa loben werden.^) Deutschen Ur-
sprungs sind auch die Worte frava (Frau),
zweimal in den lyrischen Gedichten des Mence-
tic (Ende des 15. Jahrhunderts) zu lesen, und
1 i m f r a (Liebfrau, im Ejecnik unrichtig als
Nymphe oder Jungfrau gedeutet) in dem soeben
erwähnten Gedicht des Vetranic.'^) Andere
Musiker waren Griechen. Die Trompeter (tu-
betae) der Stadt Eagusa stammten 1424 — 1456
aus Arta und Kreta; die Brüder Theodor und
Johannes erhielten 1426 Urlaub auf vier Mo-
nate zum serbischen Despoten Stephan, 1428
zum bosnischen Großvojvoden Sandalj, um sie
mit ihrem Spiel zu erfreuen. Andere Künstler
waren in Eagusa Serben, wie der ,trumbeta'
Dragan aus Prizren 1335, Italiener, Kroaten
aus Zengg oder Agram, wie der ,tubicen' Nico-
laus de Zagabria 1411 — 1414, Albanesen aus
Durazzo oder Drivasto usw. Bei den Hoch-
zeiten der Fürsten wurden sie von der Ge-
meinde zu den benachbarten Höfen gesendet.
Die Musiker der einheimischen Fürsten-
höfe werden im 15. Jahrhundert oft erwähnt,
weil sie in Paaren oder in ganzen Gesellschaf-
ten (societas, brigata) an Feiertagen, besonders
zum Feste des hl. Blasius nach Eagusa kamen
und dort von der Eegierung beschenkt wurden.
Im April 1408 erhielten zwei Trompeter (tu-
batores) des ,dominus dispotus Sclavonie' ein
Geschenk von 60 Perper in Tüchern. Oft ge-
nannt werden die Pfeifer (piffari) des bosni-
schen Königs, des Großvojvoden Sandalj und
des Herzog Stephan, der Adelsfamilien der
Pavlovici und Zlatonosovici, die Trompeter
(sonatores, tubete) der Balsici. des bosnischen
Königs u. a., die Dudelsackpfeifer (gampogna-
tores 1454) des Herzogs Stephan, die Trommler
(gnacharini, von nachari, altfranz. naquaires,
einer Art Trommel) des Sandalj und der Pavlo-
vici, die Lautenschläger (lautarii 1450 f.) des
Königs von Bosnien. Daneben kamen seit 1399
auch Spaßmacher oder Jongleure (ioculatores,
zugularii, histriones, buflones) des bosnischen
Königs und seiner Edelleute; z. B. 1455 erhielt
ein ,butfonus' des Herzogs Stephan, namens
Mrvac, ein Geschenk in Kleidern.
Gesungen wurde viel von Leuten jeden
Standes, bei jeder Gelegenheit, bei Hochzeiten
und anderen Festen, bei der Feldarbeit, beim
Viehhüten oder z. B. bei dem Auspressen der
Früchte in der Olivenmühle,'') ebenso auf den
langweiligen Märschen der Karawanen durch
Wald und Gebirge. Eigener Art waren die
mit cevnica (cev Röhre), womit Neuere eine Orgel bezeichneten. Über die Musikinstrumente: Fr. S. KuhaO. Beiträge zur
Geschichte der südslav. Musik, Kad 38 (1877) 1 f . (Abbildungen der gusli S. 3, alte Zeugnisse S. 52 f., 59 f.}; Vlad. Kara-
kasevi6, Gusle i guslari, Letopis 195 (1898) 1 f. (mit Abbildungen).
') Tersako\ec, Arch. slav. Phil. 29 (1907) 237.
') Jagid, Rad 37 (1876) 118.
') Urk. 1353 an der Psina: Florinskij, Pamjatniky 148 A.
*) Jagid, Starine 6, 81 und Kad 37 (187G) 73.
") Stari pisci 3, 248—250.
«) Jagii a. a. O. und Marko, Arch. slav. Phil. 28 (1906) 383.
') In Sebenico 1487 nach Sisgoreus, Gradja 2 (1899) 11.
8*
60
IL AiiiiAXDi-rNo: Constaktix Jikecek.
Klagegesänge bei den Begräbnissen.') Sogar
die Gebete wurden im Küstenland in Gesangs-
form rezitiert, in Eagusa sogar das Vater-
unser.-)
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß ein
großer Teil der Geschichte des Presbyters Dio-
cleas aus epischen Volksliedern zusammenge-
stellt ist. Ausdrücklich werden Lieder (pjesni)
seit dem Ende des 12. Jahrhunderts erwähnt.
Lyrisch und erotisch waren ohne Zweifel die
,unreinen und schädlichen Lieder', welche
Eastko, der spätere hl. Sava, als Jüngling
haßte und verabscheute. Als dieser Sohn Ne-
manjas, statt zu heiraten, auf den Athos ent-
floh (um 1192), um Mönch zu werden, hat man
darüber ,Lieder ausgedacht und gesungen';
eine allerdings stark veränderte Version hat
sich sogar bis heute erhalten.^) Nikephoros
Gregoras schildert in der Erzählung über seine
Gesandtschaftsreise nach Serbien (1328) den
nächtlichen Marsch durch einen dichten Wald
zwischen den Flüssen Strymon und Strumica.
Die Begleiter hatten in der Finsternis keine
Furcht und sangen den Kuhm von Männern
(•/.Asa ävSpwv), von denen der klassisch gebildete
Byzantiner nie etwas gehört oder gesehen hatte,
mit trauriger Melodie und lauter Stimme, so
daß die Abhänge und Schluchten mächtig
wiederhallten.**) Diesen nächtlichen Marsch-
gesang kennt heute noch jedermann, der in
Serbien und Bulgarien herumgewandert ist.
Auch die epischen Lieder der alten Türken
wurden, wie Bertrandon de la Broquiere er-
zählt, nachts zu Pferde gesungen.^) Bei Cam-
blak wird König Uros III. nach dem Sieg über
die Bulgaren (1330) vom Volke mit ,Sieges-
liedern' (pobednyjmi pesnmi) begrüßt.'') Auch
die Erzählungen des Michael Konstantinovic
von Ostrvica aus dem 15. Jahrhundert über
die ältere serbische Geschichte sind wahrschein-
lich meist aus Liedern geschöpft, die er in
seiner Jugend gehört hatte. Der Vortrag epi-
scher Lieder gehörte in Osteuropa aber nicht
nur zum nächtlichen Marschgesang, sondern
auch zur Unterhaltung der Gäste bei den
Tafeln, wie es schon Priscus über den Hof des
Hunnenkönigs Attila berichtet. Der Venetia-
ner Ambrosio Contarini war 1473 auf der Reise
aus Polen nach Kaffa in der Krim unterwegs
Gast des Gouverneurs von Kiev, in der Gesell-
schaft zahlreicher Edelleute, und erzählt, daß
dort während des Essens einige Sänger Lieder
sangen.') Krizanic verzeichnet im 1". Jahr-
hundert, daß bei den Kroaten und Serben in
den Häusern der Adeligen und Kriegsleute
während der Gastmähler hinter dem Eücken
der Gäste Krieger standen, welche Lieder über
die Taten alter Helden sangen.^) Von den epi-
schen Gesängen der Serben hat sich keine
Niederschrift aus dem Mittelalter erhalten.
Erst mit dem 16. Jahrhundert beginnen Auf-
zeichnungen von Texten. Doch darf man des-
wegen die Entstehung der serbischen Helden-
lieder nicht gar zu spät ansetzen, denn der
Mangel älterer Überlieferung ist nur ein Zu-
fall.^) Im Laufe der Zeit haben sie allerdings,
wie die Volkslieder aller Völker, in Form und
Inhalt manche Wandlungen durchgemacht.
Man kann z. B. nach dem Inhalt nicht be-
zweifeln, daß das mittelgriechische Epos über
Digenis Akritas um die Mitte des 10. Jahr-
hunderts an der damaligen byzantinisch-arabi-
•) Die Klageweiber der Ragusaner schildert Philippus de Diversis p. 129. Das Consilium Minus Ton Ragusa hat am
U.April 1498 verboten ,chiamar feniiue de fora de la casa del morto ad cantar.' Busbeck und Gerlach im 16. Jahrhundert
über Totenklagen bei Smederevo und Jagodina; vgl. Jagid im Rad 37, 116f. Vgl. Niederle, Zivot star^ch Slovaniiv 1,
247 A. 2.
») Kine Frau Stanula singt in Ragusa 1407 abends im Haushof das Vaterunser: ,ibat per aulam cantando Pater
noBter.' Liber maleficiorum 1407 — 1410 Arch. Rag.
=>) Theodosij bei Pavlovi6 16, 29. Domentian 27. Novakovid im Arch. .slav. Pliil. 4 (1880) 317—323; V. Corovid
eb. 28 (1906) 629—633.
*) Nikephoros Gregoras VIII cap. 14 § 4.
') Vgl. Jorga, Geschichte des osmanischen Reiches 1, 463.
•) Glasnik 11 (1859) 75.
') jllavevano alcuni cantori, i (juali mentre desinammo cantavano.' Viaggi fatti da Vinetia alla Tana etc., Venedig
1545 p. Ol 13.
") Vgl. Jagid im Rad 37 (1876) 119 und Bogisid, Narodne pjeemo, Vorrede 83 A. 1. Gegenüber den epischen Marsch-
liedern und Tafelliedorn der Slaven vgl. die Hypothese des Gaston Paris, daß die altfrauzösischen epischen Lieder ursprüng-
lich Tanzlieder waren.
") Andra Gavrilovid im Rad 153 (1903) •209—226 und Glas 72 (1907) 127—168 verlegt die Entstehung des serbischen
Epoe HUB kurzen episch-lyrischen Gedichten erst in das Ende des 16. oder in den Anfang des 17. Jahrhunderts. Dagegen
spricht sich aus Jov. Tomic, t)bor die serbischen epischen Volkslieder (O srpskim narodnim ejiskim pesmama), Belgrad 1907.
Staat unu Gesellschaft im mittelalterlichen Sekbiex III.
Öl
sehen Grenze in Kappadokien und am oberen
Euphrat entstanden ist; die Handschriften der
bisher bekannten fünf Bearbeitungen gehen
aber nach Krumbacher nicht über das 15. Jahr-
hundert zurück. 1) Ebenso ist im russischen
Volksepos der Zyklus des Fürsten Vladimir
Monomach (1113 — 1125) alt, mögen die Nieder-
schriften erst mit der Neuzeit beginnen.
Es ist merkwürdig, wie im serbischen
Volksepos, soweit es aus Aufzeichnungen der
letzten dreihundert Jahre bekannt ist, die Zei-
ten vor Nemanja der Vergessenheit verfallen
sind. Von historischen Personen erscheinen
Nemanja, sein Sohn der hl. Sava, nur trüb der
ICönig Milutin, etwas besser Uros III., der
Gründer von Decani, ebenso die Feldherrn des
14. Jahrhunderts Hrelja und Momcilo, dagegen
sehr klar ,Car Stephan', unzertrennlich von
seiner Eesidenz Prizren, sein Sohn Carevic
Uro.?, endlich König Vlkasin mit seinem Bru-
der, dem Despoten ügljesa. Reichhaltiger ver-
treten ist der Schluß des Mittelalters durch die
zwei großen Liederkreise über Marko ,den
Königssohn' (Kraljevic), den König JMarko
(1371—1394) der Geschichte,^) und über die
Schlacht auf dem Amselfelde (Kosovo polje)
im Jahre 1389.') Besungen wird auch das Zeit-
alter der Despoten, Herzog Stephan, der Grün-
der der Herzegovina, die Crnojevici von Monte-
negro usw.*)
Die erhaltenen Lieder teilen sich nach dem
Versmaß in zwei GrujDpen. Alter sind die heute
ausgestorbenen, nur handschriftlich erhaltenen
Lieder in Fünfzehnsilbern oder Sechszehn-
silbern. Diese, wie Jagic sagt, ,feierliche Lang-
;^eile' erinnert äußerlich an den fünfzehnsilbi-
gen ,politischen' Vers der byzantinischen Dich-
tung. Eine Eigentümlichkeit sind zeitweilig
eingeschaltete Sechszeiler, die eine Wieder-
holung oder einen Ausruf enthalten. Jünger
und lebhafter ist der Zehnsilber (deseterac),
den man bei den Serben heute noch überall in
den von den Klangen der Gusla begleiteten
Heldenliedern hören kann.
Die Fünfzehnsilber nannte man im 10. und
17. Jahrhundert Lieder ,nacli serbischer Art';
das liest man bei Hektorovic (srbski nacin) und
bei Krizanic (modi et styli sarbiaci).^) Da-
neben bezeichnete man diese Lieder in derselben
Zeit auch als B u g a r k i n j a, wörtlich ,die
Bulgarin', oder Bugarscica; ,bugariti'
bedeutete damals ein episches Lied vortragen,
während man jetzt darunter das Singen eines
Klageliedes versteht. Die Lieder enthalten in
Stoff und Sprache nichts Bulgarisches; die Be-
zeichnung dürfte sich auf die Art des Vortrages
beziehen. Bogisic dachte an die b u 1 g a r i n a
(türk. tambura), eine Art Guitarre, auf deren
vier Saiten mit einem Gänsekiel gespielt wird,
als Begleitinstrument. Jagic verweist auf die
bei den Byzantinern erwähnte Melodie [j.e/.cc
ßouXfapixcv. Die ältesten erhaltenen zwei Texte
bilden Episoden in dem 1556 von Hektorovic
aus Lesina verfaßten Gedicht über den Fisch-
fang (Ribanje) ; eines dieser Lieder Ijetrifft
den serbischen König Marko und seinen Bruder
Andreas. Ein Lied ist in der ,Slavischen Vila'
(Vila Slovinka) des Zaratiners Barakovic ein-
geschaltet (gedruckt 1613). <') Ungleich reich-
haltiger ist eine handschriftliche Sammlung
aus Eagusa, begonnen um 1700 von Mattei,
fortgesetzt von Betondic (t 1764). Dazu kommt
eine Sammlung aus Perasto (um 1700) und zwei
Sammlungen aus den Bocche di Cattaro aus
dem Anfang des 18. Jahrhunderts. Nachdem
Hilferding und Miklosich einige Proben mit-
geteilt hatten, erschien die Ausgabe von Bogisic
(1878), welche 76 Stücke enthält, davon je 36
') Krumbacher, Eine neue Handschrift des Digenis Akritas (im Escurial), S. Ber. der Isgl. bayer. Alcademio 19UI,
Heft II, 347.
-J Ein veiietianischer Bericht über die in Spalato ir)47 allgemein bekannte ,canzone', .cantando in schiarone del re
Marco' bei Ljubii, Rad. 10 (1877) 141.
') Chalanskij (f 1910), Juznoslavjanskija skazanija o Kralevici' Markt", hat über König Marko ein russi.sches Werk
von fast über 1000 Seiten veröÖ"entlicht (Warschau 1893), mit Parallelen aus dem russischen Epos und anderen Volksdich-
tungen; vgl. darüber Maretid im Rad 132 (1897) 1—47; Iljinskij in den Izvestija der russ. Akademie, Abteilung für russ.
Sprache und Literatur 15, 4 (1910) 226 f.; Nekrolog im Arch. slav. I'hil. 32 (1911) 317. Jovan N. Tomi6, Istorija u narod-
nim epskim pesmama o Marku Kraljevicu, Belgrad (Akademie) 1909 findet in den Liedern über Marko auch Nachklänge
später Ereignisse, sogar aus dem Ende des 17. .Jahrhunderts.
*) Andra Gayrilovic, Istorija srpske i hrvatske knjizevnosti usmenoga postanja (Geschichte der serbokroat. Literatur
mündlichen Ursprungs), Belgrad 1912, 8°, 225 S. Pavle Popoyic, Pregled srpske knji/.eTuosti. 2. A. Belgrad 1913 S. 03—122.
^) Hektorovi6, Stari pisci G, 17, 49. Krizanic, Starine 18, 228.
") Stari pisci 17, 128 f.; vgl. Valjavac in der Vorrede eb. VIII f.
62
II. Abiiandlitsg: Constaxtix Jirecek.
aus den Laudschaften von Cattaro und Ea-
gusa.*) ydion im 17. Jahrhundert war diese Art
der Dichtung im Verfall; sie vegetierte damals
nur im Küstengebiet, besonders in Tcrasto bei
Cattaro. Aber noch 1655 hat der Kroate Kri-
zanic (Crisanius) in einer in Eom zu Ehren des
Kaisers Ferdinand III. gedruckten Polyglotta
drei Gedichte gedruckt, ein kirchenslavisches,
ein kroatisches (illirice moderne) und ein serbi-
sches (sarbski), das letztere in diesem alter-
tümlichen Versmaß.-) Einige Episoden aus dem
in gereimten Achtsilbern verfaßten ,Osman' des
Kagusaners Gundulic (f 1638) hat ein Geist-
licher aus Perasto in diese alten Langzeilen
umgearbeitet, der spätere Erzbischof von Anti-
vari Andreas Zmajevic (t 169-i). Ausgestorben
ist diese Dichtung in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts. Die letzten Nachklänge hat
noch Ljubisa (t 1878) unter den Hochzeits-
liedern der Pastrovici bei Budua gehört.^) Was
den historischen Inhalt anbetrifft, beginnt er
mit Car Stephan Dusan und reicht bis zur Er-
oberung von Castelnuovo durch die Venetianer
1687. Die Lieder der Sammlung von Bogisic
sind altertümlich, mit einer Fülle nationaler
Epitheta und mit wenigen türkischen Fremd-
wörtern. Als Waffen erscheinen Bogen, Pfeil,
Schild und Lanze, keine Feuerwaffen, außer in
den jüngsten Stücken aus Perasto. Auch die
Kleider führen alte Namen. Eigentümlich sind
die Nachklänge der mittelalterlichen HöÜich-
keitsformeln ; z. B. die sprechenden Personen
,verneigen sich schön' vor einander. Die reli-
giösen Anschauungen mit dem Lob der ,kalug-
jeri' und des ,schönen Heiligen Berges' Athos
(lijepa Sveta Gera) weisen klar in Gebiete der
orientalischen Kirche. Die metrischen Eigen-
tümliclikeiten erinnern mitunter mehr an das
russische Volkslied, als an die jüngeren süd-
slavischen Formen. Der Inhalt ist, wie Bogisic
bemerkt, schon entstellt überliefert, planlos,
fragmentarisch und greisenhaft verwelkt, wie
denn die Niederschrift bereits in der Zeit
des vollen Verfalls der älteren Dichtung er-
folgte.
Der jüngere Zehnsilber erseheint schon in
zahlreichen Liedern der erwähnten Handschrif-
ten des 18. Jahrhunderts aus Eagusa und der
Umgebung von Cattaro. Der gewaltige Schatz
der Texte, welche Vuk Karadzic und andere
Serben im 19. Jahrhundert gesammelt haben,
veröffentlicht in vielen Bänden, bietet histori-
sche Erinnerungen von ,Car' Nemanja angefan-
gen bis zur Geschichte unserer Zeiten. Mit
merkwürdiger Kraft und Frische spiegelt sich
darin ein farbenreicher Abglanz des mittelalter-
lichen Serbiens, die Zeit vor den trüben Jahr-
hunderten der Türkenherrschaft. Aber näher
betrachtet ist die Darstellung voll Anachronis-
men und voll türkischer Ausdrücke und Vor-
stellungen ; z. B. Car Stephan regiert mit seinen
,neun Wesieren' und neben den Feuerwaffen
werden kaum noch Lanze und Säbel erwähnt.
Ein Stützpunkt des nationalen Gedächtnisses
waren die alten Klöster, die in diesen Liedern
oft in ganzen Eeihen aufgezählt werden. Die
Lieder in Zehnsilbern sind viel länger als die
der Langzeile; es gibt solche von 800, ja sogar
1200 Versen, die aber nur individuelles Eigen-
tum einzelner Sänger sind. Nach Murko wieder-
holt derselbe Sänger nie ein Lied ganz gleich,
so daß alle gedruckt vorliegenden Lieder nur ein
einziges Mal wirklieh so gesungen wurden.*)
In den geschriebenen Denkmälern des Mittel-
alters ist die cyrillische Schrift nicht gleich. In
den Kirchenbüchern und auf Inschriften domi-
niert stets die altertümliche, mit ihren dicken
Strichen schwerfällige Unciale, welche an die
gleichfalls aus dem griechischen Alphabet ent-
standene Schrift der Kopten erinnert. Im prak-
tischen Leben entwickelte sich daraus seit dem
13. Jahrhundert eine Kursivschrift, in welcher
die Buchstaben durch starke Verlängerung be-
sonders nach abwärts und durch feinere Züge
mehr Individualität erhielten. Es ist derselbe
Unterschied, wie zwischen der I'ncialschrift und
') Bogisii, Narodne pjesme iz starijih, najviiie primorskih zapisa (Volkslieder aus älteren Aufzeichnungen, besonders
des Küstenlandes) Bd. 1, serb., Belgrad 1878 (Glasnik II Abt., Bd. 10); der versprochene zweite Band ist leider nicht er-
schienen. Einige Texte auch bei Novakovic, Ein Beitrag zur Literatur der serb. Volkspoesie, Arch. slav. Phil. 3 (1870)
640—653. JagiiS, Die südslavische Vulksepik vor Jahrhunderten, eb. 4 (1880) 192—242. Über den Versbau W. Wollner
eb. 9 (1886) 177 f. Asrnus Soerensen, Beitrag zur Geschichte der Entwickelung der serb. Heldendichtung, eb. 14 (1892)— 17
(1895). Derselbe, Entstehung der kurzzeiligen serbo-kroat. Liederdichtung im Küstenland, Berlin 1895 (vgl. Resetar, Arch.
slav. Phil. 18, 297). Neuere Studien über die Metrik von Maretii, Rad 170 (1907) und Ivan Scherzer eb. 182 (1910).
') Triumphus Caesareus Polyglottus. Romae 1655. Abgedruckt von Fermendzin, Starine 18, 226—229.
') Bogisic a. a. O., Vorrede S. 69 A. 2.
*) M. Murko, Reisebericht über die Volksepik der bosnischen Mohammedaner, S Ber. W. Akad. 173 (1913), 3. Abb., S. 24.
Staat u\d Gesellschaft im mittelaltekluhex Sekbiex III.
63
der Kui-siva der Armenier. Die cyrillische Kur-
siva der Südslaven zu Ende des Mittelalters ist
von zweifacher Art. Eine Steilschrift war in
Serbien, Bulgarien und der Walachei üblich.
Nach rechts geneigt ist die in Bosnien übliche
Abart, wobei sich durch Umformung einzelner
Zeichen lokale Eigentümlichkeiten herausge-
bildet haben, die bosnische b u k v i c a. Für die
Zahlen verwendeten die Südslaven nach dem
Vorbild der Griechen bis in die Neuzeit nur
Buchstaben. Die arabischen Ziffern haben sich
selbst bei den ,Lateinern' des Küstenlandes erst
spät eingebürgert; im Archiv von Ragusa fand
ich die erste Spur 1346. Das zweite slavische
Alphabet, die glagolitische Schrift war in Ser-
bien im 14. .Jahrhundert, wie aus den Glossen
und Marginalien einzelner Handschriften zu
sehen ist, noch bekannt, alier nur mehr als Ge-
heimsichrift, neben den verschiedenen cyrilli-
schen Geheimschriften, welche nach griechischem
Muster auf Umsetzung der Buchstaben, dem
Zahlwert derselben und dergleichen beruhen.^)
Mehr bekannt Avar die Glagolica in Bosnien, wo
cyrillische Codices noch im 15. Jahrhundert gla-
golitische Glossen haben und wo noch für den
Vojvoden Hrvoje ein glagolitisches Missal ge-
schrieben wurde. Herrschend in der Kirche und
im ürkundenwesen war die glagolitische Schrift
im kroatischen Küstenlande, von Spalato bis
nach Istrien und Agram; dort entwickelte sich
neben der kirchlichen ünciale auch eine glago-
litische Kursiva für praktische Zwecke. In den
Küstenstädten Dalmatiens schrieb man lateinisch
und italienisch mit lateinischen Buchstaben,
wobei sich bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts
Spuren der sogenannten laugobardischen oder
beneA'entanischen Schrift bemerkbar machen.
Slavische Texte wurden damals auch an der
Küste nur in cyrillischer oder glagolitischer
Schrift niedergeschrieben. Südslavische Urkun-
den in lateinischer Schrift gibt es aus dem
Mittelalter keine. Sie beginnen selbst in Ragusa
und Kroatien erst im 16. Jahrhundert; etwas
früher, kurz vor 1500, versuchte man in Dal-
matien vorerst slavische geistliche Erbauungs-
schriften und weltliche Gedichte mit lateinischen
Buchstaben aufzuzeichnen.^)
Als Schreibmaterial hat sich neben dem Per-
gament frühzeitig auch das Papier verbreitet.
Die bulgarischen Urkunden des 13. Jahrhun-
derts, ebenso viele serbische des 14., sogar Chry-
sobuUe der Garen Stephan und Uros sind auf
Papier geschrieben, ebenso die Briefe und Kanz-
leibücher der Ragusaner seit dem 13. Jahrhun-
dert. Im 15. Jahrhundert wird in Urkunden und
Amtsbüchern eine Rückkehr zu dem mehr dauer-
haften Pergament bemerkbar. In den Handschrif-
ten ist die Tinte schwarz, in den Titeln rot; blau
schrieb man Briefe und kleinere Urkunden.
Der Unterricht befand sich in Serbien meist
in der Hand der Geistlichkeit, wobei man gleich
an die Lektüre der heiligen Bücher ging. So
war es nach den Biographen bei Nemanjas Sohn
Rastko (dem hl. Sava) und l)ei König Stephan
Dragutin. Es gab aiich Privatlehrer (ucitelj).
Den späteren Erzbischof Daniel IL, den einzigen
Sohn, wollten die Eltern nicht ,die Bücher lernen
lassen' ; er fand aber insgeheim einen Lehrer.
]\Iehr weltlich war der Schuhmterricht in den
Märkten und Städten, zu i)raktischen Zwecken.
Der Gegensatz beider Schulen spiegelt sich auch
in der Sprache. Briefe, Urkunden, weltliche
Gesetze kommen den gesprochenen Dialekten
sehr nahe; die literarischen Arbeiten bieten da-
gegen ein unter dem Einfluß des serbischen Yo-
kalismus mäßig verändertes Kirchenslavisch
, serbischer Rezension', welches sich im 14. Jahr-
hundert auch nach Makedonien verbreitete.'^) Cy-
rillisch schrieb man auch in den Küstenstädten.
In Ragusa, wo die jungen Edelmanns- und Bür-
gerssöhne bei den von der Gemeinde besoldeten
Lehrern rechnen, Handelsbriefe und Rechnungs-
bücher italienisch und Obligationen lateinisch
schreiben lernten, wird einmal (1390 — 1392) ein
eigener ,magister litterarum sclavicarum' in den
Diensten der Stadt erwähnt, ein Bulgare Niko-
') Emil Kahizniacld, Beiträge zur älteren Geheimschrift der Slavcn, S. Ber. W. Akaci. 102 (188.S). Über die serbischen
Geheimschriften; Vladimir Kraslc in Letopis löT (1889). Ljubomir Kovaeevic im Glasnik 5G (1884) 340, Tihomir Ostqjic im
Arch. slav. Phil. 14 (1892) 478, Dragutin Kostic im Glas 53 (1898) 137 f. und 92 (1913) 1 f.
^) Über diese Fragen vgl. meine Bemerkungen im Arch. slav. Phil. 26 (1904) 161 f.
') In Makedonien wurde unter der byzantinischen und in der ersten Zeit der serbischen Herrschaft mit Vokalismus der
bulg. Rezension geschrieben, mit Nasallauten, z. B. die Inschrift von Nagoricin 1313 und zahlreiche Codices aus dem Kloster
von Lesnovo 1313 — 1353: Stojanovic, Zapisi Nr. 41, 43, 44, 5G, 102; vgl. auch Danicic, Kad 1 (18G7) 174. Es ist aber cha-
rakteristisch, wie derselbe Stanislav von Lesnovo 1330 (Stojanovic Nr. 5G) in bulg. Rezension schrieb, 1342 aber schon in
serbischer (eb. Nr. 73 — 76). Seit 1350 wii-d der serbische Typus vorherrschend, nicht nur in Makedonien, sondern im 15. Jahr-
hundert teilweise auch im Westen Donaubulgariens. Vgl. .Jordan Ivanov, Izvestija der bnlg. archaeol. Gesellschaft 3 (1912) 62.
64
II. Abiiandiaixc;: Consta2;tin Jieecek.
laus.^) Die Sclireibekuust war in weite Kreise
verbreitet; zufällig hat sich ein cyrillischer Brief
erhalten, den 1445 bei den Mühlen von Breno
ein Diener an seinen Herrn, einem ragusani-
schen Patrizier aus der Familie Bucignolo ge-
schrieben hat.2) Da die Fürsten die Urkunden
nach byzantinischer Art eigenhändig unter-
schrieben, mußten sie der Schrift kundig sein.
Mrksa 2arkovie, Herr von Valona, einer der
serbischen Teilfürsten nach Dusans Zeit, scheint
aber über das Kreuzeszeichen nicht hinausge-
kommen zu sein (1401 f.)-^) Übrigens wird in
Trau in einer Urkunde 1286 sogar ein katholi-
scher Domherr erwähnt, welcher des Schreibens
unkundig war (nesciens scribere). In Eagusa
hat man 1455 die Adeligen, die nicht lesen und
schreiben konnten, aus den Eatskollegien ausge-
schlossen.'*)
Bibliotheken gab es nicht nur in den Klö-
stern, sondern auch im Privathause. Im Besitz
der Familie des Königs Vladislav werden 1281
nicht weniger als 30 Handschriften erwähnt,
darunter einige Evangelien in schweren Leder-
einbänden, beschlagen mit Silberschmuck (ta-
bulae) voll Skulpturen, teilweise besetzt mit
Edelsteinen.^) Die Königin Jelena, Witwe
Uros L, ließ in ihrem Hause Kirchenbücher zu
Geschenken abschreiben.")
In den Details ist auf die neueren Bearbei-
tungen der Literaturgeschichte zu verweisen;
wir müssen uns hier nur auf die wichtigsten
Daten beschränken.') Die belletristischen
Werke, deren Kenntnis sich durch Schrift und
noch mehr durch mündliche Wiedergabe in den
weitesten Kreisen verbreitete, waren indischen,
arabischen, griechischen und abendländischen
Ursprungs. Die orientalischen Stoffe wurden
den Südslaven durch byzantinische und viel-
leicht auch armenische Vermittlung bekannt.
Einen indischen Erzählungsstoff aus dem Kreis
der ,Pancatantra' enthält das Volksbuch ,Ste-
fanit und Ichnilat', mit Gesprächen zwischen
Tieren, z. B. zwischen der Schildkröte und dem
x\ffen, der naiven Schilderung der Schicksale
des Ochsen am Hofe des Löwen usw. Aus dem
buddhistischen Indien stammt die in christli-
chem Sinn umgeformte, in ganz Europa be-
liebte Erzählung vom Eremiten Barlaam und
dem Prinzen Joasaf. Eine Erzählung handelt
über den biblischen König Salomo und seine
Frauen. In den Stoffen der ,Tausend und einen
Nacht' hat ihren Ursprung die auf einer alten
jüdischen Sage beruhende Geschichte vom as-
syrischen König Sinagrip und seinem Minister,
dem weisen Akyrios. Aus dem Sagenkreise des
hellenischen Altertums hat sich bei allen euro-
päischen Völkern stets der größten Beliebtheit
erfreut die Geschichte von Troja. Bei den Süd-
slaven stammt der ältere Text aus der griechi-
schen Chronik des Malalas. Der jüngere Text
ist abendländischen Ursprungs, zuerst bei den
Kroaten an der Adria um 1300 nachweisbar,
um 1345 auch in Bulgarien bekannt, bezeichnet
als die ,Eomanze von Troja' (rumanac troj-
ski).**) Die Namen der Helden sind darin mit-
unter arg entstellt, in einem glagolitischen
Codex z. B. Patroklos gar zu einem — Proto-
kolus. Sehr viel gelesen wurde bei Bulgaren,
Serben und Kroaten die Geschichte Alexander
des Großen, auch in doppelter Fassung. Der
ältere Text stammt aus dem Eoman des Pseudo-
Kallisthenes. Jünger ist die serbische ,Aleksan-
drija', wo Alexander der Große unter dem Ein-
fluß des abendländischen Eomantismus zu
einem christlichen Eitter umgeformt ist.^) Das
Echo dieser Lektüre hört man auch in Daniels
Biographien, in den Vergleichen mit Alexan-
der, Dareios und dem .indischen Caren Por'.
Wie bekannt diese Stoße in weitesten Kreisen
waren, sieht man daran, daß ein Zaratiner 1283
') Arch. slav. Phil. 26 (1904) 179 f.
=1) Sponienik 11, 8.i (Nr. 90).
= ) Als Unterschrift ein oder zwei Kreuze mit den Worten: ,t Sam gospodin Mrksa ueini', ,+ Gospodin Mrksa ucini
t' (Herr Mrksa hat es selbst g-emacht). Spomenik 11, 47, 49 (nur in Abschrift erhalten).
*) Arch. slav. Phil. 26, 174 A. 1.
5) Rad 1 (1867) 136 f. Smiciklas, Codex dipl. 6, 390.
•) Daniel 68.
') Handbücher: M. Murko, Geschichte der älteren südslavischen Literaturen, Leipzig 1908. In serb. Sprache: Pavle
Popovic, Übersicht der serb. Literatur (Pregled srpske knjizevnosti) Belgrad 1909, 2. A. 1913 (mit reicher Bibliographie);
Andra Gavrilovici, Geschichte der serb. u. kroat. Literatur (Istorija srpske i hrvatske knjizevnosti), Belgrad 1910, 2 Bde. Eine
Anthologie mit Texten aus der altserb. Literatur: Novakovit', Primeri knjizevnosti i jezika staroga i srpako-slovenskoga, 3 A ,
Belgrad 1904, 673 S.
«) Vgl. Murko 95, 131, 181.
") Murko 95 f., 182.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
65
und ein Kroate aus Novi im Küstenland 1422
Bucifala heißen, nach dem Streitroß Alexander
des Großen.^) Die südslavische Übersetzung
des Digenis Akritas ist bisher nicht zum Vor-
schein gekommen ; aus ihr stammen aber, nach
sprachlichen Spuren zu urteilen, die russischen
Bearbeitungen dieses byzantinischen Stoffes.
Leser fand auch das von einem gewandten
Übersetzer bearbeitete inittelgriechische Obst-
buch ,Porikologos'. Der Kaiser Quitte (car
Gdunije), umgeben von anderen Früchten als
Hofwürdenträgern, sitzt zu Gericht über dem
,seligen Weintraube' (Grozdije) und läßt den
Mann pressen und martern; das Blut des Ver-
urteilten wird von den Menschen getrunken.
Aus den dalmatinischen Städten verbreitete sich
mündlich der Inhalt abendländischer Helden-
lieder. Eine Kenntnis der Karlssage ist in Ser-
bien bemerkbar an den Personennamen Oliver
und Orlanda (s. oben 3, 28), in Dalmatien an
den Namen Orlandus, Paladinus und ebenso
Oliverius. Tristanus hieß 1485 ein Metzger-
meister von Eagusa. Die Geschichten des Artus-
kreises kannte man selbst in den Bergen Nord-
albaniens; 1402 wird in Ragusa ein Dominchus
Bozizi dictus Merlinus aus Drivasto erwähnt.^)
Der Wißbegier der frommen Leute des
Mittelalters genügten die kirchlich anerkannten
Bücher des Alten und Neuen Testamentes ganz
und gar nicht. Über die Details der Schöpfungs-
geschichte, über die hervorragenden Persönlich-
keiten der beiden Testamente, über Himmel
und Hölle und die Geheimnisse der Zukunft
wollte man weit mehr lesen oder hören. Da
fand man reichliche Belehrung in den zahl-
reichen Apokry^Dhen, teilweise sehr alten Ur-
sprungs, die mit ihrer populären und phan-
tastischen Darstellung nicht selten eine Mittel-
stellung zwischen Theologie und Dichtung ein-
nehmen. Nach Serbien kamen sie, ebenso wie
nach Rußland, meist aus Bulgarien. Es sind
fast sämtlich Übersetzungen aus griechischen
Originalen.^) Zum Alten Testament gehören
die Bücher über Adam und Eva, die Biographie
der Asenet, Tochter der Pentefrij (Putifar)
und Frau des schönen Joseph, der Bericht des
Jeremias über den Fall von Jerusalem, die Vi-
sionen des Daniel und Isaias, die Apokalypse
des Baruch mit der Schilderung der sieben
Himmel, das Buch des Enoch, die apokryphe
Erzählung von Job. Das Neue Testament be-
treffen die Berichte über den Tod der Mutter
Gottes, über den Rundgang der Mutter Gottes
durch die Hölle, der Bericht des Persers
Afroditian über die Geburt Christi, die apo-
kryphen Evangelien des Jakob und Thomas,
die Vision des Apostels Paulus, eine apokryphe
Apokalypse des Apostels Johannes usw. Dazu
kommen unechte Heiligenlegenden, über die
Marter des hl. Georg, das Leben des hl. Vasilij
des Neuen mit ausführlicher Schilderung von
Himmel und Hölle, die Fragen und Antworten
des hl. Vaters Efrem, das Gespräch der drei
Kirchenväter Grigorij, Vasilij und Johannes,
die Erzählung von den zwölf Freitagen, welche
mit einer Disputation zwischen Franken und
Juden in Durazzo endigt u. a. Als bogomilisch
galten in unseren Zeiten die Schriften eines
Popen Jeremias über das Holz des Kreuzes, wie
Christus Pope wurde, wie Christus ackerte usw.,
bis die neuen Untersuchungen von Sokolov,
Jagic und Radcenko ihren Zusammenhang mit
dieser Sekte sehr in Frage stellten.'')
Zur Ergründung der Zukunft dienten die
vielen Zauberbücher: das Geburtsbuch (Roz-
danik) mit Horoskop je nach dem Tag der Ge-
burt, das Kaiendenbuch (Koleda) mit Wahr-
sagungen über Ernte, Wein, Honig, Viehstand,
Überschwemmungen, Kriege usw. je nach dem
Wochentag, auf welchen das Weihnachtsfest
fällt, das Mondbuch (Lunuik), nach welchem es
z. B. am ersten Monatstag gut ist zu kaufen
und zu verkaufen oder zu heiraten, am zweiten
gut mit den Vlastelinen zu sprechen, während
z. B. der aiü zwölften gekaufte Sklave (rab)
seinem Herrn davonlaufen wird. Hieher ge-
hört das Donnerbuch (Gromovnik, BpovToXöftov)
mit Wahrsagungen aus dem Donner nach den
Jahreszeiten, dessen griechisches Original nach
neueren Forschungen auf ein babylonisches
') Meine Rom. Dalra. 3, 11.
') Meine Roti. Dalm. 1, 68; .3. 42. Vgl. ein Handscliriftenverzeichnis aus Zara 1389 Arch. slav. Pliil. 25 (1903) 157.
') Ausgaben von DaniiSic, Jagic, Novakovic und Poh'vka in den .Starine. Vgl. die russ. literatnrhi-storischen Arbeiten
von TichonravoT, Pypin, Veselovskij und Speranskij. Serbische Kataloge der echten und unechten' Bücher herausgegeben von
Jagic, Starine 9, 91 f. Nach M. Speranskij, Serbskije spiski knig istinnych i loznych in den Ctenija der Moskauer bist. Ge-
sellschaft 1908, III. Beilage 41—45 stanamen sie jedoch aus den russischen Verzeichnissen des 16. Jahrhunderts und sind
nicht älter.
*) Vgl. Dr. Miloä 'Weingart, Pocätky bogomilstvi, Prag 1913, S. A. aus dem Slovansk;^ Sborni'k I5d. IG.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 58. Bd. 2. Abh. 0
66
II. Abhandt,tjnCt: Constantin Jirecek.
Donnerbuch zurückgeht,^) (his Zitterbuch (Tre-
petnik,::cisi«/.5-i-'.sv) mit Deutungen der Gefühle
in den Fingern und anderen Gliedern, das
Sternbuch (ZvC-zdocLtbc) und das Traumbuch
(Sanovnik, 'Ov£ipc;y.?!-:f/.Jv). Der Einfluß dieser
Literatur reicht vom Mittelalter bis in unsere
Tage. Handschriften der Apokryphen gibt es
noch aus dem 19. Jahrhundert. Auch in der
Volksdichtung sind Nachklänge dieser Lektüre
vorhanden.
Gewaltig- ist die Zahl der Übersetzungen der
kirchlich anerkannten theologischen Bücher,
eine ganze Bibliothek von liturgischen, hagio-
graphischen, patristischen und kanonistischen
Werken. Die Übersetzungsarbeit hat in Bul-
garien im Zeitalter des Garen Symeon (f 927)
begonnen. In Serbien wurden diese Über-
setzungen revidiert, berichtigt und durch neue
vermehrt. Originalarbeit sind die Biographien
(zitije) und Officia (sluzba) der serbischen
Heiligen.
Hellenische Weisheit enthalten die didakti-
schen Sammlungen, vor allem eine Übersetzung
der Menandersentenzen^) und Bruchstücke der
Florilegien, mit Aussprüchen der weisen
Männer von Salomo, Sokrates, Diogenes und
Plutarch bis zu den Kirchenvätern. Byzantini-
sche Elemente sind in den lebenden serbokroa-
tischen Sprichwörtern noch klar bemerkbar.^)
Auf der antiken Wissenschaft beruht eine
kleine Kosmographie mit Nachrichten über die
Welt, von Sinae (China) im fernen Osten bis
zur Straße von ,Gadira', der Insel Thule und
den ,Inseln der Seligen' im Westen, begleitet
von Bemerkungen über Erdbeben, Winde, Wol-
ken, Blitz und Donner, Sterne, die Sonne usw.*)
Die Tierwelt, den Löwen, Elephanten, Wisent
(zubr), Adler usw. behandelt der Physiologus.
In der Prosa ist das Originellste das Gesetz-
buch des Garen Stephan Dusan: Historische
Studien halien im mittelalterlichen Serbien
keinen rechten Boden gefunden. Wenig ge-
lesen wurden selbst die älteren slavischen Über-
setzungen byzantinischer Chroniken, wie des
Malalas und des Georgios Hamartolos, nach
(leren Muster die große russische Annalen-
literatur seit dem 11. Jahrhundert entstanden
ist. Dabei ist nicht zu vergessen, daß die
Klöster des Athos, welche den Serben die
wichtigsten Quellen literarischer Bildung bo-
ten, im Gegensatz zu den Abteien Westeuropas
kein Sitz lokaler Geschichtsschreibung waren.
Annalen des Athos gibt es nicht. Mehr gefielen
den Serben die wortreichen und inhaltsarmen
Reden zur Verherrlichung der Heiligen, z. B.
über die Wunder des hl. Demetrios von Thessa-
lonich, und die höfische Beredsamkeit der Kom-
nenenzeit. Das hatte zur Folge, daß in Serbien
an Stelle der Geschichtsschreibung die panegy-
rische Biographie trat, abgefaßt als Eede. So-
wohl König Stephan als Erzbischof Daniel reden
ihre Hörer oder Leser an als Bischöfe, Priester
und Mönche, als Väter, Brüder und Kinder,
als Christusliebende und Geliebte (Ijubimici,
äYaTCOTci)- Diese Literatur beginnt mit zwei Bio-
graphien des Nemanja, verfaßt von seinen beiden
Söhnen, dem König Stephan dem Erstgekrönten
(noch als Großzupan, um 1215) und dem späteren
Erzbischof Sava. Diese Brüder waren aber unter
den Schriftstellern auch die ersten und letzten
Mitglieder des Hauses der Nemanjiden. Der um
sein Vaterland hoch verdiente König Stephan
selbst hat keinen Biographen oder Lobredner ge-
funden. Das Leben Savas schildert in einer
ermüdend wortreichen Schrift der Hieromonach
von Chilander Domentian (1254), der in phrasen-
reichen Umrissen auch eine Vita des hl. Symeon
(Nemanja) verfaßt hat (1264). Lebhaft und
klar stilisiert ist die mehr historische, aber
stellenweise lyrisch angehauchte Biographie des
Sava vom Mönch Theodosij ; der aufmerksame
Leser bemerkt jedoch bald, daß der Verfasser
kein Zeitgenosse ist.®) Eozanov versetzt die
Abfassung dieses Werkes in die Jahre 1322—
1) Vgl. Byz. Z. 21 (1913) 568.
«) .^agn■, Die Menandersentenzen in altkirchenslav. Übersetzung, S. Ber. W. Akad. 126 (1892). M. N. Speranskij, Uber-
setzungssammlunsren von Si)rüclien in dem slav. riiss. Schrifttum (Perevodnyje sborniki izrecenij v slav. russ. pismennosti),
Moskau 1904, 677 und 215 S., besonders über die slavisclie Gnomen- und Sprucliliteratur; vgl. Kl riimbacher), Byz. Z. 16
(1907) 330.
') Eine Vergleichung der serbo-kroat. Sprichwörter mit den lat. u. griech. von Kasumovii.- in Kad 189 (1911) und 191
(1912), in 975 Nummern; vgl. die Referate von Jsgic, Arch. slav. Phil. 35 (1913) 280—284 und Paul Marc, Byz. Z. 21 (1913)
567—568. R. Altenkirch, Die Beziehungen zwischen Slaven und Griechen in ihren Sprichwörtern, Arch. slav. Phil. 30 (1908)
1—47, 321-364.
*) Herausgegeben von Novakovic, Starine 16, 41 — 56.
6) Älteste Handschrift des Theodosij von 1336. Wie fern ihm die Ereignisse vor 1250 waren, sieht man an der Ver-
wechslung des Kaisers Theodoros von Epirus mit Kaiser Theodoros Laskaris I von Nikaia; sie kommt übrigens auch bei
Htaät und Gesellschaft im mittelaltehlichen Serbien III.
67
1336. M Das größte altserbische Werk dieser Art
sind die Biographien der Könige (bis 1335) und
der Erzbischöfe, später Patriarchen (bis 1376),
bekannt unter dem Namen Daniels. Der Erz-
bischof Daniel IL (f 1338) ist aber nur der
Verfasser des älteren Teiles. Anonyme Schüler
und Fortsetzer haben das Werk fortgeführt,
wobei sie aber bei den Königen nach den ersten
drei Jahren Dnsans aufhörten und die kirch-
lichen Würdenträger nach Daniel IL nur kurz
behandelten. Stephan Dusans Zeit ist uns des-
halb aus einheimischen Darstellungen nicht be-
kannt. Eussische Historiker unserer Tage, wie
Hilferding und Golubinskij^), haben die Schmei-
chelei der Biographien der Schule Daniels hart
getadelt. Wenn der , sündhafte und unwürdige
Diener Christi, der demütige Daniel' sich außer
Stande fühlt die , wunderbaren und unsagbaren
Werke' Uros IL aufzuzählen, zahlreich wie die
Sterne des Himmels oder der Sand des Meeres,
kann man die Phrase noch annehmen. Aber mit
Staunen liest man z. B. die Stelle, wie , dieser
fromme König Uros (IL) seinen geliebten Sohn
Stephan geblendet hat' (semu bo blagocbstivomu
kralju Ürosu oslepivsu syna svojego vbzljublje-
naago Stefana).^)
Aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, als noch
die Kinder von Dusans Halbbruder Symeon
lebten, stammt der ,Eodoslov', eine kurzgefaßte
genealogische Schrift über das Haus JSTemanjas,
welche meist über Klostergründungen berichtet
und sich als Anhang an eine Darstellung der
Weltgeschichte einführt. Jünger sind die An-
nalen, die ,Letopisi', deren Daten zwar 1139 be-
ginnen, aber vor 1389 äußerst dürftig und un-
vollständig sind, abgesehen von chronologischen
Fehlern.*) Erst die Despotenzeit hat bessere Ge-
schichtswerke hervorgebracht.
In der Kunst ist, ebenso wie wir es schon bei
der Architektur bemerkt haben, ein doppelter
Einfluß zu bemerken, aber in der Malerei über-
wiegt bald das Muster von Byzanz. Die abend-
ländischen Elemente gehören der älteren Zeit an.
In dem ältesten serbischen Kodex, dem Evan-
gelienbuch des Fürsten Miroslav von Zachlu-
mien, des Bruders Nemanjas, geschrieben am
Ende des 12. Jahrhunderts im Küstenlande,
wird bei einer Miniatur der hl. Johannes der
Täufer, serb. Joan Predteca ('Iwawr;; ö lIp:sp:|;.oc'i
ganz nach italienischer Art ,Zvan Batista' (Gio-
vanni Battista) genannt.^) Occidentalischer Art
sind auch die Skulpturen der älteren Kirchen
(s. oben 3, 8 f.). Später treten diese dalmatini-
schen Einflüsse zurück. Nach Pokryskin sind
die Freskenbilder der serbischen Kirchen aus
dem 12. und 13. Jahrhundert rein byzantinisch,
während sich im 14. Jahrhundert ein Einfluß
der italienischen Frührenaissance bemerkbar
macht. Kondakov verlegt in dem Werke über
die cliristlichen Kunstdenkmäler des Athos die
Entstehung einer serbischen Kunst in das
13. Jahrhundert, ihre Glanzepoche in die Zeiten
des Königs Stephan Uros IL Milutin und des
Garen Stephan Dusan.'') Schriftliche Zeugnisse
gibt es nur sehr wenige, vor allem die Nachricht,
daß Erzbischof Sava I. griechische Maler nach
Serbien mitgebracht habe (s. oben 3, ß). In
Studenica und 2ica ist der Einfluß der älteren
byzantinischen Schule des 13. Jahrhunderts zu
bemerken ; in beiden Kirchen schließen sich
daran jüngere Malereien des 16. Jahrhunderts.'')
Tiefgreifend war der Widerhall der Eenaissance
Gregorovius vor, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter 5 (Stuttgart 1860) 119 (Kaiser Peter von Courtenay wurde Ge-
fangener ,des Despoten Theodor Laskaris von Epirus'). Theodoiij verlegt die Frankenherrscliaft in Durazzo (1259 f.) schon
in die Zeit um 12.34, als dort König Radoslav von Serbien als Flüchtling verweilte; damals gehörte aber die Stadt noch den
Griechen von Epirus.
') S. P. Kozanov, Istocuiki, vremja sostavlenija i licnost sostavitelja Theodosijevskoj redakcii 2itia Savvy Serbskago
(Quellen, Zeit der Abfassung und Persönlichkeit des Verfassers der Theodosiauischen Redaktion der Vita des Sava von
Serbien), Izvestija der Klasse für russ. Sprache und Literatur der russ. Akademie 16 (1911), Heft 1, 136 — 209.
') Golubinskij, Kratkij ocerk istorii pravoslavnych cerkvej bolgarskoj, serbskoj i rumynskoj (Kurze Übersicht der Ge-
schichte der orthodo.\en Kirchen, der bulgarischen, serbischen und rumänischen), Moskau 1871 S. 506 bemerkt bei der Er-
wähnung der schrecklichen Rhetorik und der maßlosen Lobpreisungen Daniels, es wäre für die Serben unvorteilhaft, wenn
man den Cliarakter eines ganzen Volkes nach diesem einen Buche beurteilen würde.
3) Daniel ed. Danicid 127—128, 163.
*) Ljubomir Stojanovic, Zur Entstehung der serbischen Annalistik. Arch. slav. Pliil. 23 (1901) 630— 634; entstanden aus
den Typika mit Notizen über die Todestage der Herrscher, Erzbischüfe und Patriarchen, mit einigen Daten aus der poli-
tischen Geschichte.
5) Vgl. meine Geschichte der Serben 1, 226. Kondakov, Arch. slav. Phil. 21 (1899) 307.
'^) N. P. Kondakov, Pamjatniki christianskago iskusstva na Athonu, Petersburg (Akademie der Wissenschafton) 1902. 193.
') Dr. Petkovic im Godisnjak 23 (1909) 201.
9*
68
II. Abhandlung: Constantin Jieecek.
der griechischen Ikonographie des 14. Jahr-
hunderts, mit wachsendem Naturalismus. Kon-
dakov und Millet halten die Fresken von Nago-
ricin (1313) in Koinposition, Art der Zeich-
nung und Ausführung in Farben vielleicht für
die besten der serbischen Kunst. Die aus der-
selben Zeit stammenden Bilder von Gracanica
sind weniger gelungen, auch die der Kirchen
der Landschaft von Skopje meist schwerfällig;
die von Lesnovo und Zaum am See von Ochrid
gehören aber zu den hervorragenden Leistungen
griechischer Meister.^) Nach Kondakov ist in
den serbischen Fresken im Gegensatz zu den
byzantinischen Mustern die Belebung der Pose
merkwürdig, eine Art Nervosität.^) Kealistisch
sind die serbischen Porträts der Herrscher und
Edelleute, welche nach Uiehl durch Wahrhaftig-
keit des Ausdruckes an die byzantinischen Bild-
nisse dieser Zeit in Konstantinopel, Mistra und
Trapezunt erinnern.*) Das Studium dieser
Denkmäler ist aber auch mit vielen Schwierig-
keiten verbunden, infolge der vielen Erneue-
rungen der Fresken in der Türkenzeit. In der
von König Uros IL 1314 erbauten Kirche der
hl. Joachim und Anna in Studenica sehen die
schönen Fresken nach Strzygowski aus wie Ko-
pien der Mosaiken des eben in derselben Zeit
von dem Kanzler des Kaisers Andronikos IL,
von Theodoros Metochites restaurierten Klosters
Chora (jetzt Kachrie-Dschami) in Konstanti-
nopel.'') Dr. Petkovic fand aber bei diesen Fres-
ken ein spätes Datum, das Jahr 1609.^) In
einem Psalter aus der Zeit des Despoten Georg
wollte Strzygowski in den Miniaturen Spuren
der Nachahmung syrischer Vorlagen finden,
doch hat seine Ansicht nicht überall Anklang
gefunden.®)
Auch in Dalmatien sind orientalische und
occidentalische Einflüsse nebeneinander be-
merkbar. In Cattaro besaß um 1330 Haus und
Weingärten die Familie eines griechischen Ma-
lers, .quondam Nicole pictoris Greci'.^) In Ea-
gusa gab es griechische ,pictores', die von der
Gemeinde einen Beitrag zur Miete eines Ge-
schäftslokales (stacio pro arte sua) bezogen; es
war 1367 ,Hemanuel Grecus pictor', 1384 ,ma-
gister Georgius Grecus pictor'.*) Dagegen waren
die in Eagusa erwähnten ,Benne pictor' 1278,
, Nicolaus pictor' 1285 und ,magister Yvan pictor'
1296 wahrscheinlich Einheimische. Ein italie-
nischer Maler, Magister Michael aus Bologna
malte 1318 — 1324 die Fresken in der Domkirche
S. Mariae Maioris, zuletzt in der alten St. Ste-
phanskirche (s. oben 3, 5), worauf er auch ein
Antiphonale der Marienkirche mit Miniaturen
zierte. Kleine Heiligenbilder malte 1347 Misiole
aus Zara. Diese Bilder (s^wv) auf Holz, in Ser-
bien i k o n a, in Eagusa a u c o n a (auch ,alta-
riolum sive ancona') genannt, waren oft reich
verziert mit Schnitzwerk, Silber und Gold. Sie
bildeten, Avie bei den Byzantinern, nicht nur den
Schmuck der Kirchen, sondern auch des Privat-
hauses, besonders des Schlafgemaches. An 20
,ycone' werden im Deposit der Familie des
Königs Vladislav aufgezählt; es waren Bilder
Christi, der Mutter Gottes, des Erzengels Mi-
chael, Johannes des Täufers, der Apostel Peter
und Paul, der Heiligen Simeon, Georg, Theodor,
Nikolaus, meist mit Silberschmuck, Perlen und
Steinen. Zwei Christusbilder werden dabei als
alt (ycona vetus) bezeichnet ; ein Marienbild war
auf Elfenbein gemalt (ycona de ossa).^)
Goldstickereien für die Kirchen wurden am
Hofe frommer Fürstinnen gearbeitet. Im De-
posit des Königs Vladislav gab es ein Seidentueh,
dessen Goldstickerei Christus mit den Jüngern
darstellte. Altardecken aus Samt, Kelchdecken,
Kirchengewänder usw., daneben ein vergoldetes
Eauchfaß aus Kupfer, einen aus Kokosnuß ge-
schnitzten, versilberten Kelch (calix de nuce
Pharaonis) usw.") Nach den Erzählungen des
Daniel hatte König Stephan Dragutin in seinem
Hause eine ganze Werkstätte für Geschenke an
Kirchen und Klöster, in welcher goldene und
') Diehl, Manuel 755.
'-) Kondakov, Makedonia 66.
») Diehl a. a. O.
*) Strzygowski, Byz. Z. 16 (1907) 731, 738.
'^) Godisnjlca 2-1 (1910) 289.
») Strzygowski über den Münchener Psalter, Denkschr. W. Akad. 52 (1906). Dagegen Diehl, Manuel 795. Anders
Bertaux, Journal des SavanU 1911; vgl. Byz. Z. 21 (1913) 661—662,
') Not. Cat. 1326—1334 p. 120.
") Mon. Rag. 4, 96. Cons. malus 28. MUrz 1381 Arch. Rag.
») Urk. 1281 Rad 1, 136—138 = Sniiciklas, Codex dipl. 6, 390 — 391.
'") Urk. 1281 a. a. O. Ein Kelch aus Kokosnuß jetzt im Kloster Beäenovo in Süduugarn: Starinar ."! (1886) 94.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Serbien III.
69
silberne, mit Perlen und Edelsteinen ge-
schmückte Kircliengefäße gemacht wurden,
Kelche, Weihrauchfässer, Leuchter, ebenso aus-
gesuchte Kirchengewänder. ^) Zum Zeremoniell
des byzantinischen, serbischen und russischen
Hofes gehörte zum Schluß der Tafel der Genuß
geweihten Brodes, ganz nach Vorbild der
Klöster, aus eigenen dachen Kirchenbechern,
die man altserbisch panagiar {-xt-jL^iipic-i)
nannte. Als Daniel, damals Igumen von Chi-
landar, zu Stephan Dragutin kam, nahm der
König ,von seiner Tafel (trapeza) goldene
Panagiare, geschmückt mit Perlen und edlen
Steinen' und schenkte sie ihm zum Andenken.^)
Wohl zur Herstellung kirchlicher und welt-
licher Gefäße hat der Edelmann Tripe de
Buchia aus Cattaro den Goldschmied Petrus
aus Venedig 1313 in Ragusa auf ein Jahr in
die Dienste des Königs Uros IL aufgenommen,
mit der Verpflichtung ,laborare fideliter de
arte sua dicto domino regi', gegen Versprechen
eines Lohnes von 8 ,libre venetorum grossorum'
jährlich und einer geziemenden Kost (bibere et
comedere convenieuter), doch der Vertrag
wurde wieder aufgelöst und im Buche gestri-
chen.^) Erhaltene Stücke mit Inschriften aus
der Neman jidenzeit gibt es sehr wenige. Ein
jetzt verschollenes Kästchen für das Holz des
heiligen Kreuzes mit Bild und Widmung des
Königs Vladislav gab es noch im 18. Jahr-
hundert im Kloster des hl. Paul auf dem Athos.
Ein Kreuz mit Widmung des Königs Stephan
Uros IL an die bischöfliche Kirche von Ras
wird jetzt im Dominikanerkloster von Ragusa
verwahrt. Ein kostbares Kreuz, Geschenk der
Königin Helena für das Kloster Sopocani, war
noch im 18. Jahrhundert vorhanden. Das
Kloster Decani besitzt ein Kreuz mit der In-
schrift des Stifters, des Königs ITros III. "")
Intensiv war der soziale Einfluß des
Christentums. Vom alten Heidentum hat sich,
besonders in abgelegenen Landschaften, als
Rest nur verschiedener Aberglaube erhalten.
Die heidnischen Götter sind der Vergessenheit
anheimgefallen; behauptet haben sich die kleine-
ren Geister bis auf den heutigen Tag, vor allem
die Vilen (Elfen), die Vorstellungen über den
Werwolf (vukodlak) und die Vampyre usw.^)
Daniel erzählt, wie König Stephan Dragutin
die Leute in der Macva, welche in ,Dunkelheit
und Finsternis' lebten, durch Belehrung zum
Licht des Heiles gebracht hat.") Die Bemühun-
gen der Herrscher haben auch von griechischer
Seite volles Lob gefunden. Der Erzbischof De-
metrios Chomatianos von Ochrid schreibt an
den Patriarchen Germanos in Nikaia, Serbien
sei ,geziert durch Frömmigkeit, durch evangeli-
schen Lebenswandel und die Würde guter Sitte
von jeder Art', und lobt in einem Briefe den
König Stephan Radoslav, er habe frommen
Sinn und Liebe zu Gott von seinen Vorfahren
geerbt.') Wie stark das Interesse für theolo-
gische Fragen am serbischen Hofe war, sieht
man eben an dieser Korrespondenz zwischen
König Radoslav und Erzbischof Demetrios,
ebenso noch im 15. Jahrhundert an der zwischen
Despot Georg und dem Konstantinopler Patri-
archen Gennadios Sehnjarios.*) Fromm waren,
auch die lateinischen Städter des Küstenge-
bietes. Philippus de Diversis rühmt den fleißi-
gen Kirchgang und die Freigebigkeit der Ra-
gusaner und der Ragusanerinnen.") Bei aller
Frömmigkeit blieben aber die Serben ferne von
mystischer Grübelei, wie sie im mittelalterli-
chen Bulgarien und im modernen Rußland vor-
kam. Nur in den Küstenstädten machte sich
der Einfluß der italienischen Flagellanten be-
merkbar; in Cattaro, Ragusa und Stagno wer-
den im 14. und 15. Jahrhundert Büßergesell-
schaften der Geißelbrüder erwähnt (fratilia
verberatorum, fuschatorum, ital. schola di
fustadori, slav. fruskaturi).^")
Ihre Frömmigkeit betätigten die Fürsten
durch die Sitten des täglichen Lebens. Unter
den Schätzen des Königs Vladislav gab es Säck-
chen mit Reliquien zum Tragen am LIalse. Auf
1) Daniel 36 f., 39, 44.
') Über Panagiare zuerst Kondakov in dem Buche über deu Athos 222 f. mit Bildern. Daniel 45.
') Div. Canc. 1313, 7. Juni, im Ärch. Rag.
*) Stojanovic, Zapisi Nr. 4930, Nr. 39, 45, 61. Mon. seib. 70.
*) Vgl. meine Geschichte der Serben 1, 160 — 171 im Kapitel über Heidentum und Christentum.
«) Daniel 2b.
') Demetrios Chomatianos ed. Pitra col. 495 (Nr. 114) und 685.
') E. V. Dobschütz, Ein Schreiben des Patriarchen Gennadios Scholarios an den Fürsten Georg von Serbien, Areli
slav. Phil. 27 (1905) 246—267.
') Philippus de Diversis ed. Brunelli p. 92.
'") Fruskaturi in Stagno, Arch. slav. Phil. 21 (1899) 521.
70
II. Abhaxdluxg: CoNSTA^•TI^^ Jieecek.
Eeisen ging man nach der Ankunft zuerst in
die Kirche des Ortes. Die Königin Simonida
verbeugte sieh in Belgrad in der Metropolitan-
kirche vor dem wundertätigen Bilde der :\lutter
Gottes und begab sich dann erst zu ihrem
Schwager und ihrer Schwägerin, dem König
Stephan Dragutin und der Königin Katharina.
König Stephan Uros II. Milutin empfing vor
dem Ausmarsch gegen die Griechen (1282) den
Segen des Bischofs und der Geistlichkeit. Er
betete in den Stunden der Gefahr von Seite der
Byzantiner und Tataren inbrünstig zu seinen
,heiligcn Herren', seinen Vorfahren, den Heili-
gen S.ymeon (Nemanja) und Sava.') Von den
guten Werken standen in erster Eeihe Kirchen-
bauten und Schenkungen an Klöster, in Gold
und Silber, in Schafen, Ochsen und Pferden,
in Kirchengewändern und fruchtbaren Grund-
stücken. Ergreifend ist die Schilderung Da-
niels, wie die Königinwitwe Helena die
Klosterkirche von Gradao baute. Während
des Baues hatte sie Tag und Nacht keine Euhe,
versorgte die Handwerker und Arbeiter mit
reichlichem Lohn und Nahrung und verfolgte
mit freudigem Herzen das Emporwachsen der
Mauern. Wie ein Ki-iegsmann, der einen Sieg
erfochten hat, pries sie den Allmächtigen, als
sie die feierliche Kirehenweihe erlebte.") Dem
Beispiele der Landesherren folgten die Adeli-
gen. Als Daniel IL Erzbischof war, brachten
sie silberne und goldene Gefäße und andere
Eeichtümer, ohne zu sparen, in die Kirche von
2ica, um Befreiung von den Sünden zu er-
langen.^)
Eine Pflicht der Fürsten und der Geistlich-
keit war die Armenpflege. Nemanja wird von
den Biographen gefeiert als Beschützer der
Armen, der Blinden, Lahmen, Stummen und
Waisen; er kaufte Schuldner los und ließ Skla-
ven frei. Sava lehrte in seinen Predigten die
Hungrigen zu speisen, Obdachlose in das Haus
aufzunehmen, Nackte zu kleiden, Witwen und
Waisen zu schützen, Sklaven loszukaufen und
freizulassen.*) Die Königin Helena sammelte
bei sich in ihrem Hause stets Töchter armer
Leute, die sie erzog und als sie herangewachsen
waren, reich beschenkt vermählte. Eigenhändig
beteilte sie die Armen mit Speise und Kleidern.
Am Hofe des Königs Stephan Dragutin sam-
melten sich Arme, Blinde und Lahme nicht nur
aus Serbien, sondern auch aus fernen Ländern.
Ebenso sah man in der Eesidenz des Königs
Stephan TJros IL Milutin armes Volk aus Ser-
bien, aus .überseeischen Ländern', von den
.Inseln des Meeres' und selbst aus Jerusalem.
Unbeschenkt ging niemand weg. Bei Nacht
legte der König oft seine schönen Gewänder ab
und ging in einem schlechten, alten Kleid, mit
verhülltem Antlitz, nur von zwei oder drei Ge-
treuen begleitet, ans seinem Hof hinaus zu den
Lagerstätten der schlafenden Armen, um sie
mit Geld, Nahrungsmitteln und Kleidern zu
beschenken.®) Verpflichtet waren zur Beteilung
der Armen die Klöster, an deren Pforten sich
stets viele Hilfsbedürftige sammelten. In Stu-
denica z. B. erhielten sie vom Igumen Brod,
Wein, Gemüse, sowie abgetragene Kleider und
Schuhe der Mönche. Es gab für sie beim
Kloster ein Gastgebäude (gostinnica) und eine
eigene Grabstätte (grobnica).*^)
Schwere Kasteiungen legte sich König Ste-
phan Dragutin auf. Nachts schlief er in einem
mit Dornen und spitzigen Steinen gefüllten
Grabe. Erst nach seinem Tode fand man, daß
er insgeheim am bloßen Leibe ein härenes Buß-
gewand getragen hat.^) Pilgerfahrten ins
Heilige Land werden in den Biographien der
Erzbischöfe oft erwähnt. Erhalten ist eine la-
teinische Urkunde, auf der Eeise zum Grabe
des Herrn ausgestellt in Akkon 1286 von einem
Enkel des Nemanja, dem Mönch David, früher
genannt Zupan Demetrius, einem Sohn des
Königs Vlkan.*) Ein näheres Ziel hatten Wall-
fahrten auf den Athos, dessen Abteien auch Gar
Stephan Dusan mit der Carica Helena besucht
hat, oder in die verschiedenen Klöster der
Heimat. In Eagusa wurden Wallfahrten im
14. Jahrhundert oft in den Testamenten ange-
ordnet, ausgeführt ,pro anima' des Erblassers
meist von Geistlichen aus Albanien: nach
') Daniel 97, 108, 111, 121.
«) Derselbe 75—79.
') Derselbe 3G7.
*) Theodosij bei Pavlovic 133.
») Daniel 42, 69, 131, 139—140.
°) Typikon von Studenica cap. 38, Glasnik 40, 176.
') Daniel .S2— 33, 39, 51.
") Spomenik 11, 21.
Staat und Gesellschaft iji mittelalterlichen Serbien III.
71
S. Maria von Eatac bei Antivari, zum hl. Ni-
kolaus von Bari iu Apulien, zur Erzengelkirche
auf dem Monte Gargano (S. Angelus de Apulia,
S. Michael de Monte), nach Assisi, nach Eom,
Jerusalem oder zum hl. Jakob von Galicia
(Compostella) nach Spanien.^)
Mächtig war der Wunderglaube. Auf ihm
beruht die Verehrung einheimischer Fürsten
und Erzbischöfe, die nach ihrem Tode als Hei-
lige betrachtet vrurden, seitdem der Grabstein
Nemanjas heilkräftige Myrrha von sich gab,
wie der Sarg des Myrrhenspenders von Thessa-
lonich (t;.'jpoßXutYit;, mirotocBc), des hl. Demetrios.
Diese Stimmung der Geister sah man bei der
Thronbesteigung des Stephan Uros III. Die
Nachricht, dieser geblendete Prinz habe plötz-
lich das Augenlicht wiedererlangt, verschaffte
ihm sofort einen weiten Vorsprung vor allen
übrigen Thronprätendenten.") Daniels Bio-
graphien erzählen neben den zahlreichen Bei-
spielen der Pleilkraft der hl. Gräber auch ganz
wunderbare Geschichten aus den Klöstern des
Landes. Den Erzbischof Arsenije I. (f 1263),
der in den letzten drei Jahren seines Lebens im
Kloster von Pec gelähmt im Bette lag und von
seinen Leuten auf den Händen in die Kirche
getragen wurde, besuchten in seiner Zelle kurz
vor der Todesstunde drei rätselhafte Jünglinge.
Nach einem frommen Gespräch empfahlen sie
sich geziemend und verschwanden. ]\Ian konnte
sie nicht mehr finden. Arsenije erkannte, daß
es drei Engel Gottes (angeli boziji) waren.
Einige Jahre später wurde in Pec in einer
stillen, sternenklaren Nacht um Mitternacht
aus der Kirche ein Donnerschlag (grom velik)
gehört, als ob das Gebäude bis in die Grund-
festen eingestürzt wäre. Der Klerus zog mit bren-
nenden Kerzen in die Kirche und fand den Stein-
sarg des Arsenije zersprungen, wobei aus dem
Inneren ein angenehmer Geruch ausströmte. Da-
mit begann die Heiligenverehrung dieses Schü-
lers des hl. Sava. Auch am Marmorsarg des Erz-
bischofs Jevstatije I (f 1286) im Kloster Zica
sah man bei Nacht flackernde Lichter oder
hörte Stimmen, wie von tausend Leuten, bis
endlich, wie der Biograjih behauptet, auf dem
trockenen und kalten Stein drei Blumen a)if-
blühten.^)
Der Mönch Grigorije Camblak beschreibt
zahlreiche Wunder am Grabe des Stephan
Uros III. im Kloster von Decani. In den stür-
mischen Zeiten nach dem Tode des Garen Ste-
phan habe der Stifter sein Kloster mit strenger
Hand beschirmt. Ein Celnik der Witwe Du-
sans, der Carica Helena, namens Ivoje, be-
raubte das Kloster wie ein echter Wolf im
Schafspelz. Als er eines Tages gerade während
des Mittagsgebetes der Brüder stolz zu Pferde
mit vielen Begleitern, die vor ihm und nach
ihm sich scharten, dem Tore des Klosters nahte,
soll er plötzlich zusammengesunken sein, von
dem unsichtbaren , Krieger Christi' tief in
die Brust getroffen. Später haben die Für-
sten einen Kriegsmann Junac zum Schutze des
Klosters entsendet, doch auch dieser bedrängte
die Mönche mit Willkür und Bosheit. Den Igu-
nieii, den er wie einen Gefangenen bei schmaler
Kost hielt, drohte er mit seinem eisernen
Streitkolben (zelezna palica) eigenhändig zu
erschlagen. Bald erschien ihm auf einem Feld-
zuge während der Belagerung einer Burg im
Traume Uros III. in königlichem Gewände
und mit langem, ergrautem Bart. Junac er-
wachte aus dem Schlafe, wie ein wildes Tier
brüllend, und war seitdem ein verlorener Mann ;
krank ließ er sich ins Kloster tragen, wo er
in sieben Wochen bei lebendigem Leibe unter
furchtbarem Gestank verfaulte.*)
Bittere Schicksalsschläge ertrugen die from-
men, stets auf Wunder gefaßten Leute mit Ge-
duld. Es gab auch Könige, die sich ins Aus-
land flüchten mußten, wie Stephan Eadoslav
oder Dragutins Sohn Vladislav IL Gefangene
hielt man in Serbien, ebenso wie in Bosnien
und Ragusa, in finsteren Gewölben, belastet
mit schweren eisernen Fußketten. Bei den By-
zantinern war es nicht anders. Im Kriege zwi-
schen Andronikos II und III. wurde der Des-
pot Konstantin, der zweite Sohn Andronikos IL,
von den Leuten des jüngeren Kaisers in Dimo-
tika in einer Zisterne eingekerkert. Mitunter
wurden außerordentliche Vorsichtsmaßregeln
ergriffen. Für den in Ketten geschlossenen
serbischen Edelmann Brajko Branivojevic
stellten die Ragusaner 1326 iu einem Stadt-
turm einen eigens für ihn verfertigten Holz-
') Eine Ausnahme ist in dem Testament des i-agusanischen Kaufmannes Maroe de Sisa 1.SG3 eine Pilgerfahrt zur hl.
Petka (Paraskeva) im Trnov in Bulgarien, ,a Sca Venera in Tornova'; vgl. meine Rom. Dalm. 2, 12.
-) Vgl. meine Geschichte der Serben 1, 355.
") Daniel 261, 263, 315, 317.
♦) Camblak, Glasnik 11 (1859) 82, 87—92.
72
II. Abhandlung: Constäntin Jirecek.
käfig auf (cabia de lignamme).i) Erlaubt war
den Gefangenen überall die Beschäftigung mit
Büchern. In der Gefangenschaft der Araber
schrieb der byzantinische Admiral Niketas
nach einer mißlungenen Expedition nach Sizi-
lien 967 eine heute in der Pariser National-
bibliothek befindliehe schöne Pergamenthand-
schrift mit Homilien der Kirchenväter.^) In
einer serbischen Handschrift, welche gleich-
falls Reden der Kirchenväter enthält, liest man
den Stoßseufzer eines Rajcin Sudic und eines
Kijevac (um 1360). Der Kesar (wahrschein-
lich Vojihna) hält sie (wohl in Serrai) wegen
Hochverrat schon fünf Monate in einem Turm,
in Enge und Gestank, wie in einem tiefen Grab.
Sie fühlen sich unschuldig und wenden sich
hoffnungsvoll zu Gott, dem Schöpfer des Him-
mels, der Erde und des Meeres, und zur Mutter
Gottes des nahen Klosters Kosenica. Eine
Inschrift in der Burg Blagaj bei Mostar im
Narentatale schrieb ,ein Gefangener, der sich
nicht freut' (suzanj, koji se ne raduje).^) Auch
in Eagusa war es gestattet, im Gefängnis
Heiligenlegenden zu lesen. Bei der Gemütsart
dpr Leute war ein Selbstmord eine Seltenheit;
in den langen Eeihen der Amtsbücher von Ra-
gusa fand ich einen einzigen Fall verzeichnet.'*)
Die altserbischen Medizinbücher sind meist
Übersetzungen griechischer Schriften.^) Hippo-
krates und Galenus werden darin ausdrücklich
erwähnt. Die heutige Volksmedizin der Süd-
slaven hat traditionell manches aus dieser ärzt-
lichen Literatur des Mittelalters bewahrt. Die
Bücher geben Vorschriften zur Behandlung
von Fieber, Zahnschmerzen, Ohrensausen und
Schwerhörigkeit, Nasenbluten, Sonnenstich,
Schlaflosigkeit, Husten und Halsschmerzen,
Hautausschlägen, Gelbsucht, Darmkatarrh, be-
sonders nach dem Durchschwimmen eines
Flusses, Gicht, Herzübel, Steinkrankheit u. dgl.
Dazu kommen Schwerthiebe, Knochenbrüche,
Brandwunden, Hunde- und Schlangenbiß. Der
größte Teil der Heilmittel ist vegetabilisch:
Quitten, Feigen, Datteln, Zwiebel, Kürbis,
Pfeffer, Mandeln, verschiedene Wurzeln, Sa-
men imd Rinden, Aloe, Eosenwasser (rodosta-
ma), Pech, Öl, Moos usw. Wunden von Schwert-
hieben wurden z. B. mit Pech und Öl behan-
delt. Gegen Husten dienten Quitten, in Kuh-
butter gebraten, oder weißer mit Honig gedün-
steter Zwiebel, oder Feigen, in gutem Wein
aufgelöst, nebst Einreibungen der Brust mit
Schafbutter. Wein, besonders alter Wein, Essig
und Honig werden oft erwähnt. Animalische
Heilmittel waren: Eier, Schafmilch und Esels-
milch, Gans- und Hirschfett, Hirschhorn, Esels-
huf, Gehirn von Hirsch oder Fuchs, Ziegenun-
schlitt und Ziegenlunge, Igelhaut, Schnecken
und Krebse, Schweinekot (svinje lajno, gegen
Hundebiß) und Schwalbenmist. Minerale, wie
Schwefel und Salz, hat man seltener verwendet.
Sehr gebräuchlich waren Aderlässe und Bäder.
Diese Eezeptsammlungen enthalten auch kos-
metische Mittel. Nächtliche Umschläge mit
Bohnenmehl machen das Antlitz jung, ein Pul-
ver aus Hirschhorn erhält die Zähne weiß, wäh-
rend Einreibungen mit gebranntem Eselshuf
das Haar wachsen lassen. Gegen die Folgen des
Weingenusses soll man Essig trinken, gegen den
Kopfschmerz nach dem Wein sich Umschläge von
Epheublättern oder von Kraut auf die Stirne
legen. Zwei Rezepte betreffen Fußschmerzen,
verursacht von engen Schuhen.*^) Impotenz und
Unfruchtbarkeit sind natürlich nicht verges-
sen.'') Ein Besen, getaucht in das Blut eines
schwarzen Ziegenbocks, vertreibt die Flöhe, Nuß-
blüten und wilde Gurken die Wanzen (stenica).
Neben Medizinen wurden auch viel Zaubermittel
verwendet. Ein Teil davon sind Gebete oder
Sprüche, gegen Schlangenbiß, Nasenbluten,
Zahnschmerzen, Rheuma, Fieber, Geschwüre,
sowie gegen alle Feinde der Kulturen, Raupen,
Heuschrecken, Würmer, Schnecken usw. Ein
anderer Teil sind Zauberschriften (zapis), oft
») Mon. Rag. 5, 205, 209.
') Anm. des Hase zu Leon Diakonos IV cap. 8. Schlumberger, Nicdphore Phocas (Paris 1890) 462.
') Stojanovic, Zapisi Nr. 118, 4664.
*) Im Dezember 1414 fand der Küster eines Abends in der Vorhalle der St. Martinskirche von Zonchetto zu seinem
Schrecken eine .mulier ancilla, suepensa ad trabem', bekleidet mit einem weißen Pelz, .gugnum album et super gugnum
habebat vestem antiquam ad modum Sclaborura.' Zeugen bestätigten, daß sie sich nach dieser Kirche erkundigt hatte und
vor ihr gesessen sei. Aufzeichnung vom (3. Dezember 1414 auf einem Blatt, eingelegt in Liber maleficiorum 1-112—1415
Arch. Rag.
*) Texte bei Novakovid, Primeri, 3. A., 590—605 und Jagii, Starine 10, 81 — 115.
«) Starine 10, 107 Nr. 46.
') Ein Gürtel aus dem Bast der Pappel, mit einem Gebet beschrieben und am bloßem Leibe getragen, verleiht Kraft
dem Manne. Eb. 10, 110 Nr. 72.
Staat und Gesellschaft im mittelalterlichen Sekbien III.
73
ganz unverständliche, meist griechische Worte,
auf ein Blatt Papier geschrieben, gegen Nasen-
bluten, Tollwut (bes), Schlangenbiß, oder auf
eine Brotrinde gezeichnet gegen Zahnschmerzen
und zur Auffindung der Diebe, oder geschrieben
auf einem Apfel, den man aufißt, gegen Fieber.
Eine Bleitafel mit einer griechischen und slavi-
schen Beschwörungsformel ^vnrde in unseren
Jahren in der Umgebung von Mostar gefun-
den.^) In einem der Bücher liest man ein ,Gebet,
wenn man zu Gericht geht' ; Gott möge vor allem
den Gegnern die Zunge absperren und sie sprach-
los machen. Ein geschriebener Zauberspruch
wendet sich an die Erzengel Michael und Ea-
phael und den Patriarchen Isaak um Hilfe, um
den flüchtigen Sklaven (rab) rasch zurückzu-
bringen. Zu animalischen Zaubermitteln gehört
Kopf, Blut und Herz der Fledermaus (lilbk).
Wer das Herz eines Raben bei sich trägt, ge-
winnt beim Würfelspiel.^)
Von Ärzten (vrac) ist in einheimischen Quel-
len, wie bei Daniel und Camblak, oft die Eede,
aber auch davon, wie die Leute ihr Vermögen
ihnen vergeblich geopfert haben und endlich
Heilung anderswo fanden, bei den heiligen
Gräbern von Zica und Decani.^) Namen altser-
bischer Heilkünstler sind aus den Ämtsbüchern
von Eagusa bekannt, z. B. ein ,Pervosclavus
(Prvoslav) medicus' 1298 und ein , Menge Änti-
baranus medicus' 1330.'') ,Milcinus de Presarin
(Prizren), homo domini imperatoris', schloß in
Eagusa im November 1349 einen Vertrag wegen
der Heilung eines Sohnes des Schuhmachers
Medoje von einem Steinleiden (morbus lapidis,
qui dicitur malum de petra), um ein Honorar
von 20 Perper.^) Ein Spezialist für Bruchleiden
(serb. kiloreza, wörtlich Bruchschneider) war
Obercho, der 1382 in der Kanzlei von Eagusa
einen Vertrag mit dem Wlachen Stojislav Po-
povic abschloß, mit einem Honorar von 60 Per-
per. Stojislav gibt sich ,wie tot' (posuit se pro
mortuo) in die Hände des Obercho; wenn er bei
der Behandlung stirbt, darf keiner seiner Ver-
wandten dem Operateur deshalb etwas böses tun.
Doch ist am Eande bemerkt, daß beide Parteien
vom Vertrage zurückgetreten seien. ^) Einen
Magister Novak aus der Landschaft Lustica bei
Cattaro nahmen die Eagusaner 1425 als ,medicus
et barberius' in den Gemeindedienst auf; ebenso
beschloß man 1446 den Magister Georgius Äl-
banensis ,pro physico et cyrogico' (Arzt und
Chirurg) der Stadt anzustellen.
Die besoldeten Stadtärzte von Ragusa waren
seit dem 13. Jahrhundert meist Italiener von den
altberühmten Universitäten von Salerno und
Bologna, aus Padua, Eavenna usw., seltener
Juden aus Italien oder Griechen. Sehr oft ge-
schah es, daß man sie aus Gefälligkeit zu den
Nachbarfürsten beurlaubte. So wurde 1326 Ma-
gister Egidius infolge der Bitten des Königs
Stephan Uros III. auf zwei Monate zu ihm ent-
sendet, ebenso wieder 1327.'') Bald finden wir
italienische Ärzte in den Diensten der einheimi-
schen Fürsten selbst. Ein berühmter medizini-
scher Schriftsteller, Gulielmus de Varignana,
ein Sohn des Professors der Medizin Bartholo-
maeus de Varignana in Bologna, war Leibarzt
des Bau Mladen Subic von Kroatien und Bos-
nien. Von seinen in Basel im 16. Jahrhundert
gedruckten Werken sind die ,Secreta sublimia
medicinae' 1319 über Auftrag des Ban Mladen
verfaßt und ihm gewidmet, worauf Varignana
1320 als Gesandter jNIladens nach Venedig
kam.*) In den Diensten des Stephan Dusan
stand 1333 der ,magister Antonius, physichus
salariatus ipsius domini regis', ein Freund des
deutschen Eitters Palmanus, des Befehlshabers
der Söldner des Königs.") Im Oktober 1408
') Beschrieben von Resetar, Arch. slav. Phil. 27 (1905) 258—264.
') Starine 10, p. 93, 94, 105, 114. Gebete bei Jacimirskij, Izvüstija d. Abt. f. russ. Spr. 18 (1913), 4, Ifi f.
') Daniel 315. Camblak, Glasnik 11 (1859) 82.
') Pervi(;a, uxor quondam Pervoslavi medici, 18. Februar 1298 Div. Canc. 1295. Jlenoe Antibaraiius medicus, 17. April
1330 Div. Canc. 1328—1330 Arch. Rag.
5) Diversa Cancellariae 1349 — 1356, Fragmente eingenäht im Buche Distributiones testamentorum 1349 — 1357, im
Archiv von Ragusa.
«) Obercho Chiloresa, 29. Januar 1382. Div. Canc. 1.381 Arch, Rag.
') Mon. Rag. 5, 225, 240.
') Über Varignana (f 1330 in Bologna) vgl. L. von Tlialloczy, Glasnik hos. 5 (1893) G— 10 = Wiss. Mitt. 3 (1895)
300 — 303 mit Abbildung. Das merkwürdige Dedikationsbild eines Miinchener Kodex zeigt den Arzt Varignana vor Mladen,
wie er dem Ban kniend ein Buch überreicht.
^) , Dominus Palmanus Teutonicus, stipendiarius domini regis Raxic' verpflichtet sich in Ragusa am 20. Oktober 1333
die Panzer, Helme und andere Rüstungen, Pfänder eines ungenannten .stipendiarius ipsius domini regis,' welche er vom
Pauluccius ypothecarius erhalten hatte, binnen 15 Tagen dem Arzt Antonius zu übergeben. Div. Canc. 1334 Arch. Rag
Dcnischriften der phü.-hist. Kl. 58. Bd. 2. Abb.
10
74
II. Abhandlung: Constantix Jieecek.
■wurde der Stadtarzt von Ragusa, Magister Da-
niel de Pasinis de Verona zum Despoten Stephan
Lazarevic beurlaubt; mit den Vertretern des
.illustris dominus dispotus Sclavonie', zwei Ea-
gusanern aus der Familie Gradi, schloß er einen
Vertrag auf vier Monate, mit einem Honorar
von 80 Golddukateu oder 11 Pfund ,boni argcnti
mercadanteschi' monatlich.^) Stephans Nach-
folger Despot Georg hatte dagegen (1439) wieder
selbst einen Italiener, den Magister Angelo
Muado als Leibarzt in Diensten.^) In dieser Zeit
lebte in Serbien auch ein Arzt aus Florenz, Ma-
gister Hieronymus medicus, Sohn des Magister
Johannes de Sancto TMiniato; nach seinem Tode
reiste sein Bruder Ser Jacobus mit einem
Empfehlungsschreiben der Stadt Florenz vom
27. April 1434 an den Despoten nach Serbien,
um den Nachlaß abzuholen.^) Die vornehmen
Bosnier des 15. Jahrhunderts vertrauten immer
auf die Hilfe der Ragusaner. Die Arzte der
Republik, Italiener und Griechen, reisten damals
oft zum König oder der Königin von Bosnien,
zum Großvojvoden Sandalj. zum Herzog SteiAän
Vukcic und zu seinen Söhnen, oder zu den Zlato-
nosovici, Nikoliei und Vojislavici. Zu Stephan
Crnojevic von IMontenegro wurde 14ß0 durch
einstimmigen Beschluß des Senates von Eagusa
der jbarberius' Cherach zur Behandlung eines
Fußleidens gesendet. Die Ratschläge wurden
auch brieflich mitgeteilt. So schrieben die Ra-
gusaner z. B. dem Sandalj 1430 durch ihren
Gesandten Benedetto de Gondola, sein Leiden,
Magenschmerzen mit Seitenstechen, könnte nach
dem Urteil der Ärzte mit der Zeit zu einer Stein-
krankheit ausarten ; er solle deshalb strenge Diät
halten und bloß Weißwein, keinen Rotwein
trinken.*)
Kleine Krankenhäuser (bolnica) gab es in
den Klöstern, wie schon in Studenica. Im
Kloster von Prizren waren es nur 12 Betten,
mit der Bestimmung, daß Lahme und Blinde
ausgeschlossen seien. Die Heilung von Schwer-
kranken förderte stets das Ansehen des Klosters
und der Kirche.
Bei Fürsten und Adeligen war es nach by-
zantinischer Art üblich vor dem Eintritt des
Todes das Mönchsgewand anzulegen und einen
Klosternamen zu erhalten. So war es bei den
Königen Stephan dem Erstgekrönten und Ste-
phan Dragutin, bei der Königin Helena, dem
Feldherrn Hrelja. Bei den Griechen ließen
.sich Schwerkranke nicht selten zu Mönchen
scheren ; als sie aber gesund wurden, wollten sie
nichts davon wissen. Vom Erzbischof wurden
sie dann oft vom Gelübde befreit, jedoch ihr
Leben lang zur Enthaltung vom Fleisch und
zum Tragen schwarzer Kleider verpflichtet.^)
Bei jedem Verluste legte der Hof schwarze
Trauerkleider an; so tat es Nemanja mit Frau
und Dienerschaft nach der Flucht seines Sohnes,
des Rastko (Sava) auf den Athos.") Fürsten,
Adelige und Bischöfe wurden stets im Innern
der Kii'che begraben. Eine gemeinsame Grabes-
kirche der Landesfürsten, etwa in der Art der
Apostelkirche von Konstantinopel mit den by-
zantinischen Kaisergräbern, der Benediktiner-
abtei St. Denis bei Paris oder des Domes von
S]3eyer in Deutschland, gab es in Serbien nicht.
Die Gründer von Klöstern hat man stets in
ihren eigenen Stiftungen zur ewigen Ruhe be-
stattet. Der Steinsarg war oft bei Lebzeiten
vorbereitet, z. B. in Zica oder Pec für die Erz-
bischöfe. Daniel schildert das Begräbnis der
Königin Helena, der Witwe des Königs Uros I.
(t 8 Februar 1314). Im strengen Winter führte
der Erzbischof Sava III. mit den Bischöfen
die Leiche unter Psalmengesang aus dem Schloß
von Brnjaci durch das Ibartal in das von ihr
gestiftete Kloster von Gradac. Dort traf König
Stephan Uros IL Milutin mit seinem Hofe ein ;
er raufte sein Haar, schlug sein Antlitz und
vergoß Ströme von Tränen vor der Leiche sei-
ner Mutter, worauf er sie mit den Bischöfen
imd Igumenen eigenhändig ins Grab legte. Sein
Bruder Stephan Dragutin kam erst später,
ebenso die beiden Schwiegertöchter der Ver-
storbenen, die Königinnen Simonida und Ka-
tharina, welche das Grab mit goldgestickten
Tüchern bedeckten.') Oft gab es Übertragun-
gen. Stephan der Erstgekrönte, neben seinem
') Piicid 1, Beilagen S. X. Vertrag vom 14. Oktober 1408: Div. Canc. 1408, II, Arch. Kag.
^) ,Egi-egius vir magister Angelus Muado, pliisicus domini Georgii Volchi, magnifici domini ducis Rassie et Albanie,'
klagt in Ragusa am 10. l'ebruar 1429, sein Diener Nikolaus, ein Ragusaner Bauer, habe ihm im August v. J. in Belgrad
zwei gesattelte Pferde, Kleider und WaÖ'en gestohlen. Lam. Rag.
') Makusev, Mouunienta historica Slavorum meridionaliuni, vol. 1 (Warschau 1874) p. 411, 531.
*) Jorga, Kotices et extraits 2, 277.
') Dcmetrios Chomalianos Nr. 79, 128, 138.
0) Domentian 27. ') Daniel 90—98.
Staat und Gesellschaft im mittelalteklichen Serbien III.
75
Vater Neman ja im Kloster Studenica begra-
ben, wurde bald darauf von seinem Bruder Erz-
bischof Sava in seine eigene Stiftung 2ica
überführt.^) König Stephan Dragutin war in
der Georgskirche von Eas bestattet; seine Grab-
inschrift ist aber heute in Studenica zu lesen. ^)
Infolge von Visionen wurden die Leichen aus
dem Grabe herausgenommen und in einem
Holzsarg (kovceg oder kivot von •/.•f^üziov) vor
der Ikonostasis nebeft der Altartür aufgestellt ; so
war es bei Helena in Gradac und bei üros II.
in Banjska.^)
Grabinschriften sind in Serbien seltener als
in Bosnien, wenige aus dem 13., mehr aus dem
14. und 15. Jahrhundert.*) Die Formeln erin-
nern oft an die bosnischen, besonders im Westen
Serbiens an der Drina. Der Hauptunterschied
ist darin, daß die bosnischen Grabsteine meist
in großen Gruppen im Freien liegen, die serbi-
schen sich in Kirchen und Klöstern befinden.^)
Man nannte sie in Bosnien , Stein' (kami) oder
, Zeichen' (bilig). Die Inschriften und Orna-
mente arl>eitete dort der kovac, wörtlich
Schmied. Der Tote spricht in der Inschrift in
der Eegel in der ersten Person; oft hat er bei
Lebzeiten sein , ewiges Haus' errichtet. Der
Adelsstolz liegt in der Betonung, er ruhe auf
seinem eigenen Boden, seinem adeligen Erbgut
(bastina, plemenito), was auch in Serbien an
der Drina vorkommt. Der Grundgedanke der
Formel ist in Bosnien und Serbien bis nach
Makedonien derselbe: erinnert euch, daß auch
ihr sterben werdet; ihr werdet sein, wie ich, aber
ich werde nie mehr sein, wie ihr.'') Stolz klingt
die Inschrift eines Knez Kadivoj Vlatkovic in
der Herzegovina: ,in dieser Zeit war ich der
beste Mann in Dubrave' (u toj vreme najbolji
muz u l'nbravah bih).") Auf dem Gralie eines
Obren Milatovic aus dem Drinagebiet, jetzt im
Belgrader Museum, heißt es: ,gut hat er ge-
lebt und gut ist er gestorben' (i dobri zi, a dobri
uinre).*) Trauriger gestimmt ist ein Bosnier:
,Gott, lange ist es schon her, daß ich mich
niedergelegt habe und noch viel habe ich zu
liegen' (Boze, davno ti sam legao i vele ti mi je
lezati).^) Oft sind auf den bosnischen Steinen
historische und biographische Daten oder ganze
Genealogien zu lesen, wie die des Adelsgeschlech-
tes der Cihorici oder Drugovici im 14. Jahrhun-
dert auf einem Stein bei Velicani gegenüber
dem Kloster Zavala auf dem Popovo polje.^")
Es gibt auch Gräber patarenischer Geistlicher
(krstjani), aber daneben, besonders in der
Herzegovina, auch Inschriften mit Kreuzes-
zeichen und anderen klaren Merkmalen
der Zugehörigkeit zur serbischen Kirche. Die
Verwandten oder Freunde, die den Stein auf-
gestellt hatten, werden ausdrücklich genannt.
An antike Formeln erinnert der Fluch gegen
jeden, der das Grab zerstören sollte.
In den Küstenstädten befanden sich die
Gräber der Patrizier und Bürger meist inner-
halb der Stadtmauern in den Klöstern, in Ea-
gusa besonders bei den Franziskanern und
Dominikanern, deren Kirchen heute noch voll
alter Denkmäler sind.
Der mittelalterliche serbische Dorffriedhof
in den Tälern und Wäldern des Ostens mit
seinen Holzkreuzen ist nicht näher bekannt.
Besser kennen wir in den Bergländern des
Westens die verlassenen Gräber in der Einöde
mit ihren inschriftlosen, ornamentierten Stein-
platten. Aus sehr alter Zeit stammten die in
Urkunden erwähnten Grabhügel (gomila), be-
zeichnet mit Personennamen, als Grabhügel des
Pribidrug, des Ljubko usw. ; sie kommen noch
im 14. Jahrhundert auf den Besitzungen der
Klöster von Banjska und Prizren vor. In an-
deren Urkunden wurden im 13. — 1.5. Jahr-
hundert einzelne, außerhalb der Dörfer ge-
legene Gräber oder Grabfelder (grob, groblje)
bei Grenzbeschreibungen genannt, stets mit
') Theodosij bei Pavlovii- 132.
-) Kovacevic, Starine 10, '258; vgl. Daniel 52. Vgl. eine Urk. von 1597 im Glasnik bos. 21 (1909) 5G— 57, wo das
Grab Dragutins noch im St. Georgskloster erwähnt wird.
=>) Daniel 100, 160.
*) Gesammelt bei Stojanovie, Zapisi.
^) Vgl. Dr. C. Truhelka, Die bosnischen Grabdenkmäler, Glasnik bos. 3 (1891) 368—387 = Wiss. Mitt. 3 (1895) 403—
Über die Sprache der Inschriften Jagic in Glasnik bos. 2 (1890) 1—9 = Wiss. Mitt. 3 (1895) 396—402.
0) Z. B.: ,Molju bratiju i strine i neviste: pristupite i zalite me i nepopirajte me nogama, jere cete biti vi, kakov jesm
a ja necu biti, kakovi jeste vi.' Grab des Radojica Bilic; in Staro Selo bei Jajce, Wiss. Mitt. 3, 489.
" 'i Wiss. Mitt. 3 (189:.) 437; 5 (1897) 277 f.
') Stojanovie, Zapisi Nr. 4731.
°) Grab des Stipko Radosalio in Premilovo polje bei Ljubinje, Wiss. Mitt. 3, 497.
1») Meine Abb über die Inschrift von Velicani, Glasnik bos. 4 (1892) 279 f. = Wiss. Mitt. 3 (1895) 474 f.
lü*
480.
ja:
76
II. Abhaitolung: Constaxtix Jirecek.
serbischen Personennamen, des Bolesta, des Dru-
zeta, des Obugan.^) Genauere Nachrichten stam-
men erst aus der Xeuzeit. Busbeck (1533) schil-
dert einen Friedhof bei Jagodina. Auf Pfählen
oder Stangen sah man dort hölzerne Figuren von
Hirschen, Echen und anderen Tieren, bei wel-
chen Frauenhaar zum Zeichen der Trauer aufge-
hängt war. Gerlach (1578) beobachtete in Ser-
bien, wie bei dem Kopf der Toten Holzkreuze
aufgestellt wurden. Heute noch sind auf den
mit einer Hecke umgebenen oder ganz frei
stehenden Friedhöfen im Innern Serbiens
charakteristisch die sehr hohen, oft kunstvoll
geschnitzten Holzkreuze; auf ihnen sind Tü-
cher, bei Frauen unvollendete Handarbeiten,
sowie Blumen und Früchte befestigt. In wald-
armen Landschaften deckt das Grab eine Stein-
platte und beim Kopf steht ein steinernes Kreuz,
mitunter mit Inschrift und primitiven Skul-
pturen.'^) Über den dörflichen Totenkultus, die
Totenmahle, Allerseelentage und Ahnenfeste
fehlt es an schriftlichen Nachrichten aus dem
Mittelalter. Dafür haben die Ethnographen
unserer Zeit noch ein reiches und merk-
würdiges Material über diese Sitten sammeln
können.^)
') Vgl. meine Geschichte der Serben 1, 170.
') Milicevic, Zivot Srba seljalsa (Leben der serbischen Bauern), Srpski etnografski zbornik 1 (1S94) 350 f.
^) Niederle, 2ivot 1, 279 fif. M. Murko, Das Grab als Tisch, in der kulturhistorischen Zeitschrift , Wörter und Sachen'
2 (1910) 79—160; vgl. die Besprechung von AnickoT, Arch, slav. Phil. 34 (1913) 578—588.
INHALT.
I. Die Periode der Nemanjiden (1171—1371). Schluß.
12. Materielle Kultur: Bauten, Volkstrachten, Nahrung- iisvr 3
13. Geistige.s und gesellschaftliches Leben 26
Anm.: Ein vierter Teil wird den Sohlnß der Abhandlung mit Darstellung der VerLUltnisse wiihrend der
Kämpfe der Serben mit den Türken (1371 — 1459) enthalten, sowie die Beilagen und Eegistcr.
SEINEM
HOCHVEREHRTEN KOLLEGEN UND FREUNDE
MAURICE BLOOMFIELD
PROFESSOR AN DER JOHNS HOPKINS UNIVERSITY
IN BALTIMORE, MD.
m AUFRICHTIGER ERGEBENHEIT
GEWIDMET
Xim VERFASSER.
DENKSCHRIFTEN
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE.
58. BAND, 3. ABHANDLUNG.
HERAKLE8 UND INDRA.
EINE ]MYTHENVEKGLEICHENDE UNTERSUCHUNG
VON
L. VON SCHROEDER,
WIUKL. MITULIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 6. MAI 1914.
WIEI, 1914.
IN K 0 M .M 1 S S I 0 X I! Kl ALFRED HOLDER
K. U. K. nOF- UND UNIVEBSlTATS-liUCHHÄNDLER
BUCRIIANULEK DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
Druck von Adolf Holzhauseri,
Hof- nnil UniveraitÄts-Bnchdriicker
Vorbemerkung.
-Uer Schwerpunkt der liier vorgelegten Unter-
suchung liegt in dem nach Möglichkeit eingehend
geführten Nachweise der Übereinstimmung in der
Person, den Heldentaten und Abenteuern des
Herakles und des Indra, welche Übereinstimmuns
sich als so groß herausstellt, daß an der ursprüng-
lichen Identität beider Göttergestalten und der
mit ihnen zusammenhängenden Mythen darnach
wohl nicht mehr wird gezweifelt werden können.
Einzelne Mythen, bei denen solche Übereinstim-
mung bald in die Augen fiel, sind bekanntlich
auch früher schon verglichen worden. Die Er-
zählung von Herakles und Geryones (respektive
auch Cacus), die durch Herakles vollführte Be-
freiung der Rinder aus der Gewalt dieses drei-
köpfigen Riesen, seines Hirten und seines Hundes
Orthros, stimmten in auffallender Weise mit In-
dras Befreiung der himmlischen Rinder aus der
Gewalt der bösen Dämonen Yiitra. Yala, Tväshtra
Vicvarüpa, oder wie sie sonst hießen, überein.
Auch erinnerte die riesische Kraftnatur des einen
Gottes alsbald an die des andern. Doch das ge-
nügte nicht, um diejenigen zu überzeugen, die
solchen und ähnlichen Vergleichungen a priori
skeptisch gegenüberstanden, und in der Tat ist
der Umfang der mit der Gestalt beider Götter
verbundenen Mythen und Sagen ein so großer,
daß nur eine ebenso ausgebreitete wie tiefer ins
einzelne eindringende Untersuchung das Ziel er-
reichen konnte, die Frage endgültig zu entschei-
den und auch die Gegner zu überzeugen. Eine
solche zu liefern ist der Zweck dieser Arbeit.
Eine andere und wohl noch schwierigere,
gegenwärtig vielleicht noch nicht mit völliger
Sicherheit zu beantwortende Frage ist die nach
der ursprünglichen Naturbedeutung des indischen
und des griechischen Gottes. Die Ansicht, die
ich mir im Laufe der Jahre darüber gebildet
habe, soll unumwunden zum Ausdruck gelangen.
Doch bitte ich alle diejenigen, die mit dieser An-
sicht nicht übereinstimmen sollten, sich dadurcii
von dem Studium der vorliegenden Arbeit nicht
abschrecken zu lassen. Es wäre vielleicht das
Richtigste, alle Spekulationen über die Urbedeu-
tung beider Göttergestalten zunächst nach Mög-
lichkeit in den Hintergrund zu drängen. Ganz
durchführen läßt sich das freilich nicht. Doch
wie man darüber auch denken mag, es wird auf
jeden Fall schon ein beträclitlicher Gewinn sein,
wenn eine möglichst gründliche und eingehende
Vergleichung uns zu dem Ergebnis hinführt, daß
Herakles und Indra schlechterdings nicht vonein-
ander getrennt werden können, sondern als un-
zweifelhaft zusammengehörige, ursprünglich identi-
sche Göttergestalten anzusehen sind.
Ich lasse dabei den Thörr beiseite, so wenig
ich auch daran zweifeln kann, daß er als die
dritte verwandte Göttergestalt neben Indra und
Herakles zu stellen ist. Seine Verwandtschaft mit
Indra tritt jedenfalls deutlich hervor. Beide sind,
wie ich glaube, zu großen Göttern herangewachsene
alte Gewitterriesen, die einen älteren Gewittergott
— hier Farjanya. da Fjörgynn — im Laufe der
Zeit ganz verdrängt und sich an seine Stelle ge-
setzt haben. Mit dem Donnerkeil bewaffnet,
kämpfen sie fort und fort gegen böse Dämonen,
Riesen und Ungeheuer aller Art, die sie zum
Heile der Menschen und Götter kraftvoll besie-
gen. Die Übereinstimmung in der sehr stark
eigenartig ausgeprägten Persönlichkeit beider
Götter fällt in die Augen und wird wohl kaum
bezweifelt. Beide die gewaltigsten und unermüd-
lichsten Kämpfer in ihrem Götterkreise, von eigen-
tümlich plumper und ungeschlachter, riesischer
Natur, gewaltige Esser und Trinker, dabei von
einem derben, volkstümlichen Humor, der sie
immer besonders beliebt und populär machte.
Thorr mit großem roten Bart, den er in der Er-
regung schüttelt; Indra mit blondem Haar und
Bart, den er ebenfalls schüttelt. Von der Waffe,
die sie schleudern, heißt es hier wie dort ge-
legentlich, daß sie in die Hand des Kämpfers
zurückkehrt, einem Bumerang ähnlich, nur daß
dieser bloß zurückkehrt, wenn er nicht getroffen
hat. Das alles fällt in die Augen und wird kaum
bestritten. AVeniger Klarheit herrscht über die
Natur der dämonischen und riesischen Gegner.
Man war lange gewoimt, die Gegner des Indra
als A\'olkendämonen zu bezeichnen, ihre Burgen
als Wolkenburgen, während die Gegner des Thorr
1»
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
als Berg- und Felsriesen, Eis- und Frostriesen
gelten, vor allem winterliche Mächte. Heutzutage
machen viele Forscher bei den Wolkendämonen
des Indrakampfes ein großes Fragezeichen. 01-
denberg glaubte — jedenfalls zu weit gehend — ,
daß bei den von Indra entfesselten Wassern nur
an irdische FlU.sse zu denken sei;') und Hille-
b ran dt machte es wahrscheinlich, daß es sich bei
den Kämpfen des Indra zu einem guten Teil um
Kämpfe gegen Dämonen des Winters, des Frostes
und Eises handelte, daß die gefesselten, gebannten
Wasser nicht seltentdeutlich als gefrorene Wasser
charakterisiert sind (Vedische Mythologie, Bd. III
p. 157 fg.). Dadurch rückte die Gestalt des Indra
nur noch näher an Tliörr heran. E. Siecke und
die ihm folgenden Mondmythologeu sehen da-
gegen in dem Kampfe des Indra gegen seine
dämonischen Gegner das Ringen des Lichtmonds
mit dem Schwarzmonde. Ist dieser Kampf auch
gar seltsam geräuschlos, langsam und undramatiseli
im Vergleich mit dem Gewittervorgang, so sprang
doch als Doppelgewinn desselben sehr schön das
Licht — wenn auch nur Mondlicht — und der
himmlische Trank hervor, der himmlische Soma
im lichten Gefäße des Mondes, der nach uraltem
Glauben auch als Urquell des Regenwassers galt.
Das Resultat von Indras Kämpfen aber ist ja
1. die Gewinnung des Lichtes — wenn auch vor
allem der Sonne — und 2. die Gewinnung des
himmlischen Rauschtrankes Soma und der \A'asser-
ströme; also Licht und Wasser, beide oftmals im
Bilde von Rinderlieerden gefaßt.
Diese verschiedenen, miteinander streitenden
Ansichten darf man gegenwärtig wohl noch nicht
als geklärt betrachten. Sie haben, wie ich glaube,
alle ihre relative Berechtigung und sind vielleicht
nicht unvereinbar, zum mindesten insofern es sich
um zeitlich einander ablösende Auffassungen des-
selben alten Mythus handelt. Ohne auf dieses
Problem näher einzugehen, ohne abschließend
oder absprechend urteilen zu wollen, setze ich mir
in der ^vorliegenden Untersuchung eine begrenztere
Aufgabe, die schon eingangs angedeutet wurde.
Herakles und Indra — wie ist es möglich,
beide zusammenzubringen, wenn man in Indra
einen alten Gewitterriesen sieht? Ist doch Hera-
kles anscheinend ein Sonnenheld, der mit dem
Gewitter nichts zu tun hat. Doch auch Indra
befreit das Sonnenlicht, verhilft ihm durch seine
Taten zum Siege; auch er ist ein Lichtheld, ein
Sonnenheld, wenn auch nicht ausschließlich. Wenn
aus irgendwelchen Gründen bei dem riesischen
Helden im Laufe der Zeit die Gewitternatur ver-
dunkelt wurde, seine Taten im Dienste des Sonnen-
lichts beherrschend in den Vordergrund traten,
dann konnte doch vielleicht der Gewitterheld ganz
zum Sonnenhelden werden.
Doch sehen wir lieber ab von solchen Spe-
kulationen und wenden wir uns zur Betrachtung
der Tatsachen.
') Vg\. meine Bemerkung-en darüber WZKM. Bd. IX p. 230—23.3.
Herakles und Indra.
Herakles.
r assen wir Gestalt und Mythus des Herakles
etwas näher ins Auge.
Zunächst ist es wichtig hervorzuheben, daß
der Herakles-Mythus nach einer verbreiteten, noch
näher zu prüfenden Anschauung kein einheitlicher
ist, daß die verschiedensten Sagenströme zu seiner
Ausbildung beigetragen haben. Orientalische,
phönikische, assyrische, ägyptische und vielleicht
noch andere Einflüsse scheinen sich hier bemerk-
bar zu machen, wenn es auch für wahrscheinlich
gelten darf, daß die Griechen die Gestalt des
riesischen Helden und mancherlei Mythen, die von
ihm erzählt wurden, schon aus der arischen Ur-
zeit mitgebracht haben. Dieser ursprüngliche Kern
der Sage, um den sich alles Weitere später herum-
gelagert hat, ist für uns hier natürlich allein von
Bedeutung. Versuchen wir es, ihn aus der Um-
hüllung fremdländischer Schlinggewächse loszu-
lösen, seine Umrißlinien festzustellen und zugleich
zu prüfen, wie weit er sich fUi' die Yergleichung
verwerten läßt.
Verhältnis des Herakles zu Hera.
Absolut fest steht das nahe Verhältnis des
Herakles zu Hera, das schon der Name des Hel-
den andeutet. Es bildet geradezu die Grundlage
seines Lebens, seiner Taten sowohl wie auch
seiner Leiden. Es besteht aber auch längst schon
kein Zweifel darüber, daß die Motivierung der
großen, dem Herakles auferlegten Aufgaben durch
die eifersüchtige Leidenschaft der Göttin, die in
ihm den unrechtmäßig, außerehelich gezeugten
Sohn ihres Gatten Zeus haßt und verfolgt und
ihm nicht Schweres genug aufbürden kann, nicht
alt, nicht ursprünglich sein kann und zur Erklä-
rung dieses ungeheueren Lebensdramas in keiner
Weise ausreicht. Die Eifersucht der gekränkten
Ehefrau Hera, als Ergänzung zu den zahlreichen
Liebesabenteuern ihres Gatten, hat sich über-
haupt allzu stark in dem Mythus der herrlichen
Göttin vorgedrängt, hat ihre von Haus aus große,
leuchtende Gestalt durch häßliche Schatten ent-
stellt und verdunkelt, den wundervollen Mythus
von der heiligen Hochzeit des himmlischen Götter-
paares geschädigt und so auch die Heraklessage
in gewisser Weise gefälscht. Bis zum Possen-
haften herabgewürdigt erscheinen die Taten des
größten hellenischen Helden, wenn er sie in-
folge der listigen Machenschaften der Hera im
Dienste des elenden Eurystheus ausführen muß, der
sich feige verkriecht, wenn Herakles den furcht-
baren erymanthischen Eber lebendig herbeibringt.
Das sind Spiele des Volkswitzes, eine ergiebige
Quelle der Belustigung niederer Art. Es ist spätere
Mache, ebenso wie die pikanten Liebesgeschichten
des Zeus. Schon vom speziell griechischen Staud-
punkt aus hat man erkannt, daß das Verhältnis
des Herakles zur Hera ursprünglich ein wesent-
lich anderes gewesen sein muß, daß der Held als
der eifrigste Verehrer und Diener der himmlischen
Lichtgöttin — die wir als Göttin der jungen Sonne
erkannt haben — in ihren Diensten und zu ihrem
Nutz und Frommen seine großen Taten tut.^) Und
die Vergleichung bestätigt solche Auffassung. Das
mutmaßliche indische Gegenbild des Herakles,
der gewaltige Keulenträger Indra, arbeitet im
Dienste der Sonne und ihres Lichtes, er erschlägt
die bösen Wolkendämonen, er drückt den Wolken-
berg herunter, läßt die Sonne wieder erscheinen,
verhilft ihr zum Siege. Er gewinnt durch seine
Taten das Sonnenlicht - — nicht um es für sich
zu behalten, sondern um es zu befreien, um es
aufs neue der Welt zu schenken und mit ihm all
den Segen, der damit verbunden ist — weshalb
er denn auch als der größte und herrlichste Held
gepriesen wird, und das um so mehr als er es
ist, der auch den gefangenen Regen befreit, —
ein Zug, der dem Herakles scheinbar fehlt. Mit
seinem Sieg über die bösen Dämonen, mit ihrer
') Vgl. Preller, Griech. Mythol. 3. Aufl. II p. 158. Den eingehenden Nachweis über Hera als Göttin der jungen .Sonne
bringt Bd. II meiner im Druck begriflfenen , Arischen Religion'.
ITI. Abhandlung: Leopold v. Schkoedek.
Vernichtung: wirkt Indra ein doppeltes Heil: er
läßt die befruchtenden Wasser frei in Strömen
laufen und er macht auch die Sonne frei, setzt
sie wieder an den Himmel, weithin zu schauen, bringt
sie den frommen Sterblichen wieder.*) Er ist kein
Lichtgott, kein Sonnengott, aber er ist der große
aktive Gott, der in wirksamster Weise durch seine
Heldentaten dem großen Tagesgestirn dient. Und
ebenso ist, wie icli glaube (und wie aus dem Fol-
genden mehr und mehr erhellen wird), Herakles
nicht etwa von Haus aus ein Sonnengott, sondern
nur der gewaltige riesische Helfer und Diener
der Sonne, der göttlichen Hera. Erst ein späterer
Prozeß, erst die Übertragung orientalischer Sonnen-
gottmjthen auf den griechischen Heros, seine
Identifizierung mit Göttern dieser Art, hat ihm
etwas vom Wesen des Sonnengottes verliehen, das
ihm ursprünglich fremd ist.
Verhältnis des Herakles zu Athene, Hermes, Apollon.
Selir charakteristisch für den ältesten, echt
griechischen Heraklesmythus ist aber auch das
innige Verhältnis des Helden zur Göttin Athene,
die ihn helfend, schützend und schirmend bei
seinen Abenteuern begleitet, in der Gefahr ihm
beisteht, beim Ausruhen ihn erquickt oder ihm
den Siegespreis reicht. Sie greift gelegentlich auch
handelnd ein bei seinen Abenteuern, so z. B. wenn
sie beim Kampfe vor Ilios, zur Rettung der He-
sione vor dem Seeungeheuer, mit den Troern
zusammen einen Damm baut, unter dessen Schutz
Herakles den Kampf besteht (cf. Preller, Griech.
Myth. 3. Aufl. II p. 234). Ein anderer göttlicher
Begleiter und Helfer des Helden ist Hermes,
wenn auch wohl nicht ganz von der gleichen Be-
deutung für ihn wie Athene. Neben der Dichtung
und Sage sind es namentlich die älteren Vasen-
bilder, die ein reiches Material zur Erkenntnis
dieser Beziehungen liefern und, wie es scheint,
die ältere epische Überlieferung noch treuer
wiederspiegeln als die gewöhnliche Tradition. All
die zahlreichen Kämpfe und Abenteuer des Hera-
kles liegen hier in einer langen Reihe lebendiger
Bilder vor, und immer erscheint er begleitet und
umgeben von Athene und Hermes, den göttlichen
Schützern des Helden.^)
Höchst merkwürdig ist es, was die Verglei-
chunff über diese beiden Götter und ihre Bezie-
huug zu Herakles -Indra zutage gefördert hat.
Diese Dinge sind zum Teil so seltsam, daß man
sich nicht wundern kann, wenn die moderne
Skepsis sie am liebsten ganz beiseite schieben
möchte. Und doch hat der Scharfblick der älteren
vergleichenden Mythologen hier wertvolle Adern
edlen Erzes aufgesjiürt, deren Verfolgung sich
als sehr lohnend erweisen dürfte.
Wir müssen hier etwas weiter ausholen.
In Verbindung mit Indra erscheint im Rigveda
vielfach ein merkwürdiger alter Gott, dessen Gestalt
in mancher Hinsicht verdunkelt, widerspruchsvoll,
fragmentarisch, in ihren Umrissen dennoch deutlich
erkennbar, mit ihren Wurzeln ohne Zweifel in eine
uralte Vorzeit zurückreicht, eine größere, nur noch
zu ahnende Rolle in vorvedischer Zeit gespielt
haben dürfte. Es ist Trita, der auch den Bei-
namen äptya trägt, d. h. der zu den Wassern Ge-
hörige oder aus den Wassern Stammende, womit
ohne Zweifel die himmlischen Wasser gemeint
sind, denn zu diesen hat er, ein dem Indra ver-
wandter, dem Indra befreundeter Gott des Blitzes
und Gewitters, unzweifelhaft deutliche Beziehungen.
Er erscheint mehrfach wie eine Art Vorläufer des
Indra, der gleich diesem letzteren und früher
schon als er die bösen Dämonen erschlagen und
die Wasserströme befreit hat. Diesen Eindruck
gewinnt man, wenn es z. B. (RV 1, 52, 51 heißt,
daß Indra, der Donnerkeilträger, des Vala Wehren
spaltete wie Trita! Da erscheint Trita doch als
das schon vor dem Indra bekannte Vorbild solcher
Heldentaten. An anderen Stellen der vedischen
Lieder sehen wir aber den Trita vielmehr in In-
dras Auftrag handeln, oder durch Indras Kraft
gestärkt, als sein Diener und Helfer; oder Indra
begünstigt den Trita bei seinem Werk und hilft
ihm zum Siege. Durch Indras Kraft gestärkt
tötet Trita den Eber — d. h. den Dämon in Eber-
gestalt — mit dem eisenspitzigen Pfeil (RV 10,
99, 6). Indra verschafft dem Trita die Kühe vom
Ahi, dem Schlangendämon (RV 10, 48, 2). Oder
es heißt: ,Für uns (]\Ienschen, in unserem Inter-
esse) hast du (o Indra) dem Trita den (Dämon)
VifvarupaTväshtra ausgeliefert, d.h. den allgestal-
\ _'l. A. Kaegi, Der Rigveda 2. Aufl. Leipzig 1»81 p. 5S. ö'J.
Vgl. Preller, a. a. O. II p. 160. 161.
^ERÄKLES UND IxDEA.
tigen (dämonisclien) Sohn des Tvashtar. Und in
merkwürdigem Widerspruch hören wir RV 10,
8, H, daß Trita Aptya, von Indra gesandt, den
dreiköpfigen Dämon, den Sohn des Tvashtar ge-
tötet und die Kühe befreit habe, während in dem
darauffolgenden Verse (9) vielmehr Indra selbst
als derjenige genannt wird, der, die Kühe sich
verschaffend, dem allgestaltigen Sohn des Tvashtar
seine drei Köpfe abriß. Der Widerspruch löst
sich aber violleicht, wenn man annimmt, daß Indra
und Trita vereint den Dämon bezwingen, Trita
als Helfershelfer des Indra dabei mitwirkt.
So wechselnde, scheinbar widersjirechende Bil-
der sind es auch, wenn es einmal heißt, daß der
brüllende Trita die Maruts mit dem Blitze be-
schenkt (RV 5, 54, 2), an einer anderen Stelle aber
A'ielmehr die Maruts dem kämpfenden Trita
Kraft und Mut stärken. Es sind offenbar ver-
wandte, befreundete Mächte der Luftregion, die
sich abwechselnd bei dem gewaltigen Blitz- und
Gewitterkampf helfen und fördern.
Dem Indra verwandt erweist sich Trita auch
darin, daß er zum Soma in nächster Beziehung
steht. Ebenso wie Indra verdankt auch Trita die
Kraft bei seiner Heldentat, der Zerschmetterung
des Vritra, dem Somatrank — nach RV 1, 1^7, 1.
Der Soma kommt dem Trita zu, ebenso wie dem
Indra, nach RV 9, 34, 4. Trita erscheint aber
auch selbst als Bereiter oder doch als Besitzer
des Soma, und das ist ein eigenartiger Zug an
ihm. Die Somasteine sind des Trita Steine
(RV 9, 102, 2); die den Soma reinigenden Finger
werden des Trita Jungfrauen genannt (RV 9,
32, 2). Bei Trita Aptj'a trinkt Indra den Soma,
wie übrigens auch bei Vishnu und den Maruts
(vgl. RV 8, 12, 16); und nel)en dem Soma wird
ihm dort auch Gesang zuteil, denn es beißt, daß
Indra sich bei Trita an dem Liede erfreue
(Väl. 4, 1=RV 1021, IIV)
Trita ist ein weiser, ein wissender Gott. Von
ihm, der an der betreffenden Stelle gar mit Varuna
identifiziert erscheint, heißt es einmal: alle Weis-
heit ist in ihm, wie in dem Rad die Nabe steckt
(RV 8, 41, 6), ,Das weiß Trita Äptva!' ruft der
Sänger an einer anderen Stelle (RV 1, lOö, 9).
Auch zum Feuer erscheint Trita in merk-
würdiger Beziehung. Er bläst in der Himmels-
hühe das Feuer an, den Agni (RV 5, 9, 5), bei
einem Blitz- und Gewittergott ein wohl verständ-
licher Zug. Oder es heißt auch in dunklerer
Wendung (RV 10, 46, 3), Trita habe den Agni
am Kopfe der Milchkuh gefunden, und nun wird
Agni der Mittelpunkt in den Häusern der Men-
schen. Die Milchkuh ist vielleicht die Wolke.
Auf jeden Fall erscheint Trita hier als ein gött-
licher Vermittler des Feuers.
Trita Aptya wohnt in weiter, weiter Ferne.
Alles, was von den Menschen Übles getan ist, wie
auch alle bösen Träume, werden die Götter ge-
beten, zu Trita Aptya fortzuschaffen (vgl. RV 8,
47, 13. 15).=)
Einmal erscheint im Rigveda (1, 158, 5j auch
ein dem Trita offenbar verwandter Gott Träitana,
von dem es heißt, daß er dem Dämon — Dasa —
den Kopf spalten wolle, doch verzehrt ihm dieser
selbst Brust und Schultern. Träitana ist offenbar
ein Fatronymikum zu einem vorauszusetzenden
Namen Tritan, der als Nebenform zu Trita gelten
darf. Er wäre also etwa soviel wie ein Trita-Sobn.
Solch ein Trita-Sohn spielt aber auch in
Avesta und weiter in der persischen Heldensage
eine wichtige Rolle, und überhaupt sind hier die
verwandten Mythen und Sagen des persischen
Brudervolkes höchst interessant und bedeutsam
zur Vergleichung.
Wir finden im Avesta den Thrita und den
Athwya als zwei Heroen der Vorzeit erwähnt,
die zu den ersten Haomabereitern und Haoma-
verehrern gehörten und durch solches Verdienst
sich die besondere Gnade des göttlichen Haoma
erworben und dafür von ihm als Belohmnig herr-
liche Söhne erhalten haben sollen. Thrita stimmt
mit dem vedischen Trita, Athwya mit dem vedi-
schen Aptya Uberoin.'l nur daß im Avesta 'l'lirita
") Merkwürdi? und iiirht ganz verständlich lieißt es RV 9, '.».'), 4 von Trita, daß er den Varuna zum Meere (des
Soma) traofe.
■-') Ein dunkler Mythus liegt wohl dem Verse RV 1, 105, 17 zugrunde, wo wir von Trita luiren, daß er im Brunnen
die Götter um Hilfe anrufe. Wenn ich auch keine Erklärung für diese Stelle habe, so leuchtet es mir doch nicht ein,
daß hier von einem anderen Trita die Rede sein soll, wie einige meinen (vgl. Grassmanns \VI5 s, v. Trita). Ebensowenig
halte ich es für irgendwie motiviert, den dem Indra helfenden und dienendon, oder den Soma bereitenden und darbie-
tenden Trita von dem unzweifelhaft alten Gotte dieses Namens, dorn Vorläufer dos Indra, als bes<indere l'erson abzutrennen.
•■') Daß die Namen athwya und äptya ursprünglich identiscli sind, kann keinem Zweifel unterliegen, nur über die
Art der lautlichen Vermittelung sind Meinungsverschiedenheiten unter den Forschern vorhanden. Man pflegte früher von
der Form äptya auszugehen und daran halten auch jetzt wohl noch die meisten fest; äptya würde ,zu den Wassern ge-
hörig' oder ,aus den W,issern stammend' bedeuten, von ap ,Wa8ser' (vgl. z. B. Pischel, Ved. Studien I p. 186). Es stimmt
diese Bedeutuno- vortrefflich zum Wesen des Trita. Indessen hat Bartholomae in seinen Arischen Forschungen I p. 8 fg.
8
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
und Atlnvya zwei Personen sind gegenüber dem
einheitliclien vedisclieii Trita Äptya, der in Persien
somit in zwei gleiciiartige Heroen gespalten er-
scheint. Der Beiname des alten mythischen We-
sens ist hier, wie aucli sonst ja öfters, von dem
Träger desselben losgelöst, zur selbständigen my-
thischen Person geworden. Haoma aber ist nichts
anderes als der vedische Soma, der himmlische
Rauschtrank, der die Heldengötter zu ihren Taten
stärkt und begeistert, dann aber auch selbst zu
einer göttlichen Person geworden ist und als
solche verehrt wird._
In der Reihe der vorzeitlichen Haomabereiter
und Haomaverehrer erscheint Thrita als der dritte.
Er erhält dafür als Lohn durch die Gnade des
Gottes die beiden Söhne Urväkshaya und Ke-
refafpa, welch letzterer die böse, Menschen und
Vieh verschlingenjle Schlange — azhi = vedischem
ahi — erschlägt, die den Beinamen crvara trägt,
etwa die ,gehörnte' oder ,hörnene'.') Der Sohn
verrichtet hier also die Heldentat, die im Veda
dem Gegenbilde des Vaters, dem vedischen Trita,
nachgerühmt wird, wie auch dem Indra. Athwya
wieder soll der zweite jener mythischen Haoma-
verehrer gewesen sein und sein Sohn hat eine
ähnliehe Heldentat wie der Sohn des Thrita ver-
richtet, ja er ist ein noch weit mehr gefeierter
Held der persischen Sage geworden. Sein Name
lautet Thraetaona Athwyäna, eine Art Doppel-
patronymikum, dessen erste Form unzweifelhaft
deutlich mit Thrita zusammenhängt und an das
vedische Träitana anklingt, während die zweite
offenbar von Athwya abgeleitet ist. Er vereinigt
also in diesem Doiipelnamen die Ableitungen jener
beiden Namen, die der vedische Gott Trita Aptya
trägt, und das bestätigt i;ns die Annahme, daß
der Doppelname alt, die Trennung in die zwei
Personen Thrita und Athwya unursprünglich, erst
später eingetreten ist.^)
Die vielgerühmte Heldentat des Thraetaona
Athwyäna ist die Bezwingung der furchtbaren
Schlange azhi dahaka. Das erste der beiden
Worte (azhi = ved. ahi) heißt .die Schlange', das
zweite (dahaka) ,die verderbliche'. Es ist ein
fürchterliches Ungeheuer mit drei Rachen, drei
Schwänzen, sechs Augen und tausend Kräften,
von Ahriman zum Verderben dieser Welt geschaffen.
,Dies ist die Tat, auf welche der Ruhm Thrae-
tonas gegründet ist; sie bildet den Mittelpunkt
seiner Geschichte, sie ist seine ganze Geschichte.'^)
Es ist dieselbe Heldentat, die im Veda vor allem
dem Indra, aber auch dem Trita Aptya nach-
gerühmt wird, als dessen Gegenbild im Avcsta
nun Thraetaona Athwyäna erscheint, mit dem
Doppelgänger Kerepäfpa zur Seite, der ähnliches
vollbracht hat, während die Gestalt des Indra
bekanntlich fast spurlos aus der persischen My-
thenwelt verschwunden ist. In den persischen
Heldensagen ist später aus Kerefäcpa der Held
Gershasp geworden, aus Thraetaona der noch be-
rühmtere Feridun, der den furchtbaren Tyrannen
Zohäk (= azhi dahaka) vernichtet, aus dessen
Schultern durch einen Kuß des Teufels Schlangen
hervorgewachsen sein sollen. Auf ihn in erster
Linie hat sich in Persien jener Ruhm des Scblan-
gentöters konzentriert, als dessen Träger in In-
dien vor allem Indra erscheint, neben dem und
vor dem im Veda aber auch Trita Aptya auf-
taucht.
Es ist kein Zweifel, wir haben hier uralte
Mythen vor uns, von Blitz- und Gewittergöttern,
die die bösen dämonischen Schlangen der Him-
melsregion vernichten, — eng verbunden mit Soma
— Haoma, dem himmlischen Meth, in Indien auch
eng verbunden mit Indra.
In merkwürdiger Weise klingt nun aber der
Name des persischen Thraetaona Athwyäna,*) der
dem indischen Trita ^Vptya so unzweifelhaft nahe
verwandt ist, an den Namen der griechischen
Göttin Athene, der Triton-Tochter, an: Tritonis
Athana, Athene Tritogeneia. Dieser überraschende
Zusammenklang hat schon die älteren verglei-
chenden Mythologen dazu geführt, den persischen
Heros und die griechische Göttin zu identifizieren,
respektive sie beide und selbstverständlich auch
den indischen Trita Aptya für urverwandt zu er-
klären. Diese Zusammenstellung, wie seltsam sie
auch auf den ersten Blick erscheinen mag, wie-
aus lautlichen Gründen athwya und äptya vielmehr in der Weise vermittelt, daß er von einer Form ätpia ausgeht und.
annimmt, das vedische äptya verdanke seine Entstehung einer volksetymologischen Anlehnung an ap, äp ,Wasser'. In
diesem Sinne spricht er sich auch Indog. Forschungen I p. 180 fg. aus und wendet sich dabei speziell gegen Pischel, a. a. O.
Wir können auf die schwierige Frage hier nicht naher eingehen. Uns muß es genügen, daß die Zusammenstellung der
beiden Namen allgemein als unzweifelhaft richtig fjilt.
') Vgl. Roth in seinem schönen Aufsatz ,I)ie Sage von Feridun in Indien und Iran", Zeitschr. d. Deutschen Morg.
Ges. Bd. II p. 218; Benfey in den Nachrichten der K. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen 1868 p. 39 ; Justi, Handbuch d.
Zendsprachc s. v. <;rvara.
') Vgl. Benfey, a. a. O. p. 40.
') Vgl. Roth, a. a. O. p, 218. 219. ■•) Vgl. Roth, a. a. O. p. 217.
Herakles und Indea.
viel Anstoß sie auch der modernen sprachwissen-
scli.aftliclieii Skepsis bietet, sie erweist sich den-
nocli, je gründlicher wir den Gegenstand prüfen,
je tiefer wir die uralten Wurzeln im "Wesen jener
drei mythologischen Gestalten aufdecken und er-
fassen, immer mehr als unzweifelhaft richtig, ja
geradezu unabweisbar. Und wenn es ursprüng-
lich der merkwürdige Zusammenklang der Namen
war, der bedeutende Forscher dazu führte, Athene
Tritogeneia, Tritouis Athana mit Thraetaona
Athwyäna und weiter mit Trita Aptya zusammen-
zustellen, so sind es jetzt vielmehr die sach-
lichen Gründe, die immer mehr sich heraus-
stellende ursprüngliche Identität des Wesens, die
uns gegenüber den Einwendungen der sprach-
wissenschaftlichen Kritik sicher macht und ihre
Bedeutung abschwächt.')
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir
in Athene ihrem ursprünglichen Wesen nach eine
Blitz- und Gewittergottheit zu erkennen haben,
oder — wie Röscher es formuliert — eine Göttin
der Wetterwolken und des Blitzes. ^j Von diesem
Ausgangspunkt weiter entwickelt, läßt sich der
Charakter der herrlichen Göttin in allen wesent-
lichen Zügen durchaus befriedigend begreifen,
wie schon Benfey und Röscher ganz richtig er-
kannt haben. ^) Es ist derselbe Ausgangspunkt,
den wir für den persischen Helden Feridun, Thrae-
taona Athwyäna, festgestellt haben, dieselbe Sphäre,
in welcher sich der vedische Trita Aptya noch
in recht primitiver Form bewegt. Das weibliche
Geschleciit kommt bei Athene wahrscheinlich auf
die Rechnung der speziell griechischen Entwick-
lung.^) Jedenfalls darf uns die Verschiedenheit
des Geschlechts hier ebensowenig stören wie etwa
bei den Sonnengottlieiteu.
Als die streitbai-e Blitz- und Gewittergöttin
zeigt sich uns Pallas Athene seit der ältesten
Zeit in der tj'pischen Ausrüstung mit Aegis und
Lanze. Kein Zweifel, daß wir in der Aegis die
dunkle Wetterwolke zu erkennen haben oder, wie
Preller (a. a. 0. p. 157) sich ausdrückt, das fun-
kelnde Sturmschild der von Bützen umleuchteten
Donnerwolke. Eben darum kommt dieselbe auch
Zeus, dem großen Gewittergotte zu, der mit einem
Teile seines Wesens in Athene, seiner Tochter,
sich gleichsam in weiblicher Form selbst wieder-
geboren findet und darum mit ihr in der denkbar
innigsten Beziehung steht. Von Zeus empfängt
nach der Tlias Athene die Aegis. ^) Die Lanze,
die die Göttin schleudert, ist deutlich genug der
Blitz, sie ist in der bildlichen Darstellung auch
') Mau vgl. namentüch den grundlegenden, wenn auch jetzt in vielen Einzelheiten schon veralteten Aufsatz von
Th. Benfey, in den Nachrichten der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität zu Güttingen, Jahr-
gang 1868 p. 36 — 60: Tpj-ccuviS 'A6ava Femininum des zendischen Maskulinum Thraetäna Athwyäna. Ein Beitrag zur ver-
gleichenden Mythologie. Die Zusammenstellung vom persischen Thraetaona, Thrita, indischem Träitaiia, Trita, und grie-
chischem Tritonis, Triton, Tritogeneia wird sich kaum ernstlich beanstanden lassen. Weit schwieriger ist die Vermittlung
von Athene, Athana mit Athwyäna, Athwya, Aptya. Wir sahen bereits, daß auch die Vermittlung von Athwya und Aptya
schon ihre Schwierigkeiten hat. Nichtsdestoweniger wird man an der Identität beider Namen nicht zweifeln können und
es ist wohl auch heute noch wahrscheinlich, daß Aptya für die ältere Form zu gelten hat, wie Benfey schon seinerzeit
annahm. Daß Bartholomae anderer Meinung ist und vielmehr von einer Form ätpia ausgehen möchte, wurde von mir
schon früher erwähnt, doch halte ich mit Fischöl seine Gründe nicht für überzeugend. Aptya, respektive eine Form
Aptyäna oder Aptyäna mit Athana zu vermitteln, ist nun aber freilicli eine schwierige .Sache und es darf den Sprach-
forschern nicht verübelt werden, die sicli dem gegenüber ablehnend verhalten. Dennoch dürfte Benfey mit der Identifikation
der Formen Recht gehabt haben und mit Recht vergleicht er Tritonis Athana = Thraetaona Athwyäna mit einer formelhaften
Verbindung wie Dyäuspitar = Zeus pater = Juppiter (a. a. O. p. 46). Es scheint hier aus altem ty ein 0 hervorgegangen
zu sein, wie y wohl bisweilen Aspirierung bewirkt. Es müßte sich aber auch das p dem 0 assimiliert haben und endlich
ganz geschwunden sein. Assimilation von ttt zu tr kommt vor und der Name 'A-cOi; spräche nacli Benfey im vorliegenden
Falle für diese Annahme, da er mit Athene insoferne wecliselt, als F.richthonios bald Solui des Hephästos und der Atthis,
bald des Hephästos und der Athene genannt wird (a. a. O. p. 48. 50). Indessen ist die .Sache damit doch noch keineswegs
in ausreichender Weise erledigt. Man wird zugeben müssen, daß die formelle Identitikation der Namen Athana-Athene
mit pers. Athwyäna, theor. Aptyä,na, zunächst sich noch nicht auf übei'zeugendo Analogien gründen läßt und in den bis
jetzt bekannten Lautgesetzen arge Hindernisse findet. Doch sind wir auch noch weit davon entfernt, alle Lautgesetze
des Griechischen zu kennen, weit davon entfernt aucti, die Geschichte dieses speziollen Wortes uml alle Faktoren, die
eventuell eine unregelmäßige Lantentwicklung beeinllusseu und l)Owirken konnten, überblicken und beurteilen zu können.
Es gibt auch sonst noch liüclist ;iuffallende, ganz singulare Unregelmäßigkeiten lautlicher Art, die wir niclit durch Ana-
logien stützen und doch auch nicht abweisen können. Die lautliche Geschichte des Wortes Athana-Athene aufzuhellen,
muß der Zukunft überlassen bleiben. Das sachliche Material drängt auf jeden Fall dahin, dasselbe mit .\thwyäna, Athwya,
Aptya zusammenzustellen.
') Vgl. Röscher in seinem mythol. Lex. Bd. I 075 fg. (s. v. Athene).
') Vgl. Benfey, a. a. O. p. 56 fg.; Röscher, a. a. O. p. 687.
*) Vgl. Benfey, a. a. O. ]>. 55.
») Vgl. Ilias 5, 736 fg. ; l'reller, a. a. 0. I p. I.'i7.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 68. Bd. 3. Abb. 2
10
III. Abhandlung: Leopold v. Schkoedek.
vielfach durch den Bhtzstiahl, respektive ein BUtz-
bündel ersetzt.') Darum darf sich Athene auch
rühmen, sie allein kenne den Zugang zu dem Ge-
mach, wo der Blitz verschlossen sei.^) Der Bei-
name Pallas bezeichnet AtJieue wohl als die
Schwingerin der Lanze, respektive die blitzschleu-
dernde Göttin, und die geschwungene Lanze ist
auch dementsprechend für die sogenannten Palladien
seit den ältesten Zeiten charakteristisch.')
Ihr streitbares AVesen hat die Athene mit den
anderen arischen Blitz- und Gewittergottheiten
gemein, gemäß der uralten Vorstellung dieser
Völker, die im Gewitter den Kampf einer guten
Gottheit mit bösen Dämonen zu sehen glaubten.
Athene erscheint bald selbst als kühne Bekämpferin
und Besiegerin solch dämonischer Wesen, insbeson-
dere der Gorgo und der Giganten, bald begleitet
sie schützend und helfend ihre auserwählten Hel-
den — Herakles, Perseus, Bellerophon — in
solchem Kampfe. Dies Streitbare ihres Wesens
läßt Athene ganz naturgemäß zu einer Göttin
des Krieges überhaupt werden,*) wie der Gewitter-
gott Indra zum Schlachtengott der vedischen In-
der geworden ist. Das ist die Athene Promachos,
Alalkomene, auch Ilias, wie sie in der Gegend
des alten Troja genannt wird. Ebendarum gilt
die Göttin wohl auch als Erfinderin der Trom-
pete und des Waffentanzes Pyrrhiehe.
Doch nicht nur ilir Kampf, auch ilir Ur-
sprung schon weist Athene in die liimnilische
Wolkenregion, in das Gewitterdrama hinein. Sie
gehört zu den Wassern, sie stammt aus denselben,
und zwar ursprünglich zweifellos aus den himm-
lischen Wolkenwassern, wie Bergk überzeugend
dargelegt hat. Darum heißt sie ja die Triton-
tochter, Tritonis, Tritogeneia, aus dem See oder
Fluß Triton stammend, den die Alten in verschie-
denen Gegenden suchten, zuletzt namentlich in
dem Triton-See Libyens gefunden zu haben
glaubten, während es sich ursprünglich gewiß um
die Wolkenwasser handelte.-'') Aber auch die an-
dere wohlbekannte Sage von der Gehurt der
Athene aus dem Haupte des Zeus ist nichts als
eine andere Form des uralten Mythus von der
Gebui-t der Blitz- und Gewittergöttin aus der
Wolke. Der Himmelsgott Zeus soll die von ilmi
schwangere Metis , seine erste Gemahlin, eine
Tochter des Okeanos, aus Furcht vor der Geburt
eines Sohnes verschlungen und dann aus seinem
Haupte heraus die Athene geboren haben. He-
2)haestos oder auch Prometheus (oder Hermes)
spalten ihm dabei mit einem Beile das Haupt.
Athene aber springt in leuchtender Rüstung her-
vor, mit hochgeschwungenem Speer, mit der Aegis
angetan, lauten Schlachtruf erschallen lassend. Das
sind offenbar mythische Bilder, die auf Gewitter-
erscheinungen heruhen. Die Blitz- und Gewitter-
göttin springt unter Donner und Blitz aus dem
himmlischen Gewölk hervor, hier als das Locken-
haupt des Himmelsvaters Zeus gefaßt, das der
Donnergott Hejihaestos oder auch Prometheus spal-
tet. Die naheliegende Deutung wird noch bestimmter
gestützt durch eine andere Version der Sage, nach
welcher Athene in einer Wolke verborgen war
und infolge eines Blitzschlages des Zeus plötzlich
aus derselben hervortrat.")
Nichts ist natürlicher, als daß eine alte Ge-
wittergottheit in nächster Beziehung zum Gedeihen
der Vegetation, zu Ackerbau und Baumwuchs ge-
dacht wird, wie das bei Athene namentlich in
Attika, in ihrem Verhältnis zu Erechtheus-Erich-
thonios, zum Ölbaum u. a. m. kräftig hervortritt.
Man braucht kaum an Thörr, den nordischen Pa-
tron des Ackerbaues, zu erinnern. Wenn wir ge-
neigt sind, dabei zunächst an die positive Förderung
des Pflanzenwuchses durch den im Gewitter sich
entladenden Regen zu denken, so kommt hier viel-
leicht noch eine andere, mehr negative, abwehrende
und schützende Funktion in Betracht. Es ist wohl
möglich, daß Röscher Recht hat, wenn er an-
nimmt, ,daß Athene in der Erechtheussage die
Rolle einer gütigen, allen Wetterschaden vom Ge-
treide abwehrenden Wolkengöttin spielt'. Die
bösen Wetter, die dem Getreide schaden können,
scheinen unter dem Bilde der Gorgonen und Gi-
ganten vorgestellt zu sein.') Wir erinnern uns
dabei, wie stark diese schützende, Wetterschaden
abwehrende Tätigkeit beim Kultus der Gewitter-
götter, bei den altarischen Sonnen-, Feuer- und
Lebensfesten hervortritt.
') Vgl. Preller, a. a. O. I p. 157; Roecher, a. a. O. p. 677. Namentlich makedonische Münzen zeigen die Göttin den
Blitz mit der Rechten schwingend, den Schild mit der Linken erhebend; ähnliches in Athen, in Syrakns und auf den
MOnzen der gräko-indischen Könige.
*) Vgl. I'reller, a. a. O. 1 p. 157; Koscher, a. a. ü. p. 677.
=) Vgl. Preller, a. a. O. I p. 156. 157.
*) Vgl. Rüscher, a. a. O. p. 078 fg. ; Pieller, a. a. O. I p. 175 fg.
') Vgl. Preller, a. a. O. 1 p. 152.
•) Vgl. Röscher, a. a. O. I p. 676; auch I'reller, a. a. O. p. 164 fg.
') Vgl. Röscher, a. a. <). p. 684.
Herakles und Ixdra.
11
Wenn Athene zugleich in hervorragendem
Maße als Giittiu der Klugheit, der erleuchteten
lütelligeuz gefeiert wird, dann dürfte schon Ben fey
recht gehabt haben, der die Göttin der Weisheit
direkt aus der Blitzgöttin ableitet und erklärt,
insofern der Blitz alles, auch das tiefste Dunkel
erhellt. Es spricht dafür besonders auch der Um-
stand, daß die Griechen den Blitz mit einem treffen-
den oder zündenden Gedanken verglichen haben.')
Man wird dabei an die merkwürdige Tatsache
erinnert, daß auch Trita Äptya ein weiser, wissen-
der Gott zu sein scheint, daß es von ihm heißt,
alle Weisheit stecke in ihm, wie die Nabe im
Rad (RV 8, 41, 6). Und wenn er an dieser Stelle
mit Varuna geradezu identifiziert zu sein scheint,
dem großen Himmelsgotte, der nicht dem Namen
nach, wohl aber mit einem großen Teil seines
Wesens dem Zeus entspricht; wenn er auch sonst
noch zu Varuna in einem ücäheren, noch nicht
ganz aufgeklärten Verhältnis steht, dann darf viel-
leicht zum Vergleich an das nahe Verhältnis der
Athene zum Zeus erinnert werden.^)
Wenn endlich Athene noch in besonderem
Maße als Göttin des Spinnens und Webens her-
vortritt, wenn sogar bei den alten Palladien neben
der geschwungenen Lanze bisweilen auch der
Spinnrocken noch als Attribut hinzukommt,^) dann
dürfte auch diese Eigenschaft bereits richtig aus
der Natur der Wolken- und Wettergöttin abge-
leitet worden sein. Wolke und Nebel erscheinen
nach einer verbreiteten Vorstellung als eine Art
Gespinst oder Kleid, die sogenannten Lämmer-
wölkchen werden von Griechen und Römern als
Wollflocken gefaßt und bezeichnet (Tiiy.st spiwv,
vellera lanae). So dürfte es wohl begreiflich sein,
wenn die Göttin der Gewitterwolke als Spinnerin
und Weberin erscheint, ähnlich den germanischen
Wolkengöttinen, den Valkyren.*) Sie wirkt am
Himmel, spinnt und webt Wolken und Nebel.
So mag sie wohl leicht auch auf Erden zur gött-
lichen Patronin dieser alten Frauenkünste, des
Spinnens und Webens, geworden sein. Wie weit
ihr Schutz und ihre Förderung auch anderer
menschlicher Fertigkeiten hiervon abgeleitet,^) wie
weit er ihr als Göttin der Klugheit eignet, darf
wohl dahingestellt bleiben.
Wenn die Blitz- und Gewittergöttin Athene
in dem alten Heiligtum der Akademie zu Athen
neben den Feuergöttern Hephaestos und Prome-
theus verehrt wurde, '^) dann dürfte das dem Ver-
ständis wohl keinerlei Schwierigkeiten bereiten.
In ganz anderer Richtung geht die Frage, ob wir
auch Athene zum Sonnenlicht und seiner Gewinnune-
o
in Beziehung finden, wie andere Gewittergötter,
wie namentlich Indra und Herakles; ob auch bei
ihr der Sieg im Gewitterkampfe allendlich als ein
Sieg des Sonnenlichtes, eine Neugeburt desselben
sich darstellt. Es ist zwar nicht viel, aber viel-
leicht doch einiges, was auch bei Athene in dieser
Richtung hin deutet. Wenn im homerischen Hj'mnus
der Aufruhr der Natur nur so lange dauert, bis
Athene die Waffen ablegt, .worauf Zeus sich der
Tochter erfreut, d. h. der Himmel sich wieder
aufheitert"), dann haben wir etwas derart vor
uns. Mehr vielleicht noch liegt in dem örtliciien
Kult der Athene Alea iu Arkadien, der zu den
ältesten und heiligsten der ganzen Halbinsel ge-
hörte; denn Alea (äAsa) ist die milde gedeihliche
Sonnenwärme.*) Endlich erscheint es uns doch
sehr bedeutsam, daß Athene bei der Argonauten-
fahrt eine wichtige Rolle spielt, insofern sie als
die Erfinderin der vielbesungenen Argo gilt.")
Darüber aber kann, wie mich dünkt, kein Zweifel
sein, daß die Argonauten fahrt die Fahrt nach
dem Sonnenlicht und d'e Wiedergewinnung des-
selben bedeutet.^") Weit stärker tritt indessen stets
Athene als die gewaltige Kämpferin und Siegerin
hervor, die die furchtbare Gorgo in der Giganten-
schlacht tötet. Gorgotöterin ist daher ihr Beiwort
("i'cpvioiv;;) und nie fehlt an ihrer Brust das
Goi'goneion, das Entsetzen erregende Haupt des
getöteten Ungetüms. Weit häufiger jedoch als
') Vgl. Benfey, a. a. O. p. 57; Röscher, a. a. O p. 087 Anm.
') Über dieses letztere sagt Preller sehr schön a. a. O. p. 154: ,Schoii die Ilias kennt Athona als die Lieblingstochter
des Zeus, welche er selbst geboren habe, die 'Oßpiaojiirpr), d. i. die starke Tochter de.s starken Vaters, welclie zu diesem iu
einem so eigentümlich innigen, spezitischen Verhältnis der Vertrautlieit steht, daß sie sozusagen sein anderes Ich bildet.
Zeus redet zu ihr wie zu seinem eigenen (femüte, erteilt ihr die schwierigsten .-Vufg.aben; Athena und Zeus worden sogar
gelegentlich fllr die höchste und mächtigste Gottheit schlechthin erklärt: eine Vorstellung, welche die folgenden Dichter
in vielen Wendungen zu wiederholen pflegen.'
=) Vgl. Röscher, a. a. O. p. 681; l'reller, a. a. O. I. p. 171. 176. 184.
') Vgl. Röscher, a. a. O. p. 681. °) Vgl. Roschor, a. a. O. p. 682.
«) Vgl. l'reller, a. a. O. p. 168. ') Vgl. Preller. a. a. O. p. 156.
«) Vgl. Preller, a. a. O. p. 1.50, 161 (Anm. 4).
9) Vgl. Preller, a. a. O. I. p. 178.
'") Näheres darüber in Hand II meiner , Arischen Religion.'
12
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoeder.
selbst Ungeheuer bekäiupfeud und tötend erscheint
die Göttin als Begleiterin und Schützerin der großen
Helden, die solche Taten tun.
Damit sind wir wieder beim Herakles an-
ffelanfft, denn er ist es vornehmlich, den sie be-
gleitet und schützt, labt und erheitert. Und jetzt
dürfen wir dies Verhältnis wohl schon mit jenem
andern Verhältnis des Indra zum Trita Aptya ver-
gleichen, welch letzterer nicht bloß als Vorgänger
und Vorbild, sondern auch als ein Helfer und
Kampfgeuoß des Indra erscheint, der den riesi-
schen Helden und Dämonentöter wohl auch in
seinem Hause mit Soma bewirtet und mit Liedern
erfreut. Beides Gottheiten der gleichen Sphäre,
Gewitterwesen, die freundschaftlich miteinander
verbunden sich im Kampf gegen die bösen
Dämonen helfen — das indische wie das griechi-
sche Paar. Und wenn Athene, die Blitz- oder
Gewittergöttin, dem Herakles bei seinen Helden-
taten zum Nutzen der Sonne oder zu ihrer Ge-
winnung beisteht, dann i-epräsentiert dieses Paar
damit jene Doiipelbeziehung zum Gewitter und
zur Gewinnung des Sonnenlichtes, die in Indien
der große Held Indra in sich vereinigt.
Die hauptsächlichste vergleichbare Tat, bei
der Indra-Trita und Herakles-Athene hilfreich
verbunden erscheinen, soll weiter unten erörtert
werden, wenn wir die ganze Reihe der Abenteuer
des Herakles durchgehen. Zuvor muß noch ein
anderer göttlicher Helfer des Helden kurz be-
sprochen werden.
Neben Athene erscheint als solcher Helfer
und Begleiter des Herakles häufig auch Hermes,
der Götterbote, ein alter Windgott, wie Röscher
gezeigt hat und wie wir weiterhin ebenfalls sehen
werden.*) Zu Hermes aber zeigt sich in Indien
ein merkwürdiges Gegenbild, das zweifellos mit
ihm urverwandt ist: Saramä,, die Botin des Indra,
die Götterhüudin, ihrem Namen nach die. Wandelnde'
(von Wurzel sar wandeln, gehen), eine tlieriomor-
phische Windgottheit, die dem Gewittergott Indra
vorauseilt, sein Kommen verkündend. Die Namen
Hermes und Saramä stimmen durchaus zusammen.
Die Verschiedenheit des Geschlechtes kann uns
hier ebensowenig stören, wie bei Athene Tritonis
und Trita Aptya, Thraetaona Athwyäna. In diesem
Falle ist die indische Gottheit weiblich, die griechi-
sche männlich, also umgekehrt wie in dem oben
erörterten. Aber auch die theriomorphische Ge-
stalt der Saramä kann uns für die Vergleichung
kein Hindernis bilden. Es ist eine ältere primi-
tivere Gestalt der Windgottheit, die sich zu dem
männlichen Gott ähnlich verhält wie der Fenris-
Wolf zu Loki.
Für gewöhnlich hat man bisher den anderen
Namen des griechischen Gottes, Hermeias, mit dem
vedischen Särameya zusammengestellt, dem Sohne
der Saramä, dem Hunde des Totengottes Yama,
dem Totenhund. Diese Zusammenstellung, ob auch
öfters angefochten, ist in der Hauptsache dennoch
gewiß i-ichtig. Der Seelenführer Hermes-Hermeias
und der Seelenhuud Särameya, der den Weg zum
Totenreich bewacht, sie gehören gewiß ursprüng-
lich zusammen, trotzdem auf der einen Seite ein
Gott, auf der andern ein mythisches Tier steht
und ihre Funktionen sich keineswegs einfach
decken. Ein jedes hat seine selbständige Entwick-
lung gehabt, doch die Wurzel ist dieselbe : das
zuerst theriomorphisch, dann göttlich gedachte
mythische Windwesen, das die Toten führt, aber
auch zu ihrem Wächter werden kann.
Saramä und Särameya, die Götterhündin und
ihr Sohn, der Seelenhund, sie sind als zwei Ge-
stalten auseinander getreten, während der griechi-
sche Gott Hermes-Hermeias ungeteilt ihnen beiden
entspricht, respektive beide primitive mythische
Wesen und ihre Funktionen in seiner Person ver-
einigt zeigt. Uns interessiert er hier nicht als
Psj'chopompos, sondern nur als der geflügelte
Götterbote, der den riesischen Sonnenhelden Hera-
kles als Helfer, Genosse und Schützer begleitet.
Als solcher entspricht er der Saramä, deren
Namen, vom Geschlecht abgesehen, mit dem Namen
Hermes identisch ist.
Es ist etwa ein halbes Dutzend Rigveda-
Lieder, in welchen Saramä auftritt, und die Rolle,
die sie in denselben spielt, ist recht typisch die
gleiche. Auf Indras und der Angirasen Geheiß
geht Saramä aus und findet den festen Kuhstall
auf, in dem die Kühe verborgen sind. Sie geht
voran, sie ist gut zu Fuß (supadi), sie findet den
Spalt des Felsens, sie erkennt das Gebrüll der
unversieglicheu Kühe. Als Indra den Fels der
Wasser erbrach, da zeigte zuerst sich seine Saramä.
Auf dem Pfade des Rechtes gehend fand Saramä
die brüllenden Kühe auf, und damit für das Menschen-
volk wie auch für ihre (der Saramä) Nachkommen-
schaft Nahrung und Labung.^)
*) In Band III meiner ,Ari8chei> Religion' behandelt.
') Vgl. RV 1, 62, 3: auf Indras und der Aiigirasen Geheiß fand Saramä Nahrung für ihre Naclikoninienseliaft;
Brihaspati spaltete den Fels und fand die Kühe; RV ), 72, 8: iSaramä fand den festen Kulistall auf, durch den das
Menechenvolk sich nährt; UV 3, 31, 5 — 8; die Weisen, die sieben Sänger, bahnten die Bahn zu den im festen Fels (viläu)
Heeakles und Indea.
13
Es ist die unendlich oft im Veda variierte
Geschiclite von der Befreiung- und Gewinnung der
im liimmlisclien Fels verschlossenen Kühe, die bald
als die "Wasser des Regens, hald auch als die
rötlichen Strahlen des Lichtes erscheinen. Böse
Dämonen halten Wasser und Licht verborgen. Die
Gewinnung beider ist die große Heldentat, die
vor allem dem Indra nachgerühmt wird. Aber
aucii andere Götter und Halbgötter erscheinen
bei dem Werke beteiligt. Wo Saramä in dem
himmlischen Drama auf tritt, finden wir neben Indra
namentlich noch die Angirasen und andere Weise
und Seher der Vorzeit, heihge und mächtige
Ahnengeister, als Helfer und Förderer des Werkes
in Tätigkeit. Sarama aber, die findige Götter-
hündin, die Götterbotin, eilt raschen Fußes voran,
findet den Weg, führt zum Versteck der Kühe.
Besonders lebendig, dramatisch bewegt ist
die Schilderung des Liedes RV 10, 108, das ganz
diesem Abenteuer gewidmet ist und Saramä als
Botin des Indra, als Hauptperson in dem Vor.spiel
des oft geschilderten Dramas zeigt.
Einen weiten Weg ist Saramä gegangen, sie
hat den Rasä-Strom, den vedischen Okeanos über-
sehritten, alle Gefahren überstanden und trifft nun
die Panis, die bösen Dämonen, die die Kühe ge-
fangen halten. Verwundert fragen diese sie, wie
ihr das gelungen sei und was sie suche. Saramä,
erwidert, sie komme als Indras Botin, von ihm
gesandt, um der Panis Schätze zu suchen. Er
habe ihr auch über die Rasa herüber geholfen.
,Wer ist denn dieser Indra, dessen Botin du bist?'
fragen die Panis geringschätzig. ,Laß ihn nur kom-
men, er mag der Hüter unserer Kühe werden.'
Doch Saramä warnt sie und rät ihnen, solchen
Spott zu lassen. Indra werde kommen und sie
alle bald ersciilagen. Die Panis rühmen sich ihrer
scharfen Waffen und erklären, die Kühe auf keinen
Fall herauszugeben. Rinder, Roße und Schätze
ruhen wohl geborgen im Schoß des Berges. Saramä
warnt, auch Brihaspati werde kommen, der Helfer
und Genosse des Indra, die vom Somatrunk be-
geisterten Rishis alle, Ayäsya, die Angirasen, die
Navagvas. Sie werden die Herde unter sich teilen,
die Panis werde ihr Wort noch gereuen. Nun
ziehen sie andere Seiten auf, bitten und schmeicheln,
Saramä solle bei ihnen bleiben, sie wollen sie zu
ihrer Schwester machen, ihr auch von den Kühen
was abgeben. Doch Saramä will nichts davon
hören. Sie droht aufs neue mit Indra und den
furchtbaren Angirasen, die bald erscheinen werden,
nach den Kühen begehrend. Die Panis sollen nur
sich davonmachen und den Platz räumen. Ein
Schlußwort deutet kurz die Gewinnung der Kühe
durch die göttlichen Streiter, die Niederlage der
bösen Panis an.
Das ist das indische Gegenbild des herrlichen
Götterbüten Hermes, der den Herakles auf seinen
Fahrten begleitet und ihm auch bei der berühmten
Gewinnung der Rinder des Geryones beisteht. So
groß die Verschiedenheit beider Gestalten auch
ist, wir werden doch nicht daran zweifeln können,
daß sie ursprünglich identisch, auf dieselbe mythi-
sche Wurzel der arischen Urzeit zurückgehen.
Die bald theriomorphisch, bald menschlich, bald
männlich, bald weiblicli gedachte Windgottheit,
die dem Donnerkeilträger als Bote vorauseilt und
ihm hilft, ist das Ursprüngliche, Gemeinsame.')
Herakles steht auch mit Apollon in naher
Beziehung, wenn diese auch eine wesentlich andere
ist als die Beziehung zu Athene und Hermes.
Mit Apollon streitet Herakles um den Dreifuß,
er erseheint aber docli auch deutlich genug als
Freund und Verehrer dieses Gottes,^) ja als der
heroische Vorkämpfer des apollinischen Dienstes.
Da wir den Lichtgott Apollon als alten Feuergott
befindlichen Kühen; den Weg kennend drang er (Indra) zu ihnen ein; als Saramä den Spalt des Felsens auffand, da
machte sie den gx-oßen, alten, auf ein Ziel gerichteten Pfad; sie führte an, »ie, die gut zu Fuß ist (supadij; sie ging zuerst
heran, erkennend das Gebrüll der uuversieglichen (Kühe); der Weiseste kam, ihr sich gesellend — er gewann — er tötet
den Cushiia etc. RV 4, 16, 8. Als du (o Indra) den Fels des Wassers erbrachst, da zeigte sich zuerst deine Sarama; er-
schließe uns als Führer reiche Labung, von den Angirasen gepriesen etc. RV n, 4ri, 7. 8: Recht gehend fand Saramä die
Kühe. Als bei dieser großen (Göttin) Aufleuchten die Angirasen alle samt den Kühen brüllten, bei ihrem Quell, am höchsten
Sitz fand Saramä auf dem Pfade des Rechtes die Kühe etc.
') Roth nimmt an, daß in dem Liede RV 10, 108 Saram.ü nicht tierisch, sondern menschlich gestaltet gedacht sein
müsse, wohl weisen der angetragenen Geschwisterschaft von Seiten der Pani». Ich halte das nicht für zwingend. Doch
kommt allerdino'S in diesem wie auch in den anderen Liedern des Rigveda kein Hinweis auf die Hundegestalt der Saramä
vor. Die indischen Erklärer sind es, die sie als Götterhündin bezeichnen, und der Hund des Yama ist ihr Sohn. Denkbar
wäre es, daß sie bald tierisch, bald menschlich gestaltet gedacht wurde. Vgl. Siebenzig Lieder des Rigveda von Geldner-
Kaegi-Roth, p. SO. Anm.
^) Vgl. Preller, Griech. Mythol. .'<. AuÜ. II, p. H'i'i. 163. Wenn es auffällt, daß Herakles, der Apollonverehrer, auch
mit Apollon streitend erscheint, dann darf auch an die merkwürdige Mythe des Rigveda erinnert worden, die uns Indra,
den Schützer und Helfer der Sonne, den Sonnenhelden, mehrfach in einem noch nicht recht aufgehellten Streit mit Ushas,
der jungen, neuaufsteigenden Sonne vorführt. Er zerschlägt mit seinem Donnerkeil den Wagen der Ushas.
14
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedek.
erkannt liaben, darf damit ^volil die nahe Be-
ziehung des Indra zu Agni verglichen -werden,
die oft als ein Paar, dualisch verbunden, in den
vedisclien Liedern erscheinen, als Indrägni oder
Indrä-agui. Ja. Indra und Agni werden Zwillings-
brüder genannt, obwohl sie von verschiedenen
Müttern stammen (RV G, 59, 2). Mit Agni ist
Indra häufiger als mit irgendeinem andern Gott
dualiscli A-erbunden (cf. Macdonell, Yedic Mytho-
logj', p. 57). Indra soll den Agni zwischen zwei
Steinen erzeugt oder in dem Wasser aufgefunden
haben (cf. RV 2, 12, 3; 10, o2, 6; Macdonell,
Vedic Mythology, p. 57). Mau darf und muß auch
daran erinnern, daß das typische Somafest des
Jyotiragnishtoma, der Lichtfeuerlobgesang,
bei dem der Gewittergott Indra, der Gewinner
der Kühe, der "Wasser und des Sonnenlichtes vor-
nehmlich gefeiert wird, ein Feuerfest ist, wie
schon der Name kräftig genug andeutet. Es ist
der typische Vertreter der alten Sonnenfeuerfeste,
der Lebensfeste, bei denen die sonnensymbolischen
Feuer flammen, Sonnenschein und Gewitterregen
magisch-kultlich gewirkt werden.
Auch daran muß in diesem Zusammenhange
erinnert werden, daß Trita Aptya, der mythische
Vorfahre, aber auch Diener und Helfer des Indra,
wie wir gesehen haben, den Agni am Himmel auf-
fludet, den Agni in der Himmelshöhe anbläst.
Dann wird Agni der Mittelpunkt in den Häusern
der Menschen. Trita ist also ein Förderer der
Agniverehrung, wie Hei'akles ein Vorkämpfer und
Förderer des Apollondienstes. Bei der nahen Ver-
wandtschaft des Indra mit Trita ist auch dieser
Zug bedeutsam.
Persönliche Züge,
Bevor wir die Taten und Abenteuer des Herakles
kennen lernen und mit denen des Indra vergleichen,
erseheint eine Betrachtung seiner Persönlichkeit
angezeigt, die in ihrer gewaltigen Eigenart kraft-
voll charakterisiert in der ganzen griechischen
Mythologie einzig dasteht und die auffallendsten
Vergleichungen mit der Gestalt des Indra aufweist,
die ebenso eigenartig in der Götterwelt Indiens
hervortritt.
Herakles ist das Vorljüd männlicher Kraft,
groß und stämmig, vierschrötig gedacht. Seine
ganze Natur ist mehr auf Derbheit angelegt, auf
überragende Körperkraft, als auf Geist und Seele.
Eben darum erscheint er auch als der Schutz-
patron der Athleten. 1) All die gewaltigen Taten,
die man von ihm erzählt, zeigen ihn immer wieder
von dieser Seite, ob er nun den nemeischen Löwen
im gewaltigen Ringen erwürgt, die lernäische
Hydra bezwingt, den erymanthischen Eber oder
den Kerberos lebendig herbeischafft oder Burgen
bricht und riesische oder menschliche Feinde aller
Art vernichtet. Wie das Ideal des Athleten, so
ist er auch das Ideal des Kämpfers in der Schlacht,
löwenmutig, kühn und stark.-) Seine gewaltige
Kraft offenbart sich schon gleich nach seiner Ge-
burt, da das neugeborene Heldenkind den von
Hera zu seiner Vernichtung gesendeten Schlangen
mutig entgegentritt und sie mit seineu Händen er-
würgt, ä) Als Jüngling von 18 Jahren tötet er dann
den Löwen auf dem Gebirge Kithaeron, in dessen
Fell er sich kleidet,*) und schreitet dann zu immer
größeren Heldentaten vor.
Auch für Indra ist nichts so charakteristisch
wie die ungeheuere, alles überragende Körper-
kraft und Größe, der entsprechende seelische oder
geistige Qualitäten nicht zur Seite stehen und die
bei ihm naturgemäß noch in ganz anderen Dimen-
sionen geschildert werden wie bei Herakles, da
der letztere doch nur lialbgöttlicher Heros ist,
der sich zur Götterwürde emporringt, während
') Vgl. Preller, Griech. Mythol. 3. AuH. II, p. 185. 259. 261.
=j Vgl. Preller, a. a. O. p. 262.
) ^'g'- Preller, a. a. O. II, p. 178. In merkwürdigem Kontrast zu diesem feindseligen Vore;ehen der Hera gegen den
neugeborenen Herakles steht ein anderer Zug der Sage, nach welchem Hermes das Kind Herakles zum Olymp hinauf-
getragen und an die Brust der Hera gelegt haben soll. Vasenbilder spiegeln den Vorgang wieder, in der Nähe von Theben
wurde sogar der Ort gezeigt, wo Hera den Herakles gestillt habe, nach anderen soll dies in der Nähe von Argos, auf
Veranlassung der Athene geschehen sein. Man erklärte sich später sogar die Milchstraße durch die bei dieser Gelegenheit
vergossene Milch (vgl. Preller, a. a. O. H, p. 178. 179). Das deutet alles auf das ursprünglich nahe und freundliche Verhältnis
zwischen Hera und Herakles hin, dessen wir oben Erwähnung getan haben. Daß die Schlangen, die der neugeborene
Herakles erwürgt, gerade von Hera gesandt waren, dürfte ein späterer Zug der Sage sein.
*) Vgl. Preller, a. a. O. 11, p. 180.
Herakles und Indra.
15
Indra schon im Rigveda als Gott, ja als der stärkste
und mächtigste aller Götter vor uns steht. Auf
diese letztere Differenz, die weit davon entfernt
ist, einen radikalen Unterschied beider Ge-
stalten zu begründen, kommen wir weiter unten
zurück.
Indra üljerragt in seiner riesigen, derben und
ungeschlachten Größe Himmel, Erde und Luft-
raum. Beide Welten sind höchstens halb so groß
wie er. Seine wilde, ungestüme Kraft findet nirgends
ihresgleichen. Kein Erdgeborener, aber auch kein
Gott kann ihm widerstehen, kann mit ihm sieh
messen oder gar es wagen, ihn zu übertreffen,
keiner von allen, die geboren sind oder noch ffe-
boren werden sollen. i) Er ist der gewaltige Dä-
monentöter, der unvergleichlich größte Held, der
unbesiegte Sieger und Burgenbrecher, das Ideal
aller tapferen Krieger und daher naturgemäß auclx
der mächtige göttliche Helfer in der Schlacht,
der Schlachtengott.^) Seine ungeheuere Kraft zeigt
sich gleich bei seiner Geburt. Als Kriegsmann
kommt er auf die Welt, kaum geboren ist er
unwiderstehlich an Kraft, Furcht einflößend. Bei
seiner Geburt schon zittern aus Furcht vor ihm
und seinem Zorn die festen Berge, Himmel und
Erde, ja alle Götter fürchten sich da schon vor
ihm.^) Das ist Vorspiel und Ankündigung seiner
gewaltigen Taten, denen nichts auf Erden und im
Himmel gleichkommt.
Zu dem Helden und Krieger gehören seine
Waffen. Die charakteristische Bewaffnung des
Herakles bildet seine Keule, wie auch Bogen und
Pfeil. Das letztere hält Preller für das ältere,
während er den mit Keule und Löwenhaut be-
waffneten Herakles, der sich namentlich seit Pi-
sander und Stesichoros überwiegend geltend macht,
auf orientalische Vorbilder zurückführen möchte.*)
Keule und Löwenhaut sind indes nicht genetisch
von Hause aus untrennbar verbunden und ich
glaube kaum, daß wir Ursache haben, die Keule
beim Herakles als fremdländisches Lehngut zu
betrachten. Sie stimmt durchaus zu dem als Keule
gedachten Vajra, dem Donnerkeil des Indra, wie
zur clava des Thörr und dürfte demnach wohl
urarisch sein.
Die Keule des Herakles war der Wurzelstock
eines wilden Ölbaumes, wie andere Keulen, welche
man in den Händen der griechischen Recken und
Riesen nicht selten sieht. Nach einigen war sie
künstlich geschweißt und mit Erz beschlagen,
also ein Werk des Daedalos oder Hepbaestos.^)
Diese letztere Vorstellung dürfte die jüngere sein.
Die Keule aus dem Wurzelstock irgendeines
wilden Baumes darf neben dem von der Erde
aufgegriffenen Stein, dann dem primitiven Stein-
hammer, wohl als älteste Bewaffnung des Menschen-
geschlechtes gelten. Sie ist das charakteristische
Attribut der wilden Stämme und eignet auch an-
deren griechischen Riesen und Recken, außer
Herakles, daher um so weniger Grund ist, die
Keule des Herakles speziell aus dem Orient ab-
zuleiten. Daß wir uns auch die Keule des Indra,
den Vajra oder Donnerkeil, ursprünglich ähnlich
zu denken haben, als Wurzelstock eines Baumes,
wenn auch nicht gerade eines Öll)aumes, darauf
deutet vielleicht der Umstand hin, daß derselbe
als mit vielen Spitzen, Zacken, Ecken versehen
gedacht wird.'') Dies dürfte eine uralte Vorstel-
lung sein. Für jünger werden wir dagegen wohl
die im Veda nicht seltene Bezeichnung des Donner-
keils als ehern oder eisern (äyasa) halten müssen,
da dieselbe die Kenntnis der Metalle voraussetzt.
Daneben erscheint aber auch noch im Veda die
Bezeichnung der Waffe des Indra als eines Steines
oder eines Felsens,') die wohl auch auf höchstes
Altertum Anspruch machen dürfte. Einmal wird
dieser Stein, den Indra schleudert, als der eherne
oder eiserne bezeichnet,*) avo verschiedene Vor-
stellungen miteinander vermischt scheinen. Wenn
wir noch den Hammer des Thörr zur Vergleichung
mit heranziehen, der bei Saxo wiederum als Keule
(clava) olme Griff erscheint, auch beachten, daß
der deutsche Donar eigentlich keilförmige Steine
vom Himmel herabwirft,'') dann ergibt sich die
Vermutung, daß der vorauszusetzende urarische
Gewitterriese mit den schweren Waffen der Keule,
des Steines oder Steinliammers abwechselnd be-
wehrt gedacht wurde, denen die Phantasie in
späteren Zeiten dann noch irgendwie etwas Metal-
lisches, respektive Ehernes hinzuzufügen suchte.
') Vgl. Macdonell, Vedic Mytliology p. 57. 58. 64. -) Vgl. Macdonell, Vedic Mytliology p. 6i. 64.
=>) Vgl. Macdonell, a. a. O. p. iC. *) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 187. 188.
») Vgl. Preller, a. a. O. II, p. 189.
«) Vgl. die Epitheta sahasrabhrshti ,taU86nd Zacken habend'; (;atri<;ri .mit hundert Ecken oder Kanton'; auch die mit
Zacken versehene Waflfe des Indra RV 1, 52, 15 (bhishtiniätä vadh^Mia) ist natürlich seine Keule.
') acjman, parvata. Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 55.
') RV 1, 121, 9, tvära äyaeäm pr.iti vartayo gör divö ä(;mänam.
») Vgl. Grimm, Deutsche Myth. 4. Aufl. p. 149. 150.
16
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedek.
Daß außerdem nocli etwas wie eine alte Bumerang-
vorstellung mit liiueinspielt, haben wir früher
gesehen — das Zurückkehren des Geschosses in
die Hand des Schleudernden — doch ist davon
bei der Waffe des Herakles nichts zu bemerken.
Herakles ist aber nicht nur der Keulenträger,
er erscheint schon in ältester Zeit unzweifelhaft
deutlich als gewaltiger Pfeilschütz, und da ist es
interessant, daß auch Indra im Rigveda als solcher
hervortritt. Freilich, die eigentlich charakteristische,
die spezifische Waffe des Indra ist und bleibt der
Donnerkeil Vajra, aber daneben sehen wir ihn
doch auch mit Pfeil und Bogen hantieren, die
Feinde mit seinen Pfeilen töten. So heißt es von
ihm, RV 2, 12, 10, daß er die großen Feinde alle,
eh sie es vermuten, mit dem Pfeile töte (färvä
jaghäna); so RV 10, 27, 6, daß die Indrafeinde
seinem Pfeile (färave) verfallen. Es heißt, daß
Indra hoch aufgerichtet gegen den arglistigen
Menschen seinen Pfeil geschleudert (färum, RV
10, 99, 7). Er hat mit seinem Pfeil (färvä) die
Dasyus und die (^imyus auf der Erde, sie tötend,
niedergestreckt (RV 1, 100, 18). Die letztere Stelle
ist darum besonders interessant, weil Indra in
derselben zugleich das Epitheton suvajra erhält,
das heißt ,der trefflich mit dem Donnerkeil Be-
wehrte'. Beide Waffen werden also nebeneinander
erwähnt. Viele Tausende hat Indra mit seinem
Pfeile zu Boden gestreckt (färvä, RV 4, 28, 3).
Seinem Pfeile verfällt die Dämonenschaar der
Vi'lcivantas (^ärave RV 6, 27, 6). Indra und
Varuna treten vereint mit dem Pfeile tötend auf
(RV 7, 85, 2: färvä). Es heißt von dem Pfeile
(ishu), den Indra sich zum Genossen macht, daß
er hundert leuchtende Metallspitzen, tausend
Federn habe (RV 8, 66, 7). Aus den Wolken-
bergen hervor schoß Indra den wohlgezielten Pfeil
(bundäm svätatam, RV 8, 66, 6). Dieser Pfeil
(bundä) wird als golden bezeichnet (RV 8, 66, 11).
Eben geboren greift schon der Vritratöter nach
dem Pfeil (bundä) und fragt die Mutter: ,Wer ist
gewaltig? wer berühmt?' (RV 8, 45, 4). Indra er-
hält die Epitheta ishuhasta und ugradhanvan,
das heißt ,der Pfeile in den Händen Haltende'
und ,der Träger des furchtbaren Bogens.' Auch
ein indisches Gemälde im Museo Borgiano zeigt
uns Gott Indra mit Bogen und Pfeil in den Händen
(vgl. Tab. XXIV der Kupfertafeln zur , Darstel-
lung der brahmanisch-indischen Götterlehre, nach
dem lateinischen Werke des Pater Paullinus a
St. Bartholomaeo bearbeitet', Gotha 1797). Man
sieht aus alledem, daß wir neben das Bild des
Donnerkeilträgers Indra auch dasjenige des ge-
waltigen Pfeilschützen zu setzen haben, das zu
demjenigen des Pfeilschützen Herakles unzweifel-
haft deutlich stimmt. Spielen Bogen und Pfeil bei
Herakles eine verhältnismäßig größere Rolle, so
kann dieser Umstand selbstverständlich keine
wesentliche oder gar wurzelhafte Differenz be-
gründen.')
Als Ergänzung mag noch hinzugefügt werden,
daß auch der dem Indra wesensverwandte Trita
Aptya mit eisenspitzigem PfeiF) den bösen Dämon
Varäha tötet.
1
Überaus charakteristisch für Herakles — wie
auch für Indra und Thorr — ist sein gewaltiges
Essen und Trinken, die Neigung und Fähig-
keit, ungeheure Massen von Speise und Trank
mit Behagen und gutem Humor zu sich zu nehmen.
Sage und Dichtung verweilen gern bei diesem
Zuge, er macht sich auch in der Kunst und so-
gar in dem Kultus geltend, und namentlich bildet
bei den komischen Schilderungen des Herakles
das Essen und Trinken immer eine Hauptsache.')
Er ist ein Trinker und Esser wie wenige und
wir sehen ihn namentlich nach getaner Arbeit sich
gütlich tun, weidlich schmausen und zechen.*)
Seine Eßlust offenbart sich schon früh, denn
bereits als Knabe soll Herakles Fleisch und Brot
in geAvaltigeu Mengen genossen haben. ^) Später
') Mit Pfeil und Bogen schoß man schon in der arischen Urzeit, Pfeil und Bogen brauchte auch wohl schon der
Gewitterriege neben Keule, Stein und Hammer, ähnlich wie auch der estnische Donnergott mit seinem Bogen Donner-
pfeile (pikse noled) schießt. Vgl. Wiedemanu, Aus dem inneren und äußeren Leben der Esten [i. 427. Donuerstrahlen,
Donnerpfeile kommen auch beim germanischen Donnergotte vor und es ist nicht unbedingt notwendig, daß dieselben, wie
Grimm vermutet, den y.r^Xoi; Aw5, teils Jovis nachgeahmt seien (Grimm a. a. O. p. 14a). Der aite lapis, der Flintstein des
Jupiter auf dem Kapitol, macht auch wohl eher den Eindruck eines Pfeiles als eines Hammers oder einer Axt. Es scheint,
daß die Phantasie schon in ältester Zeit sich die Dunnerwaffe wechselnd, bald so bald so, vorstellte — bald als Keule,
Stein, Steinhammer, Axt, bald auch als Pfeil.
') äyoagrayä vipä' RV 10, 99, G.
') Vgl. Preller, a. a. O. p. 219. 220.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 228. 264. 265.
») Vgl. Preller, a. a. ü. U p. 179.
Heeakles und Indea.
17
zeichnet er sich insbesondere dadurch aus, daß er
gelegentlich einen ganzen Stier samt den Knochea
verzehrt.^) Darum heißt er Buphagos, der Rinder-
fresser, ja diese Bezeichnung, die ihn als beson-
ders gearteten Vielfraß charakterisiert, erscheint
sogar als ein alter Kultname des riesischen
Helden. 2)
Es ist unmöglich, sich dabei nicht dessen zu
erinnern, daß Indra gerade als Stier-, Ochsen- und
Büffelesser hervortritt. , Einen feisten Stier will
ich dir kochen', kündigt der Sänger dem Gotte
an (RV 10, 27, 2). ,Man kocht dir Stiere, du
issest von ihnen', heißt es an einer andern Stelle
(RV 10, 28, 3). , Zwanzig Ochsen kochen sie mir
und ich esse das Fett, sie füllen mir den Bauch'
(RV 10, 86, 14). Hundert Büffel werden dem
Indra bereitet (RV 6, 17, 11; 8, 66, 10). Ja, an
einer Stelle (RV 5, 29, 7. 8) heißt es sogar, daß
Agni dem befreundeten Tudra 300 Büffel gekocht
oder gebraten habe; Indra aber aß das Fleisch
der 300 Büffel und trank drei Seen Soma dazu,
zur Vritratötung sich zu stärken. Der gewaltige
indische Gott übertrifft also hierin noch den grie-
chischen Heros in ähnlicher Weise wie in seiner
Körpergröße und Stärke. Er verdiente nicht
minder wie Herakles das Epitheton Buphagos, der
Riuderesser, und beiden zur Seite stellt sich Thorr,
wenn er einmal einen ganzen Ochsen, ein anderes
Mal gar zwei verspeist. Herakles, Indra und Thorr,
die wir für urverwandt halten, stimmen gerade
in diesem Funkte merkwürdig zusammen. Sie
sind alle drei Buphagoi, ohne daß sie darum
andre Speise verschmähten. Sie sind alle drei
gewaltige Esser überhaupt, aber Stiere und Ochsen
(respektive auch Büffel) bilden doch ihre Vor-
zugsspeise.
Nicht weniger als die massige Speise liebt
aber Herakles einen kräftigen Trunk. Er erquickt
sich nach seinen Heldentaten am Weingenuß und
ist weit davon entfernt, bei solchen Freuden sich
irgendwelche Beschränkung aufzuerlegen. Wie er
sich's beim Weinkönige Oeneus wohl sein läßt,
so zecht er urkräftig beim Kentauren Pholos, ist
im Freundeskreise ein lustiger Trinkkumpan, im
Rausche aber auch allzusehr zur Wildheit und zu
Gewalttätigkeiten aller Art geneigt.') Die Herakles-
sage kennt davon manches Beispiel. Dennoch
ist das Bild des gewaltigen Zechers Herakles in
Griechenland sehr populär gewesen. Das grie-
chische Volk hatte ursprünglich an den Kraft-
leistungen seines gewaltigsten Helden auch in
dieser Richtung seine helle Freude und die grie-
chische Kunst verschmähte es nicht, den derb
angezechten, ja den betrunkenen Herakles darzu-
stellen.*)
Es hieße Eulen nach Athen tragen, wenn
wir Indra als den großen Trinker noch besonders
erweisen wollten. Er ist der Somatriuker -/.«t'
s?sy;/;v. Der Veda ist voll von den Schilderungen,
wie Indra am Soma sich berauscht. Er trinkt
ihn beim Opfermahle der Menschen, er trinkt
ihn im Hause von Göttern und Halbgöttern, i»
Tvaslitars Hause, bei Manu, bei Mätariyvan u. a. m.
Er trinkt ihn mit Behagen und massenweis, ganze
Kufen; ganze Seen gießt er sich in den Leib, ja
einmal heißt es, er habe auf einen Zug dreißig
Seen des Soma getrunken (RV 8, 66, 4). Über-
mütig betrunken, umhertaumelnd, mit seiner Größe
renommierend, führt ihn uns ein bekanntes Lied
des Rigveda vor (10, 119). Indra und Herakles
stimmen in diesem Zuge auffallend zusammen und
es begründet selbstverständlich keinen Unterschied,
wenn Indra den Soma, Herakles dagegen Wein
trinkt. In der Urzeit war es zweifellos weder das
eine noch das andere, was der mythische Ahnherr
der beiden Recken zu trinken pflegte, sondern
der damals übliche Meth, den wir den nordischen
Sprößling desselben, den gewaltigen Thorr, noch
trinken sehen. Mit dem alten Namen des Meth
wird ja auch oft genug noch der Soma als ,madhu'
bezeichnet, ebenso wie die Griechen ihren Wein
auch noch ,methy' (.'j.sOu) nennen. So sind Indra-
Herakles-Thörr deutlich alle drei gewaltige Trinker
berauschenden ,Methes', respektive sie deuten
alle drei zurück auf einen urarischen Vorfahren
solchen Charakters.*)
Eine Abweichung mehr sekundärer Art läßt
sich zwischen Indra und Herakles darin finden, daß
Indra vor allem gern durch den Somatrank sich vor
seinen Heldentaten stärkt und für sie begeistert,
im Somarauseh den Viitra erschlägt, während wir
Herakles namentlich nach seinen Taten, sich er-
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. '247. 252 265. 266.
«) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 239. 265. 266.
'j Vgl. Preller, .a. a. O. II. p. 171. 179. 194. 195. 266—269.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 268.
') Auf einen anderen, sehr primitiven Kauschtrank der arischen Urzeit, der durch Kauen und Speichelgährung ge-
wonnen wurde, deuten gewisse merkwürdige Sagenzüge. Vgl. meine Ahhandlung über das Apälä-Lied, WZ KM Bd. 22,
p. 223 fg. ; insbesondere p. 238 fg.
Dcnkschrifton der phil.-hi3t. Kl. 58. Bd. 3. Abb. 3
18
III. ABHAXDLtTN^G: LeOPOLD V. ScHEOEDEK.
holend uud ausruheiul, lustig zeelieu und sclimauseu
sehen. Doch ist das selbstverständlich hei beiden
nicht irgend-wie eine feste Regel, sondern nur die
vorherrschende Gewohnheit. ludra wird auch nach
seiner Heldentat zum Somatrunk geladen und
beim Somafest um desselben willen gepriesen.
Seinen niächtigston Trunk — 30 Seen des Soma —
nimmt er zu sich, nachdem er die Spinnenbrut, den
Schlangenschweller, Aurnaväbha Ahifuva, zusam-
mengeschlagen (RV 8, 66, 2—4). Um seiner Hel-
dentaten willen gestehen ihm alle Götter willig
den Somatrunk zu (RV 5, 29, 4). Er hat sich nach
der Tötung des Vritra den Soma erwählt, heißt
es RV 3, 3ö, 8. Und ähnhch RV 7, 98, 5: ,Als er
der Gottlosen Listen besiegte, da ward der Soma
ffanz sein eijren.' Der Somatrunk ist demnach
ebenso der Preis und Lohn der großen Taten
des streitbaren Gottes, wie auch ein immer neuer
Reiz und Ansporn zu immer neuen Taten und
Siegen.
Der fröhliche Zecher Herakles, der sich in
ausgiehigstem Maße dem Weingenuß hingibt, ist
ganz naturgemäß auch in den dionysischen Kreis
hineingeraten, und so zeigt ihn uns die bildende
Kunst öfters unter Satyrn und Nymphen, mit
dem Gotte des Weines um die Wette trinkend,
den mächtigen Humpen, den Skjq^hos, in der Hand,
während Dionysos sich des zierlicheren Kautharos
bedient.^) Ebenso geht er aber auch, wie wir
schon sahen, mit dem Kentauren Pholos in dessen
Behausung und berauscht sich am köstlichen
Wein aus dem großen Faß, das ein Gemeingut
aller Kentauren ist, bis die ganze Schar derselben,
vom Dufte des Weines angelockt, zusammen-
strömt und nun ein wütender Kampf beginnt, in
welchem Herakles natürlich Sieger bleibt, außer
andern Kentauren leider aber auch der freund-
liche Gastgeber Pholos umkommt.-) Dies Milieu
erinnert uns daran, daß Indra in der epischen
Zeit als Götterkönig in seinem Himmel ständig
von A])sarasen und Gandharven umgeben haust,
jenen halbgöttlichen, elbischen Wesen der Inder,
die ohne Zweifel den griechischen Nymphen,
Satyrn, Silenen und Kentauren entsprechen, wie
ich früher schon zu zeigen gesucht habe. (Grie-
chische Götter und Heroen, I p. 62 fg.)
In den Zeiten der Ruhe und Erholung er-
götzt sich der griechische Held gern auch an der
Musik, am Gesang und Saitenspiel. ^) Von Indra
') Vgl. Preller, a. a. 0. II p. 266. 267. 274.
■•') Vgl. Preller, a a. O. II p. 194. 19,i.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 270. 271.
*) Vgl. Väl. 1, 1 yäth.i tritö chända indra ji'ijoshasi.
aber heißt es schon im Rigveda (Väl. 4, 1), daß
er bei Trita Aptya schmausend sich des Liedes
erfreue ;■*) und die Schar der Gandharven, die
ihn sj)äter umgibt, erfreut ihn mit Musik und
Gesang. Sind doch gerade die Gandharven die
speziellen Vertreter der musischen Kunst im
Olymp der Inder.
Herakles pflegt, namentlich in der Zeit der
Erholung, gern auch der Liebe uud leistet, seiner
riesigen Körperkraft entsprechend, auch auf diesem
Gebiete Erkleckliches. Schon als achtzehnjähriger
Jüngling, bei seinem ersten großen Abenteuer
mit dem Löwen des Kithaerongebirges, beschläft
er in einer Nacht die 50 Töchter des Königs
Thespios und der Megamede.^) Auch weiterhin
spielen Liebesverhältnisse in seinem Leben eine
Rolle, wenn sie auch im ganzen nicht gerade als
bestimmende und leitende Momente desselben her-
vortreten, sondern mehr als die naturgemäße Be-
friedigung der Bedürfnisse eines starken männ-
lichen I\örpers erscheinen. Immerhin hängt auch
der tragische Tod des Helden mit diesen Be-
ziehungen zusammen, da Deianeira aus Eifersucht,
der schönen Jole wegen, in dem Wunsch, den
Herakles an sich zu fesseln, ihm das todbringende
Gewand des Nessus sendet. Dies aphrodisische
Moment tritt bei Indra, zumal in der Zeit des
Rigveda, ganz zurück.'') Er ist kein Mönch und
kein Heiliger, er hat seine Frau ludräni und
scherzt mit ihr gelegentlich in einer nichts weniger
als jirüden Weise. Im übrigen aber kümmert er
sich nicht viel um Weiber, sondern mehr um
Kampf und Somatrimk. Späterhin, in der Zeit des
Epos, erscheint Indra weichlicher, nach Art der
Könige des indischen Mittelalters, umgeben von
einem großen Hofstaat, in dem nehen den Gan-
dharven vor allem die schönen Apsarasen, die
verführerischen Nymphen des Indrahimmels, her-
vortreten. Sie werden die Mädchen des Indra
genannt, leben in Liebesgemeinschaft mit den
himmlischen Musikern, den Gandharven, beglücken
die abgeschiedenen Helden und verführen gelegent-
lich auf Befehl des Indra fromme Büßer, sind
überhaupt frei von jeglicher Sprödigkeit und stets
zum Liebesspiel bereit. Hier hat also Indra den
idealsten Harem um sich herum, doch bleibt es
charakteristisch für ihn, daß Liebesabenteuer in
seinem Leben keine wesentliche Rolle spielen.
Darin unterscheidet er sich stark von Vishnu,
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 180. 1S9.
^) Vgl. Macdonell, a. a. 0. p. 65.
Hekakles uiS'D Indea.
19
der im Rigveda oftmals als sein Genosse im
Vritrakampfe auftritt und spcäter als Yishnu-Krishna
eine so große Bedeutung erlangt. Von ihm weiß
zwar der Veda noch nichts Erotisches zu berich-
ten, um so mehr aber eine spätere Zeit, die sein
üppiges Liebeslehen unter den Hirtinnen des Gan-
geslandes schildert. Da Vishnu im Veda den Indra
in gewisser Weise ergänzt und später als Yishnu-
Krishna von den Griechen mit Herakles identifi-
ziert wird, müssen wir auf ihn weiter unten ein-
gehender zurückkommen.
Indra ist ebensowenig wie Herakles von
Hause aus ein moralischer Held, ein Muster kor-
rekter Lebensführung. Übersprudelnde Fülle der
Kraft ist für beide das Charakteristische und da-
mit ist schon mehr oder minder ein Über-die-
Schnur-Hauen fast unvermeidlich verbunden. Wir
wissen, wie gern. sich Indra am Soma berauscht.
Diese Exzesse aber haben bisweilen üble Folgen.
Um Indra von dem Unwohlsein zu heilen, das
ihn infolge seiner Unmäßigkeit quält, erfinden
die Götter eine besondere Zeremonie, genannt
Säuträmaniji) und die befreit ihn von seinem Lei-
den. Doch Indra hat Schlimmeres auf dem Ge-
wissen. Er hat nicht nur den Soma seinem Vater
Tvashtar gestohlen, er macht auch die eigene
Mutter zur Witwe, indem er den Vater am Fuße
packt und zerschmettert.^) So wilde, gewalttätige,
ja frevlerische Handlungen bilden die Kehrseite
zu den vielgerühmten machtvollen Kampf- und
Siegestaten des göttlichen Helden. Wer die Lebens-
und Leidensbahn des Herakles kennt, erinnert
sich dabei alsbald so mancher böser Dinge, Ro-
heiten und Gewalttaten, die der griechische Heros
im Rausch, im Zorn, in übermütiger Kraftent-
faltung begangen. Mehr als einmal muß er für
schwere Verbrechen Sühnung suchen, für den
Mord seiner Kinder von der thebanischen Megara,
für den Mord seines ihm arglos vertrauenden
Gastfreundes Iphitos, dessen schon Homer (Od. 21,
22 fg.) mit ernstem Tadel gedenkt, u. a. m.^) Oft
von der Leidenschaft verfinstert, sinnenberaubt,
sich Schuld aufladend, in unermüdlichem Ringen
wiederum sich läuternd, aufwärts strebend, erreicht
der Held das höchste Ziel. Erst eine spätere Zeit
macht aus ihm ein moralisches Vorbild, dichtet
den Herakles am Scheidewege, der zu Anbeginn
seiner Laufbahn schon sich für die Tugend ent-
scheidet.*) Von Hause aus ist er seinem ganzen
Wesen nach durchaus nur gewaltige Kraftnatur,
ohne spezifisch moralischen Beigeschmack, ein
Kämpfer und Bekämpfer unzähliger Feinde, Riesen
und Ungeheuer, ähnlich wie Indra. Auch dem
Indra wird später etwas von ethischer Größe an-
gedichtet,^) und wie Herakles durch rastlose
Mühen, durch Heldentaten, durch Schuld und
Sühne hindurch, aufwärts gelangt zum Götter-
dasein im Olj'mp, so heißt es von Indra in einem
späteren Hymnus des Rigveda, er habe den Him-
mel oder das Himmelslicht durch scharfe Bußen
erlangt.") Dies sind beiderseits sekundäre, jün-
gere Züge, sie erscheinen aber doch bemerkens-
wert, weil in analoger Weise aus der gleichen
uralten Wurzel verwandten Wesens hervor-
gewachsen.
Den Unterschied zwischen Herakles und Indra,
dem Heros und dem Gotte, wollen wir in keiner
Weise verwischen. Herakles ist deutlich genug
von Hause aus kein Gott, sondern ein Heros, ein
Halbgott, ein riesischer Held, der dann erst durch
seine Verdienste ein Gott und als solcher verehrt
wird.") Es liegt darin aber für die Vergleichung
nicht die geringste Schwierigkeit. Im Gegenteil.
Ist Herakles, wie wir vermuten, mit Indra ur-
sprünglich identisch, dann spricht die Gestalt des
griechischen Heros nur noch deutlicher für die
Richtigkeit unserer Annahme, daß Indra und
Thorr beide nicht von Hause aus Götter, sondern
mächtige Gewitterriesen waren , halbgöttliche
Wesen, die erst in späterer Zeit zum Range grol.Ser
Götter emporstiegen, als in Indien Parjanya, in
Skandinavien Fjörgynn, die alten Hypostasen des
Himmelsgottes als des Gewitterers, verblaßten und
den Platz räumten.
In Griechenland konnte derselbe Prozeß, der
in Indien und Skandinavien aus Gewitterriesen
große Götter werden ließ, aus dem einfachen
Grunde nicht statthaben, weil hier der alte Him-
') Vgl. Macdonell, a. a.. O. p. 50; Zimmer, Altind. Leben p. 27.'5.
') Vgl. RV 3, 48, 4; I, 18, 12; Macdonell, a. a. 0. p. .")7; Geldner-Kaegi, Siebenzig Lieder p. U4. G5. Hier erscheint
als Indras Vater der Götterkünstler Tvashtar, der Bildner, der Schöpfer, ursprünglich wohl eine Hypostase des als Schöpfer
gedachten Himraelsgottes (Dyaus-Varuna, cf. Daksha, Dhätar). Für gewöhnlich wird als Vater des Indra der Hiiumelsgott
Dyäus genannt, wie Zeus als der Vater des Herakles gilt.
') Vgl. Prellor, a. a. O. II p. 1G3. 164. ■•) Vgl. Preller, a. .1. O. II p. 276. 277.
^) Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 65.
'^) Vgl. RV 10, 167, 1 tvani täpalj paritipya ajayah svah; Macdonell, a. a. O. p. 65.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 258 Anm.
3*
20
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
melsgott sich niclit wie bei ludern und Germanen
in verschiedene Hypostasen spaltete und vfeil er
vor allem fort und fort der große Gewittergott
blieb und als solcher nie den Platz räumte. Unter
solchen Umständen war es auch durchaus natür-
lich und fast selbstverständlich, daß der alte Ge-
witterriese, der die Sonne aus der Gewalt der
bösen Dämonen des Dunkels, der Wolken, des
Winters befreite, immer mehr in dieser Richtung
wuchs, immer mehr zum Sonnenhelden, zum Ge-
winner des Sonnenlichtes wurde, während seine
alte Eigenschaft als Gewitterer mehr und mehr
in Vergessenheit geriet, verblaßte, verdorrte, von
ihm abfiel und endlich fast — bis auf wenige
Spuren — verloren ging. Der Gewittergott Zeus
hatte neben sich keinen anderen Gewitterer nötig,
ja er duldete nicht einmal einen solchen, konnte
höchstens untergeordnete Helfershelfer l)rauchen,
wie die Riesen Brontes, Steropes und Arges, die ihm
Blitz und Donner schmiedeten. Für einen größeren
gab es da keinen Raum. So mußte Herakles mehr
und mehr zum Sonnonhelden, zum Sonnenheros
werden, schon auf Grund des rein griechischen
Mythenschatzes, ganz abgesehen noch von dem
später etwa hinzukommenden Einfluß orientalischer
Sagen, Mythen und Kulte von Sonnenhelden und
Sonnengöttern verschiedener Art. Es steckt aber in
dem griechischen Helden von Hause aus schon der
Sonuenheld drin, wie so viele rein griechische Sagen
uns zeigen, die wir bald näher kennen lernen wer-
den.
und das Besondere in der Entwicklung dieser
mythischen Gestalt auf griechischem Boden liegt
bloß darin, daß sie einseitig in dieser Richtung
hin stattfindet, während die Beziehung zum Ge-
witter verloren geht; obwohl gerade sie es ist, die
ursprünglich den Kern der Gestalt gebildet haben
muß, wenn wir rechthaben, sie mit Indra-Thörr
zu vergleichen.
Daß der große Gewitterriese sehr wohl zu-
gleich seit alters ein großer Sonnenheld sein
konnte, das zeigt uns gerade die Gestalt des Indra
sehr deutlich. Er ist unfraglich der große Ge-
wittergott, der alte Gewitterriese, und doch ebenso
unfraglich der Sonneuheld, der fort und fort in
gewaltigem Kampfe das Sonnenlicht gewinnt, er-
kämpft, ersiegt, erbeutet, der die Sonne und ihre
Strahlen, die rötlichen Kühe des Lichts, immer
wieder aus der Gewalt der bösen Mächte des
Dunkels, der finsteren Wolken, des Winters mit
seinen Nebeln und Frösten befreit. Er schlägt
den Vi'itra und gewinnt das Licht, die Sonne, die
Morgenröte. Er findet die Sonne im Dunkel auf,
er setzt sie an den Himmel, er läßt sie wieder
scheinen. Ja, es heißt, daß er, der Dämouen-
töter, die Sonne und die Morgenröte erzeugt habe.^)
Und endlich wird Indra au mehreren Stellen des
Veda mit der Sonne, dem Sonnengott Sürya ge-
radezu identifiziert.^) Ihn deswegen zu einem alten
Sonuengotte zu machen, wie Hillebraudt dies tut,
liegt kein ausreichender Grund vor.
Indra und Yishnu.
In merkwürdiger Weise sehen wir die Gestalt
des Indra durcli die seines Gefährten im Vritra-
kampfe, des Vishnu, ergänzt und die weitere Ent-
wicklung dieser Göttergestalt läßt sich in gewisser
Weise mit derjenigen des Herakles vergleichen,
daher ein Blick auf ihn lehrreich sein dürfte.
Yishnu, später ein so großer Gott und un-
zweifelhaft ein Sonnengott, tritt im Veda nur wenig
hervor und offenbart seineu Charakter als Sonnen-
gott hauptsächlich nur in seinen berühmten drei
Schritten, mit denen er von der Erde durch den
Luftraum zum höchsten Punkte des Himmels auf-
steigt.') Wir kennen bereits seine oberste Fuß-
stapfe als einen Brunnquell himmlischen Metlis oder
Honigs (RV 1, 154, 5 madhva ütsah). Dort freuen
sich die Seligen und die Götter, dort wohnen Indra
und Vishnu, dorthin sehnen sich auch die Sänger
(RV 1, 154, 6).
Es ist nach späterer Auffassung der höchste
Punkt über uns am Himmel, der Zenith.*) Im
übrigen kennt der Veda Gott Vishnu vor allem
als Freund und Begleiter des Indra, als seinen Ge-
nossen und Helfer im Vntrakamjife. Ja, man
könnte — wenn die drei Schritte nicht wären —
sogar geneigt sein, den Vishnu als eine Art Doppel-
gänger, eine Hypostase des Indra zu betrachten.
Scheint doch an einer Stelle des Veda das Wort
vishnu als Epitheton im Sinne , wirksam, tätig'
M Vgl. Macdonell, a. a. 0. p. 61.
') Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 38.
2) Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 57.
*) Vgl. Macdonell, a. a. 0. p. 38. .39.
Heeakles und Indea.
21
dem Indra beigegeben zu sein,i) und gerade ein
selbständig, gewordenes Epitheton steckt ja niclit
selten in der Hypostase.
Indessen diese Auffassung der betreffenden
Stelle steht nicht durchaus fest, wohl aber die
enge Beziehung des Yishnu zu Indra. Diese tritt
auch darin hervor, daß Indra, ungefähr ebenso
oft wie mit Soma, mit Vishnu dualisch verbunden
auftritt, als indrävishnü. Wie eng die Beziehune:
o
des Vishnu zu Indra ist, geht unter andrem auch
daraus hervor, daß in den wenigen Hjmnen,
welche den Vishnu speziell feiern, Indra die ein-
zige Gottheit ist, die mit ihm verbunden ersclieint.-)
Ja, selbst die drei berühmten Schritte des Vishnu
sind in besondere Beziehung zu Indra gebracht.
Es heißt (Väl. 4, 3), daß Vishnu jene drei Schritte
für Indra getan habe; nach einer anderen Stelle
(RV 8, 12, 27) abez- hätte er sie durch die Kraft
des Indra ausgeführt, von dem in dem unmittel-
bar vorausgehenden Verse (8, 12, 26) gerühmt wird,
daß er den stromverschließenden Vritra mit Macht
getötet habe. Die Tötung des Vritra und die drei
Schritte des Vishnu scheinen damit nahe auein-
ander zu rücken, und dieser Eindruck wird noch
verstärkt durch den Umstand, daß Indra in einem
anderen Liede des Rigveda (4, 18, 11), während
er im Begriffe ist, den Vritra zu töten, ausruft:
.Freund Vishnu, schreite weiter aus!'^) Und ähn-
lich ruft Indra am Schluß eines anderen Liedes:
, Freund Vishnu, schreite weiter aus ! Himmel, gib
Raum dem Donnerkeil, zum Auseinanderstemmen!
Wir beide wollen den Vritra töten, wollen die
Ströme befreien! auf ludras Antrieb sollen sie
losgelassen laufen !' *) Mit Vishnu vereint tötete
Indra den Aiii, den Vritra (RV 6, 20, 2). Indra
und Vishnu vereint vernichten die Listen des
bösen Dämons, sie brechen die 99 festen Burgen
des Cambara, sie schlagen die hundertundtausend
Mannen des Asura Varcin, sie schaffen dem Opfer
weiten Raum, erzeugen die Sonne, die Morgen-
röte, das Feuer (RV 7, 99, 4. 5). Mit Indra ver-
eint berauscht sich auch Vishnu am Somatrunk,
nimmt Massen zu' sich, füllt sich den Bauch,
schafft weiten Raum (RV 6, ü9), mit Indra teilt
er Kampf und Sieg, wii'd als ein Brecher aller
Burgen gepriesen (RV 6, 20, 3), aber umgekehrt
erscheint auch Indra dem Vishnu angeglichen,
indem er wie dieser als , weitausschreitend' (uru-
kramä, urugäyä) bezeichnet wird.=) Gerade wenn
Vishnu von Hause aus ein Sonnengott oder ein
Sonnengenius, ein Sonnenheld ist, dann begreift
man leicht diese enge Verbindung mit Indra, der
ja nicht nur die Wasser, sondern auch das Sonnen-
licht befreit und gewinnt und der Welt wieder
schenkt, und wenn Vishnu seine berühmten drei
Schritte, von der Erde empor bis zur höchsten
Höhe des Himmels, ursprünglich gerade beim
glorreichen, siegreichen Kampfe des Indra aus-
führt, von diesem dazu gestärkt und ermuntert,
dann ist auch dies durchaus verständlich, sobald
wir den Mythus im großen als Jahreszeitenmythus
fassen, als die Erzählung davon, wie der Ge-
wittergott mit gewaltiger Hand die Mächte des
Dunkels, der Nacht und des Winters gebändigt
und der Sonne zu einem neuen herrlichen Auf-
stieg verhelfen. Er bekämpft vereint mit dem
Sonnenhelden die bösen Dämonen, macht frei die
Bahn, stärkt die Sonne und ermuntert sie, mit
mächtigen Schritten aufwärts zu steigen. Das
liegt in der Sonne eigenem Interesse, aber es ge-
schieht insoferne doch auch für Indra, als damit
dessen glorreicher Kampf gegen die feindlichen
Dämonen seine herrlichste Krönung findet.
In einem merkwürdigen Verse des Veda
(RV 1, 155, 6) heißt es von Vishnu, daß er je
90 Renner mit vier Namen wie ein gerolltes Rad
in Bewegung gesetzt habe. Man sieht darin wohl
mit Recht die 360 Tage des Sonnenjaiires, in vier
Jahreszeiten eingeteilt, und es ist kaum möglich,
eine passendere Deutung zu finden.") Hierin
scheint sicli also Vishnu wiederum als Sonnensrott
oder Sonneugenius zu offenbaren, und in dieselbe
Richtung deutet wohl die Legende der Brähmanas,
nach welcher das abgehauene Haupt des Vishnu
zur Sonne geworden sei.') In der späteren Zeit
führt Vishnu als ständiges Attribut den Diskus,
das rollende Rad mit Flammenspitzen, das ihn
wohl unzweifelhaft deutlich als Sonnengott charak-
terisiert. Auch seiu auf der Brust (am Halse)
getragenes Juwel (kaustubha), das bei der Quir-
lung des Ozeans zum Vorschein gekommen sein
soll, ist augenscheinlich ebenso zu deuten. Es
vergleiclit sich dem Brisingnmen. dem feurigen
leuchtenden Kleinod, das die nordische Hinimels-
göttin Freya am Halse trägt und das wir schon
als die sciiöne Meerniere kennen. Es kann nichts
') Vgl. RV ], 61, 7; dazu Grassmanns Wörterbuch s v. vishnu.
^) Vgl. RV 1, 154. 155; 7, 99; Macdoiiell, a. a. O. p. 39.
') RV 4, 18, 11: äthäbravid vritram iudro hanishyänt säkhe vishno vitaraiii vi kramasva!
*) RV S, 89, !•-'. ') Macdonell, a. a. O. p. 40.
«) Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 38. 39. ') Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 39.
22
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
andres sein als die Sonne. Der Vogel Garuda,
auf -n-elcliem Vishnu im Epos und in der klassi-
schen Dichtung des indischen Mittelalters reitet,
ist unzweifelhaft deutlich der Sonnenvogel, den
schon der Rigreda kennt, die Sonne als strahlend
leuchtender Vogel, im Himmelsraum schwebend,
gedacht.') Als Attribut führt dieser spätere Vishiju
aber auch die Keule,-) und es scheint, daß er diese
von Indra geerbt hat, seinem alten Genossen im
Vritrakam])fe. Als Vajra wird dieselbe im Bhägavata
Puräna (10, 59, 20) bezeichnet, häufiger freilich
als Gada oder Käumodaki. Sie könnte auf ihn nach
demselben Gesetz der Assimilation übergegangen
sein, das wir auch sonst zwischen Indra und Vishnu
waltend gesehen haben. Sehr möglich aber ist es frei-
lich, daß er sie auf andrem Wege erhalten, nämlich
durch seine Identifizierung mit Krishna, dem
fiToßen Helden und Religionsstifter des Stammes
der Yädava im Gangeslande, den auch die be-
nachbarten Cürasena und Cibi verehrten, und der
endlich zu einem der größten und gefeiertsten
Götter Indiens emporwuchs. Es scheint, daß Held
Krishna von Hause aus mit der Keule bewaffnet
war, wie Megasthenes noch von dem A^olke der
Cibi berichtet, daß sie Tierfelle und Keulen wie
Herakles trugen und ihren Rindern und Maul-
tieren das Zeichen der Keule einbrannten. Es
scheint, daß dieser Eindruck nicht wenig dazu
beitrug, daß Megasthenes in dem indischen Helden
und Gotte Krishna -A'^ishnu den Herakles wieder-
zufinden glaubte, einen indischen Herakles in ihm
erkennen wollte.^) Es ist nicht ganz leicht, in der
Gestalt des Krishna -Vishnu den vergötterten
Heros des Gangeslandes und den alten Sonnengott
und Sonnenhelden, den gefeierten Freund und
Kampfgenossen des Indra in so manchem vedi-
schen Liede, scharf und klar auseinander zu hal-
ten. Doch erscheint es interessant und merk-
würdig, daß der scharfsichtige griechische Be-
obachter gerade in diesem Gotte, der dem Indra
in vedischer Zeit so nahesteht, daß man fast ver-
sucht sein könnte, eine Hypostase desselben in
ihm zu vermuten, den Herakles wieder erkannte.
An Indra selbst konnte er unmöglich denken, da
dieser sich ja klar und deutlich als Gott des Ge-
witters präsentierte, also naturgemäß und ganz
mit Recht von dem Griechen vielmehr dem regen-
briugenden Zeus gleichgesetzt wurde.*) Herakles
aber war ja nicht mehr als der alte Gewitterriese
erkennbar, den wir iu ihm als ursprünglichen
Kern und Ausgangspunkt suchen. Er war ganz
Sonnenheld und Kulturheros, ja sogar Sonnengott
geworden, in sekundärer Entwicklung, — und es
erscheint daher sehr verständlich, daß ihn die
Griechen in dem streitbaren Sonnenhelden und
Kulturheros, dem Sonnengotte und vergöttlichten
Heros Vishnu-Krishna suchten.
Oldenberg ist der Meinung, daß der vedische
Vishnu durch nichts sich als Sonnengott offenbare.
Er sieht in ihm nur einen Gott, der den weiten
Raum durchschreitet, ihn dadurch gewissermaßen
ordnet und für den Menschen erwirbt.^) Ich
erlaube kaum, daß eine solche Idee den Anlaß zur
Schöpfung einer Göttergestalt hätte abgeben kön-
nen, — noch dazu einer Gestalt, aus der im Laufe
der Zeit einer der größten Götter Indiens erwachsen
sollte. So viel aber wird man zugeben müssen, daß
das AVesen des A'^ishnu als eines ursprünglichen
Sonnengottes im A^eda nicht irgendwie deutlich
hervortritt. Die drei Schritte allein reichen da
doch nicht aus. Sie zeigen ihn uns vielleicht nur
als befreienden Helden, der der Sonne — wie
übrigens auch den Menschen und den AVassern —
freien Raum und Bahn schafft. So bleibt doch
schließlich die Möglichkeit bestehen, daß der Gott
ursprünglich nur eine Hypostase des großen Be-
freiers Indra ist, des Befreiers der AA^asser und
der Sonne, der in A^ishnu einen immer mehr nach
der Richtung des Sonnenhelden sich entwickeln-
den Doppelgänger von sich abgespalten hätte. Auf
jeden Fall können wir so viel sagen: Im A'^eda ist
Vishnu Genosse des Indra, trinkt mit ihm den
Soma, befreit mit ihm die AA^asser wie die Sonne,
tut im Vritrakampf seine gewaltigen Schritte und
schafft damit Raum und freie Bahn. AA^eiterliin
prägte er sich immer deutlicher als Sonnengott
aus (vielleicht nicht zum geringsten Teil durch
die A^erschmelzung mit andren volksmäßigen
Göttergestalten), ähnlich wie Herakles mehr und
mehr sich in dieser Richtung entwickelt.
') Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 39; L. v. Schröder, Indiens Lit. u. Kultur p. 340.
-) Vgl. Sonnerat, Reise nach Ostindien und CliinaBd. I (1783), Taf. Nr. 50. S. auch Tab. IX der Bilder zur ,Dar-
stellung der brahmauisch-iudischen (jotterlohre, nach dem lateinischen Werke des Vater Paullinus a. St. Bartholomaeo be-
arbeitet'. Gotha 1797.
^) Vgl. L. V. Schroeder, Indiens Literatur und Kultur p. 361 ff.
*) Vgl. L. V. Schroeder, a. a. O. p. 360. °) Vgl. Oldenberg, Religion des Veda p. 228 fl".
Herakles u^•D Indra.
23
Die Taten des Herakles.
"Wir wenden uns nun zu den Taten und
Abenteuern des Herakles und wollen festzustellen
suchen, ob und inwieweit dieselben mit den
Taten und Abenteuern des Indra übereinstimmen
und eine Vergleicbung- rechtfertigen können, die
sich nicht mit va^-en Allü-emeinheiten bejrnüo-en
will, sondern durch den Nachweis einer beträcht-
lichen Anzahl ähnlicher oder gar identischer Züge
im großen wie auch im Detail die Urverwandt-
schaft der beiden Helden wahrscheinlich zu macheu
sucht. Es ist dies der wesenthchste Teil un-
serer Untersuchung. Sind docii Herakles und Indra,
zum Unterschied von andren Göttern und Heroen,
aktive Naturen • im höchsten und eigentlichsten
Verstände des Wortes, übermenschliche Wesen,
die nicht durch ihr Sein, sondern durch ihr Han-
deln, ihre Taten und Siege, groß und verehrungs-
würdig dastehen, gerade um dieser Taten willen,
wegen ihres unaufhörlichen, unermüdlichen, sieg-
gekrönten Ringens und Mühens. fort und fort ge-
priesen, verherrlicht und verehrt werden. Es
gibt größere und heiligere Götter in Griechenland
und in Indien als Herakles und Indra, aber fragen
wir, von wem die Mythologie der Griechen und
der Inder am meisten Taten und Abenteuer zu
berichten weiß, von wem sie am meisten (und
liebsten) ihre Geschichten erzählt, dann wird mau
doch wohl hier den Herakles, dort den Indra
nennen müssen. An eigentlicli religiöser Bedeu-
tung, an göttlicher Würde und Heiligkeit ist Va-
runa, sind die Adityas, ist auch Agni dem Indra
weit überlegen, wie dürftig aber erscheint die
Summe der eigentlichen Mythen, der Taten, die
als lebendige Geschichten von diesen Göttern er-
zählt werden und sich anschaulich erzählen lassen,
wenn man die Überfülle von Taten und Siegen
des Indra vergleicht, von welchen die vedischen
Dichter immer wieder zu erzählen nicht müde wer-
den. Vielleicht ist das Verhältnis in Griechen-
land nicht ganz das gleiche, und vor allem wohl
darum, weil Zeus — wie wir schon sahen — die
Sphäre des Gewitters sich vorbehalten und sich
nicht, wie der alte Himmelsgott in Indien und
Germanien, aus derselben durch den alten Ge-
witterriesen hat verdrängen lassen, diesen viel-
mehr seinerseits beschränkt und verdrängt hat.
Doch man schlage nur irgendeine griechische
Mythologie, etwa diejenige von Preller, auf und
vergleiche, wie viel von Zeus — und andern Göt-
tern — , wie viel von Herakles berichtet wird,
und man wird durch den Abstand überrascht
sein, man wird sich leicht davon überzeugen, daß
— auch nach möglichster Ausscheidung fremd-
ländischen orientalischen Sagengutes — Herak-
les in der gesamten griechischen Mythologie ge-
rade durch die Überfülle der von ihm berichteten
Taten und Abenteuer mehr als irgendeine andre
Gestalt hervortritt. Vielleicht war selbst eine
Gestalt wie Hestia für das religiöse Gemütsleben
der Griechen von größerer Bedeutung als Herak-
les, zu erzählen aber wissen wir fast nichts von
ihr, einen Mythus der Hestia gibt es kaum. Ihre
Bedeutung liegt ganz und ausschließlich in ihrem
Sein, diejenige des Herakles in seinem Handeln.
Bei solchen ausgesprochenen Helden der Ak-
tion, wie Herakles und Indra es sind, müssen
naturgemäß aucli für die Vergleichung ihre Ta-
ten die erste und wichtigste Rolle spielen, sie
müssen noch mehr ins Gewicht fallen als alle jene
Züge, die wir schon als übereinstimmend erken-
nen konnten.
Bevor wir darangehen, die Taten des Herak-
les der Reihe nach zu betrachten und mit denen
des Indra zu vergleichen, muß ein großer Zug,
der viele derselben charakterisiert, ja der fast
durch das ganze Wirken des Helden hindurch-
geht, hervorgehoben und festgestellt werden. He-
rakles ist der Menschenfreund, der Helfer,
der Bekämpfer und Vernichter böser, furchtbarer
Mächte, der Kulturheros, der .Entwilderer',
wie ihn Preller nennt,^) der durch Besiegung und
Tötung aller möglichen Ungeheuer, Schlangen,
Riesen, Räuber und AVegelagerer die Menschen
von Furcht und Gefahr l)efreit, ihnen die Mög-
lichkeit freier Bewegung und ruhiger Entwicklung
verschafft. Er ist nicht Kulturhcros in jenem
andern, eigentlichen, positiven Sinne, wie so
manche andre Heroen und Götter, die dem Men-
schen bestimmte Gaben iiöherer Gesittung und
geistigen Fortschritts geschenkt, sie allerlei nütz-
liche Tätigkeiten, Gewerbe, Künste u. dgl. m. gelehrt,
sondern in dem mehr primitiven, negativen Sinne
der ,Entwilderung', d.h. der Beseitigung störender,
das Leben, die freie Bewegung und Entwiclvelung
Vgl. Preller. a. a. O. p. 188; auch p. 193. 27-_'. 27:i.
24
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
hindernder Gewalten. Er ist kein Lehrer, kein
Weiser, durcli keine geistigen Vorzüge .ausge-
zeichnet, sondern durchweg Kämpfer und sieg-
reicher Held, Alexikakos und Soter, Abwehrer
des Bösen, Helfer und Ketter. Als solcher wird
er gefeiert und verehrt. Er ist es und wird
es vermöge seiner übcrgewaltigen physischen Kraft,
seines Mutes, seiner Beharrlichkeit und Festigkeit,
die ihn zum Typus des siegreichen Helden, zum
Kallinikos machen. Zwar verschafft er auch große
positive Güter, denn er bezwingt nicht nur den
nemeischen Löwen, die lernäische Hydra, den ery-
mauthischen Eber, die styniphalischen Vögel, den
Riesen Geryones, den Kerberos u. a. m., sondern
bringt auch die Äpfel der Hesperiden, den kreti-
sciien Stier, die herrlichen Rinder des Geryones
herbei, doch das positive Gut, die Sonne und ihr
Licht, ist hier ganz im mystischen Bilde ver-
schleiert und auch hier handelt es sich um Be-
freiung aus der Gewalt böser, tückischer Mächte,
— und zwar um die Befreiung der größten Natur-
macht, des lebenweckenden Tagesgestirns, nicht
eines eigentlichen Kulturguts. Er hilft auch seinen
spezielleren Landsleuten im Kamjife gegen feind-
liche Menschenstämme, hilft den Orchomeniern,
bricht die Burgen von Ilion, Elis, Pylos. ,Die
Philosophen sahen in ihm das Ideal des Men-
schenfreundes und der Aufopferung.")
Er hilft aber auch den Göttern, wo sie ohne
ihn sich nicht mehr zu helfen wissen — in dem
ungeheuren Kampfe gegen die Giganten, die nur
mit Hilfe des Herakles bezwungen werden kön-
nen. Zeus hat diesen großen Sohn gezeugt, ,um
Göttern und Menschen eine Hilfe in der Not zu
gewähren.' Er ist ein , Heros des Lichts, der
alles Finstere und Wüste und Ungeheure vertilgt,'
eines der wichtigsten Resultate seiner vielen
Mühen und Arbeiten aber bleibt .das Wohl der
Menschheit und die Befreiung und
Veredelung
der ganzen
Solch ein
Natur der Dinge.'-)
Menschenfreund
und Helfer im
großen Stil ist aber auch der gewaltige nordische
Thorr, der Menschen und Göttern in unzähligen
Nöten und Drangsalen hilft, Riesen und Unge-
heuer mit starker Hand bekämpft und bezwingt.
Speziell erinnert Herakles noch dadurch an diesen,
,Aveil seine Hilfe sehr po])ulär im Kreise der
Bauern, der Winzer, der Hirten' ist,^) und auch
Thörr bekanntlich als ein spezieller Helfer und
Schützer der Bauern gilt und mit seiner ganzen
derben und doch gutmütig hilfreichen Eigenart
bei diesen stets besonders beliebt und populär
war, während Odhin mehr ein Gott der Krieger,
der Fürsten und der Dichter war.
Weit näher aber noch als mit Thorr ist die
Übereinstimmung des Herakles mit dem Indra,
und sie tritt auch in dem soeben besprochenen
allgemeinen Zuge unzweifelhaft deutlich zutage.
Auch Indra ist ein Menschenfreund und Helfer
im großen Stile, ein Helfer der ^Menschen und
der Götter, ein Bekämpfer und Vernichter un-
zähliger böser, gefährlicher, tückischer Mächte,
ein Befreier, der die Menschen im großen und
speziell seine indischen Arier fördert. Was er ihnen
an Gütern und Gaben schenkt, ist — hier ebenso
charakteristisch wie bei Herakles — stets zuerst
von ihm selbst durch gewaltigen Kampf und Sieg
errungen.
Indra ist der Menschenfreund, im Gegensatz
zu den bösen Dämonen, die als Feinde der Men-
schen bezeichnet werden. ,Es dröhnte des Starken
Donnerkeil, als er, der Menschenfreund, den
Menschenfeind niederbrannte,'*) • — heißt es RV
2, 11, 10. Auch sonst wird Indra als der Men-
schenfreund bezeichnet (mänuslia, RV 1, 84, 20)
oder in seinem Tun als solcher geschildei-t, und
oftmals, wenn die Großtaten des Indra, die Be-
freiung der Wasser, die Gewinnung des Sonnen-
lichtes gerühmt werden, heben die Sänger aus-
drücklich hervor, daß solches für den Men-
schen geschehen sei (mänave, mänushe).
Für den Menschen ließ Indra die Wasser
strömen, tötete den Ahi, entfesselte die sieben Strö-
me, öffnete die verschlossenen Quellen, — heißt
es RV 4. 28, 1. Lustig machtest Du, o Indra,
die Flüsse los, daß sie laufen zum Meer, — wie
Milchkühe, die dem Menschen alles Gut zuströmen,
dem Menschen volk alles Gut zuströmen (RV 1,
130, 5). Indra ersiegt für den Menschen die
Wasser (RV 5, 31, 6). Er rühmt sich selbst
(RV 1,165,8): ,Ich schlug den Vritra, — ich
habe dem Menschen diese herrlichen Wasser zu-
gänglich gemacht, den Donnerkeil im Arme tra-
gend. Für Wohnung und Wasser hat der Mensch
ihm zu danken: ,Der Vntratöter Indra, der Bur-
genbrecher, trieb fort die Dämonen mit schwar-
zem Schoß, er schuf dem Jlenschen Wohnung
und Wasser' (RV 2, 20, 7), — und im unmittelbar
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 273. ^) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 272.
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 274.
*) iraänushaiii yan mänusho nijurvit. Er brennt den Gegner natürlich durch das Feuer des Blitzes nieder.
Herakles und Indra.
26
vorausg-ehenden Verse (6) wird Indra bezeichnet
,als viel Wuuder tuend für den Menschen' (mä-
nushe dasmätamah). Nicht die Wasser allein, auch
das Licht der Sonne schenkt er dem Menschen:
,Als du, o Indra, den Vritra getötet, für den
Menschen die Wasser befreiend, da trugst du in
den Armen den ehernen Donnerkeil, setztest an
den Himmel die Sunne, zum Schauen' (RV 1,
52, 8). Für den Sterblichen hat Indra die Sonne
befreit (RV 4, 30, 6).i) ,Indra, der Gewinner des
Himmelslichts, der Erzeuger der Tage — er ließ
dem Menschen leuchten die Helle der Tage, er
fand das Licht zu großer Freude' (RV 3, 34, 4).
,Wie ein wütender Stier flog Indra durch die
Lüfte, der sich diese Wasser zu Ehefrauen
machte, er fand das Lieht für den opfernden
Menschen' (KV 10, 43, 8). Indra schafft dem
Menschen auch freie Bahn und damit Wohlfahrt: ^J
Er ließ das Haupt des Dämons Namuci rollen,
dem Menschen freie Bahn (Wohlfahrt) suchend
(RV 5, 30, 1). Er rühmt sich: , durch Kam])f
verschaffte ich dem Menschen freie Bahn' (RV 10,
49, 9). Er schafft den Menschen auch bequeme
Pfade, auf denen sie leicht zu den Göttern ge-
langen (RV 10, 73, 7).
Unter den Menschen aber sind es die Arier,
die Indras besondere Gunst genießen. Ihnen vor
allem verschafft er all die gerühmten Güter, ihnen
hilft er auch noch dazu zum Siege über die Bar-
baren, gibt ihnen zum Sonnenlicht und Wasser
auch noch das Land und die Herrschaft über die
,scliwarze Haut'.
jlcli habe das Land dem Arier gegeben —
rühmt Indra sich selbst — ich den Regen dem
sterblichen Bewohner, ich leitete die brausenden
Wasser, meinem Willen folgten die Göttei-' (RV 4,
26, 2). Und der Sänger ruft: .Nimm an die Kraft,
mit welcher du den Dämon Vritra zers])altetest,
den Spinnensohn! Du hast dem Arier das Licht
erschlossen, o Indra! zur Linken sitzen blieb der
Barbar' (Dasyu: RV 2, 11, 18).3) Und an einer
andern Stelle: ,Du hast ja die Barbaren über-
wunden, du allein hast dem Arier die Menschen-
stämme unterworfen' (RV 0, 18, 3). Der Arier,
und vor allem natürlich der opferspendende Arier,
steht dem Herzen des Gottes am nächsten. ,Den
Arier, der Opfer veranstaltet,*) hat Indra in den
Schlachten gefördert, — die Gottlosen strafend
lieferte er dem Menschen (mänave) die schwarze
Haut aus' (RV 1, 130, 8). Der Mensch /.olz
i;o/-/iv, der eigentliche Mensch — das sehen wir
hier deutlich — ist der Arier.
Aber nicht nur die Menschen, auch die Götter
haben Teil au den Früchten der Siege des Indra,
auch ihnen verschafft er freie Bahn und Wohl-
fahrt. ,Du hast die 99 fließenden Ströme, den
Göttern und den Menschen freie Bahn (Wohlfahrt)
gefunden (verschafft)', rühmt der Sänger von Indra
(RV 10, 104, 8). Und au einer anderen Stelle:
.Durch Kampf hast du, o Indra, den Göttern
freien Raum geschaffen' (RV 7, 98, 3). 5) Aber
Indra verteidigt auch siegreich den Himmel, den
Wohnsitz der Götter, gegen die anstürmenden
feindlichen Dämonen, die ihn erklimmen wollen.
Indra, den Donnerkeil im Arme tragend, stieß
den Räuhina zurück, als er zum Himmel hinauf-
stieg (RV 2, 12, 12). Und der Sänger rühmt:
,Mit Wunderkraft hast du, o Indra, die liinauf-
klimmenden. den Himmel ersteigen wollenden Dä-
monen herabgeschüttolt' (RV 8, 14, 14). Das sind
Szenen, die an den Kampf der griechischen Götter
gegen Titanen und Giganten erinnern. Herakles
ist es, der die Giganten bändigt, die Felsblöcke
und lodernde Baumstämme gegen den Himmel
schleudern.'') Er allein ist dazu imstande. Einem
dieser götterfeindlichen Riesen, dem Alkyoneus,
werden wir noch in andrem Zusammenhang als
Gegner des Herakles begegnen. Im Kampfe gegen
die Titanen ist Zeus der Hauptheld, der große
Gewittergott der Griechen, und es helfen ihm
dabei in entscheidender Weise die Kyklopen
Brontes, Steropes und .\rges, die Gewitterriesen,
wie auch die hundertftrmigen Hekatoncheireu.')
Dieser Kampf findet lang vor der Geburt des
Herakles statt, die Gewitterriesen aber sind es
ja, zu denen er nach unserer Vermutung von
Hause aus gehört, und der gewitternde llimmels-
gott ist es, in dessen alte Stelle der alte Gewitter-
') respektive frei laufen lassen, märtyäya kam ärii.iä indra sfiryam.
-) Das Wort yätu. um welclies es sicli hier liauptsäclilicli hanilolt, bedeutet eigentlich ,(5ang', Weg-, Hahn, freie Hahn',
dann .Fortgang, g'iter Fortgang, Wohlfahrt, Gedeilien'. Der Sin.i .freie Hahn' und .Wolilfahrt' ist oft wohl zugleich darin
enthalten. — Bei dem Indra, der dem Monschou freie Hahn und lieiineme l'fade vorschaft't, darf wohl .auch an Herakles in
seiner Eigenschaft als Geleitsgott, .als %ö|jlovio; ,auf Wegen und Stegen, hei Reisen und Märschon' erinnert worden. Auch
der Durchbruch beim Olymp und Ossa wird von manchen ihm zugesehrieben. Vgl. Preller, a. a. O. II p. 274.
') Ähnliches von Agni RV 7, ö, 6.
*) yäjamänam äryani. ^) varivac; cakartha.
«) Vgl. Preller, a. a. O. I p. 5ti— 61. ') Vgl. Preller, a. a. (). I p. 4<J.
üenksrbriften rter phil.-hist. Kl. 58. Bd. ;l. Abb. "t
26
III. Abhandlung: Leopold v. Schboedek.
riese Indra eiugerüekt ist, wie wir bereits wissen.
Titauoinacliic und Gigantomacliie sind sich in
mancher Hinsicht verwandt und ähnlich, ein
Kampf gewaltiger Urinäclite, die den Göttern den
Himmel streitig machen.
Die griecliischen und indischen Mythen weisen
zurück auf uralte Sagen von himmelstürmenden,
den Himmel bedrohenden und angreifenden dä-
monischen Götterfeinden, die der Gewittergott
und die Gewitterriesen bezwingen und von der
Höhe hinabstürzen. Die Rolle, die Indra in jenen
vedischen Kämpfen spielt, erinnert sowohl an die
des Herakles wie an die des Zeus und der Ky-
klopen und Hekatoncheiren. Und es kann uns
das ja nicht wundernehmen, denn Indra ist ja
der alte Gewitterriese, zugleich aber auch der In-
haber der Stelle des alten gewitternden Himmels-
gottes, er ist ja zum Gewittergott geworden. Seine
ursprüngliche Identität mit Herakles leuchtet auch
in diesem Punkte hervor.
Der Menschenfreund Indra, der in gewalti-
gen Kämpfen und Siegen dem Menschen die
Wasser, das Himmelslicht, freie Bahn nnd Wohl-
fahrt spendet, insbesondere aber die Arier fördert
und ihnen zum Sieg über die Feinde verhilft, der
gewaltige Verteidiger des Götterhimmels gegen
die hinimelstürmenden Dämonen, — er vergleicht
sich deutlich genug dem Menschenfreunde Hera-
kles, dem Entwilderer, dem Helfer und Befreier,
der für die Menschheit im ganzen, speziell aber
auch für seine Freunde unter den Menschen
kämpft und den bedrohten Himmel der Götter
gegen böse dämonische Wesen verteidigt. Die
große, gewaltige und mannigfaltige Aktion ist
1 beiden gemeinsam, aber auch der Zweck solcher
i Aktion, das Heil der Menschen wie der Götterwelt.
Bei Betrachtung der Taten des Herakles können
wir wohl die übliche Reihenfolge ohne Schaden bei-
behalten, indem wir die Arbeiten im Dienste des
Eurystheus, die Herakles eigentlich als Verehrer
und Diener der Hera ausführt, vorangehen lassen,
und uns später erst seinen Taten und Abenteuern
als Kriegsheld und in nationalen Sagen zuwenden.
Die ersteren sind es, die ohne Zweifel den größeren,
eigentlich mythischen Gehalt bergen, obwohl auch
die letzteren einen solchen vielfach deutlich er-
kennen lassen und nur zum Teil aus historisch-
sagenhaften Elementen zusammengesetzt sind.
Eine feste Grenze gibt es da nicht.
Die Zahl und die Reihenfolge der Arbeiten
vmd Kämpfe sind im allgemeinen nicht von großem
Belang, sie stehen auch keineswegs fest. Wir
finden da ein vielfaches Schwanken in den An-
gaben und wenn schließlich die Zahl 12 für die
Kämpfe im Dienste des Eurystheus durchdringt,
so ist dieselbe doch rein konventionell, später fest-
gestellt, lind daher für uns von keiner Bedeutung.
Es kann aber auch weiter nichts schaden, wenn
wir uns im allgemeinen bei der Betrachtung der
Taten und Abenteuer des Herakles an die her-
kömmliche Reihenfolge halten, wenn wir uns nur
stets dessen bewußt bleiben, daß es sich hier von
Hause aus um eine Überfülle von verschiedenen
mythischen Erzählungen handelt, die er.st eine
spätere Zeit in gewisse Ordnung gebracht hat.
Ursprünglich waren sie gewiß ebensowenig ge-
ordnet und abgegrenzt wie die verschiedenen Ge-
schichten von Indras Heldentaten.
Die Arbeiten im Dienste des Eurystheus.
Der nemeische höwe.
Gewiß mit Hecht sagt Preller von den Ar-
beiten im Dienste des Eurystheus, respektive der
Hera, daß der zugrunde liegende Charakter des
Herakles bei den meisten derselben derjenige des
siegreichen und triumphierenden Helden der
Sonne und des Lichtes sei.-*) Durchweg aber
läßt sich das wohl kaum behaupten und so scheint
mir auch bei der Deutung und Erklärung des
Abenteuers mit dem nemeischen Löwen dieser
Gesiclitspunkt nicht zum Ziele zu führen, re-
spektive nicht zutreffend.
Der nemeische Löwe ist ein Ungeheuer, das
als Sprößling des Typhou und der Echidna, zu-
gleich aber als Zögling der Hera gilt. , Diese
Göttin setzt das Untier in die Schluchten von
Nemea, wo es nun in dem Tretosgebirge und
am Apesas haust, welche den fruchtbaren, dem
t Zeus geheiligten Talgrund von Nemea von zwei
') Vgl. Preller, a. a. O TI p. 187.
Heeakles und Indba.
27
Wort kuyava bedeutet eigentlich die Mißernte der
Gerste, des Getreides überhaupt (yava = Gerste,
Getreide), dann den Dämon solcher Mißernte
(KV 1, 103, 8; 104, 8). Noch häufiger erscheint
es in der adjektivischen Bedeutung .Mißernte
bringend' als ein Beiwort des öfter erwähnten und
stärker individuell ausgeprägten Cushna, des Dä-
mons der Dürre, der sonimerliclien Hitze und
Trockenheit. Diesen Qushna müssen wir uns
etwas näher ansehen.
Wenn Grassmanns Etymologie das Richtige
trifft — und sie ist eigentlich die nächstliegende
— , dann wäre (Jushna schon durch seinen Nameu
als ein Dämon der Dürre und Trockenheit be-
zeichnet, denn die Wurzel tush bedeutet ,aus-
trocknen, verdorren'. Und es ist gewiß selir be-
deutsam, daß diese Etymologie die Autorität der
Inder, des Säyana für sich hat. Säyana erklärt
Cushna in der Regel durch 90sliaka, respektive
(,:oshayitar, d. h. ,Ausd()rrer'.^) Es läßt sich das
Wort aber freilich auch von einem anderen vush
ableiten, einer mit fvas zusammenhängenden, re-
s])ektive daraus gekürzten Wurzel, die , schnaufen,
schnauben, zischen, pfeifen' bedeutet. Der Dämon
wäre dann als der Schnaufende oder Zischende,
der Zischer oder Pfeifer bezeichnet, eine Ety-
mologie, die Roth im Petersburger Wörterbuch
vertritt, die auch Uhlenbeek in seinem etymologi-
schen Wörterbuch der althidischen Sprache an-
genommen hat, die ich jedoch für weniger waiir-
scheinlich halte. Daß Gusliua die Mißernte des
Getreides bewirkt, wissen wir bereits aus seinem
Beinamen kuyava. Er wird außerdem nicht selten
als afüsha bezeichnet, d. h. der Verzehrende, Ge-
fräßige, von der A^^irzel af essen, verzelireu, viel-
leicht in spielendem Gegensatz zu seinem Namen,
denn (J^üshna af üsha heißt zwar der gefräßige Ver-
trockner, man kann es aber auch als den ,nic!it
verdorrenden Verdorrer' (oder den ,uic]it zisciien-
den Zischer') auffassen, ein Spiel des Witzes, wie
es schon früh bei den Indern beliebt war. Daß
der Dämon, der die Ernte vernichtet, als ,ge-
fräßig' bezeichnet wird, erscheint durchaus passend
und wolil aiigi'hi'acht.")
Seiten einschließen, ein Schrecken für die ganze
Umgegend. Andere Dichter sagen mit bedeut-
samer Anspielung, daß er das Heiligtum des Ziäus
verwüstet habe, worunter eigentlich der Himmel
zu versteheu ist. Denn es leidet wohl keinen
Zweifel, daß die .symbolische Bedeutung dieses
Löwen die der Gluthitze war',^) und wir hätten
liier, wie auch sonst so häufig, himmlische Mächte
und Vorgänge auf die Erde versetzt und an be-
stimmte ürtlichkeiten geknüpft vor uns, ohne daß
diese unveränderlich feststünden, denn aucli in
Höotien und in Lesbos wurde von einem Kampfe
des Herakles mit dem Löwen erzählt.") Diese
Deutung des Löwen auf die Gluthitze des Som-
mers erscheint sehr plausibel,') als Bezwinger und
Vernicliter des Löwen der Sonneuglut dürfte aber
wohl kaum der Sonnenheld oder Sonnengott am
rechten Platze sein, da ja doch die Sonne selbst
diese Glut verursacht. Prell er sieht hier in
Hera die dem milden Zeus der guten Jahreszeit
widerstrebende Himmelskönigin, die im Winter
Sturm und Regen, im Sommer die schreckliche
Gluthitze sendet, in Herakles aber den siegreichen
Sonnenhelden, ,der durcli alle Schrecknisse des
Jahres unbehindert seine Laufbahn vollendet und
den Plan für sich und seineu Vater reinigt, ein
Sinnbild des triumphierenden Lichtes im physi-
schen und im ethischen Sinne.'*) Aber diese Er-
klärung ist sehr gezwungen. Der Sonnenheld,
der gewaltige Streiter, als Bekämpfer und Ver-
nichter der Sonnenglut will durchaus nicht ein-
leuchten und läßt sich kaum wahrscheinlich ma-
chen. Dagegen ist Herakles hier ganz am Platze,
sobald wir annehmen, daß dieser Mythus noch
sein ursprüngliches Wesen als Gewitterriese wieder-
spiegelt. Nicht der Sonneniield, sondern der Ge-
witterheld bezwingt die Hitze und Trockenheit
des Sommers, die gefährlichen bösen Mächte, die
das Land ausdörren und die Ernte zu vernichten
drohen, die fruchtbaren Täler verwüstend. Und
damit sind wir auch wieder bei Indra angelangt,
der hier die deutlichste Parallele bietet. Indra,
der große Gewittergott, bezwingt und vernichtet
die bösen Dämonen der Dürre und des Mißwachses,
der Mißernte, den (^ushna und den Kuyava. Das
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 190. -) Vgl. Preller a. a. O. II p. l«!t.
') Dazu stimmt auch die von späteren Dichter,, erzählte Kpisode von Molorchos, .len se.n Name ab ^^,nze^ und
Baumzüchter kennzeichnet; cf. ITeller, a. a. O. II p. UM. Bursians Dcutun,. des Löwen auf einen (iieübach hat kaum etwa»
für sich; s. a. a. O. p. 11)0, Auni. 3.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. ISH).
6) Vgl. Ilillol.randt, Ved. Mythol. m p. 289.
4 So heißt es z B RV 1, 101, 2 von Indra, daß er den gefräßigen ^^ushna zu Boden wart; K\ -. U, o. daß er
den gefräßigen gu.hna getütet habe (,üshnau, avu.ha.n jaghü'na,; vgl. auch UV 2. lU. 0; 4, 10, 12; <i, M, 3; «, 20, 4;
7, 19, 2. ,,
28
III. Abhandlung: Leopold v. Schroedee.
Ein bedeutsames Beiwort des (,!ushna ist
ferner amärman, unverwuudbar, eigentlich ohne
märman, d. h. .ohne ver-ivundl)are Stelle'. Wir er-
innern uns alsbald, daß auch beim nemeischen
Löwen seine Unverwundbarkeit als eine Haupt-
sache bedeutsam hervortritt. Sie ist der Grund,
warum Herakles ihn nicht mit seinen gewöhn-
lichen AVaffen, mit Pfeil und Bogen, oder mit der
Keule tötet, nicht so töten kann. Er dringt da-
her in seine Höhle hinein und erwürgt das Untier
mit den Armen, wie unzählige Bildwerke uns
vorführen.') Etwas anders geht es mit dem un-
verwundbaren Cushna, denn der göttliche Held
Indra weiß an ihm schließlich doch eine verwund-
bare Stelle zu finden, er tötet ihn mit dem
Donnerkeil, schläg-t ihm den Kopf ab: Mit dem
Donnerkeil schlug Indra den Cushna nieder, er
fand des Unverwundbaren verwundbare Stelle auf
(RY 5, 32, 4 und 5), oder , obgleich er ((,'ushna)
unverwundbar war, fand er (Indra) doch seine
verwundbare Stelle auf (amarmäno vidäd id asya
märma). Ein anderes Mal heißt es (RV 6, 26, 3)
von Indra: ,Du fördertest den Weisen bei der
Gewinnung des Sonnenlichtes, für den Verehrer
Kutsa warfst du den Cushna hin, schlugst dem
Unverwundbaren den Kopf ab, da du für Ati-
thigva ein preiswürdiges Werk zu tun begehrtest.'
RV 3, 32, 3 hören wir, daß Indra. von den
Maruts angetrieben, die verwundbare Stelle des
sicli unverwundbar dünkenden Vritra auffand ( vive-
dämarmano mänyamänasya marma). Da Vritra
mehr ein allgemeiner Name für die bösen, von
Indra bek.ämpften Dämonen ist, werden wir wohl
auch diese Stelle auf (Jushiia beziehen dürfen,
dessen Unverwundbarkeit demnach nicht ganz so
streng zu nehmen ist, wie die des nemeischen
Löwen. Für den gewaltigen Gott Indra wenigstens
war auch dieser Unverwundbare schließlich doch
nicht unverwundbar. Trotz dieser Differenz ist
das Übereinstimmende in der Qualifikation der
Unverwundbarkeit bei Cushna und beim nemei-
schen Löwen wohl zu beachten.
Einmal wird Cushna als gehörnt (criiigin) be-
zeichnet, einmal als fauchend, schnaubend oder
zischend (fvasanä),^) öfters als listig, listreich, mit
Zaubei-kräften oder wunderbaren Kräften begabt
(mäyin). Einmal wird der listige oder zauber-
kräftige Cushna in Fesseln geschlagen (RV 1, 50, 3).
Seine Listen oder Zauberkräfte helfen ihm nichts,
sie sinken dahin durch die Hiebe des Indra. ^)
Ein merkwürdiges Epithon erhält der Dämon
in dem Verse RV 10, 61, 13. Er wird da als
jiuruprajäta, d. h. ,als vielfach sich erzeugend, sich
erneuernd' bezeichnet, wobei wir mehr an die
lernäische Hydra als an den nemeischen Löwen
erinnert werden: Der Unangreifbare (d. h. Indra)
fand das zusammengefügte verborgene Gut des
vielfach sich erzeugenden (erneuernden) (^ushna.
Auffallend häufig wird die Besiegung und
Vernichtung des fjushna durch Indra als eine
Heldentat gepriesen, die der Gott einem sterb-
lichen Verehrer, dem Kutsa Arjuneya zuliebe
ausgeführt habe. Mit diesem Kutsa ist Indra so-
gar in gewisser Weise intim, fährt mit ihm zu-
sammen auf einem Wagen,*) doch seheint er ihm
seine Gunst nicht dauernd geschenkt zu haben,
da an mehreren Stellen des Rigveda davon die
Rede ist, daß Indra den Kutsa, Ayu und Atithigva
zersprengt (Val. 5, 2), sie dem jungen König
Sufravas Türvayäna ausgeliefert (RV 1, 53, 10),
ihre Mannen zu Boden geworfen habe (RV2, 14, 7).
Einmal sagt Indra von sich selbst (RV 4, 26, 1):
,Ich strecke den Kutsa Arjuneya nieder.' Meisten-
teils erscheint er jedoch als Gönner dieses Kutsa,
und namentlich ist es die Vernichtung des Qushna,
die er ihm zuliebe ausführt.
So heißt es z. B. von Indra (RV 2, 19, 6):
Er lieferte dem Wagengefährten Kutsa den (^'ushna
aus, den gefräßigen, Mißernte bewirkenden.
Ferner (RV 4, 16, 12): Für den Kutsa hast du
den gefräßigen (^'ushna zu Boden geworfen, den
Mißernte bewirkenden, zu Beginn des Tages. Der
Säuger ruft wohl auch den Gott an, als handle
es sich um eine erst noch zu vollbringende Hel-
dentat: , Schlage du, o Indra, mit Kutsa vereint
im Kampfe den gefräßigen Cushna, den Mißernte
bewirkenden!' (RV 6, 31, .3) oder: , Raube die
Sonne, o Weiser, das Rad, herrschend mit Macht,
führe gegen den Cushna den Hieb, fahre den
Kutsa mit Rossen des Windes' (RV 1, 175, 4).
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 190. 191.
') RV I, 33, 12: den gehörnten ^'ushna hat Indra zerspellt; RV 1, 54, 5 wirft Indra seine Speere auf des schnau-
benden ^ushiia Haupt.
^) Vgl. KV 6, 20, 4.
') Kutsa heißt des Indra Wagengenoese (särathi); sie erscheinen einmal sof^ar beide in einem Dvandva vereinigt als
indräUutsä (KV 5, 31, 9), zusammen auf dem Wagen fahrend (vähamänä räthena) ; auch im unmittelbar voihergehenden
Verse 8 ist von Indras Fahren mit Kutsa die Rede, wahrend Vers 7 berichtet, daß Indra des ^'ushna Listen (Zauberkünste)
beraeistert habe; auch hier also die Bezwingung des ^'ushi.ia in Verbindung mit Kutsa.
Heeakles und Indea.
29
In der Regel aber erzählt er die Tat als eine
rühmliclist vollbrachte: ,Du, o Indra, hast dem
Kutsa geholfen, als du den Dämon Qushna, den
Mißernte bewirkenden, ihm ausliefertest' (RV 7,
19, 2); oder an einer anderen Stelle fRY 6, 20, 5):
,Des gro(3en Unholds ganze Lebenskraft ward ab-
getan, als (^usbna fiel beim Wurf des Donnerkeils;
weiten Raum hat Indra, auf gleichem Wagen
fahrend, dem Wagengenosseu Kutsa geschaffen,
beim Gewinn der Sonne.'
,Du schlugst im Felstal auf belad'nem Wagen
Den (^'ushna für den sclioneu Jüngling Kutsa'
heißt es RY 1. 63, 3 in Grassmanns Übersetzune-.
Bei dem Felstal (vrijcäua) könnte man versucht
sein, an das Tal und die Schluchten von Nemea
zu erinnern, in denen der Lowe der Heraklessage
haust, doch ist es natürlich sehr fraglich, ob da
ein Zusammenhang vorliegt. Denn auf jeden Fall
ist jFelstal' eine sehr freie, respektive kühne
Wiedergabe von vrijana. Weiter rUlimen die Sän-
ger: ,Dem Kutsa hast du (Indra) beim Cuslina-
kampfe geholfen' (RY 1, 51 6); ,du fuhrst mit
Kutsa und den Göttern auf dem gleichen Y^agen,
besiegtest den (,'ushna' (RY 5, 2'J, 9) ; ,Du schleuder-
test den ehernen Stein des Himmels aus dem Riemen,
als du, 0 vielgerufener (Indra), dem Kutsahelfend, den
Cushija mit endlosen Hieben umschrittest' (RV 1, 121,
9); ,Dem Kutsa zuliebe bat er (Indra) den (^/ushna
ins Elend dahingegeben' (RV 10, 99, 9).
Sciion aus den angeführten Stellen geht her-
vor, daß es sich bei Cushna nicht um einen eigent-
lichen Dämon der Sounenglut handeln kann, sonst
würde ja wohl kaum bei seiner Bändigung und Ver-
nichtung vom Gewinn der Sonne oder des Sonnen-
lichtes geredet werden. Die Natur dieses Dämons
der Dürre wird uns noch deutlicher werden, wenn
wir einige weitere Stellen des Veda vergleichen.
Da heißt es z. B. (RY 8, 1, 28) von Indra:
,Du hast die wandernde Burg des Cushna mit
Hieben zerschmettert.") Es kann wohl kein Zwei-
fel darüber bestehen, daß in dieser , wandernden
Burg' des (,'iislina die Y'olke zu erkennen ist.
Wolkenburgen sind es daher wohl auch, wenn es
-an einer anderen Stelle heißt (RY 1, 51, 11): ,Des j
Qushna gefestigte Burgen schlug er auseinander.'
Noch deutlicher wird die Situation des (,'ushna-
kampfes durch die folgenden Stellen (Yäl. 3, 8):
,Er, der mit Macht den Wasserbehälter (die
Wolke) erreichte, mit seinen Hieben den ^ushna
niederschmetfernd, als er ausbreitend diesen Him-
mel stützte, da ward der Erdbewohner geboren';
und weiter (RY 1, 121, 10): ,Bevor das Dunkel
die Sonne erreicht, schleudere das Gesclioß, du
Steinträger, gegen dieWolke (den Wasserbehälter);
des Cushna rings umhüllte Kraft zerschmettertest
du vom Himmel herunter.' Die Beute des Kampfes
wird ebenfalls angedeutet (RV 4, 30, 13):
,Und auch des (j'uslina Eigentum
Ergriffest du mit kühnem Mut,
Als seine Burgen du zerbrachst.'
(Grassmann.)
Und ferner (RY 8, 40, 10): ,Er, der mit Macht
des (,'ushna Eier spaltet, er soll die ^Yasser samt
dem Himmelslicht gewinnen.' Ähnlich Vers 11.
Der Mißernte bewirkende, böse, gefräßige
Dämon, seine ^Yolkenburg, sein Eigentum, der
Y'urf des Donnerkeils, die Gewinnung der Sonne,
des Sonnenlichts, Gewinnung der Y'asser samt
dem Ilimmelslicht, — es ist kein positiver Dämon
der Sounenglut, sondern ein negativer, neidischer,
geiziger Wolkendämon, den Gott Indra samt
seiner Burg zerschmettert, um AYasser und Licht
zugleich zu gewinnen. Ein Dämon der Dürre
und des Mißwachses also nur insofern er die
befruchtenden ^Yasser und das Himmelslicht vor-
enthält, — der neidische AYolkendämon, den wir
auch sonst als den gewöhnlichen Gegner des Ge-
wittergottes Indra kennen — nur speziell in seiner
Eigenschaft als der Mißwaclis bewirkende, aus-
dörrende böse Dämon gefaßt. Vielleicht in An-
lehnung an bestimmte Ereignisse so fixiert —
darauf deutet die häufige Erwähnung des Kutsa,
zu dessen Vorteil die Tat geschehen sein soll —
gewiß aber dann auch ganz allgemein gefaßt und
verstanden, sonst könnte der Sänger nicht mehr-
fach den Gott zur Ausführung dieser Heldentat
auffordern. Im Grunde ist Cushna nichts anderes
als Yritra ,der Verschließer' und Ahi ,die Schlange',
die bösen Wolkendämonen, und doch etwas Be-
sonderes, insofern dieser Dämon hier in seiner
Eigenschaft als der Mißernte bewirkende, ge-
hässige, ausdörrende gefaßt, individualisiert, hjpo-
stasiert ist.
In Zeiten der Dürre und Trockenheit, wo
die Vegetation zugrunde zu gehen drohte, fabelte
man wohl schon früh, daß es einen bösen Dämon
gebe, der die Schätze des Himmels der Erde vorent-
halte. Nun erschien die dunkle Wolke, die das Re-
gennaß barg (und die Sonne verhüllte). Das war
') RV 8. ], 28 tväiri i)rir!iiii carishi.iTaiu vacUiiVib i,-üslinas}-a sänipii.iak, tv;uii bhä' .■'iiui caro
hävyo bhüvab-
■•'ullia dvitä' v;'i(l indra
30
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
die Burg, die wandernde Burg dieses Dämons. Als-
bald war der Gowitterheld zur Stelle. Er schleu-
derte den Donnerkeil, den Blitz, und siehe da,
die befruchtenden A\\asser rauschten hernieder, er-
quickten die Erde, und wohltuend, freundlich lä-
chelte nun die Sonne herab, nicht mehr sengend
und l)rennend, sondern segnend, belebend. Der dop-
pelte Gewinn war die Großtat des Gewitterhelden.
Es fragt sich nun, ob aus solch einem Dä-
mon, den der Gewittergott -^-erniehtet, außer an-
dern Gestalten und Bildern auch der nemeische
Löwe, den Herakles erwürgt, hervorgehen konnte.
Ich halte das für durchaus möglich, ja wahr-
scheinlich. Wenn der böse, gefräßige, die Vege-
tation schwer schädigende Dämon in Griechenland
die Gestalt des furchtbaren, von der Himmels-
göttin gesandten, die Gegend verwüstenden Löwen
angenommen hat, so erklärt sich das sehr wohl
aus der griechischen Sonderentwicklung. Sehr
natürlich ist hier das Bild des Löwen eingetreten,
, welcher im Orient und von daher auch bei den
Griechen des Mittolmeeres seit alter Zeit ein
Sj-mbol der verzehrenden Hitze und der heißesten
Jahreszeit war, wie er als solches auch auf den
Münzen von Cypern, Kyrene, Rhodos, Knidos,
Samos und ihren Kolonien oft zu sehen ist, ge-
wöhnlich mit aufgesperrtem Rachen, also brüllend
oder verschlingend. Mit der Zeit ist daraus das Stern-
bild des Löwen geworden, in welchem die Sonne
so lange verweilt, als die Huudstage dauern.' Der
Löwe und der Hund, der Seirios, sind bei den
Alten zu Sinnbildern des Sonnenbrandes der
heißesten Jahreszeit geworden, die als solche dann
namentlich bei den lateinischen Dichtern noch
oft nebeneinander genannt werden, i) Den Griechen
ist das Bild des Löwen in diesem Sinne zweifellos
geläufig und mit Recht hat man daher daraus die
Gestalt des nemeischen Löwen erklärt.
Eine speziellere Bestätigung dieser Auffassung
von dem Löwen bietet die Episode von Molorchos,
dem Winzer oder Baumzüchter in der Gegend von
Nemea, bei dem Herakles einkehrt und der dreißig
Tage lang auf die Rückkehr des Helden warten
soll. Kommt Herakles dann nicht zurück, dann
soll er ihm als einem Verstorbenen opfern. Doch
gerade nach dreißig Tagen ist Herakles wieder
da, als Sieger über den Löwen. Es sind die
dreißig Tage der sommerlichen Gluthitze.''')
Daß ältere Vorstellungen sich in solcher oder
ähnlicher Weise Avandeln, sich späteren Begriffen
anpassen und assimilieren, ist sehr natürlich und
kann uns nicht wundernehmen. Übrigens muß aber
doch auch daran noch erinnert werden, daß der
nemeische Löwe von Typhon und der Echidna
stammt, also doch etwas wie ein Schlangensohn oder
Drachensohn ist.^) Die Idee der Unverwundbarkeit
des Ungetüms scheint alt zu sein. Das Problem, wie
der Held dies scheinbar unübersteigliche Hindernis
überwindet, finden wir bei Indern und Griechen ver-
schieden gelöst. Indra findet an dem scheinbar Un-
verwundbaren dennoch eine verwundbare Stelle auf.
Bei Herakles ist die Unverwundbarkeit des Löwen
die Veranlassung dafür, daß er ihn in seinen Ar-
men erwürgt, nicht mit Bogen und Pfeil oder
mit der Keule tötet. Varianten dieser Art haben
durchaus nichts Auffallendes an sich.
Noch einmal aber möchte ich hervorheben
daß wir diesen Kampf nur dann recht verstehen,
wenn wir Iferakles — wie Indra — als alten Ge-
witterriesen fassen. Ein Held, der die Sonne selbst
repräsentiert, ein Sonnengenius oder Sonnengott,
kann nicht wohl als Bekämpfer der Sonnenglut
und Dürre fungieren. Nur ein Sonnenheld im
Sinne des Indra ist hier am Platze, der ja ge-
rade auch lieim ^'ushnakampfe, wie wir gesehen
haben, als solcher gepriesen wird. Aber er ist
darum doch kein Sonnengott, sondern der große
Gewitterheld, der den neidischen Dämon der Dürre
und seine Wolkenburg vernichtet, dadurch nicht
nur die Wasser, sondern auch das Sonnenlicht neu
gewinnend. Das Burgenbrechen, Wasserleiten,
Sonnenlichtgewinnen wird uns bei Herakles weiter-
hin in mancherlei Variationen entgegentreten. Im
Kampfe gegen den nemeischen Löwen ist nur die Ver-
nichtung des Dämons der ausdörrenden Gluthitze
gefaßt und dargestellt. Ihn sucht der Held in seiner
Höhle auf und erwürgt ihn in seinen Armen.
Damit ist das Untier unschädlich gemacht.
Die Situation ist vom Himmel auf die Erde
versetzt. Das , Felstal', in dem Indra den C^'ushna
schlägt (nach RV 1, 63, 3), eigentlich die Um-
hegung, den umschlossenen, eingeschlossenen Ort
(vrijäna), finden wir in den Schluchten von Nemea
wieder, in denen der Löwe haust. Dem Tretos-
Gebirge und Apesas, die das Tal von Nemea um-
schließen,'^) stehen im indischen Mythos Wolken-
berge und Wülkental gegenüber. Haben wir auch
allen Grund, uns zu hüten, auf Übereinstimmun-
gen solcher Art viel Gewicht zu legen, so ist es
doch andrerseits sehr wohl möglich, daß hier in
') Vgl. Preller, a. a. O. I p. 372. 373;
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 191.
*) Vgl. Prfiller, a. a. O. II p. 1!)0.
II p. 190. 191.
■') Vgl. Preller, a. a. (). 11 p. 19U.
Heeakles und Indea.
31
■der Tat ein Zusammenliang, eine himmlisch-irdi-
sche Eutspreehung vorliegt. Wie die Wolken-
insel, aus der Agni entspringt, bei den Griechen
zur Insel Delos, der Geburtsstcätte des Apollon, ge-
worden ist, wie der Tritonsee, aus dem Athene
liervorgeht, ursprünglich in der Himmelsregion zu
suchen ist, so ist es sehr möglich und gut denk-
har, daß der griechische Mythos die Wolkenberge
und die von ihnen umschlossenen Täler, in denen
der alte Dämon der Dürre einst hauste, in be-
stimmten Bergen und Tälern des Griechenlaudes
suchte und wiedererkennen wollte.
Wenn Gruppe Recht liat mit seiner An-
nahme, das Heiligtum von Xemea sei nach
dem rächenden Zeus genannt, dessen Zorn man
bei anhaltender Dürre zu versöhnen suchte, wenn
dieser Zeus, wie er vermutete, als Regenspender
auch Apesas, Aphesas hieß,') dann wird es gewiß
noch wahrscheiuUcher, daß die Heldentat des He-
rakles in Nemea darin bestand, daß er einen Dä-
mon der ausdörrenden Gluthitze bezwang: und
Regen verschaffte. Der geliebte Sohn des großen
ge^ntternden Himmelsgottes, sein mutmalJlicher
einstiger Helfer beim Gewitterwerk, der alte Ge-
witterriese, wäre da gewiß ganz an seinem Platze.
Aber auch die Namen der Berge Apesas und Tre-
tos erscheinen nunmehr bedeutsam. Wird Apesas
richtig zu äcptr,[j.t in Beziehung gebracht, dann
bedeutetes wohl den , Loslassenden'; Tretos oder
Treten kann aber nichts anderes bedeuten, als der
Durchlöcherte, Durchbohrte (ypr,-6- vonipäü)). Beide
Berge aber gemahnen uns dann auch durch ihre
Namen sehr lebendig an jene Berge, respektive
Wolkenberge, die Indra in den vedischen Liedern
so oft durchbohrt oder anbohrt und dazu zwingt,
die verborgenen Wasser freizugeben, loszulassen,
zur Erde hinabströmen zu lassen. Diese Berge
samt der noch jetzt gezeigten Höhle des Löwen
bei Nemea spiegeln deutlich die Situation der
bekannten Kämpfe des Indra wieder.
A. Hillebrandt hat es wahrscheinlich ge-
macht, daß es sich bei den Kämpfen des Indra
zu einem guten Teil um Kämpfe gegen Dämonen
des Winters, des Frostes und Eises handelt: daß
die gefesselten, gebannten Wasser nicht selten
deutlich als gefrorene Wasser charakterisiert sind
(Ved. Mythol. III. p. 157 ff.). Docii geht er mei-
nes Erachtens zu weit, wenn er die Wolken-
dämonen damit ganz wegschaffen will. Kein Zwei-
fel, daß der große Donnerkeilträger und -schleu-
derer Indra ein Gewittergott ist, daß er Wolken-
berge zerschlägt und Regen zur Erde strömen
läßt. Er befreit so die himmlischen Wasser, wie
er auch die Wasser der irdischen Berge in Be-
wegung setzt, die gefrorenen Quellen und Flüsse
laufen macht. So ist er Wasserspender im wei-
testen Umfang und damit der geborene Gegner
aller bösen Dämonen, die — sei es im Winter
oder im Sommer — das Wasser zurückhalten,
bannen, die dürstende Erde austrocknen und aus-
dörren.
Die Entwicklung des bösen Dämons, der die
Wasser versteckt und vorentiiält und dadurch das
Land ausdörrt, die Ernte auffrißt oder verdirbt,
zu einem Dämon der Sonnengluthitze, wie wir ihn
im nemeischen Löwen vor uns haben, ist so na-
türlich und fast notwendig, daß dieselbe auch in
Indien stattgefunden hat. So deutlich sich in den
Liedern des Rigveda der Dämon C'ashna noch als
eine Spielart des (Wolkendämons) Yritra oder
Abi erkennen läßt, so bemerkenswert ist doch
auch wiederum die Tatsache, daß dieser (Jushna
der ausdörrende, Mißernte bewirkende, gefräßige
Dämon, schon von Yäska (5, 16) und auch späterhin
von Säyana durch Aditya urasciirieben und dem-
nach als die Sonne gefaßt wird,-) — die Sonne in
ihrer sengenden, dörrenden, Verderben bringenden
Eigenschaft. Mit Recht sagt Roth in der An-
merkung zu jener Stelle des Yäska, daß Cushna
nicht die Sonne sei, sondern der Dämon der
Wolke, den Indra bekäm))ft, und auch Kuhn
lehnt für die vedischen Lieder jene Deutung ab,
wenn auch weniger schroff, sie ist aber sehr na-
türlich und begreiflich, — sie macht uns den ne-
meischen Löwen in seinem Zusammenhang mit
dem vedischen Dämon (^'ushna noch besser ver-
ständlich und kann nur zur Bekräftigung der oben
vertretenen Auffassung dienen.
Wenn griechische Münzen den Herakles
gelegentlich auf einem schreitenden Löwen,
mit dem Blitz in der Hand darstellen, so kann
auch das nur diese unsere Auffassung bekräfti-
gen.^) Es ist der alte Gewitterriose, der den
Dämon der Dürre, der Glutiiitzo bezwingt.
') Vgl. Otto Gruppe, Griechische Mytholog-io und Religionsgeschichto, Hd. 1 (München l'JOs), p. 187.188.
') Vgl. Kuhn, Herabkunft des Feuers und Göttertranks, 2. Aufl. p. 52 (Mythol. Studien von A. Kuhn, 15d. 1); 1. Au9. p. 55.
") Preller, a. a. O. II p. 190, Anm. 4. — Es ist selbstver-^tändlich, daß wir auf einige vereinxelto Münzen kein großes
Gewicht legen dürfen, doch verdient die originelle Kombination im Zusammenhang unserer Betrachtung wohl erwähnt zu
werden. Er ist immerhin ganz wohl denkbar, daß sie alte Erinnerungen enthält.
32
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoeder.
Die lernäische Hydra.
Auf das Abenteuer mit dem nemeischen Lö-
wen folgt in der Heraklessage dasjenige mit der
leruäischen Hydra. Eine offenbar schon alte Tra-
dition .setzt übereinstimmend diese beiden großen
Heldentaten an den Anfang der eigentlichen
Heldenlaufbahn des an Taten und Abenteuern so
überreichen Heros.*) Auch landschaftlich gehören
diese beiden Abenteuer eng zusammen, da Lerna
ebenso wie Nemea in Argolis gelegen ist. Die Hy-
dra ist ehenso wie der Löwe ein Kind des Tyi>hon
und der Echidna, also ein stammverwandtes Uu-
£-eheuer. Ihr Wesen wird näher durch den Na-
nien bezeichnet, denn Hydra heißt ohne Zweifel
die ^^"asserschlange. Die Sage stattet sie mit
neun Köpfen aus, von denen einer unsterblich
ist, während die andern acht sterblich sind. Das
Ungeheuer haust auf einem Hügel, unter einer
Platane, beim Quell Amymoue. Von dort geht
es auf Rauh aus und ist besonders gefährlich
durch sein scharfes Gift, das beim bloßen An-
hauch schon tötlich wirkt. Der Held bezwingt
die fabelhafte Wasserschlange unter dem Beistande
der Athena und des Jolaos, welch letzterer ihn
zu Wagen bis an den Hügel heraufährt. Mit
glühenden Pfeilen zwingt Herakles das Ungetüm,
aus seinem Schlupfwinkel herauszukommen, und
haut ihm nun einen Kopf nach dem andern ab,
doch für jeden abgehauenen Kopf schießen zwei
neue hervor und zugleich kommt ein riesiger See-
krebs der Hydra zu Hilfe, der den Helden in den
Fuß beißt. Herakles zertritt denselben und sein
Freund Jolaos brennt mit Feuerbränden die ab-
gehauenen Köpfe aus. Endlich fällt auch der an-
sterbliche Kopf und das Ungeheuer ist vernichtet. -j
Der hilfreiche Seekrebs erscheint schon auf
den alten Vasenbildern, welche dies Abenteuer
darstellen, und gehört offenbar wesentlich zu der
Fabel, schon in ihrer ältesten Form.^) Dagegen
dürfte die Erzählung, wie Hei-akles seine Pfeile
mit dem Gifte der Hydra tränkt, nach dem Ur-
teil der Spezialforscher jüngeren Datums sein.'')
Auch Avurde die Zahl der Köpfe des Ungeheuers
späterhin von der Dichtung immer höher liinauf-
getrieben,^) — ein Umstand, der offenbar ohne
wesentliche Bedeutung ist. Ein vielköpfiges
Schlangenungetüm, das im Kampfe sich vielfach
erneuert, ist deutlich die zugrunde liegende Vor-
stellung.
So viel ist klar, daß sich Herakles in dieser
Sage mit keinem Zuge als der Sonnenheld er-
weist, den man gewöhnlich in ihm sieht und den
auch wir in mancher seiner Taten deutlich er-
kennen und anerkennen. Preller sieht in ihm
liier den Kulturheros und findet in der Hydra-
Fabel den Beweis, ,daß auch der argivische Glaube
den Helden in der doppelten Bedeutung des Son-
nenhelden und des Helfers und Heilands im wei-
teren Sinne des Wortes kannte.'") Speziell pflegt
man die giftige Wasserschlange auf den feuchten
Grund von Lerna zu deuten, dessen stagnierende
Gewässer schädliche Miasmen erzeugt hätten, bis
der Kulturheros dem ein Ende machte.') Doch
hat Gruppe wohl unzweifelhaft Recht, wenn er
auf Grund des in Lerna geübten Rituals einer an-
deren Deutung den Vorzug gibt: ,Wie die Ze-
remonien von Lerna sich großenteils als Regen-
zauber charakterisieren, so scheint auch die Be-
sieg'ung der Hydra aus einem Zauberritual zu
stammen, bei welchem man eine Schlange tötete,
die als Verschluckerin des Wassers, als Ur-
heberin der herrschenden Dürre und insofern
auch der durch sie verursachten Pestilenzen be-
trachtet wurde. '^)
Der Kult von Lerna, offenbar ein uralter.
Regen bewirkender Zauberkult, führt hier zu einer
Deutung der Sage, die mit der meistgerühmten
Heldentat des Indra in den Liedern des Rigveda
fast zusammenfällt, ihr jedenfalls so ähnlich sieht,
wie ein Zwilling dem andern. Eine Schlange
wird getötet, die als Urheberin der Dürre, als
Verschluckerin der Wasser gilt, — sie wird ge-
tötet, damit es Regen gebe. Spiegelt ein Ritus
dieser Art die Heldentat des Herakles an der 1er-
näischen Hydra wieder, dann ist diese letztere
kaum zu unterscheiden von der so unendlich oft
besungenen Heldentat des Indra, der den Ahi er-
schlägt, die böse Schlange, die Wasserschlange,
— könnte man auch hier sagen — die am Wol-
kenberg, vielleicht auch am irdischen Berg mit
winterlich gefrorenen (Quellen und Bächen lagert
») Vjjl. Preller, a. a. O. 11 p. 189. =) Vgl. Preller, a. a. (). II j.. 192. 193.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 193; Gruppe, a. a. O. I p. 46.H.
*) Vgl. Gruppe, a. a. O. 1 p. 464. *) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 19:1
") Vgl. Preller, a. a. O. II p. 193. ') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 193; Gruppe, a. a. O. I p. 463.
") Vgl. Gruppe a. a. O. I p. 4G3; die S]ierrungeu rühreu von mir her.
Heeäkles und Tndra.
33
und die Wasser gefangen liält, welclie erst nacli
dem Tode dieses neidischen Sehlangendämons wie-
der befreit zur Erde strömen und das dürre Land
erquicken. Alii, dessen Name schon , Schlange'
bedeutet, mitdemgriechischenEeliis undEchidnaur-
verwaudt, — Ahi, von dem es heißt, daß er die
Wasserströme verschluckt habe, die erst ludras
Heldentat wieder befreit — ,Du, o Indra, hast
mit Maciit den Vritra getötet, hast die Ströme
losgelassen, die von Ahi verschlungen waren"):
dieser Ahi, der mit Vritra, dem Verhüller, we-
sentlich eins ist, dieser die himmlischen Wasser
verschlingende oder verschluckende Ahi ents])richt
der von Gruppe erwähnten Schlange des leruäi-
schen Rituals, der Verscliluckerin des Wassers,
der Urlieberin der Dürre, deren fabelhaftes Ur-
bild die Hydra des Herakles darstellt. Eine
Schlange dieser Art, eine Regenwasserschlange,
die das himmlische Wasser verschluckt und dann
wieder herzugeben gezwungen wird, kann ur-
sprünglich nur in der Wolkenregion hausend ge-
dacht worden sein, wie uns das im indischen
Mythus deutlich entgegentritt. In der griecliischen
Sage ist hier, wie so oft, ein himmlisclier Vor-
gang auf der Erde lokalisiert, und damit mag es
wohl auch zusammenhängen, daß die lernäische
Hydra die Beziehung zum Regen verloren hat,
welche nur noch im Ritual sich erhalten hätte.
Aber dies letztere ist sehr wichtig, denn gerade
im Ritual pflegt sich Uraltes zäh zu erhalten.
Am Hügel, beim Quell, unter der Platane, da
haust die furchtbare Hvdra, die Herakles bezwingt.
Am Hügel, an der Halde, am Abhang, oder rich-
tiger an den Abhängen (])ravätas), lagert auch
Alii, bis ihn Indra zei'schmettert, zerspaltet,-) —
nur daß hier die Halden oder Abhänge des Wol-
keubergs gemeint sind. Dort lagert er lauernd
beim Wasser,^) umschließt und hütet die Flut.*)
Ob auch die Platane der griechischen Sage
den alten mythischen ^Volken- und Wetterbaum
wiedersj)iegelt, mag dahingestellt bleiben.^)
Wie Herakles bei der Tötung der Hydra an
Jülaos einen befreundeten Helfer hat, so steht dem
Indra bei der Tötung des Ahi Freund Vishnu
helfend bei.'') An die Feuerbrände, mit denen
Jolaos die Köpfe der Hydra ausbrennt, au die
feurigen Pfeile, mit denen Herakles das Untier
angreift, werden wir erinnert, wenn es im Rig-
veda (2, 11, 10) von der Tötung des Ahi- Vritra
heißt: ,Es krachte des Starken Donnerkeil, als
der Menschenfreund den jMenschenfeind nieder-
brannte.") Daß hier vom Feuer des Blitzes
die Rede ist, kann nicht wohl bezweifelt werden.
In der griechischen Sage ist dieser Ursprung der
feurigen Waffen, mit denen die Hydra bezwungen
wird, längst in Vergessenheit geraten, dem Be-
wußtsein entrückt, doch verdient ihr Fortleben
bemerkt zu werden.
Ahi, die Schlange, und Vritra, der Verhüller,
ist wesentlich eins und dasselbe, — aber auch
Qushna, der Dämon der Dürre und des Miß-
wachses, ist im Grunde das gleiche dämonische
Wesen. Es sind alles drei von Hause aus nur
verschiedene Bezeichnungen derselben mythischen
Vorstellung, von verschiedenen Seiten betrachtet
und unter den verschiedenen Namen allmählich
sich sondernd und selbständig werdend. Eine
scharfe individuelle Scheidung liegt eigentlich aber
nicht vor. Die Gestalten verschwimmen nicht
selten und gehen eine in die andere über. Wenn
daher eine Eigenschaft etwa nur einmal von einer
derselben erwähnt wird, nicht gerade ein ihr allein
konstant beigelegtes und also unterscheidendes
Merkmal bildet, dann mag dieselbe so oder ähnlich
auch den andern innewohnend gedacht worden
sein oder ließ sich zum mindesten leicht von einer
auf die andre übertragen. Tushua wird nun
einmal (RV 10, GO, 13) puruprajätä genannt, d. h.
vielfach sich erzeugend, sich erneuernd, und wenn
wir diese Eigenschaft der Wolkenschlange des
Veda beilegen dürfen, dann müssen wir alsbald
der lernäischen Hydra gedenken, die im verzwei-
felten Kampfe mit Herakles sich immerfort er-
neuert, indem an der Stelle eines abgehauenen
Kopfes alsbald zwei neue Köpfe erwachsen. Die
Neunzahl der Köi)fe bei der lernäischen Hydra
ist vielleicht ursprünglich nur eine Multiplikation
der älteren Dreizahl, die wir bei einem anderen
nah verwandten Dämon antreffen, von welchem
später zu handeln sein wird, dem dreiköpfigen
') RV 4, 17, 1; wesentlich ebenso KV 10, 111,9.
') Vgl. RV 4, 17, 7 tväm pr.äti praväta äcjäyänam ähim väjrei.ia maghavan v{ vn<;cal.i ; dazu vgl. RV 4, 19,3 sajit.'i pr.-'iti
praväta äijäyänam ;ihim väjrena vi rinä aparvän, also au den sieben Hügeln oder Halden lagert Abi.
") Vgl. RV 5, 30, 6 aliim ohänäm apa äi;äyänani pril sakshad indralj.
*) Vgl. RV 3, 32, 11 ; 4, 19, 2; 0, 30, 4: ähim parii;äyanam ärnah; RV 2, 19, 2 äbini ludro an.iovritani vivii^cat.
5) Vgl. Kuhn, llerabkiinft, 2. Aufl. p. 20 fg.
^) Vgl. RV 6, 20, 2 ,al.s Du den Ahi, den Vritra, der die Wasser verschloß, im Verein mit Vishnu tütetest.'
') äroravid vrishno asya väjro ämänusliam yän mä'nuslio nijurvit.
Denkfchrilten der phil.-hist. Kl. 58. Bd. 3. Alili. 5
34
III. Abhandlung: Leopold v. Schkoedek.
Tvashtar-Sülni Vivvaru])a, dem der griechische Ge-
ryones entspricht. Der furchtbare Schlangendämon
der Perser, Azhidahaka. der dem yedischeu Ahi
entspricht und von Thraetaona Athwj-äna be-
zwungen wird, hat drei Rachen, drei Schwänze,
sechs Augen, und von dem aus ihm erwachsenen
Zohak der späteren persischen Sage wird erzählt,
daß aus seinen Schultern durch einen Kuß des
Teufels Schlangen hervorgewachsen sein sollen.^)
Man kann bei dieser Gestalt des Dämons nicht
umhin, auch daran zu erinnern, daß die spätere
griechische Kunst die Hj-dra als Schlange mit
einem Frauenkopf darstellt, aus welchem eine
Reihe andrer Schlangen hervorkommen, ein Ty-
pus, den Dragendorff direkt aus der altern Hydra-
vorstellung ableitet, nachdem schon Urlichs aus
dem Echidnatypus das Alter dieser Darstellungs-
form erschlossen hatte. ^) Ein Schlaugendämon,
aus dem Schlangen und wieder Schlaugen hervor-
wachsen, hervorquellen und -schwellen, scheint die
ursprüngliche Vorstellung zu sein, auf welche all
diese mythischen Gestalten der Griechen, Perser
und Inder zurückgehen. Im Rigveda aber scheint
sich diese abenteuerliche Vorstellung noch in einer
andern nahe \'erwandten mythischen Gestalt,
einer anderen Hypostase des von Indra A'ernich-
teten bösen Wolkendämons, spezieller individua-
lisiert zu haben, und zwar im Ahi(,-uva.
Der Name des Ahifuva, der uns im Rigveda
viermal in bemerkenswertem Zusammenhang ent-
ffeeentritt, kann nichts andres bedeutet haben
als ,Schlangenschweller' oder , Schlangenschwall'
— von ahi , Schlange' und der Wurzel eü , schwellen,
anschwellen', — es liegt hier also offenbar ein Dä-
mon vor, aus dem Schlangen hervorschwellen, der
in oder mit Schlangen schwillt, der gleichsam
einen ganzen Schlangenschwall bildet. Eine schwel-
lende, anschwellende, d. h. nur sich vergrößernde,
anwachsende Schlange kann der Name, wie er
vorliegt, nicht wohl bedeuten,') sondern nur etwa
,Schlangensch weller' oder , Schlangenschwall,' was
am besten sich erklärt, wenn wir an den sich
vielfach erneuernden, neu sich erzeugenden
Schlangendämon Cushna, an deH persischen Zo-
hak, an die lernäische Hydra erinnern, — ein dä-
monisches Wesen, aus dem Schlangen und wieder
Schlangen hervorwachsen, -quellen und -schwellen.
Somit scheint Ahifuva diejenige Hypostase
der hypostasenreichen vedischen Himmelschlange
zu bilden, welche der lernäischen Hydra am näch-
sten verwandt ist. Es dürfte daher wohl der
Mühe wert sein, diejenigen Stellen des Rigveda
etwas näher ins Auge zu fassen, in welchen dieser
Ahifuva, der Schlangenschweller, erwähnt wird.
Vielleicht bieten uns dieselben neben der allge-
meinen Vorstellung von der Wolkenschlange Ahi-
Vritra ein spezieller individualisiertes Bild, dessen
Vergleichung mit dem Hydra-Abenteuer des He-
rakles von Bedeutung und Wichtigkeit wäre.
Hier kommt in erster Linie das merkwürdige,
an werti'ollen, originellen mythologischen Zügen
reiche Lied RV 8, 66 in Betracht, aus dem deut-
lich hervorgeht, daß die Tötung des Ahifuva in
den Anfang der Heldenlaufbahn Indras fällt, daß
sie dem ersten ungestümen Tatendrang entspringt,
der den Gott gleich nach seiner Geburt schon
erfüllt. Die ersten drei Verse des Liedes lauten:
1. Eben geboren fragte der Hundertfachkräf-
tige so die Mutter: Welche sind die Gewaltigen?
welche sind berühmt';'
2. Da nannte ihm die Starke den Spinnen-
sohn, den Schlangenschweller:^) Diese, o Sohn,
sollen Überwinder sein!")
i5. Da klopfte der Vritratöter sie zusammen
wie die Speichen in der Nabe mit dem Schlägel;
erwachsen war der Dämonentöter !
Daß Indra gleich nach seiner Geburt jene
merkwürdige Frage an die Mutter richtet: , Welche
sind die Gewaltigen? welche sind berühmt?' wird
uns übereinstimmend noch einmal (RV 8, 45, 4)*'')
berichtet, doch antwortet ,die Starke' (fävasi.
d. h. die Mutter) dort nur mit dem allgemein ge-
') Vgl. oben p. 8. -) Vgl. Grupiie. ;i. a. O. I p. 4G3, Anm. 4.
') Das Verhältnis der Kompositionsglieder müßte sonst das umgekehrte sein, die , Schlange,' ahi, das Schluß-
glied bilden.
') äurnaväbhäm ahic^üvani; über den ,öpinnensohn' vgl. weiter unten.
'•) te putra santu uishtiirah. Es kommt für unsere Zwecke nicht viel darauf an, ob wir nishtiir mit dem Petersburger
Wörterbuch von nis und tur ableiten und .unüberwindlich' übersetzen oder es vorziehen, mit Grassman an ni-star ,zu Boden
strecken' zu denken (vgl. änishtrita), wo dann das Wort etwa der Fällende, zu Boden Streckende, der tJberwinder bedeuten
würde. Dem Sinne nach kommt das ja ziemlich auf eins heraus. Die Mutter bezeichnet damit dem jungen Indra jene
berühmten Gewaltigen, nach denen er forscht und mit denen er .sich messen möchte. Er selbst wird dann nachher mit
dienen Epithetis als der Gewaltige, der tJberwinder gefeiert, der unüberwindliche Sieger, KV8, 32, 27 t pra va ngräya nish-
türe 'shädhäya prasakshine devättam brähnia gäyata.
") Der Vritratöter nahm den Pfeil, geboren fragte er die Mutter: .Welche sind die Gewaltigen? welche sind berühmt?'
Herakles und Indea.
35
haltenen Hinweis darauf, daß kein Feind e-effen
diesen Neugebornen werde aufkommen können.
Unser Lied bietet mehr, — eine gedrängt kurze,
aber höchst inhaltreiche Schilderung der ersten
Heldentaten des Indra, die er am Spinnensolm.
am Schlangenschweller, am Gandharven, am Eber
verriciitet, schon hier seine gewaltige Trinklust
bekundend, da er gleicli nacli dem Sieg über
Spiunensohn und SclilangenscJnveller nicht weni-
ger als dreißig Seen des Soma zugleich auf
einen Zug austrinkt. Wii- werden auf die wei-
teren Schilderungen des Liedes später zurück-
kommen müssen und bleiben zunächst bei den oben
angeführten Anfangsversen stehen, für die Situa-
tion im allgemeinen nur noch bemerkend, daß dem
zehnten Yerse zufolge Vishnu als freundlicli hel-
fender Begleiter hinzuzudenken sein dürfte. We-
nigstens heißt es da, daß Visiinu, von Indra an-
getrieben, ,alles' herbeigebracht liabe, — hundert
Büffel und den garen Brei — . offenbar zu einem
Erquickungsschmause.
Man pflegt die Bezeicimung , Spinnensolm'^)
als einen Beinamen des ,Sciilangenschwellers' Ahi-
Vuva aufzufassen, doch, wie ich glaube, mit Un-
recht und direkt gegen die bestimmte Aussage
unseres Liedes. Indra fragt die Mutter im Plural:
.Welche sind die Gewaltigen? welche sind be-
rühmt?' Sie nennt ihm darauf jene beiden Na-
men, Aurnaväbhi und Ahi^uva, und setzt ihrerseits
im Plural hinzu: .Diese sollen die Überwinder
sein'. Ebenso pluralisch fährt dann der Text fort:
.Diese (tan) klopfte der Vritratöter zusammen
wie Speiclien in der Nabe mit dem Schlägel.'
iVußer dem deutlichen Plural tan setzt aucii das
Bild von den Speichen in der Radnabe eine
Pluralität \oraus, die man freilich gerade bei
unsrer Auffassung auf die schwellenden Schlangen
des Ahicuva lieziehen konnte. Docli der Sclilangen-
schweller ist im Singular, grammatisch betrachtet,
während die Frage des Indra, die Antwort der
Mutter, die Erzählung des Sängers durchweg eine
Mehrheit von Gegnern erwähnen, für welche uns
schon jene beiden fast zu wenig erscheinen. Die
beiden andern Stelleu des Rigveda, au welchen
der , Spinnensolm' sonst noch erwähnt wird (RV
2, 11, 18; 8, 32, 26), zwingen keineswegs dazu,
dies Wort als Beiname des Ahi^'uva zu fassen,
und so werden wir uns jedenfalls dafür entscliei-
den, in dem Spinnensohn ein verwandtes dämoni-
sches AVesen neben dem Ahifuva zu erkennen.
Der Spinnensohn, — nach diesem Namen wohl
mit einer Mehrheit von Beinen oder Armen aus-
gestattet — tritt liier liei der ersten Heldentat
des Indra neben dem Schlangenschweller auf, aus
dem wir uns Schlangen hervorschwellend denken,
— sehr ähnlich, möchte ich schon liier bemerken,
wie in der Heraklessage neben der Hydra der
Seekrebs auftritt, den Herakles mit dem Fuße
zertritt, — ein gefährliches, spinnenähnliches We-
sen, das im Meere haust und aus demselben
hervorkommt, um den mit der Hydra ringenden
Helden anzugreifen. Docli beide werden endlicl»
glücklich überwunden, wie im vedisclien Liede
Spinnensohn und Schlangenschweller vom jungen
Indra erschlagen werden. Das bemerkenswerte
Bild vom Zusammenklopfen oder Zusammen-
schlagen") der Speichen in der Nabe oder Rad-
büchse ist gerade dann und nur dann selir passend
und treffend, wenn wir uns den einen Dämon mit
einer Menge von Extremitäten, den andern mit
her\'orsch wellenden, -quellenden Schlangenlei beru
zu denken haben.
Noch in einem anderen Liede des Rigveda
werden der Spinnensohn und der Schlangen-
schweller nebeneinander genannt als besiegte
Feinde des Indra. Es ist ein Lied, das eben-
falls dem 8. Buche angehört und also der Familie
der Kanvas entstammt, ebenso wie das zuerst be-
handelte. Zu Anfang wird Ahifuva neben andern
dämoniselien Gegnern dos Indra genannt, dann
erscheint er im Schlußteil des Liedes nochmals
neben Vritra, Aurnaväbha und Arbuda.
Das Lied (RV 8, 32j beginnt folgender-
maßen :
1. Preiset, ihr Kanvas, mit .Gesang beim
Rauschtrank des Soma die Taten des rascii vor-
dringenden Indra,
2. Der den Sribind;i. den Anarcnni, den Dä-
mon Pipru, den Ahicuva geschlagen, der (iiowal-
tige, der die Wasser rinnen ließ;
3. Das Oberste des Arbuda, den Gipfel des
Großen drück herab! du, Indra, tust ja diese
Mannestat.
4. Keck rufe ich den Schönlijipigen zur
Hilfe herbei, wie einen Wassersturz vom
Berge —
') äurnaväbhä von ürnaväbhi heißt .dei' von der Spiiiiio Eiitsiirossoiie, von ihr Stammumle, der .S)iiniiun3uhn.'
-1 Wurzel khid mit saiii (säm-akhidat) hahe ich liier mit ./.usammuiiUlopteu oder -schlagen' übersetzt, man könnte
wohl auch, zusammenhämmern' sagen, wie das Bild und der Beisatz khüdayü ,mit dem Schlägel' zeigt; khid heißt .drücken,
stoßen, schlagen'.
.1*
36
III. Abhandlung: Leopold v. Schroeder.
5. Des Riudes uud des Rosses Stall sollst
fröhlich du den Somabereiteru aufbrechen, Held,
wie eine Burg usw.
Geg-en den Schluß des Liedes heißt es dann
weiter:
25. Der des Wassers Behälter (die Wolke)
spaltend die Ströme abwärts, hinunter fließen ließ,
der die gare Milcli in den Kühen erhält;
26. Den Yritra schlug der Strahlende, den
Spinnensohn, den Schlangenschweller, mit Wiiiter-
frost Versehrte er den Arbuda;
27. Eurem Gewaltigen, dem Uberwinder, dem
unbesiegbaren Sieger singet das gottgeschenkte
Gebet.
Hier könnte (v. 26) der .Spinnensolin' frei-
lich ganz gut ein Beiname des Ahifuva sein, wie
das in der Regel angenommen wird, doch ist das
auch nicht gerade notwendig. Es kann sich auch
um nebeneinander genannte Dämonen handeln,
und nach dem erst behandelten Liede halte ich
dies auch für das Richtige. Etwas Näheres über
das Wesen des Spinneusohns, des Schlangen-
schwellers erfahren wir hier nicht, dagegen tritt
an beiden Stellen, wo Ahi^"uva erwähnt wird, be-
deutsam neben iiun ein Dämon Arbuda hervor.
Er ist offenbar groß, reicht hoch hinauf, sein
Oberstes, sein Gij)feP) wird von Indra herab-
gedrUckt. Er wird von hidra durch Winterkälte,
respektive Frost, Eis oder Schnee bewältigt
( bimena), worunter hier wohl Hagel oder Schlössen
gemeint sind, die dem Gewittergott zur Verfügung
stehen. Die Größe des Arbuda wird auch sonst
noch erwähnt (RY 1, 51, 6; 10, 67, 12) und da-
mit dürfte es zusammenhängen, daß eine sehr
hohe Zahl in späterer Zeit , Arbuda' genannt wird
(die Zahl 100,000.000). Arbuda gilt als ein dä-
monisches Schlangenwesen, sein Volk sind nach
Brähmana-Angaben die Schlangen (sarpa). In
der späteren Sprache heißt das Wort arbuda auch
, länglichrunde (schlangenförmige) Masse' und —
speziell in der Medizin — , Geschwulst, Knoten,
Polyp'.-) Ein fabeliiafter Schlangendämon, groß, viel-
leicht hoch aufgerichtet, vielleicht ungeheuer an-
schwellend, vielleicht auch polypenartig Arme
hoch aufreckend, wie wir das gleich bei Uraiia
sehen werden, das scheint ungefähr die Gestalt
des vedischen Arbuda, die wir natürlich nicht be-
stimmter zu prüfen vermögen.
Ahicuva, der Schlangenschweller, wird nur
noch einmal im Rigveda erwähnt, an einer etwas
dunklen Stelle (10, 144, 3), aus der indes hervor-
zugehen scheint, daß er dem somaraubenden Fal-
ken oder Adler auflauert, iim beobachtet (äva
didhet). Das stimmt zu seinem Wesen. Ist er
doch der das himmlische Naß neidisch hütende
und verschließende Schlangendämon. Ihn deswegen
mit dem Gandharven Kri^änu, dem Somawächter,
zu identifizieren, wie das wohl geschehen ist,
liegt kein Grund vor. Die Gandharven sind
Wesen ganz andrer Art.
Ist das Material für den , Schlangenschweller'
damit abgeschlossen, so werden doch der , Spin-
nensohn' und Arbuda noch einmal zusammen er-
wähnt, respektive in demselben Indraliede, nicht
weit voneinander. Es ist das Lied RV 2, 11,
also der Familie des Gritsamadas entstammend,
ebenso wie das gleich nacliher zu behandelnde
Lied (2, 14). Die Erwähnung geschieht im
Schlußteil des Liedes, wie eine höchste Steigerung
im Preise des Gottes. Die vorausgehenden Verse
enthalten unter anderem auch jene schon an-
geführte Stelle vom Niederbrennen des menschen-
feindlichen dämonischen Gegners (v. 10). Ich
deute kurz nur einiges aus dem Gedankengange
des Liedes an :
Höre unsere Anrufung, o Indra! (1). Du be-
freitest die Ströme, die Alii (die Schlange) um-
stellt hatte, du zerspelltest den sich unsterblich
dUnkenden Dämon (2). Den Verborgenen, der in
den Wassern versteckt war, in ihnen hausend,
den Ahi, der die Wasser und den Himmel fest-
hielt, den hast du getötet, o Held, mit Helden-
kraft (5). Ich will preisen, o Indra, deine alten
Großtaten, wie auch die neuen, den verlangen-
den Blitz in deinem Arme, die beiden Falben, die
Leuchten der Sonne (6). Indra hat den am
') vishtäp I. das Oberste, varshmän m. die Höhe, der Gipfel. Ich kann micli nicht davon überzeugen, daß diese
beiden Wörter hier — wie die meisten Erklärer wollen — die höchste Stätte, einen sehr hohen Standort des Arbuda be-
zeichnen. Das Herabdrücken eines solchen hohen Standortes scheint mir wenig Sinn zu haben. Arbuda selbst ist es, der
der hohe, der große genannt wird, er selbst wird deutlich an anderen Stellen herabgedrückt. Entweder richtet der Dämon
sich hoch auf, oder er schwillt in ungeheurer Weise an, oder er hat hoch hinaufreichende Extremitäten, Glieder, Fang-
arme, polypenartig oder dergleichen, wie wir das gleich bei Urana sehen werden.
') Vgl. Petersburger WH. s v. arbuda. Der Name des Dämons wird im Rigveda zweimal arbuda, öfters arbuda be-
tont, ohne daß dies einen Unterschied des Wesens begründete. Ersteres geschieht in Buch 1 und 10, den jüngeren Samm-
lungen, übereinstimmend mit der späteren Akzentuation. Im zweiten und im achten Buche, den Familienbüchern der
Gfitsaniada und Kanva, wo A. sonst allein noch vorkommt, tinden wir dagegen die Betonung arbuda. Diese dürfte daher
entweder die ältere schlechthin odor die speziell in jenen Familien übliche gewesen sein.
Herakles und Indea.
37
großen Strome lag-orndeii Vritra fortgestoßen (9).
Es krachte des Starken Donnerkeil, als der Men-
schenfreund den Menschenfeind niederhrannte; er
brachte des zauberkundigen Dämons Künste zu
Fall, nachdem er vom Keltertrank getrunken (10).
Trink, Indra, trink, o Held, den Soma! Es sollen
dich die berauschenden Tränke erfreuen (11).
Den Schnurrbart schüttelnd trink den Soma, In-
dra! (17).
Nun folgen die für uns Avichtigen Verse:
18. Nimm an die Kraft, o Held, mit der du
den Vritra, den Dämon, den Spinnensohn zer-
spelltest! Du hast das Licht dem Arier erschlossen,
zur Linken sitzen blieb der Barbar.
19. Gewinnen möchten wir, durch deine Hilfe
alle Feinde besiegend, die Barbaren mit dem
Arier. Für uns geschah's, daß du den Tvashtar-
sohn Vi^'varüpa (den Allgestaltigen) dem Trita
deiner Freundschaft ausgeliefert.
20. An dieses Trita berauschendem Soma
gekräftigt warf er den Arbuda zu Boden; er
rollte ihn, wie die Sonne ihr Rad, spaltete die
Höhle (den Vala), der von den Angirasen um-
gebene Indra.
Zwischen dem Spinnensohn, der hier die all-
gemeinen Bezeichnungen Vritra und Dämon zu er-
halten scheint, und dem Arbuda, der siegreich zu
Boden gestreckt wird, erscheint hier noch der
Tvashtarsohn Vifvarüpa, der Allgestaltige, der
sich uns später als eine wichtige Gestalt unter
den dämonischen Gegnern des Indra erweisen
wird, der dreiköpfige Vit'varüpa, der brüllende
Dämon, der dem Geryones zu entsprechen scheint.
Wer den , Spinnensohn' für einen bloßen Bei-
namen des Allifuva hält, der findet hier wieder
den Schlangenschweller mit Arbuda zusammen
genannt. AVir verzichten darauf und begnügen
uns damit, den Spinnensohn, den dreiköpfigen
Vifvarüpa imd Arbuda nebeneinander zu finden.
Der letztere aber erscheint bald darauf in einem
andern Liede der Familie Gritsamada (RV 2, 14),
neben dem nur hier genannten Dämon Urana,
dessen Gestalt durch die emporgereckten 99 Arme
von besonderem Interesse ist. Es ist ein Lied,
das in gedrängter Form eine Menge von Taten
des Indra verherrlicht. Ich hebe nur den hier in
Betracht kommenden Vors 4 heraus:
2, 14, 4: Ihr Priester, ihn, der den Urana er-
schlagen, welcher 99 Arme emporreckte ;i) der den
Arbuda hinab-, hinunterdrückte, diesen Indra
spornet an bei der Darbringung des Soma.
Der große Schlangendämon Arbuda wird also
auch hier von Indra hinab-, hinuntergedrückt (äva
nicä babädhe), daneben al)er taucht die phantasti-
sche Gestalt des Urana auf, der 99 Arme aus-
streckt, also wohl ein pol}^)enartig gedachtes
Wesen, das Indra ebenfalls tötet.
Was Indra von Arbuda erbeutet, sagt ein
Vers des achten Buchs des Rigveda, also wieder
der Kanva-Familie gehörig:
RV 8, 3, 19: Du, Indra, hast von den hohen
A\^olkendünen den Vritra fortgeschnellt; des
listigen Untiers Arbuda, des Berges Kühe hast
du herausgetrieben.
Nach einer Stelle des zehnten Buchs wird
dem Arbuda das Haupt gespalten:
RV 10, 67, 12: Indra .spaltete mit Macht
das Haupt des großen Flutendämons-') Arbuda;
er tötete den Ahi (die Sehlange), ließ die sieben
Ströme rinnen; — o Erd und Himmel, samt den
Göttern, helft uns!
Charakteristischer für Arbuda ist indessen,
daß er, der Große, herabgeholt, zu Boden ge-
worfen, hinab-, hinuntergedrückt wird,') ja ein
Vers des ersten Buchs sagt endlich sogar, daß
Indra den Arbuda mit dem Fuß zertreten
habe, wie in der griechischen Sage Herakles den
ihn angreifenden Seekrebs zertritt! Es heißt:
RV 1, 51, 6: Du hast dem Kutsa in den
Kämpfen mit Gushna geiiolfen; den (,'ambara lie-
fertest du dem Atithigva aus; sogar den großen
Arbuda tratst du mit dem Fuße nieder!*)
— seit alters bist du so zur Dämonentötung ge-
boren.
1) Das Partizip cakhvains übersetzt Böhtlingk in seinem WB. diucli ,aiis.streckend'; (irassmann in seinem WB. , aus-
streckend' oder ,auseinauderlialtend'; in der Übersetzung sagt Grassniann: ,0 Priester, ihn, der Urana erschlagen, als neun-
undneunzig Arme er emporhielt' etc. Ludwig tibersetzt: ,adhvaryu's, der den Urana getötet hat, der doch (seine) neun-
undneunzig Arme gezeigt hatte' etc.
-) arnavä scheint mir hier — und wohl auch KV 10, 111, 4 — ein Beiname des Arbuda, der zur Flut, zum Wolkpn-
meer Gehörige, in oder an der Flut Hausende, der Flutendämon — wie auch .'Vhi sich in den Wassern vorsteckt, in ihnen
haust (cf. KV "2, 11,5) — Ahi, die Schlange, dio gerade im oben angoführton Verse kaum von Arbuda unterschieden ist.
Roth und Grassmann sehen hier einen besonderen Dämon Arnava, eine Art Personifikation des Wolkennieeres, neben Ar-
buda. Ganz abweichend und kaum haltbar übersetzt Ludwig: ,Iu der (iröße des wogenden Meeres hieb Indra ab das
Haupt des Arbuda'.
') Vgl. die Verba KV S, :i-2, 3 ni tira; 2, 11, 20 ni astar; 2, 14, 4 äva nieä babädhe.
*) niahantain cid arbuddip ni kramih padä.
38
III. Abhandluk-g: Leopold v. Scheoedee.
Mag- das Spalten des Hauptes eine Variante
sein oder ergänzend hinzukommen, jedenfalls ist
für den großen Arhiida das Heruntcrliolen, Nie-
derwerfen, Niederdrücken durch Indra das Charak-
teristische, und hier wird er gar mit dem Fuße
niedergetreten, was so merkwürdig an das Zer-
treten des Seekrebses durch Herakles erinnert.
Die angeführten Stellen des Rigveda sind
sämtliche, in welchen der Schlangenschweller, der
S]>inncnsohn, der polypenartige Urana und der
"•roße Arbuda erwähnt werden. Sie finden sich
größtenteils im 2. und S. Buch des Rigveda. den
Familienbüchern der Gj-itsamada und der Kanva.
namentlich alle jene Stellen, wo diese Wesen,
respektive einige derselben, nebeneinander als
Gegner des Indra auftreten. Sonst wird Ahifuva
nur noch einmal im 10. Buche erwähnt (10, 144, 3),
Arbuda einmal im 1., einmal im 10. Buche (1, 51, 6;
10, 67, 12), doch ohne jene andern seltsamen
Gestalten. In den Büchern der Kanvas und der
Gritsamadas aber finden wir einmal den Spinnen-
sohn und den Schlangenschweller, ein anderes Mal
den Spinnensohn, den Schlangenschweller und
Arbuda zusammen genannt; einmal den S]unnen-
sohn und Arbuda, ein anderes Mal Arbuda und
den polyi'enartigen Urana zusammen. Da die
andern Familienbücher keinen dieser vier Namen
erwähnen, möchte ich meinen, daß hier eigenartig
individualisierte Indrakämjtfe vorliegen und das
besondere Bild dieser Ivnmpfe, die noch durch
ein paar Stellen der Sammelbücher 1 und 10 er-
gänzt werden, erinnert mehr als die allgemeiner
gehaltenen Schilderungen vom Kampf des Indra
mit der Wolkeuschlange Abi oder Vritra an das
berühmte Abenteuer des Herakles mit der lernäi-
schen Hydra, neben der als zweiter Gegner jener
seltsame Seekrebs aviftaucht. Der Schlangen-
schweller, der Spinnensohn, der polypenartige
Urana mit seinen 99 Armen, der große Schlan-
gendämon und Flutdämon Arbuda, dessen Gipfel
Indra herunterholt, den er niederdrückt, mit dem
Fuße zertritt — in verschiedener Weise kombiniert
auftretend, geben sie uns doch ein besonderes
Bild, das nicht einfach mit all den anderen Dä-
monenkämpfen des Indra unterschiedslos zusam-
menfließt. Daß das Niederbrennen des Wolken-
dämons — sonst keine gewöhnliche Wendung —
gerade in einem dieser Lieder (2, 11, 10) erwähnt
wird, scheint mir auch nicht bedeutungslos und
erinnert an die Art, wie Herakles und Jolaos die
lernäische Hydra bemeistern. Vishnu, der ja auch
sonst dem Indra — wie Jolaos dem Herakles —
helfend beim Yritrakampfe beisteht, scheint
wenigstens nach einem Liede (8, 06, 10) bei der
Heldentat anwesend gedacht zu sein. Eben dieses
Lied preist sehr bestimmt Indras Bezwingung des
Spinuensohns, des Schlangensehwellers, die Indra
wie die Speichen in der Radnabe zusammen-
klopft, als die erste Heldentat des gewaltigen
Gottes, wie das Abenteuer mit der lernäischen
Hydra im Anfang der Heldenlaufbahn des Hera-
kles steht, unmittelbar auf dasjenige mit dem
nem eischen Löwen folgend.
Es liegen hier selbstverständlich nicht scharf
umrissene Bilder von Kämpfen vor, die sich über-
einstimmend wiederholen imd einfach mit dem
Hydrakampf des Herakles zu identifizieren sind.
Die Phantasie hat ihre Freiheit, sie schwankt, sie
variiert, sie wechselt. Und doch tritt uns aus
allen Variationen ein mythisches Bild mit typi-
schen Zügen entgegen, und das Bild läßt uns immer
wieder an den Hydrakampf des Herakles denken.
Ein Schlangendämon, eine riesige Schlange,
sich vielfach erneuernd, in oder mit Schlangen
schwellend, an der Flut oder in der Flut, am
Wolkenberge, an der Halde liausend, daneben ein
spinnenartiges Ungetüm oder ein Polyp mit
99 Armen; der Held diese Ungeheuer nieder-
zwingend, zusammenklopfend, niederbrennend, mit
dem Fuße zertretend; sein Freund in der Nähe.
Das ist ungefähr das Bild, dem auch der Kampf
des Herakles mit Hydra und Seekrebs ganz wohl
entsprechen dürfte. Es liegt nahe, zu beiden ein
Urbild zu suchen. Unzweifelhaft verwandt tritt
uns l)ei den Persern der Kampf des Thraetaona
mit Azliidahäka entgegen, dem noch als Zohak
die Schlangen aus den Schultern liervorwachsen.
Doch Inder und Griechen haben mehr individuelle
Züge dieses mythischen Kampfbildes bewahrt.
Erinnert man endlich nochmals daran, daß
Indras Heldentat an jenen mythischen Ungeheuern
den Regen vom Himmel herabrauschen läßt, ,die
sieben Ströme' herabrinneu macht, und ebenso
daran, daß der lernäische Kult in uraltem Regen-
zauber, mit einer Schlange geübt, zu gipfeln
scheint, daß wir dadurcli gedrängt werden, des
Herakles Kampf mit der Hydra, der Wasser-
schlange, ursprünglich mit der Regengewinnung
zusammenzubringen, dann rücken die Mythen der
Inder und Griechen noch näher zusammen und
deuten zurück auf altarische Zeiten, wo die Phan-
tasie unserer Väter wohl schon verwandte Ge-
danken und Bilder erschuf.
Heeakxes und Indka.
39
Der erymanthische Eber und die Kentaurenschlacht auf der Pholoe.
Der böse Dämon, den Indra bezwingt, wird
vor allem als große Schlange gedacht. Doch es
ist dies nicht das einzige Bild, unter dem der
Wasser und Sonne neidisch hütende und verber-
gende Gegner des großen Gottes den Indern er-
scheint, auch handelt es sich ja nicht um ein ein-
zelnes Wesen dieser Art, sondern um eine Mehr-
zahl, die oft neben- und nacheinander genannt
■wird, wenngleich nicht selten eines in das andere
übergeht, in den Umrissen wechselnd verschwimmt.
Spinnen- und polypenartige Fabelgestalten sahen
wir bereits neben der Schlange auftauchen. Aber
auch als Eber, als wilder, verderblicher Eber
ward der dämonische Indrafeind gedacht, und das
Abenteuer des Gottes mit diesem Eber drängt
sich uns unabweislicb zum Vergleiche mit dem
bekannten Abenteuer des Herakles mit dem ery-
manthischen Eljer auf. Ja, es scheint ihm in den
Liedern der Kanvas geradeso ein Gandharveu-
kampf vorausgegangen, respektive eng mit ihm ver-
bunden gewesen zu sein, wie in Griechenland dem
Kampf mit dem erymanthischen Eber die Ken-
tauromachie des Herakles auf der Pholoe voraus-
geht, respektive seit alters eng mit ihm verljun-
deu erscheint.')
Prüfen wir zunächst die nicht sehr zahlreichen
Stellen des Rigveda, die uns den Indra als Be-
zwinger des Ebers vorführen. Dahin gehört ein
Vers des ersten Buches:
R V 1 , 121, 11: Die beiden großen, glänzenden
Flächen, die radlosen, Himmel und Erde, jubelten
Dir, o Indra, zu bei Deinem Werk. Du hast den
Vritra, der an den Strömen lagerte, hast kräftig
mit dem Donnerkeil den Eber^) in Schlaf
versenkt.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß hier
der an den Strömen (sirasu) lagernde Vritra als
,der Eber' bezeichnet wird, daß der Eber nur als
ein Bild, ein Name, respektive eine Hypostase des
Vritra zu gelten hat. Der Eber ist Vritra, wie
denn auch Ludwig ganz richtig übersetzt: , Vritra,
den Eber, der an die Flüsse sich gelegt, den hast
Du mit mächtigem Keil in Schlaf versenkt;' und
ähnlich Grassmann:
Den Eber Vritra, der die Ström' bewacht hielt,
Hast, großer Indra, mit dem Blitz erlegt Du.
Nur von einem , Erlegen' ist streng genommen
nicht die Rede. Es heißt vielmehr, Indra habe
den Eber mit dem Donnerkeil in Schlaf versenkt
(väjrena sishvapo varähum), ein merkwürdiger
Ausdruck, den man wohl geneigt sein könnte auf
den Todesschlaf zu beziehen, der aber doch nicht
einfach für , Töten' oder , Erlegen' genommen wer-
den darf. Wir kommen auf denselben später in
andrem Zusammenhang zurück. Hier sei nur
noch bemerkt, daß das seltsame Epitheton , räder-
los' oder , radlos' von Himmel und Erde wohl so
zu verstehen ist, daß ihnen das Sonnenrad fehlte,
bis Held Indra es ihnen durch seinen bejubelten
Sang wieder verschafft.
Das erste Buch des Rigveda bietet uns noch
eine andere merkwürdige Schilderung von Indras
Kampfe gegen den Eber, und zwar in dem Liede
RV 1, 61; da heißt es von Indra:
6. Ihm liat Tvashtar für den Kam})f den
Donnerkeil gezimmert, den kunstvollen, hinini-
lischen,^J mit welchem er sogar des Vritra A'er-
wundbare Stelle auffand, schlagend mit dem
schlagenden, der Vielen spendende Herrscher.
7. Nachdem er bei seiner Mutter Kelterun-
gen alsbald lustig den Trank geschlürft, die liebe
Speise, da raubte der Rührige*) das gar Ge-
'■) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 193: ,Diese beiden Kämpfe gehören notwendig zusammen, sowohl aus örtlichen Kück-
sichten als wegen des Zusammenhanges der Erzählung.'
-) Das Wort, welches den Eber bezeichnet, lautet hier varähu, sonst fast durchweg varähä. Heide Formen sind
offenbar nah verwandt. Die Form varähu findet sich nur noch einmal im Rigveda vor, und zwar 1, 88, 5 als ein Bei-
wort der Maruts, die als Eber mit ehernen Zähnen bezeichnet werden. Mit Vritra oder mit Indra hat es dort nichts zu tun.
^) svaryara, was Ludwig durch ,den sounenartigen' wiedergibt.
*) So gebe ich hier im Anschluß an Grassmann das vishnuli des Textes wieder, als ein Beiwort des Indra, der
vorher wie nachher zweifellos Subjekt des Satzes ist. Ludwig, der bei dem Gott Vishiui bleibt, kommt mit der Über-
setzung ins Gedränge und muß die schwer mögliche Einschaltung ,aber, Indra' vor ,verwundote den Eber' machen. Für
diese Auffassung spricht freilicli RV 8, 66, 10, wo bei demselben Abenteuer Vishuu, von Indra entsandt, 100 Büffel und
init Milch gekochte Speise herbeibringt, aber vorher in Vers 6 ist es doch wiederum Indra, der die gare Speise, respektive
den garen Brei (pakvam odanäm) bewahrt oder festhält (dhäräjat). Auch das Petersburger \VB findet den Gott Vishnu in
«nsrer Stelle, ohne jedoch eine Übersetzung zu bieten.
40
III. An^A^'DLtrNG: Leopold v. Scheoedee.
kochto, der Siegreiclie, er verwundete den
Eber, durch den Berg schießend.^)
8. llim. Indr.i, webten die Götterfrauen ein
J>oblied bei der Tütung des Alii usw.
Der ,Eber' ist wohl auch hier der im %'oraus-
gelienden Verse erwähnte Vritra, respektive eine
Hj'postase desselben, eine der verschiedenen For-
men des Vritra. Wenn Indra diese Heldentat hier,
unmittelbar von ,der Mutter Kelterungen' kom-
mend, ausführt, nachdem soeben die Bereitung
seines Donnerkeils durcli Tvashtar erwähnt wor-
den, dann deutet dies vielleicht darauf hin, daß
wir dieselbe uns zu Anfang seiner Heldenlauf-
bahn zu denken haben, ähnlich wie die Bezwin-
gung des Spinnensohnes und des Schlangen-
schwellers in dem Liede RV 8, 66, das uns früher
beschäftigt hat. In diesem merkwürdigen Liede,
das den Indra gleich nacli seiner Geburt den
Spinnensohn, den Schlangensch weller wie Speichen
in der Radbüchse zusammenschlagen läßt, wird
zum Schluß auch die Bewältigung des Ebers er-
wähnt, nachdem noch der Kampf mit dem Gan-
dharven vorausgegangen. Dadurcli wird, wie ich
glaube, die Vermutung bestätigt, daß wir es hier
mit einer der ersten Heldentaten Indras zu tun
haben. Die merkwürdigen Schlußverse des Lie-
des (RV 8, 66) lauten:
10. Alles fürwahr braclite, von dir gesandt,
der weitschreitende Vislinu herbei, hundert Büffel,
den in Milch gekochten Brei; Indra-) (brachte)
den verderblichen Eber.
n. Viel vernichtend ist dein wohlbereiteter,
trefflicher Bogen, richtig treffend dein goldener
Pfeil; deine beiden Arme sind streitbar, wolil-
den Berg schießend den Eber
Tötung des Ebers durch
gerüstet; die beiden Süßigkeitstrinker') erfreuen
sich an der Süßigkeit.
Die rühmende Erwähnung des viel vernichten-
den Bogens in diesem letzten Verse des Liedes,
gleich nach der Nennung des Ebers, könnte auf
die Vermutung führen, daß nach der Meinung
des Sängers der Eber dem Pfeile des Indra zum
Opfer gefallen. Doch ist das, genau genommen,
nicht gesagt. Es heißt nur, daß Indra den ver-
derblichen Eber herbeigebracht habe, wie es in
den erstangeführten Liedern hieß, daß Indra den
Eber, der nichts andres ist als der an den Strömen
lagernde Vritra, in Schlaf versenkt, daß er durch
verwundet. Eine
Indra ist also eigentlicli
nirgends direkt ausgesprochen, wenn man nicht
das ,in Schlaf Versenken' so deuten will. Dagegen
gibt es noch eine Stelle im Rigveda (10, 99, 6),
wo dieser Eber erwähnt wird und wo es heißt,
daß er von Trita mit dem eisenspitzigen Pfeile
getötet worden sei. Hier erscheint also nicht Indra
als der Bezwinger des Ebers, sondern Trita, den
wir
kennen gelernt haben, Trita, der
sonst noch als Indras Freund und Helfershelfer
im Dämonenkampfe erscheint.
Die Stelle (RV 10, 99, 6) lautet: , Durcli seine
(d. li. Indras) Kraft gestärkt, hat Trita mit dem
eisenpitzigen Pfeil den Eber getötet.'*)
Daß es sich hier um den bösen Wolken-
dämon handelt, ist nach dem Zusammenhang nicht
zweifelhaft. Trita erscheint als sein Besieger und
Töter und zeigt sich auch in diesem Punkte als
der ältere Doppelgänger, respektive Vorgänger
schon als Indras Vorgänger und alter ego
hier wie auch
') mushäyäd vishnüh pacatäin sähiyän ridhyad varähäm tinl ädriiu astä; — pacatä, das gar Gekochte, bedeutet nach
den späteren Lexikographen auch das Feuer und die Sonne, soll auch ein Name Indras sein (?). Vielleicht handelt es
sich hier in der Tat um die Gewinnung der Sonne, die als ein gargekochter gelber Brei erscheint, wie sonst wohl auch als
ein Gefäß mit goldigem Methtrank. Vgl. 8, 66, C, wo es vor der Bewältigung des Ebers von Indra heißt, daß er den
garen Brei festgehalten habe. Für die Vorstellung der Sonne als eines warmen gar gekochten Breis spricht vielleicht auch
die bekannte seltsame Idee, der Sonnengott Pushan sei ein Breiesser (kararabhäd); vgl. RV 6, 56 und 57.
') varähäm fndra emusliäm. Der Pada liest indrah und es kanii kein Zweifel sein, daß das Wort Nominativ ist, zu
welchem sich das Verbum Abliarat ,er brachte herbei' aus dem vorausgehenden Satze selbstverständlich ergänzt. So über-
setzt es ganz richtig A. Ludwig, während Urassmanu irrig ,o Indra' sagt und also gegen den klaren Wortlaut des Verses
auch den Eher von Vishiiu herbeibringen läßt, wälirend vielmehr Indra die Tat ausführt.
') Die beiden Süßigkeitstrinker wären nach Grassmanns Obersetzung Indras Lippen; nach dem Petersburger WB
und nach (irassmanns WB bedeutet das Wort , Biene' oder ein anderes Süßigkeit liebendes Tier. Sollten die beiden Süßig-
keitstrinker hier nicht am Ende Indra und Vishnu sein? Allerdings müßte dann ridüpäu gelesen werden. Ludwig faßt
das Wort (ridüpe) als Dativ und übersetzt ~ kaum selir überzeugend — ,dem Süßes Trinkenden (der süßes Wasser hat?)
sogar mehrend die Süßigkeit'.
') asyä trit/) nv <5jasä vridhän<5 vipa varähäm äyoagrayä han. — Das Wort varähä ,Eber' kommt außerdem noch
viermal im Rigveda vor, doch ohne Beziehung zu Vritra odar Indra; RV 1, 114, 5 wird Rudra ,des Himmels Eber' ge-
nannt (divi) varähä); 9, 97, 7 heißt es vom Soma ,8ingend geht der Eber dahin'; 10, 67, 7 ist es Beiwort der Genossen
des Brahman.-ispati bei der Gewinnung des Schatzes; 10, 28, 4 haben wir ein allgemeines Bild: ,Der Schakal stürzt aus
dem Versteck auf den Eber'. Das Wort varähayn ,nach dem Eber begehrend, den Eber jagend' ist RV 10, 86, 4 ein Bei-
wort de» Hundes.
Heeakles und Indba.
41
des Indra, der, ihm -n-eseusgleich, später als sein
Freund und Helfer fungiert.
Sehen ■^^•ir A'on dieser jedenfalls alten Vari-
ante des Abenteuers ab, so hören wir im Rigveda,
daß Indra den verderblichen Eber bezwuneen
— daß er ihn mit dem Donnerlceil in Schlaf ver-
senkt, daß er ilm durch den Berg schießend ver-
wundet, daß er ihn herbeigebraeht habe — ob
tot oder lebendig, wird nicht deutlich gesagt. Das
Abenteuer .spielt sicli im Gebirge ab, d. h. wohl in
den Wolkenbergen, durch den Berg schießend
trifft ja Indra den Eber. Dort haust der Eber
Vritra, der verderbliche, dort lagert er an den
Strömen, bis ihn Indra bezwingt. Es ist ein my-
thischer Vorgang, dem sich nun leicht und fast
selbstverständlich das Abenteuer des Herakles
mit dem erymanthischen Eber zur Vergleichung
an die Seite stellt. Auch hier sind nur wieder
die Vorgänge in der Luftregion auf die Erde
versetzt, an bestimmten Orten lokalisiert und da-
durch gleichsam ins Konkretere der Heldensage
verdichtet.
Erymanthos hieß sowolil das hohe Gebirge an
der nördlichen Grenze Arkadiens wie auch ein
Fluß, der dem schneebedeckten Gipfel desselben
entspringt. Dort haust der verderbliche Eber,
von dort aus verwüstet er das Land. Herakles
hetzt ihn bis hoch hinauf zu den Quellen des
Erymanthos, fängt das ermattete Tier zuletzt mit
der Schlinge und bringt es lebendig nach Myke-
nae, zum Eurystheus hin.^)
Wir erkennen den verderblichen Eber des
indischen llythus wieder, den Berg, die Ströme,
an denen er haust, den gewaltigen Helden, der
ihn bezwingt und herbeibringt. Der griechische
Mythus könnte geradezu für eine Variante des in-
dischen gelten, der uns selbst schon mehrfache
Varianten bietet, — das Verwunden, das In-
Schlaf-Versenken, das Herbeibringen des Ebers
durch Indra, die Tötung desselben durch seinen
Doppelgänger Trita u. a. m.
Es ist naturgemäß und hat seine volle Be-
rechtigung, wenn vom speziell griechischen Stand-
punkt aus der wilde Eber vom Erymanthos mit
dem Bergstrom selbst identifiziert, respektive auf
ihn gedeutet wird, der im Winter und Frühling
wild und stürmisch zu Tal braust.^) Das ficht
unsre zeitlich weit hoher hinaufreichende, den
Ursprung des Mythus suchende Deutung in keiner
Weise an. Mythen wandeln sich und zugleich auch
der Sinn, den die Menschen in ihnen suchen, der
oft genug erheblich von jenem Sinn abweicht,
welciien der ursprüngliche Schöpfer des Mythus
in ilm hineinlegen wollte. War man in Griechen-
land schon dabei angelangt, die einst in der Luft-
region gefabelten Abenteuer des alten Gewitter-
riesen auf der Erde in verschiedenen Gegenden
des Landes sich geschehen zu denken, dann mußte
naturgemäß manches sich ändern. Die vedische
Sage von Indra und dem Eber ist der griechi-
schen Sage von Herakles und dem erymanthischen
Eber noch immer so ähnlich, daß die wesentlichen
Züge sich leicht als ursprünglich identisch er-
kennen lassen. Auf den alten Sinn des Mythus,
der mit dem Gewinn der Regenströme zusammen-
hing, scheint aber noch jener andre Mythus zu
deuten, der mit der Sage vom erymanthischen
Eber in der griechischen Überlieferung seit alters
verbunden auftritt, — die Kentauromachie auf
der Pholoe. Ihr müssen wir jetzt unsre Auf-
merksamkeit zuwenden.
Auf dem Wege zur Eberjagd kommt Hera-
kles über die Pholoe, das rauhe, waldige Grenz-
gebirge gegen Elis hin. Es hat seinen Namen
vom Kentauren Pholos, der dort in seiner Höhle
haust. Bei ihm kehrt Herakles ein und wird
gastlich bewirtet. Er verlangt nach einem Trünke
und Pholos sticht für ihn ein Faß des herrlich-
sten Weines an, das Dionysos selber den Ken-
tauren geschenkt hat. Sie zechen zusammen aus
gewaltigen Humpen, doch der starke Duft des
Weins lockt die anderen Kentauren herbei, die nun
Avie rasend den Herakles angreifen, der sich an
ihrem Weine gütlich tut. Er treibt mit Feuer-
bränden die in die Höhle Eingedrungenen zurück
und richtet im Walde mit seinen Pfeilen ein Blut-
bad unter ihnen au. Ihre Mutter Nephele, die
Wolke, kommt den Kontauren zu Hilfe, mit ge-
waltigen Regengüssen, deren sich Herakles kaum
zu erwehren vermag. Endlich aber ist er doch
siegreich. Es fallen die Besten, die andern fliehen.
Leider hat nur auch der gastliche Pholos den
Tod gefunden, durch eigene L^nvorsicht. Er ließ
im Versehen einen der Pfeile des Herakles sich
auf den Fuß fallen. Der Held bestattet ihn in
dem Gebirge, das nun nach ihm benannt wird.
,Dle große Popularität dieser Fabel bezeugen
viele Vasenbilder. '^)
Es scheint, daß diese Geschichte auf dem
Grunde uralter ]Mythen und Bräuche ruht, die
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 193. 194.
=■) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 194. 195.
Peiiksilirifton dor phiL-lii-;«, Kl. 08. liil. 3. Al)h.
') Vgl. I'reller, a. a. O. II p. 101.
42
III. Abhandlung: Leopold v. Sohkoedee.
^
mit Regen und Regeugewinnung zusammenhängen.
Pholos ist, wie Gruppe bemerkt,^) ,wohl ur-
sprünglich ein freuudliclier Ilöhlendämon,-) den
mau, wie Chiron, um Regen anrief.' Die Regen-
gUsse, mit denen Nephele, die Kentaurenmutter,
den Herakles ins Gedränge bringt, deuten wohl
in dieselbe Richtung. Docli wie verhält .sich der
indische Mythus zu dieser Fabel? Bietet er eiue
Analogie und welcher Art ist dann dieselbe?
In dem schon mehrfach von uns erwähnten
Liede der Kanva-Familie, RV 8, 66, das zu An-
fang jene merkwürdige Frage des neugebornen
Indra an seine Mutter und seine Heldentat im
Kampfe gegen den Sj)innensohu, den Schlangen-
schweller berichtet, gegen das Ende hin aber da-
von erzählt, daß Indra den verderblichen Eber
herbeigebracht habe, findet sich als Mittelstück
in kurzen, aber kräftigen Zügen die Schilderung
eines großen Somatrinkens, au dem sich der sieg-
reiche Held ergötzt, und seine Kämpfe mit Pfeil und
Boffen ffcjien den Gandharven im bodenlosen Luft-
O Do
räume, in den Bergen, die natürlich wieder nur
die Wolkenberge sein können. Die betreffenden
Verse (4—7), die sich unmittelbar an die Bezwin-
gung des Spinneusohns, des Schlangenschwellers
(v. 3) anschließen, lauten folgendermaßen:
4. In einem Zuge trank er da zugleich dreißig
Seen aus, Indra, des Soma Kufen.*)
5. Er durchbohrte den Gandharven in den
bodenlosen Lufträumen, Indra, den Frommen zur
Freude.
6. Er schoß aus den Bergen, wahrte den
garen Brei, Indra (schoß) den wolilgezielten Pfeil.
7. Hundert Spitzen hat Dein Pfeil, tausend
Federn er allein, den Du, o Indra, Dir zum Ge-
fährten gemacht hast.
8. Mit dem bring den Lobsängern, Männern
und Frauen, zu essen herbei, eben geboren. Du
tüchtig Starker.
9. Diese Taten sind von Dir getan, die höch-
sten in Fülle; das Feste hieltest Du mit Lust.
Und nun folgt der schon früher angeführte
Vers, der uns erzählt, daß Vishnu, von Indra ent-
sandt, hundert Büffel und den milchgekochten Brei,
Indra aber den verderblichen Eber herbeigebracht
habe.
Der im achten Verse erwähnte Nutzen für
die Menschen, für Männer und Frauen, die durch
Indra zu essen bekommen, ist uns hier Nebensache,
wenn im übrigen auch sehr interessant. Wichtig für
unsere Sagenverglcichung und deutlich genug ist
aber vor allem das große Somatrinken des Indra,
das Durchbohren des Gandharven im bodenlosen
Luftraum, das Pfeilschießen des Helden in den
Bergen oder aus den Bergen heraus. Gerade als
Pfeilschütze wird Indra hier besonders gepriesen,
seine Pfeile werden gerühmt. Bogen und Pfeil
auch im letzten Verse des Liedes (11) nochmals
gefeiert. Diese Dinge gehen dem Herbeibriugen
des Ebers durch Indra unmittelbar voraus, und
es ist ganz unmöglich, dabei nicht an das große
Weiutrinken des Herakles bei Pholos zu denken,
die Tötung der Kentauren, das große Blutbad, das
der Held mit seinen Pfeilen unter den ihm ihren
Wein mißgönnenden wilden Angreifern im Ge-
birge anrichtet. Es führt uns das mit Notwen-
digkeit zu der Frage nach dem Wesen der Gan-
dharven und ihrem mythologischen Gegenbilde bei
den Griechen.
Wir können die schwierige und komplizierte
Frage hier freilich nicht im Detail behandeln.
Doch soweit es für das Verständnis unseres
Liedes, für Zusammenhang und Deutung der
Heldentaten des alten Gewitterriesen notwendig
ist, können wir ihr auch hier nicht aus dem AVege
gehen.
Es ist allbekannt, daß Adalbert Kuhn be-
reits im ersten Bande seiner , Zeitschrift für ver-
') Vgl. O. Gruppe, a. a. O. Bd. I p. 46.5.
^) Es liegt nahe und hat gewiß viel Wahrscheinlichkeit für sich, den Namen des Pholos Cl'dXo;), des in einer Höhle
hausenden ICentauren, wie Gruppe das a. a. O. Bd. I p. 46i tut, mit dem Worte tpiuXeo'; ,Lager, Schlupfwinkel, Höhle' zu-
sammenzubringen. Vielleicht hängen diese Worte etymologisch mit den altindischen Worten phäla , Frucht', phäla ,Pflug-
schar,' phaligä , Behälter, Wasserbehälter, Wolke' zusammen, denen eine mit unserem Verbum , spalten' zusammengehörige
Wurzel plial ,bersten, platzen, spalten' zugrunde zu liegen scheint. Die Frucht wäre als die bei der Reife berstende, auf-
springende, die Pflugschar als die (das Erdreich) spaltende, aufreißende' bezeichnet; die Wolke als der sich auftuende,
respektive der gespaltene, das Wasser von sich gebende Wasserbehälter, der Spalt, die Höhle, — eine Bezeichnung, die
der bekannten Bezeichnung der Wolke als vala ,die Höhle' recht nahe läge. Das seltene phaligä wäre also ein Synonym
von vala, die WolUenhöhlo. An den wenigen Stollen, wo phaligä erscheint, ist meist von einem Spalten oder Aufbrechen
dieser Wolkenhöhle die Rede (ruroja, bhinat, darayas). Ist die Zusammenstellung richtig, dann trifft Pholos, der Wein bietende
griechische Höhlendämon, bei dorn llerakles schmaust, auch etymologisch mit der das himmlische Naß bergenden Wolken-
höhle zusammen, welche Indra erbricht, um den Soma zu gewinnen (vgl. RV 1, C'2, 4; 1, 121, 10; 4, fiO, ö; 8, .S'2, '25).
") Das Wort känuka, das ich hier versuchsweise durch Kufe übersetzt habe, ist ein ganz dunkles Wort und war es
schon dem alten Yäska. Für uns i.st das hier nicht so wesentlich, da die Hauptsache, das große Soniagelage des Indra,
deutlich genug im To.xt hervortritt.
Herakles und Indea.
43
gleichende Sprachforschung' die altindischen
Gandharven niit den griechischen Kentanren zu-
sammengebraclit hat,') — ebenso bekannt freilich,
daß die Folgezeit sich mit immer wachsender
Skepsis dieser berülimten mythologischen Gleichung
gegenübergestellt bat. Ich gehöre zu denen, die
auch heute noch, allen kritischen Einwendungen
zum Trotz, jene Kuhnsche Zusammenstellung für
einen genialen Griff, einen Fund halten, dessen
richtiger und höchst wichtiger Kern noch immer
nicht nur fest bestehen bleibt, sondern sich auch
fort und fort noch als fruchtbar und weitere Er-
kenntnis fördernd erweist, — das deutliche Zei-
chen der Lebensfähigkeit. Es ist geradezu sell)st-
rerständlieh, daß wir heutzutage die ganze Frage
in vieler Beziehung aiiders ansehen und beurtei-
len müssen, als Kuhn dieselbe vor mehr als einem
halben Jahrhundert ansah. Unsere Erkenntnis ist
heute nicht nur in sprachlichen Dingen, sondern
namentlich auch im Verständnis des Veda und
seiner Götterwelt gegenüber der Kuhnschen Zeit
um vieles fortgeschritten, verändert, vertieft. So
ist es selbstverständlich, daß wir eine Menge von
Korrekturen bei den Kuhnschen Darlegungen an-
bringen müssen. Um so mehr aber will es im
Grunde bedeuten, wenn wir uns immer wieder
gezwungen fühlen, zu den Kuhnschen Gedanken
als richtigem Ausgangspunkt zurückzukehren.
Für die Gleichung Gandharven — Kentauren
bin ich schon früher eingetreten,*) glaube aber
nicht, daß wir bei Beurteilung der erstgenannten
mythischen Wesen, wie Kuhn es tut, von dem
Rigveda und seiner Auffassung als dem durchaus
Ältesten auszugehen haben, bin vielmehr der Mei-
nung, daß der Atharvaveda und andre vedische,
ja sogar nachvedische Texte, wie sonst so auch
hier, uns vielfach ältere, ja uralt volkstümliche
Vorstellungen bieten. Der eine Gandharve, der
im Rigveda vorherrscht, gegenüber einer seltener
erwähnten Pluralität dieser Wesen, scheint mir
nicht das Ursprüngliche oder gar von Hause aus
etwas so Großes wie Sonnengott oder Fouergott,
sondern vielmehr eher eine Art Idealisierung
einer älteren, primitiveren Anschauung, die uns
treuer noch in jenen andren Texten entgegentritt.
Ich glaube nicht, daß jeuer eine große Gan-
dharve, wie Kuhn annimmt, sich späterhin zu den
Scharen von Gandharven vervielfältigen konnte,
wie sie uns im Atharvaveda, im Yajurveda, im
Epos, aber auch an einigen Stellen des Rigveda
entgegentreten, bin vielmehr der Meinung, daß
von der Pluralität, den Gandharven-Scharen aus-
gegangen werden muß, aus denen dann ganz wohl
eine einzelne Gestalt in besonderer "\A"eise hervor-
gehoben, als Tj'pus idealisiert, mit höheren Wesen
identifiziert und verherrlicht werden konnte. So
sehen wir im Rigveda den Gandharven hoch an
des Himmels Wölbung stehen, des Sonnenrosses
Zügel ergreifen, die ^Veiten erleuchten, glänzende
Waffen, einen duftigen Mantel tragend. Er wird
mit der Sonne in nächste Beziehung gesetzt, mit
den Sonnengöttern Savitar und Püshan, mit dem
Feuergott Agni. Die Dichter des Rigveda haben
hier etwas Altes, Volkstümliches, das ihnen in
der alten Form zu gering, zu roh, nicht ver-
ehrungswürdig erschien, in ihrer Art erhöht und
umgestaltet, mit dem Glanz eines höheren We-
sens umkleidet, ohne die iirsprüngliche Vorstellung-
ganz abzustreifen, ohne eigentliche Göttlichkeit
zu erreichen, so daß ein schwankendes Bild, ein
Zwitterding als Resultat herauskommt. Von
Hause aus sind die GandharA'en die Eiben der In-
der, verwandt den germanischen wie auch den
griechischen Eiben, welch letztere wir namentlich
als Satyrn, Silene und Kentauren kennen. Das
Roßgestaltige der letzteren findet sich nur
bei einem Teil der indischen Gandharven wieder
und stellen die Gandharven als , Eiben' überhaupt
den allgemeinen Begriff dar, von dem die Ken-
tauren nur einen Teil, einen Ausschnitt bilden,
daher sie auch nicht einfach zu identifizieren sind,
wenigstens nur cum grano salis. Ursjirünglich
sind die Gandharven, wie die Eiben überhaupt,
abgeschiedene Seelen, die man sieh im Winde
umherfahrend oder auch sonstwo in seligem Zu-
stand hausend und wirkend denkt, in engstem
Verein mit ihren schönen weiblichen Genossinnen,
den i\.psarasen. den Wolkenwasserfrauen, denen
die griechischen Nymphen entsprechen. AVenn
sie auch mit der Welt der himmlischen Gestirne
in Zusammenhang erscheinen, dann beruht das
wohl darauf, daß man sich diese, insbesondere
den Mond (aber wohl auch die Sonne), auch als
einen seligen Wohnort der Abgeschiedenen
dachte; und zugleich ist ja der Mond der himm-
lische Soma, enthält den Göttertrank. Die Gan-
dharven sind weiberlUstern, oft in recht frecher,
faunischer Weise. Sie singen, spielen und lieben
gern. Sie sind aber auch sehr lüstern nach süßem,
berauschendem Getränk. Daher ist es ganz ua-
1) Zeitschrift f. vg'l. Sprachf. 15(1. I (1RÜ2), p. 5 LS— 542, Gandh.irven uii.l Kentauren.
2) Vgl. meine Arbeit .Griechisclie Götter und Heroen', Heft I, Berün 1887 (Aphrodite, Eros und Hephästos) p. CO fl'.
6*
44
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoeder.
türlich, da(J sie schon seit der ältesten Zeit als
Hüter uud Wächter des himmlischen Trankes,
des himmlischen Mcths oder Soma fungieren. In
dieser Eigenschaft geraten sie naturgemäß mit
Indra in Konflikt, der den himmlischen Soma
trinken will und die Kraft besitzt, ihn sich zu
rauben. Ebenso naturgemäß erscheinen sie da-
durch gleichsam an der Stelle, wo wir sonst den
A'^ritra und alle die ihm verwandten fabelhaften
Wolkenschlangen und Dämonen sehen, die das
himmlische Naß neidisch hüten, bis Indra ihre
Burgen bricht und die Ströme des Himmels be-
freit. Sie sind darum aber noch nicht mit Vritra
identisch, sondern von Hause aus ganz verschie-
dene Wesen. Die Wolkenschlange und der Gan-
dharve sind keineswegs eins und dasselbe, wenn
sie sich auch darin deutlich berühren, daß beide
den himmlischen Trank hüten uud bewahren. Es
sind Mythen verschiedener Art, die nur um das
gleiche Objekt sich drehen.
So ist es allerdings nicht ganz zutreffend,
wenn Kuhn zu dem Schluß kommt, der Kampf
zwischen Herakles und den Kentauren sei der
Kampf zwischen Indra und (J!ushna {= Vritra),
nur in etwas anderer Form.^) Indessen, er hat
doch darin vollkommen recht, daß unter jenem
Weinfaß, dem rdO-oq der Kentauren in der Höhle
des Pholos, nichts andres zu verstehen sei als
die mit dem liimmlischen Naß gefüllte Wolke,")
die bald als Höhle, bald als Wasserbehälter oder
Tonne, Kufe, Schlauch u. dgl. gefaßt wird (valä,
phaligä, kävandha, kofa, väna, driti). Wenn die
Wolke, der himmlische Wasserbehälter, den In-
dra aufbricht, spaltet, öffnet, im Veda auch als
phaligä bezeichnet wird, dann trägt vielleicht so-
gar dieses Wort schon eine nähere Beziehung
etymologischer, wurzelhafter Art in sich zu Pho-
los, dem griechischen Höhiondämon, der dem He-
rakles das Weinfaß öffnet.') Auf jeden Fall han-
delt es sich beim Kentaurenkampfe des Herakles
um dasselbe Objekt, um das Indra so oft siegreich
kämpft — gegen Vjitra, (^'ushna, Alii, uud wie
die fabelhaften Schlangendämonen sonst etwa noch
heißen. Daß Indra aber auch mit dem Gandhar-
ven kämpft und ihn mit seinen Pfeilen durch-
bohrt, lehrt uns gerade die oben angeführte Stelle
unseres Liedes (RV 8, 66, 5. 6), und wir haben
alle Ursache anzunehmen, daß dieser Kampf um
des Soma willen stattfindet, den Lidra so gerne
trinkt und den der Gaudharve als Wächter hütet,
— den auch er zu trinken liebt uud darum an-
dern nicht gönnen mag.
Es kann wohl kaum einem Zweifel unter-
liegen, daß der den himmlischen Soma eifersüch-
tig hütende Gandharve ein mythisches Bild ist,
welches schon in der indopersischen Einheits-
pcriode lebendig war. Im Avesta begegnet uns
der schon nach Ausweis des Namens mit den
indischen Gandharven ursprünglich identische
Gaiädarewa, ein mythisches Wesen mit goldenen
Klauen, das am See Vourukasha haust, seine Ufer
besetzt hält. In diesem See aber wächst der
weiße Haoma, der dem himmlischen Soma der
Inder entspricht. Der Gaiidarewa wird von Ke-
repäfpa überwunden, dem Sohne des Tlirita, den
wir bereits kennen, der mit dem indischen Trita,
dem Vorläufer des Indra, unzweifelhaft identisch
ist. Kerepäfpa also ist ein Indra ähnliches, ihm
verwandtes mythisches Wesen und seine Über-
windung des Haoma hütenden Gandarewa ist eine
unzweifelhafte mythische Parallele zu Indra in
seiner Eigenschaft als Überwinder des den himm-
lischen Soma hütenden Gandharven. Diese Ver-
wandtschaft wird noch deutlicher, wenn wir hören,
daß Kerefäfpa den Drachen Qrvara, den Gaii-
darewa getötet habe, denn dieser gehörnte oder
hörnene Drache (azhi) ist zweifellos mit dem vedi-
schen Alii identisch, den Indra bezwingt und tötet.
Nebeneinander erscheinen diese beiden dämonischen
Feinde des Keref äppa-Indra sogar noch im Schah-
name, wo schon Roth einen Kundrav (= Gafidarewa)
als Gesellen des Zohäk (= Azhi daliäka) nachwies.'*)
') Vjjl. Kuhn, Herabkunft, 2. Aufl. p. 15-1. — In dem Aufsatz , Gandharven und Kentauren,' Zeitschr. f. vgl. Spr. I p. 538,
vergleicht Kuhn mit diesem Kampfe des Herakles den Kampf des Arjuna mit dem (iandharven Citraratha, der ihm den
Zutritt zur heiligen Flut der Gaiigä wehren will, ,wi6 überhaupt Arjuna, der ursprünglich Indra selbst ist, was auch das
^atap. Brähmana (2, 1, 2, 11) sagt, sich vielfach mit dem Herakles vergleicht'.
') Vgl. Kuhn, Herabkunft, 2. Aufl. p. 154.
') Vgl. oben p. 42 Anm. 2. — Das Faß der Kentauren heißt m^oq. Das AVort bedeutet eigentlich wohl eine Art großer
irdener Krüge, mit weiter öft'nung, um daraus schöpfen zu können. Etymologisch hängt es vielleicht mit dem indischen
pitha zusammen in somapitha, dem Somatrunk, nach dem Indra gar so begierig ist, von der Wurzel pA, pi ,trinken', die
im griech. mvu, moficxi vorliegt. Die Bedeutung Trunk und Behälter des Getränkes liegen sich am Ende nicht so ferne.
Ist diese Vermutung richtig, dann würden die Tormini der' griechischen und der indischen Fabel noch näher zusammen-
rücken.
*) Vgl. Kuhn, Gandharven und Kentauren, Zeitschr. f. vgl. Spr. I p. 541; Jiisti, Handbuch der Zendsprache s.v.
gafidarewa, haoma, kerei;äi;pa, i;rvara, vourukasha; Macdonell, a a. Ü. p. 137; Kuhn, Herabkunft, 2. Aull. p. 111.
Herakles und Iitoea.
45
Über die Identität des persischea und des indi-
schen Mythus kann damiach gar kein Zweifel sein.
Nach dem Rigveda pflegen die Gaudharven
den Soma und lassen ihn gedeihen: ,Den Büffel,
den Parjanya wachsen ließ, ihn nahmen die Gau-
dharven auf, sie legten den Saft in den Soma'
(RV 9, 113, 3). Das ist die Pflanze Soma, danu
aber halten sie den gleichnamigen Trank in ihrer
Hut. Es scheint, daß die abgeschiedenen Weisen
der Vorzeit sich dieses himmlischen Trankes er-
freuen dürfen. Das besagt wohl die Stelle RV
1, 22, 14: ,Der beiden (Welten) butterreiches Naß
lecken die AVeisen mit Andacht an des Gaudhar-
ven fester Stätte.' Und denselben Gedanken fin-
den wir wohl im Athar^aveda ausgesprochen,
wenn es dort (4, 34, 3) von dem seligen Abge-
schiedenen heißt: ,Er sitzt bei Yama, er geht zu
den Göttern, er erfreut (respektive berauscht)
sich zusammen mit den somaliebenden Gan-
dharven.'i) Dies ist um so verständlicher, wenn
wir recht haben mit der Annahme, daß die Gau-
dharven selbst ursprünglich abgeschiedene Seelen
sind, die man sich in einem Zustand primitiver,
sinnlicher Seligkeit lebend dachte.
Sehr charakteristisch aber ist sonst für den
Gandharven das eifei-süchtige Hüten und Bewa-
chen des Soma. AA^enn der Gaiidarewa im Avesta
mit dem Haoma selbst in Konflikt gerät und ihn
zu verderben sucht, so beruht das im letzten
Grunde wohl auf demselben Zuge. Der gefan-
gene, streng behütete Soma-Haoma sucht sich zu
befreien, sucht zu entfliehen — das scheint eine
alte Variante des. Mythus von der , Herabkunft
des Göttertranks,' die wenigstens in Indien deut-
lich hervortritt. Während sonst der Falke, der
Adler den Soma raubt, ist es nach TS 1, 2, 9, 1
Soma selbst, der in Gestalt eines Adlers der Hut
des Gandharven Vi fvävasu entflieht.^) Der Raub des
himmlischen Tranks durch einen Vogel ist im
übrigen wohl unzweifelhaft ein uralter Mythus, der
dem Mythus vom Raube des himmlischen Feuers
durch ein ähnliches Wesen parallel läuft. Kuhn sah
in dem somaraubendeu Adler oder Falken des
Rigveda Gott Indra selbst und verglich ihn dem nor-
dischen Odhin, der ebenfalls in Adlergestalt den
himmlischen Meth raubt.') Er konnte dafür
anführen, daß im Käthaka sich Indra tatsächlich in
einen Falken verwandelt und das Amvitam aus
dem Munde des C'ushna raubt. ^) Aber auch die Gä-
yatri erscheint in der Yajus-, respektive Brähmana-
zeit als Somaräuber in Vogelgestalt und es fragt
sich, oh diese Fassungen des Mythus nicht viel-
mehr sekundärer Deutung und Umwandlung ent-
sprungen sind, die für Indra um so begreiflicher
wäre, als er ja oft genug als Gewinner des himm-
lischen Trankes hervortritt. Nach dem Rijrveda
ist es kaum wahrscheinlich, daß der somarauhende
Vogel von Hause aus Gott Indra selbst gewesen
sei, vielmehr scheint dies ein selbständiger, ur-
sprünglich A'on Indra ganz unabhängiger Mythus
gewesen zu sein, der erst später mit dem wohl-
bekannten Raube des Soma durch Indra kombi-
niert worden sein dürfte.
Der Gandharve bewacht den Ort des Soma,
— nach RV 9, 83, 4. Der Gandharve steht auf-
recht am Firmament, alle Gestalten des Soma be-
trachtend (RV 9, 85, 12). ,Als den Adler am
Firmament fliegen sahen die im Herzen Verlan-
genden, Dich, den goldgeflügelten Boten des Va-
runa, den Vogel eilend zu Yamas Stätte, da stand
der Gandharve aufrecht am Firmament, entsresren-
gewandt, seine strahlenden Waffen tragend, ge-
kleidet in ein duftiges Gewand' — heißt es RV
10, 123, 6 und 7. Auch hier erscheint er wohl
als der Wächter, der dem enteilenden Räuber,
respektive dem Flüchtling drohend nachschaut.
Kricänu, der himmlische Schütze, der auf den
somaraubendeu Falken schießt,^) ist zweifellos ein
Gandharve, der den himmlischen Trank bewacht.
DerYajurveda nennt uns sieben Gandharven als
Wächter des Soma und darunter Kricänu, den
auch schon der Rigveda kennt, während die an-
dern erst später auftreten. Die Namen der Sie-
ben lauten gewöhnlich: Sväna, Bhräja, Aüghäri,
Bambhäri, Hasta, Suhasta und Kricänu. Die Be-
wachung des Soma durch den Gandharven be-
stätigt auch, wie schon Kuhn bemerkte, der Kom-
mentator Mahidhara, der zu Väj. S. 2, 3 eine
') säm gaudharväir madate soinyebhil.i. — DieseSeligkeit wird au der betrefteuden Stolle speziell demjenigen verheißen,
der einen bestimmten Brei (odanä), genannt vishtärin, darbringt. Die Art der Seligkeit dort, im Verein mit den Gau-
dharven, wird außer durch die folgenden Verse, die von Strömen an Hutter, Honig, Branntwein, Milch u. dgl. m. reden, na-
mentlich noch durch den vorausgehenden Vers 2 charaliterisiert, wo es heißt, daß Agni das niäiiiilicho Glied dieser Aus-
erwählteu nicht verbrennt und daß es in der Himmelswelt viel Weibervolk für sie gibt.
') Vgl. Macdonell, Vedic Mythology p. 137. Der Soma wird auch schon im Rigveda, im neunten Buche, dem Adler
oder Falken verglichen. S. Grassmanns \VB s. v. i;yen;i.
») Vgl. Kuhn, Herabkunft, i. Aufl. p. 123— 140. ■•) Vgl. Kuhn, a. a. O. p. 128.
S) Vgl. namentlich KV 4, 27, 3; 9, 77, 2.
46
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedek.
Vedeiistelle aiifülirt: ,Den im Himmel stehenden
Soma zu bewachen, -weilte ihm stets ein Gan-
dharve zur Seite' ^). Die Tatsache dieser Be-
waciiung steht fest und ist offenbar uralt.
Indra ist nun freilich nach dem Rigveda
nicht selbst jeuer Vogel, der den Soma raubt. Das
Lied RV 4, 21 unterscheidet .sie l)eide sogar ziem-
lich deutlich^). Doch auch Indra gewinnt oder
raubt den Soma, er ist der gewaltige Soma-Trin-
ker, und Soma ist offenbar der Grund seines an
zwei Rigvedastellcn erwähnten Konfliktes mit den
Gandharveu. Die eine ist die uns bereits be-
kannte, von der wir ausgegangen sind (8, 66, 5).
Die andre findet sich in demselben Buche der
Kanva-Familie, RV 8, 1, IL
Als er (Indra) der Sonne Roß antrieb, die
beiden rührigen Vögel des Windes, da fuhr der
hundertfach kräftige den Kutsa Arjuneya, er
besclilicli den unbesiegten Gandharveu'). Wir ken-
neu den Kutsa bereits als jenen Heros, den In-
dra beim Kampf gegen den Qushna auf seinem
\A'agen mit sicli führt. Das Beschleichen des
Gandharven, offenbar zum Zwecke der Bewälti-
gung, wird hier also unmittelbar nach und neben
der kurzen Erinnerung an jene große Heldentat er-
wähnt. Obgleich (^'ushna nicht genannt wird, steht
er hier doch durch die Erwähnung der Fahrt des
Indra mit Kutsa deutlich genug neben dem Gan-
dharven, so daß man sich versuclit fühlt, daran
zu erinnern, wie in der persischen Heldensage,
im Schahname, Zohak und Kundrav, d. i. also
Azhi Dahaka und der Gaüdarewa, Ahi und der
Gandharve nebeneinander erscheinen. Noch in
einem anderen, leider nicht sehr klaren Liede
scheinen der Gandharve und die Wolkenschlangen
— ahi, hier in der Mehrzahl — dem Indra beide
zusammen als Gegner gegenüber zu stehen. Es
handelt sieh auch hier wieder um die Gewinnung
der himmlischen Wasser und der Sonne durch In-
doch ist die Situation nicht gerade deutlich
dra.
gezeichnet. Ich
meine das kleine Lied, das die
von RV 10, 139 bildet (v. 4—6).
zweite Hälfte
Ich übersetze:
4. Den Vifvavasu, den Somagandharven*) er
blickend, gingen die Wasser da fort in rechter Art
da ging ihnen Indra eilends nach, er sali ringsum
die Umhegungen der Sonne. 6. Den Gewinner fand
er auf der Bahn der Ströme, er öffnete die Tore
der Felseuställe ; der Gandharve 2*'''ßs ihren
(d. h. der Ströme) Nektar ; Indra lernte die Kraft
der Drachen kennen.
Es ist manches hier unklar, doch so viel scheint
deutlich, daß Indra am Werk ist, die Wasser und
die Sonne zu gewinnen, und daß ihm der Gan-
dharve Vifvävasu und die Drachen gegenüber-
stehen, deren Kraft er im Kampfe kennen lernt.
In dem merkwürdigen, leider auch ziemlich
dunklen Liede RV 10, 144 ist es der Drache Alii-
puva, der Schlangenschweller, welcher dem soma-
raubenden Falken oder Adler auflauert, also ganz
in der Eigenschaft auftritt, die dem somahüten-
den Gandharven charakteristisch ist.^) Grass-
mann hat daher auch in seiner Übersetzung des
Rigveda (Bd. II, p. 499) den Aliifuva geradezu
mit dem Schützen Krifänu identisch erklärt, den
wir schon als somahütenden Gandharven kennen.
Doch Avir kennen den Ahifuva bereits deutlich
genug als eine der vielen Formen des Ahi-Vrtra.
Man könnte auf Grund dieser Stellen frei-
lich geneigt sein, die Grenze zwischen Drachen und
Gandharven ganz zu verwischen, die letzteren ge-
radezu den ersteren zurechnen, doch es stehen
dem gewichtige Gründe entgegen. Die Gestalt
der Gandharven, wie wir sie sonst aus Rigveda,
Atharvareda und den späteren Denkmälern kennen,
ist keineswegs dazu angetan, mit den Wolken-
schlangen identifiziert zu werden, und die obigen
Berührungspunkte lassen sich sehr wohl anders
erklären. Da Gandharven und Drachen beide die
Hüter des himmlischen Trankes sind, ist es
eigentlich nicht zu verwundern, daß wir den
einen gelegentlich dort stehen sehen, wo für ge-
wöhnlich der andre steht, daß der somaraubende
Falke, dem gewöhnlich der Gandharve, der
Schütze Kj'icänu auflauert, einmal in einer Variante
vielmehr von dem Drachen Ahifuva bei seinem
Raube belauert wird; daß Indra später in Fal-
kengestalt dem Drachen (^'ushna den Unsterb-
lichkeitstrank aus dem Munde raubt ; oder daß
wir Drachen und Gandharven nebeneinander und
1) Vgl. Kuhn, a. a. 0. p. 523. 524.
*) Kach RV 1, 155, 2 schützen Indra und Vi.shiiu vereint den Sterblichen vor dem Pfeil des Schützen Kri<,'änu.
") tsarad gaiidharvam ästritam.
*) Ich fasse somagandharvam als ein Wort, wie es übrigens schon Kuhn (a. a. 0. p. 523) gefaßt hat, — gegen die
Überlieferung. Der A'^okativ soma scheint mir hier allzu unmotiviert. Als Somawächter haben wir den Gandharven Vicjvä-
vaau ja auch bereits kennen gelernt (TS 1, 2, 9, 1, vgl. oben p. 45).
*) RV 10, 144, ?, der ein ausgelassener Stier ist unter diesen seinen (Frauen, d. i. den Wassern) Ahifuva lauerte dem rüh-
rigen Falken auf; 4. den der Vogel, des Falken Sohn aus der Ferne brachte ; 5. den der Falke dir mit der Klaue brachte, den
lieben ungefährdeten, roten, das Erzeugnis des Krautes, durch den ward Jugend und Lebenskraft verlängert, zum Leben etc.
Heeaexes und Indra.
47
iiaclieiiiander den himmlischen Trank verteidi-
gensehen. Es liegt auch auf der Hand, daß hier man-
cherlei Variationen und Komhinationen möglich
waren,in denen sich die Fabulierlust der alten My tlien-
erzähler gefallen mochte undg-ewiß auch gefallen hat.
Wenn der Falke gewöhnlich dem pfeilschie-
ßenden Gandharven, gelegentlich aber auch dem
Drachen den Trank raubte, dann konnte Indra,
der gewöhulich den Drachen erschlägt, um den
Trank zu gewinnen, wohl auch gelegentlich mit dem
Gandharven um desselben köstlichen Gutes willen
in Streit geraten. Eine solche Variante liaben wir
offenbar anzunehmen, wenn es heißt, daß Indra
den Gandharven beschlichen habe (RV 8, 1,11), —
ebenso aber auch in unserem Ausgangsliede (8, G6),
das demselben Fainilienbuche augehört, daher
wohl die Vermutung berechtigt sein dürfte, daß
diese Variante gerade der Familie der Kanvas
bekannt (vielleicht sogar geläufig) war.
Nach der Bezwingung des Spinnensohnes, des
Schlangenschwellers hält Indra hier ein großes
Somagelage. Das bleibt es auch, wenn man die
30 Seen des Soma als ebensoviele große Kufen
faßt. Dann heißt es sogleich, er habe den
Gandharven im bodenlosen Luftraum durchbohrt,
habe aus den Bergen heraus seinen wohlgezielten
Pfeil geschossen, den garen Brei festgehalten. Sein
Pfeil und Bogen werden weiter noch als etwas
ganz Besonderes gerühmt und gepriesen. Es liegt
nahe anzunehmen, daß sich Indra irgendwie des
himmlischen Rauschtrankes bemächtigt hat, daß
der Gandharve ihn im Genuß desselben stört,
ihm den himmlischen Trank nicht gönnen will,
auf den er selbst Anspruch zu haben glaubt, und
daß eben daraus der Kampf sich entspinnt, in dem
Indra kraft seiner herrliciien Pfeile siegreich ist.
Auf jeden Fall aber kämpft Indra mit dem Gan-
dharven auch um den garen Brei, d. i. die Sonne.
Wenn auch A'on dem letzten Zuge in der Pholos-
geschichte nichts zu bemerken ist, so liegt
es doch auf der Hand, daß dieser Mythus
der Kentau romacbie des Plerakles in der Pholoe
aufs nächste vei-wandt ist. Herakles schwelgt hier
im herrlichen "Wein, der den Kentauren gehört,
und ihm nicht gegönnt, nicht gutwillig überlassen
wird, wenn auch einer von ihnen selbst dem Helden
dazu verhelfen hat. Sie greifen ihn an^) und He-
rakles richtet nun im erbitterten Kampf, in den
Bergen der Pholoe, mit seinen Pfeilen ein furcht-
bares Blutbad unter ihnen an, bei welchem auch
Pholos selber umkommt. Die Übereinstimmung ist
aber um so größer und deutlicher, als dieser
Kampf des Herakles dem Abenteuer mit dem ery-
manthischen Eber unmittelbar vorausgeht, im Rig-
veda-Liede aber nach dem Gandiiarvenkampfe von
Indra weiter kurz berichtet wird, er habe den
verderblichen Eber herbeigebracht, eine Hel-
dentat, die wir bereits vorher als offenbar dem
Eber-Abenteuer des Herakles entsprechend er-
kannt haben.
Natürlich fehlt es auch nicht an abweichenden
Zügen, die jedoch den Kern der Sache nicht
berühren. Im Rigveda ist es der eine Gardharve,
der hier ja überhaupt vorherrscht, während im grie-
chischen Mythus ganze Scharen von Kentauren
den Helden angreifen und von ihm vernichtet
werden. Ich halte dies letztere für das Ältere,
doch kann es sich nur um uralte Varianten han-
deln. Im Rigveda heißt es ferner, daß Indra den
garen Brei festgehalten habe. Wenn darunter,
wie ich vermuten möchte, die Sonne, als großer
Topf mit warmem gelben Brei gefaßt, zu ver-
stehen ist, dann würde Indra hier wieder, wie so
oft, das himmlische Naß und die Sonne zugleich
erbeuten und verteidigen, während es sich im
Herakles-Mythus nur um den köstlichen Rausch-
trank handelt. Der Kentaurenmutter Ne])hele, die
ihrem Sohn zu Hilfe kommt, steht im vedischen
Liede nichts Entsprechendes gegenüber, während
einmal im Kampfe Indras gegen Vritra eine
Mutter des Drachen erscheint, die mitsamt dem
Sohne zugrunde geht (RV 1, 32, 9) ^). Doch das
sind alles nicht wesentliche Unterschiede, Vari-
anten, wie sie auf diesem Gebiet selbstverständlich
') Die Kentauren werden nach der griechisclien Sage durch den starken Duft des Weines herbeigelockt. Viel-
leicht darf man dabei daran erinnern, daß der Name der Gandharven mit gandha, Duft, zusammenzuhängen scheint. Sie sind
durch denselben möglicherweise als Liebhaber des Duftes, respektive des duftigen Rauschtranks, charakterisiert. Nach dem
Mahäbhärata wohnen die Gandharven und die zu ihnen gehörigen Kimpuruslia oder Kinnara, wie schon Kuhn bemerkte,
(Zeitschr. f. d. Spr. I p. 533), im Gebirge Gandhamädana, d. h. dem durch seinen Duft berauschenden. Die Duftliebe des
Gandharven tritt schon im Rigveda darin hervor, daß er in ein duftiges Gewand gekleidet erscheint (väsäno ätkaiii bu-
rabhim RV 10, l'iS, 7).
'') Eine merkwürdige Parallele zu der Episode von der Kentaurenmutter findet sich im Mythus von Thorr. Ich werde
darauf weiter unten zu sprechen kommen. Übrigens wird auch der Gandharve im Rigveda als Wolkonsolni, Sohn des Ge-
wölks, Nebel oder Dunstes bezeichnet — nabhoj,i! (RV 10, 123, 2); d.is Gewölk, nabhas, dessen Sohn er ist, gehört mit grie-
chischem VEtpo5, ve^jeXt) auch etymologisch zusammen.
48
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
wuchern. Audi die Art, wie Herakles sich mit
Hilfe des Pholos in den Besitz des ^^'eins der Ken-
tauren setzt, wird ihnen zuzurechen sein. Im üb-
rigen erinnert dies Trinken des Herakles in der
Behausung des Pholos lebhaft an die mancherlei
Berichte, wie Indra bei diesem oder jenem Gotte
oder auch Weisen der Vorzeit — bei Trita, bei
Manu, bei j\Iätarifvau, bei Tvashtar u. a. m. —
den Somag-etrunken habe, olnie daß Avir diese Gestal-
ten irgendwie mit Pholos zusammenbringen AvoUen.
A^ielleicht ist mit dem Trinken bei Pholos auch
nur das Trinken in der Wolkenhölilo, in dem
großen, oft ja als Höhle gedachten Behälter des
himmlischen Rauschtranks, der Wolke (phaligä)
S'emeint, avo dann der freundliche Höhlendämon
sich leicht hinzugesollen konnte.
tJberblicken Avir kurz noch einmal die ersten
Heldentaten des Indra, AA'ie das Lied RY 8, 6G
sie uns schildert, und stellen ihnen die ersten Aben-
teuer des Herakles gegenüber:
Kaum geboren zieht Indra hinaus in den
Kampf gegen den Spinnensohn, den Schlan-
genscliAveller, die er mit dem AA^uchtigen Schlä-
gel oder Hammer zusammenschlägt wie Speichen
der Radnabe. Dann liält er ein
in
geAA'altiges
Somatrinken ab. Es folgt der Kampf gegen
den GandharA'en, das Pfeilschießen in den
Bergen, das Herbeibringen des Ebers. Neben
dem Helden taucht die Gestalt seines Freun-
des und Helfers Yishnu auf.
Des Herakles erstes Abenteuer ist der Kampf
gegen Hydra und Seekrebs; dann folgt das
große Weintrinken in der Höhle des Pholos,
der Angriff der Kentauren, das Blutliad,
das Herakles unter ihnen in den Bergen
anrichtet, endlich die Bewältigung und Her-
beibringung des eryman tbischen Ebers. Als
Freund und Helfer erscheint Jolaos wenig-
stens bei der ersten dieser Taten.
Die Übereinstimmung ist so groß, wie sie bei
dem Abstand der Völker und Zeiten irgend er-
Avartet Av^erden konnte. Wir haben sie nicht nur
bei jedem einzelnen dieser Abenteuer aufgefunden,
— sie liegt, wenigstens in dem einen RigA^edaliede,
auch in der Reihenfolge der drei Heldentaten
A^or: Hydrakampf, Kentauromacliie, Bezwingung
des Ebers. Sie liegt endlich auch darin, daß diese
Taten als die zeitlich ersten und ältesten bei Indra
wie bei Herakles gefeiert AA^erden.
Der Augeiasstall und die Wasserleitung.
Bei der großen Menge A^on Fabeln und Aben-
teuern aller Art, die A'on Herakles und Indra er-
zählt Averden, ist es selbstverständlich unmöglich
zu A-erlangen, daß für jede Erzählung direkt ein
entsprechendes Gegenstück bei dem A^erAA-andten
Heros nachgewiesen werde. Vielmehr AA^erden wir
naturgemäß A^oraussetzen müssen, daß bei beiden
Völkern, ludern aaüb Gi'iechen, A-iele Geschichten
neu entstanden, Ariele alte A'erloren gegangen sind,
so daß nur ein Teil sich decken und gegenseitig
entsprechen kann. So Averden AA-ir, die Abenteuer
des Herakles in der üblichen Reihenfolge AA'eiter
A'erfolgend, unbedingt zugeben müssen, daß Aveder
für die keryuitiscbe Hirschkuh noch für die
stymphalischen Vögel sich bei Indra doiitlich Ent-
sprechendes nacliAveisen läßt.')
Die Deutung der Avunderbaren Hirschkuh,
mit goldenen Hörnern und ehernen Läufen, die
Herakles ein Jahr lang A-erfolgt, bis er sie end-
lich dem Eurystheus bringen kann, scheint mir
A^orderhaud noch zweifelhaft zu sein und ich lasse
es dahingestellt, ob Preller recht hat, wenn er mit
Bestimmtheit in ihr den Mond zu erkennen
glaubt.-) Ziemlich AA'ahrseheinlich ist seine An-
') Von einer Hir.schkuli i.st mehrmals im Uigveda die Rede und ilir Name sclieint .sie gerade als schimmernde oder
bunte zu charaliteri.sieren (eni, fem. zu eta Hirsch); sie er-scheint aber nicht in A'^erbindung mit Indra, sondern mit Agni,
auch ist sonst manches unklar dabei. Es heißt KV 10,3,2 von Agni: „AVenu er mit Glanz die schwarze Hirschkuh be-
siegt",—und hier scheint damit die Nacht gemeint zu sein. In dem Agniliod RV 10, 12 losen wir v. 3: „Alle Götter gehen
zu diesem deinem Opfer, wenn die Hirschkuh himmlisches Fett und Naß Strumen läßt." Ludwig übersetzt das AVort hier durch
„bunte Kuh" und es ist nicht sicher, von wem die Rede ist. Das Wort öni finden wir in A'erbindung mit Indra RV B, :-iS, 6;
doch da ist es wohl nur Adjektiv zu rayi „Reichtum"; der Gott wird gebeten, „schimmernden Reichtum" zu spenden.
') Vgl. übrigens jetzt die von Hüsing gegebene Anregung zur Deutung dieses Mythos in seinem Aufsatz „Zur Binde
mit der Atlasdecke" im Mitra, Hoit 2, p. 42 fg. Sehr möglich, daß wir in dieser Hirschkuh den gehörnt gedachten Licht-
Herakles und Ixdka.
49
sieht, daß die stymphalischen Vögel .Sturm und
Ungewitter, die Merkmale des Winters' bedeuten.
Doch auch hier bleibt einige Unklarheit übrisr.
Es sind wilde, ,mensclienfressende A^ögel mit
eisernen Schwingen, mit Federn, die so spitz und
scharf wie Pfeile waren.") Herakles scheucht sie
durch Lärm auf, tötet einen Teil und vertreibt die
anderen. Obwohl ich nun eine deutliche Parallele
zu dieser Sage bei Indra nicht nachzuweisen im-
stande bin, möchte ich doch auf einen merkwür-
digen Vers des Rigveda hinweisen, der uns In-
dra ebenfalls in Verbindung mit seltsamen men-
schenfressenden Vögeln zeigt. Leider ist die Stelle
wie das ganze Lied, in dem sie sich findet, recht
dunkel, ich meine RV 10, 27, 22: .An jedem Baume
angebunden brüllt die Kuh; von dort sollen (oder
werden) vorwärts fliegen die menschenfressenden
Vögel (vayah purusliadah) ; da fürchte sich diese
ganze Welt: man keltere dem Indra und helfe dem Ri-
slii.' — Weder über diese Kuh, noch über diese
bösartigen Vögel läßt sich irgend etwas Bestinuutes
sagen. Doch scheint es aus dem Verse hervorzu-
gehen, daß Indra, richtig verehrt, die Welt vor diesen
Vögeln zu schützen vermag. An einer andern Stelle
des Rigveda wird Indra angefleht, seltsame vogelge-
staltige Dämonen zu vernichten, vor ihnen zu
schützen. Es heißt RV 7, 104, 22: ,Den Eulen-
dämon, den üliudämon, töte du, den Hundedämon
und den Kuckuckdämon ! Den Adlerdämon und den
G-eierdämon zermalme du wie mit einem Mühl-
stein, schütze, o Indra I' — Es ist gewiß n ich
unmöglich, daß zwischen diesen vogelgestaltigen
Dämonen, den menschenfressenden Vögeln des
Riin-eda, vor denen Indra schützt, und den stym-
phalisclien menschenfressenden Vögeln, die He-
rakles tötet oder vertreibt, ein Zusammenhang
besteht, doch gelangen wir hier zu keiner vollen
Sicherheit.
Wesentlich anders steht die Sache denn doch
bei der Geschichte vom Stalle des Augeias und
seiner Reinigung durch Herakles. Sie verdient da-
her eine nähere Betrachtung.
Augeias ist ein m^^thischer Fürst in Elis,
dessen Name ihn als den Strahlenden zu be-
zeichnen scheint. Er wird ein Sohn des Helios
fi-enannt und es heißt, daß Strahlen von seinem
Auge ausgingen. Sein Schatzhaus war so be-
rühmt wie dasjenige des Minyas und vor allem
soll er einen fabelhaften Reichtum an Herden
besessen haben. ,Es sind Lämmer und Rinder,
zahllos wie die Wolken am Himmel, darunter
zwölf dem Helios geweihte Stiere, die so weiß
wie schimmernde Schwäne sind, einer heißt Phae-
ton, der wie ein Stern funkelt. Das Gehöfte lag
am Flusse Menios. Die Aufgabe des Herakles
war. die unendlichen Stallunsren an einem Tage
und ganz allein auszumisten. Er erreicht es da-
durch, daß er eine Öffnung in der Grundmauer
macht und darauf jenen Fluß so abgräbt, daß er
hindurchströmt. Es wird noch erzählt, daß Au-
geias ihm vorher den zehnten Teil versprochen,
sich aber hernach, weil er sein Werk doch nur
als Dieustmann des Eurystheus getan, dessen ge-
weigert.' Dadurch wird der spätere Krieg des
Herakles gegen Elis motiviert.^).
Preller fügt noch hinzu: ,Jene Herden des
Augeias mögen ursprünglich wie die des Minos
auf Kreta die himmlischen Heerscharen der Ge-
stirne, ihr Mist den Unrat des Winters bedeutet
haben, dessen Gewölk und Nebel das schöne Ge-
höft des Himmels ganz bedeckt und entstellt.
Herakles schafft eine Öffnung dadurch, daß er
eine Rinne macht und mit einer reißenden Strö-
mung hindurchfährt; vgl. Hiob 38, 25 : Wer hat
dem AVasserguß die Rinne geöffnet und dem don-
nernden Blitze den Weg?'
Wir können diese Deutung zunächst auf sich
beruhen lassen, sehr bemerkenswert aber erscheint,
daß das Graben der Wasserrinne, des Kanals,
der hier aus dem Flusse Menios in den Kulistall
des Augeias führt, durch eine anderweitige ähn-
liche Tätigkeit des Herakles in interessanter Weise
beleuchtet und gleichsam ins Allgemeine erho-
ben wird. Vor allem wurde Herakles in der arkadi-
schen Stadt Pheneos als Held und Wohltäter der
Gegend gefeiert. Man nannte ihn ,den Urheber
jener unterirdischen Abzüge, die diesen tiefen
Talkesseln anstatt eines regelmäßigen Abzuges
der leicht stagnierenden Gewässer dienen muß-
ten'.^) Man rühmte sich an jenem Orte .eines
längeren Aufenthalts und verschiedener Arbeiten
und Stiftungen des argivischen Helden, namentlich
raond zu erkennen haben. Es wird dann nur die ursprüngliche Zeit des Jagens sich auf einen Monat bescliränkt haben müssen
und erst später auf ein Jahr verlängert sein, als Sonne und Sonnenjahr sich in den Vordergrund drängten, und dem-
entsprechende Übertragungen auch im Mythus stattfanden. Dann wäre aus dem alten Mondhirsch später ein Sonnenhirgch
geworden.
') Vgl. Preller. a. a. O. II p. 197.
») Vgl. Preller, a. a. O. p. 199.
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 198.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 58 Bd. 3. Abb.
50
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
der Anlage der für die Kultur seines eng ver-
schlossenen Tales überaus wichtigen Katabothrou'.i)
Das Wort bedeutet , Grube, Graben, Brunnen,
Höhlung" und bezeichnet hier jene unterirdischen
Abzüge, die das angestaute Wasser ableiteten.
Das Graben von Wasserrinnen und Abzugskanälea
ist also eine dem Herakles zugeschriebene, von ihm
als Kulturheros gerühmte Tätigkeit, die er bei
längerem Aufenthalt, namentlich in der Gegend
von PheucüS, geübt haben soll. Diese Gegend ist
aber nicht nur Elis, dem Lande des Augeias be-
nachbart, sie wird mit der Augeiassage noch
dadurch enger verbunden, daß Herakles angeb-
lich seinen Rachekrieg gegen Elis und König
Augeias, wegen der ihm widerrechtlich vorent-
haltenen Rinder, des seinerzeit ausbedungenen
Lohnes für die große Stallreinigung, von der
Stadt Pheneos aus geführt haben soll.-) Der ge-
feierte Kanalgräber wollte seinen Lohn für den
in Augeias' Stall geleiteten Wasserkanal nicht
gutwillig fahren lassen.
Wenn manche auch ,den Durchbruch beim
Olymp und Ossa, die erste Bedingung der Kultur
von Thessalien, welche sonst dem Zeus zuge-
schrieben wurde, ein Werk des Herakles nannten
und wenn dieser, in verschiedenen Gegenden auch
als Quellengott, d. h. als ^^^uffinder süßer und befruch-
tender Quellen und als Freund der Nymphen verehrt
wurde', ^) dann scheint auch hierin ein verwandtes
Wirken vorzuliegen. Vor allem aber charakteristisch
ist für Herakles das eben erwähnte Graben von
Wasserrinnen und Kanälen.
Wohl mit Recht hat Preller jene Hiobstelle
(s. oben p. 49) als Parallele zum Vergleich her-
angezogen und damit auf den Wasserguß und
-fluß heim Gewitter hingewiesen. Weit näher
aber liegt hier der Vergleich mit der so oft ge-
rühmten Heldentat des Gewittergottes Indra, und
hier beschränkt sich die Parallele nicht bloß auf
das Graben der AVasserriimen.
Die Arbeit, welche Herakles im Interesse
des Augeias leistet, zerfällt im wesentlichen in
zwei Teile: 1. Er bricht den Stall des Augeias auf,
macht eine Öffnung in die Grundmauern desselben;
2. er gräbt eine Wasserrinne und leitet durch die-
selbe das Wasser in den Stall, um den Mist der
Herden fortzuschwemmen. Beide Teile dieser Tä-
tigkeit, das Erbrechen des Stalles wie das Gra-
ben der Wasserrinne, sind höchst charakteristische
und oft gerühmte Taten des Indra. Ein wesent-
licher Unterschied besteht nur darin, daß He-
rakles den Wasserkanal in den Stall iiineinleitet,
während Indra den Stall erbricht, um das Wasser
aus demselben herauszuleiten, einen Abzug des
in dem Stall angestauten Wassers zu schaffen,
wie Herakles solche Abzüge in den Katabothren
von Pheneos hergestellt haben soll. Wie die
Sage in Griechenland dazu kam, diese Differenz
zu entwickeln, wie die letztere ganz leicht und
natürlich, ja fast mit Notwendigkeit sich eut-
vv'ickeln mußte, ^xill ich gleich weiter imten zu
zeigen suchen. Vorerst sei es mir nur noch ge-
stattet, jene doppelte Tätigkeit, das Erbrechen
des Stalles und das Leiten des Wassers, das Gra-
ben der Wasserrinnen im Indramythus durch einige
Belege zu erhärten und anschaulich zu machen.
Das Öffnen oder Aufbrechen eines in der Him-
mels-, respektive Wolkenregion befindlichen Stalles
ist eine wohlbekannte, gerüiimte, typische Heldentat
des Indra. Kein Zweifel, daß dieser , Stall' nichts
anderes ist als der sonst oft genug genannte Wol-
kenberg (pärvata) oder die Höhle (väla), die Burg
(pur), die Indra aufbricht oder spaltet, um die
darin gefangen gehaltenen Rinder zu befreien.
Diese Rinder erscheinen bald als die Wolken-
wasser, respektive als mythische Wesen, deren
Milch die Regenwasser sind, bald wieder als die
Sonnenstrahlen, das Himmels- oder Sonnenlicht,
also Sonnenrinder, ähnlich denen, die sich im
Stall des Augeias befunden haben sollen. Diese
doppelte Auffassung der respektiven mythischen
Tiere steht ganz im Zusammenhang mit der schon oft
erwähnten doppelten Heldentat des Indra, die sich
als Gewinnung des Regens und des Sonnenlichtes
zugleich charakterisiert.*) Die Tiere des Stalles,
den Indra erbricht, sind meist als Rinder be-
zeichnet, neben den Rindern aber erscheinen mehr-
fach auch Rosse. Von Lämmern, wie sie der Au-
geiasstall neben den Rindern enthält, selieint liier
nicht geredet zu werden.
, Öffne den Stall der Rinder, o Indra!' fleht
der Sänger; ,ersiege du die Wasser samt dem
Himmelslicht, schüttle du uns die Rinder zu!-
(RV 1, 10, 7. 8). Ich tötete den Vritra mit dem
Donnerkeil, ich erschloß mit Macht den Stall für
den Verehrer', — rühmt sich Indra (RV 10,
28, 7). ,Du bist der Eröffner des Stalles der Rin-
der', ruft der Sänger (RV 4, 20, 8). Und an einer
andern Stelle: ,Das ist seit alters deine prei-
senswerte Tat, daß du, o Indra, für die Aiigiras
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 238.
=>) Vgl. Preller, a. a. O. 11 p. 274.
ä) Vgl. Preller. a. a. 0. 11 p. 238.
*) Vgl. Macdonell, a. a. O. p. 59. Gl. Audi Mitra, Heft 1, p. 21. 22.
Herakles und Indra.
51
den Stall geöffnet, helfend den Stall g-eöffnet hast'
(RV 1, 132, 4). Bald ist es Bitte — denn die Tat
wiederholt sich fort und fort — , bald ist es
Preis der vollbrachten Tat: ,Den Stall des Rin-
des und des Rosses sollst du, o Held, erbrechen
(aufbrechen, spalten) wie eine' Burg!' (püram
nä füra darshasi RV 8, 32, 5). „Zum rinderrei-
chen Stall soll der Dämonentöter gehen, mit
seiner Kraft ihn uns eröffnen' (RV 6, 45, 24).
.Mit Liedern klug des Himmels Fels eröffnend
— erschloß er die im Stall befindlichen (Kühe),
es ging hervor das Himmelslicht, der Gott er-
schloß die menschenfreundlichen Türen, als Sonnen-
glanz tat auf die Sonne iiire Schönheit, es kam
aus dem Stall die kundige Mutter der Kühe, die
Flüsse wogen über die Flächen, — , wie eine
wohlerrichtete Sänle ward der Himmel fest"
(RV 5, 45, 1. 2). ,Mit Indra als Genossen haben
die Boten (die Angirasen) den Rinder und
Rosse enthaltenden Stall entleert' (RV 10,
62,7).^)
,Nicht hinderte dich, du vielgerufener, der tiefe
Strom, nicht die Felsen rund herum, als du, o
Indra, den festen Kuhstall erbrächest' (RV 3, 32,
16).^) ..Den Fels zerblitztest du mit Macht, fan-
dest auf den Stall der rötlichen Kühe" (RV 5,
30, 4). , Trink den Soma, den du, Gewaltiger,
erbohrtest, den Stall der Rinder, o Indra, der du
hoch gepriesen bist" (RV 6, 17, 1). ^) Er, der
Vritratöter Indra, erschüttert den Verschluß des
Stalles der Rinder (RV 8, 55, 3). ,Die Menschen
rühmen das von dir, o Indra, die sich den rin-
derreichon Stall erbohren wollen.'*) (RV 10,
74,4).
Ebenso typisch, ebenso sicher bezeugt für In-
dra wie das Aufbrechen, Öffnen, Erbohren des
Kuhstalls ist das Leiten der Wasserströme, das
Fließenmachen, Bahnnincheu, das Ritzen, Auf-
reißen, Aufgraben von Rinnen oder Kanälen für
den Fluß der Gewässer, die er aus ihrem Ge-
fängnis, ihrem Verschluß oder Versteck befreit.
Diese Wasserströme sind ohne Zweifel ursprüng-
lich und an den meisten Stellen des Veda die
himmlischen Gewässer, die der Gewittergott rinnen
läßt, aber es sind auch ebenso gewiß gelegentlich
irdische Flüsse damit gemeint. Oldenberg ist so
weit gegangen, diese Tat des Indra überhaupt auf
irdische Ströme beschränken zu wollen, jedenfalls
mit Unrecht, doch darf man für manche Stellen
des Veda solche Bedeutungais gesichert betrachten.^)
^A'ir sehen da in partieller Weise denselben Pro-
zeß durchgeführt, respektive sich anbahnen, der
in Griechenland in so ausgedehntem Maß statt-
gefunden hat und auch für das Anlegen von
Wasserleitungen und Kanalbauten bei Herakles
gilt: die Versetzung ursj)rünglich im Himmels-
raume gedachter Vorgänge auf die Erde, ihre
Lokalisierung an bestimmten Oi'ten und Gegen-
den, die dazu einen passenden Anhaltspunkt
bieten.
Mehrfach wird bei der Schilderung dieser
Tätigkeit des Indra die W^urzel rad angewendet,
die so viel bedeutet wie Vertiefungen machen
durch Ritzen, Kratzen, Beißen. Aufreißen, Hacken,
Graben ; eine Bahn schürfen, insbesondere für
Ströme die Bahn machen, eigentlich also auf-
reißen, wie man Rinnen oder Gräben reißt (vgl.
lat. rädere und rodere, rastrum u. a. m.). So ist
RV 7, 47, 4 von den Wassern die Rede, denen
Indra die Bahn riß (yäbhya indro i'iradat gätum),
ähnlich RV 7, 49, 1 von den göttlichen oder himm-
lischen Wassern, denen der Donnerkeilträger In-
dra die Bahn riß (indro yä raräda). ,Jetzt ist
und bleibt nur dieses Werk der Ströme, daß du,
olndra, ihnen die Bahn gerissen', heißtesRV6, 30,3,
und weiter, die gewaltige Bedeutung des Werkes
schildernd (v. 5) : ,Du hast des Wassers Tore
nach allen Seiten hin, hast, o Indra, des Berges
Feste gebrochen ; so wurdest du König der
Welt und der Menschen, erzeugtest zugleich die
Sonne, den Himmel, die Morgenröte.' Etwas an-
ders RV 4, 19, 2: ,Du schlugst den Drachen, der
die Flut umlagerte, rissest die Bahnen für alle
die Kühe', — wo unter den Kühen natürlich
') Auch .Soma, der ja den Indra zu seiner Tat stiirkt und begeistert, wird als Erbreclier des Stalles der Rinder
und Rosse gepriesen, respektive dazu aufgefordert ; auch er hat die rötlichen, die Wasser-Kühe aus dem Fels gespalten
(RV 9, 108, 6).
') driijhärn cid arujo gävyara firräm; in den zuerst angeführten Stellen wird der Stall als vrajä, in dieser und den
folgenden als iirvA bezeichnet.
') Das Erbohren des himmlischen Soma und des lv\ihst;\lls fallt offenbar zusammen, da dieser Souia und die Milch
der WolUenkühe eins und dasselbe ist.
*) abh{ — titritsän. — Der Kuhstall öffnet sich wohl auch gelegentlich schon aus Furcht vor Indras Schlag, vgl.
RV 3, 30, 10 alätrinö valä indra vrajö göh purä häntor bhi'iyamäno vyära.
*J Vgl. Oldenberg, Religion des Veda p. 140 fg.; Maodonell a.a.O. p. 59. 60; und früher schon meine .Bemerkungen
zu Oldenbergs Religion des Veda', WZKM Bd. IX, p. 2.30—233.
52
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedek.
auch wieder die Wasser zu verstehen sind. Deut-
lich aber haben wir es mit irdischen Strömen zu tun,
wenn in dem berühmten Liede RY 3, 33 die bei-
den Flüsse Yipa? und Outudri mit dem Sänger
reden und zu ihm sagen (v. 6) : ,Den Blitz im Arm
riß Indra uns die Bahn, erschlug- den Vritra,
der die Strome einschloß' (s. auch 10, 89, 7).
Die Rinnen oder Betten, in denen Indra
die Wasser laufen läßt, die er für sie bereitet,
werden öfters mit dem Ausdruck kha, plur.
khani bezeichnet. Dies Wort kommt von der
Wurzel klian ,graben' und bedeutet soviel wie
Loch, Rinne, Röhre, Kanal, — eigentlich offen-
bar der durch Graben gewonneiae freie Raum
innerhalb eines festen Körpers. Indra erbohrt, er-
bricht, eröffnet mit seinem Donnerkeil solche
Rinnen für die Wasser in dem Wolkenberg, der
zugleich in dem Bilde eines Kuhstalls vorge-
stellt wird, aljer auch in irdischen Bergen. Er
hat mit dem Donnerkeil die Rinnen der Ströme
erbohrt, heißt es in dem Indraliede RV 2, 15, 3.^)
Dabei ist auch das hier und öfters in diesem Zu-
sammenhang gebrauchte Verbum ,erboliren' (tard,
trid) charakteristisch, da es schon an sich das
Herstellen einer Öffnung, Rinne oder Röhre an-
deutet. Es heißt auch von Indra und Varuna, die
ja oft zusammen genannt werden, sie hätten die
Löcher, die Rinnen oder Kanäle der Wasser er-
bohrt (RV 7, 82, 3).") Aber auch, wenn einfacher
von Indra gesagt wird, er habe die Ströme er-
bohrt (atrinat siräh RV 4, 19, 8), liegt diese Vor-
stellung zugrunde. Ebenso wenn der Sänger
von den Rindern spricht, mit denen er die
Wasser meint: , Erbohre die Rinder, o Indra!'
(RV 6, 17, 3).^) Oder wenn es heißt, Indra habe
die Öffnungen, Rinnen oder Kanäle ,, geöffnet"
oder jfließen gemacht'. So z. B. RV 4, 28, 1 : ,In-
dra machte die Wasser fließen zum Besten des
Menschen, er tötete den ^Uii, er ließ die sieben
Ströme rinnen, er öffnete die verborgenen Löcher
(Rinnen oder Kanäle).'-*) Oder RV 5 32, 1: ,Du
hast den Quell erbrochen, machtest fließen die
Rinnen, als du, o Indra, den großen Berg eröff-
netest und fließen machtest die Ströme.'^)
Man wird daher Macdon oll nur recht geben
können, wenn er von Indra sagt: he, dug out
Channels for the streams with his bolt' oder ,made
a Channel for the rivers, pierced the mountain' etc.^)
Es liegt aber auch auf der Hand, wie deutlich sich
diese Tätigkeit des Indra mit derjenigen des He-
rakles deckt, der die Katabotliren bei Pheneos
hergestellt und den Wasserkanal zum Stalle des
Augeias gegraben haben soll. Und dies noch um
so deutlicher, wenn es sich auch bei Indra bis-
weilen, vielleicht öfters um das Leiten irdischer
Wassermassen in ihren Betten handelt.
Für die Katabothren von Pheneos liegt die
Verwandtschaft klar am Tage. Sie springt aber
bei der Geschichte vom Stalle des Augeias inso-
fern noch mehr in die Augen, als sich hier jene
beiden, für Indra so charakteristischen, zusammen-
gehörigen Taten — das Aufbrechen des Kuh-
stalls und das Herstellen der Wasserleitung —
miteinander organisch verbunden zeigen. Sie
tritt auch in dem LTmstande hervor, daß die Ar-
beit des Herakles im Interesse des Augeias ge-
schieht. Denn Augeias, der Strahlende, aus dessen
Augeu Strahlen hervorgehen, der ein Sohn des
Helios genannt wird, kann kaum etwas andres
sein als eine Hypostase des Sonnengottes, zumal
dies noch durch seine zwölf dem Helios geweihten
Stiere, unter denen sich der glänzende Stier Pliae-
ton befindet, zur Genüge weiter bestätigt wird.
Indra aber tut ja seine große Heldentat nicht
nur zur Befreiung der himmlischen Wasser, son-
dern ebenso im Interesse des himmlischen Lichts,
das er befreit, gewinnt, erobert, den Menschen
schenkt. Die große und wesentliche Differenz des
indischen und des griechischen Mythus liegt nur
in dem Umstände, daß die Arbeit des Herakles
zur Reinigung der StäUe des Augeias geschieht
und daß er zu diesem Zwecke das Wasser in
den Stall hineinleitet, wovon bei Indra nicht die
Rede ist, der vielmehr die Wasser aus dem Stalle
herausleitet, die Wasser und die Kühe aus dem
Stalle befreit, — die Kühe, die bald selbst als
die Wasser, bald als himmliche Lichterscheinungen
sich bekunden. Diese Differenz, die wir durchaus
nicht kleiner machen wollen, als sie tatsächlich
ist, erklärt sich, wie ich glaube, in durchaus be-
friedigender Weise durch den mehrfach erwähnten
Umstand, daß in Griechenland die Vorgänge der
Wolkenregion auf der Erde lokalisiert worden
sind, daß aus dem himmlischen Stall ein irdischer,
der Stall eines Königs von Elis geworden war.
Hier konnte nun nicht weiter von Gräben und
') väjrena khäny atrinan uadinam.
') RV 6, 17, 3: ablii gä indra trindhi.
') RV 5, 32, 1: ddardar ütsam asrijo vi kliAiii usw.
'; Vgl. Macdonell, a. a. O. ].. 59. 60.
'') RV 7 8-2, 3: änv apäm khäny atyiiitam öjasä.
■■j RV 4, 28, 1 : äpävrinod äpüiiteva khani.
Heeakles und Ikdea.
53
Kanälen erzählt werden, durch welche befruch-
tendes AA'asser aus dem Stalle herausgeleitet wurde.
Eine solche Erzählung mußte notwendigerweise
bei der Lokalisierung des Mythus auf Erden zur
handgreiflichen Absurdität werden. Doch das Auf-
brechen des Stalles und das Graben der Wasser-
rinne in Verbindung mit dieser gewaltsam ge-
wonnenen Öffnung waren uralte Elemente des
Mythus, die weiter lebten, obwohl sie nun nicht
mehr wie in Indien einen unmittelbar verständ-
lichen Sinn hatten.
Es muLke hier ganz naturgemäß und fast not-
wendigerweise beim Weiterleben der Sage vom
Stall und vom Wasserkanal ein andrer, einleuch-
tender, jedermann begreiflicher Sinn hineingebracht
werden, es mußte ein Motiv für die überlieferte
Großtat des Helden sich finden. Und da lag es
sicherlich gar nicht so ferne, das Wasser des
Kanals nicht mehr aus dem Stalle, sondern in den
Stall hineinfließen zu lassen und als Zweck dieser
Handlung die Reinigung des Stalles von dem Mist
seiner massenhaften Herden anzunehmen. So
war dies zwar eine des großen Helden nicht
sehr würdige, dafür aber ganz wohl verständliche
Tat geworden, die an ihrem Teil wohl dazu bei-
tragen mochte, jene griechische Vorstellung schaffen
zu helfen, nach welcher Herakles einen so her-
vorragenden Teil seiner Taten im Banne einer
unwürdigen Dienstbarkeit auszuführen gezwun-
gen ist.
Eine kosmische Deutung des Mistes der
Augeias-Kiuder und seiner Wegsehaffung durch
Herakles, wie Preller sie versucht, bedürfen wir
unter diesen Umständen natürlich gar nicht. Dieser
Mist und die Reinigung des Stalles haben sich
uns ja bereits als ätiologische Erfindung einer
Zeit enthüllt, in welcher der alte Mythus seinen
ursprünglichen kosmischen Boden bereits endgültig
verlassen und verloren hatte, zur griechischen
Lokalsage geworden war.
Es scheint, daß die Gegenden von Pheneos
und Elis, durch die Sage selbst enger verbunden,
speziell die alte mythische Vorstellung vom Kanal-
graben und Wasserleiten des Herakles aufbewahr-
ten, während in Argolis namentlich die Tötung
von Ungeheuern, des Löwen, der Hydra, mit
Regenzauber verbunden, sich erhalten und lokali-
siert hatte. Andre Gegenden bevorzugten andre
Züge der überreichen Heraklessage. Der Kuh-
stall begegnet uns außer in Elis auch sonst noch
vielfach, wenn auch in ganz anderer Wendung
des Mythus, als ein Herausholen der Rinder aus
ihrem Stall, respektive der Höhle, in der ihr Be-
sitzer sie hält, ein Gewinnen und Erobern dieses
kostbaren Besitzes. Ein Nachklang dieses dem
Indramythus so sehr charakteristischen Zuges ist
trotz der totalen Motivenänderung vielleicht auch
noch in der Augeiasgesehichte zu erkennen. Hera-
kles hatte sich als Lohn für seine Arbeit den
zehnten Teil der Herden ausbedungen, aber An-
gelas weigert ihm später die Erfüllung dieser Be-
dingung, mit der schimpflichen Begründung, er
habe das Werk doch nur als Dienstmann des
Eurystheus getan. ^) Dies ist die Veranlassung zu
dem Kriege, den Herakles sj>äter von Pheneos
aus gegen Elis und Angelas führt, wo er zuerst
durch die heldenhaften Aktorionen geschlagen
wird, dann aber doch siegreich ist und diese
Gegner wie auch den Augeias selbst tötet.-) Er
erreicht also schließlich seinen Zweck in weitestem
Maße. In dieser zweiten Sage von Herakles in
Elis hat sich augenscheinlich jener uralte Zug des
Mythus erhalten, der in der Gescliichte der Stall-
reinigung untergehen mußte, — der Kampf gegen
den Besitzer des Stalles, zum Zwecke der Rinder-
gewinnung. Dabei ist Augeias zum Feinde des
Herakles geworden und steht an der Stelle, wo
bei Indra der böse Dämon Ahi-Vritra steht, wäh-
rend er in der Geschichte von der Stallreinigung
vielmehr als der Sonnengott erscheint, in dessen
Interesse der Held seine Tat ausführt. So erhielt
sich die Geschichte vom Kampfe trotz der Mo-
tivenänderung, durch eine Spaltung und Ver-
doppelung des Dramas, und sie war unter diesen
Umständen auch kaum auf andre Weise zu er-
halten.-')
Wenn auch das Herstellen A'on Wasserkanälen
bei Herakles auf die Gegend von Piieneos und
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 199.
^) Vgl. Preller, a. a. O. p. i31-->39.
=) Die merkwürdige Gestalt der beiden Aktürionen oder Molioiiideu, die den Kulim haben, daß selbst Herakles ihnen
zuerst weichen mußte, würde es wohl verdienen, besonders untersucht zu werden. Sie waren Zwillinge und werden sogar
zusammengewachsen gedacht. , Immer .sind sie die Einheit von zwei Personen, daher stets im Dual benannt, "Aztopiow; und
MoAiovc oder zugleich 'A/.topioivs MoX'lo/;' (Preller, a. a. ü. II p. -237). Diese sonst im Griechischen nicht übliche Art der Be-
zeichnung erinnert merkwürdig an die bekannten dualisclien Dvandvabildungen von Götternamen im Veda, von denen
jeder einzelne im Dual steht und auch einzeln .,rel)raucht beide Gestalten bezeichnet, z. B. miträvarunä, aber auch miträ
allein
54
III. Abhandluis'g: Leopold v. Scheoedee.
Elis beschränkt erscheint, so ^-erden wir doch
Tvohl, wie schon erwähnt, auch das Durchbrechen
von Bergen und Auffinden süßer, befruchtender
Quellen als eine verwandte Tätigkeit hier ein-
reihen dürfen, zu welcher sich reichliche Parallelen
im Indramythus vorfinden.
Der Durchbruch beim Olymp und Ossa wird
für gewöhnlich dem Zeus zugeschrieben, von
manchen aber auch ein Werk des Herakles ge-
nannt. ^^'as in der Regel als Werk des großen
Gewittergottes gilt, wird also gelegentlich auch
dem alten Gewitterriesen zugeschrieben. Bei Indra,
dem alten Gewitterriesen, der ganz zum großen
Gewittergott geworden ist, wird das Aufbrechen,
Öffnen, Spalten von Bergen oft genug erwähnt und
gepriesen, es unterliegt auch keinem Zweifel, daß
damit zunächst und in erster Linie Wolkenberge
gemeint sind, wenn es sich wohl auch gelegent-
lich schon um irdische Berge handeln mag, wie
wir das entsprechend schon bei den Flüssen wahr-
genommen haben.
,Er spaltete den Berg wie einen neuen Krug',
heißt es von Indra (RV 10, 89, 7).i) ,Er spaltete
den Berg, mit Macht den Donnerkeil schleudernd'
(RV 4, 17, 3).2) Er hat den breiten, eine Höhlung
enthaltenden Berg gespalten, für die Kühe eine
Bahn hinauszugehen.^) Indra öffnete den großen
Berg, ließ die Ströme fließen.*) Oder es heißt.
auch, der Berg habe sich vor ihm aufgetan '')
u. dgl. m.
Beim Spalten des Berges aber findet und er-
schließt Indra die befruchtenden Quellen. .Du
erbrachst den Quell, ließest fließen die Rinnen',
heißt es in einem oben angeführten Verse (RV 5,
32, 1), ,als du, 0 Indra, den großen Berg eröffnetest.'
Und weiter (v. 21: ,Du ließest strömen die zeit-
weise eingezwängten Quellen, das Euter des Ber-
ges, du Donnerkeilträger!' Es heißt von Indra,
daß er den Quell erkämpfe (RV 1, 121, 8)'')
u. dgl. m.
Die Übereinstimmungen sind hier so deiit-
lich, daß wir nichts hinzuzufügen brauchen.
Wenn Herakles aber auch mit den Nymphen,
den schönen Quell- und Wassergöttinnen in Zu-
sammenhang gebracht und als ihr Freund ver-
ehrt wird,') dann werden wir wohl darauf hin-
weisen dürfen, wie eng in der Mythologie des
indischen Mittelalters Indra mit den Apsarasen
zusammengehört, jenen schönen himmlischen
Wasserfrauen, die zweifellos den griechischen
Nymphen entsprechen.
Die Apsarasen bilden den Glanzpunkt im
Hofstaat des Götterkönigs Indra. der sich ihrer
bekanntlich gern zu delikaten Missionen bedient.
Im Veda tritt diese Beziehung nicht hervor, doch
kann sie nichtsdestoweni£:er alt sein.
Es folgen drei Taten des Herakles, die wir
kurz abmachen können und müssen, da ihnen nur
wenig oder nichts deutlich Entsprechendes bei
Indra gegenübersteht.
Der kretische Stier, den Herakles bändigt
und nach Mykenae bringt, wird allgemein und
wohl mit Recht als der Sonnenstier gedeutet, —
die Sonne also im Bilde eines Stieres gefaßt. Man
könnte diese Tat gewissermaßen als Spezialfall
zu der Erbeutung der
als Herden gedachten
Sonnenrinder betrachten, wie sie in der Sage von
Geryones und ihren zahlreichen Parallelen, viel-
leicht ursprünglich auch in der Augeiassage, sich
ausprägten und deutlich der Erbeutung jener
Rinderscharen bei Indra entsj>rechen, die sich als
Repräsentanten des Sonnenlichts erweisen. Man
könnte ebenso im allgemeinen die oft gerühmte
Gewinnung der Sonne, des Himmels- oder Sonnen-
lichts, bei Indra. dieser Tat des Herakles gegen-
überstellen, und etwa zugleich darauf hinweisen,
daß kaum ein Bild für große Göttergestalten
im Veda geläufiger ist als dasjenige eines Stieres.
Allein dies alles darf die Tatsache nicht ver-
schleiern, daß ein Mythus von der Bändigung
und Herbeiholung des Sonnenstieres bei Indra
nicht nachzuweisen ist. Nicht einmal die Auf-
fassung speziell der Sonne als eines Stieres darf
als eine dem Veda o'eläufijre bezeichnet werden.
') EV 10, 89, 7 bibheda giriin nävam fn nä kumbhära.
*) RV 4, 17, 3 bhinäd girim fävasä väjram ishi'ian.
") RV 8, 45, .30 yäh kviiitad id ti yonyäiii triiji'ikäya girim prilhüm, göbhyo gätüiii niretave.
*) RV 5, 32, 1 maliaiitam indra pärvataip vi yäd Tah, srijo vi dhära äva dänaväm han.
°) RV 5, 45, 3 vi pärvato jüiita; dazu v. 1 divö vishyänn ädrim.
") RV 1, 121, 8 abhi yodhäna ütsam.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 274.
Herakles und Indra.
55
wenn sich auch Anklänge daran finden lassen *)
und das Bild des Stieres hei vedischen Gottheiten
überhaupt sehr häufig ist, so daß es oft kaum
mehr zu bedeuten scheint als ein sehr starkes
männliches Wesen. Indra speziell wird oft genug
als ein starker Stier gefeiert, auch sein Vorgänger
Parjanya als solcher geschildert. Gerade der
Sonnenstier, respektive die Sonne unter diesem
Bilde gedacht, ist weniger bestimmt erweisbar,
und von einer Bezwingung solchen Stieres durch
Indra hören wir vollends nichts. Das einzig Rich-
tige erscheint daher unter diesen Umständen, die
Tatsache festzustellen, daß zwar Elemente, aus
denen ein solcher Mythus sich bilden konnte, dem
Veda nicht fehlen, desgleichen Parallelen all-
gemeiner Art, daß aber der Mythus selbst, den
die griechische Sage uns in scharfumrissenen Bil-
dern vorführt, in der indischen, speziell der ve-
dischen Mythologie nicht zu finden ist.
Da die gi-iechische Sage hier mit großer Be-
stimmtheit auf Kreta hinweist, wäre wohl auch die
Frage noch aufzuwerfen, oh wir es nicht vielleicht mit
einem ursprünglich ungriechischen Mythus zu tun
haben, wie solche doch vielfach in die griechische
Mythologie, speziell auch in die Heraklessage ein-
gedrungen sind und sich wohl auch in der kreti-
schen Zeussage geltend machen. Kreta besaß ja
wohl schon höhere Kultur, ehe arische Griechen
dort landeten. Indessen sind wir außerstande,
diese Frage hier zu erörtern. Für unsere Zwecke
genügt ja wohl auch die obige negative Feststellung.
Einigermaßen anders steht es mit der merk-
würdigen Fabel von den menschenfressenden
Rossen desDiomedes, des thrakischen Königs,
dem Herakles im Auftrage des Eurystheus die
furchtbaren wilden Tiere abgewinnt, wobei Dio-
medes selbst umkommt und von Herakles seinen
eigenen Rossen zum Fraß vorgeworfen wird.^) Der
Mythus weist uns nach Thrakien, zu einem zwar
barbarischen, aber doch arischen Völkerstamm. Hier
liegt der Gedanke an etwaige orientalische Ein-
flüsse fern. Der Mythus hat auch etwas selt-
sam Rohes, Barbarisches an sich. Einem nörd-
lichen Barbarenfürsten, einem Thrax, gewinnt
Herakles die furchtbaren Rosse ab, deren schrecken-
erregende Wildheit ihrem Besitzer wohl im Kampfe
gegen seine Feinde hilfreich sein mochte, denn
ganz gegen die sonstige Natur der Pferde stürzten
sich ja diese unholden Geschöpfe auf Menschen
und verschlangen das Fleisch derselben. Speziell
wird als ihre Nahrung das Fleisch der au die
thrakische Küste Verschlagenen angegeben.
Es mag dahingestellt bleiben, welche Natur-
vorgänge der Vorstellung von diesen seltsamen
Rossen des Diomedes zugrunde liegen. Vielleicht
hat Preller recht, wenn er als ihre allegorische
Bedeutung die des Sturms und der Wogen ver-
mutet, wenn er in Diomedes selbst einen Sturm-
und Winterkönig, in seinen Rossen die Sturmrosse
der thrakischen Küste sehen will. 3) Interessant
ist hier für die Vergleichung vor allem der Um-
stand, daß wir im Rigveda einen schönen, klaren
und kräftigen Hymnus finden (RV 6, 46), in wel-
chem Indra angefleht wird, seine Getreuen im
Kampfe zu schützen und zu unterstützen, ihnen
alle Kraft, alle männliche Stärke und Tüchtigkeit
von den Nachbarvölkern herbeizuschaffen und zu
schenken, damit sie die Feinde im Kampf be-
siegen mögen usw. Zum Schluß aber wird dann
Indra selbst geschildert, wie er bei solcher Ge-
legenheit in der großen Schlacht die Renner an-
treibt, die Falken oder Adlern gleich über Stock
und Stein dahinjagen, wie Ströme auf abschüssi-
ger Bahn dahineilend, wie Vögel sich stürzen
auf das Fleisch, von dem Lenker am Zügel
gehalten.
Das Lied ist wie aus einem Guß, kraftvoll,
lebendig, schön gedichtet, bricht zuletzt nur etwas
unerwartet, abrupt ab. Ich will nur einige der vier-
zehn Verse und den oben geschilderten Schluß an-
führen:
1. Dich rufen ja wir Sänger bei der Beute-
gewinnung, dich, 0 Indra. den Herrn, die Männer
im Kampfe und auf der Rennbahn.
7. Was, o Indra. bei den Nachbarvölkern an
Kraft und Stärke sich findet, was an Macht unter
den fünf Menschenstämmen, all die Manneskraft
zusammen l)ring herbei!
>) In einem Vishuu-Liede, EV I, lö4, heißt es im letzten (6.) Verse: .Wir verlangen zu euer beider Wohnungen zu
wehen wo vielhöniio-e unermüdliche Rinder wandeln; dort strahlt des woitschreitenden Stieres höchste Stapfe.' Von Sonnen-
rindern dürfte hier wohl die Rede sein. Der Stier (vrishan), der sich aber auch als ,Heng:st' oder ,Mann' übersetzen läßt,
dürfte indessen Vishi.m selber sein, wie die Eigenschaft des Weithinschreitens und die Fußstapfe wolil beweisen. — Vishnu,
vielleicht hier schon als Sonnengott gefaßt. Der andre von den beiden in jenen Wolinungen scheint Indra zu sein und
von Stierbündigung ist. wie man sieht, keine Rede.
») Vgl. Preller, a. a. 0. II p. 201.
») Vgl. Preller, a. a. O II p. 201.
56
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoeder.
8. Was beim Trikshi,') du Gabenreicher, beim
Druhyu-Volk, was beim Püru sich irgend an
mannhafter Stärke findet, das schenke du uns in
der Mänuersclilacht, die Feinde in den Kämpfen
zu überwinden.
11. Sei uns zum Heil, o Tndra, fördre du den
Führer in der Schlacht, wenn in der Luft die ge-
fiederten Geschosse mit scharfer Spitze fliegen ;
12. Wo die Helden ihre Leiber recken, die
liebe Schutzwehr der Väter, da verleih du uns
selbst und unsren Kindern Schutz, ungesehen,
verscheuche den Feind;
13. Wenn du, o Indra, in rascher Fahrt die
Rosse antreibst in der großen Schlacht, sie, die
auf unebenem Weg. auf krummem Pfad, wie Adler
dahinschießen;
14. Sie, die wie Ströme auf abschüssiger Bahn
sich schnell bewegen, wenn's rauschet nach dem
Zuruf her; sie, die wie Vögel sich stürzen auf das
Fleisch, gehalten in den Armen am Riemen.
Was die Schilderung der Rosse hier merk-
würdig macht, ist vor allem die AVendung am
Schluß: ,sie, die wie Vögel sich stürzen auf das
Fleisch.' -) Dem sprachlichen Ausdruck nach
sind die Rosse hier nicht etwa bloß mit Vögeln
verglichen, die sich auf ein Stück Fleisch stürzen,
sondern die Worte besagen deutlich, daß die Rosse
hier wie Vögel — bei denen das ja wohl bekannt
ist — sich auf das Fleisch stürzen, wobei unter
dem Fleisch, auf das die Rosse sich stürzen, doch
wohl nur die feindlichen Reihen verstanden sein
können.
Grassmann übersetzt ganz richtig:
Sie, die wie Vögel auf das Fleisch sich stürzen hin.
Gefaßt am Zügel mit dem Arm.
Das ist ganz korrekt, wenn auch der Aus-
druck es zuläßt, das Fleisch bloß auf die Vögel
zu beziehen. Dagegen muß ich Ludwigs Über-
setzung beanstanden. Er sagt: ,Die wie Vögel
zum Lockfleisch angezogen kommen, gehalten im
Zügel in beiden Armen.' Das Wort ämis heißt
nicht Lockfleisch, sondern einfach Fleisch; und
das Verbum värvritati, eine kräftige Intensivbil-
dung, kann nur eine rasche kräftige Bewegung
bezeichnen, und wird hier wohl am besten durch
.sich stürzen' übersetzt.
Auf diese merkwürdige Stelle, wo wir Indr.i
in der Schlacht die pfeilschnell, adlergleich und
wassersturzgleich dahinjagenden Rosse antreiben
sehen, die sich wie Vögel auf das Fleisch stürzen,
habe ich geglaubt hinweisen zu müssen, wenn
von den seltsamen menschenfressenden Rossen des
Diomedes die Rede ist, die Herakles in Thrakien
erbeutet. Doch bin ich weit davon entfernt, den
Wert dieser Parallele zu überschätzen und einen
wirklichen historischen Zusammenhang behaupten
zu wollen. Und die Möglichkeit bleibt ja doch
wohl offen, bei der immerhin horriblen Vorstellung
fleischfressender Pferde, daß der sprachliche Aus-
druck nicht gar zu sehr auf die Goldwage zu
legen ist und die Rosse vielleicht doch nur wegen
ihres pfeilschnellen Laufes und vehementen Sich-
stürzens in die Reihen der Feinde, mit Vögeln
verolichen werden, die sich so auf ein erblicktes
Stück Fleisch stürzen.
Ganz ohne Parallele bei Indra ist ohne Zweifel
das nun folgende Abenteuer des Herakles: die
Gewinnung des kraftverleihenden Gürtels der
Amazoneukönigin Hippolyte.^) Vielleicht aber
ist auch dieser Gürtel und seine Verbindung mit
dem Gewitterriesen eine altarische Vorstellung.
Es ist auf jeden Fall bemerkenswert, daß das
germanische Gegenbild des Indra, der Gott Thorr,
im Besitz eines ähnlichen Gürtels ist, wie er
übrigens ja auch bei Ares sich findet.*) Von Thurr
sagt Mogk: ,Um seine Lenden hat er den Kraft-
gürtel, die megingjardhar; durch ihn wächst seine
Kraft.' Diesen Gürtel erhält Thörr auf der Fahrt
zu dem gefährlichen Abenteuer bei Geirrödhr von
Gridh, der Mutter des Äsen Vidhar, die ihn außer-
dem noch mit Eisenhandschuh und Zauberstab
ausgestattet haben soU.^)
Es scheint, daß manche Lücken, die bei der
Vergleichung von Herakles und Indra unleugbar
übrigbleiben, durch das Bild des nordischen Thurr
in erwünschtester Weise ergänzt werden, der als
ein dritter Repräsentant des altarischen Gewitter-
riesen manches erhalten hat, was einem oder dem
andern der erstgenannten verloren gegangen ist.
Dazu mag auch der merkwürdige Gürtel gehören,
der bei Indra fehlt und den auch Herakles nicht
trägt, den die Sage ihn aber doch der Königin
Hippolyte abgewinnen läßt.
') Merkwürdig klingt dieser Völkern<ime Trikshi an die Tliraker an, den Thrax, welchem Herakles die menscben-
fressenden Rosse abgewinnt. Einen Zusammenhang wage ich nicht zu behaupten, mache vielmehr nur auf den auffallen-
den Zusammenklang aufmerksam, ohne eine Erkl.Krung desselben geben zu wollen. Der Name Trikshi kommt nur einmal
noch im Kigveda, und zwar in einem Liedo an die Ai;vinen vor (KV ö, 22, 7).
"-) i ye väyo na värvritaty amishi. =) Vgl. Preller, a a. O. II p. 202. 233—235.
*) Vgl. Preller, a. a. O. I p. 264 Anm. 4 ; II p. 202. ^) Vgl. E. Mogk, a, a. 0. p. 128. 133.
Herakles und Ixdra.
57
Geryones und seine Rinder.
Eines der wichtigsten, wenn nicht geradezu
das wichtigste und am meisten charakteristische
Abenteuer des Herakles ist die Bezwingung des
dreiköjjfigen Riesen Geryones und die Erbeutung
der von ihm in einer dunklen, schwer zueäno-.
liehen Höhle gehaltenen Rinderherden. Die her-
vorragende Bedeutung dieses Mythus für das Ge-
dankenleben des griechischen Volkes ergibt sich
schon daraus, daß derselhe sich nicht an einem,
sondern an verschiedenen Orten des Landes lo-
kalisiert findet, auch in Italien seinen Reflex er-
halten hat. Nicht minder aus den mancherlei
Varianten und mehr oder minder verwandten
Parallelbildungen der Sage, die die weite Ver-
breitung, Bekanntheit und Beliebtheit des zu-
grunde liegenden Stoffes beweisen. Wir halten
uns zunächst an die Betrachtung der geläufigsten
Form, in welcher diese Sage bei den Griechen
erzählt wurde. ^)
Der Riese Geryon, Geryones oder Geryoneus,
dessen Name ihn als den Schreier oder Brüller
kennzeichnet, haust auf dem okeanischen Eilande
Erytheia, dem , Rotlande', wie es sich füglich über-
setzen läßt. Er ist Herr von großen Rinderher-
den, üppig strotzenden Kühen und Ochsen von
purpurroter Farbe, die sich dadurch schon als
Sonnenrinder erkennen lassen, gleich den be-
kannten Herden des Helios. Der Name des
Eilands deutet in gleicher Richtung. Diese Her-
den finden in Erytheia reichliche Weide, sie wer-
den aber von dem Hirten Eurytion, d. h. dem
Strömer, und dem zweiköpfigen Hunde Orthros
streng bewacht und in einer dunklen Höhle, die
ihren Stall bildet, vor etwaigen räuberischen An-
griffen versteckt und geborgen.
Geryones wird als ein furchtbares Ungetüm
geschildert, mit drei Leibern, drei Köpfen, riesig
groß und stark, gewappnet und mit Flügeln ver-
sehen. Seine Abstammung von Chrysaor, d. h.
wohl dem Blitz, und der Okeanine Kallirrhoe,
d. h. der Schönströmenden, scheint in meteorische
Regionen zu deuten. Das Rotlaud Erytheia gilt
als ein Eiland im großen Weltmeere gegen Westen
hin, außerhalb der Säulen des Herakles,") also
am oder im erdumgürtenden Okeanos gelegen. Man
wollte es später in der Gegend von Gades, in
Tartessos, oder in der sogenannten Baetica wieder-
finden, doch gab es, wie schon erwähnt, auch
andre Lokalisationen in Griechenland selbst. Die
Lage im äußersten Westen deutet natürlich auf
Sonnenuntergang; und man begreift, daß gerade
dort der schlimme Riese gedacht wurde, der die
Sonnenrinder gefangen hält.
Je nachdem man sich nun Erytheia als Insel
im Okeanos dachte oder es in Tartessos suchen
wollte, wird die Hinfahrt des Herakles verschie-
den geschildert. Er schifft entweder im Sonnen-
becher durch die Flut dos Okeanos oder er zieht
zu Lande durch Libyen, richtet bei der Meer-
enge von Gades seine Säulen auf und gelangt dann
nach Erytheia. ^) Nun folgt der Kampf. Der
Hund des Riesen springt auf den Helden los, wird
aber von Herakles mit der Keule niedergeschmettert,
ebenso der Hirt Eurytion, der dem Hunde zu
Hilfe eilen will. Schon treibt Herakles die herr-
lichen Herden längs der fetten Wiesen am Strome
der Insel fort, da erscheint der furchtbare Riese,
dem inzwischen die Gewalttat gemeldet worden. In
dem heißen Kampfe, der nun zwischen Herakles
und dem dreiköpfigen Ungeheuer entbrennt, muß
Geryones zuletzt unterliegen, von den Pfeilen des
Helden durchbohrt, der alsdann den weiten Heim-
weg antritt. Was die üppig wuchernde Sage ihn
auf diesem Wege noch alles erleben läßt — zum
Teil Variationen der Hau])tfabel — , davon
können wir vorläufig absehen. Sein Ziel ist
wiederum Mykenae, wo Eurystheus die Rinder
der argivischen Hera opfert.*)
Die Deutung der Sage sucht Preller vom
speziell griechischen Standpunkt aus in dem Siege
des Sonnenbelden über den Winter und seine
Macht. ^) ,Was kann dieser dreileibige, brüllende,
gewappnete und geflügelte Riese, der Sohn des
Blitzes und der Flut, mit seinen fetten Herden
auf der üppig getränkten Flur des abendlichen
Okeanos, woher die Wolken kommen, der Nach-
har des Sonnenuntergangs und des Todes, wohl
anders bedeuten als den Sturmriesen des Winters,
wie dieser in südlichen Ländern aufzutreten pflegt,
mit heftigen Stürmen und Gewittern und Regen-
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 202 f.
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 209. 210.
'') Vgl. Preller, a. a. O. U p. 203-205
Denksehriften der phil.-hist. Kl. 58. Bd. 3. Abb.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 208.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 205. 216.
58
III. AsHAmiLUNG: Leopold v. Scheoedee.
güssen, welche letztern die durch den heißen
Sommer erschöpfte Natur zugleich erquicken und
befruchten. Daher diese zugleich furchtbar dro-
hende und üppig fruchtbare Gestalt, eine riesige,
da der Winter als furchtbar starke und wilde
Naturmacht auch sonst als solche personifiziert
wird. Seine eigentlich mit den Herden des He-
lios identischen und in örtlichen Überlieferungen
gewöhnlich neben ihnen genannten Rinder, das
sind die Tage des Jahres, wie in jener Fabel von
den Herden des Helios auf der Insel Dreispitz
und in der von den Rindern des Apollo, die Her-
mes entführt. Nur daß in dieser Fabel nicht von
dem täglichen Wechsel von Licht und Dunkel die
Rede ist, sondern von dem jährlichen des Som-
mers und des Winters, der langen und kurzen
Tage: Daher Gerjons Stallungen in der Gegend
der Nacht und des finstern Aides sich befinden,
in einer dunklen und schwer zugänglichen Höhle,
deren schon die ältesten Dichter gedenken, sein
Gegner aber Herakles ist, der stärkere Held des
lichten Tages und der lichten Jahreszeit, welcher
trotz aller Schrecknisse in seine Höhle dringt,
wie Perseus in die der Gorgonen, und die ent-
führten Rinder befreit. Darauf treibt er sie aus
der nächtlichen Gegend zurück gegen Morgen,
ein Segen und eine große Lust für alle Völker
und Länder, durch die ihn der Weg führt, ihn
und die Herde des Geryon, aber auch ein Ge-
genstand vieler Nachstellungen von bösen Riesen
und gefährlichen Recken, so daß er eine ganze
Kette von Abenteuern zu bestehen hatte. Zuletzt
werden die Tiere der argivischen Hera, der
hehren Königin des Himmels, als Opfer darge-
bracht.'
Es lag sehr nahe, bei diesem Mythus an die
oft und in unendlichen Variationen erzählte
Heldentat des Indra zu denken, der die himmli-
schen Rinder aus der Wolkenhöhle, ihrem Stalle,
befreit, und ihren Segen der Menschenwelt wieder-
schenkt. So bemerkt denn auch Prell er schon
mit Berufung auf Kuhn: ,Auch die Vedas kennen
dieses Bild von der Höhle, in welcher die ge-
stohlenen Himmelskühe versteckt werden, bis
Indra sie wieder befreit, doch wird es gewöhnlich
anders gedeutet.") Es ist gewiß wahrscheinlich,
daß hier zunächst und in erster Linie das Bild
des Wolkenbergs mit seiner Wolkenhöhle vor-
schwebt, die der Gewittergott Indra mit dem
Donnerkeil spaltet, um die Kühe daraus zu be-
freien, die bald als befruchtende Regengüsse, bald
als Sonnenrinder erscheinen, in oft sich wieder-
holenden, wechselnden Bildern. Es ist aber auch
längst schon bemerkt worden, daß mit dem Ge-
witterbilde sich vielfach das Bild der Befreiung
des Sonnenlichtes aus dem Dunkel der Nacht
mischt und verbindet, und zwar in einer Weise,
daß es nicht selten unmöglich ist, zwischen diesen
beiden Bildern scharf zu unterscheiden. Das
Wiedererscheinen der Sonne nach dem Gewitter
und ihr Wiedererscheinen in der Morgenfrühe,
obwohl beide in der Natur nicht zu verwechseln
sind, scheint doch in der mythischen Vorstellung
von der großen Befreiungs- und Rettuugstat des
Indra an der Sonne und ihrem Licht fast wie in
Eins verschmolzen zu sein. Das ist früher schon
bemerkt und neuerdings wieder von Macdonell
festgestellt werden.^) Ich glaube aber, daß hier
noch eine dritte, höchst wichtige Vorstellung hin-
zukommt, — die alte Vorstellung von der am
Jahresanfang, der mit dem Frühlingsanfang zu-
sammenfiel, wieder erscheinenden, neu aufsteigen-
den jungen Sonne, der Morgenröte des neuen
Jahres, — der Sonne, die aus der Gewalt des
Winters gerettet ihren Siegeslauf neu beginnt. Und
diese Vorstellung ist hier um so mehr berechtigt,
nachdem Hillebrandt — wie früher erwähnt —
es wahrscheinlich gemacht hat, daß es sich bei
den Kämpfen des Indra zu einem guten Teil um
den Kampf gegen die Dämonen des Winters, des
Frostes und Eises handelt; daß die gefesselten,
gebannten Wasser nicht selten deutlich als ge-
frorene Wasser charakterisiert sind (s. oben p. 31).
So kann auch der parallel damit laufende Gewinn
der Sonne oder des Himmelslichts die Befreiung
der Sonne aus Wintersgewalt bedeutet haben, —
wenigstens ursprünglich. Wenn die Morgenröte,
die neu aufsteigende junge Sonne nach den Veda-
liedern ihr Erscheinen der Heldentat Indras ver-
dankt, dann braucht damit nicht notwendig die
Morgenröte des einzelnen Tages, es kann auch
die des Jahres darunter verstanden sein, und ich
zweifle nicht daran, daß dies die noch ältere und
weit wichtigere Vorstellung ist, die aus der Ur-
') Vgl. Preller, a. a. 0. II p. 201, Anm. 3, mit Berufung auf A. Kuhn iu Haupts Zeitschrift für Deutsch. Altertum,
Bd. VI., p. 119 ff.
») Vgl. Macdonell, Vedic Mythology p. 61, wo er zu dem Schluß gelangt: ,Thus there appears to be a confusion
between the notion of the restoration of the sun after the darknoss of the thunderstorm and the recovery of the sun from
the darkness of night at dawn.'
Heeakles und Indka.
59
zeit stammend in Indien nur darum etwas aLf^e-
blaßt sein mag, weil in Indien nicht mehr, wie in
der europäischen Heimat der Arier, der Friihlings-
und Jahresanfang so eindrucksvoll sich als ein
herrlicher Sieg des Sonnenlichts über die trüben,
kalten, stürmischen bösen Mächte des Winters
darstellte. Aber trotzdem lebt die alte Vorstellunff
fort. Die Lieder an Ushas, die Morgenröte, ha-
ben im Ritual, wie Hillebrandt gezeigt hat,
ihre Stelle nur am Jahresanfang, — und so er-
scheint Ushas in erster Linie nicht als die Mor-
genröte des neuen Tages, sondern als die Mor-
genröte des jungen Jahres, als die neu aufsteigende
junge Sonne des neuen Jahres. Und wenn es
beim Preis der Heldentat Indras oftmals heißt,
er habe die Sonne, die Morgenröte erzeugt, ge-
schaffen, dann unterliegt es für mich keinem Zwei-
fel, daß es sich dabei in erster Linie um jene ur-
alte, bei so vielen primitiven Völkern lebendige
Vorstellung handelt, die Sonne müsse einmal des
Jahres, und zwar zu Anfang desselben, neu er-
zeugt, neu geschaffen werden, womit der Ritus
des Neufeuers eng verbunden ist, als der prä-
sumptive rituelle Zeugungsakt. Erst ein starkes
und allzu üppiges \Yuchern ritueller Bräuche ließ
in späterer Zeit diesen Zeugungsakt sich jeden
Morgen neu wiederholen; ursprünglich haben wir
ihn uns wohl nur als einen jährlich wieder-
holten zu denken.
Und so ist die Heldentat der Sonnenlicht-
gewinnung bei Indra neben dem Gewitter ur-
sprünglich wohl vor allem als eine Früidingstat
zu denken und auch in den Liedern noch so zu
fassen. Daß damit die Vorstellung der täglichen
Morgenröte mehr und mehr verschmolz, soll da-
rum nicht geleugnet werden. Jene ursprüngliche
Vorstellung aber fällt im wesentlichen mit Prel-
lers Deutung des Geryonesmythus zusammen. Es
ist der Sieg des alten Gewitterriesen und Sonnen-
helden über den bösen, feindlichen Winter, die
Befreiung der lichten Sonnenrinder aus seiner Ge-
walt, der Neubeginn des Fi-ühlings und zugleich
des Jahres, wenigstens nach der ältesten
Anschauung.')
Wir haben damit die Vergleichung nur im
allgemeinsten Umriß angedeutet. Der Veda aber
bietet uns weit mehr und hilft uns weiter. Wir
finden in ihm so merkwürdige Entsprechungen
zu dem Kampfe des Herakles mit Geryones, daß
jeder Zweifel an der Urverwandtschaft dieser
Mythen ausgeschlossen sein dürfte. Auch Indra
bezwingt einen furchtbaren, laut brüllenden, drei-
köpfigen Dämon, der als der allgestaltige Sohn
des Tvashtar, Tväshtra Vifvarüpa, bezeichnet
wird. Er reißt ihm seine drei Köpfe ab und er-
beutet die Kühe. Daß der Mythus gerade in die-
ser Form besonders alt sein dürfte, dafür spricht
der Umstand, dass dieselbe Tat auch dem mythi-
schen Vorgänger des Indra, dem Trita Aptya zu-
geschrieben wird, der dabei zu einem Helfers-
helfer, ja zu einem Sohne des Indra gemacht
wird, — wie etwa auch der mythische Vorgänger
des Loki, der Fenriswolf, in der nordischen Sage
zu dessen Sohne gemacht worden ist und ähnli-
ches ja auch sonst noch vorkommt. Es spricht
dafür fast in noch höherem Grade der Umstand,
daß wir auch im Avesta eine deutliche Parallele
antreffen, die Tat eines der größten mythischen
Helden Persiens, dessen Name schon seine Ver-
wandtschaft mit Trita Aptya und weiter darum
auch mit Indra außer Zweifel stellt. Es ist der
früher schon von uns besprochene Thractaona
Athwyäna, der die verderbliche Schlange, azhi
dahäka, bezwingt, das furchtbare Ungetüm mit
') Die wichtige Vorstellung', daß Indra die Sonne, resp. auch die Morgenröte bei seinem großen Siege geradezu er-
zeugt, sei hier durch einige charakteristische Stellen belegt. So heißt es KV 2, 19, 3 ,der große Indra, der Ahitöter, setzte
die Flut der Wasser in Bewegung, zum Meere hin; er erzeugte die Sonne, er fand die Kühe auf (äjanayat süryam
vidäd gal.i). Die Erzeugung der Sonne und Auffindung der Kühe, d. h. doch wohl der Strahlen des Lichts, ist augenschein-
lich eins und dasselbe, d. h. die oft gerühmte ,Gewinnung des Himraelsliclits' (svarshäti cf. unten). Ferner RV 1, 32, 4
,Als du, 0 Indra, den Erstgeborenen der Drachen (ahi) tötetest, — da erzeugtest du Sonne, Himmel und Morgen-
röte und fandest nun keinen Gegner mehr' (ät suryam janäyan dyäm ushäsam); RV 6, 30, 5: ,Du, Indra, hast die Tore des
Wassers, die Feste des Berges erbrochen, du wardst der König der Welt und der Menschen, zugleich die Sonne er-
zeugend, den Himmel, die Morgenröte.' RV 3, 49, 4 wird Indra der, Erzeuger der Sonne' genannt (janitä süryasya);
RV2, 12, 7: ,Der die Sonne, der die Morgenröte erzeugte, der die Wai^ser leitet (lenkt, führt), das, ihr Leute, ist Indra!'
(yäh süryaiii yä ushäsam jajäna yö apäm netä sä jan.üsa indrah). RV2, 21,4 ,Indra, dem gut geopfert wird, erzeugte die
Morgenröte, das Himmelslicht' (indral.i suyajnä ushäsaU svär janat). RV 3, 31, 15: , Indra mit seinen Mannen vereint er-
zeugte strahlend zugleich die Sonne, die Morgenröte, Wohlfahrt, das Feuer' (indro nribhir ajanad didyänalj sakäip süryam
ushäsam gätüm agnlm). RV 3, 32, 8 ,Er, der die Erde und den Himmel dort festmachte, er erzeugte die Sonne, die Mor-
genröte, der wunderkräftigo' fjajäna süryam ushäsani sudän.isäl.i). — Man sieht, wie oft hier neben der Sonne die Morgen-
röte genannt wird. Beim Gewittervorgang aber gibt es keine Morgenröte. Es kann nur von der Morgenfrühe oder vom
Früliling, dem Neubeginn des Jahres, die Rede sein. Die letztere Vorstellung halte ich für die ältere, wichtigere, ohne
die erstere rigoros ausschließen zu wollen.
8» ,
60
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
drei Rachen, drei Schwänzen, sechs Augen und
tausend Kräften. ^) "Wir sehen also die ganze
Reihe verwandter mythischer Helden — Herakles,
Indra, Trita Aptya, Thraetaona Athwyäna — solch
ein Ungeheuer mit drei Köpfen bekämpfen und
umbringen. Auch Feridun, der in der persischen
Heldensage den Tyrannen Zohak (= azhi dahäka)
vernichtet, ist noch ein Reflex desselben Mythus.
Die Wichtigkeit des Gegenstandes erfordert
vor allem eine Prüfung jener Stellen des Veda,
in denen die erwähnte Heldentat des Indra, re-
spektive auch des Trita Aptya geschildert wird.
Da sie nicht zahlreich sind, lassen sie sich leicht
überblicken.
In einem merkwürdigen Indra-Liede des Rig-
veda, das auch von der Tötung des Eherdämons
berichtet und das uns noch um andrer Angaben
willen weiterhin bedeutungsvoll werden dürfte,
finden wir die Bezwingung des dreiköpfigen Brül-
lers in folgenden Worten kurz erwähnt:
RV 10, 99, 6: ,Er, der Hausherr, hat den
laut brüllenden Dämon,
köpfigen bewältigt.^)
Das Wichtigste in
den sechsäugigen, drei-
der äußeren Charakte-
ristik des Dämons, seine Dreiköpfigkeit und sein
lautes Brüllen, ist hier deutlich hervorgehoben.
Der dreiköpfige Brüller (tuviräva) stimmt auf-
fallend zu dem dreiköpfigen Brüller Geryones.
Die Sechsäugigkeit scheint sich schon aus der
Dreiköpfigkeit zu ergeben, wenn auch natürlich
bei solchen Fabelwesen nicht mit Notwendigkeit.
Und so mag es immerhin noch besonders bemerkt
werden, daß auch der von Thraetaona Athwyäna
l)ezwungene Drache (azhi dahäka) ausdrücklich
als sechsäugig bezeichnet wird. Der folgende
Halbvers erwähnt die Tötung des Ebers durch
Trita Aptya, der dabei durch Indras Kraft ge-
stärkt worden sei, und so hat man den Eindruck,
daß Trita wohl auch bei der Bezwingung des
dreiköpfigen Brüllers dem Helden zur Seite ge-
standen habe. Ein derartiges Bild der Situation
gewinnt man aber noch deutlicher aus einer an-
dern Stelle des Rigveda, die zugleich den Namen
des dreiköpfigen Dämons nennt und von der Er-
beutung seiner Kühe berichtet. Ich meine die
drei letzten Verse des Liedes RV 10, 8, die ich
folgendermaßen übersetze:
RV 10, 8, 7: , Durch seine (d. h. Agnis) Weis-
heit in der Höhle den Trunk suchend, nach Art
des höchsten Vaters, strebend in der Eltern Schoß,
geht Trita auf die Waffen los, als verwandt (und
daher ihm zukommend) sie beanspruchend.^)
8. Die väterlichen Waffen kennend kämpfte
Aptya, von Indra angetrieben, und nachdem
er den dreiköpfigen, siehenstrahligen^) getötet
hatte, trieb Trita des Tvashtarsohnes Kühe
heraus ;
9. Den nach großer Kraft emporstrebenden
(Dämon) hat der Herrscher Indra herabgeschmet-
tert, den sich dünkenden ! Indem er sich die Kühe
des Tväshtra Vicvarüpa aneignete, riß er ihm die
drei Häupter ab.'^)
') Vgl. oben p. 8.
-) aä id däsam tuvirävam pätir dän shalakshäm triijirshänaiu damanyat. Es dürfte des Metrums wegen adamanyat
zu lesen sein. In der Übersetzung von pätir dän habe icli micli Roth und Grassmann angeschlossen, aus formellen Gründen.
Sehr einleuchtend und befriedigend ist aber die Bezeichnung des Indra als , Hausherr' freilich nicht.
') Ich lese pitim ,Trunk' statt dhitim ,Andacht, Andachtslied, Gebet' oder allenfalls , Absicht', womit ich hier nichts
anzufangen weiß. Das Wort vavrä heißt , Höhle', wie Ludwig auch ganz richtig übersetzt, während es Grassmann durch
, Brunnen' wiedergibt: , Durch seine Kraft kommt Trita, der im Brunnen Gebet erstrebt nach Art des höchsten Vaters, nach
Huld verlangend zu dem Sitz der Eltern, verbrüdert nennend seine scharfen Waffen.' Er sieht also hier in Trita den-
selben Mann oder niederen Gott, von dem KV 1, 105, 17 und darnach auch die spätere Legende berichtet, daß er in einen
Brunnen oder eine Grube (küpa) geworfen oder gefallen die Götter um Hilfe angerufen habe. Nach dem Mahäbhärata 9,
•J094 soll er im Brunnen Soma bereitet haben (vgl. BR s. v. trit.i). Wie auch diese Geschichte zu erklären sein mag, an
unserer Stelle ist zweifellos von dem alten Gotte Trita Aptya die Rede, der ein Vorgänger und dann — wie hier — ein
Helfer des Indra bei .seineu Heldentaten ist, — hier augenscheinlich als sein Sohn bezeichnet, der sich der Wallen des
Vaters bedient. Er sucht in der Höhle den Trunk, d. h. den Soma in der Wolkenhöhle, wie Indra das zu tun pflegt, er-
greift die Waffen des Vaters und erschlägt mit ihnen, von Indra dazu veranlaßt, den dreiköpfigen Dämon.
*) saptära(;mi, von Grassmann wohl unrichtig durch ,mit sieben Zungen' übersetzt.
') Daß die Kühe, die Indra dem Dämon abgewinnt, nicht immer die Wasser, sondern wechselnd mit dieser Vor-
stellung nicht selten l^ichtkühe, Sonnenkühe, die Strahlen der Sonne oder Morgenröte, kurz Lichteischeiiiuugen sind, ist
oft genug bemerkt worden (cf. Macdouell a. a. O. p. Ol). Oft ist nur von den Kühen oder Rindern die Rede, ohne daß man
weiß, ob Wasser oder Licht oder auch beides gemeint ist. Bisweilen aber sind spezielle Hinweise auf eines oder das
andre vorhanden. So dürfte doch wohl, wenigstens in der Regel, das Licht gemeint sein, wenn die Kühe ausdrücklich
als rote oder rötliche bezeichnet werden (usriyä, usrä), in welchem Bilde auch die Morgenröte selbst erscheint. So heißt
es z. B. RV 6, 17, 5, daß Indra, durch den Soma gestärkt, die Sonne und die Morgenröte aufleucliten ließ, die Festen bre-
chend, daß er den großen unerschütterlichen Fels von seinem Sitze stieß, der die Kühe umschloß; und v. 0 hören wir: Du
öffnetest die Tore den roten Kühen (usriyäbhyo), aus dem festen Stall ließest Du die Kühe heraus' (ich lese dricjhäd).
Herakles und Indka.
61
Man sieht hier deuthch: Die Besieg'uuir und
Tötung des dreiköpfigen Dämons, des allgestahi-
gen Tvashtarsohnes, Tväshtra Vifvarüpa, den der
früher besprochene Vers als den BrUUer bezeich-
nete, wird ebenso wie die Erbeutung seiner Kühe
sowohl dem Trita Aptya wie dem Indra zuge-
scliriel)en. Im achten Verse heißt es, Trita Ap-
tya habe, von Indra angetrieben, mit den väter-
lichen Waffen die Tat vollbracht, im neunten
Verse, Indra habe dieselbe ausgeführt. Der un-
leugbare Widerspruch löst oder richtiger erklärt
sich durch die historische Betrachtung des Ver-
hältnisses der beiden Götter. Trita ist ursprüng-
lich der Vorgänger des Indra, der ältere Gott,
von dem dieselben Heldentaten berichtet wurden
wie von Indra, eine alte, schon verblassende
Parallelgestalt des letzteren, die ihm so ähnlich
sieht, daß die indischen Vedenerklärer ihn gar
nicht als selbständige Person anerkennen wollen
und seinen Namen nur als ein Beiwort des Indra
(respektive auch des Väyu) betrachten.^) Gewiß
mit Unrecht, aber doch auch nicht ganz ohne
Grund, nicht ohne jede Berechtigung, da solche
Parallelgestalten gleichen Wesens sich leicht als
im Grunde eins und dasselbe fassen lassen. Die
alte, verblassende Parallelgestalt des Indra und
ihre Heldentat lebt noch fort im Gedächtnis der
Sänger, wenn sie auch nicht mehr viel bedeutet.
Sie wird zum Helfer, ja zum Sohne des Indra
gemacht, soll die Tat auf Indras Geheiß getan
haben. Der Sänger kann aber doch nicht anders,
als gleicii darauf energisch betonen, Indra selbst
habe die Tat vollbracht. Es ist ein Versuch, den
Widerspruch auszugleichen, der darin liegt, daß
dieselbe Tat beiden Göttern zugeschrieben wird.
Die Ausgleichung aber bleibt eine unvollkommene,
nicht wirklich durchgeführte. In Griechenland
ist sie weit befriedigender erreicht, wo die Triton-
tochter Athene, die wir als Entsprechung des
Trita Aptya bereits kennen, den Herakles nur
noch als göttliche Schützerin und Helferin bei
seinen Abenteuern begleitet, die eigentliche Aktion
aber ihm überläßt. Wir haben aber, vom Stand-
punkt des Mythenforschers aus, alle Ursache,
dem vedischen Sänger dafür dankbar zu sein, daß
er den alten Widerspruch nur unvollkommen aus-
geglichen hat und im wesentlichen bestehen läßt.
Denn wir sehen daraus mit aller Bestimmtheit,
daß die Bezwingung des dreiköpfigen Dämons
sowohl dem Trita Aptya wie dem Indra, nach-
einander und nebeneinander, zugeschrieben wurde.
Eine andre Art, beide Mythen zu verbinden
und den Widerspruch auszugleichen, Indra und
Trita beide an dem Sieg über Tväshtra Vifvarüpa
zu beteiligen, findet sich in dem Liede RV 2, 11,
an einer Stelle, wo auch von dem uns schon be-
kannten Spinnensohn, dem Aurnaväbha, und dem
Dämon Arbuda die Rede ist. Die Verse lauten:
RV 2, 11, 18: ,Ximm an die Kraft, o Held,
mit welcher du den Vritra, den Dämon Aurna-
väbha zerspellt hast; du erschlössest das Licht
dem Arier; links sitzen blieb, o ludra, der Barbar.
19. Gewinn möchten wir erlangen, die wir
durch deine Hilfe alle Feinde besiegen, mit dem
Arier die Barbaren. Für uns hast du damals den
Tväshtra Vifvarüpa dem Trita deiner Freund-
schaft^) ausgeliefert.
20. An dem berauschenden Keltertrank die-
ses Trita sich stärkend hat er den Arbuda zu Bo-
den gestreckt; er rollte ihn wie das Rad der
Sonne,*) spaltete die Höhle, der von den Angiras
begleitete Indra.'
Hier heißt es also, daß Indra den Tväshtra
Vi^'varüpa dem Trita ausgeliefert oder über-
antwortet habe, — eine Wendung, die mehrfach
in den Liedern vorkommt, wenn die Bezwingung
des Dämons diesem oder jenem zuliebe ge-
schieht. ,Für uns', d. h. zu unsrem Nutzen, in
Oder RV 6, 32,2: ,Er machte hell durch die Sonne die Eltern der Weisen (d. h. beide Welten), er erbrach den Fels, — er
machte los die Fessel der roten Kühe' (üd usrlyänrim asrijan nidänam). Ferner KV 10, 138, 2: , Du ließest los die Mütter,
beugtest die Berge, triebst heraus die roten Kühe, trankst den lieben Meth; du ließest wachsen die Bäume durch seine
Kraft, es strahlte die Sonne durch das rechterzeugte Lied' (lid äja usrä apibo mädhu priyäin). Wasser und Licht sind
hier nebeneinander genannt, wie im vorausgehenden Verse Morgenröte und Wasser bei der Züctitigung der Drachen. Die
Morgenröten selbst erscheinen als die Kühe UV 3, 31, 4: ,Ihn erkennend gingen die Morgenröten heraus, ihm entgegen,
Indra ward da der alleinige Herr der Kühe.' Sehr deutlich ist die Bedeutung der Kühe oder Kinder als Lichtorscheinungen
oder -Strahlen auch KV I, Gi, b: ,Du hast das Dunkel enthüllt durch Morgenröte, Sonne, Kühe,' wo Gra.ssmann in der
Übersetzung für Kühe oder Rinder geradezu .Strahlen' sagt (vi var ushäsä süryena göbhir ändhab). Rinderscharen dieser
Art spiegeln auf griechischem Boden die Herden des Geryones wieder.
') Vgl. das Petersburger Wörterbuch s. v. tritä.
'j RV 10, 99, G verteilt der Dichter die Taten so, daß er Indra die Bezwingung des dreiköpfigen Brüllers, Trita die-
jenige des Ebers zusclireibt.
') säkhyäsya tiatäya, dem Trita der Freundschaft, eine eigontüniliche Wendung, die nicht ganz deutlich ist, aber
doch wohl den Trita als zu Indras Freunden gehörig kennzeichnen soll.
*) Ich lese süryasya, wodurch der mangelhafte Vers gebessert wird.
62
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedek.
unsrem Interesse
der Sänger von Indra
sagt
last Du die Tat getan,
und doch den Dämon dem
Trita überliefert. Und gleich darauf ist davon die
Rede, daß Indra sich an dem Somatrank des
Trita gekräftigt habe, ehe er den Arbuda zu Bo-
den streckte. So erscheint denn Trita hier wie
einer jener mythischen Verehrer des Gottes, denen
zuUebe er seine Taten tut, — ähnlich etwa wie
Kutsa, für den Indra den f'ushna bezwingt u.a. m.
Es ist das eine Variante des Mythus, die jünger
sein dürfte als die ersterwähnte Darstellung, nach
welcher Trita dem Indra bei seiner Tat behilflich
ist, auf sein Geheiß selbst handelnd vorgeht. Also
Indra tut die Tat, — er tut sie mit und neben
Trita, er tut sie für diesen, — das sind die ver-
schiedenen Fassungen, in denen die Geschichte
im Rigveda erzählt wird.')
Für unsere Vergleichung mit dem Herakles-
mythus ist vor allem die Tatsache wichtig, daß
Indra den dreiköpfigen, laut brüllenden Dämon
erschlägt und ihm seine Rinder abgewinnt. Das
ist der Kern der Geryonesgeschichte. Doch zu
manchem Detail dieser letzteren bietet der Veda
noch weitere Entsprechungen.
Die Herde des Geryones wird von dem
Hunde Orthros und dem Hirten Eurytion bewacht,
die Herakles beide bezwingt, bevor er noch mit
dem dreiköpfigen Riesen in Kampf gerät. In dem
Hunde Orthros hat mau schon längst den vedi-
schen Dämon Vritra zu erkennen geglaubt, —
wie ich meine, mit Recht. Die Namensform Or-
thros ist gut bezeugt, neben der gleichfalls er-
scheinenden Form Orthos.-) Sie läßt sich ohne
große lautliche Schwierigkeiten mit dem Namen
Vritra vermitteln, und diese Gleichsetzung ergibt
einen weit besseren Sinn, als wenn man den Na-
men Orthros mit dem gleichlautenden Worte
(jpO-po;) zusammenbringt, das den Morgen, die
frühe ^lorgenzeit bedeutet. Die Morgenfrühe als
Wächterhund des Riesen erscheint kaum sehr
überzeugend, und ob man den Namen als ,den mit
dem frühen Morgen Wachen' deuten darf, ist wohl
sehr fraglich, da das Wachsein, also die Haupt-
sache, doch eigentlich gar nicht in dem Worte
licgt.^) Dagegen liegt es sehr nahe, in dem
Wächterhunde des dreiköpfigen Ungeheuers eine
jeuer Dämonengestalteu zu vermuten, die der Hel-
dentat des Indra feindselig und hindernd entgegen-
stehen. Die häufigste Bezeichnung derselben ist
Vritra, ein Wort, das ursprünglich der ,Verhüller'
oder der , Abwehrer, Hinderer' bedeutet haben
mag, dann aber geradezu die allgemeine Bedeutung
, Feind' gewinnt, weil Vritra gewissermaßen als der
typische Götterfeind, der Feind des großen gött-
lichen Helden Indra erscheint. Dieser letztere
heißt bekanntlich — häufiger als irgend welche
andre Götter — der Vritratöter, Vritralian, und
wie alt diese Bezeichnung ist, sehen wir daraus,
daß das Wort auch im Avesta lebendig ist, in der
Form verethrajan, was die allgemeine Bedeutung
, siegreich schlagend, sieghaft' angenommen hat,
während die nahverwandte Form verethraghna
,Sieg, Sieghaftigkeit' oder auch einen , Genius des
Siemes' bezeichnet. Es ist immerhin bemerkens-
wert, daß dieser Verethraghna, der im Avesta als
kriegerischer Eber vor Mithra hergeht, von den
Griechen mit Herakles identifiziert wurde. In
den griechisch-römischen Skulpturen jener Zeit,
wo der Mithras-Dienst sich über die altklassische
Welt ausgebreitet hatte, erscheint die bekannte
Gestalt des Herakles-Herkules als Darstellung des
Verethraghna, respektive Artagnes, wie der Name
hier umgestaltet wird.*)
In den vedischen Schilderungen der Helden-
tat des Indra treten nicht selten mehrere Dämonen
nebeneinander auf, wie wir das bereits an einigen
Beispielen früher gesehen haben. Auch zeigte
sich uns bereits ein Gegenbild dazu in der Herakles-
sage, wo neben der lernäischen Hydra der
Seekrebs auftaucht und den Helden angreift. Es
hat daher von vornherein durchaus nichts Un-
wahrscheinliches, wenn wir in dem zweiköpfigen
') Von einem Tvashtarsolin ist noch einm.il im Veda die Rede, doch trägt er da nicht den Beinamen Vi<;.varüpa und
hat ursprünglich mit dem bösen dreiköpfigen Dämon gar nichts gemein. Nach RV 10, 76, 3 wurden bei dem an Rindern
und Rossen'reichen Tväshtra Opfer an Opfer angereiht. Es scheint darnach eher ein Frommer der Vorzeit als ein böser
Dämon gemeint.
») Vgl. Proller a. a. O. II p. 203 Anm.; Gruppe a. a. O. I p. 469 Anm. 3. Gruppe hält die Form "OpOpo: für das Ur-
sprüngliche und bemerkt dazu: ,Von dieser Seite her wäre also die aus anderen Gründen sehr anfechtbare Zusammen-
stellung des Namens "OpOpo; mit Vritra immerhin möglich.'
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 202.
*) Vgl. Roschers Lexicon der griech. und röm. Mythologie, s. v. Slithras, p. 3043. 3032. — In dem Kultus, den
König Antiochus von Kommagene (69—34 vor Chr.), getreu den Überlieferungen seiner persischen und griechischen Vor-
fahren, begründete, finden wir neben Zeus-Oromazdes und ApoUon-Mithras .ils dritten den Artagnes (Verethraghnaj-Herakles;
a. a. O. p. 3031. 3032
Hekakles und Indeä.
63
Hunde und dem Hirten des Gervones ähnliche
alte dämonische Wesen in entsprechender Um-
wandlung vermuten. Der Name A'ritra, den wir
im Orthros wiedererkennen, erscheint da als die
allgemeinste und häufigste Bezeichnung aller
dieser ^A'esen durchaus passend und angemessen.
Es kann uns auch in keiner Weise wundernehmen,
wenn er hier gerade die Hundegestalt zeigt.
Für einen Wäcliter der Herden und Ab-
wehrer etwaiger Angriffe auf dieselben war wohl
keine Gestalt passender und natürlicher als gerade
die des Hundes. Das Ungewöhnliche und Dä-
monische gerade dieses speziellen Hundes wird
dabei durch seine Zweiköpfigkeit wohl hinreichend
angedeutet. Aber auch der Hirt Eurjtion ist
möglicherweise ähnlichen Ursprungs. Sein Name
bezeichnet ihn als den Strömer, den recht Strö-
menden oder Fließenden. Da darf wolil daran
erinnert werden, daß unter den von Indra be-
siegten Dämonen der Wolkenregion auch ein
Arnava auftaucht, dessen Name sich am besten
durch der ,AVallende, Wogende oder Strömende'
wiedergeben läßt, von arna ,Woge, Flut', respek-
tive auch arnas .die wallende, wogende, strömende
Flut' der Gewässer, — ein Wort, das gerade von
der Entlassung der Wasserfluten im Indramythus
gern gebraucht wird. Arnava scheint einmal Bei-
name des uns schon bekannten Dämons Arbuda
zu sein (RY 10, 67, 12), wir finden das Wort aber
auch an einer andern Stelle selbständig als Be-
zeichnung des von Indra getöteten Dämons, und
zwar RV 10, 111, 4: ,Indra hat mit Macht des
großen Arnava Ordnungen vernichtet', — wobei
es ziemlich gleichgültig bleibt, ob wir etwa in
diesem Arnava wiederum den Arbuda sehen wollen
oder nicht. Ebenso erscheint einmal ein Arna,
der , Wogende, Wallende, Strömende' als von Indra
besiegter Gegner, der wohl auch ursprünglich dä-
monischen Charakter hatte.')
Eurytion würde seinem begrifflichen Inhalt
nach dasselbe bedeuten wie diese Gegner des
Indra, Arnava und Arna. Er könnte darnach ganz
wohl in die gleiche Reihe von Wesen gehören,
ohne daß wir eine speziellere Identifikation wagen
wollen. Ein Orthros und ein Eurytion neben dem
dreiköpfigen Riesen Geryones bedeutet aber ohne
Zweifel ungefähr dasselbe wie ein Vritra und ein
Arnava neben dem dreiköpfigen BrüUcr im Veda,
— und daß diese Kombination ganz im Geiste des
vedischen Mythus wäre, scheint mir keinem Zwei-
fel zu unterliegen. Aus den alten Dämonen sind
Hirt und Hund der Rinderherden des Geryones
geworden, eine Wandlung, die ganz der künst-
lerischen Gestaltungskraft der Griechen ent-
spricht.
Was die Situation des Mythus im allgemeinen
betrifft, läßt sich noch hinzufügen, daß das my-
thische Eiland Erytheia in den Fluten des fernen,
fabelhaften Okeanos ganz wolil der Wolkeninsel
im Luftmeer entsprechen dürfte, wo Indra seine
Taten tut. Höchst merkwürdig aber fällt auch
noch der Name des Okeanos selbst mit einem
Beiwort zusammen, das im Veda nicht selten die
Wolkenschlange oder der Wolkendrache Ahi- Vj'itra
erhält, — äfäyana, der Umlagernde oder der da-
bei, daneben Lagernde, denn an den himmlischen
W^assern, dem himmlischen Strom oder den Wol-
kenhügeln lagert er ja
ist noch nicht recht aufgeklärt
unerwähnt bleiben.")
Wir werden weiterhin sehen, daß auch Indra
im Pani-Mythus, einer eigentümliclien Fassung
seiner rettenden Heldentat, die Rasa, eine Art
indischen Okeanos überschreiten muß, um an den
Ort seines Kampfes und Sieges zu gelangen. Hier
scheint mir eine deutliche Parallele zu der grie-
chischen Vorstellung von des Herakles Fahrt über
den Okeanos vorzuliegen.
Im übrigen haben wir bereits früher bemerkt,
daß die Geryonessage nicht stets und ausschließ-
lich im äußersten Westen auf der Okeanosinsel
lokalisiert wird, sondern daß sich noch gar manche
andere Lokalisationen finden, wenn auch jene
Fassung des Mythus besonders geläufig und ver-
breitet war. Selbst in Mykenae glaubt Preller
eine ähnliche Überlieferung erkennen zu sollen.
Diese Übereinstimmun£r
darf aber nicht
') RV 4, 30, 18. Neben Arna wird hier Citraratha genannt, — ein Name, den später bekanntlich der König der
Gandharven trägt. Schon RV 8, 10, 27 ist es Name eines (Jandharvon,
') Bemerkenswert ist wohl noch der Umstand, daß Herakles auf seiner Fahrt nach Erytheia .durch eine drohende
Erscheinung des Okeanos und eine heftige Wallung der Urflut beunruhigt' wird, ,worauf er seinen Bogen spannt und gleich
gibt Okeanos sich zur Rulie'. Preller bezeichnet gerade diesen Zug als einen altertümlichen, der an die Sagen von Apollo
Delphinius und von den Dioskuron erinnere (vgl. Preller, a. a. O. II p. 210). Liegt vielleicht in demselben eine Erinnerung
daran verborgen, daß dieses große Flutwesen selbst ursprünglich dem Herakles feindlieh ist, die Insel — ursprünglich die
Wolkeninsel — umlagert, die die von dem Helden begehrten Rinder birgt? Und der Held bezwingt den Widerstand durch
das bloße Spannen seines Bogens, wie der Wolkenfels sich gelegentlich schon durch die bloße Furcht vor Indra auftut.
Ich halte diesen Zusammenhang nicht für unwahrscheinlich.
64
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
jBestiinmter sind die Andeutungen der Fabel in
Akarnanien, Epiros und lUyrien, in denen aus-
drücklicii von Ger3'on und seinen Herden und
von Erytheia und den Herden des Helios die
Rede ist. So namentlich in der Gegend von
ApoUonia und Orikos am jouischen Meerbusen,
■wo es ein Gefilde namens Erytheia gab, auf wel-
chem Geryones der Sage nach seine Herde ge-
weidet hatte und zugleich ein Dienst des Helios
mit heiligen Herden bestand, welche unter Auf-
sicht der angesehensten Bürger von ApoUonia des
Tages auf den Weiden des Flusses Aoos geweidet
wurden, nachts aber in einer Höhle fern von der
Stadt ihre Stallung hatten. Also werden wir ähn-
liche Verhältnisse in anderen Gegenden voraus-
setzen dürfen, wie zu Ambrakia und in dem Lande
der Aniphilochen, wo nach der Behauptung des
alten Geographen Hekataeos Erytheia und das
Reich des Geryon zu suchen wäre, nicht in
dem fernen Westen außerhalb der Heraklessäulen,
wohin es der gewöhnliche Glaube versetze, ferner
in Epirus und Chaonien, wo eine ausgezeichnete
Riadviehzucht sich gleichfalls auf den Vorgang
des Geryones berief, so steif und fest glaubte
man an die historische Wirklichkeit seiner be-
rühmten Herde. Und so hat es offenbar noch
manche andre örtliche Tradition von diesen
bedeutungsvollen Herden, den Räubern, die sich
an ihnen vergriffen, der Strafe des Herakles
gegeben, welche später sämtlich mit den übrigen
Erzählungen von der Geryonsfahrt zu einem Gan-
zen verarbeitet worden sind.' ^)
Auf dem Rückweg aus Erytheia nach My-
kenae gerät Herakles in Rom mit dem räuberi-
schen, feuerspeienden Ungetüm Cacus in Streit.
Dieser Cacus haust in einer Höhle des Aventin
am Tiber, macht die ganze Umgegend unsicher
und vergreift sich auch an den Herden des
Herakles, indem er einige der Rinder heimlich
am Scliwanze in seine Höhle hineinzieht. Das
Gebrüll der Rinder verrät den Raub, aber der
Räuber will sie nicht herausgeben. Als Herakles
ihn angreift, speit er dem Helden dicken Rauch
und Flammen entgegen, wird aber dann von
diesem mit seiner Keule ^) erschlagen. Diese Ge-
schichte ist offenbar ursprünglich nichts als eine
Variante derselben Heldentat, die in Erytlieia ge-
schehen sein soll und die auch in Indien in so
mancherlei Variationen von Indra erzählt wird.
Sie ist wohl aus griechischer Tradition in die
Sage Italiens geflossen, wo es möglicherweise aber
auch früher schon verwandte Fabeln gegeben
haben mag.
Eine andre Variante finden wir in Sizilien
lokalisiert, beim Berge Eryx. Dort haust ein Riese
gleichen Namens, ein Sohn des Butes, d. h. des
Rinderhirten, der sich einen verlaufenen Stier
der Herde des Herakles aneignet. Er steckt
denselben in seine Herde und will ihn nicht
herausgeben. Auch er wird natürlich dann
von Herakles bezwungen.^) Wieder haben
wir hier den Kampf des Helden mit einem räu-
berischen, riesig gedachten Besitzer von Rinder-
herden.
Origineller und wichtiger, für die Verglei-
chung in besonderer AVeise fruchtbar ist eine
andre Variante oder verwandte Sageubildung, das
Abenteuer des Herakles mit dem Riesen Alkyo-
neus, der ebenfalls als Rinderhirt und räuberi-
scher Entführer der Sonnenrinder gedacht wird.
Sein Name, der auch in der Gigantoma chie ge-
nannt wird, deutet ,auf Frost und Eis und auf
die Zeit der kürzesten Tage', daher Preller wohl
mit Recht in ihm ,eine andre Personifikation des
Winters' sieht. Es heißt auch ausdrücklich von
ihm, ,er habe die Kühe des Sonnengottes aus
Erytheia hinweggetrieben', und der Sonnenheld
Herakles erscheint bei ihm ebenso wie bei Gery-
ones als der siegreiche Gegner.*) Es sind nament-
lich verschiedene merkwürdige Vasenbilder, welche
uns diesen Mythus lebendig und anschaulich vor-
führen. ,Alkyoneus wird auf diesen Bildern immer
als ein Riese von kolossaler Größe dargestellt,
und zwar entweder in einen tiefen Schlaf ver-
sunken oder sich mit Mühe aus demselben auf-
richtend, übrigens nach Art der Riesen ungeschlacht
und mit einer Keule bewaffnet. Herakles über-
fällt ihn mit dem gewöhnlichen Beistande der
Athena und des Hermes, auch des erstarren-
den Todessclilafs, wie es scheint, welcher in
Gestalt einer kleinen Flügelfigur nach Art
der Keren zur Bezwingung des Riesen bei-
trägt. Also eigentlich ein Abenteuer für sich,
wie es denn auch von Pindar bei wiederholter
Erwähnung in diesem Sinne erzählt wird und die
Taten und Abenteuer des Herakles überhaupt erst
1863.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 205. 206.
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. U.S; Preller, Komische Mythologie, 3. Aufl. p. 287. 288. — M. Breal, Hercule et Cacus,
'j Vgl. Preller, a. a. 0. II p. 211. 215.
*J Vgl. Preller, a. a. O. II p. 206.
Herakles und Indka.
65
dureli die kombinierende Sagendichtung in einen
fortlaufenden Zusammenhang verwebt worden sind.
So ist auch Alkyoneus später zu einer Episode
geworden, bald der Gigantomachie von Phlegra,
bald der Sage von der Heimkehr des Herakles
mit den Rindern des Geryon, auf welche der
Riese nun auf demselben thrakischen Isthmos von
Pallene, wo jene Gigantomachie spielt, einen An-
griff macht, einen so gewaltigen Felsen schleu-
dernd (man zeigte ihn an Ort und Stelle), daß
zwölf AVagen und vierundzwanzig Mann darunter
begraben wurden. Immer fällt er den Herakles:
doch sieht mau leicht, daß in der älteren und
unabhängigen Erzählung der erstarrende
Schlaf, der ihn seiner Wehrkraft beraubte,
eine Hauptsache gewesen sein muß. Es ist
der Schlaf des Winters, in welchem ihm die Augen
fest zufallen, wie jene Bilder es zeigen; wie es
in deutschen Liedern, die von dem Kampfe zwi-
schen Sommer und Winter singen, heißt, daß dem
Winter, wenn der Sommer über ihn kommt, die
Augen ausgehen, daß er gefangen daliege, seine
Sache ganz verloren habe usw.' ')
Der reichen und vollen Sagengestaltung Grie-
chenlands, mit Herakles als dem Helden des
Sommers, Alkyoneus oder Gerj'ones als Personi-
fikationen des Winters, stehen im deutschen Liede,
wie Preller richtig dazu bemerkt, nur .die ver-
kümmerten Nachklänge einer Vergangenheit, wel-
cher durch das Christentum die Wurzeln ihres
Lebens abgeschnitten wurden', gegenüber. Der
Rigveda aber bietet uns in ganz andrer Weise
deutlich entsprechende mythische Bilder, die mit
dem Alkyoneus-Abenteuer des Herakles gerade
in dem meist charakteristischen Punkt, dem tiefen,
festen Schlafe des dämonischen Gegners, ganz
auffallend übereinstimmen. Wir können dabei von
der Deutung auf den Kampf zwischen Sommer
und Winter zunächst ganz absehen. Das Wesent-
liche ist die Übereinstimmung des mythischen
Bildes.
Auch Indra trifft nach ein paar Liedern des
Rigveda den bösen Wolkendämon Ahi-Vritra
entweder schlafend, unerweckbar schlafend, an
oder versetzt denselben in Schlaf, — und wenn
es heißt, daß er dies mit seinem Donnerkeil ge-
tan habe, dann kann allerdings kaum daran ge-
zweifelt werden, welcii ein Sehhaf das war.
So hören wir in einem kraftvollen Indra-
Liede (RV 4, 19) zu Anfang, alle Götter, Erd
und Himmel hätten ihn, den erhabenen Iiulra
allein zur Vritratötung erwählt, die Götter hätten
abgedankt wie Greise, Lidra wäre der Herr ge-
worden, habe den flutumlagernden Drachen ge-
tötet, für alle die (himmlischen) Kühe die Bahnen
gerissen. Und dann folgt die merkwürdige Schil-
derung:
RV4, 19, 3: ,Den unersättlichen, ausgestreckt
liegenden, den unerweckbaren, nicht erwachenden,
schlafenden, den Abi, der an den sieben Hügeln
lagerte, hast du, o Lidra, mit dem Donnerkeil
entzwei geschnitten, an der Stelle, wo es kein
Gelenk gab.'
Schlafend, unerweckbar, nicht erwachend
trifft Indra den bösen riesigen Drachen, dem er
all die Kühe entreißen will, von denen es im
Verse zuvor heißt, er habe ihnen die Bahnen ge-
schaffen. Schlafend, unerweckbar, nicht erwa-
chend — man glaubt eines jener altgriechischen
Bilder, die das Alkyoneus-Abenteuer darstellen,
in das Indische übersetzt vor sich zu sehen, in
der Sprache des vedischen Mythus geschildert.
An einer andern Stelle, die wir schon früher
anzuführen Veranlassung hatten, ist es deutlich
gesagt, daß Indra mit seinem Donnerkeil den
Vritra in Schlaf versetzt habe:
RV 1, 121, 11: ,Du hast den an den Strömen
lagernden Vritra mit Macht durch deinen Donner-
keil in Schlaf versetzt, den Eher.'
Es kann kein Zweifel sein, daß hier von dem
erstarrenden Todesschlaf die Rede ist, denn andern
Schlaf wird der Donnerkeil schwerlich bewirken.
Man muß dabei aber wieder an jene griecliischen
Vasenbilder denken, an die Flügelfigur nacli Art
der Keren, die den Herakles begleitet und den
von ihm bewirkten erstarrenden Todesschlaf an-
deutet. Wir sehen Indra einmal den Abi uner-
weckbar schlafend antreffen und mit dem Donner-
keil spalten, das andere Mal versetzt er mit Hilfe
des Donnerkeils den Vritra in Schlaf — und beide
Varianten lassen sich aus den griechischen Bildern
herauslesen: Heraklos trifft den Alkyoneus schla-
fend; er kommt in Begleitung der Ker, die den
Riesen in Todesschlaf versenkt. Es ist kaum
möjrlich, größere Ul)ereinstimmung im IMvthus
zweier so lange schon getrennter Brüdervölker zu
verlangen.
Doch der Veda bietet uns noch eine andre
merkwürdige \'ariante dieses Mythus. Unter den
vielen dämonischen Gegnern des Indra erscheint
Dluini und Cumuri genannt.
auch ein Paar
Name des Dhuui bedeutet offenb.Tr den
Der
ärmen-
') Vcl. Preller, a. a. 0. II p. 206. 207. Die Sperrungen rühren von mir her.
Denkschriften der pliil.-hlst. Kl. .'i8. ßd .1. Abh.
66
III. Abhandlung: Leopold v. Schkoedee.
deu oder Tosendeu und criuiiert also deutlich an
den gewaltig brüllenden dreiköpfigen Dämon
Tväshtra Vi^-varüpa, der dem griechischen Gery-
ones entspricht, — während der Name des Cumuri
dunkel bleibt. Von diesem Dämonenpaar, das ein-
mal auch im Dvandva- Kompositum A-erbunden
erscheint, heißt es nun ebenfalls, Indra habe das-
selbe in Schlaf versetzt, — und zwar scheint es
sich hier um das Einschläfern zu handeln, das
dem Todesstreich vorausgeht. Die Tat wird nach
den Liedern zu Gunsten des Dabhiti getan, wohl
eines mythischen Verehrers des Gottes. Es heißt:
RV 2, 15, 9: ,Mit Schlaf bedeckend i) den Cu-
muri und Dhuni, hast du den Dämon getötet, dem
Dabhiti geholfen.'
All einer andern Stelle hören wir:
RV 7, 19, 4: ,Du hast den Dämon Cumuri
und Dhuni für Dabhiti in Schlaf versetzt, so daß
teide sich leicht töten ließen.'-)
Ferner haben wir noch zwei Stellen im
sechsten Buche des Rigveda:
6, 26, 6: ,Am Glauben dich freuend und am
Somatrunk hast du, o Indra, den Cumuri in
Schlaf versetzt', — wo einmal ausnahmsweise
Cumuri allein genannt ist. Dagegen hören wir
wieder von beiden Dämonen, wie auch von Dabhiti :
6, 20, 13: ,dies alles ist Dein (Work), o In-
dra, im Kampfe! Es schlafen Dhuni und Cumuri,
die beiden, welche du in Schlaf versetztest. Da
glänzte vor dir Dabhiti mit seinem Soma, kelternd,
Brennholz bringend und kochend.' — Hier scheint
der Schlaf denn doch wiederum als Todesschlaf
gedacht zu sein, in den der Gott die Dämonen
versetzte, — oder es ist auch bei der Wieder-
holung des Verbums an ein Doppeltes gedacht,
das vorausgehende Einschläfern und die Tötung:
Sie schlafen Ijeide nun für immer, die du damals
einschläfertest!^)
Noch zweimal wird im Rigveda die Bezwin-
gung des Dhuni und Cumuri durch Indra er-
wähnt, ohne daß des Einschläferns dabei aus-
drücklich gedacht würde (RV 6, 18, 8; 10, 113, 9).
Doch lehren uns die angeführten Stellen deutlich
genug, daß gerade dieser Zug der Sage von Dhuni
und Cumuri besonders charakteristisch ist und sie
von der großen Menge der sonstigen Kämpfe und
Siege des Indra über böse Dämonen deutlich ab-
hebt. Daß wir hier zwei dämonische Gegner ver-
eint dem Indra gegenüber finden, ist in keiner
Weise auffallend und nur allenfalls die ständige
Verbindung gerade dieser zwei bemerkenswert.
Ihrem Wesen nach sind Dhuni und Cumuri von
Abi oder Vritra, von T^-äshtra Vifvarüpa, dem
BrUller, Arnava u. a. m. nicht irgendwie scharf
zu unterscheiden. Es sind zwei dämonische Ge-
stalten desselben Gebietes, bei denen sich nur der
Zug der Einschläferung durch Indra als speziell
charakteristischer festgesetzt hat, ähnlich wie unter
allen Geryones-Parallelen speziell dem Alkvoneus
der Schlaf, respektive die Einschläferung charak-
teristisch ist. Wir wollen aber nicht vergessen,
daß auch bei Ahi und Vritra dieser Zug an den
beiden früher angeführten Vedastellen unzweifel-
haft deutlich hervortritt, — bei diesen als eine
Variante der gewöhnlichen Schilderung, in ihrer
klaren und kräftigen Ausprägung aber höchst be-
merkenswert.
Was die Deutung des mythischen Kampfes
anbetrifft, in welchem der dreiköpfige Brüller, Ahi
und Vritra, Dhuni und Cumuri dem siegreichen
Indra unterliegen, geben uns die angeführten
Liedertexte des Veda keine Veranlassung dazu,
speziell an den Kampf des Sommers und Winters
zu denken. Es ist der typische, in fast unend-
lichen Variationen geschilderte Kampf des Ge-
wittergottes gegen die bösen Dämonen, bei dem
man in erster Linie immer an den Gewittervor-
gang denken möchte, bei welchem ebensowohl die
Wolkenwasser wie das Sonnenlicht aus der Gewalt
tückischer böser Mächte befreit und den Men-
schen neu geschenkt werden. Daß ))ei der Hel-
dentat Indras hiervon auszugehen ist, scheint mir
keinem Zweifel zu unterliegen. Doch wir haben
auch bereits bemerkt, daß bestimmte Anzeichen
dafür sprechen, dieser Kampf sei erweitert und
verallgemeinert nicht nur auf den Kampf des liinim-
lischen Helden gegen die Mächte der Nacht und des
Dunkels, sondern auch gegen die einer winter-
lichen, kalten, dunkleren und unfreundlicheren
Jahreszeit bezogen und übertragen worden. Hille-
brandt hat uns den Ahi- Vritra in seiner Eigen-
schaft als Winterdämon erkennen lassen, der durch
Frost und Eis die Wasser bannt und fesselt.
Auch die öfters erwähnte Erzeugung der Sonne
und der Morgenröte, d. i. der jungen, neu auf-
*) STÄpnenäbhyiipyä cümuriiii dlii'nüin ca j.-ig'lKiiitha däsyum i)r;'i daljlätini ävalj; .il)hi-vap liedeutet eigentlich ,bostreuen',
alBo ,mit Sclilaf bestreuend', d. h. natürlich in Schlaf versenkend.
') Tväin ni däsyuiii cümurin.i dhünini eä.svapayo dabhitaye .suli;uitM; das Wort suh.-'intu ist eine uuregehniißige Uual-
form für suhäntü ,die beiden leicht zu tötenden'. OtTenl)ar wird dunh das Einschläfern hier die Tötung leicht gemacht.
") sastö dliünicüniuri yä ha sishvap.
Heeakles und Indra.
67
steigenden Sonne erlangt nur so einen befriedi-
genden Sinn, und das Ritual drängt darauf hin,
diese Morgenröte in erster Linie als die junge
Sonne des neuen Jahres zu fassen. Es ist wahr-
scheinlich, daß der Mythus in der arischen Urzeit
schon diese Wendung und Deutung erhielt, die
bei Griechen und Germanen fortlebt, ebenso
wahrscheinlich und begreiflich, daß sich dieselbe
in Indien, unter ganz anderen klimatischen Be-
dingungen, abschwächen mußte, da hier überhaupt
kein so starker Gegensatz einer kalten, finstern,
stürmischen, unfreundlichen und unfruchtbaren
Jahreszeit zu einer warmen, freundlichen, frucht-
baren mehr vorlag. Dennoch lebte der alte Glaube
fort, daß der kampfesfrohe, siegreiche alte Ge-
witterriese die junge Sonne des neuen Jahres neu
mache, neu schaffe, wie er auch die befruchten-
den Himmelswasser befreit und schenkt, daß er
daher durch seinen unendlich oft besungenen
Kampf gegen die bösen neidischen Dämonen alle
Fruchtbarkeit des neuen Jahres in Regen und
Sonnenschein schaffe und spende. Er wurde um
dieser Großtat willen fort und fort, insbesondere
aber an den großen Wendepunkten des Jahres,
Frühlings- und Jahresanfang, Sonnenwende, ge-
priesen, gefeiert, mit Soma gelabt.
Wir werden auf diesen Punkt noch weiterhin
zurückzukommen Veranlassung haben. Hier war
es zunächst unsre Aufgabe, den Nachweis zu
liefern, daß den Abenteuern des Herakles mit
Geryones und Alkyoneus in den Indramythen des
Veda unzweifelhaft deutliche Entsprechungen
gegenüberstehen. Und diesen Nachweis dürfen
wir wohl als erbracht ansehen.
Die Äpfel der Hesperiden und Atlas.
Zwei Leistungen sind es vor allem, welche
— wie wir bereits gesehen haben — dem Indra
fort und fort nachgerühmt werden: die Befreiung
der Wasser und die Gewinnung des Himmelslichts.
Beides erreicht er durch die Besieirunjr und Tötung:
des bösen Wolkendämons und Winterdämons,
respektive mehrerer solcher Dämonen. Bald wird
beides zusammen erwähnt, bald wohl auch eins
oder das andre für sich. Es fehlt nicht an an-
dern Heldentaten und andern Errungenschaften
des großen Sieges; dies beides aber steht doch
fast immer ganz typisch im Vordergrunde der
Schilderungen.
Von den Heldentaten des Herakles hängen
die zuerst von uns Ijesprocheuen und verglichenen,
die ja auch zeitlich als die ersten gelten, aller
Wahrscheinlichkeit nach mit der Regengewinnung
und uraltem Regeuzauber zusammen: die Tötung
des nemeischen Löwen, des Repräsentanten der
heißen, dürren Zeit, und die Tötung der Hydra,
der Schlange, die ursprünglich wohl die Wasser
verschluckt hatte und nicht herau!?geben will. Mit
dem Eber, der am Erymanthosflusse haust, mag
es sich von Hause aus ähnlieh verhalten liahen,
doch hat die Sage auf griechischem Boden eine
andre Wendung erhalten und läßt sich am leich-
testen auf den verheerenden Bergstrom deuten.
Die fest damit verbundene Kentauromachie mit
ihren Regengüssen und dem Schwelgen im be-
rauschenden Trank deutet aber doch wieder auf
die himmlischen Wasserströme.
A^on der Sonne ist hier jedenfalls keine Rede.
Dagegen finden wir in der Augeiasgeschichte die
Sonnenrinder in ihrem Stall, das Aufbrechen dieses
Stalles und das Leiten der Wasserströme, — also
die beiden charakteristischen Hauptmomente der
Indrasage, wenn auch unter neuen Verhältnissen
in ganz neue Beziehung zueinander gebracht. Im
Geryones- Abenteuer aber haben wir es wohl le-
diglich mit der Befreiung, respektive Erbeutung
der Sonnenrinder zu tun. die in der Wolkenhöhle
als ihrem Stall gefangen gehalten werden. Von
der Gewinnung der Sonne und des himmlischen
Lichtes handeln, wie ich glaube, auch die letzten
noch zu besprechenden Arbeiten des Herakles, —
das Herbeibringen der Ilesperidenäpfel und des
Kerberos. Wir betrachten zunächst das erst-
genannte Abenteuer.
Die Sage vom Garten der Hesperiden und
seinen goldenen Äpfeln ist eine überaus reizende.
Fern im äußersten Westen, von den Fluten des
Okeanos umspült, liegt ein seliges Eiland, zu dem
nie ein Schiffer hingelangt. Dort fließen Quellen
von Nektar und Ambrosia, und die sogensprossende
Erde spendet den Göttern ihre herrlichsten Gaben.
Dort findet sich der Göttergarten, den die Hespe-
riden, die abendlichen Nymphen, hüten, sein
schönster Schmuck aber ist der Wunderbaum mit
9*
68
III. Abhandlung: Leopold v. Schkoedee.
den goldenen Äpfeln, die als Symbole des Segens
der schaffenden Naturkraft, der Liebe und der
Fruchtbarkeit gelten. Diesen Baum des Lebens
mit den goldenen Ifesperidenäpfeln, wie sie ge-
wöhnlich genannt werden, ließ die Erde zur
Hochzeit der Hera erwachsen, die dort ihr erstes
hräutliches Beilager mit dem Göttervater Zeus
ffehalten haben soll. Hera aber vertraut den wun-
derbaren Baum der Hut des Drachen Ladon und
der hesperischen Nymphen an, d. i. der Hesperiden,
deren gewöhnlich drei genannt werden: Aigle,
Erytheia und Hesperia, die Strahlende, die Röt-
liche, die Abendliche. Es sind Namen, die den
rötlichen Glanz der abendlichen Sonne wider-
spiegeln, — ähnlich wie jenes Eiland Erytheia,
das die Rinder des Geryones barg und ebenfalls
dort im fernsten Westen im Okeanos gelegen sein
soll.') Diese Lage des Gartens der Hesperiden
darf unbedingt als die ursprüngliche und eigent-
liche gelten, denn die Nymphen des Abends, wie
ihr Name sie kennzeichnet, sind naturgemäß dort
zu suchen, wo die untergehende, die abendliche
Sonne strahlt. Doch findet sich daneben bei man-
chen Dichtern auch eine andre Auffassung, der
gemäß die Hesperiden und der stets ihnen ver-
bundene Atlas im äußersten Norden zu suchen
seien, in der Gegend der Hyperboreer, in jenem
Teile des erdumgürtenden Okeanos, der nordwärts
von dem fabelhaften Gebirge der Rhipaeen sich
breitet.") Welche Wertung man dieser Variante
auch zuschreiben mag, — wichtig vor allem ist
für uns die Frage nach der ursprünglichen Be-
deutung der Avunderbaren goldenen Apfel.
Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen,
daß uns hier, wie auch sonst noch öfters, die un-
gemein primitiv -mythologische Vorstellung der
lettischen Lieder den richtigen Weg weist und uns
die an sich schon naheliegende Deutung mit voller
Sicherheit erkennen läßt. Nach diesen Liedern
wohnt die Sonne, oder weilt doch zeitweilig, in
einem Apfelgarten, dort zieht sie ein, dort schlum-
mert und schläft sie. Des Morgens früh erhebt
sich die Sonnentochter, die junge, neu aufstei-
gende Sonne, und die Gottessöhne, ihre glück-
lichen Freier, kommen und rollen den goldenen
Apfel:
Stehe früh auf, Sonnentochter,
Wasche weiß den Lindentisch,
Morgen früh kommen Gottes Söhne,
Den goldenen Apfel zu wirbeln (rollen).
Wenn aber der Apfel vom Baume fällt, dann
weint die Sonne:
Bitterlich weint das Sonnchen
Im Apfelgarten.
Vom Apfelbaum ist gefallen
Der goldene Apfel.
Weine nicht. Sonnchen,
Gott macht einen andern,
Von Gold, von Erz,
Von Silberchen.
Das ist, in naivster Form ausgedrückt, offen-
bar nichts anderes als Sonnenuntergang und Trost
beim Entschwinden des goldig glänzenden Ge-
stirns. Der goldene Apfel ist der Sonnenball
selbst. Ihn wirbeln oder rollen die Gottessöhne
am Morgen früh, und abends weint die Sonne,
weil er vom Baume gefallen ist. Ist das Bild
des Apfels einmal da, dann stellt sich ganz natür-
lich dazu auch der Apfelbaum ein, an dem er
gewachsen, und die täglich wiederkehrende Er-
scheinung des Sonnenballs läßt sich leicht als
eine lange Reihe solcher Apfel fassen. Die Sonne
aber schläft in dem Apfelgarten:
Einfuhr die Sonne zum Apfelgarten,
Neun Wagen zogen wohl hundert Rosse.
Schlummre, o Sonne, im Apfelgarten,
Die Augenlider voll Aj)felblüten.
Ähnlich, fast noch hübscher, singt ein an-
dres Lied:
Schlafe, schlafe. Sonnchen,
Im Apfelgarten,
Voll sind deine Äuglein,
Mit Apfelbaumblüten. ^1
Der Apfelbaum und seine Blüten existieren
nur in der Phantasie der Sänger, aber es ist ein
reizendes mythisches Bild, wie von selbst aus der
Vorstellung des Sonnenballs als eines Apfels, re-
spektive eines goldenen Apfels erwachsen.
Dort, wo die Sonne untergeht, wo sie ein-
fährt mit ihrem Wagen, ist ein Apfelgarten, in
dem goldene Apfel wachsen. Da ruht und schläft
die Sonne, die Augen voll Apfelblüten. Ihre
Liebsten, die Gottessöhne, aber rollen am Morgen
1) Vgl. Preller, a. a. O. I p. 31-33. 131. 461 %.; II p. 216 fg.
«) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 216.
") Vgl. Mannhardt, Lettische Sonnenmythen, die Lieder Nr. 28—31.
Hekakles und Indea.
69
früh den goldenen Apfel, den Sonnenball. Das
ist in der naiven Sprache des lettischen Mythus
wesentlich dieselbe Vorstellung, die wir im Hes-
peridengarten der Griechen zu höchster Schönheit
entwickelt und vollendet sehen: der wunderbare
Garten mit dem wunderbaren Baum, an dem die
goldenen Apfel wachsen, — wo Hera, die Königin
des Himmels, die Sonnengüttin, die junge bräut-
liche Sonne an der Seite ihres geliebten, neuver-
mählten Gatten schlummert.
Aus dem goldenen Apfel als Sonuensymbol
konnte natürlich leicht ein Symbol der Frucht-
barkeit und des Segens, der schaffenden Naturkraft
überhaupt sich entwickeln, wie es in den Hespe-
ridenäpfeln der Griechen tatsächlich vorliegt. Die-
selbe Bedeutung ist aller Wahrscheinlichkeit nach
in der nordischen Mythologie den wunderbaren,
viel begehrten Äpfeln der Idun zuzuschreiben, die
ursprünglich wohl auch nichts anderes waren als
Sonnenäpfel. Und wenn in der Edda Skirner, der
Diener des Himmelsgottes Freyr, bei der Wer-
bung um Gerdhr im Namen seines Herrn der
schönen Riesentochter elf ganz goldene Apfel zum
Geschenke bietet, i) dann handelt es sich offenbar
um lockende Kleinode ähnlicher Art, Symbole der
Fruchtbarkeit, wie sie dem großen Gotte der
himmlischen Fruchtbarkeit mehr als jedem andern
zustehen, im Grunde aber doch wiederum Sonnen-
äpfel. Bei den Skandinaviern scheint das Symbol
ungefähr auf der gleichen Stufe der Entwicklung
zu stehen wie bei den Griechen, während es sich
bei den Letten ganz einfach und primitiv als ein
Abbild des Sonnenballs erhalten hat. In dieser
einfachen Form scheint es auch bei den Slawen
noch fortzuleben, in dem montenegrinischen Ge-
dicht von dem Pascha, der um die schone Sonnen- |
Schwester wirbt und dabei umkommt. Mit den
drei goldenen Äpfeln, die die Jungfrau zum Him-
mel emporwirft \ind fangen heißt, vernichtet sie
den kühnen Freier samt seinem Gefolge.")
Es ist sehr möglich, daß das Bild der Sonne
als eines Apfels neben vielen andern Sonnenbildern
den Ariern schon in der Urzeit geläufig war und
daß sie auch schon von dem Baume fabelten, an
welchem diese wunderbaren Früchte wuchsen.
War ihnen das Gold damals noch unbekannt, dann
bezeichneten sie diese Äpfel eben noch nicht als gol-
dene, vielleicht als gelbe. Das Epitheton ,golden'
gesellte sich später fast mit Notwendigkeit hinzu.
Doch, wie man sich das auch denken mag, auf
jeden Fall liegt nichts näher, als die Apfel der
Hesperideu, ähnlich den lettischen Sonnenäpfeln,
als alte Sinnbilder der Sonne zu fassen, die der
Sonnenheld Herakles gewinnen muß.
Er hat einen weiten Weg bis zum Garten
der Hesperiden zurückzulegen, ob man sich diesen
nun im äußersten Westen oder im höchsten Nor-
den gelegen denkt. Auf einige Abenteuer dieses
Weges werden wir später zu spreclien kommen.
An Ort und Stelle angelangt, muß der Held noch
zuerst den Drachen Ladon bezwingen, der den
Baum mit den goldenen Äpfeln hütet. Er tötet
den Drachen und pflückt die Apfel vom Wunder-
baume. Dies ist offenbar die älteste Fassung der
Sage.^j Nach einer andern, später besonders ge-
läufig gewordenen Form der Erzählung tut He-
rakles die Tat nicht selbst, er bewegt vielmehr
den Atlas dazu, den Riesen, der das Himmels-
gewölbe auf seinem Nacken trägt. Inzwischen
nimmt Herakles selbst die gewaltige Last auf sich.
Als der Riese mit den erbeuteten Äpfeln zurück-
kommt, will er diese nun selbst nach Mykenae
bringen und Herakles das Tragen des Himmels
ganz überlassen. Aber der Held überlistet den
plumpen Patron, indem er sich scheinbar dazu
bereit erklärt, nur zuvor sich noch ein Kissen auf
den Ko]>f legen will. Als Atlas die Last wieder
auf den Schultern hat, wird er sie nicht mehr los,
und auch die Apfel, die er noch in der Hand
hält, zwingt ihm Herakles mit dem Schwerte ab,
wie schon auf dem Kypseloskasten und andern
alten Denkmälern im Bilde zu sehen war.*) Ist
auch diese Erzählung augenscheinlich später er-
funden, so scheint doch die Verbindung des Atlas
mit der Sage von den Hesperidenäpfeln und ihrer
Gewinnung durch Herakles eine alte und feste zu
sein, wenn auch andersartig.^) Wir werden einen
merkwürdigen Beweis dafür bald aus den Liedern
des Rigveda gewinnen.
Der wesentliche Inhalt des ursprünglichen
Mythus besteht offenbar in der Gewinnung des
himmlischen Lichts und des damit verbundenen
*) .Skirnetinäl 19: eple alüfo her hefk algollen, )ian moiik ]>iT, Genlr. gef.-i etc.
'■*) Vgl. Maiuiliardt, Lottisclio Sonnenmythen p. 21 -J.
3) Vgl. Gruppe a. a. O. I p. 471. *) Vgl. Treller, a. a. O. 11 p. 220. 221.
^) Vgl. Gruppe a. a. O. 1 p. 171. Nach Grupi)0 hätte in einer älteren Fassung der Sago Atlas ilie Äpfel nicht selbst
geholt, ,sondern eher dem Helden freundliche Auskunft erteilt, wozu er, der ja alle Meerostiefen kennt, besonders befähigt
ist. Erst die argivische oder eine noch jüngere Dichtung wird das gegebene Motiv der Zusaninienkunft mit Atlas durch
die Erfindung überboten haben, daß der Held die Hinimelslast auf sich nahm.'
70
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
Segens, im Bilde der Sounenäpfel, uuter voraus-
gehender Tötuno- des diese Schätze hütenden
Drachens.
Das Bild von den Sonnenäpfelii ist nun frei-
lich im indischen Mythus nicht vorhanden. Nimmt
man an. daß dasselbe der Urzeit angehörte, dann
müßten die Inder dasselbe im Laufe ihrer Souder-
entwieklung, in einem Lande, wo der Apfelbaum
fehlte oder keine hervortretende Rolle spielte, ver-
loren haben. Glaubt man nicht an die Urzeit-
lichkeit des Bildes, dann hätten die europäischen
Arier dasselbe nach der Abtrennung der Indo-
perser erst entwickelt und den letzteren wäre
dasselbe überhaupt fremd geblieben.') Wie dem
auch sei, im Indramythus hören wir jedenfalls
nicht von derartigen Äpfeln. Sehr geläufig aber
ist ihm die allgemeine Vorstellung, Indra habe
das Himmelslicht, die Sonne, die Morgenröte ge-
wonnen, gefunden, ersiegt, erbeutet, er habe es
den Menschen geschenkt, habe die Sonne am Him-
mel aufsteigen, leuchten lassen, und wie die Wen-
dungen sonst lauten mögen. Dieser typischen
Heldentat geht die ebenso typische Tötung des
bösen Drachen voraus. Der Grundgedanke der
Gewinnung der Sonne und ihres Segens, nach
Tötung eines bösen Drachens, iväre also dem in-
dischen und dem griechischen Mythus gemein, es
fehlt nur das Bild von den Äpfeln in Indien.
Um die Art, wie die vedischen Texte von
dieser Tat des Indra reden, ein wenig zu veran-
schaulichen, will ich einige charakteristische Stel-
len hier mitteilen.
Kurz und bündig heißt es z. B. RV 1, 51, 4.
,Als du, o Indra, mit Macht den Vritra, den
Drachen, tötetest, da ließest du am Himmel die
Sonne aufsteigen, zum Schauen.' Die Wendung
,du ließest die Sonne am Himmel aufsteigen'-)
findet sich auch RV 8, 78, 7 gebraucht, nachdem
zuvor von der Tötung des Vritra, Ausbreitung der
Erde und Stützung
wesen.
des Himmels die Rede
Im Vers 4 desselben Liedes ist der Vorgang
stattfindender gefaßt
sehr
da es sich in der Tat um Dinge*
wie ein erst noch
charakteristisch
handelt, die sich wiederholen, sei es nun beim Ge-
witter oder beim Jahreszeiten Wechsel. Da heißt es:
,Die mütterlichen Wasser sollen eilig strömen !
Töte du den Vritra, ersiege das Himmelslicht !'^)
Auch RV 1, 7, 3 heißt es: , Indra ließ zu lan-
gem Schauen die Sonne am Himmel aufsteigen;
er spaltete den Fels um der Kühe willen.'
, Indra hat die Sonne aufgefunden, die im
Dunkel weilte,' rühmt der Sänger (RV 3, 39, 5).^)
,Als das Himmelslicht gefunden ward, schön zu
schauen mit seinen Strahlen, da ließen sie — d. h.
Indra mit seineu Helfern — das große Licht er-
strahlen beim Aufleuchten;^) das blinde, verwor-
rene Dunkel hat der stärkste Mann den Män-
nern sichtbar gemacht' heißt es RV 4, 16, 4; und
im 9. Verse desselben Liedes hören wir den Sän-
ger den Gott anflehen um die Gewinnung des
Himmelslichts'. ^)
Das Wort, das ich hier bereits mehrmals
durch , Himmelslicht' übersetzt habe — svär — ,
hat ohne Zweifel diese Bedeutung. Es ist ein
Nomen, identisch mit jener Wurzel, aus der so
viele Bezeichnungen der Sonne in den arischen
Sprachen entsprossen sind. Es bezeichnet die
Sonne, das Sonnenlicht, den sonnenerhellten Licht-
himmel, wird aber auch oft allgemeiner durch
, Licht, Glanz, Herrlichkeit, Seligkeit, Glück' wieder-
gegeben. Und in der Tat scheint es diese allge-
meine Bedeutung gewonnen zu haben, ähnlich wie
die alten mythischen Soimenäpfel bei Griechen
und Germauen zu einem Symbol des Glückes und
der Seligkeit überhaupt geworden sind, alles Glück,
alle Herrlichkeit bedeuten.') Doch ist den Indern
niemals die eigentliche Bedeutung des Wortes svär
') Wie Herr Professor R. v. Wettsteiii mich belehrt, ist der Apfel nach seiner Überzeugung ein ur.-ilt einheimisch
europäischer Baum, während derselbe in Indien erst verhältnismäßig spät importiert wurde. Darnach möchte ich die erste
Möglichkeit für die wahrscheinlichere halten: Existenz des Bildes in der Urzeit und Verlust dessell)en bei den Indern,
nachdem sie in "ein apfelloses Land gezogen waren.
-) yäd indra (jävasävadhir ähim ad it süryani divy ärohayo dricfe.
') RV8, 78, 4: häno vriträiii jiiyä svalj. *) suryani viveda tämasi kshiyäntam.
*) västolj; das , Aufleuchten' wird gewöhnlich auf die Morgenfrühe bezogen; ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß
es ebenso, und ursprünglich wohl in erster Linie, auf die im Frühling neu aufleuchtende Sonne sich bezog.
«) cf. auch RV 6, ;i;i, 4.
') Namentlich .sind sie den Griechen ,i^ymbole der Liebe und Fruchtbarkeit'. ,Sie sind das ideale Vorbild der Liebe
und Liebessegeu bedeutenden Apfel, wie sie den Orieclien aus dem Dienste der Aphrodite und aus dem gewühiiliclien Hochzeits-
brauche bekannt waren.' Vgl. Freller a. a. O. I p. 461. 4ö2. Die Äpfel der Iduna hatten die Kraft, denjenigen zu verjüngen,
der von ihnen aß. , Abergläubische Gebräuche der Gegenwart, die namentlich während der Rauhnächte in Übung sind,
Zeigen, daß man noch heute den Apfel als vorbedeutend für Fruchtbarkeit, Liebe und Heirat, für Leben und Tod be-
trachtet. Liebende beißen Äpfel an und senden sich diese als ,Lieboszeichen'. Vgl. Brockhaus, Konvers.-Lex. s. v. Apfel.
Herakles und Indba.
71
ligkeit
große
aus dem Bewußtsein geschwunden. ,Hiiiimelsliclit.,'
— das ist ihnen eben Glück und Glanz, alle Se-
und Herrlichkeit des Lebens, die der
treitbare Gott durch seinen Sieg ihnen
schenkt.
,Iudra ließ die Sonne leuchten', rühmt der
Sänger (RY 8, 3, 6); .du Indra bist übez-mächtig,
du ließest die Sonne leuchten,' heißt es an einer
andern Stelle (8, 87, 2).i) .Nachdem du, o Indra,
den Yritra getötet, für den Menschen die Wasser
in Bewegung bringend, da hieltst du den ehernen
Donnerkeil in den Armen, da setztest du die
Sonne am Himmel fest, daß man sie schaue.^)
Indra hat, von seinen Maruts begleitet, die
Sonne gewonnen oder erbeutet (süryam sanat),
wird RV 1. 100, 6 gerühmt; und in vollerem Bilde
heißt es im 18. Verse desselben Liedes: ,Die Dä-
monen und Bedränger hat er, der Vielgerufene,
nach seiner Ai-t mit dem Pfeile sie tötend, auf
der Erde hingestreckt; er hat das Land gewonnen
mit den lichten Freunden, er hat die Sonne ge-
wonnen, hat die Wasser gewonnen, der gut mit
dem Donnerkeil Bewehrte.^)
Indra ist ,der Gewinner des Himmels-
lichts, der die Tage erzeugt,'*) nach RV 3, 34, 4;
,er ließ dem Menschen hervorleuchten den Glanz
der Tage, er fand das Licht zu großer
Freude.' Und weiter heißt es in demselben
Liede (v. 8. 9): ,Ihm, der das Himmelslicht
und die göttlichen Wasser gewonnen, der
die Erde und den Himmel dort gewonnen hat,
dem Indra jauchzen zu die Andachtsfreudigen.
Er hat die Rosse gewonnen und er hat die
Sonne gewonnen, Indra hat das viel ernährende
Rind gewonnen' etc.")
Indra, der Töter des Ahi, hat die Sonne
erzeugt, hat die Kühe gefunden; er tötet den
Vritra für den frommen Verehrer, er ist anzu-
flehen um die Gewinnung der Sonne. Gott
wegt.
aus
Indra hat dem kelternden Sterblichen die Sonne
geschenkt^) (RV 2, 19, 3— 5). Die , Gewinnung
der Sonne' — süryasya säti — wird auch bei
der Tötung des Qushna für Kutsa erwähnt (RV
6, 20, 5). Um , Gewinnung der Sonne' wird Indra
angerufen (RV 7, 30, 2).
Durch den Soma erfreut ließ Indra die Sonne,
die Morgenröte aufleuchten, das Feste spaltend;
den großen Fels, der die Kühe umschloß, den
unerschütterlichen, bat er von seiner Stätte be-
Er öffnete die Tore den roten (Kühen),
dem festen Stall ließ er die Rinder heraus.
Er breitete die Erde aus, er stützte den Himmel,
festigte beide Welten, deren Söhne die Götter
sind. Alle die Götter haben den starken Indra
allein vorangestellt für den Kampf, als der Un-
gott den Göttern auflauerte, da erwählen sie den
Indra zur Gewinnung des Himmelslichts')
(RV 6, 17, 5-8).
Indra wird der ,Ersieger des Himmels-
lichtes' genannt (svarjit), wie er auch der Er-
sieger der Wasser heißt (abjit), auch Ersieger der
Rinder und Rosse und aller möglichen Güter (RV
2, 21, ly)
,Du hast das Himmelslicht ersiegt,'
rühmt der Sänger RV 10, 167, 1 und nennt ihn
im folgenden Verse wieder ,den Ersieger des
Himmelslichtes. '^)
Dies Gewinnen, Erbeuten oder Ersiegen der
Sonne oder des Himmelslichts besagt offenbar das-
selbe wie das früher erwähnte Auffinden, Leuchten-
lassen oder Aufsteigenlassen der Sonne, respektive
des Lichtes oder der Morgenröte. L^nd ebenso
handelt es sich augenscheinlich um denselben
Vorgang bei dem schon früher durch eine größere
Reihe von Beispielen belegten , Erzeugen' der Sonne
oder der Morgenröte. Immer geht der Sieg über
den bösen Dämon oder eine Mehrheit solcher, des
Ahi, Vritra, oder wie sie sonst heißen, diesem Vor-
•) 8,3,6: indral.i süryam arocayat; 8,87,2: tvAm indräbhibhür asi tväiu süryam arocayal.i.
') RV 1, 52, 8: jaghaiivän ädhärayo divy ;i süryain driije; vj^l. auch 8, 12, 30.
') KV 1, 100, 18: sänat süryam säiiad apab suviijral.i. Da Indra durch den Suma gestärkt die Tat ausführt, wird
dieselbe auch dem Soma direkt zutjeschrieben, ßV 9, 4, 2 s;inä jy^tib säiui svj'il.i!
*) RV 3, 34, 4 indral.i .srarshi janäyann .nhäni. Auch der Donnerkeil des Indra, mit dem or den Sieg; gewinnt, erhält
dies Epitheton svarshä .Himmelslicht gewinnend' RV 1, 100, 13; ebenso der Soma KV 1, 91, 21; 9, 96, 18. ^ ^
s) sasavä'msan.i svAr apagca devi'h, sasäna yäb prithivi'm dy.irn utemäm indram madanty änu dhiranäsab; sasänäty.in
Uta süryam sasäna nsw.
'^) eig. eingeräumt oder freigemacht: süryam ä devii rinan märtyäya.
') KV 6, ] 7, 8 svärshätä vrinata indram atra.
«) vi(;vajit6 dhanajite svarjite saträjito nnjita urvaräjite, aijvajite gojite abjite bharondr.nya söm.im.
») tväm täpal.1 paiitäpyäjayab svab und dann svarjftam — havämahe etc. Außer dem Indra wird nur noch Soma
svarjit und abjit. Ersieger des Himmelslichts und Krsieger des Wassers genannt; cf. RV 9, 27, 2; 9, 78, 4. Soma, der den
Indra zu der Tat stärkt" wird dann geradezu auch als deren Vollbringer gepriesen. - Das Epitheton svarvid Himmelslicht,
respektive Glanz. Glück u. dgl. verschaffend wird außer Indra und Soma auch noch andern Göttern beigelegt.
72
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
raris' A-oraus. Man denkt zunächst an das Ge-
witter, dann aber — zumal wenn die Morgenröte
erwähnt wird — an den Morg:en oder den Jahres-
anfang. Die Tat ersclieint bisweilen als eine in
grauer Vorzeit geschehene, zumal wenn es heißt,
Indra habe diesell)e gleich nach seiner Geburt
auso-eführt. Dann aber haben wir wieder den
Eindruck, daß es sich um einen wiederholt, viel-
leicht regelmäßig wiederkehrenden Vorgang han-
delt. Die Sänger stärken ja den Gott durch Soma
zu diesem Kampf und Sieg, sie flehen ihn an:
,Töte den Vritra, ersiege das Himmelslicht'.
Besonders merkwürdig aber erscheint mir bei
der mannigfach wechselnden und variierenden
Schilderung der Heldentat des Indra die nicht
seltene, damit verbundene Erwähnung, Indra habe
den Himmel oder auch Himmel und Erde fest-
gemacht, er habe den Himmel gestützt, mit einer
Stütze oder einem Pfeiler, er habe die beiden
Welten, d. h. wiederum Himmel und Erde aus-
einander gestemmt oder gestützt, d. h. gesondert
befestigt u. dgl. m. Diese gewissermaßen akzesso-
rische, oft so nebenher erwähnte Leistung ist offen-
bar eine höchst bedeutsame und verdient in hohem
Grade eine nähere Betrachtung. Auch darum schon,
weil sie so oft, ja fast typisch mit der Gewinnung
der Sonne und des Lichtes verbunden erscheint.
Eine Stelle dieser Art haben wir kürzlich
oben mitgeteilt (p. 71). Nachdem zuerst gesagt
war, Indra habe Sonne und Morgenröte aufleuch-
ten lassen, habe den roten Kühen die Tore ge-
öffnet, die Kühe aus dem Stall gelassen, heißt es
weiter, er habe die Erde, das große Wunderwerk,
angefüllt, er habe den Himmel gestützt,
beide Welten festgemacht.*) Nach der oben
weiter angeführten Stelle, in der Indra aufge-
fordert wird: ,Töte den ^'!•itra, ersiege das
Ilimmelslicht!' (RV 8, 78, 4), heißt es gleich wei-
ter (v. 5): ,Als du geboren wardst zur Vritra-
tötung, du Unvergleichlicher, Gabenreicher, dabrei-
tetest du die Erde aus, da stütztest du auch
den Himmel.'-) Niciit selten finden wir neben
dem Stützen des Himmels auch dies Ausbreiten
der Erde erwähnt.
In dem Verse RV 3, 49, 4, wo Indra der Er-
zeuger der Sonne genannt wird, der die Nächte
erhellt, heißt er zugleich, und zwar noch vorher
,der Stützer des Himmels' (dharta divah). Wir
sahen früher in ein paar Stellen, daß Indra neben
der Sonne und Morgenröte auch den Himmel
erzeugt (RV 1, 32, 4; 6, 50, 3). Man könnte
zweifeln, ob da vielleicht statt Himmel ,Tag' zu
setzen wäre, da dasselbe Wort (div, dyu) ja so-
wohl den Himmel wie den Tag bezeichnet. So
viel ist gewiß, daß in der Regel neben dem Er-
zeugen oder Aufleuchtenlassen der Sonne und der
Morgenröte vielmehr das Stützen, Feststellen,
Festmachen des Himmels und eventuell auch
der Erde, respektive auch das Auseinanderstemmen,
das gesonderte Befestigen von Himmel und Erde
gerühmt wird.')
So hieß es z. B. RV 3, 32, 8: ,Er, der die
Erde und den Himmel dort befestigte, er erzeugte
die Sonne, die Morgenröte, der Wunderkräftige.'*)
In dem Liede RV 3, 44 hieß es Vers 2, daß In-
dra liebend die Morgenröte strahlen, liebend die
Sonne leuchten ließ; dann aber folgt Vers 3 die
Angabe, daß er den Himmel und die Erde fest-
gemacht oder gestützt habe.^)
In origineller Wendung heißt es RV 1, 62, 5:
,Du hast mit der Morgenröte, mit der Sonne, mit
den Kühen (d. h. natürlich den LichtkUhen) das
Dunkel aufgeschlossen; du, Indra, hast der Erde
Rücken ausgebreitet, du hast des Himmels
untern Lichtraum gestützt."')
RV 10, 113 wird in den ersten Versen der
Sieg des Indra über den Vritra gefeiert. Vishnu,
sein Freund und Kampfgenosse, stärkt ihn dazu
mit dem himmlischen Meth (mädhu). Dann heißt
es Vers 4: Eben geboren, stieß er die Feinde fort,
sah sich um der. Held nach Mannestat und Kampf;
er spaltete den Fels, ließ frei die strömenden
(Wasser), er stützte mit Kunst das breite
Firmament.'')
') RV6, 17, 7: paprätha ushäin niähi Jümso vy urviin üpa dvAm rishvo brihad indra stabh.ayali | ädhärayo rödasi de-
väputre etc.
') RV 8, 78, 5 yaj jäyathä apürvya mäghavan vritrahätyaya, tat prithivira aprathayas täd astabhnä utä dyäm.
') Die Liederdichter bedienen sich bei diesen .Schilderunfren namentlicli der Wurzel .stabh oder skabh .stützen'
auch .stemmen'; vi-skabh ,auseinanderstemmen, gesondert befestigen'; dhar .festmachen, stützen, lialteu'. Namentlich be-
gegnen die Formen: ast.abhn.at, astabhnis; astabhäyat, stabhäyas; stambhit, astatnbhit; cÄskambha; vi-shk.ibhayati; vi-slikabbä-
yat; dädhära; adhärayat u. dgl. ra.
*) dädhära yäl.i prithivim dyäm utemän.i jajäna sfiryam ushäsaiii .«udämsäh.
') dyäm indro häridh.äyasam prithiviin härivarpasam adhärayat etc.
') Ti bhümyä aprathaya indra .sänu divo räja i'iparam astabhäyah.
') jistabhnän näkarp svapasyäyä prithüm.
Herakles und Indra.
73
Es ist iu der Tat eine Kunst, ein göttliches
Wunder, dies Stützen und Festmacheu des hohen
Himmels, denn der Gott vollbringt ja das Werk
in dem weiten Raum, wo es keine Balken gibt,
wie der Zimmermann sie braucht, wenn er das
Dach über einem Hause errichtet. Solches Wun-
der feiert ein Sänger RV 2, 15, 2:
.Im balkenlosen (Räume) hat er den hohen
Himmel gestützt, er erfüllte die beiden Welten,
den Luftraum, er festigte die Erde und breitete
sie aus; im Rausch des Soma hat Indra das getan.")
Er hat es getan zum Besten der Jlenschen,
aber auch des Viehs, der vierfüßigen Tiere:
RV 1, 121, 2:, Er stützte den Himmel
2. Er bildete den Donnerkeil und sein Gefährt,
er stützte den Himmel für den Vierfüßler und
für das zweifüßige Volk der Menschen.'-)
Mit der Hesiegung und Tötung des bösen
AVolkendämons ist auch dieses -wichtige Werk
typisch verbunden:
Väl. i), 8: ,Er, der durch seine Kraft den
Wasserbehälter erlangte, mit Hieben den (^'ushna
niederschmetternd, als er den Himmel dort
ausbreitend stützte,''') da ward geboren der
Erdbewohner."
Von Indra gestützt steht der Himmel fest,
wie eine wohlgesetzte, gut errichtete Säule. Ich
gebe die folgende Stelle (RV 5, 45, 1 und 2) in
Grassmanns Übersetzung:
1. Durch Sprüche lösend klug des Himmels Felsen
Befreite er die Kuh im Stall und Licht kam;
Der nahnden Morgenröte Strahlen kamen;
Der Gott schloß auf die Türen , die der Mensch liebt.
2. Wie Glanz erschloß die Sonne ihre Schönheit;
Vom Stall her kam der Kühe Mutter kundig,
Die Ströme wogten über Fels und Ufer;
Der Himmel stand gleich wolilgesetzter Säule.*)
Genauer noch ließe sich übersetzen: ,Wie
eine ffut errichtete Säule ward der Himmel fest.'
Wird der Himmel hier selbst einer Säule
verglichen, so liegt das Tertium comparationis,
wie schon der Wortlaut zeigt, doch offenbar nur
in der Festigkeit und Wohlgegrüudetheit, mit
welcher er nun an seiner Stätte steht. An andern
Stellen hören wir deutlich von einer Stütze, einer
großen Stütze oder einem großen Pfeiler, mit dem
Gott Indra den Himmel gestützt hat.
RV 10, 111, 5: .Indra ist Himmel und Erde
gewachsen, er kennt alle Kelterungen, er tötet
den (^!ushna; er hat den großen Himmel sogar
mit der Sonne durchwoben (oder durclizogen, d. h.
erhellt; ätanot); er stützte (ihn) mit einer
Stütze, der beste Stützer. '^^
Zu Anfang des Liedes RV 6, 47 ist von Soma
die Rede, wie Indra sich an ihm lierauscht und
durch ihn gestärkt die 99 Wälle des C'ambara
zerschmettert usw. Dann heißt es Vers 4: ,Er
ist es, der die Weite der Erde, die Höhe des
Himmels geschaffen hat —
ö. Er hat die strahlend schimmernde Flut
gefunden, die im Lichte wohnende, im Angesicht
der Morgenröten; dieser Große hat mit einer
großen Stütze den Himmel gestützt, der von
den Maruts begleitete Stier.'")
Diese große Stütze, Pfeiler oder Säule (skäm-
bhana, kämbhana), kann natürlich unsichtbar ge-
dacht sein, für INIeuschenaugen nicht erreichbar.
Es ist aber auch möglich, daß sichtbare Dinge
hier mit in Frage kommen. So scheint es fast —
ohne dem Wortlaute nach ganz sicher zu stehen,
— als wenn RV 4, 13, 5 die Sonne als des Him-
mels Stutze oder Pfeiler bezeichnet wird (diväh
skambhah). Auch in dem Anfangsverse des be-
rühmten Hoclizeitsliedes (RV 10, 85) sieht es fast
so aus, als wäre die Sonne als die Stütze des
Himmels gefaßt: , Durch Wahrheit ist die Erde
gestützt, durch die Sonne ist der Himmel gestützt,"
— doch es hält schwer, die am Himmel wandelnde,
auf- und untergehende Sonne sich wirklich als
Stütze des Himmels zu denken, und vielleicht
handelt es sich nur um eine metaphorische Aus-
drucksweise, zumal die AVahrheit als Stütze der
Erde ja auch keine materielle Vorstellung ist.
Weit häutiger und sehr bestimmt wird Soma als
•) avaiiiije dyäm astabliäyad brihäntam ä rödasi aprinad antäriksliam/sä ciluirayad pritliivini pnpratliac ca sömasya tä
maäa indrap cakära,
^) stänibiiid ha dyäm — — ; takshad väjrai|i iiiyiitam tastämbliad dyäin cätushpade naryäya dvipäde.
') yaded ästambhit pratliäyanu amüin divam.
■*) sthüneva sümitä driinhata dyäub.
') cäskämbha cit kämblianena sk.'ibhtyän. Grassmann übersetzt ahulicli wie ich: .aiit's beste stützend stützt er ihn
mit Stützen,' wo nur der Plural nicht iu dem Texte lie^t. Ludwig: ,Den großen Himmel soj^ar hat er mit der Sonne
bezogen, emporgestützt mit dem .Strebepfeiler, er selber die bessere Stütze.'
') ayäm m.iliän mahatä skämbhanoni'id dyäm astabtinäd vfishabho manitvän.
Denkschriften der phil.-hist. Kl. 58. Bd. S. Abb. 10
74
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedeb.
des Himmels Stütze bezeichnet,') doch kann der
berauschende Trank, der Indra zu seinen Taten
begeistert, wohl nur in übertragenem, metapliori-
schem, bildlichem Sinne als solche in Betracht
kommen. Und auch, wenn man Hillebrandts An-
sicht folgend, in Soma den Mond sehen will, wird
für die Anschauung kaum etwas gewonnen, denn
noch weit weniger als die Sonne läßt sich der
wechselnde Mond als materielle Stütze des Him-
mels wirklich vorstellen. Näher liegt es, wenn
schon wirkliche Naturobjekte in Frage kommen
sollen, an hohe Berge zu denken, auf denen der
Himmel ruht, — eine Vorstellung, die den Grie-
chen geläufig war, und zwar nicht nur mit Bezug
auf den Atlas. Es läge sehr nahe, dieselbe auch
bei den Indern zu vermuten, die angesichts des
höchsten Gebirges der Erde lebten. Das ist nun
freilich in den Liedern des Rigveda nicht irgend-
wie deutlich ausgesprochen, wohl aber finden wir
in der Schilderung der großen Heldentat des
Indra auch den merkwürdigen Zug, der Gott
habe die wankenden, schwankenden Berge fest-
gemacht, — und es liegt nicht gerade fern, dies
Festmachen der Berge mit der Festigung und
Stützung des Himmels in Zusammenhang zu brin-
gen. Im Yajurveda, wie auch in späteren Texten,
wird die seltsame Geschichte erzählt, die Berge
hätten früher Flügel gehabt und wären nach Be-
lieben umhergeflogen. Da sei denn auch die Erde
schwankend gewesen (^ithirä). Indra aber habe
den Bergen die Flügel abgeschnitten und durch
dieselben (d. h. die Berge) die Erde festgemacht.
Die Flügel aber, das sind die Wolken! Die ziehen
daher immer za den Bergen hin, denn dort ist
eigentlich ihr Platz. ^)
Das Festmachen der Erde wird hier also
geradezu durch die ihrer Flügel beraubten Berge
zustande gebracht. Das Festmachen der Erde
und das Festmachen oder Stützen des Himmels
aber gehören eng zusammen. Wir werden gleich
sehen, daß Indra Himmel und Erde auseinander-
stemmt, gesondert befestigt, wie zwei Räder, die
durch die Achse auseinandergehalten werden. Und
das Festmachen der Berge wird auch im Rigveda
schon im Zusammerüiang mit dem Festmachen von
Erde und Himmel berichtet. Immerhin wird es
eine Vermutung bleiben müssen — wenn auch
eine recht nahe liegende — , daß die Sänger des
Veda sich den Himmel geradezu auf den Bergen
als einer festen Stütze ruhend gedacht haben
dürften.
RV 2, 17, 5 hören wir von Indra: ,Er hat
die überhangenden Berge festgemaciit mit
Kraft, hat die abwärtsgehende Tätigkeit der Wasser
geschaffen; er festigte die allnährende Erde,
er stutzte den Himmel mit Wunderkraft vor
dem Herabfallen.'^)
Noch lebendiger ist die Schilderung RV 2, 12:
2. ,Der die schwankende Erde fest-
machte, der die bebenden Berge zur Ruhe
brachte, der den weiten Luftraum durchmaß,
der den Himmel stützte, das, ihr Leute, ist
Indra!-*)
3. ,Der nach Tötung des Abi die sieben
Ströme rinnen ließ, der die Kühe heraustrieb aus
dem Versteck der Höhle, der zwischen den zwei
Steinen Feuer erzeugte,*) Beute machend in den
Schlachten, das, ihr Leute, ist Indra!'
Nicht minder lebhaft heißt es von Indra
RV 10,44, 8:
,Die bebenden Berge und Fluren hat er fest-
gemacht (adhärayat); der Himmel dröhnte, die
Lufträume machte er erzittern; die beiden
zusammengehörigen Schalen (d. h. Hinmiel
und Erde) stützt (oder stemmt) er auseinan-
der (befestigt sie gesondert, vi shkabhäyati) ; nach-
') Vgl. KV 9, 74, 2 (divö yälj »kambh6 dhariiiiah svätata äpürno amcjüli paryäti Tii;vätali); 9, 86, 46 (äsarji skamblid
divä üdyatab); 9, 86, 8 (dhari'ino niahö diväb); 9, «7, 2 und 9, 8», 6 (vishtambhö divö dhaniiiab prithivyäb); 9, 2, 5 (vishlambliö
dhanino div,äh); 9, 86, 3.') (iudrfiya mädvä mädyo mädab .sutö divö vishtambbä upamö vicakshanäli); 9, 108, 16 (divö visbtam-
bhä uttamäb). Die Bezeichnung vishtambbä .Stütze' wird im Rigveda ausschließlich von Sonia gebraucht.
') Vgl. Mäitr. S. I, 10, 13 a. A. pnyäpator vä et;ij jyeshthäm tokäni yat parvatäs, te paksbiiia äsanis te paräp.ätam
äsata yätra y.aträk.'unayantätha vä iyäni tärhi (■itbiräsit teshäm fndrab paksbän acbinat täir imäm adrimbat etc. ,Die Berge
sind l'r.ijäpatis älteste Brut. Die waren geflügelt, sie tlogeu umher und setzten sich bin, wo immer sie wallten. Da war
diese Krde damals schwankend. Indra schnitt ihre Flügel ab. Er machte mit ihnen (oder durch sie, d. h. die Berge) diese
Erde fest etc. — Piscbels ZurUckführung dieser Vor.stellung auf RV 4, 54, 5 ist mir nicht sehr wabrscbeiulicb (vgl. Vediäcbe
Studien 1, 174). — Der Gedanke von der ursprünglichen Geflügeltheit der Berge dürfte wohl ein jüngerer sein. Eng zu-
sammen aber gebort schon im Rigveda das Festmaclion der Berge und das Festmacben der Erde und des Himmels, re-
spektive auch lias .Stützen des Himmels durch I:idr.a.
') sä präcinän pärvatän driipbad öj.asä — adhärayat prithiviin vi(;vädhäya3am astabhnän mäyäyä dyäm avasräsah.
*) yäh prithiviin vyätham.inäm ädfiipbad yäh pärvatän präkupitän ärainnät — yö dyäm ästabhnät. —
') D. h. wohl in den Wolken, in dem gespaltenen Wolkenfels. Ich habe diesen Vers noch angefügt, um die allge-
meine .Situation des Vorgangs in seiner typisclien Hedeutiiug noch dentlicber zum Bewußtsein zn hriiigen.
Herakles und Indka.
75
dem er vom starken (8oma) getrunken, rezitiert
er Lieder im Rausch.'
Hier begegnet uns zuerst die merkwürdige,
aber ganz wohl verständliche Vorstellung des
,Auseiuanderstützens' von Himmel und Erde, wie
der Ausdruck (vi-sk,ibh) am genauesten übersetzt
lautet. Man gibt ilm meist und ganz zutreffend
durch ,gesondert befestigen' wieder, doch ist , aus-
einanderstützen' insofern noch mehr bedeutend,
als darin offenbar noch die Vorstellung enthalten
liegt, Himmel und Erde seien ursprünglich zu-
sammen gewesen und durch den Akt des Stutzens
auseinandergebracht worden, etwa wie ein paar
Holzplatten, zwischen die man eine Stütze, einen
Stock oder Pfeiler schiebt, der oben und unten
befestigt nun beide auseinanderhält. In der vor-
liegenden Stelle sind Himmel und Erde in dem
Bilde zweier Schalen gedacht, die in solcher
Weise gesondert durch Indra befestigt werden.
Ein andres, reclit anschauliches, dem Leben ent-
nommenes Bild ist dasjenige zweier Wagenräder,
welclie durch die Achse auseinandergehalten wer-
den. Wir finden es angewendet RV 10, 89, 4,
wo es von Lidra heißt, daß er , wie zwei Räder
durch die Achse mit Kraft auseiuander-
stützte die Erde und den Himmel." ')
Ohne ein derartiges Bild begegnet uns dies
Auseinanderstützen. Auseinanderstemmen, Geson-
dertbefestigen von Himmel und Erde durch Indra
auch noch RV 5, 29, 4. Im zweiten und dritten
Verse des Liedes wird erzählt, wie Indra im
Rausch des Soma den Alu getötet, die Wasser in
Bewegung gesetzt, die Kühe gefunden habe. Dann
heißt es weiter Vers 4:
,Da stützte er die beiden Welten weit
auseinander; veriiülltauch setzte er das Ungeheuer
in Schrecken ; den Verschlinger verschlingend schlug
er den entgegensclaiaubendeu Drachen nieder.'-)
Es ist hier in diesem Verse manches un-
deutlich, doch scheint so viel klar zu sein, daß das
Ungeheuer, der schnaubende Drache, den Indra
bei seinem Werk des Auseinauderstützens der
beiden Welten behindern will, von ihm aber
niedergeschlagen wird. Deutlicher ist dies in einer
andern Stelle:
RV 8, 6, 16. 17 ,Der dir, o Indra, hemmend
an den großen Wassern lag, den hast du unter
Fußtritten zerschmettert. Der diese beiden
großen Welten fest zusammenhielt, den hast
du, 0 Indra, mit Finsternis bedeckt.'^)
Der böse Drache hält also Himmel und Erde
fest zusammen, während Indra sie auseinander-
bringt, sie gesondert l)efestigt und so die Ordnung
schafft, die das Leben in der Welt, zwischen
Himmel und Erde, möglich macht.
Hier liegt ein uralter Mythus zugrunde, den
wir bei verschiedenen andern, nichtarischen Völ-
kern in mancherlei Formen wiederfinden: Der
Mythus von einem ursprünglichen Zusammensein,
einer engen Vereinigung des Himmels und der
Erde und einer nachfolgenden Trennung derselben.
Derselbe ist namentlich in Polynesien wohlbekannt
und weit verbreitet. Er ruht auf der fast allge-
mein zu nennenden Vorstellung einer uralten
Gatteuschaft von Himmel und Erde als den Ur-
eltern der Götter und Menschen und alles Seins.
Das , führte ganz naturgemäß zu der Sage, daß
sie in alter Zeit zusammen gewohnt haben, seither
aber voneinander getreimt seien'. Auch in Cliina
begegnet uns derselbe Mythus: , Manche Leute
sagen, ein Wesen namens Puang-Ku habe den
Himmel und die Erde geöffnet oder getrennt,
während sie früher fest aneinandergedrängt
waren.'*) Ebenso findet sicli in Japan, und zwar
gleich zu Anfang des ,Nihongi'. die Vorstellung,
daß Himmel und Erde vor alters nicht getrennt
waren.'') Ob wir einen solchen Mytlius für die
LTrzeit der Arier annehmen dürfen, läßt sicli nicht
mit Bestimmtheit behaupten. Den Indern aber ist
er offenbar in ihrer ältesten Zeit schon eisen sre-
') yö äksheneva cakriyü c;'icibhir vishvak tasti'imbha prithiviin utä Jyäin.
') äd rödasi vitaraiii vi shkabliäyat.
') Unter den Fußtritten (pädyäsu) scheinen die Huftritte der Rosse des Indra gemeint zu sein. Der Satz yä ime
rödasi mahi samici samajagrabhit läßt keinen Zweifel, daß de-- Böse Krde und Himmel zusammenhielt, die damals auch
— infolge dieses Tuns — zusammen waren (samici). — stabhüyämäna, das ich durch ,hemmend' übersetzt habe, läßt sich
auch durch , feststehend, sich stemmend, nicht vom Platze gehend' übersetzen. — Ein andersartiger merkwürdiger Wider-
stand des Drachen gegenüber dem Indra ist RV 2, 11, ,5 geschildert: ,Don im Verborgenen bofmdlichen, verljiirgenen, ver-
steckt, in den Wassern verhüllt hausenden, zaubermaclitigen, der die Wasser und den Himmel festhielt (tastabhvänisam!),
den Ahi hast du, Held, mit Manneskraft getötet.' — Merkwürdig ist die Stelle darum, weil die Tätigkeit des Drachen hier
durch dieselbe Wurzel bezeichnet ist, die sonst von Indras Stützen des Himmels gebraucht wird (stabh). Sie kann hier
kaum dasselbe bedeuten. Ich habe , festhielt' gesagt, mau könnte vielleicht auch ,stemmte' sagen. Grassmann übersetzt:
Der die Wasser fesselt und den Himmel'; Ludwig: ,Der den Himmel und die Wasser hatte zu Stehen gebracht'.
*) Vgl. E. B. Tylor, Anfänge der Kultur, I p. 3'20. 317 fg.
■*) Vgl. K. Florenz, .lapanisclje Mythologie (Tokyo 1901) p. 1. '2 Anm.
10*
76
III. ABHAJfDLUNG: LeOPOLD V. ScHROEDEE.
■\vesen, und die Idee der Gattenschaft vou Him-
mel und Erde ist zweifellos urarisch. Älelir können
wir darüber vorderhand niclit sagen.
Da Indra seine Heldentat im Rausch des
Soma, durch ihn dafür gekräftigt ausführt, und
da der Soma selbst eine große Gottheit ist, er-
seheint es ganz naturgemäß, daß auch dem Götter-
paar Indra-Soma, d. Ii. Indra und Soma, das
Stützen des Himmels samt den übrigen Indrataten
zugeschrieben wird. So hören wir RV 6, 72:
1. .Indra und Soma, groß ist diese eure Macht!
ihr beide tatet die ersten Großtaten. Ihr beide
fandet die Sonne auf, ihr das Himmelslicht, ihr
schlugt alle Finsternis nieder und die Spötter.
2. Indra und Soma, ihr lasset die Morgen-
röte aufleuchten, ihr führet die Sonne hervor mit
ihrem Glanz: den Himmel habt ihr beide ge-
stützt mit einer Stütze, ihr habt die Mutter
Erde ausgebreitet. i)
3,. Indra und Soma, ihr tötet den Ahi, der
die Wasser eiuschlieLU, den Vritra; euch jauchzte
der Himmel zu ; ihr setztet die Fluten der Ströme
in Bewegung, viele Meere habt ihr ausgebreitet.'
Indra hat aber auch sonst noch öfters andre
Helfer bei seinem Werk. So schildert z. B. RV
3. 31, wie Indra mit Hilfe der Angirasen und der
Sarnmä seine große Tat tut. Vers 11 berichtet,
wie der ^'!•it^atöter Indra die roten Kühe befreit
und in Vers 12 hören wir dann weiter, daß sie
(d. ii. Indra mit seinen Helfern) das Elternpaar
(d. h. Himmel und Erde) mit der Stütze (dem
Pfeiler) auseinanderstützten, respektive ge-
sondert befestigten.^)
Bei der eigentümlichen Größe und selbstän-
digen Bedeutung, zu welcher Soma schon im Rig-
veda herangewachsen ist, dessen neuntes umfang-
reiches Buch ausschließlich dem Preise dieses
Gottes gewidmet ist, bei der Tendenz, die Taten
des Indra diesem seinem wirksamsten Helfer direkt
zuzuschreiben, kann es nicht Wunder nehmen,
wenn wir in den Liedern Soma nicht nur als
Halt und Stütze von Himmel und Erde feiern
hören (vgl. oben p. 7o), sondern wenn es gelegent-
lich geradezu heißt, Soma sei es gewesen, der die
beiden Welten, d. h. Himmel und Erde, auseinander-
stemmte.^) Dasselbe wird aber einmal auch von
dem schon oft genannten Freunde und Helfer des
Indra, Gott Vishnu, ein andres j\Ial von Agni und
ebenso auch einmal von den Mnruts ausgesagt,
den Sturmgöttern, Begleitern und Kampfgenossen
des Indra.'') Kaum auffallend ist es, daß auch
dem alten großen Ilimmelsgotte und Weltenordner
Varuna gelegentlich dies Auseinanderstemmen von
Himmel und Erde nachgerühmt wird.^) Himmel
und Erde sind nach Varunas Ordnung auseinander-
gestützt, gesondert befestigt.") Teils waltet bei
diesen und ähnlichen Aussagen die nahe Beziehung
der betreffenden Götter zum Indra vor, teils der
bekannte henotheistische Zug der vedischen Re-
ligion und Mythologie. Es heißt auch von Xa.-
runa, er habe durch eine Stütze die beiden
Welten voneinander geschieden, er habe den Him-
mel festgemacht, gestützt') u. dgl. m.
Es ließen sich nocli andre ähnliche Aussagen
der Liederdichter anführen, doch ich denke, daß
sie alle nicht dazu angetan sind, die große Grund-
anschauung wesentlich zu alterieren, von welcher
wir ausgegangen sind: die Vorstellung, daß es
Indra war, der in gewaltiger Aktion die bösen
Dämonen getötet, die Wasser und das Himmels-
licht erobert und zugleich Himmel und Erde fest-
gemacht, dem Himmel eine Stütze gegeben, beide
Welten durch solche Stütze voneinander getrennt,
auseinandergestützt, gesondert befestigt habe.
Es ist hier nicht der Ort, jenen merkwürdi-
gen, weit und tief greifenden Charakterzug der
vedischen Mythologie zu erörtern, der fast alle
die großen Leistungen des Indra gelegentlicli auch
') üpa dyä'm skambliatliub skämbhanenäprathatam pritliivim niätärain vi. — t}brigeiis heißt es auch, daß Indra beide
Welten, also Himmel und Erde, ausgebreitet habe. So z. B. RV S, 3, 6: indro mahnä rodasi paprathat. Er soll aber auch
Himmel und Erde wie ein Fell zusammengerollt haben, RV 8, 6, 5 ubhe yät samävartayat, indracj carmeva rödasi. —
') vishkabhnäntab skämbhanenä jänitri. =) RV 9, 101, 15 von Soma: vi yäs tastämbha rodasi.
*) RV 7. 99, .S von Vishnu: vy ästabhnä rödasi vishnav ete dädhärtha prithivim abhito mayükhäib ,<iu, o Vishnu,
hast diese beiden Welten auseinandergestemmt, du festigtest die Erde ringsum mit Pflöcken'; RV 6, 8, 3 von Agni, der
hier Mitra, der Freund, genannt wird: vy astablinäd rödasi etc; RV 8, 83, 11 von den Marutas: tyän nu ye vi rödasi ta-
stabhür marüto huve.
') RV 7, 8ü, 1 von Varuna: vi yäs tastämbha rödasi cid urvi. — Etwas andres ist wohl das dem Brihaspati RV 4,
50, 1 nachgerühmte Auseinanderstemmen der Enden der Erde: yäs tastämbha sähasä vi jmö äntän; dunkel das Auseinander-
stemmen der sechs Lufträume oder Dunstkreise RV 1, 1B4, 6: vi yäs tastämbha shäf} imä räjäipsi. — Ohne irgendwelche
Schlüsse daraus ziehen zu wollen, mache ich nur noch darauf aufmerksam, daß das Äuseinanderstemmen von Himmel und
Erde bei andern Göttern als Indra meist durch vi-stabh, bei Indra durch vi-skabh ausgedrückt wird.
*) RV 6, 70, 1 dyäväpvithivi värunasya dhj'irmanä vishkabhite.
'■) RV 8, 41, 10 sä dhama purvyäm mame yäl.i skambhena vi rödasi ajö nä dyäm ädhärayat; RV 8, 42, 1 ästablniäd
dyäm äsuro vi(;vävedäh.
Herakles und Indra.
77
andern Göttern nachrülimt, — Soma, Vishnu,
Bi-ihaspati, Agni, den Maruts. den Afigirasen usw.,
— die ganze, nicht ganz leichte Frage des so-
genannten Henotheismus aufzurollen. Abgesehen
davon, daß dazu eine besondre Abhandlung, ja
ein ganzes Buch erforderlich wäre, sind wir ge-
rade bei Indra mein- als bei den meisten andern
Göttern in der verhältnismäßig günstigen Lage,
von dieser die Grenzen und Tätigkeitsgebiete der
verschiedenen Götter verwischenden und ver-
mischenden Eigentümlichkeit der vedischen Lieder-
dichtung absehen zu können. Gerade seine Ge-
stalt steht kräftiger geprägt als irgendeine andre
vor uns, und so viel auch von ihm auf andre
übertragen sein mag und übertragen worden ist,
— der umgekehrte Prozeß dürfte relativ selten
stattgefunden haben und kommt jedenfalls bei
seinem großen Hauptwerk, um das es sich hier
handelt, gar nicht in Betracht. i)
Unsre Aufgabe erfordert die Fortsetzung
der vergleichenden Betrachtung, und hier drängt
sie sich fast von selbst auf.
Mit der Gewinnung der Sonne oder des
Himmelslichts sehen wir bei Ladra eine andre
hoch))edeutsarae Heldentat typisch fest verbunden:
Das Stützen oder Festmaclien des Himmels, das
Auseinanderstützen oder Gesondertbefestigen von
Himmel imd Erde, der beiden Welten, die bald
zwei zusammengehörigen Schalen, bald zwei Wa-
genrädern verglichen werden, welche die Achse
auseinanderhält. AVie die beiden Räder durch die
zwischen befindliche Achse, so hat Indra Himmel
und Erde auseinandergestemmt und durch eine
mehrfach erwähnte Stütze, einen Pfeiler oder eine
Säule, festgemacht, gesondert befestigt. Er hat
aber auch die schwankenden, sich bewegenden
Berge zur Ruhe gebracht und der Erde damit
einen festen Halt gegeben. Nicht das Licht allein
ist gewonnen, es ist auch zugleich der ruhige,
feste Zusammenhalt von Himmel und Erde ge-
sichert.
Fest verbunden aber mit der Gewinnung der
Hesperidenäpfel, die sich der indischen Gewinnung
des Himmelslichts, der Svarshäti, vergleicht, sehen
wir in der griechischen Sage das Abenteuer des
Herakles mit dem Atlas, dem mythischen Träger
und Stützer des Himmels, der Himmel und PIrde
auseinanderhält, dem Herakles in einer Form der
Erzählung die Himmelslast zeitweilig abnimmt,
um sie ihm dann wieder für immer auf die Schul-
tern zu laden. Wir werden uns diesen riesigen
Stutzer des Himmels und die Beziehung des Hera-
kles zu demselben etwas näher ansehen müssen,
um Klarheit darüber zu gewinnen, ob und inwie-
weit indische und griechische Sage hier zusammen-
stimmen, — auf welche Urform des Mythus beide
gegebenenfalls zurückdeuten dürften.
Über die merkwüi'dige, enge Verbindung des
Atlas mit den Hesperiden äußerte sclion Preller:
.Atlas pflegt immer mit den Hesperiden zusammen
genannt zu werden, wie sie denn auch beide in
der Vorstellung eng zusammengehören und örtlich
immer in jene westlichen und nächtlichen Gegen-
den des großen Weltmeers und des Ursprungs
und Abgrunds von Himmel und Erde verlegt
werden.' -) Das ist sehr bemerkenswert. Die
Vorstellung von Atlas selbst i.st aber nicht immer
und überall dieselbe. Sie hat im Laufe der Zeit
unzweifelhaft manchen und wichtigen Wandel er-
fahren, es mag aber auch schon in ältester Zeit
Varianten in der Auffassung dieser mj'thischen
Gestalt gegeben haben. Die später geläufig ge-
wordene Vorstellung bringt Atlas in nächste Be-
ziehung zu dem gleichnamigen Gebirge im äußer-
sten Nordwesten Afrikas oder identifiziert ihn
geradezu mit demselben, sieht in ihm eine my-
tiiische Personifikation des Atlasgebirges. Ganz
anders aber ist das Bild, das wir aus Homer, der
ältesten Quelle, gewinnen. Da erscheint uns Atlas,
der Vater der Kalypso, als ein tückischer Meeres-
riese, der die Tiefen des ganzen Meeres kennt
und die hohen Säulen hält oder hütet, die die
Erde und den Himmel auseinanderhalten. Es ist
das eindrucksvolle Bild Od. 1, 52 — 54, wo Athene
von Kalypso redend sagt:
"A-'hxw-.ii {)-uYaTr,p ÖAoiopsvo?, ca-üs ■O-aXaccr;?
■Äacr,; ßsvOsa oläsv, 'iyv. oi is v.io-zxc ahi'o^
[j.ay.pac, at yalav -i •/.«! oupxvbv xij.flc s'/sjciv.
Fern im Weltmeer, so scheint es, stehen die
ragenden Säulen. Atlas hält sie, sagt uns der
Text, — er hütet sie, fügt der Scholiast erläu-
') Speziell zwischen Varuiia und Indra könnte ni.-in sich das Verhältnis, wenig'stens das ursprünglich!!, etwa so kon-
.struieren, daß Varuna es ist, nach dessen ewiger Satzung die Welt geordnet ist und daß Indra als der spozilisch aktive
Gott die eigentliche Aktion leistet. Man kommt auf diese Idee, wenn es RV 6, 70, 1 heißt, Himmel und Erde seien nach
Varunas Satzung auseiuandergestützt. Da könnte immerhin noch Indra die Tat getan haben. Allein reinlich durchführen
läßt sich eine solche Scheidung doch nicht. Es wird zu deutlich an anderer Stelle gesagt, Varuna habe diese Tat getan.
— ohne daß der Sänger dabei irgendwie an eine Mitwirkung [ndras zu denken scheint.
') Vgl. Preller, a. a. 0. I p. -iW.
78
III. ÄBHA^^)LUNG: Leopold v. Schkoedee.
ternd dazu (o-jKi-.-v., l:r'.;*£>.eT-:a'.). Und darum wohl
kennt er die Tiefen des Meeres, denn der Fuß
dieser Säulen ruht offenhar tief unten auf dem
Meeresgrunde, während sie oben den Himmel be-
rühren und tragen. Noch genauer: Die hohen
Säulen halten Erde und Himmel auseinander
(ä;j.5:; 'iyojzv/), wie der Text ganz deutlich sagt.
Ich vermag hier Preller nicht zu folgen, Avenn er
— im Gegensatz zu anderen Gelehrten — meint,
daß bei dieser Übersetzung die bildliche V^or-
stellung an Unklarkeit leide und wenn er daher
statt , auseinander' vielmehr sagen möchte, ,von
mehr als einer Seite, wie bei einer Stütze, die ein
Gewölbe trägt, auf ganz feste, unerscliütterliche
Weise'. ^) Die bildliche Vorstellung ist vielmehr
so klar wie möglich, wenn man den Text so ül)er-
setzt, wie es dem Wortlaute nach am nächsten
liegt. Die Säulen lialten Himmel und Erde ,aus-
einander'. Wie das gemeint ist und welche Vor-
stellung wir damit zu verbinden haben, das zeigt
uns aufs Schönste eine Iliasstelle. in welcher das
hier in Frage kommende Wort , auseinander' (ä;j.5!c)
ebenfalls gebraucht wird. Es ist die schöne Schil-
derung der beiden Aias, des Telamoniers und des
Lokrers, in der Schlacht. Nah beieinander stehen
sie da, nebeneinander, wie zwei dunkle Stiere, die
gleichgesinnt den Pflug im Brachlande ziehen.
Nur das wohlgeglättete Joch hält oder drängt die
beiden auseinander (xij.cI~ iiffi'.), hält sie gesondert,
während sie sich bemühen, die Furche zu ziehen
bis zum Ende des Ackers.-) Das Bild ist so klar
und so anschaulich, wie nur irgend möglich, und
es erinnert uns zugleich an jenes andre Bild, in
welchem der Rigveda das Auseinanderstützen von
Himmel und Erde durch Indra zu veranschauli-
chen sucht. Er stemmt sie auseinander und be-
festigt sie gesondert wie zwei Räder durch die
Wagenachse. Ganz ähnlich können' und müssen
wir uns die Art denken, wie nach der homeri-
schen Vorstellung Himmel und Erde durch die
von Atlas gehüteten Säulen zugleich auseinander-
gehalten und gestützt wurden. Daß diese Säulen
niclit den Himmel allein, daß sie beide. Himmel
und Erde, stützen, hebt Preller mit Recht nach-
drücklich hervor und beruft sich dabei auf , andre
Dichterstellen und sonstige Zeugnisse". ^j Ganz
ebenso werden durch die Tat des Indra beide,
Himmel und Erde, gestutzt und festgemacht.
Zwei Stiere, die dasselbe Joch zugleich trennt
und festhält, zwei Räder, an derselben Achse ge-
trennt befestigt, — so haben wir uns das Verhält-
nis von Himmel und Erde mit den sie zugleich
trennenden und festhaltenden Säulen zu denken, —
nach der vedischen wie nach der aus Homer zu
ersciiließenden altgriecliischen Vorstellung, welche
beide vereint auf eine äimliche, noch ältere, viel-
leicht urarische Vorstellung schließen lassen.
Auch Ibykus spricht von den schlanken
Säulen, die den Himmel tragen. Bei Aeschylus
(Prometheus 348 — 350) ,stützt Atlas im Westen
die Säule zwischen dem Himmel und der Erde
mit den Schultern, er trägt das Himmelsgewölbe
auf seinem Rücken'. Hesiod hat die Säulen ganz
weggelassen: Atlas steht im äußersten Westen am
Rande der Erde, vor den Hesperiden, den Him-
mel mit dem Haupte und den Händen tragend.
,Bei späteren Dichtern trägt und dreht Atlas die
Himmelskugel oder ihre Achse.' Die Pliysiologen
erklärten ihn ,als die unsichtbare Himmelsachse
und als eine lebendige Kraft, welche die Last des
ehernen Himmels abhalte, auf die Erde zu fallen.'*)
So wandelt sicli die alte Vorstellung in mannig-
facher Weise im Laufe der Zeiten. Atlas tritt
zu den Säulen hinzu, um sie endlich ganz ver-
schwinden zu machen, ja selbst in einer Abstraktion
I verflüchtigt zu werden. Die ursprüngliche Vor-
stellung aber, der die homerische noch sehr nahe
liegt, dürfte darin bestanden haben, daß Himmel
und Erde durch hohe Säulen auseinandergehalten
wurden.
Atlas hält oder hütet bei Homer diese ragen-
den Säulen. Daß er sie auch selbst gesetzt habe,
wird nirgends gesagt und ist auch an sich nicht
wahrscheinlich, zumal seine Tätigkeit stets viel-
mehr in dem Lichte eines erdrückend schweren
Amtes oder gar einer Strafe erscheint. Ein
Größerer muß es gewesen sein, der diese Säulen
setzte und Atlas zu ihrem Hüter bestellte. Docli
wer es gewesen, das wird uns nicht berichtet.
Es begreift sich das, wenn man bedenkt, daß die
von Atlas gehüteten Säulen so früh sclion iiire
Bedeutung mehr und mehr verlieren, daß Hesiod
sie bereits ganz eliminiert, daß Atlas als mythi-
scher Träger des Himmels oder als liimmeltra-
gender Berg die Vorstellung von den himmeltra-
genden, Himmel und Erde auseinanderiialtenden
') Vgl. Prftller, a. a. O. I p. 460 Anm.
') Vgl. Ilias XIII, 701 — 7u7, namentlich Vers 706 tu [iiv te X'j't'o'^ o'o'' Jiioov iayU iet,'-'-
') Vgl. Preller, a. a. O. I p..400. Er verweist auf Aescbyl. Prom. 349; Paus. 5, 11, ■>; 18, 1.
*) Vgl. Röscher, Mythol. Le.xikon I p. 705.
Herakles und Indka.
79
Säulen ganz verdrängt. So kümmerte man sich
denn niclit allzuviel um jene, fast nur au einer
Homerstelle klar und bedeutsam hervortretenden
Säulen des Atlas. Sie mußten dem Gedächtnis
und damit auch dem Interesse um so mehr ent-
schwinden, als eine andre Vorstellung von der
Rolle des Atlas beim Tragen des Himmels frühe
schon platzgriff.
Doch unabhängig von Atlas und in ihrer
Bedeutung recht dunkel und unverständlich, lebt
eine andre Sage fort und erhält sich mit großer
Hartnäckigkeit: Herakles, der gewaltige Held,
habe fern im äußersten Westen — dort, wo die
Hesperiden und Atlas hausen — bei der Meer-
enge von Gades oder darüber hinaus im Welt-
meer, wo die Schiffahrt ein Ende hat, Säulen
gesetzt, die berühmten Säulen des Herakles,
deren eigentliche Bestimmung und Bedeutung aber
in keiner Weise klar hervortritt.
Die Sage pflegt die Aufrichtung dieser Säulen
durch Herakles mit dem Geryones-Abenteuer zu
verbinden, das insofern dem Hesperiden-Abenteuer
analog ist, als es sich dabei ebenfalls um die Ge-
winnung des Ilimmelslichts, nur in einem andern
Bilde, handelt, — im Bilde der roten Rinder, der
Sonneurinder, gegenüber dem Bilde der goldenen
Äpfel, der Sonnenäpfel. Auf der Reise nach
Erytheia soll Herakles die Säulen bei der Meeres-
enge von Gades aufgerichtet haben. Im übrigen
waren über diese oft erwähnten Säulen, wie
Prell er bemerkt, .die verschiedensten Vorstellun-
gen verbreitet, indem man sie bald für Inseln
hielt, bald für künstliche Aufschüttungen, bald
für die Vorgebirge der beiden hier in ihren
äußersten Spitzen zusammentreffenden Erdteile,
bald für Säulen, welche sich in dem Tempel des
gaditanischen Herakles befänden. Ja nicht ein-
mal die Zahl dieser Säulen stand fest und ebenso-
wenig ihr Ursprung durch Herakles, da andre den
Kronos oder den Meeresriesen Briareos als ihren
Urheber nannten, wie denn auch von dem Kampfe
zwischen Zeus \md den Titanen oder Giganten
in diesen Gegenden erzählt wurde.") Für die
Griechen bestand das Wesentliche in der Vorstel-
lung von den Säulen des Herakles in dem Glau-
ben, ,daß da. wo sie ständen, das westliche Ende
der Welt, also auch das der Schiffahrt und über-
haujjt jedes vernünftigen Strebens sei. Daher
man in späteren Zeiten, als die Erfahrung diesen
Glauben längst widerlegt hatte, auch wohl von
Säulen des Herakles in andern Gegenden erzählte,
z. B. in den Gewässern der Frisen oder im
Schwarzen Meere.' ^)
Daß die Vorstellung von diesen Säulen des
Herakles phönikischen Ursprungs sei, wie Preller
mit Bestimmtheit annimmt, das erscheint mir doch
mehr als zweifeUiaft. Weder die Säulen im Tem-
pel des Herakles zu Tyrus, deren Herodot ge-
denkt (2, 44), noch gar die beiden Säulen vor
dem Salomonischen Tempel ^) scheinen mir in
dieser Richtung irgendwie beweisend zu sein.
Säulen, Pfeiler oder Pfähle spielen im Kult der
verschiedensten Götter, bei den verschiedensten
Völkern, von den primitiven Zeiten an eine so
bedeutende Rolle, daß hier nichts den phöniki-
schen Herakles speziell Kennzeichnendes liegen
könnte, wie denn auch der Hinweis auf die beiden
Säulen vor dem Tempel des Salomo nur geeignet
wäre, einen Beweis in dieser Richtung abzuschwä-
chen. Bei den Säulen, die Herakles im fernen
Westen errichtet, handelt es sich aber auch durch-
aus nicht um Kultobjekte. Es sind mythische
Vorstellungen, die unseres Wissens nichts mit dem
Kultus zu schaffen haben. Daß aber die Säulen
im Tempel des tyrischen Herakles oder gar jene
vor dem Salomonischen Tempel als ein Abbild
jener mythischen Vorstellung zu gelten hätten,
wird sich kaum wahrsclieinlich machen lassen.
Sehr viel wahrscheinlicher dürfte die Ansicht der-
jenigen Forscher sein, welche diese Säulen des
Herakles mit den von Homer erwähnten Säulen
des Atlas in Zusammenhang bringen, respektive
von den letzteren ableiten wollen, wie z. B. das
Passowsche Wörterbuch ganz direkt sagt, aus den
hohen Säulen des Atlas seien später die sogenannten
Heraklessäulen geworden.^) Es ist durchaus nicht
notwendig, daß mau darum der Ansicht von
Völcker beistimmt, die auch 0. Müller, G. Herr-
mann und Nägelsbach billigen, wonach Atlas als
eine Personifikation kühner Schiffahrt, der Be-
wältigung des Meeres durch menschliche Kunst,
zu deuten wäre. Noch weniger brauchen wir ihn
S]>eziell mit Nägelsbach für den Repräsentanten
der phönikischen Schiffahrt speziell zu halten. In
der Tat hat Atlas mit Scbiffahrt nichts zu tun.
Aber dennoch stimme ich Nägelsbach bei.
>) Vgl. Preller, a. a. O. II |'- -'10. 211. ') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 211.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. Jll und Anin. 3.
') Vgl. Franz Passovvs Handwörterbuch der griecliisclien Sprache s. v. zituv, ovo; ,0d. 1,53 hält Atlas durch hohe
Säulen, woraus später die sogenannten Herkulossäulen wurden, Himmel und Erde auseinander.'
80
III. Abhandlung: Leopold v. Schroedee.
wenn er in den S.äulen des Atlas geradezu die des
Herakles sehen zu müssen glaubt, i) Ein richtiger
Instinkt hat ihn zu dieser Identifikation geleitet.
Säulen im fernsten Westen, im Weltmeer, in
der Gegend der Geryonesinsel Erytheia, in der
Gegend der Hesperiden — das sind sie beide,
die Säulen des Atlas wie die des Herakles. Was
die Säulen des Atlas bedeuten, ist klar gesagt.
Sie stützen Himmel und Erde, sie halten sie aus-
einander. Von den Säulen des Herakles wird uns
nichts derart gesagt. Ihre Bestimmung ist dunkel.
Sie erscheinen als mythische Bilder, deren Sinn
nicht mehr verstanden wird, die aber dennoch
hartnäckig im Gedächtnis des Volkes fortleben.
Sobald wir die Annaiime wagen, die Bestimmung
dieser Säulen, ihr uralter Sinn, möge dieselbe ge-
wesen sein wie diejenige der Säulen des Atlas,
fällt sogleich ein helles Licht in den bisher dunklen
Mythus, und er stimmt in überraschender W^eise
zu den A^oraussetzungen, die wir vom indischen
Mythus aus notwendig zu machen gezwungen sind.
Atlas ist nichts als ein Wächter der Säulen,
der sie hält und liütet. Herakles ist es. der die
Säulen setzt, wie Indra im A'eda mit dem Pfeiler
Himmel und Erde auseinanderstemmt und stützt.
Und auch die Variante stört uns nicht, daß andern
Göttern oder Heroen, wie dem Kronos oder Bria-
reos, die gleiche Heldentat gelegentlich zugeschrie-
ben wird, denn wir finden entsprechende Vari-
anten auch in den Liedern des Veda, die auch
Varuna, Vishnu und andre Götter oder Heroen
die große Säule setzen, Himmel und Erde aus-
einanderstemmen und stutzen lassen. Herakles aber
ist es, den dieser Mythus am häufigsten und am
hartnäckigsten
als den Vollbringer der großen
Tat nennt, wie der entsprechende Mythus im Veda
den Indra. Herakles zieht aus, um die Sonnenrinder
des Geryones zu erbeuten, und dort im fernsten
Westen, in der Gegend von Erytheia, pflanzt er
seine Säulen auf. Zeitlicli wie räumlich gehören
die beiden Taten zusammen. Es ist dasselbe Bild,
M'enn im Veda Gott Indra das Himmelslicht, die
rötlichen Rinder, aus der Holde des Wolkendämons
gewinnt und zugleich Himmel und Erde festmacht,
die Säule setzt, welche beide auseinanderhält, wie
die Achse die beiden Wagenräder. Beide Bilder
stimmen zusammen, sie gehen auf das gleiche Ur-
bild zurück — den Gewitterriesen, der die Sonne
im Frühling neu gewinnt und Himmel und Erde
neu befestigt, indem er die Säule setzt, die beide
auseinanderhält.
Atlas ist bei den Säulen im Grunde nicht
von wesentlicher Bedeutung. Er fehlt darum aucli
durchweg in der Geschichte von den Säulen des
Herakles. Vielleicht galj es schon früii neben dem
Mythus von den Säulen einen andern Mythus von
einem Riesen, der Himmel und Erde auseinander-
hält. Dieser Riese wäre in der homerischen Schil-
derung mit den himmeltragenden Säulen kom-
biniert als ihr Halter und Hüter. Aber das war
im Grunde ein Pleonasmus. Hatte man die Säulen,
dann brauchte man den sie haltenden Riesen nicht
notwendig und umgekehrt. Darum verschwanden
beim Atlas bald die Säulen und er selbst erschien
als der duldende Träger und Stützer des Himmels-
gewölbes. In der Fabel von den Hesperidenäpfeln
hören wir nichts mehr von den Säulen. Hier
spielt Atlas eine wesentlich andre, eine wesentlich
selbständigere Rolle. Aber die Korrespondenz
zur Geryonesfabel ist darum doch eine vollstän-
dige. Wie der Gewinn der Sonnenrinder
und das Setzen der Säulen zusammen-
gehören, so der Gewinn der Hesperiden-
äpfel und das Abenteuer mit Atlas, dem
Himmelsträger.
Es ist ein anderes Bild, das hier erscheint.
Nicht mehr die Säulen, sondern das ragende Ge-
birge, das den Namen des Atlas trägt. Die Person
des Atlas aber tut man gut, nicht ohne weiteres
mit dem gleichnamigen Gebirge zusammenzu-
werfen oder einfach als eine Personifikation dieses
letzteren anzusehen.
, Homer und die älteren Dichter fassen den
Atlas durchaus als Pei'son und gel)en keine Ver-
anlassung, seine Entstellung, wie viele tun, aus
der Vorstellung eines den Himmel stützenden Ber-
ges abzuleiten. Erst sjiätere Deutung machte den
Atlas zu einem Berg, wohl nicht lange vor Herodot.
Dieser spricht 4, 1S4 von einem schmalen, ganz
runden, über die Wolken ragenden Berge in dem
nordwestlichen Afrika, welclier bei den Einwohnern
(Atlantes) Atlas und Säule des Himmels heiße.
Eine Erfindung griechischer Geographen. Audi
Euripides soll einen Berg Atlas erwähnt halben:
doch hielt er die Person und den Berg bestinnnt
auseinander. Im nordwestlichen Afrika nun fixierte
man seitdem den Standpunkt des Atlas und be-
nannte nach ihm das Atlantische Meer und die
fal)elhafte Insel Atlantis. Man erzählte, wie der my-
thische Atlas, ein reicher König, Besitzer großer Her-
den und der schönen Hesperidengärten, von Pei'seus
mit dem Medusenhaupte in einen Berg verwandelt
') Vgl. Koscher, Mythol. Lexikon I p. 706. N ägel sliacli, Homerische Theologie p. 81 fg.
HeeaivLes und Indea.
81
worden sei, der den Himmel mit den Sternen
trägt. Nach dem Ditliyrambendichter Polyidos
war Atlas ein libyscher Hirt, der von Perseus
durch die Gorgo versteinert ward. Die euhemeri-
stische Auffassung, die den Atlas zum König oder
Hirten machte, ging noch weiter und erkicärte den
klugen Himmelsträger für einen Astronomen, der
die erste Himmelskugel verfertigt haben sollte, für
einen jMathematiker, einen Philosophen, einen
weisen Sänger, von dem Homer und Hesiod stam-
men sollen, für einen Weissager.'^)
Diese Worte eines Kenners des Gegenstandes
begründen hinreichend das oben Gesagte. Die
merkwürdige Doppelbeziehung des Atlas zu den
Himmel und Erde auseinanderhaltenden Säulen
bei Homer, zu dem gleichnamigen Gebirge in
späterer Zeit, erklärt sich wohl am besten durch
die oben schon geäußerte Vermutung, es möchte
neben der uralten Vorstellung von jenen Säulen
und der parallelen Vorstellung von himmeltra-
genden Bergen, vor alters ein Mythus lebendig
gewesen sein, der von einem Riesen erzählte,
welcher Himmel und Erde auseinanderzuhalten
gezwungen ward, nachdem ein Gott oder mehrere
Götter die beiden voneinander geti-ennt iiatten.
Diesen Riesen kombinierte der Mythus bei Homer
ganz naturgemäl5 mit jenen Säulen und machte
ihn zum Halter und AVächter derselben, wälirend er
später mit dem Gebirge Atlas zusammengebracht
und endlich geradezu mit ihm identifiziert wurde.
Daß Atlas ursprünglicii nicht bloß den Himmel
trägt, sondern Himmel und Erde hält und stützt,
also dieselbe Funktion hat wie die Säulen bei
Homer, der Pfeiler im Veda, das geht aus den
Worten des Pausanias und anderen Zeugnissen
deutlich hervor.') Dal3 er es gezwungen tut,
hinter dem Druck einer harten Notwendigkeit,
bezeugen die Worte des Hesiod.')
Im übrigen mag man über diese Vermutung
denken, wie man will, — die Hauptsache bleibt
für uns die nahe Beziehung des Herakles einer-
seits zu den Säulen im fernen Westen, andrer-
seits zu dem als Träger des Himmelsgewölbes
gedachten Atlas. Daneben mag es vielleicht auch
als bedeutsam gelten, wenn die Sage von Perseus
erzählt, er habe den Atlas durch das Haupt der
Meduse oder Gorgo in einen Berg verwandelt,
versteinert. Denn Per.seus i-st. wie längst bekannt,
eine Art mythischer IXippelgänger des Herakles,
daher wir später von ihm noch mehr zu sagen
haben werden. Wenn er den Atlas zum Berge
macht, der den Himmel trägt, dann bewirkt er
damit die dauernde Feststellung und Stützung des
Himmelsgewölbes. Und ich möchte es für wahr-
scheinlich halten, daß auch die Fabel von Hera-
kles und Atlas ursprünglich diese Bedeutung hatte,
wenn auch wesentlich anders gewandt wie bei
Perseus.
Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen,
daß Herakles nach der ursprünglichen Sage die
Apfel der Hesperiden selbst erbeutet, nachdem er
den Drachen Laden getötet. Diese tatsächlich
vorliegende Fassung des Abenteuers verdient ohne
Zweifel den Vorzug vor der nachmals poj)ulärer
gewordenen Fabel, nach welcher Atlas im Auf-
trage des Herakles die Äpfel diesem gebracht
habe, während der Held inzwischen die Last des
Himmelsgewölbes auf sich genommen.*) Der große
Held, der größte von allen, muß die große Hel-
dentat selbst vollbringen, sonst wäre er eben nicht
der Held. Und so werden wir das Eintreten des
Atlas bei der Ausführung der Tat. in welcher die
spätere Sage das letzte und entscheidende Aben-
teuer des Herakles sah,") wohl für jüngere Er-
findung halten dürfen. Auch die später erfolgende
possenhafte Überlistung des Atlas durch Herakles
gibt sich wohl als solche zu erkennen. Dennoch
steht in der Erzählung des Hesperidenabenteuers
die Berührung des Herakles mit Atlas als ein
alter Zug der Sage fest. Es fragt sich imr. wel-
cher Art dieselbe gewesen sein mag. Gruppe
meint, in der alten Sage dürfte sich Atlas darauf
beschränkt haben, dem Herakles den We^ zu den
Hesperiden zu weisen.") Es ist möglicli, daß er
dies tat, doch das Wesentlichste der Berührung
scheint mir in etwas andrem zu liegen. Ich glaube
kaum, daß die Sage jene Erzählung vom Ab-
nehmen und Wiederaufsetzen des Himmelsgewölbes
durch Herakles erfunden hätte, wenn nicht ein
alter Kern gerade darin enthalten wäre. Aber
die Wondung, daß Herakles dies getan habe, um
inzwischen die iiim allein gebührende Heldentat
') Vgl. Stoü in Roschers Mythol. Lexikon I p. 707.
') oOjsavov zat Y^jv avexwv nennt ihn Pausanias; Vf^l. Paus. .'>, 11, '2; IS, 1, Preller, a. a. O. I p. 460: Roschers Mytholog.
Lexikon p. 706; die Inschrift des Kypseloskastens entkräftet diese An^'atie nicht.
') "ArXa; 3" oupavbv EÜpüv e'^ei zparsp^; ure" mifxrfi, Hesiod, Theog. 517. Roschers Lex. p. 700. 707. Preller a. a. O. p. 461.
♦) Vgl. Gruppe, a. a. O. I p. 471.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 216. S. auch Gruppe, a. a. 0. I p. 472; und hierselbst unten
«) Vgl. oben p. 69; Gruppe, a. a. O. I p. 471.
Denkschriften der phil.-hist. Kl, 58. Bd. 3. Abb. 11
82
III. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
durch den Atlas verrichten zu lassen, schädigt den
ursprünglichen Sinn der Sage, schädigt die Ge-
stalt des Herakles, des großen Helden, der un-
möglich auf solchem Wege — wie Günther durch
Siegfried — sein hohes Ziel erreicht haben kann.
Was bleibt aber noch, wenn wir diesen Zug der
Sage als nicht echt und ursprünglich fallen lassen,
ebenso wie die nachfolgende possenhafte Über-
listung? Es bleibt das Abnehmen und Wieder-
aufsetzen des Himmelsgewölbes durch Herakles,
dessen gewaltige Kraft sich auch darin bewährt,
daß er die ungeheure Last selbst tragen kann,
der sie aber doch zu dauernder Stützung und
Feststellung des Himmels wieder dem Atlas auf
den Nacken setzt. Es liegt darin, wie ich glaube,
ursprünglich nichts andres als eine erneute Festi-
o-une- und Stützung des Himmels, — also wesent-
lieh dasselbe, was die vedischen Lieder so oft vom
Indra rühmen, und zwar gerade im engen Zu-
sammeniiaug mit der Gewinnung des Himmels-
lichts, der die Erbeutung der Hesperidenäpfel
samt Drachentötung entspricht.
Wenn die Tat bei den Hyperboreern ge-
schah, im höchsten Norden, dann kann vom Atlas-
£-ebire:e dabei nicht die Rede sein. Wohl aber,
wenn man sich dieselbe im fernen Westen voll-
bracht dachte. Dort ragte ja im äußersten Nord-
westen Afrikas das mächtige Atlasgebirge zum
Himmel empor, ganz nahe der Gegend, wo man
sich die Säulen des Herakles, Erytheia und die
Hesperiden dachte, seitdem für diese alten Fabel-
diuge geographische Bestimmung gesucht ward.
Wir können es dahingestellt sein lassen, ob
Herodot im Recht ist, wenn er meint, die Grie-
chen hätten sich das Bild vom Atlas als himmel-
tragender Säule von den Eingeborenen jener Ge-
gend angeeignet.^) Auf jeden Fall war ihnen auch
sonst das Bild von Bergen, welche den Himmel
wie Säulen stützen, ein geläufiges.^) So nennt
Pindar den schneereichen Ätna als solch eine
Himmelssäule.') Und es scheint, daß sich auch
mit dem Kaukasus ähnliche Vorstellungen ver-
banden. Jlan versetzte den Atlas auch bisweilen
nach (jriechenland. z. B. nach Arkadien und nach
Boeotien in die Gegend von Tanagra.*) War dies
Bild aber den Griechen von Hause aus nicht
fremd, dann war es sehr natürlich, ja fast selbst-
verständlich, daß sich dasselbe mit dem Atlas-
gebirge verbinden mußte, sobald als die Meer-
enge von Gades und iiire Umgebung, als fernster
Westen, zum Schauplatz jener Taten des Hera-
kles geworden war, die sich als Eroberung des
Himmelslichtes charakterisieren. Denn mit diesen
war ja wohl seit alters, wie der indische Mjthus
vermuten läßt, das Stützen des Himmels, das Fest-
machen der Erde und des Himmels verbunden.
Es erscheint daher sehr möglich, daß die Grie-
chen selbst, ohne Beeinflussung durch die Ein-
wohner jener Gegend, auf den Gedanken kamen,
gerade im Atlasgebirge die Stütze des Himmels
zu suchen. Wenn die Leute dort aber in der Tat
ähnliche Gedanken hegten, dann kamen ihnen die
griechischen Vorstellungen auf jeden Fall ent-
gegen und erhielten dadurch nur noch festeren
Halt.
Wie dem auch sei, — jedenfalls sind es
griechische Mythen, die davon erzählen, daß
Perseus den König oder Hirten Atlas in einen
Berg verwandelt habe, der nun den Himmel stützt;
oder daß Herakles dem Atlas die Himmelslast
abgenommen und dann wieder aufgesetzt habe.
Wie die Tat des Herakles mit der Tötung des
Drachen Ladon und Gewinn der Hesperidenäpfel
verbunden ist, so steht diejenige des Perseus in
deutlicher Verbindung mit der Tötung der Gorgo-
Medusa, denn mit dem abgehauenen Haupte der-
selben bewirkt der Held die Versteinerung. Die
Gorgo-Medusa aber haust eben dort in jenem
fernen Westen, wo der Drache Ladon undGeryones
hausen, wo die Quellen des Okeanos, die Hesperi-
den und Atlas zu finden sind. Sie ist nur eine
der vielen Formen des bösen Dämons, den der
Sonnenheld, der Gewitterriese töten muß, — jenes
Dämons, der trotz der verschiedensten Namen und
Gestalten bei Indra früher in der Regel als Wol-
kendämon gefaßt wurde, neuerdings vielfach als
Schwarzmond gedeutet wird, während er bei He-
rakles in den Sagen von der Lichtgewinnung —
der Geryones- und der Hesperidensage — als ein
Ungeheuer im fernen Westen, im Sonnenunter-
sansslande charakterisiert ist. So auch bei Perseus,
dem Herakles verwandten Helden. Wenn es aber
von Indra heißt, daß er bei jener großen Helden-
tat die wankenden oder gar beliebig sich umher-
bewegenden Berge festgemacht, sie zur Ruhe ge-
bracht und dadurch erst der Erde ihren festen
') Herodot 4, 184 Toütov ziova tou ojpavoü li-fou-ji o: Inij^üpioi elvai.
») Vgl. Preller, a. a. O. I p. 463.
') Pindar, Pyth. 1, 19 (37) xiov B' oupavia umiynn vi<pd£ao* Aava; vg\. Preller, a. a. O. I p. 463.
*) Vgl. Preller, a. a. O. I p. 463. 464, Anm. 1.
Heeakles und Indea.
83
Halt gegeben habe, dann scheinen mir damit jene
Taten des Perseus und des Herakles zu korre-
spondieren: die Versteinerung des Atlas zum
himmeltragenden Berge wie das Neuaufsetzen der
Himmelslast auf die Schultern des Atlas durch
Herakles. Denn daß Atlas Himmel und Erde
festhält, ist deutlich bezeugt, und ebenso, daß
Indra Himmel und Erde festmacht. Alle diese
Mythen weisen, wie mir scheint, auf einen
Urmythus zurück, der davon erzählt, daß
der Sonnenheld, der Gewitterriese, als er
den bösen Dämon tötete und das Himmels-
licht gewann, die schwankenden Berge fest-
machte und durch sie erst dem Himmel
und der Erde den dauernden festen Halt
gab.
Dämonentötung, Lichtgewinnung und
Festigung von Himmel und Erde, die im
Indramythus so oft in mancherlei Variationen ver-
bunden erscheinen, hätten im Heraklesmythus
nacli alledem zwei Formen angenommen:
1 . Tötung des Geryones, Gewinn seiner Sonnen-
rinder und Setzung der Säulen, die gewiß einst
als Stützen von Himmel und Erde gleich den
Säulen des Atlas galten und mit diesen ursprüng-
lich identisch waren;
2. Tötuug des Drachen Ladon, Gewinn der
Hesperidenäpfel und endgültiges Setzen des Him-
melsg:ewölbes auf die Schultern des Atlas.
Dazu käme als weitere Parallele nocli aus der
später noch speziell zu behandelnden Perseussage:
3. die Tötung der Gorgo-Medusa und Ver-
steinerung des Atlas zum himmeltragenden Berge.
Die Tötung des Ungeheuers, Gewinn
der Sonnenrinder, Gewinn des Himmels-
lichtes, Setzung der Säule, die Himmel und
Erde auseinanderhält, das Festmachen der
Berge, das Stützen und Festmachen von
Himmel und Erde — das alles bietet uns
der Indramythus in mancherlei Varia-
tionen. Nur die Gestalt des persönlich gedachten
Atlas fehlt und ebenso das Bild der Apfel für
Sonne und Himmelslicht. Dies Manko aber kann
uns nicht daran hindern, die Urverwandtschaft
der in Rede stehenden Mythenkomplexe
zu erkennen. Ich denke, daß dieselbe nach
den obigen Darlegungen als erwiesen gel-
ten darf.
(Schluß folgt.)
11«
DENKSCHRIFTEN
DEE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE.
58. BAND, 4. ABHANDLUNG.
HERAKLES UND INDRA.
EINE MYTHENVERGLEICHEKDE UNTEESl CHUNG
VON
LEOPOLD VON SCHROEDER,
WIEKL. MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
ZWEITER TEIL.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 6. MAI l'J14.
WIEN, 1914.
IN KOMMISSION BEI ALFRED HOLDER
K. U. K. HOF- UND ÜNIVEKSITATS-BUCIIHANDLEE
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
Druck von Adolf Holzhausen,
k und k. Hof- und Universitiits-Bui.hdrQcker in Wii
Kerberos.
Die Herbeiljriugung- des Höllenhundes Ker-
beros wird in der Regel als die letzte der im
Dienste des Eurjstheus voUbrachteu Taten des
Herakles aufgeführt.') Daü es die sclnvierigste
war, sagt schou Homer, der den Scliatten des
Herakles selbst davon zu Odysseus reden läßt
(Od. 11, 623— 62G)., Den Namen des Kerberos
nennt er nicht, sondern spricht nur von ,dem
Hunde', den Herakles unter dem Beistande der
Athene und des Hermes aus dem Hades herauf-
geholt habe (Od. a. a. 0.; II. 8, 366— oG'J). Auch
erzählt er, Herakles habe mit Hades selbst am
Tor der Unterwelt gekämpft und ihm seinen Pfeil
in die Schulter geschossen (II. 5, 395 — 402).
Gruppe findet, daß diese Hadesfahrt des Helden
in einem gewissen Parallelismus mit dem Geryones-
abenteuer stehe,-) und er dürfte damit nicht un-
recht haben. Preller meint, daß der Sinn, in
welchem Herakles das Ungetüm von den Pforten
des Hades ans Licht heraufführt, kein andrer
sein könne, ,als daß er auch in dieses ewige
Dunkel siegreich hin eingedrungen und jenen Pfoi'-
ten ihre unüberwindlichen Schrecken genommen
hat, ein Bild der Auferstehung wie das der
täglichen Sonne. '^) In ein ganz neues Licht
hat Maurice Blöomfield die Sage gerückt
durch seine tiefgründige und geistvolle Unter-
suchung über das urspi-iüigliche Wesen des Ker-
beros.*) So überraschend das Resultat auch ist,
zu welchem er gelangt, es wird doch auch den
Gegnern der vergleichenden Mytiiologie schwer
sein, sicli der unerbittlichen Logik in der Beweis-
führung des ausgezeichneten amerikanischen In-
dülogen zu verschließen. Ich kann mich hier darauf
beschränken, den durchaus überzeugenden Ge-
dankengang Bloomfields in der Hauptsache wieder-
zugeben. Die Schlußfolgerung ergibt sich dann
ganz von selbst.
Kerberos, ein Sprößling des T}'j)lion und der
Echidna, wird von den Griechen als ein mehr-
köpfiges Ungetüm gedaciit. Meist erscheint er
zweiköpfig in der griechischen Kunst gebildet, oft
aber auch dreiköpfig, und diese letztere Gestalt
ist es, die sich insbesondere bei den römischen
Dichtern endgültig festgestellt hat und dadurch
auch uns die geläufige geworden ist. Diesem
mehrköpfigen Ungeheuer entsprechen im Veda,
wie längst schon erkannt ist, die beiden Hunde
des Yama, des Königs im Reiche der Abgeschie-
denen, der in späterer Zeit ähnlich dem Hades
als ein furchtbarer Todesgott und Höllenfürst ge-
dacht wird. Im Veda aber erscheint er noch
ganz anders, als der Erste der Abgeschiedenen,
der als ihr König mit den Seligen zusammen in
einem lichten, herrlichen, himmlischen Reiche
unter einem schönbelaubten Baum zecht. Es wird
als ein Reich der ^Vonne iu himmlischen Höhen
geschildert. Doch zwei Hunde bewachen den
Pfad dorthin, zwei breitnasige, braune, A-ieräugige
Hunde. Der eine heißt CJabala, der Sclieckige
oder der Bunte, der andre Cyäma, der Dunkle.
Dem Toten wird im Rigveda bei der Bestattung
zugerufen: ,Lauf vorbei an den beiden vieräugigen
bimten Hunden, den Sprößlingen der Sarama,
auf geradem Wege!
Dann geh zu den freund-
liciien Vätern iiin, die mit Yama zusammen
') Wir haben im übrigen schon früher bemerkt, daß weder die Zahl noch die Reihenfolge dieser Taten seit alters
feststand. Vielfacli wurde das Abenteuer mit den HeR))eridenäpfeln al.s das letzte und entscheidende angesehen. .Herakles
bringt diese Äpfel wahrscheinlich nicht nach Argos als Geschenk der großen Göttin, — sondern wie in der altlukrischeu
Sage in den Göttergarten auf dem Oiteberg. Hier auf dorn (Hjjfel des Berges scheint er dann von Athena und Hermes
im feurigen Wagen zum Himmel gefahren zu sein, wo die Göttin, der er so treu gedient, Hera, ihn aufnimmt und ihn mit
ihrer Tochter und Dienerin Hebe vermählt.' Gruppe, a. a. O. I p. 172.
■^) Vgl. Gruppe, a. a. O. I p. 469.
■*) Vgl. Preller a. a. O. II p. 222. In der Anmerkung vergleicht PruUer noch die .Stelle aus dem Turiner Totenbuche;
,Ich lebe wiederum auf nach dem Tode wie die tägliche Sonne.'
') Maurice Blöomfield, Cerberus, the dog of Hades, the history of an idea. Chicago-London 1905.
1*
86
IV. Abhaxdluis'g : Leopold v. Scheoedek.
schmauseu."') Ein s)i;ttorer Text — Acvaläyanas
Grihyasütra — erwülmt einen Kuchen, den der
Tote den beiden Hunden des Yama gibt, offenbar,
um sie freundlich zu .stimmen.") Er erinnert uns
an die Honigkuchen, mit denen die griechischen
Abgeschiedenen A'ersorgt werden, als Gabe für
den Kerberos. ^) Furchtbare, zu begütigende
Wächterhunde vor dem Totenreiche, liier wie dort,
— offenbar eine nah verAvandte Vorstellung. In
demselben Liede des Rigveda, dem der oben an-
geführte Vers entnommen ist, finden wir gleich
darauf eine scheinbar wesentlich andre Vorstellung
von den beiden Hunden des Yama: .Die beiden
breitnasigen, am Leben (der Menschen) sich gütlich
tuenden, braunen Boten des Yama Avandern unter
den JMenschen umher; sie mögen uns lieute hier
das schone Leben Avieder schenken, damit Avir die
Sonne schauen.'*) — Da erscheinen sie also nicht
als Wächterhunde, die eifersüchtig die Pfade ins
Reich der Seligen hüten, sondern als Todesboten,
die das Leben der Menschen aufzehren und an-
gefleht Averdeu, die Überlebenden noch möglichst
lange zu A'erschonen. Man hat gemeint, diese
beiden so Avesentlich A'erschiedenen Vorstellungen
A-on den Hunden des Yama nicht miteinander A'er-
einen zu können, doch Avir Averden sehen, daß
dies bei Bloomiields Auffassung A^on dem ursprüng-
lichen Wesen dieser Hunde sehr avoIiI möglich ist.
Als Todesboten, Verkürzer des Lebens und
Geleiter der Toten, A'or denen man die Lebendi-
gen zu schützen sucht, erscheinen die beiden
Hunde auch im AtharA'aA^eda. .Die beiden pfad-
hutenden Hunde des Yama, die ausgesandten, der
dunkle und der scheckige, nicht sollen sie dich
(fassen)!' heißt es in einer BescliAA'örung (AV 8,
1, 9). .Bleib hier, o ]Menscb. mit deinem ganzen
Sinn! Folge nicht den beiden Boteu des Yama
nach! Komm zu den Wohnungen der Lebendigen!'
lautet ein andrer Vers (AV 5, 30, 6), der offenbar
ein bedrohtes Leben erhalten aa-üI. Erst Avenn der
Mensch gestorben ist, bittet man Yama, ihn der
Hut der beiden Hunde anzuvertrauen.^)
YajurA'eda und Brahmanatexte zeigen nun
deutlich, Avelche Naturerscheinung der Vorstellung
A^on diesen beiden Hunden des Yama zugrunde
lag, respektiA'e die Anregung zu dieser Konzeption
der Phantasie gegeben hat. Wir sehen, daß man
sich die beiden Hunde des Yama, die Avachenden
und Avandelnden, am Himmel denkt, daß die Be-
zeichnung ,die beiden himmlischen Hunde' gerade-
zu gleichbedeutend gebraucht Avird für ,die beiden
Hunde des Yama,' — und da das Reich des Yama
im Veda noch durchaus in den himmlischen
Höhen gesucht Avird, ist das auch nicht zu ver-
wundern. Es Avird uns in mehreren Texten eine
merkwürdige Legende erzählt, AA'ie die bösen Dä-
monen, genannt Kälakäiija, den Himmel erobern
AvoUten und zu diesem ZAveck einen Feueraltar
bauten. Indra mischt sich in Gestalt eines Brah-
manen unter die Himmelsstürmer und fügt auch
seinerseits einen Backstein in den Bau. Als der-
selbe den Himmel erreicht, zieht Indra seinen
Stein heraus und nun stürzt alles zusammen. Die
Dämonen fallen herunter, nur die beiden obersten
bleiben oben. ,Das Avurden die beiden himmlischen
Hunde', sagt der eine Text; ,das wurden die bei-
den Hunde des Yama', sagt der andre.'') Der
xVtharvaveda redet mit offenbarer Ehrfurcht a'ou
der Majestät des himmlischen Hundes', und er
Aveiß sogar A'on drei Kalakaiijas, die am Himmel
als Götter ihren Platz gefunden hätten.") In der
Regel aber Averden deren nur zaacI erAvähnt, Avie
ja auch nur A'on zaa-oI Hunden des Yama geredet
wird. Von ihnen sagt das Grihyasütra des Hira-
nyakeyin: ,Die Brut der Saramä, dunkel und
braun, läuft dahin, herabschauend auf die See.'^)
Auch hier sind also die beiden Hunde offenbar
am Himmel gedacht.
Der älteste Yajur\'eda, das sogenannte Ka-
thakam, sagt: ,FürAvahr, diese beiden Hunde des
') RV 10, 14, 10. Die Iluncle sind hier beide als luint, g'escheckt oder gefleckt (ijabala) bezeichnet, da aber sonst
der gescheckte und der dunkle unterschieden werden, hat Bloomtield wohl recht, wenn er hier dieselbe eigentümliche
vedische Ausdrucksweise annimmt, nach der z. B. pitaräu ,die beiden Väter' so viel bedeuten wie Vater und Mutter, die
beiden Mitras so viel wie Jlitra und Varuna u. dgl. ni. — Die Hündin Saramä ist die Götterbotin, daher wohl die [iriides-
tinierte Mutter von mythischen Hunden, die zugleich als Boten fungieren, wie die Hunde des Yama.
') Vgl. Bloorafield a. a. O. p. 13. 14. ") Vgl; Bloomfield a. a. O. p. 2.
*) RV 10, 14, 12.
*) Vgl. RV 10, 14, 11: .Welches deine beiden Wilchterhunde sind, o Yama, die vieriiugigen, pfadbehütenden, mjinner-
beschauenden, diesen beiden vertraue ihn an. o König, und verleih ilmi Heil und Freiheit von Beschwerde.' Es ist von
dem Toten bei der Bestattung die Rede.
") Das erste Täitt. Br. 1, 1, 2; das zweite Mäitr. S. 1, 6, 9; vgl. Bloomfield a. a. O. p. 17; auch Käth. 8. 1.
') Atharvaveda 6, 80. Über den dritten am Himmel gebliebeneu Kälakäfija, den Bloomfield nicht weiter berück-
sichtigt, werde ich weiter unten eine Vermutung wagen.
") Hir. Grihy. 2, 7, 2; Bloomfield a. a. O. p. IB.
Heeakles und Indra.
87
Yania sind Tag und Nacht.' i) Ein andrer Bräli-
mana-Text bezeichnet nocli näiier den scheckigen
oder bunten Hund, ('al)ala, als den Tag, den
dunklen als die Nacht. 2) Wie das zu verstehen
ist, lehren uns andre Stellen, aus denen unzweifel-
haft deutlich hervorgeht, daß mit den beiden
himmlischen Hunden, so überraschend das auch
auf den ersten Anblick erscheint, Sonne und
Mond gemeint sind, die großen Gestirne von Tag
und Nacht, die als Hauptrepräsentanten von Tag
und Nacht diesen geradezu gleichgesetzt werden.
Das Catapatha-Brähmana sagt von dem einen der
beiden ganz deutlich: ,Der Mond fürwahr ist der
himmlische Hund; er schaut herab auf das Vieh
des Opferers.' Und in demselben Sinne spricht
die Kaschmir -Version des Atharvaveda von dem
vieräugigen Hunde (d. h. dem Monde), welcher
,surveys by night tlie sphere of the night'.')
Zu dieser Auffassung stimmen auch die Ideen
der Upanishaden, in denen Mond und Sonne bei
dem Übergang der Seele in die Himmelswelt als
Stationen erscheinen. Da gehen die Abgeschie-
denen zuerst zum Monde, oder es heißt, daß sie
durcli die konzentrischen Kreise von Sonne und
Mond liindurch müssen. Auch wird einmal ge-
schildert, wie die Seele auf dem Weg in die Welt
des Brahman zuerst von dem dunklen zu dem
scheckigen Hunde, von dem scheckigen zu dem
dunklen geht u. dgl. m.'')
Hält man Bloomfields Deutung fest, dann be-
greift man erst, wie der Atharvaveda von der
.Majestät des himmlischen Hundes' reden kann.
Ob der Dichter in diesem Falle die Sonne oder
den ilond meint, in jedem Fall ist der Ausdruck
ein treffender. Man l)egreift nun aber auch die
scheinljare Diskrepanz in der Auffassung der bei-
den Hunde des A'ama, die das früher erwähnte
berühmte Totenlied (RV 10, 14) uns zu bieten
scheint. Sonne und Mond, das himmlische Paar,
als Wächterhunde am Himmel, auf dem Wege
ins selige Jenseits gedacht — , das ist die eine
unzweifelhaft deutlich vorliegende Anschauung.
Aber Sonne und Mond sind auch die Repräsen-
tanten von Tag und Nacht, von der in ewigem
Wechsel vorwärts wandelnden Zeit. — und so er-
scheinen sie auch als furchtbare Mächte, die das
Leben der Menschen unerbittlich aufzehren, als
Boten des Königs im Totenreich, als solche unter
den Menschen wandelnd, den .>renschen sichtbar,
die Menschen beschauend, über sie hin am Him-
mel sich bewegend. Das ist eine Anschauung,
die durchaus zu verwandten Ideen im Veda
stimiut, wo auch die sonst so lieblich schön und
reizvoll geschilderte Mongenröte, von einer andern
Seite betrachtet, als ernste himmlische Macht er-
scheint, die das Leben der Menschen aufreibt und
vernichtet. Denn auch sie repräsentiert in ewiger
Wiederkehr die Zeit, die alles Leben hinschwin-
den läßt. ,Tag und Nacht sind die umschließenden
Arme des Todes', sagt das Brähmana der Käu-
shitakins.^) Tag und Nacht werden in einem an-
dern Texte gebeten, langes Leben zu schenken,
wie man die Hunde des Yama um die gleiche
Gnade bittet. ,Das Jahr ist der Tod; mit Hilfe
von Tag und Nacht zerstört es das Leben der
Sterblichen', sagt das (^'atapatha Brähmana. Um
sich vor dem grimmigen Griff von Tag und Nacht
zu schützen, muß man weißen und schwarzen
Reis opfern und dazu sprechen: ,Heil dem Tage!
Heil der Nacht!'«) Mit Recht erinnert Bloomfield
dabei auch an die bekannte Parabel von dem
,Manu im Brunnen," die nach E. Kuhns über-
zeugenden Darlegungen wohl aus Indien stammen
dürfte. Da erscheinen Tag und Nacht als weiße
und schwarze Maus, die den Baum oder Strauch
zernagen, an welchem der Mann hängt, und ihn
so dem Tode weihen.') Sie gleichen darin den
Hunden des Yama, die am Leben der Menschen
sich gütlich tun (asutripau), wie der Rigveda sagt.
LTnd auch diese Hunde sind ja Tag und Nacht,
wie wir bereits wissen, sind Sonne und Mond in
dem ursprünglicheren, konkreten Bilde.
Auch der Avesta weiß vini Hunden, die die
Brücke ins Jenseits innehaben und der Seele bei
dem Übergang helfen oder auch nicht helfen
können. Ein ,vieräugiger Hund' sj)ielt im Toten-
ritual der alten Perser eine Rolle. Man läßt ihn
den Leichnam anschauen, um den Bösen zu ver-
treiben. Dieser vieräugige Hund wird als ein
Hund mit Flecken über den Augen erklärt. Eben-
soich ein Hund erscheint auch im vedischon Ri-
tual beim Roßcipfer. Da es sich liii-r um wirk-
liche Hunde handelt, ist an der Richtigkeit dieser
Angaben kaum zu zweifeln.^) Eine uralte Be-
ziehung zu den vieräugigen mythischen HundiMi
des '^'ania dürfte da zweifellos vorliegen, wie man
') Käth. 37, 14 et.äu vai yamacjvri ahacjca rätrl ca. ^) Vgl. Bloomfield a. a. 0. ji. 1?. 2ü.
") Vgl. Bloomfield a. a. O. p. -JO. *) Vgl. Bloomfield a. a. O. p. 21— 2;l.
^) Käush. Br. 2, 9; Bloomfield a. a. O. p. 2r,. ») Qat. Br. 10, 4, .S, 1 ; Taitt. Br. 3. I, G, 2; Bloomfield a. a. U. p. 26.
') Bloomfield a. a. O. p. 20; E. Kuhn, Kestgruß .-ui (). v. Böhtlingk p. (iS ff.
») Vgl. Bloomfield a. a. O. p. 28— :^ü.
1\. Abhandlung: Leopold v. Scheoedeb.
auch die Vieräugigkeit der letzteren deuten und
fassen mag.^) Der Avesta zeigt uns nur Reste
einer Vorstellung, welche im Yeda um vieles
deutlicher erhalten ist.
Daß der griechische zwei- oder dreiköiifige
Kerberos mit dem Hunde des Yama zusaninien-
o-ehört, daß beide Vorstellungen auf dieselbe ältere
Vorstellung zurückgehen, liegt nahe genug und
ist denn auch schon oftmals seit mehr als hundert
Jahren behau])tet worden. Und diese Behauptung
fand von Anfang an eine nicht unwesentliche
Stütze in dem Umstände, daß der Name des einen
der beiden Hunde des Yama, der RV 10, 14, 10
nach vedischer Art auch im Dual zur Bezeichnung
beider Hunde dient, — daß der Name (,'abala,
der Scheckige, der Gefleckte oder Bunte, etymo-
logisch mit dem Namen des Kerberos zusammen-
zuhängen und mit diesem auf die gleiche Grund-
form zurückzugehen scheint. Schon "Wilford kam
— vor mehr als 100 Jahren — zu der Über-
zeugung, daß (,'abala und Kerberos ursprünglich
identisch sein müßten, als sein indischer Pandit
ilim den Namen Cabala durch das gleichbedeutende
Sanskritwort karbura ,gefleckt, gesprenkelt' er-
läuterte, das so auffallend mit Kerberos zusammen-
stimmt.') Wir werden noch mehr darin bestärkt,
daß diese Zusammenstellung eine richtige sein
dürfte, wenn wir die ganze Serie wesentlich gleich-
bedeutender Formen ins Auge fassen, die sich
kaum von C^'abala trennen lassen und mit diesem
Namen auf eine gleiche Grundform zurückdeuten,
aus welcher sie sämtlich entsprungen zu sein
scheinen, — die Formen karbura, karvura; kar-
vara, karbara; farvara, fabara.^) Die Grundform
karbara oder karvara aber, auf die uns all diese
Formen zurückführen und die in der Bedeutung
,gesprenkelt' wie auch in der Bedeutung , Tiger',
d. h. offenbar ,das gesprenkelte Tier', bei den in-
dischen Lexikographen tatsächlich erhalten ist,
fällt geradezu mit dem Namen des griechischen
Kerberos zusammen. Die offenbar verwandten
gleichbedeutenden Formen, die die indische Sprache
selbst erhalten hat, scheinen mir die Zusammen-
gehörigkeit doi- Namen Cabala und Kerberos ganz
sicherzustellen.
Auf jeden Fall hat Bloomfield recht, wenn
er an der Urverwandtschaft des Kerberos und der
Hunde des Yama aufs bestimmteste festhält, denen
sich auch die Rudimente einer ähnlichen Vor-
stellung bei den Persern noch an die Seite stellen.
Mit der Versetzung des Reiches der Abgeschie-
denen aus himmlischen Höhen in die Tiefen der
Erde mußte die alte Vorstellung eine wesentliche
Veränderung erfaiiren, ähnlich wie wir in Indien
die Vorstellung vom Yama selljst sich im I^auf
der Jahrhunderte wandeln sehen, aus dem Könige
in einem seligen, himmlischen Reich, zum furcht-
baren Todesgott und gräulich gestalteten Höllen-
fürsten späterer Zeiten. Die Gestalt des Kerberos
würde uns nie und nimmer dazu gebracht haben,
einen solchen Ursprung dieser Vorstellung zu ver-
muten, wie er durch die indischen Texte uns un-
abweisbar aufgedrängt wird, — eine organische
Entwicklung aus den himmlischen \A"äehtern, den
himmlischen Hunden: Sonne und Mond!
Den beiden Hunden des Yama steht bei den
Griechen der eine Hund Kerberos gegenüber, doch
die altbezeugte Zweiköpfigkeit dieses Ungetüms
macht es so gut wie gewiß, zum mindesten im
höchsten Grade wahrscheinlich, daß dieser eine
Doppelhund aus einem älteren Hundepaar zu-
sammengewachsen, daß in ihm die beiden Hunde
des Y^ama in eins verschmolzen sind, nachdem
ihre ursprüngliche Bedeutung längst vergessen
war. Neben dem zweiköpfigen Kerberos erscheint
aber früh auch schon ein dreiköpfiger, — und
da eine merkwürdige Stelle des Atharvaveda von
drei Kälakcäfijas berichtet, die als Götter am Him-
mel ihre Stelle gefunden hätten,*) während sonst
immer nur von zweien die Rede ist, die als himm-
lisclie Hunde, als Hunde des Yama droben fort-
leben, werden wir zu der Vermutung gedrängt,
es möchte eine Variante der gewölmlichen Vor-
stellung gegeben haben, nach welcher statt zweier
vielmehr drei himmhsche Hunde angenommen
wurden. Und fragt man weiter, welches Gestirn
neben Sonne und Mond als dritter himmlischer
Hund gegolten haben könnte, dann muß einem
sofort die wohll)ekaimte griechische Vorstellung
von dem Sirius als einem himmlischen Hunde ein-
fallen, — dem Hundsstern, dessen schon Homer
gedenkt und der in den mythologischen Vor-
stellungen der Griechen eine bemerkenswerte
Rolle spielt.
') Vgl. darüber IMooinfields Vermutungen a. a. O. ]>. 31. *) Vgl. Bloomfield .i. a. O. p. 3'.
') Karbura, karvura ,gefleckt, gesprenkelt,' die regelmäßige Glo.s.se der Hindu-Scholiasten für d;is vediscbe faljala;
karvara oder karbara gesprenkelt AK; Tiger Un. Med; 9arvara, fem. i, Bezeichnung der bunten Tiere der Maruts im
Rigveda; das Femininum ebendort Bezeichnung der Nacht als der bunten, sternengesclimiiekten ; die Grundbedeutung auch dieser
Form ist offenbar ,bunt, gesprenkelt'; <;abara=(;abala Hatnam.
♦) Vgl. oben p. 86; AV 6, 80, 2.
Herakles und Indra.
89
Es ist freilich eine kühne Idee, diesen drit-
ten liimniliselien Hund in die Vorzeit zu projizie-
ren, sei es aucli nur als Variante neben den bei-
den andern liimmlischen Hunden, die uns die ve-
dische Literatur kenneu gelehrt. Allein eine sol-
che Vermutung würde uns zugleich die drei am
Himmel zu Göttern gewordenen Kalakäiijas im
Atharvaveda, — neben den sonst erwähnten zwei,
die unzweifelhaft Sonne und Mond sind, — und
den dreiköpfigen Kerberos als Variante des zwei-
köpfigen erklären. Sie würde zugleich der ganzen
Bloomfieldsehen Theorie zu einer weiteren Stütze
dienen, denn es wäre dann von drei himmlischen
Hunden der Vorzeit in Griechenland wenigstens
einer als solcher erhalten, während in Indien die
beiden anderen und wichtigeren noch deutlich
liervortreten, der dritte nur noch in schwacher
Erinnerung fortlebt. Eine gewisse Berechtigung
wird man der Hypothese als Hypothese darum
wohl nicht absprechen können.
Der Sirius oder Hundsstern ist der hellste
von allen Fixsternen und wird von dern Griechen
in der Weise mit dem als Jäger gedachten Stern-
bilde des Orion oder Oarion verbunden, daß man
ihn den Hund des Orion nennt, eine Bezeichnung,
die wir schon bei Homer (Ilias 22, 29) autreffen.
Es ist der Stern der sogenannten Hundstage, die
nach ihm ihren Namen tragen, der dies caniculares,
der heißesten Zeit des Jahres, des die Früchte
reifenlassenden Spätsommers, weil diese Zeit dann
einsetzt, wenn der Sirius zuerst von allen Sternen
in der Morgendämmerung sichtbar wird. Er ist
ein Symbol der verzehrenden Hitze der heißesten
Jahreszeit und berührt sich darin mit dem Bilde
des Löwen. Speziell wird immer die Hundswut
als eine Wirkung dieser heißesten Zeit betrachtet.^)
Hat sie auch ihren Segen in sich als eine Zeit
des Reifens der Früchte, so tritt sie doch stärker
noch, und zwar schon im höchsten Altertum, als
eine gefährliclie, Verderben bringende Zeit her-
vor. Homer nennt ihn daher zwar den Stern der
Reifezeit, des Spätsommers,^) aber auch den Ver-
derben bringenden Stern,') wie auch sonst die
klassischen Dichter darin wetteifern, die schlim-
men Wirkungen dieses Gestirns zu schildern,
Griechen sowohl wie auch Römer,^) Pallas Athene
läßt in der Ilias von Helm und Schild des ge-
waltigen Diomedes Feuer strahlen gleich dem hell
leuchtenden Feuer dieses Sternes (Ilias 5, 1 — 8)
und so ihn sich in die Reihen des Feindes stürzen, —
offenbar ein schreckendes, Verderben drohendes
Feuer. Ilektor wird im Kampf diesem verderb-
lichen, liell leuchtenden Sterne verglichen (IL 11,
61 — 66). Noch eindrucksvoller aber schildert Ho-
mer den Achilleus, wie er Verderben drohend den
Feinden nalit, und wieder vergleicht er ihn die-
sem Sterne:
Priamos aber, der Greis, ersclmut' ihn zuerst mit
den Augen.
Sah durchs Gefild ihn eilen, hellstrahlend, dem
Sterne vergleichbar.
Der zur Reifezeit aufgeht, — sehr deutlich leuch-
ten die Strahlen
Dieses Sterns unter vielen hervor in dem nächt-
lichen Dunkel;
Der ist's, den man den Hund des Oarion benennet;
Freilich ist er sehr heil, doch er ist auch ein
Zeichen des L'nheils,
Bringt die brennende Glut des Fiebers den elen-
den Menschen.
Also strahlte das Erz um die Brust ihm, als er
daherlief.^)
Auf die verschiedenen Sagen, die an diesen
Stern sich knüpfen, die Sagen von Aktaeon, Ari-
staeos u. a. m. können wir hier nicht eingehen.'')
Durchweg tritt in denselben das gefährliche, Ver-
derl)en, Wahnsinn, Tod bringende Wesen des
Hundssternes hervor. Kurz erwähnt sei nur noch
der Riese Orion oder Oarion, dem die griechische
Sage den Hundsstern als Jagdhund beigesellt. Er
ist, wie Preller bemerkt, ,der wilde Jäger des
griechischen Himmels, den sich das Volk hin und
wieder in den Bergen und AVäldern jagend dachte'.')
Die Vorstellung vom wilden Jäger ist uralt arisch
und zeigt sich in mancherlei Formen. Der wilde
Jäger aber ist nichts andres als der Führer der
Toten, des Seelenheeres, der im Laufe der Zeit
sich zum Todesgotte entwickelt oder entwickeln
kann. Es ist Yama, von seiner furchtbaren Seite
betrachtet, die im Rigveda nur wenig, später so
stark hervortritt. Sein Hund muß der Toteniiund
sein, Todesbote und Todbringer, gleich den Hun-
den des Yama im Rigveda.*)
Es liegt auf der Hand, wie alles dies zu der
Annahme stimmt, der Hundsstern habe vor alters
als dritter zu den beiden himmlischen Hunden,
den Todesboten und Wächterhunden der Welt
') Vgl. Preller a. a. O. I 372, 373. -) Den Stern der Opore (öjrwpr;), den örtopivo; äan;i;; cf. II. 5, 5; 2'2, '.'7.
=■) oiXio; iar/,p II. 11, 62. ■•) Vgl. Preller a. a. O. I p. 372. ') Vgl. Ilias 22, 25-32.
"] Vgl. diese Sage bei Preller a. a. O. I p. 373 ff. ") Vgl. Preller a. a. O. I p. 307.
") Die altarisclie Vorstellung vom wilden .Jiiger soll im dritten Bande meiner Arischen Religion näher behandelt werden.
90
IV. ÄBHAXDLrxG: Leopold v. Scheoedek.
der Abgeschiedeueu, geliört, in denen uns Bloom-
field Sonne und Mond erkennen gelehrt bat, —
wenigstens in einer Variante der merkwürdigen
Vorstellung sich diesen größeren Hunden als dritter
hinzugesellend.
Bemerkenswert scheint mir noch der Umstand,
daß der griechische Name des Hundssternes, Sei-
rios, von einigen Dichtern wie z. B. Archiloehos
auch geradezu als Bezeichnung der Sonne ge-
braucht wird, während H)ykos ihn verallgemeinert
von allen Sternen gebraucht haben soll.^) Das
Wort ist aufs nächste verwandt mit dem von
Suidas überlieferten Worte cdp, das Sonne be-
deutet haben soll, und geht wie dieses auf die
alte Wurzel svar ,leuchten, Himmelslicht, Sonne'
zurück. Es hat den Anschein, als ob der Sirios
dadurch noch näher an die Sonne herangerückt
wird, wie ein ganz naher Verwandter. Die Ab-
leitungen des Wortes deuten alle auf Sonnenglnt
und Sonnenhitze.^)
Doch wir müssen von dieser weiten Ab-
schweifung zu Herakles und Indra zurückkehren,
die wir inzwischen fast aus den Augen verloren
haben. Was
ergibt
sich aus der obigen Darle-
euns' zunächst für Herakles und seine letzte große
Tat im Dienste des Eurystheus?
A^oii dem Eingang in jene Welt, wo die Ab-
geschiedenen hausen, bringt Herakles den Kerbe-
ros herbei. Wenn Kerberos, wie wir kaum zwei-
feln können, den beiden Hunden des Yania ent-
spricht, wenn das mehrköpfige Ungetüm durch
Zusammenschweißung in eins aus diesen Hunden
entstanden ist; wenn es ferner wahr ist, was Bloom-
field uns Schritt für Schritt in überzeugender
Weise nachgewiesen hat, daß die Hunde des Yama,
die himmlischen Hunde, ursprünglich nichts an-
deres waren als Sonne und Mond, die Wächter
im Himmelsraum, die im ewigen Wechsel von
Tag und Nacht das Leben der Menschen hin-
schwinden lassen, — dann ergibt sich daraus, so
überraschend das auch auf den ersten Anblick
scheinen mag, mit Notwendigkeit der Schluß, daß
der zweiköpfige Kerberos im letzten Grunde auf
Sonne und Mond zurückgeht, — während wir
weiter zu vermuten wagten, daß vielleicht die
Variante des dreiköpfigen Kerberos auf der Drei-
heit von Sonne, Mond und Hundsstern beruht.
welche Vermutung wir jedoch nicht weiter ur-
gieren wollen.
So sehr sich die Gestalt des Kerberos auch
im Lauf der Zeit verändert hat, so wenig man
auch vom speziell griechischen Standpunkt aus
darauf verfallen könnte, in ihm das iiimnilische
Paar Sonne und Mond zu suchen, die Vergleichung
des indischen Mythus führt uns dennoch zu der
Annahme dieses Ursprungs. Die Herbeibringung
des Kerberos aus der Welt der Abgeschiedenen
war demnach im letzten Grunde die Herbeischaf-
fung der Himmelslichter Sonne und JMond, —
nahe verwandt somit den Abenteuern mit Gery-
ones und mit den Hesperiden, in denen die Her-
beischaffung der Sonnenrinder und der goldenen
Äpfel, d. h. der Sonne und ihres Lichtes, gefeiert
wird. War es auch vom griechischen Boden aus
unmöglich, die Gestalt des Kerberos so zu ver-
stehen, wie Bloomfield sie uns verstehen gelehrt
hat, so haben wir doch liereits gesehen, daß der
Sinn der Sage auch von diesem Boden aus min-
destens schon geahnt worden ist; desgleichen
der Parallelismus 2u dem Geryonesabenteuer, wenn
auch natürlich nicht eigentlich in dem von uns
angenommenen Sinn. Von solchem Parallelismus
spricht Gruppe, während Preller in dem Kerberos-
abenteuer den Sieg über das ewige Dunkel und
seine Schrecken, ein ,Bild der Auferstehung wie
das der täglichen Sonne' sah. Natürlich war für
ihn Kerberos der Repräsentant des Dunkels und
des Schreckens, während Bloomfield in ihm eine
merkwürdige Umbildung der großen Himmels-
lichter erkannt hat. Aber trotz dieser ungeheuren
Wandlung und völligen Umkehruug im Wesen
des Kerberos wird der tiefere Sinn, der Kern
des Mythus dennoch von Preller geahnt, wenn
uns seine uranfängliche Bedeutung auch erst durch
Bloomfields Untersuchung aufgegangen ist.
Diese uranfängliche Bedeutung aber fällt im
Grunde mit der oft schon erwähnten großen
Heldentat des Lidra zusammen, die sich in Kürze
als Svarshäti, als Gewinnung des himmlischen
Lichtes, charakterisieren läßt. Lidra gewinnt die
Sonne und die Morgenröte, er gewinnt auch den
Soma, in dem wir nicht nur und nicht immer den
himmlischen Wolkenmeth, sondern auch mit Hille-
brandt den Mond zu verstehen haben, der diese
') Vgl. Passows Wörterbuch s. v. <j£(pio;; Preller a. a. O. I p. .372 Anm. 2.
*) Vgl. aetpidsi; voll Glut und Hitze, wie der Sirios (»jiXio?, äT|id;); o£tpidzauTo; von der Hitze der Sonne oder de.s Hunds-
sternes verbrannt; sapiiw glühen, auch von der Hitze der Entzündung gebraucht; Ucipiaai; durch Sonnenbrand oder Er-
hitzung entstandene Krankheit, Sonnenstich; oHipivo; heiß, hitzig, brennend, besonders von der Sonnen- und Sommerhitze;
■ci asipivot leichte Sommerkleider usw.
Heeakles und Indea.
91
Bezeichnung- später trägt und als ein Gefäß voll
himmlischen Trankes gedacht ward. Er findet,
versciiafft oder schafft auch die Gestirne oder die
Himmelslichtor, |duralisch ausgedrückt (jyotiiiishi),
worunter mau sich außer Sonne und Mond auch
beliebig noch Sterne denken darf.') Das Bild von
den himmlischen Hunden begegnet in diesem
Zusammenhang nicht, ebensowenig wie früher das
Bild von den Äpfeln. Doch die Sache ist dieselbe.
Indra steht mit unzweifelhafter Deutlichkeit in den
Liedern des Rigveda als der große Gewinner des
himmlischen Lichtes da, wie Herakles in den herr-
lichen griechischen Mythen von dem siegreichen
Kampf mit Geryones um die Sonnenrinder, von
den goldenen Äpfeln der Hesperiden und von der
Heraufholung des Kerberos.
Ein schönes, lebendiges Yasenbild ist dem
Bloomfieldschen Buche an die Spitze gestellt
und schmückt seinen Titel: Herakles, der den
zweiköpfigen Kerberos aus dem Tore des Hades
herauszerrt ; neben ihm seine hilfreichen göttlichen
Begleiter Hermes und Athene.^) Li das Yedische
übersetzt, könnten wir sagen: Indra findet und
gewinnt das Himmelslicht oder die Himmelslichter;
als Helfer stehen ihm zur Seite Saramä und Trita
Aptya. Diesen Mythus in allerlei Formen. Bil-
dern und Variationen lehren uns die vedischen
Texte in der Tat zur Genüge kennen.
Und daß es vielleicht einst sogar eine Form
des Mythus gab, in welcher es hieß, Indra habe
die beiden himmlischen Hunde, die Hunde des
Yama an den Himmel gesetzt, darauf leitet uns
jene seltsame, früher besprochene Legende der
Brähmanas von den Kälakänjas, die den Himmel
ersteigen wollen, durch Indras List und Gewalt-
tat aber daran gehindert werden. Es bleiben nur
zwei am Himmel droben als die himmlischen
Hunde, die Hunde des Yama, — nach der Vari-
ante des Atharvaveda drei — die Legende trägt
in dieser Form ganz den Charakter der unzähligen
Priestergeschichten der Brähmanas. Der zum Him-
mel herauf gehaute Feueraltar, Indra in Gestalt
eines Brahmanen — zeigen das deutlich genug.
Doch wie in so manchen derartigen Geschichten
trotz alledem ein alter mythischer Kern steckt,
so könnte es auch hier der Fall sein. Den einen
Hauptzug des Mythus kennen wir bereits aus den
Liedern des Rigveda: Die himmelstürmenden Dä-
monen, die Indra hinabstößt. Der andre Zug, der
uns meines Wissens nicht weiter überliefert ist,
darf vielleicht so formuliert werden: Indras
Heldentat hat es bewirkt, daß die himmlischen
Hunde, die Hunde des Yama da droben stehen,
wandeln und leuchten. Es sind für gewöhnlich
zwei Kälakänjas. die himmlischen Hunde Sonne
und Mond; in der Variante des Atharvaveda aber
drei — vielleicht Sonne, Mond und Hundsstern.
Ins Griechische übersetzt: der zweiköpfige und
der dreiköpfige Kerberos.
Herakles und Troja.
Indra ist der Burgenbrecher, der pürbhid
unter den vedischen Göttern. Dies Epitheton
kommt ihm speziell zu. Er ist der beste Burgen-
brecher, der Superlativ eines solchen i pürbhittama).
Wesentlich dasselbe besagen auch andre Ejiitheta
des Gottes.^) Unendlich oft wird dies Brechen der
Burgen seiner dämonischen Gegner in den Indra-
liedern geschildert. Ja. er bricht an einem Tage
■) Vgl. RV 8, 15, 5, wo es heißt, daß Indr.a im Rausch die Himmelslichter dem Menschen und Menschenvolke ver-
schafft habe (yena jyötimshy äyäve manave ca viveditha); ferner RV 1, 55, 6 ,die freundlichen Gestirne (Himnielslichter)
schaffend für den Opferer hat der Starke die Wasser befreit, daß sie strömen' (jyötimshi krinvänu avrikäni yäjyave äva
sukrätuh sArtava apal.i siijat). Vgl. auch RV 8, 51, 12. — Entsprechend wird auch Soma angefleht, er möge die Gestirne
leuchten lassen oder mijge sie den Menschen schenken. Dieses Werk ist von Hause aus ludras Werk, denn der Rausch-
trank Soma wirkt ja durch des Indra Arm. Vgl. RV 9, m, 3 von Soma: .laß die Gestirne für uns aufleuchten^ (sä no
jyötimshi pürvyi pavamäna vi rocaya). Noch vielsagender ist die Bitte an Soma RV 9, 91, 6: ,So schenke, Du, der lautre,
uns die Wasser, den Himmelsglanz, die Kühe, viel Kinder und Nachkommenschaft, Heil, weites Land, die Himmels-
lichter, o Soma, die Sonne, damit wir lange noch sie schauen' (eva' punänö apäh svär gfi asmäbhyan.i tokä tänayäni
bhiiri | ijäin nah kshetrani uni jyötimshi soma jyön nah suryan.i driijäye ririhi.
•') Das Bild ist eine Reproduktion nach Baumeisters Denkmälern des klassischen Altertums. Bd. I, Figur 730
(Text auf p. dfy'i).
') So purä'm bhettär, bhindii, dartiir, darmän. darmä. dartnii u. a. m.
Denkschriften der iibll.-hist. Kl. 58. Bd 4. Al>h.
92
iV. Abhandlung: Leopold v. Schkoeder.
99 Burgen uud am Abeud noch dazu die
hundertste.^)
Öfters werden die 99 oder 100 Burgen des
(,'ambara erwähnt, die Indra zerstört liaben soll,
obwohl sie als unangreifbar bezeichnet werden.'')
Auch eine hunderttorige Burg fällt seinem An-
sturm zum Opfer') u. dgl. m. Es ist im Grunde
dasselbe, wenn es heißt, daß Indra den Fels, den
Berg-, die Höhle gespalten habe, aber das Bild ist
doch ein andres.
Auch Herakles ist ein gewaltiger Burgen-
brecher, und speziell wird er mit der berühmtesten
Burgenbrechung der griechischen Sage, der Zer-
störung Trojas, bestimmt ia Zusammenhang ge-
bracht. Eh noch die Atrideu das große griechi-
sche Heer gegen die Burg von Ilios, Pergamos
oder Troja führen, hat Herakles schon diese Burg
bestürmt und genommen. So berichtet die Sage,
so erzählt die Ilias selber. Aber der gigantische
Schatten des Herakles fällt auch noch auf jene
spätere, berühmter gewordene Eroberung Trojas,
denn der Sage nach konnte nur durch den Bogen
des Herakles der Frevler Paris bestraft und Troja
bezwungen werden, daher die Beschaffung dieses
Bogens für die Belagerer von entscheidender
^A'ichtigkeit ist.'*) Fast hat man von diesem Zug
der Sage den Eindruck: Der eigentliche, der ge-
borene Bezwinger der Veste von Ilios, der Troja-
burg, ist doch Herakles. Und dieser Eindruck
wird bestätigt und verstärkt., je tiefer wir in den
Sinn der alten Sage eindringen, je mehr wir das
Typische ihres Wesens erkennen.
Daß die in verschiedenen Formen erzählte,
am gewaltigsten von Homer l)esungene Eroberung
Trojas einen mythischen Hintergrund hat, dürfte
kaum zweifelhaft sein und ist jetzt wohl längst
sciion die Ansicht der meisten kompetenten For-
sciier. Dem widerspricht es nicht, wenn andrer-
seits auch unzweifelhaft historische Ereignisse sich
in derselben wider.spiegeln und die einstige, in
graues Altertum zurückreichende Existenz der
Stadt Ilios-Troja durch Schliemanns Entdeckungen
uns gegenständlich bewiesen ist. Noch unzweifel-
hafter sind historische Ereignisse der Völker-
wanderungszeit im Nibelungenlied verwebt, und doch
fehlt auch dort der mythische Hintergrund nicht.
Gerade diese mehr oder minder freie Verbindung
des Mythischen mit dem Historischen ist ja für
die Sage charakteristisch. Für die Trojasage
wird das Mythische schon durch die Gestalt der
Helena deutlich, die den Mittelpunkt des großen
Kamjjfes der Ilias bildet und unzweifelhaft als
eine altgriechische Göttin bezeichnet werden darf.
Aber gerade die herkömmliche Deutung dieser
Gestalt als Mondgöttin und die Zusammenstellung
ihres Namens mit dem der Selene stand der
wichtigeren Erkenntnis des zugrunde liegenden
Mythus lange hindernd im Wege.
Helena ist vielmehr als weil)liche Sonnengott-
heit zu fassen, der Helle und dem Helios verwandt,
— die Sonuenjungfrau, die, in die Gewalt feind-
licher Mächte geraten, in gewaltigem Kampfe
wiedergewonnen wird. Mit Recht hat schon Prel-
ler neben der Deutung auf den JMond bei Helena
auch an die Morgenröte gedacht, ,iu welchem
Falle sie mit der Eos und der Jlater Matuta Ita-
liens sich vergleichen ließe. Denn wie die letztere
wurde sie in Sparta von Mädchen und Frauen
als eine Göttin der Kinderpilege und des weib-
lichen Reizes verehrt'. ,Iu Argos galt sie als die
Stifterin eines Tempels der Geburtsgöttin Eilei-
thyia', und gerade der Zusammenhang der neu
aufgehenden, jungen Sonne mit der Geburt tritt
vielfach, wie auch in der Gestalt der Mater Ma-
tuta, deutlich hervor. ,Auch in Rhodos wurde
sie verehrt, und zwar hier vorzugsweise von den
Mägden und unter dem Beinamen oäväpai;:, d. h.
der am Baume hängenden, was an die attische
Fabel von der Erigone erinnert und wahrschein-
lich wie dort und in anderen Fällen mit dem alter-
tümlichen Gebrauche sogenannter Aeora zusammen-
hängt'.^) Erigone, die Frühgeborene, ist zweifel-
los nur eine besondere Form, in welcher die
Morgenröte, respekti\'e die neu aufgehende junge
Sonne verehrt wurde, — und zwar speziell die
junge Sonne des neuen Jahres, die Frühlingssonne.
Wie eng der Schaukelbraucii der Aiora mit dem
Kult dieser jungen Sonne des neuen Jahres zu-
sanunenhäugt, habe ich eingehend dargetan, wie
auch die Identität der Morgenröte mit dieser jun-
') Vgl. RV 7, 19, 5; auch KV 4, 26, 3 heißt es, Indra habe die 99 Burgen des ^'ambara gebrochen und nocli ,ein
hundertstes Gehöft'.
*) Vgl. RV 2, 14, G; 2, 19, 6; 6, 31, 4; 6, 47, 2; 7, 99, 5. Als unangreifbar (aprati'ni) werden die 100 Burgen des
fambara RV 6, 31, 4 bezeichnet. In RV 6, 47, 2 wird von den 99 Wällen oder Mauern des C'aniliara gesprochen (dehyas).
und vielleicht haben wir bei den 99 oder 100 Burgen des Dämons an eine durch soviel Wälle oder Mauern geschützte
Burg zu denken.
") Vgl. RV 10, 99, 3.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 420. '^) Vgl. IVeller, a. a. O. II p. 109. 110.
Herakles und Iadea.
93
gen Sonne des neuen Jahi-es.^) Fassen wir He-
lena ebenso als die Morgenröte, die Frühlingssonue,
die junge Sonne des neuen Jahres auf, dann wird
ihre Beziehung zur Geburt und Kinderpflege
ebenso einleuchtend deutlicli wie diejenige zur
uralten Scliaukelsitte, die gerade ursprünglich im
Schaukehl an den Asten oder in den Wipfeln der
Bäume geübt ward, — iliro Verwandtschaft eben-
sowohl mit der Mater Matuta wie mit der Erigone.
Audi die nahe Verwandtschaft der Helena mit
den Dioskuren, die als Morgen- und Abendstern
zu deuten sind, ergibt sich dabei fast von selbst.
Ist aber Helena von Hause aus die Morgenröte,
die junge Sonne des neuen Jahres, dann werden
wir ilire Befreiung auch ohne Zweifel als die Be-
freiung der jungen Sonne aus den Banden der
kalten, dunklen, winterlichen Mächte zu deuten
haben. Auch das ergibt sich wie etwas Selbst-
verständliches, und wir sind damit zu einer Auf-
fassung gelangt, die mit viel Energie und Geist,
wenn auch leider ohne die erforderlichen Sprach-
kenntnisse, bereits jahrelang von Ernst Krause
(Carus Sterne) behauptet und verteidigt worden ist.^)
Der Gegensatz zwischen der winterlichen und
der sommerlichen Jahreszeit ist nun freilich in
Südeuropa, in Italien, Griechenland und Kleiuasien,
nicht derart, daß von einer Gefangenschaft, einem
Weggeraubtsein der Sonne geredet werden könnte,
daher denn auch Krause mit Recht das Ursprungs-
land dieser Mythen weiter im Norden Europas
sucht. Indessen vermag ich ihm nicht zu folgen,
wenn er in weiterem Umfang die ^Vanderuug ger-
manischer ]\Iythen nach Süden hin annehmen zu
müssen glaubt. Es handelt sich, wie ich meine,
vielmehr um altarisches Erbgut, das nicht speziell
germanisch, sondern allgemein arisch war und
seinen Ursprung dort hatte, wo die noch unge-
teilten Arier saßen, d. h. in Mittel- und Nord-
europa, wo der Gegensatz von Winter mid Som-
mer erheblich genug ist und in jenen Zeiten ge-
ringer Kultur noch stärker als späterhin empfun-
den werden mußte, weil der Mensch sich nur
warmen Zeit entffeffen-
unvollkommen
die Unbilden der kalten
Jahreszeit zu schützen vermochte und mit viel
stärkerer Sehnsucht der
harrte.
Es ist wahrscheinlich, daß Krause ganz recht
hat, von einer Lenzbefreiung der entführten und
gefangenen Sonnenfrau zu reden und darin den
Kern einer ganzen Reihe altarischer Mythen und
Sagen su suchen.^) Eine Göttin des Mondes oder
der Erde wäre weit weniger gut am Platze. Den
Befreier spielt in der Regel der Gewittergott oder
ein aus ihm erwachsener, wesensverwandter Held.
Sagen dieser Art hatten in den Ursitzen der Arier,
in Nord- und Mitteleuropa einen guten, allgemein
verständlichen Sinn. Bei einer Wanderung in
südlichere Gegenden ging ihnen mehr und mehr
jene natürliche Unterlage verloren. Es mußten
daher bei einem Weiterleben der alten Sagen man-
cherlei Unklarheiten eintreten oder Verschiebun-
gen stattfinden, durch welche sich die alte Sage
der neuen Heimat besser anpaßte. Die Möglich-
keit zum letzteren Prozeß war gerade in vorlie-
gendem Falle deutlich gegeben.
Zunächst war es wohl natürlich, daß die Vor-
stellung von der Lenzbefreiung der Sonne sich
mit der nahe verwandten Vorstellung von der Be-
freiung der Sonne aus dem Dunkel der Naclit
vielfach verband und vermischte. Aber auch eine
dritte Vorstellung gehörte dazu und spielte wohl
von vornherein eine wichtige Rolle, — die Vorstel-
lung von der im Gewitter verborgenen, verdunkel-
ten, verschwundenen, von den Wolkendämonen
geraubten Sonne, die nach der Beendigung des
großen himmlischen Dramas strahlend wieder
erschien. Sie lag um so näher, als der Gewitter-
gott hier ja sichtlich der eigentliche Held ist.
Eine Verschmelzung des Gewitterdramas mit dem
Drama der Lenzbefreiung der Sonne mag schon
in der Urzeit stattgefunden haben und das Ge-
witterdrama hat wohl in erster Linie mitgewirkt,
den Gewittergott als den Befreier der Sonne er-
scheinen zu lassen. Bei der Befreiung der Sonne
aus dem Dunkel der Nacht in der Morgenfrühe
spielt der Gewittergott tatsächlicii keine Rolle und
') In Bd. U meiner , Arischen Religion' (nocli ungedrucict).
^) Vgl. Ernst Krause (Carus Sterne), Tuiskoland, dor arischen Stäranio und Gütter Urheimat, Glogau 1891,
Kap. 55. 56; und nanientlicli Ernst Krause, Die Trojaburgen Nordeuropas, ihr Znsammenhang mit der indogermanischen
Trojasage von der entführten und gefangenen Sonnenfrau, den Trojaspielen, Schwert und Labyrinthtänzen zur Feier ilirer
Lenzbefreiung, Glogau 1893.
') Krause, Trojaburgen, p. So zählt 7 liauptsaclilicli wichtige Gestaltungen der Sage auf, unter denen dos Herakles
Besie^ung des Meerungeheuens vor den Toren Trojas und Befreiung der Hesione an erster Stelle genannt ist; ferner die
Perseus-Andromeda-Sage, die Jason-Medea-Sage, die Theseus-Ariadne-Sage, die Siegfried-Brunhild-Sage, die Sage von Ragnar
Lodbrok und die bulgarische Sage von St. Georg, der den Drachen vor den Toren Trojas erschlägt und die Tochter des
Königs von Troja betreit. Schon der Titel des Buches nennt aber auch die Helena-Sage, der sicli noch viele verwandte
Sagen anschließen.
94
IV. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
vrenn er — wie das in Indieu der Fall ist —
auch mit dieser Morg'enbefreiung in Zusammen-
hang gebracht wird.') so kann das nur durch
einen Prozeß der Übertragung geschehen sein.
Mit den europäischen Mythen und Sagen ver-
glichen, sind die indischen, respektive vedischen
Vorstellungen hauptsächlich durch zwei Momente
charakterisiert:
1. Von einer Lenzbefreiung ist hier nicht die
Rede; das Gewitterdrama steht ganz im Vorder-
grunde. Der Gewittergott Lidra bricht die Bur-
, gen der verschiedenen Dämonen nnd gewinnt die
Sonne, das Himmelslicht, respektive auch die
Morgenröte.
2. Die Gewinnung der Wasser spielt bei die-
sem Drama eine mindestens ebenso große, wenn
nicht noch größere Rolle als die Gewinnung des
Himmelslichts.
Beide Momente erklären sich durchaus be-
friedigend durch die Natur, respektive das Klima
des Landes, welches den indischen Ariern zu
einer neuen Heimat geworden war. Hier gab es
keine winterliche Entrücktheit der Sonne, keine
Sehnsucht aus Winterkälte nach Sommerwärme.
Eine um so größere Rolle aber spielte das Ge-
witter, insbesondere in der sogenannten Regenzeit.
Die Befreiung, der Gewinn der himmlischen
Wasser nach langer Dürre erschien dabei natur-
gemäß als das wichtigste Moment. Daneben aber
wurde auch von dem Gewinn der Sonne, des
himmlischen Lichtes oft genug gesungen, ja auch
Gewinn der Morgenröte, bei deren Erwähnung
man bisher nur an die Morgenröte des neuen
Tages gedacht hat, obwohl der Gewittergott mit
dieser ja eigentlich in gar keiner organischen
Beziehung steht. Es ist aber schon durch die
Stellung der Ushaslieder im Ritual, auf die Hille-
brandt zuerst hingewiesen hat, entschieden wahr-
scheinlich, daß unter der Morgenröte der Lidra-
lieder ursprünglich in erster Linie die IMorgen-
röte des neuen Jahres verstanden wurde, die neu-
aufsteigende junge Sonne der Frühlingszeit. Dann
aber ist es weiter ebenso wahrscheinlich, daß
diese Verehrung und Verherrlichung der jungen
Sonne des neuen Jahres, als ein Rest, ein Rudi-
ment früherer Zeiten, eine Erinnerung an die
alten, einstigen, nördlicheren Sitze des Volkes auf-
zufassen ist. Und dasselbe hat dann ohne Zwei-
fel auch von der Rolle des Gewittergottes zu gel-
ten, die er als Gewinner oder gar Erzeuger die-
.ser Jlorgenröte des neuen Jahres spielt. Dieser
Sinn des Mythus scheint den Indern selbst so gut
wie ganz entschwunden zu sein, und das begreift
sich vollauf bei dem Klima ihres Landes. Den-
noch lebten die alten Vorstellungen, Mythen und
Kultbräuche fort, die Sänger und Dichter aber
sahen in der Ushas nur die jMorgenröte des neuen
Tages und schilderten sie demgemäß, während
der Kultbrauch wie der mythische Zusammen-
hang mit Gott Indra weiter zurück auf die Mor-
genröte des neuen Jahres, die den winterli-
chen Mächten abgerungene junge FrUhlings-
sonne deuten.
Fassen wir nun die Sage von Helena und
ihrer Befreiung aus der Burg von Troja näher
ins Auge, dann möchte ich den Umstand für be-
sonders bemerkenswert halten, daß es die Atri-
den, Agamemnon und Menelaos, sind, die diesen
Befreiungszug leiten, der dem einen von beiden
zu dem geraubten Kleinod, der Gattin Helena,
verhelfen soll. Im Rigveda wie auch in späteren
Denkmälern der altindischen Literatur wird öfters
ein Sänger Atri und seine Familie erwähnt. Ja
das fünfte Mandala des RigA^eda ist der Tradition
o'emäß «rößteuteils im Schöße dieser altberühm-
ten Sängerfamilie, der Atris oder Atreyas, ent-
standen, die ihr Name gleichsam als die indischen
Atriden keunzeiclmete. In diesem fünften Buche,
im zweiten Teil des 40. Hymnus^) wird nun
von Atri und den Seinigen ein merkwürdiger
Mythus erzählt. Der böse Dämon Svarbhänu
hatte die Sonne mit Finsternis geschlagen, so daß
die Wesen sich nicht mehr zurechtzufinden wuß-
ten. Indra schlug die vom Himmel herab sich
bewegenden Zauberkünste des Svarbhänu nieder,
Atri aber fand ,mit dem vierten Gebete' die vom
widergöttlichen Dunkel verhüllte Sonne. Diese
wendet sich selbst im Vers 7 hilfeflehend an den
Sänger Atri, indem sie sagt: ,Nicht soll mich, der
ich Dir, 0 Atri, angehöre, im Zorn der Böse
schreckensvoll verschlingen! Du bist der Freund
(Mitra), der die rechten Gaben spendet. Du und
König Varuna, ihr beide sollt mir hier helfen!'
Und Atri hilft ihr in der Tat. Er scliirrt die
somapresseuden Steine an, er verehrt die Götter,
er huldigt ihnen mit Lobgesang, — Atri hat das
Auge der Sonne an den Himmel hingesetzt, die
Zauberkünste des Svarbhänu beseitigt. Der Schluß-
vers des Liedes faßt zusammen: ,Die Sonne, die
der Dämon Svarbhänu mit Finsternis geschlagen,
die haben die Atris aufgefunden,
das andre vermocht.'
nicht haben
'; \'|,'l. Macdonell, Vedic Mythology p. 61.
») RV h, 40, 5-9.
Herakles und Indea.
95
Also eine Rettung der Sonne (sürya) durch
Atri und die Seinigen, unter Beihilfe des Indra,
aus der Gewalt eines Dämons der Finsternis, der
sie zu verschlingen droht. Der Held erscheint
als Beter, als besclnvörender Priester oder Sänger,
kann aber selir wohl in diesem Falle wie in so
manchen anderen Fällen aus einem mehr heroisch
agierenden mythischen Helden sich in diesen Cha-
rakter liineinentwickelt haben. Werden in der
Brahmanazeit doch sogar die Götter zu Priestern
und operieren mit jiriesterlichen Mitteln. Auch
der AtharA-aveda erwähnt die Tat des Atri, der
die Sonne am Himmel herauf geführt, sie befestigt,
das unvergängliche Licht aufgefunden habe.^)
Auch die Brähmanas und andre Texte erzählen
davon, besonders lehrreich aber sind einige bud-
dhistische Verse, aus denen deutlich hervorgeht,
daß unter dem Dämon Svarbhänu der wohl-
bekannte Rähu verstanden wird, der Verschliuger
der Sonne, der ganze Vorgang demnach als
Sonnenfinsternis erscheint, die der zauberkundige
Held wirksam beschwort — , für gewöhnlich Atri,
im buddhistischen Texte Buddha selbst.-)
Neben der griechischen Sage von der Be-
freiung der Sonnengöttin Helena durch die Atri-
den hätten wir also hier in Indien eine Sage von
der Befreiung der Sonne durch Atri oder die
Atris aus der Gewalt eines Dämons der Finster-
nis, der sie zu verschlingen droht und zum min-
desten später mit Rähu gleichgesetzt wird. In
dem indischen Mythus, der sonst dem griechischen
unleugbar verwandt scheint, tritt eine vierte Form
von Raub und Befreiung der Sonne hervor: neben
den früher erwähnten dämonischen Mächten von
Gewitter, Nacht und Wiuterzeit nun auch die-
jenigen einer Sonnenfinsternis. Alle vier aber,
so verschieden sie im übrigen auch sind, haben
doch dies miteinander gemein, daß es sich immer
um zeitweiligen Raub und Befreiung der Sonne
handelt, datier es sich wohl begreifen läßt, daß
die darauf gegründeten Sagen und Mythen sich
mischen, verschieben, gegenseitig vertreten
konnten.
Und denken wir an die wahrscheinlich ältere
Trojasage, in welcher Herakles als der Held er-
scheint, dann erkennen Avir in ihr eine dem in-
dischen Mythus weit näher liegende Form der
Erzählung. Die Heldin, die hier der Helena in
der Iliassage entspricht, ist Hcsione, die liebüche
Tochter des Königs Laomedon von Troja. Lao-
medon hatte die Götter Poseidon und ApoUon,
die für ihn die Mauer seiner Burg gebaut, um
ihren Lohn schmählich betrogen. Dafür sendet
ApoUon eine Pest, Poseidon ein Seeungebeuer,
das Menschen und Herden verschlingt, bis der
König ihm seine Tochter Hesione zum Opfer dar-
bringt. Die Jungfrau wird am Meeresstrande an
einen Felsen angebunden, doch als das Ungeheuer
erscheint, um sie zu verschlingen, ist auch der
Retter schon zur Stelle, — Herakles, der unter
dem Schutz eines hohen Dammes den Drachen
angreift und endlich tötet. Nach der späteren
Erzählung springt der Held gerüstet in den Schlund
des Drachen und schlitzt ihm von innen den Bauch
auf.') Die Jungfrau ist gerettet, doch der törichte
König verweigert ihrem Retter den ausbedungenen
Lohn, die wunderbar schnellen Rosse, die er einst
von Zeus als Ersatz für den geraubten Knaben
Ganymed zum Geschenk erhalten. Das wird zum
Verhängnis für die Stadt, denn Herakles kehrt
nach einiger Zeit in Begleitung andrer Helden
wieder, erstürmt die Veste, bringt Laomedon
mit fast allen seinen Söhnen um und gibt die zum
zweiten Mal errungene Hesione seinem Begleiter
und Helfer Telamon zum Weibe.
Die Erzählung von dem Ungeheuer, das die
schöne Hesione verschlingen will, von Herakles
aber getötet wird, nachdem er selbst in den ge-
waltigen Schlund des Drachens gesjiruugen, erin-
nert weniger an die Art, wie Helena später be-
freit wird, als vielmehr an die bei so vielen Völ-
kern erzählten Sagen von dem Ungeheuer, das
die Sonne oder auch den Jlond verschlingen will.
Mit diesem ist dieselbe denn auch schon längst
verglichen worden.*) In Indien entspricht die
bekannte Sage von dem Ungeheuer Rahu, die
noch immer fortlebt, als ein Erbteil primitivster
Zeiten. Die Geschichte von Atri, der die schon
mit Finsternis geschlagene Sonne dem bösen Dä-
mon Svarbhänu, der sie verschlingen will, abringt,
hat sich nun aber als eine alte Version der Rähu-
sage herausgestellt und vergleicht sich somit der
griechischen Sage von der Rettung der Hesione
durch Herakles vor dem Seeungeheuer, während
die Sage von der Wiedergewinnung Helenas durch
den trojanischen Krieg mehr Ähnlichkeit mit dem
zweiten Zuge des Herakles nach Ilios hat, wo er
die Stadt erstürmt und Hesione zum zweiten Male
M Vgl. AV i;s, 2, 4. VI. 3G.
") \g\. Charles K. Lanman im ,Festgruß an Roth', p. 187—190 (ItV 5, 40 and its Bud<lhUt parallel).
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 234. *) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 234; aut-h Anni. 3.
96
IV. Abhandlung: Leopold v. Schkoedeb.
erringt, wenn aucli die Jlotivieruug — durch
Rache wegen des nicht ausgefolgten Lohnes — im
letzteren Falle eine -n-esentlich andre ist. Die indi-
sche Atrideusage findet also in der ersten Helden-
tat des Herakles vor Troja ihr Gegenstück,
während die griechische Atridensage A'ielmehr in
der zweiten Heldentat des Herakles daselbst ihr
Vorhild und älteres Gegenstück zu haben scheint.
Ein Held Atri oder ein Atrisohn, ein Held ähn-
lichen Namens, der ähnlich dem Gewitterriesen
Taten der Sonnenrettuug vollbringt, darf demnach
wohl schon für jene uralte Zeit vermutet werden,
wo Lider und Griechen noch nicht getrennt
waren.
Doch wie dem auch sei, in der indischen
Atrisage läßt sich vielleicht noch eine nähere Ver-
wandtschaft mit der Sage von der Rettung der
Hesione durch Herakles nachweisen, — in einem
bisher noch recht unverständlich
merkwürdigen Zuge derselben,
der Rettung
gebliebenen
Häufiger als von
der Sonne durch Atri ist in den
Liedern des Veda davon die Rede, daß Atri einst
in einen glühend heißen Schlund oder eine Spalte
(ribisa) hinabgestiegen oder hinabgeführt sei, daß
die beiden Acvinen, die rettenden Dioskuren der
Inder, ihm dort zu Hilfe gekommen seien, die
Glut von ihm abgewehrt, ihm Labung und Er-
quickung gebracht, ihn aus dem heißen Schlünde,
aus dem Dunkel, aus der großen Finsternis be-
freit hätten, — ihn samt seinen Gefährten, die
einige Male mit erwähnt werden.^) Einmal heißt
es auch, Agni habe den Atri in der Glut gerettet,-)
in der Regel aber sind es die Apvinen, die ihm
helfen.
Bei diesem niclit hinreichend aufgeklärten
Abenteuer des Atri kann ich nicht umhin, wieder
daran zu erinnern, wie Herakles bei der Rettung
der Hesione in den Schlund des Drachens hinein-
springt: ,Ja, er soll drei Tage darin verweilt und
durch die Glut der Eingeweide alle Haare seines
Hauptes verloren haben. Ein Märchen, welches
auch in bildlichen Darstellungen überliefert ist
und in den Erzählungen andrer Völker von dem
Monde oder der Sonne, welche ein Drache zu
verschlingen droht, seine natürliche Erklärung
findet.'»)
In den vedischen Liedern wird freilich das
Hinabfahren des Atri in den heißen, finstern
Schlund unabhängig von der Sonnenrettung als
ein selbständiges Abenteuer, erzählt, es könnte
aber doch beides ursprünglich zusammengehört
haben, wie in der Heraklessage das Hineinspringen
in den Schlund des Drachens mit der Rettung
der Hesione. Vielleicht trat die Trennung ein,
als aus dem Helden der priesterliche Beter
wurde, den wir RV 5, 40 vor uns sehen. Im
übrigen scheint sowohl in der griechischen wie
in der altindischen Sage der Sonnenheld und
Sonnen retter bis zu einem gewissen Grade in die
Rolle der gefährdeten Sonne selbst hineingeraten
zu sein.*) Auf jeden Fall handelt es sich hier
bei Indern und Griechen um mehr oder minder
verwandte Sagenformen, wenigstens was den Ur-
sprung anbetrifft.^)
Zwischen der Burg von Troja-Ilios und jenen
von Indra und anderen Göttern erstürmten Wol-
kenburgen des Veda bat man längst schon Be-
ziehungen nachzuweisen gesucht, die allerdings
') Vgl. RV 5, 78, 4: Als Atri, in den Schlund hinabsteigend (avarohau) euch beide anrief wie eine hilfesuchende
Frau, da kämet ihr Acjvinen herbei mit des Adlers Schnelle, der neuesten, heil vollsten; RV 1, 116, 8: durch Kulte (Frost,
Schnee) habt ihr das Feuer, die Glut (agnim, ghramsam) abgewehrt, habt ihm erquickende Labung geboten, habt den in
den Schlund hinabgeführten (avanitam) Atri heraufgeführt, samt der ganzen Schar, zun Heile; RV 10, 39, ü: Ihr beide habt
den glühenden Schlund dem Atri labungreich gemacht, dem Saptavadhri (respektive dem von 7 Verschnittenen begleiteten)!
RV 1, 118, 7: Ihr habt dem in die Glut (taptam) hinabgeführten Atri Labung, Erquickung (Hilfe) gespendet, ihr Aijvineu;
RV I, 119, 6 durch Kälte (wehrt ihr ab) dem Atri die heiße Glut (o Ai;vinen) ; RV 8, 62, ;^: ,Die Kühlung streutet, Kitter
ihr, beide dem Atri in die heiße Glut'; 7: , Erquickend. Ritter, machtet ihr dem Atri seines Hauses Sitz'; 8: , Des Feuers
Gluten wehret ihr dem Atri ab, der lieblich singt' (Grassmann). Vgl. auch RV 10, 143, 1 — 3, wo Atri verjüngt aus dem
Schlünde hervorzugehen scheint; RV 7, 71, 5: ,Aus der Kot, aus dem Dunkel befreitet ihr beide den Atri'; RV 6, 50, 10:, Wie
ihr beide den Atri aus großer Finsternis erlöstet' — . Eines bösen Dämons Zauber wird dabei vernichtet nach RV 1, 117, 3:
,Den Weisen Atri samt seiner Schar befreiet Ihr, beide Männer, aus dem .Schlund, des bösen Dämons Zauber vernichtend.'
= ) Vgl. RV 10, 80, 3. ») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 234.
■•) Darauf scheint namentlich die RV 10, 143, 1—3 angedeutete Verjüngung des Atri bei diesem Abenteuer zu
deuten. Vgl. übrigens Sonne, in Kuhns Zeitschr. 10, 331 ; er faßt das Abenteuer als einen Sonnenuntergang unter Obhut
der Acfvinen, die ,als Vermittler zwischen Finsternis und Licht den Helios beschützen'. Das glühende Feuer glaubt er
in der Abendröte, die Erquickung in der Kühle und dem Tau des Abends zu finden. Eine Kontamination dieser Vorstel-
lungen mit denen von der Rettung der Sonne bei der Sonnenfinsternis scheint mir nicht ausgeschlossen.
°) Bemerkenswert ist vielleicht noch, daß nach der griechischen Sage Atreus, der Vater der Atriden, einen Widder
mit goldenem Vließ besessen haben soll, den ihm Thyestes entwendet. Zeus schreitet zugunsten des Atreus ein. Da der
Widder mit goldenem Vließ ein bekanntes Sonnensymbol ist, handelt es sich auch hier wohl ursprünglich um Sonneiiraub
und Restitution. Vgl. Preller, a. a. O. II p. 387. 388.
Herakles und Indra.
97
niclitunangefocliteu geblieben sind. Den Namen der
troisclien Veste Ilios, aus älterem Vilios {FC/m;), hat
mau mit dem selbständig gewordenen Epitheton der
indischen Wolkenburg, vicju, viUi, das Feste' oder.die
Veste', sehr anmutend zusammengestellt. Wir sehen
den Indra diese Veste erobern. So heißt es z.B.:
KV 8, 45, 41. Was in der Veste (vil.äu), was
am festen Ort, was im Abgrund vei-borgen ist,
0 Indra, dies begehrenswerte Gut bring Du herbei!
RV 1,6, 5. Mit den zerbrechenden, reisigen
(Maruts) zusammen hast Du, o Indra, sogar das
Feste (oder die Veste, vilu), hast im Verborgenen
sogar die rötlichen (Kühe) aufgefunden.
Mit den rötlichen oder roten (Kühen), den
usriyäs, sind die Moi-genroten gemeint.
Das wird noch deutlicher durch die folgende
Stelle, in welcher Indra mit den Weisen, den
Sängern der Vorzeit, und der Götterhündin Saramä
zusammen in Aktion erscheint:
RV S, 31, 4. Ihn erkennend, gingen die
Morgenröten (nshäsah) ihm entgegen; der Herr
der Kühe ward Indra allein.
5. Die in der A'^este befindlichen (Kühe, re-
spektive Morgenröten) haben die Weisen durch
Bohrung gewonnen.').
In den folgenden Versen wird weiter erzählt,
wie Sai-amä den Spalt des Felsens auffand, wie
sie leichtfüßig voraneilte, dem Gebrüll der un-
versieglichen Kühe nachgehend, das sie zuerst er-
kannte (6). Ihr gesellte sich Indra in begeistertster
Erregung (vipratamah), ihm erschloß der Fels
sein Innerstes. Mit den Jünglingen zusammen
kämpfend, gewann er, der Mann, die Beute
(7j. Alles Seienden Maß übertreffend, tötet er
den Gushna (8). Der Vritratöter Indra ließ
die roten (Kühe) heraus (11); mit seineu Mannen
zusammen schuf er die Sonne, Morgenröte, AA^ohl-
fahrt, Feuer (15).
Dies Lied enthält manche Dunkelheiten,
scheint aber doch deutlich bestimmt zu sein für
das große Somafest des Lichtfeuerlobgesangs, die
indische Form der altarischeu Sonnenfeuerfeste.
Es beginnt mit der Erzeugung des Feuers und besingt
sodann die Gewinnung der IMorgenröten, der Kühe
aus dem Fels der A^este, durch Indra, Saramä, die
AA'eisen der A^orzeit. Der somabegeisterte Indra
tötet den (J'ushna, erzeugt das Feuer, die Morgen-
röte, die Sonne, läßt die AA^asser strömen etc.^)
Als Gegner des Indra und neidische Hüter
der Schätze, die er zum Heile der AA''elt gewin-
nen soll und Avirklich gewinnt, erscheinen im
A^eda mehrfach die Panis, dämonische Wesen,
deren Name sie als Krämer, Knicker und Knau-
ser zu charakterisieren scheint.^) In dem appel-
lativen Sinne , Knauser, Geizhals' wird das AA^ort
nicht selten im Veda gebraucht, namentlich zur
Bezeichnung derer, die den Göttern die ihnen
gebührenden Opfer vorenthalten. Aber auch die
übermenschlichen, dämonischen Panis treten in
den Liedern deutlich hervor. Insbesondere be-
kannt und eindrucksvoll ist das Lied RV 10, 108,
das ein Zwiegespräch der Götterhündiu Saramä
mit den Panis enthält. Als Botin des Indra ist
Saramä über den mythischen Strom Rasa, der
Erde und Luft umfließt — den indischen Okea-
nos — zur Behausung der Panis vorgedrungen
und fordert von ihnen die Herausgabe der Schätze,
der Kühe, Rosse und sonstigen Güter, die sie im
Berge eingeschlossen halten. Die Panis wagen
es zuerst, des Indra zu spotten, dann versuchen
sie es, die Saramä zu überreden, als Schwester
bei ihnen zu hleiben und somit ihrer Sendung
untreu zu werden. Aber Saramä läßt sich durch
nichts irremachen, kündigt den Panis das Kom-
men des Indra und der I;lishis, den Verlust der
Schätze, das nahende ^'(^rderben an.
') EV 3, 31, 5 viläu satir .nblii dhirä atnudaii; das Fem. viläu satir kann sieh nur auf dio im vorausgelieuden Verse
erwäliuten ushäsab, die Morgenrüten, die aber auch als Kühe gedaclit werden, beziehen. Indra und seine Genossen er-
bohren den Fels, öffnen ihn und befreien die Kühe, die Wasser und die Morgenröten, das neue Sonnenlicht.
') Die Zusammenstellung des selbständig gewordenen Epithetons vilu ,das Feste', als Bezeichnung der Wolkunburg,
mit dem Namen von Ilios (piXio?) halte ich trotz einiger lautlicher liedenken doch noch für möglich und vielleicht sogar
wahrscheinlich. Dagegen liißt sich das gleichbedeutende Epitheton driilha schwerlich, wie man gewollt hat, mit Dardanos
und Dardania zusammenstellen. (cf. Oscar Meyer, Quaestiones Ilomericae. Dies. Bonn. 1867 p. 10 ff.). Das Wort dricjha ist
Participium Perf. Pass. von Wurzel drih .festmachen', die ursprünglich etwa dergh gelautet haben dürfte und sich mit dem
angeführten homerischen Namen lautlich schlechterdings nicht vermitteln läßt (vgl. Uhlenbeck, Etymolog. Wörterbuch der
altindischen Sjirache, s. v. drihyati). — Die Epitheta vilu und diiijha finden wir mehrfach nebeneinander als Bezeichnung
der vedischen Wolkenburgen, z. B. RV 1, 72, ü und 8, 40, 1. Es wäre hübsch, wenn jene lautliche Zusammenstellung
möglich wäre und wir also hier gleichsam die Urkeime der Burgen von Ilios und Dardania nebeneinander im Veda vor
uns hätten; allein die Sache hat kaum eine Wahrscheinlichkeit für sich.
') Das Wort pani hängt offenbar mit dem Verbum pan, panate ,handeln, eintauschen, kaufen' zusammen. Aus dem
Begriff' des Händlers, Krämers hat sich der des Knickers und Knausers entwickelt; panate geht wahrscheinlich auf älteres
parnate zurück und dürfte mit griech. KEpvr(ij.i , verkaufe' zusammenhängen. Andre bringen es mit grioch. zioXiio , vorkaufe',
»law. ])ljenn, Beute' u. a. m. zusammen.
98
IV. Abhandluno : Leopold v. Scheoedee.
In aiuleni Liedern wird die A'üUbraelite Tat
gefeiert. So heißt es z. B. RV 10. 67, 6: Indra
hat die Höhle, die Hüterin der Milchkülie, wie mit
der Hand gespalten mit Gehrüll, er brachte
den Pani zum Weinen, raubte die Kühe!'
Diesen Panis, welche von Indra und andern
o-öttlichen und halbs'öttlichen Helden im Yeda he-
kämpft, besiegt und zur Herausgabe ihrer Schätze
gezwungen werden, hat mau schon mehrfach —
wie ich glaube, mit Recht — die Bewohner von
Ilios oder Troja verglichen. Merkwürdig stimmt
zum Charakter der krämerhaften, knickrigen Pa-
nis der Mythus von Laomedon, dem König von
Troja, der zuerst den Göttern Poseidon und Apol-
lon den Lohn für die Erbauung der Burgmauer
vorenthält, später ganz ebenso ungerecht, knickrig
und knausrig dem Herakles gegenüber verfährt,
der die schöne Hesione vor dem JMeerungeheuer
rettet, die dafür versprochenen schnellen Rosse
des Zeus aber nicht erhält.^) Das bringt dem
Geizhals freilich selbst den größten Schaden, denn
eben darum kommt Herakles mit andern Helden
ein zweites Mal wieder, belagert und zerstört die
Stadt. Laomedon fällt mit all seinen Söhnen, bis
auf einen, den Priaraos, der hei der nachmaligen
Belagerung Trojas durch die Atriden dort Herr-
scher ist. Sein Name hängt offenbar mit dem
Verbum r.plix[j.ai zusammen, welches .kaufen' he-
deutet. Schon die Alten waren dieser Meinung
und gaben an. seine Schwester Hesione habe ihm
durch einen Scheinkauf zur Freiheit verholfen.^)
Das sieht wie eine ätiologische Legende aus. Ich
möchte es für wahrscheinlicher halten, daß der
Name des Priamos ihn einfach als den Händler
oder Krämer bezeichnet haben dürfte, so daß sich
derselbe dem Sinne nach mit dem Namen der
Panis berühren würde. Auch in dem Namen
seines Sohnes Paris, der die Helena raubt, steckt
vielleicht eine verwandte Wurzel, die diesen Na-
men in entfernterer Weise auch dem Namen der
Panis anzunähern scheint.^)
In diesen hervorragend wichtigen Namen der
Trojasage würde dann ebenso wie in den Hand-
lungen der Trojaner eine Verwandtschaft mit den
vedischen Panis kaum zu verkennen sein. Berech-
tigter, aushedungener Lohn wird von den geizi-
gen Krämerseelen der Trojaner vorenthalten, frem-
des Eigentum — die strahlend schöne Lichtgöttin
Helena — wird von ihnen geraul)t und nicht heraus-
gegeben, bis die Gewalt sie dazu zwingt und Bui-g
wie Burgbewohner vernichtet.
Noch eine Übereinstimmung sehr merkwür-
diger Art hestätigt die Richtigkeit der Zusammen-
stellung der Panis mit den Trojanern. Der Veda
bringt mit der Bezwingung und Beraubung der
Panis, der Gewinnung des Lichtes zugleich die
Besiegung der Nachkommenschaft des Brisaya
zusammen.
RV 1, 93, 4 ,0 Agni und Soma, bekannt ist
diese eure Mannestat, daß ihr dem Pani die La-
bung, die Kühe geraubt habt; ihr besiegtet die
Nachkommenschaft des Brisaya, fandet das eine
Licht für Viele.'
Sonst wird Brisaya nur noch einmal genannt
und scheint an dieser zweiten Stelle mehr appel-
lativeinen zauberkundigen, götterfeindlichen Mann
zu bezeichnen.*) Auch hier wird von der Nach-
kommenschaft des Brisaya -geredet.
Schon früh hat man bemerkt, daß dieser Zug
des vedischen Mythus an einen wohlbekannten
Zug der Trojasage in der Ilias anklingt. Die
Griechen erobern dort in der Troas unter an-
derem auch die Stadt Lyrnessos, deren Priester
den Namen Briseus führt. Die Tochter dieses
Briseus, die schöne Briseis, fällt bekanntlich zu-
erst dem Achilleus als Beute zu, wird ihm aber
dann durch Agamemnon entrissen, und das ist die
Ursache des furchtbaren Zorns des Peliden, der
den eigentlichen Inhalt der Ilias bildet. Die Toch-
ter des Briseus spielt also, wenn auch selbst kaum
hervortretend, als Streitobjekt der mächtigsten
Griechenführer eine ganz hervorragende Rolle. Es
ist unmöglich, bei dem zauberkundigen Brisaya.
dessen Nachkommenschaft neben dem Paris be-
siegt wird, nicht an den Priester Briseus in der
Troas zu denken, dem die Griechen bei Eroberung
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 2.S2 ff. ') Vgl, Preller, a. a. O. II p. 230.
") Die Wurzel par in IHpi; scheint mit per, pra, pri in jcEpäcü .verkaufen', jt£pvr;|j.i, Ttixpäizto ,verkaufen', xpiafxai ,kaufeni
zusammenzuhängen; dieselbe Wurzel par liegt wahrscheinlich der indischen Wurzel pan zugrunde, welche auf eine Form
parn zurückzugehen scheint, wie das cerebrale n wahrscheinlicli macht. Vgl. dazu Curtius. (iriech. Etymol. 4. Aufl. p. 27n.
274; M. Müller, Vorlesungen über die Wiss. der Sprache II p. 43(3. Daß ich Müllers Identifikation von Saramü und Helena
nicht beistimme, brauche ich kaum besonders zu bemerken.
*) RV 6, 61, 1 heißt es von Sarasvati, daß sie jeden Pani und seine Labung verzehrt habe; weiter dann Vers 3:
,0 Sarasvati, wirf die Götterhasser nieder, die Nachkommenschaft jedes listenreichen Brisaya,' Grassmann gibt das Wort
hier durch ,Zauberer' wieder; da^ Petersburger Wr.rterbuch bemerkt: .nach der letzten .Stelle ohne Appellativum', Vgl.
auch M, Müller, Vorlesungen II p, 436, Kulin, Ilerabkunft, 2, AuH. p. 143; Krause, Tuiskoland p, 4',>4. — Zu bemerken
bleibt, daß auch an dieser .Stelle Pani und Brisaya zusammen genannt werden, und zwar als bezwungen duch Göttermacht.
Heeakxes und Indea.
99
der von ilim bewohnten Stadt seine Tochter rau-
hen. Diese Tochter Briseis und die an beiden
vedischen Stellen erwähnte ,Nachkommenscha£t'
des Brisaya sind aller Wahrscheinlichkeit nach
uralt verwandte mythische Gestalten, — bei den
Griechen mit der Sage vom trojanischen Krieg,
bei den Indern mit der Pani-Sage verbunden. Das
deutet unfraglich auf eine Verwandtschaft dieser
beiden Sagenkreise hin.
Max Müller bemerkt über den natursymboli-
schen Sinn der Sage:') ,Die Belagerung Trojas
ist nur eine Wiederholung der täglichen Belage-
rung des Ostens durch die Streitkräfte der Sonne,
die jeden Abend im Westen ihrer glänzendsten
Schätze beraubt wird. Diese Belagerung ist in
ihrer ursprünglichen Form das konstante Thema
der Veda-Hymnen.'
Wir werden dieser Bestimmung noch heute
ihre Berechtigung zuerkennen dürfen, voraus-
gesetzt, daß sie jene Erweiterung des Inhalts er-
fährt, die sich uns schon bei früheren Betrach-
tungen der verwandten Sagen aufgedrängt hat und
die für die Trojasage bereits mit großer Ent-
schiedenheit von Ernst Krause gefordert worden
ist. Der Morgenmythus und der Frühlingsmythus
sind nicht zu trennen, sie sind offenbar schon in
der Urzeit verschmolzen, zufolge ihrer nahen na-
türlichen Verwandtschaft. Die zu befreiende, zu
gewinnende junge Sonne, die Frühlingssonne, die
Morgenröte des jungen Jahres und die Morgen-
röte des jungen Tages sind eins und dasselbe,
sie verschwimmen ineinander. Gewiß aber knüpft
sich an die Frühlingssonne das eindrucksvollere
Drama der Natur, gewiß spielte dies in der Phan-
tasie der Urarier die größte Rolle, und ebendarum
tritt der Gewitterriese so stark in demselben her-
yor, der mit dem Morgendrama doch nichts zu
tun hat.-)
Es ist aber auch Kuhns Bemerkung wold zu
beachten, zu der er gerade bei der Betrachtung
jenes Liedes (RV 1, 93) gelangt, das die Besie-
gung der Pani und Brisaya durch Agni und Soma,
den Feuer- und den Trankgott, besingt. Er be-
tont, daß hier nicht nur von Gewinnung des Lich-
tes die Rede sei. Agni und Soma haben nach
diesem Liede (v. 5. 6) nicht nur die Leuchten an
den Himmel gesetzt, sondern auch die gefangenen
Ströme aus Schmach und Schande befreit. Den
einen — Agni, das Feuer — habe Mätaricvan
vom Himmel hergebracht, den andern — Soma,
den himmlischen Trank — habe der Falke aus
dem Felsen (d. h. der Wolke) geraubt. Neben
der Gewinnung des Lichtes, der himmlischen
Leuchten und des Feuers wird also auch hier —
sehr charakteristisch — der Gewinnung des himm-
lischen Trankes gedacht.-^) Beide sind — wie so
oft, ja, wie gewöhnlich — eng verbunden. Das
Frühlings- und Morgendrama, mit Erzeugung des
Neufeuers und Erscheinen der jungen Sonne, wird
deutlich durch das Gewitterdrama ergänzt, durch
welches die iiimmlischen Ströme befreit und der
dürstenden Erde geschenkt werden.
') M. Müller, Vorlesung-en über die Wiss. der Sprache II p. 436.
-) Noch eine Bemerkung d.izu. Hesioiie, durch Herakles aus der Gew,-ilt des Drachen befreit, ist unzweifelhaft Pa-
rallelg:estalt zu Helena, der Lichtg-ittin, die die Atriden mit Achilleus und anderer Hilfe befreien. Wenn llesione al.<i Toch-
ter des Troerkönigs Laomedon erscheint, die durch dessen wortbrüchigen Geiz der Gewalt des Drachen hat überliefert wer-
den müssen, so liegt hier gewiß eine Verschiebung vor. Der Geiz des Trojaners, das Verweilen der Hesione in Troja, ihre
Befreiung vom Drachen sind zweifellos uralte echte Sagenzüge. Sie kann aber nicht ursprünglich Tochter des Troorkönigs
gewesen sein, sondern muß von ihm geraubt, von ihm der Hut des Drachen überantwortet sein. Auf diese Fassung als
die ursprüngliche deuten alle verwandten Sagen. Vielleicht hat die Baumeistersage die Verschiebung zur Folge gehabt.
Doch liißt sich das nicht bestimmt behaupten. Die Verschiebung aber halte ich für eine kaum bezweifelbare Tatsache.
^) In der Trojasage gibt es einen Zug, der neben der Gewinnung der Liclitgöttin , der jungen Sonne — Helena,
Hesione — die Gewinnung des himmlischen Trankes von Troja her zu bedeuten scheint. Es ist der Raub des Ganymedes,
des schönen Schenken himmlischen Trankes, der wohl diesen Trank selbst symbolisiert und für ihn eingetreten sein
dürfte. Zeus oder der Adler des Zeus, auch Zeus in Adlergestalt soll den schönen Ganymedes, einen Sohn des Tros, aus
Troja entführt haben, damit er ihm den himmlischen Trank kredenze. (Vgl. Preller, a. a. O. I p. 412. 413; Kuhn a. a. O.
p. 155 f.) Die Sage klingt deutlich genug an die vedische Sage vom Raub des Soma aus dem Felsen durch den F.alken
oder Adler, re.sp, durch Indra, an. Wenn das Lied RV 1, 93 neben der Lichtgewinnung, der Besiogung von P.ini und Bri-
sayas Geschlecht, auch den Raub des Soma durch den Falken erwähnt, dann rückt es .ilso damit an die Trojasage noch
näher heran.
Denkschriften der phil-hist. Kl, 5S. Bd. 4. Abb.
100
IV. Abha^'dlung: Leopold v. Schroedee.
Kyknos-Cuslnia?
Unter den Ge.ffuern, die Herakles bekämpft
und besiegt, erscheint auch der wilde Wegelagerer
Kyknos, ein gewalttätiger, räuberischer Sohn des
Ares, der die Straße nach Delphi unsicher macht
und den dortliin ziehenden Prozessionen auflauert;
Der Kampf wird an verschiedenen Orten Grie-
clienlands lokalisiert, endet aber stets mit dem
Tode des Kykuos.i) Yqjj einem Kyknos weiß
aber auch die Trojasage in den Kyprien zu be-
richten, wo er als Sohn des Poseidon erscheint,
.eigentlich wohl — wie Preller sagt — ein Meeres-
dämon, der unter dem Bilde des SchM'ans A-er-
gegenwärtigt und mit blutigen Opfern verehrt
wurde, jedenfalls ein dem Kyknos der Herakles-
sage entsprechendes "Wesen. Nach Hesiod war
er weiß am Kopfe, nach Hellauikos weiß am
ganzen Leibe, dabei riesig groß und stark, eisen-
fest und unverwundbar, so daß er den Griechen
die Landung wohl verwehren mochte'. Der junge
Achill tritt ihm entgegen, und da er ihn nicht
verwunden kann, erwürgt er ihn in seinem eigenen
Helmbande.")
Es liegt nahe, die Frage aufzuwerfen, ob
diese seltsame, offenbar uralte Sagengestalt, die
bald als Gegner des Herakles an verschiedenen
Orten, bald als Gegner der gegen Troja ziehen-
den Griechen auftaucht, nicht am Ende mit dem
altindischen (^!ushna zusammenhängen könnte,
dessen Name an den seiuigen anklingt, (^^ushna
ist uns als Gegner des Indra wohlbekannt. Er
ist unverwundbar wie Kyknos. Von seiner Tötung
berichtet auch das früher erwähnte Lied RV 3,
31 (v. 8), das die Erbeutung der in den Festen
oder der Feste (vilu) befindlichen Kühe, der Mor-
genröten, durch die Weisen der Vorzeit schilderte,
wobei auch Lidra imd Saramä eine wichtige Rolle
spielen.^) Es war dies eine jener Schilderungen
des Veda, die sieh als mythisches Gegenstück der
Trojasage betrachten lassen. Aus dem Wolken-
dämon konnte bei den Griechen ganz wohl ein
Dämon der Flut oder ein Meeresdämon werden.
Der Vergleichung steht nur ein formelles Mo-
ment hindernd im Wege. Der Name Cushna läßt
sich eines Lautes wegen nicht unmittelbar mit
Kyknos gleichs,etzen. Dem indischen sh kann
griechisches k nach den Lautgesetzen nicht ent-
sprechen. Vielleicht läßt sich diese Schwierigkeit
durch die Annahme wegräumen, daß im Griechi-
schen eine volksetymologische Anlehnung des Na-
mens an das Wort .kyknos' der Schwan stattge-
funden haben möchte. Der Schwan wird denn
auch seit alters zur Erklärung der seltsamen
Sagengestalt des Kyknos herangezogen.*) Indes-
sen wollen wir die obwaltende Schwierigkeit nicht
verhüllen und stellen hier die Gleichung zunächst
nur als Frage auf, die zu weiterer Diskussion
anregen möge. Vorderhand darf die Identität von
K'j/.vi; und (,'ushna jedenfalls nicht Ijehauptet werden.
Periklymenos -Vamra.
Unter den Burgen, die Herakles berennt und
zerstört, tritt Pylos bedeutsam hervor, und der
iiervorragende Held der älteren Form dieser Sage
scheint Periklymenos gewesen zu sein. Ihn kennt
die Odyssee als den Bruder des Nestor, das My-
thische und Märchenhafte seines Wesens läßt sich
aber schon daraus erkennen, daß er der Sage nach
von Poseidon, dem Stammgotte der Neliden, sei-
nem Stammvater, .die allen Dämonen des Äleeres
eigentümliche Gabe der Verwandlung bekommen
hatte, so daß er bald als Adler, dann wieder als
Ameise, als Biene, als Schlange, als Löwe er-
schien'.^) Dadurch macht er dem Herakles viel
zu schaffen, wird aber schließlich von ihm unter
dem Beistande der Athena in der Bienengestalt
ffetötet. Nach andern soll ilm Herakles erschla-
sen haben, als er sich in eine Mücke verwandelt
hatte. Nach Euphorien wäre er so wandelbar wie
Proteus gewesen. Die gleiche Eigenschaft der
Wandelbarkeit, der Fälligkeit, alle möglichen Ge-
stalten anzunehmen, scheint aber auch dem indi-
schen Dämon charakteristisch zu sein, dessen
Burg Gott Indra bricht und erobert. Wir kennen
ihn schon als den dreiköpfigen Tvashtarsohn Vii,-
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 250. 251.
«) Vgl. Proller, a. a. O. II p. 250, 421.
') Vgl. Preller, a. a. O. p. 421. 422.
5) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 239.
») Vgl. oben p. 97.
Herakles und Indra.
101
varüpa, — der Xame Vicvanipa ,der AUgestal-
tige' aber besagt doch nichts andres, als daß er
alle Gestalten anzunehmen fähig ist. Als die o-e-
wöhnlichste Gestalt dieses Dämons ist uns die der
Schlange oder des Drachen bekannt, -n-ir lernten
ihn aber auch schon als Eber kennen, als Polyp,
als Spinne. Besonders merkwürdig erscheint es
mir nun aber, daß er auch in der deöi Perikly-
menos zugeschriebenen Gestalt der Ameise auf-
tritt. Es handelt sich dabei freilich nur um ein
paar und gerade etwas schwierige Stellen des
Yeda, die mir aber doch mit Notwendigkeit zu
diesem Schluß hinzuführen scheinen.
In demselben hochwichtigen Liede RV 10,
99, dessen 6. Vers uns den bösen Wolkendämon
als dreiköpfigen Brüller und als Eber vorführt,
hören wir unmittelbar vorher im 5. Verse. In-
dra habe des Vamra Speise angegriffen und habe
ihn zum Weinen gebracht, indem er sie ihm
rauhte. Vamra aber . heißt die Ameise, und ich
zweifle nicht daran, daß Grassmann Recht hat,
wenn er .Ameise' hier direkt für die Bezeichnung-
des Dämons ansieht, der in seiner Höhle die
Xahrung versteckt hält.M
Der Dämon heißt hier Ameise, wie er sonst
auch Eber, Spinnensohn, am häufigsten Schlange
genannt wird, weil man ihn sich in solcher Tier-
gestalt denkt. Es sind eine ganze Reihe solcher
Wesen, die auch nebeneinander erscheinen, im
Grunde aber sind es doch nur wechselnde Ge-
stalten des oft genannten bösen Dämons Vritra,
den man als Einen fassen kann, der aber doch
auch wieder eine ganze Gattung repräsentiert.
Im dritten Verse unseres Liedes heißt es,
daß der unangreifbare (Indra) des Hunderttorigen
Besitz in seine Gewalt bekommen habe.^) Viel-
leicht schwebt dem Dichter bei diesem Bilde einer
hunderttorigen Burg schon das Bild des Ameisen-
dämonS vor, dessen feste Wohnstätte er sich wohl
in der Art eines Termitenhaues mit vielen Ein-
gängen denken mochte.
Aber noch in einem andern Liede wird, wie
ich glaube, der von Indra bekämpfte und besiegte
Dämon als , Ameise,' Vamra, bezeichnet. Aller-
dings handelt es sich wieder um eine schwierige
Stelle, die erst bei entsprechender Korrektur zu
diesem Ausdruck gebracht wird. Ohne Korrektur
aber ist die Stelle einfach unmöglich, und es
scheint mir, daß der Zusammenhang zum mindesten
das Wesentliche der von mir vermuteten Ände-
rung gebieterisch fordert.
Es handelt sich um den 9. Vers des Lie-
des RV ], öl — ein Lied, das von Anfang bis
zu Ende dem Preise des Indra und seiner Taten
geweiht ist. Nur im 9. Verse erscheint nach
dem Überlieferten ganz unerwartet und ganz un-
verständlich ein Vamra als Held, der die Wälle
eines Großen, Starken zerschlägt, um dann wieder
spurlos zu verschwinden und dem Preise des In-
dra Platz zu machen. Es scheint mir keinem
Zweifel zu unterliegen, daß auch in diesem Verse
notwendigerweise nur Indra der Held sein kann,
der die Burgwälle bricht, und in diesem Sinne
habe ich geglaubt, den Vers ändern zu müssen.
Er lautet nun in deutscher Ühersetzung : ,Des
Großen, der noch wächst, zum Himmel strebt,
des Vamra Wälle hat der Gepriesene (Indra) zer-
schlagen.'^) Vamra aber ist, wie wir wissen, die
Ameise, und so erscheint nun auch hier Gott Indra
als Brecher der Burg eines Dämons, der Ameise
') Vgl. Grassmanng Übersetzung des Eigveda, Bd. II p. 490. — Der Vers ist schwierig. Das sinnlose eingeflickte
manye ,ich meine' und der ganz unverständliche Dual mithunä vivavri scheinen mir für starke Verderbtheit der Stelle zu
zeugen. Ich wage eine - — freilich recht kühne — Verbesserung, indem ich lesen möchte: vamrasya manvamänasj-a vi-
vavri ännam abhityärodayan mushäyän ,des sich dünkenden (d. h. hochmütigen) Vamra (der Ameise) aus der Hohle ge-
brachte (der Hülle beraubte, aufgedeckte) .Speise angreifend brachte er ihn zum Weinen, indem er sie raubte'. — Daß
mänyamänasya diese Bedeutung, ohne weitere Qualifikation, haben kann, scheint mir RV 10, 8, 'J klar zu beweisen, neben
2, 11, 2; 3, 32, 4; 6, 19, 12. Das sinnlose Paar fällt weg und vivavri erhält einen guten Sinn als Beiwort der Speise, die
der Gott aus dem Versteck hervorholt, in welchem der Dämon sie geborgen hatte. Das Wort vavri heißt .Versteck, Hülle',
daher kann vivarri gut ,des Verstecks, der Hülle beraubt' bedeuten.
') Es ist nicht von wesentlicher Bedeutung, ob man (jatadurasya vedo wiedergibt als den , Besitz des Hunderttorigen',
d. h. des Dämons, der eine Behausung mit hundert Toren innehat, — oder als den ,Schatz der hunderttorigen Veste', wie
Grassmann übersetzt. Über die Cirnadevas, welche bei dieser Gelegenheit von Indra getötet werden — unheilige Phallus-
diener, wie ich glaube — handeln wir im nächsten Abschnitt.
') Statt stäväno vamrö lese icb stavän vamräsj'a. Ich setze damit jene eigentümliche Kurzform stavän ein, welche
für staväna — resp. auch andre Kasus dieser Partizipi.albildung (vgl. Pischel, Ved. Studien I p. 44) — sicher nachgewiesen
ist. Man vergleiche die Stellen RV 2, 19, 5; 2, 20, 5; H, 24, 8. An allen drei Stellen finden wir diese Form, stets von Indra ge-
braucht und von Säyana durch stüyamäna ,der Gepriesene', eigentlich ,der gepriesen Werdende' ganz zutreffend wieder-
gegeben. Die abweichenden Erklärungsversuche des Petersburger Wörterbuchs und Grassmanns .lind entschieden verfehlt.
Das dreimal sicher von Indra gebrauchte stavän werden wir wohl auch ein viertes Mal bei ihm .ansetzen dürfen. Geschieht
das aber in unserer Stelle, dann gewinnen wir die Möglichkeit, vamrö in vamräsya zu ändern und damit den passendsten
3*
102
IV. Abhandlung: Leopold v. Schroedee.
heißt und offenbar in Ameisengestalt gedacht
wurde. Diese Heldentat reiht sich um so hesser
in die andern Heldentaten Indras ein, als dieselbe
iu dem zuerst besprochenen Liede RV 10, 99 eine
vollkommene Analogie hat.')
Noch einmal ist in einem Indraliede von
Ameisen die Rede, und zwar diesmal von weib-
lichen (RV 4, 19, 9). Das Lied feiert die be-
kannten Taten des Indra, den Vritrakanipf, die
Befreiung der Ströme, — dann heißt es weiter:
,Deu von den weiblichen Ameisen (vamribhih) an-
gefressenen Sohn der Jungfrau, hast Du, o Herr
der Falben, aus dem Versteck herausgeholt; der
Blinde sali, die Schlange erfassend, der Topfzer-
hrecher kam heraus; es fügten sich die Gelenke
zusammen.'
Von der Heilung eines Blinden und Lahmen
durch Indra ist in ähnhchem Zusammenhang noch
ein paarmal die Rede (RV 2, 15, 7; 2, 13, 12);
von den Ameisen aber hören wir da nichts, nur
einmal vom Versteck der Mädchen (2, 15, 7).
"Wir wollen es dahingestellt sein lassen, wer der
Befreite, der Blinde, Lahme, Angefressene sein
soll, ob vielleicht die Sonne darunter zu verstehen
ist, die Indra aus der Gewalt des Dämons rettet,
oder etwas andres. Soviel aber scheint mir be-
stimmt aus dem Zusammenhange hervorzugehen,
daß weibliche Ameisen in dem Versteck hausen,
den Indra erbricht. Es liegt nichts näher, als
auch hier die Burg des Dämons als Termitenhau,
den Dämon als Ameise, als Vamra, sich zu denken,
wo dann seine Weiber oder Mädchen die weibli-
chen Ameisen wären, die den Gefangenen benagen.^)
Das Bild des indischen Wolkendämons als
Ameise im Termitenbau scheint mir nach alledem
einigermaßen gesichert, — neben dem viel häufi-
geren Bilde der Schlange, neben dem Bilde des
Ebers, des Polypen, des Spinnensohnes, und der
ins allgemeinere gehenden Behauptung seiner AU-
e-estaltiskeit. Man wird kaum bestreiten können,
daß die griechische Vorstellung von dem in seiner
Burg IMos hausenden, alle möglichen Gestalten
— auch die der Schlange und Ameise — anneh-
menden Periklymenos, den Herakles bezwingt,
mit diesen indischen Vorstellungen einigermaßen
verwandt ist, denen sich die Gestalt des Indra als
des großen Besiegers verbindet.
Die mythische Bedeutung der Burg Pylos,
die Periklymenos verteidigt, tritt aber dadurch
noch stärker hervor, daß sie in der Sage mit je-
nem andern Pylos, im Totenreich, dem Tor des
Hades, zusammenschmilzt, von welchem schon
Homer zu erzählen weiß, daß Herakles dort
kämpfend den Hades verwundet habe.^) Und wenn
wir uns erinnern, wie gern der Eingang ins Toten-
reich im äußersten Westen, im Lande des Sonnen-
untergangs gesucht wird, dann fällt uns zugleich
ein, daß Herakles dort auch die Äpfel der He-
speriden, dort die Rinder des Geryones gewonnen,
dort seine Säulen aufgerichtet hat. Über den
Okeanos schifft er dorthin, und über den indischen
Okeanos, die Rasa, muß Saramä hinübersetzen,
um zu den Panis zu gelangen. Sind die Trojaner
tatsächlich mit diesen identisch, dann muß auch
Ilios-Troja ursprünglich dort gedacht sein. Der
Sonnenheld kämpft im Sonnenuntergangslande.
Sinn für unseren Vers, der nun aufs beste in das Lied hineinpaßt. — Ich glaube, daß sich auch die Entstehung der Kor-
ruptel gut begreifen läßt. Für die immerhin ungewöhnliche, seltene Kurzform stavän wurde zunächst stävano gesetzt.
Dieser Nomina°tiv aber hatte die Angleichung des folgenden Wortes, die Änderung von vamräsya in vamrö zur Folge, das
man fälschlich mit stävAuo verband. Die Änderung ist um so mehr begreiflidi, als dadurch eine überschüssig gewordene
Silbe beseitigt und der Vers richtig gemacht wurde.
1) Wenn die Burgwälle des Ameisendämons an der vorliegenden Stelle RV 1, 51, 9 mit dem sonst nicht vorkom-
menden Ausdruck san.idihah bezeichnet werden, von der Wurzel dih c. sam = zusammenschmieren, zusammenkleben, dann
dürfte dies gerade für die Vorstellung eines großen Termitenbaues besonders passend erscheinen.
') Das Wort vamrä findet sich in dem appellativeu Sinn .Ameise' RV 8, 91, 22 vor, neben upajihvika, das die weib-
liche Ameise bedeuten soll, eigentlich , Zünglein'. Als Eigenname eines Mannes, dem die A^vinen helfen, begegnet es
KV 1, 112, 15.
») Vgl. Preller, a. a. O. II p. 239. 240. Homer, llias 5, 395—397 (iv kj'/m. h v3/.j;3c;i an der Pforte im Totenland,).
Herakles und Indkä.
103
Phallische Wesen oder Phallusverehrer.
(Qignadeva-Kerkopen.)
lu dem Liede RV 10, 'J9 wird erzählt, daß
Indra bei Bezwingung 'der liunderttorigen Veste
die f,'i9nadevas tötete. Dies Wort, das Nir. 4, 19
durcli ,iinkeuscli, buhlerisch' erklärt wird,') will
das Petersburger Wörterbuch eher von Dämonen
oder falschen Göttern verstanden wissen, und
Grass; mann übersetzt es auch dementsprechend
durcli , Schwanzgötter' oder , geschwänzte Dämo-
nen'. Die beiden Teile des Kompositums sind
ganz deutlich: fifna , Schwanz', meist vom männ-
lichen Gliede gebraucht, und deva ,Gott'. Es drängt
sich also die Vorstellung phallischer Dämonen auf,
die Gott Indra bei Verrichtung seiner Heldentat
umbringt. Der Akzent des Wortes fifnädeva
siiricht indessen eher dafür, daß wir es hier mit
einem Bahuvrihi-Kompositum zu tun haben. So
liat es auch Garbe gefaßt und auf Phallusverehrer
gedeutet.^) So übersetzte vorher schon Ludwig
das Wort an den beiden Stellen des Rigveda, an
denen es überhaupt vorkommt (RV 7, 21, 5; 10,
99, 3). Beide Auffassungen sind möglich. Die
Form spricht mehr für Garbe-Ludwig, der Zu-
sammenhang der beiden Stellen, wie mir scheint,
mehr für Roth-Grassmann (ohne daß die andre
ausgeschlossen wäre). An der schoii behandelten
Stelle RV 10, 99, 3 erscheinen die f'i^nadevas als
Gee'ner, die Indra bei Eroberung der mvthischen
hunderttorigen Veste tötet. Es kann sich da nur
um Dämonen, nicht etwa um Menschen handeln.
Die Dämonen aber werden wir uns eher als phal-
lische Buhlgeister denken, wie der Atharvaveda
sie kennt und zu den Gandharven rechnet, denn
als Anhänger eines Phallusdienstes. Doch ist auch
das letztere denkbar. Es könnten perhorreszierte
menschliche Phallusverehrer in die dämoni-
sche Sphäre erhoben, zu einer Art von Teufeln
geworden sein. Auch die andere Stelle ist in
dieser Beziehung nicht absolut entscheidend. Es
ist RV 7, 21, 5 von Hexen und Dämonen und
allerlei ,wechselndem' — wohl die Gestalt wech-
selndem — Gesindel die Rede, vor welchem Gott
Indra seine Verehrer schützen soll. Dann heißt
es weiter: , Nicht sollen die (^'i^-nadevas sich zu
unserem Opfer nahen!' Auch hier wären, wie man
leicht sieht, phallische Dämonen sehr passend,
ohne daß dem Frommen ärgerliche Phallusverehrer
geradezu ausgeschlossen wären.
Diese Vorstellungen werden vielleicht noch
durch einen andern Dämonennamen des Veda
ergänzt, respektive bestätigt. In dem letzten
Verse des Indraliedes RV 1, 29 wird der Gott
angerufen: , Erschlage jeden Parikroja, zermalme
den Krikadäfu!' Der erste dieser Namen, die of-
fenbar böse Dämonen oder sonst dem Indra feind-
liche Wesen bezeichnen, bedeutet soviel wie ,der
ringsherum schreiende oder schmähende'. Was
aber bedeutet krikadafu? Der Schlußteil dieses
Kompositums ist offenbar von der Wurzel däf,
, verehren' abgeleitet und heißt soviel wie ,ver-
ehrend'.^) Schwieriger ist es über den ersten Teil,
das Wort krika, zu urteilen. Im Veda kommt
dasselbe als selbständiges Wort nicht vor, ist auch
aus der späteren Sprache nur einmal, inid zwar
in der Bedeutung , Kehlkopf im Petersburger
Wörterbuche verzeiclmet (H. 587). Damit ist für
den vedischen Xamen schwerlich etwas anzufan-
gen. Vielleicht aber gibt uns in diesem Falle die
Vergleichung einen brauchbaren Fingerzeig. Das
Wort krika ließe sich mit dem griechischen y.spxsc
zusammenstellen, v.ip/.oq aber bedeutet Schwanz
des Tieres, Sterz, auch -6c{>t; = männlichos Glied.*)
Dürfen wir diese Bedeutung für krika an-
•) Nir. 4, 19 erklärt (;.iijnadevälj durch .abrahniiicaryüh; es ist eine Erl.Uiiteninrf der Stelle KV 7, 21, ü.
-) Eigentlich also .den Schwauz zum Gotte habend'. — Vgl. K.Garbe, Das Akzentuationssystem des altindischen
Nominalkompositums, Ztschr. f. vgl. Sprachforschung- N. F. III p. 498.
') Vgl. das vedische Wort adäc^u , nicht verehrend', d. h. den Göttern nicht huldigend, gottlos; nali verwandt ist das
gleichbedeutende adäijuri und ädä<;väms; vgl. auch däijuri und dä(jüadhvara.
■■) y.ip/.oi bedeutet nach Hesychius auch ,Halin' oder , Feldmaus'. Die Bedeutung llahu wird durch mehrere verwandte
Sprachen l)estätigt, durch avestische.s kalirka, irisches cerc, aucli wohl altindisches krikaväku .Hahn.' Oh und wie dieses
Wort mit dem gleichlautenden Worte für ,Schvvanz' zusammenhängt, darf hier unerörtert bleiben. —
Das Petersburger Wörterbuch vermutet, vedisches krikadäiju könnte ursprünglich identisch sein mit kiikaläsa .Eidechse,
Chamäleon', das im Yajurveda, im §atap. Brähniana und in der späteren Literatur vorkommt. Die Identität beider Worte
halte ich schon aus lautlichen Gründen für ausgeschlossen. Sehr möglich aber scheint es mir, daß auch in kfikaläsa jenes
104
IV. Abhandlung: Leopold v. Scheoedee.
nehmen, dann würde krkadafü .Pliallusverehrei-
bedeuten.
Mit dem genannten griechischen Worte dürfte
aber aucli der Name der seltsamen Kerkopen
zusammenhängen, die von Herakles bekäni])ft und
erschlagen werden, wie die Cifnadevas und Krika-
däfu von Indra. Die Kerkopen gelten als ein
betrügerischer, verschmitzter Menschenschlag der
griecliischcn Fabelzeit. Herakles soll bei Ephesos
und in Lydien Kerkopen erschlagen haben. Nach
andern hätte er sie auch in seinem Gefolge ge-
habt. Es sind Schelme und Vagabunden, die den
Herakles gelegentlich bestehlen, ihn aber auch
durch ihr drolliges Wesen zum Lachen bringen,
so daß er sie mit Humor behandelt. Später wer-
den überhaupt schlaue, mutwillige oder grobe
Menschen als Kerkopen bezeichnet. Auch trägt
eine langschwänzige Affenart diesen Namen, und
mau erzählte sich auf den Pithekusen von der
Verwandluug der Kerkopen in Affen. Die Ab-
leitung von dem Worte kerkos , Schwanz' ist da-
durch so nahegelegt wie irgend möglich. Die
Kerkopen sind , Geschwänzte,' wie schon Preller
bemerkt, ,geschwänzte Dämonen, etwa Silene'.^)
Wir dürfen sie als phallische freche Wesen der
Fabelzeit betrachten; ebendarum werden später
mutwillige und geile Menschen ebenso bezeichnet.
Schwieriger wäre es, sie als Phallusverehrer zu
erweisen, obwohl der Abstand vom phallischen
Wesen zum Phallusdienst nicht gerade ein weiter
sein dürfte.
Soviel aber scheint mir auf jeden Fall klar
zu sein: Wenn Iiidra die Cicnadevas und den
Krikadafu bekämpft und erschlägt, Herakles die
Kerkopen, dann werden damit diesen beiden Hel-
den nahe verwandte Abenteuer zugeschrieben.
Und somit wäre auch hier wiederum ein weiterer
Vergleicbungspuukt gewonnen.
Herakles und Omphale.
Das Käthakam erzählt eine seltsame Ge-
schichte von Indra. Er soll sich einstmals in die
Dämoueufrau Vilisteng;i verliebt haben. Lifolge-
dessen begab er sich unter die Asuras, d. h. die
Dämonen, und war dort ,Weib unter Weiliern,
Mann unter Männern'. Da merkte er, daß das
Verderben ihn ergriff, aber es gelang ihm noch
glücklich, sich herauszuhelfen.")
Diese Geschichte klingt an die bekannte Er-
zählung von Herakles und Omphale an, wo der
Held als Magd und in der Kleidung einer solchen
Weiberarbeit tut. am Rocken spinnt. Wolle krem-
pelt u. dgl. m. Allerdings wird hier auch von
einem Austausch der Attribute und der Kleidung
zwischen Herakles und Omphale erzählt.^) Es
liest somit ein merkwürdiger Anklang vor. ohne
daß diese Sagen sich unmittelbar identifizieren
ließen. Ich will daher nur diesen Hinweis getan
haben, ohne auf die Sache weiter viel Gewicht
zu legen.
Orientalische Elemente der Heraklessage.
Wir sind durcii die vorausgehende Betrach-
tung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Grund-
stock und die große Masse der Mythen und Sa-
gen v(im Herakles sich mit entsprechenden Lidra-
mythen decken, und zwar in einer Form, die un-
zweifelhaft auf Verwandtschaft, nicht etwa auf
eine Entlehnung von Lidien her in historischer
Zeit deutet. Dadurch wird die früher verbreitete
Annahme einer großen Menge orientalischer Ele-
mente in der Heraklessage an vielen Punkten er-
heblich eingeschränkt, und es stellt sich der we-
sentliche Inhalt derselben durchaus als altarisch
dar. Dazu stimmt auch das hohe Alter von Sage
und Kult des Herakles in Hellas, die gleich ge-
Wort krika = griechisch xepzo; ,Scliw.anz' tlriii stecken dürfte. Eideciise und Chamäleon wären dann als .geschwänztes Tier'
bezeichnet, was durchaus p.assend erscheint. Hier würde krika den Scliwanz des Tieres bedeuten, in krikadäc;u das niätmliche
Glied, wie ja aucli griechisch zEpzo; beide Bedeutungen in sich vereinigt.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 230. 231. Passows Lex. s. v. Kspzwi, -wtioc.
-) Kath. 13, 5 indro vai vilisteiigäip dänavim akämayata, so a sureshv acarat stry eva stiishv abhavat ]nimäu punisu;
sa nirritignhita ivämanyata sa etam aindränäirritan.i vipumeaUaui apai,yat etc. Vgl. a\ieh Macdonell a. a. O. p. 57.
») Vgl. Treller, a. a. O. II p. 226 f.
Herakles und Indka.
105
■\valtigem Urgestein iu die historische Zeit hinein-
ragen und sj)äterhin, wo die Bei-üliruiig mit dem
Ausland starker wird, eher zurücktreten als sich
stärker geltend machen. Mit alledem soll aber
durchaus nicht gesagt sein, daß die Heraklessage
nicht tatsächlich auch fremdländische orientalische
Elemente enthält, sondern nur, daß man Umfang
und Bedeutung derselben früher überschätzt hat.
Bei der Neigung der Griechen, fremdländische
Sagen und Kulte den eigenen zu assimilieren,
war dies sogar geradezu unvermeidlich, zumal bei
einer so gewaltig hervortretenden Heroeugestalt,
von der so viel und so gern gefabelt wurde. Es
ist hier nicht meine Aufgabe, den orientalischen
Elementen der Heraklessage im einzelnen nach-
zugehen, vielmehr werden ein paar allgemeine An-
deutungen genügen müssen.
Es lag nahe, daß gerade bei den weiten Fahr-
ten, die man Herakles machen ließ, Fremdländi-
sches leicht an die alte Sage sich angliedern
konnte, — Sagenelemente jener Länder, durcli
welche man den Helden reisen ließ. So ist die
unnötig weit und kompliziert angelegte Reise des
Herakles zu dem Garten der Hesperiden zweifel-
los mit Elementen dieser Art durchsetzt. Der
Kampf, den der Held in Libyen mit dem Riesen
Antaeos besteht, scheint auf einem alten libyschen
Märchen zu beruhen und wurde trotzdem zu einer
der beliebtosten Episoden der griechischen He-
raklesdichtung.') Unzweifelhaft ägyptisch ist das
Abenteuer des Helden mit dem Busiris, in wel-
chem man längst den ägyptischen Gott Osiris mit
vorgesetztem Artikel erkannt hat. Die Fabeln
vom indischen Herakles, die hier anzuknüpfen
pflegen, sind ebenso unzweifelhaft indischen Ur-
sprungs. Der indische Herakles soll nach Hesy-
chius den Namen Dorsauas getragen haben, und
es kann kaum bezweifelt werden, daß wir in ihm
den gefeierten Helden Krishna, den Sonnengott
und Sonnenhelden Krishna-Vishnu wieder zu er-
kennen haben.^) Diese Identifizierung war um so
eher möglich, als lierakles, wie wir gesehen ha-
ben, den Charakter als alter Gewitterriese längst
so g-ut wie ffanz verloren hatte und im wesentlichen
Sonnenheld geworden war. Der Keulenträger Vishnu-
Krishna, der so viele Heldentaten vollführt, erschien
den Griechen als eine Form ihres Herakles.
Vielleicht ist auch die Sage von Herakles
und Omphale ähnlich zu beui-teilen, d. h. orientali-
schen Ursprungs, beeinflußt durch die Erzählungen
von dem lydisch-assyrischen Herakles Sandes oder
Sandon, der auch mit Sardanapal in Zusammen-
hang gebracht wird.^) Wir haben bei Indra nur
eine fragliche Parallele aufweisen können. Li-
dessen wird man hier wohl im Auge halten müs-
sen, daß gerade der in dieser Sage so charakteristische
Geschlechtswechsel in der Kleidung eigentümliche
Parallelen in gewissen Erntebräuchen europäischer
Arier findet und ist es nicht durchaus notwendig,
mit Preller dabei an gewisse Gebräuche des asia-
tischen Apliroditedienstes zu denken. So möchte ich
denn diese Frage zunächst noch in suspenso lassen.
Nicht unmöglich erscheint es, ja einigermaßen
wahrscheinlich, daß die Selbstverbrennung des
Herakles auf dem Oeta durch orientalische, assy-
rische oder phönikische Vorbilder beeinflußt sein
dürfte.*) In Tarsos soll alljährlich die Selbst-
verbrennung des assyrischen Herakles gefeiert
worden sein durch Errichtung und Verbrennung
eines Scheiterhaufens mit seinem Bilde, ,ein Fest
der Wiederkehr und Auferstehung der Sonne
aus dem Tode und der Finsternis des Winters,
welches vermutlich auch in dem alten Sardes be-
2'ausren wurde'. ^) Eine ähnliclie Feier scheint die
Pyra zu Hierapolis am Frühlingsanfang gewesen
zu sein. Der phönikische Herakles (Melkart), der
mit dem assyrischen nahe verwandt war und vor-
nehmlich in Tyros verehrt wurde, hatte sein Fest
der Auferweckung um die Zeit des kürzesten
Tages, und auch dieses wurde mit einer Pyra,
einem großen Feuer oder Scheiterhaufen, began-
gen.^) Es liegt auf der Hand, daß es sich hier
um alte Sonnenfeste, Feste der Sonnenerneuerung
handelt. Dafür sprechen schon die Termine der-
selben, wie auch der weitverbreitete Glaube an
eine alljährliche Erneuerung der Sonne, der sich
bei vielen Naturvölkern findet, aber auch den
alten Ariern nicht gefehlt hat. Mit Recht hat
schon Preller diese vorderasiatischen, wesentlich
semitischen Pyrafeste unsern Weihnachts-, Oster=
und Johannisfeuern verglichen. Die einen wie
die andern sind unzweifelhaft uralte Sonnenfeuer-
feste, die gewiß weder die Arier von den Semi-
ten, noch die Semiten von den Ariern entlehnt
haben. Sie gehören zu jener primitiven Schicht
religiöser oder magisch-kultlicher Bräuche, die
sich ebenso wie Steinbeile und Feuer.steinpfeilspitzen
über den größten Teil der Erde verbreitet linden.
') Vgl. Preller, a. a. O. II i>. '217 f.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 166.
') Vgl. Preller, a. a. O. II p. 166. 167.
3) Vgl. Preller, a. a. (). II p. ilO. ->20.
*) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 166—168.
'•■) Vgl. Preller, a. a. O. II p. 167.
106
IV. Abhaxdluxg : Leopold v. Scheoedee.
Wenn ich es derauacli für wahrscheinlich
halte, daß in diesem Punkte die griechische Hera-
klessage vom Orient her. durch die erwähnten
Vorbilder, beeinflußt sein möchte, so fühle ich mich
zu dieser Annahme durch den Umstand bewogen,
daß Herakles meines Erachtens von Hause aus
kein Sonnengott, sondern vielmehr ein Gewitter-
riese war, wie Indra und wie der nordische Thorr.
Bei diesen gab es keine Selbstverbrennung und
konnte auch keine geben. Um einen altarischen
Heraklesmythus kann es sich daher, wie ich
glaube, in diesem Falle nicht handeln. Wir sahen
aber andrerseits deutlich genug, wie der große
Gewitterriese als Helfer und Erretter der Sonne
in Griechenland mehr und mehr zum Sonnen-
helden wird, ein Charakter, der sich bei ihm aus
dem Grunde immer ausschließlicher ausprägt,
weil ihm auf griechischem Boden jene Entwick-
lung zum großen Gewittergotte versagt bleibt, die
Indra und Thorr bei Indern und Germanen er-
leben durfte. Die große Gestalt des Gewitterers
Zeus stand ihm im Wege. Je mehr aber Hera-
kles speziell als Sonnenheld empfunden wurde,
um so leichter konnte er mit eigentlichen Sonnen-
göttern konfundiert werden. So auch mit jenen
des semitischen Vorderasiens, von denen wir soeben
geredet, deren Selbstverbrennung und darauf fol-
gende glorreiche Erneuerung die Feste mit der
Pyra zur Zeit der Sonnenwende oder zu Anfang
des Frühlings feierten. Diese Feste waren an
sich nicht etwas, was niciit auch bei den Ariern
seine Analogie gefunden hätte, nur die Verschmel-
zung ilires Helden mit dem Herakles der Grie-
chen möchte icli für eine jüngere Entwicklung
halten, die erst durch die Berührung von Orient
und Okzident eintrat.
So mag noch manches andre Element der
griechischen Heraklessage orientalischen, respek-
tive semitischen Ursprungs sein, die große Gestalt
des riesischen Helden und Gottes, wie auch die
überwiegende Mehrzahl der von ihm erzählten
Mythen und Sagen, sind dennocli unzweifelhaft
urarischen Ursprungs.
Herakles und Indra.
107
Schlußbetrachtung,
Zum Schluß doch uoch ein paar Worte von
der Naturbedeutung der Kämpfe und Heldentaten,
die uns von Herakles, Indra und Thorr herichtet
werden.
Bei Indra tritt dieselbe am deutlichsten her-
A'or. Licht und Wasser, Sonne und Regen ge-
winnt er durch seine siegreichen Kämpfe, der
Welt, den Menschen, den Ariern insbesondere.
Immer wieder schleudert er den Donnerkeil, seinen
A'ajra. Das kann nur ein Gewittergott tun. Aber
er löst auch — das scheint doch deutlich —
winterlich gefesselte, d. i. gefrorene Flüsse aus
ihrem Bann und erscheint somit als befreiender
Frühlingsgott. Er gewinnt ebenso gewiß im Hel-
denkampfe den himmlischen Soma, den köstlichen
Rauschtrank, der — wie wir durch Hillebrandt
wissen — eins . ist mit dem Monde, dem unauf-
liörlich neu sich füllenden Lichtgefäß droben in
den himmlischen Höhen. Lichtstrahlen und Wasser-
ströme, diese beiden Hauptfaktoren, die. die Vege-
tation wachsen und dadurch alles Leben auf Er-
den gedeihen lassen. — auch das tierische, das
von dem jjflanzlichen abhängt — , sie werden beide
im Bilde von Kühen, rötlichen Rinderherden ge-
dacht, die der göttliche Held erbeutet, dämoni-
schen Feinden abgewinnt. Schimmernde Kühe,
deren Euter reichlich Milch gibt — der Haupt-
besitz des Ariers, Stolz und Freude des vedischen
luders — , sie waren wohl dazu geeignet, das
Doppelhild für Licht und Wasser, die Leben und
Fruchtbarkeit weckenden Segensmächte abzu-
srebeu. Doch wo 2,-ewinnt der Held diese Kühe?
Kein Zweifel, daß er im Gewittersturm, wenn
der Donnerkeil fällt, den Regen, die himmlischen
Flüsse erbeutet, — den himmlischen Met, nach
dem allein die Pflanzenwelt, die^ ausgetrocknete
Erde dürstet. Daß damit zugleich auch die Sonne
wieder erscheint, wie neu erbeutet, kann mau
sich allenfalls noch gefallen lassen, obwohl ihre
kurze Verdunkelung und Entrückung durch Ge-
witterwolken wohl von keinem Menschen und
Volk als schwerer Verlust und gefährliches Übel
empfunden wird. Sichtlich neu wird nach ur-
altem Glauben vieler Völker, und so auch der
Arier, die Sonne im Frühling gewonnen, ja
neu erzeugt, — das siegende Licht, die junge
Sonne, die bald ihr Hochzeitsfest feiern soll. Und
wenn dann Strom und Bäche vom Eise befreit
sind, wenn es — insbesondre in nördlicheren Ge-
Denkscliiiften der phil.-hist. Kl. 58. lU. 4. Abh.
genden, der alten Heimat der Arier — zur Zeit
der Schneeschmelze überall rieselt und fließt, dann
ist offenbar auch die andre große Lebensmacht,
das Wasser,' neu gewonnen, neu belebt. Weniger
deutlich ist es, waruni der Gewittergott solches
Werk vollbracht haben soll, der keineswegs er-
sichtlich den Frühling bringt. Richten wir end-
lich den Blick auf den Wandel des Mondes, in
dem neuere Theorien alle die altberühmten Dra-
chenkämpfe wieder entdeckt, wieder erschaut zu
haben glauben, als Kämpfe des Lichtmondes mit
dem Dunkelmonde, dann fällt es in die Augen,
daß hier ein ganz passender Stall jener mythischen
Rinder sich bietet, die zugleich als Lichtstrahlen
und als Wasserwogen sich darstellen. Denn wir
wissen ja jetzt, daß nach altem Glauben der
Mond nicht nur Lichterscheinung, sondern zu-
gleich Behälter eines wunderbaren himmlischen
Tranks, ja Herr über alles himmlische Naß,
Herr und Urquell der Wolken und des Regens
ist. Das Bild der himmlischen Kühe, die Licht
und Wasser zugleich sind, versteht man am besten,
wenn man an den Mond denkt, der zugleich Licht
und Wasser von sich ausgehen läßt, Wolkenwasser,
die aus dem wunderbar leuchtenden Gefäß des
himmlischen Soma hervorquellen. Aber hier er-
scheint wieder • aus andern Gründen nicht alles
ausreichend. Sonne, Sonnenlicht, Morgenröte, die
Indra zweifellos gewinnt, kann er nicht im Monde
erbeuten: nur das Mondlicht, — also ein andres,
wenn auch mildes und schönes, doch für Leben
und Fruchtbarkeit nicht ebenso wichtiges Licht.
Ebensowenig gewahren wir in den langsam sich
entwickelnden Mondphasen etwas von der gewalti-
gen dramatischen Aktion, die uns die Lieder von
Indra vorführend Auch der Sonnenaufgang, wenn
auch rascher sich vollziehend und gewiß als ein
Sieg des Lichts über die Finsternis sich dar-
stellend, kann sich an dramatischer Kraft mit
dem Gewittervorgang nicht messen, ganz abgesehen
davon, daß bei ihm doch nur von Gewinnung
der Sonne, der JMorgenröte sich reden läßt; nicht
zugleich von Erbeutung der lebenschaffenden
Wasser, denn Tau und Nebel wäre wiederum un-
zureichend als renlos Substrat jener mythischen
Wasser.
In dunklem Hintergrunde mögen noch ältere
Mythen stehen, die sich den Himmel als steinerne
Wölbung dachten, wo der Gott erst durch Zer-
108
IV. Abhandlung: Leopold v. Scheoeder.
trümmeni des steiuerueu Himmels die Wasser uud
das Licht gewann.^)
Überall fehlt etwas, nirgends will alles in den
Naturvorgängen ganz zu den mythischen Bildern
stimmen, die uns die vedischen Lieder, die Mythen
und Sagen von ludra vorführen.
Die Mondraythologen, die für andre Vor-
ffänsre in der Natur ungefähr ebenso blind sind
wie eine frühere Generation von Sonnenmytholo-
gen und Gewittermythologen für die bedeutsamen
Erscheinungen, die der Wandel des Mondlichtes
dem Betrachter darbietet, — die Mondmythologen
halten diese letzteren Erscheinungen für den Aus-
gangspunkt aller jener Mythen und geben höchstens
eine spätere Übertragung auf Sonne und Morgen-
röte zu. Das mag in einzelnen Fällen zutreffend
sein. Aber ich kann mich durchaus nicht davon
überzeugen, daß die so kraftvoll ausgeprägten,
dramatisch geschilderten Kämpfe des Indra mit
seinen dämonischen Gegnern sich befriedigend
erklären, wenn man den stumm dahinwandelnden
Mond mit seinem geräuschlos und langsam sich
vollziehenden Phasenwechsel als das vollwertige
natürliche Substrat derselben ansieht. Damit aber
will ich auch nicht der alten Anschauung das
Wort reden, die in Indras Gegnern immer nur Wol-
kendämone, in Wolkenburgen verschanzt, er-
blicken wollte.
Gerade der Umstand, daß keine der er-
wähnten Naturerscheinungen zur Erklärung der
Mythen ganz ausreicht, jede aber wiederum eini-
germaßen zu passen scheint und bei einiger Ge-
waltsamkeit für die Deutung benützt werden kann,
so daß wir einerseits zu viel Möglichkeiten der
Deutung und doch andrerseits keine allseitig be-
friedigende Deutung gewinnen, scheint mir auf
eine andre Art der Erklärung hinzuführen.
Kämjjfe mancher Art beobachteten unsere
Vorfahren in der Natur. Der gewaltigste Kampf,
das gewaltigste Drama schien sich im Gewitter
abzuspielen. Der Regenguß war sein wohltätiger
Abschluß, dem das Wiedererscheinen der Sonne
folgte. Aber auch Licht und Finsternis rangen
miteinander, Tag und Nacht, sommerliche Wärme
mit winterlicher Kälte und Erstarrung, — Leben
und Tod. Im Frühling gab es einen gewaltigen
Sieg der Mächte des Lichts und des Lebens über
ihre bösen Gegner.
Sinnende Gemüter, Philosophen und Dichter
der Urzeit aber mocliten wohl in der Stille der
Nacht den Mond beobachten, den stillen, sich
immer wiederholenden Kampf des Lichten mit
dem Dunkeln; sie mochten die Tage und Nächte
zählen und von dem immer erneuten Raube und
der AViedergewinnung des himmlischen Lichts und
des himmlischen Rauschtranks fabeln. Vom Monde
ausgehend und von ihm abhängig dachte man
sich die Wasser des Himmels, die Wolken, und
diese strömten infolge des Gewitterkampfes be-
fruchtend zur Erde. Ln Frühlino- aber e^ab es
o o
wieder eine große Neugewiunung des Lichtes
und Wassers, der Sonne und der vom winter-
lichen Frost gebannten, gefi-orenen Flüsse und
Bäche.
Von alledem mociite viel geredet und ge-
fabelt werden; aus alledem mochte schließlich eine
ganze Reihe von Erzählungen sich entwickeln,
von einem großen und starken riesischen oder
göttlichen Helden, der immer wieder und wieder,
zu Nutz uud Frommen der Menschen, die bösen
Mächte der Finsternis, der Dürre, der Kälte und
des Frostes siegreich bekämpfte und Licht, Him-
melslicht, Sonne, Morgenröte, die befruchtenden
Wasser wieder gewann und den Menschen schenkte,
nachdem er sie aus der Gewalt der verschiedensten
dämonischen Gegner befreit.
Die verschiedenen Naturerscheinungen, mit-
einander verschmolzen, mochten wohl die Grund-
lage eines großen Erzählungszyklus bilden von
jenem wunderbaren streitbaren Helden, der bei
den Lidern dann den Namen Indra trug und in
immer neuem Kampfe Licht und Wasser eroberte.
LTnd alle jene Erscheinungen der Natur steuerten
in ihrer Weise zu dem großen Zyklus der
Heldentaten bei, jede mit den für sie cha-
rakteristischen Zügen. Der Gewitterkampf bot
das eindrucksvollste Drama, mit dunklen, phan-
tastisch sich aufbauenden Burgen (den Wetter-
wolken), mit Getöse und Gebrüll der Kämpfenden,
mit Donnerkeilschleudern und dem Niederrinnen
der befreiten befruchtenden Wasser. Der Kampf
von Tag und Nacht bot die rötlichen Kühe der
Morgenwolken, bot Morgenröte und junge Sonne,
die dann wiederum mit erhöhter Bedeutung im
Frühlingsanfang, der mit Jahresanfang zusammen-
fiel, als die neugeborene junge Sonne, die IMorgen-
röte des jungen Jahres sich darstellte. Nun aber
gedacht als neu gewonnen und glücklich befreit
aus den schlimmen Fesseln und Banden der win-
terlichen Mächte des Dunkels und der Kälte, die
') Vgl. die wertvolle Abhandlung von H. Reichelt, Der steinerne Himmel, Indogermanische Forschungen, Bd. XXXII,
Heft 1 und 2, S. 23—57 (Jahrgang 1913).
Herakles und I:^dka.
109
gleichzeitig auch gezwungen wurden, die von
ihnen gefangenen, durcli Frost gebannten und ge-
fesselten Wasser wieder frei zu gehen. Das Drama
des Kampfes von Lichtmond und Dunkelmond
aber steuerte außer der organischen Verbindung
von Himmelslicht und Himmelswasser auch noch
den rechten himmlischen Rauschtrank bei, der im
Monde gedacht ward und den sich der Gott dort
erbeuten mochte, als würdigen, sein Herz erfreuen-
den Trank, da die Regenwasser wohl der Erde
und den Pflanzen, doch kaum dem streitbaren
Helden behagen konnten. Das Monddrama steuerte
weiter jene mannigfachen Zahlenreihen l)ei, die
aus seiner Beohachtung gewonnen und in man-
cherlei Form in der Erzählung verwertet wurden,
— ein Hauptbeweis dafür, daß tatsächUch der
Mond und seine Phasen eine so grundlegend
wichtige Rolle in der Entstehung und Entwick-
lung des Mythus gespielt hahen.
Je mehr nun aher im Laufe der Zeit die
einzelnen Züge aus den verschiedenen Gebieten
der Natur und der in ihr beobachteten Kampf-
vorsäne-e miteinander verschmolzen, je mehr sie
zu einer Einheit zusammenwuchsen, um so mehr
mußten sie sich von ihrer natürlichen Grundlage
entfernen, denn in solcher Weise vereinigt, fand
sich das nirgends in der Natur. Freies Spiel der
dichterischen Phantasie tat wohl auch noch das
Seinige hinzu, und das Ergebnis war endlich ein
großer Zyklus von mehr oder weniger dramati-
schen Erzählungen, die in allen möghchen Zügen
auf die Naturvorgänge hindeuteten, aus ihnen er-
wachsen und aufgebaut waren, die aber in toto
doch nirgends in der Natur sich entsprechend
finden ließen, — so wenig man Ilias und Odyssee
in der Natur wiederfinden kann, wenn es auch
wahrscheinlich genug ist, daß auch das Gerüst
dieser großen Epen, zum mindesten wichtige Be-
standteile derselben auf alte Naturmythen zurück-
gehen und aus solchen in langer und folgenreicher
Entwicklung erwachsen sind, — neugeboren aus
dem Geiste begnadeter Dichter.
Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen,
daß die Mythen und Sagen von Herakles sich
bedeutend mehr noch von den zugrunde liegen-
den Naturvorgängen entfernt und von ihnen frei
gemacht, sich über sie erhoben haben, als dies
bei Indra der Fall ist. Thorr dürfte in dieser
Beziehung zwischen Lidra und Herakles stehen.
Auf jeden Fall sind die Naturvorgänge bei Indra
noch viel deutlicher erkennbar als bei den beiden
andern Göttern, daher bei der Vergleichung von
ihm ein sehr wertvolles Licht ausgeht.
Diese hier als Schlußhetrachtung gebotenen
Gedanken können nicht mehr sein als eine Au-
die weiter verfolgt werden sollte. Im
zufrieden, wenn es mir gelungen
ist, durch die vorausgehenden Vergleichungen
den Leser davou zu überzeugen, daß Indra und
Herakles zweifellos zusammengehören, urver-
wandte Göttergestalten sind, die nicht voneinan-
der getrennt werden können.
regung,
ührigen bin ich
4*
INHALT.
Seite
Vorbemerkung 3
Herakles 5
Verhältnis des Herakles zu Hera 5
Verhältnis des Herakles zu Athene, Hermes, Apollon 6
Persönliche Züge 14
Indra und Vishnu 20
Die Taten des Herakles 23
Die Arbeiten im Dienste des Eurystheus. Der nemeische Löwe 26
Die lernäische Hydra 32
Der erymanthische Eber und die Kentaurenschlacht au£ der Pholoe 39
Der Augeiasstall und die Wasserleitung 48
Geryones und seine Rinder 57
Die Apfel der Hesperiden und Atlas 67
Kerberos 85
Herakles und Troja 91
Kyknos-^ushna 100
Periklymenos-Vamra 100
Phallische Wesen oder Phallusverehrer (Qi(?nadeva-Kerkopen) 103
Herakles und Omphale 104
Orientalische Elemente der Heraklessage 104
Schlußbetrachtung 107
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AS Akademie der Wissenschaften,
1^2 Vienna. Philo sophisch-
A5 Historische Klasse
Bd. 58 Denkschriften | j2_
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